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Full text of "Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters, oder, Entstehung und Entwicklung der kirchlichen Ornate und Paramente : in Rücksicht auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und rituelle Bedeutung nachgewiesen"

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SEMINARic  HAAREN 
THEOLOniCUM 

U.  3 

H 

GESCHICHTE 


der  V. 

litnrgisclion  Gewänder  des  Mittelalters 

oder  , 

Entstehung  nnd  Entwicklung 

der 

k  i  r  ch  1  i  eil  e  11  Ornate  und  P  a  r  a  m  e  n  t  e 

in  Rücksiclit  auf  Stoff,  Gewebe,  Farbe,  Zeichnung,  Schnitt  und 
rituelle  Bedeutung  nachgewiesen 

«  und 

b  II  r  d)  5  a  f)  1'  r  c  i  d)  (  31  B  l'  i  l'  u  ii  (\  ( ii  c  r  1  iiit  t  f  r  t 


Canonicus      FR.  BOCK, 


Päpatiicheiu  Cxeli ei m -Kämmerer, 
Ritter  d08  Ordens  der  eisernen  Krone,  des  Guelplien-OrdeoB,  des  Kronen-Ordens  III.  CI  und  des  KÖuigl. 
Spanischen  Ordens  Carl's  III.  von  der  unbefleckten  Empfängniss,  Mitglied  der  KUnigl.  Cunimission  zur  Er- 
haltang  der  Kunstdenkmäler  in  Prensscn,  Mitglied  des  Oelelirten-Äusschusses  des  germanischen  Museums  zu 
Nürnberg,  Ehren-Mitglied  des  Diücesau-Kunst-Vereins  zu  Paderborn,  Mitglied  des  Altertlmms-Vereins  zu  Wien, 
des  hifltorisclien  Vereins  von  Steiermark  zu  Oratz  und  dos  Iiislor.-avcbäolog.  Vereins  zu  Trier,  Ehren-Mitglied 
des  archäolog.  Instituts  von  Orossbritanien  und  Irland,  Correspondent  des  K.  K.  Museums  für  Kunst  und  In- 
dustrie in  Wien  etc.  etc. 

Mit   einem  Vorworte 


Dr.  Georg  Müller, 

liischof  von  Münster. 


ZWEITER  BAND. 


Bonn, 

Verlag  von  Max  Cohen  &  Sohn. 

MDüOGLXVI. 


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IMPRIMATUR. 


COLONl^,  6.  Aprilis  186ß. 


VIC.  ARCH.  IN  SPIK  GEN. 

Dr.  BAUDRI. 

EP18C.  ARETH.  I.  r. 
DEC.  ECCI-  METR. 
ET  PR^L.  DOII.  PONT.  SOL.  ASS. 


Die  Uebersetzung  in  fremde  Sprachen  wird  vurbehalten. 


Druck  vun  C.  II.  Qeorgi  In  Aacbeo- 


f,r. 


INHALTS-VERZEICHNISS. 

Capitel  V. 

Form,  Eniwickrluiig  und  kOnslIertsehe  GestaHiing  der  blschüflirben  Pnntifiral-Ornate 
in  den  verschiedenen  ZeitabsciiniUeu  des  lUidelaKers.    Seite  1—236. 


Seite 


1.  Die  Pontiflcal- Strümpfe, 

„tibialia,  caligae^'   2 

Kirchliche  Vorschrift  über  das 
Tragen  der  liturgischen  Ge- 
wänder; Kleidung  des  Bischofs 
ausserhalb  der  Kirche     ...  3 

Faltenreiches  Untergewand  des 
Bischofs  3 

Die  bischöflichen  Strümj^fe  seit 
Gregor  d.  Gr.  bis  auf  Gregor  VII.  4 

Seidene  Pontifical  -  Strümpfe  seit 
dem  XII.  Jahrh  6 

Die  kaiserl.  Tibialien  im  Schatz 
zu  Wien  7 

Die  Pontifical-Strümpfe  vom  XIII. 
bis  XV.  Jahrh   8 

2.  Die  Sandalen  .,sandalia,  cal- 

ceamenta,  soccuJi'^  10 

Veränderung  in  der  Fussbeklei- 
dung seit  Gregor  d.  Gr.  ...  11 

Verschiedenheit  der  fränkischen 
und  römischen  Sandalen ...    1 1 

Die  Fussbekloidung  bei  den  alten 
ßömern  und  in  der  Kaiserzeit  11 

Die  Römischen  Pontificalsandalen 
zur  Zeit  der  Karolinger  u.  der 
Ottonen  12 

Die  ältesten,  noch  erhaltenen  San- 
dalen im  Kloster  zu  Altaich    .  13 

Die  kaiserlichen  Sandalen  im 
Schatz  zu  Wien  13 

Sandalen  des  Erzb.  Arnold  v.  Trier 
aus  der  2.  Hälfte  des  XII.  Jahrh.    1 4 

Die  Sandalen  im  XII.  und  XIII. 
Jahrh  15 

Die  Sandalen  im  XIV.  und  XV. 
Jahrh  16 

Päpstliche  Sandalen  17 

Die  bischöflichen  Sandalen  seit 
der  Renaissance  18 


Seite 

3.  Das  Schultertuch  ,.amictus, 


.•iuperliunierah"  19 

Das  Humerale  in  der  fi'ühchrist- 

lichen  Zeit  19 

Das  Humerale  bis  zum  X.  Jahrh.  2ü 
Das  Humerale  seit  dem  XI.  Jahrh.  20 
Verzeichniss  von  Humeralien  aus 

verschiedenen  Inventarien  .  .  21 
Das  Humerale  vom  XII.  bis  XVII. 

Jahrh  24 

Veränderung  des  Humerale  seit 

dem  XVI.  und  XVII.  Jahrh.  .  26 
Noch  erhaltene  Humeralien  aus 

dem  XIV.  bis  XVII.  Jahrh.  .  27 
Ausdehnung  des  Humerale  ...  27 
Kirchliche  Verordnungen  darüber  28 
Anlegungsweise  des  Humerale  .  29 
4.DieAlbe  „alba,camisia,  poderis^'  31 
Die  verschiedenen  Benennungen  32 

Farbe  und  Stoff  33 

Seidene  Alben  nach  dem'  X.  Jahrh.  33 

Schnitt  derselben  34 

Beschreibung  einer  noch  erhalte- 
nen Albe  aus  dem  Schluss  des 

XIV.  Jahrh  35 

Künstlerische  Ausstattung  der  Albe  36 
Die  reichere  Albe,  alba  paraia    .  37 
Eine  kunstreich  gestickte  Albe 
♦    ehemals  auf  Monte  Cassino,  Ge- 
schenk der  Kaiserin  Agnes .    .  37 
Beschreibung  einer  Albe  im  Dom 

zu  Freising  aus  dem'' XI.  Jahrh.  38 
Die  Albe  im  XII.  Jahrh.    ...  39 
Kostbare  Albe  des  Normannen- 
Königs    Wilhelm    II.    in  der 
Schatzkammer  zu  Wien  ...  40 
Verzeichniss  von  Alben  aus  meh- 
reren Inventarien  des  XII.  und 

XIII.  Jahrh  42 

Alben  aus  dem  XIV.  Jahrh.  .    .  43 


IV 


Seite 


Die  Albe  im  XV.  Jahrli.    ...  45 

Bedeutung  der  ornamentalen  Be- 
satzstücke an  der  Albe  ...  46 

Beschreibung  einer  noch  erhalte- 
nen reichen  Albe  aus  dem 
SchluRS  des  XV.  Jahrh.  ...  47 

Veränderung  in  der  ornamentalen 
Ausstattung  der  Albe  seit  dem 
XVI.  Jahrh  48 

Noch  erhaltene  Alben  dieser  Pe- 
riode  49 

Geschmacklosigkeit  der  beiden 
letzten  Jalu'hunderte   ....  50 

5.  Der  Gürtel,  „halthenx,  zona, 
citigulum"  50 

Der  Gürtel  im  VIII.  und  IX.  Jahrh.  5 1 
Kaiserlicher  Gürtel  aus  d.  X.  Jahrh.  52 
Kostbarer  Kaisergürtel  unter  den 

deutschen  Reichskleinodien .    .  54 
Noch  ein  anderes  cimjulum  imperiale  55 
Gürtel  der  h.  Elisabeth  .    .    .    .  5G 
Die    verschiedenen  Namen  des 
Gürtels  im  Mittelalter  und  ihre 

Unterscheidungen  57 

Verzeichniss  von  Gürteln  aus  äl- 
teren Inventar  ien  58 

Ein  Gürtel  aus  der  letzten  Hälfte 

des  XV.  Jahrh  59 

Ein  reich  gewirkter  Gürtel  aus 

dem  XYI.  Jahrh  60 

Die  einf.  Gürtel  des  Mittelalters  61 
Veränderung  der  Gürtel  seit  dem 

XVI.  Jahrh.  61 

Länge  und  Anlegungsweise  des 
Gürtels  6J 

6.  Stola  und.  Manipel  „ora- 

riuni,  stola;    mappula,  maniptila, 

phanon'''  62 

Ursprung  der  Stola  63 

Künstlerische    Ausstattung  der 

Stola  vom  VI.  bis  XII.  Jahrh.  64 
Stole  und  Manipel  des  h.  Anno  .  66 
Eine  andere  Stole  aus  dem  XI. 

Jahrh  67 

Eine  dritte  aus  dem  XII.  Jahrh.  68 
Stole  des  h.  Bernhard  in  der  Lieb- 
frauenkirche zu  Trier ....  68 
Drei  alte  Stolen  zu  Andechs  bei 
München  69 


Seite 


Stole  und  Manipel  griechischer 
Arbeit  im  Münster  zu  Aachen  70 

Ein  Seitenstück  dazu  im  Dom  zu 
Kaschau  70 

Verzeichniss  von  Stolen  aus  In- 
ventaricn  des  XL,  XII.  u.  XIII. 
Jahrh  71 

Die  Stole  in  der  gothischen  Kunst- 
epoche ein  integrirender  Theil 
des  Messgewaudes  72 

Stolen  zu  Danzig  und  zu  Halber- 
stadt aus  d.  XIII.  bis  XVI.  Jahrh.  73 

Beschreibung  einer  reich  gestick- 
ten Stole  des  XIV.  Jahrh.  .    .  74 

Prachtvolle  Kaiserstole  aus  dem 
XJV.  Jahrh.  in  der  Schatzkam- 
mer zu  Wien  74 

Die  Stole  im  XIV.  und  XV.  Jahrh.  76 

Die  Stole  vom  XV.-XVIII.  Jahi-h.  77 

Ursprung  und  Form  des  Manipels 
vom  VIII.  bis  XIIL  Jahrh.     .  79 

Beschreibung  eines  bischöflichen 
Manipels  aus  dem  XII.  Jahrli.  80 

Anlegung  des  Manipels  ....  81 

Länge  und  Farbe  desselben   .    .  82 

Bemerkung  für  Maler  und  Bild- 
hauer betreffs  des  Manipels    .  83 

7.  Die  Diakonatsgewänder, 

„dalmatica,  funicella''  83 

Warum  der  Bischof  in  pontificali- 

bus  auch  diese  Gewänder  trägt  83 
Seit  wann  dieser  Gebrauch  datirt  84 
Zwei  verschiedene  Dalmatiken  und 

ihre  Benennungen  85 

Farbe  dieser  Gewänder  in  dem 

frühen  Mittelalter  85 

Unterschiede  der  Dalmatik  von 

der  Tunicelle  86 


Die  Dalmatik  auf  bildlichen  Dar- 
stellungen bis  zum  XII.  Jahrh.  88 

Noch  erhaltene  Dalmatik  im 
Schatze  von  St.  Ambrosius  zu 
Mailand  aus  dem  XI.  Jahrh.  .  88 

Beschreibung  zweier  reichen  Dia- 
konatsgewänder im  Dom  zu 
Halberstadt  aus  dem  XII.  Jahrh.  88 

Dalmatik  auf  einer  Tempera- 
Malerei  in  St.  Gereon  zu  Cöln 
aus  dem  XIII.  Jahrh.     ...  89 


V 


Seite 

Diakonatsgewäüder  an  Statuen 
der  Dome  zu  Cliartres  und 
Rheims  90 

Die  Diakonatsgewändcr  im  XIV. 
Jahrli  91 

Verschiedenheit  in  der  Ausstattung 
der  italienischen  Dalmatiken 
von  den  deutschen  und  fran- 
zösichen  92 

Die  s.  g.  dalmalica  Leonis  III.  zu 
Rom  94 

Tmiica  stricla  als  kaiserliches  Un- 
tergewand im  Schatz  zu  VV^ien  95 

Kaiser -Dalmatik  im  Schatz  zu 
Wien  95 

Ausdehnung  der  Diakonenge- 
wänder  96 

Grösse  der  Tunicelle  97 

Veränderungen  an  der  Dalmatik 
seit  dem  Ausgang  des  XV.  Jahrh.  98 

Beschreibung  einer  Dalmatik  aus 
der  zweiten  Hälfte  des  XV. 
Jahrh  99 

Weitere  Veränderungen  und  Ver- 
einfachung der  bischöfl.  Dia- 
konengewänder seit  dem  XVI. 
Jahrh.    .   100 

8.  Das  Messgewand, 

planela,  casula"  101 

Stoff,  Farbe  und  Musterung  der 

Casel  vom  VIII.  bis  XI.  Jahrh  102 
Die  Textur  des  Stoffes  .  .  .  .10-1 
Beschaffenheit  der  Musterungen  .  1 05 
Künstleriche  Ausschmückung  der 

Casel  105 

Technische  Ausdrücke  für  die  ge- 
stickten Theile  106 

Gestalt  und  Entwickelung  der  ver- 
zierenden Bandstreifen  im  IX., 

X.  und  XI.  Jahrh  106 

Ursprung    des   Caselkreuzes  im 

XI.  Jahrh  1((7 

Die  Casel  seit  dem  XII.  Jahrh.  .  108 
Noch  erhaltene  Caseln  der  roma- 
nischen Kunstepoche  .        .  .109 

Beschreibung  zweier  hervorragen- 
den Caseln  des  XII.  Jahrh.     .  110 

Einfachei'e  Gewänder  derselben 
Epoche  III 


Seite 

Noch  erhaltene  Caseln  mit  frei 
gestickten  Laub  Ornamenten  auf 
glattem  Stoffe  112 

Erklärung  des  gestickten  Baumes 
auf  Caseln  dieser  Art.    .    .    .  113 

Angaben  ältererSchriftsteller  über 
reiche  Messgewänder  ihrer 
Zeit  114 

Pallium  S.  Ihnrici  im  Schatz  zu 
Bamberg  114 

Casel  der  Königin  Gisela  im 
Schatz  zu  Ofen  115 

Berichte  von  Schriftstellern  des 
X.  und  XI.  Jahrli.  über  reiche 
Caseln  IIG 

Dessgleichen  aus  dem  XII.  Jahrh.  117 

Hoher  Aufschwung  in  der  Orna- 
mentation  der  Casel  seit  dem 
XIII.  Jahrh  117 

Angaben  des  Schatzverzeichnisses 
von  Anagni  118 

Dessgleichen  von  St.  Paul  in  Lon- 
don, Schluss  des  XIII.  Jahrh.  119 

Die  Casel  im  XIV.  u.  XV.  Jahrh. 
nach  Angaben 

a.  des  Schatzverzeichnisses  von 

St.  Veit  in  Prag  (1387)  .    .  .120 

b.  des  Schatzverzeichnisses  des 
Domes  von  Olmütz  (1435)    .  .122 

Die  Casel  seit  Schluss  des  XV.  Jahrh.  123 

Angaben  eines  Nürnberger  In- 
ventars des  XVI.  Jahrh.  .    .  .124 

Veränderungen  in  der  Casel- 
Stickerei  124 

Abweichende  Gestaltung  des 
Kreuzes  in  Italien  und  Frank- 
reich  125 

Später  aucli  in  den  nördlichen 
Ländern  126 

Ursache  dieser  Veränderung  .  .126 

Doch  erhält  sich  auch  die  alte 
Kreuzforra  noch  bis  in's  XVI. 
Jahrb.,  namentlich  in  Deutsch- 
land  127 

Beschreibung  einer  solchenPracht- 
CaselderPfarrkirche  zu  Erkelenz  128 

Beschreibung  einer  reichen  Casel 
im  Schatz  zu  Wien  aus  der  Mitte 
des  XV.  Jahrh  128 


VI 


Seite 


9.  Die  Pontiflcalliandscliulie, 

„chirothecae,  manicae^^    .    .    .  .131 

Anlegung  der  Handschuhe  in  der 
Reihenfolge  der  bischöflichen 
Ornate  131 

Symbolische  Bedeutung  derselben 
(Autoren  über)  132 

Die  Handschuhe  im  apostolischen 
Zeitalter  nicht  im  Gebrauch  .  132 

Bemerkungen  über  ihren  Ge- 
brauch in  der  classischen 
Epoche  132 

Allgemeiner  Gebrauch  der  Hand- 
schuhe im  Norden  seit  dem  VII. 
Jahrb.;  ihre  Benennung  .    .  .133 

Liturgischer  Gebrauch  bei  den 
Bischöfen  Gallien's  seit  dem 
VI.  Jahrh  133 

Zeugnis»  für  den  liturgischen  Ge- 
brauch aus  dem  VIII.  Jahrh.  .  134 

Dessgleichen  aus  dem  X.  Jahrh.  134 

Urban  II.  gestattet  dem  Abt  Hugo 
von  Cluny  das  Tragen  der  Hand- 
schuhe und  der  übrigen  bischöf- 
lichen Ornate  134 

Gleiche  Auszeichnung  der  Aebte 
von  Monte  Cassino  134 

Gebete  bei  der  Anlegung  der 
Handschuhe  134 

Die  bischöflichen  Handschuhe  seit 
dem  XI.  Jahrh  135 

Stoff,  Anfertigung  und  Verzierung 
der  bischöflichen  Handschuhe 
im  XI.  vmd  XII.  Jahrh.  .    .  .135 

Handschuhe  an  einem  bischöfl. 
Standbild  des  Domes  v.  Chartres  136 

Funeralhandschuhe  Heinrich's  VI.  137 

Beschreibung  der  Kaiserhand- 
schuhe im  Schatz  zu  Wien  .    .  137 

Noch  erhaltene  Pontificalhand- 
schuhe  aus  dem  XIII.  Jahrh.  .  138 

Die  Handschuhe  nach  Inventarien 
des  XII.  bis  XIV.  Jahrh.    .  .140 

Farbe  der  bischöfl.  Handschuhe.  142 

Vorschrift  des  h.  Karl  Borromäus 
über  die  Farbe  143 

Gebrauch  der  Handschuhe .    .  .143 

Die  bischöfl.  Handschuhe  vom 
XIV.  bis  XVI.  Jahrh  144 


Seite 


Der  Wärmapfel  145 

Beschreibung  von  Pontificalhand- 
schuhen  aus  einem  Schatzver- 
zeichniss  des  XV.  Jahrh.     .  .145 

Gestrickte  oder  gewebte  Hand- 
schuhe seit  dem  XVI.  Jahrh.  .  146 

Noch  erhaltene  Handschuhe  aus 
dem  Schluss  des  XV.  Jahrh.    .  147 

Dessgleichen  aus  dem  XVI.  Jahrh.  '47 

Völlige  Modernisirung  der  bischöfl. 
Handschuhe  im  XVIII.  u.  XIX. 
Jahrh  148 

10.  Die  bischöfliche  Infel, 

„in/ula,  mitra'^  148 

Streitfrage  über  den  Ursprung  der 

Miter  148 

Die  bischöfliche  Kopfbedeckung 
in  den  ersten  christlichen  Jahr- 
hunderten  149 

Die  Gestalt  derselben  151 

Berichte  von  Schriftstellern  des 
IV.  bis VIII.  Jahrh.  über  priester- 
liche und  bischöfliche  coronae  .  151 

Gestalt  dieser  coronae  153 

Votivkronen  von  Guarrazar    .  .153 
Abbildung  einer  Corona  in  einem 
angelsächsischen  Manuscript  des 

X.  Jahrh  154 

Zweck  dieser  bischöfl.  coronae    .  154 
Die  bischöfliche  Kopfbedeckung 
auf  alten  Bildwerken  bis  zum 

X.  Jahrh  155 

Schwanken  in  der  Form  der  bi- 
schöflichen Kopfbedeckung  bis 

zum  XII.  Jahrh  156 

Aelteste  noch   erhaltene  Mitern 

aus  dem  XI.  und  XII.  Jahrh.  .  157 
Die  bischöfliche  Kopfbedeckung 

im  Morgenlande  158 

Die  päpstliche  Tiara  159 

Unterschied  der  Tiara  von  der 

Mitra  160 

Beschreil)ung  päpstlicher  Tiaren 

aus  dem  XII.  Jahrh  161 

Die  päpstliche  Mitra  seit  dem  XI. 
Jahrh.  und  ihr  Einfluss  auf  die 
Gestaltung  der  bischöfl.  Miter  161 
Streben  der  Päpste,  die  Römische 


Miter  durchzuführen  .    ,    .  .163 


VII 


Seite 


Verleihung  der  Römischen  Miter 
an  Bischöfe  als  Auszeichnung  .  163 

Die  Miter  seit  dem  XII.  Jahrb.; 
ihre  Bestandtheile  164 

Unterschied  der  bischöfl.  Miter 
von  der  des  Abtes  165 

Auszeichnung  weltlicher  Fürsten 
durch  Verleihung  des  einer 
Mitra  ähnlichen  pilcus .    .    .  .166 

Gestalt  und  Verzierungsweise  der- 
selben im  XII.  und  XIII.  Jahrh.  166 

Mitra  des  h.  Thomas  von  Canter- 
bury  168 

Mitra  des  h.  Wolfgang  zu  Regens- 
burg  169 

Eine  dritte  aus  der  zweiten  Hälfte 
des  XII.  Jahrh  169 

Herkunft  derselben  170 

Miira  preliosa  aus  dem  Schatz  von 
St.  Peter  in  Salzburg.    .    .  .170 

Mitra  pretiosa  im  Museum  zu 
Beauvais  172 

Miira  pretiosa  von  St.  Zeno  zu 
Verona  173 

Vier  Mitern  im  Domschatz  von 
Anagni,  worunter  eine  mit  ge- 
raalten Stäben  17J 

Verzeichniss  noch  erhaltener  älte- 
ren Mitern  175 

Beschreibung  von  Mitern  aus 
älteren  Schatzverzeichnissen    .  176 

Die  Miter  im  XIV.  Jahrh.  .    .  .178 

Miter  aus  dem  Schatz  des  Domes 
zu  Halberstadt  178 

Kostbare  Miter  im  königl.  Museum 
zu  Dresden  179 

Mitra  ahbatialis  im  Stifte  Admont 
in  Steiermark  179 

Mitern  auf  bildlichen  Darstellun- 
gen des  XIV.  u.  des  XV.  Jahrh.  180 

Die  Miter  im  XV.  Jahrh.  .    .  .181 

Beschreibung  einer  Krakauer 
Miter  aus  dieser  Zeit  ....  182 

Eine  Miter  aus  dem  XIII.  Jahrh. 
im  Schatz  zu  Krakau  .    .    .  .182 

Reichthum  der  Prager  Metropole 
an  Mitern  183 

Verunstaltung  der  Miter  seit  dem 
XVI.  Jahrhundert  183 


Seite 


Zwei  Prachtmitem  dieser  Periode 
im  Dom  zu  Limburg  und  im 
Dom  zu  Gran  184 

Wiederaufleben  des  bessern  Ge- 
schmacks in  der  Neuzeit.    .  .184 

Neuere  Schöpfungen    184 

11.  Das  erzbischöfl.  Pallium  186 
Das  Pallium  in  der  classischon 

Zeit    und    im  Byzantinischen 

Reiche  186 

Das  Pallium  in  der  latein.  Kirche  187 
Urspi'ung  des  liturgischen  Palliums  1 88 
Gestalt  und  Ausschmückuiig  des- 
selben in  den  ersten  cliristlichon 

Jahrhunderten  1S9 

Pallium  des  h.  Gregor  d.  Gr. .  .189 
Pallium  des  Bischofs  Maxiniianus 

auf  dem  Mosaik  von  St.  Vitale  189 
Das  erzbischöfliche  Pallium  seit 

dem  Schluss  des  XI.  Jahrh.  .  190 
Aenderung  in   der  Ausdehnung 

und  Anleguugsweise    ....  190 
Pallien  auf  Grabmälern  .    .    .  .191 
Noch  erhaltene  Pallien  der  hei- 
ligen Erzbischöfe  Willigis  und 

Anno  191 

Literatur  über  die  Pallien  .    .    .  191 
Symbolische  Bedeutung  des  Pal- 
liums   ,    .  192 

Das  Pallium  bis  zum  Schluss  des 

Mittelalters  192 

Verkürzung  desselben  seit  dem 

XVII.  Jahrh  192 

Gewinnung  des  Materials,  Weihe 
der  Pallien  193 

12.  Das  bischöfliche  Batio- 

nale,  „pectorale,  rationale  episco- 
porum'^  194 

Angaben  älterer  Schriftsteller  über 
diesen  Ornat  194 

Bedeutung  und  Gestalt  desselben  195 

Das  rationale  episcoporum  und  das 
Pallium  gallicanum  195 

Rang  des  Rationale  als  besonderer 
Auszeichnung  196 

Welchen  deutschen  Bischöfen  das- 
selbe verliehen  war    .    .    .  .197 

Gestalt  und  Ausstattung  des  Ra- 
tionale  197 


VIII 


Seite 


Beschreibung  eines  der  ältesten 
Rationalien  aus  dem  Domschatz 
zu  Regensburg  197 

Dessgleichen  eines  zweiten  im 
Schatz  zu  Bamberg    .    .    .  .199 

Beschreibung  eines  Rationale  des 
XV.  Jahrh,  aus  dem  Domschatz 
zu  Eichstädt  200 

Rationale  aus  dem  Schluss  des 
XIV.  Jahrh.,  eine  Arbeit  der 
Königin  Hedwig  von  Polen  .    .  202 

Das  Rationale  an  zwei  Standbil- 
dern des  h.  Lambert,  Bischofs 
von  Lüttich  204 

Ein  rationale  diaconale  in  dem 
Schatzverzeichniss  von  St.  Veit 
in  Prag  204 

13.  Die  metalliselien  Insig- 
nien  der  bischöflielien 
Würde. 

a.  Der  Ring  [annulus)  205 

Geschichtliche  Notizen  über  den 

bischöflichen  Ring  bis  zum  VII. 

Jahrhundert  206 

Bedeutung  dieser  Insignie  .  .  .  206 
Annulus  signaiorius  und  a.  episco- 

palis  207 

Verbot  der  Bildwerke  auf  den 

Steinen  der  bischöfl.  Ringe.  .  207 
Ringe  des  h.  Augustinus  und  des 

Bischofs  Agilbert  von  Paris  .  .  208 
Zeugnisse  des  XI.  u.  XII.  Jahrh. 

für  die  Ueberreichung  des  Rin- 
ges bei  der  Bischofsweihe  .  .  208 
Material,  Gestalt  und  Ausstattung 

der  bischöflichen  Ringe  .  .  .  208 
Merkwürdige  Ringe  aus  einem 

Grabe  bei  Kälocsa  209 

Noch  erhaltene  Ringe  aus  dem 

IX.  bis  XIII.  Jahrh  209 

Der  bischöfliche  Ring  vom  XIII. 

bis  XVII.  Jahrh  210 

Ringe  des  XV.  und  XVI.  Jahrh.  211 
Erklärung  des  grossen  Umfanges 

einzelner  alten  Ringe .  .  .  .212 
Warum  sich  an  alten  Bildwerken 

oft  zwei  oder  drei  Ringe  finden  212 
Vorschrift  über  das  Tragen  des 

bischöflichen  Ringes  .    .    .  .212 


Seite 


b.  Das  Brustkreuz  (pectorale)  .  .  213 
Tragen  des  Brustkreuzes  in  den 

ersten  christl.  Jahrhunderten  .  213 
Schon  im  IX.  Jahrh.  als  beson- 
deres Zeichen  der  bischöflichen 

Würde  erwähnt  2i3 

Pectorale  Gregor's  des  Grossen  .  213 
'Eyy.6i.niov  Kaisers  Constantin  .  214 
Königliche  Pectoralkreuze  aus  dem 

IX.  Jahrh  215 

Das  Pectorale  nach  einigen  Schrift- 
stellern des  Mittelalters  dem 

Papste  vorbehalten  216 

Noch  erhaltene  Pectoralien  des 

XIV.  und  XV.  Jahrh  216 

Das  Pectorale  seit  dem  Schluss 

des  XVI.  Jahrh  217 

Pectoralien  der  neuesten  Zeit  im 
mittelalterlichen  Styl  .    .    .  .218 

c.  Der  bischöfliche  Stab  [virga 
pastoralis^  pedum)  218 

Der  Hirtenstab,  das  älteste  Abzei- 
chen der  bischöfl.  Würde ;  Sinn 
und  Bedeutung  desselben    .  .218 

Gestalt  und  verschiedene  Benen- 
nungen desselben  in  der  ältesten 
Zeit  219 

Gestalt  undkünstlerischeEntwick- 
lung  des  l)iscliöfl.  Stabes  vom 
VIII.  bis  XI.  Jahrh  220 

Noch  erhaltene  Hirtenstäbe  aus 
dem  X.  Jahrh  220 

Stab  des  Erzbischofs  Ataldus  von 
Rheims  220 

Stab  des  Bischofs  Ragenfredus  von 
Chartres  221 

Stab  einer  Äbtissin  von  Quedlin- 
bui-g  221 

Stab  des  heil.  Heribert  im  Schatz 
zu  Deutz  222 

Stab  des  h.  Eucharius,  ersten  Bi- 
schofs von  Trier,  im  Domschatz 
zu  Limburg  a.  d.  L  222 

Der  Bischofsstal)  im  XI.  und  XII. 
Jahrh  223 

Künstlerische  Entwicklung  des 
.  Hirtenstabes  im  XIII.  und  XIV. 
Jahrh.;  die  Innung  der  Yma- 
giers  224 


IX 


Soite 

Veränderte  Ausschmückung  des 
bischöfl.  Stabes  seit  der  zweiten 
Hälfte  des  XIV.  Jahrli.    .    .  .225 

Prachtvoller  Bischofsstab  im  Köl- 
ner Domschatz  aus  der  Mitte 
des  XIV.  Jahrh  22t 

Merkwürdiger  Abbatial-Stab  im 
Schatz  von  St.  Ursula  zu  Köln  225 

Das  vom  XIV.  bis  XVII.  Jahrh. 
an  den  Bischofsstaben  vorkom- 
mende orarium  220 

Zweck  dieses  panisellus  ....  227 

Das  Mailänder  Concil  unter  Karl 


Seite 

Borromäus  über  das  orarium.  .  228 
Erwähnung  desselben  im  Prager 

Schatzverzeichniss  228 

Noch  erhaltene  oraria  aus  dem 

XIV.  Jahrh  .229 

Beschreibnng  eines  solchen  .  .  229 
Berichte  liturgischer  Schriftsteller 

über  die  Haltung  des  Stabes  .  2:JU 
üebersichtliclieZusammenstellung 

der  bischöti.  Gewänder  in  der 

Reihenfolge  der  Anlegung  .  .  232 
Beschluss  dieses  Capitels  .  .  .  233 
Plan  des  folgenden  Capitels    .    .  235 


Der  priesierllche  ülessoriiat  und  die 


1.  Das  Schultergewand    .   .  237 

Die  plaga  (pantra,  praelexta)  an 
dem  Schultertuch  237 

Unterschied  des  priesterlichen  vom 
bischöflichen  237 

Gavantus  über  Ausdehnung  und 
Verzierungsweise  des  priester- 
lichen Schultertuches  ....  238 

2.  Die  priester liehe  Albe  und 

3.  der  Gürtel  139 

Verschiedenheit  der  priesterlichen 
Albe  von  der  bischöflichen  .    .  239 

Ueber  die  durchbrochenen  Weiss- 
zeugstickereien  an  der  Albe    .  239 

Neuere  Bestrebungen  auf  dem  Ge- 
biete der  Wcisszeugstickerei    .  240 

Willkür  der  Neuzeit  in  Bezug  auf 
die  Ausdehnung  der  liturg.  Ge- 
wänder  240 

Bestimmungen  des  3.  Mailänder 
Provinzial-Coucils  241 

Der  priesterliche  Gürtel ....  242 

Noch  erhaltene  Gürtel  aus  dem 
Mittelalter  242 

Ihr  Unterschied  von  den  moder- 
nen  242 

Gavantus  über  Stoff  und  Länge  .  243 

4.  Die  priesterliehe  Stole 
und  5.  der  Manipel  .   .  .243 

Reichere  und  oinfacliere  Stolen  im 
Mittelalter  243 


jl  VI. 

niacoiiengewänder.  Seite  237—321. 

Die  Kreuze  auf  Stole  und  Mani- 
pel: BefestigTing  beider  Ornate  244 

Vorschrift  über  die  Länge  der 
Stole  244 

6.  Das  priesterliehe  Mess- 
gewand  245 

Grössere  Einfachheit  der  priester- 
lichen Casel  zum  Unterschied 
von  der  bischöflichen  ....  245 

Casel  in  der  grossen  Glockenform 
in  der  Abtei  Brauweiler.    .    .  245 

Grosser  Faltenreichthum  der  mit- 
telalterlichen Caseln    ....  240 

Bamberger  Casel  des  XU.  Jahrh.  247 

Casel  des  Albertus  Magnus     .    .  248 

Stoff  der  Casel;  Pestcaselu  .    .    .  249 

Die  Farbe  der  Messgewänder  bis 
zum  XII.  Jahrh  250 

Die  liturgischen  Farben  und  ihre 
Deutung  251 

Willkür  der  letzten  Jahrhunderte 
in  Bezug  auf  die  Farben  der 
Gewänder  253 

Farbe  der  Aurifrisien    ....  253 

Ausdehnung  der  liturgischen  Ge- 
wänder nach  den  Angaben  des 
Gavantus  254 


Bestrebungen  der  Neuzeit  für  die 
Wiederherstellung  der  würde- 
vollen mittelalterlichen  Form  .  250 

VergloichendeUebersichtdes  Gros- 


X 


SpUp 

senverliältnisse  der  liturg.  Ge- 
wänder im  Mittelalter,  in  neue- 
rer und  neuester  Zeit      .    .    .  257 
7.    Die   Bekleidungen  des 

Kelches  (tegumenla  ralicis)  .     .  25^ 
a.  lin'eolum,  purifiaitorhim. 
Stoff,  Grösse,  Verzierung    .    .    .  258 

Alter  und  Ursprung  259 

Bemerkungen  über  die  zweite  ab- 

lutio  calicis  im  Mittelalter    .    .  2G() 

ta.  corporate  und  C.  palla  calicis. 

Hohes  Alter  und  besondere  Weihe 
des  corporale  2G0 

Vorschrift  über  die  lleinigung  des 
corporale  und  des  purificalorium  2ü(l 

Angaben  mittelalterlicher  Schrift- 
steller über  das  corporale.    .    .  260 

Vorschrift  des  ordo  Romanus  über 
Stoü'  und  Ausdehnung  desselben  2ßl 
V  orschrift  über  das  Falten  des 
corporale  262 

Die  palla  calicis  im  Mittelalter    .  262 

Geschmacklose  Beschaffenheit  der- 
selben seit  dem  XV.  Jahrh.  .    .  26'i 

Rückkehr  zu  einer  würdigern  Form 
der  palla  in  neuester  Zeit    .    .  263 

Der  Rubricist  Gavantus  über  das 
corporate  264 

Verzierung  des  corporale  ....  264 

Merkwürdiges  corporale  aus  dem 
VIT.  Jahrh.  im  Schatz  zu  Monza  265 

Reichgesticktes  corporate  i.  d.  Pfarr 
kirche  zu  Deutz  XYI.  Jahrh.  .  266 

Trefiliche  Leistungen  der  Klöster 
vom  armen  Kinde  Jesu  .    .    .  2(l(i 

Unwürdige  Fabricate  der  neue- 
sten Zeit  266 

Das  suffilorium  oder  venperale  .    .  266 
A.  hursa  xmA  capsa  corporatium .    .  267 

Die  bur.ia  im  Mittelalter     .    .    .  267 

Beschreibung  einer  solchen  aus 
dem  XV.  Jahrh  267 

Die  hursa  seit  dem  Ausgang  des 
Mittelalters  268 

Die  capia  corporaliinn  268 

Zweck  derselben  2ti^ 

Capsae.  nach  Schatzverzeichnissen 
des  XII.,  XIII.  und  XIV.  Jahrh.  269 


Seite 


Gavantus  über  die  bur.ta  .  ■  .271 
Die  capsae  in  der  Neuzeit  .    .  .271 

e.  veliim  calicis  272 

Hohes  Alter  des  velum  ....  272 
Ausdehnung  und  Verzierung  des 

velum  273 

Geschmack  widrige  Verzierung  des- 
selben seit  dem  XVII.  Jahrh.  .  273 
Die  Diaeonengewänder    .   .  274 
Verschiedene  Namen  dieser  Ge- 
wänder  274 

Dalmalica.  colobium  275 

Farbe  und  Stoff  der  ältesten  Dia- 
eonengewänder  275 

Verzierungen  an  densell)en  und 
deren  Namen  bei  den  Schrift- 
stellern des  Mittelalters  .    .    .  276 
Schnitt  und   Weite  der  älteren 

Dalmatiken  276 

Die  Dalmatik  des  h.  Lambert  in 
der  Liebfrauenkirche  zu  Maes- 

tricht  276 

Noch  erhaltene  Dalmatiken  .  .  277 
Kleidung  der  Siibdiakonen  im  VI. 

Jahrh  277 

Tunica  stricta  des  Subdiacon  und 
ihr  Unterschied  von  der  Dal- 
matik in  Bezug  auf  Ausdehnung 

und  Stoff    .  278 

Das  sudarinm  der  Sulnliakonen    .  278 
Einfachere  Ausstattung  der  tunica  278 
Die  übrigen  Gewänder  beider  Dia- 
konen  279 

Häufige   \'erseliou   an  bildlichen 

Darstellungfu  279 

Beschreibung  der  Diakonenge  wän- 
der nach  Inventarien  des  XI. 

und  XII.  Jahrh  280 

Die  tunica  Heini'ich's  des  Heiligen 

zu  München  281 

Die  Diakonen  -  Gewänder  nach 
Scliatzverzeichnissen  des  XIII. 

und  XIV.  Jahrh  282 

Fortsetzung;  XV.  Jahrh.    .    .  .283 
Fortsetzung:  XVI.  Jahrh.    ...  284 
Die  einfachem  Diakonengewänder  285 
Unwürdige  Beeinträclitigung  die- 
ser Ornate  in  Frankreich  und 
Deutschland  seit  dem  Schluss 


XI 


Seite 

des  Mittelalters  im  Gegensatz 


zu  RoBi  28f. 

Ausdehnung  der  Dalmatik  und 

der  tunica  nach  Gavantus  .  .  287 
Die  Stola  latior  der  Diakonen  .  .  287 
Der  Chor-  oder  Vesperman- 

tel  {cappa  clioralis,  pluviale)  .    .  287 

Namen  287 

Die  cappa  vor  dem  X.  Jahrh.  .  .  288 
Berichte  über  dieselbe  aus  dem  X. 

und  XI.  Jahrh  289 

Häufige  Verwechslung  der  cappa 

mit  der  casula  2'JO 

Eine  cappa  cucuUata   nach  einer 

Miniatur  des  XI.  Jahrh.  .    .  .291 
Schnitt  und  Ausdehnung  der  mit- 
telalterlichen cappa  292 

Das  pallium  regale  ein  Seitenstück 

zu  der  cappa  ehoralis  ....  292 
Eine  cappa  ehoralis  des  XIII.  Jahrh.  292 
Der  Chormantel  seit  d.XIII.  Jahrh.  293 
Noch  erhaltene  Chorkappen  aus 

dem  Mittelalter  294 

Der  Mantel  des  h.  Martin  v.  Tours  294 
Chorkappe  von  hohem  Alter  im 
erzbischöfl.  Museum  zu  Utrecht ; 

XII.  Jahrh  294 

Beschreibung  einer  Chorkappe  in 
der  Benedictiner- Abtei  St.  Paul 
in  Kärnthen  aus  der  ersten  Hälfte 

des  XIII.  Jahrh  29.5 

Dessgl.  einer  andern  im  Stifte 
Göss  bei  Looben  aus  der  Mitte 

des  XIII.  Jahrh  29(; 

Beschreibung  eines  reich  gestick- 
ten pluviale  aus  dem  Schluss 
des  XIII.  Jahrh.  im  Münster- 
schatz zu  Aachen  290 

Pluviale  Bonifacius' YIII.  im  Schatz 

zu  Anagni  298 

C;horkappe  aus  der  Mitte  des  XIV. 
Jahrh.  im  Schatz  von  St.  Jo- 
hannes im  Lateran  299 

Die  Chorkappe  im  XV.  Jahrh.  .  299 
Die  Chorkappe  im  XVI.  Jahrh.  .  300 
Hauptzierden  der  Chorkappe 

u.  der  rlipevs  •(02 


Seite 


Erklärung  des  Ausdrucks  taasellus  303 

b  die  ßbula,  Krampe  304 

Beschreibung  noch  erhaltener 
ßbulae  aus  dem  Aachener  Mün- 
sterschatz  305 

Die  Agraffen  an  ('horkappen  auf 
alten  Bildern  307 

Pectoralien  am  deutschen  Kaiser- 
mantel  ;(07 

Verschiedene  Benennungen  der 
einzelnen  Theile  der  Chorkappe 
in  den  verschiedenen  Ländern 
nach  alten  luveutarien    .    .    .  308 

Beschreibung  von  Chorkappeu  aus 
dem  Schatzverzeichniss  der  Ab- 
tei Martinsberg  in  Ungarn  .    .  308 

Dessgleichen  aus  dem  Mainzer 
(Chroniken  (XII.  Jahrh.)  .    .  .308 

De.s.5gleichftn  aus  dem  Bamberger 
Schatzverzeichniss  (1128)     .    .  305 

Dessgleichen  aus  dem  Schatzver- 
zeichniss von  St.  Johann  in 
Monza  309 


Woher  die  grosse  Zahl  von  Chor- 
kappen in  den  einzelnen  Kirchen  309 

Angaben  des  Schatzverzeichnisses 
von  St.  Paul  in  London  (1295)  310 

Dessgleichen  des  invenlarium  uma- 
mentorum  in  ecclesia  Sarum  (1222)  311 

Dessgleichen  des  Schatzverzeich- 
nisses von  St.  Veit  in  Prag.  .  312 

Dessgleichen  aus  einem  Inventar 
von  St.  Antonio  in  Padua  (1385)  314 

P'erner  aus  d,  Schatzverzeichniss 
der  Domkirche  zu  Olmütz  (1435J  315 

Beschreibung  reicher  Pluvialien 


in  der  Kirche  zu  Anagni    .  .315 
Beschreibung    mittelalterl.  Plu- 
vialien in  franz.  Kirchen  nach 

De  Moleou  310 

Die  Chorkappe  im  XVI.  Jahrh.  .318 
Vier  reiche  Pluvialien  dieser  Zeit 

im  Schatz  zu  Aachen .    .    .  .318 
Chorkappen  mit  Schleppen.    .    .  320 
Bestimmung  des  Bischofs  Karl  v. 
Novara  über  die  Grösse  und 
die  Verzierung  der  Chorkappe  320 


XII 


Capitel 

Die  geistliche  Haiistrachi  und  die  Chorlileidung 

Seite 

A.  Der  Talar  oder  Sutane  {ve^tis, 

toga,  tunica  talaris  vel  suhtana).    .  222 

Urspnnig   322 

Namen  und  deren  Erklärung .    .  323 

Zwei  Formen  dieses  Gewandes  .  323 

Stoff   324 

Farbe   325 

Kirchliche  Verordnungen  über  die 

Kleidung  der  Geistlichkeit  .    .  325 

Talare  mit  Schleppen    ....  327 

B.  Hev  GtXixtel  {cingulum,  ligamen, 

vinculum)  327 

Kirchliches  Verbot  kostbarer  und 
vielfarbiger  Gürtel  328 

C.  Das  weisse  Chorkleid  {sti- 
perpelliceum,  rochettum)  .    .    .  .329 

Namen  und  deren  Erklärung .    .  329 

Ursprung  dieses  Gewandes.    .  .331 

Wird  im  XII.  Jahrh.  bereits  er- 
wähnt  332 

Wahrscheinlich  zuerst  in  England 
in  Gebrauch  333 

Auch  co(a,  Cotta  genannt.    .    .    .  334 

Faltenreicher  Schnitt  desselben 
im  XIV.  und  XV.  Jahrh.    .    .  335 

Vorschrift  Benedict's  XII.  über 
seine  Länge  330 

Das  superpeUiceum  seit  dem  XV. 
Jahrh.  nach  alten  Gemälden    .  33G 

SuperpeUiceum  Maximilian's  I.  auf 
der  Wallfahrt  nach  Echternach  337 

Das  superpeUiceum  im  XVI.  und 
XVII.  Jahrh  338 

SuperpeUicea  ohne  Aermel    .    .    .  339 

Kirchliche  Bestimmungen  über 
den  Schnitt  und  die  Ausstattung 
des  superpeUiceum  339 

Entstellung  dieses  Gewandes  seit 
dem  Ende  des  XVII.  Jahrh.    .  340 

Zuräckgehen  auf  die  ältere  Form 
in  neuester  Zeit  340 

Rühmliche  Bestrebungen  der  Fir- 
ma Lamberty  in  Aachen.    .    .  341 

Die  Leistungen  der  Klöster  vom 
armen  Kinde  Jesu  342 


VII. 

des  Pfair-  u.  Stiftsliieius.  Seile  322— 362. 

Seite 

D.  Das  Biret  342 

Die  priesterliche  Kopfbedeckung 
beim  h.  Opfer  und  Chorgebet 
im  frühern  Mittelalter     .    .  .342 

Vereinzeltes  Vorkommen  d.  Schei- 
telkäppchen  im  XI.  Jahrh.  .    .  343 

Namen  dieses  letzteren  .    .    .    .  344 

Innocenz  IV.  verleiht  das  Schei- 
telkäppchen  als  Auszeichnung 
den  Benedictinern  345 

Allgemeiner  Gebrauch  desselben 
seit  dem  XIV.  Jahrh  345 

Der  Ausdruck  hirettum  schon  im 
XIII.  Jahrh.  gebräuchlich   .    .  346 

Noch  erhaltene  Kopfbedeckungen 
dieser  Art  347 

Allmähliche  Ueberhöhung  des  Bi- 
rets  seit  dem  XV.  Jahrh.    .    .  348 

Entstehung  der  cornua    ....  349 

Das  Biret  beim  Ausgang  des  Mit- 
telalters nach  Steinsculpturen .  351 

Das  almucium,  Kopf-  und  Schulter- 
bedeckung beim  Chordienst  .  .  352 

E.  Die  sonstigen  auszeich- 
nenden Obergewänder  der 
Stifts-  u.  Domherren,  der 
Bischöfe  und  Cardinäle   .  355 

Die  cappa  magna  der  Cardinäle  .  354 
Als  Auszeichnung  bischöflichen 

Capiteln  verliehen  355 

Die  mozetta  356 

Die  manteletta  357 

Der  manteUone  357 

Halskragen  des  niedern  Klerus  .  358 

Das  rabat  358 

Das  Römische  coUare  359 

Der  geistliche  Hut  für  den  Pro- 

fangebi'auch   .  359 

Die  Quasten  an  den  Hüten  der 

hohem  Geistlichkeit    ....  360 
Der  geistliche  Hut  in  den  bei- 
den letzten  Jahrh  361 

Kleidung  der  W^eltgeistlichen  in 
jüngster  Zeit  361 


CAPITEL  y. 


Form,  Entwickolung  und  künstlerische  Gestaltung  der 
bigchöflichen  Pout  ificai-Orn.ite  in  den  v  er schledenen  Zeit- 
Abschnitten  des  in  ittelalters. 


In  der  ersten  Lieferung  des  vorliegenden  Werkes  ist  der  Ver- 
such gemacht  worden,  im  geschichtlichen  Zusammenhange  den  Ent- 
wickelungsgang  der  gemusterten  Seidenstofie  nachzuweisen,  die  seit 
der  früh-christlichen  Zeit  bis  zum  Ausgange  des  Mittelalters  zur 
Anfertigung  litui'gischer  Gewänder  in  Gebrauch  genommen  wur- 
den. Die  zweite  Lieferung  sucht  im  Anschlüsse  an  die  vorher- 
gehende nachzuweisen,  wie  durch  die  Kunst  der  Nadel  seit  dem 
apostolischen  Zeitalter  bis  zur  Reformation  die  kirchlichen  Ornate 
künstlerisch  gehoben  und  verziert  zu  werden  pflegten.  In  der 
dritten  Lieferung  ist  die  Frage  erläutert  worden,  wo  die  Vorbilder 
im  Alterthume  zu  den  liturgischen  Gewändern  der  Kirche  zu 
suchen  seien.  In  derselben  wurde  weiter  ausgeführt,  dass  nicht 
nur  die  Gewänder  des  mosaischen  Opfercultus,  sondern  auch  die 
griechisch-römischen  Profangewänder  als  die  Prototypen  zu  erken- 
nen und  aufzufassen  seien,  aus  welchen  seit  dem  apostolischen 
Zeitalter  bis  auf  die  Tage  Greg-or's  des  Grossen  sich  die  kirch- 
liehen  Gewänder  entwickelt  und  gestaltet  haben.  Nach  diesen  ein- 
leitenden Voruntersuchungen,  die  unter  jedesmaliger  Beigabe  von 
erklärenden  Abbilduno-en  den  ersten  Theil  unserer  Schrift  ausfül- 
len,  wollen  wir  es  im  zweiten  Theile  versuchen,  in  die  Einzelheiten 
unserer  Aufgabe  weiter  einzudringen  und  nachzuweisen ,  wie  ins- 
besondere seit  den  Tagen  der  Karolinger  die  verschiedenen,  in  der 
lateinischen  Kirche  gebräuchlichen  liturgischen  Gewandungen  und 
Altarsornate  unter  dem  jedesmaligen  Einflüsse  der  herrschenden  Styl- 
und  Kunstweise  sich  in  Bezug  auf  Schnitt,  Form  und  künstlerische 
Ausstattung  entwickelt  haben.  Die  vorliegende  vierte  Lieferung  wird 
der  Lösung  der  eben  gedachten  Aufgabe  dadurch  näher  treten, 
dass  sie  auf  liturgisch  feststehende  Gewänder  übergehend  nach- 
weist ,  wie  vor  allen  übrigen  stofflichen  Ornaten  der  abendländischen 
Kirche  vornehmlich  die  indumenta  episcopalia  allmälig  seit  dem 

Liturgische  Gewänder,  II.  1 


VIII.  Jahrhundert  aus  den  beiden  früher  ansegebenen  Factoren  der 
mosaischen  Cuhgewänder  und  der  römischen  Senatorenkleidung 
sich  gestaltet  haben.  Als  Grund,  weswegen  wir  hierorts  gleich 
zur  nähern  Beschi-eibung  der  verschiedenen  bischöflichen  Ornate 
übergehen,  ohne  vorher  die  Diakonen-  und  priesterlichen  Gewän- 
der in  ihrer  genetischen  Entwickelung  erläutert  zu  haben ,  führen 
wir  an,  dass  der  Bischof  in  seinen  einzelnen  Gewändern  als  Pon- 
tifex  die  verschiedenen  hierarchischen  Abstufungen  des  Priesterthums 
in  der  Kirche  veranschaulicht  und  in  seiner  Person  vertritt.  Des- 
wegen erscheint  derselbe  auch  bei  feierlicher  Beo-ehung:  der  heili- 
gen  Geheimnisse  angethan  mit  allen  jenen  liturgischen  Gewändern, 
wie  sie  den  verschiedenen  kirchlichen  Graden  vom  Subdiakon  bis 
zum  Priester  eigenthümlich  zustehen.  Haben  Avir  also  in  folgen- 
den  Blättern  die  einzelnen  Gewandstücke  des  Pontifical-Ornates  in 
ihrer  formellen  und  künstlerischen  Beschaffenheit  die  verschiedenen. 
Jahrlumderte  des  Mittelalters  hindurch  im  Text  und  Bild  veran- 
schaulicht, dann  werden  dadurch  auch  schon  die  vestes  jjreshyteratus 
und  die  v.  diaconatus  hinlänglich  gekennzeichnet  sein ,  und  es  er- 
übrigt in  der  Folge  nur  noch ,  auf  die  Unterschiede  näher  einzu- 
gehen, wodurch  sich  die  Levitenkleider  und  die  priesterlichen  Ge- 
wänder des  Celebrans  von  den  dem  Schnitte  nach  crleichorestalteten 
Ornaten  des  Pontifex  unterscheiden.  Bei  Beschreibung  dieser  ein- 
zelnen indumenta  pontißcalia  wird  es  zweckmässig  sein,  jene  Reihen- 
folge einzuhalten,  die  auch  bei  der  Anlegung  vom  Bischöfe,  nach 
altkirchlichen  Vorschriften ,  beobachtet  wird.  Wir  beginnen  also 
zunächst  unsere  geschichtlich -archäologischen  Angaben  mit  der 
Fussbekleidung. 

1. 

Die  Pontifieal-Strümpfe  „tibialia,  ealigae." 

Seit  den  Tagen  des  Papstes  Stephanus  ')  bestand  in  der  Kirche 
die  Vorschrift ,  dass  jene  liturgischen  Gewänder,  die  bei  der  Feier 
des  eucharistischen  Opfers  angelegt  wurden ,  nicht  ausserhalb  der 
Kirche  an  Stelle  der  Profangewänder  getragen  werden  durften. 
Dieses  Gebot  war  nicht,  nur  für  die  Priester  erlassen ,  sondern  es 
hatte  auch  für  die  Bischöfe  bindende  Kraft.  Dem  oben  Gesagten 
zufolge  ist  es  also  anzunehmen ,  dass  auch  der  Bischof  eine 
zweifache  Gewandung  anzulegen  pflegte.    Wenn  er  nämlich  als 


•)  Guil.  Durandi  Eationale  div.  offic.  üb.  HI.  cap.  I. 


Pontifex  das  heilige  Opfer  darbrachte,  bediente  er  sich  in  der 
Regel  reichverzierter  liturgischer  Ornate,  die  er  nach  dem  Schluss 
der  kirchlichen  Feierlichkeiten  abzulegen  gehalten  war.  Ausser- 
dem aber  hatte  der  Bischof,  wie  das  auch  heute  noch  der  Fall 
ist,  eine  andere  Kleidung,  die  ihn  zu  Hause  und  sonst  bei  seinem 
öffentlichen  Auftreten  im  Verkehre  mit  der  Aussenwelt  vor  An- 
dern als  kirchlichen  Würdentrcäger  auszeichnete.  Diese  Profan- 
gewänder des  Bischofs,  womit  er  ausserhalb  der  Kirche  bekleidet 
erschien,  waren  in  den  verschiedenen  Zeitläuften  und  bei  den  ein- 
zelnen Nationen  verschiedenartig  gestaltet.  Jedoch  Hessen  die- 
selben in  Bezug  auf  Schnitt,  Farbe  und  ornamentale  Ausstattung 
immer  den  Kirchenfürsten  erkennen,  indem  sie  sich  in  der  Form, 
im  Stoffe  und  in  der  Farbe  von  den  Kleidern  vortheilhaft  unter- 
schieden, wie  man  sie  im  profanen  Leben  zu  tragen  gewohnt 
war. 

Es  liegt  nicht  in  der  Absicht  dieser  Schrift,  jene  Gewänder 
zu  beschreiben,  deren  sich  die  Bischöfe  im  gewöhnlichen  Leben 
in  der  christlichen  Vorzeit  bedient  haben.  Nur  in  so  fern  haben 
dieselben  für  unsern  vorliegenden  Zweck  ein  näheres  Interesse, 
als  hier  die  Frage  zu  beantworten  vorliegt:  welche  Bekleidungs- 
stücke trug  der  Bischof  als  Untergewand,  bevor  er  im  vestiarium 
mit  den  kirchlich  vorgeschriebenen  Pontificalgewändern  der  Reihe 
nach  bekleidet  wurde.  Jedenfalls  war  seit  den  frühesten  Zeiten 
der  Bischof  mit  einem  weiten  Untergewande  meistens  von  Wolle, 
Leinen  oder  Seide  bekleidet,  das  als  faltenreiche  Toga,  mehr  oder 
weniger  ähnlich  unserm  heutigen  Talar,  den  ganzen  Körper  wür- 
dig umgab.  Ueber  diese  interula  als  Unterkleid  pflegte  er  dann 
die  verschiedenen  Pontificalgewänder  anzulegen.  Auch  ist  an- 
zunehmen ,  dass  der  Bischof ,  wenn  er  in  das  secretarium  ein- 
trat, bereits  eine  Fussbekleidung  trug,  die,  in  der  Weise 
unserer  Strümpfe,  den  Fuss  und  das  untere  Schienbein  bedeckte 
und  mit  den  Sandalen  nicht  in  Verbindung  stand.  Es  dürfte 
nun  noch  näher  erörtert  werden ,  ob  der  Pontifex  vor  der 
Anlegung  der  bischöflichen  Obergewänder  in  der  Sacristei  mit 
besondern  caligae  bekleidet  zu  werden  pflegte,  die  die  Stelle 
unserer  heutigen  Strümpfe  vertraten ,  oder  ob  er  die  reicher 
verziei'ten  Sandalen  über  jene  tibialia  anzog,  mit  welchen  er  in 
das  salutatorium  sekommen  war.  Bei  ältern  Schriftstellern  lassen 
sich  hierüber  keine  nähern  Angaben  erheben.  Nur  das  will 
uns  scheinen,  dass  der  Bischof,  wenn  er  das  heilige  Opfer 
feierte,  vielfach  mit  reich  verzierten  und  eigens  zu  diesem  Zwecke 
verfertio-ten  Tibialien  bekleidet  in  seine  Kathedralkirche  einschritt 

1* 


—    4  — 


und  alsdann  erst  die  Pontificalsandalen  in  der  Sacristel  anlegte. 
Wenigstens  lässt  sich  das  aus  Vorkommnissen  im  spätem  Mittel- 
alter nachweisen.  Von  einem  nicht  geringem  Dunkel  ist  die  Lö- 
sung der  Frage  umgeben :  Wie  waren  seit  den  Tagen  Gregor's 
des  Grossen  bis  in  die  Zeiten  der  Karolinger  diese  bischöflichen 
cruralia  oder  caligae  beschaffen,  die  bei  feierlichen  Pontificalhand- 
lungen  unmittelbar  den  Fuss  und  die  Schenkel  des  Bischofs 
nach  Art  unserer  heutigen  Strümpfe  bedeckten?  Die  unsichern 
spärlichen  Angaben,  die  sich  in  ältern  liturgischen  Schriften  vor 
dem  X.  Jahrhundert  darüber  finden,  sind  allein  nicht  im  Stande, 
zu  irgend  einer  Gewissheit  bei  dieser  Untersuchung  gelangen  zu 
lassen.  Einen  grössern  Beitrag  zur  Erhellung  dieser  Frage  liefern 
die  Monumente ,  namentlich  jene  ältern  musivischen  Bildwerke  zu 
Ravenna,  desgleichen  in  St.  Marcus  zu  Venedig,  zu  Torcello  und 
in  der  Basilika  des  heiligen  Ambrosius  zu  Mailand.  Die  vielen 
bischöflichen  Gestalten,  angethan  mit  den  Pontificalgewändern,  wie 
sie  vor  dem  X.  Jahrhundert  in  der  Kirche  gebräuchlich  waren, 
haben  uns  die  Ueberzeugung  verschafft,  dass  in  den  vorkarolingi- 
schen  Zeiten  die  Bischöfe  häufig  mit  mehr  oder  weniger  reich 
verzierten  soleae  bekleidet  die  heiligen  Geheimnisse  feierten,  die 
der  untern  Fusssohle  zum  Schutze  dienten  und  vielfach  den  obern 
Fuss  zwischen  dem  umgürtenden  Bänderwerke  (ligulae)  ohne  be- 
deckende tibialia  oder  cruralia  zum  Vorschein  treten  Hessen.  Zu- 
weilen nimmt  es  in  diesen  musivischen  Bildern  auch  den  Anschein, 
als  ob  der  Fuss  und  der  Unterschenkel  mit  einer  Art  Binde  von 
Leinwand  umwickelt  gewesen  sei.  Dass  noch  bis  in  die  Tage 
Alkuin's ,  des  Zeitgenossen  Karl's  des  Grossen,  der  höhere  Klerus 
einer  Fussbekleiduns:  der  oben  gedachten  Art  sich  bediente,  die 
so  beschaffen  war,  dass  der  Fuss  unbekleidet  blieb,  erhellt  aus 
einer  Stelle  des  eben  gedachten  Schriftstellers,  wo  er  ausführlicher 
angibt ,  dass  die  Diener  der  Kirche  mit  einer  besondern  Art  von 
Fussbekleidung  versehen  seien,  wodurch  der  untere  Fuss  vermit- 
tels der  Sohle  von  der  Erde  getrennt  würde;  der  obere  Fuss 
habe  jedoch  keine  Bekleidung  und  wäre  nach  Geheiss  der  Apostel 
frei  und  sichtbar ,  um  anzudeuten ,  dass  der  Spender  der  Ge- 
heimnisse Gottes  sich  von  irdischen  Dingen  trennen  müsse,  und 
dass  er,  das  Himmlische  anstrebend,  sich  Jedem  als  Verkündiger 
des  götthchen  Wortes  frei  zeigen  solle.  Wenn  es  nach  der  un- 
ten angeführten  Stelle  des  Alkuin  ')  den  Anschein  nimmt,  als  ob 


"}  Albini  Flacci  Alcuini  über  de  divinis  officiis,  cap.  de  singulis  vestibus: 
„Sandaliac  dicuntur  soleae.   Est  autem  genus  calceamcnti,  quo  induuntur 


in  den  Tagen  Karl's  des  Gr.  die  Pi'iester  und  Bischöfe  der  Stelle 
beim  Evangelisten  Marcus  VI,  9  zufolge,  ohne  Fuss  und  Schenkel 
verhüllende  caligae  am  Altäre  erschienen  seien,  so  deutet  im  Gegen- 
satze dazu  eine  andere  Stelle  bei  Amalarius  Fortunatus,  einem 
Zeitgenossen  Ludwig's  des  Frommen ,  darauf  hin ,  dass  bereits  im 
IX.  Jahrhundert  eine  doppelte  Fussbekleidung  bei  liturgischen  Feier- 
lichkeiten in  Anwendung  gekommen  ist  ').  Amalarius  Fortunatus 
spricht  nämlich  an  den  unten  citirtcn  Stellen  einmal  von  einem 
zusammengenähten  Leinenstofl'e ,  der  das  Innere  der  Sandale  be- 
deckt habe.  An  der  andern  Stelle  unterscheidet  er  sogar  die  lei- 
nenen calceamenta ,  die  eigentlichen  caligae ,  von  den  reicher  aus- 
gestatteten Sandalen.  Abweichend  wiederum  von  den  Angaben 
des  Amalarius  führt  ein  anderer  bewährter  Liturgiker  des  Karo- 
lingischen Zeitalters,  Rhabanus  Maurus,  fussend  auf  die  bekannten 
Stellen  von  Marcus  6  und  Eph.  6 ,  in  Uebereinstimmung  mit  den 
oben  gedachten  Aussprüchen  des  Alkuin  an,  dass  aus  höhern 
symbolisch -mystischen  Gründen  die  Diener  der  Kirche  mit  einer 
Art  Sandalen  bekleidet  wären,  die  den  obern  Fuss  unbedeckt 
Hessen.  Die  Bedeutung  dieser  Fussbekleidung  ohne  Hinzufügung 
der  tibialia  oder  caligae  finden  bei  Rhabanus  folgende  wörtliche 
Erklärung:  „sicut  ergo  sandalia  partem  pedis  tegunt,  partem  in- 
opertam  relinquunt,  ita  et  evangelii  doctores  partim  evangelium 
operire  partim  aperire  debent.  .  . ."  2)  Das  Dunkele  und  Wider- 
sprechende, was  sich  sowohl  in  den  ältern  Monumenten,  als  auch 
in  den  Angaben  älterer  Liturgiker  in  Hinsicht  auf  den  Gebrauch 
und  der  stofilichen  Beschaffenheit  der  Fuss-  und  Schenkelbeklei- 
dung, die  eigentlichen  caligae,  vorfindet,  wird  durch  bestimmtere 
Angaben  der  betreffenden  Schriftsteller  nach  dem  X.  Jahrhundert 
genugsam  aufgehellt.  So  führt  nämlich  bereits  in  der  letzten 
Hälfte  des  XI.  Jahrhunderts  Ivo  von  Chartres  in  seinen  noch  er- 
haltenen Reden  den  Unterschied  weiter  aus,  der  zwischen  den 


ministri  Ecclesiae,  subterius  quidem  solea  muniens  pedes  a  terra,  superius 
vero  nil  operimenti  habens  patet:  quo  iussi  sunt  apostoli  a  Domino  indui. 
Significat  autem  " 

*)  Amalarii  Fortunati  episc.  Trevirens.  de  ccclesiasticis  officiis  lib.  IT. 
cap.  25 :  „Linea  (calceamenti)  opere  sutoris  facta  praecedens  a  lingua 
sandalü  usque  ad  finem  eins  designat  cvangelicam  perfectionem :  lineae  prae- 

cedentes  ex  utraque  parte  legem  et  proplietias  "  und  ferner  cap.  26: 

Calceamenti  linea  prohibitio  pedum  ad  malum  festinando.  Sandalia  ornatus 
iter  praedicatoris  quia  coelestia  non  debet  abscondere  nequeterrenisinhiare...." 

^)  Bhabani  Mauri  de  institutione  clericorum  üb.  1  cap.  22. 


Sandalen  und  den  Tibialien,  die  er  ebenfalls  caligae  nennt,  bestehen. 
Nachdem  er  die  bischöflichen  Sandalen  und  deren  Beschaffenheit 
näher  beschrieben  hat,  geht  er  über  zur  Erklärung  der  eigentlichen 
Fuss-  und  Schenkelbekleidung,  und  weist  darauf  hin,  dass  der  Bi- 
schof, bevor  er  mit  den  Sandalen  bekleidet  werde,  vorher  Bein-  und 
Fussbekleidung  von  feinem  Byssusstoff  oder  Leinen  anzulegen  ge- 
halten sei.  Noch  fügt  er  hinzu,  dass  diese  leinenen  Strümpfe  bis 
zu  den  Knieen  emporstiegen  uud  hier  sorgfältig  angebunden  wür- 
den. Auch  die  symbolische  Bedeutung  dieser  Bekleidungsstücke 
verfehlt  er  nicht  ausführlicher  mitzutheilen,  wie  das  aus  der  unten 
angegebenen  Stelle  zu  ersehen  ist 

Es  dürfte  schwer  zu  ermitteln  sein ,  ob  und  wann  oeoren 
Schluss  des  XL  Jahrhunderts  statt  der  caligae  von  feinem  Leinen 
oder  Byssus  eine  Fussbekleidung  von  Seidenstoffen  bei  den  bi- 
schöflichen Pontificalien  zur  Anwendung  gekommen  ist.  Da  jedoch 
im  XII.  Jahrhundert  in  Folge  der  Kreuzzüge  und  durch  die  Han- 
delsverbindung der  Genueser,  Pisaner  und  Venetianer  mit  dem 
Oriente  morgenländische  Seidenstoffe  leichter  und  zu  billigern 
Preisen  von  den  grossen  Handelsmärkten  in  Italien  zu  beziehen 
waren,  da  ferner  seit  dem  XII.  Jahrh.  auch  für  die  Seidenindustrie 
der  Sarazenen  in  Sicilien  und  der  Mauren  im  südlichen  Spanien 
sich  in  den  Stifts-  und  Kathedralkirchen  Europa's  eine  ergiebige 
Abzugsquelle  eröffnet  hatte,  so  dürfte  mit  dem  XII.  Jahrhun- 
dert statt  der  leinenen  Stoffe  zu  Pontificalstrümpfen  an  vielen 
Stellen  die  edelere  Seide  verwandt  worden  sein,  zumal  die  übrigen 
bischöflichen  Gewänder  um  diese  Zeit  allgemeiner  vorzugsweise 
aus  Seidenstoffen  angefertigt  zu  werden  pflegten.  Aus  nahe  liegen- 
den Gründen  dürften  heute  in  den  Sacristeien  des  christlichen 
Abendlandes  nirgendwo  mehr  solche  Strümpfe  in  dem  Schnitte  und 
der  Verzierunssweise  des  eben  gedachten  Zeitabschnittes  anzutreffen 
sein.  Allenfalls  in  bischöflichen  und  königlichen  Gräbern  würde 
man  noch  Ueberreste  von  caligae  vorfinden ,  die  Aufschluss  über 
die  formelle  und  artistische  Beschaffenheit  der  kirchlichen  Fuss- 
und  Schenkelbekleidung  zu  Ausgang  der  romanischen  Kunstperiode 


Ivo.  Carnotens.  episc.  de  rebus  ecclesiasticis  sermones.  Cap.  de  significatio- 
iiibiis  indumentorum  sacerdot. :  „Antequam  iuduantur  sandalüs ,  vestiuntur 
caligis  byssinis  vel  lineis,  usque  ad  geniia  protensis,  et  ibi  beue  coustric- 
tis,  per  quas  sigaiticatur ,  qiiia  debeut  rectos  gressus  facere  pedibus  suis 
et  genua  debilia,  id  est,  negligeutüs  resoluta  roborare  et  sie  ad  praedican- 
dum  evangelium  festinare  . . . ." 


ertheilen  könnten.  Und  in  der  That,  als  im  Jahre  1781  ')  die 
Künigsgräber  der  Nornianncnfiirsten,  der  Nachfolger  Robert  Guis- 
card's,  im  Dome  zu  Palermo  behufs  einer  wissenschaftlich-archäo- 
locrischen  Nachforschung-  eröffnet  wurden,  fanden  sich  nicht  nur  in 
den  Sarkophagen  einzelner  sicilianiscli-normännischer  Könige,  son- 
dern vornehmlich  in  den  Mausoleen  ihrer  Nachfolger  auf  dem 
Throne  Siciliens  ,  der  Hohenstaufen:  Kaiser  Heinrich  VI.,  Kaiser 
Friedrich  H.  und  seiner  Gemahlin  Constanze  H.,  seidene  caligae 
die,  grösstentheils  aus  schweren  Purpurstoffen  bestehend,  eine  Form 
zu  erkennen  gaben,  wie  in  derselben  Weise  die  Strümpfe  der  Bi- 
schöfe aus  der  gedachten  Epoche  beschaffen  gewesen  sein  dürften. 
Glücklicher  Weise  hat  sich  auch  unter  den  Kleinodien  des  heil, 
deutsch  -  römischen  Reiches,  aufbewahrt  im  Schatze  der  Kaiser- 
buro-  zu  Wien ,  aus  den  Tao-en  der  sicilianischen  Hohenstaufen 
herrührend ,  ein  l*aar  Tibialien  im  liochrothcn  schweren  Purpur- 
cendal  erhalten,  die  zugleich  auch  zum  Belege  dienen  können,  von 
welcher  stofflichen  und  künstlerischen  Beschaffenheit  und  Gestal- 
tuno-  iene  verhüllenden  Fuss-  und  Beinbekleidunüen  "cwescn  sein 
mögen ,  deren  sich  die  Bischöfe  im  XH.  und  XIII.  Jahrh.  bei 
feierlichen  Pontificalhandlungen  zu  bedienen  pflegten.  Es  bestehen 
nämlich  diese  Strümpfe  aus  einem  schweren,  hochrothen  Seidenstoffe, 
der  aus  zwei  Stücken  so  geschnitten  ist,  dass  die  Zusammensetzung 
der  Nähte  zur  Seite  des  Fusses  ej'folgt,  so  dass  beim  Gehen  die 
Nähte  den  Fuss  nicht  belästigen.  In  Uebercinstimmuno;  mit  den 
obigen  Angaben  Ivo's  von  Chartres  verhiülten  diese  caligae  aus 
gewebten  Seidenstoffen  gleichmässig  den  ganzen  Fuss  und  das 
Schienbein  und  reichten  bis  über  die  Kniee,  so  dass  sie  unterhalb 
der  Kniee  angebunden  werden  mussten.  Jener  Stoff  an  diesen 
kaiserlichen  Strümjjfen,  der  zunächst  den  Fuss  umgibt  und  von 
den  Sandalen  grösstentheils  bedeckt  wurde,  ist  uni,  d.  h.  ohne  alle 
Anwendung  von  Musterungen  und  Stickereien  gehalten.  Jedoch 
beginnt  da,  wo  die  caligae  ersichtlich  wurden ,  oberhalb  der  Knö- 
chel, eine  reiche  Goldstickerei,  als  sarazenisches,  sicilianisches  Or- 
nament aus  kleinern  Vierpässen  bestehend,  die  sich  ringförmig  an- 
einander setzen  und  o-effenseitio;  in  Verbindung-  stehen.  Merkwür- 
diger  Weise  enthält  die  Randeinfassung  in  der  Gegend  der  Kniee 
in  einem  schweren ,  ei'nnseidenen  Gewebe  mehrere  eino-ewirkte 
Kufen,  deren  Entzifferung  im  Zusammenhange  schwer  mehr  ge- 


')  I  regali  Sepolchri  del  Duomo  di  Palermo  ricouosciuti  e  illustrati  (dal  Sign. 
Franc.  Daniele),  [a  N'a^)  )Ii  178  t,  pi^-.oJ—  Si. 


—    8  — 


Hngen  dürfte,  "Wir  werden  im  II.  Bande  unseres  "Werkes:  „die 
Kleinodien  des  heil,  römischen  Reiches  deutscher  Nation"  in  Na- 
turgrösse  diese  merkwürdigen  caligae  veranschaulichen  und  weiter 
ausfnhi-en,  wie  diese  Fussbekleidung  als  feststehender  Pontifical- 
Ornat  im  XII.  Jahrhundert  zu  betrachten  sein  dürfte.  Auch  im 
XIII.  Jahrhundert,  als  Wilhelm  Durandus,  Bischof  von  Mende, 
sein  treffliches  Werk:  „Rationale  divinorum  officiorum"  schrieb, 
hatten  die  caligae  dieselbe  formelle  Beschaffenheit  und  Ausdeh- 
nung sich  noch  ziemlich  unverändert  bewahrt,  wie  dieselbe  seit  dem 
XII.  Jahrh.  bereits  feststehend  war.  Nur  die  eingestickten  Ornamente 
Hessen  um  jene  Zeit  auch  in  diesem  Bekleidungsstücke  den  Einfluss 
der  beginnenden  Gothik  erkennen.  Der  eben  gedachte  Liturgiker 
verbreitet  sich  in  seinem  3.  Buche,  Cap.  8,  weitläufiger  als  das  bei 
seinen  Vorgängern  der  Fall  ist,  über  die  stoffliche  Beschaffenheit 
der  bischöflichen  caligae.  Im  lib.  3  cap.  1  Nr.  18  seines  rationale 
divinorum  officiorum  zählt  er  acht  Gewandstücke  auf,  die  jeder 
celebrirende  Priester  mit  dem  pontificii'enden  Bischof  gemeinsam 
hat.  Gleich  darauf  fügt  er  noch  neun  Ornatstücke  hinzu,  die  dem 
Bischöfe  im  Gegensatze  zu  den  priesterlichen  Gewändern  als  Pon- 
tifex  eigenthüralich  zustehen.  Unter  diesen,  nur  dem  Bischöfe  zu- 
kömmlichen  Ornaten  führt  er  zuerst  an  die  caligae.  Es  dürfte 
daraus  entnommen  werden:  erstens,  dass  im  XIII.  Jahrhundert  die 
Tibialien  von  den  Priestern  noch  nicht  gebraucht  wurden,  und 
zweitens,  dass  der  Bischof  unmittelbar  vor  der  Feier  der  heiligen 
Geheimnisse  eine  besondere  Fuss-  imd  Beinbekleidung  anlegte,  die 
ihn  als  Pontifex  auszeichnete.  In  dem  Cap.  8  seines  eben  ge- 
dachten Werkes  verbreitet  sich  Durandus  ausfiihrlicher  über  die 
bischöflichen  Strümpfe,  und  hebt  besonders  hervor,  dass  der 
Pontifex,  ehe  er  mit  den  Sandalen  bekleidet  werde,  die  caligae 
anlege,  die  bis  zu  denKnieen  hinaufreichten  und  hier  angebunden 
würden  Auch  über  die  Farbe  der  Strümpfe  gibt  er  in  dem- 
selben Abschnitte  eine  Andeutung  ,  indem  er  sagt,  dieselben  seien 
von  dunkelvioletter ,  bläulicher  Farbe ,  ähnlich  dem  Hyazinth  2). 
Da  die  caligae  als  unbedeutendes  Untergewand,  das  von  den  übri- 


')  Gullirt.  Durandi  lib.  TIT.  cnp.  8  Nro.  4 :  „Priiis  tarnen  quam  saudalia  pedibus 
imponaiitur,  caligis  iuduuutur,  usque  ad  genua  proteusis ,  ibique  constrictis : 
qiüa  praedicator  pedibus  suis  rectos  facere  gressus  suos  et  genua  debilia 
roborare." 

^)  Ibid.  „Caligae  quoque  iacintMni,  id  est,  aerei  seu  coelestis  coloris  denotant, 
quod  coelestes  debet  habere  pedes,  id  est,  affectus  et  firmos,  ne  claudicet,  sed 
dicat:  confortamini  pusiUamiues." 


_    9  - 

gen  Pontificalgewändern  fast  ganz  bedeckt  wurde,  keine  Veran- 
lassung zur  Anbringung  gestickter  Ornamente  boten,  so  lässt  sich 
bei  dem  heutigen  gänzlichen  Vei'schwinden  von  altern  caligae 
wohl  mit  Grund  annehmen,  dass  meistentheils  zur  Anfertigung  von 
bischöflichen  Strümpfen  in  dem  spätem  Mittelalter  violette,  rothe 
oder  weisse  Seidenzeuge  verwandt  wurden,  die  weniger  gewebte 
Musterungen  oder  gestickte  Dessins  aufkommen  Hessen.  Und  den- 
noch, obschon  die  caligae  von  der  faltenreichen  Albe  und  dem 
Talar  fast  ganz  bedeckt  wurden,  so  finden  sich  doch  in  altern 
kirchlichen  Schatzverzeichnissen  Andeutungen  vor,  woraus  zu  ent- 
nehmen ist,  dass,  gleichwie  die  bischöflichen  Pontificalgewänder 
durch  Nadelmalereien  nicht  selten  auf  das  reichste  gehoben  und 
ausgestattet  wurden,  auch  die  caligae  ihres  Schmuckes  nicht  ver- 
lustig gehen  sollten.  So  liest  man  nämlich  in  einem  englischen 
Schatzverzeichnisse  von  St.  Paul  in  London,  angefertigt  gegen 
Schluss  des  XIII.  Jahrhunderts :  „Item  sandalia  de  rubeo  sameto» 
cum  caligis  breudatis  aquilis,  leonibus  et  rosis  et  in  suramitate 
vinea  breudata  Zu  diesen  Sandalen  von  rothem  Sammet  ge- 
hörten also  Strümpfe  mit  Adlern,  Löwen  und  Rosen  gestickt,  und 
waren  am  obern  Rande  Stickereien  mit  Weinlaubverzierungen  an- 
gebracht. 

Ein  günstiger  Zufall  hat  uns  in  die  Lage  gesetzt,  beurthei- 
len  zu  können,  von  welcher  stofflichen  Beschaffenheit  die  ein- 
fachen bischöflichen  caligae  im  Laufe  des  XIV,  und  XV.  Jahrhun- 
derts beschaffen  gewesen  sein  mögen.  Als  wir  nämlich  im  Winter 
des  Jahres  1856  die  seither  verborgenen  und  ungekannt  gewor- 
denen liturgischen  Gewänder  in  einem  entlegenen  Räume  des  Do- 
mes zu  Halberstadt  wieder  auffanden  und  mehr  an's  Licht  zogen, 
sahen  wir  daselbst  auch  unter  der  o-rossen  Menge  der  auso-ezeich- 
netsten  bischöflichen  und  priesterlichen  Ornate  vom  frühen  bis 
zum  späten  Mittelalter  mehrere  stoffliche  Ueberreste  von  ehemali- 
gen bischöflichen  Tibialien,  die  aus  einem  leichten  Seidentaffet  be- 
standen, der  mit  breitern  und  schmälern  Streifen  vielfarbig'  gemu- 
Stert  war.  Diese  gelblichen  Streifen  in  bräunlichem  und  violettem 
Stoffe  laufen  parallel  mit  dem  Fusse  und  zeigen  im  Uebrigen  keine 
eingestickten  Ornamente.  Die  Zartheit  und  Leichtigkeit  dieser  zu 
Strümpfen  verwandten  Taffetstoffe  des  XIV.  und  XV.  Jahrh.  fiel 
uns  schon  damals  auf,  und  gab  der  Vermutlmng  Raum,  dass  die 
Bischöfe  um  diese  Zeit  dieses  untergeordnete  und  einfache  Ornat- 


')  The  history  of  St.  Paul  Cathedral  iu  London  etc.  etc.   London  1818,  in 
Fol.,  pag.  315,  col.  1. 


—    10  — 

stück  wahrscheinlich  über  jene  Unterstrümpfe  von  Leinen  oder 
Wolle  anlegten,  deren  sie  sich  im  g-ewühnlichen  Leben  zu  bedie- 
nen  pflegten.  Es  gehört  nicht  in  den  Kreis  dieser  Untersuchun- 
gen, die  sich  ausschliesslich  mit  der  Form  und  der  künstlerischen 
Ausstattung  der  verschiedenen  Pontificalgewänder  des  Mittelalters 
beschäftigen,  näher  zu  beleuchten,  welche  weitere  Entwickelung 
und  Gestaltung  die  Striimpfe  in  der  sogenannten  Renaissance,  so- 
wie auch  das  XVII.  und  XVIII.  Jahrh.  hindurch  erfahren  haben. 
Wir  bemerken  nur  in  Kürze  Folgendes  Mit  der  Einführung  der 
Strumpfwirkerei,  die  in  die  Tage  der  späteren  Mediceer  und 
Franz  I.  von  Frankreich  fällt,  legten  auch  die  Bischöfe,  nament- 
lich bei  Pontificalhandlungen,  im  Laufe  des  XVI.  Jahrhunderts  all- 
mälig  jene,  aus  einem  Stück  glatt  in  Seidenstoffen  gewirkten  cali- 
gae  an,  wie  sie  damals  noch  mit  Aufwand  von  grossen  Kosten 
an  Höfen  und  nur  von  den  Vornehmsten  fjetragen  wurden.  Bei 
Besprechung  der  bischöflichen  Chirothekcn  soll  näher  angegeben 
werden,  wie  man  im  XVI.  Jahrhundert  durch  eingewirkte  und 
eingestickte  Ornamente  diese  gestrickten  Strümpfe  zu  verzieren 
pflegte. 

2. 

Die  Sandalen  „sandalia,  calceamenta,  soeculi." 

In  der  3.  Lief,  des  vorliegenden  Werkes  auf  S.  327  ist  vorüber- 
gehend darauf  hingewiesen  worden,  dass  sowohl  der  Hohepriester, 
als  auch  die  Priester  des  mosaischen  Cultus  aus  dem  daselbst  an- 
gegebenen Grunde  beim  Tempeldicnste  keinerlei  Fussbekleidung 
sich  bedienten,  sondern  dass  sie  mit  blossen  Füssen  dem  Tempel- 
dienste oblagen.  Im  Neuen  Bunde  jedoch  lag  in  den  Worten  des 
Evangelisten  jSIarcus  VI,  9  sowie  in  der  Stelle  des  Epheserbriefes 
VI,  15  die  Aufforderung  für  die  Diener  und  Vorsteher  der  Kirche, 
bei  der  Verkündig-unjT  des  Evanj^ellums  ihre  Füsse  mit  Sandalen 
zu  umgürten.  Dieselben  hatten  ohne  Zweifel  in  der  apostolischen 
Zeit  eine  Beschaffenheit ,  ähnlich  der  altern  Fussbekleidung  der 
Eömer  und  Hebräer  d.  h.  der  untere  Fuss  war  mit  einer 
Sohle  von  Leder  umgeben,  und  waren  diese  Sandalen  vermittels 
lederner  Kiemen  (ligulae,  ligaturae)  so    mit  der  Oberfläche  des 


')  Vgl.  die  nähere  Beschaffeulieit  der  Fussbekleidung  im  Altertliume  in  be- 
trcftendcii  Schriften  bei  Ferrarius:  de  re  vest.  cap.  31 ;  Eubenius:  de  calceo 
senatorio  und  vornehmlich  Bynnaeus :  de  calceis  Hebraeorum.  Balduinus :  de 
soccis  cap.  IG. 


« 


—  11  — 

Fusses  in  Verbindung  stehend,  dass  dieselben  beim  Gehen  sich 
weder  verschieben  noch  verloren  gehen  konnten.  Als  nach 
Ablauf  der  Völkerwanderung  in  vielen  Stücken  die  Fussbeklei- 
dung des  alten  klassischen  Rom's  sich  geändert  hatte,  scheint  auch 
namentlich  seit  den  Tagen  Gregor's  des  Grossen  für  den  liturgi- 
schen Gebrauch  eine  reicher  verzierte  Fussbekleidung  in  Aufnahme 
ofekommen  zu  sein,  die  den  unbekleideten  Obertheil  des  Fusses 
weniger  zum  Vorschein  treten  liess,  als  das  bei  den  einfachen  Le- 
derumgürtungen  der  Fall  war,  wodurch  sich  die  altern  calceamenta 
des  apostolischen  Zeitalters  kenntlich  machten.  Bereits  in  der  älte- 
sten fränkischen  Zeit  kommen  als  Fussbekleidung  der  Grossen  und 
vielleicht  auch  der  Bischöfe  eine  Art  kurzer  Stiefel  im  öffentlichen 
Gebrauche  vor  (fasciae  franscicae),  die  sich  von  den  römischen 
Sandalen  der  Form  und  dem  Stoffe  nach  bedeutend  unterschie- 
den Auch  noch  zur  Zeit  Karl's  d.  Gr.  ergab  sich  eine  auffallende 
Verschiedenheit  dieser  fränkischen  Fussbekleidung  von  den  römischen 
Sandalen,  die  damals  bei  den  Bischöfen  als  Pontifical-Ornat  allgemei- 
ner in  Gebrauch  war.  So  führt  Einhardt  in  seiner  Lebensbeschreibung 
Karl's  des  Grossen  ausführlich  an,  dass  derselbe  zu  verschiedenen 
Malen  in  Rom  sich  einer  römischen  Tunica  und  eines  Ueberwurfs 
(chlamys)  bedient  habe,  und  auch  einer  Fussbekleidung,  die  nach 
römischer  Art  gestaltet  gewesen  sei.  An  einer  andern  Stelle  nennt 
derselbe  ßiogi-aph  des  grossen  Kaisers  diese  römische  Fussbckleidung 
calceanienta  yeinmata.  Auch  der  sächsische  Reimchronist  gibt  zum 
Jahre  814,  hinsichtlich  der  Pontificalschuhe  Karl's  an:  „comebat 
gemma  pedes  varia".  Woher  kam  bei  den  römischen  Pontifical- 
Sandalen ,  deren  sich  auch  die  deutschen  Kaiser  zu  bedienen  das 
Recht  erhielten ,  die  reichere  Ausstattung  mit  Perlen ,  Edelsteinen 
und  gestickten  Goldornamenten?  Schon  im  klassischen  Rom  be- 
standen zwei  Arten  von  Fussbekleiduiigen,  nämlich  die  ealcei  pe- 
ronei,  die  auch  perones  genannt  wurden,  eine  Art  Sandalen  mit 
Riemenwerk  von  Leder,  für  die  untere  Volksklasse;  die  Senatoren, 
Curulen  und  die  spätem  Cäsaren  bedienten  sich  jedoch  einer  an- 
dern Fussbekleidung,  die  man  alutci,  imillei  nannte.  So  ist  es 
bekannt,  dass  die  Curulen  nach  Verwaltung  ihres  Amtes  das  ius 
calceorum  mulleorum  erhielten.  Als  die  Prachtsucht  unter  den 
spätem  Kaisern  zunahm ,  wurde  auch  diesen  calceis  der  Senatoren 
und  Kaiser  ,  die  gleichmässig  den  Fuss  bedeckten  und  zuweilen 


')  Vgl.  das  Nilhei'e  ad  voc.  fascia  iii  dem  Lexicon  Latiuit.  med  aev.  bei  Du 
Cauge. 


—    12  — 


bis  zu  dem  Knöchel  hinaufstiegen,  eine  grössere  Ausstattung 
gegeben,  die  manchmal  in  Ueberladung  ausartete  i).  Diese  mit 
Perlen  und  Edelsteinen  reichverzierten  Schuhe  des  klassischen 
Römerthums  gingen  von  den  heidnischen  Cäsaren  Rom's  nach  den 
Tagen  des  Constantin  auch  gleichmässig  auf  die  christlichen  Kai- 
ser am  Hellespont  und  auf  die  Patrizier  von  Byzanz  über,  was 
der  Grieche  Zonaras  an  mehrern  Stellen  seines  Werkes  angibt. 
Wie  das  Amalarius ,  desgleichen  auch  Honorius  in  seiner  gemma 
animae  weiter  auszuführen  nicht  unterlässt,  vererbte  sich  die  Ge- 
rechtsame, sich  der  auszeichnenden  calceamenta  gemmata  zu  bedie- 
nen, von  dem  ersten  christlichen  Kaiser  Constantin  auf  die  Vor- 
steher der  römischen  Kirche. 

Es  entsteht  nun  hier  zunächst  die  Frage,  von  welcher  for- 
mellen Beschaffenheit  waren  insbesondere  seit  den  Tagen  der 
Karolinger  diese  Sandalen,  deren  sich  more  romano  nach  Ein- 
hardt  die  Vorsteher  der  abendländischen  Kirche  bedienten?  Wir 
antworten  darauf:  die  römischen  Pontifical  -  Sandalen  in  den  Zei- 
ten der  Karolinger  und  der  spätem  Ottonen  Hessen,  wenn  auch 
in  reicher,  verzierter  Form  und  vielfach  aus  dunkel  -  violettem 
byzantinischem  piirpura  imperialis  oder  aus  tarentinischem  hoch- 
rothem  Purpur  in  ihren  Obertheilen  zusammengesetzt  noch  immer 
ihre  Abstammung  von  den  Sandalen,  die  mit  ligulae  von  Leder 
in  den  ersten  Jahrhunderten  der  Kirche  angelegt  wurden,  nicht 
undeutlich  wahrnehmen.  Es  hatte  nämlich,  wie  das  aus  den  be- 
treffenden Erklärungen  bei  Amalarius  Fortimatus  und  namentlich 
aber  bei  Rhabanus  Maurus  zu  ersehen  ist,  der  Oberstoff  der  San- 
dalen, mochte  er  nun  von  schweren  Seidenstoffen  in  Purpurfarbe, 
oder  von  farbig  gebeiztem  Leder  sein,  eine  solche  Beschaffenheit, 
dass  der  obere  Theil  des  Fusses  in  Folge  der  verschiedenen  Aus- 
schnitte ,  die  der  Oberstoff  erlitten  hatte ,  sichtbar  war.  Diese 
verschiedenen  Einschnitte  und  Oefiiiungen  des  Oberstoffes  trugen 
also  die  Bestimmung,  die  Reminiscenz  an  das  Riemenwerk  (liga- 
menta)  der  Sandalen,  wie  sich  dasselbe  aus  der  frühchristlichen 
Zeit  traditionell  in  der  Kirche  vererbt  hatte,  aufrecht  zu  erhalten. 
Auch  noch  Ivo,  Bischof  von  Chartres,  erwähnt  dieser  streifenför- 
migen Durchbrechung  der  bischöflichen  Sandalen  ausdrücklich  und 
gibt  diesen  Durchbrüchen  des  Oberstoffes  der  Sandalen  eine  my- 
stisch-symbolische Auslegung  ^).    Den  Oberstoff',  der  bei  den  bi- 


•)  cf.  Oct.  Ferrarius  1.  c.   Bakluiüus  de  veterum  calceo  cap.  12, 
2)  B.  Ivo  1.  c.  „habent  autem  (calceamenta)  ad  terram  soleam  integram  ne 
pertangat  terram :  supra  vero  coustat  ex  coreo  quibusdam  locis  pertuso  " 


—    13  — 


schöflichen  Sandalen  unmittelbar  vor  und  nach  dem  X.  Jahrhun- 
dert mit  Abrechnung  der  tiefen  Einschnitte  und  Oeffnungen  noch 
übrig  blieb,  pflegte  man  in  dieser  fern  entlegenen  Epoche  schon 
mit  gestickten  Ornamenten  zu  verzieren.  Auch  Perlen  und  Edel- 
steine wandte  man  zum  Schmucke  dieses  noch  iibrig  bleibenden 
Oberstoffes  an.  Auf  solche  reich  verzierte  bischöfliche  Sandalen 
pflegten  ältere  Liturgiker  den  Spruch  des  Apostels  Röm.  10  zu 
deuten,  wo  es  heisst:  „quam  speciosi  pcdes  annuntiantium  pacem, 
evangelizantium  bona."  Will  man  die  zerstreuten  und  vielfach 
sich  widersprechenden  Angaben  älterer  Schriftsteller  über  die  bi- 
schöflichen calceamenta,  sandalia,  die  auch  zuweilen  compagi  ge- 
nannt werden,  mit  heute  noch  vorfindlichen  Sandalen  der  Ottonen- 
zeit  in  Uebereinstimmung  bringen,  so  gelangt  man  bald  zu  der 
Ueberzeugung ,  dass  aus  der  Epoche  vor  dem  X.  Jahrhundert 
äusserst  wenige  Sandalen  auf  unsere  Taye  irekommen  sind.  Die 
ältesten  Sandalen  dürften  heute  noch  im  Kloster  zu  Altaich  ge- 
funden werden.  Eeichere  Pontifical-Sandalon,  die  sich  heute  noch 
erhalten  haben,  rühren  fast  sämmtlich  aus  dem  XII.  Jahrhundert 
her,  und  lassen  annähernd  einen  Schluss  ziehen,  wie  die  bischöf- 
liche Fussbekleidung  im  X.  und  XI.  Jahrhundert  sowohl  im  Schnitt 
wie  in  der  Verzierungsweise  beschaffen  wwesen  sein  ma<">-.  Aus 
der  ersten  Hälfte  des  XII.  Jahrhunderts  rühren  jene  kaiserlichen 
Pontiflcal-Schuhe  her,  die  heute  noch  bei  den  übrisfen  Kleinodien 
des  deutschen  Reiches  sich  vorfinden  Dieselben  erinnern  in 
dem  stark  ausgeschnittenen  Oberstoff'e  noch  deutlich  an  die  San- 
dalen der  früh-christlichen  Zeit.  Die  ligulae,  die  sich  durch  die 
breiten  Ausschnitte  bilden,  hat  der  sarazenisch-sicilianische  Kunst- 
sticker  mit  Perlen  und  Edelsteinen  reichlich  verziert.  Bis  zum 
Jahre  1794,  ehe  die  heute  in  Wien  befindlichen  indumenta  pontificalia 
imperialia  vor  den  in  Nürnberg  unter  Jourdan  einrückenden  Fran- 
zosen in  Sicherheit  gebracht  wurden,  befanden  sich  im  Kleinodien- 
schatze des  deutschen  Reiches,  aufbewahrt  in  der  dortigen  Spital- 
kirche vom  heil  Geist,  noch  zwei  andere  reichverzierte  Pontifical-San- 
dalen,  die  leider  mit  noch  sechs  anderen  Kloinodienstücken  auf  der 
Flucht  verloren  gegangen  sind.  Dieselben  können  ebenfalls  als  form- 
verwandte Parallelen  sowohl  in  ihrem  Schnitt  als  in  ihrer  reichen 
Ornamentationsweise  im  Hinblick  auf  jene  bischöflichen  Schuhe  be- 

1)  Vgl.  die  Abbildung  in  natürlicber  Grösse  und  die  weitere  Besclireibung  der- 
selben in  dem  I.  Bande  Taf.  4  unseres  Werkes:  „Die  Kleinodien  des  heil, 
römischen  Reiches  deutscher  Nation,  imter  Beigabe  derKron-Insignien  Böh- 
mens, Ungarns  und  der  Lombardei."  Wien  in  der  K.  K.  Hof-  und  Staats- 
druckerei 1860. 


—  14 


trachtet  werden,  die  im  XII.  Jahrhundert  in  Kathedral-  und  Stifts- 
kirchen gebräuchhch  waren.  Die  Einschnitte  des  Oberstoffes  an 
diesen  heute  fehlenden  kaiserlichen  Schuhen  sind  nicht  so  tief  und 
auffallend ,  als  die  an  jenen  Sandalen ,  die  heute  noch  im  Kaiser- 
schatze zu  Wien  aufbewahrt  werden.  Glücklicher  Weise  hat 
C.  von  Murr  diese  interessanten,  heute  verschwundenen  Pontifical- 
Sandalen  in  seinem  Werke,  so  gut  es  die  Kunst  des  Zeichners  da- 
mals vermochte,  im  Bilde  veranschaulicht  '). 

Durch  die  zuvorkommende  Freundlichkeit  des  Herrn  Dom- 
capitulars  von  Wihnowsky  sind  wir  in  der  Lage,  hier  auf  Tafel  1 
in  stylgetreuer  Copie  die  Abbildung  einer  bischöflichen  Sandale 
veranschaulichen  zu  können,  die  bei  Eröffnung  des  Grabes  vom 
Erzbischof  Arnold,  gestorben  in  der  letzten  Hälfte  des  XH.  Jahr- 
hunderts, im  Dome  zu  Trier  sich  vorfand,  und  die  mit  grösster 
Genauigkeit  von  dem  eben  gedachten  gelehrten  Alterthumsforscher 
in  Naturgrösse  gezeichnet  worden  ist.  Der  Oberstoff  bestand  aus 
einem  gerötheten  feinen  Leder,  auf  welchem  durch  die  Kunst  der 
Nadel,  wie  die  Zeichnung  es  angibt,  eine  Menge  der  zierlichsten 
Laubgewinde  gestickt  worden  ist.  Vollkommen  analog  mit  den  kaiser- 
lichen Pontificalschuhen  im  Schatze  zu  Wien,  sind  diese  Sandalen 
des  Erzbischofs  Arnold  in  dem  Oberstoffe  mit  sechs  breiten  Ein- 
schnitten versehen,  wodurch  sich  fünf  ligulae  als  schmale  Streifen 
bilden,  welche  das  Riemenwerk  der  früh-christlichen  Sandalen  ver- 
anschaulichen und,  wie  es  die  symbolischen  Ausleger  der  liturgischen 
Gewänder  wollen,  den  obern  Fuss  stellenweise  durchblicken  lassen. 
Ausser  diesen  breiten  Durchbrechungen  sind  auch  auf  dem  Ober- 
stoffe dieser  merkwürdigen  Sandalen  allenthalben  nach  kurzen  Zwi- 
schenräumen in  dem  Unterstoffe  des  Leders  kleine  Durchbohrunaren 
(foramina  obtusa)  ersichtlich,  die  nicht  nur  die  Bestimmung  hatten, 
die  Ausdünstungen  des  Fusses  ungehindert  durchziehen  zu  lassen, 
sondern  die  unserer  Ueberzeugung  nach  vornehmlich  hier  angebracht 
waren,  um  der  symbolischen  Deutung  der  bischöflichen  Fussbeklei- 
dung Vorschub  zu  leisten,  nach  welcher,  der  Ansicht  der  meisten 
Liturgiker  zufolge,  nur  die  untere  Sohle  des  Fusses  durch  die  San- 
dalen bedeckt  und  geschützt  sein  sollte,  der  obere  Theil  der  Be- 
schuhung sollte  jedoch  die  Durchsicht  des  Fusses,  wie  bereits  frü- 
her bemerkt,  durch  seine  Durchbrechungen  gestatten.    Auf  diesen 


')  Vgl.  Delineation  exacte  des  ornemens  imperiaux  du  Saint  empire  Romain  et 
Allemand  gardes  ä  Nuremberg  par  Jean  A.  Delsenbach  in  fol.  1790. 

Ferner:  Beschreibung  sämmtlicher  Reichskleinodieu ,  herausgegeben  von 
Cb.  G.  V.  Murr.    Nürnberg  1790.    Seite  46  und  47. 


—    15  — 


durchbrochenen  Oberstoff,  den  Innocenz  III.  in  sehier  Schrift 
die  Geheimnisse  des  heil.  Messopfers  corium  fenestratum  nennt,  und 
Ivo  von  Chartres  als  coriuni  quibusdani  locis  pertusum  bezeichnet, 
ist  die  tropologisch-mystische  Erklärung,  die  der  obengedachte  Papst 
bei  Beschreibung  der  Sandalen  gibt,  zu  beziehen,  die  wir  unten 
ihrem  Wortlautenach  folgen  lassen  ').  Mit  den  Angaben  des  grossen 
Innocenz  über  die  Bedeutung  und  die  BeschafJenheit  der  Sandalen 
wie  sie  genjen  Schluss  des  XII.  Jahrhunderts  damals  in  den  bi- 
schöflichen  Kirchen  Italiens  im  Gebrauche  waren  und  die  durch- 
aus auf  die  Fussbekleidung  des  Erzbischofs  Arnold  von  Trier 
(vgl.  un'sere  Abbild,  auf  Taf  I)  passen,  steht  auch  in  Einklang  die 
weitläufige  Beschreibung  und  Deutung  dieses  bischöflichen  Orna- 
tes bei  Durandus,  Bischof  von  Mende  (Mimatensis),  gegen  Schluss 
des  XIII.  Jahrhunderts.  Auch  Durandus  ^)  spricht  noch  immer 
von  dem  corium  fenestratmn  des  Oberstoi'fes  der  Sandalen  und  gibt 
dieselbe  mystische  Erklärung  in  phantasievoller  Auffassung  und 
Durchführung,  wie  seine  Vorgänger;  desgleichen  erklärt  er  auch 
die  Schnüre  (ligaturae,  ligulae),  welche  unserer  Zeichnung  zufolge 
durch  die  umgebogenen  und  offenen  Schnürlöcher  der  Sandalen 
durch o-ezogen  und  oben  auf  dem  Fusse  zusammenfjebunden  zu 
werden  pflegten. 

Das  XII  und  XIII.  Jahrhundert  hindurch  scheinen  die  bi- 
schöflichen Sandalen  jene  Formgestaltung  beibehalten  zu  haben, 
die  unsere  Abbildung  auf  Tafel  I  veranschaulicht  und  die  durch- 
gänrng  als  die  charakteristisch  eio;enthümliche  Verzierun";  in  der 
romanischen  Kunstepoche  zu  betrachten  sein  dürfte.  AVir  stellen 
indessen  nicht  in  Abrede,  dass  in  der  letzt  gedachten  Zeit- Epoche 
in  einzelnen  Diöcesen  andere  abweichende,  künstlerische  Aus- 
stattungen der  Sandalen  vorgekommen  sein  mögen,  mit  reich  ver- 
ziertem breitern  ligidae,  in  jener  Weise,  wie  sie  an  den  verloren 
gegangenen  Sandalen  der  deutschen  Kaiser  ehemals  wahrnehmbar 


')  liinocentius  III.  de  mysteriis  niissac:  „Sandalia  desubtus  integram  habent 
soleaui,  desuper  autrm  corium  fenestratum,  quia  gressus  praedicatoris  dcbent 
subtus  esse  muiiiti,  ne  polluantur  terreiiis  sccuudum  ilkid :  excutite  pulverem 
de  pedibus  vestris ;  et  sursum  aperti,  qiiatemis  ad  cognosceiida  coelestia  re- 
velentur ,  secuudum  illud  propheticum :  revela  oculus  meos ,  et  coiisiderabo 
mirabilia  de  lege  tua.  Quod  autem  sandalia  quibusdam  locis  aperta  et 
quibusdain  locis  clausa  sunt,  designat.  quod  Evangelica  praedicatio  omnibus 
revelari,  nec  omnibus  debet  abscondi,  sicut  scriptum  est:  Vobis  datum  est 
nosse  mysterium  regni  Dei,  ceteris  autem  in  parabolis.  Nolite  sanctum  dare 
cauibus  ne  margaritas  spargatis  ante  porcos  " 

2)  Guilielmi  Burandi  rationale  divinorum  offic.  lib.  3,  cap.  8. 


—    16  - 


waren.  Diese  drei  ligulae ,  fast  ein  Kreuz  bildend,  zeigen  sich 
auch  an  den  Pontifical-Schuhen ,  womit  das  Standbild  eines  heili- 
gen Papstes  unter  den  Vorhallen,  des  Domes  zu  Chartres  (vgl. 
Taf.  VI  Lief.  3  des  vorliegenden  Werkes)  bekleidet  ist.  Auch  in  Köln 
kommt  bereits  um  diese  Zeit  an  den  Wandmalereien  in  St.  Gereon  aus 
dem  Beginne  des  XIII.  Jahrh.  diese  abweichende  Ausschmückung: 
der  Sandale  mit  vier  breiten  ornamentalen  Bändern  vor,  die  sich 
fast  zu  einem  Kreuz  gestalten,  wie  das  an  den  Sandalen  der  bi- 
schöflichen Figur  auf  Tafel  X  deuthch  ersichtlich  ist Auch  die 
Schuhe  des  im  Jahre  1325  verstorbenen  Erzbischofs  Burghard  von 
Magdeburg  lassen  eine  ähnliche  Verzierung  der  bischöflichen  San- 
dalen in  Form  von  sich  durchkreuzenden  Bändern  deutlich  er- 
kennen Gegen  Schluss  des  XIV.  und  das  ganze  XV.  Jahrhundert 
hindurch  entwickeln  sich  in  reicher  künstlerischer  Ausstattung  die 
bischöflichen  Sandalen  auf  Grundlage  jener  Form  und  Gestaltung, 
wie  wir  sie  auf  Tafel  X  näher  veranschaulicht  haben. 

In  der  Regel  sind  diese  schmalen  ligulae  von  Goldstoff  mit 
Perlen  und  Edelsteinen  verziert ;  oder  die  sich  durchkreuzenden 
Bänder  bestehen  aus  einem  schAveren,  farbigen  Seidenstoff,  auf 
welchen  in  der  Regel  die  Stickerin  vielg-estaltiofe  Ornamente  an- 
gebracht  hat. 

Es  nimmt  fast  den  Anschein,  dass  man  in  der  gothischen 
Kunstepoche  diese  kreuzweise  sich  durchschneidenden  ligaturae  auf 
den  sonst  im  Oberstofi  geschlossenen  Sandalen  angebracht  hat^ 
um  die  Erinnerung  und  Ueberliefcrung  an  das  ehemalige  Riemen- 
werk aufrecht  zu  erhalten ,  das  nach  den  obigen  Auseinander- 
setzungen den  Obertheil  des  Fusses  in  den  frühern  Jahrhunderten 
überdeckte.  Diese  ornamentalen  Bandstreifen,  die  man  auf  Wand- 
malereien und  an  Sculpturen,  desgleichen  auch  auf  Tafelmalereien 
das  XIV.  und  XV.  Jahrh.  hindurch  immer  wieder  als  Verzie- 
rungen auf  bischöflichen  Sandalen  wahrnimmt,  sind  als  analoge 
streifenförmige  Verzierungen  aufzufassen,  mit  jenen  reich  gestickten 
ligulae,  die  in  derselben  Epoche  auf  der  bischöflichen  Mitra  vor- 
kommen und  mit  den  schmalen  Aurifrisien,  die  auf  der  bischöf- 
lichen Casel,  als  Gabelkreuz  über  die  Schultern  ansteigend,  aus 
dem  Ausgange  des  Mittelalters  herrührend  heute  noch  vielfach  an- 
zutreffen sind. 


1)  Dieses  Bild  -wiu-de  genau  von  der  betreffenden  Originabnalerei  in  der  irr- 
thümlicli  sogenannten  Taufkapelle  von  St.  Gereon  copirt  und  stylstreng  in 
Farbendruck  iv-iedergegeben. 

2)  Der  Dom  zu  Magdebmg  von  Eosenthai.    Lief.  V.  Taf.  I.  Fig.  19. 


-    17  — 


Wir  befürchten,  den  engen  Raum,  der  uns  für  die  vorliegende 
Abhandlung  zugewiesen  ist,  zu  sehr  zu  überschreiten,  wenn  wir 
noch  länger  bei  der  Schilderung  des  Schnittes  und  der  ornamen- 
talen Ausstattung  verweilen,  die  die  bischöflichen  Sandalen  in 
reicher  Abwechselung  der  Formen  beim  Ausgange  des  Mittelalters 
erfahren  haben  ').  Es  sei  nur  noch  gestattet,  einige  Andeutungen 
hier  folgen  zu  lassen  über  die  künstlerische  Ausstattung  der  päpst- 
lichen Sandalen  und  über  die  Umgestaltung,  welche  die  Renais- 
sance der  bischöflichen  Fussbekleidung,  abweichend  von  der  alt 
überlieferten  Form,  gegeben  hat. 

Da  nach  den  Angaben  der  ältesten  Liturgiker  durch  die  An- 
legung- der  calceamenta  der  Beruf  zur  Verkündie^ung  des  Evan- 
geliums  angedeutet  wurde,  so  lag  es  nahe,  bereits  in  der  früh- 
christlichen Zeit  den  Obertheil  der  Schuhe  der  Vorsteher  und 
Bischöfe  mit  dem  Zeichen  des  Kreuzes  auszuzeichnen.  So  hat 
ein  Schriftsteller  des  XVI.  Jahrhunderts,  Angelus  Rocca,  nach- 
gewiesen, dass  auf  den  musivischen  Darstellungen  in  vielen  Ba- 
siliken Rom's  noch  in  seinen  Tagen  die  Bilder  verschiedener 
Bischöfe  ersichtlich  waren ,  deren  Sandalen  auf  dem  obern  Fusse 
mit  einem  Kreuz  geschmückt  waren.  Solche  mit  dem  Zeichen 
der  Erlösung  verzierte  Sandalen  habe  man  in  den  Mosaiken  in 
einem  Oratorium  der  Basilika  des  Apostelfürsten  Petrus,  desglei- 
chen in  der  Chorapsis  der  kleinen  Kirche  vom  heil.  Venantius, 
ferner  in  der  Basilika  der  heil.  Agnes,  in  der  Apsis  der  Kirche 
vom  heil.  Martin  und  endlich  im  Choie  der  Basilika  St.  Mariae 
trans  Tiberim.  Wir  fügen  dem  Bei'ichte  des  Angelus  Rocca,  wor- 
auf sich  auch  du  Saussay  ^)  bezieht,  noch  hinzu,  dass  eine  Abart 
des  Kreuzes  und  zwar  in  der  Form  des  griechischen  Tau  auf  den 
bischöflichen  Sandalen  in  den  berühmten  Mosaiken  von  St.  Vitale 
in  Ravenna  deutlich  wahrnehmbar  ist  (vgl.  Tafel  X  Lief  3),  die 
unter  Kaiser  Justinian  dem  Jüngern  gegen  Mitte  des  VI.  Jahr- 
hunderts vollendet  wurden. 

Du  Saussay  führt  aus  der  apostolischen  Zeit  eine  grosse  An- 
zahl Beispiele  auf,  wie  den  römischen  Päpsten  die  verschiedenen 
Jahrhunderte  hindurch  von  Seiten  der  Gläubigen,  desgleichen  von 
Fürsten  und  Königen  des  christlichen  Abendlandes  die  Auszeichnug 

')  Diejejiigeu,  die  Ausfükrlicheres  über  die  calcei,  caligae,  sandalia  und  com- 
pagi  und  ihre  gegenseitigen  Unterscheidungen,  desgleichen  über  die  litur- 
gische und  symbolische  Bedeutung  derselben  ersehen  wollen,  verweisen  wir 
auf  das  Werk  von  And.  du  Saussay:  Panoplia  episcopalis  Lut.  Paris  161G. 

-)  Du  Saussay  appcndix  pro  ritus  dcfensione  de  osculationis  pedum  sumini 
pontif.  in  Panoplia  cpiscopali  1.  c. 

Liturgische  Gewämlrr.  II.  2 


-    18  — 


zu  Theil  geworden  ist,  jenes  Kreuz  zu  küssen,  womit  seit  den  älte- 
sten Zeitun  die  Fussbekleidung  derselben  als  Nachfolger  des  Apostel- 
fürsten Petrus  und  Stellvertreter  Christi  geschmückt  war.  Auch  im 
spätem  Mittelalter  scheint  sich  immer,  noch  in  Absicht  des  Fuss- 
kusses, auf  dem  slofthchen  Obertheile  der  Sandalen  der  römischen 
Päpste  das  Kreuz  in  ornamentaler  Ausstattung  erhalten  zu  haben. 
Im  Hinblick  auf  das  Vorkommen  eines  verzierten  Kreuzes  auf  der 
päpstlichen  Fussbekleidung  nimmt  es  vielfach  den  Anschein ,  als 
ob  diese  transversal  sich  durchschneidenden  ligulae  auf  den  bi- 
schöflichen Sandalen  des  XIV.  und  XV.  Jahrhunderts  als  eine 
veränderte  forma  crucis  zu  betrachten  seien  ,  womit  die  pä[)St- 
lichen  Sandalen  das  ganze  Mittelalter  hindurch  ausgestattet  waren. 

Als  mit  dem  XVI.  Jahrb.,  bei  dem  Aufkommen  des  neuen  klas- 
sisch-heidnischen Styles,  sämmtliche  liturgische  Gewänder  in  Form, 
Schnitt  und  äusserer  Verzierungsweise ,  der  alt-kirchlichen  Ueber- 
lieferung  entgegen ,  bedeutende  Veränderungen  erlitten ,  verloren 
auch  allmälig  die  bischöflichen  Sandalen  ihre  ehemalige  traditio- 
nelle Form  und  ihre  durch  die  Jahrhunderte  ererbte,  feststehende 
Ausstattung.  Es  fielen  nämlich  die  ligulae,  wie  sie  die  Abbildung 
auf  Tafel  1  und  Tafel  X  andeutet ,  fort^  Die  Fussbekleidung  des 
Bischofs  unterordnete  sich  von  jetzt  ab  ihrem  Schnitte  nach  mehr 
oder  weniger  den  stets  wechselnden  Formen  der  Tagesmode ,  so 
dass  sejren  Auso-ano;  des  vorigen  Jahrhunderts  den  bischöflichen 
Sandalen  als  letzte  Auszeichnung  vor  der  gebräuchlichen  profanen 
Fussbekleidung  nur  noch  das  auszeichnende  Kreuz  geblieben  ist,  das 
in  den  meisten  Fällen  sowohl  in  der  Form  als  auch  in  der  Technik 
einen  durchaus  modernen  und  unkirchlichen  Anstrich  gewonnen  hat. 
Im  Vorbeigehen  unterlassen  wir  nicht,  anerkennend  darauf  hinzu- 
weisen, dass  man  in  den  letzten  Jahren  in  verschiedenen  Diöcesen 
Frankreichs  und  Deutschlands  bemüht  gewesen  ist,  den  bischöf- 
,lichen  Sandalen,  hinsichtlich  ihrer  Form  und  künstlerischen  Aus- 
stattung, jenes  profane  Aeussere  zu  benehmen,  wozu  sie  in  den 
zwei  letzten  Jahrhunderten  gegen  den  Willen  der  Kirche  erniedrigt 
worden  waren.  Wieder  anknüpfend  an  die  altherkömmliche  sinn- 
volle Einrichtung  der  bischöflichen  Schuhe  hat  man  sowohl  in 
der  Erzdiöcese  Köln,  als  auch  in  den  Diöcesen  Münster,  Osna- 
brück und  Paderborn  wieder  begonnen,  den  Oberstoff  der  bischöf- 
lichen Sandalen  mit  jenen  sich  durchkreuzenden  ligaturae,  liga- 
menta  zu  verzieren,  wie  auf  ältern  Bildwerken  durchgängig  die 
Pontifical-Sandalen  künstlerisch  beschafl'en  und  eingerichtet  sind. 
Im  8.  Hefte  des  Kirchenschmuckes,  Archiv  für  weibliche  Hand- 
arbeiten, haben  wir  in  farbiger  Abbildung  ein  Paar  Sandalen  als 


—    19  — 


Muster  veranschaulicht,  wie  in  ihrer  ornamentalen,  symbolischen 
Einrichtung  die  bischöflichen  Sandalen  im  s^iätern  Mittelalter  be- 
schaffen waren  '). 

3. 

Das  Schultertuch  „amietus,  superhumerale". 

Bevor  der  Bischof  sich  mit  den  übrigen  vorgeschriebenen  Pon- 
tifical-Ornaten  bekleidet,  die  im  Nachfolgenden  eine  Beschreibuno- 
finden  werden ,  bedeckte  er  ehemals  und  auch  heute  noch  den 
Hals  und 'den  obern  Theil  der  Untergewänder  mit  einem  vier- 
eckig länglichen  Leintuche,  das  im  friihen  Mittelalter  häufig  aus 
feinem   Byssus   bestand.     In  der  3.  Lieferung  der  vorliegenden 
Schrift  haben  wir  auf  Seite  445  und  den  folgenden  auf  das  Herkom- 
men und  den  Namen  dieses  ersten  den  Hals  verdeckenden  Unter- 
gewandes des  priestei'lichen  und  bischöflichen  Ornates  hingewiesen 
und  auch  darauf  im  Vorbeigehen  aufmerksam  gemacht,  dass  diese 
leinene  Verhüllung  erst   nach  dem   10.  Jahrhundeit  durch  die 
Stickerei  eine  weitere  künstlerische  Entwickeluno;  und  Ausstattungr 
gefunden  habe.    Bevor  wir  im  Folgenden  diese  artistische  Be- 
schaffenheit ,  die  dem  Amict  allgemeiner  erst  seit  dem  XI.  und 
XII.  Jahrhundert  gegeben  wurde,  näher  in  Betracht  ziehen,  wol- 
len wir  hier  auf  die  V;'r\vechsclnngen  hinweisen,  die  bei  verschie- 
denen altern  Schriftstellern  hinsichtlich  des  Humerals  als  ersten  und 
einfachsten  Untergewandes  von  Leinen  im  Veroleich  zu  dem  reich 
verzierten  superlmmerale ,  dem  Ephod  des  Hohenpriesters  im  alten 
Bunde  sich  vorfinden,  das  auch  im  spätem  Mittelalter  häufiger  ra- 
tionale episcopor'um  genannt  wird.  Schon  in  den  ersten  christlichen 
Jahrhunderten  kömmt  bei  liturgischen  Schriftstellern  für  die  Bezeich- 
nung amiculum,  pulüum  lineum  die  Bezeichnung  amietus  vor,  gleich- 
bedeutend mit  hurnerale,  supcrhuincrale.  Nicht  nur  allein  der  Gleich- 
klang des  Namens  superhumerale,  gleichbedeutend  mit  dem  Ephod 
des  Hohenpriesters ,  sondern  mehr  noch  die  klar  vorliegende  Ab- 
sicht, jedes  priesterliche   und   bischöfliche  Gewand  von  irgend 
einem  formverwandten  Bekleidungsstücke  des  Hohenpriesters  im 
Mosaismus  abzuleiten,  veranlasste  schon  den  Honorius  in  seinem 
Buche  de  autiquo  missae  ritu  cap.  201  unsern  amietus  mit  dem 
Ephod  der  Hohenpriester  als  hurnerale  gleichbedeutend  anzusetzen. 


')  Kii'chpusclimuck .  ein  Archiv  für  weibliche  Handarbeit.  2.  Jahrgang  1858. 
8.  Heft,  boschrdbondcr  Text  Seite  1.3  Nro.  17. 

2* 


-    20  - 


Auch  selbst  der  heil.  Hieronymus  ')  neigte  sich  früher  dieser  An- 
nahme hin.  Und  doch  ist,  was  auch  derselbe  Heilige  an  einer 
andern  Stelle  ausführlich  entwickelt,  das  F'phod  oder  Supcrhume- 
rale  des  Hohenjn-iesters  im  Alterthume  als  reichverziertes  Ober- 
gewand von  dem  einfachen,  leinenen  Untergewande  des  amictm 
oder  humerale  der  Kirche  so  auffallend  verschieden,  wie  das  auch 
ein  einfacher  Vergleich  unserer  Abbildung  auf  Taf.  H  dieser  und  auf 
Taf.  V  und  VI  der  HI.  Lieferuno;  deutlich  ersibt.  Unser  Schul- 
tertuch  hat  also ,  wie  dasselbe  das  ganze  Mittelalter  hindurch  die 
Bischöfe  und  die  Priester  getragen  haben ,  als  ein  den  Oberkör- 
per verhüllendes  UntergCAvand,  hinsichtlich  seiner  Gestalt,  seines 
Stoffes  und  seiner  einfachen  Verzierungsweise  nicht  die  mindeste 
Formverwandtschaft  und  Aehnlichkeit  mit  dem  reichen  Ephod 
oder  Superhumerale  des  Plohenpi-lesters  im  Alterthume,  sondern 
vielmehr  mit  einem  halsbedeckenden  Leintuch,  das  als  Unterjrewand 
(Ephod-Bad)  Samuel  als  Levit  im  Jüngern  Alter  getragen  hat, 
und  womit  auch  David  vor  der  Bundeslade  des  Herrn  ^)  beklei- 
det war. 

Alkuinus,  Amalarius,  Rhabanus,  der  Mönch  Walafried 
Strabo  und  andere  Liturgiker  sprechen  vor  dem  X.  Jahrhundert 
in  ihren  betreffenden  Schriften  von  dem  amidus  oder  Immerale 
als  von  einem  einfachen  Tuche  aus  zartem  Leinenstoft'e  oder  Bys- 
sus,  das  man  zuerst  über  den  Kopf  legte  und  das  alsdann  gleich 
auf  die  Schultern  und  den  Hals  herabgelassen  und  vermittels 
zweier  Schnüre  von  Leinen  unterhalb  der  Arme,  auf  der  Brust, 
zusammen oeschnürt  wurde.  Als  mit  dem  XI.  Jahrhundert  die 
liturgischen  Gewänder  sich  hinsichtlich  der  Anwendunor  von  Sticke- 
reien  und  Zulassunsr  von  kostbaren  orientalischen  Seidenstoficn 
weiter  zu  entwickeln  begannen,  erhielt  auch  seit  dieser  Zeit  in  ver- 
schiedenen Diöcesen  der  amictus  einen  ornamentalen  Zusatz ,  der 
aus  einem  quadratisch-länglichen  Seidenstoffe  bestand,  auf  welchem 
die  Kunst  des  AVebers  oder  des  Stickers  eine  Fülle  von  entspre- 
chenden Verzierungen  anzubringen  pflegte.  Dieses  mitten  auf  dem 
humerale  am  untern  Saume  auft^enähtc  stoffliche  Ornament  nannte 
man  pamra  oder  plaga.  Zur  Veranschaulichung  des  eben  Ge- 
sagten haben  wir  auf  Tafel  H  unter  a,  b,  c,  d    ein  in  unserer 


1)  Hieronym.  ep.  128  und  cp.  ad  Fabiolam  de  veste  sacerdotali. 

2)  Ilifronym.  1.  c.  Aliud  est  eiiini  ephod,  ex  quattuor  coloribus  id  est  hya- 
ciiitho,  bysso,  cocco,  purpura,  et  ox  auro  Labcrc  contextum,  qiidd  oinuis 
scriptura  testatur  sacrum  quoddam  esse,  et  S(dis  convenieiis  Pontificibus 
aliud  in  similitudinem  saccrdütum  Simplex  ( t  lineum. 


Sammlung  befindliches  älteres  Humeral  mit  der  pamru  unter  Fig. 
4  abgebildet.  Auch  ])flegte  man  dieses  Schultertuch,  das  mit  einer 
solchen  aufgenähten  viereckig-länglichen,  mehr  oder  weniger  reich 
gestickten  oder  gewebten  Verzierung  ausgestattet  war,  amictus  pa- 
ratus  zu  nennen.  Der  Umstand ,  dass  Durandus ,  der  sein  Ratio- 
nale divinoruin  ujjidorum  bekanntlich  im  XIJI.  Jahrhundert  schrieb, 
bei  der  mystischen  Ei'klärung  des  Humerals- dieser  plaga  oder  pa- 
rur<i  nicht  gedenkt,  dürfte  dadurch  zu  erklären  sein,  dass  im  süd- 
lichen Frankreich,  wo  er  sein  Buch  verfasste,  damals  diese  plaga 
am  Sehultcrtuch  noch  nicht  allgemein  zur  Anwendung  gekommen 
war.  Berehs  im  Beginne  des  XIII.  Jahrhunderts  scheint  in  mehre- 
ren bischöflichen  Kirchen  dieses  Humeral  mit  seiner  aufgenähten 
stofflichen  Verzierung  allgemeiner  in  Gebrauch  gekommen  zu  sein, 
wie  das  aus  einem  Schatzverzeichnisse  der  Ecdesia  Sarum  deut- 
lich hervorgeht.  In  diesem  inhaltsreichen  Inventar,  angefertigt 
im  Jahre  1222,  das  uns  in  Abschrift  vorliegt,  liest  man  unter  der 
ßubrik  der  liturgischen  Gewänder  und  stoftlichen  Ornate ,  die 
die  Sacristei  der  eben  gedachten  bischöflichen  Kirche  in  grosser 
Menge  damals  aufzuweisen  hatte ,  unter  andern  Aufzeichnungen 
Folgendes:  Aniicti  II  deaurati  ')  cum  lapidibus  —  item  amicti  V 
brcudati  -)  —  item  amicti  X  de  aurifrigiis  ^)  —  item  amicti  IV 
de  scrico  '*). 

Auch  in  einem  alten  Inventar  der  Kirchenschätze  von  Chartres, 
angefertigt  im  Jahre  1337,  werden  an  mehi-ern  Stellen  Humeralien 
aufgezählt,  die  mit  pararae  verziert  waren,  und  zwar  lautet  die 
technische  Bezeichnung  dafür:  „amictum  parez."  So  liest  man 
daselbst:  „item  una  alba  et  amictum  parez,"  und  an  einer  andern 
Stelle  wieder:  „una  alba,  amictum  parez." 

In  einem  reichhaltigen  Inventar  der  Prager  Domschätze,  an- 
gefertigt im  Jahre  1387  von  dem  Sacristanpriester  Srailo,  finden 
sich  die  Humeralien  meist  zusammen  aufgeführt  mit  den  Alben, 
und  zwar  aus  dem  Grunde,  weil  die  aufgenähten  Verzierungen  am 
Schultertuche  meistentheils  in   Farbe  und  künstlerischer  Ausstat- 


')  Wahrscheinlich  war  die  pai  ura  auf  tlieseu  Schultertüchern  von  einem  geweb- 
ten Goldstoffe,  der  ausserdem  noch  mit  <refassten  Edelsteinen  verziert  war. 

2)  Es  waren  das  fünf  Humerahon  mit  gestickten  paritine.    In  der  damahgen 
Latinität  liezeiclmeto  man:  sticken,  mit  dem  Worte:  broudare  oder  brusdare, 
franz.  broder,  gleichbedeutend  mit  dem  frühem:  variare,  acupingere. 
Auritrigiae  nannte  man  gewebte  oder  gestickte  streifenförmige  Ornamente,  die 
entweder  in  Goldfäden  oder  Seide  ausgeführt  waren. 

'')  Die  Verzierungen  an  diesen  zwei  Schultertücbern  bestanden  einfach  aus  ge- 
musterten Seidenstoffen  ohne  Stickereien. 


tung  entsprechend  waren  mit  den  vier  ornamentalen  aufgenähten 
Stoffen  auf  der  Albe.  So  liest  man  in  dem  eben  gedachten  Ver- 
zeichniss  von  St.  Veit  unter  der  ruhriea  de  alhis:  „primo  tres 
albae  cum  tribus  huineralibus  donatae  per  dominum  Benessium  de 
Crawar,  quorum  humerale  est  de  perlis  magnis  habens  istas  lit- 
teras: Maria  Virgo ')  et  tria  humeralia  de  perlis,  donata  per 

dominam  Imperatricem ,  quodlibet  continet  tres  infulas  imperiales 
et  IV  litteras      K.  E.  K.  B. 

In  einem  andern  Schatzverzeichnisse  der  Kathedrale  von  St. 
Veit  in  Frag,  angefertigt  im  Jahre  1354,  stehen  unter  andern  ver- 
zeichnet :  „Item  humeralia  Episcopalia  IV  et  alia  bona  sufficientia 
omnmo  XXVI  " 

Sehr  belehrend  für  den  vorliegenden  Zweck  ist  die  Aufzählung  der 
vielen  mit  pururue  gestickten  Schultert üchcr  in  dem  äusserst  reich- 
haltigen Inventar ,  das  die  Schätze  des  Domes  von  Olmütz  vom 
Jahre  1453  anführt.  Wenn  auch  keine  ältern  Humeralien  mit  ihren 
gestickten  Ornamenten  sich  heute  mehr  erhalten  hätten,  so  würde 
man  durch  die  ausführlichen  Beschreibungen  und  Angaben  dieses 
Olmützer  Schatzverzeichnisses  allein  schon  in  der  Ijage  sein,  über 
die  Form  und  künstlerische  Ausstattung  der  mittelalterlichen  Schul- 
tertücher in's  Klare  zu  kommen.  Es  würde  zu  weit  fidiren,  wenn 
wir  hier  sämmtliche  Aufzählungen  von  gestickten  aj?uci2  folgen  Hes- 
sen ,  die  das  Olmützer  Inventar  in  grosser  Zahl  verzeichnet.  Nur 
einio-e  Angaben  wollen   Avir  dem  Wortlaute  nach  hier  folgen  las- 

sen:  „alba,  stola,  manipula  et  humeralia  et  in  humerali  prae- 

texta  aurea  in  qua  (est)  corouacio  et  quattuor  ymaginum  •'■)  ;  item 
humerale  de  nigra  axamit '*),  in  quo  Maria  de  litteris  argenteis  de- 
auratis     et  supra  quamlibet  litteram  coronam  cum  circulis  VI, 


')  Dieses  Humeral  zeigte  auf  seiner  p«»'»;«  eine  reiche  Perlstiekerei  und  Maren 
auch  in  Perlen  die  ohcu  angegeheiieu  Buchstaheu  gestickt. 

~)  Dieses  von  der  Kaiserin  geschenkte  Schultcrtuch  Jiatte  auf  der  mit  Pei-len 
bestickten  parinu  kleinere  Kaiserkronen,  worin  statt  dei'  pili'i  Infulen  an- 
gebracht waren. 

Auf  der  plaija  dieses  Humerals,  die  hier  auch  pmciexia  genannt  wird,  er- 
sah mau  iu  Stickereien  die  Krönung  der  Mutter  Gottes  und  die  vier  sym- 
bolischen Tliierbilder  der  Evangelisten. 
')  Der  Terminus  Axamit,  den  itiilienische  luventare,  gleichbedeutend  uuserm 
deutscheu  Sammet  (engl.  Samite),  sciamüo  nemieu,  ist  offeubar  herzuleiten 
von  dem  griechischen  i'iuun(j>;. 

Es  waren  das  m  dünnem  Silberblech  getriebene,  vergoldete  Buchstaben,  die 
vermittels  kleiner  Anbohrungon  auf  die  pineie.vta  des  Humerals  aufgenäht 


-    23  — 


in  medio  littei-aruin  argenteis  in  quibus  sunt  ymaglnes  leonmn  ') 
et  est  (leputaium  pro  seniori  praebendario  ;  . .  .  .  item  (piattuor  hu- 

ineralia  in  flaveo  serico  -)  et  plene  perlis,  in  uno  IVIaria  de  perlis;  

in  quarto  tria  agruis  Dei  et  flores  plene  de  perlis').  Item  hunierale 
flaveum  cum  littei-is:  Maria  hilf;  item  humei-ale  aureum  in  quo 
tre^  ymagines  continentur  sc.  Salvatoris  Christi  et  Wenzeslai". 
Item  due  praetexte'')  auree  pro  hnmeralibus  sine  tela;  item  humerale 
llaveuui  cum  avibus  et  animalihus,  praetextum  cum  auro  Item 
tres  partes  de  nigro  axamit  pro  hnmeralibus  ''). 

Unwillkürlich  wurden  wir  bei  dieser  genauen  Beschreibung 
der  parur'ä  auf  einem  ehemaligen  humerale  des  Olmiitzer  Domes  er- 
innert an  vier  gleichartige  figurale  Perlstickereien,  die  in  verschie- 
denen Reliquienbehältern  des  vorigen  Jahrhunderts  unter  Glas  in 
einer  Kapelle  des  Domes  von  St.  Veit  zu  Prag  sich  heute  ein- 
gerahmt befinden.  Wir  haben  diese  Perlstickerei  auf  Tafel  XI  der 
zweiten  Lieferung  des  vorlieuenden  Werkes  in  getreuer  Abbilduns: 
veranschaulicht,  und  tragen  wir  heute  die  volle  Ueberzeugung,  dass 
diese  quadratisch -länglichen  Perlstickereien  ehemals  als  kostbare 
praetej'tae  sich  auf  leinenen  Humeraltüchern  aufgenäht  befanden"). 


waren.  Wir  besitzen  iu  unserer  Privatsamuilung  eine  interessante  parura, 
aufgenäht  auf  einem  alten  Humeraltuch  von  grübcrm  Leinen  (tela),  die  auf 
einem  rotlien  Seidenstoffe  statt  der  in  Silberblecli  getriebenen  Bucbstaben 
eine  grosse  Zahl  von  aufgenähten  kleinem  Silber-  und  Goldblechen  in  Rund- 
fonn  zeigt.  Diese  rotuli,  rosulae  geben  auf  ihrer  Fläche  kleinere  getriebene 
Ornamente  zu  erkennen.  (Vgl.  Taf.  III,  Fig.  5.) 

')  In  Seidenstoff"  eingewebte  oder  cüigestickte  kleinere  Löwen. 

-)  Gelber  Seidenstoff.    Seide  heisst  zuweilen  sei'icum,  meistens  jedoch  holo- 
sericum.    Halbseidene  dagegen  subsericum,  d.  h.  die  Kette  ist  von  Seide 
uiul  der  Eiusclilag  von  Leinen  oder  umgekehrt. 
Dieses  Blumen-  luid  Blätterwerk  war  durchaus  in  Perlen  gestickt. 

'')  Beim  Waschen  des  leinenen  Stoffes  der  Humeralieu  wiu'den  im  Mittelalter 
die  leicht  angenähten  praeiextae  losgetrennt.  Deshalb  werden  hier  nur  allein 
diese  beiden  goldenen  Ilumeralschilde  aufgefilhrt,  zu  welchen  der  betreffende 
leinene  Unterstoff  gerade  nicht  zur  Hand  war  (sine  tela). 

■^)  In  diesen  Humeralbesätzeu  waren  in  Goldfäden  Thiergestalten  eingewebt. 

")'  Ebenfalls  di-ei  einzeln  vorfindliche  ornamentale  Besatzstücke  zu  Humeralien 
aus  schwarzem  Sammet. 

^)  Nach  genauerer  Ausmessung  und  Bctraclituug  dieser  vier  Prager  parurae, 
die  eine  sorgfältige  Aufbewahrung  im  engern  Schatze  von  St,  Veit  zu  be- 
anspruchen das  Recht  hätten,  sind  wir  im  Gegensatz  zu  der  ausgesjiroche- 
nen  Meinung  auf  Seite  239  und  240  der  2.  Lieferung  dieses  Werkes  heute 
zu  der  vollen  Ueberzeugung  gelangt,  dass  diese  mit  Perlen  bestickten  pa- 
rura nicht  die  verbindenden  Mittelstücke  der  Stäbe  von  Dalmatikea  ge- 


-     24  — 


Grade  als  ob  die  eben  angeführte  Beschreibung  eines  heute  nicht  mehr 
vorfindlichen  Hunierals  des  Domes  von  Ohnütz  auf  die  aufTaf.  XI 
abgebildete  Stickerei  Bezug  nehme,  befinden  sich  auf  dieser  fi-aeiexta 
im  Dome  von  St.  Veit,  auch  auf  Goldstofl'  gestickt,  drei  Figuren,  und 
zwar  in  der  Mitte:  der  Herr  in  Seiner  Herrlichkeit  (Christus  Sal- 
vator);  auf  der  Linken  erblickt  man  als  jugendliche  Figur,  wie 
die  obige  Stelle  es  angibt,  den  heil.  Wenzeslaus,  den  Herzog  und 
ersten  Märtyrer  Böhmens,  und  auf  der  Rechten:  den  andern  böh- 
mischen und  mährischen  Landespatron ,  den  heil.  Sigismund ,  den 
als  dritte  Figur  zu  nennen  das  olmiitzische  Inventar  an  obiger 
Stelle  unterlässt.  Im  Besitze  von  mehr  als  sechszi«;  altern  luven- 
tarien  des  Mittelalters,  deren  Abschrift  uns  allenthalben  auf  unsern 
Reisen  in  den  letzten  Jahren  zuvorkommend  gestattet  wurde,  würde 
es  uns  ein  Leichtes  sein,  die  Angaben  über  die  Humeralien  mit 
mehr  oder  weniger  reichgestickten  Paruren  in  chronologischer 
Reihenfolge  hier  fortzuführen.  Des  engen  Raumes  wegen  be- 
schränken wir  uns  hier  darauf,  nur  noch  die  betrcft'enden  Stellen 
aus  einem  Inventare  des  Domschatzes  von  Würzburg  vom  Jahre 
1484  hier  folgen  zu  lassen  '): 

„vier  gute  Alben,  solemniter  und  drei  Umbraln     mit  Perlen" 
„aber  drei  Alben  solemniter  ^)  und  drei  Umbral  mit  silberin 
Buchstaben" 

„drei  Alben  mit  schwarzen  Schiiten  mit  ihren  Umbraln ,  die 
man  nützt  dominicaliter" 

„acht  Alben  mit  ihren  Umbraln  drei  newe  mit  Namen  ■+). 

Da  französische,  deutsche,  englische  und  selbst  italienische 
Schatzverzeichnisse  bei  Aufzählung  der  Festtagsalben  mit  ihren 
Humeralien  das  XII.,  XIII.  und  XIV.  Jahrhundert  hindurch  auch 
die  Angaben  der  reichern  mit  Stickereien  verzierten  Schultertücher 


wesen  seien,  sondern  dass  sie  primitiv  als  plagulae  an  verscliiedencu  amicti 
parati  kirchlich  iii  Gebrauch  waren. 
•)  Wir  verdanken  die  Abschrift  dieses  interessanten  Würzburger  Inventars 
dem  Herrn  Professor  Dr.  Contzen,  Director  des  königlichen  Archivs  von 
Franken. 

2)  Interessant  ist  es  zu  vernehmen,  dass  man  in  der  Diöcese  Würzbiu'g  gegen 
Schluss  des  JVIittelalters  mit  deutscher  Zurechtsetzung  des  Namens  das  hu- 
merale  Umbral  zu  neiuien  pflegte. 

Dieses  Adverb  bezeichnet  den  Gebrauch  solcher  Ornate  an  Festtagen,  und 
deutet  an,  dass  diese  Alben  und  Humeralien  in  iliren  darauf  befindlichen 
Schildern  reicher  verziert  gewesen  sind. 

Diese  letzte  Bezeichnung  dürfte  so  zu  erklären  sein,  dass  diese  drei  neuen 
Schultertücher  mit  cnigestickten  Namen  von  Heiligen  verziert  waren ;  diesel- 
ben wären  demnach  als  humeralia  litterata  zu  betrachten. 


-    25  — 


nicht  unterlassen,  da  ferner  in  den  meisten  Diöcesen  des  christlichen 
Abendlandes  diese  pamra  bis  zum  Schlüsse  des  XVI.  und  noch 
theilweise  das  XVII.  Jahrhundert  hindurch,  sich  fortwährend  im  Ge- 
bi'auch  befanden,  da  endlich  sowohl  in  der  Skulptur,  wie  in  der 
Malerei  des  Mittelalters  sich  eine  grosse  Zahl  von  priesterlichen  und 
bischöflichen  Figuren  erhalten  haben  ,  angethan  mit  dem  entsjire- 
chenden  liturgischen  Ornat,  wobei  sehr  häufig  die  Abbildung  der 
;*/f/^a,p«nwa  am  Schultertuch  von  der  bildenden  Kunst  fast  stofflich 
streng  wiedergegeben  ist,  so  erscheint  es  auffallend,  dass  Cardinal 
Bona  in  seinem  lib.  I.  rerum  liturgicarum  cap.  3  ')  zwar  eingesteht, 
dass  an  mehrern  Stellen  auf  den  amictus  eine  plagula  von  Seide 
oder  von  GokLstoft'en  übereinstimmend  mit  dem  Stoffe  und  der 
Farbe  der  Casel  aufgenäht  und  befestigt  werde;  jedoch  fände  er 
hierüber  bei  ältern  Schriftstellern  keine  Anhaltspunkte.  Der  bei 
weitem  gründlichste  Schriftsteller  indessen,  der  über  die  bischöf- 
lichen und  priesterlichen  Gewänder,  und  zwar  mehr  über  die  sym- 
bolisch-rituelle Seite  derselben  geschrieben  hat,  der  gelehrte  Litur- 
giker  du  Saussay,  führt  an  der  betreffenden  Stelle  weiter  aus,  dass 
noch  zu  seiner  Zeit  nicht  nur  in  der  Metropolitankirche ,  sondern 
auch  in  den  Pfarrkirchen  von  Paris,  desgleichen  auch  in  vielen 
Kathedral-  und  Stiftskirchen  Frankreichs  seit  uralter  Zeit  sich  der 
Gebrauch  erhalten  habe ,  das  Humerale  mit  einem  gemusterten, 
quadratisch ,  länglichen  Seidenstoff  oder  mit  einer  reichern  Stickerei 
an  dem  obern  Saume  zu  verzieren.  Du  Saussay,  der  1656,  also 
nur  um  einige  Jahrzehnte  früher  als  Bona  seine  Panoplia  sacei-- 
dotalis  und  episcopalis  schrieb,  sagt,  dass,  um  die  Würde  des 
Pontificirenden  zu  heben ,  dieser  mit  einer  mehr  oder  weniger 
reich  verzierten  parura  umrandete  Amict,  ähnlich  einer  kleinen 
Mitra  über  das  Haupt  gelegt  und  dasselbe  dadurch,  gleichsam  wie 
durch  einen  Helm,  überschattet  und  befestigt  werde.  Dieser  de- 
corativen  Ausstattung-  und  dieser  Anlegungsweise  wegen  habe  man 
auch  den  so  verzierten  Amict:  mitella,  gleichbedeutend  mit  kleiner 
Mitra,  genannt.  Auf  diese  Anlegnngs-  und  Verzierungsweise  un- 
seres Schultert uchcs  ist  auch  zu  beziehen  das  bekannte  alte  Gebet, 
das  sowohl  der  Bischof  als  auch  der  celebrirende  Priester  bei  der 
Anlage  desselben  spricht:  „impone  Domine  capiti  meo  galeam  sa- 
lutis  ad  expugnandos  diabolicos  incursus. 


')  Joh.  Bonae  renim  liturgicarum  libri  duo  lib.  I.  cap.  3,  Autverpiae  1677.... 
„sunt  quidam,  qui  amictui  ex  holosei'ico  vel  aurea  textura  plagulam  assuunt 
colori  et  (q)iticii)  casulac  sivo  stolae  cousimilem;  s«l  luiius  assunicuti  nuUuiu 
vestigiiim  reperio  apud  antiquos  scriptores." 


26  — 


Dass  der  mit  der  plaga  veizierte  Aiuict,  der,  Martene  zufolge, 
in  dem  alten  Missale  von  Narbonne  auch  schlechthin  galea  ge- 
nannt wird,  sich  in  deutschen  Kathedralen  und  Stiftskirchen  noch 
das  ganze  XV.  und  XVI.  Jahrhundert  hindurch  namentlich  an 
bischöflichen  Humeralien  in  Gebrauch  erhalten  hatte,  beweist  eine 
grosse  Zahl  von  bildlichen  Darstellungen  der  sogenannten  Miissa 
di  Bolsena,  die  wir  in  dieser  Epoche  sowohl  am  Rheine,  wie  im 
südlichen  Deutschland  häufig  vorgefunden  haben.  Auf  diesen  und 
ähnlichen  Darstellungen  ist  diese  parwa  immer  noch  als  Orna- 
ment am  Amict  ersichtlich,  und  Avird  dadurch  :uif  eine  sehr 
zweckmässige  decorative  Weise  der  Halsausschnitt  am  Messgewand 
an  der  hintern  Seite  frleichsam  wie  von  einem  Krao-en  verdeckt 
und  so  eine  stoffliche  Verbinduns:  in  Weise  eines  besondern  Be- 
kleidungsstiickes  zwischen  Kopf  und  Schultern  des  Celebrans  her- 
gestellt. (Vgl.  zur  Veranschaulichung  dieser  plagula  die  Abbildung 
auf  Tafel  IV,  XI  und  Tafel  XII.)  ') 

Erst  gegen  Schluss  des  XVI.  Jahrh.  und  theilweise  erst  im 
XVII.  scheint  der  grossem  Bequendichkeit  wegen  diese  purura  am 
Schultertuch  allmälio;  bcseitio;t  worden  zu  sein ,  obschon  bei  den 
Mendicantenorden  zur  Verhi'dlung  der  groben  Kapuze  der  Amict 
mit  seiner  Stickerei  sich  am  länirsten  noch  erhielt.  Wie  das  aus  einem 
JNIissale  des  Dominicanerordens,  gedruckt  zu  Paris  1669,  in  der  Ein- 
leitung in  Text  und  Bild  ersichtlich  ist,  war  bereits  um  diese  Zeit 
die  parura  (vgl.  Taf.  II  Fig.  4)  am  Humerale  fortgefallen  und  hatte 
sich  als  Reminiscenz  ein  am  obern  Rande  eingesticktes  Kreuz  noch 
erhalten,  das  bei  der  Anlegung  des  Schultertuches  geküsst  wurde. 
Dieses  kleinere  Kreuz  findet  sich  auch  heute  nach  der  Angabe 
des  Gavantus  an  den  römischen  Humeralien  vor  und  dürfte  das- 
selbe nicht  undeutlich  an  jenes  frühere  gestickte  oder  gewebte  Hu- 
meralstück  erinnern,  ^soch  fügen  wir  hier  hinzu,  dass  bei  den 
Mendicantenorden  sich  noch  bis  in's  vorige  Jahrhundert  der  Ge- 
brauch erhielt,  anlehnend  an  die  ältere  Tradition,  bedeckten  Haup- 
tes mit  dem  llumeraltuche  an  den  Altar  zu  gehen  und  erst  nach 
dem  Stafielgebete  dasselbe  über  die  Schultern  herunterzulassen. 
Nicht  wenig  waren  wir  erstaunt,  als  wir  noch  im  Jahre  1854  bei 
Gelegenheit   der  Besichtigung  der  vielen  Kirchen  Danzig's  und 


')  Diejenigen,  die  Eingeliemles  über  die  alk^gorisclic  und  sjuibolische  Bedeu- 
tung, sowie  über  die  Grösse  und  xVusdehnung  des  x\niict  in  Erfahrung  ziehen 
wollen,  verweisen  wir  auf  die  treffliche  Abhandlung:  Der  Amict  im  2. 
Jahrg.  des  Kirchenschmucks,  ein  Archiv  für  weibliche  Handarbeit,  12.  Heft, 
Seite  89,  Stuttgait  1858. 


—    27  - 


ihres  reichen  Vorrathes  an  altern  liturgischen  Ornaten  in  der  Sa- 
cristei  der  katholischen  Pfarrkirche  und  zwar  auf  einem  der 
Schränke  derselben  eine  Menge  von  bei  Seite  gelegter  parurae 
aus  reichen  Seidenstoften  vorfanden  ,  deren  Musterungen  deutlich 
besagten,  dass  dieselben  zur  Verzierung  der  Schultertücher  erst 
im  XVI.  und  XVII.  Jahrhundert  angefertigt  woi'den  waren.  In 
der  Liebfrauenkirche  zu  Danzig  jedoch,  sowie  auch  in  der  Zither 
des  Domes  von  Ilalberstadt  sahen  wir  noch  eine  Anzahl  von  al- 
tern Huaieralen  des  XIV.  und  XV.  .lahrhunderts ,  die  sämmtlich 
noch  mit  den  mehr  oder  weniger  reich  vei'zierten  Besatzstücken 
ausgestattet  waren.  Auch  unsere  Privatsammlung  hat  heute  noch 
drei  solcher  Ilumeralien  mit  ihren  verzierten  parurae  aus  dem  Aus- 
gange des  Mittelalters,  desgleichen  auch  eine  grössere  Zahl  älterer 
gestickter  plagae  ohne  dazu  gehörenden  Leinenstoft  aufzuweisen. 
Unter  diesen   o-estickten  Ilumcralbcsätzen  unserer  Sammlunof  be- 

finden  sich  aus  dem  XV.  Jahrhundert  ebenfalls  zwei   mit  eino*e- 

o 

stickten  Inschriften;  das  eine  Humeralschild,  in  Seide  auf  Leinen 
gestickt,  zeigt  am  obern  und  untern  Rande,  streifenförmig  geordnet, 
im  Kettenstich  folgende  Namen,  und  zwar  in  der  obern  Reihe; 
„sancta  Odilia,  sanctus  Kylianus"  und  am  untern  Randstreifen: 
„ave  regina  celorum,  matcr  regis."  (Vgl.  beifolgende  Tafel  III, 
Fig.  3.)  Aus  dem  Schlüsse  des  XV.  Jahrhunderts  besitzen  wir 
ein  Schultertuch,  das  ebenfalls  als  ainictus  litteratus  zu  betrachten 
ist.  Daselbe  ist  nebst  Tuch  auf  Tafel  II  abgebildet  und  lässt  auf 
der  aufgenähten  parura  (Fig.  4)  folgenden  Sinnspruch  erkennen: 
„amor  mens  crucifixus  est  amor  Dei  vincit  omnia."  Noch  er- 
übrigt es,  dass  wir  hier  einige  Worte  hinzufügen  über  die  stoff- 
liche Ausdehnung  des  Hunievals  mit  seiner  plaga  und  über  die 
ältere  Anlcgimgsweise  desselben.  Im  Mittelalter  finden  sich  keine 
allgemein  gültigen  Angaben  über  die  stoffliche  Länge  und  Aus- 
dehnung der  einzelnen  liturgischen  Gewänder  vor.  Dieselben  stan- 
den als  kirchlich  überliefert  fest,  und  wagte  es  damals  die  Will- 
kür einzelner  l'aranientenschncider  nicht  so  leicht,  eine  Aendcning 
hinsichtlich  der  stofflichen  Grösse  und  Ausdehnung  vorzunehmen. 
Erst  als  mit  dem  Beginn  der  modernen  Zeit  die  Anfertigung  der 
liturgischen  Ornate  aus  den  Frauenklöstern  vielfach  in  die  Werk- 
stätten industrieller  Grossisten  verlegt  wurde,  und  der  Eigennutz 
und  die  Laune  der  franz.  chasubliers  sich  das  Recht  anmasste,  in 
Unkenntniss  oder  in  Geringschätzung  der  bestehenden,  traditionellen 
Vorschriften  sein  eigenes  Gutdünken  und  seinen  profanen  Alltags- 
gcschmaek  nicht  nur  bei  der  Ornamentation,  sondern  auch  haupt- 
sächlich beim  Schnitt  der  einzelnen  Gewänder  vorwalten  zu  lassen, 


-     28  — 


da  begann  zuerst  im  Laufe  des  XVI.  Jahrhunderts  der  wach- 
same Bischof  Karl  von  Novara  der  Willkür  und  dem  Gut- 
dünken des  Einzelnen  dadurch  eine  Schranke  zu  setzen,  dass  er 
genauer  die  Maasse  der  einzelnen  liturgischen  Gewänder  und  (ie- 
fässe  feststellen  Hess.  Der  heil.  Karl  Borromäus  folgte  dem  Bei- 
spiele seines  V^orgängers  und  stellte,  um  die  kirchliche  Ueberliefe- 
rung  über  Form  und  Schnitt  der  liturgischen  Gewänder  vor  der 
modernen  Ueberfluthung  zu  retten,  in  den  Acten  des  Mailänder 
Provinzialconcils  fest,  welche  Ausdehnung  und  formelle  Beschaffen- 
heit jedes  einzelne  liturgische  Ornatstück  haben  müsse.  Diese  Be- 
stimmunoren  des  dritten  Mailänder  Provinzialconcils  haben  insofern 
eine  bindende  Kraft,  weil  dieselben  vor  ihrer  Veröfientlichung  vom 
apostolischen  Stuhle  gutgcheissen  und  genehmigt  worden  sind.  Die 
Vorschriften  über  die  Ausdehnung  des  Schultcrtuches  lauten  nach 
den  Bestimmungen  des  ebengedachten  Mailänder  Concils ,  wie 
folgt:  „Das  Schultertuch,  aus  einem  feinen  Leinen,  habe  eine  Länge 
von  ungefähr  zwei  cubitus  eine  Breite  dagegen  von  anderthalb 
cuhitus.  In  den  beiden  vordem  Ecken  desselben  seien  Schnüre 
angenäht  von  einer  passenden  Länge,  damit  sie  um  die  Brust  her- 
umsfeführt  und  zu  einem  Knoten  zusammengeschlunsen  werden 
können ;  mitten  im  Humeral  soll  ein  Kreuz  gestickt  werden ,  in 
einer  Grösse  von  zwei  nnciae.  -) ;  jedoch  soll  dasselbe  nicht  un- 
mittelbar am  obern  Saume,  sondern  zwei  Finger  von  demselben 
abwärts  angebracht  werden.  Der  äussere  Rand  desselben  mit  Ab- 
rechnung  jenes  Theiles,  der  den  Hals  des  Celebranten  lungibt,  kann 
mit  einer  passenden  Verzierung  ausgestattet  werden      Auch  Gavan- 


')  Subrt'geus  Geiger  aus  Freisingen,  der  die  Bestimmungen  des  Gavantus  „de 
mensiiris  i)ropriis  sacrae  suppelloctilis",  die  dem  Werke  dieses  berülimteu 
Rubricisten :  Thesaurus  sacroi  um  rituuni  beigefügt  sind,  neulich  übersetzt  uud 
mit  einem  Commentar  herausgegeben  hat,  gibt  unter  dem  Titel:  Notizen 
über  Stoff,  Gehalt  und  Grösse  der  heil.  Geräthe  und  Gewänder,  München 
1858  (Lentner'sche  Buchhandlung),  an,  dass  der  römische  cubitus,  reichend 
von  dem  Knöchel  des  Ellenbogens  bis  zur  Spitze  des  Mitteltingers,  1'  !()" 
bayerisches  Maass  betrage.  Derselbe  fülirt  weiter  an,  dass  der  cubitus 
zweimal  die  ausgespannte  Hand  eines  Mannes  von  mittlerer  Grösse  fpalma) 
betrage,  nämlich  die  ausgestreckte  Hand  vom  Daumen  bis  zur  äussersten 
Sj)itze  des  kleinen  Kngers. 
24  unica  =  18",  also  2  unicae  =  l'/a"- 

■^)  In  actis  Mediol.  eccl.  lib.  I  et  II:  amictus  e  tenui  tela  sit  longitudine 
cii'citer  cubitorum  duorvmi,  latitudine  vero  sesqui  cubitali;  in  duobus  angulis 
eins  antcrioribus  assmxntur  funiculi  commode  longi,  ut  reduci  ante  pectus 
queant  et  cum  eis  fieri  nodus ;  in  medio  crux  acu  pingatus  unciarum  iluarum, 
longe  ab  extremitate,  digitis  duobus  in  parte  superiori:  extremitates  illius 


-  '29  - 


tus,  der  im  XVII.  Jahrhundert  sein  unten  angeführtes  Werk 
schrieb,  scheint  sich  so  ziemlich  nach  den  Bestimmungen  des  heil. 
Karl  Borromäus  hei  Feststellung  der  Ausdehnung  der  Grüssen- 
verhältnisse  der  liturgischen  Gewänder  gerichtet  zu  haben,  und 
stimmen  seine  betreffenden  Angaben  mit  den  ebengedachten  ziem- 
lich überein. 

Bei  Beschreibung  dieser  stofflichen  Beschaffenheit  des  Hume- 
rals  fügt  du  Saussay  in  seiner  panoplia  sacerdotalis  pars  I  cap.  7 
noch  hinzu,  dass  in  den  verschiedenen  Diöcesen  Frankreichs  sich 
an  den  vier  Ecken  umstickte  und  bofe.-^tigte  Oeffnungen  foramina 
befänden,  so  dass  je  nach  Belieben  die  zwei  Schnüre  zur  Umgür- 
tung das  eine  Mal  in  die  obei-n  Oeffnungen  und  das  andere  Mal,  wenn 
durch  das  öftere  Umlegen  um  den  Hals  des  Priesters  der  betreffende 
Theil  eine  leichte  Verunreinigung  erlitten  hätte,  diese  Schnüre  los- 
gelöst und  auf's  Neue  in  die  entgegengesetzten  Oeffnungen  eingefügt 
werden  könnten.  In  deutschen  Diöcesen  haben  wir  an  ältern  Schul- 
tertüchern eine  ähnliche  Vorrichtung  zu  obigem  Zwecke  gefunden. 
Jedoch  war  an  diesen  Humeralien  das  Leinentuch  nicht  durch  Oeff- 
nungen an  den  vier  Ecken  geschwächt  und  verletzt,  sondern  es 
waren  an  diesen  Ecken  vier  kleinere  Ströpfchen  eigens  aufgenäht, 
in  welche  abwechselnd  diese  beweglichen  ßmieidi  zum  Anbinden 
vermittels  einer  einfachen  Vorkehrung  eingeschlungen  und  beim 
Waschen  leicht  wieder  losgelöst  werden  konnten  ').  —  Da  in 
neuester  Zeit  vielfach  die  ältere  Anlegungs-  und  Verzierungsweise 
des  Ilunierals  unbekannt  gcAVorden  ist,  ungeachtet  sie  auf  den  mei- 
sten Tafelmalereien  an  bischöflichen  und  priesterlichen  Figuren 
noch  bis  in's  XVII.  Jahrhundert  ersichtlich  ist ,  da  ferner  auch 
die  bildenden  Künstler,  wenn  sie  in  mittelalterlicher  Tracht  ein 
bificliüfliches  oder  priesterlichos  Bildwerk  mit  sämmtlichcn  Ornaten 
bekleidet  darzustellen  haben,  heute  meistens  rathlos  geworden  sind, 
wie  das  Plumerale  in  altherkömmlicher  Weise  mit  der  verzieren- 
den parura  anzubringen  ist,  so  dürfte  es  hier  am  Orte  sein,  unter 
Hinweis  auf  die  beiliegenden  Abbildungen  auf  Tafel  II  erläuternd 
nachzuweisen  ,  wie  die  Bischöfe  und  auch  die  Priester  im  Mittel- 
alter das  Schultertuch  mit  seiner  aufgenähten  Verzierung  anzulegen 
pflegten. 


practerquam  px  ea  parte,  quac  rolluni  aiiiliit,  aliqiio  modcsto  opcro  oruari 
possunt. 

'  i  TInspro  Abbildnncr  des  Humprais  auf  Tafel  II  veranschaulicht  au  den  vier 
Ecken  unter  a,  Ii,  c,  d  diese  kleinem  angeiuihten  Bandschlingen. 


—  30 


Es  bestanden  ehemals  in  vielen  Diöcesen,  noch  bis  zum  XVII. 
Jahrhundert  zwei  verschiedene  Anlegungsweisen  des  mit  der  pa- 
rura  verzierten  Schultertuches.    Nach  der  ersten  Bekleidungsart 
nahm  der  Celebrans  unmittelbar  nach  der  vorgeschriebenen  Hand- 
waschung im  vestiarium,  die  funiculi  des  Humerals,  die  man  unter 
c  und  d  befestigt  sich  vorstellen  muss ;  die  pcmira  war  alsdann  an 
dem  obern  Rande  aufgenäht,  wie  es  Taf.  II  Fig.  5  in  Punktirungen 
andeutet.  Darauf  legte  er  rückwärts  das  Humeral  so  an,  dass  der 
gestickte  Streifen  gerade  unmittelbar  auf  dem  Kopfe  zu  liegen  kam. 
Alsdann  schlang  er  die  beiden  langen  Schnüre  um  den  Oberkör- 
per  und  band  sie  vorne  auf  der  Brust  zusammen.    Das  Schulter- 
tuch haftete  nun  mit  seiner  ornamentalen  Stickerei  gleichsam  als 
Helm  so  lange  auf  dem  Haupte,  bis  es  nach  Anlegung  der  Albe, 
der  übrigen  Gewandstücke  und  zuletzt  der  Casel  vom  Haupte  her- 
unter geschoben  und  so  nach  hinten  gleichsam  einen  verdeckenden 
Kragen  bildete,  der  sich  über  den  Halsausschnitt  des  Messgewan- 
des legte  und  denselben  verdeckte.    Weil  aber  bei  dieser  eben- 
gedachten Anlegungsweise  des  Schultertuches  noch  ein  kleines  lei- 
nenes Untertüchelchen  vorher  um  den  Hals  gelegt  werden  musste, 
damit   dadurch    die    profane    Halsbekleidung   des  Celebrirenden 
verdeckt  werden  konnte ,  so  lag  es  nahe ,  dass  man  an  vielen  Or- 
ten, um  dieses  leinene  Untertüchelchen  zu  beseitigen,  das  Humeral 
mit  seinem  gestickten  Schilde  auf  folgende  Weise  anlegte.  Man 
befestigte  die  funiculi  an  dem  Schultertuch,  das  wir  Tafel  II  unter 
Figur  a,  b,  c,  d  veranschaulicht  haben,  unter  a  und  b  so,  dass 
alsdann  die  parura  an  dem  untern  Räume  bei  Figur  4  zu  liegen 
kam.    Alsdann  nahm  der  Celebrans  die  beiden  Schnüre  unter  e 
und  f  so  zu  Händen,  dass  er  nach  unten  hin  die  gestickte  parura 
vor  sich  sah.    Darauf  schwenkte  er  das  Huraerale  nach  hinten, 
berührte  damit  vorübergehend  das  Haupt  und  liess  es  sofort  auf 
die  Schultern  hernieder,  so  dass  durch  den  faltenreichen  Leinen- 
stofJ   der   Hals   und   die  Untergewänder    ganz  bedeckt  wurden, 
wie  das  Taf.  II.  Fig.  1  veranschaulicht.    Nachdem  die  Schnüre 
des  Humerals  sofort  auf  der  Brust   zusammengebunden  waren, 
wurde  das   Humerale   sammt    der  parura,    die    in    dieser  An- 
legungsweise nach  Innen  verdeckt  und  unsichtbar  geworden  war, 
so  rückwärts  aufgehoben  und  über  das  Haupt  des  Celebrans  ge- 
schoben, dass  der  gestickte  oder  gewebte  Verzierungsstreifen  als 
Helm  den  Hinterkopf  bedeckte  (vgl.  Fig.  2) .  In  dieser  Lage  verblieb 
das  Humeral  und  seine  Randverzierung  so  lange,  bis  Albe,  Stole 
und  zuletzt  das  Messgewand  angelegt  waren.    Alsdann  wurde  das 
Schultertuch  mit  seinem  gestickten  Kragen  vom  Haupte  herunter- 


-    31  — 


geschoben  und  bildete  dann  jene  gefällige  Halsbedeckung,  wie  das 
an  Fig.  3  und  auf  Taf.  II  ersichtlich  ist.  Noch  fügen  wir  hinzu, 
dass  nach  diesem  Pleruntorschieben  des  Schultertuches,  der  falten- 
reiche Leinenstoff  vom  Celebranten  selbst  oder  von  dem  dienstthuen- 
den  Ministranten  vorne  am  Halse  so  zusammengelegt  und  zwischen 
die  Albe  eingelassen  wurde,  dass  dadurch  der  Ueberrest  des  Hu- 
meraltuches  in  eine  geordnete  Lage  gebracht  wurde.  In  vielen 
Kirchen  scheint  man  bis  zum  XVI.  Jahrhundert  das  auf  diese  Weise 
angelegte  und  verzierte  Schultertuch  erst  nach  Verrichtung  des 
Staffelgebetes  vom  Haupte  heruntergeschoben  zu  haben.  In  jenen 
Diöcesen7  wo  der  Geistliche,  und  insbesondere  die  Mitglieder  der 
Mendicantenorden,  mit  einem  so  verzierten  und  gleichsam  als  Hehn 
über  das  Haupt  gelegten  Humeral  an  den  Altar  gingen,  war  na- 
türlich bei  dem  Priester,  der  das  h.  Opfer  zu  feiern  im  Begriff 
stand,  das  Birret  als  Kopfbedeckung  überflüssig  und  scheint  das- 
selbe erst  dann  einen  allgemeinern  Gebrauch  gefunden  zu  haben, 
als  an  vielen  Orten  im  XVI.  und  XVII.  Jahrhundert  allmälig  die 
farura  an  dem  Schultertuche  in  Wegfall  kam  ').  Schliesslich  sei 
hier  noch  bemerkt,  dass  heute  noch  bei  feierlichen  Pontificalmessen 
nach  ambrosianischcm  und  irenäischem  Ritus  in  den  Kathedralkir- 
chen zu  Mailand  und  Lyon  die  parura  oder  plaga  um  den  Hals 
des  Celebrans  und  der  Diakonen  in  derliegel  in  Form  eines  stei- 
fen Kragens  aus  reichen  Goldstoft'en  oetrao;en  wird.  Jedoch  steht 
diese  parura  nicht  mehr  mit  dem  Leinenstoff  des  Ilumerals  (tela), 
wie  ehemals,  in  Verbindung,  sondern  dieselbe  wird  für  sich  allein 
bestehend  als  Kraacn  ano;ebunden,  wenn  sämmtliche  Oberg^ewänder 
anoelegt  worden  sind. 

Auch  machen  Avir  noch  darauf  aufmerksam,  dass  nach  diesen 
eben  gedachten  Riten,  verschieden  vom  römischen  Gebrauche,  das 
Humeral  nicht  als  erstes  Gewandstück,  sondern  der  Reihe  nach 
als  di'itte  Bekleidung  angelegt  wird,  wenn  nämlich  der  Pontifex 
mit  der  Albe  und  dem  Gürtel  bekleidet  worden  ist. 

4. 

Die  Albe  „alba,  camisia,  poderis". 

Nach  Anlegung  des  Schultertuches,  das  sowohl  zum  priester- 
lichen als  auch  zum  bischöflichen  Ornate  gehört,  bekleidet  sich  der 


')  Wir  werden  aiif  diesen  Umstand  nocli  näher  zu  siircclien  kommen  an  jen(n' 
Stelle,  wo  in  der  5.  Lieferiuig  die  Entwickelung  und  Gestaltung  der  jttnL';- 
sten  liturgischen  Bekleidung,  des  Binets,  ausführlicher  hesprochen  werden 
wird. 


—    32  — 


Bischof  mit  der  Albe,  die  auch  dem  celebrirenden  Priester  als 
Untergewand  zusteht.  Dass  die  Albe  als  leinenes  Unterkleid  bis  in 
die  apostolischen  Zeiten  hinaufreicht,  und  von  den  ägyptischen  und 
hebräischen  Priestern  herzuleiten  ist,  haben  wir  in  der  III.  Lieferung 
von  S.  442  ab  ausführhcher  nachzuweisen  versucht.  Es  liegt  uns  hier 
zunächst  ob,  darzuthun,  welche  Veränderungen  und  ornamentale 
Entwickelungen  zunächst  die  bischöfliche  Albe  von  der  karolinoi- 
sehen  Zeit  bis  zum  Schlüsse  des  Mittelalters  erfahren  hat.  Es 
muss  darauf  gesagt  werden ,  dass  gerade  die  Albe,  in  Rücksicht 
auf  Stoff  und  Schnitt,  mit  kleinern  Abweichungen  das  ganze  Mit- 
telalter hindurch  bis  in  die  neuern  Zeiten  ziemlich  unverändert 
fortbestanden  hat,  und  dass  nur  hinsichtlich  ihrer  Ausstattung 
dieselbe  beim  Eintritt  der  Renaissance  und  besonders  in  den  bei- 
den letzten  Jahrhunderten  einen  profanen  ornamentalen  Zuwachs 
erhielt ,  wodurch ,  wie  im  Verlaufe  angedeutet  werden  wird ,  der 
kirchlich  ernste  Charakter  dieses  bescheidenen  Untei-gewandes  ge- 
schM'ächt  und  zuletzt  beseitigt  worden  ist. 

Dass  schon  einer  der  ältesten  liturgischen  Schriftstellei-,  Isido- 
ras, Bischof  von  Sevilla,  im  VII.  Jahrhundert  unsere  tunica  linea:  sa- 
cerdotalis  poderis  nennt,  weil  sie  den  ganzen  Körper  gleichmässig  ver- 
hülle und  bis  zu  den  Füssen  (nhduc)  herabsteige,  haben  wir  bereits 
auf  Seite  444  angedeutet.  Die  kirchlichen  Schriftsteller,  die  über 
den  liturgischen  Ornat  als  Nachfolger  Gregor's  des  Grossen  und 
Isidor's  geschrieben  haben,  insbesondere  zur  Zeit  Karl's  des  Grossen, 
Alkuinus  und  die  spätei-n :  Amalarius,  Rhabiinus,  Maurus,  Wala- 
fried Strabo,  Ivo  von  Chartres,  der  Mönch  Rupertus  Tuitiens  und 
Papst  Innocenz  III.  stimmen  bei  Beschreibung  der  Albe,  die  sie 
abwechselnd  alba,  camisia,  jyoderis,  tunica  talaris  nennen,  hin- 
sichtlich der  stofflichen  Ausdehnuns:  und  ihrer  Foi -n  ziemlich  üboi  - 
ein,  wie  das  aus  den  betreffenden  Stellen  ihrer  liturgischen  Ab- 
handlungen zu  ersehen  ist.  Um  kurz  zu  sein,  verweisen  wir  hin- 
sichtlich der  mystischen  und  tropologischen  Bedeutung  der  Albe 
auf  die  tiefsinnigen  Erläuterungen  und  Andeutungen,  die  hierüber 
du  Saussay  in  seiner  panopUa  sacerdotalis  pars  I  lib.  II  Seite  29 
gibt,  und  bemerken  rücksichtlich  der  Farbe,  des  Stoffes  und  der 
künstlerischen  Ausstattung  der  Albe,  wie  sie  seit  dem  IX,  Jahr- 
hundert in  der  Kirche  gebräuchlich  war.  Folgendes. 

Da  die  Albe  seit  den  frühesten  christlichen  Zeiten  aus  reinen 
Leinenstoffen  verfertigt  wurde,  so  leuchtet  es  ein,  dass  dieselbe  das 
ganze  Mittelalter  hindurch  eine  weisse  Farbe  hatte.  Diese  weisse 
Farbe  war  aber  auch  schon  dun  h  den  Namen  des  Gewandstückes 
bedingt,  noch  mehr  aber  durch  die  symbolisch-mystische  Bedeutung, 


—    33  - 


die  diesem  priesterlichen  Unterkleide  in  Folge  seiner  Reinheit  ge- 
geben wurde.  Anders  gestaltet  sich  die  Frage  hinsichtlich  des  stoff- 
lichen Theils  der  Albe.  Bis  zu  jenen  Zeiten,  wo  der  Handel  mit  dem 
Oriente  dem  Abendlande  jenen  kostbaren,  glänzend  weissen  Byssus- 
stoff'  lieferte,  wurden  vielfach  die  festtäglichen  Alben  der  Bischöfe 
aus  diesem  theuern,  ägyptischen  Leinen  angefertigt.  Unter  diesem 
Byssusstoffe,  der  hinsichtlich  seiner  Feinheit  und  Durchsichtigkeit, 
sowie  seiner  weissen  Farbe  mehrere  Qualitäten  hatte ,  bezeich- 
nete man  im  frühen  Mittelalter,  wie  auch  im  Alterthume,  vor- 
nehmlich jene  feine  Sorte  von  Leinen,  die  man  aus  dem  Morgen- 
lande, nanTentlich  aber  aus  Aegypten,  dem  alten  Heimathlande  des 
Byssus,  zu  beziehen  pflegte. 

Es  dürfte  schwer  halten,  zu  bestimmen,  wann  bei  Anfertigung 
von  bischöflichen  Alben  zuerst  weisser  Seidenstoff  in  Anwendung 
gekommen  ist.  Obschon  die  mystischen  Ausleger  der  priester- 
lichen Gewänder  von  Isidorus  bis  auf  Durandus  fast  ausschliess- 
lich den  Leinenstof!  als  Material  zur  Anfertigung  von  Alben  be- 
tonen, und  nur  auf  Leinen,  von  der  Pflanze  und  nicht  vom  Thiere 
genommen,  ihre  symbolische  Deutung  beziehen,  so  konnnen  doch 
vielfach,  besonders  nach  dem  X.  Jahrhundert,  namentlich  bei  den 
bischöflichen  Pontificalien,  reich  verzierte  Alben ,  bestehend  aus 
weissen  Seidenstoffen ,  mit  reichen  Goldstickereien  an  den  untern 
Säumen  zur  Anwendung.  So  liest  man  bereits  im  Anastasius  ') 
Bibliothecai-ius,  dass  Papst  Benedict  HL  (reg.  855— .sr)8)  von  dem 
Sachsenkünig  zum  Geschenke  erhielt  unter  andern  kirchlichen  Gc- 
fä-ssen  und  Werthsachen :  camisias  albas  sigillatas  holosericas  cum 
chrj/soclavo.  Desgleichen  vernehmen  wir,  dass  Papst  Victor  HI. 
dem  Kloster  des  heil.  Benedict  zu  Monte  Cassino  im  Jahre  1087  ^) 
reiche  Geschenke  an  priesterlichen  Gewändern  machte,  unter  wel- 
chen seidene  Amicten  und  Alben,  mit  Goldstickereien  an  den  Säu- 
men verziert,  namhaft  gemacht  werden.  Auch  in  einem  interes- 
santen Inv(!ntar  des  XL  Jahrhunderts,  das  den  damals  noch  we- 
nig zahlreichen  Kirchenornat  des  Stiftes  von  St.  Georg  in  Köln 
aufzählt,  werden  nach  der  mappula  und  den  praecingula  besonders 
namhaft  gemacht  zwei  tunkae  sericae.  Nicht  weniger  finden  wir 
unter  den  reichen  Geschenken,  welche  Bischof  Konrad  von  Halber- 
stadt der  eigenen  Kathedralkirche  von  seinem  Kreuzzuge  in  den 


')  Anastasius  Bibliothocariiis  do  vitis  Pontif.  Romauor.  tom.  I,  CVI,  in  vita 

Benedicti  III.    A.  C.  855. 
^)  Die  betreffende  Stelle  lautet:  „Camisias  magiias  deanratas  cum  amictis  suis 

duas  et  alias  de  scricis  sei)tcm." 

Liturgische  Gewämlor.  U. 


—   34  — 


Orient  1208  mitbrachte,  eine  Albe  aus  einem  Seidengewebe  in  folgen- 
den Worten  namhaft  gemacht:  „albam  nobilem  de sericis  filis  textam." 

Bevor  wir  im  Folgenden  auf  die  künstlerische  Ausstattung 
und  Verzierung  der  Alben  von  den  Tagen  der  Ottone  bis  zum 
XVI.  Jahrhundert  unser  Augenmerk  richten,  dürfte  es  angemessen 
sein,  vorerst  in  Frage  zu  ziehen,  welchen  Schnitt,  welche  Gestalt 
und  Ausdehnung  im  frühen  Mittelalter  insgemein  die  bischöfliche, 
desgleichen  auch  die  priesterliclie  Albe  hatte?  Die  Albe  war  in 
der  frühesten  Zeit  offenbar  hinsichtlich  ihres  Schnittes  eine  Nach- 
bildung der  tunica  talaris ,  wie  dieselbe  vnn  Leinen  oder  Byssus 
sowohl  der  gewöhidiche  Opferpriester,  als  auch  der  Hohepriester 
im  Alten  Bunde  anzulegen  gehalten  war.  Auch  mochte  sie  nach 
den  Tagen  Gregor's  des  Grossen,  der  nicht  nur,  wie  bereits  früher 
bemerkt,  auf  die  Entwickelung  und  weitere  Ausbildung  der  kirch- 
lichen Musik,  sondern  auch  der  liturgischen  Gewänder  einen  nach- 
haltigen Einfluss  ausgeübt  hat,  der  Form  und  dem  Schnitte  nach 
verwandt  sein  mit  der  interula,  der  carnisia  '),  wie  sie  damals  als 
Untergewand  unser  heutiges  Hemd  ersetzte.  Die  Albe  kam  des- 
wegen auch  in  ihrem  Schnitte  der  Form  und  Beschaffenheit  der 
oft  ei'wähnten  toga  inconstäUis  nahe,  wovon  Johannes  XIX,  23 
spricht,  das  heisst,  dieselbe  hatte  eine  gitössere  Halsüffnung  zum 
Durchlassen  des  Kopfes  und  stieg  in  faltenreicher  Ausdehnung 
des  Stoffes  bis  zur  Ferse  hernieder  2).  Die  Aermel  verengten 
sich  allmälig  nach  unten ,  so  dass  sie  in  der  Nähe  der  Hand, 
mehr  oder  weniger  enge,  sich  dem  unteren  Armschenkel  an- 
schlössen. Um  das  bequeme  Ausschreiten  beim  Tragen  der  Albe 
leichter  zu  ermöglichen,  war  auf  beiden  Seiten  ein  breites  Gyren- 
stück  eingesetzt,  das  nach  oben  unter  den  Armen  immer  schmäler 
bis  in  eine  Spitze  auslief  und  nach  unten  hin  sich  weiter  ausdehnte. 
Da  endlich  die  Albe  als  priesterliches  und  bischöfliches  Unter- 
gewand nicht  wie  die  entsprechende  chethoneth  des  Alterthums  auf 
die  körperliche  Grösse  des  Tragenden  genau  berechnet  werden 
musste,  sondern  abwechselnd  von  solchen  bei  der  Feier  der  heil. 
Geheimnisse  angelegt  wurde,  die  meistens  eine  verschiedene  kör- 
perliche Grösse  hatten,  so  leuchtet  es  ein,   dass  seit  dem  frühen 


1)  Daher  leitet  der  oft  gedachte  Isidoras  der  Jüngere  den  Namen  des  kirch- 
lichen Unterkleides  camisia  von  dem  hetreffenden  Pr(if;ingewand  ah,  in- 
dem er  sagt:  „camisias  vocamus  quod  in  eis  dormimns  in  camis,  id  est  in 
stratis  nostris." 

2)  Deswegen  auch  tunica  talaris,  weil  sie  bis  zum  lalus  herunterfloss ,  im 
Gegensatze  zu  der  tunicellti,  die  nur  bis  über  die  Kniee  heruuterreiclito. 


—    35  - 


Mittelalter  dem  in  Rede  stehenden  Untergewande  eine  grosse  Aus- 
dehnung, namentlich  der  Länge  nach,  gegeben  werden  musste, 
damit  dasselbe  vermittels  der  Aufschürzung  nach  Anlegung  des 
Gürtels  den  verschiedenen  körpei'lichen  Grössenverhältnissen  der 
Tragenden  angepasst  werden  konnte. 

Erst  nach  langjährigem  Suchen  ist  es  uns  endlich  gelungen, 
eine  ältere  Albe  mit  ihren  ornamentalen  Besatzstücken,  aus  dem 
Schlüsse  des  XIV.  Jahrhvmderts  herrührend,  für  unsere  Samm- 
lung liturgischer  Gewänder  käuflich  zu  erwerben ,  die  hinsichtlich 
der  ältern  Alben ,  so  wie  ihres  Schnittes  und  ihrer  Ausdehnung 
interessante  Aufschlüsse  bietet').  Wir  haben  dieselbe  auf  Taf. III 
in  verkleinertem  Maassstabe  abgebildet,  und  bemerken  hinsichtlich 
des  Schnittes  derselben  Folgendes:  Es  besteht  dieselbe  aus  einem 
einfachen,  mittelfeinen  Leinenstoffe,  und  zeigt  der  Schnitt  derselben 
die  überlieferte  Form  der  ältern  camisia.  Die  grösste  Länge  der- 
selben  von  c  nach  d  misst  1  Met.  50  Centimet.  Die  grösste  Brei- 
tenausdehnune  des  Gewandes  von  dem  äussersten  Saume  des  einen 
Aermels  unter  a  bis  zu  dem  andern  unter  b  beträgt  2  Met.  30 
Centimet.  Das  in  Form  eines  Rechtecks  geschnittene  Mittelstück 
von  e  nach  f ,  wo  sich  die  beiden  Aermel  ansetzen ,  misst  1  Met. 
15'/j  Centim.  Die  Oeff'nung  am  Halse  zum  Durchlassen  des 
Kopfes  hat  eine  Länge  von  39  Centim.  Die  Gyrcnstücke,  näm- 
lich die  spitzwinkeligen,  dreieckigen  Einsätze  unter  den  beiden 
Armen  haben  unten  bei  g  und  h  eine  Ausdehnung  von  ßS'/j  Cent. 
Diese  Gyrcnstücke  gestalten  sich  oben  bei  k  und  i  zu  einem  klei- 
nern Dreieck,  das  durch  die  Nadelarbeit  in  rother  Seide  auf  jeder 
Seite  mit  einem  Kreuze  bestickt  ist.  Ausserdem  erhält  diese  Albe 
noch  dadurch  ein  eio;enthümliches  von  den  heutigen  abweichendes 
Ornament,  dass  die  Schulterstücke  von  e  nach  f  in  Weisszeus:- 
Stickerei  als  schmale  Streifen  durchsichtig  gearbeitet  und  dass  auf 
den  dichtem  Thcilen  dieser  durchbi-ochenen  Stickarbeit  in  rother 
Seide,  in  getrennten  Buchstaben,  die  Namen  Jesus  und  Maria  wahr- 


')  Von  sümmtlichcn  litiirnisclicn  Gewändern  des  Mittelalters  dürften  heute  Al- 
ben nnd  Ilumrralien  im  Originale  sich  am  seltensten  erhalten  haben  nnd 
das  Wold  ans  dem  Grunde,  weil  der  Leiuenstoff  nach  lilngerni  Waschen  einem 
schnelleu  Verschleisseu  unterworfen  war,  und  das  Leinen  von  schadhaft  g'c- 
wordenen  Alben  zu  vielen  andern  Zwecken  in  der  lürche  gebraucht  zu  wer- 
den pflegte.  Auch  in  protestantischen  Kirchen,  in  denen  sicli  hin  und  wieder 
noch  eine  Menge  von  mittelalterlichen  Messgewändern  meist  ungeachtet  xnid 
ungekamit  erhalten  haben,  finden  sich  heute  sehr-  selten  /Vlben  und  Ilumeral- 
tücher  mehr  vor,  weil  der  faUenreiclu^  Ijcinenstoff  sich  ftir  eine  vielfache 
sonstige  Benutzung  empfahl. 

3* 


36  — 


nehmbar  sind,  wie  das  unsere  Abbildung  an  der  betreffenden  Stelle 
erkennen  lässt.  Eine  ähnliche  ä  jour  gestickte  Durchbrechung  hat 
die  Stickerin  gerade  in  der  Mitte  der  Albe,  gleichmässig  auf  dem 
vordem  und  hintern  Theile  derselben,  angebracht,  wie  das  auf  un- 
serer Zeichnung  von  c  nach  d  wahrnehmbar  ist 

Wichtiger  für  den  in  diesen  Blättern  uns  zunächst  liegenden 
Zweck  ist  eine  andere  Untersuchung ,  die  dahin  lautet :  welche 
künstlerische  Ausstattung  wurde  im  Laufe  des  Mittelalters  jenem 
Gewände  gegeben ,  das  in  den  frühern  Jahrhunderten  als  M-eiss- 
leinencs  Untergewand,  einfach  xmd  ohne  gestickte  Verbrämungen  an 
den  Säumen,  liturgisch  im  Gebrauche  war?  Wir  lassen  der  Kürze 
halber  über  diesen  interessanten  Fragepunkt  nur  einige  allgemei- 
nere Andeutungen  hier  folgen  und  beschränken  uns  auf  folgende 
Angaben. 

Das  Mittelalter  bediente  sich  zu  liturgischen  Zwecken  zweier 
Alben,  die  hinsichtlich  ihres  Schnittes  und  ihrer  Ausdehnung  voll- 
kommen gleich  waren,  die  jedoch  in  Anbetracht  ihrer  Verzierungs- 
weise sich  unterschieden.  Die  Alben  ohne  gestickte  Verbrämun- 
gen an  dem  untern  Saume  und  an  den  Ausmünduno;en  der  Aermel 
nannte  man  alhac  jmrae,  a.  simplices;  jene  Alben  aber  mit  kost- 
baren Goldstickereien  führten  den  Namen  albae  paralac,  a.  frisiatae 
oder  fimhriatne.  Die  erst  gedachten  albae  purae  trugen  als  weiss- 
leinene  Untergewänder  ohne  gestickte  Verzierungen  in  der  frühe- 
sten Zeit  die  Täuflinge  und  auch  die  untergeordneten  Altardiener; 
auch  leerten  die  Diakonen  und  selbst  die  Priester  in  dichns  ferialihns 
bei  der  Feier  der  heil.  Messe  dieselben  an.  Die  Bischöfe  jedoch, 
desgleichen  auch  die  Priester,  bekleideten  sich  namentlich  nach  dem 
X.  Jahrhundert  an  hohen  Festtagen  vielfach  mit  den  an  den  Säu- 
men reich  verzierten  albae  j'^araiae.  Wie  war  nun  der  Schmuck 
einer  solchen  alba  parata  für  den  bischöflichen  und  den  Festtags- 
gebx'auch  beschaflion  ? 

Schon  das  klassische  Rom  liebte  es,  wie  wir  das  aus  den  An- 
gaben des  Vopiscus,  Casaubonus,  Ferrarius  ^)  wissen,  die  tuniea  mit 
ornamentalen  Purjiurstreifen  —  daher  auch  die  vcsfes  parar/aiitlae  — 
in  verschiedener  Weise  zu  verzieren.    Man  nannte  diese  in  Gold- 


')  Interessant  wäre  os,  wenn  in  Kunstliliittern  von  anderer  Seite  mitgetheilt 
würde,  wo  sicli  heute  noch  vereinzelt  solche  Alben  des  Mittelalters  erhalten 
haben,  und  ob  dieselben  hinsichtlich  des  Schnittes  und  der  künstlerischen 
Ansstattung  mit  dem  eben  beschriel)enen  liturgischen  Gewände  überein- 
stimmen. 

Octav.  Ferrarius,  de  re  vestiaria  libii  III,  l'atavü  HM2  lib.  III  ca]).  12. 


—    37  - 

oder  Purpurstoffen  gestickten  und  aufgenähteu  ornamentalen  Stücke 
lati  clavi  oder  angusti  clavi.  Die  Gewänder  der  Senatoren ,  der 
Curulen,  desgleichen  die  toga  iriumphalis,  die  auf  diese  Weise  durch 
aufgenähte  Purpurstreifen  einen  reichen  Schmuck  erhielten,  schei- 
nen nach  den  Tagen  des  h.  Gregor  vornehmlich  auch  auf  die  bi- 
schöfliche Albe  und  auf  andere  liturgische  Gewänder  übertragen 
worden  zu  sein.  Bereits  oben  ist  im  Vorbeigehen  angedeutet  wor- 
den, dass  Papst  Benodictus  III.  eine  kostbare  Albe  zum  Geschenk 
erhielt,  die  mit  einer  Verbrämung  von  Goldstoffen,  —  chryso  clavo  — 
verziert  war.  Der  Grundstoff  dieser  Pontifical -  Albe  war,  wie 
oben  gesagt,  von  Seide  mit  eingewebten  kreisförmigen  Ornamen- 
ten, die  den  Siegeln  und  ihren  Verzierungen  ähnlich  waren ').  Bei 
diesen  goldgestickten  Ornamenten  an  der  Albe,  die  auch  zuweilen 
aus  doppelgefärbtem  Purpur,  aus  dem  theuern  dibaplia,  bestanden, 
ist  es  aus  ältern  Beschreibungen  vor  dem  X.  Jahrhundert  nicht 
immer  ersichtlich,  ob  dieser  chrysoclavus  an  dem  untern  Saume 
aus  einem  viereckig  länglichen ,  aufgenähten  Purpur-  oder  Gold- 
stoff  bestand,  oder  ob  dieser  ornamentale  aufgenähte  Saum  in  sei- 
ner Ganzheit  an  dem  untern  Rande  der  Albe  herumgeführt  und 
befestigt  Avar.  Es  finden  sich  jedoch  auch  bei  ältern  Schriftstellern 
vielfache  Belege,  dass  an  dem  untern  Saume  der  Albe,  desgleichen 
auch  an  den  Ausmündunoen  der  Aermel  eine  oder  sogar  mehrere 
solcher  nach  kleinem  Zwischenräumen  gestickten  Ornamentstreifen, 
die  der  Biograph  der  Päpste,  Anastasius,  gyra  in  circuitu  oder 
peridysis  nennt,  in  der  ganzen  Rundung  besetzt  waren.  Auf  diese 
Weise  würden  auch  zu  erklären  sein  die  albae  monolores  -),  dialores, 
trialores,  pentalores,  worüber  bei  Vopiscus  3)  das  Weitere  zu  ersehen  ist. 

Der  Mittheilung  des  Kassinensischen  Mönches  Leo,  späteren 
Kardinalbischofs  von  Ostia,  verdanken  wir  nicht  nur  in  seiner  Chro- 
nik von  Monte  Cassino  die  schätzbarsten  Angaben  iiber  Beschaf- 
fenheit und  Verzierungsweise  der  verschiedenen  kirchlichen  Ornate 
aus  der  Mitte  des  XI.  Jahrhunderts,  sondern  er  verbreitet  sich 
auch  an  einer  Stelle  seines  Geschichtswerkes  ausführlicher  über 
die  kunstreich  gestickte  Albe,  die  Kaiserin  Agnes,  Mutter  Hein- 
rich's  IV.,  der  Stiftung  des  h.  Benedict  auf  Monte  Cassino  bereits 


')  Daher  aucli  das  opus  sigillalum.  Siehe  das  Nähere  hierüber  bei  Du  Gange, 
Gloss.  hit.  ad  voc. :  sigillalus. 

-)  Für  peridysis,  gyra  in  circitiiu  finden  sich  als  iUbcnsäiinio  auch  die  bei 
späteru  Sclu'iftstellerii  synonymen  Bezeichnungen  wie:  lorum,  praetexta,  ora 
veslimenti,  urna,  urla,  orla;  daher  auch  im  Französischen  orle. 

^)  Vgl.  Vopiscus  bei  Thomasius. 


—    38  — 


In  der  letzten  Hjllfte  des  XL  Jahrhunderts  geschenkt  habe. Die- 
selbe war  nämlich  auf  beiden  Schultern,  desgleichen  am  obern 
Halsausschnitte,  so  wie  auf  der  Brust,  mit  Goldstickereien  reich 
verziert,  nicht  weniger  auch  an  der  untern  Oeffnung  der  beiden 
Aerrael.  Der  untere  Saum  dieser  kostbaren  Albe  war  mit  einer 
goldgestickten  Randeinfassung  verziert,  die  eine  Ausdehnung  von 
anderthalb  Fuss  hatte.  -) 

Bis  1723  hatte  sich  im  Dome  zu  Freising,  wie  berichtet  wird, 
aus  den  Tagen  des  Bischofs  Einhardt  (f  1078)  eine  an  den  Säu- 
men äusserst  reich  gestickte  bischöfliche  Albe  noch  erhalten ,  die 
Meichelbeck  ausführlicher  beschrieben  hat,  und  die  einen  Schluss 
ziehen  lässt ,  in  welcher  Grossartigkeit  der  Form  und  des  ßeich- 
thumes  der  Verzierungen  die  alhae  pm'atae  schon  in  jener  frühen 
Zeit  beschaffen  gewesen  sein  mögen.  Wir  entlehnen  diese  Be- 
schreibung dem  Werke  unseres  Freundes  Dr.  Sighart,  der  Folgen- 
des über  die  Verzierung  der  Säume  an  dieser  Albe  berichtet. 
„An  der  Albe,  die  aus  dem  feinsten  Leinen  gewebt  und  sehr  lang 
war,  hat  der  Nadelmaler  am  Vordertheil  mit  Gold-  und  vielfarbigen 
Seidenfäden  das  Bikl  Christi  ausgeführt,  wie  Er  durch  Nikodemus 
vom  Kreuze  abgelöst  wird ,  während  Maria  luid  Johannes  zur 
Seite  stehen.  Gegen  den  Saum  des  Vordertheiles  hin  erblicken 
wir,  eben  so  ausgeführt ,  Christus  in  sitzender  Stellung ,  umgeben 
von  den  zwölf  Aposteln.  Die  Rückseite  der  Albe  dagegen  zeigt 
die  Synagoge  mit  den  zwölf  Propheten ;  jene  erscheint  als  Weib, 
in  der  Rechten  ein  Messer,  in  der  Linken  eine  Papierrolle  tra- 
gend. Ihr  zur  Recliten  steht  David,  die  Königskrone  auf  dem 
Haupte  und  die  Rolle  seiner  heiligen  Lieder  in  der  lland;  zur 
Linken  erscheinen  die  übrigen  Propheten." 

Im  Hinblick  auf  ältere  Schatzverzeichnisse  gewinnt  es  den 
Anschein,  dass  mit  dem  Schlüsse  des  XI.  und  dem  Beginne  des 
XII.  Jahrhunderts  bereits  häufiger  bischöfliche  Alben  ans-efertiat 
wurden,  deren  mehrere,  der  grössern  Bequemlichkeit  und  der  ge- 
ringem Schwere  wegen  ,  mit  besonders  aufgenäbten  parurae  auf 
dem  Voi'der-  und  Hintertheil  der  Albe  verziert  waren.  AVir  stel- 
len es  jedoch  nicht  in  Abrede,  dass  auch  um  diese  Zeit  noch  be- 


')  Monumenta  Genn.  liist.  ed.  Pertz  tom.  IX.;  Scriptorum  T.  VII.  p.  722. 

2)  Diese  merkwürdige  Stelle  lautet  bei  Pertz  1.  c.  ilirem  Wortlaute  nach  „. . . . 
alba  a  scapulis  et  capite  ac  mauibus  friso  decenter  ornata,  a  pedibus  vero 
frisca  idbilominus  lista,  mensuram  forme  cubiti  in  latitudiue  habeute  cir- 
cumdata .  .  .  ." 

^)  Dr.  Sighart,  Mittelalterliche  Kunst  in  der  Erzdiöcese  München  -  Freising, 
Seite  238;  vgl.  auch  Histor.  Frisiug.  I.  p.  257. 


—    39  - 


sonders  reich  verzierte  Festtags-Alben  angefertigt  wurden,  deren 
untere  Ränder  in  ihrer  Ganzheit  mit  goldgestickten  Säumen  als 
alhae  monolores,  dialores  verbrämt  waren.  So  verbreitet  sich  ein 
alter  Geschichtschreiber  aus  dem  XI.  Jahrhundert  weiter  über  den 
Reichthum  zweier  Pontifical- Ornate  von  bewunderungswürdiger 
Arbeit  und  hohem  Wertlie,  die  vom  Bischof  Hugo  von  Chalons 
der  Kirche  Notre-Dame  zu  Auxerre  geschenkt  worden  waren. 
Nach  Schilderung  der  casula  und  der  übrigen  zugehörigen  bischöf- 
lichen Ornamente  sagt  er  von  der  Albe  Folgendes:  „a  genibus  ad 
talos  usque  holoserica  llmbo  deaurato  mirifice  pontificalia  vestigia 
complcctebatur"  So  schenkte  ferner  in  dem  Anfange  des  XII. 
Jahrhunderts  Bischof  Gerhard  von  Angoulcme  der  Kirche  von 
St.  Peter  daselbst  ebenfalls  reiche  Pontifical-Ornate ,  die  er  vom 
Bischof  Boso  um  1000  Soldi  käuflich  erworben  hatte.  Die  Stäbe 
des  dazu  gehörenden  Messgewandes  waren  mit  Edelsteinen  allseits 
besetzt.  Dazu  gehörte  nach  der  Angabe  des  Chronisten  ein  „vesti- 
mentum  cum  alba  undique  aurifrizatum ,  manipulus  et  stola  cum 
lapidibus  aurifrizata,  et  tunica  dalmatica  in  qua  sunt  depictae 
aquilae"  -).  Das  undique  bei  dem  ebengedachten  Chronisten  dürfte 
auch  andeuten  ,  dass  um  diese  Zeit  auch  Alben  mit  reich  am  un- 
tern Saume  gestickten  aurifrisiae  vorkommen,  die  nicht  um  den 
ganzen  Saum  geführt  wurden,  sondern  bloss  da,  wo  sie  ersichtlich 
waren,  als  parurae  aufgenäht  wurden.  Auch  in  einer  charta  vom 
Jahre  1197  bei  Ughellus  ist  die  Rede  von  einem  Schultertuch  und 
einer  camisia,  die  mit  Aurifrisien  als  plagae  reich  ausgeschmückt 
waren.  Die  Stelle  lautet:  „unum  amictum  cum  friso  magno,  unum 
camisum  cum  gramatis  et  frisis"  Zur  Erklärung  des  Ausdruckes 
gramata,  gramicia  verweisen  wir  noch  auf  das  liber  Anniversa- 
riorum  Basilicae  Vaticanae^),  wo  es  heisst:  „item  IV  camisias  de 
cortina  cum  pectoralibus  et  gramicis  de  opere  Cyprensi" 

Es  Aväre  nun  bei  diesen  geschichtlichen  Nachweisungen  über 
die  Verzierungsweise  und  die  reiche  Ausstattung  der  Alben  vor- 


1)  Historia  episcop.  Antissiodor.  cap.  XLIX.   (Novae  BibUotliccae  manuscript* 

librorum  tom.  I,  pag.  450.) 
-)  Histor.  pontific.  et  comit.  Engolis.  cap.  XXXV.;  ibid  tom.  II,  pag.  260. 
^)  Charta  an  1197  apud  llghell.  tom.  7,  p.  1275. 

Lib.  Amiiversar.  Basibc.  Vaticau.  apiul  Johaimem  Rubemn  üi  vita  Bonifacii 

VIII.  PP.  p.  345. 

=')  Das  oben  gedaclite  opus  Cyprense  als  Randverzicrung  gramicia  an  den  vier 
camisiae  von  leinen  Tuch  ist  offenbar  als  G  oldstoff  zu  betrachten,  in  welcher ' 
Auffassung  das  opus  Cyprense  gleichbedeutend  mit  aurum  Cyprcum  in  altern 
Schatzverzeichnissen  immer  wieder  vorkömmt. 


—    40  — 


zugsweise  bei  Ausgang  der  romanischen  Kunstepoche  hier  am 
Orte,  an  einer  heute  noch  vorfindlichen  Pontifical- Albe  nachzu- 
weisen, in  welcher  Art  und  Weise  diese  reichen  xVurifrisien  an 
den  Säumen  der  Alben  künstlerisch  beschaffen  waren.  Leider 
fehlen  uns  heute  hierüber  hinlängliche  Anhaltspunkte,  nachdem  die 
vortrefflichsten  Alben  dieser  Art  im  Dome  zu  Freising  bereits  im 
vorigen  Jahrhundert,  wie  früher  angedeutet  wurde,  verschwunden 
sind.  Die  einzige  Pontifical- Albe ,  die  als  Maassstab  für  die  Ver- 
zierung und  künstlerische  Ausstattung  der  bischöflichen  Alben  aus 
der  spätromanischen  Kunstepoche  betrachtet  werden  kann,  findet 
sich  heute  im  Schatze  der  Kaiserburg  zu  Wien  unter  den  übrigen 
deutschen  Reichskleinodien  vor.  Dieselbe  ist  nicht  direct  für  bi- 
schöflichen Gebrauch  angefertigt  Avorden,  sondern  zunächst  für  die 
Krönung  des  Normannenkönigs  Wilhelm  II.  von  Sicilien.  Da 
indessen  die  sicilianischen  Könige  von  den  römischen  Päpsten  das 
Recht  erhalten  hatten,  bei  ihrer  feierlichen  Inauguration  sich  Pon- 
tifical-Gewänder  zu  bedienen,  wie  sie  auch  der  Bischof  anlegte,  so 
lässt  sich  mit  Fug  annehmen,  dass  dieses  königliche  Untergewand 
der  Albe,  ihrem  Schnitte  und  der  künstlerischen  Verzierung  nach, 
im  grossen  Ganzen  mit  jenen  reichen  Festtags- Alben  übereinstim- 
mend befunden  wurde,  wie  sie  im  XII.  Jahrhundert  von  den  Bi- 
schöfen und  Päpsten  namentlich  in  Italien  getragen  wurden.  Diese 
ursprünglich  königliche  Albe,  die  durch  Heinrich  VI.  und  die 
spätem  Hohenstaufen,  als  Erben  der  Krone  Siciliens,  den  deut- 
schen Reichskleinodien  einverleibt  wurde,  hat  in  ihrem  Schnitt 
durchaus  die  Form  und  Gestalt  unserer  heutigen  Albe.  Dieselbe 
besteht  aus  einem  schweren  Seidentaffet  ohne  Musterungen ,  der 
bereits  vor  einigen  Jahrhunderten  schadhaft  geworden  und  in  sei- 
ner Ganzheit  mit  einem  neuen  weissen  Gros  de  Naples  überzogen 
Avorden  ist.  An  dem  untern  Saume  dieses  faltenreichen  weiten 
Gewandes ,  das  mit  einem  ciiigulum  aufgeschürzt  werden  musste, 
haben  sarazenische  Goldsticker  auf  einem  hell  violetten  Purpur- 
stoff', der  fast  die  Breite  einer  halben  Elle  hat,  eine  Fülle  von  in 
Gold  gestickten  Ornamenten  angebracht,  die  theil weise  der  Thier-, 
theilweise  der  Pflanzenwelt  entlehnt  und  schwungvoll  zusammen 
verbunden  sind.  Diese  genialen  Verbindungen  der  vegetabilischen 
und  animalischen  Schöpfung,  die  man  im  frühen  Mittelalter  schon, 
um  ihr  Herkommen  zu  bezeichnen,  faites  a  V Arahes(pu  nannte,  sind 
ihrer  ganzen  Ausdehnuno;  nach  rund  tun  den  Saum  herum  auf 
beiden  Seiten  mit  doppelten  Perlrändern  eingefasst.  In  der  obern 
Umsäumung  dieser  breiten praetexta,  desgleichen  in  der  untern  Ein- 
fassung, ebenfalls  durch  Perlschnüre  gebildet,  haben  die  könig- 


-    41  — 


liehen  Gewandsticker  im  hötel  de,  tirraz  zu  Palermo  ')  acht  Male 
zui-ückkchrend  oben  und  unten  übereinander  zweierlei  Inschriften 
in  Goldfaden  gestickt,  und  zwar  die  eine  in  Neski-Charakteren, 
die  andere  in  lateinischen  Versalien.  Die  lateinische  Inschrift  lau- 
tet in  der  Abkürzunif  des  Ori<>inals,  wie  folgt : 

t  OPERATÜ.  FELICI.  URBE.  PANORMI.  XV.  ANNO.  REGNI.  DNI.  W. 
DI.  GRA.  REGIS.  SICILIE.  DUCAT.  APULIE.  ET.  PRINCIPAT. 
CAPUE.  FILII.  REGIS.  W.  INDICTIONE.  Xllll,-) 

Die  andere  Inschrift  in  arabischer  Currentschrift  o-ibt  in  genauer 
Uebersctzung  folgende  Lesung:  „Dieses  Gewand  gehört  zu  dem,  was 
anzufertigen  befohlen  hat  der  hochgeehrte  König  Wilhelm  II.,  der 
von  Gott  hochgeehrt  sei,  durch  Gottes  Allmacht  unterstützt  werden 
und  durch  seine  Kraft  stets  den  Sieg  davon  tragen  möge,  der  Herr- 
scher Italiens,  der  Lombardei,  Calabriens  und  Siciliens.  Der  Ver- 
ehrer des  Imams  (sie)  von  Rom,  der  Eeschiitzer  (und  Verehrer)  des 
christlichen  Ghiubens,  —  in  dem  königlichen,  wohlbestellten  Ge- 
Avandhause,  das  stets  prächtig  ausgestattet  sein  möge,  nach  der 
kleinen  Zeitrechnung  der  XIIII  im  Jahre  1181  der  Zeitrechnung 
unseres  Ilei'rn  Jesu,  des  Messias." 

Nicht  nur  ist  der  untere  Saum  dieser  königlichen  Pontifical- 
Albe  in  Uebereinstimmung  mit  den  bischöflichen  Alben  aus  dem 
Schlüsse  des  XII.  Jahrhunderts  mit  der  eben  beschriebenen  reich 
mit  Gold  und  Perlen  bestickten  gi/ra  in  circuitu  umgeben,  sondern 
auch  die  untern  Oeft'nungen  der  Aermel  sind  mit  einer  ähnlich 
gestickten  breiten  Borde,  — praete.vta  in  manicis ,  —  künstlerisch 
verbrämt.  Eine  fernere  gestickte  Borde  erblickt  man  rund  um  den 
Oberarm  herumgeführt,  wodurch  ohne  Zweifel  die  königlichen  Arm- 
spangen, armillae,  in  Stickerei  angedeutet  werden  sollten.  Eine  letzte 
überaus  reiche  Perl-  und  Goldstickerei  befindet  sich  als  Pectoral- 
(Jrnament  auf  dem  Vordertheile  der  Albe,  da  nämlich,  wo  auch 
der  geradlinige  tiefe  Einschnitt  zur  Anlegung  des  Gewandes  sich 
befindet  •'). 

')  Vgl.  über  das  hötcl  de  tirraz  zu  Palenno  unsere  dosfalltsigeii  Augabeii  in 
der  I.  Lieferung  dieses  Werkes  Seite  34  u.  ff. 

-)  Die  Uebe.rsetzung  dieser  merkwürdigen  Inschrift  lautest,  wie  folgt:  „Au- 
gefertigt in  der  glücklichen  Stadt  Palermo,  im  15.  Jahre  der  Kegieruug 
Wilhelm's  11.  von  Gottes  Gnaden  Königs  von  Sicilieu,  von  Apnlieu,  von 
t'apua,  des  Sohnes  Königs  Wilhelm  1.  in  der  14.  Indiction  (1181). 

^)  Vgl.  die  getreue  Abbildung  und  nähere  Beschreibung  dieser  königlichen 
Pontifical- Albe  in  dem  ersten  Bande  unseres  Werkes :  „Die  Kleinodien  des 
heiligen  römischen  Reiches  deutscher  Nation  unter  Beigabe  der  Ki-on-Iusignien 
Böhmens,  Ungarns  und  der  Lombardei."  Taf.  VIL  Wien,  iix  der  k.  k. 
Hof-  uiid  Staatsdruckerei  1860. 


—    42  — 


Bei  dem  Fehlen  älterer  Alben  aus  der  romanischen  Kunst- 
Epoche  fahren  wir  fort,  hier  die  Citate  älterer  Schatzverzeichnisse 
folgen  zu  lassen,  die  wir  allenthalben  in  Abschrift  anzusammeln  Ge- 
legenheit hatten.  In  einem  reichhaltigen  Inventar  des  Domschatzes 
zu  Bamberg  aus  dem  Jahre  1128  stehen  unter  andern  bischöflichen 
Ornatstücken  verzeichnet:  albae  XLVI  ex  his  IV  cum  aurifrio;io. 

Es  waren  also  42  dieser  liturgischen  Gewänder  alhae  simpUces 
und  vier  auro  paratae,  d.  h.  dieselben  waren  mit  Gold  gestickten 
Säumen  an  dem  untern  Rande  und  den  Ausraündungen  der  Aer- 
mel  verziert. 

Das  englische  Schatzverzeichniss  der  Ornate  in  der  bischöf- 
lichen Ecclesia  Sarum  enthält  zum  Jahi-e  1222  ausführlichere  Be- 
schreibungen von  albae  paratae,  wie  sie  um  diese  Zeit  im  Vergleich 
zu  den  ebengedachten  vier  bischöflichen  Alben  von  Bamberg  bereits 
reicher  garnirt  waren.  Bei  Aufzählung  der  Alben  führt  nämlich 
das  oben  gedachte  Schatzverzeichniss  an:  „Albae VIII  de  serico  ') 
—  item  alba  una  de  Bukeram  ^)  cum  parura  brodata  ^)  cum  leo- 
nibus  de  dono  Koberti  de  Bellafago ;  et  una  alba  linea  cum  parura 
de  tribus  aurifris. '*)  quac  pervenit  de  dono  Stephani  Riedel;  prae- 
tcrea  albae  veteres  V  cum  paruris  veteribus  •'')  et  albae  veteres  non 
paratae" 

Am  deutlichsten  ist  die  Albe  in  ihrer  decorativen  Beschaffen- 
heit in  jenem  merkwürdigen  Schatzverzeichnisse  gekennzeichnet, 
das,  aus  dem  Schlüsse  des  XIII.  Jahrhunderts  herrührend,  sich 
heute  noch  im  Archive  des  Domes  zu  Anagni  vorfindet.  Dieses 
Inventar  zählt  in  langer  Reihe  auf  jene  kostbaren  liturgischen  Ge- 
Avänder  und  Gefässe,  die  der  Cardinal  Gaetano,  nach  seiner  Er- 


')  Es  scheinen  dies  acht  Alben  von  weisser  Seide  gewesen  zu  sein. 

-)  Bukeram  dürfte  eine  anglish-te  Localbezeicluuuig  für  einen  orientalischen 
SeideustoiF  sein,  indem  in  Inventaren  des  XII,  und  XIII.  Jahrluuiderts  mei- 
stens corrumpii'te,  orientalische  Ausdrücke  für  Seidenstoffe,  wie  sie  im  Han- 
del gebräuchlich  waren,  zur  Anwendung  kommen. 

^)  Diese  parura  war  mit  Bildern  von  Löwen  bestickt,  walirscheinlich  von  Krei- 
sen jedesmal  oingefasst,  ein  sehr  beliebtes  Ornament  im  XIII.  Jalu-hundert. 

■')  An  dieser  Albe  aus  LeinenstofF,  mit  Schüdern  entweder  aus  gewebten  Gold- 
stoffen  oder  mit  Goldstickereien  verziert,  befanden  sich  nur  drei  solcher 
verzierenden  Besatzstücke  und  fehlte  also  das  vierte. 

f*)  Da  das  vorliegende  Schatzverzeichniss  der  eben  gedachten  engUschen  Ka- 
thedralkirche bereits  1222  geschrieben  war,  und>.'hier  von  Paruren  an  ältern 
Alben  gesi)rochen  wird,  so  dürfte  daraus  gefolgert  werden,  dass  bereits 
schon  in  früher  Zeit  in  englischen  Kathedralkirchen  die  Paruren  als  getrennte 
ornamentale  Besatzstücke  an  den  vier  Theilen  der  Albe  in  Gebrauch  waren. 

f')  Aeltere  xWbca  für  den  gewöhnhchen  Gebrauch  ohne  gestickte  Schilde. 


—    43  — 


Hebung  auf  den  päpstlichen  Stuhl  unter  dem  Namen  Bonifacius  VIII. 
(1294)  in  verschiedenen  Zeiträumen  dem  Schatze  der  Domkirche 
seiner  Vaterstadt  Anagni  verehrte,  der  er  in  Jüngern  Jahren  als 
Canonicus  angehört  hatte.  Papst  Bonifaz  VIII.  schickte  nämlich 
129G  durch  zwei  Canonici  der  ebengcdachteu  bischöflichen  Kirche 
unter  andern  reichen  liturgischen  Ornaten  mehrere  künstlich  ver- 
zierte Alben,  die  das  besagte  Verzoichniss  in  folgender  Weise  be- 
schreibt : 

Item  una  alba  cum  pectorale  de  auro  ')  et  pernis  grossis  ad 
ymagines  Salvatoris  et  beate  Virginis ,  et  quatuor  aliis  cimi  fim- 
briis  -)  de  dyaspero  laborato  ad  papagallos ,  et  alios  labores  in 
manicis     paraturis  cum  tribus  ymagiuibus. 

Item  alia  alba  cum  pectorali  ad  aurum  cum  ymagine  beate 
Virginis  fugientis  in  Egyptum  et  in  manicis  trcs  ymagines  per 
quamlibet ,  et  cum  fimbriis  ^)  aureis  laboratis  ad  plures  ymagines. 

Da  diese  finibriae  oder  plcußilae  als  gestickte  oder  gewebte 
längliche  Besatzstücke  am  vordem ,  desgleichen  auch  am  hintern 
Thcilc  der  Albe,  sowie  als  Unu-andung  der  beiden  Aermel  beim 
jedesmaligen  Waschen  der  Albe  vom  Leinen  losgetrennt  werden 
mussten ,  so  fanden  sich  in  Kirchenschätzen  auch  häufiger  solche 
losgetrennte  pamrae  vor,  deren  Alben  zum  Reinigen  abgegeben 
wai'en.  So  liest  man  in  einem  Inventar  der  Kii'chenschätze  von 
Chartres  vom  Jahre  1337:  Item  II  paremez '°')  de  albis  deaurata 
nova. 

Der  bekannten  Freigebiokeit  und  dem  Kunstsinne  Karl's  IV. 
hatte  die  Metropole  von  St.  Veit  gegen  Mitte  des  XIV.  Jahrhun- 
derts es  zu  danken ,  dass  damals  nicht  leicht  ein  Kirchenschatz 


')  Unter  diesem  pectDrale  vou  Gold  ist  offenbar  eine  reiche  Stickerei  mit  den 
Bildwerken  des  Erlösers  und  der  allersoligsten  Jungfrau  zu  verstehen,  in 
ühiüicher  Gestalt  und  Ausdehniuig,  wie  sich  eine  solche  Brustverzierung 
in  (luaiU-atischer  ibilagc  heute  noch  an  der  vorhin  beschriebenen  kaiser- 
lichen Alhe  im  Schatze  zu  Wien  vorfindet. 

2)  Vier  andere  Albeu  waxen  mit  fimbriac,  nämlich  mit  aufgenähten  Seidenstof- 
fen (dyaspernmj  verziert,  in  welchem  Papageien  eingewirkt  waren. 
An  den  Ausmündimgen  der  Aermel  befanden  sich  Einfassungen  und  Ver- 
brämungen (paiatiiiacj  mit  allerlei  Stickereien,  und  unter  ilieseu  auch  drei 
gestickte  Bilder. 

Gleichwie  auf  dem  Brustschild  dieser  Albe  die  P^lucht  nach  Aegypten  ge- 
stickt war,  so  waren  auf  dem  untern  breitern  Goldsaume  mehi'cre  andere 
Heiligenbilder  im  Plattstich  gearbeitet. 
■'')  Dieser  franziisische  Localausdruck  paretna  bezeichnet  die  vier  Paruren  der 
Albe,  wie  das  aus  andern  Bezeichnungen  desselben  Inventai's  ersichtlich  ist. 


—    44  — 


diesseits  der  Berge,  was  den  ßeichthuin  der  liturgischen  Gewän- 
der und  die  grosse  Zahl  kostbarer  ßeliquiengefässe  betraf,  sich 
mit  dem  auf  dem  Hradschin  zu  Prag  messen  konnte.  Die  Scliatz- 
verzeichnisse  von  St.  Veit  aus  dieser  Zeit  führen  in  langer  Reihe 
Alben  auf,  die  an  den  Säumen  mit  reich  gestickten  Paruren  vei*- 
brämt  waren.  Es  sei  gestattet,  von  diesen  vielen  Aufzählungen 
hier  nur  einige  namhaft  zu  machen.  So  heisst  es  in  einem  Inven- 
tar, angefertigt  unter  Erzbischof  Arnost  im  Jahre  1354: 

Item  albarum  de  bysso  paria  II  et  unum  par  de  serico 
subtili  2). 

Item  albarum  cum  limbis  ^)  paria  VI  et  VII  unum  est  dili- 
neatum. 

In  einem  spätem  Inventar  vom  Jahre  1387  heisst  es  unter 
der  rubrica  de  albis: 

Item  IV  albae  de  bysso  cum  limbis  et  praetextis  ^). 

Item  alba  de  tenui  serico  vetus  valens  pro  emendationc  ^) 
aliarum  rerum. 

Item  alba  cum  flaveo  zametho  ^)  hirsutho  in  manicis  liabens, 
in  una  manica  XIV  rosas  ^)  et  duas  litteras  S  de  perlis  et  in  sc- 
cunda  manica  XIII  rosas  et  tres  litteras  S  de  perlis. 

Item  alba  cum  flaveo  limbo  habens  ad  modum  liliorum  cum 
auro  insutum 


1)  Gegen  Mitte  des  XIV.  Jahrhunderts  war  also  der  orientalische  Byssus  für 

bischöfliche  Alben  noch  in  Gebrauch. 
-)  Neben  dem  feinsten  ägyptischen  Leinen  (Byssus)  kommen  damals  zugleich 

auch  zarte  Seidenstolfe  in  weisser  Farbe  bei  Anfertigung  von  iVlben  vor. 
^)  Limbus  schemt  lüer  identischer  für  plaga,  parui-a  zu  stehen. 
^)  ^A'enn  unter  limbus  der  gestickte  untere  Saum  der  Albe  zu  verstehen  ist, 

so  dürften  unter  praiUxia  die  einfassenden  Stickereien  an  den  Aermeln 

(manica)  zu  betrachten  sein. 

In  dieser  Angabe  mag  wohl  die  Ursache  hergeleitet  werden,  weswegen  die 
mittelalterlichen  Alben  heute  zur  grössteu  Selteidieit  geworden  sind.  Es 
win-dcn  niunlich,  wie  hier  augedeutet  ist,  der  Leinen-  oder  der  Seidenstoff 
älterer  Alben  zur  Wiederherstellung  schadhaft  gewordener  Alben  benutzt 
oder  es  wiu-den  :tus  diesen  ältcrn  Stoffen  die  veslimenla  pucrorum,  wie  wir 
das  später  sehen  werden,  angefertigt. 

f)  Eine  in  Böhmen  damals  locale  Bezeichnung  für  uusern  heutigen  Samniet,  ilas 
niederdeutsche  Fluel. 

')  Auf  dem  Sammetstoffe,  der  die  Ausmündung  des  einen  Aermels  umrandete, 
waren  14  Blumen  (rosulae)  wahrscheinlich  in  Gold  gestickt,  dazwischen 
zwei  Mal  der  Buchstabe  S  in  Perlstickerci. 

«)  Auf  diesem  gelben  Saume  der  Albe  waren  in  Form  von  Lihen  Ornamente 
in  Gold  gestickt. 


45  — 


Item  tres  albae  per  domiram  imperatricem  doratae  habentes 
limbos  de  brunatico  Nachone  '). 

Im  XV.  Jahrliundcrt  mehren  sich  in  den  damaligen.  Schatz- 
verzeichnissen von  Stifts-  und  Kathedralkirchen  ungemein  die 
Aufzählungen  von  bischöflichen  und  Festtags-Alben,  die  mit  reich- 
gestickten praetextap.  an  den  Säumen  verziert  waren.  Wir  lassen 
aus  diesen  gehäuften  Angaben  hier  nur  noch  einige  wenige  folgen. 
So  heisst  es  in  dem  Inventare  des  Domes  von  Olmütz  vom  Jahre 
1435: 

Item  tres  albae  de  tenui  tela^)  cum  plicis  floribus  viridibus 
contextae.  ' 

Item  tres  albae  de  tenui  tela  cum  plicis  quasi  sub  griseis  de- 
super  deauratis  de  varia  textura 

Item  alba  subtilis  cum  fimbriis  ^)  aurels  latis  cum  aureis  flo- 
ribus. 

Item  alia  alba  subtilis  cum  plicis  de  haxamit  rubeo  ^)  in  qui- 
bus  dua  manus  et  aquila  et  pulchri  flores  aurei  inserti  sunt. 
Item  albae  feriales  ')  novem. 

Um  die  Leser  nicht  zu  ermüden,  lassen  wir  hier  noch  aus 
einem  Inventar  des  Domschatzes  zu  Würzburg  aus  dem  Jahre 
1484  einige  Ansahen  hinsichtlich  der  ornamentalen  Beschaffenheit 
der  Albe  gegen  Schluss  des  Mittelalters  folgen.  Es  dürfte  dieses 
Inventar  deswegen  um  so  interessanter  sein ,  indem  die  Aufzeich- 


')  Dieser  Teimiiius  Nacho,  der  eben  so  h;iutifr  in  iiltern  Schatzverzeichiiissen 
mit  dem  Ausdruck  Haklekind  sicli  vortiudet,  dürfte  ebenfalls  als  (irientulische 
liezeic'hnunir  eines  sclnvereu  Seidenstofi'es  zu  betracliteu  sein. 

2)  Tela  stellt  hier  gleichbedeutend  mit  linum,  feines  Leinen. 

Eigenthümlicher  Weise  nennt  das  Olmützcr  Inventar  an  vielen  Stellen  die 
panira  oder  praelexia,  Benennungen  des  Prager  Inventars ,  pUcn  fast  iden- 
tisch mit  dem  plattdeutschen  Plak,  wodurch  ebenfalls  ein  viereckiges  Zeug, 
jedoch  in  seiner  trivialen  Bedeutung  bezeichnet  wird. 

^)  Die  Besätze  an  dieser  Albe  bestanden  also  aus  gräulichen  Seidenstoffen  mit 
(loldmusterungcn  verschiedenartig  durchwebt. 

■'')  Diese  zartgewebteu  Albeii  hatten  nach  deni  Wortlaute  unseres  Inventars 
breite  Säume  von  (loldstoff  mit  eingewirkten  Musterungen,  und  dürften  also 
unter  dem  Terminus  fimhriae  hier  keine  Fransen  zu  verstehen  sein,  sondern 
derselbe  wäre  liier  gleichbedeutend  mit  pr/ieiexia,  limlms  aufzufassen. 

")  Die  vier  plica  gleichbedeutend  mit  der  parvra,  waren  an  dieser  Albe  von 
rothem  Sammet  (haxamit) ,  auf  welchem  durch  die  Kunst  der  Nadel  zwei 
Hände  mit  Adlern  und  Blnnienwerk  in  Stickerei  sich  befanden. 

')  Diese  Fei-ial-Alben  zum  flebranch  an  gewöhnlichen  Tagen,  die  auch  anderswo 
nlliae  (pidiididnne  in  dem  Gegensatz  zu  den  nllme  fcsJalrs  genannt  weiden, 
hatten  keine  gestickten  plicae  an  den  Aermeln  und  an  dem  untern  Saume. 


—    46  - 


nungen  desselben  abweichend  von  der  altkirchlichen  Regel  bereits 
in  deutscher  Sprache  geschrieben  sind.  An  jener  Stelle,  wo  die 
Aufzählung  der  Alben  beginnt,  lesen  wir  folgende  Ano-abe: 

Zwo  alte  weyse  Rück  und  ein  Kasul,  die  seind  gar  böse  und 
tugen  nit  mehre  zu  Nutze. 

Vier  grüne  ')  Alben  mit  ihren  Umbralen. 

Drei  Alben,  dominicaliter,  mit  roten  charaelotten  Schiiten  2)  und 
Büchsen 

Vier  Alben  mit  braunen  Schiiten. 
Drei  Alben  mit  schwarzen  Schiiten 

Obschon  wir  in  vorliegenden  Blättern  mit  der  äussern  Form, 
dem  Schnitte  und  der  künstlerischen  Ausstattung  der  liturgischen 
Gewänder  die  verschiedenen  Zeitläufte  des  Mittelalters  hindurch 
uns  ausschliesslich  beschäftigen,  so  dürfte  doch  hier  die  Frao-e 
am  Orte  sein ,  welche  Bedeutung  legte  man  im  Mittelalter  diesen 
vier  ornamentalen  Besatzstücken  der  Albe  bei.  Wie  wir  bci'eits 
früher  angedeutet  haben ,  sind  diese  vier  getrennten  pUcae ,  prae- 
textae  an  den  Alben  ohne  Zweifel  dadui-ch  entstanden,  dass  man 
der  Bequemlichkeit  wegen  den  reichgestickten  schweren  Albsaum 
in  seiner  Ganzheit  fortfallen  und  nur  an  jenen  Stellen  zum  Vor- 
schein treten  Hess,  wo  er  überhaupt  gesehen  werden  konnte. 

Spätere  Liturgikor  suchten  diesen  Ornamenten  der  All)e  eine 
symbolisch-mystische  Auslegung  zu  geben.  So  bezieht  Durniidus 
auf  diese  Verbrämung  der  Albe  an  den  verschiedenen  Stellen  jenen 
Spruch  des  Psalms  XLIV,  10.:    „astitit  regina  a  dextris  tuis  in 


')  Wir  finden  es  erklärlich,  dass  der  Schatzbesclireil)er  hier  die  Albe  luieh 
der  Farbe  von  grünseideiien  Stoffen  als  jinninie  oder  jn-ueiej-iae  sehleeht- 
hin  nach  ihrer  Verzierung  als  grün  bezeichnete. 

2)  Hiernach  ist  also  zu  entnehmen,  dass  man  die  vier  oriuimenlalen  Besatz- 
stücke an  den  bessern  Alben  nach  ihrer  viereckig -länglichen  Form  einfach 
„Schilt"  nannte. 

Abweichend  von  den  zwei  „Scliilten",  die  als  Verziening  am  untern  Saume 
der  Albe  nach  vorn  und  hinten  aufgenäht  waren,  nennt  das  Würzburger 
Inventar  die  beiden  parui-ne,  die  den  untern  Band  der  Aermel  verbrämen, 
„Büchsen",  und  zwar  deswegen,  weil  sie  als  Büchse  rund  zusammengenäht 
waren  und  in  vielen  Kirchen  erst  nach  Anlegung  der  Albe  als  mauicae 
über  den  Saum  der  Aermel  geschoben  und  hier  mittels  zweier  darin  be- 
festigter Schnüre  angebunden  wurden, 
"i)  Diese  schwarzen  „Schiitc"  als  f>lfii)a  der  Albe  deuten  an,  dass  dieselben  mit 
entsprechenden  Caseln  von  gleicher  Farbe  zum  Gebrauche  bei  den  missne 
pro  dejiiiiclis  getragen  wurden. 


-    47  — 


vestitu  deaurato  circumdata  varietate  .  . ').  Nimmt  man  zu  den 
vier  parurae  der  Albe  als  fünfte  in  gleicher  Ornamentation  noch 
hinzu  das  gestickte  Ornament  an  dem  humerale,  das  wir  in  der 
vorhergehenden  Abtheilung  näher  besprochen  haben,  so  liegt  es 
nahe,  durch  diese  fünf  plague  die  quinque  vulnera  Domini  anzu- 
deuten, wie  das  auch  in  neuerer  Zeit  von  Mehrern  hervorgehoben 
worden  ist. 

Wir  haben  es  im  Vorhergehenden  versucht,  an  der  Hand  äl- 
terer Schatzverzeichnisse  die  künstlerische  Ausstattung  der  Albe 
in  den  verschiedenen  Zeitläuften  des  Mittelalters,  so  gut  es  bei  dem 
Fehlen  ältgrer  Original- Alben  anging,  nachzuweisen.  Glücklicher 
Weise  haben  sich  aus  dem  Schlüsse  des  Mittelalters  noch  einige 
ältere  Alben  vereinzelt  erhalten ,  die  einen  Schluss  ziehen  lassen, 
wie  o-eo-en  Ausgane:  des  XV.  Jahrhunderts  durch  Nadelarbeit 
die  untern  Säume  an  bischöflichen  Festtags-vVlben  künstlerisch  geho- 
ben wurden.  Die  bei  weitem  interessanteste  Albe,  die  an  den  reich- 
verzierten limhus  deauratus  der  Albe  aus  der  romanischen  Kunst- 
Epoche  sich  anschliesst,  befindet  sich  heute  noch  aufbewahrt  in  dem 
ehemaligen  Benedictinerinnen-Stift  Goess  bei  Leoben  in  Steyermark. 
Hinsichtlich  des  ebenfalls  zu  Goess  noch  befindlichen  Ornates,  der 
einen  ornatus  integer  in  Seide  gestickt  bildet  und  im  Beginne  des 
XHI.  Jahrhunderts  unter  der  Aebtissin  Cunigunde  der  eingestick- 
ten Inschrift  zufolge  angefertigt  wurde ,  verweisen  wir  auf  unsere 
ausführliche  Beschreibung  desselben  in  dem  März-  und  April- 
Hefte  der  „Mittheilunsen  der  k.  k.  Central-Commission  zur  Er- 
forschung  der  Denkmale."  (Wien  1858.)  Um  Missverständnissen 
vorzubeugen,  sei  jedoch  hier  hervorgehoben,  dass  die  ebengedachte, 
gleichfalls  zu  Goess  aufbewahrte  Albe  keineswegs  zu  der  capella  der 
Aebtissin  Cunigunde  gehört,  vielmehr  trägt  der  mehr  als  eine  Elle 
breite  Saum  dieser  merkwürdigen  Albe,  wie  das  aus  den  viel- 
fachen charakteristischen  Ornamenten  deutlich  ersichtlich  ist ,  den 
unumstösslichen  Beweis,  dass  dieser  limhus  durch  die  Klosterfrauen 
von  Goess  erst  im  letzten  Viertel  des  XV.  Jahrhunderts  und  spä- 
testens in  den  ersten  Decennien  des  XVI.  gestickt  worden  ist.  Die- 
ser Albensaum  in  dem  ebengedachten  Benedictinerinnen-Stift  Steyer- 
marks  weicht  von  den  traditionellen  Verzierungen  durchaus  ab, 
wie  sie  sich  heute  noch  in  Form  von  parurae,  praetextae  an  ein- 
zelnen Alben  in  der  Liebfrauenkirche  zu  Danzig  und  an  andern 


')  Die  betreffende  Stelle  lautet  bei  Durand  Hb.  III.,  cap.  3:  „...  Quod  autem 
fuinfrisium  et  grainmata  diversis  in  locis  ac  variis  opcribus  ad  dccorem  babet, 
illud  insiuuat  quod  propheta  dicit  in  psalmo :  astitit  rcgina  . . ." 


—    48  — 


Orten  erhalten  haben.  Derselbe  umgibt  den  untern,  weiten  Saum 
der  Albe  rundum  in  seiner  Ganzheit,  und  indem  er  an  die  Alben- 
verbrämungen vor  dem  X.  Jahrhundert ,  die  als  tetralores^ ,  pevta- 
lores  sich  kenntlich  machten,  anknüpft,  erweitert  er  sich  in  einzelnen 
im  Zusamraenhano-e  stehenden  breitern  Ornamentstreifen  ringfür- 
mig  übereinander  geordnet.  Gewiss  ist  diese  reich  in  Gold  und 
vielfarbiger  Seide  gestickte  breite  orla  der  merkwürdigen  Albe 
zu  Goess  nicht  als  vereinzeltes  Vorkommniss  zu  betrachten  und 
dürften  nicht  nur  in  Stcyermark,  sondern  auch  in  süddeutschen 
und  rheinischen  Diöcesen .  gegen  Ausgang  des  Mittelalters  ähnlich 
verzierte  Umrandunjren  an  bischöflichen  Alben  häufi<2:er  anffctrof- 
fen  woi-den  sein. 

Wir  dürfen  unsere  geschichtlichen  Mittheilune:en  über  die 
Verzierunofsweisen  der  Alben  im  Mittelalter  an  dieser  Stelle 
nicht  zu  Ende  führen,  ohne  der  Vollständigkeit  halber  noch 
auf  eine  Technik  des  Stickens  hingewiesen  zu  haben ,  die  schon 
in  der  letzten  Hälfte  des  XV.  Jahrhunderts  sich  als  untere  Saum- 
verzierunc:  der  Albe  anfino;  o;eltend  zu  machen.  Man  beg-ann  näm- 
lieh  um  diese  Zeit,  niclit  nur  auf  dem  Leinenstoft'e  der  Albe  selbst, 
Leinenstickereien,  in  verschiedenem  Blumenwerk  nach  Motiven 
geordnet,  anzubringen,  und  demselben  auf  diese  Weise  eine  grössere 
Schwere  und  Haltbarkeit  zu  geben,  sondern  die  Sucht,  etwas  Neues 
und  auf  die  Entfernung  wirkendes  an  den  Alhensäuinen  anzubringen, 
verleitete  auch  geübte  Stickerinnen  dazu,  durch  künstliche  ;i  jour 
durchbrochene  Stickereien  im  Weiss-Leinenzeuge  eine  grössere 
Abwechselung  und  stellenweise  Durchsichtigkeit  diesen  so  ver- 
zierten Säumen  zu  geben.  Man  nannte  diese  Weisszeugstik- 
kerei  mit  durchsichtig  gestickten  eutre  deiix  das  opus  Italicuin, 
das  besonders  in  Nord-Italien  und  in  Venedig  sehr  geübt  wurde. 
Diese  auch  häufig  genannte  „welsche  Arbeit"  von  künstlich  durch- 
brochenen  Weisszeugstickereien  und  gehäkelten  Verziei-ungen  in 
Leinen  fand  besonders  von  dem  Beginn  des  XVI.  Jahrhunderts 
ab  an  Alben  eine  bevorzugte  Anwendiuig  '). 


')  Wir  besitzen  ein  inerkwiii-di.yps  Miistcrlmcli  mit  vielen  lllnsfrationen  in 
kräftigen  lloksclniitten  ,  Wdrin  eine  Menge  von  Mustern  und  Modellen  ab- 
gebildcit  sind,  wie  man  s-ie  tbeilvveise  für  durcbbi'odieue  Weisszfuigstielcerei 
an  AlbensiUimen,  theilweise  für  Stickereien  und  unmittelbar  auf  Lcinenzeug 
selbst  im  XVI.  .Jahrhundert  anzufertigen  pflegte.  Das  heut  seltene  Werk 
führt  den  Titel:  „New  Modelbnch  Von  Allerhand  Art  Neliens  inid  Stiekens 
jetzt  mit  vielerley  Welscher  Arbeyt,  Mödel  und  Stahlen  allen  Seidenstiekern 
und  Neterin  sehr  nützlich  und  kinistlich  von  newen  zugericht,  gelrnkt  zu 
l-'rankfurt  am  Main  MI)L.\.\!." 


-    49  - 


Als  wir  im  vorigen  Jahi-e  in  der  Kathedrale  zu  Luron  (Bour- 
bon-Vendee)  der  Priesterweihe  eines  Anverwandten  beiwohnten, 
waren  wir  nicht  wenig  erstaunt ,  unter  den  vielen  Neopresbytern, 
die  die  heiligen  Weihen  empfingen,  auch  Einen  zu  erblicken,  der 
mit  einer  altern  Albe  bekleidet  war,  deren  reiche  Saumstickereien 
auf  kräftigem  Leinen  fast  bis  zu  den  Knieen  heranstiegen ,  und 
stellenweise  mit  durchbrochenen ,  ringförmig  übereinander  geord- 
neten Weisszeugstickereien  abwechselten.  Diese  mühsame  aber 
äusserst  dauerhafte  „welsche  Ai'beit"  Hess  in  ihren  Details  bei  einer 
spätem  genauem  Untei'suchung  deutlich  erkennen,  dass  dieser  reiche 
Albensaum  'frühestens  in  den  Tagen  Königs  Franz  I,  von  geübter 
Hand  angefertigt  worden  war,  zu  einer  Zeit,  als  die  Renaissance  in 
Frankreich  schon  allgemein  Eingang  gefunden  hatte.  In  derselben 
Anordnung  mit  theilweise  durchbrochenen,  theilweise  auch  auf 
dichtem  Leinen  gestickten,  ringförmig  nach  grössern  und  kleinem 
Zwischenräimien  übereinander  o;estellten  Verzierunofen  finden  sich 
auch  im  Schatze  zu  Aachen  noch  einige  ältere  Alben  vor,  die  eine 
ähnliche  Verzierung  wie  die  ebengedachte  von  Lu^on  aufzuweisen 
haben.  Diese  Alben  zu  Aachen  mit  ihren  interessanten  Weiss- 
zeugstickereien dürften  aus  dem  letzten  Viertel  des  XVI.  Jahr- 
hunderts herrühren ,  und  geben  deutlich  zu  erkennen ,  wie  durch 
diese  stellenweise  angewandten  ä  jour-Stickereienin  Leinenstoffen  bei 
den  Alben  der  Weg  angebahnt  war,  den  zum  Nachtheil  der  Würde 
dieses  liturgischen  Gewandes  in  neuester  Zeit  die  Tüllsticker  und 
Filetarbeiterinnen  weiter  ausgebeutet  haben.  Als  nämlich  mit  dem 
XVI.  Jahrhundert  die  reichgestickten  spanischen  Kragen  mit  ihren 
künstlichen  Durchbrechunoen  allo-emein  in  Mode  g-ekommen  waren, 
als  ferner  gegen  Ende  jenes  Jahrhunderts  die  berühmten  Dentelles- 
und  Gui-pures-Manufacturen  in  Flandern  zur  ßlüthe  gelangten 
und  lange  Zeit  hindurch  den  üppigen  Hofkleidern  zur  kostspieli- 
gen Zierde  gereichten,  übertrug  man  auch  allmählich  diese  leichte, 
fiitterhafte  Garnirung  unglücklicherweise  auf  den  äussersten  Saum 
des  ernsten  kirchlichen  Gewandes  der  Albe. 

Wir  würden  es  als  verlorene  Zeit  erachten,  hier  noch  weiter 
anzudeuten,  welche  Demüthisuno-en  das  ■alt-historische  Gewand  der 
Albe  seit  den  beiden  letzten  Jahrhunderten  bis  in  die  jüngsten 
Decennien  von  Seiten  derjenigen  zu  erdulden  hatte,  die,  gegen  alle 
kirchlichen  Ueberlieferungen ,  statt  den  Albensaum  durch  aufge- 
nähte Ornamente  wie  ehemals  zu  stärken  und  zu  verbrämen, 
vielmehr  darauf  ausgingen,  in  einem  leichten  gazeartigen  Tüllge- 
webe denselben  ohne  Noth  zu  schwächen  und  zu  entkräften.  Man 
gestaltete  ihn  nämlich  über  Gebühr  breit  und  durchsichtig,  um  auf 

T-,iturgis.clic  GLWäiicI.  r.  II.  4 


-    50  - 


diese  "Weise  gehörigen  Raum  für  eine  Fülle  von  ungeordneten, 
modernen  Verzierungen  zu  schaffen,  die  meistens  in  der  kunstlosen 
Technik  des  Steppens  und  Tüllstickens  ausgeführt  zu  werden  pfle- 
gen. Sogar  das  Filet  mit  seinen  grossen  weiten  Maschen  zog 
man  noch  in  neuester  Zeit  heran  und  bedachte  es  nicht,  dass 
man  auf  diese  Weise  den  Begriff  einer  verstärkenden  Saiimzierde 
vollständig  aufhob.  Kurz,  der  moderne  Alltagsgeschraack  unter- 
schied bei  Ausstattung  der  Albe  kaum  mehr  zwischen  Altar  und 
Concert-Salon,  indem  derselbe  die  Albe  oft  bis  zum  Gürtel  durch- 
sichtig gestalten,  und  so  aus  dem  ursprünglichen  ernsten  Priester- 
kleide von  dichtem  Leinen  fast  ein  transparentes  Tüllkleid  zurich- 
ten liess '). 

Wir  werden  in  einer  besondern  Schrift,  die  nächstens  die 
Presse  vei-lassen  wird,  unter  dem  Titel:  „Praktische  Winke  auf 
dem  Gebiete  der  Paramentik ,  ein  Leitfaden  bei  Anschaffung  litur- 
gischer Gewänder"  darauf  hinweisen,  wie  heute  von  vielen  Seiten 
mit  Erfolg  der  lobenswerthe  Versuch  gemacht  worden  ist,  die  Albe, 
anschliessend  an  die  schönern  Vorbilder  des  Mittelalters,  zu  ihrer 
ehemaligen  Würde  und  Einfachheit  wieder  zu  erheben,  und  wie 
das  eben  gedachte  Gewandstück  künstlerisch  zu  verzieren  ist,  da- 
mit es  seinem  Zwecke  und  seiner  Bedeutung  wieder  entspricht. 

5. 

Der  Gürtel  „baltheus,  zoua,  eingulum." 

Gleichsam  als  integrirender  Theil  der  Albe ,  ist  als  drittes 
bischöfliches  und  priesterliches  Bekleidujigsstück  der  Gürtel  zu 
betrachten,  ohne  welchen  überhaupt  die  Albe  nicht  geschürzt 
und  fretraaen  werden  könnte,  lieber  das  hohe  Alterthum  dieses 
priesterlichen  Gürtels  und  über  die  verwandte  Anlegungsweise  des- 
selben von  Seiten  des  Hohenpriesters  und  der  Opforpriester  des 


')  Unser  verehrter  Freund  A.  Fey,  Director  des  Klosters  vom  sirmen  Kinde  Jesu 
zu  Aachen,  durch  dessen  unausijcsetztc  Bemühungen  die  kirclilirhe  Stiokicunst 
auf  Grundlage  älterer  Vorhilder  heute  in  dem  gedachten  vcligiüseu  Institute 
zu  ungeahnter  Bliithe  wieder  empor  gestiegen  ist,  hat  in  krilftigon  Zügen 
die  süssliclie  und  tändelnde  Verzierungsweise  gekennzeichnet,  die  in  neuerer 
Zeit  bei  Ausstattung  der  Albensäume  gegen  kirchliche  Vorschriften  sich  breit 
gemacht  hat,  und  zugleich  auf  die  Priucipien  hingewiesen,  die  im  Anschluss 
an  die  feststehende  Verzieruugsweise  des  Mittelalters  bei  künstlerischer  Aus- 
stattung der  Alben  auch  heute  wieder  befolgt  zu  werden  verdienten.  Diese 
vortreffliche  Abhandlung  findet  sich  im  1.  Jahrg.  des  „Kirchenschmuck'- 
18r)7,  3.  Heft,  Seite  38—14. 


—    51  — 


Alten  Bundes  ist  ausführlicher  in  der  dritten  Lieferung  dieses  Wer- 
kes die  Rede  gewesen  und  zugleich  auch  angedeutet  worden,  wie  der- 
selbe, bei-eits  im  profanen  Gebrauche  bei  Griechen  und  Eümern,  in 
den  ersten  Jahrhunderten  der  christlichen  Kirche  liturgisch  zur  An- 
wendung und  Geltung  gekommen  ist. 

Um  hier  zunächst  auf  die  weitere  Entwickelung  und  Gestaltung 
des  bischüflichen  Gürtels  seit  den  karolingischen  Zeiten  gleich 
näher  eingehen  zu  können,  verweisen  wir  diejenigen,  die  über 
die  synonyme  Bedeutung  der  Bezeichnungen  haltheits,  zona,  cin- 
gulum  und  ihre  Unterschiede  Ncäheres  vernehmen  wollen,  auf  die 
ausführlichen  Auseinandersetzungen  von  du  Saussay.  ') 

In  formverwandter  Ucbereinstimmung  mit  dem  prototypisclien 
haltlmis  des  Hohenpriesters  im  Alten  Bunde  war  auch  noch  im 
VIII.  und  IX.  Jahrhundert  namentlich  bei  den  Pontificalkleidern 
der  Gürtel  sehr  oft  kostbar  und  reich  gestaltet.  Auch  scheint  der- 
selbe um  diese  Zeit  noch  analog  mit  dem  haltlieus  des  Hohenprie- 
sters rund,  ähnlich  einer  Schlangenhaut,  gewebt  gewesen  zu  sein. 
Dieses  dürfte  sich  entnehmen  lassen  aus  einer  Angabe  des  Ana- 
stasius Bibliothecarius,  wo  er  anführt,  dass  Papst  Gregor  IV.  einer 
römischen  Kirche  mehrere  goldene  Gürtel  zum  Geschenke  verehrt 
habe.  Diese  Stelle  lautet  wörtlich:  „murenas  prasinales  pretiosissi- 
mas  duas,  ex  quibus  habet  pendulas  numero  undecim ;  item  obtulit 
murenam  trifilem  aux'eara,  quae  habet  gemmas  diversas  albas,  nu- 
mero septuaginta  tres  et  buticulas  triginta  tres.  Murenam  in  qua 
pendent  gemmae  hyacinthinae  tredecim,  pendent  in  filo  aureo ;  item 
murenam  filatam,  ex  qua  gemmae  pendent  hyacinthinae  quatuor- 
decim"  Es  dürfte  nun  hier  zunächst  die  Frage  gestellt  werden, 
woher  kommt  der  fremdartige  Ausdruck  nmrenaf  Wir  antworten 
darauf:  Schon  der  Evangelist  Johannes,  der  den  Herrn  angethan 
mit  priesterlichen  Gewändern  in  der  Vision  ei'schaute,  spricht  von 
dem  goldenen  Gürtel  desselben :  „erat  praecinctus  ad  mamillas  zona 
aurea"  ■^).  Einem  solchen  begegnen  wir  auch  im  Hohenliede,  der 
zugleich  auch  als  Goldgurt  den  Namen  murenula  führt;  es  heisst 
daselbst:  „mnrenulas  aureas  faciemus  tibi,  vermiculatas  argento".*) 
Aus  Plinius  lib.  32,  c.  2  ist  nvm  zu  ersehen,  dass  die  murena  eine 


')  Du  Saussay:  panoplia  sacerJotalis  libri  XIV.  Lut.  Paris.  1G53.  Iii).  II.  cap. 
1,  2  und  4. 

2)  Auast.  Biblioth.  de  vit.  Pont.  Gregor.  IV.  A.  Cli.  827,  Nr.  471,  p.  342,  tom.  I, 

Romae  1718. 
•^)  Apocal.  I,  13. 
")  Cantic.  1.  10. 

4  * 


—    52  — 


Art  ViperscMange  war.  Bastaniantinns ')  vcrliroitet  sich  weiter 
über  die  mnrenac,  und  führt  an,  dieselben  seien  kleine  Schlangen 
weiblichen  Geschlechts,  die  sehr  zahm  und  nicht  giftig  wären  ;  die 
Haut  derselben  hätte  einen  dem  Golde  ähnlichen  Glanz.  Weil 
nun  im  hohen  Alterthume,  desgleichen  auch  im  frühen  Mittelalter,  die 
Gürtel  rund  aus  einem  Stück,  ähnlich  einem  marsnpium,  und  zwar 
die  reichern  aiis  Goldfäden  gewirkt  wurden,  so  ist  es  erklärlich, 
dass  von  der  Aehnlichkeit  der  abgezogenen  Goldhaut  der  obenge- 
dachten Viperschlange  noch  bis  zum  VIII.  Jahrhundert  die  reichen 
bischöflichen  und  priesterlichen  Cingulen  murenae  genannt  wurden. 
Es  würde  schwer  halten,  die  weitern  Angaben  imd  Besehreil)ungen 
der  reichen  Gürtel ,  wie  sie  der  Biograph  der  Päpste  an  der 
oben  angezogenen  Stelle  gibt,  zu  verstehen,  wenn  nicht  niis  dem 
X.  Jahrhundert  sich  noch  in  Abbildungen  solche  reiche  Schmuck- 
gürtel erhalten  hätten,  die  hinsichtlich  ihrer  künstlerischen  Aus- 
stattimo;  vollständig;  mit  den  Anfjaben  des  Anastasius  i'ibereinstim- 
men.  Es  ist  dies  nämlich  jener  merkwürdige,  leider  auf  der  Flucht 
der  deutschen  Reichskleinodien  ffe^en  Schluss  des  voriafen  Jahrhun- 
derts  verloren  gegangene  kaiserliche  Pontificalgürtel,  wahrscheinlich 
aus  der  ZeitOtto'slI.  herrühi'cnd,  der  1790  unter  den  übrigen  Reichs- 
kleinodien im  gazophylacium  der  Spitalkirche  zu  Nürnberg  sich  noch 
vorfand.  Derselbe,  in  rothem  Purpur  mit  charakteristischen  Goldmu- 
sterimgen  durchwirkt,  zeiarte  in  frühromanischen  Versalbuchstaljen 
eine  eingewirkte  Widmungs-Inschrift,  die  von  Murr  so  zusammenge- 
stellt und  geordnet  hat :  „Ea  vincimina  Oftoni  praecelso  regum,  cui 
acris  virtus  sie  crescat".  Die  äussersten  Theile  des  Gürtels  waren 
nach  beiden  Seiten  mit  dünnen  Goldblechen  eingefasst,  die  in  getrie- 
bener Arbeit  zu  einem  Löwenkopfe  sich  gestalteten  und  aus  deren 
geööneten  Rachen  je  eine  Perle  hervorragte.  Wie  die  meisten  älteren 
Gürtel  wurde  derselbe  ehemals  vermittels  seidener  Schnürchen, 
fnnwuli,  die  auf  der  Rückseite  des  Gürtels  meistens  im  Futterstofl' 
eingenäht  und  befestigt  waren,  auf  der  Brust  zusammengebunden 
und  alsdann  die  Schiirzung  der  kaiserlichen  Albe  vorgenommen. 
Zur  Erklärung  der  obigen  Angaben  des  Anastasius  darf  nicht 
übersehen  werden,  dass  an  dieser  kaiserlichen  vivrena  fünf  roth  und 
blau  gewirkte  seidene  Schnüre  (pendula)  hingen,  an  welchen  fünf 
goldene  pomella  befestigt  waren,  welche  je  auf  ihrer  Oberfläche 
durch  vier  Perlschnüre  jedesmal  in  vier  Capseln  getheilt  wurd(!n. 
Diese  huticulae,  wie  sie  Anastasius  genannt  haben  würde,  in  Form 


1)  Joh.  Bastaniaiit.  tom.  1.  de  rcptilibns  animantihns  s.  Sorip.  Iii).  ITT.  f'ap. 
1,  u.  4. 


-    53  — 


von  kleinen,  gekerbten  Melonen,  waren  im  Innern  hohl,  und  be- 
fanden sieh  darin  kleine  Stückchen  von  Eisen,  so  dass  diese  po- 
mella  ])eim  Gehen  aneinander  schlugen  und  einen  leisen  schellen- 
den Klang  vernehmen  liessen.  Es  will  fast  scheinen,  als  ob  diese 
inni-eiKie  in  Gold  gewirkt  mit  ihren  kostbaren  pendulae  in  Perlen 
und  Edelsteinen  zur  Zeit  Karl's  des  Grossen  und  Ludwig's  des 
Eruüunen  auch  von  den  Bischöfen  im  Profangebrauche  in  ähnli- 
cher reicher  Ausstattung  häufig  angelegt  worden  seien.  Denn  beim 
Lambecius  findet  sich  eine  Stelle  aus  der  Lebensbeschreibung  Kai- 
sers Ludwig  des  Frommen ,  wo  es  heisst ,  dass  damals  Bischöfe  und 
Clcriker  anfingen ,  die  reich  mit  Perlen  verzierten  Gürtel,  desglei- 
chen auch  cingula,  die  aus  Goldfäden  gewirkt  waren,  ^)  abzulegen. 
Auch  in  den  alten  Annalen  von  Anagni^  der  Geburtsstadt  des 
grossen  Iimocenz  III.,  werden  unter  andern  kirchlichen  Kleinodien 
reich  in  Gold  gewirkte  und  mit  Perlen  und  Edelsteinen  verzierte 
kirchliche  Gürtel  naudiaft  gemacht-).  Aehnlich  wie  an  dem  Kai- 
sergürtel Otto's,  auf  den  wir  oben  im  Vorbeigehen  hingewiesen 
haben,  waren  auch  an  dem  reichen  halilieus,  der  einem  Anonymus 
zufolge  bei  der  feierlichen  Salbung  und  Inthronisation  Papst  Pa- 
schalis"' II.  zur  Anwendung  kam,  sieben  pendulae  befestigt,  an  wel- 
chen sieben  Ornamente,  ähnlich  den  Siegeln  an  dem  Buche  der 
Apokalypsis  hingen  •^). 

Da  heute  Gürtel  avis  der  romanischen  Kunstepoche  in  Wirk- 
lichkeit kaum  mehr  anzutreffen  sein  dürften,  die  ehemals  beim  bi- 
schöfiichen  Pontificalornate  zur  Anwendung  gekommen  sind,  so 
sei  es  gestattet,  noch  auf  die  heute  erhaltenen  kaiserlichen  Gürtel 
als  Parallele  zu  der  zona  episcopalis  im  XII.  Jahrhundert  hinzuwei- 
sen, zumal  es  geschichtlich  feststeht,  dass  die  einzelnen  bei  der 
feierlichen  Kaiserkrönung  gebräuchlichen  Ornate  in  ihrer  Form 
und  Verzierungsweise  mit  den  betreffenden  bischöflichen  Gewän- 
dern vollständig  übereinstimmten.    Von  den  vier  haltliei,  die  sich 


')  Vergl. Du Cauge  ad  voc.  baltheus  „....Ipsius  cleiiique  tempore  coeperuut  de- 
poiii  ab  EpiscoDis  et  Clericis  baltliei  gemmeis  culturis  honorati  et  cingula 
auro  compta  et  exquisite,  et  alia  saecularia  paritcr  oniameuta." 

-)  Auuales  Aiiiaueuses :  „. . .  .Uuam  vero  pai  tem  sibi  reservavit,  quam  dedit  Bene- 
dicto Abbati  S.  iXuiaueasis  Arcliisterii,  ^'idL■Iicet  Crucis  Doniinicae  cum  gem- 
mis,  bratheas  aureas  contextas  cuia  genuuis ,  baltlioos  auret)S  similiter  gem- 
matos,  calices  am-eos  etc  " 

Anonymus  iu  vita  Pascbalis  II  P.  P.  „....Deiudc  in  Patriarchale  ascendcns 
Palatium  ad  duas  curules  devenit.  Ilic  baltbeo  percingitur  cum  Septem 
exinde  pendeutibus  clavibus,  ex  quo  sciat  septem  sigillis  (Apoc.  V,  1.)  septi- 
formem  Spii-itus  saucti  gratiam  cuuctai-um  Ecclesiai'um  " 


—    54  — 


bis  zum  Schlüsse  des  vorigen  Jahrhunderts  bei  den  übrigen  deut- 
schen ßeichskleinodien  befanden,  sind  durch  unglückliche  Zwi- 
schenfälle leider  die  zwei  hervorragendsten  abhanden  gekommen. 
Der  ältere  dieser  heut  nicht  mehr  vorhandenen  Gürtel  aus  der 
Zeit  der  Ottone  wurde  vermittels  im  Innern  angehefteter  Sei- 
denschnüre angebunden;  der  andere  schmälere  hingegen,  der 
ebenfalls  heute  verschwunden  ist,  hatte  am  obern  Ende  eine  gol- 
dene Schnalle  (morsus),  damit  er  vermittels  derselben  angelegt 
werden  konnte.  Jenes  Stück  in  Länge  einer  Nürnbergischen 
Elle,  das  von  Murr  noch  gegen  Schluss  des  vorigen  Jahrhunderts 
von  diesem  kaiserlichen  Gürtel  sah,  bestand  aus  einem  dichten 
GcAvebe  von  stai-k  vergoldeten  Silberfäden  ohne  Verbindung  von 
Seidenfäden.  Wie  das  Filigran  in  Goldfäden  auf  der  Schnalle 
dieser  letztgedachten  zona  erkennen  liess,  war  auch  dieser  Gürtel 
nebst  den  hervorragendsten  andern  Pontiflcal-Gewändern  im  Hotel 
de  tirraz  zu  Palermo  im  XII.  Jahrhundert  angefertigt  worden. 

Als  merkwürdiges  Gegenstück  zu  dem  eben  gedachten  ab- 
handen gekommenen  Pontificalgürtel,  der  nur  eine  Breite  von  drei 
Centimeter  hatte,  befindet  sich  heute  noch  unter  den  lieichskleino- 
dien  ein  kostbarer  Zw/i/<e;«s,  der  eine  Breite  von  mehr  als  sechs  Cen- 
timetern  aufweist.  Auch  dieser  Kaisergürtel  wird  vermittels  einer 
Schliessc  von  vergoldetem  Silber  angeschnallt,  die  keinerlei  Verzie- 
rungen zeigt.  Dieses  Gewandstück,  das  vom  Bordenwirker  auf  einem 
kleinen  Handstuhl  in  Gold  und  Seidenfäden  angefertigt  worden 
ist,  lässt  auf  seiner  mittleren  weiten  Fläche  eine  grössere  Zahl  von 
eingewirkten  Thierfiguren  in  einer  Stylisirung  erkennen,  wie  die- 
selbe in  der  Weberei  und  Stickerei  gegen  Mitte  des  XII.  Jahrh.  häu- 
figer angetroffen  werden  Die  in  den  GoldstofT  eingewebten  Thierun- 
holde wechseln  stellenweise  mit  eingewebten  lilienförmigcn  Orna- 
menten ab.  Den  beiden  äussern  Abtrennungsrändern  entlang  erblickt 
man  die  Anfangsworte  einer  ältern  griechischen  Litanei  in  lateini- 
scher Wiedergabe,  nämlich  in  romanischen  Versalien  die  Woi-te: 
„Christixs  regnat,  Christus  imperat,  Deus  Christus  vincit".  Damit 
das  Goldaewebe  des  breiten  Gürtels  durch  das  Anschnallen  nicht 
leicht  Schaden  nehme,  hat  der  Verfertiger  desselben  drei  transversal 
gelegte  Spangen  in  vergoldetem  Silber  anbringen  lassen,  in  deren 
metallene  Oefinungen  die  Zungen  der  Schnalle  eingreifen  konnten. 
Wir  glauben  mit  Grund  annehmen  zu  sollen,  dass  der  eben  ge- 
dachte reiche  Gürtel  mit  seiner  Schnalle,  vorfindlich  unter  den 
ehemaligen  deutschen  ßeichskleinodien,  vornehmlich  als  chu/iihon 
militare  zu  betrachten  sein  dürfte,  um  in  Verbindung  mit  demselben 
an  besondern  Tragbändern  eines  der  verschiedenen  Kaiserschwerter 


-    55  — 


anlegen  zu  können.  Die  letztgcdaclite  Annahme  dürfte  auch  darin 
eine  Bestätigung  finden,  dass  das  oben  erwähnte  in  den  Gürtel  ein- 
gewirkte Leoendariuni  in  derselben  Ausdrucksweise  auf  der  Hand- 
lialjc  des  heute  noch  vorfindlichen  deutschen  Kaiserschwertes  sich 
eingravirt  findet,  das  unter  den  Reichskleinodien  die  Bezeichnung 
gladius  Sancti  Mauritii  führt. 

Zur  Aufschürzung  der  kaiserlichen  Pontificalalbe  wurde  bei 
den  altern  Krönungen  deutscher  Kaiser  ein  blau  seidenes  schmäleres 
cingidwn  gebraucht,  das  sich  heute  noch  unter  den  übrigen  Klei- 
nodienstücken im  Schatze  der  Hofburg  zu  Wien  erhalten  hat  und 
das  einen  "Sichern  kSchluss  ziehen  lässt,  von  welcher  Gestalt,  Aus- 
dehnung und  künstlerischen  Beschaffenheit  die  reichern  bischöfli- 
chen zonue  im  Älittelalter  gewesen  seien.  Dieser  zuletzt  gedachte 
Gürtel  besteht  aus  einem  schweren  geköpperten  Seidenstoffe  von 
blauer  Farbe  und  hat  ungefähr  die  Breite  eines  Daumens.  Im 
Innern  befinden  sich  zwei  aufgenähte  seidene  Schnüre,  vermittels 
welcher  dieser  Gurt  nach  Anlegung  der  Albe  bequem  auf  der 
Brust  zusammen  o-ebunden  werden  konnte.  Nach  der  Anlesuner 
hingen  die  beiden  ausmündenden  Streifen  dieser  zona  noch  bis 
über  die  Kniee  des  Tragenden  herunter  und  pflegte  man  vermit- 
tels dieser  herunterhängenden  beiden  Theile  die  kaiserliche  Stole 
in  Kreuzesforni  auf  der  Brust  zusammenzuhalten  und  zu  befesti- 
gen. Diese  beiden  ausmündenden  Bänder  jenes  cingulum  imperiale 
sind  auf  beiden  Seiten  mit  Perlrändern  eingefasst  und  befinden  sich 
auf  der  Oberfläche  derselben  stellenweise  als  Verzierungen  kleinere 
durchbrochene  Filigranornamente  in  Gold  aufgenäht. ') 

Neben  diesen  bischöflichen  cingula  aus  verschiedenfarbigen 
Seidenstoffen  mit  gestickten  Ornamenten  und  nicht  selten  mit 
Perlen  imd  Edelsteinen  verziert,  kamen  zweifelsohne  im  Mittelalter 
auch  reichere  (hirtel  im  kirchlichen  Gebrauche  vor,  die  der 
Vorliebe  des  XII.  und  XIII.  Jahrh.  für  Gewandstücke  mit  eingre- 
Avirkten  Sprüchen  Vorschub  leisteten.  Da  sich  bischöfliche  Gürtel 
mit  Inschriften  gemustert  heute  nicht  mehr  vorfinden,  so  möchte 
es  hier  am  Orte  sein,  in  Abbildung  eine  zona  zu  veranschaulichen, 
von  Avelclier  eine  ehrwürdige  Tradition  angibt,  dass  sie  von  der 
h.  Elisabeth  herrühre.  Dieser  Gürtel,  der  sich  ehemals  in  Köln 
befand  und  als  Ehrengeschenk  kürzlich  in  den  Besitz  des  Grafen 
Montalembert  überging,  hat  eine  Breite  von  nur  2'/2  Centimeter 

')  Wir  werdt'u  im  2.  Baude  ilor  „Klciuodiou  des  hoiligon  römischen  Reiches 
deutscher  Nation"  die  beiden  heute  noch  erhaltenen  zonae  imperiales  in  Ab- 
bildung und  Beschreibung  veröflentlichen  und  zugleich  auch  eine  Copic  der 
beiden  verloren  gegangenen  Kaisergürtel  hinzufügen. 


-    56  — 


und  eine  solche  Länge,  dass  nach  Anlegung  desselben  noch  ein 
ziemliches  Stück  erübrigt.  Dieser  Gürtel  zeigt  in  einer  eigen- 
thümlichen  Textur  auf  seiner  Oberfläche  ein  Goldgewebe,  abwech- 
selnd mit  grünem  imd  gelbem  Einschlag.  Durch  die  Länge  der 
Zeit  sind  die  Goldfäden  auf  der  Oberfläche  heute  fast  jränzlich 
verschw'unden  und  macht  sich,  in  kleinere  Quadrate  abgetheilt,  nur 
noch  der  verschiedenfarbige  Einschlag  kenntlich.  Aehnlich  wie 
an  dem  oben  beschriebenen  Kaisergürtel  mit  den  Inschriften: 
„Christus  regnat,  Christus  imperat  etc.,"  sind  nicht  nur  wie  auch 
an  dem  ebengedachten  kleinere  symbolische  Thiergestaltcn  des 
Hirsches,  der  Taube,  des  Löwen,  desgleichen  auch  die  For- 
men der  fleur  de  Iis  eingewirkt,  sondern  an  beiden  Rändern  des 
schmalen  Gürtels  erblickt  man  auch  in  romanischen  Versalbuch- 
staben Inschriften,  die  auf  das  Lob  der  allerseligsten  Jungfrau 
Bezug  nehmen.  Der  gelehrte  Verfasser  des  Lebens  der  h.  Elisa- 
beth hatte  die  Zuvorkommenheit,  uns  die  Reliquie  behufs  der  Ab- 
zeichnung zuzustellen  ')  und  ist  es  uns  nach  längeren  Versuchen 
gelungen,  die  sehr  unleserlich  gewordenen  Inschriften  zu  ermitteln. 
Auf  der  einen  Seite  liest  man  öfters  zurückkehrend  folgendes  Le- 
gendarium:  „  .  .  .  .  ingressus  angelus  ad  Mariam  dixit,  ave  gratia 
plena,  dominus  tecum,  benedicta  tu  in  mulieribus  et  benedictus  fru- 
ctus  ventris  tui".  Auf  der  andern  Seite  scheinen  Sprüche  einge- 
wirkt zu  sein,  die  den  Hymnen  aus  den  Tageszeiten  der  Ilim- 
melskönio;in  entlehnt  sind.  Einen  Theil  dieses  merkwürdigen 
cinguluiH  haben  wir  auf  Tafel  V  Fig.  3  in  verkleinertem  Maass- 
stabe veranschaulicht.  Auch  dieser  Gürtel  ist  am  obern  Abschluss 
mit  einer  schweren  silbervergoldeten  Schliesse  (reservaculum)  be- 
setzt, vermittels  welcher  derselbe  befestigt  und  angeschnallt  werden 
konnte.  Ein  Vergleich  des  in  Rede  stehenden  cingulum  St.  Elisa- 
beth mit  dem  gleichartig  gewebten  kaiserlichen  Giirtel  in  Wien 
gibt  nicht  nur  hinsichtlich  der  Technik,  sondern  auch  hinsichtlich 
der  eingewebten  Musterungen  den  f actischen  Beleg,  dass  die  ehr- 
würdige Tradition,  die  an  diesem  cingulum  haftet,  vollkommen  mit 
der  Zeit  übereinstimmt,  in  welcher  die  h.  Elisabeth  durch  ihr 
gottgefälliges  Leben  ihre  Zeitgenossen  erbaut  hat. 

Es  dürfte  nun  in  Frage  gezogen  werden,  welche  Formver- 
wandtschaft das  cinguhiin  der  h.  Elisabeth  mit  den  bischöflichen 
Albencjürteln  des  XII.  und  XIII.  Jahrh.  gehabt  habe.  Wenn  auch 
darüber  eine  Meinungsverschiedenheit  obwalten  kann,  ob  die  reichern 


')  Vergl.  unsere  ausführliche  Beschreibung  dieses  Gürtels  in  dem  „Kirchen- 
schmuck etc."  V.Band  6. Heft  Seite  102— 105.  Stuttgart  1859. 


—    57  — 


cihgula  zum  bischöflichen  Gebrauche  mit  einer  Schnalle  zum  An- 
lernen verziert  gewesen  seien,  so  dürfte  doch  olme  den  mindesten 
Vorbehalt  in  der  auf  Taf.  V  Fig.  3  veranschaulichten  zona  literata  ein 
Modell  zu  erblicken  sein,  wie  die  reich  verzierten  Pontifical-Gür- 
tel  in  jenen  glauben  scifrigen  Jahrhunderten  künstlerisch  ausgestattet 
zu  werden  pflegten,  in  denen  überhaupt  die  kirchlichen  Gewänder 
und  liturgischen  Gcfässe  von  Seiten  der  Kunst  eine  so  sorgfältige 
Behandlung  gefunden  haben.  Dass  das  cinguhtm  überhaupt  im 
Mittelalter  als  integrirender  Theil  des  Messornates  eine  grössere 
Beachtung  und  eine  mehr  kiinstierische  Ausbildung  erfahren  habe, 
als  dies  seit  den  letzten  Jahrhunderten  der  Fall  gewesen  ist,  lässt 
sich  aus  Angaben  älterer  Schriftsteller  deutlich  entnehmen.  Be- 
vor wir  im  Folgenden  die  Angaben  älterer  Schatzverzeichnisse 
über  das  Stoffliche  und  die  Beschaö'enheit  der  reichern  Gürtel  des 
Mittelalters  anführen,  möchten  Avir  hier,  wenn  auch  nachträglich,  auf 
die  verschiedenen  Benennungen  der  Gürtel  und  deren  Unterschel- 
dunsren  noch  aufmerksam  machen,  wie  sich  dieselben  bei  ältern  Glos- 
satoren  vorfinden.  Isldorus,  dem  auch  der  spätere  Papias  gefolgt 
ist,  theilt  die  damals  auch  im  profanen  Gebrauche  häufig  befind- 
lichen Gürtel  nach  ihrer  Breite  ein,  und  sagt:  „cinctus  (al.  cinc- 
tura)  est  lata  zona;  minus  lata,  semicinctium ;  minima,  cingulum." 
Nach  dieser  Definition  wurden  also  die  Gürtel  von  der  grössten 
Breite  zu  den  cincturae,  cinctus  gezählt ;  die  schmälsten  nannte  man 
mit  der  auch  heute  noch  für  diese  einfachen  Gewandstücke  sfe- 
bräuchlichen  Bezeichnung :  cingula.y^elcXiQ  Axt  Gürtel  pflegte  man 
indessen  auch  noch  im  spätem  Mittelalter  mit  dem  Ausdrucke  scmi- 
cinctium  zu  benennen  ?  Nach  der  obigen  Angabe  des  Isidorus  und  des 
Papias  also  mehr  oder  weniger  reiche  Gürtel  von  mittlerer  Breite. 
Gerade  diese  Gürtel  von  mässiger  Breite  und  nicht  zu  grosser 
Längenausdehnuno-  scheinen  vor  dem  X.  Jahrhundert  vielfach  bi- 
schöflichen  Gebrauches  gewesen  zu  sein.  So  sandte  Nicephorus  *), 
Patriarch  von  Constautinopel,  dem  Papste  Leo  III.  unter  andern  bi- 
schöflichen '  Ornaten ,  einem  goldenen  Brustkreuze  (encoljmim),  einer 
weissen  iunica  und  braunen  pemda  eine  inconsnülis  stola  et  seini- 
cinctia  auro  variegata.  Dem  Berichte .  der  früher  erwähnten  Cas- 
sinensischen  Chronik  ^)  zufolge  kaufte  der  Abt  Desiderius  gegen 
Mitte  des  XI.  Jahrh.  unter  andern  reichen  liturgischen  Pontifical- 
Ornaten  auch  „novem  stolae  auro  textae  cum  manipulis  et  semi- 


')  Vgl.  Du  Gange,  Gloss.  lat.  med.  aevi  ad  voc.  semicinctium. 
2)  „Kii'chenschmuck"  VII.  Bd.  4.  Heft  1.  c,  uud  ferner:  Du  Gange  Gloss.  s. 
V.  semicinctium. 


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cinctlis."  Aeltern  Glossarien  zufolge  diirfte  der  Ausdruck  semicinc- 
tium  verschieden  zu  deuten  sein,  und  verstand  man  in  verschiede- 
nen Diöcesen  des  christlichen  Abendlandes,  wie  das  auch  Prof. 
Dr.  Hefele  ')  hervorhebt ,  darunter  ein  ausschliesslich  bischöfliches 
Ornatstück,  das,  dem  manipidus  gegenüberstehend,  an  der  rechten 
Seite  und  zwar  am  cingulum  befestigt,  als  mehr  oder  weniger 
reich  verziertes  nmJarium  getragen  wurde;  ein  solches  bischöfliches 
Ornament  scheinen  jene  oben  angeführte  semicinciia  gewesen  zu 
sein,  die  der  Patriarch  Nicephorus  nebst  andern  Pontificalien  Leo 
III.  zum  Geschenke  machte.  Die  semicinctia  jedoch ,  die  der  Abt 
Desiderius  nach  dem  Obigen  ankaufte,  sind  unbedingt,  wie  das 
aus  der  Zusammenstellung  mit  andern  Ornaten  und  aus  der  gros- 
sen Anzahl  zu  entnehmen  ist,  als  schmälere  Gürtel  zur  Aufschür- 
zune:  der  Albe  zu  betrachten,  die  wie  die  betreffenden  Stolen  und 
Manipel  ebenfalls  in  Gold  gewirkt  waren 

Da  die  cingula  von  allen  bischöflichen  und  priesterlichen  Or- 
naten die  geringste  stoffliche  Ausdehnung  hatten  und  deswegen 
auch  verhältnissmässig  wenig  Raum  zur  Anbringung  von  reichen 
Verzierungen  darboten,  so  leuchtet  es  ein,  dass  dieselben  meist 
als  Zuaaben  der  Alben  seltener  in  kirchlichen  Inventaren  namhaft 
gemacht  werden.  Die  ältesten  Angaben  über  reichere  Gürtel  fin- 
den sich  in  einem  Schatzverzeichnisse  des  Stiftes  von  St.  Georg 
in  Köln  aus  dem  Schlüsse  des  XI.  Jahrhunderts;  in  diesem  In- 
ventar werden  an  einer  Stelle  aufgeführt:  II  cingula  und  gegen 
Schluss  des  Verzeichnisses  nochmals:  d7io  cingula  wnim  de  pallio 
aliud  de  serico.  Eines  dieser  cingula  von  St.  Georg  war  also  aus 
Leinenstoffen  anaefertist  und  wahrscheiidich  mit  Stickereien  ver- 
sehen ;  ein  anderes  bestand  aus  Seidenstoffen. 

In  dem  öfters  citirten  Inventar  der  „Ecclesia  Sarum"  in  Eng- 
land von  1222  werden  namhaft  oemacht  unmittelbar   nach  den 


')  Prof.  Dr.  Hcfole  gcbülu-t  d;is  Yerdionat,  in  einer  Abhandlung  des  „Kiidien- 
schmuck"  VII.  Bd.  4.  Heft  S.  51  auf  die  Bedeutung  der  Clirouik  von  Monte 
Cassino  des  Leo  von  Ostia  (Monum.  Germ,  bist.,  t.  IX.;  Scriptor.  t.  VII.) 
für  das  Studium  der  liturgischen  Gewiinder  und  Gefässe  dos  frühen  Mittel- 
alters hingewiesen  zu  haben,  und  unterlassen  wir  nicht,  auf  die  obigen 
Allgaben  des  „Kircbcnschinuckes"  hier  aufmerksam  zu  macheu. 
-)  Unter  den  semicinciia  könnten  auch,  iiltern  Glossatoren  zufolge,  im  fridiesten 
Mittelalter  schmälere  cinijuJa  verstanden  worden  sein,  die  beim  Aufschürzeu 
doppelt  genommen  und  durch  eine  eigenthümliche,  auch  heute  noch  vielfach 
in  der  Kirche  gebränchliche  Knotenschlinguug  befestigt  wurden.  So 
düi-fte  auch  die  Erklärung  des  Papias  zu  deuten  sein,  wenn  er  sagt :  „Semi- 
cinctium ,  minus  lata  zona,  dictum  quod  dimidium  cingat;  desgleichen  auch 
Johannes  de  Jauua:  Semicinctium,  dicitur  eo  quod  dimidium  cingat." 


—    59  — 


seidenen  Alben:  „zonac  de  scrico  IX  et  aliae  XII');  III  vesti- 
menta  piicrorum  veteva  cum  zonis  VIII  nullius  pretii."  -) 

Auch  in  dem  Inveutaie  des  Domes  von  Chartres  vom  Jahre 
1337  finden  wir  nur  zwei  seidene  Gürtel ,  wahrscheinlich  für  bi- 
schöflichen Gebrauch,  verzeichnet.  Es  heisst  nämlich  daselbst:  „II 
zonae  de  scrico." 

Neben  diesen  meist  bischöflichen  cingula  in  Seide,  die  nicht  sel- 
ten mit  Perlen-  und  Goldstickereien  verziert  waren,  kamen  in  Stifts- 
und Pfarrkirchen  im  Laufe  des  Mittelalters  auch  vielfach  Gürtel 
in  Gebrauch,  die  aus  schweren  Leinenstofi'en  als  Zwillich  bandförmig 
gewirkt  waren.  Bei  diesen  leinenen  zonae,  die  in  der  Regel  eine 
Breite  von  5  bis  6  Centim.  zeigen,  hat  man  es  dennoch  nicht  unter- 
lassen, durch  Nadelarbeiten  Stickereien  von  vielfarbigen  Blumen  anzu- 
bringen. Desgleichen  kommen  auch  sogar  jene  phantastischen  Thier- 
gestalten in  Seide  gestickt  in  diesen  Gürteln  als  Ornamente  vor, 
die  in  den  decorativen  Künsten  des  Mittelalters  eine  so  bevorzugte 
Rolle  spielen.  Unsere  Privatsammlung  von  mittelalterlichen  Ge- 
weben und  Stickereien  hat  noch  vier  solcher  Gürtel  in  schweren 
Leinenstoffen  von  der  eben  an<ie2:ebenen  Breite  aufzuweisen ,  die 
sänmitlich  mit  verschiedenfarbigen  Musterungen  in  Seide  verziert 
sind.  Dieselben  gehören,  wie  es  den  Anschein  hat,  dem  XIV. 
und  XV.  Jahrhundert  an.  Auf  Tafel  V  Fig.  2  ist  im  verkleiner- 
ten Maassstabe  ein  älteres  eingulum ,  aus  Gold-  und  Silberfäd  % 
gewirkt,  in  Abbildung  niitgetheilt,  das  in  einer  ehemaligen  Cister- 
cienser- Abtei  des  nördlichen  Deutschlands  vorgefunden  Avurde 
und  in  der  letzten  Hälfte  des  XV.  Jahrhundei-ts  angefertigt  wor- 
den sein  dürfte.  Dieser  Gürtel,  in  der  Breite  von  kaum  zwei 
Centim.,  besteht  aus  einer  kunstreichen  Wirkerei  von  Silberfäden, 
die  kleinere  zusammenhängende  Quadrate  bilden,  innerhalb  wel- 
cher der  Posatnentirer  in  starken  Goldfäden  Kreuze  eingewirkt 
hat,  deren  Zwischenräume  mit  violetter  Seide  ausgefüllt  sind.  An 
den  beiden  Ausmündung-en  dieser  1  Metre  68  Centimetres  langen 
zona  sind  in  Goldfäden  zwei  grössere  Quasten  angebracht,  die  in 
ihrer  Zusammensetzung  erkennen  lassen ,  wie  gegen  Schluss  des 
Mittelalters  der  Posamcntirer  es  verstand,  für  kirchliche  Zwecke 


')  Wnbrscheinlich  bofanden  sich  unter  diesen  cinguJa  von  Seide  reich  verzierte 
bischiifliche  Gürtel.  Die  zwölf  andern  scheinen  aus  Leiumstoffen  bestanden 
zu  haben. 

^)  In  frühem  Zeiten  trugen  die  Chorknaben  ebenfalls  Alben,  welche  vermittels 
Gürtel  aufgeschürzt  wurden.  Diese  acht  Gürtel  zum  Gebrauch  der  Chor- 
knaben scheinen  älter  und  abgenutzt  gewesen  zu  sein. 


—    60  — 


ßmhriae  zu  Avirken,  die  eine  profane  Wii-kung  nicht  aufkommen 
Hessen.  Der  in  Rede  stehende  Gih-tel  ist  im  Innern  mit  einem 
violetten  Seidenbande  gefüttert,  an  welchem  zwei  Schnüre  ange- 
näht sind,  um  vermittels  derselben  dieses  Ornament  anzulegen  und 
zu  befestisjen.  Sowohl  das  kostbare  Gewebe  des  Oberthells  als 
auch  die  siibductura  in  violetter  Seide  dürfte  zum  Belege  dienen,  dass 
der  in  Rede  stehende  Gürtel  ehemals  bei  feierlichen  Pontifical- 
Messen  von  einem  infulirten  Abte  getragen  wordeji  ist. 

Da  in  der  tunica  inconsutilis  des  Heilandes  von  einigen  Litur- 
gikern  das  Vorbild  der  priesterlichen  Albe  erschaut  w^orden  ist, 
desgleichen  in  der  zona  Doinon  das  Vorbild  des  Gürtels,  mit  Avel- 
chem  bekleidet  der  Priester  das  unblutige  Opfer  der  Versöhnung 
feiert;  so  lag  es  nahe,  diesen  Gürtel  mit  der  Person  des  Herrn 
dadurch  noch  näher  in  Verbindung  zu  bringen,  dass  man  in  den- 
selben durch  die  Kunst  des  Webers  die  bekannten  instrumenta 
Dominicae  passionis  eimvirken  Hess,  imd  dass  man  ferner  zur 
Erinnerung  an  das  Leiden  und  die  Veiherrlichung  des  Herrn  die- 
sem cingulum  jene  Länge  gab ,  die  das  Grab  des  Heilandes  heute 
noch  wahrnehmen  lässt.  Wir  haben  einen  solchen  merkwürdigen 
Gürtel  theilweise  auf  Tafel  V  unter  Fig.  4  bildlich  veranschau- 
licht, und  bemerken  zugleich,  dass  derselbe  eine  Breite  von  3'/2 
Centimetres  hat,  bei  einer  grössten  Länge  von  2  Met.  16  Centimetres 
ohne  Einschluss  der  seidenen  Fransen  an  den  beiden  untern  Enden. 
Dieser  Gürtel  ist  in  Weise  einer  schweren  Tresse  in  gezwirnter 
Seide  auf  einem  kleinen  Bandstuhle  so  gewebt,  dass  er,  was  das 
Technische  anbelangt ,  fast  den  Efi'ect  einer  Stickerei  hervorruft. 
Unten  an  den  beiden  Ausraündungen  hat  der  Bandwirker  das 
grosse  Jerusalemskreuz  eingewebt  und  in  den  Zwickeln  desselben 
die  vier  kleinern  Kreuze.  Ferner  wechseln  in  diesem  cingulum 
die  verschiedenen  Passionswerkzeuge  mit  Buchstaben  ab  Abkür- 
zungen, deren  Entzifferung  kaum  gelingen  dürfte.  In  der  Mitte 
liest  man  in  längHchen  Vierecken  abgetheilt  auf  rothem  Fond  fol- 
o-ende  Inschrift : 

LONGITUDO  SANCTISSIMI  SEPULCRI  DOMINI  NOSTRI  JESU  CHRISTI. 

Es  will  uns  scheinen,  dass  dieser  Gürtel,  der  im  Abendlande 
später  in  liturgischen  Gebrauch  übergegangen  sein  dürfte,  von  der 
Industrie  des  Morgenlandes,  und  zwar  im  XVI.  Jahrhundert,  an- 
gefertigt worden  ist.  Wahrscheinlich  ist  es,  dass  ähnliche  cingula 
zur  Erinnerung  an  das  Grab  des  Herrn  in  Menge  angefertigt 
Avurden  und  durch  Pilger  als  Andenken  in  das  Abendland  ge- 
bracht worden  sind. 


—    61  — 


Noch  erübrigt  uns,  hier  einige  Worte  hinzuzufügen  über  die 
einfachem  Gürtel  des  Mittelalters  und  über  die  Ausdehnung  und 
Anlegungsweise  derselben.  Es  leuchtet  ein,  dass  neben  den  reich 
verzierten  bischöflichen  cingula  vind  den  jiriesterlichen  Gürteln  zum 
Aufschürzen  der  Albe  an  Festtagen,  auch  noch  einfachere  an  ge- 
wöhnlichen Tagen  das  ganze  Mittelalter  hindurch  in  Gebrauch 
waren ,  die  ohne  Stickerei  aus  starken  Leinenfäden  angefertigt  zu 
werden  pflegten.  Solche  eiid'achen  :oiu«'  für  den  vsns  i/i/ofiiJiinnis 
haben  sich  in  den  Gewandkaniniern  des  Domes  zu  Halbersfndt 
und  der  Marienkirche  zu  Danzig  nocli  erhalten.  Diese  einfachen 
cwgvla  von  Leinen  sind  jedoch  nicht  als  Schnur  rimd  gedreht, 
sondern  haben  noch  immer  die  Jireite  zweier  P'inger,  auch  zei<)-en 
dieselben  an  den  untern  Enden  längere  Fransen  in  Leinen.  Erst 
im  XVI.  und  XVII.  Jahrhundert  sind  in  verschiedenen  fran- 
zösischen imd  deutschen  Diücesen  Gürtel  in  Aufnahme  und  (Je- 
brauch  gekommen,  die  vollständig  abweichend  von  dem  eioent- 
lichen  liturgisch  feststehenden  Giirtel  mit  seiner  Ausdehnung  nach 
der  Breite  hin,  strickförmig,  gleichsam  als  Cordons  rund  gedreht 
sind  und  an  den  untern  Enden  drei  oder  mehrere  Quasten  zeigen. 
Diese  letzten  sind  in  der  Kegel  von  Posamentirern  oft  über  Ge- 
bühr umfangreich  und  massenhaft  in  Weise  von  modernen  Trod- 
deln angefertigt  Avorden.  Unsere  Sammlung  hat  ein  solches  ciii- 
gulum  aufzuweisen,  das  vollständig  von  dem  kirchlich  überlieferten 
Gürtel  mit  seiner  Breitenausdehnung  abweicht  und  das  als  Cordon 
mit  rothen  vierfachen  Quasten  an  den  untern  Enden  in  do2)j)elter 
Zusammenfügung  die  ungewöhnliche  Länge  von  2  M.  54  Centiin. 
aufzuweisen  hat.  Dieses  als  Kordel  rund  gedrehte  cinguluin  dürfte 
aus  dem  Beginne  des  XVII.  Jahrhunderts  herstammen,  und  liefert 
den  Beweis,  dass  der  moderne  Zeitgeschmack  nicht  nur  einen  ent- 
stellenden profanisirenden  Einfluss  auf  die  hervorragenden  liturgi- 
schen Gewänder,  sondern  sogar  auf  die  Jaluhunderte  hindurch 
feststehende  Gestalt  und  Beschaffenheit  des  mehr  untergeordneten 
kirchlichen  Gürtels  gewonnen  hat. 

Die  meisten  zonae,  die  uns  aus  dem  XV.  Jahrhundert  noch 
zu  Gesicht  gekommen  sind,  haben  mit  den  Fransen  gemessen  nur 
eine  massige  Länge  von  ungefähr  2^/^  Metres,  und  scheint  man 
dieselben  einfach  und  nicht  doppelt  angelegt  zu  haben.  Man  be- 
festigte dieselbe  auf  der  Brust,  in  der  Art,  dass  man  eine  doppelte 
Schleife  in  bekannter  Weise  bildete,  die  sich  beim  Ablegen  durch 
einfaches  Ziehen  leicht  wieder  aufliiste.  Bei  einer  solchen  An- 
lesunc  und  J^)efesti<'iin2;  hinuen  die  beiden  äussern  Enden  des 
Gürtels  noch  immer  bis  zu  den  Knieen  herunter,  so  dass  ver- 


—    62  — 


mittels  dieser  fmiiculi  pendentcs  die  Anlegung  und  Befestigung  der 
Stole  in  Kreuzesform  auf  der  Brust  mit  Bequemlichkeit  vorge- 
nommen werden  konnte.  Da  uns  nähere  Angaben  bei  ältern  Li- 
turgikern  fehlen,  so  lassen  wir  hier  die  an  und  für  sich  gering- 
füscicTG  Fraa;e  unentschieden,  ob  es  bereits  im  Mittelalter  in  meh- 
reren  Diücesen  Brauch  war,  bei  der  Aufschürzung  der  Albe  das 
einffidum  doppelt  zu  nehmen  ')  und  ob  in  dieser  doppelten  Zu- 
sammenfügung  auf  der  Brust  der  sogenannte  nodus  gord.icus  ge- 
bildet worden  sei ,  wie  derselbe  heute  noch  vielfach  bei  Anlegung 
der  zona  in  Gebrauch  ist.  Diese  letztgedachte  Anlegungs-  und 
Befestigungsweise  des  cingulum  scheint  schon  deswegen  erst  aus 
den  letzten  Jahrhunderten  herzurühren ,  indem  dieser  sogenannte 
gordische  Knoten  vermittels  des  Gürtels  sich  leichter  schnüren 
lässt,  wenn  derselbe  rund  als  Kordel  gedreht,  anstatt  dass  derselbe 
in  der  ältern  Weise  als  eigentlicher  Gürtel  in  Form  eines  breiten 
Bandstreifens  gestaltet  ist.  Die  reichern  Gürtel,  namentlich  zum 
bischöflichen  Gebi'auche,  im  frühern  Mittelalter,  die  als  murena 
oder  inurenulae,  dem  Vorhergehenden  zufolge,  aus  Goldstoffen  in 
ziemlicher  Breite  gewirkt  waren,  wurden  überhaupt  nicht  vermit- 
tels eines  Knotens  geschürzt,  sondern  dieselben  wui'den  mit  Bei- 
hülfe zweier  Schnüre  angebunden,  wie  das  auch  an  dem  cingulum 
angedeutet  ist,  das  wir  auf  Tafel  V  Fig.  2  abgebildet  haben. 

6. 

Stole  und  Manipel,  „orarium,  stola;  mappula,  manipula, 

phanon." 

Da  in  kirchlichen  Schatzverzeichnissen  des  Mittelalters  ge- 
wöhnlich die  bischöfliche  reich  verzierte  Stole  zugleich  mit  ihrem 
entsprechenden  Manipel  zusammen  gefasst  und  verzeichnet  wird, 
da  ferner  seit  der  spät-romanischen  Kunstepoche  Stole  und  Ma- 
nipel dieselbe  Form  und  Gestalt  haben  und  nur  hinsichtlich  ihrer 
Längenausdehnung  sich  unterscheiden:  so  sei  es  vergönnt,  im  Fol- 
genden die  Gestalt  und  künstlerische  Ausstattung  der  bischöflichen 
Stole  und  des  Manipels  als  formverwandte  und  zusammengehörende 
Ornate  näher  zu  beleuchten  und  in  Kürze  nachzuweisen,  wie  diese 
beiden  Gewandstücke  die  verschiedenen  Jahrhunderte  des  Mittel- 
alters hindurch  sich  formell  entwickelt  und  gestaltet  haben.  Nach 


')  Vielleicht  dürfte,  -wie  im  Vorhei'gclicmlen  ansedentct,  die  iilterc  BezeichinuiEt 
srmirinrihnn  auch  auf  eine  solcJie  Aulegungswoise  des  Gürtels  zu  dcutcu 
sein. 


—    63  — 


Anlegung  der  Albe  und  Aufschürzung  derselben  vermittels  des  im 
Vorhergehenden  besprochenen  Gi'trtols  wird  dem  Bischöfe  desglei- 
chen auch  dem  celehrirenden  Priester  die  Stole  dargereicht,  die  er 
gleichsam  als  torques  um  den  Hals  legt  und  dabei  folgendes  Gebet 
spricht:  „Redde  mihi  Domino  stolam  immortalitatis  (juam  perdidi 
in  praevaricatione  primi  parentis  ,  et  quaravis  indignus  accedo  ad 
tuum  sacruni  mysterium ,  mercar  tamen  gaudium  sempiternuni. - 

Wir  haben  in  der  dritten  Lieferung  dieses  Werkes  Seite  43') 
bis  440  weitläufiger  angedeutet,  Avelohe  veränderte  Form  und  Ge- 
stalt die  Stole  in  den  ersten  Jalirhuiidcrfcn  der  Kirche  aufzuwei- 
sen hatte,  ^ind  haben  unter  Anführung  der  nöthigen  Belegstellen 
darauf  hingewiesen ,  dass  in  der  frühchristlichen  Zeit  die  Stolen 
faltenreiche  Obergewänder  von   weissem   Leinen   gewesen  seien. 
Die  reichern  Stolen  waren  nach  dem  früher  Gesagten  ilirer  can- 
zen   Ausdehnuno;   nach   mit   schmalen   verzierenden  Bandstreifcn 
fasciolae,  angusti  clavi  in   Seide  und  Purpurstoff  verziert.  Diese 
fasciolae  liefen   aber   nicht    als    reich    verzierter  Saum    an  dem 
untern  Rande  der  Albe  herum ,  wie  dies  Bona  ')  auf  die  Mei- 
nung des  Baysius  ')  gestützt,   anzunehmen  scheint,   sondern  wie 
das  auf  altern  Mosaikbildern  in  den  Absiden  der  Basiliken  des 
III.,  IV.  und  V.  Jahrhunderts  vielfach  zu  ersehen  ist,  waren  diese 
fasciolae  auf  dem  faltenreichen  Gewände  der  Stole  in  der  Weise 
aufgenäht,  dass  sie  von  oben  nach  unten  parallel  laufend  die  Stole 
als  verzierende  Bandstreifen  schmückten.    Diese  schmalen  verzie- 
renden Streifen  sind  auch  deutlich  zu  ersehen   an  dem  Gewände 
des  ministrirenden  Clerikers,  der  zur  Linken  des  Bischofs  Maxi- 
mianus  auf  Tafel  X  der  3.  Lieferuno;  mit  dem  Evanoeliarium  in 
der  Hand  dargestellt  ist.    xVls  nun  die  Albe  nach  der  nicht  un- 
begründeten Meinung  des  Durandus     sich  als  selbstständiges  prie- 
sterliches Gewand  zu  entwickeln  begann  ,  ist  der  faltenreiche  Lei- 
nenstoft  der  alten  Stole  in  Wegfall  gekommen ,  und  der  Name 
stola  oder  orarium  Avurde  nun  von  dem  frühern  Obero-eAvande  auf 
jene  schmalen  /amo/oe  übertragen,  die  als  Verzierimg,  nicht  Avie 
Baysius  im  Widerspruch  mit  altern  BildAverken  anniiiunt.  an  den 
Füssen  als  verbrämender  Saun)  diente,  sondern  die  bereits  nuf  d(>r 
altern  Stole  als  ausschmückende  Bandstreifen  parallel  neben  ein- 
ander laufend  ersichtlich  Avaren. 

Nach  diesen  allgemeinern  Andeutungen   ül)er  die  Gestaltung 


')  Boiüi,  rcrmn  liturn-.  üb.  I,  rn]).  XXTV,  n.  VI. 
-)  Biiysius  (k>  rc  vcsliariu,  caj).  17. 

Duramli,  Rat.  div.  off.  lib.  IH,  cnp.  V.  Nr.  C. 


—    64  - 


der  Stole  aus  einem  faltcnveichen  altrümischen  Obergewande  zu 
der  bandförmigen  Ausdelinung  einer  iorques  liegt  uns  hier  die  Un- 
tersuchung ob,  wie  die  so  veränderte  Stole  seit  der  karolingischen 
Zeit  zunächst  für  bischöflichen  Gebrauch  o-estaltet  und  künstlerisch 
verziert  worden  ist.  Um  gleich  zu  der  angedeuteten  Untersuchung 
übergehen  zu  können,  wollen  wir  bei  der  Beschreibung  der  siola 
diaconatus  in  der  folgenden  Lieferung  näher  festzustellen  suchen, 
zu  welcher  Zeit  die  altchristliche  Stole  von  einem  faltenreichen 
Obergewande  auf  die  verzierenden  fasciolae  reducirt  worden  ist, 
und  werden  wir  auch  bei  dieser  Gelegenheit  die  Bedeutung  der 
Bezeichnung  orarium  zu  erörtern  haben. 

Schon  bei  den  Lituigikern  des  IX.  Jahrhunderts  findet  sieh 
als  Bezeichnung  für  die  verzierenden  Bandstreifen ,  die'  von  der 
ehemaligen  Stole  geblieben  waren,  die  synonyme  Bezeichnung 
orarium  vor.  So  lesen  wir  beim  Alcuin:  „sequitur  orarium  id  est 
stola  ')."  Auch  Honorius  August,  in  seiner  Gemma  animae  setzt 
die  atola  mit  dem  orarium  gleichbedeutend,  indem  er  sagt:  „deinde 
circumdat  Collum  suum  stola  quae  et  orarium  dicitur  ^)."  Dieselbe 
synonyme  Bezeichnung  finden  wir  auch  beim  Rhabanus  Maurus, 
der  weiter  ausführt:  „quintum  est  quod  orarium  dicitur,  licet  hoc- 
quidam  stolam  vocent  '')."  Wie  indessen  Form,  Gestalt  und  künst- 
lerische Beschaffenheit  der  siola  vor  dem  X.  Jahrhundert  gewesen 
ist,  ist  aus  den  Angaben  älterer  Schriftsteller  nicht  zu  ersehen. 
Das  aber  dürfte  als  feststehend  angenommen  werden,  dass  beson- 
ders  die  bischöfliche  Stole  als  auszeichnendes  Ehrengewand  be- 
reits in  der  karolingischen  Zeit  nicht  nur  durch  die  Kunst  der 
Nadel,  sondern  vielfach  auch  durch  emailirte  und  ciselirte  Orna- 
mente in  Gold  und  Silber  künstlerisch  verziert  zu  werden  pflegte. 
Dass  bereits  im  VI.  Jahrhundert  Gregor,  Bischof  von  ToiTrs,  eine 
Stole  im  Besitze  gehabt  und  gotragen  habe ,  die  als  siola  literaia 
mit  den  eingewirkten  Worten:  „in  nomine  Domini  ora  pro  me"  ver- 
ziert gewesen  sei,  führt  bereits  der  gelehrte  Schannat  an.  Im  VII. 
Jahrhundert  schenkte  Etheldreda,  erste  Äbtissin  von  Ely,  dem  h. 
Cuthbert  eine  Stole  und  einen  Manipel,  die  die  h.  Königin  selbst 
mit  grösster  Kunstfertigkeit  gestickt  ixnd  mit  Perlen  und  Edel- 
.«feinen  reich  verziert  hatte  '^).    So  lesen  wir  ferner  in  dem  Testa- 


')  Alcumus  do  div.  off.  cap.  39. 

Honor.  gern,  aiiim.  Iii).  I  cap.  204. 
■^)Rlial)an.  Maur.  lib.I  cap.  19. 

■•)  Vita  S.  Etbflchitae  etc.,  cap.  IX,  Nr.  22  (Acta  Sanctor.  ord.  S.  Beiicd  saoc. 
11,  pag.  748). 


05  — 


mente  «los  RIpcliofes  Riculf  vom  Jahre  915,  dasa  or  seiner  Kirche 
vier  Stolen  mit  (xohlstickereien  zum  Geschenk  gemacht  habe,  und 
dass  eine  derselben  anstatt  der  Fransen  mit  Schellehen  verziert  ge- 
wesen sei.  ')  Auch  das  ijionasficmn,  miglicann.m  erwähnt  aus  nicht 
viel  späterer  Zeit  einer  Stole  und  eines  Manipels,  die  mit  den  Bild- 
werken von  Heiligen  geschmückt  waren  und  an  deren  untern  Ab- 
schlüssen sich  silberne  Glöckchen  befanden.  2)  Dass  es  schon  in 
der  Irüh-romanischen  Kunstepoche  gebräuchlich  war,  analog  mit 
dem  Pallium  des  Hohenpriesters  im  Alten  Bunde,  die  bischöflichen 
Stolen  an  ihren  untern  Ausmündungen  statt  der  Fransen  mit  gol- 
denen Aepfelchen  und  Schellchen  zu  verzieren,  lässt  sich  aus  den 
Angaben  älterer  Schriftsteller  vielfach  nachweisen.  So  ist  es  auch 
bekannt,  dass  der  h.  Meinwerk,  Bischof  von  Paderborn,  ein  Freund 
und  Zeitgenosse  der  grossen  heiligen  Bischöfe:  Bernward's  von 
Hildesheim,  Heribert's  von  Köln  und  Willigis'  von  Mainz,  der  von 
ihm  gestifteten  Abtei  Abdinghof  unter  andern  reichen  Geschenken 
an  Kirchenornaten  und  Gefässen  sieben  Stolen,  aus  Goldstoff'  ver- 
fertigt, verehrte,  unter  welchen  sich  zwei  Stolen  befanden,  wo- 
von die  eine  mit  27  und  die  andere  mit  21  Glöckchen  mit  Ein- 
schluss  der  dazu  gehörigen  Manipel  und  Gürtel  verziert  waren. 
Auch  aus  der  früher  schon  citirten  Stelle  der  Angouleme'schen 
Diöcesangeschichte  geht  hervor,  dass  man  im  Beginne  des  XII. 
Jahrhunderts  nicht  selten  die  goldgestickten  Stolen  und  Manipel  für 
bischöflichen  Pontificalgebrauch  mit  Perlen  und  gefassten  Edel- 
steinen zu  heben  und  zu  verzieren  suchte.  Es  wird  nämlich  da- 
selbst angeführt,  dass  Bischof  Gerhard  im  Beginne  des  XII.  Jahr- 
hunderts unter  andern  reichgestickten  Pontifical -Ornamenten  der 
Kirche  des  heil.  Petrus  von  Angoulcme  schenkte:  „manipuhun  et 
stolas  cum  lapidibus  aurifrizatas."  ^) 

Wir  könnten  den  Angaben  älterer  Schriftsteller  folgend  hier 
noch  in  langer  Reihe  aufzählen,  wie  man  im  X.  und  XL  Jahr- 
hundert es  vielfach  versuchte,  die  reichern  Stolen  und  Manipel  zu 
festtäglichem  Gebrauch  durch  verschiedenartige  Ornamente  künst- 
lerisch zu  heben.  Für  die  vorliegenden  praktischen  Zwecke  dürfte 
es  jedoch  rathsam  sein,  Umschau  zu  halten,  wo  sich  aus  dem  X. 


')  Testamentum  I\iculti  opiscopi  Holenensis  an.  915  •  „stolas  qiiattuor  cum  auro, 

Ulla  ex  illis  cum  tiiitiniiabulis." 
^)  Monasticum  Anglic.  tom.  3  pag.  317:  ,.stola  ot  mniiipuli  cum  imagiiiibus  et 

in  extrpiiiitatibus  cum  campainilis  arg-eiiteis." 
^)  Vgl.  Voyage  de  deiix  Benedictiiis  (Marteiio  et  Durand)  1720,  10.  Ootnl). 

Histor.  pontific.  et  coniit.  Engolisin.  rap.  XXXY.    (Novae  bibliotliecae  nia- 

nuscript.  librorum,  tom.  prim.,  pag.  -150.) 

Liturgische  Gewänder.  II.  5 


luul  XT.  Jahrh.  heute  noch  ältere  Stolen  erhalten  haben  und  wie 
der  Schnitt,  die  Längenausdehnung  und  ornamentale  Ausstattung 
derselben  l)eschaüen  gewesen  sei.  Leider  fiiulcn  sich  heute  hei  den 
Messgewändern  des  h.  Heribert  zu  Deutz,  des  Bischofs  Benno  in 
der  ehemaligen  Abteikirche  zu  Iburg  bei  Osnabrück  und  den  Mess- 
gewändei'n  der  grossen  Bischöfe  Willigis  zu  Mainz  und  Bernward 
zu  Hildesheim  keine  Stolen  mehr  vor,  die  zum  Belege  dienen 
könnten ,  welche  Form  und  Ausdehnung  die  Stolen  und  Manipel 
im  XI.  Jahrhundert  aufzuweisen  hatten,  die  als  integrirende  Theile 
zu  den  ebengedachten  heute  noch  aufbewahrten  alterthiunlichen 
Messgewändern  in  Glockenform  gehörten.  Glücklicher  Weise  hat 
sich,  von  dem  Messgcwande  des  h.  Anno  herrührend,  heute  noch 
eine  merkwürdige  Stole  erhalten,  deren  äussere  Beschaffenheit  an- 
deutet, wie  die  Stolen  und  Manipel,  die  zu  den  ebenbezeichneten 
MespgeAvändern  gehörten,  formell  gestaltet  gewesen  seien.  Es  be- 
fand sich  nämlich  bis  zum  Schlüsse  des  vorigen  Jahrhunderts  in 
der  vom  grossen  Anno  erbauten  Stiftskirche  von  St.  Georg  zu 
Köln  ein  Messgewand  mit  Stole  und  Manipel  vor,  die  mit  den 
übrigen  Kirchenschätzen  und  Reliquien  von  St.  Georg  bei  dem  Ein- 
dringen der  Franzosen  ihrer  Goldzierrathen  entkleidet,  und  nach 
Aufhebung  des  Stiftes  später  als  Reliquien  vom  h.  Anno  in  Privat- 
besitz gelangten.  Der  letzte  Besitzer  dieser  seltenen  Ueberbleibsel 
unterliess  es  nicht,  die  ehrwürdige  Tradition  seiner  Besitzthümer 
aufrecht  zu  erhalten,  die  auch  durch  den  ei^enthümlichen  Schnitt 
und  durch  die  Beschaffenheit  der  Seidenstoffe  hinlänglich  als  her- 
stammend  aus  der  Zeit  des  h.  Anno  bewahi  heitet  wurden.  Herr  M. 
konnte  sich  bei  seiner  Lebzeit  von  diesen  Ueberresten  einer  grossen 
Vergangenheit,  obgleich  öfters  dazu  aufgefordert,  nicht  trennen.  Als 
bei  dem  jüngst  erfolgten  Tode  des  Ebengedachten  dessen  Nachlass 
öffentlich  zum  Verkauf  gelangte,  waren  wir  so  glücklich,  durch  An- 
kauf in  den  Besitz  der  camla  et  stola  sti.  Annonis  zu  gelangen.  Ob- 
schon  die  P^chtheit  der  beiden  Gewandstücke  nicht  nur  durch  die 
mündliche  LTeberlieferung  des  seitherigen  Besitzers,  der  beide  Theile 
bei  Aulhebunor  des  Stiftes  von  dem  ehemaligen  Küster  von  St. 
Georg  erhielt,  sondern  auch  durch  die  charakteristische  Beschaffen- 
heit der  dazu  verwandten  schweren  Seidenstoffe  verbürgt  wird,  so 
war  es  uns  doch  sehr  erwünscht,  in  einem  alten  evangelistarium, 
das  ehemals  dem  St.  Georgsstifte  zu  Köln  zugehört  ')  hatte,  und 


')  Nebst  vielen  andern  Werthstücken  der  kirdilichen  Goldsclimiedekunst  be- 
iludet sich  dasselbe  in  der  grossherzogl.  Kunstkammer  zu  Darmstadt,  die  in 


—    67  — 


zwar  auf  den  letzten  Perg,imentselten  desselben  ein  Inventar  der 
Kirchenschätze  von  St.  Geor«i  ans  dem  Beo;inne  des  XIV.  Jahr- 
hunderts  herrührend  vorzufinden,  worin  wir  unter  Aufz.ählung  von 
andern  Reliquien  von  dem  Erbauer  der  besagten  Kirche  auch  fol- 
gende Ano;abe  fanden: 

„Item  casula  ')  sti.  Annonis  cum  stolis  et  manipulis  suis." 

Die  Stole  des  h.  Anno  hat,  wie  überhaupt  die  Stolen  des 
frühern  Mittelalters,  eine  ziemlich  bedeutende  Länge.  Dieselbe  misst 
nämlich  ihrer  grüssten  Ausdehnung:  nach  2  Metr.  77  Centimetr. 
ohne  Einschluss  der  Fransen  an  den  untern  Ausmündungen.  Die 
Breite  derselben  beträgt  nur  ß'/j  Centimtr.  Aehnlich  den  Stolen 
des  XI.  Jahrhunderts  ist  dieselbe  aus  einem  äusserst  schweren 
Seidenstoffe  der  Länge  nach  geschnitten  und  aus  drei  Theilen  zu- 
sammengesetzt.  Hinsichtlich  der  Fabrication  und  der  Schwere  ist 
das  Gewebe  an  der  in  Rede  stehenden  Stola  des  h.  Anno  voll- 
kommen identisch  mit  den  ähnlich  fabricirten  Seidengeweben  an 
den  gleichzeitigen  Messgewändern  des  Erzbischofs  Willigis  zu  Mainz, 
des  h.  Bernward  zu  Hildesheim  und  des  h.  Bernhard  zu  Xanten.  Die 
Mustei-ungen  an  dieser  Stole  des  h.  Anno  sind,  nach  Ai-t  der  orien- 
talischen Zendalstoffe  des  XI.  Jahrhunderts  gleichsam  vertieft  ein- 
geritzt,  nur  undeutlich  zu  erkennen.  Das  Motiv  derselben  stellt 
sich  dar  als  zusammenhängende,  elliptisch  zugespitzte  Kreise ,  die 
im  Innern  von  tellerförmigen  Rundmedaillons  ausgefüllt  werden, 
eine  Art  von  gemusterten  Seidenstoffen,  die  Anastasius  Bibliothe- 
carius  als  paJlia  scufellata  oder  als  holoserica  cum  orhiculis  et  scutel- 
lis  bezeichnet.  Erst  im  XV.  Jahrhundert  scheint  man  die  in  Rede 
stehende  Stole  des  h.  Anno,  deren  heute  erloschene  Farbe  ein  dunke- 
les  Gelb  erkennen  lässt,  das  an's  Purpurviolett  grenzt,  der  Vereh- 
rung wegen  mit  neuem  Futterstoff  und  neuen  Fransen  versehen 
zu  haben. 

Ausser  dieser  Stole  des  h.  Anno  befindet  sich  in  unserer 
Sammlung  ein  anderes  orarium  in  einem  ähnlichen  schweren  Sei- 
dengewebe mit  einer  Musterung  des  XI.  Jahrhunderts  in  durch- 
aus ähnlicher  Farbe  und  gleichen  Dessins,  wie  sich  dieselben  an 


den  ersten  Decennien  dieses  Jahrhunderts  in  den  Besitz  der  reichlialtigen 
Kunstsammlungen  des  Baron  von  Hüpsch,  eines  ehemaligen  Kölners,  ge- 
langt ist. 

')  In  der  dritten  Lieferung  unseres  „heiligen  Kölns''  haben  wir  dieses  Schatz- 
verzeichniss  von  St.  Georg  in  seiner  Ganzheit  mitgetheilt  und  mit  erklären- 
den Anmerkungen  versehen.  Die  oben  erwähnte  Casel  Sti.  Annonis  soll  in 
einem  folgenden  Abschnitte  näher  bescluüeben  werden. 

5* 


—  r>8  — 


dem  glorkenfürmigen  Mespgewaiid  des  Erzlilscliofs  Willigis  in  der 
St.  Steplianskirche  zu  Mainz  kenntlich  machen.  Diese  Stole  haf  die 
auffallende  Breite  von  12  Centim.  bei  einer  Länge  von  2  Äfetr. 
5G  Centim.  Auch  diese  Stole  ist  wie  die  vorhergehende  aus  drei 
Längenstreifen  eines  geküpperten  Zendalstoff'es  zusammengesetzt 
und  hat  das  Gewebe ,  trotz  seiner  Schwere ,  durch's  Alter  schon 
sehr  gelitten.  Wie  schon  früher  bemerkt,  ist  es  ein  charakteristi- 
sches Merkmal  der  altern  Stolen,  namentlich  aus  der  romanischen 
Kimstepoche ,  dass  sie  eine  auftallende  Längenausdehnung  hatten. 
Damit  sie  nicht  bis  auf  die  Füsse  des  Celebranten  herunterhingen, 
mussten  sie  nach  ihrer  Anlage  in  forma  rrucii  auf  der  Brust, 
umfangen  von  den  beiden  Enden  des  cingidniii ,  befestigt  und 
ein  wenig  heraufgezogen  werden,  wodurch  sich  eine  malerische 
Drapirung  und  Anlegung  derselben  ergab,  wie  dies  auf  Tai'.  IV 
Fig.  1  ersichtlich  ist.  Eine  dritte  Stole  unserer  Sammlung,  die 
dem  Beginne  des  XII.  Jahrhunderts  angehört,  und  noch  unverletzt 
in  ihrem  ursprünglichen  Zustande  sich  erhalten  hat,  lässt  bei  einer 
aulfallenden  Längenausdehnung  von  3  Metres  7  Centim.  nur  eine 
Breite  von  5  Centimetr.  7  Millimetr.  erkennen.  Diese  interessante 
Stole,  die  nicht  aus  einem  Stoffe  geschnitten,  sondern  auf  einem 
Bandstuhle  fast  in  Weise  einer  Tresse  gewirkt  ist,  besteht  aus 
weisser  Seide  und  gibt  eine  zusammenhängende  Musterung  als 
Flechtwerk  zu  erkennen,  in  einem  auffallend  ähnlichen  Dessin,  wie 
dasselbe  an  den  schmalen  Bandstreif'en  einer  ältei-n  Mitra  in  St.  Peter 
zu  Salzburg  ersichtlich  ist.  Auf  Taf.  XVI  Fig.  1  ist  diese  Mitra 
von  Salzburg  mit  ihren  gemusterten  faf<ciolae  abgebildet.  Die  Stole 
selbst,  wovon  zuletzt  die  liede  war,  haben  wir  auf  Taf.  XVIII. 
Fig.  1  in  ihrer  stofflichen  Eigenthümlichkeit  in  natürlicher  Breite 
veranschaulicht. 

Noch  unterlassen  wir  nicht,  darauf  aufmerksam  zu  machen, 
dass  diese  eben  gedachte  Stole  auf  Taf.  XVIII  Fio;.  1  mit  zwei  aus 
rothem  Seidenfutter  eigens  angenähten  Pcdalstücken  verziert  ist,  auf 
welchen  die  Stickerin  zur  Ausschmückung  schmale  gemusterte  Gold- 
tressen transversal  aufgenäht  hat.  Diese  Schlussstücke  erweitern 
sich  nach  unten  hin  in  der  Weise,  wie  man  auf  altern  Bildwerken 
nicht  nur  die  Stolen ,  sondern  auch  die  erzbischöflichen  Pallien 
mit  besondern  Fussstücken  abgebildet  findet.  Merkwürdiger  Weise 
stimmt  in  Länge  und  Breite  diese  Stole  mit  jener  vollständig  über- 
ein,  die,  vom  h.  Bernhard- herrührend ,  die  Liebfrauenkirche  zu 
Trier  heute  noch  besitzt.  Diese  letztgedachte  Stole  ist  ebenfalls  als 
schmales  Band  von  schwerer  Seide  der  Länge  nach  gewebt  und 
ist,   dem  Gebrauche  des  XII.  Jahrhunderts  gemäss,  auf  violettem 


-    69  — 


Grunde  mit  jenen  phantastischen  Thierunholden  in  weisser  Seide 
gemustert,  wogegen  als  Ausgeburten  der  Künstlerphantasie  seiner 
Zeit  der  h.  Bernhard  gewaltig  geeifei-t  hat.  ')  Auf  Taf.  XVIII  Fig.  2 
haben  wir  in  natürlicher  Breite  einen  Theil  dieser  Stele  der  Trierer 
Liebfrauenkirche  bildlich  wiedergegeben  und  bemerken  dazu,  dass 
sich  die  darin  vorkommende  Thierniusterung  als  feststehendes  Mo- 
tiv immer  wiederholt.  Eine  ähnliche  Stole,  fast  in  derselben  Brei- 
ten- und  Längenausdehnung,  als  reich  gemustertes  Bandgewebe  in 
Seide  sahen  wir  in  einer  kunstreich  verzierten  und  ciselirten  Capsel 
in  Silber,  die  heute  noch  in  der  ehemaligen  Stifts-  und  jetzigen 
Pfarrkirche  zu  Aschaff'enburg  aufbewahrt  wird.  Leider  ist  uns  der 
Name  jenes  Heiligen  entfallen,  welchem  diese  Stole  zu  Aschaffen- 
burff  ang-ehöi't  hat.  Die  eingewirkten  Ornamente  in  dieser  äusserst 
schmalen  Stole  schienen  uns  anzudeuten,  dass  sie  im  XI  Jahrhun- 
dert ihre  Entstehung  gefunden  habe. 

Professor  Sighart  berichtet  in  dem  IX.  Hefte  des  „Kirchen- 
schmuckes" I.  Bande  1858,  dass  auch  in  der  alten  Klosterkirche 
zu  Andechs  (nicht  weit  von  München)  als  Reliquien  noch  drei 
Stolen  heute  aufbewahrt  werden ,  wovon  eine  dem  h.  Ulrich  und 
eine  andere  dem  h.  Papst  Gregor  zugeschrieben  wird.  Es  wird 
ferner  von  dem  ebengenannten  Sachkenner  über  diese  Stolen  mit- 
setheilt,  dass  dieselben  eine  ausserordentliche  Länge  und  kaum  die 
Breite  von  zwei  Fingern  hätten.  Wir  sind  vollkommen  mit  unserra 
kunsterfahrenen  Freunde  darin  einverstanden,  dass  diese  Stolen  zu 
Andechs  mit  Zickzackmusterungen  hinsichtlich  ihrer  Entstehung  noch 
dem  ersten  Jahrtausend  angehören  dürften;  dem  auf  Seite  63  Ge- 


')  Diese  merlovürdige  Stelle  geben  wir  hier  deswegen  ihrem  Wortlaute  nach 
wieder,  weil  darin  in  meisterhafter  Schilderung  alle  jene  phantastischen  Thier- 
gehilde gekennzeichnet  sind,  die  zwar  dort  in  Stein  geschnitzt  (in  marmori- 
bus)  aber  auch  vornehmlich  hi  reichen  meist  orientalischen  Seidenstoffen  selbst 
die  liturgischen  Gewiinder  an  Festtagen  belebten.  „.  ■  ■  •  Caeterum  iu  clau- 
stris  corara  legentibus  fratribus  quid  tacit  illa  ridicula  monstruositas ,  mira 
quaedam  deformis  formositas  ac  formosa  deformitas;  quid  ibi  inmiundae  simiae, 
quid  feri  leones,  qiud  monstruosi  centauri,  quid  semihomines,  quid  maculo- 
sae  tigrides,  quid  milites  pugnantes,  quid  veuatores  tubicinautes?  Videas  sub 
uuo  capite  multa  Corpora  et  rursus  in  uno  corpore  capita  multa.  Cernitiu' 
hinc  in  quadrupede  cauda  serpentis,  illinc  in  pisco  caput  quadi'upedis ;  ibi 
bestia  praefert  equum,  caprain  trahens  retro  dimidiam,  hic  cornutum  animal 
equum  gestat  posterius.  Tarn  multa  denique  tamque  mira  diversarum  for- 
marum  ubique  varietas  apparet  magis  legere  libeat  iu  marmoribus  quam  in 
codicibus,  totumque  diem  occupare  singula  ista  mirando  quam  in  lege  Dei 
meditando.  Pro  Deum  si  non  pudet  ineptiarum  cur  vel  non  piget  expen- 
sarum?"    Sti.  Bernardi  Apolog.  ad  Guilielmum  abbat,  cap.  XI.  (ad  finem). 


—    70  — 


sagten  zufolge  sind  wir  jedoch  nicht  der  Ansicht ,  dass  die  Stolen 
jemals  Verbrämungen  der  altern  Caseln  gewesen  seien  und  daher 
ihr  Ursprung  abzuleiten  sei,  sondern  wir  glauben,  dass  diese  älte- 
ren Ovaria  zu  Andechs  ursprünglich  als  Stolen  in  Form  von  schma- 
len Bandstreifen  gewebt  worden  sind.  ') 

Im  Gegensatze  zu  den  äusserst  schmalen  und  langen  Stolen 
des  XI.  und  XII.  Jahrhunderts,  wie  wir  dieselben  im  Vorhergehen- 
den besprochen  haben,  finden  sich  heute  noch,  der  Ueberlieferung 
zufolge,  als  integrirende  Theile  zu  der  casula  Sti.  Bemardi  im 
Schatze  des  Münsters  zu  Aachen  eine  reich  in  Gold  gestickte 
Stole  mit  dazu  gehörendem  Manipel  vor,  die  von  griechischen 
Künstlern  gestickt,  die  auffallende  Breite  von  mehr  als  12  Centim. 
zeigen,  bei  einer  Länge  von  1  Metr.  88  Centimetres.  Diese  merk- 
würdige Stole  ^)  nebst  Manipel  erinnert  durchaus  in  Breite  und 
Verzierungsweise  an  das  entsprechende  Gewandstück  des  oqüqiov, 
wie  es  heute  noch  in  der  griechischen  Kirche  in  Gebrauch  ist. 
Auf  dem  ganz  in  Goldfäden  gemusterten  Fond  dieser  beiden  Or- 
natstücke erblickt  man  in  Plattstich  gestickt  mehrere  gefeierte  Hei- 
lige der  griechischen  Kirche  in  bischöflichen  Gewändern,  deren 
Namen  durch  beigestickte  griechische  Inschriften  näher  angegeben 
sind.  Auffallender  Weise  zeigt  dieser  griechische  Manipel  bereits 
eine  kleine  Erweiterung  als  Pedalstück  an  der  Ausmündung;  die 
Stole  jedoch  endet  unten  geradlinig.  Die  fimbriae  an  diesen  bei- 
den Ornatstücken,  in  Gold  und  Seide  gewirkt,  sind  mit  grossem 
Kunstsinne  und  Zierlichkeit  als  Knoten  mit  Fransen  geschlungen. 

Noch  auf  eine  zweite  Stole  griechischen  Ursprungs,  die  eben- 
falls wie  die  vorher  besprochene  dem  XII.  Jahrh  angehört,  machen 
wir  hier  im  Vorbeigehen  aufmerksam ,  die  sich  heute  als  coluinna 
auf  der  Rückseite  eines  Messgewandes  im  Dome  zu  Kaschau  in  Un- 
garn unzweckmässifj  aufgenäht  befindet.  Es  stimmt  dieser  ßest  einer 
ehemaligen  Stole ,  der  heute  noch  mit  den  Bildwerken  fünf  ver- 
schiedener Heiligen  verziert  ist,  mit  der  Charakteristik  und  der 
Technik  der  gestickten  Figuren  an  der  Stole  zu  Aachen  vollkom- 
men überein  und  hat  diese  griechische  Nadelmalerei  zu  Kaschau, 
ebenfalls  auf  gemusterten  Goldfond  gestickt,  dieselbe  Breite,  wie 


')  Es  wäre  sehr  zu  wünschen ,  dass  in  einer  archäologischen  Zeitschiift  diese 
Stolen  zu  Andechs  niiliei-  beschrieben  und  abgebildet  würden. 

-)  "Wir  werden  nächstens  diese  seltene  Stole  und  Manipel  bildlich  wiedergeben 
und  ausführlicher  beschreiben  in  einem  grossem  Werke,  das  den  Titel 
führen  wird:  „Das  Münster  zu  Aachen  und  seine  Kunstschätze;  Beschrei- 
bung des  Karolingischen  Octogons,  seiner  spätem  Anbauten  und  sämmtlicher 
daselbst  befindlichen  Kunstwerke,  mit  mehr  als  120  Holzschnitten." 


—    71  - 


die  beiden  vorher  beschriebenen  Ornatstücke  im  Schatze  zu  Aa- 
chen. ')  Die  in  rother  Seide  auf  Gokl  gestickten  griechischen  In- 
schriften zu  Häupten  der  Heiligenfiguren  an  dieser  ehemaHgen 
Stole  des  Kaschauer  Domes  lauten  in  Minuskelschriften,  wie  folgt : 
„0  uyioQ  yuß^ii'j'k  uQ/.  o  uyiog  icouv.  o  /()vooaTOf.tog,  o  uyioq  yijiyo()iog 
o  d'ioloyog,  o  ayioq   y.iQi'kXoq,  o  uymg  t)/,^</;r(j/o;." 

Bei  der  Seltenheit  der  Stolen  und  Manipel  aus  dem  XII.  und 
XIII.  Jahrhundert  dürfte  es  hier  am  Orte  sein,  auf  die  grössere 
Zahl  von  Stolen  hinzuweisen ,  die  in  der  angegebenen  Epoche  in 
gleichzeitigen  Kirchenschiätzen  sich  verzeichnet  finden.  So  zählt  ein 
Inventar  der  Kirchenschätze  der  Abtei  Martinsberg  (bei  Raab  in 
Ungarn)  aus  dem  XII.  Jahrhundert  als  gehörend  zum  bischöf- 
lichen Ornat  auf,  wie  folgt: 

„His  exceptis  sunt  VIII  infulae  cum  stoHs  -)  manipulisque. 
Restant  VI  stolae  cum  eorum  manipulis." 

Bereits  im  XI.  Jahrhundert  fanden  sich  in  dem  sacrarium  der 
Stiftskirche  von  St.  Georg  zu  Köln  zwölf  Stolen  vor,  mit  den  dazu 
gehörigen  Manipeln,  gemäss  dem  ^Vortlaute  eines  uns  in  Abschrift 
vorliegenden  Inventars,  woi'in  es  nach  andern  Aufzählungen  heisst : 
„XII  stole  cum  totidem  fanonibus  et  una  absque  fanone." 

Aus  diesem  Citat  lässt  sich  entnehmen,  dass  gegen  das  XI. 
Jahrhundert  in  kölnischen  Kirchen  sich  in  der  Regel  Stole  und  Ma- 
nipel als  zwei  zusammengehörende  Theile  vorfanden  und  dass  be- 
reits um  diese  Zeit  der  Manipel  den  latinisirten  Namen  fanon 
führte.  Auch  das  Inventar  der  Kirchenschätze  des  Bamberger 
Domes  vom  Jahre  1128  zählte  schon  damals  als  im  vestiarium  be- 
findlich 17  Stolen  aus  Goldstoffen  angefertigt  oder  mit  Stickereien 
in  Goldfäden  verziert.    Die  bezügliche  Stelle  lautet: 

„Stole  XVII  ex  auro,  VIII  fanones  subdyaconorum  ex  his 
IV  cum  aurifrigio." 

Da  bekanntlich  dem  Subdiakon  der  Gebrauch  der  Stole  nicht 
gestattet  ist,  die  nur  dem  Diakon  zusteht,  so  sind  unter  den  „VIII 
fanones"  die  Manipel  der  Subdiakonen  zu  verstehen ,  die  wahr- 
scheinlich an  dem  untern  Fusstheile  mit  reichern  Stickereien  ver- 


')  Wir  haben  diese  werthvollen  Stickereien  einer  altern  Stole  nebst  den  übri- 
gen Stickereien  und  mittelalterlichen  Messgewändern  aus  dem  vestiarium 
des  Kaschauer  Domes  in  einer  besondern  Abhandlung  mit  Beigabe  der  nö- 
thigen  Abbildungen  näher  beschrieben,  und  werden  wir  dieselben  in  kurzer 
Zeit  in  den  „Mittheilungen  der  k.  k.  Central-Commission"  verölfentlichen. 

2)  Zu  diesen  acht  Mitren  scheinen  dem  Wortlaute  des  Obigen  zufolge  eben  so 
viele  bischöfliche  Stolen  und  Manipel  gleichsam  als  integrirende  Theile  ge- 
hört zu  haben. 


—    72  — 


sehen  waren.  Ausführlicheres  über  die  Stolen  und  deren  Beschaf- 
fenheit lesen  wir  in  dem  „inventarium  ornanientorum  Ecclesiae 
Sarum  an.  D.  MCCXXII."  Wir  führen  hier  den  Wortlaut  desselben 
an:  „Stola  una  et  manipulus  unus  cum  perlis  et  margaritis.  ')  Stole 
III  cum  manipulis  IUI  brodate.  Stola  una  cum  manipulo  uno 
ornata  aurifriso  a  latere.  ^)  —  Item  Stole  due  de  serico  cum  ma- 
nipulis II  unde  una  est  de  serico  albo."  Wir  wollen  es  bei  der 
Aufzählung  von  altern  Stolen  nicht  übergehen,  dass  das  Inventar 
des  Trierer  Domes  vom  Jahre  1238  unter  andern  reichen  Orna- 
ten auch  anführt:  „Item  IUI  stolas  bonas  et  fanonem  subdiaconi." 
Desgleichen  steht  auch  in  dem  Schatzverzeichniss  des  Domes  von 
Monza,  angefertigt  im  Jahre  1275,  unter  andern  Kirchenzierrathcn 
angegeben:  „Item  stole  VIII  quarum  tres  sunt  deaurate  ■'')  et  illa- 
rum  una  est  de  veridella  ^)  aurea;  item  manipuli  XVI  quorum 
unus  habet  pendicula  aurea  et  unus  aureatus  est  sive  argentatus." 
Wir  befürchten  diese  Abhandlung  über  die  Gestalt  und  Verzie- 
rungsweise der  Stolen  zu  weit  auszudehnen,  wenn  wir  hier  fort- 
fahren wollten,  die  bischöflichen  und  festtäglichen  Stolen  erläuternd 
zu  beschreiben,  die  seit  dei-  Mitte  des  XIII.  Jahrhunderts  unter 
dem  Einflüsse  der  entwickelten  und  selbstständio-  ocwordenen  Go- 
thik  auf  der  gegebenen  Grundlage  und  Gestaltung  der  Stole  und 
des  Manijtels  der  romanischen  Kunstepoche  sich  formell  weiter  ge- 
bildet und  künstlerisch  entwickelt  haben. 

Bei  diesem  chronologischen  Nachweis  über  die  Form  und 
künstlerische  Ausstattung  der  bischöflichen  und  festtäglichen  Sto- 
len von  dem  XIII.  bis  zum  XV.  Jahrhundert  müssen  wir  hier  im 
Voraus  gegen  die  Annahme  Verwahrung  einlegen ,  als  ob  bereits 
in  der  gothischen  Kunstepoche  die  Stole  als  selbstständiges  und 


')  Diese  eine  Stole  luul  Mauipel,  wahrscheiulicli  tur  bischöfliclioi)  Gebraudi, 
war  mit  Stickereien  vcm  Perlen  und  Edelsteinen  geschmückt. 

-)  Diese  Stole  dürfte  auf  der  einen  Seite  mit  goldenen  L'iansen  vciziert-  ge- 
wesen sein  oder  mit  goldgestickten  Zierrathen  an  den  untern  Ausmiuidun- 
gen,  oder  auch  an  den  beiden  Rändern  (a  latere). 

^)  Unter  diesen  drei  Stolen,  die  als  die  vorzüglichem  mit  dem  Ausdruck 
deauralae  bezeichnet  werden,  sind  wahrscheinlich  Stolen  für  festtäglichen 
Gebrauch  zu  versteli(;n,  die  entweder  aus  geweihtem  Goldstoff  angefertigt 
waien,  oder  die  mit  reichen  Goldstickereien  und  mit  Anwendiuig  von  in 
Silberblech  gearbeiteten  und  vergoldeten  Zierratheu  stellenweise  ornameutirt 
waren. 

Unter  dieser  Bezeichnung  dürfte  ein  eigenthümliches  Goldgewebe  zu  ver- 
stehen sein,  aus  der  italienischen  Seiden-Fabricatiou  herrührend,  wofür  diese 
Localbezeichnuug  galt. 


—    73  — 


für  sich  allein  bestehendes  Ornatstück  aufgefasst  und  als  solches 
von  der  Kunst  mit  besonderer  Vorliebe  ausgebildet  und  entwickelt 
worden  sei.  Nach  langjährigen  eingehenden  Studien  der  litur- 
gischen Gewänder  und  nach  Besichtigung  einer  grossen  Zahl  älte- 
rer Stolen  müssen  wir  eingestehen ,  dass  uns  aus  dem  Älittelalter 
keine  besonders  reichverzierte  Stole  zu  Gesicht  gekommen  ist,  die 
in  Weise  unserer  heutigen  Festtassstole  im  Mittelalter  die  Be- 
stimmunjr  hatte ,  bei  besondern  kirchlichen  Functionen  als  selbst- 
ständiges  hervorragendes  Ornatstück  in  reicher  Ausstattung  über 
der  Albe  setrao-en  zu  werden.  Die  Stolen  des  Mittelalters  waren 
durchfrehentls  intea;rirende  Theile  der  Casel  und  werden  dieselben 
deswegen  auch  zugleich  mit  dem  betreffenden  Manipel  in  altern 
Schatzverzeichnissen  von  dem  XII.  bis  zum  XVI.  Jahrb.  meistens 
innner  in  ihrer  Zusammengehörigkeit  als  dem  Messgewande  beige- 
ordnete  Theile  aufgofiihrt.  Bei  einfachem  Messgewiindern  waren 
deswegen  Stole  und  Manipel  entweder  einfach  aus  jenem  mehr  oder 
weniger  reichgewirkten  Stoffe  als  lange  Bandstreifen  geschnitten, 
der  auch  zur  Anfertigung  des  Messgewandes  benutzt  wurde,  oder 
Stole  und  Manipel  zeigten  durch  Stickereien  und  Wirkereien  jene 
Verzierungen ,  die  an  den  ebenfalls  gestickten  aurifrisiae  des 
Messgewandes  in  verwandten  Formen  zur  Darstellung  gekommen 
waren. 

In  den  Sacristcien  der  Marienkirche  zu  Danzig  und  des  Domes 
zu  Halberstadt  findet  man  noch  eine  grössere  Zahl  von  mittelalter- 
lichen Stolen  und  Manipeln  vom  XIII.  bis  zum  XVI.  Jahrhundert 
vor,  die  aus  Seiden-  und  Goldstoff'en  als  lange  Bandstreifen  aus- 
geschnitten und  als  torques  meistens  aus  zwei  oder  drei  Stücken 
zusanunengenäht  sind.  Die  reichgemusterten  zu  diesen  Ornat- 
stücken  verwandten  Seidenstoffe  sind  hinsichtlich  der  Musterun- 
gen und  der  Farbe  meistens  mit  den  Stoffen  des  dazu  gehörenden 
Messgewandes  vollkonunen  übereinstimmend.  Diese  Stolen  und 
Manipel  sind  in  der  Kegel  an  den  xmtcrn  Ausmündungen  mit  lan- 
gen und  dichten  Seiden-  oder  Goldfransen  verziert.  Die  Breite 
derselben  übersteigt  selten  10  bis  11  Centimetres:  die  Länge  der- 
selben  liegt  in  der  Regel  zwischen  2  Metr.  65  bis  75  Centim.  In 
der  Zither  des  Domes  zu  Halberstadt  findet  man  jedoch  auch  noch 
mehrere  Stolen  mit  reich  gestickten  und  goldgewirkten  Verzie- 
rungen  vor,  die  ehemals  bischöflichen  Gebrauches  gewesen  zu  sein 
scheinen  und  wozu  heute  sich  ebendaselbst  die  dazu  gehörigen 
Messgewänder  zu  festtäglichem  Gebrauche  erhalten  haben.  Auch 
diese  reich  verzierten  Stolen  zu  Ilalberstadt  lassen  deutlich  erken- 
nen, dass  sie  nicht  vereinzelt  getragen  wurden,  sondern  ein  Schad- 


—    74  — 


haftwerden  an  jenen  Stellen,  wo  sie  vermittels  des  Gürtels  in  Kreu- 
zesform angelegt  und  auf  der  Brust  befestigt  wurden ,  dürfte  als 
Beleg  gelten,  dass  sie  in  der  Regel  unter  der  Casel  bei  Feier  der 
h.  Messe  im  Mittelalter  gebraucht  worden  sind.  Die  Abbildung 
auf  Tafel  VIII  Fig.  3  veranschaulicht  in  bedeutend  verkleinertem 
Maassstabe  eine  reichverzierte  Stole,  die  ehemals  zum  Gebrauche 
an  höhern  Festtagen  gedient  haben  mag.  Dieselbe  ist  nur  6'/^ 
Centim.  breit  und  hat  eine  grösste  Längenausdehnung  von  2  Met. 
59  Centim.  Auf  einem  blau  gestickten  Fond  hat  die  Kunst  der 
Nadel  in  gefälliger  Schwingung  ein  früh-gothisches  Pflanzenorna- 
ment durch  Unterlage  einer  Schnur  erhaben  gestickt,  damit  auf 
dieser  Unterlage  kleinere  Perlen  angebracht  werden  konnten.  Die- 
selben fehlen  heute,  und  sieht  man  noch  die  weissen  Verbindungs- 
stiche, vermittels  welcher  diese  Perlen  auf  der  vorspringenden 
Fläche  von  Leinen  ehemals  befestigt  worden  sind.  Diese  ornamen- 
tale Perlstickerei  wurde  auf  beiden  Seiten  durch  gestickte  Einfas- 
sungsränder in  rother  Seide  und  in  Goldfaden  umrandet  und  ab- 
gegrenzt. Wie  die  Abbildung  auf  Taf.  VIII  Fig.  3  es  veranschau- 
licht, sind  die  untern  pendulae  dieser  Stole  vermittels  eines  kleinen 
in  Goldfäden  gestickten  Ansatzes  erweitert,  auf  welchen  durch 
Stickereien  in  Relief  die  zwei  bekannten  Symbole  des  Sohnes  und 
des  heiligen  Geistes,  nämlich  das  Lamm  und  die  Taube,  bildlich 
wiedergegeben  sind.  Viele  technische  Einzelheiten  deuten  darauf 
hin,  dass  dieses  Ornatstück  in  der  ersten  Hälfte  des  XIV.  Jahrb., 
wahrscheinlich  durch  den  Kunstfleiss  von  Ordensfrauen,  Entstehung 
gefunden  habe.  Ohne  Zweifel  gehörte  zu  dieser  Stole  ehemals  ein 
ähnlich  gearbeiteter  Manipel,  der  auf  der  Vorderseite  des  Fuss- 
stückes wahrscheinlich  das  Symbol  der  ersten  Person  der  Gott- 
heit erkennen  Hess ,  nämlich  die  segnende  Hand  des  Vaters  mit 
dahinter  befindlichem  gekreuzten  Nimbus.  ') 

Um  eine  Vorstellung  zu  erhalten,  welchen  Reichthum  des 
Stoffes  und  der  aufgestickten  Ornamente  die  bischöflichen  Stolen 
und  Manipel  im  XIV.  Jahrhundert  boten,  verweisen  wir  hier  im 
Vorbeigehen  auf  die  prachtvolle  kaiserliche  Stole,  die  heute  zu  den 
Kleinodien  des  deutschen  Reiches  gehörend,  im  Schatze  zu  Wien 
aufbewahrt  wird.    Dieselbe  hat  eine  Breite  von  fast  17  Centim. 


')  Audi  dieses  Ornatstück  ist  mit  vielen  andern  liturgisclien  Gewändern  durch 
Ankauf  in  unsern  Besitz  gelangt,  nachdem  im  Sonderbuudskriege  so  viele 
Kunstwerke  reicher  Abteien  ujid  Stifte  der  Schweiz  vogelfrei  geworden  und 
in  die  Hände  jüdischer  Händler  auf  öffentlichen  Versteigerungen  gelangt 
■waren. 


-    75  — 


und  die  auffallende  Länge  von  mehr  als  ^}/.^  Met.')  Der  Grund- 
stofi'  dieser  Stole  gibt  sich  als  ein  zartes  Gewebe  von  gelber  Seide 
mit  einer  kleinen  Musterung  in  Goldfäden  zu  erkennen.  Statt  der 
einfassenden  Borden  hat  der  Perlsticker  an  den  beiden  äussern 
Rändern  zwei  Schnüre  von  orientalischen  Perlen  als  Abschluss 
und  Einfassungsrand  befestigt.  Die  reichste  Zierde  erhält  diese 
kaiserliche  Stole  durch  kreuzweise  eingewirkte  Rundmedaillons,  in 
welchen  jedesmal  vermittels  des  Einschlags  einküpfige  Adler  als 
Wappen  des  deutschen  Reiches  in  schwarzer  Seide  auf  Gold- 
grund eingewirkt  sind.  Mit  diesen  heraldischen  Abzeichen  wech- 
sein  jedes  Mal  in  Fünfeck  gestellte  kleinere  Medaillons  in  Stern- 
und  Vierpass-Form  ab,  die  aus  Goldblech  getrieben  sind  und  in 
welche  der  Emailleur  die  zierlichsten  durchsichtigen  Schmelze  in 
stets  neuer  Musterung  vertieft  eingelassen  hat.  Sowohl  diese 
vielen  eingeschmelzten  Goldbleche,  die  auf  der  Kaiserstole  nach 
einem  gewissen  System  stellenweise  aufgenäht  sind ,  als  auch  die 
eingewebten  Rundmedaillons  mit  dem  deutschen  Reichsadler  sind 
jedesmal  mit  einer  doppelten  Umrandung  von  Perlen  eingefasst. 
Die  meisten  stofflichen  Pontificalkleinodien  des  ehemaligen  deut- 
schen Reiches,  die  von  1424  bis  1796  fortwährend  in  dem  Schatz- 
gewölbe der  h.  Geistkirche  zu  Nürnberg  von  Reichswegen  aufbe- 
wahrt wurden,  gehören  dem  XII.  Jahrhundert  an  ;  die  eben  gedachte 
Kaiserstole  jedoch  möchte ,  wenn  nicht  in  den  Tagen  des  prunk- 
liebenden Karl  IV.,  dann  frühestens  unter  der  Regierung  Kaisers 
Ludwig  des  Baiern  in  der  ersten  Hälfte  des  XIV.  Jahrhunderts 
angefertigt  worden  sein. 

In  ähnlicher  kunstreicher  Verzierungsweise  wurden  im  XIV. 
Jahrhundert  gewiss  mehrere  bischöfliche  Stolen  und  Manipel  vor- 
gefunden, da  ältere  Schatzverzeichnisse  häufig  von  Stickereien  an 
bischöflichen  Ornaten  sjirechen,  worin  spatuli  ad  arina,  nämlich 
Medaillons  mit  heraldischen  Thierzeichen  vorkommen.  Auch  auri- 
frisiac  mit  kleinern  Medaillons  aus  getriebenen  Gold-  und  Silber- 
blechen und  von  Perlen  eingefasst  werden  in  Inventaren  des  XIII. 
und  XIV.  Jahrhunderts  häufig  namhaft  gemacht,  die  entweder 
placti  de  auro  oder  auch  pecü  auri  pro  smultis  ^)  genannt  werden. 


')  Diese  Prachtstole  Hess  sich  in  ihrer  merkwürdigen  Länge  nur  dann  anlegen, 
wenn  man  annimmt,  dass  ein  grösserer  Theil  nach  hinten  hin  zusammen- 
genäht war  und  gleichsam  als  caputium  über  der  Pluviale  getragen  wiu-de. 

-)  Diese  Bezeichnungen  für  aufgenähte  und  mit  vielfarbigen  Schmelzen  ver- 
zierte Goldbleche  kommen  in  dem  Inventar  der  Kleinodien  des  Domes  von 
Anagni  bei  den  Geschenken  Papst  Bouifacius'  VIII.  häufig  vor,  und  nimmt  es 


—    76  — 


Als  im  XIV.  und  XV.  Jahrhundert  das  Ritterthum  seine 
höchste  Entwickelung  erreicht  hatte,  als  auch  die  Patrizier  der 
freien  Reichsstädte  mit  dem  Adel  auf  Burgen  und  Schlössern  im 
öffentlichen  und  Privatleben  wetteiferten  ,  begannen  in  der  bilden- 
den Kunst  die  Wappenschilder  mit  heraldischen  Abzeichen  eine 
bevorzugte  Stelle  einzunehmen.  In  dieser  Periode  wurde  es  auch 
gebräuchlich ,  nicht  nur  die  verschiedenen  Gei'äthschaften  mit  den 
beliebten  Geschlechtsvvappen  auf  die  vielgestaltigste  Weise  zu  ver- 
zieren, sondern  auch  die  liturgischen  Gewänder  wurden  von  jetzt 
ab  in  den  praetextae  und  den  ornamentalen  Stäben  mit  einer 
Menge  von  eingestickten  Wappen  verziert,  die  stellenweise  mit  ein- 
gesticktem stilisirtem  Laubwerk  abwechselten.  Namentlich  boten 
die  festtäglichen  und  bischöflichen  Stolen ,  schmale  Bandstreifen 
mit  meistens  eingewirkten  Laubornamenten,  hinlänsliche  Gelegen- 
heit ,  die  Familien  -  Abzeichen  des  Geschenkgebers  und  seiner 
oft  weit  verzweigten  adeligen  Verwandtschaft  durch  Nadelarbeiten 
anbringen  zu  lassen.  So  kommen  in  den  Zunft-  und  Schreins- 
büchern des  alten  Köln  bereits  im  XIV.  Jahrh.  die  Namen  von 
hervorragenden  Bild-  und  Wappenstickern  und  Stickerinnen  vor, 
deren  Beschäftigung  darin  bestand ,  mit  ziei'lichen  Ornament-  und 
Perlstickereien  die  verschiedenen  bischöflichen  und  priesterlichen  Or- 
natstücke zu  verzieren.  Bei  diesen  Ornamenten  und  Stickereien,  die 
im  alten  Köln  von  der  Innung  der  „  Wappensticker  und  Wappen- 
vvirker"  angefertigt  wurden,  fehlte  gewiss  nicht  die  Darstellung 
von  Wappenschildern,  worin  nicht  nur  die  heraldischen  Abzeichen 
der  Bestellgeber,  sondern  auch  sehr  häufig  die  instrumenta  Domi- 
nicae  passionis  zu  ersehen  waren.  ')  So  wird  bereits  1343  in  den 
kölnischen  Schreinsbüchern  eine  Bela  de  Tuycio  (Deutz)  namhaft 
gemacht  als  factrix  stolarum;  1417  steht  ferner  im  Schreinsbuch 
„Niederich"  zu  Köln  bezeichnet  eine  Christina  von  Neuss  die 


den  Anschein,  dass  in  diesem  Scliatzverzeicluiiss  jene  reichen  Stickereien 
mit  dazwischen  befindlichen  aufgenähten  Medaillons  in  Gold-  und  Silberblech 
opectB  Teoionica  genaimt  werden. 

•)  Solche  in  Gold  gewirkten  und  gestickten  Arbeiten  der  Zunft  der  kölni- 
schen Wappenwü'ker  und  Sticker,  die  mit  eingewirkten  Wappenschildern 
mit  Inschrift  und  Laubwerk  verziert  sind,  hat  unsere  Privatsammlung  noch 
in  grösserer  Zalü  aufzuweisen.  Auch  in  der  Sacristei  von  St.  Johann  und 
von  St.  Georg  in  Köln  finden  sich  noch  goldgewirkte  Stäbe  mit  Wappen- 
schildern, die  Leidenswerkzeuge  des  Heilandes  enthaltend,  aus  dem  XV. 
Jahrhundert  vor,  wie  in  ähnlicher  Weise  um  diese  Zeit  durch  Stickerei  und 
Wirkerei  die  bischöflichen  Stolen  gemustert  zu  werden  pflegten. 

-)  Vgl.  „Nachrichten  von  dem  Leben  und  den  Werken  kölnischer  Künstler  von 
J.  Merlo."  Seite  195  und  196.   Köhl  1852. 


—    77  — 


sich  mit  Perlstickereien  zu  klrclilifhen  Ornaten  befassfe.  Dem  Wort- 
laute nach  steht  in  dem  hetreffenden  Docunient:  Stingin  van  IWisse, 
perle.}! >(tirkers:Kp.  Gegen  1384  wird  daselbst  auch  namhaft  gemacht 
eine  Stina  de  Wippervurde,  factrir.  stolarum. 

Um  im  chronologischen  Zusammenhange  die  Beschreibuno;  der 
formellen  und  künstlerischen  Beschaffenheit  der  bischöflichen  und 
reichern  Festtagsstolen  und  Manipel  bis  zum  Schlüsse  des  Mittel- 
alters fortzusetzen ,  machen  wir  hier  schliesslich  noch  auf  reich 
gestickte  Stolen  und  jNIanipel  aufmerksam,  die  sich  in  grösserer 
Zahl  vmd  in  vielgestaltiger  Abwechselung  der  Farbe  und  der  Mu- 
ster in  ältetn  Stifts-  und  Kathedralkirchen  heute  noch  erhalten 
haben.  Diese  Stolen  und  Manipel  sind  in  der  Regel  auf  einem 
feinen  Cannevasleinen,  einer  Art  Stramin,  in  Flochseide  so  in  ihrer 
Ganzheit  gestickt,  dass  sich  in  reicher  Abwechselung  der  Farben 
eine  vielgestaltige  Musterung  in  jenen  Mäanderformen  und  qua- 
dratischen Verbindungen  ergibt,  die  die  Stickerei  in  der  Gothik 
von  den  geübten  Vorgängern  aus  der  romanischen  Kunst-Epoche 
als  feststehende  traditionelle  Dessins  übernommen  und  weiter  fort 
entwickelt  hatte.  Wir  haben  auf  Tafel  XVIII,  Fio-.  4  den  un- 
tern  Fusstheil  einer  solchen  reichern  Stole  in  Straminstickerei  von 
Seide  mit  vielfarbigen  Mäanderformen  ,  aus  unserer  Sammlung  her- 
rührend, in  Abbildung  mitgetheilt,  wie  sie  im  XV.  Jahrb.  häufiger 
angefertigt  wurden.  Wie  diese  Copie  zeigt,  ist  das  untere  Fuss- 
stück ein  wenig  erweitert  und  mit  einer  Goldstickerei  verziert. 
Dieselbe  hat  übereinstimmend  mit  den  ältern  Stolen  aus  der  ro- 
manischen und  früh-gothischen  Zeit  eine  Breite  von  nur  7  Centim. 
bei  einer  Länge  von  2  Metr.  (il  Centim. 

Es  verdient  hier  besonders  hervorgehoben  zu  werden,  dass 
selbst  im  Ausgange  des  Mittelalters  weder  an  den  Stolen  noch 
auch  an  den  Manipeln  für  den  bischöflichen  und  festtäglichen 
Gebrauch  sich  jene  unschönen  Goklborden  vorfinden ,  womit  die 
moderne  Tressenwirkerei  erst  seit  dem  XVII.  Jahrhundert  die 
verschiedenen  kirchlichen  Ornate  zu  behalten  und  zu  überladen 
begonnen  hat.  Als  eine  würdige  und  sinnreiche  Stickerei  an  den 
Stolen  und  Manipeln  im  XV.  und  theilweise  im  XVI.  Jahr- 
hundert noch  allgemeiner  angewandt  wurde,  begnügte  man  sich, 
mit  einem  äusserst  schmalen  Rande  reichere  Stolen  und  ]\Ianipel 
einzufassen  und  abzugrenzen.  Erst  als  mit  dem  XVII.  und  vol- 
lends mit  dem  XVIII.  Jahrhundert  die  untere  schaufelförmiffe 
Erweiterung  an  Stole  und  Manipel  ohne  Noth  imd  gewiss  nicht 
zur  Zierde  dieser  beiden  ehemals  bescheiden  oestalteten  Ornat- 
stücke    hinzugefügt   wurde,   kommen,    herbeigeführt  durch  den 


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profanisirenden  unästhetischen  Geschmack  meistens  franzüsischer 
Goldsticker,  die  breiten  und  kostspieligen  Goldtressen,  deren  Echt- 
heit in  vielen  Fällen  beanstandet  werden  niuss,  mehr  und  mehr 
als  Hauptsache  imd  wesentliches  Ornament  in  Aufnahme. 

Dem  Rubricisten  Gavantus,  in  dem  Anhang  zu  seinem  tliesaurus 
sacrorum  rituum  zufolge ,  ist  es  erweislich ,  dass  im  XVII.  Jahr- 
hundert in  Eom  und  in  vielen  Diücesen  Italiens  die  vorhin  er- 
wähnte zweckwidrige  Erweiterung  der  Fussstücke  der  Stolen  nicht 
gebräuchlich  war.  Hingegen  gibt  Gavantus  an,  dass  nach  alter  Ge- 
wohnheit auf  der  Stole,  desgleichen  auch  auf  dem  Manipel,  drei 
kleinere  Kreuze  in  Quadratform  anzubringen  seien.  Diese  Kreuze, 
wovon  Gavantus  spricht ,  haben  wir  auf  keiner  Stole  aus  dem 
Mittelalter  vorgefunden.     Die   ältesten   Stolen  und   Manipel  in 
Deutschland,  die  mit  diesen  Kreuzen  versehen  zu  unserer  Ansicht 
gelangt  sind,  rühren  aus  dem  Schlüsse  des  XVL  Jahrhunderts 
her.    Wir  stellen  es  nicht  in  Abrede,  dass  in  Rom  und  italieni- 
schen Diücesen  auch  bereits  im  Mittelalter  als  passende  Ornamente 
diese  drei  Kreuze  in  Anwendung  gekommen  seien,  um  so  mehr,  da 
auch  das  pallium,  das  dieselbe  Breite  mit  der  Stole  hatte,  seit  dem 
frühen  Mittelalter  mit  Kreuzen  gemustert  war,  und  überhaupt  auch 
Ornamente  von  Kreuzen  seit  der  frühesten  Zeit  in  liturgischen  Ge- 
wändern, sowohl  in  der  lateinischen  als  in  der  griechischen  Kirche 
sehr  häufig  zur  Anwendung  kamen.  ')    Auch  stimmt  Gavantus  in 
seinen  Angaben  über  die  Grössenverhältnisse  und  die  ornamentale 
Beschaffenheit  der  Stole  und  des  Manipels  noch  so  ziemlich  mit 
dem  Maass  der  Stolen  im  Mittelalter  überein.    Desgleichen  bricht 
er  auch  über  die  profanen  meistens  unechten  Goldquasten  den  Stab, 
womit  der  Posamentirer  in  sehr  unkirchlicher  Weise  die  pomp- 
haften Stolen  der  zwei  letzten  Jahrhunderte  in  der  Mitte  versehen 
hat,  um  das  Zusammenhalten   derselben  leichter  zu  bewerkstel- 
ligen.    Von   diesen  Quasten   und  Troddeln  haben  wir  ebenfalls 
bei   mittelalterlichen  Stolen  nicht  die  mindesten  Anzeichen  vor- 
gefunden. 

Noch  erübrigt  es,  der  Vollständigkeit  wegen,  nach  Erläuterung 
der  Form  und  künstlerischen  Beschaffenheit  der  reichern  Stolen 
des  Mittelalters  nachträglich  Einiges  über  den  Manipel  und  seine 
geschichtliche  Entwickelung  hierorts  einzuschalten.  Da  sich  in 
dem  vorliegenden  kurz  abgegrenzten  Räume  nicht  alles  das  zu- 


')  Wir  erinnern  hier  nur  im  Vorbeigehen  an  die  betreffenden  Angaben  des 
Anastasius  Bibliothecarius ,  an  die  holoserica  cum  urlkulis  ei  cmce  und 
an  die  vestes  de  stauracin. 


—    79  — 


sammenstellen  lässt,  ^vas  noch  über  den  Ursprung  und  die  all- 
niälige  Entwickelung  der  Stole  und  des  Manipela  zuzufügen  wäre, 
so  werden  wir  bei  Besprechung  der  Stolen  und  Manipel  zum 
Gebrauche  der  Diakonen  das  Fehlende  zu  ergänzen  suchen,  und 
bemerken  nur  über  die  Form  und  künstlerische  Verzierung  des 
bischöflichen  Manipels  im  Mittelalter,  so  wie  über  die  Anlegungs- 
weise desselben  Folgendes. 

Noch  in  den  Tagen  des  Alcuinus  und  des  nicht  viel  spätem 
Amalarius  Fortunatus  war  der  heutige  bischöfliche  manipulus  ein 
längliches  leinenes  Tuch,  das  als  sudarium  auf  dem  linken  Arm 
getragen  wlirde,  um,  wie  Alcuinus  und  Amalarius  übereinstim- 
mend sagen,  damit  die  pituita  oailorum  et  narium  zu  beseitigen. 
Als  solches  Leintuch  führt  es  bei  Alcuin  den  Namen  mappula  und 
bei  Amalarius  den  Namen  sudarium.  Doch  schon  zu  den  Zeiten 
des  Rhabanus  Maurus,  der  den  Manipel  mappula  oder  viantile  nennt, 
scheint  in  deutschen  Kirchen  aus  dem  im  Süden  früher  gebräuch- 
lichen Schweisstuche  ein  der  Stole  ähnliches  Ornatstück  sich  gestaltet 
zu  haben  ,  das  Rhabanus  mit  der  graecisirten  Bezeichnung  phanoti 
benennt,  welche  Benennung  Einige  von  dem  sächsischen  Ausdruck 
Fahne  haben  herleiten  wollen. ')  Obschon  Bischof  Ivo  von  Chartres  ^) 
(t  1115)  noch  den  Manipel  als  Schweisstuch  zu  kennen  scheint,  zum 
persönlichen  Gebrauch  des  pontifex  und  nicht  bloss  als  eine  orna- 
mentale Reminiscenz  an  das  ehemalige  sudarium,  so  düi'fte  doch 
der  Annahme  gewiegter  Liturgiker  zufolge  ziemlich  feststehen,  dass 
bereits  vor  dem  X.  Jahrhundert  in  vielen  Diöcesen  diesseit  der 
Berge  nicht  mehr  das  breitere  Leintuch  als  mappula,  phaiion,  son- 
dern statt  dessen  ein  seidener,  mehr  oder  weniger  reich  verzierter 
Bandstreifen  in  Form  der  Stole  bereits  liturgisch  im  Gebrauche  war. 
Und  in  der  That  finden  sich  sogar  aus  dem  XI.  Jahrhundert  heute 
noch  reichverzierte  Manipel  vor,  die  in  ihrer  auffallenden  Aus- 
dehnung die  ältere  Bezeichnung  pÄawon  (Fahne)  rechtfertigen  und 
deren  Breite  an  das  ehemalige  linteolum,  mappula  deutlich  erinnert. 
So  haben  wir  auf  Taf.  VI  der  zweiten  Lieferung  dieses  Werkes  in 
getreuer  Copie  den  untern  Fusstheil  eines  merkwürdigen  Manipels 
aus  unserer  Sammlung  mitgetheilt ,  der  im  Gegensatz  zu  den  Ma- 
nipeln  des  spätem  Mittelalters  bei  einer  Länge  von  1  Met.  G  C. 


')  Um  nicht  bereits  Gesagtes  zu  wiederholen,  verweisen  wir  auf  das  Ausführ- 
lichere, was  wir  über  den  manipulus,  das  deutsche  phanon,  gesagt  haben  auf 
Seite  441  der  dritten  Lieferung  dieses  Werkes. 

')  B.  Ivonis  Camot.  episc.  de  rebus  ecclesiasticis  sermones  :  de  significationi- 
bus  indunientorum  sacerdotalium. 


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die  auffallende  Breite  von  fast  18  Centimetres  aufzuweisen  hat.  ') 
Auch  gegen  Schluss  des  XII.  Jahiliunderts  scheint  der  Manipel 
stellenweise  noch  jene  Grössenausdehnung  gehal)t  zu  haben,  die 
nicht  unklar  an  das  Herkommen  von  der  breiten  mappula,  ■plianon 
in  der  vorkarolingischen  Zeit  erinnert.  Auf  Taf.  XVI,  Fig.  3  der 
vorliegenden  Lieferung  haben  wir  den  untern  Theil  eines  Manipels 
des  XII.  Jahrhunderts  veranschaulicht,  der  auf  tarcntinischer  Pur- 
purseide die  symmetrisch  in  cyprischem  Golde  gestickten  flevrs  de 
Iis  iii  jener  Formbildung  erkennen  lässt,  Avie  sie  im  zweiten  Jahr- 
hundert der  Kreuzzüge  in  der  Kleinkunst  des  Abendlandes  gang 
und  gäbe  waren.  Auch  dieser  Manipel  hat  noch  immer  die  auf- 
fallende Breite  von  10  Centimet.  bei  einer  ziemlichen  Lcänffe.  Viele 
bischöfliche  Manipel  indessen ,  die  wir  in  Kirchenschätzen  noch 
heute  zahlreich  angetroffen  haben  und  die  dem  Schlüsse  des  XII. 
und  dem  Beginne  des  XIII.  Jahrhunderts  angehören,  enthalten  in 
ihrer  Breitenausdehnung  nicht  mehr  die  mindeste  Ilindeutung  auf 
ihren  eigentlichen  Ursprung  aus  dem  leinenen  Schweisstuche,  das 
an  dem  linken  Arme  des  Pontifex  und  des  celebrirenden  Priesters 
befestigt  war. 

Auf  Taf.  XVTII,  Fig.  3  haben  wir  einen  bischöflichen  Manipel 
in  Gold  gewirkt  in  verkleinertem  Maassstabe  abgebildet,  der  als 
manipulus  literatus  der  Vorliebe  des  XII.  Jahrhunderts  für  Ornat- 
stücke, die  mit  Buchstaben  gemustert  und  verziert  sind,  Rechnung 
trägt.  Dieser  seltene  Ornat  hat  eine  grösste  Länge  von  1  Metr.  68 
Centim.  bei  einer  Breite  von  nur  TVj  Centim.  Die  Futstheile  die- 
ses Manipels  sind  lO'/^  Centim.  lang  und  aus  einem  rothen  Sei- 
denstoff mit  einer  kleinen  Erweiterung  auf  beiden  Seiten  so  an- 
gesetzt, dass  auf  der  Unterlage  von  gemustertem  Seidenstoffe  eine 
quadratisch  in  Kreuzform  gehaltene  Perlstickerei  einen  reichen  Ab- 
schluss  gewährt  Ausserdem  sind  als  fimbriae  fünf  längere  Seiden- 
quasten angenäht,  welche  oben  eine  ziei'liche  Knotenverschlingung 
erkennen  lassen,  die  wir  in  dieser  Weise  selten  an  Stolen  und 
Manipeln  angetroffen  haben.  Aehnlich  wie  an  dem  Cingulum  der 
h.  Elisabeth,  beschrieben  auf  Seite  56,  sind  in  der  mittlem  Füllung 
des  Manipels  jene  kleinern  Thierunholde  und  Pflanzen-Ornamente 
mit  der  ßeur  de  litt  eingewirkt,  wie  sie  an  ähnlichen  Aurifrisien 
des  XII.  und  XIII.  Jahrhunderts  vielfach  eingewebt  sind.  In  den 
beiden  Rändern  dieses  in  Gold  gewirkten  Manipels  sind  in  grüner 


')  Die  ausfüMicliere  Beschreibung  dieses  Manipels  aus  dem  Schlüsse  des  XI. 
Jahrhunderts,  wahrscheinlich  angefertigt  im  hotel  de  Tirraz  zu  Palermo,  ist 
zu  ersehen  auf  Seite  177  und  178  der  zweiten  Lieferung 


—   81  — 


und  violetter  Farbe  romanische  Versalien  eingewirkt,  die  folgende 
Lesung  ergeben: 

O  spes  divina  via  tuta  potens  medicina ,  porrige  subsidium 
niiseris  o  saneta  Maria.  Protege  salva,  benedic  sanctifica  famulum 
tuuiu  Alebertum  Crucis  per  signaculum.  Corr(ige)  consortem  sanctae 
sortis  patrone  niinistrum,  effice  Corneli  meritis,  prece  regna  mereri. 
Morbos  averte  corporis  et  animae,  hoc  contra  signum  nullum  stet 
periculum.  O  coeli  porta,  nova  spes  movitalium).  O  clemens  do- 
mina  spes  desperantibus  una. 

Auch  noch  ein  anderer  mit  Schriftzügen  gemusterter  Mani- 
pel  findet  sich  in  unserer  Privatsammlung,  der  dojipelt  genommen 
eine  Länge  von  5G  Centimetres  hat  bei  einer  Breite  von  nur  5 
Centimetres.   Auf  einer  Grundlage  von  starken  horizontal  Celesten 

O  OD 

Leinfäden  sind  in  wechselnden  Farben  in  Flockseide  einzelne  Wox'te 
des  Englischen  Grusses  gestickt,  wie  es  die  verkleinerte  Abbildung 
auf  Taf.  VIII,  Fig.  II  veranschaulicht.  Die  noch  lesbaren  Schrift- 
ziige:  „gratia  plena  Dominus"  sind  als  Versalien  in  romanisirenden 
Ornamenten  gestickt  und  geben  deutlich  zu  erkennen,  dass  dieser 
Manipel  etwa  in  der  Mitte  des  XIII.  Jahrh.  angefertigt  worden  ist. 

Bekanntlich  wird  heute  der  Manipel  dem  pontificirenden  Bi- 
schof erst  nach  dem  Confiteor  von  dem  Subdiakon  an  den  lin- 
ken Unterarm  angebunden  und  befestigt.  Dieses  Anbinden  des  Ma- 
nipels  unmittelbar  vor  Beendigung  des  Stafi'elgebetcs  war  im  frühen 
Mittelalter,  als  das  Messgewand  —  wie  wir  im  Verlaufe  des  Fol- 
genden sehen  werden  —  noch  seinen  ursprünglichen  Schnitt  und  seine 
faltenreiche  Ausdehnung  hatte,  allgemein,  und  war  das  spätere  An- 
legen dieses  Ornatstückes  durch  die  ältere  Form  des  Messgewandes 
bedingt.  Ehe  nämlich  die  casula  an  beiden  Seiten  einen  runden 
Ausschnitt  erhalten  hatte,  ging  noch  während  des  XI.  und  XII. 
Jahrh.  sowohl  der  Bischof  als  auch  der  gewöhnliche  Celebrans  an 
den  Altar,  während  das  Messgewand  in  Form  einer  weiten  campa- 
nula  den  ganzen  Oberkörper  mit  sammt  den  Armen  bedeckte.  Bei 
solcher  Beschafienheit  des  Messo;ewandes  musste  natürlich  der  Ma- 
nipel,  der  stets  am  linken  Arm  geti-agen  wurde,  hinderlich  und  störend 
sein.  Erst  dann,  wenn  nach  dem  Confiteor  von  den  Ministranten 
das  faltenreiche  Messgewand  zum  freien  Gebrauch  der  Arme  auf  bei- 
den Seiten  gleichmässig  etwa  bis  zum  Ellbogen  aufgerollt  und  am 
Oberarme  durch  Schnüre  geschürzt  worden  war,  befestigte  der  Sub- 
diakon vermittels  seidener  Bänder  den  Manipel  so  am  Unterarme 
des  Pontifex,  dass  die  untern  mit  ßmbriae  verzierten  Theile  noch 
aus  dem  Aermel  der  Tunicelle  ein  Stück  hervorragten  und  ersicht- 
lich waren.    Nachdem  bereits  im  XV.  Jahrlinndert  durch  fort- 

Lituigische  Gewäuiler.  II.  0 


—   82  - 


währendes  Zuschneiden  und  Ausninden  das  Messgewand  bedeu- 
tend verkürzt  worden  war,  stand  nichts  im  Wege,  dass  dem  ge- 
wöhnlichen Celebrans  der  Manipel  bereits  in  der  Sacristei  anoeleo-t 
wurde.  Nur  erhielt  sich  bei  feierlichen  Pontificalämtern  als  eine 
nicht  undeutliche  Eeminiscenz  an  die  ältere  Gestaltung  des  Mess- 
gewandes in  der  lateinischen  Kirche  der  Gebrauch  bis  zur  Gegen- 
wart aufrecht,  dem  pontificirenden  Bischöfe,  wie  bereits  oben  ange- 
führt worden  ist,  den  Manipel  erst  nach  dem  Staffelgebet  anzulegen. 

Was  wir  im  vorliegenden  Abschnitte  über  Form,  Gestalt  und 
künstlerische  Ausstattung  der  bischöflichen  Stole  das  XIV.,  XV. 
und  XVI.  Jahrhundert  hindurch  gesagt  haben,  findet  auch  in  glei- 
cher Weise  auf  den  Manipel  seine  Anwendung,  indem  derselbe  ja, 
wie  angedeutet  wurde,  in  seiner  Breitenausdehnung,  in  seiner  Farbe 
und  Verzierungsweise  durchaus  sich  streng  nach  der  Stole  richtete 
und  als  durchaus  übereinstimmend  in  der  Form  mit  dem  zuletzt 
gedachten  Ornatstück  zu  betrachten  ist. 

Noch  sei  es  gestattet,  über  die  Längenausdehnung  vornehmlich  des 
bischöflichen  Manipels  und  über  die  Farbe  desselben  hier  einige  all- 
gemeinere Andeutungen  hinzuzufügen.  Da  im  Mittelalter  die  Aer- 
mel  der  Tunicelle  und  der  Dalmatik  geschlossen  waren  und  fast 
bis  zum  Knöchel  der  Hand  reichten,  da  ferner  der  Manipel  un- 
mittelbar unter  dem  Ellenbogen  angebunden  zu  werden  pflegte,  so 
leuchtet  es  ein ,  dass  der  fanon  länger  sein  musste ,  als  das  heute 
der  Fall  ist,  damit  derselbe  als  selbstständiges  Gewandstück  bei 
Feier  der  heiligen  Geheimnisse  seine  Stelle  ansfrillcn  konnte.  Des- 
wegen findet  es  sich  auch,  dass  die  Manipel  bis  zum  XIV.  Jahr- 
hundert meistens  eine  ziemlich  beträchtliche  Läntrc  aufzuweisen 
haben.  Als  jedoch  nach  Ablauf  des  XV.  Jahrhunderts  die  Aermel 
der  Tunicelle  und  der  Dalmatik  vei'kürzt  wurden  und  auch  das 
Messsrewand  seinen  ehemalioren  Faltenreichthum  immer  mehr  ein- 
zubüssen  begann  und  um  diese  Zeit  höchstens  bis  zum  Ellenbogen 
herunterfiel,  wurden  auch  allmälig  die  Manipel  der  Länge  nach  ver- 
kürzt. Hinsichtlich  der  Fai'be  des  Manipels  sei  bemerkt,  dass  der- 
selbe seit  jenen  Zeiten  mit  dem  Farbenton  der  Stole  übereinstimmt, 
wo  lituro-ischen  Vorschriften  zufolge  die  Farben  bei  bischöflichen 
und  priesterlichen  Gewändern,  je  nach  den  Bedeutungen  der  Feste, 
geregelt  und  festgestellt  wurden.  ') 

1)  Seit  dieser  Zeit  ist  der  Manipel  und  die  Stole  jedes  Mal  von  derselben  stoff- 
lichen Beschaffenlieit  nnd  Farbe,  wie  das  liturgisch  vorgeschi'iebene  Mess- 
gewaud.  Um  jedoch  Missverständnissen  vorzubeugen,  fügen  wir  hier  noch 
liinzu,  dass  in  der  romanischen  Kunsteporhe  desgleichen  auch  in  der  Friih- 
gothik  die  Stolen  und  Manipel,  namentlich  zn  bischöflichem  (iebrauche, 


—   83  — 

Da  die  vorliegenden  in's  Einzelne  gehenden  Angaben  nicht 
nui-  den  Geistlichen  hinsichtlich  der  Gestaltung,  Entwickelung 
und  künstlerischen  Ausstattung  der  verschiedenen  liturgischen  Or- 
nate nützlich  zu  werden  suchen,  sondern  auch  der  bildenden  Kunst 
die  nüthigcn  Winke  und  Anhaltspunkte  an  die  Hand  geben  möch- 
ten, wie  nämlich  seit  dem  frühesten  Mittelalter  bis  in  die  neuern 
Zeiten  die  bischöflichen  und  priesterlichen  Gewänder  gestaltet  wor- 
den sind,  so  dürfte  hier  die  Bemerkung  eine  Stelle  finden,  dass 
sowohl  der  Rischof  als  auch  der  celebrirende  Priester  immer  am 
linken  Arm  den  Manipel  trägt,  und  dass  unter  keiner  Bedingung 
CS  der  bilde-nden  Kunst  gestattet  ist,  Bischöfe  und  Priester  darzu- 
stellen, die  den  Manipel  am  rechten  Arme  tragen.  Auch  zeugt  es 
von  grosser  Unkenntniss,  wenn  Maler  oder  Bildhauer,  wie  wir 
dies  öfter  zu  sehen  Gelegenheit  hatten,  bischöflichen  oder  priester- 
lichen Heiligenfiguren,  die  mit  dem  pluviale,  dem  Chormantel,  be- 
kleidet sind,  ausserdem  auch  noch  einen  Manipel  anlegen ,  indem 
nach  kirchlicher  Vorschrift  allein  der  mit  dem  Messgewande  be- 
kleidete Bischof  oder  Priester  und  ausserdem  nur  der  Diakon  und 
Subdiakon,  wenn  dieselben  mit  der  Tunicelle  oder  Dalmatik  beklei- 
det bei  dem  h.  Opfer  ministiiren,  den  Manipel  tragen  dürfen.  Auf 
Taf.  IV,  Fig.  1  ist  die  Anlage  und  Form  der  Stole  und  des  Mani- 
pels  bildlich  veranschaulicht,  unmittelbar  über  der  Albe  mit  dem 
Scliultertuch  und  ihren  fünf  aufgenähten  ornamentalen  parurac; 
Fig.  2  auf  derselben  Tafel  soll  die  Lage  und  das  noch  immer  wahr- 
nehmbare Vorhandensein  von  Stole  und  Manipel  im  Bilde  wieder- 
geben ,  wenn  dem  Diakon  die  Dalmatik ,  zu  deren  Beschreibung 
wir  jetzt  übergehen  werden,  angelegt  worden  ist. 

7. 

Die  Diakonatsgewänder,  „dalmatica;  tunicella." 

Nachdem  der  Bischof  mit  den  vorhin  beschriebenen  Ornat- 
stücken,  die  ausser  den  caligue  und  sanclalia  auch  dem  cclebi'iren- 
den  Priester  zustehen,  bekleidet  worden  ist,  werden  demselben  un- 
ter Beihülfe  der  Assistenten  die  Tunicelle  und  darauf  die  Dalma- 
tik angelegt.  Diese  beiden  Ornate  dienen  dem  Bischöfe  als  aus- 
zeichnende indumenia  episcopalia  nur  dann,  wenn  er  in  pontificalihus, 
d.  h.  in  feierlicher  Weise  die  heiligen  Geheimnisse  begeht.  Diese 


gleichsam  als  aurifrisiae  reicher  verziert  zu  werden  pflegten,  so  zwar,  dass 
sie  mit  den  ähnlich  verzierten  Stäben ,  praelexinc,  der  Messgewänder  orna- 
mental übereinstimmten  und  deswi'Kon  auch  wohl  zu  verschiedenen  IVTess- 
gewiindern  getragen  werden  konnten. 

G* 


—    84  - 


Gewänder,  die  in  gleicher  Form  und  gleichem  Schnitt  auch  dem 
Diakon  und  dem  Subdiakon  eigenthiimlich  zustehen,  legt  deswegen 
der  Bischof  als  auszeichnende  Untergewänder  an ,  um  nach  dem 
Ausspi'uche  des  Durandus  anzudeuten,  dass  er  in  seiner  Person 
die  verschiedenen  kirchlichen  Grade  und  Abstufungen  vereinigt 
und  er  auch  die  Machtvollkommenheit  besitzt,  vermittels  der  Weihe 
diese  hohem  ordines  zu  ertheilen. 

Wir  wollen  in  der  vorliegenden  Abhandlung  nur  in  allgemei- 
nen Umrissen  die  hervorragendere  künstlerische  Beschaffenheit  der 
bischöflichen  Tunicelle  und  Dalmatik  besprechen  und  alsdann  in 
der  folgenden  Lieferung  bei  Beschreibung  der  gewöhnlichen  Le- 
vitenkleider das  noch  Fehlende  über  Form,  Schnitt  und  stoffliche 
Beschaffenheit  dieser  vestps  diaconatus  nachträglich  ero-änzen.  Hin- 
sichtlich  der  ursprünglichen  Form  und  ornamentalen  Beschaffen- 
heit der  Tunicelle  luid  Dalmatik  im  apostolischen  Zeitalter  bis  zu 
den  Tagen  Gregor's  des  Grossen  verweisen  wir  auf  das ,  was  Avir 
über  diese  Diakonenkleider  in  dem  L  Bande  dieses  Werkes  S  447 
ff.  an<reo;eben  haben. 

Es  gewinnt  den  Anschein,  als  ob  in  den  Tagen  Papst  Gre- 
gor's des  Grossen  noch  nicht  allgemein  von  den  Bischöfen  die 
vestes  diaconatus  unter  der  Casel  getragen  worden  seien.  Dieses 
deutet  auch  Walafried  Strabo  ')  in  klaren  Worten  an,  avo  er  sagt, 
dass  Papst  Gregor  der  Grosse  und  nach  ihm  andere  römische 
Päpste  einigen  Bischöfen  den  Gebrauch  jener  Levitengewänder  ge- 
stattet, anderen  aber  untersagt  habe;  zu  seiner  Zeit  jedoch  seien  die- 
selben fast  von  allen  Bischöfen  und  auch  von  einigen  Presbytern  ge- 
tragen Avorden.  Mit  diesem  Berichte  des  Walafried  Strabo  steht  aber 
im  Widerspruch  eine  Stelle  in  dem  ältesten  Ordo  Romanus,  avo  es 
heisst,  dass  bei  der  Bischofsweihe  der  bischöfliche  consecrafor  ein  Ge- 
bet spricht,  wenn  der  consecrandus  mit  der  Dalmatik  bekleidet  Avird. 
Wie  auch  diese  anscheinenden  Widersprüche  bei  ältern  Schrift- 
stellern hinsichtlich  des  Gebrauches  der  bischöflichen  Dalmatik 
zu  lösen  sein  mögen,  so  dürfte  das  Eine  doch  als  geschichtlich  fest- 
stehend angenommen  Averden,  dass  seit  den  Tagen  Karl's  des 
Grossen  in  der  abendländischen  Kirche  von  den  Bischöfen  die  Dal- 
matik allgemein  unter  der  planeia  getragen  wurde.  Das  lässt  sich 
auch  aus  den  betreffenden  Stellen  bei  Alcuinus,  Amalarius  For- 
tunatus  und  Andern  erhärten. 

Der  vorhin  erwähnte  Ordo  Romanus  spricht  an  jener  Stelle, 
Avo  er  die  bischöflichen  Oi'natstücke  der  Keihe  nach  anführt,  von 


')  Walafr.  Strabo,  lib.  de  rebus  ecclesiasticis  cap.  24. 


85  - 


zwei  Dalmatjken,  die  der  Bischof  ;uilege.  Er  zählt  nämlich  eine 
dalmatica  'itiinor  und  eine  dalniaüca  maior  auf.  Diese  dalmaiica 
minor  nennen  Andere  zum  Unterschiede  von  der  dalmatica  maior 
tunica  oder  tunicella.  Eine  solche  tunica,  die  nach  Amalarius  von 
der  Farbe  des  Hyacinth  war,  bezeichnet  der  letztgedachte  Litur- 
giker  mit  dem  Namen  subucida.  Neben  diesem  Ausdrucke  suhuculu 
kommt  bei  den  Schriftstellern  nach  dem  X.  Jahrhundert  auch  die 
Bezeichnung  subtile  vor. 

Ueber  die  sonstige  Beschaffenheit  und  ornamentale  Ausstat- 
tung des  bjschüflichen  subtile,  das  der  spätere  Innocenz  III.  ') 
auch  tnnica  poderis  nennt,  heisst  es  in  einer  ältern  Missa  des  Abtes 
Katoldns  von  Corbey:  „Super  haec  itaque  ininistretur  ei  (episcopo) 
tunica  in  gyris  tintinnabulis  mirifice  referta."  An  dem  untern  Saume 
des  bischöflichen  subtile  waren  also ,  ähnlich  wie  an  dem  paUiurn 
des  Hohenpriesters  im  Alterfhum ,  als  verzi(irende  ßinbriae  zuwei- 
len kleine  Schellchcn  angebracht. 

Was  die  Farbe  dieser  beiden  vestes  diaconatus  für  bischöflichen 
Gebrauch  betrifft,  so  geben  ältere  Schriftsteller  an,  dass  zu  dem 
subtile  vor  dem  X.  Jahrhundert  der  color  coccineus  angewandt  wor- 
den sei,  die  darüber  anzulegende  Dalmatik  jedoch  sei  immer  ihrer 
symbolisch- mystischen  Bedeutung  wegen  von  weisser  Farbe  ge- 
wählt worden.  Da  im  Mittelalter  die  einzelnen  Kirchen  in  der 
Wahl  der  Farben  der  zu  den  vestes  sacrac  gebräuchlichen  Stoße 
vielfach  abwichen,  so  kann  es  niqht  autiällen,  dass  im  Gegensatz 
zu  dem  eben  Gesagten  Hugo  von  St.  Victor,  der  in  der  ersten 
Hälfte  des  XII.  Jahrhunderts  schrieb,  ausführlicher  angibt,  dass 
für  die  bischöfliche  Dalmatik  die  röthlich  blaue  Farbe  (color  hi/a- 
ciniliinus)  feststehend  sei.  -)  Wir  lassen  in  der  unteren  Anmerkung 
diese  Stelle  wörtlich  folgen,  in  welcher  auch  die  symbolischen 
Gründe  angegeben  sind ,  weswegen  diese  Farbe  vorzugsweise  bei 
bischöflichen  Dalmatiken  angewendet  wurde. 

Da  aus  den  vorhergehenden  Angaben  erhellt,  dass  sich  die 
bischöfliche  Tunicelle  von  der  Dalmatik  meistens  durch  die  Farbe 
unterschied,  so  dürfte  hier  die  Frage  Berechtigung  finden,  durch 
welche  andere  formelle  Merkmale  die  Tunicelle  vor  der  Dalmatik 


')  Iimocenz  III.  lib.  I.  Mysterior.  Missao  cap.  X,  55. 

-)  SpecuUim  de  Myst.  Ecck-s.,  cap.  (3 :  „ .  .  .  Tuiiica  vero  tortia  siciit  olim  erat 
(ün  Alten  Bunde)  hyacintliina  est,  et  color  ejus  similis  lapidi  hyacinthiiio, 
qui  aetheris  sereuitateni  iinitatiu- ,  sauctos  siguificat  cogitantes  et  imitantes 
coelestia." 


-    86  — 


kenntlich  gemacht  wurde.  Durandus  ')  gibt  darüber  einigen  Bescheid, 
indem  er  sagt,  dass  die  Dalmatik,  besonders  aber  die  bischöfliche, 
längere  und  weitere  Aermel  habe,  als  solche  bei  der  Tunicelle 
vorkämen.  Diese  breitern  Aermel  an  der  Dalmatik  des  Bischofs 
im  Gegensatz  zu  den  schmälern  der  tunica  waren  auch  deswegen 
erforderlich,  weil  die  Dalmatik  über  der  Tunicelle,  dem  subtile, 
vom  Bischöfe  getragen  wurde.  Bei  der  Länge  scheint  jedoch 
das  Umgekehrte  der  Fall  gewesen  zu  sein,  indem  die  Tunicelle, 
auch  tunica  siricta  genannt,  sich  dem  Körper  des  Tragenden  enger 
anschloss  und  in  der  Regel  länger  war  als  die  Dalmatik.  Auch 
in  Bezug  auf  eingestickte  und  eingewirkte  Ornamente  unterschied 
sich  nach  Durandus  bereits  im  XIII.  Jahrhundert  die  reicher  ver- 
zierte Dalmatik  von  der  einfachem  Tunicelle.  Durch  die  reicliere 
Ausstattung  der  Dalmatik  sollte  der  höhere  kirchliche  ordo  des 
Diakons  vor  dem  niederem  gradus  des  Subdiakons  angedeutet 
werden;  dcswenren  waren  unserm  Gewährsmann  zufolge  auf  der 
Dalmatik,  ihrer  Länge  nach,  zwei  violettrothe  schmale  Streifen  auf- 
genäht, welche  auf  dem  Vorder-  und  Hintertheile  der  Dalmatik 
parallel  neben  einander  liefen.  Diese  meistens  gestickten  ornamen- 
talen irximiies  haben  sich  bis  heute  noch  auf  diesem  Gewände,  des- 
gleichen auch  auf  der  Tunicelle  erhalten  und  werden  dieselben  in 
ältern  Inventarien  aureae  listae,  aurifrisiae  oder  auch  aiujusti  claoi  ge- 
nannt. Ausserdem  war  bereits  in  den  Tagen  des  Durandus  der  aus- 
mündende Rand  der  beiden  Aermel  der  Dalmatik  mit  einem  schmalen 
ornamentalen  Streifen  eino;efasst  und  verziert.  Des<jleichen  be- 
fand  sich  auch  auf  dem  untern  Saume  der  Dalmatik  eine  breitere 
Verzierung  als  ornamentales  Mittelstück  zwischen  den  schmälern 
Bandstreifen  transversal  aufgenäht,  das,  meistens  aus  gesticktem 
Blumenwerk  bestehend,  Durandus  cnirifrisia  nennt  und  darauf  den 
bekannten  Vers  des  44.  Psalms  bezieht,  den  er  dem  Vorhergehen- 
den zufoljie  auch  auf  den  {jestickten  Saum  der  Albe  anwendet. 
Den  Erklärungen  des  Verfassers  des  rationale  gemäss  war  die  Dal- 
matik und  auch  die  Tunicelle  rundum  geschlossen  und  befand  sich 
nur  zu  beiden  Seiten  ein  kleiner  Einschnitt,  der  jedoch  nicht  bis 
zur  Hüfte  des  Tragenden  hinaufreichte.  Durandus  gibt  an  der 
obengedachten  Stelle  die  Gründe  weiter  an,  warum  zu  seiner 
Zeit  an  der  Dalmatik,  vmd  zwar  an  der  linken  Seite,  avo  diese 
Oeffnung  sich  ergab ,  Fransen  angebracht  waren ,  sich  aber  an 
der  rechten  Seite  keine  Fransen  befinden  durften.  Auch  Theodul- 
fus  erwähnt  ausdrücklich  dieser  Jhnhriae  als  eines  Schmuckes  der 


')  W.  Diuaiulii  ratiou.  iliv.  offic.  lib.  III.  cap.  XI,  3. 


-    87  — 


Dalmatilf,  die  an  derselben  Stelle  der  Tunicelle  sich  nicht  vorge- 
funden zu  haben  scheinen.  ') 

Wie  Stephanus  Aeduensis  desgleichen  auch  der  spätere 
Durandus  •^)  in  seinem  rationale  hervorhebt,  pflegten  nach  dem  X. 
Jalirliundcrt  einzelne  Bischöfe  nur  eine  oesüs  diaconatus  anzulegen ; 
andere  aber  trugen ,  wie  das  auch  heute  noch  Vorschrift  ist, 
zwei.  Die  Ursache,  warum  früher  einzelne  Bischöfe  nur  ein  Le- 
vitenkleid als  Untergewand  trugen  und  nicht  deren  zwei,  mag  wohl 
in  der  Schwere  dieses  Untergewandes  zu  suchen  sein  und  in  dem 
Keichthum  der  gestickten  Ornamente,  mit  welchen  dasselbe  ehemals 
verziert  wufde.  Es  liegen  jedoch  Anzeichen  an  altern  noch  er- 
haltenen bischöflichen  Dalmatiken  vor,  dass  dieselben  mit  einem 
Futterzeuge  in  schwerer  Seide  verschen  waren  und  also  diese  sub- 
duclura  oder  foederatura  der  Dalmatik  in  abweichender  Farbe  als  Er- 
gänzung der  Tunicelle  liturgisch  aufgefasst  und  betrachtet  wurde.  '*) 

Noch  sei  hier  bemerkt,  dass  Durandus  die  Dalmatik  hinsicht- 
lich ihres  Schnittes  mit  der  Form  des  Kreuzes  vei'gleicht  und  dass 
er  an  einer  andern  Stelle  anführt,  dass  auch  an  einigen  Dalmatiken 
sich  an  dem  untern  Saume ,  und  zwar  an  der  vorderen  vmd  hin- 
teren Seite  dieses  Gewandstückes,  fünfzehn  einzelne  fimbriae  vor- 
fänden. Diese  fünfzehn  getrennten  Quästclien  oder  Fransen,  die 
unser  Gewährsmann  auf  die  Psalmen  bezieht,  finden  sich  auch  an 
den  Dalmatiken  im  spätem  Mittelalter  vor ,  wo  sie  jedoch  nicht 
mehr  ffmfzehn  an  der  Zahl  vereinzelt  stehen,  sondern  eine  durch- 
gehende zusammenhängende  Franse  von  vielfarbiger  Seide  bilden.  ^) 

Wir  haben  in  dem  Vorstehenden  es  versucht,  die  Beschaffen- 
heit, Gestalt  und  decorative  Ausstattung  der  Tunicelle  und  Dal- 
matik des  Mittelalters  nach  den  Angaben  älterer  Schriftsteller  fest- 
zustellen; um  das  Schwankende  und  zuweilen  Wider-sprechende 


')  Theodolfus  Aurelian,  in  Paracncsi  ad  Episcopos,  p.  238. 

Candida  ut  exteusis  niteat  Dalniatica  rugis, 
Fiml)na  ncvc  cnet  liiiic  sine  lege  levis. 
^)  Stepliamis  Aeduensis  lib.  de  sacram.  altaris  cap.  11. 
^)  W.  Dm-andi  ration.  divin.  offic.  lib.  III.  cap.  10. 
Vgl.  über  diesen  Punkt  die  interessante  Abhandlung  des  Chevalier  de  Linas 
in  der  Revue  de  l'art  cliretien  (Novembrc  18G0)  unter  der  Ueberschiift : 
„l'ontiücalia  de  St.  Louis  D'Anjou  Eveque  de  Toulouse ,  conserves  a  Brignolcs 
(Var)."  pag.  576. 

^)  Hinsichtlich  des  Ausdi'uckes  fimbriae  bemerken  wir  hier  im  Vorbeigehen, 
dass  Du  Gange  zu  in-en  scheint,  wenn  er  ad  voc.  dalinatica  angibt,  dass 
unter  jenen  fimbriae  zu  verstehen  seien  die  clavi  purpurei,  wovon  oben  als 
aufgesetzten  schmalen  Purpurstreifeu  die  Rede  war. 


—    88  — 


dieser  Angaben  zu  beseitigen ,  wollen  wir  im  Folgenden  die  Ge- 
stalt und  Beschafienheit  der  bischöflichen  Tunicelle  und  Dalmatik 
an  der  Hand  älterer  bildlicher  Darstellungen  und  unter  Vorführung 
mittelalterlicher  entsprechender  Originalgewänder  in  nähere  Unter- 
suchung ziehen. 

Die  bildende  Kunst  stellte  seit  dem  X.  Jahrhundert  in  der 
Malerei  und  Sculptur  insbesondere  drei  heilige  Diakonen  dar,  die 
säramtlich  mit  dem  Levitengewande,  der  Dalmatik,  bekleidet  wurden. 
Es  sind  dies  der  h.  Stephanus,  der  h.  Laurentius  und  der  h.  Vin- 
centius.  Die  altern  Denkmäler,  die  wir  in  Malerei  und  Sculptur, 
namentlich  in  italienischen  Basiliken,  zu  sehen  Gelegenheit  hatten, 
geben  diese  heiligen  Diakonen,  deren  beide  erstgenannten  in  dem 
uralten  Mess-Canon  vorkommen,  bildlich  wieder,  angethan  mit  einer 
Albe  und  darüber  befindlichen  tunica  strida,  die  tief  über  die  Kniee 
heruntersteigt  und  mit  weiten  bis  zur  Hand  reichenden  Aermeln  ver- 
sehen sind.  Auf  diesen  ältern  Bildwerken  kömmt  es  seltener  vor, 
dass,  ausser  einer  schmalen  Umbordung  an  dem  Halsausschnitte 
und  an  den  Aermeln,  eine  sonstige  ornamentale  Ausstattung  zu  er- 
sehen ist.  Erst  bei  den  Darstellungen  von  Diakonen,  welche  aus 
dem  XII.  und  XIII.  Jahrh.  herrühren,  sind  jene  tramites  oder  auri- 
frisiae  wahrnehmbar,  wovon  Durandus  und  seine  nächsten  Vor- 
gänger als  an  der  Dalmatik  und  Tunicelle  gebräuchlichen  und  zu 
ihrer  Zeit  vorfindlichen  Ornamenten  sprechen.  Eine  der  ältesten 
Dalmatiken,  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  aus  dem  XI.  Jahrhun- 
dert stammend ,  die  wir  näher  anzusehen  vor  nicht  langer  Zeit 
Gelegenheit  hatten,  bewahrt  der  Schatz  der  Basilika  des  h.  Am- 
brosius zu  Mailand.  Leider  ist  diese  ehemals  bischöfliche  Dal- 
matik, die  eine  faltenreiche  Ausdehnung  hat,  heute  ihres  Ober- 
stofi'es  fast  gänzlich  entkleidet,  und  haben  sich  auf  dem  leinenen 
Futterzeuge  nur  noch  einzelne  ornamentale  praeteMae  erhalten,  die 
für  das  hohe  Alter  derselben  maassgebend  sind.  Auch  die  Ge- 
wandkammer des  Domes  zu  Halberstadt  hat  noch  zwei  vesies  dia- 
conatus  aufzuweisen ,  die ,  wie  Avir  glauben ,  ehemals  bischöflichen 
Gebrauches  waren.  AVir  haben  auf  Tafel  V,  Figur  1  mit  Hin- 
zufügung des  Fussmaasses  eine  stofflich  getreue  Abbildung  die- 
ser reichgestickten  Ornate  vorgeführt,  deren  Entstehung  späte- 
stens gegen  Mitte  des  XH.  Jahrhunderts  anzusetzen  sein  dürfte. 
Der  Stofi  dieser  zwei  bischöflichen  Untergewänder  besteht  aus 
hochrother  Purpurseide.  Auf  dieser  Unterlage  sind,  in  Goldfäden, 
streifenförmig  geordnet,  Rundmedaillons  gestickt,  die  die  symbo- 
lische Darstellung  von  Löwen,  ebenfalls  in  Gold  gestickt,  zu  er- 
kennen geben.    Den  Purpurstoff  mit  seinen  symbolischen  Thier- 


—    89  — 


Musterungen,  aus  welchen)  diese  dahnatica  Iconata  ang;efertio;t  iist, 
würde  Anastasius  Bibliothecarius  in  seiner  bekannten  Weise  nen- 
nen: pallium  holosericum  cum  historia  leonuin,  oder  auch:  palhum 
holosericurn  scutellatum  cum  orbicuhs  et  leonibus.  Um  die  wei- 
ten Aermel  des  Levitenrockes  beweghch  zu  erhalten,  sind  diesel- 
ben nicht  mit  goldgestickten  Kreisen  und  Löwen,  sondern  glatt, 
ohne  Stickereien  und  Musterungen  im  Purpurstoft"  angefertigt. 
Das  Fehlen  der  Goldstickereien  auf  den  Aermeln  dieser  beiden 
Levitenröcke  hat  uns  in  der  Annahme  bestärkt,  dass  dieselben  von 
den  Bischöfen  Ilalberstadts  unter  der  Casel  angelegt  wurden.  Die 
schmalen  Of  namentstreifen ,  die  dreifach  an  der  Zahl  die  vordere 
und  die  hintere  Seite  der  Dalmatik  parallel  laufend  verzieren,  sind, 
in  Weise  der  aureae  lidae  in  Gold  mit  zarten  Musterungen  ge- 
wirkt, als  die  Vorläufer  jener  breitorn  Aurifrisien  zu  betrachten, 
die  seit  dem  XIV.  Jahrhundert  eine  allgemein  gebräuchliche  Zierde 
der  Levitenkleider  waren.  Dem  Schnitte  und  der  Form  nach 
stimmt  mit  der  eben  gedachten  bischöflichen  Dalmatik  so  ziem- 
lich das  Diakonengewand  i'iberein ,  womit  der  heilige  Vincentius 
auf  einer  Tempera-Malerei  aus  dem  Beginne  des  XIII.  Jahrhun- 
derts, vorfindlich  in  einer  Kapelle  von  St.  Gereon  zu  Köln,  ')  be- 
kleidet ist.  Anstatt  der  aureae  listae,  die  in  schmalen  Goldstreifen 
die  bischöflichen  Dalmatiken  von  Ilalberstadt  von  oben  nach  un- 
ten laufend  verzieren ,  befindet  sich  an  dieser  in  Tempera  gemal- 
ten Dalmatik  in  St.  Gereon  eine  breitere  aurifrisia,  praetexta,  wo- 
mit der  untere  Saum  und  die  beiden  Seiteneinschnitte  verbrämt 
sind.  Auch  an  der  untern  Oefihung  der  weiten  Aermel  sind  solche 
schmale  Goldborden  als  Verbrämung  angebracht.  Ob  im  Beginne 
des  XIII.  Jahrhunderts  in  Köln  die  reichern  Dalmatiken  am  obern 
Halsausschnitt  eine  solche  gestickte  Goldverzierung  und  Umbor- 
dung  hatten,  wie  das  unsere  Taf.  XI  im  Bilde  angibt,  glauben  wir 
aus  mehrern  Gründen  in  Zweifel  ziehen  zu  müssen ,  und  dürfte 
diese  ornamentale  Verzierung  am  Halsausschnitt  eher  als  poetische 
Licenz  des  betrefi'enden  Malers  zu  erachten  sein.  ')  Da  bei  alten 
Schriftstellern  auch  von  dem  rationale  diaconorum  zuweilen  die  Rede 


')  Wir  verdanken  die  iretreue  Abbildung  der  beiden  für  die  geschichtliche 
EntwickeUing  der  altköliiisclien  Monuniciitalmalerei  höchst  merkwürdigen 
Bildwerke  auf  Taf.  X  und  XI  der  entgegcnkümmeuden  I*'reundlichkeit  des 
Herrn  Jos.  Merlo,  Mitglieds  des  Kircheuvorstaudes  von  St.  Gereon,  der  uns 
grössere  meisterhafte  Abbildungen  zur  freien  Benutzung  übergab. 

2)  Diese  ornamentale  Einfassung  am  obern  Halsaussclinitt  erinnert  in  ihrer 
Form  imd  Gestalt  nicht  undeutlich  an  das  rationale  episcopomm,  womit  auf 
alten  Bildwerken  einzelne  bischöfliche  Figiu-en  bekleidet  sind. 


—    90  — 


ist,  so  könnte  freilich  die  Ansicht  gehend  gemacht  werden,  dass  diese 
Verzierung  am  Halsausschnitt  vielleicht  als  ein  solches  rationale  zu 
betrachten  sei.  Aehnlich  wie  die  dalmatica  auf  Taf.  XI  ist  auch 
dem  Schnitte  und  der  Vei'zierungsweise  nach  jenes  Levitengewand 
ornamental  gestaltet ,  das  auf  Taf.  X  eine  bischöfliche  Heiligen- 
figur unter  der  Casel  trägt.  Auch  an  dieser  Dalmatik  auf  Taf.  X 
erblickt  man  als  Verbrämung  des  untern  Saumes  nur  eine  breite 
aurifrisia,  die  der  Maler  wahrscheinlich  nach  gehabten  Anschauungen 
von  reichern  bischöflichen  Dalmatiken  mit  aufgestickten  Perlen 
und  Edelsteinen  verziert  hat. 

Wir  haben  auf  Taf.  X  und  XI  an  der  Hand  von  ältern  Tem- 
pera-Malereien aus  dem  Beginne  des  XIII.  Jahrhunderts  die  un- 
gefähre formelle  und  decorative  Beschaftenheit  der  vesies  diaconatus 
bildlich  wiedergegeben,  wie  sie  für  bischöflichen  Gebrauch  um  diese 
Zeit  in  der  kölnischen  Kirche  beschafi'en  gewesen  sein  mögen. 
Dank  der  ängstlichen  Genauigkeit,  womit  im  frühern  Mittelalter 
auch  der  Bildhauer  bei  Darstelluno-  lituro-ischer  Ornate  sich  an  die 
in  der  Kirche  zu  Kecht  bestehenden  Vorschriften  anschloss  und  solche 
nicht  selten  in  ihrer  ganzen  stoff  lichen  Eigenthümlichkeit  wiedergab, 
sind  wir  in  der  Lage ,  an  den  vielen  Bildwerken  unter  den  Vor- 
hallen der  Kathedrale  zu  Chartres  mit  afrösster  Bestimmtheit  er- 
messen  zu  können,  wie  gegen  Schluss  des  XII.  Jahrhunderts  der 
Pontificalornat  der  Bischöfe  im  nördlichen  und  mittlem  Frankreich 
beschaffen  gewesen  ist.  In  dem  statuaire  an  den  westlichen  Por- 
talen des  Domes  von  Chartres  erblickt  man  nämlich  mehrere  bi- 
schöfliche Figuren  fast  über  Lebensgrösse,  deren  Pontificalgewänder, 
wie  wir  das  ohne  Wagniss  behaupten,  vom  Bildhauer  den  reichen 
Ornaten,  die  danaals  das  vestiariuni  von  Chartres  besass,  treu  nach- 
gebildet worden  sind.  Nicht  nur  sind  an  diesen  vielen  Bildwerken 
die  bischöflichen  Gewänder  ihrem  Schnitte  nach  als  genau  über- 
einstimmend mit  der  Form  der  im  XII.  Jahrhundert  gebräuch- 
lichen Gewänder  zu  betrachten,  sondern  auch  die  Stickereien  der- 
selben sind  getreu  mit  nur  unbedeutenden  Modificationen  wieder- 
gegeben. Bei  einem  mehrmaligen  Aufenthalt  in  Chartres  haben 
wir,  für  luisere  Studien  der  liturgischen  Gewänder,  in  Gyps  eine 
Anzahl  sculptirter  Ornamente  von  einzelnen  Pontifical-Ornaten  an 
diesen  Standbildern  abformen  lassen.  Wir  veranschaulichen  in 
Copie  nach  solchen  Abformungen  auf  Taf.  VI  zwei  lati  clavi  mit 
ihren  fimbriae  an  den  Seitenöfinungen ,  die  als  reiche  Verbrämun- 
gen auf  dem  imtern  Saume  von  bischöflichen  Dalmatiken  als  Flach- 
gebilde in  Stein  gemeisselt  sind.  Abweichend  von  der  künstleri- 
schen Ausstattung  der  bischöflichen  Dalmatiken  im  Dome  zu  Hai- 


-    91  - 


berstadt  (vgl.  Taf.  V,  Fig.  1)  sind  die  vestes  diacovatan  an  den  Stand- 
bildern einzelner  heiliger  Bischöfe  am  Dome  zu  Chartrcs  und  Keims 
bloss  an  dem  untern  iSaume  mit  breiten  und  reich  gestickten  or- 
froises  ausgestattet.  Auch  an  der  Ausmündung  der  breiten  Aer- 
mel  erblickt  man  einen  einfachen  gestickten  Bandstreifen.  An  den 
vielen  Bildwerken  zu  Chartres,  die  grösstentheils  gegen  Schluss 
des  XII.  Jahrhunderts  angefertigt  worden  sind,  liaben  wir  nur  im- 
mer eine  Dalmatik  als  bischöfliches  Untergewand  unter  dem  Mcss- 
gewande  wahrgenommen ,  nicht  aber  noch  eine  Tunicclle,  die  mit 
dem  untern  Saume  unter  der  Dalmatik  zum  Vorschein  gekommen 
wäre ;  nur  'an  dem  Standbilde  zu  Keims ,  das  wir  auf  Tafel  VI 
der  dritten  Lieferung  abgebildet  gaben,  scheint  unter  der  reich 
verzierten  praetexta  der  Dalmatik  auch  der  untere  Saum  der  län- 
srern  Tunicclle  noch  ersichtlich  zu  sein. 

Gehen  wir  nach  diesen  allgemeinern  Betrachtungen  über 
Schnitt  und  ornamentale  Beschaffeidieit  der  vedes  diaconatus  im 
XII.  und  XIII.  Jahrhundert  zu  den  nähern  Angaben  über,  wie 
die  Levitenkleider  zunächst  für  bischöflichen  Gebrauch  im  XIV. 
Jahrhundert  beschaffen  waren,  so  muss  gesagt  werden,  dass  bei 
der  weitern  Entwickelung,  die  die  Stickkunst  im  Dienste  der  Kirche 
in  jenem  Zeitabschnitte  erreicht  hatte,  als  die  Spitzbogenkunst  dies- 
selt  der  Berge  zum  reiferen  Mannesalter  gelangt  war ,  zu  der  bi- 
schöflichen Dalmatik  nicht  nur  Seidenstoffe,  mit  reichen  Goldbro- 
chirungen  durchwirkt,  angewandt  wurden ,  sondern  dass  auch  die 
Stickerei  in  Perlen  und  Edelsteinen  und  mit  Anwendung  von  ge- 
triebenen und  eingeschmelzten  Goldblechen  in  den  Stäben  der  bi- 
schöflichen Levitenkleider  das  Keichste  zu  leisten  suchte,  dessen 
sie  fällig  war.  Anstatt  hier  in  langer  Reihe  Aufzählungen  von  reich 
gestickten  bischöflichen  Dalmatiken  folgen  zu  lassen,  die  in  den  uns 
vorliegenden  Inventaren  bezeichnet  stehen,  mag  es  genügen,  hier  nur 
die  Beschreibung  zweier  festtäglichen  Dalmatiken  ihrem  Wortlaute 
nach  einzuschalten,  die  in  dem  Inventar  des  Domes  von  Anagni  aus 
den  Tagen  Papst  Bonifacius'  VIII.  (f  130-4)  verzeichnet  stehen. 

„Item  una  dalmatica  de  dyaspero  laborata  ad  acum  ')  pappa- 
gallos  et  flores  qui  ad  modum  crucis  2)  eum  fimbriis  ^)  ad  ystoriam 


')  Auf  einem  schweren  SeideiistoiFe  fdijasperumj  wnren  mit  der  Nadel  Papa- 
geien gestickt. 

-)  Zwischen  diesen  Thierfigureu  ersah  man  gesticlrtc  Ehunen,  die  la-euzförmig 
gestaltet  waren. 

^)  Aiif  den  ßmbriac,  nämlich  den  horizontal  aufgenähten  Stäben  dieser  Dalmatik, 
die  anders  wohl  auch  clavi  oder  praeiexlae  genannt  werden,  waren  Bilder  aus 
dem  Leben  des  h.  Eustachius  gestickt. 


—  92 


sei  Eustacii,  et  aiirifrisio  ')  in  spatulis  et  collo  ,  cum  pernis  ^)  et 
manicis  •^)  ad  minutas  yinaglnes  et  aves. 

„Item  una  dalmatica  de  panno  tartarico  intus  rubeo  et  foris 
viridi,  ad  aurum  cum  aurifrisio  in  brachialibus  ■''),  cum  pernis  et 
paratui-is  **)  sinülibus  in  manicis  et  firabriis  ^)  ad  aquilas  cum  duo- 
bus  capitibus." 

Um  die  Beschreibung  dieser  beiden  reichen  Dahnatiken,  die 
durch  Verseilen  des  Abschreibers  bedeutend  corrumpirt  zu  sein 
scheint ,  zu  verstehen ,  muss  man  wissen ,  dass  die  vestes  diaco- 
natus  in  italienischen  Diöccsen  im  XIV.  und  XV.  Jahrhundert 
Wohl  hinsichtlich  des  Schnittes  und  ihrer  faltenreichen  Ausdehnung 
mit  den  entsprechenden  Gewändern  in  französischen  und  deut- 
schen Kirchen  um  dieselbe  Zeit  ziemlich  übereinstimmend  waren, 
dass  aber  in  der  Ausstattung ,  d.  h.  in  den  aufgenähten  praete.vtae 
eine  Verschiedenheit  vorwaltete.  Es  findet  sich  nämlich ,  dass  im 
XIV.  und  XV.  Jahrhundert  in  französischen  und  deutschen  Diö- 
cesen  die  Dalmatik  durch  mehr  oder  weniger  reich  verzierte  auri- 
frisiae ,  die  wir  heute  Stäbe  nennen ,  der  Länge  nach  getheilt 
wurde,  so  zwar,  dass  dieselben  parallel  zu  beiden  Seiten  neben  ein- 
ander liefen  und  nur  auf  der  Brust  und  dem  Rücken  durch  einen 
breitern  Streifen  verbunden  wurden.  In  italienischen  Kirchen  da- 
ocoen  waren  die  Aurifrisien ,  die  der  Län<re  nach  die  Dalmatik 
verzierten,  gleichsam  als  aureae  Ustae  sehr  schmal,  hingegen  waren 
die  Mittelstücke  auf  Brust  und  Kücken  zur  Anbringung  von 
Stickereien  ziemlich  breit  gestaltet.  Solche  breite  verl)indende 
Mittelstücke  findet  man  auch  an  italienischen  Dalmatiken  des  XIV. 
und  XV.  Jahrhunderts  an  dem  untern  Saume,  sowohl  an  dem 


')  Auf  den  schmalen  Goldstreifen,  aurifrhia,  die  der  Lünge  nach  die  Dalma- 
tik verzierten,  waren  Waijpenschildchen,  spaiulac,  angebracht. 

')  Am  Halsausschnitt  (collo)  befand  sich  eine  reiche  Stickerei  mit  Perlen,  wahr- 
scheinlich eine  ähnliche  Verzierung,  wie  wir  sie  am  Halsausschnitt  der  Dal- 
matik auf  Taf.  XI  abgebildet  sehen. 

•'')  Auf  der  äussern  Randeinfassung,  der  Verbrämung  der  beiden  Aermel,  waren 
ebenfalls  durch  Stickereien  kleinere  Bilder  und  Vögel  angebracht. 

')  Unter  pannus  larlaricus,  das  häutig  in  den  Inventaren  genannt  wird ,  ist 
ein  schweres  Seidengewebe  zu  verstehen,  das  aus  dem  Orient  bezogen  wuinle. 

•'')  Die  Aermel  dieser  Dalmatik  werden  hier  bracUalia  genannt,  und  angegeben, 
dass  sie  mit  einer  Stickerei  von  Gold  umrandet  gewesen  seien. 

")  Paralurae  werden  hier  die  aufgestickten  streifenförmigen  Verzierungen  ge- 
nannt, die  mit  Perlen  reich  besetzt  waren. 

')  Auf  den  breiten  Besatzstückeu ,  die  transversal  zwischen  den  aurifrisiae 
oben  und  unten  die  Dalmatica  als  laii  clavi  verzierten,  waren  hier  Adler 
mit  doppelten  Köpfen  entweder  gestickt  oder  eingewebt. 


—    93  — 


vordem  als  an  dem  hintern  Theile  der  Dalmatik  angebracht.  Mit 
einer  solchen  verzierten  Dalmatik  ist  der  heilige  Laurentius  auf 
einer  Tempera-Malerei  bekleidet,  die  der  Sienensischen  Schule  aus 
dem  Schlüsse  des  XIV.  Jahrhunderts  angehört.  ')  Die  Dalmatik, 
die  auf  diesem  schöneji  Stiche  in  genauer  Copie  veranschaulicht 
wird,  zeigt  lange,  weite  Aermel,  die  an  der  Oefinung  mit  sehma- 
len fimhriae  verbrämt  sind.  Auf  der  Brust,  desgleichen  auch  an 
dem  untern  Rande,  ersieht  man  breite  Mittelstücke  transversal 
gelegt,  die  als  paraturae  hinlänglichen  Raum  für  reiche  Stickereien 
boten.  Auch  eine  aurifrisia  mit  Stickereien  ist  am  Halsausschnitt 
sleichsam  ak  Kragen  anoebracht ,  und  ist  es  auf  dem  Bilde  nicht 
deutlich  zu  ersehen ,  ob  diese  aurifrisia  in  collo  mit  dem  dort  be- 
findlichen Immerale  als  pamra  in  Verbindung  steht,  oder  ob  dieses 
collare  an  dem  Plalsausschnitt  der  Dalmatik  befestigt  ist.  Eine  ähn- 
liche in  dieser  Weise  verzierte  Dalmatik  nimmt  man  auf  dem 
Bilde  des  h.  Stephanus  wahr,  das  ebenfalls  der  genannte  Düssel- 
dorfer Verein  als  Copie  eines  ältern  Bildes  des  Fra  Barfholo- 
meo  veröffentlicht  hat.  Dosgleichen  zeigt  das  grosse  Tempei-a-Bild 
der  Krönung  der  allerseligsten  Jungfrau ,  von  Fra  Angelico  da 
Fiesole  -),  heute  im  kaiserlichen  Museum  des  Louvre  zu  Paris 
befindlich,  im  Chore  der  übrigen  Heiligen  den  h.  Laurentius  mit 
der  craticula,  wie  er  angethan  ist  mit  einer  rothen  Dalmatik.  Auf 
der  Brust  erblickt  man  in  Gold  gestickt  einen  breiten  laiiis  clavus, 
der  in  derselben  Weise  gegen  Schluss  des  XIV.  Jahrhunderts  auf 
der  Rückseite  der  Dalmatik  und  auch  unten  an  den  Säumen  in 
gleicher  Form  angebracht  war.  Auch  die  Ausmündungen  der  brei- 
ten  Aermel  sind  mit  reichen  ßmhriae  in  Gold  gestickt  verbrämt. 
Auf  diesem  Bilde  des  Louvre,  das  unter  den  Meisterwerken  des 
frommen  Dominikanerbruders  das  berühmteste  ist,  sind  keine  ge- 
stickten Stäbe  ersichtlich,  die  der  Länge  nach  wie  an  deutschen 
und  französischen  Dalnintiken  dieses  Ornatstück  künstlerisch  heben. 
Nur  erblickt  man  an  dieser  Dalmatik  noch  einen  breiten  goldenen 
clavus  auf  der  Brust  und  am  Hals-Ausschnitt.  Zugleich  verzieren 
auch  zwei  breite  Goldquasten  mit  darül)er  befindlichen  -pomella 
den    Vordertheil  dieser  Dalmatik,   und    befinden    sich  diesell)en 


')  Vgl.  die  Copie  desselben,  den  h.  Laurentins  als  Kniestück,  gestochen  von 

A.  Glaser  (schola  Sienensis)  veröffentlicht  von  dem  Verein  zur  Verbreitung 

religiöser  Bilder  in  Düsseldorf. 
2)  Dieses  unübertroffene  Bild  ist  jüngst  von  F.  Kellerhoven  in  Paris  äusserst 

sorgfaltig  lithographirt  und  dnrcli  Lemercier  in  Farbendruck  veröffentlicht 

worden. 


nicht,  wie  das  an  Dalmatiken  deutscher  und  französischer  Diöcesen 
derselben  Epoche  üblich  war,  an  dem  hintern  Theile  dieses  Ge- 
wandes. 

Noch  sei  es  vergönnt,  hier  im  Vorbeigehen  auf  einige  ausge- 
zeichnetere  vestes  diaconatus  des  XII.  und  XIII.  Jahrhunderts  hin- 
zuweisen ,  die  sich  als  grosse  geschichtliche  und  archäologische 
Seltenheiten  bis  zur  Stunde  noch  ci'halten  haben.  Die  eine  der- 
selben wird ,  als  einziges  heute  noch  vorfindliches  Ornatstück  des 
Mittelalters  in  der  Schatzkammer  von  St.  Peter  in  Rom  aufbe- 
wahrt; die  beiden  andern  findet  man  unter  den  übrigen  kaiser- 
lichen Pontificalien  des  ehemaligen  deutschen  Reiches  im  Schatze 
der  Hofburg  zu  Wien. 

Die  sogenannte  dalmatica  Leonis  III.  in  Rom  kann  unstreitig 
als  das  grossartigste  Meisterwerk  byzantinischer  Hof-  und  Kunst- 
sticker  betrachtet  werden ,  das  heute  noch  im  Abendlande  anzu- 
treffen ist.  Wir  haben  uns  über  die  vielen  eingestickten  Bild- 
werke und  Ornamente,  die  auf  den  weiten  Flächen  dieser  Purpur- 
Dalmatik  sich  in  höchster  Vollendung  der  Technik  vorfinden,  auf 
Seite  201  und  202  des  ersten  Bandes  weiter  ausgesprochen  und 
bemerken  hinsichtlich  des  eigenthümlichen  Schnittes,  der  äussern 
Form  dieser  Kaiser-Dalmatik  in  Kürze  nur  noch  Folgendes. 

Bevor  wir  in  Rom  in  der  Sacristei  von  St.  Peter  die  betref- 
fende Kaiser-Dalmatik  näher  untersucht  hatten,  waren  wir  der  An- 
sicht, dass  dieses  Ornatstück  in  seiner  Form  dem  aToiya^iinv,  dem 
eigentlichen  Diakonenkleide  der  griechischen  Kirche,  in  seiner 
äussern  Form  ähnlich  gestaltet  sei.  ')  Mehrmalige  genauere  Stu- 
dien vor  dem  äusserst  gut  erhaltenen  Original  überzeugten  uns 
jedoch,  dass  es  von  dem  griechischen  aToiyuQiov,  einem  anschlies- 
senden Untergewand  mit  eng  anliegenden  Acrmeln,  vollständig 
abweiche.  Die  in  Rede  stehende  Kaiser-Dalmatik  in  Rom  ist 
nämlich  zu  beiden  Seiten  in  Weise  unserer  heutigen  Dalmatiken 
in  modernem  Schnitt  unter  den  Armen  durchaus  geöffnet  und  hat 
keine  geschlossenen  manieae,  sondern  die  Schulterstücke  der  Aer- 
mel  hängen  nach  Art  unserer  modernen  Dalmatiken  offen  und 
frei  über  beide  Arme.  Es  hat  uns  scheinen  wollen,  dass  diese 
berühmte  Kaiser-Dalmatik  in  Rom  hinsichtlich  ihres  Schnittes  in 
den  letzten  drei  Jahrhunderten  eine  Aenderung  erlitten  habe;  na- 
mentlich dürften  die  heute  offenen  Armstücke  ehemals  nach  An- 


1)  Vgl.  über  Form  und  Gestalt  der  Dalmatik  in  der  griechischen  Kirche,  (ioar.: 
Ev-yoldyiov  seil  Eitnale  Graecorum  jjag.  9G  und  Fig.  pag.  12G. 


—   95  — 


legung  des  Gewandes  unter  den  Armen  mit  seidenen  Schnüren 
zugebunden  worden  sein.  ') 

Ein  zweites  kaiserliches  Pontificalkleid,  das  bei  Kaiserkrönungen 
als  Untergewand  getragen  wurde,  befindet  sich  heute  im  Schatze 
zu  Wien,  und  besteht  dasselbe  aus  glattem  dunkel-violettem  Pur- 
pur mit  einer  goldgestickten  Vei-brämung  auf  hochrothem  Pur- 
pur an  dem  untern  Saume  und  an  den  Ausmündnngen  der  eng  an- 
schliessenden Aermel.  Diese  kaiserliche  Tunicelle ,  die  wir  im 
ersten  Bande  unserer  „deutschen  lieichskleinodien"  getreu  dem  Ori- 
ginal in  Farben  und  Golddruck  wiedergegeben  und  im  Texte  näher 
beschrieben 'haben ,  dürfte  zum  Belege  dienen,  wie  gegen  Schluss 
des  XII.  Jalu'hunderts  in  italienischen  I)i()cesen  die  fnnica  strieUi 
im  Gegensatz  zu  der  dalmafica  beschaffen  gewesen  sei. 

Von  nicht  geringerm  Interesse  für  das  Studium  von  bischöf- 
lichen Gewändern  des  XIII.  Jahrhunderts  ist  eine  andere  Kaiser- 
Dalmatik,  die  ebenfalls  im  Schatze  zu  Wien  bei  den  übrigen  Reichs- 
kleinodicn  aufbewahrt  wird.  Dieselbe  ffihrt  in  der  betreffenden 
Matrikel  vom  Jahre  1350  die  Bezeichnung:  „alia  phoenicea  toga 
cum  nigris  aquilis."  In  den  XJebergabe-Urkunden  der  Kcichsklei- 
nodien  an  den  Magistrat  von  Nürnlierg  vom  Jahre  1423  wird  das- 
selbe Pontifical- Gewand  näher  beschrieben  mit  den  Ausdrücken: 

„ein  prnumc  Jlialmattfa  fnnt  karlcs  mit  nlilfv." 

Dieser  merkwürdige  Ornat  zeigt  uns  deutlich  Schnitt,  Form  und 
Verzierungsweise  der  Dalmatik,  wie  sie  im  XIIT.  Jahrliundert  bei 
dem  bischöfiiclien  Pontifical-Ornat  beschaffen  gewesen  sein  dürfte. 
Die  in  Rede  stehende  Kaiser -Dalmatik  in  rothem  })hönicisc]iem 
Purpur  mit  eingewebten  Mustern  hat  die  auffallende  Länge  von 
1  Metr.  55  Centimetr.,  bei  einer  Länge  des  untern  Sauraes  von 
1  Metr.  35  Centimetr.  Dieselbe  ist,  ähnlich  den  altern  Dalmatiken, 
rundum  geschlossen,  nur  findet  sich  ein  Einschnitt  auf  beiden  Sei- 
ten  des  Prachtgewnndcs ,  der  jedoch  kaum  bis  zum  Viertel  der 
ganzen  Länge  des  (Jewandes  ansteigt.  Der  untere  Saum  und  die 
Einschnitte  zu  beiden  Seiten  sind  mit  einer  in  Gold  gestickten 
praete.Tia  verbrämt,  auf  welcher  sich,  in  getrennten  Medaillons,  die 


')  Wir  gedenken  im  zweiten  Bande  unserer  „deiitsclien  ßeichskleinodien"  dieses 
Praclitgewand  in  einer  grossen  farbigen  Abbildung  zu  veröffentlichen  und 
werden  dann  auch  die  Belege  beibringen,  dass  diese  Dalmatik  nicht  in  der 
karolingisohen  Zeit,  sondern  erst  im  XII.  Jalu-hundert  durch  griechischen 
Kunstfleiss  iln'e  Entstehung  gefunden  habe,  obgleich  dies  von  anderer  Seite  in 
letzterer  Zeit  beanstandet  worden  ist. 


—    96  — 


in  Plattstich  gestickten  Brustbilder  vieler  Könige  und  Kaiser  be- 
finden. Der  faltenreiche  Seidenpurpur  ist  nach  kurzen  Zwischen- 
räumen mit  kleinen  goldenen  Rundmedaillons  durchwirkt,  auf  wel- 
chen jedes  Mal  ein  heraldisch  stylisirter  einküpfiger  ßeichs-Adler 
sich  befindet.  Dazu  kommt,  dass  diese  phoenicea  toga  noch  durch- 
aus geschlossene  ziemlich  lange  und  breite  Aermel  hat,  desglei- 
chen auch  einen  tiefen  Ausschnitt  zum  Durchlassen  des  Kopfes. 
Sowohl  der  breite,  ziemlich  tiefe  Halsausschnitt,  als  auch  die  Aus- 
mündung  der  Aermel  sind  mit  breiten,  goldgestickten  Verbränmn- 
gen  eingefasst,  auf  welchen,  von  schön  stylisirten  Laubornamenten 
umgeben ,  ebenfalls  die  Halbbilder  verschiedener  Könige  und  Kö- 
ginnen zu  ersehen  sind.  Diese  kunstvoll  gestickten  figuralen  Ver- 
brämungen bedecken  gleichsam  als  armillae  auch  jene  Stelle  der  Dal- 
matik,  wo  auf  beiden  Seiten  die  Aermel  angenähet  sind.  Gleich- 
wie die  Kaiser -Dalmatik  in  Rom  nicht  als  Untei"gewand,  sondern 
als  hervorragendes  Diakonenkleid  bei  verschiedenen  Anlässen  von 
den  deutschen  Kaisern  im  Mittelalter  in  Gebrauch  genommen  wurde, 
so  scheint  auch  die  eben  besprochene  toga  imperialis  im  Schatze 
zu  Wien  als  reiches  Obergewand  benutzt  worden  zu  sein,  wenn 
der  Gewählte  der  deutschen  Nation  bei  der  römischen  Königs- 
krönung zu  Aachen  in  der  feierlichen  Messe  als  Diakon  das  Evan- 
gelium sang  vnid  die  Dienste  eines  solchen  bei  dem  heiligen  O^ifer 
verrichtete.  Mit  dieser  Dalmatik  als  Obergewand  bekleidet  dürften 
ebenfalls  die  deutschen  Könige  nach  vollzogenem  Krönungs-Acte 
zu  Aachen,  wie  das  jedes  Mal  geschah,  in  die  Reihe  der  Canoniker 
der  Stifts-  und  Krönungskirche  zu  Aachen  aufgenommen  worden  sein. 

Nachdem  wir  es  im  Vorhergehenden  versucht  haben,  an  der 
Hand  älterer  Levitenkleider ,  sowie  einschlagender  Inventare  und 
Bildwerke  die  formelle  und  decorative  Beschaffenheit  bischöflicher 
Dalmatiken  des  Mittelalters  kennen  zu  lernen ,  wollen  wir  in  der 
Kürze  noch  an  zwei  vestes  diaconatus  unserer  Privatsammlung 
die  stoftliche  Ausdehnung,  den  Schnitt  und  die  Verzierungs- 
weise reicherer  Diakonengewänder,  wie  sie  im  XIV.  und  XV. 
Jahrhundert  in  Stifts-  und  bischöflichen  Kirchen  diesseit  der  Berge 
angetroffen  wurden,  in  genauen  Maassen  feststellen.  Um  die  hie- 
ratische Abstufung  und  die  Unterordnung  des  Subdiakons  auch 
in  der  iunicella  anzudeuten,  war  dieselbe  noch  im  XIV.  und 
XV.  Jahrhundert  in  ihrer  Verzierungsweise  viel  einfacher  ge- 
staltet als  die  Dalmatik.  Im  XIV.  Jahrhundert  fehlten,  wie  das 
aus  Inventarien  derselben  Epoche  ersichtlich  ist,  auf  vielen  Tuni- 
cellen,  namentlich  zum  bischöflichen  Gebrauche,  die  reichgestick- 
ten aurifrisiae ,  die  an  der  Dalmatik  um  diese  Zeit  stets  als  her- 


—    97  — 


vorragender  Schmuck  angebracht  waren.  Die  rundgeschlossenen 
Acrniel  an  den  Tunicellen  des  XIV.  und  XV.  Jahrhunderts  sind 
verhähnissraässig  enger  als  die  Aerrael  an  den  Dalmatiken  aus  die- 
ser Zeit. 

Im  Dome  zu  Halberstadt  sahen  wir  die  Ueberreste  eines  äusserst 
fein  und  leicht  orearbeiteten  bischöflichen  subtile  aus  der  Mitte  des 
XIV.  Jahrhunderts,  das  ohne  alle  Aurifrisien  und  Ornamentsticke- 
reien aus  einem  dunkelbläulichen  orientalischen  Seidenstoffe  ansce- 
fertigt  war.  Dieser  Seidenstoff  ist  in  grüner  Farbe  genau  in  der 
Weise  gemustert,  wie  das  unsere  Abbildung  in  verkleinertem  Maass- 
stabe auf  Tarl.  IX  veranschaulicht.  Diese  Dalmatik,  aus  einem 
trefflichen  baldequiu  angefertigt ,  ist  stellenweise  mit  geflügelten  Bil- 
dern von  sitzenden  Elephanten  in  Gold  brochirt.  Leider  hatten  sich 
nur  noch  kleinere  Ueberbleibsel  des  Oberstoffes  dieser  Tunicelle  er- 
halten mit  Resten  von  Goldborden  an  den  geschlossenen  Aermeln 
und  am  Halsavisschnitt.  Der  Futterstoff  aus  feinem  Leinen  Hess  in- 
dess  noch  ziemlich  genau  die  grosse  Ausdehnung  dieses  subtile  er- 
kerinen. An  anderer  Stelle ')  haben  wir  in  natürlicher  Grösse  und 
in  seiner  ganzen  Farbenpracht  das  saracenische  gemusterte  Seiden- 
gCAvebe  einer  merkwürdigen  Tunicelle  mitgetheilt,  die  als  Ge- 
schenk unserer  Sammlung  einverleibt  worden  ist.  Diese  Tunicelle 
gehört,  wie  das  ihre  Musterungen  und  Schnitt  deutlich  besagen, 
ebenfalls  der  Mitte  des  XIV.  Jahrhunderts  an  luid  misst  mit  Ein- 
schluss  der  Fransen  in  ihrer  grössten  Längcnausdelmung  1  Mctr. 
26  Centimetr.  Die  Breite  derselben  am  obern  Halsausscluiitt  dos 
Mittelstückes  bis  zum  Ansatz  der  Aei'mel  beträgt  7(5  Centimetr. 
Die  ganze  Bi'eite  dieser  Tunicelle  an  dem  untern  Saume  mit  Ein- 
schluss  der  beiden  angesetzten  Gyrcnstücke  misst  1  Metr.  15 '/^ 
Centimetr.  Die  Länoe  der  durchaus  "cschlossenen  Aermel  beträft 
44  Centimetr.,  die  Weite  derselben  an  der  untern  Oefi'nung  in 
ihrem  ganzen  Umfange,  rund  gemessen,  68  Centimetr.  Der  Hals- 
ausschnitt dieser  Tunicelle  misst  31  Centimetr.  und  ist  nach  vorn 
und  hinten  kaum  !')  Centimetr.  tief  ausgeschnitten.  2)  Hinsichtlich 

')  Vgl.  unser  Work  .,Dio  Mustorzeichuor  des  Mittelalters.  Anleitende  Studien- 
Mütter  für  Gewerli-  und  Weheschulen,  für  Oniamcntenzeiclmer,  Parameiiten-, 
Teppich-  uud  Tapcteufabrikauteu  nach  alten  Originalstoften  eigener  Samm- 
liuig  mit  erläuterndem  kuiistbistorischen  Texte."  Leipzig,  T.  0.  Weigel. 
1.  Lief.  Blatt  1. 

2)  Wir  haben  nicht  ohne  Absicht  die  genauen  Maasse  dieses  ehemals  bischöf- 
lichen subtile  hier  beigefügt,  da  von  erfahrener  Hand  nach  diesen  Griissen- 
augaben  leicht  eine  Tunicelle  in  denselben  Dimensionen  angefertigt  wer- 
den kann. 

Liturgische  Gewänder.  II.  7 


~    98  - 


der  eben  besprochenen  Tunicelle  fügen  wir  noch  hinzu,  dass  die- 
selbe einfach ,  ohne  Anwendung  von  gestickten  Stäben ,  gehalten 
und  nur  an  dem  Halsausschnitt,  desgleichen  an  der  untern  Aus- 
mündung der  Aermel,  mit  einer  schmalen  goldgestickten  Borde  ein- 
gefasst  ist.  Wir  bemerken  noch,  dass  unter  jedem  Aermel  ein  im 
Fünfeck  geschnittenes  Gyrenstück  in  einer  Länge  von  etwa  17 
Centim.  sich  befindet ,  und  dass  unmittelbar  unter  diesem  Einsatz 
auf  beiden  Seiten  der  Einschnitt  und  die  Oefinung  beginnt.  Dieser 
tiefen  Einschnitte  und  der  grossen  Weite  der  geschlossenen  Aermel 
wegen  kann  die  eben  beschriebene  Tunicelle  mit  leichter  Mühe  an- 
gelegt werden.  Sowohl  zu  beiden  Seiten  als  auch  am  untern 
Eande  ist  diese  bischöfliche  Tunicelle  mit  seidenen  Fransen  in  ihrer 
Ganzheit  eingefasst. 

Bevor  wir  im  folgenden  Abschnitte  zu  der  Beschreibung  des 
Schnittes ,  der  Entwickelung  und  Verzierungsweise  der  bischöf- 
lichen Casel  übergehen,  gestatten  wir  uns,  hier  noch  einen  kui*- 
zen  Nachweis  zu  führen,  wie  die  bischöfliche  Dalmatik  in  ihrem 
Unterschiede  von  der  eben  besprochenen  Tunicelle,  dem  subtile, 
gegen  Ausgang  des  Mittelalters  in  bischöflichen  Kathedralen  dies- 
seit  der  Berge,  ihrer  äussern  Beschaffenheit  nach,  sich  ent- 
wickelt hat. 

Je  mehr  das  Mittelalter  sich  seinem  Auscfange  nähert,  desto 
mehr  macht  sich  auf  dem  Gebiete  der  kirchlichen  Paramentik  das 
Bestreben  geltend,  den  ßeichthum  und  die  Fülle  der  gestickten 
und  gewirkten  Ornamente,  selbst  auf  Kosten  der  Ausdehnung  und 
des  Faltenreichthums  der  Gewänder,  zu  häufen  und  zu  mehi-en.  Mit 
andern  Worten:  der  Schnitt  und  der  stoffliche  Umfang  der  meisten 
liturgischen  Ornate  begann  bereits  gegen  Schluss  des  XV.  Jahr- 
hunderts sich  immer  mehr  zusammenzuziehen  und  zu  verengen,  je 
mehr  die  reich  gestickten  Stäbe  an  Ausdehnung  und  Formenfülle 
zunahmen.  Auch  die  Dalmatik  musste  sich  gegen  Ausgang  des 
Mittelalters  diese  Verenofung  und  Zuschneidung  der  stoÖlichen 
Theile  gefallen  lassen,  je  mehr  die  äussere  Ausstattung  mit  gestick- 
ten Verzierungen  in  den  Vordergrund  trat.  Die  Aermel,  die  im 
XV.  Jahrhundert  meistens  noch  geschlossen  waren,  werden  von 
da  ab  immer  kürzer  und  erhalten  am  äussern  Abschluss  mehr 
oder  weniger  reich  gestickte  und  gewirkte  praetewtae,  wie  das  an 
der  Dalmatik  auf  Taf.  VII  zu  ersehen  ist.  Auch  die  Länge  des 
Diakonengewandes  wurde  gegen  Schluss  des  Mittelalters  nach  und 
nach  verkürzt.  Der  untere  horizontal  laufende  Abschlussrand,  der 
in  der  Eegel  durch  breite  Fransen  garnirt  wurde,  behält  so  ziem- 
lich seine  frühere  Ausdehnung  nach  der  Länge  hin,  nach  oben  zu 


—    99  — 


den  Aermeln  ansteigend  verengt  sich  derselbe  mn  ein  Bedeutendes, 
so  dass  unten,  an  den  Seitenüffnungen,  spitze  Winkel  entstehen. 

Wir  haben  auf  Taf,  VII,  Fig.  1  eine  reiche  Dalmatik  aus  der 
letzten  Hälfte  des  XV.  Jahrh.  in  verkleinertem  Maassstabe  bildlich 
wiedergegeben ,  die  sich  in  unserer  Privatsammlung  befindet.  Die 
beigefügte  Grössenangabe  nach  rheinischem  Fuss  macht  hier  eine 
weitere  Erklärung  der  Ausdehnung  vmd  Grüssenverhältnisse  iiber- 
flüssiar.  Der  Grundstoff  dieser  festtäg-lichen  Dalmatik  besteht  aus 
einer  gelben  Satinseide  mit  Musterungen  in  einem  dichten  ge- 
schnittenen grünen  Sammet.  Die  beiden  Stäbe,  die,  unserer  Ab- 
bildung zufolge,  als  aurifrisiae  in  jjaralleler  Lage  den  hintern  imd 
vordem  Theil  des  Gewandes  gleichmässig  verzieren,  sind  von  den 
Wappenstickern  Kölns  in  jenem  eigenthümlich  angefertigten  Gold- 
faden mit  den  eingeAvirkten  Namen  „Jhesus,  Maria"  gewebt,  die 
wir  auf  Seite  50  des  I.  Bandes  ausführlicher  besprochen  haben. 
Zwischen  diesen  Namen ,  in  gothischcn  Minuskeln ,  erblickt  man, 
wie  immer  auf  diesen  goldgewirkten  Stäben  der  kölnischen  Wap- 
pensticker  -  Zunft ,  Pflanzen  -  Oi'namente  in  Gestalt  einer  blühen- 
den und  fruchtbringenden  Pflanze ,  die  den  Baum  der  Kirche 
oder  das  Senf  körnlein  des  Evangeliums  vorstellen  dürfte.  Auf 
der  breiten  praetexta  dieser  Dalmatik ,  die  gleichmässig  Brust  und 
Rücken  horizontal  bedeckt,  ersieht  man  in  der  Mitte  ein  Vier- 
passmedaillon und  zu  beiden  Seiten  vielfarbig  eingewirktes  Blu- 
menwerk, das  von  dem  matten  Goldstofi'  vortheilhaft  absticht.  Der 
Vorliebe  des  XV.  Jahrhunderts  für  Anbringung  von  heraldischen 
Geschlechtszeichen  Vorschub  leistend,  hat  die  erfahrene  Hand  des 
Wappenstickers  auf  dem  Hintertheile  dieser  Dalmatik,  wie  es  die 
Abbildung  veranschaulicht,  ein  en  relief  gesticktes  grosses  Wap- 
penschild mit  darüber  befindlicher  reichgestickter  Helmzierde  an- 
gebracht, die  an  dieser  Stelle  plastisch  zu  wirken  sucht.  Dieses 
Wappenschild,  dessen  Deutung  wir  Heraldikern  von  Fach  über- 
lassen ,  findet  sich  in  der  Regel  in  bescheidener  untergeordneter 
Grösse  an  dem  untern  Rande  festtäglicher  Dalmatiken  aus  dem  XV. 
und  XVI.  Jahrhundert  vor,  um  so  das  Herkommen  des  Gewandes 
und  die  Familie  des  Geschenkgebers  anzudeuten.  Damit  die  An- 
legung der  Dalmatik  leichter  bewerkstelligt  werden  konnte,  be- 
findet sich  oben  ein  grosser  Durchlass  für  den  Kopf,  der  eine 
solche  Einrichtung  hat,  dass  er  durch  zwei  seidene  Schnüre  und 
die  daran  befindlichen  kleinen  Schlingen  nach  der  Anlegung  des 
Gewandes  vermittels  zweier  auf  dem  Vordertheile  der  Dalmatik 
aufgenähten  Knöpfe  geschlossen  werden  konnte.  Diese  seideneu 
Schnüre  zum  leichtern  Befestigen  der  Dalmatik  an  der  obern  Hals- 

7* 


—    100  — 


öfinung  auf  beiden  Schultern  verlängern  sich  nach  hinten  und  mün- 
den aus,  wie  es  unsere  Abbildung  auf  Tafel  VII  Fig.  1  anzeigt, 
in  lange  seidene  Quasten,  die  oben  von  einem  beweglichen  pomel- 
lum  in  Krystall  einen  ornamentalen  Abschluss  erhalten.  An  an- 
dern Dahnatiken  aus  dem  Schlüsse  des  XV.  Jahrhunderts  sahen 
wir,  anstatt  dieser  Aepfelchen  in  Bcrgkrystall,  kleinere  Knöpfchen 
von  vergoldetem  Silber  mit  gothisch  durchbrochenen  und  filigra- 
nirten  Zierrathen. 

Bei  Besprechung  der  vorliegenden  Dalmatik  kann  unsere  Ab- 
sicht nicht  dahin  gehen ,  zu  behaupten ,  dass  dieser  Levitenrock 
ausschliesslich  bischöflichen  Gebrauches  gewesen  sei.  Nur  das  lässt 
sich  mit  Sicherheit  angeben ,  dass  gegen  Schluss  des  Mittelalters 
und  im  Be2:inne  der  Renaissance  die  reichern  bischöflichen  Dal- 
matiken  einen  ähnlichen  Schnitt  und  eine  verwandte  Ornamentation 
aufzuweisen  hatten,  wie  es  unsere  Abbildung  andeutet. 

Wenngleich  in  grössern  Stifts-  und  Kathedralkirchen  die  reicher 
verzierten  Alben,  Stolen  und  Messgewänder  vorzugsweise  zu  bi- 
schöflichem Gebrauche  an  Festtagen  dienten ,  so  soll  damit  nicht 
gesagt  werden ,  dass  dieselben  ausschliesslich  nur  allein  vom  Bi- 
schöfe getragen  werden  durften.  Mit  denselben  Ornaten  konnten 
auch  andere  Würdenträger  derselben  Kirche  das  h.  Opfer  an  Fest- 
tagen feiern,  im  Falle  dieselben  Eigenthum  der  betreffenden  Kirche 
und  nicht ,  wie  das  häufig  vorkam ,  Privateigenthum  des  Bischofs 
waren.  Ausschliesslich  vom  Bischöfe  wurden  nur  jene  im  Fol- 
genden näher  zu  beschreibenden  Ornatstücke  in  Gel)rauch  genom- 
men, die  ihn  als  geistlic-hen  Oberhirten  auszeichneten  und  ihm 
allein  zustanden.  Im  gleichen  Falle  muss  auch  von  der  Tunicelle 
und  der  Dalmatik,  die  der  Bischof  in  pontificalibus  aidegte,  gesagt 
werden,  dass  sie  nicht  ausschliesslich  vom  Pontifex  getragen  wurde, 
sondern  dass  auch  vorübergehend  an  Festtagen  der  Diakon  und 
der  Subdiakon  bei  feierlichen  Ministrationen  damit  bekleidet  wer- 
den konnten. 

Als  im  spätem  Mittelalter  zur  Anfertigung  sowohl  der  Tuni- 
cellen  als  der  Dalmatiken  für  festtäglichen  Gebrauch  schwerere 
mit  Gold  durchwirkte  und  mit  reicher  Stickerei  verzierte  Seiden- 
und  Sammetstoffe  gewählt  wurden,  schien  es  wünschenswerth,  dass 
zu  der  in  Gold  gestickten  Casel  des  Bischofs  zwei  einfachere  Dia- 
konengewänder Anwendung  fanden,  die  der  grösseren  Bequem- 
lichkeit wegen  nur  aus  leichten  Seidenstoffen  ohiie'  Stickerei,  je- 
doch von  der  gleichen  Farbe  des  Messgewandes,  angefertigt  wur- 
den. Um  also  die  stoffliche  Schwere  der  bischöflichen  Unter- 
gCAvänder,  nämlich  der  Tunicelle  und  der  Dalmatik,  zu  vermin- 


~    101  — 


dern,  scheint  man  seit  dem  Schlüsse  des  XVI.  Jahrhunderts  in 
vielen  Diücesen  allgemeiner  den  Anfang  gemacht  zu  haben ,  diese 
Pontificalg-ewänder  aus  leichtem  Seidentafi'et  ohne  alle  Anwendung 
von  Ornamenten  so  herzustellen,  dass  die  Schwere  derselben  nicht 
mehr  in  Betracht  kommen  konnte  und  dass  auch  die  Anleofun": 
bequemer  und  leichter  von  Statten  ging.  Seit  dieser  Zeit  öffnete 
man  die  ehemals  geschlossenen  Aermel  der  Tunicelle  und  auch  der 
Dalmatik  und  schloss  erst  nach  Anlegung  derselben  diese  manicae 
durch  doppelte  seidene  Schnüre,  die  an  zwei  verschiedenen  Stel- 
len an  den  untern  Theilen  der  Aermel  befestigt  waren.  Heute,  wo 
diese  leichteiKjn  veste-i  diaconatus  allgemein  in  bischöflichen  Kirchen 
im  Gebrauch  sind,  verschwinden  dieselben  so  ziemlich  als  selbst- 
ständige verzierte  Untergewänder,  und  hat  der  bischöfliche  Ponti- 
fical-Ornat  in  Hinsicht  auf  die  kunstvoll  gestalteten  Diakonenge- 
wänder, die  aus  dem  XIV.  und  XV.  Jahrhundert  in  Malerei  und 
Sculptur  noch  zahlreich  im  Bilde  auf  unsere  Tage  gekommen  sind, 
an  Feierlichkeit  und  Würde  bedeutend  verloren. 


8. 

Das  Messgewand,  „paenula,  planeta,  casula." 

Der  hervorragendste  Ornat,  den  sowohl  der  celebrii-ende  Prie- 
ster, als  auch  der  pontificirende  Bischof  über  die  vorhin  beschrie- 
benen Paramente  anlegt,  wird  von  griechischen  Liturgikern  q>ui- 
viaKrjq,  fpuiviä'Kiov,  von  lateinischen  Schriftstellern  planeta,  castila  ge- 
nannt. Den  Ursprung  und  die  Gestalt  dieses  alt-liturgischen  Ge- 
wandes in  früh-christlicher  Zeit  haben  wir  in  der  dritten  Lieferung 
dieses  Werkes  nachzuweisen  versucht.  Hier  liegt  zunächst  die 
Frage  zur  Beantwortung  vor:  Welche  formelle  Entwickelung  hin- 
sichtlich seines  Schnittes  und  der  äussern  Form  hat  das  alt- 
liturg-ische  Messjrewand  seit  der  karolinjjischen  Zeit  bis  zum  Ab- 
lauf  des  Mittelalters  durchgemacht?  Da  die  camlu  vornehmlich 
als  auszeichnendes  Priestergewand,  im  Gegensatz  zu  der  Dalma- 
tik als  Diakonenkleid  und  der  Tunicelle  als  Gewand  für  den  Sub- 
diakon,  zu  betrachten  ist,  so  dürfte  es  zweckdienlich  erschei- 
nen, chronologische  Mittheilungen  über  Gestalt,  Schnitt  und  stoff- 
liche Ausdehnung  der  planeta  in  der  folgenden  Lieferung,  die  die 
liturgischen  Gewänder  des  celebrirenden  Priesters ,  der  Diakonen 
und  Subdiakonen  behandeln  wird,  eingehender  zu  besprechen.  In 
den  vorliegenden  Blättern,  die  vorzugsweise  die  Form  und  orna- 


—    102  — 


mentale  Beschaffenlieit  des  bischöflichen  Pontifical-Ornates  in  ver- 
gleichender Parallele  zu  dem  priesterlichen  Gewände  im  Auge 
haben,  genüge  es,  den  Nachweis  zu  führen,  wie  sich  die  bischöf- 
lichen casulae  vom  VIII. — XVI.  Jahrhundert  hinsichtlich  ihrer  rei- 
chern Ausstattung  von  den  im  Schnitte  übrigens  gleichgestalteten 
Messgewändern  unterschieden ,  deren  die  Priester  in  diebus  feria- 
libus  bei  Darbringung  des  heiligen  Messopfers  sich  zu  bedienen 
pflegten. 

Es  hiesse  die  o-eschichtliche  Entwickeluno;  der  Stickerei  auf 
dem  Gebiete  der  Kirche  nachweisen ,  wenn  wir  in  dem  vorliegen- 
den engen  Kaume  näher  darlegen  wollten,  wie,  den  kirchlichen 
Ueberlieferungen  zufolge ,  vorzugsweise  die  planeta  des  Bischofs 
durch  verschiedenartige  Nadelmalereien  und  Wirkereien  in  den 
einzelnen  Kunstepochen  des  Mittelalters  gehoben  und  künstlerisch 
verziert  worden  ist.  Was  nämlich  der  Kelch  seit  der  frühchrist- 
lichen Zeit  bis  zur  Renaissance  für  die  Fortbildung  und  die 
Blüthe  der  kirchlichen  Goldschmiedekunst  war,  das  bietet  in  dem 
Bei'eiche  der  Paramentik  die  casula  des  Bischofs  in  ihrer  stofilichen 
und  ornamentalen  Ausstattung  für  die  Entwickelung  und  die  tech- 
nische Vollendung  der  Weberei  und  Stickerei  das  ganze  Mittel- 
alter hindurch.  Wie  das  schon  aus  den  Angaben  des  Anastasius 
Bibllothecarius  zu  ersehen  ist,  gewährte  die  casula  des  pontificiren- 
tlen  Bischofs  schon  vor  dem  X.  Jahrhundert  erwünschte  Gelegen- 
heit,  allen  Eeichthum  des  Materials  in  Verbindung  mit  der  ver- 
schiedenartigsten Technik  anzuwenden,  um  hervorragende  Einzel- 
heiten dieses  faltenreichen  bischöflichen  Obergewandes  Avürdig  und 
kunstgerecht  auszustatten.  Bevor  wir  die  kunstvollen  Stickereien 
und  Webereien  in  Verbindung  mit  den  Zierrathen  von  getriebenen 
Goldblechen  mit  eingelassenen  Schmelzen  näher  In  Betracht  ziehen, 
die  an  den  aurifrisiae  der  reichern  Messgewänder  vornehmlich  für 
bischöflichen  Gebrauch  an  Festtagen  zur  Anwendung  kamen,  wollen 
wir  vorher  noch  Einiges  über  stoffliche  Beschaffenheit,  Farbe  und 
Musterung  jener  schAveren  Seidengewebe  hinzufügen,  die  vor  dem 
X.  eTahrhundert  in  Kathedralkirchen  zur  Herstellung  von  festtäg- 
lichen Messgewändern  verwandt  zu  werden  pflegten.  Aus  den 
einschlagenden  Angaben  des  oftgedachten  Biographen  der  Päpste, 
namentlich  in  seinen  vitis  Hadriani,  Leonis  III.  und  Stephani  V. 
ist  deutlich  zu  ersehen,  von  welcher  Kostbarkeit  und  Gediegenheit 
jene  Seidenstoffe  in  verschiedenfarbigem  Purpur  waren,  die  zu  den 
restimenta  oder  pallia  altaris^  und  zu  den  tetravela  der  Baldachin- 
Altäre  verwandt  wurden.  Dass  diese  thouern  Purpurstofl'e  in  ab- 
wechselnder Farbenschattirung ,  die  zur  Anfertigung  der  bischöfli- 


—    103  — 


chen  planetae  im  VIII.  und  IX.  Jahrhundert  verwandt  wurden,  aus 
Byzaiiz,  Aegypten,  Arabien  und  aus  der  eigentlichen  Heimath  der 
Seidenfabrication,  dem  Lande  der  Serer,  meistens  für  hohen  Preis 
auf  weiten  Handelswegen  beschatit  wurden,  haben  Avir  in  der  ersten 
Lieferung  dieses  Werkes  ausführlicher  nachgewiesen.  Neben  den 
vestes  sigilatae,  chrysoclavae ,  den  vestimenta  de  blathin  Byzantea  und 
den  doppeh  gefärbten  Purpurstoffen  —  den  theuern  dibapha  — 
von  denen  Anastasius  an  unzählig  vielen  Stellen  spricht,  kommen 
im  X.  Jahrhundert  auch  noch,  wie  das  einzelne  seltene  Ueberreste 
heute  lehren ,  schwere  meist  orientalische  Seidenstoffe  in  andern 
Farben  zur' Herstellung  bischoHicher  planetae  vor,  die  entweder 
dunkelgelb ,  der  Farbe  des  Goldes  nahekamen ,  oder  einen  gelb- 
lich-grünen Farbton  hatten,  welche  Abstufung  von  ältern  Au- 
toren häufig  mit  dem  Terminus  diapistis  benannt  wird.    Auch  im 

X.  und  theilweisc  noch  im  XI.  Jahrhundert  herrscht  an  jenen 
bischöflichen  planetae,  die  sich  noch  aus  dieser  fernliegenden  Epoche 
bis  auf  unsere  Tage  erhalten  haben,  entweder  die  Farbe  des  rothen 
oder  des  dunkel -violetten  Purpurs  vor.  So  ist  z.  B.  die  casula 
des  Bischofs  Benno  von  Osnabrück,  des  Erbauers  des  Speyerer 
Domes ,  in  dunkelviolettem  Kaiserpurpur  gehalten ,  während  das 
Messgewand  des  Ii.  Anno ,  Erzbischofs  von  Köln ,  eine  röthliche 
Purpurfarbe  zeigt.  Auch  der  Oberstofi  des  Messgewandes  des 
heiligen  Meinwerk,  Bischofs  von  Paderborn,  der  heute  nur  noch  in 
kleinen  Ueberresten  ersichtlich  ist,  bestand  aus  einem  bläulich- vio- 
letten Purpurstoffe.  Die  MessgeAvänder  des  h.  Heribert  zu  Deutz, 
des  h.  Bernward  zu  Hildesheim  und  des  h.  Bernhard  zu  Xanten 
und  zu  Brauweiler  lassen  sämmtlich  eine  goldgelbe,  orientalische 
Seide  von  schwerer  Textur  erkennen.  Hingegen  zeigt  die  planeta 
Erzbischofs  Willigis,  heute  aufbewahrt  zu  St.  Stephan  in  Mainz, 
jenen  grünlich-gelben  Farbton,  worin  Einige  das  öfters  beim  Ana- 
stasius vorkommende  öiuntaxK;  erkennen  wollen.  Obschon  die 
meisten  heute  noch  erhaltenen  bischöflichen  planetae  des  X.  und 

XI.  Jahrhunderts  eintönig  (uni)  hinsichtlich  ihrer  Farbe  gehalten 
sind,  d.  h.  ohne  Musterung  in  andern  Farbentönen,  so  Avollen  wir 
doch  nicht  in  Abrede  stellen,  dass  auch  unmittelbar  vor  und  nach 
dem  X.  Jahrhundert  bischöfliche  Messgewänder  angefertigt  wur- 
den, die  zuweilen  in  zwei ,  zuweilen  sogar  in  drei  verschiedenen 
Farben  gemustert  waren.  Da  in  der  in  ßede  stehenden,  fernlie- 
genden Epoche,  wie  wir  bereits  an  einer  andern  Stelle  bemerken, 
die  orientalischen  Seidenstoffe  selten  waren  und  nur  um  hohen 
Preis  erstanden  werden  konnten;  da  ferner  sowohl  bei  bischöf- 
lichen als  auch  bei  priesterlichen  Messgewändern  um  diese  Zeit 


—  104 


die  verschiedenen  heute  vorgesehriebenen  Farben  noch  nicht  litur- 
gisch streng  normirt  waren,  so  leuchtet  es  ein,  dass  man  zur  Her- 
stellung festtäglicher  Messgewänder  Seidenstoffe  in  jener  Farbe 
verwandte,  wie  sie  eben  aus  dem  Morgenlande  in  das  Abendland 
(relanarten  und  durch  Kauffahrer  auf  den  grossen  Weltmarkt  gebracht 
wiu-den.  Nicht  wundem  darf  es  also,  dass,  wenn  in  altern  Inven- 
tarien  von  bischöflichen  Messgewändern  die  Rede  ist ,  an  vielen 
Stellen  solche  büivei  oder  caerulei  coloris  namhaft  gemacht  werden  ; 
sx>gar  Messgewänder  caatanei  coloris  werden  bei  altern  Chronisten 
häufig  aufgezählt.  ') 

Untersuchen  wir  nach  diesen  allgemeinem  Audeutun<>eu  über 
die  Farben  an  früh-mittelalterlichen  l>ischöflichen  planetae  im  Vor- 
beigehen die  Textur,  d.  h.  die  stoffliche  Beschaffenheit  jeher  theueru 
pädia  holoserica  trausmarina,  die  unmittelbar  vor  und  nach  dem 
X.  Jahrhundert  uw  Herstellung  von  festtäglichen  oder  bischöf- 
lichen Messgewändern  benutzt  wurden,  so  hat  eine  genauere  Un- 
tersuchung der  oben  angeführten  heute  noch  erhaltenen  bischöf- 
lichen planetue  aus  der  früh- romanischen  Kunst  -  P^poche  augen- 
fällisf  ergeben ,  dass  dieselben  einem  damastartigen  (lewebe  nahe 
kommen,  und  dass  dieses  feste  Gewebe  als  Grundlage  zur  Bildung 
des  heute  noch  gebräuchlichen  Damastes  gedient  hat.  In  vielen 
Fällen  ist  die  Kette  dieses  schweren  Seidensto^^es,  der  uns  an  fast 
sämmtlichen  Ornaten  des  X.  und  XI.  Jahrhunderts  entgegengetre- 
ten ist,  von  ungebleichtem  Leinen  inid  hat  man  dem  Stoffe  haupt- 
sächlich durch  den  seidenen  Einschlng  jene  Festigkeit  und  unzer- 
störbare Dauerhaftigkeit  gegeben ,  die  man  heute  noch  an  diesen 
mehr  als  achthundertjälirigen  Geweben  bewundert.  Viele  dieser 
Seidenstotte  (z.  B.  an  <ler  Casel  Sti.  Annonis,  Sti.  Ileriberti)  sind 
glatt,  ohne  Musterung  gehalten;  die  bei  weitem  grössere  Zahl  der- 
selben (casula  Sti.  Bernardi,  Bernwardi,  Willigisis,  Bennonis  etc  ) 
sind  mit  Musterungen  verziert.  Diese  Dessins  stellen  sich  sämmt- 
iich  vertieft  auf  einem  Satingrunde  dar,  welcher  dadurch  gebildet 
wird,  dass  der  dritte  der  einzeln  passirten  Kettenfäden  den  so- 
genannten Schuss  bindet.  Die  beiden  zusammen  passirten  Fäden, 
welche  nicht  im  Atlas  arbeiten,  sind  dazu  da,  um  den  Einschlag 
höher  aufzulegen  und  die  in  Umrissen  angegebenen  Musterungen 
als  tief  im  Atlasgruude  eingeprägt  erscheinen  zu  lassen. 

Was  nun  die  Form  und  Beschaffenheit  dieser  tief  liegenden, 


^)  Joaiincs  Diac.  lib.  IV  vitae  sti.  Gresiorii  M.  cap.  S.S.  Auch  das  MessgewanJ, 
worin  der  grosse  h.  Bernhard  in  Aachen  celebrirte,  l)esteht  aus  einem  dunkel- 
blauen Seidenstoffe. 


—    105  — 


gleichsam  eingeritzen  Dessins  in  diesen  schweren  meist  orientali- 
schen Seidenstoffen  der  reichern  Messgewänder  in  den  Tagen  der 
Karolinger  und  Oltone  betrifft ,  so  deuten  wir  hier ,  mit  Bezug- 
nahme auf  das  auf  Seite  8  und  9  in  der  ersten  Lieferung  dieses 
Werkes  Entwickelte,  in  Kürze  darauf  hin,  dass  neben  jenen  na- 
turhistorisch gemusterten  Seidengeweben  mit  den  Darstellungen 
aus  der  mittelalterlichen  Physiologie  und  deren  j)hantasievollen 
Thiergebildeu ,  die  meistens  von  Kreisen  und  Vielecken  eingefasst 
waren,  seit  dem  X.  Jahrhundert  an  den  oben  angeführten  bischöf- 
lichen Gewändern  ausschliesslich  nur  Musterungen  vorkommen, 
deren  Gebilde  vorzugsweise  aus  der  Pflanzenwelt  mit  spärlicher  An- 
wendung der  Formationen  der  Thierwelt  entlehnt  sind.  Diese  ge- 
mischten Bildungen  der  animalischen  und  vegetabilischen  Schö- 
pfung, zuweilen  nicht  ohne  symbolische  Beimischung,  sind  durch- 
gehends  noch  zu  den  tellerförmig  und  radförmig  gemusterten  Sei- 
dengeweben zu  zählen ,  die  ein  fortlaufend  zusammenhängendes 
Hauptmotiv  zur  Schau  tragen.  Auch  scheinen  Seidenstoffe,  die  mit 
4 ,  6  und  8  Ecken  zusaumienhangend  gemustert  sind ,  innerhalb 
welcher  sich  meistens  arabeskenförniige  Thier-  und  Pfianzengebilde 
immer  wiederkehrend  befinden,  in  den  Stoffen  an  bischöflichen  Pon- 
tifical-Gewändern  der  früh-romanischen  Kunstepoche  mit  Vorliebe 
angewandt  worden  zu  sein. 

Wir  verweilten  im  Vorhergehenden  länger  bei  der  Bespre- 
chung der  stofflichen  und  technischen  Beschaffenheit  jener  zu  den 
bischöflichen  planetae  meistens  angewandten  Seiden-  und  Purpur- 
stoffe, weil  aus  diesen  kostbaren  Geweben  fast  alle  übrigen  im 
Vorhergehenden  beschriebenen  Pontifical-Gewänder,  mit  Ausschluss 
der  Albe  ,  in  der  früh  -  romanischen  Kunstepoche  angefertigt  zu 
werden  pflegten. 

Gehen  wir  im  Folgenden  zur  Beschreibung  jener  kunstvollen 
Verzierungen  über,  die  schon  seit  dem  IX.  und  X.  Jahrhundert  zur 
'    Ausstattung  einzelner  Theile  der  bischöflichen  planetae  in  den  Stifts- 
und Kathedralkirchen  des  christlichen  Abendlandes  eine  ausgedehnte 
Anwendung  gefunden  haben. 

In  gleicher  Weise  wie  die  Tunicelle  und  vornehmlich  die 
Dalraatik  durch  reichgewirkte  angusti  clavi,  aureae  listae  einen  aus- 
zeichnenden Schmuck  erhielten,  so  nahm  die  Stickkunst  auch  schon 
frühzeitig  darauf  Bedacht,  das  auszeichnende  Obergewand  des  pon- 


•)  Anastasius  Bibliotliectu-ius  beneuiit  in  seinem  Werke :  .,Üe  vitis  Romanorum 
Pontificum"  diese  in  polygon  gemusterten  kostbaren  Seideagewebe  „pallia  qua- 
drapola,  hexapola,  octapola  etc. 


—    106  - 


tificirenden  Bischofs  in  verschiedenartiger  Weise  durch  vielfarbige 
gestickte  Verzierungen  zu  heben  und  kunstgerecht  auszustatten. 
Diese  gestickten  oder  in  Gold  gewirkten  Bandstreifen  der  planeta 
werden  bei  ältern  Autoren  aicreae  listae ,  fimhriae ,  praeteoctae  oder 
auch  aurifrisiae,  tramites,  viitae  genannt. 

Welche  Form  und  Gestalt  hatten  nun  diese  verzierenden  jje- 
stickten  und  gewebten  Bandstrelfen,  die  als  äussere  decorative  Zu- 
that  vornehmlich  die  planetae  des  pontificirenden  Bischofs  vor  den 
einfachem  Messgewändern  des  celebrirenden  Priesters  in  der  früh- 
romanischen  Kunstepoche  auszeichneten  ?  Die  ältern  Messgewän- 
der, die  aus  dem  IX.,  X.  und  XI.  Jahrhundert  herrührend  uns 
zur  Anschauung  gelangt  sind,  zeigen  eine  verschiedenartige  Aus- 
stattung hinsichtlich  der  Form  und  Gestalt  dieser  aufgenähten 
aurifrisiae.  Die  meisten  dieser  ältesten  Messgewänder  in  der  so- 
genannten Glockenform,  ohne  Einschnitt  zu  beiden  Seiten,  geben 
zumeist  eine  goldgewirkte  oder  gestickte  schmälere  Borde  am  obern 
Halsausschnitt  zu  erkennen;  bei  einigen  fehlt  heute  diese  aurea 
lista,  jedoch  haben  sich  noch  vielfach  kleinere  Ueberreste  an  den 
Halsausschnitten  erhalten,  die  das  frühere  Vorhandensein  derselben 
andeuten.  Bei  den  planetae,  die  wir  in  Italien  auf  ältern  Mosaik- 
bildern oder  auch  auf  Tempera-Malereien,  desgleichen  in  Original 
zu  sehen  Gelegenheit  hatten,  könnnt  meistens  auf  der  Vorder-  und 
Rückseite  eine  aurifrisia  vor,  die  als  schmaler  ornamentaler  Stab 
auf  der  Pectoralseite  die  Hauptnaht  verdeckt,  welche  die  weiten 
Stofitheile  des  Messgewandes  an  dieser  Stelle  verbindet.  Diese 
aurifrisiae,  die  auf  dem  Pectoralstücke  der  ältern  Messgewänder 
ursprünglich  die  ebengedachte  untergeordnete  Bestimmung  gehabt 
haben  mochten ,  und  nicht  wesentlich  zu  der  casula  gehörten, 
wurden  bereits  im  XI.  Jahrhundert  selbst  Zweck  und  nahmen 
um  diese  Zeit,  namentlich  in  englischen,  französischen  und  deut- 
schen Kathedralen,  eine  besondere  Form  an,  die  mehrere  Jahr- 
hunderte hindurch  sich  traditionell  erhalten  hat  und  aus  welcher 
durch  eine  allraälige  Erweiterung  und  Entwickelung  das  Kreuz 
entstanden  ist,  wie  wir  dasselbe  heute  in  den  modern  zugeschnit- 
tenen Messffewändern  häufiger  vorfinden.  Als  nämlich  im  Laufe 
des  XI.  Jahrhunderts  die  verschiedenen  Künste  im  Dienste  der 
Kirche  einen  erhöhten  Aufschwung;  genommen  hatten  und  auch  die 
Nadel-Malerei  in  Verbindung  mit  der  Kunst  der  Goldschmiede  und 
der  Schmelzer  sich  weiter  zur  Verzierung  der  bischöflichen  Ornate 
zu  entwickeln  und  auszudehnen  begann,  erhielten  auch  insbesondere 
diesseit  der  Berge  die  bis  dahin  schmälern  fasciae  oder  fasciolae, 
an  Pontifical-Gewändern  eine  grössere  Breite  und  fügte  man  bereits 


107  — 


seit  dieser  Zeit  hin  und  wieder  zu  den  ornamentalen  Bandstreifen, 
welche  die  Vorder-  und  Rückseite  der  planeta  schmückten,  noch  zwei 
aurifrisiae  von  derselben  Breite  hinzu,  die  transversal,  einem  schräg 
ansteigenden  Gabelkreuze,  einem  Y  ähnlich,  auf  beiden  Seiten  des 
Messgewandes  sich  gleichmässig  erhoben  und  auf  den  Schulter- 
stücken desselben  zusammentrafen. 

Es  dürfte  hier  am  Orte  sein ,  die  Frage  aufzuwerfen :  Wie 
kam  es,  dass  seit  dem  XL  Jahrhundert  die  aurifrisiae,  vornehm- 
lich auf  bischöflichen  Messgewändern ,  sich  zu  der  Form  eines 
Gabel-  oder  Schulterkreuzes  allmälig  ausbildeten?  Die  Antwort 
hierauf  kan'n  nicht  fern  liegen,  wenn  man  sich  die  Gestalt  und 
Anlegungs weise  des  erzbischöflichen  paUium  vergegenwärtigt ,  wie 
dasselbe  in  der  oben  angegebenen  fernliegenden  Kunstepoche,  altern 
Bildwerken  zufolge,  von  den  Erzbischöfen  getragen  wurde.  Nach- 
dem das  pallium  als  bedeckendes  Obergewand,  ähnlich  der  Stole, 
seine  faltenreiche  stoffliche  Ausdehnung  verloren  hatte  und  nur 
der  ehemaligen  decorativen  Ausstattung,  dem  schmalen  mit  Kreu- 
zen vei'zierten  Streifen,  der  Name  geblieben  war,  wurde  dieses 
auszeichnende  Ehrengewand  ein  schmäleres  Band ,  als  vestis  stau- 
racin,  nach  Anlegung  des  Messgewandes  so  auf  den  Schultern 
vermittels  beweglicher  goldener  Spangen  befestigt,  dass  dasselbe 
auf  der  Vordei'-  und  Rückseite  der  casula  als  langer  Bandstreifen 
herunterhing  und  auf  Brust  und  Rücken  des  Trägers  von  der 
Mitte  zu  den  Schultern  hin  schräg  anstieg.  Es  lag  nun  nahe, 
durch  eine  reiche  Stickerei  in  Gold-  und  Seidenfäden  auf  den  bei- 
den Theilen  des  Messgewandes  die  Form  des  griechischen  Tau  als 
ornamentales  Beiwerk  unbeweglich  aufzunähen  und  zu  befestigen,  die 
als  auszeichnendes  Ornatstück  nur  die  Erzbischöfe  und  Metropoliten 
in  ähnlicher  Form  und  Anle  gungsweise  beweglich  auf  der  planeta 
zu  tragen  das  Vorrecht  besassen.  Wir  waren  angenehm  über- 
rascht, eine  ähnliche  Auffassung  des  Ursprunges  dieser  gabel- 
förmig gestalteten  Tau  auch  bei  Du  Cange  ad  voc.  casula  vor- 
zufinden, der  aus  der  Geschichte  der  Bischöfe  von  Autun  eine 
Stelle  zur  Begründung  der  eben  ausgesprochenen  Ansicht  anführt, 
die  also  lautet:  „casula  coloris  aetherei,  phrygio  palmum  habente 
superhumeralis  et  rationalis  effigiem  ad  modum  pallii  archiepis- 
copalis  honorabiliter  praetendebat.  ')  Durch  eine  kunstreiche  Sticke- 
rei, die  in  ihrem  Aeussei-n  die  Gestalt  des  erzbischöflichen  Palliums 
nachahmte,  wurde  also  bereits  im  XII.  Jahrhundert  auf  der  Dor- 
sal- und  Pectoralseite  der  bischöflichen  Casel  der  Mangel  des  eben- 


')  Histor.  Episcoporum  Autisiodor.,  cap.  49. 


—    108  — 


gedachten  nur  den  Erzbischofen  und  Metropoliten  zustehenden  Or- 
nates weniger  sichtbar.  Zur  Veranschaulichung  dieser  über  die 
Schulter  ansteigenden  aurifrisiae,  als  Nachahmung  des  ei'zbischöf- 
lichen  pallium,  haben  wir  auf  Taf.  VIII,  Fig.  1  eine  bischöfliche 
casula  in  verkleinertem  Maassstabe  bildlich  wiedergegeben,  die  sich 
heute  noch  mit  vielen  andern  in  den  Schatzgewülben  der  Dom- 
kirche zu  Halberstadt  vorfindet.  In  der  Mitte  dieser  casula  aqui- 
linata,  die,  ihrem  Schnitte  und  den  goldgestickten  Musterungen 
nach  zu  urtheilen  ,  dem  XII.  Jahrhundert  angehört,  ersieht  man 
eine  schmale  vitta,  die  gabelförmig  über  die  Schultern  ansteigt  und 
von  einem  ähnlichen  bandförmigen  Streifen  in  der  Mitte  auf  beiden 
Seiten  des  Messgewandes  ausgeht.  Es  ist  nicht  zu  verkennen, 
dass  diese  hier  abgebildeten  orfrois  der  Gestalt  und  Anlegungsweise 
des  erzbischöflichcii  pallium  genau  entsprechend  sind  und  als  eine 
beabsichtigte  ornamentale  Imitation  desselben  betrachtet  werden 
können.  Eine  aurca  lista  in  dieser  Gestalt  als  Gabelkreuz  befand 
sich  auch  bis  zur  französischen  Revolution  auf  der  in  unserer 
Sammlung  befindlichen  Purpur-Casel  des  h.  Anno  (f  1078).  Leider 
ist  dieser  goldene  Besatzstreif,  des  leidigen  Metallwerthes  wegen,  zu 
Anfang  dieses  Jahrhunderts  abgetrennt  worden ;  es  sind  jedoch  die 
Stellen  deutlich  noch  wahrzunehmen,  wo  dieselben  in  Weise  eines 
doppelten  Gabelkreuzes  ehemals  aufgenäht  waren.  Desgleichen  zeigt 
auch  das  Messgewand  des  Erzbischofs  Willigis  zu  Mainz  heute  noch 
einzelne  Ueberreste  einer  ähnlichen  ornamentalen  Borde  als  gemu- 
stertes Goldgewebe,  das  dieses  ausgezeichnete  bischöfliche  Gewand  in 
Form  eines  Gabelkreuzes  ehemals  verzierte.  Neben  diesen  goldenen 
Stäben  an  bischöflichen  Gewändern  im  XI.  Jahrh.,  die  um  diese 
Zeit  als  ornamentale  Verdeckung  der  Nähte  noch  sehr  schmal  waren 
und  die  Form  bildeten,  wie  sie  an  dem  Gabelkreuze  auf  Taf.  VIII, 
Fig.  1  veranschaulicht  worden  sind,  kommen  mit  dem  XII.  Jahrb.,  wo 
die  gesticiUen  Verzierungen  auf  den  bischöflichen  und  festtäglichen 
Messoewändern  sowohl  an  Ausdehnung  als  auch  an  Eciclithum  des 
^Materials  und  Entwickelung  der  Form  zunehmen,  häufig  andere 
Formenbildungen  und  Gestaltungen  dieser  Stäbe  zur  Anwendung. 

Um  Gesagtes  nicht  zu  wiederholen,  verweisen  wir  hier  im 
Vorbeigehen  auf  unsere  ausführlichem  Angaben  in  der  zweiten 
Lieferung  auf  Seite  188  und  den  folgenden,  wo  angedeutet  worden 
ist,  in  welcher  Weise  seit  dem  XII.  Jahrhundert  die  Stickerei  und 
Nadelmalerei  zur  Ausschmückung  der  liturgischen  Gewänder  sich 
grossartiger  zu  entfalten  begann.  Dass  diese  Entwickelung  der 
kirchlichen  Stickkunst  namentlich  dem  hervorragendsten  bi.<ichöf- 
lichen  Obergewande  vortheilhaft  zu  Statten  kam,  beweisen  heute 


—    109  — 


noch  eine  grosse  Zahl  von  reichgestickten  Messgewändern  des 
XII.  Jahrhunderts,  die  wir  in  verschiedenen  Stifts-  und  Kathedral- 
kirchen des  christlichen  Abendlandes  vielfach  noch  in  ausgezeich- 
net  guter  Erhaltung  vorgefunden  haben.  Das  System  der  Orna- 
mentation  an  diesen  meist  bischöflichen  Caselu  des  XII.  Jahrh., 
insoweit  sie  uns  an  vielen  Orten  noch  zu  Gesichte  gekommen  sind, 
ist  ein  zweifaches :  Entweder  ist  der  ganze  faltenreiche  Seidenstoff 
mit  meist  naturhistorisch-scenirten  Goldstickereien  verziert  und  sind 
alsdann  die  aurifrmae  als  Nachahmung  des  erzbischüflichen  pallium 
aus  goldgewirkten  listae  auf  eine  geringe  Ausdehnung  beschränkt, 
wie  an  dem  Adlergewande  auf  Taf.  VIII;  oder  aber  der  falten- 
reiche Gewandstoft  ist  olme  Musterungen ,  d.  h.  ohne  eingewebte 
Goldbrochirungen  oder  eingestickte  Dessins,  uni  gehalten,  und  ist 
alsdann  mehr  Sorcrfalt  auf  die  breitern  meistens  in  Gold  sfcwirkten 
Stäbe  verwandt ,  die  als  Gabelkreuze  beide  Theile  des  bischöf- 
lichen Messgewandes  gleichmässig  verzieren ;  in  einem  dritten 
Falle  nehmen  diese  kunstvoll  gearbeiteten  aurifrisiae  eine  freiere 
ornamentale  Gestalt  in  Form  von  Pflanzengebilden  an,  die  sich 
auf  dem  Obcrtheile  des  Messgewandes  frei  verästelt.  Halten  wir 
im  Folgenden  eine  kurze  Umschau ,  wo  sich  heute  noch  bischöf- 
liche Messgewänder  aus  der  entwickelten  romanischen  Kunstepoche 
der  ersten  Art  erhalten  haben. 

Ausser  dem  Adlergewande  des  Domes  zu  Halberstadt,  dessen 
Thiermusterungen  in  Gold  auf  dunkelblauer  Satin scide  (vergl. 
Taf.  VIII,  Fig.  1)  gestickt  sind,  bewahrt  die  reichgefüHte  Zither 
daselbst  noch  einige  Messgewänder  mit  reichen  thier-symbolischen 
Stickereien  und  mit  schmälern  gabelförmig  ansteigenden  Stäben. 
Auch  das  Messgewand,  das  zu  jenen  Dalmatiken  mit  goldgestick- 
ten Lüwenmustern  gehört,  die  wir  auf  Taf.  V,  Fig.  1  wiederge- 
geben haben,  ist  durchaus  mit  Thierbildern  bestickt,  unter  Zugabe 
von  schmälern  Stäben  in  Form  von  Gabelkreuzen.  Wohl  das 
reichste  Exemplar  eines  vollständig  mit  Bildwerken  gestickten  Mess- 
gewandes in  zusammenhängenden  Rundmedaillons,  die  dem  Leben 
des  Herrn  und  der  allerseligsten  Jungfrau  entlehnt  sind ,  bewun- 
derten wir  im  Schatze  des  Domes  von  Anagni.  Auch  in  der  Sa- 
cristei  des  ehemaligen  Benedictinerinnen-Stiftes  zu  Göss  in  Steyer- 
mark  sahen  wir  ein  ähnliches  ganz  mit  symbolischen  Thierbil- 
dern besticktes  Messgewand,  das  der  Fülle  der  angewandten  Sticke- 
reien wegen  den  aurifrisiae  keine  passende  Stelle  bieten  konnte.  ') 

')  Vgl.  unsere  Beschreibung  dieser  merk'wiirdigen  casula  in  ilen  ., Mittheilungen 
der  k.  k.  C'entnil  -  Commissioii  zur  Kifurschung  und  Erhaltung  der  Bau- 
Denkmale."    Maiheft,  Wien,  185S. 


—    110  — 


Die  unstreitig  merkwürdigsten  Messgewänder  dieser  Art,  die 
beide  dem  XII.  Jahrhundert  angehören,  wurden  ehemals  im  gazo- 
phylaceum  der  Reichs-Abtei  St.  Blasien  im  Schwarzwalde  aufbe- 
Avahrt,  und  sind  dieselben  von  dem  gelehrton  Abte  Gerbert  ')  be- 
schrieben und  abgebildet  worden.  Glücklicher  Weise  sind  diese 
beiden  liturgischen  Prachtgewänder  nebst  vielen  andern  kirchlichen 
Kunstschätzen  bei  der  gewaltsamen  Aufhebung  von  St.  Blasien 
nach  St.  Paul  im  Lavanthale  (Kärnthen)  übertragen  worden,  wo 
die  bedrängten  Stiftsherren  gastliche  Aufnahme  und  eine  zweite  Hei- 
math fanden. 

Dr.  G.  Ileider  -)  hat  das  Verdienst,  dass  er  in  einer  umfang- 
reichen Abhandlung  mit  Zugabe  vieler  charakteristischer  Abbil- 
dungen vom  Standpunkte  der  heutigen  archäologischen  Forschun- 
gen diese  beiden  casulae  eingehend  besprochen  hat.  Indem  wir 
auf  diese  treffliche  Arbeit  unseres  Freundes  hiermit  diejenigen  ver- 
weisen, die  die  Geschichte  der  liturgischen  Gewänder  zu  einem 
eingehendem  Studium  gemacht  haben,  bemerken  wir  im  Hinblick  auf 
die  äussere  Einx-ichtuno-  und  Ausstattung;  dieser  heute  noch  aus- 
gezeichnet  erhaltenen  castilae  von  St.  Paul  Folgendes. 

Das  eine  dieser  beiden  Messgewänder,  das  uns  das  ältere  zu 
sein  scheint,  hat  einen  grüssten  Halbmesser  von  1  Metr.  67  Cmtr. 
Die  ganze  Flächenausdehnung;  dieses  litura:ischen  Gewandes  ist  als 
eine  planefa  quadrapola  zu  betrachten,  indem  dieselbe  durch  verti- 
cal  und  horizontal  gestickte  schmälere  Ornamentstreifen  in  38  Qua- 
dratfelder getheilt  wird.  Der  äussere  Umfassungsrand,  der  von 
ältern  Schriftstellern  abwechselnd  liinbus,  ora  oder  gi/ra  in  cirouitu 
genannt  wird ,  ist  mit  zusammenhängenden  Kreismedaillons  ver- 
ziert,  innerhalb  welchen  35  Halbfiguren,  meistens  dem  Alten  und 
Neuen  Testamente  angehörend,  gestickt  sind.  Der  Reichthum  der 
gestickten  Figuren  und  heiligen  Scenen,  die  einestheils  der  Lebens- 
geschichte des  Heilandes,  anderntheils  typologischen  Darstellungen 
des  Alten  Bundes  entlehnt,  die  quadratischen  Felder  dieser  ca- 
sula  zu  einer  lehrreichen  Bilderbibel  gestalten,  machte  die  Anwen- 
dung von  reich  gestickten  breiten  aurifrisiae  zum  Schmucke  der 
Vorder-  und  Ilintertheile  unzulässig.   Das  zweite  Messgewand  der 


1)  Gerbert:  Vetus  Liturgia  Alemanica  Tyj).  San-Blasiaiiis  1776,  pag.  265,  tab. 

VI  et  vn. 

2)  Vgl.  Liturgische  Gewänder  aus  dem  Stifte  St.  Blasien  im  Scliwarwalde  der- 
malen aufbewahi-t  im  Stifte  St.  Paul  in  Kiirntheu  von  Dr.  Gustav  Heider. 
Abgedruckt  im  IV.  Bande  des  „Jahrbuches  der  k.  k.  Central-Commission  zur 
Erforschung  und  Erhaltung  der  Baudeukmale." 


—  III  — 


ehemaligen  Abtei  von  St.  Blasien,  das  in  gleicher  Weise  wie  das 
eben  beschriebene  heute  leider  in  der  Art  eines  Chorniantels  (plu- 
viale)  geöffnet  ist,  scheint  bei  dieser  Oeffnung  an  der  vordem  Lang- 
seite nicht  unbedeutend  verkürzt  worden  zu  sein.  Dasselbe  zeigt 
einen  Halbmesser  von  nur  1  Metr.  54  Centimetr.  Auch  diese  casula 
des  XII.  Jahrhunderts  ist  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  in  eine 
Menge  von  Quadraten  abgetheilt,  innerhalb  welcher  sich  in  Flock- 
seide gestickt  verschiedene  Standbilder  von  Heiligen  und  eine 
Menge  von  Scenen  aus  dem  Neuen  Testamente  und  aus  der  Lebens- 
geschichte  des  h.  Nicolaus  vorfinden.  Die  gestickten  Medaillons, 
die  den  äussern  breiten  Umfassungsrand  an  dem  vorher  beschrie- 
benen festtäglichen  Messgewande  bilden,  fehlen  an  der  in  Rede 
stehenden  casula  pontificalis  und  ist  anstatt  dieser  Umrandung,  und 
zwar  auf  dem  Hintertheile  derselben,  ein  breiter  ornamentaler  Strei- 
fen mit  gestickten  Halbbildern,  von  Kreismedaillons  umschlossen, 
ersichtlich ,  wodurch  die  in  Gold  gewirkten  und  reich  gemusterten 
aureae  listae  der  meisten  bischöflichen  Ornate  aus  dieser  Epoche  er- 
setzt werden.  ') 

Grösser  ist  die  Zahl  der  heute  noch  aus  dem  XH.  Jahrhun- 
dert herrührenden  Messgewänder  mit  breiten  gestickten  oder  in 
Gold  gewirkten  aurifrisiae,  deren  Stoff  nicht  mit  Figuren  und  Or- 
namentstickereien verziert,  sondern  einfach  und  ohne  Musterungen 
gehalten  sind. 

Die  alte  Bischofsstadt  Regensburg  bewahrt  noch  heute  in 
ihrem  Domschatze  ein  auso-ezeichnetes  Messgewand  der  ebeno-e- 
dachten  Art,  die  unser  für  die  kirchliche  Alterthumswissenschaft 
zu  früh  verstorbene  Vorgänger  Abbe  Martin  in  seinen  „Melanges"  ^) 
besprochen  und  in  Abbildung  wiedergegeben  hat.  Dieses  reiche 
Messgewand ,  in  Form  der  ältern  campanula,  mit  einem  unmerk- 
lichen Ausschnitte,  wird  dem  h.  Wolfgang,  Bischof  von  Regens- 
burg (f  994)  zugeschrieben.  Der  Grundstoff  besteht  aus  einem 
schweren  Seidenköpper  ohne  Musterungen.  Auf  diesem  erblickt 
man  in  Gold  gewirkte  Bandstreifen  in  der  Breite  von  16  Centim., 
die  in  Weise  des  pallium  die  Vorder-  und  Rückseite  des  Gewan- 
des schmücken.    \\\  dieser  breiten  aurea  lista  sind  symbolische 


')  Wir  imterlassen  es  liier,  uns  weiter  über  den  technischen  Theil  dieser  bei- 
den plaiieiae  von  St.  Blasien  zu  verbreiten,  die  mit  den  früher  besproche- 
nen Gewändern  vom  Kloster  Göss  durchaus  übereinstimmen.  Dr.  Ileider 
hat  in  seiner  eben  citirten  Abhandlung  au  Bildwerken  in  Farbendruck  das 
Technische  dieser  Messgewiinder  hinlänglich  veranschaulicht. 

-)  Melanges  d'Archeologie  par  Charles  Cahier  et  Arthur  Martin.  II.  vol.  Paris 
1851,  page  245. 


-  112 


Thierfigurationen ,  von  romanischen  Laubverzierungen  umschlun- 
gen, eingewebt,  und  unterstützen  in  ihren  charakteristischen  For- 
men die  Angaben  der  Tradition,  nach  welchen  dieses  Gewand  vom 
heiligen  Wolfgang  getragen  worden  ist.  Eine  andere  planeta  in  glei- 
chem Schnitte  und  in  demselben  Systeme  der  Ornamentation ,  die 
einer  glaubwürdigen  Uebei'lieferung  zufolge  als  ein  Geschenk  Hein- 
rich's  des  Heiligen  heute  noch  in  der  ehemaligen  Abteikirchc  von 
St.  Emeram  zu  Regensburg  aufbewahrt  wird,  hat  in  Gold  ge- 
wirkte Aurifrisien ,  die  als  Gabelkreuz  auf  beiden  Seiten  der  pla- 
neta aufgenäht  sind ,  und  die  auffallende  Breite  von  fast  24  Cmtr. 
zeigen  ;  die  grosse  Breite  dei'selben  erinnert  nicht  undeutlich  an 
die  lati  clavi  der  klassisch-römischen  Zeiten.  Ausser  dieser  gold- 
«rewirkten  breiten  Borde  ist  der  untere  Saum  des  faltenreichen  Ge- 
wandes  mit  einer  gyra  verbrämt,  die  ebenfalls  ein  dichtes  Goldgewebe 
mit  Laub-  und  Thiermustei'ungen  zeigt.  Auch  in  der  Sacristei  des 
Domes  zu  Eichstätt,  desgleichen  in  der  Benedictiner-Abtei-Kirche 
zu  St.  Peter  in  Salzburg  imd  im  Dome  zu  Augsburg  sahen  wir 
ältere  j)la7ietae  in  Glockenform,  deren  Grundstoff  keine  Stickereien 
aufzuweisen  haben  und  deren  Ornamentation  auf  die' reichverzier- 
ten Stäbe  übertragen  worden  ist.  Auch  im  Schatze  des  Münsters 
zu  Aachen  wird  ein  interessantes  Messgewand  im  alten  Schnitte 
aufbewahrt,  dessen  Grundstoff  aus  einer  dunkelblauen  Seide  ohne 
Musterungen  besteht.  Anstatt  des  goldgestickten  oder  gewebten 
Ypsilonkreuzes  sind  durch  Perlstickereien  auf  jeder  Seite  desselben 
Aurifrisien  dargestellt,  die  aus  einzelnen  Laubornamenten  bestehend, 
immer  wiederkehrend  ein  Gabelkreuz  bilden.  ') 

Wir  haben  nun  noch  auf  einige  altere  Messgewänder  der 
dritten  Art,  die  sich  bis  zur  Stunde  in  ihrer  ursprünglichen  Form 
erhalten  haben,  hinzuweisen,  auf  solche  nämlich,  welche  statt  der 
breiten  gabelförmigen  Aurifrisien  auf  einfachen,  glatten  Grundstof- 
fen als  ornamentale  Stabverzierungen  frei  gestickte  Laubornamente 
zu  erkennen  geben.  Das  interessanteste  Beispiel  davon  findet  sich 
an  einem  ältern  Messgewande  in  glattem  Purpurstoffe ,  das  in 
dem  vollständig  ausgeleerten  königlichen  Krönungsschatze  des 
Domes  von  Keims  gerettet  worden  und  heute  noch  an  den  fctes 
de  deuü  im  kirchlichen  Gebrauche  ist.  Die  genauen  Abzeichnun- 
gen dieses  interessanten  Messg-ewandes  des  XII.  Jahrhunderts  sind 
uns  durch  das  Wohlwollen  Sr.  Eminenz  des  Cardinais  Gousset 


Wir  werden  in  der  folgenden  Lieferung  einige  dieser  ältern  Messgewänder 
in  Abbildung  wiedergeben  und  die  }iäbern  Ergänzungen  über  Sclmitt  und 
Form  derselben  hinzufügen. 


-    113  — 


Erzbischofs  von  Elieims,  zugestellt  worden  und  haben  wir  auf  Taf. 
XII  in  freier  Composition  dargestellt,  welchen  majestätischen  Fal- 
tenwurf das  eine  Messgewand  von  Rheims  nach  seiner  Anlegung 
erkennen  lässt.  Der  Grundstoff  dieser  casula  ist,  wie  die  Abbil- 
dung zeigt,  glatt  ohne  farbige  Musterung  gehalten.  Statt  der  Au- 
rifrisien  in  Form  eines  Gabelkreuzes  hat  man  mit  der  Nadel  ein 
reiches  Päanzcnornament  gestickt,  das  als  Baum  in  einem  schlanken 
»Stamme  ansteigt  und  nach  oben  sich  zu  einem  reichen  Laubge- 
winde  entfaltet. 

Es  gewinnt  den  Anschein,  als  ob  schon  seit  der  früh-roma- 
nischen Kunstepoche  die  aurifrisiae  auf  dem  Messgewande  nicht 
nur  als  eine  Nachahmung  des  ähnlich  gestalteten  erzbischöflichen 
pallium  sich  nach  und  nach  reicher  entwickelten,  sondern  dass  auch 
durch  diese  aufgenähten  Ornamente  die  Form  des  Kreuzes  ang-e- 
deutet  werden  sollte.  Findet  diese  Annahme  ihre  Berechtigung, 
so  dürfte  eine  zweite  Hypothese  an  Wahrscheinlichkeit  gewinnen, 
der  zufolge  dieses  Pflanzenornament  in  Gestalt  eines  Baumes  sei- 
nem Zwecke  nach  als  identisch  mit  dem  gabelförmigen  Kreuze  der 
gleichzeitigen  aurifrisiae  zu  betrachten  wäre,  und  dass  also  dieses 
Ornament  auf  der  ßheimser  casula  jenen  arbor  vitae,  plantata  in  medio 
paradisi  andeute,  von  welchem  bei  Johannes  a  V'oragine  die  schöne 
Legende  zu  finden  ist.  Diese  Zeit  tiefer  christlicher  Auffassungen, 
welche  nicht  ermüdete,  die  laudes  s.  Crucis  zu  besingen,  und  die  in 
den  schönsten  Sagen  den  Ursprung  des  Kreuzesholzes  vom  ßauma 
des  Paradieses  herleitete,  den  Kreuzesstamm  ferner  mit  dem  Tem- 
pelbau Salomon's,  mit  der  Königin  von  Saba  und  dem  Teiche 
Siloö  in  Verbindung  brachte ,  wird  es  gewiss  nicht  imterlassen 
haben,  diesen  arbor  vitae  in  der  Kunst  auch  auf  sinnreiche  Weise 
zur  Anschauung  zu  bringen.  So  lag  es  auch  sehr  nahe,  das  dulce 
lignum,  wovon  die  Kirche  singt,  an  hervorragender  Stelle  auf  den 
Messgewändern  als  Lebensbaum  darzustellen ,  woher  nach  einer 
frommen  alten  Tradition  das  Holz  zum  Kreuzesstamme  genom- 
men worden  ist.  Bei  Aufzählung  der  verschiedenen  Gestaltung-en 
der  aurifrisiae  in  der  romanischen  Kunstepoche,  die  vornehmlich 
die  bischöfliche  und  Fcsttags-Casel  zierten,  sei  hier  noch  im  Voi- 
beigehen  bemerkt,  dass  wir  in  der  Sacristei  der  St.  Godehardi- 
Kirche  zu  Plildesheim  und  im  Schatze  von  St.  Peter  zu  Salzburg 
zwei  Messgewünder  des  XII.  Jahrhunderts  vorfanden,  die  mit 
aureae  listae  als  Gabelkreuzen  verziert  sind.  Dieselben  zeigen  aber 
auch  zugleich  in  den  über  die  Schultern  ansteigenden  Stäben 
in  Gold  gestickte  romanische  Laubornamente,  die  Im  obern  Theile 
des  Gewandes  sich  frei  verästeln  und  so  gleichsam  eine  Verbin- 

Lituigische  GewäuJer.  \l. 


—    114  — 


duTig  des  ebengedachten  arhor  vitae  und  des  vorhin  erwähnten  Ga- 
belkreuzes in  schmalen  gestickten  Goldstreifen  anzudeuten  scheinen. 

Wir  haben  im  Vorhergehenden  unter  Hinweisung  auf  ältere 
heute  noch  vorhandene  Messgewänder  die  verschiedenartige  Ver- 
zierungswelse der  bischöflichen  lolaneta  vom  IX.  bis  XII.  Jahrhun- 
dert zu  beschreiben  gesucht.  Der  Vollständigkeit  wegen  wollen 
wir  die  Angaben  älterer  Schriftsteller  über  die  reichgestaltige  Or- 
namentation  der  bischöflichen  Messgewänder  in  der  angedeuteten 
fernliegenden  Epoche  der  Reihe  nach  anführen. 

Eine  interessante  geschichtliche  Mittheilung  über  eine  in  Gold 
gestickte  bischöfliche  Casel  hat  der  Mönch  Helgaldus  in  seiner  Le- 
bensbeschreibung des  Königs  Robert  aufgezeichnet.  ')  Derselbe 
berichtet  nämlich,  dass  die  Königin  Adhelais,  die  Gemahlin  Hugo 
Capet's,  der  Kirche  des  h.  Gregor  von  Tours  eine  prachtvolle 
Casel  schenkte,  die  sie  in  Goldfäden  mit  eigener  Hand  gestickt 
hatte.  Auf  der  Rückseite  sah  man  Gott  den  Vater  unter  andern 
figürlichen  Darstellungen,  umgeben  von  Seraphim;  auf  der  vor- 
dem Seite  erblickte  man  in  Goldstickereien  das  Lamm  mit  den 
vier  symbolischen  Zeichen  der  Evangelisten.  Dieselbe  kunstsinnige 
Königin  verehrte  dem  Schatze  der  Begräbnisskirche  St.  Denis  ein 
anderes  reich  in  Gold  gesticktes  Messgewand  mit  der  figürlichen 
Darstellung  des  Erdkreises.  -)  Dieselbe  Basilika  zu  St.  Denis  be- 
sass ,  von  der  Freigebigkeit  Karl's  des  Kahlen  herstammend ,  eine 
zweite  casula,  die  in  Gold  gestickt  denselben  Gegenstand,  nämlich 
den  Orbis  terranim,  zeigte.  Wir  konnten  uns  längere  Zeit  hin- 
durch nicht  erklären,  wie  auf  einem  Messgewande  der  orhis  ter- 
rarum  in  Goldstickerei  wiedergegeben  werden  konnte,  bis  wir  im 
Schatze  zu  Bamberg  jenes  berühmte  jyallium  Sti.  Henrici  einem 
nähern  Studium  unterzogen  hatten.  Auf  diesem  prachtvollen  Kai- 
sermantel fanden  wir  in  höchst  origineller  Weise  den  Thier- 
kreis und  viele  andere  Sternbilder,  alles  mit  den  entsprechenden 
Inschriften  in  Goldfäden  auf  Purpurstoff  gestickt.  Zugleich  er- 
blickt man  auf  dem  Dorsalstück  dieser  planeta  Kaiser  Heinrich's 
des  Heiligen  die  goldgestickte  Darstellung  des  Allerhöchsten,  um- 
geben von  Cherubim  und  Seraphim,  ferner  die  vier  Symbole  der 
Evangelisten,  das  Bild  der  allerseligsten  J ungfrau,  des  h.  Johannes, 


')  Helgaldi  Floriac.  mon.  Vita  Roberti  reg.  cap.  XIV.  (Ree.  des  bist,  des 

Gaules  etc.  tom.  X,  pag.  104.  D.) 
-)  Helgaldi  J'loriacens.  monach.  loco  cit. 

^)  Reclierclies  svu-  le  commerce  et  la  fabrication  des  etoffes  de  soie  p.  Francisque- 
Micliel,  tome  n,  page  56,  Paris,  1844. 


—    115  — 


und  daneben  eine  solche  eigenthüiuliche  Zusammenmischuno;  von 
profanen  und  Heiligenfiguren,  dass  es  den  Anschein  gewinnt,  es 
sei  dieses  Prachtgewand  von  jenen  Künstlern  gestickt  worden,  die 
als  Bekenner  des  Islams  ihren  Sitz  in  den  Industriestädten  des 
saracenischen  Siciliens  oder  des  maurischen  Spaniens  im  Beginne 
des  XI.  Jahrhunderts  hatten.  Um  jeden  Zweifel  zu  heben,  dass 
das  Messgewand  Karl's  des  Kahlen,  ein  Geschenk  desselben  an  die 
Begräbnisskirehe  St.  Denis,  desgleichen  auch  die  gleichartige  pZaneta 
der  Königin  Adhelais  mit  ähnlichen  naturhistorischen,  wahrschein- 
lich typisch  feststehenden  Bildwerken,  das  Weltall  allegorisirend, 
verziert  gewesen  seien,  lesen  wir  in  grossen  Versalien  unten  auf  dem 
ebengedachten  Kaisergewande  folgende  Inschrift,  in  Goldstickerei  aus- 
geführt: „Descriptio  totius  orbis.  Fax  Ismaeli,  qui  hoc  ordinavit." 
An  dem  untern  Saume  dieses  ehemalicren  Messgewandes  erblickt 
man  in  reichverzierten  Versalbuchstaben  folgende  woldwestickte  In- 
schrift,  deren  vollständige  Entzifferung  den  Bollandisten  aus  meh- 
reren Gründen  nicht  o-elungen  ist.  Unter  entgegenkommender  Bei- 
hülfe  des  Herrn  Geheimen  Rathes  Pertz  haben  wir  die  Lesung  in 
folgender  Weise  festzustellen  gesucht: 

O  decus  Europae,  Caesar  Henrice,  beare! 

Augeat  Imperium  Tibi  rex,  qui  regnat  in  aevum! 
Dass  dieses  heute  so  benannte  pallium  Sti.  Henrici  ehemals  als 
i'asula  von  Heinrich  dem  Heiligen  und  der  heiligen  Kunigunde 
ihrer  Lieblinwsstiftuno-  Bambera;  jjeschenkt  worden  sei,  dürfte  auch 
entnommen  werden  aus  einer  srestickten  Inschrift  unter  der  vor- 
hingedachten  Majestas  Domini,  die  Folgendes  besagt:  „Supernae 
usiae  sit  "Tatum  hoc  Caesaris  donum!"  Diese  figurenreiche 
Stickerei  in  cyprischem  Golde  als  ehemaliges  vesthnentum  episco- 
pale  ')  stimmt  in  seiner  Form  und  in  der  Technik  der  Stickereien 
vollkommen  mit  dem  Messgewande  überein,  Avelches  die  Schwester 
Heinrich's  des  Heiligen,  die  Königin  Gisela,  und  ihr  Gemahl, 
König  Stephan  der  Heilige,  dem  Schatze  der  Kirche  von  Stuhl- 
weissenburg  fast  um  dieselbe  Zeit  zum  Geschenke  machte,  als  auch 
die  planeta  mit  dem  ebengedachten  orbis  terrarum  dem  Schatze 
der  bischöflichen  Kirche  zu  Bamberg  überwiesen  wurde.  Auf  der 
schmalen  Umrandung  dieses  ehemaligen  Messgewandes  von  Stuhl- 
weissenburg,  das  gleichfalls  heute  als  Krönungsmantel  im  Schatz- 


')  Die  Bollandisten  haben  dieselbe  noch  in  tom.  III,  pag.  824,  mensis  Julii,  als 
planeta  geschlossen  abgebildet  und  beschlieben;  die  Oetfuung  in  der  vor- 
dem Seite  in  Weise  eines  Pluviale  scheint  eist  gegen  Mitte  des  vorigen 
.Jahrhunderts  vorgenommen  worden  zu  sein. 

8* 


—    116  — 


gewölbe  zu  Ofen  aufbewahrt  wird  und  auch  als  Chormantel  ge- 
öffnet ist,  erblickt  man  in  Gold  gestickt  folgende  Inschrift:  „Casula 
hec  data  et  operata  est  Ecclesie  Ste.  Marie  site  in  civitate  Alba 
anno  ab  incarnatione  Christi  MXXXI,  indictione  XIV  a  Stephano 
rege  et  Gisla  regina."  ')  Dieses  Kunstwerk  seltener  Art,  das  in 
den  letzten  Wirren  durch  Versenkung  an  sumpfiger  Stelle  sehr 
beschädigt  worden  ist,  zeigt  in  Bezug  auf  seine  figüi'lichen  Dar- 
stellungen (^vielleicht  angefertigt  von  der  Hand  der  Königin  Gisela) 
grosse  Aehnlichkeit  mit  den  oben  erwähnten  Bildwerken ,  welche 
von  der  Gemahlin  Hugo  Capet's  für  die  bischöfliche  Kirche  von 
Tours  in  cyprischeni  Golde  gestickt  worden  waren. 

Dass  im  X.  und  XI.  Jahrhundert  in  den  Gewand-  und  Schatz- 
kammern grösserer  Kathedralen ,  sowohl  diesseits  als  jenseits  der 
Berge  vielfach  durch  fürstliche  Hände  in  Gold  gestickte  Messge- 
wänder anzutreffen  waren ,  die  mit  eingewirkten  figürlichen  Dar- 
stellungen verziert  und  die,  als  traditionell  für  solche  Zwecke  fest- 
stehend, an  vielen  ältern  Vorbildern  bereits  früher  ersichtlich  waren, 
erhellt  unter  Anderm  auch  aus  einer  Stelle  des  öfters  citirten  Leo 
von  Ostia,  der  in  seiner  Cassinensischen  Chronik  gegen  Mitte  des 
XI.  Jahrhunderts  Folgendes  berichtet:  „Obtulit  similiter  Scto.  Be- 
nedicto planetam  purpuream  aureis  phrygiis  mensium  XII  signa 
in  se  habentibus  ornatam."  ^)  Es  dürfte  einleuchtend  sein,  dass 
unter  den  aureit;  frisiis  dieses  jVIessgewandes  figürliche  Goldsticke- 
reien und  unter  den  in  Gold  gestickten  allegorischen  Darstellungen 
der  zwölf  Monate  ebenfalls  der  Thierkreis  zu  verstehen  sei ,  wie 
er  in  ähnlicher  Weise  an  den  vorhin  erwähnten  Messgewäudern 
mit  dem  orbits  ie^rarum  wahi^üenommen  wurde.  Ob  im  XI.  Jahr- 
hundert  reichgestickte  planetae  cum  tintimiahnlis,  wie  die  Charta  Be- 
nedicti  sie  nennt,  vielfach  im  kirchlichen  Gebrauche  waren,  wagen 
wir  hier  nicht  zu  bestin)men,  indem  uns  in  ältern  Inventarien  keine 
derartigen  Angaben  zu  Gesichte  gekommen  sind. 

Dass  an  Stolen,  Pallien,  desgleichen  auch  an  Pluvialen  solche 
tintinnahuli  als  melodische  fiinhriae  vielfach  angetroffen  worden,  ist, 
wie  wir  schon  anfi'ihrten,  bei  mehreren  ältern  Chronisten  zu  er- 
sehen. Wir  wollen  jedoch  die  Möglichkeit  nicht  bestreiten,  dass 
auch  an  den  beiden  untern  Enden  reicherer  Casel-Aurifrisien  solche 
Glöckchen  angebracht  waren. 

')  Um  nicht  Gesagtes  zu  wieclerliolen ,  verweisen  wir  auf  die  nähere  Beschrei- 
bung und  Abbildung  dieser  ehemaligen  Casel  von  Stuhlweissenburg  in  der 
zweiten  Lieferung  dieses  Werkes  Seite  157 — 161,  Taf.  III. 

2)  Leon.  Ostieus.  lib.  II,  cap.  IV  et  lib.  III,  cap.  57. 


—    117  - 


In  dem  Bestreben,  die  goldenen  Stickereien  bischöflicher  Mess- 
gewänder  durch  Anbringung  von  Perlen  und  Ednlstelnen  zu  he- 
ben und  auszuschmücken,  war  man  bereits  im  XII.  Jahrhundert 
in  reichern  Kathedralkirchen  dazu  gelangt ,  dass  durch  die  Fülle 
und  Häufung  solcher  kostbaren  Stickereien  einzelne  vestimenta  epis- 
copalia  für  den  Träger  eine  wahre  Last  wurden.  Dieses  lässt  sich 
deutlich  aus  einer  Stelle  im  Chronicon  Moguntinense  des  Bischofs 
Conrad  entnehmen,  der  bei  Aufzählung  der  reichen  Kirchenschätze 
und  Kleinodien,  die  Mainz  gegen  Schluss  des  XII.  Jahrhunderts 
besass,  eine  besonders  reichgestickte  Pracht-Casel  ausfiihrlicher  be- 
spricht. Dieselbe  war  aus  einem  Purpurstofife  angefertigt  und  hatte 
dui-ch  äusserst  breite  und  lange  in  Gold  gestickte  Stäbe  und  durch 
gestickte  Halbmonde  und  Sterne  eine  solche  Beschaffenheit  und 
Schwere  erhalten ,  dass  sie  auf  den  Armen  beim  Gebrauche  nur 
mit  Mühe  aufgerollt  werden  konnte.  Die  Chronik  gibt  zugleich  an, 
dass  der  Träger  dieses  Messgewandes  von  kräftigem  Körperbaue 
sein  musste  und  dass  dieselbe  nur  bis  zum  Offertorium  sretraffen 
zu  werden  pflegte.  *) 

Hält  man  mit  Herbeiziehung  älterer  Schatzverzeichnisse  un- 
ter den  bischöflichen  Messgewändern  des  XIII.  Jahrhunderts 
hinsichtlich  ihrer  decorativen  Ausstattung  nähere  Umschau,  so 
muss  man  eingestehen,  dass  die  fortgeschrittene  und  entwickelte 
Stickkunst  in  Wiedergabe  von  figürlichen  Darstellungen  die  Kunst- 
sticker  der  vorhergegangenen  Jahrhunderte  bei  Weitem  übertroffen 
habe.  Zur  Bewahrheitung  des  Ebengesagten  führen  wir  hier  den 
Wortlaut  des  Verzeichnisses  der  durch  Papst  Bonifacius  VIII.  der 
Kirche  zu  Anagni  geschenkten  Pontifical- Gewänder  und  Kleino- 
dien an.  Dieses  Inventar  gibt  imter  der  nibrica  de  planetis  unter 
Anderm  folgende  ausführliche  Beschreibung  mehrerer  hervorragen- 
der Caseln: 

„Item  una  planeta  de  samito  ^)  viridl  cum  aurifrisio  de  auro, 


')  "Wir  lassen  diese  interessante  Stelle  hier  wörtlich  folgen:  „Una  inter  ceteras 
erat  casulas  ante  paiicas  dies  violacea,  latis  et  niagnis  aurifrigiis,  longa  et 
larga,  aureis  limulis  et  sideribus  iusertis ;  quae  tanti  erat  ponderis  propter  aurum 
nt  plicari  non  posset  et  in  ipsa  vix  aliquis  poterat,  nisi  valde  robustus,  di- 
vina  mysteria  celebrare.  Vestiebantur  tarnen  illa  ponlifices  et  praelati  festis 
praecipuis  cantaturi.  Sed  post  Evangelium  cantato  oflfertorio,  factis  ob- 
latiüuibus,  illam  deponentes  flexibiliorem  sumentes,  in  illa  divina  perfecerunt. 
Chronic,  velus  rer.  iyiogunt    aiilure  Cunrado  Episcopo,  apud  Urstisiura. 

5)  Samitum,  gleichbedeutend  mit  dem  italienischen  sciamitu,  veluto,  unser  deut- 
scher Sammet,  der  in  niederrheinischen  Inventarien  fast  durchgeheuds  ßuele 
genannt  wird. 


118  — 


ad  ymaglnes  Salvatoris  et  Virginis  in  pectorali  ') ,  et  sex  Apo- 
stolorum ,  et  beati  Gregorii  ex  parte  ante ,  et  novem  ymagines  a 
tei'go.  ^) 

„Item  una  planeta  de  samito  laborato  de  auro  cum  acu  ^)  ad 
leones,  papagallos,  grifos  et  aquilas  cum  geminis  capitibus  et  auri- 
l'risio  de  samito  laborato  de  auro  ad  ymagines  geneologie  Salva- 
toris. cum  pernis  et  lapidibus  pretiosls. 

„Item  una  planeta  de  panno  Tartarico  ad  aurum ,  cum  auri- 
frisio  de  auro  cum  multis  scutis  et  in  pede  a  tergo  cum  litteris : 
Penne  fit  me.  ^) 

„Item  una  planeta  contexta  ad  aurum  et  de  serico  de  ystoria 
Salvatoris,  ab  annuntiatione  beate  Virginis,  et  nativitate  Xsti  us- 
que  ad  resurrectionem.  ^)  Et  de  assumptione  beate  virginis.  Et 
foderata  sennato  **)  rubeo  cum  aurifrisio  ex  parte  ante  cum  pernis."' 


')  Dieses  kostbare  Messgewand  in  gruaem  Sammet  hatte  noch  ein  besonders 
reichgesticktes  Pectoralstück,  das  an  dem  vorderen  Stabe,  oben  unter  dem 
Halsausschnitte  transversal  gelegt  war ;  auf  diesem  breiten  Ornamentstreifen, 
horizontal  laitfend,  zeigte  sich  in  Figurstickerei  die  Krönung  der  aüersehg- 
sbeu  Jungfrau. 

-)  Auf  dem  vordem  Stabe  waren  die  Bildwerke  von  sechs  Aposteln  iu  Platt- 
stich gestickt,  uebst  der  Figur  des  h.  Gregorius,  und  auf  der  mirifrisia 
der  hintern  Seite  dieses  Messgewaudes  die  Bilder  von  neuu  verschiedenen 
Heiligen. 

Auf  dem  platten  Sammetstoffe  dieses  bischöflichen  Messgewandes  waren  in 
Gold  gestickt  mehrere  symbolische  Thierbilder,  nämlich  Löwen,  Papageien, 
Greife  und  Adler  mit  doppelten  Köpfen;  auf  den  in  Gold  gewirlrten  Stäben 
ersah  man  iu  Halhbiklcni  gestickt  den  Stammbaum  des  Heilandes,  dazwi- 
schen waren  Pi'rleu  und  gefasste  Edelsteine  angebracht.  Dieser  Stamm- 
l)aum  Jesse  erhielt  sich  als  passende  Bildstickerei  zur  Ausschmückung  rei- 
cher Messgewäuder  bis  zum  XVI.  Jahrhimdert. 

"*)  Diese  casula  aus  tartarischen  Goldstofien  Hess  auf  den  Aurifrisieu  eine 
Menge  kleiner  Wappenschilder  erkennen,  worin  entweder  heraldische  Abzei- 
chen gestickt  waren,  oder  diese  Wappenschildchen  bestanden  aus  getriebenen 
Goldblechen,  die  auf  diese  Stäbe  stellenweise  aufgenaht  waren.  Auf  dem 
unteru  Abscliluss  des  Dorsal-Stabes  (in  pede  a  tergo)  las  mau  in  goldgestick- 
ten Buchstaben:  „Penne  hat  mich  angefertigt." 

•'•j  Eine  andere  Casel,  deren  Umstoff  von  Seide  war,  mit  eingewebten  Muste- 
rungen von  Gold,  stellte  auf  ihren  kunstreich  gestickten  Stäben  in  getrenn- 
ten Scenen  das  Erlösiuigswerk  des  Herrn  dar  und  zwai-  zusammenhangend 
von  der  A'erküudiguug  bis  zur  Auferstehung. 

Dieses  ebengedachte  Messgewand  war  gefüttert  mit  einem  rothen  leichtern 
Seidenstoff,  der  itahenisirt  sennato  hiess,  vielleicht  eine  Bezeichnung  für 
i-endal,  unser  deutsches  Zeudel  (italieuisch  zuweilen  auch  cewdw/o,  samduU», 
cendato  etc.  genannt). 


9 


-    119  — 


Eine  noch  genauere  Beschreibung  der  vielen  gestickten  Or- 
namente in  Gold,  Perlen  und  Edelsteinen  und  vielen  Bildwerke 
in  Plattstich,  womit  gegen  Schluss  des  XIII  Jahrhunderts  auch 
die  bischöflichen  Gewänder  englischer  Kathedralkirchen  verziert 
zu  werden  pflegten,  findet  sich  in  der  interessanten  „Besichtigung 
des  Schatzes  von  St.  Paul  in  London  vom  Jahre  1295."  ')  Um 
nicht  zu  ausführlich  zu  werden,  wollen  wir  unter  den  vielen  dort 
verzeichneten  bischöflichen  Prachtgewändern  einige  hervorheben : 

„Casula  Nicholai  Archidiaconi  de  rubeo  sameto  preciosa,  cum 
vineie  de  perlis  in  raodum  amplae  Crucis  in  dorso.  2) 

„Item  Casula  Wulfrani  de  Indico  sameto ,  bona  et  preciosa, 
cum  pectorali  et  ymaginibus  Petri  et  Pauli  de  fino  auro,  et  hu- 
merali  vineato  de  fino  auro  breudato  et  lapidibus  insertis ,  et  ex- 
tremitate  talari  consiraili.  ^) 

„Item  Casula  Hugonis  de  Orivalle  de  albo  diaspro,  cum  pec- 
torali et  dorsali  largo ,  de  flosculis ,  de  fino  auro ,  cum  lapidibus 
grandibus,  unde  quinque  sunt  camahutae.  ") 

„Item  casula  de  rubeo  sameto,  quae  fuit  Fulconis  Episcopi, 


')  Visitatio  facta  in  Thesauro  Sti.  Paiili  Lond.  per  magistrum  Radulph  de  Bau- 
dac.  an.  Gratiae  MCCXCV.  („Monastici  Anglicani  Additameuta  per  Will. 
Dugdale,"  pag.  317  ss.  1673.) 

-)  Das  Messgewaud  des  Archidiaconus  Nicolaus  hatte  einen  Umstofif  von  kost- 
barem rothem  Saminet  und  auf  der  Rückseite  dieses  Messgewandes  ersah 
man  eine  aurifrisia  in  Form  eines  über  die  Schultern  ansteigenden  Kreuzes, 
das  in  Perlstickerei  ausgefülirt  war.  Und  zwar  war  dieses  Kreuz  formirt 
aus  den  in  Perlen  gestickten  Blättern  der  Weiiu-ebe.  Ein  äluiliches  Kreuz 
mit  solchen  Perl  Stickereien  in  Weiulaub  betindet  sich  heute  auf  der  Casel 
des  h.  Bernhard  im  Schatze  zu  Aachen. 

Der  Pectoral-Stab  der  Casel  von  Wulffnuius,  deren  Umstolf  aus  einem  orien- 
talischen Sammet  bestand,  zeigte  die  in  feinem  Gold  gestickten  Bilder  der 
Apostel  Petrus  und  Paulus;  auf  den  Schulterstücken  dieses  Messgewandes 
ersah  man  ebenfalls  in  feinem  Gold  gestickt  das  Laubwerk  der  Rebe  mit 
dazwischen  befindlichen  Edelsteinen,  die  wahrscheinlich  die  Traubenfrucht 
veranschaulichen  sollten. 

*)  Das  Messgewand  Hugo's  von  Orivall  bestand  aus  einem  weissen ,  gemuster- 
ten Seidenstoff.  Dasselbe  wai-  mit  breiten  Dorsal-  und  Pectoral-Stäbeu  ver- 
sehen, die  mit  Blumenwerk  von  feinen  Goldfäden  mit  dazwischen  befind- 
lichen grossem  Edelsteinen  verziert  wai-en. 

•'')  Die  Casel  des  Bischofs  Fulco  hatte  einen  Umstott  von  rothem  Sammet.  Nach 
dem  Wortlaute  unseres  Inventariums  stand  mit  dieser  Casel  eine  ältere 
reich  in  Gold  gestickte  aurifrisia  als  Dorsale  in  Verbindung  mit  eingelas- 
senen und  aufgenähten  Ornamenten,  die  aus  dümiem  Goldblech  formirt 
waren.  Zwischen  diesem  Blumeuwerk  in  getriebenem  Goldblech  befanden  sich 
gefasste  Edelsteine  aufgenäht,  unter  andern  vier  Bei  ille,  vier  sculptirte  Edel  - 


120  — 


cui  appomtur  antiquum  dorsale  colaerigeratum  interlaqueitum  de 
fino  auro,  cui  inserantur  quatuor  bei'illi,  et  tres  circuli  ayraallati, 
et  quatuor  lapides  sculpti,  et  quatuor  alemandini  et  in  medio  Agnus 
Paschalis. 

„Item  casula  de  radice  Jesse,  quam  dedit  Rex  Henricus 
preciosa,   breudata  cum  stellis  et  lunis  et  dorsali,  cum  ymagine 
crucis  XVI  lapidibus  insertis,  et  defieiunt  diio  lapides." 

Auch  im  XIV.  und  XV.  Jahrhunderte  wetteiferten  die  Gold- 
und  Bildsticker,  die  damals  als  Innung  in  verschiedenen  Städten 
des  Abendlandes  besondere  Corporationen  bildeten,  vor  allen  übri- 
gen liturgischen  Ornaten  vorzüglich  die  festtäglichen  und  bischöf- 
lichen Messgewänder  mit  dem  grössten  Kunstfleisse ,  namentlich 
in  den  breiten  aurifrisiae,  würdig  auszustatten.  Wir  lassen  hier 
den  Wortlaut  einiwr  Angaben  des  Schatzverzeichnisses  vom  St. 
Veits-Üome  in  Prag  vom  Jahre  1387  folgen  und  heben  unter  den 
vielen  Aufzeichnungen  der  ruhrica  casulamm  folgende  hervor: 

„Primo  casula  in  piano  de  flaveo  Sameto  cum  litteris  aureis 
et  liliis,  quam  donavit  domina  Bianca  -),  ßomanorum  et  Boheraiae 
regina. 

„Item  casula  in  violatico  Sameto  cum  ymaginibus,  quam  dedit 
dominus  Daniel,  Episcopus  Pragensis.  ^) 

„Item  casula  in  nigro  Sameto  solempnis  cum  crucibus  de  perlis 
per  totum,  donata  per  dominum  Imperatoren!.^) 


steine  und  vier  Almaucliiien.  Diese  Edelsteine  je  vier  und  vier  umstanden 
jedes  Mal  ein  Medaillon  in  Goldblech  ndt  eingelassenen  Emails.  Auf  der 
Mitte  des  Dorsalstabes  ersah  mau  ferner  ein  emailirtes  monile,  wahrschein- 
lich in  vergoldetem  Silber  mit  der  Darstellung  des  Osterlammes. 
')  Das  Messgewand,  ein  Geschenk  Köuigs  Heinrich ,  war  auf  der  Pectoralseite 
mit  dem  in  Figiuren  gestickten  Staiinubaume  des  Heilandes  verziert  (radix 
Jesse,  genealogia  domiui).  Der  UmstofF  dieses  kostbaren  Messgewandes 
zeigte  gestickte  Sterne  und  Halbmonde.  Auf  der  Dorsalseite  dieser  casula 
erblickte  man  in  Stickereien  die  Darstellung:  Christas  am  Kreuz  und  da- 
bei 16  Edelsteine. 

-)  Die  Casel  von  gelblichem  Sammet,  ein  Geschenk  der  Königin  Bianca  von 
Vulois,  der  ersten  Gemahlin  Kaiser  Karl's  IV.,  Königs  von  Böhmen,  war 
in  den  Stäben  mit  goldenen  Inschriften  bestickt  und  mit  Ornamenten,  nämlich 
den  bekannten  flcurs  de  Iis,  den  heraldischen  Abzeichen  der  Königin  Bianca, 
einer  französischen  Königstochter. 

Das  Messgewand ,  das  Bischof  Daniel  von  Prag  geschenkt  hatte ,  war  von 
violettem  Sammet  und  auf  den  Stäben  mit  vielen  Bildwerken  in  Plattstich 
bestickt. 

*)Ihe  casula,  die  Kaiser  Karl  IV.,  der  Luxemburger,  dem  Dome  von  St.  Veith 
zum  Geschenk  verehrt  hatte,  war  von  schwarzem  Sammet,  und  waren  die 
Aurifrisien  in  Form  von  Gabelkreu^en  durchaus  von  Perlen  gestickt. 


—  121 


„Item  casula  rubea  cum  fibulis  textis  de  auro  in  dorso,  aurea 
subductura. 

„Item  Crux  de  perlis  superornatura,  quam  fecit  dominus  Jo- 
hannes Archiepiscopus  modernus ,  cum  yraaginibus ,  a  parte  iina 
Crucifixus ,  Habens  loco  clavoruni  in  pedibus  crystallum  album 
et  subtus  crucera  ymago  Archiepiscopi  praedicti .  ex  alia  parte 
ymago  Virginis  gloriosae  cum  Parvo ,  et  subtus  ymago  sanctae 
Catharinae,  nova  sine  defectu  ^) 

„Item  integer  ornatus,  cuius  casula  est  aurea  in  rubeo  Sameto, 
Habens  duas  pretiosas  praetextas  de  perlis  ad  modum  foliorum  de 
quercu  cum  glandinibus  argenteis  deauratis,  Habens  a  parte  po- 
steriori duo  monilia  argentea  deaurata.  in  uno  ymago  s.  Adalbert! 
et  in  alio  Wenceslai. 

„Item  integer  ornatus  in  panno  Lucano  viridi  cum  magna  prae- 
texta  ante  et  retro,  cum  ymaginibus  per  modum  crucis."  *) 

ZeicHneten  sicH  die  biscHüflicHen  Messgewänder  des  XIV.  Jahr- 
Hunderts  in  dem  reichgefüllten  cestiarmm  des  Domes  von  St.  Veit 
zu  Prag  durch  ihren  grossen  Reichthum  von  gestickten  Bildwer- 


')  Diese  Casel  aus  rother  fSeide  zeigte  eine  Stabverzieruug  auf  der  Rückseite 
mit  Medaillons  oder  Wappenscliilderu ,  die  in  Goldfaden  gewebt  waren.  Es 
ist  nicht  wahrscheinlich,  dass  der  P'utterstoif  dieser  Casel  (subductura)  mit 
Gold  duixhwirkt  war,  imd  durfte  daher  diese  Brochirung  in  Gold  eher  auf 
den  Oberstolf  zu  beziehen  sein. 

^)  Erzbischof  Johannes  hatte  ein  doppeltes  Gabelkreuz,  wahrscheinlich  als  be- 
wegliches Ornament  [super  omaiumj  für  eine  festtägliche  Casel  machen 
lassen,  das  mit  Perlen  in  seineu  ornameutalen  Theilen  uud  mit  Bildwerken 
bestickt  war.  Auf  der  ilinterseite  dieses  Kreuzes,  das  je  uack  Bedarf  auf 
einem  kostbaren  Umstoff  befestigt  werden  konnte,  ersah  man  im  Bilder- 
stich gestickt  deu  HeUand  am  Kreuze.  Unten  am  Kreuze  bemerkte  man 
als  donator  das  knieende  Bild  des  damaligen  (modernus)  Erzbischofs  Jo- 
hannes uud  auf  der  andern  Seite  des  Gabelkreuzes  die  Bilder  der  aller- 
seligsteu  Jungfrau  mit  dem  Jesuskinde  (cum  Parco)  und  der  h.  Catharina- 
Dieses  Messgewand,  wozu  eine  vollständige  Kapelle  (integer  ornatus)  ge- 
hörte, liess  auf  der  vordem  uud  hintern  Seite  zwei  kostbar  in  Perlen  ge- 
stickte praeiej:iae  erkeimeu.  In  diesen  Stiiben  ersah  man  iu  kleineu  Loth- 
Perlen  gestickte  Eiclienblatter ;  die  Eichelfrüchte  bestanden  aus  vergoldetem 
Silber.  Auf  der  hintern  Seite  befände»!  sich  in  dieser  aurifrisin  zwei  Me- 
daillons von  vergoldetem  Silber  "'monilia  \  worin  in  getriebener  oder  emai- 
lirter  Arbeit  die  Brustbilder  des  h  Adalhertus  und  des  h.  Wenzeslaus  er- 
sichtlich waren. 

')  Auf  dem  Messgewande,  das  zu  dieser  vollständigen  Kapelle  gehörte,  waren 
auf  einem  schweren  grünen  UmstofFe  aus  Seidenzeug  von  Lucca,  breite 
praeiextae  in  Form  von  Gabelkreuzen  angebracht,  die  in  ihren  breiten  Flä- 
chen mit  vielen  gestickten  Heiligenbildern  verziert  waren. 


—    122  — 


ken,  von  Perlstickereien,  und  durch  Anwendung  von  aufgenähten 
Zierrathen  in  Gold-  und  Silberblech  aus,  so  imponirten  nicht  we- 
niger die  prachtvollen  Messornate,  welche  in  grosser  Zahl  das 
Schatzverzeichniss  des  Domes  von  Olrnütz  vom  Jahre  1435  enthält. 

Wir  zählen  im  Folgenden  einige  derselben  auf,  die  in  Hin- 
sieht ihrer  ornamentalen  Ausstattung  in  den  breiten  Stäben  für 
die  Kunstforschung  ein  besonderes  Interesse  bieten  dürften.  ') 

„Item  casula  sive  apparatus  rubeus  domini  Marchionis  Jodici, 
in  cuius  casula  praetextae  aureae  sunt,  a  tergo  quatuor  ymagines 
beate  virginis,  ante  vero  duo  scilicet  sancte  Catherine  et  sancte 
Earbare  ymagines.  ^) 

„Item  casula  viridis  cum  certis  animalibus  et  avibus  aureis  si- 
niiliter  floribus  aureis  insertis  cum  praetexta  aurea  habens  a  tergo 
tres  ymagines  scilicet  Salvatoris,  Petri  et  Pauli  Apostoloruni.  Ab 
ante  similiter  tres  ymagines  scilicet  beate  virginis,  Margarethe  et 
Catherine. 

„Item  casula  flavei  coloris  cum  cruce  et  praetexta  ante  et  retro 
solembnibus  ymaginibus  cum  margarithis  decoratis.  ^) 

„Item  casula  cum  graecis  literis  a  tergo  rotulis  aureis  intexta, 
„Item  casula  pretiosa  cum  literis  graecis  aureis. 


')  Vergl.  die  lange  Aufzählung  reich  gestickter  casulae  aus  dem  ehemaligen 
Schatze  des  Domes  von  Olraütz,  abgedruckt  in  dem  Notizenblatte,  Beilage 
zum  Archiv  fiir  Kunde  österreichischer  Geschichtsquellen,  herausgegeben 
von  der  k.  k.  Akademie  der  Wissenschaften.  Wien.  Nr.  15.  Jahrg.  1852. 

')  Das  Messgewand  beziehungsweise  die  Capelle  von  rother  Farbe,  ein  Ge- 
schenk des  Markgraten  Jodocus  von  Mähren,  gab  auf  goldenen  Stäben 
(praelexiaej  die  gestickten  Bildwerke  verschiedener  Heiligen  zu  erkennen. 

')  Ein  anderes  Messgewand  des  Olmützer  Domschatzes  von  grüuer  Farbe  war 
mit  goldenen  Thierbilderii  imd  Blumenwerk  durchwebt  und  hatte  auf  den 
goldgewirkten  praetextae  mehrere  gestickte  lleiügenbilder. 
Ein  anderes  Messgewand  daselbst  von  gelber  Farbe  zeigte  auf  den  Gabel- 
kreuzen zu  beiden  Seiten  grössere  und  reichgestickte  (soUmbnis)  Heiligenbil- 
der, deren  Heiligenscheine  und  äussere  Umrisse  mit  aufgestickten  Perlen 
verziert  waren. 

3)  Ein  Messgewand  von  weisser  Seide  zeichnete  sich  aus  durch  in  Gold  ge- 
wirkte griechische  Lischriften;  auf  den  Dorsalstäben  befanden  sich  in  Gold 
gewebte  kleinere  Kreise  'rolulaej^  worin  entweder  nach  griechischer  Weise 
Kreuze  eingewirkt  waren  oder  sternförmige  Ornamente.  Vgl.  unsere  Ab- 
bildung Lieferung  II.  Taf.  9,  die  eine  solche  griechische  Wirkerei  des  Pra- 
ger Domes  zeigt,  cum  rotulis  et  crucibus  (vestis  stauracina). 

<>)  Aeltere  reichgestickte  Messgewänder,  deren  Aui-ifrisien  mit  Heiligenbildern 
und  daneben  betindlichen  luschi-iften  in  Gold  gestickt  waren,  scheinen  im 
Schatze  von  (Olrnütz  und  Prag  im  XU',  und  XV.  Jahrhundert  sich  häutiger 
vorgefunden  und  der  Kunst  der  Byzantiner'  angeliört  zu  haben. 


123  — 


„Item  casula  nigra  Domini  Eugenii  Papae  cum  aurois  stelHs 
et  Iima  et  praetexta  similiter  deaurata  ante  et  nitro  ymaginibus 
inserta."  ') 

Um  die  Messgewänder  des  Mittelalters  in  ihrer  künstlerischen 
Beschaffenheit  in  Bezug  auf  gestickte  Stäbe  und  Kreuze  vollstän- 
diger zu  beleuchten ,  fahren  wir  hier  fort ,  einige  festtägliche  Or- 
nate in  Beschreibung  folgen  zu  lassen,  wie  sie  im  XVI.  und  XVII. 
Jahrhundert,  trotz  der  Einführung  des  Protestantisinus,  die  St. 
Sebalduskirche  in  Nürnberg  noch  aufzuweisen  hatte  und  sogar  bis 
zum  Anfange  unseres  Jahrhunderts  bei  der  Liturgie  fortwährend 
in  Gebrauch  nahm.  Hatten  bis  zum  XV.  Jahrhundert  die  factores 
casularuni ,  besonders  bei  Ausstattung  der  Stabstickereien  an  bi- 
schöflichen Messgewändern,  in  Wiedergabe  der  zartesten  Bildwerke 
aus  Haarseide  mit  der  Malerei  eine  ebenbürtige  Concurrenz  be- 
hauptet, so  begann  am  Schlüsse  des  XV.  und  noch  mehr  im  XVI, 
Jahrh.  die  Stickerei,  vornehmlich  zur  Ausstattung  festtäglicher  Mess- 
gewänder, mit  der  Plastik  einen  gefährlichen  Wettstreit  einzugehen. 
Aus  dieser  Zeit,  dem  Schluss  des  Mittelalters ,  rühren  jene  vielen 
Messgewänder  her,  die  mit  en  relief  gehaltenen  Perlstickereien  in 
Kreuz  und  Stäben  verziert  sind  und  die  namentlich  auf  dem  Dor- 
salstüeke  häufig  Christus  am  Kreuze,  sowie  verschiedene  Heiligen- 
bilder in  plastischer,  mit  einer  Unterlage  versehenen,  Arbeit  er- 
kennen lassen.    So  lesen  wir  in  einem  Inventarium  von  1658  *], 


1)  In  den  reichgefüllten  Gewandscliränken  des  Domes  zu  Olinütz  ersah  man 
auch  im  XV.  Jahrhundert  ein  Messgewand  von  schwarzer  Farbe,  ein  Ge- 
schenk des  Papstes  Eugenius.  Im  Umstoffe  desselben  waren  goldene  Sterne 
und  kleinere  Halbmonde  als  Dessins  in  Gold  gewirkt;  die  ähnhch  gemusterten 
praetexiae  dieses  päpstlichen  Messgewandes  waren  mit  vielen  Bildwerken  be- 
stickt. Diese  kostbaren  Seidenstoffe  mit  in  Gold  gemusterten  Sternen  und 
Halbmonden,  bekanntlich  Embleme  des  Islam's,  haben  wir  auf  vielen  litiu'- 
gischen  Ornaten  des  Mittelalters  vorgefunden,  und  sind  diese  Musterungen 
in  der  Regel  sichere  Anzeichen,  dass  die  betreffenden  Seidenstoffe  aus  dem 
Orient  herrühren. 

■2)  Wir  hatten  Gelegenheit,  in  einer  anticpim-ischen  Buchhandlung  zu  Nürnberg 
melu-ere  merkwürdige  Schatzverzeichnisse  von  St.  Sebald,  angefertigt  in  den 
Jahren  1624,  1652  und  1658  im  Originaltext  käuflich  zu  erwerben,  die 
sämmtlich  zum  Belege  dienen,  wie  conservativ  die  Lutheraner  im  südlichen 
Deutschland  im  Gegensatz  zu  den  Calviuisten  in  der  Schweiz  und  Holland 
hinsichtlich  der  Aufbewulu-ung  und  der  fortwährenden  Gebrauchiiahmc  litm-- 
gischer  Ornate  waren,  die  ehemals  den  kathohschen  Gottesdienst  an  Fest- 
tagen verherrlicht  hatten.  Unser  Inventar  vom  Jahre  1658  fühi-t  noch  die 
alterthümliche  l^'berschrift :  „Inventarium  luid  Besclu-eibimg  Aller  Ornament, 
Messgewändter,  Tepich  und  Anderer  Kirchenzier  und  Fahrnuss,  in  St.  Sc- 
haidts Pfarrkirchen  allhier  befindlich,  Aufgerichtet  Anno  1668. 


124  — 


das  eine  Menge  von  altern  liturgischen  Ornaten  aufzählt ,  die  da- 
mals in  der  genannten  Nürnberger  Kirche  aufbewahrt  wurden,  fol- 
ff'  nde  interessante  Angabe . 

„Mehr  ein  grün  sammctes  Messgewandt,  mit  Volckamer  und 
Haller  Schildten  und  einem  arueten  erhabenen  Creutz. 

„Ein  gülden  Rothsammetes  Ornat,  mit  einem  erhabenen  Creutz 
und  Perlenen  Salvator,  auch  anderen  Bildern,  insonderheidt  St. 
Schaidt,  und  der  Jahreszahl  1486. 

„Ein  braun  damascirtes  Messgewandt,  mit  güldenen  blumen, 
darauf  ein  Perlenes  Creutz,  mit  den  vier  Evangelisten...  .,  mit 
Behaim  und  Lochner  Schilden,  und  der  Jahrzahl  1.517. 

„Dann,  ein  Messgewandt  von  güldenen  Stukk  und  einem  er- 
habenen Creutz,  von  wenig  Perlen,  mit  Harstörffer  Schildten.  Ist 
ans  dem  Esjidiernkloster  kommen. 

„Ein  Messgewandt  von  giddenem  Stukk  mit  einem  Perlenen 
Salvator  und  zweyen  Schildten,  in  dem  einen  ein  silberner  Thum 
und  in  dem  andern  drey  Schwerdter,  mit  des  Pabsts  Cron.  Ist 
aus  dem  Carthäuser  Closter  hiehero  gethan  worden,  bezeichnet 
mit  der  Jahrzahl  1515." 

Diesen  Citaten  zufolge  pflegten  die  Bild-  und  OrnatstickerNürn- 
berff's  das  XV.  und  XVI.  Jahrhundert  hindurch  ihre  Bild-  und  Perl- 
Stickereien  an  den  festtäglichen  Messgewändern  fast  ausschliesslich 
auf  den  breiten  Stäben  und  Kreuzen  der  Messgewänder  anzubrin- 
gen, deren  Fond  in  der  Kegel  ganz  in  Goldfäden  gestickt  war. 
Der  Grundstoö  dieser  reichgestickten  Messgewänder,  namentlich  im 
XV.  Jahrhundert,  bildete  meistens  ein  schweres  Baldequin-Gewebe, 
das  mit  grossen  Musterungen  in  Gold  brochirt  war;  auch  liebte 
man  es  um  diese  Zeit  den  noch  immer  faltenreichen  Umstoff  an 
bischöflichen  Messgewändern  aus  schweren  Genueser  Sammetge- 
weben  anzufertigen ,  die  meistens  mit  den  goldenen  Dessins  des 
Granatapfels  auf's  reichste  durchwirkt  waren. 

Bis  zur  Mitte  des  XV.  Jahrhunderts  war  den  bischöflichen 
Messgewändern  noch  so  ziemlich  die  ältere  faltenreiche  Form  ge- 
blieben und  reichte  die  camla  pontificalis  in  ihren  stofilichen  Thei- 
len  noch  immer  bis  über  die  Ellbogen  hinunter.  Auch  hatten  sich 
in  vielen  deutschen  Diöcesen  bis  um  die  Mitte  des  XV.  Jahrhun- 
derts die  Stäbe  in  festtäglichen  Messgewändern ,  die  von  französi- 
sehen  Schriftstellern  häufig  columnae  genannt  werden,  meistens 
in  Weise  des  über  die  Schultern  ansteigenden  Gabelkreuzes  er- 
halten. Für  diese  traditionell  ererbte  Gestaltung  der  aurifrisiae, 
dem  früher  Gesagten  zufolge  eine  Nachahmung  des  pallium,  dienen 
nicht  nur  eine  Menge  heute  noch  in  den  Kirchen  diesseits  der 


—    125  — 


Berge  erhaltener  Prachtgewänder  aus  der  angegebenen  Epoche 
zum  Belege ,  sondern  auch  auf  Wand-  und  Tafelgemälden  haben 
sich  bis  zur  Stunde  noch  eine  Menge  von  bischöflichen  Figuren 
erhalten ,  deren  Messgewänder  reich  verzierte  aurifrisiae,  sowohl 
auf  der  Dorsal-  als  Pectoralseite  des  Gewandes,  sämmtlieh  in  Ge- 
stalt des  Gabelkreuzes  erkennen  lassen.  J^icht  mit  Unrecht  ist 
auch  von  Einigen  als  Beweis,  dass  das  berühmte  Buch  „de  Imi- 
tatione  Christi"  nicht  von  einem  Benedictiner  aus  Monte  Cassino 
oder  von  einem  Franzosen,  dem  Kanzler  Gerson,  sondern  von 
dem  niederdeutschen  Thomas  a  Kempis  verfasst  worden  sei ,  dar- 
auf hingewiesen  worden,  dass  der  gottselige  Thomas  in  dem  vier- 
ten Buche  im  Hinblick  auf  die  gabeliörniige  Form  des  Kreuzes, 
das  damals  am  Niederrhein  und  im  übrigen  Deutschland  an  rei- 
chern Mcssgewändrrn  selten  fehlte,  jene  bekannte  Deutung  unter- 
legt habe,  „...habet  (Sacerdos)  ante  se  et  retro  Dorainicae  Crucia 
Signum  ad  memorandam  iugiter  Christi  passionem;  ante  se  Crucem 
in  casula  portat,  ut  Christi  vestigia  diligenter  inspiciat  et  sequi 
ferventer  studeat;  post  se  cruce  signatus  est,  ut  adversa  quaelibet 
illata  ab  aliis,  clementer  pro  Deo  toleret."  ') 

Es  zeigten  nämlich  im  XIV.  und  XV.  Jahrhundert  die  rei- 
chern Mcssgewänder  in  den  Kathedralkirchen  Italien'»  und  eben  so 
vielfach  in  Frankreich  auf  der  hintern  Seite  bloss  eine  breite  or- 
namentale praetexta,  die  in  gerader  Richtung  von  oben  nach 
unten  das  Dorsalstück  bedeckte  und  nicht  durch  zwei  Stäbe 
über  die  Schultern  sich  fortsetzte ;  auch  auf  der  Pectoralseite  die- 
ser Messgewänder  war  ein  gerader  Stab  von  derselben  Breite  in 
der  angegebenen  Kunstepoche  feststehend,  und  war  nur  un  diesem 
Vordertheile  in  italienischen  Kirchen,  oben  am  Plalsausschnitte  des 
Messgewandes,  ein  kleiner  ti'ansversaler  Stab  von  der  Länge  einer 
Handspanne  aufgenäht,  wodurch  der  vordere  Balken  gleichsam  als 
griechisches  T  gestaltet  wurde.  Diese  Weise  der  columnae  oder 
lati  clavi  an  italienischen  Messgewändern  in  einfacher  sfcradliniorer 
Gestalt  ohne  Formirung  von  Gabelkreuzen  ersieht  man  deutlich  an 
jenen  vielen  Bildwerken ,  die  mit  dem  vollen  Pontifical-Ornat  be- 
kleidet, auf  Wand-  und  Tafel-Malereien  der  sienensischen,  tloren- 
tinischen  und  peruainischen  Schule  von  den  Tagen  Giotto's  bis  auf 
Fiesole  durcho-äng-ier  anzutreffen  sind. 

Erst  in  der  letzten  Hälfte  des  XV.  Jahrhunderts  begannen 
die  Gold-  und  Bildersticker  im  nördlichen  Frankreich  und  in 
Flandern,  die  vornehmlich  in  den  industriellen  Städten  Arras  und 

1)  Thoni.  a  Kemp.,  de  Imitatione  f'hri^ti,    T,ib.  lY,  raji.  5. 


126  — 


Brögge  ihrem  einträglichen  Kunsfhandwerke  oblagen,  bei  Gestal- 
tung der  Aurifrisien  an  festtäglichen  Messgewändei-n  von  der  fest- 
stehenden Forra  des  Gabelkreuzes  Abstand  zu  nehmen  ,  und  war 
auch  in  dem  letzten  Viertel  des  XV.  Jahrhunderts  die  Zunft  der 
Wappenwirker  und  Bildsticker  in  Köln,  Lüttich  und  Mainz  be- 
strebt, statt  der  gabelförmigen  Kreuze  auf  beiden  Theilen  der  rei- 
chern Messgewänder  bloss  auf  dem  Dorsalstück  eine  breite  aurifrisia 
meistens  in  Figur-  und  Goldstickerei  anzubringen,  die  vollständig 
die  Form  eines  lateinischen  Kreuzes  annahm  Als  Stabverzierun» 
zu  dem  regelmässigen  grossen  Kreuze  auf  der  Rückseite  wurde 
auf  der  schmälern  Vorderseite  von  jetzt  ab  bloss  eine  columna  an- 
gebracht, die  ohne  Kreuzesform  sich  als  breite  praetexta  von  oben 
bis  unten  geradlinijr  hinzog. 

O  o  o 

Forscht  man  nach  der  Ursache,  weswegen  die  Ornatsticker 
gegen  Schluss  des  XV.  Jahrhunderts  an  bischöflichen  und  festtäg- 
lichen Messgewändern  ohne  Noth  die  traditionelle  Gestaltung  des 
doppelten  Gabelkreuzes  fallen  und  eine  neue  Form  dafür  allmälig 
aufkommen  Hessen,  so  dürften  als  Gründe  für  diese  Veränderung 
angeführt  werden,  dass  in  der  angedeuteten  Epoche  eine  nicht 
unbedeutende  Verkürzung  des  faltenreichen  Stoffes  am  Messo-e- 
wände  eingetreten  war,  so  dass  auf  dem  bereits  ausgerundeten 
Dorsalstücke  kaum  noch  ein  Faltenwurf  zu  erkennen  war.  Zu 
diesem  verminderten  Gewandstoffe,  der  schon  eine  ziemliche  Steif- 
heit gewonnen  hatte,  mochte  Vielen  ein  vollständiges  lateinisches 
Kreuz  mit  ^eradlinio-en  Balken  g-eeio-neter  scheinen,  als  ein  crabel- 
förmiges ,  das  in  Uebereinstimmung  mit  dem  früliern  Faltenwurfe 
schräg  in  seinen  Querbalken  anstieg.  Dazu  kam  noch,  dass  man 
gegen  Schluss  des  XV.  Jahrhunderts  vielfach  kostbare  Kreuze  mit 
in  Bilderstich  a;earbeiteten  Figuren  auf  »esticktem  Goldfond  an- 
wendete,  die  meistens  die  Figur  des  Heilandes  am  Kreuze  mit  der 
Passionsgruppe  zur  Darstellung  hatte.  Die  Ornatsticker  fanden  es 
nun  zweckmässiger ,  das  Kreuz  auf  dem  Hintei'theile  des  Messge- 
wandes in  lateinischer  Form  zu  gestalten ,  indem  sich  so  leichter 
an  den  geradlinigen  Querbalken  mit  dem  verlängerten  untern  Bal- 
ken das  Bild  des  Gekreuzigten  durch  Stickerei  anbringen  Hess, 
was  bei  den  schräof  ansteigenden  Balken  des  seither  gebräuch- 
liehen  Y-Kreuzes  nicht  so  leicht  ausführbar  war. 

Gross  ist  die  Zahl  der  heute  noch  aus  dem  Schlüsse  des  XV. 
Jahrhunderts  erhaltenen  festtäglichen  Messgewänder,  die  in  einem 
breiten  Dorsalkreuze  auf  gestickten  Goldfond  das  Bild  des  Ge- 
kreuzigten mit  der  Passionsgruppe  in  feinstem  Plattstich  gestickt 
darstellen.    Dieselben  gehören  in  der  Regel  der  letzten  Hälfte  des 


—    127  — 


XV.  Jahrhunderts  an  und  dürften  allein  in  der  Erzdiöcese  Köln 
mehr  als  120  solcher  reichgestickten  Kreuze  sich  bis  zur  Stunde 
erhalten  haben,  die  meistens  von  der  Zunft  der  Bild-  und  Wap- 
pensticker  Köln's  angefertigt  worden  sind.  Auf  Taf.  XVIII  der 
zweiten  Lieferung  dieses  Werkes  haben  wir  ein  solches  gesticktes 
Dorsalkreuz  unserer  Sammlung  in  Farbendruck  wiedergegeben, 
das  ebenfalls  aus  dem  Schlüsse  des  XV.  Jahrhunderts  herrührt; 
wir  bemerken  jedoch  bei  dieser  Abbildung,  dass  der  Raum  fehlte, 
um  den  obern  Kopfbalken  und  die  beiden  Kreuzarme  in  ihrer 
Ganzheit  vollständio;  wiederzugeben  und  dass  man  also  in  der  Vor- 
Stellung  sich"  diese  Kreuzbalken  ergänzen  muss.  Auf  der  mittel- 
alterlichen Kunst- Ausstellung  zu  Crefeld  (1852)  fand  sich  eine 
grössere  Zahl  von  reich  in  Figuren  gearbeiteten  Messgewändern 
vor,  deren  Dorsalstücke  ein  lateinisches  Kreuz  mit  geradlinigen 
Balken  zeigten ,  wie  sie  in  ähnlicher  Weise  und  in  demselben 
Eeichthum  der  gestickten  Bildwerke  an  bischöflichen  Messge- 
wändern  gegen  Ausgang  des  Mittelalters  in  Anwendung  gekommen 
sind.  ') 

Neben  diesen  festtäglichen  Messgewändern  mit  einem  breiten 
gestickten  lateinischen  Kreuze  auf  der  Rückseite  kommen  auch 
noch  hin  und  wieder  bis  zum  Beginne  des  XVI.  Jahrhunderts 
bischöfliche  Messgewänder  namentlich  in  den  Kirchenschätzen 
Deutschlands  vor,  die  als  breite  praeteoctae  auf  beiden  Seiten  der 
casula  über  die  Schultern  als  Gabelkreuz  ansteigende  Stäbe  zeigen, 
welche  in  der  Regel  mit  vielen  Scenen  aus  dem  Leben  des  Heilandes 
in  vortrefflicher  Nadelmalerei  verziert  sind.  Es  will  uns  scheinen, 
dass  noch  bis  zum  Schlüsse  des  XV.  Jahrh.  vornehmlich  von  den 
Bischöfen  bei  Feier  des  h.  Messopfers  diese  reich  mit  figürlichen  Dar- 
stellungen verzierten  Messgewänder  getragen  wurden ,  mit  anstei- 
genden Schulterkreuzen  in  Gestalt  eines  Y,  zu  einer  Zeit,  wo  der 
gewöhnliche  Celebrans  an  Festtagen  Messgewänder  mit  geradlini- 
gen Kreuzbalken  in  lateinischer  Form  anlegte.  Ein  prachtvolles 
bischöfliches  Messgewand,  dessen  Grundstoff  aus  genueser  Roth- 
Sammet,  reich  in  Gold  brochirt,  besteht,  mit  breiten,  gabelförmi- 
gen Kreuzen  auf  beiden  Seiten,  besitzt  heute  noch  die  Pfarr- 

')  Wir  haben  in  unserm  .,Commentar  zu  der  mittelalterliclien  Kunstausstellung 
zu  Crefeld,  2.  Auflage.  Crefeld  bei  .J.  B.  Klein,  1852,"  von  Nr.  53  bis  144 
mehrere  solcher  reichen  Messgewänder  mit  lateinischem  &euze  im  Dorsal- 
stück und  einer  einfach  gestickten  columna  auf  dem  Pectoralstück  l)e- 
schrieben  und  daselbst  angegeben,  in  welchen  Kirchen  des  Niederrheines 
sich  dieselben  noch  bis  zur  Stunde  erhalten  haben. 


—    128  — 


kirche  zu  Erkelenz.  In  den  breiten  Stäben  dieser  ausgezeichneten 
casula  mit  der  eingestickten  Jahreszahl  1509,  erblickt  man  als 
vollendete  Nadelmalerei  grössere  Scenen  aus  dem  Leben  und  der 
Jugendgeschichte  des  Heilandes.  Die  breiten  Flächen  des  Gabel- 
kreuzes auf  der  Pectoralseite  dieses  Prachtgewandes  hat  der  Bild- 
sticker  mit  der  Scene  der  Geburt  des  Herrn  und  der  Verkündieunsr 
der  Engel  künstlerisch  zu  heben  gewusst ;  auf  der  Dorsalseite,  und 
zwar  auf  dem  mittleren  Stabe,  ist  die  Anbetung  der  drei  Weisen 
in  feinstem  Plattstich  wiedergegeben.  Von  dieser  mittlem  Haupt- 
Scene  aus  verästelen  sich,  über  die  Schultern  ansteigend,  zwei 
Stäbe,  die  mit  der  mittlem  durchgehenden  columna  als  dritten  zweck- 
mässig vom  Künstler  dazu  benutzt  worden  sind,  um  hier  die  Reise 
eines  jeden  der  di'ei  Könige,  umgeben  von  reichem  Gefolge,  dar- 
zustellen. 

Wie  das  auch  an  anderer  Stelle  dieses  Werkes  bemerkt  wor- 
den ist ,  ist  als  Höhenmesser  für  die  Stab-  und  Bildstickerei  des 
Mittelalters,  jenes  unübertreßlich  reich  mit  Bildwerken  verzierte 
Messgewand  zu  betrachten,  das  zu  dem  Ornat  des  Ordens  vom 
goldenen  Vlless  gehört  und  heute  mit  vielen  andern  gestickten 
Kleinodien  in  der  Kaiserburg  zu  Wien  aufbewahrt  wird.  Auch 
dieses  kostbare  Messgewand,  das  gegen  die  Mitte  des  XV.  Jahr- 
hunderts Entstehung  gefunden  haben  dürfte,  zeigt  noch  vollkom- 
men die  Form  eines  Gabelkrcuzes  in  Weise  eines  Y.  In  dieser 
breiten  aurifrida  ist  auf  dem  Pectoralstück  in  grossen  Figuren 
die  Taufe  des  Heilandes  im  feinsten  Bilderstich  veranschaulicht. 
In  den  zur  Schulter  ansteigenden  Stäben  erblickt  man  auf  der 
einen  Seite  einen  dienenden  Engel,  der  das  Gewand  des  Heilandes 
hält,  und  in  dem  andern  transversal  ansteigenden  Stalle  das  Bild 
des  Täufers  Johannes.  In  dem  obern  Stabe  ersieht  man  das  Halb- 
bild des  Vaters,  umgeben  von  dem  eingestickten  Spruch:  „hic  est 
filius  dllectus  in  quo  mihi  complacui."  Auf  der  Dorsalseite  dieser 
Pracht-Casel  vom  toison  d'or  ist  in  verwandter  Weise  durch  Nadel- 
Malerei  die  Verklärung  des  Herrn  auf  dem  Tabor  zur  Veran- 
schaulichung gebracht,  und  zwar  im  untern  Stabe  in  knieender 
Stellung  die  drei  Jünger,  in  der  Mitte  das  Bild  des  Heilandes  in 
verklärtem  leuchtenden  Leibe ,  und  in  den  Stäben  des  Y-Kreuzes 
die  Halbfiguren  von  Moses  und  Elias.  In  dem  mittlem  Stabe  er- 
sieht  man  wiederum  das  Halbbild  der  ersten  Person  der  Gottheit 
mit  einem  Spruchbande,  das  denselben  oben  angedeuteten  Ausspruch 
enthält,  wodurch  die  Gottheit  des  Sohnes  bestätigt  wird.  Der 
ganze  Umstoff  dieses  Messgewandes,  der  durch  diese  breiten  Ga- 
belkreuze nicht  ausgefüllt  wird,  ist  mit  zarten  in  Plattstich  gestick- 


—    129  — 


ten  Engelsfiguren  künstlerisch  belebt,  die  von  polygonen  Medaillons 
architectonisch  eingefasst  werden 

Es  würde  die  gegebenen  (irenzen  dieser  Liefeiung  7.11  weit 
überschreiten,  wenn  wir  am  Abschlüsse  dieser  chronologisch  ge- 
ordneten Uebersicht  über  die  Art  und  Weise,  wie  man  im  Mittel- 
alter vorzugsweise  die  festtäglichen  und  bischöflichen  Messgewänder 
durch  gestickte  Aurifrisien  in  reicher  Abwechselung  der  Formen 
zu  verzieren  suchte,  noch  ausführen  wollten,  wie  die  sogenannte 
Renaissance  im  Beginn  der  neuern  Zeit  das  Stabwerk  bischöfliclier 
Messgewänder  nach  seiner  Art  durch  überhäufte  und  schwerfällige 
Goldstickereien  e7i  r-e//^' auszustatten  Bedacht  nahm.  Das  Fehknde 
über  die  moderne  Entwickt'lung  und  willkürliche  Gestaltung  der 
Stäbe  an  reichern  Messgewändern  aus  der  Renaissause-  und  Rococco- 
Zeit  soll  im  Folgenden  an  gelegener  Stelle  nachgeholt  wei'den. 


Die  Anlage  und  Eintheilung  der  vorliegenden  Schrift  gestattet 
es  nicht,  in  dieser  vierten  Lieferung  die  Gestalt  und  künstlerische 
Entwickelung  jener  Ornate  nachzuweisen,  die  der  pontificirende 
Bischof  zum  Unterschied  von  dem  celebrirenden  Priester  noch 
ausser  den  caligae  und  sandalia  zu  tragen  das  Vorrecht  hat.  Zu 
den  im  Vorstehenden  ausführlicher  besprochenen  liturgischen  Gr- 
natstücken,  als  da  sind:  1)  caligae,  2)  sanJalia,  'S)  humerale,  4)  alba, 
5)  cingulum,  6)  stola,  7)  inaiiipuhis,  8)  tunicella,  9)  dalmatica,  10)  ca- 
sula,  legt  der  Bischof,  wenn  er  an  grössern  Festtagen  die  hei- 
ligen Geheimnisse  feierlich  begeht,  überdies  noch  folgende  aus- 
schliesslich bischöfliche  Insignien  an,  nämlich:  11)  antiulus,  \2)  chi- 
roihecae,  13)  mitra,  14)  baculus  pastoralis.  Ausser  diesen  vierzehn 
verschiedenen  Ornatstücken  trägt  der  Erzbischof  und  Metropt)lit 
als  hervorragende  Insignie ,  die  ihn  vor  den  Bischöfen  auszeich- 
net, und  zwar  unmittelbar  über  dem  Messgewande,  noch  das 
pallium. 


')  Vgl.  die  weitere  Beschreibung  dieser  flandrischen  Bildstickereien  in  einer 
Abhandlung  aus  den  ,, Mi tt Heilungen  der  k.  k.  C'entral-Commission  zurEi"- 
forschung  und  Erhaltung  der  Bau-Denkmale.  III.  Bd.  Nr.  5.  1858/'  und  im 
..Kirchenschmuck,  ein  Archiv  für  weibliche  Handarbeit."  3.  Bd.  4.Hft.  1859. 

Liturgische  GfWÄiider.  U.  <) 


—    130  - 


Diese  zuletzt  genannten  bischöflichen  beziehungsweise  erz- 
biscliüflichen  Ornate  sollen  nachträglich  in  der  folgenden  fünften 
Lieferung  eine  eingehendere  Besprechung  finden,  und  wird  alsdann 
die  Beschreibung  der  vestes  preshyteratiis  et  diuconalus  nebst  den 
dazu  gehörenden  Bekleidungsstücken  des  Kelches  sich  anreihen. 


Druck  vi'ii  J  l'.  BacliPin  In  Cölii. 


—    131  — 


9. 

Die  Pontificalhandschuhe,  „ehirothecae,  manicae". 

Bevor  wir  in  Ft)lgeudem  zur  Besprechung  der  vedea  presbißeratus 
et  diaconatus ,  dessgleicheii  zur  Erläuterung  der  stofflicheu  Beklei- 
dung des  Kelches  und  des  Altares  übergehen,  erübrigt  es  noch, 
hierorts  eine  Schilderung  der  geschichtlichen  Entwickelung  und 
künstlerischen  Gestaltung  einzelner  Ornatstücke  einzureihen ,  wie 
sie  der  pontiticirende  Bischof  zu  tragen  das  Vorrecht  hat.  Wie 
dies  bereits  auf  Seite  129  des  II.  Bandes  angedeutet  worden,  liegt 
es  uns  noch  ob,  zur  übersichtlichen  Beschreibung  des  bischöflichen, 
beziehungsweise  erzbischöfüchen  Pontificalornates,  ausser  den  Hand- 
schuhen, der  Miter,  dem  Rationale  und  dem  Pallium,  auch  noch 
einzelne  metallische  Insignien,  als  da  sind:  Bing,  Stab  und  Brust- 
kreuz, in  Kürze  zu  besprechen,  und  ihre  Entstehung  und  künst- 
lerische Ausstattung  im  Laufe  des  Mittelalters  nachzuweisen.  Es 
sei  vergönnt,  im  Verlaufe  dieser  Abhandlung  vorerst  che  ebenge- 
dachten stofflichen  Ornate ,  die  den  pontificirenden  Bischof  im 
Unterschied  von  dem  celebrirenden  Priester  auszeichnen,  einer 
näheren  Beschreibung  zu  unterziehen,  und  alsdann  erst  schliesslich 
die  Insignien  der  bischöllichen  Würde ,  insofern  sie  von  edlem 
Metalle  angefertigt  sind,  kurz  zu  beleuchten. 

Gleichwie  nach  dem  bekannten  Spruche :  quam  speciosi  pedes 
evangelizantimn  etc. ,  die  Füsse  des  pontificirenden  Bischof  es  mit 
mehr  oder  weniger  reichverzierten  Sandalen  bekleidet  werden, 
wenn  er  im  Begriffe  steht,  als  pontifex  an  Festtagen  die  heiligen 
Geheimnisse  zu  feiern,  so  werden  auch,  bevor  er  das  sacrarium 
verlässt  und  an  den  Altar  schreitet,  seine  Hände  bekleidet  mit 
Handschuhen,  die  seit  den  ältesten  Zeiten  von  Seiten  der  Kunst 
mehr  oder  weniger  reich  ausgestattet  zu  werden  püegten.  Die 
Anlegung  der  bischöflichen  chirothecae  in  dem  armarium  erfolgt 
jedoch  unmittelbar  nach  Anlegung  der  Dalmatik,  bevor  nämlich 
dem  pontificii-enden  Bischof,  als  letztes  Gewand,  die  casula  darge- 
reicht und  sein  Haupt  mit  der  bischöl'ücheu  Inful  geschmückt  wird. 

Da  in  vorhegender  Abhandlung  unsere  Absicht  vornelindicli 
dahin  gerichtet  ist,  Entstehung,  Entwicklung  mid  ornamentale  Aus- 
stattung der  verschiedenen  liturgischen  Ornate  im  Zusammenhange 
nachzuweisen,  wie  dieselben  sich  im  Laufe  des  Mittelalters  an  der 
Hand  kirchlicher  Vorschriften  gestaltet  haben,  so  kann  man  es 
füghch  liier  übergehen,  die  symijolische  und  mystische  Bedeutung 

10 


—    132  - 

der  bischöflichen  chirothecae  näher  zu  erörtern ,  und  mag  dess- 
wegen  kurz  auf  das  Einscldagende  bei  Innocenz  ^) ,  Durandus 
Bona^),  Du  Saussay*)  und  Andern  verwiesen  werden. 

Obgk'ich  Honorius  in  seiner  oft  genannten  Gemma  animae  ^) 
ausdrückU(;h  hervorhebt,  dass  der  Gebrauch  der  chirothecae  aus  den 
Tagen  der  Apostel  herrühre,  so  haben  andere  liturgische  Schrift- 
steller der  spätem  Jahrhunderte  in  dieser  Ansicht  ihm  nicht  bei- 
gepflichtet, da,  wie  der  gelehrte  Cardinal  Bona  dies  ausdrücklich 
bemerkt,  aus  den  ersten  Jahrhunderten  der  Kirche,  nach  erhaltenen 
schrifthchen  und  IjütUichen  Monumenten  zu  urtheilen,  nicht  die 
geringsten  Andeutungen  über  den  Gebrauch  der  bischöflichen  Hand- 
schuhe im  apostolischen  Zeitalter  sich  erhalten  haben'').  Es  kann 
sogar  mit  Grund  beanstandet  werden,  dass  in  der  classischen  Epoche 
die  Handschuhe  im  Profangebrauch,  wie  ihn  das  Mittelalter  kannte, 
eine  Anwendung  gefunden  haben,  indem  die  Stelle  bei  Phnius  in 
seiner  epist.  ad  Macrum  nicht  so  sehr  auf  Handschuhe  nach 
heutigem  Begriffe  zu  deuten  ist,  als  vielmehr  auf  eine  Bedeckung 
der  Hände  durch  weite  Aermel  (mardcae) ,  in  deren  Gefälte  die- 
selben Schutz  gegen  Kälte  finden  konnten''). 

Da  nun  unter  der  Bezeichnung  manica  nicht  immer  eine  ab- 
gesonderte körperliche  Bedeckung  in  den  frühchristhchen  Zeiten  zu 
verstehen  ist,  wie  nach  mittelalterhchen  Begriffen  dieselbe  unter 
der  Benennung  chirothecae  in  Anwendung  kommt ,  da  ferner  weder 
in  Bild  noch  Schrift  sich  Spuren  der  Handschnhe  aus  den  ersten 
christlichen  Jahrhunderten  zu  liturgischen  Zwecken  vorfinden,  und 
auch  in  der  griechischen  Kirche  die  Handschuhe,  als  priesterhche 
oder  bischöfhche  Ornate ,  keine  Anwendung  gefunden  haben ,  so 
fragt  es  sich,  wann  zuerst  im  Verlaufe  des  Mittelalters  die  chirothecae, 
als  auszeichnende  bischöfliche  Insignien  ei-wähnt  werden. 


')  Innocentius  III.,  Myst.  Miss.,  lib.  I.,  cap.  41. 

-)  Durandus,  Ration.  Divin.  Offic.  lib.  III.,  cap.  12. 

^)  Bona,  Kerum  Liturg.  lib.  I.,  cap.  XXIV  n. 

")  Saussayus,  Panoplia  Episcopalis  lib.  V.,  pag.  .341  s(jq. 

•'■')  Honorius  Augustodun.,  gemma  animae  lib.  I.,  caii.  215. 

")  Bona,  Kerum  liturgicar.  lib.  I.,  cap.  XXIV.,  num.  12. 

')  Plin.,  lib.  3.  epist.  5.  ad  Macrum :  Manus  hieme  manicis  muniebantur,  ut 
ne  coeli  quidem  asperitas  uUum  studiis  tempus  eriperet.  In  Xenoijhon's 
Cyr.  VIII.,  8,  17  wird  unterschieden  zwischen  -/hqis  nnd  tftcy.rul^&Qcc 
und  könnte  man  desswegen  zu  der  Annahme  sich  hinneigen,  dass 
iinter  manica  ein  Fausthandschuh  ohne  Finger,  hingegen  unter 
digitale  ein  solcher  mit  Fingern  nach  unserer  heutigen  Weise  ver- 
standen werden  könnte. 


—    133  — 

Unser  gelehrter  Freund  Ch.  de  Linas  weist  in  seiner  trefflichen 
Abhandlung  über  die  Handschuhe  im  Alterthume  und  im  Mittel- 
alter ^)  ausführlich  nach ,  dass  die  Handschuhe  in  Anbetracht  des 
rauheren  Klima's  im  Norden  schon  in  frühchristlichen  Zeiten  bei 
Hoch  und  Niedrig  in  Gebrauch  gewesen  seien.  Bereits  seit  dem 
VH.  bis  zum  IX.  Jahrhundert  gehörten  Handschuhe  zu  den  Klei- 
dungsstücken der  Vornehmen  und  Reichen  bei  allen  Volksstämmen 
germanischer  Abkunft.  Daher  auch  die  latinisirte  germanische 
Bezeichnung  für  diese  Art  Ivleidungsstücke:  gwantus,  wantus, 
gantus;  daraus  das  französische  gant^). 

Was  niui  den  liturgischen  Gebrauch  der  Handschuhe  betrifft, 
so  lässt  sich  nachweisen,  dass  schon  seit  dem  VI.  Jahi'hundert  bei 
den  Bischöfen  Gallien's  die  Handschuhe  kirclalich  im  (ilebrauche 
waren.  So  liest  man  im  Leben  des  h.  Betharius,  Bischofs  von 
Cliartres  (594 — 600),  dass  er,  vor  den  Richterstuhl  des  Königs  ge- 
führt, seiner  Handschuhe  von  einem  der  Umstehenden  beraubt 
wurde  Ferner  belichten  die  Lebens1)eschreiber  des  h.  Hüdebert, 
Bischofs  von  Mcaux  (G72 — 680) ,  dass  die  Handschuhe  desselben, 
als  er  sie  bei  der  Consecration  abgelegt  hatte ^),  von  einem  Sonnen- 
strahl schwebend  in  der  Luft  gehalten  Avorden  seien.  So  hinterlässt 
auch  Riculf,  Bischol'  von  Eine,  im  Jahre  915  der  Kirche  der  heil. 
Eulalia  «annulum  aureum  unum  cum  gemmis  pretiosis  et  vantos 
liar  uiiuni^). 

Auch  in  dem  alten  Ordo  Romanus ,  dessen  Anfertigung  der 
Kölner  Stiftsdechant  Hittorp  in  die  Tage  des  Frankenlcönigs  Pipin 
versetzt,  werden  die  Handschuhe  als  bischöfliche  Bekleidungsstücke 
ausdrücldich  benannt',  jedoch  noch  immer  unter  der  älteren  Be- 
zeichnung rnanirae:  Es  heisst  an  jener  Stelle,  wo  die  Caeremomen 
beschrieben  werden ,  die  bei  der  Weihe  eines  Bischofes  liturgisch 


')  Anciens  vetements  sacerdotaux  et  anciens  tissus  conserves  en  France 
p.  Ch.  de  Linas,  pag.  197 — 225.  Paris,  libr.  arclieol.  de  Didroii  18ö0. 

-)  Vgl.  hierüber  das  Nähere  l)ei  Du  (\\nge,  lex.  latin.  medii  aevi  ad  voc. 
wantus. 

■'j  Interea  unus  e  Ijarbaris  gentis  ipsius  nisus  est  abstrahere  a  sanctis 
manibus  chirothecas  (quod  viilgo  wantos  vocant)  et  suas  tegere  in- 
dignas.  Vita  S.  Betliarii  ep.  Carn.  Nr.  9  mensis  Augiisti  t.  I.,  pag.  71. 

■*)  Chirothecae  ejus  quas  e  manibus  suis  ante  consecrationem  extraxerat  a 
radio  solis  in  aere  visae  fuerunt  sustent.atae.  Aa.  SS.  Maii,  tom.  VI, 
p.  713.  Cumque  de  manibus  gantos  extraxisset,  aposuit  eos  radio  solis. 
Vita  S.  Hildeberti,  ap.  Du  Gange. 

^)  Testam.,  Riculfi  ep.  Helen,  ap.  Baluzc.  App.  ad  Reginonem,  f.  p.  62(). 

10* 


—    134  — 

vorgeschrieben  sind,  dass  nach  dem  Evangehum  und  dem  Graduale 
dem  zu  consecrirendeu  Bischöfe  die  Sandalen  und  darauf  die  Hand- 
schuhe angelegt  wurden,  und  dass  bei  der  Anlegung  der  manicae 
jenes  Gebet  von  den  umstehenden  Bischöfen  verrichtet  wurde,  das 
wir  seinem  Wortlaute  nach  unten  anführen  ^j. 

Mag  nun  auch  das  Alter  des  Ordo  liomanus,  dessen  Abfassung 
einem  Priester  der  Constanzer  Diöcese,  nach  Einigen  mit  Namen 
Bernoldus,  nach  Andern  Bertoldus,  unter  der  Regierung  Kaiser 
Heinricli's  IV.,  zugescluieben  wird,  bestritten  werden,  so  ist  doch 
mit  Sicherheit  anzunelunen,  dass  schon  im  X.  Jahrhundert  in  dem 
Ritual  des  Ratoldus,  Abtes  von  Corvey  (f  98G),  imter  den  andern 
bischöflichen  Pontiücalien  auch  die  manicae  ausdrücldich  hervor- 
gehoben werden.  Dessgleiclien  findet  sich  auch  in  der  alten  Missa 
lUyricorum  ein  Gebet,  das  bei  Anlegung  der  Handschuhe  ge- 
sprochen wird^j. 

Verfolgt  man  weiter  im  Laufe  des  XI.  Jahrhunderts  an  der 
Hand  geschichtlicher  Nachrichten  das  Vorkommen  und  den  Gebrauch 
von  Handschuhen  bei  Begehung  der  heiligen  Geheimnisse,  so  findet 
sich,  dass  bereits  Urban  II.  dem  Abt  Hugo  von  Cluny  nebst 
anderen  bischöflichen  Ornaten  auch  die  Anlegung  der  Handschuhe 
dem  Wortlaute  des  desfaüsigen  Diploms  vom  Jahre  1088  zufolge 
gestattete.  In  einer  zweiten  Urkunde  vom  Jalu-e  1095  besi-ätigt 
Papst  Urban  dem  heil.  Hugo  das  Recht  bischöfhche  Ornate  zu 
tragen ,  und  dehnt  dasselbe ,  als  besondere  Gunstbezeugung  der 
römischen  Kirche,  auch  auf  seine  Nachfolger  aus. 

Auch  den  Aebten  von  Montecassino,  der  berülmiten  Stiftung  des 
h.  Benedict,  wurde  nach  dem  Zeugniss  des  nachmaligen  Cardinais 
Leo  von  (Jstia  schon  unter  Leo  IX.  das  Ehrenvorrecht  eingeräumt, 
sich  bei  Pontiticalhandlungen  der  bischofhchen  Handschuhe  zu 
bedienen. 


')  Ordo  Romanus,  tom.  XI.  l)ibliothec.  sauet.  Patr.  Paris,  lülO:  Deus,  ut 
mauus  faniuli  tui  N. ,  scilicet  fratris  nostri,  sicut  exterius  obducuutur 
mauicis,  sie  iuterius  adspergantur  rore  tuae  benedictiouis ,  ut  quae- 
cumque  jier  eas  sint  benedieeuda  et  consecranda,  per  te  benedieautur 
et  consecrentur,  qui  vivis  etc. 

^)  Dieses  Gebet  flautet:  »Creator  totius  Creaturae  dignare  me  indignum 
famulum  tuum  indumentis  iustitiae  et  laetitiae  induere,  ut  puris  uia- 
nibus  ante  conspectum  tuum  assistere  merear«.  In  einem  anderen 
alten  Missale  heisst  es  an  dieser  Stelle:  »Digua  manus  nostras  Christi 
custodia  sei'vet,  ut  tractare  queaut  nostrae  moiiumeuta  salutis«. 


—    135  — 


Für  unsere  vorliegeiulen  Zwecke  enstcht  nun  zunächst  die  Frage, 
wie  waren  die  bischöl'liclieu  Handschuhe  seit  dem  XI.  Jahrhundert, 
in  welchem  dieselben  durch  die  Stickerei,  Goldschmiede-  und  Schmelz- 
kunst in  Uebereinstimmung  mit  den  übrigen  bischöflichen  Ornaten 
reicher  verziert  zu  werden  pflegten,  in  Schnitt  und  Ornament 
beschaffen? 

Bruno  von  Asti  führt  an ,  dass  die  bischöflichen  Handschuhe 
aus  Leinen  angefertigt  sein  sollen*);  Honorius  bestimmt,  dass  sie 
nicht  zusammengenäht,  sondern  aus  einem  Stücke  als  ■»inconsuteleti^'. 
bestehen  sollten.  Innocenz  HI.  endlich  gibt  an ,  dass  die  obere 
Fläche  der  bischöflichen  Handschuhe  mit  einer  goldenen  Verzierung 
versehen  sei  ncirculum  aureum  desuper  liabeti(. 

Hinsichtlich  des  Stoffes,  aus  welchem  die  l)ischöflichen  cliiro- 
thecae  seit  dem  XI.  Jahrhundert  angefertigt  wurden,  sei  im  Allge- 
meinen bemerkt,  dass  bei  kostbaren  Handschuhen  zum  festtäglichen 
Gebrauch,  meistens  dazu  ein  schwerer  Cendel,  häufig  von  purpur- 
rother  Farbe,  verwandt  zu  werden  j)flegte,  der  in  Rücksicht  seiner 
Dichtigkeit  und  seines  Gewebes  mit  jenem  Purpurstofl'e  überein- 
stimmte, aus  welchem  auch  die  bischöflichen  Sandalen  angefertigt 
wurden.  Aehnlich  den  Handschuhen  von  Leder,  die  für  profane 
Zwecke  in  der  frülu-omanischen  Zeit  einen  gehäuften  Gebrauch 
fanden  waren  auch  die  bischöflichen  Handschuhe  nicht  gestrickt, 
oder  aus  einem  Stück  gewebt,  sondern  meistens  aus  Stoff"  geschnitten, 
und  wurden  die  Fingertheile  derselben  durch  starke  Doijpelnähte  ge- 
bildet. Um  den  bischöflichen  Handschuhen  durch  Stickereien  eine 
entsprechend  reiche  Ausstattung  zu  verleihen,  wurde  in  der  Regel 
der  untere  breitere  Umfassungsrand  durch  vielfarbige  Nadelarbeiten 
künstlerisch  gehoben.  Dieser  durch  Stickereien  verzierte  limhus 
hatte  jedoch  eine  solche  Ausdehnung  und  Weite,  dass  derselbe  bei 
der  Anlegung  mit  leichter  Mühe  über  den  Rand  und  die  untere 
Ausmündung  der  Albe  und  des  Talars,  als  verdeckendes  Ornament 


')  De  Sacram.  cccles,  myst.  —  Im  Schatze  der  Kirche  Saiut-Riquier  (f  8.!1) 
sind  heute  noch  solche  Handschuhe  von  , Leinen  ersichtlich;  auch  im 
Schatze  von  Canterbury  befanden  sich  noch  gegen  das  Jahr  1321  dem 
Wortlaute  eines  gleichzeitigen  Inventars  zufolge :  Par  unum  (chirothe- 
carum)  de  lino,  cum  tassellis  argenteis  et  parvis  lapidibus.«  Darts 
Canterbury  Cath.,  app.  p.  XIII. 

Vergl.  Ducange,  Glossarium  latinitatis  medii  aevi  ad  vocem  chirothecae 
seu  wanti,  Charta  Theobaldi  Episcop.  Ambian.  a.  1172.  in  Tabular 
Eccl.  Ambian.  fol.  ,52. 


—    136  — 


geschoben  Averden  konnte.  Im  XL  und  XII.  Jahrhundert  befand 
sich  überdies  bei  den  reichern  bischöfüchen  Handschuhen  noch  an 
jenen  stoff heben  Theilen  der  chirolhecae,  welche  die  obern  Handflächen 
bedeckten,  wie  dies  auch  die  oben  angefülu-te  Stelle  bei  Innocenz  III. 
andeutet,  ein  in  Gold  und  Seide  gesticktes  Ornament,  das  in  vielen 
Fällen  in  Kreuzesform  gestaltet  war  und  dm-ch  den  Schmuck  von 
gefassten  Edelsteinen  gehoben  zu  werden  pHegte.  Diese  Verzierungen 
in  Kreuzesform  auf  den  obern  Flächen  der  cldrothecae  waren  nicht 
selten  als  monüia  aus  edlem  Metall  gefertigt  und  vielfach  durch 
eingelassene  Schmelze  verziert. 

Nach  einem  Gypsabguss,  den  wir  in  Chartres  von  dem  Stand- 
bilde eines  Bischofs  abnehmen  Hessen,  haben  wir  auf  Tafel  XIV, 
Fig.  2  des  II.  Bandes  einen  grösseren  Theil  dieses  auf  Tafel  VII, 
Fig.  3  in  seiner  Ganzheit  abgebildeten  Handschuhes  veranschaulicht ; 
auf  diesem  grössern  Bruchtheil  ist  nicht  nur  die  untere  ornamentale 
Randeinfassung,  dessgleichen  das  monile  in  Kreuzesform  auf  der 
Oberfläche,  sondern  auch  das  Tricot-Gewebe  deutlich  zu  ersehen, 
aus  welchem  in  der  si)ät-romanischen  Kunstepoche  die  bischöfhchen 
Handschuhe  vielfach  bestanden. 

Auf  Tafel  VII,  Figur  3  des  II.  Bandes  ist  eine  solche  bischöfhche 
chirotheca  in  verkleinertem  Maassstabe  bildlich  wiedergegeben,  wie 
sich  cheselbe  an  einer  Statue  in  mehr  als  Lebensgrösse  unter  den 
Eingangshallen  des  Domes  von  Chartres  vorfindet.  Ueberhaupt 
liefern  bei  der  Seltenheit  von  bischöflichen  Handschuhen  aus  der 
romanischen  Kunstepoche ,  die  höchstens  nur  noch  in  bischöflichen 
Gräbern  anzutreffen  sind,  die  vielen  Bildwerke  in  den  porches  der 
französischen  Cathech'alen ,  nanienthch  in  denen  zu  Chartres, 
Rheims ,  Laon ,  hinsichthch  der  Form  und  der  ornamentalen  Ver- 
zierung dieser  Handschuhe  ein  sehr  zu  beachtendes  Material. 

Soweit  die  Alterthumsforschung  heute  reicht,  haben  sich  in 
den  Kirchenscliätzen  des  Abendlandes ,  aus  der  romanischen  und 
gothischen  Kunstei^oche  lierrührend,  nur  wenige  bischöfliche  Hand- 
schulie  erhalten ,  die  erwünschten  Aufschluss  über  den  Stoff  und 
die  künstlerische  Verzierung  geben,  welche  um  diese  Zeit  den  eben 
gedachten  chirothecae  von  Seiten  der  Goldschmiedekunst  und  der 
Stickerei  gegeben  wurde.  Glücklicher  Weise  hnden  sich  bis  zur 
Stunde  noch  zwei  Paar  Handschuhe  vor ,  die  beide  aus  dem 
XII.  Jahrhundert  herrührend ,  ehemals  als  königliche ,  beziehungs- 
weise kaiserliche  Ornate  im  Gebrauche  waren,  und  die  hinsichthch 
ihrer  gestickten  Verzierungen  mit  den  bischöflichen  Handschuhen 
jener  Tage  ziemlich  übereinstiamien. 


—    137  — 


Auf  Tafel  XIX,  Fig.  1  veranscliauliclien  wir  ungefähr  in  dei 
Hallte  der  natürlichen  Grösse  eine  jener  königlichen  c/nrothecae, 
mit  welchen  die  Leiche  Kaiser  Heinrichs  VI.  im  Porphyrsarge  des 
Domes  von  Palermo  bekleidet  ist.  Fr.  Daniele,  der  in  seinem 
Kupferwerke  ')  die  könighchen  ( )rnate  und  Kleinodien  abbildet  und 
beschreibt,  die  an  verschiedenen  Leichen  normannischer  Könige 
und  hoheustaufischer  Kaiser  im  Dome  zu  Palermo  aufgefunden 
wurden,  gibt  liinsichtlich  der  Handschuhe  Kaiser  Heinricli's  VI.  an, 
dass  dieselben  von  Seide  seien,  und  dass  der  untere  Saum,  wie  es 
unsere  Abbildung  auch  andeutet,  mit  einer  Stickerei  in  Goldfäden 
verziert  sei."  Aus  der  vorliegenden  Abbildung  ist  nicht  deutüch 
zu  ersehen,  ob  diese  Handschuhe  in  ihren  stoffhchen  Theilen,  was 
kaum  annehmbar  ist,  auf  einem  Handstuhle  gewebt,  oder  aus 
einzelneu  Stoffstücken  an  den  Fingertheilen  zusammengesetzt  sind. 
Im  Uebrigen  sind  diese  Funeralhandschuhe  des  eben  gedachten 
Hohenstaufen  in  ihrer  künstlerischen  Ausstattung  sehr  einfach  ge- 
halten ,  so  dass  es  fast  den  Anschein  gewinnt ,  als  ob  dieselben 
Henirich  VI.  als  alltäghclies  Kleidungsstück  in  seinen  Lebzeiten 
vorübergehend  gedient  hätten. 

Welchen  Reichthum  die  bischöflichen,  dessgleichen  auch  die 
königlichen  und  kaiserlichen  Handschuhe  in  ihrer  künstlerischen 
Ausstattung  bereits  in  der  letzten  Hälfte  des  XII.  Jahrhunderts 
aufzuweisen  hatten,  davon  liefern  jene  reichverzierten  chirothecae 
imj)eriales  die  sich  heute  noch  unter  den  übrigen  deutschen  Reiclis- 
kleinodien  und  Insignien  in  der  Kaiserburg  zu  Wien  erhalten  haben, 
sprechende  Belege.  Um  bereits  an  anderer  Stelle  Gesagtes  nicht 
zu  wiederholen,  verweisen  wir  auf  die  ausführhche  Beschreibung 
dieser  Krönungshandschuhe  in  dem  I.  Bande  unseres  nächstens 
erscheinenden  Werkes  Wie  che  Abbildung  der  Aussenseiten  dieser 
kaiserüchen  Pontiticalhandschiihe  in  natürlicher  Grösse  auf  Tafel 
•  VIII  unseres  unten  citirten  Werkes  zu  erkennen  gibt,  sind  diese 
kaiserüchen  manicae  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung,  sowohl  auf  der 
obern,  als  der  untern  Seite  der  Hand  mit  Gold-  und  Perlstickereien 
künstlerisch  aufs  Reichste  ausgestattet.    Ueberdies  erhalten  die 


*)  I  Regali  Sepolcri  del  Duomo  di  Palermo.  In  Napoli,  nella  stamperia 
del  Re.  1784. 

Die  Kleinodien  des  heiligen  römiscben  Reiches  deutscher  Nation,  nebst 
den  Kroninsignien  Böhmen's,  Ungarn's  und  der  Lombardei,  Seite  36 
bis  38,  Tafel  VIII.,  Fig.  10.  Wien,  aus  der  k.  k.  Hof-  und  Staats- 
druckerei 1864. 


—    138  — 


Aussenflächen  derselben  durcli  pUcae  aureae  esmaltae  in  einer  Weise 
einen  so  reichen  Schmuck,  dass  dadurch  diesem  Ornatstück  die 
nöthige  Biegsamkeit  an  vielen  Stehen  benommen  wird.  Sogar  die 
Fingerringe,  die  durch  die  Handschuhe  verdeckt  wurden,  sind  auf 
der  Ausseufläche  derselben  durcli  in  Gold  eingeschmelzte  kleine 
moiiilia  angedeutet,  die  in  vielfarbigem  ZeUenschmelz  jene  sagen- 
haften Sirenen  versiniilichen ,  welche  der  Fabel  nach  zwischen  der 
Scylla  und  Charybdis  die  Schiffer  verlockten ;  die  Meerenge  zwischen 
diesen  beiden  Felsen  lag  nnr  Avenige  Tagreisen  von  jener  industriellen 
Stadt  Palermo  entfernt,  in  welcher  nicht  nur  allein  diese  Krönungs- 
handschuhe, sondern  auch  die  meisten  stoif liehen  Pontificalien  der 
deutschen  Kaiser  Entstehung  gefunden  haben.  Wie  das  die  Ab- 
bildung* auf  Taf.  VIII,  Fig.  lÜ  andeutet,  befinden  sich  auf  den 
Aussenflächen  der  Krönungshandsclnüic  deutscher  Kaiser  je  ein 
aufgenähtes  Goldblech  mit  eingeschmelzten  vielfarbigen  Verzierungen, 
die  in  klar  ausgesprochener  Form  eine  fleur  de  Iis  in  jener  Gestalt 
und  Entwicklung  erkennen  lassen ,  wie  dieselbe ,  als  aUgemein  be- 
liebtes Ornament,  gegen  Schluss  des  XII.  Jahrhunderts  eine  viel- 
gestaltige Anwendung  fand.  An  dieser  Stelle,  nämlich  auf  den 
äussern  Flächen  der  Handschidie,  befanden  sich,  namentlich  wenn 
sie  bischöflichen  Gebrauches  waren,  reich  gestickte  Verzierungen 
in  Form  von  Kreuzen,  meistens  von  runden  Ringen  eingefasst, 
die  in  ältern  Schatzverzeichnissen  orhicula  cum  crucibus  benannt 
werden. 

Wie  schon  früher  bemerkt,  felilten  den  reichern  bischöflichen 
Handschuhen  selten  jene  durch  Stick-  und  Goldschmiedekunst  ver- 
zierten Randeinfassungen  an  den  Säumen,  die  man  linibi,  praetextae 
in  cii'cuitu,  oder  auch  vorzugsweise  manicae  nannte.  Auch  an  den 
chirothecae  imperiales  befinden  sich  unserer  Abbildung  zufolge 
Imnstreich  gearbeitete  Saumeinfassungen,  die  mit  jenen  Randein- 
fassungen Verwandtschaft  zeigen,  wie  sie  sich  an  den  bischöfhchen 
chirothecae  des  Statuaire  von  Chartres  zu  erkennen  geben. 

Forscht  man  noch  heute  nach  erhaltenen  bischöflichen  chirothecae 
des  XIII.  Jahrhunderts,  so  dürften  die  in  der  lürche  St.  Sernin  zu 
Toulouse,  hinsichtlich  ihrer  Form  und  Ausstattung,  wohl  das  meiste 
Interesse  bieten ' ) ;  dieselben  bestehen  aus  einer  Art  Tricot-Gewebe 


')  Vergl.  die  Abbildung  und  Beschreibung  derf3elben  in  der  kleinen  und 
interessanten  Schrift:  »Essais  sur  les  ancieus  vetements  sacerdotaux 
et  les  anciens  tissus,  rapports  adresses  ä  S.  E.  M.  le  ministre  de  In- 
struction publique  p.  Ch.  de  Linas;  Paris,  1854,  p.  16,  Librairie  V.Didron. 


—    139  — 


von  weisser  Seide.  Auf  den  äussern  Flächen  dieser  Handschuhe 
erhHckt  mau  zwei,  in  vergoldetem  Kupfer  vielfarhig  eingeschmelzte 
Rundschüdchen  in  einem  Durchmesser  von  0  ™-  06  Diese  beiden 
Ornamente,  die  man,  übereinstimmend  mit  den  Angaben Innocenz  III., 
lamina,  tasselli,  jmraiurae  nannte,  zeigen  an  den  äussern  Rändern 
kleine  Oefinungen,  vermittelst  welcher  diese  beiden  monilia  auf  der 
obern  Fläche  der  Handschulie  befestigt  sind.  Auf  Taf.  XIX  Fig.  2  u.  3 
haben  wir  diese  beiden  tasselli,  vorstellend  ein  Agnus  Dei  und  ein 
griechisches  Kreuz  in  natürhcher  Grösse  abgebildet.  Aus  einer  nicht 
viel  Jüngern  Epoche  herrührend,  triflft  man  heute  noch  im  Schatze 
zu  St.  Veit  in  Prag  bischöfliche  chirothecae  an,  die,  irren  wir  nicht, 
als  diejenigen  des  heil.  Bischofs  Adalbert  bezeichnet  werden.  Die- 
selben, als  Rehquien  in  einem  Glasverschlusse  aufbewahrt,  bestehen 
aus  einem  Gewebe  von  weisser  Seide  und  zeigen  auf  der  obern 
Fläche  ein  in  vergoldetem  Silber  reich  emaillirtes  tassellus  in 
du2'chsichtigem  Schmelz.  Die  Handschulie  des  heüigen  Ludwig 
von  Anjou,  die  auf  Tafel  XX  Fig.  1  im  verkleinerten  Maassstabe 
abgebildet  sind,  bestehen,  nach  der  Versicherung  des  sachkundigen 
Ch.  de  Linas,  aus  einem  Tricot-Gewebe  und  zeigen  als  einziges 
Ornament  an  dem  untern  breiten  Saume  eine  flechtenartige  Gold- 
stickerei. 

Nach  Eröffnung  des  Grabes  von  Adrian  IV.  (f  1 159),  fanden  sich 
im  Jahre  1606,  dem  Berichte  eines  Augenzeugen  zufolge,  gleichfalls 
Pontificalhandschuhe ,  deren  Oberfläche  mit  einem  )^ Agnus  Dei«  in 
Stickerei  verziert  waren  Mit  einer  ebenfalls  reichen  Goldstickerei 
auf  der  Oberfläche  sind  auch  die  rothseidenen  Pontifical-Handschuhe 
des  Bischofs  William  of  Wykeham  verziert,  die  heute  noch  im  Ncw- 
CoUege  zu  Oxford  aufbewahrt  werden  ^j. 

Bei  der  Seltenheit  von  heute  noch  vorfindlichen  Pontificalliand- 
schuhen  dürfte  es  zweckdienlich  sein,  in  älteren  Inventaren  Umschau 
•  zu  halten,  um  an  der  Hand  derselben  genauer  in  Erfahrung  zu 
bringen,  welche  Gestalt  und  welche  künstlerische  Ausstattung  diesen 
vorzugsweise  bischöflichen  Insignien  in  der  romanischen  und  go- 
tlüschen  Kuustepoche  verliehen  wurde. 

Unter  den  reichen  bischöflichen  Ornaten,  die  Papst  Bonifaz  VIII. 
seiner  ehemaligen  Kathedralkirche  von  Anagni  schenkte,  befanden 


')  Agni  formam  cum  cruce  et  litteris  Agnus  Dei,  quae  cliirothecis  intexta 

apparebant.  Dionigi,  Sacr.  Vat.  Bas.  Crypt.  Mon.  pag.  1 24. 
-)  The  Church  of  our  Fathers  by  Dan.  Rock  vol.  II.  pag.  162  not.  98. 


—    140  — 


sich  unter  Anderm  auch  äusserst  kostbar  gearbeitete  Pontifical- 
handschuhe,  deren  Grundstoff  aus  weisser  Seide  bestand,  und  die, 
übereinstimmend  mit  den  chirothecae  impeiiales,  auf  der  äussern 
Fläche  durch  Gold-  und  Perlstickereien ,  sowie  diu'ch  aufgenähte, 
in  Gold  getriebene  Ornamente  (  tasselli)  verziert  waren.  In  dem 
Schatzverzeichnisse  der  Kleinodien  und  Pontilicalien  des  Domschatzes 
zu  Mainz  angefertigt  unter  Bischof  Conrad  im  XII.  Jahrhundert, 
werden  unter  andern  kostbaren  Pontilicalien  auch  angefülirt: 
chirothecae  valde  bonae  XVI.  Auch  das  Inventar  der  Domschätze 
von  Trier  vom  Jahre  1238,  weist  unter  den  im  damahgen  armarium 
befindlichen  Ornaten  auch  auf  die  bischöflichen  Handschuhe  hin 
mit  den  Worten :  «item  mitram  episcopalem  cum  cirotecis  et  annulo 
pontificah,  item  duo  sandaha  cmn  caügis«^).  Da  in  den  meisten 
Schatzverzeichuissen  des  XII.  Jahrhunderts  die  Handschuhe  un- 
mittelbar mit  der  Inful  und  den  Sandalen  zusammengestellt  und 
inventarisii't  werden,  so  hegt  die  Vermuthung  nahe,  dass  zur  An- 
fertigung dieser  drei  Ornatstücke  in  der  Regel  ein  und  derselbe 
Grundstoff,  dieselbe  Farbe  und  gleichartige  Ornamente  angewandt 
wurden.  Auch  in  dem  Schatzverzeichnisse  von  St.  Paul  zu  London 
werden  unter  der  Rubrik  der  daselbst  befindlichen,  reichgestickten 
Mitern  ein  Paar  Handschuhe  beschrieben,  die  offenbar  zu  der  Miter 
des  Bischofs  Richard  gehörten  und  bei  dessen  Ableben  zugleich 
mit  der  Miter  der  Kathedr-alkirche  von  St.  Paid  testamentarisch 
zufielen.  Diese  iSIiter  des  Bischofs  Richard,  die  von  der  gleichen 
Hand  und  in  ähnhcher  Verzierungsweise,  wie  die  dazu  gehörenden 
chirothecae  gestickt  war ,  wird  in  folgender  Weise  beschrieben : 
flitem  ima  Mitra  de  dono  Ricardi  Episcopi  ornata  perlis  albis  per 
totum  campum  et  fiosculis  argenteis  deaurata ,  lapidibus  insertis 
ordine  spisso  et  deficit  una  campanula  in  uno  pendulorum«.  Gleich 
darauf  folgt  die  Beschreibung  der  zu  dieser  Miter  gehörenden 
Handschuhe  mit  den  Worten:  «item  duo  cirothecae  similis  operis,  de 
dono  eiusdem,  in  quibus  deficiunt  multi  lapiUi.  Item  duo  paria  ciro- 
tliecarum  ornata  laminis  argenteis  deauratis  et  lapidibus  insertis«^). 
Diese  zuletzt  gedachten  zwei  Paar  bischöfhche  Handschuhe,  wovon 


')  Chronicon  vetus  rerum  Moguiitiacarum.  Rer.  Germ,  monument.  ed. 
Pertz  tom.  III. 

^)  Inventarium  Jocalium  et  Reliquiarum  thesauri  Ecclesiae  Trevirensis 

anno  Domini  MCCXXXVIII.  in  Pascha. 
•'')  Visitatiü  facta  in  tliesaurario  Sancti  Pauli  Londin.  a.  D.  MCCLXXXXV. 


—    141  — 


das  Londoner  Schatzverzeichniss  von  St.  Paul  spricht,  waren  auf 
den  äussern  Handflächen  mit  vergoldeten  Süberblechen  verziert, 
auf  welchen  ebenfalls,  als  vielfarbige  Ornamente,  kleine  Edelsteine, 
in  lectulis  eingefasst,  sich  befanden.  Solche  goldene  Zierrathen  auf 
den  äussern  Flächen  der  Handschuhe,  waren  bei  festtäglichen 
Handschuhen  nicht  selten  mit  eingeschmelzten  Arbeiten  verziert, 
wie  das  aus  einem  Schatzverzeichniss  der  bischöflichen  Kirche 
zu  Chartres  vom  Jahre  1373  deutlich  zu  entnehmen  ist ,  in 
welchem  es  heisst:  »Item  VI  paires  de  cirothecis  de  quibus  sunt 
uns  amalliez«'). 

Die  unstreitig  reichsten  bischöfhchen  Handschuhe  besass  in 
der  letzten  Hälfte  des  XIV.  Jahrhunderts  der  Domschatz  von  St.  Veit 
in  Prag,  von  dessen  Ornatstücken  sich  in  dem  betreffenden  Schatz- 
verzeichnisse des  Sakristanpriesters  Smilo  vom  Jahre  1387  eine 
ausführliche  Beschreibung  der  Ai't  vorfindet,  dass  man  sich  von 
dem  Reiclitliume  dieser  chirothecae  eine  deutliche  Vorstellung  machen 
kann.  Man  liest  nämlich  in  dem  eben  gedachten  Inventar,  unter 
der  Rubrik  de  c/nrothecis ,  folgende  Angaben:  «Primo  chirothecae 
argenteae  deauratae  cum  limbo  .  .  .  cu-cum  manicam  argentum 
deauratum  hal)entes,  et  in  parte  superiori  agnum  in  fibula,  et  in 
secunda  episcopus  sedens  in  cathedra;  item  ahae  chirothecae  cum 
fibulis  ^) ,   quarum   in  uua  Christus  et  in  aha  virgo  gloriosa 


')  Inveiitair  des  ornements  d'egliso  rcstes  apres  le  deces  de  Robert  de 
Joigny  eveque  de  Chartres.  (Publie  dans  le  Bulletin  du  Comite  de  la 
laiigue,  de  l'histoü'e  et  des  arts  de  la  France,  annee  18.57.  Paris  1858.) 

Diese  Handschuhe  scheinen  aus  einem  vergoldeten  SilberstofF  ange- 
fertigt gewesen  zu  sein;  auf  der  obern  Handfläche  ersah  man  an  dem 
einen  Handschuh  eine  fibula,  d.  h.  em  vergoldetes  Silberblech  in  run- 
der Fcmi,  auf  welchem  entweder  in  gravirter  oder  getriebener  Arbeit 
sich  das  Lamm  befand,  als  Symbol  der  zweiten  Person  der  Gottheit, 
und  auf  der  anderen  fibula  ein  Bischof,  sitzend  auf  der  cathedra,  wahr- 
scheinlich mit  erhobener  segnender  Rechte. 

Die  beiden  in  Rede  stehenden  Handschuhe  waren  auf  der  obern  Fläche, 
auf  welcher  sich,  ähnlich  wie  auf  Taf.  XIX  Fig.  2  und  3,  ein  kreis- 
förmiges gesticktes  Ornament  befand,  mit  je  Qmev  fibula  verziert,  auf 
welcher  vielleicht  in  eingeschmelzter  Arbeit,  auf  der  einen  die  maiestas 
Domini,  nämlich  der  Heiland  in  seiner  Herrlichkeit  auf  dem  Regen- 
bogen, und  auf  der  andern  fibula  die  Himmelskönigin  mit  dem  gött' 
liehen  Kinde  bildlich  wiedergegeben  war, 


—    142  — 


item  duo  maiiicalia  pulcra  ^)  cum  crucibus  et  perlis  albis  in  axamito 
rubro,  quaelibet  habet  unum  monile  am-eum-'),  in  uno  deficit  unus 
lapis  et  habet  in  circuitii  zaphyros«*). 

Noch  machen  wir  hier  auf  ein  Schatzverzeichniss  der  Cathedrale 
von  Canterbury  aufmerksam,  in  welchem  bischöfliche  Handschuhe 
aufgezählt  werden,  die  nicht  weniger  reich  als  die  vorhin  benannten 
manicalia  des  ehemaligen  Prager  Domschatzes  verziert  waren.  Es 
werden  nämlich  in  diesem  Schatzverzeichniss  mehrere  chirothccae 
mit  folgenden  Worten  beschrieben:  «Cirotecae  R.  de  Winchelese 
cum  perlis  et  gemmis  in  i)lata  quadrata^).  Item,  par  unum  cum 
tasselhs  argenteis  et  parvis  lapidibus.  Item  quatuor  paria^)  cum 
tasseUis  argenteis.  Item,  par  unum  de  hno  cum  tassellis  et  perlisa 

Was  nun  die  Farbe  der  bischöflichen  Handschuhe  betrifft,  so 
ist  hier  nachträglich  zu  ergänzen,  dass,  nach  einer  Andeutung  des 
Durandus,  Bischofs  von  Mende,  bis  zum  XIII.  Jahrhundert  die 
c/drothecae  meistens  von  weisser  Farbe  waren  ^).    Aus  einer  Stelle 


')  Es  gewinnt  den  Anscbein,  als  ob  der  Terminus  manicalc  identisch  sei 
mit  chii-oiheca,  oder  es  dürften  unter  manicalia  kleinere  Handbedeckungen 
ohne  Fingertheile  zu  verstehen  sein ,  die  man  in  klassischer  Zeit 
•/fiQiiSfg  im  Gegensatze  von  äaxTuktjUQui  nannte,  welche  letztere  den 
lateinischen  digitalia  entsprachen.  (Vgl.  Illustrirtes  Wörterbuch  der 
Römischen  Alterthümer  von  Anthony  Rieh,  übersetzt  aus  dem  Eng- 
lischen von  Dr.  Carl  Müller,  S.  380,  unter  manica,  '/>-inig.) 

^)  Die  Oberflächen  dieser  manicalia  waren  mit  Kreuzchen,  in  Lothperlen 
gestickt,  verziert,  und  bestand  der  Grundstofi'  derselben  aus  einem 
rothen  schweren  Seidenstoff'  (axamit). 

^)  Die  stofflichen  Flachtheile  dieser  Handschuhe  waren  je  mit  einem  kreis- 
förmigen Ornament  eines  ausgetriebenen  Goldbleches  verziert,  und 
scheint  die  Mitte  eines  jeden  monile  mit  einem  kostbai'en  Stein  be- 
zeichnet gewesen  zu  sein. 

*)  A.  D.  MCCCLXXXVn.  factum  est  inventarium  per  Dominos  Bohus- 

lahum  Decanum  et  Dominum  Smilonem  Sacristanum.  (Dieser 

Zusatz  ist  aus  dem  vollständigen  Inventar  hierher  übertragen  worden.) 

*)  Anstatt  dass  auf  diesen  Handschuhen  die  monilia  oder  fihulae  kreisrund 
waren,  bildeten  sie  auf  den  in  Rede  stehenden  Handschuhen  viereckige 
Plättchen,  auf  welchen  sich  Perlen  und  Edelsteine  in  zierliche  Fassun- 
gen eingelassen  l)efanden. 

*)  Da  im  Schatz  von  Canterbury  so  viele  Handschuhe  sich  befanden,  die 
auf  ihrer  Oberfläche  meistens  mit  silbernen  Ornamenten  in  getriebener 
oder  ciselirter  Ai-beit  verziert  waren,  so  dürfte  man  annehmen,  dass 
ausser  dem  Bischöfe  auch  andei'e  Würdenträger  des  Capitels  bei  be- 
sondem  Veranlassungen  solche  Handschuhe  trugen. 

')  Dart's  History  of  Canterbury  Appendix  XIH. 

«)  Durandi  Ration,  lib.  HI,  c.  XH. 


-    143  — 


des  ordo  XIII  (1271)  kann  jedoch  mit  Grund  gefolgert  werden, 
dass  um  diese  Zeit  die  Farbe  der  Handschuhe  meistens  überein- 
stimmte mit  jeuer  Farbe  des  übrigen  bischöfhchen  Poutifical- 
ornates^).  Eine  Schenkung  des  Bischofs  G.  de  London  au  seine 
Cathedralkirche  zu  Maus  lässt  ebenfalls  das  zuletzt  Gesagte  ver- 
muthen,  indem  der  Geschenkgeber  seiner  Domkirche  5  Paar  Hand- 
schuhe überweist  deren  reiche  Verzierungen  auf  der  obern  Hand- 
fläche und  den  breiten  Rändeini  (paraturae  argenteae  deauratae) 
immer  wieder  losgetrennt  werden  konnten,  was  nicht  nöthig  ge- 
wesen wäre ,  wenn  man  nicht  in  der  Farbe  der  Handschuhe ,  je 
nach  der  durch  das  Fest  bedingten  Farbe  des  Tages,  einen  Wechsel 
hätte  eintreten  lassen  müssen. 

Wenngleich  Bissi  nur  weisse  und  rothe  Handschuhe  kennt, 
so  sckreibt  doch  der  heihge  Karl  Borroniaeus  die  vier  liturgischen 
Farben  beim  Gebrauch  derselben  vor  mit  Ausnahme  der  scliwarzen 
Farbe.  Bekanntlich  legen  che  Bischöfe  bei  Exequien  und  beim 
Trauergottesdienste,  dessgleichen  am  Charfreitage  keine  Handschuhe 
an.  Noch  sei  liierorts  bemerkt,  dass  der  Bischof  nui'  die  Pontitical- 
Handschuhe  braucht,  wemi  er  zur  feierlichen  Begehung  des  heihgen 
Opfers  auch  die  Sandalen  anzieht;  alsdann  reicht  nach  Anlegung 
der  Dalmatik  ein  Akoluth  auf  silbernem  Teller  die  Handschuhe 
und  der  Diakon  und  Subdiakon  sind  dem  Bischöfe  bei  Anlegung  der- 
selben behülfhch.  Erst  wenn  der  Bischof  das  Offertorium  recitirt 
hat,  legt  er  unmittelbar  vor  der  üpferhandlung  die  Handschuhe  ab  ^). 


')  Nachdem  eben  die  Handschuhe  erwähnt  worden,  heisst  es:  »Et  vesti- 
menta  erunt  coluris  tempori  convenientis«.  Mus.  ital.,  tom.  II,  pag. 
225,  Nr.  6. 

-)  »Quinque  paria  cerotecarum  et  duas  paraturas  argenteas  deauratas 
ad  opus  earumdem  cirotecarum.«  Ap.  Mabillon,  Vet.  Analecta,  pag. 
335  in  fol. 

^)  Hierurgia,  Chirothecae  §  II.  —  »Chirothecae,  quarum  scilecet  paria 
quatuor  tan  tum  erunt;  quia  nigro  colorc  non  adhibentur  tota  eccles. 
Med.  lib.  IV,  de  Supp.  Miss.,  pag.  157,  ed.  cit.  —  »Edi  piü  si  usassero 
di  quattro  colori  corrispondenti  alli  colori  usati  nelle  vesti,  secondo 
il  Ritonella  Chiesa  stabiUto,  eccettuato  perö  il  colore  nero.«  La 
gerarch.  eccles.,  c.  57,  p.  233. 

•')  Magri,  Hierolexicon.  —  Caerem.  Episcop.  üb.  II,  c.  XI,  2. 

i*)  Missa  Ratoldi  —  Innocent.  III;  Myst.  Mis.,  lib.  I,  c.  X.  —  Ordo  XIII 
et  XIV  ap.  Mus.  ital.,  tom.  II,  pag.  225,  Nr.  6,  et  pag.  293.  —  Caereni. 
episcop.  lib.  II,  c.  Ylll,  19.  In  der  Messe  der  Illyi'ier  legt  der  Bischof 
die  Handschuhe  an,  nachdem  er  sich  mit  dem  Manipel  bekleidet  hat; 
nach  dem  Pontifical  von  St.  Blasius,  wenn  er  das  Subtile  angelegt  hat. 


—    144  — 


Die  bischöflichen  Handschuhe,  die  in  der  romanischen  Kunst- 
epoche an  den  untern ,  meistens  reich-gestickten  Säumen  in  einer 
Weise  sich  gleichmässig  ctav eiterten,  dass  diese  praetexta  über  den 
äussern  Rand  des  Talars  und  der  Albe  ohne  Mühe  gezogen  werden 
konnten,  erhielten  in  der  entwickelten  Gothik,  d.  h.  seit  der  zweiten 
Hälfte  des  XIV.  Jahrb.,  eine  solche  Erweiterung  dass  diese  Säume, 
nach  unten  hin  faltenreiche  Maschen  bildeten,  welche  sich  in  eine 
Spitze  verjüngten,  die  in  der  Regel  durch  je  ein  Quästcheu  von 
Gold-  oder  Silberfäden  verziert  wurden.  Um  den  Unterschied  im 
Schnitte  klar  zu  machen ,  wie  sich  in  der  romanischen  Kunst- 
epoche die  bischöflichen  chirothecae  hinsichtlich  ilu'es  Schnittes  von 
denen  der  entwickelten  Gothik  unterscheiden,  ist  im  H.  Bande 
auf  Tafel  VH,  Figur  3  und  Figur  2  eine  Abbildung  solcher 
chirothecae  in  verkleinertem  Maassstabe  gegeben.  Figur  3  veran- 
schauhcht  nämlich  die  manicae,  wie  sie  in  der  Regel  im  XH.  und 
XIII.  Jahrhundert  hinsichtlich  ihres  Schnittes  gestaltet  und  durch 
Stickereien  verziert  waren;  Figur  2  hingegen  gibt  in  Abbildung 
eine  bischöfhche  chirotheca  in  jener  Form  und  Verzierungsweise, 
wie  sie  seit  dem  Sclilusse  des  XIV. ,  das  XV.  und  theilweise 
auch  das  XVI.  Jahrhundert  hindurch  zu  liturgischen  Zwecken 
übhcli  war. 

Die  zahlreichen  Angaben  von  Handschuhen  aus  LeinenstofPen, 
die  sich  in  versclüedenen  uns  in  Abschrift  vorliegenden  Schatzver- 
zeichnissen des  XV.  und  XVI.  Jalu'hunderts  vorfinden,  scheinen 
anzudeuten,  dass  in  dieser  Zeit  ausser  den  Bischöfen  und  infuhrten 
Aebten  an  Stifts-  und  Catliedralkirchen  auch  einzelne  Würdenträger 
bei  verschiedenen  Veranlassungen  sich  der  Handschuhe  bedienten, 
nur  dürften  dieselben  hinsichtlich  ihrer  Verzierungsweise,  dessgleichen 
rücksichtlicli  des  Stoffes  einfacher  imd  schlichter  gestaltet  gewesen 
sein,  als  diejenigen  chirothecae,  deren  sich  der  Bischof  in  Pontißcalibus 
bediente.  So  lesen  wir,  um  nur  ein  Beispiel  anzuführen,  in  dem 
Inventar  des  Kirchenschatzes  der  Abtei  Michelsberg  in  Bamberg 
vom  Jahre  1483  folgende  Angabe:  «Septem  pavia  cirothecarum 
nihil  Valencia u.  Diese  eben  gedachten  Handschuhe  ohne  stofflichen 
und  künstlerischen  Werth  waren  wahrscheirüich  von  Leinen  und 
dienten  zum  Gebrauche  der  Stiftsherren,  wenn  sie  bei  feieiiichen 
Processionen  die  Rehquien  in  kostbaren  Gefässen  trugen,  oder  die- 
selben dürften  auch  von  jüngern  Klerilfern  getragen  worden  sein, 
wenn  sie,  wie  das  auch  heute  noch  bei  feierlichen  Functionen  der 
Fall  ist,  die  bischöflichen  Insignien,  als  Bischofsstab,  Miter  etc., 
bei  Pontiticalämtern  zu  tragen  hatten. 


-  145 


Ausser  den  Hanclsclmhen  kommen  in  den  Tagen  des  Mittel- 
alters, zur  Erwärmung  der  Häude  bei  Feier  des  heil.  Opfers  auch 
noch  mehr  oder  weniger  reich  verzierte  Wärmäjrfel  in  Anwendung, 
die  jedoch  nur  bei  strenger  Winterkälte  in  Gebrauch  genommen 
wurden.  Diese  meist  kunstreich  verzierten  Geräthe  nannte  man 
poma  calefacliva  oder  poma  ad  calefaciendas  manus.  Wir  haben 
auf  Seite  119  unseres  Werkes:  «Die  Kleinodien  des  heü.  römischen 
Reiches  deutscher  Nation  etc.  etc.«  jenen  schönen  Wärmapfel  ab- 
gebildet und  beschrieben ,  der  sich  heute  noch ,  aus  dem  Beginne 
des  XIV.  Jahrhunderts  herrührend ,  im  Schatze  zu  Halberstadt 
befindet.  Aut  Tafel  XX,  Fig.  29  desselben  Werkes  ist  der  Wärm- 
apfel, welcher  zu  den  deutschen  Reichskleinodien  gehört,  in  natür- 
licher Grösse  veranschaulicht  und  von  Seite  117 — 119  beschrieben. 
Derselbe  hat  sich  heute  noch  als  Reminiscenz  an  die  Krönung 
deutscher  Kaiser  in  der  Sakristei  von  St.  Peter  in  Rom  erhalten. 

Zum  Beweise,  welchen  Reichthum  des  Materials  und  welche 
kunstreiche  Ausarbeitung  in  den  ornamentalen  Einzelnheiten  man 
bei  Anfertigung  bischöflicher  Handschuhe  gegen  Ausgang  des  Mittel- 
alters verwendete,  führen  wir  hier  noch  eine  interessante  Stelle  an, 
die  sich  in  dem  Verzeichnisse  der  versetzten  Pfänder  des  Erzbischofs 
von  Cöln,  Theoderich's  II.  (regiert  von  1414 — 1463 ),  vorfindet.  Nach- 
dem in  langer  Reihe  die  kostbarsten  silbernen  und  goldenen  Gefässe 
namhaft  gemacht  sind,  die  Erzbischof  Tlieoderich  dem  damahgen 
Herzog  von  Cleve  zu  Pfand  Überhess,  kommt  auch  folgende  Stelle 
vor:  «Item  des  Vridages  nac  deme  Sondage  Jubüate  is  versat  alsulche 
Pende  herna  geschreven  Sols-Kyndsone  dem  Jueden  dae  by  geweist 
is  Jot  Rentmeister  Fridr.  van  Sarwert  ind  Joh.  Husener Zum 
irsten  ein  Par  Henschen  mjt  Perlen,  der  ejne  mit  den  drjn  Konyncgen, 
der  ander  mjt  ejne  Crucefix.  Item  ein  ander  Par  Henchen  yech- 
hchen  mjt  ejnre  Broidschen  up  der  Handt  mjt  Gestejntz.  Item  in 
dem  Myddel  ejn  Sofir  wigende  II.  Mr.  .  XIIII  Loit  Goultz  geacht 
vur  .  .  .  CXXXI  Guld.« 

Aus  dieser  ausführhchen  Beschreibung  geht  also  hervor,  dass 
in  der  letzten  Hafte  des  XV.  Jahrhunderts  am  Rhein  die  bischöf- 
hchen  Handschuhe  noch  in  ähnlicher  Weise  mit  goldenen  Zierrathen, 
die  in  englischen,  französischen,  böhmischen  und  itahenischen  Schatz- 
verzeichnissen, wie  wir  früher  sahen,  abwechselnd  mit  verschiedenen 
Benennungen,  als  tasselli,  monilia,  fibulae,  phcae  bezeichnet  wurden, 


')  Aus  dem  Archiv  für  die  Geschichte  und  Statistik  des  Vaterlandes 
I.  Band  S.  236—243.  Bonn,  im  Verlag  des  Intelligenz-Comptoirs,  \lHh. 


—    146  — 


fortwährend  verziert  zu  werden  pflegten.  Diese  aufgenähten  Gold- 
bleche auf  den  beiden  Flächen  der  Handschiüie  des  Erzbischofs 
Theodorich  nannte  man  im  Niederdeutschen  -»broidscheTm,  und  zwar 
ersah  man  auf  diesen  in  Gold  getriebenen  Ornamenten  die  Dar- 
stellung der  heihgen  Dreiköuige  und  die  Kreuzigung  des  Heilandes. 
Aus  dem  Umstände,  dass  diese  zwei  Paar  Haudschidie  des  oben 
gedachten  Cölner  Erzbischofes  zwei  Mark  dreizehn  Loth  an  Gold- 
gewicht hatten,  lässt  sich  folgern,  dass  gegen  Ausgang  des  Mittel- 
alters die  bischöflichen  Handschuhe  in  grössern  Catliedralldrchen 
hinsichthch  des  daran  verwandten  edlen  MetaUs  mit  den  reichen 
Geschmeiden  wetteiferten,  mit  welchen  um  diese  Zeit  fast  über 
Gebühr  auch  die  bischöflichen  Mitern  verziert  wurden. 

Wie  schon  früher  bemerkt,  wurden  das  ganze  Mittelalter  hin- 
durch die  Handschuhe  für  Bischöfe  und  infidirte  Aebte  meistens  aus 
schweren  Seidenstoffen  geschnitten  und  zusammengenäht.  Als  man 
aber  mit  dem  XVI.  Jahrhundert  die  Kunst  erfand,  vermittelst  einer 
einfachen  Vorkehrung  Strümpfe  zu  stricken,  gelangte  mau  bald  dahin, 
die  Handschuhe  sowohl  für  jjrofanen  als  für  kirchlichen  Gebrauch 
aus  einetn  Stücke  künsthch  zu  wirken.  Durch  diese  neue  Anferti- 
gungsweise verloren  seit  der  Renaissance  die  bischöflichen  Hand- 
schuhe jene  unbeholfene  Schwere ,  die  überhaupt  den  chirothecae 
aus  gewebten  und  zusammengenähten  Stoffen  eigen  ist.  Die  fortan 
gebräuchhchen  gestrickten  Handschuhe  legten  sich  enger  den  Händen 
des  pontificirenden  Bischofes  an ,  und  machten  es  nach  und  nach 
nöthig,  dass  man  anstatt  der  in  Goldblech  aufgenähten  reichver- 
zierten ytbroidsclwm.  eine  andere  Verzierungsweise  erfand,  wodurch 
die  Oberflächen  derselben  ausgezeichnet  wurden.  Man  pflegte 
nämhch  im  XVI.  und  XVII.  Jahrhundert  die  gestrickten  oder 
auf  einem  kleinen  Handstuhle  gewirkten  chirothecae  für  kirchhchen 
Gebrauch  sowohl  an  der  untern  noch  immer  ziemhch  weiten  und 
umfangreichen  Randeinfassuug ,  dessgleichen  auch  auf  der  obern 
Handfläche  mit  theils  ä  jour  durchbrochenen,  theils  mit  erhaben 
aufhegenden  eingewirkten  Verzierungen  zu  heben,  oder  aber  man 
begnügte  sich  damit,  diese  eben  gedachten  Theile  der  bischöflichen 
Handschuhe  meistens  duj-ch  Ornamente  zu  verzieren,  die  gewöhnlich 
in  Goldfäden  auf  Leinenstoff  gestickt  die  Stelle  der  ehemahgen  in 
Goldblech  gearbeiteten  fibulae  und  praetextae  auf  den  Oberflächen  und 
an  den  äussern  Randeinfassungen  ersetzen  sollten.  Ein  Paar  sehr 
interessanter  Pontifical-Handschuhe,  wahrschcinhch  aus  dem  Scliluss 
des  XV.  Jahrhunderts  herrührend ,  fand  Ch.  de  Linas  auf  seiner 
Forschungsreise  nach  ältern  hturgischen  Ornaten  durch  Frankreich, 


—    147  — 


in  der  Kirche  zu  Saint-Bertrand-de-Comminges.  Unser  Freund  hat 
eine  dieser  Handschuhe  auf  der  Tafel  zur  Seite  197  unter  Fig.  5 
seines  oft  citirten  Werkes  abgebildet;  im  verkleinertem  Maassstabe 
sind  eben  dieselben  auf  Tafel  XIX,  Figur  4  bildlich  wiedergegeben 
worden.  Dieselben  bestehen  aus  einem  Tricotgewebe  von  rother 
Seide.  Die  zikzakförmigen  Ornamente  au  den  Fingertheilen,  dess- 
gleichen  die  am  untern  breiten  Rande  und  auf  der  Oberfläche  sind 
in  Goldfäden  gewirkt,  üebereinstimmend  mit  den  ältern  Hand- 
schuhen haben  die  cliirothecae  von  Comminges  noch  die  ziemliche 
Längenausdehnung  von  0  285  sich  bewahrt ,  bei  einer  Höhe 
des  untern  verzierten  Saumes  von  0  '"•  06 

In  unserer  Privatsammlung  finden  sich  aus  dem  Schluss  des 
XVI.  Jahrhunderts  ein  Paar  Handschuhe  vor,  die  der  Ueberliefe- 
rung  nach  von  den  ehemaligen  Aebten  von  Brauweiler  getragen 
worden  sein  sollen.  Dieselben  sind  an  dem  weiten  untern  Rande,  dess- 
gleichen  auf  der  obern  Handfläche,  theils  mit  durchbrochenen,  theils 
mit  erhaben  vorspringenden  Verzierungen  gemustert  und  aus  ewem 
Stück  gewirkt.  Auf  der  obern  P'läche  dieser  Handschuhe  ersieht  man 
noch  deutliche  Spuren ,  dass  hier  ehemals  gestickte  Ornamente  in 
Form  verzierter  Kreuze  befestigt  gewesen  sind;  der  untere  Saum 
mit  golddurchwirkter  Verzierung  ist  noch  sehr  breit  und  hat  eine 
solche  Länge,  dass  er  bequem  über  den  Rand  der  Albe  an  den 
Aermeln  gezogen  werden  kann.  Auf  Tafel  XX,  Fig.  2  geben  wir 
in  verkleinertem  Maassstabe  die  Abbildung  dieser  Abbatial-Hand- 
schuhe  wieder,  dessgleichen  auch  unter  Fig.  3  die  verkleinerte  Dar- 
stellung jener  Pontifical-Handschuhe,  die  von  Berdolet,  erstem  Bischof 
von  Aachen  (f  1809)  hturgisch  in  Gebrauch  genommen  wurden. 
Entweder  fanden  sich  diese  Handschuhe,  die  in  rother  Seide  ge- 
strickt und  reich  mit  Goldstickereien  verziert  sind ,  bereits  im 
Privatbesitz  des  Bischofs  vor ,  oder  dieselben  wurden .  was  wahr- 
scheinlich ist,  von  Berdolet  dem  Kölner  Domstift  entnommen,  Avoher 
auch  für  den  neugegründeten  Stuhl  von  Aachen  die  übrigen  Ornate 
und  Paramente  zur  Vornahme  von  Pontifical-Feierlichkeiten  entlehnt 
wurden.  Wie  dies  der  ältere  Schnitt  und  die  Verzierungsweise  der 
auf  Tafel  XX,  Fig.  3  abgebildeten  Handschuhe  deutlich  bekunden, 
gehören  dieselben  spätestens  dem  Ausgange  des  XVI.  Jahrhunderts 
an.  Sowohl  an  dem  Daumenfinger ,  dessgleichen  a;ich  an  der 
untern  goldgestickten  Borte,  welche  die  weiten  manicae  verbrämen, 
lassen  die  bereits  der  entwickelten  Renaissance  angehörenden  Or- 
namente erkennen,  dass  diese  im  Aachener  Schatze  heute  befind- 
lichen Handschuhe  jener  charakteristischen  Kunstepoche  angehören , 

11 


-    148  — 


III  welche  die  Bliitliezeit  des  Jesuiten- Ordens  fiel.  Das  zuletzt 
Gesagte  gilt  besonders  von  der  ebenfalls  in  Goldfäden  gestickten 
Darstellung  der  Nanienschiffer  Jesus  und  dem  gegen  Schluss  des 
XVI.  Jahrh.  immer  wiederkehrenden  Strahlenkranz,  mit  welchem 
dieses  Hierogramm  umgeben  ist. 

P  Als  im  XVIII.  und  vollends  in  den  vier  ersten  Jahrzehnten 
des  XIX.  Jahrh.  die  bischöflichen  Sandalen  ihrer  altern  traditio- 
nellen Form  und  Verzieruugsweise  entkleidet  und  einem  zierlichen 
Damenschuh  ahnhch  "gestaltet  wurden,  erlitten  auch  die  bischöflichen 
Handschuhe  eine  solche  verflachende  und  modernisirende  Umfor- 
mung, dass  sie  in  neuester  Zeit,  hinsichtlich  des  Schnittes  und  der 
stoflflichen  Ausdehnung,  in  manchen  Diöcesen  so  ziemlich  mit  feinge- 
wirkten Salon-Handschuhen  übereinstimmen ;  die  alte  Dauerhaftig- 
keit und  Gediegenheit,  dessgleichen  die  althergebrachte  Verzierungs- 
weise, die  Erweiterung  des  untern  ornamentalen  Saumes  in  Weise 
von  breiten  Stülpen  ,  die  den  bischöflichen  Handschuhen  ein 
kirchliches  Aeussere  gaben ,  sind  heute  gänzhch  verschwunden. 
Nur  ein  schwerfälliges,  meistens  über  Pappendeckel  gesticktes  Kreuz, 
ist  den  bischöfliclien  c/nrotheate  verblieben ,  wodurch  sie  sich  von 
den  Handschuhen  modernen  Gebrauchs  einzig  und  allein  noch  unter- 
scheiden. 

10. 

Die  biaehöf liehe  Infel  (Infula,  mitra). 

Taf  XXI,  XXH,  XXIU,  XXIV  und  XXV 

Die  Ursache,  wesswegen  umfangreiche  Abhandlungen  vornelma- 
lich  über  den  Ursprung  der  bischöflihen  Miter,  meistens  ohne  prak- 
tischen Gewinn  zur  Lösung  der  Frage  über  die  älteste  Form  und 
Gestalt  derselben,  im  XVII.  Jahrhundert  geschrieben  worden  sind,  ist 
darin  zu  finden,  dass  die  Einen  die  Entstehung  und  den  Gebrauch 
der  bischöfhcheu  Miter  erst  dem  X.  Jahrh.  zusprachen,  die  Andern 
dagegen  die  Behauptung  aufzustellen  wagten,  dass  die  bischöfliche 
Kopfbedeckung  bereits  im  apostolischen  Zeitalter  ihren  Ursprung 
genommen,  und  im  Laufe  der  folgenden  Jahrhunderte  in  der  Kirche 
weitere  Entwickelung  gefunden  habe ').  In  der  Mitte  der  streitenden 


')  Vgl.  über  diese  Streitfragen :  Onof.  Panvinio,  Expl.  vocum  obsc.  Eccl. 
ad  calcem  Vit.  Rum.  Pontificuin.  —  D.  Hugues  Meuard,  S.  Gregorii 
Mag.  op.,  in-fol.,  1705,  t.  III;  Notae  in  Sacrament.,  col.  557.  —  Andr. 
du  Saussay,  Ponopl.  episcop.,  lib.  I,  c.  2  et  3.  —  Jos.  Visconti,  De 
appar.  Missae,  lib.  III,  c.  29  a  33. 


—    149  — 


Ansichten  steht  Bona,  der  in  seinem  I.  Buche  von  der  kirchhchen 
Liturgie  sich  dahin  ausspricht:  es  könne  nicht  in  Abrede  gestellt 
werden,  dass  es  seit  den  Tagen  der  Apostel  sowohl  in  der  morgen- 
ländischen als  in  der  abendländischen  Kirche  Brauch  gewesen  sei, 
dass  einzelne  Bischöfe  ihr  Haupt  mit  einem  auszeichnenden  Ornamente 
geschmückt  hätten,  wodurch  ihre  Oberhirtenwürde  auch  äusserhch 
an  den  Tag  gelegt  worden  sei;  nur  könne  nicht  behauptet  werden, 
dass  unter  dieser  bischöflichen  Kopfbedeckung  eine  Miter  zu  ver- 
stehen sei,  wie  sie  sich  im  spätem  IVIittelalter  formell  gestaltet  und 
künstlerisch  entwickelt  habe 

Indem  'wir  hier  einleitend  der  Ansicht  des  Cardinal  Bona 
durchaus  beipflichten ,  glauben  wir  das  Eine  nur  noch  bemerken 
zu  sollen,  dass  die  Streitfrage,  hinsichtlich  des  Ursprunges  der 
bischöfhchen  Miter,  einzelne  hturgische  Schriftsteller  des  XVI.  und 
XVII.  Jahrhundert  nicht  in  der  Weise  aufgeregt  hätte,  wenn  schon 
um  jene  Zeit  die  christhche  Alterthumskunde  als  Wissenschaft  so 
weit  entwickelt  gewesen  wäre ,  um  nach  Maassgabe  der  Form  und 
künstlerischen  Ausstattung  der  ältesten  damals  noch  so  zalüreich  vor- 
handenen Mitern  einen  ziemlich  sichern  Schluss  hinsichtlich  der  Ent- 
stehung dieser  bischöflichen  Kopfbedeckungen  ziehen  zu  können. 

Wie  wir  dies  im  I.  Bande  des  vorliegenden  Werkes,  S.383 — 393, 
eingehender  beleuchtet  haben,  war  das  Haupt  des  Hohenpriesters 
im  alten  Bunde  mit  dem  hohenpriesterlicheu  viiznephet ,  der  tiara, 
geziert,  mit  welcher  das  güldene  ziz,  nämlich  die  corona  oder 
lamina  aiirea  in  Verbindung  stand.  Das  Haupt  des  gewöhnlichen 
Opferpriesters  war  hingegen  mit  einer  einfachen  Kopfbedeckung, 
dem  migbaah,  umhüllt,  die  als  pileus,  cidaris ,  in  Form  eines  Tur- 
bans von  weissem  Byssus-Leinen  das  Haupt  ohne  lamina  aurea 
überschattete.  Da  nun ,  wie  bei  Besprechung  der  priesterlichen 
und  hohenpriesterlichen  Gewänder  des  alten  Bundes  mehrfach  an- 
,  gedeutet  wurde,  die  liturgischen  Gewänder  der  Priester  und  Bischöfe 
nicht  nur  allein  den  Gewändern  der  Senatoren  des  classischen  Roms, 
sondern  vorzugsweise  auch  den  alttestamentarischen  Ornaten  des 
Hohenpriesterthums  im  Laufe  der  ersten  christlichen  Jalu'hunderte 
analog  gestaltet  worden  sind;  so  dürfte  es  auch  leicht  zu  erklären 

Ego  autem  crediderim  utramque  ojiinionem  posso  facillime  conciliari, 
si  dixerimus,  mitrain  qiiidem  qualis  est  hodie,  nuperum  ornatuni  esse 
.  .  .  negari  tarnen  non  ]iosse  quin  a  temporiljus  Apostolorum  aliquod 
fuerit  capitis  ornauieutum ,  quo  peculiariter  si  non  omnes.  aliqui  sal- 
tem  Epi.scopi  usi  sint.  Rei'um  lit.  Iii).  I,  oap.  24.  XIV. 

11* 


—    150  — 


sein,  dass  die  Bischöfe  der  Kirche  in  der  frühchristhchen  Zeit  zur 
Unterscheidung  von  den  Priestern  sich  eines  auszeichnenden  Kopf- 
schmuckes bedienten,  der  als  lamina  aurea,  corojia,  mit  jener 
goldverzierten  Stirnbinde  und  der  damit  verbundenen  dara,  (miz- 
nephet),  Aehnlichkeit  haben  mochte,  wie  sie  im  alten  Testamente 
der  Hohepriester  zu  tragen  pflegte.  Und  wü'klich  führt  der  heihge 
Epiphanius  an  mehreren  Stellen  an,  dass  der  heilige  Jacobus,  der 
erste  Bischof  von  Jerusalem,  sich  der  goldenen  Stirnbinde  bedient 
habe  i).  Dessgleichen  ist  bei  Eusebius  und  dem  h.  Hieronymus  zu 
ersehen,  dass  auch  der  Apostel  Johannes  diese  goldene  Stirnbinde 
als  bischöfliche  Auszeichnung  getragen  habe  2).  Verfolgt  man  weiter 
die  ältesten  Spuren  der  priesterlichen  und  hohenpriesterlichen  corona 
in  den  ersten  Jahrhunderten  der  christlichen  Zeitrechnung,  so  findet 
man  über  das  Vorkommen  derselben  zunächst  in  einer  Rede  des 
grossen  Gregor  von  Nazianz  ei^ie  klare  Erwähnung  derselben, 
und  zwar  wird  die  bischöfliche  Kopfbedeckung  von  diesem  be- 
rühmten Kirchenlehrer  eidaris  genannt  Ferner  ist  aus  Theodorus 
Balsamo  und  undern  griechischen  Schriftstellern  klar  zu  ersehen, 
dass  der  heilige  Cyrillus,  Patriarch  von  Alexandria,  damit  er  an 
Stelle  des  römischen  Papstes  Coelestinus  in  der  ejihcsinischen  Synode 
gegen  die  Irrlehren  des  Nestorius  (431)  den  Vorsitz  führe,  von 
demselben  Papste  aus  Rom  einen  päpstlichen  Ornat,  nämlich  das 
phrygium^  lorum,  zugesandt  erhielt,  und  dass  seit  dieser  Zeit  die 
Nachfolger  des  heiligen  Cyrülus  auf  dem  Stulile  von  Alexandria 
dieses  hohenpriestei'lichen  Schmuckes  sich  fortwährend  bedienten. 

Nach  diesen  Andeutungen  über  das  Vorkommen  und  den  Ge- 
brauch eines  bischöflichen  Kopischmuckes  in  den  ersten  christhchen 
Jahrhunderten  liegt  uns  nun  die  Frage  zur  Beantwortung  ob :  Avie 
waren  diese  laminae  aureae,  cidares  oder  phrygia ,  ilu'em  Schnitte 
und  ihrer  Verzierungsweise  nach,  in  dieser  fernliegenden  Periode 
gestaltet?  Da  sich  merkwürdiger  Weise  aus  den  frühesten  christ- 
lichen Jahrhunderten  keinerlei  bildliche  Darstellungen  in  Sciüptur 
und  Malerei  erhalten  haben  ,  auf  welchen  Umstand  namentlich 
diejenigen  sich  stützen,  welche  che  Entstehung  der  Miter  in  der 


')  Epiphanius,  Panarium  Haeres.  78,  N"  14:  »O'viof  6  'hixujßos  xtd 
nixahov  tni  itji  y.((paklji  itföorjot«,  dessgleichen  auch  Haeres.  29. 

•)  Polycrates  apuil  Euselnum  Iii).  V,  cap.  23.  uV  iyyvijl^r]  Ifofv?  t6  jikiakoi' 
nfcpoQtjXmg. 

^)  Oratio  quinta  post  reditum  a  faga:  Jut  tovto  XQifig  ror  dnytsnta, 
xcti  n(oi,ß(ilkng  xoi'  7T.ot?i}(}tj  y.ai  nfQiTixhtis  Tip'  xi(^aniv. 


—    151  — 


apostolischen  Zeit  in  Abrede  stellen,  so  dürfte  es  schwer  halten, 
die  eben  aiifgeworleue  Frage  zur  Stunde  genügend  zu  lösen  und 
durch  einschlagende  Abbildungen  zu  erläutern. 

Wenn  es  gestattet  ist,  unsere  jjersönliche  Ansicht  über  die 
älteste  Gestalt  und  ornamentale  Beschaffenheit  der  hohenpriester- 
lichen Corona,  müra,  hierorts  auszusprechen,  so  dürfte  die  bischöf- 
hche  Kopfzierde,  wenn  überhaupt  eine  solche  bei  sämmtlichen 
Vorstehern  der  Kirche  anzunehmen  ist,  in  ihrer  Form  und  Aus- 
sclunückung  mit  der  cidaris,  tiara  des  hohen  Priesters  im  alten 
Bunde  näheje  oder  entferntere  Aehnlichkeit  gehabt  haben.  Das 
Eine  kann  jedoch  als  feststehend  betrachtet  werden,  dass  die 
hohepriesterhche  corona  um  diese  Zeit  entweder  aus  feinem  byssiis 
in  Form  einer  ausgerundeten  Kopfbedeckung  bestanden  habe,  die 
als  geschlossener  pileus  gleich  einem  kleinen  Helm  das  Haupt  be- 
deckte, oder  dass  ein  viereckig  längliches  Tuch  in  orientaüscher 
Weise  als  Kopfbedeckung  verwandt  wurde,  mit  welchem  das 
plirygium,  lorum  in  Verbindung  stand.  Der  untere  Rand  dieser 
ältesten  Miter  war  vielleicht  mit  goldenen  Metallblechen  oder  Gold- 
stickereien manchmal  verziert,  wcsswegen  auch  dem  in  Rede  stehen- 
den Ornat  häufig  der  Name  corona  gegeben  wurde.  Ausserdem 
waren  mit  dieser  Koijfbedeckung  von  weissem  glänzenden  Byssus- 
Leinen  noch  kleinere  Leinstreifen,  7'edimicula,  vittae,  verbunden  die 
über  das  Haupthaar  bis  zu  den  Schultern  hinabreichten 

Auch  bei  den  Schriftstellern  vom  IV.  bis  zum  VI.  Jahrhundert 
kommen  häufig  Angaben  über  die  priesterlichen  und  bischöfhchen 
coronae  vor ,  die  zu  der  Zeit  bei  den  Vorstehern  der  Kirche  im 
Gebrauch  waren.  So  berichtet  Ammianus  Marcellinus,  dass  Fü'mus, 
besiegt  durch  die  Waffen  des  Kaisers  Theodosius ,  die  Gunst  des 
Siegers  dadurch  wieder  habe  erwerben  wollen,  dass  er  dem  Kaiser 
nebst  reichen  Waffenstücken  auch  eine  priesterliche  Krone  darge- 
bracht habe,  die  er  anderswo  genommen  hatte 2).  Dass  diese 
meistens  goldenen  Kronen  schon  damals  als  hervorragendes  und 
wesentliches  Abzeichen  der  bichöf liehen  Würde  galten ,  geht  auch 
hervor  aus  der  in  den  Tagen  der  heiligen  Hieronymus  und  Augu- 


')  üeber  Gestalt  und  Gebrauch  der  Infel  in  vorchristlicher  Zeit  vgl.  die 
näheren  Angaben  bei  Prof.  Dr.  Hefele:  Beiträge  zur  Kirchen- 
geschichte, Archäologie  und  Liturgik,  II.  Band,  Seite  223 — 225;  sowie 
die  treffliche  Abhandlung  desselben  Gelehrten  über  die  Infel  von 
Seite  223—239. 

^)  Signa  militaria  et  coronam  sacerdotalem ....  quae  regionem  illam  de- 
populando  rapuerat.  Amin.  Marceil.,  Kerum  gest.,  lib.  28,6. 


—    152  — 


stinus  üblichen  Begrüssuiigsformelu.  So  schreibt  der  h.  Hieronymus 
an  den  h.  Augustinus:  »Fratres  tuos  dominum  meum  Alypiimi  et 
dominum  meum  Evodium,  ut  meo  nomine  sakites,  precor  coronam 
vestram«  ^).  In  dem  Briefe  des  heiligen  Augustinus  an  den  Bischof 
Proculianus  liest  man  hinsichtlich  der  bischöflichen  Krone  folgende 
Stelle:  »Per  coronam  nostram  nos  adjurant  vestri,  et  per  coronam 
vestram  vos  adjurant  nostri«  Eine  ähnliche  Begrüssungsformel 
findet  sich  auch  vor  in  einem  Briefe,  den  mehrere  Bischöfe  Galüens 
an  Papst  Leo  den  Grossen  richteten,  dessgleichen  in  einem  Schreiben 
der  Bischöfe  der  Provinz  Taragona  an  den  Papst  Hilarius.  Beda 
Venerab.  bedient  sich  an  einer  Stelle  folgender  Redeweise :  »vestrae 
almitatis  Corona«. 

Dass  ferner  in  der  zweiten  Hälfte  des  VI.  Jahrhunderts  die 
bischöfliche  corona  in  ihrer  Form  und  dem  daran  verwandten  kost- 
baren Material  fast  einem  königlichen  Diadem  ähnüch  war,  ersieht 
man  deuthch  aus  der  Lebensbeschreibung  eines  engUschen  Bischofes, 
des  h.  Samson,  (A.  D.  565)  von  dem  es  heisst:  »Sanctus  Samson 
admirahilem  vidit  \isum:  Quadam  nocte  circum  septari  se  a  delicatis 
ac  densissimis  candidatorum  turbis  cernit,  et  tres  episcopos  egregios 
diadematibus  aureis  in  capito  ornatos  atque  holosericis  ac  piüche- 

rimis  amictos  vestibus  in  faciem  tibi  adsistere,  «  *).  Dasselbe  lässt 

sich  auch  folgern  aus  den  Versen  des  h.  Ennodius  (A.  D.  511),  der 
die  in  Edelsteinen  reichverzierte  Krone  m  folgender  Weise  besingt, 
welche  das  Haupt  des  h.  Ambrosius  schmückte: 
»Serta  redimitus  gestabat  lucida  fronte 
Distinctum  gemmis  ore  parabat  opus«^). 

Ein  Dichter  des  VIIL  Jahrhunderts ,  Bischof  Theodulph  von 
Orleans  (A.  D.  794),  führt  weiter  an,  dass  die  bischöfliche  aurea 
lamina  mit  einer  vierfachen  Reihe  von  erhaben  ciselirten  goldenen 
Ornamenten  verziert  sei.    Die  betreffende  Stelle  lautet: 
«Aurea  pontificis  cingebat  lamina  frontem 
Qua  bis  binus  apex  nomen  herile  dabat«^). 

Dass  der  Ausdrück  nroronaii.  nicht  im  metaphoristischen  Sinne, 
die  damalige  grosse  Tonsur  des  Clerus  andeutend,  sondern  wörtüch 


»)  ffieron.  Ep.  ad  August.  W  26. 

-)  August.  Epist.  ad  Proculianum,  Ep.  N°  147. 

3)  V.  Bedae  Op.  Hist.  Min.,  ed.  Stevenson  p.  47,  §  2. 

*)  Vita  S.  Samsonis,  ab  auctore  anonymo  subaequali.  apud  Mabillon. 

AA.  SS.  B.,  tom.  I,  pag.  165,  N»  43. 

Ennodii  Epig.,  77,  Op.  ed.  Sirmoud,  p.  622. 
*)  Carm.,  lib.  V,  III,  Paraen.  ad  episc,  v.  610,  m-8",  Paris  1648. 


—    153  — 


zu  nehmen  ist,  geht  deutlich  hervor  aus  einer  Stelle  des  Ordo  IL, 
welche  anordnet,  dass  der  Clerus  bei  dem  Absingen  des  Evange- 
liums die  Krone  niederlegen  sollte:  »Et  in  ipsa  hora  neque  Corona, 
neque  aliud  operimentum  super  capita  eorum  habetur«  ^).  Dasselbe 
lässt  sich  auch  aus  einer  Angabe  des  Amalarius  folgern ,  bei  dem 
sich  folgende  Stelle  tindet:  »Neque  coronam,  neque  aliquit  (sie!) 
operimentum  super  caput  eadem  hora  tenemus«^j. 

Es  wäre  von  grossem  Interesse  zu  wissen,  in  welchen  Formen 
die  bischöfliche ,  dessgleichen  auch  die  priesterliche  rorona  vom 
IV. — VIII.  Jahrhundert  beschafien  gewesen  sein  möge.  Gewiss  unter- 
liegt es  keinem  Zweifel,  dass  diese  aureae  laminae  hinsichtlich  ihrer 
formellen  und  künstlerischen  Beschaffenheit  im  Wesentlichen  mit 
jenen  coronae  votivae  übereinstimmten,  die  aus  cüeser  fernliegenden 
Epoche  sich  bis  zur  Stunde  noch  erhalten  haben.  Hierzu  sind  vor- 
nehmlich zu  rechnen  die  Votivkrone  der  Longobardenkönigin  Theo- 
delinde  ^)  und  jene  goldenen  Diademe,  die  vor  wenigen  Jahren  in 
Guarrazar  bei  Toledo  aufgefunden  und  die  heute  gröstentheils  in 
das  kaiserliche  Museum  des  Hotel  Clugny  zu  Paris  übertragen  worden 
sind.  Auf  Tafel  XXI  unter  Figm*  1  und  2  sind  zwei  kleinere  Votiv- 
kronen  von  Guarrazar  bildlich  wiedergegeben ,  die  unter  der  Re- 
gierung der  westgothischen  Könige  Reccesvinthus  und  Sainthilanus 
im  VII.  Jahrhundert  als  Weihgeschenke  der  Kirche  »Stae.  Mariae 
in  Sorbaces«  überwiesen  wurden*). 

Mit  ziemlicher  Sicherheit  lässt  sich  annehmen,  dass  die  bischöf- 
lichen coronae  in  der  vorkarolingischen  Zeit  aus  dünnen  Goldblechen 
gearbeitet  und  steUenweise  mit  Edelsteinen  verziert ,  hinsichtlich 
der  Form  viele  Aehnlichkeit  mit  den  Kronen  von  Guarrazar  aufzu- 
weisen gehabt  haben.  Natürlich  fehlten  an  diesen  bischöflichen 
Kopfzierden  jene  pendilia,  lemnisci,  die  nach  der  Abbildung  auf 
Taf.  XXI  an  den  beiden  coronae  von  Guarrazar  ersichtlich  sind. 

Von  ähnlicher  Beschaffenheit  dürfte  auch  die  goldene  Krone 
gewesen  sein ,  die  mit  vielen  Edelsteinen  verziert ,  im  Grabe  des 


•)  Ordo  Rom.  II,  ed.  Mabillon,  Musei  ital.  t.  II.  pp.  45,  46. 

Ecloga,  Cap.  XIII,  ed.  Georgio.  De  Liturgia  Rom.  Pen.,  t.  III.  p.  350. 
')  Vgl.  die  Abbildung  dieser  corona  in  unserem  Werke:  »Die  Kleinodien 

des  h.  römischen  Reiches  deutscher  Nation«  etc.,  Taf.  XXXIV,  Fig.  51 ; 

die  Beschreibung  findet  sich  im  Texte  von  Seite  165 — 168. 

Die  Abbildungen  zu  ersehen  in  demselben  Werke  Tafel  XXXVI  und 

XXXVII,  Figur  54—57,  Text  von  Seite  171—179. 


—    154  — 


Ii.  Cuthherlit,  eines  angelsiichsisclicn  Bischofs,  der  im  VIII  Jahr- 
hundert lebte,  bei  Eröffnung  desselben  im  XII.  Jahrhundert,  vor- 
gefunden wurde '). 

Unser  verehrter  Freund  Canonicus  Dr.  JRork^),  hat  das  Ver- 
dienst über  Form  und  Beschaffenheit  der  bischöflichen  Krone  in 
den  Tagen  der  angelsächsischen  Könige  zuerst  in  neuester  Zeit 
tiefgehende  Untersuchungen  angestellt  zu  haben,  die  von  den  gün- 
stigsten Erfolgen  zur  Aufhellung  dieser  Frage  begleitet  waren. 
So  fand  derselbe  in  der  Bibliothek  des  Herzogs  von  Devonshire  zu 
Chatsworth  ein  angelsächsisches  Manuscript  des  X.  Jahrhunderts, 
nämlich  das  Benedictionale  von  St.  Aethelwold,  in  welchem  ein 
angelsächsisches  auri  lamina  als  bischöfliche  corona  genau  in  der- 
selben Weise  abgebildet  ist,  wie  wir  dieselbe  getreu  auf  Tafel  XXII 
Figur  1  bildlich  wiedergegeben  haben. 

Diese  bischöfUche  Krone,  ziemhch  übereinstimmend  mit  den 
Kronringen  von  Guarrazar,  besteht  aus  einem  goldenen  Ringe,  der 
mit  Edelsteinen  besetzt  ist  und  der  sich  dem  Haupte  ziemhch  flach 
anlegt.  Das  Haupt  des  Bischofs  ist  ohne  alle  Bedeckung  und 
zeigt  nach  Oben  eine  grosse  Tonsur.  Es  entsteht  nun  die  Frage : 
bildete  die  bischöfliche  corona,  wie  sie  nach  dem  angelsächsischen 
Benedictionale  auf  Tafel  XXII,  Figur  1  abgebildet  ist,  die  alleinige 
Kopfbedeckung  des  Bischofes  oder  chente  sie  vielmehr  dazu  um 
eine  Bedeckung  des  Hauptes  von  Leinen  oder  Seide  zu  befestigen 
und  zu  verzieren.  Wir  glauben  unbedingt  das  Letzte  bejahen 
zu  sollen.  Ausser  ältern  noch  erhaltenen  Abbildungen  von 
bischöflichen  Kopf  hüllen ,  die  am  äussern  Rande  mit  einer  gol- 
denen Corona  verziert  sind,  | scheint  aus  einer  Stelle  des  Beda 
Venerabiiis ^)  hervorzugehen,  dass  noch  im  VIII.  Jahrhundert  in 
England  unter  der  corona  von  den  Vorstehern  der  englischen 
Kirche  eine  Art  Kopfbedeckung  getragen  wurde,  die  Dr.  Rock 
treffend  als  y)head-linen(i  bezeichnet.  Unter  diesem  «Haupt-Leinen« 


')  In  fronte  sancti  poutificis  auri  lamina  nun  textilis  fabrica,  tantummodo 
forinsecus  deaurata.  praerninet,  quae  diversi  generis  lapidibus  preciosis, 
minutissimis  tarnen,  undique  conspersa  renitet.  Reginaldus  Dunelmensis, 
de  Admir.  S.  Cuthberti,  p.  87. 

2)  The  Chureh  of  our  Fathers,  vol.  II,  p.  93-99,  1849,  London,  C.Dol- 
men fil,  New  Bond  Street. 

^)  »Sive  ei-go  coronulae  fuerint  aureae,  claritatem  perpetuae  lucis  signi- 
ficant:  sive  fuerint  byssinae,  ipsam  nostri  corporis  immortalitatem 
quae  perennis  futura  est,  figurate  denuntiant.«  Beda  de  Tabernaculo 
lib.  III,  c.  8,  Op.  t.  IV.  1263. 


—    155  - 


ist  ruämlicli  iiacli  fler  Ansicht  des  ebciigedacliten  Schriftstellers 
eine  Art  Kopfschleier,  bestehend  aus  feinstem  Leinenstofi'  (byssus) 
zu  verstehen,  der  iu  Gestalt  eines  viereckig  länglichen  Kopftuches 
um  das  Haupt  gewunden  wurde,  und  dessen  ausmündenden  Zipfel 
den  Hals  und  Rücken  des  Trägers  bedeckten.  Auch  Aelfric's 
Glossarium  1)  erklärt  die  bischöfliche  Infel  in  ähnlicher  Weise. 

ludessen  scheint  der  Kopfschleier  des  Bischofs,  den  die  goldene 
Corona  abschloss,  nicht  überall  von  weissem  Byssus  gewesen  zu  sein. 
So  heisst  es  nämlich  iu  der  Lebensbeschreibung  des  h.  Birin,  Bischof 
von  Dorche^ter  (gegen  das  Jahr  640) ,  dass  bei  der  Auffindung 
seiner  Leiche  derselbe  mit  einer  rothen  Infel  aus  Seidenstoff  be- 
kleidet gewesen  sei^).  Auch  die  tigurlichen  Darstellungen  des  heiligen 
Amandus  und  des  h.  Vindicianus,  abgebildet  unter  Fig.  2  und  3  auf 
Tafel  XXn^)  lassen  deutlich,  in  Verbindung  mit  der  bischöfhchen 
Corona,  ein  ))head  linerm  erkennen,  das  indessen  nicht  aus  weissem 
Byssus  besteht,  sondern  das  bemi  h.  Amandus  eine  Purpurfarbe 
und  beim  h.  Vindicianus  einen  liochrothen  Farbton  hat;  auch  das 
goldene  Diadem,  ein  Ring  von  gleicher  Grösse  und  Beschafi'enlieit, 
wie  au  der  bischöflichen  Figur  des  Benedictionale  (vgl.  Tafel  XXH 
Figur  1)  fehlt  an  diesen  beiden  Darstellungen  des  Manuscriptes 
in  der  Bibliothek  von  Valenciennes  nicht. 

In  dem  bekannten  Werke  von  Claude  de  Verte*)  wird  eine 
Miter  beschrieben  und  abgebildet,  die  sich  ohne  Abwechslung  der 
Formen  verschiedene  Male  au  einem  bischöflichen  Grabmal  in  der 
Kirche  St.  Remy  zu  Rheims  ehemals  vorfand ;  dieses  Grabmal  wird 
von  Einigen  als  das  des  Hincmar  (  V)  (f  882)  bezeichnet.  Wir  geben 
auf  Tafel  XXII  Kgur  4  diese  bischöfliche  Ko})fbedeckung  in  der 
Weise  getreu  wieder,  wie  sich  dieselbe  auf  Tafel  VHI  zu  pag.  500 
unter  Figur  IX  des  unten  angeführten  Werkes  vorfindet.  Diese 
bischöfliche  Kopfbedeckung  aus  der  Kirche  St.  Remy  stimmt  mit 


')  Infula  ....  Biscop  heafod  liii.  —  Aelfric's  Glos«,  p.  69. 

Bei  der  Erhebung  des  Heiligen  fand  man  den  Körper  unverletzt  »cum 
duplici  stola  et  infula  rubra  ex  panno  serico.    Ap.  Surium,  3  Dccb. 

^)  Ch.  de  Linas  hat  in  seiner  bekannten  Umsicht  und  Genauigkeit  diese 
l)eiden  bischöflichen  Bildwerke  nach  einem  Manuscripte  des  XI.  Jahr- 
hunderts, befindlich  auf  der  Bibliollick  zu  Valenciennes,  gezeichnet 
und  auf  der  Tafel  zur  Seite  150  seines  Werkes:  »Anciens  vetements 
sacerdotaux  et  anciens  tissus  conserves  en  France«  bildlich  wieder- 
gegeben. 

■"1  Claude  de  Vert,  Expl.  des  Ceremon.  de  l'Eglise,  tom.  II,  pag.  372 
not.  c,  pl.  VIII,  fig.  IX. 


—    156  — 

den  beiden  Abbildungen  ans  dem  Valencienner  Manuscript  unter 
Figur  2  und  Figur  3  durchaus  überein.  Das  Kopftuch  in  Form 
einer  runden  Mütze  ist  am  untern  Rande  mit  einer,  wie  es  scheint, 
metallischen  rorona  umzogen;  die  Schultern  der  Figur  bedecken 
die  Zipfel  des  -i^head-linenv.,  aus  denen  sich  die  spätem  stolae  oder 
fmiones  bildeten.  Ob  auf  diese  Mitern  in  der  eben  beschriebenen 
Form  die  Bezeichnung  Dcapellurn  auro  paratumn  anwendbar  sei, 
lassen  wir  hier  dahin  gestellt  sein  ^ ).  Vielleicht  mochte  gegen  das 
X.  Jahrhundert,  das  Gewicht  der  corona  oder  der  uuti  lamina,  in 
der  Absicht  dasselbe  reicher  zu  verzieren,  zu  schwer  und  drückend 
geworden  sein ,  dass  man  um  diese  Zeit  es  vorzog  durch  goldge- 
wirkte oder  gestickte  aurifrisia  den  metallenen  Kronring  an  der 
Miter  zu  ersetzen.  In  dem  Britischen  Museum*)  wird  ein  angel- 
sächsisches Manuscript  des  X.  Jahrhunderts  aufbewahrt,  das  den 
h.  Erzbischof  Dustan  (A.  D.  988)  veranschauhcht,  dessen  miira  aus 
einem  einfachen  yiliead-linena  in  Form  einer  runden  Kopfbedeckung 
besteht ,  die  vermittelst  der  beiden  Schnüre  zusammengezogen  und 
angebunden  werden  konnte.  Auf  Tafel  XXII  Figur  5  ist  diese  in- 
teressante fast  ä  jour  durchbrochene  Miter  des  X.  Jahrhunderts 
abgebildet. 

Wir  würden  Gefahr  laufen,  die  vorhegenden  Notizen  über  die 
Form  und  Entwickelung  der  ältern  Liturgischen  Kopfbedeckungen 
der  Bischöfe  zu  einer  umfangreichen  Abhandlung  heranwachsen  zu 
sehen,  wenn  wir  es  versuchten,  darzustellen ,  wie  seit  dem  IX.  bis 
bis  zum  Xll.  Jahrhundert  in  den  verschiedeneu  Ländern  des  clnist- 
lichen  Abendlandes  die  runde  dem  Haupte  des  Trägers  mehr  an- 
gepasste  bischöfliche  Kopfbedeckung  in  Form  des  mit  dem  auri 
lamina  verzierten  liead-linen  sich  immer  höher  zu  gestalten  begann. 
In  dieser  Uebergangsepoche  kommen,  älteren  Bildwerken  zufolge, 
die  verschiedenartigsten  Formen  der  Miter  zum  Vorschein.  So  finden 
sich,  sowohl  in  Sculptur  als  Malerei,  Infein  vom  X.  bis  XII.  Jahr- 
hundert vor,  die  am  unteren  Rande  mit  einem  reichverzierten 
phrygium  verziert  sind  und  nach  beiden  Seiten  angeschwellte,  runde 
Ausladungen  haben,  die  zuweilen  noch  von  einer  reichverzierten  Borte 
überragt  und  verstärkt  werden.  Unter  Figur  6  Tafel  XXII  ist  eine 
solche  Miter,  deren  angeschwellte  Erhöhungen  nach  beiden  Seiten 


')  Descrip.  de  Thesaur.  S.  Richarii,  Chron.  Centul.  ed.  D'Achery,  Spicil. 

tom.  II,  p.  310. 
^)  British  Museum,  Cotton,  Claudius  A,  III. 


—    157  — 


ausladen,  abgebildet  ')•  Auch  D'Agincoui  t  tlieilt  in  seinem  grossen 
Werke  einige  merkwürdige  Formen  von  Mitern  mit  ^) ,  die  besser 
als  alle  wissenschaftlichen  Erörterungen  das  Hin-  und  Herschwanken 
in  den  verschiedenen  Formen  der  bischöflichen  Kopfbedeckimg  vor 
dem  XI.  und  theilweise  dem  XH.  Jahrhundert  erklären. 

Ziemlich  übereinstimmend  mit  der  Gestalt  der  Miter,  die,  zu 
beiden  Seiten  in  bauschigen  Rundungen  anschwellend,  auf  Taf.  XXH, 
Fig.  6  ersichtlich  ist,  findet  sich  in  der  Katakombe  Platonia^)  das 
Bild  eines  Bischofs,  dessen  Miter  zwar  die  im  Dreieck  gestalteten 
cornua  zeigt-;  (vgl.  Taf.  XXH,  Fig.  7)  indessen  sondern  diese  beiden 
Theile  sich  nach  den  Schläfen  des  Trägers  hin  ab ,  während  seit 
dem  Schluss  des  XL  Jahrhunderts  die  beiden  dreieckigen  Schilder 
an  der  bischöflichen  Infel  meistens  gegenüberstehend  sich  erheben 
imd  sich  gegenseitig  decken. 

Vei-geblich  haben  wir  in  den  altern  Kirchenschätzen  Italiens, 
Deutschlands  und  Frankreichs  Umschau  gehalten .  ob  sich  nicht 
noch  Reste  von  hohenpriesterhchen,  dessgleichen  auch  von  bischöf- 
lichen Kopfbedeckungen  aus  den  ersten  vier  christlichen  Jahrhun- 
derten erhalten  hätten.  Sämmtliche  ältern  Mitern,  die  uns  zahl- 
reich zu  Gesicht  gekommen  sind  und  von  denen  viele  sogar  auf  ein 
sehr  hohes  Alter  Anspruch  machen,  sind  hinsichthch  ihres  Ur- 
sprungs nicht  höher  als  das  XI.  und  XII.  Jahrhundert  anzusetzen. 
Auch  jene  Miter,  die  im  Schatze  der  Kirche  San  Martino  del  monte 
zu  Rom  heute  noch  aufbewahrt  wird,  und  die  F.  Angelus  Rocca 
abzeichnen  hess,  und  nach  ilim  Du  Saussay  sogar  den  Tagen  des 
Papstes  Sylvester  II.  zuwies ,  stellte  sich  bei  näherer  Besichtigung, 
die  wir  vor  wenigen  Jahren  an  Ort  und  Stelle  persönlich  vornahmen, 
als  ein  Werk  der  entwickelten  italienischen  Stickkunst  in  den  klar 
ausgesprochenen  Formen  des  XIII.  Jahrhunderts  heraus.  Auch  eine 
andere  Miter,  in  einem  Reliquiarium  der  Kirche  von  St.  Zeno  zu 
Verona  befindUch,  die  ebenfalls  ein  sehr  hohes  Alter  für  sich  be- 


')  Dieselbe  ist  der  Tafel  zur  Seite  99  des  oft  citirteii  Werkes  entlehnt: 
The  Church  of  our  Fathers,  tom.  II.  Diese  Miniature  findet  sich  in 
einem  englisch-normannischen  Mamiscripte  des  XII.  Jahrhunderts  im 
Britischen  Museum  vor. 

^)  D'Agincourt,  hist.  de  l'Art  par  les  mouuments  tom.  V,  pl.  66,  fig.  3 
et  4.  —  pl.  69,  fig.  13. 

Diese  eigenthümliche  Form  der  Miter  ist  entlehnt  dem  Werke  von 
L.  Perret  über  die  Katakomben  Roms.  Ein  zweites  Beispiel  einer 
der  unter  Figur  7,  auf  Tafel  XXII  ähnlich  gestalteten  Miter  findet  sich 
vor  in  einem  ältern  Mauuscript,  enthaltend  die  Dialogen  des  heiligen 
Gregor,  in  der  »bibliotheque  de  Bourgonge«  zu  Brüssel  unter  Nr.  9916. 


—    158  — 


anspracht,  erwies  sich  sofort  hei  näherer  Untersuchung  als  eni  un- 
zweifelliaftes  Werk  der  siciHanischen  Stickkunst  aus  der  letzten  Hälfte 
des  XII.  Jahrhunderts.  Wir  hahen  diese  interessante  Veroneser 
Infel  von  stylgeübter  Hand  vor  dem  Originale  abzeichnen  lassen, 
und  im  verkleinerten  Massstabe  auf  Tafel  XXIV  Fig.  1  bildhch  Avie- 
dergegeben.  Die  Beschreibung  derselben  wird  im  weitern  Verlaufe 
dieser  Abhandlung  erfolgen. 

Welches  Alter  die  Miter  aufzuweisen  habe,  mit  welcher  die 
Leiche  des  heil.  Augustinus  bekleidet ,  aus  dem  Grabe  erhoben 
und  später  nach  Pavia  übertragen  wurde,  würde  schwer  zu  ermitteln 
sein,  da  dieselbe  zugleich  mit  den  irdischen  Ueberresten  in  dem 
prachtvollen  Altar-Epitaphium  zu  Pavia  eingeschlossen  ist.  Vielleicht 
dürfte  auch  diese  bischöfliche  Kopfbedeckung  später  erst  zu  den 
Gebeinen  des  grossen  Bischofes  von  Hippo  regius  liinzugefügt 
worden  sein. 

Dass  aber  in  der  afrikanischen  Kirche,  als  deren  vorzügUchstes 
Licht  der  heil.  Augustinus  betrachtet  zu  werden  verdient,  die  Miter 
als  eine  auszeichnende  Kopfbedeckung  nicht  nur  allein  für  die 
Bischöfe  und  Priester,  sondern  auch  für  Gott  geweihte  Jungfrauen 
in  den  frühesten  Jahrhunderten  im  Gebrauch  gestanden  habe ,  ist 
zu  ersehen  aus  einer  Stelle  beim  Optatus  Milevitanus  gegen  die 
Irrlehren  der  Donatisten,  wo  er  dagegen  eifert,  dass  dieselben  bei 
jenen  Jungfrauen,  die  von  den  kathohschen  Bischöfen  bereits  mit 
der  mitrella  ausgezeichnet  worden  seien,  eine  abermahge  Verleihung 
dieses  Schmuckes  vornähmen^).  Hieraus  geht  deutlich  hervor,  dass 
jene  Jungfrauen,  die  sich  der  klösterlichen  Zurückgezogenheit  weih- 
ten, vom  Bischof  mit  einer  kleinen  IVIiter  von  Wolle  bekleidet 
wurden,  und  dass  diese  mitrella  aus  einer  niedrigen  Kopf  bekleidung, 
gleichsam  einer  Hülle  von  weisser  Wolle  bestand.  Die  bischöf- 
lichen Mitern  unterschieden  sich  also  um  diese  Zeit  von  genanntem 
Kopfschmuck  der  Jungfrauen ,  wovon  auch  an  anderer  Stelle 
der  heihge  Hieronymus  spricht,  dadurch,  dass  unsere  hohepriester- 
üche  Kopfzierde ,  wie  bereits  vorhin  gesagt ,  als  pileus  acuminatus 
aus  kostbaren  Byssus-Stoffen  oder  aus  weisser  Seide  vielleicht  höher 
gestaltet  und  überdies  am  äussern  Eande  mit  Edelsteinen,  getrie- 
benen Goldblechen  und  ähnhchen  Verzierungen  reich  ausgestattet 
war.  Dieser  pileus ,  tiara ,  in  geschlossener  Rundung  in  Gestalt 
der  cidaris  des  Hohenpriesters  des  levitischen  Alterthums  zui'  Höhe 
ansteigend ,  und  unten  mit  goldenen  Zierrathen  in  Weise  einer 


*)  Optatus  Milevitan.  lib.  VI.  advers.  Parmenian. 


—    159  — 


Krone  umrandet,  hat  sich  bis  zur  Stunde  noch  durch  das  ganze 
Mittelalter  hindurch  bei  den  Bischöfen  der  griechischen  Kirche 
erhalten ,  wie  dies  ausführlicher  Joar  in  seinem  Eucholog.  Graec. 
an  mehreren  Stellen  darlegt^).  Diese  geschlossene  koi^fförmige 
Gestalt  der  hohepriesterliclien  corona,  wie  sie  uns  in  den  ersten  vier 
Jahrhunderten  vereinzelt  entgegentritt,  ist  auch  bei  der  tiara  der 
Päpste  als  Grundform  bis  zur  Stunde  beibehalteu  worden,  und 
sind  zu  der  einen  corona,  dem  regmim,  mit  welchem  in  den  ältesten 
Zeiten  der  untere  Rand  der  tiara  allein  umschlossen  war,  in  den 
spätem  Jalu'hunderten  noch  zwei  fernere  Kronringe  hinzugefügt 
worden,  aus  welchen  das  triregnum  an  der  heutigen  päpstlichen 
Kopfbedeckung  entstanden  ist. 

Es  hat  die  Annahme  Verbreitung  gefunden,  dass  Papst  Nico- 
laus I.  (858— 8()7)  zuerst  die  Verbindung  des  pileus  mit  einei' 
goldenen  den  unteren  Rand  einfassenden  Krone  verziert  habe ,  in- 
dessen wird  mit  Recht  von  anderer  Seite  in  viel  früherer  Zeit  das 
Vorfinden  des  einfachen  goldenen  regnmn  mit  der  tiara  angenom- 
men. Würde  dem  Bericht  des  Bischofs  Benzo  von  Alba  Gewicht 
beizulegen  sein,  den  man  aus  Gründen  nicht  für  vollwichtig  hält, 
so  hätte  Alexander  II.  gegen  das  Jahr  lOGä,  dessgleichen  sein 
Cardinal  Hildebrand  die  päpstliche  tiara  mit  einem  zweiten  regiium 
verziert.  Die  eine  dieser  Kronen  habe  die  Inschrift  getragen : 
Corona  regni  de  manu  Dei ,  und  die  zweite :  Diadema  imperii  de 
manu  Petri^j.  Nach  anderen  Angaben  hätte  erst  um  das  Jahr 
1300  Bonifacius  VIII.  die  zweite- Krone  der  tiara  hinzugefügt  und 
erst  Urban  V.  (13G2 — 1370)  habe  das  triregnum  dadurch  vollendet, 
dass  er  zu  den  bereits  vorhandenen  Krom"ingen  noch  eine  dritte 
Krone  hinzugefügt  habe.  Eine  der  frühesten  triregna  ist  auf  einem 
alten  Temperagemälde  aus  der  letzten  Hälfte  des  XIV.  Jahrhunderts 
in  der  St.  Cunibertskirclie  zu  Cöln  erhalten,  das  auf  Taf.  XXH 
Figur  8  im  verkleinerten  Massstabe  abgebildet  ist. 

Gleichwie  vom  Papste  Coelestinus  dem  h.  Cyrillus,  Bischof  von 
Alexandria,  das  Tragen  eines  auszeichnenden  Ko])fschmuckes  ge- 
stattet wurde ,  so  haben  im  Laufe  der  nächsten  Jahrhunderte 


')  Auch  die  Bischöfe  einzelner  orientalischer  Secten,  nämlich  die  der 
Maroniten,  Nestorianer  und  Jacobiten,  bedienen  sich  noch  immer 
einer  helmförmig  geschlossenen  cidaris ,  die  an  die  älteste  Form  und 
Beschaffenheit  der  hohepriesterlichen  linra  aus  der  Frühzeit  der  Kirche 
erinnert. 

2)  Periz,  Monumenta  t.  XIII.  Scriptor.  XI.,  p.  ()T2. 


—    160  — 


auch  die  Nachfolger  Cölestin's  auf  dem  päpstlichen  Stuhle  verschie- 
denen Bischöfen  des  Occidents  nach  und  nach  auszeichnende  Vor- 
rechte ertheilt,  sich  der  bischöflichen  Miter,  more  Romano ,  bei 
feierlicher  Begehung  der  h.  Geheimnisse  zu  bedienen. 

Diese  mifrae  episcopales,  die  durch  päpstliche  Indulte  ^)  verschie- 
denen Bischöfen  verheben  wurden,  was  auch  Du  Saussay  zugiebt, 
haben  sich  jedoch  nicht  nur  hinsichtlich  ihrer  Form,  sondern  auch 
hinsichtlich  ihrer  ornamentalen  Ausstattung  von  jenen  regmim  unter- 
schieden, wie  dasselbe  die  römischen  Päpste  seit  den  frühesten 
Zeiten  zu  tragen  pflegten.  Gleichwie  die  Diademe  der  Kaiser  von 
Byzanz  nach  dem  ausführlichen  Berichte  der  Anna  Comnena  2),  welche 
umständlich  die  hervorragenden  Eigenschaften  der  byzantinischen 
Kaiserkrone  beschreibt,  sich  in  ihrer  Gestalt  und  Verzierungsweise 
deutlich  unterschieden  von  jenen  Kronen,  welche  die  morgenländi- 
schen Kaiser  an  abendländische  Fürsten  und  Könige  zaUreich  zu 
Geschenk  machten,  so  unterscheiden  sich  auch  die  iiara,  welche 
die  Päpste  als  Abzeichen  ihrer  weltlichen  Herrschaft  trugen ,  hin- 
sichtlich ihrer  Form  und  decorativen  Ausstattung  von  jenen  Mitern^), 
dem  äussern  Abzeichen  ihrer  geistlichen  oberhirtlichen  Würde,  die 
sie  den  verscliiedenen  Bischöfen  der  Kirche  als  auszeichnende  In- 
signien  übersandten. 

Wie  nun,  so  lautet  zunächst  che  Frage,  unterschied  sich  die 
weltliche  Hoheits-Insignie  der  Päpste  das  regnum ,  auch  tiara  ge- 
nannt, von  der  mitra,  dem  geistlichen  Abzeichen  der  oberhirtlichen 
Würde?  So  weit  heut  die  Forschung  reicht,  lässt  sich  die  Ansicht 
geltend  machen,  dass  die  ^^^^mhelmförmigalsjo^7eMs  konisch  geschlossen 
blieb  und  nur  am  untern  Rande  von  einer  reichverzierten  Krone 
—  daher  auch  der  Name  corona,  regmim  —  umrandet  war,  wohin- 
gegen die  Pontihcal-Miter  der  Päpste  sich  im  obern  pilens  als  hiceps 
in  zwei  Theile  spaltete,  die  man  sjjäter  eormta  nannte. 


')  Don  Martene,  de  Ant.  eccles.  rit.  lib.  I,  cap.  IV,  art.  I,  p.  349.  — 
Batavia  sacra  p.  139. 

Anna  Comnena  in  Alexiade,  pag.  78  ed.  Paris. 
^)  »Romanus  itaque  Pontifex  in  signum  imperii  utitur  regno  et  in  signum 
Pontificii  utitur  mitra.  Sed  mitra  semper  utitur  et  ubique,  regno  vero 
nec  ubique  nec  semper.  Quia  Pontificalis  auctoritas  et  prior  est  et 
dignioret  diffusior  quam  imperialis.«  Innocentii  III  Sermo  I.  in  festo 
D.  Sylvestri.  —  »In  signum  spiritualium  contulit  mihi  mitram,  in 
signum  teniporalium  dedit  mihi  coronam.  Mitram  pro  sacerdotio, 
eoronam  pro  regno,  etc.«.    Sermo  III,  in  consec.  Pont. 


—    161  — 


Um  die  eben  versuchte  Erklärung  der  Form  und  Gestaltung 
des  päpstlichen  regnum  in  signum  Imperii  zum  Unterschiede  von 
der  päpstlichen  mitra  in  signum  Pontificii,  wie  sich  dieselben  nament- 
lich seit  dem  XI.  Jahrhundert  gestalteten,  durch  Abbildungen  näher 
zu  erläutern,  haben  wir  auf  Taf.  XXII  Fig.  9,  10,  1 1  drei  verschiedene 
Formen  von  päpstlichen  tiarae  in  verkleinertem  Maassstabe  bildlich 
wiedergegeben,  wie  sich  dieselben  an  den  grossen  Standbildern 
h.  Päpste  unter  den  bilderreichen  Vorhallen  des  Domes  von  Char- 
tres  heute  noch  erhalten  haben.  Wie  dies  die  Haltung  und  Aus- 
führung der  betreffenden  Statuen  an  diesen  berühmten  porrhes  zu 
Chartres  deutlich  bekunden ,  gehören  diese  regna  papalia  bereits 
dem  XII.  Jahrhundert  an.  Wenn  es  auch  in  Zweifel  zu  ziehen  ist, 
ob  im  XI.  und  XII.  Jahrhundert  die  päpstlichen  tiurae  als  signo 
temporcdia  in  dem  obern  Theile  des  geschlossenen  pileus  aus  einem 
Flechtwerk ' )  von  Seide  oder  Byssus  bestanden  haben ,  wie  es  die 
drei  Abbildungen  auf  Taf.  XXII  und  Fig.  9,  10,  1 1  künstlerisch  in  ver- 
schiedenen Formen  andeuten,  so  ist  doch  das  Eine  als  feststehend 
zu  betrachten,  dass  das  päpstliche  regnum  im  XI.  und  XII.  Jahr- 
hundert aus  zwei  wesentlichen  Haupttheilen,  der  untern  mit  Edel- 
steinen reichverzierten  güldenen  Krone  und  des  kegelförmig  an- 
steigenden pileus  von  Byssus  oder  Seide  gestaltet  war.  Hinsichtlich 
des  Unterschiedes  der  päpstlichen  mitra  als  bischöfliche  Insignie  im 
Gegensatze  zu  dem  eben  besprochenen  regnum  als  fürstliches  Hoheits- 
zeichen, diene  hier  die  Angabe,  dass  diese  römische  Miter  in  Bezug 
auf  ihre  feststehende  Form  vor  dem  X.  Jahrhundert  durch  ältere 
bildliche  Darstellungen  heute  schwerlich  noch  nachzuweisen  ist.  Seit 
dem  XI.  Jahrhundert,  in  welcher  Zeit  in  den  verschiedenen  Diöcesen 
des  Abendlandes  die  Formen  und  Verzierungsweisen  der  bischöf- 
lichen Kopfbedeckungen  sehr  schwankend  und  je  nach  der  örtlichen 
Ueberlieferung  in  ihrer  Gestaltung  sehr  verscliieden  waren ,  scheint 
die  päpstUche  Miter  eine  consistente  Form  angenommen  zu  haben, 
die  im  Laufe  des  Jahrhunderts  auch  für  die  Gestaltung  der  Bischöfe 


')  Auffallend  ist  es  immerhin,  dass  sich  in  der  Bibliothek  des  Vatikans 
unter  Nr.  1389  ein  auf  Pergament  mit  vielen  Miniaturbildern  ausge- 
stattetes Decretale  befindet,  auf  dessen  3.  Kehrseite  ein  Papst  von  einer 
zahlreichen  Versammlung  von  Bischöfen  umgeben,  mit  einer  ähnlichen 
tiara  bekleidet  zu  ersehen  ist,  die  mit  dem  geflochtenen  pileus  auf 
Taf.  XXII  Fig.  10  durchaus  übereinstimmt.  Vgl.  Seroux  d'Agincourt 
bist,  de  l'Art.  pl.  LXXV  Fig.  1. 


—    162  — 


des  Abendlandes  massgebend  wurde.  Der  pileus  der  römischen 
mitra  wurde  seit  dieser  Zeit  durchgängig  aus  zwei  Stoä'stiicken  ge- 
formt, die  gegenseitig  getrennt  nach  Üben  einen  stumj^fen  Winkel 
bildeten.  Diese  beiden  iu  Gestalt  von  Dreiecken  sich  erhebenden 
roniua,  andeutend  che  beiden  Testamente,  die  gleichsam  als  Schilde 
der  Bichof,  der  Vertheidiger  der  göttlichen  Ueberlieferungen ,  den 
Feinden  derselben  entgegen  hält,  scheinen  im  XI.  Jahrhundert  als 
hervorragende  Eigenthümlichkeit  der  päpstlichen  Miter  in  Rom 
Geltung  gefunden  zu  haben.  Wir  lassen  hier  dahin  gestellt  sein, 
ob  diese  dreieckigen  Schilder  bei  der  römischen  Miter  anfänglich 
nach  den  Schläfen  des  Trägers  hin  sich  erhoben  und  so,  einander 
entgegengesetzt,  mitten  auf  dem  Haupte  einen  stumpfen  Einschnitt 
gebildet  haben,  wie  das  die  Darstellung  in  der  Katakombe  Platonia 
bei  St.  Sebastian  in  Rom  andeutet  M,  oder  ob  diese  cornua,  wie  es 
auch  bei  den  heutigen  Mitern  allgemein  der  Fall  ist,  sich  gleich- 
mässig  auf  dem  Vorder-  und  Hinterkopfe  des  Trägers  erhoben,  so 
zwar,  dass  en  face  gesehen,  beide  Theile  sich  gieiclimässig  deckten. 
In  dieser  zuletzt  angedeuteten  Weise  dürfte  auch  die  Miter  gestaltet 
gewesen  sein,  mit  welcher  Papst  Gregor  der  Grosse  auf  einem 
Miniaturbilde  eines  Evangelistarium  des  XI.  Jahrhunderts  bekleidet 
ist;  auf  Taf.  XXII  Fig.  12  ist  diese  Miniature  bildlich  wiedergegeben. 

Das  im  Vorhergehenden  über  Form  und  Gestalt  der  prie- 
sterlichen und  bischöflichen  Kopfbedekung  in  dem  Zeitalter  der 
Karolinger  und  Ottonen  bis  auf  die  Tage  der  ersten  Hohen- 
staufen kurz  Augedeutete  mag  zum  Belege  dienen,  dass,  ähn- 
hch  den  übrigen  hervorragenden  priesterlichen  und  bischöfhchen 
Ornaten,  als  Kasel.  Stola,  etc.  auch  die  Miter  in  der  angedeuteten 


')  Es  dürfte  bei  dieser  Darstelluiij?  unter  Taf.  XXII  Fig.  7  die  berechtig'te 
Frage  gestellt  werden,  ob  der  Zeichner  bei  der  perspektivischen  Dar- 
stellung der  im  XI.  Jahrhundert  in  Rom  gebräuchlichen  Mitern  sich 
nicht  geirrt  habe,  so  dass  die  beiden  cornua  bei  dieser  Miter,  wie  dies 
auch  bei  der  Gregor's  des  Grossen  unter  Figur  12  fast  der  Fall  zu 
sein  scheint,  dennoch  auf  dem  Vorder-  und  Hinterkopfe  des  Trägers 
sich  erhoben  haben.  Auch  der  eine  Fall  könnte  zur  Erklärung  der 
eigenthümliclien  Gestaltung  der  Miter  unter  Figur  7  Tafel  XXII  noch 
zulässig  erscheinen,  ob  nicht  anfänglich  die  römische  Miter  so  ange- 
legt worden  sei,  dass  die  beiden  getrennten  cornua  sich  über  den 
Schläfen  erhoben,  die  andere  Anlegungsweise  jedoch  bald  darauf  Gel- 
tung gefunden  habe,  die  Miter  so  zu  tragen,  wie  es  heute  Brauch 
ist,  nämlich  mit  den  ansteigenden  cornua  über  der  Stirn  und  dem 
hintern  Koxiftheil. 


Epoche  je  nach  den  verschiedenen  Diöcesen  in  Bezug  auf  Gestalt 
und  Ornamentation  verschiedenartige  Umgestaltungen  erfahren  hat, 
bevor  gegen  den  Schluss  des  XL  Jahrhunderts  und  mehr  noch  im 
XII.  ihre  Form  eine  ziemlich  feststehende  und  von  vielen  Bischöfen 
des  Abendlandes  allgemeiner  in  (iehrauch  genommen  wurde. 

Wodurch  ist  nun  seit  dem  XI.  Jahrhundert  eine  solche  Uni- 
formität  der  bischöflichen  Miter,  bestehend  aus  den  beiden  cormia, 
die  den  Vorder-  und  Hinterkopf  gleichmässig  überragten  und  welche 
durch  ein  einfaches  Zwischenfutter  in  Verbindung  gesetzt  wurden, 
allmählich  herbeigefürt  worden? 

Wir  stimmen  mit  der  Ansicht  von  Prof.  Dr.  Hefele  durchaus 
überein,  der  auf  Seite  229  und  230  seines  oft  citirten  Wei'kes  mit 
eben  so  grosser  Sachkunde  als  Belesenheit  den  Nachweis  geliefert 
hat,  dass  die  Römische  Miter,  wie  sie  vom  XI.  Jahrhundert  ab  die 
Päpste  »in  signum  Pontilicii«  zu  tragen  pflegten,  die  Norm  gewesen 
ist,  nach  welcher  in  derselben  Zeitepoche  die  meisten  Mitern  der 
Bischöfe  des  Abendlandes  hinsichtlich  ihrer  Form  und  Verzierungs- 
weise analog  gestaltet  wurden.  Betrachtet  man  das  berechtigte 
und  erfolgreiche  Bestreben  der  Päpste  des  XL  und  XII.  Jahrhun- 
derts ,  auch  in  dem  äussern  Kultus  und  seinen  Ceremonien  eine 
Gleichheit  und  Uebereinstimmung  nach  dem  Vorbilde  der  Beimischen 
Mutterkirche  in  den  verschiedenen  Diöcesen  des  Abendlandes  her- 
beizuführen, rechnet  man  ferner  hiezu  die  vielen  heute  noch  er- 
haltenen Verordnungen  und  päpstlichen  Bullen,  die  dieser  Ueber- 
einstimmung und  Gleichförmigkeit  der  Cultformen  in  besondern 
Erlassen  an  die  verschiedenen  Bischöfe  Deutschlands,  Franki'eichs 
und  Spaniens  das  Wort  reden;  so  liegt  es  nahe  anzunehmen,  dass 
von  Seiten  der  Päpste  in  derselben  Zeit  auch  eine  Gleichheit 
hinsichtUch  der  Form  der  Cultgewänder  in  den  verscliiedeuen  Bis- 
thümern,  übereinstimmend  mit  der  Römischen  Form,  gewiss  dringend 
gewünscht  wurde.  Insbesondere  musste  den  Päpsten  daran  gelegen 
sein,  eine  Gleichmässigkeit  der  Gestalt  und  Verziermigsweise  jenes 
auszeichnenden  Ornates  in  den  Kirchen  des  Abendlandes  aUmählig 
einzuführen,  wodurch  bei  den  Bischöfen  der  oberhirtüche  Rang 
augenfällig  an  den  Tag  gelegt  wurde.  In  der  That  lassen  sich 
zahlreiche  geschichtüche  Beweise  ausfindig  machen,  aus  denen  das 
Bestreben  der  Päpste  liervorgeht,  der  Miter  in  römischer  Form 
bei  den  Bischöfen  diesseits  und  jenseits  der  Berge  Eingang  zu  ver- 
schaffen. So  zeichnete  Papst  Leo  IX.  im  Jahre  1049  den  Erz- 
bischof  Eberhard  von  Trier  in  der  Peterskirclie  dadurch  öflentHch 
aus,  dass  er  ihm  am  Passionssonntage  die  Römische  Miter  feierlich 

12 


—    164  — 

aufsetzte.  Derselbe  Papst  sprach  sich  über  diese  Auszeichnung  in 
der  betreffenden  Bulle  in  folgender  Weise  aus:  «Romaiia  niitra 
Caput  vestrum  insignivimus«.  Später  kommen  in  derselben  Bulle 
die  tür  das  eben  Gesagte  bezeichnenden  Worte  vor:  »Du  und  deine 
Nachfolger  sollen  bei  den  kirclilichen  Verrichtungen  stets  der  Rö- 
mischen Weise  folgen«  ^j.  Papst  Alexander  IL  verlieh  im  Jahre  1062 
dem  Bischof  Buko  oder  ßurkhardt  von  Halberstadt  wegen  seiner 
grossen  Verdienste  um  den  heiligen  Stuhl  das  Recht,  das  erzbischöf- 
liche Pallium  und  die  Römische  Miter  zu  tragen  ^j.  Die  gleiche 
Auszeichnung  wurde  im  Beginne  des  folgenden  Jahrhunderts  dem 
Bischöfe  von  Utrecht  diu-ch  Verleihung  des  Papstes  Cahxt  II.  zu 
TheiP). 

Gleichwie  unserer  Auseinandersetzung  auf  Seite  107,  II  B.  zu- 
folge von  Seiten  der  Bischöfe  das  den  Erzbischöfen  zustehende 
Pallium  dadurch  nachgeahmt  wurde,  dass  man  einen  ornamentalen 
Streifen  in  Form  und  Gestalt  des  PaUiums  auf  den  Messgewändern 
zum  Pontificalgebrauche  durch  Stickerei  anbrachte,  so  nimmt  es  den 
Anschein,  dass  auch  im  XI.  und  XII.  Jahrhundert  von  Seiten  vieler 
Bischöfe  die  Form  der  Römischen  Miter,  bis  dahin  nur  eine  besondere 
Auszeichnung  für  einzelne  hervorragende  Kirchenfürsteii ,  ihrer 
äusseren  Gestalt  nach,  imitirt  worden  ist.  Dennoch  kommen,  den  er- 
haltenen Abbildungen  zufolge,  noch  in  der  letzten  Hälfte  des  XI.  Jahr- 
hunderts bei  den  Bischöfen  diesseits  und  jenseits  der  Berge  Formen 
von  Mitern  vor,  die  hinsichtlich  ihres  Schnittes  und  ihrer  Verzierungs- 
weise von  der  Römischen  Form  abweichen. 

Bereits  im  XII.  Jahrhundert  nimmt  man  an  jenen  Mitern,  wie 
sie  entweder  in  monumentalen  Bildwerken,  oder  als  Originalien  in 
Wirkhchkeit  auf  unsere  Tage  gekommen  sind ,  vier  wesentliche 
Hauptbestandtheile  wahr.  Dahin  ist  erstens  zu  rechnen  der  Grund- 
stoff, meistens  eine  gemusterte  Cendelseide  von  weisser  oder  rother 
Farbe,  die  in  der  Ganzheit  die  beiden  Schilder  der  sehr  niedrig  ge- 
stalteten Miter  nach  Aussen  übei'zieht;  zweitens  die  verzierenden 
schmalen  Bandstreil'en,  von  welchen  der  eine  in  Kn-isform  den  un- 
teren Saum  der  Miter  einfasst,  und  den  man  desswegen  aurifrisia  in 


')  Mansi,  coUcctio  Concil.  T.  XIX,  p.  724. 

Mansi,  1.  c.  p.  983  und  Lambert.  Hersfeld,  bei  Pertz,  Monum.  T.  VII. 

Script.  V,  p.  163. 
^)  Pagi,  breviariinn  Pontif.  T.  II,  p.  70. 


—    165  — 


circuiiu  nennt ,  der  andere,  der  aufwärts  steigend  die  beiden  cornua 
derMiter  vertical  durchschneidet,  und  der  in  altern  Inventaren  einfach 
titulus  genannt  wird;  drittens  die  stolae  oder  fanones ,  die  an  der 
Rückseite  der  Miter  in  Weise  von  kleinen  Bändern  die  Schultern 
des  Pontifex  bedecken,  und  die  als  pendilia ,  fasciae ,  in  der  Regel 
aus  demselben  Seidenstoffe  geschnitten  sind ,  aus  welchem  der 
Grundstoff  der  Miter  besteht;  viertens  die  subductura  oder  foede- 
ratura,  die  in  einer  starken  Falte  jene  Stelle  ausfüllt,  welche  den 
offenen  Raum  zwischen  den  beiden  cornua  einnimmt,  und  welche 
der  Farbe  und  Beschaffenheit  ihres  Stoffes  nach  gewöhnlich  mit  dem 
Futterstoffe  übereinstimmt,  mit  welcher  im  Innern  die  bischöfliche 
Infel  überzogen  ist,  in  vielen  Fällen  aber  auch  aus  demselben  Stoffe 
besteht,  der  die  beiden  cornua  im  Aeussern  bedeckt. 

Gerade  aus  der  Zeitperiode,  in  welcher  nachweislich  die 
Miter  in  jenen  ältern  einfachen  Formen  sich  entwickelt  hat,  die 
eben  in  km'zen  Zügen  angedeutet  worden,  finden  sich  mehrere 
päpsthche  Decrete  vor,  durch  welche  nicht  nur,  wie  vorher  schon 
gesagt ,  verschiedenen  Bischöfen  und  Achten ,  sondern  auch  welt- 
lichen Fürsten  das  Tragen  der  Miter  zugestanden  wui'de.  Schon 
Papst  Alexander  II.  verlieh  dem  Abte  Engelsinus  des  Klosters 
vom  heiligen  Augustin  zu  Canterbury  das  Recht,  die  Miter  und 
die  Pontificalsandalen  zu  tragen  Einige  Jahre  später  bewilligte 
Urban  II.  dem  heihgen  Hugo,  Abt  von  Clugny,  das  Recht  der 
Miter  unter  folgenden  Worten:  Tibi  (inquit)  plane  peculiari  devo- 
tione  concedimus ,  ut  in  jn-ocessionum  missarumque  solemnibus 
mitra  utaris  episcopali  .  .  .  .  ^j.  Wenn  auch  der  heilige  Bernardus 
von  seinem  bekannten  streng  ascetischen  Standpunkt  aus  sehr 
gegen  das  Tragen  der  Miter  und  der  übrigen  bischöflichen  Pon- 
tificalien  von  Seiten  der  Aebte  eiferte,  so  pflegte  man  doch  na- 
mentlich im  XII.  und  XIII.  Jahrhundert  bei  Anfertigung  ^-on  Mitern 
für  Aebte,  wenn  auch  nicht  im  Schnitt,  doch  in  der  äussern  Aus- 
stattung einen  strengen  Unterschied  zwischen  der  mitra  abbalialis 
und  der  mitra  episcopalis  einzuhalten.  Da  der  Bischof  in  der 
kirchlichen  Hierarchie  einen  höhern  Rang  als  der  iufulirte  Abt 
einnimmt,  desswegen  musste  auch  die  Miter  des  Bischofes  hin- 
sichtlich ihrer  'äussern  mehr  oder  weniger  reichen  Ausstattung 


')  üoncilia  Britannica  edit.  Londiii.  p.  IIIS. 
*)  Bibliothec.  Cluiiiaoftns.  coli  5)4.  et  515. 

12* 


I 


-    166  - 


von  der  einfachem  Miter  der  Aebte  unterschieden  werden  Aber 
schon  in  den  Tagen  Papst  Clemens  IV.  scheinen  viele  Aebte  hin- 
sichtüch  der  za  reichen  Ausstattung  der  Miter  den  herkömmUchen 
Gebrauch  überschritten  zu  haben,  so  zwar,  dass  bei  öffentlichen 
Feierlichkeiten  che  Mitern  der  Aebte  hhisichtlich  ihrer  Ausstattung 
von  denen  der  Bischöfe  und  der  Metropoliten  sich  kaum  mehr 
unterschieden.  Clemens  IV.  2)  erhess  desswegen  eine  Constitution, 
worin  er  diesen  Missbrauch  rügte  und  jenen  Achten,  welche 
exempt  waren,  d.  h.  die  unmittelbar  vom  römischen  Stuhl,  und  nicht 
von  einem  Diöcesanbischof  abhiugen,  die  Vorschrift  ertheilte,  auf 
den  Provinzialconcilien  und  auf  bischöf heben  Synoden,  zu  deren 
Anwohnung  sie  verpflichtet  wären,  bloss  mit  mitrae  aurifrisiatae 
zu  erscheinen,  d.  h.  mit  solchen,  die  in  üiren  aurifrisiae  oder  ligulae 
gestickte  Ornamente  meistens  auf  Goldstoff  zu  erkennen  gaben; 
auf  diesen  ligulae  sollten  aber  keinerlei  aus  Gold-  oder  Silberblech 
getriebene  Ornamente  ersichtlich  sein,  dessgleichen  auch  keine  Edel- 
steine und  Perlen.  Jene  Aebte  hingegen,  die  nicht  exempt,  d.  h.  die 
von  dem  Bischöfe  der  Diöceee,  in  welcher  ihre  Abtei  lag,  abhängig 
waren,  durften  dem  Wortlaute  der  betreffenden  Constitution  zufolge 
in  den  Provincialconcihen  und  Syiwden  der  Bischöfe  nur  mit  mitrae 
simplices  bekleidet  sein,  welche  einfach  weiss  gehalten  waren,  ohne 
Anwendung  von  gestickten  aurifrisiae  oder  ligulae^). 

Da  im  Mittelalter  die  kh-chliche  Salbung  und  Krönung  den 
Kaisern  und  Königen  gleichsam  einen  sacralen  Charakter  verheb, 
da  ferner  seit  den  Krönungen  der  Carolinger  namenthch  die  deut- 
schen Könige  und  Kaiser  von  der  Kirche  das  Recht  erhielten,  sich 
in  Weise  der  Priester  und  Bischöfe  hturgischer  Ornate  beim 
Krönungsacte  zu  bedienen,  die  desswegen  auch  Pontificalia  Indu- 
menta  Imperialia  genannt  wurden;  so  kann  es  nicht  auffallend  er- 
scheinen ,  dass  bereits  gegen  Scliluss  des  XI.  Jahrhunderts  Papst 


')  Dass  im  XII.  Jahrhundert  noch  die  Unterscheidung'  zwischen  der 
reicher  ausgestatteten  Ijischöflichen  Miter  und  der  einfacher  gestalteten 
Infel  des  Abtes  beobachtet  wurde,  will  Du  Saussay  auch  entnehmen 
aus  einer  Stelle  des  bekannten  Abtes  Suger  von  St.  Denis  bei  Paris; 
es  will  uns  aber  diese  Stelle  nicht  klar  genug  erscheinen,  um  daraus 
mit  Sicherheit  das  Obige  folgern  zu  können. 

2)  Clemens  IV.,  in  St.  Giles  in  Südfrankreich  geboren,  stand  der  Kirche 
von  12Ö5  bis  126S  vor. 

")  Constitutio  Clementis  IV.  cap.  VI.  de  privilegiis  in  VI»» 


—    167  — 

Alexander  II.  einem  Laien,  dem  Herzog  Wratislaus  von  Böhmen, 
das  Recht  vorlieh ,  einen  piletis  zu  tragen ,  der  als  mitra  mit  den 
Infeln  der  Aebte  und  Bischöfe  damaliger  Zeit  Aehnlichkeit  hatte. 
Der  Naclifolger  Alexander's  IL,  Gregor  VI.,  bestätigte  dem  Böhmen- 
herzüg  Wratislaus  diese  Auszeichnung  in  einem  besondern  Diplom, 
dessen  Wortlaut  noch  auf  uns  gekommen  ist^).  Dieser  pileus,  der 
als  Kopfbedeckung  die  herzogliche  Krone  überragte,  dürfte  oben  in 
zwei  cornua  getheilt  gewesen  sein,  d.  h.  diese  beiden  Schilder  haben 
vielleicht,  wenn  auch  in  niederer  Form,  jene  Gestalt  einer  könig- 
Hchen  Mitei;  gehabt,  wie  eine  solche  aus  der  Kaiserkrone  hervor- 
ragte, mit  welcher  verschiedene  Kaiser  von  einzelnen  Päpsten  in 
Rom  nachweislich  geki-önt  worden  sind. 

Obgleich  sich  heute  in  den  Kirchenschätzen  des  westlichen 
Europa's  nur  verhältnissmässig  sehr  wenige  bischöfliche  Infeln  vor- 
finden, von  welchen  mit  einiger  Sicherheit  nachgewiesen  werden 
kann,  dass  sie  aus  dem  Beginne  des  XII.  oder  gar  aus  dem  XL  Jahr- 
himdert  herrühren,  so  haben  sich  hingegen  sowohl  in  den  Schatz- 
kammern älterer  Kirchen  als  auch  in  öffentlichen  und  Privatsamm- 
lungen noch  eine  grössere  Anzahl  von  bischöflichen  Kopfbedeckungen 
erhalten,  die  in  ihrem  Schnitte  und  in  ihrer  Verzierungsweise 
deutlich  bekunden,  dass  sie  der  letzten  Hälfte  des  XII.  Jahrhunderts 
und  dem  Beginne  des  XHI.  angehören.  Bevor  wir  im  Folgenden 
die  vorzüglichem  Mitern  aus  dem  XII.  und  XIII.  Jahrhundert  der 
Reihe  nach  kurz  aufzählen,  die  wir  untersuchen  und  abzeichnen 
zu  lassen  Gelegenheit  hatten,  sei  es  gestattet,  vorher  an  der  Hand 
des  eeremoniale  epicoporum,  angefertigt  unter  Gregor  X.,  festzustellen, 
in  welcher  Weise  die  Mitern  im  XII.  und  XIU.  Jahrhundert  hin- 
sichtlich ihrer  Form  und  ihrer  Verzierungsweise  gestaltet  waren. 

Besagtes  eeremoniale  unterscheidet  zwei  Arten  von  Mitern, 
nämlich  die  mitra  simplex  und  die  mitra  aurifrisiata.  Die  mitra 
Simplex,  die  bei  Leichenfeierlichkeiten  und  in  den  kirclJichen  Trauer- 
zeiten, nämlich  in  der  Advent-  und  Fastenzeit,  getragen  wurde,  war 
glatt  gehalten,  ohne  alle  auszeichnenden  gestickten  Stäbchen.  Die 
mitra  aurifrisiata  hingegen  zeigte  drei  verschiedene  Verzierungsweisen; 
es  war  erstens  dieselbe  mit  einer  gestickten  Borte  am  untern 
Rande  verbrämt,  die  man  desswegen  mitra  de  auriphrygio  in 
circido  nannte;  die  zweite  Art  entbehrte  diese)'  gestickten  Bandein- 
£assung  am  untern  Rande  und  war  mit  einer  liguiaSbVif  beiden  Schildern 


*)  Gregor.  Registr.  Lib.  I.  Epist.  38. 


—    168  — 


verziert,  die  vertical  aufgenäht  waren:  man  benannte  diese 
Abart  vi.  de  aiiriphri/yio  in  titulo;  die  dritte  nnd  reichste  Ver- 
zierungsweise bestand  darin,  dass  um  den  untern  Rand  und  gleich- 
massig  auf  beiden  cornua  der  Miter  ein  mehr  oder  weniger  reich- 
gestickter Bandstreifen  befestigt  wai-,  welche  letztere  die  Bezeichnung: 
mitra  de  auriphrygio  in  circido  et  in  titulo  führte.  Solche  miirae 
pretiosae  sind  auf  Tafel  X  und  Tafel  XII  des  II.  Band  abgebildet. 

Das  in  Rede  stehende  cermoniale  episcoporum  fügt  noch  hinzu, 
dass  die  Mitern  mit  doppelten  aurifrisiae,  d.  h.  in  circulo  et  in  titido, 
von  den  Bischöfen  an  den  höchsten  Festen  in  Gebrauch  genommen 
wurden;  die  Mitern  hingegen,  die  nur  mit  einer  geradlinicht  an- 
steigenden aurifrisia  als  tiiulus  geschmückt  waren,  wurden  von  den 
Bischöfen  gebraucht,  wenn  sie  im  Consistorium  zu  Gericht  sassen 

Es  ist  keine  leichte  Aufgabe,  unter  den  vielen  heute  noch  er- 
haltenen Mitern  des  XII.  und  XIII.  Jahrhunderts  diejenigen  hier 
namhaft  zu  machen,  die  für  das  Studium  der  christHchen  Alter- 
thumskunde das  meiste  Interesse  bieten ,  indem  eine  jede  mehr 
oder  weniger  besondere  Eigenthümlichkeiten  hat,  aus  denen  die 
heutigen  Anfertiger  von  bischöfhchen  Infein  Vieles  lernen  könnten. 
Noch  schwieriger  ist  es,  auch  nur  annähernd  eine  Chronologie  festzu- 
stehen, in  welcher  Reihenfolge  diese  heute  noch  erhaltenen  Mitern 
des  XII.  Jahrhunderts  angefertigt  worden  sein  dürften.  Eine  der 
formschönsten  und  merkwürdigsten  IVIitern,  die  Frankreich  besitzt, 
wird  im  Schatze  von  Sens  heute  noch  aufbewahrt,  die  der  Ueber- 
lieferung  zufolge  von  Thomas  Becket  herrühren  soll  und  zwar  aus 
jenen  Tagen  (von  1164  bis  1170),  wo  derselbe  in  der  eben  ge- 
dachten Stadt  in  Verbannung  lebte. 

Dieselbe  zeigt,  abgebildet  auf  Taf.  XXIII  Fig.  1,  durchaus  die 
niedrige  Ausdehnung  zur  Höhe  hin,  die  noch  deuthch  an  die 
römische  Form  und  Ausdehiuing  der  Miter  des  XI.  Jahrhunderts 
erinnert.    In  ihrer  grössten  Höhe  misst  dieselbe  0"  Ur- 

Diese  mitra  des  h.  Thomas  von  Canterbury  zu  Sens  dürfte  zu 
den  mitrae  pretiosae  für  festtäglichen  Gebrauch  zu  rechnen  sein,  in- 
dem dieselbe  nicht  nur  wie  Fig.  1  auf  Taf.  XXIII  andeutet,  mit 
reichgevvirkten  Borten,  aurifrisiae  in  circuitu ,  sondern  mit  solchen 
auch  in  titulo  geschmückt  ist.  Auf  den  beiden  Flächen  der  Schilder 
erblickt  man  in  Gold  gestickte  romanische  Pflanzen  -  Ornamente, 
die  von  einem  Wurzelstocke  ausgehend  in  zierlicher  Form  die 
betreffende  Seitenfläche  der  Miter  füllen.  Eine  ähnliche  schwung- 


')  Cerem.  Gregor.  X. 


—    169  — 

volle  Verzierung  ist  auf  den  beiden  Stolen  ersichtlich,  die  überein- 
stimmend mit  den  Mitern  des  XI.  Jahrhunderts  als  fasciolae  an  dem 
Hintertheile  derselben  befestigt  sind. 

Von  ähnlicher  Form  und  Ausdehnung,  dessgleichen  von  ver- 
wandter ornamentalen  Beschaffenheit  ist  auch  eine  Miter,  die  auf 
Taf.  XXIII  unter  Fig.  2  in  verldeincrtem  Massstab  veranschaidicht 
wird,  und  die  heute  noch  im  Schatze  von  St.  Emmeram  zu  Regens- 
burg aufbewahrt  wird.  Dieselbe  hat  in  ziemlicher  Uebereinstimmung 
mit  der  Miter  des  h.  Thomas  fast  die  gleiche  Höhe  und  Breiten- 
ausdehnung jivie  die  Miter  von  Sens.  Auch  diese  Infel  von  Regens- 
burg, deren  Herkommen  dem  heil.  Wolfgang  zugeschrieben  wird, 
ist  mit  reich  in  (xold  und  Perlen  gestickten  aurifrisiae,  in  circuitu 
et  in  titulo  verziert.  Sowohl  die  in  Perlen  gestickten  grössern 
Kreise,  als  auch  die  verbindenden  kleinern  Rundungen,  dessgleichen 
die  romanisirenden  Pflanzen-Ornamente,  die  von  diesen  circuHs  um- 
randet und  eingefasst  werden ,  erinnern  auffallend  an  ähnliche  in 
Perlen  und  Gold  gestickte  ligniae,  wie  sie  gegen  Schluss  des  XI. 
und  im  Beginne  des  XII.  Jahrhunderts  von  den  geschickten  Gold- 
stickern  Siciliens  für  Handelszwecke  angefertigt  zu  werden  pflegten. 
Wie  es  unsere  Abbildung  andeutet,  befanden  sich  ehemals  an  der 
Miter  von  St.  Emmeram  auf  den  beiden  Flächen  zur  Seite  des 
tihdus  wahrscheinlich  in  Goldblech  getriebene  kleinere  Rundun- 
gen. Diese  monilia  in  campo  sind  wahrscheinlich  in  früherer  Zeit 
abhanden  gekommen,  und  sind  an  Stelle  dieser  verloren  gegangenen 
Ornamente  in  der  Abbildung  offene  Kreise  angedeutet  worden. 

Eine  andere  bischöfliche  Infel,  die  höchstens  um  ein  Jahr- 
zehnt jünger  als  die  Miter  von  Sens  erachtet  werden  dürfte ,  be- 
fand sich  bis  vor  wenigen  Jahren  noch  im  Besitze  des  Klosters  der 
Ursulinerinnen  zu  Landshut.  Leider  fehlen  an  dieser  interessanten 
Infel  aus  der  letzten  Hälfte  des  XII.  Jahrhunderts  die  aurifrisiae 
in  circuitu,  die  reich  in  cyprischem  Gold  gestickt  oder  gewebt,  wahr- 
scheinlich im  Anfange  dieses  Jahrhunderts,  dem  Schmelztiegel  ver- 
fallen sind.  Ansteigende  ßandstreifen  kommen  an  dieser  Miter  nicht 
vor,  und  erblickt  man  auf  der  ehien  Fläche  der  beiden  cornua  die  Dar- 
stellung des  Spruches :  et  sepelierunt  Stephanum,  virum  honoratum. 
Der  Protomartyi^  dessen  Name  hinlänglich  durch  die  Gold  gestickten 
Versalien  Stephanus  gekennzeichnet  ist,  kniet  vor  seinen  Verfol- 
gern nieder,  die,  zum  Wurfe  ausholend,  die  Steine  erhoben  haben. 
Darüber  erbhckt  man  die  aus  den  Wolken  hervorragende  segnende 
manus  dextra  Omnipotentis ,  durch  welche  der  Heinigang  und  die 
Belohnung  des  treuen  Dieners  angedeutet  ist.    Auf  der  Kehrseite 


—    170  — 

* 

dieser  Miter  zu  Laudshut  ersieht  man  die  in  bildlichen  Darstel- 
lungen gegen  Schluss  des  XII.  Jahrhunderts  so  oft  wiederkehrende 
Martyrscene  des  h.  Thomas  von  Canterbury ,  der  bekanntlich  am 
Altare  den  tödthchen  Streichen  seiner  Verfolger  erlagt). 

Der  Umstand,  dass  das  Martyrium  des  berühmten  Metropoliten 
von  Canterbury  unmittelbar  nach  voUbrachter  That  in  Lied  und 
Bild  von  den  Zeitgenossen  allenthalben  gefeiert  \\rurde,  gibt  der 
Vermuthung  Raum ,  dass  die  in  Rede  stehende  Miter  vielleicht 
im  nächsteii  Jahrzehent  nach  dem  Ableben  des  heil.  Thomas  von 
den  berühmten  brarnbancarü  in  Sicilien  gestickt  worden  ist.  Dass 
die  Anfertigung  dieser  Miter  in  Sicilien  stattgefunden  hat,  dürfte 
auch  aus  den  vielen  lunulue  zu  entnehmen  sein,  mit  welchen  die 
nicht  ausgefüllten  Flächen  des  einen  Schildes  verziert  sind,  auf 
welchem  die  Verfolgung  und  der  Tod  des  heiligen  Erzbischofs 
dargestellt  ist.  Diese  emblemata  oder  aenigmata  Saracenorum  sind 
auch  auf  den  Flächen  gestickt,  die  als  Füllung  zwischen  den  beiden 
Theüen  der  Landshuter  Miter  sich  ausbreiten^). 

Eine  nicht  weniger  interessante  Miter,  nach  unserm  Dafür- 
halten aus  der  letzten  Hälfte  des  XII.  Jahi'hunderts  herrührend, 
hat  sich  bis  heute  noch  in  dem  an  liturgischen  Geräthen  mid  Ge- 
fässen  des  frühen  Mittelalters  reichhaltigen  Schatze  der  Benedictiner- 
Abtei  St.  Peter  in  Salzburg  erhalten.  Diese  Miter  misst  in  ihrer 
grössten  Höhenausdehnung  22  Centim.  8  Mihm. ,  die  Länge  der 
aurifrisia  in  circuitu  beträgt,  in  ihrer  Hälfte  gemessen,  29  Centim. 
4  Milim. 

Auf  Taf.  XVI  Fig.  1  ist  in  einem  um  mehr  als  die  Hälfte  ver- 
lileinerten  Maassstabe  diese  formschöne  Miter  von  Salzburg  abgebil- 
det; hier  genüge  in  Kürze  als  Erklärung  zu  dieser  Darstellung, 
dass  die  ligulae  sowohl  in  circuitu  als  in  titulo  aus  einem  festen 
Goldstoff  als  Tresse  auf  einem  kleinen  Handstuhl  in  ähnlicher 
Technik  augefertigt  worden  sind,  in  welcher  auch  che  auf  Tafel 
XVIII  Fig.  1  und  Fig.  3  in  Gold  gewirkten  Bandstreifen  der  dort 
abgebildeten  Stolen  entstanden  sind. 


*)  Siud  wir  recht  berichtet,  so  ist  vor  Kurzem  diese  interessante  Miter 
in  das  reichhaltige  Maximilian-Museum  nach  München  übertragen 
worden. 

2)  Thomas  Becket,  geboren  zu  London  1119,  Erzbischof  von  Canterbury 
1162,  wurde  am  29.  Dezember  1170  von  vier  Rittei-n  am  Altare  in  der 
Kathedrale  zu  Canterbury  ermordet. 


—    171  - 


Diese  aarifrisiuc  sind  theilwcise  raäanderförniig  gemustert,  tlieil- 
weise  zeigen  sie  ein  Getiecht  in  verschiedenartiger  Form  und  Ab- 
wechslung. Auch  die  pendilia  bestehen  aus  einer  Tressenarbeit 
in  Gold,  in  welchem  durch  Weberei  das  im  XII.  Jahrhundert  sehr 
häufig  vorkommende  Flechtmuster  eingewirkt  ist.  Aehnlich  wie  an 
der  stola  auf  Taf.  XVIII  Fig.  3  sind  auch  die  ligulae  dieser  milra 
preliosa  mit  eingewebten  Sprüchen  auf  beiden  Seiten  gemustert, 
und  könnte  man  desswegen  füglich  die  auf  Taf.  XVI  Fig.  1  ab- 
gebildete Infel  von  St.  Peter  in  Salzburg  als  eine  mitra  literata  be- 
zeichnen. Bßvor  diese  merkwürdige  Iirl'el  durch  den  Zahn  der 
Zeit  in  den  heutigen  sehr  beschädigten  Zustand  gelangte,  scheint 
man  mit  ziemlicher  Umsicht  eine  Lesung  der  vielen  heute  stellen- 
weise kaum  mehr  zu  enträthselnden  Inschriften  mit  Erfolg  vorge- 
nommen zu  haben.  Die  folgende  Entzifi'erung  verdanken  wir  ehier 
Abschrift,  wie  sie  sich  im  Schatze  von  St.  Peter  aus  früheren  Zeiten 
stammend  vorfindet.  Sämmtliche  Grossbuchstaben  sind  auf  schwar- 
zem Grund  in  Gold  gewirkt,  und  in  Form  der  Versalschrift  des 
XII.  Jahrhunderts  gestaltet.   Die  Lesung  lautet  wie  folgt: 

«Praevia  Stella  maris,  lapsis  quae  jure  vocaris, 
Da  cordi  lumen  verum  cognoscere  Numen; 
Infer  et  ardorem,  Superüm  qui  nutrit  amorem; 
Ave,  tuum  nomen  mihi  det  solamen  et  omen; 
A  me,  Virgo  pia,  triplices  expelle,  Maria, 
Höstes,  atque  veni,  me  sacro  fiamine  leni; 
Divinas  laudes  superans  super  aethera  plaudes.« 

Noch  machen  wir  darauf  aufmerksam,  dass  auf  den  beiden 
dreieckigen  Flächen,  die  je  zur  Seite  des  aufsteigenden  titulus  sich 
befinden ,  auf  weissseidenem  Grunde  ein  eingewirktes  zierhches 
Pflanzenornament  sich  kennthch  macht,  das  in  seinen  zierlichen 
Windungen  für  die  Spätzeit  der  romanischen  Kunstepoche  maass- 
gebend  ist.  Auf  diesen  dreieckigen  Flächen  ist  je  ein  monile  in 
Kleeblattform  angebracht,  das  auf  einer  vergoldeten  platten  Fläche 
Fihgranverschlingungeu  aufnimmt ,  die  stellenweise  mit  kleinen 
Korallenknöpfchen  verziert  sind.  Ehemals  befanden  sich  auch  auf  den 
aurifrisiae  in  cirruilu,  dessgleichen  in  titulo  nach  gleichen  Zwischen- 
räumen kleinere  Rundungen  in  silbervergoldetem  Fihgran  gearbeitet, 
die  durch  eingelassene  Korallenknöpfe  stellenweise  gehoben  wuixlen. 
Ein  solches  filigranirtes  Ornament  hat  sich  nur  noch  vereinzelt  auf 
dem  titulus  erhalten;  die  übrigen  Filigran-Ornamente  auf  Taf.  XVI 
Fig.  1  sind  als  Ergänzungen  hinzugefügt  worden, 


—    172  — 


Auch  im  archaeologischen  Museum  zu  EeHu\ais  hat  sich  eine  i 
interessante  Miter  noch  erhalten,  die,  weil  durchaus  in  der  über- 
lieferten  Form  und  Höhenausdehnung  des  XII.  Jalirlumderts  ge-  p 
halten ,    als    Mustervorlage  bei   Anfertigung  von   neuen   Mitern  « 
Beachtung  finden  dürfte.    Diese  Miter  soll  vom  Bischof  Philippe  i 
de  Dreux  herrühren,  der  den  bischöflichen  Stuhl  von  Beauvais  vom 
Jahre  1175  bis  1217  innehatte.   Dieselbe  ist  von  Didron  in  seinen  i 
Annalen  ausführlich  besprochen  und  in  einer  trefflichen  Abbildung 
wiedergegeben  worden  ').  Diese  bischöfliche  Miter  zu  Beauvais  kann 
ebenfalls  als  miira  pretiosa  gelten,  indem  dieselbe  sowohl  in  circnitu 
als  in  titulo  mit  goldgestickten  schmalen  Streifen  verziert  ist,  die 
durchaus  dieselbe  Gestalt  und  technische  Beschaffenheit  zeigen,  wie 
der  mit  Lilien  gestickte  Rest  einer  Stola  auf  Tafel  XVI  Figur  3. 
Die  Aussenflächen  der  beiden  Schilder  an  besagter  Miter  sind  mit 
einem  weissen  figurirten  Seidendamast  überzogen,  der  in  kleinern 
Kreisrundungen  eingewirkte  Vögel  zum  Vorschein  treten  lässt;  es 
ist  dies  ein  gemusterter  Damast,  wie  er  cimi  ßosndis  et  aviculis 
gegen  Schluss  des  XII.  und  im  Beginne  des  XIII.  Jahrhunderts 
in  vielen  ähnlichen  Abwechslungen  von  den  Industriellen  Siciliens 
angefertigt  wurde. 

Da  eine  Abbildung  der  Miter  aus  der  Kirche  San  Martino  del 
Monte  zu  Eom,  die  offenbar  aus  dem  XIII.  Jahrhundert  herrührt, 
obgleich  sie  bei  Vielen  die  Annahme  aufkommen  liess,  sie  sei  als 
ein  Geschenk  Kaiser  Constantin''s  dem  heiligen  Papst  Sylvester  1. 2) 
verehrt  worden,  ims  gegenwärtig  nicht  zu  Gebote  steht,  so  möge 
nur  noch  in  Kürze  auf  jene  Miter  hingewiesen  werden,  welche  sich, 
wie  vorhin  bemerkt,  in  der  Sakristei  von  St.  Zeno  zu  Verona  bis  heute 
erhalten  hat,  und  die,  aus  der  letzten  Hälfte  des  XII.  Jahrhunderts 
herrührend,  hinsichtlich  ihrer  Machweise  mit  der  vorher  besprochenen 
Miter  von  Landshut  grosse  Aehniichkeit  hat.  Wir  veranschauhchen  in 
verkleinertem  Maassstabe  auf  Tafel  XXIV  fig.  1  diese  interessante 
Miter  und  fügen  zur  Erklärung  noch  Folgendes  hinzu.  Wie  die  Ab- 
bildung zeigt,  ist  besagte  Miter  mit  einer  doppelten  aurifrisia  in 
titulo  et  in  circuitu  verziert,  und  zwar  sind  auf  der  verzierten  Borte 
um  den  untern  Rand  die  Halbbilder  der  zAvölf  Apostel  in  derber 
Weise  durch  Goldfäden  ziemlich  unbeholfen  gestickt.    Auf  der  ei- 


')  Didron,  Annales  Arclieologiques,  tom.  17.,  1857.  pag.  227. 
^)  Sylvester  I.  regierte  von  314 — 335.    Die  Schenkung,  die  Cunstantin 
der  Grosse  ihm  gemacht  haben  soll,  wird  vielfach  bezweifelt. 


—  m  — 


nen  Seite  erblickt  man,  nebst  dabei  befindlichen  in  Gold  gestickten 
Namen,  die  BildAverke  von  sechs  Aposteln  und  auf  dem  entgegen- 
gesetzten Theile  die  Bilder  der  sechs  übrigen  Sendboten.  Auf  dem 
ansteigenden  Ornamentstreifen  stellt  sich  an  der  Vorderseite  das 
Bild  des  Heilandes  als  Lehrers  und  Gesetzgebers  mit  erhobener 
Rechten  dar,  während  die  Linke  das  geschlossene  Buch  des  Lebens 
hält.  Zu  beiden  Seiten  dieser  majesfns  Domini  ersieht  man  in 
Abkürzungen  wie  immer  das  Hierogramm  in  griechischer  Schreib- 
weise IC  XC.  Auf  der  entgegengesetzten  Rückseite  ist  in  titulo, 
und  zwar  in  Goldfaden  gestickt,  das  stehende  Bild  der  Himmels- 
königin zu  ersehen ;  zur  Seite  die  Bezeichnung  MP —  OES,  nämlich 
die  griechischen  Abkürzungen  des  Namens:  Mater  Dei.  Auf  der 
Hauptseite  der  Miter  von  -S'.  Zeno,  die  unsere  Abbildung  treu  wieder- 
gibt, siud  die  beiden  Felder  neben  dem  aufrecht  steigenden  Zierstreifen 
mit  dem  Bilde  des  segnenden  Weltheilandes  noch  mit  kleinen  in 
Gold  gestickten  Rundungen  verziert,  welche  zwei  Symbole  der  vier 
Evangelisten  erkennen  lassen.  Zur  rechten  Seite  des  Heilandes 
nimmt  man  das  Bild  des  Adlers  wahr,  und  daliei  die  Inschrift  in 
Versalbuchstaben:  s.  .TOANNES  EVS.  Zur  linken  Seite  gegenüber- 
j  stehend  die  facies  hominis  \md  dabei  die  Inschrift:  s.  MATHErs 
'  EVS-  Der  weisse  Seidenstoff,  welcher,  die  beiden  Aussenfiächen 
der  Miter  überziehend,  durch  den  Hauch  der  Jahrhunderte  einen 
j  gelblich  gräulichen  Farbton  erhalten  hat,  ist  ebenfalls  wie  an  der 
Miter  zu  Landshut,  mit  den  Abzeichen  des  Sarazenenthums  verziert, 
nämlich  mit  kleinen  in  Gold  gestickten  Sternen  und  Halbmonden, 
wie  nach  Taf.  XXIV,  fig.  1  ersichtlich  ist ;  diese  Sternchen  werden 
auch  von  einigen  ältern  Inventaren  zuweilen  emhlemata  paganorwn 
genannt.  Erwägt  man ,  dass  bis  zum  XII.  Jahrhundert,  ja  selbst 
bis  zur  Mitte  des  XIII.  Jahrhunderts,  die  Seidenweber  und  Gold- 
sticker  Siciliens  nicht  nur  mit  Anfertigung  von  reichgewebten 
und  gestickten  fürstlichen  Profangewändern ,  sondern  auch  mit 
Stickereien  von  liturgischen  Gewändern,  vornehmlich  aber  für  bischöf- 
lichen Pontificalgebrauch,  beschäftigt  waren ;  so  dürfte  es  keinem 
Zweifel  unterliegen ,  dass  in  Anbetracht  dieser  eigenthümlichen  in 
Gold  gestickten  bmulae  et  siellae  sowohl  die  in  Rede  stehende  Miter 
von  S.  Zeno  zu  Verona,  als  auch  die  ähnlich  gemusterte  von 
Landshut,  von  der  vorhin  die  Rede  war,  dessgleichen  eine  dritte 
zu  Anagni  in  jenen  industriellen  Werkstätten  Siciliens  ange- 
fertigt worden  sind,  deren  vorzügliche  Leistungen  auf  dem  Gebiete 
der  Weberei  und  Goldstickerei  der  Biograph  Kaiser  Friedrich's  I., 
der  bekannte  Bischof  Otto  von  Freisingen,  ausführlicher  bespricht. 

I 


-  174 


Als  wir  im  Jahre  Gelegenheit  hatten,  in  Anagni,  der  Geburts- 
stadt des  grossen  Innoceuz  III.  und  des  spätem  Bonifaz  VIII.,  den 
Donischatz  behufs  des  Studiums  der  dortigen  liturgischen  Gewänder 
des  Mittelalters  näher  in  Augenschein  zu  nehmen,  waren  wir  nicht 
wenig  überrascht ,  daselbst  vier  interessante  ältere  Mitern  in  ver- 
hältnissmässig  guter  Erhaltung  vorzufinden,  die  sämmfclich  noch 
hinsichtlich  ihres  Schnittes  mit  den  bischöfhchen  Infein  des  XII. 
und  Xlll.  Jahrhunderts  übereinstimmen.  Auch  die  Stickerei  auf 
den  Aiu-ifrisien  derselben  waren  von  so  interessanter  Arbeit  und 
meisterhafter  Technik,  dass  wir  bei  Besichtigung  derselben  nicht  in 
der  Lage  zu  sein  bedauerten,  eine  genaue  Zeichnung  von  diesen 
Mitern  aufnehmen  lassen  zu  können.  Canonicus  Barbier  de  Montault, 
der  einige  Jakre  später  in  gleicher  Absicht  den  Schatz  von  Anagni 
besichtigte  und  das  Resultat  seiner  Forschungen  in  mehi'ern  Abhand- 
lungen in  den  Annalen  von  Didron  niederlegte,  entwirft,  leider  ohne 
Abbildungen  von  diesen  vier  Mitern  eine  kurze  Beschreibung.  Indem 
wir  unsere  Leser  auf  die  betreft'enden  Angaben  hinweisen  ^),  fügen  wir 
über  diese  Mitern  von  Anagni  noch  hinzu,  dass  eine  derselben  in  den 
goldgestickten  Borten  des  titulus  und  des  circuitus  Büdwerke  in 
byzantinischer  Darstellungsweise  zeigt,  wie  sie  für  das  XII.  Jahr- 
hundert bezeichnend  sind.  Auch  befindet  sich  dort  eine  Miter,  die 
merkwürdiger  Weise  keine  gestickten,  sondern  gemalte  Stäbe  und 
zwar  auf  Pergamentstreifen  zeigt.  Der  Grund  dieser  Pergamentstreifen 
ist  diu'chaus  vergoldet,  und  sämmtliche  Figuren  darauf  sind  in  klei- 
nen Umkreisungen  als  Halbbilder  gemalt.  Diese  bischöfliche  Kopf- 
bedeckung mit  den  merkwürdigen,  auf  Pergament  gemalten  Stäben 
dürfte  aus  dem  Beginne  des  XIII.  Jahrhunderts  herrühren.  Eine 
dritte  Intel  findet  sich  ebenfalls  daselbst,  deren  Grundstoff  aus 
weisser  Seide  besteht  und  deren  aurifrisiae  aus  breiten  Streifen  von 
Taffetseide  in  rother  Farbe  geschnitten  sind.  Offenbar  waren  auf  die- 
sen Stäbchen  ehemals  aus  Silber  getriebene  vergoldete  monilia  auf- 
genäht, die  heute  verschwunden  sind.  Stellenweise  haben  sich  auf 
dieser  Infel  noch  einzelne  Korallen-  und  Schmelzperlen,  dessgleichen 
auch  mehrere  goldene  Pailletten  erhalten,  die  darauf  hindeuten, 
dass  diese  Miter  ehemals  in  ähnlicher  Weise  reich  verziert  war. 
Auch  diese  zidetzt  gedachte  Miter,  die  eine  Höhe  von  24  Centim. 
bei  einer  Breite  von  29'/2  Centim.  aufzuweisen  hat,  dürfte  noch  zu 


')  Vetements  ecclesiastiques  par  X.  Barbier  de  Montault,  publies  dans 
les  Annales  Arclieologiques,  tom.  XVII  1857,  pag.  231  et  232. 


—    175  — 


den  bischöflichen  Infein  aus  dem  Schluss  des  XII.  Jahrhunderts 
gerechnet  werden.  Eine  andere  Miter  im  Domschatze  derselben 
bischöfhchen  Stadt  ist  in  derselben  Technik  und  Verzierungsweise 
gestickt,  wie  die  Miter  von  Landshut,  die  wir  oben  besprochen 
haben.  Dessgleichen  ist  auch  auf  derselben  das  Bild  des  berühmten 
Märtyrers  des  XII.  Jahrhunderts,  des  hl.  Thomas,  Bischofs  von 
Canterbury  ersichtlich.  Da  auch  in  Gold  gestickte  Sterne  und  Halb- 
monde auf  dieser  vierten  Miter  zu  Anagni  in  gleicher  Weise  wie 
auf  der  zu  Landshut  und  zu  S.  Zeno  in  Verona  wahrzunehmen  sind, 
so  dürfte  es  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  auch  die  letztgedachte 
Miter  von  Anagni  von  jenen  geübten  saracenischen  Goldstickern 
Sicihens  angefertigt  worden  ist,  die  ebenfaUs  cum  stellis  et  lunulis 
die  Landshuter  Miter,  sowie  auch  die  von  S.  Zeno  gestickt  haben. 

Indem  wir  diejenigen,  welche  sich  über  Schnitt,  Verzierungs- 
weise, hturgische  Bedeutung  der  Miter  eingehender  unterrichten 
wollen,  auf  die  betreffende  umfangreiche  Abhandlung  unseres  ge- 
lehrten Freundes  Ch.  de  Linas  und  seinen  Anciens  vetements  sacer- 
dotaux  etc.  von  Seite  135  bis  195  verweisen,  zählen  wir  hier  nur  in 
Kürze  einige  ältere  Mitern  auf,  die  in  Schnitt ,  Höhe  und  Ver- 
zierungsweise mit  denen  auf  Taf.  XXIII,  Tafel  XXIV,  fig.  1,  dess- 
gleichen auf  Taf.  XVI  fig.  1  fast  übereinstimmend,  sich  noch  ziemlich 
unverletzt  erhalten  haben.  Eine  sehr  niedrig  gestaltete  Miter,  aus  der 
Mitte  des  XII.  Jahrhunderts  herrührend,  hat  heute  noch  der  Dom- 
schatz zu  Salzbiu'g  aufzuweisen;  die  mit  Grossbuchstaben  gemusterten 
aurifrisiae,  ül)ereinstimmend  mit  den  goldenen  ligulae  auf  den 
Krönungssaudalen  der  deutschen  Kaiser,  rühren  augenfälhg  von 
dem  Goldborten-Wirker  im  Hotel  de  Tirraz  zu  Palermo  her.  Eine 
andere  Miter,  deren  Entstehung  dem  Schlüsse  des  XII.  Jahrhunderts 
zuzusprechen  ist,  wird  heute  noch  im  Domschatz  zu  Brixen  auf- 
bewahrt ^).  Dieselbe  stimmt  liinsichtlich  ihrer  Verzierungsweise  selir 
mit  der  ebengedachten  von  Salzburg  liberein.  Ausser  der  Miter 
vom  h.  Thomas  zu  Sens  und  der  früher  erwähnten  Infel  von  Pliilipp 
de  Dreux,  aufbewahrt  im  städtischen  Museum  zu  Beauvais,  sind  in 
Frankreich  noch  ältere  Infein  zu  Toulouse  und  zu  Brignoles  vor- 


'>  Beide  Mitern  —  die  eine  aus  dem  Domschatz  zu  Salzburg  misst 
17  Centim.  in  der  Höhe,  wohingegen  die  von  Brixen  bereits  21  Centim. 
Höhe  aufzuweisen  hat  —  befanden  sich  auf  der  reichhaltigen  Aus- 
stellung zu  Wien  im  Jahre  1862  und  hat  Hr.  Lehmann  das  Verdienst, 
nicht  nur  diese  Mitern,  sondern  auch  sämmtliche  dort  aufgestellten 
kirchlichen  Kunatgeräthe  photographisch  aufgenommen  zu  haben. 


—    176  — 


findlich.  lu  der  Kirche  zu  S.  Sernin  zu  Toulouse  wird  nämlich  eine 
Miter  aus  der  Mitte  des  XIII.  Jahrhunderts  aufbewahrt,  die  in  der 
Höhe  25  Centim.  misst  und  irrthümlich  dem  h.  Exuperius  (400 — 412) 
zugeschrieben  wii-d.  Die  Stolen  derselben  erweitern  sich  alhnählig 
nach  unten  und  spitzen  sich  oben  bedeutend  zu.  Die  schöne  Miter 
zu  Brignoles ,  Depart.  de  Var,  gehörte  zu  den  Pontifikal-Ornaten 
des  h.  Ludwig  von  Anjou,  Bischof  von  Toulouse  (f  1297j  und  bietet 
dieselbe  nicht  nur  hinsichtlich  ihres  tigurirten  Grundstoffes,  sondern 
auch  mit  Bezug  auf  die  mäanderförmig  gemusterten  Stäbchen  der 
kircldicheu  Alterthumskunde  ein  erhöhtes  Interesse.  Ch.  de  Linas 
hat  in  seinem  vorhin  citü'ten  Werke  beide  zuletzt  genannten  Mitern 
abgebildet  und  beschrieben.  Ob  in  Spanien  sich  noch  ältere  Infein 
finden,  ist  bis  zur  Stunde  noch  nicht  bekannt.  In  Belgien  haben 
sich  in  dem  an  h.  Geräthen  und  Gefässen  des  XII.  und  XIII.  Jahr- 
hunderts so  reichhaltigen  Schatze  des  Pensionats  der  »Dames  fran- 
§aises((  zu  Namur  zwei  ausgezeichnete  Mitern  aus  dem  Schlüsse  des 
XII.  Jahrhunderts  erhalten,  die  mit  denen  zu  Anagni  grosse  Aehn- 
üchkeit  haben.  Dieselben  stammen  nebst  den  übrigen  Prachtgefässen 
aus  der  ehemaligen  Abtei  Jumieges. 

Wenn  auch  keine  altern  bischöflichen  Mitern  sich  in  den 
Schatzkammern  von  Stifts-  und  Catliedralkirchen  erhalten  hätten,  die 
über  die  Form  und  Verzierungsweise  derselben  Licht  verbreiteten,  so 
würde  man  doch  an  der  Hand  von  altern  Schatzverzeichnissen 
leicht  Aufschluss  erhalten  können ,  welchen  Reichthum  der  Ver- 
zierungen man  zur  Ausstattung  der  bischöflichen  Mitern  gegen 
Schluss  des  XII.  und  im  XIII.  Jahrhundert  anzuwenden  pHegte. 
Das  merkwürdige  Schatzverzeichniss  der  Kleinodien  und  kh-chhchen 
Gewänder,  angefertigt  imter  Bischof  Conrad  von  Mainz,  führt  nur 
km'z  an,  dass  sich  unter  der  reichen  Kirchenzier  im  Schatze  da- 
selbst sechszehn  mitrae  aurifrigiatae  befanden.  Das  alte  Inventar 
der  Kirchenschätze  der  Cathedrale  zu  Canterbury  zählt  ia  langer 
Reihe  erzbischöfliche  Kopfbedeckungen  auf,  die  als  mürae  pretiosae 
auf's  Reichste  in  den  gestickten  Borten  und  auf  den  Flächen  der 
Schilder  verziert  waren. 

Im  Folgenden  mögen  nur  einige  wenige  Angaben  über  die 
reichverzierten  Mitern  zu  Canterbury  geniigen.  Unter  andern  Or- 
naten führt  das  reichhaltige  Schatzverzeichniss  an:  „Mitra  aurea  ^) 


*)  Das  Adjectiv  „aurea''  bezeichnet  ohne  Zweifel  eine  Miter  entweder 
reich  in  Gold  gestickt  oder  eine  solche,  deren  campi  aus  Goldstoff  ge- 
schnitten waren. 


-    177  - 


cum  perulis  infra  et  extra,  et  gemmis  pretiosis  Henrici  regis  III.; 
item  mitra  aurea  Joamiis  de  Peckham,  Archiepiscopi  cum  gemmis 
pretiosis;  item  mitra  eiusdem  argentea  cum  duabus  crut;ibus 
super  cornua;  item  mitrae  quatuor  breudatae  et  gemmis  ornatae; 
item  mitrae  tres  cum  perulis  ornatae  sine  gemmis  2)." 

In  der  Revision  des  Schatzes  von  S.  Paul  zu  London ,  vor- 
genommen im  Jahre  12y5,  werden  ebenfalls  kostbare  Mitern  in 
grosser  Zahl  aufgezählt,  die  sich  damals  in  dem  betreffenden  Schatze 
befanden.  Wir  füliren  hier  im  Auszuge  einige  besonders  reich  aus- 
gestattete nach  dem  Wortlaute  des  betreffenden  Schatzverzeich- 
nisses an : 

,,Una  mitra  breudata  cum  steUis  anterius  et  posterius,  insertis 
lapidibus  in  laminis  ^ )  argenteis  deauratis ,  et  deficit  unus  lajns  in 
altero  pendulorum  et  in  parte  anteriori  Septem  lapides  et  multae 
perlae ,  et  in  parte  posteriori  quatuor  lapides  et  multae  perlao ; 
item  una  mitia  alba  cum  floscuhs  breudatis  de  dono  Joannis 
ßelemagi  ad  opus  episcopi  j^arvulorum  ^ )  in  alti'o ;  item  mitra  de 
Sant  Vico  episcopi  breudata  duabus  stellis  anteiius  et  duabus  stellis 
posterius ,  et  oruata  duabus  roteUis  ^)  argenteis  deauratis  insertis 
lapidibus  et  perlis  multis,  et  deficiunt  in  anteriori  parte  unus  lapis 
et  duo  in  pendulis ;  item  una  mitra  alba  breudata  cum  stellis  et 
frecturis  ')  et  octo  limbis  in  circulo  de  purpura  ornata  lapidibus 


*)  Die  reichen  Mitern  des  XIII.  und  XIV.  Jahrhunderts  zeigten  häufig 
auf  der  Spitze  der  beiden  cornua  entweder  kleinere  pomella  von  Perlen, 
Korallen  oder  Edelsteinen,  oder  aber  in  Gold-  oder  Silberblech  ge- 
triebene Verzierungen,  die  die  Form  von  reichverzierten  Kreuzen  hatten. 

-)  Cfr.  Dart's  History  of  Canterbury,  Appendix  VI.,  pag.  13. 

•')  Die  vielen  Edelsteine,  die  diese  Miteriv  zierten,  waren  eingeschlossen 
in  Kapseln,  d.  i.  Fassungen,  von  vergoldetem  Silber. 

■*)  Die  stolae,  fanones  an  bischöflichen  Mitern  werden  in  englischen  Schatz- 
verzeichnissen des  XIII.  Jahrhunderts  gewöhnlich  penduli  genannt. 

^)  Wahrscheinlich  trug  der  magistei-  cäiütis ,  der  zuweilen  auch  episcopus 
chori  genannt  wird,  und  hier  den  Namen  episcopus  parvulorum  (Bischof 
der  Sängerknaben)  führt,  au  höhern  Festtagen  eine  Miter. 

")  Unter  diesen  rotelU,  gleichbedeutend  mit  monilia,  sind  radförmige  kleine 
Ornamente  in  vergoldetem  Silber  zu  verstehen,  die  durchbrochen  und 
kleinen  Rädchen  ähnlich,  auf  ihren  Aussenflächen  mit  vielfarbigen 
Edelsteinen  in  kleinem  Fassungen  verziert  waren. 

')  Fre.cbirae  eine  Bezeichnung  vielleicht  gleichbedeutend  mit  goldge- 
stickten Verzierungen,  für  welches  Wort  der  Italiener  den  Ausdruck: 
fregio,  fregiata  nni  fr egiatura  hat,  gebildet  von  fregiare,  verzieren,  ein- 
fassen, besetzen,  verbrämen. 


—    178  — 


et  flosculis;  item  una  mitra  de  dono  Ricardi  episcopi  ornata  perlis 
albis  per  totum  campum  ^)  et  flosculis  argenteis  deauratis,  lapidibus 
insertis  ordine  spisso  ^)  et  deficit  uua  campanula  ^ )  in  uno 
pendulorum"  ^). 

Die  Sucht  der  Gold-  und  Perlsticker,  auf  reichen  bischöflichen 
Mitern  eine  Menge  von  kostbaren  Zierrathen  anzubringen ,  ver- 
leitete schon  im  XIII.,  noch  mehr  aber  im  XIV.  Jahrhundert  dazu, 
den  engen  Raum  der  Miter  nach  der  Höhe  hin  fort  und  fort  aus- 
zudehnen. So  ist  es  zu  erklären,  dass  gegen  Mitte  des  XIV.  Jahr- 
hunderts bischöf hebe  Kopfbedeckungen  angetroffen  werden,  welche 
die  wohlproportionirten  Höhenausdehnungen ,  wie  sie  traditionell 
im  XII.  und  auch  noch  im  XIII.  Jahrhundert  allgemein  eingehalten 
wurden,  bei  Seite  lassend,  die  Spitzen  der  cornua  um  ein  Beträcht- 
liches erweiterten.  Diese  Ueberhöhung  der  Infein,  welche  in  der 
Renaissance-  und  Roccoco-Zeit  in's  Unnatürliche  und  Kolossale 
ausartete,  beginnt  schon  seit  dem  Durchbruch  des  Spitzbogenstüs 
sich  unmerklich  und  unbewusst  geltend  zu  machen.  Die  bischöfliche 
Miter,  die  wir  unter  Tafel  XXIV  unter  fig.  2  in  verkleinertem 
Maassstabe  veranschaulichen,  befindet  sich  in  der  Gewandhalle  des 
Domes  zu  Halberstadt,  und  dürfte,  aus  dem  Sclilusse  des  XIII.  oder 
dem  Beginne  des  XIV.  Jahrhunderts  herrührend,  zum  Belege  dienen, 
dass  damals  bereits  eine  wenn  auch  nicht  auffallende  Ueberhöhung 
der  beiden  Schilder  Platz  gegriffen  hatte.  Wie  unsere  Abbildung  zeigt, 
ist  diese  interessante  Miter  bloss  mit  einer  aurifrisia  in  circuitu 
verziert.  Die  Borte  als  ansteigender  titulus  fehlt,  und  ist  in  campo 
anteriori  ein  eigenthümhcher  Zweikampf  dargestellt.  Vielleicht 
dürfte  die  Vermuthung  hier  Zulass  finden,  dass  durch  diese  beiden 
Streitenden  entweder  der  Kampf  der  aliendländischen  Kreuzritter 
mit  den  Bekennern  des  Halbmondes  angedeutet  werden  solle,  oder 
aber  der  Kampf  des  Christenthums  mit  dem  Judenthume.  Würde 
man  der  letztern  Annahme  beipflichten ,   so  dih'fte  man  in  dem 


')  Auf  den  Feldern  neben  dem  fiiulus  erblickte  man  an  dieser  reichver- 
zierten Miter  Perlstickereien  i;nd  dazwischen  kleineres  aus  vergoldetem 
Silberblech  getriebenes  Bluraenwerk. 

*)  Die  Edelsteine  in  goldener  Fassung  standen  „in  dichter  Reihe"  nel)en 
einander. 

")  Die  fanones  oder  sfolae  an  dieser  Miter  waren  statt  der  fimhriae  mit 
Glöckchen  verziert,  älmlich  wie  solche  sich  auch  an  reichen  biscliöf- 
lichen  Stolen  als  Fransen  vorfanden, 
Dugdale's  Histor  of  St.  Paul's  p.  315. 


—    179  — 


Bilde  des  einen  Kämpfenden  mit  dem  Bart  und  dem  Judenhut  einen 
Repräsentanten  des  Hebräerthums ,  in  der  andern  Figur  aber  den 
Vertreter  des  Ritterthums  angedeutet  finden.  Dass  insbesondere 
die  reicher  verzierten  bischöflichen  Mitern  gegen  IVIitte  des  XIV. 
Jahrhunderts,  was  die  Höllenausdehnung  der  cornua  betrifft,  an 
Umfang  gewonnen  hatten,  beweist  jene  kunstreich  gestickte  bischöf- 
hche  Infel,  herrührend  aus  dem  ehemahgen  Domschatz  zu  Meissen, 
die  heute  nebst  einer  zweiten  auffallend  reich  in  Perlen  gestickten 
Infel  aus  dem  Schlüsse  des  XV.  Jahrhunderts,  in  einem  Glasschrank 
des  könighchen  Museum's  zu  Dresden  aufbewahrt  wird.  Diese  in 
Bildwerken  äusserst  kunstreich  gestickte  Miter  des  XIV.  Jahrhunderts 
zu  Dresden  zeigt  eine  höchste  Höhe  von  34  Centim.  bei  einer  Breite 
von  28  Centim.  Eine  ähnliche  Höhenausdehnung  hat  auch  jene 
formschöne  mitra  abhatialis  aufzuweisen ,  die  heute  noch  im  Bene- 
di ctinerstifte  Admont  in  Steiermark  sich  vorfindet  ^).  Dieselbe 
misst  vom  untern  Rande  bis  zur  äussersten  Spitze  der  Schilder 
33  Centim.  und  hat  eine  Breite  von  30  Centim. 

Da  hier  bei  Anführung  der  Miter  von  Admont  nicht  auf  die  vie- 
len kunstvoll  gestickten  Einzelheiten  derselben  einzugehen  ist,  indem 
dieselben  in  der  unten  citirten  Abhandlung  eine  ausführliche  Beschrei- 
bung gefunden  hat,  so  sei  hier  nur  im  Vorbeigehen  darauf  hinge- 
wiesen, dass  die  campt  auf  den  beiden  Schildern  zickzackförmig  in 
Goldfäden  gestickt  sind,  was,  übereinstimmend  mit  dem  Mauerwerk 
von  ährüicher  Steinlage,  die  Alten  als  opus  spicatum  bezeichneten. 
Auf  diesen  dreieckigen  Feldern  sind  in  regelmässigem  Plattstich 
vier  Heihgenfiguren  gestickt,  die  wahrscheinlich  auf  Admont  Be- 
zug haben.  Sowohl  die  aufwärts  strebenden  aurifrisiae  als  auch  die 
in  der  Umkreisung  am  untern  Rande  befindlichen  sind  reich  in 
Perlen  und  ornamentalem  Blattwerk  gearbeitet,  welches  in  seiner 
Gestaltung  für  die  Entstehung  der  vorliegenden  Miter  in  der  letz- 
ten Hälfte  des  XIV.  Jahrhunderts  kennzeichnend  ist.  Nicht  nur  sind 
die  Saumeinfassungen  der  Gewänder  der  vier  Figuren  in  Perlen 
ausgeführt,  wie  es  unsere  Abbildung  im  V.  Bande  der  Mittheilungen 
Seite  236  andeutet,  sondern  auch  der  Abschlussrand  der  beiden 
cornua  ist  mit  verzierenden  Krabbenblättern  aus  Perlen  zusammen- 


')  Wir  haben  diese  mitra  pretiosa  in  dem  8.  Hefte  der  Mittheilungen  der 
k.  k.  Centralcommission  zur  Erhaltung  der  Baudenkmals  im  V.  Bande 
von  1859  auf  Seite  236  bis  241  ausführlicher  beschrieben  und  eine 
grössere  Abbildung  derselben  beigefügt. 

13 


—    180  — 


gesetzt,  die  der  Umrandung  entlang  erhaben  aufliegen  Bei  ähn- 
lichen Mitern  aus  dem  Schlüsse  des  XIV.,  noch  mehr  aber  bei 
reicher  verzierten  des  XV.  Jahrhunderts  sind  nicht  selten  die  in 
einem  spitzen  Winkel  ansteigenden  Abschlussränder  der  beiden 
Schilder  mit  in  vergoldetem  Silberblech  getriebenem  Pttanzen- 
werk  verziert,  das,  ähnlich  wie  die  Krabben  an  architektonischen 
Ziergiebeln,  freistehend  aufgenäht  und  befestigt  ist. 

Wir  befürchten  für  den  vorhegenden  Zweck  zu  ausführlich  zu 
werden,  wenn  wir  in  langer  Reihe  die  zahlreichen  Angaben  und 
Beschreibungen  von  prachtvollen  Mitern  anführen  wollten,  die  das 
Prager  Schatzverzeichmss  von  St.  Veit  vom  Jahre  1387  dess- 
gleichen  das  interessante  Inventar  der  Kathedralkirche  von  Olmütz 
aus  dem  Beginne  des  XV.  Jahrhunderts  uniständhch  mittheilt  3). 
Indem  wir  daher  in  Kürze  als  Anmerkungen  einige  Citate  aus  den 
beiden  oben  gedachten  Schatzverzeichnissen  folgen  lassen,  sei  es 
gestattet,  auf  die  Abbildungen  einiger  Mitern  des  XIV.  und  XV. 
Jahrhunderts  liinzuweisen,  wodurch  die  Gestalt  und  Verzierungs- 
weise der  bischöflichen  Koijfbedeckungen  in  dieser  Epoche  deut- 
licher erkannt  werden.  Dass  die  reichere  mitra  festalis  im  Beginne 
des  XIV.  Jalirhunderts,  wenn  auch  unter  Beibehaltung  der  altern 
Verzierungsweise  in  den  Aurifrisien,  zur  Höhe  lün  gewachsen  war 
und  sich  bedeutend  zuzuspitzen  begonnen  hatte,  ersieht  man  aus 
der  Abbildung  der  erzbischöfhchen  Miter,  plastisch  dargestellt  auf 
dem  betreffenden  Grabmal  im  Mainzer  Dom,  das  auf  Tafel  XXVI, 
Figur  1  veranschauhcht  ist.  Gegen  Ausgang  des  XIV.  Jahrhun- 
derts wurden  häufiger  Festtagsmitern  angefertigt,  deren  vordere 


*)  In  ähnlicher  Weise  mochte  auch  eine  bischöfliche  Miter  der  Kathe- 
drale von  Chartres  in  Bildern  mit  Perlen  gestickt  gewesen  sein,  deren 
ein  Schatzverzeichniss  vom  Jahre  1337  mit  folgenden  Worten  erwähnt: 
»Item  una  mitra  alba  ad  imagines  operata  ad  perles.«. 

^)  In  dem  Schatzverzeichniss  von  St.  Veit  liest  man  unter  der  Rubrik: 
de  insignis  pontificalibus  vom  Jahre  1387  unter  andern  Angaben: 
Item  infula  Domini  Cardinalis  cum  imaginibus  textis,  habens  duos 
zaphyros  in  summitate,  gemmis  pretiosis  et  perlis  ornata  sine  defec- 
tibus.  Item  infula  de  pei'lis  argentea,  quam  dedit  regina  Elisabeth, 
habens  in  summitate  duo  vitra  ad  modum  zaphyri,  in  qua  deficiunt 
XIV  parvi  capilli  et  tres  nolae  in  pendilibus. 

^)  In  dem  Inventar  der  Kirchenschätze  von  Olmütz  aus  dem  Beginne  des 
XV.  Jahrhunderts  werden  unter  vielen  andern  folgende  Infein  näher 
beschrieben:  Item  infula  cum  margaritis  et  monilibus  pretiosis,  cum 
pendilibus  argenteis  deauratis;  item  infula  alba  monilibus  decorata. 


—    181  — 


Felder  mit  gestickten  P"'iguren,  meistens  die  Verkündigung  oder 
Krönung  der  Himmelskönigin  darstellend,  verziert  sind;  auch  ein 
Kamm  von  Blättern  in  vergoldetem  Silber  fehlt  um  diese  Zeit  an 
reichern  Infein  nicht,  wie  dies  die  Abbildung  eines  andern  Monu- 
ments im  Mainzer  Dom,  abgebildet  auf  Tafel  XXVI,  Figur  2,  deut- 
lich bekundet. 

Auf  Tafel  XVII  ist  bei  der  Abbildung  des  Bischofs,  bekleidet  mit 
der  Pluviale,  auch  eine  Miter  bildlich  wiedergegeben,  die  in  Bezug 
auf  Schnitt  und  Verzierungsweise  jene  reichern  bischöfüchen  Mi- 
tern  kennzeichnet,  wie  dieselben  im  XV.  Jahrhundert  allgemeiner 
in  Gebrauch  waren.  Auch  auf  der  Abbildung  von  Tafel  XV,  die 
einem  interessanten  Gemälde  aus  der  Mitte  des  XV.  Jahrhunderts 
getreu  entlehnt  ist,  sind  mehrere  Infein  in  einfacher  Verzierungs- 
weise veranschauHcht ,  welche  andeuten,  wie  die  festtäghchen 
Mitern  der  infuHrten  Aebte  in  der  letzten  Hälfte  des  XV.  Jahr- 
hunderts in  der  Form  und  Verzierung  ausgestattet  zu  werden 
pflegten. 

War  schon  im  XIV.  Jahrhundert  das  Bestreben  von  Seiten  der 
Ornatsticker  deuthch  wahrnehmbar,  die  aus  dem  XU.  Jahrhundert 
überkommene  niedrige  Gestalt  der  Miter  gegen  alle  kirchliche 
Ueberlieferung  in  einer  Weise  zur  Höhe  hin  zu  erweitern,  dass 
dadurch  ein  grösserer  Raum  zur  Anbringung  von  gestickten  Orna- 
menten gewonnen  werden  konnte,  so  wuchs  vollends  im  XV.  Jahr- 
hundert die  bischöfüche  Kopfbedeckung  um  ein  Merkliches,  indem 
die  Perl-  und  Goldsticker  um  die  Wette  sich  bemühten,  auf  den 
beiden  cornua  der  bischöflichen  Infel  ein  iion-pbis-ultru  von  Orna- 
menten zu  häufen.  Bei  diesen  Versuchen,  der  bischöflichen  Miter 
eine  zu  grosse  Fülle  von  gestickten  Verzierungen  aufzubürden,  ging 
die  ältere  Einfachheit  und  Anspruchslosigkeit  der  lufel  in  Verbin- 
dung mit  ihrer  niedern  Höhenausdehnung,  die  durchaus  mit  dem 
Haupte  des  Trägers  und  seinen  körperlichen  Grössenverhältnissen 
in  Einklang  stehen  muss,  gänzlich  verloren.  Die  bischöfhche 
Miter  artete  nach  solcher  weitern  Entwicklung  im  XVI.  und  vollends 
im  XVII.  Jalu'hundert  dergestalt  aus,  dass  dieselbe  für  das  Haupt 
des  Trägers  eine  förmliche  Büixle  und  Last  wurde,  wogegen  sie 
im  frühem  Mittelalter  ein  Schutz  und  eine  natüi'liche  Zierde  des 
Hauptes  war. 

Bereits  jene  Infel,  die  dem  Bischof  Thomas  Strzempinski  von 
Krakau  zugehört  hat,  dessen  Amtsführung  in  die  Jahre  1455  bis  1460 
fällt,  liefert  den  Beweis,  dass  der  Umfang  der  Mitern  des  XV.  Jahr- 
.  hunderts  hinsichtüch  der  Höhe,  dem  Flächeninhalt  der  Infein  des 

13* 


XIV.  Jahrhunderts  gegenüber  nicht  unbedeutend  zugenommen  hatte. 
Während  die  Miter  von  Admont  noch  33  Centim.  Höhe  aufweist, 
zeigt  diese  Krakauer  Miter  bereits  eine  Ueberhöhung  von  39^/2 
Centim.  bei  einer  Breite  der  untern  Umrandung  von  3P/2  Centim. 
Im  Uebrigen  ist  die  Verzierungsweise  an  der  Krakauer  Miter 
hinsichtlich  ihrer  allgemeinen  Anlage  eine  ähnliche,  wie  solche 
Verzierungen  auch  an  den  Mitern  des  XIV.  Jahrhunderts 
wahi-nehmbar  sind.  Den  untern  Rand  umgibt  wie  gewöhnlich  bei 
den  festtäghchen  Infein  eine  schmale  aurifrisia  in  circuitu,  und 
ziehen  sich  auch  nach  der  Spitze  der  beiden  Schilder  als  tiluli  ähn- 
Hch  verzierte  Borten  hin.  Diese  ligulae  an  der  Krakauer  Miter  sind 
mit  getriebenen  Ornamenten  von  silber-vergoldeten  Blechen  ver- 
ziert, die  stellenweise  mit  dazwischen  befindlichen  gefassten  Edel- 
steinen abwechseln.  Die  beiden  Seitentheüe  der  coniua,  die  sogenann- 
ten campt,  sind  aufs  Reichste  mit  Perlstickereien  verziert,  die  erhaben 
aufliegend  in  ihren  Formgebüden  schon  den  ersten  Einfluss  der 
italienischen  Renaissance  erkennen  lassen.  Die  beiden  Giebelseiten  der 
cornua  sind  mit  süb ervergoldeten  Blechen  belegt,  auf  welchen  sich 
nach  kui'zen  Zwischem'äumen  getriebene  und  ciselirte  Blättchen  in 
in  Kleeblattform  hervorthuu.  Auf  den  beiden  Sijitzen  der  Miter 
erheben  sich  auf  kleinen  sechseckigen  Ständern  Kreuzblumen,  die 
auf  ihi'en  Spitzen  je  mit  einem  Edelstein  abgeschlossen  werden. 
Mit  den  gehäuften  Perlstickereien  en  relief  auf  beiden  Seiten  der 
Krakauer  Miter  wechseln  auch  die  erhaben  aufliegenden  Perl- 
stickereien auf  den  Stolen  derselben  ab.  Die  Fussstücke  dieser 
pendilia  sind  mit  ebenfalls  in  Perlen  gestickten  Wappen  geziert, 
durch  welche  die  Abkunft  des  oben  gedachten  Geschenkgebers  be- 
zeichnet wird.  Anstatt  der  Fransen  sind  die  Ausmündungen  die- 
ser stolae  mit  kleinen  bullae  verziert,  die  gleichsam  als  Glöckchen 
an  einander  scldagen  und  einen  Klang  verursachen^). 

Im  Schatze  derselben  Kathedrale  zu  Krakau,  der  an  litur- 
gischen Gewändern  mit  Relief  -  Stickereien  so  reichhaltig  ist, 
wird  auch  noch  eine  andere  bischöfliche  Miter  bewahrt,  die,  wie 
es  scheint,  irrthümlicher  Weise  dem  hl.  Stanislaus,  der  im  Jahre 
1079  unter  dem  Könige  Boleslaus  dem  Kühnen  das  Martyrium  er- 
litt, zugeschi'ieben  wird.  Diese  Miter  misst  in  ihi-er  grössten  Höhe 
24  Centim.  bei  einer  Breite  von  mehr  als  28  Centim.  Wenn  auch 


•)  Vgl.  die  Abbildung  dieser  interessanten  Miter  in  dem  prachtvollen 
Werke  des  Grafen  Alexander  Frzezdziecki^  Warschau  und  Paris,  1854. 


—    183  — 


fliese  bischöfliche  Lifcl  nicht  in  die  Zeiten  des  hl.  Bischofes  Sta- 
nislaus mit  Rücksicht  auf  ihre  formelle  und  artistische  Beschaffen- 
heit zurückversetzt  werden  kann,  so  dürfte  sie  doch  dem  Beginne 
des  XIII.  Jahrhunderts  angehören,  und  als  eine  der  reichern  mit 
einer  Menge  von  gefassten  Edelsteinen  verzierten  Mitern  aus  dieser 
Epoche  zu  betrachten  sein^).  Da  seit  alter  Zeit  die  Domherren 
der  Prager  Metropole  das  Ehren- Vorrecht  besitzen,  bei  kirchlichen 
Festzeiten  die  Miter  zu  tragen,  so  hat  in  Folge  dessen  der  Schatz 
von  St.  Veit  eine  ganze  Sammlung  von  Mitern  aufzuweisen,  die 
fast  sämmtlich.  aus  der  goldstrotzenden  Epoche  des  Roccoco  herrüh- 
rend, sich  in  Bezug  auf  zweckwidrige  Höhenerweiterung  und  Ueber- 
ladung  der  Ornamente  gegenseitig  überbieten.  Wie  diesen  über- 
schwenghch  ausstaffirten  Infein  gegenüber  die  mitra  pretiosa  des 
Prager  Metropoliten  nach  alten  kirchlichen  Satzungen  sich  noch 
auszeichnen  könne,  ist  uns  nicht  klar  geworden. 

Es  würde  zu  weit  vom  vorgesteckten  Ziele  abführen,  wenn 

'  hier  die  künstlerische  Verzierung,  der  Schnitt  und  die  Beschaffen- 
heit der  bischöflichen  Mitern  noch  weiter  seit  den  Tagen  der  Me- 
diceer  bis  zu  jenen  Uebertreibungen  und  Ueberladungen  verfolgt  wer- 
den sollte,  die  sich  die  „brodeurs  du  roi"  aus  den  Zeiten  Lud- 
wigs XIV.   in  Mailand,   Paris  und  Lyon  zu   Schulden  kommen 

Ii  Hessen.  Je  mehr  in  diesen  Tagen  der  maasslosen  Ueberfüllung 
dem  ehemaligen  faltenreichen  Messgewand  an  Stoff  und  Aus- 
dehnung entzogen  wm'de,  desto  mehr  machte  sich  das  Bestre- 
ben geltend,  die  Miter  über  Gebühr,  was  Breite  und  Höhe  betrifft, 
auszudehnen.  So  kam  es  denn  im  XVII.  und  vollends  im  XVIII. 
Jahrhundert  so  weit,  dass  man  die  beiden  colossalen  Giebel  der 
Infel ,  in  ihrer  Ganzheit  mit  einer  solchen  Fülle  von  Perlen, 
Edelsteinen  und  erhaben  in  Goldbouillons  gestickten  Ornamenten 
überbürdete,  dass,  mündlichen  Ueberheferungen  zufolge,  bei  vielen 
derselben  Vorkehi'ungen  von  dünnem  Eisenblech  gemacht  werden 
mussten,  um  diese  bischöflichen  Kopfbedeckungen  durch  Federdruck 
auf  dem  Haupte  der  Träger  zu  befestigen. 


')  Auch  diese  Miter  ist  in  dem  vorhin  erwähnten  polnischen  Pracht- 
werke veranschaulicht,  in  welchem  die  seltensten  kirchlichen  und 
profanen  Kunstwerke  beschrieben  und  in  trefflichen  Abbildungen 
dargestellt  werden,  die  sich  heute  noch  im  ehemaligen  Königreiche 
Polen  vorfinden.  Dieses  Werk  führt  den  Titel :  Monuments  du  Moyen- 
äge  et  de  la  Renaissance  dans  l'ancienne  Pologne,  publies  par  Alexandre 
Przezdziecki  et  Edouard  Rastawiecki,  seconde  serie,  livraison  I.  et  II. 
Varsovie  et  Paris,  1855. 


—    184  — 


Eine  solche  Menge  von  Gold,  Perlen  und  Edelsteinen  mit 
Relief-Stickereien  zeigt  heute  noch  die  Prachtmiter,  aufbewahrt 
im  Schatze  des  Domes  von  Limburg  an  der  Lahn,  die,  dem 
Schlüsse  des  XVIL  Jahrhunderts  angehörend,  ehemals  in  dem  kur- 
fürstlichen Schatze  des  Domes  von  Trier  aufbewahrt  wurde.  Auch  die 
kostbare  Pontificalmiter  im  Schatze  des  Domes  zu  Gran  in  Ungarn 
dürfte  schon  zu  jenen  reich  gestickten  und  überladenen  Mitern 
zu  zählen  sein,  wie  sie  das  XVL  und  XVIL  Jahrhundert  in 
Menge  erstehen  sah,  und  die  auffallend  von  den  einfachen  und 
würdigen  bischöflichen  Infein  des  XII.  und  XIII.  Jahrhunderts 
abweichen. 

Der  gelehrte  Jesuit  P.  Arthur  Martin,  dem  Frankreich  zunächst 
die  Wiederbelebung  der  kii-chliclien  Paramentik  verdajikt,  hat  be- 
reits in  den  fünfziger  Jahren  bei  dem  französischen  Episcopat  zu- 
erst den  Versuch  gemacht,  die  grösstentheils  diu-ch  den  unkii'ch- 
lichen  Geschmack  der  Lyoner  und  Pariser  rhasubliers  ihrer 
Würde  gänzlich  entkleideten  Mitern  zu  der  Gestalt,  Verzierungs- 
weise und  schönen  Einfachheit  des  Mittelalters  wieder  zurückzu- 
führen. Nachdem  mehrere  ausgezeichnete  Würdenträger  des  eng- 
lischen und  irländischen  Episcopats  bei  Anschaftung  neuerer 
Mitern  mit  Eifer  und  Sachkenntniss  vorangegangen  waren,  wurden 
in  den  letzten  Jahrzehnten  auch  für  französische  Bischöfe  eine 
Anzahl  von  Infein  nach  den  Originalzeichnungen  unseres  oben  ge- 
dachten Freundes  in  Auftrag  gegeben,  der  bei  Anfertigung  der- 
selben immer  nur  noch  das  Bedauern  zu  äussern  hatte,  die  Miter 
nicht  in  der  niedrigen  Gestalt  und  strengern  Ausstattungsweise 
entwerfen  zu  dürfen,  wie  dieselben  im  dreizehnten  Jahrhundert  in 
Menge  augefertigt  wurden.  Auch  in  Deutschland  ist  in  den 
letzten  Jahren,  Dank  der  Wiederbelebung  der  kirchlichen  Stickerei, 
die  in  neuester  Zeit  durch  die  Leistungen  des  Mutterhauses  der 
Schwestern  vom  armen  Kinde  Jesu  zu  Aachen  und  des  Filial- 
klosters zu  Cöln  einen  so  erfreulichen  Aufschwung  genommen  hat, 
eine  Anzahl  von  bischöfHchen  Mitern  im  Bilderstich  kunstvoll  ge- 
stickt worden,  welche  mustergültigen  Vorbildern  des  Mittelalters 
sowohl  hinsichtlich  ihrer  Gestalt  als  auch  ihrer  Verzierungsweise 
nachgebildet,  den  in  der  Form  vollendetsten  Mitern  des  Mittel- 
alters kühn  zur  Seite  gesetzt  werden  können.    Die  bei  Weitem 


')  Wir  haben  in  den  Mittheilungen  der  K.  K.  Centraikommission  eine 
Abbildung  und  Beschreibung  dieser  ungarischen  Miter  veröfifentlicht. 


—    185  — 


prachtvollste  Infel,  die  in  den  letzten  Jahren  von  den  kunst- 
geübten Schwestern  der  Genossenschaft  vom  armen  Kinde  Jesu 
zu  Aachen  gestickt  wurde,  war  Eigenthum  Sr.  Eminenz  des  se- 
hgen  Cardinais  und  Erzbischofs  von  Cöha,  Johannes  von  Geissei. 
Dieselbe  ist  um  etwas  niedriger  gestaltet,  als  die  oben  besprochene 
Miter  vom  Stifte  Admont.  Die  reich  in  Gold  und  vielfarbiger 
Seide  gestickten  aurifrisiae  zeigen  in  kleinen  Medaillons  die  Brust- 
bilder von  allegorischen  Heihgenfiguren.  Auf  den  in  Gold  gestick- 
ten Feldern  zu  beiden  Seiten  des  titulus  erblickt  man  auf  dem 
vordem  Schilde  die.Anbetung  der  h.  drei  Könige,  die,  von  Meister- 
hand entworfen,  in  dem  Stylgepräge  des  XIV.  Jahrhunderts  im 
Bilderstich  vortrefflich  gestickt  worden^).  In  demselben  Institut 
der  Schwestern  vom  Kinde  Jesu  zu  Aachen  ist  in  neuester  Zeit 
für  den  hochwürdigsten  Weihbiscbof,  den  jetzigen  Erzbisthums- Ver- 
weser Dr.  Baudri,  eine  Infel  angefertigt  worden,  der  sowohl  hin- 
sichtlich ihres  stylstrengen  Entwurfes  als  auch  rücksichtlich  ihrer 
vielen  meisterhaft  gestickten  Ornamente  heute  nur  wenige  gleich- 
kommen dürften.  Auch  Sr.  Gnaden,  dem  Bischof  Martin  von  Pa- 
derborn wurde  am  Tage  seiner  feierüchen  Inthronisation  als 
Zeichen  der  Verehrung  und  Anliänglichkeit  von  Seiten  der  Studie- 
renden der  theologischen  Fakultät  zu  Bonn  eine  Pontificalmiter 
in*  den  Formen  und  der  Verzierungsweise  des  XII.  Jahrhunderts 
überreicht,  die,  von  der  Hand  einer  ausgezeichneten  Künstlerin, 
Fräulein  Fögen  in  Cöln  gestickt,  hinsichtHch  der  vielen  in  Me- 
daillons gearbeiteten  Heiligenfiguren  kühn  als  das  Vollendetste 
zu  bezeichnen  ist,  was  man  in  neuester  Zeit  auf  dem  Gebiet  der 
rehgiösen  Ornatstickerei  geleistet  hat.  Auf  Tafel  XXV  ist  im 
verkleinerten  Maassstabe  diese  reichgestickte  Miter  des  Bischofs 
Conrad  von  Paderborn  abgebildet.  Gegenwärtig  wird  für  den  neu- 
gewählten Bischof  von  Trier,  Prälat  Pelldram,  eine  reiche  Miter 
in  den  Formen  des  romanischen  Styls  von  kunstgeübten  Händen 
im  Kloster  vom  armen  Kinde  Jesu  zu  Aachen  angefertigt,  die 
Hochdemselben  von  Seiten  der  Militärpfarrer  Preussens  verehrt 
werden  soU.  Nachdem  in  den  letzten  Jahren  auch  füi*  die 
hochw.  Bischöfe  von  Münster,  Osnabrück,  München -Freising  und 
Mainz ,   dessgleichen    auch    im    Auftrage    der    hochw.  Bischöfe 


')  Nach  dem  kürzlich  erfolgten  Tode  des  Cardinais  ist  durch  letztwillige 
Schenkung  diese  kunstreich  gearbeitete  Infel  dem  Schatze  des  Kölner 
Domes  einverleibt  worden. 


—    186  — 


von  Luxemburg  und  Brügge  wieder  Pontificalmitern  nach  den 
Vorschriften  and  der  Verzierungsweise  der  mittelalterhchen  kirch- 
lichen Kunst  entstanden  sind,  die  sich  auch  riicksichtlich  einer 
zweckmässigen  Ausdehnung  zur  Höhe  an  die  schönen  Vorbilder 
des  XII.  und  XIII.  Jahrhunderts  anlehnen,  so  steht  mit  Zuversicht 
zu  erwarten,  dass  auch  bei  Anschaffung  neuer  Mitern  in  deutschen 
und  belgischen  Diöcesen  wieder  jene  Form  und  Yerzierungsweise 
wird  gewählt  werden,  wodurch  sich  die  mittelalterlichen  Mitern 
vor  dem  thurmförmigen  Aufbau  und  den  nichtssagenden  Form- 
spielereien der  Infein  aus  moderner  Zeit  vortheilhaft  auszeichnen. 

11. 

Das  erzbischöfliche  Pallium. 

Im  XVI.  und  XVII.  Jahrhundert  ist  in  umfangreichen  Schriften 
der  Ursprung  und  das  Alter  des  erzbischöflichen  Palliums  weit- 
läufig erörtert  worden,  ohne  dass  man  hinsichtlich  seiner  lu-sprüng- 
lichen  Gestalt  und  seines  Herkommens  aus  dem  apostoüschen 
Zeitalter  oder  den  unmittelbar  darauf  folgenden  christlichen  Jahr- 
hunderten zu  einer  klaren  Anschauung  gelangt  wäre.  AehnHch 
wie  über  den  Ursprung,  che  Entwicklung  und  die  Gestalt  der 
bischöfhchen  Miter,  Hesse  sich  auch  über  das  Pallium  nach  den 
vorliegenden  gelehrten  Forschungen  eine  grössere  Abhandlung 
schreiben,  the  hinsichtlich  der  künstlerischen  Beschaffenheit  dieses 
Ornates  vom  Standpunkte  der  heutigen  Alterthumswissenschaft 
neue  interessante  Seiten  offen  legen  würde.  Für  den  vorhegenden 
Zweck  müssen  wii-  uns  auf  folgende  kurze  Andeutungen  be- 
schränken. 

Das  Pallium,  welches  zur  Zeit  des  klassischen  Roms  ein  hervor- 
ragendes Elirengewand  war,  das  als  faltenreiches  Oberkleid  meistens 
aus  Purpurstoffen  bestand  und  stellenweise  mit  goldgestickten  Ver- 
zierungen verbrämt  wurde,  ging  als  Prunkgewand  auch  auf  die 
oströmischen  Kaiser  von  Byzanz,  die  Nachfolger  Constantins  des 
Grossen,  über.  Dieses  mit  einem  goldgestickten  Purpurstreifen  ver- 
zierte mantelförmige  Obergewand,  meistens  aus  Byssus  oder  feiner 
Wolle  angefertigt,  wurde  von  den  christlichen  Kaisern  im  VI.  und 
VII.  Jahrhundert  auch  an  einzelne  Bischöfe  als  auszeichnendes 
Ehrengewand  zeitweise  versandt.  In  den  folgenden  Jahrhunderten 
wurde  von  den  meisten  orientalischen  Bischöfen,  den  Angaben 
des  Joar  zufolge,  das  Pallium  als  bischöfliches  Obergewand  unter 


—    187  — 

dem  Namen  wuorpoQiov  allgemeiner  in  Gebrauch  genommen. 
Seit  dieser  Zeit,  wo  in  der  orientalischen  Kirche  das  Tragen  des 
Palliums  von  Seiten  der  Bischöfe  allgemeiner  wurde,  scheint  all- 
mälig  eine  Aenderung  in  der  Form  und  Gestalt  desselben  ein- 
getreten zu  sein,  wodurch  sich  dieses  liturgische  Ornatstück  A-on 
der  formverwandten  Toga  der  byzantinischen  Kaiser  unterschied. 

In  der  lateinischen  Kirche  erhielt  der  Papst  allein  das  Recht, 
das  Pallium  zu  tragen.  In  den  unmittelbar  nach  der  Völker- 
wanderung folgenden  Jahrhunderten  jedoch,  in  welchem  bekannt- 
lich die  byzantinischen  Kaiser  noch  Hoheitsrechte  über  einzelne 
Theile  ItaHens  in  Anspruch  nahmen,  scheinen  verschiedene 
Päpste  am  oströmischen  Hofe  das  Recht  nachgesucht  zu  haben, 
dieses  Ehrenkleid  auch  an  einzelne  Erzbischöfe  und  Bischöfe 
verleihen  zu  düi-fen.  So  wurde  schon  im  IV.  Jahrhundert  dem 
Bischof  von  Ostia  das  Tragen  des  Palliums  bewilligt,  und  zwar 
aus  dem  Grunde,  weil  er  das  Vorrecht  besass,  den  neuerwählten 
Papst  zu  consecriren.  Bischof  Isidor  von  Pelusium  erwähnt  zu- 
erst dieses  Ornates  und  deutet  gegen  das  Jahr  434  zugleich  an, 
dass  derselbe  nicht  aus  Leinen,  sondern  aus  WoUe  bestehe,  um 
jenes  verlorene  Schaf  zu  bezeichnen,  das  der  gute  Hirt  auf  seine 
Schultern  nähme  ^).  Auch  um  das  Jahr  432  wird  in  einem  De- 
krete des  Kaisers  Valentinian  III.  der  Bischof  von  Ravenna  zur 
Würde  eines  Erzbischofs  erhoben  und  wird  ihm  in  demselben  Schrift- 
stück die  Auszeichnung  des  Palliums  verliehen.  Obgleich  Baronius 
und  auch  Bona  die  Echtheit  dieses  Dekrets  stark  in  Zweifel  ziehen 
und  es  bestreiten,  dass  die  Kaiser  das  Recht  gehabt  hätten,  den 
Iwnor  palii  zu  verleihen,  so  weist  über  diesen  Fragepunkt  Professor 
Dr.  Hefele  in  seiner  neuesten  Schrift  nach,  dass  Papst  Gregor  d.  Gr. 
dem  Bischöfe  Syagrius  von  Antun  das  Recht  des  Palliums  auf 
Wunsch  der  Königin  Brunehild  bewilligt  habe,  und  zwar,  wie 
Gregor  d.  Gr.  ausdrückhch  hinzuzufügen  nicht  unterlässt,  mit  Zu- 
stimmung des  Kaisers  Justinian  auf  Befürwortung  seines  Feldherrn 
Beiisar  3).  Dass  ferner  Papst  Symmachus  um  das  Jahr  513  dem 
h.  Caesarius,  Erzbischof  von  Arles  in  der  Provence,  den  Gebrauch 
des  Palliums  speciali  privilegio  zugestanden  habe,  ist  aus  der  Vita 


')  Suicer,  thesaur.  s.  v.  wfioif  OQiov. 
■■')  Barou.  ad  an.  422,  92  sqq. 

Beiträge  zur  Kirchengescliichte,  Archäologie  II.  B.  Seite  216  u.  217. 


S.  Caesarii  deutlich  zu  ersehen Es  entsteht  nun  die  Frage, 
wie  war  in  den  frühesten  christhchen  Jahrhunderten  das  Pallium 
als  auszeichnendes  Obergewand  formell  imd  decorativ  gestaltet? 
Offenbar  lehnte  sich  in  den  ersten  christhchen  Jahrhunderten  dieses 
Ehrenkleid,  welches  das  heidnische  Rom  von  Griechenland  überkom- 
men hatte,  an  jenes  ausgezeichnete  Profangewand  an,  das  in  Weise 
eines  faltenreichen  Ueberwiu'fs  die  römischen  Senatoren  und  Pa- 
tricier  trugen.  Gleichwie  nun  aus  der  stola  schon  in  früher  Zeit 
für  kirchhchen  Gebrauch  ein  Ornatstück  sich  entwickelte,  das  von 
dem  ehemaligen  faltenreichen  Gewände  blos  den  schmalen  verzie- 
renden Besatz  beibehielt,  und  auf  dieses  Ornament  in  Form  einer 
torques  den  Namen  des  ehemaligen  Gewandes,  stola,  orarium  über- 
trug, so  scheint  es  auch,  dass  man  in  den  drei  ersten  Jahrhunderten  , 
von  dem  ehemaligen  Pallium  in  mantelartiger  Form  als  Ober-  i 
gewand  nur  die  ornamentalen  Besatztheile  an  der  äussern  Rand- 
einfassung desselben  kirchlich  beibehielt,  wogegen  der  faltenreiche  i 
Oberstoff  desselben  allmälig  in  Wegfall  kam.  I 

Den  neuesten  Forschungen  des  Prof.  Vespasiani^)  am  Colle- 
gium  Urbanum  zu  Rom  soll  das  Pallium  eine  Nachbildung  eines 
Ueberrestes  von  einem  Gewände  sein,  dessen  sich  der  h.  Petrus 
bedient  habe.  Canonicus  Dr.  Rock  sucht  jedoch  in  einer  umfang- 
reichen Abhandlung  über  die  ursprünghche  Form  und  die  spätere 
Entwicklung  des  Palüums  der  Annahme  mit  grosser  Belesenheit  das 
Wort  zu  reden,  dass,  wie  er  dies  auch  durch  treffliche  Abbildun- 
gen erläuternd  erklärt,  das  Palhum  ursprünglich  aus  den  ver- 
zierten Rand einfassun gen  und  Umsäumungen  der  römischen  toga 
sich  entwickelt  habe  und  dasselbe  in  den  frühesten  Zeiten  mit  den 
reichverzierten  Umbordungen  der  toga  picta  et  palmata  grosse 
Uebereinstinftnung  gehabt  haben  dürfte.  Besonders  lehrreich  hin- 
sichtlich der  ältesten  Form  der  Palhen  ist  die  Abbildung  der 
Anast.  Probus,  den  unser  Freund  auf  Seite  131  seines  Werkes: 
„The  Church  of  our  Fathers".  vol.  II,  abgebildet  hat,  wie  diese 
Darstellung  auch  in  dem  Thesaurus  Veterum  Diptychorum,  t.  I, 
p.  280,  von  Gori,  einem  Consular-Diptychon  aus  Lüttich  entlehnt, 


')  Papa  Symmachus  tauta  meritorum  ejus  (Caesarii)  clignitate  permotus, 
non  solum  verissime  eum  Metropolitanae  honore  suspexit,  sed  et  con- 
cesso  specialiter  pallii  decoravit  privilegio.  Vita  S.  Caesarii  Arelat. 
lib.  I,  cap.  IV.  AA.  SS.  August,  t.  IV,  p.  71. 

De  sacri  pallii  origine,  ed.  Ph.  Vespasiani,  Rom.  typis  de  Propag.  1856. 
Vgl.  Wiener  kath.  Literaturzeitung,  1856  Nr.  29. 


—   189  — 


zu  ersehen  ist.  Auch  Bianchini  theilt  in  seiner  Herausgabe  des 
Anastasius  Bibliothec.  (De  Vitis  Rom.  Pontif.  tom.  III,  p.  XXVllI, 
Proleg.)  eine  Abbildung  des  Praeses  Concilii  mit,  die  deutlich  eine 
sehr  alte  Form  eines  Palliums  veranschaulicht.  Hält  man  die  Ab- 
bildung des  Papstes  Gregor  des  Grossen,  die  in  verschiedenen 
Werken  wiedergegeben  ist,  für  wirklich  so  alt,  wie  das  von  man- 
cher Seite  behauptet  wrd,  so  dürfte  bereits  in  den  Tagen  des 
eben  gedachten  grossen  Papstes  das  päpstliche  und  erzbischöfliche 
Pallium  bloss  als  verzierender  Bandstreifen  in  einfachen  Windun- 
gen fast  in^  derselben  Weise  und  Breitenausdehnung  getragen 
worden  sein,  in  welcher  auch  die  griechischen  Bischöfe  seit  den 
ältesten  Zeiten  sich  dieses  Ornates  als  coiinrpoQior  bedienten.  Be- 
reits in  dem  PalUum,  womit  Gregor  der  Grosse  bekleidet  ist,  er- 
blickt man  drei  eingewirkte  Kreuze,  nämlich  eines  auf  der  Brust 
und  die  beiden  andern  auf  jeder  Schulter.  Johannes  Diaconus 
führt  in  seiner  Lebensbeschreibung  Gregors  des  Grossen  liinsicht- 
hch  des  Palliums,  mit  welchem  die  Leiche  des  berühmten  Kirchen- 
lehrers im  Jahre  875  bekleidet  aufgefunden  wm-de,  an:  ,,PalHum 
ejus  bysso  candente  contextum  nullis  fuisse  acubus  perforatum;  sie 
ipsum  circa  scapulas  obvolutum  fuisse  non  autem  confixum  dignos- 

citur"  ^)  So  zeigt  auch  das  berühmte  Mosaik  von  St.  Vitale  zu 

Ravenna,  das  die  Einweihung  der  eben  gedachten  Basüica,  vorge- 
nommen durch  den  Bischof  Maximianus  im  Beisein  Kaiser  Justinians 
darstellt,  den  eben  gedachten  Bischof  2)  bekleidet  mit  faltenreichen 
hohenpriesterHchen  Gewändern.  Als  letztes  Obergewand  trägt  der- 
selbe gleichsam  in  Form  eines  Bandstreifens  um  Brust  und  Schul- 
tern ein  Ornatstück,  dass  sich  in  seiner  Gestalt  und  Anlegungs- 
weise als  älteres  Palhimi  kenntlich  macht.  Dasselbe  wurde  nämlich 
als  eine  kaum  3  Finger  breite  Binde  von  der  rechten  Schulter 
über  die  Brust  nach  der  linken  Schulter  hin  gezogen;  von  hier 
aus  entrollte  man  dasselbe  über  den  Rücken  zur  rechten  Schulter 
hinüber,  und  hess  es  von  der  rechten  Schulter  aus,  seiner  natür- 
lichen Schwere  folgend,  mit  dem  untern  ausmündenden  Fusstheile 
frei  herunterfallen.  An  dem  untern  Fussstück  des  PaUiums  er- 
bhckt  man  ein  kleines  griechisches  Kreuz  in  ähnlicher  Gestalt, 
wie  dieselben  auch  auf  demselben  Ornat  Gregors  des  Grossen 


')  S.  Gregorü  Papae  Vita,  auct.  Joh.  Diacono,  lib.  17,  cap.  LXXX,  in- 

ter  op.  S.  Gregorü,  tom.  IV,  p.  175,  Parisiis  1705. 
2)  Vgl.  Tafel  X,  I.  Band,  III.  Lieferung. 


—    190  — 


wahrnehmbar  sind.  Diese  kleinem  in  das  Palliiim  eingewebten 
Kreuze,  die  sich  später  hinsichtlich  ihrer  Zahl  vennehrten,  können 
bei  den  lateinischen  Ciiltge wändern  als  deutliche  Vorbildungen  und 
Urformen  zu  jenen  vestes  stauracinae,  paUia  de  staurucin  betrachtet 
werden,  von  denen  der  Biograph  der  Päpste,  Anastasius  Bibhothe- 
carius,  an  vielen  Stellen  seines  bekannten  Werkes  spricht,  und  die 
sich  bis  zum  VIII.  Jahrhundert  als  behebte  Musterungen  eben  so 
häufig  an  den  liturgischen  Ornaten  der  lateinischen  als  der  grie- 
chischen Kirche  vorfinden.  Schon  gegen  das  XL,  mehr  aber 
noch  im  XII.  Jahrhundert  trat  eine  Aenderung  in  der  Ausdehnung 
und  Anlegungsweise  des  Palliums  ein. 

Zum  Zwecke  der  grössern  Bequemhchkeit  bei  Anlegung  dieses 
Metropolitengewandes  und  damit  dasselbe  beim  Tragen  sich  nicht 
immer  verschob  und  die  Stelle  wechselte,  fügte  man  die  Bandstrei- 
fen desselben  so  zusammen,  dass  die  einzelnen  Theile  gleichmässig 
auf  Brust  und  Schultern  ersichtlich  waren.  Bei  dieser  Verbin- 
dungs-  und  Befestigungsweise,  die  vermittelst  dreier  reich  verzierten 
Spangen  auf  Brust  und  Schultern  vorgenommen  wurde,  hing  dann 
mitten  auf  der  Brust,  dessgleichen  auf  dem  Rücken  ein  kleiner 
mit  Kreuzen  verzierter  Bandstreifen  ausmündend  herunter.  Diese 
ausmündenden  Streifen  auf  Brust  und  Rücken  verlängerten  sich 
im  XIII.  und  XIV.  Jahrhundert  oft  bis  zu  den  Füssen  des  Trägers 
und  hingen  in  den  meisten  Fällen  bis  über  den  untern  Saum 
des  Messgewandes  herunter.  Zuweilen  waren  dieselben  noch  mit 
einem  abschliessenden  quadratisch  länglichen  Fussstück  an  den 
beiden  ausmündenden  Theilen  besetzt.  An  diesen  pedalia  kommen 
nicht  selten  verzierende  Fransen,  zuweilen  auch,  ähnlich  wie  an 
den  Stolen  und  an  den  fanones  der  Miter  kleine  Glöckchen  als 
fimbriae  vor.  Die  Gestalt,  Beschaffenheit  und  Anlegungsweise 
der  erzbischöflichen  Pallien,  wie  sie  im  XIII.  und  XIV.  Jahrhundert 
in  der  Kirche  gebräuchhch  waren,  ist  heute  noch  deuthch  zu  er- 
sehen an  jenen  erzbischöflichen  Bildwerken  aus  der  ebengedachten 
Epoche,  die  sich  noch  in  ziemlicher  Anzahl,  meistens  in  Lebens- 
grösse,  auf  den  iumbae  der  Erzbischöfe  von  Cöln,  Trier  und  Mainz 
in  den  betreffenden  Kathedralen  erhalten  haben.  Zur  Veranschau- 
lichung des  Palliums,  seiner  Anlegungs weise  und  seiner  Grösse 
geben  wir  hier  in  getreuer  Copie  auf  Tafel  XXVI,  Fig.  1, 
das  Bild  jenes  Mainzer  Erzbischofs  wieder,  dessen  Amtsfülii'ung 
dadurch  geschichtlich  merkwürdig  ist,  dass  er  als  Consecrator  die 
Krönung  Königs  Johann  von  Böhmen  vollzogen  und  die  Wahl 
zweier  deutschen  Könige  befördert  hat.    Wie  unsere  Abbildung 


—    191  — 


0 


auf  Tafel  XXVI  zeigt,  trägt  Erzbischof  Peter  von  Aspelt,  der 
1320  starb,  über  dem  faltenreichen  Messgewand  das  Pallium  in 
einer  Weise,  wie  in  derselben  Zeit  in  kreuzförmig  ansteigenden 
den  aurifrisiae  die  reichern  Messgewänder  verziert  zu  werden 
pflegten  i). 

Auf  dem  faltenreichen  Messgewande  des  Mainzer  Metropohten 
nimmt  man  keine  gestickten  aurifrisiae  in  forma  palLii  imter  dem 
frei  aufliegenden  erz bischöflichen  Pallium  wahr.  Auch  sind  auf  den 
Schultern  der  erz bischöf heben  Statue  keine  Andeutungen  ersichthch, 
dass  mittelst  einer  Nadel  von  edlem  Metall  auf  den  beiden  Schulter- 
thcilen,  dessgleichen  auf  dem  Yordertheile  der  Brust  das  erzbischöf- 
hche  PaUium  befestigt  war.  Hingegen  sind  auf  den  Epitaphien 
im  Kölner  Dom  die  Darstellungen  mehi-erer  Erzbischöfe  ersicht- 
lich, die,  im  XIII.  und  XIV.  Jahrhundert  plastisch  augefertigt, 
drei  in  Stein  gemeisselte  acus  (epingles)  wahrnehmen  lassen, 
durch  welche  das  erzbischöfliche  Pallium  auf  dem  Vordertheile 
des  Messgewandes  an  di'ei  Stehen  befestigt  ist  Selbst  an  dem 
merkwürdigen  Messgewande  des  heiligen  Willigis,  das  heute  in  der 
Sakristei  der  St.  Stephanskirche  zu  Mainz  gezeigt  wörd,  sind 
sowohl  auf  beiden  Schultern  als  auch  vorn  auf  der  Brust  die 
beschädigten  Stellen  noch  deutlich  zu  ersehen,  in  welchen  mittelst 
reichverzierter  /ibidae  das  erzbischöfliche  Pallium  zeitweise  be- 
festigt zu  werden  pHegte.  Diese  Spuren  der  Anheftungen  des 
erzbischöl liehen  PaUiums  dm-ch  goldene  Spangen  sind  auch  auf 
jenem  Messgewande  von  phönicischer  Purpurseide  leicht  zu  erken- 
nen, mit  welchem  die  Leiche  des  grossen  Erzbischofs  Anno  von 
Göhl  im  Grabe  bekleidet  war,  und  das,  dem  auf  Seite  108  im 
II.  Bande  Gesagten  zufolge ,  zur  öffentlichen  Versteigerung  ge- 
langt, in  unsern  Privatbesitz  übergegangen  ist.  Da  Canonicus 
Dr.  Rock  in  seinem  oft  citirten  Werke:  ,,The  Church  of  onr  Fa- 
thers"  vol.  II,  sect.  XII,  pag.  126 — 159,  in  ausfühi-licher  Weise 
die  geschichthche  Entwicklung    und  liturgische  Bedeutung  der 


')  Es  ist  zweifelhaft,  ob  die  auf  unserei'  Abbildung  angedeuteten  Kreuz- 
chen, mit  welchen  das  Pallium  des  Erzbischofs  P.  von  Aspelt  verziert 
ist,  ursprünglich  in  dieser  Zahl  und  Form  auf  dem  Pallium  gemalt 
waren,  da  eine  neue  lUuminirung  der  Statue  1S34  stattgefunden  hat. 

^)  Diese  Spangen  werden  in  englischen  Schatzverzeichnissen  auch  firma- 
cula  oder  auch  spinulae  genannt. 


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Pallien  besprochen  hat,  da  ferner  vonPertsch^),  Ruinart  2),  Claude 
de  Vert^),  Du  Gange  (s.  v.  palHum)  tiefgehende  Untersuchungen 
über  dieses  hervorragende  Ornatstück  angestellt  worden  sind, 
unter  Hinweisung  auf  die  Zeit  und  den  Ort,  wann  nämhch  und 
bei  welcher  Gelegenheit  die  PaUien  und  von  welchen  Kirchenfüi'sten 
dieselben  anzulegen  seien,  so  können  wir  uns  hier  über  das  Ange- 
deutete kurz  fassen,  und  scheint  'es  zweckmässig,  nur  noch  einige 
allgemeinere  Angaben  über  die  symbohsche  Bedeutung,  dessgleichen 
über  das  Material  dieser  erzbischöflichen  Ornate  so^de  die  Weihe 
derselben  hier  anzureihen. 

Durandus  führt  bei  der  symbohsch-allegorischen  Deutung  des 
Palliums  nicht  nur  weiter  durch,  was  die  Farbe,  das  Material 
desselben,  sowie  die  nach  vorn  und  hinten  herunter  steigen- 
den langen  fasciae  zu  bedeuten  haben,  sondern  er  gibt  auch  in 
dem  betreffenden  Capitel  17  weiter  an,  dass  die  acus  oder  die  spinae, 
zur  Befestigung  des  erzbischöfüchen  Palliums  auf  dem  Messge- 
wande,  vergoldet  und  mit  Edelsteinen  verziert  gewesen  seien.  Auch 
setzt  er  die  Gründe  auseinander,  wess wegen  dieser  Ornat  nur  mit 
drei  fibulae,  nämlich  vorn  auf  der  Brust,  hinten  auf  der  Rückseite 
des  Messgewandes,  dessgleichen  auch  auf  der  hnken  Schulter  be- 
festigt wurde,  und  wesswegen  die  befestigende  Nadel  auf  der  rech- 
ten Schulter  gefehlt  habe*).  Noch  fügen  wir  hinzu,  dass  bis  zum 
Schluss  des  Mittelalters  die  erzbischöflichen  Pallien  in  der  Form 
und  Anlegungsweise,  wie  wir  auf  Tafel  XXVI,  Figur  1  abgebildet 
haben,  kaum  die  Breite  von  drei  Fingern  erreichte,  und  dass  in  der 
Textur  desselben  von  weisser  Wolle  sich  kleine  griechische  Kreuz- 
chen zeigten,  welche  meistens  in  dunkelrother  und  purpurner  Farbe 
angefertigt  waren,  wesswegen  dieselben  heute  in  schwarzer  Farbe 
gewirkt  zu  werden  pflegen^).  Erst  im  XVII.  Jahrhundert  erreichte 
das  Pallium  jene  verkürzte  Gestalt  und  Verzierungsweise,  wie  sie  heute 
noch  an  diesem  Ornatstück  beibehalten  worden  und  dieselbe  in  un- 
serer Abbildung  unter  Figur  3  auf  Tafel  XXVI  in  verkleinertem 


')  Tractatio  de  Origine,  Usu,  et  Auct.  Pallii  Archiep.  p.  20. 

^)  Disquisitio  Histor.  de  Pallio  Archiepiscop.,  ouvrages  posthumes  de  Ma- 

billon  et  de  Ruinart,  tom.  II,  pag.  400. 
^)  Explication  des  Ceremonies  de  l'Eglise,  tom.  II,  pag.   157 — 163. 

Paris  1741. 

■*)  Durandi  Rationale  Divinorum  Officiorum,  lib.  III,  cap.  17. 

Noch  zur  Zeit,  als  Cardinal  Bona  seine  zwei  Bücher  über  Liturgie 
schrieb,  scheinen  die  Kreuze  der  erzbischöflichen  Pallien  purpurfar- 
big gewesen  zu  sein.  Vgl.  Rerum  Liturgicarum  lib.  I,  cap.  24,  num.  16. 


—   193  — 

Maassstab  veranschaulicht  sind,  lieber  die  heutige  Beschaffenheit 
des  Palliums,  wie  es  auf  Tafel  XXVI,  Figur  3  abgebildet  ist,  fügen 
wir  noch  hinzu,  dass  die  ausmündenden  Streifen  geradlinig  auf 
dem  Vordertheil  und  der  Rückseite  des  Messgewandes  herunter- 
hängen und  dass  dieselben  mit  kleinen  Wiederlagen  von  Blei  ver- 
sehen sind,  welche  diesen  beiden  hängenden  Streifen  eine  natür- 
liche Schwere  verleihen,  so  dass  das  Pallium  nach  seiner  Umlegung 
immer  in  richtiger  Lage  erhalten  wird.  Diese  beiden  schmalen 
Bleiplättchen  sind  ihrerseits  mit  schwarzer  Seide  überzogen,  damit 
das  schwärzHche  Material  des  Bleies  nicht  zum  Vorschein  tritt. 

Es  würde  zu  weit  vom  Ziele  ablenken,  wenn  hier  noch  weiter 
nachgewiesen  werden  sollte,  wie  sich  das  Pallium  in  der  griechi- 
schen Kirche  hinsichtlich  seiner  Gestalt  und  Verzierung,  dess- 
gleichen  rücksichthch  seiner  UmlegungsAveise  von  dem  der  lateinischen 
Kirche  unterscheidet.  Indem  liier  die  Schriftsteller  namhaft  gemacht 
werden,  die  diese  Unterscheidung  zum  Gegenstande  ausführlicher 
Studien  gemacht  habend),  bescliränken  wir  uns  hier  in  Kürze 
darauf,  noch  anzuführen,  in  welcher  Weise  das  Material  zur  An- 
fertigung der  Pallien  gewonnen  wird,  und  unter  welchen  Cere- 
monien  die  Weihe  derselben  vor  sich  geht.  Wie  als  bekannt  vor- 
auszusetzen ist,  wird  seit  den  Tagen  des  Mittelalters  das  Palhum 
als  alleiniges  liturgisches  Ornatstück,  das  aus  WoUenstoflf  angefer- 
tigt ist,  aus  feiner  weisser  Schafswolle  gewebt.  Um  diese  Wolle 
zu  gewinnen,  werden  in  Rom  am  Gedächtnisstage  der  heil.  Agnes 
in  der  Kirche  desgleichen  Namens  an  der  via  Nomentana,  bei 
Gelegenheit  der  feierhchen  Messe,  zwei  junge  Schafe  von  weisser 
Wolle  von  den  apostoUschen  Subdiaconen  dargebracht  und  ge- 
weiht. Alsdann  werden  sie  von  den  Reügiösen  eines  Nonnen- 
klosters gross  gezogen  und  gepflegt,  bis  die  Zeit  der  Schur 
herannaht.  Alsdann  wird  die  Wolle  dieser  geweihten  Schafe  ge- 
schoren, und  werden  aus  der  so  gewonnenen  Wolle  die  Pallien  ge- 
webt. Diese  werden  darauf  an  den  Vigüien  des  Festtages  der 
Apostel  Petrus  und  Paulus  nach  St.  Peter  hingesandt  und  auf  die 
irdischen  Ueberbleibsel  der  Apostelfürsteu  niedergelegt,  wo  sie  die 
Nacht  über  ruhen  bleiben.  Am  folgenden  Tage  werden  dieselben 
wieder  gehoben  und  unter  Verschluss  gelegt,  bis  sie  einem  neu 
creirten  Metropohten  feierlich  übergeben  werden. 


')  Morinus  de  Sacris  Ordinationibus  p.  2,  in  not.  ad.  graec.  ordin.  n.  19; 
ferner,  Joar  in  notis  ad  euchologium  pag.  312,  n.  8;  sodann  Hubertus 
ad  partern  secundam  liturgiae  ordin.  observat.  3. 


—    ]94  — 


12. 

Das  bischöfliche  Batiouale  (pectorale,  rationale  episeoporum). 

Unter  den,  dem  Hohenpriester  des  mosaischen  Altertliums 
mehr  oder  weniger  nachgebildeten  Gewändern,  wie  sie  der 
Bischof  heute  in  pontificalihus  trägt,  dürfte  wohl  keines  gefunden 
werden,  das  sich  hinsichtlich  seiner  Form  und  Verzierungsweise 
so  enge  an  das  prototypische  Xöyiov  anschhesst,  als  jenes  rationale 
episeoporum ,  das  bereits  in  der  Frühzeit  des  Mittelalters,  als 
auszeichnenden,  von  den  römischen  Päpsten  verliehenen  Ornat, 
einzelne  Bischöfe  der  lateinischen  Kirche  anzulegen  das  Vor- 
recht besassen.  Aber  auch  keines  der  verschiedenen  indumenta 
episcopalia  ist  hinsichtlich  seiner  Entstehung,  seiner  allgemein  fest- 
stehenden Form ,  Anlegungsweise  und  der  damit  verknüpften  kirch- 
lichen Gerechtsamen  von  so  dichtem  Dunkel  umhüllt,  als  gerade 
das  rationale  episeoporum,  das  dem  alttestamentarischen  koschen  in 
vielen  Einzelheiten  ziemlich  getreu  nachgebildet  war.  Schon  Euge- 
rius  Lugdunensis  und  Innocentius  III.  verbreiten  sich  ausführ- 
licher über  die  Form  und  Beschaffenheit  des  hohepriesterlichen 
rationale,  und  gewinnt  es  den  Anschein,  als  ob  dem  grossen  Inno- 
cenz  bei  der  Schilderung  des  alttestamentarischen  rationale  ein 
ähnliches  Ornatstück  vor  Augen  schwebte,  wie  es  in  seinen  Tagen 
einzelne  Bischöfe  des  Abendlandes  zu  tragen  die  Auszeichnung 
genossen.  Innocenz  III.  führt  nämlich  die  Beschreibung  des  rationale 
des  alten  Bundes  in  folgenden  Worten  durch  i):  „Dictum  est  Ra- 
tionale judicii,  quia  ibi  erat  lapis,  in  cujus  splendore  Deum  sibi 
esse  ijropitium  cognoscebant.  Erat  autem  Rationale  quadrangulum 
duplex,  de  quatuor  coloribus  auroque  contextum,  habens  duodecim 
lapides  per  ordines  quatuor  etc."  2).  Mit  dieser  allgemeinen  Be- 
schreibung des  alttestamentarischen  Brustschildes  stimmen  auch  so 
ziemhch  hinsichthch  ihrer  Form  und  Ausstattung  jene  wenigen 
bischöflichen  rationalia  überein,  die,  aus  dem  Mittelalter  herrührend, 
sich  bis  zui'  Stunde  noch  erhalten  haben,  und  auf  die  wir  im 
Folgenden  eingehender  zurückkommen  werden.   Forscht  man  nun 


Innocentius  III.,  lib.  I.  Myster.  Missae,  cap.  11. 

Vgl.  die  eingehende  Beschreibung  dieses  Rationale  nebst  dem  Ephod 

des  Hohenpriesters  in  dem  I.  Baude  dieses  Werkes  von  S.  375 — 383. 


—    195  — 


i  weiter  bei  altern  Schriftstellern,  welche  liturgische  Bedeutung  das 
rationale  episcoporiim  gehabt  habe,  welche  Gestalt  und  Ausstattung 
es  zeige,  so  deutet  in  allgemeinen  Zügen  Menardus au,  dass  es 

I  übereinstimmend  mit  dem  Kationale,  dessen  sich  die  Hohepriester 
im  alten  Bunde  bedienten,  irgend  eine  reichere  Brustzierde  gewesen 
sei.  Obgleich  des  rationale  episcoporum  vor  dem  IX.  Jahrhundert 
nirgends  Erwähnung  geschieht,  so  scheint  es  doch  bereits  im  X. 
Jahrhundert  häufiger  in  Gebrauch  gewesen  zu  sein,  indem  der  Codex 
des  Abtes  Rotaldus  von  Corvey  bei  der  Feier  der  Pontiticalmesse  am 

l  Ostertage  ausdrücklich  angibt:  „Postea  (d.  h.  nach  Anlegung  der 

'  übrigen  Pontificalgewänder)  ministretur  ei  casula.  Tandem  vero 
Rationale,  cohaerens  iunctim  superhuiucrali."    Hiermit  steht  auch 

I  im  Einklang  das,  was  Bischof  Ivo  von  Chartres  hinsichtlich  des 
Rationale  andeutet:  „Sunt  autem  ad  in vicem  concatenata  rationale 
et  humerale,  quia  cohaerere  sibi  invicem  debent  ratio  et  opera." 
Dass  wirklich  in  mehreren  französischen  Diöcesen  im  XH.  und  XHI. 
Jahrhundert  das  rationale  episcoporum  seiner  äussern  Gestalt,  Ver- 

j  zierungs-  und  Anlegungsweise  nach  so  beschaffen  war,  wie  es  Ivo 

i  von  Chartres  dem  eben  angeführten  Ausspruche  zufolge  andeutet, 
lässt  sich  klar  an  jenem  Bildwerke  der  Kathedrale  zu  Rheims 

I  wahrnehmen,  das  wir  auf  Tafel  VI,  im  I.  B.  3.  Lief,  in  verkleiner- 
tem Maassstabe  wiedergegeben  haben.  Die  Statue  jenes  heil.  Kirchen- 
fürsten ist  mit  dem  vollen  Pontificalornat  bekleidet;  über  der 
Casel  und  im  Zusammenhang  mit  dem  rationale  Judicii,  in  getreuer 
Nachbildung  des  alttestamentarischen  koschen  mit  den  zwölf  ge- 
iässten,  ehemals  die  zwölf  Stämme  Israels,  an  dem  vorliegenden 
christlichen  Rationale  jedoch  die  zwölf  A])0stel  vorstellenden  Edel- 
steinen ,  erhebt  sich  das  Humerale ;  mit  dem  reichverzierten 
Kragen  des  Schultertuches,  den  man  plaga,  parura  nannte,  ist  das 
Rationale  vermittelst  kleiner  Kettchen,  wie  es  unsere  Abbildung 
auch  anzeigt,  in  Verbindung  gesetzt. 

I         Wir  stimmen  durchaus  mit  den  Ansichten  Mabillon's  überein, 

'  'wenn  er  zwischen  dem  pallium  romanum  und  pallium  gallicanum 
unterscheidet,  und  wenn  er  dafür  hält,  dass  das  galhkanische 
Pallium  seiner  Würde  und  Bedeutung  nach  dem  römischen  Pallium 
untergeordnet,  und  dass  lerner  das  rationale  episcoporiim  mit  dem 
pallium  gallicanum,  hinsichthch  seiner  Form  und  Ausstattung, 
sowie  seiner  hieratischen  Bedeutung  nach  identisch  gewesen  sei.  Noch 
sei  hinzugelügt,  dass  das  eben  gedachte  Bildwerk  an  der  Kathedrale 


•)  Menardus  ad  Hb.  Sacratnent.  Gregorii  Magni. 

14 


I 


—    196  — 


zu  Rheims  anscheinend  mit  einem  solchen  galHkanischen  Palhum, 
das  hinsichtUch  seiner  Form  von  den  heut  noch  erhaltenen  ratio- 
nalia  episcoporum  auf  deutschem  Boden  bedeutend  abweicht,  beklei- 
det sein  dürfte. 

Sicherlich  würde  bei  den  altern  Scliriftstellern,  dessgleichen 
auch  bei  den  Liturgikern  aus  den  letzten  zwei  Jahrhunderten,  nicht 
soviel  Unsicheres  und  Schwankendes  hinsichtlich  des  heute  fast 
gänzhch  ausser  Gebrauch  gekommenen  rationale  angegeben  wor- 
den sein,  wenn  man  darauf  Bedacht  genommen  hätte,  die  damals 
noch  vorhandenen  bischöflichen  Schultergewänder,  bei  der  Unter- 
suchung, welche  Gestalt  und  Bedeutung  dieses  bischöfhche  Ornat- 
stück gehabt  habe,  näher  in  Betracht  zu  ziehen.  Dann  würde  auch 
die  heute  noch  unerledigte  Frage  vielleicht  zum  Austrag  gelangt 
sein,  ob  das  gallikanische  Pallium  identisch  mit  unserm  rationale 
episcoporum  ein  förmliches  Schulterkleid,  ähnlich  dem  alttesta- 
mentarischen ephod  gewesen  sei,  mit  welchem  das  an  der  Rheimser 
Statue  befindliche  Brustschild  (vergleiche  Tafel  VI,  I.  B.  3.  Lief.)  in 
Verbindung  gesetzt  wurde,  oder  ob  dasselbe  nm-  aus  dem  gol- 
denen mit  den  zwölf  Edelsteinen  verzierten  Pectoralstück  bestan- 
den habe,  welches  einfach  mit  dem  reichgestickten  Kragen  am 
Schultertuch  vermittelst  Kettchen  verbunden  wurde.  Bei  den  ratio- 
nalia  deutscher  Bischöfe,  so  viele  deren  sich  heute  noch  erhalten 
haben,  ist  das  reich  gestickte  Schulterkleid,  eine  Nachbildung 
des  alttestamentarischen,  Hauptsache,  und  das  damit  in  Verbin- 
dung stehende  goldene  Brustschild  in  Wegfall  gekommen. 

Stellt  man  das,  was  Ruinart  in  seiner  Abhandlung  über  die 
erzbischöfhchen  pallia,  dessgleichen  auch  über  die  rationalia  epis- 
coporum angeführt  hat,  mit  den  Angaben  zusammen,  die  sich 
bei  Marlot  in  seiner  Beschreibung  der  Kirchenschätze  von  Rheims 
über  das  ehemals  dort  befindliche  bischöfliche  Schulterkleid  finden, 
so  ergibt  sich,  dass  hinsichtlich  seiner  Gestalt  und  seines  üturgi- 
schen  Ranges  das  rationale  episcoporum  dem  erzbischöflichen  pallium 
untergeordnet  war,  und  ferner,  dass  das  Tragen  dieses  rationale 
durch  einen  päpsthchen  Indult  verschiedenen  Bischöfen  des  Abend- 
landes gestattet  wurde.  Indem  hier  die  Frage  unerörtert  bleibt, 
ob  bei  dem  französischen  Episcopat  im  frühen  Mittelalter  der  Ge- 
brauch des  gallicanischen  Palliums,  gleichbedeutend  mit  unserm 
rationale  allgemein  in  Gebrauch  war^),  fügen  wir  nur  in  Kürze  an, 


')  Die  missa  vetus  des  Abtes  Ratold  von  Corvey,  dessgleichen  auch  eine 
alte  missa  ab  Illyrico  edita  scheinen  dieses  andeuten  zu  wollen. 


—    197  — 


dass,  soviel  uns  bekannt  ist,  in  Deutschland  seit  alten  Zeiten  die 
Bischöfe  von  Lüttich,  Eichstädt,  Regensburg,  Salzburg,  Paderborn, 
Bambei-g,  dessgleichen  auch  die  Bischöfe  von  Krakau,  dieses 
rationale  zu  tragen  das  Recht  hatten. 

Ein  näheres  Interesse  hat  für  unsern  vorliegenden  Zweck  die 
Frage:  wo  haben  sich  heute  noch  jene  seit  dem  XI.  Jahrhundert 
vielfach  in  Gebrauch  genommenen  bischöflichen  Schultergewänder 
des  Mittelalters  erhalten,  und  welche  Gestalt  und  künstlerische  Be- 
schaffenheit haben  dieselben  aufzuweisen?  Im  Allgemeinen  muss  ge- 
sagt werden,  dass,  wie  dies  auch  einige  mit  dem  Rationale  bekleideten 
Figuren  unter  den  Miniaturbildern  im  Pontificale  des  Bischofs  Gun- 
decar  zu  Eichstaedt  deutlich  bekunden  i),  das  bischöfliche  Rationale 
als  ein  dem  Palhum  ähnliches  Gewand  über  der  Casula  des  poutiü- 
cirenden  Bischofes  getragen  wurde.  Der  Schiütt  und  die  Verzierungs- 
weise desselben  war  jedoch  in  den  verschiedenen  Diöcesen  je  nach 
den  Zeitläuften  verschiedenartig.  Nach  den  heute  noch  erhaltenen 
rationalia  des  Mittelalters  zu  urtheilen,  bestand  dieser  Ornat  aus  zwei 
anscheinend  getrennten  Gewandstücken,  die  durch  je  ein  kreisförmi- 
ges stoffliches  Ornament  auf  beiden  Schultern  zusammengehalten 
und  in  Verbindung  gesetzt  wurden.  Diese  beiden  Theile  des  Ra- 
tionale bedeckten  gleichmässig  den  Rücken  und  die  Brust  des  pon- 
tificirenden  Bischofes,  und  mündeten  auf  jeder  Seite  in  zwei  klei- 
neren Streifen  ligulae ,  stolae  aus ,  die ,  sowie  der  breitere 
Gewandstoff  auf  Brust  und  Rücken,  entweder  durch  eingestickte 
Inschriften  und  Ornamente,  oder  aber  durch  Heiligenfiguren  bild- 
hch  verziert  waren.  Eines  der  ältesten  bischöflichen  Schulter- 
kleider  findet  sich  heute  noch  im  Schatze  des  Domes  zu  Regens- 
burg vor,  und  ist  dieses  interessante  Ornatstück  auf  Tafel  V,  I.  B. 
3.  Lief.,  in  verkleinertem  Maassstabe  von  seiner  vordem  Seite  aus 
bildlich  wiedergegeben  worden.  Hier  soll  nur  eine  kurzgedrängte 
Beschreibung  desselben  folgen;  eine  ausfülirliche  Besprechung  und 
Abbildung  dieses  seltenen  Ornates  überlassen  wir  der  kundigen 
Feder  des  Herrn  Prof.  Jacob  in  Regensburg.  Wie  unsere  skizzirte 
Abbildung  auf  Tafel  V,  I.  B.,  erkennen  lässt,  dienen  die  zwei 
kreisförmigen  Schildchen  als  Schulterstücke  dazu,  die  beiden  plague 
des  rationale  zusammen  zu  halten,  deren  eine  die  Brust,  die  an- 


•)  Wir  verdanken  die  Durchpausen  dieser  Abbildungen,  veranschaulicht 
auf  Taf.  XXVII,  der  Zuvorkommenheit  des  Herrn  Prof.  Dr.  Sighart 
zu  Freising.  Vergl.  darüber  dessen  Bericht  in  der  Geschichte  der 
bildenden  Künste  in  Bayern  S.  145. 

13* 


—    198  — 


dere  den  Rücken  des  bischöflichen  Trägers  bedecken.  Auf  dem 
vordem  Theüe  des  superhumerale  sieht  man,  wie  unsere  Skizze  in 
stark  verkleinertem  Maassstabe  es  andeutet,  eine  Darstellung  aus 
der  geheimen  Offenbarung,  nämlich  das  apokalyptische  Lamm  mit 
dem  Banner  der  Auferstehung  und  in  der  Umkreisung  die  Worte : 
«Dignus  es  aperh-e  hbrum  et  signacula  ejus«;  über  demselben  ist 
der  Herr  in  der  Herrhchkeit  ersichtUch,  wie  er  auf  dem  Himmels- 
bogen  sitzt  und  in  der  Rechten  das  mit  drei  signacula  geschlossene 
geheimnissvolle  Buch  emporhält.  Die  majestas  Domini  umgeben 
auf  dem  mittlem  Bruststück  die  vier  Symbole  der  Evangelisten, 
dazwischen  sind  die  Halbbilder  von  vier  Engeln  gestickt,  welche 
Sprüche  halten;  unter  diesen  bemerkt  man  einen  Engel,  der,  sei- 
nem Spruchbande  zufolge,  dem  dabei  befindlichen  Evangehsten 
Johannes  zuruft:  «scribe«  Die  vier  geradlinig  herunterhängenden 
Stolen  unseres  rationale  sind  mit  je  drei  gestickten  Halbfiguren  der 
Apostel  verziert,  deren  Namen  jedesmal  in  dem  darüber  befind- 
lichen Rundbogen  ersichtlich  sind.  Die  kreisrunden  Schulterblätter 
zeigen  je  sechs  gestickte  Halbbilder  der  zwölf  Stämme  Israels,  er- 
kenntlich an  den  dabei  gestickten  Namen.  Gleichwie  das  alte  und 
neue  Testament  durch  die  eingewirkten  Bildwerke  der  zwölf  Stämme 
und  der  zwölf  Apostel  in  dem  Regensburger  Superhumerale  ver- 
treten ist,  so  ist  diese  Wechselbeziehung  des  alten  zu  dem  neuen 
Testamente  auch  noch  in  den  engern  Kreisen  mitten  auf  den  run- 
den Schulterstücken  durch  je  zwei  allegorische  Figuren  zur  An- 
schauung gebracht,  welches  die  eingestickte  Inschrift  des  84.  Psal- 
mes,  V.  11,  « misericordia  et  veritas  obviaverunt  sibi  et  justitia 
et  pax  osculatae  sunt«,  näher  erklärt.  Diese  allegorisch  mystischen 
Darstellungen  werden  durch  die  Bildstickereien  auf  der  mittlem 
Fläche  der  Rückseite  des  bischöflichen  Schultergewandes  zum 
Abschluss  gebracht,  indem  hier  das  ferculum  Salomonis  sinnig  dar- 
gestellt ist.  Unter  dem  architektonisch  reich  konstruirten  Thron, 
getragen  von  den  columnis  argenteis,  vorstellend  die  dabei  gestick- 
ten Bilder  der  beiden  Apostelfürsten  Petrus  und  Paulus,  erbhckt 
man  das  Halbbild  des  Heilandes;  in  der  scheda,  die  von  der 
Hand  des  Herrn  ausgeht,  liest  man  die  Worte :  «pacem  meam  do 
vobis«.  Zu  Häupten  desselben  lautet  die  andere  Inschrift:  «ego 
sum  via,  veritas  et  vita«. 

Ein  zweites,  nicht  weniger  merkwürdiges  bischöfliches  Schul- 
terkleid ,  das  vielleicht  noch  um  zwei  Jahrzehnte  älter  als  das 
Regensburger  Rationale  anzusetzen  sein  dürfte ,  fanden  wir  vor 
wenigen  Jahren   zu  unserer  nicht  geringen  Ueberraschung  im 


—    199  — 


Schatze  zu  Bamberg  bei  der  Gelegenheit  vor,  als  wir  daselbst 
die  aus  den  Tagen  Heinrichs  II.  herrührenden  Kaisergewänder 
abzeichnen  hessen. 

Unter  den  fünf  dortigen  planetae  in  der  Form  des  XI.  und 
XII.  Jahrhunderts  fand  sich  in  der  eben  gedachten  Schatzkammer 
auch  eine  casula  aus  dunkelblauem  tigurirtem  Damast  angefertigt. 
Obgleich  dieses  Damastgewebe  des  XV.  Jahrhunderts  den  alten 
Purpurstoff  des  ehemahgen  faltenreichen  Messgewandes  ergänzt, 
so  ist  nachträglich  auf  den  Damaststoff  gegen  Schluss  des 
Mittelalters  eine  alte  aurifrisia  in  Form  eines  Y  als  Nachahmung 
des  Palliums  übertragen  worden.  Bei  dieser  Uebertragung  hat 
man  auch  eine  interessante  figurale  Stickerei  als  Ornament  zu 
verwertlien  gesucht,  um  die  beiden  Seiten  dieser  casula  in  Gold- 
stickereien zu  verzieren.  Als  wir  die  einzelnen  Ornamente  und 
den  Zusammenhang  der  kleinen  in  Gold  gestickten  Bildwerke 
auf  dem  Vorder-  und  Hintertheil  des  Bamberger  Ornates  näher 
in  Untersuchung  zogen,  wurde  es  ims  sofort  einleuchtend,  dass 
diese  Goldstickereien  ehemals  einen  selbstständigen  Ornat  in  Form 
eines  Rationalc's  gebildet  haben,  und  dass  dieselben  hinsichthch 
der  Anordnung  der  vielen  eingestickten  Bildwerke  ziemlich  mit 
jenen  rationulia  übereinstimmten,  die  wir  anderwärts  in  Augen- 
schein genommen  hatten.  Bei  der  Seltenheit  der  heute  noch 
vortindlichen  bischöflichen  Schultergcwänder  unterlassen  wir  es 
nicht,  den  unerwarteten  Fund  für  die  Alterthuniswissenschaft 
dadurch  nutzbar  zu  machen,  dass  wir  auf  Tafel  XXVI  eine 
verkleinerte  Abbildung  dieses  Bamberger  Rationale  unter  Figur  4 
folgen  lassen.  Wenn  diese  Zeichnung  in  den  vielen  Einzelheiten 
nm-  skizzenhaft  augedeutet  werden  konnte,  so  ist  das  dem  Um- 
stände zuzuschreiben,  dass  das  mittelalterhche  Ephod  zu  Bam- 
berg durch  den  Zahn  der  Zeit  sehr  entstellt  ist,  und  Figuren  und 
Inschriften  desselben  an  vielen  Stellen  durchaus  unlösbar  geworden 
sind.  Auf  der  einen  Seite  unseres  Ornates,  die  noch  am  besten 
sich  erhalten  hat,  ersieht  man  das  apokalyptische  Lamm  in  einer 
grössern  Umkreisang,  von  dessen  Haupt  aus  zwölf  Strahlenbäche 
sich  ergiessen.  Dieses  mystische  agnus  occisionis  ist  von  ziemlich 
uuleserhchen  Sinnsprüchen  in  Gold  gestickt  umgeben,  dessgleichen 
an  den  vier  Seiten  von  den  Symbolen  der  vier  Evangehsten. 
Ueber  dem  Lamme  erbhckt  man,  von  einer  7nandorla  eingefasst, 
die  majestas  Domini,  und  zu  beiden  Seiten  die  Halbfiguren  zweier 
Engel,  die  die  Posaune  des  Gerichtes  blasen.  Diesen  mittlem  Thcil 
des  ehemaligen  Schultergewandes  umgeben  in  Kreisform  gleichsam  zwei 


—    200  — 


schildförmige  Bedeckungsflächen,  welche  die  Schultern  des  Trägers 
überragten.  Diese  beiden  Rundschilde  sind  durchaus  mit  kleinen 
goldgewirkten  Figuren  verziert,  deren  beigestickte  Namen  der  zwölf 
Stämme  Israels  deuthch  zu  erkennen  geben,  dass  diese  Schulter- 
stücke mit  ihren  figuralen  Stickereien  jene  beiden  Steine  des  hohe- 
priesterhchen  Ephod  als  Gegenstücke  ersetzen  sollten,  in  welchen 
sich  die  Namen  der  sechs  Stämme  eingegraben  befanden.  In 
einem  mittlem  kleinen  Kreise  nimmt  man  je  zwei  in  Gold  ge- 
stickte allegorische  Figuren  wahr,  ebenfalls  wieder  mit  der  Inschrift 
des  84.  Psalmes:  ,,Misericordia  et  veritas  obviaverunt  sibi,  justitia 
et  pax  osculatae  sunt')." 

Nicht  lange  Zeit  vorher,  als  auf  dem  Bamberger  Messgewand 
diese  Ueberreste  eines  ehemaligen  rationale  episcoporum  entdeckt 
wurden,  fand  Professor  Dr.  Sighart  aus  Freising  auf  dem  Schlosse 
Tissling  bei  Altötting  in  Bayern  ein  Ornatstück  vor,  dessen  Be- 
schreibung unser  verehrter  Freund  in  dem  B.  VI  Jahrg.  1859  des 
i)Kircheuschmuckes,  eines  Archives  für  weibhche  Handarbeit«,  in  all- 
gemeinen Umrissen  veröffentlicht  hat.  Dasselbe  soll  aus  Regensburg 
herstammen.  Von  dort  brachte  es  der  Bischof  Wilhelm  Graf  von 
Warteuberg  (1688)  zugleich  mit  vielen  Reliquien  und  Gefässen  nach 
TissKng  in  seine  Schlosskapelle,  von  wo  es  durch  Kauf  kürzlich  an 
das  B.  National-Museum  in  München  überging.  Dasselbe  hat 
grosse  Aehnhclikeit  mit  dem  Rationale  von  Regensburg;  der  Arbeit 
nach  scheint  es  eine  spätere  Copie  des  Regensburger  rationale  ab- 
gebildet auf  Taf.  V,  B.  I.  zu  sein.  Auch  der  Schatz  des  Domes  zu 
Eichstädt  bewahrt  heute  noch  ein  merkwürdiges,  ziemlich  gut  er- 
haltenes rationale  episcoporum,  dessen  Abbildung  auf  Tafel  XXVII 
in  ziemlich  verkleinertem  Maassstabe  wiedergegeben  ist.  Wie  die 
Abbildung  es  andeutet,  gehört  dieses  Ornatstück  bereits  dem  XV. 
Jahrhundert  an.  Die  figürlichen  und  ornamentalen  Stickereien,  mit 
welchen  dieses  Schulterkleid  verziert  ist,  weichen  insofern  von  den 
eingestickten  Ornamenten  der  im  Vorhergehenden  beschriebenen 
rationalia  ab,  als  durch  diese  Stickereien  nicht  mehr  so  sehr  die 
Parallele  mit  dem  Ephod  des  mosaischen  Alterthums  hinsichthch  der 


*)  Architekt  Fr.  Schmitt,  der  in  den  letzten  Jahren  zur  Hebung  und 
Pflege  christlicher  Kunst  Hervorragendes  in  der  Diöcese  Bamberg 
in  Verbindung  mit  dem  verstorbenen  Kallenbach  geleistet  hat,  würde 
der  kirchlichen  Alterthumswissenschaft  einen  grossen  Dienst  erweisen, 
wenn  derselbe  eine  genaue  Abzeichnung  und  Beschreibung  des  eben  kurz 
angedeuteten  Bamberger  rationale  in  nächsten  Zeiten  veranstalten  liesse. 


—    201  — 

Darstellungen  eingehalten  wü-d.  Es  sind  nämlich  auf  den  schild- 
förmigen Rundungen,  welche  als  Achselstücke  die  Schultern  des 
celebrirenden  Bischofes  bedecken,  die  beiden  Halbbilder  des  hl. 
Bonifacius  und  des  hl.  Willibaldus,  Bischofes  von  Eichstädt  darge- 
stellt, deren  Namen  durch  beigestickte  Buchstaben  bezeichnet  sind. 
Die  übrige  Umkreisung  ist  durch  stylisirte  Wolken,  in  Perlen  gestickt, 
ausgefüllt.  Unter  dem  Bilde  des  hl.  Bonifacius  erblickt  man  das  seit 
den  Tagen  des  hl.  Wühgis  adoptirte  Wappenschild  des  Mainzer 
Metropoliten,  nämhch  das  bekannte  Rad  mit  seinen  Speichen  auf 
goldenem  Feldg,  und  unter  dem  Bilde  des  hl.  Willibaldus  das  Wappen 
des  Bisthums  Eichstädt,  drei  übereinander  ausschreitende  rothe 
Löwen  in  goldenem  Felde.  Auf  der  Vorderseite  des  Schulter- 
kleides mit  seinen  zwei  nach  unten  fallenden  fasciae  ersieht  man 
nahe  am  äussersten  Rande  ornamentale  Perlstickereien ,  welche 
streifenförmig  eine  mittlere  goldene  Fläche  einfassend,  gleichsam 
als  Spruchband  dazu  dienen,  einen  Raum  zu  schaffen,  auf  welchem 
ebenfalls  in  Perlen  gestickt  die  Namen  der  drei  göttlichen  Tugen- 
den ersichtlich  sind.  In  dem  horizontalen  Streifen  auf  der  Vor- 
derseite des  Rationale  liest  man  nämhch  in  Versalbuchstaben 
gestickt  die  Worte:  FIDES,  SPES,  CARITAS. 

In  den  schmalen  Stolen  an  der  vordem  Seite  gewahrt  man, 
ebenfalls  in  Perlen  ausgeführt,  die  Namen  zweier  Kardinaltugenden, 
nämlich  der  JUSTITIA  und  der  FORTITUDO;  auf  der  Kehrseite 
folgen  die  beiden  andern  Kardinal-Tugenden  ebenfalls  in  Majuskel- 
Buchstaben  gestickt,  die  PRUDENTIA  und  die  TEMPERANTIA. 

Wie  die  beiden  auf  den  ausmündenden  Theilen  unseres  bischöf- 
lichen Schulterkleides  gestickten  Wappen  besagen,  stammt  dasselbe 
zugleich  mit  den  silbervergoldeten  pendilia,  die  dasselbe  in  Form 
von  Glöckchen  verzieren,  aus  jenen  Tagen,  als  Bischof  Johann  von 
Aich  (c.  1460)der  Eichstädter  Kirche  vorstand.  Den  Abbildungen  unter 
Fig.  2  bis  6  auf  Tafel  XXVII  zufolge,  welche  verschiedene  Bischöfe 
von  Eichstädt  im  vollen  Pontificalschmuck  darstellen,  dürften  sich 
verschiedenartig  gestaltete  bischöfliche  rationalia  im  Schatze  der 
gedachten  Kathedrale  in  den  verschiedenen  Zeitläufen  vorgefunden 
haben.  Wir  lassen  die  Frage  hier  unentschieden,  ob  bei  dem  Amts- 
antritt eines  neuen  Bischofes  für  den  Nachfolger  ein  neues  bischöf- 
liches Schulterkleid  angefertigt  zu  werden  pflegte,  indem,  wie  das 
beim  erzbischöflichen  Pallium  der  Fall  ist,  das  Superhumerale  dem 
verstorbenen  Bischöfe  mit  in's  Grab  gegeben  wurde.  Das  Eich- 
städter Schulterkleid  wird  heute  noch  vom  Bischöfe  an  Festtagen 
.  getragen.  Ein  älteres  rationale  der  Bischöfe  Eichstädts  soll,  geschicht- 


» 


—    202  — 


liehen  Nachrichten  zufolge,  von  Bischof  Berthold  als  Administrator 
der  Diöcese  Regensbuvg  in  die  Domkirche  der  letztgedachten  Stadt 
übertragen  und  hier  ziirückgelassen  worden  sein.  Wie  uns  von 
zuverlässiger  Seite  mitgetheilt  wurde,  ist  jenes  heute  noch  im 
Domschatze  von  Regensburg  aufbewahrte  Schulterkleid,  abgebildet 
auf  Tafel  V,  I.  B.  3.  Lief.,  und  beschrieben  auf  Seite  198,  das  von 
Bischof  Berthold  herrülirende  Schultergewand. 

Da  sich  also  bereits  ein  reich  gesticktes  Superhumerai  im  Regens- 
burger Schatz  befand,  so  ist  es  erklärlich,  dass  der  früher  erwähnte 
Bischof  Wilhelm  von  Wartenberg  gegen  Schluss  des  XVII.  Jahrhun- 
derts ein  zweites,  damals  in  den  Gewandschränken  des  Domes  zu 
Regensburg  vorfindliches  rationale,  das  als  Copie  des  ersten  wahr- 
scheinlich für  die  Bischöfe  Regensburgs  angefertigt  worden,  in  die 
Schlosskapelle  von  Tissling  übertragen  konnte.  Mit  den  unter  Figur  2 
bis  6  abgel)ildeten  rationalia,  vorfincUich  im  Pontificale  Gundecars  zu 
Eichstädt,  stimmt  auch  hinsichtlich  seiner  Form  und  Verzierungs  weise 
jenes  bischöfliche  Schultergewand  überein,  mit  welchem  die  Statue 
des  Erzbischofs  Konrad  von  Weinsberg  auf  dessen  Grabmonument 
im  Dom  zu  Mainz  (Vgl.  Taf.  XXVI,  Fig.  2)  bekleidet  ist.  Derselbe 
stand  dem  Mainzer  Erzstifte  vor  von  1390 — 1396.  Da  derselbe  als 
Erzbischof  d&sjus  pallii  besass,  mit  welchem  auch  seine  Vorgänger  be- 
kleidet waren,  so  dürfte  in  dieser  Darstellung  eines  Superhumerale 
eine  künstlerische  Licenz  des  betreffenden  Bildhauers  zu  erkennen  sein. 

Einige  Jahrzehnte  früher  als  das  Tafel  XXVII,  Figur  1  abge- 
Inldete  bischöfliche  Schultergewand  zu  Eichstädt  Entstehung  fand, 
wurde  von  der  Hand  der  Königin  Hedwig  von  Polen,  einer  Tochter 
Ludwigs  des  Grossen,  Königs  von  Ungarn  und  Polen,  gegen  Scliluss 
des  XIV.  Jahrhunderts  ein  anderes  rationale  episcoporum  für  den 
Schatz  der  Kathech'ale  von  Krakau  ebenfalls  in  Perlstickerei  an- 
gefertigt, das  in  seiner  Gestalt  von  den  Schultergewändern,  die 
sich  in  deutschen  Diöcesen  noch  erhalten  haben,  durchaus  abweicht. 
Es  wird  nämlich  dieser  Ornat,  der  sich  heute  noch  in  dem  reich- 
haltigen Schatze  des  Domes  von  Ki-akau  vorfindet,  von  zwei  schmä- 
lern Bandstreifen  in  der  Form  und  Verzierungsweise  der  Stolen 
an  bischöflichen  Miteni  gebildet,  die  sich  auf  der  Brust  und  auf 
dem  Rücken  durchkreuzen.  Auf  diesen  Kreuzungspunkten  wird  das- 
selbe von  einem  in  Gold  gestickten  RundmedaiUon  zusammenge- 
halten, auf  welchem  ein  »Agnus  Dei«  ersichtlich  ist.  Der  ganze 
Tiefgi'und  ist  mit  feinen  Perlen  bestickt;  säuimtliche  Abtrenmings- 
streifen  sowie  die  eingestickten  Buchstaben  sind  in  Goldfäden  aus- 
geführt.   Auf  den  beiden  Bandstreifen,  die    schräg  ansteigend 


—   203  — 


Brust  und  Schultern  des  pontificirenden  Bischofs  bedecken,  liest 
man  in  goldenen  Versalbuchstaben  gewirkt,  und  zwar  auf  der 
rechten  Seite  die  Worte:  »Prudentia  Simplicitas«.  Ferner  erblickt 
man,  ebenfalls  in  Goldfäden  auf  den  hinteren  Stolen  gestickt,  den 
Namen  der  königlichen  Schenkgeberin,  nämlich  die  Bezeichnung  » 
»Hedwigis  Regina«.  An  den  Ausmündungen  der  Stolen  sind 
dichte  Fransen  in  Goldfäden  angebracht  und  darüber  die  Wappen 
der  Königreiche  Polen  und  Ungarn ,  dessgleichen  auch  die  goldenen 
Lilien  auf  blauem  Feld,  das  heraldische  Abzeichen  der  neapolita- 
nischen Anj^u's.  Wie  dieses  Graf  Przezdziecki  in  seinem  beschrei- 
benden Text  des  Krakauer  Rationale  ausdrücklich  hervorhebt, 
nahmen  die  Bischöfe  von  Krakau  das  jus  pallii  seit  den  Tagen 
Benedict's  IX.,  und  zwar  auf  Grundlage  der  Schenkungen  dieses 
Papstes  vom  Jahre  104G  an  den  damaligen  Bischof  Aaron  von 
Krakau  in  Anspruch,  dem  der  Titel  eines  Erzbischofs  verliehen 
worden  sei.  Indessen  genehmigten  die  BuUeu  Papst  Urban's  III., 
Gregor's  IX.  und  Alexander's  IV.  diesen  Titel  und  Vorrang  nicht, 
sondern  wiesen  den  Bischöfen  von  Krakau  den  ersten  Platz  nach 
dem  Metropolitan-Erzbischof  an.  Seit  dieser  Zeit  fahren  die  Bi- 
schöfe von  Krakau  fort,  sich  eines  pallmm  episcopale  in  Form  jenes 
rationale  zu  bedienen,  wie  wir  es  eben  kurz  besprochen  haben  und 
wie  es  in  dem  Prachtwerke  des  Grafen  Przezdziecki  abgebildet  und 
beschrieben  ist. 

Auch  die  Bischöfe  von  Lütticli  genossen,  dem  Eingangs  Ge- 
sagten zufolge,  das  Ehrenvorrecht,  sich  des  rationale  zu  bedienen. 
Wie  Rainart ' )  in  seiner  Abhandlung  über  das  erzbischöfliche 
Pallium  erwähnt,  verlieh  Papst  Innocenz  II.  dem  Bischof  Adal- 
bert II.  von  Lüttich  das  Recht,  sich  des  rationale  bei  jenen  Pon- 
tificalmessen  bedienen  zu  dürfen,  in  welchen  die  Erzbischöfe 
das  Pallium  zu  tragen  pflegen''').  Leider  hat  der  reichhaltige 
Schatz  der  Kathedrale  von  Lüttich  nicht  nur  in  der  Verwüstung 
dieser  Stadt  durch  Karl  den  Kühnen  von  Burgund,  sondern 
auch  beim  Einbruch  der  französischen  Revolution  der  Art  gelitten, 
dass  mit  der  Zerstörung  der  altehrwürdigen  Kathedrale  von 
St.  Lambert,  auch  die  kostbaren  liturgischen  Ornate  des  Mittel- 


')  Ouvrages  posthumes  de  Dom.  Jean  Mabilloii  et  de  Dom.  Th.  Kuinart. 

Benedict,  de  la  Congregat.  de  St.  Maur.  Disquisit.  histor.  de  pallio 

archiepiscop.  cap.  X,  pag.  45ti. 
^)  Charta  apud  Chapeolavillum  ad  cap.  40. 


—    204  — 


alters  mitsammt  dem  altern  rationale  episcoporum  spurlos  ver- 
schwunden sind.  Als  Reminiscenz  an  das  jus  superhumeralis  der 
Bischöfe  von  Lüttich,  die  der  Metropole  Cöln  \interstanden,  trägt 
heute  noch  das  prachtvolle  caput  pectorale,  welches  den  Schädel 
*  und  andere  Reliquien  des  Iii.  Lambert,  Bischofs  von  Lüttich, 
Mastricht  und  Tongern  umschliesst,  in  reich  verzierter  Weise 
das  rationale  episcoporum.  Auch  das  schöne  Standbild  des  hl. 
Lambert  in  der  St.  Servatiuskirche  zu  Maestricht,  das,  aus  dem 
XIV.  Jahrhundert  herstammend,  mit  dem  vollen  bischöflichen 
Pontificalornat  geziert  ist,  ist  mit  einem  auszeichnenden  rationale 
geschmückt,  welches  mit  dem  auf  der  silbervergoldeten  Büste 
desselben  Heiligen  aus  dem  Schatze  von  St.  Paul  in  Lüttich, 
seiner  Form  nach,  ziemlich  übereinstimmt.  Gleichwie  viele  Bi- 
schöfe in  dem  fränkischen  Gallien  und  Aquitanien  sich  seit  ältester 
Zeit  eines  auszeichnenden  Ornats  über  dem  Messgewande  bedien- 
ten, das  der  Auszeichnung  nach  dem  Pallium  des  Metropoliten 
untergeordnet  war  und  welches  unter  dem  Namen  pallium  galli- 
canum  grosse  Formverwandtschaft  mit  dem  Ephod  und  dem  Urim 
und  Thummim  des  alten  Testamentes  zeigte,  so  scheinen  im  XIL 
und  XIIL  Jahrhundert  auch  mehrere  Bischöfe  in  Deutschland  das 
Rationale  als  insigne  episcoporum  häufiger  in  Gebrauch  genommen 
zu  haben.  Es  will  sogar  den  Anschein  gewinnen,  als  ob  auch 
der  Diakon  zur  hieratischen  Unterscheidung  vom  Subdiakon  sich 
einer  Art  Rationale's  in  einigen  Kirchen  bedient  habe.  So  liest 
man  nämlich  in  dem  oft  citirten  Schatzverzeichniss  von  St.  Veit 
in  Prag  zum  Jahre  1387  folgende  Angaben  i): 

„Primo  rationale  de  perlis  pretiosis,  quod  ex  antiquo  repara- 
vit  dominus  Arnestus  archiepiscopus  pragensis.  Item  aliud  ratio- 
nale cum  perlis  plenum  et  cum  crucibus  nigris,  donatum  per 
imperatorem,  in  quo  deficiunt  multae  perlae.  Item  aliud  rationale 
diaconale  cum  perlis  parvis  et  capitibus  Draconum." 

Aus  der  Anführung  des  erstgenannten  Rationales  geht  her- 
vor, dass  der  erste  Metropolit  von  Prag,  Arnest  von  Pardubitz, 
ein  altes  gesticktes  Schultergewand,  mit  vielen  Perlen  verziert  im 
Schatze  vorgefunden  habe,  welches  auf  seine  Anordnung  von  Neuem 
hergestellt  und  wieder  zu  Ehren  gebracht  wurde.    Das  zweite 


')  Vgl.  das  Nähere  in  dem  oft  citirten  Schatzverzeichniss  von  St.  Veit 
vom  Jahre  1387,  wo  unter  der  Bezeichnung  »rubrica  rationalium« 
auch  die  Rubriken  mit  den  bischöflichen  Brustkreuzen,  Ringen  und 
Stäben  angeführt  werden. 


—    205  — 


Rationale,  das  wahrscheinlich  nach  der  Erhebung  der  Prager  Ka- 
thedrale zur  Metropolitankirche,  nach  vollzogener  Abtrennung  von 
der  Mainzer  Metropole,  durch  den  gebefreudigen  Carl  IV.  ange- 
fertigt wurde,  war  nach  dem  Wortlaute  des  Inventars  durchaus 
in  Perlen  gestickt  und  stellenweise  mit  schAvarzen  Kreuzchen  ver- 
ziert. Es  gewinnt  fast .  den  Anschein,  als  ob  unter  diesem  Rationale 
ein  reich  verziertes  pallium  zu  verstehen  gewesen  sei,  das  auf  Ge- 
heiss  Carls  IV.  als  Geschenk  für  seinen  Freund,  den  zum  Erz- 
bischofe  erhobenen  Arnest,  angefertigt  worden  ist.  Das  zuletzt 
angeführte  yntionale  diaconale  scheint  eine  bewegliche  Pectoralver- 
zierung  gewesen  zu  sein,  die  an  Festtagen  von  dem  Diakon  in 
ähnlicher  Weise  angelegt  wurde,  wie  auch  der  celebrirende  Bischof 
das  Rationale  zu  tragen  pflegte. 

13. 

Die  metallischen  Insignien  der  bischöflichen  Würde, 
a.  Der  Ring  (annulus). 

Im  Vorliegenden  ist  uns  zunächst  die  Aufgabe  gestellt,  den 
bischöflichen  Pontificalornat,  insofern  er  aus  gewebten  und  gestick- 
ten Zeugen  besteht,  hinsichtlich  seiner  Entstehung  und  seiner 
weitern  Entwicklung  chronologisch  zu  verfolgen.  Da  jedoch  ältere 
Liturgiker  bei  Beschreibung  der  indumenta  episcopalia  auch  die 
drei  metallischen  Kleinodien,  die  der  Bischof  als  besondere  Ab- 
zeichen seiner  Würde  ausser  den  übrigen  stofflichen  Ornaten  noch 
zu  tragen  das  Vorrecht  hat,  in  nähere  Untersuchung  ziehen,  so 
glaubten  wir,  der  Vollständigkeit  wegen,  es  nicht  unterlassen  zu 
dürfen,  diese  drei  eben  gedachten  metallischen  Kleinodienstücke 
kurz  zu  besprechen. 

Wenn  wir  hier  einige  allgemeinere  Angaben  über  Herkommen, 
Gestalt  und  Verzierungsweise  des  bischöflichen  Ringes  voraussenden, 
kann  es  unsere  Absicht  nicht  sein,  ausführlicher  darauf  hinzuweisen, 
dass  der  annulus  mysticus  als  Symbol  Gott  des  Sohnes  in  der 
altchristlichen  Kunst  und  im  Bildercyklus  des  Mittelalters  häufig 
angetroffen  wird^). 


*)  Wir  verweisen  hier  im  Vorbeigehen  auf  jenen  annulus  mysticus  als 
Lorbeerkranz,  der  sich  auf  der  Rückseite  des  Lotharkreuzes  im  Schatze 
zu  Aachen  eingravirt  vorfindet,   und   der  von  einer  Hand  aus  den 


—    206  — 


Was  zunächst  die  Ringe  von  edlem  Metall  betrifft,  so  ersieht 
man  aus  vielen  Stellen  des  alten  Testamentes,  dass  in  den  Zeiten 
des  alten  Bundes  sowohl  Ring  als  auch  Annspangen  getragen  zu 
w^erden  pflegten  i).  Aus  den  ältesten  Zeiten  der  christlichen  Kirche 
berichtet  uns  bereits  Clemens  von  Alexandrien,  dass  das  Tragen 
von  Ringen  auch  bei  den  Christen  seines  Zeitalters  allgemeiner 
Brauch  war^).  Als  heiTorragender  bischöflicher  Insignie  ge- 
schieht des  Ringes  ausdrückliche  Ei'wähnung  bereits  in  dem  alten 
ordo  romanus  und  in  den  ältesten  Sakranientalien  3).  Tritheim 
führt  bei  der  Lebensbeschreibung  des  hl.  Birins,  Bischofs  von 
Dorchester,  der  um  die  Zeit  Honorius  I.  gegen  Mitte  des  VII.  Jahr- 
hunderts lebte,  als  Thatsache  an,  dass  derselbe  nicht  nur  das 
Brustkreuz,  sondern  auch  den  bischöflichen  Ring  getragen  habe*). 
Auch  das  Sacramentarium  Gregor's  des  Grossen  schreibt  bereits 
die  Ceremonien,  die  bei  Ueberlieferung  des  bischöflichen  Ringes 
an  den  zu  consecrirenden  Prälaten  stattfinden,  vor.  In  dem  eben 
gedachten  Sacramentar  sjiricht  nämHch  der  consecrirende  Bischof 
bei  Ueberreichung  des  Ringes  an  den  Consecrandus  folgende  Worte : 
«Memor  sponsionis  et  desponsationis  ecclesiasticae  et  dilectionis 
Domini  Dei  tui  in  die  qua  assecutus  hunc  honorem,  cave  ne  obli- 
viscaris  illinc.  Accipe  ergo  annulum  discretionis  et  honoris,  fidei 
Signum,  ut  quae  signanda  sunt  signes,  et  quae  aperienda  sunt 
prodas,  quae  liganda  sunt  liges,  quae  solvenda  sunt  solvas.«  — 
Isidorus,  Erzbischof  von  Sevilla,  stimmt  hinsichtlich  der  mystischen 
Deutungen  der  bischöflichen  Ringe  mit  der  oben  angeführten  Aus- 
legung in  dem  Sacramentai'ium  Gregor's  des  Grossen  überem,  ver- 
mittelst der  Worte:  Datur  ei  anniüus  propter  signum  pontificaHs 
honoris  vel  signaculum  secretorum. 


Wolken,  der  Dextra  Manus  Dei  Omnipolentis  als  Symbol  der  ersten 
Person  in  der  Gottheit  gehalten  wird.  Von  diesem  mystischen  Ringe 
umgeben,  erblickt  man  ebenfalls  auf  der  Rückseite  des  Lothar-Kreuzes 
die  Taube,  das  bekannte  Symbol  der  dritten  Person  in  der  Gottheit. 

')  Isaias  III,  19—23. 

Clement.  Alexandrin.  Paedagog.  lib.  III,  cap.  11. 
Ob  der  hl.  Augustiiuis  im  IV.  und  V.  Jahrhundert  sich  eines  Siegel- 
ringes bedient  habe,  ist  dem  auf  Seite  208  Gesagten  zufolge  sehr 
wahrscheinlich.    Vgl.  August,  epistol.  217  ad  Victorinum  Episcopum. 

*)  Trithemius  de  Viris  Illustribus   Ordinis  Sancti  Benedicti,  lib.  III, 
cap.  140. 


—    207  — 


'  Das  vierte  Concil  von  Toledo '),  das  im  Jahre  633  gefeiert 

wurde,  verordnet  unter  Anderm,  dass  in  dem  Falle,  wo  der  Bischof 
ungerecht  seines  Amtes  entsetzt  und  seiner  Würde  entldeidet  wor- 
den sei,  zur  Herstellung  derselben  der  Ring  ihm  zurückerstattet 
werde.  In  dem  letzten  Wülen  Riculphs,  Bischofs  von  Eins,  vom 
Jahre  915  werden  unter  andern  geweihten  Zierrathen  auch  erwähnt, 
ein  goldener  Ring  mit  kostbaren  Steinen  ^).  Wenn  auch  angesehene 
litiu'gische  Schriftsteller,  wie  Alcuin,  Ammalarius  und  Rhabanus 
Maurus  vom  Rhige  als  hervorragender  bischöflichen  Insignie  keine 
Erwähnung^  thun,  so  ist  dadurch  doch  nicht  bewiesen,  dass  zu 
ihren  Zeiten  der  bischöfhche  Ring  in  der  Kirche  nicht  allgemein 
im  Gebrauche  war.  Liturgische  Schriftsteller  indessen,  deren 
Schriften  nicht  viel  jünger  als  die  der  ebengedachten  Autoren  an- 
zusetzen sind,  sprechen  von  den  bischöflichen  Ringen  und  deren 
liturgischem  Gebrauch  an  mehreren  Stellen.  Es  will  uns  schei- 
nen, dass  der  annulus  signatorius  bei  den  Bischöfen  im  Mittelalter 
nicht  immer  mit  dem  annulus  episcopalis  identisch  war.  Dass 
jedoch  zuweilen  auf  dem  bischöflichen  Ringe,  die  vorübergehend 
auch  als  Siegelringe  benutzt  worden  sind,  bildliche  Dai'stellungen 
als  intaglio  oder  als  camee  sich  vorfanden,  welche  vielleicht 
aus  dem  klassischen  Griechen-  oder  Römerthume  herrührend, 
Bilder  zeigten,  welche  mit  der  Würde  und  Bedeutung  des  bischöf- 
lichen Ringes  nicht  im  Einklang  standen,  ist  zu  entnehmen  aus 
einem  Erlasse  von  Papst  Innocenz  III.,  wodurch  vorgeschrieben  wurde, 
dass  auf  den  Edelsteinen,  mit  welcher  die  bischöflichen  Ringe  geziert 
waren,  keinerlei  eingeschnittene  oder  ei-haben  aufliegende  Bildwerke 
in  Anwendung  kommen  dürften.  Diese  Vorschrift  scheint  jedoch  nicht 
allgemein  von  den  Bischöfen  des  Abendlandes  bei  Anfertigung  der 
Pontiticalringe  beobachtet  worden  zu  sein. 

Was  die  ältesten  Ringe  betrifft,  die  bei  Erött'uung  bischöf- 
licher Gräber  gefunden  wurden,  so  ist  hier  anzuführen,  dass  vor 
einigen  Jahren  in  Pavia  das  Grab  des  grossen  h.  Kirchenlehrers 


')  Concil.  Tolet  IV:  »Si  episcopus  est,  orarium,  annulum  et  baculum 
coram  altari  de  manibus  episcoporum  recipiat.« 

^)  Vgl.  auch  das  Pontifical  Egberts,  Erzbischofs  von  York,  in  wel- 
chem die  Ceremonie  beschrieben  ist,  mit  welcher  der  Ring  dem 
Bischof  bei  seiner  Einweihung  unter  folgendem  Gebete  ül)ergpben 
wurde:  »Empfange  den  Ring  des  bischöflichen  Ranges,  dass  Du  mö- 
gest bewahrt  werden  bei  der  Vollkommenheit  des  Glaubens.« 


—    208  — 


Augustinus  eröffnet  und  dass  mit  einer  Partikel  für  Hippo  auch 
der  Ring  des  Heüigen  vom  Finger  genommen  ^vurde,  den  sich  der 
fi-anzösische  Bischof  als  Andenken  mitnahm !  Unter  Andern  berichtet 
auch  Du  Saussay,  dass  er  einen  solchen  Ring  des  Bischofes  Agilbert 
von  Paris,  der  im  VII.  Jahrhundert  starb,  bei  Auffindung 
seiner  Leiche  gesehen  habe.  Dieser  Pontificalring  war  von  Gold 
und  mit  einem  undurchsichtigen  Edelstein  verziert,  in  welchem 
das  Bild  des  Heilandes  und  das  des  hl.  Hieronymus  vertieft  ein- 
gegraben waren.  Zur  Zeit  des  ebengedachten  Berichterstatters 
wurde  noch  in  dem  Kloster  des  hl.  Victor  von  den  regulirten  Chor- 
herren des  hl.  Augustin  in  Paris  der  bischöfliche  Ring  des  heil. 
Leodegar,  Bischofs  von  Autun,  aufbewahrt,  der  im  Jahre  685  das 
Martyrium  erlitt.  Auch  in  der  Messe  des  Abtes  Rotaldus  von 
Corvey,  f  98G,  heisst  es  bei  der  Weihe  des  Bischofs:  Detur  ei 
annulus').  Aus  dem  XL  und  XII.  Jahrhundei't  lassen  sich  eine 
Menge  Belege  dafür  beibringen,  dass  bei  der  bischöflichen  Weihe 
die  feierhche  Uebergabe  des  bischöflichen  Ringes  unter  liturgisch 
vorgeschriebenen  Gebeten  selten  gefehlt  habe.  Um  von  den  vielen 
hier  einschlagenden  Citaten  nur  eines  anzuführen,  berichtet  Ro- 
dulphus  Glaber,  dass  es  von  Seiten  der  römischen  Päpste  alter 
Brauch  sei,  sogar  bei  Uebersendung  des  erzbischöflichen  Palliums 
auch  den  Pontificalring  beizufügen  2).  Ueber  die  symbohsch- 
mystische  Bedeutung  des  bischöfhchen  Ringes,  dessgleichen  auch 
betreffs  der  Uebergabe  desselben  bei  der  bischöfhchen  Weihe 
und  der  Gebete,  die  dabei  verrichtet  werden,  ist  das  Nähere  zu 
ersehen  bei  Innocenz  III. 3)  und  bei  Durandus"*),  dessgleichen  auch 
an  den  betreffenden  Stellen  des  cerenioniale  episcoporum. 

Diesen  allgemeinern  Andeutungen  über  das  Alter  und  den 
Gebrauch  der  bischöflichen  Ringe  sei  es  vergönnt,  hier  über  das 
Material,  die  Gestalt  und  künstlerische  Ausstattung  der  bischöf- 
lichen Pontificalringe  noch  einige  Angaben  folgen  zu  lassen.  Ael- 
tere  liturgische  Schriftsteller  haben  es  nicht  unterlassen,  mit  aller 
Ausführlichkeit  die  symbolischen  und  mystischen  Gründe  nachzu- 
weisen, wesswegen  die  bischöflichen  Ringe  seit  der  ältesten  Zeit 


')  Rupertus  Tuit.  lib.  I.  de  Divin.  Offic,  cap.  25.    —   Honorius  Augus- 

todun.  Gemma  Animae,  lib.  I.,  cap.  46. 

Rodulphus  Glaber  Histor.  lib.  V,  cap.  4. 
^)  Innocentius  III.,  lib.  I.  de  Missae  Mysteriis,  cap.  46. 
*)  Durandus,  Rationale  Divin.  Oftic.  lib.  III.,  cap.  14. 


—    209  — 


von  purem  Golde  angefertigt  wurden  Entweder  war  der  eigent- 
liche Ring  aus  Gold  gehämmert  ohne  Ciselirungen,  und  bloss  mit 
einem  ungeschliffenen  Edelsteine,  meistens  einem  Saphir,  einem 
Rubin  oder  einem  Smaragd  auf  seiner  obern  breitem  Ausdehnung 
verziert,  oder  aber  es  bestand  der  eigentliche  Ring  aus  ciselirten 
Ornamenten,  Pflanzen  oder  Thiergestalten  darstellend,  die  in 
ihrem  Zusammentreffen  der  Gemme  als  Fassung,  lectulum,  dienten. 
Wie  die  Ringe  aus  den  Jahrhunderten  unmittelbar  nach  der 
Völkerwanderung  in  Form  und  Dekoration  beschaffen  waren, 
dafür  dürften  jene  merkwürdigen  Ringe  zum  Belege  dienen,  die 
im  Jahre  1860  mit  andern  goldenen  Geschmeiden  in  einem  vor- 
christlichen Grabe  auf  der  Pusste  Bäkod  bei  Kälocsä  gefunden 
worden  sind.  Anstatt  der  Steine  auf  der  obern  Fläche  des  Ringes 
ersieht  man  hier  in  goldenen  Zellen  flach  eingelassene  bräunlich 
rothe  Glasflüsse,  die  das  Email  ersetzen  sollten.  In  ähnlicher  tech- 
nischer Ausführung,  die  sich  auch  in  gleichen  Formbildungen  an 
dem  kostbaren  Evangelistarium  der  Lougobardenkönigin  Theodoünde 
zu  Monza  vorfindet,  mögen  die  königlichen  und  bischöflichen  Ringe 
bei  jenen  halbcivilisirten  germanischen  Völkern  beschaöen  gewesen 
sein,  welche  nach  Ablauf  der  Völkerwanderung  sich  zum  Christen- 
thume  bekehrten.  Einen  merkwürdigen  könighchen  Ring  von 
Gold  mit  emaillirten  Ornamenten  besitzt  das  brittische  Museum, 
der  der  Inschrift  zufolge  von  Ethelwulf,  König  von  Essex  (reg.  83G 
bis  838)  herrühi't.  Wir  haben  diesen  Ring,  der  in  verwandten 
Formen  von  angelsächsischen  Bischöfen  in  der  Carolingerzeit  ge- 
tragen worden  sein  mag,  auf  Taf.  XXVIII  Fig.  1  bildlich  veranschau- 
Hcht.  Ein  anderer  bischöflicher  Ring,  aus  dem  Anfinge  des  XI.  Jahr- 
hunderts herrührend,  ist  in  den  Annales  Archeologiques  abgebildet 
und  beschrieben;  er  hatte  sich  im  Gi-abe  Gerhards,  Bischofes  von 
Limoges  (f  1022)  vorgefunden  2).  Diesen  Ring  aus  gediegenem  Golde 
haben  wir  auf  Taf.  XXVIII,  Fig.  2  bildlich  wiedergegeben,  und  fügen 
wir  hier  noch  hinzu,  dass  er  auf  seiner  obern  Fläche  eine  Kreuzes- 
form bildet,  bestehend  aus  vier  eingeschnittenen  Blättern,  die  jedes- 
mal eine ßeur  de  Iis  darstellen;  dieses  lilienförmige  Blattwerk  zeigt 


*)  Die  betreffenden  Angaben  befinden  sich  bei  Honorius  Augustodun., 
Innocenz  III.,  Durandus,  Duranti,  und  endlich  auch  in  dem  Dictionnaire 
d'orfevrerie  par  l'Abbe  Texier,  public  par  l'Abbe  Migne.  Paris  1857, 
ad  voc.  anneau  episcopal  pag.  139. 

^)  Annales  Archeologiques,  publies  par  V.  Didron,  tom.  X,  p.  170. 


—    210  — 


auf  seiner  Oberfläche  noch  einzelne  Spuren  von  Email.  Ein  anderer 
bischöflicher  Ring  aus  dem  Beginne  des  XIII.  Jahrhunderts,  dessen 
Authenticität  verbürgt  ist,  fand  man  1844  in  dem  Grabe  Hervee's, 
Bischofes  von  Troyes,  der  Eingangs  des  XIII.  Jahrhunderts 
starb  1).  Nimmt  man  an,  dass  die  bischöflichen  Ringe  des  XII. 
und  XIII.  Jahrhunderts,  was  ihre  formelle  und  artistische  Aus- 
stattung betrifft,  mit  den  königlichen  Ringen  derselben  E^ioche  grosse 
Formverwandtschaft  zeigten,  so  dürften  die  im  Grabe  Bela's  IL, 
Königs  von  Ungarn,  und  seiner  Gemahlin  aufgefundenen  Ringe,  die 
auf  Taf.  XXVIII  Fig.  3  abgebildet  sind,  dessgleichen  auch  die  eben  dort 
unter  Fig.  4  dargestellten  Ringe  der  Kaiserin  Constanze  IL,  Gemahlin 
Friedrichs  IL,  des  Hohenstaufen,  einige  Anhaltspunkte  gewähren, 
in  welcher  Einfachheit  der  Form  die  bischöflichen  Ringe  noch  in  der 
spätromanischen  Kunstepoche  beschaffen  gewesen  sein-  mögen. 

Gleichwie  bei  der  Weihe  des  Bischofs  dem  Consecrandus  ein 
goldener  mit  einem  Edelsteine  verzierter  Fingerring  unter  vorge- 
schriebenen liturgischen  Gebeten  vom  Consecrator  meistens  am  Zeige- 
finger angepasst  wurde,  und  derselbe  durch  Uebergabe  des  Ringes 
gleichsam  als  Bräutigam  mit  seinem  bischöflichen  Sprengel  symbolisch 
verbunden  wurde,  so  wurde  auch  den  deutschen  Königen  und  Kaisern 
bei  ihrer  feierHchen  Weihe  und  Krönung  ein  königlicher  Ring  unter 
entsprechenden  Gebeten  übergeben.  Noch  bis  zu  den  Tagen  Carls  IV. 
fanden  sich  zwei  kostbare  Pontificalringe  unter  den  übrigen  deut- 
schen Reichsldeinodien  vor,  die  hinsichtlich  ihrer  Ausstattung  und 
Gestalt  mit  den  bischöflichen  Ringen  der  damaligen  Kunstepoche 
übereinstimmend  gewesen  sein  dürften.  Ueber  die  Form  und  Be- 
schaffenheit dieser  schon  früh  in  Verlust  gerathenen  königlichen 
Ringe  haben  wir  in  unserem  Werke  der  deutschen  Reichskleinodien, 
und  zwar  im  Anhange,  Ausführliches  angegeben^).  Die  Ein- 
fachheit der  bischöflichen  Ringe,  wie  sie  an  ältern  Monumenten 
aus  dem  XL  und  XII.  Jahrhundert  ei'sichtlich  sind,  verschwin- 
det im  XIII.  und  XIV.  Jahrhundert  bei  der  reichern  Entwicklung 
der  übrigen  liturgischen  Ornate  mehr  und  mehr.  Zum  Beweise 
des  Gesagten  könnten  wir  hier  eine  Menge  von  Citaten  aus  den 


')  lieber  diesen  Ring  ist.  von  M.  Arnaud  eine  besondere  Monogfraphie 
nebst  Abbildung  erschienen. 

^)  Vgl.  »die  Kleinodien  des  heiligen  römischen  Reiches  deutscher  Nation, 
nebst  den  Kroninsignien  Ungarns,  Böhmens  und  der  Lombai-dei.«  An- 
hang, Seite  11  und  12.  Wien  1864. 


Schatzverzeichnissen  der  genannten  Jahrhunderte  anführen,  aus 
denen  hervorgeht,  dass  um  diese  Zeit  die  bischöflichen  Ringe  auf 
der  Oberfläche  mit  mehrern  Steinen  und  Perlen,  meistentheils  kreuz- 
weise geordnet,  verziert  waren.  Dieser  Reichthum  von  Edelsteinen 
und  ciselirten  Verzierungen  an  bischöfhchen  Ringen  nahm  seit  dem 

XV.  und  XVI.  Jahrhundert  der  Art  zu,  dass  das  Tragen  derselben, 
des  gehäuften  Steinschmuckes  wegen  hinderlich  und  unbequem 
wurde.  Als  in  den  Tagen  der  Cinquecentisten,  namenthch  aber  im 

XVI.  und  XVII.  Jahrhundert  die  Schleifung  und  Facettirung  der 
Edelsteine  allgemeiner  in  Aufnahme  kam,  und  ungeschliffene  Edel- 
steine als  cahoclions  nur  selten  mehr  Anwendung  fanden,  wurde 
den  bischöflichen  Ringen  auf  ihrer  Überfläche  durch  künsthche 
Schleifung  der  vielfarbigen  Steine  ein  erhöhter  Glanz  und  Reflex 
verheben.  Seit  dem  XVI.  Jahrhundert  kömmt  es  häufiger  vor,  dass 
von  Seiten  der  Bijouteristen  das  bischöfliche  Brustkreuz  zugleich 
mit  dem  Ringe  als  zusammengehöriger  Ornat  betrachtet  wird,  und 
dass  dieselben  Fassungen  und  dieselben  geschhflfenen  Edelsteine, 
wie  sie  am  Brustkreuze  abwechseln,  in  gleicher  Form  und  gleicher 
technischer  Beschaffenheit  auch  an  den  Ringen  der  Bischöfe  und 
infuhrten  Aebte  zur  Anwendung  kommen. 

Unter  der  grossen  Zahl  jener  Pontificalringe,  welche  im  XV. 
und  XVI.  Jahrhundert  von  den  römischen  Päpsten  zum  Geschenk 
an  verschiedene  Bischöfe  vertheilt  zu  werden  pflegten,  finden  sich 
in  den  Sakristeien  mehrerer  Kathedralkirchen,  dessgleichen  auch  in 
älteren  bischöfhchen  Gräbern  auffallend  grosse  Ringe  in  vergoldetem 
Kupfer  oder  Silber  vor,  die,  als  Gegenstücke  zum  päpstUchen 
Fischerringe,  häufig  auf  den  Flachtheilen  der  beiden  Seiten  das 
ciselirte  Wappen  des  zeitweilig  regierenden  Papstes  und  darüber  die 
über  Kreuz  gestellten  Schlüssel  mit  der  Tiare  zum  Vorschein  treten 
lassen.  Meistens  wird  diesen  Ringen,  die  in  der  Regel  dem  Ausgange 
des  Mittelalters  angehören,  ihrer  auffallenden  Grösse  und  Gestalt 
wegen,  ein  hohes  Alter  vindicirt,  und  werden  dieselben  häufig  mit  den 
Namen  älterer  Bischöfe  irrthüniHcher  Weise  in  Verbindung  gebracht. 
So  sahen  wir  vor  wenigen  Jahren  einen  solchen  bischöflichen  Ring, 
wie  er  in  der  Abbildung  auf  Taf.  XXVIII  Fig.  5  veranschaulicht 
ist,  aus  der  ehemaligen  Benechktiner-Abtei  Iburg  bei  Osnabrück 
herrührend,  welcher  irrthümhch  mit  dem  Bischof  Benno  von  Osna- 
brück, dem  Erbauer  des  Speyerer  Domes,  in  Verbindung  gesetzt 
wird.  Den  auf  Tafel  XXVIII  Fig.  6  abgebildeten  Ring  besitzt  heute 
noch  der  Schatz  der  Metropolitan-Kirche  von  Gran  in  Ungarn.  Die 
Beschreibung  disees  Ringes,  der  der  Inschrift  zufolge  von  Sixtus  IV.  (?) 

15 


—    212  — 


1471 — 1484  herrührt,  ist  in  dem  III.  Band  der  des  Jahrbuchs  der 
k.  k.  Centralkommission  zur  Erhaltung  der  Baudenkmale  1859  zu 
ersehen.  Der  auffallende  Umfang,  der  sich  heute  noch  an  einzelnen 
Ringen  zeigi,  findet  darin  seine  Erklärung,  dass  nach  dem  ceremoniale 
episcoporum  die  bischöü.  Ringe  über  die  Handschuhe  vor  Beginn  der 
feierUchen  Pontificalmesseu  augelegt  werden.  Um  diese  auffallend 
weiten  Ringe  auch  nach  Ablegung  der  Handschuhe  tragen  zu  können, 
scheint  es  im  Mittelalter  vielfach  Brauch  gewesen  zu  sein,  nach  An- 
legung des  grossen  Ringes  einen  kleinern  Ring,  der  sich  dem  Finger 
anschmiegte,  nachzuschieben,  damit  der  erste  umfangreiche  Ring  eine 
Befestigung  erhielt  Noch  fügen  wir  hinzu,  dass  auf  bischöflichen 
Bildwerken,  vorfindlich  an  altern  Grabmonumenten  des  XV.  und 
XVI.  Jahrhunderts,  dessgleichen  auch  auf  altern  Malereien  der- 
selben Epoche  zuweilen  Darstellungen  von  Bischöfen  ersichthch 
sind,  die  über  den  chirotecae  zwei  und  sogar  drei  bischöfliche  Ringe 
tragen.  So  befand  sich  in  der  mittelalterlichen  Bildergallerie  des 
kürzlich  verstorbenen  Baumeisters  Weyer  zu  Cöln  ein  Original- 
Porträt  des  Cardinais  Albrecht  von  Brandenburg,  Erzbischofs  von 
Mainz,  der  im  Bilde  über  den  chirothecae  drei  Ringe  trägt,  wo- 
durch angedeutet  werden  soll,  dass  er  als  Bischof  dreien  Diöcesen 
vorstand,  und  über  dieselben  seine  bischöfliche  Jurisdiction  ausübte. 
Noch  sei  bemerkt,  dass  im  Mittelalter  der  bischöfliche  Ring  häufig 
am  Zeigefinger  getragen  wurde;  das  römische  Ceremoniale  schrieb 
jedoch  später  vor,  dass  derselbe  am  sogenannten  Gold-  oder  Ring- 
finger, nämlich  jenem,  der  dem  kleinen  Finger  zunächst  steht, 
getragen  werden  soll.  SchUesshch  finde  hier  die  Angabe  eine  Stelle, 
dass  in  dem  Falle,  wo  der  Bischof  seinen  Sitz  mit  einem  andern 
vertauscht,  der  bischöfhche  Ring  nicht  gewechselt  wird,  wie  dies 
bei  dem  Palhum  alsdann  Vorschrift  ist,  wenn  der  Metropolit  von 
seiner  bisherigen  Erzdiöcese  abbeinifen  und  als  solcher  einem 
andern  Sprengel  vorgesetzt  wird. 


')  Vergleiche  dazu  lib.  pontif.  mod.  induendi  episcopiim,  pag.  1 :  Tuuc 
sedeuti  chirothecas  imponat,  et  annulum  pontificalem  magnum  una 
cum  uno  parvo  strictiori  annulo  ad  tenendum  fortius  superimponat. 
Diese  Stelle  dürfte  auch  zur  Erklärung  dienen,  dass  im  Grabe  des 
Bischofs  Agilbert  zu  Paris  nach  dem  Berichte  Du  Saussay's  ein 
bischöflicher  Ring  von  einer  solchen  Ausdehnung  der  Innern  Oeffiiung 
gefunden  wurde,  dass  der  genannte  Berichterstatter  seine  beiden 
Finger  zugleich  in  denselben  schieben  konnte. 


—   213  — 


b.  Das  Bnistkreuz  (pectorale). 

Untei'  den  verschiedenen  Ornaten,  die  den  Bischof  vor  dem 
Priester  auszeichnen,  dürfte  das  Pectoral kreuz  erst  seit  den  letzten 
vier  Jahrhunderten  Aufnahme  und  allgemeinere  Verlireitung  hei 
den  Bischöfen  des  Abendlandes  gefunden  haben.  Obschon  es  fest- 
steht, dass  seit  den  Tagen,  wo  die  christliche  Religion  öffentlich 
geduldet  und  als  Staatsreligion  von  Constantin  dem  Grossen  aner- 
kannt wurde,  von  vielen  Gläubigen  das  Zeichen  der  Erlösung  in 
Gestalt  eines ^niehr  oder  weniger  reich  verzierten  Kreuzes,  häufig 
mit  Reliquien  gefüllt,  öffentlich  auf  der  Brust  getragen  wurde,  so 
scheinen  doch  in  den  frühesten  Jahrhunderten  die  Biscliöfe  schon 
aus  der  Ursache  nicht  das  Brustkreuz  als  auszeichnende  bischöf- 
liche Insignie  getragen  zu  haben,  weil  es  damals  frommer  Brauch 
eines  jeden  Christen  war,  mit  dem  Kreuze,  als  dem  Zeichen  des 
Sieges  und  Triumphes,  seine  Brust  zu  schmücken.  Anders  verhielt 
es  sich  mit  dem  Gebrauche  eines  reich  verzierten  Brustkreuzes 
in  der  griechischen  lürche.  Aus  dem  Umstände,  dass  seit  den 
Tagen  des  Kaisers  Constantin  die  oströmischen  christlichen  Kaiser 
gleichsam  als  Amulet  das  siegreiche  Zeichen  der  Erlösung  in  rei- 
cher Fassung  an  goldener  Kette  auf  der  Brust  trugen,  lässt  sich 
auch  im  Orient  der  Gebrauch  voraussetzen,  dass  schon  in  einer 
sehr  frühen  Epoche  die  Bischöfe  mit  einem  ähnlichen  encolphim 
in  Form  eines  Kreuzes,  meistens  mit  Reliquien  gefüllt,  öffentlich 
erschienen.  Man  nannte  diese  Kreuzeszierde:  otuvqoc;  tyy.6Xnioq 
(Brustkreuz). 

Die  Bischöfe,  welche  dem  VIII.  Generalconcil  beiwohnten,  be- 
ziehen sich  auf  dieses  Kreuz  als  ein  Zeichen  ihrer  Würdet-  Auch 
aus  der  Thatsache,  dass  der  Kaiser  Nicephorus  dem  Papste  Leo  III. 
ein  goldenes  Brustkreuz  als  Zeichen  der  Verehrung  zusandte,  könnte 
gefolgert  werden,  dass  das  Tragen  eines  encolpium  als  Reliquiar 
sowohl  bei  den  Kaisern  als  auch  bei  den  Kirchenfürsten  häufig 
stattfand  2).  So  auch  übersandte  Papst  Gregor  der  Grosse  der 
Longobardenkönigin  Flavia  Theodolinda  ein  goldenes  Kreuz  mit 
einem  Beglückwünschungsschreiben,   als   ihr  Sohn  Adaloald  ge- 


*)  Encolpium  accipiehant,  ut  digtiitate  episcopali  potirentm'. 

Die  Stelle  des  Briefes  über  die  Zusendung  dieser  Brustzierde  heisst  wie 
folgt:  Encolpium  aureum,  cujus  una  facies  cristallum  inclusum,  altera 
picta  nigello,  et  intus  habet  alterum  encolpium,  in  quo  sunt  partes 
honorandi  ligni  in  figura  crucis  positae. 

15* 


boren  wurde.  Dieses  merkwürdige  Brustkreuz,  das  wir  auf  Tafel 
XXIX  unter  Figur  1  bildlich  wiedergeben ,  hat  sich  bis  zur 
Stunde  noch  in  dem  reichhaltigen  Schatze  der  Krönungskirche  des 
hl.  Johann  zu  Monza  erhalten,  und  dürfte  dasselbe  als  Muster  imd 
Vorbild  zu  betrachten  sein,  in  welcher  Form  und  Grösse  schon  seit 
frühen  Jahi'hunderten  von  den  römischen  Päpsten  eine  ähnliche 
Brustzierde  getragen  zu  wei'den  pflegte.  Dieses  Brustkreuz  Gregors 
des  Grossen  scheint  hinsichtlich  seiner  Form  und  ornamentalen 
Ausstattung  mit  jenem  encolpium  grosse  Formverwandtschaft  gehabt 
zu  haben,  das  in  der  Anmerkung  2  auf  Seite  213  näher  beschrieben 
ist  und  das  im  Beginne  des  IX.  Jahrhunders  Leo  III.,  der 
Freund  und  Zeitgenosse  Karls  des  Grossen,  vom  byzantinischen 
Hofe  zum  Geschenk  erhielt.  Ein  drittes  griechisches  Brustkreuz, 
das  bis  heute  in  der  örtlichen  Ueberlieferung  das  syy.öXmov  Kaiser 
Constantin's  genannt  wird,  fanden  wir  als  äusserst  kostbares 
öiTiTvyov  in  der  ReHquienkapelle  von  St.  Peter  in  Rom  vor,  dessen 
Fassung  ofteubar  aus  dem  spätem  Mittelalter  herrührt  und  in  viel- 
farbigem Schmelz  gehalten,  an  den  vier  Kreuzbalken  in  weissem 
Schmelz  folgende  Inschrift  in  griechischen  Versalbuchstaben  zu  er- 
kennen gibt:  oQu  Ti  xuivov  &uvf.iu  —  xrxi  '^svrjv  X'^Q'-^  ~~  XQ'Vffov 
l-ivs  f^o)  —  XQiaxov  SV  ds  axomi^). 

Dass  auch  die  Könige  des  xlbendlandes  seit  den  Tagen  der 
Karoünger  solche  mehr  oder  weniger  reich  verzierte  Pectoralkreuze, 
meistens  mit  Reliquien  versehen,  bei  feierlichen  Veranlassungen  zu 
tragen  pflegten,  dafür  diene  zum  Belege  das  prachtvolle  Brustkreuz 
König  Berengars  I.  von  Italien,  ein  Meisterwerk  der  Goldschmiede- 
kunst und  Steinfassung  des  IX.  Jahrhunderts,  dessgieichen  auch 
das  Reliquien-Kreuz  König  Bela's  II.  von  Ungarn,  in  jüngsten  Zeiten 
mit  anderen  königlichen  Zierrathen  gefunden  bei  Eröfl'nung  seines 
Grabes.    Das  erstgedachte  prachtvolle  Brustkreuz  Königs  Berengar, 


')  Vgl.  die  nähere  Beschreibung  dieser  interessanten  Insignie,  die  in 
ihrer  heutigen  reichen  Fassung  offenbar  dem  Kunstfleiss  der  Byzan- 
tiner aus  dem  XII.  Jahrhundert  angehört,  auf  Seite  115  bis  117  un- 
seres Werkes  die  »Kleinodien  des  hl.  römischen  Reiches  deutscher 
Nation,«  Taf  XX,  Fig.  28.  Auf  Seite  116  des  Textes  haben  wir  an- 
genommen, es  hätte  sich  dieses  Brustkreuz  Constantins  des  Grossen 
seit  undenklicher  Zeit  im  Schatze  von  St.  Peter  in  Rom  vorgefunden ; 
später  erst  vernahmen  wir,  dass  dieses  merkwürdige  philacierium  aus  dem 
ehemaligen  Schatze  der  Liebfrauenkirche  von  Mastricht  herrühre  und 
erst  in  den  zwanziger  Jahren  in  den  Schatz  von  St.  Peter  nach  Rom 
übertragen  worden  ist. 


—    215  — 


das  als  stemma  regni  Longohardorum  betrachtet  wurde,  und  das 
mehrere  deutschen  Kaiser  bei  der  Ki'önung  mit  der  eisernen  Krone 
in  Monza  oder  Mailand  auf  der  Brust  getragen  haben,  ist  in  na- 
türlicher Grösse  in  unserm  unten  citirten  Werke  abgebildet  und 
näher  beschrieben^).  Das  interessante  Reliquiar  Bela's  II.  be- 
findet sich,  wenn  auch  in  sehr  beschädigtem  Zustande,  heute  noch 
im  National-Museum  zu  Pesth,  zugleich  mit  der  Grabeskrone 
des  ebengedachten  Königs  und  einigen  anderen  metallischen  Zier- 
rathen seiner  Gemahlin.  Ein  ferneres  kaiserliches  Brustkreuz,  das 
die  Tradition,  auf  die  Tage  Karls  des  Grossen  zurückführen  will, 
hat  sich  ebenfalls  als  Reliquienbehälter  unter  den  vielen  Kuust- 
schätzen  des  Aachener  Münsters  erhalten,  und  dienen  seine  ein- 
gravirten  Ornamente,  dessgleichen  die  Darstellung  des  Heilandes 
am  Kreuze,  zur  Erhärtung  unserer  Ansicht,  dass  diese  Brustzierde 
erst  in  den  Tagen  der  hohenstaufischen  Kaiser  angefertigt  worden 
ist,  um  die  in  goldener  Fassung  darin  befindliche  Partikel  vom 
hl.  Ki'euz  aufzubewahren,  die  aller  Vermuthung  nach  ehemals  von 
Karl-dem  Grossen,  vielleicht  von  einem  encolpium  eingefasst,  getragen 
worden  sein  dürfte.  Wir  veranschaulichen  auf  Taf.  XXIX,  Fig.  2, 
diese  Brustzierde  des  Aachener  Schatzes,  und  fügen  noch  hinzu,  dass 
eine  genauere  Beschreibung  derselben  in  unserer  Schrift:  der  Re- 
liquienschatz des  Liebfrauen-Münsters  zu  Aachen,  Bonn,  1860, 
Seite  36 — 38  enthalten  ist. 

Aus  dem  Vorhergesagten  ist  zu  entnehmen,  dass  sowohl  in 
der  morgenländischen  als  in  der  abendländischen  Kirche  seit  den 
Tagen  Constantins  und  Karls  des  Grossen  ein  reichverziertes  Brust- 
kreuz, gewöhnlich  mit  Reliquien  des  hl.  Kreuzes  und  verschiedener 
Heiligen  versehen,  bei  Königen  und  Kaisern  des  Orients  und  Occi- 
dentes  häufig  in  Gebrauch  war.  Auch  unterliegt  es  wohl  keinem 
Zweifel,  dass  bei  den  Bischöfen  des  Abendlandes,  seit  den  frühesten 
Zeiten  bis  zum  XIII.  Jahrhundert,  de^s  phylaclerium  als  ausschliesslich 
bischöfliche  Insignie  nicht  in  Betracht  gekomraen  sein  dürfte,  und 
zwar,  wie  das  im  Vorhergehenden  angedeutet  wurde,  wohl  aus  dem 
Grunde,  weil  sowohl  weltliche  Fürsten  als  auch  die  lürchenfürsten  im 
öffentlichen  wie  im  Privatleben  aus  Gründen  der  Frömmigkeit 
solche  encolpia,  seit  den  Tagen  der  Kreuzzüge  meistens  mit  reliquiae 
transmarmae  gefüUt,  allgemein  zu  tragen  pflegten      Nur  allein  bei 


')  Vgl.  Seite  163  und  164  in  unserm  Werke:  Die  Kleinodien  des  hl.  römi- 
schen Reiches  deutscher  Nation,  dessgleichen  Tafel  XXXIII,  Figur  50. 
^)  Gretserus,  tom.  II,  lib.  I. 


—    216  — 


dem  Abte  Rupert  von  Deutz,  dem  auch  Innocenz  III.  gefolgt  zu 
sein  scheint,  geschieht  vorübergehend  des  goldenen  Brustkreuzes 
als  auszeichnenden  Merkmals  der  bischöflichen  Würde  Erwähnung 
und  wird  noch  hinzugefügt,  dass  der  Pontifex  des  neuen  Bundes 
dieses  goldene  Kreuz  auf  der  Brust  trage  in  Uebereinstimmung 
mit  der  goldenen  lamina,  die  im  alten  Bunde  die  Stirn  des  hohen 
Priesters  geschmückt  habe.  Innocenz  III.  jedoch,  der  diese  Pa- 
rallele des  Brustkreuzes  mit  der  anrea  lamina  des  hohen  Priesters 
im  alten  Bunde  ebenfalls  anwendet,  vindicirt  nur  allein  dem  Papste 
den  Gebrauch  des  Pectorale.  Bei  spcätern  Schriftstellern  finden  sich 
seit  dem  XIV.  Jahrb.  Andeutungen,  dass  sowohl  Bischöfe,  als  auch 
Erzbischöfe  und  Kardinäle  in  Gegenwart  des  Papstes  das  Pectorale, 
wenn  sie  es  trugen,  nicht  zum  Vorschein  kommen  Hessen,  wenngleich 
sie  auch  die  iMiter  und  andere  Abzeichen  ihrer  bischöflichen  Würde 
coram  Papa  beizubehalten  pflegten.  So  wird  auch  erwähnt,  dass 
die  Bischöfe,  Erzbischöfe  und  Patriarchen  des  Abendlandes  auf 
dem  ökumenischen  Concü  von  Ferrara  und  Florenz,  das  unter 
Vorsitz  des  Papstes  Eugenius  IV.  gefeiert  wurde,  ohne  Pectorale 
dem  Concil  beiwohnten,  und  dass  nur  allein  die  anwesenden  grie- 
chischen Bischöfe  und  Patriarchen  im  Beisein  des  Papstes  Eugenius 
auf  dem  gedachten  Concil  dasselbe  als  Brustzierde  beibehielten. 

Bis  zur  Stunde  haben  sich  noch,  an  vielen  Orten  zerstreut, 
mehr  oder  weniger  reiche  bischöfliche  Pectoralien  erhalten,  welche, 
meistens  aus  dem  XIV.  und  XV.  Jahrhundert  herrührend,  fast  sämmt- 
lich  als  Keliquiarien  mit  beweglicher  Klappe  auf  der  Rückseite,  von 
Bischöfen  oder  infultirten  Aebten  in  Gebrauch  genommen  wurden. 
So  bewahrt  unter  andern  der  Schatz  von  St.  Veit  zu  Prag  mehrere 
Pectoralkreuze,  deren  Vorder-  und  Rückflächen  mit  vortrefflichen 
eingravirten  Darstellungen  verziert  sind.  Desgleichen  werden  auch 
im  Schatze  der  ehemaligen  Reichsabtei  Quedlinburg  mehrere  Pec- 
toralkreuze aufbewahrt,  die  als  Reliquiarien  ehemals  kii-chlich  in 
Gebrauch  waren''').  Ein  reichverziertes  Pectoralkreuz,  das,  seiner 
Verzierung  nach  zu  urtheilen,  dem  Schlüsse  des  XIV.  Jahrhunderts 
angehört,  befindet  sich  in  der  reichhaltigen  Privatsammlung  Sr. 
Gnaden  des  Bischofs  Wedekin,  und  wird  dieses  Pectorale  von  dem 


')  Rupertus  Abbas  Tuitiensis,  lib.  I,  de  divinis  officiis  cap.  26. 

2)  Vgl.  die  betreffenden  Abbildungen  in  dem  Werke:  Die  mittelalter- 
lichen Kunstschätze  im  Zittergewölbe  der  Schlosskirche  zu  Quedlin- 
burg, von  Wilh.  Steuerwald.  Quedlinburg,  Lithographie  und  Stein- 
druckerei von  Karl  Virgin. 


el)en  genannten  hochwürdigsten  Bischof  von  Hildesheim  bei  kirch- 
Hchen  Festzeiten  in  Gebrauch  genommen. 

Auf  Taf.  XXIX.,  Fig.  3  ist  ein  nicht  weniger  kunstreich  gear- 
beitetes phylacterium  abgebildet,  das,  aus  der  Mitte  des  XV.  Jahr- 
hunderts herrührend,  der  Pfarrkh'che  von  Neu-Haaren  angehört 
und  vielleicht  früher  als  Brustkreuz  von  Seiten  der  Aebtissin  von  St. 
Ursula  in  Cöln,  woher  es  stammen  soll,  getragen  worden  sein  dürfte. 

Gleichwie  die  Miter,  der  bischöfliche  Stab  und  die  übrigen  Ab- 
zeichen der  olierhirtlichen  Würde  nach  Ablauf  des  Mittelalters  in  der 
sogenannten  Jlenaissance-Periode  über  Gebühr  sich  zu  erweiteren 
und  durch  eine  Fülle  von  meist  nichtssagenden  Ornamenten  die 
Leere  und  Armutli  der  Composition  zu  verdecken  suchten,  so 
diente  auch  gegen  Schluss  des  XVI.,  mehr  aber  noch  im  XVII. 
und  XVIII.  Jahrhundert,  das  bischöfliche  Kreuz  dazu,  dem  Bijou- 
teristen  erwünschte  Gelegenheit  zu  geben,  um  die  Vorderfläche 
desselben  mit  einer  Menge  der  kostbarsten  Edelsteine  in  leuchtenden 
Farben  und  von  ausgesuchter  Sclüeifung  zu  heben  und  zu  verzieren. 
So  linden  sich  aus  diesem  Zeitabschnitt  in  den  verschiedenen  Ka- 
thedralschätzen des  Abendlandes  noch  eine  Menge  der  kostbarsten 
Brustkreuze  vor,  die  weniger  durch  ihre  kunstreich  entwickelte 
Form ,  als  durch  Grösse  und  Ueberladung  mit  einer  Menge  von 
facettirten  Edelsteinen  dem  Beschauer  zu  imponiren  suchen.  Die 
ältere  überUeferte  Form  und  che  Einrichtung  dieser  encolpia  als 
Rehquiarien  ist  bei  den  meisten  dieser  modernen  Prachtkreuze 
verloren  gegangen. 

In  jüngster  Zeit  ist  für  den  derzeitigen  Erzbisthumsverweser 
von  Cöln,  Weihbischof  Dr.  Baudri,  ein  mustergültiges  Pectoral- 
kreuz  als  Reliquiar  in  grösster  Vollendung  der  Technik  wieder  an- 
gefertigt worden,  das  in  seiner  äussern  Form  und  Verzierung  jenem 
reich  ornamentirten  Kreuze  entlehnt  ist,  das  sich  auf  dem  deut- 
schen Reichsapfel,  aufbewahrt  im  Schatze  der  Kaiserbm-g  zu  Wien, 
vorfindet,  und  welches  auf  Tafel  II,  Figur  2  unseres  Werkes:  »Die 
lüeinodien  des  heiligen  römischen  Reiches  deutscher  Nation«,  abge- 
bildet und  auf  Seite  13  u.  14  beschrieben  worden  ist.  Auch  wurde  in 
neuester  Zeit  für  den  hochwürdigsten  Bischof  von  Trier,  Dr.  Pell- 
dram, nach  dem  genialen  Entwürfe  des  Architekten  Schneider  ein 
reichverziertes  bischöfliches  Brustkreuz  im  Style  des  XII.  Jahrhun- 
derts als  Reliquiar  in  meisterhafter  Arbeit  von  Stifts-Goldschmied 
Vogeuo  in  Aachen  angefertigt,  das  in  seiner  äussern  P'orm  und 
Verzierungsweise  wieder  mit  jenen  ältern  encolpia  übereinstimmt, 
wie  sie  im  XII.  und  XIII.  Jahrhundert,  der  Blüthezeit  der  kirchlichen 


—  218 


Goklschmiedekunst ,  zahlreich  Entstehung  fanden.  Wir  haben  auf 
Taf.  XXIX,  Fig.  4  dieses  schöne  Pectorale  in  verkleinertem  Maass- 
stabe bildlich  wiedergegeben. 

c.  Der  bischöfliche  Stab  (virga  pastoralis,  pedum). 

Unter  den  hervorragendem  Abzeichen  der  bischöflichen  Würde 
dürfte  der  bischöfliche  Stab  wolil  das  höchste  Alter  beanspruchen. 
Was  seit  den  ältesten  Zeiten  bei  den  Fürsten  und  Königen  des 
Morgen-  und  Abendlandes  das  königliche  Scepter  galt,  dieselbe 
Bedeutung  ist  wolil  in  der  abendländischen  Kirche  dem  bischöf- 
lichen Stabe  zuzusprechen,  der  bei  ältern  Schriftstellern  bald  den 
Namen  haculus  pastornlis,  bald  virga  oder  pedum  führt.  Es  güt 
nämlich  der  Stab  in  der  Hand  des  Bischofs  als  Zeichen  der  Würde 
und  des  Ansehens,  ferner  als  Abzeichen  der  Sorgfalt  und  Milde, 
endüch  aber  auch  als  Symbol  gerechter  Strenge  und  verdienter 
Züchtigung.  Seit  alter  Zeit  schon  pflegte  man  die  Bedeutung  und 
den  mystischen  Sinn,  den  der  Hirtenstab  in  der  Hand  des  Bischofes 
als  Führers  und  Hirten  der  ihm  anvertrauten  kirchlichen  Heerde 
hat,  in  folgenden  bekannten  Versen  zusammenzufassen: 

«Colhge,  sustenta,  stimula, 
Vaga,  morbida,  lenta,« 

oder  auch  in  dem  andern  Verse : 

«Attrahe  per  primum, 

Medio  rege,  punge  per  imum!«*) 

Dass  der  alte  Ordo  Romanus,  dessgleichen  auch  das  oftge- 
dachte IV.  Concil  von  Toledo  bereits  vom  bischöflichen  Stabe  als 
Abzeichen  der  bischöflichen  Würde  sprechen,  kann  als  Beweis  an- 
gesehen werden,  dass  in  dieser  fernliegenden  Zeit  der  Stab  als 
bischöfliche  Insignie  schon  längere  Zeit  in  der  Kirche  bestand  2). 


1)  Ein  verwandter  Sinn  ist  auch  ausgedrückt  in  den  Worten,  die  zu 
lesen  sind  auf  dem  Pastoralstabe  des  Bildes  des  hl.  Saturninus  zu 
Toulouse:  »Curva  trahit,  quos  recta  regit,  pars  ultima  pungit.«  In 
einem  andern  Verse  findet  sich  ein  verwandter  Gedanke  hinsichtlich 
der  Bedeutung  des  Bischofsstabes  ausgesprochen,  der  also  lautet: 
»Curva  trahit  mites,  pars  pungit  acuta  rebelies.« 

^)  Cfr.  Concilium  Toletanum  sub  Honorio  I.,  celebratum  a.  633,  c.  XXVII. 


—    219  - 

Schon  der  h.  Gaudenz  von  Brescia  erwähnt  in  einer  Rede  über  die 
bischöfliebe  Würde  (um  das  Jahr  ;387)  des  Hirtenstabes  mit  fol- 
genden Worten:  Jam  non  propter  se  baculum  portat,  sed  propter 
eos,  quibus  dici  necesse  est:  Quid  vultis?  in  \irga,  veniam  ad  vos 
an  charitate?') 

Wenn  es  der  Raum  gestattete,  würde  es  ein  Leichtes  sein, 
hier  in  langer  Reilie  die  Beweisgründe  anzuführen,  dass  sowolil  in 
der  abendländischen  wie  in  der  morgenländischen  Kirche  die  bi- 
schöflichen Stäbe  als  Abzeichen  der  oberhirtliclien  Würde  liturgisch 
fortwährend  sich  in  Gebrauch  befanden  2).  Diese  Stäbe  waren  in  den 
frühesten  Zeiten  meistens  niedrig  und  einfach  gehalten;  im  Laufe 
der  Jahrhunderte  jedoch  haben  sie  sich,  wie  überhaupt  alle  litur- 
gischen Pontificalornate,  hinsichtlich  ihrer  Gestalt  und  ihrer  äussern 
Ausstattung  reicher  entwickelt^).  Den  Namen  virga  pastoralis, 
gleichbedeutend  mit  dem  lateinischen  Auscb'uck  pedum,  führt  schon 
seit  den  ältesten  Zeiten  der  bischöfliche  Stab,  um  die  Aehnlichkeit 
anzudeuten,  die  derselbe  hinsichtlich  seiner  obern  Krümmung  mit 
einem  gewöhnlichen  Hirtenstabe  hatte.  Bei  Honorius  lieisst  er 
ferula,  und  zwar,  wie  es  Bona  weiter  erklärt,  von  dem  Ausdruck 
feriendo,  da  er  als  Stab  der  Züchtigung  zu  betrachten  sei.  In  dem 
Leben  des  hl.  Gallus  und  Magnoaldus  wird  er  cambuta  genannt, 
welches  daselbst  mit  baculiis  retortus  erklärt  ist.  Im  Testamente 
des  hl.  Remigius  bei  Flodoardus  wird  der  Bischofsstab  argentea 
cambuta  figurata  genannt.  In  den  ältesten  Zeiten  scheint  nämlich 
dieser  Stab  aus  edlen  Holzarten  angefertigt  gewesen  zu  sein,  die 
auf  der  äussern  Oberfläche  mit  goldenen  und  silbernen  Ornamen- 
ten häufig  beschlagen  waren.  Mit  den  Ausdrücken  capuita,  cam- 
buta, zuweilen  auch  camboca  oder  sambuca,  welche  der  Bischofs- 
stab bei  Einigen  führt,  dürfte  auf  die  Holzart  hingedeutet  sein, 
aus  welcher  der  bischöfliche  Stab  gebildet  wurde,  namentlich  mit 


»)  Cfr.  I.  Corinth.  IV. 

Auch  Beda  Venerabiiis  spricht  an  der  Stelle,  wo  er  von  den  septem 
Ordines  handelt,  vom  bischöflichen  Stabe  (pedum)  als  einer  auszeich- 
nenden bischöflichen  Insignie,  die  in  der  englischen  Kirche  schon 
mehrere  Jahrhunderte  in  Gebrauch  war,  indem  er  sagt:  »Baculum 
habet  Episcopus,  ut  subditos  regat,  infirmos  sustineat,«  etc. 

•')  Die  ältesten  Pastoralstäbe  waren  anscheinend  weit  kürzer  als  die  der 
nachfolgenden  Jahrhunderte,  und  endigten  mit  einem  kugelförmigen 
Knopf  oder  einem  Taukreuz,  ähnlich  dem,  welches  in  dem  Grabmahle 
Morards,  Abtes  von  St.  Germains  des  Pres  aufgefunden  wurde,  welcher 
im  Jahre  990  starb.  S.  Mabillons  Benedictiner-Anualen,  p.  528. 


—    220  — 


den  letzten  zwei  Bezeichnungen,  welche  auch  Durandus  in  seinem 
Rationale  gebraucht.  Anderweitig  findet  sich  zu  wiederholten  Malen 
das  Cypressenliolz  ei-wähnt,  aus  welchem  die  bischöflichen  Stäbe  ^) 
angefertigt  wurden. 

Was  nun  die  Gestalt  des  Stabes  und  seine  künstlerische  Aus- 
bildung betrifft,  so  ist  hier  anzuführen,  dass  die  griechische  Kü-che 
in  der  ältesten  Zeit  den  bischöflichen  Stab  auf  seiner  Spitze  nicht 
in  eine  einfache  Biegung,  curvatnra,  endigen  liess,  sondern  denselben 
zuweüen  mit  einem  Kreuzzeichen,  zuweilen  auch  mit  einem  Elfen- 
lieinknopf,  am  häufigsten  aber  mit  einem  transversal  gelegten 
Stabe,  ähnlich  dem  griechischen  T,  abschloss^).  In  späterer  Zeit, 
als  in  der  lateinischen  Kirche  die  curvattira  des  bischöflichen  pedum 
sich  ornamental  weiter  entwickelte,  bildete  sich  in  der  griechischen 
Kirche  bei  den  bischöflichen  Stäben  dieses  Tau  in  einer  Weise 
aus,  dass  die  Enden  desselben  sich  zu  Schlangenköpfen  gestalteten, 
die  einander  entgegengesetzt  waren  3).  Um  über  diese  Materie  nicht 
zu  ausführlich  zu  werden,  über  welche  in  den  letzten  Jahren  eine 
umfangreiche  gelehrte  Abhandlung  von  Abbe  Martin  mit  vielen  Ab- 
bildungen erschienen  ist,  auf  welche  wir  im  Vorbeigehen  verweisen 
sei  hier  nur  noch  in  Kürze  bemerkt,  dass  bereits  seit  der  karolin- 
gischen  Zeit,  mehr  aber  noch  in  den  Tagen  der  Ottonen,  wo  der 
bischöfliche  Stab  auch  in  der  abendländischen  Kirche  nach  der  Höhe 
hin  sich  weiter  entwickelte,  derselbe  häufig  entweder  ganz  aus  F^lfen- 
bein,  oder  wenigstens  in  seiner  obern  Ausmündung  aus  diesem  Ma- 
terial künstlerisch  angefertigt  zu  werden  pflegte,  und  zuweilen  auch 
in  einzelneu  Theilen  aus  edlem  Metalle,  Silber  und  Gold,  gestaltet 
wurde.  In  dieser  Weise  stellen  sich  auch  einzelne  bischöfliche  Stäbe 
aus  dem  X.  Jahrhundert  dar,  von  denen  Willemin  drei  abgebildet  hat. 
Der  erste  dieser  Stäbe  gehörte  dem  Erzbischof  von  Rheims,  Ataldus, 
welcher  im  Jahre  933  starb.  Dieser  Stab  ist  von  vergoldetem  Kupfer, 
mit  Emaü  verziert  und  endigt  in  eiu  Elfenbeinki-euz  von  eleganter 


')  Stephani  Tornacensis  Epist.  233  et  seq. 

^)  Goar,  in  notis  ad  Euchologium,  pag.  313. 

Auf  die  Form  des  griechischen  Tau,  in  welche  auch  in  der  lateini- 
schen Kirche  die  Stäbe  der  Bischöfe  vor  dem  X.  Jahrhundert  viel- 
fach ausmündeten,  scheint  auch  noch  die  heute  in  Frankreich  ge- 
bräuchliche Benennung  crosse,  jedenfalls  herkommend  von  dem  Worte 
crocea,  gebildet  aus  crux,  hinzudeuten. 

*)  Melange  d'Archeologie ,  publie  par  Arthur  Martin  et  Charles  Cahier, 
tom.  IV,  pag.  161-256,  pl.  XV— XIV.  Paris,  1&.56. 


—    221  — 


Zeichnung.  Der  zweite  gehörte  dem  Bischof  Ragenfredixs,  von 
Chartres,  welcher,  nach  Mabülons  Angabe,  um  das  Jahr  960  starb. 
Derselbe  ist  aus  Kupfer  geformt  und  mit  emaülirten  Ornamenten 
sowohl  am  Knopfe  als  am  Kreuze  geschmückt,  welches  letztere 
mit  hoher  Vollendung  gearbeitet  ist.  Am  Rande  liest  man  folgende 
eingravirte  Inschrift:  f  FRATER  WILLI ELMUS  ME  FECITM- 

Hält  man  in  deutschen  Kathedralen  und  Kirchenschätzen  nach 
altern  bischöflichen  Stäben  Umfrage,  so  dürften,  was  Alter  und 
kunstreich  entwickelte  Formen  betrifft,  besonders  drei  peJa  hier 
hei'vorzuheben  sein,  die  von  französischen  und  englischen  Archäo- 
logen bisher  übersehen  worden  sind.  Hierhin  ist  zu  zählen  der 
höchst  merkwürdige  Stab  im  Schatze  der  ehemaligen  reichsfrei  herr- 
lichen Stiftskirche  zu  Quedlinburg,  ferner  (he  bischöfhche  virga  im 
Schatze  der  von  Kaiser  Otto  III.  und  dem  h.  Erzbischof  Heribert 
gestifteten  Benedictiner-Abtei  Deutz,  und  endlich  jenes  pediim  von 
grosser  Seltenheit,  welches  sich  heute  noch  im  Schatze  der  Dom- 
kirche zu  Limburg  an  der  Lahn  befindet. 

Der  erstgedachte  Stab,  zu  Quedlinburg  befindlich,  den  wir  auf 
Tafel  XXX,  Figur  1  in  verkleinertem  Maassstabe  bildlich  wiedei- 
geben,  besteht  aus  einem  harten  Holze,  und  ist,  wie  es  die  Abbil- 
dung zeigt,  mit  dünnen  Goldblechen  und  Filigranirungen  stellen- 
weise bekleidet.  Die  curvatura  desselben  zeugt  für  ein  hohes 
Alter,  indem  sie  einfach  in  Form  eines  Hirtenstabes  ohne  alle 
Verzierung  in  schwacher  Rundung  ausmündet.  Schenkt  man  der 
localen  Ueberlieferung  Glauben,  so  dürlte  dieser  Stab  dem  X.  Jahr- 
hundert angehören  und  als  virga  einer  Aebtissin  aus  den  Tagen 
der  Ottonen  zu  betrachten  sein. 

Der  zweite  der  obengedachten  Bischofsstäbe,  im  Schatze  zu 
Deutz  befindlich,  und  von  der  örthchen  Tradition  dem  h.  Heribert 
zugeschrieben,  zeigt  die  einfachere  niedrige  Form  der  bischöflichen 


')  Wir  bedauern,  an  dieser  Stelle  auf  die  vielen  heute  noch  in  Frank- 
reich, England  und  Italien  erhaltenen  bischöflichen  Stäbe  von  hohem 
Alter  und  vielfach  in  kunstreich  verzierten  Formen  des  beschränkten 
Raumes  wegen  nicht  weiter  eingehen  zu  können.  Ein  umfangreiches 
Material  über  die  bischöflichen  Stäbe,  deren  künstliche  Beschaffen- 
heit, symbolische  Bedeutung  und  Gebrauchsweise  findet  man  ad 
vocem  »Crosse«  zusammengetragen  in  dem  trefflichen  Sammelwerke: 
»Dictionnaire  d'orfevrerie,  de  gi-avure  et  de  ciselure  chretienne  pai* 
l'Abbe  Texier.  Public  par  l'Abbe  Migne.   Paris,  1857. 


—    222  — 


peda,  wie  sie  im  IX.  Jahrhundert  sowohl  in  der  griechischen  als 
in  der  lateinischen  Kirche  in  liturgischem  Gebrauche  sein  mochten. 
Derselbe  besteht  aus  einem  rohrfürmigeu  gelblichen  Holze,  und 
ist  auf  seiner  Spitze,  wie  es  die  Abbildung  auf  Taf,  XXX  Fig.  2 
zeigt,  mit  einer  Ilandhabe  von  sculptirtem  Elfenbein  in  Form  eines 
griechischen  T  bekrönt.  Um  schon  Gesagtes  nicht  zu  wiederholen, 
verweisen  wir  hier  auf  unsere  ausführliche  Beschreibung  und  Ab- 
bildung dieses  merkwürdigen  Stabes  in  unserm  untenbezeichneten 
Werk 

Der  dritte  Stab  aus  dem  Schatz  des  Trierer  Domes  herrührend, 
und  heute  aufbewahrt  im  Domschatz  zu  Limburg  an  der  Lahn,  be- 
ansprucht als  Reliquie  für  sich  das  höchste  Alter,  indem  er  der 
Ueberlieferung  zufolge  jener  Stab  sein  soll,  welchen  der  heilige 
Apostel  Petrus  seinem  Schüler  Eucharius,  erstem  Bischof  von 
Trier,  übersandte  2).  Mit  diesem  Stabe  soll  Eucharius  seinen  Schüler, 
den  nachherigen  Bischof  Maternus,  zweiten  Bischof  von  Trier, 
zum  Leben  wieder  erweckt  haben,  wie  die  Legende  es  weiter 
erzählt. 

Lidern  wir  die  Echtheit  der  Reliquie  im  Hinblick  auf  die 
altehrwürdige  Tradition  der  Trierer  Kirche  unbeanstandet  lassen, 
fügen  wir  hinsichtlich  der  Form  und  Verzierungsweise  dieses 
merkwürdigen  Stabes  noch  hinzu,  dass  sowohl  die  ganze  äussere 
Erscheinung  desselben  als  auch  die  Einfassung  und  Verzierungs- 


')  Siehe:  Das  heilige  Köln,  oder  Beschreibung  der  mittelalterlichen 
Kunstschätze  Kölns  in  seinen  Kirchen  und  Sakristeien,  aus  dem  Be- 
reiche der  Goldschmiedekunst  und  der  Paramentik.  Von  Dr.  Franz 
Bock.  Leipzig,  T.  0.  Weigel.  1858—60.  II.  Lieferung,  Seite  8-11, 
Tafel  XXIII,  Figur  85. 

An  dieses  Factum  knüpft  Innocenz  III.,  lib.  I,  de  Mysterio  Missae, 
cap.  62,  und  auch  der  hl.  Thomas  von  Aquin  (q.  3,  a.  .3,  d.  24, 
lib.  IV.  Sent.)  weitläufige  Betrachtungen  an,  wesswegen  die  römischen 
Päpste  sich  der  peda  nicht  zu  bedienen  pflegten.  Durandus  fasst  sich, 
sich  berufend  auf  die  oben  citirte  geschichtliche  Angabe,  kürzer  zu- 
sammen, indem  er  sagt:  »Ita  Petrus  baculum  a  se  removit,  subditis 
dedit,  nec  recuperavit.«  Weiter  fügen  sowohl  Innocenz  III.  als  auch 
Durandus  und  Andere,  die  ihm  später  gefolgt  sind,  noch  hinzu,  dass  seit 
dieser  Zeit  aus  dem  ebengedachten  geschichtlichen  und  mystischen 
Grunde  die  Päpste,  nur  wenn  sie  im  Gebiete  der  Diöcese  Trier  ver- 
weilten, sich  des  bischöflichen  Pedum  bedienten,  sonst  aber 
nirgends. 


—    223  — 


weise  mit  ornamentirten  Goldblechen  als  Beweise  höclisten  Alters 
betrachtet  werden  können'). 

Mit  dem  XI.  und  XII.  Jahrhundert  beginnen  die  bischöflichen 
Stäbe  hinsichtüch  ihrer  Grösse  und  Verzierungsweise  sich  weiter 
zu  entwickeln,  wie  das  an  einer  grossen  Anzahl  von  heute  noch 
erhaltenen  Exemplaren  der  spätromanischen  Zeit  leicht  nach- 
gewiesen werden  kann.  Um  diese  Zeit  wird  namentlich  mit 
eingeschmelzten  Ornamenten  die  curvatura  der  bischöflichen  Stäbe 
vielfarbig  verziert,  und  wechseln  mit  diesen  leuchtenden  Farb- 
schmelzen stellenweise  eingelassene  Edelsteine  ab,  die  den  Glanz 
dieser  Insignien  nicht  wenig  heben.  Der  bischöfliche  Stab  besteht 
im  XI.  und  XII.  Jahrhundert  hauptsächhch  aus  drei  mehr  oder 
weniger  reich  verzierten  Theilen :  Dem  untern  Stabe  (canna, 
ßstula),  dem  darüber  befindlichen  Knauf  und  der  Handhabe  (nodus, 
manubrium,  pomelluni),  und  endlich  der  darauf  befindlichen  Krümme 
(curvatura). 

Der  lauggestreckte  Stab,  der  sich  nach  unten  zuspitzt,  und  der 
altern  Vorschrift  nach  in  eine  metallene  Spitze  ausmündet,  hat  in 
der  Regel  eine  Höhe  von  5  Fuss  und  wird  stellenweise  von  einzelnen 
künstlich  prolilirten  Ringen  eingefasst  und  abgegränzt,  wodurch 
die  Eintönigkeit  des  langen  Stabes  gehoben  wird. 

Der  zweite  Theil,  der  mehr  oder  weniger  reich  verzierte 
Knauf,  bildet  das  verbindende  Mittelghed,  um  einestheils  die  obere 
Krümme  in  sich  aufzunehmen  und  zu  befestigen,  anderntheils  um 
mit  einer  runden  hohlen  Kapsel  in  Verbindung  za  treten,  die  die 
Bestimmung  hat,  dem  Stabe  Einlass  und  Befestigung  zu  ge- 
währen. Diese  runde  Kapsel,  die  vom  Knaufe  nach  unten  steigt 
und  als  Büchse  die  obere  Ausmündung  des  Stabes  in  sich  auf- 
nimmt, ist  bei  vielen  romanischen  Bischofsstäben  mit  einer  ein- 
gravirten  Inschrift  verziert,  durch  welche  entweder  die  Bedeutung 
des  bischöflichen  Hirtenstabes  angedeutet,  oder   der  Anfertiger 


')  Als  Beitrag  für  die  geschichtliche  Entwicklung  der  bischöflichen  peda 
in  den  frühesten  Zeiten  würde  gewiss  eine  monographische  Beschrei- 
bung der  obengedachten  merkwürdigen  Stäbe  im  Schatze  zu  Limburg, 
Quedlinburg  und  im  Schatze  der  Liebfraueakirche  zu  Mastricht  sehr 
willkommen  sein.  Der  an  letztgedachtem  Orte  befindliche  Krummstab 
soll  der  Ueberlieferung  zufolge  vom  hl.  Lambertus,  erstem  Bischof 
von  Lüttich  und  Mastricht,  herrühren,  und  zeigt  derselbe  hinsichtlich 
seiner  Gestaltung  grosse  Formverwandtschaft  mit  den  beiden  vorher- 
gedachten virgae  pastorahs. 


—    224  — 


oder  Bestellgeber  desselben  bezeichnet  wird.  Der  Knauf  selbst, 
der  mit  dieser  Büchse  in  Vei'bindung  steht,  ist  entweder  ;i  jour 
durchbrochen  oder  mit  eingeschmelzten  oder  niellirten  Verzierun- 
gen belebt,  oder  aber  es  befinden  sich  auf  demselben  getriebene 
Ornamente,  abwechselnd  mit  ungeschliffenen  Edelsteinen  in  zier- 
hchen  Fassungen. 

Den  unstreitig  formschönsten  und  reichverziertesten  Theil  des 
bischöflichen  Stabes  bildet  in  der  spätromanischen  Kunstepoche 
die  obere  Krümme,  die  häutig  entweder  in  Elfenbein  geschnitzt, 
in  reicher  Bemalung  und  Vergoldung  erscheint,  oder  auf  ilu-en 
Seitenflächen  mit  einer  Fülle  von  eingeschmelzten  Pflanzen-  und 
Thierornamenten  gemustert  ist.  In  diesen  ciselhten  silberver- 
güldeten  oder  goldenen  Ornamenten  bot  sich  der  Phantasie  des 
Goldschmiedes  eine  willkommene  Gelegenheit  dar,  an  dieser  Stelle 
Ornamente  aus  dem  Thierreiche  in  Verbindung  mit  denen  aus 
dem  Pflanzenreiche  anzubringen. 

Um  hier  nicht  in  Einzelheiten  zu  gerathen,  verweisen  wir 
zum  Belege  des  Gesagten  auf  die  vielen  Abbildungen  von  bischöf- 
lichen Stäben,  wie  sie  in  der  obengedachten  Abhandlung  von  Abbe 
Martin  in  reicher  Abwechslung  der  Form  abgebildet  und  be- 
schrieben sind.  Der  Schluss  des  XII.  und  der  Begimi  des  XIII. 
Jahrhunderts  kann  unstreitig  hinsichtlich  der  Entwicklung  und 
künstlerischen  Anfertigung  der  bischöflichen  Stäbe  als  jene  Epoche 
bezeichnet  werden,  in  welcher  namentlich  von  Seiten  der  Bild- 
und  Beinschneider  die  mustergültigsten  und  formschönsten  bischöf- 
lichen peda  angefertigt  wurden.  Es  war  das  jene  Kunstepoche, 
in  welcher  hauptsächlich  die  Innung  der  Yinugiers,  welche  voi'- 
züglich  im  nördhchen  Fi'ankreich  ihren  Sitz  hatte,  eine  hervor- 
ragende Thätigkeit  bei  Anfertigung  religiöser  Bildwerke  in  Elfen- 
bein entfaltete.  Von  dieser  Genossenschaft,  die  auch  durch 
Flandern  an  den  Rhein  reichte,  und  selbst  nach  Süddeutschland 
und  Norditalien  durch  ihre  Schüler  Vei'breitung  fand,  rühi-en  heute 
noch  in  Menge  jene  schönen  curvaturae  an  älteren  bischöflichen 
Stäben  her,  die,  aus  einem  Stück  geschnitten,  mit  einzelnen  ste- 
henden Heiligenfiguren  in  der  Innern  Krümmung  verziert  sind,  oder 
die  auf  beiden  Seiten  der  curvatura  kleinere  Scenen  aus  dem  Leben 
des  Herrn  und  der  allerseligsten  Jungfrau  als  Füllung  aufnehmen. 
Auf  Tafel  XXX,  Figur  3  ist  eine  solche  stylistisch  zai't  gearbeitete 
Krümme  eines  bischöflichen  Stabes  in  Elfenbein  veranschaulicht, 
der,  von  der  Innung  der  Ymagiers  geschnitzt,  aus  der  ersten 
Hälfte  des  XIV.  Jahrhunderts  herrühren  dürfte. 


—    225  — 


Auch  in  der  betreffenden  Abhandlung  des  Arth.  Martin  im  IV.  B. 
der  Melauges  d'Archeologie  sind  auf  Tafel  XVIII  und  XIX  zwei  solcher 
Stäbe  aus  dem  Schluss  des  XIII.  Jahrhunderts  ersichtlich.  Gegen 
Mitte  des  XIV.  Jahrhunderts,  eines  Zeitabschnittes,  in  welchem  die 
Goldschmiedekuiist  mehr  und  mehr  sich  der  selbstständigcn  Behand- 
lung und  Entwicklung  der  Manzenweit  begab  und  grüsstentheils  von 
der  Architektur  ihre  Ornamente  entlehnte,  machte  sich  bei  den  Gold^ 
schmieden  das  Bestreben  geltend,  sowohl  die  Krümme  der  bischöf- 
lichen Stäbe ,  die  eine  reichere  Entwicklung  zulicss ,  als  auch  den 
untern  Aufsatz  der  curvainra,  den  noilus  oder  das  mamihriuni^  mit 
architektonischen  Verzierungen  zu  beleben,  die  mittelst  Maasswerk- 
formen, Fialen,  Widerlagspfeilern,  Strebebogen  und  andern  Details 
einen  vollständigen  architektonischen  Aufbau  repräsentirten. 

Die  Zahl  solcher  bischöflichen  Stäbe,  vielfach  aus  edlen  Me- 
tallen angefertigt,  an  welchen  architektonische  Ornamente  die 
Stehen  der  ehemaligen  phantasievollen  Pflanzengebilde,  ausgeführt 
in  verschiedenartiger  Technik,  einnehmen,  ist  heute  in  kirchlichen 
Schatzkammern,  dessgleichen  in  öffentlichen  und  Privatmuseen  nicht 
gering  anzuschlagen.  Den  unstreitig  schönsten  bischöflichen  Stab, 
hinsichtlich  seiner  reich  entwickelten  und  technisch  meisterhaft  aus- 
geführten I^inzelnheiten,  besitzt  heute  noch  der  Schatz  des  Kölner 
Domes.  Auch  bei  diesem  erzbischöfüchen  Stabe  von  vergoldetem 
Silber,  dessen  Flachtheile  von  einer  Menge  der  kostbarsten  einge- 
schmelzten vielfarbigen  Ornamente  belebt  sind,  macht  sich  der  über- 
wiegende Einfluss  der  Architektur  schon  deutlich  in  der  Krümme, 
dessgleichen  am  Knaufe  bemerklich.  Wir  haben  in  der  zweiten  Liefe- 
rung unseres  «hl.  Köln«  dieses  prachtvolle  pedum,  das,  aus  der  Mitte 
des  XIV.  Jahrhunderts  herrührend,  vergeblich  heute  seines  Gleichen 
sucht,  auf  Taf.  XII,  Fig.  45  abgebildet  und  auf  Seite  44 — 48  ausführ- 
licher beschrieben.  Die  Krümme  eines  andern  merkwürdigen  Stabes, 
und  zwar  eines  pedum  abbaiiale,  hat  sich  auch  noch  in  den  Mauern 
Kölns  erhalten,  das  zum  Belege  dient,  wie  im  XV.  Jahrhiuidert 
die  Stäbe  der  Aebtissinnen  in  weiblichen  Stiften  beschaffen  ge- 
wesen sein  mögen.  Dieser  merkwürdige  Stab ,  aus  Eichenholz 
geschnitzt  und  mit  reicher  Vergoldung  geschmückt,  findet  sich 
heute  noch  in  dem  Schatze  des  ehemaligen  St.  Ursula-Stiftes  zu 
Köln  vor^).  Mit  welchem  Keichthume  der  Verzierungen,  theilweise 


')  Vgl.  die  Abbildung  und  Beschreibung  dieses  pedum  ahhatiale  in  der 
II.  Lieferung  unseres  »heiligen  Kidn«,  Seite  3  u.  4,  Tafel  VI,  Fig.  24. 


-    226  — 


architektonischen  Gebilden,  theüweise  der  Pflanzenwelt  entlehnt, 
die  Meister  der  Goldschmiedezünfte  am  Oberrhein  und  Niederrheiu, 
dessgleichen  in  Schwaben  die  reichen  Stäbe  von  Bischöfen  und 
infulirten  Aebten,  namentlich  in  ihrem  obern  Aufsatz,  im  XV. 
Jahrhundert  und  besonders  im  Beginne  des  XVI.  Jahrhunderts  zu 
überladen  pflegten,  davon  dient  heute  noch  eine  grosse  Zahl 
bischöflicher  Stäbe  zum  lehrreichen  Beispiel. 

Diese  bischöflichen  Stäbe  aus  der  ausartenden  Gothik,  noch 
mehr  aber  jene  kostbaren  Stäbe  mit  unerquickhchen  Ueberladungeu 
und  geschmacklosen  Zierereien,  wie  sie  die  spätere  Renaissance- 
und  vollends  die  goldene  Rococo-Zeit  entstehen  sah,  entfernten 
sich  vollends  von  der  Einfachheit  und  Zweckmässigkeit  der 
Foi-mgebilde  an  den  frühmittelalterlichen  Stäben  so  sehr,  dass  sie 
den  Trägern  nicht  mehr  als  naturgemässe  Stütze  dienten,  sondern 
von  jetzt  ab  ihnen  im  wahren  Sinne  des  Wortes  nur  zu  einer 
schweren  Bürde  wurden. 

Es  dürfte  sich  uns  in  einem  andern  Werke  nächstens  Gele- 
genheit bieten,  bei  den  geschichtlichen  Nachweisen,  welche  die  ver- 
schiedenen hturgischen  Gefässe  im  Mittelalter  genommen  haben. 
Ausführlicheres  über  die  Episcopal-  und  Abbatialstäbe  unter  Bei- 
gabe der  nöthigen  Abbildungen  zusammenzustellen.  Wir  begnügen 
uns  deswegen  hier  mit  den  obigen  kurzen  Andeutungen  über  Ge- 
stalt und  Entwicklung  der  bischöflichen  Stäbe  im  Mittelalter,  und 
fügen  hier  nur  noch  einige  Andeutungen  über  das  Vorkommen 
jenes  stofi"lichen  Ornamentes  hinzu,  das  seit  dem  XIV.  bis  zum 
XVII.  Jahrhundert  an  den  Pastora] stäben  der  Bischöfe  und  Aebte 
sich  häufiger  vorfand.  Es  ist  dies  ein  mehr  oder  weniger  reich 
verziertes  Tuch,  das  ehemals  entweder  an  der  curvatura  oder  am 
nodus  des  bischöflichen  Stabes  befestigt  war.  Bei  altern  litur- 
gischen Schriftstellern  findet  man  für  dieses  an  den  virgae  pasto- 
rales  befindliche  stoffliche  Ornament  verschiedene  Benennungen, 
aus  denen  sich  nicht  undeutlich  der  Zweck  errathen  lässt,  dem 
diese  stoffliche  Verzierung  gewidmet  war.  Zuweilen  wird  es  ora- 
rium,  zuweilen  velum,  dann  aber  auch  wieder  siidarium  oder  pan- 
nisellus  genannt.  Der  Name  orarium  dürfte  als  identisch  mit  su- 
darium  zu  betrachten  sein,  indem  sich  dieses  Tuches  der  Bischof 
bei  Verrichtung  von  anstrengenden  Amtshandlungen,  namentlich 
zur  Sommerszeit,  als  Schweisstuches  bedienen  konnte.  Der  Name 
velum,  der  sich,  wenn  auch  seltener,  für  dieses  stoffhche  Ornament 
vorfindet,  scheint  indessen  darauf  hindeuten  zu  wollen,  dass  dieses 


—    227  — 


Tüchelchen  benutzt  worden  sein  dürfte,  um  damit  die  Hand  zu 
umwickehi  und  zu  verhüllen.    Da  aber  meistens  der  Bischof  oder 
infuhrte  Abt  das  pedum  trägt,  wenn  er  sich  mit  den  chirothecae 
bekleidet  hat,  so  verliert  dadurch  die  Ansicht  derer  eine  Stütze, 
die  da  glauben,  das  velum  habe  an  dem  bischöf heben  Stabe  sich 
deswegen  vorgefunden,  damit  im  Winter  die  Hand  beim  Anfassen 
des  meist  metalhschen  Stabes  nicht  von  der  Kälte  berührt,  und 
damit  dadurch  auch  zugleich  verlündert  worden  sei,  dass  durch 
das  Angreifen  des  Metalls  die  Hand  des  bischöflichen  Trägers 
beschmutzt  werde.    Erwägt  man  jedoch,  dass  diese  vela  an  altem 
bischöflichen   Stäben  meistens  aus  einem  gazeartigen,  äusserst 
feinen  Leineustoff  bestanden,  den  man  im  Mittelalter  bi/ssus  nannte, 
und  den  wir  heute  seiner  stoffhchen  Beschaffenheit  wegen  crcpe  de 
Chine  nennen  würden,  und  der  seiner  Durchsichtigkeit  wegen  sich 
vortreffhch  als  Schweisstuch ,  am  allerwenigsten  aber  als  Schutz 
gegen  Kälte  und  Beschmutzung   eignete,   rechnet  man  hierzu 
noch,  dass  Dui-andus  an  der  Stelle,  wo  er  von  dem  bischöflichen 
sudarium  handelt ,  ausdrücklich  anführt ,  dass  in  verschiedenen 
Kirchen  der  Gebrauch  bestehe,  dass  bei  bischöflichen  Pontifical- 
messen  ein  Diakon  das  sudarium  halte  und  vorübergehend  auf  die 
rechte  Seite  des  Altares  lege;  so  dürfte  die  Annahme  berechtigt 
erscheinen,  dass  dieses  Ornament  in  einzelnen  Diöcesen  unmittelbar 
dem  bischöfhchen  Stabe  als  Schweisstuch  beweglich  angehängt 
worden  sei,  in  einer  Weise,  dass  der  Bischof  sich  nicht  nur  des 
selben  bedienen  konnte,  wenn  er  am  Altare  das  heilige  Opfer 
verrichtete,  sondern  auch  bei  jeder  Gelegenheit,  wo  er  mit  dem 
pedum  in  der  Hand  seinen  bischöflichen  Amtsverrichtungen  oblag. 

Liesse  sich  diese  Annahme,  dass  nämlich  das  velum  oder  pan- 
nisellus  an  bischöflichen  Stäben  als  ein  mehr  oder  weniger  reich 
verziertes  Schweisstuch  gedient  habe,  durch  anderweitige  Belege 
erhärten,  so  würde  dadurch  die  Meinung  derjenigen  Schriftsteller 
entkräftet,  die  da  angenommen  haben,  dass  dieses  velum  nur  an 
den  Stäben  der  infulirten  Aebte  sich  ehemals  befunden  habe,  und 
dass  durch  dieses  stoffliche  Ornament  (he  infulirten  Aebte  bei 
öffentlichen  Feierliclikeiten  von  den  Bischöfen  sich  unterschieden 
haben. 

Dass  diese  letztere  Annahme  in  neuester  Zeit  Verbreitung  ge- 
funden hat,  dürfte  von  einer  Bestimmung  herrühren,  die  sich  in 
den  Acten  des  Concils  von  Mailand  findet,  das  unter  dem  h.  Karl 
Borromäus  gegen  Schluss  des  XVI.  Jahrhunderts  gefeiert  wurde. 

16 


—    228  — 


Diese  Stelle  lautet:  «Orario  aut  sudario  non  ornatur  (baculus)  si 
episcopalis  est,  quo  insigni  abbatialis  ab  illo  distinguitur«  i). 

Im  Hinblick  auf  diese  Angabe  und  die  genauen  Bestimmungen 
der  Mailänder  Synode  hinsichtlich  der  Form  und  Bescha,ffenheit 
der  verschiedenen  liturgischen  Gebrauchsgeräthe  lässt  es  sich  nicht 
in  Abrede  stellen,  dass  vielleicht  in  der  Mailänder  Diöcese  und 
überhaupt  in  Italien  das  panniseUus  ein  distinguirendes  Oi'nament 
an  den  Ki'ummstäben  der  infulirten  Aebte  war,  und  dass  dasselbe 
an  bischöflichen  und  erzbischöflichen  Stäben  felüte.  Indessen  be- 
weisen eine  grosse  Zahl  von  Miniatur-  und  Tempera-Malereien, 
desgleichen  auch  eine  Menge  bischöflicher  Statuen  in  Stein,  dass  in 
England,  Frankfeich  und  Deutschland  dieses  sudarium  nicht  nur 
an  den  Stäben  der  Aebte,  sondern  auch  an  denen  der  Bischöfe 
und  Erzbischöfe  häufig  sich  vorfand.  Auch  Dr.  Rock  citirt  in  sei- 
nem unten  angeführten  Werke  eine  Anzahl  von  Grabmonumen- 
ten in  enghschen  Kathedralkirchen,  in  welchen  an  den  Stäben 
bischöflicher  und  erzbischöflicher  Statuen  dieses  velum  angetroffen 
wird,  das  zuweüen  frei  herunterhängt,  zuweilen  aber  auch  spiral- 
förmig um  den  bischöflichen  Stab  gewunden  ist. 

Da  die  bischöflichen  Sudarien  aus  feinen  Leinenstoffen  be- 
standen, und  der  Reinigung  mittelst  Waschens  vorübergehend  un- 
terworfen waren,  so  kann  es  nicht  auffallend  erscheinen,  dass  in 
altem  kirchlichen  Schatzverzeiclinissen  dieser  panniselli,  da  sie  in 
der  Regel  Stücke  ohne  Werth  waren,  keine  Erwähnung  geschieht. 
Nur  in  dem  Prager  Schatzverzeichniss  vom  Jahre  1387,  das  in 
grosser  Vollständigkeit  sämmtüche  stoffliche  und  metallische  Or- 
nate und  Kleinodien  von  St.  Veit  aufzählt,  finden  sich  einzelne 
oraria  namhaft  gemacht,  die  reicher  verziert  gewesen  zu  sein  schei- 
nen. Dieselben  werden  in  einem  besondern  Abschnitt  näher  be- 
zeichnet, wie  folgt: 

Rubrica  de  pannisellis. 
Item  panniseUus  dictus  pasnyezye  pendens  in  curvatura,  pri- 
mus  est  de  perlis  cum  nodis  argenteis  ^)  deauratis  habens  ima- 


')  Acta  Synodalia  Ecclesiae  Milanensis,  lib.  II.  de  bac.  past.,  p.  627. 
^)  The  church  of  our  fathers,  tom  II,  pag.  211. 

^)  Der  obere  Theil  dieser  Pannisellen  war,  altern  Darstellungen  zufolge, 
in  Form  eines  Dreiecks  mit  reichen  Stickereien  verziert  und  an  den 
drei  Ecken  befanden  sich  drei  Knöpfchen,  die  ähnlich  denen  an  den 
vier  Ecken  der  bursa  corporalium  auf  Tafel  XVII,  I.  Bd.,  2.  Lief  mit 
Perlen  verziert  waren. 


—    229  — 


ginem  Christi^).  —  Item  secundus  pannisellus  cum  perlis  et  tribus 
nodulis  perlarum.  —  Item  duo  paria  zandaliorum  et  duo  paria 
caligarum. 

Hält  man  nun  Nachfrage,  wo  sich  heute  noch  solche  bischöf- 
liche pannisflU  erhalten  haben,  so  muss  hier  im  Vorbeigehen  dar- 
auf hingewiesen  werden,  dass  von  allen  liturgischen  stofflichen 
Ornatstücken  diese  bischöflichen  oraria  die  seltensten  sind.  So- 
weit unsere  Forschung  reicht,  haben  sich  nämlich  heute  nur  noch 
wenige  solcher  panniselli  erhalten,  die  sämmtlich  aus  dem  XIV.  Jahi- 
liundert  herzurühren  scheinen.    Eines  derselben  befindet  sich  in 
dem  königlichen  Museum  zu  Berlin,  das  mit  dem  auf  Tafel  XIV, 
Figur  1,  II.  Bd.,  4.  Lieferung  abgebildeten  grosse  Formvei'wandt- 
schaft  aufweist.    Ein  zweites  sudarium  hat  sich  in  der  Sammlung 
mittelalterlicher  Webereien  und  Stickereien  des  Kensington-Museums 
zu   London  erhalten,   imd  dürfte   als  Mustervorlage  dienen,  in 
welchen  Formen  und  mit  welchen  Verzierungen  die  bischöflichen 
Schweisstücher  im  XIV.  Jahrhundert  angefertigt  zu  werden  pfleg- 
ten.   Wir  geben   auf  Tafel  XIV,  Figur  1,  II.  B.  4.  Lief,  dieses 
interessante  Tüchelchen,  jedoch  in  sehr  verkleinertem  Maassstabe 
bildlich  wieder  und  fügen  noch  folgende  Notizen  hinzu.   Wie  die 
betreffende  Abbildung  es  andeutet,  besteht  dieser  pannisellus  aus 
einem  mittelfeinen  Byssusleinen,  und  hat  dasselbe  die  Form  einer 
Glocke,  die  sich  nach  unten  bedeutend  erweitert.    Der  untere 
stoffhche  Theil  des  Tüchelchens,  das  stets  durch  Waschen  gerei- 
nigt werden  konnte,  zeigt  eine  bis  oben  durchgehende  Oeffnung, 
die  auf  beiden  Seiten  mit  zwei  schmalen  gestickten  Streifen  ein- 
gefasst  wird,  auf  welchen,  in  vielfarbiger  Seide  gestickt,  quadra- 
tische, mäanderförmige  Musterungen  ersichtlich  sind.    Der  obere 
Theil  unseres  Tüchelchens,  an  welchem  sich  vielfarbig  in  Seide  ge- 
arbeitete Schnüre  mit  gewirkten  Knoten  (noduli)  zum  Aufhängen 
desselben  an  der  Krümme  des  bischöflichen  Stabes  befinden,  be- 
steht aus  einem  viereckig  länghchen  Besatz,  der,  im  Innern  offen, 
auf  Unterlagen  von  Pergament,  nach  beiden  Seiten  quadratisch 
geordnete,  gestickte  Verzierungen  auf  feinem  Seidenstramin  zeigt, 


')  Mitten  in  diesem  dreieckigen  Ornament,  ähnlich  wie  dasselbe  an  dem 
pannisellus  des  bischöflichen  Stabes  auf  Tafel  XVII,  II.  B.,  4.  Lief., 
ersichtlich  ist,  befand  sich  wahrscheinlich  das  Antlitz  des  Herrn  in 
Stickerei  dargestellt,  wodurch  die  Bedeutung  des  in  Rede  stehenden 
Schweisstuches  nach  dem  Vorbilde  des  sudarium  der  hl.  Veronica  ge- 
kennzeichnet war. 

16* 


—    230  — 


die  zu  den  schönsten  sogenannten  a  la  Grecque-Mustern  gehören, 
wie  solche  in  der  letzten  Hälfte  des  XIV.  Jahrhunderts  zahlreich 
angefertigt  wurden. 

Ein  drittes  sudarium  sahen  wir  an  einem  Stabe  aus  der  Mitte 
des  XV.  Jahrhunderts,  der  sich  im  bischöflichen  Museum  zu 
Münster  befindet.  Dem  gnädigen  Entgegenkommen  des  hochwür- 
digsten Bischofs  Dr.  Georg  Müller  von  Münster  verdanken  wir  die 
Zusendung  einer  photographischen  Aufnahme  dieses  Stabes  nebst 
Tüchelchen,  die  auf  Tafel  XXX,  Figur  4  abgebildet  sind. 

Am  Schlüsse  dieser  kurzen  Andeutungen  über  Gestalt  und 
Beschaffenheit  der  Stäbe  von  Bischöfen  und  Aebten  und  ihre 
Verzierung  durch  das  Anhängen  der  panniselli,  sei  noch  darauf 
hingewiesen,  was  von  liturgischen  Schriftstellern  der  ältern  und 
neuern  Zeit  hinsichtlich  der  Art  und  Weise,  das  pedum  zu  tragen, 
angefühlt  worden  ist,  und  wie  der  Bischof  sich  vom  Abte  in  der 
Haltung  des  Stabes  unterschieden  habe.  So  wäre  es  Regel  gewesen, 
dass  im  Mittelalter  der  Bischof  die  Krümme  des  Stabes  immer  nach 
Aussen  gewandt  habe,  wohingegen  der  Abt  und  die  mitrirten  Digni- 
täten  der  Kapitel  die  curvatura  des  Stabes,  meistens  nach  Innen 
gekehrt  getragen  hätten.  Dadurch  hätte  angedeutet  werden  sollen, 
dass  sich  die  Amtsgewalt  des  Bischofes  über  die  ganze  Diöcese 
erstrecke,  während  die  Befugnisse  des  Abtes  nicht  über  den  Um- 
fang der  Abtei  hinausreichten.  Obschon  das  Ceremoniale  Epis- 
coponirn  mit  allgemeinen  Worten  vorschreibt,  dass  der  pontifici- 
rende  Bischof  im  Hingange  zum  Altar  den  Stab  «in  manu  sinistra, 
parte  curva  bacidi  ad  populum  versa«  tragen  solle,  so  finden  sich 
doch  hinsichtlich  der  Haltung  der  curvatura  nach  der  Innern  oder 
äussern  Seite  bei  ältern  Liturgikern  keine  bestimmten  Vorscliriften. 
Dessgleichen  ist  es  auch  bei  mittelalterlichen  Darstellungen  von 
Bischöfen  und  Erzbischöfen  im  vollen  Ornat  nicht  ersichtlich,  dass 
die  lü'ümme  des  Stabes  sich  immer  nach  Aussen  wende,  hingegen 
die  der  Aebte  nach  Innen  gekehrt  sei.  Wir  haben  in  den  letzten 
Jahren  auf  che  Lage  der  Curvatur  des  Stabes  bei  Besichtigung  der 
betreffenden  Tafel-  und  Miniaturmalereien,  dessgleichen  von  ein- 
schlagenden Sculpturen  unser  Augenmerk  gerichtet,  in  den  meisten 
Fällen  jedoch  die  Ueberzeugung  gewonnen,  dass  zum  Wenigsten  den 
Künstlern  bei  Darstellung  von  bischöflichen  und  äbtlichen  Bildwer- 
ken diese  Vorschrift  nicht  bekannt  gewesen  sein  dürfte,  indem  bei 
vielen  derartigen  Darstellungen  von  Bischöfen  die  Krümme  nach 
Innen  und  umgekehrt  bei  denen  der  Aebte  dieselbe  nach  Aussen 
gewandt  ist.     Ein  sehr  geübter  Kenner  der  altkirchhchen  Kunst 


—    231  — 


und  Litm-gie,  Dr.  Rock,  gibt  in  seinem  mehrfach  citirten  Werke 
(The  church  of  our  fathers,  tom  II,  p.  208)  an,  dass  er  dieselbe 
Beobachtung  an  vielen  mittelalterlichen  Darstellungen  von  Bischö- 
fen und  Aebten  in  englischen  Kirchen  gemacht  habe.  Aus  dem 
oben  Gesagten  dürfte  also  zu  entnehmen  sein,  dass  im  Mittelalter 
hinsichtlich  der  Neigung  der  lü'ümme  nach  Aussen  oder  nach  Innen 
keine  liturgische  Bestimmung  als  allgemein  gültige  Vorschrift  vor- 
lag, und  dass  erst  gegen  Schluss  des  Mittelalters  in  einzelnen  Diö- 
cesen  dieser  Brauch  eingeführt  worden  sei. 


Nachdem  im  Vorhergehenden  der  liturgische  Ornat,  wie  der 
pontilicirende  Bischof  bei  Feier  der  heihgen  Geheimnisse  sich 
desselben  bedient,  ausführlicher  besprochen,  und  die  künstlerische 
Entwicklung  und  Gestaltung  im  Laufe  des  Mittelalters  unter  Bei- 
gabe der  nöthigen  Abbildungen  nachgewiesen  worden  ist,  wäre  es 
hier  am  Scldusse  der  Beschreibung  sämmtlicher  einschlagenden 
Ornatstücke  am  Orte,  in  einer  genauen  bilcUicheu  Darstellung  zu 
veranschaulichen,  in  welcher  Reihenfolge  nicht  nur  der  pontilici- 
rende Bischof  sich  mit  diesen  verschiedenen  Ornaten  bekleidet, 
sondern  auch  wie  nach  Anlegung  derselben  der  vollständige  habi- 
tus  pontißcalis  sich  im  Bilde  darstelle. 

Bereits  früher  ist  an  anderer  Stelle  darauf  hingewiesen  worden, 
dass  der  vorliegende  kunstgeschichtliche  Nachweis  über  Entstehung 
und  Entwicklung  der  liturgischen  Gewänder  es  vorzugsweise  bezwecke, 
auch  der  heutigen  bildenden  Kunst  dienhch  und  förderlich  zu  wer- 
den. Da  es  nun  die  Erfahrung  lehrt,  wie  schwer  es  in  neuerer  Zeit 
dem  Maler  und  Bildhauer  fällt,  bei  Darstellung  von  Bischöfen  und 
Päpsten  die  betreffende  Pontificalkleidung  so  anzuordnen  und  zu  ge- 
stalten, dass  dieselbe  mit  den  liturgisch-rituellen  Vorschriften  voll- 
kommen in  Einklang  stehe,  und  dass  au  derselben  auch  in  chronolo- 
gischer und  archäologischer  Beziehung  keinerlei  Verstösse  vorkom- 
men, so  nehmen  wir  hier  gerne  Gelegenheit  wahr,  an  einer  bildlichen 
Darstellung,  unter  stetem  Hinweis  auf  das  in  den  vorhergehenden 
Abhandlungen  Gesagte,  es  anschaulich  zu  machen,  wie  der  ge- 
sammte  Pontifical-Ornat  der  Reihe  nach  angelegt,  mit  welchen 
Namen  die  einzelnen  Stücke  benannt  werden  und  wie  nach  der 
Anlegung  die  Form,  der  Schnitt  derselben  sich  im  Bilde  darstellt. 

Die  Figur  auf  Tafel  XXXI  veranschaulicht  einen  Bischof  in 
jenen  kirchlich  feststehenden  Pontiticalgewändern ,  wie  dieselben 


—    232  — 


vom  XIII.  bis  zum  XVI.  Jahrhundert  mit  geringen  Abweichungen 
in  deutschen  Diöcesen  allgemein  in  Gebrauch  waren. 


Die  bischöflichen  Pontificalgewänder 

in  ihrer  Gebrauohnahme  und  Reihenfolge  der  Anlegung, 
ersichtlich  auf  Tafel  XXXI,  Figur  1. 

A.  Stoffliche  Ornate. 

I.  und  2.  bischöfliche  Strümpfe  und  Sandalen  (tibialia  et  san- 
dalia).  Beschreibung  derselben,  Band  II,  Seite  2  bis  19.  Abbil- 
dung auf  Tafel  I. 

3.  Das  Schultertuch  mit  seiner  gestickten  Verzierung  (amic- 
tus,  humerale  cum  plaga,  parura).  Beschreibung  desselben,  Band  II, 
Seite  19  bis  31.    Abbüdung  auf  Tafel  II. 

4.  Die  Albe  mit  ihren  gestickten  Verzierungen  {camisia,  alba 
cum  plagis,  praetextis).  Beschreibung  derselben  Band  II,  Seite  31 
bis  50.    Abbildung  auf  Tafel  III  und  IV,  Figur  1. 

5.  Der  Gürtel  zur  Aufschürzung  der  Albe  und  zur  Befestigung 
der  Stola  (cingulum,  zona).  Beschreibung  desselben,  Bd.  II.  von  Seite 
50  bis  62.  Wird  in  der  Abbildung  auf  Taf.  XXXI,  Figur  1  von 
den  Obergewändern  ganz  bedeckt,  ist  jedoch  auf  Tafel  IV,  Figur  1 
und  auf  Tafel  V,  Figur  2  und  4  ersichtlich. 

6.  Die  Stola  {stola,  orarium).  Beschreibung  derselben,  Bd.  II. 
von  Seite  62  bis  83.  Abbildung  auf  Tafel  IV,  Figur  1  und  Tafel 
VIII,  Figur  3. 

7.  Die  Tunica  (tunicella,  subtile).  Beschreibung  derselben,  Bd.  II. 
von  Seite  83  bis  101.  Abbüdung  auf  Tafel  V,  Figur  1,  und  Tafel 
XXXI,  Figur  1. 

8.  Die  Dalmatica  (dalmaiica).  Beschreibung  derselben,  Bd.  II. 
von  Seite  83  bis  101.  Abbildung  auf  Tafel  VII,  Figur  1,  und 
Tafel  IV,  Figur  2. 

9.  Das  Messgewand  mit  den  gestickten  Stäben  (casula,  pla- 
neta  cum  aurifrisiis).  Beschreibung  desselben  Bd.  II.  von  S.  101  bis 
129.    Abbüdung  auf  Tafel  VIII,  X  und  XII,  Figur  1. 

10.  Die  Pontifical-Handschuhe  (chirothecae,  manicae).  Beschrei- 
bung derselben,  Bd.  II.  von  Seite  131  bis  148.  Abbüdung  auf  Ta- 
fel VII,  Figur  2  und  3.  Dessgleichen  Tafel  XIX  Figur  1  bis  4  und 
Tafel  XX,  Figur  1  bis  3. 

II.  Die  Infel  (infula,  mitra,  tiara).  Beschreibung  derselben 
von  Seite  148  bis  186.    Abbildung  auf  Tafel  XXI  bis  XXV. 


—    233  — 


12.  Der  Manipel  (mantpulus,  fanon)  Beschreibung  Bd.  II  von 
Seite  79—83.  Abbildungen  Taf.  VI,  I.  Bd.  II.  Lief,  und  Taf.  VIII, 
Figur  2,  II.  Bd.  Anlegung  am  linken  Arm  Tafel  XXXI,  II.  Bd.  erst 
nach  dem  Staflfelgebet. 

B.  Metallische  Pontificalien. 

12.  Der  Ring  (annulus).  Beschreibung  von  Seite  205  bis  212. 
Abbildung  auf  Tafel  XXVIII,  Figur  1—6. 

13.  Das  Brustkreuz  (crux  pectoralis,  encolpium).  Beschreibung 
desselben  Bd.  II.  von  Seite  213  bis  218.  Abbüdung  auf  Tafel 
XXIX,  Figur^  1—4. 

14.  Der  bischöfliche  Stab  (baculus  pastoralis,  virga,  pedum). 
Beschreibung  desselben,  Bd.  II  von  Seite  218  bis  231.  Abbildung 
auf  Tafel  XXX,  Figur  1—4. 

C.  Besondere  auszeichnende  Ornate  für  den  Bischof  und  den  Erzbischof. 

15.  Das  gallicanische  Palhum  {pallium  gallicanum,  rationale 
episcoporum).  Beschreibung  desselben  Bd.  II.  von  Seite  194  bis  205. 
Abbildung  auf  Tafel  V,  I.  Bd.  3.  Lief.,  Tafel  XXVI,  Figur  2,  II.  Bd. 
Tafel  XXVII,  Figur  1—6. 

16.  Das  erzbischöfliche  Pallium  (pallium  romanum).  Beschrei- 
bung desselben  Bd.  II.  von  Seite  186  bis  194.  Abbildung  auf  Tafel 
XKVI,  Figur  1  und  3. 

Als  wir  vor  Erscheinung  der  I.  Lieferung  des  vorhegenden 
Werkes  den  gevs^agten  Versuch  machten,  in  einem  Inhaltsverzeichniss 
alles  das  zusammenzufassen,  was  bei  dem  damals  noch  projektirten 
Werke  der  Geschichte  der  liturgischen  Gewänder  des  Mittelalters« 
eine  eingehende  Besprechung  erfordern  würde,  hatten  wir  noch  keine 
genaue  Uebersicht  von  dem  Umfang  und  der  Tragweite  alles  dessen 
gewonnen,  was  wir  in  unserm  ersten  Prospektus,  abgetheilt  in  12 
Kapitel  und  in  sechs  Lieferungen,  zu  bieten  beabsichtigten.  Bei 
dem  durchaus  neuen  Stoff,  der  vor  uns,  namentlich  von  seiner 
kunstgescliichtlichen  Seite,  noch  nicht  behandelt  worden  war,  hat 
sich  bei  Ausarbeitung  der  ersten  Kapitel,  wie  wir  das  offen  ein- 
gestehen, das  ereignet,  was  seit  der  Erfindung  der  Presse  gar  man- 
chem Autor  vor  uns  häufig  begegnet  ist:  um  nämlich  den  Le- 
sern ein  vielseitiges  und  zugleich  möglichst  abgerundetes  Werk  zu 
bieten,  hatten  wir  geglaubt,  das  reichlaaltige  im  ersten  Prospektus 
angedeutete  Material  in  6  Lieferungen  vollständig  behandeln  zu  kön- 
nen. Nach  Vollendung  des  ersten  Bandes  hatten  wir  jedoch  die  voUe 
Ueberzeugung  gewonnen,  dass  in  dem'noch  fehlenden  zweiten  Bande, 


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sich  unmöglich  Alles  zur  Abhandlung  bringen  liesse,  was  wir  bei 
Anlage  des  Werkes  in  sechs  Lieferungen  unterzubringen  gehofft 
hatten.  Es  blieb  uns  nun  die  Wahl,  entweder  in  kurzen  Umrissen 
auf  Kosten  der  Gründlichkeit  unserer  Arbeit  alle  jene  Stoffe  zu 
behandeln,  die  im  ersten  Prospekt  übersichtlich  zusammengestellt 
worden  waren,  oder  aber  uns  darauf  zu  beschränken,  die  wichti- 
geren Materien  auszuwählen  und  dieselben  mit  der  nöthigen  Um- 
sicht zu  behandeln,  dagegen  aber  die  weniger  wichtigen  vorläufig 
auszuscheiden  und  für  eine  abgesonderte  spätere  Bearbeitung  auf- 
zuheben. 

Um  daher  in  zwei  Bänden  mit  je  drei  Lieferungen  die  vor- 
liegende Arbeit  zum  Abschluss  zu  bringen,  schien  es  geratheu  zu 
sein,  abgesondert  in  einem  umfangreichen  Werke  jene  Kleinodien 
und  Krönungspontificalien  eingehend  zu  besprechen,  die  seit  den 
Tagen  der  Hohenstaufen  die  deutschen  Könige  und  Kaiser  am 
Tage  ihrer  feierlichen  Salbung  und  Krönung  in  Gebrauch  genom- 
men haben  Dessgleichen  schien  es  auch  zweckmässig,  später  in 
einem  besondern  Werke  die  liturgischen  Gewänder  der  unirten  und 
nicht  unirten  Griechen,  der  Armenier,  Kopten  und  der  übrigen 
orientahschen  Riten  für  sich  selbstständig  zu  behandeln.  (Vgl.  Kap. 
VIII  des  provisorischen  Inhaltsverzeichnisses.)  Was  nun  den  Inhalt 
der  vier  letzten  Kapitel  von  IX  bis  XII  betrifft,  so  haben  wir  es 
für  geeignet  erachtet,  die  vornehmsten  darin  angedeuteten  Ma- 
terien stellenweise  da  zu  besprechen,  wo  sie  sich  ohne  Zwang  in 
den  vorhergehenden  und  folgenden  Lieferungen  einreihen  Hessen. 

Es  erübrigte  nun,  in  dem  kurzen  Räume,  der  uns  bis  zum 
Schlüsse  des  zweiten  Bandes  noch  offen  steht,  Stoff,  Gestalt  und 
künstlerische  Beschaffenheit  der  priesterlichen  Ornate  und  der  Dia- 
conen-Gewänder  im  Unterschiede  von  den  einsclüagenden  bischöf- 
lichen Gewändern  nur  in  allgemeinen  Umrissen  zu  beleuchten,  dess- 
gleichen auch  auf  die  liturgisch  herkömmliche  Bekleidung  der 
Sänger  und  Ministranten  überzugehen,  und  endlich  noch  alle  jene 
stoffüchen  Ornamente  hinsichtlich  ihrer  Entstehung  und  künstleri- 
schen Ausstattung  zu  besprechen  die  sowohl  zur  Verzierung  des 
Altares  als  auch  der  Kirche,  bei  besonderen  Feierlichkeiten,  in  Ge- 


')  Nach  achtjähriger  Arbeit  haben  wir  kürzlich  im  Allerhöchsten  Auf- 
trage Sr.  Majestät  des  Kaisers  Franz  Joseph  von  Oesterreich  dieses 
umfangreiche  Prachtwerk  vollendet  und  ist  Aussicht  vorhanden,  dass 
eine  einfache  Quartausgabe  in  4  Bänden  desselben  Werkes  in  nächsten 
Jahren  erscheinen  wird. 


—    235  — 


brauch  genommen  werden.  Da,  wie  wir  im  Vorhergehenden  an 
verschiedenen  Stellen  angedeutet  haben,  der  celebrirende  Bischof 
in  seiner  Person  die  verschiedenen  ordines  des  Subdiacons,  Diacons 
und  des  Priesters  vereinigt,  und  demzufolge  auch  alle  jene  Ornat- 
stücke trägt,  wie  sie  nach  kirchlichen  Satzungen  jedem  ordo  eigen- 
thümlicli  zustehen ;  da  ferner  diese  sämmthcheu  Gewänder  der  drei 
ebengedachten  ordines,  mit  welchen  der  Bischof  zugleich  bekleidet 
wird,  wenn  er  als  Pontifex  die  heiligen  Geheimnisse  feiert,  im 
Vorhergehenden  eingehend  besprochen  und  ihre  Entwicklung  und 
ornamentale  Gestaltung,  wie  sie  im  Laufe  des  Mittelalters  sich  aus- 
gebildet hat,  ausführlicher  nachgewiesen  worden  ist,  so  werden 
wir  im  Nachfolgenden,  des  engen  Raumes  wegen,  der  noch  er- 
übrigt, uns  darauf  beschränken,  nur  Weniges  über  Form  und 
Verzierungsweise  der  liturgischen  Ornate  dieser  drei  ordines  nach- 
zuholen, um  so  noch  jene  stoffhchen  Ornatstücke  besprechen  und 
durch  Abbildungen  anschauüch  machen,  zu  können,  deren  kunst- 
geschichtliche Entwicklung  und  Gestaltung  in  der  christlichen  Vor- 
zeit von  den  liturgischen  Schriftstellern  der  letzten  Jakrhunderte  fast 
gar  keine  Beachtung  gefunden  haben. 

Der  Darstellung  des  Bischofs  im  vollen  Pontifical-Ornat  auf 
Tafel  XXXI ,  Figur  1 ,  sei  auf  derselben  Tafel  unter  Figur  2  die 
Abbildung  eines  Priesters,  bekleidet  mit  jenen  Gewändern,  bei- 
gesellt, wie  derselbe  sie  das  ganze  Mittelalter  hindurch  bei  Feier 
der  heiligen  Messe  zu  tragen  berechtigt  war.  Der  gewöhnliche 
celebrans  ist  mit  dem  im  Folgenden  verzeichneten  sieben  verschie- 
denen vestes  presbyteratus  bekleidet,  von  denen  die  sechs  ersten, 
übereinstimmend  mit  den  gleichen  Gewändern  des  pontificirenden 
Bischofs,  hinsichtlich  der  Zeit  ihrer  Entstehung  bis  in  die  früh- 
christlichen Jahrhunderte  hinaufreichen ;  nur  das  siebente  und  letzte 
priesterliche  indumentum,  das  Birrett,  ist  jüngern  Ursprungs. 

Gleichwie  der  Bischof  das  Vorrecht  besitzt,  unter  dem  Thron- 
himmel oder  am  Altar  stehend,  sich  mit  den  früher  beschriebenen 
bischöflichen  Pontificalgewändern  bekleiden  zu  lassen,  so  legt  der 
Priester,  der  Vorschrift  nach,  in  der  Sakristei,  nicht  aber  unmittel- 
bar am  Altar  die  sechs  iDriesterlichen  Ornatstücke  in  dieser  Reihen- 
folge an: 

1 .  Das  Schultertuch  mit  aufgestickten  Ornamenten  (humerale, 
amictus  cum  plaga,  parura). 

2.  Die  Albe  mit  den  vier  Besatzstücken  ((dba  cum  quatuor 
praetextis,  plagis), 

3.  Der  Gürtel  {zona,  cingulum). 


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4.  Die  Stole  (orarium,  stola). 

5.  Der  Manipel  {fanon,  manipulus). 

6.  Das  Messgewand  (planeia,  casula). 

Zur  Vervollständigung  des  priesterlichen  Messornates  ist  als 
siebentes  Bekleidungstück  das  birrettum  im  Laufe  der  letzten  Jahr- 
hunderte hinzugefügt  worden.  Endlich  wird  auch  noch  im  weitern 
Sinne  als  integrirender  Theil  zum  Messgewande  die  Kelchbedeckung 
gezählt,  da  dieselbe  in  der  Regel  von  derselben  stofflichen  und 
artistischen  Beschaffenheit  ist,  welche  das  Messgewand  erkennen 
lässt.  Desswegen  wird  die  Kelchbekleidung  bei  altern  Inventaristen 
auch  gewöhnlich  als  zusammengehörend  mit  dem  Messgewande  un- 
ter der  Bezeichnung  angeführt :  casula  cum  appenditiis  oder  perti- 
neniiis  suis. 

Forscht  man  nun  zunächst  nach  dem  Unterschiede,  der  sich 
bei  den  ebengedachten  sechs  priesterlichen  Kleidungsstücken  im 
Gegensatz  zu  den  entsprechenden  bischöflichen  Ornatstücken  geltend 
macht,  so  ist  schon  im  Vorhergehenden  gelegentlich  darauf  hin- 
gewiesen worden,  dass  im  Allgemeinen  Schnitt  und  Form  sowohl 
an  den  priesterlichen  wie  den  bischöflichen  Gewändern  durchaus 
übereinstimmen.  Nur  allein  in  stoffhcher  und  künstlerischer  Be- 
ziehung zeichnet  sich  seit  den  frühesten  Zeiten  des  Mittelalters  bis 
zur  Stunde  der  reichverzierte  bischöfliche  Messornat  vor  den  ein- 
facher gehaltenen  Paramenten  aus,  wie  sie  der  Priester  bei  Feier  der 
h.  Messe  zu  tragen  pflegt,  wie  dies  im  Folgenden  nachzuweisen  ist. 


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€  a  p  i  t  e  1  Vr. 

Der  priesterliche  Messornat  und  die  Diaconen- 

Gewänder. 

1.  Das  Schultergewand. 

Was  zunächst  das  Humeral  für  den  'priesterlichen  Gebrauch 
betrifft,  so  ist  zu  erinnern,  dass  dasselbe  meistens  aus  einem  dichten 
Leinenstoff  bestand,  der  eine  Reinigung  durch  Waschen  leicht  zu- 
liess.  Bereits_seit  dem  XII.  Jahrhundert  wurde  dieses  priesterUche 
Schultergewand  mit  einer  mehr  oder  weniger  reichen  äussern  Rand- 
einfassung verziert,  wie  das  auf  S.  20  bis  23  ausführlicher  hervor- 
gehoben worden  ist.  Diese  Einfassung  war  gestickt  und  hiess  plaga, 
parvra,  praeiexta.  Ein  interessantes  priesterliches  amictus  mit  einer 
solchen  einfach  gestickten  parura  sahen  wir  kürzlich  in  dem  reich- 
haltigen Baierischen  Maximihan-Museum  zu  München.  Dessgleichen 
findet  sich  in  der  Liebfrauen-Kirche  zu  Danzig  eine  Anzahl  von 
altern  priesterhchen  Schultertüchern,  die  anstatt  der  gestickten 
Besatzstücke  mit  einem  viereckig  länglichen  Seidenstoffe  und  unter- 
legtem Leinenfutter  an  dem  obern  Rande  verbrämt  sind.  Offenbar 
waren  diese  plague  mit  eingewebten  Musterungen  von  demselben 
figurirten  Seidenstoffe  verfertigt,  aus  welchem  auch  das  Messgewand 
mit  seinem  Zubehör  bestand. 

Dass  im  Mittelalter  bei  Feier  der  h.  Messe  an  gewöhnhchen 
Tagen  zuweilen  auch  Schultertücher  ohne  alle  gestickten  oder  ge- 
webten Randverbrämungen  in  Gebrauch  genommen  wurden,  dürfte 
imi  so  weniger  in  Zweifel  gezogen  wex'den,  da  in  vielen  älteren 
Schatzverzeichnissen  Angaben  vorkommen,  woraus  erhellt,  dass  auch 
in  reichern  Kirchen  sich  Messgewänder  vorfanden,  deren  Humeral- 
tücher,  wie  ausdrücklich  vermerkt  steht,  sine  praetextis  aus  einfachen 
Leinenstoifen  bestanden. 

Im  Unterschiede  von  den  priesterlichen  Schultertüchern,  aus 
Leinenstoflfen  mit  einfacher  gearbeiteten  plague  verziert,  zeichneten 
sich  seit  dem  XIII.  Jahrhundert  die  bischöfhchen  amictus  häufiger 
dadurch  aus,  dass  sie  entweder  von  weisser  Taffetseide  oder  aber 
von  feinem  hyssus  angefertigt  wurden,  und  dass  che  praetextae  der- 
selben meist  durch  Gold-  und  Perlstickereien  kunstreich  verziert 
waren.  Auf  Taf.  XI  des  I.  B.  2.  Lief,  ist  in  reicher  Perlstickerei 
ein  solches  Besatzstück  eines  bischöflichen  Humerals  zu  ersehen, 
dessgleichen  auf  Tafel  II  von  Fig.  2 — 5  B.  II,  \.  Lief,  mehrere 
Besatzstücke  von  einfacher  gearbeiteten  plague,  die  als  verzierende 


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Kragen  an  Schultertücher  für  priesterlichen  Gebrauch  angebracht 
waren.  Noch  verweisen  wir  hier  auf  die  Abbildung  eines  reich- 
verzierten humerale,  das  ehemals  bei  den  Krönungen  deutscher 
Kaiser  eine  hervorragende  Anwendung  fand.  Leider  ist  dasselbe 
mit  noch  zwölf  andern  Kleinodienstücken  von  untergeordneter 
künstlerischer  Bedeutung  seit  der  Flucht  der  deutschen  Reichs- 
kleinodien  von  Nürnberg  nach  Eegensburg  und  Wien  1794  verloren 
gegangen.  Die  ausführliche  Beschreibung  dessgleichen  auch  die 
Abbildung  dieses  Schultertuches  ist  auf  Seite  6  und  7  des  An- 
hanges unseres  Werkes  «Die  Kleinodien  des  heüigen  römischen 
Reiches  deutscher  Nation«  zu  ersehen. 

Hinsichtlich  der  stofflichen  Ausdehnung  und  der  Verzierungs- 
weise der  Schultertücher  seit  den  letzten  zwei  Jahrhunderten  führt 
Gavantus  in  seiner  Abhandlung  «De  mensuris  propriis  sacrae  su- 
pellectilis«  Folgendes  an:  »Das  Humeral  sei  von  feiner  Leinwand 
3  Schuh  (2  cub.)  lang  (d.  h.  die  Ausdehnung  nach  beiden  Seiten) 
und  2  Schuh  3  Zoll  (1^2  cub.)  breit;  an  den  beiden  vordem  Ecken 
seien  Bänder  angenäht,  die  so  lang  sind,  dass  sie  wieder  zur  Bnist 
vorgezogen  und  gebunden  werden  können.  In  der  Mitte  des  obern 
Theiles  sei  ein  Kreuz  eingenäht  P/2  Zoll  (2  unc.)  gross  und  zwar 
zwei  Finger  breit  vom  Saume  entfernt.  Der  Saum  kann,  mit  Aus- 
nahme des  Theils,  der  um  den  Hals  gelegt  wird,  mit  einer  bescheide- 
nen Stickerei')  versehen  werden.  In  Frankreich  werden  an  den  vier 
Enden  des  Humerale  vier  umbordete  Löcher  angebracht,  um  in 
zweien  derselben  die  Bänder  zu  befestigen  und  dieselben  wieder 
in  zwei  andere  Löcher  zu  fügen,  wenn  eine  Seite  des  Humerale 
vom  Halse  des  Priesters  befleckt  worden  2). 

O  'jij  Auch  wird  das  Kreuz  in  der  Mitte  eingenäht,  nicht  am  Rande, 
damit  nicht  die  Flecken  beim  Küssen  Ekel  erregen.« 


*)  Unter  diesen  Stickereien  sind  offenbar  die  plagae,  parurae  zu  ver- 
stehen, wie  sie  als  mehr  oder  weniger  reich  verzierte  Schilder  bis  zum 
Schluss  des  XVI.  Jahrhunderts  in  den  meisten  deutschen  Diöcesen 
dem  Schultertuch  als  Ornament  beigefügt  zu  werden  pflegten. 
Anstatt  dieser  Oeffaungen  im  Schultertuch  fanden  wir  in  einigen  deut- 
schen Kirchen  vier  Schlöppchen  an  den  vier  Ecken  angenäht ;  dieselben 
kleinern  Durchlässe  oder  Schlöppchen  befinden  sich  auch  an  den  bei- 
den Schnüren  des  Schultertuches,  so  dass  also  durch  diese  einfache 
Vorrichtung  die  Schnüre  leicht  eingelassen  und  wieder  losgelöst  wer- 
den können. 


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2,  Die  priesterliehe  Albe,  und  3.  Der  Gürtel. 

Was  wir  über  Stoff  und  künstlerische  Beschaffenheit  des 
priesterlichen  Schultertiiches  im  Vergleich  zu  dem  bischöflichen  an- 
geführt haben,  das  gilt  auch  von  der  stofflichen  und  künstlerischen 
Beschaffenheit  der  priesterlichen  Albe  im  Gegensatze  zur  bischöf- 
hchen  Albe.  Schnitt  und  Gestalt  der  priesterlichen  Albe  war  im 
Mittelalter  und  ist  auch  heute  durchaus  identisch  mit  der  des 
Bischofes,  die  von  Seite  31  bis  Seite  50  Bd.  II  einer  eingehenden  Be- 
trachtung unterzogen  worden  ist.  Auch  wurde  auf  Seite  32  und  33 
darauf  hingewiesen,  das  ähnlich  der  heute  noch  erhaltenen  kaiser- 
lichen Albe  in  der  Schatzkammer  zu  Wien  die  kostbarem  Pontifi- 
calalben  der  Bischöfe  zuweilen  aus  weisser  Seide,  zuweilen  aus 
feinem  gazeartigen  Byssus  angefertigt  wurden,  welches  Gewebe 
hinsichtlich  seines  Werthes  den  Seidenstoff  fast  übertraf.  Auch 
pflegten  schon  seit  dem  X.  und  XI.  Jahrhundert  viele  bischöf- 
lichen Alben  den  ganzen  untern  Saum  entlang  mit  einer  mehr 
oder  weniger  reichgestickten  Verzierung  künstlerisch  ausgestattet 
zu  werden,  was  in  dieser  frühen  Zeitperiode  an  den  einfach  ge- 
haltenen priesterlichen  Alben  seltener  vorkam.  Erst  im  XII.  und 
XIII.  Jahrhundert  scheint  man  nicht  nur  allein  aus  öconomischen 
Rücksichten,  sondern  auch  in  der  Absicht,  die  Albe  des  Bischofes 
vor  der  des  Priesters  auszuzeichnen,  eine  Zusammenziehung  und 
Verkürzung  dieses  weiten  Albsaumes  in  der  Weise  bei  priesterhchen 
Alben  vorgenommen  zu  haben,  dass  nur  der  vordere  flach  ausge- 
breitete Theil,  sowie  auch  der  hintere  Theil  derselben  mit  einem 
verküi'zten  limbus,  den  man  plaga ,  parura  nannte,  versehen  zu 
werden  pflegte.  Das  Uebrige,  was  sich  noch  über  die  Ausstat- 
tung und  Verzierungsweise  der  priesterlichen  Albe  hier  anführen 
Hesse,  ist  bereits  auf  Seite  47  und  48  eingehender  besprochen 
worden.  Desgleichen  haben  wir  auch  auf  Seite  49  angedeutet, 
wo  die  ältesten  Verzierungen  der  priesterlichen  Albe  in  durch- 
brochener Weisszeugstickerei  heute  noch  zu  finden  sind.  Hin- 
sichtlich der  Spitzen  in  gewirkter  durchsichtiger  Arbeit,  wie  sie 
erst  in  den  letzten  zwei  Jahrhunderten  an  den  priesterlichen  Alben 
vorkommen,  sei  noch  bemerkt,  dass  uns  trotz  allseitigen  Suchens 
weder  an  ältern  Alben  noch  in  gleichzeitigen  Schatzverzeichnissen 
Andeutungen  vorgekommen  sind,  dass  bereits  im  Mittelalter  an  der 
priesterlichen  Albe  das  durchbrochene  Spitzenwerk  als  opus  araneum 
sich  vorgefunden  habe.  Obgleich  die  geknöppelte  und  durchbrochene 
Handarbeit  in  Leinen  an  verschiedenen  kirchlichen  Weisszeugsachen 
schon  seit  dem  XIII.  Jahrhundert  sich  vereinzelt  vorfindet,  so  wider- 


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strebte  es  doch  dem  gesunden  Geschmack  des  Mittelalters,  den 
äussern  Saum  eines  ernsten  liturgischen  Gewandes  mittelst  leicht 
durchbrochener  Weisszeugarbeit  abzuschwächen;  man  zog  es  viel- 
mehr seit  dem  XIV.  Jahrhundert  vor,  sowohl  den  untern  Albsaum, 
als  auch  die  äussere  Ausmündung  der  Aermel ,  durch  besonders 
aufgenähte  Schilder,  (plagae,  praetextae,)  zu  stärken  und  zu  be- 
festigen, deren  ligui'irte  Seidenstoffe  gewöhnlich  aus  demselben  Ge- 
webe bestand,  aus  welchem  auch  das  Messgewand  mit  Zubehör 
angefertigt  war.  Schhesslich  noch  die  Hinzufügung,  dass  es  erst 
in  neuerer  Zeit  bei  dem  Aufkommen  der  Tüllspitzen,  dessgl eichen 
der  Brabanter  Guipures  und  ihrer  Uebertragung  auf  die  Albsäume 
in  vielen  Diöcesen  gebräuchlich  wurde ,  zur  nothdürftigen  Befesti- 
gung und  zum  Schutze  jenes  flitterhaflen ,  häufig  noch  in  Baum- 
wolle gewebten  Tüll-  und  Spitzenwerkes  den  untersten  durchsich- 
tigen Rand  der  priesterlichen  Albe  mit  einem  schwarzen  Weil-  oder 
Seidenstoff  zu  unterlegen,  wohingegen  der  bischöfliche  Albsaum  mit 
einer  violetten  oder  rothen  Unterlage  von  Seide  ausgezeichnet  wird. 

Um  bereits  Gesagtes  nicht  zu  wiederholen,  verweisen  wir  aber- 
mals hinsichtlich  der  Beschaffenheit  und  der  Verzierungsweise  der 
priesterlichen  Albe  im  Mittelalter  und  heute  auf  eine  einschlagende 
Abhandlung  im  «Kirchenschmuck,  ein  Archiv  für  weibliche  Hand- 
arbeit«, I.  Jahrg.  1857,  S.  33 — 44.  Ueber  die  neuesten  diu'chaus 
gelungenen  Versuche  der  Firma  Lamberty  in  Aachen,  den  Spitzen- 
arbeiten in  schweren  Leinenstoflen,  zur  Verzierung  einfacher  und 
reicher  priesterHchen  Alben  ein  ernstes  Gepräge  zu  geben  und  die- 
selben mit  den  strengeren  Anforderungen  der  christlichen  Kunst 
wieder  in  Einklang  zu  bringen,  vergleiche  man  unsere  betreffende 
Abhandlung  in  Nr.  3  (1.  Febr.)  des  Organs  für  christliche  Kunst  1865. 
Dieser  Abhandlung  sind  auch  einige  Abbildungen  von  neuen  Kirchen- 
spitzen beigegeben,  die,  in  ernsten  Musterungen  auftretend,  in  gros- 
ser Abwechselung  der  Formen  von  der  ebengedachten  Firma  käuf- 
lich zu  beziehen  sind. 

Die  Zusammenstellung  der  Maasse  zu  den  h.  Geräthen  und 
Gewändern,  wie  sie  der  berühmte  Gavantus  in  einer  besondern 
Abhandlung  mittheilt,  rüln-t  ursprünghch  von  dem  Bischof  Carl 
von  Novara,  vormals  Canoniker  an  St.  Peter  in  Rom,  her.  Indem 
der  h.  Carl  Borromäus  diese  Grössenbestimmungen  auf  dem  III. 
Provinzial-Concilium  zu  Mailand  gutheissen  liess  und  diese  Con- 
cüiumbeschlüsse  später  vom  h.  Stuhl  anerkannt  und  bestätigt  wur- 
den, so  erlangten  mit  Recht  diese  genauen  Angaben  der  verschie- 
denen Maasse  ein  um  so  grösseres  Ansehen,  da  sie  gleichsam  die 


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einzige  Quelle  bilden,  aus  welcher  mit  einiger  Sicherheit  Schnitt, 
Stoff  und  Ausdehnung  der  liturgischen  Gewänder  und  Geräthe  sich 
herleiten  lässt.  Da  leider  heute  noch  an  vielen  Stellen  bei  Anfer- 
tigung kirchhcher  Ornate  der  individuelle  Geschmack  entscheidet  und 
bei  dem  Fehlen  allgemein  gültiger,  fester  Bestimmungen  fast  jeder 
Paramenten-Fabrikant  hinsichtlich  des  Stoffes,  des  Schnittes  und  der 
Ausdehnung  seine  eigenen  Normen  hat;  so  wollen  wir  es  in  der  Folge 
bei  Besprechung  der  verschiedenen  hturgischen  Ornatstücke  nicht 
unterlassen,  die  durch  den  AussiDruch  des  III.  Mailänder  Concils 
anerkannten  und  durch  das  Ansehen  des  h.  Stuhles  bestätigten  Be- 
stimmungen ausführlicher  mitzutheilen. 

Hinsichtlich  der  Ausdehnung  und  der  Verzierung  der  priester- 
lichen Albe  führt  die  oben  gedachte  Quelle  an:  »Die  Albe  muss  aus 
Leinenstoff  bestehen  und  in  der  Länge  6  Schuh  (4  cub.j  und  in 
Weite  24  Schuh  (16  cub.)  messen.  Die  Länge  des  Aermels  be- 
trage 2  Schuh  3  ZoU  (VI 2  cub.);  die  Weite  des  Aermels  an  der 
Schulter  1  Schuh  6  Zoll  (1  cub.),  welche  sich  aber  bis  zu  den 
Händen  allmähhg  verengt;  am  untern  Saume  und  an  den  Enden 
der  Aermel  sei  nur  eine  kleine  und  einfache  Stickerei  angebracht, 
denn  zu  grosse  Sorgfalt  auf  solche  Zierden  verräth  Eitelkeit  und 
Gefallsucht.«  Aus  diesen  Bestimmungen  ist  nicht  mit  Sicherheit  zu 
entnehmen,  ob  an  dem  untern  Saume  der  Albe  in  den  Tagen  des 
h.  Carl  Borromäus  sich  noch  die  ältere  Verzierungsweise  in  Form 
der  vielfarbig  gestickten  plagae  oder  praetextae  sich  erhalten  hatte 
oder  ob  unter  »der  kleinen  und  einfachen  Stickerei«  durchbrochene 
Weisszeugarbeiten  in  Weise  der  Kanten  und  Spitzen  zu  verstehen 
sei.  Aus  mehreren  Gründen  nehmen  wir  unbedingt  das  Erste  an. 
Jedenfalls  werden  dui'ch  diese  Bestimmungen  jene  über  Gebühr 
breiten  gestickten  Tüllspitzen ,  dessgleichen  jene  unkünstlerischen, 
noch  dazu  in  Baumwolle  gewebten  Fabriksspitzen  perhorrescirt,  die 
in  lächerhcher  Breite  nicht  selten  bis  zu  den  Knieen  des  Celebrans 
ansteigend,  den  ernsten  Character  des  einfachen  Untergewandes  schä- 
digen und  zu  dem  noch  einen  Theil  der  heutigen  Profankleidimg  der 
Priester  in  wenig  decenter  Weise  zu  Vorschein  treten  lassen^). 


')  In  einigen  Stadt-  und  Landkirchen  hat  sich  in  letzten  Jahren  der 
Gebrauch  eingebürgert,  diese  über  Gebühr  breiten  Albsäume  mit  einem 
Futterstoff  in  rotlier  Farbe,  meistens  in  rothem  Perkai  zu  hinterlegen. 
Diese  durchscheinende  rothe  Unterlage  hat  unter  dem  17.  August  1833 
die  S.  R.  C.  ausdrücklich  verboten. 


—   242  — 


In  einem  vorhergehenden  Abschnitt  ist  von  Seite  50  bis  G2 
darauf  hingewiesen  worden,  dass  die  bischöf hohen  Gürtel,  wie  sie 
im  Mittelalter  zur  Aufschürzung  der  Albe  in  Gebrauch  waren,  eine 
grössere  Aufmerksamkeit  von  Seiten  der  Kunst  beanspruchten,  als 
dies  heute  bei  diesem,  wenn  auch  imtergeordneten  Bekleidungsstück 
der  Fall  ist.  Dieselben  waren  nämhch  nicht  nur  in  vielen  Fällen 
mit  in  Goldfäden  eingewirkten  Schriftzügen  gemustert,  sondern 
auch  mit  andern  Zierrathen  in  Form  von  buUae,  tintinnabula,  aus- 
geschmückt. 

Im  Gegensatze  zu  den  festtäghchen  und  reichverzierten  cingula, 
wie  sie  auch  der  Bischof  in  Pontificalibus  das  Mittelalter  hindurch 
zu  tragen  pflegte,  wurden  für  den  gewöhrüichen  Gebrauch  des 
celebrans  meistens  Gürtel  aus  kräftigen  Leinenstofifen  zur  Aufschür- 
zung der  Albe  in  Gebrauch  genommen,  die,  wenn  auch  hinsicht- 
lich des  Materials  einfach,  doch  von  der  Kunst  nicht  so  ganz  und 
gar  vernachlässigt  waren ,  wie  dies  heute  in  der  Regel  bei  den 
priesterhchen  cingula  der  Fall  ist. 

In  der  Sammlung  von  mittelalterlichen  Geweben  und  Sticke- 
reien des  Kensington  Museums  zu  London  befinden  sich  mehrere 
Ueberreste  von  priesterlichen  Gürteln  vor,  die  in  der  Regel  in  einer 
Breite  von  einem  bis  höchstens  zwei  Finger  entweder  durch  Muste- 
rungen in  Quadratm'en  ä  la  grecque  verziert  waren,  oder  durch 
eingestickte  Thierbilder  belebt  werden.  An  Festtagen  waren  zum 
Gebrauch  des  celebrirenden  Priesters  und  der  beiden  Diakonen 
auch  solche  Gürtel  in  Gebrauch,  die  in  farbiger  Seide  meistens 
in  einer  Breite  von  zwei  Fingern  gewirkt  waren,  und  an  der  untern 
Ausmündung  in  der  Regel  mit  Fransen  in  Gold  als  reiche  fimbriae 
abschlössen, 

Auf  Tafel  V,  Bd.  II.  Fig.  2  u.  4  sind  Theile  von  älteren  cingula 
abgebildet,  die  einen  ungefähren  Begriff  geben,  wie  auch  die  prie- 
sterlichen Gürtel  zur  Aufschürzung  der  Albe  im  Mittelalter  künstle- 
risch ausgestattet  zu  werden  pflegten.  Bis  zum  XVI.  Jahrhundert 
kommen  für  den  priesterhchen  Gebrauch  meistens  nur  Gürtel  vor, 
die  in  der  Breite  von  zwei  Fingern  entweder  dicht  aus  Seide  auf 
einem  Bandstuhle  gewirkt  waren,  oder  die,  aus  einem  Leinen-Zwillich 
gewirkt,  mit  einfachen  Stickereien  verziert  zu  werden  pflegten. 
Seit  dem  Beginne  der  Renaissance  wurden  in  vielen  Diöcesen  Gürtel 
angefertigt,  die,  von  Posamentir-Arbeiter  nicht  als  plattes  Band 
sondern  als  rund  gedrehte,  starke  Kordel  meistens  aus  rother 
oder  grüner  Seide  bestehend  von  der  älteren  Ueberlieferung  ab- 
wichen.   Diese  cingula  der  neueren  Zeit,  welche  bei  der  Anlegung 


—   243  — 


doppelt  genommen  werden,  sind  an  den  beiden  untern  Ausmündun- 
gen mit  mehr  oder  weniger  reichen  Quasten  von  gleicher  Zahl  und  in 
ähnlichen  Formen  verziert,  wie  sie  an  älteren  Leichensteinen  an  den 
ornamentirten  Hüten  von  Prälaten  als  ornamentale  fimbriae  häufig 
ersichthch  sind.  Da  durch  die  bekannte  Zusammenschnürung  der 
priesterhchen  cingula  in  Weise  des  nodus  gordicus  die  bandförmig 
gearbeiteten  breiten  Gih-tel  einem  leichtern  Schadhaftwerden  aus- 
gesetzt waren,  so  scheint  man  seit  dem  XVI.  Jahrhundert  in  vielen 
Kirchen  den  eben  gedachten  als  dicke  Kordel  gedrehten  Gürteln 
aus  ökonomischen  Rücksichten  den  Vorzug  gegeben  zu  haben. 

Gavantus  gibt  über  Ausdehnung  und  stoffliche  Beschaffenheit 
des  Gürtels  folgende  genaue  Bestimmungen  an:  «Das  Cingulum 
werde  aus  weissem  Leinen  oder  Hanfzeug  angefertigt  und  sei  das- 
selbe ungefähr  10  Schuh  6  Zoll  (7  cub.)  lang.  Die  Enden  seien 
von  demselben  Stoff,  nämlich  Fadenbündel  in  Weise  von  Quästchen. 
Nicht  untersagt  sind  Gürtel  von  Seide  nach  den  Farben  der  Para- 
mente;  aber  die  weissen  sind  älter  und  allgemeiner. 

Die  priesterliohe  Stole  (4)  und  der  Manipel  (5). 

Nach  dem,  was  auf  Seite  02  bis  83  des  H.  Bandes  über  die 
Ausdehnung,  Gestalt  und, künstlerische  Entwicklung  der  Stole  imd 
des  Manipels  vorzüglich  der  Bischöfe  mitgetheilt  worden  ist,  dürfte 
hier  nur  noch  Weniges  über  jene  Stolen  und  Manipel  gesagt  wer- 
den, welche  einerseits  von  den  Priestern  beim  täglichen  Gottesdienste 
getragen  werden,  und  andererseits  als  zum  ornatus  integer  gehörend, 
oder  als  integrirende  Theile  einer  capella,  von  Subdiaconen  und  Dia- 
conen  an  Festtagen  in  Gebrauch  genommen  werden.  Bei  reichern 
Messgewändern  waren  häufig  die  Stolen  und  Manipel  ebenfalls  durch 
kunstreiche  Stickereien  in  einer  Weise  verziert,  wie  die  aurifrisiae, 
die,  in  Kreuzesform  meistentheils  gestickt,  den  Vorder-  und  Hinter- 
theil  des  Messgewandes  schmückten.  Da  indessen  sowohl  die  Stole  als 
auch  der  Manipel  von  dem  faltenreichen  Messgewande  fast  ganz 
verdeckt  wurden ,  so  pflegte  man  diese  zuletzt  gedachten  priester- 
lichen Gewandstücke  höchstens  an  den  untern  ausmündenden 
Theilen  mit  gestickten  Ornamenten  zu  verzieren,  im  Uebrigen 
aber  dieselben  in  mässiger  Breite,  meistens  von  drei  bis  vier 
Fingern,  aus  jenem  Seidenstoffe  anzufertigen,  aus  dem  auch 
das  Messgewand  entnommen  war.  Die  Sammlung  von  mittelalter- 
lichen Stickereien  und  Webereien  im  Kensington  Museum  zu  Lon- 
don hat  eine  grössere  Anzalü  von  einfachen  Stolen  und  Manipeln 
für  priesterlichen  Gebrauch  aufzuweisen  ,  die ,  meistentheils  dem 

17 


—    244  — 


XIII.,  XIV.  und  XV.  Jahrhundert  angehörend,  einfach  aus  figurirten 
Seidenstoffen  geschnitten  sind,  aus  denen  auch  das  Messgewand  und 
die  dazu  gehörenden  Dalmatiken  bestanden.  Dieselben  haben  eine 
Breite,  wie  die  oben  angedeutete,  und  sind  auf  der  Rückseite  mit  einem 
Futterstoffe  von  gewöhnhchem  Leinen  hinterlegt.  Als  einzige  Ver- 
zierung erblickt  man  an  den  untern  ausmündenden  Theilen  einfache 
Seidenfransen,  zuweilen  aus  gedrehter,  zuweilen  aus  Flossseide. 

Obschon  in  itahenischen  Diöcesen,  vielleicht  anknüpfend  an  die 
stereotyp  mit  eingewebten  Kreuzen  verzierten  Ornate  der  grie- 
chischen Kirche,  der  Gebrauch  älter  sein  mag,  die  untern  Fuss- 
stücke der  Stole  und  des  Manipels  mit  aufgestickten  Kreuzen  zu 
verzieren,  desgleichen  auch  jene  Theile  der  Stole  und  des  Manipels, 
die  beim  Anlegen  das  vorgeschriebene  osculutn  erhalten,  so  haben 
wir  doch  diese  in  den  letzten  Jahrhunderten  meist  aus  seidenen 
und  goldenen  Tressen  gebildeten  Kreuze  an  mittelalterlichen  Stolen 
und  Manipeln  sowohl  für  den  festtäglichen  als  gewöhnlichen  Ge- 
brauch nicht  vorgefunden.  Noch  fügen  wir  hier  hinzu,  dass  zum 
Anbinden  der  priesterhchen  Manipel,  dessgleichen  der  stola  diaco- 
natus,  an  den  betreffenden  mittelalterlichen  Ornatstücken  längere 
Schnüre  von  Seide  mit  daran  befindlichen  fimhriae  au  den  Innern 
Theilen  des  Futterstoffes  angenäht  sind,  vermittelst  welcher  die 
beiden  Theile  des  in  Rede  stehenden  Ornates  zusammen  gebunden 
und  an  den  betreffenden  Körpertheilen  so  befestigt  zu  werden  pfleg- 
ten, dass  eine  Verschiebung  und  Verrückung  derselben  nicht  leicht 
stattfinden  konnte.  In  Betreff  der  Form,  der  Verzierungs-  und 
Anlegungs weise  der  priesterlichen  und  Diaconats-Stolen  verweisen 
wir  der  Kürze  wegen  auf  die  betreffenden  Abbildungen  auf  Taf.  IV, 
zu  Fig.  1  und  2,  II.  Band,  desgleichen  auf  Taf.  XVI.,  Fig.  2  und  3 
sowie  auf  Taf.  XVIII,  Fig.  1,  2,  3,  4  und  5  II.  Band. 

Hier  noch  die  Angaben  über  stoffliche  Ausdehnung  der  Stolen, 
wie  sie  in  der  Abhandlung  «de  mensuris  propriis  sacrae  supellec- 
tilis  enthalten  sind.«  «Die  Stola  sei  von  gleichem  Stoffe  in  gleicher 
Farbe,  wie  die  Casula;  ihre  Länge  sei  ungefähr  9  Schuh  (G  cub.), 
so  dass  sie  über  die  Kniee  herabreicht;  die  Breite  betrage  472 
ZoU  (G  unc).  Die  Fransen  seien  ungefähr  2^4  ZoU  (3  unc.)  lang. 
Ausserdem  sollen  der  Gewohnheit  gemäss  an  der  Stola  drei  Kreuze 
aufgenäht  werden,  m  der  Mitte  und  an  beiden  Enden.  Jedes  Kreuz 
habe  die  Quadratform  und  sei  an  jedem  Theile  etwa  2'/*  ZoU 
(3  unc.)  breit.  Der  Priester-Stola  sei  nichts  weiter  hinzugefügt, 
wohl  aber  der  des  Diacons,  welche  auf  beiden  Seiten  in  der  Mitte 
Schnüre  mit  Quästchen  hat,  um  sie  bequem  binden  zu  können.« 


—   245  — 


6.  Das  priesterliclie  Messgewand. 

Gleichwie  durch  Miter  und  Stal)  die  Würde  und  der  Vorrang 
des  Bischofcs  angedeutet  wu'd,  wie  ferner  die  Dalmatik  die  Diaconen 
als  zuständiges  Gewand  auszeichnet,  dessgleichen  die  cappa  im 
frühen  Mittelalter  die  Sänger  und  untergeordneten  Diener  der 
Kirche,  ebenso  wird  die  priesterliche  Würde  vornehmhch  durch  das 
Messgewand  gekennzeichnet.  Desswegen  werden  auch  von  der  bil- 
denden Kunst,  Avie  die  Diaconen  mit  der  Dalmatik,  so  die  Priester 
mit  der  faltenreichen  Casel.  meistens  ohne  Kopfbedeckung,  zur  Dar- 
stellung gebracht.  Was  nun  die  Entstehung,  den  Schnitt,  die  Ge- 
stalt und  künstlerische  Ausstattung  des  priesterlichen  Messgewandes 
betrifit,  so  gilt  darüber  das,  was  von  Seite  101 — 129  II.  Bd.  ausführ- 
hcher  bei  Besprechung  der  bischöflichen  Casel  angeführt  Avorden  ist. 
Hinsichtlich  der  Ausstattung  der  priesterlichen  Messgewänder  muss 
hier  nochmals  hervorgehoben  werden ,  dass  dieselben  in  der  Regel 
nicht  so  reich  durch  Stickereien  verziert  waren,  wie  das  durchweg 
bei  den  bischöflichen  casulae  der  Fall  war. 

Namentlich  werden  an  den  mittelalterlichen  Messgewändern  für 
täglichen  und  sonntäglichen  Gebrauch  jene  reichgestickten  aurifri- 
siae  vermisst,  welche  vom  XI.  bis  zum  XV.  Jahrhundert,  meistens 
über  die  Schultern  als  Gabelkreuze  ansteigend  und  so  die  Form 
des  erzbischöflichen  PaUiums  imitirend ,  die  bischöflichen  Mess- 
gewänder sowohl  auf  der  Vorder-  als  auf  der  Hinterseite  zu  ver- 
zieren pflegten.  Nichts  dcstoweniger  kamen  auch  im  Mittelalter  für 
festtägUchen  Gebrauch  in  Pfarr-,  Stifts  und  Kathedral-Kirchen  kost- 
bare, mit  reichen  Gold-  und  Perlstickereien  verzierte  Messgewänder 
vor,  die,  was  Reichthum  der  Formen  und  des  Materials  betraf,  sich 
in  den  meisten  Fällen  von  den  bischöflichen  Messgewändern  kaimi 
unterschieden. 

Bei  dem  Hinweis  auf  die  stofflich  reichen  und  kostbaren  Mess- 
gewänder des  Mittelalters  selbst  fiir  den  Gebrauch  des  gewöhnhchen 
Priesters  an  Festtagen  nehmen  wü'  hier  nachträglich  gerne  Gelegen- 
heit wahr,  jenes  berühmte  Messgewand  in  getreuer  Abbildung  dem 
Leser  vorzuführen,  das  in  der  grossen  Glockeuform  der  romanischen 
Kunstperiode  sich  bis  zut  Stunde  in  der  Sakristei  der  ehemaligen 
Abteilcirche  Brauweiler  bei  Köln  noch  erhalten  hat.  In  Bezug  auf 
dieses  Messgewand  zum  Gebrauch  des  Abtes  und  der  Benediktiner- 
mönche der  eben  gedachten  Abtei,  berichtet  eine  glaubwürdige 
Ueberlieferung ,  dass  der  heil.  Bernhard  bei  Gelegenheit  seines 
Aufenthaltes  am  Rheine  im  Jahre  1143  sich  desselben  bei  Feier 
der  heü.  Messe  zu  Braxiweiler  bedient  habe.     Dieses  prachtvolle 

IT 


—   246  - 


Messgewand,  das  hinsichtlich  seiner  Musterungen  und  seines  Schnit- 
tes durchaus  die  ebengedachte  ehi'würdige  Tradition  rechtfertigt, 
misst ,  im  verkleinerten  Maasstabe  abgebildet  auf  Tafel  XXXII,  in 
seiner  grössten  Höhe  von  a  nach  b  auf  der  Rückseite  4'  b^ji"  rh. 
und  in  seiner  grössten  Spannung  von  c  nach  d  6',  ll^/i". 

Um  sich  einen  annähernden  Begriff  von  dem  grossen  Umfange 
und  dem  Faltenreichthum  der  Messgew  ander  des  XI.  und  XII.  Jahr- 
hunderts auch  für  priesterlichen  Gebrauch  zu  machen,  sei  hier  noch 
hinzugefügt,  dass  nach  einer  genauen  Vermessung  in  der  auf  Taf. 
XXXII  abgebildeten  casula  S.  Bernlmrdi  mehr  als  1 3  Ellen  Stoff  nach 
Rheinischem  Maasse  enthalten  sind.  Auch  das  darf  als  Merkwüi*- 
digkeit  anzuführen  nicht  unterlassen  werden,  dass  der  in  der  oben 
gedachten  Abbildung  vorhegende  gemusterte  Seidenstoff  eine  Breite 
von  über  3  Ellen  aufzuweisen  hat.  Diese  auffallende  Breite  des  kost- 
baren Gew^ebes  von  ehemals  dunkel  goldgelber  Farbe  könnte  zum 
Belegedienen,  dass  diese  aus  dem  Orient  stammende  Textur  mit  ihren 
grossartigen  Dessins  zu  umfangreichen  Behängen  ursprünglich  an- 
gefertigt worden  sein  dürfte.  Die  schöne  Musterung  in  dem  Mess- 
gewande  des  heil.  Bernhard,  die  sich  mit  kleinen  Veränderungen 
auch  heute  noch  bei  Anfertigung  von  lürchenstoffen  als  Muster- 
vorlage treffhch  eignen  würde,  ist  zu  jenen  figurirten  Seidengewe- 
ben zu  rechnen,  die  bei  älteren  Autoren  feststehend  bezeichnet 
werden  als :  pallia  rotata  oder  scutellata  cum  historia  aquilarum.  An 
der  in  Abbildung  auf  Tafel  XXXII  vorhegenden  casula  S.  Bern- 
lmrdi ist  noch  nicht  in  der  aufrisia  die  Nachbildung  eines  Gabel- 
kreuzes in  Form  eines  Y  zu  ersehen,  das  an  reicheren  Messgewän- 
dern des  XUI.  und  XIV.  Jahrhunderts  fast  durchgängig  vorkommt, 
sondern  die  Verbindungsnäthe  auf  der  Vorder-  und  Rückseite 
dieses  merkwürdigen  Gewandes  sind  durch  eine  äusserst  schmale 
aurea  lista  bedeckt,  die  mit  einem  zierlichen  Thiermuster  belebt 
ist.  Der  bedeutenden  Verkleinerung  wegen  war  es  nicht  möglich, 
dieses  Tigermuster  in  der  schmalen  aurifrisia  auf  der  vorhegenden 
Abbildung  wiederzugeben 


')  Bei  Besprechung  des  Messgewandes  des  heil.  Bernhard  dürfen  wir 
nicht  unterlassen  hier  anerkennend  hervorzuheben,  dass  der  derzeitige 
Pfarrer  von  ßrauweiler ,  Herr  Beys ,  vor  wenigen  Jahren  das  stellen- 
weise stark  beschädigte  Gewand  mit  grosser  Sorgfalt  von  geschickter 
Hand  hat  herstellen  lassen.  Da  dasselbe  eines  schützenden  Futter- 
stoifes entbehrte,  so  ist  das  Innere  mit  goldgelber  Taffetseide  aus- 
gefüttert worden.  Bei  der  Restauration  des  Gewandes  fand  sich,  dass 
der  untere  umfangreiche  Saum  in  der  Breite  von  vier  Fingern  mit 


—   247  - 


Aus  derselben  Zeit,  nämlich  aus  der  JVIitte  des  XII.  Jahi-hunderts, 
rührt  offenbar  auch  jenes  reich  gestickte  Messgewand  her,  das  in 
derselben  Grösse  und  in  dem  Schnitt  der  casula  S.  Bernhardi  sich 
heute  in  dem  Schatze  des  Domes  zu  Bamberg  noch  erhalten  hat. 

Dieser  Ornat  wird  irrthümlicher  Weise  zu  den  Kaisermänteln 
Heinrichs  des  Heiligen  gerechnet  und  haben  wir  auch  aus  diesem 
Grunde  in  unserm  Werke  der  «Kleinodien  des  h.  Römischen  Reiches 
deutscher  Nation«  eine  illuminirte  grosse  Abbildung  dieses  pracht- 
vollen Ornates  auf  Taf.  XLII  mitgetheilt.  Indem  wir  auf  die  ausführ- 
hche  Beschreibung  desselben  von  Seite  198 — 201  hinweisen,  fügen  wir 
hier  als  Seitenstück  zu  dem  Messgewand  des  h.  Bernhard  eine  ver- 
kleinerte Abbildung  der  in  Gold  gestickten  Musterungen  auf  Tafel 
XXXIII  hinzu,  und  bemerken,  dass  dieses  grossartige  Dessin,  das 
nm-  einige  Male  in  dem  umfangreichen  Bamberger  Gewand  wieder- 
kehrt, ebenfalls  zu  den  teller-  und  radförmigen  Stoßen  zu  zählen  ist, 
die  in  älteren  Schatzverzeichnissen  aufgeführt  werden  unter  der 
Bezeichnung:  pallia  orbiculata  cum  Idstoria  equitantium.  Mit  Um- 
gehung der  könighchen  Reiterfigur  und  dem  Edelfalken,  die  durch 
romanisch  -  stylisirte  Pfianzenornamente  ersetzt  werden  müssten, 
würde  sich  die  reiche  Musterung  auf  Tafel  XXXIII  ebenfalls  bei 
Anfertigung  von  kostbaren  Kircheustoffen  im  romanischen  Styl  aus- 
gezeichnet verwerthen  lassen^). 

Als  Nachtrag  zu  dem  auf  Seite  229  Band  II.  Gesagten  fügen 
wü'  hier  noch  die  Abbildung  eines  andern  Messgewandes  hinzu, 
das  in  letzten  Jahren  melu'mals  besprochen  worden  ist. 

Ein  ebenso  fleissiger  als  kenntnissreicher  Forscher  der  Kölni- 
schen Geschichte  und  Alterthumskunde  J.  J.  Merlo  hat  in  jüngster 
Zeit  und  zwar  im  XXXVIII.  Heft  der  «Jahrbücher  des  Vereins  von 
Alterthumsfreunden  im  Rheinlande,«  Seite  106 — 122,  1865  auf  ge- 
schichtliche Documeute  gestützt,  mit  vielem  Glück  den  Nachweis 
zu  führen  gesucht,  dass  unser  auf  Tafel  XXXIV  abgebildete  Ornat 


älteren  gemusterten  Seidenstoffen,  orientalischen  Ursprungs  belegt 
war.  Da  diese  Wiederlagstoffe  sehr  beschädigt  waren,  so  vrarden  die 
selben  losgetrennt  und  durch  einen  neuen  Seidenstoff  ersetzt.  Als- 
dann sind  diese  Ueberreste  sorgfältig  unter  Glasverschluss  gebracht 
und  nach  Hinzufügung  einer  erklärenden  Inschrift  versiegelt  ins  Ar- 
chiv der  Kirche  als  merkwürdige  Erzeugnisse  einer  untergegangenen 
Kunstindustrie  niedergelegt  worden. 
')  Eine  solche  Imitation  dieser  Musterung  ist  bereits  auf  Anordnung  des 
Bauraths  Essenwein  in  dem  Etablissement  zur  Anfertigung  von  Kir- 
chenstoflen  von  Giani  in  Wien  mit  bestem  Erfolg  vorgenommen  worden. 


248  — 


nebst  Stole  und  Manipel  nicht,  wie  seither  irrthümlich  angenommen 
wurde,  jenes  Messgewand  sei,  mit  welchem  bekleidet  die  Hülle 
des  grossen  Albertus  seit  seiner,  im  Jahre  1280  erfolgten,  Beerdi- 
gung in  der  Dominicanerkirche  zu  Köln  bis  zur  französischen  Re- 
volution im  Grabe  gemht  habe,  sondern  dass  die  eben  gedachten 
Messgewänder  zum  grössten  Theü  jene  Ornatstücke  seien,  die  der 
hochgefeierte  Denker  in  seinen  Lebzeiten  zu  gebrauchen  gewohnt 
war.  Nach  den  beigebrachten  Beweisstücken  sind  wir  mit  dem 
oben  gedachten  Archäologen  durchaus  einverstanden,  dass  die  frag- 
lichen Ornate  nicht  jene  bischöfhchen  Paraniente  seien,  mit  welchen 
angethan  die  Leiche  Alberts  d.  Gr.  1280  im  Grabe  beigesetzt  wor- 
den ist;  wenn  wir  aber  annehmen  sollen,  dass  die  heute  in  der 
St.  Andreaskirche  zu  Köln  aufbewahrten  drei  Ornatstücke  wirkhch 
aus  der  Nachlassenschaft  des  grossen  Geistesmannes  herrühren  und 
mit  denen  identisch  seien,  die  das  von  Merlo  beigebrachte  gedruckte 
Reliquien-Verzeichniss  der  kölnischen  Predigtherren  aus  dem  Schluss 
des  XV.  Jahrhunderts  unter  folgenden  Worten  anführt:  »Item  in 
eodem  Conventu  sunt  Casula,  alba,  amictus  stola  et  manipulus,  qui- 
bus  Dominus  Albertus  magnus  solitus  est  celebrare;«  dann  muss  un- 
bedingt zugegeben  werden,  dass  das  auf  Tafel  XXXIV  Fig.  1  ab- 
gebildete Messgewand,  namenthch  an  den  Armen,  nicht  unbedeutend 
eingeschnitten  und  verkürzt  worden  ist,  sondern  dass  auch  die  ver- 
schiedenen Heiligenfiguren  auf  der  Stola  unter  Fig.  3,  ausgeführt 
in  dem  unverkennbaren  Stylgepräge  aus  dem  Schlüsse  des  XIV. 
Jahrhunderts,  erst  sj^äter  dem  betreffenden  Ornatstück  als  Verzie- 
rungen hinzugefügt  worden  sind.  Die  in  Gold  gewirkten  gemu- 
sterten aurifrisiae  des  Messgewandes,  dessgleichen  die  unter  Fig.  2 
abgebildeten  Goldborten  nebst  dem  eigenthümlich  gewebten  blauen 
Sauunet  könnten  wohl  als  characteristisch  für  eine  Entstehung  in 
den  Tagen  Alberts  d.  Gr.  betrachtet  werden.  Im  Gegensatz  zu 
dem  grossen  stoffhchen  Umfang  der  Casel  des  heil.  Bernhard,  misst 
der  vorliegende  Ornat  von  a  nach  b  4'  3"  rhein.  und  von  c  nach 
d  5'  1^/4".  Ein  liüchtiger  Vergleich  des  in  Rede  stehenden  Mess- 
gewandes mit  der  ältern  Glockenform  an  der  casula  S.  Bernhardt, 
abgebildet  auf  Tafel  XXXJI,  ergibt  zur  Genüge,  dass,  bereits  in 
der  Regierungszeit  der  Kaiser  aus  dem  Hause  Luxemburg,  am  Rhein 
eine  bedeutende  Verkürzung  des  Messgewandes  erfolgt  war,  wodurch 
die  Massen  des  auf  den  Armen  aufgerollten  Gewandstoffes  wesent- 
lich vermindert  worden  sind. 

Aus  den  noch  erhaltenen  Schatzverzeichuissen  des  X.  und  XI. 
Jahrhunderts  ist  zu  ersehen,  dass  in  dieser  Epoche  die  Zahl  der 


—    249  — 


an  grössern  Stifts-  und  Kathedralkirchen  vorfindlichen  Messgewän- 
der für  den  priesterUchen  Gebrauch  an  Wochen-  und  Sonntagen 
eine  ziemhch  beschränkte  war.  Es  ist  dies  wohl  dem  Umstände 
zuzuschreiben,  dass  im  X.  und  XI.  Jahrhundert  die  Seidenstoffe 
ihrer  Seltenheit  und  Gediegenheit  wegen  einen  hohen  Preis  er- 
forderten, zumal  der  Orient  das  fast  ausschliessliche  Monopol 
auf  Anfertigung  von  seidenen  Stoffen  inne  hatte.  Nachdem  durch 
die  Kreuzzüge,  wie  bereits  früher  bemerkt,  die  Handelsver- 
bindungen mit  dem  Orient  dauernd  hergestellt  waren,  nachdem 
ferner  seit  dem  XI.  Jahrhundert  die  maurischen  Seidenweber  im 
südlichen  Spanien  imd  die  saracenischen  Industriellen  in  Sicilien 
dem  christlichen  Abendlande  seinen  Bedarf  an  Seidenstoffen,  be- 
sonders für  liturgische  Zwecke,  herbeizuschaffen  begannen,  scheint 
auch  seit  der  letzten  Hälfte  des  XI.  und  besonders  seit  der  Mitte 
des  XII.  Jahrhunderts  die  Zahl  der  Messgewänder  für  den  gewöhn- 
Hchen  priesterlichen  Gebrauch  in  demselben  Maasse  zugenommen 
zu  haben,  wie  die  zur  Anwendung  kommenden  Seidenstoffe  in  der 
Qualität  leichter  und  im  Preise  billiger  angefertigt  zu  werden  be- 
gannen. Nichtsdestoweniger  erforderten  damals  die  Messgewänder 
für  priesterhchen  Gebrauch,  auch  wenn  sie  von  leichten  Seiden- 
stoffen ohne  golddurchwirkte  Musterungen  waren,  dennoch  bei  dem 
grossen  Faltenreich thum  der  romanischen,  glockenförmigen  Casel 
einen  nicht  geringen  Preis,  so  dass  ärmere  Kü'chen  sich  genöthigt 
sahen,  für  den  täglichen  Gebrauch  aus  andern  Materialien,  zu- 
weilen aus  Wolle,  Leinen  und  gemustertem  Byssus  Messgewänder 
herstellen  zu  lassen.  So  haben  wir  unter  Anderm  in  Halberstadt, 
Danzig  und  anderswo  Messgewänder  vorgefunden ,  die ,  wenngleich 
dem  XIII.  und  XIV.  Jahrhundert  angehörend,  aus  Wollenstoffen 
angefertigt  waren.  Auch  Messgewänder  für  den  täglichen  priester- 
lichen Gebrauch  aus  Leinenstoffen  haben  wir  in  einzelnen  Resten 
noch  hin  und  wieder  vorgefunden,  deren  Faltenreichthum  seit  dem 
XIII.  Jahrhundert  durch  Modeldruck  vermittelst  beweglicher  Hand- 
pressen in  zwei  Farben  künstlerisch  verziert  zu  werden  pflegte. 
So  erinnern  wir  uns ,  unter  Anderm  einen  Bruchtheil  eines  Mess- 
gewandes für  täglichen  Gebrauch  in  Halberstadt  gesehen  zu  haben, 
der  aus  einem  starken  Leinen  von  blaiier  Farbe  bestand,  auf  wel- 
ches mit  beweglichen  Formen  verschiedene  immer  wiederkehrende 
Thiermusterungen  in  Gold  gedi-uckt  waren.  Auch  sahen  wir  in 
der  Gewandhaüe  des  Domes  zu  Halberstadt  mehrere  Messgewänder 
in  faltenreichem  mittelalterlichen  Schnitt ,  die  aus  einfachem  weissen 
Leinen  bestanden  und  nur  mit  rothaul'geuähten  Bandstreifen  in 


—   250  — 


Form  eines  Y  besetzt  waren.    Man  nannte  dieselben  « Pestcasehi, «  k 

da  sie  der  Ueberlieferung  zufolge  bei  dem  Ausbruche  der  Pest  im  8i 

Mittelalter  kirchlich  in  Gebrauch  genommen  wurden,  um,  mit  den-  fc 

selben  bekleidet,  den  vom  schwarzen  Tod  Befallenen  che  letzte  Weg-  lei 

zehrung  ertheilen  zu  können.     Damit  die  Ansteckung  verhütet  (ii 

werde,  wurden  diese  Messgewänder  an  einem  besondern  Orte  auf-  all 

bewahrt  und  jedesmal  nach  dem  Gebrauche  gewaschen.  k 

Was  nun  die  Farbe  der  Messgewänder,  dessgleichen  auch  öi 
der  zum  ornatus  integer  gehörenden  Theile  betrifft,  so  ist  hier  mit  >(l 
Bezug  auf  das  bereits  früher  Gesagte  noch  hinzuzufügen,  dass  die 
Unterscheidung  der  priesterlichen  Messgewänder  nach  hturgisch  Ii 
vorgeschriebenen  Farben  erst  seit  jenen  Zeiten  eingehalten  zu  wer-  it 
den  pflegte,  als  die  Seidenweberei  sowohl  im  südlichen  Spanien  als  ti 
auch  in  Sicilien  und  dem  nördlichen  Italien  sich  weiter  auszudehnen  ro 
begonnen  hatte.  Es  leuchtet  ein,  dass  seit  der  Karolingischen  Zeit  I 
bis  zum  XII.  Jahrhundert  ein  Unterschied  in  der  Farbe  der  Mess-  ii 
gewäuder  schon  desswegen  nicht  allgemein  beobachtet  werden  n 
konnte,  da  nicht  nur  die  ßeschaflung  von  Seidenstolfen  in  dieser  St 
Zeitepoche  ihrer  Kostbarkeit  wegen  im  Abendlande  hohe  Preise  er- 
forderten, sondern  weil  auch  ihrer  Seltenheit  wegen  nicht  immer  ]; 
die  gewünschte  Farbe  vorräthig  zu  beziehen  war.  Erst  nachdem  ii 
die  industriellen  Saracenen  Siciliens,  dem  Berichte  Hugo  Falcandus  l 
und  des  Chronisten  Otto  von  Freisingen  zufolge,  reichgemusterte  is 
Seidenstoffe  in  allen  Farben  für  den  Welthandel  in  Concurrenz  mit  ti 
den  Mauren  Spaniens  und  den  Seidenwebern  von  Lucca,  Mailand  i 
und  Florenz  anzufertigen  pflegten ,  wurde  es  nicht  nur  Stifts-  und  Ii 
Cathedralkircheu ,  sondern  auch  Pfarrkirchen  möglich,  für  mässige  J 
Summen  nach  und  nach  liturgische  Ornate  in  jenen  Farben  sich  ii 
beschafi'en  zu  können,  deren  symbolische  Bedeutung  sich  im  Laufe  « 
der  Zeiten  allgemeine  Geltung  verschafft  hatte.  i 

Seit  den  ältesten  Zeiten  pflegte  man  bei  civilisirten  Völkern  J 

den  verschiedenen  Farben  eine  symbolische  Deutung  beizulegen,  j 

und  scheint  dieselbe  vorzugsweise  durch  den  Eindruck  bestimmt  i 
worden  zu  sein,  den  die  betreffende  Farbe  auf  das  Gemüth  des  Be- 
schauers auszuüben  pflegte.  So  lesen  wir  bereits  im  Exodus,  dass 
auf  Geheiss  des  Herrn  sowohl  der  Hohepriester  als  auch  die  Opfer- 
priester bei  Verrichtung  des  Tempeldienstes  mit  Gewändern  be- 
kleidet waren,  die  streng  vorgeschriebene  Farben  hatten  i).  Nach- 
dem die  Kirche  seit  den  Tagen  Constautins  des  Gr.  auch  in  ihren 


')  Exodus  cap.  28,  5. 


I 


—   251  — 

• 

äussern  Ciiltformen  sich  freier  entwickeln  konnte,  scheint  sie  im 
Hinblick  auf  die  Vorschrift  des  Exodus  bei  der  Wahl  der  kii'ch- 
lichen  Gewänder  jene  Farben  mit  Vorliebe  gewälilt  zu  haben, 
deren  symbolische  Bedeutung  schon  damals  im  christlichen  Volke 
eine,  vielleicht  schon  aus  dem  classischeu  Zeitalter  herrührende, 
allgemeine  Geltung  gefunden  hatte.  So  ist  anzunehmen,  dass  in 
dem  apostoHschen  Zeitalter  die  gottesdienstlichen  Gewänder  der 
Christen,  häufig  aus  Byssus  und  feinem  Leinen  bestehend,  vorherr- 
schend von  weisser  Farbe  waren.  Nachdem  die  Jahrhunderte  der 
Verfolgung  vorüber  waren,  und  die  Kirche  die  Festtage  derjenigen 
öffentlich  mit  grosser  Feierlichkeit  zu  begehen  pflegte,  die  mit 
ihrem  Blute  die  Wahrheit  der  Christuslehre  besiegelt  hatten,  lag 
es  nahe  zur  Erinnerung  an  diese  Blutzeugen  Christi  die  bezeichnende 
roilie  Farbe  hturgisch  in  Gebrauch  zu  nehmen.  Erst  seit  dem 
XII.  Jahrhundert  ist,  dem  Zeugnisse  Innocenz  III.  und  des  nicht 
viel  jüngern  Durandu~s  zufolge,  neben  der  weissen  und  rothen  in 
vielen  Diöcesen  auch  die  grüne  und  schwarze  Farbe  bei  Herstellung 
hturgischer  Gewänder  allgemein  in  Aufnahme  gekommen'). 

Zu  diesen  vier  altliturgischen  Farben  findet  sich  seit  mehreren 
Jahrhunderten  in  der  Liturgie  der  römischen  Kirche  noch  eine 
fünfte  vor,  nämlich  die  violette  Farbe.  Bei  Durandus  und  jenen 
Schriftstellern,  die  üim  im  Laufe  der  Jahrhunderte  gefolgt  sind, 
ist  Ausführhches  zu  ersehen  über  die  symbolisch-mystische  Bedeu- 
tung dieser  fünf  verschiedenen  kirchlichen  Farben  ^ j.  Hier  fügen 
wir  nur  noch  in  Kürze  hinzu,  dass  seit  den  Tagen  des  grossen 
Innocenz  die  Farbe  der  Messgewänder  an  den  Festtagen  des  Herrn, 
der  aUerseUgsten  Jungfrau,  der  Bekenner  und  Jungfrauen  die  weisse 
ist,  weil  durch  diese  Farbe  der  Glanz  und  die  Reinheit  ihrer  Tu- 
genden angedeutet  wird.  Die  rothe  Farbe,  das  Symbol  der  Liebe, 
und  des  christhchen  Heldenmuthes ,  wird  Hturgisch  angewandt  an 
dem  Pfingstfeste,  an  den  Tagen  der  h.  Apostel  und  Märtyrer.  Die 
grüne  Farbe,  das  Symbol  der  Hoffnung,  findet  kirchlich  ihre  An- 
wendung an  jenen  Ornaten,  die  an  den  Sonntagen  des  Kirchen- 


')  Vgl.  Innocent.  III.  de  sacro  altaris  mysterio  lib.  I.  cap.  64.  —  Du- 
randi  Rationale  lib.  III.  cap.  (j. 

'■')  Auch  in  der  Heraldik  haben  bekanntlich  die  verschiedenen  Farben 
eine  feststehende  Bedeutung,  die  sich  in  vielen  Fällen  an  die  litur- 
gischen Farben  und  ihre  Symbolik  anlehnt.  Vgl.  La  vraye  et  parfaicte 
Science  de  Armoieries  par  Pierre  PaUiot.  —  Ferner:  Le  Palais  de 
l'Honneur  par  le  P,  Anselme,  I.  partie,  chap.  24. 


jahres  in  Gebrauch  genommen  werden,  welche  von  Festen  mcht 
besetzt  als  semiduplicia  bezeichnet  sind  und ,  älteren  liturgischen 
b'chriftstellern  zufolge ,  die  Zeit  der  irdischen  peregrinatio  in  Erin- 
nerung bringen  sollen,  deren  Hoffnung  auf  die  einstige  Seligkeit 
gerichtet  sein  soll. 

EndHch  ist  noch  in  den  kirchlichen  Trauerzeiten ,  nämlich  in 
der  Advent-  und  Fastenzeit,  sowie  bei  Gedächtnissfeier  für  die 
Verstorbenen  seit  der  Spätzeit  des  Mittelalters  bei  Messgewändern 
und  den  übrigen  liturgischen  Ornaten  die  violette  und  schwarze 
Farbe  allgemein  in  Geltung  gekommen.  Neben  der  violetten  und 
schwarzen  Farbe,  den  Merkzeichen  der  kirchlichen  Trauer,  kömmt 
auch  vielfach  im  Mittelalter  die  dunkelblaue  Farbe  in  Anwendung, 
dessgleichen  hat  sich  in  mehrern  Diöcesen  die  hellblaue  Farbe  na- 
mentlich bei  Ornaten  zum  Gebrauche  an  Festtagen  der  allerselig- 
sten  Jungfrau  Geltung  verschafft,  obschon  die  Rubricisten  diese 
blaue  Farbe  durchaus  nicht  als  zulässig  erachten^).  Ueberhaupt 
scheinen,  dem  Berichte  älterer  Schriftsteller  zufolge,  in  verschiede- 
nen Diöcesen  noch  andere  liturgische  Farben  als  die  eben  bezeich- 
neten sowohl  an  der  Casel  als  an  den  zu  einer  vollständigen  Kapelle 
gehörigen  Diakonengewändern  ehemals  in  Anwendung  gekommen  zu 
sein;  so  z.  B.  bediente  man  sich  in  verschiedenen  Kirchen  des  color 
ßavus,  der  gelben  Farbe  in  ihren  verschiedenen  Abstufungen  an  den 
Festtagen  der  Engel  und  Erzengel.  In  den  meisten  Diöcesen  gilt 
heute  noch  der  Goldstoff,  dessgleichen  alle  gelben  Seidenzeuge, 
welche  in  ihrer  Farbe  dem  Golde  nahe  kommen,  als  liturgisch  be- 
rechtigt, die  Stelle  der  weissen  Farbe  einzunehmen. 

In  Rom  und  in  vielen  italienischen  Diöcesen  werden  wahrschein- 
lich seit  den  Tagen  der  Renaissance,  namentlich  für  Messgewänder 
an  Festtagen,  jene  leichten  Stoffe  sehr  häufig  in  Gebrauch  genom- 
men, die,  mit  dünn  vergoldeten  Lahn  durchwebt,  entweder  einen 
röthhchen,  weisslichen  oder  violettartigen  metallischen  Schimmer 
haben. 

Als  die  lürche  vor  den  politischen  Stürmen  des  XVIII.  und 
XIX.  Jahrhunderts  in  den  meisten  Diöcesen  ihres  seit  Jalirhunder- 
ten  wohlerworbenen  Besitzes  sich  noch  ungetrübt  erfreute  und  sie 
noch  die  Mittel  hatte,  nach  kirchlichen  Vorschriften  sich  die  Farben 
der  hturgischen  Ornate  in  jener  Abwechslung  anschaffen  zu  können, 


')  Die  Congregation  der  h.  Riten  hat,  auf  Aufrage  hin,  unter  dem  16. 
März  1833  ausdrücklich  bestimmt,  dass  liturgische  Gewänder  von  gel- 
ber und  himmelblauer  Seide  nicht  zulässig  seien. 


—    253  — 


wie  die  Rubriken  sie  vorschreiben,  war  bei  Weitem  nicht  jene  Will- 
kür hinsichtlich  der  Farben  der  Messornate  eingerissen,  wie  dies 
in  neuerer  Zeit  der  Fall  ist.  Seit  den  Tagen  jedoch,  wo  die  Kirche, 
ihrer  Mittel  vielfach  beraubt,  darauf  angewiesen  war,  h.äufig  Seiden- 
stoffe zur  Anfertigung  von  Messgewiindern  erbetteln  zu  müssen,  die 
sogar  ehemals  als  Kleidungsstücke  profanen  Zwecken  gedient  hatten, 
fing  man  an,  es  mit  den  Vorschriften  in  Betreff  der  Wahl  der  liturgi- 
schen Farben  nicht  mehr  sonderlich  strenge  zu  nehmen.  DessAvegen 
kommen  auch  in  den  letzten  Jahrzehnten  oft  Farben  an  Messge- 
wändern und  Levitenkleidern  zum  Vorschein,  deren  vorherrschender 
Grundton  sich  fast  gar  nicht  bestimmen  lässt,  in  dem  die  verworrenen 
naturalistischen  Musterungen  derselben  in  ihren  verschiedenen  schil- 
lernden Farben  nach  Belieben  für  fast  alle  hturgischen  Farben  ge- 
deutet werden  kiinnen.  So  gab  es  noch  bis  in  die  letzten  Zeiten 
Paramenten-Fabrikanten ,  ja  selbst  Kirchenvorstände,  die  im  Hin- 
blick auf  die  Armuth  ihrer  Kirche  solche  Messgewänder  in  Chamä- 
leonsfarbe anzufertigen  und  in  Gebrauch  zu  nehmen  kein  Bedenken 
trugen,  obschon  klar  ausgesprochene  kirchliche  Vorschriften  einen 
solchen  bunten  Mischmasch  von  Farben  ausdrücklich  untersagen. 

In  jüngster  Zeit  ist  das  Interesse  und  das  Verständniss  für 
kirchhche  Kunst  in  weitern  Kreisen  wieder  erwacht,  und  hat  in 
Folge  dieser  Wiederbelebung  des  kirchlichen  Geistes  und  Ge- 
schmackes ein  strengeres  Beachten  der  kirclilich  vorgeschriebenen 
Farben  bei  liturgischen  Gewändern  in  weitern  Kreisen  wieder  Platz 
gegriffen.  Es  ist  desswegen  auch  erfreulich  wahrzunehmen,  dass 
nicht  nur  von  den  Pfarrern  und  Kirchenvorständen,  sondern  auch 
von  Seiten  einzelner  Paramenten-  und  Stickvereine  bei  der  Auswahl 
von  Seidenstoffen  für  Anfertigung  von  Messgewändern  solche  Sei- 
denzeuge gewählt  werden,  die  sich  strenge  den  von  den  Rubi'iken 
vorgeschriebenen  Farben  unterordnen,  und  deren  Musterungen  dem 
vorherrschenden  Farbton  keinen  Eintrag  thun^). 

Nur  hinsichtlich  des  Farbtones  in  den  Stäben  des  Messgewan- 
des und  der  entsprechenden  aurifrisiae  der  Dalmatiken,  findet  heute, 
wie  auch  im  Mittelalter,  sehr  häufig  ein  Abgehen  von  der  vorherr- 
schenden Grundfarbe  des  Gewandes  statt.  Um  den  Kontrast  der 
eingestickten  Ornamente   in  den  Stäben  des  Messgewandes  und 


')  Dem  Ausspruche  der  S.  R.  C.  vom  23.  Sept.  1837  gemäss  muss  bei  den 
zu  Paramenten  verwandten  vielfarbigen  geblümten  Seidenstoffen,  mag 
dieses  Blumenwerk  nun  gestickt  oder  eingewebt  sein,  ein  bestimmter 
Lokalton  in  der  Farbe  vorherrschen. 


—    254  — 


der  Diaconenkleider  besser  heben  zu  können,  scheint  man  ehemals 
nnd  heute  einen  kostbareren  Stoff,  der  zugleich  auch  in  der  Farbe 
verschieden  ist  von  der  vorherrschenden  Farbe  des  UmstofFes,  bei 
Anfertigung  der  aui'ifrisiae  gewählt  zu  haben.  Nach  de  Herdt 
jedoch  darf  die  Farbe  der  Stäben,  oder  Säulen  in  Messgewändern 
wie  in  den  Levitenkleidern  nicht  von  anderer  Farbe  sein,  als  die 
am  betreffenden  Gewände  vorherrschende ,  so  zwar  dass  also  an 
einem  Messgewande  in  weisser  Farbe  keine  Stäbe  in  rother  Farbe, 
wie  umgekehi't  an  einer  rothen  Casel  keine  Stäbe  in  weisser  oder 
anderer  Farbe  angebracht  werden  sollen. 

Auf  Seite  101  bis  129  sind  wir  Schritt  für  Schritt  den  Ent- 
wickelungen  gefolgt ,  die  vornehmlich  das  bischöfliche  Messgewand 
seit  dem  Beginne  des  Mittelalters  bis  zum  Ausgange  desselben 
durchgemacht  hat.  Wir  haben  an  betreffender  Stelle  den  Nach- 
weis zu  geben  versucht,  dass  in  den  beiden  letzten  Jahrhunderten 
die  altkirchlich  ererbte  faltenreiche  Form  des  Messgewandes  durch 
die  WiUkür  und  nicht  selten  auch  durch  den  Eigennutz  der  Anfer- 
tiger von  kirchlichen  Ornaten  unter  dem  Einfluss  einer  modernen 
verflachenden  Styl-  und  Geschmacksrichtung  dergestalt  verkürzt 
und  zugestutzt  wurde ,  dass  von  dem  würdevollen  Gewände  nur 
zwei  steife  Stoffreste  gebheben  sind,  die  in  unschönen  Formen  aus- 
geschweift, nur  noch  nothdürftig  den  Körper  des  celebrirenden 
Priesters  bedecken.  Bevor  jedoch  diese  gänzliche  Entstellung  und 
Umgestaltung  der  priesterlichen  Messgewänder  mit  dem  Beginne 
der  Neuzeit,  namentUch  von  Frankreich  aus,  erfolgte,  hatte  der 
maüändische  Liturgiker  Gavantus  das  Verdienst,  dass  er  am  Schlüsse 
des  Mittelalters  in  dem  oft  gedachten  Anhange  seines  Werkes  «The- 
saurus sacrorum  Rituum«  mit  genauen  Zahlenangaben  die  Länge 
und  Ausdehnung  sämmtlicher  liturgischen  Gewänder  und  insbeson- 
dere des  Messgewandes  in  Zahlen  angab.  Obgleich  Raphael  und  seine 
unmittelbaren  Schüler  in  ihren  bildlichen  Darstellungen  die  Mess- 
gewänder noch  immer  in  der  altüberheferten,  faltenreichen  Form 
wiedergeben,  und  dies  mit  Recht  aus  ästethischen  und  malerischen 
Rücksichten,  so  war  doch  in  den  meisten  Diöcesen  von  Mittel- 
und  Nord-Italien,  bereits  in  der  letzten  Hälfte  des  XVL  Jahr- 
hunderts, eine  merkliche  Verkürzung  des  Messgewandes,  insbeson- 
dere an  jenen  beiden  Seitentheüen  erfolgt,  die  die  Arme  des  Cele- 
brans  bedecken.    Wären  indessen  die  folgenden  Bestimmungen  und 


')  Sacrae  Liturgiae  praexis,  cura  de  Herdt,  Pars  I.  Nr.  49,  II. 


—   255  — 


Grössenangaben  von  Seiten  des  Gavantus  für  die  gesammte  Kirche 
maassgebend  gewesen,  so  würde  heute  eine  Wiederherstellung 
der  älteren  Formen  des  Messgewandes,  nach  den  Anschauungen 
und  Formen  des  Mittelalters,  viel  leichter  wieder  anzubahnen  und 
herzustellen  sein.  Die  Grössenbestimmungen  unseres  Gewährsman- 
nes hinsichtlich  des  Messgewandes  lauten  wie  folgt:  «Das  Mess- 
gewand sei  nach  römischem  Gebrauche  ungefähr  3  Schuh  (2  cub.) 
breit  1)  und  4'/2  Schuli  (3  cub.)  lang.  Der  Streifen,  welcher  an  der 
Casula  angenäht  oder  doch  bezeichnet  zu  werden  pflegt,  bildet 
rückwärts  die_  Gestalt  einer  Säule,  vor  der  Brust  aber  die  Gestalt 
eines  Kreuzes.  Dieser  Streifen  sei  wenigstens  G  Zoll  (8  unc.)  breit. 
Schnüre  oder  seidene  Bänder  sollen  (innen  am  Vordertheile)  ange- 
bracht werden,  die  so  lang  sind,  dass  sie  vorn  gebunden  werden 
können,  um  das  Messgewand  zu  befestigen,  damit  es  nicht  rück- 
wärts hinabhänge  ^).« 

Die  vorliegenden  Blätter  haben  vornehmlich  mit  der  Geschichte 
der  Entwickelung  und  künstlerischen  Ausstattung  der  liturgischen 
Gewänder  des  Mittelalters  sich  zu  befassen;  wir  würden  daher  die  ge- 
steckten Grenzen  weit  überschreiten,  wenn  wir  auch  nur  in  Kürze 
anführen  wollten,  was  in  neuester  Zeit  von  hervorragenden  Geist- 
lichen und  Layen  in  England,  Franki'eich  und  Deutschland  für  die 
practische  Regenerirung  und  für  die  Zurückfülu'ung  der  hturgischen 
Ornate  und  insbesondere  des  Messgewandes  auf  die  würdevollen 


')  Die  Breite  des  Messgewandes  ist  vom  Halsausschnitt  aus  zu  rechnen  und 
betrifft  die  Ausdehnung  der  Stofftheile  auf  beiden  Seiten  des  Mess- 
gewandes, welche  die  Arme  bedecken.  Nach  den  Angaben  des  Sub- 
regens  Geiger  aus  Freising  haben  jene  durch  den  Fürstbischof  Ecker 
gegen  1720  angeschafften  Messgewiinder  für  den  Dom  zu  Freising 
noch  die  bedeutende  Breite  von  31  bis  34  Zoll  und  eine  Länge  von 
4  Fuss  bis  4  Fuss  3  Zoll. 

^)  In  den  »Acta  Ecclesiae  Mediolan«  tom.  I.  Lugduni  lü83  »Instructio- 
num  Supellectilis  Ecclesiasticae«  lib.  IL,  pars  II,  p.  522,  col.  1  et  2 
wird  die  Ausdehnung  und  Verzierungsweise  der  Messgewänder  in  fol- 
genden Worten  festgestellt ;  -De  Planeta.  —  Casula  (quam  alii  pheno- 
lium,  et  planetam  etiam  ab  ampla  latitudine  dicunt)  cubitos  tres,  et 
paulo  amplius  late  patens  sit;  ita  ut  ab  humeris  projecta,  complica- 
tionem  unius  saltem  palmi  infra  utrumque  humerum  recii^ere  possit. 
Longe  autem  cubitos  totidem  aut  aliquanto  longius  de  missa  sit,  ut 
pene  ad  talos  usque  pertineai.  Fasciam  item  latam  unciis  octo  ad  mini- 
mum  quae  assuta  sit,  ab  antoriori  et  posteriori  parte  usque  ad  extre- 
mum  dependentem  habeat:  cui  altera  fascia  transversalis  in  summa 
prope  parte  et  a  fronte  et  a  tergo  adiuncta,  crucem  utrinque  expri- 
mat.« 


—    256  — 


Formen  der  mittelalterlichen')  Vorbilder  geleistet  worden  ist.  Da 
nun  in  jüngster  Zeit  durch  Anschi'eiben  Sr.  Eminenz  des  Cardinais 
Patrizi,  als  Präfecten  der  Congregation  der  h.  Riten  verschiedene 
Bischöfe  Englands,  Frankreichs,  Belgiens  und  Deutschlands  eingela- 
den worden  sind,  über  die  Gründe  zu  berichten,  die  ein  Zurück- 
gehen zu  der  älteren  Form  der  Messgewänder  veranlasst  haben, 
da  ferner  in  Folge  dieser  Aufforderung  von  Seiten  hervorragender 
englischer,  französischer  und  deutscher  Prälaten  mit  eben  so  grosser 
Entschiedenheit  als  Sachkenntniss  der  Wiedereinfühi'ung  der  älteren, 
ohne  förmhche  Gutheissung  des  h.  Stuhles  langsam  beseitigten. 
Formen  der  liturgischen  Gewänder  das  Wort  geredet  haben,  so  ist 
in  dieser  Angelegenheit  vorerst  die  maassgebende  Entscheidung  der 
S.  R.  C.  abzuwarten. 

Sobald  diese  Beschlussnahmen  erfolgt  sein  werden,  wird  in 
einem  besondern  Anhange  zu  diesem  Werke  die  practische  Seite 
für  eine  kunstgerechte  Wiederherstellung  der  liturgischen  Ornate 
nach  den  besten  mittelalterlichen  Mustervorlagen  besonders  hervor- 
gehoben und  in  den  Vordergrund  gestellt  werden.  Für  den  vorliegen- 
den Zweck  genüge  es  hierorts  auf  eine  treffliche  Abhandlung  unseres 
für  die  Wiederherstellung  der  christlichen  Kunst  in  Belgien  unermüd- 
lich wirkenden  Freundes  James  Weale  hinzuweisen,  die  derselbe  als 
begeisterte  Appologie  für  die  grosse  Form  des  Messgewandes  in 
seinem  «ßeffroi«  niedergelegt^)  und  den  bedeutendsten  römischen, 
belgischen,  französischen  und  englischen  Prälaten  eingesandt  hat. 
Schliesslich  finde  hier  noch  eine  Aufstellung  der  Grössenverhältnisse 
nach  den  Angaben  von  J.  Weale  eine  Stelle,  welche  die  Veränderun- 
gen kennzeichnet,  die  das  Messgewand  und  die  Dalmatik  von  den 
Tagen  des  Mittelalters  bis  zur  neuesten  Zeit  durchgemacht  hat. 


')  Nur  Unwissenheit  und  ein  gänzliches  Verkennen  des  geschichtlichen 
Entwickelungsganges,  den  die  Messgewänder  im  Laufe  des  Mittelalters 
durchgemacht  haben ,  ist  Ursache  gewesen ,  dass  man  die  in  jüngster 
Zeit  in  vielen  Diöcesen  wieder  in  Aufnahme  gekommenen  faltenreichen 
Messgewänder  »gothische«  benannt  hat.  Mit  mehr  Recht  könnte  man 
sie  als  römische  bezeichnen,  indem  nicht  nur  heute  noch  in  Rom 
die  Messgewänder  für  täglichen  Gebrauch  grösser,  breiter  und  nicht 
gesteift  sind,  wie  die  meisten  modernen  Caseln  diesseits  der  Berge, 
sondern  weil  auch,  wie  wir  dies  durch  Abbildungen  einer  grossen 
Zahl  von  Grabmonumenten  der  drei  letzten  Jahrhunderte  nachweisen 
können,  in  Rom  am  längsten  die  altkirchlich  ererbte  Form  und  der 
traditionelle  Schnitt  der  liturgischen  Gewänder  bewahrt  worden  ist. 
Vgl.  Le  Beüroi,  Arsts,  Heraldique  Archeologique  tom  II.  Janv.,  Fevr. 
Mars,  pag.  77 — 88.    Bruges  1864  chez  Edw.  Gaillard. 


• 


257 


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—    258  — 


7.  Die  Bekleidungen  des  Kelches  (tegumenta  calieis). 
a)  llnteolnm,  purificatoriuin. 

Bevor  wir  in  kurzgedrängten  Umrissen  die  Besprecliung  des 
priesterlichen  Messornates  in  seinen  verscliiedenen  Bestandtheilen 
zum  Abschluss  bringen,  glauben  wir  hier  noch  einige  allgemeinere 
Andeutungen  über  die  Kelchbekleidungen  hinzufügen  zu  sollen,  und 
zwar  um  so  mehr,  als  diese  tegumenta  calieis  gleichsam  als  integri- 
rende  Theile  des  Messgewandes  zu  betrachten  sind,  indem  dieselben 
grossentheüs  aus  demselben  Stoffe  entnommen  werden,  aus  denen 
das  Messgewand  selbst  mit  den  dazu  gehörigen  Bestandtheilen  an- 
gefertigt zu  werden  pflegt.  Diese  operimenta  calieis,  die  fast  von 
den  meisten  Liturgikern  sowohl  der  altern  als  der  neuern  Zeit  mit 
Stillschweigen  übergangen  worden  sind,  theilen  sich,  ihren  mate- 
riellen Bestandtheilen  nach,  in  zwei  Theile:  nämlich  in  solche,  die 
nur  aus  weissem  Linnen  angefertigt  werden  dürfen,  und  in  solche, 
zu  deren  Anfertigung  farbige  Seide  mit  oder  ohne  Stickereien  ge- 
nommen wird.  Zu  den  erstgedachten  Bedeckungs-Gegenständen  des 
Kelches  sind  zwei  hinsichtlich  ihrer  Grösse  und  Form  verschiedene 
Leinenzeuge  zu  unterscheiden.  Das  erste  und  seiner  Beschaffenheit 
nach  anspruchsloseste  Bekleidungsstück  des  Kelches  bildet  das  lin- 
ieolum ,  das  hinsichtlich  seines  Gebrauches  von  Einigen  auch  puri- 
ficatorium  genannt  wird.  Den  Angaben  des  Gavantes  zufolge  soll 
dieses  linteolum,  bestehend  aus  nicht  zu  feinem,  aber  auch  nicht  zu 
grobem  Linnen,  eine  Länge  von  IS^'a  Zoll  (18  unc.)  und  eine  gleiche 
Breite  haben.  Um  dieses  feine  Leintüchelchen  als  purificatorium 
beim  Austrocknen  und  Reinigen  des  Kelches  leichter  verwenden  zu 
können,  soll  dasselbe  in  zwei  Falten  gleichmässig  so  zusammen- 
gelegt werden,  dass  es  gleichsam  ein  Diphtychon  bildet,  und  eine 
dreifache  plicatura,  die  sich  gleichmässig  deckt,  erkennen  lassen. 

"Von  allen  liturgischen  stofflichen  Gebrauchs-Gegenständen  bei 
Feier  der  heil.  Messe  ist  dieses  Reinigungstüchlein,  seinem  Zwecke 
und  seiner  Bestimmung  gemäss,  am  einfachsten  und  ohne  alle  Ver- 
zierungen verbbeben;  nur  in  der  Mitte  desselben  ist  ein  kleines 
Kreuz  gestickt.  Hin  und  wieder  haben  wir  solche  ältere  Kelch- 
tüchelchen, die  dem  Ausgange  des  Mittelalters  angehören,  vorgefun- 
den, deren  schmale  Säume  an  den  Kopftheilen  mit  gezwirnten 
rothen  Seidenfäden  eingefasst  und  umrandet  waren.  Erst  seit  jener 
Zeit,  wo  die  dentelles,  guipures  und  andere  leicht  durchbrochene 
Tüll-  und  Spitzenarbeiten  sich  sogar  bis  zum  Altare  Bahn  gebrochen 
haben,  glaubte  man  auch  es  nicht  unterlassen  zu  sollen,  das  ein- 
fache und  anspmchslose  linteolum  zum  Ausreinigen  des  Kelches  mit 


—    259  — 


einer  mehr  oder  weniger  breiten  Spitze  an  seinen  schmälern  Kopf- 
theilen  zu  verzieren,  die  sogar  häufig  noch  von  Baumwolle  ist. 
Als  in  neuester  Zeit  die  kirchliche  Weisszeugstickerei  sich  wieder 
zu  ernstern  und  gediegenem  Leistungen  erhob ,  hat  man  hin  und 
wieder  den  Anfang  gemacht,  an  den  Reinigungstüchelchen  mit  Be- 
seitigung sämmtlicher  Tüll-  und  Fakrikspitzen  in  Baumwolle  die 
schmale  Randeinfassung  entweder  mit  einem  kleinen  bescheidenen 
Ornament  in  rother  gezwirnter  Seide  zu  verzieren,  oder  aber,  was 
würdiger  und  ernster  bei  diesem  einfachen  linteolum  sich  ausnimmt, 
diese  schmalen  Säurae  mit  einer  entsprechenden  Randverzierung 
von  feinem  ungebleichtem  Leinen  zu  verbrämen. 

Was  mm  das  Alter  und  den  Ursprung  der  Tüchelchen  zum 
Austrocknen  und  Reinigen  des  Kelches  betrifft,  so  findet  sich  weder 
über  diese  Reinigung  nach  der  ablutio,  noch  über  das  sudariohim, 
mit  welchem  dieselbe  in  späterer  Zeit  vorgenommen  wurde,  irgend 
eine  Andeutung  vor.  Auch  der  alte  Ordo  Romanus,  der  sonst  über 
alle  Einzelnheiten  bei  Feier  der  heil.  Messe  genaue  Vorschriften  er- 
theilt,  meldet  Nichts  über  Gebrauch  und  Gestalt  unseres  purißca- 
torium.  Derselbe  gibt  nur  an,  dass  der  Kelch  nach  der  heil.  Com- 
munion  vom  Archidiacon  dem  Subdiacon  und  von  diesem  dem  Aco- 
lythen  übergeben  werde,  der  denselben  in  das  paratorium  lege.  Ob 
unter  diesem  paratorium  das  armarium  oder  die  sacristia  überhaupt 
zu  verstehen  sei,  ist  aus  dieser  Angabe  des  Ordo  Romanus  nicht 
zu  entnehmen.  MögUch  ist  es,  dass  man  schon  in  frühchristlichen 
Zeiten  für  den  Kelch,  dieses  ehrwürdigste  und  hervorragendste 
von  sämmtlichen  Messgeräthschaften ,  einen  eigenen  Behälter  als 
armarium,  receptaculum  besass^). 

Ob  mit  einem  besondern  feinern  Leintüchelchen  bereits  im 
frühen  Mittelalter  der  Kelch  nach  der  zweiten  Abspülung  ausge- 
trocknet und  gereinigt  wurde,  ob  dieses  linteolum  gleichwie  das 
Lavabo-Tüchelchen  zum  Altarleiuen  gerechnet,  oder  zu  den  engern 
Bekleidungsstücken  des  Kelches  gezählt  wurde,  darüber  lassen  sich 
heute  bestimmtere  Angaben  schwerlich  mehr  feststellen. 


')  Bekanntlich  bestehen  in  mehreren  Kirchen  bereits  seit  den  Tagen  des 
Mittelalters  besondere  Behältnisse  in  Form  von  Ledercapseln  zur  Auf- 
nahme und  zur  Verschliessung  des  Kelches.  In  vielen  Kirchen  Frank- 
reichs und  Italiens  haben  wir  zum  Schutze  selbst  der  einfachen  Kelche 
für  täglichen  Gebrauch  paratoria  von  Seide  oder  Leinenstoff  vorgefun- 
den, die  in  altern  Inventarien  auch  sacculi  genannt  werden. 

18 


—    260  - 


In  einigen  Ordenskirchen  scheint  es  im  Mittelalter  Brauch 
gewesen  zu  sein,  dass  an  der  Epistelseite  eines  jeden  Altars  in 
der  Nähe  des  Waschbeckens,  der  piscina,  sich  ein  Leintüchelchen 
befand,  das  zum  Austrocknen  des  Kelches  benutzt  wurde,  nachdem 
die  zweite  ablutio,  wie  es  früher  gebräuchlich  war,  aus  dem  Kelche 
unmittelbar  in  die  piscina  ausgegossen  worden  war. 

Cardinal  Bona  fülnt  an ,  dass  zu  seiner  Zeit ,  namentlich  in 
den  Abteikirchen  der  Cistercienser,  sich  der  eben  gedachte  Ge- 
brauch erhalten  habe  i).  Anstatt  dass  die  zweite  Ausspülung  des 
Kelches  in  die  kleine  piscina  an  der  Epistelseite  ausgegossen  wurde, 
war  es  im  Mittelalter  in  einigen  Diöcesen  auch  gebräuchlich,  diese 
zweite  ablutio  des  Kelches  den  anwesenden  Gläubigen  darzurei- 
chen, selbst  wenn  dieselben  nicht  communicirt  hatten.  Noch 
sei  hinzugefügt,  dass  die  griechische  Kirche  sich  an  Stelle  des  puri- 
ücatoriutn  eines  Schwammes  bedient,  und  zwar  aus  dem  Grunde, 
weil  auch  der  Schwamm  beim  blutigen  Opfer  des  Heilandes  als 
instrumentum  Dominicae  passionis  zur  Geltung  gekommen  ist^). 

b.  Corporale  und  c.  palla  calicis. 

Ein  höheres  Alter  und  einen  altkirchlich  ererbten  Gebrauch 
hat  hingegen  jenes  zweite  Leintuch,  das  bei  Darbringung  des  heil. 
Messopfers  nach  liturgischer  Vorschrift  Anwendung  iindet,  auf- 
zuweisen. Es  ist  dies  nämlich  jenes  Tuch,  das  schon  in  dem  ältesten 
Ordo  Ilomanus  palla  corporalis  genannt  wird.  Da  unmittelbar  auf 
dieses  feine  Leintuch  die  Eucharistie  gleich  nach  der  Consecration 
bis  zur  Communion  des  Priesters  niedergelegt  wird,  so  fand  schon 
seit  der  frühchristlichen  Zeit  vor  der  Gebrauchnahme  des  corporale 
eine  besonders  vorgeschriebene  Wellie  und  Segnung  desselben  statt. 

Auch  musste,  wie  es  heute  noch  der  Fall  ist,  die  erste  Reini- 
gung desselben  in  einem  besondern  Gefässe  vorgenommen,  und" 
durfte  kein  anderes  Leinen  zugleich  mit  dem  corporale  und  dem 
purificatorium  gewaschen  werden.  Auch  der  bekannte  Mönch  Ru- 
dolphus  Glaber  erwähnt  dieses  Corporale^),  dessgleichen  spricht 
davon  auch  Beda  Venerabiiis  in  seinem  Uber  poenitentialis ,  der  es 
daselbst  chrismale  nennt.   Hrabanus  Maurus  führt  in  seiner  Schrift 


')  Bona  lib.  I. 

^)  Goar  in  notis  ad  liturgiam  Chrysostomi  Nr.  177. 
^)  Rudolphus  Glaber,  lib.  V.,  cap.  1. 


—   261  — 


de  iustitutione  Clericoriim  Iii).  IX,  cap.  33  au,  dass  bereits  der  h. 
Papst  Sylvester  hiiisichtlicli  des  Corporals  verordnet  habe;  «ex  lino 
puro  textum  esse  debet,  et  non  ex  serico  vel  purpm-a,  neque  ex 
panno  tincto.« 

Dass  unsere  palla  corporalis,  desswegen  so  genannt,  weil  bei  der 
Feier  der  heil.  Messe  das  Corpus  Dominicum  unmittelbar  darauf 
ruht,  bis  zum  XII.  Jahrhundert  bedeutend  länger  und  breiter  war, 
als  dies  im  spätem  Mittelalter  und  auch  heute  der  Fall  ist,  lässt 
sich  aus  mehrern  Stellen  älterer  Schriftsteller  nachweisen. 

Dem  oben,  gedachten  Ordo  Romanus  zufolge  lag  zwei  Diaconen 
das  Amt  ob,  das  Corporaltuch  auf  der  mema  des  Altares  auszubrei- 
ten und  später  wieder  zusammenzufalten.  Auch  ist  in  demselben 
Ordc»  angegeben,  aus  welchem  Stoffe  das  Corporale  angefertigt  sein 
muss,  und  welche  Ausdehnung  es  ungefähr  haben  soll.  Die  bezüg- 
liche Stelle  der  altrömischen  Liturgie  in  Betreff  dieses  feinen  Lein- 
tuches lautet  wie  folgt:  »Diaconus  accipiens  corporale  ab  Acolytho, 
alio  se  adjuvante  Diacono,  super  altare  distendat:  quod  utique  lin- 
teum  ex  puro  lino  esse  coutextimi  debet,  quia  sindone  munda 
Corpus  Domini  legitur  involutum  in  sepulchro,  et  tantae  quan- 
titatis  esse  debet,  ut  totam  altaris  superficiem  capiat. « 

Im  Hinblick  auf  die  auffallende  Ausdehnung  des  Corporale 
sollte  man  fast  geneigt  sein  anzunehmen,  dass  der  alte  Ordo  unter 
diesem  umfangreichen  Corporaltuch  jenes  weisse  Leintuch  verstand, 
welches  wir  heute  Altartuch  nennen  und  das  man  im  Mittelalter  x)e.sti- 
mer}iitm,  jmlla  oder  tpgumentum  altaris  zu  nennen  pflegte.  Dagegen 
spricht  jedoch  eine  Stelle  desselben  Ordo,  die  unmittelbar  nach  der 
eben  angezogenen  folgt;  dieselbe  besagt,  dass  nach  der  Communion 
das  Corporale  von  den  Diaconen  wieder  zusammengefaltet,  und  wie 
das  auch  heute  noch  der  Fall  ist,  auf  den  Kelch  gelegt  werde. 
Die  betreffende  Stelle  lautet:  »His  itaque  peractis  duo  Diaconi  com- 
plicantes  Corporale  ponant  super  calicem.« 

Erwägt  man  die  grosse  Zahl  der  Oblationen  in  Brodform,  die 
von  den  Gläubigen  nach  der  ältesten  Liturgie  behufs  der  Consecra- 
tion  und  Communion  der  Anwesenden  den  Diaconen  dargereicht 
wurden,  und  die  auf  dem  corporale  bis  zu  den  Consecrations-Worten 
der  Wandlung  lagen,  so  leuchtet  es  ein,  dass  das  corporale  in 
den  frühesten  Jahrhunderten  einen  bedeutend  grössern  Umfang  haben 
musste  als  jenes  Leintuch  es  erforderte,  auf  welches  im  späten 
Mittelalter  die  Gestalt  der  consecrirten  Hostie  in  ihrem  bedeutend 
verkleinerten  Umfange  gelegt  wurde ,  welche  zunächst  nur  für  die 
Communion  des  Priesters  bestimmt  war. 

18* 


—    262  — 


Wie  dies  schon  der  oftgedachte  Ordo  Romanus  andeutet,  i^flegte 
man  das  Corporale,  welches  im  Laufe  des  Mittelalters  zuweilen 
sindon,  zuweilen  auch  palla  genannt  wird,  behufs  des  leichtern  Ge- 
brauches mehrmals  zusammenzufalten.  Schon  im  XII.  Jahrhundert 
war  es  bei  den  Cisterciensern  gebräuchlich,  das  Cor^Dorale  seiner 
Breite  nach  in  drei  plicatiirae  zusammenzulegen,  wie  das  auch 
heute  noch  liturgische  Vorschrift  ist;  der  Länge  nach  jedoch  pflegte 
man  in  den  verschiedenen  Benediktiner-Klöstern,  die  der  Bursfelder 
Congregation  angehörten,  das  Corporale  so  zusammenzufalten,  dass 
die  beiden  äussern  Falten  aufrecht  gestellt  und  übergelegt  werden 
konnten,  und  zwar  in  einer  Weise,  dass  sie  den  Kelch  förmhch 
bedeckten 

Anstatt  dass  man  den  Kelch  durch  die  beiden  äussersten  pU- 
caturae  des  sehr  laugen  Corporale  bedeckte,  wie  dies  in  Ordens- 
kirchen und  in  einzelnen  Diöcesen  der  Fall  war,  bediente  man  sich 
nach  dem  Zeugnisse  von  Innocenz  III.  2)  schon  im  XII.  Jahrhun- 
dert eines  vom  Corporale  getrennten,  mehrmals  zusammengefalteten 
kleinern  Leintuches,  um  den  Kelch  während  der  heiligen  Opfer- 
handlung zu  bedecken.  Der  unten  in  der  Anmerkung  2  angeführ- 
ten Stelle  Innocenz  III.  zufolge,  waren  also  in  der  römischen  lürche 
eigentlich  zwei  Corporalien  in  Gebraucli ,  die  man  pallae  nannte ; 
die  eine  derselben  und  zwar  die  grössere,  zeigte  verschiedene  pli- 
raturae  und  vertrat  die  Stelle  des  Corporals;  die  andere  jmlla, 
welche  an  Umfang  kleiner  war,  wurde  ebenfalls,  wie  es  scheint 
in  Quadrat  zusammengefaltet  und  auf  den  Kelch  gelegt.  Dieser 
Gebrauch,  nämlich  zur  Kelchbedeckung  eine  besondere  kleinere 
palla  in  Anwendung  zu  bringen,  anstatt  dieselbe  durch  die  äus- 


•)  Vetus  Ceremoniale  Congregationis  Bursfeldiensis  Ordinis  Sancti 
Benedicti,  cap.  44.  »Diaconus  explicet  Corporale,  habens  tres  pli- 
catus  in  latuni  et  quatuor  in  longum.  Medium  latitudinis  in  medio 
altaris.  —  Gleich  darauf  heisst  es  weiter  :  Plicatus  extremae  partis 
Corporalis  calicem  opcriat. 

^)  Innocentus  III.  de  Mysterio  Missae,  lib.  II.  cap.  56 :  Duplex  est  palla, 
quae  dicitur  Corporale,  una,  quam  Diaconus  super  altare  totam  exten- 
dit,  altera,  quam  super  calicem  plicatam  imponit.  Wir  bemerken  hier 
noch,  dass  schon  vor  der  Zeit  des  Papstes  Innocenz  in  der  römischen 
Kirche  der  Gebrauch  eingeführt  war,  der  auch  heute  noch  in  den 
Kirchen  nach  römischem  Ritus  allgemein  besteht,  dass  der  Diacon 
bei  feierlichen  Pontificalmessen  unmittelbar  nach  dem  Incarnatus 
im  Credo  das  Corporale  in  der  bursa  zum  Altare  trägt  und  dasselbe 
in  dessen  Mitte  mit  Auseinauderfaltung  einer  plicatura  nach  der  Breite 
des  Altares  offen  legt. 


—    263  — 


sersten  plicaturae  des  Corporals  zu  bewerkstelligen,  scheint  schon 
im  Mittelalter  von  der  römischen  Mutterkirche  aus  in  viele  Diö- 
cesen  Italiens,  Deutschlands  und  Frankreichs  Eingang  gefunden  zu 
haben.  Diese  Ideinere  palla  zur  Bedeckung  des  Kelches  bestand  im 
Mittelalter  iln-er  materiellen  Beschaflfenheit  nach  aus  einem  kleinen 
viereckigen  Linnenzeug,  das  zv^'ei  oder  mehre  Male  zusammengefal- 
tet war. 

Heute  noch  bedient  man  sich  in  den  verschiedenen  Kirchen  Rom's 
zur  Bedeckung  des  Kelches  einer  palla  von  einfachen,  mittelfeinen 
Leinenstoffen,- die  doppelt  zusammengenäht  und  durch  Stärke  ver- 
dichtet und  geglättet  sind.  Um  diesen  kleinen  Fallen  zur  Verdeckung 
des  Kelches  eine  grössere  Festigkeit  und  grösseren  Zusammenhalt 
zu  geben,  hat  man  seit  dem  XV.  Jahrhundert,  wie  es  scheint,  in 
vielen  Diöcesen  begonnen,  einen  Pappendeckel  d.  i.  ein  steifes  Car- 
tonpapier  auf  seiner  äussern  Räche  mit  jenem  Seidenstoffe  zu  über- 
ziehen, der  in  der  Farbe  und  Verzierung  mit  dem  Stoff"e  des  Mess- 
gewandes übereinstimmt.  Li  der  Regel  umfassen  unschöne  Borten 
von  Gold-  und  Silbertressen  nebst  einem  kleinen  Kreuz  in  der  Mitte 
den  obern  Theil  dieser  Kelchauflage,  während  der  untere  Theil  mit 
einem  feinen  Leinenzeuge  bedeckt  ist,  das  sich  der  Reinigung  wegen 
leicht  ablösen  lässt.  Auf  Tafel  XXXV,  Fig.  1  ist  im  verkleinerten 
Maassstabe  eine  solche  palla  calicis  bildlich  wiedergegeben,  deren 
oberer  Theil  mit  einem  Sammtstoff"  in  rother  Farbe  überzogen  ist; 
die  Kehrseite  derselben  ist  mit  einem  feinen  Leinenstofi"  bedeckt, 
der  sich  behufs  des  Waschens  leicht  lostrennen  lässt.  Der  obere 
Ueberzug,  im  Style  der  letzten  Hälfte  des  XVL  Jahrhunderts  ge- 
halten, zeigt  das  bekannte  Hierogramm  von  einem  Strahlenkranz 
umgeben,  welcher  ehemals  in  echten  Perlen  gestickt  war;  dieselben 
sind  heute  verschwunden,  doch  lassen  sich  die  Stellen  deutlich  noch 
erkennen,  wo  die  Perlen  angeheftet  waren.  Die  Palletten  in  vergol- 
detem Silber,  welche  in  Sternform  die  äussere  Fläche  unserer  palla 
beleben,  dürften  auch  zum  Belege  dienen,  dass  die  auf  Tafel  XXXV 
Figur  1  veranschaulichte  palla  dem  Schlüsse  des  Mittelaltei*s  an- 
gehöre. 

Die  römischen  Pallen,  bestehend  aus  zwei  zusammengefügten 
Leinenstoffeu ,  in  der  Grösse  von  5  Zoll  im  Quadrat,  sind  jeden- 
falls würdiger  und  zweckmässiger,  als  jene  schwerfälligen  pallae  von 
Pappendeckel  mit  einem  Ueberzug  von  Seide  und  einem  beweg- 
lichen Unterfutter  von  Leinen,  dessen  Reinigung  nui*  zu  oft  über- 
sehen wird.  Sich  anscliliessend  an  die  römische  Form  und  Be- 
schaffenheit der  Kelchbedeckungen  hat  die   Genossenschaft  der 


—    264  — 


Schwestern  vom  armen  Kinde  Jesu,  welcher  viele  Paramenten- 
Vereine  gefolgt  sind,  in  neuester  Zeit  den  löblichen  Anfang  ge- 
macht, diese  pallae  mit  Ausschliessung  von  seidenen  Ueberziigen 
und  Goldtressen  allein  aus  feinen  Liunenstolfen  in  Form  von  vier- 
eckigen engen  Täschchen  so  zu  gestalten,  dass  nach  einer  Seite  ein 
weisses  Carton-Papier  in  diesen  Ueberzug  mit  leichter  Mühe  ge- 
schoben und  beim  Waschen  wieder  herausgenommen  werden  kann. 
Die  Oberflächen  dieser  zweckmässigen  und  würdigen  Pallen  wer- 
den in  der  Regel  durch  eine  mehr  oder  weniger  reiche  Stickerei 
in  solchen  Farben  und  in  solchen  Stickmaterialien  gehoben,  die 
das  Waschen  leicht  zulassen.  Die  Oberflächen  derselben  zieren 
jene  gestickten  Ornamente  am  zweckmässigsten  und  würdigsten, 
die  anspruchslos  in  ungebleichtem  feinen  Leinen  oder  in  gelblich- 
gräulicher Seide  ausgeführt  worden  sind  und  deren  Stickereien  eine 
zeitweilige  Waschung  des  leinenen  Ueberzuges  der  Pallen  gestatten. 
Nachdem  im  Vorhergehenden  über  Ausdehnung  des  Corporals  und 
Beschaffenheit  der  Pallen  zur  Bedeckung  des  Kelches  kurze  Notizen 
angegeben  worden  sind,  erübrigt  es  hier  noch,  einige  Angaben  hin- 
sichtKch  der  Verzierungsweise  des  Corporals  folgen  zu  lassen. 

Nach  den  Aufzeichnungen  des  Rubricisten  Gavantus  soll  das  Cor- 
porale  aus  feinem  dichtem  Leinen  bestehen,  und  muss  dasselbe  eine 
Länge  von  22V2  Zoll  im  Quadrat  haben.  Ferner  ist  dasselbe  so 
zu  falten,  dass  kein  Theil  vorstehe;  der  Rand  sei  einfach  gesäumt; 
am  Vordertheü  kann  ein  Kreuzchen  eingenäht  sein. 

Als  man  seit  dem  XVIL  Jahrhundert  mit  dem  Aufkommen  und 
der  Verbreitung  der  kostspiehgen  Brabanter  Spitzen  den  äussern 
Saum  der  Albe  und  des  Röckleins  mit  diesem  Spitzenwerk  zu  garni- 
ren  begann,  unterliess  man  es  auch  nicht,  das  Corporale  mit  einem 
mehi-  oder  weniger  breiten  Rand  von  Spitzen  einzufassen.  Brabanter 
Spitzen  hatten  wenigstens  das  Verdienst,  dass  sie,  wenn  auch  sehr 
theuer,  doch  ächt  und  gediegen,  in  geziemender  Weise  jenes  feine 
Leintuch  umgaben,  welches  bei  der  heiligen  Opferhandlung  einem 
so  hervorragend  ehrwürdigen  Zwecke  dient. 

Die  flitterhaften  Spitzen  aus  Tüll  und  ordinärer  Baumwolle,  die 
von  der  Fabrik  massenhaft  angefertigt,  heute  vielfach  zur  Einfas- 
sung der  Corporalien  zui-  Amvendung  kommen,  gereichen  denselben 
nicht  im  Mindesten  zur  würdevollen,  gediegenen  Ausstattung,  son- 
dern verleihen  denselben  vielmehr  einen  leichten,  profanen  Anstrich. 

Schon  im  Mittelalter  unterliess  man  es  nicht,  die  äussere  Um- 
randung des  Corporaltuches  mit  gestickten  Ornamenten  in  feinem 
weissen  Leinen  zu  verzieren;  auch  wandte  man  kleinere  Durch- 


^    265  — 

brechiingen  in  dem  äussersten  Saume  an,  die  man  durch  Stickereien 
einfasste.  Die  k  jour  durchbrochenen  Einfassungen,  die  den  spani- 
schen und  niederländischen,  ganz  durchbrochenen  Weisszeugsticke- 
reien  vorausgingen,  nannte  man  häufig  venetianische  oder  auch 
wälsclie  Arbeit. 

Ans  naheliegenden  Gründen  gehören  heute  Corporaltücher  aus 
der  Frühzeit  des  Mittelalters  mit  gestickten  Randverzierungen,  die 
ein  sicheres  Merkzeichen  zur  Feststellung  der  Chronologie  bieten, 
zur  grössten  Seltenheit.  Als  wir  im  Jahre  1861  im  Schatze  zu 
Monza  die  noch  dort  verbliebenen  integrirenden  Theile  des  alten 
lombardischen  Krönungs-Ornamentes  beschrieben  und  Abzeichnung 
^derselben  herstellen  Hessen,  haben  wir  Sorge  getragen,  dass  zum 
ersten  Mal  von  kundiger  Hand  eine  Weisszeugarbeit  kopirt  werde, 
die  nach  unserm  Dafürhalten  zu  den  ältesten  und  merkwürdigsten 
Ueberresten  der  kirchlichen  Stickerei  im  christlichen  Abendlande 
gezählt  werden  kann.  Es  ist  dies  einer  alten  Ueberliefening  nach 
ein  Corporaltuch ,  das  aus  den  Tagen  der  Longobarden-Königin 
Flavia  Theodelinda,  d.  h.  aus  dem  Beginne  des  VII.  Jahrhunderts 
herrühren  soll.  Auf  Tafel  XXXVI  ist  in  ungefähr  einem  Drittel 
der  natürlichen  Grösse  ein  Bruchtheil  dieses  merkwürdigen  corpo- 
rale  mit  seinen  eingewirkten  Musterungen  und  eingestickten  Anfangs- 
buchstaben von  griechischen  Monogrammen  bildlich  wiedergegeben. 
Da  hier  nicht  füglich  eine  eingehende  Beschreibung  des  Monzaner 
Corporaltuches  erfolgen  kann,  so  genüge  es  anzuführen,  dass  eine 
solche,  zugleich  mit  einer  sehr  unbeholfenen  und  mangelhaften  Ab- 
bildung, in  dem  Werke  von  Francesco  Frisi^)  zu  finden  ist.  Ma- 
billon  lenkte  in  seinem  «iter  Italicum^^)  zuerst  die  Aufmerksamkeit 
der  Alterthumsforscher  seiner  Zeit  auf  dieses  Corporaltuch;  in- 
dessen irrte  der  grosse  französische  Gelehrte,  wenn  er  an  besagter 
Stelle  anführt,  dass  unser  Corporal  von  Papst  Gregor  dem  Grossen 
der  Lombarden-Königin  Flavia  Theodelinda  nebst  andern  Geschen- 
ken zugesandt  worden  sei.  Dieser  Ansicht  treten  auch  die  BoUan- 
disten  ^)  mit  der  Behauptung  entgegen,  dass  die  barbarische  Schreib- 
weise des  ))+  in  adiutorium  meum  intende  alleluja«*)  nicht  füghch 


*)  Memorie  Storiche  di  Monza  e  sua  Corte,  tom.  III,  pag.  189.  Milano  1794. 
2)  Editio  Paris,  tom.  I,  pag.  211  et  212. 

Propylaeum  ad  acta  S.  S.  May.  pag.  178. 
*)  Vgl.  die  Inschrift  in  eigenthümlichen  Uncialbuchstaben,  unter  Lit.  A. 

die  für  die  Zeit  der  Lombardenkönige  characteristisch  ist ;  die  Ent- 

ziffei'ung  der  in  rother  Seide  gestickten  Inschrift  auf  Tafel  XXXVI 

unter  Lit.  B  ist  bis  jetzt  noch  nicht  gelöst  worden. 


—    266  — 


auf  römischen  Ursprung,  sondern  eher  auf  eine  Anfertigung  in  Monza 
vielleicht  sogar  von  der  Hand  der  Theodelinda  hindeute. 

In  unserer  ehemaligen  Sammlung  befand  sich  auch  eine  Anzahl 
von  Corporalien,  die,  ebenfalls  dem  Mittelalter  angehörend,  mit 
Randeinfassungen  verziert  waren,  die  ein  passendes  stylisirtes  Pflan- 
zenwerk in  vielfarbiger  Seide  auf  feinem  Leinen  erkennen  Hessen. 
In  dei'  heutigen  Pfarrkirche  zu  Deutz  hat  sich  noch  ein  schön  ver- 
ziertes corporale  erhalten,  das  wahrscheinlich  aus  der  ehemaligen 
Abtei  herrührt.  Der  Rand  desselben  ist  mit  Laubornamenten,  in 
rother  Seide  gestickt,  kunstreich  ausgestattet.  Sowohl  die  Technik 
des  gestickten  Randes  als  auch  die  Musterungen  lassen  deutlich  er- 
kennen, dass  dieses  zierlich  gearbeitete  Corporale  bereits  dem  XVI. 
Jahrhundert  angehört.  Auch  die  Schwestern  der  Genossenschaft 
vom  Kinde  Jesu  im  Mutterhause  zu  Aachen  und  in  den  Klöstern  zu 
Köln  und  zu  Döbling  bei  Wien  haben  in  neuester  Zeit  mit  grossem 
Erfolge  begonnen,  den  äussern  Rand  der  Corporalien  durch  passende 
Stickereien  in  weisslich  gräulicher  Seide  oder  in  feinem  ungebleich- 
ten Naturleinen  so  auszustatten,  dass  dadurch  der  liturgische  Charak- 
ter und  die  Würde  des  Corporaltuches  gewahrt  bleibt,  und  der  Saum 
desselben  nicht  geschwächt,  sondern  gestärkt  und  gehoben  wii'd. 
Auffalleuder  Weise  haben  es  sich  einzelne  Industrielle  in  neuester 
Zeit  beikommen  lassen,  das  Corporale  fast  zu  einer  kleinen  Thee- 
Serviette  dadurch  herunter  zu  würdigen,  dass  man  dasselbe  damast- 
artig in  seiner  Ganzheit  mit  einem  spielenden  Pflanzenwerk  gemu- 
stert hat.  Anstatt  der  Einfassung  hat  man  an  dem  äussern  Rande 
dieser  vorschriftswidrigen  und  unkirchlichen  Corporaltüchelchen,  die 
hinsichtUch  ihrer  stofflichen  Ausdehnung  viel  zu  klein  sind,  gleich- 
sam als  Fransen  die  Kette  des  Gewebes  hervortreten  lassen.  Durch 
diese  gebildartig  eingewebten  Dessins ,  noch  mehr  aber  durch  das 
Fransenwerk  an  den  vier  Seiten  haben  diese  modernen  Corporalien, 
die  ohne  Genehmigung  der  kirchlichen  Behörde  der  Laune  von 
Damastfabrikanten  ihre  Entstehung  zu  verdanken  haben,  einen 
durchaus  spielenden  und  modernen  Anstrich  erhalten. 

Bei  Besprechung  der  Form  und  ältern  Verzierungsweise  der 
Corporalien  unterlassen  wir  es  nicht,  hier  noch  darauf  hinzuweisen, 
dass  es  im  Mittelalter  und  auch  noch  in  den  letzten  Jahrhunderten 
in  einigen  deutschen  Diöcesen  Gebrauch  war,  nach  Verrichtung  der 
heil.  Geheimnisse  über  jene  Stelle  auf  dem  Altar  ein  mehr  oder 
weniger  reich  gesticktes  Leintuch,  seiner  Ausdehnung  nach  etwas 
grösser  als  das  Corporal,  zu  breiten,  um  jene  Stelle  auf  dem  Altar- 
tuche zu  überdecken  und  sorgfältig  vor  Schmutz  und  Verunreini- 


—    267  — 


gung  zu  bewahren,  auf  welcher  bei  der  Consecration  das  Corporale 
mit  der  h.  Eucharistie  zu  liegen  kam.  Man  nannte  dieses  mehr 
oder  weniger  kunstreich  verzierte  Leintuch,  das  auch  zuweilen  einen 
Theü  des  Altarvorhanges  verdeckte,  su/ßtorium  oder  auch  vesperale. 

d.  bursa  und  capsa  corporalium. 

Ausser  dem  Corporale  und  der  palla  als  appendicia  calicis  wa- 
ren seit  der  Friihzeit  des  Mittelalters  und  sind  auch  heute  noch 
zwei  fernere  Bekleidungsstücke  des  Kelches,  die  bursa  und  die 
capsa  in  Gehrauch,  die  in  der  Regel  aus  denselben  Seidenstofien 
und  in  denselben  Verzierungen  angefertigt  werden,  die  auf  dem 
entsprechenden  Messge wände  ersichtlich  sind. 

Die  bursa,  die  auch  in  altern  deutschen  Schatzverzeichnissen  zu- 
weilen den  Namen  Corporaltasche  führt,  diente  einestheils  dazu,  das 
Corporale  in  der  Saki'istei  geziemend  aufzuheben;  anderntheils  wurde 
und  wird  sie  auch  heute  vorzugsweise  dazu  benutzt,  um  das  Corporale 
in  einer  passenden  Umhüllung  unmittelbar  auf  dem  veluni  des  Kelches 
liegend,  zum  Altare  tragen  zu  können.  Die  Corporaltasche  zeigte  im 
Mittelalter  in  verschiedenen  Diöcesen  verschiedene  Formen  und 
Verzierungsweisen ;  dieselbe  war  meistens  als  bursa,  capsella,  so  ein- 
gerichtet, dass  sie  nach  drei  Seiten  hin  verschlossen  war  und  nur 
an  der  einen  Seite  vermittelst  eines  Umschlages  oder  einer  kleinen 
Klappe  verschlossen  und  alsdann  zugeknöpft,  in  vielen  Fällen  aber 
auch  durch  Schnüre  zugebunden  werden  konnte.  Auf  Tafel  XVII 
in  der  II.  Lieferung  dieses  Werkes  ist  ein  solches  Corporaltäsch- 
chen  abgebüdet  und  auf  Seite  302  und  303  daselbst  beschrieben, 
das,  aus  der  Mitte  des  XV.  Jahrhunderts  herrührend,  sich  vormals 
in  unserer  Privatsammlung  mittelalterlicher  Webereien  und  Sticke- 
reien vorfand.  Dasselbe  ist  im  Innern  mit  weissen  Leinenstofien 
ausgefüttert  und  auf  der  hintern  Seite  mit  blauem  figurirtem  Sammet 
überzogen;  dasselbe  zeigt  auf  seiner  vordem  Seite  auf  einem  gold- 
gestickten Tiefgrund  die  in  Plattstich  ausgeführte  Darstellung  der 
Kreuzigung  mit  der  bekannten  Passionsgruppe:  Johannes  und  Ma- 
ria. Aehnlich  diesem  Corporaltäschchen ,  das  auf  drei  Seiten  ge- 
schlossen ist,  haben  sich  in  letzten  Jahrhunderten  auch  jene  bursae 
corporalium  gestaltet,  die  heute  in  den  meisten  Kirchen  noch  im 
Gebrauche  sind.  Dieselben  bilden  nämlich  eme  viereckige  Mappe, 
deren  beide  Deckel  von  steifem  Papier  im  Innern  mit  Leinen  oder 
dünner  Futterseide  überzogen,  und  deren  Aeusseres  mit  jenen 
Seidenstickereien  bekleidet  ist,  wie  sie  in  den  aurifrisiae  des  be- 
treffenden Messgewandes  vorkommen. 


—    268  — 


Im  Ausgange  des  Mittelalters  benutzte  man  häufig  die  obere 
viereckige  Fläche  dazu,  um  mittelst  Gold-  und  Perlstickereien  die- 
sen quadratischen  Raum  auf's  Reichste  zu  verzieren  und  zu  heben. 
Seit  den  letzten  Jahrhunderten  indessen  begnügt  man  sich  damit, 
diese  Aussenfläche  der  bursa  corporalium  hinsichtlich  des  Ueber- 
zuges  von  Seide  mit  dem  Messgewande  in  Einklang  zu  bringen,  und 
den  äussern  Rand  desselben  mit  steifen ,  meistens  unechten  Gold- 
tressen einzurahmen.  Im  Einklang  mit  der  palla  und  dem  velum 
des  Kelches  wird  die  Mitte  desselben  auch  noch  durch  ein  aus 
Bortenwerk  zusammengesetztes  Kreuz  bezeichnet. 

Eine  fernere  Form  und  Einrichtung  dieser  cupsa  corporalium 
bestand  im  Mittelalter  darin ,  dass  man  aus  dünnen  Holztäfelchen 
einen  niedrigen  Behälter  anfertigte,  den  man  im  Innern  und  Aeus- 
sern  zuerst  mit  Leinenstoffen  überzog  und  dessen  äussere  aufrecht- 
stehenden  Tlieile  man  mit  Seide  bekleidete.  Der  äussere  Deckel  dieses 
Corporalkästchens  war  ebenfalls  mit  Seide  umzogen,  und  erblickte 
man  auf  der  Aussenfläche  in  der  Regel  eine  Figurstickerei,  die  aus 
dem  Leiden  des  Herrn  entlehnt  war.  Wir  haben  auf  Tafel  XXXV 
Figur  2  in  verkleinertem  Maassstabe  ein  solches  Corporalkästchen 
bildlich  veranschaulicht,  das  auf  seinem  äussern  Deckel,  in  feinstem 
Plattstich  gestickt,  das  Bild  des  kreuztragenden  Heilandes  zeigt. 
Diese  capsella  corporalis  gehörte  einem  ehemaligen  Pfarrer  von 
St.  Jakob  in  Köln  mit  dem  Namen  Royd,  wie  dies  die  in  Gold- 
gestickte Inschrift  am  äussern  Rande  besagt,  welche  lautet:  Winan- 
dus  royd  pastor  S.  Jac.  Colon.  1447. 

Wie  es  den  Anschein  gewinnt,  dienten  jene  capsellae  aus  Holz, 
deren  Aussenfiächen  mit  reichen  Stickereien  oder  mit  Malereien  auf 
Pergament  verziert  waren,  dazu,  um  in  diesen  kunstreich  verzier- 
ten Behältern  das  Corporaltucli  nach  vollbrachtem  Messopfer  in  der 
Sakristei  aufzubewahren  und  vor  Bestaubung  zu  schützen.  Wahr- 
scheinlich besass  jeder  an  einer  bestimmten  Kirche  adscribirte  Geist- 
liche gegen  Schluss  des  Mittelalters  in  der  Sakristei  eine  besondere, 
mehr  oder  weniger  reich  verzierte  pera,  welche  die  Bestimmung 
trug,  das  von  ihm  täglich  in  Gebrauch  genommene  corporale  wür- 
dig aufzuheben  und  zu  verschliessen.  Aeltern  Schatzverzeichnissen 
zufolge  wird  man  zu  der  Annahme  geführt,  dass  im  Mittelalter  zu 
jedem  Messkelch  eine  solche  pera  corporalium  als  integrirender 
Theil  gehört  habe.  So  lesen  wir  z.  B.  in  dem  Chronicon  Rerum 
Moguntiacarum  vom  Bischof  Conrad,  in  der  letzten  Hälfte  des  XII. 
Jahrhunderts  verfasst,  folgende  interessante  Angaben: 


—    269  — 


«In  uno  horum  (seil,  calicum)  potest  celebrari,  qui  etiam  suas 
habuit  ampullas  et  pyxidem  ad  bostias  ex  auro  purissimo  et  mar- 
garitis,  et  per  am  ad  Corporalia  ßlis  aureis  itiseriis,  miri  operis  et 
decoris.  Huhebant  etiam  calices  alii  suas  peras  ad  Corporalia  ex 
purpura  et  aurifrigiis  adoriiatasAi 

Dass  nicht  nur  am  Kbeine,  sondern  auch  in  englischen  Diö- 
cesen  solche  reichverzierte  Corporal-Bebälter  im  Mittelalter  in  Ge- 
brauch waren,  erhellt  ebenfalls  aus  den  Angaben  des  bereits  oft  ci- 
tirten  Schatzverzeichnisses  von  St.  Paul  zu  London  vom  Jakre 
1295^).  Es  stehen  nämlich  unter  der  Ueberschrift  «Corporalia« 
eine  Menge  von  mehr  oder  weniger  reich  verzierten  Corporal-Büch- 
sen  verzeichnet,  wovon  wir  hier  einige  wörtlich  anführen: 

Una  capsa  magna  breudata  ex  scutis  ad  Corporalia,  cum  Cruce 
ex  literis^). 

Item  alia  capsa  breudata  cum  majestate^)  ex  parte  una  et 
ckcumdata  cum  floribus  ex  alia  cum  corporalibus. 

Item  capsa  operto  sammeto  rubeo  cum  frectis*)  et  scutis  breu- 
datis ,  praeterquam  in  tergo  cum  pedibus ,  et  clausura  argentea ; 
item  una  bursa  breudata  de  armis  variis  de  dono  Walteri  de  Essex. 

Item  una  capsa  breudata  cum  ymagine  Crucifixi  ^)  Mariae  et 
Johannis  ex  una  parte,  et  capite  Sancti  Pauli  et  gladio  eiusdem 
ex  alia^). 

1)  Visitatio  facta  in  thesauro  S.  Pauli,  Lond.  per  Magistrum  Radulphum 
de  Baudak,  anno  gratiae  1295.    Monastic.  Anglic.  apud  Dugdal. 

^)  Auf  dem  obern  Deckel  dieses  grössern  Behältnisses,  zur  Aufnahme 
mehrer  Corporalien  bestimmt,  befanden  sich  mehre  Wappenschildchen, 
wahrscheinlich  in  Gold  gestickt,  und  in  der  Mitte  des  Deckels  ein 
gesticktes  Kreuz  von  Inschriften  umgeben. 

^)  Auf  diesem  Corporalbehältnisse  war  in  Plattstich  gestickt  zu  ersehen 
der  Herr  in  seiner  Herrlichkeit,  nämlich  die  Darstellung  des  et  iterum 
venturus  est  cum  gloria. 

*)  Diese  mit  rothem  Sammet  überzogene  Kapsel  zeigte  auf  dem  Deckel 
reichgestickte  Verzierungen,  frecla,  verwandt  mit  dem  fregio  etc.  ital. 
Jregiatura.  herkommend  von  frangere,  wahrscheinlich  ä  jour  durch- 
brochene Ornamente;  ausserdem  war  diese  Kapsel  wahrscheinlich 
mit  silbernen  Löwenfüsschen  verziert  und  mit  einem  silbernen  Schloss 
versehen. 

^)  Diese  mit  der  Darstellung  der  Kreuzigung  verzierte  Kapsel,  die  auch 
die  Passionsgruppe  Johaimes  und  Maria  darstellte,  mochte  Aehnlichkeit 
gehabt  haben  mit  der  gestickten  Darstellung  desselben  Gegenstandes 
auf  jenem  Corporaltäschchen,  das  wir  auf  Tafel  XVII  in  der  II.  Lief 
dieses  Werkes  abgebildet  haben. 

^)  Ex  una  parte  bezeichnet  wahrscheinlich  den  obern  Deckel,  ex  alia 
ohne  Zweifel  den  Innern  Deckel,  der  sich  beim  Aufschlagen  der  Kap- 


—    270  — 


In  dem  reichhaltigen  Schatzverzeichnisse  der  Krönungskirche 
der  longob ardischen  Könige  St.  Johann  zu  Monza  vom  Jahre  1275 
finden  sich  ebenfalls  zwei  kostbar  verzierte  Corporalbehälter  ver- 
merkt, die,  wahrscheinlich  zum  festtägüchen  Gebrauche  bestimmt, 
also  beschrieben  werden: 

Item  duo  coopertoria  sive  corporalia,  primum  est  ex  margari- 
tis  ex  auro  factis  ornatum ,  sex  sarinis  circumdatum ,  in  quo  defi- 
ciunt  XXIV  sarini,  secundum  cum  bullis  aureis  insertis,  et  muscha 
aurea  in  medio  posita. 

Auch  in  dem  Prager  Schatzverzeichniss  von  St.  Veit  vom  Jahre 
1387  liest  man  unter  der  Ueberschrift  )<Rubrica  de  capsis«  wie  folgt: 

Prima  una  capsa  pro  corporalibus,  circumdata  argento,  in  su- 
perioribus  habens  in  medio  agnum  argenteum  deauratum  et  in 
superficiebus  seu  in  circumferentiis  agnus  dei,  qui  cum  nodo  argen- 
teo  et  pendili  sericeo  ^)  cum  nodis  argenteis. 

Item  secimda  capsa  habens  agnum  de  perlis  in  circulo  gemmis 
et  perlis  circumdato  ex  una  jiarte  et  ex  alia  parte  habens  arborem 
rosarum  de  coraUis. 

Item  tertia  rubea  habens  literas  Jesus. 

Wir  könnten  noch  eine  grosse  Anzahl  solcher  reichverzierten 
Corporalbehälter  dem  Wortlaute  älterer  luventare  aus  dem  XV.  und 
XVI.  Jahrhundert  zufolge  namhaft  machen,  aus  welchen  erhellen 
würde ,  welche  grosse  Sorgfalt  man  auch  noch  gegen  Schluss  des 
Mittelalters  zui*  geziemenden  Aufbewahiamg  jener  mehr  oder  weni- 
ger kunstreich  verzierten  Corporaltücher  anwandte.  Es  genüge  hier, 
schliesslich  noch  auf  jenes  merkwürdige  Schatzverzeichniss  aufmerk- 
sam zu  machen,  welches  in  dem  Uber  precationum  Caroli  Calvi  Impe- 
ratoris,  das  sich  in  der  ehemaligen  Bibliothek  des  Frauenklosters 
Inzigkofen  im  Hohenzollern'schen  vorfand,  und  auf  dessen  sechs 
Sclilussblättern  ein  Priester  im  Jahre  158Ü  den  reichhaltigen  Kir- 
chenschatz des  Berner  Münsters  verzeichnet  hatte. 

Unter  der  grossen  Zahl  von  Kirchenzier,  die  dort  summarisch 
angeführt  wird,  liest  man  unter  Anderm  auch: 


sei  zeigt.  Dieser  innere  Deckel  war  an  mittelalterlichen  Corporal- 
Kapseln,  wie  sie  sich  damals  noch  in  grösserer  Zahl  in  Kölnischen 
Sakristeien  vorfanden,  in  der  Regel  mit  einer  passenden  Miniatur- 
Malerei  auf  Pergament  verziert. 
*)  Diese  Schnüre  von  Seide  dienten  dazu,  um  den  beweglichen  Deckel 
dieser  Kapsel  vermittelst  der  silbernen  oben  befindlichen  Knöpfchen 
einzulassen  und  zu  befestigen. 


—    271  — 


Item  ufF  80  Corporal,  alle  ufF  das  flisigist  von  silbernen  Span- 
gen, samat,  damast,  attlis,  carmensin,  daffet,  Siden,  mit  schönen 
Schnüren. 

Wie  wir  schon  früher  andeuteten,  war  es  wohl  noch  im  XVI.  Jahr- 
hundert in  den  Kölnischen  Kirchen  Sitte,  dass  jedem  Messkelche 
auch  ein  Corporalbehälter  beigegeben  wurde,  welches  um  diese  Zeit 
im  Niederdeutsch  »Corporals  Huiss«  genannt  wurde.  Es  steht  näm- 
lich in  dem  «Inventarium  der  Kirchenjüdern  zo  Sauet  Brigideim  zu 
Cöln«  also  geschrieben: 

Item  noch  ein  kellich  mit  3  Corporalshuisser. 

Item  ein  kellich  mit  synem  Zubehoir  und  1  Corporalshuiss. 

Der  römische  Rubricist  Gavantus  sagt  in  seiner  bekannten 
Abhandlung^)  De  mensuris  proprüs  sacrae  supellectilis  hinsichtlich 
jener  bursa  corporalium,  die  zur  engern  Kelchbekleidung  gehörend, 
bei  Feier  der  h.  Messe  vom  Priester  an  die  Predella  der  Evange- 
lienseite des  Altars  angelehnt  wird,  Folgendes : 

»Die  Bursa  habe  auf  der  obern  Seite  ein  Kreuz  oder  ein  h. 
Bild  in  der  Mitte  eingestickt ;  auch  die  Rückseite  sei  von  demselben 
Stoff  und  derselben  Farbe;  das  Innere  sei  von  Seide  oder  mit  weis- 
sem Leinenzeug  ausgefüttert.  Die  Breite  der  hursa  soll  nach  allen 
Seiten  9  Zoll  ('/2  cub.)  oder  etwas  mehr  betragen.  Die  Form  ist 
ein  Quadrat.«  Gavantus  gibt  in  der  eben  citirten  Abhandlung  keine 
nähern  Bestimmungen  über  Form,  Ausdehnung  und  Beschaffenheit 
jener  im  Mittelalter  reich  verzierten  grössern  Corporalbehälter  an, 
die  wie  aus  den  obigen  Anführungen  älterer  Schatzverzeichnisse 
erhellt,  in  der  Sakristei  zur  sorgfältigen  Aufbewahrung  mehrerer 
Corporaltücher  sich  vorfanden.  Ob  in  den  Tagen  unseres  Gewährs- 
mannes sich  ähnliche  grössere  »Corporalshuiser«  in  römischen 
Kirchen  nicht  vorfanden,  möchte  sehr  zu  bezweifeln  sein.  Der  Ge- 
brauch reichverzierter  capsae  ähnlich  der  auf  Tafel  XXXV  Figur  2 
abgebildeten,  hat  sich  heute  noch  in  vielen  deutschen  Diöcesen  er- 
halten. Es  ist  nämlich  in  Sakristeien  vieler  grösserer  Kii'chen  auch 
heute  noch  der  löbliche  Brauch  beibehalten,  dass  jeder  an  der 
Kii-che  angestellte  Geistliche  sein  eigenes  Corporalbehälter  hat,  wel- 


Diese  Abhandlung,  die  in  ihrer  üebersetzung  keinem  Kunsthandwerker 
fehlen  darf,  der  für  kirchlichen  Gebrauch  Kirclienmöbel,  Gefasse  und 
stoffliche  Ornate  anfertigt,  ist  jüngst  in  deutscher  Sprache  bedeutend 
erweitert  in  zweiter  Auflage  unter  dem  Titel  erschienen :  Notizen  über 
Stoff,  Gestalt  und  Grösse  der  heil.  Geräthe  und  Gewänder  von  Pfarrer 
Carl  Geiger.   München  1863,  J.  Lentner'sche  Buchhandlung. 


—    272  — 

ches  mit  seinem  Namen  versehen  ist.  Leider  sind  die  sinnig  verzier- 
ten Corporalbehälter  des  Mittelalters  und  der  beginnenden  Renais- 
sance grösstentheils  aus  den  Sakristeien  verschwunden  und  hat  die 
Nüchternheit  unseres  Jahrhunderts  an  Stelle  der  kunstvoll  mit  dem 
Namen  bestickten  capsae  corporalium  in  Weise  der  auf  Tafel  XXXV 
abgebildeten,  solche  von  Pappendeckel  mit  marmorirtem  Papier 
überzogen  treten  lassen. 

e.  vehnn  calicis. 

Wie  dies  im  Folgenden  ausführlicher  besproclien  werden  wird, 
bediente  man  sich  im  Mittelalter  zu  liturgischen  Zwecken  mehrer 
vela,  indem  mit  solchen  Hüllen  nicht  nur  der  Altar,  sondern  auch 
die  Chorschranken  und  zu  gewissen  Zeiten  auch  die  Crucifixe,  dess- 
gleichen  die  Lesepulte  bedeckt  und  verhüllt  wurden.  Die  Hülle  je- 
doch, die  uns  hier  zunächst  zur  Besprechung  obliegt,  hatte  den 
Zweck,  den  Kelch  mit  der  darauf  befindlichen  patena  nebst  palla  zu 
bedecken,  wenn  der  Priester,  mit  den  Messgewändern  bekleidet,  zum 
Altare  schritt.  Mit  diesem  velum  bekleidet,  bleibt  der  Kelch  in  Mitten 
des  Altares  stehen,  bis  das  Ofifertorium  beginnt,  und  die  Enthül- 
lung des  Kelches  alsdann  erfolgt.  Nach  der  Communion  des  Priesters 
und  der  erfolgten  Ablution  wird  der  Kelch  wieder  bekleidet  und 
mit  dem  velum  umhüllt.  Cardinal  Bona  gibt  in  seinem  Werke  ^)  an, 
dass  der  Gebrauch  des  Kelchvelums  sehr  alt  sei,  indem  dasselbe  sich 
bis  auf  die  Tage  der  Apostel  zurückführen  lasse.  Auch  das  HL 
Brakarensische  Concil,  das  unter  dem  Papst  Adeodatus  gehalten 
wurde  ^j,  verordnet,  wie  dies  Bona  ebenfalls  angibt,  dass  derjenige 
mit  dem  Kirchenbann  zu  belegen  sei,  der  die  kirchlichen  Ornate 
und  die  vela  zu  Profanzwecken  herunterwürdige  und  an  Andere 
verschenke  oder  verkaufe.  Es  will  uns  jedoch  scheinen,  dass  unter 
diesen  vom  Concil  benannten  vela  weniger  die  stofflich  kleinen  und 
unbedeutenden  vela  calicis,  als  die  ieira  vela  altaris  zu  verstehen 
gewesen  seien. 

Bona  weist  noch  auf  eine  Stelle  in  einem  Briefe  des  Papstes 
Hormisdas  hin,  worin  derselbe  dem  Epiphanius  dankt  für  die  Kelche 
und  die  vela^  die  derselbe  ihm  zugeschickt  habe.  Auch  bei  dieser 
Stelle  bleibt  es  zweifelhaft,  ob  unter  diesen  vela  jene  an  Umfang  un- 
bedeutenden Umhüllungen  zu  verstehen  seien,  mit  welchen  seit  dem 
Mittelalter  und  auch  heute  der  Kelch  bis  zum  Offertorium  verdeckt 


')  Bona  Kerum  liturg.  lib.  I.  cap.  XXV,  pag.  251. 
^)  Papst  Adeodatus  regierte  von  072 — (376. 


—    273  — 


bleibt,  oder  ob  unter  denselben  nicht  die  grössern  und  kostbareren 
vela  oder  vestimenta  aliaris  gemeint  seien. 

Trotz  allseitigen  Nachsuchens  ist  es  uns  bisher  nicht  gelungen, 
äussere  Kelchhüllen  ausfindig  zu  machen,  die  mit  reichern  Sticke- 
reien versehen,  dafür  Zeugniss  ablegen,  dass  sie  in  der  romanischen 
oder  frühgothischen  Kunstepoche  angefertigt  worden  seien.  Auch  in 
altern  Schatzverzeichnissen  werden  solche  vela  caliris  an  keiner 
Stelle  erwähnt.  Man  darf  daraus  nicht  den  Scliluss  ziehen,  dass  über- 
haupt diese  vela  als  äussere  Bekleidung  des  Kelches  im  Mittelalter 
nicht  liturgisch  in  Gebrauch  waren,  sondern  es  Hesse  sich  vielleicht 
daraus  folgern,  dass  dieselben,  als  integrirende  Theile  zum  Mess- 
gewaude  gehörend,  desswegeu  in  der  Aufzählung  übergangen  wor- 
den seien,  weil  sie  einfach  aus  jenen  Stoffen  ohne  Anwendung  von 
Stickereien  bestanden,  aus  denen  auch  das  entsprechende  Mess- 
gewand verfertigt  war.  Wie  dies  bei  Gavanius  zu  ersehen  ist,  soll 
das  Kelchtuch  nach  allen  Seiten  hin  2  Schuh  3  Zoll  (1  cub.  12  uuc.) 
gross  sein;  der  Saum  sei  mit  feiner  Seiden-,  Gold-  oder  Silberarbeit 
geschmückt.  Auch  soU  dasselbe  in  der  Mitte,  und  zwar  nach  dem 
untern  Rande  hin,  entsprechend  den  aufgenähten  kleineren  Kreuzen 
auf  Stola  und  Manipel,  mit  einem  Kreuze  verziert  werden.  Im  Ge- 
gensatze zu  diesen  Bestimmungen  sind  indessen  jene  Kelchumhüllun- 
gen, die  uns,  aus  dem  Schlüsse  des  Mittelalters  herrührend,  bekannt 
geworden  sind,  gleich  der  Stola  und  dem  Manipel  nicht  mit  diesem 
Kreuze  versehen.  In  der  römischen  Kirche  scheint  sich  im  An- 
schluss  an  die  Orientalische  am  längsten  der  Gebrauch  erhalten  zu 
haben,  die  verschiedenen  Hturgischen  Ornate  an  geeigneter  Stelle  mit 
Kreuzen  zu  verzieren  Von  der  römischen  Liturgie  aus  scheint 
auch  seit  dem  XVI.  Jahrhundert  der  Gebrauch  in  den  verschiedenen 
Diöcesen  des  Abendlandes  allgemein  Ehigang  gefunden  zu  haben, 
nicht  nur  Stole  und  Manipel  an  den  betreffenden  Stellen,  sondern 
auch  das  velum  calicis,  dessgleichen  auch  das  corporale  und  das  pu- 
rißcatorium  durch  ein  Kreuzeszeichen  zu  verzieren,  um  auf  diese 
Weise  jene  Stelle  anzudeuten,  die  es  im  Gebrauche  einnehmen  soll. 

Unbegreiflicher  Weise  hat  seit  dem  XVII.  Jahrhundert  das  mei- 
stens unechte  Borten-  und  Tressenwesen  an  den  liturgischen  Or- 
naten derart  überhand  genommen,  dass  durch  diese  platten  Ein- 
fassungen die  ehemals  faltenreichen  Ornatstücke  unzweckmässig 


*)  Wir  erinnern  hier  nur  im  Vorbeigehen  an  die  vestes  stauracinae, 
oder  an  die  pallia,  cum  orbiculis  ec  cruce,  wie  sie  an  vielen  Stellen 
bei  Anastasius  Bibliothecarius  vorkommen. 


—    274  — 


abgegrenzt  wurden,  und  dadurch  der  Faltenwurf  und  jede  Be- 
wegung derselben  gehemmt  wird. 

Auch  unsere  Kelchbedeckung,  die  ihrer  Bestimmung  nach  zum 
Zusammenfalten  und  zum  Ausbreiten  über  den  Kelch  möglichst  leicht 
und  beweglich  sein  sollte ,  hat  durcli  die  ordinäi'e  Einfassung  mit 
breiten  steifen  Borten  gewiss  nicht  an  Zweckmässigkeit  und  Schön- 
heit gewonnen,  sondern  das  velum  wird  durch  diese  Einfassung 
ohne  Noth  steif  und  für  den  Gebrauch  unbequem  gestaltet.  Wir 
erinnern  uns  aus  der  Renaissance-Zeit  mehr  oder  weniger  reich 
ausgestattete  vela  gesehen  zu  haben,  bei  welchen  diese  unpractische 
Umbordung  fehlte,  und  die  nur  in  den  vier  Ecken  ein  kleines  ge- 
sticktes Ornament  zur  Anwendung  kommen  Hessen. 

Die  Diaconen-Gewänder. 

Gleichwie  im  mosaischen  Alterthum  die  Abstufungen  der  Le- 
viten und  Opferpriester  auch  im  Aeussern  durch  ein  entsprechendes 
Gewand  angezeigt  waren,  so  wurden  auch  seit  den  frühchristlichen 
Zeiten  die  verschiedenen  ordines  in  der  khchlichen  Hierarchie 
durch  entsprechende  Gewänder  ausgezeichnet,  die  je  dem  einzelnen 
Ordo  zuständig  waren.  Der  liturgische  Ornat,  der  in  der  kirch- 
lichen Rangabstufung  den  Diaconen  zusteht,  ist  von  Einigen  gleich- 
sam als  eine  Nachbildung  jener  Gewänder  aufgefasst  worden ,  mit 
welchen  die  zalilreichen  Leviten  beim  Tetnpeldienste  bekleidet  wa- 
ren. Wenn  auch  der  Zahl,  der  Benennung  und  annäherungsweise 
dem  Schnitte  nach  sich  ein  ziemlich  zu  treffender  Vergleich  zwi- 
schen den  hohenpriesterlichen  Gewändern  des  alten  Testamentes 
und  den  bischöflichen  Ornaten  der  Kirche  ziehen  lässt,  wie  dies  im 
L  Bande  von  Seite  427  bis  453  geschehen  ist,  so  lässt  sich  den- 
noch zwischen  den  heutigen  Diaconen-Gewändern  und  den  Klei- 
dern der  Leviten  im  Alten  Bunde  eine  solche  Parallele  nicht  auf- 
stellen, durch  welche  die  gebräuchliche  Bezeichnungsweise  «Le- 
viten« ihre  Berechtigung  erhielte.  Der  Name  Leviten-Kleider  oder 
Leviten-Röcke,  die  auch  zuweilen  Lese-Röcke  genannt  wurden i), 
ist  desswegen  nicht  von  der  Aehnliclikeit  dieser  liturgischen 
Ornate  mit  denen  der  Leviten  im  alten  Bunde  herzuleiten,  son- 


')  Dar  Name  »Leseröcke«  in  Kölnischen  Schatzverzeichnissen  aus  dem 
Ausgange  des  Mittelalters  leitet  oft'enbar  seinen  Ursprung  daher,  weil 
mit  diesen  Gewändern  bekleidet  hei  feierlichen  Aemtern  der  Subdiacon 
und  der  Diacon  die  Epistel  und  das  Evangelium  zu  »lesen«  hatte. 


I 


—    275  -- 

(lern  diese  Bezeichnung  dürfte  vielmehr  entstanden  sein  aus  dem 
Namen  ))levitae<s.,  den  auch  in  der  Kirche  zuweilen  die  Subdiaconen 
und  Diaconen,  entlehnt  von  den  Leviten  des  Alterthums,  zu  führen 
pflegten. 

Zu  den  vesten  dütconutus  werden  zwei  Ornate  gezählt,  die 
tumcella  des  Subdiacons  und  die  dalmatica  des  Diacons. 

üeber  die  Verzierungsweise  dieser  beiden  Leviten-Kleider,  in- 
sofern sie  auch  der  Bischof  trägt,  Avenn  er  in  Pontificalibus  die 
heil.  Geheimnisse  feierlich  begeht,  haben  wir  von  Seite  83  bis  101 
in  dem  vorlieg.enden  II.  Bande  ausführlicher  gehandelt.  Auch  sind 
über  die  Entstehung  und  Entwicklung  der  Diaconen-Gewänder  iu 
den  ersten  cliristlichen  Jahrhunderten  im  I.  Band  auf  Seite  447  ff. 
allgemeinere  Andeutungen  gegeben  worden.  Es  genüge  desswegen 
hier,  nur  noch  Einiges  über  Form  und  Beschaffenheit  der  Sub- 
diaconen- und  Diaconen-Gewänder  nachträglich  folgen  zu  lassen , 
und  insbesondere  darauf  lünzudeuten,  inwiefern  sich  die  Dalmatik 
des  Diacons  von  der  Tunicelle  des  Subdiacons  unterscheide. 

Wie  aus  den  Institutionen  des  heil.  Sylvester  erhellt,  wurde 
unter  diesem  Papste  den  Diaconen.  wie  dies  auch  schon  an  anderer 
Stelle  bemerkt  AVfirden  ist.  das  Anlegen  der  dalmatica  bei  liturgischen 
Feierhchkeiten  gestattet,  da.  wie  Alcuin  es  andeutet,  bis  zu  dieser 
Zeit  die  Diaconen  der  römischen  Kirche  nur  das  colobiurn  zu  tragen 
pflegten.  Dieses  ältere  rolohmm  unterschied  sich  von  der  Dal- 
matik dadurch,  dass  das  erste  ein  römisches  Gewand  ohne  Aermel 
oder  nur  mit  solchen  ausgestattet  war,  die  kaum  den  Oberarm 
bedeckten ,  wohingegen  das  fremde  und  im  II.  Jahrhundert  aus 
Daluiatien nach  Rom  eingeführte  Gewand  lange  und  bi'eitc  Aer- 
mel aufwies,  die  bis  zu  der  Hand  herunter  reichten  2). 

Der  Grund,  weswegen  der  heil.  Sylvester  den  Diaconen  das 
Anlegen  der  dalmatica  gestattete .  wird  von  Alcuin  dahin  ange- 
geben, dass  bei  dem  oben  gedachten  Abgang  der  Aermel  die  Nackt- 
heit der  Arme  bei  Verrichtung  von  kirchlichen  Obliegenheiten  un- 
schickhch  befunden  worden  sei. 

Was  nun  die  Form  und  den  Stoft'  der  ältesten  Diaconenkleider 
betrifft,  so  Avaren  dieselben  mit  weiten  Gewändern  zu  vergleichen,  die 
in  geradlinigtem  Faltenwurf  fast  bis  zu  den  Füssen  herunterreichten, 
und  welche,  meistens  aus  einem  weissen  Seidenstoff  gearbeitet,  in 


*)  Isidoras  Hispal.  episc.  lib.  XIX.  Orig.  cap.  22. 

Das  Nähere  über  Form  und  Beschaffenheit  des  colobiurn  vgl.  in  Octa- 
vius  Ferrarius  de  re  vestiaria,  lib.  3.  cap.  8.  pag.  196—199.  Patavii,  1654. 

19 

i 


—    276  - 


ihren  ausgespannten  weiten  Aernieln  fast  der  Form  eines  Kreuzes 
nahekamen  i).  Seit  den  frühchristlichen  Zeiten  war  die  Dahnatik  der 
Diaconen  mit  aufgenähten  schmalen  Bandsti-eifen  verziert,  die,  pa- 
rallel über  beide  Schulter u  laufend,  soAvohl  den  Vorder-  als  den  Hin- 
tertheil  des  Gewandes  schmückten.  Diese  aufgenähten  ornamenta- 
len Bandstreifen,  die  Hrabanus  duos  tramites,  Alcuinus  duas  virgas. 
Amalarius  hingegen  duas  lineas  und  andere  Liturgiker  duas  zonas 
purpureas  nannten,  sind  offenbar,  wie  dies  auch  früher  angedeutet 
wurde,  als  analoge  Uebertragungen  jener  auszeichnenden  angusti 
clavi  zu  betrachten,  mit  welchen,  als  aufgenähten  schmalen  Purpur- 
streifeu^),  einzelne  Gewandstücke  der  vornehmern  Römer  im  classi- 
schen  Zeitalter  verziert  zu  werden  pflegten 3). 

Amalarius  Fortunatus ,  der  im  X.  Jahrhundei't  lebte ,  s]Dricht 
sich  an  einer  Stelle  seiner  liturgischen  Schi'ift  ausführlicher  über 
die  Lage  und  Farbe  dieser  ornamentalen  Purpursti'eifen  au  den 
Dalmatikeu  der  Diaconen,  dessgleichen  auch  über  die  sonstige  Ver- 
zierungsweise derselben  aus,  indem  er  sagt:  «Dalmatica  duas 
coccineas  lineas  habet  retro,  similiterque  in  anteriori  parte  .  .  . 
Aliquae  dalmaticae  habent  viginti  octo  fimbrias  ante  et  retro  .  .  . 
et  aliquae  triginta  singulae  lineae  altrinsecus  quindecim  .  .  .  sinis- 
trum  latus  habet  fimbrias  ....  ad  dextrum  latus  non  habet 

Was  nun  den  Schnitt  des  Diacoueu-Gewandes  betrifft,  von  dem 
Alcuin  sagt:  «inconsutilis  etiam  est,«  so  ist  hier  noch  hinzuzufügen, 
dass  sowohl  vor  als  auch  nach  dem  X.  Jahrhundert  die  auf  beiden 
Seiten  geschlossene  Dalmatik  eine  solche  Weite  hatte,  dass  sie  be- 
({uem  über  den  Kopf  angezogen  werden  konnte.  Eine  solche  stoft'- 
reiche  Dalmatik  von  hohem  Alter ,  deren  Länge ,  Breite  und  Aus- 
dehnung der  Arme  auffallend  gross  ist,  bewahrt  heute  noch  der 
Schatz  der  Liebfrauen-Kirche  zu  Mastricht,  und  berichtet  eine 
ziemlich  glaubwürdige  Tradition,  dass  dieser  merkwürdige  Ornat 
dem  h.  Lambert  zugehört  habe.  Derselbe  besteht  aus  einem  höchst 
interessanten  gemusterten  Byssusstoff,  dessen  Dessins  für  das  hohe 
Alter  des  Gewandes  beweisführend  sein  dürften.    Erst  seit  dem  XIV. 


')  Desswegen  sagi  auch  Hrabanus  Maurus:  Haec  vestis  in  niodum  crucis 

est  facta,  in  seinem  Werke  de  instit.  cleric.  lib.  1.,  cap.  2ü. 
^)  Rubenius  lib.  I.  de  re  vestiaria,  cap.  8. 

^)  Vgl.  die  interessanten  Angaben  über  die  vestes  clavatae,  sowie  über 
den  angustus  clavus  und  latus  clavus  bei  Octavius  Ferrarius,  lib.  I., 
pag.  20G  u.  208. 

Amalarius  Fortunat,  de  eccl.  oü'.,  lib.  II.,  cap.  21. 


—    277  - 


Jahrhundert  beginnt  die  Dahuatik  an  Ausdehnung  und  Weite  zu 
verlieren,  und  entsteht  in  Folge  davon  ein  tieferer  Einschnitt  an 
den  beiden  Seiten,  der  im  späteren  Mittelalter  vollends  bis  zu  dem 
üntertheil  der  Aermel  durchgeführt  wird.  Der:5elbe  ist  später  Ver- 
anlassung, dass  auch  die  Aermel  geöftnet,  und  nach  Anlegung  des 
Ornates  wieder  durch  Schnüre  zugebunden  und  geschlossen  werden. 

Gross  ist  die  Zahl  der  Diaconen-Gewänder,  die  sich  heute 
noch,  in  reicher  Abwechslung  der  Verzierungsweise,  in  verschiedenen 
Sacristeien  des  mittlem  und  nördlichen  Deutsclilands  erhalten  ha- 
ben. Wir  vorweisen  hier  nur  kurz  auf  die  Leviten-Kleider  in 
mittelalterlichem  Schnitt  und  in  reich  gemusterten  Seidenstoffen, 
die  wir  in  der  Zitter  zu  Halberstadt,  in  den  Gewandschränken  des 
Domes  zu  Brandenburg,  in  der  Sacristei  der  Marienkirche  zu  Dan- 
zig,  dessgleichen  in  der  (iewandkammer  der  Kirche  der  Calands- 
briider  zu  Stralsund  M  und  in  der  Gerkammer  der  grossen  Markt- 
kirche zu  ßraunschweig  zu  sehen  (ielegenheit  hatten.  In  der  letzt- 
gedachten Kirche  zu  Braunschweig  fanden  sich  Dalmatiken,  die, 
aus  dem  XIV.  Jahihundert  herrührend,  zum  Beweise  dienen 
können,  dass  man  um  diese  Zeit  hinsichtlich  der  Beobachtung  der 
liturgisch  vorgeschriebenen  Farl)en  es  nicht  sonderlich  strenge  nahm, 
sondern  jene  Seidenstoffe  zur  Anfertigung  von  Ornaten  verwandte, 
wie  man  sie  eben  geschenkt  erhielt  und  wie  sie  gerade  durch  den 
Handel  zu  beziehen  waren.  So  findet  sich  daselbst  unter  Andern 
eine  Dalmatik  von  golddurchwii'ktem  Stoß',  die  auf  der  hüitern 
Seite  eine  andere  Farbe  zu  erkennen  gibt,  als  auf  der  vordem 
Seite.  Ein  anderes  Leviten-Gewand  ist  noch  eigenthümlicher  zu- 
sammengesetzt, indem  es  an  jene  Profaiigewänder  des  XIV.  und 
XV.  Jahrhunderts  erinnert,  deren  Farben  heraldisch  a  mi  part  ge- 
ordnet waren;  in  Uebereinstimmuug  damit  ersieht  man  an  einer  Dal- 
matik sogar  auf  der  einen  Seitenhälfte  einen  andern  Farbton,  als 
den,  der  auf  der  entgegengesetzten  Seite  vorherrschend  ist. 

In  den  Tagen  Gregors  des  Grossen  bestand  zu  Rom  die  litur- 
gische Kleidung  der  Subdiaconen  bloss  aus  dem  Schultertiich  und  der 
Albe,  die  vermittelst  des  cingulum  gegürtet  wurde.  Auch  in  an- 
dern Kirchen  scheinen  die  Subdiaconen  bei  kirchlichen  Verrich- 
tungen bloss  mit  diesen  ebenbezeichneten  Gewändern  bekleidet 
gewesen  zu  sein  2).    Der  oft  genannte  Honorius  von  Autun  weist 

')  Diese  Genossenschaft  erhielt  davon  ihre  Benennung,  dass  sich  ihre 
Mitglieder  an  den  Calendae  eines  jeden  Monats  zu  gottesdienstlichen 
Zwecken  versammelten. 

-j  Gregorius  Pap.  lib.  YI.  ep.  64.  ad  Joaun.  Syraeusan. 

19* 


darauf  hin,  dass  später  den  Subdiaconen  zwei  besondere,  auszeich- 
nende Ornate  verheben  worden  seien,  nämhch  die  timica  stricta  und 
das  siidarium^). 

Diese  iuiiica  stricta,  die  dem  Subdiacon  erst  nach  den  Tagen 
Gregors  des  Gi'ossen  zugctheiit  wurde,  unterschied  sich  von  der 
Dalmatik  des  Diacons  sowohl  liinsichtHch  ihrer  Ausdehnung  als 
auch  Ilmsichtlich  ilirer  stofflichen  Beschaff'enheit.  Es  war  dieselbe, 
wie  schon  ihr  Name  iunica  stricta  besagt,  nicht  so  weit  und  falten- 
reich wie  die  Dahnatüf,  sondern  dieselbe  war  enger  und  legte  sich 
dem  Körper  mehr  an;  auch  der  Stoff,  aus  welchem  diese  iuniceüa  in 
den  frühesten  Zeiten  angefertigt  zu  werden  pflegte,  war  nicht  so 
kostbar  und  reich,  wie  derjenige  welcher  bei  Anfertigung  der  Dal- 
matik verwandt  wurde,  sondern  derselbe  war  leichter  und  fliessen- 
der;  daher  auch  die  identische  Bezeiclnmng:  subtile  (lela  subtilia). 

Das  zweite  Ornatstück ,  das  sudarium ,  das  den  Subdiaconen, 
dem  Honorius  zufolge,  zugestanden  wurde,  gestaltete  sich  im 
Laufe  der  Jahrhunderte  zu  einer  rnapida,  aus  welcher  seit  dem 
X.  Jahrhundert,  wie  an  anderer  Stelle  nachgewiesen  wurde,  sich 
der  manipulus  allmähg  entwickelte.  Um  die  hierarchische  Unter- 
ordnung des  Subdiacons  unter  dem  Diacon  auch  im  Gewände  zu 
veranschaulichen,  wurden  in  den  verschiedenen  Diöcesen  das  ganze 
Mittelalter  hindurch  bis  zum  Ausgange  desselben  die  Aermel  des 
Subdiaconats-Gewandes  fast  durchgeheuds  enger  und  kürzer  gestal- 
tet, als  die  der  Dalmatik.  Auch  reichte  die  eng  anliegende  tuni- 
cella  in  der  Regel  weiter  hinal)  als  die  Dalmatik;  dessgleichen  waren 
auch  an  älteren  Tuuicellen  die  gestickten  aurifrisiae,  nämlich  jene 
angusti  clavi,  von  welchen  auf  Seite  27(3  die  Hede  gewesen  ist,  ein- 
facher gestaltet  und  weniger  reich  verziert.  Ferner  haben  wir  meh- 
rere mittelalterliche  tunicellae  vorgefunden ,  an  welchen  diese  aus- 
zeichnenden iramites,  aureae  Ustae,  durchaus  fehlten.  Heute  ist  aller 
Unterschied  zwischen  Dalmatik  und  Tunicelle  in  Rücksicht  auf  stoff- 
liche Ausdehmmg  und  Verzierungsweise  bei  Seite  gesetzt.  Schon  Car- 
dinal Bona  weist  darauf  hin,  dass  bereits  zu  seiner  Zeit,  also  in  der 
letzten  Hälfte  des  XVH.  Jahrhunderts,  namentlich  in  Italien  eine 
wesentliche  Unterscheidung  ZAvischen  dem  subtile  des  Subdiacons  und 
der  dalmatica  des  Diacons  nicht  mehr  voi'gefunden  wurde;  nur  seien 
häutig  noch  die  Aermel  der  Tunicelle  kürzer  und  enger  im  Schnitte 
gehalten  worden,  als  dies  an  den  manicalia  der  Dalmatik  der  Fall 


')  Honorius  Augustoduii.  iu  Genima  Animae  Iii).  I.  cap.  229. 
^)  Siehe  II.  Band,  Seite 


—    279  — 


gewesen  sei.  Hinsichtlich  der  übrigen  Gewänrler,  die  sowohl  der 
Diacon  als  auch  der  Subdiacon  im  Mittelalter  unter  der  Dalmatik 
und  der  Tunicelle  trug .  ist  nachträglich  noch  zu  bemerken ,  dass 
sowohl  das  Schultei-tuch  nebst  der  darauf  gestickten  flaga  oder 
parura,  als  auch  die  Albe  mit  ihren  gestickten  ^^erbrämungen  an 
den  vier  früher  bezeichneten  Stellen,  nicht  weniger  auch  die  cingula, 
wenigstens  im  Schnitt  und  in  der  äussern  Form,  durchaus  überein- 
stimmend waren  mit  denselben  betreffenden  GcAvandstücken,  wie  sie 
der  Priester  und  der  Bischof  zu  tragen  pflegten.  Nur  waren  bei  dem 
letztgedachten_  kirchlichen  Würdenträger,  wie  das  auch  an  anderer 
Stelle  bemerkt  worden  ist,  die  zuletzt  erwähnten  Oruatstücke  meistens 
aus  kostbareren  Stoifen  angefertigt. 

Mit  Rücksicht  auf  jene  Künstler,  die  bei  liturgisch  richtiger 
Darstellung  von  Heihgen  in  Leviten-Kleidern  nicht  selten  in  Ver- 
legenheit sind,  in  welchem  Schnitt  und  in  welcher  Reihenfolge 
diese  Diaconen  -  Gewänder  mit  den  übrigen  zugehörigen  Ornaten 
aufzufassen  und  darzustellen  seien,  sei  hier  noch  hinzugefügt,  dass 
im  Mittelalter  wie  auch  heute  noch  sowohl  der  Subdiacon  als  auch 
der  Diacon  den  Manipel  immer  an  dem  linken  Arme  angebunden 
trägt;  über  Gestalt  und  Entwicklung  des  Manijiels  ist  im  II.  Bde. 
von  Seite  79  bis  82  Ausführlicheres  angegeben.  Dieser  Manipel  fehlt 
niemals  auf  ältern  Bildwerken  der  Kölnischen,  Florentinischen  und 
Sienesischen  Schule;  derselbe  ist  nach  Vorschrift  immer  am  linken 
Oberarm  so  befestigt,  dass  die  beiden  untern  schmalen  Fuss-Theile 
desselben  noch  zum  Theile  aus  dem  weiten  Aermel  der  Tunicell  oder 
der  Dalmatik  hervorragen.  Die  bildende  Kunst  hat  seit  den  beiden 
letzten  Jahrhunderten  bis  in  die  neueste  Zeit  bei  Darstellung  der 
verschiedenen  ordines  in  ihren  betreffenden  kirchlichen  Gewändern 
von  den  strengen  Vorschriften  der  Rubriken  hinsichtlich  der  rich- 
tigen Form  und  Anlegimgsweise  der  einzelnen  Ornatstücke  zuweilen 
aus  Unwissenheit,  meistens  aber  auch  aus  Maugel  an  Interesse 
für  diese  anscheinend  untergeordneten  Ornatstücke,  Abstand  genom- 
men. Es  dürfte  durchgängig  als  Beweis  von  sehr  oberflächlichen  Stu- 
dien gelten,  wenn  Maler  oder  Bildhauer,  die  historisch  richtig  bei 
Wiedergabe  der  kirchlichen  Ornate  zu  Werk  gehen  wollen,  Diacone 
darstellen,  welche  mit  einer  Stole  bekleidet  sind,  die  kreuzweise  über 
der  Brust  gegürtet  ist  und  noch  theilweise  unter  der  Vorderseite 
der  Dalmatik  hervorlangt,  während  hingegen  den  Rubriken  gemäss 
der  Diacon  gehalten  ist,  die  Stole  auf  der  linken  Schulter  anzu- 
legen, und  dieselbe  so  auf  der  rechten  Seite  unter  dem  Arm  anzubin- 
den und  zu  befestigen,  dass  die  untern  Theile  derselben  noch  theil- 


—    280  — 


•weise  auf  der  rechten  ^Seite  unter  der  Dalmatik  zum  Vorschein  tre- 
ten, wie  dies  hei  den  Darstellungen  der  Diaconen  auf  Tafel  IV,  Fig.  II 
zu  ersehen  ist.  Auch  würde  es  liturgisch  unrichtig  sein,  den  Sub- 
diacon  mit  einer  Ötole  bekleidet  darzustellen,  da  nur  dem  Priester 
und  dem  Diacon  das  Recht  der  Ötole  zusteht,  liingegen  dem  Sub- 
diacon  das  Tragen  derselben  nicht  gestattet  ist;  iler  Subdiacon  hat 
jedoch  das  Recht  den  Manipel  in  derselben  Weise  und  derselben 
Form  wie  der  Diacon  zu  tragen. 

Bevor  wir  diese  kurzen  Angaben  über  die  Leviten-Gev/änder 
zum  Absclilusse  bringen,  möge  hier  noch  in  chronologischer  Reihen- 
folge die  Aufzählung  und  Beschreibung  von  altern  dalmaticae  und 
subtilia  eine  Stelle  finden,  aus  welchen  nicht  nur  die  Bezeichnung 
dieser  Diaconen-Gewänder ,  sondern  auch  manchmal  die  künstleri- 
sche Beschaffenheit  und  Verzierungsweise  derselben  in  verschiedenen 
Jahrhunderten  des  Mittelalters  ersichtlich  wird. 

Beginnen  wir  unsere  Aufzählung  mit  der  Angabe  aus  dem 
Schatzverzeichnisse  der  Abtei  Martinsberg  aus  dem  Schlüsse  des  XI. 
Jahrhunderts.  Nach  Inventarisirung  der  reichen  Kirchenzierratheu 
aus  edlen  Metallen  heisst  es  unter  Anderem:  Dalmaticae  sunt  X, 
quarum  duae  sunt  aurifris(j  paratae;  subtilia  sunt  XUI,  ex  quibus 
est  ununi  aurifriso  paratum.  Auch  der  Domschatz  von  Mainz  hatte 
dem  mehrfach  gedachten  Berichte  des  Bischofs  Conrad  in  seinem 
»Chronicum  Vetus  Rerum  Moguntiacarumu  zufolge  eine  grosse 
Zahl  von  kostbaren  und  reichverzierten  Leviten-Kleidern  aufzuwei- 
sen. Wir  führen  hier  nur  einige  derselben  an:  Inter  casulas  autem 
sunt  de  quoübet  colore  duo  paria;  duae  nigrae  aurifrigiatae  et  ejus- 
dem  operis  duae  dalmaticae  et  duo  subtilia,  latis  aurifrigiis  ornata, 
et  haec  omnia  valde  bona.  Item  duae  casulae  de  samito  albo  et 
ejusdem  tili  dalmaticae  duae,  subtilia  duo  cum  auro  ornata,  omnia 
valde  bona.  Das  alte  Verzeichni.ss  des  Bamberger  Domschatzes,  au- 
gefei-tigt  gegen  das  Jahr  1128  unter  Bischof  Otto  I.,  zählt  als  be- 
findlich im  damaligen  Domschatze  auf  wie  folgt:  Dalmaticae  XIV, 
ex  his  IX  cum  aurifrigio.  Subtilia  XVI,  ex  Iiis  MII  cum  aurifri- 
gio.  An  anderer  Stelle  desselben  Inventars  wird  als  im  damahgen 
Schatz  befindlich  noch  erwälint:  tunica  imperatoris  cum  aui-ifrigio 
et  magaritis. 

Wir  haben  in  unserai  Werke  der  »Kleinodien  des  h.  römischen 
Reiches  deutscher  Nation«  und  zwar  auf  Tafel  XL  eine  tunica  ab- 
gebildet und  auf  Seite  188  bis  190  auslührhcher  beschrieben,  die  wir 
init  jenem  kaiserlichen  Leibrock  identisch  erachten,  welche  die  eben 
angezogene  Stelle  des  Bamberger  Schatzverzeichnisses  ausdrücklich 


—    281  — 


erwähnt.  Dieses  höchst  interessante  Gewand  befand  sich  bis  zum 
Ausbruch  der  grossen  französischen  Revolution  mit  den  übrigen 
Kaisermänteln  Heinrichs  des  Heiligen  im  Domschatz  zu  Bamberg 
und  wurde  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts  mit  andern  Kostbar- 
keiten nach  München  in  Sicherheit  gebracht.  Bei  der  vor  we- 
nigen Jahren  erfolgten  Rückerstattung  der  kaiserlichen  Ornate  an 
den  Bamberger  Domschatz,  blieb,  wie  es  scheint,  irrtliümlicher 
Weise  unsere  tiaiica  imperialis  in  München  zurück,  wo  sie  heut 
noch  im  königlichen  Maximilian -Museum  aufbewahrt  wird.  Da 
heute  Tuniken,  aus  dem  XI.  Jahrhundert  herrührend,  zur  grossen 
Seltenheit  geworden  sind,  da  ferner  jene  Tuniken,  wie  sie  an  ihrem 
Krönungstage  Könige  und  Kaiser  trugen,  so  ziemlich  mit  den  ent- 
sprechenden Ornaten  hinsichtlich  des  Schnittes  und  der  Form  überein- 
stimmen, wie  sie  auch  bei  den  Subdiaconen  im  XI.  u.  XII.  Jahi-hun- 
dert  in  Gebrauch  waren,  so  sei  hier  im  Allgemeinen  bemerkt,  dass, 
wenn  auch  unsere  tunica  imperatoris  nicht  mehr  in  ihrem  ursprüng- 
lichen Schnitt  sich  vorfindet,  dieselbe  doch  noch  in  ihrer  heutigen 
modificirten  Form  einen  ziemlich  sichern  Schluss  ziehen  lässt,  wie 
das  subtile  der  Subdiaconen  im  XI.  und  XII.  Jahrhundert  in  Rück- 
sicht auf  Schnitt  und  Verzierungsweise  beschaffen  war.  Aehnlich 
wie  an  der  tunica  imperialis^),  heute  noch  aufbewahrt  unter  den 
deutschen  Reichskleinodien  im  kaiserhchen  Schatze  zu  Wien,  reichte 
auch  der  Leibrock  Kaiser  Heinrich's  des  Heiligen  mit  seinem  in 
Perlstickereien  reich  verzierten  unteren  Rande  bis  ziemlich  weit 
über  die  Kniee  herab;  die  Aermel,  die  auch  an  der  untern  Oeff- 
nung  mit  kostbaren  Stickereien  verbrämt  waren,  sind  unten  ziemlich 
enge  und  schliessen  sich  der  Hand  an.  Aiich  das  zierlich  gestickte 
Pectoralstück,  das  an  den  älteren  tunicellae  niemals  fehlte,  nünmt 
man  an  dem  in  Rede  stehenden  Leibrock  wahr.  Mit  Bezug  auf  die 
weitere  Form  und  Ausstattung  dieses  seltenen  Ornates  ^)  verweisen 
wir  auf  das  bereits  Angeführte  auf  Seite  171  und  172  im  I.  Bande. 
Auf  Taf.  XXXVII  sind  unter  Fig.  1  und  2  im  verkleinerten  Maass- 
stabe jene  naturhistorisch  ligurirten  Seidengewebe  bildlich  wieder- 
gegeben, aus  welchen  in  weisser  Farbe  die  Bamberger  tunica  impera- 


')  Die  Abbildung  und  Beschreibung  dieser  tunica  imperialis  auf  Taf.  III 
und  Seite  18  bis  20  unseres  Werkes  »die  Kleinodien  des  h.  römischen 
Reiches  deutscher  Nation.  Wien,  Hof-  und  Staatsdruckerei  1864.« 
Wir  haben  irrthümlich  auf  Seite  172  den  in  Rede  stehenden  Ornat 
als  kaiserliche  Albe  bezeichnet,  uns  später  aber  zu  überzeugen  Gelegen- 
heit gehabt,  dass  derselbe  als  eine  tunicella  stricta  aufzufassen  sei. 


—    282  — 


toris  bestellt ;  dieselben  l'audei)  sich,  wie  an  anderer  Stelle  bereits  an- 
gegeben worden,  unter  verdeckendem  Damaststofl'e  des  vorigen  Jahr- 
hunderts. Der  reich  gemusterte  Stotl'  unter  Fig.  1,  Taf.  XXXVII 
gehört  zu  den  rad-  oder  tellerförmig  gemusterten  Seidengeweben 
orientalischer  Fabrication,  wie  sie  häufiger  im  XI.  Jahrhundert  an- 
getroffen werden.  Unter  Fig.  2  ist  ebenfalls  ein  Seidengewebe  von 
weisser  Farbe  veranschaulicht,  welches  sich  nur  stellenweise  unter 
der  verdeckenden  Hülle  an  xuiserer  twiica  vorfindet.  Dieses  schöne 
Gewebe  dürfte  zu  den  pallia  quadrapoh,  orbimlata  zu  zählen  sein, 
wie  sie,  mit  Vierecken  und  Kreisen  gemustert,  el)enfalls  im  XI.  Jahr- 
hundert zahlreich  angetroffen  werden.  Auffallend  ist  es,  dass  bereits 
im  Beginne  des  XI.  Jahrhunderts  in  orientalischen  Seidengeweben 
der  doppelköpfige  Adler  als  retournirende  Musterung  vorkommt. 

In  dem  Schatzverzeichniss  der  Basihca  des  heil.  Johann  von 
Monza  vom  Jahre  1275  stehen  ebenfalls  mehrere  Leviten-Kleider 
verzeichnet,  unter  folgenden  Benennungen:  Item  dalmaticae  VI, 
quai'um  duae  sunt  rubrae  cum  i'rixis;  item  quatuor  albae  et  una 
deaurata;  item  subdiacono  sex,  quarum  duae  sunt  vermigii  (coloris), 
duae  albi,  duae  deauratae.  Ferner  werden  in  der  Visitatio  facta 
in  thesauro  S.  Pauli  Lond.  vom  Jahre  1295  in  langer  Reihe  eine 
grosse  Zahl  meist  reichverzierter  Diaconen-Gewänder  unter  der  Ru- 
brik »tunicae  et  dalmaticae«  namhaft  gemacht,  aus  welchen  wir 
hier  im  Folgenden  nur  einige  hervorheben :  Item  tunica  et  dalmatica 
Indici  coloris  Henrici  de  Wengheim,  cum  tribus  aurifrigiis  et  listis 
in  scapulis,  ante  et  retro  diversi  operis.  Item  tunica  et  dalmatica 
de  indico  sendato  affbrciata  cum  bordura  operis  saraceni  in  extre- 
mitate.  Item  tunica  et  dalmatica  de  albo  diaspro  cum  cicadis  viri- 
dibus  in  ramunculis  de  dono  Ricardi  de  Gravesende  episcopi;  item 
tunica  et  dalmatica  de  albo  baudekino  cum  bordiu-a  ejusdem  panni, 
de  auro  campo  rubeo  et  avibus  de  auro  in  dalmatica,  et  in  tunica 
rubea  bordura  sine  avibus;  item  tria  paria  tunicarum  et  dalmatic- 
arum  de  diaspro  albo  piano;  et  suspenduntur,  (piia  parvi  valoris; 
item  tunit'a  de  pallio  imperiali  fiorigerata  viridi  et  rubeo  cum  avi- 
cuhs  rubeis  ad  niudum  columbae;  item  tunica  de  aho  imperiali 
cum  vineis  rubeis,  infra  cujus  frondes  sunt  et  leones. 

In  dem  Prager  Schatzverzeichnisse  vom  Jahre  1387  stehen  unter 
der  Ueberschrift  «Rubrica  ornatorum  integrovuni«  eine  grosse  Menge 
von  Levitenldeidern  von  verschiedenen  Farben  verzeichnet,  die  sämmt- 


')  Vielleicht  das  ital.  aflbrzata,  d.  i.  verstärkt,  vuii  tbrza,  die  Stärke. 


—    283  — 


lieh  mehr  oder  weniger  reich  durch  gestickte  tnirifrisiae  verziert 
waren.  Unter  diesen  vielen  sollen  hier  einige  namhaft  gemacht  wer- 
den: Item  integer  ornatiis,  qui  confessorum  fuit  in  rubeo  zameto, 
nunc  de  patronis,  qui  est  subdiictus,  una  cum  dialmatica  de  glauco. 
sed  subtile  caret  subductura.  Item  integer  ornatus  de  viridi  zameto, 
qui  est  viduarum  antiquarum;  est  casula  in  reformationem  cor- 
tiuaium  destructa  et  ex  cappa,  in  qua  ambulavit  dominus  Joannes 
Polonius  canonicus,  facta  est  alia  casula  subducta  rubeo  et  dial- 
matica et  subtile  subducta  glauco;  item  dialmatica  et  subtile  in 
viridi  nachone  cum  parvis  rosulis,  una  et  alia  cum  majoribus  sub- 
ducta glauco,  quae  dominus  I'rzemysl  rex  dedit  una  cum  casula  .  . .  . 
Item  integer  ornatus  de  nachone  subbrunatico,  casula  et  subtile 
subducta  viridi,  dalmatica  glauco  ....  Item  integer  ornatus  in  panno 
Lucano  cum  magna  praetexta  ante  et  retro ,  cum  imaginibus 
per  modum  crucis;  dalmatica  est  de  eodem  sicut  casula;  subtile  de 
albo  cum  avibus  in  viridi ,  subductura  de  glauco ,  quem  dedit 
dominus  Joannes  Episcopus  Pragensis  .  .  .  Item  ornatus  integer  de 
bysso  albo  cum  praetexta  magna  aurea  ante  et  retro  cum  cappa 
et  praetexta  similiter  aurea  cum  dialmatica,  liabente  praetextas 
aureas  et  subductus  viridi,  sed  cappa  rubeo.  Auch  das  Schatz- 
verzeichuiss  der  Olmützer  Donikirche  vom  Jahre  1435  zählt  eine 
grosse  Anzalü  vollständiger  Ornate  auf,  von  denen  wir  einzelne, 
die  sich  durch  besondere  tcrmini  technici  auszeichnen,  hier  an- 
reihen :  Item  casula  glauca  vel  quasi  viridis  cum  aureis  et  crucitixo 
a  tergo,  ab  ante  vero  materia  in  praetexta  aurea  cum  duabus  dial- 
maticis  consimiiis  materiae  sine  subductura;  item  casulae  quatuor 
rubeae  cum  antiquis  aureis  praetextis,  sine  subductura  cum  quatuor 
dialmaticis  rubeis;  item  casida  Havea  de  atlilas  cum  praetexta 
aurea  veteri  ad  modum  crucis,  cum  subtili  quasi  cum  albis  lineis, 
cum  quatuor  dialmaticis  tiaveis  cum  subductura  varii  coloris;  item 
alba  cum  fimbriis  uigris,  in  quibus  sunt  yniagines  diversae  aureae, 
et  humerale  cum  quatuor  ymaginibus  aureis,  et  una  dialmatica  alba 
cum  griffonibiis ,  cum  timbriis  sicut  alba,  in  qua  canitur:  Exultet 
jam  angelica  turba  coeloruin  etc.;  item  duae  dialmaticae  albae 
pro  missa  de  dominica.  Item  tres  dialmaticae,  una  brunatica  quasi 
aureo  opere  et  duae  brunaticae  cum  rubeis  rotulis  sine  subductura. 
Item  quinque  dialmaticae  albae ,  subtiles  de  vario  opere  et  colore. 
Item  accreverunt  dialmatica  flavea  cum  cauibus  deauratis  et  can- 
cellatura  deaurata  subductura  glauca.  Item  dialmatica  subrubea 
lineata,  in  quibus  lineis  quasi  dracones  albi  in  Üaveo  campo  et 
■  leunculi  flavei  in  albo  campo  sine  subductura. 


—    284  — 


In  dem  Schatzverzeichnisse  der  Abtei  Michelsberg  zu  Bamberg 
vom  Jahre  1483  stehen  ebenfalls  eine  Menge  von  vollständigen  Or- 
naten verzeichnet,  die  in  dieser  Weise  namhaft  gemacht  werden: 
Unum  purpureum  ornatum  rubeum  cum  duabus  tunicis  et  earum 
requisitis.  Unum  ornatum  viridem  cum  duabus  tunicis  et  earum  atti- 
nenciys.  Unum  planeum  ornatum  proprie  taffati  cum  duabus  tunicis 
et  earum  attinenciis.  Unum  planum  ornatum  proprie  taffati  cum 
duabus  tunicis  et  earum  necessariis. 

Zum  Schlüsse  dieser  Angaben  mittelalterlicher  Schatzverzeich- 
nisse  aus  verschiedenen  üiöcesen  sei  es  gestattet,  hier  noch  einige 
Angaben  aus  dem  reiclihaltigen  Schatzverzeichnisse  von  St.  Marcus 
in  Venedig  aus  dem  Beginne  des  XVI.  Jahrhunderts  einzuschalten, 
wodurch  die  Benennungsweise  des  ornatus  integer  und  seines  Zu- 
behörs ersiclitlich  gemacht  wird,  wie  sie  im  XV.  und  XVI.  Jahr- 
hundert zu  Venedig  und  in  mehrern  Diöcesen  des  nördlichen  Italiens 
gangbar  sein  mochte: 

1.  Paramento  uno  de  veludo  Carmesin'),  zoe  Una  pianeda, 
doe  strette^).  tutto  rechamado^)  de  perle  con  stolle  2  et  manipoli 
3  con  i  soi  fiochi  de  perle*)  et  Ii  soi  tre  amicti  fornidi  de  perle 
et  Camisi  3  con  le  sue  gramite^)  rechamade  a  figure  de  perle  et 
consoli  3  ossia  9  i  soi  fiochi  de  perle. 

2.  Paramento  uno  de  Campo  d'oro  intitulado  del  Re  di  Franzia, 
zoe  pianeda  Una,  dol  strette  rechamade  de  perle  con  la  sua  croce 
rechamada  ala  pianeta  rechamada  de  perle,  i  tre  camisi  con  la 
sua  gramita^)  da  man  et  da  piede  rechamada  de  peile  per  tutti 
i  soi  frixi,  stole  2,  manipoli  3,  tutti  rechamadi  de  perle  et  con  i 
soi  fiochi  la  stola  manipoli  rechamadi  de  perle ;  et  con  Ii  conzoh  ^) : 
sono  rt  chamadi  de  perle  ali  soi  fiochi,  i  qual  fiochi  sono  molto 
piu  grandi  che  no  sono  quelli  del  paramento  veludo  soprascritto. 

3.  Paramento  uno  de  campo  d'oro,  zoe  una  pianeda  con  la 
sua  croce  rechamada  de  oro  con  strette  2,  pur  de  ditto  pano  cam- 
pod'oro  con  la  sua  gramita  rechamada  d'oro,  do  stolle  et  manipoli 
3  con  i  soi  fiochi  d'oro,  tutti  il  detti  paramenti  con  Ii  soi  frixi  de 


*)  Carmesinrother  Sammet. 

-)  ttinicae  strictae  gleichbedeutend  strette. 

')  gestickt. 

Perl-Quästcheii. 
^)  gramite  übereinstimmend  mit  parurac,  praetextae. 
^)  Mit  ihren  Besatzstücken  an  Hand  und  Fuss,  gestickt  mit  Perlen  in  allen 

ihren  Besatzstücken. 
')  Die  untern  Fussstücke. 


—    285  — 


oro  de  rechamo ,  et  camisi  3  con  ]a  sua  gramita  da  man  et  da 
piedi,  et  Ii  soi  tre  amicti  tutti  rechamadi  de  oro  con  tre  Conzoli 
di  seta  Carmesina  con  i  sui  fiochi  d'oro. 

4.  Pianeda  ima  de  üaniaschin  d'oro  Carmesin  con  la  sna  croxe 
d'oro  recliamada  con  le  sue  diie  strette  fornide  con  Ii  soi  frixi  d'oro 
con  Ii  soi  tiochi .  et  stolle  2  manipoli  3  del  dicto  pano  damaschin 
d'oro,  Camisi  3  con  la  sna  gramita  l'ornidi  de  brocchadeio  carme- 
sin turchescha. 

5.  Paramento  uno  de  peloseto  d'oro,  zoe  iina  pianeta  con  la 
sua  croce  recliamada  d'oro,  le  sue  due  strette  con  la  sna  gramita 
rechamada  d'oro  con  Ii  soi  frizi  a  rechamo,  con  tre  Camisi  con  la 
sua  gramita  recliamada  d'oro,  una  stoUa  et  une  manipolo  del  detto 
panno  peloseto  et  doi  manipoli  et  una  stolla  de  rechamo  d'oro. 

In  dem  fortlaufenden  Texte  dieses  Inventars  werden  noch 
zwei  bischöfliche  Tunicellen  in  folgenden  Worten  aufgeführt: 

Toniscelle  over  strette  in  de  tabi  fodrade  de  ormesino  'j. 

Due  tonisele  da  Epo  (episcopo)  fodrade  de  ormeshi. 

In  den  vorher  citirten  Schatzverzeichnissen  werden  meistens 
Dalmatiken  namhaft  gemacht,  die  mit  kunstreich  gearbeiteten  Auri- 
frisien  verziert,  vorzugsweise  an  Festtagen  in  Gebrauch  genommen 
wurden.  Gross  jedoch  ist  die  Zahl  jener  einfachen  Diakonengewän- 
der, die  in  Stifts-  und  Cathedralkirchen  dem  Wortlaute  älterer 
Schatzverzeichnisse  zufolge,  ehemals  Anwendung  fanden.  In  so  weit 
wir  Gelegenheit  hatten ,  in  den  Khchen  des  nördlichen  Deutsch- 
lands solche  einfache  Dalmatiken  für  den  usus  quotidianus  in  Au- 
genschein zu  nehmen,  bestehen  dieselben  meistens  aus  einem  zwei- 
farbigen Damast  oder  Satiiigewebe  von  Seide  mit  jenen  eingewirkten 
Musterungen,  wie  sie  die  jedesmalige  Epoche  der  Seidenfabrikation 
des  Mittelalters  kennzeichnen.  An  diesen  einfachen  Levitenröcken 
fehlen  jedoch  in  der  Regel  die  gestickten  Stäbe  und  sind  dieselben 
zuweilen  durch  schmale  seidene  Borten  angedeutet;  zuweilen  fallen 
aber  auch  diese  Borten,  welche  die  Stelle  der  Aurifrisien  andeuten 
sollen,  ganz  fort.  Wir  haben  in  der  I.  Lieferung  unseres  unten 
angeführten  Werkes^)  und  zwar  auf  Blatt  1  in  natürlicher  Grösse 
den  schön  gemusterten  Stoff  einer  Tunicclle  für  den  Subdiacon 
mitgetlieilt,  die  sich  in  grossem  Faltenreichthum  der  Form  in  un- 


Gefüttert  mit  Ormesin,  eine  Art  leichten  Seidenstoffes. 
^)  Die  Musterzeichner  de.s  Mittelalters.  Anleitende  Vorlegeblätter  für  Mu- 
stei'-  und  Webeschulen,  Tapeten  und  Paramenteu-Fabrikanten.  1.  Blatt. 
I.  Lieferung.    Beschreibender  Text:  Seite  2—4. 


—    286  — 


serer  Sammlung  vorfand.  Auf  Tafel  XXXVIII  sind  unter  Fig.  1 
und  2  zwei  verschieden  gemusterte  Seidengewebe  veranschaulicht, 
aus  welchen  eine  Dalmatik  zusammengesetzt  war ,  welche  in  ihrer 
stofflichen  Ausdehnung  so  ziemlich  mit  der  auf  Tafel  VII.  abgebil- 
deten Dalmatik  übereinstimmte.  Nur  waren  die  Aermel  derselben 
länger  und  auch  nicht  so  enge  gestaltet,  wie  das  in  der  Abbildung 
auf  Tafel  VII,  Fig.  1  der  P'all  ist.  Auch  gestickte  Stäbe  gingen 
derselben  ab,  und  zeigte  der  Futterstoff  an,  dass  diese  Dalmatik 
zum  Gebrauche  an  gewöhnlichen  Festtagen  gedient  habe.  Den  ein- 
gewebten zierlichen  Dessins  nach  zu  urtheilen ,  wie  sie  sich  auf 
Tafel  XXXVIII,  Figur  1  und  2  zu  erkennen  geben,  gehörte  diese 
Dalmatik  frühestens  der  Mitte  des  XIV.  Jahrhunderts  an.  Was  die 
Musterungen  in  diesen  quadratisch-dessinirten  Seidengeweben  be- 
trifft, so  dürften  diese  Stoffe  der  maurischen  Fabrication  des  süd- 
lichen Spaniens ,  im  Hinblick  auf  formverwandte  Parallele,  zuzu- 
sprechen sein. 

Der  noch  zur  Verfügung  stehende  Rauna  reicht  nicht  aus,  um 
hier  noch  in  Beschreibung  mehrere  heute  noch  erhaltene  Dal- 
matiken  hervorzuheben,  die  sich,  meistens  aus  dem  XV.  und  XVI. 
Jahrhxindert  stammend,  zahlreich  noch  erhalten  haben.  Um  die 
Verkürzungen  hinsichtlich  des  Schnittes  zu  veranschaulichen,  die 
die  Diaconengewänder  seit  dem  Mittelalter  bis  in  die  neueste  Zeit 
leider  nicht  zu  ihrem  Vortheile  erfahren  haben,  so  ist  auf  Seite  273 
eine  Tabelle  ersichtlich,  auf  welcher  diese  Veränderungen,  hinsicht- 
lich ihrer  stofflichen  Ausdehnung  in  Zahlen  anschaulich  gemacht 
wird.  In  Rom  und  in  vielen  italienischen  Diöcesen  hat  die  Dal- 
matik heute  noch  ihre  ehemalige  Breite  und  Länge ,  desgleichen 
auch  die  Länge  und  Weite  der  Aermel  sich  ziemhch  unverkürzt 
zu  bewahren  gewusst.  Anstatt  der  vierecldgen,  gewöhnlich  mit 
Steifleinen  hinterlegten  Stoffstücke ,  die  heute  in  französischen 
imd  deutschen  Diöcesen  sehr  unschön  aus  zu  grossen  Bequem- 
lichkeits- Rücksichten  die  Stelle  der  Aermel  zu  vertreten  sich  her- 
ausnehmen, sahen  wir  in  Rom  und  in  vielen  bischöflichen  Kirchen 
Italiens  auch  bei  den  Dalmatiken  für  täglichen  Gebrauch  die 
von  den  Rubriken  vorgeschriebene  Form  der  Aermel  gewahrt, 
die  geschlossen,  fast  bis  zu  dem  Knöchel  der  Hände  herunter- 
reichten. Die  Diaconenkleider ,  wie  sie  heute  aus  den  letzten 
Jahrhunderten  herrührend,  in  Rom  und  in  italienischen  Kirchen 
zahlreich  noch  in  Gebrauch  sind ,  stimmen  liinsichtlich  ihres 
Schnittes  und  ihrer  stoffhchen  Ausdelmung  noch  so  ziemhch  mit 
jenen  Grössenangaben  überein,  wie  sie  Gavantus  in  seinem  «The- 


—    287  — 


saurus  sacrae  subtellectilis«  ;ils  maassgebend  für  die  Mailänder 
Kirche  aufgezeichnet  hat.  Hinsichtlich  der  stoff  lichen  Ausdehnung 
der  Dahnatik  führt  nämlich  der  gedachte  Liturgiker  an  besagter 
Stelle  an:  «die  Dahnatik  soll  nicht  kurz  abgeschnittene  Aermel 
haben,  sondern  dieselben  sollen  in  ziemhcher  Weite  bis  zur  Hand 
herabreichen.  Die  Dahnatik  kann  ferner  4'  lang  sein  und  soll  an 
den  Schultern  eine  Weite  von  1'  9".  unten  aber  7V2'  Weite  ha- 
ben.« Mit  Bezug  auf  die  Tunicellen  lauten  die  Vorschriften  unseres 
Gewährsmanns  wie  folgt:  «Das  Gewand  des  Subdiacons,  die  Tu- 
nicelle,  sei  ähnlich  dem  des  Diacons,  mir  habe  es  engere  und  zu- 
gleich auch  etwas  längere  Aermel.« 

Noch  erübrigt  es  bei  den  vorstehenden  kurzen  Angaben  über 
die  Form  und  Ausstattung  der  Diaconengewänder  anzuführen, 
dass  namentlich  in  italienischen  Cathedralkii  ehen  die  Diaconen  über 
die  gewöhnliche  Stola  nach  Ablegung  der  aufgerollten  Casel  auch 
noch  eine  stola  latior  anziehen,  die  fast  die  Form  und  Breite  einer 
Schärpe  hat.  Nach  den  Angaben  von  Geiger  M  \ertritt  diese 
Stola,  die  über  die  huke  Schulter  angelegt  wird  und  unter  dem 
rechten  Arme  mit  den  beiden  ausmündenden  Theileu  herunterhängt, 
die  Stelle  der  aufgerollten  und  über  die  Achseln  zusamniengefalte- 
ueu  Casel  der  alten  Kirche.  Dieselbe  ist  auch  nicht  mit  den  drei 
Kreuzen,  wie  die  gewöhnliche  Stola  des  Diai'uns  bezeichnet 

Der  Chor-  oder  Vespermantel 

(cappa  flioralis,  pluviale). 

Mit  Einschluss  der  Casel  und  der  übrigen  auf  Seite  23ö  und  jJ36 
aufgezählten  priesterlicheu  Oinate  nebst  den  beiden  eben  bespro- 
chenen Leviteiikleidern  und  ihrem  Zubehör  wird  noch  unter  Ilinzu- 
fügung  der  von  S.  258  bis  274  heschriebonen  Kelchbedeckungen  zum 
ornatus  integer  gezählt  die  cappa  oder  das  pluviale,  die  auch  zu- 
weilen Cliorkai)pe ,  zuweilen  auch  casula  cueullata  oder  processoria 
genannt  wird.  Heute  trägt  bei  einem  levitirten  Hochamte  der  Assis- 
tent diesen  Chormantel,  der  in  der  Regel  von  demselben  Stoffe  ge- 
nommen ist,  aus  welchem  auch  die  Casel  und  die  Levitenröcke 
angefertigt  sind.  Ausserdem  wird  seit  den  Tagen  des  Mittelalters 
unser  pluviale  liauptsächhch  noch  beim   nachmittägigen  Gottes- 


')  Notizen  über  Gestalt,  Form  und  Grösse  der  h.  Geräthe  und  Gewände 

von  C.  Geiger,  2.  Auflage,  Seite  28.    München  1863. 
'^j  Vgl.  L.  R.  C.  decr.  in  una  Venetiarum  11.  Sept.  1847  ad  1. 


—    288  — 


dienste  in  Gebrauch  genommen,  bei  Trauer-  und  Beerdiguugsfeier- 
lichkeiten,  ferner  bei  öifentlichen  Prozessionen  und  überhaupt  bei 
kirchlichen  Functionen,  bei  welchen  vom  dieustthuenden  Priester 
zum  Incensiren  das  llauchfass  gebraucht  wird;  daher  auch  in 
einigen  Diöcesen  der  Name  Rauch-  oder  Vespermantel.  Diese  cappa, 
die  auch  den  Namen  pluviale  (ital.  piviale)  desswegen  führt,  weil 
sie  ehemals  bei  öffentlichen  Prozessionen  und  Bittgängen  auch  von 
den  Chorsängern  und  Ministranten  zum  Schutze  gegen  das  Unge- 
mach der  Witterung  {plnvies)  getragen  wurde,  war  in  den  ältesten 
Zeiten,  wie  es  schon  der  Name  andeutet,  ein  liturgisches  Gewand, 
das  vorzugsweise  von  den  Ministranten,  den  Sängern  und  dem  nie- 
dern  Clerus  bei  verschiedenen  liturgischen  Verrichtungen  in  Ge- 
brauch genommen  wurde. 

Diese  cappae,  zuweilen  auch  capae  genannt,  waren  vor  dem  X. 
Jahrhundert  sowohl  hinsichtlich  ihres  Schnittes  als  auch  ilii'es  Ma- 
terials von  grosser  Verschiedenheit  der  Form  und  stofflichen  Be- 
schaffenheit ,  je  nachdem  dieselben  von  Klerikern  oder  von  Layen 
getragen  wurden.  Das  wesentliche  Kennzeichen  der  cappa  bestand 
darin,  dass  dieselbe  ein  mantelförmiges ,  nach  der  vorderen  Seite 
geöffnetes  Gewand  war ,  das  den  Überkörper  bis  über  die  Kniee 
bedeckte  und  das  desswegen  seinen  Namen  erhielt,  weil  nach  Oben 
eine  stoffliche  Erweiterung  als  Hülle,  cappa,  caputium  zur  Bedek- 
kung  des  Kopfes  angenäht  Avar.  Wann  nun  die  capjya  im  Gebrauch 
der  Layen  allmähüg  verschwand  und  nur  ausschliesslich  als  charac- 
teristisches  Obergewand  den  Mönchen  als  cuculla  und  den  Kanoni- 
kern als  cappa  verblieb ,  dürfte  heute  schwer  mehr  zu  ergrün- 
den sein. 

Vor  dem  X.  Jahrhundert  hat  offenbar  in  vielen  Diöcesen  unsere 
cappa  jene  Bedeutung  und  reichere  Ausstattung  nicht  gehabt, 
die  derselben  nach  dem  X.  Jahrhundert  in  mehrern  Kirchen  ver- 
liehen wurde,  nachdem  dieses  Gewand,  dessen  sich  wie  bereits  ge- 
sagt, ehemals  nur  der  niedere  Clerus  zu  bedienen  pflegte,  auch  bei 
den  Dignitäten  der  Capitel  und  selbst  bei  den  Bischöfen  aUmälig  in 
Gebrauch  kam.  Da  also  die  cappa  cueullata  längere  Zeit  einem  unter- 
geordneten kirclilichen  Gebrauche  diente  und  auch  von  Layen  als 
profane  Kleidung  in  Gebrauch  genommen  wurde,  da  ferner  dieselbe 
nicht  so  sehr  als  das  liturgische  Kleid  eines  bestimmten  Ordo  in  der 
kirchlichen  Hierarchie  angesehen  wurde ,  so  erldärt  es  sich  auch, 
dass  che  ältern  Liturgiker  dieses  Gewandstückes  seltener  erwähnen. 

Bereits  in  früher  angelsächsischer  Zeit  werden  unter  Bischof 
Leofricus  Amtsführung,  als  der  Kirche  von  Exeter  zugehörend,  an- 


geführt:  •>■)  Cantercappae  and  ranterstafas^).  Eine  solche  Cantorkappe 
nebst  Cantorstab  ist  in  dem  angelsächsischen  Cerenionial  für  die 
Einweihung  der  Kirchoi  in  Abbildung  zu  ersehen^).  Auch  in  den 
Tagen  der  angelsächsischen  Königin  Margaretha  von  Schottland 
werden  die  cappae  noch  als  Sängermäntel  an  jener  Stelle  erwähnt, 
die  uns  einen  Einblick  thun  lässt  in  die  Zimmer  einei-  kunstsinnigen 
angelsächsischen  Fürstin.  Die  betreffende  Stelle  lautet:  »His  rebus, 
id  est,  quae  ad  divinae  servitutis  cultum  pertinebant,  nunquam  vacua 
eratillius  camera;  quae  ut  ita  dicam,  quaedam  caelestis  artificii  vide- 
batur  esse  officina.  Ibi  cappae  cantorum,  casulae,  stolae,  altaris 
pallia,  alia  quoque  vestimenta  sacerdotaha  et  ecclesiae  Semper  vide- 
bantur  ornamental).  Dass  bereits  um  das  Jahr  984  der  Gebrauch 
der  cappae  clwrales  in  englischen  Kirchen  ein  ausgedehnter  gewesen 
sein  muss ,  ist  aus  folgender  Stelle  zu  entnehmen :  Dedit  (abbas 
Egelricus)  et  choro  viginti  et  quatuor  cappas,  scilicet  sex  albas, 
sex  rubeas,  sex  virides  et  sex  nigras*). 

Auch  in  dem  sechsten  Ordo  Romanus,  dessen  holies  Alter  von 
Einigen  bestritten  wird,  begegnet  man  der  ausdrücklichen  Erwäh- 
nung dieses  Oruatstückes  an  jener  Stelle,  wo  es  heisst,  dass  dem 
celebrirenden  Bischof  zwei  Priester  mit  der  cappa  bekleidet  mini- 
strix-en  •'').  Dessgieichen  spricht  auch  Lanfrancus  an  einer  Stelle 
von  diesem  Ornat  der  cappa  In  den  Tagen  König  Wilhelms 
dürfte  die  cappa  in  englischen  Kirchen  schon  eine  grössere  Bedeu- 
tung und  eine  hervorragende  Verzierung  erhalten  haben.  Derselbe 
sandte  nämlich  dem  heil.  Hugo ,  Abt  von  Cluny ,  eine  cappa ,  die 
der  unten  angeführten  Beschreibung  zuiblge  durch  das  opus  angli- 
canum  auf  das  Reichste  verziert  war^). 


')  Cod.  Dipl.  Anglo-Saxonum  tora.  IV.  p.  275, 
Mr.  Gage,  Arcliaeologia,  vol.  XXV,  p.  17. 
Vita  S.  Margaritae  A.  A.  S.  S.  tom.  II.,  .Tunii  p.  329,  n.  7. 

■•j  Histor.  Iiigulphi,  ed.  Gale,  iuter  Her.  Anglic.  ycri])tores,  tom.  I.,  p.  53. 

^)  Die  betreÖGude  Stelle  des  Ordo  Romanus  lautet :  Duo  presbyteri  ita 
ut  ad  Missam,  excepto  quod  cappis  induti  sunt,  vestiti  ministrent  ei. 

•^J  Lanfranc.  Epist.  13  ad  Joannem  Normanuorum  Archiepiscopum ;  fer- 
ner sind  auch  bei  Du  Saussay  in  seinem  ersten  Theile  der  Panoj)lia 
Sacerdotalis  lib.  7,  cap.  5  eine  Anzahl  von  Angaben  über  das  Alter 
und  das  Vorkommen  unserer  cappa  zu  ersehen. 

')  Die  betreflende  Stelle  findet  sich  bei  dem  Anonym,  de  Mirac.  S.  Hug. : 
cappam  paene  auream  totam,  in  qua  vix  nisi  aurum  apparet  vel  elec- 
trum ,  vel  margaritarum  textus  aut  gemmarum  series ,  inferius  autem 
undique  tintinnabula  resonantia  ipsaque  aurea  pendent. 


—    290  — 


Noch  im  XIII.  Jahrhundert,  als  Houorius  von  Autun  seine 
Gamma  Animae  schrieb,  hatte  die  cappa  in  französischen  Kirchen 
ihre  ursprüngliche  Bedeutung  bewahrt;  er  sagt  nämlich  an  einer 
Stelle  seiner  Schrift:  »Cappa  propria  vestis  est  caiitorum. « 

In  Itahen  scheinen  selbst  die  Päpste  schon  in  früher  Zeit 
eine  Art  cappa  getragen  zu  haben,  die  jedoch  hinsichtlich  ihrer 
grössern  Ausdehnung  und  ihres  Schnittes  sich  wesentlich  von  der 
cappa  der  Chorsänger  und  niedern  Cleriker  unterschieden  haben 
wird.  Es  redet  nänüich  der  heil.  Petrus  Damiaiuis  den  Gegenpapst 
Cadalous  an  einer  Stelle  in  folgender  Weise  an:  Habes  more  ßo- 
mani  Pontificis,  rubeam  cappam. 

Wie  überhaupt  in  den  verschiedenen  Kirchen  die  Bezeichnung 
für  die  einzelnen  liturgischen  Ornate  im  Mittelalter  keine  gleich- 
artige war,  so  ist  nicht  nur  bei  Amalarius  Fortunatus,  sondern  auch 
selbst  im  oben  gedachten  Ordo  Romanus,  wie  es  scheint,  die  Bezeich- 
nung casula  und  planela  für  jenes  Gewandstück  gebräuchlich,  das  in 
andern  Diöcesen  in  nicht  viel  späterer  Zeit  fast  durchgängig  cappa 
genannt  wird.  Nach  dem  eben  gedachten  Ordo  Komanus  tragen  nicht 
nur  die  Subdiaconen,  sondern  auch  die  Akolythen  eine  planeta  bei 
liturgischen  Functionen.  Amalarius  Fortunatus  sagt  sogar,  dass 
die  casula  ein  allen  Clerikern  gemeinschaftliches  Gewand  seiM- 
Der  letztgedachte  Liturgiker  beschreibt  auch  diese  allen  Clerikern 
zuständige  casula,  indem  er  sagt:  casula  dupla  est,  post  tergum 
inter  humeros,  et  ante  pectus.  Es  leuchtet  nun  ein,  dass  zwischen 
der  casula  oder  planeta,  wie  sie  der  Bischof,  dessgleichen  auch  der 
celebrirende  Priester  trug  und  zwischen  den  mit  gleichem  Namen 
benannten  Gewändern,  wie  sie  nach  Amalarius  und  dem  Ordo  Ro- 
manus die  Ministranten  und  niedern  Cleriker  zu  tragen  pflegten, 
nicht  nur  hinsichtlich  der  Kostbarkeit  des  Stoffes,  sondern  mehr 
noch  hinsichtlich  des  Scliuittes  ein  bemerkenswerther  Unterscliied 
obwalten  musste.  Wir  sind  der  Ansicht,  dass  die  casula  für  die 
Ministranten  und  untergeordneten  Cleriker  mit  dem  anderwärts 
meistens  cappa  benannten  Gewandstücke  übereinstimmend  gewesen 
sein  dürfte.  Und  in  der  That  konnte  die  Verwechslung  dieser  bei- 
den Ornatstücke  um  so  leichtei'  stattfinden,  da  bloss  durch  Eröft- 
nung  der  Zusammensetzungsnaht  auf  der  vordem  Seite  der  casula 
dieselbe  sich  sofort  zu  einer  cappa,  d.  h.  zu  einem  faltenreichen 
weiten  Mantel,  umgestalten  liess,  der  nach  der  vorderen  Seite  hin 


'J  Amalarius  Fortunatus.  üb.  IL,  cap.  19. 


—   291  — 


eine  Oeffnung  hatte  und  nach  den  andern  Seiten  hin  gleichmässig 
verschlossen  war.  Würde  man  diese  letzte  Hypothese  nicht  als 
stichhaltig  zulassen,  so  könnte  man  auch  noch  eine  zweite  Annahme 
geltend  machen,  dass  nämlich  die  planeta  oder  cnsula  für  den  nie- 
dern  Clerus  ebenfalls  auf  der  Vorder-  und  Hintei'seite  geschlossen 
gewesen  sei  und  nur  auf  beiden  Seiten  in  kurzen  Zwischenräumen 
mehrere  Durchlässe  gehabt  habe,  durch  welche  der  Träger  nach 
Belieben  bei  den  verschiedenen  Amtshandlungen  Arme  und  Hände 
durchschieben  konnte.  Was  unserer  hier  ausgesprochenen  Ansicht 
noch  zur  Beki'äftigung  dient,  ist  der  Umstand,  dass  diese  casula 
für  die  niedern  Cleriker  und  Ministranten  wegen  der  Capuze 
oder  des  cucullus,  der  überhaupt  an  der  altern  capi  a  choralis  nie- 
mals fehlte,  auch  casula  cucuUata  zuweilen  genannt  wird. 

Um  im  Bilde  die  grosse  Formverwandtschaft  der  mppa  und 
der  casula  cucullata  anschaulich  zu  machen,  sei  auf  Tafel  XXXIX 
verwiesen,  wo  ein  Abt,  Hliutharius  nennt  ihn  die  Inschrift,  dargestellt 
ist,  wie  er  widmend  dem  jungen  Kaiser  Otto  III.  einen  reich  ver- 
zierten Evangeliencodex  überreicht,  der  auf  Geheiss  dieses  Abtes, 
wahrscheinlich  von  einem  geübten  Sclireiber  seiner  Abtei,  angefertigt 
worden  war ').  Wie  die  grosse  Miniature  auf  dem  Titelbilde  des 
unten  bezeichneten  Evangeliarium  es  deutlicher  erkennen  lässt,  ist 
Abt  Lothar  auf  Taf.  XXXIX  mit  jenen  Gewändern  bekleidet,  welcher 
im  X.  Jahrhundert  die  Benedictiner  sich  zu  bedienen  pflegten.  Als 
Obergewand  trägt  derselbe  eine  cappa  oder  casula  cucullata,  die  an 
den  Armen  an  drei  Stellen  übereinander  Oeffnungen  zum  Durch- 
lass  der  Arme  zeigt.  Diese  cappn  scheint  auf  den  Schultern  mit 
einem  cucullus,  der  Guggel,  vei'sehen  gewesen  zu  sein,  welche  über 
den  Kopf  des  Trägers  geschoben  werden  konnte  und  woher  auch 
dem  Obergewande  der  Name  cappa  beigegeben  worden  ist'-'). 

Betrachtet  man  nun  näher  den  Schnitt  und  die  Ausdehnung 
der  cappa,  so  stellt  es  sich  heraus,  dass  dieselbe,  in  ihrer  Ganz- 


')  Vgl.  die  ßef3chreib\iiig  dieses  reicli  verzierten  Codex,  der  sicli  im 
Schatze  des  Aachener  Münsters  befindet ,  in  unserm  neuesten  Werke: 
Karl's  d.  Gr.  Pfalzkapelle  und  ihre  Kunstschätze,  Seite  39—45.  I.  Theil, 
Leipzig  T.  0.  Weigel  1865. 

Das  Nähere  über  Form  und  Beschaffenheit  der  Cuculle,  wie  sie  die  im 
IX.  Jahrhundert  revidirte  Klosterregcl  der  Benedictiner  vorschreibt,  ist 
ausführlicher  zu  ersehen  in  dem  trefflichen  eben  erschienenen  Werke : 
Der  h.  Benedict,  Gründer  von  Aniane  und  Cornelimünster  (IndaJ,  Re- 
formator des  Benedictiner-Ordens ,  herausgegeben  von  P.  J.  Nicolai, 
Cöln,  Verlag  von  II.  Lompertz  1865. 

20 


—    292  — 


heit  ausgebreitet,  einen  vollständigen  Halbkreis  bildet,  dessen 
Halbmesser  4  Fuss  und  3  bis  4  Zoll  durchschnittlich  betrug, 
wie  eine  Vermessung  mehrer  mittelalterlichen  Chorkappen,  die 
uns  zu  Gesicht  kamen,  ergeben  hat.  Eine  solche  Ausdehnung  von 
einem  gleichen  Halbmesser  zeigen  auch  jene  altern  pallia  oder 
pahidamenta  regalia,  die,  aus  dem  Mittelalter  herstammend,  sich 
bis  heute  noch  in  den  verschiedenen  Kronschätzen  Europa's  er- 
halten haben  und  die  hinsichtlich  ihres  Schnittes  und  der  Ver- 
zierungsweise mit  dem  liturgischen  Ornate  unserer  cappa  ziem- 
lich übereinstimmen.  Solche  pallia  oder  paludamenta,  im  Einklang 
stehend  mit  dem  liturgischen  pluviale,  finden  sich  noch  vor  im  kai- 
serlichen Schatz  zu  Wien,  in  den  Domschätzen  zu  Bamberg,  Aachen, 
Metz,  dessgleichen  auch  im  städtischen  Museum  zu  Braunschweig, 
und  endlich  im  Kronschatzgewölbe  des  königlichen  Schlosses  zu  Ofen. 
Wir  haben  in  unserm  Werke  »die  Kleinodien  des  heil,  römischen 
Reiches  deutscher  Nation«  diese  königlichen  und  kaiserlichen  Ober- 
gewänder oder  Mäntel  abgebildet  und  näher  beschrieben,  und  wei- 
sen unten,  der  Kürze  wegen,  darauf  hin').  Ob  mit  den  cappae 
im  Mittelalter,  wie  sie  seit  dem  XH.  Jahrhundert  nicht  nur 
die  Bischöfe  bei  verschiedenen  liturgischen  Amtshandlungen,  son- 
dern auch  die  Könige  und  Kaiser  des  christlichen  Abendlandes  bei 
der  feierhchen  Salbung  und  Krönung  zu  tragen  pflegten,  auch  jene 
einfachen  Chormäntel  hinsichtlich  ihrer  Formen  und  Ausdehnung 
übereinstimmten,  wie  sie  die  Assistenten  und  Sänger,  dessgleichen 
auch  der  niedere  Clerus  zu  tragen  pflegten,  diese  Frage  lassen  wir 
hier  noch  unentschieden,  zumal  wir  im  Dome  zu  Halberstadt  und 
in  andern  Stiftskirchen  noch  Reste  von  altern  cappae  der  Chor- 
sänger und  Scholaren  vorgefunden  haben,  die  gleichsam  als  fal- 
tenreiche Kragen  kaum  bis  zu  den  Knieen  heriinterreichten. 

Auf  Tafel  XLV  ist  in  natürlicher  Grösse  des  Musters  ein  Theil 
eines  interessanten  Purpurgewebes  abgebildet,  das  an  einigen  Stellen 
noch,  wenn  auch  vielfach  beschädigt,  das  grobe  leinene  Futterzeug 
einer  Cantorkappe  des  XHI.  Jahrhunderts  als  OberstofP  verhüllte. 
Diese  cappa  cJtoralis  schien  lange  Zeiten  hindurch  als  Sängermantel 


*)  Vgl.  die  Abbildung  und  Beschreibung  des  Krönungsmantels  deutscher 
Kaiser  in  der  kaiserlichen  Burg  zu  Wien  auf  Tafel  VI;  der  Kaisermäntel 
Heinrichs  II.  im  Domschatz  zu  Bamberg,  von  Tafel  XL  bis  LII; 
ferner  der  irrthümlich  sogenannten  cappa  Leonis  III.  im  Schatze  zu 
Aachen,  auf  Tafel  XXI;  der  chappe  de  Charlemagne  im  Dom  zu  Metz, 
auf  Tafel  XXII  und  des  Mantels  Kaiser  Otto's  IV.  auf  Tafel  X;  end- 
lich des  ungarischen  Krönungsniantels  auf  Tafel  XVII. 


• 


-   293  — 

benutzt  worden  zu  sein  und  war  daher  auch  die  Mütze  an  derselben 
zum  Ueberziehen  über  den  Kopf  sehr  schadhaft  und  beschmutzt.  Der 
auf  Tafel  XLV  abgebildete  schöne  Purpurstoif ,  der  sich  auch,  um 
die  Hälfte  vergrössert,  zur  Anfertigung  von  neuen  Kirchenstoffen 
eignen  wilrde,  dürfte  wahrscheinlich  gegen  Schluss  des  XII.  Jahr- 
hunderts von  griechischen  Seidenwebern  angefertigt  worden  sein. 
Dieser  Annahme  dienen  auch  zum  Belege  die  mit  Kreuzchen  ge- 
füllten Quadrate  mit  den  ausmündenden  Lilien  auf  den  Ecken,  dess- 
gleichen  auch  die  immer  wiederkehrenden  sechsblätterigen  Rosen- 
formen. Die_ebengedachte  Chorkappe  raisst  in  ihrer  grössten  Länge 
nur  2'  10"  8"'  und  beträgt  die  Länge  der  Kapuze  [)"  bei  einer  Breite 
von  13".  Diese  enge  Guggel,  welche  als  capiäium  bei  der  grossen 
Tonsur,  wie  sie  im  Mittelalter  die  Cleriker  zu  tragen  pflegten, 
gute  Dienste  leistete,  kam,  wie  es  uns  scheinen  wiU,  aus  Reinlich- 
keits-Rücksichten seit  dem  XIII.  Jahrhundert  mehr  und  mehr  in 
Wegfall,  nachdem  beim  Clerus  zur  Bedeckung  der  grossen  Tonsur 
allmälig  ein  kleiner  pileus  sich  Eingang  verschafft  hatte,  aus  wel- 
chem, wie  dies  an  anderer  Stehe  gezeigt  werden  wird,  sich  das 
heutige  Birrett  entwickelte. 

Was  früher  bei  der  cappa  zum  Schutze  des  Hauptes  Sache 
der  Nothwendigkeit  war,  wurde  seit  dem  XIII.  Jahrhundert  seiner 
äussern  Form  nach  beibehalten,  jedoch  nur  als  eine  stoft'liche  Zuthat 
und  Verzierung  betrachtet.  Desshalb  zeigen  auch  jene  ältern  pluvia- 
lia  des  XIII.  und  XIV.  Jahrhunderts,  die  sich  heute  noch  erhalten  ha- 
ben, an  der  Hinterseite  einen  kleinern  Schild,  meistens  in  dreieckiger 
Form,  der,  gewöhnhch  mit  reichen  Stickereien  verziert,  die  Stelle  des 
ehemaligen  beweglichen  caputium  einnimmt.  Als  Maassstab  zur  Be- 
urtheilung  der  Entstehungszeit  älterer  Chorkappen  kann,  neben  den 
gestickten  aurifrisiae  und  ihren  characteristischen  Verzierungen,  ins- 
besondere dieser  hintere  clipens  als  bestimmend  betrachtet  werden. 
Je  kleiner  dieses  schildförmige  Ornament  sich  herausstellt,  je  mehr 
es  mit  der  engen  Dreieckform  des  ehemahgen  cucullus  überein- 
stimmt, desto  höher  darf  der  fragliche  Ornat  hinsichtlich  seines 
Alters  angesetzt  werden. 

Um  bereits  Gesagtes  nicht  zu  wiederholen,  verweisen  wir  auf 
die  interessanten  Mittheilungen,  die  Prof.  Dr.  Hefele  über  Ursprung 
und  Entwickelung  des  Chormantels  in  seinem  neuesten  Werke  ver- 
öffentlicht hat').  Diejenigen  die  sich  eingehender  über  den  in  Rede 


')  Beiträge  zur  Kirchengeschichte,  Archäologie  und  Liturgik  von  Prof. 
Dr.  Hefele.  II.  Bd.    Seite  209  -212.    Tübingen  1864. 

20* 


—   294  — 


stehenden  Ornat  der  cappa  unterrichten  wollen,  werden  mit  grosser 
Befriedigung  die  vielen  dort  augeführten  Citate  durchlesen,  die 
grösstentheils  noch  den  Reiz  der  Neuheit  für  sich  haben. 

Hält  man  nun  Rundschau,  wo  ihrer  Entstehungszeit  nach  die 
ältesten  Chorkappen  angetroffen  werden,  so  ist  darauf  zu  erwidern, 
dass  die  Zahl  derselben  im  Gegensatz  zu  den  noch  erhaltenen  Mess- 
gewändern  der  frühromanischen  Kunstepoche  eine  verhältnissmässig 
geringe  ist. 

Die  älteste  heute  bekannte  cappa,  über  welche  französische 
Schriftsteller  häufiger  Ijerichtet  haben,  war  der  Mantel  des  h.  Mar- 
tin von  Tours  (  gegen  400).  Nach  dem  Tode  dieses  Heiligen  erlangte 
dieser  Mantel  eine  solche  Berühmtheit,  dass  er  bei  besonderer 
Veranlassung  von  Tours  nach  dem  königlichen  Hoflager  gebracht 
und  auch  als  paladium  sogar  in  den  Kriegen  gleichsam  als  Fahne 
vorgetragen  wurde.  Die  Aufbewahrung  und  Aufstellung  (heser 
wunderthätigen  cappa  wurde  besondern  capellain  überwiesen,  und 
hat  diese  letzte  Bezeichnung  auch  den  Terminus  «Capellen«  veran- 
lasst. Mit  Abrechnung  jener  königlichen  und  kaiserlichen  paluda- 
menta  oder  pallia,  die  wir  auf  Seite  292  in  der  Anmerkung  der 
Reihe  nach  aufgezählt  haben,  und  die  in  sofern  sich  von  den  plu- 
vialia  zu  liturgischem  Gebrauche  unterscheiden,  als  an  den  könig- 
lichen Mänteln  sich  kein  caputium  oder  clipeus  vorfindet,  haben 
sich  verhältnissmässig  nur  wenige  Cliormäutel  erhalten ,  die  ein 
höheres  Alter  als  das  XH.  Jahrhundert  beanspruchen  können. 

Eine  cappa  von  hohem  Alter  und  verhältnissmässig  guter  Er- 
haltung sahen  wir  kürzlich  in  dem  Erzbischöflichen  Museum  zu 
Utrecht.  Eine  unverbürgte  Ucberlieferung  möclite  dieselbe  gerne 
auf  die  Tage  des  h.  Bonifacius  zurückfuhren,  zumal  selbige  zu 
Dokum  in  Friesland  aufgefunden  worden  ist,  wo  bekannthch  der 
Apostel  der  Deutschen  das  Martyrium  erlitten  hat.  Die  Musterung 
des  interessanten  Seidenstoffes  jedoch ,  nicht  weniger  die  grosse 
Ausdehnung  des  Gewandes ,  als  auch  des  caputium ,  das  in  Form 
einer  kleinen  spitzen  Mütze  über  den  Kopf  geschoben  werden  kann, 
besagen  deutlich,  dass  der  in  Rede  stehende  Ornat  frühestens  ge- 
gen Sclüuss  des  XH.,  wenn  nicht  sogar  gegen  Anfang  des  XHI. 
Jahrhunderts  Entstehung  gefunden  habe. 

Einen  der  ältesten  bis  zur  Stunde  bekannten  Chormäntel  be- 
sitzt heute  noch  die  Benediktiner- Abtei  St.  Paul  in  Kärnthen,  die 
Erbin  der  Ueberlieferungen  und  der  Kunstschätze  des  altberühmten 
Stiftes  St.  Blasien  im  Schwarzwalde.  Unter  Beifügung  eines  genauen 


—    295  — 


Wiener  Fussmaasses  veranscliaulichen  wir  auf  Tafel  XL  unter  Fi- 
gur 1  die  allgemeinen  Umrisse  dieses  merkwürdigen  Ornates  zu 
St.  Paul,  der  in  seiner  Vollständigkeit  heute  noch,  wie  keine  ähn- 
liche cappa,  sich  erhalten  hat,  und  fügen  hinsichtlich  der  künstleri- 
schen Beschaffenheit  dieser  casula.  cuculluta  hinzu,  dass  dieselbe  im 
IV.  Bande  des  »Jahrbuches  der  k.  k.  Centralcommission  zur  Erfor- 
schung und  Erhaltung  der  Baudenkmale«  unter  Beigabe  der  uöthi- 
geu  Abbildungen  eine  ausführliche  Beschreibung  gefunden  hat^). 

Noch  sei  hier  bemerkt,  dass  diese  Chorkapi)e  zu  St.  Paul  durch 
eine  II  Cent.Ju-eite  nnrifrüia,  die  unter  Fig.  2,  Taf.  XL  in  verkleiner- 
tem Maassstabe  abgebildet  ist,  in  zwei  gleiche  Hälften  getheilt  Avird. 
Beide  Hälften  sind  gleichmässig  durch  eine  Menge  von  Kreisen  ge- 
mustert, innerhalb  welcher  eine  grosse  Anzahl  figuraler  Darstel- 
lungen sich  befindet.  Die  eine  Hälfte  dieser  orhiculi,  sctdella,  an- 
gedeutet auf  der  Abbildung  Tafel  XL  unter  A,  sind  durch  Scene- 
rien  belebt,  welche  die  Lebens-  und  Leidensgeschichte  des  heiligen 
Blasius  vorstellen,  die  andere  Hälfte  unter  B,  führt,  von  ähnlichen 
lü'eisen  umschlossen,  im  Bilde  die  Legende  des  h.  Vincentius  vor. 
Sämmtliche  Stickereien  dieser  ehemahgen  Pluviale  sind  auf  einem 
feinen  Leinen-Sti-amin  im  sogenannten  Zopf-  oder  Flechtstich  so  aus- 
geführt, dass  die  Sticlilagen,  immer  regelmässig  und  gedoppelt  neben- 
einander fortgeführt,  deutlich  zu  erkennen  sind.  Was  imserm  Ves- 
permantel für  das  Studium  der  liturgischen  Gewänder  ein  erhöh- 
tes Literesse  verleiht,  ist  der  Umstand,  dass  die  Guggel  in  kleiner 
Dreieckform  an  jenem  Theile  noch  erhalten  ist,  welcher  den  Hals 
und  Rücken  des  Trägers  ehemals  bedeckte  und  Vlem  Haupte  am  näch- 
sten stand.  Diese  Kapuze,  die  auf  beiden  Seiten  in  ihrer  Auftren- 
nung auf  Tafel  XL  unter  v,  z,  und  x,  y  veranschaulicht  ist,  zeigt, 
im  regelmässigen  Flechtstich  ausgefühi-t,  auf  jener  hintern  Fläche, 
bezeichnet  unter  x  und  y,  die  erst  beim  Hinüberschieben  der 
Kapuze  über  das  Haupt  ersichtlich  wurde ,  zwei  ornamental  auf- 
gefasste  Thierunholde,  die  durch  einen  mittlem  Baudstreifen  ge- 
trennt werden  (vgl.  die  Abbildung  unter  Figur  3);  auf  der  oberen 
Fläche  hingegen,  die  nach  der  Anlegung  des  Gewandes  und  der 
Zurückschiebung  der  Kapuze  dem  Beschauer  zugekehrt  und  unter 
V  und  z  angedeutet  ist,  erblickt  man,  in  zwei  Hälften  getheilt,  das 


')  Liturgische  Gewänder  aus  dem  Stifte  St.  Blasien  im  Schwarzwalde, 
dermalen  aufbewahrt  im  Stifte  St.  Paul  in  Kärnthen,  von  Dr.  Gu- 
stav Heider.    Wien  1S60. 


—   296  — 


Bild  des  h.  Bischofs  Blasius,  des  Patrones  des  oftgenannten  Stiftes, 
in  sitzender  Stellung,  und  ihm  gegenüber  das  knieende  Bild  jenes 
Abtes,  unter  dessen  Amtsführung  der  in  Rede  stehende  Ornat  an- 
gefertigt wurde.  Auf  Tafel  XL,  Fig.  4  ist  im  verkleinerten  Maass- 
stabe diese  vordere  Seite  des  caputium  veranschaulicht.  Zeigt  so- 
wohl der  Schnitt  als  auch  die  Verzierungsweise,  dessgleichen  die 
Technik  an  der  eben  besprochenen  cappa  von  St.  Paul  in  Kärntheu, 
dass  dieselbe  der  ersten  Hälfte  des  XIII.  Jahrhunderts  angehört, 
so  lässt  eine  Inschrift  auf  einem  andern  fast  gleichartig  gestickten 
Chormantel,  nebst  andern  gleichzeitigen  liturgischen  Ornaten  auf- 
bewahrt in  dem  ehemahgen  Stifte  der  Benediktinerinnen  zu  Göss  bei 
Leoben ,  erkennen ,  dass  diese  letztgedachte  cappa  zu  Göss  der 
Mitte  des  XIII.  Jahrhunderts  angehöre.  Wir  haben  im  III.  Ba,nde 
der  Mittheilungen  der  k.  k.  Central-Commission  1858,  Seite  62  —64 
diesen  gestickten  Messornat  der  Abtei  Göss  in  Steiermark  ausführ- 
licher beschrieben ,  und  erübrigt  es  desswegen  nur  noch ,  Einiges 
über  die  dabei  befindliche  interessante  Chorkappe  hier  folgen  zu 
lassen.  Leider  hat  der  Gösser  Chormantel  durch  Hinzufügung  und 
Hinwegnahme  einzelner  Tlieile  von  seiner  ursprünglichen  Form  so 
viel  eingebüsst,  dass  sich  heute  aus  den  noch  vorfindlichen  Resten 
kaum  noch  ein  Schluss  auf  die  ursprüngliche  Form  desselben  ziehen 
lässt.  Dieser  Chormantel  besteht  aus  zwei  grössern  Gewandhälften, 
die  theUs  durch  figürliche  Darstellungen,  theils  durch  gräcisirende 
quadratische  Ornamente  in  vielfarbiger  Stickerei  gemustert  werden. 
Als  Mittelstück  zeigt  sich  an  dem  hintern  Theile  unseres  pluviale  an- 
statt des  ältern  sehr  kleinen  caputium  ein  grösseres  Rundmedaillon 
in  einem  Durchmesser  von  fast  40  Centimeter.  In  diesem  Medaillon 
ersieht  man  die  gestickte  Darstellung  der  Himmelskönigin,  welche 
auf  einem  Thronsessel  sitzt  und  von  den  vier  typischen  Büdern  der 
Evangelisten  umgeben  ist.  Zu  Häupten  der  Himmelskönigin  er- 
bhckt  man  ein  bandförmiges  legendarium  in  weisser  Seide  gestickt, 
in  welcher  in  Purpurseide  folgende  verstümmelte  und  schadhaft  ge- 
wordene Inschrift  sich  kaum  noch  entziffern  lässt:  «cell  matrona 
Chuneguudis  suscipe  dona,  casula  cum  cappa  placeat  tibi  celica 
(patrona?).« 

Offenbar  der  letzten  Hälfte  des  XIII.  Jahrhunderts,  wenn  nicht 
sogar  dem  Beginne  des  XIV.  Jahrhunderts,  gehört  jener  reichge- 
stickte Chormantel  an,  der  heute  noch  im  Schatze  des  Münsters 
zu  Aachen  aufbewahrt  wird,  und  von  dem  eine  vage  üeberlieferung, 
die  erst  seit  dem  letzten  Jahrhundert  im  offenbaren  Widerspruch 
mit  der  characteristischen  Verzierungsweise  des  betreffenden  Ornates 


—   297  — 


entstanden  ist,  angibt,  es  sei  dies  jene  cappa  Leonis  III.,  mit  wel- 
cher bekleidet  dieser  heil.  Papst  im  Jahre  801  das  Liebfrauen- 
Münster  zu  Aachen  eingeweiht  habe.  Wir  veranschaulichen  dieses 
vielfach  besprochene  pbwiale,  wie  es  sich  nach  seiner  Anlegung  dar- 
stellt, auf  Tafel  XLI,  und  weisen  darauf  hin,  dass  auf  Tafel  XXI 
unseres  Werkes  der  »Kleinodien  des  h.  römischen  Reiches  deutscher 
Nation«  in  natürlicher  Grösse  die  verschiedenen  Einzelnheiten  dieses 
formschönen  Ornates  wiedergegeben  sind  i). 

Der  Grundstoff  dieses  merkwürdigen  Gewandes  besteht  aus  einem 
zarten  Rothsammet,  der  sich  dem  Purpur  nähert;  wie  die  Abbil- 
dung auf  Tafel  XLI  dies  deutlich  walirnehmen  lässt,  ist  der  dun- 
kelrothe  Sammet  unserer  pluoiale  mit  schmalen  Goldstreifen  dui'ch- 
Avebt,  die  als  retournirende  Muster  kleine  Quadrate  bilden,  deren 
Mitte  jedesmal  durch  fünfblätterige  Röschen  belebt  werden,  welche 
durch  den  sogenannten  Knötchenstich,  auf  Leinen  gestickt,  hervor- 
gebracht worden  sind.  Der  Abbildung  unter  Figur  XLI  entsprechend 
hat  sich  die  ehemalige  Kapuze  bereits  in  ein  kleines  dreieckiges 
Schild  (franz.  echaperon)  verwandelt,  dessen  untere  Spitze  in  Ver- 
lust gerathen  und  ehemals  mit  einem  grössern  Knauf  von  vergolde- 
tem Silber  verziert  gewesen  zu  sein  scheint.  Die  reicligestickte 
Borte,  von  welcher  auf  Tafel  XLII  in  natürlicher  Grösse  ein  Bruch- 
theil  wieder  gegeben  ist,  setzt  sich  gleichmässig  über  die  Schultern 
des  Trägers  fort  (vergl.  Tafel  XLI)  und  steht  mit  derselben  der 
cUpeus  unmittelbar  in  Verbindung.  Wir  haben  nicht  unterlassen,  auf 
Tafel  XLII  diese  merkwürdig  gearbeitete  aurifrisia  bildüch  zu  ver- 
anschaulichen, zumal  dieses  interessant  ä  jour  gearbeitete  Stabwerk 
olfenbar  als  ein  opu^  anglicanum  zu  betrachten  ist,  an  welchem, 
wie  früher  bemerkt,  die  Goldschmiedekunst  in  Verbindung  mit  durch- 
brochen gewirkter  Stickerei  auftritt.  Es  wechseln  nämlich  in  den 
Vierpässen  jedesmal  gestickte  Wappenschilde  mit  in  vergoldetem  Sil- 
berblech getriebenen  fünfblätterigen  Rosen  ab,  deren  äussere  Blätter 
in  ihren  Einbiegungen  (vgl.  Taf  XLII)  mit  je  einer  frei  aufgesetzten 
Perle  verziert  sind.  Sowohl  diese  immer  wiederkehrenden,  in  Gold- 
fäden gestickten  Vierpässe,  als  auch  die  darin  befindlichen  gothischen 


')  Welche  Bewandtniss  es  mit  der  sogenannten  »chappe  de  Charlemagne« 
von  Metz  habe,  ob  dieselbe  als  Chormantel  oder  als  ein  Rest  eines 
Messgewandes  des  XII.  Jahrhunderts  zu  betrachten  sei,  darüber  haben 
wir  in  unserm  oben  citirteu  Werke  der  deutschen  Reichskleiuodien 
Seite  126  bis  130  das  Nähere  angeführt. 


—    298  — 


Wappeuschilcle,  dessgleiclien  auch  die  characteristischen  Formen  der 
stellenweise  aufgenähten  metallischen  Rosen,  sprechen  zu  deutlich 
für  eine  Entstehungszeit  dieser  cappu  in  der  schon  entwickelten 
gothischen  Kunstepoche ,  dass  darüber  auch  nicht  der  mindeste 
Zweifel  o])walten  kann.  Ein  l)csonderes  Interesse  hat  auch  für 
den  Alterthumsforscher  und  Liturgiker  der  untere  breite  Saum, 
der  in  alten  Schatzverzeichuissen  limhus  oder  auch  peridysis  in 
ijyra  genannt  wird.  Auf  Tafel  XLIII  ist  dieser  reichgestickte  Saum 
in  natürlicher  Grösse  in  einem  Bruchtheile  wiedergegeben.  Der 
Tiefgrund  desselben  ist  zickzackförmig  in  Goldfäden  gestickt.  Auf 
diesem  Fond  ersieht  man  nach  gleichen  Zwischenräumen  die  ge- 
stickten Bildwerke  der  Altväter  und  Propheten  mit  Spruchbän- 
dern, abwechselnd  mit  Sternen  und  Blumenstöcken,  die  aus  Vasen 
hervorragen.  In  Mitte  dieses  unteren  breiten  Saumes  gewahrt 
man  eine  stark  gedrehte  Seidenkordel ,  die  nach  gleichen  Zwi- 
schenräumen kleine  Glöckchen  von  Silber,  in  Vierpassform  getrie- 
ben, aufnimmt  und  befestigt.  Diese  Glöckchen,  grade  hundert  an 
der  Zahl,  entbehren  der  Klöppel  im  Innern  und  geben  dieselben 
dadurch  einen  melodischen  Klang,  dass  sie  beim  Gebrauch  des 
Ornates  gegenseitig  aneinander  schlagen.  Im  Verlaufe  dieser  No- 
tizen über  die  Form  und  Verzierungsweise  der  mittelalterhchen 
mppae  wird  sich  noch  Gelegenheit  finden ,  auf  Angaben  älterer 
Inventare  hinzuweisen ,  in  welchen  ähnhch  verzierte  Chormäntel 
nandiaft  gemacht  Averden,  deren  untere  Ränder  ebenfalls  mit  sol- 
chen tintinnabuJa  verziert  waren. 

Bei  Aufzählung  von  heute  noch  erhaltenen  Vespermänteln  des 
Mittelalters  dürfen  wir  nicht  mit  Stillschweigen  übergehen  jenes 
mit  Scenerien  aus  dem  Lel)en  des  Heilandes  in  Plattstich  reich  ge- 
stickte jo/wü/a^e,  das  sich  bis  zur  Stunde  in  dem  Schatze  der  Cathedral- 
kü'che  zu  Anagni  erhalten  hat,  und  das  der  Ueberlieferung  nach 
als  Geschenk  Papst  Bonifacius  VIII.  daselbst  herrührt.  Aehnlich 
der  früher  besprochenen  cappa  von  St.  Paul  in  Kärnthen  ist  auch 
der  ebengedachte  Ornat  zu  Anagni  als  palliiua  scutellatum.  oder 
rotatum  mit  einer  grossen  Zahl  von  Kreisen  gemustert,  innerhalb 
welcher  eine  Menge  von  Scenen  aus  dem  Leben  des  Herrn  und 
der  allerseligsten  Jungfrau  in  meisterhafter  Technik  vielfarbig  ge- 
stickt sind.  Es  fehlt  uns  hier  der  Raum,  um  diese  merkwürdige 
cappa  zu  Anagni ,  die  wir  daselbst  zu  zwei  verschiedenen  Malen 
anzusehen  Gelegenheit  hatten,  ausführlicher  zu  besprechen;  wir  ver- 
weisen der  Kürze  wegen  auf  die  Beschreibung,  welche  dieser  Ornat, 
wie  es  heisst,  ehemals  eine  casula,  in  den  «Annales  Archeologiques« 


—    299  — 


jüngst  erfahren  luit').  Nicht  weniger  Beachtung  als  das  eben- 
gedachte pluviale  Papst  Bonifacius  VIII.  zu  Anagni  verdient  auch 
jene  noch  ausgezeichnet  gut  erhaltene  cappa  in  der  Sacristei  der 
Basilica  St.  Johann  im  Lateran ,  deren  genauere  Besichtigung  uns 
durch  das  freundliche  Entgegenkommen  des  Secretärs  der  s.  Rituum 
Congregatio  Monsignore  Bartohni,  Canonicus  der  ebengedachten 
Basilica,  ermöglicht  wurde.  Im  Interesse  der  christüchen  Alter- 
thumswissenschaft wäre  es  dringend  zu  wünschen,  dass  von  geüb- 
ter Künstlerhand  dieses  merkwürdige  piviale  der  Laterankirche 
auf  Grundlage  einer  photographischen  Aufnahme  abgezeichnet  und 
demnächst  unler  Beigabe  einer  monographischen  Beschreibung  ver- 
öffentlicht würde.  So  viel  uns  heute  noch  dunkel  erinnerhch  ist, 
besteht  dieser  reich  gestickte  Chormantel  von  St.  Johann  in  Rom 
aus  grossen  Rundmedaillons,  die  aus  Kreisen  zusammengesetzt,  ge- 
genseitig in  Verbindung  stehen.  Irren  wir  nicht,  so  sind  in  diesen 
grössern  Kreisen  die  Hauptbegebenheiten  aus  dem  Leben  des  Herrn 
und  der  heiligen  Jungfrau  in  vielfarbigem  Plattstich  gestickt.  So- 
wohl die  Zeichnung  als  auch  die  Technik  der  vielen  meisterhaft 
ausgeführten  figuralen  Darstellungen  sprechen  für  eine  Entstehung 
dieser  äusserst  werthvollen  cappa  gegen  Mitte  des  XIV.  Jahrhun- 
derts. Die  Composition,  nicht  weniger  auch  die  Ausführung  der 
vielen  Bildwerke  an  diesem  \'espermantel  zeigen  auffallende  Aehn- 
•  hchkeit  mit  jenem  reichgestickten  Altarvorhange,  der  heute  noch  in 
der  Sacristei  des  Domes  zu  Salzburg  aufbewahrt  wird  und  der  von 
der  sachkundigen  Feder  eines  Freundes  in  jüngster  Zeit  eine  aus- 
führliche Beschreibung  nebst  Abbildung  gefunden  hat-). 

Zahlreich  sind  heute  noch  in  den  Sakristeien  grösserer  Kirchen 
Vespermäntel  anzutrefl'en,  die  aus  dem  XV.  Jahrhundert,  der  Blü- 
thezeit  des  Bilder-  und  Plattstiches,  sowie  überhaupt  der  kirchlichen 
Ornatstickereien,  herrühren.  So  sind  unter  Anderm  aus  dieser  eben 
angegebenen  Epoche  herstammend  namentlich  im  Schatze  des  Domes 
von  Halberstadt,  in  der  Donildrche  zu  Dauzig,  dessgleichen  auch 
im  Dome  von  Bern  und  von  Xanten  eine  Anzahl  von  reichgestick- 
ten und  gut  erhaltenen  Rauchmänteln  anzutreffen ,  die  mehr ,  als 
dies  heute  bei  den  modern  zugeschnittenen  und  unter  der  Scheere 


')  Pidroii,  Annales  Arclieologiques,  Vetements  ecclesiastiques  d'Anagni  p. 

233  et  234  tome  XVII.  Paris  1857. 
^)  Vgl.  das  Antependium  des  Domes  von  Salzburg,  beschrieben  von  Ür. 

G.  Heider  im  IV.  Bande  der  Mittlieilungen  der  k.  k.  Central-Commis- 

sion  zur  Ei-haltung  der  Baudenkmale.    Wien  1860. 


~  300 


von  meistens  unwissenden  Paramentenhändlern  unkenntlich  gewor- 
denen Chormänteln  der  Fall  ist,  noch  deutlich  daran  erinnern,  wel- 
che Beschaffenheit  diese  cappae  im  frühen  Mittelalter  hatten,  als  sie 
noch,  wie  oben  angedeutet  wurde,  die  propriae  vestes  cantorurn  wa- 
ren. Die  zwei  Besatzstreifen  zu  beiden  Seiten  des  offenen  Gewan- 
des sind  als  schmale  aurifrisiae  höchstens  nur  in  der  Breite  einer 
Hand  mit  mehr  oder  weniger  reich  gestickten  Ornamenten,  zuwei- 
len auch  mit  verschiedenen  gestickten  Heüigenbüdern  verziert.  Fer- 
ner ist  noch  im  Beginne  des  XV.  Jahrhunderts  die  ehemahge  nach 
hinten  befestigte,  bewegliche  cappa,  die  früher  als  Bedeckung  für  das 
Haupt  in  Form  einer  CaiDuze  nur  geringe  Ausdehnung  beanspruchte, 
noch  auf  ein  Minimum  von  Stoff  beschränkt  und  dient  dazu,  in 
Form  eines  dreieckigen  kleinen  Schüdes,  das  meistens  nach  Unten 
in  Spitzbogenform  endigt,  entweder  das  gestickte  Bild  des  Kir- 
chenpatrons, oder  aber  den  Namensheiligen  des  Eigenthümers  und 
Trägers  der  betreffenden  cappa,  in  Nadelmalerei  ausgeführt,  auf- 
zunehmen. Auch  das  Wappen  des  gräflichen  oder  fürstüchen  Ge- 
schenkgebers findet  nicht  selten  auf  diesem  kleinen  clipeus,  der 
die  Stelle  der  ehemahgen  Guggel  einnimmt,  eine  Darstellung.  An 
den  reicher  verzierten  pluvialia  des  XV.  Jahrhunderts  fehlt  selten 
als  ornamentale  Ausschmückung  dieses  Schildes  ein  langer  Quasten 
von  verschiedenfarbigen  Seidenfäden,  die  in  der  Regel  oben  von 
einem  mehr  oder  weniger  reich  verzierten  pomellum  als  Abschluss- 
knauf überragt  werden.  Auch  der  untere  Rand  des  Chormantels 
ist  an  jener  Stelle  mit  dichten  Seidenfransen  als  Absclüuss  besetzt, 
wo  im  Xni.  und  XIV.  Jahrhundert  als  fimhriae  kleine  Glöckchen, 
von  Silber  oder  Ornamentstickereien  häufiger  ersichtlich  waren. 
In  unserm  Katalog  der  mittelalterlichen  Kunstausstellung  zu  Cre- 
feld  vom  Jahre  1852 ')  stehen  eine  Anzahl  von  reichgestickten 
Pluvialien  verzeichnet,  die,  sämmthch  dem  XV.  und  XVI.  Jahr- 
hundert angehörend,  noch  an  die  ältere  Form  und  Beschaffenheit 
der  cappae  des  XIII.  Jahrhunderts  erinnern.  Als  jedoch  gegen 
Schluss  des  XV.  und  mit  dem  Beginne  des  XVI.  Jahrhunderts  die 
Tafelmalerei  so  grosse  Triumphe  feierte,  und  die  Meister  der  Cöl- 
nischen.  Flandrischen  und  Schwäbischen  Malcrschulen  ihre  Thätig- 
keit  auch  auf  die  Leistungen  der  befreundeten  Bildsticker-Innungen 
auszudehnen  begannen,  wurden  die  Stäbe  zu  beiden  Seiten  der  Plu- 
viahen  zur  Anbringung  von  kunstreich  gestickten  Bildern  verschie- 


')  Vgl.  Catalog  der  mittelalterlichen  Kunst-Ausstellung  zu  Crefeld  von 
Franz  Bock,  im  Verlag  von  Klein,  II.  Aufl.  Crefeld  1852. 


—    301  - 


dener  Heiligen  oder  selbst  von  figurenreichen  Darstellungen  aus 
dem  Leben  des  Heilandes  und  der  Himmelskönigin  immer  um- 
fangreicher und  breiter.  In  demselben  Maassstabe ,  als  die  ehe- 
mals schmalen  praetextae  der  Chorkappe  an  Ausdehnung  zunah- 
men, erweiterte  sich  auch  der  hintere  Schild,  um  zur  Aufnahme 
Ton  grössern  Gruppen  den  nöthigen  Raum  zu  bieten.  Namentlich 
sind  jene  Chorkappen,  die  von  den  Bildstickern  in  Flandern,  ins- 
besondere aber  von  denen  zu  Arras  in  meisterhafter,  bis  jetzt  un- 
übertroffener Technik  angefertigt  wurden  und  die  man  daher  in 
Italien  mit  dem  generellen  Namen  arrazzi  bezeichnet,  als  Belege 
dafür  zu  betrachten,  welche  Veränderungen  hinsichtlich  der  Aus- 
dehnung der  reichgestickten  Stäbe  und  der  Erweiterung  des  Schil- 
des an  den  Chormänteln  gegen  Schluss  des  XV.  und  Beginn  des 
XVI.  Jahrhunderts  eingetreten  sind.  Unstreitig  zu  den  kostbarsten 
cappae  die,  aus  dem  XV.  Jahrhundert  herstammend,  in  ausgezeichnet 
guter  Erhaltung  sich  bis  auf  unsere  Tage  gerettet  haben,  zählen 
jene  vier  Chormäntel,  die,  im  reichsten  Bilderschmuck  gestickt,  unter 
den  liturgischen  Ornaten  des  Ordens  vom  goldenen  Vliess  heute 
noch  im  Schatze  der  Kaiserburg  zu  Wien  sich  vorfinden '). 

Da  es  im  Mittelalter  Brauch  war,  dass  die  Stifts-  und  Dom- 
herrn namentlich  an  kirchlichen  Festen  dem  feierlichen  Gottesdienste 
mit  jener  rappa  bekleidet  anwohnten,  die  denselben  eigenthümlich 
gehörte  und  die  desshalb  auch  mit  den  heraldischen  Abzeichen 
ihres  Geschlechtes  meistens  verziert  und  überreich  gestickt  waren; 
so  leuchtet  es  ein,  dass  nicht  selten  der  persönlichen  Eitelkeit  ein 
weites  Feld  geöffnet  war ,  wenn  es  galt ,  durch  eine  ausgewählte 
Ausstattung  der  Chorkappe  den  Reichthum  des  Hauses,  den  her- 
vorragenden Adel  des  Geschlechtes  oder  die  hohe  geistliche  Würde  des 
Trägers  erkennen  zu  lassen.  Wie  man  insbesondere  im  XVIII.  Jahr- 
hundert in  Anwendung  der  kostbarsten  Spitzen  und  Brabanter  Gui- 
})urs,  welche  das  dem  Träger  zugehörende  Rochette  garniren  sollten, 
sich  nicht  selten  gegenseitig  überbot;  so  scheint  man  im  XIII.  und 
XIV.  Jahrhundert,  dem  Wortlaut  älterer  Schatzverzeichnisse  zufolge, 
in  möglichst  reicher  Ausstattung  der  eappae  chorales  gegenseitig 
rivalisirt  zu  haben.  Ausser  den  kostbarsten  Seiden-  und  Sammet- 
stoffen  in  den  verschiedensten  Farben,  die,  reich  mit  Gold  durch- 
wirkt zum  Grundstoff  dieser  cappaa  professionis  gewählt  wur- 
den, ausser  den  kunstreich  gestickten  und  durch  den  Schimmer 


')  Die  burgundischen  Gewänder  der  k.  k.  Schatzkammer,  12  Bl.  Photo- 
graphien mit  Text  herausg.  v.  k.  k.  Oesterr.  Museum.    Wien  1864. 

fr 


—    302  — 


von  Gold  und  Edelsteinen  gehobenen  Aurifrisien,  die  den  vordem 
Rand  dieser  Chormäntel  verbrämten,  kommen  um  diese  Zeit,  den 
Angaben  der  gedachten  Inventare  zufolge,  an  reichern  Chormänteln 
insbesondere  zwei  Ornamente  zur  Geltung,  an  welchen  die  Kunst  der 
Goldschmiede  das  ZierMchste  und  Formschönste  versuchte,  was  sie  zu 
bieten  vermochte.  Es  vpar  dies  die  vordere  Schüesse  zur  Zusam- 
menlieftung  der  cappa ,  die  in  den  betreffenden  Schatz  verzeichnissen 
zuweüen  7norsm,  nionile,  oder ßbula,  pectorale  genannt  wird,  und  zwei- 
tens jenes  kleine  clipeua,  das,  wie  bereits  schon  früher  gesagt,  in  drei- 
eckiger Form  die  Stelle  des  ehemaligen  caputium  vertrat.  Dieses 
schildförmige  Ornament,  das  zuweilen  auch  capulus  oder  capettum 
genannt  wir-d,  war  nicht  selten  mit  in  Gold  und  Silber  gehämmer- 
ten und  mit  vielfarbigen  Schmelzen  verzierten  Ornamenten  der 
Art  reich  ausgestattet,  dass  es  den  Eindruck  eines  metallenen 
Schildes  machte.  Es  fand  also  die  Kunst  der  Nadel  in  vielen  Fällen 
keinen  Raum  mehr  vor,  um  ihre  Gebilde  auf  dem  engen  Schildchen 
anzubringen,  das  der  Goldschmied  für  seine  metallischen  Decora- 
tionen ausschliesslich  in  Anspruch  genommen  hatte.  In  enghschen 
Kirchen  kam  es ,  den  Angaben  unseres  Gewährsmannes  Canonicus 
Dr.  Rock  zufolge,  häutiger  vor,  dass  um  diese  Zeit  prachtvolle,  mit 
goldenen  und  sübernen  Ornamenten  ausgestattete  ^chaperons  beweg- 
lich an  goldenen  Knöpfclien  auf  der  hintern  Seite  reicherer  Pluvia- 
lien  befestigt  waren.  Man  konnte  alsdann  diese  goldenen  Schilder 
nach  Gutdünken  abnehmen,  um  mit  denselben  einen  andern  Clior- 
mantel  wieder  auszuschmücken.  So  berichten,  um  andore  Angaben 
zu  umgehen ,  die  Annalen  der  Cathedrale  von  Rochester ,  dass 
der  Prior  Helyas  lünsichtüch  der  Schliesse  und  des  clipeus  eine 
dort  bereits  befindliche  cappa  professioids  habe  reicher  verzieren 
lassen.  Die  Stelle  lautet  wörtHch,  wie  folgt:  »In  capa  Güeberti 
episcopi  fecit  fieri  morsum  de  argento  et  capettum  deauratum  et 
pretiosis  lapidibus  ornatum.a 

Bei  Beschreibung  von  reichern  Chormänteln,  welche  die  neu- 
ernannten Stiftsherren  bei  ihrer  Installii'ung  zuerst  anlegten,  werden 
in  englischen  Schatzverzeichnissen  sowohl  zur  Verzierung  des  Schil- 
des als  auch  zur  Ausstattung  der  reichgestickten  Stäbe  in  langer 
Reihe  immer  wieder  Ornamente  unter  der  Bezeichnung  tasseUi  nam- 
haft gemacht.  So  lies't  man,  um  nur  einige  dieser  reichgestick- 
ten und  mit  tasselli  verzierten  Chorkappen  hervorzuheben,  in  dem 
Leben  Gaufrid's ')  «Fecit  VII  capas,  quarum  una  am'o  et  lapidibus 


')  Vita  Gaufridi,  A.  D.  1119  apud  Matt.  Paris,  in  Vitis  Able.  p.  40. 


—    303  — 

obducta  est  tota.  Alia  vero  pretiosis  tassellis,  auro  et  margaritis 
anterius  et  in  circiiitu  parabatur.  Aiiae  quator  optimo  aurifrigio, 
septiraa  purpurea  tassellis  deceiitur  adornatur.«  Ferner  findet  man 
in  Dart's  Cnterbury,  App.  p.  v.  die  Angabe:  «Capa  Kndulphi  Here- 
fordiensis  episcopi  de  rubeo  sameto  cum  tassellis  et  amauz ')  in 
medio. 

Aus  den  vielen  Citaten  englischer  Schatzverzeiclmisse,  in  wel- 
chen die  Bezeichnung  tussMus  in  allen  möglichen  Wendungen  nicht 
nur  zur  Verzierung  der  Aurifrisien  an  Pluvialien,  sondern  auch  zur 
Ausstattung  der  gestickten  Stäbe  von  Messgewändei-n,  Dalmatiken 
und  Tunicellen  vorkommt,  mögen  die  angeführten  Angaben  einst- 
weilen genügen,  indem  aus  diesen  Andeutungen  ziemlich  klar  zu 
entnehmen  ist,  dass  in  den  meisten  Fällen  unter  tassellus  ein  Or- 
nament zu  verstehen  ist,  welches  in  runder  Form  oder  in  Weise 
eines  Drei-  oder  Vierpasses,  dessgleiclien  in  Gestalt  von  stylisirten 
Rosen  aus  dünnem  vergoldeten  Silberblech  durch  die  Kunst  des 
Goldschmiedes  Entstehung  gefunden  hat.  Sehr  häufig  waren  die 
einzelnen  Blätter  dieser  ia-^selli  oder  der  innere  Tiefgrund  derselben 
mit  eingeschmelzten  Arbeiten  verziert.  In  üebereinstimmung  mit 
unserm  verehrten  Freunde  Canonicus  Dr.  Rock  sind  auch  wir  der 
Ansicht,  dass  in  erster  Reihe  unter  dem  Terminus  tasselli  jene  auf- 
gesetzten metallischen  Verzierungen  zu  verstehen  seien,  die  nach 
gleichen  Zwischenräumen  namenthch  an  dem  opus  anglicum  oder 
hybcrnicum  vorkommen.  Eine  solche  »englische  Arbeit«,  nändich 
die  Verbindung  der  Goldschmiedekunst,  der  Bijouterie- Arbeit  mit 
der  Stickerei,  ist  auch  an  der  reichgestickten  mirifrisia  ■wahrnehm- 
bar, mit  welcher  der  vordere,  auf  Tafel  XLII  theilweise  abgebildete 
Rand  der  auf  Seite  297  besprochenen  Chorkappe  im  Aachener  Mün- 
sterschatz verziert  ist.  Offenbar  sind  die  daselbst  14  mal  wieder- 
kehrenden Vierpassrosen  in  vergoldetem  Silberblech  als  tasselli  auf- 
zufassen. Auch  die  68  Goldbleche,  mit  welchen  in  den  zierlichsten 
Formen  und  Gestaltungen  die  kaiserliche  Stole  aufbewahrt  in 
der  Burg  zu  Wien,  ausgestattet  ist,  würden  englische  Inventaristen 


•)  Canonicus  Dr.  Rock  erklärt  das  amauz  gleichbedeutend  mit  Amethist; 
es  liegt  aber  zu  Tage ,  dass  das  amauz  hier  mit  ^maux  Schmelz  gleich- 
bedeutend ist. 

■-')  Wir  haben  sämmtliche  Variationen  dieser  schönen  tasselli  auf  Tafel 
XXXII  unseres  Werkes  der  »Kleinodien  des  h.  römischen  Reiches 
deutscher  Nation«  in  natürlicher  Grösse  abgebildet  und  auf  Seite  1.56 
näher  beschrieben. 


—    304  — 

des  Mittelalters  unbedingt  als  tasselH  bezeichnet  haben;  in  deut- 
schen Inventaren  werden  diese  vielfarbig  gehaltenen  metallischen 
Zierrathen  in  der  Regel  monilia,  peciae,  plicae  aureae  etc.  genannt. 
Aber  nicht  nur  die  in  Gold  und  Silberblech  geformten  Verzierungen, 
welche  die  Stäbe  und  Schilder  reicherer  Chorkappen  als  stellenweise 
aufgesetzte  Ornamente  verzierten,  führen  in  alten  Seliatzverzeichnis- 
sen  den  Namen  tasselli,  sondern  auch  erhaben  aufsitzende  Stickereien 
in  Gold  und  Seide  oder  Perlen  werden  in  englischen  Inventaren 
nicht  selten  mit  demselben  Ausdrucke  bezeichnet.  So  lies't  man 
nämlich  in  dem  Verzeichniss  der  «Ornamenta  in  Vest.  Eccl.  Christi 
Cantuar'):  «Capa  Adae  Prioris  de  viridi  samicto  cum  tassellis  ru- 
beo  brudatis.  Duae  capae  de  croceo  samicto  cum  rubeis  tasselis 
brudatae.  Capa  professionis  Thomae  Eboracensis  archiepiscopi  de 
rubeo  panno  diasperato  cum  tassellis  nigris  rotundis  brudata.« 

Die  zweite  reich  verzierte  Einzelheit,  die  an  den  cappae  pro- 
fessionis für  den  persönlichen  Gebrauch  der  installirten  Canonici 
im  XIII.  und  XIV.  Jahrhundert  immer  wieder  angetroffen  wird, 
bestand ,  dem  oben  bereits  Gesagten  zufolge ,  in  einem  kunstreich 
ausgeführten  Pectoralstück,  das  den  Zweck  hatte,  jene  verbindenden 
Stoffstücke  zu  verdecken  und  zu  verzieren,  die  auf  der  Brust  des 
Trägers  die  Bestimmung  hatten,  nach  der  Anlegung  die  Chorkappe 
zu  befestigen.  Schon  seit  jenen  Zeiten,  als  die  Pluviale  nach  und 
nach  aufhörte,  ausschliessliches  Chorgewand  der  Sänger  und  der 
Jüngern  Cleriker  zu  sein,  und  dieselbe,  reicher  ausgestattet,  in  den 
Gebrauch  der  Stifts-  und  Cathedral-Geistlichkeit  und  selbst  der 
Bischöfe  überging,  kommen  bereits  kleinere  fibulae  vor,  die  in 
Weise  von  Krampen  den  Zweck  hatten,  die  Pluviale  auf  der  Brust 
des  Trägers  zusammen  zu  halten.  Wir  hatten  Gelegenheit,  in  der 
reichhaltigen  Sammlung  des  Herrn  Chalendon^)  in  Lyon  eine  grös- 
sere Anzahl  solcher  Halter,  meistens  in  Rundform  gestaltet,  in  Au- 
genschein zu  nehmen,  die  in  einem  Durchmesser  von  10  bis  12  Cent,  in 
der  Mitte  getheüt  waren.  Die  zusammengehörenden  Hälften  dieser 
Krampen  hatten  eine  solche  Einrichtung,  dass  dieselben  zusammen- 
gefügt durch  einen  starken,  oben  mit  einem  Knopfe  verzierten  me- 
tallischen Stift,  epingle ,  geschlossenen  und  beim  Zurückziehen  des 

  9 

*)  Cf.  Dart's  Canterbury  A.  D.  1315.  App.  v.  u. 

^)  Möns.  Chalendon,  einer  der  ausgezeichnetsten  Archäologen  Lyons,  be- 
sitzt daselbst  ein  ausgewähltes  Privat-Museum,  in  welchem  die  interes- 
santesten und  ältesten  kirchlichen  Geräthe  und  Gefässe,  meistens  der 
Limousiner  Schule  angehörend,  aufbewahrt  werden. 


—   305  - 


verbindenden  Stiftes  wieder  geöffnet  werden  konnten.  Die  meisten 
dieser  halbirten  monüia  waren  mit  Heiligenfiguren,  in  vielfarbigem 
Grubenschmelz  (email  champleve)  verziert,  die,  wie  es  scheint,  in 
grosser  Anzahl  von  den  Limousiner  Schmelzarbeitei'n  und  Gold- 

*  schmieden  im  XIII.  Jahrhundert  für  den  Handel  angefertigt  wur- 

•♦deu.  Die  offenbar  reichste  und  formschönste  fibula  in  zehnblätte- 
riger Rosenform,  die  sich  am  Rheine  bis  zur  Stunde  noch  erhalten 
hat,  befindet  sich  heute  in  der  reichhaltigen  Sammlung  des  Herrn 

■  Kaufmann  Rulü  in  Cöln.  Derselbe  hat  dieses  Meisterwerk  deut- 
scher Goldschmiedekunst  beim  Verkauf  der  Leven'schen  Sammlung 
käuflich  erstanden.  Dieses  prachtvolle  Pectoralschild  hat  einen  gröss- 
ten  Durchmesser  von  21 V2  Centm.  In  der  mittlem  Rundung  erblickt 
man  in  trefflich  ciselirter  Arbeit  das  Bild  der  Madonna,  der  h.  He- 
lena und  zweier  Apostel.  In  den  Vertiefungen  von  neun  Rosenblät- 
tern sind  äusserst  zierhche  Darstellungen  der  neun  Chöre  der  Engel 
ersichtlich.  Da  dem  oben  Gesagten  zufolge  im  XIV.  und  XV.  Jahr- 
hundert auch  in  dem  kaiserlichen  Krönungsstifte  zu  Aachen  der  Ge- 
brauch bestand,  dass  die  den  verschiedenen  Stiftsherren  zugehören- 
den cappae  professionis  nach  ihrem  Tode  der  Sacristei  als  Eigen- 
thum zufielen,  so  ist  es  erklärlich,  dass  heute  noch  aus  der  ange- 
gebenen Epoche  trotz  der  Plünderungen  und  Verschleuderungen  in 
den  Tagen  der  französischen  Revolution  im  Schatze  der  ehemaligen 
Krönungskirche  deutscher  Könige  sich  noch  mehrere  reich  verzierte 
cappae  professionis  erhalten  haben,  deren  morsus  sich  ebenfalls  noch 
in  dem  Schatze  des  Aachener  Münsters  grösstentheils  vorfinden. 

Um  den  Lesern  einen  annähernden  Begriff"  von  dem  Umfange, 
dem  Reichthunie  und  dem  vielgestalteten  Aeussern  dieser  meisterhaft 
gearbeiteten  ßbulae  als  iutegi'irende  Ornamente  reicher  Installations- 
Pluviahen  zu  verschaffen,  haben  wir  auf  Taf.  XL VII,  Fig.  1  und  2 
und  Taf.  XL VIII,  Fig.  2  die  vorzüglicheren  morsus  im  verkleinerten 
Maassstabe  abbilden  lassen,  die  dem  ebengedachten  Schatze  zur 
besonderen  Zierde  gereichen.  Auf  Taf.  XL VII,  Fig.  2  ist  in  hal- 
ber natürhcher  Grösse  eine  reichverzierte  Agraffe  abgebildet,  die 
hinsichtlich  ihrer  zierlichen  Anlage  in  Vierpassform  und  der  Kost- 
barkeit des  Materials  zu  den  reichsten  und  formschönsten  Pccto- 
ralschilden  zu  zählen  ist,  die  sich  heute  noch,  aus  der  Mitte  des  XIV. 
Jahrhunderts  herrührend,  in  den  Kunst-  und  Reliquienschätzen 
DeutscUands  erhalten  haben.  Der  äussere  Rand  dieser  fibula  in 
vergoldetem  Süber  ist  mit  einem  reichen  Kranz   von  Perlen  in 

'  Rosenform,  wie  es  auch  die  Abbildung  zeigt,  umgeben.    Unten  Imks 
,  ersieht  man  in  zarter  Cisehrung  das  kniende  Bild  des  Donators, 


—    306  — 


der  zugleich  mit  jener  cappa  professionis  bekleidet  ist,  an  welcher 
die  vorliegende  Agraffe  als  morsus  zur  Verdeckung  des  verbinden- 
den StofFstückes  angebracht  war.  Auch  das  Wappen  des  Geschenk- 
gebers ist  in  dem  untern  Vierpass  ersichtlich.  Offenbar  ist  unter 
dem  Bilde  des  vor  seinem  Namenspatron  als  supple.v  knieenden 
Geschenkgebers  ein  Canonikus  des  ehemaligen  Krönungsstiftes  zu 
Aachen  zu  ersehen.  Eine  zweite  interessante  Schliesse  als  morms 
oder  fibul'i  und  zwar  in  rechteckig  länglicher  Form  ist  auf  Tafel 
XLVIII,  Fig.  2  in  halber  natürlicher  Grösse  abgebildet.  Dieser 
Krampen,  zu  welchem  im  Aachener  Schatze  die  ehemals  dazu  ge- 
hörende Chorkappe  nicht  mehr  kenntlich  ist,  stellt  in  halberhaben 
getriebener  Arbeit  von  vergoldetem  Silber  die  Verkündigung  des 
Engels  dar.  Die  Auffassung  der  Figuren  und  der  reiche  P'alten- 
wurf  dei-  Gewänder,  nicht  weniger  die  zierlichen  Kreuzblümchen  in 
den  Hohlkehlen  der  Umi'ahmungen  dürften  als  Belege  dafür  gelten, 
dass  der  Auftrag  zur  Anfertigung  der  vorliegenden  fihida  und  der 
entsprechenden  cappa  professionis  von  einem  Aachener  Stiftsherrn 
im  Begiime  des  XV.  Jahrhunderts  ertheilt  worden  ist. 

Eine  dritte  Agraffe  in  sechsblätteriger  Rosenform,  die  ihrerseits 
wieder  einen  kleinem  Dreipass  umschliesst,  haben  wir  auf  Tafel 
XLVII,  Figur  1  ebenfalls  in  bedeutend  verkleinertem  Maassstabe 
bildlich  wiedergegeben.  Dieser  morsus,  heute  noch  nebst  mehreren 
andei-n  reichen  Agraffen  im  Schatze  des  Aachener  Münsters  be- 
findlich, hatte  ursprünglich  den  Zweck,  einen  Chormantel  als 
Pektoralstück  zu  verzieren.  Der  Donator,  mit  der  von  ihm  be- 
schafften Chorkappe  bekleidet ,  an  welcher  der  vorliegende  morsus 
befestigt  war,  kniet  vor  dem  Bilde  der  Himmelskönigin  nieder. 
Zu  beiden  Seiten  stehen  sein  Namenspatron  und  der  Patron  sei- 
ner Familie.  Sämmtliche  Figuren  sind  äusserst  delikat  in  vergol- 
detem Silber  ciselirt.  An  jener  Stelle,  wo  nach  unten  hin  ein  klei- 
nes locellus  mit  Reliquien  heute  angebracht  ist  imd  der  Inschrift: 
De  pannis  Salv.  D.  N.  J  C,  befand  sich  ursprünglich  wahrschein- 
lich das  kleine  emaillirte  Wappenschild  des  knieenden  Geschenk- 
gebers. Erst  später  ist  durch  Hinzufügung  der  beiden  Ständer,  in 
Form  von  LÖwenfüssen,  aus  der  ehemaligen  Agraffe  ein  sogenann- 
tes Paxtäfelchen  zum  Darreichen  des  osculum  pacis  hergestellt 
worden,  indem  zugleich  nach  Hinten  hin  eine  silberne  Handhabe 
hinzugefügt  worden  ist. 

An  diesen  drei  morsus  oder  fibulae,  die  wir  auf  Tafel  XLVH, 
Figur  1  und  2,  dessgleichen  auf  Tafel  XLVHI,  Figur  2  im  Bilde 
veranschaulicht  haben,  befanden  sich  ehemals  auf  der  Rückseite 

• 


—    307  - 


4 


weite  Krampen  von  Silber.  Vermittelst  dieser  silbernen  Haken  konn- 
ten diese  und  ähnliche  Agrafi'en  mit  leichter  Mühe  über  das  verbin- 
dende Stoflstück  geschoben  und  befestigt  werden .  wodurch  die 
Chorkappe  auf  der  ISrust  des  Trägers  geschlossen  wurde.  Wir 
haben  auf  Tafel  XLI\'  nach  einem  ältern  Holzschnitte  genau  die 
Figur  eines  rnagister  cantus  abgebildet,  der,  mit  der  Chorkappe  be- 
kleidet, in  dem  Momente  dargestellt  ist,  wo  er  mit  dem  Aspergil 
das  Weihwasser  austheilt;  mit  der  Linken  stützt  er  sich  auf  den  bacu- 
lus  praecentoris.  Der  Sängerstab  stand  ilim  als  Chorregent  amtlich 
zu.  Diese  praecentores  führten  auch  in  einigen  Cathedralkirchen 
den  Titel  chori  episcopi.  Auf  der  Brust  unseres  Vorsängers,  abgebil- 
det auf  Taf.  XLIV,  ersieht  man  ein  verbindendes  Stoffstück,  welches 
den  Chormantel  zusammenhält.  Die  eben  beschriebenen  fiOvlae  oder 
morsus  konnten  meistens  nur  vermittelst  nach  hinten  eingelassener 
silbernen  Haken  munittelbar  auf  diesem  Stoffstück  befestigt  werden ; 
desswegen  waren  an  reichern  Chorkappen  diese  verbindenden  Schlies-  • 
sen  von  Stoff  nicht  reich  verziert,  sondern  einfach  aus  jenem  Stoff' 
angefertigt,  der  auch  in  rampo  des  Chormantels  augewandt  war. 
Bei  den  Chorkappen  hingegen,  zu  welchen  kein  morsus  gehörte, 
kommen  zuweilen  Goldstickereien  auf  diesem  verbindenden  Brust- 
stücke vor.  Auf  Tafel  XV,  Band  H  sind  nach  einem  alten  kölni- 
schen Bilde,  heute  im  Privatbesitz  des  Herrn  Prof.  Dr.  Vosen  in 
Cöln  befindHch,  vier  Bischöfe  dargestellt,  welche  sämmtlich  mit 
reich  ausgestatteten  cappae  bekleidet  sind.  Wir  machen  an  dieser 
Stelle  darauf  aufmerksam ,  dass  die  Chormäntel  der  drei  in  der 
hintern  Reihe  stehenden  Bischöfe  auf  Tafel  XV  durch  reichverzierte 
fibulae  in  verschiedenen  L'ormeu  und  zwar  ohne  verbindende  Stoff- 
stücke unmittelbar  durch  die  Agraffen  selbst  zusammengehalten  und 
befestigt  werden.  Der  Chormantel  der  ersten  Figur  wird  durch 
einen  grossen  mo7'sus  in  Rundform,  die  cappa  des  zweiten  Bischofes 
durch  eine  Agraffe  in  viereckiger  Form  zusammengehalten,  wo- 
gegen die  Chorkappe,  mit  welcher  der  dritte  Bischof  bekleidet  ist, 
durcli  eine  Pektoralschliesse  in  Kleeblattform  befestigt  wird. 

Noch  auf  zwei  eigenthümUche  moniiia  machen  wir  schliesslich 
hier  aufmerksam ,  die  sich  als  Pektoral-Verzierungen  in  ziemlicher 
Grösse  und  in  reichster  Ausstattung  auf  den  Brusttheileu  des  deut- 
scheu Kaisermantels  vorfinden,  der  heute  als  vorzügUchster  Krö- 
nungsornat unter  den  Kleinodien  und  Insignieu  des  deutschen  Rei- 
ches in  der  kaiserlichen  Bui'g  zu  Wien  aufbewalu-t  wird.  Auf 
Taf.  XLVHI,  unter  Fig.  1  ist  in  natürlicher  Grösse  eines  dieser 
.  prachtvollen  Pektoralstücke  des  paJudamentum  imperiale  bildlich  wie- 

21 


—    308  — 


dergegebeu.  Diese  monilia  tasselli,  wie  sie  englische  Inveutaristeii 
nennen  würden,  gehören  zu  den  reichsten  Schmelzarbeiten,  die  in 
der  ersten  Hälfte  des  XII.  Jahrhunderts  von  sicilianisch-sarazeni- 
schen  Goldschmieden  in  vielfarbigem  Zellenschmelz  angefertigt  wor- 
den sind.  Wir  haben  in  unserni  Werke  der  «Kleinodien  des  h. 
römischen  Reiches  deutscher  Nation«  auf  Taf.  VI,  Fig.  8  den  deut-4 
sehen  Kaisermantel  mit  seinen  reichen  ornamentalen  Eiuzelnhei- 
ten  bildlich  wiedergegeben,  und  denselben  in  dem  beschreibenden 
Texte  auf  Seite  27  bis  81  ausführlich  erörtert. 

Indem  wir  zur  Erklärung  der  Beschaffenheit  der  mittelalter- 
lichen Chorkappen  mid  zur  Feststellung  der  Terminologie  der  ver- 
schiedenen ornamentalen  Eigenthümlichkeiten  derselben  im  Folgen- 
den den  Wortlaut  älterer  Schatzverzeichnisse  in  chronologischer 
Reihenfolge  anführen,  ist  bei  der  Auswahl  dieser  Citate  besonderes 
Gewicht  darauf  gelegt  worden,  nachzuweisen,  wie  die  Bezeichnungen 
für  die  ornamentalen  Einzelnheiten  des  Chormantels  sich  in  den 
verschiedenen  Ländern  und  Diöcesen  verschiedenartig  gestaltet  ha- 
ben. Eröffnen  wir  diese  Anführungen  mit  den  Angaben  des  alten 
Schatzverzeichnisses  der  Benedictiner-Abtei  Martinsberg  in  Ungarn, 
angeblich  aus  den  Tagen  Königs  Ladislaus  i).  Hinsichtlich  der  pluvia- 
lia  lesen  wir  daselbst:  cappae  sunt  LIII,  quarum  duae  sunt  aureis 
buUis  paratae  una  margaritis  compta,  VII  aurifriso  circumdatae, 
inter  quas  una  habet  super  se  pectorale  aureum,  smaldo  paratum  ^). 
Auch  das  oft  citirte  Mainzer  Chronicon,  nach  Pertz  angefertigt  von 
Christianus,  welches,  aus  dem  XII.  Jahrhundert  stammend,  die  Schätze 
der  Domkirche  von  Mainz  in  langer  Reihe  aufzählt,  berichtet  über  eine 
grosse  Zalil  von  kostbar  gestickten  liturgischen  Gewändern,  unter  wel- 
chen auch  viele  Chorkappen  von  Seide  und  Purpur,  mit  Goldstickereien 
und  Edelsteinen  verziert,  namhaft  gemacht  werden.  Nach  Aufzählung 
von  andern  Ornaten  heisst  es  weiter  wörtlich:  Inter  quae  sex  cap- 
pae praecipuae  erant,  quarum  una  aestimata  est  ad  LX  marcas,  sie 
enim  et  obligari*)  poterat.  Aliae  quinque  minoris  erant  aestima- 
tionis:  ex  his  duas  vidi,  quarum  una  vetustate  fuit  sie  consumta 


Ladislaus  regierte  von  1077 — 1095;  das  betreffende  Inventar  scheint 
uns  aber  bedeutend  jünger  zu  sein. 

Diese  aureae  bullae  hingen  in  grosser  Anzahl  an  dem  untern  Saume 
ähnlich  wie  an  dem  Chormantel  im  Schatz  zu  Aachen,  den  wir  auf 
Tafel  XLI  abgebildet  haben. 

Za  diesem  Pluviale  gehörte  als  Agraff  ein  Pektoralstück,  das  mit  ein- 
geschmelzter Arbeit  verziert  war. 
*)  Aus  diesem  Zusätze  und  aus  den  Angaben  anderer  Schatzverzeichnisse 


• 


309 


et  attrita,  qiind  aliciii  usui  non  valebat;  data  ergo  est  igni  et  red- 
debat ti'es  nuircas  auri  cum  dimidia.  Alia,  quae  adliuc  recentior 
videbatur,  vendita  est  cum  una  jDalla  altaris :  quid  pro  his  acceptum 
t'uerit,  vel  quo  devenerit  venditum  acceptum,  penitus  ignoratur. 

In  dem  Bamberger  Scliatzverzeichuiss  vom  Jahre  1128  steht 
eine  Anzahl  von  Vespermänteln  in  folgender  Weise  angeführt: 
cappae  LXXXIII'),  quarum  XXVI  aurifrigio  sunt  circumpositae, 
LXXXIX  quidem  fuerunt,  sed  ex  his  XXIII  annichihitac  (sie) 
tuerunt.  ex  quibus  frusta  colligentes  quasdam  integras  cappas  feei- 
mus,  et  quibusdam  cappis  reliquias  induximus.  Nicht  weit  nach 
dieser  Angabe  tindet  sich  eine  andere  Notiz,  welche  lautet:  Nodus 
latus  cristallinus  ad  liniendum  aurifrigium.  Es  gewinnt  den  An- 
schein, dass  dieser  grosse  Christallknauf,  vielleicht  mit  geschnittenen 
Figuren,  dazu  diente,  eine  goldverzierte  Quaste  als  Abschluss  zu 
bekrönen. 

In  dem  Schatzverzeichnisse  von  St.  Johann  in  Monza,  der  Ki'ö- 
nungskirche  lombardischer  Könige,  hest  mau  zum  Jahre  1275, 
hinsichtlich  der  im  dortigen  Schatze  befindlichen  cappae,  folgende 
Angaben:  Item  pluviales  VI,  quorum  duo  sunt  aureati,  quorum  unus 
fodratus  est  de  cendato  vermijio^),  et  secundus  ruber;  item  unus 
alius  rubeus;  item  unus  alius  albus  brostatus^)  de  auro;  item  unus 
viridis  fodratus  de  gialdo  * ) ;  item  unus  de  sammito  qui  pulchrior ; 
item  alii  undecim  sunt  de  purpura  de  diversis  drapis. 

Den  zahlreichen  Angaben  von  Schatzverzeichnissen  englischer 
und  deutscher  Diöcesen  zufolge  steht  es  fest,  dass  im  XIII.  und 
XIV.  Jahrhundert  die  Dom-  und  Stiftsherren  beim  Antritt  ihrer 
Präbende,  d.  h.  bei  der  feierlichen  Installirung  sich  aus  ihren 
eigenen  Mitteln  einen  mehr  oder  weniger  reich  gestickten  Chor- 


lässt  sich  entnehmen,  dass  einzelne  besonders  reiche  und  kostbare  Or- 
nate in  bedrängten  Zeiten  zuweilen  verpfändet  zu  werden  pflegten. 

')  Diese  grosse  Zahl  der  Chormäntel  findet  darin  eine  Erklärung,  dass 
die  meisten  derselben  von  dem  niedern  Clerus  und  den  Sängern  be- 
nutzt wurden,  nur  die  seclisundzwanzig ,  die  mit  Stickereien  au  der 
vordem  Oeftnung  und  wahrscheinlich  an  dem  untern  Saume  verziert 
waren,  scheinen  von  den  Canonici  an  l'esttagen  getragen  w  orden  zu  sein. 
Eine  dieser  cappae  von  Goldstoff  war  gefüttert  mit  einem  Ceiidel  von 
goldgelber  Farbe  (neuital.  vermiglio,  franz.  vermeil). 

')  brostare  ist  mittelalterliche  Bezeichnung  für  breudare,  franz.  l)roder, 
ital.  bordare;  die  classische  Benennungsweise  für  diese  Kunstül)ung 
ist  bekanntlich  acu  pingere,  varlare. 
gialdo  im  Neuitalienischen  giallo,  franz.  jaune,  gelb. 

2r 


-    310  - 


oder  Vespermantel  anfertigen  Hessen,  den  sie  bei  den  verschiedenen 
kirchlichen  Feierlichkeiten  zu  tragen  pflegten.  Derselbe  fiel  nach 
erfolgtem  Ableben  des  betreffenden  Besitzers  dem  Schatze  der 
Kirche  als  Eigenthum  zu.  So  ist  es  zu  erklären,  dass  im.  XIII.  und 
XIV.  Jahrhundert  in  reichern  Stifts-  und  Domkirchen  eine  so  grosse 
Zahl  solcher  cappae  professionis  angetroffen  werden,  die  in  den 
mittelalterlichen  Schatzveizeichnissen  immer  den  Namen  des  gegen- 
wäi'tigen  oder  des  verstorbenen  Besitzers  beibehalten  haben.  Wir 
heben  im  Folgenden  aus  der  langen  Reihe  von  cappae,  vorfindlich 
bei  der  «visitatio  facta  in  thesauro  Sancti  Pauli  Londiniensis  (1295),  ^ 
hier  nur  wenige  hervor:  Cappa  Alardi  decani,  de  nigro  sameto  cum 
Petro  et  Paulo  in  pectorali  ^) ,  breudata  cum  stellis ;  item  cappa 
Galfridi  de  Lucy  decani,  de  sameto  purpureo,  breudata  cum  locellis  ^) 
et  radice  Jessae^);  item  cappa  Godefridi  de  Wecham  de  rubeo 
sameto,  breudata  cum  ymaginibus  regum  et  episcoporum*).  Item 
cappa  Ricardi  de  Stanford  de  viridi  sameto,  breudata  nostris  regibus, 
leonibus  et  griphonibus;  item  cappa  breudata  cum  minutis  notis^) 


')  Es  ist  aus  dieser  Angabe  nicht  ersichtlich ,  ob  unter  dem  pectorale 
hier  zu  verstehen  sei  der  morsus,  d.  i.  der  Halter  des  Pluviale  oder 
aber,  ob  unter  dem  Pectorale  hier  aufzufassen  seien  die  beiden  auri- 
frisiae,  welche  die  Pluvialien  auf  der  Brust  der  Länge  nach  ver- 
zierten. 

*)  Wir  lassen  es  hier  dahingestellt  sein,  ob  unter  diesen  locelli  als  immer 
wiederkehrende  Motive  jene  Quadraturen  und  Hexagone  zu  halten 
seien,  mit  welchen  die  cappa  im  Schatze  des  Aachener  Münsters, 
theilweise  abgebildet  auf  Taf.  XLI,  XLII  und  XLIII.  ebenfalls  ein 
opus  Anglicanum,  verziert  ist. 

*)  Eine  radix  Jesse  in  der  aurifrisia  als  reiche  Stickerei  fanden  wir  un- 
längst an  einem  Messgewande  in  der  ehemaligen  Stiftskirche  zu  Essen ; 
auch  in  altern  Glasmalereien  der  spätromanischen  Kunst-Epoche,  dess- 
gleichen  in  Holzsculpturen  der  entwickelten  Gothik  kömmt  diese  radix 
oder  auch  arbor  Jesse  sehr  häufig  vor,  welche  Blüthen  treibt,  auf  welchen 
die  Könige  Israels  iu  Brustbildern  dargestellt  sind,  wie  sie  in  dem  libei' 
generationis  namhaft  gemacht  werden. 

*)  Wahrscheinlich  erblickte  iiiau  m  den  schmalen  aurifrisiae,  von  Me- 
daillons umgeben  oder  von  goldgestickten  Baldachinen  überragt,  die 
Brustbilder  verschiedener  englischen  Könige  und  Bischöfe. 

°)  Es  ist  au  dieser  Stelle  unverständlich,  welche  Technik  der  Ausdruck 
cum  minutis  notis  bezeichnen  soll.  Vielleicht  wird  dadurch  eine  Stick- 
art angedeutet,  für  welche  auch  heute  die  Bezeichimng  »Knotenstich« 
gang  und  gäbe  ist.  Merkwürdigerweise  zeigt  die  eigenthümliche 
Stickerei  an  der  aurifrisia  der  sogenannten  cappa  Leonis  III.  zu 
Aachen  diesen  ebengedachten  Knotenstich  in  voller  Entwicklung. 


—    311  — 


de  dono  Radulphi  Dun  Jon ;  item  cappa  domini  Radulphi  de  Stan- 
ford de  indico  velveto  cum  aurifrigio  et  rubeo  velveto  cum  platis*) 
et  perlis  desuper  positis. 

Auch  das  »Inventarium  Ornamentorum  in  Ecclesia  Sarum«  vom 
Jahre  1222,  das  uns  in  Abschrift  vorliegt,  enthält  eine  Menge  von 
Citaten,  in  welchen  mehr  oder  weniger  reichgestickte  cappae  nam- 
haft gemacht  wei'den,  von  welchen  wir  hier  einige  der  Terminologie 
wegen  folgen  lassen :  Cappa  una,  quae  fuit  Episcopi  Rogeri  cum  lapi- 
dibus  XVI.  et  esmaltis  X  brodata^).  Item  cappa  una,  quae  fuit 
Werneri  de_Sandford  cum  morsu  de  aurifrisio  cum  lapiUulis  multis 
in  morsu*)  in  caputio  et  a  latere^). 

Item  cappa  una,  quae  fuit  magistri  Simonis  de  Scalis  cum 
crista  argentea"^)  deaurata.  heue  brodata  cum  lapidibus  XIII. 

Item  cappae  quatuor  viginti  et  III  de  serico^)  et  praeterea 
una  apud  Canning. 


*)  In  englischen,  italienischen  und  auch  stellenweise  in  deutschen  luven- 
tarien  findet  sich  als  sinonymo  Bezeichnung  für  das  griechische  hexami- 
tum,  russ.  und  böhmisch  haxamit  und  haxamat,  engl,  sameit,  ital.  scia- 
mito  die  Benennung  velvetum,  velvet,  jedenfalls  zusammenhängend  mit 
dem  franz.  velour  und  dem  ital.  velluto.  Offenbar  stimmt  dieser  alte  Ter- 
minus velvet,  entweder  geschnittener  oder  ungeschnittener  Sammet, 
■vielleicht  auch  eine  geringere  Qualität,  die  man  heute  Plüsch  nennen 
würde,  mit  der  Bezeichnung  »Fluel«  zusammen,  die  sich  häufig  noch 
im  Niederdeutschen,  identisch  für  Sammet,  vorfindet  und  die  in  alt- 
kölnischen Schatzverzeichnissen  übereinstimmt  mit  der  Bezeichnung 
»Flauwel.« 

Zweifelsohne  fehlt  hier  nach  platis  das  Adjectivum  aureis  und  dürften 
dann  unter  dieser  Bezeichnung  jene  plicae  aureae  zu  verstehen  sein, 
die,  als  dünne  Goldbleche,  iu  getriebener  Arbeit  ornamentale  und 
nicht  selten  mit  Schmelz  überzogene  Verzierungen  zeigten,  die  von 
Perlschnüren  eingefasst  und  umgeben  waren, 

')  In  den  reichgestickten  Stäben  dieser  cappa  befanden  sich  mehrere  gefasste 
Steine  und  zehn  eingeschmelzte  Ornamente  auf  Gold-  oder  Silberblech. 

*)  Es  scheint,  dass  unter  diesem  morsus  de  aurifrisio  keine  in  Silber  ge- 
triebene und  ciselirte  Arbeit  als  Pectoralschliesse  zu  verstehen  ist, 
sondern  eine  Agraife  in  reichen  Stickereien  (de  aurifrigio). 

^)  Sowohl  auf  dem  hintern  caputium,  clipeus  anderwärts  genannt,  als 
auch  auf  den  schmalen  Stäben  zu  beiden  Seiten  des  vordem  Randes 
(a  latere)  waren  ebenfalls  eingefasste  Edelsteine  aufgenäht. 
Vielleicht  dürfte  unter  dieser  crista  eine  silberne  Kammverzierung  an- 
zunehmen sein,  die  sich  zu  beiden  Seiten  des  clipeus  befand.  Aehn- 
liche  cristae  trifft  man  auch  zuweilen  in  Blätterform  an  den  reichver- 
zierten cornua  bischöflicher  Mitern  im  XIII.  und  XIV.  Jahrhundert. 

')  Diese  24  cappae  scheinen  zum  täglichen  Gebrauch  —  vermuthlich  für 


Auch  das  oft  citirte  Schatzverzeicliniss  von  St.  Veit  zu  Prag,  an- 
gefertigt unter  dem  Decan  Bohuslav,  zählt  eine  Menge  von  Chormän- 
teln auf;  auch  unterlässt  der  luventarist  es  nicht,  bei  jeder  cappa 
den  Namen  des  Eigenthümers  anzuführen,  von  welchem  sie  wohl 
als  cappa  professionalis  der  besagten  Kirche  geschenkt  wurde.  In 
dem  uiiä  in  Abschrift  vorhegeuden  Schatzverzeichnisse  wird  die 
grosse  Zahl  von  130  solcher  cappae,  die  damals  der  Domschatz 
von  St.  Veit  besass,  namhaft  gemacht.  Wir  heben  aus  dieser  Zahl 
in  Folgendem  nur  einzelne  hervor:  Item  cappa  in  viridi  ciun  avi- 
culis  aureis,  tenentibus  litteras  aureas  in  rostro,  quam  dedit  do- 
minus Pribyslaus  de  Porzessyn  decanus  Pragensis,  subducta  viridi 
sine  capulo^).  Item  cappa  in  rubeo  cum  aviciüis  albis,  qui  di- 
cuntur  cygui  subducta  viridi  2)  cum  praetextis  aureis  3),  quam  de- 
dit Magister  Fridmannus  et  etiam  utebatur  eodem.  Item  cappa 
alba  in  rubeo  cum  rosis  albis  et  floribus  blancis  habentibus  turres, 
quarum  turrium  quaelibet  continet  unum  canem,  subducta  blaveo 
Kuklerz  ,  quam  dedit  idem  dominus  Radetz  Wenceslaus,  et  ante 
pectus  sunt  arma  ejus^).  Item  cappa  de  nachone  in  blaveo  cum 
griphonibus  et  quibusdam  litteris  gentilibus^)  circuHs  inclusis,  sub- 


die  Sänger  —  mit  in  Modeldruck  ausgeführten  Verzierungen  belebt 
gewesen  zu  sein,  die  drei  andern  waren  aus  Seidenstoffen  verfertigt. 

')  Capulum  steht  hier,  wie  dies  aus  den  folgenden  Aufzählungen  klar 
wud,  gleichbedeutend  mit  caputium,  und  erhellt  aus  dieser  Angabe, 
dass  im  XIV.  Jahrhundert  sich  auch  im  Prager  Domschatze  reichge- 
stickte Chorniäntel  vorfanden,  die  ohne  clipeus  angefertigt  waren. 

-j  Die  subductura  oder  foederatura,  wie  an  anderen  Stellen  der  Futter- 
stoff genannt  wird,  war  an  dieser  Chorcappe  von  gininer  Farbe .  und 
bestand  wahrscheinlich  dieses  Futterzeug  aus  Taffetseide. 
Praetexta  wird  im  vorliegenden  Schatzverzeichnisse  jene  schmale  üni- 
bordung  genannt ,  die  in  anderen  Schatzverzeichnissen  den  Namen 
aurifrisia  oder  aurea  lista  trägt. 

^)  Entweder  war  auf  den  beiden  Stoffstücken  der  Brust ,  welche  die 
Chorcappe  verbanden,  das  Wappen  des  Geschlechtes  der  Radetz  ge- 
stickt, oder  es  war  hier  ein  Monile  befestigt,  das  in  Metall  gearbeitet, 
das  Wappen  des  ebengedachten  Geschenkgebers  in  getriebener  oder 
ciselirter  Arbeit  enthielt. 

'■')  Das  in  Rede  stehende  Prager  Schatzverzeichniss  ist  desswegen  für 
archäologische  Forschungen  von  um  so  grösserem  Interesse,  als  es  auf 
die  stoffliche  Beschaffenheit  der  Gewänder  und  sogar  auf  deren  Muste- 
rungen weit  genauer  als  andere  eingeht.  Die  literae  gentiles  sind 
wahrscheinlich  saracenische  Inschriften,  wie  man  dieselben  in  Menge 
in  den  sicilianischen  Gold-  und  Seidenstoffen  des  XIII.  und  XIV. 
Jahrhunderts  antrifft. 


-    313  — 


(lucta  viridi ,  qua  utittir  Dominus  Woytiessius  de  Moravia.  Item 
cappa  in  aibo  nachone'),  habeus  pennas  pavonum,  et  in  capulo 
arma  Domini  Archiepiscopi  Pragensis ,  subducta  blaveo  ,  Habens 
praetextas  aureas,  quam  dedit  Dominus  Archiepiscopus  modernus, 
interim  quod  erat  Canonicus,  qua  utitur  Dominus  Wenceslaus,  frater 
Archiepiscopi 

Item  cappa  de  baldachino ^)  in  blaveo^)  habens  circulos  ru- 
beos  magnos,  et  in  quolibet  circulo  rubeo  duo  animalia  rubea  et 
in  alia  nigra  circulos  minores,  rubeos  cinctos,  in  albo  et  in  medio 
cuilibet  aviculam  viridam.  subducta  viridi  zendalino  cum  praetextis 
aureis,  quam  dedit  Dominus  Doctor  Cnusso,  custos  Pragensis  no- 
mine custodiae  et  praebendae^).   Item  cappa  de  nachono  in  rabeo 


')  Die  Bezeichnung  nacho ,  nämlich  ein  schwerer  Seidenstoff  mit  Gold 
brochirt,  findet  sich  an  vielen  Stellen  des  oben  bezeichneten  Schatzver- 
zeichnisses vor,  und  dürfte  dieser  Ausdruck  nacho  eine  latinisirte  En- 
dung erhalten  haben ,  für  den  Terminus  »nach« ,  identisch  mit  »nac, 
nachitz,  nekh«,  wie  er  in  anderen  Schatzverzeichnissen  des  XIII.  und 
XIV.  Jahrhunderts  als  kostbares  orientalisches  Seidengewebe  mit  Gold- 
brochirungon  sehr  häufig  angetroffen  wird.  Man  liest  sogar  in  dem 
Schatzverzeichnisse  vom  Jahre  1387  eine  besondere  Rubrik  mit  der 
Ueberschrift  de  nachonibus.  Offenbar  sind  unter  diesen  nachones  kost- 
bare, mit  goldenen  Dessins  durchwirkte  Seidenstoffe  zu  verstehen,  die 
als  reiche  Behänge  und  Bedeckungen  kirchlich  in  Gebrauch  waren. 
In  dieser  Auffassung  kömmt  auch  bei  DuCange  das  Wort  nacho  vor 
als  Ablativ  von  nachum  auch  naccum,  nactum  und  nactus. 

2)  Diese  Chorcappe,  die  auf  dem  capulum,  d.  i.  dem  caputium,  das  ge- 
stickte Wappen  des  damaligen  (modernus)  Erzbischofes  von  Prag 
zeigte ,  war  der  Kirche  von  St.  Veit  von  demselben  Erzbischofe  ge- 
schenkt worden,  als  er  noch  Canonicus  war,  und  bediente  sich  später 
dieses  Ornates  der  Bruder  desselben. 

•■')  Das  Baldachingewebe,  über  welchen  kostbaren  Seidenstoff  wir  uns  an 
anderer  Stelle  ausführlicher  ausgesprochen  haben  ,  ist  abzuleiten  von 
dem  orientalisclien  Terminus  »baidach.«  Weil  aus  diesem  schweren  Sei- 
denstoff die  verschiedenen  kirchlichen  und  profanen  Thronhimmel 
gewöhnlich  angefertigt  zu  werden  pflegten ,  erhielten  dieselben  von 
dem  dazu  verwandten  Stoffe  den  Namen  Baldachin,  ital.  baldachino 
fr.  baudequin,  engl,  baudeckin. 

Blaveus  silc.  color,  adjectivische  Bezeichnung  flu-  das  Hochblau,  ge- 
bildet aus  dem  Deutschen  blaw,  blau,  franz.  bleu,  it.  blu. 
^)  Aus  dieser  letzten  Angabe  »nomine  custodiae  et  praebendae«  erhellt 
also ,  dass  Doctor  Cnusso ,  damaliger  Custos  der  Prager  Domkirche, 
diesen  Chormantel  beim  Antritt  seines  Amtes  auf  den  Grund  hin  lu 
schenken  gehalten  war,  damit  er  die  mit  dem  Amte  der  Custodie  ver- 
bundene Pfründe  zu  geniessen  Berechtigung  erhielt. 


314  - 


ad  DQodum  stolarum,  habens  flores  virides  et  leunculos  de  auro  in- 
textos  cum  praetextis  aiireis.  in  capulo  clipeusi)  cum  flammis 
argenteis  et  rubeis  serieeis  ac  nodo  serico .  viridi  subducta ,  quam 
dedit  Dominus  Wolframus. 

Item  cappa  de  nachone  in  blaveo  luddo,  vubei  coloris  habens 
aviculas  aiiieas  cum  parvulis  pi'aetextis,  in  (•a])ulo  habens  arma 
Ecclesiae  et  arma  Arnesti,  et  aquila  cum  duobus  capitibus,  sub- 
ducta rubeo  Taffato  laniato^),  quae  fuit  Imperatoris^). 

Der  Zuvorkommenheit  unseres  Freundes  P.  Lehner.  Minoriteu- 
Conventuals  in  Padua,  verdanken  wir  die  Absclirift  eines  umfang- 
reichen und  interessanten  Inventars  der  reichen  Kircheuschätze  von 
St.  Antonio  daselbst  aus  dem  Jahre  1385.  Unter  den  vielen  dort 
aufgezählten  pluvialia  lieben  wir  liier  nur  einige  hervor: 

Primo  Unum  pluviale  solepne  de  serico  allio  contextum  per 
totum  de  auro  cum  avichs  cum  uno  solempni  frixo*)  cum  pulcro 
smalto  cum  duabus  figuris  relevatis  °)  videlicet  sanctorum  Francisci 
et  Antonii  et  super  cai)uteolum  est  unus  Crucifixus  in  campo  aureo 
a  parte  vero  superiori  dicti  Crucifixi  est  una  finis  cum  aviclis  suis 
et  a  parte  anteriori  sunt  octo  figurae  cum  Anuunciata.  foderata 
tella  rubea. 

Item  unum  aliud  pluviale  de  velluto  azuro  et  zallo  per  modum 
trexarum  cum  frixi'^  aureis  trexatis  cum  uno  solempni  frixo  recha- 
mato*^)  ad  figuras  et  cum  uno  pulcro  smalto  cum  duabus  figuris. 
videlicet  sanctorum  Francisci  et  Antonii  et  super  caputeum  est 
figura  sancti  Jeronimi  cardinalis,  tela  alba. 


'I  Auf  der  Capiize  ersah  man  ein  gesticktes  Wappenschild  (clipeus) 
mit  silbernen  Flammen  und  solchen,  die  in  rötlilicher  Seide  gestickt 
waren.  An  der  untern  Spitze  des  Schildes  erblickte  man  einen  grün- 
seidenen  Knauf,  jedenfalls  mit  dai'an  befindlicher  Quaste  von  Seide. 
Dieser  ehemalige  Mantel  Carls  IV.  war  im  Inneren  mit  rothem  Sei- 
dentaffet  als  Futterstoff  überzogen .  der  durch  die  Länge  der  Zeit 
Risse  erhalten  hatte. 

■■'l  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  wurde  in  diesem  reichverzierten  Man- 
tel, dessen  Cappa  in  Stickerei  das  Wappen  des  Erzbischofs  Arnest 
von  Pardubitz  und  zugleich  das  des  Prager  Dums  zeigte.  Carl  IV.  als 
König  von  Böhmen  gekrönt,  und  liess  der  ebengedachte  Kaiser  nach 
seiner  Krönung  den  prachtvoll  gestickten  Mantel  dem  Schatze  der 
Prager  Domkirche  als  Geschenk  übergeben. 

*)  Gleichbedeutend  mit  Stabverzierung,  aurifrisia,  praelexla. 

')  Mit  Heiligenfiguren  in  getriebener  Arbeit. 
Gleichbedeutend  mit  acu  picta,  breudata. 


—    315  — 


Item  unum  aliud  pluviale  pulcrum,  medium  de  purpiira  alba, 
eontextum  de  auro  et  aliud  medium  de  veluto  azuro  vergato  virgis 
aureis  cum  uno  smalto  de  ai  gento  cum  una  Figura  de  argento  in 
medio  ipsius  smalti,  cum  uiiu  frixo  rechamato  de  serico  et  super 
caputeum  habet  figuram  sancti  Antonii  et  unius  Archiepiscopi  de 
auro,  foderatiim  tella  zalla. 

Item  unum  aliud  pluviale  de  veluto  azuro  virgulatum  per  tutum 
virgis  aureis  cum  uno  pulcro  frixo  rechamato  ad  tiguras  et  cum 
uno  pulcro  siualto  et  cum  una  figura  argentea  in  medio  et  super 
caputeum  virginem  cum  filio,  foderatum  tella  viridi  ^). 

Item  unum  aliud  pluviale  de  serico  viridi  laborato  cum  avilnis 
habentibus  pedes  et  capita  alba  cum  uno  frixo  rubeo  laborato  de 
grixolina  et  in  fine  caputei  habet  unum  peculum^)  Cristaliuum, 
foderatum  sindone  rubeo. 

Das  Schatzverzeichniss  der  Domkirche  zu  Olmütz  vom  Jahre 
1435  enthält  ebenfalls  eine  grosse  Zalil  von  reichgestickten  Ves- 
permänteln und  geht  aus  den  ziemlich  ausführlichen  Beschreibun- 
gen derselben  hervor,  dass  bereits  gegen  Mitte  des  XV.  Jahrhun- 
derts sowohl  die  vordem  Stäbe,  als  auch  das  capuiium  an  der 
hintern  Seite  mit  Büdstickereien  verziert  waren.  Wir  heben  aus 
der  grossen  Zahl  in  Folgendem  nur  wenige  hervor:  Item  primo 
cappa  alba  ymaginibus  angelicis  cum  armis  Christi  et  praetexta 
aurea  cum  passione  Christi  oniata,  habens  lapidem  album  ab  ante 
ad  modum  capitis  humani  cum  rubea  subductura.  Item  cappa 
alba,  habens  praetextam  auream  cum  sex  ymaginibus,  a  parte 
dextra  ymago  Beatae  Virginis,  Mainae  Magdalenae,  Catharinae, 
in  einistra  parte  ymago  Salvatoris  Fetri  et  Pauli,  in  clipeo  a  tergo 
(ymago)  Beatae  Virginis  cum  duobus  angelis,  cum  rubea  subductura. 
Item  cappa  all)a  diversis  animalibus  et  avibus  aureis  intexta,  cum 
praetexta  aurea  cum  X  ymaginibus  ab  ante,  cum  nodo  de  perlis, 
cum  rubea  subductura. 

Item  cappa  fiavea  cum  aureis  avibus  et  cedulis  literis  graecis 
per  totum  inserta,  habens  praetextam  cum  ymaginibus  XIV. 

Item  cappa  rubea  de  haxamit  habens  a  latere  praetextas. 

Unter  den  reichen  kirchlichen  Ornaten,  die  Pabst  Bonifacius  VIII. 
aus  dem  Gesclilechte  der  Conti  zu  Anagni  der  Kirche  seiner  Va- 
terstadt schenkte,  der  er  frühei-  als  Bischof  vorgestanden,  finden  wir 


')  Mit  grünem  Stofi'  gefüttert. 

^)  Der  Krystallknauf  an   der  unteren  Spitze  des  Schildes  wird  hier 
peailum  genannt. 


—    316  — 


eine  grosse  Zahl  von  reich  gestickten  und  golddurchwirkten  Plu- 
vialen  verzeichnet,  von  welchen  wir  hier  einige  ihrem  Wortlaute 
nach  anführen:  Item  unum  pluviale  de  sammito  rubeo,  laborato 
ad  acum  de  auro  battuto '  i  ad  griphos,  papagallos,  et  aquilas  cum 
duobus  capitibus  et  aurifrisio  cum  pernis^).  Item  unum  ahud  no- 
bile pluviale  album,  auro  contextum,  cum  avibus  et  diversis  operi- 
bus,  cum  aurifrisio  de  pernis,  cum  centum  septuaginta  duobus  petiis 
auri^),  qui  pro  smaltis,  et  quatuor  bottonibus*)  de  auro  et  pernis. 
quo  solus  Episcopus  debet  uti  tantum  in  festis  Beatae  Virginis. 

Item  unum  pluviale  laboratum  ad  acum  de  auro  battuto  et 
serico  de  diversis  historiis  et  passionibus  Sanctorum  foderatum  de 
Purpura  rubea  ad  aves  croceas^).  Item  unum  pluviale  ad  arma 
regis  Castiliae  ^ )  cum  duobus  pernis  de  argento  in  caputio^).  Item 
unum  pluviale  de  sammito  nigro  cum  amplo  aurifrisio  de  auro  sine 
opere. 

Nachträglich  mögen  hier  noch  die  verschiedenen  Angaben 
De  Moleou's  ihrem  Wortlaute  nach  eine  Stelle  finden,  in  welchen  die- 
ser französische  Gelehrte  über  Form,  Beschaffenheit  und  Gebrauch 
jener  Chormäntel  berichtet,  die  sich  noch  im  vorigen  Jahrhundert, 


M  auruin  battutum  ist  das  franz.  »or  battu«  und  waren  vermittelst 
gesciilagener  Goldfäden  Greife,  Papageien  und  Adler  mit  Doppelköpfen 
gestickt. 

perna  gleichbedeutend  mit  perla,  raargarita. 

^)  Diese  petii  auri  sind  kleine  in  Goldblech  getriebene  Ornamente,  wie 
sie  ebenfalls  an  dem  Chormantel  im  Schatze  zu  Aachen  (vgl.  Taf.  XLII.) 
gehämmert  vorkommen.  Diese  Verzierungen,  zuweilen  auch  plicae  au- 
reae  oder  tasselli,  monilia  genannt,  waren  nicht  selten  stellenweise 
mit  vielfarbigem  Schmelz  überzogen. 

*]  bottones,  an  andern  Stellen  boctones,  gleichbedeutend  mit  dem  ital. 
botton  und  franz.  boutons. 

^)  Offenbar  zeigten  sich  auf  diesem  pluviale  von  grösseren  Kreisen  ein- 
gefasst  eine  Menge  von  gestickten  Dai-stellungen  aus  dem  Leben  ver- 
schiedener Heiligen. 

^)  In  diesem  Futterzeug  von  purpurrother  Seide  waren  eingewirkte  Vö- 
gel in  gelber  Farbe  zu  ei-sehen. 

')  In  der  aurifrisia  dieses  Pluviale  waren  die  Wappenschilder  des  Königs 
von  Castilien  gestickt,  also  die  drei  Thürme,  wie  man  sie  in  französi- 
schen Webereien  und  Stickereien  aus  den  Tagen  Blanca's  von  Casti- 
lien, der  Mutter  Ludwigs  des  Heiligen,  häufig  findet. 
Ob  an  diesem  Pluviale  noch  das  caputium  als  cucullus  zur  Bedeckung 
des  Hauptes  befestigt  war,  oder  bereits  als  clipeus  in  ornamentaler 
Weise  die  Stelle  des  ehemaligen  caputium  einnahm,  ist  aus  dieser 
Andeutung  nicht  mit  Sicherheit  zu  ersehen. 


-  317 


aus  dem  Mittelalter  herrührend,  in  französischen  Kirchen  vor- 
fanden. 

aS^.  Martin  de  Tours.  —  Le  Chaperon  de  leur  plus  ancienne 
chappe,  qui  sert  ä  Noel,  ä  Päques  et  ä  l'Assomption,  est  taille  en 
forme  de  capuchon,  et  se  termine  en  pointe. 

Notre  Dame  de  Ronen.  —  II  y  a  encore  deux  anciennes  chappes 
rouges  que  ont  des  chaperons  oii  capuchons  pointus,  qui  servent 
aux  Fetes  Semidoubles  des  Martyrs  aux  premiers  Vepres,  ä  Matines 
et  ä  la  Messe,  comme  aussi  ä  la  Pi'ocession  qui  se  fait  aux  grandes 
Fetes  avant  la  grande  Messe.  On  sgait  que  ce  chaperon  ou  capu- 
chon se  mettait  sur  la  tete. 

St.  Maurice  d' Angers.  —  Les  chappes  ont  Ic  chaperon  un  peu 
en  pointe;  et  les  clasnhles  sont  si  amples,  qu'elles  ont  bien  cinq 
pieds  de  largeur,  et  pour  le  raoins  autant  de  longeur,  et  ne  sont 
qu'un  peu  echancrees  par  les  bras. 

St.  Etienne  de  Sens.  —  Les  chaperons  des  chappes  ne  sont 
pas  ronds ,  mais  un  peu  pointus  comme  ä  la  plupart  de  celles  de 
l'Eglise  Cathedrale  de  Rouen. 

St.  Agnan  d'  Orlkins.  —  A  la  grande  Messe  des  P'etes  Annuelles 
tous  etaient  revetus  de  chappes. 

Notre  Dame  de  Rouen.  —  On  faisait  aux  Fetes  solennelles  la 
Procession  avant  la  grand'  Messe,  et  tout  le  clerge  restait  en  chappes 
ä  la  Messe 

Notre  Dame  de  Rouen.  —  Aux  Fetes  de  Päques,  de  Pentecote, 
de  l'Assomption,  de  la  Dedicace  de  TEglise,  et  de  St.  Romain,  tout 
le  clerge  etait  en  chappes  a  la  Procession  et  restait  en  chappes  ä 
la  grand'  Messe,  ou'  il  y  en  avait  neuf  qui  etaient  sur  une  meme 
ligne  au  miheu  du  Choeur.    Iis  ne  sont  plus  que  cinq. 

Es  würde  ein  Leichtes  sein,  hier  noch  in  langer  Reihe  die 
Angabe  und  Beschreibungen  älterer  Schatzverzeichnisse  fortzuführen, 
die  ausführlicher  über  Form  und  künstlerische  Beschaffenheit  der 
Ohorkappe  gegen  Schluss  des  Mittelalters  Interessantes  berichten. 
Anstatt  der  Fortsetzung  dieser  Angaben  sei  es  vergönnt,  noch  we- 
nige Worte  über  die  Beschaffenheit  und  Form  jener  heute  noch 
erhaltenen  Pluviale  hier  hinzuzufügen,  die  unmittelbar  vor  dem 
Eintritt  der  Renaissance  und  zum  Theil  noch  unter  der  Herrschaft 


')  Daher  erklärt  sich  auch  in  den  Öchatzverzeichnissen  französischer, 
englischer  und  deutscher  Kathedral-Kirchen  die  Anführung  einer  so 
grossen  Zahl  reich  gestickter  Pluviale. 


—    318  — 


des  neuen  Styles  von  den  flandrischen,  rheinischen  und  schwäbischen 
Kunststickern  angefertigt  wurden. 

Bei  der  grossen  Fertigkeit,  welche  die  Innungen  der  Bildsticker 
gegen  Schluss  des  Mittelalters  und  im  Beginn  der  Neuzeit  erlangt 
hatten,  wurden,  insbesondere  in  den  Tagen  der  Regierung  Kaisers 
Karl  V.,  die  breiten  Flächen  der  Chormäntel  dazu  ausersehen,  den 
grössten  Reichthum  von  in  Gold  und  Sammet  gewebten  oder  ge- 
■-tickten  Musterungen,  ausgeführt  in  einem  grossartigen  Style,  hier 
zur  Geltung  zu  bringen.  Auch  die  aurifiisiae  oder  pruetextae.  die  als 
schmale  Besatzstiicke  an  den  Chormänteln  des  XIV.  und  XV.  Jahr- 
hunderts kaum  die  Breite  von  5"  A'"  bis  6"  &"  hatten,  wurden  ohne 
Noth  im  XVI.  Jahrhundert  bis  zu  einer  Breite  von  10"  bis  11"  erwei- 
tert. Von  jetzt  an  werden  nicht  so  häufig  mehr  einzelne  Heiligen- 
figiiren,  von  Baldachinen  überragt,  in  Plattstich  ausgeführt,  sondern 
es  werden  häufiger  ganze  Scenen  aus  dem  Leben  des  Herrn,  der  aller- 
seligsten  Jungfrau  und  verschiedener  Heiligen  nicht  selten  in  höchster 
Vollendung  durch  Nadelmalerei,  zuweilen  aber  auch  in  der  weniger 
kunstvollen  Mosaikstickerei  erzielt.  Mit  dieser  Erweiterung  der  Stäbe 
stand  auch  im  Einklänge  die  Vergrösserung  des  Schildes,  das  vom 
XVI.  Jalu'hundert  ab  nicht  mehr  in  eine  Spitze  ausmündete,  sondern 
nach  unten  sich  rund  gestaltete  und,  hinsichtlich  seiner  Grösse  über 
Gebühr  ausgedehnt,  über  den  Rücken  des  Trägers  sich  ausdehnte. 
Die  Schilde  an  den  Chormänteln  des  XIV.  und  XV.  Jahrhunderts, 
die  eine  grösste  Länge  von  kaum  12"  bis  14"  hatten,  erreichten  im 
XVI.  und  mehr  noch  im  XVII.  Jahrhundert  durchsei inittlich  eine 
Ausdehnung  von  18"  bis  20"  bei  einer  grössten  Breite  von  18". 

In  den  Sakristeien  der  ehemaligen  Stiftskirche  von  Xanten  am 
Niederrhein,  dessgleicheu  auch  in  Calcar,  sowie  im  Schatz  der 
früheren  Stiftskirche  zu  Tongern  hat  sich  noch  eine  grosse  Zahl 
solcher  mit  Figurenstickereien  reich  verzierten  Chormäntel  erhalten, 
die  aus  der  eben  bezeichneten  Epoche  herrühren.  Auch  auf  der 
internationalen  Ausstellung  mittelalterlicher  Kunstgegenstände  in 
Mecheln,  veranstaltet  im  Jahre  1864,  ersah  man  eine  grosse  Zahl  von 
reich  gestickten  cappae,  die  sich  heute  noch  zahlreich  in  belgischen 
und  holländischen  Kirchen  befinden.  Ferner  werden  im  Schatz  des 
Münsters  zu  Aachen,  aus  der  ersten  Hälfte  des  XVI.  Jahrhunderts 
herrührend,  heute  noch  vier  reich  verzierte  Chormäntel  aufbewahrt, 
deren  campt  aus  einem  kostbaren  gemusterten  Rothsammt  mit 
geschnittenen  und  ungeschnittenen  Dessins  besteht.  Diese  cappae 
sind  unten  mit  geschlossenen  Silberschellchen,  jedesmal  27  an  der 


-    319  ^ 


Zahl,  verziert,  deren  Form  und  Gestaltung  auf  Tafel  XXX  unter 
Figui"  6  ersichtlich  ist'). 

Die  Stäbe  und  die  hintern  Schilde  dieser  vier  Chormäutel  sind 
in  flandrischer  Weise  reich  mit  Heiligenfiguren  auf  Goldfond  ge- 
stickt. Sowohl  diese  Figuren  als  auch  die  Breite  der  auri/risiae, 
dessgleichen  der  cUpei,  können  zum  Belege  dienen,  dass  dieselben 
erst  am  Schlüsse  des  ersten  Viertels  des  XVI.  Jahrhunderts  ange- 
fertigt worden  sind.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  waren  die  hin- 
tern Schilde  dieser  cappae,  in  Uebereinstimmung  mit  den  silbernen 
Schellchen  am_  untern  Saum,  ebenfalls  mit  hullae  von  vergoldetem 
Silber  verziert,  mit  welchem  reich  gearbeitete  Seidenquasten  in 
Verbindung  standen. 

Wir  haben  auf  Tafel  XXX  unter  Figur  7  und  8  zwei  dieser 
pomella  in  verkleinertem  Maassstabe  biklJich  wiedergegeben.  Leider 
sind  diese  merkwürdigen  Abschlussknäufe  an  den  clipei  dieser  Chor- 
kappen ihrer  ursprünglichen  Stelle  vielleicht  erst  seit  dem  vorigen 
Jahrhundert  entrückt  und  vor  einigen  Jahrzehnten  eigenthümlicher 
Weise  als  hohle  Kugeln  dazu  benutzt  worden,  um  vermittelst  ein- 
gelassener Stiele  von  Silber  als  Schwengstäbe  zum  Austheilen  des 
Weihwassers  gebraucht  zu  werden.  Mit  Grund  steht  zu  helfen, 
dass  diese  Knäufe  als  primitive  Ornamente  mit  den  Schilden  der 
ebengedachten  Chorkappen  in  nächster  Zeit  wieder  in  Verbindung 
gesetzt  werden. 

Die  Quasten  an  der  unteren  Abrundung  der  echapperons  von 
reicheren  Chormänteln  hatten  seit  dem  XVI.  Jahrhundert  das  Be- 


')  Im  Hinweis  auf  die  im  .\achener  Schatz  erhaltenen  vier  pluvialia 
unterlassen  wir  nicht,  bei  der  Aufzählung  von  heute  noch  vorfind- 
lichen  cappae  des  Mittelalters,  nachträglich  darauf  aufmerksam  zu  ma- 
chen, dass  in  der  Kirche  von  Saint  Maximin,  Departement  du  Vare, 
noch  ein  in  Plattstich  gestickter  Chormantel  des  h.  Ludwig  von  Tou- 
louse aufbewahrt  wird,  der,  gleich  der  auf  Seite  289  erwähnten  cappa 
von  Anagni,  aus  dem  XIII.  Jahrhundert  herrührt.  Dieser  Chormantel, 
der  sich  durch  äusserst  reiche  Figurstickereien,  ausgeführt  in  30  Rund- 
medaillons, als  französische  Meisterarbeit  vortheilhaft  auszeichnet,  ist 
in  einer  besonderen  Monographie,  unter  Hinzufügung  von  16  Abbildun- 
gen in  Kleinfolio,  bereits  im  Jahre  1855  beschrieben  worden  unter  dem 
Titel:  Notice  sur  la  chape  de  St.  Louis,  eveque  de  Toulouse,  par  L.  et 
Th.  Rostan.  Auch  unter  den  gestickten  Ornaten  im  Kensington-Museum 
zu  London  sahen  wir  im  vorigen  Jahre  eine  merkwürdige  cappa,  deren 
Stäbe  mit  gestickten  Figuren  aufs  reichste  verziert  waren,  welche  zu 
den  vorzüglichsten  heute  noch  erhaltenen  cappae  zu  zählen  ist,  welche 
das  XIV.  Jahrhundert  auf  englischem  Boden  entstehen  sah. 


320  - 


streben,  sich  immer  weiter  auszudehnen,  und  drohten  sogar  Haupt- 
sache werden  zu  wollen.  In  deutschen,  belgischen  und  holländi- 
schen Diöcesen  haben  sich  diese  Quasten  noch  an  festtäglichen 
Pluvialen  bis  zur  Stunde  meistens  in  kunstreicher  Posamentirarbeit 
erhalten.  In  Rom  und  in  Italienischen  Diöcesen  scheinen  sie  hin- 
gegen seit  dem  XVI.  Jahrhundert  mehr  und  mehr  in  Wegfall  ge- 
kommen zu  sein. 

Schliesslich  machen  wir  hier  noch  auf  den  Schnitt  und  die  grosse 
Länge  von  bischöflichen  Chorkappen  aus  dem  Sclüusse  des  XV.  und 
dem  Beginne  des  XVI.  Jahrhunderts  aufmerksam,  die,  in  Ueberein- 
stimmung  mit  den  weiten  Schleppen  an  den  priesterhchen  und  bischöf- 
lichen Talaren,  ebenfalls  am  untern  Saume  mit  einer  Schleppe  ver- 
sehen waren.  In  einigen  Diöcesen  hatten  dieselben  eine  solche  Aus- 
dehnung, dass,  ähnlich  den  Hofkleidern  mit  langen  Schleppen,  auch 
die  Chorkappe  am  untern  Saume  eine  solche  Verlängerung  zeigte, 
dass  dieselben  von  caudatarii  nachgetragen  werden  mussten,  damit 
bei  feierlichen  Processionen  das  lange,  faltenreiche  Gewand  dem  Trä- 
ger nicht  beschwerlich  wurde.  Wir  haben  auf  Taf.  XVII  des  vorliegen- 
den II.  Bandes  eine  bischöfliche  Figur  nach  einem  alten  Tempera- 
Gemälde,  im  Besitze  von  Prof.  Dr.  Vosen  in  Köln,  abgebildet,  wel- 
ches einen  Bischof,  bekleidet  mit  einem  prachtvollen  Pluviale  aus 
dem  Schlüsse  des  XV.  Jahrhunderts,  veranschauhclit,  die  eine  solche 
Länge  hat,  welche  einer  cauda  ähnlich  ist.  Seit  den  Tagen  des  Mittel- 
alters bis  auf  die  Neuzeit  trägt  auch  der  h.  Vater,  wenn  er  in  der 
Sixtinischen  Kapelle  in  der  Charwoche  dem  feierlichen  Gottesdienste 
unter  dem  Throne  beiwohnt,  ein  prachtvolles  Pluviale,  welches  mit 
der  im  Bilde  auf  der  eben  bezeichneten  Tafel  XVII  veranschaulich- 
ten cappa  ihrer  Längenausdehnung  nach  ziemhch  übereinstimmt. 
Es  hat  dieselbe  nämlich  eine  solche  Längenausdehnung,  dass  sie  die 
obersten  Stufen  des  päbstlichen  Thrones  vollständig  bedeckt,  wenn 
der  Pabst  unter  dem  Thron-Baldachin  stehend  sich  erhoben  hat. 

Welche  Form  und  künstlerische  Beschaffenheit  das  piviale  im 
nördhchen  Italien  seit  dem  XVI.  Jahrhundert  aufzuweisen  hatte, 
erhellt  aus  den  Bestimmungen  des  Bischofs  Carl  von  Novara,  der 
in  seiner  Abhandlung:  «De  mensuris  propriis  sacrae  suppellectilis,\( 
hinsichthch  der  Grössenverhältnisse  und  der  Verzierung  unseres  Or- 
nates Folgendes  angegeben  hat :  Es  reiche  der  Chormantel  bei  einer 
Länge  von  4'  10"  bis  an  die  Knöchel  hinab ,  und  dehne  sich  halb- 
kreisförmig in  die  Breite  aus;  an  dem  vordem  Rande  sei  er  von 
oben  bis  unten  mit  goldgestickten  Verzierungen  verbrämt;  auf  der 
hintern  Seite  befinde  sich  eine  schildförmige  Kapuze,  deren  Stickerei 


—  321 


mit  jener  an  der  vordem  Seite  übereinstimmt.  Nacli  römischer  Sitte 
sollen  die  Fransen,  mit  welchen  die  hintere  cappa  besetzt  ist,  etwas 
breiter,  die  Fransen  hingegen  am  äussersten  Saume  etwas  kürzer 
sein;  auf  der  Brust  möge  sich  eine  Schliesse  mit  3  oder  4  grossen 
Haken  befinden;  die  an  dem  Sehilde  herabhängende  Quaste  ist  in 
ßom  beim  Säcularclerus  nicht  mehr  in  Gebrauch. 


-  322 


Capitel  Yll. 

Die  geistliche  Hanstracht  und  die  Chorkleidung 
des  Pfarr-  und  Stiftsclerus. 

In  dem  vorliegenden  II.  Band  Cap.  V  und  VI  ist  es  versucht 
worden,  eine  allgemeine  üebersicht  über  die  Entstehung,  Entwick- 
lung und  künstlerische  Verzierungsweise  jener  liturgischen  Ornate 
im  chronologischen  Zusammenhange  zu  liefern,  deren  sich  die  Bi- 
schöfe, dessgieichen  die  celebrirenden  Priester,  die  Diaconen  und 
Assistenten  bei  Feier  des  heil.  Messopfers  nach  kirchlichen  Vor- 
schriften vorzugsweise  im  Mittelalter  bedienten.  In  dem  vorliegen- 
den Cap.  VII  sollen  in  kurzen  Umrissen  jene  Gewänder  besprochen 
und  durch  Abbildungen  näher  erläutert  werden,  mit  welchen  be- 
kleidet der  Stifts-  und  Cathedral-Clerus  seit  den  Tagen  des  Mittel- 
alters dem  Chordienste  obliegt,  und  deren  sich  auch  die  Pfarr- 
geistlichen bei  Verrichtung  von  verschiedenen  kirchlichen  Handlun- 
gen zu  bedienen  pflegen. 

A.  Der  Talar  oder  die  Sutane  (vestis,  toga,  tuuica  talaris  vel 

subtaua). 

Seit  jener  Zeit,  wo  bei  der  Strömung  der  Völkerwanderun}^ 
neue,  fremdartige  Sitten,  Gebräuche  und  Gewänder  auch  in  Rom 
Eingang  fanden,  und  es  bei  dem  steten  Wechsel  der  Profangewän- 
der nöthig  wurde,  dass  die  Kirche  bei  jenen  geschichtlich  ererb- 
ten Kleidungen  verharrte,  die  grösstentheils  den  hervorragenden 
Senatoren-Gewändern  des  classischen  Roms  entlehnt  waren,  zeicli- 
neten  sich  die  priesterlichen  Ornate  durch  ihren  feierlichen  Ernst 
und  durch  ihren  würdevollen,  faltenreichen  Schnitt  vor  jenen  Ge- 
wändern aus,  welche  durch  die  fremden  Eroberer  sich  nach  Italien 
Eingang  verschafft  hatten.  Bei  der  fortwährenden  Veränderung.'; 
der  Kleiderformen,  die  auch  in  jenen  Jahrhunderten,  welche  unmittel- 
bar der  Völkerwanderung  folgten,  noch  fortdauerte,  erhielt  sich 
in  der  römischen  Kirche  als  priesterliches  Gewand  für  den  gewöhn- 
lichen Tagesgebrauch  fortwährend  jener  Leibrock,  der  in  seinem 
Schnitt  und  in  seiner  Gestalt  an  die  römische  tuuica  erinnerte  und 
mit  einigen  Veränderungen  von  diesem  altrömischen  Gewände  sei- 
nen unmittelbaren  Ursprung  ableitete*). 


')  Vgl.  das  Nähere  über  die  toga  und  tunica,  deren  Form  und  Verzierung>ä- 
weise  bei  Octavius  Ferrarius  de  re  vestiaria  lib.  II.  cap.  VIII  bi«  XI. 


—    323  — 


Als  ferner  auch  im  Laufe  des  Mittelalters  immerwährende  Verän- 
derungen in  den  Laieukleidern  eintraten,  und  die  profanen  Gewän- 
der für  den  täglichen  Gebrauch  nicht  selten  durch  die  Kostbarkeit 
der  Stoffe  und  den  Reich tlium  der  Vei'zierungen,  dessgleichen  diirch 
Eigenthünilichkeit  des  Schnittes  sich  unterschieden,  erhielt  sich  mit 
geringen  Veränderungen  als  Hausgewand  für  den  Secularclerus 
jener  faltenreiche,  vom  classischen  Rom  herrührende  Talar,  der 
desswegen  die  Bezeichnung  iunica  tuluris  fühi'te,  weil  er  bis  zu  den 
Knöcheln,  uaque  at  talos,  faltenreich  herunterstieg  und  in  weitem, 
parallel  nebeneinander  fortlaufenden  Faltenwurf  den  Körper  des 
Trägers  so  bedeckte  und  umhüllte,  dass  die  einzelnen  Theile  des- 
selben keinen  Ausdruck  fanden.  Neben  der  Bezeichnung  toga  oder 
tunica  talaris,  die  an  und  für  sich  schon  auf  den  römischen  Ur- 
sprung hinweist,  tritt  im  Laufe  des  Mittelalters  die  Benennung 
subtaneum  oder  suhtuna  auf,  aus  welchem  Namen  die  französi- 
sche Benennung  soutane  und  die  deutsche  Bezeichnung  Sutane  her- 
zuleiten ist.  Ob  der  Ansicht  des  Du  Gange  Gewicht  beizulegen  sei, 
wenn  er  ad  vocem  »subtaneum«  anführt:  »togae  seu  tunicae  sptcies, 
quam  etiam  nunc  «Soutane«  vocamus,  quod  forte  Sultauorum  seu  Tur- 
corum  vestis  propria  fuerit,«  lassen  wir  hier,  weil  er  keine  Belege 
dazu  beibringt,  dahingestellt  sein. 

Es  würde  für  die  Zwecke  des  vorhegenden  Werkes  zu  weit 
führen,  wenn  wir  unter  Hinweis  auf  mittelalterliche  Malereien  und 
Miniaturwerke  den  Nachweis  führen  wollten,  welche  vielfache  Ver- 
änderungen und  Umgestaltungen  der  priesterliche  Talar  im  Laufe 
des  Mittelalters  durchgemacht  hat.  Um  kurz  zu  sein,  sei  hier  nur 
bemerkt,  dass  schon  seit  dem  Mittelalter  zwei  Formen  desselben  zur 
Geltung  kamen.  Entweder  stieg  derselbe  in  weitem  faltenreichen 
Umfange  vom  Halse  bis  zu  den  Füssen  des  Trägers  herunter,  so 
dass  auch  der  Oberkörper  unter  dem  Faltenreichthum  desselben 
verhüllt  bheb,  oder  aber  der  Talar  legte  sich  enge  dem  Oberkörper 
des  Trägers  an  und  wurde  vermittelst  einer  Reihe  von  Knöpfen 
von  der  HalsöHnung  bis  zu  den  Füssen  geschlossen.  Dieses  letzte, 
auf  der  Brust  anliegende  Gewand  mit  engen  Aermeln,  das  an  der 
Vorderseite  der  ganzen  Ausdehnung  nach  zugeknöpft  wird,  er- 
weitert sich  nach  Unten  hin  so  faltenreich,  dass  es  das  bequeme 
Ausschreiten  der  Füsse  nicht  beengt.  Diesen  Leibrock  nennt  man  in 
verschiedenen  deutschen  und  französischen  Diöcesen  Sutane' j,  zum 


')  Sulanelle,  das  Diminutiv  von  Sutane,  wird  in  einigen  deutschen  Bis- 
thümeru  jener  Ueberrock   genannt,  dessen  sich  die  Geistlichen  als 


—    324  — 


Unterschiede  von  dem  weiten  faltenreichen  Talar,  der  den  Oberkör- 
per nicht  enge  umschliesst,  sondern  fast  in  derselben  Weite  und  Aus- 
dehnuns;,  von  einem  kleinen  aufreclitstehenden  Halskragen  überragt, 
bis  zu  den  Füssen  faltenreich  herniedersteigt.  Dieser  letzgedachte 
priesterliche  Talar,  von  dem  auch  das  richterliche  Gewand  sowie 
das  amtliche  Doctorenkleid  herzuleiten  ist,  wie  es  heute  noch  an 
einigen  Universitäten  bei  feierlichen  Veranlassungen  von  den  Mit- 
gliedern der  verschiedenen  Facultäten  getragen  wird,  scheint  ehe- 
mals mit  weiten  Aermeln  versehen  gewesen  zu  sein.  Da  jedoch 
die  Anlegung  des  .nipcrpellicewn,  von  dem  in  der  Folge  gehandelt 
werden  wird,  durch  die  weite  Ausdehnung  der  Aermel  des  Talars 
theilweise  behindert  wurde,  so  kommen  in  verschiedenen  Bisthümern 
bereits  gegen  Ausgang  des  Mittelalters  Talare  mit  angesetzten  en- 
gen Aermeln  vor  oder  mit  Durchlässen  für  die  Arme.  Wie  über- 
haupt bei  allen  Veränderungen,  die  im  Laufe  der  Jahrhunderte 
sowohl  an  den  vfstes  sacrue  als  auch  an  den  vestes  profanae,  der 
Geistlichen  stattfanden,  noch  immer  einzelne  Ueberbleibsel  beibe- 
halten wurden,  die  an  die  ursprüngliche  Gestalt  des  betreffenden 
Gewandstückes  vor  seiner  Umgestaltung  erinnerten,  so  hat  sich 
auch  in  mehreren  Diöcesen  au  dem  faltenreichen  Talar  zur  Er- 
innerung an  die  ehemaligen  weiten  Aermel,  unmittelbar  an  dem 
heutigen  Ausschnitt  zum  Durchlassen  der  Arme,  ein  langer  schma- 
ler Stotfstreü'en  erhalten,  der  gleichsam  als  Schleppe  und  Ver- 
zierung bis  zu  dem  Saume  des  Talars  herunterreicht  und  der  in 
den  letzten  Jahrhunderten  hin  und  wieder  mit  Fransen  und  mit 
Posamentir-Arbeiten  besetzt  worden  ist. 

Was  nun  den  Stoff  oder  das  Material  betrifl't,  aus  welchem 
der  priesterliche  Talar  seit  dem  Mittelalter  bis  zur  Stunde  ange- 
fertigt wurde,  so  ist  im  Allgemeinen  anzugeben,  dass  zur  Anferti- 
gung desselben  meistens  Wollenstoffe  verwendet  zu  werden  pflegten. 
Auch  halbseidene  Stoff'e,  die  im  Mittelalter  im  Gegensatze  zu  den 
schweren  Seidenstoffen  tela  subserica  hiessen ,  fanden  häufig  bei 
Anfertigung  von  Talaren,  namentlich  zum  Gebrauche  der  Stifts- 
geistlichkeit, eine  Verwendung.    Auch  reichere  Talare  finden  sich 


Profangewand  öffentlich  bedienen.  Derselbe  bedeckt  mit  stehendem 
Halskragen  eng  anliegend  die  Arme  und  den  Oberkörper  grade  wie 
die  Sutane;  nur  wird  derselbe  an  den  bis  weit  über  die  Kriiee  herun- 
tersteigenden Rock-  oder  Schoostheilen  in  der  Regel  nicht  durch 
Knöpfe  geschlossen  und  ist  seiner  Kürze  wegen  beim  Ausgehen  be- 
quemer als  die  Sutane. 


—    325  — 


vor,  die  aus  schwerer  Seide  (gros  de  Tours)  angefertigt  wurden. 
Ferner  trifft  man  auch  noch  festtägliche  Talare  aus  dem  vorigen 
Jahrhundert  an,  die  aus  einem  schweren  Seidendamast  mit  grossem 
ßlumenwerk  bestehen. 

Hinsichtlich  der  Farben,  die  bei  dem  priesterhchen  Leibrock 
seit  dem  Mittelalter  vorkamen,  ist  zu  bemerken,  dass  schon  seit 
mehrern  Jahrhunderten,  in  Folge  von  Beschlüssen  verschiedener  Sy- 
noden und  Concilien,  der  Talar,  den  der  Priester  auch  unter  den 
früher  beschriebenen  ve.stes  sacrae  als  Untergewand  meistens  zu 
tragen  pflegt,    durchgehends  von  schwarzer  Farbe  angefertigt 
wurde.    Nur  die  Bischöfe,  die  Hausprälaten  des  Pabstes  sowie  jene 
Monsignori,  die  zur  faiinylia  Fondficia  gehören,  dessgleichen  auch 
die  Canoniker  mehrerer  bischöflichen  Kirchen  haben  das  Recht, 
Talare  von  violetter  Farbe  zu  tragen.    Seit  den  Tagen  Pabst  Inno- 
cenz  HI.  ist  die  Farbe  der  Sutane  der  Cardinäle  die  hochrothe;  nur 
allein  der  Pabst  pflegt  einen  Talar  von  feinem  weissen  Tuche  anzule- 
gen ').   Schon  seit  dem  i'riiheu  Mittelalter  zeichnete  der  faltenreiche 
Talar  den  Geistlichen,  wie  oben  angedeutet  wurde,  selbst  im  gewöhn- 
lichen Leben  aus.  Beim  Ausgehen,  namentlich  zur  Winterzeit,  pfleg- 
ten die  Cleriker  über  dem  Talar  einen  faltenreichen,  oft  mit  einer  Ca- 
puze  versehenen  Mantel,  zu  tragen,  der  in  verschiedenen  Zeitläuften 
Umgestaltungen  erfahren  hat.  Der  Wechsel  der  Tageskleidung  im 
profanen  Leben  scheint  in  allen  Jahrhunderten  des  Mittelalters 
auch  auf  die  geistliche  Tracht  mehr  oder  weniger  Einfluss  ge- 
habt zu  haben,  so  dass  einzelne  Bischöfe ,  dessgleichen  auch  ver- 
schiedene Synoden  im  Laufe  der  Jahrhunderte  sich  veranlasst  fan- 
den, den  Einfluss  des  profanen  Gewandes  mit  seinen  manigi'alti-  O 
gen,  wechselnden  Formen  und  Farben  von  der  profanen  Kleidung 
des  Secularclerus  fern  zu  halten.   So  schreibt  schon  ein  Concil,  ab- 
gehalten in  den  Tagen  der  Karolinger  zu  Metz  888  vor,  dass  die 
Cleriker  keine  Waffen  und  keine  Laiengewänder  tragen  dürfen;  es 
verbietet  aber  auch  den  Laien  das  Tragen  jenes  Gewandes,  das  den 
Priester  im  gewöhnhchen  Leben  auszeichnete^).    Ferner  bestimmt 

')  Die  Farbe  der  Sutane  der  Zöglinge  verschiedener  Priester-CoUegien 
und  Seminarien  in  Rom  ist  verschieden;  so  sahen  wir  mehrere  Eleven 
daselbst,  die  blaue  Sutanen  tragen;  die  Zöglinge  der  römischen  Aca- 
demie  tragen  Talare  in  violetter  Farbe  und  die  Alumnen  des  Collegium 
Germanicum  zeichnen  sich  durch  Talare  von  rother  Farbe  aus. 

-J  Der  "Wortlaut  des  Concils  von  Metz  vom  Jahre  888  ist  folgender:  Ut 
nemo  clericorum  arma  portet  vel  indumenta  laicalia  induat,  i.  e.  Cot- 
tas vel  mantellos  sine  cappa  non  portent,  et  laici  cappas  non  portent.  ^ 

22* 


—  526 


das  Concil  von  Rheims  vom  Jahi'e  1148,  dass  die  Verschieden- 
heit und  der  Reichtlium  der  Farben  von  der  geisthchen  Tracht 
fern  gehalten  werden  solle.  Ein  Concil  von  Aviguon ,  abgehalten 
1209,  befiehlt  den  Clerikern,  namentlich  aber  den  Mitgliedern  der 
geistlichen  Orden,  geschlossene  lange  Gewänder  zu  tragen,  und  ver- 
bietet ausdi-ücklich  Gewänder  von  hellen  Farben  und  von  Seiden- 
stoffen. Das  Concil  von  Tours,  das  nicht  viel  sj)äter,  nämlich  123Ö 
gefeiert  wurde,  schreibt  wörtlich  vor,  dass  die  Geistlichen  im  ge- 
wöhnlichen Leben  öffentlich  nicht  anders  erscheinen  sollen  «nisi 
in  cappis  clausis  vel  in  mantellis;  clausa  etiam  habeant  supertuni- 
caha  1 ).  (( 

Als  mit  dem  XIV.  und  XV.  Jahrhundert,  der  Blüthezeit  des 
Ritterthunis  und  des  Zunftwesens,  eine  Sucht  nach  auffallend  ge- 
stalteten Gewändern  von  kostbaren  Stoffen  und  brillanten  Farben 
sich  im  christlichen  Abendlande  geltend  machte,  gegen  welche  Aus- 
schreitungen des  Luxus  und  der  Kleiderpracht  eine  Menge  Luxus- 
gesetze erschienen,  scheinen  diese  Uebertreibungen  in  Kleiderformen 
auch  auf  das  geistliche  Profangewand  einen  mehr  oder  weniger  um- 
gestaltenden Einfluss  gewonnen  zu  haben.  Diesen  Einwirkungen  ge- 
genüber sah  sich  das  Concil  von  Paris  vom  Jahre  1428  genöthigt, 
strengere  Vorschriften  zu  erlassen,  wodurch  diesem  Einfluss  der  pro- 
fanen Mode  auf  die  priesterliche  Kleidung  Schranken  gestellt  werden 
sollten.  Wir  lassen  ia  freier  Uebersetzung  die  Verordnung  des 
ebengedachten  Pariser  Concils  hier  folgen,  da  die  Verbote  desselben, 
ins  Einzelne  gehend,  die  geistliche  Tracht  kennzeichnen,  wie  sie 
damals  von  Clerikern  im  gewöhnlichen  Leben  getragen  zu  werden 
pflegte:  «Vor  Allem  verbieten  wir  Allen  und  Jeden,  Tuniken  zu 
tragen  von  röthlicher  oder  grünlicher  Farbe,  die  unten  und  oben 
mit  Purpurstreifen  verbrämt,  und  solche,  die  mit  zu  grossen  Schlep- 
pen versehen  sind;  auch  verbieten  wir  die  zu  grossen  umgeschla- 
genen Halskragen ,  dessgieichen  die  allzugrossen  und  geschweiften 
Aermel;  aber  auch  jene  untersagen  wir,  welche  sich  durch  allzu  grosse 
Kürze  oder  Länge  bemerklich  machen,  dessgieichen  auch  die,  welche 
von  rückwärts  oder  von  vorne  höher  als  bis  auf  die  Kniee  aufgeschlitzt 
sind^).«    Wir  haben  nicht  unterlassen  wollen,  diese  interessante 

')  Unter  dem  supertunicale  dürfte  ebenfalls  ein  Gewand  zu  verstehen 
sein,  das  als  faltenreicher  Leibrock,  ähnlich  unserni  Talar,  noch  über 
ein  kürzeres  Unterkleid  angelegt  wurde. 

em  Wortlaute  nach  heisst  die  Stelle  wie  folgt;  »Praecipue  inhibenius 
quibuscumque,  ne  portent  tunicas  colorum  iiibeorum  vel  viridium  per 


—    327  — 


Stelle  ihrem  Wortlaute  nach  im  Citate  unten  folgen  zu  lassen,  zu- 
mal bereits  seit  dem  Schlüsse  des  Mittelalters  von  Frankreich  und 
namentlich  von  Paris  ausgehend,  sich  in  dem  Süden  und  Westen 
Europa's  der  französische  Kleidertand  und  die  Herrschaft  der  Pariser 
Mode  immer  weiter  und  weiter  auszudehnen  begann.  Bezeichnend 
ist  es,  dass  neben  den  faltenreichen  Aermeln  an  den  priesterlichen 
Profankleideru  bereits  gegen  Schluss  des  XV.  Jahrhunderts  auch 
die  Scldeppen  an  den  Talareu  zur  Geltung  kamen.  Diese  caudae 
an  den  priesterlichen  Talaren,  die  den  Hofkleidern  itahenischer 
und  französischer  Grossen  iui  XIV.  und  XV.  Jahrhundert  nach- 
geahmt, auch  auf  die  kirchlichen  Talare  allmähg  übergegangen 
sind,  haben  sich  bis  zur  Stunde,  wenn  auch  in  nicht  so  auf- 
fallender Ausdehnung,  an  den  priesterlichen  Leibröcken  in  vielen 
französischen,  belgischen  und  holländischen  Diöcesen  noch  erhal- 
ten. Man  muss  es  den  Franzosen  lassen,  dass  sie  sich  dieser 
caudae  am  Talar,  die,  was  die  Bewegung  und  den  Gang  betrifft, 
unter  vielen  Umständen  als  ein  lästiges  Anhängsel  erscheinen,  mit 
Anstand  und  Würde  zu  bedienen  Avissen  und  dass  sie  es  verstehen, 
durch  eine  geschickte  Schwenkung  des  Fusses  die  queue  des  Ta- 
lars in  die  jedesmal  erforderliche  Lage  zu  versetzen.  Soviel  uns 
bekannt  ist,  finden  sich  in  deutschen  und  österreichischen  Diöcesen 
die  Schleppen  nur  noch  selten  an  den  bischöflichen  Talareu  vor, 
und  haben  sich  dieselben  an  den  priesterlichen  Untergewändern 
gar  nicht  mehr  erhalten. 


B.  Der  Gürtel  (eingulum,  ligamen,  vinculum]. 

Gleichwie  die  Albe  vermittelst  eines  Gürtels  geschürzt  und 
durch  diese  Aufgürtung  mit  der  Körpergrösse  des  Trägers  in  Ein- 
klang gebracht  wurde,  so  pflegte  man  auch  den  geistlichen  Leib- 
rock, die  tunica  tahiris,  die  als  priesterliche  Tracht  den  Geistlichen 
auch  ausserhalb  der  Kirche  vor  dem  Laien  auszeichnete,  mittelst 
eines  Gürtels  um  die  Lenden  zu  befestigen.  Die  Anlegung  dieses 
chu/ulum,  das  hi  den  verschiedenen  Jahrhunderten  des  Mittelalters 
eine  grössere  oder  geringere  Breite  hatte,  diente  weniger  dazu,  den 
Talar  aufzuschürzen,  als  vielmehr  dem  weiten  Untergewande  grös- 


inferius  aut  superius  porfilatas  aut  nimium  caudatas,  nec  etiam  mag- 
nos  colletos  reversos,  aut  manicas  nimium  grossas  seu  caudatas,  nec 
nimia  brevitate  aut  longitudine  notandas,  nec  scissas  a  parte  poste- 
riori seu  a  parte  anteriori  nisi  usque  ad  genua.« 


328  - 


sern  Halt  zu  geben  und  die  Falten  desselben  gleicbmässig  zu  ord- 
nen. Zugleich  hatte  aber  auch  dieser  Gürtel  den  Zweck,  den 
höchst  einftichen  Anzug  zu  vervollständigen  und  demselben  einen 
würdigen  Abschluss  zu  geben. 

Als  im  XIII.  und  XIV.  Jahrhundert  bei  den  profanen  Gewän- 
dern der  Gürtel  eine  grössere  ornamentale  Ausstattung  erlangte 
und  derselbe  nicht  selten  aus  Gold  und  Seidenstoffen  mit  goldenen 
Zierrathen  und  Edelsteinen  kunstreich  ausgestattet  zu  werden 
pflegte,  scheint  auch  in  verschiedenen  Diöcesen  der  einfache  Gürtel 
der  Geistlichen  hiusichtUch  des  reichen  Materials  und  seiner  Ver- 
zierungsweise eine  weitere  Entwicklung  gewonnen  zu  haben. 

Zur  selben  Zeit,  wo  von  Seiten  der  Kaiser  und  verschiedener 
abendländischen  Fürsten  die  Gesetze  gegen  den  überhandnehmenden 
Luxus  und  die  Kleiderpracht  erschienen ,  gingen  auch  von  einzel- 
nen Bischöfen  und  kirchlichen  Synoden  Verordnungen  aus,  durch 
welche  die  geistliche  Hauskleidung  geregelt  und  einzelne  Ueber- 
schreitungen  streng  gerügt  wurden.  So  erliess  1337  der  damalige 
Erzbischof  von  Cöln  einen  Erlass ,  wodurch  den  Geistlichen  das 
Tragen  von  silbernen  oder  goldenen  Gürteln  untersagt  wurde.  Bei 
der  sonstigen  Einfachheit  des  i^riesterlichen  Anzuges  scheint  fort- 
während das  cingulum  mehr  eine  Sache  des  Schmuckes  und  der 
Zierde  denn  der  Nothwendigkeit,  eine  aufmerksamere  Behandlung 
und  Ausstattung  erhalten  zu  haben.  So  sieht  sich  auch  die  Synode 
von  Mailand  vom  Jahre  1574  veranlasst,  hinsichtlich  der  Beschaffen- 
heit der  priesterlichen  Gürtel,  die  den  Talar  umschlossen,  Folgen- 
des festzusetzen :  «Neque  cingula  serica  retisve  instar  contexta  aut 
e  corio  confecta  adhibeant.«  Einige  Jahre  später  (1601)  spricht  sich 
das  Concil  von  Treviso  auch  hinsichtlich  der  Farbe  des  klerikalen 
Gürtels  aus,  indem  es  verordnete:  «Nullus  clericorum  deferat  ligamen 
sive  vinculum  coloris  violacei,  sed  tantum  nigri  coloris,  exceptis 
R.  D.  Decanis  etc.«  Es  liegt  ausserhalb  der  Gränzen  dieses  Wer- 
kes hier  weiter  auszuführen,  in  welcher  Weise  in  den  verschie- 
denen Ländern  und  Diöcesen  die  cingula  angelegt  und  befestigt 
zu  werden  pflegten.  In  vielen  französischen  und  in  einigen  italie- 
nischen Diöcesen  fanden  wir  heute  noch  den,  wie  uns  scheinen  will, 
traditionell  ererbten  Gebrauch  vor,  dass  man  die  Gürtel,  aus  schwar- 
zer Seide  oder  Wolle  in  der  Breite  einer  Hand  angefertigt,  zwei  Mal 
um  die  Lenden  des  Trägers  beim  Anlegen  windet  und  alsdann  ver- 
mittelst einer  breiten  Masche  in  einen  Knoten  schürzt,  durch  welchen 
dem  cinguhm  ein  natürlicher  und  zugleich  würdevoller  Faltenwurf 
gegeben  wird.  In  vielen  deutschen  Diöcesen  hingegen  bedient  sich 


-    329  — 


der  Clerus  eines  Gürtels,  der  in  einer  platten  ausdruckslosen  Weise 
so  hergerichtet  und  zusammengenäht  ist,  dass  eine  Umgürtung, 
wie  sie  der  Name  ligaine7i  oder  zona  erfordert,  dadurch  unmöglich 
gemacht  und  das  chigulum  nicht  mehr  in  einer  natürlichen  Schleife 
oder  Binde  angeschürzt,  sondern  ausdruckslos  vermittelst  Krampen 
angeheftet  wird. 

Noch  sei  hinsichtlich  der  fimbriae  an  dieser  priesterlichen 
Binde  hemerkt,  dass  dieselben  heute  meistens  aus  maschenförmigen 
Netzen  mit  quadratischem  Geflechte  von  schvi^arzer  oder  violetter 
Seide  bestellen,  wohingegen  die  Fransen  an  den  bischöflichen  cin- 
gula,  dessgleichen  an  denen  der  römischen  Prälaten,  meistens  aus 
violett  seidenen  Quasten  von  Posamentirarbeit  bestehen,  die  nach 
unten  in  zwei  umfangreiche  Trödeln  ausmünden. 

C.  Das  weisse  Chorkleid  (superpelliceum,  roehettum). 

Bei  der  Abhaltung  des  Chordienstes,  dessgleichen  bei  Verrich- 
tung verschiedener  priesterlichen  Amtshandlungen  legt  seit  dem 
Mittelalter  bis  zur  Stunde  sowohl  die  Stifts-  als  auch  die  Pfarr- 
geistlichkeit ein  weisses  Gewand  von  feinem  Leinen  oder  Battist  an, 
welches,  je  nach  der  Diöcese  und  seiner  äussern  Form,  verschiedene 
Namen  führt.  Die  unzweifelhaft  älteste  Bezeichnung  für  die- 
ses weisse  Chorgewand,  das  über  dem  Talar  getragen  wird  und 
das  sich  aus  der  Albe  gebildet  hat,  ist  in  dem  Ausdruck  superpelli- 
ceum zu  suchen.  Nach  unserm  Dafürhalten  scheint  von  den  ältern 
Liturgikern  zuerst  Durandus,  Bischof  von  Mende,  in  seinem  «Ra- 
tionale Divinorum  Officiorum«  der  Ansicht  Verbreitung  gegeben 
zu  haben,  dass  der  Name  superpelliceum  dem  weissen  Chorgewande 
desswegen  gegeben  worden  sei,  weil  es  über  der  pellis ,  einev  Art 
von  Talar,  der  namentlich  zur  Winterzeit  mit  Pelzwerk  im  Innern 
gefüttert  war,  getragen  zu  werden  pflegte.  Daher  auch  die  Be- 
zeichnung vesiis  supra  pelles,  aus  welchem  einfach  der  Name  super- 
pelliceum im  Verlauf  der  Zeit  entstand  i). 


')  Vgl.  die  betreffende  Stelle  bei  Guilel.  Durand.  Ration.  Divin.  OS',  lib. 
III.  cap.  1,  n.  10.: 

»Denique  praeter  praemissas,  vestes  sacris  ordinibus  et  ministris  de- 
putatas,  est  et  alia  quaedam  vestis  liiiea,  quae  superpelliceum  dicitur ; 
dictum  est  superpelliceum  eo  quod  antiquitus  super  tunicas  pelliceas, 
de  pellibus  mortuorum  animalium  factas,  induebatur,  quod  adliuc  in 
quibusdam  ecclesüs  observatur.« 


—    330  — 


In  der  Bezeichnung  mperpelKceum  ist  der  französische  Aus- 
druck surplis  vorgebildet;  aus  dem  altdeutschen  «roch«  jedoch, 
dürfte  der  Name  rocims  hergeleitet  worden  sein,  woher  sich  auch 
noch  in  einigen  Diöcesen  der  Name  Chorrock  datirt.  Aus  dem 
mittelalterlich-lateinischen  rochus  bildete  ferner  der  Italiener  sein 
rochetto^),  und  aus  dieser  Bezeichnung  gestaltete  der  Franzose  sein 
röchelte.  Erst  in  neuerer  Zeit  hat  man  weniger  Schicldichkeit  in 
Benennung  dieses  weissen  Chorgewandes  beobachtet,  das  man  in 
einigen  Gegenden  nach  seiner  äussern  Gestalt  auch  Chorhemd, 
chemise  de  choeiir,  benannt  hat.  Obgleich  alle  diese  verschiedenen 
Bezeichnungen  für  das  weissleinene  Chorgewand  identisch  sind,  so 
wird  dennoch  hinsichlich  der  Form  und  des  Schnittes  zwischen  dem 
superpelliceum  und  dem  rocheiium  unterschieden  ^).  So  versteht  man 
unter  der  Bezeichnung  superpelliceum  jenes  Chorkleid  mit  weiten 
faltenreichen  Aermeln,  das  in  der  Regel  von  den  Caplänen,  den 
Vicaren  und  in  den  meisten  Bisthümern  auch  von  den  Pfarrern  ge- 
tragen wird.  Der  Ausdruck  röchelte  hingegen  bezeichnet  jenes  Chor- 
kleid, das  an  Stelle  der  weiten  manicae  eng  anliegende  Aermel  hat. 
In  einigen  Diöcesen  wird  dieses  röchelte  ausscliliesslich  nm'  von  der 
Stiftsgeistlichkeit,  den  Dechanten  und  den  Archidiaconen  getragen; 
in  andern  Bisthümern  jedoch  wird  auf  diese  Unterscheidung  zwischen 
superpelliceum  und  rochel/um  weniger  Gewicht  gelegt.  Wir  haben 
Gelegenheit  gehabt  zu  bemerken,  dass  namentlich  in  manchen  italie- 
nischen und  französischen  Diöcesen  Superpelliceen  mit  weiten  Aer- 
meln gar  nicht  gebräuchlich  sind  und  anstatt  derselben  durch- 
gängig IkOchetten  mit  eng  anliegenden  Aermeln  von  dem  niedern 
und  höhei'n  Clerus  ohne  Unterschied  getragen  werden  3). 


')  Aehnlich  diesem  roclictto,  der  Diminutivform  von  roccus,  hat  sich  offen- 
bar das  im  IxheinUxnd  gebräuchliche  »Röcklein«  gebildet,  welche  Be- 
zeichnung heute  nocli,  namentlich  in  der  kölnischen  Diöccse,  allgemein 
in  Gebrauch  ist. 

^)  Ein  namhafter  englischer  Canonist,  Lyudwood,  bezeichnet  den  Unter- 
schied zwischen  dem  Kochet  und  dem  Superpelliceum  in  folgender 
Weise:  Rocbetuni  differt  a  superpelliceo,  quia  superpelliceum  habet 
manicas  pendulas,  sed  rochetum  est  sine  manicis  et  ordinatur  pro 
clerico  ministraturo  sacerdoti,  vel  forsan  ad  opus  ipsius  sacerdotis 
in  baptizando  pueros,  ne  per  manicas  ipsius  brachia  irapediantur. 
Lyndwood,  Provinciale  p.  252,  in  nota  n. 

•'*)  Es  ist  dies  nainentlich  in  österreichisch-italienischen  Diöcesen  der  Fall, 
wo  das  Rochette  den  Namen  »cotta«  führt.  Dasselbe  ist  in  den  mei- 
ste   Fällen  auf  ein  Minimum  von  Leinenstoffen  beschränkt.  Zum 


—    331  — 


Forscht  mau  nach  der  ursprünglichen  Form  und  dem  Her- 
kommen des  superpelliceum,  so  liegt  es  nahe,  nicht  nur  hinsichtlich 
des  Stoffes ,  aus  dem  dasselbe  besteht,  sondern  auch  rücksichtlich 
des  Schnittes  und  der  «äussern  Form  in  der  Albe  den  Prototyp  zu 
erkennen,  aus  welchem  seit  dem  XII.  Jahrhundert  sich  das  weisse 
Chorkleid  allmählich  entwickelt  hat.  Aeltere  liturgische  Schriftsteller 
berichten,  dass  in  l'ranzösischen  und  englischen  Diöcesen  bei  dem  nie- 
dern  und  höhern  Clcrus  zum  Gebrauche  bei  Verrichtung  einzelner 
üturgischen  Handlungen  noch  immer  die  aufgeschürzte  Albe  An- 
wendung fand,  an  welcher  Stelle  erst  seit  dem  XHI.  und  XIV.  Jahrh. 
meistens  eine  verküi'zte  Albe  mit  erweiterten  Aermeln,  unser  super- 
pelliceum, getragen  zu  Averden  pflegte.  So  verordnet  das  Concil 
von  Roiien  vom  Jahre  1072 ,  dass  die  Vertheilung  des  Chrisma 
und  der  geweihten  üele  von  den  Decanen  mit  der  grössten  Vor- 
sicht und  Ehrerbietung  in  einer  Weise  vorgenommen  werden  solle, 
ut  Interim,  dum  distribuerint,  albis  sint  induti  ^).  Hinsichtlich  des 
Tauf-Aktes  schreibt  dasselbe  Concil  vor,  dass  der  Priester,  der 
denselben  vornimmt,  ebenfalls  wieder  mit  der  Albe  und  der  Stole 
bekleidet  sein  solle.  Der  Wortlaut  der  Vorschrift  ist  folgender: 
Nullus  sacerdos  baptizet  infautem,  nisi  jejunus  et  indutus  alba  et 
stola,  nisi  necessitate 

Als  im  Laufe  des  XII.  Jahrhunderts  in  verschiedenen  engli- 
schen Kirchen  und  Abteien  der  (iebrauch  des  superpelliceum  anstatt 
der  Albe  schon  hin  und  wieder  in  Aufnahme  gekommen  war, 
scheint  in  einigen  Kirchen  der  niedere  ('lerus  noch  immer  die  aut- 
geschürzte Albe  bei  verschiedenen  Funktionen  getragen  zu  haben, 
wie  das  bei  John  Bromton,  Abt  von  Gervaix  in  Yorkshire,  gegen 
das  Jahr  1193  zu  ersehen  ist.  Bei  Gelegenheit  nämlich,  wo  er  die 
'Krönung  Richards  Löwenherz  bespricht,  sagt  er  u.  A.  daselbst: 
In  prima  fronte  praecedebant  clerici  albis  induti,  portantes  aquam 
benedictam,  crucem  et  cereos  et  thuribulos^).  Auch  der  bekannte 
Liturgiker  Honorius  von  Autun  schreibt  noch  im  Jahre  1130  über 
den  Gebrauch  der  liturgischen  Gewänder  von  Seiten  der  niedern 
Cleriker  Folgendes :  Ministris  inferioris  ordinis ,  scilicet  ostiariis, 


grössten  Theil  besteht  dasselbe  aus  unechten,  gewebten  Spitzen  aus 
Baumwolle  und  .steht  die  auffallende  Kürze  dieser  cotta  nicht  im  min- 
desten mit  dem  kirchlichen  Ernste  dieses  Obergewandes  in  Einklang. 

')  Orderici  Vitalis  Eccl.  llist.  lib.  IV.,  p.  527,  ed.  Duchesnio,  Parisiis  1619. 

-)  Ibid. 

■')  Hist  Anglic.  scriptores  ed.  Twysden,  p.  1158. 


—    332  - 


lectoribus,  exorcistis,  acolythis,  tres  sacrae  vestes  conceduntur   

Portant  namque  superhumerale        Tunicam  talarem  id  est  albam 

portant         Balteo  id  est  zona  jubentur  renes  praeciiigere  ctc^). 

Auch -am  Rheine  scheint  im  Beginne  des  Xll.  Jahrhunderts  in  den 
Abteikirchen  der  Gebrauch  der  Alben  beim  Chorgottesdienste  noch 
vorherrschend  gewesen  zu  sein,  wie  dies  aus  einer  Stelle  bei  Ru- 
pert von  Deutz  zum  Jahre  1111  zu  entnehmen  ist,  wo  es  u.  A. 
heisst:  Solemus  enim  in  hujusmodi  festis  omnes  in  albis  stare  vel 
procedere.  —  Convenienter  ergo  in  albis  procedentes  simul  etiam 
omnes  a  senibus  usque  ad  infantes  manipulos  portamxis^). 

Das  Gleiche  war  in  den  Cluniacenser-  und  Cistercienserklöstern 
der  Fall,  wie  das  aus  einer  Stelle  in  D'Achery's  Specilegium  zu  er- 
sehen ist.  Es  heisst  nämlich  von  den  Cluniacensern  bei  St.  Udal- 
rich  zum  Jahre  1110:  Ad  majorem  missam  omnes,  qui  cantare 
sciunt,  sunt  in  albis. 

Ungeachtet  der  eben  citirten  Stellen,  nach  av eichen  in  vielen 
Diöcesen  noch  das  XL  und  XII.  Jahrhundert  hindurch  die  Alben 
bei  dem  niedern  und  höhern  Clerus  fortwährend  in  Gebrauch  wa- 
ren, linden  sich  aber  auch  Stellen  vor,  welche  besagen,  dass  bereits 
gegen  das  XII.  Jahrhundert  in  verschiedenen  Diöcesen  auch  der 
Name  des  superpelliceum  und  das  betreffende  Gewand ,  nämlich 
die  verkürzte  Albe,  in  Aufnahme  gekommen  war.  So  liest  man  in 
einem  Briefe  des  Bischofs  Stephan  von  Tournay,  wo  er  einer  Albe 
Erwähnung  thut,  die  bis  zu  den  Knöcheln  herunter  reicht:  super- 
pellicium  novuiii,  candiduni  talare   Auch  aus  einer  Stelle  der  Ge- 
setzbücher König  Eduards  des  Bekenners  geht  hervor,  dass  in  da- 
maligen Zeiten  in  vielen  englischen  Kirchen  die  Chorröcklein  beim 
niedern  Clerus  allgemeiner  in  Gebrauch  waren.  Die  betreffende 
Stelle  lautet  nämlich:  Et  postea  justicia  episcopi  faciat  venire  pro- 
cessionem  cum  sacerdote  induto  alba  et  manipulo  et  stola  et  cle- 
ricis  et  superpelliciis  cum  aqua  benedicta  et  cruce  et  candelabris 
et  thuribulo  cum  igne  et  incenso^). 

Im  XIII.  Jahrhundert  scheint  der  Gebrauch,  über  dem  winter- 
hchen  Talar,  der  mit  Pelz  nach  Innen  belegt  war,  verkürzte  Alben 
in  Form  von  Superpelliceen  mit  weiten  Aermeln  zu  tragen,  bereits 
allgemeineren  Eingang  gefunden  zu  haben.    Ein  englischer  Schrift- 


')  Gemma  Aiiimae  lili.  I.  cap.  226. 
Rupertus,  De  divin.  offic.  IIb.  II.,  cap.  23. 

Legis  Regia  Edwardi  Confessoris ,  De  Latron.,  Thorpe's  Ancient  Laws 
and  Institutes  of  England,  vol.  I.,  p.  460. 


-    333  — 


steller  John  Garland  bemerkt  nämlich  in  seinem  Comentarius  Li- 

ber,  1)  Moderni  sacerdotes  habent  superlicia  vel  ut  quidam  di- 

cunt  superpellicia,  quare  sacerdotes  solebant  habere  pellicia  et  de- 
super  illa  ornamenta  in  publico  mundiciam  protendo.  Im  XIII., 
namentlich  aber  im  XIV.  Jahrhundert  mehren  sich  die  Angaben  über 
den  Gebi'auch  des  superpelliceum ,  namentlich  beim  niedern  Clerus 
und  zur  Bekleidung  der  Chorknaben.  So  liest  man  in  einer  Vor- 
schrift, die  Bischof  Grandison  zum  Jahre  1339  bei  der  Stiftung  der 
St.  Mariakirche  erlässt,  folgende  Verordnung:  Quod  omni  anno  in 
festo  S.  Michaelis  sacrista  faciat  fieri  ad  minus  duas  albas  (hier 
gleichbedeutend  mit  superpellicea)  cum  amictibus  pro  sacerdote  et 
diacono  vel  subdiacono,  et  alias  duas  pro  pueris  thuribulariis  2). 
Auch  die  Verordnungen  Walter  Raynold's,  Erzbischofs  von  Canter- 
bury,  zum  Jahre  1322  schreiben  bereits  ausdrücklich  jedem  Cleriker 
den  Gebrauch  des  superpelliceum  beim  Altar  in  folgenden  Worten 
vor:  Nullus  clericus  permittatur  ministrare  in  officio  altaris,  nisi 
indutus  sit  superpelhcio^). 

Ein  anderer  englischer  Schriftsteller  erzählt,  dass  beim  Einzüge 
König  Richards  II.  im  Jahre  loi'2  der  Clerus  in  Procession  ihm 
entgegen  gezogen  sei,  und  dass  sich  bei  dieser  Procession  mehr  als 
500  mit  Superpelliceen  bekleidete  Chorknaben  befunden  hätten*). 

«Auf  den  Grund  hin,  dass  schon  in  sehr  früher  Zeit  die  An- 
gaben über  das  Vorkommen  und  den  Gebrauch  der  superpe.llicea 
in  englischen  Diöcesen  sich  mehren,  stellt  unser  gelehrter  Freund 
Canon.  Dr.  Rock,  dem  wir  die  vorhergehenden  Notizen  über  das 
Vorfinden  der  Röcklein  in  englischen  Kirchen  verdanken,  die  Behaup- 
tung auf,  die  mau  schwerlich  wird  entkräften  können,  dass  die 
superpeliicea  in  ihrer  Gestalt  als  verkürzte  Alben  ohne  Aufschür- 
zung und  mit  weiten  faltenreichen  Aermeln  zuerst  in  englischen 
Kirchen  als  Chorgewänder  und  Ministrantenkleidung  in  Aufnahme 
gekommen  wären.  Nur  seien  auch  noch  im  späteren  Mittelalter  in  ver- 
schiedenen englischen  Kirchen  die  Alben  .immer  noch  als  Ministran- 
tenkleidungen bei  Feier  von  Pontificalmessen  und  auch  sonst  an  Fest- 


M  Comentarius  Libei',  MS.  in  the  library  of  Cajus  College,  Cambridge, 
fol.  209. 

2)  Statuta  Col.  S.  Maria  de  Otery.    Olivier's  Mon.  Dioc.  Exon.  p.  271. 

Constitutiones  Walteri  Raynold,  Cantuar.  Arcliiep.  A.  D.  1322,  ap<id 

Wilkins,  Concil.  Magn.  Brit.  vol.  IL,  p,  513. 
')  Knyghton:  Fertur  in  illa  processione  plus  quam  quingeutos  pueros  in 

siiperpelliciis  exstitisse.    Twysden,  t.  IL,  p.  2740. 


—    ,-534  - 


tagen  beibehalten  worden  und  sei  das  superpelliceuin  vorzugsweise 
als  Chorkleidung  von  der  Stiftsgeistlichkeit  getragen  worden 

Obschon  seit  dem  XIV.  Jahrhundert  in  vielen  englischen,  fran- 
zösischen und  deutschen  Diöcesen  namentlich  an  Festtagen  die 
pueri  chorales  als  Ministraiaten  am  Altare  und  als  Sänger  im  Chore 
mit  weissen  Röcklein  bekleidet  waren,  finden  sich  doch  bei  Schrift- 
stellern des  Mittelalters  Angaben ,  und  haben  sich  auch  noch  in 
Miniatur- Werken  Abbildungen  erhalten ,  die  zum  Beweise  dienen, 
dass  in  vielen  Kirchen  im  Mittelalter  und  auch  noch  in  den  Tagen 
der  Renaissance  der  Gebrauch  vorherrschend  war,  die  Messknaben, 
namentlich  an  grössern  Kirchenfesten ,  mit  Alben  und  Dalmatiken 
zu  bekleiden,  (Ue  in  der  Regel  aus  altern  und  schadhaft  gewor- 
denen Diaconen-Gewändern  durch  Verkürzung  und  Zuschnitt  her- 
gestellt Avaren.  So  fanden  wir  vor  wenigen  Jahren  in  den  Ge- 
wandscliränken  der  Pfarrkirche  zu  Linz  bei  Andernach  am  Rhein, 
noch  eine  Anzahl  von  älteren  Leviten-Röcken  vor,  die  durch  ihren 
kleinen  stoft'liclien  Umfang  bewiesen,  dass  sie  aus  grösseren  Leviten- 
Kleidern  für  den  Gebrauch  der  Chorknaben  hergestellt  worden 
waren.  Aber  nicht  nur  kleinere  Alben ,  die  vermittelst  des  cingu- 
lurn  aufgegiii-tet  wurden,  sowie  Dalmatiken  und  SuiDcrpeilicien  kom- 
men im  Mittelalter  als  liturgische  Bekleidungen  der  infcmtcs  chori 
in  Anwendung,  sondern  auch  Chorkappen,  die  aus  schadhaft  ge- 
wordenen grösseren  cappae  chorales  zurecht  geschnitten  waren. 

Bevor  wir  im  Folgenden  zur  Ermittelung  der  Form  und 
der  Grössenverhältnisse  des  sogenannten  Chorhemdes  mit  weiten 
Aermeln  übergehen,  sei  hier  noch  darauf  hingewiesen,  dass  im 
Mittelalter  und  auch  heute  noch  in  vielen,  namentlich  in  italieni- 
schen Diöcesen,  das  superpellit  eum  als  Chorgewand  mit  weiten  Aer- 
meln cota,  Cotta  und,  wie  Ducange  angibt,  auch  cottys  genaiant  wird. 
Der  letzgedachte  Schriftsteller  fügt  ad  vocem  cotta  noch  hinzu, 
dass  dieses  betreffende  Gewandstück  im  Französischen  cotte  Messe, 
wovon  das  deutsche  «Kutta  abzuleiten  sei.  So  findet  sich  in  einem 
Briefe  Pabst  Alexander's  IV.  eine  Stelle,  woraus  hervorgeht,  dass 
das  superpelliceum  und  die  cotta  nach  Form  und  Gebrauch  iden- 
tisch sind^).    Ferner  wird  in  der  Charta  des  Bischofs  Peter  von 


The  Church  of  our  fathers  by  Dan.  Rock  vol.  II.  cap.  VI,  London  1849. 
")  Die  betrefi'ende  Stelle  heisst:  Clerici  induti  vestimeiitis  sericis  aut  su- 
perpelliciis  sive  cotis  vadaut  processionaliter.   Alexandei  IV.,  P.  P.  lib. 
6,  epist.  256. 


-  335 


Anagni  die  cotla  Ijei  kirchiiclien  Functionen  als  Gewand  des  Dia- 
cons,  des  Subdiacons  und  der  Acolythi  genannt  i). 

Auch  das  Concilium  Budense,  (Ofen  in  Ungarn)  cap.  20,  stellt 
die  Ausdrücke  mperpellicea  und  coitue  als  gleichbedeutend,  und 
schreibt  u.  A.  vor:  Rectores  et  simplices  sacerdotes  cum  cottis  seu 
superpelliceis  et  stolis  tantuni,  inferioris  vero  status  vel  ordinis 
clerici  cum  cottis  synodum  intrent.  —  Aus  der  Verordnung  des 
Concils  von  Ravenna  vom  Jahre  l.)14,  Can.  VI,  geht  hervor,  dass 
die  Cotta  auch  den  Namen  cocta  führte,  und  dass  dieselbe,  wie  das 
auch  beutender  Fall  ist,  unter  der  Pluviale  getragen  zu  werden 
pflegte.  Die  Stelle  lautet:  Et  in  missa  parati  coctis,  amictis,  plu- 
vialibus  etc.    Supra :  Cum  coctis  et  pluvialibus. 

Hält  man  nun  näher  Nachfrage  nach  dem  Schnitt  und  der 
formellen  Beschaffenheit  der  Chorröckleiu  des  Mittelalters,  so  scheint 
besonders  bei  dem  englischen  Clerus  im  XIV.  und  XV.  Jahrhun- 
dert das  weisse  Chorgewand  eine  besondei-e  faltenreiche  Form  und 
einen  majestätischen  Schnitt  gehabt  zu  haben,  wie  das  aus  einer  Abbil- 
dung ersichtlich  ist,  die  wir  aus  einem  Codex  im  biitischeu  Museum 
bezeichnet  2  B.  VII,  entlehnt  und  auf  Tafel  L,  Figur  1,  wie- 
dergegeben haben.  Diese  Abbildung  veranschaulicht  tüe  Form  der 
englischen  superpellicea  des  XV.  Jahrhunderts.  Von  besonders  guter 
Wirkung  sind  die  langen,  faltenreichen  tnanicae.  Von  einer  ähnlichen 
Länge  und  von  gleichem  Faltenreichthum  scheinen  auch  in  belgi- 
schen Diöcesen  die  Chorröcklein  der  Stiftsherrn  und  niederen 
Cleriker  aus  der  letzten  Hälfte  des  XV.  Jahrhunderts  gewesen 
zu  sein,  wie  das  eine  Abbildung  veranschaulicht,  die  als  Hand- 
zeichnung sich  im  Besitze  von  Mr.  Robinson  in  London  befindet. 
Dieselbe  rührt  von  einem  ausgezeichneten  flandrischen  Maler  aus 
der  Mitte  des  XV.  Jahrhunderts  her  und  stellt  in  charakteristischer 
Weise  eine  Frohnleichnams-Prozession,  die  sogenannte  Gottestraeht 
dar.  Die  älteren  Geistlichen,  dargestellt  auf  Tafel  XL  VI  unter  Fig.  c 
und  d,  tragen  über  dem  Talar,  der  bei  der  Figur  unter  c  am  Hals- 
kragen mit  Pelz  ausgefüttert  ist,  ein  faltenreiches,  stattüches  super- 
pelliceum,  dessen  Aermel  sehr  breit  gestaltet  sind  und  die  nach 
Unten  sämmtlich  in  eine  Spitze  ausmünden.  Diese  Ausmündung 
der  Aermel  in  einen  spitzen  Ausschnitt  nach  Unten,  welche  male- 
risch wirkt,  ersieht  man  auch  an  dem  Röcklein  des  Chorknaben, 


')  Dort  heisst  es  nämlich;  Diaconus  stet  cum  Cotta  et  stola  et  subdiaco- 
nus  et  acolythus  cum  eotta.  Charta  Petri  Episc.  Anagnini,  apud  Odor. 
Raynald.  an.  1299.  num.  30. 


—    336  - 


abgebildet  unter  Figur  /,  dessgleichen  an  dem  Röcklein  des  Can- 
tors,  der  unmittelbar  hinter  dem  Chorknaben  einherschreitet. 

Im  Gegensatze  zu  den  bis  auf  ein  Minin)um  von  Form  ver- 
kürzten superprllicea,  wie  sie  seit  dem  Schlüsse  des  vorigen  Jahr- 
hunderts in  vielen  Diöcesen  liturgisch  im  Gebrauch  sind,  verord- 
net die  Constitution  des  Pabstes  Benedict  XII.  vom  Jahre  1339, 
dass  dieses  Chorgewaud  nach  Unten  «ultra  mediam  tibiam  vel 
circa«  reichen  soll.  Auch  mehrere  spätere  Vorschriften,  unter  an- 
dern die  des  Concils  von  Basel  und  von  Sens  vom  Jahre  1517, 
verbietet  ausdrücklich,  das  oftgedachte  Chorgewand  eigenmächtig 
zu  verkürzen  und  zuzuschneiden,  und  schreiben  diese  Verordnun- 
gen vor,  dass  dasselbe  «ultra  medias  tibias«  herunter  reichen  solle. 

Leider  fehlen  heute  zur  Feststellung  der  Form  und  decorativen 
Ausstattung  der  supei  p.  licea  nicht  nur  aus  der  romanischen,  son- 
dern auch  aus  der  gothischen  Kunstepoche,  ältere  Originale.  Der 
Grund,  wesswegen  von  allen  liturgischen  stofflichen  Gebrauchs- 
gegenständen heute  ältere  superpellirea  am  seltensten  angetrofien 
werden,  mag  wohl  darin  liegen,  dass  nach  einem  Schadhaftwerden 
dieser  Chorgewandung  der  Leinenstoff  zu  andern  kirchlichen  Zwecken 
verbraucht  zu  werden  pflegte.  Auch  in  altern  Schatzverzeichnissen 
finden  sich  die  sut>erpeÜicea  desswegen  weniger  erwähnt,  weil  sie 
meistentheils  Eigenthum  des  Trägers  waren  und  sie  auch  ihres 
geringen  materiellen  Werthes  wegen  nicht  als  zum  Schatze  ge- 
hörend betrachtet  zu  werden  pflegten.  Die  einzige  Quede  zur  Er- 
forschung des  Schnittes ,  der  Form  und  Beschaftenheit  der  älteren 
superpellicea,  sowohl  für  den  Schluss  der  romanischen  Kuustepoche 
als  auch  für  die  verschiedenen  Entwicklungsstufen  der  Gothik,  sind 
in  ältern  Miniaturbildern,  namentlich  auf  Tafel-  und  Wandmale- 
reien der  italienischen,  flandrischen,  rheinischen  und  schwäbi- 
schen Malerschule  des  Mittelalters  zu  flnden. 

Seit  einer  Reihe  von  Jahren  haben  wir  es  versucht  an  der  Hand 
von  Wand-  und  Tafelmalereien  über  die  geschichtliche  Entwicklung 
und  allmählige  Umgestaltung  der  Röcklein,  wie  sie  namentlich  im 
XIV.  und  XV.  Jahrhundert  kirchlich  in  Gebrauch  waren,  ins  Klare  zu 
kommen.  Diesen  ältern  Darstellungen  zufolge  ist  es  als  feststehend 
anzunehmen,  dass  bereits  im  XIV.  und  vollends  im  XV.  Jahrhundert 
das  superpelliceum  allgemein  mit  weiten  langen  Aermeln  versehen 
war  und  dass  dasselbe  bis  über  die  Mitte  der  Unterschenkel  herunter 
reichte,  so  zwar,  dass  die  darunter  befindliche  tunica  üduris  nur 
theilweise  zum  Vorschein  trat.  Gegen  Mitte  und  insbesondere  gegen 
Schluss  des  XV.  Jahrhunderts  war  bereits  eine  Verkürzung  des 


—    337  — 


■vveissleinenen  Röckleins  insofeni  eingetreten,  als  dasselbe  häufig 
nur  bis  in  die  Mitte  der  Schienbeine  herunterreichte.  Auf  älteren 
Malereien  aus  der  ebengenannten  Kunstepoche  haben  wir  keine 
Belege  gefunden,  dass  als  Ausstattung  der  Säume  der  Chorröcklein 
aus  dem  Schlüsse  des  Mittelalters  bereits  das  opus  arantum  als  durch- 
brochene Verzierung  der  Randeinfassungen  sich  vorgefunden  habe. 

Um  sich  annähernd  einen  Begriff  von  der  grossartigen  Aus- 
dehnung und  dem  Faltenreichthum  der  mittelalterlichen  Röcklein 
zu  machen,  verv^f eisen  wir  auf  die  DarsteUung  des  ritterlichen 
Maximilian,  bekleidet  mit  einem  kv perpell icejtm,  das  derselbe  Kaiser 
auf  einer  Walliährt  nach  der  berühmten  Abtei  Echternach  im 
Luxemburgischen  als  Chorhemd  getragen  haben  soll  und  das 
heute  noch  aus  gedachter  Abtei  herrührend  auf  dem  grossher- 
zoglichen Schlosse  Friedrichstein  in  Gotha  aufbewahrt  wird.  Mit 
noch  einigen  andern  Erinnerungen  aus  den  Tagen  Maximilian's  I. 
und  verschiedenen  metallischen  Kostbarkeiten  und  Seltenheiten, 
die  nach  Aufhebung  der  alten  Abtei  Echternach,  einer  Stiftung 
Kaiser  Otto's  II.  und  der  Theophania,  veräussert  wurden,  gelangte 
dieses  seltene  Ornatstück  von  den  letzten  Benedictinern  des  eben- 
gedachten altberühmten  Stiftes  durch  Ankauf  in  den  Besitz  des 
damaUgen  Herzogs  von  Coburg -Gotha.  Bei  unserm  Verweilen 
in  Gotha  wurde  es  uns  zuvorkommend  gestattet,  eine  genaue 
Vermessung  und  Abzeichnung  der  vielen  Einzelheiten  dieses 
merkwürdigen  Chorgewandes  von  befähigter  Künstlerhand  auf- 
nehmen zu  lassen.  Dieses  eigenthümliche  Gewand  auf  Schloss 
Friedrichstein,  das  der  ebengedachte  Kaiser  einer  glaubwürdigen 
Tradition  nach  getragen  haben  soll ,  da  er  auf  seiner  Wallfahrt 
nach  Echternach  mit  der  dortigen  Stiftsgeistiichkeit  die  kirchhchen 
Tageszeiten  im  Chore  verrichtete,  stimmt  seiner  äussern  Form  und 
seinem  Schnitte  nach  so  ziemlich  mit  dem  Superpelliceum  überein, 
wie  es  gegen  Schluss  des  Mittelalters  in  grossartigem  Faltenreich- 
thum getragen  zu  werden  pflegte.  Sämmtliche  gestickte  Musterungen 
zeigen  jedoch  keinen  abendländischen,  sondern  einen  deutlich  aus- 
geprägten orientalischen  Formentypus,  der  offenbar  an  die  rad- 
und  sternförmigen  Musterungen  erinnert,  die  im  XV.  Jahrhundert 
in  der  maurisch-saracenischen  Stick-  und  Webekunst  immer  wieder 
angetroffen  werden*). 


')  Im  IV.  Bd.  S.57  des  »Kirchenschraucks,  Archiv  für  weibliche  Handarbeit«, 
haben  wir  dieses  originelle  Chorgewand  ausführlicher  beschrieben  und 
einzelne  Stickereien  desselben,  in  Tamburetstich  ausgeführt,  abgebildet. 


—    388  — 


Aus  dem  Schlüsse  des  XV.  und  dem  Beginne  des  XVI.  Jahr- 
hunderts finden  sich  noch  eine  grössere  Zahl  von  Tafelmalereien 
vor,  die,  aus  der  niederdeutschen  Schule  herrührend,  und  zwar 
meistens  auf  den  Pliigeltliiircn,  die  knieenden  Bilder  der  geistlichen 
Bestellgeber  zeigen  mit  ihren  dabei  befindlichen  Namenspatro- 
nen. Diese  Donatoren,  meistens  als  Canoniker  der  höheren  Stifts- 
geistliclikeit  angehörend,  sind  gewöhnlich  kiiieend  dargestellt,  und 
mit  einem  weissen  faltenreichen  Röcklein  bekleidet,  das  sich  durch 
das  malerische  Gefälte  seiner  weiten  Aerrael  auszeichnet.  Die  super- 
pellicea  dieser  auf  Temperamalereien  vorfindlichen  Donatoren  sind 
an  der  Ausmündung  der  Aermel  und  an  dem  untern  Saume  weder 
mit  aufliegenden  Weisszeug-Stickereien,  noch  mit  durchbrochenem 
Spitzenwerk  verziert.  Es  hatte  nämlich  gegen  Schluss  des  Mittel- 
alters das  weisse  Chorkleid  noch  durchaus  seinen  ernsten  streng- 
kirchlichen Charakter  bewahrt  und  noch  nicht  jenen  profanen,  mo- 
dernisirenden  Anstrich  gewonnen,  der  ihm  im  XVIII.  Jahrhundert 
durch  seine  auffallende  Kürze  und  durch  die  tändelnde  Ziererei 
von  Brüsseler  und  Valencienner  Spitzen  gegeben  wurde  ^).  Als  man 
seit  dem  XVII.  und  XVIII.  Jahrhundert  begann,  Leinenstofie  von 
grösster  Feinheit,  namentlich  in  Rom  und  in  italienischen  Diö- 
cesen,  zu  den  Superpelliceeu  zu  verw^enden,  scheint  es  um  diese 
Zeit  nach  und  nach  üblich  geworden  zu  sein,  dieselben  in  kleine 
Falten  zusammenzulegen.  Man  erzielte  dadurch,  dass  der  Fal- 
tenwurf des  einfachen  Gewandes  der  Länge  nach  geordnet  vmrde 
und  dass  die  Steifheit,  die  man  mittelst  Glättung  diesen  plicaturae 
zu  geben  wusste,  die  Reinheit  des  weissen  Chorkleides  länger 
erhielt.  Diese  Faltung  der  SuperpeUiceen,  die  anfangs  aus  obigen 
Gründen  sehr  erwünscht  kam,  artete,  namentlich  in  den  letzten 
Jahrhunderten,  als  die  Rochetteu  auf  das  geringste  Maass  ihrer 
stotilichen  Ausdehnung  in  mehrern  Diöcesen  ohne  Noth  verkürzt 
wurden,  in  einer  Weise  aus,  dass  dieselben,  als  allzuselu:  gesucht 
und  manierirt,  dem  ehemaligen  weiten  und  faltenreichen  Gewände 
fast  das  Ansehen  eines  eng  gegürteten  Panzerhemdes  verheben  2). 


Wir  beschränken  uns  desswegen  hier  auf  obige  allgemeine  Andeutun- 
gen unter  Hinweis  auf  das  dort  Gesagte. 

')  Vgl.  im  Gegensatz  zu  der  Ausartung  der  superpell icca  in  den  letzten  Jahrh. 
das  Nähere  in  unserer  betreffenden  Abhandlung  im  V.  B.  S.  1 1  und  1 2 
des  »Kirchenschmucks,«  über  eine  gestickte  camisia  des  XIII.  Jahi'h. 

'■')  In  Rom  und  in  italienischen  Diöcesen  hat  man  Maschinen  in  Holz, 
um  die  Falten  sowohl  in  äusserst  feinen  lang  gezogenen  Streifen  als 
auch  in  Zickzackform  leicht  herstellen  zu  können. 


—    339  — 


Eine  Eigentliiimlichkeit  der  siirpJis,  welche  man  in  verschie- 
denen französischen  und  deutsclien  Diöcesen  vorfindet,  besteht  darin, 
dass  die  ehemals  faltenreichen  Aeruiel  bei  den  heute  bedeutend 
verkürzten  Röcklein  ganz  in  Wegfall  gekommen  sind  imd  dass  zur 
Erinnerung  an  diese  weiten  mnnicae  sich  heute  als  frei  herunter- 
hängende schmale  Schulterstücke,  mehr  oder  Aveniger  breite  weisse 
Streifen  erhalten  haben,  die  an  den  beiden  offenen  Ausschnitten 
zum  Durchlass  der  Arme,  die  mavicae  der  ehemaligen  superpellicea 
vertreten  sollen. 

Seit  den- Tagen  der  Renaissance  hat  sich  fast  mit  Ausnahme 
der  Miter  bei  vielen  liturgischen  Ornaten  das  Bestreben  geltend 
gemacht,  dieselben  auf  das  kürzeste  Maass  ihrer  stofflichen  Aus- 
dehnung einzuschränken ,  wodurch  die  Würde  und  das  Ansehen 
der  betreffenden  Gewändei-  bedeutend  beeinü'ächtigt  worden  ist. 
Gegen  Schluss  des  XVII.  Jahrhunderts  ist  auch  das  superpclHccwn 
dem  Einfluss  des  modernen  Profangeschmackes  in  einer  Weise  untei- 
legen,  dass  demselben  nicht  nur  seine  ehemalige  würdevolle  Weite 
benommen,  sondern  dass  dasselbe  auch  in  ornamentaler  und  stoff- 
licher Beziehung  geschwächt  und  verunstaltet  worden  ist. 

In  den  Tagen  des  h.  Karl  Borromäus  besass  das  siiperpelliceum, 
dessgleichen  auch  das  rocheUim,  noch  die  alte  Einfachheit  in  der 
Verzierungsweise  und  die  ehemalige  faltenreiche  Ausdehnung.  Diese 
Einfachheit  in  der  Ausstattung  der  Chorröcklein  wird  auch  in  den 
Bestimmungen  betont,  die  als  rechtskräftig  und  bindend  von  dem 
dritten  Provinzial-Concilium  von  Mailand  angenommen  und  später 
von  Rom  genehmigt  wurden.  In  dem  Anhange  des  thesaurus  sacro- 
rum  rituum  von  Gavantus  lauten  diese  Bestimmungen  des  gedachten 
Mailänder  Concils  wie  folgt:  »Die  cottu  (gleichl)edeutend  mit  super- 
peüiceum)  sei  aus  einem  feinen  Gewebe  angefertigt,  und  seien  die 
Aermel  derselben  so  lang,  dass  sie  in  Falten  gelegt  bis  zu  den 
Spitzen  der  Finger  herunterreichen.  Die  Aermel  können  gegen  3 
Schuh  (2  cub.)  lang  und  bei  6  Schuh  (4  cub.)  weit  sein.  Der  Aus- 
schnitt am  Halse  habe  mehr  eine  runde  als  viereckige  Form.  Auf 
der  Brust  habe  dieselbe  keinen  Schlitz.  Der  Länge  nach  reiche  die 
Cotta  bis  über  die  Kniee,  fast  bis  zur  Mitte  der  Unterschenkel.  Ihre 
Weite  betrage  unten  IOV2  Schuh  (13  cub.)  und  oben  12  Schuh  (8  cub.) 
KeinTlieil  werde  mit  einer  allzu  gekünstelten  Stickerei  versehen,  zu- 
mal habe  sie  an  den  Schultern  keine  besonderen  gestickten  Verzierun- 
gen.« Hinsichtlich  des  Stoffes,  aus  welchem  die  Chorröcklein  ange- 
fertigt werden  sollen,  setzen  die  Rubriken  aus  dem  Grunde  nichts  Be- 
■stimmtes  fest,  weil  es  sich  von  selbst  versteht,  dass  zur  Anfertigung 

23 


-    340  — 


des  superpelliceum  feines  Leinen  gleichwie  zur  Anfertigung  der  Albe 
genommen  werde  ^). 

Es  würde  zu  umständlich  sein,  wenn  wir  hier  allen  jenen  Wand- 
lungen folgen  wollten,  die  das  ehemals  anspruchslose  und  falten- 
reiche Chorgewand  seit  den  eben  gedachten  Tagen  der  ausarten- 
den Renaissance  und  Rococco-Zeit  bis  zur  Stunde  erlitten  hat. 
Diese  Modificationen  an  dem  superpelliceum  und  dem  rochetum  wur- 
den, wie  bereits  früher  angedeutet,  dadurch  hauptsächlich  veran- 
lasst, dass  die  Spitzen,  die  noch  im  Beginn  des  XVI.  Jahrhunderts 
als  Nebensache  kaum  bemerkbar  zum  Vorschein  traten,  in  den 
zwei  letzten  Jahrhunderten  an  beiden  Chorgewändern  in  einer 
Weise  Hauptsache  wurden ,  dass  der  Leineustoff  des  ehemaligen 
faltenreichen  Gewandes  durch  Tüll-  und  Baumwollspitzeu  in  neuester 
Zeit  so  verdrängt  wurde,  dass  oft  vom  ursprünglichen  Leinen- 
stoff kaum  mehr  als  der  vierte  Theil  verblieb.  Auf  diese  Weise 
löste  sich  das  ehemalige  ernste  Chorkleid  aus  einfachem  Leinen- 
stoff zuletzt  in  eine  Hülle  von  kostbaren  Spitzen  oder  im  andern 
Falle  von  fiitterhaftem  Nesseltüll  mit  eingestepptem  kunstlosem 
Stickwerk  auf,  wie  das  noch  in  den  beiden  letzten  Jahrzehnten 
häufig  der  Fall  war. 

Wir  lassen  hier  nicht  unerwähnt,  dass  von  Seiten  einzelner  Bi- 
schöfe in  den  letzten  Zeiten  die  moderne  Entstellung  der  Chorröck- 
lein mehrmals  gerügt  worden  ist,  welche  die  unsoliden  Fabrik- 
spitzen und  durchbrochenen  Weisszeugarbeiten  sowohl  dem  super- 
pelliceum  wie  auch  dem  rochetum  in  verschiedenen  Kirchensprengeln 
zugefügt  haben.  In  Folge  dieser  bischöflichen  Zurechtweisungen 
wurde  in  manchen  Diöcesen  alles  Spitzeuwerk  durchaus  abgeschafft 
und  so  verfiel  man,  ohne  es  zu  wollen,  gerade  ins  Gegentheü.  Von 
der  Ueberzeugung  ausgehend,  dass  durch  die  durchsichtig  ge- 
arbeiteten Spitzen  dem  ehemals  so  einfachen  Chorgewande  nicht 
selten  ein  weicliliches,  tändelndes  Aussehen  verliehen  werde,  was 
nicht  im  Mindesten  zum  ernsten  Charakter  dieses  Gewandes 
passt,  hat  man  in  neuester  Zeit  an  vielen  Stellen  in  Deutsch- 
land, Frankreich  und  England  den  löblichen  Versuch  gemacht, 
die  superpellicea  auf  ihre  frühere  faltenreiche  Form  und  ein- 
fache ornamentale  Beschaffenheit  in  einer  Weise  wieder  zurückzu- 
führen, dass  dem  betreffenden  Gewände  bei  einer  passenden 
Verzierung  an  den  untern  Säumen  doch  der  kirchüche  Ernst  be- 
wahrt bleibe. 

')  Vgl.  auch  De  Herdt  p.  I.  n.  11.  4. 


-    341  — 


Von  anderer  Seite  hat  mau  den,  wie  uns  scheint,  nicht  ge- 
lungenen Versuch  angestellt,  an  den  ßöcklein  mit  Verdrängung 
der  modernen  Tüllstickereien,  Filet-  oder  Netz-  und  Häckelarbeiten 
mit  grossen  quadratischen  Maschen  einzusetzen.  Durch  diese  un- 
gefügige Technik  und  wenig  künstlerische  Ornanientation  wird  am 
allerwenigsten  der  ernste  kirclJiche  Charakter  dem  Chorgewande 
gewahrt,  und  würde  an  der  Stelle  dieser  unförmigen  Hand- 
stickereien mit  wenig  ausdrucksvollen  Musterungen  eine  leinene 
Spitze  von  massiger  Ausdehnung,  wie  man  sie  an  vielen  Orten 
mit  einfachen  traditionellen  Dessins  noch  kunstreich  und  solid  zu 
klöppeln  pflegt,  viel  geigneter  sein. 

Der  Firma  M.  N.  DeBey  sei.  Wittwe  (J.  Lamberty)  in  Aachen  ge- 
bührt das  Verdienst,  der  Fabrikation  von  gediegenen  Leinenspitzen 
in  ihrer  Anwendung  für  die  verschiedenen  kirchlich  -  ornamentalen 
Zwecke  in  letzten  Jahren  dadurch  einen  neuen  Aufschwung  gegeben 
zu  haben,  dass  der  Inhaber  derselben  nach  den  besten  Vorlagen  eines 
alten  Muster  und  Modelbuches  aus  dem  Beginne  des  XVI.  Jahrhun- 
derts von  stylkundiger  Meisterhand  eine  grosse  Zahl  von  Kirclienspit- 
zen  hat  entwerfen  lassen,  die  in  alter  solider  Weise  durch  Klöppel- 
arbeit meist  in  ungebleichtem  englischem  Leinen  kunstgerecht  ausge- 
führt worden  sind.  Diese  dauerhaften  und  ernsten  Spitzen  mit  schönen, 
der  Technik  anpassenden  Musterungen  haben  in  letzter  Zeit  vielen 
Beifall  gefunden  und  haben  dieselben  wesentlich  dazu  beigetragen, 
die  Tändeleien  mit  den  leichtfertigen  von  der  Fabrik  gewebten 
Baumwollenspitzen  aus  der  Kirche  und  vom  Altare  hin  und  wieder 
fern  zu  halten.  Unter  Beigabe  einiger  Mustervorlagen,  die  von  dem 
gedachten  Hause  angefertigt,  auf  Tafel  LI  unter  Figur  1  und  2 
wiedergegeben  sind,  haben  wir  in  Nr.  3  des  Organs  für  christ- 
liche Kunst,  Köhl  1865,  diese  neuesten  Leistungen  als  einen  erfreu- 
lichen Fortschintt  zum  Bessern  unter  der  Ueberschrift:  «Spitzen- 
arbeiten nach  mittelalterlichen  Mustern«  ^)  ausführlicher  besprochen. 

Den  durchbi'ochenen  Filet-  und  Tülistickereien  gegenüber  hat 
man  an  andern  Orten  den  Versuch  gemacht,  durch  aufgenähte  Tam- 
bouret-Arbeiten  von  rother  Farbe  den  Säumen  der  Röcklein  eine 
passende  Ornanientation  zu  verleihen.  Obgleich  eine  Tambouret- 
Stickerei  an  den  Säumen  der  SuperpelUceen  und  der  Rochets  zur 


*)  Die  Firma  M.  N.  De  Bey  sei.  Wittwe  (J.  Lamberty)  in  Aachen  ist  er- 
bötig auf  Anfragen  Mustervorlagen  von  diesen  neuen  kirchlichen  Leinen- 
spitzen an  Geistliche  und  Kirchen- Vorstände  unter  Angabe  der  Preise 
einzusenden. 

23* 


—    342  — 


Verstärkung  des  untern  Randes  viel  zweckmässiger  erscheint  ,  als 
durch  irgend  welche  durchbrochene  Arbeit  den  untern  Saum  ohne 
Noth  zu  schwächen,  so  müssen  wir  doch  eingestehen,  dass  sämmtliche 
tambourirte  Verzierungen  in  rothgefärbtem  türkischem  Garn  auf  der 
weissen  Unterlage  zu  grell  sich  abheben,  und  zu  dem  ernsten  Cha- 
rakter des  kirchlichen  Chorkleides  nicht  vortheilhaft  stimmen  wollen. 

Nach  Analogie  der  reichen  Tambouret-Stickereien  auf  dem  Chor- 
gewande  Kaiser  Maximilians  1.,  das  im  IV.  B.  S.  57  des  «Kirchen- 
schmuckes« beschrieben  und  bildlich  veranschaulicht  worden  ist, 
würde  es  nach  unserem  Dafürhalten  zweckmässiger  sein ,  wenn 
man  in  einem  dunklen  ungebleichten  Leinen  sämmthche  Ornament- 
stickereien an  den  Säumen  der  Superpelliceen  so  ausführen  würde, 
dass  nur  die  äusseren  Conturen  mit  einem  farbigen  Abschlussrande 
umgeben  und  eingefasst  würden.  Wir  hatten  in'neuester  Zeit  Gelegen- 
heit, in  den  Klöstern  vom  armen  Kinde  Jesu  in  Aachen,  Cöln  und 
Wien  einige  in  dieser  Weise  gestickte  SuperpeUiceen  näher  in  Augen- 
schein zu  nehmen,  die  nicht  nur  vortheilhaft  vor  den  modernen 
Fabrik-Spitzen  in  weichlicliem  Charakter  sich  durch  Ernst  und 
Gediegenheit  auszeichnen ,  sondern  deren  Technik  auch  auf  lange 
Zeit  hin  den  Säumen  eine  grössere  Dauerhaftigkeit  verleiht. 


D.  Das  Biret. 

Unter  den  verschiedenen  litui-gischen  Gewändern,  die  sowohl 
die  Priester  als  auch  die  Bischöfe  kirchlich  in  Gebrauch  nehmen, 
und  welche  der  Reihe  nach  in  dem  vorliegenden  Werke  hinsichtlich 
ihrer  Entstehung  und  ihrer  Entwickelung  enie  nähere  Erör- 
terung finden,  ist  das  Biret  als  das  jüngste  zu  ])ezoichnen.  Das- 
selbe ist,  wie  es  sich  heute  in  seiner  Form  und  Beschaffenheit 
darstellt ,  erst  seit  dem  XVI.  Jahrhundert  allgemein  in  Gebrauch 
genommen  worden.  Wir  wollen  im  Folgenden  die  Ursachen  nui-  in 
Kürze  andeuten,  wesswegen  bis  zum  Ausgange  des  Mittelalters 
das  Biret  als  feststehende  Kopfbedeckung  in  der  Form  ,  wie  wir 
sie  heute  kennen,  nicht  zur  Geltung  kommen  konnte. 

In  dem  vorliegenden  II.  Bande  ist  von  Seite  19  bis  .'31  auf  die 
Beschaffenheit  und  Verzierungsweise  des  Immerale  hingewiesen  und 
mit  Bezugnahme  auf  Taf.  II  Fig.  1 — 5  hervorgehoben  worden,  dass 
bis  gegen  Schluss  des  Mittelalters  fast  in  allen  Bisthümern  das  hume- 
ale  mit  einer  mehr  oder  weniger  reich  gestickten  praetexta  oder 


—    343  — 


panira  verziert  zu  werden  pflegte.    Auf  Seite  25  ist  ferner  be- 
merkt worden,  dass  dieses  mit  der  praetexta  oder  der  plaga  ver- 
zierte  Scliultertuch ,    wie  es  auch  die  Abbildung  auf  Tafel  II 
Figur  2  zeigt,  als  Kopfbedeckung  in  Weise  eines  Helmes  in  der 
Sakristei  so  angelegt  zu  werden  pflegte,  dass  dasselbe  erst  nach  dem 
Stafi'elgebete  von  dem  Haupte  des  celebrirendeu  Priesters  her- 
unter geschoben  wurde.    Alsdann  diente  das  Immerale  dazu,  um 
gleichsam  als  Kragen  den  Ausschnitt  des  Messgewandes  zum  Durch- 
lassen des  Kopfes  nach  Art  eines  collare  zu  verdecken.  In  dieser  Weise 
bedienen  sich  auch  heute  noch  einige  Orden  des  humerale,  wenngleich 
auch  bei  diesen  in  den  lezten  Jahrhunderten  die  parurn  in  Wegfall 
gekommen  ist,  als  Kopfbedeckung,  sowohl  beim  Hingange  zum  Altar, 
als  auch  beim  Weggange.     Aus  dem  eben  Gesagten  erhellt  also, 
dass  bei  der  ornamentalen  Beschaffenheit  und  der  ehemaligen  An- 
legungsweise des  Schultertuches  für  den  celebrirendeu  Priester  keine 
Veranlassung  vorlag,  weder  beim  Hingange  zum  Altar,  noch  beim  Rück- 
gange in  das  sacrarium  sich  einer  besonderen  Kopfbedeckung  zu 
bechenen.    Das  vorher  Gesagte  hinsichtlich  der  Anlegungsweise  des 
Immerale  und  seines  Gebrauches  gleichsam  als  galea,  welche  Bezeich- 
nung auch  in  dem  übhchen  Gebete  bei  Anlegung  des  Schultertuches 
vorkommt,  findet  seine  Anwendung  auch  auf  die  Diakonen,  die  sich 
dieses  Gewandstückes  in  gleicher  Weise  wie  die  celebrirendeu  Priester 
bedienten.    Auch  hatte  der  Säkularklerus  keine  Veranlassung,  bei 
Absingung  der  verschiedenen  Tagszeiten  im  Chor  sich  einer  beson- 
deren Kopfbedeckung  zu  bedienen,  da,  wie  auf  Seite  287  bis  297,  im 
II.  B.  bemerkt  ist,  wenigstens  bis  zum  XIII.  Jahrhundert  die  Guggel, 
d.  h.  die  Kapuze  an  der  cappa  choralis  die  Stelle  des  spätem  Birets 
vollständig  vertrat.    Als  jedoch  im  XIII.  und  mehr  noch  seit  dem 
XIV.  Jahrhundert  diese  Kapuze  an  dem  Chormantel  fast  in  allen 
Diöcesen  in  WegfaU  kam  und  der  ehemalige  cuccullus  am  Chor- 
mantel sich  zum  ornamentalen  clipeus  in  kleiner,  dreieckiger  Form 
umgestaltete,  da  wurde  es  zunächst  für  den  Klerus  in  Abteien  und 
Stiftern  namentlich  zur  Winterzeit  bei  Absingung  der  Chorgebete 
nöthig,  eine  besondere  Kopfbedeckung  in  Gebrauch  zu  nehmen. 
Diese  Kopfbedeckung,  die  bereits  seit  dem  XI.  und  XII.  Jahr- 
hundert als  niedriger,  runder  fileus  vereinzelt  vorkommt,  hatte  zu- 
nächst auch  den  Zweck,  namenthch  in  der  rauhen  Jahreszeit  die 
grosse  Tonsur  der  Mönche  und  Kleriker  zu  verdecken;  diese! .^e 
war  im  Winter  überdies  mit  feinem  Pelzwerk  gefüttert.  Hinsicht- 
lich der  äussern  Form  und  Beschaffenheit  dieses  altern  pileus  ist 
noch  anzuführen,  dass  derselbe  ähnlich  unserm  heutigen  Soli-Deo- 


—    344  — 


Käppchen,  das  in  französischen  Diöceseu  calotte^)  und  in  Rom  zuc- 
cheito  genannt  wird,  ohne  alle  Erhöhung  kopfförmig  als  runde  Mütze, 
meistens  mit  einem  starken  Zwischenfutter,  gehalten  war.  In  der 
eben  angedeuteten  Form  und  Gestalt  als  einfache  runde  Mütze  zur 
Bedeckung  der  grossen  corona,  wie  sie  sowohl  die  Kloster-  als  auch 
die  Weltgeistlichen  das  Mittelalter  hindurch  zu  tragen  pflegten,  sind 
auch  auf  den  mittelalterlichen  Grabmonumenten  in  den  Umgängen 
des  Domes  zu  Hildesheim  die  verschiedenen  Birets  gehalten,  die  da- 
selbst als  Kopfbedeckung  von  Bischöfen,  Priestern  und  Diakonen 
in  Stein  gemeisselt  zu  ersehen  sind. 

In  den  Zeiten,  als  der  Pseudo-Alcuin  sein  bekanntes  Werk 
de  divinis  officiis  schrieb,  d.  h.  gegen  Mitte  des  XI.  Jahrhunderts, 
scheint  man  insbesondere  während  der  Feier  des  heil.  Messopfers 
sich  eines  pileolus,  der  die  grosse  Tonsur  bedeckte,  weder  dies- 
seits noch  jenseits  der  Alpen  allgemein  bedient  zu  haben.  Der- 
selbe führt  nämlich  bei  Erklärung  der  tiara  Folgendes  an:  Tiara 
erat  vestis ,  pileolum  videlicet  rotundum  ....  Hujusmodi  vestis 
non  habetur  in  Romana  ecclesia,  vel  in  uostris  regionibus.  Non 
enim  moris  est,  ut  pileati  divina  mysteria  celebrent.  Apud  Graecos 
autem  hoc  dicitur,  quia  pileos,  id  est,  cuphias  gestant  in  capite 
dum  assistunt  altaribus^). 

Gegen  Mitte  des  XII.  Jahrhunderts  scheint  in  englischen  Diö- 
cesen  bei  gewissen  Theilen  der  heil.  Messe  wenigstens  von  den 
Bischöfen  eine  kleine  Kopfbedeckung  in  Form  eines  pileolus  ge- 
tragen worden  zu  sein.  So  führt  Reginald,  ein  Mönch  des  Klosters 
Durham  und  Zeitgenosse  des  h.  Thomas  vonCanterbury  bei  Beschrei- 
bung des  Martyriums  des  letztgenannten  berühmten  Erzbischofes  an : 
Pileolo  capitis  vertice  perornatus.  Ferner  wird  in  einem  andern 
Werke  berichtet,  dass  der  Mörder  des  heihgen  Erzbischofs  mit  der 
Spitze  seines  Dolches  das  Käppchen  desselben  fortgestossen  habe 
und  lauten  die  betreffenden  Worte:  Pileum  mucrone  dejiciens^). 

Dass  man  in  englischen  Diöcesen  die  Kopfbedeckung  der 
Sänger  und  niedern  Kleriker  in  demselben  Gewandschranke,  zugleich 
mit  den  bischöflichen  Mitern  aufbewahrte,  ist  aus  einem  englischen 


')  Daher  auch  im  Französischen  der  Spottname  ^culotin«  gleich  bedeutend 

mit  dem  deutscheu  »Schwarzrock«. 
^)  Pseudo-Alcuinus,  De  Divinis  Off.  Cap.  De  Singulis  Vestibus;  Auct. 

Biblioth.  Vet.  Pat.  t.  i,  p.  272.  Paris,  1610. 

Capgrave  in  Vita  S.  Thomae  Cant.  Nov.  Leg.  Angliae,  impress.  W.  de 
Werde,  fol.  CCLXXXXI. 


—   345  — 


Inventar  vom  Jahre  1218  zu  ersehen,  wo  es  heisst:  Item  in  se- 
quenti  armario  inveni  VI  pileolos  officiariorum  et  VIII.  mitras'). 

Diese  Art  Kopfbedeckung  in  Form  eines  kleinen  Scheitel- 
käppcliens ,  das  meistens  aus  schwarzem  Tuch ,  mit  Leinen  oder 
Seide  gefüttert  war,  wurde  im  gewöhnlichen  Sprachgebrauche 
auch  hura  genannt,  wie  das  Mathaeus  Paris  in  dem  Leben  des 
Bischofs  von  Lincoln  berichtet,  der,  unter  der  Regierung  Hein- 
rich's  IL,  gegen  1163,  lebte.  Es  lautet  nämlich  der  Bericht  desselben 
wie  folgt:  Statimque  assurgens,  in  manu  regis  per  capitis  sui 
galerum ,  qui  «/mm«  dicitm*,  resignavit  id  juris,  quod  dicebat  se 
habere  in  ecclesia  b.  Albani  etc. 

In  Dugdale's  Monasticum  Anglicanum,  finden  sich  die  Statuten 
der  Collegiatkirche  von  Stoke  verzeichnet,  und  lautet  darin  u.  A. 
eine  Vorschrift  hinsichtlich  der  Calotten,  die  hier  ancelmrae  ge- 
nannt werden,  wie  folgt:  Utantur  omnes  (clerici  majores)  in  choro 
nigris  pileis  ancehuris,  et  nullo  modo  capiciis  sive  cappis  mon- 
struosis  2). 

Bereits  im  Jahre  1243  gab  Papst  Innocenz  IV.  den  Bene- 
diktinern der  Abtei  von  St.  Augustin  zu  Canterbury  den  Ge- 
brauch eines  Soli-Deo-Käppchens  zu,  und  gestattete  ihnen  die  An- 
legung desselben  während  des  Gottesdienstes  mit  Ausnahme  bei 
der  Lesung  des  Evangeliums  und  der  Elevation  in  der  h.  Messe.  Die 
betreffende  Stelle  lautet  also:  Vestris  supplicationibus  inclinati 
vobis  utencU  pileis  vestro  ordini  congruentibus  cum  divinis  inter- 
fueritis  officiis,  concedimus  liberam  facultatem,  ita  tarnen  quod  in 
lectione  Evangelica  et  elevatione  corporis  Domini  Jesu  Christi  et 
in  alüs  debita  reverentia  observetur  ^).  Auch  den  Benediktinern 
der  Abtei  von  Peter-Borugh  gestattete  der  Papst  dieselbe  Gerechtsame. 

In  der  ersten  Hälfte  des  XIV.  Jahrhunderts  scheint  indessen 
das  Biret,  oder  der  pileoliis ,  in  englischen  Diöcesen  allgemeiner 
in  Gebrauch  genommen  und  nicht  mehr  als  besondere  Auszeich- 
nung getragen  worden  zu  sein,  denn  in  den  Statuten  des  Bischofs 
Grandisson  vom  Jahre  1337  findet  sich  unter  der  Ueberschrift:  De 
Habitu  Chori  folgende  Verordnung:  Debent  omnes  indui  exterius 
cappis  nigris  ...  et  in  capite  pileolis  nigris  etc. 


»)  Invent.  an.  1218,  t.  i.  Hist.  Nem.  p,  66. 

*)  Statut.  Eccles.  Collegiat.  de  Stoke  juxta  Cläre.  Dugdale,  Mon.  Anglic. 

t.  VIII.,  p.  1419. 
*)  Raynaldus,  ad  annum  1243,  n.  41. 


—    346  — 


Auch  die  englischen  Bischöfe  bedienten  sich  gegen  Schluss 
des  XIII.  Jahrhunderts  einer  niedrigen,  runden  Kopfbedeckung, 
die  damals  schon  den  Namen  biretlum  führte,  und  scheinen  dieselben 
mit  dieser  Kopfbedeckung  gleichsam  eine  Art  Investitur  bei  Ver- 
leihung von  kirchlichen  Beneficien  vorgenommen  zu  haben.  Wir 
entnehmen  dies  aus  einer  Stelle,  die  Du  Gange  ad  vocem  birettum 
beibringt.  Dieselbe  lautet:  Thomae  Custe  providimus  de  bene- 
ficio  ecclesiastico  .  .  .  iUudque  eidem  Thomae  contulimus  ac  eum 
de  ipso  per  nostrum  birettum  praesentialiter  investimus  etc^). 

Auf  unserer  Abbildung  Taf.  XXXI,  die  einer  älteren  Malerei 
des  XV.  Jahrhunderts  grösstentheils  entlehnt  ist,  bemerkt  man 
eine  Art  Kopflied eckung  unter  der  Miter  des  dort  abgebildeten 
heil.  Erzbischofs,  die  auch  auf  anderen  Bildwerken  des  Mittelalters 
häufig  ersichtlich  ist. 

Aus  einigen  Stellen,  die  Dr.  Rock  in  seinem  oft  citirten 
Werke 2)  anführt,  könnte  hergeleitet  werden,  dass  bereits  in  der 
letzten  Hälfte  des  XIII.  Jahrhunderts  diese  Kopfbedeckung  der 
Cleriker,  die,  parallel  mit  der  Miter  der  Bischöfe,  i7ifula  und  im 
gewöhnlichen  Sprachgebrauch  auch  coypha  genannt  wurde,  eine, 
wenn  auch  unbedeutende  Ausdehnung  und  Erhöhung  erhalten  habe. 
Die  betreffende  Stelle  lautet :  Nec  nisi  in  itinere  constituti  (clerici) 
unquam  aut  in  ecclesiis,  vel  coram  praelatis  suis,  aut  in  conspectu 
communi  hominum,  publice  infulas  suas,  quas  vulgo  coyphas  vocant, 
portare  aliquatenus  audeant  vel  praesumant^). 

Dass  diese  infula,  die  auch  te7ia  genannt  wurde,  nicht  von 
zu  grosser  Ausdehnung  gewesen  sein  müsse,  lässt  sich  aus  dem 
Umstände  ermessen,  dass  dieselbe  auch  unter  dem  caputium  des 
Chormantels  bei  strenger  Kälte  oder  in  Krankheitsfällen  zu  tragen 
gestattet  war,  wie  das  aus  folgender  Stelle  zu  entnehmen  ist: 
Videtur  —  quod  tali  infula  vel  tena  sub  caputio,  causa  frigoris 
vel  infirmitatis  uti  non  sit  prohibitum  *). 

Diese  runde  Kopfbedeckung,  die  zur  Winterszeit  noch  unter 
der  Kapuze  der  mppa  oder  des  almutium  in  vielen  Kirchen  ge- 
tragen zu  werden  pflegte,  hatte  eine  solche  Ausdehnung,  dass  auch 
die  Ohren  davon  bedeckt  wmxlen,  und  dass  sie  vermittelst  zweier 


')  Chron.  W.  Tlioru,  p.  1969. 

The  Church  of  our  fathcrs  by  Dan.  Rock.  London,  1849  vol.  II,  p.  65, 
•'*)  Constit.  Othoboni,  A.  D.  1268,  apud  Wilkins,  Concil.  Mag.  Brit.  Tom. 

II,  p.  4. 

'')  Lyndwood's  Provinciale,  lib.  III.  tit.  I.  p.  120. 


—    347  — 


Schnüre  unter  dem  Kinn  festgebunden  werden  konnte,  wie  dies 
aus  folgender  Stelle  bei  Matthaeus  Paris  erhellt:  Qui  .  .  . 
captus  est  coram  judicibus  judicandus.  Et  cum  non  posset  objectis 
respondere  .  .  .  voluit  ligamina  suae  coifae  solvere,  ut  palam 
monstraret,  tonsuram  se  habere  clericalem 

Da  über  das  Verkommen,  die  Gestalt  und  Ausdehnung  einer 
von  der  Chorkappe  getrennten  Kopfbedeckung  des  niedern  und 
höhern  Clerus  den  vorher  angeführten  Stellen  zufolge  seit  dem  XIII. 
Jahrhundert  kein  Zweifel  mehr  obwalten  kann,  so  liegt  uns  hier  die 
Frage  zur  Beantwortung  vor:  haben  sich,  aus  der  Frühzeit  des 
Mittelalters  herrührend  solche  Birets  heute  noch  erhalten? 

Die  Ursachen  liegen  nahe,  wesswegen  von  allen  Hturgischen 
Kleidungsstücken  am  allerseltensten  heute  ältere  Kopfbedeckungen 
aus  der  romanischen  Kunstepoche  anzutreffen  sein  dürften. 

Offenbar  die  älteste  und  auch  bei  weitem  interessanteste 
Kopfbedeckung  m  runder  Form,  welche  sich  durchaus  dem  Haupte 
des  Trägers  anpasst,  bewahrt  man  heute  noch  im  Schatze  der 
Kii-che  San  Zeno  in  Verona.  Dieselbe  wird  in  einem  besondern 
Reliquiar  sorgfältig  auf  bewehrt,  imd  soll  dieselbe  sich,  irren  wir 
nicht,  bis  auf  die  ersten  Jahrhunderte  der  Kirche  zurückfüliren 
lassen  2).  Eine  fernere,  nicht  weniger  merkwürdige  Kopfbedeckung 
in  Form  eines  pileolus,  welcher  grade  die  grosse  Tonsur  bedeckte 
und  nur  die  corotia  des  Haares  zmn  Vorschein  treten  Hess,  wird 
heute  noch  im  Domschatze  zu  Trier  unter  vielen  andern  Reliquien 
ehrfurchtsvoll  aufbewahrt.  Einer  glaubwürdigen  Ueberheferung 
nach  bediente  sich  dieser  kleinen  calotte  der  heilige  Simeon, 
den  Erzbischof  Poppo  aus  dem  Oriente  mit  nach  Trier  führte, 
und  zu  dessen  Gebrauch  er  bekanntlich  den  heute  noch  be- 
stehenden chorförmigen  Anbau  an  der  Porta  nigra  errichten 
liess.  Dieser  merkwürdige  pileolus^  den  wir  auf  Tafel  L  unter 
Fig.  2  im  verkleinerten  Maasstabe  bildlich  wiedergeben,  scheint 
aus  Kameelgarn  von  hellbrauner  Farbe  durch  Handarbeit  in  der 
Weise  angefertigt  worden  zusein,  wie  man  auch  spii-alförmig  die 
oberen  Rundungen  von  Bienenkörben  herzustellen  pflegt. '  Die  Eigen- 


i)Matt.  Paris,  Eist.  Angl,  sub  an.  1259,  p.  663. 

*)  Wir  haben  von  dieser  merkwürdigen  Kopfljedeckung  vor  wenigen 
Jahren  durch  einen  geschickten  Künstler  eine  genaue  Abbildung  in 
uuserin  Beisein  aufnehmen  lassen.  Der  Zeichner  ist  jedoch  vor  kurzer 
Zeit  gestorben,  und  ist  die  von  ihm  aufgenommene  Copie  in  seinem 
Nachlasse  nicht  mehr  wiedergefunden  worden. 


—    348  — 


thümlichkeit  des  Materials  und  der  Anfertigimg  iässt  nicht  den 
mindesten  Zweifel  über  die  Authenticität  dieser  Kopfbedeckung  auf- 
kommen. Zum  Schutze  dieser  Reliquie  scheint  man  am  Schlüsse  des 
XIV.  Jahrhunderts  ein  zweites  Chorkäppchen  angefertigt  zu  haben, 
das  auf  derselben  Tafel  unter  Figur  3  abgebildet  ist,  und  welches 
aus  einem  figurirten  Seidenstoffe  norditalienischer Fabrikation  besteht. 
Wie  die  betreffende  Abbildung  dies  veranschaulicht,  gehen  von  der 
Spitze  des  Mützchens  4  schmale  goldgewirkte  Tressen  aus.  Wir 
lassen  es  hier  dahingestellt  sein,  ob  dieser  zweite  jnleolus  ehemals 
getragen  worden  ist,  oder  ob  derselbe,  was  wahrscheinlicher  ist, 
als  schützender  Ueberzug  für  die  Kopfbedeckung  des  heil.  Simeon 
angefertigt  wurde. 

Es  dürfte  schwer  halten,  den  Zeitpunkt  genauer  zu  bestimmen, 
wann  die  clericale  Kopfbedeckung  sich  nach  der  Höhe  hin  weiter 
auszudehnen  und  zu  entwickeln  begann.  Nachdem  wir  eine  grosse 
Zahl  älterer  Grabsteine  des  XIV.  und  XV.  Jalii'hunderts  mit  ihren 
figürlichen  Darstellungen  genauer  erforscht  haben,  sind  wir  zu  der 
Ansicht  gelangt,  dass  in  deutschen  und  französischen  Diöcesen  erst 
gegen  Beginn  des  XV.  Jahrhunderts  der  pileus  sich  hutförmig  zu 
erweitern  und  allmählig  zu  erhöhen  begann.  Die  schöne  Hand- 
zeichnung auf  Taf.  XLVL,  die  einem  ausgezeichneten  flämischen 
Maler  gegen  Mitte  des  XV.  Jahrhunderts  Entstehung  zu  danken 
hat,  lässt  bei  den  Canonikern,  dargestellt  unter  lit.  e  und  d, 
noch  in  einfachster  Form  den  pileus  als  caloüe  oder  Scheitel- 
käppchen  ohne  alle  Erhöhung  erkennen.  Auf  Taf.  LXIV.  jedoch 
trägt  der  magister  cantus  ein  Biret,  das  sich  nicht  mehr  in  runder 
Form  enge  dem  Haupte  des  Trägers  anschliesst,  sondern  das  sich 
bereits  hutförmig  zur  Höhe  hin  entwickelt  hat.  Diese  Erhöhung 
des  piletis  tritt  namentlich  in  der  Kölner  Erzdiöcese  gegen  den 
Schluss  des  XV.  Jahrhunderts  auffallend  zu  Tage,  wie  es  das  Bild- 
werk des  Cölnischen  artium  magister  Joh.  Krytwysh  von  AUmern 
deutlich  zeigt,  der  im  Jahre  1513  starb  und  dessen  Grabstein,  an- 
gefertigt im  Beginne  des  XVI.  Jahrhunderts,  heute  noch  in  der 
Vorhalle  zu  St.  Gereon,  in  Stein  gemeisselt,  zu  ersehen  ist.  Auf 
Tafel  VIII  des  I.  B.  ist  eine  getreue  Abbildung  dieses  Grabdenkmals 
ersichtlich. 

Im  Beginne  des  XVI.  Jahrhunderts  scheinen  in  englischen  Diö- 
cesen die  Birets  eine  solche  Ausdehnung  zur  Höhe  noch  nicht  er- 


')  Dieser  magister  cantus  ist  einem  schwäbischen  Holzschnitte  aus  dem 
letzten  Viertel  des  XV.  Jahrhunderts  getreu  nachgebildet. 


—    349  — 


reicht  zu  haben,  wie  dies  am  Rheine,  der  ebengedachten  Abbildung 
zufolge,  der  Fall  war.  Zum  Belege  dafür  verweisen  wir  auf  ein 
Grabmonument  des  Kanonikers  Urswick,  das  sich,  aus  dem  Jahre 
1521  herrührend,  in  der  Kirche  zu  Hackney  in  der  Grafschaft  Midd- 
lesex  befindet.  Wir  geben  die  Abbildung  dieses  Grabmals  auf  Ta- 
fel L  Figur  4  auch  schon  desswegen  wieder,  weil  dieses  interessante 
Bildwerk  die  vollständige  Cliorkleidung  eines  englischen  Kanonikers 
aus  dem  Beginne  des  XVI.  Jahrhunderts  getreu  veranschaulicht. 
Als  Untergewand  trägt  derselbe  einen  faltenreichen  Talar,  der,  wie 
es  die  Abbildung  zeigt,  mit  Pelz  gefüttert  ist.  Darüber  erblickt  man, 
weit  über  die  Kniee  hinuntersteigend,  die  weissleinene  cotta,  unser 
heutiges  Röcklein,  mit  weiten  Aermeln  und  ohne  Stickereien  am 
untern  Saume,  lieber  der  cotta  trägt  derselbe  einen  ziemlich  lan- 
gen Schulterla-agen  von  Pelzwerk,  das  abnucium,  welcher  auf  den 
Schultern  ein  weites  capucium  d.  h.  eine  cappa,  ebenfalls  von  Pelz 
erkennen  iässt.  Als  letztes  Obergewand  tritt  der  Chormantel,  die 
cappa  choralis  zum  Vorschein,  die  an  den  vordem  Rändern  mit 
einer  reichgestickten  auvifrisia  verbrämt  ist.  Anstatt  der  Miter,  die 
sich  auf  bischöllichen  Grabdenkmälern,  immer  wieder  vorfindet,  ist 
das  Haupt  unseres  Kanonikers  mit  einem  sehr  niedrigen  Biret  be- 
deckt, das  sich  in  der  Mitte  zu  einer  Spitze  erhebt,  an  welcher 
Stelle  bereits  um  diese  Zeit  in  deutschen  und  italienischen  Diö- 
cesen  ein  kleiner  ßoccus  ersichtlich  war. 

Es  leuchtet  ein,  dass  die  Birets  in  der  altern  Form  als  ein- 
fache runde  Kopfbedeckng  beim  Gebrauche  sich  als  unbequem 
erwiesen,  und  war  dies  um  so  mehr  der  Fall,  als  die  altern 
Scheitelkäppchen  vor  dem  XV.  Jahrhundert  des  Steiffutters  mei- 
stens entbehrt  zu  haben  scheinen.  Behufs  des  leichtern  Gebrau- 
ches beim  Auf-  und  Absetzen  der  Birets  begann  man  namentlich 
in  der  Mitte  des  XV.  Jahrhunderts,  allmählig  jene  Zusammen- 
setzungs-Nähte gleichsam  als  cornua  weiter  zu  entwickeln,  die 
sich  auf  der  obern  Rundung  unter  der  Hand  des  Schneiders  von 
selbst  ergaben.  Aus  diesen  drei  oder  vier  aufstehenden  Nähten 
wurden  alsdann  gegen  Schluss  des  XV.  Jahrhunderts,  Anfangs  in 
unscheinbarer  niedriger  Form,  zuweilen  mit  Unterlagen  von  stei- 
fen Futterzeugen,  jene  cornua  weiter  ausgedehnt,  die  an  den  heu- 
tigen Birets  vielfach  eine  zu  grosse  und  zwecklose  Höhe  auf  Kosten 
der  Schönheit  der  kirchlichen  Kopfbedeckung  angenommen  haben 


')  Claude  de  Vert,  geht  in  seiner  Explication  des  ceremonies  de  l'eglise, 
t.  II,  p.  272—282,  bei  Beschreibung  der  Birets  sehr  ausführlich  zu 


—    350  — 


Schon  früher  war  an  den  Birets  in  vielen  Diöcesen  Vorkehrung  ge- 
troffen, dass  man  zinn  Zweck  des  leichteren  Gebrauches  beim  Auf- 
und  Absetzen  an  dem  Mittelpunkt  des  Birets,  da  wo  die  aufrecht 
stehenden  Ecken  zusammeustossen,  einen  kleinen,  niedrigen  Quasten 
von  Seidenfdden  anbrachte,  dessen  Mittelpunkt  an  vielen  Stellen 
mit  einem  platten  Knopfe,  des  bequemeren  Gebrauches  wegen,  ver- 
sehen war. 

Diese  Anfangs  unscheinbaren  Fi'ansen,  die  zuweilen  den  Namen 
ßmbriue,  flocci  führen,  erweiterten  sich  im  Laufe  der  Jahrhunderte 
zuweüen  über  Gebühr  in  einer  Weise,  dass  sie  an  vielen  Birets 
namentlich  seit  dem  vorigen  Jahrhundert  zu  einem  starken,  runden 
Quasten  mit  steifem  Haar  heranwuchsen. 

Der  beschränkte  Raum  erlaubt  es  nicht  auch  nur  in  kurzen 
Umrissen  hier  die  verschiedenen  Formen  und  Grössenverhältnissen 
der  Birets  zu  beleuchten,  wie  sie  noch  vor  wenigen  Jahrzehnten 
in  vielen  Bisthümern  zur  Anwendung  kamen.  In  neuester  Zeit  ist 
man  von  diesen  langgezogenen,  die  Höhe  anstrebenden  Birets,  die 
in  der  Regel  mit  einem  mächtigen  Quasten  abschlössen,  allmählich 
zurückgekommen,  und  hat  man  in  vielen  Bisthümern  wieder  jene 
niedrige  Form  derselben  einzuführen  begonnen,  wie  sie  heute  noch 
in  Rom  allgemein  in  Gebrauch  ist,  und  wie  sie,  der  römischen 
Form  nahe  kommend,  auch  die  P.  Jesuiten  zu  tragen  pflegen i). 

Ausser  den  niedrigen  Scheitelbedeckungen  zu  San  Zeno  in 
Verona  und  im  Domschatze  zu  Trier,  haben  sich,  aus  nahe  hegenden 
Gründen,  wie  oben  bereits  angedeutet,  wenige  altern  priesterlichen 
Kopfbedeckungen  in  Form  von  Birets  erhalten,  aus  denen  sich 
der  Schnitt  und  die  Beschaffenheit  derselben  vor  dem  XV.  und 
XVI.  Jahrhundert  nachweisen  liesse^).  Auch  ältere  Schatzverzeich- 
nisse unterlassen  es,  die  kirchliche  KopflDcdeckung,  da  sie  keinen 
besonderen  Werth  hatte  und  der  jedesmaligen  Person  des  Trägers 
zuständig  war,  namhaft  zu  machen.     Nur  auf  älteren  Malereien, 


Werke  und  bringt  viele  interessante  Einzelheiten  über  die  äitere  Be- 
schaffenheit derselben  bei. 

*)  Bekanntlich  finden  sich  an  den  Birets  in  römischer  Form,  die  den  Ty- 
pus der  mittelalterlichen  pilei  am  treuesten  bewahrt  haben,  immer  nur 
drei  cornua  vor ;  nur  die  doctores  ss.  Camnum  et  s.  Theologiae  haljen  das 
Recht  und  zwar  in  cathedra  sich  eines  Birets  mit  vier  comua  zu  bedienen. 

*)  Auch  im  Domschatz  zu  Sens  sahen  wir  ein  merkwürdiges  Scheitelkäpp- 
chen  des  h.  Thomas  von  Canterbury,  dessgleichen  in  der  Kirche  auf  der 
llheininsel  Niederwerth,  Vallendar  gegenüber,  eine  interessante  calote,  die 
einer  glaubwürdigen  Ueberlieferung  zufolge  vom  h.  Bei'nliard  herrührt. 


—   351  — 


dessgleichen  auf  Grabsteinen  lässt  sich  die  Form  und  Beschaffeu- 
heit  der  Birets  noch  ziemlich  klar  nachweisen,  wie  dieselben  sich 
gegen  Schluss  des  Mittelalters  entwickelt  haben. 

Auf  Taf.  L,  Fig.  5  und  6  sind  im  genauen  Anschluss  an  ältere 
Abbiklungen  zwei  bildliche  Darstellungen  mit  Kopfbekleidungen  wie- 
dergegeben, die  deutlich  zeigen,  dass  gegen  Schluss  des  XV.  Jahr- 
hunderts das  Biret  schon  eine  merkliche  Ausdehnung  und  Eut- 
wickelung  erhalten  hatte.  Das  Biret  unter  Fig.  5  ist  einem  Glas- 
gemälde aus  der  ersten  Hälfte  des  XVI.  Jahrhunderts  entlehnt; 
das  schöne  Biret  unter  Fig.  G  auf  Taf.  L  veranschaulicht  nach  dem 
bekannten  Diirer'schen  Holzschnitt  das  Porträt  des  Kardinals 
Albert  von  Brandenburg,  Erzbischofs  von  Mainz.  Zur  selben  Zeit, 
als  die  zuletzt  besprochenen  und  abgebildeten  Kopfbedeckungen, 
die  schon  ziemlich  zur  Höhe  anstreben,  liturgisch  in  Gebrauch 
waren,  kommen  auch  bei  der  grossen  Verschiedenheit  und  Ab- 
wechselung der  Formen  je  nach  den  verschiedenen  Ländern  Bi- 
rets vor,  die  sich  mehr  jenen  profanen  Kopfbedeckungen  nähern, 
wie  dieselben  gegen  Schluss  des  Mittelalters  von  den  Doktoren  und 
den  Magistern  der  freien  Künste  an  den  Universitäten,  dessgleichen 
auch  an  Gerichtshöfen  von  richterlichen  Beamten  getragen  wurden. 
Ueberhaupt  hat  die  proläne  Kopfbedeckung,  wie  eine  solche,  altern 
bildhchen  Darstellungen  zufolge,  von  den  Humanisten  und  den 
Theologen  im  Beginne  des  XVI.  Jahrhunderts  getragen  zu  werden 
pflegte,  hinsichtlich  ihrer  Anlage  und  Form  grosse  Aehnlichkeit 
mit  jenen  hireta  quadrata,  wie  sie  besonders  in  der  ersten  Hälfte 
des  XVI.  Jahrhunderts  sowohl  von  dem  Pfarr-  als  auch  dem  Stifts- 
klerus in  deutschen  Diöcesen  getragen  zu  werden  pflegten.  Auf 
Taf.  L  Fig.  G  geben  wir  in  verkleinertem  Maassstabe  eine  getreue 
Nachbildung  eines  Birets  wieder,  das  sich  genau  in  der  vorliegen- 
den Form  auf  dem  Haui)tc  eines  Stiftslierrn  vorfindet,  dessen  in 
Stein  gemeisseltos  Grabmonumcnt  sich  heute  noch  in  der  lürche  zu 
Oberwesel  bei  Bingen  erhalten  hat.  Wie  Fig.  7  auf  Taf.  L  zeigt,  sind 
die  vier  cornua  in  den  Zusammensetzungs-Nähten  an  dem  obern 
Theile  kaum  ersichtlich.  Aus  derselben  Zeit,  nändich  aus  dem 
Schlüsse  des  XV.  Jahrhunderts,  rührt  auch  jenes  Biret  her,  dessen 
cornua  sich  kaum  merklich  nach  der  Höhe  hin  abheben ,  und 
welches  auf  Taf.  XLIX  dargestellt  ist,  wie  es  eha  knieendcr  Stilts- 
herr  in  Händen  hält.  Dieses  Originalbildwerk  in  Stein,  das  sich 
gegenwärtig  in  unscrm  Besitze  befindet,  wurde  zur  Zeit  der  fran- 
zösischen Revolution  nebst  dem  dazu  gehörenden  Gi'abdeukmale 
aus  der  eben  gedachten  Kirche  entfernt. 


352  — 


>Jeben  dem  Biret  fand  sicli  seit  den  Tagen  des  Mittelaltars 
bis  zu  den  letzten  Jahrhunderten  auch  das  almucium  als  kirchliche 
Kopfbedeckung  in  Gebrauch.  Dieses  Kopf  und  Schulter  zugleich 
bedeckende  Obergewand,  das  aus  mehr  oder  weniger  kostbarem 
Pelzwerk  bestand,  führt  bei  altern  Schriftstellern  verschiedene 
Namen.  Du  Gange  hat  in  seinem  Glossarium  dafür  die  synonimen 
Bezeichnungen  almucium ,  ahnucia ,  aumucia ,  amiculum  aufgestellt. 
Mit  dem  amiculum  hält  er  für  gleichbedeiitend  den  amictus  und 
führt  dabei  an:  quo  canonici  Caput  humerosque  tegebant.  Dass 
das  almucium,  das  die  Franzosen  aumuce,  aumusson  oder  aumucon 
benennen,  im  frühen  Mittelalter  vornehmlich  als  winterliche  Kopf- 
bedeckung in  Gebrauch  war,  ersieht  man  auch  aus  dem  Glossarium 
Lat.  Galt. ,  wo  das  aumuce  gleichbedeutend  mit  apex  steht. 
In  den  Statuta  Massiiiens.  Mss.  sind  die  Ausdrücke  capucium  und 
almucia  ebenfalls  identisch.  Das  almucium  in  seiner  altern  Form 
als  weiter  Schulterkragen  von  Pelzwerk  mit  daran  befindlicher 
Kapuze  zur  Bedeckung  des  Kopfes  bestand  also  aus  zwei  wesent- 
lichen Haupttheilen,  nämlich  aus  der  almucia,  welche  die  Schultern 
bis  etwa  zu  den  Ellbogen  bedeckte,  und  dem  cucullus  oder  cappa, 
welche  über  das  Haupt  geschoben  werden  konnte.  Dieses  almucium, 
das  beim  Chordienste  von  den  Kanonikern  der  verschiedenen  Stifter 
über  der  cotta  getragen  wurde,  bestand  in  vielen  Kathedralen 
in  seiner  Ganzheit  aus  feinem  Pelzwerk ,  wie  das  in  dem  Werke 
des  Claude  de  Vert  auf  der  betreffenden  Abbildung  zu  ersehen  ist. 
In  einigen  Kirchen  jedoch  war  nur  das  Innere  derselben  mit  fei- 
nem Pelzwerk  gefüttert,  und  zwar  nicht  nur  das  Innere  des  Kragens, 
sondern  auch  ganz  besonders  die  Innentheile  der  Kapuze.  Zuweilen 
befand  sich  an  dem  almucium  eine  Kopfljedeckung,  der  cucullus 
oder  das  capucium  in  viereckiger  Form;  zuweilen  mündet  dieselbe 
auch  in  eine  ausgerundete  Spitze  aus.  Auf  Taf  XL  VI  ersieht  man 
die  Copie  einer  alten  flandrischen  Federzeichnung  aus  der  Mitte 
des  XV.  Jahrhunderts,  welche  unter  andern  Figuren  auch  zwei 
Kanoniker  darstellt,  welche  gleichmässig  das  almucium  tragen ;  die 
Figur  unter  c  ist  mit  einem  solchen  bekleidet,  das  als  almucium 
quadratum  in  zwei  Spitzen  ausmündet.  Diese  Kopfhülle,  welche 
sich  sowohl  unter  Figur  c  als  d  vorfindet,  scheint  nur  im  Innern 
mit  Pelzwerk  gefüttert  zu  sein,  und  erblickt  man  an  dem  untern, 


')  Explications  des  cereinoiiies  de  Teglise  par  Dom  Claudp  de  Vert,  toine 
IL,  pl.  2,  pag.  264,  fig.  1-9. 


-   353  — 


ausmündenden  Theile  gleichsam  als  Fransen  kleine  Flocken  von 
Pelz. 

Ein  interessantes  almucium  veranschaulichen  vs^ir  auf  Tafel  L 
Fig.  8,  die  einen  gegen  das  Jahr  1360  verstorbenen  Petrus  de 
Cinthiis,  Kanoniker  von  St.  Peter  in  Rom  theilweise  bildlich  wieder- 
gibt. Diese  Kopf  und  Schultern  gleichmässig  verdeckende  Kapuze 
von  feinem  Pelzwerk  kann  zum  Belege  gelten,  dass  im  XIV.  Jahr- 
hundert auch  in  römischen  Kirchen  das  almucium  in  Gebrauch  war. 

Im  Sommer  wurde  diese  Kopf-  und  Schulterbedeckung,  beson- 
ders wenn  sie  aus  Pelzwerk  bestand,  nicht  über  Kopf  und  Schultern 
gelegt,  sondern  die  Kanoniker  pflegten  alsdann  dieses  auszeichnende 
Obergewand  mehr  als  Ornament  über  dem  linken  Arm  zu  tragen, 
wie  das  an  der  Darstellung  unter  d  auf  Tafel  XL  VI  zu  ersehen 
ist.  Im  Chor  wurde  es  in  der  warmen  Jahreszeit  über  das 
stallum  des  betreffenden  Stiftsherrn  rückwärts  hingelegt.  Auf  Ta- 
fel XLIX  erblickt  man  bei  dem  Bilde  des  knieenden  Stiftsherrn, 
das ,  in  Stein  ausgeführt ,  aus  der  lürche  von  Oberwesel  stammt 
und  das,  wie  es  der  sehr  geknickte  Faltenwurf  der  Gewänder 
deutlich  anzeigt,  dem  Schlüsse  des  XV.  Jahrhunderts  angehört, 
eine  andere  Form  des  alnmcium ,  das  nach  Aussen  hin  aus  ver- 
schiedenen Lagen  von  Pelz  bestand  und  dessen  capucium  anscheinend 
in  eine  Spitze  ausmündete.  Wie  die  Abbildung  dieses  knieenden 
Stiftsherrn  andeutet,  scheint  der  an  dem  Pelzkragen  befindliche 
cucullus  schon  nicht  mehi"  die  Bestimmung  gehabt  zu  haben  als 
pileus  zur  Bedeckung  des  Kopfes  zu  dienen,  sondern  die  knieende 
Figur  hält  ein  besonderes  Biret  in  Händen,  das  neben  dem  almu- 
cium in  rheinischen  Kirchen  im  XVI.  Jahrhundert  fortwährend  in 
Gebrauch  gewesen  zu  sein  scheint. 

Aeltern  Darstellungen  von  Stiftsherren  aus  dem  XV.  und  XVI. 
Jahrhundert  zufolge,  wie  sie  auf  grössern  altdeutschen  Bildern  als 
Donatoren  im  kölner  Museum  zahlreich  ersichtlich  sind,  dürfte 
das  almucium  in  den  kölnischen  Kirchen  um  diese  Zeit  mit  dem 
entsprechenden  Gewandstück  abgebildet  auf  Tafel  XLIX  überein- 
stimmend in  der  Form  gewesen  sein. 

Heute  ist,  so  weit  uns  bekannt  ist  nur  in  wenigen  Kirchen  dieser 
Pelzkragen  mit  daran  befindlicher  Guggel,  wie  er  eben  beschrieben 
wurde,  noch  in  Gebrauch.  Durch  die  Einführung  der  cappa  magna, 
die  der  römischen  Kirche  entlehnt  ist,  wurde  das  almucium  in  den 
zwei  letzten  Jahrhunderten  nach  und  nach  verdrängt,  zumal  in 
unmittelbarer  Verbindung  mit  der  cappa  magna,  unserer  Beschreibung 
auf  Seite  355  zufolge,  auch  eine  Art  von  almucium  vorkommt,  das 


—    354  — 


als  cumllus  oder  capuchon  in  Winterszeit  ebenfalls  über  den  Kopf 
geschoben  werden  konnte  und  die  Stelle  des  ehemaligen  Pelzkra- 
gens mit  Koi^fbedeckung  vollständig  ersetzte. 

Da  der  in  dem  vorliegenden  Bande  zugemessene  Raum  schon  be- 
deutend überschritten  worden  ist,  so  kann  es  im  Folgenden  nicht  un- 
sere ALsicht  sein,  alle  jene  Chorgewänder  und  Ornate  ausführlicher  zu 
besclu-eibeu,  welche  die  Bischöfe,  ferner  der  Stifts-  und  Kathedral- 
Clerus,  dessgleichen  die  römischen  Prälaten  in  ihren  v  erschiedenen 
Rangabstufungen  als  decorative  auszeichnende  Obergewänder  über 
dem  rochettirn  zu  tragen  pHegen.  Eine  ausführliche  Besprechung 
dieser  Gewänder,  die  eigentlich  nicht  mehr  in  den  Bereich  des 
vorliegenden  Werkes  gehören,  da  dieselben  nicht  aus  dem  Mittel- 
alter stammen,  sondern  erst  in  neuerer  Zeit  Entstehung  gefun- 
den haben,  möchte  wohl  allein  eine  umfangreiche  Abhandlung 
erfordern  und  wäre  eine  Beschreibung  des  geschichtlichen  Ur- 
prunges  und  der  Entwickelung  derselben  ohne  Hinzugabe  von  zahl- 
reichen Abbildungen  kaum  zu  ermöglichen.  Diejenigen,  die  sich 
des  Nähern  über  jene  Chorkleidungen  unterrichten  wollen,  welche 
die  verschiedenen  kü-chlichen  Würdenträger  bei  Abhaltung  des 
Chorgottesdienstes  über  dem  Röcklein  anzulegen  pflegen,  finden 
nähere  Aufschlüsse  bei  dem  französischen  Liturgiker  Molinet  in 
seinen :  Figures  des  differents  habits  des  Chanoines  Reguliers,  dess- 
gleichen auch  bei  Bonanni:  Catalogo  degli  Orthni  Rcligiosi,  und 
endlich  in  dem  bekannten,  umfangreichen  Werk  von  Moroni. 

Für  den  vorliegenden  Zweck  mag  es  der  Vollständigkeit  wegen 
genügen,  nur  in  Kürze  auf  jene  auszeichnenden  Chorgewänder 
hinzuweisen,  die  seit  dem  Schlüsse  des  Mittelalters  die  Stifts- 
und Domherrn,  die  römischen  Prälaten  und  Bischöfe  beim  Chor- 
gottesdienst und  bei  sonstigen  Funktionen  zu  tragen  pflegen.  Die 
meisten  derselben  sind  aus  dem  Chormantel,  der  cappa,  durch 
vielfache  Umänderungen  im  Schnitt  und  im  Stoff,  namentlich  erst 
in  den  drei  letzten  Jahrhunderten,  auf  jene  Formen  zurückgefülui 
worden,  wie  sie  heute  in  den  meisten  Kathedral-Kirchen  gebräuch- 
lich sind. 

Unter  diesen  Obergewändern,  die  in  ihrer  allmähligen  Ver- 
kürzung und  Umänderung  verschiedene  Namen  lühren,  sind  vor 
Allem  zu  erwähnen  die  cappa  magna,  den  camail  ital.  mozetta, 
ferner  die  römische  Prälatenkleidung  der  Monsignori ,  die  zur 
famiglin  pontificia  gehören,  nämlich  die  mantcleUn  und  der  7nan- 
tellone. 


E.   Die  sonstigen  auszeichnenden  Obergewänder  der  Stifts- 
und Domherren,  der  Bischöfe  und  Cardinäle. 

Die  cappa  magna,  die  von  den  Kardinälen  in  hochrother  Seide 
zugleich  mit  einem  die  Schultern  und  auch  ehemals  den  Kopf  be- 
deckenden cucullus  getragen  wird,  dessen  lunentheile  in  Winterzeit 
mit  Hermelin  ausgefüttert  sind,  unterscheidet  sich  von  dem  entspre- 
chenden Ornat  der  Bischöfe  und  Domherren  nur  hinsichtlich  des 
Stoffes  und  der  Farbe,  nicht  jedoch  in  Bezug  auf  Schnitt  und 
Form.  Diese  Chormäntel  der  Bischöfe  und  Domherren  bestehen  aus 
violettem  W^Uenstoff  oder  Seide  und  sind  die  nach  Aussen  zum  Vor- 
schein tretenden  Innentheile  des  Guggeis  mit  rother  Seide,  im  Win- 
ter indessen  mit  Pelzwerk  überzogen.  Die  cappa  magna  wird  in  Win- 
terszeit als  faltenreicher,  an  der  vorderen  Seite  geschlossener,  auf 
der  Brust  aufgeschhtzter  Mantel  so  getragen,  dass  die  Kapuze  bei 
Abhaltung  der  kii-chlichen  Tageszeiten  mit  leichter  Mühe  der 
Wärme  wegen  über  den  Kopf  geschoben  werden  könnte.  Der  hin- 
tere stofi'reiche  Theil  dieses  Chormantels  verlängert  sich  jedoch 
zu  einer  bedeutend  langen  cauda,  die  bei  den  Kardinälen  und  Bi- 
schöfen von  einem  assistirenden  caudaUirius  getragen  wird.  In  der 
päpstUchen  KapeUe  tragen  die  Bischöfe  die  ganze  Schleppe  zusam- 
mengerolUt  auf  dem  Arme  oder  in  einer  Schleife.  Sowohl  bei  Molinet 
als  auch  bei  D.  Claude  de  Vert,  tome  II,  pl.  VI.  sind  Abbildungen 
dieser  cappa  magna  zu  sehen  und  ist  bei  diesen  die  Beschreibung 
dieses  stattlichen,  schon  seit  dem  Mittelalter  in  der  römischen 
Klirche  in  Gebrauch  stehenden  Obergewandes,  Seite  304  tf.  zu  finden. 

In  den  letzten  Jahrhunderten  sind  die  cappae  magnae,  meistens 
in  violetter  Farbe,  verschiedenen  bischötlichen  und  erzbischöf- 
hchen  Kapiteln  als  auszeichnende  Ornate  verliehen  worden.  Wir 
sahen  dieselben  in  vielen  kleinen  itaüenischen  Kathedralen  in  Ge- 
brauch; die  Domherren  grösserer  dui'ch  Alter  und  geschichthche 
Bedeutung  hervorragender  Domkirchen  Italiens  haben  das  Vorrecht 
mit  dieser  cappa  magna  in  rother  Kardinalsfarbe,  oder  wie  die 
Bezeichnung  lautet  «in  abito  cardinalizio,«  zu  erscheinen.  Auch 
dem  Domkapitel  in  Salzburg  ist  in  neuester  Zeit  der  Gebrauch 
derselben  in  Kardinalsfarbe  verliehen  worden.  Das  Domkapitel 
von  St.  Veit  in  Prag,  das  seit  den  Tagen  der  Reformation  die 
ehrenvolle  Bezeichnung  «Semper  fidehs«  führt,  hat  das  Recht 
ebenso  wie  auch  andere  Kapitel  in  Deutschland  sich  der  cappa 
magna  in  violetter  Farbe  zu  bedienen,  und  besteht  die  foede- 
ratnra  an  der  Guggel  lür  die  Winterzeit  aus  gräiüichem  Pelz. 

Auch  in  vielen  französischen  und  belgischen  Domkirchen  ist 
dieser  grosse  Chormantel  in  Gebrauch. 

24 


—   356  — 


Im  Vergleich  zu  dem  würdevollen  Clioroniate,  dessen  sich 
mündUchei-  Ueberlieferung  zufolge  das  alte  Domkapitel  zu  Cöln 
bis  zum  Schlüsse  des  vorigen  Jahrhunderts  bediente,  ist  die  heutige 
Chorkleidung  des  Metropolitan-Kapitels  daselbst  höchst  einfach  zu 
nennen  und  steht  dieselbe  im  Hinblick  auf  den  hahitus  chori  in 
anderen  Domkii'chen  weder  mit  dem  Vorrang  und  der  alt  ge- 
schichtlichen Bedeutung  der  Cölnischen  Kirche  noch  mit  den  bau- 
prächtigen Formen  des  Domes  in  Einklang.  Sind  wir  gut  unter- 
richtet, so  soll  vor  einigen  Jahren  dem  Cölner  Domkapitel  der 
Gebrauch  der  cappa  magna  angeboten  Avorden  sein.  Beim  Besuche 
einer  grossen  Zahl  von  italienischen  und  französischen  Kathedralen 
ist  es  uns  oft  einleuchtend  geworden,  dass  man  in  Itahen  und 
Frankreich  das  decorum  hinsichtlich  der  Chorornate  und  der  litur-' 
gischen  Gewänder  überhaupt  besser  zu  Avürdigen  versteht,  als  das 
deutscher  Seits  der  Fall  ist. 

Neben  der  cappa  magna,  die  als  faltenreiches,  namentlich  für 
den  Gebrauch  in  Winterzeit  sehr  zweckmässiges  und  kleidsames  Ober- 
gewand in  den  letzten  Jahrhunderten  von  Rom  aus  in  die  verschie- 
denen Diöcesen  diesseits  der  Alpen  Eingang  gefunden  hat,  bedienen 
sich  die  Domherren  und  Bischöfe  in  den  meisten  Kathedralen 
in  der  besseren  Jahreszeit  des  weniger  stofifreichen  caniail,  der  in 
Italien  allgemein  den  Namen  mozetta  führt.  Dieser  Ornat  stellt 
sich  heute  als  ein  die  Scludter  und  Brust  bedeckender  Kragen  dar, 
der  bis  zu  den  Ellbogen  herunterreicht.  Auf  der  Rückseite  ist 
dieses  Gewandstück,  das  oft  aus  schwarzem,  oft  aus  violettem 
Tuch  oder  Seide  besteht,  gescUossen.  Auf  der  Brust  öffnet  sich 
dasselbe  und  wird  hier  durch  eine  Reihe  von  Knöpfen  geschlossen. 
Wie  der  kleine  capuchon,  die  ganze  Form  und  der  äussere 
Schnitt  dieses  Gewandes  es  deutlich  zu  erkennen  gibt,  ist  unsere 
mozetta  in  ilii'er  heutigen  Gestalt  ungefähr  der  dritte  Theil  eines 
ehemaligen  faltenreichen,  nach  vorn  und  hinten  geschlossenen 
Mantels,  der  im  Laufe  der  Jahrhunderte  aus  Rücksichten  der  Be- 
quemlichkeit und  Oekonomie  ailmäUich  bis  zu  den  Ellbogen  ver- 
kürzt worden  ist.  Die  kleine  Kapuze,  mit  welcher  derselbe  auf  der 
hintern  Seite  in  ornamentaler  Weise  garnirt  ist,  hatte  ehemals  eine 
solche  Ausdehnung,  dass  sie  namentlich  bei  Abhaltung  der  Chor- 
zeiten im  Winter  über  den  Kopf  geschoben  zu  werden  pflegte.  Wir 
können  liier  der  Kürze  halber  es  füglich  unterlassen,  Aveiter  auf  die 
verschiedenen  Verzierungen  des  camail  hinzuweisen  und  anzuführen, 
wie  derselbe  durch  Anbringung  von  aufgenähten,  verscliiedenfar- 
bigeu  Seidenschnüren  und  Knöpfen ,  dessgleichen  durch  Verbrä- 


—    357  — 


mung  mit  einem  den  untern  Rand  abfassenden  Pelzsaume  in  ver- 
schiedenen Diöcesen  reicher  ausgestattet  worden  ist.  In  anderen 
Werken ,  die  sich  vorzugsweise  mit  der  Hturgisch-rituellen  Bedeu- 
tung der  kirchlichen  Ornate  befassen,  wird  behauj^tet  dass  die 
mozetta  der  Bischöfe  vornemlich  als  Signum  jui'isdictionis  aufzu- 
fassen und  zu  betrachten  sei,  was  jedoch  ursprünglich  nicht  der 
Fall  war. 

Statt  des  camail  tragen  die  Bischöfe,  dessgleiclien  auch  die 
römischen  Prälaten  der  ersten  Rangstufe  als  Obergewand  über 
dem  Talar  und  dem  Röcklein  die  manteletta,  die,  wie  es  schon 
der  Name  besagt,  in  ihrer  äussern  Form  und  ihrem  Schnitt 
sich  als  verkürzter  Mantel  darstellt,  der,  nach  vorn  geöffnet  und 
nach  hinten  geschlossen,  den  Oberkörper  gleichmässig  bedeckt  und 
kaum  bis  zu  den  Knieen  heruntersteigt.  Diese  manteletta  der  Bi- 
schöfe und  römischen  Hausprälaten  liesteht  je  nach  der  Jahreszeit 
aus  violettem  Tuch  oder  Seide  und  ist  im  Innern  mit  rother  Seide 
als  Futterzeug  versehen.  Das  eben  gedachte  mantelförmige  Gewand 
bildet  seinem  Schnitt  nach  eine  vollständige  Kreisrundung  und  misst 
der  Halbmesser  desselben  ungefähr  1  Meter  ohne  Hinzunahme  der 
runden  Oeffnung  zum  Durchlass  für  den  Kopf.  Auch  auf  beiden 
Seiten  sind  zwei  mit  rother  Seide  ausgebordete  Durchlässe  für 
die  Arme  ersichtlich. 

Gleichwie  nur  die  Bischöfe  und  die  praelati  höheren  Ranges 
das  Recht  haben ,  diesen  bis  zu  den  Knieen  reichenden  kurzen 
Mantel  zu  tragen,  und  desswegen  monsignori  di  manteletta 
heissen,  so  bedienen  sich  die  monsignori  di  mantellone^  die  römi- 
schen Prälaten  der  weiteren  abwärts  folgenden  Rangstufen,  näm- 
lich die  camerieri  und  capellani  der  päpstlichen  Curie,  eines 
Obergewandes ,  dass  die  Form  eines  weiten ,  bis  zu  den  Knöcheln 
herunterreichenden  Talares  hat,  der  anstatt  der  ehemaligen  Aermel 
auf  den  Schultertheilen  mit  Oeffnungen  zum  Durchlass  der  Arme 
versehen  ist.  Wahrscheinlich  zur  Ei-innerung  an  diese  ehemahgen 
weiten  manicae  sind  die  Durchlässe  des  mantellone  mit  einer 
etwa  drei  Finger  breiten  Schleppe  versehen.  Offenbar  stimmen 
diese  römischen  talarfÖrmigen  Obergewänder,  die  im  Winter  aus 
violettem  Tuch,  im  Sommer  aus  violetter  Seide  bestehen,  mit  jenen 
altern,  auch  in  vielen  Diöcesen  Deutschlands  gebräuchlichen  priester- 
lichen Talaren  von  schwarzer  Damastseide  ziemlich  überein,  wie 
sie  bis  gegen  Schluss  des  vorigen  und  auch  noch  vereinzelt  in  diesem 
Jahrhundert  in  verschiedenen  Stiftskirchen  getragen  zu  werden 
pflegten.  Diese  älteren  Chorröcke  entbehrten  ebenfalls  der  Aermel 

24* 


—    358  — 


und  zeigten  unter  den  Schulterstücken  je  einen  Einschnitt  zum  Durch- 
lassen der  Arme,  welche  Oeffnungen  auf  beiden  Seiten  mit  einem 
schmalen  bis  zu  den  Füssen  heruntersteigenden  StofiPrest  versehen 
waren,  der  in  früheren  Zeiten  mit  seidenen  Quasten  verziert  wurde. 

Nachträglich  fügen  wir  hier  noch  hinzu,  dass  die  Vikare 
an  Stifts-  und  Kathedral  -  Kii-chen  über  diesem  Talar  einen 
kurzen  Kragen  tragen,  der  nur  bis  zur  Schulter  heruntersteigt  und 
seit  dem  vorigen  Jahrhundert  mit  kleineren  Quasten  von  Posa- 
mentirarbeit  verziert  zu  werden  pflegt.  Dieses  kleinen  Hals- 
kragens bedienen  sich  heute  in  einigen  deutschen  Diöcesen  auch 
die  Kapläne  und  Pfarrer  bei  Verrichtung  verschiedener  amtlichen 
Functionen,  und  zwar  über  dem  superpelliceum,  um  auf  diese  Weise 
der  Chorkleidung  am  Halse  und  auf  der  Schulter  einen  passenden 
Abschluss  zu  geben.  In  italienischen  und  französischen  Diöcesen 
haben  wir  diesen  kleinen  Halskragen  nirgend  in  Gebrauch  gefunden. 
Nur  die  Pfarrer  in  Rom  dessgleichen  die  Prälaten  tragen  über 
dem  Talar  resp.  Soutane  einen  kleinen  glatten  Kragen  ohne  ver- 
zierende ßocchi.  Schliesshch  sei  noch  hinzugefügt,  dass  sämmtliche 
Pfarrer  Cölns  über  dem  superpelliceum  ein  verkürztes  almucium 
von  weissem  Pelz  tragen,  das  auf  der  Brust  verlängert  herunter- 
steigt. Der  Tradition  nach  ist  den  Pfarrern  Cölns  dieses  aus- 
zeichnende Ehrenkleid  wegen  ihres  entschiedenen  Auftretens  ver- 
liehen worden,  das  sie  bei  der  auch  in  Cöln  versuchten  Einführung 
der  Reformation  au  den  Tag  gelegt  haben. 

Noch  erübrigt  es  hier,  einige  Worte  hinsichtlich  der  Ent- 
stehung und  der  heutigen  Form  des  collare  hinzuzufügen,  das  an 
Stelle  des  in  französischen  Diöcesen  gebräuchlichen  rabat  den 
Zweck  hat,  die  Blösse  des  Halses  zu  verdecken.  Es  kann  bei  die- 
ser nachträghchen  Aufzälilung  der  verschiedenen  Chorgewänder 
nicht  unsere  Absicht  sein,  die  Entstehung,  Gestalt  und  Aus- 
stattung des  rahat  näher  zu  entwickeln ,  Avelches ,  der  Renais- 
sance angehörend,  in  den  beiden  letzten  Jahrhunderten,  namentlich 
in  französischen  Diöcesen,  als  integrirender  Theil  der  Chorkleidung 
eine  besondere  Entwickelung  gefunden  hat,  wie  das  bei  dem  be- 
kannten Liturgiker  Claude  de  Vert^)  ausführhch  zu  ersehen  ist. 

Dieses  sogenannte  rabat  trat  gegen  Schluss  des  XVI.  Jahrhunderts 
unter  dem  aufrechtstehenden  Halskragen  des  Talars  als  Hemdkragen 
hervor,  welcher  mit  seinem  oberen  Saume  kaum  ersichtlich  wurde. 


')  Cl.  de  Vert,  Explication  des  Ceremonies  de  l'eglise  tom.  II,  pag.  262. 
planche  III.  Fig.  IV— XI,  Paris  1741. 


—    359  — 


Im  XVII.  Jahrhundert  erweiterte  sich  dieses  collet  allmählig  und 
wurde  als  selbstständiges  Bekleidungsstück  über  den  Halskragen  des 
Talars  zu  einer  Zeit  umgeschlagen"),  als  noch  in  den  Tagen  nach  dem 
30jährigen  Kriege  in  der  Laienwelt  die  grossen  spanischen  und 
niederländischen  Halskragen  mit  breiten  spanischen  Spitzen  garnirt, 
getragen  wurden.  Nachdem  das  ehemalige  collet  sich  zu  einem 
umgeschlagenen  selbstständigen  Halskragen  erweitert  hatte,  wurde 
im  XVIII.  Jahrhundert  der  vormalige,  runde  Halskragen  in  einer 
Weise  umgeändert,  dass  die  früher  rund  herunter  hängenden  Theile 
desselben  nach  hinten  wegen  der  Perrücke  fortfielen  und  nur  noch 
unter  dem  Halse  ein  Rest  des  rabat  verblieb,  der.  in  seiner  Hälfte 
getheilt,  gegen  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  an  den  Säumen  mit 
einer  weissen  Einfassung  umzogen  wiirde. 

üeber  Form  und  Entwickelung  des  rahat  mag  das  im  Vorher- 
gehenden Gesagte  genügen;  hier  soll  nur  noch  darauf  hingewiesen 
werden,  dass  auch  in  einigen  deutsch-rheinischen  Diöcesen  sich  als 
Halsbekleidung  in  verkürztem  Schnitt  jenes  aus  Frankreich  stam- 
mende rahat  in  einer  Gestalt  und  Ausdehnung  erhalten  hat,  wie 
es  in  verwandten  Formen  das  Richterpersonal  an  jenen  Gerichts- 
höfen zu  tragen  pflegt,  wo  der  Code  Napoleon  eingeführt  ist. 
Diese  Halsbedeckung,  die  an  vielen  Stellen  auch  den  Namen  beffa 
führt,  ist  in  letzten  Zeiten  in  rheinischen  Diöcesen  durch  die  Ein-  • 
führung  des  römischen  rollare  ziemlich  verdrängt  worden.  Seit 
dem  Schluss  des  Mittelalters  war  das  collare  in  römischer  Form,  wie 
das  an  ältern  Abbildungen  kirchlicher  Würdenträger  nachgewie- 
sen werden  kann ,  schon  lange  Zeit  in  Gebrauch ,  ehe  von  Frank- 
reich aus  das  rabat  stellenAveise  auch  am  Rheine  in  Aufnahme  kam. 

Was  nun  zunächst  die  Form  und  die  stoffliche  Ausstattung  des, 
die  Nacktheit  des  Halses  verdeckenden  collare  betrifft,  so  ist  hier 
kurz  zu  bemerken,  dass  dasselbe  einen  aufstehenden,  gesteiften 
Halskragen  bildet,  an  welchen  nach  unten  hin  ein  anderes  Stoff- 
stück, meistens  in  dreieckiger  Form,  angesetzt  ist.  Dasselbe  be- 
steht in  den  verschiedenen  Bisthümern  aus  verschiedenen  Stoffen 
und  Farben.  Der  Säkularklerus  in  Rom  und  in  jenen  Diöcesen,  die 
dem  römischen  Ritus  gefolgt  sind,  trägt  das  collare  von  schwarzer 
Wolle  oder  Seide,  wohingegen  die  Bischöfe  und  römischen  Prä- 


*)  Daher  auch  der  französische  Name  von  rabbatre,  rabbattu.  Dieser  rabat 
als  ein  dem  französischen  Klerus  eigenthümlicher  Ornat,  der  in  seiner 
Entwickelung  und  Gestaltung  aus  den  Zeiten  der  Blüthe  des  Gallicanis- 
mus  herrührt,  scheint  in  Rom  sich  keines  besondern  Beifalls  zu  erfreuen. 


—   360  — 


laten  sicli  eines  solchen  von  violetter  Seide  bedienen.  In  der  Erzdiö- 
cese  Mechelu  ist  das  collare  hellblau  und  wird  dasselbe  nicht  durch 
Schnüre  nach  hinten  zasammengezogen  und  befestigt,  sondern  diese 
Halsbinde  wird  sowohl  in  der  Mecheler  Erzdiöcese  als  auch  in  den 
übrigen  Bisthümeru  Belgiens  vorne  geschlossen. 

Im  Vorhergehenden  ist  in  Kürze  angedeutet  worden,  dass  die 
kirchliche  Kopfbedeckung  der  Parochial-,  Stifts-  und  Kathedral-Geist- 
lichkeit  entweder  aus  einem  Biret  bestand,  oder  dass  dieselbe  vormals 
als  Guggel  mit  dem  uhnucium  in  Verbindung  stand.  Für  den  Profan- 
gebrauch kam  namentlich  bei  der  höhern  Geistlichkeit  schon  seit  dem 
XIV.  Jahrhundert  ein  kurzer  Hut  in  Aufnahme,  der  mit  breitem  Rande 
dazu  diente,  beim  Ausgehen  sowohl  gegen  Sonnenstrahlen  als  gegen 
Regen  zu  schützen.  Diese  Hüte,  welche  in  rother  Farbe  zuerst  den 
Kardinallegaten  bereits  im  XIII.  Jahrhundert  durch  Papst  Innocenz 
IV.  verliehen  wiuxlen,  waren  entweder  aus  Tuch  oder  Seide  ange- 
fertigt ;  die  Bischöfe  und  die  Kanoniker  bedienten  sich  derselben  in 
wenig  veränderter  Gestalt,  aus  schwarzem  Tuch,  Seide  oder  Filz. 
Die  Form  dieser  Hüte  hat,  wie  dies  ältere  Abbildungen  aus  dem 
XIV.,  XV.  und  XVI.  Jahrhundert  zeigen,  nach  und  nach  ver- 
schiedene Veränderungen  erfahren ,  indem  der  Theil  der  Hüte  zur 
unmittelbaren  Bedeckung  des  Kopfes  entweder  kopfförmig  aus- 
4  gerundet  war  oder  mit  einem  oberen  Rande  eckig  abschloss.  Auf 
Temperagemälden  und  Miniaturmalereien  des  XIV.  und  XV.  Jahr- 
hunderts nimmt  man  sowohl  Hüte  der  Kardinäle,  als  auch  der  Bischöfe 
und  Domherren  wahr,  die  sich  nach  oben  nur  wenig  verjüngen  und 
mit  einem  runden  Deckel  in  einem  Kreise  abschhessen.  Die  Ränder 
an  diesen  ältern  Hüten  aus  dem  Ende  des  Mittelalters  sind  ziem- 
lich breit  und  umfangreich ;  dieselben  bilden  aber  nicht  mit  dem  Hute 
einen  rechten  Winkel,  sondern  sind  zuweilen  abwärts  gerichtet. 
Auf  ältern  Miniatur-Malereien  werden  diese  Hüte  nicht  in  der  Hand 
getragen,  sondern  sind  unmittelbar  au  einem  mautelartigen  Oberge- 
wand duixh  Schnüre,  nach  hinten  hängend,  so  befestigt,  dass  sie 
beim  Gebrauch  leicht  über  den  Kopf  geschoben  werden  konnten. 

Als  stattliche  Ornamente  erblickt  man  an  dienen  Hüten  seidene 
Quasten,  welche  zu  beiden  Seiten  derselben  mit  starken  seidenen 
Schnüren  reihenweise  so  befestigt  sind,  dass  sie,  mit  einem  Quasten 
beginnend,  in  jeder  der  folgenden  Reihen  um  einen  Flocken  zu- 
nehmen. Seit  dem  XV.  Jahrhundert  hat  man  bei  Anbringung 
dieser  Quasten  an  den  Hüten  der  höhern  Geistlichkeit,  zumal  wenn 
sie  als  Zierden  über  deren  Wappenschild  angebracht  waren, 
durch  die  Anzahl  derselben  die  jedesmalige  Rangabstufung  ange- 


—   361  — 


deutet.  So  ündet  man  z.  B.  nicht  nur  auf  Siegeln,  sondern  auch 
auf  Grabsteinen  an  den  Hüten  der  Stifts-  und  Domherrn  im  XVI. 
und  XVII.  Jahrhundert  zwei  Reihen  von  Quasten,  wodurch  nacli 
dem  oben  Angeführten  je  drei  fiorcM  gebildet  werden.  An  den  Hüten 
der  römischen  Prälaten  sind  diese  Quasten  um  eine  dritte  Reihe 
vermehrt,  und  erblickt  man  an  denselben  mithin  sechs  fiocchi;  bei  den 
Bischöfen  finden  sich  ausserhalb  Roms  vier  Reihen  vor,  wodurch  die 
Zahl  der  Quasten  auf  zehn  steigt.  An  den  Hüten  der  Bischöfe  sind 
diese  Quasten  und  Schnüre  grün  mit  Gold  durchwirkt ;  au  denen  der 
untern  Prälaten  violett.  Der  rothe  Hut  der  Kardinäle  endlich,  der 
heute  nur  als  Ceremonienhut  von  einem  Assistenten  bei  grossen 
Feierlichkeiten  vorgetragen,  jedoch  nicht  mehr  angelegt  wird,  ist 
mit  fünf  Reihen  von  Quasten,  im  Ganzen  also  mit  fünfzehn  Troddeln 
verziert.  Es  ist  alter  Brauch,  diese  Ceremonienhüte  der  Kardinäle 
nach  dem  Absterben  derselben  über  der  kirchlichen  Begräbnissstätte, 
und  zwar  am  Gewölbe  schwebend,  so  zu  befestigen,  dass  dadurch 
nicht  nur  der  hohe  Rang,  sondern  auch  die  Begräbnissstelle  des 
Verstorbenen  kenntlich  gemacht  wird.  So  sieht  man  namentlich  in 
italienischen  Kathedralen  eine  grosse  Anzahl  solcher  Kardinalshüte 
meistens  an  den  Schlusssteinen  der  Gewölbe  schwebend  befestigt. 

Noch  sei  darauf  hingewiesen,  dass  in  den  beiden  letzten  Jahr- 
hunderten die  Hüte,  wie  sie  der  niedere  und  höhere  Klerus  aus- 
serhalb der  Kirche  in  verschiedenen  Diöcesen  zu  tragen  pflegt, 
sich  in  ihrer  feststehenden,  überlieferten  Form  vor  der  Kopfbe- 
deckung der  Laien  auszeichnen,  welche  dem  Wechsel  der  Mode 
und  des  Zeitgeschmackes  fortwähi'end  unterworfen  ist.  Die  schwar- 
zen Filz-  und  Seidenhüte  für  den  Profangebrauch  des  Säkiilar- 
klerus  waren  in  den  letzten  Jahrhunderten  meistens  nach  oben 
hin  kopfförmig  ausgerundet,  und  hatte  die  Borte,  der  untere  kreis- 
runde Rand,  immer  eine  ziemlich  breite  Ausdehnung  sich  bewahrt. 
An  dem  untern  Rande  des  runden  Hutes,  da  wo  er  einen  Winkel 
mit  der  kopfförmigen  Erhebung  desselben  bildet,  befindet  sich  seit 
den  letzten  Jahrhunderten  eine  Schnur  oder  Kordel  von  Seide  mit 
kleinern  Quasten,  deren  Farbe  die  kirchliche  Rangstufe  des  Trägers 
anzeigt.  Nachdem  im  vorigen  Jahrhundert  die  Borten  sowohl  an 
den  Hüten  der  Weltgeistlichen,  als  auch  an  denen  der  Laien  eine 
solche  übermässig  grosse  Ausdehnung  erreicht  hatten,  dass  dieselben 
ohne  starkes  Zwischenfutter  nicht  mehr  die  grade  Richtung  einhalten 
konnten,  begann  man  zuerst  auf  beiden  Seiten  die  breiten  Ränder 
aufzukrempeu,  wodurch  die  sogenannten  Kremphüte  entstanden,  die 
bald  darauf  den  dreieckigen  Hut  zur  Folge  hatten,  wie  er  vor  und 


nach  der  französischen  Revolution  und  in  manchen  Ländern  heute 
noch  allgemein  von  der  höhern  und  niedern  Geistlichkeit  im  Pri- 
vatleben getragen  zu  werden  pflegt.  Derselbe  ist,  mit  goldenen 
Quasten  ausgestattet,  heute  noch  bei  den  Kardinälen  in  Gebrauch, 
wohingegen  in  österreichischen  Diöcesen  bei  offiziellen  Veranlassun- 
gen der  sogenannte  Bonaparts-Hut  noch  zur  Anwendung  kommt. 

In  jüngster  Zeit  hat  man ,  dem  Vorgange  des  Klenis  in  italieni- 
schen, französischen  und  englischen  Diöcesen  Folge  gebend,  auch  in 
deutschen  Bisthümern  den  lobenswerthen  Anfang  gemacht,  die  Klei- 
dung der  Weltgeistlichen  für  den  Profangebrauch  von  der  immer 
wechselnden  Mode  des  Tages  unabhängig  zu  machen,  und  hat  man 
desswegen  als  geistliches  Gewand  für  das  gewöhnliche  Leben  den  an- 
spruchslosen Talar  von  schwarzem  Tuch,  Klerik  oder  Soutane  ge- 
nannt, mit  anschliessendem  Brustleib ,  und  mit  Hinzunahme  eines 
entsprechenden  eingulum  von  Camelote  oder  Seide  allmähUch  wieder 
eingeführt.  Ein  einfacher  runder  Hut  mit  massig  breitem  Rande 
vervollständigt  diese  würdige  priesterliche  Tracht.  Während  der 
rauhen  Jahreszeit  legt  man  in  deutschen  Bisthümern  noch  über  die 
sogenannte  Reverende  einen  faltenreichen  Mantel  oder  einen  talar- 
förmigen  Ueberzieher,  den  man  in  der  bessern  Jahreszeit  in  fran- 
zösischen und  belgischen  Diöcesen  durch  einen  schmalen,  in  Falten 
gelegten  seidenen  Streifen,  als  Ueberrest  eines  ehemaligen  Mantels, 
ersetzt.  In  Italien  wird  an  der  Soutane  oder  KJerik  noch  ein  Hals- 
kragen, pelerine  genannt,  getragen,  der  eben  die  Schultern  bedeckt; 
in  Verbindung  mit  demselben  stehen  Oberärmel,  die  bis  zum  Ell- 
bogen reichen  und  durch  eine  Reihe  von  Kjiöpfen  geschlossen  wer- 
den. Dies  Kleid  wird  zimarra  genannt.  In  Rom  und  in  vielen 
italienischen  Bisthümern  steht  diese  letztgedachte  Hauskleidung, 
nämlich  der  Talar  nebst  kleinem  Schulterkragen  mit  Oberärmeln 
bei  den  Prälaten  und  Bischöfen  in  häufigem  Gebrauch.  Die  mon- 
signori  di  mantellone ,  nämlich  die  päpstlichen  Kämmerer  und 
Kapläne  der  verschiedenen  Ordnungen,  bedienen  sich  dieser  zuletzt 
gedachten  Hauskleidung  von  schwarzem  Tuch  mit  violetten  Knöpfen 
und  mit  entsprechender  Seide  eiiigefasst,  wohingegen  die  Bischöfe, 
dessgleichen  die  monsignori  di  mantehtta  das  Vorrecht  haben,  die 
Soutane  und  die  zimarra  mit  rother  Seide  so  wie  mit  rothen  Knöpfen 
garnirt  zu  tragen.  Auch  der  Papst  legt  als  Hauskleidung  meistens 
einen  Talar  nebst  eingulum,  und  zimarra  an;  diese  päpstliche  Sou- 
tane nebst  Schlüterkleid,  dessgleichen  auch  das  zucchetto  sind  aus 
feinem  weissem  Tuch  angefertigt. 


Alphabetisches  Namen-  und  Personen-Register. 


Aachen.  Domschatz  I,  12.  211.  — 
Merkwürdige  Webereien  19.  —  Apo- 
stel-Statuen im  Dom  117.  —  Alte 
Stole  griechischer  Arbeit  185.  II,  70. 

—  Casel  des  h.  Bernard  I,  193.  205. 
II,  112.  —  Kunstreiche  gestickte 
Gewänder  I,  287.  —  Pfarrkirche  zu 
St.  Adalbert  287.  —  Hauptsitz  für 
mittelalterliche  Stickerei  316  ft".  — 
Der  deutsche  König  Canonicus  des 
Münsters  II,  96.  —  Pontifical-Hand- 
schuhe  des  Bischofs  Berdolet  II,  147. 

—  Kaiserliches  Brustkreuz  im  Dom- 
schatz 215.  —  Cappa  Leonis  III.— II. 
297.  —  Kunstreiche  Brustkrampen 
an  Chorkappen  305. 

Aaron,  Bischof  von  Krakau  II,  203. 

Abarbanel,  über  das  hohepriesterl.  Pal- 
lium I,  357.  —  über  das  Ephod  371. 

Abdinghof,  Abtei,  Stolen  vom  h.  Mein- 
werk geschenkt  II,  65. 

Aben-Ahlahmar,  Maurenkönig,  fördert 
die  Seidenzucht  I,  40. 

.\blutio  calicis  im  Mittelalter  II,  260. 

Adalbert  IL,  Bischof  v.  Lüttich,  darf 
das  Rationale  tragen  II,  203. 

Adelheid,  König,  v.  Frankreich,  schenkt 
verschiedenen  Kirchen  eigenhändig 
gestickte  Gewänder  I.  144.  II,  114. 

Adler,  der,  als  Musterung  I.  13.  —  Der 
doppelköpfige  (sein  Alter)  II,  282. 

Admont,  Abtei,  mitra  abbatialis  das. 
II,  179. 

Adria,  pailes  d',  I,  45. 

Adrian  IV.  Ei-öffnung  seines  Grabes 
II,  139. 

Adelfled,  Herzogin,  stickt  einen  Vor- 
hang für  die  Kirche  von  Ely  I,  142. 

Alfled,  Königin,  und  ihre  Töchter, 
berühmte  Stickerinnen  I,  141. 

.^Ifric's  Glossarium  II,  155. 

Äthelwold,  Benedictionale  v.  St.,  II,  154. 

Agilbert,  Bischof  von  Paris,  sein  Ring 
II,  208. 

Agincourt,  Seroux  d',  I,  135.  434. 


Agnes,  Kaiserin,  schenkt  einen  kost- 
baren Vorhang  nach  Monte  Cassino 
I,  181.  —  Ebenso  eine  kunstreiche 
Albe  II,  37. 

Agnes,  Äbtissin  v.  Quedlinburg,  Sticke- 
rin I,  155. 

Aix.  berühmt  durch  Stickkunst  I,  1 27. 

Albertus  Magnus,  sein  Messgewand  I, 
99.  229.  II,  248. 

Aldered,  eines  gewissen,  Frau  be- 
rühmte Stickerin  1,  155. 

Alexander  II.  verleiht  dem  Bischof  v. 
Halberstadt  das  Pallium  und  die 
Röm.  Mitra  II,  164.  —  dem  Abt 
Engelsinus  Miter  und  Sandalen  165. 
—  erlaubt  dem  Böhmenherzog  einen 
pileus  zu  tragen  167. 

Alexandei  IV.  II,  203.  334. 

Alexandrien,  bedeutende  Seidenwir- 
kereien das.  I,  28.  ff.  174. 

Algiva,  Königin,  stickt  kunstreiche  Al- 
tarvorhänge I,  142. 

Al-jorjani,  eine  Art  von  Gewebe  I,  41. 

Alkuin,  über  die  Albe  I,  44.  —  das 
colobium  449.  —  Dalmatik  452.  II, 
275  f.  —  Hun)erale  II,  20.  —  Ma- 
nipel  I,  441.  II,  79. 

Almeria,  Seiden-Manufacturen  das.  I, 
7.  39.  41. 

Almosenbeutel  I.  218  ff. 

Alphart's  Tod,  ein  Gedicht  I,  216. 

Alphons,  Bruder  Ludwig's  IX.  Klei- 
derpracht bei  seiner  Heirath  I,  102. 

Altar,  der,  in  seinem  Schmuck  seit 
dem  XI.  Jahrh.  I,  180  f 

Alwid,  berühmte  Stickerin  I.  154. 

Amalarius  Fortunatus  I,  135.  426.  — 
über  die  inappula  441.  II,  79.  — 
Albe  I,  444.  —  Sandalen  II,  5.  — 
Humerale  20.  —  Dalmatik  276.  — 
Casel  290. 

Amalfi,  Lagerplatz  orientalischer  Tü- 
cher I,  32. 

Amandus,  des  h.,  Abbildung  II,  155. 

Amari,  Geschichtschreiber  I,  33. 


—    364  — 


Ambrosius,  der  h.,  über  die  Hyaziuth- 
.     färbe  I,  367. 
Amictus  erklärt  I,  446. 
Ammiaiius  Marcellinus  II,  151. 
Anaboladium  I,  446. 
Anagni,  reichhaltiger  Schatz  an  litur- 
gischen Gewändern  II,  109.  174.  298. 

—  Schatzvei'zeichniss  des  XIV.  Jahr- 
hunderts 42.  91.  117.  315.  —  Alte 
Mitren  das.  I.  184  Anm.  —  Pracht- 
volle alte  Kapelle  230  ff.  —  Altar- 
vorhang aus  dem  Schluss  des  XIV. 
Jahrh.  242. 

Anastasius  Bibliothecarius,  Bei  ihm 
vorkommende  Stofi'namen  I,  4.  5.  10. 
11.  13.  16.  fl.  22.  25.  30.  —  Wand- 
bekleidung in  der  Kirche  136.  — 
Altarvorhänge  181.  —  Verbot  die 
h.  Gewänder  ausser  der  Kirche  zu 
tragen  425.  —  Alter  der  Dalmatik 
448.  —  Stoff  der  liturg.  Gewänder 
451.  —  II,  33.  67.  —  Farbe  der  Mess- 
gewänder 102. 

Andreas,  des  h.,  Casel  I,  203. 

Andechs,  Klosterkirche  II,  69. 

Angouleme,  Diöcesangeschichte  II,  65. 

Anna  von  Bretagne,  verfertigt  kirch- 
liche Stickereien  I,  239. 

Anna,  Kaiserin,  schenkt  ein  ko.stbares 
Messgewand  an  St.  Veit  in  Prag  1,245. 

Anna  Comnena  II,  160. 

Anno,  des  h.,  Casel  II,  66.  103. 

Antependien,  gestickte,  schon  im  VII. 
Jahrh.  I,  181.  194. 

Antiochien,  bedeutende  Seidenwirke- 
reien I,  28.  30. 

Apulien,  Wolle  I,  421. 

Araber,  lieben  gestreifte  Zeuge  I,  19. 

—  Ihre  hohe  Kunstfertigkeit  52. 
Arabesken  I,  51.  Anm.  —  87.  175. 
Arbor  vitae  II,  113. 

Aretin,  Baron  v.,  entdeckt  die  tunicella 

Heinrich's  des  Heiligen.  I,  171. 
Aringhi  I,  417. 

Arras,  durch  Stickereien  berühmt  I, 
262.  291.  ff.  —  Orfroies,  d',  292.  — 
Anfertigungs weise  dieser  Stickerei 
294. 

Ars  plnmaria  I,  139. 


Artenodorus  über  den  Webstuhl  bei 

den  Alten  I,  407. 
Assyrien,  Seidenausfuhr  I,  26. 
Asterius,  der  h.,  beschreibt  eine  Toga 

mit  den  Wunden  des  Heilands  1, 132. 
Ataldus,  Bischof  von  Kheims,  sein  Stab 

II,  220. 

Attalus,  König,  Erfinder  der  Web- 
kunst I,  2. 

Augsburg.  Alte  Caseln  im  Dom  II,  112. 

Augustinus,  der  h.,  über  Urim  u.  Thum- 
mim I,  380.  —  II,  152.  — Miter  in  sei- 
nem Grab  gefunden  158. —  Ring  207. 

Aurifrisia,  phrygia  I,  184.  —  II,  106. 

Auroclavum,  ein  Gewebe  I,  5. 

Ausonius  erwähnt  scenerirte  Gewänder 

I,  125. 

Autun.  Kostbarer  griechischer  Behang 

in  St.  Stephan  I,  16. 
Auxerre,  Notre-Dame  II,  39. 
Avignon  I,  242.  —  Concil  das.  über 

die  Tracht  der  Kleriker  II,  326. 
Axamit,  ein  Stoff  II,  142.  Anm.  2. 

B. 

Babylouier,  geschickte  Sticker  I,  127. 
Bad,  ein  alttestamentlicher  Stoff  I,  394. 
Bäkod  bei  Kälocsä,  merkwürdige  Ringe 

daselbst  gefunden.  II,  209. 
Baldachin-Altäre  des   Mittelalters  I, 

20.  181. 

Baldachinum,  ein  Seidenstoff  II,  313. 
Bamberg,  Domsehatz  daselbst  I,  150. 

—  Merkwürdiges  Rationale  II,  199. 

—  Sogenanntes  paludamentum  Hen- 
ricill.  —  247.  —  Schatzverzeichniss 

II,  42.  71.  280.  309. 

Banner,  gestickte,  der  Angelsachsen 
bei  ihrer  Landung  in  England  1, 147. 

—  der  Dänen  ib.  —  Harold's  II,  ib. 
Barbarica  opera  I,  126. 
Barbaricarius  I,  127. 

Bard,  ein  gestreifter  Stoff"  bei  den 
Arabern  I,  19. 

Baronius,  über  die  Ableitung  des  Wor- 
tes planeta  I,  427. 

Bai'selanius,  jüdischer  Schriftsteller  I, 
342.  —  über  den  hohepriesterlichen 
Gürtel  343. 


—   365  - 


Bartholini,  über  paenula  I,  429.  Anm.  1. 

—  431. 
Bartholomeo,  Fra  II,  93. 

Basel,  Concil,  über  das  superpelliceum 
II,  33fi. 

Basiliken,  die,  des  frühesten  Mittel- 
alters I,  20  ff. 

Bastamantinus,  über  diemurenae  II,  52. 

Baubrüderschaften  im  Mittelalter  I,  44. 

Baudri,  Bischof  II,  217. 

Baukunst,  die  s.  g.  gothische,  von  den 
Italienern  unverstanden  I,  63  Anm. 

Baysius,  über  den  Ursprung  der  Stole 
II,  63. 

Becker,  Historiker  I,  430. 

Beda  Venerabilis  I,  32.  —  II,  152.  154. 

—  über  den  bischöfl.  Stab  II,  219. 
Anm.  2.  —  über  das  corporale  260. 

Beffroi,  le,  archäologische  Zeitschrift 
II,  256. 

Bela  IL,  König  von  Ungarn.  Ringe  in 
seinem  Grab  gefunden  II,  210.  —  ße- 
liquienkreuz  214. 

Benedict  III.  schenkt  an  St.  Peter  figu- 
rirte  Gewebe  I,  23.  —  erhält  vom 
Sachsenkönig  kostbare  Alben  zu  Ge- 
schenk II,  33. 

Benedict  IX.  verleiht  dem  Bischof 
Aaron  v.  Ki-akau  das  Pallium  II,  203. 

Benedict  XII.  über  das  superpelliceum 
II,  336. 

Benno,Bischofv.  Osnabrück,  seineCasel, 
I,  432.11,  103.  —  Ein  ihm  irrthüm- 
lich  zugeschriebener  Ring.  II,  211. 

Beuzo,  Bischof  v.  Alba,  über  die  päpst- 
liche Tiara  II,  159. 

Berdolet,  Bischof  von  Aachen,  seine 
Pontifical-Handschuhe  II,  147. 

Berengar  I,  kostb.  Brustkreuz  II,  214. 

Berlin,  königi.  Museum  II,  229. 

Bein,  Dom,  prachtvoller  Ornat  von 
Colin  Jolyn  I,  265.  —  II,  299. 

Bernard.  der  h.,  eifert  gegen  die  Thier- 
musterungen II,  69.  Anm.  165. 

Bernoldus  (Bertoldus),  "S^erfasser  des 
ordo  Romanus  II,  134. 

Berthold,  Bischof  II,  202. 

Bestiarium  I,  36.  51.  56.  —  Symboli- 
sche Deutung  desselben  57  ii'.  67. 


Betharius,  der  h.,  Bischof  v.  Chartrcs 
II,  133. 

Bilderstürmerei,  die,  veranlasst  Aus- 
wanderung byzantinischer  Künstler 
nach  Italien  I,  139. 

Bildschnitzer  im  Mittelalter  I,  44. 

Bildstickcr  II,  300. 

Birin.  der  h.,  Bischof  von  Dorchester 
II,  155.  206. 

Bissi  II,  143. 

Bianca,  Königin  von  Böhmen.  Ihre 
Kunstfertigkeit  im  Sticken  I,  239. 

Blasien,  St.,  Abtei.  Kunstschätze  nach 
St.  Paul  im  Lavanthale  geflüchtet 
II,  110. 

Blatta,  blatthin,  ein  Stofi'  I,  5. 

Blaveus,  eine  Farbe  II,  313.  Anm.  4. 

Boisseree,  S.,  Archäolog  I,  201. 

Bötticher,  Archäolog.  Seine  Deutung 
der  figurirten  Gewebe  des  Mittel- 
alters I,  57.  widerlegt  58. 

Bollandisten  II,  115.  265. 

Bona,  Cardinal,  über  die  liturg.  Ge- 
wänder der  frühchristlichen  Zeit  I, 
134.  421.  423.  —  über  das  oi-arium 
440.  —  über  das  Humerale  II,  25 

—  über  den  Ursprung  der  Stole 
63.  132.  —  den  bischöfl.  Stab  219. 

—  über  die  mittelalterliche  ablutio 
calicis  260.  —  über  das  velum  ca- 
licis  272.  —  die  Dalniatiken  278. 

Bouifacius,  der  h.,  beklagt  die  Klei- 
derpracht seiner  Zeit  I,  153.  —  dar- 
gestellt auf  einer  altenStickerei  11,20 1 . 

Bonifacius  VIII.  Schenkungen  an  den 
Dom  von  Anagni  II,  43.  139.  159.  298. 

Borromäus,  der  h.  Karl,  über  Form 
und  Schnitt  der  liturg.  Gewänder 
II,  28.  —  über  die  Farbe  der  Pon- 
tifical-Handschuhe 143.  —  Grösse- 
bestimmungen  der  Gewänder  240. 

Bottones  II,  316.  Amn.  4. 

Bourgogne,  Hof  von,  Luxus  in  reichen 
Stoffen  I,  108.  —  Herzog  von  B. 
schenkt  dem  Herzog  v.  Glocester  ein 
kostbares  Sammtgewebe  109. 

Bracareuse  conciHum  bestraft  die  un- 
ehrerbietige Behandlung  der  liturg. 
Gewänder  II,  272. 


—    366  - 


Brambaricarius  I,  127.  173.  II,  170. 

Brandenburg,  Dom  II,  277. 

Braunius,  Archäolog  I.  27.  330.  335.  — 
über  den  hohepriesterlichen  Gürtel 
339.  —  über  den  pileus  349.  —  über 
das  hohepriesterliche  Pallium  355.  — 
ephod  370.  —  über  ungenähte  Ge- 
wänder 403.  406. 

Braunschweig.  Reichthum  au  alten  Ge- 
wändern 1, 38.  —  Interessante  Sticke- 
rei V.  Kaisermantel  Otto's  IV.  227.  — 
Marktkirche  II,  277.  —  Museum  292. 

Brauweiler,  Abtei  II.  103.  245. 

Breudare  II,  309. 

Brignoles,  Miter  des  h.  Ludwig  von 
Toulouse  II,  176. 

Brito  Will,  erklärt  den  Ausdruck  plu- 
marius  I,  140.  —  polymitarius  ib. 

Brodeurs  du  roi  II,  183. 

Broidschen  II,  146. 

Bromton  John,  Abt  von  GervaixII,  331. 

Brostare,  s.  breudare. 

Brügge,  bedeutende  Seidenfabrication 
I,  78.  —  Stickereien  291. 

Bruno  von  Asti  über  den  Stoff  der 
bischöflichen  Handschuhe  II,  135. 

Buchstaben,  arabische,  als  Ornainent 
in  Geweben  I,  53. 

Bulengerus,  Liturgiker  I,  429. 

Burgund,  Herzoge  von,  grosse  P'örde- 
rer  der  Kunst  im  XV.  Jahrh.  I,  263. 

Burkhard,  Bischof  von  Halberstadt,  er- 
hält das  jus  pallii  II,  164. 

Bnrsfeld,  ceremoniale  II,  262. 

Burtscheid.  Merkwürdige  alte  Kapelle 
daselbst  I,  230. 

ßuxtorf,  Archäolog  I,  342. 

Byssus  I,  329.  —  Preis  desselben  395. 
—  Seine  Textur  396. 

Byzanz.  wichtigster  Stapelplatz  für 
den  Seidenhandel  im  ganzen  Mittel- 
alter I,  31.  —  Eroberung  desselben 
durch  die  Kreuzfahi-er  101.  —  Sein 
grosser  Kunstfleiss  137.  f.  200. 

C. 

Cäsarius,  der  h.,  Bischof  von  Arles  I, 
1 40.  —  verbietet  die  Anfertigung  von 
Profanstickereien  in  d.  Klöstern  152. 


Calixt  II.  verleiht  Pallium  und  Römi- 
sche Miter  dem  Bischof  von  Utrecht 
II,  164. 

Calkar,  Pfarrkirche,  reich  an  mittel- 
alterl.  Kunstwerken  I,  270.  II.  318. 

Camboca  II,  219. 

Carabuta  II,  219. 

Camisia  I,  444. 

Camisol  I,  332.  Anm.  2. 

Gange,  du,  erklärt  Stofihamen  bei  Ana- 
stasius I,  5.  6.  98.  131.  —  Unrich- 
tige Erklärung  des  Ausdrucks  fim- 
briaell,  87.  Anm.  5.  —  107.  — Ablei- 
tung des  Wortes  Soutane  323.  —  334. 
—  über  das  Bii-et  345.  —  Erklärung 
des  Ausdrucks  almucium.  350. 

Ganterb  ury.  Inventar  des  dortigen 
Schatzes  II,  135.  Anm.  1.  142.  176. 
304. 

Capitolinus  über  die  Dalmatik  I,  450. 
Cappae  professionis  II,  310. 
Capuita  II,  219. 

Carmoisin.  Ableitung  dieses  Wortes 
I,  368. 

Caroli  Calvi  Uber  precationum  II,  270. 
Garrouges,  Casel  von,  I,  266. 
Gasaretto,  Anfertiger  kirchlicher  Stofte 

I,  90.  f. 

Gasaubonus  I,  403.  44(1.  II,  36. 

Gasel,  die,  im  Mittelalter  I,  222.  — 
Erklärung  des  Wortes  428. 

Gastri,  Ghrist.,  über  Urim  und  Thum- 
mim I,  380. 

Gatullus  I,  125. 

Gaumont,  de,  Archäolog,  über  das  Stu- 
dium der  mittelalterl.  Gewebe  I,  15. 

Geremoniale  episcoporum  II,  167. 

Ghalendon,  Archäolog  II,  304. 

Chartres.  Statuarium  der  Kathedrale 
wichtig  für  das  Studium  der  liturg. 
Gewänder  I,  1 14.  392.  II,  16.  90.  136. 
161.  —  Schatzverzeichniss  (1337)  II, 
21.  43.  59.  141. 

Ghemise,  erklärt  I,  332. 

Chorknaben.  Ihre  Kleidung  II,  59. 332.  f 

Chorsänger.  Ihre  Tracht  im  Mittelalter 

II,  331. 

Chrismale,  anderer  Name  für  das  cor- 
porate II,  260. 


Christenthum  und  Judenthum,  allego- 
rische Stickerei  I,  246. 
Chrysoclavum,  ein  Stoff  I,  5.  II,  37. 
Chrysostomus,  der  h.,  erwähnt  die  Albe 

I,  444. 

Chur.  Reliefstickerei  daselbst.  1,  298. 

Ciampini,  Archäolog,  über  die  Stoff- 
muster des  Mittelalters  I,  10.  —  über 
ungenähte  Gewänder  I,  409. 

Ciborium,  s.  Baldachin-Altäre. 

Cidaris«mitra  II,  150. 

Cimabue  I,  59.  115.  263. 

Circumrotatae,  vestes  I,  8. 

Clavus,  erklärt  1, 129.  452.  latus  II,  112. 

Clemens  von  Alexandrien,  über  Ringe 

II,  206. 

Clemens  IV.,  gegen  die  überreichen 
Mitern  der  Aebte  II,  166. 

Cleve,  der  Herzoge  von,  grosse  Kunst- 
liebe und  Freigebigkeit  I,  84. 

Cloveshoe,  Concil,  untersagt  die  Ver- 
wendung der  Stickerei  für  Profan- 
Gewänder  I,  153. 

Cocousfarbe,  die  I,  368. 

Cölestin  I.  verleiht  dem  h.  Cyrill  von 
Alexandrien  einen  auszeichnenden 
Kopfschmuck  II,  159. 

Cöln,  Dom.  Ausschmückung  des  Chors 
I,  62.  Anm.  —  Die  sogenannte  Cle- 
mentinen-Kapelle  311.  —  Heiligen- 
statuen in  der  Vorhalle  117.  —  St. 
Alban  282.  —  St.  Andreas  I,  302. 
Anm.  II,  248.  —  St.  Brigitta  (Schatz- 
verzeichniss)  II,  271.  —  St.  Cäcilia 

I,  279.  —  St.  Columba  283.  —  St.  Cu- 
nibert  392.  —  Dominicanerkirche  II, 
248.  —  Schatzverzeichniss  von  St. 
Georg  58.  67.  71.  —  St.  Gereon  I, 
182.  Anm.  1.  219.  II,  89.  348.  — 
St.  Jakob  I,  280.  —  St.  Johann  281. 

—  St.  Maria  in  der  Schnurgasse  311. 

—  St.  Severin  276.  —  Schellen-Con- 
vent  von  den  Wappenstickern  er- 
stürmt I,  284.  —  Seminarkirche  287.— 
ürsulinerkloster  311.  —  Erzbischof, 
verbietet  1337  allzu  kostbare  cingula 

II,  328.— Cöln.  Künstler  1.274.— Mu- 
seum, erzbischöfl.  1, 107.  300.—  städ- 
tisches 1 18.  —  Pfarrer,  ihre  auszeich- 


nende Kleidung  II,  358.  —  Stick- 

kuu.st,  blühend  im  XV.Jahrh.  I,  262. 

—  auch  in  neuester  Zeit  318.  — 

Wappenstickerzunft  273.  ff.  II,  76. 
Colobium,  Levitengewand  I,  448. 
Columnae,  Stäbe  d.  Messgowands  II,  1 24. 
Comminges,  St.  Bertrand,  bischöfliche 

Handschuhe  II,  147. 
Como.  Seine  Seiden-Industrie  I,  79. 
Constantia  IL,  Kaiserin  II,  7.  210. 
Constantin  d.  Gr.  schenkt  dem  Bischof 

Makarius  von  Jerusalem  eine  Stole 

I,  436. 

Coos, Insel,  Bezugsquelle  für  Seidel,  26. 
Corium  fenestratuni,  pertusum  II,  15. 
Corneli-Münster  I,  286. 
Cornua  an  der  Miter  IL  162.  am  Bi- 
ret  349. 

Corona,  bischöfliche  Kopfbedeckung 

in  der  altern  Zeit  II,  152. 
Corporaltasche,  beschrieben  I,  302  f. 
Cortunae  I,  20. 

Cotta  oder   cota«rochettum  II,  330. 

Anm.  2.  334. 
Crefeld.  Kunstausstellung  daselbst  I. 

107.  —  Verein  für  mittelalterliche 

Stickkun.st  319. 
Croyland,  Abtei  I,  143. 
Cucullus=  Kapuze  I,  432. 
Cuthbert,  der  h.,  I,  141.  II,  64.  154. 
Cyprense  aurum  I,  50  Anm.  —  opus 

210.  II,  39. 
Cyrill,  der  h.,  v.  Alexandrien  II,  150. 159. 

D. 

D'Achery  II,  331. 

Dagobert,  König  von  Frankreich  I,  4. 

Dalmatik.  Ihr  Alter  als  liturg.  Gewan- 
des I,  448.  —  Schon  in  der  classi- 
schen  Zeit  bekannt  450. 

Damaskus.  Bedeutende  Seidenvvirke- 
reien  I,  28.  174. 

Damiani,  der  h.  Petrus  II,  290. 

Daniel  in  der  Löwengrube,  ein  altes 
figurirtes  Gewebe  I,  17.  f. 

Daniele,  Fr. ,  über  die  Funeralhand- 
schuhe  Heinrich's  VI.  II,  137. 

Danzig,  Liebfrauenkirche  I,  III.  299. 
305.  IL  73. 237. 277.  —  Domkirche  299. 


—    368  — 


Dei,  Benedetto  1,  47. 
Denis,  St.  II,  114. 

Deutz,  Benedictiner- Abtei  II.  221.  — 

Pfarrkirche  103.  266. 
Diapistis,  ein  Seidenstoff'  I,  36.  138. 

II,  103. 
Diarbodiuum  I,  7.  36. 
Dibaphum  I,  368.  II,  37. 
Didron,  Archäolog  I,  232.  II,  172.  209. 
Diodorus  Siculus  I,  18. 
Dirodinum  s.  diarhod. 
Dirotanum  ibid. 
Douet  d'Arq  I,  109. 
Dresden,  königl.  Museum  I,  248.  f.  299. 
Dreux,  Philipp  de,  Bischof  von  Beau- 

vais  II,  172. 
Dürer,  Albi-echt  I,  120. 
Düsseldorf,  Lambertikirche  I,  271. — 

Maxpfarre  ibid. 
Dugdale  II,  344. 

Dunstan,  der  h.,  fertigt  die  Zeichnung 
zu  einem  Messgewand  I.  142.  II,  156. 
Durandus,  Bischof  von  Mende  I,  336. 

—  über  das  cingulum  345.  —  Pal- 
lium 360.  —  Tunika  363.  —  Stole 
436.  II,  63.  —  die  bischöfl.  Strümpfe 
II,  8.  —  Sandalen  15.  —  Dalmatik 
86.  ff.  —  Hand.sclmhe  132.  142.  208. 

—  Bischofsstab  220.  —  Sudarium 
227.  251.  —  Superpelliceuui  329. 

Durham,  Stole  des  Bischofs  Frithestan 
daselbst  I,  141. 

E. 

Ebn-Djobair,  sarazenisch(;r  Geschicht- 
schreiber I,  35.  37. 

Eberhard,  Bischof  von  Trier  II,  163. 

Echternach,  Abtei  II,  336. 

Edrisi,  Geograph  I,  40. 

Eduard  der  Bekenner.  Kostbar  ge- 
sticktes Tuch  auf  seinem  Grab  1, 147. 

—  Seine  Gesetzbücher  II,  332. 
Eichstädt,  Walburgiskirche  I,  17.  — 

Domschatz  II,  112.  200. 

Einhard,  Bischof  von  Freising  II,  38. 
Eligius,  der  h.,  I,  4. 

Elisabeth,  der  h.,  Gürtel  II,  56. 

—       Königin,  schenkt  der  Pra- 
ger Kathedrale  kunstr.  (Jrnate  1,  24 1. 


Ely  I,  142.  —  Kirchliche  Stickschule 

daselbst  153. 
Emblemata  s.  aenigmata  Saracenorum 

II,  170.  173. 
Emmerich,  Katharina  I,  135. 
i^i^uii]  I,  136. 

Eugelsinus,  Abt  vonCanterbury  II,  165 

Engilmar,  Münch,  erfahren  in  der  We- 
berei und  Stickerei  I,  154. 

England.  Seine  Seidenmanufactur  1, 79. 
—  Hohe  Blüthe  der  Stickerei  141 . 261 . 

Ennodius,  der  h.,  II,  152. 

Epiphanius,  der  h.,  über  das  hohe- 
priesterliche Pallium  I,  360.  —  ra- 
tionale 379.  —  erwähnt  einer  Stirn- 
binde des  h.  Jakobus  II,  150. 

Epiphanie,  die,  eine  Stickerei  des  XV. 
Jahrh.  I,  264.  —  eine  andere  des 
XVI.  Jahrh.  285. 

Episcopuschori-magister  cantus  II,  307. 

Erlösungswerk,  das,  eine  frühromani- 
sche Stickerei  I,  166. 

Erkelenz,  Pfarrkirche  I,  285.  II,  128. 

Essen,  Stiftskirche  II,  310.  Anm.  3. 

Essenwein,  Architekt  II,  247. 

Etheldreda,  die  h.,  stickt  dem  h.  Cuth- 
l)ert  eine  kostbare  Stole  I,  141.  II.  64. 

Ethelwulf,  König  von  Essex.  Sein  Ring 
II,  209. 

Eucharistie,  die  heil.,  ihre  Aufbewah- 
rung im  frühen  Mittelalter  I,  181. 

Eucharius,  d.h.,  Bischof  V.Trier  11,222. 

Eusebius,  Kirchenhistoriker  I,  423. 
II,  150. 

Euskirchen, Pfarrkirche  daselbst  I,  286. 

Eustadiola,  die  h.  Äbtissin,  übt  die 
Kunst  des  Stickens  I,  145. 

Eutychianus,  Papst,  gibt  eine  Verord- 
nung über  die  Beerdigung  der  Mär- 
tyrer I,  452. 

Examitum,  ein  Seidengewebel,  98.  100. 

Exarentasmas,  ein  Stoff'  I,  36. 

'E'iofiie  1,  448. 

Eyck,  Geschwister  van  I,  263. 
F. 

Fahnen  im  Mittelalter  und  heute  I,  30 1 . 
Falcandus,  Hugo,  über  den  Kunstfleiss 
Palermo's  I,  36.  98.  II,  250. 


•-    369  — 


Faltenwurf  an  mittelalterlichen  Bild- 
werken I,  114. 

Familie,  die  Ii.,  Stickerei  des  XIV. 
Jahrh.  I,  247. 

Fanon,  phanon  I,  441. 

Farben,  die  heiligen  des  A.  B.  I,  34ü. 
hellblaue  für  kirchliche  Gewänder 
nicht  zulässig  II,  252.  —  unbestimm- 
te, verboten  253. 

Farfa,  Chronist  von  I,  )53. 

Federwild  als  Stoffmuster  I,  14. 

Fegfeuer,  auf  einem  Messgewand  dar- 
gestellt I,  267. 

Ferrara,  allgemeines  Concil  II,  216. 

Ferrarius,  Octavius,  über  die  Sticke- 
roi bei  den  alten  Römern  I,  1 25.  — 
über  die  paenula  429.  —  Ursprung 
der  Kasel  430  f.  —  tunica  442.  II,  3(). 

Ferula  II,  219. 

Fey,  A.  über  die  Albe  II,  50. 
Fiesole,  Fra  Angelico  da  I,  115.  f  IUI. 

263.  II,  93. 
Fimbriae  II,  106. 

Firmus,  von  Kaiser  Theodosius  besiegt 
II,  151. 

Flodoardus,  Geschichtschreiber  II,  219. 

Florenz,  tiauptsitz  der  Seidenweberei 
im  XV.  Jahrh.  I,  47.  —  sendet  Sei- 
denwirker nach  P'rankreich  67.  — 
palazzo  degli  Uffici  115.  —  Gemälde 
von  Fiesole  in  St.  Marco  116. 

Flügelaltäre  u.  Flügelbilder,  gestickte 

I,  264  f. 

Fügen,  Fräulein,  Kunststickerin  I,  319. 

Fossius,  über  fanon  l,  441. 

Francisque-Michel,ArchäologI,  22. 144. 

P'rankfurt,  Dom  I,  288. 

Frankreich.  Geschenke  an  das  Aache- 
ner Münster  beim  Ableben  des  Kö- 
nigs l,  104.  —  Mittelalterliche  Chor- 
kappen daselbst  II,  317. 

Franz  I.  von  Frankreich  erlässt  Frei- 
briefe für  die  Seidenwirker  I,  75.  — 
Prunk  bei  seinem  Einzug  in  Lyon 
ibid. 

Franz  Joseph,  Kaiser  von  Oesterreich 

II,  234. 

Franzosen,  der,  habgierige  Zerstör- 
rungswuth  I,  59.  Anm.  1. 


Frecta  II,  269.  Anm.  4. 

Frectura  II,  177.  Anm.  7. 

Friedenstein,  Schloss  II,  336. 

Friedrich  II.  Eröffnung  seines  Grabes 
in  Palermo  I,  199.  II,  7. 

Frisi,  Historiker  II,  265. 

P^-ixum^aurifrisia  II,  314. 

Fröhlichs.  Erasmus  I,  158. 

Fulcher  v.  Chartres  über  Konstanti- 
nopel I,  31. 

Fundatum,  ein  Stoff  I,  5. 

Futterstoff,  rother,  an  Albsäumen  ver- 
boten II,  241. 

(i. 

Gabrielle  von  Bourbon,  geübte  Sticke- 
rin I,  238. 
Galea-lmmerale  II,  26. 
Galenus  I,  403. 

Gallen,  Abtei  St.,  pflegt  die  Stick-  und 
Webekunst  I,  146.  —  Byssusstoff  an 
einer  äg3rptischen  Mumie  daselbst. 
I,  334. 

Gallus,  der  h.  II,  219. 

Gant,  gantus  erklärt  II,  133. 

Garland,  John  II,  333. 

Gaudentius,  der  h.,  von  Brescia  II,  219. 

Gaufrid  II,  302. 

Gaules,  Simoune  de,  berühmter  Sticker 
I,  266. 

Gavantus  II,  29.  78.  238.  240.  243.  204. 

f.  264.  271.  273.  286. 
Geiger,  Karl  II,  271.  Anm. 

Gellius  über  das  collobium  I,  449. 

Genossenschaft  der  Schwestern  vom 
ai'raen  Kinde  Jesu.  Ihre  hohen  Ver- 
dienste vim  die  kirchliche  Stick- 
kunst 1,  316.  ft".  II,  264.  266.  341. 

Genua,  bedeutende  Seideniudustrie 
I,  47. 

Gepa,  erfahrene  Stickerin  I,  155. 

Gerhard,  Bischofv.  AngoulemeII,39. 65. 
—  Bischof  V.  Limoges.  Ring  in 
seinem  Grab  gefunden  II,  209. 

Germanus,  des  h.  Patr.  von  Constan- 
tinopel,  Stole  I,  436. 

Gewänder,  goldene,  in  der  classischen 
Zeit  I,  2.  —  bemalte  126.  —  ge- 
druckte, kommen  schon  im  XIII. 


—    370  — 


Jahrli.  vor  ibid.  Anm.  II,  2-49.  — 
scenerirte  der  Römer,  nicht  gewebt, 
sondern  gestickt  I,  131.  —  seidene 
bei  den  Römern,  ihr  Alter  421. 

Gewänder  der  jüd.  Priester,  abgenutzte 
zu  Dochten  verwandt  397.  —  be- 
schmutzte oder  zerrissene  zu  tragen 
verboten  39S.  —  Kostbarkeit  der- 
selben 399.  £F.  —  wurden  sorgfältig 
aufbewahrt  401. 

—  der  christl.  Priester  in  den  ersten 
Jahrhunderten  nicht  verschieden 
in  der  Form  von  den  profanen  418. 
423.  42ti.  —  Verbot  dieselben  im 
öffentl.  Leben  zu  tragen  425. 

Giani,  KirchenstofFen-Fabrik  II.  247. 
Anm. 

Giotto  I,  59.  115.  263. 

Gisela,  die  h.  Königin  von  Ungarn. 

Kunstreiche  Casel  von  ihrer  Hand 

1,  150.  155.  157  £f. 
Glinsky,  I,  56  Anm. 
Goch,  Hermann  von  1,  220. 
Göss,  Stift  I,  186.  Anm.  227.  II,  47. 

109.  296. 

Goldfaden,  der.  Seine  Bereitung  im 
Mittelalter  I,  42.  48.  161.  —  in  neue- 
rer Zeit  49.  —  im  A.  T.  366. 

Goldstoffe  zur  Ausschmückung  der 
Kirchen  I,  4. 

Gothisch.  Erklärung  dieser  Bezeich- 
nung I,  63. 

Gousset,  Cardinal  II,  112. 

Grabtuch,  das,  des  Heilands,  I  334  Anm. 

Gramata  II,  39. 

Gramicia  ibid. 

Gran,  Domschatz  II,  211. 

Granatapfel,  eine  Musterung,  symbo- 
lisch gedeutet  I,  88.  —  Alter  der- 
selben 92. 

Grandison,  Bischof  II,  332.  345. 

Gregor  v.  Nazianz  II.  150. 

—  der  Grosse  I,  438.  II,  162.  - 
Sein  sacramentarium  über  den 
bischöflichen  Ring  206.  —  sen- 
det der  Königin  Theodelinde 
ein  kostbares  Brustkreuz  213. 

—  IV.  n,  51. 

—  Yll.  II,  167. 


Gregor  IX.  II,  203. 
—     von  Tours  II,  64. 

Greif,  der,  als  Musterung  1,  12. 

Griechen,  geübte  Sticker  I,  173. 

Gruss,  der  englische,  ein  Gewebe  I,  63. 

Guarrazar.  Votivkronen  daselbst  ge- 
funden II,  150. 

Gubbio,  Kathedrale  I,  292. 

Gudrun  I,  216. 

Gundekar,  Bischof  von  Eichstädt.  Sein 

Pontificale  II,  197. 
Gwantus  II,  133. 
Gyra  I.  159.  II.  37.  110. 

H. 

Haarschmuck  in  Stickereien  I,  215.  f. 
Halberstadt,  Dom  I,  99.  106.  130.  147. 

171.  182.  ff  192,  211.  226.  341.  369. 

II,  9.  73.  88.  108.  249.  277.  299. 
Hartwiga,    Tochter   Heinrich's  von 

Schwaben,  erfahi-ene Stickerin I,  146. 
Harun-al-Raschid  schenkt  Karl  dem 

Grossen  Sammtstoffe  I,  101. 
Hedde,  Ph.  I,  99.  Anm. 
Hedwig,  Königin  von  Polen,  stickt  ein 

Humerale  für  Krakau  II,  202. 
Heeren  1,  33. 

Hefele  I,  421.  427.  II,  58.  163  293. 

Hefner-Alteneck,  von  I,  80. 

Heinrich  der  Heilige,  Kaiser,  schenkt 
dem  Dom  von  Bamberg  kostbare 
Messgewänder  I,  164.  ff.  —  Seine 
Tuniceila  in  München  171. 

—  VI.  Eröffnung  seines  Grabes  in  Pa- 
lermo I,  199.  II,  7,  137. 

—  III.  von  Frankreich.  Ein  Gastmahl 
desselben  I,  81. 

Heider  II,  110.  295.  299. 

Helena,  die  h.  Kaiserin.  Angebliche 

Stickerei  von  ihrer  Hand  I,  133 
Helgald,  Mönch  II,  114. 
Hemmling  I,  263. 
Herdt,  de  II,  2H. 

Heribert,  des  h.  Erzbischofs  Messge- 
wänder II,  103. 

Herodes  nimmt  die  hohepriesterlichen 
Gewänder  in  Gewahrsam  I,  401. 

Herodot  über  zwei  Arten  des  Webena 
I,  405. 


—    371  — 


Hervee,  Bischof  von  Troyes  II,  210. 
Hibarah,  ein  Stofif  I,  19. 
Hieronymus,  der  h.,  über  die  hh.  Ge- 
fässe  in  der  ersten  christl.  Zeit  I,  2. 

—  gegen  die  Kleiderpracht  seiner 
Zeit  2.  133.  —  über  die  brachae 
der  jüd.  Priester  330.  —  tunica  332. 
335.  —  pileus  348.  —  pallium  356. 
360.  —  ephod.  370.404.  —  die  prie- 
sterlichen Gewänder  443.  —  II,  20. 
150.  152.  1.58. 

Hildebert,  der  h.,  Bischof  v.  Meaux. 
Wunder  bei  der  Consecration  II,  133. 

Hildesheim  I,  105.  II,  103.  —  Gode- 
hardikirche  113.—  Grabmonuraente 
im  Dom  343. 

Hirschmuster,  343.  symbolisch  gedeu- 
tet I,  55. 

Hittorp,  Cölner  Stiftsdechant  II,  133. 
HohenzoUern,  der  Fürsten  von,  Frei- 
gebigkeit an  die  Kirche  I,  84. 
Holol,  ein  Stoff,  41. 
Homer  I,  124. 

Honorius  Augustodunus  I,  42ii.  428. 

445.  448.  II,  19.  64.  132.  135.  219. 

278.  290.  331. 
Hormisdas,  Papst  II,  272. 
Hrabanus  Maurus  I,  439.  441.  II,  5.  20. 

64,  79.  261.  276. 
Hugdietrich  I,  217. 
Hugo,  Bischof  v.  Chalons  II,  39. 

—  der  h.  Abt  von  Cluny  II,  134. 
165.  289. 

—  von  St.  Victor  II,  85. 
Hungertücher  I,  187. 
Hyazinthfarbe,  die  I,  367. 
Hyrkanus,Erbauer  d.  Tempelburg  1,401. 

J. 

Jaen,  bedeutende  Seidenzucht  I,  40. 
Jakobus,  des  h.  Apostels,  Gewänder 

J,  443.  II,  150, 
Jarchius  I,  357.  388. 
Ibi  et  ubi  I,  168.  Anm. 
Ibn-al-Khatib  I,  41. 
Iburg,  Abtei  II,  66.  211. 
Jerusalem,  bedeutender  Seidenhandel 

I,  174. 

Imizinum,  ein  Gewebe  I,  5. 


Innungen,  der,  Opfer  an  den  Festen 

ihrer  Patrone  I,  85. 
Innocenz  II.  —  II,  203. 

—  III.  —  II,  15.  32.  84.  135.  207. 

216.  222.  251.  262 
IV.  -  II,  344 
Inschrift  einer  Miter  aus  dem  XII. 

Jahrh.  II,  171. 
Inzigkofen,  Kloster  II,  270. 
Joar  II,  159. 

Jobst  V.  Mähren,  schenkt  der  Olmützer 

Kathedrale  i-eiche  Ornate  I,  245. 
Johanna,  Königin  von  Navarra.  Ihr 

Leichenbegängniss  I,  104. 
Johannes,  des  h.  Apostels,  goldene 
Stirnbinde  I,  423.  II,  150. 
—       Erzbischof  von  Ravenna  I, 
Jolye,  Colin,  berühmter  Sticker  I,  265. 

384.  386.  388.  393.  397. 
Josephus,  Flavius  I,  335.  340.  ff.  348. 
350.  356.  364.  369.  371.  378.  379. 
384  386.  388.  393.  397. 
Isabella,  Schwester  Ludwig's  des  Heil, 
erfahrene  Stickerin  I,  238. 

—  von  Baiern.  Ihr  Brevier  I,  243. 
Isidor  von  Sevilla  I,  140.  428.  436.  444. 

449.  452.  II,  34.  57.  206. 

Ispahan,  ein  Seidengewebe  I,  41. 

Italicum  opus  II,  48. 

Italien.  Hoher  Aufschwung  der  Seiden- 
industrie im  XIV.  Jahrh.  I,  58.  fi'.  — 
Die  Stickerei  im  XV.  Jahrh.  255.  ff. 

Italiener  gründen  eine  mächtige  Co- 
lonie  von  Seidenwebern  in  Lyon  I,  76. 

Juda  Leo  über  die  Aufljewahrung  der 
hohepriestei'l.  Kleider  I,  401. 

Juden  handeln  mit  falschen  Reliquien 
I,  29.  Anm. 

Judith,  Kaiserin,  geübt  in  der  Stick- 
kunst I,  145. 

Jumieges,  Abtei  II,  176. 

Justinian  I.  schenkt  der  Peterskirche 
Seidengewebe  I,  4.  —  führt  die  Sei- 
denzucht ein  27. 

Justinus  Martyr  I,  360. 

Jutta,  Köuigin,  schenkt  dem  Dom  zu 
Prag  einen  ko.stb.  Altarvorhang  1, 245. 

Ivo  von  Chartres  I,  381.  383.  426.  II, 
5.  79.  195. 

25* 


—    372  — 


K. 

Kampf,  der,  mit  dem  Drachen,  auf 
einer  mittelalterliclien  Teppichwir- 
kerei dargestellt  I,  300. 
Kapellen  bei  Geldern  I.  .305. 
Karl  der  Grosse.    Die  nach  ihm  be- 
nannte Dalmatik    I,   9.  II,  95. 
Kunstfertigkeit    seiner  Töchter 
145.  —  Sein  angebliches  ßrust- 
kreuz  II  215. 

—  der  Kahle  schenkt  der  Kirche 
St.  Denis  ein  Messgewand  mit 
der  descriptio  totius  orbis  II,  114. 

—  IV.  II,  205.  Eröffnung  seines 
Grabes  in  Prag  I,  III.  Sein 
Krönungsmantel  314.  Anm.  3. 

—  der  Kühne.  Sein  Inventar  I,  2G4. 
—  II,  203. 

—  V.  von  Frankreich.  Sein  Schatz- 
verzeichniss  I,  12.  105.  243.  265. 

—  VI.  Sein  Schatzverzeichniss  I,  244. 

—  VII.  von  Frankreich.  Sein  reich 
gestickter  Mantel  I.  265. 

Karl  VIII.  Freibriefe  für  die  Seiden- 
weber I,  75. 

—  Bischof  von  Novara.  Verordnung 
über  die  Ausdehnung  der  liturg. 

Gewänder  II,  28.  240.  320. 
Karthago.  Das  4.  Concil  daselbst  über 

die  Albe  I,  444. 
Kaschau,  Dom  II,  70. 
Katakombe  Platonia  II,  157. 
Keller hofen,  Chi'omolithograph  I,  116. 
Kimichius  beschreibt  das  Ephod  Aa- 

ron's  I,  370. 
Kirche,  die,  in  ihrem  Schmuck  I,  179  fl". 
Kirchenschmuck,  eine  Zeitschrift  1, 321. 

II,  240. 

Kleiderpracht  im  XV.  Jahrh.  I,  80. 
Köperstoff  I,  18. 

Konrad,  Bischof  v.  Halberstadt,  bringt 
kostbare  Stoffe  aus  dem  Oi'ient  I, 
16.  171.  189.  II,  33. 

Kopfbedeckung  in  der  ältesten  Zeit  I, 
346.  —  der  jüdischen  und  christ- 
lichen Priester  351. 

Koran,  der,  verbietet  Seidenstoffe  zu 
tragen  I,  37 


Kosmos,  Mönch,  bringt  die  ersten  Sei- 
denwürmer nach  Europa  I,  27. 

Krakau,  Domschatz  II,  182.  202. 

ILreischgauer,  lustitut  für  kirchliche 
Stickerei  zu  Paris  I,  315. 

Kreuser  I.  11.  26.  320.  417. 

Kreuz,  im  heidnischen  Alterthum  be- 
liebtes Ornamens  I,  16. 

Kunigunde,  die  h.  Kaiserin,  in  der 
Stickkunst  erfahren  I,  155. 

Kunst,  die  kirchliche.  Lehrmeisterin 
der  weltlichen  I,  64.  f.  Ihr  Auf- 
schwung seit  dem  XI.  Jahrh.  44. 
179.  ff.  —  Ihre  heutige  Verweltli- 
chung 65.  Anm.  —  die  christliche 
im  Gegensatz  zur  heidnischen  112  fl'. 

Kutte  II,  334. 

L. 

Lambecius  II,  53. 

Lambert,  des  h.,  Bischofsstab  II,  223. 

Anm. 

Lamberty,  Spitzenfabrikant  II,  240.340. 
Lamina,  ein  platter  Goldfaden  II,  139. 
Lampridius  I,  129. 
Lanfrank  II,  289. 

Laon,  statuarium  der  Cathedrale  wich- 
tig für  das  Studium  der  liturg.  Ge- 
wänder II,  130. 

Laurent,  Bischof  von  Chersones  I,  248. 
286. 

Laurentius,  der  h.,  Gemälde  des  XIV. 

Jahrh.  II.  93. 
Le  Mire,  Anfertiger  von  Kirchenstoffen 

I,  90.  f  315. 
Lemnisci  II,  153. 
Leo  der  Grosse  II,  152. 

—  III.  I,  23.  Die  nach  ihm  benannte 
Dalmatik  200.  ff.  —  Chorkappe 
zu  Aachen  211.  —  erhält  von 
Kaiser  Nicephorus  ein  Brustkreuz 
zu  Geschenk  II,  213. 

—  IX.  verleiht  dem  Abt  von  Monte 
Cassino  die  bischöfl.  Handschuhe 
II,  134.  —  dem  Erzbischof  von 
Trier  die  Röm.  Miter  163. 

—  Cardinal-Bischofv.  Ostian,37. 134. 
Leodegar,  des  h.  Bischofs  von  Autun, 

Ring  II,  208. 


—   373  — 


Lessing,  Archäolog  I,  38. 
Leucorhodinuin,  ein  Stoff  I,  7. 
Levantin,  StofCnaine  1,  56. 
Levide,  ausgezeichnete  Sticlcerin  des 

XL  Jahrh.  I,  155. 
Ijibyen.  Lebhafter  Seidenhandel  I,  29. 
Limbus,  lymbus  I,  186,  II,  110.  138. 
Limburg  a.  d.  L.,  Donischatz  II,  221. 
Linas,  de,  Archäolog  I,  292.  Anm.  II, 

87.  Anm.  4.  13.3.  146.  175.  176. 
Linz,  Pfarrkirclie  II,  334. 
Lisbona.  Bedeutende  Seidenmanufac- 

turen  I,  39. 
Listae  aureae  II,  106. 
Literae  gentiles  II,  312. 
Liutharius,  Benedictinerabt  II,  291. 
Löwenmuster  I,  11.  17.  66. 
London.   Schatzverzeichniss  von  St. 

Paul  (1295J I,  55.  II,  9.  119.  140.  176. 

269.  2S2.  310.  —  Kensington-Museum 

II,  229.  243.  f. 
Loning,  Archäolog  I,  260. 
Leonpreri,  de  Orientalist  I,  42.  53. 
Lorum-mitra  II,  150. 
Loudon,  de,  Bischof  v.  Mans  II,  143. 
Lucca.  Blühende  Seidenraanufactur  im 

XIII.  Jahrh.  I,  45.  —  Ausv^andcrung 

von  Seidenwebern  46. 
Lucretius  I,  127. 

Ludwig  IX.  Reiche  Gewänder  in  sei- 
ner Kapelle  I,  105. 

—  XI.  befördert  die  Seidenfabri- 
cation  in  Lyon  I,  75.  —  Klei- 
derpracht bei  seinem  Einzug 
in  Lyon  76.  —  zieht  auslän- 
dische Künstler  nach  Tours  77. 

—  V.  Anjou,  Bischof  v.  Toulouse. 
Seine  Miter  II,  176.  —  Seine 
Chorkappe  319.  Anm. 

Lütticli,  St.  Lambert  daselbst  zerstört 

II,  203. 
Lundius,  Johann  I,  355. 
Lyon.  Seine  grosse  Seidenindustrie  I, 

74.  76.  f.  —  Museum  2. 

M. 

Maastricht,  St.  Servaz  I,  219.  —  Lieb- 

fraueukirche  II,  276. 
Mabillon  II,  195.  221.  265. 


Magnoaldus,  der  h,  219.  , 

Majestas  Domini,  eine  spätkarolingi- 
sche  Stickerei  I,  148.  201. 

Mailand,  Provinzial-C'oncil  das.  gibt 
wichtige  Vorschriften  über  die  litur- 
gischen Gewänder  II,  28.  227.  241. 
255.  328.  330. 

Maimonides  über  die  priestorl.  Ge- 
wänder des  A.  B.  I,  325.  331.  333. 
335.  341.  3.56.  366.  370.  378.  38.5.—^ 
über  deren  Anfertigung  412.  ' 

Mainzer  Schatzverzeichniss  des  Doms 
II,  140.  —  St.  Stephan  I,  298.  II,  103. 

Manieale  II,  142. 

Manutius  I,  130  Anm. 

Marcellus  IL,  Pabst  Geschenk»  an  die 
Kirche  von  Gubbio  I,  292. 

Margaretha  von  Burgund.  Kostbare 
Stickerei  von  ihr  zu  Aaclien  I,  239. 

—  von  Schottland,  geülite  Stickerin  I, 
238,  Anm.  II,  289. 

Maria,  die  seligste  Jungfrau.  Zahl- 
reiche Darstellungen  derselben  seit 
der  frühesten  Zeit  I,  24.  —  Auf- 
nahme 258.  —  Verkündigung  269. 
Krönung  271.  —  Compassio  283. 

—  Agyptiaca,  in  einem  Gewebe  dar- 
gestellt I,  61. 

—  V.  Ungarn.  Kunstreiche  Stickerei 
von  ihrer  Hand  im  Aachener  Schatz 
I,  239. 

Marlot  II,  196. 

Marokko,  lebhafter  Seidenhandel  1,29. 

Martens,  Fräulein,  Kunststickerin  I, 
288.  319. 

Martial  I,  127.  365. 

Martin,  des  h.  Bischofs  von  Tours, 
Mantel  II,  294. 

Martin  u.  Cahier  I,  6.  12.  17.  69.  214. 
259.  II,  III.  220,  225. 

Martinsberg,  Abtei  in  Ungarn.  Inte- 
ressantes Byssusgewaud  daselbst  I, 
159.  —  Schatzverzeichniss  II,  71. 
280.  308. 

Maternus,  der  h.  II,  222. 

Mathilde,  Äbtissin  v.  Quedlinburg,  fer- 
tigt einen  Kaisermantel  für  Otto  III. 
I,  155. 

—  Königin  v.  Schottland  I,  141. 


-    374  — 


Maximilian  I.  wallfahrte  nach  Ech- 
ternach II,  337. 

Meichelbeck  II,  38. 

Meinwerk,  der  h.  I,  362.  Anm.  — 
Seine  Casel  II,  103. 

Menage,  Hub.  Institut  für  kirchliche 
Stickerei  I,  315. 

Menardus  II,  195. 

Merlo  I,  274.  Anm.  II,  76.  88  Anm.  247. 
Metaxis  I,  48. 

Metz  II,  292.  —  Verordnung  des  Con- 

cils  daselbst  über  die  Kleidung  der 

Kleriker  325. 
Meving,  von  I,  312. 
Michelsberg,  Abtei,  Schatzverzeichniss 

II,  144.  284. 
Milet,  Wolle  von  I,  399. 
Missa  Illyricorum  II,  134. 
Miter  mit  gemalten  Stäben  II,  174. 
—  neuester  Zeit  nach  mittelalterlichen 

Mustern  I,  317. 
Mittelalter.  Seine  Begeisterung  für  die 

kirchliche  Kunst  I,  44.  179.  ff. 
Mizillus  I,  5. 
Mi^inum  I,  5. 

Mönch,  der,  von  St.  Gallen  1.  19.  28. 

Moleon,  de  II,  316. 

Molinet  II,  353.  454. 

Monasticum  anglicanum  II,  65. 

Monoloris  II,  37. 

Montauld,  Barbier  de  II,  174. 

Monza,  St.  Johann  II,  214.  265  — 

Schatzverzeichniss  72.  270.  282.  309. 
Morard,  Abt.    Stab  in  seinem  Grab 

gefunden  II,  219. 
Morea  I,  27. 

Mosaikstickerei  I,  301.  318. 
Moucy,  Johan  de,  Sticker  I,  266. 
Müller,  Bischof  v.  Münster  II,  230. 

—  A,  Maler  I,  269. 

—  0.,  I,  430. 

München,  königl.  Pinakothek  I,  118. 

—  Maximilian-Museum  II,  237.  281. 
Münster,  bischöfl.  Museum  I,  272.  II, 

2'M). 

Münstereifel  I,  286. 
Murena  II,  51. 

Musterung  der  mittelalterlichen  Ge- 
webe II,  105. 


N. 

Nacho,  ein  Seidenstoff  II,  45.  313. 
Anm.  1 . 

Napoleon  I.  Ki'önungsornat  I.  312. 
Neapel,  Bourbonisches  Museum  I,  2. 

128.  —  Gestickte  Altartafeln  264. 
Nero.    Tücher  bei  seinem  Leichen- 

begängniss  I,  2. 
Neu-Haaren.  Pfarrkirche  II,  217. 
Nikolaus  der  Grosse  II,  159. 
Nicephorus,  Patr.  von  Constantinopel 

II,  57. 

—  Kaiser  II,  213. 
Noce,  Angelo  della  I,  13. 
Norwegen,  Mittelalterliche  Gewänder 

I,  266. 

Nürnberg  I,  90.  —  Reichskleinodien 
dort  aufbewahrt  288.  —  Schatzver- 
zeichniss von  St.  Sebaldus  289.  II, 
124.  I,  304. 

0. 

Oberwesel,  Liebfrauenkirche  II,  350. 

Octapolum,  Stoff  I,  5. 

Ofen,  Schloss  II,  292.  —  Concil  335. 

Olfers,  von  I,  56.  165.  Anm. 

Olmütz,  Domschatz  I,  245-  —  Schatz- 
verzeichniss II,  22.  44.  122.  283.  315. 

Oloveron,  ein  Stoff  I,  138. 

Optatus  Milevitanus  I,  158. 

Opus  anglicum,  anglicanum  I,  209.  — 
araneum  II,  239.  — •  choscheb  I,  365. 

—  phrygicum  125.  —  plumarium, 
plumatum,  plumare,  plumeum  138. 
140.  —  polemitum,  polymitum  140. 
340.  366.  —  propulsatum  386.  389. 

—  rokem  365.  —  spicatum  179. 
Or  battu,  erklärt  I,  294. 

Ora  II,  110. 

Orarium^stola  I,  439. 

Orbis  terrarum,  in  Stickerei  dargestellt 

I,  144.  168.  II,  114. 
Ordo  Romanus,  der  alte  II,  84.  133. 

f.  259.  261.  289.  f. 

—  II,  —  II,  153. 

—  XIII.  -  II,  143. 

Organ  für  christl.  Kunst  II,  240, 
Origenes  I,  140. 

Ornit's  Meerfahrt,  ein  Gedicht  I,  216. 


—    375  - 


Ossey,  Benedictiner-Stift  I,  173.  Anm. 

Otto  III.,  Kaiser  II,  271.  291. 

-  V.  Freising  II,  33.  175.  I,  173.  250. 

P. 

Paderborn.  Liborius-Teppich  I,  320. 

Padua.  Schatzverzeichniss  v.  St.  An- 
tonio II,  314. 

Paenula,  erklärt  I,  429.  —  Capuze  an 
derselben  vielleicbt  Ursprung  des 
Humerale  432. 

Pala  d'oro  L,.  21.  —  linostiraa  I,  436. 

Palermo,  durch  seinen  Kunstfleiss  be- 
i-ühmt  I,  34.  ff. 

Pallium  I,  4.  —  orbiculatum  I,  203. 
II,  247.  —  phrygium  I,  127.  —  qua- 
drapolum  II,  105.  282.  —  reticula- 
tum  oder  lacuatum  I,  333.  —  rota- 
tum  16.  165.  Anm.  II,  246.  —  scu- 
tellatum  I,  8.  86.  165  Anm.  II,  67. 

Pannus  tartarius  II,  92  Anm.  4. 

Paratura  II,  139. 

Pardubitz,  von,  erster  Erzbischof  von 

Prag  II,  204. 
Paris,  Mathäus»)  voni,  210.  II,  345.  347. 

—  Louvre-Museum  I,  116.  II,  93. 

—  Museum  des  hötel  Cluny  153.  — 
Concil  daselbst  über  die  Kleidung 
der  Geistlichkeit  326. 

Parura  I,  110.  161.  II,  20. 

Patrizi,  Cardinal  II,  256. 

Paulus,  des  h.  Apostels  paenula  I,  294. 

—  Papst  I,  4. 

—  Sl.  Benedictiner- Abtei  in  Käru- 
then  II,  294. 

Peculum  n,  315.  Anm.  2. 

Pelldram,  Bischof  v.  Trier  II,  217. 

PendiUa  II,  153. 

Pera  corporalium  II,  268. 

Perceval,  Gedicht  I,  236. 

Periclysis  I,  159.  II,  37.  298. 

Perlstickerei  I,  207. 

Perser  I,  19. 

Pertz,  II.  38.  115. 

Pestcaseln  II,  250. 

Pesth,  Museum  II,  215. 

Peter,  Bischof  von  Anagni  II,  334. 

1)  Nicht  Mathias,  wie  irrthümlich  im  Text 
stellt. 


Petri  auri  II,  75.  316. 
Petrus,  des h.  Apostels  cathedrale  1,417. 
Philipp,  Bischof  v.  Beauvais  I,  224. 
Philo  I,  364.  386.  388. 
Philologie,  Hochzeit  der,  eine  Sticke- 
rei I,  146. 
Phrygier,  Erfinder  der  Stickkunst  1, 1 26. 
Phrygiones,  vestes  phrygioniae  I,  127. 
Phrygium  II,  150. 
Physiologus  I,  176.  178. 
Pictus,  erklärt  I,  126. 
Pmchas,  Vorsteher  der  Tempelweber, 

I,  412. 

Plaeti  de  auro  II,  75. 

Plaga,  plagula  I,  110.  452.  II,  20. 

Planeta,  erklärt  I,  427. 

Plica  II,  45  Anm.  3. 

Plinius  I,  2.  125.  127.  367.  f.  395.  400. 

II,  132. 

Pluviale,  das  I,  212.  223. 
Hoixikia,  Tioiy.ü.i6y  I,  139. 
Pollux  I,  406. 

Porträt- Stickereien  i.  Mittelalter  I,  236. 

Praetexta  I,  129.  186.  II,  106.  138. 

Prag  I,  205.  240.  242.  244.  249.  315. 
396.  Anm.  —  Schatzvei-zeichniss  II, 
21.  ff.  43.  f.  120.  139.  141.  204.  216. 
228.  270.  282.  312.-355. 

Pseudo-Alkuin  II,  343. 

Prudentius  I,  127. 

Przezdziecki,  Alex.  II,  182.  f.  203. 

Pugin  I,  314. 

Purpurfarbe  1, 6. 1 38. 1 49. 367. 399.  Anm. 

Q. 

Quadrapola,  quadruplum  I,  5. 
Qualburg  bei  Cleve  I,  305. 
Quartiermeister  des  lieben  Herrgotts 

I,  45. 

Quasten  an  den  Hüten  der  Prälaten 

II,  359. 

Quedlinburg,  Abtei  I,  182.  II,  216.  221. 
Quinaude,  Gillon,  berühmter  Sticker 
I,  266. 

R. 

Radix  Jesse,  eine  Stickerei  II,  310. 
Ragenfred,  Bischof  von  Chartres,  Bi- 
schofsstab II,  221. 


—    376  — 


Ramboux,  Conservator  I,    134.  Aum. 

3n.  f.  318. 
Raphael  I,  307.  II,  254. 
Rastawiecki,  Eduard  II,  183. 
Ratoldus,  Abt  von  Corvey  I,  382.  II, 

85.  195.  208. 
Rationale  episcoi^orum  I,  381.  fi'. 
Ravenna,  St.  Vitale  I,  434.  437.  — 

Concil  II,  335. 
Raynold,  Walter,  Erzb.  von  Canter- 

bury  II,  332. 
Reafan  I,  147. 

Reccesvinthus,  Gothenkönig  II,  153. 
Redimiculum  II,  151. 
Reginald  v.  Durham  II,  334. 
Regensburg  Dom  II,  197.  III.  —  St. 

Emmeram  I,  154,  II,  112. 
Reichensperger  I,  118. 
Reichskleinodien,    die   deutschen  II, 

75.  238. 

Renaissance.  IhrEintluss  auf  die  Stick- 
kunst I,  306. 

Rheims.  Dom  I,  382.  233.  291.  II,  91. 
112.  136.  195.  —  St.  Remy  155.  — 
St.  Thierry  I,  244. 

Rhodinum,  ein  Stoff  I,  7. 

Rhodomelina,  ein  Stoff  ib. 

Riculph,  Bischof  von  EUi  II,  65.  133. 
207. 

Richard,  deutscher  König.  Sein  Krö- 
nungsornat I,  212. 

Richard  IL,  König  von  England  II,  333. 

Richlin.  Kunstgeübte  Stickerin  I,  146. 

Rienzo,  Cola  di  I,  202. 

Rigaud,  Eudes,  Erzb.  v.  Rouen  I,  218. 

Riquier,  St.  Kirche  II,  135.  Anm. 

Ritterthum.  Sein  Glanz  nach  den  Kreuz- 
zügen 1,44.  —  Rittertracht  103. 216.  ff. 

Rocca,  F.  Angelus  II,  17.  157. 

Rochester  II,  302. 

Rock,  Dr.  I,  141.  II,  154.  228.  231. 
302.  303.  333.  345. 

Roger  von  Sicilien,  Beförderer  der 
Seiden-Industrie  I,  33. 

Rom.  St.  Peter  II,  94.  214.  —  St.  Jo- 
hannes im  Lateran  299.  —  St.  Mar- 
tino  del  monte  157.  172.  —  Haupt- 
lagerplatz oriental.  Tücher  im  Mit- 
telalter I,  32. 


Rotellus,  erklärt  II,  177.  Anm.  6. 

Rottenburg,  Kunstverein  1,  321. 

Rouen,  Concil  II,  331. 

Rubenius  I,  429. 

Rubens  I,  307. 

Rutinus  I,  371. 

Ruhl  II,  305. 

Ruinart  II,  196.  203. 

Rupert  von  Deutz  II,  216.  331. 

S. 

Sacrament,  das  allerh.,  in  einem  Ge- 
webe I,  62. 
Salmasius  I,  140.  403. 
Salmur  I.  11. 

Salzburg,  Dom  I,  228.  II,  175.  299.  — 
St.  Peter  112.  170. 

Sambuoa  II,  219. 

Samir  I,  378. 

Samos,  Wolle  ven  I,  421. 

Sammt,  erklärt  [,  329.  —  Erste  Spur 
eines  Sammtgewebes  99.  —  Seine 
Fabrication  im  Mittelalter  und  heute 
107.  —  Kostbarkeit  desselben  im 
Mittelalter  108  fif. 

Samson,  der  h.  Bischof  II,  152. 

Sampdallo,  ein  Stoff  I,  81. 

Sarazenen.  Ihre  hohe  Kunstbildung  I, 
34.  ff. 

Sarum,  der  ecclesia,  Schatzverzeich- 

niss  II,  21.  42.  58.  72.  311. 
Satin  I,  70.  79, 

Saussay,  du  I,  422.  428.  II,  17.  25.  32. 

38.  69.  132.  157.  208. 
Schanat  II,  64. 
Schesch,  erklärt  I,  329. 
Schnaase  I,  11. 
Schneider,  Architekt  II,  217. 
Schwamm  statt  des  purificatorium  II, 

260. 

Schweden.  Alte  Stickereien  I,  267. 
Schweiz.  Seidenindustrie  I,  79. 
Scylla  und  Charybdis,  eine  Stickerei 
I,  177. 

Seide.  Ihr  hoher  Werth  in  der  Rom. 

Kaiserzeit  I,  26. 
Seidentextur  im  Mittelalter  II,  104. 
Seidenwürmer,  die  ersten  in  Europa 

I,  3. 


—    877  — 


Sens,  Concil  II,  330. 

Sevilla,  bedeutende  Seiden-Manufac- 

turen  I,  39. 
Serge  I,  56. 
Servius  I,  130.  Anra. 
Sicilien.  Einführung  der  Seidenweberei 

I,  33.  —  Bedeutender  Seidenhandel 

I,  174. 

Sighart,  Prof.  II,  38.  69.  200. 

Silva  plana.  Benedictinerkloster  mit 

einem  Institut  für  kii'chl.  Weberei 

und  Stickerei  I,  153. 
Simeon,  des  h.  v.  Trier,  Kopfbedeckung 

II,  347. 

Smilo,  Sacristanpriester  in  Prag  II,  141. 
Soest  I,  116.  271. 

Spanien.  Hauptsitz  der  Seiden-Manu- 
factur  I,  7.  39.  ff.  68.  174.  —  Sti- 
ckereien von  Infantinnen  239.  — 
Stickerei  in  der  spätgothischen  Zeit 
259.  ff.  —  Spanien's  Banner  260. 

Spatuli  ad  arma  II,  75. 

Spencer,  über  Urim  u.  Thummim  I,  380. 

Speier,  Dom  I,  288. 

Spitzen,  Brabanter  II,  264. 

Stanislaus,  der  h.  Bischof  von  Krakau 
II,  182. 

Stephan,  Pabst  I,  135. 

—      Bischof  von  Tournay  II,  332. 

Stephanus  Aeduensis  II,  87. 

Stern,  beliebtes  Ornament  im  heidni- 
schen Alterthum  I.  16. 

Stickerei,  Lieblingsbeschäftigung  der 
edelen  Frauen  im  Mittelalter  I,  238. 
—  Ihr  Verhältniss  zu  den  übrigen 
Künsten  262. 

Stigand,  Erzb.  von  Ely  I,  143. 

Stoffnamen  I,  7.  8. 

Stoffe,  kostbare,  häufig  zu  Geschenken 
an  die  Kirchen  verwandt  I,  103.  ff. 

Storax,  storacinum  I,  4. 

Strabo,  Walafried  I,  307.  414.  426.  438. 
II,  20.  84. 

Stralsund,  Kirche  der  Calandsbrüder 
II,  277. 

Strumpfwirkerei,  wann  erfunden  II,  1 46 . 
Strzempinski,  Thomas,  Erzb.  v.  Kra- 
kau II,  181. 
Subtile  I,  448. 


Sueton  I,  387. 
Suidas  I,  429. 

Suinthilanus,  Gothenkönig  II,  153. 

Supertunicale  II,  326  Anm. 

Sylvester  I,  Pabst  führt  die  Dalmatik 
ein  I,  449.  II.  261.  —  über  den  Stoff 
der  Gewänder  I,  451.  II,  275. 

T. 

Tankred  I,  35.  A. 

Traquinius  Priscus,  sein  Triumphzug 
I,  2. 

Tambouret  (-Stich),  erklärt  I,  207. 
Tassellus  II,  139.  303. 
Tempel,  die  beiden,  zu  Jerusalem  1,412. 
Teppiche,  kirchliche  I,  182. 
Teppichwirkerei    des  Mittelalters  I, 

299.  ff. 
Tertullian  I,  423. 
Tetravela  I,  136.  181. 
Texier,  abbe  II,  209.  221. 
Than,  Philipp  de,  Verfasser  des  Uber 

bestiarius  I,  12. 
Theodorich  II.,  Erzb.  v.  Cöln,  Schätze 

dem  Herzog  von  Cleve  verpfändet 

n,  145. 

Theodelinde,  Königin.  Ihre  Votiv- 
krone  II,  153.  265.  Evangelistarium 
ders.  209.  —  Erhält  ein  goldenes 
vom  h.  Gregor  d.  Gr.  213. 

Theodoras  Balsamo,  griech.  Schrift- 
steller II,  150. 

Theodosius,  Kaiser,  erhält  von  dem 
besiegten  Firmus  eine  priesterliche 
Krone  II,  151. 

—  Patr.  von  Jerusalem,  sendet  dem 
h,  Ignatius  von  Coustantinopel  die 
Gewänder  des  h.  Jakobus  I,  443. 

Theodulph,  Bisch,  v.  Orleans  II,  152. 
—      Pergamentcodex  zu  Le  Puy 
I,  99. 

Theophylakt,  über  palästinische  Art 

zu  weben  II,  405. 
Thierfratzeu,  ihre  Bedeutung  I,  9. 
Thomas,  der  h.,  Erzb.  v.  Canterbury, 

ein  Messgewand  I,  185.  Miter  II,  168. 

—  der  h.  Kirchenlehrer  II,  222.  Anm. 

—  a  Kempis  II,  125. 

Tiberius,   Kaiser,   verbietet  seidene 


378 


Stofife  zu  tragen  1,26.  — gibtden  Juden 
ihre  priesterl.  Gewänder  zurück  402. 

Tintinuabula  an  Gewändern  I,  213.359. 

Tiraz,  ein  kostbares  Gewebe  I,  41.  — 
Hotel  de,  normannisches  Institut  für 
Weberei  und  Stickerei  34.  37.  98. 
174.  II,  41.  175 

Toga,  die  Rom.  I,  129.  —  picta  et 
palmata  ib.  —  nicht  Vorbild  der 
Casel  431. 

Toledo,  Concil  II,  207.  218. 

Tongern,  Stiftskirche  II,  318. 

Tours.  Seidenfabriken  I.  74.  —  St.  Gre- 
gor II,  114  —  Concil- Verordnung 
über  d.  Kleidung  d.  Geistlichen  11,326. 

Tramites  I,  452.  II,  106. 

Trebellius  I.  339. 

Trezisa,  Synode  zu,  über  die  Farbe 
des  priesterl.  Gürtels  II,  328. 

Trier,  Schatzverzeichniss  des  Doms  zu 
II,  72.  140.  347. 

Trin  coutesimum  I,  138. 

Tritheim  II,  206. 

Trivulse,  Jacques  de,  gibt  Ludwig  XII. 

ein  Fest  I,  81. 
Troja's  Eroberung,  eine  kunstreiche 

Stickerei  I,  143. 

U. 

Uerdingen,  kunstreicher  Ornat  I,  270. 
Upsala,  Dom  I,  267. 
Urban  II.  verleiht  dem  Abt  von  Cluny 
die  bischöfl.  Ornate  II,  134,  165. 

—  III.  II,  203.i 

—  V.  II,  159. 

Utrecht,  erzb.  Museum  II,  294. 
V. 

Valencina,  belgisches  Kloster,  durch 
Stickkunst  berühmt  I,  146. 

Variare  I,  140.  Anm. 

Varro  I,  339.  354. 

Veldecke,  Heinrich  von  I,  102. 

Velours,  erklärt  I,  101. 

Velvetum,  ein  Stoff,  erklärt  II,  311. 
Anm.  1. 

Venedig.  Bedeutender  Seidenhandel 
I,  28.  —  Schatzverzeichniss  von  St. 
Marco  II,  284. 


Venetianer,    Seiden weber  -  Zunft  in 

Brügge  I,  78. 
Verbrämen,  erklärt  I,  127. 
Vercelli.    Madonna  von  der  h.  Helena 

gestickt  I.  133. 
Veridella  II,  72.  Anm.  4. 
Verklärung  des  Herrn  I,  201. 
Vermiglio,  vermeil  II.  309. 
Verona,  S.  Zeno  II,  157.  172.  346. 
Vert,  Claude  de  II,  155.  349.  Anm. 

352.  358. 

Vestes  ecclesiae  I,  20.  —  clavatae  452. 

—  rectae  405.  —  stauracin  II,  107. 
Vestimenta  altaris  I,  4. 

Victor  III.  II,  33. 

—  der  h.  Bischof  von  Ravenna 
I,  136. 

Vierfüssler  als  Stoffmuster  I,  14. 
Vindicianus,  der  h.  II,  155. 
Violette,  Roman  de  la  I,  218. 
Virgil  erwähnt  gestreifte  Stoffe  I,  18. 

—  Stickereien  124.  f. 
Virgulae  an  Gewändern  I,  452. 
Vitta  II,  106.  151. 

Vogeno,  Goldschmied  II,  217. 
Vopiscus  II,  36.  f. 
Voragine,  Jakobus')  a  II,  113. 
Vrede,  Fürstin,  für  mittelalterl.  Stick- 
kunst thätig  I,  320. 

W. 

Wärmapfel,  der  II,  145. 

Wantus,  gwantus  II,  133. 

Wappensticker-Zunft  s.  Cöln. 

Wartenberg,  Bischof  II,  200. 

Weale,  James  II,  56. 

Webereien,  historische  I,  12.  —  ihr 
Zweck  als  Kirchenschmuck  22  — 
Hauptvorwürfe  für  bildliche  Dar- 
stellungen in  kirchlichen  ib.  —  pro- 
fane, ihre  bildlichen  Darstellungen 
64.  —  maurische,  ihre  Textur  70.  — 
mittelalterliche,  ihre  Seltenheit  und 
wo  sie  zu  suchen  7  2.  —  ihr  Einfluss 
auf  Skulptur  und  Malerei  112  ff. 

Wedekin,  Bischof  v.  Hildesheim  11,216. 


Im  Text  steht  irrthümlich  Juhaiines  a.  V. 


Weinsberg'.  K(jiii  ;uI  v  ,  Erzb.  v.  Mainz 
II,  202. 

Weis?:.  Prof.  I,  430. 

Vveyer,  Baumeister  I,  12(1.  11,  212. 

Wiborad,  d.  h  ,  fertigt  ku.stljMi'e  l'^iu- 
biiiide  für  Messbüchor  I,  MO. 

Wien.  Der  deutsche  Kaiserschatz  I, 
107.  tf.  235.  II,  7.  74.  95.  281.  — 
Kostbare  liturg.  Gewänder  des  Or- 
ilens  vom  goldenen  Vliess  I,  21)5. 
II,  128.  301. 

Wigolois  der  Ritter  I,  103. 

Wilhelm  von  Cöln  I,  119.  206. 
—      Bastard  I,  143. 

Willegis,  des  h  ,  Casel  I,  432.  II,  103. 

Wisoman,  Cardinal  I,  417. 


Withlaf,  Köllig  v.  Mercia  I,  143. 
Wolfgang,  des  h  ,  Mitra  II,  169. 
Wykeham,  William  of,  Bischof  II,  131». 
Würzbui-g,Schatzvor/eichniss  11,24  4.i 

X. 

Xanten  I,  268.  f.  II,  103.  299.  318. 
Y. 

Yahya  (Johann),   Kniiststicker  Wil- 
helm'« II.  von  Sicilien  I,  37. 
Ymagiers,  Innung  der  II.  224. 

Z. 

Zacliarias,  Pabst  I,  4. 
Zonae  I,  452. 


26** 


Erklärung  der  lithograpliirten  Tafeln  und  Be- 
zugnahmen auf  dieselben. 


Tafel 


I. 
II. 
III. 
IV. 

V. 


VI 

VII. 

VIII. 

IX. 

X. 

XI. 

XII. 

XIV. 

XV. 

XVI. 

XVII. 

XVIII. 

XIX. 

XX. 

XXI. 

XXII. 

XXIIl 
XXIV. 
XXV. 
XXVI. 


Seite 


15.  18. 
20.  2B.  27.  30.  237.342 
23.  27.  35. 

2(5.  ()8.  83.  280. 

56.  59.  60.  62.  88.  91, 

242. 
90. 

98.  99.  136.  144. 
74.  81.  108. 
97. 

16.  18.  90.  168. 
26.  89. 

26.  113.  168. 

136.  229. 
181.  307. 

68.  80.  170.  172. 
181.  320. 

68.  69.  77.  80.  170. 

137.  139.  147. 
139.  147. 
153. 

154.  155.  156.  159. 
161.  162. 

168.  169. 

155.  172.  173.  178. 
185. 

180.190.192. 199.202 


II.  Band. 

Tafel 


XXVII. 
XXVIII. 
XXIX. 
XXX. 


XXXI. 

XXXII. 

XXXIII. 

XXXIV. 

XXXV. 

XXXVI. 

XXXVII. 

XXXVIII. 

XXXIX. 

XL. 

XLI. 

XLII. 

XLIII. 

XLIV. 

XLV. 

XL  VI. 

XLVII. 

XLVIII. 

XLIX. 

L. 

LI. 


Seite 


200. 

209.  210.  211. 
214.215.  217.  218. 
221.222.  224.230. 

319. 
231.  235.  346. 
246.  248. 
247. 
247. 

263.  268.  271. 

265. 

281. 

286. 

291. 

295.  296. 
297.  308.  310. 

297.  303.  310.316. 

298.  310. 
307.  348. 
292. 

335.  348.  352.  353. 
305.  306. 
305.  306.  307. 
351.  353. 
335.347.  349.  351. 

353. 
341. 


Druckfehler- Verzeichniss. 


In  Folge  der  h;iuii<icii  Abwesenlicit  dos  Verfassers  vum  Druckortc.  haben 
sich  mehrere  Unriolitigkeiteii  eingeschlichen.  Nur  die  auftitUendsten  sollen  in 
dieser  Beilage  liezeichnet  werden;  hinsichtlich  der  weniger  störenden  rech- 
nen wir  im  Voraus  auf  die  Nachsicht  der  Leser. 


Im  ersten  Band. 

Seite  101  zu  Aum.  5. 

Robert  Guiskard  kam  erst  nach  1050  nach  Italien,  erst  1080  gründete  er 
das  Königreich  Neapel;  Palermo  insbesondere  ward  erst  1071  den  Sarazenen 
entrissen :  — ■  es  muss  mithin  schon  vor  Robert  ein  solches  Institut  dort  be- 
standen haben. 

Seite  102  Zeile  13  von  oben  lies:  Walther  von  der  Vogelweide. 

V  195  16    »       ■■■>       ■>     Den  Heiland. 
227     »     12    »    unten        die  Stadt  Br. 

>     231     »       1    »    oben    v     Bonifaz  VIII. 
254     '       5    »        -  Bonifaz  VIII. 

257     '      14    ••-        -  Einen  andern  Grund. 

Im  zweiten  Band. 

17  Aiim.  2  lies:  osculatione. 
113  Zeile  21  von  oben  lies:  Jakobus  a.  Voragino. 
->     135     *       9  '  inconsutilis. 

»     139    »     15    -       '  einen  emaillirten. 

V  167  ■  *       4  Gregor  VII. 

187     '       4    -    unten  zu  streichen:  Justinian  —  Beiisar. 

Es  sind  hier  zwei  verschiedene  Notizen  in  einander  geflossen,  nämlich 
die  Gregor's  d.  Gr.  über  die  Verleihung  des  Pallium  an  Syagrius  v.  Autun 
und  eine  andere  von  P.  Vigilius,  der  im  J.  545  Auxanius  v.  Arles  zum  apo- 
stolischen Vicar  von  Gallien  erhob  und  demselben  zugleich  das  Pallium  über- 
sandte mit  dem  Bemerken,  er  habe  durch  Beiisar  die  Erlaubnis«  Justinian's 
hierfür  erwirkt.    (Baron,  ad  ann.  545.  6.) 

Seite  210  Zeile  1  von  oben  lies:  Einen  andern. 

»    247     V    18    »       »  »     und  des. 

»    332     »    12    V       »  »  Spicilegiun). 

»    345     »     6    »       »  »     Mäthäus  Paris. 


4 


I 


Tat:iII. 


( 


4 


J 


Taf.lT. 


1 

) 


TafTT. 


h  .  Ufr:  j  ä-Cohin  ..-.Bann 


I 

4 


1 


MX. 


Taf.Xl. 


Taf.  XII. 


1 


,1 


Taf.  XTIl. 


I 


I 


Taf.I¥. 


.TnfIVT. 


Taim 


I 


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1 


Taf.  XXI. 

Fig.  2. 


Fig.  1. 


Taf.  XXm. 

Fig.  2.  . 


Fig.  1. 


•4 


i 


Taf.  XXVIll. 


i 


I 


Taf.  XXX. 


Taf  XXXI. 


A.  Sioffiche 

Ornit/e. 
l.  iibialia. 

I.  Sfirfda/u/. 
■l  himerfde 
if.  alba . 

3  ci/u/uluin. 
ti.  xto/a - 
7  tiinicn . 
'/  dfiliiKifira . 

(fIMl/fl 

^^'w  r/iirof/ie/w 

II.  inf  'ula . 

12  maiiipiiliit 

B .  Vff/i//u  rJie 
Poii/i/ikalifii . 

IS.  tmi/nliis 

13.  crur/ierfnraUf. 

14.  hctailiisfifi^frn- 
14  '^paiiniffl/iis. 

Ij.  rationale 

eparoft 
Ki.polliitni. 


ß.If. 


\ 


Tiif.XXXlI. 

a 


b 


Taf.  XXXIII. 


Fig.  2. 


^1 


r 


TaCXXXH. 


Taf.  XXXVn. 

Fig.  1. 


I 

I 


Taf.  XXXVIII. 


I 

I 


I 


Taf.  XXXTX. 


I 


I 


Taf.  XLTI. 


Ii 


i 


\ 


Taf.  XLV. 


> 


Taf.  XLVII. 


Taf.  XLYIII.