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SEMINARic HAAREN
THEOLOniCUM
U. 3
H
GESCHICHTE
der V.
litnrgisclion Gewänder des Mittelalters
oder ,
Entstehung nnd Entwicklung
der
k i r ch 1 i eil e 11 Ornate und P a r a m e n t e
in Rücksiclit auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und
rituelle Bedeutung nachgewiesen
« und
b II r d) 5 a f) 1' r c i d) ( 31 B l' i l' u ii (\ ( ii c r 1 iiit t f r t
Canonicus FR. BOCK,
Päpatiicheiu Cxeli ei m -Kämmerer,
Ritter d08 Ordens der eisernen Krone, des Guelplien-OrdeoB, des Kronen-Ordens III. CI und des KÖuigl.
Spanischen Ordens Carl's III. von der unbefleckten Empfängniss, Mitglied der KUnigl. Cunimission zur Er-
haltang der Kunstdenkmäler in Prensscn, Mitglied des Oelelirten-Äusschusses des germanischen Museums zu
Nürnberg, Ehren-Mitglied des Diücesau-Kunst-Vereins zu Paderborn, Mitglied des Altertlmms-Vereins zu Wien,
des hifltorisclien Vereins von Steiermark zu Oratz und dos Iiislor.-avcbäolog. Vereins zu Trier, Ehren-Mitglied
des archäolog. Instituts von Orossbritanien und Irland, Correspondent des K. K. Museums für Kunst und In-
dustrie in Wien etc. etc.
Mit einem Vorworte
Dr. Georg Müller,
liischof von Münster.
ZWEITER BAND.
Bonn,
Verlag von Max Cohen & Sohn.
MDüOGLXVI.
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IMPRIMATUR.
COLONl^, 6. Aprilis 186ß.
VIC. ARCH. IN SPIK GEN.
Dr. BAUDRI.
EP18C. ARETH. I. r.
DEC. ECCI- METR.
ET PR^L. DOII. PONT. SOL. ASS.
Die Uebersetzung in fremde Sprachen wird vurbehalten.
Druck vun C. II. Qeorgi In Aacbeo-
f,r.
INHALTS-VERZEICHNISS.
Capitel V.
Form, Eniwickrluiig und kOnslIertsehe GestaHiing der blschüflirben Pnntifiral-Ornate
in den verschiedenen ZeitabsciiniUeu des lUidelaKers. Seite 1—236.
Seite
1. Die Pontiflcal- Strümpfe,
„tibialia, caligae^' 2
Kirchliche Vorschrift über das
Tragen der liturgischen Ge-
wänder; Kleidung des Bischofs
ausserhalb der Kirche ... 3
Faltenreiches Untergewand des
Bischofs 3
Die bischöflichen Strümj^fe seit
Gregor d. Gr. bis auf Gregor VII. 4
Seidene Pontifical - Strümpfe seit
dem XII. Jahrh 6
Die kaiserl. Tibialien im Schatz
zu Wien 7
Die Pontifical-Strümpfe vom XIII.
bis XV. Jahrh 8
2. Die Sandalen .,sandalia, cal-
ceamenta, soccuJi'^ 10
Veränderung in der Fussbeklei-
dung seit Gregor d. Gr. ... 11
Verschiedenheit der fränkischen
und römischen Sandalen ... 1 1
Die Fussbekloidung bei den alten
ßömern und in der Kaiserzeit 11
Die Römischen Pontificalsandalen
zur Zeit der Karolinger u. der
Ottonen 12
Die ältesten, noch erhaltenen San-
dalen im Kloster zu Altaich . 13
Die kaiserlichen Sandalen im
Schatz zu Wien 13
Sandalen des Erzb. Arnold v. Trier
aus der 2. Hälfte des XII. Jahrh. 1 4
Die Sandalen im XII. und XIII.
Jahrh 15
Die Sandalen im XIV. und XV.
Jahrh 16
Päpstliche Sandalen 17
Die bischöflichen Sandalen seit
der Renaissance 18
Seite
3. Das Schultertuch ,.amictus,
.•iuperliunierah" 19
Das Humerale in der fi'ühchrist-
lichen Zeit 19
Das Humerale bis zum X. Jahrh. 2ü
Das Humerale seit dem XI. Jahrh. 20
Verzeichniss von Humeralien aus
verschiedenen Inventarien . . 21
Das Humerale vom XII. bis XVII.
Jahrh 24
Veränderung des Humerale seit
dem XVI. und XVII. Jahrh. . 26
Noch erhaltene Humeralien aus
dem XIV. bis XVII. Jahrh. . 27
Ausdehnung des Humerale ... 27
Kirchliche Verordnungen darüber 28
Anlegungsweise des Humerale . 29
4.DieAlbe „alba,camisia, poderis^' 31
Die verschiedenen Benennungen 32
Farbe und Stoff 33
Seidene Alben nach dem' X. Jahrh. 33
Schnitt derselben 34
Beschreibung einer noch erhalte-
nen Albe aus dem Schluss des
XIV. Jahrh 35
Künstlerische Ausstattung der Albe 36
Die reichere Albe, alba paraia . 37
Eine kunstreich gestickte Albe
♦ ehemals auf Monte Cassino, Ge-
schenk der Kaiserin Agnes . . 37
Beschreibung einer Albe im Dom
zu Freising aus dem'' XI. Jahrh. 38
Die Albe im XII. Jahrh. ... 39
Kostbare Albe des Normannen-
Königs Wilhelm II. in der
Schatzkammer zu Wien ... 40
Verzeichniss von Alben aus meh-
reren Inventarien des XII. und
XIII. Jahrh 42
Alben aus dem XIV. Jahrh. . . 43
IV
Seite
Die Albe im XV. Jahrli. ... 45
Bedeutung der ornamentalen Be-
satzstücke an der Albe ... 46
Beschreibung einer noch erhalte-
nen reichen Albe aus dem
SchluRS des XV. Jahrh. ... 47
Veränderung in der ornamentalen
Ausstattung der Albe seit dem
XVI. Jahrh 48
Noch erhaltene Alben dieser Pe-
riode 49
Geschmacklosigkeit der beiden
letzten Jalu'hunderte .... 50
5. Der Gürtel, „halthenx, zona,
citigulum" 50
Der Gürtel im VIII. und IX. Jahrh. 5 1
Kaiserlicher Gürtel aus d. X. Jahrh. 52
Kostbarer Kaisergürtel unter den
deutschen Reichskleinodien . . 54
Noch ein anderes cimjulum imperiale 55
Gürtel der h. Elisabeth . . . . 5G
Die verschiedenen Namen des
Gürtels im Mittelalter und ihre
Unterscheidungen 57
Verzeichniss von Gürteln aus äl-
teren Inventar ien 58
Ein Gürtel aus der letzten Hälfte
des XV. Jahrh 59
Ein reich gewirkter Gürtel aus
dem XYI. Jahrh 60
Die einf. Gürtel des Mittelalters 61
Veränderung der Gürtel seit dem
XVI. Jahrh. 61
Länge und Anlegungsweise des
Gürtels 6J
6. Stola und. Manipel „ora-
riuni, stola; mappula, maniptila,
phanon''' 62
Ursprung der Stola 63
Künstlerische Ausstattung der
Stola vom VI. bis XII. Jahrh. 64
Stole und Manipel des h. Anno . 66
Eine andere Stole aus dem XI.
Jahrh 67
Eine dritte aus dem XII. Jahrh. 68
Stole des h. Bernhard in der Lieb-
frauenkirche zu Trier .... 68
Drei alte Stolen zu Andechs bei
München 69
Seite
Stole und Manipel griechischer
Arbeit im Münster zu Aachen 70
Ein Seitenstück dazu im Dom zu
Kaschau 70
Verzeichniss von Stolen aus In-
ventaricn des XL, XII. u. XIII.
Jahrh 71
Die Stole in der gothischen Kunst-
epoche ein integrirender Theil
des Messgewaudes 72
Stolen zu Danzig und zu Halber-
stadt aus d. XIII. bis XVI. Jahrh. 73
Beschreibung einer reich gestick-
ten Stole des XIV. Jahrh. . . 74
Prachtvolle Kaiserstole aus dem
XJV. Jahrh. in der Schatzkam-
mer zu Wien 74
Die Stole im XIV. und XV. Jahrh. 76
Die Stole vom XV.-XVIII. Jahi-h. 77
Ursprung und Form des Manipels
vom VIII. bis XIIL Jahrh. . 79
Beschreibung eines bischöflichen
Manipels aus dem XII. Jahrli. 80
Anlegung des Manipels .... 81
Länge und Farbe desselben . . 82
Bemerkung für Maler und Bild-
hauer betreffs des Manipels . 83
7. Die Diakonatsgewänder,
„dalmatica, funicella'' 83
Warum der Bischof in pontificali-
bus auch diese Gewänder trägt 83
Seit wann dieser Gebrauch datirt 84
Zwei verschiedene Dalmatiken und
ihre Benennungen 85
Farbe dieser Gewänder in dem
frühen Mittelalter 85
Unterschiede der Dalmatik von
der Tunicelle 86
Die Dalmatik auf bildlichen Dar-
stellungen bis zum XII. Jahrh. 88
Noch erhaltene Dalmatik im
Schatze von St. Ambrosius zu
Mailand aus dem XI. Jahrh. . 88
Beschreibung zweier reichen Dia-
konatsgewänder im Dom zu
Halberstadt aus dem XII. Jahrh. 88
Dalmatik auf einer Tempera-
Malerei in St. Gereon zu Cöln
aus dem XIII. Jahrh. ... 89
V
Seite
Diakonatsgewäüder an Statuen
der Dome zu Cliartres und
Rheims 90
Die Diakonatsgewändcr im XIV.
Jahrli 91
Verschiedenheit in der Ausstattung
der italienischen Dalmatiken
von den deutschen und fran-
zösichen 92
Die s. g. dalmalica Leonis III. zu
Rom 94
Tmiica stricla als kaiserliches Un-
tergewand im Schatz zu VV^ien 95
Kaiser -Dalmatik im Schatz zu
Wien 95
Ausdehnung der Diakonenge-
wänder 96
Grösse der Tunicelle 97
Veränderungen an der Dalmatik
seit dem Ausgang des XV. Jahrh. 98
Beschreibung einer Dalmatik aus
der zweiten Hälfte des XV.
Jahrh 99
Weitere Veränderungen und Ver-
einfachung der bischöfl. Dia-
konengewänder seit dem XVI.
Jahrh. . 100
8. Das Messgewand,
planela, casula" 101
Stoff, Farbe und Musterung der
Casel vom VIII. bis XI. Jahrh 102
Die Textur des Stoffes . . . .10-1
Beschaffenheit der Musterungen . 1 05
Künstleriche Ausschmückung der
Casel 105
Technische Ausdrücke für die ge-
stickten Theile 106
Gestalt und Entwickelung der ver-
zierenden Bandstreifen im IX.,
X. und XI. Jahrh 106
Ursprung des Caselkreuzes im
XI. Jahrh 1((7
Die Casel seit dem XII. Jahrh. . 108
Noch erhaltene Caseln der roma-
nischen Kunstepoche . . .109
Beschreibung zweier hervorragen-
den Caseln des XII. Jahrh. . 110
Einfachei'e Gewänder derselben
Epoche III
Seite
Noch erhaltene Caseln mit frei
gestickten Laub Ornamenten auf
glattem Stoffe 112
Erklärung des gestickten Baumes
auf Caseln dieser Art. . . . 113
Angaben ältererSchriftsteller über
reiche Messgewänder ihrer
Zeit 114
Pallium S. Ihnrici im Schatz zu
Bamberg 114
Casel der Königin Gisela im
Schatz zu Ofen 115
Berichte von Schriftstellern des
X. und XI. Jahrli. über reiche
Caseln IIG
Dessgleichen aus dem XII. Jahrh. 117
Hoher Aufschwung in der Orna-
mentation der Casel seit dem
XIII. Jahrh 117
Angaben des Schatzverzeichnisses
von Anagni 118
Dessgleichen von St. Paul in Lon-
don, Schluss des XIII. Jahrh. 119
Die Casel im XIV. u. XV. Jahrh.
nach Angaben
a. des Schatzverzeichnisses von
St. Veit in Prag (1387) . . .120
b. des Schatzverzeichnisses des
Domes von Olmütz (1435) . .122
Die Casel seit Schluss des XV. Jahrh. 123
Angaben eines Nürnberger In-
ventars des XVI. Jahrh. . . .124
Veränderungen in der Casel-
Stickerei 124
Abweichende Gestaltung des
Kreuzes in Italien und Frank-
reich 125
Später aucli in den nördlichen
Ländern 126
Ursache dieser Veränderung . .126
Doch erhält sich auch die alte
Kreuzforra noch bis in's XVI.
Jahrb., namentlich in Deutsch-
land 127
Beschreibung einer solchenPracht-
CaselderPfarrkirche zu Erkelenz 128
Beschreibung einer reichen Casel
im Schatz zu Wien aus der Mitte
des XV. Jahrh 128
VI
Seite
9. Die Pontiflcalliandscliulie,
„chirothecae, manicae^^ . . . .131
Anlegung der Handschuhe in der
Reihenfolge der bischöflichen
Ornate 131
Symbolische Bedeutung derselben
(Autoren über) 132
Die Handschuhe im apostolischen
Zeitalter nicht im Gebrauch . 132
Bemerkungen über ihren Ge-
brauch in der classischen
Epoche 132
Allgemeiner Gebrauch der Hand-
schuhe im Norden seit dem VII.
Jahrb.; ihre Benennung . . .133
Liturgischer Gebrauch bei den
Bischöfen Gallien's seit dem
VI. Jahrh 133
Zeugnis» für den liturgischen Ge-
brauch aus dem VIII. Jahrh. . 134
Dessgleichen aus dem X. Jahrh. 134
Urban II. gestattet dem Abt Hugo
von Cluny das Tragen der Hand-
schuhe und der übrigen bischöf-
lichen Ornate 134
Gleiche Auszeichnung der Aebte
von Monte Cassino 134
Gebete bei der Anlegung der
Handschuhe 134
Die bischöflichen Handschuhe seit
dem XI. Jahrh 135
Stoff, Anfertigung und Verzierung
der bischöflichen Handschuhe
im XI. vmd XII. Jahrh. . . .135
Handschuhe an einem bischöfl.
Standbild des Domes v. Chartres 136
Funeralhandschuhe Heinrich's VI. 137
Beschreibung der Kaiserhand-
schuhe im Schatz zu Wien . . 137
Noch erhaltene Pontificalhand-
schuhe aus dem XIII. Jahrh. . 138
Die Handschuhe nach Inventarien
des XII. bis XIV. Jahrh. . .140
Farbe der bischöfl. Handschuhe. 142
Vorschrift des h. Karl Borromäus
über die Farbe 143
Gebrauch der Handschuhe . . .143
Die bischöfl. Handschuhe vom
XIV. bis XVI. Jahrh 144
Seite
Der Wärmapfel 145
Beschreibung von Pontificalhand-
schuhen aus einem Schatzver-
zeichniss des XV. Jahrh. . .145
Gestrickte oder gewebte Hand-
schuhe seit dem XVI. Jahrh. . 146
Noch erhaltene Handschuhe aus
dem Schluss des XV. Jahrh. . 147
Dessgleichen aus dem XVI. Jahrh. '47
Völlige Modernisirung der bischöfl.
Handschuhe im XVIII. u. XIX.
Jahrh 148
10. Die bischöfliche Infel,
„in/ula, mitra'^ 148
Streitfrage über den Ursprung der
Miter 148
Die bischöfliche Kopfbedeckung
in den ersten christlichen Jahr-
hunderten 149
Die Gestalt derselben 151
Berichte von Schriftstellern des
IV. bis VIII. Jahrh. über priester-
liche und bischöfliche coronae . 151
Gestalt dieser coronae 153
Votivkronen von Guarrazar . .153
Abbildung einer Corona in einem
angelsächsischen Manuscript des
X. Jahrh 154
Zweck dieser bischöfl. coronae . 154
Die bischöfliche Kopfbedeckung
auf alten Bildwerken bis zum
X. Jahrh 155
Schwanken in der Form der bi-
schöflichen Kopfbedeckung bis
zum XII. Jahrh 156
Aelteste noch erhaltene Mitern
aus dem XI. und XII. Jahrh. . 157
Die bischöfliche Kopfbedeckung
im Morgenlande 158
Die päpstliche Tiara 159
Unterschied der Tiara von der
Mitra 160
Beschreil)ung päpstlicher Tiaren
aus dem XII. Jahrh 161
Die päpstliche Mitra seit dem XI.
Jahrh. und ihr Einfluss auf die
Gestaltung der bischöfl. Miter 161
Streben der Päpste, die Römische
Miter durchzuführen . , . .163
VII
Seite
Verleihung der Römischen Miter
an Bischöfe als Auszeichnung . 163
Die Miter seit dem XII. Jahrb.;
ihre Bestandtheile 164
Unterschied der bischöfl. Miter
von der des Abtes 165
Auszeichnung weltlicher Fürsten
durch Verleihung des einer
Mitra ähnlichen pilcus . . . .166
Gestalt und Verzierungsweise der-
selben im XII. und XIII. Jahrh. 166
Mitra des h. Thomas von Canter-
bury 168
Mitra des h. Wolfgang zu Regens-
burg 169
Eine dritte aus der zweiten Hälfte
des XII. Jahrh 169
Herkunft derselben 170
Miira preliosa aus dem Schatz von
St. Peter in Salzburg. . . .170
Mitra pretiosa im Museum zu
Beauvais 172
Miira pretiosa von St. Zeno zu
Verona 173
Vier Mitern im Domschatz von
Anagni, worunter eine mit ge-
raalten Stäben 17J
Verzeichniss noch erhaltener älte-
ren Mitern 175
Beschreibung von Mitern aus
älteren Schatzverzeichnissen . 176
Die Miter im XIV. Jahrh. . . .178
Miter aus dem Schatz des Domes
zu Halberstadt 178
Kostbare Miter im königl. Museum
zu Dresden 179
Mitra ahbatialis im Stifte Admont
in Steiermark 179
Mitern auf bildlichen Darstellun-
gen des XIV. u. des XV. Jahrh. 180
Die Miter im XV. Jahrh. . . .181
Beschreibung einer Krakauer
Miter aus dieser Zeit .... 182
Eine Miter aus dem XIII. Jahrh.
im Schatz zu Krakau . . . .182
Reichthum der Prager Metropole
an Mitern 183
Verunstaltung der Miter seit dem
XVI. Jahrhundert 183
Seite
Zwei Prachtmitem dieser Periode
im Dom zu Limburg und im
Dom zu Gran 184
Wiederaufleben des bessern Ge-
schmacks in der Neuzeit. . .184
Neuere Schöpfungen 184
11. Das erzbischöfl. Pallium 186
Das Pallium in der classischon
Zeit und im Byzantinischen
Reiche 186
Das Pallium in der latein. Kirche 187
Urspi'ung des liturgischen Palliums 1 88
Gestalt und Ausschmückuiig des-
selben in den ersten cliristlichon
Jahrhunderten 1S9
Pallium des h. Gregor d. Gr. . .189
Pallium des Bischofs Maxiniianus
auf dem Mosaik von St. Vitale 189
Das erzbischöfliche Pallium seit
dem Schluss des XI. Jahrh. . 190
Aenderung in der Ausdehnung
und Anleguugsweise .... 190
Pallien auf Grabmälern . . . .191
Noch erhaltene Pallien der hei-
ligen Erzbischöfe Willigis und
Anno 191
Literatur über die Pallien . . . 191
Symbolische Bedeutung des Pal-
liums , . 192
Das Pallium bis zum Schluss des
Mittelalters 192
Verkürzung desselben seit dem
XVII. Jahrh 192
Gewinnung des Materials, Weihe
der Pallien 193
12. Das bischöfliche Batio-
nale, „pectorale, rationale episco-
porum'^ 194
Angaben älterer Schriftsteller über
diesen Ornat 194
Bedeutung und Gestalt desselben 195
Das rationale episcoporum und das
Pallium gallicanum 195
Rang des Rationale als besonderer
Auszeichnung 196
Welchen deutschen Bischöfen das-
selbe verliehen war . . . .197
Gestalt und Ausstattung des Ra-
tionale 197
VIII
Seite
Beschreibung eines der ältesten
Rationalien aus dem Domschatz
zu Regensburg 197
Dessgleichen eines zweiten im
Schatz zu Bamberg . . . .199
Beschreibung eines Rationale des
XV. Jahrh, aus dem Domschatz
zu Eichstädt 200
Rationale aus dem Schluss des
XIV. Jahrh., eine Arbeit der
Königin Hedwig von Polen . . 202
Das Rationale an zwei Standbil-
dern des h. Lambert, Bischofs
von Lüttich 204
Ein rationale diaconale in dem
Schatzverzeichniss von St. Veit
in Prag 204
13. Die metalliselien Insig-
nien der bischöflielien
Würde.
a. Der Ring [annulus) 205
Geschichtliche Notizen über den
bischöflichen Ring bis zum VII.
Jahrhundert 206
Bedeutung dieser Insignie . . . 206
Annulus signaiorius und a. episco-
palis 207
Verbot der Bildwerke auf den
Steinen der bischöfl. Ringe. . 207
Ringe des h. Augustinus und des
Bischofs Agilbert von Paris . . 208
Zeugnisse des XI. u. XII. Jahrh.
für die Ueberreichung des Rin-
ges bei der Bischofsweihe . . 208
Material, Gestalt und Ausstattung
der bischöflichen Ringe . . . 208
Merkwürdige Ringe aus einem
Grabe bei Kälocsa 209
Noch erhaltene Ringe aus dem
IX. bis XIII. Jahrh 209
Der bischöfliche Ring vom XIII.
bis XVII. Jahrh 210
Ringe des XV. und XVI. Jahrh. 211
Erklärung des grossen Umfanges
einzelner alten Ringe . . . .212
Warum sich an alten Bildwerken
oft zwei oder drei Ringe finden 212
Vorschrift über das Tragen des
bischöflichen Ringes . . . .212
Seite
b. Das Brustkreuz (pectorale) . . 213
Tragen des Brustkreuzes in den
ersten christl. Jahrhunderten . 213
Schon im IX. Jahrh. als beson-
deres Zeichen der bischöflichen
Würde erwähnt 2i3
Pectorale Gregor's des Grossen . 213
'Eyy.6i.niov Kaisers Constantin . 214
Königliche Pectoralkreuze aus dem
IX. Jahrh 215
Das Pectorale nach einigen Schrift-
stellern des Mittelalters dem
Papste vorbehalten 216
Noch erhaltene Pectoralien des
XIV. und XV. Jahrh 216
Das Pectorale seit dem Schluss
des XVI. Jahrh 217
Pectoralien der neuesten Zeit im
mittelalterlichen Styl . . . .218
c. Der bischöfliche Stab [virga
pastoralis^ pedum) 218
Der Hirtenstab, das älteste Abzei-
chen der bischöfl. Würde ; Sinn
und Bedeutung desselben . .218
Gestalt und verschiedene Benen-
nungen desselben in der ältesten
Zeit 219
Gestalt undkünstlerischeEntwick-
lung des l)iscliöfl. Stabes vom
VIII. bis XI. Jahrh 220
Noch erhaltene Hirtenstäbe aus
dem X. Jahrh 220
Stab des Erzbischofs Ataldus von
Rheims 220
Stab des Bischofs Ragenfredus von
Chartres 221
Stab einer Äbtissin von Quedlin-
bui-g 221
Stab des heil. Heribert im Schatz
zu Deutz 222
Stab des h. Eucharius, ersten Bi-
schofs von Trier, im Domschatz
zu Limburg a. d. L 222
Der Bischofsstal) im XI. und XII.
Jahrh 223
Künstlerische Entwicklung des
. Hirtenstabes im XIII. und XIV.
Jahrh.; die Innung der Yma-
giers 224
IX
Soite
Veränderte Ausschmückung des
bischöfl. Stabes seit der zweiten
Hälfte des XIV. Jahrli. . . .225
Prachtvoller Bischofsstab im Köl-
ner Domschatz aus der Mitte
des XIV. Jahrh 22t
Merkwürdiger Abbatial-Stab im
Schatz von St. Ursula zu Köln 225
Das vom XIV. bis XVII. Jahrh.
an den Bischofsstaben vorkom-
mende orarium 220
Zweck dieses panisellus .... 227
Das Mailänder Concil unter Karl
Seite
Borromäus über das orarium. . 228
Erwähnung desselben im Prager
Schatzverzeichniss 228
Noch erhaltene oraria aus dem
XIV. Jahrh .229
Beschreibnng eines solchen . . 229
Berichte liturgischer Schriftsteller
über die Haltung des Stabes . 2:JU
üebersichtliclieZusammenstellung
der bischöti. Gewänder in der
Reihenfolge der Anlegung . . 232
Beschluss dieses Capitels . . . 233
Plan des folgenden Capitels . . 235
Der priesierllche ülessoriiat und die
1. Das Schultergewand . . 237
Die plaga (pantra, praelexta) an
dem Schultertuch 237
Unterschied des priesterlichen vom
bischöflichen 237
Gavantus über Ausdehnung und
Verzierungsweise des priester-
lichen Schultertuches .... 238
2. Die priester liehe Albe und
3. der Gürtel 139
Verschiedenheit der priesterlichen
Albe von der bischöflichen . . 239
Ueber die durchbrochenen Weiss-
zeugstickereien an der Albe . 239
Neuere Bestrebungen auf dem Ge-
biete der Wcisszeugstickerei . 240
Willkür der Neuzeit in Bezug auf
die Ausdehnung der liturg. Ge-
wänder 240
Bestimmungen des 3. Mailänder
Provinzial-Coucils 241
Der priesterliche Gürtel .... 242
Noch erhaltene Gürtel aus dem
Mittelalter 242
Ihr Unterschied von den moder-
nen 242
Gavantus über Stoff und Länge . 243
4. Die priesterliehe Stole
und 5. der Manipel . . .243
Reichere und oinfacliere Stolen im
Mittelalter 243
jl VI.
niacoiiengewänder. Seite 237—321.
Die Kreuze auf Stole und Mani-
pel: BefestigTing beider Ornate 244
Vorschrift über die Länge der
Stole 244
6. Das priesterliehe Mess-
gewand 245
Grössere Einfachheit der priester-
lichen Casel zum Unterschied
von der bischöflichen .... 245
Casel in der grossen Glockenform
in der Abtei Brauweiler. . . 245
Grosser Faltenreichthum der mit-
telalterlichen Caseln .... 240
Bamberger Casel des XU. Jahrh. 247
Casel des Albertus Magnus . . 248
Stoff der Casel; Pestcaselu . . . 249
Die Farbe der Messgewänder bis
zum XII. Jahrh 250
Die liturgischen Farben und ihre
Deutung 251
Willkür der letzten Jahrhunderte
in Bezug auf die Farben der
Gewänder 253
Farbe der Aurifrisien .... 253
Ausdehnung der liturgischen Ge-
wänder nach den Angaben des
Gavantus 254
Bestrebungen der Neuzeit für die
Wiederherstellung der würde-
vollen mittelalterlichen Form . 250
VergloichendeUebersichtdes Gros-
X
SpUp
senverliältnisse der liturg. Ge-
wänder im Mittelalter, in neue-
rer und neuester Zeit . . . 257
7. Die Bekleidungen des
Kelches (tegumenla ralicis) . . 25^
a. lin'eolum, purifiaitorhim.
Stoff, Grösse, Verzierung . . . 258
Alter und Ursprung 259
Bemerkungen über die zweite ab-
lutio calicis im Mittelalter . . 2G()
ta. corporate und C. palla calicis.
Hohes Alter und besondere Weihe
des corporale 2G0
Vorschrift über die lleinigung des
corporale und des purificalorium 2ü(l
Angaben mittelalterlicher Schrift-
steller über das corporale. . . 260
Vorschrift des ordo Romanus über
Stoü' und Ausdehnung desselben 2ßl
V orschrift über das Falten des
corporale 262
Die palla calicis im Mittelalter . 262
Geschmacklose Beschaffenheit der-
selben seit dem XV. Jahrh. . . 26'i
Rückkehr zu einer würdigern Form
der palla in neuester Zeit . . 263
Der Rubricist Gavantus über das
corporate 264
Verzierung des corporale .... 264
Merkwürdiges corporale aus dem
VIT. Jahrh. im Schatz zu Monza 265
Reichgesticktes corporate i. d. Pfarr
kirche zu Deutz XYI. Jahrh. . 266
Trefiliche Leistungen der Klöster
vom armen Kinde Jesu . . . 2(l(i
Unwürdige Fabricate der neue-
sten Zeit 266
Das suffilorium oder venperale . . 266
A. hursa xmA capsa corporatium . . 267
Die bur.ia im Mittelalter . . . 267
Beschreibung einer solchen aus
dem XV. Jahrh 267
Die hursa seit dem Ausgang des
Mittelalters 268
Die capia corporaliinn 268
Zweck derselben 2ti^
Capsae. nach Schatzverzeichnissen
des XII., XIII. und XIV. Jahrh. 269
Seite
Gavantus über die bur.ta . ■ .271
Die capsae in der Neuzeit . . .271
e. veliim calicis 272
Hohes Alter des velum .... 272
Ausdehnung und Verzierung des
velum 273
Geschmack widrige Verzierung des-
selben seit dem XVII. Jahrh. . 273
Die Diaeonengewänder . . 274
Verschiedene Namen dieser Ge-
wänder 274
Dalmalica. colobium 275
Farbe und Stoff der ältesten Dia-
eonengewänder 275
Verzierungen an densell)en und
deren Namen bei den Schrift-
stellern des Mittelalters . . . 276
Schnitt und Weite der älteren
Dalmatiken 276
Die Dalmatik des h. Lambert in
der Liebfrauenkirche zu Maes-
tricht 276
Noch erhaltene Dalmatiken . . 277
Kleidung der Siibdiakonen im VI.
Jahrh 277
Tunica stricta des Subdiacon und
ihr Unterschied von der Dal-
matik in Bezug auf Ausdehnung
und Stoff . 278
Das sudarinm der Sulnliakonen . 278
Einfachere Ausstattung der tunica 278
Die übrigen Gewänder beider Dia-
konen 279
Häufige \'erseliou an bildlichen
Darstellungfu 279
Beschreibung der Diakonenge wän-
der nach Inventarien des XI.
und XII. Jahrh 280
Die tunica Heini'ich's des Heiligen
zu München 281
Die Diakonen - Gewänder nach
Scliatzverzeichnissen des XIII.
und XIV. Jahrh 282
Fortsetzung; XV. Jahrh. . . .283
Fortsetzung: XVI. Jahrh. ... 284
Die einfachem Diakonengewänder 285
Unwürdige Beeinträclitigung die-
ser Ornate in Frankreich und
Deutschland seit dem Schluss
XI
Seite
des Mittelalters im Gegensatz
zu RoBi 28f.
Ausdehnung der Dalmatik und
der tunica nach Gavantus . . 287
Die Stola latior der Diakonen . . 287
Der Chor- oder Vesperman-
tel {cappa clioralis, pluviale) . . 287
Namen 287
Die cappa vor dem X. Jahrh. . . 288
Berichte über dieselbe aus dem X.
und XI. Jahrh 289
Häufige Verwechslung der cappa
mit der casula 2'JO
Eine cappa cucuUata nach einer
Miniatur des XI. Jahrh. . . .291
Schnitt und Ausdehnung der mit-
telalterlichen cappa 292
Das pallium regale ein Seitenstück
zu der cappa ehoralis .... 292
Eine cappa ehoralis des XIII. Jahrh. 292
Der Chormantel seit d.XIII. Jahrh. 293
Noch erhaltene Chorkappen aus
dem Mittelalter 294
Der Mantel des h. Martin v. Tours 294
Chorkappe von hohem Alter im
erzbischöfl. Museum zu Utrecht ;
XII. Jahrh 294
Beschreibung einer Chorkappe in
der Benedictiner- Abtei St. Paul
in Kärnthen aus der ersten Hälfte
des XIII. Jahrh 29.5
Dessgl. einer andern im Stifte
Göss bei Looben aus der Mitte
des XIII. Jahrh 29(;
Beschreibung eines reich gestick-
ten pluviale aus dem Schluss
des XIII. Jahrh. im Münster-
schatz zu Aachen 290
Pluviale Bonifacius' YIII. im Schatz
zu Anagni 298
C;horkappe aus der Mitte des XIV.
Jahrh. im Schatz von St. Jo-
hannes im Lateran 299
Die Chorkappe im XV. Jahrh. . 299
Die Chorkappe im XVI. Jahrh. . 300
Hauptzierden der Chorkappe
u. der rlipevs •(02
Seite
Erklärung des Ausdrucks taasellus 303
b die ßbula, Krampe 304
Beschreibung noch erhaltener
ßbulae aus dem Aachener Mün-
sterschatz 305
Die Agraffen an ('horkappen auf
alten Bildern 307
Pectoralien am deutschen Kaiser-
mantel ;(07
Verschiedene Benennungen der
einzelnen Theile der Chorkappe
in den verschiedenen Ländern
nach alten luveutarien . . . 308
Beschreibung von Chorkappeu aus
dem Schatzverzeichniss der Ab-
tei Martinsberg in Ungarn . . 308
Dessgleichen aus dem Mainzer
(Chroniken (XII. Jahrh.) . . .308
De.s.5gleichftn aus dem Bamberger
Schatzverzeichniss (1128) . . 305
Dessgleichen aus dem Schatzver-
zeichniss von St. Johann in
Monza 309
Woher die grosse Zahl von Chor-
kappen in den einzelnen Kirchen 309
Angaben des Schatzverzeichnisses
von St. Paul in London (1295) 310
Dessgleichen des invenlarium uma-
mentorum in ecclesia Sarum (1222) 311
Dessgleichen des Schatzverzeich-
nisses von St. Veit in Prag. . 312
Dessgleichen aus einem Inventar
von St. Antonio in Padua (1385) 314
P'erner aus d, Schatzverzeichniss
der Domkirche zu Olmütz (1435J 315
Beschreibung reicher Pluvialien
in der Kirche zu Anagni . .315
Beschreibung mittelalterl. Plu-
vialien in franz. Kirchen nach
De Moleou 310
Die Chorkappe im XVI. Jahrh. .318
Vier reiche Pluvialien dieser Zeit
im Schatz zu Aachen . . . .318
Chorkappen mit Schleppen. . . 320
Bestimmung des Bischofs Karl v.
Novara über die Grösse und
die Verzierung der Chorkappe 320
XII
Capitel
Die geistliche Haiistrachi und die Chorlileidung
Seite
A. Der Talar oder Sutane {ve^tis,
toga, tunica talaris vel suhtana). . 222
Urspnnig 322
Namen und deren Erklärung . . 323
Zwei Formen dieses Gewandes . 323
Stoff 324
Farbe 325
Kirchliche Verordnungen über die
Kleidung der Geistlichkeit . . 325
Talare mit Schleppen .... 327
B. Hev GtXixtel {cingulum, ligamen,
vinculum) 327
Kirchliches Verbot kostbarer und
vielfarbiger Gürtel 328
C. Das weisse Chorkleid {sti-
perpelliceum, rochettum) . . . .329
Namen und deren Erklärung . . 329
Ursprung dieses Gewandes. . .331
Wird im XII. Jahrh. bereits er-
wähnt 332
Wahrscheinlich zuerst in England
in Gebrauch 333
Auch co(a, Cotta genannt. . . . 334
Faltenreicher Schnitt desselben
im XIV. und XV. Jahrh. . . 335
Vorschrift Benedict's XII. über
seine Länge 330
Das superpeUiceum seit dem XV.
Jahrh. nach alten Gemälden . 33G
SuperpeUiceum Maximilian's I. auf
der Wallfahrt nach Echternach 337
Das superpeUiceum im XVI. und
XVII. Jahrh 338
SuperpeUicea ohne Aermel . . . 339
Kirchliche Bestimmungen über
den Schnitt und die Ausstattung
des superpeUiceum 339
Entstellung dieses Gewandes seit
dem Ende des XVII. Jahrh. . 340
Zuräckgehen auf die ältere Form
in neuester Zeit 340
Rühmliche Bestrebungen der Fir-
ma Lamberty in Aachen. . . 341
Die Leistungen der Klöster vom
armen Kinde Jesu 342
VII.
des Pfair- u. Stiftsliieius. Seile 322— 362.
Seite
D. Das Biret 342
Die priesterliche Kopfbedeckung
beim h. Opfer und Chorgebet
im frühern Mittelalter . . .342
Vereinzeltes Vorkommen d. Schei-
telkäppchen im XI. Jahrh. . . 343
Namen dieses letzteren . . . . 344
Innocenz IV. verleiht das Schei-
telkäppchen als Auszeichnung
den Benedictinern 345
Allgemeiner Gebrauch desselben
seit dem XIV. Jahrh 345
Der Ausdruck hirettum schon im
XIII. Jahrh. gebräuchlich . . 346
Noch erhaltene Kopfbedeckungen
dieser Art 347
Allmähliche Ueberhöhung des Bi-
rets seit dem XV. Jahrh. . . 348
Entstehung der cornua .... 349
Das Biret beim Ausgang des Mit-
telalters nach Steinsculpturen . 351
Das almucium, Kopf- und Schulter-
bedeckung beim Chordienst . . 352
E. Die sonstigen auszeich-
nenden Obergewänder der
Stifts- u. Domherren, der
Bischöfe und Cardinäle . 355
Die cappa magna der Cardinäle . 354
Als Auszeichnung bischöflichen
Capiteln verliehen 355
Die mozetta 356
Die manteletta 357
Der manteUone 357
Halskragen des niedern Klerus . 358
Das rabat 358
Das Römische coUare 359
Der geistliche Hut für den Pro-
fangebi'auch . 359
Die Quasten an den Hüten der
hohem Geistlichkeit .... 360
Der geistliche Hut in den bei-
den letzten Jahrh 361
Kleidung der W^eltgeistlichen in
jüngster Zeit 361
CAPITEL y.
Form, Entwickolung und künstlerische Gestaltung der
bigchöflichen Pout ificai-Orn.ite in den v er schledenen Zeit-
Abschnitten des in ittelalters.
In der ersten Lieferung des vorliegenden Werkes ist der Ver-
such gemacht worden, im geschichtlichen Zusammenhange den Ent-
wickelungsgang der gemusterten Seidenstofie nachzuweisen, die seit
der früh-christlichen Zeit bis zum Ausgange des Mittelalters zur
Anfertigung litui'gischer Gewänder in Gebrauch genommen wur-
den. Die zweite Lieferung sucht im Anschlüsse an die vorher-
gehende nachzuweisen, wie durch die Kunst der Nadel seit dem
apostolischen Zeitalter bis zur Reformation die kirchlichen Ornate
künstlerisch gehoben und verziert zu werden pflegten. In der
dritten Lieferung ist die Frage erläutert worden, wo die Vorbilder
im Alterthume zu den liturgischen Gewändern der Kirche zu
suchen seien. In derselben wurde weiter ausgeführt, dass nicht
nur die Gewänder des mosaischen Opfercultus, sondern auch die
griechisch-römischen Profangewänder als die Prototypen zu erken-
nen und aufzufassen seien, aus welchen seit dem apostolischen
Zeitalter bis auf die Tage Greg-or's des Grossen sich die kirch-
liehen Gewänder entwickelt und gestaltet haben. Nach diesen ein-
leitenden Voruntersuchungen, die unter jedesmaliger Beigabe von
erklärenden Abbilduno-en den ersten Theil unserer Schrift ausfül-
len, wollen wir es im zweiten Theile versuchen, in die Einzelheiten
unserer Aufgabe weiter einzudringen und nachzuweisen , wie ins-
besondere seit den Tagen der Karolinger die verschiedenen, in der
lateinischen Kirche gebräuchlichen liturgischen Gewandungen und
Altarsornate unter dem jedesmaligen Einflüsse der herrschenden Styl-
und Kunstweise sich in Bezug auf Schnitt, Form und künstlerische
Ausstattung entwickelt haben. Die vorliegende vierte Lieferung wird
der Lösung der eben gedachten Aufgabe dadurch näher treten,
dass sie auf liturgisch feststehende Gewänder übergehend nach-
weist , wie vor allen übrigen stofflichen Ornaten der abendländischen
Kirche vornehmlich die indumenta episcopalia allmälig seit dem
Liturgische Gewänder, II. 1
VIII. Jahrhundert aus den beiden früher ansegebenen Factoren der
mosaischen Cuhgewänder und der römischen Senatorenkleidung
sich gestaltet haben. Als Grund, weswegen wir hierorts gleich
zur nähern Beschi-eibung der verschiedenen bischöflichen Ornate
übergehen, ohne vorher die Diakonen- und priesterlichen Gewän-
der in ihrer genetischen Entwickelung erläutert zu haben , führen
wir an, dass der Bischof in seinen einzelnen Gewändern als Pon-
tifex die verschiedenen hierarchischen Abstufungen des Priesterthums
in der Kirche veranschaulicht und in seiner Person vertritt. Des-
wegen erscheint derselbe auch bei feierlicher Beo-ehung: der heili-
gen Geheimnisse angethan mit allen jenen liturgischen Gewändern,
wie sie den verschiedenen kirchlichen Graden vom Subdiakon bis
zum Priester eigenthümlich zustehen. Haben Avir also in folgen-
den Blättern die einzelnen Gewandstücke des Pontifical-Ornates in
ihrer formellen und künstlerischen Beschaffenheit die verschiedenen.
Jahrlumderte des Mittelalters hindurch im Text und Bild veran-
schaulicht, dann werden dadurch auch schon die vestes jjreshyteratus
und die v. diaconatus hinlänglich gekennzeichnet sein , und es er-
übrigt in der Folge nur noch , auf die Unterschiede näher einzu-
gehen, wodurch sich die Levitenkleider und die priesterlichen Ge-
wänder des Celebrans von den dem Schnitte nach crleichorestalteten
Ornaten des Pontifex unterscheiden. Bei Beschreibung dieser ein-
zelnen indumenta pontißcalia wird es zweckmässig sein, jene Reihen-
folge einzuhalten, die auch bei der Anlegung vom Bischöfe, nach
altkirchlichen Vorschriften , beobachtet wird. Wir beginnen also
zunächst unsere geschichtlich -archäologischen Angaben mit der
Fussbekleidung.
1.
Die Pontifieal-Strümpfe „tibialia, ealigae."
Seit den Tagen des Papstes Stephanus ') bestand in der Kirche
die Vorschrift , dass jene liturgischen Gewänder, die bei der Feier
des eucharistischen Opfers angelegt wurden , nicht ausserhalb der
Kirche an Stelle der Profangewänder getragen werden durften.
Dieses Gebot war nicht, nur für die Priester erlassen , sondern es
hatte auch für die Bischöfe bindende Kraft. Dem oben Gesagten
zufolge ist es also anzunehmen , dass auch der Bischof eine
zweifache Gewandung anzulegen pflegte. Wenn er nämlich als
•) Guil. Durandi Eationale div. offic. üb. HI. cap. I.
Pontifex das heilige Opfer darbrachte, bediente er sich in der
Regel reichverzierter liturgischer Ornate, die er nach dem Schluss
der kirchlichen Feierlichkeiten abzulegen gehalten war. Ausser-
dem aber hatte der Bischof, wie das auch heute noch der Fall
ist, eine andere Kleidung, die ihn zu Hause und sonst bei seinem
öffentlichen Auftreten im Verkehre mit der Aussenwelt vor An-
dern als kirchlichen Würdentrcäger auszeichnete. Diese Profan-
gewänder des Bischofs, womit er ausserhalb der Kirche bekleidet
erschien, waren in den verschiedenen Zeitläuften und bei den ein-
zelnen Nationen verschiedenartig gestaltet. Jedoch Hessen die-
selben in Bezug auf Schnitt, Farbe und ornamentale Ausstattung
immer den Kirchenfürsten erkennen, indem sie sich in der Form,
im Stoffe und in der Farbe von den Kleidern vortheilhaft unter-
schieden, wie man sie im profanen Leben zu tragen gewohnt
war.
Es liegt nicht in der Absicht dieser Schrift, jene Gewänder
zu beschreiben, deren sich die Bischöfe im gewöhnlichen Leben
in der christlichen Vorzeit bedient haben. Nur in so fern haben
dieselben für unsern vorliegenden Zweck ein näheres Interesse,
als hier die Frage zu beantworten vorliegt: welche Bekleidungs-
stücke trug der Bischof als Untergewand, bevor er im vestiarium
mit den kirchlich vorgeschriebenen Pontificalgewändern der Reihe
nach bekleidet wurde. Jedenfalls war seit den frühesten Zeiten
der Bischof mit einem weiten Untergewande meistens von Wolle,
Leinen oder Seide bekleidet, das als faltenreiche Toga, mehr oder
weniger ähnlich unserm heutigen Talar, den ganzen Körper wür-
dig umgab. Ueber diese interula als Unterkleid pflegte er dann
die verschiedenen Pontificalgewänder anzulegen. Auch ist an-
zunehmen , dass der Bischof , wenn er in das secretarium ein-
trat, bereits eine Fussbekleidung trug, die, in der Weise
unserer Strümpfe, den Fuss und das untere Schienbein bedeckte
und mit den Sandalen nicht in Verbindung stand. Es dürfte
nun noch näher erörtert werden , ob der Pontifex vor der
Anlegung der bischöflichen Obergewänder in der Sacristei mit
besondern caligae bekleidet zu werden pflegte, die die Stelle
unserer heutigen Strümpfe vertraten , oder ob er die reicher
verziei'ten Sandalen über jene tibialia anzog, mit welchen er in
das salutatorium sekommen war. Bei ältern Schriftstellern lassen
sich hierüber keine nähern Angaben erheben. Nur das will
uns scheinen, dass der Bischof, wenn er das heilige Opfer
feierte, vielfach mit reich verzierten und eigens zu diesem Zwecke
verfertio-ten Tibialien bekleidet in seine Kathedralkirche einschritt
1*
— 4 —
und alsdann erst die Pontificalsandalen in der Sacristel anlegte.
Wenigstens lässt sich das aus Vorkommnissen im spätem Mittel-
alter nachweisen. Von einem nicht geringem Dunkel ist die Lö-
sung der Frage umgeben : Wie waren seit den Tagen Gregor's
des Grossen bis in die Zeiten der Karolinger diese bischöflichen
cruralia oder caligae beschaffen, die bei feierlichen Pontificalhand-
lungen unmittelbar den Fuss und die Schenkel des Bischofs
nach Art unserer heutigen Strümpfe bedeckten? Die unsichern
spärlichen Angaben, die sich in ältern liturgischen Schriften vor
dem X. Jahrhundert darüber finden, sind allein nicht im Stande,
zu irgend einer Gewissheit bei dieser Untersuchung gelangen zu
lassen. Einen grössern Beitrag zur Erhellung dieser Frage liefern
die Monumente , namentlich jene ältern musivischen Bildwerke zu
Ravenna, desgleichen in St. Marcus zu Venedig, zu Torcello und
in der Basilika des heiligen Ambrosius zu Mailand. Die vielen
bischöflichen Gestalten, angethan mit den Pontificalgewändern, wie
sie vor dem X. Jahrhundert in der Kirche gebräuchlich waren,
haben uns die Ueberzeugung verschafft, dass in den vorkarolingi-
schen Zeiten die Bischöfe häufig mit mehr oder weniger reich
verzierten soleae bekleidet die heiligen Geheimnisse feierten, die
der untern Fusssohle zum Schutze dienten und vielfach den obern
Fuss zwischen dem umgürtenden Bänderwerke (ligulae) ohne be-
deckende tibialia oder cruralia zum Vorschein treten Hessen. Zu-
weilen nimmt es in diesen musivischen Bildern auch den Anschein,
als ob der Fuss und der Unterschenkel mit einer Art Binde von
Leinwand umwickelt gewesen sei. Dass noch bis in die Tage
Alkuin's , des Zeitgenossen Karl's des Grossen, der höhere Klerus
einer Fussbekleiduns: der oben gedachten Art sich bediente, die
so beschaffen war, dass der Fuss unbekleidet blieb, erhellt aus
einer Stelle des eben gedachten Schriftstellers, wo er ausführlicher
angibt , dass die Diener der Kirche mit einer besondern Art von
Fussbekleidung versehen seien, wodurch der untere Fuss vermit-
tels der Sohle von der Erde getrennt würde; der obere Fuss
habe jedoch keine Bekleidung und wäre nach Geheiss der Apostel
frei und sichtbar , um anzudeuten , dass der Spender der Ge-
heimnisse Gottes sich von irdischen Dingen trennen müsse, und
dass er, das Himmlische anstrebend, sich Jedem als Verkündiger
des götthchen Wortes frei zeigen solle. Wenn es nach der un-
ten angeführten Stelle des Alkuin ') den Anschein nimmt, als ob
"} Albini Flacci Alcuini über de divinis officiis, cap. de singulis vestibus:
„Sandaliac dicuntur soleae. Est autem genus calceamcnti, quo induuntur
in den Tagen Karl's des Gr. die Pi'iester und Bischöfe der Stelle
beim Evangelisten Marcus VI, 9 zufolge, ohne Fuss und Schenkel
verhüllende caligae am Altäre erschienen seien, so deutet im Gegen-
satze dazu eine andere Stelle bei Amalarius Fortunatus, einem
Zeitgenossen Ludwig's des Frommen , darauf hin , dass bereits im
IX. Jahrhundert eine doppelte Fussbekleidung bei liturgischen Feier-
lichkeiten in Anwendung gekommen ist '). Amalarius Fortunatus
spricht nämlich an den unten citirtcn Stellen einmal von einem
zusammengenähten Leinenstofl'e , der das Innere der Sandale be-
deckt habe. An der andern Stelle unterscheidet er sogar die lei-
nenen calceamenta , die eigentlichen caligae , von den reicher aus-
gestatteten Sandalen. Abweichend wiederum von den Angaben
des Amalarius führt ein anderer bewährter Liturgiker des Karo-
lingischen Zeitalters, Rhabanus Maurus, fussend auf die bekannten
Stellen von Marcus 6 und Eph. 6 , in Uebereinstimmung mit den
oben gedachten Aussprüchen des Alkuin an, dass aus höhern
symbolisch -mystischen Gründen die Diener der Kirche mit einer
Art Sandalen bekleidet wären, die den obern Fuss unbedeckt
Hessen. Die Bedeutung dieser Fussbekleidung ohne Hinzufügung
der tibialia oder caligae finden bei Rhabanus folgende wörtliche
Erklärung: „sicut ergo sandalia partem pedis tegunt, partem in-
opertam relinquunt, ita et evangelii doctores partim evangelium
operire partim aperire debent. . . ." 2) Das Dunkele und Wider-
sprechende, was sich sowohl in den ältern Monumenten, als auch
in den Angaben älterer Liturgiker in Hinsicht auf den Gebrauch
und der stofilichen Beschaffenheit der Fuss- und Schenkelbeklei-
dung, die eigentlichen caligae, vorfindet, wird durch bestimmtere
Angaben der betreffenden Schriftsteller nach dem X. Jahrhundert
genugsam aufgehellt. So führt nämlich bereits in der letzten
Hälfte des XI. Jahrhunderts Ivo von Chartres in seinen noch er-
haltenen Reden den Unterschied weiter aus, der zwischen den
ministri Ecclesiae, subterius quidem solea muniens pedes a terra, superius
vero nil operimenti habens patet: quo iussi sunt apostoli a Domino indui.
Significat autem "
*) Amalarii Fortunati episc. Trevirens. de ccclesiasticis officiis lib. IT.
cap. 25 : „Linea (calceamenti) opere sutoris facta praecedens a lingua
sandalü usque ad finem eins designat cvangelicam perfectionem : lineae prae-
cedentes ex utraque parte legem et proplietias " und ferner cap. 26:
Calceamenti linea prohibitio pedum ad malum festinando. Sandalia ornatus
iter praedicatoris quia coelestia non debet abscondere nequeterrenisinhiare...."
^) Bhabani Mauri de institutione clericorum üb. 1 cap. 22.
Sandalen und den Tibialien, die er ebenfalls caligae nennt, bestehen.
Nachdem er die bischöflichen Sandalen und deren Beschaffenheit
näher beschrieben hat, geht er über zur Erklärung der eigentlichen
Fuss- und Schenkelbekleidung, und weist darauf hin, dass der Bi-
schof, bevor er mit den Sandalen bekleidet werde, vorher Bein- und
Fussbekleidung von feinem Byssusstoff oder Leinen anzulegen ge-
halten sei. Noch fügt er hinzu, dass diese leinenen Strümpfe bis
zu den Knieen emporstiegen uud hier sorgfältig angebunden wür-
den. Auch die symbolische Bedeutung dieser Bekleidungsstücke
verfehlt er nicht ausführlicher mitzutheilen, wie das aus der unten
angegebenen Stelle zu ersehen ist
Es dürfte schwer zu ermitteln sein , ob und wann oeoren
Schluss des XL Jahrhunderts statt der caligae von feinem Leinen
oder Byssus eine Fussbekleidung von Seidenstoffen bei den bi-
schöflichen Pontificalien zur Anwendung gekommen ist. Da jedoch
im XII. Jahrhundert in Folge der Kreuzzüge und durch die Han-
delsverbindung der Genueser, Pisaner und Venetianer mit dem
Oriente morgenländische Seidenstoffe leichter und zu billigern
Preisen von den grossen Handelsmärkten in Italien zu beziehen
waren, da ferner seit dem XII. Jahrh. auch für die Seidenindustrie
der Sarazenen in Sicilien und der Mauren im südlichen Spanien
sich in den Stifts- und Kathedralkirchen Europa's eine ergiebige
Abzugsquelle eröffnet hatte, so dürfte mit dem XII. Jahrhun-
dert statt der leinenen Stoffe zu Pontificalstrümpfen an vielen
Stellen die edelere Seide verwandt worden sein, zumal die übrigen
bischöflichen Gewänder um diese Zeit allgemeiner vorzugsweise
aus Seidenstoffen angefertigt zu werden pflegten. Aus nahe liegen-
den Gründen dürften heute in den Sacristeien des christlichen
Abendlandes nirgendwo mehr solche Strümpfe in dem Schnitte und
der Verzierunssweise des eben gedachten Zeitabschnittes anzutreffen
sein. Allenfalls in bischöflichen und königlichen Gräbern würde
man noch Ueberreste von caligae vorfinden , die Aufschluss über
die formelle und artistische Beschaffenheit der kirchlichen Fuss-
und Schenkelbekleidung zu Ausgang der romanischen Kunstperiode
Ivo. Carnotens. episc. de rebus ecclesiasticis sermones. Cap. de significatio-
iiibiis indumentorum sacerdot. : „Antequam iuduantur sandalüs , vestiuntur
caligis byssinis vel lineis, usque ad geniia protensis, et ibi beue coustric-
tis, per quas sigaiticatur , qiiia debeut rectos gressus facere pedibus suis
et genua debilia, id est, negligeutüs resoluta roborare et sie ad praedican-
dum evangelium festinare . . . ."
ertheilen könnten. Und in der That, als im Jahre 1781 ') die
Künigsgräber der Nornianncnfiirsten, der Nachfolger Robert Guis-
card's, im Dome zu Palermo behufs einer wissenschaftlich-archäo-
locrischen Nachforschung- eröffnet wurden, fanden sich nicht nur in
den Sarkophagen einzelner sicilianiscli-normännischer Könige, son-
dern vornehmlich in den Mausoleen ihrer Nachfolger auf dem
Throne Siciliens , der Hohenstaufen: Kaiser Heinrich VI., Kaiser
Friedrich H. und seiner Gemahlin Constanze H., seidene caligae
die, grösstentheils aus schweren Purpurstoffen bestehend, eine Form
zu erkennen gaben, wie in derselben Weise die Strümpfe der Bi-
schöfe aus der gedachten Epoche beschaffen gewesen sein dürften.
Glücklicher Weise hat sich auch unter den Kleinodien des heil,
deutsch - römischen Reiches, aufbewahrt im Schatze der Kaiser-
buro- zu Wien , aus den Tao-en der sicilianischen Hohenstaufen
herrührend , ein l*aar Tibialien im liochrothcn schweren Purpur-
cendal erhalten, die zugleich auch zum Belege dienen können, von
welcher stofflichen und künstlerischen Beschaffenheit und Gestal-
tuno- iene verhüllenden Fuss- und Beinbekleidunüen "cwescn sein
mögen , deren sich die Bischöfe im XH. und XIII. Jahrh. bei
feierlichen Pontificalhandlungen zu bedienen pflegten. Es bestehen
nämlich diese Strümpfe aus einem schweren, hochrothen Seidenstoffe,
der aus zwei Stücken so geschnitten ist, dass die Zusammensetzung
der Nähte zur Seite des Fusses ej'folgt, so dass beim Gehen die
Nähte den Fuss nicht belästigen. In Uebercinstimmuno; mit den
obigen Angaben Ivo's von Chartres verhiülten diese caligae aus
gewebten Seidenstoffen gleichmässig den ganzen Fuss und das
Schienbein und reichten bis über die Kniee, so dass sie unterhalb
der Kniee angebunden werden mussten. Jener Stoff an diesen
kaiserlichen Strümjjfen, der zunächst den Fuss umgibt und von
den Sandalen grösstentheils bedeckt wurde, ist uni, d. h. ohne alle
Anwendung von Musterungen und Stickereien gehalten. Jedoch
beginnt da, wo die caligae ersichtlich wurden , oberhalb der Knö-
chel, eine reiche Goldstickerei, als sarazenisches, sicilianisches Or-
nament aus kleinern Vierpässen bestehend, die sich ringförmig an-
einander setzen und o-effenseitio; in Verbindung- stehen. Merkwür-
diger Weise enthält die Randeinfassung in der Gegend der Kniee
in einem schweren , ei'nnseidenen Gewebe mehrere eino-ewirkte
Kufen, deren Entzifferung im Zusammenhange schwer mehr ge-
') I regali Sepolchri del Duomo di Palermo ricouosciuti e illustrati (dal Sign.
Franc. Daniele), [a N'a^) )Ii 178 t, pi^-.oJ— Si.
— 8 —
Hngen dürfte, "Wir werden im II. Bande unseres "Werkes: „die
Kleinodien des heil, römischen Reiches deutscher Nation" in Na-
turgrösse diese merkwürdigen caligae veranschaulichen und weiter
ausfnhi-en, wie diese Fussbekleidung als feststehender Pontifical-
Ornat im XII. Jahrhundert zu betrachten sein dürfte. Auch im
XIII. Jahrhundert, als Wilhelm Durandus, Bischof von Mende,
sein treffliches Werk: „Rationale divinorum officiorum" schrieb,
hatten die caligae dieselbe formelle Beschaffenheit und Ausdeh-
nung sich noch ziemlich unverändert bewahrt, wie dieselbe seit dem
XII. Jahrh. bereits feststehend war. Nur die eingestickten Ornamente
Hessen um jene Zeit auch in diesem Bekleidungsstücke den Einfluss
der beginnenden Gothik erkennen. Der eben gedachte Liturgiker
verbreitet sich in seinem 3. Buche, Cap. 8, weitläufiger als das bei
seinen Vorgängern der Fall ist, über die stoffliche Beschaffenheit
der bischöflichen caligae. Im lib. 3 cap. 1 Nr. 18 seines rationale
divinorum officiorum zählt er acht Gewandstücke auf, die jeder
celebrirende Priester mit dem pontificii'enden Bischof gemeinsam
hat. Gleich darauf fügt er noch neun Ornatstücke hinzu, die dem
Bischöfe im Gegensatze zu den priesterlichen Gewändern als Pon-
tifex eigenthüralich zustehen. Unter diesen, nur dem Bischöfe zu-
kömmlichen Ornaten führt er zuerst an die caligae. Es dürfte
daraus entnommen werden: erstens, dass im XIII. Jahrhundert die
Tibialien von den Priestern noch nicht gebraucht wurden, und
zweitens, dass der Bischof unmittelbar vor der Feier der heiligen
Geheimnisse eine besondere Fuss- imd Beinbekleidung anlegte, die
ihn als Pontifex auszeichnete. In dem Cap. 8 seines eben ge-
dachten Werkes verbreitet sich Durandus ausfiihrlicher über die
bischöflichen Strümpfe, und hebt besonders hervor, dass der
Pontifex, ehe er mit den Sandalen bekleidet werde, die caligae
anlege, die bis zu denKnieen hinaufreichten und hier angebunden
würden Auch über die Farbe der Strümpfe gibt er in dem-
selben Abschnitte eine Andeutung , indem er sagt, dieselben seien
von dunkelvioletter , bläulicher Farbe , ähnlich dem Hyazinth 2).
Da die caligae als unbedeutendes Untergewand, das von den übri-
') Gullirt. Durandi lib. TIT. cnp. 8 Nro. 4 : „Priiis tarnen quam saudalia pedibus
imponaiitur, caligis iuduuutur, usque ad genua proteusis , ibique constrictis :
qiüa praedicator pedibus suis rectos facere gressus suos et genua debilia
roborare."
^) Ibid. „Caligae quoque iacintMni, id est, aerei seu coelestis coloris denotant,
quod coelestes debet habere pedes, id est, affectus et firmos, ne claudicet, sed
dicat: confortamini pusiUamiues."
_ 9 -
gen Pontificalgewändern fast ganz bedeckt wurde, keine Veran-
lassung zur Anbringung gestickter Ornamente boten, so lässt sich
bei dem heutigen gänzlichen Vei'schwinden von altern caligae
wohl mit Grund annehmen, dass meistentheils zur Anfertigung von
bischöflichen Strümpfen in dem spätem Mittelalter violette, rothe
oder weisse Seidenzeuge verwandt wurden, die weniger gewebte
Musterungen oder gestickte Dessins aufkommen Hessen. Und den-
noch, obschon die caligae von der faltenreichen Albe und dem
Talar fast ganz bedeckt wurden, so finden sich doch in altern
kirchlichen Schatzverzeichnissen Andeutungen vor, woraus zu ent-
nehmen ist, dass, gleichwie die bischöflichen Pontificalgewänder
durch Nadelmalereien nicht selten auf das reichste gehoben und
ausgestattet wurden, auch die caligae ihres Schmuckes nicht ver-
lustig gehen sollten. So liest man nämlich in einem englischen
Schatzverzeichnisse von St. Paul in London, angefertigt gegen
Schluss des XIII. Jahrhunderts : „Item sandalia de rubeo sameto»
cum caligis breudatis aquilis, leonibus et rosis et in suramitate
vinea breudata Zu diesen Sandalen von rothem Sammet ge-
hörten also Strümpfe mit Adlern, Löwen und Rosen gestickt, und
waren am obern Rande Stickereien mit Weinlaubverzierungen an-
gebracht.
Ein günstiger Zufall hat uns in die Lage gesetzt, beurthei-
len zu können, von welcher stofflichen Beschaffenheit die ein-
fachen bischöflichen caligae im Laufe des XIV, und XV. Jahrhun-
derts beschaffen gewesen sein mögen. Als wir nämlich im Winter
des Jahres 1856 die seither verborgenen und ungekannt gewor-
denen liturgischen Gewänder in einem entlegenen Räume des Do-
mes zu Halberstadt wieder auffanden und mehr an's Licht zogen,
sahen wir daselbst auch unter der o-rossen Menge der auso-ezeich-
netsten bischöflichen und priesterlichen Ornate vom frühen bis
zum späten Mittelalter mehrere stoffliche Ueberreste von ehemali-
gen bischöflichen Tibialien, die aus einem leichten Seidentaffet be-
standen, der mit breitern und schmälern Streifen vielfarbig' gemu-
Stert war. Diese gelblichen Streifen in bräunlichem und violettem
Stoffe laufen parallel mit dem Fusse und zeigen im Uebrigen keine
eingestickten Ornamente. Die Zartheit und Leichtigkeit dieser zu
Strümpfen verwandten Taffetstoffe des XIV. und XV. Jahrh. fiel
uns schon damals auf, und gab der Vermutlmng Raum, dass die
Bischöfe um diese Zeit dieses untergeordnete und einfache Ornat-
') The history of St. Paul Cathedral iu London etc. etc. London 1818, in
Fol., pag. 315, col. 1.
— 10 —
stück wahrscheinlich über jene Unterstrümpfe von Leinen oder
Wolle anlegten, deren sie sich im g-ewühnlichen Leben zu bedie-
nen pflegten. Es gehört nicht in den Kreis dieser Untersuchun-
gen, die sich ausschliesslich mit der Form und der künstlerischen
Ausstattung der verschiedenen Pontificalgewänder des Mittelalters
beschäftigen, näher zu beleuchten, welche weitere Entwickelung
und Gestaltung die Striimpfe in der sogenannten Renaissance, so-
wie auch das XVII. und XVIII. Jahrh. hindurch erfahren haben.
Wir bemerken nur in Kürze Folgendes Mit der Einführung der
Strumpfwirkerei, die in die Tage der späteren Mediceer und
Franz I. von Frankreich fällt, legten auch die Bischöfe, nament-
lich bei Pontificalhandlungen, im Laufe des XVI. Jahrhunderts all-
mälig jene, aus einem Stück glatt in Seidenstoffen gewirkten cali-
gae an, wie sie damals noch mit Aufwand von grossen Kosten
an Höfen und nur von den Vornehmsten fjetragen wurden. Bei
Besprechung der bischöflichen Chirothekcn soll näher angegeben
werden, wie man im XVI. Jahrhundert durch eingewirkte und
eingestickte Ornamente diese gestrickten Strümpfe zu verzieren
pflegte.
2.
Die Sandalen „sandalia, calceamenta, soeculi."
In der 3. Lief, des vorliegenden Werkes auf S. 327 ist vorüber-
gehend darauf hingewiesen worden, dass sowohl der Hohepriester,
als auch die Priester des mosaischen Cultus aus dem daselbst an-
gegebenen Grunde beim Tempeldicnste keinerlei Fussbekleidung
sich bedienten, sondern dass sie mit blossen Füssen dem Tempel-
dienste oblagen. Im Neuen Bunde jedoch lag in den Worten des
Evangelisten jSIarcus VI, 9 sowie in der Stelle des Epheserbriefes
VI, 15 die Aufforderung für die Diener und Vorsteher der Kirche,
bei der Verkündig-unjT des Evanj^ellums ihre Füsse mit Sandalen
zu umgürten. Dieselben hatten ohne Zweifel in der apostolischen
Zeit eine Beschaffenheit , ähnlich der altern Fussbekleidung der
Eömer und Hebräer d. h. der untere Fuss war mit einer
Sohle von Leder umgeben, und waren diese Sandalen vermittels
lederner Kiemen (ligulae, ligaturae) so mit der Oberfläche des
') Vgl. die nähere Beschaffeulieit der Fussbekleidung im Altertliume in be-
trcftendcii Schriften bei Ferrarius: de re vest. cap. 31 ; Eubenius: de calceo
senatorio und vornehmlich Bynnaeus : de calceis Hebraeorum. Balduinus : de
soccis cap. IG.
«
— 11 —
Fusses in Verbindung stehend, dass dieselben beim Gehen sich
weder verschieben noch verloren gehen konnten. Als nach
Ablauf der Völkerwanderung in vielen Stücken die Fussbeklei-
dung des alten klassischen Rom's sich geändert hatte, scheint auch
namentlich seit den Tagen Gregor's des Grossen für den liturgi-
schen Gebrauch eine reicher verzierte Fussbekleidung in Aufnahme
ofekommen zu sein, die den unbekleideten Obertheil des Fusses
weniger zum Vorschein treten liess, als das bei den einfachen Le-
derumgürtungen der Fall war, wodurch sich die altern calceamenta
des apostolischen Zeitalters kenntlich machten. Bereits in der älte-
sten fränkischen Zeit kommen als Fussbekleidung der Grossen und
vielleicht auch der Bischöfe eine Art kurzer Stiefel im öffentlichen
Gebrauche vor (fasciae franscicae), die sich von den römischen
Sandalen der Form und dem Stoffe nach bedeutend unterschie-
den Auch noch zur Zeit Karl's d. Gr. ergab sich eine auffallende
Verschiedenheit dieser fränkischen Fussbekleidung von den römischen
Sandalen, die damals bei den Bischöfen als Pontifical-Ornat allgemei-
ner in Gebrauch war. So führt Einhardt in seiner Lebensbeschreibung
Karl's des Grossen ausführlich an, dass derselbe zu verschiedenen
Malen in Rom sich einer römischen Tunica und eines Ueberwurfs
(chlamys) bedient habe, und auch einer Fussbekleidung, die nach
römischer Art gestaltet gewesen sei. An einer andern Stelle nennt
derselbe ßiogi-aph des grossen Kaisers diese römische Fussbckleidung
calceanienta yeinmata. Auch der sächsische Reimchronist gibt zum
Jahre 814, hinsichtlich der Pontificalschuhe Karl's an: „comebat
gemma pedes varia". Woher kam bei den römischen Pontifical-
Sandalen , deren sich auch die deutschen Kaiser zu bedienen das
Recht erhielten , die reichere Ausstattung mit Perlen , Edelsteinen
und gestickten Goldornamenten? Schon im klassischen Rom be-
standen zwei Arten von Fussbekleiduiigen, nämlich die ealcei pe-
ronei, die auch perones genannt wurden, eine Art Sandalen mit
Riemenwerk von Leder, für die untere Volksklasse; die Senatoren,
Curulen und die spätem Cäsaren bedienten sich jedoch einer an-
dern Fussbekleidung, die man alutci, imillei nannte. So ist es
bekannt, dass die Curulen nach Verwaltung ihres Amtes das ius
calceorum mulleorum erhielten. Als die Prachtsucht unter den
spätem Kaisern zunahm , wurde auch diesen calceis der Senatoren
und Kaiser , die gleichmässig den Fuss bedeckten und zuweilen
') Vgl. das Nilhei'e ad voc. fascia iii dem Lexicon Latiuit. med aev. bei Du
Cauge.
— 12 —
bis zu dem Knöchel hinaufstiegen, eine grössere Ausstattung
gegeben, die manchmal in Ueberladung ausartete i). Diese mit
Perlen und Edelsteinen reichverzierten Schuhe des klassischen
Römerthums gingen von den heidnischen Cäsaren Rom's nach den
Tagen des Constantin auch gleichmässig auf die christlichen Kai-
ser am Hellespont und auf die Patrizier von Byzanz über, was
der Grieche Zonaras an mehrern Stellen seines Werkes angibt.
Wie das Amalarius , desgleichen auch Honorius in seiner gemma
animae weiter auszuführen nicht unterlässt, vererbte sich die Ge-
rechtsame, sich der auszeichnenden calceamenta gemmata zu bedie-
nen, von dem ersten christlichen Kaiser Constantin auf die Vor-
steher der römischen Kirche.
Es entsteht nun hier zunächst die Frage, von welcher for-
mellen Beschaffenheit waren insbesondere seit den Tagen der
Karolinger diese Sandalen, deren sich more romano nach Ein-
hardt die Vorsteher der abendländischen Kirche bedienten? Wir
antworten darauf: die römischen Pontifical - Sandalen in den Zei-
ten der Karolinger und der spätem Ottonen Hessen, wenn auch
in reicher, verzierter Form und vielfach aus dunkel - violettem
byzantinischem piirpura imperialis oder aus tarentinischem hoch-
rothem Purpur in ihren Obertheilen zusammengesetzt noch immer
ihre Abstammung von den Sandalen, die mit ligulae von Leder
in den ersten Jahrhunderten der Kirche angelegt wurden, nicht
undeutlich wahrnehmen. Es hatte nämlich, wie das aus den be-
treffenden Erklärungen bei Amalarius Fortimatus und namentlich
aber bei Rhabanus Maurus zu ersehen ist, der Oberstoff der San-
dalen, mochte er nun von schweren Seidenstoffen in Purpurfarbe,
oder von farbig gebeiztem Leder sein, eine solche Beschaffenheit,
dass der obere Theil des Fusses in Folge der verschiedenen Aus-
schnitte , die der Oberstoff erlitten hatte , sichtbar war. Diese
verschiedenen Einschnitte und Oefiiiungen des Oberstoffes trugen
also die Bestimmung, die Reminiscenz an das Riemenwerk (liga-
menta) der Sandalen, wie sich dasselbe aus der frühchristlichen
Zeit traditionell in der Kirche vererbt hatte, aufrecht zu erhalten.
Auch noch Ivo, Bischof von Chartres, erwähnt dieser streifenför-
migen Durchbrechung der bischöflichen Sandalen ausdrücklich und
gibt diesen Durchbrüchen des Oberstoffes der Sandalen eine my-
stisch-symbolische Auslegung ^). Den Oberstoff', der bei den bi-
•) cf. Oct. Ferrarius 1. c. Bakluiüus de veterum calceo cap. 12,
2) B. Ivo 1. c. „habent autem (calceamenta) ad terram soleam integram ne
pertangat terram : supra vero coustat ex coreo quibusdam locis pertuso "
— 13 —
schöflichen Sandalen unmittelbar vor und nach dem X. Jahrhun-
dert mit Abrechnung der tiefen Einschnitte und Oeffnungen noch
übrig blieb, pflegte man in dieser fern entlegenen Epoche schon
mit gestickten Ornamenten zu verzieren. Auch Perlen und Edel-
steine wandte man zum Schmucke dieses noch iibrig bleibenden
Oberstoffes an. Auf solche reich verzierte bischöfliche Sandalen
pflegten ältere Liturgiker den Spruch des Apostels Röm. 10 zu
deuten, wo es heisst: „quam speciosi pcdes annuntiantium pacem,
evangelizantium bona." Will man die zerstreuten und vielfach
sich widersprechenden Angaben älterer Schriftsteller über die bi-
schöflichen calceamenta, sandalia, die auch zuweilen compagi ge-
nannt werden, mit heute noch vorfindlichen Sandalen der Ottonen-
zeit in Uebereinstimmung bringen, so gelangt man bald zu der
Ueberzeugung , dass aus der Epoche vor dem X. Jahrhundert
äusserst wenige Sandalen auf unsere Taye irekommen sind. Die
ältesten Sandalen dürften heute noch im Kloster zu Altaich ge-
funden werden. Eeichere Pontifical-Sandalon, die sich heute noch
erhalten haben, rühren fast sämmtlich aus dem XII. Jahrhundert
her, und lassen annähernd einen Schluss ziehen, wie die bischöf-
liche Fussbekleidung im X. und XI. Jahrhundert sowohl im Schnitt
wie in der Verzierungsweise beschaffen wwesen sein ma<">-. Aus
der ersten Hälfte des XII. Jahrhunderts rühren jene kaiserlichen
Pontiflcal-Schuhe her, die heute noch bei den übrisfen Kleinodien
des deutschen Reiches sich vorfinden Dieselben erinnern in
dem stark ausgeschnittenen Oberstoff'e noch deutlich an die San-
dalen der früh-christlichen Zeit. Die ligulae, die sich durch die
breiten Ausschnitte bilden, hat der sarazenisch-sicilianische Kunst-
sticker mit Perlen und Edelsteinen reichlich verziert. Bis zum
Jahre 1794, ehe die heute in Wien befindlichen indumenta pontificalia
imperialia vor den in Nürnberg unter Jourdan einrückenden Fran-
zosen in Sicherheit gebracht wurden, befanden sich im Kleinodien-
schatze des deutschen Reiches, aufbewahrt in der dortigen Spital-
kirche vom heil Geist, noch zwei andere reichverzierte Pontifical-San-
dalen, die leider mit noch sechs anderen Kloinodienstücken auf der
Flucht verloren gegangen sind. Dieselben können ebenfalls als form-
verwandte Parallelen sowohl in ihrem Schnitt als in ihrer reichen
Ornamentationsweise im Hinblick auf jene bischöflichen Schuhe be-
1) Vgl. die Abbildung in natürlicber Grösse und die weitere Besclireibung der-
selben in dem I. Bande Taf. 4 unseres Werkes: „Die Kleinodien des heil,
römischen Reiches deutscher Nation, imter Beigabe derKron-Insignien Böh-
mens, Ungarns und der Lombardei." Wien in der K. K. Hof- und Staats-
druckerei 1860.
— 14
trachtet werden, die im XII. Jahrhundert in Kathedral- und Stifts-
kirchen gebräuchhch waren. Die Einschnitte des Oberstoffes an
diesen heute fehlenden kaiserlichen Schuhen sind nicht so tief und
auffallend , als die an jenen Sandalen , die heute noch im Kaiser-
schatze zu Wien aufbewahrt werden. Glücklicher Weise hat
C. von Murr diese interessanten, heute verschwundenen Pontifical-
Sandalen in seinem Werke, so gut es die Kunst des Zeichners da-
mals vermochte, im Bilde veranschaulicht ').
Durch die zuvorkommende Freundlichkeit des Herrn Dom-
capitulars von Wihnowsky sind wir in der Lage, hier auf Tafel 1
in stylgetreuer Copie die Abbildung einer bischöflichen Sandale
veranschaulichen zu können, die bei Eröffnung des Grabes vom
Erzbischof Arnold, gestorben in der letzten Hälfte des XH. Jahr-
hunderts, im Dome zu Trier sich vorfand, und die mit grösster
Genauigkeit von dem eben gedachten gelehrten Alterthumsforscher
in Naturgrösse gezeichnet worden ist. Der Oberstoff bestand aus
einem gerötheten feinen Leder, auf welchem durch die Kunst der
Nadel, wie die Zeichnung es angibt, eine Menge der zierlichsten
Laubgewinde gestickt worden ist. Vollkommen analog mit den kaiser-
lichen Pontificalschuhen im Schatze zu Wien, sind diese Sandalen
des Erzbischofs Arnold in dem Oberstoffe mit sechs breiten Ein-
schnitten versehen, wodurch sich fünf ligulae als schmale Streifen
bilden, welche das Riemenwerk der früh-christlichen Sandalen ver-
anschaulichen und, wie es die symbolischen Ausleger der liturgischen
Gewänder wollen, den obern Fuss stellenweise durchblicken lassen.
Ausser diesen breiten Durchbrechungen sind auch auf dem Ober-
stoffe dieser merkwürdigen Sandalen allenthalben nach kurzen Zwi-
schenräumen in dem Unterstoffe des Leders kleine Durchbohrunaren
(foramina obtusa) ersichtlich, die nicht nur die Bestimmung hatten,
die Ausdünstungen des Fusses ungehindert durchziehen zu lassen,
sondern die unserer Ueberzeugung nach vornehmlich hier angebracht
waren, um der symbolischen Deutung der bischöflichen Fussbeklei-
dung Vorschub zu leisten, nach welcher, der Ansicht der meisten
Liturgiker zufolge, nur die untere Sohle des Fusses durch die San-
dalen bedeckt und geschützt sein sollte, der obere Theil der Be-
schuhung sollte jedoch die Durchsicht des Fusses, wie bereits frü-
her bemerkt, durch seine Durchbrechungen gestatten. Auf diesen
') Vgl. Delineation exacte des ornemens imperiaux du Saint empire Romain et
Allemand gardes ä Nuremberg par Jean A. Delsenbach in fol. 1790.
Ferner: Beschreibung sämmtlicher Reichskleinodieu , herausgegeben von
Cb. G. V. Murr. Nürnberg 1790. Seite 46 und 47.
— 15 —
durchbrochenen Oberstoff, den Innocenz III. in sehier Schrift
die Geheimnisse des heil. Messopfers corium fenestratum nennt, und
Ivo von Chartres als coriuni quibusdani locis pertusum bezeichnet,
ist die tropologisch-mystische Erklärung, die der obengedachte Papst
bei Beschreibung der Sandalen gibt, zu beziehen, die wir unten
ihrem Wortlautenach folgen lassen '). Mit den Angaben des grossen
Innocenz über die Bedeutung und die BeschafJenheit der Sandalen
wie sie genjen Schluss des XII. Jahrhunderts damals in den bi-
schöflichen Kirchen Italiens im Gebrauche waren und die durch-
aus auf die Fussbekleidung des Erzbischofs Arnold von Trier
(vgl. un'sere Abbild, auf Taf I) passen, steht auch in Einklang die
weitläufige Beschreibung und Deutung dieses bischöflichen Orna-
tes bei Durandus, Bischof von Mende (Mimatensis), gegen Schluss
des XIII. Jahrhunderts. Auch Durandus ^) spricht noch immer
von dem corium fenestratmn des Oberstoi'fes der Sandalen und gibt
dieselbe mystische Erklärung in phantasievoller Auffassung und
Durchführung, wie seine Vorgänger; desgleichen erklärt er auch
die Schnüre (ligaturae, ligulae), welche unserer Zeichnung zufolge
durch die umgebogenen und offenen Schnürlöcher der Sandalen
durch o-ezogen und oben auf dem Fusse zusammenfjebunden zu
werden pflegten.
Das XII und XIII. Jahrhundert hindurch scheinen die bi-
schöflichen Sandalen jene Formgestaltung beibehalten zu haben,
die unsere Abbildung auf Tafel I veranschaulicht und die durch-
gänrng als die charakteristisch eio;enthümliche Verzierun"; in der
romanischen Kunstepoche zu betrachten sein dürfte. AVir stellen
indessen nicht in Abrede, dass in der letzt gedachten Zeit- Epoche
in einzelnen Diöcesen andere abweichende, künstlerische Aus-
stattungen der Sandalen vorgekommen sein mögen, mit reich ver-
ziertem breitern ligidae, in jener Weise, wie sie an den verloren
gegangenen Sandalen der deutschen Kaiser ehemals wahrnehmbar
') liinocentius III. de mysteriis niissac: „Sandalia desubtus integram habent
soleaui, desuper autrm corium fenestratum, quia gressus praedicatoris dcbent
subtus esse muiiiti, ne polluantur terreiiis sccuudum ilkid : excutite pulverem
de pedibus vestris ; et sursum aperti, qiiatemis ad cognosceiida coelestia re-
velentur , secuudum illud propheticum : revela oculus meos , et coiisiderabo
mirabilia de lege tua. Quod autem sandalia quibusdam locis aperta et
quibusdain locis clausa sunt, designat. quod Evangelica praedicatio omnibus
revelari, nec omnibus debet abscondi, sicut scriptum est: Vobis datum est
nosse mysterium regni Dei, ceteris autem in parabolis. Nolite sanctum dare
cauibus ne margaritas spargatis ante porcos "
2) Guilielmi Burandi rationale divinorum offic. lib. 3, cap. 8.
— 16 -
waren. Diese drei ligulae , fast ein Kreuz bildend, zeigen sich
auch an den Pontifical-Schuhen , womit das Standbild eines heili-
gen Papstes unter den Vorhallen, des Domes zu Chartres (vgl.
Taf. VI Lief. 3 des vorliegenden Werkes) bekleidet ist. Auch in Köln
kommt bereits um diese Zeit an den Wandmalereien in St. Gereon aus
dem Beginne des XIII. Jahrh. diese abweichende Ausschmückung:
der Sandale mit vier breiten ornamentalen Bändern vor, die sich
fast zu einem Kreuz gestalten, wie das an den Sandalen der bi-
schöflichen Figur auf Tafel X deuthch ersichtlich ist Auch die
Schuhe des im Jahre 1325 verstorbenen Erzbischofs Burghard von
Magdeburg lassen eine ähnliche Verzierung der bischöflichen San-
dalen in Form von sich durchkreuzenden Bändern deutlich er-
kennen Gegen Schluss des XIV. und das ganze XV. Jahrhundert
hindurch entwickeln sich in reicher künstlerischer Ausstattung die
bischöflichen Sandalen auf Grundlage jener Form und Gestaltung,
wie wir sie auf Tafel X näher veranschaulicht haben.
In der Regel sind diese schmalen ligulae von Goldstoff mit
Perlen und Edelsteinen verziert ; oder die sich durchkreuzenden
Bänder bestehen aus einem schAveren, farbigen Seidenstoff, auf
welchen in der Regel die Stickerin vielg-estaltiofe Ornamente an-
gebracht hat.
Es nimmt fast den Anschein, dass man in der gothischen
Kunstepoche diese kreuzweise sich durchschneidenden ligaturae auf
den sonst im Oberstofi geschlossenen Sandalen angebracht hat^
um die Erinnerung und Ueberliefcrung an das ehemalige Riemen-
werk aufrecht zu erhalten , das nach den obigen Auseinander-
setzungen den Obertheil des Fusses in den frühern Jahrhunderten
überdeckte. Diese ornamentalen Bandstreifen, die man auf Wand-
malereien und an Sculpturen, desgleichen auch auf Tafelmalereien
das XIV. und XV. Jahrh. hindurch immer wieder als Verzie-
rungen auf bischöflichen Sandalen wahrnimmt, sind als analoge
streifenförmige Verzierungen aufzufassen, mit jenen reich gestickten
ligulae, die in derselben Epoche auf der bischöflichen Mitra vor-
kommen und mit den schmalen Aurifrisien, die auf der bischöf-
lichen Casel, als Gabelkreuz über die Schultern ansteigend, aus
dem Ausgange des Mittelalters herrührend heute noch vielfach an-
zutreffen sind.
1) Dieses Bild -wiu-de genau von der betreffenden Originabnalerei in der irr-
thümlicli sogenannten Taufkapelle von St. Gereon copirt und stylstreng in
Farbendruck iv-iedergegeben.
2) Der Dom zu Magdebmg von Eosenthai. Lief. V. Taf. I. Fig. 19.
- 17 —
Wir befürchten, den engen Raum, der uns für die vorliegende
Abhandlung zugewiesen ist, zu sehr zu überschreiten, wenn wir
noch länger bei der Schilderung des Schnittes und der ornamen-
talen Ausstattung verweilen, die die bischöflichen Sandalen in
reicher Abwechselung der Formen beim Ausgange des Mittelalters
erfahren haben '). Es sei nur noch gestattet, einige Andeutungen
hier folgen zu lassen über die künstlerische Ausstattung der päpst-
lichen Sandalen und über die Umgestaltung, welche die Renais-
sance der bischöflichen Fussbekleidung, abweichend von der alt
überlieferten Form, gegeben hat.
Da nach den Angaben der ältesten Liturgiker durch die An-
legung- der calceamenta der Beruf zur Verkündie^ung des Evan-
geliums angedeutet wurde, so lag es nahe, bereits in der früh-
christlichen Zeit den Obertheil der Schuhe der Vorsteher und
Bischöfe mit dem Zeichen des Kreuzes auszuzeichnen. So hat
ein Schriftsteller des XVI. Jahrhunderts, Angelus Rocca, nach-
gewiesen, dass auf den musivischen Darstellungen in vielen Ba-
siliken Rom's noch in seinen Tagen die Bilder verschiedener
Bischöfe ersichtlich waren , deren Sandalen auf dem obern Fusse
mit einem Kreuz geschmückt waren. Solche mit dem Zeichen
der Erlösung verzierte Sandalen habe man in den Mosaiken in
einem Oratorium der Basilika des Apostelfürsten Petrus, desglei-
chen in der Chorapsis der kleinen Kirche vom heil. Venantius,
ferner in der Basilika der heil. Agnes, in der Apsis der Kirche
vom heil. Martin und endlich im Choie der Basilika St. Mariae
trans Tiberim. Wir fügen dem Bei'ichte des Angelus Rocca, wor-
auf sich auch du Saussay ^) bezieht, noch hinzu, dass eine Abart
des Kreuzes und zwar in der Form des griechischen Tau auf den
bischöflichen Sandalen in den berühmten Mosaiken von St. Vitale
in Ravenna deutlich wahrnehmbar ist (vgl. Tafel X Lief 3), die
unter Kaiser Justinian dem Jüngern gegen Mitte des VI. Jahr-
hunderts vollendet wurden.
Du Saussay führt aus der apostolischen Zeit eine grosse An-
zahl Beispiele auf, wie den römischen Päpsten die verschiedenen
Jahrhunderte hindurch von Seiten der Gläubigen, desgleichen von
Fürsten und Königen des christlichen Abendlandes die Auszeichnug
') Diejejiigeu, die Ausfükrlicheres über die calcei, caligae, sandalia und com-
pagi und ihre gegenseitigen Unterscheidungen, desgleichen über die litur-
gische und symbolische Bedeutung derselben ersehen wollen, verweisen wir
auf das Werk von And. du Saussay: Panoplia episcopalis Lut. Paris 161G.
-) Du Saussay appcndix pro ritus dcfensione de osculationis pedum sumini
pontif. in Panoplia cpiscopali 1. c.
Liturgische Gewämlrr. II. 2
- 18 —
zu Theil geworden ist, jenes Kreuz zu küssen, womit seit den älte-
sten Zeitun die Fussbekleidung derselben als Nachfolger des Apostel-
fürsten Petrus und Stellvertreter Christi geschmückt war. Auch im
spätem Mittelalter scheint sich immer, noch in Absicht des Fuss-
kusses, auf dem slofthchen Obertheile der Sandalen der römischen
Päpste das Kreuz in ornamentaler Ausstattung erhalten zu haben.
Im Hinblick auf das Vorkommen eines verzierten Kreuzes auf der
päpstlichen Fussbekleidung nimmt es vielfach den Anschein , als
ob diese transversal sich durchschneidenden ligulae auf den bi-
schöflichen Sandalen des XIV. und XV. Jahrhunderts als eine
veränderte forma crucis zu betrachten seien , womit die pä[)St-
lichen Sandalen das ganze Mittelalter hindurch ausgestattet waren.
Als mit dem XVI. Jahrb., bei dem Aufkommen des neuen klas-
sisch-heidnischen Styles, sämmtliche liturgische Gewänder in Form,
Schnitt und äusserer Verzierungsweise , der alt-kirchlichen Ueber-
lieferung entgegen , bedeutende Veränderungen erlitten , verloren
auch allmälig die bischöflichen Sandalen ihre ehemalige traditio-
nelle Form und ihre durch die Jahrhunderte ererbte, feststehende
Ausstattung. Es fielen nämlich die ligulae, wie sie die Abbildung
auf Tafel 1 und Tafel X andeutet , fort^ Die Fussbekleidung des
Bischofs unterordnete sich von jetzt ab ihrem Schnitte nach mehr
oder weniger den stets wechselnden Formen der Tagesmode , so
dass sejren Auso-ano; des vorigen Jahrhunderts den bischöflichen
Sandalen als letzte Auszeichnung vor der gebräuchlichen profanen
Fussbekleidung nur noch das auszeichnende Kreuz geblieben ist, das
in den meisten Fällen sowohl in der Form als auch in der Technik
einen durchaus modernen und unkirchlichen Anstrich gewonnen hat.
Im Vorbeigehen unterlassen wir nicht, anerkennend darauf hinzu-
weisen, dass man in den letzten Jahren in verschiedenen Diöcesen
Frankreichs und Deutschlands bemüht gewesen ist, den bischöf-
,lichen Sandalen, hinsichtlich ihrer Form und künstlerischen Aus-
stattung, jenes profane Aeussere zu benehmen, wozu sie in den
zwei letzten Jahrhunderten gegen den Willen der Kirche erniedrigt
worden waren. Wieder anknüpfend an die altherkömmliche sinn-
volle Einrichtung der bischöflichen Schuhe hat man sowohl in
der Erzdiöcese Köln, als auch in den Diöcesen Münster, Osna-
brück und Paderborn wieder begonnen, den Oberstoff der bischöf-
lichen Sandalen mit jenen sich durchkreuzenden ligaturae, liga-
menta zu verzieren, wie auf ältern Bildwerken durchgängig die
Pontifical-Sandalen künstlerisch beschafl'en und eingerichtet sind.
Im 8. Hefte des Kirchenschmuckes, Archiv für weibliche Hand-
arbeiten, haben wir in farbiger Abbildung ein Paar Sandalen als
— 19 —
Muster veranschaulicht, wie in ihrer ornamentalen, symbolischen
Einrichtung die bischöflichen Sandalen im s^iätern Mittelalter be-
schaffen waren ').
3.
Das Schultertuch „amietus, superhumerale".
Bevor der Bischof sich mit den übrigen vorgeschriebenen Pon-
tifical-Ornaten bekleidet, die im Nachfolgenden eine Beschreibuno-
finden werden , bedeckte er ehemals und auch heute noch den
Hals und 'den obern Theil der Untergewänder mit einem vier-
eckig länglichen Leintuche, das im friihen Mittelalter häufig aus
feinem Byssus bestand. In der 3. Lieferung der vorliegenden
Schrift haben wir auf Seite 445 und den folgenden auf das Herkom-
men und den Namen dieses ersten den Hals verdeckenden Unter-
gewandes des priestei'lichen und bischöflichen Ornates hingewiesen
und auch darauf im Vorbeigehen aufmerksam gemacht, dass diese
leinene Verhüllung erst nach dem 10. Jahrhundeit durch die
Stickerei eine weitere künstlerische Entwickeluno; und Ausstattungr
gefunden habe. Bevor wir im Folgenden diese artistische Be-
schaffenheit , die dem Amict allgemeiner erst seit dem XI. und
XII. Jahrhundert gegeben wurde, näher in Betracht ziehen, wol-
len wir hier auf die V;'r\vechsclnngen hinweisen, die bei verschie-
denen altern Schriftstellern hinsichtlich des Humerals als ersten und
einfachsten Untergewandes von Leinen im Veroleich zu dem reich
verzierten superlmmerale , dem Ephod des Hohenpriesters im alten
Bunde sich vorfinden, das auch im spätem Mittelalter häufiger ra-
tionale episcopor'um genannt wird. Schon in den ersten christlichen
Jahrhunderten kömmt bei liturgischen Schriftstellern für die Bezeich-
nung amiculum, pulüum lineum die Bezeichnung amietus vor, gleich-
bedeutend mit hurnerale, supcrhuincrale. Nicht nur allein der Gleich-
klang des Namens superhumerale, gleichbedeutend mit dem Ephod
des Hohenpriesters , sondern mehr noch die klar vorliegende Ab-
sicht, jedes priesterliche und bischöfliche Gewand von irgend
einem formverwandten Bekleidungsstücke des Hohenpriesters im
Mosaismus abzuleiten, veranlasste schon den Honorius in seinem
Buche de autiquo missae ritu cap. 201 unsern amietus mit dem
Ephod der Hohenpriester als hurnerale gleichbedeutend anzusetzen.
') Kii'chpusclimuck . ein Archiv für weibliche Handarbeit. 2. Jahrgang 1858.
8. Heft, boschrdbondcr Text Seite 1.3 Nro. 17.
2*
- 20 -
Auch selbst der heil. Hieronymus ') neigte sich früher dieser An-
nahme hin. Und doch ist, was auch derselbe Heilige an einer
andern Stelle ausführlich entwickelt, das F'phod oder Supcrhume-
rale des Hohenjn-iesters im Alterthume als reichverziertes Ober-
gewand von dem einfachen, leinenen Untergewande des amictm
oder humerale der Kirche so auffallend verschieden, wie das auch
ein einfacher Vergleich unserer Abbildung auf Taf. H dieser und auf
Taf. V und VI der HI. Lieferuno; deutlich ersibt. Unser Schul-
tertuch hat also , wie dasselbe das ganze Mittelalter hindurch die
Bischöfe und die Priester getragen haben , als ein den Oberkör-
per verhüllendes UntergCAvand, hinsichtlich seiner Gestalt, seines
Stoffes und seiner einfachen Verzierungsweise nicht die mindeste
Formverwandtschaft und Aehnlichkeit mit dem reichen Ephod
oder Superhumerale des Plohenpi-lesters im Alterthume, sondern
vielmehr mit einem halsbedeckenden Leintuch, das als Unterjrewand
(Ephod-Bad) Samuel als Levit im Jüngern Alter getragen hat,
und womit auch David vor der Bundeslade des Herrn ^) beklei-
det war.
Alkuinus, Amalarius, Rhabanus, der Mönch Walafried
Strabo und andere Liturgiker sprechen vor dem X. Jahrhundert
in ihren betreffenden Schriften von dem amidus oder Immerale
als von einem einfachen Tuche aus zartem Leinenstoft'e oder Bys-
sus, das man zuerst über den Kopf legte und das alsdann gleich
auf die Schultern und den Hals herabgelassen und vermittels
zweier Schnüre von Leinen unterhalb der Arme, auf der Brust,
zusammen oeschnürt wurde. Als mit dem XI. Jahrhundert die
liturgischen Gewänder sich hinsichtlich der Anwendunor von Sticke-
reien und Zulassunsr von kostbaren orientalischen Seidenstoficn
weiter zu entwickeln begannen, erhielt auch seit dieser Zeit in ver-
schiedenen Diöcesen der amictus einen ornamentalen Zusatz , der
aus einem quadratisch-länglichen Seidenstoffe bestand, auf welchem
die Kunst des AVebers oder des Stickers eine Fülle von entspre-
chenden Verzierungen anzubringen pflegte. Dieses mitten auf dem
humerale am untern Saume auft^enähtc stoffliche Ornament nannte
man pamra oder plaga. Zur Veranschaulichung des eben Ge-
sagten haben wir auf Tafel H unter a, b, c, d ein in unserer
1) Hieronym. ep. 128 und cp. ad Fabiolam de veste sacerdotali.
2) Ilifronym. 1. c. Aliud est eiiini ephod, ex quattuor coloribus id est hya-
ciiitho, bysso, cocco, purpura, et ox auro Labcrc contextum, qiidd oinuis
scriptura testatur sacrum quoddam esse, et S(dis convenieiis Pontificibus
aliud in similitudinem saccrdütum Simplex ( t lineum.
Sammlung befindliches älteres Humeral mit der pamru unter Fig.
4 abgebildet. Auch ])flegte man dieses Schultertuch, das mit einer
solchen aufgenähten viereckig-länglichen, mehr oder weniger reich
gestickten oder gewebten Verzierung ausgestattet war, amictus pa-
ratus zu nennen. Der Umstand , dass Durandus , der sein Ratio-
nale divinoruin ujjidorum bekanntlich im XIJI. Jahrhundert schrieb,
bei der mystischen Ei'klärung des Humerals- dieser plaga oder pa-
rur<i nicht gedenkt, dürfte dadurch zu erklären sein, dass im süd-
lichen Frankreich, wo er sein Buch verfasste, damals diese plaga
am Sehultcrtuch noch nicht allgemein zur Anwendung gekommen
war. Berehs im Beginne des XIII. Jahrhunderts scheint in mehre-
ren bischöflichen Kirchen dieses Humeral mit seiner aufgenähten
stofflichen Verzierung allgemeiner in Gebrauch gekommen zu sein,
wie das aus einem Schatzverzeichnisse der Ecdesia Sarum deut-
lich hervorgeht. In diesem inhaltsreichen Inventar, angefertigt
im Jahre 1222, das uns in Abschrift vorliegt, liest man unter der
ßubrik der liturgischen Gewänder und stoftlichen Ornate , die
die Sacristei der eben gedachten bischöflichen Kirche in grosser
Menge damals aufzuweisen hatte , unter andern Aufzeichnungen
Folgendes: Aniicti II deaurati ') cum lapidibus — item amicti V
brcudati -) — item amicti X de aurifrigiis ^) — item amicti IV
de scrico '*).
Auch in einem alten Inventar der Kirchenschätze von Chartres,
angefertigt im Jahre 1337, werden an mehi-ern Stellen Humeralien
aufgezählt, die mit pararae verziert waren, und zwar lautet die
technische Bezeichnung dafür: „amictum parez." So liest man
daselbst: „item una alba et amictum parez," und an einer andern
Stelle wieder: „una alba, amictum parez."
In einem reichhaltigen Inventar der Prager Domschätze, an-
gefertigt im Jahre 1387 von dem Sacristanpriester Srailo, finden
sich die Humeralien meist zusammen aufgeführt mit den Alben,
und zwar aus dem Grunde, weil die aufgenähten Verzierungen am
Schultertuche meistentheils in Farbe und künstlerischer Ausstat-
') Wahrscheinlich war die pai ura auf tlieseu Schultertüchern von einem geweb-
ten Goldstoffe, der ausserdem noch mit <refassten Edelsteinen verziert war.
2) Es waren das fünf Humerahon mit gestickten paritine. In der damahgen
Latinität liezeiclmeto man: sticken, mit dem Worte: broudare oder brusdare,
franz. broder, gleichbedeutend mit dem frühem: variare, acupingere.
Auritrigiae nannte man gewebte oder gestickte streifenförmige Ornamente, die
entweder in Goldfäden oder Seide ausgeführt waren.
'') Die Verzierungen an diesen zwei Schultertücbern bestanden einfach aus ge-
musterten Seidenstoffen ohne Stickereien.
tung entsprechend waren mit den vier ornamentalen aufgenähten
Stoffen auf der Albe. So liest man in dem eben gedachten Ver-
zeichniss von St. Veit unter der ruhriea de alhis: „primo tres
albae cum tribus huineralibus donatae per dominum Benessium de
Crawar, quorum humerale est de perlis magnis habens istas lit-
teras: Maria Virgo ') et tria humeralia de perlis, donata per
dominam Imperatricem , quodlibet continet tres infulas imperiales
et IV litteras K. E. K. B.
In einem andern Schatzverzeichnisse der Kathedrale von St.
Veit in Frag, angefertigt im Jahre 1354, stehen unter andern ver-
zeichnet : „Item humeralia Episcopalia IV et alia bona sufficientia
omnmo XXVI "
Sehr belehrend für den vorliegenden Zweck ist die Aufzählung der
vielen mit pururue gestickten Schultert üchcr in dem äusserst reich-
haltigen Inventar , das die Schätze des Domes von Olmütz vom
Jahre 1453 anführt. Wenn auch keine ältern Humeralien mit ihren
gestickten Ornamenten sich heute mehr erhalten hätten, so würde
man durch die ausführlichen Beschreibungen und Angaben dieses
Olmützer Schatzverzeichnisses allein schon in der Ijage sein, über
die Form und künstlerische Ausstattung der mittelalterlichen Schul-
tertücher in's Klare zu kommen. Es würde zu weit fidiren, wenn
wir hier sämmtliche Aufzählungen von gestickten aj?uci2 folgen Hes-
sen , die das Olmützer Inventar in grosser Zahl verzeichnet. Nur
einio-e Angaben wollen Avir dem Wortlaute nach hier folgen las-
sen: „alba, stola, manipula et humeralia et in humerali prae-
texta aurea in qua (est) corouacio et quattuor ymaginum •'■) ; item
humerale de nigra axamit '*), in quo Maria de litteris argenteis de-
auratis et supra quamlibet litteram coronam cum circulis VI,
') Dieses Humeral zeigte auf seiner p«»'»;« eine reiche Perlstiekerei und Maren
auch in Perlen die ohcu angegeheiieu Buchstaheu gestickt.
~) Dieses von der Kaiserin geschenkte Schultcrtuch Jiatte auf der mit Pei-len
bestickten parinu kleinere Kaiserkronen, worin statt dei' pili'i Infulen an-
gebracht waren.
Auf der plaija dieses Humerals, die hier auch pmciexia genannt wird, er-
sah mau iu Stickereien die Krönung der Mutter Gottes und die vier sym-
bolischen Tliierbilder der Evangelisten.
') Der Terminus Axamit, den itiilienische luventare, gleichbedeutend uuserm
deutscheu Sammet (engl. Samite), sciamüo nemieu, ist offeubar herzuleiten
von dem griechischen i'iuun(j>;.
Es waren das m dünnem Silberblech getriebene, vergoldete Buchstaben, die
vermittels kleiner Anbohrungon auf die pineie.vta des Humerals aufgenäht
- 23 —
in medio littei-aruin argenteis in quibus sunt ymaglnes leonmn ')
et est (leputaium pro seniori praebendario ; . . . . item (piattuor hu-
ineralia in flaveo serico -) et plene perlis, in uno IVIaria de perlis;
in quarto tria agruis Dei et flores plene de perlis'). Item hunierale
flaveum cum littei-is: Maria hilf; item humei-ale aureum in quo
tre^ ymagines continentur sc. Salvatoris Christi et Wenzeslai".
Item due praetexte'') auree pro hnmeralibus sine tela; item humerale
llaveuui cum avibus et animalihus, praetextum cum auro Item
tres partes de nigro axamit pro hnmeralibus '').
Unwillkürlich wurden wir bei dieser genauen Beschreibung
der parur'ä auf einem ehemaligen humerale des Olmiitzer Domes er-
innert an vier gleichartige figurale Perlstickereien, die in verschie-
denen Reliquienbehältern des vorigen Jahrhunderts unter Glas in
einer Kapelle des Domes von St. Veit zu Prag sich heute ein-
gerahmt befinden. Wir haben diese Perlstickerei auf Tafel XI der
zweiten Lieferung des vorlieuenden Werkes in getreuer Abbilduns:
veranschaulicht, und tragen wir heute die volle Ueberzeugung, dass
diese quadratisch -länglichen Perlstickereien ehemals als kostbare
praetej'tae sich auf leinenen Humeraltüchern aufgenäht befanden").
waren. Wir besitzen iu unserer Privatsamuilung eine interessante parura,
aufgenäht auf einem alten Humeraltuch von grübcrm Leinen (tela), die auf
einem rotlien Seidenstoffe statt der in Silberblecli getriebenen Bucbstaben
eine grosse Zahl von aufgenähten kleinem Silber- und Goldblechen in Rund-
fonn zeigt. Diese rotuli, rosulae geben auf ihrer Fläche kleinere getriebene
Ornamente zu erkennen. (Vgl. Taf. III, Fig. 5.)
') In Seidenstoff" eingewebte oder cüigestickte kleinere Löwen.
-) Gelber Seidenstoff. Seide heisst zuweilen sei'icum, meistens jedoch holo-
sericum. Halbseidene dagegen subsericum, d. h. die Kette ist von Seide
uiul der Eiusclilag von Leinen oder umgekehrt.
Dieses Blumen- luid Blätterwerk war durchaus in Perlen gestickt.
'') Beim Waschen des leinenen Stoffes der Humeralieu wiu'den im Mittelalter
die leicht angenähten praeiextae losgetrennt. Deshalb werden hier nur allein
diese beiden goldenen Ilumeralschilde aufgefilhrt, zu welchen der betreffende
leinene Unterstoff gerade nicht zur Hand war (sine tela).
■^) In diesen Humeralbesätzeu waren in Goldfäden Thiergestalten eingewebt.
")' Ebenfalls di-ei einzeln vorfindliche ornamentale Besatzstücke zu Humeralien
aus schwarzem Sammet.
^) Nach genauerer Ausmessung und Bctraclituug dieser vier Prager parurae,
die eine sorgfältige Aufbewahrung im engern Schatze von St, Veit zu be-
anspruchen das Recht hätten, sind wir im Gegensatz zu der ausgesjiroche-
nen Meinung auf Seite 239 und 240 der 2. Lieferung dieses Werkes heute
zu der vollen Ueberzeugung gelangt, dass diese mit Perlen bestickten pa-
rura nicht die verbindenden Mittelstücke der Stäbe von Dalmatikea ge-
- 24 —
Grade als ob die eben angeführte Beschreibung eines heute nicht mehr
vorfindlichen Hunierals des Domes von Ohnütz auf die aufTaf. XI
abgebildete Stickerei Bezug nehme, befinden sich auf dieser fi-aeiexta
im Dome von St. Veit, auch auf Goldstofl' gestickt, drei Figuren, und
zwar in der Mitte: der Herr in Seiner Herrlichkeit (Christus Sal-
vator); auf der Linken erblickt man als jugendliche Figur, wie
die obige Stelle es angibt, den heil. Wenzeslaus, den Herzog und
ersten Märtyrer Böhmens, und auf der Rechten: den andern böh-
mischen und mährischen Landespatron , den heil. Sigismund , den
als dritte Figur zu nennen das olmiitzische Inventar an obiger
Stelle unterlässt. Im Besitze von mehr als sechszi«; altern luven-
tarien des Mittelalters, deren Abschrift uns allenthalben auf unsern
Reisen in den letzten Jahren zuvorkommend gestattet wurde, würde
es uns ein Leichtes sein, die Angaben über die Humeralien mit
mehr oder weniger reichgestickten Paruren in chronologischer
Reihenfolge hier fortzuführen. Des engen Raumes wegen be-
schränken wir uns hier darauf, nur noch die betrcft'enden Stellen
aus einem Inventare des Domschatzes von Würzburg vom Jahre
1484 hier folgen zu lassen '):
„vier gute Alben, solemniter und drei Umbraln mit Perlen"
„aber drei Alben solemniter ^) und drei Umbral mit silberin
Buchstaben"
„drei Alben mit schwarzen Schiiten mit ihren Umbraln , die
man nützt dominicaliter"
„acht Alben mit ihren Umbraln drei newe mit Namen ■+).
Da französische, deutsche, englische und selbst italienische
Schatzverzeichnisse bei Aufzählung der Festtagsalben mit ihren
Humeralien das XII., XIII. und XIV. Jahrhundert hindurch auch
die Angaben der reichern mit Stickereien verzierten Schultertücher
wesen seien, sondern dass sie primitiv als plagulae an verscliiedencu amicti
parati kirchlich iii Gebrauch waren.
•) Wir verdanken die Abschrift dieses interessanten Würzburger Inventars
dem Herrn Professor Dr. Contzen, Director des königlichen Archivs von
Franken.
2) Interessant ist es zu vernehmen, dass man in der Diöcese Würzbiu'g gegen
Schluss des JVIittelalters mit deutscher Zurechtsetzung des Namens das hu-
merale Umbral zu neiuien pflegte.
Dieses Adverb bezeichnet den Gebrauch solcher Ornate an Festtagen, und
deutet an, dass diese Alben und Humeralien in iliren darauf befindlichen
Schildern reicher verziert gewesen sind.
Diese letzte Bezeichnung dürfte so zu erklären sein, dass diese drei neuen
Schultertücher mit cnigestickten Namen von Heiligen verziert waren ; diesel-
ben wären demnach als humeralia litterata zu betrachten.
- 25 —
nicht unterlassen, da ferner in den meisten Diöcesen des christlichen
Abendlandes diese pamra bis zum Schlüsse des XVI. und noch
theilweise das XVII. Jahrhundert hindurch, sich fortwährend im Ge-
bi'auch befanden, da endlich sowohl in der Skulptur, wie in der
Malerei des Mittelalters sich eine grosse Zahl von priesterlichen und
bischöflichen Figuren erhalten haben , angethan mit dem entsjire-
chenden liturgischen Ornat, wobei sehr häufig die Abbildung der
;*/f/^a,p«nwa am Schultertuch von der bildenden Kunst fast stofflich
streng wiedergegeben ist, so erscheint es auffallend, dass Cardinal
Bona in seinem lib. I. rerum liturgicarum cap. 3 ') zwar eingesteht,
dass an mehrern Stellen auf den amictus eine plagula von Seide
oder von GokLstoft'en übereinstimmend mit dem Stoffe und der
Farbe der Casel aufgenäht und befestigt werde; jedoch fände er
hierüber bei ältern Schriftstellern keine Anhaltspunkte. Der bei
weitem gründlichste Schriftsteller indessen, der über die bischöf-
lichen und priesterlichen Gewänder, und zwar mehr über die sym-
bolisch-rituelle Seite derselben geschrieben hat, der gelehrte Litur-
giker du Saussay, führt an der betreffenden Stelle weiter aus, dass
noch zu seiner Zeit nicht nur in der Metropolitankirche , sondern
auch in den Pfarrkirchen von Paris, desgleichen auch in vielen
Kathedral- und Stiftskirchen Frankreichs seit uralter Zeit sich der
Gebrauch erhalten habe , das Humerale mit einem gemusterten,
quadratisch , länglichen Seidenstoff oder mit einer reichern Stickerei
an dem obern Saume zu verzieren. Du Saussay, der 1656, also
nur um einige Jahrzehnte früher als Bona seine Panoplia sacei--
dotalis und episcopalis schrieb, sagt, dass, um die Würde des
Pontificirenden zu heben , dieser mit einer mehr oder weniger
reich verzierten parura umrandete Amict, ähnlich einer kleinen
Mitra über das Haupt gelegt und dasselbe dadurch, gleichsam wie
durch einen Helm, überschattet und befestigt werde. Dieser de-
corativen Ausstattung- und dieser Anlegungsweise wegen habe man
auch den so verzierten Amict: mitella, gleichbedeutend mit kleiner
Mitra, genannt. Auf diese Anlegnngs- und Verzierungsweise un-
seres Schultert uchcs ist auch zu beziehen das bekannte alte Gebet,
das sowohl der Bischof als auch der celebrirende Priester bei der
Anlage desselben spricht: „impone Domine capiti meo galeam sa-
lutis ad expugnandos diabolicos incursus.
') Joh. Bonae renim liturgicarum libri duo lib. I. cap. 3, Autverpiae 1677....
„sunt quidam, qui amictui ex holosei'ico vel aurea textura plagulam assuunt
colori et (q)iticii) casulac sivo stolae cousimilem; s«l luiius assunicuti nuUuiu
vestigiiim reperio apud antiquos scriptores."
26 —
Dass der mit der plaga veizierte Aiuict, der, Martene zufolge,
in dem alten Missale von Narbonne auch schlechthin galea ge-
nannt wird, sich in deutschen Kathedralen und Stiftskirchen noch
das ganze XV. und XVI. Jahrhundert hindurch namentlich an
bischöflichen Humeralien in Gebrauch erhalten hatte, beweist eine
grosse Zahl von bildlichen Darstellungen der sogenannten Miissa
di Bolsena, die wir in dieser Epoche sowohl am Rheine, wie im
südlichen Deutschland häufig vorgefunden haben. Auf diesen und
ähnlichen Darstellungen ist diese parwa immer noch als Orna-
ment am Amict ersichtlich, und Avird dadurch :uif eine sehr
zweckmässige decorative Weise der Halsausschnitt am Messgewand
an der hintern Seite frleichsam wie von einem Krao-en verdeckt
und so eine stoffliche Verbinduns: in Weise eines besondern Be-
kleidungsstiickes zwischen Kopf und Schultern des Celebrans her-
gestellt. (Vgl. zur Veranschaulichung dieser plagula die Abbildung
auf Tafel IV, XI und Tafel XII.) ')
Erst gegen Schluss des XVI. Jahrh. und theilweise erst im
XVII. scheint der grossem Bequendichkeit wegen diese purura am
Schultertuch allmälio; bcseitio;t worden zu sein , obschon bei den
Mendicantenorden zur Verhi'dlung der groben Kapuze der Amict
mit seiner Stickerei sich am länirsten noch erhielt. Wie das aus einem
JNIissale des Dominicanerordens, gedruckt zu Paris 1669, in der Ein-
leitung in Text und Bild ersichtlich ist, war bereits um diese Zeit
die parura (vgl. Taf. II Fig. 4) am Humerale fortgefallen und hatte
sich als Reminiscenz ein am obern Rande eingesticktes Kreuz noch
erhalten, das bei der Anlegung des Schultertuches geküsst wurde.
Dieses kleinere Kreuz findet sich auch heute nach der Angabe
des Gavantus an den römischen Humeralien vor und dürfte das-
selbe nicht undeutlich an jenes frühere gestickte oder gewebte Hu-
meralstück erinnern, ^soch fügen wir hier hinzu, dass bei den
Mendicantenorden sich noch bis in's vorige Jahrhundert der Ge-
brauch erhielt, anlehnend an die ältere Tradition, bedeckten Haup-
tes mit dem llumeraltuche an den Altar zu gehen und erst nach
dem Stafielgebete dasselbe über die Schultern herunterzulassen.
Nicht wenig waren wir erstaunt, als wir noch im Jahre 1854 bei
Gelegenheit der Besichtigung der vielen Kirchen Danzig's und
') Diejenigen, die Eingeliemles über die alk^gorisclic und sjuibolische Bedeu-
tung, sowie über die Grösse und xVusdehnung des x\niict in Erfahrung ziehen
wollen, verweisen wir auf die treffliche Abhandlung: Der Amict im 2.
Jahrg. des Kirchenschmucks, ein Archiv für weibliche Handarbeit, 12. Heft,
Seite 89, Stuttgait 1858.
— 27 -
ihres reichen Vorrathes an altern liturgischen Ornaten in der Sa-
cristei der katholischen Pfarrkirche und zwar auf einem der
Schränke derselben eine Menge von bei Seite gelegter parurae
aus reichen Seidenstoften vorfanden , deren Musterungen deutlich
besagten, dass dieselben zur Verzierung der Schultertücher erst
im XVI. und XVII. Jahrhundert angefertigt woi'den waren. In
der Liebfrauenkirche zu Danzig jedoch, sowie auch in der Zither
des Domes von Ilalberstadt sahen wir noch eine Anzahl von al-
tern Huaieralen des XIV. und XV. .lahrhunderts , die sämmtlich
noch mit den mehr oder weniger reich vei'zierten Besatzstücken
ausgestattet waren. Auch unsere Privatsammlung hat heute noch
drei solcher Ilumeralien mit ihren verzierten parurae aus dem Aus-
gange des Mittelalters, desgleichen auch eine grössere Zahl älterer
gestickter plagae ohne dazu gehörenden Leinenstoft aufzuweisen.
Unter diesen o-estickten Ilumcralbcsätzen unserer Sammlunof be-
finden sich aus dem XV. Jahrhundert ebenfalls zwei mit eino*e-
o
stickten Inschriften; das eine Humeralschild, in Seide auf Leinen
gestickt, zeigt am obern und untern Rande, streifenförmig geordnet,
im Kettenstich folgende Namen, und zwar in der obern Reihe;
„sancta Odilia, sanctus Kylianus" und am untern Randstreifen:
„ave regina celorum, matcr regis." (Vgl. beifolgende Tafel III,
Fig. 3.) Aus dem Schlüsse des XV. Jahrhunderts besitzen wir
ein Schultertuch, das ebenfalls als ainictus litteratus zu betrachten
ist. Daselbe ist nebst Tuch auf Tafel II abgebildet und lässt auf
der aufgenähten parura (Fig. 4) folgenden Sinnspruch erkennen:
„amor mens crucifixus est amor Dei vincit omnia." Noch er-
übrigt es, dass wir hier einige Worte hinzufügen über die stoff-
liche Ausdehnung des Hunievals mit seiner plaga und über die
ältere Anlcgimgsweise desselben. Im Mittelalter finden sich keine
allgemein gültigen Angaben über die stoffliche Länge und Aus-
dehnung der einzelnen liturgischen Gewänder vor. Dieselben stan-
den als kirchlich überliefert fest, und wagte es damals die Will-
kür einzelner l'aranientenschncider nicht so leicht, eine Aendcning
hinsichtlich der stofflichen Grösse und Ausdehnung vorzunehmen.
Erst als mit dem Beginn der modernen Zeit die Anfertigung der
liturgischen Ornate aus den Frauenklöstern vielfach in die Werk-
stätten industrieller Grossisten verlegt wurde, und der Eigennutz
und die Laune der franz. chasubliers sich das Recht anmasste, in
Unkenntniss oder in Geringschätzung der bestehenden, traditionellen
Vorschriften sein eigenes Gutdünken und seinen profanen Alltags-
gcschmaek nicht nur bei der Ornamentation, sondern auch haupt-
sächlich beim Schnitt der einzelnen Gewänder vorwalten zu lassen,
- 28 —
da begann zuerst im Laufe des XVI. Jahrhunderts der wach-
same Bischof Karl von Novara der Willkür und dem Gut-
dünken des Einzelnen dadurch eine Schranke zu setzen, dass er
genauer die Maasse der einzelnen liturgischen Gewänder und (ie-
fässe feststellen Hess. Der heil. Karl Borromäus folgte dem Bei-
spiele seines V^orgängers und stellte, um die kirchliche Ueberliefe-
rung über Form und Schnitt der liturgischen Gewänder vor der
modernen Ueberfluthung zu retten, in den Acten des Mailänder
Provinzialconcils fest, welche Ausdehnung und formelle Beschaffen-
heit jedes einzelne liturgische Ornatstück haben müsse. Diese Be-
stimmunoren des dritten Mailänder Provinzialconcils haben insofern
eine bindende Kraft, weil dieselben vor ihrer Veröfientlichung vom
apostolischen Stuhle gutgcheissen und genehmigt worden sind. Die
Vorschriften über die Ausdehnung des Schultcrtuches lauten nach
den Bestimmungen des ebengedachten Mailänder Concils , wie
folgt: „Das Schultertuch, aus einem feinen Leinen, habe eine Länge
von ungefähr zwei cubitus eine Breite dagegen von anderthalb
cuhitus. In den beiden vordem Ecken desselben seien Schnüre
angenäht von einer passenden Länge, damit sie um die Brust her-
umsfeführt und zu einem Knoten zusammengeschlunsen werden
können ; mitten im Humeral soll ein Kreuz gestickt werden , in
einer Grösse von zwei nnciae. -) ; jedoch soll dasselbe nicht un-
mittelbar am obern Saume, sondern zwei Finger von demselben
abwärts angebracht werden. Der äussere Rand desselben mit Ab-
rechnung jenes Theiles, der den Hals des Celebranten lungibt, kann
mit einer passenden Verzierung ausgestattet werden Auch Gavan-
') Subrt'geus Geiger aus Freisingen, der die Bestimmungen des Gavantus „de
mensiiris i)ropriis sacrae suppelloctilis", die dem Werke dieses berülimteu
Rubricisten : Thesaurus sacroi um rituuni beigefügt sind, neulich übersetzt uud
mit einem Commentar herausgegeben hat, gibt unter dem Titel: Notizen
über Stoff, Gehalt und Grösse der heil. Geräthe und Gewänder, München
1858 (Lentner'sche Buchhandlung), an, dass der römische cubitus, reichend
von dem Knöchel des Ellenbogens bis zur Spitze des Mitteltingers, 1' !()"
bayerisches Maass betrage. Derselbe fülirt weiter an, dass der cubitus
zweimal die ausgespannte Hand eines Mannes von mittlerer Grösse fpalma)
betrage, nämlich die ausgestreckte Hand vom Daumen bis zur äussersten
Sj)itze des kleinen Kngers.
24 unica = 18", also 2 unicae = l'/a"-
■^) In actis Mediol. eccl. lib. I et II: amictus e tenui tela sit longitudine
cii'citer cubitorum duorvmi, latitudine vero sesqui cubitali; in duobus angulis
eins antcrioribus assmxntur funiculi commode longi, ut reduci ante pectus
queant et cum eis fieri nodus ; in medio crux acu pingatus unciarum iluarum,
longe ab extremitate, digitis duobus in parte superiori: extremitates illius
- '29 -
tus, der im XVII. Jahrhundert sein unten angeführtes Werk
schrieb, scheint sich so ziemlich nach den Bestimmungen des heil.
Karl Borromäus hei Feststellung der Ausdehnung der Grüssen-
verhältnisse der liturgischen Gewänder gerichtet zu haben, und
stimmen seine betreffenden Angaben mit den ebengedachten ziem-
lich überein.
Bei Beschreibung dieser stofflichen Beschaffenheit des Hume-
rals fügt du Saussay in seiner panoplia sacerdotalis pars I cap. 7
noch hinzu, dass in den verschiedenen Diöcesen Frankreichs sich
an den vier Ecken umstickte und bofe.-^tigte Oeffnungen foramina
befänden, so dass je nach Belieben die zwei Schnüre zur Umgür-
tung das eine Mal in die obei-n Oeffnungen und das andere Mal, wenn
durch das öftere Umlegen um den Hals des Priesters der betreffende
Theil eine leichte Verunreinigung erlitten hätte, diese Schnüre los-
gelöst und auf's Neue in die entgegengesetzten Oeffnungen eingefügt
werden könnten. In deutschen Diöcesen haben wir an ältern Schul-
tertüchern eine ähnliche Vorrichtung zu obigem Zwecke gefunden.
Jedoch war an diesen Humeralien das Leinentuch nicht durch Oeff-
nungen an den vier Ecken geschwächt und verletzt, sondern es
waren an diesen Ecken vier kleinere Ströpfchen eigens aufgenäht,
in welche abwechselnd diese beweglichen ßmieidi zum Anbinden
vermittels einer einfachen Vorkehrung eingeschlungen und beim
Waschen leicht wieder losgelöst werden konnten '). — Da in
neuester Zeit vielfach die ältere Anlegungs- und Verzierungsweise
des Ilunierals unbekannt gcAVorden ist, ungeachtet sie auf den mei-
sten Tafelmalereien an bischöflichen und priesterlichen Figuren
noch bis in's XVII. Jahrhundert ersichtlich ist , da ferner auch
die bildenden Künstler, wenn sie in mittelalterlicher Tracht ein
bificliüfliches oder priesterlichos Bildwerk mit sämmtlichcn Ornaten
bekleidet darzustellen haben, heute meistens rathlos geworden sind,
wie das Plumerale in altherkömmlicher Weise mit der verzieren-
den parura anzubringen ist, so dürfte es hier am Orte sein, unter
Hinweis auf die beiliegenden Abbildungen auf Tafel II erläuternd
nachzuweisen , wie die Bischöfe und auch die Priester im Mittel-
alter das Schultertuch mit seiner aufgenähten Verzierung anzulegen
pflegten.
practerquam px ea parte, quac rolluni aiiiliit, aliqiio modcsto opcro oruari
possunt.
' i TInspro Abbildnncr des Humprais auf Tafel II veranschaulicht au den vier
Ecken unter a, Ii, c, d diese kleinem angeiuihten Bandschlingen.
— 30
Es bestanden ehemals in vielen Diöcesen, noch bis zum XVII.
Jahrhundert zwei verschiedene Anlegungsweisen des mit der pa-
rura verzierten Schultertuches. Nach der ersten Bekleidungsart
nahm der Celebrans unmittelbar nach der vorgeschriebenen Hand-
waschung im vestiarium, die funiculi des Humerals, die man unter
c und d befestigt sich vorstellen muss ; die pcmira war alsdann an
dem obern Rande aufgenäht, wie es Taf. II Fig. 5 in Punktirungen
andeutet. Darauf legte er rückwärts das Humeral so an, dass der
gestickte Streifen gerade unmittelbar auf dem Kopfe zu liegen kam.
Alsdann schlang er die beiden langen Schnüre um den Oberkör-
per und band sie vorne auf der Brust zusammen. Das Schulter-
tuch haftete nun mit seiner ornamentalen Stickerei gleichsam als
Helm so lange auf dem Haupte, bis es nach Anlegung der Albe,
der übrigen Gewandstücke und zuletzt der Casel vom Haupte her-
unter geschoben und so nach hinten gleichsam einen verdeckenden
Kragen bildete, der sich über den Halsausschnitt des Messgewan-
des legte und denselben verdeckte. Weil aber bei dieser eben-
gedachten Anlegungsweise des Schultertuches noch ein kleines lei-
nenes Untertüchelchen vorher um den Hals gelegt werden musste,
damit dadurch die profane Halsbekleidung des Celebrirenden
verdeckt werden konnte , so lag es nahe , dass man an vielen Or-
ten, um dieses leinene Untertüchelchen zu beseitigen, das Humeral
mit seinem gestickten Schilde auf folgende Weise anlegte. Man
befestigte die funiculi an dem Schultertuch, das wir Tafel II unter
Figur a, b, c, d veranschaulicht haben, unter a und b so, dass
alsdann die parura an dem untern Räume bei Figur 4 zu liegen
kam. Alsdann nahm der Celebrans die beiden Schnüre unter e
und f so zu Händen, dass er nach unten hin die gestickte parura
vor sich sah. Darauf schwenkte er das Huraerale nach hinten,
berührte damit vorübergehend das Haupt und liess es sofort auf
die Schultern hernieder, so dass durch den faltenreichen Leinen-
stofJ der Hals und die Untergewänder ganz bedeckt wurden,
wie das Taf. II. Fig. 1 veranschaulicht. Nachdem die Schnüre
des Humerals sofort auf der Brust zusammengebunden waren,
wurde das Humerale sammt der parura, die in dieser An-
legungsweise nach Innen verdeckt und unsichtbar geworden war,
so rückwärts aufgehoben und über das Haupt des Celebrans ge-
schoben, dass der gestickte oder gewebte Verzierungsstreifen als
Helm den Hinterkopf bedeckte (vgl. Fig. 2) . In dieser Lage verblieb
das Humeral und seine Randverzierung so lange, bis Albe, Stole
und zuletzt das Messgewand angelegt waren. Alsdann wurde das
Schultertuch mit seinem gestickten Kragen vom Haupte herunter-
- 31 —
geschoben und bildete dann jene gefällige Halsbedeckung, wie das
an Fig. 3 und auf Taf. II ersichtlich ist. Noch fügen wir hinzu,
dass nach diesem Pleruntorschieben des Schultertuches, der falten-
reiche Leinenstoff vom Celebranten selbst oder von dem dienstthuen-
den Ministranten vorne am Halse so zusammengelegt und zwischen
die Albe eingelassen wurde, dass dadurch der Ueberrest des Hu-
meraltuches in eine geordnete Lage gebracht wurde. In vielen
Kirchen scheint man bis zum XVI. Jahrhundert das auf diese Weise
angelegte und verzierte Schultertuch erst nach Verrichtung des
Staffelgebetes vom Haupte heruntergeschoben zu haben. In jenen
Diöcesen7 wo der Geistliche, und insbesondere die Mitglieder der
Mendicantenorden, mit einem so verzierten und gleichsam als Hehn
über das Haupt gelegten Humeral an den Altar gingen, war na-
türlich bei dem Priester, der das h. Opfer zu feiern im Begriff
stand, das Birret als Kopfbedeckung überflüssig und scheint das-
selbe erst dann einen allgemeinern Gebrauch gefunden zu haben,
als an vielen Orten im XVI. und XVII. Jahrhundert allmälig die
farura an dem Schultertuche in Wegfall kam '). Schliesslich sei
hier noch bemerkt, dass heute noch bei feierlichen Pontificalmessen
nach ambrosianischcm und irenäischem Ritus in den Kathedralkir-
chen zu Mailand und Lyon die parura oder plaga um den Hals
des Celebrans und der Diakonen in derliegel in Form eines stei-
fen Kragens aus reichen Goldstoft'en oetrao;en wird. Jedoch steht
diese parura nicht mehr mit dem Leinenstoff des Ilumerals (tela),
wie ehemals, in Verbindung, sondern dieselbe wird für sich allein
bestehend als Kraacn ano;ebunden, wenn sämmtliche Oberg^ewänder
anoelegt worden sind.
Auch machen Avir noch darauf aufmerksam, dass nach diesen
eben gedachten Riten, verschieden vom römischen Gebrauche, das
Humeral nicht als erstes Gewandstück, sondern der Reihe nach
als di'itte Bekleidung angelegt wird, wenn nämlich der Pontifex
mit der Albe und dem Gürtel bekleidet worden ist.
4.
Die Albe „alba, camisia, poderis".
Nach Anlegung des Schultertuches, das sowohl zum priester-
lichen als auch zum bischöflichen Ornate gehört, bekleidet sich der
') Wir werden aiif diesen Umstand nocli näher zu siircclien kommen an jen(n'
Stelle, wo in der 5. Lieferiuig die Entwickelung und Gestaltung der jttnL';-
sten liturgischen Bekleidung, des Binets, ausführlicher hesprochen werden
wird.
— 32 —
Bischof mit der Albe, die auch dem celebrirenden Priester als
Untergewand zusteht. Dass die Albe als leinenes Unterkleid bis in
die apostolischen Zeiten hinaufreicht, und von den ägyptischen und
hebräischen Priestern herzuleiten ist, haben wir in der III. Lieferung
von S. 442 ab ausführhcher nachzuweisen versucht. Es liegt uns hier
zunächst ob, darzuthun, welche Veränderungen und ornamentale
Entwickelungen zunächst die bischöfliche Albe von der karolinoi-
sehen Zeit bis zum Schlüsse des Mittelalters erfahren hat. Es
muss darauf gesagt werden , dass gerade die Albe, in Rücksicht
auf Stoff und Schnitt, mit kleinern Abweichungen das ganze Mit-
telalter hindurch bis in die neuern Zeiten ziemlich unverändert
fortbestanden hat, und dass nur hinsichtlich ihrer Ausstattung
dieselbe beim Eintritt der Renaissance und besonders in den bei-
den letzten Jahrhunderten einen profanen ornamentalen Zuwachs
erhielt , wodurch , wie im Verlaufe angedeutet werden wird , der
kirchlich ernste Charakter dieses bescheidenen Untei-gewandes ge-
schM'ächt und zuletzt beseitigt worden ist.
Dass schon einer der ältesten liturgischen Schriftstellei-, Isido-
ras, Bischof von Sevilla, im VII. Jahrhundert unsere tunica linea: sa-
cerdotalis poderis nennt, weil sie den ganzen Körper gleichmässig ver-
hülle und bis zu den Füssen (nhduc) herabsteige, haben wir bereits
auf Seite 444 angedeutet. Die kirchlichen Schriftsteller, die über
den liturgischen Ornat als Nachfolger Gregor's des Grossen und
Isidor's geschrieben haben, insbesondere zur Zeit Karl's des Grossen,
Alkuinus und die spätei-n : Amalarius, Rhabiinus, Maurus, Wala-
fried Strabo, Ivo von Chartres, der Mönch Rupertus Tuitiens und
Papst Innocenz III. stimmen bei Beschreibung der Albe, die sie
abwechselnd alba, camisia, jyoderis, tunica talaris nennen, hin-
sichtlich der stofflichen Ausdehnuns: und ihrer Foi -n ziemlich üboi -
ein, wie das aus den betreffenden Stellen ihrer liturgischen Ab-
handlungen zu ersehen ist. Um kurz zu sein, verweisen wir hin-
sichtlich der mystischen und tropologischen Bedeutung der Albe
auf die tiefsinnigen Erläuterungen und Andeutungen, die hierüber
du Saussay in seiner panopUa sacerdotalis pars I lib. II Seite 29
gibt, und bemerken rücksichtlich der Farbe, des Stoffes und der
künstlerischen Ausstattung der Albe, wie sie seit dem IX, Jahr-
hundert in der Kirche gebräuchlich war. Folgendes.
Da die Albe seit den frühesten christlichen Zeiten aus reinen
Leinenstoffen verfertigt wurde, so leuchtet es ein, dass dieselbe das
ganze Mittelalter hindurch eine weisse Farbe hatte. Diese weisse
Farbe war aber auch schon dun h den Namen des Gewandstückes
bedingt, noch mehr aber durch die symbolisch-mystische Bedeutung,
— 33 -
die diesem priesterlichen Unterkleide in Folge seiner Reinheit ge-
geben wurde. Anders gestaltet sich die Frage hinsichtlich des stoff-
lichen Theils der Albe. Bis zu jenen Zeiten, wo der Handel mit dem
Oriente dem Abendlande jenen kostbaren, glänzend weissen Byssus-
stoff' lieferte, wurden vielfach die festtäglichen Alben der Bischöfe
aus diesem theuern, ägyptischen Leinen angefertigt. Unter diesem
Byssusstoffe, der hinsichtlich seiner Feinheit und Durchsichtigkeit,
sowie seiner weissen Farbe mehrere Qualitäten hatte , bezeich-
nete man im frühen Mittelalter, wie auch im Alterthume, vor-
nehmlich jene feine Sorte von Leinen, die man aus dem Morgen-
lande, nanTentlich aber aus Aegypten, dem alten Heimathlande des
Byssus, zu beziehen pflegte.
Es dürfte schwer halten, zu bestimmen, wann bei Anfertigung
von bischöflichen Alben zuerst weisser Seidenstoff in Anwendung
gekommen ist. Obschon die mystischen Ausleger der priester-
lichen Gewänder von Isidorus bis auf Durandus fast ausschliess-
lich den Leinenstof! als Material zur Anfertigung von Alben be-
tonen, und nur auf Leinen, von der Pflanze und nicht vom Thiere
genommen, ihre symbolische Deutung beziehen, so konnnen doch
vielfach, besonders nach dem X. Jahrhundert, namentlich bei den
bischöflichen Pontificalien, reich verzierte Alben , bestehend aus
weissen Seidenstoffen , mit reichen Goldstickereien an den untern
Säumen zur Anwendung. So liest man bereits im Anastasius ')
Bibliothecai-ius, dass Papst Benedict HL (reg. 855— .sr)8) von dem
Sachsenkünig zum Geschenke erhielt unter andern kirchlichen Gc-
fä-ssen und Werthsachen : camisias albas sigillatas holosericas cum
chrj/soclavo. Desgleichen vernehmen wir, dass Papst Victor HI.
dem Kloster des heil. Benedict zu Monte Cassino im Jahre 1087 ^)
reiche Geschenke an priesterlichen Gewändern machte, unter wel-
chen seidene Amicten und Alben, mit Goldstickereien an den Säu-
men verziert, namhaft gemacht werden. Auch in einem interes-
santen Inv(!ntar des XL Jahrhunderts, das den damals noch we-
nig zahlreichen Kirchenornat des Stiftes von St. Georg in Köln
aufzählt, werden nach der mappula und den praecingula besonders
namhaft gemacht zwei tunkae sericae. Nicht weniger finden wir
unter den reichen Geschenken, welche Bischof Konrad von Halber-
stadt der eigenen Kathedralkirche von seinem Kreuzzuge in den
') Anastasius Bibliothocariiis do vitis Pontif. Romauor. tom. I, CVI, in vita
Benedicti III. A. C. 855.
^) Die betreffende Stelle lautet: „Camisias magiias deanratas cum amictis suis
duas et alias de scricis sei)tcm."
Liturgische Gewämlor. U.
— 34 —
Orient 1208 mitbrachte, eine Albe aus einem Seidengewebe in folgen-
den Worten namhaft gemacht: „albam nobilem de sericis filis textam."
Bevor wir im Folgenden auf die künstlerische Ausstattung
und Verzierung der Alben von den Tagen der Ottone bis zum
XVI. Jahrhundert unser Augenmerk richten, dürfte es angemessen
sein, vorerst in Frage zu ziehen, welchen Schnitt, welche Gestalt
und Ausdehnung im frühen Mittelalter insgemein die bischöfliche,
desgleichen auch die priesterliclie Albe hatte? Die Albe war in
der frühesten Zeit offenbar hinsichtlich ihres Schnittes eine Nach-
bildung der tunica talaris , wie dieselbe vnn Leinen oder Byssus
sowohl der gewöhidiche Opferpriester, als auch der Hohepriester
im Alten Bunde anzulegen gehalten war. Auch mochte sie nach
den Tagen Gregor's des Grossen, der nicht nur, wie bereits früher
bemerkt, auf die Entwickelung und weitere Ausbildung der kirch-
lichen Musik, sondern auch der liturgischen Gewänder einen nach-
haltigen Einfluss ausgeübt hat, der Form und dem Schnitte nach
verwandt sein mit der interula, der carnisia '), wie sie damals als
Untergewand unser heutiges Hemd ersetzte. Die Albe kam des-
wegen auch in ihrem Schnitte der Form und Beschaffenheit der
oft ei'wähnten toga inconstäUis nahe, wovon Johannes XIX, 23
spricht, das heisst, dieselbe hatte eine gitössere Halsüffnung zum
Durchlassen des Kopfes und stieg in faltenreicher Ausdehnung
des Stoffes bis zur Ferse hernieder 2). Die Aermel verengten
sich allmälig nach unten , so dass sie in der Nähe der Hand,
mehr oder weniger enge, sich dem unteren Armschenkel an-
schlössen. Um das bequeme Ausschreiten beim Tragen der Albe
leichter zu ermöglichen, war auf beiden Seiten ein breites Gyren-
stück eingesetzt, das nach oben unter den Armen immer schmäler
bis in eine Spitze auslief und nach unten hin sich weiter ausdehnte.
Da endlich die Albe als priesterliches und bischöfliches Unter-
gewand nicht wie die entsprechende chethoneth des Alterthums auf
die körperliche Grösse des Tragenden genau berechnet werden
musste, sondern abwechselnd von solchen bei der Feier der heil.
Geheimnisse angelegt wurde, die meistens eine verschiedene kör-
perliche Grösse hatten, so leuchtet es ein, dass seit dem frühen
1) Daher leitet der oft gedachte Isidoras der Jüngere den Namen des kirch-
lichen Unterkleides camisia von dem hetreffenden Pr(if;ingewand ah, in-
dem er sagt: „camisias vocamus quod in eis dormimns in camis, id est in
stratis nostris."
2) Deswegen auch tunica talaris, weil sie bis zum lalus herunterfloss , im
Gegensatze zu der tunicellti, die nur bis über die Kniee heruuterreiclito.
— 35 -
Mittelalter dem in Rede stehenden Untergewande eine grosse Aus-
dehnung, namentlich der Länge nach, gegeben werden musste,
damit dasselbe vermittels der Aufschürzung nach Anlegung des
Gürtels den verschiedenen körpei'lichen Grössenverhältnissen der
Tragenden angepasst werden konnte.
Erst nach langjährigem Suchen ist es uns endlich gelungen,
eine ältere Albe mit ihren ornamentalen Besatzstücken, aus dem
Schlüsse des XIV. Jahrhvmderts herrührend, für unsere Samm-
lung liturgischer Gewänder käuflich zu erwerben , die hinsichtlich
der ältern Alben , so wie ihres Schnittes und ihrer Ausdehnung
interessante Aufschlüsse bietet'). Wir haben dieselbe auf Taf. III
in verkleinertem Maassstabe abgebildet, und bemerken hinsichtlich
des Schnittes derselben Folgendes: Es besteht dieselbe aus einem
einfachen, mittelfeinen Leinenstoffe, und zeigt der Schnitt derselben
die überlieferte Form der ältern camisia. Die grösste Länge der-
selben von c nach d misst 1 Met. 50 Centimet. Die grösste Brei-
tenausdehnune des Gewandes von dem äussersten Saume des einen
Aermels unter a bis zu dem andern unter b beträgt 2 Met. 30
Centimet. Das in Form eines Rechtecks geschnittene Mittelstück
von e nach f , wo sich die beiden Aermel ansetzen , misst 1 Met.
15'/j Centim. Die Oeff'nung am Halse zum Durchlassen des
Kopfes hat eine Länge von 39 Centim. Die Gyrcnstücke, näm-
lich die spitzwinkeligen, dreieckigen Einsätze unter den beiden
Armen haben unten bei g und h eine Ausdehnung von ßS'/j Cent.
Diese Gyrcnstücke gestalten sich oben bei k und i zu einem klei-
nern Dreieck, das durch die Nadelarbeit in rother Seide auf jeder
Seite mit einem Kreuze bestickt ist. Ausserdem erhält diese Albe
noch dadurch ein eio;enthümliches von den heutigen abweichendes
Ornament, dass die Schulterstücke von e nach f in Weisszeus:-
Stickerei als schmale Streifen durchsichtig gearbeitet und dass auf
den dichtem Thcilen dieser durchbi-ochenen Stickarbeit in rother
Seide, in getrennten Buchstaben, die Namen Jesus und Maria wahr-
') Von sümmtlichcn litiirnisclicn Gewändern des Mittelalters dürften heute Al-
ben nnd Ilumrralien im Originale sich am seltensten erhalten haben nnd
das Wold ans dem Grunde, weil der Leiuenstoff nach lilngerni Waschen einem
schnelleu Verschleisseu unterworfen war, und das Leinen von schadhaft g'c-
wordenen Alben zu vielen andern Zwecken in der lürche gebraucht zu wer-
den pflegte. Auch in protestantischen Kirchen, in denen sicli hin und wieder
noch eine Menge von mittelalterlichen Messgewändern meist ungeachtet xnid
ungekamit erhalten haben, finden sich heute sehr- selten /Vlben und Ilumeral-
tücher mehr vor, weil der faUenreiclu^ Ijcinenstoff sich ftir eine vielfache
sonstige Benutzung empfahl.
3*
36 —
nehmbar sind, wie das unsere Abbildung an der betreffenden Stelle
erkennen lässt. Eine ähnliche ä jour gestickte Durchbrechung hat
die Stickerin gerade in der Mitte der Albe, gleichmässig auf dem
vordem und hintern Theile derselben, angebracht, wie das auf un-
serer Zeichnung von c nach d wahrnehmbar ist
Wichtiger für den in diesen Blättern uns zunächst liegenden
Zweck ist eine andere Untersuchung , die dahin lautet : welche
künstlerische Ausstattung wurde im Laufe des Mittelalters jenem
Gewände gegeben , das in den frühern Jahrhunderten als M-eiss-
leinencs Untergewand, einfach xmd ohne gestickte Verbrämungen an
den Säumen, liturgisch im Gebrauche war? Wir lassen der Kürze
halber über diesen interessanten Fragepunkt nur einige allgemei-
nere Andeutungen hier folgen und beschränken uns auf folgende
Angaben.
Das Mittelalter bediente sich zu liturgischen Zwecken zweier
Alben, die hinsichtlich ihres Schnittes und ihrer Ausdehnung voll-
kommen gleich waren, die jedoch in Anbetracht ihrer Verzierungs-
weise sich unterschieden. Die Alben ohne gestickte Verbrämun-
gen an dem untern Saume und an den Ausmünduno;en der Aermel
nannte man alhac jmrae, a. simplices; jene Alben aber mit kost-
baren Goldstickereien führten den Namen albae paralac, a. frisiatae
oder fimhriatne. Die erst gedachten albae purae trugen als weiss-
leinene Untergewänder ohne gestickte Verzierungen in der frühe-
sten Zeit die Täuflinge und auch die untergeordneten Altardiener;
auch leerten die Diakonen und selbst die Priester in dichns ferialihns
bei der Feier der heil. Messe dieselben an. Die Bischöfe jedoch,
desgleichen auch die Priester, bekleideten sich namentlich nach dem
X. Jahrhundert an hohen Festtagen vielfach mit den an den Säu-
men reich verzierten albae j'^araiae. Wie war nun der Schmuck
einer solchen alba parata für den bischöflichen und den Festtags-
gebx'auch beschaflion ?
Schon das klassische Rom liebte es, wie wir das aus den An-
gaben des Vopiscus, Casaubonus, Ferrarius ^) wissen, die tuniea mit
ornamentalen Purjiurstreifen — daher auch die vcsfes parar/aiitlae —
in verschiedener Weise zu verzieren. Man nannte diese in Gold-
') Interessant wäre os, wenn in Kunstliliittern von anderer Seite mitgetheilt
würde, wo sicli heute noch vereinzelt solche Alben des Mittelalters erhalten
haben, und ob dieselben hinsichtlich des Schnittes und der künstlerischen
Ansstattung mit dem eben beschriel)enen liturgischen Gewände überein-
stimmen.
Octav. Ferrarius, de re vestiaria libii III, l'atavü HM2 lib. III ca]). 12.
— 37 -
oder Purpurstoffen gestickten und aufgenähteu ornamentalen Stücke
lati clavi oder angusti clavi. Die Gewänder der Senatoren , der
Curulen, desgleichen die toga iriumphalis, die auf diese Weise durch
aufgenähte Purpurstreifen einen reichen Schmuck erhielten, schei-
nen nach den Tagen des h. Gregor vornehmlich auch auf die bi-
schöfliche Albe und auf andere liturgische Gewänder übertragen
worden zu sein. Bereits oben ist im Vorbeigehen angedeutet wor-
den, dass Papst Benodictus III. eine kostbare Albe zum Geschenk
erhielt, die mit einer Verbrämung von Goldstoffen, — chryso clavo —
verziert war. Der Grundstoff dieser Pontifical - Albe war, wie
oben gesagt, von Seide mit eingewebten kreisförmigen Ornamen-
ten, die den Siegeln und ihren Verzierungen ähnlich waren '). Bei
diesen goldgestickten Ornamenten an der Albe, die auch zuweilen
aus doppelgefärbtem Purpur, aus dem theuern dibaplia, bestanden,
ist es aus ältern Beschreibungen vor dem X. Jahrhundert nicht
immer ersichtlich, ob dieser chrysoclavus an dem untern Saume
aus einem viereckig länglichen , aufgenähten Purpur- oder Gold-
stoff bestand, oder ob dieser ornamentale aufgenähte Saum in sei-
ner Ganzheit an dem untern Rande der Albe herumgeführt und
befestigt Avar. Es finden sich jedoch auch bei ältern Schriftstellern
vielfache Belege, dass an dem untern Saume der Albe, desgleichen
auch an den Ausmündunoen der Aermel eine oder sogar mehrere
solcher nach kleinem Zwischenräumen gestickten Ornamentstreifen,
die der Biograph der Päpste, Anastasius, gyra in circuitu oder
peridysis nennt, in der ganzen Rundung besetzt waren. Auf diese
Weise würden auch zu erklären sein die albae monolores -), dialores,
trialores, pentalores, worüber bei Vopiscus 3) das Weitere zu ersehen ist.
Der Mittheilung des Kassinensischen Mönches Leo, späteren
Kardinalbischofs von Ostia, verdanken wir nicht nur in seiner Chro-
nik von Monte Cassino die schätzbarsten Angaben iiber Beschaf-
fenheit und Verzierungsweise der verschiedenen kirchlichen Ornate
aus der Mitte des XI. Jahrhunderts, sondern er verbreitet sich
auch an einer Stelle seines Geschichtswerkes ausführlicher über
die kunstreich gestickte Albe, die Kaiserin Agnes, Mutter Hein-
rich's IV., der Stiftung des h. Benedict auf Monte Cassino bereits
') Daher aucli das opus sigillalum. Siehe das Nähere hierüber bei Du Gange,
Gloss. hit. ad voc. : sigillalus.
-) Für peridysis, gyra in circitiiu finden sich als iUbcnsäiinio auch die bei
späteru Sclu'iftstellerii synonymen Bezeichnungen wie: lorum, praetexta, ora
veslimenti, urna, urla, orla; daher auch im Französischen orle.
^) Vgl. Vopiscus bei Thomasius.
— 38 —
In der letzten Hjllfte des XL Jahrhunderts geschenkt habe. Die-
selbe war nämlich auf beiden Schultern, desgleichen am obern
Halsausschnitte, so wie auf der Brust, mit Goldstickereien reich
verziert, nicht weniger auch an der untern Oeffnung der beiden
Aerrael. Der untere Saum dieser kostbaren Albe war mit einer
goldgestickten Randeinfassung verziert, die eine Ausdehnung von
anderthalb Fuss hatte. -)
Bis 1723 hatte sich im Dome zu Freising, wie berichtet wird,
aus den Tagen des Bischofs Einhardt (f 1078) eine an den Säu-
men äusserst reich gestickte bischöfliche Albe noch erhalten , die
Meichelbeck ausführlicher beschrieben hat, und die einen Schluss
ziehen lässt , in welcher Grossartigkeit der Form und des ßeich-
thumes der Verzierungen die alhae pm'atae schon in jener frühen
Zeit beschaffen gewesen sein mögen. Wir entlehnen diese Be-
schreibung dem Werke unseres Freundes Dr. Sighart, der Folgen-
des über die Verzierung der Säume an dieser Albe berichtet.
„An der Albe, die aus dem feinsten Leinen gewebt und sehr lang
war, hat der Nadelmaler am Vordertheil mit Gold- und vielfarbigen
Seidenfäden das Bikl Christi ausgeführt, wie Er durch Nikodemus
vom Kreuze abgelöst wird , während Maria luid Johannes zur
Seite stehen. Gegen den Saum des Vordertheiles hin erblicken
wir, eben so ausgeführt , Christus in sitzender Stellung , umgeben
von den zwölf Aposteln. Die Rückseite der Albe dagegen zeigt
die Synagoge mit den zwölf Propheten ; jene erscheint als Weib,
in der Rechten ein Messer, in der Linken eine Papierrolle tra-
gend. Ihr zur Recliten steht David, die Königskrone auf dem
Haupte und die Rolle seiner heiligen Lieder in der lland; zur
Linken erscheinen die übrigen Propheten."
Im Hinblick auf ältere Schatzverzeichnisse gewinnt es den
Anschein, dass mit dem Schlüsse des XI. und dem Beginne des
XII. Jahrhunderts bereits häufiger bischöfliche Alben ans-efertiat
wurden, deren mehrere, der grössern Bequemlichkeit und der ge-
ringem Schwere wegen , mit besonders aufgenäbten parurae auf
dem Voi'der- und Hintertheil der Albe verziert waren. AVir stel-
len es jedoch nicht in Abrede, dass auch um diese Zeit noch be-
') Monumenta Genn. liist. ed. Pertz tom. IX.; Scriptorum T. VII. p. 722.
2) Diese merkwürdige Stelle lautet bei Pertz 1. c. ilirem Wortlaute nach „. . . .
alba a scapulis et capite ac mauibus friso decenter ornata, a pedibus vero
frisca idbilominus lista, mensuram forme cubiti in latitudiue habeute cir-
cumdata . . . ."
^) Dr. Sighart, Mittelalterliche Kunst in der Erzdiöcese München - Freising,
Seite 238; vgl. auch Histor. Frisiug. I. p. 257.
— 39 -
sonders reich verzierte Festtags-Alben angefertigt wurden, deren
untere Ränder in ihrer Ganzheit mit goldgestickten Säumen als
alhae monolores, dialores verbrämt waren. So verbreitet sich ein
alter Geschichtschreiber aus dem XI. Jahrhundert weiter über den
Reichthum zweier Pontifical- Ornate von bewunderungswürdiger
Arbeit und hohem Wertlie, die vom Bischof Hugo von Chalons
der Kirche Notre-Dame zu Auxerre geschenkt worden waren.
Nach Schilderung der casula und der übrigen zugehörigen bischöf-
lichen Ornamente sagt er von der Albe Folgendes: „a genibus ad
talos usque holoserica llmbo deaurato mirifice pontificalia vestigia
complcctebatur" So schenkte ferner in dem Anfange des XII.
Jahrhunderts Bischof Gerhard von Angoulcme der Kirche von
St. Peter daselbst ebenfalls reiche Pontifical-Ornate , die er vom
Bischof Boso um 1000 Soldi käuflich erworben hatte. Die Stäbe
des dazu gehörenden Messgewandes waren mit Edelsteinen allseits
besetzt. Dazu gehörte nach der Angabe des Chronisten ein „vesti-
mentum cum alba undique aurifrizatum , manipulus et stola cum
lapidibus aurifrizata, et tunica dalmatica in qua sunt depictae
aquilae" -). Das undique bei dem ebengedachten Chronisten dürfte
auch andeuten , dass um diese Zeit auch Alben mit reich am un-
tern Saume gestickten aurifrisiae vorkommen, die nicht um den
ganzen Saum geführt wurden, sondern bloss da, wo sie ersichtlich
waren, als parurae aufgenäht wurden. Auch in einer charta vom
Jahre 1197 bei Ughellus ist die Rede von einem Schultertuch und
einer camisia, die mit Aurifrisien als plagae reich ausgeschmückt
waren. Die Stelle lautet: „unum amictum cum friso magno, unum
camisum cum gramatis et frisis" Zur Erklärung des Ausdruckes
gramata, gramicia verweisen wir noch auf das liber Anniversa-
riorum Basilicae Vaticanae^), wo es heisst: „item IV camisias de
cortina cum pectoralibus et gramicis de opere Cyprensi"
Es Aväre nun bei diesen geschichtlichen Nachweisungen über
die Verzierungsweise und die reiche Ausstattung der Alben vor-
1) Historia episcop. Antissiodor. cap. XLIX. (Novae BibUotliccae manuscript*
librorum tom. I, pag. 450.)
-) Histor. pontific. et comit. Engolis. cap. XXXV.; ibid tom. II, pag. 260.
^) Charta an 1197 apud llghell. tom. 7, p. 1275.
Lib. Amiiversar. Basibc. Vaticau. apiul Johaimem Rubemn üi vita Bonifacii
VIII. PP. p. 345.
=') Das oben gedaclite opus Cyprense als Randverzicrung gramicia an den vier
camisiae von leinen Tuch ist offenbar als G oldstoff zu betrachten, in welcher '
Auffassung das opus Cyprense gleichbedeutend mit aurum Cyprcum in altern
Schatzverzeichnissen immer wieder vorkömmt.
— 40 —
zugsweise bei Ausgang der romanischen Kunstepoche hier am
Orte, an einer heute noch vorfindlichen Pontifical- Albe nachzu-
weisen, in welcher Art und Weise diese reichen xVurifrisien an
den Säumen der Alben künstlerisch beschaffen waren. Leider
fehlen uns heute hierüber hinlängliche Anhaltspunkte, nachdem die
vortrefflichsten Alben dieser Art im Dome zu Freising bereits im
vorigen Jahrhundert, wie früher angedeutet wurde, verschwunden
sind. Die einzige Pontifical- Albe , die als Maassstab für die Ver-
zierung und künstlerische Ausstattung der bischöflichen Alben aus
der spätromanischen Kunstepoche betrachtet werden kann, findet
sich heute im Schatze der Kaiserburg zu Wien unter den übrigen
deutschen Reichskleinodien vor. Dieselbe ist nicht direct für bi-
schöflichen Gebrauch angefertigt Avorden, sondern zunächst für die
Krönung des Normannenkönigs Wilhelm II. von Sicilien. Da
indessen die sicilianischen Könige von den römischen Päpsten das
Recht erhalten hatten, bei ihrer feierlichen Inauguration sich Pon-
tifical-Gewänder zu bedienen, wie sie auch der Bischof anlegte, so
lässt sich mit Fug annehmen, dass dieses königliche Untergewand
der Albe, ihrem Schnitte und der künstlerischen Verzierung nach,
im grossen Ganzen mit jenen reichen Festtags- Alben übereinstim-
mend befunden wurde, wie sie im XII. Jahrhundert von den Bi-
schöfen und Päpsten namentlich in Italien getragen wurden. Diese
ursprünglich königliche Albe, die durch Heinrich VI. und die
spätem Hohenstaufen, als Erben der Krone Siciliens, den deut-
schen Reichskleinodien einverleibt wurde, hat in ihrem Schnitt
durchaus die Form und Gestalt unserer heutigen Albe. Dieselbe
besteht aus einem schweren Seidentaffet ohne Musterungen , der
bereits vor einigen Jahrhunderten schadhaft geworden und in sei-
ner Ganzheit mit einem neuen weissen Gros de Naples überzogen
Avorden ist. An dem untern Saume dieses faltenreichen weiten
Gewandes , das mit einem ciiigulum aufgeschürzt werden musste,
haben sarazenische Goldsticker auf einem hell violetten Purpur-
stoff', der fast die Breite einer halben Elle hat, eine Fülle von in
Gold gestickten Ornamenten angebracht, die theil weise der Thier-,
theilweise der Pflanzenwelt entlehnt und schwungvoll zusammen
verbunden sind. Diese genialen Verbindungen der vegetabilischen
und animalischen Schöpfung, die man im frühen Mittelalter schon,
um ihr Herkommen zu bezeichnen, faites a V Arahes(pu nannte, sind
ihrer ganzen Ausdehnuno; nach rund tun den Saum herum auf
beiden Seiten mit doppelten Perlrändern eingefasst. In der obern
Umsäumung dieser breiten praetexta, desgleichen in der untern Ein-
fassung, ebenfalls durch Perlschnüre gebildet, haben die könig-
- 41 —
liehen Gewandsticker im hötel de, tirraz zu Palermo ') acht Male
zui-ückkchrend oben und unten übereinander zweierlei Inschriften
in Goldfaden gestickt, und zwar die eine in Neski-Charakteren,
die andere in lateinischen Versalien. Die lateinische Inschrift lau-
tet in der Abkürzunif des Ori<>inals, wie folgt :
t OPERATÜ. FELICI. URBE. PANORMI. XV. ANNO. REGNI. DNI. W.
DI. GRA. REGIS. SICILIE. DUCAT. APULIE. ET. PRINCIPAT.
CAPUE. FILII. REGIS. W. INDICTIONE. Xllll,-)
Die andere Inschrift in arabischer Currentschrift o-ibt in genauer
Uebersctzung folgende Lesung: „Dieses Gewand gehört zu dem, was
anzufertigen befohlen hat der hochgeehrte König Wilhelm II., der
von Gott hochgeehrt sei, durch Gottes Allmacht unterstützt werden
und durch seine Kraft stets den Sieg davon tragen möge, der Herr-
scher Italiens, der Lombardei, Calabriens und Siciliens. Der Ver-
ehrer des Imams (sie) von Rom, der Eeschiitzer (und Verehrer) des
christlichen Ghiubens, — in dem königlichen, wohlbestellten Ge-
Avandhause, das stets prächtig ausgestattet sein möge, nach der
kleinen Zeitrechnung der XIIII im Jahre 1181 der Zeitrechnung
unseres Ilei'rn Jesu, des Messias."
Nicht nur ist der untere Saum dieser königlichen Pontifical-
Albe in Uebereinstimmung mit den bischöflichen Alben aus dem
Schlüsse des XII. Jahrhunderts mit der eben beschriebenen reich
mit Gold und Perlen bestickten gi/ra in circuitu umgeben, sondern
auch die untern Oeft'nungen der Aermel sind mit einer ähnlich
gestickten breiten Borde, — praete.vta in manicis , — künstlerisch
verbrämt. Eine fernere gestickte Borde erblickt man rund um den
Oberarm herumgeführt, wodurch ohne Zweifel die königlichen Arm-
spangen, armillae, in Stickerei angedeutet werden sollten. Eine letzte
überaus reiche Perl- und Goldstickerei befindet sich als Pectoral-
(Jrnament auf dem Vordertheile der Albe, da nämlich, wo auch
der geradlinige tiefe Einschnitt zur Anlegung des Gewandes sich
befindet •').
') Vgl. über das hötcl de tirraz zu Palenno unsere dosfalltsigeii Augabeii in
der I. Lieferung dieses Werkes Seite 34 u. ff.
-) Die Uebe.rsetzung dieser merkwürdigen Inschrift lautest, wie folgt: „Au-
gefertigt in der glücklichen Stadt Palermo, im 15. Jahre der Kegieruug
Wilhelm's 11. von Gottes Gnaden Königs von Sicilieu, von Apnlieu, von
t'apua, des Sohnes Königs Wilhelm 1. in der 14. Indiction (1181).
^) Vgl. die getreue Abbildung und nähere Beschreibung dieser königlichen
Pontifical- Albe in dem ersten Bande unseres Werkes : „Die Kleinodien des
heiligen römischen Reiches deutscher Nation unter Beigabe der Ki-on-Iusignien
Böhmens, Ungarns und der Lombardei." Taf. VIL Wien, iix der k. k.
Hof- uiid Staatsdruckerei 1860.
— 42 —
Bei dem Fehlen älterer Alben aus der romanischen Kunst-
Epoche fahren wir fort, hier die Citate älterer Schatzverzeichnisse
folgen zu lassen, die wir allenthalben in Abschrift anzusammeln Ge-
legenheit hatten. In einem reichhaltigen Inventar des Domschatzes
zu Bamberg aus dem Jahre 1128 stehen unter andern bischöflichen
Ornatstücken verzeichnet: albae XLVI ex his IV cum aurifrio;io.
Es waren also 42 dieser liturgischen Gewänder alhae simpUces
und vier auro paratae, d. h. dieselben waren mit Gold gestickten
Säumen an dem untern Rande und den Ausraündungen der Aer-
mel verziert.
Das englische Schatzverzeichniss der Ornate in der bischöf-
lichen Ecclesia Sarum enthält zum Jahi-e 1222 ausführlichere Be-
schreibungen von albae paratae, wie sie um diese Zeit im Vergleich
zu den ebengedachten vier bischöflichen Alben von Bamberg bereits
reicher garnirt waren. Bei Aufzählung der Alben führt nämlich
das oben gedachte Schatzverzeichniss an: „Albae VIII de serico ')
— item alba una de Bukeram ^) cum parura brodata ^) cum leo-
nibus de dono Koberti de Bellafago ; et una alba linea cum parura
de tribus aurifris. '*) quac pervenit de dono Stephani Riedel; prae-
tcrea albae veteres V cum paruris veteribus •'') et albae veteres non
paratae"
Am deutlichsten ist die Albe in ihrer decorativen Beschaffen-
heit in jenem merkwürdigen Schatzverzeichnisse gekennzeichnet,
das, aus dem Schlüsse des XIII. Jahrhunderts herrührend, sich
heute noch im Archive des Domes zu Anagni vorfindet. Dieses
Inventar zählt in langer Reihe auf jene kostbaren liturgischen Ge-
Avänder und Gefässe, die der Cardinal Gaetano, nach seiner Er-
') Es scheinen dies acht Alben von weisser Seide gewesen zu sein.
-) Bukeram dürfte eine anglish-te Localbezeicluuuig für einen orientalischen
SeideustoiF sein, indem in Inventaren des XII, und XIII. Jahrluuiderts mei-
stens corrumpii'te, orientalische Ausdrücke für Seidenstoffe, wie sie im Han-
del gebräuchlich waren, zur Anwendung kommen.
^) Diese parura war mit Bildern von Löwen bestickt, walirscheinlich von Krei-
sen jedesmal oingefasst, ein sehr beliebtes Ornament im XIII. Jalu-hundert.
■') An dieser Albe aus LeinenstofF, mit Schüdern entweder aus gewebten Gold-
stoffen oder mit Goldstickereien verziert, befanden sich nur drei solcher
verzierenden Besatzstücke und fehlte also das vierte.
f*) Da das vorliegende Schatzverzeichniss der eben gedachten engUschen Ka-
thedralkirche bereits 1222 geschrieben war, und>.'hier von Paruren an ältern
Alben gesi)rochen wird, so dürfte daraus gefolgert werden, dass bereits
schon in früher Zeit in englischen Kathedralkirchen die Paruren als getrennte
ornamentale Besatzstücke an den vier Theilen der Albe in Gebrauch waren.
f') Aeltere xWbca für den gewöhnhchen Gebrauch ohne gestickte Schilde.
— 43 —
Hebung auf den päpstlichen Stuhl unter dem Namen Bonifacius VIII.
(1294) in verschiedenen Zeiträumen dem Schatze der Domkirche
seiner Vaterstadt Anagni verehrte, der er in Jüngern Jahren als
Canonicus angehört hatte. Papst Bonifaz VIII. schickte nämlich
129G durch zwei Canonici der ebengcdachteu bischöflichen Kirche
unter andern reichen liturgischen Ornaten mehrere künstlich ver-
zierte Alben, die das besagte Verzoichniss in folgender Weise be-
schreibt :
Item una alba cum pectorale de auro ') et pernis grossis ad
ymagines Salvatoris et beate Virginis , et quatuor aliis cimi fim-
briis -) de dyaspero laborato ad papagallos , et alios labores in
manicis paraturis cum tribus ymagiuibus.
Item alia alba cum pectorali ad aurum cum ymagine beate
Virginis fugientis in Egyptum et in manicis trcs ymagines per
quamlibet , et cum fimbriis ^) aureis laboratis ad plures ymagines.
Da diese finibriae oder plcußilae als gestickte oder gewebte
längliche Besatzstücke am vordem , desgleichen auch am hintern
Thcilc der Albe, sowie als Unu-andung der beiden Aermel beim
jedesmaligen Waschen der Albe vom Leinen losgetrennt werden
mussten , so fanden sich in Kirchenschätzen auch häufiger solche
losgetrennte pamrae vor, deren Alben zum Reinigen abgegeben
wai'en. So liest man in einem Inventar der Kii'chenschätze von
Chartres vom Jahre 1337: Item II paremez '°') de albis deaurata
nova.
Der bekannten Freigebiokeit und dem Kunstsinne Karl's IV.
hatte die Metropole von St. Veit gegen Mitte des XIV. Jahrhun-
derts es zu danken , dass damals nicht leicht ein Kirchenschatz
') Unter diesem pectDrale vou Gold ist offenbar eine reiche Stickerei mit den
Bildwerken des Erlösers und der allersoligsten Jungfrau zu verstehen, in
ühiüicher Gestalt und Ausdehniuig, wie sich eine solche Brustverzierung
in (luaiU-atischer ibilagc heute noch an der vorhin beschriebenen kaiser-
lichen Alhe im Schatze zu Wien vorfindet.
2) Vier andere Albeu waxen mit fimbriac, nämlich mit aufgenähten Seidenstof-
fen (dyaspernmj verziert, in welchem Papageien eingewirkt waren.
An den Ausmündimgen der Aermel befanden sich Einfassungen und Ver-
brämungen (paiatiiiacj mit allerlei Stickereien, und unter ilieseu auch drei
gestickte Bilder.
Gleichwie auf dem Brustschild dieser Albe die P^lucht nach Aegypten ge-
stickt war, so waren auf dem untern breitern Goldsaume mehi'cre andere
Heiligenbilder im Plattstich gearbeitet.
■'') Dieser franziisische Localausdruck paretna bezeichnet die vier Paruren der
Albe, wie das aus andern Bezeichnungen desselben Inventai's ersichtlich ist.
— 44 —
diesseits der Berge, was den ßeichthuin der liturgischen Gewän-
der und die grosse Zahl kostbarer ßeliquiengefässe betraf, sich
mit dem auf dem Hradschin zu Prag messen konnte. Die Scliatz-
verzeichnisse von St. Veit aus dieser Zeit führen in langer Reihe
Alben auf, die an den Säumen mit reich gestickten Paruren vei*-
brämt waren. Es sei gestattet, von diesen vielen Aufzählungen
hier nur einige namhaft zu machen. So heisst es in einem Inven-
tar, angefertigt unter Erzbischof Arnost im Jahre 1354:
Item albarum de bysso paria II et unum par de serico
subtili 2).
Item albarum cum limbis ^) paria VI et VII unum est dili-
neatum.
In einem spätem Inventar vom Jahre 1387 heisst es unter
der rubrica de albis:
Item IV albae de bysso cum limbis et praetextis ^).
Item alba de tenui serico vetus valens pro emendationc ^)
aliarum rerum.
Item alba cum flaveo zametho ^) hirsutho in manicis liabens,
in una manica XIV rosas ^) et duas litteras S de perlis et in sc-
cunda manica XIII rosas et tres litteras S de perlis.
Item alba cum flaveo limbo habens ad modum liliorum cum
auro insutum
1) Gegen Mitte des XIV. Jahrhunderts war also der orientalische Byssus für
bischöfliche Alben noch in Gebrauch.
-) Neben dem feinsten ägyptischen Leinen (Byssus) kommen damals zugleich
auch zarte Seidenstolfe in weisser Farbe bei Anfertigung von iVlben vor.
^) Limbus schemt lüer identischer für plaga, parui-a zu stehen.
^) ^A'enn unter limbus der gestickte untere Saum der Albe zu verstehen ist,
so dürften unter praiUxia die einfassenden Stickereien an den Aermeln
(manica) zu betrachten sein.
In dieser Angabe mag wohl die Ursache hergeleitet werden, weswegen die
mittelalterlichen Alben heute zur grössteu Selteidieit geworden sind. Es
win-dcn niunlich, wie hier augedeutet ist, der Leinen- oder der Seidenstoff
älterer Alben zur Wiederherstellung schadhaft gewordener Alben benutzt
oder es wiu-den :tus diesen ältcrn Stoffen die veslimenla pucrorum, wie wir
das später sehen werden, angefertigt.
f) Eine in Böhmen damals locale Bezeichnung für uusern heutigen Samniet, ilas
niederdeutsche Fluel.
') Auf dem Sammetstoffe, der die Ausmündung des einen Aermels umrandete,
waren 14 Blumen (rosulae) wahrscheinlich in Gold gestickt, dazwischen
zwei Mal der Buchstabe S in Perlstickerci.
«) Auf diesem gelben Saume der Albe waren in Form von Lihen Ornamente
in Gold gestickt.
45 —
Item tres albae per domiram imperatricem doratae habentes
limbos de brunatico Nachone ').
Im XV. Jahrliundcrt mehren sich in den damaligen. Schatz-
verzeichnissen von Stifts- und Kathedralkirchen ungemein die
Aufzählungen von bischöflichen und Festtags-Alben, die mit reich-
gestickten praetextap. an den Säumen verziert waren. Wir lassen
aus diesen gehäuften Angaben hier nur noch einige wenige folgen.
So heisst es in dem Inventare des Domes von Olmütz vom Jahre
1435:
Item tres albae de tenui tela^) cum plicis floribus viridibus
contextae. '
Item tres albae de tenui tela cum plicis quasi sub griseis de-
super deauratis de varia textura
Item alba subtilis cum fimbriis ^) aurels latis cum aureis flo-
ribus.
Item alia alba subtilis cum plicis de haxamit rubeo ^) in qui-
bus dua manus et aquila et pulchri flores aurei inserti sunt.
Item albae feriales ') novem.
Um die Leser nicht zu ermüden, lassen wir hier noch aus
einem Inventar des Domschatzes zu Würzburg aus dem Jahre
1484 einige Ansahen hinsichtlich der ornamentalen Beschaffenheit
der Albe gegen Schluss des Mittelalters folgen. Es dürfte dieses
Inventar deswegen um so interessanter sein , indem die Aufzeich-
') Dieser Teimiiius Nacho, der eben so h;iutifr in iiltern Schatzverzeichiiissen
mit dem Ausdruck Haklekind sicli vortiudet, dürfte ebenfalls als (irientulische
liezeic'hnunir eines sclnvereu Seidenstofi'es zu betracliteu sein.
2) Tela stellt hier gleichbedeutend mit linum, feines Leinen.
Eigenthümlicher Weise nennt das Olmützcr Inventar an vielen Stellen die
panira oder praelexia, Benennungen des Prager Inventars , pUcn fast iden-
tisch mit dem plattdeutschen Plak, wodurch ebenfalls ein viereckiges Zeug,
jedoch in seiner trivialen Bedeutung bezeichnet wird.
^) Die Besätze an dieser Albe bestanden also aus gräulichen Seidenstoffen mit
(loldmusterungcn verschiedenartig durchwebt.
■'') Diese zartgewebteu Albeii hatten nach deni Wortlaute unseres Inventars
breite Säume von (loldstoff mit eingewirkten Musterungen, und dürften also
unter dem Terminus fimhriae hier keine Fransen zu verstehen sein, sondern
derselbe wäre liier gleichbedeutend mit pr/ieiexia, limlms aufzufassen.
") Die vier plica gleichbedeutend mit der parvra, waren an dieser Albe von
rothem Sammet (haxamit) , auf welchem durch die Kunst der Nadel zwei
Hände mit Adlern und Blnnienwerk in Stickerei sich befanden.
') Diese Fei-ial-Alben zum flebranch an gewöhnlichen Tagen, die auch anderswo
nlliae (pidiididnne in dem Gegensatz zu den nllme fcsJalrs genannt weiden,
hatten keine gestickten plicae an den Aermeln und an dem untern Saume.
— 46 -
nungen desselben abweichend von der altkirchlichen Regel bereits
in deutscher Sprache geschrieben sind. An jener Stelle, wo die
Aufzählung der Alben beginnt, lesen wir folgende Ano-abe:
Zwo alte weyse Rück und ein Kasul, die seind gar böse und
tugen nit mehre zu Nutze.
Vier grüne ') Alben mit ihren Umbralen.
Drei Alben, dominicaliter, mit roten charaelotten Schiiten 2) und
Büchsen
Vier Alben mit braunen Schiiten.
Drei Alben mit schwarzen Schiiten
Obschon wir in vorliegenden Blättern mit der äussern Form,
dem Schnitte und der künstlerischen Ausstattung der liturgischen
Gewänder die verschiedenen Zeitläufte des Mittelalters hindurch
uns ausschliesslich beschäftigen, so dürfte doch hier die Frao-e
am Orte sein , welche Bedeutung legte man im Mittelalter diesen
vier ornamentalen Besatzstücken der Albe bei. Wie wir bci'eits
früher angedeutet haben , sind diese vier getrennten pUcae , prae-
textae an den Alben ohne Zweifel dadui-ch entstanden, dass man
der Bequemlichkeit wegen den reichgestickten schweren Albsaum
in seiner Ganzheit fortfallen und nur an jenen Stellen zum Vor-
schein treten Hess, wo er überhaupt gesehen werden konnte.
Spätere Liturgikor suchten diesen Ornamenten der All)e eine
symbolisch-mystische Auslegung zu geben. So bezieht Durniidus
auf diese Verbrämung der Albe an den verschiedenen Stellen jenen
Spruch des Psalms XLIV, 10.: „astitit regina a dextris tuis in
') Wir finden es erklärlich, dass der Schatzbesclireil)er hier die Albe luieh
der Farbe von grünseideiien Stoffen als jinninie oder jn-ueiej-iae sehleeht-
hin nach ihrer Verzierung als grün bezeichnete.
2) Hiernach ist also zu entnehmen, dass man die vier oriuimenlalen Besatz-
stücke an den bessern Alben nach ihrer viereckig -länglichen Form einfach
„Schilt" nannte.
Abweichend von den zwei „Scliilten", die als Verziening am untern Saume
der Albe nach vorn und hinten aufgenäht waren, nennt das Würzburger
Inventar die beiden parui-ne, die den untern Band der Aermel verbrämen,
„Büchsen", und zwar deswegen, weil sie als Büchse rund zusammengenäht
waren und in vielen Kirchen erst nach Anlegung der Albe als mauicae
über den Saum der Aermel geschoben und hier mittels zweier darin be-
festigter Schnüre angebunden wurden,
"i) Diese schwarzen „Schiitc" als f>lfii)a der Albe deuten an, dass dieselben mit
entsprechenden Caseln von gleicher Farbe zum Gebrauche bei den missne
pro dejiiiiclis getragen wurden.
- 47 —
vestitu deaurato circumdata varietate . . '). Nimmt man zu den
vier parurae der Albe als fünfte in gleicher Ornamentation noch
hinzu das gestickte Ornament an dem humerale, das wir in der
vorhergehenden Abtheilung näher besprochen haben, so liegt es
nahe, durch diese fünf plague die quinque vulnera Domini anzu-
deuten, wie das auch in neuerer Zeit von Mehrern hervorgehoben
worden ist.
Wir haben es im Vorhergehenden versucht, an der Hand äl-
terer Schatzverzeichnisse die künstlerische Ausstattung der Albe
in den verschiedenen Zeitläuften des Mittelalters, so gut es bei dem
Fehlen ältgrer Original- Alben anging, nachzuweisen. Glücklicher
Weise haben sich aus dem Schlüsse des Mittelalters noch einige
ältere Alben vereinzelt erhalten , die einen Schluss ziehen lassen,
wie o-eo-en Ausgane: des XV. Jahrhunderts durch Nadelarbeit
die untern Säume an bischöflichen Festtags-vVlben künstlerisch geho-
ben wurden. Die bei weitem interessanteste Albe, die an den reich-
verzierten limhus deauratus der Albe aus der romanischen Kunst-
Epoche sich anschliesst, befindet sich heute noch aufbewahrt in dem
ehemaligen Benedictinerinnen-Stift Goess bei Leoben in Steyermark.
Hinsichtlich des ebenfalls zu Goess noch befindlichen Ornates, der
einen ornatus integer in Seide gestickt bildet und im Beginne des
XHI. Jahrhunderts unter der Aebtissin Cunigunde der eingestick-
ten Inschrift zufolge angefertigt wurde , verweisen wir auf unsere
ausführliche Beschreibung desselben in dem März- und April-
Hefte der „Mittheilunsen der k. k. Central-Commission zur Er-
forschung der Denkmale." (Wien 1858.) Um Missverständnissen
vorzubeugen, sei jedoch hier hervorgehoben, dass die ebengedachte,
gleichfalls zu Goess aufbewahrte Albe keineswegs zu der capella der
Aebtissin Cunigunde gehört, vielmehr trägt der mehr als eine Elle
breite Saum dieser merkwürdigen Albe, wie das aus den viel-
fachen charakteristischen Ornamenten deutlich ersichtlich ist , den
unumstösslichen Beweis, dass dieser limhus durch die Klosterfrauen
von Goess erst im letzten Viertel des XV. Jahrhunderts und spä-
testens in den ersten Decennien des XVI. gestickt worden ist. Die-
ser Albensaum in dem ebengedachten Benedictinerinnen-Stift Steyer-
marks weicht von den traditionellen Verzierungen durchaus ab,
wie sie sich heute noch in Form von parurae, praetextae an ein-
zelnen Alben in der Liebfrauenkirche zu Danzig und an andern
') Die betreffende Stelle lautet bei Durand Hb. III., cap. 3: „... Quod autem
fuinfrisium et grainmata diversis in locis ac variis opcribus ad dccorem babet,
illud insiuuat quod propheta dicit in psalmo : astitit rcgina . . ."
— 48 —
Orten erhalten haben. Derselbe umgibt den untern, weiten Saum
der Albe rundum in seiner Ganzheit, und indem er an die Alben-
verbrämungen vor dem X. Jahrhundert , die als tetralores^ , pevta-
lores sich kenntlich machten, anknüpft, erweitert er sich in einzelnen
im Zusamraenhano-e stehenden breitern Ornamentstreifen ringfür-
mig übereinander geordnet. Gewiss ist diese reich in Gold und
vielfarbiger Seide gestickte breite orla der merkwürdigen Albe
zu Goess nicht als vereinzeltes Vorkommniss zu betrachten und
dürften nicht nur in Stcyermark, sondern auch in süddeutschen
und rheinischen Diöcesen . gegen Ausgang des Mittelalters ähnlich
verzierte Umrandunjren an bischöflichen Alben häufi<2:er anffctrof-
fen woi-den sein.
Wir dürfen unsere geschichtlichen Mittheilune:en über die
Verzierunofsweisen der Alben im Mittelalter an dieser Stelle
nicht zu Ende führen, ohne der Vollständigkeit halber noch
auf eine Technik des Stickens hingewiesen zu haben , die schon
in der letzten Hälfte des XV. Jahrhunderts sich als untere Saum-
verzierunc: der Albe anfino; o;eltend zu machen. Man beg-ann näm-
lieh um diese Zeit, niclit nur auf dem Leinenstoft'e der Albe selbst,
Leinenstickereien, in verschiedenem Blumenwerk nach Motiven
geordnet, anzubringen, und demselben auf diese Weise eine grössere
Schwere und Haltbarkeit zu geben, sondern die Sucht, etwas Neues
und auf die Entfernung wirkendes an den Alhensäuinen anzubringen,
verleitete auch geübte Stickerinnen dazu, durch künstliche ;i jour
durchbrochene Stickereien im Weiss-Leinenzeuge eine grössere
Abwechselung und stellenweise Durchsichtigkeit diesen so ver-
zierten Säumen zu geben. Man nannte diese Weisszeugstik-
kerei mit durchsichtig gestickten eutre deiix das opus Italicuin,
das besonders in Nord-Italien und in Venedig sehr geübt wurde.
Diese auch häufig genannte „welsche Arbeit" von künstlich durch-
brochenen Weisszeugstickereien und gehäkelten Verziei-ungen in
Leinen fand besonders von dem Beginn des XVI. Jahrhunderts
ab an Alben eine bevorzugte Anwendiuig ').
') Wir besitzen ein inerkwiii-di.yps Miistcrlmcli mit vielen lllnsfrationen in
kräftigen lloksclniitten , Wdrin eine Menge von Mustern und Modellen ab-
gebildcit sind, wie man s-ie tbeilvveise für durcbbi'odieue Weisszfuigstielcerei
an AlbensiUimen, theilweise für Stickereien und unmittelbar auf Lcinenzeug
selbst im XVI. .Jahrhundert anzufertigen pflegte. Das heut seltene Werk
führt den Titel: „New Modelbnch Von Allerhand Art Neliens inid Stiekens
jetzt mit vielerley Welscher Arbeyt, Mödel und Stahlen allen Seidenstiekern
und Neterin sehr nützlich und kinistlich von newen zugericht, gelrnkt zu
l-'rankfurt am Main MI)L.\.\!."
- 49 -
Als wir im vorigen Jahi-e in der Kathedrale zu Luron (Bour-
bon-Vendee) der Priesterweihe eines Anverwandten beiwohnten,
waren wir nicht wenig erstaunt , unter den vielen Neopresbytern,
die die heiligen Weihen empfingen, auch Einen zu erblicken, der
mit einer altern Albe bekleidet war, deren reiche Saumstickereien
auf kräftigem Leinen fast bis zu den Knieen heranstiegen , und
stellenweise mit durchbrochenen , ringförmig übereinander geord-
neten Weisszeugstickereien abwechselten. Diese mühsame aber
äusserst dauerhafte „welsche Ai'beit" Hess in ihren Details bei einer
spätem genauem Untei'suchung deutlich erkennen, dass dieser reiche
Albensaum 'frühestens in den Tagen Königs Franz I, von geübter
Hand angefertigt worden war, zu einer Zeit, als die Renaissance in
Frankreich schon allgemein Eingang gefunden hatte. In derselben
Anordnung mit theilweise durchbrochenen, theilweise auch auf
dichtem Leinen gestickten, ringförmig nach grössern und kleinem
Zwischenräimien übereinander o;estellten Verzierunofen finden sich
auch im Schatze zu Aachen noch einige ältere Alben vor, die eine
ähnliche Verzierung wie die ebengedachte von Lu^on aufzuweisen
haben. Diese Alben zu Aachen mit ihren interessanten Weiss-
zeugstickereien dürften aus dem letzten Viertel des XVI. Jahr-
hunderts herrühren , und geben deutlich zu erkennen , wie durch
diese stellenweise angewandten ä jour-Stickereienin Leinenstoffen bei
den Alben der Weg angebahnt war, den zum Nachtheil der Würde
dieses liturgischen Gewandes in neuester Zeit die Tüllsticker und
Filetarbeiterinnen weiter ausgebeutet haben. Als nämlich mit dem
XVI. Jahrhundert die reichgestickten spanischen Kragen mit ihren
künstlichen Durchbrechunoen allo-emein in Mode g-ekommen waren,
als ferner gegen Ende jenes Jahrhunderts die berühmten Dentelles-
und Gui-pures-Manufacturen in Flandern zur ßlüthe gelangten
und lange Zeit hindurch den üppigen Hofkleidern zur kostspieli-
gen Zierde gereichten, übertrug man auch allmählich diese leichte,
fiitterhafte Garnirung unglücklicherweise auf den äussersten Saum
des ernsten kirchlichen Gewandes der Albe.
Wir würden es als verlorene Zeit erachten, hier noch weiter
anzudeuten, welche Demüthisuno-en das ■alt-historische Gewand der
Albe seit den beiden letzten Jahrhunderten bis in die jüngsten
Decennien von Seiten derjenigen zu erdulden hatte, die, gegen alle
kirchlichen Ueberlieferungen , statt den Albensaum durch aufge-
nähte Ornamente wie ehemals zu stärken und zu verbrämen,
vielmehr darauf ausgingen, in einem leichten gazeartigen Tüllge-
webe denselben ohne Noth zu schwächen und zu entkräften. Man
gestaltete ihn nämlich über Gebühr breit und durchsichtig, um auf
T-,iturgis.clic GLWäiicI. r. II. 4
- 50 -
diese "Weise gehörigen Raum für eine Fülle von ungeordneten,
modernen Verzierungen zu schaffen, die meistens in der kunstlosen
Technik des Steppens und Tüllstickens ausgeführt zu werden pfle-
gen. Sogar das Filet mit seinen grossen weiten Maschen zog
man noch in neuester Zeit heran und bedachte es nicht, dass
man auf diese Weise den Begriff einer verstärkenden Saiimzierde
vollständig aufhob. Kurz, der moderne Alltagsgeschraack unter-
schied bei Ausstattung der Albe kaum mehr zwischen Altar und
Concert-Salon, indem derselbe die Albe oft bis zum Gürtel durch-
sichtig gestalten, und so aus dem ursprünglichen ernsten Priester-
kleide von dichtem Leinen fast ein transparentes Tüllkleid zurich-
ten liess ').
Wir werden in einer besondern Schrift, die nächstens die
Presse vei-lassen wird, unter dem Titel: „Praktische Winke auf
dem Gebiete der Paramentik , ein Leitfaden bei Anschaffung litur-
gischer Gewänder" darauf hinweisen, wie heute von vielen Seiten
mit Erfolg der lobenswerthe Versuch gemacht worden ist, die Albe,
anschliessend an die schönern Vorbilder des Mittelalters, zu ihrer
ehemaligen Würde und Einfachheit wieder zu erheben, und wie
das eben gedachte Gewandstück künstlerisch zu verzieren ist, da-
mit es seinem Zwecke und seiner Bedeutung wieder entspricht.
5.
Der Gürtel „baltheus, zoua, eingulum."
Gleichsam als integrirender Theil der Albe , ist als drittes
bischöfliches und priesterliches Bekleidujigsstück der Gürtel zu
betrachten, ohne welchen überhaupt die Albe nicht geschürzt
und fretraaen werden könnte, lieber das hohe Alterthum dieses
priesterlichen Gürtels und über die verwandte Anlegungsweise des-
selben von Seiten des Hohenpriesters und der Opforpriester des
') Unser verehrter Freund A. Fey, Director des Klosters vom sirmen Kinde Jesu
zu Aachen, durch dessen unausijcsetztc Bemühungen die kirclilirhe Stiokicunst
auf Grundlage älterer Vorhilder heute in dem gedachten vcligiüseu Institute
zu ungeahnter Bliithe wieder empor gestiegen ist, hat in krilftigon Zügen
die süssliclie und tändelnde Verzierungsweise gekennzeichnet, die in neuerer
Zeit bei Ausstattung der Albensäume gegen kirchliche Vorschriften sich breit
gemacht hat, und zugleich auf die Priucipien hingewiesen, die im Anschluss
an die feststehende Verzieruugsweise des Mittelalters bei künstlerischer Aus-
stattung der Alben auch heute wieder befolgt zu werden verdienten. Diese
vortreffliche Abhandlung findet sich im 1. Jahrg. des „Kirchenschmuck'-
18r)7, 3. Heft, Seite 38—14.
— 51 —
Alten Bundes ist ausführlicher in der dritten Lieferung dieses Wer-
kes die Rede gewesen und zugleich auch angedeutet worden, wie der-
selbe, bei-eits im profanen Gebrauche bei Griechen und Eümern, in
den ersten Jahrhunderten der christlichen Kirche liturgisch zur An-
wendung und Geltung gekommen ist.
Um hier zunächst auf die weitere Entwickelung und Gestaltung
des bischüflichen Gürtels seit den karolingischen Zeiten gleich
näher eingehen zu können, verweisen wir diejenigen, die über
die synonyme Bedeutung der Bezeichnungen haltheits, zona, cin-
gulum und ihre Unterschiede Ncäheres vernehmen wollen, auf die
ausführlichen Auseinandersetzungen von du Saussay. ')
In formverwandter Ucbereinstimmung mit dem prototypisclien
haltlmis des Hohenpriesters im Alten Bunde war auch noch im
VIII. und IX. Jahrhundert namentlich bei den Pontificalkleidern
der Gürtel sehr oft kostbar und reich gestaltet. Auch scheint der-
selbe um diese Zeit noch analog mit dem haltlieus des Hohenprie-
sters rund, ähnlich einer Schlangenhaut, gewebt gewesen zu sein.
Dieses dürfte sich entnehmen lassen aus einer Angabe des Ana-
stasius Bibliothecarius, wo er anführt, dass Papst Gregor IV. einer
römischen Kirche mehrere goldene Gürtel zum Geschenke verehrt
habe. Diese Stelle lautet wörtlich: „murenas prasinales pretiosissi-
mas duas, ex quibus habet pendulas numero undecim ; item obtulit
murenam trifilem aux'eara, quae habet gemmas diversas albas, nu-
mero septuaginta tres et buticulas triginta tres. Murenam in qua
pendent gemmae hyacinthinae tredecim, pendent in filo aureo ; item
murenam filatam, ex qua gemmae pendent hyacinthinae quatuor-
decim" Es dürfte nun hier zunächst die Frage gestellt werden,
woher kommt der fremdartige Ausdruck nmrenaf Wir antworten
darauf: Schon der Evangelist Johannes, der den Herrn angethan
mit priesterlichen Gewändern in der Vision ei'schaute, spricht von
dem goldenen Gürtel desselben : „erat praecinctus ad mamillas zona
aurea" ■^). Einem solchen begegnen wir auch im Hohenliede, der
zugleich auch als Goldgurt den Namen murenula führt; es heisst
daselbst: „mnrenulas aureas faciemus tibi, vermiculatas argento".*)
Aus Plinius lib. 32, c. 2 ist nvm zu ersehen, dass die murena eine
') Du Saussay: panoplia sacerJotalis libri XIV. Lut. Paris. 1G53. Iii). II. cap.
1, 2 und 4.
2) Auast. Biblioth. de vit. Pont. Gregor. IV. A. Cli. 827, Nr. 471, p. 342, tom. I,
Romae 1718.
•^) Apocal. I, 13.
") Cantic. 1. 10.
4 *
— 52 —
Art ViperscMange war. Bastaniantinns ') vcrliroitet sich weiter
über die mnrenac, und führt an, dieselben seien kleine Schlangen
weiblichen Geschlechts, die sehr zahm und nicht giftig wären ; die
Haut derselben hätte einen dem Golde ähnlichen Glanz. Weil
nun im hohen Alterthume, desgleichen auch im frühen Mittelalter, die
Gürtel rund aus einem Stück, ähnlich einem marsnpium, und zwar
die reichern aiis Goldfäden gewirkt wurden, so ist es erklärlich,
dass von der Aehnlichkeit der abgezogenen Goldhaut der obenge-
dachten Viperschlange noch bis zum VIII. Jahrhundert die reichen
bischöflichen und priesterlichen Cingulen murenae genannt wurden.
Es würde schwer halten, die weitern Angaben imd Besehreil)ungen
der reichen Gürtel , wie sie der Biograph der Päpste an der
oben angezogenen Stelle gibt, zu verstehen, wenn nicht niis dem
X. Jahrhundert sich noch in Abbildungen solche reiche Schmuck-
gürtel erhalten hätten, die hinsichtlich ihrer künstlerischen Aus-
stattimo; vollständig; mit den Anfjaben des Anastasius i'ibereinstim-
men. Es ist dies nämlich jener merkwürdige, leider auf der Flucht
der deutschen Reichskleinodien ffe^en Schluss des voriafen Jahrhun-
derts verloren gegangene kaiserliche Pontificalgürtel, wahrscheinlich
aus der ZeitOtto'slI. herrühi'cnd, der 1790 unter den übrigen Reichs-
kleinodien im gazophylacium der Spitalkirche zu Nürnberg sich noch
vorfand. Derselbe, in rothem Purpur mit charakteristischen Goldmu-
sterimgen durchwirkt, zeiarte in frühromanischen Versalbuchstaljen
eine eingewirkte Widmungs-Inschrift, die von Murr so zusammenge-
stellt und geordnet hat : „Ea vincimina Oftoni praecelso regum, cui
acris virtus sie crescat". Die äussersten Theile des Gürtels waren
nach beiden Seiten mit dünnen Goldblechen eingefasst, die in getrie-
bener Arbeit zu einem Löwenkopfe sich gestalteten und aus deren
geööneten Rachen je eine Perle hervorragte. Wie die meisten älteren
Gürtel wurde derselbe ehemals vermittels seidener Schnürchen,
fnnwuli, die auf der Rückseite des Gürtels meistens im Futterstofl'
eingenäht und befestigt waren, auf der Brust zusammengebunden
und alsdann die Schiirzung der kaiserlichen Albe vorgenommen.
Zur Erklärung der obigen Angaben des Anastasius darf nicht
übersehen werden, dass an dieser kaiserlichen vivrena fünf roth und
blau gewirkte seidene Schnüre (pendula) hingen, an welchen fünf
goldene pomella befestigt waren, welche je auf ihrer Oberfläche
durch vier Perlschnüre jedesmal in vier Capseln getheilt wurd(!n.
Diese huticulae, wie sie Anastasius genannt haben würde, in Form
1) Joh. Bastaniaiit. tom. 1. de rcptilibns animantihns s. Sorip. Iii). ITT. f'ap.
1, u. 4.
- 53 —
von kleinen, gekerbten Melonen, waren im Innern hohl, und be-
fanden sieh darin kleine Stückchen von Eisen, so dass diese po-
mella ])eim Gehen aneinander schlugen und einen leisen schellen-
den Klang vernehmen liessen. Es will fast scheinen, als ob diese
inni-eiKie in Gold gewirkt mit ihren kostbaren pendulae in Perlen
und Edelsteinen zur Zeit Karl's des Grossen und Ludwig's des
Eruüunen auch von den Bischöfen im Profangebrauche in ähnli-
cher reicher Ausstattung häufig angelegt worden seien. Denn beim
Lambecius findet sich eine Stelle aus der Lebensbeschreibung Kai-
sers Ludwig des Frommen , wo es heisst , dass damals Bischöfe und
Clcriker anfingen , die reich mit Perlen verzierten Gürtel, desglei-
chen auch cingula, die aus Goldfäden gewirkt waren, ^) abzulegen.
Auch in den alten Annalen von Anagni^ der Geburtsstadt des
grossen Iimocenz III., werden unter andern kirchlichen Kleinodien
reich in Gold gewirkte und mit Perlen und Edelsteinen verzierte
kirchliche Gürtel naudiaft gemacht-). Aehnlich wie an dem Kai-
sergürtel Otto's, auf den wir oben im Vorbeigehen hingewiesen
haben, waren auch an dem reichen halilieus, der einem Anonymus
zufolge bei der feierlichen Salbung und Inthronisation Papst Pa-
schalis"' II. zur Anwendung kam, sieben pendulae befestigt, an wel-
chen sieben Ornamente, ähnlich den Siegeln an dem Buche der
Apokalypsis hingen •^).
Da heute Gürtel avis der romanischen Kunstepoche in Wirk-
lichkeit kaum mehr anzutreffen sein dürften, die ehemals beim bi-
schöfiichen Pontificalornate zur Anwendung gekommen sind, so
sei es gestattet, noch auf die heute erhaltenen kaiserlichen Gürtel
als Parallele zu der zona episcopalis im XII. Jahrhundert hinzuwei-
sen, zumal es geschichtlich feststeht, dass die einzelnen bei der
feierlichen Kaiserkrönung gebräuchlichen Ornate in ihrer Form
und Verzierungsweise mit den betreffenden bischöflichen Gewän-
dern vollständig übereinstimmten. Von den vier haltliei, die sich
') Vergl. Du Cauge ad voc. baltheus „....Ipsius cleiiique tempore coeperuut de-
poiii ab EpiscoDis et Clericis baltliei gemmeis culturis honorati et cingula
auro compta et exquisite, et alia saecularia paritcr oniameuta."
-) Auuales Aiiiaueuses : „. . . .Uuam vero pai tem sibi reservavit, quam dedit Bene-
dicto Abbati S. iXuiaueasis Arcliisterii, ^'idL■Iicet Crucis Doniinicae cum gem-
mis, bratheas aureas contextas cuia genuuis , baltlioos auret)S similiter gem-
matos, calices am-eos etc "
Anonymus iu vita Pascbalis II P. P. „....Deiudc in Patriarchale ascendcns
Palatium ad duas curules devenit. Ilic baltbeo percingitur cum Septem
exinde pendeutibus clavibus, ex quo sciat septem sigillis (Apoc. V, 1.) septi-
formem Spii-itus saucti gratiam cuuctai-um Ecclesiai'um "
— 54 —
bis zum Schlüsse des vorigen Jahrhunderts bei den übrigen deut-
schen ßeichskleinodien befanden, sind durch unglückliche Zwi-
schenfälle leider die zwei hervorragendsten abhanden gekommen.
Der ältere dieser heut nicht mehr vorhandenen Gürtel aus der
Zeit der Ottone wurde vermittels im Innern angehefteter Sei-
denschnüre angebunden; der andere schmälere hingegen, der
ebenfalls heute verschwunden ist, hatte am obern Ende eine gol-
dene Schnalle (morsus), damit er vermittels derselben angelegt
werden konnte. Jenes Stück in Länge einer Nürnbergischen
Elle, das von Murr noch gegen Schluss des vorigen Jahrhunderts
von diesem kaiserlichen Gürtel sah, bestand aus einem dichten
GcAvebe von stai-k vergoldeten Silberfäden ohne Verbindung von
Seidenfäden. Wie das Filigran in Goldfäden auf der Schnalle
dieser letztgedachten zona erkennen liess, war auch dieser Gürtel
nebst den hervorragendsten andern Pontiflcal-Gewändern im Hotel
de tirraz zu Palermo im XII. Jahrhundert angefertigt worden.
Als merkwürdiges Gegenstück zu dem eben gedachten ab-
handen gekommenen Pontificalgürtel, der nur eine Breite von drei
Centimeter hatte, befindet sich heute noch unter den lieichskleino-
dien ein kostbarer Zw/i/<e;«s, der eine Breite von mehr als sechs Cen-
timetern aufweist. Auch dieser Kaisergürtel wird vermittels einer
Schliessc von vergoldetem Silber angeschnallt, die keinerlei Verzie-
rungen zeigt. Dieses Gewandstück, das vom Bordenwirker auf einem
kleinen Handstuhl in Gold und Seidenfäden angefertigt worden
ist, lässt auf seiner mittleren weiten Fläche eine grössere Zahl von
eingewirkten Thierfiguren in einer Stylisirung erkennen, wie die-
selbe in der Weberei und Stickerei gegen Mitte des XII. Jahrh. häu-
figer angetroffen werden Die in den GoldstofT eingewebten Thierun-
holde wechseln stellenweise mit eingewebten lilienförmigcn Orna-
menten ab. Den beiden äussern Abtrennungsrändern entlang erblickt
man die Anfangsworte einer ältern griechischen Litanei in lateini-
scher Wiedergabe, nämlich in romanischen Versalien die Woi-te:
„Christixs regnat, Christus imperat, Deus Christus vincit". Damit
das Goldaewebe des breiten Gürtels durch das Anschnallen nicht
leicht Schaden nehme, hat der Verfertiger desselben drei transversal
gelegte Spangen in vergoldetem Silber anbringen lassen, in deren
metallene Oefinungen die Zungen der Schnalle eingreifen konnten.
Wir glauben mit Grund annehmen zu sollen, dass der eben ge-
dachte reiche Gürtel mit seiner Schnalle, vorfindlich unter den
ehemaligen deutschen ßeichskleinodien, vornehmlich als chu/iihon
militare zu betrachten sein dürfte, um in Verbindung mit demselben
an besondern Tragbändern eines der verschiedenen Kaiserschwerter
- 55 —
anlegen zu können. Die letztgcdaclite Annahme dürfte auch darin
eine Bestätigung finden, dass das oben erwähnte in den Gürtel ein-
gewirkte Leoendariuni in derselben Ausdrucksweise auf der Hand-
lialjc des heute noch vorfindlichen deutschen Kaiserschwertes sich
eingravirt findet, das unter den Reichskleinodien die Bezeichnung
gladius Sancti Mauritii führt.
Zur Aufschürzung der kaiserlichen Pontificalalbe wurde bei
den altern Krönungen deutscher Kaiser ein blau seidenes schmäleres
cingidwn gebraucht, das sich heute noch unter den übrigen Klei-
nodienstücken im Schatze der Hofburg zu Wien erhalten hat und
das einen "Sichern kSchluss ziehen lässt, von welcher Gestalt, Aus-
dehnung und künstlerischen Beschaffenheit die reichern bischöfli-
chen zonue im Älittelalter gewesen seien. Dieser zuletzt gedachte
Gürtel besteht aus einem schweren geköpperten Seidenstoffe von
blauer Farbe und hat ungefähr die Breite eines Daumens. Im
Innern befinden sich zwei aufgenähte seidene Schnüre, vermittels
welcher dieser Gurt nach Anlegung der Albe bequem auf der
Brust zusammen o-ebunden werden konnte. Nach der Anlesuner
hingen die beiden ausmündenden Streifen dieser zona noch bis
über die Kniee des Tragenden herunter und pflegte man vermit-
tels dieser herunterhängenden beiden Theile die kaiserliche Stole
in Kreuzesforni auf der Brust zusammenzuhalten und zu befesti-
gen. Diese beiden ausmündenden Bänder jenes cingulum imperiale
sind auf beiden Seiten mit Perlrändern eingefasst und befinden sich
auf der Oberfläche derselben stellenweise als Verzierungen kleinere
durchbrochene Filigranornamente in Gold aufgenäht. ')
Neben diesen bischöflichen cingula aus verschiedenfarbigen
Seidenstoffen mit gestickten Ornamenten und nicht selten mit
Perlen imd Edelsteinen verziert, kamen zweifelsohne im Mittelalter
auch reichere (hirtel im kirchlichen Gebrauche vor, die der
Vorliebe des XII. und XIII. Jahrh. für Gewandstücke mit eingre-
Avirkten Sprüchen Vorschub leisteten. Da sich bischöfliche Gürtel
mit Inschriften gemustert heute nicht mehr vorfinden, so möchte
es hier am Orte sein, in Abbildung eine zona zu veranschaulichen,
von Avelclier eine ehrwürdige Tradition angibt, dass sie von der
h. Elisabeth herrühre. Dieser Gürtel, der sich ehemals in Köln
befand und als Ehrengeschenk kürzlich in den Besitz des Grafen
Montalembert überging, hat eine Breite von nur 2'/2 Centimeter
') Wir werdt'u im 2. Baude ilor „Klciuodiou des hoiligon römischen Reiches
deutscher Nation" die beiden heute noch erhaltenen zonae imperiales in Ab-
bildung und Beschreibung veröflentlichen und zugleich auch eine Copic der
beiden verloren gegangenen Kaisergürtel hinzufügen.
- 56 —
und eine solche Länge, dass nach Anlegung desselben noch ein
ziemliches Stück erübrigt. Dieser Gürtel zeigt in einer eigen-
thümlichen Textur auf seiner Oberfläche ein Goldgewebe, abwech-
selnd mit grünem imd gelbem Einschlag. Durch die Länge der
Zeit sind die Goldfäden auf der Oberfläche heute fast jränzlich
verschw'unden und macht sich, in kleinere Quadrate abgetheilt, nur
noch der verschiedenfarbige Einschlag kenntlich. Aehnlich wie
an dem oben beschriebenen Kaisergürtel mit den Inschriften:
„Christus regnat, Christus imperat etc.," sind nicht nur wie auch
an dem ebengedachten kleinere symbolische Thiergestaltcn des
Hirsches, der Taube, des Löwen, desgleichen auch die For-
men der fleur de Iis eingewirkt, sondern an beiden Rändern des
schmalen Gürtels erblickt man auch in romanischen Versalbuch-
staben Inschriften, die auf das Lob der allerseligsten Jungfrau
Bezug nehmen. Der gelehrte Verfasser des Lebens der h. Elisa-
beth hatte die Zuvorkommenheit, uns die Reliquie behufs der Ab-
zeichnung zuzustellen ') und ist es uns nach längeren Versuchen
gelungen, die sehr unleserlich gewordenen Inschriften zu ermitteln.
Auf der einen Seite liest man öfters zurückkehrend folgendes Le-
gendarium: „ . . . . ingressus angelus ad Mariam dixit, ave gratia
plena, dominus tecum, benedicta tu in mulieribus et benedictus fru-
ctus ventris tui". Auf der andern Seite scheinen Sprüche einge-
wirkt zu sein, die den Hymnen aus den Tageszeiten der Ilim-
melskönio;in entlehnt sind. Einen Theil dieses merkwürdigen
cinguluiH haben wir auf Tafel V Fig. 3 in verkleinertem Maass-
stabe veranschaulicht. Auch dieser Gürtel ist am obern Abschluss
mit einer schweren silbervergoldeten Schliesse (reservaculum) be-
setzt, vermittels welcher derselbe befestigt und angeschnallt werden
konnte. Ein Vergleich des in Rede stehenden cingulum St. Elisa-
beth mit dem gleichartig gewebten kaiserlichen Giirtel in Wien
gibt nicht nur hinsichtlich der Technik, sondern auch hinsichtlich
der eingewebten Musterungen den f actischen Beleg, dass die ehr-
würdige Tradition, die an diesem cingulum haftet, vollkommen mit
der Zeit übereinstimmt, in welcher die h. Elisabeth durch ihr
gottgefälliges Leben ihre Zeitgenossen erbaut hat.
Es dürfte nun in Frage gezogen werden, welche Formver-
wandtschaft das cinguhiin der h. Elisabeth mit den bischöflichen
Albencjürteln des XII. und XIII. Jahrh. gehabt habe. Wenn auch
darüber eine Meinungsverschiedenheit obwalten kann, ob die reichern
') Vergl. unsere ausführliche Beschreibung dieses Gürtels in dem „Kirchen-
schmuck etc." V.Band 6. Heft Seite 102— 105. Stuttgart 1859.
— 57 —
cihgula zum bischöflichen Gebrauche mit einer Schnalle zum An-
lernen verziert gewesen seien, so dürfte doch olme den mindesten
Vorbehalt in der auf Taf. V Fig. 3 veranschaulichten zona literata ein
Modell zu erblicken sein, wie die reich verzierten Pontifical-Gür-
tel in jenen glauben scifrigen Jahrhunderten künstlerisch ausgestattet
zu werden pflegten, in denen überhaupt die kirchlichen Gewänder
und liturgischen Gcfässe von Seiten der Kunst eine so sorgfältige
Behandlung gefunden haben. Dass das cinguhtm überhaupt im
Mittelalter als integrirender Theil des Messornates eine grössere
Beachtung und eine mehr kiinstierische Ausbildung erfahren habe,
als dies seit den letzten Jahrhunderten der Fall gewesen ist, lässt
sich aus Angaben älterer Schriftsteller deutlich entnehmen. Be-
vor wir im Folgenden die Angaben älterer Schatzverzeichnisse
über das Stoffliche und die Beschaö'enheit der reichern Gürtel des
Mittelalters anführen, möchten Avir hier, wenn auch nachträglich, auf
die verschiedenen Benennungen der Gürtel und deren Unterschel-
dunsren noch aufmerksam machen, wie sich dieselben bei ältern Glos-
satoren vorfinden. Isldorus, dem auch der spätere Papias gefolgt
ist, theilt die damals auch im profanen Gebrauche häufig befind-
lichen Gürtel nach ihrer Breite ein, und sagt: „cinctus (al. cinc-
tura) est lata zona; minus lata, semicinctium ; minima, cingulum."
Nach dieser Definition wurden also die Gürtel von der grössten
Breite zu den cincturae, cinctus gezählt ; die schmälsten nannte man
mit der auch heute noch für diese einfachen Gewandstücke sfe-
bräuchlichen Bezeichnung : cingula.y^elcXiQ Axt Gürtel pflegte man
indessen auch noch im spätem Mittelalter mit dem Ausdrucke scmi-
cinctium zu benennen ? Nach der obigen Angabe des Isidorus und des
Papias also mehr oder weniger reiche Gürtel von mittlerer Breite.
Gerade diese Gürtel von mässiger Breite und nicht zu grosser
Längenausdehnuno- scheinen vor dem X. Jahrhundert vielfach bi-
schöflichen Gebrauches gewesen zu sein. So sandte Nicephorus *),
Patriarch von Constautinopel, dem Papste Leo III. unter andern bi-
schöflichen ' Ornaten , einem goldenen Brustkreuze (encoljmim), einer
weissen iunica und braunen pemda eine inconsnülis stola et seini-
cinctia auro variegata. Dem Berichte . der früher erwähnten Cas-
sinensischen Chronik ^) zufolge kaufte der Abt Desiderius gegen
Mitte des XI. Jahrh. unter andern reichen liturgischen Pontifical-
Ornaten auch „novem stolae auro textae cum manipulis et semi-
') Vgl. Du Gange, Gloss. lat. med. aevi ad voc. semicinctium.
2) „Kii'chenschmuck" VII. Bd. 4. Heft 1. c, uud ferner: Du Gange Gloss. s.
V. semicinctium.
- 58 —
cinctlis." Aeltern Glossarien zufolge diirfte der Ausdruck semicinc-
tium verschieden zu deuten sein, und verstand man in verschiede-
nen Diöcesen des christlichen Abendlandes, wie das auch Prof.
Dr. Hefele ') hervorhebt , darunter ein ausschliesslich bischöfliches
Ornatstück, das, dem manipidus gegenüberstehend, an der rechten
Seite und zwar am cingulum befestigt, als mehr oder weniger
reich verziertes nmJarium getragen wurde; ein solches bischöfliches
Ornament scheinen jene oben angeführte semicinciia gewesen zu
sein, die der Patriarch Nicephorus nebst andern Pontificalien Leo
III. zum Geschenke machte. Die semicinctia jedoch , die der Abt
Desiderius nach dem Obigen ankaufte, sind unbedingt, wie das
aus der Zusammenstellung mit andern Ornaten und aus der gros-
sen Anzahl zu entnehmen ist, als schmälere Gürtel zur Aufschür-
zune: der Albe zu betrachten, die wie die betreffenden Stolen und
Manipel ebenfalls in Gold gewirkt waren
Da die cingula von allen bischöflichen und priesterlichen Or-
naten die geringste stoffliche Ausdehnung hatten und deswegen
auch verhältnissmässig wenig Raum zur Anbringung von reichen
Verzierungen darboten, so leuchtet es ein, dass dieselben meist
als Zuaaben der Alben seltener in kirchlichen Inventaren namhaft
gemacht werden. Die ältesten Angaben über reichere Gürtel fin-
den sich in einem Schatzverzeichnisse des Stiftes von St. Georg
in Köln aus dem Schlüsse des XI. Jahrhunderts; in diesem In-
ventar werden an einer Stelle aufgeführt: II cingula und gegen
Schluss des Verzeichnisses nochmals: d7io cingula wnim de pallio
aliud de serico. Eines dieser cingula von St. Georg war also aus
Leinenstoffen anaefertist und wahrscheiidich mit Stickereien ver-
sehen ; ein anderes bestand aus Seidenstoffen.
In dem öfters citirten Inventar der „Ecclesia Sarum" in Eng-
land von 1222 werden namhaft oemacht unmittelbar nach den
') Prof. Dr. Hcfole gcbülu-t d;is Yerdionat, in einer Abhandlung des „Kiidien-
schmuck" VII. Bd. 4. Heft S. 51 auf die Bedeutung der Clirouik von Monte
Cassino des Leo von Ostia (Monum. Germ, bist., t. IX.; Scriptor. t. VII.)
für das Studium der liturgischen Gewiinder und Gefässe dos frühen Mittel-
alters hingewiesen zu haben, und unterlassen wir nicht, auf die obigen
Allgaben des „Kircbcnschinuckes" hier aufmerksam zu macheu.
-) Unter den semicinciia könnten auch, iiltern Glossatoren zufolge, im fridiesten
Mittelalter schmälere cinijuJa verstanden worden sein, die beim Aufschürzeu
doppelt genommen und durch eine eigenthümliche, auch heute noch vielfach
in der Kirche gebränchliche Knotenschlinguug befestigt wurden. So
düi-fte auch die Erklärung des Papias zu deuten sein, wenn er sagt : „Semi-
cinctium , minus lata zona, dictum quod dimidium cingat; desgleichen auch
Johannes de Jauua: Semicinctium, dicitur eo quod dimidium cingat."
— 59 —
seidenen Alben: „zonac de scrico IX et aliae XII'); III vesti-
menta piicrorum veteva cum zonis VIII nullius pretii." -)
Auch in dem Inveutaie des Domes von Chartres vom Jahre
1337 finden wir nur zwei seidene Gürtel , wahrscheinlich für bi-
schöflichen Gebrauch, verzeichnet. Es heisst nämlich daselbst: „II
zonae de scrico."
Neben diesen meist bischöflichen cingula in Seide, die nicht sel-
ten mit Perlen- und Goldstickereien verziert waren, kamen in Stifts-
und Pfarrkirchen im Laufe des Mittelalters auch vielfach Gürtel
in Gebrauch, die aus schweren Leinenstofi'en als Zwillich bandförmig
gewirkt waren. Bei diesen leinenen zonae, die in der Regel eine
Breite von 5 bis 6 Centim. zeigen, hat man es dennoch nicht unter-
lassen, durch Nadelarbeiten Stickereien von vielfarbigen Blumen anzu-
bringen. Desgleichen kommen auch sogar jene phantastischen Thier-
gestalten in Seide gestickt in diesen Gürteln als Ornamente vor,
die in den decorativen Künsten des Mittelalters eine so bevorzugte
Rolle spielen. Unsere Privatsammlung von mittelalterlichen Ge-
weben und Stickereien hat noch vier solcher Gürtel in schweren
Leinenstoffen von der eben an<ie2:ebenen Breite aufzuweisen , die
sänmitlich mit verschiedenfarbigen Musterungen in Seide verziert
sind. Dieselben gehören, wie es den Anschein hat, dem XIV.
und XV. Jahrhundert an. Auf Tafel V Fig. 2 ist im verkleiner-
ten Maassstabe ein älteres eingulum , aus Gold- und Silberfäd %
gewirkt, in Abbildung niitgetheilt, das in einer ehemaligen Cister-
cienser- Abtei des nördlichen Deutschlands vorgefunden Avurde
und in der letzten Hälfte des XV. Jahrhundei-ts angefertigt wor-
den sein dürfte. Dieser Gürtel, in der Breite von kaum zwei
Centim., besteht aus einer kunstreichen Wirkerei von Silberfäden,
die kleinere zusammenhängende Quadrate bilden, innerhalb wel-
cher der Posatnentirer in starken Goldfäden Kreuze eingewirkt
hat, deren Zwischenräume mit violetter Seide ausgefüllt sind. An
den beiden Ausmündung-en dieser 1 Metre 68 Centimetres langen
zona sind in Goldfäden zwei grössere Quasten angebracht, die in
ihrer Zusammensetzung erkennen lassen , wie gegen Schluss des
Mittelalters der Posamcntirer es verstand, für kirchliche Zwecke
') Wnbrscheinlich bofanden sich unter diesen cinguJa von Seide reich verzierte
bischiifliche Gürtel. Die zwölf andern scheinen aus Leiumstoffen bestanden
zu haben.
^) In frühem Zeiten trugen die Chorknaben ebenfalls Alben, welche vermittels
Gürtel aufgeschürzt wurden. Diese acht Gürtel zum Gebrauch der Chor-
knaben scheinen älter und abgenutzt gewesen zu sein.
— 60 —
ßmhriae zu Avirken, die eine profane Wii-kung nicht aufkommen
Hessen. Der in Rede stehende Gih-tel ist im Innern mit einem
violetten Seidenbande gefüttert, an welchem zwei Schnüre ange-
näht sind, um vermittels derselben dieses Ornament anzulegen und
zu befestisjen. Sowohl das kostbare Gewebe des Oberthells als
auch die siibductura in violetter Seide dürfte zum Belege dienen, dass
der in Rede stehende Gürtel ehemals bei feierlichen Pontifical-
Messen von einem infulirten Abte getragen wordeji ist.
Da in der tunica inconsutilis des Heilandes von einigen Litur-
gikern das Vorbild der priesterlichen Albe erschaut w^orden ist,
desgleichen in der zona Doinon das Vorbild des Gürtels, mit Avel-
chem bekleidet der Priester das unblutige Opfer der Versöhnung
feiert; so lag es nahe, diesen Gürtel mit der Person des Herrn
dadurch noch näher in Verbindung zu bringen, dass man in den-
selben durch die Kunst des Webers die bekannten instrumenta
Dominicae passionis eimvirken Hess, imd dass man ferner zur
Erinnerung an das Leiden und die Veiherrlichung des Herrn die-
sem cingulum jene Länge gab , die das Grab des Heilandes heute
noch wahrnehmen lässt. Wir haben einen solchen merkwürdigen
Gürtel theilweise auf Tafel V unter Fig. 4 bildlich veranschau-
licht, und bemerken zugleich, dass derselbe eine Breite von 3'/2
Centimetres hat, bei einer grössten Länge von 2 Met. 16 Centimetres
ohne Einschluss der seidenen Fransen an den beiden untern Enden.
Dieser Gürtel ist in Weise einer schweren Tresse in gezwirnter
Seide auf einem kleinen Bandstuhle so gewebt, dass er, was das
Technische anbelangt , fast den Efi'ect einer Stickerei hervorruft.
Unten an den beiden Ausraündungen hat der Bandwirker das
grosse Jerusalemskreuz eingewebt und in den Zwickeln desselben
die vier kleinern Kreuze. Ferner wechseln in diesem cingulum
die verschiedenen Passionswerkzeuge mit Buchstaben ab Abkür-
zungen, deren Entzifferung kaum gelingen dürfte. In der Mitte
liest man in längHchen Vierecken abgetheilt auf rothem Fond fol-
o-ende Inschrift :
LONGITUDO SANCTISSIMI SEPULCRI DOMINI NOSTRI JESU CHRISTI.
Es will uns scheinen, dass dieser Gürtel, der im Abendlande
später in liturgischen Gebrauch übergegangen sein dürfte, von der
Industrie des Morgenlandes, und zwar im XVI. Jahrhundert, an-
gefertigt worden ist. Wahrscheinlich ist es, dass ähnliche cingula
zur Erinnerung an das Grab des Herrn in Menge angefertigt
Avurden und durch Pilger als Andenken in das Abendland ge-
bracht worden sind.
— 61 —
Noch erübrigt uns, hier einige Worte hinzuzufügen über die
einfachem Gürtel des Mittelalters und über die Ausdehnung und
Anlegungsweise derselben. Es leuchtet ein, dass neben den reich
verzierten bischöflichen cingula vind den jiriesterlichen Gürteln zum
Aufschürzen der Albe an Festtagen, auch noch einfachere an ge-
wöhnlichen Tagen das ganze Mittelalter hindurch in Gebrauch
waren , die ohne Stickerei aus starken Leinenfäden angefertigt zu
werden pflegten. Solche eiid'achen :oiu«' für den vsns i/i/ofiiJiinnis
haben sich in den Gewandkaniniern des Domes zu Halbersfndt
und der Marienkirche zu Danzig nocli erhalten. Diese einfachen
cwgvla von Leinen sind jedoch nicht als Schnur rimd gedreht,
sondern haben noch immer die Jireite zweier P'inger, auch zei<)-en
dieselben an den untern Enden längere Fransen in Leinen. Erst
im XVI. und XVII. Jahrhundert sind in verschiedenen fran-
zösischen imd deutschen Diücesen Gürtel in Aufnahme und (Je-
brauch gekommen, die vollständig abweichend von dem eioent-
lichen liturgisch feststehenden Giirtel mit seiner Ausdehnung nach
der Breite hin, strickförmig, gleichsam als Cordons rund gedreht
sind und an den untern Enden drei oder mehrere Quasten zeigen.
Diese letzten sind in der Kegel von Posamentirern oft über Ge-
bühr umfangreich und massenhaft in Weise von modernen Trod-
deln angefertigt Avorden. Unsere Sammlung hat ein solches ciii-
gulum aufzuweisen, das vollständig von dem kirchlich überlieferten
Gürtel mit seiner Breitenausdehnung abweicht und das als Cordon
mit rothen vierfachen Quasten an den untern Enden in do2)j)elter
Zusammenfügung die ungewöhnliche Länge von 2 M. 54 Centiin.
aufzuweisen hat. Dieses als Kordel rund gedrehte cinguluin dürfte
aus dem Beginne des XVII. Jahrhunderts herstammen, und liefert
den Beweis, dass der moderne Zeitgeschmack nicht nur einen ent-
stellenden profanisirenden Einfluss auf die hervorragenden liturgi-
schen Gewänder, sondern sogar auf die Jaluhunderte hindurch
feststehende Gestalt und Beschaffenheit des mehr untergeordneten
kirchlichen Gürtels gewonnen hat.
Die meisten zonae, die uns aus dem XV. Jahrhundert noch
zu Gesicht gekommen sind, haben mit den Fransen gemessen nur
eine massige Länge von ungefähr 2^/^ Metres, und scheint man
dieselben einfach und nicht doppelt angelegt zu haben. Man be-
festigte dieselbe auf der Brust, in der Art, dass man eine doppelte
Schleife in bekannter Weise bildete, die sich beim Ablegen durch
einfaches Ziehen leicht wieder aufliiste. Bei einer solchen An-
lesunc und J^)efesti<'iin2; hinuen die beiden äussern Enden des
Gürtels noch immer bis zu den Knieen herunter, so dass ver-
— 62 —
mittels dieser fmiiculi pendentcs die Anlegung und Befestigung der
Stole in Kreuzesform auf der Brust mit Bequemlichkeit vorge-
nommen werden konnte. Da uns nähere Angaben bei ältern Li-
turgikern fehlen, so lassen wir hier die an und für sich gering-
füscicTG Fraa;e unentschieden, ob es bereits im Mittelalter in meh-
reren Diücesen Brauch war, bei der Aufschürzung der Albe das
einffidum doppelt zu nehmen ') und ob in dieser doppelten Zu-
sammenfügung auf der Brust der sogenannte nodus gord.icus ge-
bildet worden sei , wie derselbe heute noch vielfach bei Anlegung
der zona in Gebrauch ist. Diese letztgedachte Anlegungs- und
Befestigungsweise des cingulum scheint schon deswegen erst aus
den letzten Jahrhunderten herzurühren , indem dieser sogenannte
gordische Knoten vermittels des Gürtels sich leichter schnüren
lässt, wenn derselbe rund als Kordel gedreht, anstatt dass derselbe
in der ältern Weise als eigentlicher Gürtel in Form eines breiten
Bandstreifens gestaltet ist. Die reichern Gürtel, namentlich zum
bischöflichen Gebi'auche, im frühern Mittelalter, die als murena
oder inurenulae, dem Vorhergehenden zufolge, aus Goldstoffen in
ziemlicher Breite gewirkt waren, wurden überhaupt nicht vermit-
tels eines Knotens geschürzt, sondern dieselben wui'den mit Bei-
hülfe zweier Schnüre angebunden, wie das auch an dem cingulum
angedeutet ist, das wir auf Tafel V Fig. 2 abgebildet haben.
6.
Stole und Manipel, „orarium, stola; mappula, manipula,
phanon."
Da in kirchlichen Schatzverzeichnissen des Mittelalters ge-
wöhnlich die bischöfliche reich verzierte Stole zugleich mit ihrem
entsprechenden Manipel zusammen gefasst und verzeichnet wird,
da ferner seit der spät-romanischen Kunstepoche Stole und Ma-
nipel dieselbe Form und Gestalt haben und nur hinsichtlich ihrer
Längenausdehnung sich unterscheiden: so sei es vergönnt, im Fol-
genden die Gestalt und künstlerische Ausstattung der bischöflichen
Stole und des Manipels als formverwandte und zusammengehörende
Ornate näher zu beleuchten und in Kürze nachzuweisen, wie diese
beiden Gewandstücke die verschiedenen Jahrhunderte des Mittel-
alters hindurch sich formell entwickelt und gestaltet haben. Nach
') Vielleicht dürfte, -wie im Vorhei'gclicmlen ansedentct, die iilterc BezeichinuiEt
srmirinrihnn auch auf eine solcJie Aulegungswoise des Gürtels zu dcutcu
sein.
— 63 —
Anlegung der Albe und Aufschürzung derselben vermittels des im
Vorhergehenden besprochenen Gi'trtols wird dem Bischöfe desglei-
chen auch dem celehrirenden Priester die Stole dargereicht, die er
gleichsam als torques um den Hals legt und dabei folgendes Gebet
spricht: „Redde mihi Domino stolam immortalitatis (juam perdidi
in praevaricatione primi parentis , et quaravis indignus accedo ad
tuum sacruni mysterium , mercar tamen gaudium sempiternuni. -
Wir haben in der dritten Lieferung dieses Werkes Seite 43')
bis 440 weitläufiger angedeutet, Avelohe veränderte Form und Ge-
stalt die Stole in den ersten Jalirhuiidcrfcn der Kirche aufzuwei-
sen hatte, ^ind haben unter Anführung der nöthigen Belegstellen
darauf hingewiesen , dass in der frühchristlichen Zeit die Stolen
faltenreiche Obergewänder von weissem Leinen gewesen seien.
Die reichern Stolen waren nach dem früher Gesagten ilirer can-
zen Ausdehnuno; nach mit schmalen verzierenden Bandstreifcn
fasciolae, angusti clavi in Seide und Purpurstoff verziert. Diese
fasciolae liefen aber nicht als reich verzierter Saum an dem
untern Rande der Albe herum , wie dies Bona ') auf die Mei-
nung des Baysius ') gestützt, anzunehmen scheint, sondern wie
das auf altern Mosaikbildern in den Absiden der Basiliken des
III., IV. und V. Jahrhunderts vielfach zu ersehen ist, waren diese
fasciolae auf dem faltenreichen Gewände der Stole in der Weise
aufgenäht, dass sie von oben nach unten parallel laufend die Stole
als verzierende Bandstreifen schmückten. Diese schmalen verzie-
renden Streifen sind auch deutlich zu ersehen an dem Gewände
des ministrirenden Clerikers, der zur Linken des Bischofs Maxi-
mianus auf Tafel X der 3. Lieferuno; mit dem Evanoeliarium in
der Hand dargestellt ist. xVls nun die Albe nach der nicht un-
begründeten Meinung des Durandus sich als selbstständiges prie-
sterliches Gewand zu entwickeln begann , ist der faltenreiche Lei-
nenstoft der alten Stole in Wegfall gekommen , und der Name
stola oder orarium Avurde nun von dem frühern Obero-eAvande auf
jene schmalen /amo/oe übertragen, die als Verzierimg, nicht Avie
Baysius im Widerspruch mit altern BildAverken anniiiunt. an den
Füssen als verbrämender Saun) diente, sondern die bereits nuf d(>r
altern Stole als ausschmückende Bandstreifen parallel neben ein-
ander laufend ersichtlich Avaren.
Nach diesen allgemeinern Andeutungen ül)er die Gestaltung
') Boiüi, rcrmn liturn-. üb. I, rn]). XXTV, n. VI.
-) Biiysius (k> rc vcsliariu, caj). 17.
Duramli, Rat. div. off. lib. IH, cnp. V. Nr. C.
— 64 -
der Stole aus einem faltcnveichen altrümischen Obergewande zu
der bandförmigen Ausdelinung einer iorques liegt uns hier die Un-
tersuchung ob, wie die so veränderte Stole seit der karolingischen
Zeit zunächst für bischöflichen Gebrauch o-estaltet und künstlerisch
verziert worden ist. Um gleich zu der angedeuteten Untersuchung
übergehen zu können, wollen wir bei der Beschreibung der siola
diaconatus in der folgenden Lieferung näher festzustellen suchen,
zu welcher Zeit die altchristliche Stole von einem faltenreichen
Obergewande auf die verzierenden fasciolae reducirt worden ist,
und werden wir auch bei dieser Gelegenheit die Bedeutung der
Bezeichnung orarium zu erörtern haben.
Schon bei den Lituigikern des IX. Jahrhunderts findet sieh
als Bezeichnung für die verzierenden Bandstreifen , die' von der
ehemaligen Stole geblieben waren, die synonyme Bezeichnung
orarium vor. So lesen wir beim Alcuin: „sequitur orarium id est
stola ')." Auch Honorius August, in seiner Gemma animae setzt
die atola mit dem orarium gleichbedeutend, indem er sagt: „deinde
circumdat Collum suum stola quae et orarium dicitur ^)." Dieselbe
synonyme Bezeichnung finden wir auch beim Rhabanus Maurus,
der weiter ausführt: „quintum est quod orarium dicitur, licet hoc-
quidam stolam vocent '')." Wie indessen Form, Gestalt und künst-
lerische Beschaffenheit der siola vor dem X. Jahrhundert gewesen
ist, ist aus den Angaben älterer Schriftsteller nicht zu ersehen.
Das aber dürfte als feststehend angenommen werden, dass beson-
ders die bischöfliche Stole als auszeichnendes Ehrengewand be-
reits in der karolingischen Zeit nicht nur durch die Kunst der
Nadel, sondern vielfach auch durch emailirte und ciselirte Orna-
mente in Gold und Silber künstlerisch verziert zu werden pflegte.
Dass bereits im VI. Jahrhundert Gregor, Bischof von ToiTrs, eine
Stole im Besitze gehabt und gotragen habe , die als siola literaia
mit den eingewirkten Worten: „in nomine Domini ora pro me" ver-
ziert gewesen sei, führt bereits der gelehrte Schannat an. Im VII.
Jahrhundert schenkte Etheldreda, erste Äbtissin von Ely, dem h.
Cuthbert eine Stole und einen Manipel, die die h. Königin selbst
mit grösster Kunstfertigkeit gestickt ixnd mit Perlen und Edel-
.«feinen reich verziert hatte '^). So lesen wir ferner in dem Testa-
') Alcumus do div. off. cap. 39.
Honor. gern, aiiim. Iii). I cap. 204.
■^)Rlial)an. Maur. lib.I cap. 19.
■•) Vita S. Etbflchitae etc., cap. IX, Nr. 22 (Acta Sanctor. ord. S. Beiicd saoc.
11, pag. 748).
05 —
mente «los RIpcliofes Riculf vom Jahre 915, dasa or seiner Kirche
vier Stolen mit (xohlstickereien zum Geschenk gemacht habe, und
dass eine derselben anstatt der Fransen mit Schellehen verziert ge-
wesen sei. ') Auch das ijionasficmn, miglicann.m erwähnt aus nicht
viel späterer Zeit einer Stole und eines Manipels, die mit den Bild-
werken von Heiligen geschmückt waren und an deren untern Ab-
schlüssen sich silberne Glöckchen befanden. 2) Dass es schon in
der Irüh-romanischen Kunstepoche gebräuchlich war, analog mit
dem Pallium des Hohenpriesters im Alten Bunde, die bischöflichen
Stolen an ihren untern Ausmündungen statt der Fransen mit gol-
denen Aepfelchen und Schellchen zu verzieren, lässt sich aus den
Angaben älterer Schriftsteller vielfach nachweisen. So ist es auch
bekannt, dass der h. Meinwerk, Bischof von Paderborn, ein Freund
und Zeitgenosse der grossen heiligen Bischöfe: Bernward's von
Hildesheim, Heribert's von Köln und Willigis' von Mainz, der von
ihm gestifteten Abtei Abdinghof unter andern reichen Geschenken
an Kirchenornaten und Gefässen sieben Stolen, aus Goldstoff' ver-
fertigt, verehrte, unter welchen sich zwei Stolen befanden, wo-
von die eine mit 27 und die andere mit 21 Glöckchen mit Ein-
schluss der dazu gehörigen Manipel und Gürtel verziert waren.
Auch aus der früher schon citirten Stelle der Angouleme'schen
Diöcesangeschichte geht hervor, dass man im Beginne des XII.
Jahrhunderts nicht selten die goldgestickten Stolen und Manipel für
bischöflichen Pontificalgebrauch mit Perlen und gefassten Edel-
steinen zu heben und zu verzieren suchte. Es wird nämlich da-
selbst angeführt, dass Bischof Gerhard im Beginne des XII. Jahr-
hunderts unter andern reichgestickten Pontifical -Ornamenten der
Kirche des heil. Petrus von Angoulcme schenkte: „manipuhun et
stolas cum lapidibus aurifrizatas." ^)
Wir könnten den Angaben älterer Schriftsteller folgend hier
noch in langer Reihe aufzählen, wie man im X. und XL Jahr-
hundert es vielfach versuchte, die reichern Stolen und Manipel zu
festtäglichem Gebrauch durch verschiedenartige Ornamente künst-
lerisch zu heben. Für die vorliegenden praktischen Zwecke dürfte
es jedoch rathsam sein, Umschau zu halten, wo sich aus dem X.
') Testamentum I\iculti opiscopi Holenensis an. 915 • „stolas qiiattuor cum auro,
Ulla ex illis cum tiiitiniiabulis."
^) Monasticum Anglic. tom. 3 pag. 317: ,.stola ot mniiipuli cum imagiiiibus et
in extrpiiiitatibus cum campainilis arg-eiiteis."
^) Vgl. Voyage de deiix Benedictiiis (Marteiio et Durand) 1720, 10. Ootnl).
Histor. pontific. et coniit. Engolisin. rap. XXXY. (Novae bibliotliecae nia-
nuscript. librorum, tom. prim., pag. -150.)
Liturgische Gewänder. II. 5
luul XT. Jahrh. heute noch ältere Stolen erhalten haben und wie
der Schnitt, die Längenausdehnung und ornamentale Ausstattung
derselben l)eschaüen gewesen sei. Leider fiiulcn sich heute hei den
Messgewändern des h. Heribert zu Deutz, des Bischofs Benno in
der ehemaligen Abteikirche zu Iburg bei Osnabrück und den Mess-
gewändei'n der grossen Bischöfe Willigis zu Mainz und Bernward
zu Hildesheim keine Stolen mehr vor, die zum Belege dienen
könnten , welche Form und Ausdehnung die Stolen und Manipel
im XI. Jahrhundert aufzuweisen hatten, die als integrirende Theile
zu den ebengedachten heute noch aufbewahrten alterthiunlichen
Messgewändern in Glockenform gehörten. Glücklicher Weise hat
sich, von dem Messgcwande des h. Anno herrührend, heute noch
eine merkwürdige Stole erhalten, deren äussere Beschaffenheit an-
deutet, wie die Stolen und Manipel, die zu den ebenbezeichneten
MespgeAvändern gehörten, formell gestaltet gewesen seien. Es be-
fand sich nämlich bis zum Schlüsse des vorigen Jahrhunderts in
der vom grossen Anno erbauten Stiftskirche von St. Georg zu
Köln ein Messgewand mit Stole und Manipel vor, die mit den
übrigen Kirchenschätzen und Reliquien von St. Georg bei dem Ein-
dringen der Franzosen ihrer Goldzierrathen entkleidet, und nach
Aufhebung des Stiftes später als Reliquien vom h. Anno in Privat-
besitz gelangten. Der letzte Besitzer dieser seltenen Ueberbleibsel
unterliess es nicht, die ehrwürdige Tradition seiner Besitzthümer
aufrecht zu erhalten, die auch durch den ei^enthümlichen Schnitt
und durch die Beschaffenheit der Seidenstoffe hinlänglich als her-
stammend aus der Zeit des h. Anno bewahi heitet wurden. Herr M.
konnte sich bei seiner Lebzeit von diesen Ueberresten einer grossen
Vergangenheit, obgleich öfters dazu aufgefordert, nicht trennen. Als
bei dem jüngst erfolgten Tode des Ebengedachten dessen Nachlass
öffentlich zum Verkauf gelangte, waren wir so glücklich, durch An-
kauf in den Besitz der camla et stola sti. Annonis zu gelangen. Ob-
schon die P^chtheit der beiden Gewandstücke nicht nur durch die
mündliche LTeberlieferung des seitherigen Besitzers, der beide Theile
bei Aulhebunor des Stiftes von dem ehemaligen Küster von St.
Georg erhielt, sondern auch durch die charakteristische Beschaffen-
heit der dazu verwandten schweren Seidenstoffe verbürgt wird, so
war es uns doch sehr erwünscht, in einem alten evangelistarium,
das ehemals dem St. Georgsstifte zu Köln zugehört ') hatte, und
') Nebst vielen andern Werthstücken der kirdilichen Goldsclimiedekunst be-
iludet sich dasselbe in der grossherzogl. Kunstkammer zu Darmstadt, die in
— 67 —
zwar auf den letzten Perg,imentselten desselben ein Inventar der
Kirchenschätze von St. Geor«i ans dem Beo;inne des XIV. Jahr-
hunderts herrührend vorzufinden, worin wir unter Aufz.ählung von
andern Reliquien von dem Erbauer der besagten Kirche auch fol-
gende Ano;abe fanden:
„Item casula ') sti. Annonis cum stolis et manipulis suis."
Die Stole des h. Anno hat, wie überhaupt die Stolen des
frühern Mittelalters, eine ziemlich bedeutende Länge. Dieselbe misst
nämlich ihrer grüssten Ausdehnung: nach 2 Metr. 77 Centimetr.
ohne Einschluss der Fransen an den untern Ausmündungen. Die
Breite derselben beträgt nur ß'/j Centimtr. Aehnlich den Stolen
des XI. Jahrhunderts ist dieselbe aus einem äusserst schweren
Seidenstoffe der Länge nach geschnitten und aus drei Theilen zu-
sammengesetzt. Hinsichtlich der Fabrication und der Schwere ist
das Gewebe an der in Rede stehenden Stola des h. Anno voll-
kommen identisch mit den ähnlich fabricirten Seidengeweben an
den gleichzeitigen Messgewändern des Erzbischofs Willigis zu Mainz,
des h. Bernward zu Hildesheim und des h. Bernhard zu Xanten. Die
Mustei-ungen an dieser Stole des h. Anno sind, nach Ai-t der orien-
talischen Zendalstoffe des XI. Jahrhunderts gleichsam vertieft ein-
geritzt, nur undeutlich zu erkennen. Das Motiv derselben stellt
sich dar als zusammenhängende, elliptisch zugespitzte Kreise , die
im Innern von tellerförmigen Rundmedaillons ausgefüllt werden,
eine Art von gemusterten Seidenstoffen, die Anastasius Bibliothe-
carius als paJlia scufellata oder als holoserica cum orhiculis et scutel-
lis bezeichnet. Erst im XV. Jahrhundert scheint man die in Rede
stehende Stole des h. Anno, deren heute erloschene Farbe ein dunke-
les Gelb erkennen lässt, das an's Purpurviolett grenzt, der Vereh-
rung wegen mit neuem Futterstoff und neuen Fransen versehen
zu haben.
Ausser dieser Stole des h. Anno befindet sich in unserer
Sammlung ein anderes orarium in einem ähnlichen schweren Sei-
dengewebe mit einer Musterung des XI. Jahrhunderts in durch-
aus ähnlicher Farbe und gleichen Dessins, wie sich dieselben an
den ersten Decennien dieses Jahrhunderts in den Besitz der reichlialtigen
Kunstsammlungen des Baron von Hüpsch, eines ehemaligen Kölners, ge-
langt ist.
') In der dritten Lieferung unseres „heiligen Kölns'' haben wir dieses Schatz-
verzeichniss von St. Georg in seiner Ganzheit mitgetheilt und mit erklären-
den Anmerkungen versehen. Die oben erwähnte Casel Sti. Annonis soll in
einem folgenden Abschnitte näher bescluüeben werden.
5*
— r>8 —
dem glorkenfürmigen Mespgewaiid des Erzlilscliofs Willigis in der
St. Steplianskirche zu Mainz kenntlich machen. Diese Stole haf die
auffallende Breite von 12 Centim. bei einer Länge von 2 Äfetr.
5G Centim. Auch diese Stole ist wie die vorhergehende aus drei
Längenstreifen eines geküpperten Zendalstoff'es zusammengesetzt
und hat das Gewebe , trotz seiner Schwere , durch's Alter schon
sehr gelitten. Wie schon früher bemerkt, ist es ein charakteristi-
sches Merkmal der altern Stolen, namentlich aus der romanischen
Kimstepoche , dass sie eine auftallende Längenausdehnung hatten.
Damit sie nicht bis auf die Füsse des Celebranten herunterhingen,
mussten sie nach ihrer Anlage in forma rrucii auf der Brust,
umfangen von den beiden Enden des cingidniii , befestigt und
ein wenig heraufgezogen werden, wodurch sich eine malerische
Drapirung und Anlegung derselben ergab, wie dies auf Tai'. IV
Fig. 1 ersichtlich ist. Eine dritte Stole unserer Sammlung, die
dem Beginne des XII. Jahrhunderts angehört, und noch unverletzt
in ihrem ursprünglichen Zustande sich erhalten hat, lässt bei einer
aulfallenden Längenausdehnung von 3 Metres 7 Centim. nur eine
Breite von 5 Centimetr. 7 Millimetr. erkennen. Diese interessante
Stole, die nicht aus einem Stoffe geschnitten, sondern auf einem
Bandstuhle fast in Weise einer Tresse gewirkt ist, besteht aus
weisser Seide und gibt eine zusammenhängende Musterung als
Flechtwerk zu erkennen, in einem auffallend ähnlichen Dessin, wie
dasselbe an den schmalen Bandstreif'en einer ältei-n Mitra in St. Peter
zu Salzburg ersichtlich ist. Auf Taf. XVI Fig. 1 ist diese Mitra
von Salzburg mit ihren gemusterten faf<ciolae abgebildet. Die Stole
selbst, wovon zuletzt die liede war, haben wir auf Taf. XVIII.
Fig. 1 in ihrer stofflichen Eigenthümlichkeit in natürlicher Breite
veranschaulicht.
Noch unterlassen wir nicht, darauf aufmerksam zu machen,
dass diese eben gedachte Stole auf Taf. XVIII Fio;. 1 mit zwei aus
rothem Seidenfutter eigens angenähten Pcdalstücken verziert ist, auf
welchen die Stickerin zur Ausschmückung schmale gemusterte Gold-
tressen transversal aufgenäht hat. Diese Schlussstücke erweitern
sich nach unten hin in der Weise, wie man auf altern Bildwerken
nicht nur die Stolen , sondern auch die erzbischöflichen Pallien
mit besondern Fussstücken abgebildet findet. Merkwürdiger Weise
stimmt in Länge und Breite diese Stole mit jener vollständig über-
ein, die, vom h. Bernhard- herrührend , die Liebfrauenkirche zu
Trier heute noch besitzt. Diese letztgedachte Stole ist ebenfalls als
schmales Band von schwerer Seide der Länge nach gewebt und
ist, dem Gebrauche des XII. Jahrhunderts gemäss, auf violettem
- 69 —
Grunde mit jenen phantastischen Thierunholden in weisser Seide
gemustert, wogegen als Ausgeburten der Künstlerphantasie seiner
Zeit der h. Bernhard gewaltig geeifei-t hat. ') Auf Taf. XVIII Fig. 2
haben wir in natürlicher Breite einen Theil dieser Stele der Trierer
Liebfrauenkirche bildlich wiedergegeben und bemerken dazu, dass
sich die darin vorkommende Thierniusterung als feststehendes Mo-
tiv immer wiederholt. Eine ähnliche Stole, fast in derselben Brei-
ten- und Längenausdehnung, als reich gemustertes Bandgewebe in
Seide sahen wir in einer kunstreich verzierten und ciselirten Capsel
in Silber, die heute noch in der ehemaligen Stifts- und jetzigen
Pfarrkirche zu Aschaff'enburg aufbewahrt wird. Leider ist uns der
Name jenes Heiligen entfallen, welchem diese Stole zu Aschaffen-
burff ang-ehöi't hat. Die eingewirkten Ornamente in dieser äusserst
schmalen Stole schienen uns anzudeuten, dass sie im XI Jahrhun-
dert ihre Entstehung gefunden habe.
Professor Sighart berichtet in dem IX. Hefte des „Kirchen-
schmuckes" I. Bande 1858, dass auch in der alten Klosterkirche
zu Andechs (nicht weit von München) als Reliquien noch drei
Stolen heute aufbewahrt werden , wovon eine dem h. Ulrich und
eine andere dem h. Papst Gregor zugeschrieben wird. Es wird
ferner von dem ebengenannten Sachkenner über diese Stolen mit-
setheilt, dass dieselben eine ausserordentliche Länge und kaum die
Breite von zwei Fingern hätten. Wir sind vollkommen mit unserra
kunsterfahrenen Freunde darin einverstanden, dass diese Stolen zu
Andechs mit Zickzackmusterungen hinsichtlich ihrer Entstehung noch
dem ersten Jahrtausend angehören dürften; dem auf Seite 63 Ge-
') Diese merlovürdige Stelle geben wir hier deswegen ihrem Wortlaute nach
wieder, weil darin in meisterhafter Schilderung alle jene phantastischen Thier-
gehilde gekennzeichnet sind, die zwar dort in Stein geschnitzt (in marmori-
bus) aber auch vornehmlich hi reichen meist orientalischen Seidenstoffen selbst
die liturgischen Gewiinder an Festtagen belebten. „. ■ ■ • Caeterum iu clau-
stris corara legentibus fratribus quid tacit illa ridicula monstruositas , mira
quaedam deformis formositas ac formosa deformitas; quid ibi inmiundae simiae,
quid feri leones, qiud monstruosi centauri, quid semihomines, quid maculo-
sae tigrides, quid milites pugnantes, quid veuatores tubicinautes? Videas sub
uuo capite multa Corpora et rursus in uno corpore capita multa. Cernitiu'
hinc in quadrupede cauda serpentis, illinc in pisco caput quadi'upedis ; ibi
bestia praefert equum, caprain trahens retro dimidiam, hic cornutum animal
equum gestat posterius. Tarn multa denique tamque mira diversarum for-
marum ubique varietas apparet magis legere libeat iu marmoribus quam in
codicibus, totumque diem occupare singula ista mirando quam in lege Dei
meditando. Pro Deum si non pudet ineptiarum cur vel non piget expen-
sarum?" Sti. Bernardi Apolog. ad Guilielmum abbat, cap. XI. (ad finem).
— 70 —
sagten zufolge sind wir jedoch nicht der Ansicht , dass die Stolen
jemals Verbrämungen der altern Caseln gewesen seien und daher
ihr Ursprung abzuleiten sei, sondern wir glauben, dass diese älte-
ren Ovaria zu Andechs ursprünglich als Stolen in Form von schma-
len Bandstreifen gewebt worden sind. ')
Im Gegensatze zu den äusserst schmalen und langen Stolen
des XI. und XII. Jahrhunderts, wie wir dieselben im Vorhergehen-
den besprochen haben, finden sich heute noch, der Ueberlieferung
zufolge, als integrirende Theile zu der casula Sti. Bemardi im
Schatze des Münsters zu Aachen eine reich in Gold gestickte
Stole mit dazu gehörendem Manipel vor, die von griechischen
Künstlern gestickt, die auffallende Breite von mehr als 12 Centim.
zeigen, bei einer Länge von 1 Metr. 88 Centimetres. Diese merk-
würdige Stole ^) nebst Manipel erinnert durchaus in Breite und
Verzierungsweise an das entsprechende Gewandstück des oqüqiov,
wie es heute noch in der griechischen Kirche in Gebrauch ist.
Auf dem ganz in Goldfäden gemusterten Fond dieser beiden Or-
natstücke erblickt man in Plattstich gestickt mehrere gefeierte Hei-
lige der griechischen Kirche in bischöflichen Gewändern, deren
Namen durch beigestickte griechische Inschriften näher angegeben
sind. Auffallender Weise zeigt dieser griechische Manipel bereits
eine kleine Erweiterung als Pedalstück an der Ausmündung; die
Stole jedoch endet unten geradlinig. Die fimbriae an diesen bei-
den Ornatstücken, in Gold und Seide gewirkt, sind mit grossem
Kunstsinne und Zierlichkeit als Knoten mit Fransen geschlungen.
Noch auf eine zweite Stole griechischen Ursprungs, die eben-
falls wie die vorher besprochene dem XII. Jahrh angehört, machen
wir hier im Vorbeigehen aufmerksam , die sich heute als coluinna
auf der Rückseite eines Messgewandes im Dome zu Kaschau in Un-
garn unzweckmässifj aufgenäht befindet. Es stimmt dieser ßest einer
ehemaligen Stole , der heute noch mit den Bildwerken fünf ver-
schiedener Heiligen verziert ist, mit der Charakteristik und der
Technik der gestickten Figuren an der Stole zu Aachen vollkom-
men überein und hat diese griechische Nadelmalerei zu Kaschau,
ebenfalls auf gemusterten Goldfond gestickt, dieselbe Breite, wie
') Es wäre sehr zu wünschen , dass in einer archäologischen Zeitschiift diese
Stolen zu Andechs niiliei- beschrieben und abgebildet würden.
-) "Wir werden nächstens diese seltene Stole und Manipel bildlich wiedergeben
und ausführlicher beschreiben in einem grossem Werke, das den Titel
führen wird: „Das Münster zu Aachen und seine Kunstschätze; Beschrei-
bung des Karolingischen Octogons, seiner spätem Anbauten und sämmtlicher
daselbst befindlichen Kunstwerke, mit mehr als 120 Holzschnitten."
— 71 -
die beiden vorher beschriebenen Ornatstücke im Schatze zu Aa-
chen. ') Die in rother Seide auf Gokl gestickten griechischen In-
schriften zu Häupten der Heiligenfiguren an dieser ehemaHgen
Stole des Kaschauer Domes lauten in Minuskelschriften, wie folgt :
„0 uyioQ yuß^ii'j'k uQ/. o uyiog icouv. o /()vooaTOf.tog, o uyioq yijiyo()iog
o d'ioloyog, o ayioq y.iQi'kXoq, o uymg t)/,^</;r(j/o;."
Bei der Seltenheit der Stolen und Manipel aus dem XII. und
XIII. Jahrhundert dürfte es hier am Orte sein, auf die grössere
Zahl von Stolen hinzuweisen , die in der angegebenen Epoche in
gleichzeitigen Kirchenschiätzen sich verzeichnet finden. So zählt ein
Inventar der Kirchenschätze der Abtei Martinsberg (bei Raab in
Ungarn) aus dem XII. Jahrhundert als gehörend zum bischöf-
lichen Ornat auf, wie folgt:
„His exceptis sunt VIII infulae cum stoHs -) manipulisque.
Restant VI stolae cum eorum manipulis."
Bereits im XI. Jahrhundert fanden sich in dem sacrarium der
Stiftskirche von St. Georg zu Köln zwölf Stolen vor, mit den dazu
gehörigen Manipeln, gemäss dem ^Vortlaute eines uns in Abschrift
vorliegenden Inventars, woi'in es nach andern Aufzählungen heisst :
„XII stole cum totidem fanonibus et una absque fanone."
Aus diesem Citat lässt sich entnehmen, dass gegen das XI.
Jahrhundert in kölnischen Kirchen sich in der Regel Stole und Ma-
nipel als zwei zusammengehörende Theile vorfanden und dass be-
reits um diese Zeit der Manipel den latinisirten Namen fanon
führte. Auch das Inventar der Kirchenschätze des Bamberger
Domes vom Jahre 1128 zählte schon damals als im vestiarium be-
findlich 17 Stolen aus Goldstoffen angefertigt oder mit Stickereien
in Goldfäden verziert. Die bezügliche Stelle lautet:
„Stole XVII ex auro, VIII fanones subdyaconorum ex his
IV cum aurifrigio."
Da bekanntlich dem Subdiakon der Gebrauch der Stole nicht
gestattet ist, die nur dem Diakon zusteht, so sind unter den „VIII
fanones" die Manipel der Subdiakonen zu verstehen , die wahr-
scheinlich an dem untern Fusstheile mit reichern Stickereien ver-
') Wir haben diese werthvollen Stickereien einer altern Stole nebst den übri-
gen Stickereien und mittelalterlichen Messgewändern aus dem vestiarium
des Kaschauer Domes in einer besondern Abhandlung mit Beigabe der nö-
thigen Abbildungen näher beschrieben, und werden wir dieselben in kurzer
Zeit in den „Mittheilungen der k. k. Central-Commission" verölfentlichen.
2) Zu diesen acht Mitren scheinen dem Wortlaute des Obigen zufolge eben so
viele bischöfliche Stolen und Manipel gleichsam als integrirende Theile ge-
hört zu haben.
— 72 —
sehen waren. Ausführlicheres über die Stolen und deren Beschaf-
fenheit lesen wir in dem „inventarium ornanientorum Ecclesiae
Sarum an. D. MCCXXII." Wir führen hier den Wortlaut desselben
an: „Stola una et manipulus unus cum perlis et margaritis. ') Stole
III cum manipulis IUI brodate. Stola una cum manipulo uno
ornata aurifriso a latere. ^) — Item Stole due de serico cum ma-
nipulis II unde una est de serico albo." Wir wollen es bei der
Aufzählung von altern Stolen nicht übergehen, dass das Inventar
des Trierer Domes vom Jahre 1238 unter andern reichen Orna-
ten auch anführt: „Item IUI stolas bonas et fanonem subdiaconi."
Desgleichen steht auch in dem Schatzverzeichniss des Domes von
Monza, angefertigt im Jahre 1275, unter andern Kirchenzierrathcn
angegeben: „Item stole VIII quarum tres sunt deaurate ■'') et illa-
rum una est de veridella ^) aurea; item manipuli XVI quorum
unus habet pendicula aurea et unus aureatus est sive argentatus."
Wir befürchten diese Abhandlung über die Gestalt und Verzie-
rungsweise der Stolen zu weit auszudehnen, wenn wir hier fort-
fahren wollten, die bischöflichen und festtäglichen Stolen erläuternd
zu beschreiben, die seit dei- Mitte des XIII. Jahrhunderts unter
dem Einflüsse der entwickelten und selbstständio- ocwordenen Go-
thik auf der gegebenen Grundlage und Gestaltung der Stole und
des Manijtels der romanischen Kunstepoche sich formell weiter ge-
bildet und künstlerisch entwickelt haben.
Bei diesem chronologischen Nachweis über die Form und
künstlerische Ausstattung der bischöflichen und festtäglichen Sto-
len von dem XIII. bis zum XV. Jahrhundert müssen wir hier im
Voraus gegen die Annahme Verwahrung einlegen , als ob bereits
in der gothischen Kunstepoche die Stole als selbstständiges und
') Diese eine Stole luul Mauipel, wahrscheiulicli tur bischöfliclioi) Gebraudi,
war mit Stickereien vcm Perlen und Edelsteinen geschmückt.
-) Diese Stole dürfte auf der einen Seite mit goldenen L'iansen vciziert- ge-
wesen sein oder mit goldgestickten Zierrathen an den untern Ausmiuidun-
gen, oder auch an den beiden Rändern (a latere).
^) Unter diesen drei Stolen, die als die vorzüglichem mit dem Ausdruck
deauralae bezeichnet werden, sind wahrscheinlich Stolen für festtäglichen
Gebrauch zu versteli(;n, die entweder aus geweihtem Goldstoff angefertigt
waien, oder die mit reichen Goldstickereien und mit Anwendiuig von in
Silberblech gearbeiteten und vergoldeten Zierratheu stellenweise ornameutirt
waren.
Unter dieser Bezeichnung dürfte ein eigenthümliches Goldgewebe zu ver-
stehen sein, aus der italienischen Seiden-Fabricatiou herrührend, wofür diese
Localbezeichnuug galt.
— 73 —
für sich allein bestehendes Ornatstück aufgefasst und als solches
von der Kunst mit besonderer Vorliebe ausgebildet und entwickelt
worden sei. Nach langjährigen eingehenden Studien der litur-
gischen Gewänder und nach Besichtigung einer grossen Zahl älte-
rer Stolen müssen wir eingestehen , dass uns aus dem Älittelalter
keine besonders reichverzierte Stole zu Gesicht gekommen ist, die
in Weise unserer heutigen Festtassstole im Mittelalter die Be-
stimmunjr hatte , bei besondern kirchlichen Functionen als selbst-
ständiges hervorragendes Ornatstück in reicher Ausstattung über
der Albe setrao-en zu werden. Die Stolen des Mittelalters waren
durchfrehentls intea;rirende Theile der Casel und werden dieselben
deswegen auch zugleich mit dem betreffenden Manipel in altern
Schatzverzeichnissen von dem XII. bis zum XVI. Jahrb. meistens
innner in ihrer Zusammengehörigkeit als dem Messgewande beige-
ordnete Theile aufgofiihrt. Bei einfachem Messgewiindern waren
deswegen Stole und Manipel entweder einfach aus jenem mehr oder
weniger reichgewirkten Stoffe als lange Bandstreifen geschnitten,
der auch zur Anfertigung des Messgewandes benutzt wurde, oder
Stole und Manipel zeigten durch Stickereien und Wirkereien jene
Verzierungen , die an den ebenfalls gestickten aurifrisiae des
Messgewandes in verwandten Formen zur Darstellung gekommen
waren.
In den Sacristcien der Marienkirche zu Danzig und des Domes
zu Halberstadt findet man noch eine grössere Zahl von mittelalter-
lichen Stolen und Manipeln vom XIII. bis zum XVI. Jahrhundert
vor, die aus Seiden- und Goldstoff'en als lange Bandstreifen aus-
geschnitten und als torques meistens aus zwei oder drei Stücken
zusanunengenäht sind. Die reichgemusterten zu diesen Ornat-
stücken verwandten Seidenstoffe sind hinsichtlich der Musterun-
gen und der Farbe meistens mit den Stoffen des dazu gehörenden
Messgewandes vollkonunen übereinstimmend. Diese Stolen und
Manipel sind in der Kegel an den xmtcrn Ausmündungen mit lan-
gen und dichten Seiden- oder Goldfransen verziert. Die Breite
derselben übersteigt selten 10 bis 11 Centimetres: die Länge der-
selben liegt in der Regel zwischen 2 Metr. 65 bis 75 Centim. In
der Zither des Domes zu Halberstadt findet man jedoch auch noch
mehrere Stolen mit reich gestickten und goldgewirkten Verzie-
rungen vor, die ehemals bischöflichen Gebrauches gewesen zu sein
scheinen und wozu heute sich ebendaselbst die dazu gehörigen
Messgewänder zu festtäglichem Gebrauche erhalten haben. Auch
diese reich verzierten Stolen zu Ilalberstadt lassen deutlich erken-
nen, dass sie nicht vereinzelt getragen wurden, sondern ein Schad-
— 74 —
haftwerden an jenen Stellen, wo sie vermittels des Gürtels in Kreu-
zesform angelegt und auf der Brust befestigt wurden , dürfte als
Beleg gelten, dass sie in der Regel unter der Casel bei Feier der
h. Messe im Mittelalter gebraucht worden sind. Die Abbildung
auf Tafel VIII Fig. 3 veranschaulicht in bedeutend verkleinertem
Maassstabe eine reichverzierte Stole, die ehemals zum Gebrauche
an höhern Festtagen gedient haben mag. Dieselbe ist nur 6'/^
Centim. breit und hat eine grösste Längenausdehnung von 2 Met.
59 Centim. Auf einem blau gestickten Fond hat die Kunst der
Nadel in gefälliger Schwingung ein früh-gothisches Pflanzenorna-
ment durch Unterlage einer Schnur erhaben gestickt, damit auf
dieser Unterlage kleinere Perlen angebracht werden konnten. Die-
selben fehlen heute, und sieht man noch die weissen Verbindungs-
stiche, vermittels welcher diese Perlen auf der vorspringenden
Fläche von Leinen ehemals befestigt worden sind. Diese ornamen-
tale Perlstickerei wurde auf beiden Seiten durch gestickte Einfas-
sungsränder in rother Seide und in Goldfaden umrandet und ab-
gegrenzt. Wie die Abbildung auf Taf. VIII Fig. 3 es veranschau-
licht, sind die untern pendulae dieser Stole vermittels eines kleinen
in Goldfäden gestickten Ansatzes erweitert, auf welchen durch
Stickereien in Relief die zwei bekannten Symbole des Sohnes und
des heiligen Geistes, nämlich das Lamm und die Taube, bildlich
wiedergegeben sind. Viele technische Einzelheiten deuten darauf
hin, dass dieses Ornatstück in der ersten Hälfte des XIV. Jahrb.,
wahrscheinlich durch den Kunstfleiss von Ordensfrauen, Entstehung
gefunden habe. Ohne Zweifel gehörte zu dieser Stole ehemals ein
ähnlich gearbeiteter Manipel, der auf der Vorderseite des Fuss-
stückes wahrscheinlich das Symbol der ersten Person der Gott-
heit erkennen Hess , nämlich die segnende Hand des Vaters mit
dahinter befindlichem gekreuzten Nimbus. ')
Um eine Vorstellung zu erhalten, welchen Reichthum des
Stoffes und der aufgestickten Ornamente die bischöflichen Stolen
und Manipel im XIV. Jahrhundert boten, verweisen wir hier im
Vorbeigehen auf die prachtvolle kaiserliche Stole, die heute zu den
Kleinodien des deutschen Reiches gehörend, im Schatze zu Wien
aufbewahrt wird. Dieselbe hat eine Breite von fast 17 Centim.
') Audi dieses Ornatstück ist mit vielen andern liturgisclien Gewändern durch
Ankauf in unsern Besitz gelangt, nachdem im Sonderbuudskriege so viele
Kunstwerke reicher Abteien ujid Stifte der Schweiz vogelfrei geworden und
in die Hände jüdischer Händler auf öffentlichen Versteigerungen gelangt
■waren.
- 75 —
und die auffallende Länge von mehr als ^}/.^ Met.') Der Grund-
stofi' dieser Stole gibt sich als ein zartes Gewebe von gelber Seide
mit einer kleinen Musterung in Goldfäden zu erkennen. Statt der
einfassenden Borden hat der Perlsticker an den beiden äussern
Rändern zwei Schnüre von orientalischen Perlen als Abschluss
und Einfassungsrand befestigt. Die reichste Zierde erhält diese
kaiserliche Stole durch kreuzweise eingewirkte Rundmedaillons, in
welchen jedesmal vermittels des Einschlags einküpfige Adler als
Wappen des deutschen Reiches in schwarzer Seide auf Gold-
grund eingewirkt sind. Mit diesen heraldischen Abzeichen wech-
sein jedes Mal in Fünfeck gestellte kleinere Medaillons in Stern-
und Vierpass-Form ab, die aus Goldblech getrieben sind und in
welche der Emailleur die zierlichsten durchsichtigen Schmelze in
stets neuer Musterung vertieft eingelassen hat. Sowohl diese
vielen eingeschmelzten Goldbleche, die auf der Kaiserstole nach
einem gewissen System stellenweise aufgenäht sind , als auch die
eingewebten Rundmedaillons mit dem deutschen Reichsadler sind
jedesmal mit einer doppelten Umrandung von Perlen eingefasst.
Die meisten stofflichen Pontificalkleinodien des ehemaligen deut-
schen Reiches, die von 1424 bis 1796 fortwährend in dem Schatz-
gewölbe der h. Geistkirche zu Nürnberg von Reichswegen aufbe-
wahrt wurden, gehören dem XII. Jahrhundert an ; die eben gedachte
Kaiserstole jedoch möchte , wenn nicht in den Tagen des prunk-
liebenden Karl IV., dann frühestens unter der Regierung Kaisers
Ludwig des Baiern in der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts
angefertigt worden sein.
In ähnlicher kunstreicher Verzierungsweise wurden im XIV.
Jahrhundert gewiss mehrere bischöfliche Stolen und Manipel vor-
gefunden, da ältere Schatzverzeichnisse häufig von Stickereien an
bischöflichen Ornaten sjirechen, worin spatuli ad arina, nämlich
Medaillons mit heraldischen Thierzeichen vorkommen. Auch auri-
frisiac mit kleinern Medaillons aus getriebenen Gold- und Silber-
blechen und von Perlen eingefasst werden in Inventaren des XIII.
und XIV. Jahrhunderts häufig namhaft gemacht, die entweder
placti de auro oder auch pecü auri pro smultis ^) genannt werden.
') Diese Prachtstole Hess sich in ihrer merkwürdigen Länge nur dann anlegen,
wenn man annimmt, dass ein grösserer Theil nach hinten hin zusammen-
genäht war und gleichsam als caputium über der Pluviale getragen wiu-de.
-) Diese Bezeichnungen für aufgenähte und mit vielfarbigen Schmelzen ver-
zierte Goldbleche kommen in dem Inventar der Kleinodien des Domes von
Anagni bei den Geschenken Papst Bouifacius' VIII. häufig vor, und nimmt es
— 76 —
Als im XIV. und XV. Jahrhundert das Ritterthum seine
höchste Entwickelung erreicht hatte, als auch die Patrizier der
freien Reichsstädte mit dem Adel auf Burgen und Schlössern im
öffentlichen und Privatleben wetteiferten , begannen in der bilden-
den Kunst die Wappenschilder mit heraldischen Abzeichen eine
bevorzugte Stelle einzunehmen. In dieser Periode wurde es auch
gebräuchlich , nicht nur die verschiedenen Gei'äthschaften mit den
beliebten Geschlechtsvvappen auf die vielgestaltigste Weise zu ver-
zieren, sondern auch die liturgischen Gewänder wurden von jetzt
ab in den praetextae und den ornamentalen Stäben mit einer
Menge von eingestickten Wappen verziert, die stellenweise mit ein-
gesticktem stilisirtem Laubwerk abwechselten. Namentlich boten
die festtäglichen und bischöflichen Stolen , schmale Bandstreifen
mit meistens eingewirkten Laubornamenten, hinlänsliche Gelegen-
heit , die Familien - Abzeichen des Geschenkgebers und seiner
oft weit verzweigten adeligen Verwandtschaft durch Nadelarbeiten
anbringen zu lassen. So kommen in den Zunft- und Schreins-
büchern des alten Köln bereits im XIV. Jahrh. die Namen von
hervorragenden Bild- und Wappenstickern und Stickerinnen vor,
deren Beschäftigung darin bestand , mit ziei'lichen Ornament- und
Perlstickereien die verschiedenen bischöflichen und priesterlichen Or-
natstücke zu verzieren. Bei diesen Ornamenten und Stickereien, die
im alten Köln von der Innung der „ Wappensticker und Wappen-
vvirker" angefertigt wurden, fehlte gewiss nicht die Darstellung
von Wappenschildern, worin nicht nur die heraldischen Abzeichen
der Bestellgeber, sondern auch sehr häufig die instrumenta Domi-
nicae passionis zu ersehen waren. ') So wird bereits 1343 in den
kölnischen Schreinsbüchern eine Bela de Tuycio (Deutz) namhaft
gemacht als factrix stolarum; 1417 steht ferner im Schreinsbuch
„Niederich" zu Köln bezeichnet eine Christina von Neuss die
den Anschein, dass in diesem Scliatzverzeicluiiss jene reichen Stickereien
mit dazwischen befindlichen aufgenähten Medaillons in Gold- und Silberblech
opectB Teoionica genaimt werden.
•) Solche in Gold gewirkten und gestickten Arbeiten der Zunft der kölni-
schen Wappenwü'ker und Sticker, die mit eingewirkten Wappenschildern
mit Inschrift und Laubwerk verziert sind, hat unsere Privatsammlung noch
in grösserer Zalü aufzuweisen. Auch in der Sacristei von St. Johann und
von St. Georg in Köln finden sich noch goldgewirkte Stäbe mit Wappen-
schildern, die Leidenswerkzeuge des Heilandes enthaltend, aus dem XV.
Jahrhundert vor, wie in ähnlicher Weise um diese Zeit durch Stickerei und
Wirkerei die bischöflichen Stolen gemustert zu werden pflegten.
-) Vgl. „Nachrichten von dem Leben und den Werken kölnischer Künstler von
J. Merlo." Seite 195 und 196. Köhl 1852.
— 77 —
sich mit Perlstickereien zu klrclilifhen Ornaten befassfe. Dem Wort-
laute nach steht in dem hetreffenden Docunient: Stingin van IWisse,
perle.}! >(tirkers:Kp. Gegen 1384 wird daselbst auch namhaft gemacht
eine Stina de Wippervurde, factrir. stolarum.
Um im chronologischen Zusammenhange die Beschreibuno; der
formellen und künstlerischen Beschaffenheit der bischöflichen und
reichern Festtagsstolen und Manipel bis zum Schlüsse des Mittel-
alters fortzusetzen , machen wir hier schliesslich noch auf reich
gestickte Stolen und jNIanipel aufmerksam, die sich in grösserer
Zahl vmd in vielgestaltiger Abwechselung der Farbe und der Mu-
ster in ältetn Stifts- und Kathedralkirchen heute noch erhalten
haben. Diese Stolen und Manipel sind in der Regel auf einem
feinen Cannevasleinen, einer Art Stramin, in Flochseide so in ihrer
Ganzheit gestickt, dass sich in reicher Abwechselung der Farben
eine vielgestaltige Musterung in jenen Mäanderformen und qua-
dratischen Verbindungen ergibt, die die Stickerei in der Gothik
von den geübten Vorgängern aus der romanischen Kunst-Epoche
als feststehende traditionelle Dessins übernommen und weiter fort
entwickelt hatte. Wir haben auf Tafel XVIII, Fio-. 4 den un-
tern Fusstheil einer solchen reichern Stole in Straminstickerei von
Seide mit vielfarbigen Mäanderformen , aus unserer Sammlung her-
rührend, in Abbildung mitgetheilt, wie sie im XV. Jahrb. häufiger
angefertigt wurden. Wie diese Copie zeigt, ist das untere Fuss-
stück ein wenig erweitert und mit einer Goldstickerei verziert.
Dieselbe hat übereinstimmend mit den ältern Stolen aus der ro-
manischen und früh-gothischen Zeit eine Breite von nur 7 Centim.
bei einer Länge von 2 Metr. (il Centim.
Es verdient hier besonders hervorgehoben zu werden, dass
selbst im Ausgange des Mittelalters weder an den Stolen noch
auch an den Manipeln für den bischöflichen und festtäglichen
Gebrauch sich jene unschönen Goklborden vorfinden , womit die
moderne Tressenwirkerei erst seit dem XVII. Jahrhundert die
verschiedenen kirchlichen Ornate zu behalten und zu überladen
begonnen hat. Als eine würdige und sinnreiche Stickerei an den
Stolen und Manipeln im XV. und theilweise im XVI. Jahr-
hundert noch allgemeiner angewandt wurde, begnügte man sich,
mit einem äusserst schmalen Rande reichere Stolen und ]\Ianipel
einzufassen und abzugrenzen. Erst als mit dem XVII. und vol-
lends mit dem XVIII. Jahrhundert die untere schaufelförmiffe
Erweiterung an Stole und Manipel ohne Noth imd gewiss nicht
zur Zierde dieser beiden ehemals bescheiden oestalteten Ornat-
stücke hinzugefügt wurde, kommen, herbeigeführt durch den
— 78 —
profanisirenden unästhetischen Geschmack meistens franzüsischer
Goldsticker, die breiten und kostspieligen Goldtressen, deren Echt-
heit in vielen Fällen beanstandet werden niuss, mehr und mehr
als Hauptsache imd wesentliches Ornament in Aufnahme.
Dem Rubricisten Gavantus, in dem Anhang zu seinem tliesaurus
sacrorum rituum zufolge , ist es erweislich , dass im XVII. Jahr-
hundert in Eom und in vielen Diücesen Italiens die vorhin er-
wähnte zweckwidrige Erweiterung der Fussstücke der Stolen nicht
gebräuchlich war. Hingegen gibt Gavantus an, dass nach alter Ge-
wohnheit auf der Stole, desgleichen auch auf dem Manipel, drei
kleinere Kreuze in Quadratform anzubringen seien. Diese Kreuze,
wovon Gavantus spricht , haben wir auf keiner Stole aus dem
Mittelalter vorgefunden. Die ältesten Stolen und Manipel in
Deutschland, die mit diesen Kreuzen versehen zu unserer Ansicht
gelangt sind, rühren aus dem Schlüsse des XVL Jahrhunderts
her. Wir stellen es nicht in Abrede, dass in Rom und italieni-
schen Diücesen auch bereits im Mittelalter als passende Ornamente
diese drei Kreuze in Anwendung gekommen seien, um so mehr, da
auch das pallium, das dieselbe Breite mit der Stole hatte, seit dem
frühen Mittelalter mit Kreuzen gemustert war, und überhaupt auch
Ornamente von Kreuzen seit der frühesten Zeit in liturgischen Ge-
wändern, sowohl in der lateinischen als in der griechischen Kirche
sehr häufig zur Anwendung kamen. ') Auch stimmt Gavantus in
seinen Angaben über die Grössenverhältnisse und die ornamentale
Beschaffenheit der Stole und des Manipels noch so ziemlich mit
dem Maass der Stolen im Mittelalter überein. Desgleichen bricht
er auch über die profanen meistens unechten Goldquasten den Stab,
womit der Posamentirer in sehr unkirchlicher Weise die pomp-
haften Stolen der zwei letzten Jahrhunderte in der Mitte versehen
hat, um das Zusammenhalten derselben leichter zu bewerkstel-
ligen. Von diesen Quasten und Troddeln haben wir ebenfalls
bei mittelalterlichen Stolen nicht die mindesten Anzeichen vor-
gefunden.
Noch erübrigt es, der Vollständigkeit wegen, nach Erläuterung
der Form und künstlerischen Beschaffenheit der reichern Stolen
des Mittelalters nachträglich Einiges über den Manipel und seine
geschichtliche Entwickelung hierorts einzuschalten. Da sich in
dem vorliegenden kurz abgegrenzten Räume nicht alles das zu-
') Wir erinnern hier nur im Vorbeigehen an die betreffenden Angaben des
Anastasius Bibliothecarius , an die holoserica cum urlkulis ei cmce und
an die vestes de stauracin.
— 79 —
sammenstellen lässt, ^vas noch über den Ursprung und die all-
niälige Entwickelung der Stole und des Manipela zuzufügen wäre,
so werden wir bei Besprechung der Stolen und Manipel zum
Gebrauche der Diakonen das Fehlende zu ergänzen suchen, und
bemerken nur über die Form und künstlerische Verzierung des
bischöflichen Manipels im Mittelalter, so wie über die Anlegungs-
weise desselben Folgendes.
Noch in den Tagen des Alcuinus und des nicht viel spätem
Amalarius Fortunatus war der heutige bischöfliche manipulus ein
längliches leinenes Tuch, das als sudarium auf dem linken Arm
getragen wlirde, um, wie Alcuinus und Amalarius übereinstim-
mend sagen, damit die pituita oailorum et narium zu beseitigen.
Als solches Leintuch führt es bei Alcuin den Namen mappula und
bei Amalarius den Namen sudarium. Doch schon zu den Zeiten
des Rhabanus Maurus, der den Manipel mappula oder viantile nennt,
scheint in deutschen Kirchen aus dem im Süden früher gebräuch-
lichen Schweisstuche ein der Stole ähnliches Ornatstück sich gestaltet
zu haben , das Rhabanus mit der graecisirten Bezeichnung phanoti
benennt, welche Benennung Einige von dem sächsischen Ausdruck
Fahne haben herleiten wollen. ') Obschon Bischof Ivo von Chartres ^)
(t 1115) noch den Manipel als Schweisstuch zu kennen scheint, zum
persönlichen Gebrauch des pontifex und nicht bloss als eine orna-
mentale Reminiscenz an das ehemalige sudarium, so düi'fte doch
der Annahme gewiegter Liturgiker zufolge ziemlich feststehen, dass
bereits vor dem X. Jahrhundert in vielen Diöcesen diesseit der
Berge nicht mehr das breitere Leintuch als mappula, phaiion, son-
dern statt dessen ein seidener, mehr oder weniger reich verzierter
Bandstreifen in Form der Stole bereits liturgisch im Gebrauche war.
Und in der That finden sich sogar aus dem XI. Jahrhundert heute
noch reichverzierte Manipel vor, die in ihrer auffallenden Aus-
dehnung die ältere Bezeichnung pÄawon (Fahne) rechtfertigen und
deren Breite an das ehemalige linteolum, mappula deutlich erinnert.
So haben wir auf Taf. VI der zweiten Lieferung dieses Werkes in
getreuer Copie den untern Fusstheil eines merkwürdigen Manipels
aus unserer Sammlung mitgetheilt , der im Gegensatz zu den Ma-
nipeln des spätem Mittelalters bei einer Länge von 1 Met. G C.
') Um nicht bereits Gesagtes zu wiederholen, verweisen wir auf das Ausführ-
lichere, was wir über den manipulus, das deutsche phanon, gesagt haben auf
Seite 441 der dritten Lieferung dieses Werkes.
') B. Ivonis Camot. episc. de rebus ecclesiasticis sermones : de significationi-
bus indunientorum sacerdotalium.
— 80
die auffallende Breite von fast 18 Centimetres aufzuweisen hat. ')
Auch gegen Schluss des XII. Jahiliunderts scheint der Manipel
stellenweise noch jene Grössenausdehnung gehal)t zu haben, die
nicht unklar an das Herkommen von der breiten mappula, ■plianon
in der vorkarolingischen Zeit erinnert. Auf Taf. XVI, Fig. 3 der
vorliegenden Lieferung haben wir den untern Theil eines Manipels
des XII. Jahrhunderts veranschaulicht, der auf tarcntinischer Pur-
purseide die symmetrisch in cyprischem Golde gestickten flevrs de
Iis iii jener Formbildung erkennen lässt, Avie sie im zweiten Jahr-
hundert der Kreuzzüge in der Kleinkunst des Abendlandes gang
und gäbe waren. Auch dieser Manipel hat noch immer die auf-
fallende Breite von 10 Centimet. bei einer ziemlichen Lcänffe. Viele
bischöfliche Manipel indessen , die wir in Kirchenschätzen noch
heute zahlreich angetroffen haben und die dem Schlüsse des XII.
und dem Beginne des XIII. Jahrhunderts angehören, enthalten in
ihrer Breitenausdehnung nicht mehr die mindeste Ilindeutung auf
ihren eigentlichen Ursprung aus dem leinenen Schweisstuche, das
an dem linken Arme des Pontifex und des celebrirenden Priesters
befestigt war.
Auf Taf. XVTII, Fig. 3 haben wir einen bischöflichen Manipel
in Gold gewirkt in verkleinertem Maassstabe abgebildet, der als
manipulus literatus der Vorliebe des XII. Jahrhunderts für Ornat-
stücke, die mit Buchstaben gemustert und verziert sind, Rechnung
trägt. Dieser seltene Ornat hat eine grösste Länge von 1 Metr. 68
Centim. bei einer Breite von nur TVj Centim. Die Futstheile die-
ses Manipels sind lO'/^ Centim. lang und aus einem rothen Sei-
denstoff mit einer kleinen Erweiterung auf beiden Seiten so an-
gesetzt, dass auf der Unterlage von gemustertem Seidenstoffe eine
quadratisch in Kreuzform gehaltene Perlstickerei einen reichen Ab-
schluss gewährt Ausserdem sind als fimbriae fünf längere Seiden-
quasten angenäht, welche oben eine ziei'liche Knotenverschlingung
erkennen lassen, die wir in dieser Weise selten an Stolen und
Manipeln angetroffen haben. Aehnlich wie an dem Cingulum der
h. Elisabeth, beschrieben auf Seite 56, sind in der mittlem Füllung
des Manipels jene kleinern Thierunholde und Pflanzen-Ornamente
mit der ßeur de litt eingewirkt, wie sie an ähnlichen Aurifrisien
des XII. und XIII. Jahrhunderts vielfach eingewebt sind. In den
beiden Rändern dieses in Gold gewirkten Manipels sind in grüner
') Die ausfüMicliere Beschreibung dieses Manipels aus dem Schlüsse des XI.
Jahrhunderts, wahrscheinlich angefertigt im hotel de Tirraz zu Palermo, ist
zu ersehen auf Seite 177 und 178 der zweiten Lieferung
— 81 —
und violetter Farbe romanische Versalien eingewirkt, die folgende
Lesung ergeben:
O spes divina via tuta potens medicina , porrige subsidium
niiseris o saneta Maria. Protege salva, benedic sanctifica famulum
tuuiu Alebertum Crucis per signaculum. Corr(ige) consortem sanctae
sortis patrone niinistrum, effice Corneli meritis, prece regna mereri.
Morbos averte corporis et animae, hoc contra signum nullum stet
periculum. O coeli porta, nova spes movitalium). O clemens do-
mina spes desperantibus una.
Auch noch ein anderer mit Schriftzügen gemusterter Mani-
pel findet sich in unserer Privatsammlung, der dojipelt genommen
eine Länge von 5G Centimetres hat bei einer Breite von nur 5
Centimetres. Auf einer Grundlage von starken horizontal Celesten
O OD
Leinfäden sind in wechselnden Farben in Flockseide einzelne Wox'te
des Englischen Grusses gestickt, wie es die verkleinerte Abbildung
auf Taf. VIII, Fig. II veranschaulicht. Die noch lesbaren Schrift-
ziige: „gratia plena Dominus" sind als Versalien in romanisirenden
Ornamenten gestickt und geben deutlich zu erkennen, dass dieser
Manipel etwa in der Mitte des XIII. Jahrh. angefertigt worden ist.
Bekanntlich wird heute der Manipel dem pontificirenden Bi-
schof erst nach dem Confiteor von dem Subdiakon an den lin-
ken Unterarm angebunden und befestigt. Dieses Anbinden des Ma-
nipels unmittelbar vor Beendigung des Stafi'elgebetcs war im frühen
Mittelalter, als das Messgewand — wie wir im Verlaufe des Fol-
genden sehen werden — noch seinen ursprünglichen Schnitt und seine
faltenreiche Ausdehnung hatte, allgemein, und war das spätere An-
legen dieses Ornatstückes durch die ältere Form des Messgewandes
bedingt. Ehe nämlich die casula an beiden Seiten einen runden
Ausschnitt erhalten hatte, ging noch während des XI. und XII.
Jahrh. sowohl der Bischof als auch der gewöhnliche Celebrans an
den Altar, während das Messgewand in Form einer weiten campa-
nula den ganzen Oberkörper mit sammt den Armen bedeckte. Bei
solcher Beschafienheit des Messo;ewandes musste natürlich der Ma-
nipel, der stets am linken Arm geti-agen wurde, hinderlich und störend
sein. Erst dann, wenn nach dem Confiteor von den Ministranten
das faltenreiche Messgewand zum freien Gebrauch der Arme auf bei-
den Seiten gleichmässig etwa bis zum Ellbogen aufgerollt und am
Oberarme durch Schnüre geschürzt worden war, befestigte der Sub-
diakon vermittels seidener Bänder den Manipel so am Unterarme
des Pontifex, dass die untern mit ßmbriae verzierten Theile noch
aus dem Aermel der Tunicelle ein Stück hervorragten und ersicht-
lich waren. Nachdem bereits im XV. Jahrlinndert durch fort-
Lituigische Gewäuiler. II. 0
— 82 -
währendes Zuschneiden und Ausninden das Messgewand bedeu-
tend verkürzt worden war, stand nichts im Wege, dass dem ge-
wöhnlichen Celebrans der Manipel bereits in der Sacristei anoeleo-t
wurde. Nur erhielt sich bei feierlichen Pontificalämtern als eine
nicht undeutliche Eeminiscenz an die ältere Gestaltung des Mess-
gewandes in der lateinischen Kirche der Gebrauch bis zur Gegen-
wart aufrecht, dem pontificirenden Bischöfe, wie bereits oben ange-
führt worden ist, den Manipel erst nach dem Staffelgebet anzulegen.
Was wir im vorliegenden Abschnitte über Form, Gestalt und
künstlerische Ausstattung der bischöflichen Stole das XIV., XV.
und XVI. Jahrhundert hindurch gesagt haben, findet auch in glei-
cher Weise auf den Manipel seine Anwendung, indem derselbe ja,
wie angedeutet wurde, in seiner Breitenausdehnung, in seiner Farbe
und Verzierungsweise durchaus sich streng nach der Stole richtete
und als durchaus übereinstimmend in der Form mit dem zuletzt
gedachten Ornatstück zu betrachten ist.
Noch sei es gestattet, über die Längenausdehnung vornehmlich des
bischöflichen Manipels und über die Farbe desselben hier einige all-
gemeinere Andeutungen hinzuzufügen. Da im Mittelalter die Aer-
mel der Tunicelle und der Dalmatik geschlossen waren und fast
bis zum Knöchel der Hand reichten, da ferner der Manipel un-
mittelbar unter dem Ellenbogen angebunden zu werden pflegte, so
leuchtet es ein , dass der fanon länger sein musste , als das heute
der Fall ist, damit derselbe als selbstständiges Gewandstück bei
Feier der heiligen Geheimnisse seine Stelle ansfrillcn konnte. Des-
wegen findet es sich auch, dass die Manipel bis zum XIV. Jahr-
hundert meistens eine ziemlich beträchtliche Läntrc aufzuweisen
haben. Als jedoch nach Ablauf des XV. Jahrhunderts die Aermel
der Tunicelle und der Dalmatik vei'kürzt wurden und auch das
Messsrewand seinen ehemalioren Faltenreichthum immer mehr ein-
zubüssen begann und um diese Zeit höchstens bis zum Ellenbogen
herunterfiel, wurden auch allmälig die Manipel der Länge nach ver-
kürzt. Hinsichtlich der Fai'be des Manipels sei bemerkt, dass der-
selbe seit jenen Zeiten mit dem Farbenton der Stole übereinstimmt,
wo lituro-ischen Vorschriften zufolge die Farben bei bischöflichen
und priesterlichen Gewändern, je nach den Bedeutungen der Feste,
geregelt und festgestellt wurden. ')
1) Seit dieser Zeit ist der Manipel und die Stole jedes Mal von derselben stoff-
lichen Beschaffenlieit nnd Farbe, wie das liturgisch vorgeschi'iebene Mess-
gewaud. Um jedoch Missverständnissen vorzubeugen, fügen wir hier noch
liinzu, dass in der romanischen Kunsteporhe desgleichen auch in der Friih-
gothik die Stolen und Manipel, namentlich zn bischöflichem (iebrauche,
— 83 —
Da die vorliegenden in's Einzelne gehenden Angaben nicht
nui- den Geistlichen hinsichtlich der Gestaltung, Entwickelung
und künstlerischen Ausstattung der verschiedenen liturgischen Or-
nate nützlich zu werden suchen, sondern auch der bildenden Kunst
die nüthigcn Winke und Anhaltspunkte an die Hand geben möch-
ten, wie nämlich seit dem frühesten Mittelalter bis in die neuern
Zeiten die bischöflichen und priesterlichen Gewänder gestaltet wor-
den sind, so dürfte hier die Bemerkung eine Stelle finden, dass
sowohl der Rischof als auch der celebrirende Priester immer am
linken Arm den Manipel trägt, und dass unter keiner Bedingung
CS der bilde-nden Kunst gestattet ist, Bischöfe und Priester darzu-
stellen, die den Manipel am rechten Arme tragen. Auch zeugt es
von grosser Unkenntniss, wenn Maler oder Bildhauer, wie wir
dies öfter zu sehen Gelegenheit hatten, bischöflichen oder priester-
lichen Heiligenfiguren, die mit dem pluviale, dem Chormantel, be-
kleidet sind, ausserdem auch noch einen Manipel anlegen , indem
nach kirchlicher Vorschrift allein der mit dem Messgewande be-
kleidete Bischof oder Priester und ausserdem nur der Diakon und
Subdiakon, wenn dieselben mit der Tunicelle oder Dalmatik beklei-
det bei dem h. Opfer ministiiren, den Manipel tragen dürfen. Auf
Taf. IV, Fig. 1 ist die Anlage und Form der Stole und des Mani-
pels bildlich veranschaulicht, unmittelbar über der Albe mit dem
Scliultertuch und ihren fünf aufgenähten ornamentalen parurac;
Fig. 2 auf derselben Tafel soll die Lage und das noch immer wahr-
nehmbare Vorhandensein von Stole und Manipel im Bilde wieder-
geben , wenn dem Diakon die Dalmatik , zu deren Beschreibung
wir jetzt übergehen werden, angelegt worden ist.
7.
Die Diakonatsgewänder, „dalmatica; tunicella."
Nachdem der Bischof mit den vorhin beschriebenen Ornat-
stücken, die ausser den caligue und sanclalia auch dem cclebi'iren-
den Priester zustehen, bekleidet worden ist, werden demselben un-
ter Beihülfe der Assistenten die Tunicelle und darauf die Dalma-
tik angelegt. Diese beiden Ornate dienen dem Bischöfe als aus-
zeichnende indumenia episcopalia nur dann, wenn er in pontificalihus,
d. h. in feierlicher Weise die heiligen Geheimnisse begeht. Diese
gleichsam als aurifrisiae reicher verziert zu werden pflegten, so zwar, dass
sie mit den ähnlich verzierten Stäben , praelexinc, der Messgewänder orna-
mental übereinstimmten und deswi'Kon auch wohl zu verschiedenen IVTess-
gewiindern getragen werden konnten.
G*
— 84 -
Gewänder, die in gleicher Form und gleichem Schnitt auch dem
Diakon und dem Subdiakon eigenthiimlich zustehen, legt deswegen
der Bischof als auszeichnende Untergewänder an , um nach dem
Ausspi'uche des Durandus anzudeuten, dass er in seiner Person
die verschiedenen kirchlichen Grade und Abstufungen vereinigt
und er auch die Machtvollkommenheit besitzt, vermittels der Weihe
diese hohem ordines zu ertheilen.
Wir wollen in der vorliegenden Abhandlung nur in allgemei-
nen Umrissen die hervorragendere künstlerische Beschaffenheit der
bischöflichen Tunicelle und Dalmatik besprechen und alsdann in
der folgenden Lieferung bei Beschreibung der gewöhnlichen Le-
vitenkleider das noch Fehlende über Form, Schnitt und stoffliche
Beschaffenheit dieser vestps diaconatus nachträglich ero-änzen. Hin-
sichtlich der ursprünglichen Form und ornamentalen Beschaffen-
heit der Tunicelle luid Dalmatik im apostolischen Zeitalter bis zu
den Tagen Gregor's des Grossen verweisen wir auf das , was Avir
über diese Diakonenkleider in dem L Bande dieses Werkes S 447
ff. an<reo;eben haben.
Es gewinnt den Anschein, als ob in den Tagen Papst Gre-
gor's des Grossen noch nicht allgemein von den Bischöfen die
vestes diaconatus unter der Casel getragen worden seien. Dieses
deutet auch Walafried Strabo ') in klaren Worten an, avo er sagt,
dass Papst Gregor der Grosse und nach ihm andere römische
Päpste einigen Bischöfen den Gebrauch jener Levitengewänder ge-
stattet, anderen aber untersagt habe; zu seiner Zeit jedoch seien die-
selben fast von allen Bischöfen und auch von einigen Presbytern ge-
tragen Avorden. Mit diesem Berichte des Walafried Strabo steht aber
im Widerspruch eine Stelle in dem ältesten Ordo Romanus, avo es
heisst, dass bei der Bischofsweihe der bischöfliche consecrafor ein Ge-
bet spricht, wenn der consecrandus mit der Dalmatik bekleidet Avird.
Wie auch diese anscheinenden Widersprüche bei ältern Schrift-
stellern hinsichtlich des Gebrauches der bischöflichen Dalmatik
zu lösen sein mögen, so dürfte das Eine doch als geschichtlich fest-
stehend angenommen Averden, dass seit den Tagen Karl's des
Grossen in der abendländischen Kirche von den Bischöfen die Dal-
matik allgemein unter der planeia getragen wurde. Das lässt sich
auch aus den betreffenden Stellen bei Alcuinus, Amalarius For-
tunatus und Andern erhärten.
Der vorhin erwähnte Ordo Romanus spricht an jener Stelle,
Avo er die bischöflichen Oi'natstücke der Keihe nach anführt, von
') Walafr. Strabo, lib. de rebus ecclesiasticis cap. 24.
85 -
zwei Dalmatjken, die der Bischof ;uilege. Er zählt nämlich eine
dalmatica 'itiinor und eine dalniaüca maior auf. Diese dalmaiica
minor nennen Andere zum Unterschiede von der dalmatica maior
tunica oder tunicella. Eine solche tunica, die nach Amalarius von
der Farbe des Hyacinth war, bezeichnet der letztgedachte Litur-
giker mit dem Namen subucida. Neben diesem Ausdrucke suhuculu
kommt bei den Schriftstellern nach dem X. Jahrhundert auch die
Bezeichnung subtile vor.
Ueber die sonstige Beschaffenheit und ornamentale Ausstat-
tung des bjschüflichen subtile, das der spätere Innocenz III. ')
auch tnnica poderis nennt, heisst es in einer ältern Missa des Abtes
Katoldns von Corbey: „Super haec itaque ininistretur ei (episcopo)
tunica in gyris tintinnabulis mirifice referta." An dem untern Saume
des bischöflichen subtile waren also , ähnlich wie an dem paUiurn
des Hohenpriesters im Alterfhum , als verzi(irende ßinbriae zuwei-
len kleine Schellchcn angebracht.
Was die Farbe dieser beiden vestes diaconatus für bischöflichen
Gebrauch betrifft, so geben ältere Schriftsteller an, dass zu dem
subtile vor dem X. Jahrhundert der color coccineus angewandt wor-
den sei, die darüber anzulegende Dalmatik jedoch sei immer ihrer
symbolisch- mystischen Bedeutung wegen von weisser Farbe ge-
wählt worden. Da im Mittelalter die einzelnen Kirchen in der
Wahl der Farben der zu den vestes sacrac gebräuchlichen Stoße
vielfach abwichen, so kann es niqht autiällen, dass im Gegensatz
zu dem eben Gesagten Hugo von St. Victor, der in der ersten
Hälfte des XII. Jahrhunderts schrieb, ausführlicher angibt, dass
für die bischöfliche Dalmatik die röthlich blaue Farbe (color hi/a-
ciniliinus) feststehend sei. -) Wir lassen in der unteren Anmerkung
diese Stelle wörtlich folgen, in welcher auch die symbolischen
Gründe angegeben sind , weswegen diese Farbe vorzugsweise bei
bischöflichen Dalmatiken angewendet wurde.
Da aus den vorhergehenden Angaben erhellt, dass sich die
bischöfliche Tunicelle von der Dalmatik meistens durch die Farbe
unterschied, so dürfte hier die Frage Berechtigung finden, durch
welche andere formelle Merkmale die Tunicelle vor der Dalmatik
') Iimocenz III. lib. I. Mysterior. Missao cap. X, 55.
-) SpecuUim de Myst. Ecck-s., cap. (3 : „ . . . Tuiiica vero tortia siciit olim erat
(ün Alten Bunde) hyacintliina est, et color ejus similis lapidi hyacinthiiio,
qui aetheris sereuitateni iinitatiu- , sauctos siguificat cogitantes et imitantes
coelestia."
- 86 —
kenntlich gemacht wurde. Durandus ') gibt darüber einigen Bescheid,
indem er sagt, dass die Dalmatik, besonders aber die bischöfliche,
längere und weitere Aermel habe, als solche bei der Tunicelle
vorkämen. Diese breitern Aermel an der Dalmatik des Bischofs
im Gegensatz zu den schmälern der tunica waren auch deswegen
erforderlich, weil die Dalmatik über der Tunicelle, dem subtile,
vom Bischöfe getragen wurde. Bei der Länge scheint jedoch
das Umgekehrte der Fall gewesen zu sein, indem die Tunicelle,
auch tunica siricta genannt, sich dem Körper des Tragenden enger
anschloss und in der Regel länger war als die Dalmatik. Auch
in Bezug auf eingestickte und eingewirkte Ornamente unterschied
sich nach Durandus bereits im XIII. Jahrhundert die reicher ver-
zierte Dalmatik von der einfachem Tunicelle. Durch die reicliere
Ausstattung der Dalmatik sollte der höhere kirchliche ordo des
Diakons vor dem niederem gradus des Subdiakons angedeutet
werden; dcswenren waren unserm Gewährsmann zufolge auf der
Dalmatik, ihrer Länge nach, zwei violettrothe schmale Streifen auf-
genäht, welche auf dem Vorder- und Hintertheile der Dalmatik
parallel neben einander liefen. Diese meistens gestickten ornamen-
talen irximiies haben sich bis heute noch auf diesem Gewände, des-
gleichen auch auf der Tunicelle erhalten und werden dieselben in
ältern Inventarien aureae listae, aurifrisiae oder auch aiujusti claoi ge-
nannt. Ausserdem war bereits in den Tagen des Durandus der aus-
mündende Rand der beiden Aermel der Dalmatik mit einem schmalen
ornamentalen Streifen eino;efasst und verziert. Des<jleichen be-
fand sich auch auf dem untern Saume der Dalmatik eine breitere
Verzierung als ornamentales Mittelstück zwischen den schmälern
Bandstreifen transversal aufgenäht, das, meistens aus gesticktem
Blumenwerk bestehend, Durandus cnirifrisia nennt und darauf den
bekannten Vers des 44. Psalms bezieht, den er dem Vorhergehen-
den zufoljie auch auf den {jestickten Saum der Albe anwendet.
Den Erklärungen des Verfassers des rationale gemäss war die Dal-
matik und auch die Tunicelle rundum geschlossen und befand sich
nur zu beiden Seiten ein kleiner Einschnitt, der jedoch nicht bis
zur Hüfte des Tragenden hinaufreichte. Durandus gibt an der
obengedachten Stelle die Gründe weiter an, warum zu seiner
Zeit an der Dalmatik, vmd zwar an der linken Seite, avo diese
Oeffnung sich ergab , Fransen angebracht waren , sich aber an
der rechten Seite keine Fransen befinden durften. Auch Theodul-
fus erwähnt ausdrücklich dieser Jhnhriae als eines Schmuckes der
') W. Diuaiulii ratiou. iliv. offic. lib. III. cap. XI, 3.
- 87 —
Dalmatilf, die an derselben Stelle der Tunicelle sich nicht vorge-
funden zu haben scheinen. ')
Wie Stephanus Aeduensis desgleichen auch der spätere
Durandus •^) in seinem rationale hervorhebt, pflegten nach dem X.
Jalirliundcrt einzelne Bischöfe nur eine oesüs diaconatus anzulegen ;
andere aber trugen , wie das auch heute noch Vorschrift ist,
zwei. Die Ursache, warum früher einzelne Bischöfe nur ein Le-
vitenkleid als Untergewand trugen und nicht deren zwei, mag wohl
in der Schwere dieses Untergewandes zu suchen sein und in dem
Keichthum der gestickten Ornamente, mit welchen dasselbe ehemals
verziert wufde. Es liegen jedoch Anzeichen an altern noch er-
haltenen bischöflichen Dalmatiken vor, dass dieselben mit einem
Futterzeuge in schwerer Seide verschen waren und also diese sub-
duclura oder foederatura der Dalmatik in abweichender Farbe als Er-
gänzung der Tunicelle liturgisch aufgefasst und betrachtet wurde. '*)
Noch sei hier bemerkt, dass Durandus die Dalmatik hinsicht-
lich ihres Schnittes mit der Form des Kreuzes vei'gleicht und dass
er an einer andern Stelle anführt, dass auch an einigen Dalmatiken
sich an dem untern Saume , und zwar an der vorderen vmd hin-
teren Seite dieses Gewandstückes, fünfzehn einzelne fimbriae vor-
fänden. Diese fünfzehn getrennten Quästclien oder Fransen, die
unser Gewährsmann auf die Psalmen bezieht, finden sich auch an
den Dalmatiken im spätem Mittelalter vor , wo sie jedoch nicht
mehr ffmfzehn an der Zahl vereinzelt stehen, sondern eine durch-
gehende zusammenhängende Franse von vielfarbiger Seide bilden. ^)
Wir haben in dem Vorstehenden es versucht, die Beschaffen-
heit, Gestalt und decorative Ausstattung der Tunicelle und Dal-
matik des Mittelalters nach den Angaben älterer Schriftsteller fest-
zustellen; um das Schwankende und zuweilen Wider-sprechende
') Theodolfus Aurelian, in Paracncsi ad Episcopos, p. 238.
Candida ut exteusis niteat Dalniatica rugis,
Fiml)na ncvc cnet liiiic sine lege levis.
^) Stepliamis Aeduensis lib. de sacram. altaris cap. 11.
^) W. Dm-andi ration. divin. offic. lib. III. cap. 10.
Vgl. über diesen Punkt die interessante Abhandlung des Chevalier de Linas
in der Revue de l'art cliretien (Novembrc 18G0) unter der Ueberschiift :
„l'ontiücalia de St. Louis D'Anjou Eveque de Toulouse , conserves a Brignolcs
(Var)." pag. 576.
^) Hinsichtlich des Ausdi'uckes fimbriae bemerken wir hier im Vorbeigehen,
dass Du Gange zu in-en scheint, wenn er ad voc. dalinatica angibt, dass
unter jenen fimbriae zu verstehen seien die clavi purpurei, wovon oben als
aufgesetzten schmalen Purpurstreifeu die Rede war.
— 88 —
dieser Angaben zu beseitigen , wollen wir im Folgenden die Ge-
stalt und Beschafienheit der bischöflichen Tunicelle und Dalmatik
an der Hand älterer bildlicher Darstellungen und unter Vorführung
mittelalterlicher entsprechender Originalgewänder in nähere Unter-
suchung ziehen.
Die bildende Kunst stellte seit dem X. Jahrhundert in der
Malerei und Sculptur insbesondere drei heilige Diakonen dar, die
säramtlich mit dem Levitengewande, der Dalmatik, bekleidet wurden.
Es sind dies der h. Stephanus, der h. Laurentius und der h. Vin-
centius. Die altern Denkmäler, die wir in Malerei und Sculptur,
namentlich in italienischen Basiliken, zu sehen Gelegenheit hatten,
geben diese heiligen Diakonen, deren beide erstgenannten in dem
uralten Mess-Canon vorkommen, bildlich wieder, angethan mit einer
Albe und darüber befindlichen tunica strida, die tief über die Kniee
heruntersteigt und mit weiten bis zur Hand reichenden Aermeln ver-
sehen sind. Auf diesen ältern Bildwerken kömmt es seltener vor,
dass, ausser einer schmalen Umbordung an dem Halsausschnitte
und an den Aermeln, eine sonstige ornamentale Ausstattung zu er-
sehen ist. Erst bei den Darstellungen von Diakonen, welche aus
dem XII. und XIII. Jahrh. herrühren, sind jene tramites oder auri-
frisiae wahrnehmbar, wovon Durandus und seine nächsten Vor-
gänger als an der Dalmatik und Tunicelle gebräuchlichen und zu
ihrer Zeit vorfindlichen Ornamenten sprechen. Eine der ältesten
Dalmatiken, aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem XI. Jahrhun-
dert stammend , die wir näher anzusehen vor nicht langer Zeit
Gelegenheit hatten, bewahrt der Schatz der Basilika des h. Am-
brosius zu Mailand. Leider ist diese ehemals bischöfliche Dal-
matik, die eine faltenreiche Ausdehnung hat, heute ihres Ober-
stofi'es fast gänzlich entkleidet, und haben sich auf dem leinenen
Futterzeuge nur noch einzelne ornamentale praeteMae erhalten, die
für das hohe Alter derselben maassgebend sind. Auch die Ge-
wandkammer des Domes zu Halberstadt hat noch zwei vesies dia-
conatus aufzuweisen , die , wie Avir glauben , ehemals bischöflichen
Gebrauches waren. AVir haben auf Tafel V, Figur 1 mit Hin-
zufügung des Fussmaasses eine stofflich getreue Abbildung die-
ser reichgestickten Ornate vorgeführt, deren Entstehung späte-
stens gegen Mitte des XH. Jahrhunderts anzusetzen sein dürfte.
Der Stofi dieser zwei bischöflichen Untergewänder besteht aus
hochrother Purpurseide. Auf dieser Unterlage sind, in Goldfäden,
streifenförmig geordnet, Rundmedaillons gestickt, die die symbo-
lische Darstellung von Löwen, ebenfalls in Gold gestickt, zu er-
kennen geben. Den Purpurstoff mit seinen symbolischen Thier-
— 89 —
Musterungen, aus welchen) diese dahnatica Iconata ang;efertio;t iist,
würde Anastasius Bibliothecarius in seiner bekannten Weise nen-
nen: pallium holosericum cum historia leonuin, oder auch: palhum
holosericurn scutellatum cum orbicuhs et leonibus. Um die wei-
ten Aermel des Levitenrockes beweghch zu erhalten, sind diesel-
ben nicht mit goldgestickten Kreisen und Löwen, sondern glatt,
ohne Stickereien und Musterungen im Purpurstoft" angefertigt.
Das Fehlen der Goldstickereien auf den Aermeln dieser beiden
Levitenröcke hat uns in der Annahme bestärkt, dass dieselben von
den Bischöfen Ilalberstadts unter der Casel angelegt wurden. Die
schmalen Of namentstreifen , die dreifach an der Zahl die vordere
und die hintere Seite der Dalmatik parallel laufend verzieren, sind,
in Weise der aureae lidae in Gold mit zarten Musterungen ge-
wirkt, als die Vorläufer jener breitorn Aurifrisien zu betrachten,
die seit dem XIV. Jahrhundert eine allgemein gebräuchliche Zierde
der Levitenkleider waren. Dem Schnitte und der Form nach
stimmt mit der eben gedachten bischöflichen Dalmatik so ziem-
lich das Diakonengewand i'iberein , womit der heilige Vincentius
auf einer Tempera-Malerei aus dem Beginne des XIII. Jahrhun-
derts, vorfindlich in einer Kapelle von St. Gereon zu Köln, ') be-
kleidet ist. Anstatt der aureae listae, die in schmalen Goldstreifen
die bischöflichen Dalmatiken von Ilalberstadt von oben nach un-
ten laufend verzieren , befindet sich an dieser in Tempera gemal-
ten Dalmatik in St. Gereon eine breitere aurifrisia, praetexta, wo-
mit der untere Saum und die beiden Seiteneinschnitte verbrämt
sind. Auch an der untern Oefihung der weiten Aermel sind solche
schmale Goldborden als Verbrämung angebracht. Ob im Beginne
des XIII. Jahrhunderts in Köln die reichern Dalmatiken am obern
Halsausschnitt eine solche gestickte Goldverzierung und Umbor-
dung hatten, wie das unsere Taf. XI im Bilde angibt, glauben wir
aus mehrern Gründen in Zweifel ziehen zu müssen , und dürfte
diese ornamentale Verzierung am Halsausschnitt eher als poetische
Licenz des betrefi'enden Malers zu erachten sein. ') Da bei alten
Schriftstellern auch von dem rationale diaconorum zuweilen die Rede
') Wir verdanken die iretreue Abbildung der beiden für die geschichtliche
EntwickeUing der altköliiisclien Monuniciitalmalerei höchst merkwürdigen
Bildwerke auf Taf. X und XI der entgegcnkümmeuden I*'reundlichkeit des
Herrn Jos. Merlo, Mitglieds des Kircheuvorstaudes von St. Gereon, der uns
grössere meisterhafte Abbildungen zur freien Benutzung übergab.
2) Diese ornamentale Einfassung am obern Halsaussclinitt erinnert in ihrer
Form imd Gestalt nicht undeutlich an das rationale episcopomm, womit auf
alten Bildwerken einzelne bischöfliche Figiu-en bekleidet sind.
— 90 —
ist, so könnte freilich die Ansicht gehend gemacht werden, dass diese
Verzierung am Halsausschnitt vielleicht als ein solches rationale zu
betrachten sei. Aehnlich wie die dalmatica auf Taf. XI ist auch
dem Schnitte und der Vei'zierungsweise nach jenes Levitengewand
ornamental gestaltet , das auf Taf. X eine bischöfliche Heiligen-
figur unter der Casel trägt. Auch an dieser Dalmatik auf Taf. X
erblickt man als Verbrämung des untern Saumes nur eine breite
aurifrisia, die der Maler wahrscheinlich nach gehabten Anschauungen
von reichern bischöflichen Dalmatiken mit aufgestickten Perlen
und Edelsteinen verziert hat.
Wir haben auf Taf. X und XI an der Hand von ältern Tem-
pera-Malereien aus dem Beginne des XIII. Jahrhunderts die un-
gefähre formelle und decorative Beschaftenheit der vesies diaconatus
bildlich wiedergegeben, wie sie für bischöflichen Gebrauch um diese
Zeit in der kölnischen Kirche beschafi'en gewesen sein mögen.
Dank der ängstlichen Genauigkeit, womit im frühern Mittelalter
auch der Bildhauer bei Darstelluno- lituro-ischer Ornate sich an die
in der Kirche zu Kecht bestehenden Vorschriften anschloss und solche
nicht selten in ihrer ganzen stoff lichen Eigenthümlichkeit wiedergab,
sind wir in der Lage , an den vielen Bildwerken unter den Vor-
hallen der Kathedrale zu Chartres mit afrösster Bestimmtheit er-
messen zu können, wie gegen Schluss des XII. Jahrhunderts der
Pontificalornat der Bischöfe im nördlichen und mittlem Frankreich
beschaffen gewesen ist. In dem statuaire an den westlichen Por-
talen des Domes von Chartres erblickt man nämlich mehrere bi-
schöfliche Figuren fast über Lebensgrösse, deren Pontificalgewänder,
wie wir das ohne Wagniss behaupten, vom Bildhauer den reichen
Ornaten, die danaals das vestiariuni von Chartres besass, treu nach-
gebildet worden sind. Nicht nur sind an diesen vielen Bildwerken
die bischöflichen Gewänder ihrem Schnitte nach als genau über-
einstimmend mit der Form der im XII. Jahrhundert gebräuch-
lichen Gewänder zu betrachten, sondern auch die Stickereien der-
selben sind getreu mit nur unbedeutenden Modificationen wieder-
gegeben. Bei einem mehrmaligen Aufenthalt in Chartres haben
wir, für luisere Studien der liturgischen Gewänder, in Gyps eine
Anzahl sculptirter Ornamente von einzelnen Pontifical-Ornaten an
diesen Standbildern abformen lassen. Wir veranschaulichen in
Copie nach solchen Abformungen auf Taf. VI zwei lati clavi mit
ihren fimbriae an den Seitenöfinungen , die als reiche Verbrämun-
gen auf dem imtern Saume von bischöflichen Dalmatiken als Flach-
gebilde in Stein gemeisselt sind. Abweichend von der künstleri-
schen Ausstattung der bischöflichen Dalmatiken im Dome zu Hai-
- 91 -
berstadt (vgl. Taf. V, Fig. 1) sind die vestes diacovatan an den Stand-
bildern einzelner heiliger Bischöfe am Dome zu Chartrcs und Keims
bloss an dem untern iSaume mit breiten und reich gestickten or-
froises ausgestattet. Auch an der Ausmündung der breiten Aer-
mel erblickt man einen einfachen gestickten Bandstreifen. An den
vielen Bildwerken zu Chartres, die grösstentheils gegen Schluss
des XII. Jahrhunderts angefertigt worden sind, liaben wir nur im-
mer eine Dalmatik als bischöfliches Untergewand unter dem Mcss-
gewande wahrgenommen , nicht aber noch eine Tunicclle, die mit
dem untern Saume unter der Dalmatik zum Vorschein gekommen
wäre ; nur 'an dem Standbilde zu Keims , das wir auf Tafel VI
der dritten Lieferung abgebildet gaben, scheint unter der reich
verzierten praetexta der Dalmatik auch der untere Saum der län-
srern Tunicclle noch ersichtlich zu sein.
Gehen wir nach diesen allgemeinern Betrachtungen über
Schnitt und ornamentale Beschaffeidieit der vedes diaconatus im
XII. und XIII. Jahrhundert zu den nähern Angaben über, wie
die Levitenkleider zunächst für bischöflichen Gebrauch im XIV.
Jahrhundert beschaffen waren, so muss gesagt werden, dass bei
der weitern Entwickelung, die die Stickkunst im Dienste der Kirche
in jenem Zeitabschnitte erreicht hatte, als die Spitzbogenkunst dies-
selt der Berge zum reiferen Mannesalter gelangt war , zu der bi-
schöflichen Dalmatik nicht nur Seidenstoffe, mit reichen Goldbro-
chirungen durchwirkt, angewandt wurden , sondern dass auch die
Stickerei in Perlen und Edelsteinen und mit Anwendung von ge-
triebenen und eingeschmelzten Goldblechen in den Stäben der bi-
schöflichen Levitenkleider das Keichste zu leisten suchte, dessen
sie fällig war. Anstatt hier in langer Reihe Aufzählungen von reich
gestickten bischöflichen Dalmatiken folgen zu lassen, die in den uns
vorliegenden Inventaren bezeichnet stehen, mag es genügen, hier nur
die Beschreibung zweier festtäglichen Dalmatiken ihrem Wortlaute
nach einzuschalten, die in dem Inventar des Domes von Anagni aus
den Tagen Papst Bonifacius' VIII. (f 130-4) verzeichnet stehen.
„Item una dalmatica de dyaspero laborata ad acum ') pappa-
gallos et flores qui ad modum crucis 2) eum fimbriis ^) ad ystoriam
') Auf einem schweren SeideiistoiFe fdijasperumj wnren mit der Nadel Papa-
geien gestickt.
-) Zwischen diesen Thierfigureu ersah man gesticlrtc Ehunen, die la-euzförmig
gestaltet waren.
^) Aiif den ßmbriac, nämlich den horizontal aufgenähten Stäben dieser Dalmatik,
die anders wohl auch clavi oder praeiexlae genannt werden, waren Bilder aus
dem Leben des h. Eustachius gestickt.
— 92
sei Eustacii, et aiirifrisio ') in spatulis et collo , cum pernis ^) et
manicis •^) ad minutas yinaglnes et aves.
„Item una dalmatica de panno tartarico intus rubeo et foris
viridi, ad aurum cum aurifrisio in brachialibus ■''), cum pernis et
paratui-is **) sinülibus in manicis et firabriis ^) ad aquilas cum duo-
bus capitibus."
Um die Beschreibung dieser beiden reichen Dahnatiken, die
durch Verseilen des Abschreibers bedeutend corrumpirt zu sein
scheint , zu verstehen , muss man wissen , dass die vestes diaco-
natus in italienischen Diöccsen im XIV. und XV. Jahrhundert
Wohl hinsichtlich des Schnittes und ihrer faltenreichen Ausdehnung
mit den entsprechenden Gewändern in französischen und deut-
schen Kirchen um dieselbe Zeit ziemlich übereinstimmend waren,
dass aber in der Ausstattung , d. h. in den aufgenähten praete.vtae
eine Verschiedenheit vorwaltete. Es findet sich nämlich , dass im
XIV. und XV. Jahrhundert in französischen und deutschen Diö-
cesen die Dalmatik durch mehr oder weniger reich verzierte auri-
frisiae , die wir heute Stäbe nennen , der Länge nach getheilt
wurde, so zwar, dass dieselben parallel zu beiden Seiten neben ein-
ander liefen und nur auf der Brust und dem Rücken durch einen
breitern Streifen verbunden wurden. In italienischen Kirchen da-
ocoen waren die Aurifrisien , die der Län<re nach die Dalmatik
verzierten, gleichsam als aureae Ustae sehr schmal, hingegen waren
die Mittelstücke auf Brust und Kücken zur Anbringung von
Stickereien ziemlich breit gestaltet. Solche breite verl)indende
Mittelstücke findet man auch an italienischen Dalmatiken des XIV.
und XV. Jahrhunderts an dem untern Saume, sowohl an dem
') Auf den schmalen Goldstreifen, aurifrhia, die der Lünge nach die Dalma-
tik verzierten, waren Waijpenschildchen, spaiulac, angebracht.
') Am Halsausschnitt (collo) befand sich eine reiche Stickerei mit Perlen, wahr-
scheinlich eine ähnliche Verzierung, wie wir sie am Halsausschnitt der Dal-
matik auf Taf. XI abgebildet sehen.
•'') Auf der äussern Randeinfassung, der Verbrämung der beiden Aermel, waren
ebenfalls durch Stickereien kleinere Bilder und Vögel angebracht.
') Unter pannus larlaricus, das häutig in den Inventaren genannt wird , ist
ein schweres Seidengewebe zu verstehen, das aus dem Orient bezogen wuinle.
•'') Die Aermel dieser Dalmatik werden hier bracUalia genannt, und angegeben,
dass sie mit einer Stickerei von Gold umrandet gewesen seien.
") Paralurae werden hier die aufgestickten streifenförmigen Verzierungen ge-
nannt, die mit Perlen reich besetzt waren.
') Auf den breiten Besatzstückeu , die transversal zwischen den aurifrisiae
oben und unten die Dalmatica als laii clavi verzierten, waren hier Adler
mit doppelten Köpfen entweder gestickt oder eingewebt.
— 93 —
vordem als an dem hintern Theile der Dalmatik angebracht. Mit
einer solchen verzierten Dalmatik ist der heilige Laurentius auf
einer Tempera-Malerei bekleidet, die der Sienensischen Schule aus
dem Schlüsse des XIV. Jahrhunderts angehört. ') Die Dalmatik,
die auf diesem schöneji Stiche in genauer Copie veranschaulicht
wird, zeigt lange, weite Aermel, die an der Oefinung mit sehma-
len fimhriae verbrämt sind. Auf der Brust, desgleichen auch an
dem untern Rande, ersieht man breite Mittelstücke transversal
gelegt, die als paraturae hinlänglichen Raum für reiche Stickereien
boten. Auch eine aurifrisia mit Stickereien ist am Halsausschnitt
sleichsam ak Kragen anoebracht , und ist es auf dem Bilde nicht
deutlich zu ersehen , ob diese aurifrisia in collo mit dem dort be-
findlichen Immerale als pamra in Verbindung steht, oder ob dieses
collare an dem Plalsausschnitt der Dalmatik befestigt ist. Eine ähn-
liche in dieser Weise verzierte Dalmatik nimmt man auf dem
Bilde des h. Stephanus wahr, das ebenfalls der genannte Düssel-
dorfer Verein als Copie eines ältern Bildes des Fra Barfholo-
meo veröffentlicht hat. Dosgleichen zeigt das grosse Tempei-a-Bild
der Krönung der allerseligsten Jungfrau , von Fra Angelico da
Fiesole -), heute im kaiserlichen Museum des Louvre zu Paris
befindlich, im Chore der übrigen Heiligen den h. Laurentius mit
der craticula, wie er angethan ist mit einer rothen Dalmatik. Auf
der Brust erblickt man in Gold gestickt einen breiten laiiis clavus,
der in derselben Weise gegen Schluss des XIV. Jahrhunderts auf
der Rückseite der Dalmatik und auch unten an den Säumen in
gleicher Form angebracht war. Auch die Ausmündungen der brei-
ten Aermel sind mit reichen ßmhriae in Gold gestickt verbrämt.
Auf diesem Bilde des Louvre, das unter den Meisterwerken des
frommen Dominikanerbruders das berühmteste ist, sind keine ge-
stickten Stäbe ersichtlich, die der Länge nach wie an deutschen
und französischen Dalnintiken dieses Ornatstück künstlerisch heben.
Nur erblickt man an dieser Dalmatik noch einen breiten goldenen
clavus auf der Brust und am Hals-Ausschnitt. Zugleich verzieren
auch zwei breite Goldquasten mit darül)er befindlichen -pomella
den Vordertheil dieser Dalmatik, und befinden sich diesell)en
') Vgl. die Copie desselben, den h. Laurentins als Kniestück, gestochen von
A. Glaser (schola Sienensis) veröffentlicht von dem Verein zur Verbreitung
religiöser Bilder in Düsseldorf.
2) Dieses unübertroffene Bild ist jüngst von F. Kellerhoven in Paris äusserst
sorgfaltig lithographirt und dnrcli Lemercier in Farbendruck veröffentlicht
worden.
nicht, wie das an Dalmatiken deutscher und französischer Diöcesen
derselben Epoche üblich war, an dem hintern Theile dieses Ge-
wandes.
Noch sei es vergönnt, hier im Vorbeigehen auf einige ausge-
zeichnetere vestes diaconatus des XII. und XIII. Jahrhunderts hin-
zuweisen , die sich als grosse geschichtliche und archäologische
Seltenheiten bis zur Stunde noch ci'halten haben. Die eine der-
selben wird , als einziges heute noch vorfindliches Ornatstück des
Mittelalters in der Schatzkammer von St. Peter in Rom aufbe-
wahrt; die beiden andern findet man unter den übrigen kaiser-
lichen Pontificalien des ehemaligen deutschen Reiches im Schatze
der Hofburg zu Wien.
Die sogenannte dalmatica Leonis III. in Rom kann unstreitig
als das grossartigste Meisterwerk byzantinischer Hof- und Kunst-
sticker betrachtet werden , das heute noch im Abendlande anzu-
treffen ist. Wir haben uns über die vielen eingestickten Bild-
werke und Ornamente, die auf den weiten Flächen dieser Purpur-
Dalmatik sich in höchster Vollendung der Technik vorfinden, auf
Seite 201 und 202 des ersten Bandes weiter ausgesprochen und
bemerken hinsichtlich des eigenthümlichen Schnittes, der äussern
Form dieser Kaiser-Dalmatik in Kürze nur noch Folgendes.
Bevor wir in Rom in der Sacristei von St. Peter die betref-
fende Kaiser-Dalmatik näher untersucht hatten, waren wir der An-
sicht, dass dieses Ornatstück in seiner Form dem aToiya^iinv, dem
eigentlichen Diakonenkleide der griechischen Kirche, in seiner
äussern Form ähnlich gestaltet sei. ') Mehrmalige genauere Stu-
dien vor dem äusserst gut erhaltenen Original überzeugten uns
jedoch, dass es von dem griechischen aToiyuQiov, einem anschlies-
senden Untergewand mit eng anliegenden Acrmeln, vollständig
abweiche. Die in Rede stehende Kaiser-Dalmatik in Rom ist
nämlich zu beiden Seiten in Weise unserer heutigen Dalmatiken
in modernem Schnitt unter den Armen durchaus geöffnet und hat
keine geschlossenen manieae, sondern die Schulterstücke der Aer-
mel hängen nach Art unserer modernen Dalmatiken offen und
frei über beide Arme. Es hat uns scheinen wollen, dass diese
berühmte Kaiser-Dalmatik in Rom hinsichtlich ihres Schnittes in
den letzten drei Jahrhunderten eine Aenderung erlitten habe; na-
mentlich dürften die heute offenen Armstücke ehemals nach An-
1) Vgl. über Form und Gestalt der Dalmatik in der griechischen Kirche, (ioar.:
Ev-yoldyiov seil Eitnale Graecorum jjag. 9G und Fig. pag. 12G.
— 95 —
legung des Gewandes unter den Armen mit seidenen Schnüren
zugebunden worden sein. ')
Ein zweites kaiserliches Pontificalkleid, das bei Kaiserkrönungen
als Untergewand getragen wurde, befindet sich heute im Schatze
zu Wien, und besteht dasselbe aus glattem dunkel-violettem Pur-
pur mit einer goldgestickten Vei-brämung auf hochrothem Pur-
pur an dem untern Saume und an den Ausmündnngen der eng an-
schliessenden Aermel. Diese kaiserliche Tunicelle , die wir im
ersten Bande unserer „deutschen lieichskleinodien" getreu dem Ori-
ginal in Farben und Golddruck wiedergegeben und im Texte näher
beschrieben 'haben , dürfte zum Belege dienen, wie gegen Schluss
des XII. Jalu'hunderts in italienischen I)i()cesen die fnnica strieUi
im Gegensatz zu der dalmafica beschaffen gewesen sei.
Von nicht geringerm Interesse für das Studium von bischöf-
lichen Gewändern des XIII. Jahrhunderts ist eine andere Kaiser-
Dalmatik, die ebenfalls im Schatze zu Wien bei den übrigen Reichs-
kleinodicn aufbewahrt wird. Dieselbe ffihrt in der betreffenden
Matrikel vom Jahre 1350 die Bezeichnung: „alia phoenicea toga
cum nigris aquilis." In den XJebergabe-Urkunden der Kcichsklei-
nodien an den Magistrat von Nürnlierg vom Jahre 1423 wird das-
selbe Pontifical- Gewand näher beschrieben mit den Ausdrücken:
„ein prnumc Jlialmattfa fnnt karlcs mit nlilfv."
Dieser merkwürdige Ornat zeigt uns deutlich Schnitt, Form und
Verzierungsweise der Dalmatik, wie sie im XIIT. Jahrliundert bei
dem bischöfiiclien Pontifical-Ornat beschaffen gewesen sein dürfte.
Die in Rede stehende Kaiser -Dalmatik in rothem })hönicisc]iem
Purpur mit eingewebten Mustern hat die auffallende Länge von
1 Metr. 55 Centimetr., bei einer Länge des untern Sauraes von
1 Metr. 35 Centimetr. Dieselbe ist, ähnlich den altern Dalmatiken,
rundum geschlossen, nur findet sich ein Einschnitt auf beiden Sei-
ten des Prachtgewnndcs , der jedoch kaum bis zum Viertel der
ganzen Länge des (Jewandes ansteigt. Der untere Saum und die
Einschnitte zu beiden Seiten sind mit einer in Gold gestickten
praete.Tia verbrämt, auf welcher sich, in getrennten Medaillons, die
') Wir gedenken im zweiten Bande unserer „deiitsclien ßeichskleinodien" dieses
Praclitgewand in einer grossen farbigen Abbildung zu veröffentlichen und
werden dann auch die Belege beibringen, dass diese Dalmatik nicht in der
karolingisohen Zeit, sondern erst im XII. Jalu-hundert durch griechischen
Kunstfleiss iln'e Entstehung gefunden habe, obgleich dies von anderer Seite in
letzterer Zeit beanstandet worden ist.
— 96 —
in Plattstich gestickten Brustbilder vieler Könige und Kaiser be-
finden. Der faltenreiche Seidenpurpur ist nach kurzen Zwischen-
räumen mit kleinen goldenen Rundmedaillons durchwirkt, auf wel-
chen jedes Mal ein heraldisch stylisirter einküpfiger ßeichs-Adler
sich befindet. Dazu kommt, dass diese phoenicea toga noch durch-
aus geschlossene ziemlich lange und breite Aermel hat, desglei-
chen auch einen tiefen Ausschnitt zum Durchlassen des Kopfes.
Sowohl der breite, ziemlich tiefe Halsausschnitt, als auch die Aus-
mündung der Aermel sind mit breiten, goldgestickten Verbränmn-
gen eingefasst, auf welchen, von schön stylisirten Laubornamenten
umgeben , ebenfalls die Halbbilder verschiedener Könige und Kö-
ginnen zu ersehen sind. Diese kunstvoll gestickten figuralen Ver-
brämungen bedecken gleichsam als armillae auch jene Stelle der Dal-
matik, wo auf beiden Seiten die Aermel angenähet sind. Gleich-
wie die Kaiser -Dalmatik in Rom nicht als Untei"gewand, sondern
als hervorragendes Diakonenkleid bei verschiedenen Anlässen von
den deutschen Kaisern im Mittelalter in Gebrauch genommen wurde,
so scheint auch die eben besprochene toga imperialis im Schatze
zu Wien als reiches Obergewand benutzt worden zu sein, wenn
der Gewählte der deutschen Nation bei der römischen Königs-
krönung zu Aachen in der feierlichen Messe als Diakon das Evan-
gelium sang vnid die Dienste eines solchen bei dem heiligen O^ifer
verrichtete. Mit dieser Dalmatik als Obergewand bekleidet dürften
ebenfalls die deutschen Könige nach vollzogenem Krönungs-Acte
zu Aachen, wie das jedes Mal geschah, in die Reihe der Canoniker
der Stifts- und Krönungskirche zu Aachen aufgenommen worden sein.
Nachdem wir es im Vorhergehenden versucht haben, an der
Hand älterer Levitenkleider , sowie einschlagender Inventare und
Bildwerke die formelle und decorative Beschaffenheit bischöflicher
Dalmatiken des Mittelalters kennen zu lernen , wollen wir in der
Kürze noch an zwei vestes diaconatus unserer Privatsammlung
die stoftliche Ausdehnung, den Schnitt und die Verzierungs-
weise reicherer Diakonengewänder, wie sie im XIV. und XV.
Jahrhundert in Stifts- und bischöflichen Kirchen diesseit der Berge
angetroffen wurden, in genauen Maassen feststellen. Um die hie-
ratische Abstufung und die Unterordnung des Subdiakons auch
in der iunicella anzudeuten, war dieselbe noch im XIV. und
XV. Jahrhundert in ihrer Verzierungsweise viel einfacher ge-
staltet als die Dalmatik. Im XIV. Jahrhundert fehlten, wie das
aus Inventarien derselben Epoche ersichtlich ist, auf vielen Tuni-
cellen, namentlich zum bischöflichen Gebrauche, die reichgestick-
ten aurifrisiae , die an der Dalmatik um diese Zeit stets als her-
— 97 —
vorragender Schmuck angebracht waren. Die rundgeschlossenen
Acrniel an den Tunicellen des XIV. und XV. Jahrhunderts sind
verhähnissraässig enger als die Aerrael an den Dalmatiken aus die-
ser Zeit.
Im Dome zu Halberstadt sahen wir die Ueberreste eines äusserst
fein und leicht orearbeiteten bischöflichen subtile aus der Mitte des
XIV. Jahrhunderts, das ohne alle Aurifrisien und Ornamentsticke-
reien aus einem dunkelbläulichen orientalischen Seidenstoffe ansce-
fertigt war. Dieser Seidenstoff ist in grüner Farbe genau in der
Weise gemustert, wie das unsere Abbildung in verkleinertem Maass-
stabe auf Tarl. IX veranschaulicht. Diese Dalmatik, aus einem
trefflichen baldequiu angefertigt , ist stellenweise mit geflügelten Bil-
dern von sitzenden Elephanten in Gold brochirt. Leider hatten sich
nur noch kleinere Ueberbleibsel des Oberstoffes dieser Tunicelle er-
halten mit Resten von Goldborden an den geschlossenen Aermeln
und am Halsavisschnitt. Der Futterstoff aus feinem Leinen Hess in-
dess noch ziemlich genau die grosse Ausdehnung dieses subtile er-
kerinen. An anderer Stelle ') haben wir in natürlicher Grösse und
in seiner ganzen Farbenpracht das saracenische gemusterte Seiden-
gCAvebe einer merkwürdigen Tunicelle mitgetheilt, die als Ge-
schenk unserer Sammlung einverleibt worden ist. Diese Tunicelle
gehört, wie das ihre Musterungen und Schnitt deutlich besagen,
ebenfalls der Mitte des XIV. Jahrhunderts an luid misst mit Ein-
schluss der Fransen in ihrer grössten Längcnausdelmung 1 Mctr.
26 Centimetr. Die Breite derselben am obern Halsausscluiitt dos
Mittelstückes bis zum Ansatz der Aei'mel beträgt 7(5 Centimetr.
Die ganze Bi'eite dieser Tunicelle an dem untern Saume mit Ein-
schluss der beiden angesetzten Gyrcnstücke misst 1 Metr. 15 '/^
Centimetr. Die Länoe der durchaus "cschlossenen Aermel beträft
44 Centimetr., die Weite derselben an der untern Oefi'nung in
ihrem ganzen Umfange, rund gemessen, 68 Centimetr. Der Hals-
ausschnitt dieser Tunicelle misst 31 Centimetr. und ist nach vorn
und hinten kaum !') Centimetr. tief ausgeschnitten. 2) Hinsichtlich
') Vgl. unser Work .,Dio Mustorzeichuor des Mittelalters. Anleitende Studien-
Mütter für Gewerli- und Weheschulen, für Oniamcntenzeiclmer, Parameiiten-,
Teppich- uud Tapcteufabrikauteu nach alten Originalstoften eigener Samm-
liuig mit erläuterndem kuiistbistorischen Texte." Leipzig, T. 0. Weigel.
1. Lief. Blatt 1.
2) Wir haben nicht ohne Absicht die genauen Maasse dieses ehemals bischöf-
lichen subtile hier beigefügt, da von erfahrener Hand nach diesen Griissen-
augaben leicht eine Tunicelle in denselben Dimensionen angefertigt wer-
den kann.
Liturgische Gewänder. II. 7
~ 98 -
der eben besprochenen Tunicelle fügen wir noch hinzu, dass die-
selbe einfach , ohne Anwendung von gestickten Stäben , gehalten
und nur an dem Halsausschnitt, desgleichen an der untern Aus-
mündung der Aermel, mit einer schmalen goldgestickten Borde ein-
gefasst ist. Wir bemerken noch, dass unter jedem Aermel ein im
Fünfeck geschnittenes Gyrenstück in einer Länge von etwa 17
Centim. sich befindet , und dass unmittelbar unter diesem Einsatz
auf beiden Seiten der Einschnitt und die Oefinung beginnt. Dieser
tiefen Einschnitte und der grossen Weite der geschlossenen Aermel
wegen kann die eben beschriebene Tunicelle mit leichter Mühe an-
gelegt werden. Sowohl zu beiden Seiten als auch am untern
Eande ist diese bischöfliche Tunicelle mit seidenen Fransen in ihrer
Ganzheit eingefasst.
Bevor wir im folgenden Abschnitte zu der Beschreibung des
Schnittes , der Entwickelung und Verzierungsweise der bischöf-
lichen Casel übergehen, gestatten wir uns, hier noch einen kui*-
zen Nachweis zu führen, wie die bischöfliche Dalmatik in ihrem
Unterschiede von der eben besprochenen Tunicelle, dem subtile,
gegen Ausgang des Mittelalters in bischöflichen Kathedralen dies-
seit der Berge, ihrer äussern Beschaffenheit nach, sich ent-
wickelt hat.
Je mehr das Mittelalter sich seinem Auscfange nähert, desto
mehr macht sich auf dem Gebiete der kirchlichen Paramentik das
Bestreben geltend, den ßeichthum und die Fülle der gestickten
und gewirkten Ornamente, selbst auf Kosten der Ausdehnung und
des Faltenreichthums der Gewänder, zu häufen und zu mehi-en. Mit
andern Worten: der Schnitt und der stoffliche Umfang der meisten
liturgischen Ornate begann bereits gegen Schluss des XV. Jahr-
hunderts sich immer mehr zusammenzuziehen und zu verengen, je
mehr die reich gestickten Stäbe an Ausdehnung und Formenfülle
zunahmen. Auch die Dalmatik musste sich gegen Ausgang des
Mittelalters diese Verenofung und Zuschneidung der stoÖlichen
Theile gefallen lassen, je mehr die äussere Ausstattung mit gestick-
ten Verzierungen in den Vordergrund trat. Die Aermel, die im
XV. Jahrhundert meistens noch geschlossen waren, werden von
da ab immer kürzer und erhalten am äussern Abschluss mehr
oder weniger reich gestickte und gewirkte praetewtae, wie das an
der Dalmatik auf Taf. VII zu ersehen ist. Auch die Länge des
Diakonengewandes wurde gegen Schluss des Mittelalters nach und
nach verkürzt. Der untere horizontal laufende Abschlussrand, der
in der Eegel durch breite Fransen garnirt wurde, behält so ziem-
lich seine frühere Ausdehnung nach der Länge hin, nach oben zu
— 99 —
den Aermeln ansteigend verengt sich derselbe mn ein Bedeutendes,
so dass unten, an den Seitenüffnungen, spitze Winkel entstehen.
Wir haben auf Taf, VII, Fig. 1 eine reiche Dalmatik aus der
letzten Hälfte des XV. Jahrh. in verkleinertem Maassstabe bildlich
wiedergegeben , die sich in unserer Privatsammlung befindet. Die
beigefügte Grössenangabe nach rheinischem Fuss macht hier eine
weitere Erklärung der Ausdehnung vmd Grüssenverhältnisse iiber-
flüssiar. Der Grundstoff dieser festtäg-lichen Dalmatik besteht aus
einer gelben Satinseide mit Musterungen in einem dichten ge-
schnittenen grünen Sammet. Die beiden Stäbe, die, unserer Ab-
bildung zufolge, als aurifrisiae in jjaralleler Lage den hintern imd
vordem Theil des Gewandes gleichmässig verzieren, sind von den
Wappenstickern Kölns in jenem eigenthümlich angefertigten Gold-
faden mit den eingeAvirkten Namen „Jhesus, Maria" gewebt, die
wir auf Seite 50 des I. Bandes ausführlicher besprochen haben.
Zwischen diesen Namen , in gothischcn Minuskeln , erblickt man,
wie immer auf diesen goldgewirkten Stäben der kölnischen Wap-
pensticker - Zunft , Pflanzen - Oi'namente in Gestalt einer blühen-
den und fruchtbringenden Pflanze , die den Baum der Kirche
oder das Senf körnlein des Evangeliums vorstellen dürfte. Auf
der breiten praetexta dieser Dalmatik , die gleichmässig Brust und
Rücken horizontal bedeckt, ersieht man in der Mitte ein Vier-
passmedaillon und zu beiden Seiten vielfarbig eingewirktes Blu-
menwerk, das von dem matten Goldstofi' vortheilhaft absticht. Der
Vorliebe des XV. Jahrhunderts für Anbringung von heraldischen
Geschlechtszeichen Vorschub leistend, hat die erfahrene Hand des
Wappenstickers auf dem Hintertheile dieser Dalmatik, wie es die
Abbildung veranschaulicht, ein en relief gesticktes grosses Wap-
penschild mit darüber befindlicher reichgestickter Helmzierde an-
gebracht, die an dieser Stelle plastisch zu wirken sucht. Dieses
Wappenschild, dessen Deutung wir Heraldikern von Fach über-
lassen , findet sich in der Regel in bescheidener untergeordneter
Grösse an dem untern Rande festtäglicher Dalmatiken aus dem XV.
und XVI. Jahrhundert vor, um so das Herkommen des Gewandes
und die Familie des Geschenkgebers anzudeuten. Damit die An-
legung der Dalmatik leichter bewerkstelligt werden konnte, be-
findet sich oben ein grosser Durchlass für den Kopf, der eine
solche Einrichtung hat, dass er durch zwei seidene Schnüre und
die daran befindlichen kleinen Schlingen nach der Anlegung des
Gewandes vermittels zweier auf dem Vordertheile der Dalmatik
aufgenähten Knöpfe geschlossen werden konnte. Diese seideneu
Schnüre zum leichtern Befestigen der Dalmatik an der obern Hals-
7*
— 100 —
öfinung auf beiden Schultern verlängern sich nach hinten und mün-
den aus, wie es unsere Abbildung auf Tafel VII Fig. 1 anzeigt,
in lange seidene Quasten, die oben von einem beweglichen pomel-
lum in Krystall einen ornamentalen Abschluss erhalten. An an-
dern Dahnatiken aus dem Schlüsse des XV. Jahrhunderts sahen
wir, anstatt dieser Aepfelchen in Bcrgkrystall, kleinere Knöpfchen
von vergoldetem Silber mit gothisch durchbrochenen und filigra-
nirten Zierrathen.
Bei Besprechung der vorliegenden Dalmatik kann unsere Ab-
sicht nicht dahin gehen , zu behaupten , dass dieser Levitenrock
ausschliesslich bischöflichen Gebrauches gewesen sei. Nur das lässt
sich mit Sicherheit angeben , dass gegen Schluss des Mittelalters
und im Be2:inne der Renaissance die reichern bischöflichen Dal-
matiken einen ähnlichen Schnitt und eine verwandte Ornamentation
aufzuweisen hatten, wie es unsere Abbildung andeutet.
Wenngleich in grössern Stifts- und Kathedralkirchen die reicher
verzierten Alben, Stolen und Messgewänder vorzugsweise zu bi-
schöflichem Gebrauche an Festtagen dienten , so soll damit nicht
gesagt werden , dass dieselben ausschliesslich nur allein vom Bi-
schöfe getragen werden durften. Mit denselben Ornaten konnten
auch andere Würdenträger derselben Kirche das h. Opfer an Fest-
tagen feiern, im Falle dieselben Eigenthum der betreffenden Kirche
und nicht , wie das häufig vorkam , Privateigenthum des Bischofs
waren. Ausschliesslich vom Bischöfe wurden nur jene im Fol-
genden näher zu beschreibenden Ornatstücke in Gel)rauch genom-
men, die ihn als geistlic-hen Oberhirten auszeichneten und ihm
allein zustanden. Im gleichen Falle muss auch von der Tunicelle
und der Dalmatik, die der Bischof in pontificalibus aidegte, gesagt
werden, dass sie nicht ausschliesslich vom Pontifex getragen wurde,
sondern dass auch vorübergehend an Festtagen der Diakon und
der Subdiakon bei feierlichen Ministrationen damit bekleidet wer-
den konnten.
Als im spätem Mittelalter zur Anfertigung sowohl der Tuni-
cellen als der Dalmatiken für festtäglichen Gebrauch schwerere
mit Gold durchwirkte und mit reicher Stickerei verzierte Seiden-
und Sammetstoffe gewählt wurden, schien es wünschenswerth, dass
zu der in Gold gestickten Casel des Bischofs zwei einfachere Dia-
konengewänder Anwendung fanden, die der grösseren Bequem-
lichkeit wegen nur aus leichten Seidenstoffen ohiie' Stickerei, je-
doch von der gleichen Farbe des Messgewandes, angefertigt wur-
den. Um also die stoffliche Schwere der bischöflichen Unter-
gCAvänder, nämlich der Tunicelle und der Dalmatik, zu vermin-
~ 101 —
dern, scheint man seit dem Schlüsse des XVI. Jahrhunderts in
vielen Diücesen allgemeiner den Anfang gemacht zu haben , diese
Pontificalg-ewänder aus leichtem Seidentafi'et ohne alle Anwendung
von Ornamenten so herzustellen, dass die Schwere derselben nicht
mehr in Betracht kommen konnte und dass auch die Anleofun":
bequemer und leichter von Statten ging. Seit dieser Zeit öffnete
man die ehemals geschlossenen Aermel der Tunicelle und auch der
Dalmatik und schloss erst nach Anlegung derselben diese manicae
durch doppelte seidene Schnüre, die an zwei verschiedenen Stel-
len an den untern Theilen der Aermel befestigt waren. Heute, wo
diese leichteiKjn veste-i diaconatus allgemein in bischöflichen Kirchen
im Gebrauch sind, verschwinden dieselben so ziemlich als selbst-
ständige verzierte Untergewänder, und hat der bischöfliche Ponti-
fical-Ornat in Hinsicht auf die kunstvoll gestalteten Diakonenge-
wänder, die aus dem XIV. und XV. Jahrhundert in Malerei und
Sculptur noch zahlreich im Bilde auf unsere Tage gekommen sind,
an Feierlichkeit und Würde bedeutend verloren.
8.
Das Messgewand, „paenula, planeta, casula."
Der hervorragendste Ornat, den sowohl der celebrii-ende Prie-
ster, als auch der pontificirende Bischof über die vorhin beschrie-
benen Paramente anlegt, wird von griechischen Liturgikern q>ui-
viaKrjq, fpuiviä'Kiov, von lateinischen Schriftstellern planeta, castila ge-
nannt. Den Ursprung und die Gestalt dieses alt-liturgischen Ge-
wandes in früh-christlicher Zeit haben wir in der dritten Lieferung
dieses Werkes nachzuweisen versucht. Hier liegt zunächst die
Frage zur Beantwortung vor: Welche formelle Entwickelung hin-
sichtlich seines Schnittes und der äussern Form hat das alt-
liturg-ische Messjrewand seit der karolinjjischen Zeit bis zum Ab-
lauf des Mittelalters durchgemacht? Da die camlu vornehmlich
als auszeichnendes Priestergewand, im Gegensatz zu der Dalma-
tik als Diakonenkleid und der Tunicelle als Gewand für den Sub-
diakon, zu betrachten ist, so dürfte es zweckdienlich erschei-
nen, chronologische Mittheilungen über Gestalt, Schnitt und stoff-
liche Ausdehnung der planeta in der folgenden Lieferung, die die
liturgischen Gewänder des celebrirenden Priesters , der Diakonen
und Subdiakonen behandeln wird, eingehender zu besprechen. In
den vorliegenden Blättern, die vorzugsweise die Form und orna-
— 102 —
mentale Beschaffenlieit des bischöflichen Pontifical-Ornates in ver-
gleichender Parallele zu dem priesterlichen Gewände im Auge
haben, genüge es, den Nachweis zu führen, wie sich die bischöf-
lichen casulae vom VIII. — XVI. Jahrhundert hinsichtlich ihrer rei-
chern Ausstattung von den im Schnitte übrigens gleichgestalteten
Messgewändern unterschieden , deren die Priester in diebus feria-
libus bei Darbringung des heiligen Messopfers sich zu bedienen
pflegten.
Es hiesse die o-eschichtliche Entwickeluno; der Stickerei auf
dem Gebiete der Kirche nachweisen , wenn wir in dem vorliegen-
den engen Kaume näher darlegen wollten, wie, den kirchlichen
Ueberlieferungen zufolge , vorzugsweise die planeta des Bischofs
durch verschiedenartige Nadelmalereien und Wirkereien in den
einzelnen Kunstepochen des Mittelalters gehoben und künstlerisch
verziert worden ist. Was nämlich der Kelch seit der frühchrist-
lichen Zeit bis zur Renaissance für die Fortbildung und die
Blüthe der kirchlichen Goldschmiedekunst war, das bietet in dem
Bei'eiche der Paramentik die casula des Bischofs in ihrer stofilichen
und ornamentalen Ausstattung für die Entwickelung und die tech-
nische Vollendung der Weberei und Stickerei das ganze Mittel-
alter hindurch. Wie das schon aus den Angaben des Anastasius
Bibllothecarius zu ersehen ist, gewährte die casula des pontificiren-
tlen Bischofs schon vor dem X. Jahrhundert erwünschte Gelegen-
heit, allen Eeichthum des Materials in Verbindung mit der ver-
schiedenartigsten Technik anzuwenden, um hervorragende Einzel-
heiten dieses faltenreichen bischöflichen Obergewandes Avürdig und
kunstgerecht auszustatten. Bevor wir die kunstvollen Stickereien
und Webereien in Verbindung mit den Zierrathen von getriebenen
Goldblechen mit eingelassenen Schmelzen näher In Betracht ziehen,
die an den aurifrisiae der reichern Messgewänder vornehmlich für
bischöflichen Gebrauch an Festtagen zur Anwendung kamen, wollen
wir vorher noch Einiges über stoffliche Beschaffenheit, Farbe und
Musterung jener schAveren Seidengewebe hinzufügen, die vor dem
X. eTahrhundert in Kathedralkirchen zur Herstellung von festtäg-
lichen Messgewändern verwandt zu werden pflegten. Aus den
einschlagenden Angaben des oftgedachten Biographen der Päpste,
namentlich in seinen vitis Hadriani, Leonis III. und Stephani V.
ist deutlich zu ersehen, von welcher Kostbarkeit und Gediegenheit
jene Seidenstoffe in verschiedenfarbigem Purpur waren, die zu den
restimenta oder pallia altaris^ und zu den tetravela der Baldachin-
Altäre verwandt wurden. Dass diese thouern Purpurstofl'e in ab-
wechselnder Farbenschattirung , die zur Anfertigung der bischöfli-
— 103 —
chen planetae im VIII. und IX. Jahrhundert verwandt wurden, aus
Byzaiiz, Aegypten, Arabien und aus der eigentlichen Heimath der
Seidenfabrication, dem Lande der Serer, meistens für hohen Preis
auf weiten Handelswegen beschatit wurden, haben Avir in der ersten
Lieferung dieses Werkes ausführlicher nachgewiesen. Neben den
vestes sigilatae, chrysoclavae , den vestimenta de blathin Byzantea und
den doppeh gefärbten Purpurstoffen — den theuern dibapha —
von denen Anastasius an unzählig vielen Stellen spricht, kommen
im X. Jahrhundert auch noch, wie das einzelne seltene Ueberreste
heute lehren , schwere meist orientalische Seidenstoffe in andern
Farben zur' Herstellung bischoHicher planetae vor, die entweder
dunkelgelb , der Farbe des Goldes nahekamen , oder einen gelb-
lich-grünen Farbton hatten, welche Abstufung von ältern Au-
toren häufig mit dem Terminus diapistis benannt wird. Auch im
X. und theilweisc noch im XI. Jahrhundert herrscht an jenen
bischöflichen planetae, die sich noch aus dieser fernliegenden Epoche
bis auf unsere Tage erhalten haben, entweder die Farbe des rothen
oder des dunkel -violetten Purpurs vor. So ist z. B. die casula
des Bischofs Benno von Osnabrück, des Erbauers des Speyerer
Domes , in dunkelviolettem Kaiserpurpur gehalten , während das
Messgewand des Ii. Anno , Erzbischofs von Köln , eine röthliche
Purpurfarbe zeigt. Auch der Oberstofi des Messgewandes des
heiligen Meinwerk, Bischofs von Paderborn, der heute nur noch in
kleinen Ueberresten ersichtlich ist, bestand aus einem bläulich- vio-
letten Purpurstoffe. Die MessgeAvänder des h. Heribert zu Deutz,
des h. Bernward zu Hildesheim und des h. Bernhard zu Xanten
und zu Brauweiler lassen sämmtlich eine goldgelbe, orientalische
Seide von schwerer Textur erkennen. Hingegen zeigt die planeta
Erzbischofs Willigis, heute aufbewahrt zu St. Stephan in Mainz,
jenen grünlich-gelben Farbton, worin Einige das öfters beim Ana-
stasius vorkommende öiuntaxK; erkennen wollen. Obschon die
meisten heute noch erhaltenen bischöflichen planetae des X. und
XI. Jahrhunderts eintönig (uni) hinsichtlich ihrer Farbe gehalten
sind, d. h. ohne Musterung in andern Farbentönen, so Avollen wir
doch nicht in Abrede stellen, dass auch unmittelbar vor und nach
dem X. Jahrhundert bischöfliche Messgewänder angefertigt wur-
den, die zuweilen in zwei , zuweilen sogar in drei verschiedenen
Farben gemustert waren. Da in der in ßede stehenden, fernlie-
genden Epoche, wie wir bereits an einer andern Stelle bemerken,
die orientalischen Seidenstoffe selten waren und nur um hohen
Preis erstanden werden konnten; da ferner sowohl bei bischöf-
lichen als auch bei priesterlichen Messgewändern um diese Zeit
— 104
die verschiedenen heute vorgesehriebenen Farben noch nicht litur-
gisch streng normirt waren, so leuchtet es ein, dass man zur Her-
stellung festtäglicher Messgewänder Seidenstoffe in jener Farbe
verwandte, wie sie eben aus dem Morgenlande in das Abendland
(relanarten und durch Kauffahrer auf den grossen Weltmarkt gebracht
wiu-den. Nicht wundem darf es also, dass, wenn in altern Inven-
tarien von bischöflichen Messgewändern die Rede ist , an vielen
Stellen solche büivei oder caerulei coloris namhaft gemacht werden ;
sx>gar Messgewänder caatanei coloris werden bei altern Chronisten
häufig aufgezählt. ')
Untersuchen wir nach diesen allgemeinem Audeutun<>eu über
die Farben an früh-mittelalterlichen l>ischöflichen planetae im Vor-
beigehen die Textur, d. h. die stoffliche Beschaffenheit jeher theueru
pädia holoserica trausmarina, die unmittelbar vor und nach dem
X. Jahrhundert uw Herstellung von festtäglichen oder bischöf-
lichen Messgewändern benutzt wurden, so hat eine genauere Un-
tersuchung der oben angeführten heute noch erhaltenen bischöf-
lichen planetue aus der früh- romanischen Kunst - P^poche augen-
fällisf ergeben , dass dieselben einem damastartigen (lewebe nahe
kommen, und dass dieses feste Gewebe als Grundlage zur Bildung
des heute noch gebräuchlichen Damastes gedient hat. In vielen
Fällen ist die Kette dieses schweren Seidensto^^es, der uns an fast
sämmtlichen Ornaten des X. und XI. Jahrhunderts entgegengetre-
ten ist, von ungebleichtem Leinen inid hat man dem Stoffe haupt-
sächlich durch den seidenen Einschlng jene Festigkeit und unzer-
störbare Dauerhaftigkeit gegeben , die man heute noch an diesen
mehr als achthundertjälirigen Geweben bewundert. Viele dieser
Seidenstotte (z. B. an <ler Casel Sti. Annonis, Sti. Ileriberti) sind
glatt, ohne Musterung gehalten; die bei weitem grössere Zahl der-
selben (casula Sti. Bernardi, Bernwardi, Willigisis, Bennonis etc )
sind mit Musterungen verziert. Diese Dessins stellen sich sämmt-
iich vertieft auf einem Satingrunde dar, welcher dadurch gebildet
wird, dass der dritte der einzeln passirten Kettenfäden den so-
genannten Schuss bindet. Die beiden zusammen passirten Fäden,
welche nicht im Atlas arbeiten, sind dazu da, um den Einschlag
höher aufzulegen und die in Umrissen angegebenen Musterungen
als tief im Atlasgruude eingeprägt erscheinen zu lassen.
Was nun die Form und Beschaffenheit dieser tief liegenden,
^) Joaiincs Diac. lib. IV vitae sti. Gresiorii M. cap. S.S. Auch das MessgewanJ,
worin der grosse h. Bernhard in Aachen celebrirte, l)esteht aus einem dunkel-
blauen Seidenstoffe.
— 105 —
gleichsam eingeritzen Dessins in diesen schweren meist orientali-
schen Seidenstoffen der reichern Messgewänder in den Tagen der
Karolinger und Oltone betrifft , so deuten wir hier , mit Bezug-
nahme auf das auf Seite 8 und 9 in der ersten Lieferung dieses
Werkes Entwickelte, in Kürze darauf hin, dass neben jenen na-
turhistorisch gemusterten Seidengeweben mit den Darstellungen
aus der mittelalterlichen Physiologie und deren j)hantasievollen
Thiergebildeu , die meistens von Kreisen und Vielecken eingefasst
waren, seit dem X. Jahrhundert an den oben angeführten bischöf-
lichen Gewändern ausschliesslich nur Musterungen vorkommen,
deren Gebilde vorzugsweise aus der Pflanzenwelt mit spärlicher An-
wendung der Formationen der Thierwelt entlehnt sind. Diese ge-
mischten Bildungen der animalischen und vegetabilischen Schö-
pfung, zuweilen nicht ohne symbolische Beimischung, sind durch-
gehends noch zu den tellerförmig und radförmig gemusterten Sei-
dengeweben zu zählen , die ein fortlaufend zusammenhängendes
Hauptmotiv zur Schau tragen. Auch scheinen Seidenstoffe, die mit
4 , 6 und 8 Ecken zusaumienhangend gemustert sind , innerhalb
welcher sich meistens arabeskenförniige Thier- und Pfianzengebilde
immer wiederkehrend befinden, in den Stoffen an bischöflichen Pon-
tifical-Gewändern der früh-romanischen Kunstepoche mit Vorliebe
angewandt worden zu sein.
Wir verweilten im Vorhergehenden länger bei der Bespre-
chung der stofflichen und technischen Beschaffenheit jener zu den
bischöflichen planetae meistens angewandten Seiden- und Purpur-
stoffe, weil aus diesen kostbaren Geweben fast alle übrigen im
Vorhergehenden beschriebenen Pontifical-Gewänder, mit Ausschluss
der Albe , in der früh - romanischen Kunstepoche angefertigt zu
werden pflegten.
Gehen wir im Folgenden zur Beschreibung jener kunstvollen
Verzierungen über, die schon seit dem IX. und X. Jahrhundert zur
' Ausstattung einzelner Theile der bischöflichen planetae in den Stifts-
und Kathedralkirchen des christlichen Abendlandes eine ausgedehnte
Anwendung gefunden haben.
In gleicher Weise wie die Tunicelle und vornehmlich die
Dalraatik durch reichgewirkte angusti clavi, aureae listae einen aus-
zeichnenden Schmuck erhielten, so nahm die Stickkunst auch schon
frühzeitig darauf Bedacht, das auszeichnende Obergewand des pon-
•) Anastasius Bibliotliectu-ius beneuiit in seinem Werke : .,Üe vitis Romanorum
Pontificum" diese in polygon gemusterten kostbaren Seideagewebe „pallia qua-
drapola, hexapola, octapola etc.
— 106 -
tificirenden Bischofs in verschiedenartiger Weise durch vielfarbige
gestickte Verzierungen zu heben und kunstgerecht auszustatten.
Diese gestickten oder in Gold gewirkten Bandstreifen der planeta
werden bei ältern Autoren aicreae listae , fimhriae , praeteoctae oder
auch aurifrisiae, tramites, viitae genannt.
Welche Form und Gestalt hatten nun diese verzierenden jje-
stickten und gewebten Bandstrelfen, die als äussere decorative Zu-
that vornehmlich die planetae des pontificirenden Bischofs vor den
einfachem Messgewändern des celebrirenden Priesters in der früh-
romanischen Kunstepoche auszeichneten ? Die ältern Messgewän-
der, die aus dem IX., X. und XI. Jahrhundert herrührend uns
zur Anschauung gelangt sind, zeigen eine verschiedenartige Aus-
stattung hinsichtlich der Form und Gestalt dieser aufgenähten
aurifrisiae. Die meisten dieser ältesten Messgewänder in der so-
genannten Glockenform, ohne Einschnitt zu beiden Seiten, geben
zumeist eine goldgewirkte oder gestickte schmälere Borde am obern
Halsausschnitt zu erkennen; bei einigen fehlt heute diese aurea
lista, jedoch haben sich noch vielfach kleinere Ueberreste an den
Halsausschnitten erhalten, die das frühere Vorhandensein derselben
andeuten. Bei den planetae, die wir in Italien auf ältern Mosaik-
bildern oder auch auf Tempera-Malereien, desgleichen in Original
zu sehen Gelegenheit hatten, könnnt meistens auf der Vorder- und
Rückseite eine aurifrisia vor, die als schmaler ornamentaler Stab
auf der Pectoralseite die Hauptnaht verdeckt, welche die weiten
Stofitheile des Messgewandes an dieser Stelle verbindet. Diese
aurifrisiae, die auf dem Pectoralstücke der ältern Messgewänder
ursprünglich die ebengedachte untergeordnete Bestimmung gehabt
haben mochten , und nicht wesentlich zu der casula gehörten,
wurden bereits im XI. Jahrhundert selbst Zweck und nahmen
um diese Zeit, namentlich in englischen, französischen und deut-
schen Kathedralen, eine besondere Form an, die mehrere Jahr-
hunderte hindurch sich traditionell erhalten hat und aus welcher
durch eine allraälige Erweiterung und Entwickelung das Kreuz
entstanden ist, wie wir dasselbe heute in den modern zugeschnit-
tenen Messffewändern häufiger vorfinden. Als nämlich im Laufe
des XI. Jahrhunderts die verschiedenen Künste im Dienste der
Kirche einen erhöhten Aufschwung; genommen hatten und auch die
Nadel-Malerei in Verbindung mit der Kunst der Goldschmiede und
der Schmelzer sich weiter zur Verzierung der bischöflichen Ornate
zu entwickeln und auszudehnen begann, erhielten auch insbesondere
diesseit der Berge die bis dahin schmälern fasciae oder fasciolae,
an Pontifical-Gewändern eine grössere Breite und fügte man bereits
107 —
seit dieser Zeit hin und wieder zu den ornamentalen Bandstreifen,
welche die Vorder- und Rückseite der planeta schmückten, noch zwei
aurifrisiae von derselben Breite hinzu, die transversal, einem schräg
ansteigenden Gabelkreuze, einem Y ähnlich, auf beiden Seiten des
Messgewandes sich gleichmässig erhoben und auf den Schulter-
stücken desselben zusammentrafen.
Es dürfte hier am Orte sein , die Frage aufzuwerfen : Wie
kam es, dass seit dem XL Jahrhundert die aurifrisiae, vornehm-
lich auf bischöflichen Messgewändern , sich zu der Form eines
Gabel- oder Schulterkreuzes allmälig ausbildeten? Die Antwort
hierauf kan'n nicht fern liegen, wenn man sich die Gestalt und
Anlegungs weise des erzbischöflichen paUium vergegenwärtigt , wie
dasselbe in der oben angegebenen fernliegenden Kunstepoche, altern
Bildwerken zufolge, von den Erzbischöfen getragen wurde. Nach-
dem das pallium als bedeckendes Obergewand, ähnlich der Stole,
seine faltenreiche stoffliche Ausdehnung verloren hatte und nur
der ehemaligen decorativen Ausstattung, dem schmalen mit Kreu-
zen vei'zierten Streifen, der Name geblieben war, wurde dieses
auszeichnende Ehrengewand ein schmäleres Band , als vestis stau-
racin, nach Anlegung des Messgewandes so auf den Schultern
vermittels beweglicher goldener Spangen befestigt, dass dasselbe
auf der Vordei'- und Rückseite der casula als langer Bandstreifen
herunterhing und auf Brust und Rücken des Trägers von der
Mitte zu den Schultern hin schräg anstieg. Es lag nun nahe,
durch eine reiche Stickerei in Gold- und Seidenfäden auf den bei-
den Theilen des Messgewandes die Form des griechischen Tau als
ornamentales Beiwerk unbeweglich aufzunähen und zu befestigen, die
als auszeichnendes Ornatstück nur die Erzbischöfe und Metropoliten
in ähnlicher Form und Anle gungsweise beweglich auf der planeta
zu tragen das Vorrecht besassen. Wir waren angenehm über-
rascht, eine ähnliche Auffassung des Ursprunges dieser gabel-
förmig gestalteten Tau auch bei Du Cange ad voc. casula vor-
zufinden, der aus der Geschichte der Bischöfe von Autun eine
Stelle zur Begründung der eben ausgesprochenen Ansicht anführt,
die also lautet: „casula coloris aetherei, phrygio palmum habente
superhumeralis et rationalis effigiem ad modum pallii archiepis-
copalis honorabiliter praetendebat. ') Durch eine kunstreiche Sticke-
rei, die in ihrem Aeussei-n die Gestalt des erzbischöflichen Palliums
nachahmte, wurde also bereits im XII. Jahrhundert auf der Dor-
sal- und Pectoralseite der bischöflichen Casel der Mangel des eben-
') Histor. Episcoporum Autisiodor., cap. 49.
— 108 —
gedachten nur den Erzbischofen und Metropoliten zustehenden Or-
nates weniger sichtbar. Zur Veranschaulichung dieser über die
Schulter ansteigenden aurifrisiae, als Nachahmung des ei'zbischöf-
lichen pallium, haben wir auf Taf. VIII, Fig. 1 eine bischöfliche
casula in verkleinertem Maassstabe bildlich wiedergegeben, die sich
heute noch mit vielen andern in den Schatzgewülben der Dom-
kirche zu Halberstadt vorfindet. In der Mitte dieser casula aqui-
linata, die, ihrem Schnitte und den goldgestickten Musterungen
nach zu urtheilen , dem XII. Jahrhundert angehört, ersieht man
eine schmale vitta, die gabelförmig über die Schultern ansteigt und
von einem ähnlichen bandförmigen Streifen in der Mitte auf beiden
Seiten des Messgewandes ausgeht. Es ist nicht zu verkennen,
dass diese hier abgebildeten orfrois der Gestalt und Anlegungsweise
des erzbischöflichcii pallium genau entsprechend sind und als eine
beabsichtigte ornamentale Imitation desselben betrachtet werden
können. Eine aurca lista in dieser Gestalt als Gabelkreuz befand
sich auch bis zur französischen Revolution auf der in unserer
Sammlung befindlichen Purpur-Casel des h. Anno (f 1078). Leider
ist dieser goldene Besatzstreif, des leidigen Metallwerthes wegen, zu
Anfang dieses Jahrhunderts abgetrennt worden ; es sind jedoch die
Stellen deutlich noch wahrzunehmen, wo dieselben in Weise eines
doppelten Gabelkreuzes ehemals aufgenäht waren. Desgleichen zeigt
auch das Messgewand des Erzbischofs Willigis zu Mainz heute noch
einzelne Ueberreste einer ähnlichen ornamentalen Borde als gemu-
stertes Goldgewebe, das dieses ausgezeichnete bischöfliche Gewand in
Form eines Gabelkreuzes ehemals verzierte. Neben diesen goldenen
Stäben an bischöflichen Gewändern im XI. Jahrh., die um diese
Zeit als ornamentale Verdeckung der Nähte noch sehr schmal waren
und die Form bildeten, wie sie an dem Gabelkreuze auf Taf. VIII,
Fig. 1 veranschaulicht worden sind, kommen mit dem XII. Jahrb., wo
die gesticiUen Verzierungen auf den bischöflichen und festtäglichen
Messoewändern sowohl an Ausdehnung als auch an Eciclithum des
^Materials und Entwickelung der Form zunehmen, häufig andere
Formenbildungen und Gestaltungen dieser Stäbe zur Anwendung.
Um Gesagtes nicht zu wiederholen, verweisen wir hier im
Vorbeigehen auf unsere ausführlichem Angaben in der zweiten
Lieferung auf Seite 188 und den folgenden, wo angedeutet worden
ist, in welcher Weise seit dem XII. Jahrhundert die Stickerei und
Nadelmalerei zur Ausschmückung der liturgischen Gewänder sich
grossartiger zu entfalten begann. Dass diese Entwickelung der
kirchlichen Stickkunst namentlich dem hervorragendsten bi.<ichöf-
lichen Obergewande vortheilhaft zu Statten kam, beweisen heute
— 109 —
noch eine grosse Zahl von reichgestickten Messgewändern des
XII. Jahrhunderts, die wir in verschiedenen Stifts- und Kathedral-
kirchen des christlichen Abendlandes vielfach noch in ausgezeich-
net guter Erhaltung vorgefunden haben. Das System der Orna-
mentation an diesen meist bischöflichen Caselu des XII. Jahrh.,
insoweit sie uns an vielen Orten noch zu Gesichte gekommen sind,
ist ein zweifaches : Entweder ist der ganze faltenreiche Seidenstoff
mit meist naturhistorisch-scenirten Goldstickereien verziert und sind
alsdann die aurifrmae als Nachahmung des erzbischüflichen pallium
aus goldgewirkten listae auf eine geringe Ausdehnung beschränkt,
wie an dem Adlergewande auf Taf. VIII; oder aber der falten-
reiche Gewandstoft ist olme Musterungen , d. h. ohne eingewebte
Goldbrochirungen oder eingestickte Dessins, uni gehalten, und ist
alsdann mehr Sorcrfalt auf die breitern meistens in Gold sfcwirkten
Stäbe verwandt , die als Gabelkreuze beide Theile des bischöf-
lichen Messgewandes gleichmässig verzieren ; in einem dritten
Falle nehmen diese kunstvoll gearbeiteten aurifrisiae eine freiere
ornamentale Gestalt in Form von Pflanzengebilden an, die sich
auf dem Obcrtheile des Messgewandes frei verästelt. Halten wir
im Folgenden eine kurze Umschau , wo sich heute noch bischöf-
liche Messgewänder aus der entwickelten romanischen Kunstepoche
der ersten Art erhalten haben.
Ausser dem Adlergewande des Domes zu Halberstadt, dessen
Thiermusterungen in Gold auf dunkelblauer Satin scide (vergl.
Taf. VIII, Fig. 1) gestickt sind, bewahrt die reichgefüHte Zither
daselbst noch einige Messgewänder mit reichen thier-symbolischen
Stickereien und mit schmälern gabelförmig ansteigenden Stäben.
Auch das Messgewand, das zu jenen Dalmatiken mit goldgestick-
ten Lüwenmustern gehört, die wir auf Taf. V, Fig. 1 wiederge-
geben haben, ist durchaus mit Thierbildern bestickt, unter Zugabe
von schmälern Stäben in Form von Gabelkreuzen. Wohl das
reichste Exemplar eines vollständig mit Bildwerken gestickten Mess-
gewandes in zusammenhängenden Rundmedaillons, die dem Leben
des Herrn und der allerseligsten Jungfrau entlehnt sind , bewun-
derten wir im Schatze des Domes von Anagni. Auch in der Sa-
cristei des ehemaligen Benedictinerinnen-Stiftes zu Göss in Steyer-
mark sahen wir ein ähnliches ganz mit symbolischen Thierbil-
dern besticktes Messgewand, das der Fülle der angewandten Sticke-
reien wegen den aurifrisiae keine passende Stelle bieten konnte. ')
') Vgl. unsere Beschreibung dieser merk'wiirdigen casula in ilen ., Mittheilungen
der k. k. C'entnil - Commissioii zur Kifurschung und Erhaltung der Bau-
Denkmale." Maiheft, Wien, 185S.
— 110 —
Die unstreitig merkwürdigsten Messgewänder dieser Art, die
beide dem XII. Jahrhundert angehören, wurden ehemals im gazo-
phylaceum der Reichs-Abtei St. Blasien im Schwarzwalde aufbe-
Avahrt, und sind dieselben von dem gelehrton Abte Gerbert ') be-
schrieben und abgebildet worden. Glücklicher Weise sind diese
beiden liturgischen Prachtgewänder nebst vielen andern kirchlichen
Kunstschätzen bei der gewaltsamen Aufhebung von St. Blasien
nach St. Paul im Lavanthale (Kärnthen) übertragen worden, wo
die bedrängten Stiftsherren gastliche Aufnahme und eine zweite Hei-
math fanden.
Dr. G. Ileider -) hat das Verdienst, dass er in einer umfang-
reichen Abhandlung mit Zugabe vieler charakteristischer Abbil-
dungen vom Standpunkte der heutigen archäologischen Forschun-
gen diese beiden casulae eingehend besprochen hat. Indem wir
auf diese treffliche Arbeit unseres Freundes hiermit diejenigen ver-
weisen, die die Geschichte der liturgischen Gewänder zu einem
eingehendem Studium gemacht haben, bemerken wir im Hinblick auf
die äussere Einx-ichtuno- und Ausstattung; dieser heute noch aus-
gezeichnet erhaltenen castilae von St. Paul Folgendes.
Das eine dieser beiden Messgewänder, das uns das ältere zu
sein scheint, hat einen grüssten Halbmesser von 1 Metr. 67 Cmtr.
Die ganze Flächenausdehnung; dieses litura:ischen Gewandes ist als
eine planefa quadrapola zu betrachten, indem dieselbe durch verti-
cal und horizontal gestickte schmälere Ornamentstreifen in 38 Qua-
dratfelder getheilt wird. Der äussere Umfassungsrand, der von
ältern Schriftstellern abwechselnd liinbus, ora oder gi/ra in cirouitu
genannt wird , ist mit zusammenhängenden Kreismedaillons ver-
ziert, innerhalb welchen 35 Halbfiguren, meistens dem Alten und
Neuen Testamente angehörend, gestickt sind. Der Reichthum der
gestickten Figuren und heiligen Scenen, die einestheils der Lebens-
geschichte des Heilandes, anderntheils typologischen Darstellungen
des Alten Bundes entlehnt, die quadratischen Felder dieser ca-
sula zu einer lehrreichen Bilderbibel gestalten, machte die Anwen-
dung von reich gestickten breiten aurifrisiae zum Schmucke der
Vorder- und Ilintertheile unzulässig. Das zweite Messgewand der
1) Gerbert: Vetus Liturgia Alemanica Tyj). San-Blasiaiiis 1776, pag. 265, tab.
VI et vn.
2) Vgl. Liturgische Gewänder aus dem Stifte St. Blasien im Scliwarwalde der-
malen aufbewahi-t im Stifte St. Paul in Kiirntheu von Dr. Gustav Heider.
Abgedruckt im IV. Bande des „Jahrbuches der k. k. Central-Commission zur
Erforschung und Erhaltung der Baudeukmale."
— III —
ehemaligen Abtei von St. Blasien, das in gleicher Weise wie das
eben beschriebene heute leider in der Art eines Chorniantels (plu-
viale) geöffnet ist, scheint bei dieser Oeffnung an der vordem Lang-
seite nicht unbedeutend verkürzt worden zu sein. Dasselbe zeigt
einen Halbmesser von nur 1 Metr. 54 Centimetr. Auch diese casula
des XII. Jahrhunderts ist in ihrer ganzen Ausdehnung in eine
Menge von Quadraten abgetheilt, innerhalb welcher sich in Flock-
seide gestickt verschiedene Standbilder von Heiligen und eine
Menge von Scenen aus dem Neuen Testamente und aus der Lebens-
geschichte des h. Nicolaus vorfinden. Die gestickten Medaillons,
die den äussern breiten Umfassungsrand an dem vorher beschrie-
benen festtäglichen Messgewande bilden, fehlen an der in Rede
stehenden casula pontificalis und ist anstatt dieser Umrandung, und
zwar auf dem Hintertheile derselben, ein breiter ornamentaler Strei-
fen mit gestickten Halbbildern, von Kreismedaillons umschlossen,
ersichtlich , wodurch die in Gold gewirkten und reich gemusterten
aureae listae der meisten bischöflichen Ornate aus dieser Epoche er-
setzt werden. ')
Grösser ist die Zahl der heute noch aus dem XH. Jahrhun-
dert herrührenden Messgewänder mit breiten gestickten oder in
Gold gewirkten aurifrisiae, deren Stoff nicht mit Figuren und Or-
namentstickereien verziert, sondern einfach und ohne Musterungen
gehalten sind.
Die alte Bischofsstadt Regensburg bewahrt noch heute in
ihrem Domschatze ein auso-ezeichnetes Messgewand der ebeno-e-
dachten Art, die unser für die kirchliche Alterthumswissenschaft
zu früh verstorbene Vorgänger Abbe Martin in seinen „Melanges" ^)
besprochen und in Abbildung wiedergegeben hat. Dieses reiche
Messgewand , in Form der ältern campanula, mit einem unmerk-
lichen Ausschnitte, wird dem h. Wolfgang, Bischof von Regens-
burg (f 994) zugeschrieben. Der Grundstoff besteht aus einem
schweren Seidenköpper ohne Musterungen. Auf diesem erblickt
man in Gold gewirkte Bandstreifen in der Breite von 16 Centim.,
die in Weise des pallium die Vorder- und Rückseite des Gewan-
des schmücken. \\\ dieser breiten aurea lista sind symbolische
') Wir imterlassen es liier, uns weiter über den technischen Theil dieser bei-
den plaiieiae von St. Blasien zu verbreiten, die mit den früher besproche-
nen Gewändern vom Kloster Göss durchaus übereinstimmen. Dr. Ileider
hat in seiner eben citirten Abhandlung au Bildwerken in Farbendruck das
Technische dieser Messgewiinder hinlänglich veranschaulicht.
-) Melanges d'Archeologie par Charles Cahier et Arthur Martin. II. vol. Paris
1851, page 245.
- 112
Thierfigurationen , von romanischen Laubverzierungen umschlun-
gen, eingewebt, und unterstützen in ihren charakteristischen For-
men die Angaben der Tradition, nach welchen dieses Gewand vom
heiligen Wolfgang getragen worden ist. Eine andere planeta in glei-
chem Schnitte und in demselben Systeme der Ornamentation , die
einer glaubwürdigen Uebei'lieferung zufolge als ein Geschenk Hein-
rich's des Heiligen heute noch in der ehemaligen Abteikirchc von
St. Emeram zu Regensburg aufbewahrt wird, hat in Gold ge-
wirkte Aurifrisien , die als Gabelkreuz auf beiden Seiten der pla-
neta aufgenäht sind , und die auffallende Breite von fast 24 Cmtr.
zeigen ; die grosse Breite dei'selben erinnert nicht undeutlich an
die lati clavi der klassisch-römischen Zeiten. Ausser dieser gold-
«rewirkten breiten Borde ist der untere Saum des faltenreichen Ge-
wandes mit einer gyra verbrämt, die ebenfalls ein dichtes Goldgewebe
mit Laub- und Thiermustei'ungen zeigt. Auch in der Sacristei des
Domes zu Eichstätt, desgleichen in der Benedictiner-Abtei-Kirche
zu St. Peter in Salzburg imd im Dome zu Augsburg sahen wir
ältere j)la7ietae in Glockenform, deren Grundstoff keine Stickereien
aufzuweisen haben und deren Ornamentation auf die' reichverzier-
ten Stäbe übertragen worden ist. Auch im Schatze des Münsters
zu Aachen wird ein interessantes Messgewand im alten Schnitte
aufbewahrt, dessen Grundstoff aus einer dunkelblauen Seide ohne
Musterungen besteht. Anstatt des goldgestickten oder gewebten
Ypsilonkreuzes sind durch Perlstickereien auf jeder Seite desselben
Aurifrisien dargestellt, die aus einzelnen Laubornamenten bestehend,
immer wiederkehrend ein Gabelkreuz bilden. ')
Wir haben nun noch auf einige altere Messgewänder der
dritten Art, die sich bis zur Stunde in ihrer ursprünglichen Form
erhalten haben, hinzuweisen, auf solche nämlich, welche statt der
breiten gabelförmigen Aurifrisien auf einfachen, glatten Grundstof-
fen als ornamentale Stabverzierungen frei gestickte Laubornamente
zu erkennen geben. Das interessanteste Beispiel davon findet sich
an einem ältern Messgewande in glattem Purpurstoffe , das in
dem vollständig ausgeleerten königlichen Krönungsschatze des
Domes von Keims gerettet worden und heute noch an den fctes
de deuü im kirchlichen Gebrauche ist. Die genauen Abzeichnun-
gen dieses interessanten Messg-ewandes des XII. Jahrhunderts sind
uns durch das Wohlwollen Sr. Eminenz des Cardinais Gousset
Wir werden in der folgenden Lieferung einige dieser ältern Messgewänder
in Abbildung wiedergeben und die }iäbern Ergänzungen über Sclmitt und
Form derselben hinzufügen.
- 113 —
Erzbischofs von Elieims, zugestellt worden und haben wir auf Taf.
XII in freier Composition dargestellt, welchen majestätischen Fal-
tenwurf das eine Messgewand von Rheims nach seiner Anlegung
erkennen lässt. Der Grundstoff dieser casula ist, wie die Abbil-
dung zeigt, glatt ohne farbige Musterung gehalten. Statt der Au-
rifrisien in Form eines Gabelkreuzes hat man mit der Nadel ein
reiches Päanzcnornament gestickt, das als Baum in einem schlanken
»Stamme ansteigt und nach oben sich zu einem reichen Laubge-
winde entfaltet.
Es gewinnt den Anschein, als ob schon seit der früh-roma-
nischen Kunstepoche die aurifrisiae auf dem Messgewande nicht
nur als eine Nachahmung des ähnlich gestalteten erzbischöflichen
pallium sich nach und nach reicher entwickelten, sondern dass auch
durch diese aufgenähten Ornamente die Form des Kreuzes ang-e-
deutet werden sollte. Findet diese Annahme ihre Berechtigung,
so dürfte eine zweite Hypothese an Wahrscheinlichkeit gewinnen,
der zufolge dieses Pflanzenornament in Gestalt eines Baumes sei-
nem Zwecke nach als identisch mit dem gabelförmigen Kreuze der
gleichzeitigen aurifrisiae zu betrachten wäre, und dass also dieses
Ornament auf der ßheimser casula jenen arbor vitae, plantata in medio
paradisi andeute, von welchem bei Johannes a V'oragine die schöne
Legende zu finden ist. Diese Zeit tiefer christlicher Auffassungen,
welche nicht ermüdete, die laudes s. Crucis zu besingen, und die in
den schönsten Sagen den Ursprung des Kreuzesholzes vom ßauma
des Paradieses herleitete, den Kreuzesstamm ferner mit dem Tem-
pelbau Salomon's, mit der Königin von Saba und dem Teiche
Siloö in Verbindung brachte , wird es gewiss nicht imterlassen
haben, diesen arbor vitae in der Kunst auch auf sinnreiche Weise
zur Anschauung zu bringen. So lag es auch sehr nahe, das dulce
lignum, wovon die Kirche singt, an hervorragender Stelle auf den
Messgewändern als Lebensbaum darzustellen , woher nach einer
frommen alten Tradition das Holz zum Kreuzesstamme genom-
men worden ist. Bei Aufzählung der verschiedenen Gestaltung-en
der aurifrisiae in der romanischen Kunstepoche, die vornehmlich
die bischöfliche und Fcsttags-Casel zierten, sei hier noch im Voi-
beigehen bemerkt, dass wir in der Sacristei der St. Godehardi-
Kirche zu Plildesheim und im Schatze von St. Peter zu Salzburg
zwei Messgewünder des XII. Jahrhunderts vorfanden, die mit
aureae listae als Gabelkreuzen verziert sind. Dieselben zeigen aber
auch zugleich in den über die Schultern ansteigenden Stäben
in Gold gestickte romanische Laubornamente, die Im obern Theile
des Gewandes sich frei verästeln und so gleichsam eine Verbin-
Lituigische GewäuJer. \l.
— 114 —
duTig des ebengedachten arhor vitae und des vorhin erwähnten Ga-
belkreuzes in schmalen gestickten Goldstreifen anzudeuten scheinen.
Wir haben im Vorhergehenden unter Hinweisung auf ältere
heute noch vorhandene Messgewänder die verschiedenartige Ver-
zierungswelse der bischöflichen lolaneta vom IX. bis XII. Jahrhun-
dert zu beschreiben gesucht. Der Vollständigkeit wegen wollen
wir die Angaben älterer Schriftsteller über die reichgestaltige Or-
namentation der bischöflichen Messgewänder in der angedeuteten
fernliegenden Epoche der Reihe nach anführen.
Eine interessante geschichtliche Mittheilung über eine in Gold
gestickte bischöfliche Casel hat der Mönch Helgaldus in seiner Le-
bensbeschreibung des Königs Robert aufgezeichnet. ') Derselbe
berichtet nämlich, dass die Königin Adhelais, die Gemahlin Hugo
Capet's, der Kirche des h. Gregor von Tours eine prachtvolle
Casel schenkte, die sie in Goldfäden mit eigener Hand gestickt
hatte. Auf der Rückseite sah man Gott den Vater unter andern
figürlichen Darstellungen, umgeben von Seraphim; auf der vor-
dem Seite erblickte man in Goldstickereien das Lamm mit den
vier symbolischen Zeichen der Evangelisten. Dieselbe kunstsinnige
Königin verehrte dem Schatze der Begräbnisskirche St. Denis ein
anderes reich in Gold gesticktes Messgewand mit der figürlichen
Darstellung des Erdkreises. -) Dieselbe Basilika zu St. Denis be-
sass , von der Freigebigkeit Karl's des Kahlen herstammend , eine
zweite casula, die in Gold gestickt denselben Gegenstand, nämlich
den Orbis terranim, zeigte. Wir konnten uns längere Zeit hin-
durch nicht erklären, wie auf einem Messgewande der orhis ter-
rarum in Goldstickerei wiedergegeben werden konnte, bis wir im
Schatze zu Bamberg jenes berühmte jyallium Sti. Henrici einem
nähern Studium unterzogen hatten. Auf diesem prachtvollen Kai-
sermantel fanden wir in höchst origineller Weise den Thier-
kreis und viele andere Sternbilder, alles mit den entsprechenden
Inschriften in Goldfäden auf Purpurstoff gestickt. Zugleich er-
blickt man auf dem Dorsalstück dieser planeta Kaiser Heinrich's
des Heiligen die goldgestickte Darstellung des Allerhöchsten, um-
geben von Cherubim und Seraphim, ferner die vier Symbole der
Evangelisten, das Bild der allerseligsten J ungfrau, des h. Johannes,
') Helgaldi Floriac. mon. Vita Roberti reg. cap. XIV. (Ree. des bist, des
Gaules etc. tom. X, pag. 104. D.)
-) Helgaldi J'loriacens. monach. loco cit.
^) Reclierclies svu- le commerce et la fabrication des etoffes de soie p. Francisque-
Micliel, tome n, page 56, Paris, 1844.
— 115 —
und daneben eine solche eigenthüiuliche Zusammenmischuno; von
profanen und Heiligenfiguren, dass es den Anschein gewinnt, es
sei dieses Prachtgewand von jenen Künstlern gestickt worden, die
als Bekenner des Islams ihren Sitz in den Industriestädten des
saracenischen Siciliens oder des maurischen Spaniens im Beginne
des XI. Jahrhunderts hatten. Um jeden Zweifel zu heben, dass
das Messgewand Karl's des Kahlen, ein Geschenk desselben an die
Begräbnisskirehe St. Denis, desgleichen auch die gleichartige pZaneta
der Königin Adhelais mit ähnlichen naturhistorischen, wahrschein-
lich typisch feststehenden Bildwerken, das Weltall allegorisirend,
verziert gewesen seien, lesen wir in grossen Versalien unten auf dem
ebengedachten Kaisergewande folgende Inschrift, in Goldstickerei aus-
geführt: „Descriptio totius orbis. Fax Ismaeli, qui hoc ordinavit."
An dem untern Saume dieses ehemalicren Messgewandes erblickt
man in reichverzierten Versalbuchstaben folgende woldwestickte In-
schrift, deren vollständige Entzifferung den Bollandisten aus meh-
reren Gründen nicht o-elungen ist. Unter entgegenkommender Bei-
hülfe des Herrn Geheimen Rathes Pertz haben wir die Lesung in
folgender Weise festzustellen gesucht:
O decus Europae, Caesar Henrice, beare!
Augeat Imperium Tibi rex, qui regnat in aevum!
Dass dieses heute so benannte pallium Sti. Henrici ehemals als
i'asula von Heinrich dem Heiligen und der heiligen Kunigunde
ihrer Lieblinwsstiftuno- Bambera; jjeschenkt worden sei, dürfte auch
entnommen werden aus einer srestickten Inschrift unter der vor-
hingedachten Majestas Domini, die Folgendes besagt: „Supernae
usiae sit "Tatum hoc Caesaris donum!" Diese figurenreiche
Stickerei in cyprischem Golde als ehemaliges vesthnentum episco-
pale ') stimmt in seiner Form und in der Technik der Stickereien
vollkommen mit dem Messgewande überein, Avelches die Schwester
Heinrich's des Heiligen, die Königin Gisela, und ihr Gemahl,
König Stephan der Heilige, dem Schatze der Kirche von Stuhl-
weissenburg fast um dieselbe Zeit zum Geschenke machte, als auch
die planeta mit dem ebengedachten orbis terrarum dem Schatze
der bischöflichen Kirche zu Bamberg überwiesen wurde. Auf der
schmalen Umrandung dieses ehemaligen Messgewandes von Stuhl-
weissenburg, das gleichfalls heute als Krönungsmantel im Schatz-
') Die Bollandisten haben dieselbe noch in tom. III, pag. 824, mensis Julii, als
planeta geschlossen abgebildet und beschlieben; die Oetfuung in der vor-
dem Seite in Weise eines Pluviale scheint eist gegen Mitte des vorigen
.Jahrhunderts vorgenommen worden zu sein.
8*
— 116 —
gewölbe zu Ofen aufbewahrt wird und auch als Chormantel ge-
öffnet ist, erblickt man in Gold gestickt folgende Inschrift: „Casula
hec data et operata est Ecclesie Ste. Marie site in civitate Alba
anno ab incarnatione Christi MXXXI, indictione XIV a Stephano
rege et Gisla regina." ') Dieses Kunstwerk seltener Art, das in
den letzten Wirren durch Versenkung an sumpfiger Stelle sehr
beschädigt worden ist, zeigt in Bezug auf seine figüi'lichen Dar-
stellungen (^vielleicht angefertigt von der Hand der Königin Gisela)
grosse Aehnlichkeit mit den oben erwähnten Bildwerken , welche
von der Gemahlin Hugo Capet's für die bischöfliche Kirche von
Tours in cyprischeni Golde gestickt worden waren.
Dass im X. und XI. Jahrhundert in den Gewand- und Schatz-
kammern grösserer Kathedralen , sowohl diesseits als jenseits der
Berge vielfach durch fürstliche Hände in Gold gestickte Messge-
wänder anzutreffen waren , die mit eingewirkten figürlichen Dar-
stellungen verziert und die, als traditionell für solche Zwecke fest-
stehend, an vielen ältern Vorbildern bereits früher ersichtlich waren,
erhellt unter Anderm auch aus einer Stelle des öfters citirten Leo
von Ostia, der in seiner Cassinensischen Chronik gegen Mitte des
XI. Jahrhunderts Folgendes berichtet: „Obtulit similiter Scto. Be-
nedicto planetam purpuream aureis phrygiis mensium XII signa
in se habentibus ornatam." ^) Es dürfte einleuchtend sein, dass
unter den aureit; frisiis dieses jVIessgewandes figürliche Goldsticke-
reien und unter den in Gold gestickten allegorischen Darstellungen
der zwölf Monate ebenfalls der Thierkreis zu verstehen sei , wie
er in ähnlicher Weise an den vorhin erwähnten Messgewäudern
mit dem orbits ie^rarum wahi^üenommen wurde. Ob im XI. Jahr-
hundert reichgestickte planetae cum tintimiahnlis, wie die Charta Be-
nedicti sie nennt, vielfach im kirchlichen Gebrauche waren, wagen
wir hier nicht zu bestin)men, indem uns in ältern Inventarien keine
derartigen Angaben zu Gesichte gekommen sind.
Dass an Stolen, Pallien, desgleichen auch an Pluvialen solche
tintinnahuli als melodische fiinhriae vielfach angetroffen worden, ist,
wie wir schon anfi'ihrten, bei mehreren ältern Chronisten zu er-
sehen. Wir wollen jedoch die Möglichkeit nicht bestreiten, dass
auch an den beiden untern Enden reicherer Casel-Aurifrisien solche
Glöckchen angebracht waren.
') Um nicht Gesagtes zu wieclerliolen , verweisen wir auf die nähere Beschrei-
bung und Abbildung dieser ehemaligen Casel von Stuhlweissenburg in der
zweiten Lieferung dieses Werkes Seite 157 — 161, Taf. III.
2) Leon. Ostieus. lib. II, cap. IV et lib. III, cap. 57.
— 117 -
In dem Bestreben, die goldenen Stickereien bischöflicher Mess-
gewänder durch Anbringung von Perlen und Ednlstelnen zu he-
ben und auszuschmücken, war man bereits im XII. Jahrhundert
in reichern Kathedralkirchen dazu gelangt , dass durch die Fülle
und Häufung solcher kostbaren Stickereien einzelne vestimenta epis-
copalia für den Träger eine wahre Last wurden. Dieses lässt sich
deutlich aus einer Stelle im Chronicon Moguntinense des Bischofs
Conrad entnehmen, der bei Aufzählung der reichen Kirchenschätze
und Kleinodien, die Mainz gegen Schluss des XII. Jahrhunderts
besass, eine besonders reichgestickte Pracht-Casel ausfiihrlicher be-
spricht. Dieselbe war aus einem Purpurstofife angefertigt und hatte
dui-ch äusserst breite und lange in Gold gestickte Stäbe und durch
gestickte Halbmonde und Sterne eine solche Beschaffenheit und
Schwere erhalten , dass sie auf den Armen beim Gebrauche nur
mit Mühe aufgerollt werden konnte. Die Chronik gibt zugleich an,
dass der Träger dieses Messgewandes von kräftigem Körperbaue
sein musste und dass dieselbe nur bis zum Offertorium sretraffen
zu werden pflegte. *)
Hält man mit Herbeiziehung älterer Schatzverzeichnisse un-
ter den bischöflichen Messgewändern des XIII. Jahrhunderts
hinsichtlich ihrer decorativen Ausstattung nähere Umschau, so
muss man eingestehen, dass die fortgeschrittene und entwickelte
Stickkunst in Wiedergabe von figürlichen Darstellungen die Kunst-
sticker der vorhergegangenen Jahrhunderte bei Weitem übertroffen
habe. Zur Bewahrheitung des Ebengesagten führen wir hier den
Wortlaut des Verzeichnisses der durch Papst Bonifacius VIII. der
Kirche zu Anagni geschenkten Pontifical- Gewänder und Kleino-
dien an. Dieses Inventar gibt imter der nibrica de planetis unter
Anderm folgende ausführliche Beschreibung mehrerer hervorragen-
der Caseln:
„Item una planeta de samito ^) viridl cum aurifrisio de auro,
') "Wir lassen diese interessante Stelle hier wörtlich folgen: „Una inter ceteras
erat casulas ante paiicas dies violacea, latis et niagnis aurifrigiis, longa et
larga, aureis limulis et sideribus iusertis ; quae tanti erat ponderis propter aurum
nt plicari non posset et in ipsa vix aliquis poterat, nisi valde robustus, di-
vina mysteria celebrare. Vestiebantur tarnen illa ponlifices et praelati festis
praecipuis cantaturi. Sed post Evangelium cantato oflfertorio, factis ob-
latiüuibus, illam deponentes flexibiliorem sumentes, in illa divina perfecerunt.
Chronic, velus rer. iyiogunt aiilure Cunrado Episcopo, apud Urstisiura.
5) Samitum, gleichbedeutend mit dem italienischen sciamitu, veluto, unser deut-
scher Sammet, der in niederrheinischen Inventarien fast durchgeheuds ßuele
genannt wird.
118 —
ad ymaglnes Salvatoris et Virginis in pectorali ') , et sex Apo-
stolorum , et beati Gregorii ex parte ante , et novem ymagines a
tei'go. ^)
„Item una planeta de samito laborato de auro cum acu ^) ad
leones, papagallos, grifos et aquilas cum geminis capitibus et auri-
l'risio de samito laborato de auro ad ymagines geneologie Salva-
toris. cum pernis et lapidibus pretiosls.
„Item una planeta de panno Tartarico ad aurum , cum auri-
frisio de auro cum multis scutis et in pede a tergo cum litteris :
Penne fit me. ^)
„Item una planeta contexta ad aurum et de serico de ystoria
Salvatoris, ab annuntiatione beate Virginis, et nativitate Xsti us-
que ad resurrectionem. ^) Et de assumptione beate virginis. Et
foderata sennato **) rubeo cum aurifrisio ex parte ante cum pernis."'
') Dieses kostbare Messgewand in gruaem Sammet hatte noch ein besonders
reichgesticktes Pectoralstück, das an dem vorderen Stabe, oben unter dem
Halsausschnitte transversal gelegt war ; auf diesem breiten Ornamentstreifen,
horizontal laitfend, zeigte sich in Figurstickerei die Krönung der aüersehg-
sbeu Jungfrau.
-) Auf dem vordem Stabe waren die Bildwerke von sechs Aposteln iu Platt-
stich gestickt, uebst der Figur des h. Gregorius, und auf der mirifrisia
der hintern Seite dieses Messgewaudes die Bilder von neuu verschiedenen
Heiligen.
Auf dem platten Sammetstoffe dieses bischöflichen Messgewandes waren in
Gold gestickt mehrere symbolische Thierbilder, nämlich Löwen, Papageien,
Greife und Adler mit doppelten Köpfen; auf den in Gold gewirlrten Stäben
ersah man iu Halhbiklcni gestickt den Stammbaum des Heilandes, dazwi-
schen waren Pi'rleu und gefasste Edelsteine angebracht. Dieser Stamm-
l)aum Jesse erhielt sich als passende Bildstickerei zur Ausschmückung rei-
cher Messgewäuder bis zum XVI. Jahrhimdert.
"*) Diese casula aus tartarischen Goldstofien Hess auf den Aurifrisieu eine
Menge kleiner Wappenschilder erkennen, worin entweder heraldische Abzei-
chen gestickt waren, oder diese Wappenschildchen bestanden aus getriebenen
Goldblechen, die auf diese Stäbe stellenweise aufgenaht waren. Auf dem
unteru Abscliluss des Dorsal-Stabes (in pede a tergo) las mau in goldgestick-
ten Buchstaben: „Penne hat mich angefertigt."
•'•j Eine andere Casel, deren Umstoff von Seide war, mit eingewebten Muste-
rungen von Gold, stellte auf ihren kunstreich gestickten Stäben in getrenn-
ten Scenen das Erlösiuigswerk des Herrn dar und zwai- zusammenhangend
von der A'erküudiguug bis zur Auferstehung.
Dieses ebengedachte Messgewand war gefüttert mit einem rothen leichtern
Seidenstoff, der itahenisirt sennato hiess, vielleicht eine Bezeichnung für
i-endal, unser deutsches Zeudel (italieuisch zuweilen auch cewdw/o, samduU»,
cendato etc. genannt).
9
- 119 —
Eine noch genauere Beschreibung der vielen gestickten Or-
namente in Gold, Perlen und Edelsteinen und vielen Bildwerke
in Plattstich, womit gegen Schluss des XIII Jahrhunderts auch
die bischöflichen Gewänder englischer Kathedralkirchen verziert
zu werden pflegten, findet sich in der interessanten „Besichtigung
des Schatzes von St. Paul in London vom Jahre 1295." ') Um
nicht zu ausführlich zu werden, wollen wir unter den vielen dort
verzeichneten bischöflichen Prachtgewändern einige hervorheben :
„Casula Nicholai Archidiaconi de rubeo sameto preciosa, cum
vineie de perlis in raodum amplae Crucis in dorso. 2)
„Item Casula Wulfrani de Indico sameto , bona et preciosa,
cum pectorali et ymaginibus Petri et Pauli de fino auro, et hu-
merali vineato de fino auro breudato et lapidibus insertis , et ex-
tremitate talari consiraili. ^)
„Item Casula Hugonis de Orivalle de albo diaspro, cum pec-
torali et dorsali largo , de flosculis , de fino auro , cum lapidibus
grandibus, unde quinque sunt camahutae. ")
„Item casula de rubeo sameto, quae fuit Fulconis Episcopi,
') Visitatio facta in Thesauro Sti. Paiili Lond. per magistrum Radulph de Bau-
dac. an. Gratiae MCCXCV. („Monastici Anglicani Additameuta per Will.
Dugdale," pag. 317 ss. 1673.)
-) Das Messgewaud des Archidiaconus Nicolaus hatte einen Umstofif von kost-
barem rothem Saminet und auf der Rückseite dieses Messgewandes ersah
man eine aurifrisia in Form eines über die Schultern ansteigenden Kreuzes,
das in Perlstickerei ausgefülirt war. Und zwar war dieses Kreuz formirt
aus den in Perlen gestickten Blättern der Weiiu-ebe. Ein äluiliches Kreuz
mit solchen Perl Stickereien in Weiulaub betindet sich heute auf der Casel
des h. Bernhard im Schatze zu Aachen.
Der Pectoral-Stab der Casel von Wulffnuius, deren Umstolf aus einem orien-
talischen Sammet bestand, zeigte die in feinem Gold gestickten Bilder der
Apostel Petrus und Paulus; auf den Schulterstücken dieses Messgewandes
ersah man ebenfalls in feinem Gold gestickt das Laubwerk der Rebe mit
dazwischen befindlichen Edelsteinen, die wahrscheinlich die Traubenfrucht
veranschaulichen sollten.
*) Das Messgewand Hugo's von Orivall bestand aus einem weissen , gemuster-
ten Seidenstoff. Dasselbe wai- mit breiten Dorsal- und Pectoral-Stäbeu ver-
sehen, die mit Blumenwerk von feinen Goldfäden mit dazwischen befind-
lichen grossem Edelsteinen verziert wai-en.
•'') Die Casel des Bischofs Fulco hatte einen Umstott von rothem Sammet. Nach
dem Wortlaute unseres Inventariums stand mit dieser Casel eine ältere
reich in Gold gestickte aurifrisia als Dorsale in Verbindung mit eingelas-
senen und aufgenähten Ornamenten, die aus dümiem Goldblech formirt
waren. Zwischen diesem Blumeuwerk in getriebenem Goldblech befanden sich
gefasste Edelsteine aufgenäht, unter andern vier Bei ille, vier sculptirte Edel -
120 —
cui appomtur antiquum dorsale colaerigeratum interlaqueitum de
fino auro, cui inserantur quatuor bei'illi, et tres circuli ayraallati,
et quatuor lapides sculpti, et quatuor alemandini et in medio Agnus
Paschalis.
„Item casula de radice Jesse, quam dedit Rex Henricus
preciosa, breudata cum stellis et lunis et dorsali, cum ymagine
crucis XVI lapidibus insertis, et defieiunt diio lapides."
Auch im XIV. und XV. Jahrhunderte wetteiferten die Gold-
und Bildsticker, die damals als Innung in verschiedenen Städten
des Abendlandes besondere Corporationen bildeten, vor allen übri-
gen liturgischen Ornaten vorzüglich die festtäglichen und bischöf-
lichen Messgewänder mit dem grössten Kunstfleisse , namentlich
in den breiten aurifrisiae, würdig auszustatten. Wir lassen hier
den Wortlaut einiwr Angaben des Schatzverzeichnisses vom St.
Veits-Üome in Prag vom Jahre 1387 folgen und heben unter den
vielen Aufzeichnungen der ruhrica casulamm folgende hervor:
„Primo casula in piano de flaveo Sameto cum litteris aureis
et liliis, quam donavit domina Bianca -), ßomanorum et Boheraiae
regina.
„Item casula in violatico Sameto cum ymaginibus, quam dedit
dominus Daniel, Episcopus Pragensis. ^)
„Item casula in nigro Sameto solempnis cum crucibus de perlis
per totum, donata per dominum Imperatoren!.^)
steine und vier Almaucliiien. Diese Edelsteine je vier und vier umstanden
jedes Mal ein Medaillon in Goldblech ndt eingelassenen Emails. Auf der
Mitte des Dorsalstabes ersah mau ferner ein emailirtes monile, wahrschein-
lich in vergoldetem Silber mit der Darstellung des Osterlammes.
') Das Messgewand, ein Geschenk Köuigs Heinrich , war auf der Pectoralseite
mit dem in Figiuren gestickten Staiinubaume des Heilandes verziert (radix
Jesse, genealogia domiui). Der UmstofF dieses kostbaren Messgewandes
zeigte gestickte Sterne und Halbmonde. Auf der Dorsalseite dieser casula
erblickte man in Stickereien die Darstellung: Christas am Kreuz und da-
bei 16 Edelsteine.
-) Die Casel von gelblichem Sammet, ein Geschenk der Königin Bianca von
Vulois, der ersten Gemahlin Kaiser Karl's IV., Königs von Böhmen, war
in den Stäben mit goldenen Inschriften bestickt und mit Ornamenten, nämlich
den bekannten flcurs de Iis, den heraldischen Abzeichen der Königin Bianca,
einer französischen Königstochter.
Das Messgewand , das Bischof Daniel von Prag geschenkt hatte , war von
violettem Sammet und auf den Stäben mit vielen Bildwerken in Plattstich
bestickt.
*)Ihe casula, die Kaiser Karl IV., der Luxemburger, dem Dome von St. Veith
zum Geschenk verehrt hatte, war von schwarzem Sammet, und waren die
Aurifrisien in Form von Gabelkreu^en durchaus von Perlen gestickt.
— 121
„Item casula rubea cum fibulis textis de auro in dorso, aurea
subductura.
„Item Crux de perlis superornatura, quam fecit dominus Jo-
hannes Archiepiscopus modernus , cum yraaginibus , a parte iina
Crucifixus , Habens loco clavoruni in pedibus crystallum album
et subtus crucera ymago Archiepiscopi praedicti . ex alia parte
ymago Virginis gloriosae cum Parvo , et subtus ymago sanctae
Catharinae, nova sine defectu ^)
„Item integer ornatus, cuius casula est aurea in rubeo Sameto,
Habens duas pretiosas praetextas de perlis ad modum foliorum de
quercu cum glandinibus argenteis deauratis, Habens a parte po-
steriori duo monilia argentea deaurata. in uno ymago s. Adalbert!
et in alio Wenceslai.
„Item integer ornatus in panno Lucano viridi cum magna prae-
texta ante et retro, cum ymaginibus per modum crucis." *)
ZeicHneten sicH die biscHüflicHen Messgewänder des XIV. Jahr-
Hunderts in dem reichgefüllten cestiarmm des Domes von St. Veit
zu Prag durch ihren grossen Reichthum von gestickten Bildwer-
') Diese Casel aus rother fSeide zeigte eine Stabverzieruug auf der Rückseite
mit Medaillons oder Wappenscliilderu , die in Goldfaden gewebt waren. Es
ist nicht wahrscheinlich, dass der P'utterstoif dieser Casel (subductura) mit
Gold duixhwirkt war, imd durfte daher diese Brochirung in Gold eher auf
den Oberstolf zu beziehen sein.
^) Erzbischof Johannes hatte ein doppeltes Gabelkreuz, wahrscheinlich als be-
wegliches Ornament [super omaiumj für eine festtägliche Casel machen
lassen, das mit Perlen in seineu ornameutalen Theilen uud mit Bildwerken
bestickt war. Auf der ilinterseite dieses Kreuzes, das je uack Bedarf auf
einem kostbaren Umstoff befestigt werden konnte, ersah man im Bilder-
stich gestickt deu HeUand am Kreuze. Unten am Kreuze bemerkte man
als donator das knieende Bild des damaligen (modernus) Erzbischofs Jo-
hannes uud auf der andern Seite des Gabelkreuzes die Bilder der aller-
seligsteu Jungfrau mit dem Jesuskinde (cum Parco) und der h. Catharina-
Dieses Messgewand, wozu eine vollständige Kapelle (integer ornatus) ge-
hörte, liess auf der vordem uud hintern Seite zwei kostbar in Perlen ge-
stickte praeiej:iae erkeimeu. In diesen Stiiben ersah man iu kleineu Loth-
Perlen gestickte Eiclienblatter ; die Eichelfrüchte bestanden aus vergoldetem
Silber. Auf der hintern Seite befände»! sich in dieser aurifrisin zwei Me-
daillons von vergoldetem Silber "'monilia \ worin in getriebener oder emai-
lirter Arbeit die Brustbilder des h Adalhertus und des h. Wenzeslaus er-
sichtlich waren.
') Auf dem Messgewande, das zu dieser vollständigen Kapelle gehörte, waren
auf einem schweren grünen UmstofFe aus Seidenzeug von Lucca, breite
praeiextae in Form von Gabelkreuzen angebracht, die in ihren breiten Flä-
chen mit vielen gestickten Heiligenbildern verziert waren.
— 122 —
ken, von Perlstickereien, und durch Anwendung von aufgenähten
Zierrathen in Gold- und Silberblech aus, so imponirten nicht we-
niger die prachtvollen Messornate, welche in grosser Zahl das
Schatzverzeichniss des Domes von Olrnütz vom Jahre 1435 enthält.
Wir zählen im Folgenden einige derselben auf, die in Hin-
sieht ihrer ornamentalen Ausstattung in den breiten Stäben für
die Kunstforschung ein besonderes Interesse bieten dürften. ')
„Item casula sive apparatus rubeus domini Marchionis Jodici,
in cuius casula praetextae aureae sunt, a tergo quatuor ymagines
beate virginis, ante vero duo scilicet sancte Catherine et sancte
Earbare ymagines. ^)
„Item casula viridis cum certis animalibus et avibus aureis si-
niiliter floribus aureis insertis cum praetexta aurea habens a tergo
tres ymagines scilicet Salvatoris, Petri et Pauli Apostoloruni. Ab
ante similiter tres ymagines scilicet beate virginis, Margarethe et
Catherine.
„Item casula flavei coloris cum cruce et praetexta ante et retro
solembnibus ymaginibus cum margarithis decoratis. ^)
„Item casula cum graecis literis a tergo rotulis aureis intexta,
„Item casula pretiosa cum literis graecis aureis.
') Vergl. die lange Aufzählung reich gestickter casulae aus dem ehemaligen
Schatze des Domes von Olraütz, abgedruckt in dem Notizenblatte, Beilage
zum Archiv fiir Kunde österreichischer Geschichtsquellen, herausgegeben
von der k. k. Akademie der Wissenschaften. Wien. Nr. 15. Jahrg. 1852.
') Das Messgewand beziehungsweise die Capelle von rother Farbe, ein Ge-
schenk des Markgraten Jodocus von Mähren, gab auf goldenen Stäben
(praelexiaej die gestickten Bildwerke verschiedener Heiligen zu erkennen.
') Ein anderes Messgewand des Olmützer Domschatzes von grüuer Farbe war
mit goldenen Thierbilderii imd Blumenwerk durchwebt und hatte auf den
goldgewirkten praetextae mehrere gestickte lleiügenbilder.
Ein anderes Messgewand daselbst von gelber Farbe zeigte auf den Gabel-
kreuzen zu beiden Seiten grössere und reichgestickte (soUmbnis) Heiligenbil-
der, deren Heiligenscheine und äussere Umrisse mit aufgestickten Perlen
verziert waren.
3) Ein Messgewand von weisser Seide zeichnete sich aus durch in Gold ge-
wirkte griechische Lischriften; auf den Dorsalstäben befanden sich in Gold
gewebte kleinere Kreise 'rolulaej^ worin entweder nach griechischer Weise
Kreuze eingewirkt waren oder sternförmige Ornamente. Vgl. unsere Ab-
bildung Lieferung II. Taf. 9, die eine solche griechische Wirkerei des Pra-
ger Domes zeigt, cum rotulis et crucibus (vestis stauracina).
<>) Aeltere reichgestickte Messgewänder, deren Aui-ifrisien mit Heiligenbildern
und daneben betindlichen luschi-iften in Gold gestickt waren, scheinen im
Schatze von (Olrnütz und Prag im XU', und XV. Jahrhundert sich häutiger
vorgefunden und der Kunst der Byzantiner' angeliört zu haben.
123 —
„Item casula nigra Domini Eugenii Papae cum aurois stelHs
et Iima et praetexta similiter deaurata ante et nitro ymaginibus
inserta." ')
Um die Messgewänder des Mittelalters in ihrer künstlerischen
Beschaffenheit in Bezug auf gestickte Stäbe und Kreuze vollstän-
diger zu beleuchten , fahren wir hier fort , einige festtägliche Or-
nate in Beschreibung folgen zu lassen, wie sie im XVI. und XVII.
Jahrhundert, trotz der Einführung des Protestantisinus, die St.
Sebalduskirche in Nürnberg noch aufzuweisen hatte und sogar bis
zum Anfange unseres Jahrhunderts bei der Liturgie fortwährend
in Gebrauch nahm. Hatten bis zum XV. Jahrhundert die factores
casularuni , besonders bei Ausstattung der Stabstickereien an bi-
schöflichen Messgewändern, in Wiedergabe der zartesten Bildwerke
aus Haarseide mit der Malerei eine ebenbürtige Concurrenz be-
hauptet, so begann am Schlüsse des XV. und noch mehr im XVI,
Jahrh. die Stickerei, vornehmlich zur Ausstattung festtäglicher Mess-
gewänder, mit der Plastik einen gefährlichen Wettstreit einzugehen.
Aus dieser Zeit, dem Schluss des Mittelalters , rühren jene vielen
Messgewänder her, die mit en relief gehaltenen Perlstickereien in
Kreuz und Stäben verziert sind und die namentlich auf dem Dor-
salstüeke häufig Christus am Kreuze, sowie verschiedene Heiligen-
bilder in plastischer, mit einer Unterlage versehenen, Arbeit er-
kennen lassen. So lesen wir in einem Inventarium von 1658 *],
1) In den reichgefüllten Gewandscliränken des Domes zu Olinütz ersah man
auch im XV. Jahrhundert ein Messgewand von schwarzer Farbe, ein Ge-
schenk des Papstes Eugenius. Im Umstoffe desselben waren goldene Sterne
und kleinere Halbmonde als Dessins in Gold gewirkt; die ähnhch gemusterten
praetexiae dieses päpstlichen Messgewandes waren mit vielen Bildwerken be-
stickt. Diese kostbaren Seidenstoffe mit in Gold gemusterten Sternen und
Halbmonden, bekanntlich Embleme des Islam's, haben wir auf vielen litiu'-
gischen Ornaten des Mittelalters vorgefunden, und sind diese Musterungen
in der Regel sichere Anzeichen, dass die betreffenden Seidenstoffe aus dem
Orient herrühren.
■2) Wir hatten Gelegenheit, in einer anticpim-ischen Buchhandlung zu Nürnberg
melu-ere merkwürdige Schatzverzeichnisse von St. Sebald, angefertigt in den
Jahren 1624, 1652 und 1658 im Originaltext käuflich zu erwerben, die
sämmtlich zum Belege dienen, wie conservativ die Lutheraner im südlichen
Deutschland im Gegensatz zu den Calviuisten in der Schweiz und Holland
hinsichtlich der Aufbewulu-ung und der fortwährenden Gebrauchiiahmc litm--
gischer Ornate waren, die ehemals den kathohschen Gottesdienst an Fest-
tagen verherrlicht hatten. Unser Inventar vom Jahre 1658 fühi-t noch die
alterthümliche l^'berschrift : „Inventarium luid Besclu-eibimg Aller Ornament,
Messgewändter, Tepich und Anderer Kirchenzier und Fahrnuss, in St. Sc-
haidts Pfarrkirchen allhier befindlich, Aufgerichtet Anno 1668.
124 —
das eine Menge von altern liturgischen Ornaten aufzählt , die da-
mals in der genannten Nürnberger Kirche aufbewahrt wurden, fol-
ff' nde interessante Angabe .
„Mehr ein grün sammctes Messgewandt, mit Volckamer und
Haller Schildten und einem arueten erhabenen Creutz.
„Ein gülden Rothsammetes Ornat, mit einem erhabenen Creutz
und Perlenen Salvator, auch anderen Bildern, insonderheidt St.
Schaidt, und der Jahreszahl 1486.
„Ein braun damascirtes Messgewandt, mit güldenen blumen,
darauf ein Perlenes Creutz, mit den vier Evangelisten... ., mit
Behaim und Lochner Schilden, und der Jahrzahl 1.517.
„Dann, ein Messgewandt von güldenen Stukk und einem er-
habenen Creutz, von wenig Perlen, mit Harstörffer Schildten. Ist
ans dem Esjidiernkloster kommen.
„Ein Messgewandt von giddenem Stukk mit einem Perlenen
Salvator und zweyen Schildten, in dem einen ein silberner Thum
und in dem andern drey Schwerdter, mit des Pabsts Cron. Ist
aus dem Carthäuser Closter hiehero gethan worden, bezeichnet
mit der Jahrzahl 1515."
Diesen Citaten zufolge pflegten die Bild- und OrnatstickerNürn-
berff's das XV. und XVI. Jahrhundert hindurch ihre Bild- und Perl-
Stickereien an den festtäglichen Messgewändern fast ausschliesslich
auf den breiten Stäben und Kreuzen der Messgewänder anzubrin-
gen, deren Fond in der Kegel ganz in Goldfäden gestickt war.
Der Grundstoö dieser reichgestickten Messgewänder, namentlich im
XV. Jahrhundert, bildete meistens ein schweres Baldequin-Gewebe,
das mit grossen Musterungen in Gold brochirt war; auch liebte
man es um diese Zeit den noch immer faltenreichen Umstoff an
bischöflichen Messgewändern aus schweren Genueser Sammetge-
weben anzufertigen , die meistens mit den goldenen Dessins des
Granatapfels auf's reichste durchwirkt waren.
Bis zur Mitte des XV. Jahrhunderts war den bischöflichen
Messgewändern noch so ziemlich die ältere faltenreiche Form ge-
blieben und reichte die camla pontificalis in ihren stofilichen Thei-
len noch immer bis über die Ellbogen hinunter. Auch hatten sich
in vielen deutschen Diöcesen bis um die Mitte des XV. Jahrhun-
derts die Stäbe in festtäglichen Messgewändern , die von französi-
sehen Schriftstellern häufig columnae genannt werden, meistens
in Weise des über die Schultern ansteigenden Gabelkreuzes er-
halten. Für diese traditionell ererbte Gestaltung der aurifrisiae,
dem früher Gesagten zufolge eine Nachahmung des pallium, dienen
nicht nur eine Menge heute noch in den Kirchen diesseits der
— 125 —
Berge erhaltener Prachtgewänder aus der angegebenen Epoche
zum Belege , sondern auch auf Wand- und Tafelgemälden haben
sich bis zur Stunde noch eine Menge von bischöflichen Figuren
erhalten , deren Messgewänder reich verzierte aurifrisiae, sowohl
auf der Dorsal- als Pectoralseite des Gewandes, sämmtlieh in Ge-
stalt des Gabelkreuzes erkennen lassen. J^icht mit Unrecht ist
auch von Einigen als Beweis, dass das berühmte Buch „de Imi-
tatione Christi" nicht von einem Benedictiner aus Monte Cassino
oder von einem Franzosen, dem Kanzler Gerson, sondern von
dem niederdeutschen Thomas a Kempis verfasst worden sei , dar-
auf hingewiesen worden, dass der gottselige Thomas in dem vier-
ten Buche im Hinblick auf die gabeliörniige Form des Kreuzes,
das damals am Niederrhein und im übrigen Deutschland an rei-
chern Mcssgewändrrn selten fehlte, jene bekannte Deutung unter-
legt habe, „...habet (Sacerdos) ante se et retro Dorainicae Crucia
Signum ad memorandam iugiter Christi passionem; ante se Crucem
in casula portat, ut Christi vestigia diligenter inspiciat et sequi
ferventer studeat; post se cruce signatus est, ut adversa quaelibet
illata ab aliis, clementer pro Deo toleret." ')
Es zeigten nämlich im XIV. und XV. Jahrhundert die rei-
chern Mcssgewänder in den Kathedralkirchen Italien'» und eben so
vielfach in Frankreich auf der hintern Seite bloss eine breite or-
namentale praetexta, die in gerader Richtung von oben nach
unten das Dorsalstück bedeckte und nicht durch zwei Stäbe
über die Schultern sich fortsetzte ; auch auf der Pectoralseite die-
ser Messgewänder war ein gerader Stab von derselben Breite in
der angegebenen Kunstepoche feststehend, und war nur un diesem
Vordertheile in italienischen Kirchen, oben am Plalsausschnitte des
Messgewandes, ein kleiner ti'ansversaler Stab von der Länge einer
Handspanne aufgenäht, wodurch der vordere Balken gleichsam als
griechisches T gestaltet wurde. Diese Weise der columnae oder
lati clavi an italienischen Messgewändern in einfacher sfcradliniorer
Gestalt ohne Formirung von Gabelkreuzen ersieht man deutlich an
jenen vielen Bildwerken , die mit dem vollen Pontifical-Ornat be-
kleidet, auf Wand- und Tafel-Malereien der sienensischen, tloren-
tinischen und peruainischen Schule von den Tagen Giotto's bis auf
Fiesole durcho-äng-ier anzutreffen sind.
Erst in der letzten Hälfte des XV. Jahrhunderts begannen
die Gold- und Bildersticker im nördlichen Frankreich und in
Flandern, die vornehmlich in den industriellen Städten Arras und
1) Thoni. a Kemp., de Imitatione f'hri^ti, T,ib. lY, raji. 5.
126 —
Brögge ihrem einträglichen Kunsfhandwerke oblagen, bei Gestal-
tung der Aurifrisien an festtäglichen Messgewändei-n von der fest-
stehenden Forra des Gabelkreuzes Abstand zu nehmen , und war
auch in dem letzten Viertel des XV. Jahrhunderts die Zunft der
Wappenwirker und Bildsticker in Köln, Lüttich und Mainz be-
strebt, statt der gabelförmigen Kreuze auf beiden Theilen der rei-
chern Messgewänder bloss auf dem Dorsalstück eine breite aurifrisia
meistens in Figur- und Goldstickerei anzubringen, die vollständig
die Form eines lateinischen Kreuzes annahm Als Stabverzierun»
zu dem regelmässigen grossen Kreuze auf der Rückseite wurde
auf der schmälern Vorderseite von jetzt ab bloss eine columna an-
gebracht, die ohne Kreuzesform sich als breite praetexta von oben
bis unten geradlinijr hinzog.
O o o
Forscht man nach der Ursache, weswegen die Ornatsticker
gegen Schluss des XV. Jahrhunderts an bischöflichen und festtäg-
lichen Messgewändern ohne Noth die traditionelle Gestaltung des
doppelten Gabelkreuzes fallen und eine neue Form dafür allmälig
aufkommen Hessen, so dürften als Gründe für diese Veränderung
angeführt werden, dass in der angedeuteten Epoche eine nicht
unbedeutende Verkürzung des faltenreichen Stoffes am Messo-e-
wände eingetreten war, so dass auf dem bereits ausgerundeten
Dorsalstücke kaum noch ein Faltenwurf zu erkennen war. Zu
diesem verminderten Gewandstoffe, der schon eine ziemliche Steif-
heit gewonnen hatte, mochte Vielen ein vollständiges lateinisches
Kreuz mit ^eradlinio-en Balken g-eeio-neter scheinen, als ein crabel-
förmiges , das in Uebereinstimmung mit dem früliern Faltenwurfe
schräg in seinen Querbalken anstieg. Dazu kam noch, dass man
gegen Schluss des XV. Jahrhunderts vielfach kostbare Kreuze mit
in Bilderstich a;earbeiteten Figuren auf »esticktem Goldfond an-
wendete, die meistens die Figur des Heilandes am Kreuze mit der
Passionsgruppe zur Darstellung hatte. Die Ornatsticker fanden es
nun zweckmässiger , das Kreuz auf dem Hintei'theile des Messge-
wandes in lateinischer Form zu gestalten , indem sich so leichter
an den geradlinigen Querbalken mit dem verlängerten untern Bal-
ken das Bild des Gekreuzigten durch Stickerei anbringen Hess,
was bei den schräof ansteigenden Balken des seither gebräuch-
liehen Y-Kreuzes nicht so leicht ausführbar war.
Gross ist die Zahl der heute noch aus dem Schlüsse des XV.
Jahrhunderts erhaltenen festtäglichen Messgewänder, die in einem
breiten Dorsalkreuze auf gestickten Goldfond das Bild des Ge-
kreuzigten mit der Passionsgruppe in feinstem Plattstich gestickt
darstellen. Dieselben gehören in der Regel der letzten Hälfte des
— 127 —
XV. Jahrhunderts an und dürften allein in der Erzdiöcese Köln
mehr als 120 solcher reichgestickten Kreuze sich bis zur Stunde
erhalten haben, die meistens von der Zunft der Bild- und Wap-
pensticker Köln's angefertigt worden sind. Auf Taf. XVIII der
zweiten Lieferung dieses Werkes haben wir ein solches gesticktes
Dorsalkreuz unserer Sammlung in Farbendruck wiedergegeben,
das ebenfalls aus dem Schlüsse des XV. Jahrhunderts herrührt;
wir bemerken jedoch bei dieser Abbildung, dass der Raum fehlte,
um den obern Kopfbalken und die beiden Kreuzarme in ihrer
Ganzheit vollständio; wiederzugeben und dass man also in der Vor-
Stellung sich" diese Kreuzbalken ergänzen muss. Auf der mittel-
alterlichen Kunst- Ausstellung zu Crefeld (1852) fand sich eine
grössere Zahl von reich in Figuren gearbeiteten Messgewändern
vor, deren Dorsalstücke ein lateinisches Kreuz mit geradlinigen
Balken zeigten , wie sie in ähnlicher Weise und in demselben
Eeichthum der gestickten Bildwerke an bischöflichen Messge-
wändern gegen Ausgang des Mittelalters in Anwendung gekommen
sind. ')
Neben diesen festtäglichen Messgewändern mit einem breiten
gestickten lateinischen Kreuze auf der Rückseite kommen auch
noch hin und wieder bis zum Beginne des XVI. Jahrhunderts
bischöfliche Messgewänder namentlich in den Kirchenschätzen
Deutschlands vor, die als breite praeteoctae auf beiden Seiten der
casula über die Schultern als Gabelkreuz ansteigende Stäbe zeigen,
welche in der Regel mit vielen Scenen aus dem Leben des Heilandes
in vortrefflicher Nadelmalerei verziert sind. Es will uns scheinen,
dass noch bis zum Schlüsse des XV. Jahrh. vornehmlich von den
Bischöfen bei Feier des h. Messopfers diese reich mit figürlichen Dar-
stellungen verzierten Messgewänder getragen wurden , mit anstei-
genden Schulterkreuzen in Gestalt eines Y, zu einer Zeit, wo der
gewöhnliche Celebrans an Festtagen Messgewänder mit geradlini-
gen Kreuzbalken in lateinischer Form anlegte. Ein prachtvolles
bischöfliches Messgewand, dessen Grundstoff aus genueser Roth-
Sammet, reich in Gold brochirt, besteht, mit breiten, gabelförmi-
gen Kreuzen auf beiden Seiten, besitzt heute noch die Pfarr-
') Wir haben in unserm .,Commentar zu der mittelalterliclien Kunstausstellung
zu Crefeld, 2. Auflage. Crefeld bei .J. B. Klein, 1852," von Nr. 53 bis 144
mehrere solcher reichen Messgewänder mit lateinischem &euze im Dorsal-
stück und einer einfach gestickten columna auf dem Pectoralstück l)e-
schrieben und daselbst angegeben, in welchen Kirchen des Niederrheines
sich dieselben noch bis zur Stunde erhalten haben.
— 128 —
kirche zu Erkelenz. In den breiten Stäben dieser ausgezeichneten
casula mit der eingestickten Jahreszahl 1509, erblickt man als
vollendete Nadelmalerei grössere Scenen aus dem Leben und der
Jugendgeschichte des Heilandes. Die breiten Flächen des Gabel-
kreuzes auf der Pectoralseite dieses Prachtgewandes hat der Bild-
sticker mit der Scene der Geburt des Herrn und der Verkündieunsr
der Engel künstlerisch zu heben gewusst ; auf der Dorsalseite, und
zwar auf dem mittleren Stabe, ist die Anbetung der drei Weisen
in feinstem Plattstich wiedergegeben. Von dieser mittlem Haupt-
Scene aus verästelen sich, über die Schultern ansteigend, zwei
Stäbe, die mit der mittlem durchgehenden columna als dritten zweck-
mässig vom Künstler dazu benutzt worden sind, um hier die Reise
eines jeden der di'ei Könige, umgeben von reichem Gefolge, dar-
zustellen.
Wie das auch an anderer Stelle dieses Werkes bemerkt wor-
den ist , ist als Höhenmesser für die Stab- und Bildstickerei des
Mittelalters, jenes unübertreßlich reich mit Bildwerken verzierte
Messgewand zu betrachten, das zu dem Ornat des Ordens vom
goldenen Vlless gehört und heute mit vielen andern gestickten
Kleinodien in der Kaiserburg zu Wien aufbewahrt wird. Auch
dieses kostbare Messgewand, das gegen die Mitte des XV. Jahr-
hunderts Entstehung gefunden haben dürfte, zeigt noch vollkom-
men die Form eines Gabelkrcuzes in Weise eines Y. In dieser
breiten aurifrida ist auf dem Pectoralstück in grossen Figuren
die Taufe des Heilandes im feinsten Bilderstich veranschaulicht.
In den zur Schulter ansteigenden Stäben erblickt man auf der
einen Seite einen dienenden Engel, der das Gewand des Heilandes
hält, und in dem andern transversal ansteigenden Stalle das Bild
des Täufers Johannes. In dem obern Stabe ersieht man das Halb-
bild des Vaters, umgeben von dem eingestickten Spruch: „hic est
filius dllectus in quo mihi complacui." Auf der Dorsalseite dieser
Pracht-Casel vom toison d'or ist in verwandter Weise durch Nadel-
Malerei die Verklärung des Herrn auf dem Tabor zur Veran-
schaulichung gebracht, und zwar im untern Stabe in knieender
Stellung die drei Jünger, in der Mitte das Bild des Heilandes in
verklärtem leuchtenden Leibe , und in den Stäben des Y-Kreuzes
die Halbfiguren von Moses und Elias. In dem mittlem Stabe er-
sieht man wiederum das Halbbild der ersten Person der Gottheit
mit einem Spruchbande, das denselben oben angedeuteten Ausspruch
enthält, wodurch die Gottheit des Sohnes bestätigt wird. Der
ganze Umstoff dieses Messgewandes, der durch diese breiten Ga-
belkreuze nicht ausgefüllt wird, ist mit zarten in Plattstich gestick-
— 129 —
ten Engelsfiguren künstlerisch belebt, die von polygonen Medaillons
architectonisch eingefasst werden
Es würde die gegebenen (irenzen dieser Liefeiung 7.11 weit
überschreiten, wenn wir am Abschlüsse dieser chronologisch ge-
ordneten Uebersicht über die Art und Weise, wie man im Mittel-
alter vorzugsweise die festtäglichen und bischöflichen Messgewänder
durch gestickte Aurifrisien in reicher Abwechselung der Formen
zu verzieren suchte, noch ausführen wollten, wie die sogenannte
Renaissance im Beginn der neuern Zeit das Stabwerk bischöfliclier
Messgewänder nach seiner Art durch überhäufte und schwerfällige
Goldstickereien e7i r-e//^' auszustatten Bedacht nahm. Das Fehknde
über die moderne Entwickt'lung und willkürliche Gestaltung der
Stäbe an reichern Messgewändern aus der Renaissause- und Rococco-
Zeit soll im Folgenden an gelegener Stelle nachgeholt wei'den.
Die Anlage und Eintheilung der vorliegenden Schrift gestattet
es nicht, in dieser vierten Lieferung die Gestalt und künstlerische
Entwickelung jener Ornate nachzuweisen, die der pontificirende
Bischof zum Unterschied von dem celebrirenden Priester noch
ausser den caligae und sandalia zu tragen das Vorrecht hat. Zu
den im Vorstehenden ausführlicher besprochenen liturgischen Gr-
natstücken, als da sind: 1) caligae, 2) sanJalia, 'S) humerale, 4) alba,
5) cingulum, 6) stola, 7) inaiiipuhis, 8) tunicella, 9) dalmatica, 10) ca-
sula, legt der Bischof, wenn er an grössern Festtagen die hei-
ligen Geheimnisse feierlich begeht, überdies noch folgende aus-
schliesslich bischöfliche Insignien an, nämlich: 11) antiulus, \2) chi-
roihecae, 13) mitra, 14) baculus pastoralis. Ausser diesen vierzehn
verschiedenen Ornatstücken trägt der Erzbischof und Metropt)lit
als hervorragende Insignie , die ihn vor den Bischöfen auszeich-
net, und zwar unmittelbar über dem Messgewande, noch das
pallium.
') Vgl. die weitere Beschreibung dieser flandrischen Bildstickereien in einer
Abhandlung aus den ,, Mi tt Heilungen der k. k. C'entral-Commission zurEi"-
forschung und Erhaltung der Bau-Denkmale. III. Bd. Nr. 5. 1858/' und im
..Kirchenschmuck, ein Archiv für weibliche Handarbeit." 3. Bd. 4.Hft. 1859.
Liturgische GfWÄiider. U. <)
— 130 -
Diese zuletzt genannten bischöflichen beziehungsweise erz-
biscliüflichen Ornate sollen nachträglich in der folgenden fünften
Lieferung eine eingehendere Besprechung finden, und wird alsdann
die Beschreibung der vestes preshyteratiis et diuconalus nebst den
dazu gehörenden Bekleidungsstücken des Kelches sich anreihen.
Druck vi'ii J l'. BacliPin In Cölii.
— 131 —
9.
Die Pontificalhandschuhe, „ehirothecae, manicae".
Bevor wir in Ft)lgeudem zur Besprechung der vedea presbißeratus
et diaconatus , dessgleicheii zur Erläuterung der stofflicheu Beklei-
dung des Kelches und des Altares übergehen, erübrigt es noch,
hierorts eine Schilderung der geschichtlichen Entwickelung und
künstlerischen Gestaltung einzelner Ornatstücke einzureihen , wie
sie der pontiticirende Bischof zu tragen das Vorrecht hat. Wie
dies bereits auf Seite 129 des II. Bandes angedeutet worden, liegt
es uns noch ob, zur übersichtlichen Beschreibung des bischöflichen,
beziehungsweise erzbischöfüchen Pontificalornates, ausser den Hand-
schuhen, der Miter, dem Rationale und dem Pallium, auch noch
einzelne metallische Insignien, als da sind: Bing, Stab und Brust-
kreuz, in Kürze zu besprechen, und ihre Entstehung und künst-
lerische Ausstattung im Laufe des Mittelalters nachzuweisen. Es
sei vergönnt, im Verlaufe dieser Abhandlung vorerst che ebenge-
dachten stofflichen Ornate , die den pontificirenden Bischof im
Unterschied von dem celebrirenden Priester auszeichnen, einer
näheren Beschreibung zu unterziehen, und alsdann erst schliesslich
die Insignien der bischöllichen Würde , insofern sie von edlem
Metalle angefertigt sind, kurz zu beleuchten.
Gleichwie nach dem bekannten Spruche : quam speciosi pedes
evangelizantimn etc. , die Füsse des pontificirenden Bischof es mit
mehr oder weniger reichverzierten Sandalen bekleidet werden,
wenn er im Begriffe steht, als pontifex an Festtagen die heiligen
Geheimnisse zu feiern, so werden auch, bevor er das sacrarium
verlässt und an den Altar schreitet, seine Hände bekleidet mit
Handschuhen, die seit den ältesten Zeiten von Seiten der Kunst
mehr oder weniger reich ausgestattet zu werden püegten. Die
Anlegung der bischöflichen chirothecae in dem armarium erfolgt
jedoch unmittelbar nach Anlegung der Dalmatik, bevor nämlich
dem pontificii-enden Bischof, als letztes Gewand, die casula darge-
reicht und sein Haupt mit der bischöl'ücheu Inful geschmückt wird.
Da in vorhegender Abhandlung unsere Absicht vornelindicli
dahin gerichtet ist, Entstehung, Entwicklung mid ornamentale Aus-
stattung der verschiedenen liturgischen Ornate im Zusammenhange
nachzuweisen, wie dieselben sich im Laufe des Mittelalters an der
Hand kirchlicher Vorschriften gestaltet haben, so kann man es
füghch liier übergehen, die symijolische und mystische Bedeutung
10
— 132 -
der bischöflichen chirothecae näher zu erörtern , und mag dess-
wegen kurz auf das Einscldagende bei Innocenz ^) , Durandus
Bona^), Du Saussay*) und Andern verwiesen werden.
Obgk'ich Honorius in seiner oft genannten Gemma animae ^)
ausdrückU(;h hervorhebt, dass der Gebrauch der chirothecae aus den
Tagen der Apostel herrühre, so haben andere liturgische Schrift-
steller der spätem Jahrhunderte in dieser Ansicht ihm nicht bei-
gepflichtet, da, wie der gelehrte Cardinal Bona dies ausdrücklich
bemerkt, aus den ersten Jahrhunderten der Kirche, nach erhaltenen
schrifthchen und IjütUichen Monumenten zu urtheilen, nicht die
geringsten Andeutungen über den Gebrauch der bischöflichen Hand-
schuhe im apostolischen Zeitalter sich erhalten haben''). Es kann
sogar mit Grund beanstandet werden, dass in der classischen Epoche
die Handschuhe im Profangebrauch, wie ihn das Mittelalter kannte,
eine Anwendung gefunden haben, indem die Stelle bei Phnius in
seiner epist. ad Macrum nicht so sehr auf Handschuhe nach
heutigem Begriffe zu deuten ist, als vielmehr auf eine Bedeckung
der Hände durch weite Aermel (mardcae) , in deren Gefälte die-
selben Schutz gegen Kälte finden konnten'').
Da nun unter der Bezeichnung manica nicht immer eine ab-
gesonderte körperliche Bedeckung in den frühchristhchen Zeiten zu
verstehen ist, wie nach mittelalterhchen Begriffen dieselbe unter
der Benennung chirothecae in Anwendung kommt , da ferner weder
in Bild noch Schrift sich Spuren der Handschnhe aus den ersten
christlichen Jahrhunderten zu liturgischen Zwecken vorfinden, und
auch in der griechischen Kirche die Handschuhe, als priesterhche
oder bischöfhche Ornate , keine Anwendung gefunden haben , so
fragt es sich, wann zuerst im Verlaufe des Mittelalters die chirothecae,
als auszeichnende bischöfliche Insignien ei-wähnt werden.
') Innocentius III., Myst. Miss., lib. I., cap. 41.
-) Durandus, Ration. Divin. Offic. lib. III., cap. 12.
^) Bona, Kerum Liturg. lib. I., cap. XXIV n.
") Saussayus, Panoplia Episcopalis lib. V., pag. .341 s(jq.
•'■') Honorius Augustodun., gemma animae lib. I., caii. 215.
") Bona, Kerum liturgicar. lib. I., cap. XXIV., num. 12.
') Plin., lib. 3. epist. 5. ad Macrum : Manus hieme manicis muniebantur, ut
ne coeli quidem asperitas uUum studiis tempus eriperet. In Xenoijhon's
Cyr. VIII., 8, 17 wird unterschieden zwischen -/hqis nnd tftcy.rul^&Qcc
und könnte man desswegen zu der Annahme sich hinneigen, dass
iinter manica ein Fausthandschuh ohne Finger, hingegen unter
digitale ein solcher mit Fingern nach unserer heutigen Weise ver-
standen werden könnte.
— 133 —
Unser gelehrter Freund Ch. de Linas weist in seiner trefflichen
Abhandlung über die Handschuhe im Alterthume und im Mittel-
alter ^) ausführlich nach , dass die Handschuhe in Anbetracht des
rauheren Klima's im Norden schon in frühchristlichen Zeiten bei
Hoch und Niedrig in Gebrauch gewesen seien. Bereits seit dem
VH. bis zum IX. Jahrhundert gehörten Handschuhe zu den Klei-
dungsstücken der Vornehmen und Reichen bei allen Volksstämmen
germanischer Abkunft. Daher auch die latinisirte germanische
Bezeichnung für diese Art Ivleidungsstücke: gwantus, wantus,
gantus; daraus das französische gant^).
Was niui den liturgischen Gebrauch der Handschuhe betrifft,
so lässt sich nachweisen, dass schon seit dem VI. Jahi'hundert bei
den Bischöfen Gallien's die Handschuhe kirclalich im (ilebrauche
waren. So liest man im Leben des h. Betharius, Bischofs von
Cliartres (594 — 600), dass er, vor den Richterstuhl des Königs ge-
führt, seiner Handschuhe von einem der Umstehenden beraubt
wurde Ferner belichten die Lebens1)eschreiber des h. Hüdebert,
Bischofs von Mcaux (G72 — 680) , dass die Handschuhe desselben,
als er sie bei der Consecration abgelegt hatte ^), von einem Sonnen-
strahl schwebend in der Luft gehalten Avorden seien. So hinterlässt
auch Riculf, Bischol' von Eine, im Jahre 915 der Kirche der heil.
Eulalia «annulum aureum unum cum gemmis pretiosis et vantos
liar uiiuni^).
Auch in dem alten Ordo Romanus , dessen Anfertigung der
Kölner Stiftsdechant Hittorp in die Tage des Frankenlcönigs Pipin
versetzt, werden die Handschuhe als bischöfliche Bekleidungsstücke
ausdrücldich benannt', jedoch noch immer unter der älteren Be-
zeichnung rnanirae: Es heisst an jener Stelle, wo die Caeremomen
beschrieben werden , die bei der Weihe eines Bischofes liturgisch
') Anciens vetements sacerdotaux et anciens tissus conserves en France
p. Ch. de Linas, pag. 197 — 225. Paris, libr. arclieol. de Didroii 18ö0.
-) Vgl. hierüber das Nähere l)ei Du (\\nge, lex. latin. medii aevi ad voc.
wantus.
■'j Interea unus e Ijarbaris gentis ipsius nisus est abstrahere a sanctis
manibus chirothecas (quod viilgo wantos vocant) et suas tegere in-
dignas. Vita S. Betliarii ep. Carn. Nr. 9 mensis Augiisti t. I., pag. 71.
■*) Chirothecae ejus quas e manibus suis ante consecrationem extraxerat a
radio solis in aere visae fuerunt sustent.atae. Aa. SS. Maii, tom. VI,
p. 713. Cumque de manibus gantos extraxisset, aposuit eos radio solis.
Vita S. Hildeberti, ap. Du Gange.
^) Testam., Riculfi ep. Helen, ap. Baluzc. App. ad Reginonem, f. p. 62().
10*
— 134 —
vorgeschrieben sind, dass nach dem Evangehum und dem Graduale
dem zu consecrirendeu Bischöfe die Sandalen und darauf die Hand-
schuhe angelegt wurden, und dass bei der Anlegung der manicae
jenes Gebet von den umstehenden Bischöfen verrichtet wurde, das
wir seinem Wortlaute nach unten anführen ^j.
Mag nun auch das Alter des Ordo liomanus, dessen Abfassung
einem Priester der Constanzer Diöcese, nach Einigen mit Namen
Bernoldus, nach Andern Bertoldus, unter der Regierung Kaiser
Heinricli's IV., zugescluieben wird, bestritten werden, so ist doch
mit Sicherheit anzunelunen, dass schon im X. Jahrhundert in dem
Ritual des Ratoldus, Abtes von Corvey (f 98G), imter den andern
bischöflichen Pontiücalien auch die manicae ausdrücldich hervor-
gehoben werden. Dessgleiclien findet sich auch in der alten Missa
lUyricorum ein Gebet, das bei Anlegung der Handschuhe ge-
sprochen wird^j.
Verfolgt man weiter im Laufe des XI. Jahrhunderts an der
Hand geschichtlicher Nachrichten das Vorkommen und den Gebrauch
von Handschuhen bei Begehung der heiligen Geheimnisse, so findet
sich, dass bereits Urban II. dem Abt Hugo von Cluny nebst
anderen bischöflichen Ornaten auch die Anlegung der Handschuhe
dem Wortlaute des desfaüsigen Diploms vom Jahre 1088 zufolge
gestattete. In einer zweiten Urkunde vom Jalu-e 1095 besi-ätigt
Papst Urban dem heil. Hugo das Recht bischöfhche Ornate zu
tragen , und dehnt dasselbe , als besondere Gunstbezeugung der
römischen Kirche, auch auf seine Nachfolger aus.
Auch den Aebten von Montecassino, der berülmiten Stiftung des
h. Benedict, wurde nach dem Zeugniss des nachmaligen Cardinais
Leo von (Jstia schon unter Leo IX. das Ehrenvorrecht eingeräumt,
sich bei Pontiticalhandlungen der bischofhchen Handschuhe zu
bedienen.
') Ordo Romanus, tom. XI. l)ibliothec. sauet. Patr. Paris, lülO: Deus, ut
mauus faniuli tui N. , scilicet fratris nostri, sicut exterius obducuutur
mauicis, sie iuterius adspergantur rore tuae benedictiouis , ut quae-
cumque jier eas sint benedieeuda et consecranda, per te benedieautur
et consecrentur, qui vivis etc.
^) Dieses Gebet flautet: »Creator totius Creaturae dignare me indignum
famulum tuum indumentis iustitiae et laetitiae induere, ut puris uia-
nibus ante conspectum tuum assistere merear«. In einem anderen
alten Missale heisst es an dieser Stelle: »Digua manus nostras Christi
custodia sei'vet, ut tractare queaut nostrae moiiumeuta salutis«.
— 135 —
Für unsere vorliegeiulen Zwecke enstcht nun zunächst die Frage,
wie waren die bischöl'liclieu Handschuhe seit dem XI. Jahrhundert,
in welchem dieselben durch die Stickerei, Goldschmiede- und Schmelz-
kunst in Uebereinstimmung mit den übrigen bischöflichen Ornaten
reicher verziert zu werden pflegten, in Schnitt und Ornament
beschaffen?
Bruno von Asti führt an , dass die bischöflichen Handschuhe
aus Leinen angefertigt sein sollen*); Honorius bestimmt, dass sie
nicht zusammengenäht, sondern aus einem Stücke als ■»inconsuteleti^'.
bestehen sollten. Innocenz HI. endlich gibt an , dass die obere
Fläche der bischöflichen Handschuhe mit einer goldenen Verzierung
versehen sei ncirculum aureum desuper liabeti(.
Hinsichtlich des Stoffes, aus welchem die l)ischöflichen cliiro-
thecae seit dem XI. Jahrhundert angefertigt wurden, sei im Allge-
meinen bemerkt, dass bei kostbaren Handschuhen zum festtäglichen
Gebrauch, meistens dazu ein schwerer Cendel, häufig von purpur-
rother Farbe, verwandt zu werden j)flegte, der in Rücksicht seiner
Dichtigkeit und seines Gewebes mit jenem Purpurstofl'e überein-
stimmte, aus welchem auch die bischöflichen Sandalen angefertigt
wurden. Aehnlich den Handschuhen von Leder, die für profane
Zwecke in der frülu-omanischen Zeit einen gehäuften Gebrauch
fanden waren auch die bischöflichen Handschuhe nicht gestrickt,
oder aus einem Stück gewebt, sondern meistens aus Stoff" geschnitten,
und wurden die Fingertheile derselben durch starke Doijpelnähte ge-
bildet. Um den bischöflichen Handschuhen durch Stickereien eine
entsprechend reiche Ausstattung zu verleihen, wurde in der Regel
der untere breitere Umfassungsrand durch vielfarbige Nadelarbeiten
künstlerisch gehoben. Dieser durch Stickereien verzierte limhus
hatte jedoch eine solche Ausdehnung und Weite, dass derselbe bei
der Anlegung mit leichter Mühe über den Rand und die untere
Ausmündung der Albe und des Talars, als verdeckendes Ornament
') De Sacram. cccles, myst. — Im Schatze der Kirche Saiut-Riquier (f 8.!1)
sind heute noch solche Handschuhe von , Leinen ersichtlich; auch im
Schatze von Canterbury befanden sich noch gegen das Jahr 1321 dem
Wortlaute eines gleichzeitigen Inventars zufolge : Par unum (chirothe-
carum) de lino, cum tassellis argenteis et parvis lapidibus.« Darts
Canterbury Cath., app. p. XIII.
Vergl. Ducange, Glossarium latinitatis medii aevi ad vocem chirothecae
seu wanti, Charta Theobaldi Episcop. Ambian. a. 1172. in Tabular
Eccl. Ambian. fol. ,52.
— 136 —
geschoben Averden konnte. Im XL und XII. Jahrhundert befand
sich überdies bei den reichern bischöfüchen Handschuhen noch an
jenen stoff heben Theilen der chirolhecae, welche die obern Handflächen
bedeckten, wie dies auch die oben angefülu-te Stelle bei Innocenz III.
andeutet, ein in Gold und Seide gesticktes Ornament, das in vielen
Fällen in Kreuzesform gestaltet war und dm-ch den Schmuck von
gefassten Edelsteinen gehoben zu werden pHegte. Diese Verzierungen
in Kreuzesform auf den obern Flächen der cldrothecae waren nicht
selten als monüia aus edlem Metall gefertigt und vielfach durch
eingelassene Schmelze verziert.
Nach einem Gypsabguss, den wir in Chartres von dem Stand-
bilde eines Bischofs abnehmen Hessen, haben wir auf Tafel XIV,
Fig. 2 des II. Bandes einen grösseren Theil dieses auf Tafel VII,
Fig. 3 in seiner Ganzheit abgebildeten Handschuhes veranschaulicht ;
auf diesem grössern Bruchtheil ist nicht nur die untere ornamentale
Randeinfassung, dessgleichen das monile in Kreuzesform auf der
Oberfläche, sondern auch das Tricot-Gewebe deutlich zu ersehen,
aus welchem in der si)ät-romanischen Kunstepoche die bischöfhchen
Handschuhe vielfach bestanden.
Auf Tafel VII, Figur 3 des II. Bandes ist eine solche bischöfhche
chirotheca in verkleinertem Maassstabe bildlich wiedergegeben, wie
sich cheselbe an einer Statue in mehr als Lebensgrösse unter den
Eingangshallen des Domes von Chartres vorfindet. Ueberhaupt
liefern bei der Seltenheit von bischöflichen Handschuhen aus der
romanischen Kunstepoche , die höchstens nur noch in bischöflichen
Gräbern anzutreffen sind, die vielen Bildwerke in den porches der
französischen Cathech'alen , nanienthch in denen zu Chartres,
Rheims , Laon , hinsichthch der Form und der ornamentalen Ver-
zierung dieser Handschuhe ein sehr zu beachtendes Material.
Soweit die Alterthumsforschung heute reicht, haben sich in
den Kirchenscliätzen des Abendlandes , aus der romanischen und
gothischen Kunstei^oche lierrührend, nur wenige bischöfliche Hand-
schulie erhalten , die erwünschten Aufschluss über den Stoff und
die künstlerische Verzierung geben, welche um diese Zeit den eben
gedachten chirothecae von Seiten der Goldschmiedekunst und der
Stickerei gegeben wurde. Glücklicher Weise hnden sich bis zur
Stunde noch zwei Paar Handschuhe vor , die beide aus dem
XII. Jahrhundert herrührend , ehemals als königliche , beziehungs-
weise kaiserliche Ornate im Gebrauche waren, und die hinsichthch
ihrer gestickten Verzierungen mit den bischöflichen Handschuhen
jener Tage ziemlich übereinstiamien.
— 137 —
Auf Tafel XIX, Fig. 1 veranscliauliclien wir ungefähr in dei
Hallte der natürlichen Grösse eine jener königlichen c/nrothecae,
mit welchen die Leiche Kaiser Heinrichs VI. im Porphyrsarge des
Domes von Palermo bekleidet ist. Fr. Daniele, der in seinem
Kupferwerke ') die könighchen ( )rnate und Kleinodien abbildet und
beschreibt, die an verschiedenen Leichen normannischer Könige
und hoheustaufischer Kaiser im Dome zu Palermo aufgefunden
wurden, gibt liinsichtlich der Handschuhe Kaiser Heinricli's VI. an,
dass dieselben von Seide seien, und dass der untere Saum, wie es
unsere Abbildung auch andeutet, mit einer Stickerei in Goldfäden
verziert sei." Aus der vorliegenden Abbildung ist nicht deutüch
zu ersehen, ob diese Handschuhe in ihren stoffhchen Theilen, was
kaum annehmbar ist, auf einem Handstuhle gewebt, oder aus
einzelneu Stoffstücken an den Fingertheilen zusammengesetzt sind.
Im Uebrigen sind diese Funeralhandschuhe des eben gedachten
Hohenstaufen in ihrer künstlerischen Ausstattung sehr einfach ge-
halten , so dass es fast den Anschein gewinnt , als ob dieselben
Henirich VI. als alltäghclies Kleidungsstück in seinen Lebzeiten
vorübergehend gedient hätten.
Welchen Reichthum die bischöflichen, dessgleichen auch die
königlichen und kaiserlichen Handschuhe in ihrer künstlerischen
Ausstattung bereits in der letzten Hälfte des XII. Jahrhunderts
aufzuweisen hatten, davon liefern jene reichverzierten chirothecae
imj)eriales die sich heute noch unter den übrigen deutschen Reiclis-
kleinodien und Insignien in der Kaiserburg zu Wien erhalten haben,
sprechende Belege. Um bereits an anderer Stelle Gesagtes nicht
zu wiederholen, verweisen wir auf die ausführhche Beschreibung
dieser Krönungshandschuhe in dem I. Bande unseres nächstens
erscheinenden Werkes Wie che Abbildung der Aussenseiten dieser
kaiserüchen Pontiticalhandschiihe in natürlicher Grösse auf Tafel
• VIII unseres unten citirten Werkes zu erkennen gibt, sind diese
kaiserüchen manicae in ihrer ganzen Ausdehnung, sowohl auf der
obern, als der untern Seite der Hand mit Gold- und Perlstickereien
künstlerisch aufs Reichste ausgestattet. Ueberdies erhalten die
*) I Regali Sepolcri del Duomo di Palermo. In Napoli, nella stamperia
del Re. 1784.
Die Kleinodien des heiligen römiscben Reiches deutscher Nation, nebst
den Kroninsignien Böhmen's, Ungarn's und der Lombardei, Seite 36
bis 38, Tafel VIII., Fig. 10. Wien, aus der k. k. Hof- und Staats-
druckerei 1864.
— 138 —
Aussenflächen derselben durcli pUcae aureae esmaltae in einer Weise
einen so reichen Schmuck, dass dadurch diesem Ornatstück die
nöthige Biegsamkeit an vielen Stehen benommen wird. Sogar die
Fingerringe, die durch die Handschuhe verdeckt wurden, sind auf
der Ausseufläche derselben durcli in Gold eingeschmelzte kleine
moiiilia angedeutet, die in vielfarbigem ZeUenschmelz jene sagen-
haften Sirenen versiniilichen , welche der Fabel nach zwischen der
Scylla und Charybdis die Schiffer verlockten ; die Meerenge zwischen
diesen beiden Felsen lag nnr Avenige Tagreisen von jener industriellen
Stadt Palermo entfernt, in welcher nicht nur allein diese Krönungs-
handschuhe, sondern auch die meisten stoif liehen Pontificalien der
deutschen Kaiser Entstehung gefunden haben. Wie das die Ab-
bildung* auf Taf. VIII, Fig. lÜ andeutet, befinden sich auf den
Aussenflächen der Krönungshandsclnüic deutscher Kaiser je ein
aufgenähtes Goldblech mit eingeschmelzten vielfarbigen Verzierungen,
die in klar ausgesprochener Form eine fleur de Iis in jener Gestalt
und Entwicklung erkennen lassen , wie dieselbe , als aUgemein be-
liebtes Ornament, gegen Schluss des XII. Jahrhunderts eine viel-
gestaltige Anwendung fand. An dieser Stelle, nämlich auf den
äussern Flächen der Handschidie, befanden sich, namentlich wenn
sie bischöflichen Gebrauches waren, reich gestickte Verzierungen
in Form von Kreuzen, meistens von runden Ringen eingefasst,
die in ältern Schatzverzeichnissen orhicula cum crucibus benannt
werden.
Wie schon früher bemerkt, felilten den reichern bischöflichen
Handschuhen selten jene durch Stick- und Goldschmiedekunst ver-
zierten Randeinfassungen an den Säumen, die man linibi, praetextae
in cii'cuitu, oder auch vorzugsweise manicae nannte. Auch an den
chirothecae imperiales befinden sich unserer Abbildung zufolge
Imnstreich gearbeitete Saumeinfassungen, die mit jenen Randein-
fassungen Verwandtschaft zeigen, wie sie sich an den bischöfhchen
chirothecae des Statuaire von Chartres zu erkennen geben.
Forscht man noch heute nach erhaltenen bischöflichen chirothecae
des XIII. Jahrhunderts, so dürften die in der lürche St. Sernin zu
Toulouse, hinsichtlich ihrer Form und Ausstattung, wohl das meiste
Interesse bieten ' ) ; dieselben bestehen aus einer Art Tricot-Gewebe
') Vergl. die Abbildung und Beschreibung derf3elben in der kleinen und
interessanten Schrift: »Essais sur les ancieus vetements sacerdotaux
et les anciens tissus, rapports adresses ä S. E. M. le ministre de In-
struction publique p. Ch. de Linas; Paris, 1854, p. 16, Librairie V.Didron.
— 139 —
von weisser Seide. Auf den äussern Flächen dieser Handschuhe
erhHckt mau zwei, in vergoldetem Kupfer vielfarhig eingeschmelzte
Rundschüdchen in einem Durchmesser von 0 ™- 06 Diese beiden
Ornamente, die man, übereinstimmend mit den Angaben Innocenz III.,
lamina, tasselli, jmraiurae nannte, zeigen an den äussern Rändern
kleine Oefinungen, vermittelst welcher diese beiden monilia auf der
obern Fläche der Handschulie befestigt sind. Auf Taf. XIX Fig. 2 u. 3
haben wir diese beiden tasselli, vorstellend ein Agnus Dei und ein
griechisches Kreuz in natürhcher Grösse abgebildet. Aus einer nicht
viel Jüngern Epoche herrührend, triflft man heute noch im Schatze
zu St. Veit in Prag bischöfliche chirothecae an, die, irren wir nicht,
als diejenigen des heil. Bischofs Adalbert bezeichnet werden. Die-
selben, als Rehquien in einem Glasverschlusse aufbewahrt, bestehen
aus einem Gewebe von weisser Seide und zeigen auf der obern
Fläche ein in vergoldetem Silber reich emaillirtes tassellus in
du2'chsichtigem Schmelz. Die Handschulie des heüigen Ludwig
von Anjou, die auf Tafel XX Fig. 1 im verkleinerten Maassstabe
abgebildet sind, bestehen, nach der Versicherung des sachkundigen
Ch. de Linas, aus einem Tricot-Gewebe und zeigen als einziges
Ornament an dem untern breiten Saume eine flechtenartige Gold-
stickerei.
Nach Eröffnung des Grabes von Adrian IV. (f 1 159), fanden sich
im Jahre 1606, dem Berichte eines Augenzeugen zufolge, gleichfalls
Pontificalhandschuhe , deren Oberfläche mit einem )^ Agnus Dei« in
Stickerei verziert waren Mit einer ebenfalls reichen Goldstickerei
auf der Oberfläche sind auch die rothseidenen Pontifical-Handschuhe
des Bischofs William of Wykeham verziert, die heute noch im Ncw-
CoUege zu Oxford aufbewahrt werden ^j.
Bei der Seltenheit von heute noch vorfindlichen Pontificalliand-
schuhen dürfte es zweckdienlich sein, in älteren Inventaren Umschau
• zu halten, um an der Hand derselben genauer in Erfahrung zu
bringen, welche Gestalt und welche künstlerische Ausstattung diesen
vorzugsweise bischöflichen Insignien in der romanischen und go-
tlüschen Kuustepoche verliehen wurde.
Unter den reichen bischöflichen Ornaten, die Papst Bonifaz VIII.
seiner ehemaligen Kathedralkirche von Anagni schenkte, befanden
') Agni formam cum cruce et litteris Agnus Dei, quae cliirothecis intexta
apparebant. Dionigi, Sacr. Vat. Bas. Crypt. Mon. pag. 1 24.
-) The Church of our Fathers by Dan. Rock vol. II. pag. 162 not. 98.
— 140 —
sich unter Anderm auch äusserst kostbar gearbeitete Pontifical-
handschuhe, deren Grundstoff aus weisser Seide bestand, und die,
übereinstimmend mit den chirothecae impeiiales, auf der äussern
Fläche durch Gold- und Perlstickereien , sowie diu'ch aufgenähte,
in Gold getriebene Ornamente ( tasselli) verziert waren. In dem
Schatzverzeichnisse der Kleinodien und Pontilicalien des Domschatzes
zu Mainz angefertigt unter Bischof Conrad im XII. Jahrhundert,
werden unter andern kostbaren Pontilicalien auch angefülirt:
chirothecae valde bonae XVI. Auch das Inventar der Domschätze
von Trier vom Jahre 1238, weist unter den im damahgen armarium
befindlichen Ornaten auch auf die bischöflichen Handschuhe hin
mit den Worten : «item mitram episcopalem cum cirotecis et annulo
pontificah, item duo sandaha cmn caügis«^). Da in den meisten
Schatzverzeichuissen des XII. Jahrhunderts die Handschuhe un-
mittelbar mit der Inful und den Sandalen zusammengestellt und
inventarisii't werden, so hegt die Vermuthung nahe, dass zur An-
fertigung dieser drei Ornatstücke in der Regel ein und derselbe
Grundstoff, dieselbe Farbe und gleichartige Ornamente angewandt
wurden. Auch in dem Schatzverzeichnisse von St. Paul zu London
werden unter der Rubrik der daselbst befindlichen, reichgestickten
Mitern ein Paar Handschuhe beschrieben, die offenbar zu der Miter
des Bischofs Richard gehörten und bei dessen Ableben zugleich
mit der Miter der Kathedr-alkirche von St. Paid testamentarisch
zufielen. Diese iSIiter des Bischofs Richard, die von der gleichen
Hand und in ähnhcher Verzierungsweise, wie die dazu gehörenden
chirothecae gestickt war , wird in folgender Weise beschrieben :
flitem ima Mitra de dono Ricardi Episcopi ornata perlis albis per
totum campum et fiosculis argenteis deaurata , lapidibus insertis
ordine spisso et deficit una campanula in uno pendulorum«. Gleich
darauf folgt die Beschreibung der zu dieser Miter gehörenden
Handschuhe mit den Worten: «item duo cirothecae similis operis, de
dono eiusdem, in quibus deficiunt multi lapiUi. Item duo paria ciro-
tliecarum ornata laminis argenteis deauratis et lapidibus insertis«^).
Diese zuletzt gedachten zwei Paar bischöfhche Handschuhe, wovon
') Chronicon vetus rerum Moguiitiacarum. Rer. Germ, monument. ed.
Pertz tom. III.
^) Inventarium Jocalium et Reliquiarum thesauri Ecclesiae Trevirensis
anno Domini MCCXXXVIII. in Pascha.
•'') Visitatiü facta in tliesaurario Sancti Pauli Londin. a. D. MCCLXXXXV.
— 141 —
das Londoner Schatzverzeichniss von St. Paul spricht, waren auf
den äussern Handflächen mit vergoldeten Süberblechen verziert,
auf welchen ebenfalls, als vielfarbige Ornamente, kleine Edelsteine,
in lectulis eingefasst, sich befanden. Solche goldene Zierrathen auf
den äussern Flächen der Handschuhe, waren bei festtäglichen
Handschuhen nicht selten mit eingeschmelzten Arbeiten verziert,
wie das aus einem Schatzverzeichniss der bischöflichen Kirche
zu Chartres vom Jahre 1373 deutlich zu entnehmen ist , in
welchem es heisst: »Item VI paires de cirothecis de quibus sunt
uns amalliez«').
Die unstreitig reichsten bischöfhchen Handschuhe besass in
der letzten Hälfte des XIV. Jahrhunderts der Domschatz von St. Veit
in Prag, von dessen Ornatstücken sich in dem betreffenden Schatz-
verzeichnisse des Sakristanpriesters Smilo vom Jahre 1387 eine
ausführliche Beschreibung der Ai't vorfindet, dass man sich von
dem Reiclitliume dieser chirothecae eine deutliche Vorstellung machen
kann. Man liest nämlich in dem eben gedachten Inventar, unter
der Rubrik de c/nrothecis , folgende Angaben: «Primo chirothecae
argenteae deauratae cum limbo . . . cu-cum manicam argentum
deauratum hal)entes, et in parte superiori agnum in fibula, et in
secunda episcopus sedens in cathedra; item ahae chirothecae cum
fibulis ^) , quarum in uua Christus et in aha virgo gloriosa
') Inveiitair des ornements d'egliso rcstes apres le deces de Robert de
Joigny eveque de Chartres. (Publie dans le Bulletin du Comite de la
laiigue, de l'histoü'e et des arts de la France, annee 18.57. Paris 1858.)
Diese Handschuhe scheinen aus einem vergoldeten SilberstofF ange-
fertigt gewesen zu sein; auf der obern Handfläche ersah man an dem
einen Handschuh eine fibula, d. h. em vergoldetes Silberblech in run-
der Fcmi, auf welchem entweder in gravirter oder getriebener Arbeit
sich das Lamm befand, als Symbol der zweiten Person der Gottheit,
und auf der anderen fibula ein Bischof, sitzend auf der cathedra, wahr-
scheinlich mit erhobener segnender Rechte.
Die beiden in Rede stehenden Handschuhe waren auf der obern Fläche,
auf welcher sich, ähnlich wie auf Taf. XIX Fig. 2 und 3, ein kreis-
förmiges gesticktes Ornament befand, mit je Qmev fibula verziert, auf
welcher vielleicht in eingeschmelzter Arbeit, auf der einen die maiestas
Domini, nämlich der Heiland in seiner Herrlichkeit auf dem Regen-
bogen, und auf der andern fibula die Himmelskönigin mit dem gött'
liehen Kinde bildlich wiedergegeben war,
— 142 —
item duo maiiicalia pulcra ^) cum crucibus et perlis albis in axamito
rubro, quaelibet habet unum monile am-eum-'), in uno deficit unus
lapis et habet in circuitii zaphyros«*).
Noch machen wir hier auf ein Schatzverzeichniss der Cathedrale
von Canterbury aufmerksam, in welchem bischöfliche Handschuhe
aufgezählt werden, die nicht weniger reich als die vorhin benannten
manicalia des ehemaligen Prager Domschatzes verziert waren. Es
werden nämlich in diesem Schatzverzeichniss mehrere chirothccae
mit folgenden Worten beschrieben: «Cirotecae R. de Winchelese
cum perlis et gemmis in i)lata quadrata^). Item, par unum cum
tasselhs argenteis et parvis lapidibus. Item quatuor paria^) cum
tasseUis argenteis. Item, par unum de hno cum tassellis et perlisa
Was nun die Farbe der bischöflichen Handschuhe betrifft, so
ist hier nachträglich zu ergänzen, dass, nach einer Andeutung des
Durandus, Bischofs von Mende, bis zum XIII. Jahrhundert die
c/drothecae meistens von weisser Farbe waren ^). Aus einer Stelle
') Es gewinnt den Anscbein, als ob der Terminus manicalc identisch sei
mit chii-oiheca, oder es dürften unter manicalia kleinere Handbedeckungen
ohne Fingertheile zu verstehen sein , die man in klassischer Zeit
•/fiQiiSfg im Gegensatze von äaxTuktjUQui nannte, welche letztere den
lateinischen digitalia entsprachen. (Vgl. Illustrirtes Wörterbuch der
Römischen Alterthümer von Anthony Rieh, übersetzt aus dem Eng-
lischen von Dr. Carl Müller, S. 380, unter manica, '/>-inig.)
^) Die Oberflächen dieser manicalia waren mit Kreuzchen, in Lothperlen
gestickt, verziert, und bestand der Grundstofi' derselben aus einem
rothen schweren Seidenstoff' (axamit).
^) Die stofflichen Flachtheile dieser Handschuhe waren je mit einem kreis-
förmigen Ornament eines ausgetriebenen Goldbleches verziert, und
scheint die Mitte eines jeden monile mit einem kostbai'en Stein be-
zeichnet gewesen zu sein.
*) A. D. MCCCLXXXVn. factum est inventarium per Dominos Bohus-
lahum Decanum et Dominum Smilonem Sacristanum. (Dieser
Zusatz ist aus dem vollständigen Inventar hierher übertragen worden.)
*) Anstatt dass auf diesen Handschuhen die monilia oder fihulae kreisrund
waren, bildeten sie auf den in Rede stehenden Handschuhen viereckige
Plättchen, auf welchen sich Perlen und Edelsteine in zierliche Fassun-
gen eingelassen l)efanden.
*) Da im Schatz von Canterbury so viele Handschuhe sich befanden, die
auf ihrer Oberfläche meistens mit silbernen Ornamenten in getriebener
oder ciselirter Ai-beit verziert waren, so dürfte man annehmen, dass
ausser dem Bischöfe auch andei'e Würdenträger des Capitels bei be-
sondem Veranlassungen solche Handschuhe trugen.
') Dart's History of Canterbury Appendix XIH.
«) Durandi Ration, lib. HI, c. XH.
- 143 —
des ordo XIII (1271) kann jedoch mit Grund gefolgert werden,
dass um diese Zeit die Farbe der Handschuhe meistens überein-
stimmte mit jeuer Farbe des übrigen bischöfhchen Poutifical-
ornates^). Eine Schenkung des Bischofs G. de London au seine
Cathedralkirche zu Maus lässt ebenfalls das zuletzt Gesagte ver-
muthen, indem der Geschenkgeber seiner Domkirche 5 Paar Hand-
schuhe überweist deren reiche Verzierungen auf der obern Hand-
fläche und den breiten Rändeini (paraturae argenteae deauratae)
immer wieder losgetrennt werden konnten, was nicht nöthig ge-
wesen wäre , wenn man nicht in der Farbe der Handschuhe , je
nach der durch das Fest bedingten Farbe des Tages, einen Wechsel
hätte eintreten lassen müssen.
Wenngleich Bissi nur weisse und rothe Handschuhe kennt,
so sckreibt doch der heihge Karl Borroniaeus die vier liturgischen
Farben beim Gebrauch derselben vor mit Ausnahme der scliwarzen
Farbe. Bekanntlich legen che Bischöfe bei Exequien und beim
Trauergottesdienste, dessgleichen am Charfreitage keine Handschuhe
an. Noch sei liierorts bemerkt, dass der Bischof nui' die Pontitical-
Handschuhe braucht, wemi er zur feierlichen Begehung des heihgen
Opfers auch die Sandalen anzieht; alsdann reicht nach Anlegung
der Dalmatik ein Akoluth auf silbernem Teller die Handschuhe
und der Diakon und Subdiakon sind dem Bischöfe bei Anlegung der-
selben behülfhch. Erst wenn der Bischof das Offertorium recitirt
hat, legt er unmittelbar vor der üpferhandlung die Handschuhe ab ^).
') Nachdem eben die Handschuhe erwähnt worden, heisst es: »Et vesti-
menta erunt coluris tempori convenientis«. Mus. ital., tom. II, pag.
225, Nr. 6.
-) »Quinque paria cerotecarum et duas paraturas argenteas deauratas
ad opus earumdem cirotecarum.« Ap. Mabillon, Vet. Analecta, pag.
335 in fol.
^) Hierurgia, Chirothecae § II. — »Chirothecae, quarum scilecet paria
quatuor tan tum erunt; quia nigro colorc non adhibentur tota eccles.
Med. lib. IV, de Supp. Miss., pag. 157, ed. cit. — »Edi piü si usassero
di quattro colori corrispondenti alli colori usati nelle vesti, secondo
il Ritonella Chiesa stabiUto, eccettuato perö il colore nero.« La
gerarch. eccles., c. 57, p. 233.
•') Magri, Hierolexicon. — Caerem. Episcop. üb. II, c. XI, 2.
i*) Missa Ratoldi — Innocent. III; Myst. Mis., lib. I, c. X. — Ordo XIII
et XIV ap. Mus. ital., tom. II, pag. 225, Nr. 6, et pag. 293. — Caereni.
episcop. lib. II, c. Ylll, 19. In der Messe der Illyi'ier legt der Bischof
die Handschuhe an, nachdem er sich mit dem Manipel bekleidet hat;
nach dem Pontifical von St. Blasius, wenn er das Subtile angelegt hat.
— 144 —
Die bischöflichen Handschuhe, die in der romanischen Kunst-
epoche an den untern , meistens reich-gestickten Säumen in einer
Weise sich gleichmässig ctav eiterten, dass diese praetexta über den
äussern Rand des Talars und der Albe ohne Mühe gezogen werden
konnten, erhielten in der entwickelten Gothik, d. h. seit der zweiten
Hälfte des XIV. Jahrb., eine solche Erweiterung dass diese Säume,
nach unten hin faltenreiche Maschen bildeten, welche sich in eine
Spitze verjüngten, die in der Regel durch je ein Quästcheu von
Gold- oder Silberfäden verziert wurden. Um den Unterschied im
Schnitte klar zu machen , wie sich in der romanischen Kunst-
epoche die bischöflichen chirothecae hinsichtlich ilu'es Schnittes von
denen der entwickelten Gothik unterscheiden, ist im H. Bande
auf Tafel VH, Figur 3 und Figur 2 eine Abbildung solcher
chirothecae in verkleinertem Maassstabe gegeben. Figur 3 veran-
schauhcht nämlich die manicae, wie sie in der Regel im XH. und
XIII. Jahrhundert hinsichtlich ihres Schnittes gestaltet und durch
Stickereien verziert waren; Figur 2 hingegen gibt in Abbildung
eine bischöfhche chirotheca in jener Form und Verzierungsweise,
wie sie seit dem Sclilusse des XIV. , das XV. und theilweise
auch das XVI. Jahrhundert hindurch zu liturgischen Zwecken
übhcli war.
Die zahlreichen Angaben von Handschuhen aus LeinenstofPen,
die sich in versclüedenen uns in Abschrift vorliegenden Schatzver-
zeichnissen des XV. und XVI. Jalu'hunderts vorfinden, scheinen
anzudeuten, dass in dieser Zeit ausser den Bischöfen und infuhrten
Aebten an Stifts- und Catliedralkirchen auch einzelne Würdenträger
bei verschiedenen Veranlassungen sich der Handschuhe bedienten,
nur dürften dieselben hinsichtlich ihrer Verzierungsweise, dessgleichen
rücksichtlicli des Stoffes einfacher imd schlichter gestaltet gewesen
sein, als diejenigen chirothecae, deren sich der Bischof in Pontißcalibus
bediente. So lesen wir, um nur ein Beispiel anzuführen, in dem
Inventar des Kirchenschatzes der Abtei Michelsberg in Bamberg
vom Jahre 1483 folgende Angabe: «Septem pavia cirothecarum
nihil Valencia u. Diese eben gedachten Handschuhe ohne stofflichen
und künstlerischen Werth waren wahrscheirüich von Leinen und
dienten zum Gebrauche der Stiftsherren, wenn sie bei feieiiichen
Processionen die Rehquien in kostbaren Gefässen trugen, oder die-
selben dürften auch von jüngern Klerilfern getragen worden sein,
wenn sie, wie das auch heute noch bei feierlichen Functionen der
Fall ist, die bischöflichen Insignien, als Bischofsstab, Miter etc.,
bei Pontiticalämtern zu tragen hatten.
- 145
Ausser den Hanclsclmhen kommen in den Tagen des Mittel-
alters, zur Erwärmung der Häude bei Feier des heil. Opfers auch
noch mehr oder weniger reich verzierte Wärmäjrfel in Anwendung,
die jedoch nur bei strenger Winterkälte in Gebrauch genommen
wurden. Diese meist kunstreich verzierten Geräthe nannte man
poma calefacliva oder poma ad calefaciendas manus. Wir haben
auf Seite 119 unseres Werkes: «Die Kleinodien des heü. römischen
Reiches deutscher Nation etc. etc.« jenen schönen Wärmapfel ab-
gebildet und beschrieben , der sich heute noch , aus dem Beginne
des XIV. Jahrhunderts herrührend , im Schatze zu Halberstadt
befindet. Aut Tafel XX, Fig. 29 desselben Werkes ist der Wärm-
apfel, welcher zu den deutschen Reichskleinodien gehört, in natür-
licher Grösse veranschaulicht und von Seite 117 — 119 beschrieben.
Derselbe hat sich heute noch als Reminiscenz an die Krönung
deutscher Kaiser in der Sakristei von St. Peter in Rom erhalten.
Zum Beweise, welchen Reichthum des Materials und welche
kunstreiche Ausarbeitung in den ornamentalen Einzelnheiten man
bei Anfertigung bischöflicher Handschuhe gegen Ausgang des Mittel-
alters verwendete, führen wir hier noch eine interessante Stelle an,
die sich in dem Verzeichnisse der versetzten Pfänder des Erzbischofs
von Cöln, Theoderich's II. (regiert von 1414 — 1463 ), vorfindet. Nach-
dem in langer Reihe die kostbarsten silbernen und goldenen Gefässe
namhaft gemacht sind, die Erzbischof Tlieoderich dem damahgen
Herzog von Cleve zu Pfand Überhess, kommt auch folgende Stelle
vor: «Item des Vridages nac deme Sondage Jubüate is versat alsulche
Pende herna geschreven Sols-Kyndsone dem Jueden dae by geweist
is Jot Rentmeister Fridr. van Sarwert ind Joh. Husener Zum
irsten ein Par Henschen mjt Perlen, der ejne mit den drjn Konyncgen,
der ander mjt ejne Crucefix. Item ein ander Par Henchen yech-
hchen mjt ejnre Broidschen up der Handt mjt Gestejntz. Item in
dem Myddel ejn Sofir wigende II. Mr. . XIIII Loit Goultz geacht
vur . . . CXXXI Guld.«
Aus dieser ausführhchen Beschreibung geht also hervor, dass
in der letzten Hafte des XV. Jahrhunderts am Rhein die bischöf-
hchen Handschuhe noch in ähnlicher Weise mit goldenen Zierrathen,
die in englischen, französischen, böhmischen und itahenischen Schatz-
verzeichnissen, wie wir früher sahen, abwechselnd mit verschiedenen
Benennungen, als tasselli, monilia, fibulae, phcae bezeichnet wurden,
') Aus dem Archiv für die Geschichte und Statistik des Vaterlandes
I. Band S. 236—243. Bonn, im Verlag des Intelligenz-Comptoirs, \lHh.
— 146 —
fortwährend verziert zu werden pflegten. Diese aufgenähten Gold-
bleche auf den beiden Flächen der Handschiüie des Erzbischofs
Theodorich nannte man im Niederdeutschen -»broidscheTm, und zwar
ersah man auf diesen in Gold getriebenen Ornamenten die Dar-
stellung der heihgen Dreiköuige und die Kreuzigung des Heilandes.
Aus dem Umstände, dass diese zwei Paar Haudschidie des oben
gedachten Cölner Erzbischofes zwei Mark dreizehn Loth an Gold-
gewicht hatten, lässt sich folgern, dass gegen Ausgang des Mittel-
alters die bischöflichen Handschuhe in grössern Catliedralldrchen
hinsichthch des daran verwandten edlen MetaUs mit den reichen
Geschmeiden wetteiferten, mit welchen um diese Zeit fast über
Gebühr auch die bischöflichen Mitern verziert wurden.
Wie schon früher bemerkt, wurden das ganze Mittelalter hin-
durch die Handschuhe für Bischöfe und infidirte Aebte meistens aus
schweren Seidenstoffen geschnitten und zusammengenäht. Als man
aber mit dem XVI. Jahrhundert die Kunst erfand, vermittelst einer
einfachen Vorkehrung Strümpfe zu stricken, gelangte mau bald dahin,
die Handschuhe sowohl für jjrofanen als für kirchlichen Gebrauch
aus einetn Stücke künsthch zu wirken. Durch diese neue Anferti-
gungsweise verloren seit der Renaissance die bischöflichen Hand-
schuhe jene unbeholfene Schwere , die überhaupt den chirothecae
aus gewebten und zusammengenähten Stoffen eigen ist. Die fortan
gebräuchhchen gestrickten Handschuhe legten sich enger den Händen
des pontificirenden Bischofes an , und machten es nach und nach
nöthig, dass man anstatt der in Goldblech aufgenähten reichver-
zierten ytbroidsclwm. eine andere Verzierungsweise erfand, wodurch
die Oberflächen derselben ausgezeichnet wurden. Man pflegte
nämhch im XVI. und XVII. Jahrhundert die gestrickten oder
auf einem kleinen Handstuhle gewirkten chirothecae für kirchhchen
Gebrauch sowohl an der untern noch immer ziemhch weiten und
umfangreichen Randeinfassuug , dessgleichen auch auf der obern
Handfläche mit theils ä jour durchbrochenen, theils mit erhaben
aufhegenden eingewirkten Verzierungen zu heben, oder aber man
begnügte sich damit, diese eben gedachten Theile der bischöflichen
Handschuhe meistens duj-ch Ornamente zu verzieren, die gewöhnlich
in Goldfäden auf Leinenstoff gestickt die Stelle der ehemahgen in
Goldblech gearbeiteten fibulae und praetextae auf den Oberflächen und
an den äussern Randeinfassungen ersetzen sollten. Ein Paar sehr
interessanter Pontifical-Handschuhe, wahrschcinhch aus dem Scliluss
des XV. Jahrhunderts herrührend , fand Ch. de Linas auf seiner
Forschungsreise nach ältern hturgischen Ornaten durch Frankreich,
— 147 —
in der Kirche zu Saint-Bertrand-de-Comminges. Unser Freund hat
eine dieser Handschuhe auf der Tafel zur Seite 197 unter Fig. 5
seines oft citirten Werkes abgebildet; im verkleinertem Maassstabe
sind eben dieselben auf Tafel XIX, Figur 4 bildlich wiedergegeben
worden. Dieselben bestehen aus einem Tricotgewebe von rother
Seide. Die zikzakförmigen Ornamente au den Fingertheilen, dess-
gleichen die am untern breiten Rande und auf der Oberfläche sind
in Goldfäden gewirkt, üebereinstimmend mit den ältern Hand-
schuhen haben die cliirothecae von Comminges noch die ziemliche
Längenausdehnung von 0 285 sich bewahrt , bei einer Höhe
des untern verzierten Saumes von 0 '"• 06
In unserer Privatsammlung finden sich aus dem Schluss des
XVI. Jahrhunderts ein Paar Handschuhe vor, die der Ueberliefe-
rung nach von den ehemaligen Aebten von Brauweiler getragen
worden sein sollen. Dieselben sind an dem weiten untern Rande, dess-
gleichen auf der obern Handfläche, theils mit durchbrochenen, theils
mit erhaben vorspringenden Verzierungen gemustert und aus ewem
Stück gewirkt. Auf der obern P'läche dieser Handschuhe ersieht man
noch deutliche Spuren , dass hier ehemals gestickte Ornamente in
Form verzierter Kreuze befestigt gewesen sind; der untere Saum
mit golddurchwirkter Verzierung ist noch sehr breit und hat eine
solche Länge, dass er bequem über den Rand der Albe an den
Aermeln gezogen werden kann. Auf Tafel XX, Fig. 2 geben wir
in verkleinertem Maassstabe die Abbildung dieser Abbatial-Hand-
schuhe wieder, dessgleichen auch unter Fig. 3 die verkleinerte Dar-
stellung jener Pontifical-Handschuhe, die von Berdolet, erstem Bischof
von Aachen (f 1809) hturgisch in Gebrauch genommen wurden.
Entweder fanden sich diese Handschuhe, die in rother Seide ge-
strickt und reich mit Goldstickereien verziert sind , bereits im
Privatbesitz des Bischofs vor , oder dieselben wurden . was wahr-
scheinlich ist, von Berdolet dem Kölner Domstift entnommen, Avoher
auch für den neugegründeten Stuhl von Aachen die übrigen Ornate
und Paramente zur Vornahme von Pontifical-Feierlichkeiten entlehnt
wurden. Wie dies der ältere Schnitt und die Verzierungsweise der
auf Tafel XX, Fig. 3 abgebildeten Handschuhe deutlich bekunden,
gehören dieselben spätestens dem Ausgange des XVI. Jahrhunderts
an. Sowohl an dem Daumenfinger , dessgleichen a;ich an der
untern goldgestickten Borte, welche die weiten manicae verbrämen,
lassen die bereits der entwickelten Renaissance angehörenden Or-
namente erkennen, dass diese im Aachener Schatze heute befind-
lichen Handschuhe jener charakteristischen Kunstepoche angehören ,
11
- 148 —
III welche die Bliitliezeit des Jesuiten- Ordens fiel. Das zuletzt
Gesagte gilt besonders von der ebenfalls in Goldfäden gestickten
Darstellung der Nanienschiffer Jesus und dem gegen Schluss des
XVI. Jahrh. immer wiederkehrenden Strahlenkranz, mit welchem
dieses Hierogramm umgeben ist.
P Als im XVIII. und vollends in den vier ersten Jahrzehnten
des XIX. Jahrh. die bischöflichen Sandalen ihrer altern traditio-
nellen Form und Verzieruugsweise entkleidet und einem zierlichen
Damenschuh ahnhch "gestaltet wurden, erlitten auch die bischöflichen
Handschuhe eine solche verflachende und modernisirende Umfor-
mung, dass sie in neuester Zeit, hinsichtlich des Schnittes und der
stoflflichen Ausdehnung, in manchen Diöcesen so ziemlich mit feinge-
wirkten Salon-Handschuhen übereinstimmen ; die alte Dauerhaftig-
keit und Gediegenheit, dessgleichen die althergebrachte Verzierungs-
weise, die Erweiterung des untern ornamentalen Saumes in Weise
von breiten Stülpen , die den bischöflichen Handschuhen ein
kirchliches Aeussere gaben , sind heute gänzhch verschwunden.
Nur ein schwerfälliges, meistens über Pappendeckel gesticktes Kreuz,
ist den bischöfliclien c/nrotheate verblieben , wodurch sie sich von
den Handschuhen modernen Gebrauchs einzig und allein noch unter-
scheiden.
10.
Die biaehöf liehe Infel (Infula, mitra).
Taf XXI, XXH, XXIU, XXIV und XXV
Die Ursache, wesswegen umfangreiche Abhandlungen vornelma-
lich über den Ursprung der bischöflihen Miter, meistens ohne prak-
tischen Gewinn zur Lösung der Frage über die älteste Form und
Gestalt derselben, im XVII. Jahrhundert geschrieben worden sind, ist
darin zu finden, dass die Einen die Entstehung und den Gebrauch
der bischöfhcheu Miter erst dem X. Jahrh. zusprachen, die Andern
dagegen die Behauptung aufzustellen wagten, dass die bischöfliche
Kopfbedeckung bereits im apostolischen Zeitalter ihren Ursprung
genommen, und im Laufe der folgenden Jahrhunderte in der Kirche
weitere Entwickelung gefunden habe '). In der Mitte der streitenden
') Vgl. über diese Streitfragen : Onof. Panvinio, Expl. vocum obsc. Eccl.
ad calcem Vit. Rum. Pontificuin. — D. Hugues Meuard, S. Gregorii
Mag. op., in-fol., 1705, t. III; Notae in Sacrament., col. 557. — Andr.
du Saussay, Ponopl. episcop., lib. I, c. 2 et 3. — Jos. Visconti, De
appar. Missae, lib. III, c. 29 a 33.
— 149 —
Ansichten steht Bona, der in seinem I. Buche von der kirchhchen
Liturgie sich dahin ausspricht: es könne nicht in Abrede gestellt
werden, dass es seit den Tagen der Apostel sowohl in der morgen-
ländischen als in der abendländischen Kirche Brauch gewesen sei,
dass einzelne Bischöfe ihr Haupt mit einem auszeichnenden Ornamente
geschmückt hätten, wodurch ihre Oberhirtenwürde auch äusserhch
an den Tag gelegt worden sei; nur könne nicht behauptet werden,
dass unter dieser bischöflichen Kopfbedeckung eine Miter zu ver-
stehen sei, wie sie sich im spätem IVIittelalter formell gestaltet und
künstlerisch entwickelt habe
Indem 'wir hier einleitend der Ansicht des Cardinal Bona
durchaus beipflichten , glauben wir das Eine nur noch bemerken
zu sollen, dass die Streitfrage, hinsichtlich des Ursprunges der
bischöfhchen Miter, einzelne hturgische Schriftsteller des XVI. und
XVII. Jahrhundert nicht in der Weise aufgeregt hätte, wenn schon
um jene Zeit die christhche Alterthumskunde als Wissenschaft so
weit entwickelt gewesen wäre , um nach Maassgabe der Form und
künstlerischen Ausstattung der ältesten damals noch so zalüreich vor-
handenen Mitern einen ziemlich sichern Schluss hinsichtlich der Ent-
stehung dieser bischöflichen Kopfbedeckungen ziehen zu können.
Wie wir dies im I. Bande des vorliegenden Werkes, S.383 — 393,
eingehender beleuchtet haben, war das Haupt des Hohenpriesters
im alten Bunde mit dem hohenpriesterlicheu viiznephet , der tiara,
geziert, mit welcher das güldene ziz, nämlich die corona oder
lamina aiirea in Verbindung stand. Das Haupt des gewöhnlichen
Opferpriesters war hingegen mit einer einfachen Kopfbedeckung,
dem migbaah, umhüllt, die als pileus, cidaris , in Form eines Tur-
bans von weissem Byssus-Leinen das Haupt ohne lamina aurea
überschattete. Da nun , wie bei Besprechung der priesterlichen
und hohenpriesterlichen Gewänder des alten Bundes mehrfach an-
, gedeutet wurde, die liturgischen Gewänder der Priester und Bischöfe
nicht nur allein den Gewändern der Senatoren des classischen Roms,
sondern vorzugsweise auch den alttestamentarischen Ornaten des
Hohenpriesterthums im Laufe der ersten christlichen Jalu'hunderte
analog gestaltet worden sind; so dürfte es auch leicht zu erklären
Ego autem crediderim utramque ojiinionem posso facillime conciliari,
si dixerimus, mitrain qiiidem qualis est hodie, nuperum ornatuni esse
. . . negari tarnen non ]iosse quin a temporiljus Apostolorum aliquod
fuerit capitis ornauieutum , quo peculiariter si non omnes. aliqui sal-
tem Epi.scopi usi sint. Rei'um lit. Iii). I, oap. 24. XIV.
11*
— 150 —
sein, dass die Bischöfe der Kirche in der frühchristhchen Zeit zur
Unterscheidung von den Priestern sich eines auszeichnenden Kopf-
schmuckes bedienten, der als lamina aurea, corojia, mit jener
goldverzierten Stirnbinde und der damit verbundenen dara, (miz-
nephet), Aehnlichkeit haben mochte, wie sie im alten Testamente
der Hohepriester zu tragen pflegte. Und wü'klich führt der heihge
Epiphanius an mehreren Stellen an, dass der heilige Jacobus, der
erste Bischof von Jerusalem, sich der goldenen Stirnbinde bedient
habe i). Dessgleichen ist bei Eusebius und dem h. Hieronymus zu
ersehen, dass auch der Apostel Johannes diese goldene Stirnbinde
als bischöfliche Auszeichnung getragen habe 2). Verfolgt man weiter
die ältesten Spuren der priesterlichen und hohenpriesterlichen corona
in den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung, so findet
man über das Vorkommen derselben zunächst in einer Rede des
grossen Gregor von Nazianz ei^ie klare Erwähnung derselben,
und zwar wird die bischöfliche Kopfbedeckung von diesem be-
rühmten Kirchenlehrer eidaris genannt Ferner ist aus Theodorus
Balsamo und undern griechischen Schriftstellern klar zu ersehen,
dass der heilige Cyrillus, Patriarch von Alexandria, damit er an
Stelle des römischen Papstes Coelestinus in der ejihcsinischen Synode
gegen die Irrlehren des Nestorius (431) den Vorsitz führe, von
demselben Papste aus Rom einen päpstlichen Ornat, nämlich das
phrygium^ lorum, zugesandt erhielt, und dass seit dieser Zeit die
Nachfolger des heiligen Cyrülus auf dem Stulile von Alexandria
dieses hohenpriestei'lichen Schmuckes sich fortwährend bedienten.
Nach diesen Andeutungen über das Vorkommen und den Ge-
brauch eines bischöflichen Kopischmuckes in den ersten christhchen
Jahrhunderten liegt uns nun die Frage zur Beantwortung ob : Avie
waren diese laminae aureae, cidares oder phrygia , ilu'em Schnitte
und ihrer Verzierungsweise nach, in dieser fernliegenden Periode
gestaltet? Da sich merkwürdiger Weise aus den frühesten christ-
lichen Jahrhunderten keinerlei bildliche Darstellungen in Sciüptur
und Malerei erhalten haben , auf welchen Umstand namentlich
diejenigen sich stützen, welche che Entstehung der Miter in der
') Epiphanius, Panarium Haeres. 78, N" 14: »O'viof 6 'hixujßos xtd
nixahov tni itji y.((paklji itföorjot«, dessgleichen auch Haeres. 29.
•) Polycrates apuil Euselnum Iii). V, cap. 23. uV iyyvijl^r] Ifofv? t6 jikiakoi'
nfcpoQtjXmg.
^) Oratio quinta post reditum a faga: Jut tovto XQifig ror dnytsnta,
xcti n(oi,ß(ilkng xoi' 7T.ot?i}(}tj y.ai nfQiTixhtis Tip' xi(^aniv.
— 151 —
apostolischen Zeit in Abrede stellen, so dürfte es schwer halten,
die eben aiifgeworleue Frage zur Stunde genügend zu lösen und
durch einschlagende Abbildungen zu erläutern.
Wenn es gestattet ist, unsere jjersönliche Ansicht über die
älteste Gestalt und ornamentale Beschaffenheit der hohenpriester-
lichen Corona, müra, hierorts auszusprechen, so dürfte die bischöf-
hche Kopfzierde, wenn überhaupt eine solche bei sämmtlichen
Vorstehern der Kirche anzunehmen ist, in ihrer Form und Aus-
sclunückung mit der cidaris, tiara des hohen Priesters im alten
Bunde näheje oder entferntere Aehnlichkeit gehabt haben. Das
Eine kann jedoch als feststehend betrachtet werden, dass die
hohepriesterhche corona um diese Zeit entweder aus feinem byssiis
in Form einer ausgerundeten Kopfbedeckung bestanden habe, die
als geschlossener pileus gleich einem kleinen Helm das Haupt be-
deckte, oder dass ein viereckig längliches Tuch in orientaüscher
Weise als Kopfbedeckung verwandt wurde, mit welchem das
plirygium, lorum in Verbindung stand. Der untere Rand dieser
ältesten Miter war vielleicht mit goldenen Metallblechen oder Gold-
stickereien manchmal verziert, wcsswegen auch dem in Rede stehen-
den Ornat häufig der Name corona gegeben wurde. Ausserdem
waren mit dieser Koijfbedeckung von weissem glänzenden Byssus-
Leinen noch kleinere Leinstreifen, 7'edimicula, vittae, verbunden die
über das Haupthaar bis zu den Schultern hinabreichten
Auch bei den Schriftstellern vom IV. bis zum VI. Jahrhundert
kommen häufig Angaben über die priesterlichen und bischöfhchen
coronae vor , die zu der Zeit bei den Vorstehern der Kirche im
Gebrauch waren. So berichtet Ammianus Marcellinus, dass Fü'mus,
besiegt durch die Waffen des Kaisers Theodosius , die Gunst des
Siegers dadurch wieder habe erwerben wollen, dass er dem Kaiser
nebst reichen Waffenstücken auch eine priesterliche Krone darge-
bracht habe, die er anderswo genommen hatte 2). Dass diese
meistens goldenen Kronen schon damals als hervorragendes und
wesentliches Abzeichen der bichöf liehen Würde galten , geht auch
hervor aus der in den Tagen der heiligen Hieronymus und Augu-
') üeber Gestalt und Gebrauch der Infel in vorchristlicher Zeit vgl. die
näheren Angaben bei Prof. Dr. Hefele: Beiträge zur Kirchen-
geschichte, Archäologie und Liturgik, II. Band, Seite 223 — 225; sowie
die treffliche Abhandlung desselben Gelehrten über die Infel von
Seite 223—239.
^) Signa militaria et coronam sacerdotalem .... quae regionem illam de-
populando rapuerat. Amin. Marceil., Kerum gest., lib. 28,6.
— 152 —
stinus üblichen Begrüssuiigsformelu. So schreibt der h. Hieronymus
an den h. Augustinus: »Fratres tuos dominum meum Alypiimi et
dominum meum Evodium, ut meo nomine sakites, precor coronam
vestram« ^). In dem Briefe des heiligen Augustinus an den Bischof
Proculianus liest man hinsichtlich der bischöflichen Krone folgende
Stelle: »Per coronam nostram nos adjurant vestri, et per coronam
vestram vos adjurant nostri« Eine ähnliche Begrüssungsformel
findet sich auch vor in einem Briefe, den mehrere Bischöfe Galüens
an Papst Leo den Grossen richteten, dessgleichen in einem Schreiben
der Bischöfe der Provinz Taragona an den Papst Hilarius. Beda
Venerab. bedient sich an einer Stelle folgender Redeweise : »vestrae
almitatis Corona«.
Dass ferner in der zweiten Hälfte des VI. Jahrhunderts die
bischöfliche corona in ihrer Form und dem daran verwandten kost-
baren Material fast einem königlichen Diadem ähnüch war, ersieht
man deuthch aus der Lebensbeschreibung eines engUschen Bischofes,
des h. Samson, (A. D. 565) von dem es heisst: »Sanctus Samson
admirahilem vidit \isum: Quadam nocte circum septari se a delicatis
ac densissimis candidatorum turbis cernit, et tres episcopos egregios
diadematibus aureis in capito ornatos atque holosericis ac piüche-
rimis amictos vestibus in faciem tibi adsistere, « *). Dasselbe lässt
sich auch folgern aus den Versen des h. Ennodius (A. D. 511), der
die in Edelsteinen reichverzierte Krone m folgender Weise besingt,
welche das Haupt des h. Ambrosius schmückte:
»Serta redimitus gestabat lucida fronte
Distinctum gemmis ore parabat opus«^).
Ein Dichter des VIIL Jahrhunderts , Bischof Theodulph von
Orleans (A. D. 794), führt weiter an, dass die bischöfliche aurea
lamina mit einer vierfachen Reihe von erhaben ciselirten goldenen
Ornamenten verziert sei. Die betreffende Stelle lautet:
«Aurea pontificis cingebat lamina frontem
Qua bis binus apex nomen herile dabat«^).
Dass der Ausdrück nroronaii. nicht im metaphoristischen Sinne,
die damalige grosse Tonsur des Clerus andeutend, sondern wörtüch
») ffieron. Ep. ad August. W 26.
-) August. Epist. ad Proculianum, Ep. N° 147.
3) V. Bedae Op. Hist. Min., ed. Stevenson p. 47, § 2.
*) Vita S. Samsonis, ab auctore anonymo subaequali. apud Mabillon.
AA. SS. B., tom. I, pag. 165, N» 43.
Ennodii Epig., 77, Op. ed. Sirmoud, p. 622.
*) Carm., lib. V, III, Paraen. ad episc, v. 610, m-8", Paris 1648.
— 153 —
zu nehmen ist, geht deutlich hervor aus einer Stelle des Ordo IL,
welche anordnet, dass der Clerus bei dem Absingen des Evange-
liums die Krone niederlegen sollte: »Et in ipsa hora neque Corona,
neque aliud operimentum super capita eorum habetur« ^). Dasselbe
lässt sich auch aus einer Angabe des Amalarius folgern , bei dem
sich folgende Stelle tindet: »Neque coronam, neque aliquit (sie!)
operimentum super caput eadem hora tenemus«^j.
Es wäre von grossem Interesse zu wissen, in welchen Formen
die bischöfliche , dessgleichen auch die priesterliche rorona vom
IV. — VIII. Jahrhundert beschafien gewesen sein möge. Gewiss unter-
liegt es keinem Zweifel, dass diese aureae laminae hinsichtlich ihrer
formellen und künstlerischen Beschaffenheit im Wesentlichen mit
jenen coronae votivae übereinstimmten, die aus cüeser fernliegenden
Epoche sich bis zur Stunde noch erhalten haben. Hierzu sind vor-
nehmlich zu rechnen die Votivkrone der Longobardenkönigin Theo-
delinde ^) und jene goldenen Diademe, die vor wenigen Jahren in
Guarrazar bei Toledo aufgefunden und die heute gröstentheils in
das kaiserliche Museum des Hotel Clugny zu Paris übertragen worden
sind. Auf Tafel XXI unter Figm* 1 und 2 sind zwei kleinere Votiv-
kronen von Guarrazar bildlich wiedergegeben , die unter der Re-
gierung der westgothischen Könige Reccesvinthus und Sainthilanus
im VII. Jahrhundert als Weihgeschenke der Kirche »Stae. Mariae
in Sorbaces« überwiesen wurden*).
Mit ziemlicher Sicherheit lässt sich annehmen, dass die bischöf-
lichen coronae in der vorkarolingischen Zeit aus dünnen Goldblechen
gearbeitet und steUenweise mit Edelsteinen verziert , hinsichtlich
der Form viele Aehnlichkeit mit den Kronen von Guarrazar aufzu-
weisen gehabt haben. Natürlich fehlten an diesen bischöflichen
Kopfzierden jene pendilia, lemnisci, die nach der Abbildung auf
Taf. XXI an den beiden coronae von Guarrazar ersichtlich sind.
Von ähnlicher Beschaffenheit dürfte auch die goldene Krone
gewesen sein , die mit vielen Edelsteinen verziert , im Grabe des
•) Ordo Rom. II, ed. Mabillon, Musei ital. t. II. pp. 45, 46.
Ecloga, Cap. XIII, ed. Georgio. De Liturgia Rom. Pen., t. III. p. 350.
') Vgl. die Abbildung dieser corona in unserem Werke: »Die Kleinodien
des h. römischen Reiches deutscher Nation« etc., Taf. XXXIV, Fig. 51 ;
die Beschreibung findet sich im Texte von Seite 165 — 168.
Die Abbildungen zu ersehen in demselben Werke Tafel XXXVI und
XXXVII, Figur 54—57, Text von Seite 171—179.
— 154 —
Ii. Cuthherlit, eines angelsiichsisclicn Bischofs, der im VIII Jahr-
hundert lebte, bei Eröffnung desselben im XII. Jahrhundert, vor-
gefunden wurde ').
Unser verehrter Freund Canonicus Dr. JRork^), hat das Ver-
dienst über Form und Beschaffenheit der bischöflichen Krone in
den Tagen der angelsächsischen Könige zuerst in neuester Zeit
tiefgehende Untersuchungen angestellt zu haben, die von den gün-
stigsten Erfolgen zur Aufhellung dieser Frage begleitet waren.
So fand derselbe in der Bibliothek des Herzogs von Devonshire zu
Chatsworth ein angelsächsisches Manuscript des X. Jahrhunderts,
nämlich das Benedictionale von St. Aethelwold, in welchem ein
angelsächsisches auri lamina als bischöfliche corona genau in der-
selben Weise abgebildet ist, wie wir dieselbe getreu auf Tafel XXII
Figur 1 bildlich wiedergegeben haben.
Diese bischöfUche Krone, ziemhch übereinstimmend mit den
Kronringen von Guarrazar, besteht aus einem goldenen Ringe, der
mit Edelsteinen besetzt ist und der sich dem Haupte ziemhch flach
anlegt. Das Haupt des Bischofs ist ohne alle Bedeckung und
zeigt nach Oben eine grosse Tonsur. Es entsteht nun die Frage :
bildete die bischöfliche corona, wie sie nach dem angelsächsischen
Benedictionale auf Tafel XXII, Figur 1 abgebildet ist, die alleinige
Kopfbedeckung des Bischofes oder chente sie vielmehr dazu um
eine Bedeckung des Hauptes von Leinen oder Seide zu befestigen
und zu verzieren. Wir glauben unbedingt das Letzte bejahen
zu sollen. Ausser ältern noch erhaltenen Abbildungen von
bischöflichen Kopf hüllen , die am äussern Rande mit einer gol-
denen Corona verziert sind, | scheint aus einer Stelle des Beda
Venerabiiis ^) hervorzugehen, dass noch im VIII. Jahrhundert in
England unter der corona von den Vorstehern der englischen
Kirche eine Art Kopfbedeckung getragen wurde, die Dr. Rock
treffend als y)head-linen(i bezeichnet. Unter diesem «Haupt-Leinen«
') In fronte sancti poutificis auri lamina nun textilis fabrica, tantummodo
forinsecus deaurata. praerninet, quae diversi generis lapidibus preciosis,
minutissimis tarnen, undique conspersa renitet. Reginaldus Dunelmensis,
de Admir. S. Cuthberti, p. 87.
2) The Chureh of our Fathers, vol. II, p. 93-99, 1849, London, C.Dol-
men fil, New Bond Street.
^) »Sive ei-go coronulae fuerint aureae, claritatem perpetuae lucis signi-
ficant: sive fuerint byssinae, ipsam nostri corporis immortalitatem
quae perennis futura est, figurate denuntiant.« Beda de Tabernaculo
lib. III, c. 8, Op. t. IV. 1263.
— 155 -
ist ruämlicli iiacli fler Ansicht des ebciigedacliten Schriftstellers
eine Art Kopfschleier, bestehend aus feinstem Leinenstofi' (byssus)
zu verstehen, der iu Gestalt eines viereckig länglichen Kopftuches
um das Haupt gewunden wurde, und dessen ausmündenden Zipfel
den Hals und Rücken des Trägers bedeckten. Auch Aelfric's
Glossarium 1) erklärt die bischöfliche Infel in ähnlicher Weise.
ludessen scheint der Kopfschleier des Bischofs, den die goldene
Corona abschloss, nicht überall von weissem Byssus gewesen zu sein.
So heisst es nämlich iu der Lebensbeschreibung des h. Birin, Bischof
von Dorche^ter (gegen das Jahr 640) , dass bei der Auffindung
seiner Leiche derselbe mit einer rothen Infel aus Seidenstoff be-
kleidet gewesen sei^). Auch die tigurlichen Darstellungen des heiligen
Amandus und des h. Vindicianus, abgebildet unter Fig. 2 und 3 auf
Tafel XXn^) lassen deutlich, in Verbindung mit der bischöfhchen
Corona, ein ))head linerm erkennen, das indessen nicht aus weissem
Byssus besteht, sondern das bemi h. Amandus eine Purpurfarbe
und beim h. Vindicianus einen liochrothen Farbton hat; auch das
goldene Diadem, ein Ring von gleicher Grösse und Beschafi'enlieit,
wie au der bischöflichen Figur des Benedictionale (vgl. Tafel XXH
Figur 1) fehlt an diesen beiden Darstellungen des Manuscriptes
in der Bibliothek von Valenciennes nicht.
In dem bekannten Werke von Claude de Verte*) wird eine
Miter beschrieben und abgebildet, die sich ohne Abwechslung der
Formen verschiedene Male au einem bischöflichen Grabmal in der
Kirche St. Remy zu Rheims ehemals vorfand ; dieses Grabmal wird
von Einigen als das des Hincmar ( V) (f 882) bezeichnet. Wir geben
auf Tafel XXII Kgur 4 diese bischöfliche Ko})fbedeckung in der
Weise getreu wieder, wie sich dieselbe auf Tafel VHI zu pag. 500
unter Figur IX des unten angeführten Werkes vorfindet. Diese
bischöfliche Kopfbedeckung aus der Kirche St. Remy stimmt mit
') Infula .... Biscop heafod liii. — Aelfric's Glos«, p. 69.
Bei der Erhebung des Heiligen fand man den Körper unverletzt »cum
duplici stola et infula rubra ex panno serico. Ap. Surium, 3 Dccb.
^) Ch. de Linas hat in seiner bekannten Umsicht und Genauigkeit diese
l)eiden bischöflichen Bildwerke nach einem Manuscripte des XI. Jahr-
hunderts, befindlich auf der Bibliollick zu Valenciennes, gezeichnet
und auf der Tafel zur Seite 150 seines Werkes: »Anciens vetements
sacerdotaux et anciens tissus conserves en France« bildlich wieder-
gegeben.
■"1 Claude de Vert, Expl. des Ceremon. de l'Eglise, tom. II, pag. 372
not. c, pl. VIII, fig. IX.
— 156 —
den beiden Abbildungen ans dem Valencienner Manuscript unter
Figur 2 und Figur 3 durchaus überein. Das Kopftuch in Form
einer runden Mütze ist am untern Rande mit einer, wie es scheint,
metallischen rorona umzogen; die Schultern der Figur bedecken
die Zipfel des -i^head-linenv., aus denen sich die spätem stolae oder
fmiones bildeten. Ob auf diese Mitern in der eben beschriebenen
Form die Bezeichnung Dcapellurn auro paratumn anwendbar sei,
lassen wir hier dahin gestellt sein ^ ). Vielleicht mochte gegen das
X. Jahrhundert, das Gewicht der corona oder der uuti lamina, in
der Absicht dasselbe reicher zu verzieren, zu schwer und drückend
geworden sein , dass man um diese Zeit es vorzog durch goldge-
wirkte oder gestickte aurifrisia den metallenen Kronring an der
Miter zu ersetzen. In dem Britischen Museum*) wird ein angel-
sächsisches Manuscript des X. Jahrhunderts aufbewahrt, das den
h. Erzbischof Dustan (A. D. 988) veranschauhcht, dessen miira aus
einem einfachen yiliead-linena in Form einer runden Kopfbedeckung
besteht , die vermittelst der beiden Schnüre zusammengezogen und
angebunden werden konnte. Auf Tafel XXII Figur 5 ist diese in-
teressante fast ä jour durchbrochene Miter des X. Jahrhunderts
abgebildet.
Wir würden Gefahr laufen, die vorhegenden Notizen über die
Form und Entwickelung der ältern Liturgischen Kopfbedeckungen
der Bischöfe zu einer umfangreichen Abhandlung heranwachsen zu
sehen, wenn wir es versuchten, darzustellen , wie seit dem IX. bis
bis zum Xll. Jahrhundert in den verschiedeneu Ländern des clnist-
lichen Abendlandes die runde dem Haupte des Trägers mehr an-
gepasste bischöfliche Kopfbedeckung in Form des mit dem auri
lamina verzierten liead-linen sich immer höher zu gestalten begann.
In dieser Uebergangsepoche kommen, älteren Bildwerken zufolge,
die verschiedenartigsten Formen der Miter zum Vorschein. So finden
sich, sowohl in Sculptur als Malerei, Infein vom X. bis XII. Jahr-
hundert vor, die am unteren Rande mit einem reichverzierten
phrygium verziert sind und nach beiden Seiten angeschwellte, runde
Ausladungen haben, die zuweilen noch von einer reichverzierten Borte
überragt und verstärkt werden. Unter Figur 6 Tafel XXII ist eine
solche Miter, deren angeschwellte Erhöhungen nach beiden Seiten
') Descrip. de Thesaur. S. Richarii, Chron. Centul. ed. D'Achery, Spicil.
tom. II, p. 310.
^) British Museum, Cotton, Claudius A, III.
— 157 —
ausladen, abgebildet ')• Auch D'Agincoui t tlieilt in seinem grossen
Werke einige merkwürdige Formen von Mitern mit ^) , die besser
als alle wissenschaftlichen Erörterungen das Hin- und Herschwanken
in den verschiedenen Formen der bischöflichen Kopfbedeckimg vor
dem XI. und theilweise dem XH. Jahrhundert erklären.
Ziemlich übereinstimmend mit der Gestalt der Miter, die, zu
beiden Seiten in bauschigen Rundungen anschwellend, auf Taf. XXH,
Fig. 6 ersichtlich ist, findet sich in der Katakombe Platonia^) das
Bild eines Bischofs, dessen Miter zwar die im Dreieck gestalteten
cornua zeigt-; (vgl. Taf. XXH, Fig. 7) indessen sondern diese beiden
Theile sich nach den Schläfen des Trägers hin ab , während seit
dem Schluss des XL Jahrhunderts die beiden dreieckigen Schilder
an der bischöflichen Infel meistens gegenüberstehend sich erheben
imd sich gegenseitig decken.
Vei-geblich haben wir in den altern Kirchenschätzen Italiens,
Deutschlands und Frankreichs Umschau gehalten . ob sich nicht
noch Reste von hohenpriesterhchen, dessgleichen auch von bischöf-
lichen Kopfbedeckungen aus den ersten vier christlichen Jahrhun-
derten erhalten hätten. Sämmtliche ältern Mitern, die uns zahl-
reich zu Gesicht gekommen sind und von denen viele sogar auf ein
sehr hohes Alter Anspruch machen, sind hinsichthch ihres Ur-
sprungs nicht höher als das XI. und XII. Jahrhundert anzusetzen.
Auch jene Miter, die im Schatze der Kirche San Martino del monte
zu Rom heute noch aufbewahrt wird, und die F. Angelus Rocca
abzeichnen hess, und nach ilim Du Saussay sogar den Tagen des
Papstes Sylvester II. zuwies , stellte sich bei näherer Besichtigung,
die wir vor wenigen Jahren an Ort und Stelle persönlich vornahmen,
als ein Werk der entwickelten italienischen Stickkunst in den klar
ausgesprochenen Formen des XIII. Jahrhunderts heraus. Auch eine
andere Miter, in einem Reliquiarium der Kirche von St. Zeno zu
Verona befindUch, die ebenfalls ein sehr hohes Alter für sich be-
') Dieselbe ist der Tafel zur Seite 99 des oft citirteii Werkes entlehnt:
The Church of our Fathers, tom. II. Diese Miniature findet sich in
einem englisch-normannischen Mamiscripte des XII. Jahrhunderts im
Britischen Museum vor.
^) D'Agincourt, hist. de l'Art par les mouuments tom. V, pl. 66, fig. 3
et 4. — pl. 69, fig. 13.
Diese eigenthümliche Form der Miter ist entlehnt dem Werke von
L. Perret über die Katakomben Roms. Ein zweites Beispiel einer
der unter Figur 7, auf Tafel XXII ähnlich gestalteten Miter findet sich
vor in einem ältern Mauuscript, enthaltend die Dialogen des heiligen
Gregor, in der »bibliotheque de Bourgonge« zu Brüssel unter Nr. 9916.
— 158 —
anspracht, erwies sich sofort hei näherer Untersuchung als eni un-
zweifelliaftes Werk der siciHanischen Stickkunst aus der letzten Hälfte
des XII. Jahrhunderts. Wir hahen diese interessante Veroneser
Infel von stylgeübter Hand vor dem Originale abzeichnen lassen,
und im verkleinerten Massstabe auf Tafel XXIV Fig. 1 bildhch Avie-
dergegeben. Die Beschreibung derselben wird im weitern Verlaufe
dieser Abhandlung erfolgen.
Welches Alter die Miter aufzuweisen habe, mit welcher die
Leiche des heil. Augustinus bekleidet , aus dem Grabe erhoben
und später nach Pavia übertragen wurde, würde schwer zu ermitteln
sein, da dieselbe zugleich mit den irdischen Ueberresten in dem
prachtvollen Altar-Epitaphium zu Pavia eingeschlossen ist. Vielleicht
dürfte auch diese bischöfliche Kopfbedeckung später erst zu den
Gebeinen des grossen Bischofes von Hippo regius liinzugefügt
worden sein.
Dass aber in der afrikanischen Kirche, als deren vorzügUchstes
Licht der heil. Augustinus betrachtet zu werden verdient, die Miter
als eine auszeichnende Kopfbedeckung nicht nur allein für die
Bischöfe und Priester, sondern auch für Gott geweihte Jungfrauen
in den frühesten Jahrhunderten im Gebrauch gestanden habe , ist
zu ersehen aus einer Stelle beim Optatus Milevitanus gegen die
Irrlehren der Donatisten, wo er dagegen eifert, dass dieselben bei
jenen Jungfrauen, die von den kathohschen Bischöfen bereits mit
der mitrella ausgezeichnet worden seien, eine abermahge Verleihung
dieses Schmuckes vornähmen^). Hieraus geht deutlich hervor, dass
jene Jungfrauen, die sich der klösterlichen Zurückgezogenheit weih-
ten, vom Bischof mit einer kleinen IVIiter von Wolle bekleidet
wurden, und dass diese mitrella aus einer niedrigen Kopf bekleidung,
gleichsam einer Hülle von weisser Wolle bestand. Die bischöf-
lichen Mitern unterschieden sich also um diese Zeit von genanntem
Kopfschmuck der Jungfrauen , wovon auch an anderer Stelle
der heihge Hieronymus spricht, dadurch, dass unsere hohepriester-
üche Kopfzierde , wie bereits vorhin gesagt , als pileus acuminatus
aus kostbaren Byssus-Stoffen oder aus weisser Seide vielleicht höher
gestaltet und überdies am äussern Eande mit Edelsteinen, getrie-
benen Goldblechen und ähnhchen Verzierungen reich ausgestattet
war. Dieser pileus , tiara , in geschlossener Rundung in Gestalt
der cidaris des Hohenpriesters des levitischen Alterthums zui' Höhe
ansteigend , und unten mit goldenen Zierrathen in Weise einer
*) Optatus Milevitan. lib. VI. advers. Parmenian.
— 159 —
Krone umrandet, hat sich bis zur Stunde noch durch das ganze
Mittelalter hindurch bei den Bischöfen der griechischen Kirche
erhalten , wie dies ausführlicher Joar in seinem Eucholog. Graec.
an mehreren Stellen darlegt^). Diese geschlossene koi^fförmige
Gestalt der hohepriesterliclien corona, wie sie uns in den ersten vier
Jahrhunderten vereinzelt entgegentritt, ist auch bei der tiara der
Päpste als Grundform bis zur Stunde beibehalteu worden, und
sind zu der einen corona, dem regmim, mit welchem in den ältesten
Zeiten der untere Rand der tiara allein umschlossen war, in den
spätem Jalu'hunderten noch zwei fernere Kronringe hinzugefügt
worden, aus welchen das triregnum an der heutigen päpstlichen
Kopfbedeckung entstanden ist.
Es hat die Annahme Verbreitung gefunden, dass Papst Nico-
laus I. (858— 8()7) zuerst die Verbindung des pileus mit einei'
goldenen den unteren Rand einfassenden Krone verziert habe , in-
dessen wird mit Recht von anderer Seite in viel früherer Zeit das
Vorfinden des einfachen goldenen regnmn mit der tiara angenom-
men. Würde dem Bericht des Bischofs Benzo von Alba Gewicht
beizulegen sein, den man aus Gründen nicht für vollwichtig hält,
so hätte Alexander II. gegen das Jahr lOGä, dessgleichen sein
Cardinal Hildebrand die päpstliche tiara mit einem zweiten regiium
verziert. Die eine dieser Kronen habe die Inschrift getragen :
Corona regni de manu Dei , und die zweite : Diadema imperii de
manu Petri^j. Nach anderen Angaben hätte erst um das Jahr
1300 Bonifacius VIII. die zweite- Krone der tiara hinzugefügt und
erst Urban V. (13G2 — 1370) habe das triregnum dadurch vollendet,
dass er zu den bereits vorhandenen Krom"ingen noch eine dritte
Krone hinzugefügt habe. Eine der frühesten triregna ist auf einem
alten Temperagemälde aus der letzten Hälfte des XIV. Jahrhunderts
in der St. Cunibertskirclie zu Cöln erhalten, das auf Taf. XXH
Figur 8 im verkleinerten Massstabe abgebildet ist.
Gleichwie vom Papste Coelestinus dem h. Cyrillus, Bischof von
Alexandria, das Tragen eines auszeichnenden Ko])fschmuckes ge-
stattet wurde , so haben im Laufe der nächsten Jahrhunderte
') Auch die Bischöfe einzelner orientalischer Secten, nämlich die der
Maroniten, Nestorianer und Jacobiten, bedienen sich noch immer
einer helmförmig geschlossenen cidaris , die an die älteste Form und
Beschaffenheit der hohepriesterlichen linra aus der Frühzeit der Kirche
erinnert.
2) Periz, Monumenta t. XIII. Scriptor. XI., p. ()T2.
— 160 —
auch die Nachfolger Cölestin's auf dem päpstlichen Stuhle verschie-
denen Bischöfen des Occidents nach und nach auszeichnende Vor-
rechte ertheilt, sich der bischöflichen Miter, more Romano , bei
feierlicher Begehung der h. Geheimnisse zu bedienen.
Diese mifrae episcopales, die durch päpstliche Indulte ^) verschie-
denen Bischöfen verheben wurden, was auch Du Saussay zugiebt,
haben sich jedoch nicht nur hinsichtlich ihrer Form, sondern auch
hinsichtlich ihrer ornamentalen Ausstattung von jenen regmim unter-
schieden, wie dasselbe die römischen Päpste seit den frühesten
Zeiten zu tragen pflegten. Gleichwie die Diademe der Kaiser von
Byzanz nach dem ausführlichen Berichte der Anna Comnena 2), welche
umständlich die hervorragenden Eigenschaften der byzantinischen
Kaiserkrone beschreibt, sich in ihrer Gestalt und Verzierungsweise
deutlich unterschieden von jenen Kronen, welche die morgenländi-
schen Kaiser an abendländische Fürsten und Könige zaUreich zu
Geschenk machten, so unterscheiden sich auch die iiara, welche
die Päpste als Abzeichen ihrer weltlichen Herrschaft trugen , hin-
sichtlich ihrer Form und decorativen Ausstattung von jenen Mitern^),
dem äussern Abzeichen ihrer geistlichen oberhirtlichen Würde, die
sie den verscliiedenen Bischöfen der Kirche als auszeichnende In-
signien übersandten.
Wie nun, so lautet zunächst che Frage, unterschied sich die
weltliche Hoheits-Insignie der Päpste das regnum , auch tiara ge-
nannt, von der mitra, dem geistlichen Abzeichen der oberhirtlichen
Würde? So weit heut die Forschung reicht, lässt sich die Ansicht
geltend machen, dass die ^^^^mhelmförmigalsjo^7eMs konisch geschlossen
blieb und nur am untern Rande von einer reichverzierten Krone
— daher auch der Name corona, regmim — umrandet war, wohin-
gegen die Pontihcal-Miter der Päpste sich im obern pilens als hiceps
in zwei Theile spaltete, die man sjjäter eormta nannte.
') Don Martene, de Ant. eccles. rit. lib. I, cap. IV, art. I, p. 349. —
Batavia sacra p. 139.
Anna Comnena in Alexiade, pag. 78 ed. Paris.
^) »Romanus itaque Pontifex in signum imperii utitur regno et in signum
Pontificii utitur mitra. Sed mitra semper utitur et ubique, regno vero
nec ubique nec semper. Quia Pontificalis auctoritas et prior est et
dignioret diffusior quam imperialis.« Innocentii III Sermo I. in festo
D. Sylvestri. — »In signum spiritualium contulit mihi mitram, in
signum teniporalium dedit mihi coronam. Mitram pro sacerdotio,
eoronam pro regno, etc.«. Sermo III, in consec. Pont.
— 161 —
Um die eben versuchte Erklärung der Form und Gestaltung
des päpstlichen regnum in signum Imperii zum Unterschiede von
der päpstlichen mitra in signum Pontificii, wie sich dieselben nament-
lich seit dem XI. Jahrhundert gestalteten, durch Abbildungen näher
zu erläutern, haben wir auf Taf. XXII Fig. 9, 10, 1 1 drei verschiedene
Formen von päpstlichen tiarae in verkleinertem Maassstabe bildlich
wiedergegeben, wie sich dieselben an den grossen Standbildern
h. Päpste unter den bilderreichen Vorhallen des Domes von Char-
tres heute noch erhalten haben. Wie dies die Haltung und Aus-
führung der betreffenden Statuen an diesen berühmten porrhes zu
Chartres deutlich bekunden , gehören diese regna papalia bereits
dem XII. Jahrhundert an. Wenn es auch in Zweifel zu ziehen ist,
ob im XI. und XII. Jahrhundert die päpstlichen tiurae als signo
temporcdia in dem obern Theile des geschlossenen pileus aus einem
Flechtwerk ' ) von Seide oder Byssus bestanden haben , wie es die
drei Abbildungen auf Taf. XXII und Fig. 9, 10, 1 1 künstlerisch in ver-
schiedenen Formen andeuten, so ist doch das Eine als feststehend
zu betrachten, dass das päpstliche regnum im XI. und XII. Jahr-
hundert aus zwei wesentlichen Haupttheilen, der untern mit Edel-
steinen reichverzierten güldenen Krone und des kegelförmig an-
steigenden pileus von Byssus oder Seide gestaltet war. Hinsichtlich
des Unterschiedes der päpstlichen mitra als bischöfliche Insignie im
Gegensatze zu dem eben besprochenen regnum als fürstliches Hoheits-
zeichen, diene hier die Angabe, dass diese römische Miter in Bezug
auf ihre feststehende Form vor dem X. Jahrhundert durch ältere
bildliche Darstellungen heute schwerlich noch nachzuweisen ist. Seit
dem XI. Jahrhundert, in welcher Zeit in den verschiedenen Diöcesen
des Abendlandes die Formen und Verzierungsweisen der bischöf-
lichen Kopfbedeckungen sehr schwankend und je nach der örtlichen
Ueberlieferung in ihrer Gestaltung sehr verscliieden waren , scheint
die päpstUche Miter eine consistente Form angenommen zu haben,
die im Laufe des Jahrhunderts auch für die Gestaltung der Bischöfe
') Auffallend ist es immerhin, dass sich in der Bibliothek des Vatikans
unter Nr. 1389 ein auf Pergament mit vielen Miniaturbildern ausge-
stattetes Decretale befindet, auf dessen 3. Kehrseite ein Papst von einer
zahlreichen Versammlung von Bischöfen umgeben, mit einer ähnlichen
tiara bekleidet zu ersehen ist, die mit dem geflochtenen pileus auf
Taf. XXII Fig. 10 durchaus übereinstimmt. Vgl. Seroux d'Agincourt
bist, de l'Art. pl. LXXV Fig. 1.
— 162 —
des Abendlandes massgebend wurde. Der pileus der römischen
mitra wurde seit dieser Zeit durchgängig aus zwei Stoä'stiicken ge-
formt, die gegenseitig getrennt nach Üben einen stumj^fen Winkel
bildeten. Diese beiden iu Gestalt von Dreiecken sich erhebenden
roniua, andeutend che beiden Testamente, die gleichsam als Schilde
der Bichof, der Vertheidiger der göttlichen Ueberlieferungen , den
Feinden derselben entgegen hält, scheinen im XI. Jahrhundert als
hervorragende Eigenthümlichkeit der päpstlichen Miter in Rom
Geltung gefunden zu haben. Wir lassen hier dahin gestellt sein,
ob diese dreieckigen Schilder bei der römischen Miter anfänglich
nach den Schläfen des Trägers hin sich erhoben und so, einander
entgegengesetzt, mitten auf dem Haupte einen stumpfen Einschnitt
gebildet haben, wie das die Darstellung in der Katakombe Platonia
bei St. Sebastian in Rom andeutet M, oder ob diese cornua, wie es
auch bei den heutigen Mitern allgemein der Fall ist, sich gleich-
mässig auf dem Vorder- und Hinterkopfe des Trägers erhoben, so
zwar, dass en face gesehen, beide Theile sich gieiclimässig deckten.
In dieser zuletzt angedeuteten Weise dürfte auch die Miter gestaltet
gewesen sein, mit welcher Papst Gregor der Grosse auf einem
Miniaturbilde eines Evangelistarium des XI. Jahrhunderts bekleidet
ist; auf Taf. XXII Fig. 12 ist diese Miniature bildlich wiedergegeben.
Das im Vorhergehenden über Form und Gestalt der prie-
sterlichen und bischöflichen Kopfbedekung in dem Zeitalter der
Karolinger und Ottonen bis auf die Tage der ersten Hohen-
staufen kurz Augedeutete mag zum Belege dienen, dass, ähn-
hch den übrigen hervorragenden priesterlichen und bischöfhchen
Ornaten, als Kasel. Stola, etc. auch die Miter in der angedeuteten
') Es dürfte bei dieser Darstelluiij? unter Taf. XXII Fig. 7 die berechtig'te
Frage gestellt werden, ob der Zeichner bei der perspektivischen Dar-
stellung der im XI. Jahrhundert in Rom gebräuchlichen Mitern sich
nicht geirrt habe, so dass die beiden cornua bei dieser Miter, wie dies
auch bei der Gregor's des Grossen unter Figur 12 fast der Fall zu
sein scheint, dennoch auf dem Vorder- und Hinterkopfe des Trägers
sich erhoben haben. Auch der eine Fall könnte zur Erklärung der
eigenthümliclien Gestaltung der Miter unter Figur 7 Tafel XXII noch
zulässig erscheinen, ob nicht anfänglich die römische Miter so ange-
legt worden sei, dass die beiden getrennten cornua sich über den
Schläfen erhoben, die andere Anlegungsweise jedoch bald darauf Gel-
tung gefunden habe, die Miter so zu tragen, wie es heute Brauch
ist, nämlich mit den ansteigenden cornua über der Stirn und dem
hintern Koxiftheil.
Epoche je nach den verschiedenen Diöcesen in Bezug auf Gestalt
und Ornamentation verschiedenartige Umgestaltungen erfahren hat,
bevor gegen den Schluss des XL Jahrhunderts und mehr noch im
XII. ihre Form eine ziemlich feststehende und von vielen Bischöfen
des Abendlandes allgemeiner in (iehrauch genommen wurde.
Wodurch ist nun seit dem XI. Jahrhundert eine solche Uni-
formität der bischöflichen Miter, bestehend aus den beiden cormia,
die den Vorder- und Hinterkopf gleichmässig überragten und welche
durch ein einfaches Zwischenfutter in Verbindung gesetzt wurden,
allmählich herbeigefürt worden?
Wir stimmen mit der Ansicht von Prof. Dr. Hefele durchaus
überein, der auf Seite 229 und 230 seines oft citirten Wei'kes mit
eben so grosser Sachkunde als Belesenheit den Nachweis geliefert
hat, dass die Römische Miter, wie sie vom XI. Jahrhundert ab die
Päpste »in signum Pontilicii« zu tragen pflegten, die Norm gewesen
ist, nach welcher in derselben Zeitepoche die meisten Mitern der
Bischöfe des Abendlandes hinsichtlich ihrer Form und Verzierungs-
weise analog gestaltet wurden. Betrachtet man das berechtigte
und erfolgreiche Bestreben der Päpste des XL und XII. Jahrhun-
derts , auch in dem äussern Kultus und seinen Ceremonien eine
Gleichheit und Uebereinstimmung nach dem Vorbilde der Beimischen
Mutterkirche in den verschiedenen Diöcesen des Abendlandes her-
beizuführen, rechnet man ferner hiezu die vielen heute noch er-
haltenen Verordnungen und päpstlichen Bullen, die dieser Ueber-
einstimmung und Gleichförmigkeit der Cultformen in besondern
Erlassen an die verschiedenen Bischöfe Deutschlands, Franki'eichs
und Spaniens das Wort reden; so liegt es nahe anzunehmen, dass
von Seiten der Päpste in derselben Zeit auch eine Gleichheit
hinsichtUch der Form der Cultgewänder in den verscliiedeuen Bis-
thümern, übereinstimmend mit der Römischen Form, gewiss dringend
gewünscht wurde. Insbesondere musste den Päpsten daran gelegen
sein, eine Gleichmässigkeit der Gestalt und Verziermigsweise jenes
auszeichnenden Ornates in den Kirchen des Abendlandes aUmählig
einzuführen, wodurch bei den Bischöfen der oberhirtüche Rang
augenfällig an den Tag gelegt wurde. In der That lassen sich
zahlreiche geschichtüche Beweise ausfindig machen, aus denen das
Bestreben der Päpste liervorgeht, der Miter in römischer Form
bei den Bischöfen diesseits und jenseits der Berge Eingang zu ver-
schaffen. So zeichnete Papst Leo IX. im Jahre 1049 den Erz-
bischof Eberhard von Trier in der Peterskirclie dadurch öflentHch
aus, dass er ihm am Passionssonntage die Römische Miter feierlich
12
— 164 —
aufsetzte. Derselbe Papst sprach sich über diese Auszeichnung in
der betreffenden Bulle in folgender Weise aus: «Romaiia niitra
Caput vestrum insignivimus«. Später kommen in derselben Bulle
die tür das eben Gesagte bezeichnenden Worte vor: »Du und deine
Nachfolger sollen bei den kirclilichen Verrichtungen stets der Rö-
mischen Weise folgen« ^j. Papst Alexander IL verlieh im Jahre 1062
dem Bischof Buko oder ßurkhardt von Halberstadt wegen seiner
grossen Verdienste um den heiligen Stuhl das Recht, das erzbischöf-
liche Pallium und die Römische Miter zu tragen ^j. Die gleiche
Auszeichnung wurde im Beginne des folgenden Jahrhunderts dem
Bischöfe von Utrecht diu-ch Verleihung des Papstes Cahxt II. zu
TheiP).
Gleichwie unserer Auseinandersetzung auf Seite 107, II B. zu-
folge von Seiten der Bischöfe das den Erzbischöfen zustehende
Pallium dadurch nachgeahmt wurde, dass man einen ornamentalen
Streifen in Form und Gestalt des PaUiums auf den Messgewändern
zum Pontificalgebrauche durch Stickerei anbrachte, so nimmt es den
Anschein, dass auch im XI. und XII. Jahrhundert von Seiten vieler
Bischöfe die Form der Römischen Miter, bis dahin nur eine besondere
Auszeichnung für einzelne hervorragende Kirchenfürsteii , ihrer
äusseren Gestalt nach, imitirt worden ist. Dennoch kommen, den er-
haltenen Abbildungen zufolge, noch in der letzten Hälfte des XI. Jahr-
hunderts bei den Bischöfen diesseits und jenseits der Berge Formen
von Mitern vor, die hinsichtlich ihres Schnittes und ihrer Verzierungs-
weise von der Römischen Form abweichen.
Bereits im XII. Jahrhundert nimmt man an jenen Mitern, wie
sie entweder in monumentalen Bildwerken, oder als Originalien in
Wirkhchkeit auf unsere Tage gekommen sind , vier wesentliche
Hauptbestandtheile wahr. Dahin ist erstens zu rechnen der Grund-
stoff, meistens eine gemusterte Cendelseide von weisser oder rother
Farbe, die in der Ganzheit die beiden Schilder der sehr niedrig ge-
stalteten Miter nach Aussen übei'zieht; zweitens die verzierenden
schmalen Bandstreil'en, von welchen der eine in Kn-isform den un-
teren Saum der Miter einfasst, und den man desswegen aurifrisia in
') Mansi, coUcctio Concil. T. XIX, p. 724.
Mansi, 1. c. p. 983 und Lambert. Hersfeld, bei Pertz, Monum. T. VII.
Script. V, p. 163.
^) Pagi, breviariinn Pontif. T. II, p. 70.
— 165 —
circuiiu nennt , der andere, der aufwärts steigend die beiden cornua
derMiter vertical durchschneidet, und der in altern Inventaren einfach
titulus genannt wird; drittens die stolae oder fanones , die an der
Rückseite der Miter in Weise von kleinen Bändern die Schultern
des Pontifex bedecken, und die als pendilia , fasciae , in der Regel
aus demselben Seidenstoffe geschnitten sind , aus welchem der
Grundstoff der Miter besteht; viertens die subductura oder foede-
ratura, die in einer starken Falte jene Stelle ausfüllt, welche den
offenen Raum zwischen den beiden cornua einnimmt, und welche
der Farbe und Beschaffenheit ihres Stoffes nach gewöhnlich mit dem
Futterstoffe übereinstimmt, mit welcher im Innern die bischöfliche
Infel überzogen ist, in vielen Fällen aber auch aus demselben Stoffe
besteht, der die beiden cornua im Aeussern bedeckt.
Gerade aus der Zeitperiode, in welcher nachweislich die
Miter in jenen ältern einfachen Formen sich entwickelt hat, die
eben in km'zen Zügen angedeutet worden, finden sich mehrere
päpsthche Decrete vor, durch welche nicht nur, wie vorher schon
gesagt , verschiedenen Bischöfen und Achten , sondern auch welt-
lichen Fürsten das Tragen der Miter zugestanden wui'de. Schon
Papst Alexander II. verlieh dem Abte Engelsinus des Klosters
vom heiligen Augustin zu Canterbury das Recht, die Miter und
die Pontificalsandalen zu tragen Einige Jahre später bewilligte
Urban II. dem heihgen Hugo, Abt von Clugny, das Recht der
Miter unter folgenden Worten: Tibi (inquit) plane peculiari devo-
tione concedimus , ut in jn-ocessionum missarumque solemnibus
mitra utaris episcopali . . . . ^j. Wenn auch der heilige Bernardus
von seinem bekannten streng ascetischen Standpunkt aus sehr
gegen das Tragen der Miter und der übrigen bischöflichen Pon-
tificalien von Seiten der Aebte eiferte, so pflegte man doch na-
mentlich im XII. und XIII. Jahrhundert bei Anfertigung ^-on Mitern
für Aebte, wenn auch nicht im Schnitt, doch in der äussern Aus-
stattung einen strengen Unterschied zwischen der mitra abbalialis
und der mitra episcopalis einzuhalten. Da der Bischof in der
kirchlichen Hierarchie einen höhern Rang als der iufulirte Abt
einnimmt, desswegen musste auch die Miter des Bischofes hin-
sichtlich ihrer 'äussern mehr oder weniger reichen Ausstattung
') üoncilia Britannica edit. Londiii. p. IIIS.
*) Bibliothec. Cluiiiaoftns. coli 5)4. et 515.
12*
I
- 166 -
von der einfachem Miter der Aebte unterschieden werden Aber
schon in den Tagen Papst Clemens IV. scheinen viele Aebte hin-
sichtüch der za reichen Ausstattung der Miter den herkömmUchen
Gebrauch überschritten zu haben, so zwar, dass bei öffentlichen
Feierlichkeiten che Mitern der Aebte hhisichtlich ihrer Ausstattung
von denen der Bischöfe und der Metropoliten sich kaum mehr
unterschieden. Clemens IV. 2) erhess desswegen eine Constitution,
worin er diesen Missbrauch rügte und jenen Achten, welche
exempt waren, d. h. die unmittelbar vom römischen Stuhl, und nicht
von einem Diöcesanbischof abhiugen, die Vorschrift ertheilte, auf
den Provinzialconcilien und auf bischöf heben Synoden, zu deren
Anwohnung sie verpflichtet wären, bloss mit mitrae aurifrisiatae
zu erscheinen, d. h. mit solchen, die in üiren aurifrisiae oder ligulae
gestickte Ornamente meistens auf Goldstoff zu erkennen gaben;
auf diesen ligulae sollten aber keinerlei aus Gold- oder Silberblech
getriebene Ornamente ersichtlich sein, dessgleichen auch keine Edel-
steine und Perlen. Jene Aebte hingegen, die nicht exempt, d. h. die
von dem Bischöfe der Diöceee, in welcher ihre Abtei lag, abhängig
waren, durften dem Wortlaute der betreffenden Constitution zufolge
in den Provincialconcihen und Syiwden der Bischöfe nur mit mitrae
simplices bekleidet sein, welche einfach weiss gehalten waren, ohne
Anwendung von gestickten aurifrisiae oder ligulae^).
Da im Mittelalter die kh-chliche Salbung und Krönung den
Kaisern und Königen gleichsam einen sacralen Charakter verheb,
da ferner seit den Krönungen der Carolinger namenthch die deut-
schen Könige und Kaiser von der Kirche das Recht erhielten, sich
in Weise der Priester und Bischöfe hturgischer Ornate beim
Krönungsacte zu bedienen, die desswegen auch Pontificalia Indu-
menta Imperialia genannt wurden; so kann es nicht auffallend er-
scheinen , dass bereits gegen Scliluss des XI. Jahrhunderts Papst
') Dass im XII. Jahrhundert noch die Unterscheidung' zwischen der
reicher ausgestatteten Ijischöflichen Miter und der einfacher gestalteten
Infel des Abtes beobachtet wurde, will Du Saussay auch entnehmen
aus einer Stelle des bekannten Abtes Suger von St. Denis bei Paris;
es will uns aber diese Stelle nicht klar genug erscheinen, um daraus
mit Sicherheit das Obige folgern zu können.
2) Clemens IV., in St. Giles in Südfrankreich geboren, stand der Kirche
von 12Ö5 bis 126S vor.
") Constitutio Clementis IV. cap. VI. de privilegiis in VI»»
— 167 —
Alexander II. einem Laien, dem Herzog Wratislaus von Böhmen,
das Recht vorlieh , einen piletis zu tragen , der als mitra mit den
Infeln der Aebte und Bischöfe damaliger Zeit Aehnlichkeit hatte.
Der Naclifolger Alexander's IL, Gregor VI., bestätigte dem Böhmen-
herzüg Wratislaus diese Auszeichnung in einem besondern Diplom,
dessen Wortlaut noch auf uns gekommen ist^). Dieser pileus, der
als Kopfbedeckung die herzogliche Krone überragte, dürfte oben in
zwei cornua getheilt gewesen sein, d. h. diese beiden Schilder haben
vielleicht, wenn auch in niederer Form, jene Gestalt einer könig-
Hchen Mitei; gehabt, wie eine solche aus der Kaiserkrone hervor-
ragte, mit welcher verschiedene Kaiser von einzelnen Päpsten in
Rom nachweislich geki-önt worden sind.
Obgleich sich heute in den Kirchenschätzen des westlichen
Europa's nur verhältnissmässig sehr wenige bischöfliche Infeln vor-
finden, von welchen mit einiger Sicherheit nachgewiesen werden
kann, dass sie aus dem Beginne des XII. oder gar aus dem XL Jahr-
himdert herrühren, so haben sich hingegen sowohl in den Schatz-
kammern älterer Kirchen als auch in öffentlichen und Privatsamm-
lungen noch eine grössere Anzahl von bischöflichen Kopfbedeckungen
erhalten, die in ihrem Schnitte und in ihrer Verzierungsweise
deutlich bekunden, dass sie der letzten Hälfte des XII. Jahrhunderts
und dem Beginne des XHI. angehören. Bevor wir im Folgenden
die vorzüglichem Mitern aus dem XII. und XIII. Jahrhundert der
Reihe nach kurz aufzählen, die wir untersuchen und abzeichnen
zu lassen Gelegenheit hatten, sei es gestattet, vorher an der Hand
des eeremoniale epicoporum, angefertigt unter Gregor X., festzustellen,
in welcher Weise die Mitern im XII. und XIU. Jahrhundert hin-
sichtlich ihrer Form und ihrer Verzierungsweise gestaltet waren.
Besagtes eeremoniale unterscheidet zwei Arten von Mitern,
nämlich die mitra simplex und die mitra aurifrisiata. Die mitra
Simplex, die bei Leichenfeierlichkeiten und in den kirclJichen Trauer-
zeiten, nämlich in der Advent- und Fastenzeit, getragen wurde, war
glatt gehalten, ohne alle auszeichnenden gestickten Stäbchen. Die
mitra aurifrisiata hingegen zeigte drei verschiedene Verzierungsweisen;
es war erstens dieselbe mit einer gestickten Borte am untern
Rande verbrämt, die man desswegen mitra de auriphrygio in
circido nannte; die zweite Art entbehrte diese)' gestickten Bandein-
£assung am untern Rande und war mit einer liguiaSbVif beiden Schildern
*) Gregor. Registr. Lib. I. Epist. 38.
— 168 —
verziert, die vertical aufgenäht waren: man benannte diese
Abart vi. de aiiriphri/yio in titulo; die dritte nnd reichste Ver-
zierungsweise bestand darin, dass um den untern Rand und gleich-
massig auf beiden cornua der Miter ein mehr oder weniger reich-
gestickter Bandstreifen befestigt wai-, welche letztere die Bezeichnung:
mitra de auriphrygio in circido et in titulo führte. Solche miirae
pretiosae sind auf Tafel X und Tafel XII des II. Band abgebildet.
Das in Rede stehende cermoniale episcoporum fügt noch hinzu,
dass die Mitern mit doppelten aurifrisiae, d. h. in circulo et in titido,
von den Bischöfen an den höchsten Festen in Gebrauch genommen
wurden; die Mitern hingegen, die nur mit einer geradlinicht an-
steigenden aurifrisia als tiiulus geschmückt waren, wurden von den
Bischöfen gebraucht, wenn sie im Consistorium zu Gericht sassen
Es ist keine leichte Aufgabe, unter den vielen heute noch er-
haltenen Mitern des XII. und XIII. Jahrhunderts diejenigen hier
namhaft zu machen, die für das Studium der christHchen Alter-
thumskunde das meiste Interesse bieten , indem eine jede mehr
oder weniger besondere Eigenthümlichkeiten hat, aus denen die
heutigen Anfertiger von bischöfhchen Infein Vieles lernen könnten.
Noch schwieriger ist es, auch nur annähernd eine Chronologie festzu-
stehen, in welcher Reihenfolge diese heute noch erhaltenen Mitern
des XII. Jahrhunderts angefertigt worden sein dürften. Eine der
formschönsten und merkwürdigsten IVIitern, die Frankreich besitzt,
wird im Schatze von Sens heute noch aufbewahrt, die der Ueber-
lieferung zufolge von Thomas Becket herrühren soll und zwar aus
jenen Tagen (von 1164 bis 1170), wo derselbe in der eben ge-
dachten Stadt in Verbannung lebte.
Dieselbe zeigt, abgebildet auf Taf. XXIII Fig. 1, durchaus die
niedrige Ausdehnung zur Höhe hin, die noch deuthch an die
römische Form und Ausdehiuing der Miter des XI. Jahrhunderts
erinnert. In ihrer grössten Höhe misst dieselbe 0" Ur-
Diese mitra des h. Thomas von Canterbury zu Sens dürfte zu
den mitrae pretiosae für festtäglichen Gebrauch zu rechnen sein, in-
dem dieselbe nicht nur wie Fig. 1 auf Taf. XXIII andeutet, mit
reichgevvirkten Borten, aurifrisiae in circuitu , sondern mit solchen
auch in titulo geschmückt ist. Auf den beiden Flächen der Schilder
erblickt man in Gold gestickte romanische Pflanzen - Ornamente,
die von einem Wurzelstocke ausgehend in zierlicher Form die
betreffende Seitenfläche der Miter füllen. Eine ähnliche schwung-
') Cerem. Gregor. X.
— 169 —
volle Verzierung ist auf den beiden Stolen ersichtlich, die überein-
stimmend mit den Mitern des XI. Jahrhunderts als fasciolae an dem
Hintertheile derselben befestigt sind.
Von ähnlicher Form und Ausdehnung, dessgleichen von ver-
wandter ornamentalen Beschaffenheit ist auch eine Miter, die auf
Taf. XXIII unter Fig. 2 in verldeincrtem Massstab veranschaidicht
wird, und die heute noch im Schatze von St. Emmeram zu Regens-
burg aufbewahrt wird. Dieselbe hat in ziemlicher Uebereinstimmung
mit der Miter des h. Thomas fast die gleiche Höhe und Breiten-
ausdehnung jivie die Miter von Sens. Auch diese Infel von Regens-
burg, deren Herkommen dem heil. Wolfgang zugeschrieben wird,
ist mit reich in (xold und Perlen gestickten aurifrisiae, in circuitu
et in titulo verziert. Sowohl die in Perlen gestickten grössern
Kreise, als auch die verbindenden kleinern Rundungen, dessgleichen
die romanisirenden Pflanzen-Ornamente, die von diesen circuHs um-
randet und eingefasst werden , erinnern auffallend an ähnliche in
Perlen und Gold gestickte ligniae, wie sie gegen Schluss des XI.
und im Beginne des XII. Jahrhunderts von den geschickten Gold-
stickern Siciliens für Handelszwecke angefertigt zu werden pflegten.
Wie es unsere Abbildung andeutet, befanden sich ehemals an der
Miter von St. Emmeram auf den beiden Flächen zur Seite des
tihdus wahrscheinlich in Goldblech getriebene kleinere Rundun-
gen. Diese monilia in campo sind wahrscheinlich in früherer Zeit
abhanden gekommen, und sind an Stelle dieser verloren gegangenen
Ornamente in der Abbildung offene Kreise angedeutet worden.
Eine andere bischöfliche Infel, die höchstens um ein Jahr-
zehnt jünger als die Miter von Sens erachtet werden dürfte , be-
fand sich bis vor wenigen Jahren noch im Besitze des Klosters der
Ursulinerinnen zu Landshut. Leider fehlen an dieser interessanten
Infel aus der letzten Hälfte des XII. Jahrhunderts die aurifrisiae
in circuitu, die reich in cyprischem Gold gestickt oder gewebt, wahr-
scheinlich im Anfange dieses Jahrhunderts, dem Schmelztiegel ver-
fallen sind. Ansteigende ßandstreifen kommen an dieser Miter nicht
vor, und erblickt man auf der ehien Fläche der beiden cornua die Dar-
stellung des Spruches : et sepelierunt Stephanum, virum honoratum.
Der Protomartyi^ dessen Name hinlänglich durch die Gold gestickten
Versalien Stephanus gekennzeichnet ist, kniet vor seinen Verfol-
gern nieder, die, zum Wurfe ausholend, die Steine erhoben haben.
Darüber erbhckt man die aus den Wolken hervorragende segnende
manus dextra Omnipotentis , durch welche der Heinigang und die
Belohnung des treuen Dieners angedeutet ist. Auf der Kehrseite
— 170 —
*
dieser Miter zu Laudshut ersieht man die in bildlichen Darstel-
lungen gegen Schluss des XII. Jahrhunderts so oft wiederkehrende
Martyrscene des h. Thomas von Canterbury , der bekanntlich am
Altare den tödthchen Streichen seiner Verfolger erlagt).
Der Umstand, dass das Martyrium des berühmten Metropoliten
von Canterbury unmittelbar nach voUbrachter That in Lied und
Bild von den Zeitgenossen allenthalben gefeiert \\rurde, gibt der
Vermuthung Raum , dass die in Rede stehende Miter vielleicht
im nächsteii Jahrzehent nach dem Ableben des heil. Thomas von
den berühmten brarnbancarü in Sicilien gestickt worden ist. Dass
die Anfertigung dieser Miter in Sicilien stattgefunden hat, dürfte
auch aus den vielen lunulue zu entnehmen sein, mit welchen die
nicht ausgefüllten Flächen des einen Schildes verziert sind, auf
welchem die Verfolgung und der Tod des heiligen Erzbischofs
dargestellt ist. Diese emblemata oder aenigmata Saracenorum sind
auch auf den Flächen gestickt, die als Füllung zwischen den beiden
Theüen der Landshuter Miter sich ausbreiten^).
Eine nicht weniger interessante Miter, nach unserm Dafür-
halten aus der letzten Hälfte des XII. Jahi'hunderts herrührend,
hat sich bis heute noch in dem an liturgischen Geräthen mid Ge-
fässen des frühen Mittelalters reichhaltigen Schatze der Benedictiner-
Abtei St. Peter in Salzburg erhalten. Diese Miter misst in ihrer
grössten Höhenausdehnung 22 Centim. 8 Mihm. , die Länge der
aurifrisia in circuitu beträgt, in ihrer Hälfte gemessen, 29 Centim.
4 Milim.
Auf Taf. XVI Fig. 1 ist in einem um mehr als die Hälfte ver-
lileinerten Maassstabe diese formschöne Miter von Salzburg abgebil-
det; hier genüge in Kürze als Erklärung zu dieser Darstellung,
dass die ligulae sowohl in circuitu als in titulo aus einem festen
Goldstoff als Tresse auf einem kleinen Handstuhl in ähnlicher
Technik augefertigt worden sind, in welcher auch che auf Tafel
XVIII Fig. 1 und Fig. 3 in Gold gewirkten Bandstreifen der dort
abgebildeten Stolen entstanden sind.
*) Siud wir recht berichtet, so ist vor Kurzem diese interessante Miter
in das reichhaltige Maximilian-Museum nach München übertragen
worden.
2) Thomas Becket, geboren zu London 1119, Erzbischof von Canterbury
1162, wurde am 29. Dezember 1170 von vier Rittei-n am Altare in der
Kathedrale zu Canterbury ermordet.
— 171 -
Diese aarifrisiuc sind theilwcise raäanderförniig gemustert, tlieil-
weise zeigen sie ein Getiecht in verschiedenartiger Form und Ab-
wechslung. Auch die pendilia bestehen aus einer Tressenarbeit
in Gold, in welchem durch Weberei das im XII. Jahrhundert sehr
häufig vorkommende Flechtmuster eingewirkt ist. Aehnlich wie an
der stola auf Taf. XVIII Fig. 3 sind auch die ligulae dieser milra
preliosa mit eingewebten Sprüchen auf beiden Seiten gemustert,
und könnte man desswegen füglich die auf Taf. XVI Fig. 1 ab-
gebildete Infel von St. Peter in Salzburg als eine mitra literata be-
zeichnen. Bßvor diese merkwürdige Iirl'el durch den Zahn der
Zeit in den heutigen sehr beschädigten Zustand gelangte, scheint
man mit ziemlicher Umsicht eine Lesung der vielen heute stellen-
weise kaum mehr zu enträthselnden Inschriften mit Erfolg vorge-
nommen zu haben. Die folgende Entzifi'erung verdanken wir ehier
Abschrift, wie sie sich im Schatze von St. Peter aus früheren Zeiten
stammend vorfindet. Sämmtliche Grossbuchstaben sind auf schwar-
zem Grund in Gold gewirkt, und in Form der Versalschrift des
XII. Jahrhunderts gestaltet. Die Lesung lautet wie folgt:
«Praevia Stella maris, lapsis quae jure vocaris,
Da cordi lumen verum cognoscere Numen;
Infer et ardorem, Superüm qui nutrit amorem;
Ave, tuum nomen mihi det solamen et omen;
A me, Virgo pia, triplices expelle, Maria,
Höstes, atque veni, me sacro fiamine leni;
Divinas laudes superans super aethera plaudes.«
Noch machen wir darauf aufmerksam, dass auf den beiden
dreieckigen Flächen, die je zur Seite des aufsteigenden titulus sich
befinden , auf weissseidenem Grunde ein eingewirktes zierhches
Pflanzenornament sich kennthch macht, das in seinen zierlichen
Windungen für die Spätzeit der romanischen Kunstepoche maass-
gebend ist. Auf diesen dreieckigen Flächen ist je ein monile in
Kleeblattform angebracht, das auf einer vergoldeten platten Fläche
Fihgranverschlingungeu aufnimmt , die stellenweise mit kleinen
Korallenknöpfchen verziert sind. Ehemals befanden sich auch auf den
aurifrisiae in cirruilu, dessgleichen in titulo nach gleichen Zwischen-
räumen kleinere Rundungen in silbervergoldetem Fihgran gearbeitet,
die durch eingelassene Korallenknöpfe stellenweise gehoben wuixlen.
Ein solches filigranirtes Ornament hat sich nur noch vereinzelt auf
dem titulus erhalten; die übrigen Filigran-Ornamente auf Taf. XVI
Fig. 1 sind als Ergänzungen hinzugefügt worden,
— 172 —
Auch im archaeologischen Museum zu EeHu\ais hat sich eine i
interessante Miter noch erhalten, die, weil durchaus in der über-
lieferten Form und Höhenausdehnung des XII. Jalirlumderts ge- p
halten , als Mustervorlage bei Anfertigung von neuen Mitern «
Beachtung finden dürfte. Diese Miter soll vom Bischof Philippe i
de Dreux herrühren, der den bischöflichen Stuhl von Beauvais vom
Jahre 1175 bis 1217 innehatte. Dieselbe ist von Didron in seinen i
Annalen ausführlich besprochen und in einer trefflichen Abbildung
wiedergegeben worden '). Diese bischöfliche Miter zu Beauvais kann
ebenfalls als miira pretiosa gelten, indem dieselbe sowohl in circnitu
als in titulo mit goldgestickten schmalen Streifen verziert ist, die
durchaus dieselbe Gestalt und technische Beschaffenheit zeigen, wie
der mit Lilien gestickte Rest einer Stola auf Tafel XVI Figur 3.
Die Aussenflächen der beiden Schilder an besagter Miter sind mit
einem weissen figurirten Seidendamast überzogen, der in kleinern
Kreisrundungen eingewirkte Vögel zum Vorschein treten lässt; es
ist dies ein gemusterter Damast, wie er cimi ßosndis et aviculis
gegen Schluss des XII. und im Beginne des XIII. Jahrhunderts
in vielen ähnlichen Abwechslungen von den Industriellen Siciliens
angefertigt wurde.
Da eine Abbildung der Miter aus der Kirche San Martino del
Monte zu Eom, die offenbar aus dem XIII. Jahrhundert herrührt,
obgleich sie bei Vielen die Annahme aufkommen liess, sie sei als
ein Geschenk Kaiser Constantin''s dem heiligen Papst Sylvester 1. 2)
verehrt worden, ims gegenwärtig nicht zu Gebote steht, so möge
nur noch in Kürze auf jene Miter hingewiesen werden, welche sich,
wie vorhin bemerkt, in der Sakristei von St. Zeno zu Verona bis heute
erhalten hat, und die, aus der letzten Hälfte des XII. Jahrhunderts
herrührend, hinsichtlich ihrer Machweise mit der vorher besprochenen
Miter von Landshut grosse Aehniichkeit hat. Wir veranschauhchen in
verkleinertem Maassstabe auf Tafel XXIV fig. 1 diese interessante
Miter und fügen zur Erklärung noch Folgendes hinzu. Wie die Ab-
bildung zeigt, ist besagte Miter mit einer doppelten aurifrisia in
titulo et in circuitu verziert, und zwar sind auf der verzierten Borte
um den untern Rand die Halbbilder der zAvölf Apostel in derber
Weise durch Goldfäden ziemlich unbeholfen gestickt. Auf der ei-
') Didron, Annales Arclieologiques, tom. 17., 1857. pag. 227.
^) Sylvester I. regierte von 314 — 335. Die Schenkung, die Cunstantin
der Grosse ihm gemacht haben soll, wird vielfach bezweifelt.
— m —
nen Seite erblickt man, nebst dabei befindlichen in Gold gestickten
Namen, die BildAverke von sechs Aposteln und auf dem entgegen-
gesetzten Theile die Bilder der sechs übrigen Sendboten. Auf dem
ansteigenden Ornamentstreifen stellt sich an der Vorderseite das
Bild des Heilandes als Lehrers und Gesetzgebers mit erhobener
Rechten dar, während die Linke das geschlossene Buch des Lebens
hält. Zu beiden Seiten dieser majesfns Domini ersieht man in
Abkürzungen wie immer das Hierogramm in griechischer Schreib-
weise IC XC. Auf der entgegengesetzten Rückseite ist in titulo,
und zwar in Goldfaden gestickt, das stehende Bild der Himmels-
königin zu ersehen ; zur Seite die Bezeichnung MP — OES, nämlich
die griechischen Abkürzungen des Namens: Mater Dei. Auf der
Hauptseite der Miter von -S'. Zeno, die unsere Abbildung treu wieder-
gibt, siud die beiden Felder neben dem aufrecht steigenden Zierstreifen
mit dem Bilde des segnenden Weltheilandes noch mit kleinen in
Gold gestickten Rundungen verziert, welche zwei Symbole der vier
Evangelisten erkennen lassen. Zur rechten Seite des Heilandes
nimmt man das Bild des Adlers wahr, und daliei die Inschrift in
Versalbuchstaben: s. .TOANNES EVS. Zur linken Seite gegenüber-
j stehend die facies hominis \md dabei die Inschrift: s. MATHErs
' EVS- Der weisse Seidenstoff, welcher, die beiden Aussenfiächen
der Miter überziehend, durch den Hauch der Jahrhunderte einen
j gelblich gräulichen Farbton erhalten hat, ist ebenfalls wie an der
Miter zu Landshut, mit den Abzeichen des Sarazenenthums verziert,
nämlich mit kleinen in Gold gestickten Sternen und Halbmonden,
wie nach Taf. XXIV, fig. 1 ersichtlich ist ; diese Sternchen werden
auch von einigen ältern Inventaren zuweilen emhlemata paganorwn
genannt. Erwägt man , dass bis zum XII. Jahrhundert, ja selbst
bis zur Mitte des XIII. Jahrhunderts, die Seidenweber und Gold-
sticker Siciliens nicht nur mit Anfertigung von reichgewebten
und gestickten fürstlichen Profangewändern , sondern auch mit
Stickereien von liturgischen Gewändern, vornehmlich aber für bischöf-
lichen Pontificalgebrauch, beschäftigt waren ; so dürfte es keinem
Zweifel unterliegen , dass in Anbetracht dieser eigenthümlichen in
Gold gestickten bmulae et siellae sowohl die in Rede stehende Miter
von S. Zeno zu Verona, als auch die ähnlich gemusterte von
Landshut, von der vorhin die Rede war, dessgleichen eine dritte
zu Anagni in jenen industriellen Werkstätten Siciliens ange-
fertigt worden sind, deren vorzügliche Leistungen auf dem Gebiete
der Weberei und Goldstickerei der Biograph Kaiser Friedrich's I.,
der bekannte Bischof Otto von Freisingen, ausführlicher bespricht.
I
- 174
Als wir im Jahre Gelegenheit hatten, in Anagni, der Geburts-
stadt des grossen Innoceuz III. und des spätem Bonifaz VIII., den
Donischatz behufs des Studiums der dortigen liturgischen Gewänder
des Mittelalters näher in Augenschein zu nehmen, waren wir nicht
wenig überrascht , daselbst vier interessante ältere Mitern in ver-
hältnissmässig guter Erhaltung vorzufinden, die sämmfclich noch
hinsichtlich ihres Schnittes mit den bischöfhchen Infein des XII.
und Xlll. Jahrhunderts übereinstimmen. Auch die Stickerei auf
den Aiu-ifrisien derselben waren von so interessanter Arbeit und
meisterhafter Technik, dass wir bei Besichtigung derselben nicht in
der Lage zu sein bedauerten, eine genaue Zeichnung von diesen
Mitern aufnehmen lassen zu können. Canonicus Barbier de Montault,
der einige Jakre später in gleicher Absicht den Schatz von Anagni
besichtigte und das Resultat seiner Forschungen in mehi'ern Abhand-
lungen in den Annalen von Didron niederlegte, entwirft, leider ohne
Abbildungen von diesen vier Mitern eine kurze Beschreibung. Indem
wir unsere Leser auf die betreft'enden Angaben hinweisen ^), fügen wir
über diese Mitern von Anagni noch hinzu, dass eine derselben in den
goldgestickten Borten des titulus und des circuitus Büdwerke in
byzantinischer Darstellungsweise zeigt, wie sie für das XII. Jahr-
hundert bezeichnend sind. Auch befindet sich dort eine Miter, die
merkwürdiger Weise keine gestickten, sondern gemalte Stäbe und
zwar auf Pergamentstreifen zeigt. Der Grund dieser Pergamentstreifen
ist diu'chaus vergoldet, und sämmtliche Figuren darauf sind in klei-
nen Umkreisungen als Halbbilder gemalt. Diese bischöfliche Kopf-
bedeckung mit den merkwürdigen, auf Pergament gemalten Stäben
dürfte aus dem Beginne des XIII. Jahrhunderts herrühren. Eine
dritte Intel findet sich ebenfalls daselbst, deren Grundstoff aus
weisser Seide besteht und deren aurifrisiae aus breiten Streifen von
Taffetseide in rother Farbe geschnitten sind. Offenbar waren auf die-
sen Stäbchen ehemals aus Silber getriebene vergoldete monilia auf-
genäht, die heute verschwunden sind. Stellenweise haben sich auf
dieser Infel noch einzelne Korallen- und Schmelzperlen, dessgleichen
auch mehrere goldene Pailletten erhalten, die darauf hindeuten,
dass diese Miter ehemals in ähnlicher Weise reich verziert war.
Auch diese zidetzt gedachte Miter, die eine Höhe von 24 Centim.
bei einer Breite von 29'/2 Centim. aufzuweisen hat, dürfte noch zu
') Vetements ecclesiastiques par X. Barbier de Montault, publies dans
les Annales Arclieologiques, tom. XVII 1857, pag. 231 et 232.
— 175 —
den bischöflichen Infein aus dem Schluss des XII. Jahrhunderts
gerechnet werden. Eine andere Miter im Domschatze derselben
bischöfhchen Stadt ist in derselben Technik und Verzierungsweise
gestickt, wie die Miter von Landshut, die wir oben besprochen
haben. Dessgleichen ist auch auf derselben das Bild des berühmten
Märtyrers des XII. Jahrhunderts, des hl. Thomas, Bischofs von
Canterbury ersichtlich. Da auch in Gold gestickte Sterne und Halb-
monde auf dieser vierten Miter zu Anagni in gleicher Weise wie
auf der zu Landshut und zu S. Zeno in Verona wahrzunehmen sind,
so dürfte es keinem Zweifel unterliegen, dass auch die letztgedachte
Miter von Anagni von jenen geübten saracenischen Goldstickern
Sicihens angefertigt worden ist, die ebenfaUs cum stellis et lunulis
die Landshuter Miter, sowie auch die von S. Zeno gestickt haben.
Indem wir diejenigen, welche sich über Schnitt, Verzierungs-
weise, hturgische Bedeutung der Miter eingehender unterrichten
wollen, auf die betreffende umfangreiche Abhandlung unseres ge-
lehrten Freundes Ch. de Linas und seinen Anciens vetements sacer-
dotaux etc. von Seite 135 bis 195 verweisen, zählen wir hier nur in
Kürze einige ältere Mitern auf, die in Schnitt , Höhe und Ver-
zierungsweise mit denen auf Taf. XXIII, Tafel XXIV, fig. 1, dess-
gleichen auf Taf. XVI fig. 1 fast übereinstimmend, sich noch ziemlich
unverletzt erhalten haben. Eine sehr niedrig gestaltete Miter, aus der
Mitte des XII. Jahrhunderts herrührend, hat heute noch der Dom-
schatz zu Salzbiu'g aufzuweisen; die mit Grossbuchstaben gemusterten
aurifrisiae, ül)ereinstimmend mit den goldenen ligulae auf den
Krönungssaudalen der deutschen Kaiser, rühren augenfälhg von
dem Goldborten-Wirker im Hotel de Tirraz zu Palermo her. Eine
andere Miter, deren Entstehung dem Schlüsse des XII. Jahrhunderts
zuzusprechen ist, wird heute noch im Domschatz zu Brixen auf-
bewahrt ^). Dieselbe stimmt liinsichtlich ihrer Verzierungsweise selir
mit der ebengedachten von Salzburg liberein. Ausser der Miter
vom h. Thomas zu Sens und der früher erwähnten Infel von Pliilipp
de Dreux, aufbewahrt im städtischen Museum zu Beauvais, sind in
Frankreich noch ältere Infein zu Toulouse und zu Brignoles vor-
'> Beide Mitern — die eine aus dem Domschatz zu Salzburg misst
17 Centim. in der Höhe, wohingegen die von Brixen bereits 21 Centim.
Höhe aufzuweisen hat — befanden sich auf der reichhaltigen Aus-
stellung zu Wien im Jahre 1862 und hat Hr. Lehmann das Verdienst,
nicht nur diese Mitern, sondern auch sämmtliche dort aufgestellten
kirchlichen Kunatgeräthe photographisch aufgenommen zu haben.
— 176 —
findlich. lu der Kirche zu S. Sernin zu Toulouse wird nämlich eine
Miter aus der Mitte des XIII. Jahrhunderts aufbewahrt, die in der
Höhe 25 Centim. misst und irrthümlich dem h. Exuperius (400 — 412)
zugeschrieben wii-d. Die Stolen derselben erweitern sich alhnählig
nach unten und spitzen sich oben bedeutend zu. Die schöne Miter
zu Brignoles , Depart. de Var, gehörte zu den Pontifikal-Ornaten
des h. Ludwig von Anjou, Bischof von Toulouse (f 1297j und bietet
dieselbe nicht nur hinsichtlich ihres tigurirten Grundstoffes, sondern
auch mit Bezug auf die mäanderförmig gemusterten Stäbchen der
kircldicheu Alterthumskunde ein erhöhtes Interesse. Ch. de Linas
hat in seinem vorhin citü'ten Werke beide zuletzt genannten Mitern
abgebildet und beschrieben. Ob in Spanien sich noch ältere Infein
finden, ist bis zur Stunde noch nicht bekannt. In Belgien haben
sich in dem an h. Geräthen und Gefässen des XII. und XIII. Jahr-
hunderts so reichhaltigen Schatze des Pensionats der »Dames fran-
§aises(( zu Namur zwei ausgezeichnete Mitern aus dem Schlüsse des
XII. Jahrhunderts erhalten, die mit denen zu Anagni grosse Aehn-
üchkeit haben. Dieselben stammen nebst den übrigen Prachtgefässen
aus der ehemaligen Abtei Jumieges.
Wenn auch keine altern bischöflichen Mitern sich in den
Schatzkammern von Stifts- und Catliedralkirchen erhalten hätten, die
über die Form und Verzierungsweise derselben Licht verbreiteten, so
würde man doch an der Hand von altern Schatzverzeichnissen
leicht Aufschluss erhalten können , welchen Reichthum der Ver-
zierungen man zur Ausstattung der bischöflichen Mitern gegen
Schluss des XII. und im XIII. Jahrhundert anzuwenden pHegte.
Das merkwürdige Schatzverzeichniss der Kleinodien und kh-chhchen
Gewänder, angefertigt imter Bischof Conrad von Mainz, führt nur
km'z an, dass sich unter der reichen Kirchenzier im Schatze da-
selbst sechszehn mitrae aurifrigiatae befanden. Das alte Inventar
der Kirchenschätze der Cathedrale zu Canterbury zählt ia langer
Reihe erzbischöfliche Kopfbedeckungen auf, die als mürae pretiosae
auf's Reichste in den gestickten Borten und auf den Flächen der
Schilder verziert waren.
Im Folgenden mögen nur einige wenige Angaben über die
reichverzierten Mitern zu Canterbury geniigen. Unter andern Or-
naten führt das reichhaltige Schatzverzeichniss an: „Mitra aurea ^)
*) Das Adjectiv „aurea'' bezeichnet ohne Zweifel eine Miter entweder
reich in Gold gestickt oder eine solche, deren campi aus Goldstoff ge-
schnitten waren.
- 177 -
cum perulis infra et extra, et gemmis pretiosis Henrici regis III.;
item mitra aurea Joamiis de Peckham, Archiepiscopi cum gemmis
pretiosis; item mitra eiusdem argentea cum duabus crut;ibus
super cornua; item mitrae quatuor breudatae et gemmis ornatae;
item mitrae tres cum perulis ornatae sine gemmis 2)."
In der Revision des Schatzes von S. Paul zu London , vor-
genommen im Jahre 12y5, werden ebenfalls kostbare Mitern in
grosser Zahl aufgezählt, die sich damals in dem betreffenden Schatze
befanden. Wir füliren hier im Auszuge einige besonders reich aus-
gestattete nach dem Wortlaute des betreffenden Schatzverzeich-
nisses an :
,,Una mitra breudata cum steUis anterius et posterius, insertis
lapidibus in laminis ^ ) argenteis deauratis , et deficit unus lajns in
altero pendulorum et in parte anteriori Septem lapides et multae
perlae , et in parte posteriori quatuor lapides et multae perlao ;
item una mitia alba cum floscuhs breudatis de dono Joannis
ßelemagi ad opus episcopi j^arvulorum ^ ) in alti'o ; item mitra de
Sant Vico episcopi breudata duabus stellis anteiius et duabus stellis
posterius , et oruata duabus roteUis ^) argenteis deauratis insertis
lapidibus et perlis multis, et deficiunt in anteriori parte unus lapis
et duo in pendulis ; item una mitra alba breudata cum stellis et
frecturis ') et octo limbis in circulo de purpura ornata lapidibus
*) Die reichen Mitern des XIII. und XIV. Jahrhunderts zeigten häufig
auf der Spitze der beiden cornua entweder kleinere pomella von Perlen,
Korallen oder Edelsteinen, oder aber in Gold- oder Silberblech ge-
triebene Verzierungen, die die Form von reichverzierten Kreuzen hatten.
-) Cfr. Dart's History of Canterbury, Appendix VI., pag. 13.
•') Die vielen Edelsteine, die diese Miteriv zierten, waren eingeschlossen
in Kapseln, d. i. Fassungen, von vergoldetem Silber.
■*) Die stolae, fanones an bischöflichen Mitern werden in englischen Schatz-
verzeichnissen des XIII. Jahrhunderts gewöhnlich penduli genannt.
^) Wahrscheinlich trug der magistei- cäiütis , der zuweilen auch episcopus
chori genannt wird, und hier den Namen episcopus parvulorum (Bischof
der Sängerknaben) führt, au höhern Festtagen eine Miter.
") Unter diesen rotelU, gleichbedeutend mit monilia, sind radförmige kleine
Ornamente in vergoldetem Silber zu verstehen, die durchbrochen und
kleinen Rädchen ähnlich, auf ihren Aussenflächen mit vielfarbigen
Edelsteinen in kleinem Fassungen verziert waren.
') Fre.cbirae eine Bezeichnung vielleicht gleichbedeutend mit goldge-
stickten Verzierungen, für welches Wort der Italiener den Ausdruck:
fregio, fregiata nni fr egiatura hat, gebildet von fregiare, verzieren, ein-
fassen, besetzen, verbrämen.
— 178 —
et flosculis; item una mitra de dono Ricardi episcopi ornata perlis
albis per totum campum ^) et flosculis argenteis deauratis, lapidibus
insertis ordine spisso ^) et deficit uua campanula ^ ) in uno
pendulorum" ^).
Die Sucht der Gold- und Perlsticker, auf reichen bischöflichen
Mitern eine Menge von kostbaren Zierrathen anzubringen , ver-
leitete schon im XIII., noch mehr aber im XIV. Jahrhundert dazu,
den engen Raum der Miter nach der Höhe hin fort und fort aus-
zudehnen. So ist es zu erklären, dass gegen Mitte des XIV. Jahr-
hunderts bischöf hebe Kopfbedeckungen angetroffen werden, welche
die wohlproportionirten Höhenausdehnungen , wie sie traditionell
im XII. und auch noch im XIII. Jahrhundert allgemein eingehalten
wurden, bei Seite lassend, die Spitzen der cornua um ein Beträcht-
liches erweiterten. Diese Ueberhöhung der Infein, welche in der
Renaissance- und Roccoco-Zeit in's Unnatürliche und Kolossale
ausartete, beginnt schon seit dem Durchbruch des Spitzbogenstüs
sich unmerklich und unbewusst geltend zu machen. Die bischöfliche
Miter, die wir unter Tafel XXIV unter fig. 2 in verkleinertem
Maassstabe veranschaulichen, befindet sich in der Gewandhalle des
Domes zu Halberstadt, und dürfte, aus dem Sclilusse des XIII. oder
dem Beginne des XIV. Jahrhunderts herrührend, zum Belege dienen,
dass damals bereits eine wenn auch nicht auffallende Ueberhöhung
der beiden Schilder Platz gegriffen hatte. Wie unsere Abbildung zeigt,
ist diese interessante Miter bloss mit einer aurifrisia in circuitu
verziert. Die Borte als ansteigender titulus fehlt, und ist in campo
anteriori ein eigenthümhcher Zweikampf dargestellt. Vielleicht
dürfte die Vermuthung hier Zulass finden, dass durch diese beiden
Streitenden entweder der Kampf der aliendländischen Kreuzritter
mit den Bekennern des Halbmondes angedeutet werden solle, oder
aber der Kampf des Christenthums mit dem Judenthume. Würde
man der letztern Annahme beipflichten , so dih'fte man in dem
') Auf den Feldern neben dem fiiulus erblickte man an dieser reichver-
zierten Miter Perlstickereien i;nd dazwischen kleineres aus vergoldetem
Silberblech getriebenes Bluraenwerk.
*) Die Edelsteine in goldener Fassung standen „in dichter Reihe" nel)en
einander.
") Die fanones oder sfolae an dieser Miter waren statt der fimhriae mit
Glöckchen verziert, älmlich wie solche sich auch an reichen biscliöf-
lichen Stolen als Fransen vorfanden,
Dugdale's Histor of St. Paul's p. 315.
— 179 —
Bilde des einen Kämpfenden mit dem Bart und dem Judenhut einen
Repräsentanten des Hebräerthums , in der andern Figur aber den
Vertreter des Ritterthums angedeutet finden. Dass insbesondere
die reicher verzierten bischöflichen Mitern gegen IVIitte des XIV.
Jahrhunderts, was die Höllenausdehnung der cornua betrifft, an
Umfang gewonnen hatten, beweist jene kunstreich gestickte bischöf-
hche Infel, herrührend aus dem ehemahgen Domschatz zu Meissen,
die heute nebst einer zweiten auffallend reich in Perlen gestickten
Infel aus dem Schlüsse des XV. Jahrhunderts, in einem Glasschrank
des könighchen Museum's zu Dresden aufbewahrt wird. Diese in
Bildwerken äusserst kunstreich gestickte Miter des XIV. Jahrhunderts
zu Dresden zeigt eine höchste Höhe von 34 Centim. bei einer Breite
von 28 Centim. Eine ähnliche Höhenausdehnung hat auch jene
formschöne mitra abhatialis aufzuweisen , die heute noch im Bene-
di ctinerstifte Admont in Steiermark sich vorfindet ^). Dieselbe
misst vom untern Rande bis zur äussersten Spitze der Schilder
33 Centim. und hat eine Breite von 30 Centim.
Da hier bei Anführung der Miter von Admont nicht auf die vie-
len kunstvoll gestickten Einzelheiten derselben einzugehen ist, indem
dieselben in der unten citirten Abhandlung eine ausführliche Beschrei-
bung gefunden hat, so sei hier nur im Vorbeigehen darauf hinge-
wiesen, dass die campt auf den beiden Schildern zickzackförmig in
Goldfäden gestickt sind, was, übereinstimmend mit dem Mauerwerk
von ährüicher Steinlage, die Alten als opus spicatum bezeichneten.
Auf diesen dreieckigen Feldern sind in regelmässigem Plattstich
vier Heihgenfiguren gestickt, die wahrscheinlich auf Admont Be-
zug haben. Sowohl die aufwärts strebenden aurifrisiae als auch die
in der Umkreisung am untern Rande befindlichen sind reich in
Perlen und ornamentalem Blattwerk gearbeitet, welches in seiner
Gestaltung für die Entstehung der vorliegenden Miter in der letz-
ten Hälfte des XIV. Jahrhunderts kennzeichnend ist. Nicht nur sind
die Saumeinfassungen der Gewänder der vier Figuren in Perlen
ausgeführt, wie es unsere Abbildung im V. Bande der Mittheilungen
Seite 236 andeutet, sondern auch der Abschlussrand der beiden
cornua ist mit verzierenden Krabbenblättern aus Perlen zusammen-
') Wir haben diese mitra pretiosa in dem 8. Hefte der Mittheilungen der
k. k. Centralcommission zur Erhaltung der Baudenkmals im V. Bande
von 1859 auf Seite 236 bis 241 ausführlicher beschrieben und eine
grössere Abbildung derselben beigefügt.
13
— 180 —
gesetzt, die der Umrandung entlang erhaben aufliegen Bei ähn-
lichen Mitern aus dem Schlüsse des XIV., noch mehr aber bei
reicher verzierten des XV. Jahrhunderts sind nicht selten die in
einem spitzen Winkel ansteigenden Abschlussränder der beiden
Schilder mit in vergoldetem Silberblech getriebenem Pttanzen-
werk verziert, das, ähnlich wie die Krabben an architektonischen
Ziergiebeln, freistehend aufgenäht und befestigt ist.
Wir befürchten für den vorhegenden Zweck zu ausführlich zu
werden, wenn wir in langer Reihe die zahlreichen Angaben und
Beschreibungen von prachtvollen Mitern anführen wollten, die das
Prager Schatzverzeichmss von St. Veit vom Jahre 1387 dess-
gleichen das interessante Inventar der Kathedralkirche von Olmütz
aus dem Beginne des XV. Jahrhunderts uniständhch mittheilt 3).
Indem wir daher in Kürze als Anmerkungen einige Citate aus den
beiden oben gedachten Schatzverzeichnissen folgen lassen, sei es
gestattet, auf die Abbildungen einiger Mitern des XIV. und XV.
Jahrhunderts liinzuweisen, wodurch die Gestalt und Verzierungs-
weise der bischöflichen Koijfbedeckungen in dieser Epoche deut-
licher erkannt werden. Dass die reichere mitra festalis im Beginne
des XIV. Jalirhunderts, wenn auch unter Beibehaltung der altern
Verzierungsweise in den Aurifrisien, zur Höhe lün gewachsen war
und sich bedeutend zuzuspitzen begonnen hatte, ersieht man aus
der Abbildung der erzbischöfhchen Miter, plastisch dargestellt auf
dem betreffenden Grabmal im Mainzer Dom, das auf Tafel XXVI,
Figur 1 veranschauhcht ist. Gegen Ausgang des XIV. Jahrhun-
derts wurden häufiger Festtagsmitern angefertigt, deren vordere
*) In ähnlicher Weise mochte auch eine bischöfliche Miter der Kathe-
drale von Chartres in Bildern mit Perlen gestickt gewesen sein, deren
ein Schatzverzeichniss vom Jahre 1337 mit folgenden Worten erwähnt:
»Item una mitra alba ad imagines operata ad perles.«.
^) In dem Schatzverzeichniss von St. Veit liest man unter der Rubrik:
de insignis pontificalibus vom Jahre 1387 unter andern Angaben:
Item infula Domini Cardinalis cum imaginibus textis, habens duos
zaphyros in summitate, gemmis pretiosis et perlis ornata sine defec-
tibus. Item infula de pei'lis argentea, quam dedit regina Elisabeth,
habens in summitate duo vitra ad modum zaphyri, in qua deficiunt
XIV parvi capilli et tres nolae in pendilibus.
^) In dem Inventar der Kirchenschätze von Olmütz aus dem Beginne des
XV. Jahrhunderts werden unter vielen andern folgende Infein näher
beschrieben: Item infula cum margaritis et monilibus pretiosis, cum
pendilibus argenteis deauratis; item infula alba monilibus decorata.
— 181 —
Felder mit gestickten P"'iguren, meistens die Verkündigung oder
Krönung der Himmelskönigin darstellend, verziert sind; auch ein
Kamm von Blättern in vergoldetem Silber fehlt um diese Zeit an
reichern Infein nicht, wie dies die Abbildung eines andern Monu-
ments im Mainzer Dom, abgebildet auf Tafel XXVI, Figur 2, deut-
lich bekundet.
Auf Tafel XVII ist bei der Abbildung des Bischofs, bekleidet mit
der Pluviale, auch eine Miter bildlich wiedergegeben, die in Bezug
auf Schnitt und Verzierungsweise jene reichern bischöfüchen Mi-
tern kennzeichnet, wie dieselben im XV. Jahrhundert allgemeiner
in Gebrauch waren. Auch auf der Abbildung von Tafel XV, die
einem interessanten Gemälde aus der Mitte des XV. Jahrhunderts
getreu entlehnt ist, sind mehrere Infein in einfacher Verzierungs-
weise veranschauHcht , welche andeuten, wie die festtäghchen
Mitern der infuHrten Aebte in der letzten Hälfte des XV. Jahr-
hunderts in der Form und Verzierung ausgestattet zu werden
pflegten.
War schon im XIV. Jahrhundert das Bestreben von Seiten der
Ornatsticker deuthch wahrnehmbar, die aus dem XU. Jahrhundert
überkommene niedrige Gestalt der Miter gegen alle kirchliche
Ueberlieferung in einer Weise zur Höhe hin zu erweitern, dass
dadurch ein grösserer Raum zur Anbringung von gestickten Orna-
menten gewonnen werden konnte, so wuchs vollends im XV. Jahr-
hundert die bischöfüche Kopfbedeckung um ein Merkliches, indem
die Perl- und Goldsticker um die Wette sich bemühten, auf den
beiden cornua der bischöflichen Infel ein iion-pbis-ultru von Orna-
menten zu häufen. Bei diesen Versuchen, der bischöflichen Miter
eine zu grosse Fülle von gestickten Verzierungen aufzubürden, ging
die ältere Einfachheit und Anspruchslosigkeit der lufel in Verbin-
dung mit ihrer niedern Höhenausdehnung, die durchaus mit dem
Haupte des Trägers und seinen körperlichen Grössenverhältnissen
in Einklang stehen muss, gänzlich verloren. Die bischöfhche
Miter artete nach solcher weitern Entwicklung im XVI. und vollends
im XVII. Jalu'hundert dergestalt aus, dass dieselbe für das Haupt
des Trägers eine förmliche Büixle und Last wurde, wogegen sie
im frühem Mittelalter ein Schutz und eine natüi'liche Zierde des
Hauptes war.
Bereits jene Infel, die dem Bischof Thomas Strzempinski von
Krakau zugehört hat, dessen Amtsführung in die Jahre 1455 bis 1460
fällt, liefert den Beweis, dass der Umfang der Mitern des XV. Jahr-
. hunderts hinsichtüch der Höhe, dem Flächeninhalt der Infein des
13*
XIV. Jahrhunderts gegenüber nicht unbedeutend zugenommen hatte.
Während die Miter von Admont noch 33 Centim. Höhe aufweist,
zeigt diese Krakauer Miter bereits eine Ueberhöhung von 39^/2
Centim. bei einer Breite der untern Umrandung von 3P/2 Centim.
Im Uebrigen ist die Verzierungsweise an der Krakauer Miter
hinsichtlich ihrer allgemeinen Anlage eine ähnliche, wie solche
Verzierungen auch an den Mitern des XIV. Jahrhunderts
wahi-nehmbar sind. Den untern Rand umgibt wie gewöhnlich bei
den festtäghchen Infein eine schmale aurifrisia in circuitu, und
ziehen sich auch nach der Spitze der beiden Schilder als tiluli ähn-
Hch verzierte Borten hin. Diese ligulae an der Krakauer Miter sind
mit getriebenen Ornamenten von silber-vergoldeten Blechen ver-
ziert, die stellenweise mit dazwischen befindlichen gefassten Edel-
steinen abwechseln. Die beiden Seitentheüe der coniua, die sogenann-
ten campt, sind aufs Reichste mit Perlstickereien verziert, die erhaben
aufliegend in ihren Formgebüden schon den ersten Einfluss der
italienischen Renaissance erkennen lassen. Die beiden Giebelseiten der
cornua sind mit süb ervergoldeten Blechen belegt, auf welchen sich
nach kui'zen Zwischem'äumen getriebene und ciselirte Blättchen in
in Kleeblattform hervorthuu. Auf den beiden Sijitzen der Miter
erheben sich auf kleinen sechseckigen Ständern Kreuzblumen, die
auf ihi'en Spitzen je mit einem Edelstein abgeschlossen werden.
Mit den gehäuften Perlstickereien en relief auf beiden Seiten der
Krakauer Miter wechseln auch die erhaben aufliegenden Perl-
stickereien auf den Stolen derselben ab. Die Fussstücke dieser
pendilia sind mit ebenfalls in Perlen gestickten Wappen geziert,
durch welche die Abkunft des oben gedachten Geschenkgebers be-
zeichnet wird. Anstatt der Fransen sind die Ausmündungen die-
ser stolae mit kleinen bullae verziert, die gleichsam als Glöckchen
an einander scldagen und einen Klang verursachen^).
Im Schatze derselben Kathedrale zu Krakau, der an litur-
gischen Gewändern mit Relief - Stickereien so reichhaltig ist,
wird auch noch eine andere bischöfliche Miter bewahrt, die, wie
es scheint, irrthümlicher Weise dem hl. Stanislaus, der im Jahre
1079 unter dem Könige Boleslaus dem Kühnen das Martyrium er-
litt, zugeschi'ieben wird. Diese Miter misst in ihi-er grössten Höhe
24 Centim. bei einer Breite von mehr als 28 Centim. Wenn auch
•) Vgl. die Abbildung dieser interessanten Miter in dem prachtvollen
Werke des Grafen Alexander Frzezdziecki^ Warschau und Paris, 1854.
— 183 —
fliese bischöfliche Lifcl nicht in die Zeiten des hl. Bischofes Sta-
nislaus mit Rücksicht auf ihre formelle und artistische Beschaffen-
heit zurückversetzt werden kann, so dürfte sie doch dem Beginne
des XIII. Jahrhunderts angehören, und als eine der reichern mit
einer Menge von gefassten Edelsteinen verzierten Mitern aus dieser
Epoche zu betrachten sein^). Da seit alter Zeit die Domherren
der Prager Metropole das Ehren- Vorrecht besitzen, bei kirchlichen
Festzeiten die Miter zu tragen, so hat in Folge dessen der Schatz
von St. Veit eine ganze Sammlung von Mitern aufzuweisen, die
fast sämmtlich. aus der goldstrotzenden Epoche des Roccoco herrüh-
rend, sich in Bezug auf zweckwidrige Höhenerweiterung und Ueber-
ladung der Ornamente gegenseitig überbieten. Wie diesen über-
schwenghch ausstaffirten Infein gegenüber die mitra pretiosa des
Prager Metropoliten nach alten kirchlichen Satzungen sich noch
auszeichnen könne, ist uns nicht klar geworden.
Es würde zu weit vom vorgesteckten Ziele abführen, wenn
' hier die künstlerische Verzierung, der Schnitt und die Beschaffen-
heit der bischöflichen Mitern noch weiter seit den Tagen der Me-
diceer bis zu jenen Uebertreibungen und Ueberladungen verfolgt wer-
den sollte, die sich die „brodeurs du roi" aus den Zeiten Lud-
wigs XIV. in Mailand, Paris und Lyon zu Schulden kommen
Ii Hessen. Je mehr in diesen Tagen der maasslosen Ueberfüllung
dem ehemaligen faltenreichen Messgewand an Stoff und Aus-
dehnung entzogen wm'de, desto mehr machte sich das Bestre-
ben geltend, die Miter über Gebühr, was Breite und Höhe betrifft,
auszudehnen. So kam es denn im XVII. und vollends im XVIII.
Jahrhundert so weit, dass man die beiden colossalen Giebel der
Infel , in ihrer Ganzheit mit einer solchen Fülle von Perlen,
Edelsteinen und erhaben in Goldbouillons gestickten Ornamenten
überbürdete, dass, mündlichen Ueberheferungen zufolge, bei vielen
derselben Vorkehi'ungen von dünnem Eisenblech gemacht werden
mussten, um diese bischöflichen Kopfbedeckungen durch Federdruck
auf dem Haupte der Träger zu befestigen.
') Auch diese Miter ist in dem vorhin erwähnten polnischen Pracht-
werke veranschaulicht, in welchem die seltensten kirchlichen und
profanen Kunstwerke beschrieben und in trefflichen Abbildungen
dargestellt werden, die sich heute noch im ehemaligen Königreiche
Polen vorfinden. Dieses Werk führt den Titel : Monuments du Moyen-
äge et de la Renaissance dans l'ancienne Pologne, publies par Alexandre
Przezdziecki et Edouard Rastawiecki, seconde serie, livraison I. et II.
Varsovie et Paris, 1855.
— 184 —
Eine solche Menge von Gold, Perlen und Edelsteinen mit
Relief-Stickereien zeigt heute noch die Prachtmiter, aufbewahrt
im Schatze des Domes von Limburg an der Lahn, die, dem
Schlüsse des XVIL Jahrhunderts angehörend, ehemals in dem kur-
fürstlichen Schatze des Domes von Trier aufbewahrt wurde. Auch die
kostbare Pontificalmiter im Schatze des Domes zu Gran in Ungarn
dürfte schon zu jenen reich gestickten und überladenen Mitern
zu zählen sein, wie sie das XVL und XVIL Jahrhundert in
Menge erstehen sah, und die auffallend von den einfachen und
würdigen bischöflichen Infein des XII. und XIII. Jahrhunderts
abweichen.
Der gelehrte Jesuit P. Arthur Martin, dem Frankreich zunächst
die Wiederbelebung der kii-chliclien Paramentik verdajikt, hat be-
reits in den fünfziger Jahren bei dem französischen Episcopat zu-
erst den Versuch gemacht, die grösstentheils diu-ch den unkii'ch-
lichen Geschmack der Lyoner und Pariser rhasubliers ihrer
Würde gänzlich entkleideten Mitern zu der Gestalt, Verzierungs-
weise und schönen Einfachheit des Mittelalters wieder zurückzu-
führen. Nachdem mehrere ausgezeichnete Würdenträger des eng-
lischen und irländischen Episcopats bei Anschaftung neuerer
Mitern mit Eifer und Sachkenntniss vorangegangen waren, wurden
in den letzten Jahrzehnten auch für französische Bischöfe eine
Anzahl von Infein nach den Originalzeichnungen unseres oben ge-
dachten Freundes in Auftrag gegeben, der bei Anfertigung der-
selben immer nur noch das Bedauern zu äussern hatte, die Miter
nicht in der niedrigen Gestalt und strengern Ausstattungsweise
entwerfen zu dürfen, wie dieselben im dreizehnten Jahrhundert in
Menge augefertigt wurden. Auch in Deutschland ist in den
letzten Jahren, Dank der Wiederbelebung der kirchlichen Stickerei,
die in neuester Zeit durch die Leistungen des Mutterhauses der
Schwestern vom armen Kinde Jesu zu Aachen und des Filial-
klosters zu Cöln einen so erfreulichen Aufschwung genommen hat,
eine Anzahl von bischöfHchen Mitern im Bilderstich kunstvoll ge-
stickt worden, welche mustergültigen Vorbildern des Mittelalters
sowohl hinsichtlich ihrer Gestalt als auch ihrer Verzierungsweise
nachgebildet, den in der Form vollendetsten Mitern des Mittel-
alters kühn zur Seite gesetzt werden können. Die bei Weitem
') Wir haben in den Mittheilungen der K. K. Centraikommission eine
Abbildung und Beschreibung dieser ungarischen Miter veröfifentlicht.
— 185 —
prachtvollste Infel, die in den letzten Jahren von den kunst-
geübten Schwestern der Genossenschaft vom armen Kinde Jesu
zu Aachen gestickt wurde, war Eigenthum Sr. Eminenz des se-
hgen Cardinais und Erzbischofs von Cöha, Johannes von Geissei.
Dieselbe ist um etwas niedriger gestaltet, als die oben besprochene
Miter vom Stifte Admont. Die reich in Gold und vielfarbiger
Seide gestickten aurifrisiae zeigen in kleinen Medaillons die Brust-
bilder von allegorischen Heihgenfiguren. Auf den in Gold gestick-
ten Feldern zu beiden Seiten des titulus erblickt man auf dem
vordem Schilde die.Anbetung der h. drei Könige, die, von Meister-
hand entworfen, in dem Stylgepräge des XIV. Jahrhunderts im
Bilderstich vortrefflich gestickt worden^). In demselben Institut
der Schwestern vom Kinde Jesu zu Aachen ist in neuester Zeit
für den hochwürdigsten Weihbiscbof, den jetzigen Erzbisthums- Ver-
weser Dr. Baudri, eine Infel angefertigt worden, der sowohl hin-
sichtlich ihres stylstrengen Entwurfes als auch rücksichtlich ihrer
vielen meisterhaft gestickten Ornamente heute nur wenige gleich-
kommen dürften. Auch Sr. Gnaden, dem Bischof Martin von Pa-
derborn wurde am Tage seiner feierüchen Inthronisation als
Zeichen der Verehrung und Anliänglichkeit von Seiten der Studie-
renden der theologischen Fakultät zu Bonn eine Pontificalmiter
in* den Formen und der Verzierungsweise des XII. Jahrhunderts
überreicht, die, von der Hand einer ausgezeichneten Künstlerin,
Fräulein Fögen in Cöln gestickt, hinsichtHch der vielen in Me-
daillons gearbeiteten Heiligenfiguren kühn als das Vollendetste
zu bezeichnen ist, was man in neuester Zeit auf dem Gebiet der
rehgiösen Ornatstickerei geleistet hat. Auf Tafel XXV ist im
verkleinerten Maassstabe diese reichgestickte Miter des Bischofs
Conrad von Paderborn abgebildet. Gegenwärtig wird für den neu-
gewählten Bischof von Trier, Prälat Pelldram, eine reiche Miter
in den Formen des romanischen Styls von kunstgeübten Händen
im Kloster vom armen Kinde Jesu zu Aachen angefertigt, die
Hochdemselben von Seiten der Militärpfarrer Preussens verehrt
werden soU. Nachdem in den letzten Jahren auch füi* die
hochw. Bischöfe von Münster, Osnabrück, München -Freising und
Mainz , dessgleichen auch im Auftrage der hochw. Bischöfe
') Nach dem kürzlich erfolgten Tode des Cardinais ist durch letztwillige
Schenkung diese kunstreich gearbeitete Infel dem Schatze des Kölner
Domes einverleibt worden.
— 186 —
von Luxemburg und Brügge wieder Pontificalmitern nach den
Vorschriften and der Verzierungsweise der mittelalterhchen kirch-
lichen Kunst entstanden sind, die sich auch riicksichtlich einer
zweckmässigen Ausdehnung zur Höhe an die schönen Vorbilder
des XII. und XIII. Jahrhunderts anlehnen, so steht mit Zuversicht
zu erwarten, dass auch bei Anschaffung neuer Mitern in deutschen
und belgischen Diöcesen wieder jene Form und Yerzierungsweise
wird gewählt werden, wodurch sich die mittelalterlichen Mitern
vor dem thurmförmigen Aufbau und den nichtssagenden Form-
spielereien der Infein aus moderner Zeit vortheilhaft auszeichnen.
11.
Das erzbischöfliche Pallium.
Im XVI. und XVII. Jahrhundert ist in umfangreichen Schriften
der Ursprung und das Alter des erzbischöflichen Palliums weit-
läufig erörtert worden, ohne dass man hinsichtlich seiner lu-sprüng-
lichen Gestalt und seines Herkommens aus dem apostoüschen
Zeitalter oder den unmittelbar darauf folgenden christlichen Jahr-
hunderten zu einer klaren Anschauung gelangt wäre. AehnHch
wie über den Ursprung, che Entwicklung und die Gestalt der
bischöfhchen Miter, Hesse sich auch über das Pallium nach den
vorliegenden gelehrten Forschungen eine grössere Abhandlung
schreiben, the hinsichtlich der künstlerischen Beschaffenheit dieses
Ornates vom Standpunkte der heutigen Alterthumswissenschaft
neue interessante Seiten offen legen würde. Für den vorhegenden
Zweck müssen wii- uns auf folgende kurze Andeutungen be-
schränken.
Das Pallium, welches zur Zeit des klassischen Roms ein hervor-
ragendes Elirengewand war, das als faltenreiches Oberkleid meistens
aus Purpurstoffen bestand und stellenweise mit goldgestickten Ver-
zierungen verbrämt wurde, ging als Prunkgewand auch auf die
oströmischen Kaiser von Byzanz, die Nachfolger Constantins des
Grossen, über. Dieses mit einem goldgestickten Purpurstreifen ver-
zierte mantelförmige Obergewand, meistens aus Byssus oder feiner
Wolle angefertigt, wurde von den christlichen Kaisern im VI. und
VII. Jahrhundert auch an einzelne Bischöfe als auszeichnendes
Ehrengewand zeitweise versandt. In den folgenden Jahrhunderten
wurde von den meisten orientalischen Bischöfen, den Angaben
des Joar zufolge, das Pallium als bischöfliches Obergewand unter
— 187 —
dem Namen wuorpoQiov allgemeiner in Gebrauch genommen.
Seit dieser Zeit, wo in der orientalischen Kirche das Tragen des
Palliums von Seiten der Bischöfe allgemeiner wurde, scheint all-
mälig eine Aenderung in der Form und Gestalt desselben ein-
getreten zu sein, wodurch sich dieses liturgische Ornatstück A-on
der formverwandten Toga der byzantinischen Kaiser unterschied.
In der lateinischen Kirche erhielt der Papst allein das Recht,
das Pallium zu tragen. In den unmittelbar nach der Völker-
wanderung folgenden Jahrhunderten jedoch, in welchem bekannt-
lich die byzantinischen Kaiser noch Hoheitsrechte über einzelne
Theile ItaHens in Anspruch nahmen, scheinen verschiedene
Päpste am oströmischen Hofe das Recht nachgesucht zu haben,
dieses Ehrenkleid auch an einzelne Erzbischöfe und Bischöfe
verleihen zu düi-fen. So wurde schon im IV. Jahrhundert dem
Bischof von Ostia das Tragen des Palliums bewilligt, und zwar
aus dem Grunde, weil er das Vorrecht besass, den neuerwählten
Papst zu consecriren. Bischof Isidor von Pelusium erwähnt zu-
erst dieses Ornates und deutet gegen das Jahr 434 zugleich an,
dass derselbe nicht aus Leinen, sondern aus WoUe bestehe, um
jenes verlorene Schaf zu bezeichnen, das der gute Hirt auf seine
Schultern nähme ^). Auch um das Jahr 432 wird in einem De-
krete des Kaisers Valentinian III. der Bischof von Ravenna zur
Würde eines Erzbischofs erhoben und wird ihm in demselben Schrift-
stück die Auszeichnung des Palliums verliehen. Obgleich Baronius
und auch Bona die Echtheit dieses Dekrets stark in Zweifel ziehen
und es bestreiten, dass die Kaiser das Recht gehabt hätten, den
Iwnor palii zu verleihen, so weist über diesen Fragepunkt Professor
Dr. Hefele in seiner neuesten Schrift nach, dass Papst Gregor d. Gr.
dem Bischöfe Syagrius von Antun das Recht des Palliums auf
Wunsch der Königin Brunehild bewilligt habe, und zwar, wie
Gregor d. Gr. ausdrückhch hinzuzufügen nicht unterlässt, mit Zu-
stimmung des Kaisers Justinian auf Befürwortung seines Feldherrn
Beiisar 3). Dass ferner Papst Symmachus um das Jahr 513 dem
h. Caesarius, Erzbischof von Arles in der Provence, den Gebrauch
des Palliums speciali privilegio zugestanden habe, ist aus der Vita
') Suicer, thesaur. s. v. wfioif OQiov.
■■') Barou. ad an. 422, 92 sqq.
Beiträge zur Kirchengescliichte, Archäologie II. B. Seite 216 u. 217.
S. Caesarii deutlich zu ersehen Es entsteht nun die Frage,
wie war in den frühesten christhchen Jahrhunderten das Pallium
als auszeichnendes Obergewand formell imd decorativ gestaltet?
Offenbar lehnte sich in den ersten christhchen Jahrhunderten dieses
Ehrenkleid, welches das heidnische Rom von Griechenland überkom-
men hatte, an jenes ausgezeichnete Profangewand an, das in Weise
eines faltenreichen Ueberwiu'fs die römischen Senatoren und Pa-
tricier trugen. Gleichwie nun aus der stola schon in früher Zeit
für kirchhchen Gebrauch ein Ornatstück sich entwickelte, das von
dem ehemaligen faltenreichen Gewände blos den schmalen verzie-
renden Besatz beibehielt, und auf dieses Ornament in Form einer
torques den Namen des ehemaligen Gewandes, stola, orarium über-
trug, so scheint es auch, dass man in den drei ersten Jahrhunderten ,
von dem ehemaligen Pallium in mantelartiger Form als Ober- i
gewand nur die ornamentalen Besatztheile an der äussern Rand-
einfassung desselben kirchlich beibehielt, wogegen der faltenreiche i
Oberstoff desselben allmälig in Wegfall kam. I
Den neuesten Forschungen des Prof. Vespasiani^) am Colle-
gium Urbanum zu Rom soll das Pallium eine Nachbildung eines
Ueberrestes von einem Gewände sein, dessen sich der h. Petrus
bedient habe. Canonicus Dr. Rock sucht jedoch in einer umfang-
reichen Abhandlung über die ursprünghche Form und die spätere
Entwicklung des Palüums der Annahme mit grosser Belesenheit das
Wort zu reden, dass, wie er dies auch durch treffliche Abbildun-
gen erläuternd erklärt, das Palhum ursprünglich aus den ver-
zierten Rand einfassun gen und Umsäumungen der römischen toga
sich entwickelt habe und dasselbe in den frühesten Zeiten mit den
reichverzierten Umbordungen der toga picta et palmata grosse
Uebereinstinftnung gehabt haben dürfte. Besonders lehrreich hin-
sichtlich der ältesten Form der Palhen ist die Abbildung der
Anast. Probus, den unser Freund auf Seite 131 seines Werkes:
„The Church of our Fathers". vol. II, abgebildet hat, wie diese
Darstellung auch in dem Thesaurus Veterum Diptychorum, t. I,
p. 280, von Gori, einem Consular-Diptychon aus Lüttich entlehnt,
') Papa Symmachus tauta meritorum ejus (Caesarii) clignitate permotus,
non solum verissime eum Metropolitanae honore suspexit, sed et con-
cesso specialiter pallii decoravit privilegio. Vita S. Caesarii Arelat.
lib. I, cap. IV. AA. SS. August, t. IV, p. 71.
De sacri pallii origine, ed. Ph. Vespasiani, Rom. typis de Propag. 1856.
Vgl. Wiener kath. Literaturzeitung, 1856 Nr. 29.
— 189 —
zu ersehen ist. Auch Bianchini theilt in seiner Herausgabe des
Anastasius Bibliothec. (De Vitis Rom. Pontif. tom. III, p. XXVllI,
Proleg.) eine Abbildung des Praeses Concilii mit, die deutlich eine
sehr alte Form eines Palliums veranschaulicht. Hält man die Ab-
bildung des Papstes Gregor des Grossen, die in verschiedenen
Werken wiedergegeben ist, für wirklich so alt, wie das von man-
cher Seite behauptet wrd, so dürfte bereits in den Tagen des
eben gedachten grossen Papstes das päpstliche und erzbischöfliche
Pallium bloss als verzierender Bandstreifen in einfachen Windun-
gen fast in^ derselben Weise und Breitenausdehnung getragen
worden sein, in welcher auch die griechischen Bischöfe seit den
ältesten Zeiten sich dieses Ornates als coiinrpoQior bedienten. Be-
reits in dem PalUum, womit Gregor der Grosse bekleidet ist, er-
blickt man drei eingewirkte Kreuze, nämlich eines auf der Brust
und die beiden andern auf jeder Schulter. Johannes Diaconus
führt in seiner Lebensbeschreibung Gregors des Grossen liinsicht-
hch des Palliums, mit welchem die Leiche des berühmten Kirchen-
lehrers im Jahre 875 bekleidet aufgefunden wm-de, an: ,,PalHum
ejus bysso candente contextum nullis fuisse acubus perforatum; sie
ipsum circa scapulas obvolutum fuisse non autem confixum dignos-
citur" ^) So zeigt auch das berühmte Mosaik von St. Vitale zu
Ravenna, das die Einweihung der eben gedachten Basüica, vorge-
nommen durch den Bischof Maximianus im Beisein Kaiser Justinians
darstellt, den eben gedachten Bischof 2) bekleidet mit faltenreichen
hohenpriesterHchen Gewändern. Als letztes Obergewand trägt der-
selbe gleichsam in Form eines Bandstreifens um Brust und Schul-
tern ein Ornatstück, dass sich in seiner Gestalt und Anlegungs-
weise als älteres Palhimi kenntlich macht. Dasselbe wurde nämlich
als eine kaum 3 Finger breite Binde von der rechten Schulter
über die Brust nach der linken Schulter hin gezogen; von hier
aus entrollte man dasselbe über den Rücken zur rechten Schulter
hinüber, und hess es von der rechten Schulter aus, seiner natür-
lichen Schwere folgend, mit dem untern ausmündenden Fusstheile
frei herunterfallen. An dem untern Fussstück des PaUiums er-
bhckt man ein kleines griechisches Kreuz in ähnlicher Gestalt,
wie dieselben auch auf demselben Ornat Gregors des Grossen
') S. Gregorü Papae Vita, auct. Joh. Diacono, lib. 17, cap. LXXX, in-
ter op. S. Gregorü, tom. IV, p. 175, Parisiis 1705.
2) Vgl. Tafel X, I. Band, III. Lieferung.
— 190 —
wahrnehmbar sind. Diese kleinem in das Palliiim eingewebten
Kreuze, die sich später hinsichtlich ihrer Zahl vennehrten, können
bei den lateinischen Ciiltge wändern als deutliche Vorbildungen und
Urformen zu jenen vestes stauracinae, paUia de staurucin betrachtet
werden, von denen der Biograph der Päpste, Anastasius Bibhothe-
carius, an vielen Stellen seines bekannten Werkes spricht, und die
sich bis zum VIII. Jahrhundert als behebte Musterungen eben so
häufig an den liturgischen Ornaten der lateinischen als der grie-
chischen Kirche vorfinden. Schon gegen das XL, mehr aber
noch im XII. Jahrhundert trat eine Aenderung in der Ausdehnung
und Anlegungsweise des Palliums ein.
Zum Zwecke der grössern Bequemhchkeit bei Anlegung dieses
Metropolitengewandes und damit dasselbe beim Tragen sich nicht
immer verschob und die Stelle wechselte, fügte man die Bandstrei-
fen desselben so zusammen, dass die einzelnen Theile gleichmässig
auf Brust und Schultern ersichtlich waren. Bei dieser Verbin-
dungs- und Befestigungsweise, die vermittelst dreier reich verzierten
Spangen auf Brust und Schultern vorgenommen wurde, hing dann
mitten auf der Brust, dessgleichen auf dem Rücken ein kleiner
mit Kreuzen verzierter Bandstreifen ausmündend herunter. Diese
ausmündenden Streifen auf Brust und Rücken verlängerten sich
im XIII. und XIV. Jahrhundert oft bis zu den Füssen des Trägers
und hingen in den meisten Fällen bis über den untern Saum
des Messgewandes herunter. Zuweilen waren dieselben noch mit
einem abschliessenden quadratisch länglichen Fussstück an den
beiden ausmündenden Theilen besetzt. An diesen pedalia kommen
nicht selten verzierende Fransen, zuweilen auch, ähnlich wie an
den Stolen und an den fanones der Miter kleine Glöckchen als
fimbriae vor. Die Gestalt, Beschaffenheit und Anlegungsweise
der erzbischöflichen Pallien, wie sie im XIII. und XIV. Jahrhundert
in der Kirche gebräuchhch waren, ist heute noch deuthch zu er-
sehen an jenen erzbischöflichen Bildwerken aus der ebengedachten
Epoche, die sich noch in ziemlicher Anzahl, meistens in Lebens-
grösse, auf den iumbae der Erzbischöfe von Cöln, Trier und Mainz
in den betreffenden Kathedralen erhalten haben. Zur Veranschau-
lichung des Palliums, seiner Anlegungs weise und seiner Grösse
geben wir hier in getreuer Copie auf Tafel XXVI, Fig. 1,
das Bild jenes Mainzer Erzbischofs wieder, dessen Amtsfülii'ung
dadurch geschichtlich merkwürdig ist, dass er als Consecrator die
Krönung Königs Johann von Böhmen vollzogen und die Wahl
zweier deutschen Könige befördert hat. Wie unsere Abbildung
— 191 —
0
auf Tafel XXVI zeigt, trägt Erzbischof Peter von Aspelt, der
1320 starb, über dem faltenreichen Messgewand das Pallium in
einer Weise, wie in derselben Zeit in kreuzförmig ansteigenden
den aurifrisiae die reichern Messgewänder verziert zu werden
pflegten i).
Auf dem faltenreichen Messgewande des Mainzer Metropohten
nimmt man keine gestickten aurifrisiae in forma palLii imter dem
frei aufliegenden erz bischöflichen Pallium wahr. Auch sind auf den
Schultern der erz bischöf heben Statue keine Andeutungen ersichthch,
dass mittelst einer Nadel von edlem Metall auf den beiden Schulter-
thcilen, dessgleichen auf dem Yordertheile der Brust das erzbischöf-
hche PaUium befestigt war. Hingegen sind auf den Epitaphien
im Kölner Dom die Darstellungen mehi-erer Erzbischöfe ersicht-
lich, die, im XIII. und XIV. Jahrhundert plastisch augefertigt,
drei in Stein gemeisselte acus (epingles) wahrnehmen lassen,
durch welche das erzbischöfliche Pallium auf dem Vordertheile
des Messgewandes an di'ei Stehen befestigt ist Selbst an dem
merkwürdigen Messgewande des heiligen Willigis, das heute in der
Sakristei der St. Stephanskirche zu Mainz gezeigt wörd, sind
sowohl auf beiden Schultern als auch vorn auf der Brust die
beschädigten Stellen noch deutlich zu ersehen, in welchen mittelst
reichverzierter /ibidae das erzbischöfliche Pallium zeitweise be-
festigt zu werden pHegte. Diese Spuren der Anheftungen des
erzbischöl liehen PaUiums dm-ch goldene Spangen sind auch auf
jenem Messgewande von phönicischer Purpurseide leicht zu erken-
nen, mit welchem die Leiche des grossen Erzbischofs Anno von
Göhl im Grabe bekleidet war, und das, dem auf Seite 108 im
II. Bande Gesagten zufolge , zur öffentlichen Versteigerung ge-
langt, in unsern Privatbesitz übergegangen ist. Da Canonicus
Dr. Rock in seinem oft citirten Werke: ,,The Church of onr Fa-
thers" vol. II, sect. XII, pag. 126 — 159, in ausfühi-licher Weise
die geschichthche Entwicklung und liturgische Bedeutung der
') Es ist zweifelhaft, ob die auf unserei' Abbildung angedeuteten Kreuz-
chen, mit welchen das Pallium des Erzbischofs P. von Aspelt verziert
ist, ursprünglich in dieser Zahl und Form auf dem Pallium gemalt
waren, da eine neue lUuminirung der Statue 1S34 stattgefunden hat.
^) Diese Spangen werden in englischen Schatzverzeichnissen auch firma-
cula oder auch spinulae genannt.
— 192 —
Pallien besprochen hat, da ferner vonPertsch^), Ruinart 2), Claude
de Vert^), Du Gange (s. v. palHum) tiefgehende Untersuchungen
über dieses hervorragende Ornatstück angestellt worden sind,
unter Hinweisung auf die Zeit und den Ort, wann nämhch und
bei welcher Gelegenheit die PaUien und von welchen Kirchenfüi'sten
dieselben anzulegen seien, so können wir uns hier über das Ange-
deutete kurz fassen, und scheint 'es zweckmässig, nur noch einige
allgemeinere Angaben über die symbohsche Bedeutung, dessgleichen
über das Material dieser erzbischöflichen Ornate so^de die Weihe
derselben hier anzureihen.
Durandus führt bei der symbohsch-allegorischen Deutung des
Palliums nicht nur weiter durch, was die Farbe, das Material
desselben, sowie die nach vorn und hinten herunter steigen-
den langen fasciae zu bedeuten haben, sondern er gibt auch in
dem betreffenden Capitel 17 weiter an, dass die acus oder die spinae,
zur Befestigung des erzbischöfüchen Palliums auf dem Messge-
wande, vergoldet und mit Edelsteinen verziert gewesen seien. Auch
setzt er die Gründe auseinander, wess wegen dieser Ornat nur mit
drei fibulae, nämlich vorn auf der Brust, hinten auf der Rückseite
des Messgewandes, dessgleichen auch auf der hnken Schulter be-
festigt wurde, und wesswegen die befestigende Nadel auf der rech-
ten Schulter gefehlt habe*). Noch fügen wir hinzu, dass bis zum
Schluss des Mittelalters die erzbischöflichen Pallien in der Form
und Anlegungsweise, wie wir auf Tafel XXVI, Figur 1 abgebildet
haben, kaum die Breite von drei Fingern erreichte, und dass in der
Textur desselben von weisser Wolle sich kleine griechische Kreuz-
chen zeigten, welche meistens in dunkelrother und purpurner Farbe
angefertigt waren, wesswegen dieselben heute in schwarzer Farbe
gewirkt zu werden pflegen^). Erst im XVII. Jahrhundert erreichte
das Pallium jene verkürzte Gestalt und Verzierungsweise, wie sie heute
noch an diesem Ornatstück beibehalten worden und dieselbe in un-
serer Abbildung unter Figur 3 auf Tafel XXVI in verkleinertem
') Tractatio de Origine, Usu, et Auct. Pallii Archiep. p. 20.
^) Disquisitio Histor. de Pallio Archiepiscop., ouvrages posthumes de Ma-
billon et de Ruinart, tom. II, pag. 400.
^) Explication des Ceremonies de l'Eglise, tom. II, pag. 157 — 163.
Paris 1741.
■*) Durandi Rationale Divinorum Officiorum, lib. III, cap. 17.
Noch zur Zeit, als Cardinal Bona seine zwei Bücher über Liturgie
schrieb, scheinen die Kreuze der erzbischöflichen Pallien purpurfar-
big gewesen zu sein. Vgl. Rerum Liturgicarum lib. I, cap. 24, num. 16.
— 193 —
Maassstab veranschaulicht sind, lieber die heutige Beschaffenheit
des Palliums, wie es auf Tafel XXVI, Figur 3 abgebildet ist, fügen
wir noch hinzu, dass die ausmündenden Streifen geradlinig auf
dem Vordertheil und der Rückseite des Messgewandes herunter-
hängen und dass dieselben mit kleinen Wiederlagen von Blei ver-
sehen sind, welche diesen beiden hängenden Streifen eine natür-
liche Schwere verleihen, so dass das Pallium nach seiner Umlegung
immer in richtiger Lage erhalten wird. Diese beiden schmalen
Bleiplättchen sind ihrerseits mit schwarzer Seide überzogen, damit
das schwärzHche Material des Bleies nicht zum Vorschein tritt.
Es würde zu weit vom Ziele ablenken, wenn hier noch weiter
nachgewiesen werden sollte, wie sich das Pallium in der griechi-
schen Kirche hinsichtlich seiner Gestalt und Verzierung, dess-
gleichen rücksichthch seiner UmlegungsAveise von dem der lateinischen
Kirche unterscheidet. Indem liier die Schriftsteller namhaft gemacht
werden, die diese Unterscheidung zum Gegenstande ausführlicher
Studien gemacht habend), bescliränken wir uns hier in Kürze
darauf, noch anzuführen, in welcher Weise das Material zur An-
fertigung der Pallien gewonnen wird, und unter welchen Cere-
monien die Weihe derselben vor sich geht. Wie als bekannt vor-
auszusetzen ist, wird seit den Tagen des Mittelalters das Palhum
als alleiniges liturgisches Ornatstück, das aus WoUenstoflf angefer-
tigt ist, aus feiner weisser Schafswolle gewebt. Um diese Wolle
zu gewinnen, werden in Rom am Gedächtnisstage der heil. Agnes
in der Kirche desgleichen Namens an der via Nomentana, bei
Gelegenheit der feierhchen Messe, zwei junge Schafe von weisser
Wolle von den apostoUschen Subdiaconen dargebracht und ge-
weiht. Alsdann werden sie von den Reügiösen eines Nonnen-
klosters gross gezogen und gepflegt, bis die Zeit der Schur
herannaht. Alsdann wird die Wolle dieser geweihten Schafe ge-
schoren, und werden aus der so gewonnenen Wolle die Pallien ge-
webt. Diese werden darauf an den Vigüien des Festtages der
Apostel Petrus und Paulus nach St. Peter hingesandt und auf die
irdischen Ueberbleibsel der Apostelfürsteu niedergelegt, wo sie die
Nacht über ruhen bleiben. Am folgenden Tage werden dieselben
wieder gehoben und unter Verschluss gelegt, bis sie einem neu
creirten Metropohten feierlich übergeben werden.
') Morinus de Sacris Ordinationibus p. 2, in not. ad. graec. ordin. n. 19;
ferner, Joar in notis ad euchologium pag. 312, n. 8; sodann Hubertus
ad partern secundam liturgiae ordin. observat. 3.
— ]94 —
12.
Das bischöfliche Batiouale (pectorale, rationale episeoporum).
Unter den, dem Hohenpriester des mosaischen Altertliums
mehr oder weniger nachgebildeten Gewändern, wie sie der
Bischof heute in pontificalihus trägt, dürfte wohl keines gefunden
werden, das sich hinsichtlich seiner Form und Verzierungsweise
so enge an das prototypische Xöyiov anschhesst, als jenes rationale
episeoporum , das bereits in der Frühzeit des Mittelalters, als
auszeichnenden, von den römischen Päpsten verliehenen Ornat,
einzelne Bischöfe der lateinischen Kirche anzulegen das Vor-
recht besassen. Aber auch keines der verschiedenen indumenta
episcopalia ist hinsichtlich seiner Entstehung, seiner allgemein fest-
stehenden Form , Anlegungsweise und der damit verknüpften kirch-
lichen Gerechtsamen von so dichtem Dunkel umhüllt, als gerade
das rationale episeoporum, das dem alttestamentarischen koschen in
vielen Einzelheiten ziemlich getreu nachgebildet war. Schon Euge-
rius Lugdunensis und Innocentius III. verbreiten sich ausführ-
licher über die Form und Beschaffenheit des hohepriesterlichen
rationale, und gewinnt es den Anschein, als ob dem grossen Inno-
cenz bei der Schilderung des alttestamentarischen rationale ein
ähnliches Ornatstück vor Augen schwebte, wie es in seinen Tagen
einzelne Bischöfe des Abendlandes zu tragen die Auszeichnung
genossen. Innocenz III. führt nämlich die Beschreibung des rationale
des alten Bundes in folgenden Worten durch i): „Dictum est Ra-
tionale judicii, quia ibi erat lapis, in cujus splendore Deum sibi
esse ijropitium cognoscebant. Erat autem Rationale quadrangulum
duplex, de quatuor coloribus auroque contextum, habens duodecim
lapides per ordines quatuor etc." 2). Mit dieser allgemeinen Be-
schreibung des alttestamentarischen Brustschildes stimmen auch so
ziemhch hinsichthch ihrer Form und Ausstattung jene wenigen
bischöflichen rationalia überein, die, aus dem Mittelalter herrührend,
sich bis zui' Stunde noch erhalten haben, und auf die wir im
Folgenden eingehender zurückkommen werden. Forscht man nun
Innocentius III., lib. I. Myster. Missae, cap. 11.
Vgl. die eingehende Beschreibung dieses Rationale nebst dem Ephod
des Hohenpriesters in dem I. Baude dieses Werkes von S. 375 — 383.
— 195 —
i weiter bei altern Schriftstellern, welche liturgische Bedeutung das
rationale episcoporiim gehabt habe, welche Gestalt und Ausstattung
es zeige, so deutet in allgemeinen Zügen Menardus au, dass es
I übereinstimmend mit dem Kationale, dessen sich die Hohepriester
im alten Bunde bedienten, irgend eine reichere Brustzierde gewesen
sei. Obgleich des rationale episcoporum vor dem IX. Jahrhundert
nirgends Erwähnung geschieht, so scheint es doch bereits im X.
Jahrhundert häufiger in Gebrauch gewesen zu sein, indem der Codex
des Abtes Rotaldus von Corvey bei der Feier der Pontiticalmesse am
l Ostertage ausdrücklich angibt: „Postea (d. h. nach Anlegung der
' übrigen Pontificalgewänder) ministretur ei casula. Tandem vero
Rationale, cohaerens iunctim superhuiucrali." Hiermit steht auch
I im Einklang das, was Bischof Ivo von Chartres hinsichtlich des
Rationale andeutet: „Sunt autem ad in vicem concatenata rationale
et humerale, quia cohaerere sibi invicem debent ratio et opera."
Dass wirklich in mehreren französischen Diöcesen im XH. und XHI.
Jahrhundert das rationale episcoporum seiner äussern Gestalt, Ver-
j zierungs- und Anlegungsweise nach so beschaffen war, wie es Ivo
i von Chartres dem eben angeführten Ausspruche zufolge andeutet,
lässt sich klar an jenem Bildwerke der Kathedrale zu Rheims
I wahrnehmen, das wir auf Tafel VI, im I. B. 3. Lief, in verkleiner-
tem Maassstabe wiedergegeben haben. Die Statue jenes heil. Kirchen-
fürsten ist mit dem vollen Pontificalornat bekleidet; über der
Casel und im Zusammenhang mit dem rationale Judicii, in getreuer
Nachbildung des alttestamentarischen koschen mit den zwölf ge-
iässten, ehemals die zwölf Stämme Israels, an dem vorliegenden
christlichen Rationale jedoch die zwölf A])0stel vorstellenden Edel-
steinen , erhebt sich das Humerale ; mit dem reichverzierten
Kragen des Schultertuches, den man plaga, parura nannte, ist das
Rationale vermittelst kleiner Kettchen, wie es unsere Abbildung
auch anzeigt, in Verbindung gesetzt.
I Wir stimmen durchaus mit den Ansichten Mabillon's überein,
' 'wenn er zwischen dem pallium romanum und pallium gallicanum
unterscheidet, und wenn er dafür hält, dass das galhkanische
Pallium seiner Würde und Bedeutung nach dem römischen Pallium
untergeordnet, und dass lerner das rationale episcoporiim mit dem
pallium gallicanum, hinsichthch seiner Form und Ausstattung,
sowie seiner hieratischen Bedeutung nach identisch gewesen sei. Noch
sei hinzugelügt, dass das eben gedachte Bildwerk an der Kathedrale
•) Menardus ad Hb. Sacratnent. Gregorii Magni.
14
I
— 196 —
zu Rheims anscheinend mit einem solchen galHkanischen Palhum,
das hinsichtUch seiner Form von den heut noch erhaltenen ratio-
nalia episcoporum auf deutschem Boden bedeutend abweicht, beklei-
det sein dürfte.
Sicherlich würde bei den altern Scliriftstellern, dessgleichen
auch bei den Liturgikern aus den letzten zwei Jahrhunderten, nicht
soviel Unsicheres und Schwankendes hinsichtlich des heute fast
gänzhch ausser Gebrauch gekommenen rationale angegeben wor-
den sein, wenn man darauf Bedacht genommen hätte, die damals
noch vorhandenen bischöflichen Schultergewänder, bei der Unter-
suchung, welche Gestalt und Bedeutung dieses bischöfhche Ornat-
stück gehabt habe, näher in Betracht zu ziehen. Dann würde auch
die heute noch unerledigte Frage vielleicht zum Austrag gelangt
sein, ob das gallikanische Pallium identisch mit unserm rationale
episcoporum ein förmliches Schulterkleid, ähnlich dem alttesta-
mentarischen ephod gewesen sei, mit welchem das an der Rheimser
Statue befindliche Brustschild (vergleiche Tafel VI, I. B. 3. Lief.) in
Verbindung gesetzt wurde, oder ob dasselbe nm- aus dem gol-
denen mit den zwölf Edelsteinen verzierten Pectoralstück bestan-
den habe, welches einfach mit dem reichgestickten Kragen am
Schultertuch vermittelst Kettchen verbunden wurde. Bei den ratio-
nalia deutscher Bischöfe, so viele deren sich heute noch erhalten
haben, ist das reich gestickte Schulterkleid, eine Nachbildung
des alttestamentarischen, Hauptsache, und das damit in Verbin-
dung stehende goldene Brustschild in Wegfall gekommen.
Stellt man das, was Ruinart in seiner Abhandlung über die
erzbischöfhchen pallia, dessgleichen auch über die rationalia epis-
coporum angeführt hat, mit den Angaben zusammen, die sich
bei Marlot in seiner Beschreibung der Kirchenschätze von Rheims
über das ehemals dort befindliche bischöfliche Schulterkleid finden,
so ergibt sich, dass hinsichtlich seiner Gestalt und seines üturgi-
schen Ranges das rationale episcoporum dem erzbischöflichen pallium
untergeordnet war, und ferner, dass das Tragen dieses rationale
durch einen päpsthchen Indult verschiedenen Bischöfen des Abend-
landes gestattet wurde. Indem hier die Frage unerörtert bleibt,
ob bei dem französischen Episcopat im frühen Mittelalter der Ge-
brauch des gallicanischen Palliums, gleichbedeutend mit unserm
rationale allgemein in Gebrauch war^), fügen wir nur in Kürze an,
') Die missa vetus des Abtes Ratold von Corvey, dessgleichen auch eine
alte missa ab Illyrico edita scheinen dieses andeuten zu wollen.
— 197 —
dass, soviel uns bekannt ist, in Deutschland seit alten Zeiten die
Bischöfe von Lüttich, Eichstädt, Regensburg, Salzburg, Paderborn,
Bambei-g, dessgleichen auch die Bischöfe von Krakau, dieses
rationale zu tragen das Recht hatten.
Ein näheres Interesse hat für unsern vorliegenden Zweck die
Frage: wo haben sich heute noch jene seit dem XI. Jahrhundert
vielfach in Gebrauch genommenen bischöflichen Schultergewänder
des Mittelalters erhalten, und welche Gestalt und künstlerische Be-
schaffenheit haben dieselben aufzuweisen? Im Allgemeinen muss ge-
sagt werden, dass, wie dies auch einige mit dem Rationale bekleideten
Figuren unter den Miniaturbildern im Pontificale des Bischofs Gun-
decar zu Eichstaedt deutlich bekunden i), das bischöfliche Rationale
als ein dem Palhum ähnliches Gewand über der Casula des poutiü-
cirenden Bischofes getragen wurde. Der Schiütt und die Verzierungs-
weise desselben war jedoch in den verschiedenen Diöcesen je nach
den Zeitläuften verschiedenartig. Nach den heute noch erhaltenen
rationalia des Mittelalters zu urtheilen, bestand dieser Ornat aus zwei
anscheinend getrennten Gewandstücken, die durch je ein kreisförmi-
ges stoffliches Ornament auf beiden Schultern zusammengehalten
und in Verbindung gesetzt wurden. Diese beiden Theile des Ra-
tionale bedeckten gleichmässig den Rücken und die Brust des pon-
tificirenden Bischofes, und mündeten auf jeder Seite in zwei klei-
neren Streifen ligulae , stolae aus , die , sowie der breitere
Gewandstoff auf Brust und Rücken, entweder durch eingestickte
Inschriften und Ornamente, oder aber durch Heiligenfiguren bild-
hch verziert waren. Eines der ältesten bischöflichen Schulter-
kleider findet sich heute noch im Schatze des Domes zu Regens-
burg vor, und ist dieses interessante Ornatstück auf Tafel V, I. B.
3. Lief., in verkleinertem Maassstabe von seiner vordem Seite aus
bildlich wiedergegeben worden. Hier soll nur eine kurzgedrängte
Beschreibung desselben folgen; eine ausfülirliche Besprechung und
Abbildung dieses seltenen Ornates überlassen wir der kundigen
Feder des Herrn Prof. Jacob in Regensburg. Wie unsere skizzirte
Abbildung auf Tafel V, I. B., erkennen lässt, dienen die zwei
kreisförmigen Schildchen als Schulterstücke dazu, die beiden plague
des rationale zusammen zu halten, deren eine die Brust, die an-
•) Wir verdanken die Durchpausen dieser Abbildungen, veranschaulicht
auf Taf. XXVII, der Zuvorkommenheit des Herrn Prof. Dr. Sighart
zu Freising. Vergl. darüber dessen Bericht in der Geschichte der
bildenden Künste in Bayern S. 145.
13*
— 198 —
dere den Rücken des bischöflichen Trägers bedecken. Auf dem
vordem Theüe des superhumerale sieht man, wie unsere Skizze in
stark verkleinertem Maassstabe es andeutet, eine Darstellung aus
der geheimen Offenbarung, nämlich das apokalyptische Lamm mit
dem Banner der Auferstehung und in der Umkreisung die Worte :
«Dignus es aperh-e hbrum et signacula ejus«; über demselben ist
der Herr in der Herrhchkeit ersichtUch, wie er auf dem Himmels-
bogen sitzt und in der Rechten das mit drei signacula geschlossene
geheimnissvolle Buch emporhält. Die majestas Domini umgeben
auf dem mittlem Bruststück die vier Symbole der Evangelisten,
dazwischen sind die Halbbilder von vier Engeln gestickt, welche
Sprüche halten; unter diesen bemerkt man einen Engel, der, sei-
nem Spruchbande zufolge, dem dabei befindlichen Evangehsten
Johannes zuruft: «scribe« Die vier geradlinig herunterhängenden
Stolen unseres rationale sind mit je drei gestickten Halbfiguren der
Apostel verziert, deren Namen jedesmal in dem darüber befind-
lichen Rundbogen ersichtlich sind. Die kreisrunden Schulterblätter
zeigen je sechs gestickte Halbbilder der zwölf Stämme Israels, er-
kenntlich an den dabei gestickten Namen. Gleichwie das alte und
neue Testament durch die eingewirkten Bildwerke der zwölf Stämme
und der zwölf Apostel in dem Regensburger Superhumerale ver-
treten ist, so ist diese Wechselbeziehung des alten zu dem neuen
Testamente auch noch in den engern Kreisen mitten auf den run-
den Schulterstücken durch je zwei allegorische Figuren zur An-
schauung gebracht, welches die eingestickte Inschrift des 84. Psal-
mes, V. 11, « misericordia et veritas obviaverunt sibi et justitia
et pax osculatae sunt«, näher erklärt. Diese allegorisch mystischen
Darstellungen werden durch die Bildstickereien auf der mittlem
Fläche der Rückseite des bischöflichen Schultergewandes zum
Abschluss gebracht, indem hier das ferculum Salomonis sinnig dar-
gestellt ist. Unter dem architektonisch reich konstruirten Thron,
getragen von den columnis argenteis, vorstellend die dabei gestick-
ten Bilder der beiden Apostelfürsten Petrus und Paulus, erbhckt
man das Halbbild des Heilandes; in der scheda, die von der
Hand des Herrn ausgeht, liest man die Worte : «pacem meam do
vobis«. Zu Häupten desselben lautet die andere Inschrift: «ego
sum via, veritas et vita«.
Ein zweites, nicht weniger merkwürdiges bischöfliches Schul-
terkleid , das vielleicht noch um zwei Jahrzehnte älter als das
Regensburger Rationale anzusetzen sein dürfte , fanden wir vor
wenigen Jahren zu unserer nicht geringen Ueberraschung im
— 199 —
Schatze zu Bamberg bei der Gelegenheit vor, als wir daselbst
die aus den Tagen Heinrichs II. herrührenden Kaisergewänder
abzeichnen hessen.
Unter den fünf dortigen planetae in der Form des XI. und
XII. Jahrhunderts fand sich in der eben gedachten Schatzkammer
auch eine casula aus dunkelblauem tigurirtem Damast angefertigt.
Obgleich dieses Damastgewebe des XV. Jahrhunderts den alten
Purpurstoff des ehemahgen faltenreichen Messgewandes ergänzt,
so ist nachträglich auf den Damaststoff gegen Schluss des
Mittelalters eine alte aurifrisia in Form eines Y als Nachahmung
des Palliums übertragen worden. Bei dieser Uebertragung hat
man auch eine interessante figurale Stickerei als Ornament zu
verwertlien gesucht, um die beiden Seiten dieser casula in Gold-
stickereien zu verzieren. Als wir die einzelnen Ornamente und
den Zusammenhang der kleinen in Gold gestickten Bildwerke
auf dem Vorder- und Hintertheil des Bamberger Ornates näher
in Untersuchung zogen, wurde es ims sofort einleuchtend, dass
diese Goldstickereien ehemals einen selbstständigen Ornat in Form
eines Rationalc's gebildet haben, und dass dieselben hinsichthch
der Anordnung der vielen eingestickten Bildwerke ziemlich mit
jenen rationulia übereinstimmten, die wir anderwärts in Augen-
schein genommen hatten. Bei der Seltenheit der heute noch
vortindlichen bischöflichen Schultergcwänder unterlassen wir es
nicht, den unerwarteten Fund für die Alterthuniswissenschaft
dadurch nutzbar zu machen, dass wir auf Tafel XXVI eine
verkleinerte Abbildung dieses Bamberger Rationale unter Figur 4
folgen lassen. Wenn diese Zeichnung in den vielen Einzelheiten
nm- skizzenhaft augedeutet werden konnte, so ist das dem Um-
stände zuzuschreiben, dass das mittelalterhche Ephod zu Bam-
berg durch den Zahn der Zeit sehr entstellt ist, und Figuren und
Inschriften desselben an vielen Stellen durchaus unlösbar geworden
sind. Auf der einen Seite unseres Ornates, die noch am besten
sich erhalten hat, ersieht man das apokalyptische Lamm in einer
grössern Umkreisang, von dessen Haupt aus zwölf Strahlenbäche
sich ergiessen. Dieses mystische agnus occisionis ist von ziemlich
uuleserhchen Sinnsprüchen in Gold gestickt umgeben, dessgleichen
an den vier Seiten von den Symbolen der vier Evangehsten.
Ueber dem Lamme erbhckt man, von einer 7nandorla eingefasst,
die majestas Domini, und zu beiden Seiten die Halbfiguren zweier
Engel, die die Posaune des Gerichtes blasen. Diesen mittlem Thcil
des ehemaligen Schultergewandes umgeben in Kreisform gleichsam zwei
— 200 —
schildförmige Bedeckungsflächen, welche die Schultern des Trägers
überragten. Diese beiden Rundschilde sind durchaus mit kleinen
goldgewirkten Figuren verziert, deren beigestickte Namen der zwölf
Stämme Israels deuthch zu erkennen geben, dass diese Schulter-
stücke mit ihren figuralen Stickereien jene beiden Steine des hohe-
priesterhchen Ephod als Gegenstücke ersetzen sollten, in welchen
sich die Namen der sechs Stämme eingegraben befanden. In
einem mittlem kleinen Kreise nimmt man je zwei in Gold ge-
stickte allegorische Figuren wahr, ebenfalls wieder mit der Inschrift
des 84. Psalmes: ,,Misericordia et veritas obviaverunt sibi, justitia
et pax osculatae sunt')."
Nicht lange Zeit vorher, als auf dem Bamberger Messgewand
diese Ueberreste eines ehemaligen rationale episcoporum entdeckt
wurden, fand Professor Dr. Sighart aus Freising auf dem Schlosse
Tissling bei Altötting in Bayern ein Ornatstück vor, dessen Be-
schreibung unser verehrter Freund in dem B. VI Jahrg. 1859 des
i)Kircheuschmuckes, eines Archives für weibhche Handarbeit«, in all-
gemeinen Umrissen veröffentlicht hat. Dasselbe soll aus Regensburg
herstammen. Von dort brachte es der Bischof Wilhelm Graf von
Warteuberg (1688) zugleich mit vielen Reliquien und Gefässen nach
TissKng in seine Schlosskapelle, von wo es durch Kauf kürzlich an
das B. National-Museum in München überging. Dasselbe hat
grosse Aehnhclikeit mit dem Rationale von Regensburg; der Arbeit
nach scheint es eine spätere Copie des Regensburger rationale ab-
gebildet auf Taf. V, B. I. zu sein. Auch der Schatz des Domes zu
Eichstädt bewahrt heute noch ein merkwürdiges, ziemlich gut er-
haltenes rationale episcoporum, dessen Abbildung auf Tafel XXVII
in ziemlich verkleinertem Maassstabe wiedergegeben ist. Wie die
Abbildung es andeutet, gehört dieses Ornatstück bereits dem XV.
Jahrhundert an. Die figürlichen und ornamentalen Stickereien, mit
welchen dieses Schulterkleid verziert ist, weichen insofern von den
eingestickten Ornamenten der im Vorhergehenden beschriebenen
rationalia ab, als durch diese Stickereien nicht mehr so sehr die
Parallele mit dem Ephod des mosaischen Alterthums hinsichthch der
*) Architekt Fr. Schmitt, der in den letzten Jahren zur Hebung und
Pflege christlicher Kunst Hervorragendes in der Diöcese Bamberg
in Verbindung mit dem verstorbenen Kallenbach geleistet hat, würde
der kirchlichen Alterthumswissenschaft einen grossen Dienst erweisen,
wenn derselbe eine genaue Abzeichnung und Beschreibung des eben kurz
angedeuteten Bamberger rationale in nächsten Zeiten veranstalten liesse.
— 201 —
Darstellungen eingehalten wü-d. Es sind nämlich auf den schild-
förmigen Rundungen, welche als Achselstücke die Schultern des
celebrirenden Bischofes bedecken, die beiden Halbbilder des hl.
Bonifacius und des hl. Willibaldus, Bischofes von Eichstädt darge-
stellt, deren Namen durch beigestickte Buchstaben bezeichnet sind.
Die übrige Umkreisung ist durch stylisirte Wolken, in Perlen gestickt,
ausgefüllt. Unter dem Bilde des hl. Bonifacius erblickt man das seit
den Tagen des hl. Wühgis adoptirte Wappenschild des Mainzer
Metropoliten, nämhch das bekannte Rad mit seinen Speichen auf
goldenem Feldg, und unter dem Bilde des hl. Willibaldus das Wappen
des Bisthums Eichstädt, drei übereinander ausschreitende rothe
Löwen in goldenem Felde. Auf der Vorderseite des Schulter-
kleides mit seinen zwei nach unten fallenden fasciae ersieht man
nahe am äussersten Rande ornamentale Perlstickereien , welche
streifenförmig eine mittlere goldene Fläche einfassend, gleichsam
als Spruchband dazu dienen, einen Raum zu schaffen, auf welchem
ebenfalls in Perlen gestickt die Namen der drei göttlichen Tugen-
den ersichtlich sind. In dem horizontalen Streifen auf der Vor-
derseite des Rationale liest man nämhch in Versalbuchstaben
gestickt die Worte: FIDES, SPES, CARITAS.
In den schmalen Stolen an der vordem Seite gewahrt man,
ebenfalls in Perlen ausgeführt, die Namen zweier Kardinaltugenden,
nämlich der JUSTITIA und der FORTITUDO; auf der Kehrseite
folgen die beiden andern Kardinal-Tugenden ebenfalls in Majuskel-
Buchstaben gestickt, die PRUDENTIA und die TEMPERANTIA.
Wie die beiden auf den ausmündenden Theilen unseres bischöf-
lichen Schulterkleides gestickten Wappen besagen, stammt dasselbe
zugleich mit den silbervergoldeten pendilia, die dasselbe in Form
von Glöckchen verzieren, aus jenen Tagen, als Bischof Johann von
Aich (c. 1460)der Eichstädter Kirche vorstand. Den Abbildungen unter
Fig. 2 bis 6 auf Tafel XXVII zufolge, welche verschiedene Bischöfe
von Eichstädt im vollen Pontificalschmuck darstellen, dürften sich
verschiedenartig gestaltete bischöfliche rationalia im Schatze der
gedachten Kathedrale in den verschiedenen Zeitläufen vorgefunden
haben. Wir lassen die Frage hier unentschieden, ob bei dem Amts-
antritt eines neuen Bischofes für den Nachfolger ein neues bischöf-
liches Schulterkleid angefertigt zu werden pflegte, indem, wie das
beim erzbischöflichen Pallium der Fall ist, das Superhumerale dem
verstorbenen Bischöfe mit in's Grab gegeben wurde. Das Eich-
städter Schulterkleid wird heute noch vom Bischöfe an Festtagen
. getragen. Ein älteres rationale der Bischöfe Eichstädts soll, geschicht-
»
— 202 —
liehen Nachrichten zufolge, von Bischof Berthold als Administrator
der Diöcese Regensbuvg in die Domkirche der letztgedachten Stadt
übertragen und hier ziirückgelassen worden sein. Wie uns von
zuverlässiger Seite mitgetheilt wurde, ist jenes heute noch im
Domschatze von Regensburg aufbewahrte Schulterkleid, abgebildet
auf Tafel V, I. B. 3. Lief., und beschrieben auf Seite 198, das von
Bischof Berthold herrülirende Schultergewand.
Da sich also bereits ein reich gesticktes Superhumerai im Regens-
burger Schatz befand, so ist es erklärlich, dass der früher erwähnte
Bischof Wilhelm von Wartenberg gegen Schluss des XVII. Jahrhun-
derts ein zweites, damals in den Gewandschränken des Domes zu
Regensburg vorfindliches rationale, das als Copie des ersten wahr-
scheinlich für die Bischöfe Regensburgs angefertigt worden, in die
Schlosskapelle von Tissling übertragen konnte. Mit den unter Figur 2
bis 6 abgel)ildeten rationalia, vorfincUich im Pontificale Gundecars zu
Eichstädt, stimmt auch hinsichtlich seiner Form und Verzierungs weise
jenes bischöfliche Schultergewand überein, mit welchem die Statue
des Erzbischofs Konrad von Weinsberg auf dessen Grabmonument
im Dom zu Mainz (Vgl. Taf. XXVI, Fig. 2) bekleidet ist. Derselbe
stand dem Mainzer Erzstifte vor von 1390 — 1396. Da derselbe als
Erzbischof d&sjus pallii besass, mit welchem auch seine Vorgänger be-
kleidet waren, so dürfte in dieser Darstellung eines Superhumerale
eine künstlerische Licenz des betreffenden Bildhauers zu erkennen sein.
Einige Jahrzehnte früher als das Tafel XXVII, Figur 1 abge-
Inldete bischöfliche Schultergewand zu Eichstädt Entstehung fand,
wurde von der Hand der Königin Hedwig von Polen, einer Tochter
Ludwigs des Grossen, Königs von Ungarn und Polen, gegen Scliluss
des XIV. Jahrhunderts ein anderes rationale episcoporum für den
Schatz der Kathech'ale von Krakau ebenfalls in Perlstickerei an-
gefertigt, das in seiner Gestalt von den Schultergewändern, die
sich in deutschen Diöcesen noch erhalten haben, durchaus abweicht.
Es wird nämlich dieser Ornat, der sich heute noch in dem reich-
haltigen Schatze des Domes von Ki-akau vorfindet, von zwei schmä-
lern Bandstreifen in der Form und Verzierungsweise der Stolen
an bischöflichen Miteni gebildet, die sich auf der Brust und auf
dem Rücken durchkreuzen. Auf diesen Kreuzungspunkten wird das-
selbe von einem in Gold gestickten RundmedaiUon zusammenge-
halten, auf welchem ein »Agnus Dei« ersichtlich ist. Der ganze
Tiefgi'und ist mit feinen Perlen bestickt; säuimtliche Abtrenmings-
streifen sowie die eingestickten Buchstaben sind in Goldfäden aus-
geführt. Auf den beiden Bandstreifen, die schräg ansteigend
— 203 —
Brust und Schultern des pontificirenden Bischofs bedecken, liest
man in goldenen Versalbuchstaben gewirkt, und zwar auf der
rechten Seite die Worte: »Prudentia Simplicitas«. Ferner erblickt
man, ebenfalls in Goldfäden auf den hinteren Stolen gestickt, den
Namen der königlichen Schenkgeberin, nämlich die Bezeichnung »
»Hedwigis Regina«. An den Ausmündungen der Stolen sind
dichte Fransen in Goldfäden angebracht und darüber die Wappen
der Königreiche Polen und Ungarn , dessgleichen auch die goldenen
Lilien auf blauem Feld, das heraldische Abzeichen der neapolita-
nischen Anj^u's. Wie dieses Graf Przezdziecki in seinem beschrei-
benden Text des Krakauer Rationale ausdrücklich hervorhebt,
nahmen die Bischöfe von Krakau das jus pallii seit den Tagen
Benedict's IX., und zwar auf Grundlage der Schenkungen dieses
Papstes vom Jahre 104G an den damaligen Bischof Aaron von
Krakau in Anspruch, dem der Titel eines Erzbischofs verliehen
worden sei. Indessen genehmigten die BuUeu Papst Urban's III.,
Gregor's IX. und Alexander's IV. diesen Titel und Vorrang nicht,
sondern wiesen den Bischöfen von Krakau den ersten Platz nach
dem Metropolitan-Erzbischof an. Seit dieser Zeit fahren die Bi-
schöfe von Krakau fort, sich eines pallmm episcopale in Form jenes
rationale zu bedienen, wie wir es eben kurz besprochen haben und
wie es in dem Prachtwerke des Grafen Przezdziecki abgebildet und
beschrieben ist.
Auch die Bischöfe von Lütticli genossen, dem Eingangs Ge-
sagten zufolge, das Ehrenvorrecht, sich des rationale zu bedienen.
Wie Rainart ' ) in seiner Abhandlung über das erzbischöfliche
Pallium erwähnt, verlieh Papst Innocenz II. dem Bischof Adal-
bert II. von Lüttich das Recht, sich des rationale bei jenen Pon-
tificalmessen bedienen zu dürfen, in welchen die Erzbischöfe
das Pallium zu tragen pflegen'''). Leider hat der reichhaltige
Schatz der Kathedrale von Lüttich nicht nur in der Verwüstung
dieser Stadt durch Karl den Kühnen von Burgund, sondern
auch beim Einbruch der französischen Revolution der Art gelitten,
dass mit der Zerstörung der altehrwürdigen Kathedrale von
St. Lambert, auch die kostbaren liturgischen Ornate des Mittel-
') Ouvrages posthumes de Dom. Jean Mabilloii et de Dom. Th. Kuinart.
Benedict, de la Congregat. de St. Maur. Disquisit. histor. de pallio
archiepiscop. cap. X, pag. 45ti.
^) Charta apud Chapeolavillum ad cap. 40.
— 204 —
alters mitsammt dem altern rationale episcoporum spurlos ver-
schwunden sind. Als Reminiscenz an das jus superhumeralis der
Bischöfe von Lüttich, die der Metropole Cöln \interstanden, trägt
heute noch das prachtvolle caput pectorale, welches den Schädel
* und andere Reliquien des Iii. Lambert, Bischofs von Lüttich,
Mastricht und Tongern umschliesst, in reich verzierter Weise
das rationale episcoporum. Auch das schöne Standbild des hl.
Lambert in der St. Servatiuskirche zu Maestricht, das, aus dem
XIV. Jahrhundert herstammend, mit dem vollen bischöflichen
Pontificalornat geziert ist, ist mit einem auszeichnenden rationale
geschmückt, welches mit dem auf der silbervergoldeten Büste
desselben Heiligen aus dem Schatze von St. Paul in Lüttich,
seiner Form nach, ziemlich übereinstimmt. Gleichwie viele Bi-
schöfe in dem fränkischen Gallien und Aquitanien sich seit ältester
Zeit eines auszeichnenden Ornats über dem Messgewande bedien-
ten, das der Auszeichnung nach dem Pallium des Metropoliten
untergeordnet war und welches unter dem Namen pallium galli-
canum grosse Formverwandtschaft mit dem Ephod und dem Urim
und Thummim des alten Testamentes zeigte, so scheinen im XIL
und XIIL Jahrhundert auch mehrere Bischöfe in Deutschland das
Rationale als insigne episcoporum häufiger in Gebrauch genommen
zu haben. Es will sogar den Anschein gewinnen, als ob auch
der Diakon zur hieratischen Unterscheidung vom Subdiakon sich
einer Art Rationale's in einigen Kirchen bedient habe. So liest
man nämlich in dem oft citirten Schatzverzeichniss von St. Veit
in Prag zum Jahre 1387 folgende Angaben i):
„Primo rationale de perlis pretiosis, quod ex antiquo repara-
vit dominus Arnestus archiepiscopus pragensis. Item aliud ratio-
nale cum perlis plenum et cum crucibus nigris, donatum per
imperatorem, in quo deficiunt multae perlae. Item aliud rationale
diaconale cum perlis parvis et capitibus Draconum."
Aus der Anführung des erstgenannten Rationales geht her-
vor, dass der erste Metropolit von Prag, Arnest von Pardubitz,
ein altes gesticktes Schultergewand, mit vielen Perlen verziert im
Schatze vorgefunden habe, welches auf seine Anordnung von Neuem
hergestellt und wieder zu Ehren gebracht wurde. Das zweite
') Vgl. das Nähere in dem oft citirten Schatzverzeichniss von St. Veit
vom Jahre 1387, wo unter der Bezeichnung »rubrica rationalium«
auch die Rubriken mit den bischöflichen Brustkreuzen, Ringen und
Stäben angeführt werden.
— 205 —
Rationale, das wahrscheinlich nach der Erhebung der Prager Ka-
thedrale zur Metropolitankirche, nach vollzogener Abtrennung von
der Mainzer Metropole, durch den gebefreudigen Carl IV. ange-
fertigt wurde, war nach dem Wortlaute des Inventars durchaus
in Perlen gestickt und stellenweise mit schAvarzen Kreuzchen ver-
ziert. Es gewinnt fast . den Anschein, als ob unter diesem Rationale
ein reich verziertes pallium zu verstehen gewesen sei, das auf Ge-
heiss Carls IV. als Geschenk für seinen Freund, den zum Erz-
bischofe erhobenen Arnest, angefertigt worden ist. Das zuletzt
angeführte yntionale diaconale scheint eine bewegliche Pectoralver-
zierung gewesen zu sein, die an Festtagen von dem Diakon in
ähnlicher Weise angelegt wurde, wie auch der celebrirende Bischof
das Rationale zu tragen pflegte.
13.
Die metallischen Insignien der bischöflichen Würde,
a. Der Ring (annulus).
Im Vorliegenden ist uns zunächst die Aufgabe gestellt, den
bischöflichen Pontificalornat, insofern er aus gewebten und gestick-
ten Zeugen besteht, hinsichtlich seiner Entstehung und seiner
weitern Entwicklung chronologisch zu verfolgen. Da jedoch ältere
Liturgiker bei Beschreibung der indumenta episcopalia auch die
drei metallischen Kleinodien, die der Bischof als besondere Ab-
zeichen seiner Würde ausser den übrigen stofflichen Ornaten noch
zu tragen das Vorrecht hat, in nähere Untersuchung ziehen, so
glaubten wir, der Vollständigkeit wegen, es nicht unterlassen zu
dürfen, diese drei eben gedachten metallischen Kleinodienstücke
kurz zu besprechen.
Wenn wir hier einige allgemeinere Angaben über Herkommen,
Gestalt und Verzierungsweise des bischöflichen Ringes voraussenden,
kann es unsere Absicht nicht sein, ausführlicher darauf hinzuweisen,
dass der annulus mysticus als Symbol Gott des Sohnes in der
altchristlichen Kunst und im Bildercyklus des Mittelalters häufig
angetroffen wird^).
*) Wir verweisen hier im Vorbeigehen auf jenen annulus mysticus als
Lorbeerkranz, der sich auf der Rückseite des Lotharkreuzes im Schatze
zu Aachen eingravirt vorfindet, und der von einer Hand aus den
— 206 —
Was zunächst die Ringe von edlem Metall betrifft, so ersieht
man aus vielen Stellen des alten Testamentes, dass in den Zeiten
des alten Bundes sowohl Ring als auch Annspangen getragen zu
w^erden pflegten i). Aus den ältesten Zeiten der christlichen Kirche
berichtet uns bereits Clemens von Alexandrien, dass das Tragen
von Ringen auch bei den Christen seines Zeitalters allgemeiner
Brauch war^). Als heiTorragender bischöflicher Insignie ge-
schieht des Ringes ausdrückliche Ei'wähnung bereits in dem alten
ordo romanus und in den ältesten Sakranientalien 3). Tritheim
führt bei der Lebensbeschreibung des hl. Birins, Bischofs von
Dorchester, der um die Zeit Honorius I. gegen Mitte des VII. Jahr-
hunderts lebte, als Thatsache an, dass derselbe nicht nur das
Brustkreuz, sondern auch den bischöflichen Ring getragen habe*).
Auch das Sacramentarium Gregor's des Grossen schreibt bereits
die Ceremonien, die bei Ueberlieferung des bischöflichen Ringes
an den zu consecrirenden Prälaten stattfinden, vor. In dem eben
gedachten Sacramentar sjiricht nämHch der consecrirende Bischof
bei Ueberreichung des Ringes an den Consecrandus folgende Worte :
«Memor sponsionis et desponsationis ecclesiasticae et dilectionis
Domini Dei tui in die qua assecutus hunc honorem, cave ne obli-
viscaris illinc. Accipe ergo annulum discretionis et honoris, fidei
Signum, ut quae signanda sunt signes, et quae aperienda sunt
prodas, quae liganda sunt liges, quae solvenda sunt solvas.« —
Isidorus, Erzbischof von Sevilla, stimmt hinsichtlich der mystischen
Deutungen der bischöflichen Ringe mit der oben angeführten Aus-
legung in dem Sacramentai'ium Gregor's des Grossen überem, ver-
mittelst der Worte: Datur ei anniüus propter signum pontificaHs
honoris vel signaculum secretorum.
Wolken, der Dextra Manus Dei Omnipolentis als Symbol der ersten
Person in der Gottheit gehalten wird. Von diesem mystischen Ringe
umgeben, erblickt man ebenfalls auf der Rückseite des Lothar-Kreuzes
die Taube, das bekannte Symbol der dritten Person in der Gottheit.
') Isaias III, 19—23.
Clement. Alexandrin. Paedagog. lib. III, cap. 11.
Ob der hl. Augustiiuis im IV. und V. Jahrhundert sich eines Siegel-
ringes bedient habe, ist dem auf Seite 208 Gesagten zufolge sehr
wahrscheinlich. Vgl. August, epistol. 217 ad Victorinum Episcopum.
*) Trithemius de Viris Illustribus Ordinis Sancti Benedicti, lib. III,
cap. 140.
— 207 —
' Das vierte Concil von Toledo '), das im Jahre 633 gefeiert
wurde, verordnet unter Anderm, dass in dem Falle, wo der Bischof
ungerecht seines Amtes entsetzt und seiner Würde entldeidet wor-
den sei, zur Herstellung derselben der Ring ihm zurückerstattet
werde. In dem letzten Wülen Riculphs, Bischofs von Eins, vom
Jahre 915 werden unter andern geweihten Zierrathen auch erwähnt,
ein goldener Ring mit kostbaren Steinen ^). Wenn auch angesehene
litiu'gische Schriftsteller, wie Alcuin, Ammalarius und Rhabanus
Maurus vom Rhige als hervorragender bischöflichen Insignie keine
Erwähnung^ thun, so ist dadurch doch nicht bewiesen, dass zu
ihren Zeiten der bischöfhche Ring in der Kirche nicht allgemein
im Gebrauche war. Liturgische Schriftsteller indessen, deren
Schriften nicht viel jünger als die der ebengedachten Autoren an-
zusetzen sind, sprechen von den bischöflichen Ringen und deren
liturgischem Gebrauch an mehreren Stellen. Es will uns schei-
nen, dass der annulus signatorius bei den Bischöfen im Mittelalter
nicht immer mit dem annulus episcopalis identisch war. Dass
jedoch zuweilen auf dem bischöflichen Ringe, die vorübergehend
auch als Siegelringe benutzt worden sind, bildliche Dai'stellungen
als intaglio oder als camee sich vorfanden, welche vielleicht
aus dem klassischen Griechen- oder Römerthume herrührend,
Bilder zeigten, welche mit der Würde und Bedeutung des bischöf-
lichen Ringes nicht im Einklang standen, ist zu entnehmen aus
einem Erlasse von Papst Innocenz III., wodurch vorgeschrieben wurde,
dass auf den Edelsteinen, mit welcher die bischöflichen Ringe geziert
waren, keinerlei eingeschnittene oder ei-haben aufliegende Bildwerke
in Anwendung kommen dürften. Diese Vorschrift scheint jedoch nicht
allgemein von den Bischöfen des Abendlandes bei Anfertigung der
Pontiticalringe beobachtet worden zu sein.
Was die ältesten Ringe betrifft, die bei Erött'uung bischöf-
licher Gräber gefunden wurden, so ist hier anzuführen, dass vor
einigen Jahren in Pavia das Grab des grossen h. Kirchenlehrers
') Concil. Tolet IV: »Si episcopus est, orarium, annulum et baculum
coram altari de manibus episcoporum recipiat.«
^) Vgl. auch das Pontifical Egberts, Erzbischofs von York, in wel-
chem die Ceremonie beschrieben ist, mit welcher der Ring dem
Bischof bei seiner Einweihung unter folgendem Gebete ül)ergpben
wurde: »Empfange den Ring des bischöflichen Ranges, dass Du mö-
gest bewahrt werden bei der Vollkommenheit des Glaubens.«
— 208 —
Augustinus eröffnet und dass mit einer Partikel für Hippo auch
der Ring des Heüigen vom Finger genommen ^vurde, den sich der
fi-anzösische Bischof als Andenken mitnahm ! Unter Andern berichtet
auch Du Saussay, dass er einen solchen Ring des Bischofes Agilbert
von Paris, der im VII. Jahrhundert starb, bei Auffindung
seiner Leiche gesehen habe. Dieser Pontificalring war von Gold
und mit einem undurchsichtigen Edelstein verziert, in welchem
das Bild des Heilandes und das des hl. Hieronymus vertieft ein-
gegraben waren. Zur Zeit des ebengedachten Berichterstatters
wurde noch in dem Kloster des hl. Victor von den regulirten Chor-
herren des hl. Augustin in Paris der bischöfliche Ring des heil.
Leodegar, Bischofs von Autun, aufbewahrt, der im Jahre 685 das
Martyrium erlitt. Auch in der Messe des Abtes Rotaldus von
Corvey, f 98G, heisst es bei der Weihe des Bischofs: Detur ei
annulus'). Aus dem XL und XII. Jahrhundei't lassen sich eine
Menge Belege dafür beibringen, dass bei der bischöflichen Weihe
die feierhche Uebergabe des bischöflichen Ringes unter liturgisch
vorgeschriebenen Gebeten selten gefehlt habe. Um von den vielen
hier einschlagenden Citaten nur eines anzuführen, berichtet Ro-
dulphus Glaber, dass es von Seiten der römischen Päpste alter
Brauch sei, sogar bei Uebersendung des erzbischöflichen Palliums
auch den Pontificalring beizufügen 2). Ueber die symbohsch-
mystische Bedeutung des bischöfhchen Ringes, dessgleichen auch
betreffs der Uebergabe desselben bei der bischöfhchen Weihe
und der Gebete, die dabei verrichtet werden, ist das Nähere zu
ersehen bei Innocenz III. 3) und bei Durandus"*), dessgleichen auch
an den betreffenden Stellen des cerenioniale episcoporum.
Diesen allgemeinern Andeutungen über das Alter und den
Gebrauch der bischöflichen Ringe sei es vergönnt, hier über das
Material, die Gestalt und künstlerische Ausstattung der bischöf-
lichen Pontificalringe noch einige Angaben folgen zu lassen. Ael-
tere liturgische Schriftsteller haben es nicht unterlassen, mit aller
Ausführlichkeit die symbolischen und mystischen Gründe nachzu-
weisen, wesswegen die bischöflichen Ringe seit der ältesten Zeit
') Rupertus Tuit. lib. I. de Divin. Offic, cap. 25. — Honorius Augus-
todun. Gemma Animae, lib. I., cap. 46.
Rodulphus Glaber Histor. lib. V, cap. 4.
^) Innocentius III., lib. I. de Missae Mysteriis, cap. 46.
*) Durandus, Rationale Divin. Oftic. lib. III., cap. 14.
— 209 —
von purem Golde angefertigt wurden Entweder war der eigent-
liche Ring aus Gold gehämmert ohne Ciselirungen, und bloss mit
einem ungeschliffenen Edelsteine, meistens einem Saphir, einem
Rubin oder einem Smaragd auf seiner obern breitem Ausdehnung
verziert, oder aber es bestand der eigentliche Ring aus ciselirten
Ornamenten, Pflanzen oder Thiergestalten darstellend, die in
ihrem Zusammentreffen der Gemme als Fassung, lectulum, dienten.
Wie die Ringe aus den Jahrhunderten unmittelbar nach der
Völkerwanderung in Form und Dekoration beschaffen waren,
dafür dürften jene merkwürdigen Ringe zum Belege dienen, die
im Jahre 1860 mit andern goldenen Geschmeiden in einem vor-
christlichen Grabe auf der Pusste Bäkod bei Kälocsä gefunden
worden sind. Anstatt der Steine auf der obern Fläche des Ringes
ersieht man hier in goldenen Zellen flach eingelassene bräunlich
rothe Glasflüsse, die das Email ersetzen sollten. In ähnlicher tech-
nischer Ausführung, die sich auch in gleichen Formbildungen an
dem kostbaren Evangelistarium der Lougobardenkönigin Theodoünde
zu Monza vorfindet, mögen die königlichen und bischöflichen Ringe
bei jenen halbcivilisirten germanischen Völkern beschaöen gewesen
sein, welche nach Ablauf der Völkerwanderung sich zum Christen-
thume bekehrten. Einen merkwürdigen könighchen Ring von
Gold mit emaillirten Ornamenten besitzt das brittische Museum,
der der Inschrift zufolge von Ethelwulf, König von Essex (reg. 83G
bis 838) herrühi't. Wir haben diesen Ring, der in verwandten
Formen von angelsächsischen Bischöfen in der Carolingerzeit ge-
tragen worden sein mag, auf Taf. XXVIII Fig. 1 bildlich veranschau-
Hcht. Ein anderer bischöflicher Ring, aus dem Anfinge des XI. Jahr-
hunderts herrührend, ist in den Annales Archeologiques abgebildet
und beschrieben; er hatte sich im Gi-abe Gerhards, Bischofes von
Limoges (f 1022) vorgefunden 2). Diesen Ring aus gediegenem Golde
haben wir auf Taf. XXVIII, Fig. 2 bildlich wiedergegeben, und fügen
wir hier noch hinzu, dass er auf seiner obern Fläche eine Kreuzes-
form bildet, bestehend aus vier eingeschnittenen Blättern, die jedes-
mal eine ßeur de Iis darstellen; dieses lilienförmige Blattwerk zeigt
*) Die betreffenden Angaben befinden sich bei Honorius Augustodun.,
Innocenz III., Durandus, Duranti, und endlich auch in dem Dictionnaire
d'orfevrerie par l'Abbe Texier, public par l'Abbe Migne. Paris 1857,
ad voc. anneau episcopal pag. 139.
^) Annales Archeologiques, publies par V. Didron, tom. X, p. 170.
— 210 —
auf seiner Oberfläche noch einzelne Spuren von Email. Ein anderer
bischöflicher Ring aus dem Beginne des XIII. Jahrhunderts, dessen
Authenticität verbürgt ist, fand man 1844 in dem Grabe Hervee's,
Bischofes von Troyes, der Eingangs des XIII. Jahrhunderts
starb 1). Nimmt man an, dass die bischöflichen Ringe des XII.
und XIII. Jahrhunderts, was ihre formelle und artistische Aus-
stattung betrifft, mit den königlichen Ringen derselben E^ioche grosse
Formverwandtschaft zeigten, so dürften die im Grabe Bela's IL,
Königs von Ungarn, und seiner Gemahlin aufgefundenen Ringe, die
auf Taf. XXVIII Fig. 3 abgebildet sind, dessgleichen auch die eben dort
unter Fig. 4 dargestellten Ringe der Kaiserin Constanze IL, Gemahlin
Friedrichs IL, des Hohenstaufen, einige Anhaltspunkte gewähren,
in welcher Einfachheit der Form die bischöflichen Ringe noch in der
spätromanischen Kunstepoche beschaffen gewesen sein- mögen.
Gleichwie bei der Weihe des Bischofs dem Consecrandus ein
goldener mit einem Edelsteine verzierter Fingerring unter vorge-
schriebenen liturgischen Gebeten vom Consecrator meistens am Zeige-
finger angepasst wurde, und derselbe durch Uebergabe des Ringes
gleichsam als Bräutigam mit seinem bischöflichen Sprengel symbolisch
verbunden wurde, so wurde auch den deutschen Königen und Kaisern
bei ihrer feierHchen Weihe und Krönung ein königlicher Ring unter
entsprechenden Gebeten übergeben. Noch bis zu den Tagen Carls IV.
fanden sich zwei kostbare Pontificalringe unter den übrigen deut-
schen Reichsldeinodien vor, die hinsichtlich ihrer Ausstattung und
Gestalt mit den bischöflichen Ringen der damaligen Kunstepoche
übereinstimmend gewesen sein dürften. Ueber die Form und Be-
schaffenheit dieser schon früh in Verlust gerathenen königlichen
Ringe haben wir in unserem Werke der deutschen Reichskleinodien,
und zwar im Anhange, Ausführliches angegeben^). Die Ein-
fachheit der bischöflichen Ringe, wie sie an ältern Monumenten
aus dem XL und XII. Jahrhundert ei'sichtlich sind, verschwin-
det im XIII. und XIV. Jahrhundert bei der reichern Entwicklung
der übrigen liturgischen Ornate mehr und mehr. Zum Beweise
des Gesagten könnten wir hier eine Menge von Citaten aus den
') lieber diesen Ring ist. von M. Arnaud eine besondere Monogfraphie
nebst Abbildung erschienen.
^) Vgl. »die Kleinodien des heiligen römischen Reiches deutscher Nation,
nebst den Kroninsignien Ungarns, Böhmens und der Lombai-dei.« An-
hang, Seite 11 und 12. Wien 1864.
Schatzverzeichnissen der genannten Jahrhunderte anführen, aus
denen hervorgeht, dass um diese Zeit die bischöflichen Ringe auf
der Oberfläche mit mehrern Steinen und Perlen, meistentheils kreuz-
weise geordnet, verziert waren. Dieser Reichthum von Edelsteinen
und ciselirten Verzierungen an bischöfhchen Ringen nahm seit dem
XV. und XVI. Jahrhundert der Art zu, dass das Tragen derselben,
des gehäuften Steinschmuckes wegen hinderlich und unbequem
wurde. Als in den Tagen der Cinquecentisten, namenthch aber im
XVI. und XVII. Jahrhundert die Schleifung und Facettirung der
Edelsteine allgemeiner in Aufnahme kam, und ungeschliffene Edel-
steine als cahoclions nur selten mehr Anwendung fanden, wurde
den bischöflichen Ringen auf ihrer Überfläche durch künsthche
Schleifung der vielfarbigen Steine ein erhöhter Glanz und Reflex
verheben. Seit dem XVI. Jahrhundert kömmt es häufiger vor, dass
von Seiten der Bijouteristen das bischöfliche Brustkreuz zugleich
mit dem Ringe als zusammengehöriger Ornat betrachtet wird, und
dass dieselben Fassungen und dieselben geschhflfenen Edelsteine,
wie sie am Brustkreuze abwechseln, in gleicher Form und gleicher
technischer Beschaffenheit auch an den Ringen der Bischöfe und
infuhrten Aebte zur Anwendung kommen.
Unter der grossen Zahl jener Pontificalringe, welche im XV.
und XVI. Jahrhundert von den römischen Päpsten zum Geschenk
an verschiedene Bischöfe vertheilt zu werden pflegten, finden sich
in den Sakristeien mehrerer Kathedralkirchen, dessgleichen auch in
älteren bischöfhchen Gräbern auffallend grosse Ringe in vergoldetem
Kupfer oder Silber vor, die, als Gegenstücke zum päpstUchen
Fischerringe, häufig auf den Flachtheilen der beiden Seiten das
ciselirte Wappen des zeitweilig regierenden Papstes und darüber die
über Kreuz gestellten Schlüssel mit der Tiare zum Vorschein treten
lassen. Meistens wird diesen Ringen, die in der Regel dem Ausgange
des Mittelalters angehören, ihrer auffallenden Grösse und Gestalt
wegen, ein hohes Alter vindicirt, und werden dieselben häufig mit den
Namen älterer Bischöfe irrthüniHcher Weise in Verbindung gebracht.
So sahen wir vor wenigen Jahren einen solchen bischöflichen Ring,
wie er in der Abbildung auf Taf. XXVIII Fig. 5 veranschaulicht
ist, aus der ehemaligen Benechktiner-Abtei Iburg bei Osnabrück
herrührend, welcher irrthümhch mit dem Bischof Benno von Osna-
brück, dem Erbauer des Speyerer Domes, in Verbindung gesetzt
wird. Den auf Tafel XXVIII Fig. 6 abgebildeten Ring besitzt heute
noch der Schatz der Metropolitan-Kirche von Gran in Ungarn. Die
Beschreibung disees Ringes, der der Inschrift zufolge von Sixtus IV. (?)
15
— 212 —
1471 — 1484 herrührt, ist in dem III. Band der des Jahrbuchs der
k. k. Centralkommission zur Erhaltung der Baudenkmale 1859 zu
ersehen. Der auffallende Umfang, der sich heute noch an einzelnen
Ringen zeigi, findet darin seine Erklärung, dass nach dem ceremoniale
episcoporum die bischöü. Ringe über die Handschuhe vor Beginn der
feierUchen Pontificalmesseu augelegt werden. Um diese auffallend
weiten Ringe auch nach Ablegung der Handschuhe tragen zu können,
scheint es im Mittelalter vielfach Brauch gewesen zu sein, nach An-
legung des grossen Ringes einen kleinern Ring, der sich dem Finger
anschmiegte, nachzuschieben, damit der erste umfangreiche Ring eine
Befestigung erhielt Noch fügen wir hinzu, dass auf bischöflichen
Bildwerken, vorfindlich an altern Grabmonumenten des XV. und
XVI. Jahrhunderts, dessgleichen auch auf altern Malereien der-
selben Epoche zuweilen Darstellungen von Bischöfen ersichthch
sind, die über den chirotecae zwei und sogar drei bischöfliche Ringe
tragen. So befand sich in der mittelalterlichen Bildergallerie des
kürzlich verstorbenen Baumeisters Weyer zu Cöln ein Original-
Porträt des Cardinais Albrecht von Brandenburg, Erzbischofs von
Mainz, der im Bilde über den chirothecae drei Ringe trägt, wo-
durch angedeutet werden soll, dass er als Bischof dreien Diöcesen
vorstand, und über dieselben seine bischöfliche Jurisdiction ausübte.
Noch sei bemerkt, dass im Mittelalter der bischöfliche Ring häufig
am Zeigefinger getragen wurde; das römische Ceremoniale schrieb
jedoch später vor, dass derselbe am sogenannten Gold- oder Ring-
finger, nämlich jenem, der dem kleinen Finger zunächst steht,
getragen werden soll. SchUesshch finde hier die Angabe eine Stelle,
dass in dem Falle, wo der Bischof seinen Sitz mit einem andern
vertauscht, der bischöfhche Ring nicht gewechselt wird, wie dies
bei dem Palhum alsdann Vorschrift ist, wenn der Metropolit von
seiner bisherigen Erzdiöcese abbeinifen und als solcher einem
andern Sprengel vorgesetzt wird.
') Vergleiche dazu lib. pontif. mod. induendi episcopiim, pag. 1 : Tuuc
sedeuti chirothecas imponat, et annulum pontificalem magnum una
cum uno parvo strictiori annulo ad tenendum fortius superimponat.
Diese Stelle dürfte auch zur Erklärung dienen, dass im Grabe des
Bischofs Agilbert zu Paris nach dem Berichte Du Saussay's ein
bischöflicher Ring von einer solchen Ausdehnung der Innern Oeffiiung
gefunden wurde, dass der genannte Berichterstatter seine beiden
Finger zugleich in denselben schieben konnte.
— 213 —
b. Das Bnistkreuz (pectorale).
Untei' den verschiedenen Ornaten, die den Bischof vor dem
Priester auszeichnen, dürfte das Pectoral kreuz erst seit den letzten
vier Jahrhunderten Aufnahme und allgemeinere Verlireitung hei
den Bischöfen des Abendlandes gefunden haben. Obschon es fest-
steht, dass seit den Tagen, wo die christliche Religion öffentlich
geduldet und als Staatsreligion von Constantin dem Grossen aner-
kannt wurde, von vielen Gläubigen das Zeichen der Erlösung in
Gestalt eines ^niehr oder weniger reich verzierten Kreuzes, häufig
mit Reliquien gefüllt, öffentlich auf der Brust getragen wurde, so
scheinen doch in den frühesten Jahrhunderten die Biscliöfe schon
aus der Ursache nicht das Brustkreuz als auszeichnende bischöf-
liche Insignie getragen zu haben, weil es damals frommer Brauch
eines jeden Christen war, mit dem Kreuze, als dem Zeichen des
Sieges und Triumphes, seine Brust zu schmücken. Anders verhielt
es sich mit dem Gebrauche eines reich verzierten Brustkreuzes
in der griechischen lürche. Aus dem Umstände, dass seit den
Tagen des Kaisers Constantin die oströmischen christlichen Kaiser
gleichsam als Amulet das siegreiche Zeichen der Erlösung in rei-
cher Fassung an goldener Kette auf der Brust trugen, lässt sich
auch im Orient der Gebrauch voraussetzen, dass schon in einer
sehr frühen Epoche die Bischöfe mit einem ähnlichen encolphim
in Form eines Kreuzes, meistens mit Reliquien gefüllt, öffentlich
erschienen. Man nannte diese Kreuzeszierde: otuvqoc; tyy.6Xnioq
(Brustkreuz).
Die Bischöfe, welche dem VIII. Generalconcil beiwohnten, be-
ziehen sich auf dieses Kreuz als ein Zeichen ihrer Würdet- Auch
aus der Thatsache, dass der Kaiser Nicephorus dem Papste Leo III.
ein goldenes Brustkreuz als Zeichen der Verehrung zusandte, könnte
gefolgert werden, dass das Tragen eines encolpium als Reliquiar
sowohl bei den Kaisern als auch bei den Kirchenfürsten häufig
stattfand 2). So auch übersandte Papst Gregor der Grosse der
Longobardenkönigin Flavia Theodolinda ein goldenes Kreuz mit
einem Beglückwünschungsschreiben, als ihr Sohn Adaloald ge-
*) Encolpium accipiehant, ut digtiitate episcopali potirentm'.
Die Stelle des Briefes über die Zusendung dieser Brustzierde heisst wie
folgt: Encolpium aureum, cujus una facies cristallum inclusum, altera
picta nigello, et intus habet alterum encolpium, in quo sunt partes
honorandi ligni in figura crucis positae.
15*
boren wurde. Dieses merkwürdige Brustkreuz, das wir auf Tafel
XXIX unter Figur 1 bildlich wiedergeben , hat sich bis zur
Stunde noch in dem reichhaltigen Schatze der Krönungskirche des
hl. Johann zu Monza erhalten, und dürfte dasselbe als Muster imd
Vorbild zu betrachten sein, in welcher Form und Grösse schon seit
frühen Jahi'hunderten von den römischen Päpsten eine ähnliche
Brustzierde getragen zu wei'den pflegte. Dieses Brustkreuz Gregors
des Grossen scheint hinsichtlich seiner Form und ornamentalen
Ausstattung mit jenem encolpium grosse Formverwandtschaft gehabt
zu haben, das in der Anmerkung 2 auf Seite 213 näher beschrieben
ist und das im Beginne des IX. Jahrhunders Leo III., der
Freund und Zeitgenosse Karls des Grossen, vom byzantinischen
Hofe zum Geschenk erhielt. Ein drittes griechisches Brustkreuz,
das bis heute in der örtlichen Ueberlieferung das syy.öXmov Kaiser
Constantin's genannt wird, fanden wir als äusserst kostbares
öiTiTvyov in der ReHquienkapelle von St. Peter in Rom vor, dessen
Fassung ofteubar aus dem spätem Mittelalter herrührt und in viel-
farbigem Schmelz gehalten, an den vier Kreuzbalken in weissem
Schmelz folgende Inschrift in griechischen Versalbuchstaben zu er-
kennen gibt: oQu Ti xuivov &uvf.iu — xrxi '^svrjv X'^Q'-^ ~~ XQ'Vffov
l-ivs f^o) — XQiaxov SV ds axomi^).
Dass auch die Könige des xlbendlandes seit den Tagen der
Karoünger solche mehr oder weniger reich verzierte Pectoralkreuze,
meistens mit Reliquien versehen, bei feierlichen Veranlassungen zu
tragen pflegten, dafür diene zum Belege das prachtvolle Brustkreuz
König Berengars I. von Italien, ein Meisterwerk der Goldschmiede-
kunst und Steinfassung des IX. Jahrhunderts, dessgieichen auch
das Reliquien-Kreuz König Bela's II. von Ungarn, in jüngsten Zeiten
mit anderen königlichen Zierrathen gefunden bei Eröfl'nung seines
Grabes. Das erstgedachte prachtvolle Brustkreuz Königs Berengar,
') Vgl. die nähere Beschreibung dieser interessanten Insignie, die in
ihrer heutigen reichen Fassung offenbar dem Kunstfleiss der Byzan-
tiner aus dem XII. Jahrhundert angehört, auf Seite 115 bis 117 un-
seres Werkes die »Kleinodien des hl. römischen Reiches deutscher
Nation,« Taf XX, Fig. 28. Auf Seite 116 des Textes haben wir an-
genommen, es hätte sich dieses Brustkreuz Constantins des Grossen
seit undenklicher Zeit im Schatze von St. Peter in Rom vorgefunden ;
später erst vernahmen wir, dass dieses merkwürdige philacierium aus dem
ehemaligen Schatze der Liebfrauenkirche von Mastricht herrühre und
erst in den zwanziger Jahren in den Schatz von St. Peter nach Rom
übertragen worden ist.
— 215 —
das als stemma regni Longohardorum betrachtet wurde, und das
mehrere deutschen Kaiser bei der Ki'önung mit der eisernen Krone
in Monza oder Mailand auf der Brust getragen haben, ist in na-
türlicher Grösse in unserm unten citirten Werke abgebildet und
näher beschrieben^). Das interessante Reliquiar Bela's II. be-
findet sich, wenn auch in sehr beschädigtem Zustande, heute noch
im National-Museum zu Pesth, zugleich mit der Grabeskrone
des ebengedachten Königs und einigen anderen metallischen Zier-
rathen seiner Gemahlin. Ein ferneres kaiserliches Brustkreuz, das
die Tradition, auf die Tage Karls des Grossen zurückführen will,
hat sich ebenfalls als Reliquienbehälter unter den vielen Kuust-
schätzen des Aachener Münsters erhalten, und dienen seine ein-
gravirten Ornamente, dessgleichen die Darstellung des Heilandes
am Kreuze, zur Erhärtung unserer Ansicht, dass diese Brustzierde
erst in den Tagen der hohenstaufischen Kaiser angefertigt worden
ist, um die in goldener Fassung darin befindliche Partikel vom
hl. Ki'euz aufzubewahren, die aller Vermuthung nach ehemals von
Karl-dem Grossen, vielleicht von einem encolpium eingefasst, getragen
worden sein dürfte. Wir veranschaulichen auf Taf. XXIX, Fig. 2,
diese Brustzierde des Aachener Schatzes, und fügen noch hinzu, dass
eine genauere Beschreibung derselben in unserer Schrift: der Re-
liquienschatz des Liebfrauen-Münsters zu Aachen, Bonn, 1860,
Seite 36 — 38 enthalten ist.
Aus dem Vorhergesagten ist zu entnehmen, dass sowohl in
der morgenländischen als in der abendländischen Kirche seit den
Tagen Constantins und Karls des Grossen ein reichverziertes Brust-
kreuz, gewöhnlich mit Reliquien des hl. Kreuzes und verschiedener
Heiligen versehen, bei Königen und Kaisern des Orients und Occi-
dentes häufig in Gebrauch war. Auch unterliegt es wohl keinem
Zweifel, dass bei den Bischöfen des Abendlandes, seit den frühesten
Zeiten bis zum XIII. Jahrhundert, de^s phylaclerium als ausschliesslich
bischöfliche Insignie nicht in Betracht gekomraen sein dürfte, und
zwar, wie das im Vorhergehenden angedeutet wurde, wohl aus dem
Grunde, weil sowohl weltliche Fürsten als auch die lürchenfürsten im
öffentlichen wie im Privatleben aus Gründen der Frömmigkeit
solche encolpia, seit den Tagen der Kreuzzüge meistens mit reliquiae
transmarmae gefüUt, allgemein zu tragen pflegten Nur allein bei
') Vgl. Seite 163 und 164 in unserm Werke: Die Kleinodien des hl. römi-
schen Reiches deutscher Nation, dessgleichen Tafel XXXIII, Figur 50.
^) Gretserus, tom. II, lib. I.
— 216 —
dem Abte Rupert von Deutz, dem auch Innocenz III. gefolgt zu
sein scheint, geschieht vorübergehend des goldenen Brustkreuzes
als auszeichnenden Merkmals der bischöflichen Würde Erwähnung
und wird noch hinzugefügt, dass der Pontifex des neuen Bundes
dieses goldene Kreuz auf der Brust trage in Uebereinstimmung
mit der goldenen lamina, die im alten Bunde die Stirn des hohen
Priesters geschmückt habe. Innocenz III. jedoch, der diese Pa-
rallele des Brustkreuzes mit der anrea lamina des hohen Priesters
im alten Bunde ebenfalls anwendet, vindicirt nur allein dem Papste
den Gebrauch des Pectorale. Bei spcätern Schriftstellern finden sich
seit dem XIV. Jahrb. Andeutungen, dass sowohl Bischöfe, als auch
Erzbischöfe und Kardinäle in Gegenwart des Papstes das Pectorale,
wenn sie es trugen, nicht zum Vorschein kommen Hessen, wenngleich
sie auch die iMiter und andere Abzeichen ihrer bischöflichen Würde
coram Papa beizubehalten pflegten. So wird auch erwähnt, dass
die Bischöfe, Erzbischöfe und Patriarchen des Abendlandes auf
dem ökumenischen Concü von Ferrara und Florenz, das unter
Vorsitz des Papstes Eugenius IV. gefeiert wurde, ohne Pectorale
dem Concil beiwohnten, und dass nur allein die anwesenden grie-
chischen Bischöfe und Patriarchen im Beisein des Papstes Eugenius
auf dem gedachten Concil dasselbe als Brustzierde beibehielten.
Bis zur Stunde haben sich noch, an vielen Orten zerstreut,
mehr oder weniger reiche bischöfliche Pectoralien erhalten, welche,
meistens aus dem XIV. und XV. Jahrhundert herrührend, fast sämmt-
lich als Keliquiarien mit beweglicher Klappe auf der Rückseite, von
Bischöfen oder infultirten Aebten in Gebrauch genommen wurden.
So bewahrt unter andern der Schatz von St. Veit zu Prag mehrere
Pectoralkreuze, deren Vorder- und Rückflächen mit vortrefflichen
eingravirten Darstellungen verziert sind. Desgleichen werden auch
im Schatze der ehemaligen Reichsabtei Quedlinburg mehrere Pec-
toralkreuze aufbewahrt, die als Reliquiarien ehemals kii-chlich in
Gebrauch waren'''). Ein reichverziertes Pectoralkreuz, das, seiner
Verzierung nach zu urtheilen, dem Schlüsse des XIV. Jahrhunderts
angehört, befindet sich in der reichhaltigen Privatsammlung Sr.
Gnaden des Bischofs Wedekin, und wird dieses Pectorale von dem
') Rupertus Abbas Tuitiensis, lib. I, de divinis officiis cap. 26.
2) Vgl. die betreffenden Abbildungen in dem Werke: Die mittelalter-
lichen Kunstschätze im Zittergewölbe der Schlosskirche zu Quedlin-
burg, von Wilh. Steuerwald. Quedlinburg, Lithographie und Stein-
druckerei von Karl Virgin.
el)en genannten hochwürdigsten Bischof von Hildesheim bei kirch-
Hchen Festzeiten in Gebrauch genommen.
Auf Taf. XXIX., Fig. 3 ist ein nicht weniger kunstreich gear-
beitetes phylacterium abgebildet, das, aus der Mitte des XV. Jahr-
hunderts herrührend, der Pfarrkh'che von Neu-Haaren angehört
und vielleicht früher als Brustkreuz von Seiten der Aebtissin von St.
Ursula in Cöln, woher es stammen soll, getragen worden sein dürfte.
Gleichwie die Miter, der bischöfliche Stab und die übrigen Ab-
zeichen der olierhirtlichen Würde nach Ablauf des Mittelalters in der
sogenannten Jlenaissance-Periode über Gebühr sich zu erweiteren
und durch eine Fülle von meist nichtssagenden Ornamenten die
Leere und Armutli der Composition zu verdecken suchten, so
diente auch gegen Schluss des XVI., mehr aber noch im XVII.
und XVIII. Jahrhundert, das bischöfliche Kreuz dazu, dem Bijou-
teristen erwünschte Gelegenheit zu geben, um die Vorderfläche
desselben mit einer Menge der kostbarsten Edelsteine in leuchtenden
Farben und von ausgesuchter Sclüeifung zu heben und zu verzieren.
So linden sich aus diesem Zeitabschnitt in den verschiedenen Ka-
thedralschätzen des Abendlandes noch eine Menge der kostbarsten
Brustkreuze vor, die weniger durch ihre kunstreich entwickelte
Form , als durch Grösse und Ueberladung mit einer Menge von
facettirten Edelsteinen dem Beschauer zu imponiren suchen. Die
ältere überUeferte Form und che Einrichtung dieser encolpia als
Rehquiarien ist bei den meisten dieser modernen Prachtkreuze
verloren gegangen.
In jüngster Zeit ist für den derzeitigen Erzbisthumsverweser
von Cöln, Weihbischof Dr. Baudri, ein mustergültiges Pectoral-
kreuz als Reliquiar in grösster Vollendung der Technik wieder an-
gefertigt worden, das in seiner äussern Form und Verzierung jenem
reich ornamentirten Kreuze entlehnt ist, das sich auf dem deut-
schen Reichsapfel, aufbewahrt im Schatze der Kaiserbm-g zu Wien,
vorfindet, und welches auf Tafel II, Figur 2 unseres Werkes: »Die
lüeinodien des heiligen römischen Reiches deutscher Nation«, abge-
bildet und auf Seite 13 u. 14 beschrieben worden ist. Auch wurde in
neuester Zeit für den hochwürdigsten Bischof von Trier, Dr. Pell-
dram, nach dem genialen Entwürfe des Architekten Schneider ein
reichverziertes bischöfliches Brustkreuz im Style des XII. Jahrhun-
derts als Reliquiar in meisterhafter Arbeit von Stifts-Goldschmied
Vogeuo in Aachen angefertigt, das in seiner äussern P'orm und
Verzierungsweise wieder mit jenen ältern encolpia übereinstimmt,
wie sie im XII. und XIII. Jahrhundert, der Blüthezeit der kirchlichen
— 218
Goklschmiedekunst , zahlreich Entstehung fanden. Wir haben auf
Taf. XXIX, Fig. 4 dieses schöne Pectorale in verkleinertem Maass-
stabe bildlich wiedergegeben.
c. Der bischöfliche Stab (virga pastoralis, pedum).
Unter den hervorragendem Abzeichen der bischöflichen Würde
dürfte der bischöfliche Stab wolil das höchste Alter beanspruchen.
Was seit den ältesten Zeiten bei den Fürsten und Königen des
Morgen- und Abendlandes das königliche Scepter galt, dieselbe
Bedeutung ist wolil in der abendländischen Kirche dem bischöf-
lichen Stabe zuzusprechen, der bei ältern Schriftstellern bald den
Namen haculus pastornlis, bald virga oder pedum führt. Es güt
nämlich der Stab in der Hand des Bischofs als Zeichen der Würde
und des Ansehens, ferner als Abzeichen der Sorgfalt und Milde,
endüch aber auch als Symbol gerechter Strenge und verdienter
Züchtigung. Seit alter Zeit schon pflegte man die Bedeutung und
den mystischen Sinn, den der Hirtenstab in der Hand des Bischofes
als Führers und Hirten der ihm anvertrauten kirchlichen Heerde
hat, in folgenden bekannten Versen zusammenzufassen:
«Colhge, sustenta, stimula,
Vaga, morbida, lenta,«
oder auch in dem andern Verse :
«Attrahe per primum,
Medio rege, punge per imum!«*)
Dass der alte Ordo Romanus, dessgleichen auch das oftge-
dachte IV. Concil von Toledo bereits vom bischöflichen Stabe als
Abzeichen der bischöflichen Würde sprechen, kann als Beweis an-
gesehen werden, dass in dieser fernliegenden Zeit der Stab als
bischöfliche Insignie schon längere Zeit in der Kirche bestand 2).
1) Ein verwandter Sinn ist auch ausgedrückt in den Worten, die zu
lesen sind auf dem Pastoralstabe des Bildes des hl. Saturninus zu
Toulouse: »Curva trahit, quos recta regit, pars ultima pungit.« In
einem andern Verse findet sich ein verwandter Gedanke hinsichtlich
der Bedeutung des Bischofsstabes ausgesprochen, der also lautet:
»Curva trahit mites, pars pungit acuta rebelies.«
^) Cfr. Concilium Toletanum sub Honorio I., celebratum a. 633, c. XXVII.
— 219 -
Schon der h. Gaudenz von Brescia erwähnt in einer Rede über die
bischöfliebe Würde (um das Jahr ;387) des Hirtenstabes mit fol-
genden Worten: Jam non propter se baculum portat, sed propter
eos, quibus dici necesse est: Quid vultis? in \irga, veniam ad vos
an charitate?')
Wenn es der Raum gestattete, würde es ein Leichtes sein,
hier in langer Reilie die Beweisgründe anzuführen, dass sowolil in
der abendländischen wie in der morgenländischen Kirche die bi-
schöflichen Stäbe als Abzeichen der oberhirtliclien Würde liturgisch
fortwährend sich in Gebrauch befanden 2). Diese Stäbe waren in den
frühesten Zeiten meistens niedrig und einfach gehalten; im Laufe
der Jahrhunderte jedoch haben sie sich, wie überhaupt alle litur-
gischen Pontificalornate, hinsichtlich ihrer Gestalt und ihrer äussern
Ausstattung reicher entwickelt^). Den Namen virga pastoralis,
gleichbedeutend mit dem lateinischen Auscb'uck pedum, führt schon
seit den ältesten Zeiten der bischöfliche Stab, um die Aehnlichkeit
anzudeuten, die derselbe hinsichtlich seiner obern Krümmung mit
einem gewöhnlichen Hirtenstabe hatte. Bei Honorius lieisst er
ferula, und zwar, wie es Bona weiter erklärt, von dem Ausdruck
feriendo, da er als Stab der Züchtigung zu betrachten sei. In dem
Leben des hl. Gallus und Magnoaldus wird er cambuta genannt,
welches daselbst mit baculiis retortus erklärt ist. Im Testamente
des hl. Remigius bei Flodoardus wird der Bischofsstab argentea
cambuta figurata genannt. In den ältesten Zeiten scheint nämlich
dieser Stab aus edlen Holzarten angefertigt gewesen zu sein, die
auf der äussern Oberfläche mit goldenen und silbernen Ornamen-
ten häufig beschlagen waren. Mit den Ausdrücken capuita, cam-
buta, zuweilen auch camboca oder sambuca, welche der Bischofs-
stab bei Einigen führt, dürfte auf die Holzart hingedeutet sein,
aus welcher der bischöfliche Stab gebildet wurde, namentlich mit
») Cfr. I. Corinth. IV.
Auch Beda Venerabiiis spricht an der Stelle, wo er von den septem
Ordines handelt, vom bischöflichen Stabe (pedum) als einer auszeich-
nenden bischöflichen Insignie, die in der englischen Kirche schon
mehrere Jahrhunderte in Gebrauch war, indem er sagt: »Baculum
habet Episcopus, ut subditos regat, infirmos sustineat,« etc.
•') Die ältesten Pastoralstäbe waren anscheinend weit kürzer als die der
nachfolgenden Jahrhunderte, und endigten mit einem kugelförmigen
Knopf oder einem Taukreuz, ähnlich dem, welches in dem Grabmahle
Morards, Abtes von St. Germains des Pres aufgefunden wurde, welcher
im Jahre 990 starb. S. Mabillons Benedictiner-Anualen, p. 528.
— 220 —
den letzten zwei Bezeichnungen, welche auch Durandus in seinem
Rationale gebraucht. Anderweitig findet sich zu wiederholten Malen
das Cypressenliolz ei-wähnt, aus welchem die bischöflichen Stäbe ^)
angefertigt wurden.
Was nun die Gestalt des Stabes und seine künstlerische Aus-
bildung betrifft, so ist hier anzuführen, dass die griechische Kü-che
in der ältesten Zeit den bischöflichen Stab auf seiner Spitze nicht
in eine einfache Biegung, curvatnra, endigen liess, sondern denselben
zuweüen mit einem Kreuzzeichen, zuweilen auch mit einem Elfen-
lieinknopf, am häufigsten aber mit einem transversal gelegten
Stabe, ähnlich dem griechischen T, abschloss^). In späterer Zeit,
als in der lateinischen Kirche die curvattira des bischöflichen pedum
sich ornamental weiter entwickelte, bildete sich in der griechischen
Kirche bei den bischöflichen Stäben dieses Tau in einer Weise
aus, dass die Enden desselben sich zu Schlangenköpfen gestalteten,
die einander entgegengesetzt waren 3). Um über diese Materie nicht
zu ausführlich zu werden, über welche in den letzten Jahren eine
umfangreiche gelehrte Abhandlung von Abbe Martin mit vielen Ab-
bildungen erschienen ist, auf welche wir im Vorbeigehen verweisen
sei hier nur noch in Kürze bemerkt, dass bereits seit der karolin-
gischen Zeit, mehr aber noch in den Tagen der Ottonen, wo der
bischöfliche Stab auch in der abendländischen Kirche nach der Höhe
hin sich weiter entwickelte, derselbe häufig entweder ganz aus F^lfen-
bein, oder wenigstens in seiner obern Ausmündung aus diesem Ma-
terial künstlerisch angefertigt zu werden pflegte, und zuweilen auch
in einzelneu Theilen aus edlem Metalle, Silber und Gold, gestaltet
wurde. In dieser Weise stellen sich auch einzelne bischöfliche Stäbe
aus dem X. Jahrhundert dar, von denen Willemin drei abgebildet hat.
Der erste dieser Stäbe gehörte dem Erzbischof von Rheims, Ataldus,
welcher im Jahre 933 starb. Dieser Stab ist von vergoldetem Kupfer,
mit Emaü verziert und endigt in eiu Elfenbeinki-euz von eleganter
') Stephani Tornacensis Epist. 233 et seq.
^) Goar, in notis ad Euchologium, pag. 313.
Auf die Form des griechischen Tau, in welche auch in der lateini-
schen Kirche die Stäbe der Bischöfe vor dem X. Jahrhundert viel-
fach ausmündeten, scheint auch noch die heute in Frankreich ge-
bräuchliche Benennung crosse, jedenfalls herkommend von dem Worte
crocea, gebildet aus crux, hinzudeuten.
*) Melange d'Archeologie , publie par Arthur Martin et Charles Cahier,
tom. IV, pag. 161-256, pl. XV— XIV. Paris, 1&.56.
— 221 —
Zeichnung. Der zweite gehörte dem Bischof Ragenfredixs, von
Chartres, welcher, nach Mabülons Angabe, um das Jahr 960 starb.
Derselbe ist aus Kupfer geformt und mit emaülirten Ornamenten
sowohl am Knopfe als am Kreuze geschmückt, welches letztere
mit hoher Vollendung gearbeitet ist. Am Rande liest man folgende
eingravirte Inschrift: f FRATER WILLI ELMUS ME FECITM-
Hält man in deutschen Kathedralen und Kirchenschätzen nach
altern bischöflichen Stäben Umfrage, so dürften, was Alter und
kunstreich entwickelte Formen betrifft, besonders drei peJa hier
hei'vorzuheben sein, die von französischen und englischen Archäo-
logen bisher übersehen worden sind. Hierhin ist zu zählen der
höchst merkwürdige Stab im Schatze der ehemaligen reichsfrei herr-
lichen Stiftskirche zu Quedlinburg, ferner (he bischöfhche virga im
Schatze der von Kaiser Otto III. und dem h. Erzbischof Heribert
gestifteten Benedictiner-Abtei Deutz, und endlich jenes pediim von
grosser Seltenheit, welches sich heute noch im Schatze der Dom-
kirche zu Limburg an der Lahn befindet.
Der erstgedachte Stab, zu Quedlinburg befindlich, den wir auf
Tafel XXX, Figur 1 in verkleinertem Maassstabe bildlich wiedei-
geben, besteht aus einem harten Holze, und ist, wie es die Abbil-
dung zeigt, mit dünnen Goldblechen und Filigranirungen stellen-
weise bekleidet. Die curvatura desselben zeugt für ein hohes
Alter, indem sie einfach in Form eines Hirtenstabes ohne alle
Verzierung in schwacher Rundung ausmündet. Schenkt man der
localen Ueberlieferung Glauben, so dürlte dieser Stab dem X. Jahr-
hundert angehören und als virga einer Aebtissin aus den Tagen
der Ottonen zu betrachten sein.
Der zweite der obengedachten Bischofsstäbe, im Schatze zu
Deutz befindlich, und von der örthchen Tradition dem h. Heribert
zugeschrieben, zeigt die einfachere niedrige Form der bischöflichen
') Wir bedauern, an dieser Stelle auf die vielen heute noch in Frank-
reich, England und Italien erhaltenen bischöflichen Stäbe von hohem
Alter und vielfach in kunstreich verzierten Formen des beschränkten
Raumes wegen nicht weiter eingehen zu können. Ein umfangreiches
Material über die bischöflichen Stäbe, deren künstliche Beschaffen-
heit, symbolische Bedeutung und Gebrauchsweise findet man ad
vocem »Crosse« zusammengetragen in dem trefflichen Sammelwerke:
»Dictionnaire d'orfevrerie, de gi-avure et de ciselure chretienne pai*
l'Abbe Texier. Public par l'Abbe Migne. Paris, 1857.
— 222 —
peda, wie sie im IX. Jahrhundert sowohl in der griechischen als
in der lateinischen Kirche in liturgischem Gebrauche sein mochten.
Derselbe besteht aus einem rohrfürmigeu gelblichen Holze, und
ist auf seiner Spitze, wie es die Abbildung auf Taf, XXX Fig. 2
zeigt, mit einer Ilandhabe von sculptirtem Elfenbein in Form eines
griechischen T bekrönt. Um schon Gesagtes nicht zu wiederholen,
verweisen wir hier auf unsere ausführliche Beschreibung und Ab-
bildung dieses merkwürdigen Stabes in unserm untenbezeichneten
Werk
Der dritte Stab aus dem Schatz des Trierer Domes herrührend,
und heute aufbewahrt im Domschatz zu Limburg an der Lahn, be-
ansprucht als Reliquie für sich das höchste Alter, indem er der
Ueberlieferung zufolge jener Stab sein soll, welchen der heilige
Apostel Petrus seinem Schüler Eucharius, erstem Bischof von
Trier, übersandte 2). Mit diesem Stabe soll Eucharius seinen Schüler,
den nachherigen Bischof Maternus, zweiten Bischof von Trier,
zum Leben wieder erweckt haben, wie die Legende es weiter
erzählt.
Lidern wir die Echtheit der Reliquie im Hinblick auf die
altehrwürdige Tradition der Trierer Kirche unbeanstandet lassen,
fügen wir hinsichtlich der Form und Verzierungsweise dieses
merkwürdigen Stabes noch hinzu, dass sowohl die ganze äussere
Erscheinung desselben als auch die Einfassung und Verzierungs-
') Siehe: Das heilige Köln, oder Beschreibung der mittelalterlichen
Kunstschätze Kölns in seinen Kirchen und Sakristeien, aus dem Be-
reiche der Goldschmiedekunst und der Paramentik. Von Dr. Franz
Bock. Leipzig, T. 0. Weigel. 1858—60. II. Lieferung, Seite 8-11,
Tafel XXIII, Figur 85.
An dieses Factum knüpft Innocenz III., lib. I, de Mysterio Missae,
cap. 62, und auch der hl. Thomas von Aquin (q. 3, a. .3, d. 24,
lib. IV. Sent.) weitläufige Betrachtungen an, wesswegen die römischen
Päpste sich der peda nicht zu bedienen pflegten. Durandus fasst sich,
sich berufend auf die oben citirte geschichtliche Angabe, kürzer zu-
sammen, indem er sagt: »Ita Petrus baculum a se removit, subditis
dedit, nec recuperavit.« Weiter fügen sowohl Innocenz III. als auch
Durandus und Andere, die ihm später gefolgt sind, noch hinzu, dass seit
dieser Zeit aus dem ebengedachten geschichtlichen und mystischen
Grunde die Päpste, nur wenn sie im Gebiete der Diöcese Trier ver-
weilten, sich des bischöflichen Pedum bedienten, sonst aber
nirgends.
— 223 —
weise mit ornamentirten Goldblechen als Beweise höclisten Alters
betrachtet werden können').
Mit dem XI. und XII. Jahrhundert beginnen die bischöflichen
Stäbe hinsichtüch ihrer Grösse und Verzierungsweise sich weiter
zu entwickeln, wie das an einer grossen Anzahl von heute noch
erhaltenen Exemplaren der spätromanischen Zeit leicht nach-
gewiesen werden kann. Um diese Zeit wird namentlich mit
eingeschmelzten Ornamenten die curvatura der bischöflichen Stäbe
vielfarbig verziert, und wechseln mit diesen leuchtenden Farb-
schmelzen stellenweise eingelassene Edelsteine ab, die den Glanz
dieser Insignien nicht wenig heben. Der bischöfliche Stab besteht
im XI. und XII. Jahrhundert hauptsächhch aus drei mehr oder
weniger reich verzierten Theilen : Dem untern Stabe (canna,
ßstula), dem darüber befindlichen Knauf und der Handhabe (nodus,
manubrium, pomelluni), und endlich der darauf befindlichen Krümme
(curvatura).
Der lauggestreckte Stab, der sich nach unten zuspitzt, und der
altern Vorschrift nach in eine metallene Spitze ausmündet, hat in
der Regel eine Höhe von 5 Fuss und wird stellenweise von einzelnen
künstlich prolilirten Ringen eingefasst und abgegränzt, wodurch
die Eintönigkeit des langen Stabes gehoben wird.
Der zweite Theil, der mehr oder weniger reich verzierte
Knauf, bildet das verbindende Mittelghed, um einestheils die obere
Krümme in sich aufzunehmen und zu befestigen, anderntheils um
mit einer runden hohlen Kapsel in Verbindung za treten, die die
Bestimmung hat, dem Stabe Einlass und Befestigung zu ge-
währen. Diese runde Kapsel, die vom Knaufe nach unten steigt
und als Büchse die obere Ausmündung des Stabes in sich auf-
nimmt, ist bei vielen romanischen Bischofsstäben mit einer ein-
gravirten Inschrift verziert, durch welche entweder die Bedeutung
des bischöflichen Hirtenstabes angedeutet, oder der Anfertiger
') Als Beitrag für die geschichtliche Entwicklung der bischöflichen peda
in den frühesten Zeiten würde gewiss eine monographische Beschrei-
bung der obengedachten merkwürdigen Stäbe im Schatze zu Limburg,
Quedlinburg und im Schatze der Liebfraueakirche zu Mastricht sehr
willkommen sein. Der an letztgedachtem Orte befindliche Krummstab
soll der Ueberlieferung zufolge vom hl. Lambertus, erstem Bischof
von Lüttich und Mastricht, herrühren, und zeigt derselbe hinsichtlich
seiner Gestaltung grosse Formverwandtschaft mit den beiden vorher-
gedachten virgae pastorahs.
— 224 —
oder Bestellgeber desselben bezeichnet wird. Der Knauf selbst,
der mit dieser Büchse in Vei'bindung steht, ist entweder ;i jour
durchbrochen oder mit eingeschmelzten oder niellirten Verzierun-
gen belebt, oder aber es befinden sich auf demselben getriebene
Ornamente, abwechselnd mit ungeschliffenen Edelsteinen in zier-
hchen Fassungen.
Den unstreitig formschönsten und reichverziertesten Theil des
bischöflichen Stabes bildet in der spätromanischen Kunstepoche
die obere Krümme, die häutig entweder in Elfenbein geschnitzt,
in reicher Bemalung und Vergoldung erscheint, oder auf ilu-en
Seitenflächen mit einer Fülle von eingeschmelzten Pflanzen- und
Thierornamenten gemustert ist. In diesen ciselhten silberver-
güldeten oder goldenen Ornamenten bot sich der Phantasie des
Goldschmiedes eine willkommene Gelegenheit dar, an dieser Stelle
Ornamente aus dem Thierreiche in Verbindung mit denen aus
dem Pflanzenreiche anzubringen.
Um hier nicht in Einzelheiten zu gerathen, verweisen wir
zum Belege des Gesagten auf die vielen Abbildungen von bischöf-
lichen Stäben, wie sie in der obengedachten Abhandlung von Abbe
Martin in reicher Abwechslung der Form abgebildet und be-
schrieben sind. Der Schluss des XII. und der Begimi des XIII.
Jahrhunderts kann unstreitig hinsichtlich der Entwicklung und
künstlerischen Anfertigung der bischöflichen Stäbe als jene Epoche
bezeichnet werden, in welcher namentlich von Seiten der Bild-
und Beinschneider die mustergültigsten und formschönsten bischöf-
lichen peda angefertigt wurden. Es war das jene Kunstepoche,
in welcher hauptsächlich die Innung der Yinugiers, welche voi'-
züglich im nördhchen Fi'ankreich ihren Sitz hatte, eine hervor-
ragende Thätigkeit bei Anfertigung religiöser Bildwerke in Elfen-
bein entfaltete. Von dieser Genossenschaft, die auch durch
Flandern an den Rhein reichte, und selbst nach Süddeutschland
und Norditalien durch ihre Schüler Vei'breitung fand, rühi-en heute
noch in Menge jene schönen curvaturae an älteren bischöflichen
Stäben her, die, aus einem Stück geschnitten, mit einzelnen ste-
henden Heiligenfiguren in der Innern Krümmung verziert sind, oder
die auf beiden Seiten der curvatura kleinere Scenen aus dem Leben
des Herrn und der allerseligsten Jungfrau als Füllung aufnehmen.
Auf Tafel XXX, Figur 3 ist eine solche stylistisch zai't gearbeitete
Krümme eines bischöflichen Stabes in Elfenbein veranschaulicht,
der, von der Innung der Ymagiers geschnitzt, aus der ersten
Hälfte des XIV. Jahrhunderts herrühren dürfte.
— 225 —
Auch in der betreffenden Abhandlung des Arth. Martin im IV. B.
der Melauges d'Archeologie sind auf Tafel XVIII und XIX zwei solcher
Stäbe aus dem Schluss des XIII. Jahrhunderts ersichtlich. Gegen
Mitte des XIV. Jahrhunderts, eines Zeitabschnittes, in welchem die
Goldschmiedekuiist mehr und mehr sich der selbstständigcn Behand-
lung und Entwicklung der Manzenweit begab und grüsstentheils von
der Architektur ihre Ornamente entlehnte, machte sich bei den Gold^
schmieden das Bestreben geltend, sowohl die Krümme der bischöf-
lichen Stäbe , die eine reichere Entwicklung zulicss , als auch den
untern Aufsatz der curvainra, den noilus oder das mamihriuni^ mit
architektonischen Verzierungen zu beleben, die mittelst Maasswerk-
formen, Fialen, Widerlagspfeilern, Strebebogen und andern Details
einen vollständigen architektonischen Aufbau repräsentirten.
Die Zahl solcher bischöflichen Stäbe, vielfach aus edlen Me-
tallen angefertigt, an welchen architektonische Ornamente die
Stehen der ehemaligen phantasievollen Pflanzengebilde, ausgeführt
in verschiedenartiger Technik, einnehmen, ist heute in kirchlichen
Schatzkammern, dessgleichen in öffentlichen und Privatmuseen nicht
gering anzuschlagen. Den unstreitig schönsten bischöflichen Stab,
hinsichtlich seiner reich entwickelten und technisch meisterhaft aus-
geführten I^inzelnheiten, besitzt heute noch der Schatz des Kölner
Domes. Auch bei diesem erzbischöfüchen Stabe von vergoldetem
Silber, dessen Flachtheile von einer Menge der kostbarsten einge-
schmelzten vielfarbigen Ornamente belebt sind, macht sich der über-
wiegende Einfluss der Architektur schon deutlich in der Krümme,
dessgleichen am Knaufe bemerklich. Wir haben in der zweiten Liefe-
rung unseres «hl. Köln« dieses prachtvolle pedum, das, aus der Mitte
des XIV. Jahrhunderts herrührend, vergeblich heute seines Gleichen
sucht, auf Taf. XII, Fig. 45 abgebildet und auf Seite 44 — 48 ausführ-
licher beschrieben. Die Krümme eines andern merkwürdigen Stabes,
und zwar eines pedum abbaiiale, hat sich auch noch in den Mauern
Kölns erhalten, das zum Belege dient, wie im XV. Jahrhiuidert
die Stäbe der Aebtissinnen in weiblichen Stiften beschaffen ge-
wesen sein mögen. Dieser merkwürdige Stab , aus Eichenholz
geschnitzt und mit reicher Vergoldung geschmückt, findet sich
heute noch in dem Schatze des ehemaligen St. Ursula-Stiftes zu
Köln vor^). Mit welchem Keichthume der Verzierungen, theilweise
') Vgl. die Abbildung und Beschreibung dieses pedum ahhatiale in der
II. Lieferung unseres »heiligen Kidn«, Seite 3 u. 4, Tafel VI, Fig. 24.
- 226 —
architektonischen Gebilden, theüweise der Pflanzenwelt entlehnt,
die Meister der Goldschmiedezünfte am Oberrhein und Niederrheiu,
dessgleichen in Schwaben die reichen Stäbe von Bischöfen und
infulirten Aebten, namentlich in ihrem obern Aufsatz, im XV.
Jahrhundert und besonders im Beginne des XVI. Jahrhunderts zu
überladen pflegten, davon dient heute noch eine grosse Zahl
bischöflicher Stäbe zum lehrreichen Beispiel.
Diese bischöflichen Stäbe aus der ausartenden Gothik, noch
mehr aber jene kostbaren Stäbe mit unerquickhchen Ueberladungeu
und geschmacklosen Zierereien, wie sie die spätere Renaissance-
und vollends die goldene Rococo-Zeit entstehen sah, entfernten
sich vollends von der Einfachheit und Zweckmässigkeit der
Foi-mgebilde an den frühmittelalterlichen Stäben so sehr, dass sie
den Trägern nicht mehr als naturgemässe Stütze dienten, sondern
von jetzt ab ihnen im wahren Sinne des Wortes nur zu einer
schweren Bürde wurden.
Es dürfte sich uns in einem andern Werke nächstens Gele-
genheit bieten, bei den geschichtlichen Nachweisen, welche die ver-
schiedenen hturgischen Gefässe im Mittelalter genommen haben.
Ausführlicheres über die Episcopal- und Abbatialstäbe unter Bei-
gabe der nöthigen Abbildungen zusammenzustellen. Wir begnügen
uns deswegen hier mit den obigen kurzen Andeutungen über Ge-
stalt und Entwicklung der bischöflichen Stäbe im Mittelalter, und
fügen hier nur noch einige Andeutungen über das Vorkommen
jenes stofi"lichen Ornamentes hinzu, das seit dem XIV. bis zum
XVII. Jahrhundert an den Pastora] stäben der Bischöfe und Aebte
sich häufiger vorfand. Es ist dies ein mehr oder weniger reich
verziertes Tuch, das ehemals entweder an der curvatura oder am
nodus des bischöflichen Stabes befestigt war. Bei altern litur-
gischen Schriftstellern findet man für dieses an den virgae pasto-
rales befindliche stoffliche Ornament verschiedene Benennungen,
aus denen sich nicht undeutlich der Zweck errathen lässt, dem
diese stoffliche Verzierung gewidmet war. Zuweilen wird es ora-
rium, zuweilen velum, dann aber auch wieder siidarium oder pan-
nisellus genannt. Der Name orarium dürfte als identisch mit su-
darium zu betrachten sein, indem sich dieses Tuches der Bischof
bei Verrichtung von anstrengenden Amtshandlungen, namentlich
zur Sommerszeit, als Schweisstuches bedienen konnte. Der Name
velum, der sich, wenn auch seltener, für dieses stoffhche Ornament
vorfindet, scheint indessen darauf hindeuten zu wollen, dass dieses
— 227 —
Tüchelchen benutzt worden sein dürfte, um damit die Hand zu
umwickehi und zu verhüllen. Da aber meistens der Bischof oder
infuhrte Abt das pedum trägt, wenn er sich mit den chirothecae
bekleidet hat, so verliert dadurch die Ansicht derer eine Stütze,
die da glauben, das velum habe an dem bischöf heben Stabe sich
deswegen vorgefunden, damit im Winter die Hand beim Anfassen
des meist metalhschen Stabes nicht von der Kälte berührt, und
damit dadurch auch zugleich verlündert worden sei, dass durch
das Angreifen des Metalls die Hand des bischöflichen Trägers
beschmutzt werde. Erwägt man jedoch, dass diese vela an altem
bischöflichen Stäben meistens aus einem gazeartigen, äusserst
feinen Leineustoff bestanden, den man im Mittelalter bi/ssus nannte,
und den wir heute seiner stoffhchen Beschaffenheit wegen crcpe de
Chine nennen würden, und der seiner Durchsichtigkeit wegen sich
vortreffhch als Schweisstuch , am allerwenigsten aber als Schutz
gegen Kälte und Beschmutzung eignete, rechnet man hierzu
noch, dass Dui-andus an der Stelle, wo er von dem bischöflichen
sudarium handelt , ausdrücklich anführt , dass in verschiedenen
Kirchen der Gebrauch bestehe, dass bei bischöflichen Pontifical-
messen ein Diakon das sudarium halte und vorübergehend auf die
rechte Seite des Altares lege; so dürfte die Annahme berechtigt
erscheinen, dass dieses Ornament in einzelnen Diöcesen unmittelbar
dem bischöfhchen Stabe als Schweisstuch beweglich angehängt
worden sei, in einer Weise, dass der Bischof sich nicht nur des
selben bedienen konnte, wenn er am Altare das heilige Opfer
verrichtete, sondern auch bei jeder Gelegenheit, wo er mit dem
pedum in der Hand seinen bischöflichen Amtsverrichtungen oblag.
Liesse sich diese Annahme, dass nämlich das velum oder pan-
nisellus an bischöflichen Stäben als ein mehr oder weniger reich
verziertes Schweisstuch gedient habe, durch anderweitige Belege
erhärten, so würde dadurch die Meinung derjenigen Schriftsteller
entkräftet, die da angenommen haben, dass dieses velum nur an
den Stäben der infulirten Aebte sich ehemals befunden habe, und
dass durch dieses stoffliche Ornament (he infulirten Aebte bei
öffentlichen Feierliclikeiten von den Bischöfen sich unterschieden
haben.
Dass diese letztere Annahme in neuester Zeit Verbreitung ge-
funden hat, dürfte von einer Bestimmung herrühren, die sich in
den Acten des Concils von Mailand findet, das unter dem h. Karl
Borromäus gegen Schluss des XVI. Jahrhunderts gefeiert wurde.
16
— 228 —
Diese Stelle lautet: «Orario aut sudario non ornatur (baculus) si
episcopalis est, quo insigni abbatialis ab illo distinguitur« i).
Im Hinblick auf diese Angabe und die genauen Bestimmungen
der Mailänder Synode hinsichtlich der Form und Bescha,ffenheit
der verschiedenen liturgischen Gebrauchsgeräthe lässt es sich nicht
in Abrede stellen, dass vielleicht in der Mailänder Diöcese und
überhaupt in Italien das panniseUus ein distinguirendes Oi'nament
an den Ki'ummstäben der infulirten Aebte war, und dass dasselbe
an bischöflichen und erzbischöflichen Stäben felüte. Indessen be-
weisen eine grosse Zahl von Miniatur- und Tempera-Malereien,
desgleichen auch eine Menge bischöflicher Statuen in Stein, dass in
England, Frankfeich und Deutschland dieses sudarium nicht nur
an den Stäben der Aebte, sondern auch an denen der Bischöfe
und Erzbischöfe häufig sich vorfand. Auch Dr. Rock citirt in sei-
nem unten angeführten Werke eine Anzahl von Grabmonumen-
ten in enghschen Kathedralkirchen, in welchen an den Stäben
bischöflicher und erzbischöflicher Statuen dieses velum angetroffen
wird, das zuweüen frei herunterhängt, zuweilen aber auch spiral-
förmig um den bischöflichen Stab gewunden ist.
Da die bischöflichen Sudarien aus feinen Leinenstoffen be-
standen, und der Reinigung mittelst Waschens vorübergehend un-
terworfen waren, so kann es nicht auffallend erscheinen, dass in
altem kirchlichen Schatzverzeiclinissen dieser panniselli, da sie in
der Regel Stücke ohne Werth waren, keine Erwähnung geschieht.
Nur in dem Prager Schatzverzeichniss vom Jahre 1387, das in
grosser Vollständigkeit sämmtüche stoffliche und metallische Or-
nate und Kleinodien von St. Veit aufzählt, finden sich einzelne
oraria namhaft gemacht, die reicher verziert gewesen zu sein schei-
nen. Dieselben werden in einem besondern Abschnitt näher be-
zeichnet, wie folgt:
Rubrica de pannisellis.
Item panniseUus dictus pasnyezye pendens in curvatura, pri-
mus est de perlis cum nodis argenteis ^) deauratis habens ima-
') Acta Synodalia Ecclesiae Milanensis, lib. II. de bac. past., p. 627.
^) The church of our fathers, tom II, pag. 211.
^) Der obere Theil dieser Pannisellen war, altern Darstellungen zufolge,
in Form eines Dreiecks mit reichen Stickereien verziert und an den
drei Ecken befanden sich drei Knöpfchen, die ähnlich denen an den
vier Ecken der bursa corporalium auf Tafel XVII, I. Bd., 2. Lief mit
Perlen verziert waren.
— 229 —
ginem Christi^). — Item secundus pannisellus cum perlis et tribus
nodulis perlarum. — Item duo paria zandaliorum et duo paria
caligarum.
Hält man nun Nachfrage, wo sich heute noch solche bischöf-
liche pannisflU erhalten haben, so muss hier im Vorbeigehen dar-
auf hingewiesen werden, dass von allen liturgischen stofflichen
Ornatstücken diese bischöflichen oraria die seltensten sind. So-
weit unsere Forschung reicht, haben sich nämlich heute nur noch
wenige solcher panniselli erhalten, die sämmtlich aus dem XIV. Jahi-
liundert herzurühren scheinen. Eines derselben befindet sich in
dem königlichen Museum zu Berlin, das mit dem auf Tafel XIV,
Figur 1, II. Bd., 4. Lieferung abgebildeten grosse Formvei'wandt-
schaft aufweist. Ein zweites sudarium hat sich in der Sammlung
mittelalterlicher Webereien und Stickereien des Kensington-Museums
zu London erhalten, imd dürfte als Mustervorlage dienen, in
welchen Formen und mit welchen Verzierungen die bischöflichen
Schweisstücher im XIV. Jahrhundert angefertigt zu werden pfleg-
ten. Wir geben auf Tafel XIV, Figur 1, II. B. 4. Lief, dieses
interessante Tüchelchen, jedoch in sehr verkleinertem Maassstabe
bildlich wieder und fügen noch folgende Notizen hinzu. Wie die
betreffende Abbildung es andeutet, besteht dieser pannisellus aus
einem mittelfeinen Byssusleinen, und hat dasselbe die Form einer
Glocke, die sich nach unten bedeutend erweitert. Der untere
stoffhche Theil des Tüchelchens, das stets durch Waschen gerei-
nigt werden konnte, zeigt eine bis oben durchgehende Oeffnung,
die auf beiden Seiten mit zwei schmalen gestickten Streifen ein-
gefasst wird, auf welchen, in vielfarbiger Seide gestickt, quadra-
tische, mäanderförmige Musterungen ersichtlich sind. Der obere
Theil unseres Tüchelchens, an welchem sich vielfarbig in Seide ge-
arbeitete Schnüre mit gewirkten Knoten (noduli) zum Aufhängen
desselben an der Krümme des bischöflichen Stabes befinden, be-
steht aus einem viereckig länghchen Besatz, der, im Innern offen,
auf Unterlagen von Pergament, nach beiden Seiten quadratisch
geordnete, gestickte Verzierungen auf feinem Seidenstramin zeigt,
') Mitten in diesem dreieckigen Ornament, ähnlich wie dasselbe an dem
pannisellus des bischöflichen Stabes auf Tafel XVII, II. B., 4. Lief.,
ersichtlich ist, befand sich wahrscheinlich das Antlitz des Herrn in
Stickerei dargestellt, wodurch die Bedeutung des in Rede stehenden
Schweisstuches nach dem Vorbilde des sudarium der hl. Veronica ge-
kennzeichnet war.
16*
— 230 —
die zu den schönsten sogenannten a la Grecque-Mustern gehören,
wie solche in der letzten Hälfte des XIV. Jahrhunderts zahlreich
angefertigt wurden.
Ein drittes sudarium sahen wir an einem Stabe aus der Mitte
des XV. Jahrhunderts, der sich im bischöflichen Museum zu
Münster befindet. Dem gnädigen Entgegenkommen des hochwür-
digsten Bischofs Dr. Georg Müller von Münster verdanken wir die
Zusendung einer photographischen Aufnahme dieses Stabes nebst
Tüchelchen, die auf Tafel XXX, Figur 4 abgebildet sind.
Am Schlüsse dieser kurzen Andeutungen über Gestalt und
Beschaffenheit der Stäbe von Bischöfen und Aebten und ihre
Verzierung durch das Anhängen der panniselli, sei noch darauf
hingewiesen, was von liturgischen Schriftstellern der ältern und
neuern Zeit hinsichtlich der Art und Weise, das pedum zu tragen,
angefühlt worden ist, und wie der Bischof sich vom Abte in der
Haltung des Stabes unterschieden habe. So wäre es Regel gewesen,
dass im Mittelalter der Bischof die Krümme des Stabes immer nach
Aussen gewandt habe, wohingegen der Abt und die mitrirten Digni-
täten der Kapitel die curvatura des Stabes, meistens nach Innen
gekehrt getragen hätten. Dadurch hätte angedeutet werden sollen,
dass sich die Amtsgewalt des Bischofes über die ganze Diöcese
erstrecke, während die Befugnisse des Abtes nicht über den Um-
fang der Abtei hinausreichten. Obschon das Ceremoniale Epis-
coponirn mit allgemeinen Worten vorschreibt, dass der pontifici-
rende Bischof im Hingange zum Altar den Stab «in manu sinistra,
parte curva bacidi ad populum versa« tragen solle, so finden sich
doch hinsichtlich der Haltung der curvatura nach der Innern oder
äussern Seite bei ältern Liturgikern keine bestimmten Vorscliriften.
Dessgleichen ist es auch bei mittelalterlichen Darstellungen von
Bischöfen und Erzbischöfen im vollen Ornat nicht ersichtlich, dass
die lü'ümme des Stabes sich immer nach Aussen wende, hingegen
die der Aebte nach Innen gekehrt sei. Wir haben in den letzten
Jahren auf che Lage der Curvatur des Stabes bei Besichtigung der
betreffenden Tafel- und Miniaturmalereien, dessgleichen von ein-
schlagenden Sculpturen unser Augenmerk gerichtet, in den meisten
Fällen jedoch die Ueberzeugung gewonnen, dass zum Wenigsten den
Künstlern bei Darstellung von bischöflichen und äbtlichen Bildwer-
ken diese Vorschrift nicht bekannt gewesen sein dürfte, indem bei
vielen derartigen Darstellungen von Bischöfen die Krümme nach
Innen und umgekehrt bei denen der Aebte dieselbe nach Aussen
gewandt ist. Ein sehr geübter Kenner der altkirchhchen Kunst
— 231 —
und Litm-gie, Dr. Rock, gibt in seinem mehrfach citirten Werke
(The church of our fathers, tom II, p. 208) an, dass er dieselbe
Beobachtung an vielen mittelalterlichen Darstellungen von Bischö-
fen und Aebten in englischen Kirchen gemacht habe. Aus dem
oben Gesagten dürfte also zu entnehmen sein, dass im Mittelalter
hinsichtlich der Neigung der lü'ümme nach Aussen oder nach Innen
keine liturgische Bestimmung als allgemein gültige Vorschrift vor-
lag, und dass erst gegen Schluss des Mittelalters in einzelnen Diö-
cesen dieser Brauch eingeführt worden sei.
Nachdem im Vorhergehenden der liturgische Ornat, wie der
pontilicirende Bischof bei Feier der heihgen Geheimnisse sich
desselben bedient, ausführlicher besprochen, und die künstlerische
Entwicklung und Gestaltung im Laufe des Mittelalters unter Bei-
gabe der nöthigen Abbildungen nachgewiesen worden ist, wäre es
hier am Scldusse der Beschreibung sämmtlicher einschlagenden
Ornatstücke am Orte, in einer genauen bilcUicheu Darstellung zu
veranschaulichen, in welcher Reihenfolge nicht nur der pontilici-
rende Bischof sich mit diesen verschiedenen Ornaten bekleidet,
sondern auch wie nach Anlegung derselben der vollständige habi-
tus pontißcalis sich im Bilde darstelle.
Bereits früher ist an anderer Stelle darauf hingewiesen worden,
dass der vorliegende kunstgeschichtliche Nachweis über Entstehung
und Entwicklung der liturgischen Gewänder es vorzugsweise bezwecke,
auch der heutigen bildenden Kunst dienhch und förderlich zu wer-
den. Da es nun die Erfahrung lehrt, wie schwer es in neuerer Zeit
dem Maler und Bildhauer fällt, bei Darstellung von Bischöfen und
Päpsten die betreffende Pontificalkleidung so anzuordnen und zu ge-
stalten, dass dieselbe mit den liturgisch-rituellen Vorschriften voll-
kommen in Einklang stehe, und dass au derselben auch in chronolo-
gischer und archäologischer Beziehung keinerlei Verstösse vorkom-
men, so nehmen wir hier gerne Gelegenheit wahr, an einer bildlichen
Darstellung, unter stetem Hinweis auf das in den vorhergehenden
Abhandlungen Gesagte, es anschaulich zu machen, wie der ge-
sammte Pontifical-Ornat der Reihe nach angelegt, mit welchen
Namen die einzelnen Stücke benannt werden und wie nach der
Anlegung die Form, der Schnitt derselben sich im Bilde darstellt.
Die Figur auf Tafel XXXI veranschaulicht einen Bischof in
jenen kirchlich feststehenden Pontiticalgewändern , wie dieselben
— 232 —
vom XIII. bis zum XVI. Jahrhundert mit geringen Abweichungen
in deutschen Diöcesen allgemein in Gebrauch waren.
Die bischöflichen Pontificalgewänder
in ihrer Gebrauohnahme und Reihenfolge der Anlegung,
ersichtlich auf Tafel XXXI, Figur 1.
A. Stoffliche Ornate.
I. und 2. bischöfliche Strümpfe und Sandalen (tibialia et san-
dalia). Beschreibung derselben, Band II, Seite 2 bis 19. Abbil-
dung auf Tafel I.
3. Das Schultertuch mit seiner gestickten Verzierung (amic-
tus, humerale cum plaga, parura). Beschreibung desselben, Band II,
Seite 19 bis 31. Abbüdung auf Tafel II.
4. Die Albe mit ihren gestickten Verzierungen {camisia, alba
cum plagis, praetextis). Beschreibung derselben Band II, Seite 31
bis 50. Abbildung auf Tafel III und IV, Figur 1.
5. Der Gürtel zur Aufschürzung der Albe und zur Befestigung
der Stola (cingulum, zona). Beschreibung desselben, Bd. II. von Seite
50 bis 62. Wird in der Abbildung auf Taf. XXXI, Figur 1 von
den Obergewändern ganz bedeckt, ist jedoch auf Tafel IV, Figur 1
und auf Tafel V, Figur 2 und 4 ersichtlich.
6. Die Stola {stola, orarium). Beschreibung derselben, Bd. II.
von Seite 62 bis 83. Abbildung auf Tafel IV, Figur 1 und Tafel
VIII, Figur 3.
7. Die Tunica (tunicella, subtile). Beschreibung derselben, Bd. II.
von Seite 83 bis 101. Abbüdung auf Tafel V, Figur 1, und Tafel
XXXI, Figur 1.
8. Die Dalmatica (dalmaiica). Beschreibung derselben, Bd. II.
von Seite 83 bis 101. Abbildung auf Tafel VII, Figur 1, und
Tafel IV, Figur 2.
9. Das Messgewand mit den gestickten Stäben (casula, pla-
neta cum aurifrisiis). Beschreibung desselben Bd. II. von S. 101 bis
129. Abbüdung auf Tafel VIII, X und XII, Figur 1.
10. Die Pontifical-Handschuhe (chirothecae, manicae). Beschrei-
bung derselben, Bd. II. von Seite 131 bis 148. Abbüdung auf Ta-
fel VII, Figur 2 und 3. Dessgleichen Tafel XIX Figur 1 bis 4 und
Tafel XX, Figur 1 bis 3.
II. Die Infel (infula, mitra, tiara). Beschreibung derselben
von Seite 148 bis 186. Abbildung auf Tafel XXI bis XXV.
— 233 —
12. Der Manipel (mantpulus, fanon) Beschreibung Bd. II von
Seite 79—83. Abbildungen Taf. VI, I. Bd. II. Lief, und Taf. VIII,
Figur 2, II. Bd. Anlegung am linken Arm Tafel XXXI, II. Bd. erst
nach dem Staflfelgebet.
B. Metallische Pontificalien.
12. Der Ring (annulus). Beschreibung von Seite 205 bis 212.
Abbildung auf Tafel XXVIII, Figur 1—6.
13. Das Brustkreuz (crux pectoralis, encolpium). Beschreibung
desselben Bd. II. von Seite 213 bis 218. Abbüdung auf Tafel
XXIX, Figur^ 1—4.
14. Der bischöfliche Stab (baculus pastoralis, virga, pedum).
Beschreibung desselben, Bd. II von Seite 218 bis 231. Abbildung
auf Tafel XXX, Figur 1—4.
C. Besondere auszeichnende Ornate für den Bischof und den Erzbischof.
15. Das gallicanische Palhum {pallium gallicanum, rationale
episcoporum). Beschreibung desselben Bd. II. von Seite 194 bis 205.
Abbildung auf Tafel V, I. Bd. 3. Lief., Tafel XXVI, Figur 2, II. Bd.
Tafel XXVII, Figur 1—6.
16. Das erzbischöfliche Pallium (pallium romanum). Beschrei-
bung desselben Bd. II. von Seite 186 bis 194. Abbildung auf Tafel
XKVI, Figur 1 und 3.
Als wir vor Erscheinung der I. Lieferung des vorhegenden
Werkes den gevs^agten Versuch machten, in einem Inhaltsverzeichniss
alles das zusammenzufassen, was bei dem damals noch projektirten
Werke der Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters«
eine eingehende Besprechung erfordern würde, hatten wir noch keine
genaue Uebersicht von dem Umfang und der Tragweite alles dessen
gewonnen, was wir in unserm ersten Prospektus, abgetheilt in 12
Kapitel und in sechs Lieferungen, zu bieten beabsichtigten. Bei
dem durchaus neuen Stoff, der vor uns, namentlich von seiner
kunstgescliichtlichen Seite, noch nicht behandelt worden war, hat
sich bei Ausarbeitung der ersten Kapitel, wie wir das offen ein-
gestehen, das ereignet, was seit der Erfindung der Presse gar man-
chem Autor vor uns häufig begegnet ist: um nämlich den Le-
sern ein vielseitiges und zugleich möglichst abgerundetes Werk zu
bieten, hatten wir geglaubt, das reichlaaltige im ersten Prospektus
angedeutete Material in 6 Lieferungen vollständig behandeln zu kön-
nen. Nach Vollendung des ersten Bandes hatten wir jedoch die voUe
Ueberzeugung gewonnen, dass in dem'noch fehlenden zweiten Bande,
— 234 —
sich unmöglich Alles zur Abhandlung bringen liesse, was wir bei
Anlage des Werkes in sechs Lieferungen unterzubringen gehofft
hatten. Es blieb uns nun die Wahl, entweder in kurzen Umrissen
auf Kosten der Gründlichkeit unserer Arbeit alle jene Stoffe zu
behandeln, die im ersten Prospekt übersichtlich zusammengestellt
worden waren, oder aber uns darauf zu beschränken, die wichti-
geren Materien auszuwählen und dieselben mit der nöthigen Um-
sicht zu behandeln, dagegen aber die weniger wichtigen vorläufig
auszuscheiden und für eine abgesonderte spätere Bearbeitung auf-
zuheben.
Um daher in zwei Bänden mit je drei Lieferungen die vor-
liegende Arbeit zum Abschluss zu bringen, schien es geratheu zu
sein, abgesondert in einem umfangreichen Werke jene Kleinodien
und Krönungspontificalien eingehend zu besprechen, die seit den
Tagen der Hohenstaufen die deutschen Könige und Kaiser am
Tage ihrer feierlichen Salbung und Krönung in Gebrauch genom-
men haben Dessgleichen schien es auch zweckmässig, später in
einem besondern Werke die liturgischen Gewänder der unirten und
nicht unirten Griechen, der Armenier, Kopten und der übrigen
orientahschen Riten für sich selbstständig zu behandeln. (Vgl. Kap.
VIII des provisorischen Inhaltsverzeichnisses.) Was nun den Inhalt
der vier letzten Kapitel von IX bis XII betrifft, so haben wir es
für geeignet erachtet, die vornehmsten darin angedeuteten Ma-
terien stellenweise da zu besprechen, wo sie sich ohne Zwang in
den vorhergehenden und folgenden Lieferungen einreihen Hessen.
Es erübrigte nun, in dem kurzen Räume, der uns bis zum
Schlüsse des zweiten Bandes noch offen steht, Stoff, Gestalt und
künstlerische Beschaffenheit der priesterlichen Ornate und der Dia-
conen-Gewänder im Unterschiede von den einsclüagenden bischöf-
lichen Gewändern nur in allgemeinen Umrissen zu beleuchten, dess-
gleichen auch auf die liturgisch herkömmliche Bekleidung der
Sänger und Ministranten überzugehen, und endlich noch alle jene
stoffüchen Ornamente hinsichtlich ihrer Entstehung und künstleri-
schen Ausstattung zu besprechen die sowohl zur Verzierung des
Altares als auch der Kirche, bei besonderen Feierlichkeiten, in Ge-
') Nach achtjähriger Arbeit haben wir kürzlich im Allerhöchsten Auf-
trage Sr. Majestät des Kaisers Franz Joseph von Oesterreich dieses
umfangreiche Prachtwerk vollendet und ist Aussicht vorhanden, dass
eine einfache Quartausgabe in 4 Bänden desselben Werkes in nächsten
Jahren erscheinen wird.
— 235 —
brauch genommen werden. Da, wie wir im Vorhergehenden an
verschiedenen Stellen angedeutet haben, der celebrirende Bischof
in seiner Person die verschiedenen ordines des Subdiacons, Diacons
und des Priesters vereinigt, und demzufolge auch alle jene Ornat-
stücke trägt, wie sie nach kirchlichen Satzungen jedem ordo eigen-
thümlicli zustehen ; da ferner diese sämmthcheu Gewänder der drei
ebengedachten ordines, mit welchen der Bischof zugleich bekleidet
wird, wenn er als Pontifex die heiligen Geheimnisse feiert, im
Vorhergehenden eingehend besprochen und ihre Entwicklung und
ornamentale Gestaltung, wie sie im Laufe des Mittelalters sich aus-
gebildet hat, ausführlicher nachgewiesen worden ist, so werden
wir im Nachfolgenden, des engen Raumes wegen, der noch er-
übrigt, uns darauf beschränken, nur Weniges über Form und
Verzierungsweise der liturgischen Ornate dieser drei ordines nach-
zuholen, um so noch jene stoffhchen Ornatstücke besprechen und
durch Abbildungen anschauüch machen, zu können, deren kunst-
geschichtliche Entwicklung und Gestaltung in der christlichen Vor-
zeit von den liturgischen Schriftstellern der letzten Jakrhunderte fast
gar keine Beachtung gefunden haben.
Der Darstellung des Bischofs im vollen Pontifical-Ornat auf
Tafel XXXI , Figur 1 , sei auf derselben Tafel unter Figur 2 die
Abbildung eines Priesters, bekleidet mit jenen Gewändern, bei-
gesellt, wie derselbe sie das ganze Mittelalter hindurch bei Feier
der heiligen Messe zu tragen berechtigt war. Der gewöhnliche
celebrans ist mit dem im Folgenden verzeichneten sieben verschie-
denen vestes presbyteratus bekleidet, von denen die sechs ersten,
übereinstimmend mit den gleichen Gewändern des pontificirenden
Bischofs, hinsichtlich der Zeit ihrer Entstehung bis in die früh-
christlichen Jahrhunderte hinaufreichen ; nur das siebente und letzte
priesterliche indumentum, das Birrett, ist jüngern Ursprungs.
Gleichwie der Bischof das Vorrecht besitzt, unter dem Thron-
himmel oder am Altar stehend, sich mit den früher beschriebenen
bischöflichen Pontificalgewändern bekleiden zu lassen, so legt der
Priester, der Vorschrift nach, in der Sakristei, nicht aber unmittel-
bar am Altar die sechs iDriesterlichen Ornatstücke in dieser Reihen-
folge an:
1 . Das Schultertuch mit aufgestickten Ornamenten (humerale,
amictus cum plaga, parura).
2. Die Albe mit den vier Besatzstücken ((dba cum quatuor
praetextis, plagis),
3. Der Gürtel {zona, cingulum).
— 236 —
4. Die Stole (orarium, stola).
5. Der Manipel {fanon, manipulus).
6. Das Messgewand (planeia, casula).
Zur Vervollständigung des priesterlichen Messornates ist als
siebentes Bekleidungstück das birrettum im Laufe der letzten Jahr-
hunderte hinzugefügt worden. Endlich wird auch noch im weitern
Sinne als integrirender Theil zum Messgewande die Kelchbedeckung
gezählt, da dieselbe in der Regel von derselben stofflichen und
artistischen Beschaffenheit ist, welche das Messgewand erkennen
lässt. Desswegen wird die Kelchbekleidung bei altern Inventaristen
auch gewöhnlich als zusammengehörend mit dem Messgewande un-
ter der Bezeichnung angeführt : casula cum appenditiis oder perti-
neniiis suis.
Forscht man nun zunächst nach dem Unterschiede, der sich
bei den ebengedachten sechs priesterlichen Kleidungsstücken im
Gegensatz zu den entsprechenden bischöflichen Ornatstücken geltend
macht, so ist schon im Vorhergehenden gelegentlich darauf hin-
gewiesen worden, dass im Allgemeinen Schnitt und Form sowohl
an den priesterlichen wie den bischöflichen Gewändern durchaus
übereinstimmen. Nur allein in stoffhcher und künstlerischer Be-
ziehung zeichnet sich seit den frühesten Zeiten des Mittelalters bis
zur Stunde der reichverzierte bischöfliche Messornat vor den ein-
facher gehaltenen Paramenten aus, wie sie der Priester bei Feier der
h. Messe zu tragen pflegt, wie dies im Folgenden nachzuweisen ist.
- 237 —
€ a p i t e 1 Vr.
Der priesterliche Messornat und die Diaconen-
Gewänder.
1. Das Schultergewand.
Was zunächst das Humeral für den 'priesterlichen Gebrauch
betrifft, so ist zu erinnern, dass dasselbe meistens aus einem dichten
Leinenstoff bestand, der eine Reinigung durch Waschen leicht zu-
liess. Bereits_seit dem XII. Jahrhundert wurde dieses priesterUche
Schultergewand mit einer mehr oder weniger reichen äussern Rand-
einfassung verziert, wie das auf S. 20 bis 23 ausführlicher hervor-
gehoben worden ist. Diese Einfassung war gestickt und hiess plaga,
parvra, praeiexta. Ein interessantes priesterliches amictus mit einer
solchen einfach gestickten parura sahen wir kürzlich in dem reich-
haltigen Baierischen Maximihan-Museum zu München. Dessgleichen
findet sich in der Liebfrauen-Kirche zu Danzig eine Anzahl von
altern priesterhchen Schultertüchern, die anstatt der gestickten
Besatzstücke mit einem viereckig länglichen Seidenstoffe und unter-
legtem Leinenfutter an dem obern Rande verbrämt sind. Offenbar
waren diese plague mit eingewebten Musterungen von demselben
figurirten Seidenstoffe verfertigt, aus welchem auch das Messgewand
mit seinem Zubehör bestand.
Dass im Mittelalter bei Feier der h. Messe an gewöhnhchen
Tagen zuweilen auch Schultertücher ohne alle gestickten oder ge-
webten Randverbrämungen in Gebrauch genommen wurden, dürfte
imi so weniger in Zweifel gezogen wex'den, da in vielen älteren
Schatzverzeichnissen Angaben vorkommen, woraus erhellt, dass auch
in reichern Kirchen sich Messgewänder vorfanden, deren Humeral-
tücher, wie ausdrücklich vermerkt steht, sine praetextis aus einfachen
Leinenstoifen bestanden.
Im Unterschiede von den priesterlichen Schultertüchern, aus
Leinenstoflfen mit einfacher gearbeiteten plague verziert, zeichneten
sich seit dem XIII. Jahrhundert die bischöfhchen amictus häufiger
dadurch aus, dass sie entweder von weisser Taffetseide oder aber
von feinem hyssus angefertigt wurden, und dass che praetextae der-
selben meist durch Gold- und Perlstickereien kunstreich verziert
waren. Auf Taf. XI des I. B. 2. Lief, ist in reicher Perlstickerei
ein solches Besatzstück eines bischöflichen Humerals zu ersehen,
dessgleichen auf Tafel II von Fig. 2 — 5 B. II, \. Lief, mehrere
Besatzstücke von einfacher gearbeiteten plague, die als verzierende
— 238 —
Kragen an Schultertücher für priesterlichen Gebrauch angebracht
waren. Noch verweisen wir hier auf die Abbildung eines reich-
verzierten humerale, das ehemals bei den Krönungen deutscher
Kaiser eine hervorragende Anwendung fand. Leider ist dasselbe
mit noch zwölf andern Kleinodienstücken von untergeordneter
künstlerischer Bedeutung seit der Flucht der deutschen Reichs-
kleinodien von Nürnberg nach Eegensburg und Wien 1794 verloren
gegangen. Die ausführliche Beschreibung dessgleichen auch die
Abbildung dieses Schultertuches ist auf Seite 6 und 7 des An-
hanges unseres Werkes «Die Kleinodien des heüigen römischen
Reiches deutscher Nation« zu ersehen.
Hinsichtlich der stofflichen Ausdehnung und der Verzierungs-
weise der Schultertücher seit den letzten zwei Jahrhunderten führt
Gavantus in seiner Abhandlung «De mensuris propriis sacrae su-
pellectilis« Folgendes an: »Das Humeral sei von feiner Leinwand
3 Schuh (2 cub.) lang (d. h. die Ausdehnung nach beiden Seiten)
und 2 Schuh 3 Zoll (1^2 cub.) breit; an den beiden vordem Ecken
seien Bänder angenäht, die so lang sind, dass sie wieder zur Bnist
vorgezogen und gebunden werden können. In der Mitte des obern
Theiles sei ein Kreuz eingenäht P/2 Zoll (2 unc.) gross und zwar
zwei Finger breit vom Saume entfernt. Der Saum kann, mit Aus-
nahme des Theils, der um den Hals gelegt wird, mit einer bescheide-
nen Stickerei') versehen werden. In Frankreich werden an den vier
Enden des Humerale vier umbordete Löcher angebracht, um in
zweien derselben die Bänder zu befestigen und dieselben wieder
in zwei andere Löcher zu fügen, wenn eine Seite des Humerale
vom Halse des Priesters befleckt worden 2).
O 'jij Auch wird das Kreuz in der Mitte eingenäht, nicht am Rande,
damit nicht die Flecken beim Küssen Ekel erregen.«
*) Unter diesen Stickereien sind offenbar die plagae, parurae zu ver-
stehen, wie sie als mehr oder weniger reich verzierte Schilder bis zum
Schluss des XVI. Jahrhunderts in den meisten deutschen Diöcesen
dem Schultertuch als Ornament beigefügt zu werden pflegten.
Anstatt dieser Oeffaungen im Schultertuch fanden wir in einigen deut-
schen Kirchen vier Schlöppchen an den vier Ecken angenäht ; dieselben
kleinern Durchlässe oder Schlöppchen befinden sich auch an den bei-
den Schnüren des Schultertuches, so dass also durch diese einfache
Vorrichtung die Schnüre leicht eingelassen und wieder losgelöst wer-
den können.
— 239 —
2, Die priesterliehe Albe, und 3. Der Gürtel.
Was wir über Stoff und künstlerische Beschaffenheit des
priesterlichen Schultertiiches im Vergleich zu dem bischöflichen an-
geführt haben, das gilt auch von der stofflichen und künstlerischen
Beschaffenheit der priesterlichen Albe im Gegensatze zur bischöf-
hchen Albe. Schnitt und Gestalt der priesterlichen Albe war im
Mittelalter und ist auch heute durchaus identisch mit der des
Bischofes, die von Seite 31 bis Seite 50 Bd. II einer eingehenden Be-
trachtung unterzogen worden ist. Auch wurde auf Seite 32 und 33
darauf hingewiesen, das ähnlich der heute noch erhaltenen kaiser-
lichen Albe in der Schatzkammer zu Wien die kostbarem Pontifi-
calalben der Bischöfe zuweilen aus weisser Seide, zuweilen aus
feinem gazeartigen Byssus angefertigt wurden, welches Gewebe
hinsichtlich seines Werthes den Seidenstoff fast übertraf. Auch
pflegten schon seit dem X. und XI. Jahrhundert viele bischöf-
lichen Alben den ganzen untern Saum entlang mit einer mehr
oder weniger reichgestickten Verzierung künstlerisch ausgestattet
zu werden, was in dieser frühen Zeitperiode an den einfach ge-
haltenen priesterlichen Alben seltener vorkam. Erst im XII. und
XIII. Jahrhundert scheint man nicht nur allein aus öconomischen
Rücksichten, sondern auch in der Absicht, die Albe des Bischofes
vor der des Priesters auszuzeichnen, eine Zusammenziehung und
Verkürzung dieses weiten Albsaumes in der Weise bei priesterhchen
Alben vorgenommen zu haben, dass nur der vordere flach ausge-
breitete Theil, sowie auch der hintere Theil derselben mit einem
verküi'zten limbus, den man plaga , parura nannte, versehen zu
werden pflegte. Das Uebrige, was sich noch über die Ausstat-
tung und Verzierungsweise der priesterlichen Albe hier anführen
Hesse, ist bereits auf Seite 47 und 48 eingehender besprochen
worden. Desgleichen haben wir auch auf Seite 49 angedeutet,
wo die ältesten Verzierungen der priesterlichen Albe in durch-
brochener Weisszeugstickerei heute noch zu finden sind. Hin-
sichtlich der Spitzen in gewirkter durchsichtiger Arbeit, wie sie
erst in den letzten zwei Jahrhunderten an den priesterlichen Alben
vorkommen, sei noch bemerkt, dass uns trotz allseitigen Suchens
weder an ältern Alben noch in gleichzeitigen Schatzverzeichnissen
Andeutungen vorgekommen sind, dass bereits im Mittelalter an der
priesterlichen Albe das durchbrochene Spitzenwerk als opus araneum
sich vorgefunden habe. Obgleich die geknöppelte und durchbrochene
Handarbeit in Leinen an verschiedenen kirchlichen Weisszeugsachen
schon seit dem XIII. Jahrhundert sich vereinzelt vorfindet, so wider-
— 240 —
strebte es doch dem gesunden Geschmack des Mittelalters, den
äussern Saum eines ernsten liturgischen Gewandes mittelst leicht
durchbrochener Weisszeugarbeit abzuschwächen; man zog es viel-
mehr seit dem XIV. Jahrhundert vor, sowohl den untern Albsaum,
als auch die äussere Ausmündung der Aermel , durch besonders
aufgenähte Schilder, (plagae, praetextae,) zu stärken und zu be-
festigen, deren ligui'irte Seidenstoffe gewöhnlich aus demselben Ge-
webe bestand, aus welchem auch das Messgewand mit Zubehör
angefertigt war. Schhesslich noch die Hinzufügung, dass es erst
in neuerer Zeit bei dem Aufkommen der Tüllspitzen, dessgl eichen
der Brabanter Guipures und ihrer Uebertragung auf die Albsäume
in vielen Diöcesen gebräuchlich wurde , zur nothdürftigen Befesti-
gung und zum Schutze jenes flitterhaflen , häufig noch in Baum-
wolle gewebten Tüll- und Spitzenwerkes den untersten durchsich-
tigen Rand der priesterlichen Albe mit einem schwarzen Weil- oder
Seidenstoff zu unterlegen, wohingegen der bischöfliche Albsaum mit
einer violetten oder rothen Unterlage von Seide ausgezeichnet wird.
Um bereits Gesagtes nicht zu wiederholen, verweisen wir aber-
mals hinsichtlich der Beschaffenheit und der Verzierungsweise der
priesterlichen Albe im Mittelalter und heute auf eine einschlagende
Abhandlung im «Kirchenschmuck, ein Archiv für weibliche Hand-
arbeit«, I. Jahrg. 1857, S. 33 — 44. Ueber die neuesten diu'chaus
gelungenen Versuche der Firma Lamberty in Aachen, den Spitzen-
arbeiten in schweren Leinenstoflen, zur Verzierung einfacher und
reicher priesterHchen Alben ein ernstes Gepräge zu geben und die-
selben mit den strengeren Anforderungen der christlichen Kunst
wieder in Einklang zu bringen, vergleiche man unsere betreffende
Abhandlung in Nr. 3 (1. Febr.) des Organs für christliche Kunst 1865.
Dieser Abhandlung sind auch einige Abbildungen von neuen Kirchen-
spitzen beigegeben, die, in ernsten Musterungen auftretend, in gros-
ser Abwechselung der Formen von der ebengedachten Firma käuf-
lich zu beziehen sind.
Die Zusammenstellung der Maasse zu den h. Geräthen und
Gewändern, wie sie der berühmte Gavantus in einer besondern
Abhandlung mittheilt, rüln-t ursprünghch von dem Bischof Carl
von Novara, vormals Canoniker an St. Peter in Rom, her. Indem
der h. Carl Borromäus diese Grössenbestimmungen auf dem III.
Provinzial-Concilium zu Mailand gutheissen liess und diese Con-
cüiumbeschlüsse später vom h. Stuhl anerkannt und bestätigt wur-
den, so erlangten mit Recht diese genauen Angaben der verschie-
denen Maasse ein um so grösseres Ansehen, da sie gleichsam die
— 241 —
einzige Quelle bilden, aus welcher mit einiger Sicherheit Schnitt,
Stoff und Ausdehnung der liturgischen Gewänder und Geräthe sich
herleiten lässt. Da leider heute noch an vielen Stellen bei Anfer-
tigung kirchhcher Ornate der individuelle Geschmack entscheidet und
bei dem Fehlen allgemein gültiger, fester Bestimmungen fast jeder
Paramenten-Fabrikant hinsichtlich des Stoffes, des Schnittes und der
Ausdehnung seine eigenen Normen hat; so wollen wir es in der Folge
bei Besprechung der verschiedenen hturgischen Ornatstücke nicht
unterlassen, die durch den AussiDruch des III. Mailänder Concils
anerkannten und durch das Ansehen des h. Stuhles bestätigten Be-
stimmungen ausführlicher mitzutheilen.
Hinsichtlich der Ausdehnung und der Verzierung der priester-
lichen Albe führt die oben gedachte Quelle an: »Die Albe muss aus
Leinenstoff bestehen und in der Länge 6 Schuh (4 cub.j und in
Weite 24 Schuh (16 cub.) messen. Die Länge des Aermels be-
trage 2 Schuh 3 ZoU (VI 2 cub.); die Weite des Aermels an der
Schulter 1 Schuh 6 Zoll (1 cub.), welche sich aber bis zu den
Händen allmähhg verengt; am untern Saume und an den Enden
der Aermel sei nur eine kleine und einfache Stickerei angebracht,
denn zu grosse Sorgfalt auf solche Zierden verräth Eitelkeit und
Gefallsucht.« Aus diesen Bestimmungen ist nicht mit Sicherheit zu
entnehmen, ob an dem untern Saume der Albe in den Tagen des
h. Carl Borromäus sich noch die ältere Verzierungsweise in Form
der vielfarbig gestickten plagae oder praetextae sich erhalten hatte
oder ob unter »der kleinen und einfachen Stickerei« durchbrochene
Weisszeugarbeiten in Weise der Kanten und Spitzen zu verstehen
sei. Aus mehreren Gründen nehmen wir unbedingt das Erste an.
Jedenfalls werden dui'ch diese Bestimmungen jene über Gebühr
breiten gestickten Tüllspitzen , dessgleichen jene unkünstlerischen,
noch dazu in Baumwolle gewebten Fabriksspitzen perhorrescirt, die
in lächerhcher Breite nicht selten bis zu den Knieen des Celebrans
ansteigend, den ernsten Character des einfachen Untergewandes schä-
digen und zu dem noch einen Theil der heutigen Profankleidimg der
Priester in wenig decenter Weise zu Vorschein treten lassen^).
') In einigen Stadt- und Landkirchen hat sich in letzten Jahren der
Gebrauch eingebürgert, diese über Gebühr breiten Albsäume mit einem
Futterstoff in rotlier Farbe, meistens in rothem Perkai zu hinterlegen.
Diese durchscheinende rothe Unterlage hat unter dem 17. August 1833
die S. R. C. ausdrücklich verboten.
— 242 —
In einem vorhergehenden Abschnitt ist von Seite 50 bis G2
darauf hingewiesen worden, dass die bischöf hohen Gürtel, wie sie
im Mittelalter zur Aufschürzung der Albe in Gebrauch waren, eine
grössere Aufmerksamkeit von Seiten der Kunst beanspruchten, als
dies heute bei diesem, wenn auch imtergeordneten Bekleidungsstück
der Fall ist. Dieselben waren nämhch nicht nur in vielen Fällen
mit in Goldfäden eingewirkten Schriftzügen gemustert, sondern
auch mit andern Zierrathen in Form von buUae, tintinnabula, aus-
geschmückt.
Im Gegensatze zu den festtäghchen und reichverzierten cingula,
wie sie auch der Bischof in Pontificalibus das Mittelalter hindurch
zu tragen pflegte, wurden für den gewöhrüichen Gebrauch des
celebrans meistens Gürtel aus kräftigen Leinenstofifen zur Aufschür-
zung der Albe in Gebrauch genommen, die, wenn auch hinsicht-
lich des Materials einfach, doch von der Kunst nicht so ganz und
gar vernachlässigt waren , wie dies heute in der Regel bei den
priesterhchen cingula der Fall ist.
In der Sammlung von mittelalterlichen Geweben und Sticke-
reien des Kensington Museums zu London befinden sich mehrere
Ueberreste von priesterlichen Gürteln vor, die in der Regel in einer
Breite von einem bis höchstens zwei Finger entweder durch Muste-
rungen in Quadratm'en ä la grecque verziert waren, oder durch
eingestickte Thierbilder belebt werden. An Festtagen waren zum
Gebrauch des celebrirenden Priesters und der beiden Diakonen
auch solche Gürtel in Gebrauch, die in farbiger Seide meistens
in einer Breite von zwei Fingern gewirkt waren, und an der untern
Ausmündung in der Regel mit Fransen in Gold als reiche fimbriae
abschlössen,
Auf Tafel V, Bd. II. Fig. 2 u. 4 sind Theile von älteren cingula
abgebildet, die einen ungefähren Begriff geben, wie auch die prie-
sterlichen Gürtel zur Aufschürzung der Albe im Mittelalter künstle-
risch ausgestattet zu werden pflegten. Bis zum XVI. Jahrhundert
kommen für den priesterhchen Gebrauch meistens nur Gürtel vor,
die in der Breite von zwei Fingern entweder dicht aus Seide auf
einem Bandstuhle gewirkt waren, oder die, aus einem Leinen-Zwillich
gewirkt, mit einfachen Stickereien verziert zu werden pflegten.
Seit dem Beginne der Renaissance wurden in vielen Diöcesen Gürtel
angefertigt, die, von Posamentir-Arbeiter nicht als plattes Band
sondern als rund gedrehte, starke Kordel meistens aus rother
oder grüner Seide bestehend von der älteren Ueberlieferung ab-
wichen. Diese cingula der neueren Zeit, welche bei der Anlegung
— 243 —
doppelt genommen werden, sind an den beiden untern Ausmündun-
gen mit mehr oder weniger reichen Quasten von gleicher Zahl und in
ähnlichen Formen verziert, wie sie an älteren Leichensteinen an den
ornamentirten Hüten von Prälaten als ornamentale fimbriae häufig
ersichthch sind. Da durch die bekannte Zusammenschnürung der
priesterhchen cingula in Weise des nodus gordicus die bandförmig
gearbeiteten breiten Gih-tel einem leichtern Schadhaftwerden aus-
gesetzt waren, so scheint man seit dem XVI. Jahrhundert in vielen
Kirchen den eben gedachten als dicke Kordel gedrehten Gürteln
aus ökonomischen Rücksichten den Vorzug gegeben zu haben.
Gavantus gibt über Ausdehnung und stoffliche Beschaffenheit
des Gürtels folgende genaue Bestimmungen an: «Das Cingulum
werde aus weissem Leinen oder Hanfzeug angefertigt und sei das-
selbe ungefähr 10 Schuh 6 Zoll (7 cub.) lang. Die Enden seien
von demselben Stoff, nämlich Fadenbündel in Weise von Quästchen.
Nicht untersagt sind Gürtel von Seide nach den Farben der Para-
mente; aber die weissen sind älter und allgemeiner.
Die priesterliohe Stole (4) und der Manipel (5).
Nach dem, was auf Seite 02 bis 83 des H. Bandes über die
Ausdehnung, Gestalt und, künstlerische Entwicklung der Stole imd
des Manipels vorzüglich der Bischöfe mitgetheilt worden ist, dürfte
hier nur noch Weniges über jene Stolen und Manipel gesagt wer-
den, welche einerseits von den Priestern beim täglichen Gottesdienste
getragen werden, und andererseits als zum ornatus integer gehörend,
oder als integrirende Theile einer capella, von Subdiaconen und Dia-
conen an Festtagen in Gebrauch genommen werden. Bei reichern
Messgewändern waren häufig die Stolen und Manipel ebenfalls durch
kunstreiche Stickereien in einer Weise verziert, wie die aurifrisiae,
die, in Kreuzesform meistentheils gestickt, den Vorder- und Hinter-
theil des Messgewandes schmückten. Da indessen sowohl die Stole als
auch der Manipel von dem faltenreichen Messgewande fast ganz
verdeckt wurden , so pflegte man diese zuletzt gedachten priester-
lichen Gewandstücke höchstens an den untern ausmündenden
Theilen mit gestickten Ornamenten zu verzieren, im Uebrigen
aber dieselben in mässiger Breite, meistens von drei bis vier
Fingern, aus jenem Seidenstoffe anzufertigen, aus dem auch
das Messgewand entnommen war. Die Sammlung von mittelalter-
lichen Stickereien und Webereien im Kensington Museum zu Lon-
don hat eine grössere Anzalü von einfachen Stolen und Manipeln
für priesterlichen Gebrauch aufzuweisen , die , meistentheils dem
17
— 244 —
XIII., XIV. und XV. Jahrhundert angehörend, einfach aus figurirten
Seidenstoffen geschnitten sind, aus denen auch das Messgewand und
die dazu gehörenden Dalmatiken bestanden. Dieselben haben eine
Breite, wie die oben angedeutete, und sind auf der Rückseite mit einem
Futterstoffe von gewöhnhchem Leinen hinterlegt. Als einzige Ver-
zierung erblickt man an den untern ausmündenden Theilen einfache
Seidenfransen, zuweilen aus gedrehter, zuweilen aus Flossseide.
Obschon in itahenischen Diöcesen, vielleicht anknüpfend an die
stereotyp mit eingewebten Kreuzen verzierten Ornate der grie-
chischen Kirche, der Gebrauch älter sein mag, die untern Fuss-
stücke der Stole und des Manipels mit aufgestickten Kreuzen zu
verzieren, desgleichen auch jene Theile der Stole und des Manipels,
die beim Anlegen das vorgeschriebene osculutn erhalten, so haben
wir doch diese in den letzten Jahrhunderten meist aus seidenen
und goldenen Tressen gebildeten Kreuze an mittelalterlichen Stolen
und Manipeln sowohl für den festtäglichen als gewöhnlichen Ge-
brauch nicht vorgefunden. Noch fügen wir hier hinzu, dass zum
Anbinden der priesterhchen Manipel, dessgleichen der stola diaco-
natus, an den betreffenden mittelalterlichen Ornatstücken längere
Schnüre von Seide mit daran befindlichen fimhriae au den Innern
Theilen des Futterstoffes angenäht sind, vermittelst welcher die
beiden Theile des in Rede stehenden Ornates zusammen gebunden
und an den betreffenden Körpertheilen so befestigt zu werden pfleg-
ten, dass eine Verschiebung und Verrückung derselben nicht leicht
stattfinden konnte. In Betreff der Form, der Verzierungs- und
Anlegungs weise der priesterlichen und Diaconats-Stolen verweisen
wir der Kürze wegen auf die betreffenden Abbildungen auf Taf. IV,
zu Fig. 1 und 2, II. Band, desgleichen auf Taf. XVI., Fig. 2 und 3
sowie auf Taf. XVIII, Fig. 1, 2, 3, 4 und 5 II. Band.
Hier noch die Angaben über stoffliche Ausdehnung der Stolen,
wie sie in der Abhandlung «de mensuris propriis sacrae supellec-
tilis enthalten sind.« «Die Stola sei von gleichem Stoffe in gleicher
Farbe, wie die Casula; ihre Länge sei ungefähr 9 Schuh (G cub.),
so dass sie über die Kniee herabreicht; die Breite betrage 472
ZoU (G unc). Die Fransen seien ungefähr 2^4 ZoU (3 unc.) lang.
Ausserdem sollen der Gewohnheit gemäss an der Stola drei Kreuze
aufgenäht werden, m der Mitte und an beiden Enden. Jedes Kreuz
habe die Quadratform und sei an jedem Theile etwa 2'/* ZoU
(3 unc.) breit. Der Priester-Stola sei nichts weiter hinzugefügt,
wohl aber der des Diacons, welche auf beiden Seiten in der Mitte
Schnüre mit Quästchen hat, um sie bequem binden zu können.«
— 245 —
6. Das priesterliclie Messgewand.
Gleichwie durch Miter und Stal) die Würde und der Vorrang
des Bischofcs angedeutet wu'd, wie ferner die Dalmatik die Diaconen
als zuständiges Gewand auszeichnet, dessgleichen die cappa im
frühen Mittelalter die Sänger und untergeordneten Diener der
Kirche, ebenso wird die priesterliche Würde vornehmhch durch das
Messgewand gekennzeichnet. Desswegen werden auch von der bil-
denden Kunst, Avie die Diaconen mit der Dalmatik, so die Priester
mit der faltenreichen Casel. meistens ohne Kopfbedeckung, zur Dar-
stellung gebracht. Was nun die Entstehung, den Schnitt, die Ge-
stalt und künstlerische Ausstattung des priesterlichen Messgewandes
betrifit, so gilt darüber das, was von Seite 101 — 129 II. Bd. ausführ-
hcher bei Besprechung der bischöflichen Casel angeführt Avorden ist.
Hinsichtlich der Ausstattung der priesterlichen Messgewänder muss
hier nochmals hervorgehoben werden , dass dieselben in der Regel
nicht so reich durch Stickereien verziert waren, wie das durchweg
bei den bischöflichen casulae der Fall war.
Namentlich werden an den mittelalterlichen Messgewändern für
täglichen und sonntäglichen Gebrauch jene reichgestickten aurifri-
siae vermisst, welche vom XI. bis zum XV. Jahrhundert, meistens
über die Schultern als Gabelkreuze ansteigend und so die Form
des erzbischöflichen PaUiums imitirend , die bischöflichen Mess-
gewänder sowohl auf der Vorder- als auf der Hinterseite zu ver-
zieren pflegten. Nichts dcstoweniger kamen auch im Mittelalter für
festtägUchen Gebrauch in Pfarr-, Stifts und Kathedral-Kirchen kost-
bare, mit reichen Gold- und Perlstickereien verzierte Messgewänder
vor, die, was Reichthum der Formen und des Materials betraf, sich
in den meisten Fällen von den bischöflichen Messgewändern kaimi
unterschieden.
Bei dem Hinweis auf die stofflich reichen und kostbaren Mess-
gewänder des Mittelalters selbst fiir den Gebrauch des gewöhnhchen
Priesters an Festtagen nehmen wü' hier nachträglich gerne Gelegen-
heit wahr, jenes berühmte Messgewand in getreuer Abbildung dem
Leser vorzuführen, das in der grossen Glockeuform der romanischen
Kunstperiode sich bis zut Stunde in der Sakristei der ehemaligen
Abteilcirche Brauweiler bei Köln noch erhalten hat. In Bezug auf
dieses Messgewand zum Gebrauch des Abtes und der Benediktiner-
mönche der eben gedachten Abtei, berichtet eine glaubwürdige
Ueberlieferung , dass der heil. Bernhard bei Gelegenheit seines
Aufenthaltes am Rheine im Jahre 1143 sich desselben bei Feier
der heü. Messe zu Braxiweiler bedient habe. Dieses prachtvolle
IT
— 246 -
Messgewand, das hinsichtlich seiner Musterungen und seines Schnit-
tes durchaus die ebengedachte ehi'würdige Tradition rechtfertigt,
misst , im verkleinerten Maasstabe abgebildet auf Tafel XXXII, in
seiner grössten Höhe von a nach b auf der Rückseite 4' b^ji" rh.
und in seiner grössten Spannung von c nach d 6', ll^/i".
Um sich einen annähernden Begriff von dem grossen Umfange
und dem Faltenreichthum der Messgew ander des XI. und XII. Jahr-
hunderts auch für priesterlichen Gebrauch zu machen, sei hier noch
hinzugefügt, dass nach einer genauen Vermessung in der auf Taf.
XXXII abgebildeten casula S. Bernlmrdi mehr als 1 3 Ellen Stoff nach
Rheinischem Maasse enthalten sind. Auch das darf als Merkwüi*-
digkeit anzuführen nicht unterlassen werden, dass der in der oben
gedachten Abbildung vorhegende gemusterte Seidenstoff eine Breite
von über 3 Ellen aufzuweisen hat. Diese auffallende Breite des kost-
baren Gew^ebes von ehemals dunkel goldgelber Farbe könnte zum
Belegedienen, dass diese aus dem Orient stammende Textur mit ihren
grossartigen Dessins zu umfangreichen Behängen ursprünglich an-
gefertigt worden sein dürfte. Die schöne Musterung in dem Mess-
gewande des heil. Bernhard, die sich mit kleinen Veränderungen
auch heute noch bei Anfertigung von lürchenstoffen als Muster-
vorlage treffhch eignen würde, ist zu jenen figurirten Seidengewe-
ben zu rechnen, die bei älteren Autoren feststehend bezeichnet
werden als : pallia rotata oder scutellata cum historia aquilarum. An
der in Abbildung auf Tafel XXXII vorhegenden casula S. Bern-
lmrdi ist noch nicht in der aufrisia die Nachbildung eines Gabel-
kreuzes in Form eines Y zu ersehen, das an reicheren Messgewän-
dern des XUI. und XIV. Jahrhunderts fast durchgängig vorkommt,
sondern die Verbindungsnäthe auf der Vorder- und Rückseite
dieses merkwürdigen Gewandes sind durch eine äusserst schmale
aurea lista bedeckt, die mit einem zierlichen Thiermuster belebt
ist. Der bedeutenden Verkleinerung wegen war es nicht möglich,
dieses Tigermuster in der schmalen aurifrisia auf der vorhegenden
Abbildung wiederzugeben
') Bei Besprechung des Messgewandes des heil. Bernhard dürfen wir
nicht unterlassen hier anerkennend hervorzuheben, dass der derzeitige
Pfarrer von ßrauweiler , Herr Beys , vor wenigen Jahren das stellen-
weise stark beschädigte Gewand mit grosser Sorgfalt von geschickter
Hand hat herstellen lassen. Da dasselbe eines schützenden Futter-
stoifes entbehrte, so ist das Innere mit goldgelber Taffetseide aus-
gefüttert worden. Bei der Restauration des Gewandes fand sich, dass
der untere umfangreiche Saum in der Breite von vier Fingern mit
— 247 -
Aus derselben Zeit, nämlich aus der JVIitte des XII. Jahi-hunderts,
rührt offenbar auch jenes reich gestickte Messgewand her, das in
derselben Grösse und in dem Schnitt der casula S. Bernhardi sich
heute in dem Schatze des Domes zu Bamberg noch erhalten hat.
Dieser Ornat wird irrthümlicher Weise zu den Kaisermänteln
Heinrichs des Heiligen gerechnet und haben wir auch aus diesem
Grunde in unserm Werke der «Kleinodien des h. Römischen Reiches
deutscher Nation« eine illuminirte grosse Abbildung dieses pracht-
vollen Ornates auf Taf. XLII mitgetheilt. Indem wir auf die ausführ-
hche Beschreibung desselben von Seite 198 — 201 hinweisen, fügen wir
hier als Seitenstück zu dem Messgewand des h. Bernhard eine ver-
kleinerte Abbildung der in Gold gestickten Musterungen auf Tafel
XXXIII hinzu, und bemerken, dass dieses grossartige Dessin, das
nm- einige Male in dem umfangreichen Bamberger Gewand wieder-
kehrt, ebenfalls zu den teller- und radförmigen Stoßen zu zählen ist,
die in älteren Schatzverzeichnissen aufgeführt werden unter der
Bezeichnung: pallia orbiculata cum Idstoria equitantium. Mit Um-
gehung der könighchen Reiterfigur und dem Edelfalken, die durch
romanisch - stylisirte Pfianzenornamente ersetzt werden müssten,
würde sich die reiche Musterung auf Tafel XXXIII ebenfalls bei
Anfertigung von kostbaren Kircheustoffen im romanischen Styl aus-
gezeichnet verwerthen lassen^).
Als Nachtrag zu dem auf Seite 229 Band II. Gesagten fügen
wü' hier noch die Abbildung eines andern Messgewandes hinzu,
das in letzten Jahren melu'mals besprochen worden ist.
Ein ebenso fleissiger als kenntnissreicher Forscher der Kölni-
schen Geschichte und Alterthumskunde J. J. Merlo hat in jüngster
Zeit und zwar im XXXVIII. Heft der «Jahrbücher des Vereins von
Alterthumsfreunden im Rheinlande,« Seite 106 — 122, 1865 auf ge-
schichtliche Documeute gestützt, mit vielem Glück den Nachweis
zu führen gesucht, dass unser auf Tafel XXXIV abgebildete Ornat
älteren gemusterten Seidenstoffen, orientalischen Ursprungs belegt
war. Da diese Wiederlagstoffe sehr beschädigt waren, so vrarden die
selben losgetrennt und durch einen neuen Seidenstoff ersetzt. Als-
dann sind diese Ueberreste sorgfältig unter Glasverschluss gebracht
und nach Hinzufügung einer erklärenden Inschrift versiegelt ins Ar-
chiv der Kirche als merkwürdige Erzeugnisse einer untergegangenen
Kunstindustrie niedergelegt worden.
') Eine solche Imitation dieser Musterung ist bereits auf Anordnung des
Bauraths Essenwein in dem Etablissement zur Anfertigung von Kir-
chenstoflen von Giani in Wien mit bestem Erfolg vorgenommen worden.
248 —
nebst Stole und Manipel nicht, wie seither irrthümlich angenommen
wurde, jenes Messgewand sei, mit welchem bekleidet die Hülle
des grossen Albertus seit seiner, im Jahre 1280 erfolgten, Beerdi-
gung in der Dominicanerkirche zu Köln bis zur französischen Re-
volution im Grabe gemht habe, sondern dass die eben gedachten
Messgewänder zum grössten Theü jene Ornatstücke seien, die der
hochgefeierte Denker in seinen Lebzeiten zu gebrauchen gewohnt
war. Nach den beigebrachten Beweisstücken sind wir mit dem
oben gedachten Archäologen durchaus einverstanden, dass die frag-
lichen Ornate nicht jene bischöfhchen Paraniente seien, mit welchen
angethan die Leiche Alberts d. Gr. 1280 im Grabe beigesetzt wor-
den ist; wenn wir aber annehmen sollen, dass die heute in der
St. Andreaskirche zu Köln aufbewahrten drei Ornatstücke wirkhch
aus der Nachlassenschaft des grossen Geistesmannes herrühren und
mit denen identisch seien, die das von Merlo beigebrachte gedruckte
Reliquien-Verzeichniss der kölnischen Predigtherren aus dem Schluss
des XV. Jahrhunderts unter folgenden Worten anführt: »Item in
eodem Conventu sunt Casula, alba, amictus stola et manipulus, qui-
bus Dominus Albertus magnus solitus est celebrare;« dann muss un-
bedingt zugegeben werden, dass das auf Tafel XXXIV Fig. 1 ab-
gebildete Messgewand, namenthch an den Armen, nicht unbedeutend
eingeschnitten und verkürzt worden ist, sondern dass auch die ver-
schiedenen Heiligenfiguren auf der Stola unter Fig. 3, ausgeführt
in dem unverkennbaren Stylgepräge aus dem Schlüsse des XIV.
Jahrhunderts, erst sj^äter dem betreffenden Ornatstück als Verzie-
rungen hinzugefügt worden sind. Die in Gold gewirkten gemu-
sterten aurifrisiae des Messgewandes, dessgleichen die unter Fig. 2
abgebildeten Goldborten nebst dem eigenthümlich gewebten blauen
Sauunet könnten wohl als characteristisch für eine Entstehung in
den Tagen Alberts d. Gr. betrachtet werden. Im Gegensatz zu
dem grossen stoffhchen Umfang der Casel des heil. Bernhard, misst
der vorliegende Ornat von a nach b 4' 3" rhein. und von c nach
d 5' 1^/4". Ein liüchtiger Vergleich des in Rede stehenden Mess-
gewandes mit der ältern Glockenform an der casula S. Bernhardt,
abgebildet auf Tafel XXXJI, ergibt zur Genüge, dass, bereits in
der Regierungszeit der Kaiser aus dem Hause Luxemburg, am Rhein
eine bedeutende Verkürzung des Messgewandes erfolgt war, wodurch
die Massen des auf den Armen aufgerollten Gewandstoffes wesent-
lich vermindert worden sind.
Aus den noch erhaltenen Schatzverzeichuissen des X. und XI.
Jahrhunderts ist zu ersehen, dass in dieser Epoche die Zahl der
— 249 —
an grössern Stifts- und Kathedralkirchen vorfindlichen Messgewän-
der für den priesterUchen Gebrauch an Wochen- und Sonntagen
eine ziemhch beschränkte war. Es ist dies wohl dem Umstände
zuzuschreiben, dass im X. und XI. Jahrhundert die Seidenstoffe
ihrer Seltenheit und Gediegenheit wegen einen hohen Preis er-
forderten, zumal der Orient das fast ausschliessliche Monopol
auf Anfertigung von seidenen Stoffen inne hatte. Nachdem durch
die Kreuzzüge, wie bereits früher bemerkt, die Handelsver-
bindungen mit dem Orient dauernd hergestellt waren, nachdem
ferner seit dem XI. Jahrhundert die maurischen Seidenweber im
südlichen Spanien imd die saracenischen Industriellen in Sicilien
dem christlichen Abendlande seinen Bedarf an Seidenstoffen, be-
sonders für liturgische Zwecke, herbeizuschaffen begannen, scheint
auch seit der letzten Hälfte des XI. und besonders seit der Mitte
des XII. Jahrhunderts die Zahl der Messgewänder für den gewöhn-
Hchen priesterlichen Gebrauch in demselben Maasse zugenommen
zu haben, wie die zur Anwendung kommenden Seidenstoffe in der
Qualität leichter und im Preise billiger angefertigt zu werden be-
gannen. Nichtsdestoweniger erforderten damals die Messgewänder
für priesterhchen Gebrauch, auch wenn sie von leichten Seiden-
stoffen ohne golddurchwirkte Musterungen waren, dennoch bei dem
grossen Faltenreich thum der romanischen, glockenförmigen Casel
einen nicht geringen Preis, so dass ärmere Kü'chen sich genöthigt
sahen, für den täglichen Gebrauch aus andern Materialien, zu-
weilen aus Wolle, Leinen und gemustertem Byssus Messgewänder
herstellen zu lassen. So haben wir unter Anderm in Halberstadt,
Danzig und anderswo Messgewänder vorgefunden , die , wenngleich
dem XIII. und XIV. Jahrhundert angehörend, aus Wollenstoffen
angefertigt waren. Auch Messgewänder für den täglichen priester-
lichen Gebrauch aus Leinenstoffen haben wir in einzelnen Resten
noch hin und wieder vorgefunden, deren Faltenreichthum seit dem
XIII. Jahrhundert durch Modeldruck vermittelst beweglicher Hand-
pressen in zwei Farben künstlerisch verziert zu werden pflegte.
So erinnern wir uns , unter Anderm einen Bruchtheil eines Mess-
gewandes für täglichen Gebrauch in Halberstadt gesehen zu haben,
der aus einem starken Leinen von blaiier Farbe bestand, auf wel-
ches mit beweglichen Formen verschiedene immer wiederkehrende
Thiermusterungen in Gold gedi-uckt waren. Auch sahen wir in
der Gewandhaüe des Domes zu Halberstadt mehrere Messgewänder
in faltenreichem mittelalterlichen Schnitt , die aus einfachem weissen
Leinen bestanden und nur mit rothaul'geuähten Bandstreifen in
— 250 —
Form eines Y besetzt waren. Man nannte dieselben « Pestcasehi, « k
da sie der Ueberlieferung zufolge bei dem Ausbruche der Pest im 8i
Mittelalter kirchlich in Gebrauch genommen wurden, um, mit den- fc
selben bekleidet, den vom schwarzen Tod Befallenen che letzte Weg- lei
zehrung ertheilen zu können. Damit die Ansteckung verhütet (ii
werde, wurden diese Messgewänder an einem besondern Orte auf- all
bewahrt und jedesmal nach dem Gebrauche gewaschen. k
Was nun die Farbe der Messgewänder, dessgleichen auch öi
der zum ornatus integer gehörenden Theile betrifft, so ist hier mit >(l
Bezug auf das bereits früher Gesagte noch hinzuzufügen, dass die
Unterscheidung der priesterlichen Messgewänder nach hturgisch Ii
vorgeschriebenen Farben erst seit jenen Zeiten eingehalten zu wer- it
den pflegte, als die Seidenweberei sowohl im südlichen Spanien als ti
auch in Sicilien und dem nördlichen Italien sich weiter auszudehnen ro
begonnen hatte. Es leuchtet ein, dass seit der Karolingischen Zeit I
bis zum XII. Jahrhundert ein Unterschied in der Farbe der Mess- ii
gewäuder schon desswegen nicht allgemein beobachtet werden n
konnte, da nicht nur die ßeschaflung von Seidenstolfen in dieser St
Zeitepoche ihrer Kostbarkeit wegen im Abendlande hohe Preise er-
forderten, sondern weil auch ihrer Seltenheit wegen nicht immer ];
die gewünschte Farbe vorräthig zu beziehen war. Erst nachdem ii
die industriellen Saracenen Siciliens, dem Berichte Hugo Falcandus l
und des Chronisten Otto von Freisingen zufolge, reichgemusterte is
Seidenstoffe in allen Farben für den Welthandel in Concurrenz mit ti
den Mauren Spaniens und den Seidenwebern von Lucca, Mailand i
und Florenz anzufertigen pflegten , wurde es nicht nur Stifts- und Ii
Cathedralkircheu , sondern auch Pfarrkirchen möglich, für mässige J
Summen nach und nach liturgische Ornate in jenen Farben sich ii
beschafi'en zu können, deren symbolische Bedeutung sich im Laufe «
der Zeiten allgemeine Geltung verschafft hatte. i
Seit den ältesten Zeiten pflegte man bei civilisirten Völkern J
den verschiedenen Farben eine symbolische Deutung beizulegen, j
und scheint dieselbe vorzugsweise durch den Eindruck bestimmt i
worden zu sein, den die betreffende Farbe auf das Gemüth des Be-
schauers auszuüben pflegte. So lesen wir bereits im Exodus, dass
auf Geheiss des Herrn sowohl der Hohepriester als auch die Opfer-
priester bei Verrichtung des Tempeldienstes mit Gewändern be-
kleidet waren, die streng vorgeschriebene Farben hatten i). Nach-
dem die Kirche seit den Tagen Constautins des Gr. auch in ihren
') Exodus cap. 28, 5.
I
— 251 —
•
äussern Ciiltformen sich freier entwickeln konnte, scheint sie im
Hinblick auf die Vorschrift des Exodus bei der Wahl der kii'ch-
lichen Gewänder jene Farben mit Vorliebe gewälilt zu haben,
deren symbolische Bedeutung schon damals im christlichen Volke
eine, vielleicht schon aus dem classischeu Zeitalter herrührende,
allgemeine Geltung gefunden hatte. So ist anzunehmen, dass in
dem apostoHschen Zeitalter die gottesdienstlichen Gewänder der
Christen, häufig aus Byssus und feinem Leinen bestehend, vorherr-
schend von weisser Farbe waren. Nachdem die Jahrhunderte der
Verfolgung vorüber waren, und die Kirche die Festtage derjenigen
öffentlich mit grosser Feierlichkeit zu begehen pflegte, die mit
ihrem Blute die Wahrheit der Christuslehre besiegelt hatten, lag
es nahe zur Erinnerung an diese Blutzeugen Christi die bezeichnende
roilie Farbe hturgisch in Gebrauch zu nehmen. Erst seit dem
XII. Jahrhundert ist, dem Zeugnisse Innocenz III. und des nicht
viel jüngern Durandu~s zufolge, neben der weissen und rothen in
vielen Diöcesen auch die grüne und schwarze Farbe bei Herstellung
hturgischer Gewänder allgemein in Aufnahme gekommen').
Zu diesen vier altliturgischen Farben findet sich seit mehreren
Jahrhunderten in der Liturgie der römischen Kirche noch eine
fünfte vor, nämlich die violette Farbe. Bei Durandus und jenen
Schriftstellern, die üim im Laufe der Jahrhunderte gefolgt sind,
ist Ausführhches zu ersehen über die symbolisch-mystische Bedeu-
tung dieser fünf verschiedenen kirchlichen Farben ^ j. Hier fügen
wir nur noch in Kürze hinzu, dass seit den Tagen des grossen
Innocenz die Farbe der Messgewänder an den Festtagen des Herrn,
der aUerseUgsten Jungfrau, der Bekenner und Jungfrauen die weisse
ist, weil durch diese Farbe der Glanz und die Reinheit ihrer Tu-
genden angedeutet wird. Die rothe Farbe, das Symbol der Liebe,
und des christhchen Heldenmuthes , wird Hturgisch angewandt an
dem Pfingstfeste, an den Tagen der h. Apostel und Märtyrer. Die
grüne Farbe, das Symbol der Hoffnung, findet kirchlich ihre An-
wendung an jenen Ornaten, die an den Sonntagen des Kirchen-
') Vgl. Innocent. III. de sacro altaris mysterio lib. I. cap. 64. — Du-
randi Rationale lib. III. cap. (j.
'■') Auch in der Heraldik haben bekanntlich die verschiedenen Farben
eine feststehende Bedeutung, die sich in vielen Fällen an die litur-
gischen Farben und ihre Symbolik anlehnt. Vgl. La vraye et parfaicte
Science de Armoieries par Pierre PaUiot. — Ferner: Le Palais de
l'Honneur par le P, Anselme, I. partie, chap. 24.
jahres in Gebrauch genommen werden, welche von Festen mcht
besetzt als semiduplicia bezeichnet sind und , älteren liturgischen
b'chriftstellern zufolge , die Zeit der irdischen peregrinatio in Erin-
nerung bringen sollen, deren Hoffnung auf die einstige Seligkeit
gerichtet sein soll.
EndHch ist noch in den kirchlichen Trauerzeiten , nämlich in
der Advent- und Fastenzeit, sowie bei Gedächtnissfeier für die
Verstorbenen seit der Spätzeit des Mittelalters bei Messgewändern
und den übrigen liturgischen Ornaten die violette und schwarze
Farbe allgemein in Geltung gekommen. Neben der violetten und
schwarzen Farbe, den Merkzeichen der kirchlichen Trauer, kömmt
auch vielfach im Mittelalter die dunkelblaue Farbe in Anwendung,
dessgleichen hat sich in mehrern Diöcesen die hellblaue Farbe na-
mentlich bei Ornaten zum Gebrauche an Festtagen der allerselig-
sten Jungfrau Geltung verschafft, obschon die Rubricisten diese
blaue Farbe durchaus nicht als zulässig erachten^). Ueberhaupt
scheinen, dem Berichte älterer Schriftsteller zufolge, in verschiede-
nen Diöcesen noch andere liturgische Farben als die eben bezeich-
neten sowohl an der Casel als an den zu einer vollständigen Kapelle
gehörigen Diakonengewändern ehemals in Anwendung gekommen zu
sein; so z. B. bediente man sich in verschiedenen Kirchen des color
ßavus, der gelben Farbe in ihren verschiedenen Abstufungen an den
Festtagen der Engel und Erzengel. In den meisten Diöcesen gilt
heute noch der Goldstoff, dessgleichen alle gelben Seidenzeuge,
welche in ihrer Farbe dem Golde nahe kommen, als liturgisch be-
rechtigt, die Stelle der weissen Farbe einzunehmen.
In Rom und in vielen italienischen Diöcesen werden wahrschein-
lich seit den Tagen der Renaissance, namentlich für Messgewänder
an Festtagen, jene leichten Stoffe sehr häufig in Gebrauch genom-
men, die, mit dünn vergoldeten Lahn durchwebt, entweder einen
röthhchen, weisslichen oder violettartigen metallischen Schimmer
haben.
Als die lürche vor den politischen Stürmen des XVIII. und
XIX. Jahrhunderts in den meisten Diöcesen ihres seit Jalirhunder-
ten wohlerworbenen Besitzes sich noch ungetrübt erfreute und sie
noch die Mittel hatte, nach kirchlichen Vorschriften sich die Farben
der hturgischen Ornate in jener Abwechslung anschaffen zu können,
') Die Congregation der h. Riten hat, auf Aufrage hin, unter dem 16.
März 1833 ausdrücklich bestimmt, dass liturgische Gewänder von gel-
ber und himmelblauer Seide nicht zulässig seien.
— 253 —
wie die Rubriken sie vorschreiben, war bei Weitem nicht jene Will-
kür hinsichtlich der Farben der Messornate eingerissen, wie dies
in neuerer Zeit der Fall ist. Seit den Tagen jedoch, wo die Kirche,
ihrer Mittel vielfach beraubt, darauf angewiesen war, h.äufig Seiden-
stoffe zur Anfertigung von Messgewiindern erbetteln zu müssen, die
sogar ehemals als Kleidungsstücke profanen Zwecken gedient hatten,
fing man an, es mit den Vorschriften in Betreff der Wahl der liturgi-
schen Farben nicht mehr sonderlich strenge zu nehmen. DessAvegen
kommen auch in den letzten Jahrzehnten oft Farben an Messge-
wändern und Levitenkleidern zum Vorschein, deren vorherrschender
Grundton sich fast gar nicht bestimmen lässt, in dem die verworrenen
naturalistischen Musterungen derselben in ihren verschiedenen schil-
lernden Farben nach Belieben für fast alle hturgischen Farben ge-
deutet werden kiinnen. So gab es noch bis in die letzten Zeiten
Paramenten-Fabrikanten , ja selbst Kirchenvorstände, die im Hin-
blick auf die Armuth ihrer Kirche solche Messgewänder in Chamä-
leonsfarbe anzufertigen und in Gebrauch zu nehmen kein Bedenken
trugen, obschon klar ausgesprochene kirchliche Vorschriften einen
solchen bunten Mischmasch von Farben ausdrücklich untersagen.
In jüngster Zeit ist das Interesse und das Verständniss für
kirchhche Kunst in weitern Kreisen wieder erwacht, und hat in
Folge dieser Wiederbelebung des kirchlichen Geistes und Ge-
schmackes ein strengeres Beachten der kirclilich vorgeschriebenen
Farben bei liturgischen Gewändern in weitern Kreisen wieder Platz
gegriffen. Es ist desswegen auch erfreulich wahrzunehmen, dass
nicht nur von den Pfarrern und Kirchenvorständen, sondern auch
von Seiten einzelner Paramenten- und Stickvereine bei der Auswahl
von Seidenstoffen für Anfertigung von Messgewändern solche Sei-
denzeuge gewählt werden, die sich strenge den von den Rubi'iken
vorgeschriebenen Farben unterordnen, und deren Musterungen dem
vorherrschenden Farbton keinen Eintrag thun^).
Nur hinsichtlich des Farbtones in den Stäben des Messgewan-
des und der entsprechenden aurifrisiae der Dalmatiken, findet heute,
wie auch im Mittelalter, sehr häufig ein Abgehen von der vorherr-
schenden Grundfarbe des Gewandes statt. Um den Kontrast der
eingestickten Ornamente in den Stäben des Messgewandes und
') Dem Ausspruche der S. R. C. vom 23. Sept. 1837 gemäss muss bei den
zu Paramenten verwandten vielfarbigen geblümten Seidenstoffen, mag
dieses Blumenwerk nun gestickt oder eingewebt sein, ein bestimmter
Lokalton in der Farbe vorherrschen.
— 254 —
der Diaconenkleider besser heben zu können, scheint man ehemals
nnd heute einen kostbareren Stoff, der zugleich auch in der Farbe
verschieden ist von der vorherrschenden Farbe des UmstofFes, bei
Anfertigung der aui'ifrisiae gewählt zu haben. Nach de Herdt
jedoch darf die Farbe der Stäben, oder Säulen in Messgewändern
wie in den Levitenkleidern nicht von anderer Farbe sein, als die
am betreffenden Gewände vorherrschende , so zwar dass also an
einem Messgewande in weisser Farbe keine Stäbe in rother Farbe,
wie umgekehi't an einer rothen Casel keine Stäbe in weisser oder
anderer Farbe angebracht werden sollen.
Auf Seite 101 bis 129 sind wir Schritt für Schritt den Ent-
wickelungen gefolgt , die vornehmlich das bischöfliche Messgewand
seit dem Beginne des Mittelalters bis zum Ausgange desselben
durchgemacht hat. Wir haben an betreffender Stelle den Nach-
weis zu geben versucht, dass in den beiden letzten Jahrhunderten
die altkirchlich ererbte faltenreiche Form des Messgewandes durch
die WiUkür und nicht selten auch durch den Eigennutz der Anfer-
tiger von kirchlichen Ornaten unter dem Einfluss einer modernen
verflachenden Styl- und Geschmacksrichtung dergestalt verkürzt
und zugestutzt wurde , dass von dem würdevollen Gewände nur
zwei steife Stoffreste gebheben sind, die in unschönen Formen aus-
geschweift, nur noch nothdürftig den Körper des celebrirenden
Priesters bedecken. Bevor jedoch diese gänzliche Entstellung und
Umgestaltung der priesterlichen Messgewänder mit dem Beginne
der Neuzeit, namentUch von Frankreich aus, erfolgte, hatte der
maüändische Liturgiker Gavantus das Verdienst, dass er am Schlüsse
des Mittelalters in dem oft gedachten Anhange seines Werkes «The-
saurus sacrorum Rituum« mit genauen Zahlenangaben die Länge
und Ausdehnung sämmtlicher liturgischen Gewänder und insbeson-
dere des Messgewandes in Zahlen angab. Obgleich Raphael und seine
unmittelbaren Schüler in ihren bildlichen Darstellungen die Mess-
gewänder noch immer in der altüberheferten, faltenreichen Form
wiedergeben, und dies mit Recht aus ästethischen und malerischen
Rücksichten, so war doch in den meisten Diöcesen von Mittel-
und Nord-Italien, bereits in der letzten Hälfte des XVL Jahr-
hunderts, eine merkliche Verkürzung des Messgewandes, insbeson-
dere an jenen beiden Seitentheüen erfolgt, die die Arme des Cele-
brans bedecken. Wären indessen die folgenden Bestimmungen und
') Sacrae Liturgiae praexis, cura de Herdt, Pars I. Nr. 49, II.
— 255 —
Grössenangaben von Seiten des Gavantus für die gesammte Kirche
maassgebend gewesen, so würde heute eine Wiederherstellung
der älteren Formen des Messgewandes, nach den Anschauungen
und Formen des Mittelalters, viel leichter wieder anzubahnen und
herzustellen sein. Die Grössenbestimmungen unseres Gewährsman-
nes hinsichtlich des Messgewandes lauten wie folgt: «Das Mess-
gewand sei nach römischem Gebrauche ungefähr 3 Schuh (2 cub.)
breit 1) und 4'/2 Schuli (3 cub.) lang. Der Streifen, welcher an der
Casula angenäht oder doch bezeichnet zu werden pflegt, bildet
rückwärts die_ Gestalt einer Säule, vor der Brust aber die Gestalt
eines Kreuzes. Dieser Streifen sei wenigstens G Zoll (8 unc.) breit.
Schnüre oder seidene Bänder sollen (innen am Vordertheile) ange-
bracht werden, die so lang sind, dass sie vorn gebunden werden
können, um das Messgewand zu befestigen, damit es nicht rück-
wärts hinabhänge ^).«
Die vorliegenden Blätter haben vornehmlich mit der Geschichte
der Entwickelung und künstlerischen Ausstattung der liturgischen
Gewänder des Mittelalters sich zu befassen; wir würden daher die ge-
steckten Grenzen weit überschreiten, wenn wir auch nur in Kürze
anführen wollten, was in neuester Zeit von hervorragenden Geist-
lichen und Layen in England, Franki'eich und Deutschland für die
practische Regenerirung und für die Zurückfülu'ung der hturgischen
Ornate und insbesondere des Messgewandes auf die würdevollen
') Die Breite des Messgewandes ist vom Halsausschnitt aus zu rechnen und
betrifft die Ausdehnung der Stofftheile auf beiden Seiten des Mess-
gewandes, welche die Arme bedecken. Nach den Angaben des Sub-
regens Geiger aus Freising haben jene durch den Fürstbischof Ecker
gegen 1720 angeschafften Messgewiinder für den Dom zu Freising
noch die bedeutende Breite von 31 bis 34 Zoll und eine Länge von
4 Fuss bis 4 Fuss 3 Zoll.
^) In den »Acta Ecclesiae Mediolan« tom. I. Lugduni lü83 »Instructio-
num Supellectilis Ecclesiasticae« lib. IL, pars II, p. 522, col. 1 et 2
wird die Ausdehnung und Verzierungsweise der Messgewänder in fol-
genden Worten festgestellt ; -De Planeta. — Casula (quam alii pheno-
lium, et planetam etiam ab ampla latitudine dicunt) cubitos tres, et
paulo amplius late patens sit; ita ut ab humeris projecta, complica-
tionem unius saltem palmi infra utrumque humerum recii^ere possit.
Longe autem cubitos totidem aut aliquanto longius de missa sit, ut
pene ad talos usque pertineai. Fasciam item latam unciis octo ad mini-
mum quae assuta sit, ab antoriori et posteriori parte usque ad extre-
mum dependentem habeat: cui altera fascia transversalis in summa
prope parte et a fronte et a tergo adiuncta, crucem utrinque expri-
mat.«
— 256 —
Formen der mittelalterlichen') Vorbilder geleistet worden ist. Da
nun in jüngster Zeit durch Anschi'eiben Sr. Eminenz des Cardinais
Patrizi, als Präfecten der Congregation der h. Riten verschiedene
Bischöfe Englands, Frankreichs, Belgiens und Deutschlands eingela-
den worden sind, über die Gründe zu berichten, die ein Zurück-
gehen zu der älteren Form der Messgewänder veranlasst haben,
da ferner in Folge dieser Aufforderung von Seiten hervorragender
englischer, französischer und deutscher Prälaten mit eben so grosser
Entschiedenheit als Sachkenntniss der Wiedereinfühi'ung der älteren,
ohne förmhche Gutheissung des h. Stuhles langsam beseitigten.
Formen der liturgischen Gewänder das Wort geredet haben, so ist
in dieser Angelegenheit vorerst die maassgebende Entscheidung der
S. R. C. abzuwarten.
Sobald diese Beschlussnahmen erfolgt sein werden, wird in
einem besondern Anhange zu diesem Werke die practische Seite
für eine kunstgerechte Wiederherstellung der liturgischen Ornate
nach den besten mittelalterlichen Mustervorlagen besonders hervor-
gehoben und in den Vordergrund gestellt werden. Für den vorliegen-
den Zweck genüge es hierorts auf eine treffliche Abhandlung unseres
für die Wiederherstellung der christlichen Kunst in Belgien unermüd-
lich wirkenden Freundes James Weale hinzuweisen, die derselbe als
begeisterte Appologie für die grosse Form des Messgewandes in
seinem «ßeffroi« niedergelegt^) und den bedeutendsten römischen,
belgischen, französischen und englischen Prälaten eingesandt hat.
Schliesslich finde hier noch eine Aufstellung der Grössenverhältnisse
nach den Angaben von J. Weale eine Stelle, welche die Veränderun-
gen kennzeichnet, die das Messgewand und die Dalmatik von den
Tagen des Mittelalters bis zur neuesten Zeit durchgemacht hat.
') Nur Unwissenheit und ein gänzliches Verkennen des geschichtlichen
Entwickelungsganges, den die Messgewänder im Laufe des Mittelalters
durchgemacht haben , ist Ursache gewesen , dass man die in jüngster
Zeit in vielen Diöcesen wieder in Aufnahme gekommenen faltenreichen
Messgewänder »gothische« benannt hat. Mit mehr Recht könnte man
sie als römische bezeichnen, indem nicht nur heute noch in Rom
die Messgewänder für täglichen Gebrauch grösser, breiter und nicht
gesteift sind, wie die meisten modernen Caseln diesseits der Berge,
sondern weil auch, wie wir dies durch Abbildungen einer grossen
Zahl von Grabmonumenten der drei letzten Jahrhunderte nachweisen
können, in Rom am längsten die altkirchlich ererbte Form und der
traditionelle Schnitt der liturgischen Gewänder bewahrt worden ist.
Vgl. Le Beüroi, Arsts, Heraldique Archeologique tom II. Janv., Fevr.
Mars, pag. 77 — 88. Bruges 1864 chez Edw. Gaillard.
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— 258 —
7. Die Bekleidungen des Kelches (tegumenta calieis).
a) llnteolnm, purificatoriuin.
Bevor wir in kurzgedrängten Umrissen die Besprecliung des
priesterlichen Messornates in seinen verscliiedenen Bestandtheilen
zum Abschluss bringen, glauben wir hier noch einige allgemeinere
Andeutungen über die Kelchbekleidungen hinzufügen zu sollen, und
zwar um so mehr, als diese tegumenta calieis gleichsam als integri-
rende Theile des Messgewandes zu betrachten sind, indem dieselben
grossentheüs aus demselben Stoffe entnommen werden, aus denen
das Messgewand selbst mit den dazu gehörigen Bestandtheilen an-
gefertigt zu werden pflegt. Diese operimenta calieis, die fast von
den meisten Liturgikern sowohl der altern als der neuern Zeit mit
Stillschweigen übergangen worden sind, theilen sich, ihren mate-
riellen Bestandtheilen nach, in zwei Theile: nämlich in solche, die
nur aus weissem Linnen angefertigt werden dürfen, und in solche,
zu deren Anfertigung farbige Seide mit oder ohne Stickereien ge-
nommen wird. Zu den erstgedachten Bedeckungs-Gegenständen des
Kelches sind zwei hinsichtlich ihrer Grösse und Form verschiedene
Leinenzeuge zu unterscheiden. Das erste und seiner Beschaffenheit
nach anspruchsloseste Bekleidungsstück des Kelches bildet das lin-
ieolum , das hinsichtlich seines Gebrauches von Einigen auch puri-
ficatorium genannt wird. Den Angaben des Gavantes zufolge soll
dieses linteolum, bestehend aus nicht zu feinem, aber auch nicht zu
grobem Linnen, eine Länge von IS^'a Zoll (18 unc.) und eine gleiche
Breite haben. Um dieses feine Leintüchelchen als purificatorium
beim Austrocknen und Reinigen des Kelches leichter verwenden zu
können, soll dasselbe in zwei Falten gleichmässig so zusammen-
gelegt werden, dass es gleichsam ein Diphtychon bildet, und eine
dreifache plicatura, die sich gleichmässig deckt, erkennen lassen.
"Von allen liturgischen stofflichen Gebrauchs-Gegenständen bei
Feier der heil. Messe ist dieses Reinigungstüchlein, seinem Zwecke
und seiner Bestimmung gemäss, am einfachsten und ohne alle Ver-
zierungen verbbeben; nur in der Mitte desselben ist ein kleines
Kreuz gestickt. Hin und wieder haben wir solche ältere Kelch-
tüchelchen, die dem Ausgange des Mittelalters angehören, vorgefun-
den, deren schmale Säume an den Kopftheilen mit gezwirnten
rothen Seidenfäden eingefasst und umrandet waren. Erst seit jener
Zeit, wo die dentelles, guipures und andere leicht durchbrochene
Tüll- und Spitzenarbeiten sich sogar bis zum Altare Bahn gebrochen
haben, glaubte man auch es nicht unterlassen zu sollen, das ein-
fache und anspmchslose linteolum zum Ausreinigen des Kelches mit
— 259 —
einer mehr oder weniger breiten Spitze an seinen schmälern Kopf-
theilen zu verzieren, die sogar häufig noch von Baumwolle ist.
Als in neuester Zeit die kirchliche Weisszeugstickerei sich wieder
zu ernstern und gediegenem Leistungen erhob , hat man hin und
wieder den Anfang gemacht, an den Reinigungstüchelchen mit Be-
seitigung sämmtlicher Tüll- und Fakrikspitzen in Baumwolle die
schmale Randeinfassung entweder mit einem kleinen bescheidenen
Ornament in rother gezwirnter Seide zu verzieren, oder aber, was
würdiger und ernster bei diesem einfachen linteolum sich ausnimmt,
diese schmalen Säurae mit einer entsprechenden Randverzierung
von feinem ungebleichtem Leinen zu verbrämen.
Was mm das Alter und den Ursprung der Tüchelchen zum
Austrocknen und Reinigen des Kelches betrifft, so findet sich weder
über diese Reinigung nach der ablutio, noch über das sudariohim,
mit welchem dieselbe in späterer Zeit vorgenommen wurde, irgend
eine Andeutung vor. Auch der alte Ordo Romanus, der sonst über
alle Einzelnheiten bei Feier der heil. Messe genaue Vorschriften er-
theilt, meldet Nichts über Gebrauch und Gestalt unseres purißca-
torium. Derselbe gibt nur an, dass der Kelch nach der heil. Com-
munion vom Archidiacon dem Subdiacon und von diesem dem Aco-
lythen übergeben werde, der denselben in das paratorium lege. Ob
unter diesem paratorium das armarium oder die sacristia überhaupt
zu verstehen sei, ist aus dieser Angabe des Ordo Romanus nicht
zu entnehmen. MögUch ist es, dass man schon in frühchristlichen
Zeiten für den Kelch, dieses ehrwürdigste und hervorragendste
von sämmtlichen Messgeräthschaften , einen eigenen Behälter als
armarium, receptaculum besass^).
Ob mit einem besondern feinern Leintüchelchen bereits im
frühen Mittelalter der Kelch nach der zweiten Abspülung ausge-
trocknet und gereinigt wurde, ob dieses linteolum gleichwie das
Lavabo-Tüchelchen zum Altarleiuen gerechnet, oder zu den engern
Bekleidungsstücken des Kelches gezählt wurde, darüber lassen sich
heute bestimmtere Angaben schwerlich mehr feststellen.
') Bekanntlich bestehen in mehreren Kirchen bereits seit den Tagen des
Mittelalters besondere Behältnisse in Form von Ledercapseln zur Auf-
nahme und zur Verschliessung des Kelches. In vielen Kirchen Frank-
reichs und Italiens haben wir zum Schutze selbst der einfachen Kelche
für täglichen Gebrauch paratoria von Seide oder Leinenstoff vorgefun-
den, die in altern Inventarien auch sacculi genannt werden.
18
— 260 -
In einigen Ordenskirchen scheint es im Mittelalter Brauch
gewesen zu sein, dass an der Epistelseite eines jeden Altars in
der Nähe des Waschbeckens, der piscina, sich ein Leintüchelchen
befand, das zum Austrocknen des Kelches benutzt wurde, nachdem
die zweite ablutio, wie es früher gebräuchlich war, aus dem Kelche
unmittelbar in die piscina ausgegossen worden war.
Cardinal Bona fülnt an , dass zu seiner Zeit , namentlich in
den Abteikirchen der Cistercienser, sich der eben gedachte Ge-
brauch erhalten habe i). Anstatt dass die zweite Ausspülung des
Kelches in die kleine piscina an der Epistelseite ausgegossen wurde,
war es im Mittelalter in einigen Diöcesen auch gebräuchlich, diese
zweite ablutio des Kelches den anwesenden Gläubigen darzurei-
chen, selbst wenn dieselben nicht communicirt hatten. Noch
sei hinzugefügt, dass die griechische Kirche sich an Stelle des puri-
ücatoriutn eines Schwammes bedient, und zwar aus dem Grunde,
weil auch der Schwamm beim blutigen Opfer des Heilandes als
instrumentum Dominicae passionis zur Geltung gekommen ist^).
b. Corporale und c. palla calicis.
Ein höheres Alter und einen altkirchlich ererbten Gebrauch
hat hingegen jenes zweite Leintuch, das bei Darbringung des heil.
Messopfers nach liturgischer Vorschrift Anwendung iindet, auf-
zuweisen. Es ist dies nämlich jenes Tuch, das schon in dem ältesten
Ordo Ilomanus palla corporalis genannt wird. Da unmittelbar auf
dieses feine Leintuch die Eucharistie gleich nach der Consecration
bis zur Communion des Priesters niedergelegt wird, so fand schon
seit der frühchristlichen Zeit vor der Gebrauchnahme des corporale
eine besonders vorgeschriebene Wellie und Segnung desselben statt.
Auch musste, wie es heute noch der Fall ist, die erste Reini-
gung desselben in einem besondern Gefässe vorgenommen, und"
durfte kein anderes Leinen zugleich mit dem corporale und dem
purificatorium gewaschen werden. Auch der bekannte Mönch Ru-
dolphus Glaber erwähnt dieses Corporale^), dessgleichen spricht
davon auch Beda Venerabiiis in seinem Uber poenitentialis , der es
daselbst chrismale nennt. Hrabanus Maurus führt in seiner Schrift
') Bona lib. I.
^) Goar in notis ad liturgiam Chrysostomi Nr. 177.
^) Rudolphus Glaber, lib. V., cap. 1.
— 261 —
de iustitutione Clericoriim Iii). IX, cap. 33 au, dass bereits der h.
Papst Sylvester hiiisichtlicli des Corporals verordnet habe; «ex lino
puro textum esse debet, et non ex serico vel purpm-a, neque ex
panno tincto.«
Dass unsere palla corporalis, desswegen so genannt, weil bei der
Feier der heil. Messe das Corpus Dominicum unmittelbar darauf
ruht, bis zum XII. Jahrhundert bedeutend länger und breiter war,
als dies im spätem Mittelalter und auch heute der Fall ist, lässt
sich aus mehrern Stellen älterer Schriftsteller nachweisen.
Dem oben, gedachten Ordo Romanus zufolge lag zwei Diaconen
das Amt ob, das Corporaltuch auf der mema des Altares auszubrei-
ten und später wieder zusammenzufalten. Auch ist in demselben
Ordc» angegeben, aus welchem Stoffe das Corporale angefertigt sein
muss, und welche Ausdehnung es ungefähr haben soll. Die bezüg-
liche Stelle der altrömischen Liturgie in Betreff dieses feinen Lein-
tuches lautet wie folgt: »Diaconus accipiens corporale ab Acolytho,
alio se adjuvante Diacono, super altare distendat: quod utique lin-
teum ex puro lino esse coutextimi debet, quia sindone munda
Corpus Domini legitur involutum in sepulchro, et tantae quan-
titatis esse debet, ut totam altaris superficiem capiat. «
Im Hinblick auf die auffallende Ausdehnung des Corporale
sollte man fast geneigt sein anzunehmen, dass der alte Ordo unter
diesem umfangreichen Corporaltuch jenes weisse Leintuch verstand,
welches wir heute Altartuch nennen und das man im Mittelalter x)e.sti-
mer}iitm, jmlla oder tpgumentum altaris zu nennen pflegte. Dagegen
spricht jedoch eine Stelle desselben Ordo, die unmittelbar nach der
eben angezogenen folgt; dieselbe besagt, dass nach der Communion
das Corporale von den Diaconen wieder zusammengefaltet, und wie
das auch heute noch der Fall ist, auf den Kelch gelegt werde.
Die betreffende Stelle lautet: »His itaque peractis duo Diaconi com-
plicantes Corporale ponant super calicem.«
Erwägt man die grosse Zahl der Oblationen in Brodform, die
von den Gläubigen nach der ältesten Liturgie behufs der Consecra-
tion und Communion der Anwesenden den Diaconen dargereicht
wurden, und die auf dem corporale bis zu den Consecrations-Worten
der Wandlung lagen, so leuchtet es ein, dass das corporale in
den frühesten Jahrhunderten einen bedeutend grössern Umfang haben
musste als jenes Leintuch es erforderte, auf welches im späten
Mittelalter die Gestalt der consecrirten Hostie in ihrem bedeutend
verkleinerten Umfange gelegt wurde , welche zunächst nur für die
Communion des Priesters bestimmt war.
18*
— 262 —
Wie dies schon der oftgedachte Ordo Romanus andeutet, i^flegte
man das Corporale, welches im Laufe des Mittelalters zuweilen
sindon, zuweilen auch palla genannt wird, behufs des leichtern Ge-
brauches mehrmals zusammenzufalten. Schon im XII. Jahrhundert
war es bei den Cisterciensern gebräuchlich, das Cor^Dorale seiner
Breite nach in drei plicatiirae zusammenzulegen, wie das auch
heute noch liturgische Vorschrift ist; der Länge nach jedoch pflegte
man in den verschiedenen Benediktiner-Klöstern, die der Bursfelder
Congregation angehörten, das Corporale so zusammenzufalten, dass
die beiden äussern Falten aufrecht gestellt und übergelegt werden
konnten, und zwar in einer Weise, dass sie den Kelch förmhch
bedeckten
Anstatt dass man den Kelch durch die beiden äussersten pU-
caturae des sehr laugen Corporale bedeckte, wie dies in Ordens-
kirchen und in einzelnen Diöcesen der Fall war, bediente man sich
nach dem Zeugnisse von Innocenz III. 2) schon im XII. Jahrhun-
dert eines vom Corporale getrennten, mehrmals zusammengefalteten
kleinern Leintuches, um den Kelch während der heiligen Opfer-
handlung zu bedecken. Der unten in der Anmerkung 2 angeführ-
ten Stelle Innocenz III. zufolge, waren also in der römischen lürche
eigentlich zwei Corporalien in Gebraucli , die man pallae nannte ;
die eine derselben und zwar die grössere, zeigte verschiedene pli-
raturae und vertrat die Stelle des Corporals; die andere jmlla,
welche an Umfang kleiner war, wurde ebenfalls, wie es scheint
in Quadrat zusammengefaltet und auf den Kelch gelegt. Dieser
Gebrauch, nämlich zur Kelchbedeckung eine besondere kleinere
palla in Anwendung zu bringen, anstatt dieselbe durch die äus-
•) Vetus Ceremoniale Congregationis Bursfeldiensis Ordinis Sancti
Benedicti, cap. 44. »Diaconus explicet Corporale, habens tres pli-
catus in latuni et quatuor in longum. Medium latitudinis in medio
altaris. — Gleich darauf heisst es weiter : Plicatus extremae partis
Corporalis calicem opcriat.
^) Innocentus III. de Mysterio Missae, lib. II. cap. 56 : Duplex est palla,
quae dicitur Corporale, una, quam Diaconus super altare totam exten-
dit, altera, quam super calicem plicatam imponit. Wir bemerken hier
noch, dass schon vor der Zeit des Papstes Innocenz in der römischen
Kirche der Gebrauch eingeführt war, der auch heute noch in den
Kirchen nach römischem Ritus allgemein besteht, dass der Diacon
bei feierlichen Pontificalmessen unmittelbar nach dem Incarnatus
im Credo das Corporale in der bursa zum Altare trägt und dasselbe
in dessen Mitte mit Auseinauderfaltung einer plicatura nach der Breite
des Altares offen legt.
— 263 —
sersten plicaturae des Corporals zu bewerkstelligen, scheint schon
im Mittelalter von der römischen Mutterkirche aus in viele Diö-
cesen Italiens, Deutschlands und Frankreichs Eingang gefunden zu
haben. Diese Ideinere palla zur Bedeckung des Kelches bestand im
Mittelalter iln-er materiellen Beschaflfenheit nach aus einem kleinen
viereckigen Linnenzeug, das zv^'ei oder mehre Male zusammengefal-
tet war.
Heute noch bedient man sich in den verschiedenen Kirchen Rom's
zur Bedeckung des Kelches einer palla von einfachen, mittelfeinen
Leinenstoffen,- die doppelt zusammengenäht und durch Stärke ver-
dichtet und geglättet sind. Um diesen kleinen Fallen zur Verdeckung
des Kelches eine grössere Festigkeit und grösseren Zusammenhalt
zu geben, hat man seit dem XV. Jahrhundert, wie es scheint, in
vielen Diöcesen begonnen, einen Pappendeckel d. i. ein steifes Car-
tonpapier auf seiner äussern Räche mit jenem Seidenstoffe zu über-
ziehen, der in der Farbe und Verzierung mit dem Stoff"e des Mess-
gewandes übereinstimmt. Li der Regel umfassen unschöne Borten
von Gold- und Silbertressen nebst einem kleinen Kreuz in der Mitte
den obern Theil dieser Kelchauflage, während der untere Theil mit
einem feinen Leinenzeuge bedeckt ist, das sich der Reinigung wegen
leicht ablösen lässt. Auf Tafel XXXV, Fig. 1 ist im verkleinerten
Maassstabe eine solche palla calicis bildlich wiedergegeben, deren
oberer Theil mit einem Sammtstoff" in rother Farbe überzogen ist;
die Kehrseite derselben ist mit einem feinen Leinenstofi" bedeckt,
der sich behufs des Waschens leicht lostrennen lässt. Der obere
Ueberzug, im Style der letzten Hälfte des XVL Jahrhunderts ge-
halten, zeigt das bekannte Hierogramm von einem Strahlenkranz
umgeben, welcher ehemals in echten Perlen gestickt war; dieselben
sind heute verschwunden, doch lassen sich die Stellen deutlich noch
erkennen, wo die Perlen angeheftet waren. Die Palletten in vergol-
detem Silber, welche in Sternform die äussere Fläche unserer palla
beleben, dürften auch zum Belege dienen, dass die auf Tafel XXXV
Figur 1 veranschaulichte palla dem Schlüsse des Mittelaltei*s an-
gehöre.
Die römischen Pallen, bestehend aus zwei zusammengefügten
Leinenstoffeu , in der Grösse von 5 Zoll im Quadrat, sind jeden-
falls würdiger und zweckmässiger, als jene schwerfälligen pallae von
Pappendeckel mit einem Ueberzug von Seide und einem beweg-
lichen Unterfutter von Leinen, dessen Reinigung nui* zu oft über-
sehen wird. Sich anscliliessend an die römische Form und Be-
schaffenheit der Kelchbedeckungen hat die Genossenschaft der
— 264 —
Schwestern vom armen Kinde Jesu, welcher viele Paramenten-
Vereine gefolgt sind, in neuester Zeit den löblichen Anfang ge-
macht, diese pallae mit Ausschliessung von seidenen Ueberziigen
und Goldtressen allein aus feinen Liunenstolfen in Form von vier-
eckigen engen Täschchen so zu gestalten, dass nach einer Seite ein
weisses Carton-Papier in diesen Ueberzug mit leichter Mühe ge-
schoben und beim Waschen wieder herausgenommen werden kann.
Die Oberflächen dieser zweckmässigen und würdigen Pallen wer-
den in der Regel durch eine mehr oder weniger reiche Stickerei
in solchen Farben und in solchen Stickmaterialien gehoben, die
das Waschen leicht zulassen. Die Oberflächen derselben zieren
jene gestickten Ornamente am zweckmässigsten und würdigsten,
die anspruchslos in ungebleichtem feinen Leinen oder in gelblich-
gräulicher Seide ausgeführt worden sind und deren Stickereien eine
zeitweilige Waschung des leinenen Ueberzuges der Pallen gestatten.
Nachdem im Vorhergehenden über Ausdehnung des Corporals und
Beschaffenheit der Pallen zur Bedeckung des Kelches kurze Notizen
angegeben worden sind, erübrigt es hier noch, einige Angaben hin-
sichtKch der Verzierungsweise des Corporals folgen zu lassen.
Nach den Aufzeichnungen des Rubricisten Gavantus soll das Cor-
porale aus feinem dichtem Leinen bestehen, und muss dasselbe eine
Länge von 22V2 Zoll im Quadrat haben. Ferner ist dasselbe so
zu falten, dass kein Theil vorstehe; der Rand sei einfach gesäumt;
am Vordertheü kann ein Kreuzchen eingenäht sein.
Als man seit dem XVIL Jahrhundert mit dem Aufkommen und
der Verbreitung der kostspiehgen Brabanter Spitzen den äussern
Saum der Albe und des Röckleins mit diesem Spitzenwerk zu garni-
ren begann, unterliess man es auch nicht, das Corporale mit einem
mehi- oder weniger breiten Rand von Spitzen einzufassen. Brabanter
Spitzen hatten wenigstens das Verdienst, dass sie, wenn auch sehr
theuer, doch ächt und gediegen, in geziemender Weise jenes feine
Leintuch umgaben, welches bei der heiligen Opferhandlung einem
so hervorragend ehrwürdigen Zwecke dient.
Die flitterhaften Spitzen aus Tüll und ordinärer Baumwolle, die
von der Fabrik massenhaft angefertigt, heute vielfach zur Einfas-
sung der Corporalien zui- Amvendung kommen, gereichen denselben
nicht im Mindesten zur würdevollen, gediegenen Ausstattung, son-
dern verleihen denselben vielmehr einen leichten, profanen Anstrich.
Schon im Mittelalter unterliess man es nicht, die äussere Um-
randung des Corporaltuches mit gestickten Ornamenten in feinem
weissen Leinen zu verzieren; auch wandte man kleinere Durch-
^ 265 —
brechiingen in dem äussersten Saume an, die man durch Stickereien
einfasste. Die k jour durchbrochenen Einfassungen, die den spani-
schen und niederländischen, ganz durchbrochenen Weisszeugsticke-
reien vorausgingen, nannte man häufig venetianische oder auch
wälsclie Arbeit.
Ans naheliegenden Gründen gehören heute Corporaltücher aus
der Frühzeit des Mittelalters mit gestickten Randverzierungen, die
ein sicheres Merkzeichen zur Feststellung der Chronologie bieten,
zur grössten Seltenheit. Als wir im Jahre 1861 im Schatze zu
Monza die noch dort verbliebenen integrirenden Theile des alten
lombardischen Krönungs-Ornamentes beschrieben und Abzeichnung
^derselben herstellen Hessen, haben wir Sorge getragen, dass zum
ersten Mal von kundiger Hand eine Weisszeugarbeit kopirt werde,
die nach unserm Dafürhalten zu den ältesten und merkwürdigsten
Ueberresten der kirchlichen Stickerei im christlichen Abendlande
gezählt werden kann. Es ist dies einer alten Ueberliefening nach
ein Corporaltuch , das aus den Tagen der Longobarden-Königin
Flavia Theodelinda, d. h. aus dem Beginne des VII. Jahrhunderts
herrühren soll. Auf Tafel XXXVI ist in ungefähr einem Drittel
der natürlichen Grösse ein Bruchtheil dieses merkwürdigen corpo-
rale mit seinen eingewirkten Musterungen und eingestickten Anfangs-
buchstaben von griechischen Monogrammen bildlich wiedergegeben.
Da hier nicht füglich eine eingehende Beschreibung des Monzaner
Corporaltuches erfolgen kann, so genüge es anzuführen, dass eine
solche, zugleich mit einer sehr unbeholfenen und mangelhaften Ab-
bildung, in dem Werke von Francesco Frisi^) zu finden ist. Ma-
billon lenkte in seinem «iter Italicum^^) zuerst die Aufmerksamkeit
der Alterthumsforscher seiner Zeit auf dieses Corporaltuch; in-
dessen irrte der grosse französische Gelehrte, wenn er an besagter
Stelle anführt, dass unser Corporal von Papst Gregor dem Grossen
der Lombarden-Königin Flavia Theodelinda nebst andern Geschen-
ken zugesandt worden sei. Dieser Ansicht treten auch die BoUan-
disten ^) mit der Behauptung entgegen, dass die barbarische Schreib-
weise des ))+ in adiutorium meum intende alleluja«*) nicht füghch
*) Memorie Storiche di Monza e sua Corte, tom. III, pag. 189. Milano 1794.
2) Editio Paris, tom. I, pag. 211 et 212.
Propylaeum ad acta S. S. May. pag. 178.
*) Vgl. die Inschrift in eigenthümlichen Uncialbuchstaben, unter Lit. A.
die für die Zeit der Lombardenkönige characteristisch ist ; die Ent-
ziffei'ung der in rother Seide gestickten Inschrift auf Tafel XXXVI
unter Lit. B ist bis jetzt noch nicht gelöst worden.
— 266 —
auf römischen Ursprung, sondern eher auf eine Anfertigung in Monza
vielleicht sogar von der Hand der Theodelinda hindeute.
In unserer ehemaligen Sammlung befand sich auch eine Anzahl
von Corporalien, die, ebenfalls dem Mittelalter angehörend, mit
Randeinfassungen verziert waren, die ein passendes stylisirtes Pflan-
zenwerk in vielfarbiger Seide auf feinem Leinen erkennen Hessen.
In dei' heutigen Pfarrkirche zu Deutz hat sich noch ein schön ver-
ziertes corporale erhalten, das wahrscheinlich aus der ehemaligen
Abtei herrührt. Der Rand desselben ist mit Laubornamenten, in
rother Seide gestickt, kunstreich ausgestattet. Sowohl die Technik
des gestickten Randes als auch die Musterungen lassen deutlich er-
kennen, dass dieses zierlich gearbeitete Corporale bereits dem XVI.
Jahrhundert angehört. Auch die Schwestern der Genossenschaft
vom Kinde Jesu im Mutterhause zu Aachen und in den Klöstern zu
Köln und zu Döbling bei Wien haben in neuester Zeit mit grossem
Erfolge begonnen, den äussern Rand der Corporalien durch passende
Stickereien in weisslich gräulicher Seide oder in feinem ungebleich-
ten Naturleinen so auszustatten, dass dadurch der liturgische Charak-
ter und die Würde des Corporaltuches gewahrt bleibt, und der Saum
desselben nicht geschwächt, sondern gestärkt und gehoben wii'd.
Auffalleuder Weise haben es sich einzelne Industrielle in neuester
Zeit beikommen lassen, das Corporale fast zu einer kleinen Thee-
Serviette dadurch herunter zu würdigen, dass man dasselbe damast-
artig in seiner Ganzheit mit einem spielenden Pflanzenwerk gemu-
stert hat. Anstatt der Einfassung hat man an dem äussern Rande
dieser vorschriftswidrigen und unkirchlichen Corporaltüchelchen, die
hinsichtUch ihrer stofflichen Ausdehnung viel zu klein sind, gleich-
sam als Fransen die Kette des Gewebes hervortreten lassen. Durch
diese gebildartig eingewebten Dessins , noch mehr aber durch das
Fransenwerk an den vier Seiten haben diese modernen Corporalien,
die ohne Genehmigung der kirchlichen Behörde der Laune von
Damastfabrikanten ihre Entstehung zu verdanken haben, einen
durchaus spielenden und modernen Anstrich erhalten.
Bei Besprechung der Form und ältern Verzierungsweise der
Corporalien unterlassen wir es nicht, hier noch darauf hinzuweisen,
dass es im Mittelalter und auch noch in den letzten Jahrhunderten
in einigen deutschen Diöcesen Gebrauch war, nach Verrichtung der
heil. Geheimnisse über jene Stelle auf dem Altar ein mehr oder
weniger reich gesticktes Leintuch, seiner Ausdehnung nach etwas
grösser als das Corporal, zu breiten, um jene Stelle auf dem Altar-
tuche zu überdecken und sorgfältig vor Schmutz und Verunreini-
— 267 —
gung zu bewahren, auf welcher bei der Consecration das Corporale
mit der h. Eucharistie zu liegen kam. Man nannte dieses mehr
oder weniger kunstreich verzierte Leintuch, das auch zuweilen einen
Theü des Altarvorhanges verdeckte, su/ßtorium oder auch vesperale.
d. bursa und capsa corporalium.
Ausser dem Corporale und der palla als appendicia calicis wa-
ren seit der Friihzeit des Mittelalters und sind auch heute noch
zwei fernere Bekleidungsstücke des Kelches, die bursa und die
capsa in Gehrauch, die in der Regel aus denselben Seidenstofien
und in denselben Verzierungen angefertigt werden, die auf dem
entsprechenden Messge wände ersichtlich sind.
Die bursa, die auch in altern deutschen Schatzverzeichnissen zu-
weilen den Namen Corporaltasche führt, diente einestheils dazu, das
Corporale in der Saki'istei geziemend aufzuheben; anderntheils wurde
und wird sie auch heute vorzugsweise dazu benutzt, um das Corporale
in einer passenden Umhüllung unmittelbar auf dem veluni des Kelches
liegend, zum Altare tragen zu können. Die Corporaltasche zeigte im
Mittelalter in verschiedenen Diöcesen verschiedene Formen und
Verzierungsweisen ; dieselbe war meistens als bursa, capsella, so ein-
gerichtet, dass sie nach drei Seiten hin verschlossen war und nur
an der einen Seite vermittelst eines Umschlages oder einer kleinen
Klappe verschlossen und alsdann zugeknöpft, in vielen Fällen aber
auch durch Schnüre zugebunden werden konnte. Auf Tafel XVII
in der II. Lieferung dieses Werkes ist ein solches Corporaltäsch-
chen abgebüdet und auf Seite 302 und 303 daselbst beschrieben,
das, aus der Mitte des XV. Jahrhunderts herrührend, sich vormals
in unserer Privatsammlung mittelalterlicher Webereien und Sticke-
reien vorfand. Dasselbe ist im Innern mit weissen Leinenstofien
ausgefüttert und auf der hintern Seite mit blauem figurirtem Sammet
überzogen; dasselbe zeigt auf seiner vordem Seite auf einem gold-
gestickten Tiefgrund die in Plattstich ausgeführte Darstellung der
Kreuzigung mit der bekannten Passionsgruppe: Johannes und Ma-
ria. Aehnlich diesem Corporaltäschchen , das auf drei Seiten ge-
schlossen ist, haben sich in letzten Jahrhunderten auch jene bursae
corporalium gestaltet, die heute in den meisten Kirchen noch im
Gebrauche sind. Dieselben bilden nämlich eme viereckige Mappe,
deren beide Deckel von steifem Papier im Innern mit Leinen oder
dünner Futterseide überzogen, und deren Aeusseres mit jenen
Seidenstickereien bekleidet ist, wie sie in den aurifrisiae des be-
treffenden Messgewandes vorkommen.
— 268 —
Im Ausgange des Mittelalters benutzte man häufig die obere
viereckige Fläche dazu, um mittelst Gold- und Perlstickereien die-
sen quadratischen Raum auf's Reichste zu verzieren und zu heben.
Seit den letzten Jahrhunderten indessen begnügt man sich damit,
diese Aussenfläche der bursa corporalium hinsichtlich des Ueber-
zuges von Seide mit dem Messgewande in Einklang zu bringen, und
den äussern Rand desselben mit steifen , meistens unechten Gold-
tressen einzurahmen. Im Einklang mit der palla und dem velum
des Kelches wird die Mitte desselben auch noch durch ein aus
Bortenwerk zusammengesetztes Kreuz bezeichnet.
Eine fernere Form und Einrichtung dieser cupsa corporalium
bestand im Mittelalter darin , dass man aus dünnen Holztäfelchen
einen niedrigen Behälter anfertigte, den man im Innern und Aeus-
sern zuerst mit Leinenstoffen überzog und dessen äussere aufrecht-
stehenden Tlieile man mit Seide bekleidete. Der äussere Deckel dieses
Corporalkästchens war ebenfalls mit Seide umzogen, und erblickte
man auf der Aussenfläche in der Regel eine Figurstickerei, die aus
dem Leiden des Herrn entlehnt war. Wir haben auf Tafel XXXV
Figur 2 in verkleinertem Maassstabe ein solches Corporalkästchen
bildlich veranschaulicht, das auf seinem äussern Deckel, in feinstem
Plattstich gestickt, das Bild des kreuztragenden Heilandes zeigt.
Diese capsella corporalis gehörte einem ehemaligen Pfarrer von
St. Jakob in Köln mit dem Namen Royd, wie dies die in Gold-
gestickte Inschrift am äussern Rande besagt, welche lautet: Winan-
dus royd pastor S. Jac. Colon. 1447.
Wie es den Anschein gewinnt, dienten jene capsellae aus Holz,
deren Aussenfiächen mit reichen Stickereien oder mit Malereien auf
Pergament verziert waren, dazu, um in diesen kunstreich verzier-
ten Behältern das Corporaltucli nach vollbrachtem Messopfer in der
Sakristei aufzubewahren und vor Bestaubung zu schützen. Wahr-
scheinlich besass jeder an einer bestimmten Kirche adscribirte Geist-
liche gegen Schluss des Mittelalters in der Sakristei eine besondere,
mehr oder weniger reich verzierte pera, welche die Bestimmung
trug, das von ihm täglich in Gebrauch genommene corporale wür-
dig aufzuheben und zu verschliessen. Aeltern Schatzverzeichnissen
zufolge wird man zu der Annahme geführt, dass im Mittelalter zu
jedem Messkelch eine solche pera corporalium als integrirender
Theil gehört habe. So lesen wir z. B. in dem Chronicon Rerum
Moguntiacarum vom Bischof Conrad, in der letzten Hälfte des XII.
Jahrhunderts verfasst, folgende interessante Angaben:
— 269 —
«In uno horum (seil, calicum) potest celebrari, qui etiam suas
habuit ampullas et pyxidem ad bostias ex auro purissimo et mar-
garitis, et per am ad Corporalia ßlis aureis itiseriis, miri operis et
decoris. Huhebant etiam calices alii suas peras ad Corporalia ex
purpura et aurifrigiis adoriiatasAi
Dass nicht nur am Kbeine, sondern auch in englischen Diö-
cesen solche reichverzierte Corporal-Bebälter im Mittelalter in Ge-
brauch waren, erhellt ebenfalls aus den Angaben des bereits oft ci-
tirten Schatzverzeichnisses von St. Paul zu London vom Jakre
1295^). Es stehen nämlich unter der Ueberschrift «Corporalia«
eine Menge von mehr oder weniger reich verzierten Corporal-Büch-
sen verzeichnet, wovon wir hier einige wörtlich anführen:
Una capsa magna breudata ex scutis ad Corporalia, cum Cruce
ex literis^).
Item alia capsa breudata cum majestate^) ex parte una et
ckcumdata cum floribus ex alia cum corporalibus.
Item capsa operto sammeto rubeo cum frectis*) et scutis breu-
datis , praeterquam in tergo cum pedibus , et clausura argentea ;
item una bursa breudata de armis variis de dono Walteri de Essex.
Item una capsa breudata cum ymagine Crucifixi ^) Mariae et
Johannis ex una parte, et capite Sancti Pauli et gladio eiusdem
ex alia^).
1) Visitatio facta in thesauro S. Pauli, Lond. per Magistrum Radulphum
de Baudak, anno gratiae 1295. Monastic. Anglic. apud Dugdal.
^) Auf dem obern Deckel dieses grössern Behältnisses, zur Aufnahme
mehrer Corporalien bestimmt, befanden sich mehre Wappenschildchen,
wahrscheinlich in Gold gestickt, und in der Mitte des Deckels ein
gesticktes Kreuz von Inschriften umgeben.
^) Auf diesem Corporalbehältnisse war in Plattstich gestickt zu ersehen
der Herr in seiner Herrlichkeit, nämlich die Darstellung des et iterum
venturus est cum gloria.
*) Diese mit rothem Sammet überzogene Kapsel zeigte auf dem Deckel
reichgestickte Verzierungen, frecla, verwandt mit dem fregio etc. ital.
Jregiatura. herkommend von frangere, wahrscheinlich ä jour durch-
brochene Ornamente; ausserdem war diese Kapsel wahrscheinlich
mit silbernen Löwenfüsschen verziert und mit einem silbernen Schloss
versehen.
^) Diese mit der Darstellung der Kreuzigung verzierte Kapsel, die auch
die Passionsgruppe Johaimes und Maria darstellte, mochte Aehnlichkeit
gehabt haben mit der gestickten Darstellung desselben Gegenstandes
auf jenem Corporaltäschchen, das wir auf Tafel XVII in der II. Lief
dieses Werkes abgebildet haben.
^) Ex una parte bezeichnet wahrscheinlich den obern Deckel, ex alia
ohne Zweifel den Innern Deckel, der sich beim Aufschlagen der Kap-
— 270 —
In dem reichhaltigen Schatzverzeichnisse der Krönungskirche
der longob ardischen Könige St. Johann zu Monza vom Jahre 1275
finden sich ebenfalls zwei kostbar verzierte Corporalbehälter ver-
merkt, die, wahrscheinlich zum festtägüchen Gebrauche bestimmt,
also beschrieben werden:
Item duo coopertoria sive corporalia, primum est ex margari-
tis ex auro factis ornatum , sex sarinis circumdatum , in quo defi-
ciunt XXIV sarini, secundum cum bullis aureis insertis, et muscha
aurea in medio posita.
Auch in dem Prager Schatzverzeichniss von St. Veit vom Jahre
1387 liest man unter der Ueberschrift )<Rubrica de capsis« wie folgt:
Prima una capsa pro corporalibus, circumdata argento, in su-
perioribus habens in medio agnum argenteum deauratum et in
superficiebus seu in circumferentiis agnus dei, qui cum nodo argen-
teo et pendili sericeo ^) cum nodis argenteis.
Item secimda capsa habens agnum de perlis in circulo gemmis
et perlis circumdato ex una jiarte et ex alia parte habens arborem
rosarum de coraUis.
Item tertia rubea habens literas Jesus.
Wir könnten noch eine grosse Anzahl solcher reichverzierten
Corporalbehälter dem Wortlaute älterer luventare aus dem XV. und
XVI. Jahrhundert zufolge namhaft machen, aus welchen erhellen
würde , welche grosse Sorgfalt man auch noch gegen Schluss des
Mittelalters zui* geziemenden Aufbewahiamg jener mehr oder weni-
ger kunstreich verzierten Corporaltücher anwandte. Es genüge hier,
schliesslich noch auf jenes merkwürdige Schatzverzeichniss aufmerk-
sam zu machen, welches in dem Uber precationum Caroli Calvi Impe-
ratoris, das sich in der ehemaligen Bibliothek des Frauenklosters
Inzigkofen im Hohenzollern'schen vorfand, und auf dessen sechs
Sclilussblättern ein Priester im Jahre 158Ü den reichhaltigen Kir-
chenschatz des Berner Münsters verzeichnet hatte.
Unter der grossen Zahl von Kirchenzier, die dort summarisch
angeführt wird, liest man unter Anderm auch:
sei zeigt. Dieser innere Deckel war an mittelalterlichen Corporal-
Kapseln, wie sie sich damals noch in grösserer Zahl in Kölnischen
Sakristeien vorfanden, in der Regel mit einer passenden Miniatur-
Malerei auf Pergament verziert.
*) Diese Schnüre von Seide dienten dazu, um den beweglichen Deckel
dieser Kapsel vermittelst der silbernen oben befindlichen Knöpfchen
einzulassen und zu befestigen.
— 271 —
Item ufF 80 Corporal, alle ufF das flisigist von silbernen Span-
gen, samat, damast, attlis, carmensin, daffet, Siden, mit schönen
Schnüren.
Wie wir schon früher andeuteten, war es wohl noch im XVI. Jahr-
hundert in den Kölnischen Kirchen Sitte, dass jedem Messkelche
auch ein Corporalbehälter beigegeben wurde, welches um diese Zeit
im Niederdeutsch »Corporals Huiss« genannt wurde. Es steht näm-
lich in dem «Inventarium der Kirchenjüdern zo Sauet Brigideim zu
Cöln« also geschrieben:
Item noch ein kellich mit 3 Corporalshuisser.
Item ein kellich mit synem Zubehoir und 1 Corporalshuiss.
Der römische Rubricist Gavantus sagt in seiner bekannten
Abhandlung^) De mensuris proprüs sacrae supellectilis hinsichtlich
jener bursa corporalium, die zur engern Kelchbekleidung gehörend,
bei Feier der h. Messe vom Priester an die Predella der Evange-
lienseite des Altars angelehnt wird, Folgendes :
»Die Bursa habe auf der obern Seite ein Kreuz oder ein h.
Bild in der Mitte eingestickt ; auch die Rückseite sei von demselben
Stoff und derselben Farbe; das Innere sei von Seide oder mit weis-
sem Leinenzeug ausgefüttert. Die Breite der hursa soll nach allen
Seiten 9 Zoll ('/2 cub.) oder etwas mehr betragen. Die Form ist
ein Quadrat.« Gavantus gibt in der eben citirten Abhandlung keine
nähern Bestimmungen über Form, Ausdehnung und Beschaffenheit
jener im Mittelalter reich verzierten grössern Corporalbehälter an,
die wie aus den obigen Anführungen älterer Schatzverzeichnisse
erhellt, in der Sakristei zur sorgfältigen Aufbewahrung mehrerer
Corporaltücher sich vorfanden. Ob in den Tagen unseres Gewährs-
mannes sich ähnliche grössere »Corporalshuiser« in römischen
Kirchen nicht vorfanden, möchte sehr zu bezweifeln sein. Der Ge-
brauch reichverzierter capsae ähnlich der auf Tafel XXXV Figur 2
abgebildeten, hat sich heute noch in vielen deutschen Diöcesen er-
halten. Es ist nämlich in Sakristeien vieler grösserer Kii'chen auch
heute noch der löbliche Brauch beibehalten, dass jeder an der
Kii-che angestellte Geistliche sein eigenes Corporalbehälter hat, wel-
Diese Abhandlung, die in ihrer üebersetzung keinem Kunsthandwerker
fehlen darf, der für kirchlichen Gebrauch Kirclienmöbel, Gefasse und
stoffliche Ornate anfertigt, ist jüngst in deutscher Sprache bedeutend
erweitert in zweiter Auflage unter dem Titel erschienen : Notizen über
Stoff, Gestalt und Grösse der heil. Geräthe und Gewänder von Pfarrer
Carl Geiger. München 1863, J. Lentner'sche Buchhandlung.
— 272 —
ches mit seinem Namen versehen ist. Leider sind die sinnig verzier-
ten Corporalbehälter des Mittelalters und der beginnenden Renais-
sance grösstentheils aus den Sakristeien verschwunden und hat die
Nüchternheit unseres Jahrhunderts an Stelle der kunstvoll mit dem
Namen bestickten capsae corporalium in Weise der auf Tafel XXXV
abgebildeten, solche von Pappendeckel mit marmorirtem Papier
überzogen treten lassen.
e. vehnn calicis.
Wie dies im Folgenden ausführlicher besproclien werden wird,
bediente man sich im Mittelalter zu liturgischen Zwecken mehrer
vela, indem mit solchen Hüllen nicht nur der Altar, sondern auch
die Chorschranken und zu gewissen Zeiten auch die Crucifixe, dess-
gleichen die Lesepulte bedeckt und verhüllt wurden. Die Hülle je-
doch, die uns hier zunächst zur Besprechung obliegt, hatte den
Zweck, den Kelch mit der darauf befindlichen patena nebst palla zu
bedecken, wenn der Priester, mit den Messgewändern bekleidet, zum
Altare schritt. Mit diesem velum bekleidet, bleibt der Kelch in Mitten
des Altares stehen, bis das Ofifertorium beginnt, und die Enthül-
lung des Kelches alsdann erfolgt. Nach der Communion des Priesters
und der erfolgten Ablution wird der Kelch wieder bekleidet und
mit dem velum umhüllt. Cardinal Bona gibt in seinem Werke ^) an,
dass der Gebrauch des Kelchvelums sehr alt sei, indem dasselbe sich
bis auf die Tage der Apostel zurückführen lasse. Auch das HL
Brakarensische Concil, das unter dem Papst Adeodatus gehalten
wurde ^j, verordnet, wie dies Bona ebenfalls angibt, dass derjenige
mit dem Kirchenbann zu belegen sei, der die kirchlichen Ornate
und die vela zu Profanzwecken herunterwürdige und an Andere
verschenke oder verkaufe. Es will uns jedoch scheinen, dass unter
diesen vom Concil benannten vela weniger die stofflich kleinen und
unbedeutenden vela calicis, als die ieira vela altaris zu verstehen
gewesen seien.
Bona weist noch auf eine Stelle in einem Briefe des Papstes
Hormisdas hin, worin derselbe dem Epiphanius dankt für die Kelche
und die vela^ die derselbe ihm zugeschickt habe. Auch bei dieser
Stelle bleibt es zweifelhaft, ob unter diesen vela jene an Umfang un-
bedeutenden Umhüllungen zu verstehen seien, mit welchen seit dem
Mittelalter und auch heute der Kelch bis zum Offertorium verdeckt
') Bona Kerum liturg. lib. I. cap. XXV, pag. 251.
^) Papst Adeodatus regierte von 072 — (376.
— 273 —
bleibt, oder ob unter denselben nicht die grössern und kostbareren
vela oder vestimenta aliaris gemeint seien.
Trotz allseitigen Nachsuchens ist es uns bisher nicht gelungen,
äussere Kelchhüllen ausfindig zu machen, die mit reichern Sticke-
reien versehen, dafür Zeugniss ablegen, dass sie in der romanischen
oder frühgothischen Kunstepoche angefertigt worden seien. Auch in
altern Schatzverzeichnissen werden solche vela caliris an keiner
Stelle erwähnt. Man darf daraus nicht den Scliluss ziehen, dass über-
haupt diese vela als äussere Bekleidung des Kelches im Mittelalter
nicht liturgisch in Gebrauch waren, sondern es Hesse sich vielleicht
daraus folgern, dass dieselben, als integrirende Theile zum Mess-
gewaude gehörend, desswegeu in der Aufzählung übergangen wor-
den seien, weil sie einfach aus jenen Stoffen ohne Anwendung von
Stickereien bestanden, aus denen auch das entsprechende Mess-
gewand verfertigt war. Wie dies bei Gavanius zu ersehen ist, soll
das Kelchtuch nach allen Seiten hin 2 Schuh 3 Zoll (1 cub. 12 uuc.)
gross sein; der Saum sei mit feiner Seiden-, Gold- oder Silberarbeit
geschmückt. Auch soU dasselbe in der Mitte, und zwar nach dem
untern Rande hin, entsprechend den aufgenähten kleineren Kreuzen
auf Stola und Manipel, mit einem Kreuze verziert werden. Im Ge-
gensatze zu diesen Bestimmungen sind indessen jene Kelchumhüllun-
gen, die uns, aus dem Schlüsse des Mittelalters herrührend, bekannt
geworden sind, gleich der Stola und dem Manipel nicht mit diesem
Kreuze versehen. In der römischen Kirche scheint sich im An-
schluss an die Orientalische am längsten der Gebrauch erhalten zu
haben, die verschiedenen Hturgischen Ornate an geeigneter Stelle mit
Kreuzen zu verzieren Von der römischen Liturgie aus scheint
auch seit dem XVI. Jahrhundert der Gebrauch in den verschiedenen
Diöcesen des Abendlandes allgemein Ehigang gefunden zu haben,
nicht nur Stole und Manipel an den betreffenden Stellen, sondern
auch das velum calicis, dessgleichen auch das corporale und das pu-
rißcatorium durch ein Kreuzeszeichen zu verzieren, um auf diese
Weise jene Stelle anzudeuten, die es im Gebrauche einnehmen soll.
Unbegreiflicher Weise hat seit dem XVII. Jahrhundert das mei-
stens unechte Borten- und Tressenwesen an den liturgischen Or-
naten derart überhand genommen, dass durch diese platten Ein-
fassungen die ehemals faltenreichen Ornatstücke unzweckmässig
*) Wir erinnern hier nur im Vorbeigehen an die vestes stauracinae,
oder an die pallia, cum orbiculis ec cruce, wie sie an vielen Stellen
bei Anastasius Bibliothecarius vorkommen.
— 274 —
abgegrenzt wurden, und dadurch der Faltenwurf und jede Be-
wegung derselben gehemmt wird.
Auch unsere Kelchbedeckung, die ihrer Bestimmung nach zum
Zusammenfalten und zum Ausbreiten über den Kelch möglichst leicht
und beweglich sein sollte , hat durcli die ordinäi'e Einfassung mit
breiten steifen Borten gewiss nicht an Zweckmässigkeit und Schön-
heit gewonnen, sondern das velum wird durch diese Einfassung
ohne Noth steif und für den Gebrauch unbequem gestaltet. Wir
erinnern uns aus der Renaissance-Zeit mehr oder weniger reich
ausgestattete vela gesehen zu haben, bei welchen diese unpractische
Umbordung fehlte, und die nur in den vier Ecken ein kleines ge-
sticktes Ornament zur Anwendung kommen Hessen.
Die Diaconen-Gewänder.
Gleichwie im mosaischen Alterthum die Abstufungen der Le-
viten und Opferpriester auch im Aeussern durch ein entsprechendes
Gewand angezeigt waren, so wurden auch seit den frühchristlichen
Zeiten die verschiedenen ordines in der khchlichen Hierarchie
durch entsprechende Gewänder ausgezeichnet, die je dem einzelnen
Ordo zuständig waren. Der liturgische Ornat, der in der kirch-
lichen Rangabstufung den Diaconen zusteht, ist von Einigen gleich-
sam als eine Nachbildung jener Gewänder aufgefasst worden , mit
welchen die zalilreichen Leviten beim Tetnpeldienste bekleidet wa-
ren. Wenn auch der Zahl, der Benennung und annäherungsweise
dem Schnitte nach sich ein ziemlich zu treffender Vergleich zwi-
schen den hohenpriesterlichen Gewändern des alten Testamentes
und den bischöflichen Ornaten der Kirche ziehen lässt, wie dies im
L Bande von Seite 427 bis 453 geschehen ist, so lässt sich den-
noch zwischen den heutigen Diaconen-Gewändern und den Klei-
dern der Leviten im Alten Bunde eine solche Parallele nicht auf-
stellen, durch welche die gebräuchliche Bezeichnungsweise «Le-
viten« ihre Berechtigung erhielte. Der Name Leviten-Kleider oder
Leviten-Röcke, die auch zuweilen Lese-Röcke genannt wurden i),
ist desswegen nicht von der Aehnliclikeit dieser liturgischen
Ornate mit denen der Leviten im alten Bunde herzuleiten, son-
') Dar Name »Leseröcke« in Kölnischen Schatzverzeichnissen aus dem
Ausgange des Mittelalters leitet oft'enbar seinen Ursprung daher, weil
mit diesen Gewändern bekleidet hei feierlichen Aemtern der Subdiacon
und der Diacon die Epistel und das Evangelium zu »lesen« hatte.
I
— 275 --
(lern diese Bezeichnung dürfte vielmehr entstanden sein aus dem
Namen ))levitae<s., den auch in der Kirche zuweilen die Subdiaconen
und Diaconen, entlehnt von den Leviten des Alterthums, zu führen
pflegten.
Zu den vesten dütconutus werden zwei Ornate gezählt, die
tumcella des Subdiacons und die dalmatica des Diacons.
üeber die Verzierungsweise dieser beiden Leviten-Kleider, in-
sofern sie auch der Bischof trägt, Avenn er in Pontificalibus die
heil. Geheimnisse feierlich begeht, haben wir von Seite 83 bis 101
in dem vorlieg.enden II. Bande ausführlicher gehandelt. Auch sind
über die Entstehung und Entwicklung der Diaconen-Gewänder iu
den ersten cliristlichen Jahrhunderten im I. Band auf Seite 447 ff.
allgemeinere Andeutungen gegeben worden. Es genüge desswegen
hier, nur noch Einiges über Form und Beschaffenheit der Sub-
diaconen- und Diaconen-Gewänder nachträglich folgen zu lassen ,
und insbesondere darauf lünzudeuten, inwiefern sich die Dalmatik
des Diacons von der Tunicelle des Subdiacons unterscheide.
Wie aus den Institutionen des heil. Sylvester erhellt, wurde
unter diesem Papste den Diaconen. wie dies auch schon an anderer
Stelle bemerkt AVfirden ist. das Anlegen der dalmatica bei liturgischen
Feierhchkeiten gestattet, da. wie Alcuin es andeutet, bis zu dieser
Zeit die Diaconen der römischen Kirche nur das colobiurn zu tragen
pflegten. Dieses ältere rolohmm unterschied sich von der Dal-
matik dadurch, dass das erste ein römisches Gewand ohne Aermel
oder nur mit solchen ausgestattet war, die kaum den Oberarm
bedeckten , wohingegen das fremde und im II. Jahrhundert aus
Daluiatien nach Rom eingeführte Gewand lange und bi'eitc Aer-
mel aufwies, die bis zu der Hand herunter reichten 2).
Der Grund, weswegen der heil. Sylvester den Diaconen das
Anlegen der dalmatica gestattete . wird von Alcuin dahin ange-
geben, dass bei dem oben gedachten Abgang der Aermel die Nackt-
heit der Arme bei Verrichtung von kirchlichen Obliegenheiten un-
schickhch befunden worden sei.
Was nun die Form und den Stoft' der ältesten Diaconenkleider
betrifft, so Avaren dieselben mit weiten Gewändern zu vergleichen, die
in geradlinigtem Faltenwurf fast bis zu den Füssen herunterreichten,
und welche, meistens aus einem weissen Seidenstoff gearbeitet, in
*) Isidoras Hispal. episc. lib. XIX. Orig. cap. 22.
Das Nähere über Form und Beschaffenheit des colobiurn vgl. in Octa-
vius Ferrarius de re vestiaria, lib. 3. cap. 8. pag. 196—199. Patavii, 1654.
19
i
— 276 -
ihren ausgespannten weiten Aernieln fast der Form eines Kreuzes
nahekamen i). Seit den frühchristlichen Zeiten war die Dahnatik der
Diaconen mit aufgenähten schmalen Bandsti-eifen verziert, die, pa-
rallel über beide Schulter u laufend, soAvohl den Vorder- als den Hin-
tertheil des Gewandes schmückten. Diese aufgenähten ornamenta-
len Bandstreifen, die Hrabanus duos tramites, Alcuinus duas virgas.
Amalarius hingegen duas lineas und andere Liturgiker duas zonas
purpureas nannten, sind offenbar, wie dies auch früher angedeutet
wurde, als analoge Uebertragungen jener auszeichnenden angusti
clavi zu betrachten, mit welchen, als aufgenähten schmalen Purpur-
streifeu^), einzelne Gewandstücke der vornehmern Römer im classi-
schen Zeitalter verziert zu werden pflegten 3).
Amalarius Fortunatus , der im X. Jahrhundei't lebte , s]Dricht
sich an einer Stelle seiner liturgischen Schi'ift ausführlicher über
die Lage und Farbe dieser ornamentalen Purpursti'eifen au den
Dalmatikeu der Diaconen, dessgleichen auch über die sonstige Ver-
zierungsweise derselben aus, indem er sagt: «Dalmatica duas
coccineas lineas habet retro, similiterque in anteriori parte . . .
Aliquae dalmaticae habent viginti octo fimbrias ante et retro . . .
et aliquae triginta singulae lineae altrinsecus quindecim . . . sinis-
trum latus habet fimbrias .... ad dextrum latus non habet
Was nun den Schnitt des Diacoueu-Gewandes betrifft, von dem
Alcuin sagt: «inconsutilis etiam est,« so ist hier noch hinzuzufügen,
dass sowohl vor als auch nach dem X. Jahrhundert die auf beiden
Seiten geschlossene Dalmatik eine solche Weite hatte, dass sie be-
({uem über den Kopf angezogen werden konnte. Eine solche stoft'-
reiche Dalmatik von hohem Alter , deren Länge , Breite und Aus-
dehnung der Arme auffallend gross ist, bewahrt heute noch der
Schatz der Liebfrauen-Kirche zu Mastricht, und berichtet eine
ziemlich glaubwürdige Tradition, dass dieser merkwürdige Ornat
dem h. Lambert zugehört habe. Derselbe besteht aus einem höchst
interessanten gemusterten Byssusstoff, dessen Dessins für das hohe
Alter des Gewandes beweisführend sein dürften. Erst seit dem XIV.
') Desswegen sagi auch Hrabanus Maurus: Haec vestis in niodum crucis
est facta, in seinem Werke de instit. cleric. lib. 1., cap. 2ü.
^) Rubenius lib. I. de re vestiaria, cap. 8.
^) Vgl. die interessanten Angaben über die vestes clavatae, sowie über
den angustus clavus und latus clavus bei Octavius Ferrarius, lib. I.,
pag. 20G u. 208.
Amalarius Fortunat, de eccl. oü'., lib. II., cap. 21.
— 277 -
Jahrhundert beginnt die Dahuatik an Ausdehnung und Weite zu
verlieren, und entsteht in Folge davon ein tieferer Einschnitt an
den beiden Seiten, der im späteren Mittelalter vollends bis zu dem
üntertheil der Aermel durchgeführt wird. Der:5elbe ist später Ver-
anlassung, dass auch die Aermel geöftnet, und nach Anlegung des
Ornates wieder durch Schnüre zugebunden und geschlossen werden.
Gross ist die Zahl der Diaconen-Gewänder, die sich heute
noch, in reicher Abwechslung der Verzierungsweise, in verschiedenen
Sacristeien des mittlem und nördlichen Deutsclilands erhalten ha-
ben. Wir vorweisen hier nur kurz auf die Leviten-Kleider in
mittelalterlichem Schnitt und in reich gemusterten Seidenstoffen,
die wir in der Zitter zu Halberstadt, in den Gewandschränken des
Domes zu Brandenburg, in der Sacristei der Marienkirche zu Dan-
zig, dessgleichen in der (iewandkammer der Kirche der Calands-
briider zu Stralsund M und in der Gerkammer der grossen Markt-
kirche zu ßraunschweig zu sehen (ielegenheit hatten. In der letzt-
gedachten Kirche zu Braunschweig fanden sich Dalmatiken, die,
aus dem XIV. Jahihundert herrührend, zum Beweise dienen
können, dass man um diese Zeit hinsichtlich der Beobachtung der
liturgisch vorgeschriebenen Farl)en es nicht sonderlich strenge nahm,
sondern jene Seidenstoffe zur Anfertigung von Ornaten verwandte,
wie man sie eben geschenkt erhielt und wie sie gerade durch den
Handel zu beziehen waren. So findet sich daselbst unter Andern
eine Dalmatik von golddurchwii'ktem Stoß', die auf der hüitern
Seite eine andere Farbe zu erkennen gibt, als auf der vordem
Seite. Ein anderes Leviten-Gewand ist noch eigenthümlicher zu-
sammengesetzt, indem es an jene Profaiigewänder des XIV. und
XV. Jahrhunderts erinnert, deren Farben heraldisch a mi part ge-
ordnet waren; in Uebereinstimmuug damit ersieht man an einer Dal-
matik sogar auf der einen Seitenhälfte einen andern Farbton, als
den, der auf der entgegengesetzten Seite vorherrschend ist.
In den Tagen Gregors des Grossen bestand zu Rom die litur-
gische Kleidung der Subdiaconen bloss aus dem Schultertiich und der
Albe, die vermittelst des cingulum gegürtet wurde. Auch in an-
dern Kirchen scheinen die Subdiaconen bei kirchlichen Verrich-
tungen bloss mit diesen ebenbezeichneten Gewändern bekleidet
gewesen zu sein 2). Der oft genannte Honorius von Autun weist
') Diese Genossenschaft erhielt davon ihre Benennung, dass sich ihre
Mitglieder an den Calendae eines jeden Monats zu gottesdienstlichen
Zwecken versammelten.
-j Gregorius Pap. lib. YI. ep. 64. ad Joaun. Syraeusan.
19*
darauf hin, dass später den Subdiaconen zwei besondere, auszeich-
nende Ornate verheben worden seien, nämhch die timica stricta und
das siidarium^).
Diese iuiiica stricta, die dem Subdiacon erst nach den Tagen
Gregors des Gi'ossen zugctheiit wurde, unterschied sich von der
Dalmatik des Diacons sowohl liinsichtHch ihrer Ausdehnung als
auch Ilmsichtlich ilirer stofflichen Beschaff'enheit. Es war dieselbe,
wie schon ihr Name iunica stricta besagt, nicht so weit und falten-
reich wie die Dahnatüf, sondern dieselbe war enger und legte sich
dem Körper mehr an; auch der Stoff, aus welchem diese iuniceüa in
den frühesten Zeiten angefertigt zu werden pflegte, war nicht so
kostbar und reich, wie derjenige welcher bei Anfertigung der Dal-
matik verwandt wurde, sondern derselbe war leichter und fliessen-
der; daher auch die identische Bezeiclnmng: subtile (lela subtilia).
Das zweite Ornatstück , das sudarium , das den Subdiaconen,
dem Honorius zufolge, zugestanden wurde, gestaltete sich im
Laufe der Jahrhunderte zu einer rnapida, aus welcher seit dem
X. Jahrhundert, wie an anderer Stelle nachgewiesen wurde, sich
der manipulus allmähg entwickelte. Um die hierarchische Unter-
ordnung des Subdiacons unter dem Diacon auch im Gewände zu
veranschaulichen, wurden in den verschiedenen Diöcesen das ganze
Mittelalter hindurch bis zum Ausgange desselben die Aermel des
Subdiaconats-Gewandes fast durchgeheuds enger und kürzer gestal-
tet, als die der Dalmatik. Auch reichte die eng anliegende tuni-
cella in der Regel weiter hinal) als die Dalmatik; dessgleichen waren
auch an älteren Tuuicellen die gestickten aurifrisiae, nämlich jene
angusti clavi, von welchen auf Seite 27(3 die Hede gewesen ist, ein-
facher gestaltet und weniger reich verziert. Ferner haben wir meh-
rere mittelalterliche tunicellae vorgefunden , an welchen diese aus-
zeichnenden iramites, aureae Ustae, durchaus fehlten. Heute ist aller
Unterschied zwischen Dalmatik und Tunicelle in Rücksicht auf stoff-
liche Ausdehmmg und Verzierungsweise bei Seite gesetzt. Schon Car-
dinal Bona weist darauf hin, dass bereits zu seiner Zeit, also in der
letzten Hälfte des XVH. Jahrhunderts, namentlich in Italien eine
wesentliche Unterscheidung ZAvischen dem subtile des Subdiacons und
der dalmatica des Diacons nicht mehr voi'gefunden wurde; nur seien
häutig noch die Aermel der Tunicelle kürzer und enger im Schnitte
gehalten worden, als dies an den manicalia der Dalmatik der Fall
') Honorius Augustoduii. iu Genima Animae Iii). I. cap. 229.
^) Siehe II. Band, Seite
— 279 —
gewesen sei. Hinsichtlich der übrigen Gewänrler, die sowohl der
Diacon als auch der Subdiacon im Mittelalter unter der Dalmatik
und der Tunicelle trug . ist nachträglich noch zu bemerken , dass
sowohl das Schultei-tuch nebst der darauf gestickten flaga oder
parura, als auch die Albe mit ihren gestickten ^^erbrämungen an
den vier früher bezeichneten Stellen, nicht weniger auch die cingula,
wenigstens im Schnitt und in der äussern Form, durchaus überein-
stimmend waren mit denselben betreffenden GcAvandstücken, wie sie
der Priester und der Bischof zu tragen pflegten. Nur waren bei dem
letztgedachten_ kirchlichen Würdenträger, wie das auch an anderer
Stelle bemerkt worden ist, die zuletzt erwähnten Oruatstücke meistens
aus kostbareren Stoifen angefertigt.
Mit Rücksicht auf jene Künstler, die bei liturgisch richtiger
Darstellung von Heihgen in Leviten-Kleidern nicht selten in Ver-
legenheit sind, in welchem Schnitt und in welcher Reihenfolge
diese Diaconen - Gewänder mit den übrigen zugehörigen Ornaten
aufzufassen und darzustellen seien, sei hier noch hinzugefügt, dass
im Mittelalter wie auch heute noch sowohl der Subdiacon als auch
der Diacon den Manipel immer an dem linken Arme angebunden
trägt; über Gestalt und Entwicklung des Manijiels ist im II. Bde.
von Seite 79 bis 82 Ausführlicheres angegeben. Dieser Manipel fehlt
niemals auf ältern Bildwerken der Kölnischen, Florentinischen und
Sienesischen Schule; derselbe ist nach Vorschrift immer am linken
Oberarm so befestigt, dass die beiden untern schmalen Fuss-Theile
desselben noch zum Theile aus dem weiten Aermel der Tunicell oder
der Dalmatik hervorragen. Die bildende Kunst hat seit den beiden
letzten Jahrhunderten bis in die neueste Zeit bei Darstellung der
verschiedenen ordines in ihren betreffenden kirchlichen Gewändern
von den strengen Vorschriften der Rubriken hinsichtlich der rich-
tigen Form und Anlegimgsweise der einzelnen Ornatstücke zuweilen
aus Unwissenheit, meistens aber auch aus Maugel an Interesse
für diese anscheinend untergeordneten Ornatstücke, Abstand genom-
men. Es dürfte durchgängig als Beweis von sehr oberflächlichen Stu-
dien gelten, wenn Maler oder Bildhauer, die historisch richtig bei
Wiedergabe der kirchlichen Ornate zu Werk gehen wollen, Diacone
darstellen, welche mit einer Stole bekleidet sind, die kreuzweise über
der Brust gegürtet ist und noch theilweise unter der Vorderseite
der Dalmatik hervorlangt, während hingegen den Rubriken gemäss
der Diacon gehalten ist, die Stole auf der linken Schulter anzu-
legen, und dieselbe so auf der rechten Seite unter dem Arm anzubin-
den und zu befestigen, dass die untern Theile derselben noch theil-
— 280 —
•weise auf der rechten ^Seite unter der Dalmatik zum Vorschein tre-
ten, wie dies hei den Darstellungen der Diaconen auf Tafel IV, Fig. II
zu ersehen ist. Auch würde es liturgisch unrichtig sein, den Sub-
diacon mit einer Ötole bekleidet darzustellen, da nur dem Priester
und dem Diacon das Recht der Ötole zusteht, liingegen dem Sub-
diacon das Tragen derselben nicht gestattet ist; iler Subdiacon hat
jedoch das Recht den Manipel in derselben Weise und derselben
Form wie der Diacon zu tragen.
Bevor wir diese kurzen Angaben über die Leviten-Gev/änder
zum Absclilusse bringen, möge hier noch in chronologischer Reihen-
folge die Aufzählung und Beschreibung von altern dalmaticae und
subtilia eine Stelle finden, aus welchen nicht nur die Bezeichnung
dieser Diaconen-Gewänder , sondern auch manchmal die künstleri-
sche Beschaffenheit und Verzierungsweise derselben in verschiedenen
Jahrhunderten des Mittelalters ersichtlich wird.
Beginnen wir unsere Aufzählung mit der Angabe aus dem
Schatzverzeichnisse der Abtei Martinsberg aus dem Schlüsse des XI.
Jahrhunderts. Nach Inventarisirung der reichen Kirchenzierratheu
aus edlen Metallen heisst es unter Anderem: Dalmaticae sunt X,
quarum duae sunt aurifris(j paratae; subtilia sunt XUI, ex quibus
est ununi aurifriso paratum. Auch der Domschatz von Mainz hatte
dem mehrfach gedachten Berichte des Bischofs Conrad in seinem
»Chronicum Vetus Rerum Moguntiacarumu zufolge eine grosse
Zahl von kostbaren und reichverzierten Leviten-Kleidern aufzuwei-
sen. Wir führen hier nur einige derselben an: Inter casulas autem
sunt de quoübet colore duo paria; duae nigrae aurifrigiatae et ejus-
dem operis duae dalmaticae et duo subtilia, latis aurifrigiis ornata,
et haec omnia valde bona. Item duae casulae de samito albo et
ejusdem tili dalmaticae duae, subtilia duo cum auro ornata, omnia
valde bona. Das alte Verzeichni.ss des Bamberger Domschatzes, au-
gefei-tigt gegen das Jahr 1128 unter Bischof Otto I., zählt als be-
findlich im damaligen Domschatze auf wie folgt: Dalmaticae XIV,
ex his IX cum aurifrigio. Subtilia XVI, ex Iiis MII cum aurifri-
gio. An anderer Stelle desselben Inventars wird als im damahgen
Schatz befindlich noch erwälint: tunica imperatoris cum aui-ifrigio
et magaritis.
Wir haben in unserai Werke der »Kleinodien des h. römischen
Reiches deutscher Nation« und zwar auf Tafel XL eine tunica ab-
gebildet und auf Seite 188 bis 190 auslührhcher beschrieben, die wir
init jenem kaiserlichen Leibrock identisch erachten, welche die eben
angezogene Stelle des Bamberger Schatzverzeichnisses ausdrücklich
— 281 —
erwähnt. Dieses höchst interessante Gewand befand sich bis zum
Ausbruch der grossen französischen Revolution mit den übrigen
Kaisermänteln Heinrichs des Heiligen im Domschatz zu Bamberg
und wurde zu Anfang dieses Jahrhunderts mit andern Kostbar-
keiten nach München in Sicherheit gebracht. Bei der vor we-
nigen Jahren erfolgten Rückerstattung der kaiserlichen Ornate an
den Bamberger Domschatz, blieb, wie es scheint, irrtliümlicher
Weise unsere tiaiica imperialis in München zurück, wo sie heut
noch im königlichen Maximilian -Museum aufbewahrt wird. Da
heute Tuniken, aus dem XI. Jahrhundert herrührend, zur grossen
Seltenheit geworden sind, da ferner jene Tuniken, wie sie an ihrem
Krönungstage Könige und Kaiser trugen, so ziemlich mit den ent-
sprechenden Ornaten hinsichtlich des Schnittes und der Form überein-
stimmen, wie sie auch bei den Subdiaconen im XI. u. XII. Jahi-hun-
dert in Gebrauch waren, so sei hier im Allgemeinen bemerkt, dass,
wenn auch unsere tunica imperatoris nicht mehr in ihrem ursprüng-
lichen Schnitt sich vorfindet, dieselbe doch noch in ihrer heutigen
modificirten Form einen ziemlich sichern Schluss ziehen lässt, wie
das subtile der Subdiaconen im XI. und XII. Jahrhundert in Rück-
sicht auf Schnitt und Verzierungsweise beschaffen war. Aehnlich
wie an der tunica imperialis^), heute noch aufbewahrt unter den
deutschen Reichskleinodien im kaiserhchen Schatze zu Wien, reichte
auch der Leibrock Kaiser Heinrich's des Heiligen mit seinem in
Perlstickereien reich verzierten unteren Rande bis ziemlich weit
über die Kniee herab; die Aermel, die auch an der untern Oeff-
nung mit kostbaren Stickereien verbrämt waren, sind unten ziemlich
enge und schliessen sich der Hand an. Aiich das zierlich gestickte
Pectoralstück, das an den älteren tunicellae niemals fehlte, nünmt
man an dem in Rede stehenden Leibrock wahr. Mit Bezug auf die
weitere Form und Ausstattung dieses seltenen Ornates ^) verweisen
wir auf das bereits Angeführte auf Seite 171 und 172 im I. Bande.
Auf Taf. XXXVII sind unter Fig. 1 und 2 im verkleinerten Maass-
stabe jene naturhistorisch ligurirten Seidengewebe bildlich wieder-
gegeben, aus welchen in weisser Farbe die Bamberger tunica impera-
') Die Abbildung und Beschreibung dieser tunica imperialis auf Taf. III
und Seite 18 bis 20 unseres Werkes »die Kleinodien des h. römischen
Reiches deutscher Nation. Wien, Hof- und Staatsdruckerei 1864.«
Wir haben irrthümlich auf Seite 172 den in Rede stehenden Ornat
als kaiserliche Albe bezeichnet, uns später aber zu überzeugen Gelegen-
heit gehabt, dass derselbe als eine tunicella stricta aufzufassen sei.
— 282 —
toris bestellt ; dieselben l'audei) sich, wie an anderer Stelle bereits an-
gegeben worden, unter verdeckendem Damaststofl'e des vorigen Jahr-
hunderts. Der reich gemusterte Stotl' unter Fig. 1, Taf. XXXVII
gehört zu den rad- oder tellerförmig gemusterten Seidengeweben
orientalischer Fabrication, wie sie häufiger im XI. Jahrhundert an-
getroffen werden. Unter Fig. 2 ist ebenfalls ein Seidengewebe von
weisser Farbe veranschaulicht, welches sich nur stellenweise unter
der verdeckenden Hülle an xuiserer twiica vorfindet. Dieses schöne
Gewebe dürfte zu den pallia quadrapoh, orbimlata zu zählen sein,
wie sie, mit Vierecken und Kreisen gemustert, el)enfalls im XI. Jahr-
hundert zahlreich angetroffen werden. Auffallend ist es, dass bereits
im Beginne des XI. Jahrhunderts in orientalischen Seidengeweben
der doppelköpfige Adler als retournirende Musterung vorkommt.
In dem Schatzverzeichniss der Basihca des heil. Johann von
Monza vom Jahre 1275 stehen ebenfalls mehrere Leviten-Kleider
verzeichnet, unter folgenden Benennungen: Item dalmaticae VI,
quai'um duae sunt rubrae cum i'rixis; item quatuor albae et una
deaurata; item subdiacono sex, quarum duae sunt vermigii (coloris),
duae albi, duae deauratae. Ferner werden in der Visitatio facta
in thesauro S. Pauli Lond. vom Jahre 1295 in langer Reihe eine
grosse Zahl meist reichverzierter Diaconen-Gewänder unter der Ru-
brik »tunicae et dalmaticae« namhaft gemacht, aus welchen wir
hier im Folgenden nur einige hervorheben : Item tunica et dalmatica
Indici coloris Henrici de Wengheim, cum tribus aurifrigiis et listis
in scapulis, ante et retro diversi operis. Item tunica et dalmatica
de indico sendato affbrciata cum bordura operis saraceni in extre-
mitate. Item tunica et dalmatica de albo diaspro cum cicadis viri-
dibus in ramunculis de dono Ricardi de Gravesende episcopi; item
tunica et dalmatica de albo baudekino cum bordiu-a ejusdem panni,
de auro campo rubeo et avibus de auro in dalmatica, et in tunica
rubea bordura sine avibus; item tria paria tunicarum et dalmatic-
arum de diaspro albo piano; et suspenduntur, (piia parvi valoris;
item tunit'a de pallio imperiali fiorigerata viridi et rubeo cum avi-
cuhs rubeis ad niudum columbae; item tunica de aho imperiali
cum vineis rubeis, infra cujus frondes sunt et leones.
In dem Prager Schatzverzeichnisse vom Jahre 1387 stehen unter
der Ueberschrift «Rubrica ornatorum integrovuni« eine grosse Menge
von Levitenldeidern von verschiedenen Farben verzeichnet, die sämmt-
') Vielleicht das ital. aflbrzata, d. i. verstärkt, vuii tbrza, die Stärke.
— 283 —
lieh mehr oder weniger reich durch gestickte tnirifrisiae verziert
waren. Unter diesen vielen sollen hier einige namhaft gemacht wer-
den: Item integer ornatiis, qui confessorum fuit in rubeo zameto,
nunc de patronis, qui est subdiictus, una cum dialmatica de glauco.
sed subtile caret subductura. Item integer ornatus de viridi zameto,
qui est viduarum antiquarum; est casula in reformationem cor-
tiuaium destructa et ex cappa, in qua ambulavit dominus Joannes
Polonius canonicus, facta est alia casula subducta rubeo et dial-
matica et subtile subducta glauco; item dialmatica et subtile in
viridi nachone cum parvis rosulis, una et alia cum majoribus sub-
ducta glauco, quae dominus I'rzemysl rex dedit una cum casula . . . .
Item integer ornatus de nachone subbrunatico, casula et subtile
subducta viridi, dalmatica glauco .... Item integer ornatus in panno
Lucano cum magna praetexta ante et retro , cum imaginibus
per modum crucis; dalmatica est de eodem sicut casula; subtile de
albo cum avibus in viridi , subductura de glauco , quem dedit
dominus Joannes Episcopus Pragensis . . . Item ornatus integer de
bysso albo cum praetexta magna aurea ante et retro cum cappa
et praetexta similiter aurea cum dialmatica, liabente praetextas
aureas et subductus viridi, sed cappa rubeo. Auch das Schatz-
verzeichuiss der Olmützer Donikirche vom Jahre 1435 zählt eine
grosse Anzalü vollständiger Ornate auf, von denen wir einzelne,
die sich durch besondere tcrmini technici auszeichnen, hier an-
reihen : Item casula glauca vel quasi viridis cum aureis et crucitixo
a tergo, ab ante vero materia in praetexta aurea cum duabus dial-
maticis consimiiis materiae sine subductura; item casulae quatuor
rubeae cum antiquis aureis praetextis, sine subductura cum quatuor
dialmaticis rubeis; item casida Havea de atlilas cum praetexta
aurea veteri ad modum crucis, cum subtili quasi cum albis lineis,
cum quatuor dialmaticis tiaveis cum subductura varii coloris; item
alba cum fimbriis uigris, in quibus sunt yniagines diversae aureae,
et humerale cum quatuor ymaginibus aureis, et una dialmatica alba
cum griffonibiis , cum timbriis sicut alba, in qua canitur: Exultet
jam angelica turba coeloruin etc.; item duae dialmaticae albae
pro missa de dominica. Item tres dialmaticae, una brunatica quasi
aureo opere et duae brunaticae cum rubeis rotulis sine subductura.
Item quinque dialmaticae albae , subtiles de vario opere et colore.
Item accreverunt dialmatica flavea cum cauibus deauratis et can-
cellatura deaurata subductura glauca. Item dialmatica subrubea
lineata, in quibus lineis quasi dracones albi in Üaveo campo et
■ leunculi flavei in albo campo sine subductura.
— 284 —
In dem Schatzverzeichnisse der Abtei Michelsberg zu Bamberg
vom Jahre 1483 stehen ebenfalls eine Menge von vollständigen Or-
naten verzeichnet, die in dieser Weise namhaft gemacht werden:
Unum purpureum ornatum rubeum cum duabus tunicis et earum
requisitis. Unum ornatum viridem cum duabus tunicis et earum atti-
nenciys. Unum planeum ornatum proprie taffati cum duabus tunicis
et earum attinenciis. Unum planum ornatum proprie taffati cum
duabus tunicis et earum necessariis.
Zum Schlüsse dieser Angaben mittelalterlicher Schatzverzeich-
nisse aus verschiedenen üiöcesen sei es gestattet, hier noch einige
Angaben aus dem reiclihaltigen Schatzverzeichnisse von St. Marcus
in Venedig aus dem Beginne des XVI. Jahrhunderts einzuschalten,
wodurch die Benennungsweise des ornatus integer und seines Zu-
behörs ersiclitlich gemacht wird, wie sie im XV. und XVI. Jahr-
hundert zu Venedig und in mehrern Diöcesen des nördlichen Italiens
gangbar sein mochte:
1. Paramento uno de veludo Carmesin'), zoe Una pianeda,
doe strette^). tutto rechamado^) de perle con stolle 2 et manipoli
3 con i soi fiochi de perle*) et Ii soi tre amicti fornidi de perle
et Camisi 3 con le sue gramite^) rechamade a figure de perle et
consoli 3 ossia 9 i soi fiochi de perle.
2. Paramento uno de Campo d'oro intitulado del Re di Franzia,
zoe pianeda Una, dol strette rechamade de perle con la sua croce
rechamada ala pianeta rechamada de perle, i tre camisi con la
sua gramita^) da man et da piede rechamada de peile per tutti
i soi frixi, stole 2, manipoli 3, tutti rechamadi de perle et con i
soi fiochi la stola manipoli rechamadi de perle ; et con Ii conzoh ^) :
sono rt chamadi de perle ali soi fiochi, i qual fiochi sono molto
piu grandi che no sono quelli del paramento veludo soprascritto.
3. Paramento uno de campo d'oro, zoe una pianeda con la
sua croce rechamada de oro con strette 2, pur de ditto pano cam-
pod'oro con la sua gramita rechamada d'oro, do stolle et manipoli
3 con i soi fiochi d'oro, tutti il detti paramenti con Ii soi frixi de
*) Carmesinrother Sammet.
-) ttinicae strictae gleichbedeutend strette.
') gestickt.
Perl-Quästcheii.
^) gramite übereinstimmend mit parurac, praetextae.
^) Mit ihren Besatzstücken an Hand und Fuss, gestickt mit Perlen in allen
ihren Besatzstücken.
') Die untern Fussstücke.
— 285 —
oro de rechamo , et camisi 3 con ]a sua gramita da man et da
piedi, et Ii soi tre amicti tutti rechamadi de oro con tre Conzoli
di seta Carmesina con i sui fiochi d'oro.
4. Pianeda ima de üaniaschin d'oro Carmesin con la sna croxe
d'oro recliamada con le sue diie strette fornide con Ii soi frixi d'oro
con Ii soi tiochi . et stolle 2 manipoli 3 del dicto pano damaschin
d'oro, Camisi 3 con la sna gramita l'ornidi de brocchadeio carme-
sin turchescha.
5. Paramento uno de peloseto d'oro, zoe iina pianeta con la
sua croce recliamada d'oro, le sue due strette con la sna gramita
rechamada d'oro con Ii soi frizi a rechamo, con tre Camisi con la
sua gramita recliamada d'oro, una stoUa et une manipolo del detto
panno peloseto et doi manipoli et una stolla de rechamo d'oro.
In dem fortlaufenden Texte dieses Inventars werden noch
zwei bischöfliche Tunicellen in folgenden Worten aufgeführt:
Toniscelle over strette in de tabi fodrade de ormesino 'j.
Due tonisele da Epo (episcopo) fodrade de ormeshi.
In den vorher citirten Schatzverzeichnissen werden meistens
Dalmatiken namhaft gemacht, die mit kunstreich gearbeiteten Auri-
frisien verziert, vorzugsweise an Festtagen in Gebrauch genommen
wurden. Gross jedoch ist die Zahl jener einfachen Diakonengewän-
der, die in Stifts- und Cathedralkirchen dem Wortlaute älterer
Schatzverzeichnisse zufolge, ehemals Anwendung fanden. In so weit
wir Gelegenheit hatten , in den Khchen des nördlichen Deutsch-
lands solche einfache Dalmatiken für den usus quotidianus in Au-
genschein zu nehmen, bestehen dieselben meistens aus einem zwei-
farbigen Damast oder Satiiigewebe von Seide mit jenen eingewirkten
Musterungen, wie sie die jedesmalige Epoche der Seidenfabrikation
des Mittelalters kennzeichnen. An diesen einfachen Levitenröcken
fehlen jedoch in der Regel die gestickten Stäbe und sind dieselben
zuweilen durch schmale seidene Borten angedeutet; zuweilen fallen
aber auch diese Borten, welche die Stelle der Aurifrisien andeuten
sollen, ganz fort. Wir haben in der I. Lieferung unseres unten
angeführten Werkes^) und zwar auf Blatt 1 in natürlicher Grösse
den schön gemusterten Stoff einer Tunicclle für den Subdiacon
mitgetlieilt, die sich in grossem Faltenreichthum der Form in un-
Gefüttert mit Ormesin, eine Art leichten Seidenstoffes.
^) Die Musterzeichner de.s Mittelalters. Anleitende Vorlegeblätter für Mu-
stei'- und Webeschulen, Tapeten und Paramenteu-Fabrikanten. 1. Blatt.
I. Lieferung. Beschreibender Text: Seite 2—4.
— 286 —
serer Sammlung vorfand. Auf Tafel XXXVIII sind unter Fig. 1
und 2 zwei verschieden gemusterte Seidengewebe veranschaulicht,
aus welchen eine Dalmatik zusammengesetzt war , welche in ihrer
stofflichen Ausdehnung so ziemlich mit der auf Tafel VII. abgebil-
deten Dalmatik übereinstimmte. Nur waren die Aermel derselben
länger und auch nicht so enge gestaltet, wie das in der Abbildung
auf Tafel VII, Fig. 1 der P'all ist. Auch gestickte Stäbe gingen
derselben ab, und zeigte der Futterstoff an, dass diese Dalmatik
zum Gebrauche an gewöhnlichen Festtagen gedient habe. Den ein-
gewebten zierlichen Dessins nach zu urtheilen , wie sie sich auf
Tafel XXXVIII, Figur 1 und 2 zu erkennen geben, gehörte diese
Dalmatik frühestens der Mitte des XIV. Jahrhunderts an. Was die
Musterungen in diesen quadratisch-dessinirten Seidengeweben be-
trifft, so dürften diese Stoffe der maurischen Fabrication des süd-
lichen Spaniens , im Hinblick auf formverwandte Parallele, zuzu-
sprechen sein.
Der noch zur Verfügung stehende Rauna reicht nicht aus, um
hier noch in Beschreibung mehrere heute noch erhaltene Dal-
matiken hervorzuheben, die sich, meistens aus dem XV. und XVI.
Jahrhxindert stammend, zahlreich noch erhalten haben. Um die
Verkürzungen hinsichtlich des Schnittes zu veranschaulichen, die
die Diaconengewänder seit dem Mittelalter bis in die neueste Zeit
leider nicht zu ihrem Vortheile erfahren haben, so ist auf Seite 273
eine Tabelle ersichtlich, auf welcher diese Veränderungen, hinsicht-
lich ihrer stofflichen Ausdehnung in Zahlen anschaulich gemacht
wird. In Rom und in vielen italienischen Diöcesen hat die Dal-
matik heute noch ihre ehemalige Breite und Länge , desgleichen
auch die Länge und Weite der Aermel sich ziemhch unverkürzt
zu bewahren gewusst. Anstatt der vierecldgen, gewöhnlich mit
Steifleinen hinterlegten Stoffstücke , die heute in französischen
imd deutschen Diöcesen sehr unschön aus zu grossen Bequem-
lichkeits- Rücksichten die Stelle der Aermel zu vertreten sich her-
ausnehmen, sahen wir in Rom und in vielen bischöflichen Kirchen
Italiens auch bei den Dalmatiken für täglichen Gebrauch die
von den Rubriken vorgeschriebene Form der Aermel gewahrt,
die geschlossen, fast bis zu dem Knöchel der Hände herunter-
reichten. Die Diaconenkleider , wie sie heute aus den letzten
Jahrhunderten herrührend, in Rom und in italienischen Kirchen
zahlreich noch in Gebrauch sind , stimmen liinsichtlich ihres
Schnittes und ihrer stoffhchen Ausdelmung noch so ziemhch mit
jenen Grössenangaben überein, wie sie Gavantus in seinem «The-
— 287 —
saurus sacrae subtellectilis« ;ils maassgebend für die Mailänder
Kirche aufgezeichnet hat. Hinsichtlich der stoff lichen Ausdehnung
der Dahnatik führt nämlich der gedachte Liturgiker an besagter
Stelle an: «die Dahnatik soll nicht kurz abgeschnittene Aermel
haben, sondern dieselben sollen in ziemhcher Weite bis zur Hand
herabreichen. Die Dahnatik kann ferner 4' lang sein und soll an
den Schultern eine Weite von 1' 9". unten aber 7V2' Weite ha-
ben.« Mit Bezug auf die Tunicellen lauten die Vorschriften unseres
Gewährsmanns wie folgt: «Das Gewand des Subdiacons, die Tu-
nicelle, sei ähnlich dem des Diacons, mir habe es engere und zu-
gleich auch etwas längere Aermel.«
Noch erübrigt es bei den vorstehenden kurzen Angaben über
die Form und Ausstattung der Diaconengewänder anzuführen,
dass namentlich in italienischen Cathedralkii ehen die Diaconen über
die gewöhnliche Stola nach Ablegung der aufgerollten Casel auch
noch eine stola latior anziehen, die fast die Form und Breite einer
Schärpe hat. Nach den Angaben von Geiger M \ertritt diese
Stola, die über die huke Schulter angelegt wird und unter dem
rechten Arme mit den beiden ausmündenden Theileu herunterhängt,
die Stelle der aufgerollten und über die Achseln zusamniengefalte-
ueu Casel der alten Kirche. Dieselbe ist auch nicht mit den drei
Kreuzen, wie die gewöhnliche Stola des Diai'uns bezeichnet
Der Chor- oder Vespermantel
(cappa flioralis, pluviale).
Mit Einschluss der Casel und der übrigen auf Seite 23ö und jJ36
aufgezählten priesterlicheu Oinate nebst den beiden eben bespro-
chenen Leviteiikleidern und ihrem Zubehör wird noch unter Ilinzu-
fügung der von S. 258 bis 274 heschriebonen Kelchbedeckungen zum
ornatus integer gezählt die cappa oder das pluviale, die auch zu-
weilen Cliorkai)pe , zuweilen auch casula cueullata oder processoria
genannt wird. Heute trägt bei einem levitirten Hochamte der Assis-
tent diesen Chormantel, der in der Regel von demselben Stoffe ge-
nommen ist, aus welchem auch die Casel und die Levitenröcke
angefertigt sind. Ausserdem wird seit den Tagen des Mittelalters
unser pluviale liauptsächhch noch beim nachmittägigen Gottes-
') Notizen über Gestalt, Form und Grösse der h. Geräthe und Gewände
von C. Geiger, 2. Auflage, Seite 28. München 1863.
'^j Vgl. L. R. C. decr. in una Venetiarum 11. Sept. 1847 ad 1.
— 288 —
dienste in Gebrauch genommen, bei Trauer- und Beerdiguugsfeier-
lichkeiten, ferner bei öifentlichen Prozessionen und überhaupt bei
kirchlichen Functionen, bei welchen vom dieustthuenden Priester
zum Incensiren das llauchfass gebraucht wird; daher auch in
einigen Diöcesen der Name Rauch- oder Vespermantel. Diese cappa,
die auch den Namen pluviale (ital. piviale) desswegen führt, weil
sie ehemals bei öffentlichen Prozessionen und Bittgängen auch von
den Chorsängern und Ministranten zum Schutze gegen das Unge-
mach der Witterung {plnvies) getragen wurde, war in den ältesten
Zeiten, wie es schon der Name andeutet, ein liturgisches Gewand,
das vorzugsweise von den Ministranten, den Sängern und dem nie-
dern Clerus bei verschiedenen liturgischen Verrichtungen in Ge-
brauch genommen wurde.
Diese cappae, zuweilen auch capae genannt, waren vor dem X.
Jahrhundert sowohl hinsichtlich ihres Schnittes als auch ilii'es Ma-
terials von grosser Verschiedenheit der Form und stofflichen Be-
schaffenheit , je nachdem dieselben von Klerikern oder von Layen
getragen wurden. Das wesentliche Kennzeichen der cappa bestand
darin, dass dieselbe ein mantelförmiges , nach der vorderen Seite
geöffnetes Gewand war , das den Überkörper bis über die Kniee
bedeckte und das desswegen seinen Namen erhielt, weil nach Oben
eine stoffliche Erweiterung als Hülle, cappa, caputium zur Bedek-
kung des Kopfes angenäht Avar. Wann nun die capjya im Gebrauch
der Layen allmähüg verschwand und nur ausschliesslich als charac-
teristisches Obergewand den Mönchen als cuculla und den Kanoni-
kern als cappa verblieb , dürfte heute schwer mehr zu ergrün-
den sein.
Vor dem X. Jahrhundert hat offenbar in vielen Diöcesen unsere
cappa jene Bedeutung und reichere Ausstattung nicht gehabt,
die derselben nach dem X. Jahrhundert in mehrern Kirchen ver-
liehen wurde, nachdem dieses Gewand, dessen sich wie bereits ge-
sagt, ehemals nur der niedere Clerus zu bedienen pflegte, auch bei
den Dignitäten der Capitel und selbst bei den Bischöfen aUmälig in
Gebrauch kam. Da also die cappa cueullata längere Zeit einem unter-
geordneten kirclilichen Gebrauche diente und auch von Layen als
profane Kleidung in Gebrauch genommen wurde, da ferner dieselbe
nicht so sehr als das liturgische Kleid eines bestimmten Ordo in der
kirchlichen Hierarchie angesehen wurde , so erldärt es sich auch,
dass che ältern Liturgiker dieses Gewandstückes seltener erwähnen.
Bereits in früher angelsächsischer Zeit werden unter Bischof
Leofricus Amtsführung, als der Kirche von Exeter zugehörend, an-
geführt: •>■) Cantercappae and ranterstafas^). Eine solche Cantorkappe
nebst Cantorstab ist in dem angelsächsischen Cerenionial für die
Einweihung der Kirchoi in Abbildung zu ersehen^). Auch in den
Tagen der angelsächsischen Königin Margaretha von Schottland
werden die cappae noch als Sängermäntel an jener Stelle erwähnt,
die uns einen Einblick thun lässt in die Zimmer einei- kunstsinnigen
angelsächsischen Fürstin. Die betreffende Stelle lautet: »His rebus,
id est, quae ad divinae servitutis cultum pertinebant, nunquam vacua
eratillius camera; quae ut ita dicam, quaedam caelestis artificii vide-
batur esse officina. Ibi cappae cantorum, casulae, stolae, altaris
pallia, alia quoque vestimenta sacerdotaha et ecclesiae Semper vide-
bantur ornamental). Dass bereits um das Jahr 984 der Gebrauch
der cappae clwrales in englischen Kirchen ein ausgedehnter gewesen
sein muss , ist aus folgender Stelle zu entnehmen : Dedit (abbas
Egelricus) et choro viginti et quatuor cappas, scilicet sex albas,
sex rubeas, sex virides et sex nigras*).
Auch in dem sechsten Ordo Romanus, dessen holies Alter von
Einigen bestritten wird, begegnet man der ausdrücklichen Erwäh-
nung dieses Oruatstückes an jener Stelle, wo es heisst, dass dem
celebrirenden Bischof zwei Priester mit der cappa bekleidet mini-
strix-en •''). Dessgieichen spricht auch Lanfrancus an einer Stelle
von diesem Ornat der cappa In den Tagen König Wilhelms
dürfte die cappa in englischen Kirchen schon eine grössere Bedeu-
tung und eine hervorragende Verzierung erhalten haben. Derselbe
sandte nämlich dem heil. Hugo , Abt von Cluny , eine cappa , die
der unten angeführten Beschreibung zuiblge durch das opus angli-
canum auf das Reichste verziert war^).
') Cod. Dipl. Anglo-Saxonum tora. IV. p. 275,
Mr. Gage, Arcliaeologia, vol. XXV, p. 17.
Vita S. Margaritae A. A. S. S. tom. II., .Tunii p. 329, n. 7.
■•j Histor. Iiigulphi, ed. Gale, iuter Her. Anglic. ycri])tores, tom. I., p. 53.
^) Die betreÖGude Stelle des Ordo Romanus lautet : Duo presbyteri ita
ut ad Missam, excepto quod cappis induti sunt, vestiti ministrent ei.
•^J Lanfranc. Epist. 13 ad Joannem Normanuorum Archiepiscopum ; fer-
ner sind auch bei Du Saussay in seinem ersten Theile der Panoj)lia
Sacerdotalis lib. 7, cap. 5 eine Anzahl von Angaben über das Alter
und das Vorkommen unserer cappa zu ersehen.
') Die betreflende Stelle findet sich bei dem Anonym, de Mirac. S. Hug. :
cappam paene auream totam, in qua vix nisi aurum apparet vel elec-
trum , vel margaritarum textus aut gemmarum series , inferius autem
undique tintinnabula resonantia ipsaque aurea pendent.
— 290 —
Noch im XIII. Jahrhundert, als Houorius von Autun seine
Gamma Animae schrieb, hatte die cappa in französischen Kirchen
ihre ursprüngliche Bedeutung bewahrt; er sagt nämlich an einer
Stelle seiner Schrift: »Cappa propria vestis est caiitorum. «
In Itahen scheinen selbst die Päpste schon in früher Zeit
eine Art cappa getragen zu haben, die jedoch hinsichtlich ihrer
grössern Ausdehnung und ihres Schnittes sich wesentlich von der
cappa der Chorsänger und niedern Cleriker unterschieden haben
wird. Es redet nänüich der heil. Petrus Damiaiuis den Gegenpapst
Cadalous an einer Stelle in folgender Weise an: Habes more ßo-
mani Pontificis, rubeam cappam.
Wie überhaupt in den verschiedenen Kirchen die Bezeichnung
für die einzelnen liturgischen Ornate im Mittelalter keine gleich-
artige war, so ist nicht nur bei Amalarius Fortunatus, sondern auch
selbst im oben gedachten Ordo Romanus, wie es scheint, die Bezeich-
nung casula und planela für jenes Gewandstück gebräuchlich, das in
andern Diöcesen in nicht viel späterer Zeit fast durchgängig cappa
genannt wird. Nach dem eben gedachten Ordo Komanus tragen nicht
nur die Subdiaconen, sondern auch die Akolythen eine planeta bei
liturgischen Functionen. Amalarius Fortunatus sagt sogar, dass
die casula ein allen Clerikern gemeinschaftliches Gewand seiM-
Der letztgedachte Liturgiker beschreibt auch diese allen Clerikern
zuständige casula, indem er sagt: casula dupla est, post tergum
inter humeros, et ante pectus. Es leuchtet nun ein, dass zwischen
der casula oder planeta, wie sie der Bischof, dessgleichen auch der
celebrirende Priester trug und zwischen den mit gleichem Namen
benannten Gewändern, wie sie nach Amalarius und dem Ordo Ro-
manus die Ministranten und niedern Cleriker zu tragen pflegten,
nicht nur hinsichtlich der Kostbarkeit des Stoffes, sondern mehr
noch hinsichtlich des Scliuittes ein bemerkenswerther Unterscliied
obwalten musste. Wir sind der Ansicht, dass die casula für die
Ministranten und untergeordneten Cleriker mit dem anderwärts
meistens cappa benannten Gewandstücke übereinstimmend gewesen
sein dürfte. Und in der That konnte die Verwechslung dieser bei-
den Ornatstücke um so leichtei' stattfinden, da bloss durch Eröft-
nung der Zusammensetzungsnaht auf der vordem Seite der casula
dieselbe sich sofort zu einer cappa, d. h. zu einem faltenreichen
weiten Mantel, umgestalten liess, der nach der vorderen Seite hin
'J Amalarius Fortunatus. üb. IL, cap. 19.
— 291 —
eine Oeffnung hatte und nach den andern Seiten hin gleichmässig
verschlossen war. Würde man diese letzte Hypothese nicht als
stichhaltig zulassen, so könnte man auch noch eine zweite Annahme
geltend machen, dass nämlich die planeta oder cnsula für den nie-
dern Clerus ebenfalls auf der Vorder- und Hintei'seite geschlossen
gewesen sei und nur auf beiden Seiten in kurzen Zwischenräumen
mehrere Durchlässe gehabt habe, durch welche der Träger nach
Belieben bei den verschiedenen Amtshandlungen Arme und Hände
durchschieben konnte. Was unserer hier ausgesprochenen Ansicht
noch zur Beki'äftigung dient, ist der Umstand, dass diese casula
für die niedern Cleriker und Ministranten wegen der Capuze
oder des cucullus, der überhaupt an der altern capi a choralis nie-
mals fehlte, auch casula cucuUata zuweilen genannt wird.
Um im Bilde die grosse Formverwandtschaft der mppa und
der casula cucullata anschaulich zu machen, sei auf Tafel XXXIX
verwiesen, wo ein Abt, Hliutharius nennt ihn die Inschrift, dargestellt
ist, wie er widmend dem jungen Kaiser Otto III. einen reich ver-
zierten Evangeliencodex überreicht, der auf Geheiss dieses Abtes,
wahrscheinlich von einem geübten Sclireiber seiner Abtei, angefertigt
worden war '). Wie die grosse Miniature auf dem Titelbilde des
unten bezeichneten Evangeliarium es deutlicher erkennen lässt, ist
Abt Lothar auf Taf. XXXIX mit jenen Gewändern bekleidet, welcher
im X. Jahrhundert die Benedictiner sich zu bedienen pflegten. Als
Obergewand trägt derselbe eine cappa oder casula cucullata, die an
den Armen an drei Stellen übereinander Oeffnungen zum Durch-
lass der Arme zeigt. Diese cappn scheint auf den Schultern mit
einem cucullus, der Guggel, vei'sehen gewesen zu sein, welche über
den Kopf des Trägers geschoben werden konnte und woher auch
dem Obergewande der Name cappa beigegeben worden ist'-').
Betrachtet man nun näher den Schnitt und die Ausdehnung
der cappa, so stellt es sich heraus, dass dieselbe, in ihrer Ganz-
') Vgl. die ßef3chreib\iiig dieses reicli verzierten Codex, der sicli im
Schatze des Aachener Münsters befindet , in unserm neuesten Werke:
Karl's d. Gr. Pfalzkapelle und ihre Kunstschätze, Seite 39—45. I. Theil,
Leipzig T. 0. Weigel 1865.
Das Nähere über Form und Beschaffenheit der Cuculle, wie sie die im
IX. Jahrhundert revidirte Klosterregcl der Benedictiner vorschreibt, ist
ausführlicher zu ersehen in dem trefflichen eben erschienenen Werke :
Der h. Benedict, Gründer von Aniane und Cornelimünster (IndaJ, Re-
formator des Benedictiner-Ordens , herausgegeben von P. J. Nicolai,
Cöln, Verlag von II. Lompertz 1865.
20
— 292 —
heit ausgebreitet, einen vollständigen Halbkreis bildet, dessen
Halbmesser 4 Fuss und 3 bis 4 Zoll durchschnittlich betrug,
wie eine Vermessung mehrer mittelalterlichen Chorkappen, die
uns zu Gesicht kamen, ergeben hat. Eine solche Ausdehnung von
einem gleichen Halbmesser zeigen auch jene altern pallia oder
pahidamenta regalia, die, aus dem Mittelalter herstammend, sich
bis heute noch in den verschiedenen Kronschätzen Europa's er-
halten haben und die hinsichtlich ihres Schnittes und der Ver-
zierungsweise mit dem liturgischen Ornate unserer cappa ziem-
lich übereinstimmen. Solche pallia oder paludamenta, im Einklang
stehend mit dem liturgischen pluviale, finden sich noch vor im kai-
serlichen Schatz zu Wien, in den Domschätzen zu Bamberg, Aachen,
Metz, dessgleichen auch im städtischen Museum zu Braunschweig,
und endlich im Kronschatzgewölbe des königlichen Schlosses zu Ofen.
Wir haben in unserm Werke »die Kleinodien des heil, römischen
Reiches deutscher Nation« diese königlichen und kaiserlichen Ober-
gewänder oder Mäntel abgebildet und näher beschrieben, und wei-
sen unten, der Kürze wegen, darauf hin'). Ob mit den cappae
im Mittelalter, wie sie seit dem XH. Jahrhundert nicht nur
die Bischöfe bei verschiedenen liturgischen Amtshandlungen, son-
dern auch die Könige und Kaiser des christlichen Abendlandes bei
der feierhchen Salbung und Krönung zu tragen pflegten, auch jene
einfachen Chormäntel hinsichtlich ihrer Formen und Ausdehnung
übereinstimmten, wie sie die Assistenten und Sänger, dessgleichen
auch der niedere Clerus zu tragen pflegten, diese Frage lassen wir
hier noch unentschieden, zumal wir im Dome zu Halberstadt und
in andern Stiftskirchen noch Reste von altern cappae der Chor-
sänger und Scholaren vorgefunden haben, die gleichsam als fal-
tenreiche Kragen kaum bis zu den Knieen heriinterreichten.
Auf Tafel XLV ist in natürlicher Grösse des Musters ein Theil
eines interessanten Purpurgewebes abgebildet, das an einigen Stellen
noch, wenn auch vielfach beschädigt, das grobe leinene Futterzeug
einer Cantorkappe des XHI. Jahrhunderts als OberstofP verhüllte.
Diese cappa cJtoralis schien lange Zeiten hindurch als Sängermantel
*) Vgl. die Abbildung und Beschreibung des Krönungsmantels deutscher
Kaiser in der kaiserlichen Burg zu Wien auf Tafel VI; der Kaisermäntel
Heinrichs II. im Domschatz zu Bamberg, von Tafel XL bis LII;
ferner der irrthümlich sogenannten cappa Leonis III. im Schatze zu
Aachen, auf Tafel XXI; der chappe de Charlemagne im Dom zu Metz,
auf Tafel XXII und des Mantels Kaiser Otto's IV. auf Tafel X; end-
lich des ungarischen Krönungsniantels auf Tafel XVII.
•
- 293 —
benutzt worden zu sein und war daher auch die Mütze an derselben
zum Ueberziehen über den Kopf sehr schadhaft und beschmutzt. Der
auf Tafel XLV abgebildete schöne Purpurstoif , der sich auch, um
die Hälfte vergrössert, zur Anfertigung von neuen Kirchenstoffen
eignen wilrde, dürfte wahrscheinlich gegen Schluss des XII. Jahr-
hunderts von griechischen Seidenwebern angefertigt worden sein.
Dieser Annahme dienen auch zum Belege die mit Kreuzchen ge-
füllten Quadrate mit den ausmündenden Lilien auf den Ecken, dess-
gleichen auch die immer wiederkehrenden sechsblätterigen Rosen-
formen. Die_ebengedachte Chorkappe raisst in ihrer grössten Länge
nur 2' 10" 8"' und beträgt die Länge der Kapuze [)" bei einer Breite
von 13". Diese enge Guggel, welche als capiäium bei der grossen
Tonsur, wie sie im Mittelalter die Cleriker zu tragen pflegten,
gute Dienste leistete, kam, wie es uns scheinen wiU, aus Reinlich-
keits-Rücksichten seit dem XIII. Jahrhundert mehr und mehr in
Wegfall, nachdem beim Clerus zur Bedeckung der grossen Tonsur
allmälig ein kleiner pileus sich Eingang verschafft hatte, aus wel-
chem, wie dies an anderer Stehe gezeigt werden wird, sich das
heutige Birrett entwickelte.
Was früher bei der cappa zum Schutze des Hauptes Sache
der Nothwendigkeit war, wurde seit dem XIII. Jahrhundert seiner
äussern Form nach beibehalten, jedoch nur als eine stoft'liche Zuthat
und Verzierung betrachtet. Desshalb zeigen auch jene ältern pluvia-
lia des XIII. und XIV. Jahrhunderts, die sich heute noch erhalten ha-
ben, an der Hinterseite einen kleinern Schild, meistens in dreieckiger
Form, der, gewöhnhch mit reichen Stickereien verziert, die Stelle des
ehemaligen beweglichen caputium einnimmt. Als Maassstab zur Be-
urtheilung der Entstehungszeit älterer Chorkappen kann, neben den
gestickten aurifrisiae und ihren characteristischen Verzierungen, ins-
besondere dieser hintere clipens als bestimmend betrachtet werden.
Je kleiner dieses schildförmige Ornament sich herausstellt, je mehr
es mit der engen Dreieckform des ehemahgen cucullus überein-
stimmt, desto höher darf der fragliche Ornat hinsichtlich seines
Alters angesetzt werden.
Um bereits Gesagtes nicht zu wiederholen, verweisen wir auf
die interessanten Mittheilungen, die Prof. Dr. Hefele über Ursprung
und Entwickelung des Chormantels in seinem neuesten Werke ver-
öffentlicht hat'). Diejenigen die sich eingehender über den in Rede
') Beiträge zur Kirchengeschichte, Archäologie und Liturgik von Prof.
Dr. Hefele. II. Bd. Seite 209 -212. Tübingen 1864.
20*
— 294 —
stehenden Ornat der cappa unterrichten wollen, werden mit grosser
Befriedigung die vielen dort augeführten Citate durchlesen, die
grösstentheils noch den Reiz der Neuheit für sich haben.
Hält man nun Rundschau, wo ihrer Entstehungszeit nach die
ältesten Chorkappen angetroffen werden, so ist darauf zu erwidern,
dass die Zahl derselben im Gegensatz zu den noch erhaltenen Mess-
gewändern der frühromanischen Kunstepoche eine verhältnissmässig
geringe ist.
Die älteste heute bekannte cappa, über welche französische
Schriftsteller häufiger Ijerichtet haben, war der Mantel des h. Mar-
tin von Tours ( gegen 400). Nach dem Tode dieses Heiligen erlangte
dieser Mantel eine solche Berühmtheit, dass er bei besonderer
Veranlassung von Tours nach dem königlichen Hoflager gebracht
und auch als paladium sogar in den Kriegen gleichsam als Fahne
vorgetragen wurde. Die Aufbewahrung und Aufstellung (heser
wunderthätigen cappa wurde besondern capellain überwiesen, und
hat diese letzte Bezeichnung auch den Terminus «Capellen« veran-
lasst. Mit Abrechnung jener königlichen und kaiserlichen paluda-
menta oder pallia, die wir auf Seite 292 in der Anmerkung der
Reihe nach aufgezählt haben, und die in sofern sich von den plu-
vialia zu liturgischem Gebrauche unterscheiden, als an den könig-
lichen Mänteln sich kein caputium oder clipeus vorfindet, haben
sich verhältnissmässig nur wenige Cliormäutel erhalten , die ein
höheres Alter als das XH. Jahrhundert beanspruchen können.
Eine cappa von hohem Alter und verhältnissmässig guter Er-
haltung sahen wir kürzlich in dem Erzbischöflichen Museum zu
Utrecht. Eine unverbürgte Ucberlieferung möclite dieselbe gerne
auf die Tage des h. Bonifacius zurückfuhren, zumal selbige zu
Dokum in Friesland aufgefunden worden ist, wo bekannthch der
Apostel der Deutschen das Martyrium erlitten hat. Die Musterung
des interessanten Seidenstoffes jedoch , nicht weniger die grosse
Ausdehnung des Gewandes , als auch des caputium , das in Form
einer kleinen spitzen Mütze über den Kopf geschoben werden kann,
besagen deutlich, dass der in Rede stehende Ornat frühestens ge-
gen Sclüuss des XH., wenn nicht sogar gegen Anfang des XHI.
Jahrhunderts Entstehung gefunden habe.
Einen der ältesten bis zur Stunde bekannten Chormäntel be-
sitzt heute noch die Benediktiner- Abtei St. Paul in Kärnthen, die
Erbin der Ueberlieferungen und der Kunstschätze des altberühmten
Stiftes St. Blasien im Schwarzwalde. Unter Beifügung eines genauen
— 295 —
Wiener Fussmaasses veranscliaulichen wir auf Tafel XL unter Fi-
gur 1 die allgemeinen Umrisse dieses merkwürdigen Ornates zu
St. Paul, der in seiner Vollständigkeit heute noch, wie keine ähn-
liche cappa, sich erhalten hat, und fügen hinsichtlich der künstleri-
schen Beschaffenheit dieser casula. cuculluta hinzu, dass dieselbe im
IV. Bande des »Jahrbuches der k. k. Centralcommission zur Erfor-
schung und Erhaltung der Baudenkmale« unter Beigabe der uöthi-
geu Abbildungen eine ausführliche Beschreibung gefunden hat^).
Noch sei hier bemerkt, dass diese Chorkapi)e zu St. Paul durch
eine II Cent.Ju-eite nnrifrüia, die unter Fig. 2, Taf. XL in verkleiner-
tem Maassstabe abgebildet ist, in zwei gleiche Hälften getheilt Avird.
Beide Hälften sind gleichmässig durch eine Menge von Kreisen ge-
mustert, innerhalb welcher eine grosse Anzahl figuraler Darstel-
lungen sich befindet. Die eine Hälfte dieser orhiculi, sctdella, an-
gedeutet auf der Abbildung Tafel XL unter A, sind durch Scene-
rien belebt, welche die Lebens- und Leidensgeschichte des heiligen
Blasius vorstellen, die andere Hälfte unter B, führt, von ähnlichen
lü'eisen umschlossen, im Bilde die Legende des h. Vincentius vor.
Sämmtliche Stickereien dieser ehemahgen Pluviale sind auf einem
feinen Leinen-Sti-amin im sogenannten Zopf- oder Flechtstich so aus-
geführt, dass die Sticlilagen, immer regelmässig und gedoppelt neben-
einander fortgeführt, deutlich zu erkennen sind. Was imserm Ves-
permantel für das Studium der liturgischen Gewänder ein erhöh-
tes Literesse verleiht, ist der Umstand, dass die Guggel in kleiner
Dreieckform an jenem Theile noch erhalten ist, welcher den Hals
und Rücken des Trägers ehemals bedeckte und Vlem Haupte am näch-
sten stand. Diese Kapuze, die auf beiden Seiten in ihrer Auftren-
nung auf Tafel XL unter v, z, und x, y veranschaulicht ist, zeigt,
im regelmässigen Flechtstich ausgefühi-t, auf jener hintern Fläche,
bezeichnet unter x und y, die erst beim Hinüberschieben der
Kapuze über das Haupt ersichtlich wurde , zwei ornamental auf-
gefasste Thierunholde, die durch einen mittlem Baudstreifen ge-
trennt werden (vgl. die Abbildung unter Figur 3); auf der oberen
Fläche hingegen, die nach der Anlegung des Gewandes und der
Zurückschiebung der Kapuze dem Beschauer zugekehrt und unter
V und z angedeutet ist, erblickt man, in zwei Hälften getheilt, das
') Liturgische Gewänder aus dem Stifte St. Blasien im Schwarzwalde,
dermalen aufbewahrt im Stifte St. Paul in Kärnthen, von Dr. Gu-
stav Heider. Wien 1S60.
— 296 —
Bild des h. Bischofs Blasius, des Patrones des oftgenannten Stiftes,
in sitzender Stellung, und ihm gegenüber das knieende Bild jenes
Abtes, unter dessen Amtsführung der in Rede stehende Ornat an-
gefertigt wurde. Auf Tafel XL, Fig. 4 ist im verkleinerten Maass-
stabe diese vordere Seite des caputium veranschaulicht. Zeigt so-
wohl der Schnitt als auch die Verzierungsweise, dessgleichen die
Technik an der eben besprochenen cappa von St. Paul in Kärntheu,
dass dieselbe der ersten Hälfte des XIII. Jahrhunderts angehört,
so lässt eine Inschrift auf einem andern fast gleichartig gestickten
Chormantel, nebst andern gleichzeitigen liturgischen Ornaten auf-
bewahrt in dem ehemahgen Stifte der Benediktinerinnen zu Göss bei
Leoben , erkennen , dass diese letztgedachte cappa zu Göss der
Mitte des XIII. Jahrhunderts angehöre. Wir haben im III. Ba,nde
der Mittheilungen der k. k. Central-Commission 1858, Seite 62 —64
diesen gestickten Messornat der Abtei Göss in Steiermark ausführ-
licher beschrieben , und erübrigt es desswegen nur noch , Einiges
über die dabei befindliche interessante Chorkappe hier folgen zu
lassen. Leider hat der Gösser Chormantel durch Hinzufügung und
Hinwegnahme einzelner Tlieile von seiner ursprünglichen Form so
viel eingebüsst, dass sich heute aus den noch vorfindlichen Resten
kaum noch ein Schluss auf die ursprüngliche Form desselben ziehen
lässt. Dieser Chormantel besteht aus zwei grössern Gewandhälften,
die theUs durch figürliche Darstellungen, theils durch gräcisirende
quadratische Ornamente in vielfarbiger Stickerei gemustert werden.
Als Mittelstück zeigt sich an dem hintern Theile unseres pluviale an-
statt des ältern sehr kleinen caputium ein grösseres Rundmedaillon
in einem Durchmesser von fast 40 Centimeter. In diesem Medaillon
ersieht man die gestickte Darstellung der Himmelskönigin, welche
auf einem Thronsessel sitzt und von den vier typischen Büdern der
Evangelisten umgeben ist. Zu Häupten der Himmelskönigin er-
bhckt man ein bandförmiges legendarium in weisser Seide gestickt,
in welcher in Purpurseide folgende verstümmelte und schadhaft ge-
wordene Inschrift sich kaum noch entziffern lässt: «cell matrona
Chuneguudis suscipe dona, casula cum cappa placeat tibi celica
(patrona?).«
Offenbar der letzten Hälfte des XIII. Jahrhunderts, wenn nicht
sogar dem Beginne des XIV. Jahrhunderts, gehört jener reichge-
stickte Chormantel an, der heute noch im Schatze des Münsters
zu Aachen aufbewahrt wird, und von dem eine vage üeberlieferung,
die erst seit dem letzten Jahrhundert im offenbaren Widerspruch
mit der characteristischen Verzierungsweise des betreffenden Ornates
— 297 —
entstanden ist, angibt, es sei dies jene cappa Leonis III., mit wel-
cher bekleidet dieser heil. Papst im Jahre 801 das Liebfrauen-
Münster zu Aachen eingeweiht habe. Wir veranschaulichen dieses
vielfach besprochene pbwiale, wie es sich nach seiner Anlegung dar-
stellt, auf Tafel XLI, und weisen darauf hin, dass auf Tafel XXI
unseres Werkes der »Kleinodien des h. römischen Reiches deutscher
Nation« in natürlicher Grösse die verschiedenen Einzelnheiten dieses
formschönen Ornates wiedergegeben sind i).
Der Grundstoff dieses merkwürdigen Gewandes besteht aus einem
zarten Rothsammet, der sich dem Purpur nähert; wie die Abbil-
dung auf Tafel XLI dies deutlich walirnehmen lässt, ist der dun-
kelrothe Sammet unserer pluoiale mit schmalen Goldstreifen dui'ch-
Avebt, die als retournirende Muster kleine Quadrate bilden, deren
Mitte jedesmal durch fünfblätterige Röschen belebt werden, welche
durch den sogenannten Knötchenstich, auf Leinen gestickt, hervor-
gebracht worden sind. Der Abbildung unter Figur XLI entsprechend
hat sich die ehemalige Kapuze bereits in ein kleines dreieckiges
Schild (franz. echaperon) verwandelt, dessen untere Spitze in Ver-
lust gerathen und ehemals mit einem grössern Knauf von vergolde-
tem Silber verziert gewesen zu sein scheint. Die reicligestickte
Borte, von welcher auf Tafel XLII in natürlicher Grösse ein Bruch-
theil wieder gegeben ist, setzt sich gleichmässig über die Schultern
des Trägers fort (vergl. Tafel XLI) und steht mit derselben der
cUpeus unmittelbar in Verbindung. Wir haben nicht unterlassen, auf
Tafel XLII diese merkwürdig gearbeitete aurifrisia bildüch zu ver-
anschaulichen, zumal dieses interessant ä jour gearbeitete Stabwerk
olfenbar als ein opu^ anglicanum zu betrachten ist, an welchem,
wie früher bemerkt, die Goldschmiedekunst in Verbindung mit durch-
brochen gewirkter Stickerei auftritt. Es wechseln nämlich in den
Vierpässen jedesmal gestickte Wappenschilde mit in vergoldetem Sil-
berblech getriebenen fünfblätterigen Rosen ab, deren äussere Blätter
in ihren Einbiegungen (vgl. Taf XLII) mit je einer frei aufgesetzten
Perle verziert sind. Sowohl diese immer wiederkehrenden, in Gold-
fäden gestickten Vierpässe, als auch die darin befindlichen gothischen
') Welche Bewandtniss es mit der sogenannten »chappe de Charlemagne«
von Metz habe, ob dieselbe als Chormantel oder als ein Rest eines
Messgewandes des XII. Jahrhunderts zu betrachten sei, darüber haben
wir in unserm oben citirteu Werke der deutschen Reichskleiuodien
Seite 126 bis 130 das Nähere angeführt.
— 298 —
Wappeuschilcle, dessgleiclien auch die characteristischen Formen der
stellenweise aufgenähten metallischen Rosen, sprechen zu deutlich
für eine Entstehungszeit dieser cappu in der schon entwickelten
gothischen Kunstepoche , dass darüber auch nicht der mindeste
Zweifel o])walten kann. Ein l)csonderes Interesse hat auch für
den Alterthumsforscher und Liturgiker der untere breite Saum,
der in alten Schatzverzeichuissen limhus oder auch peridysis in
ijyra genannt wird. Auf Tafel XLIII ist dieser reichgestickte Saum
in natürlicher Grösse in einem Bruchtheile wiedergegeben. Der
Tiefgrund desselben ist zickzackförmig in Goldfäden gestickt. Auf
diesem Fond ersieht man nach gleichen Zwischenräumen die ge-
stickten Bildwerke der Altväter und Propheten mit Spruchbän-
dern, abwechselnd mit Sternen und Blumenstöcken, die aus Vasen
hervorragen. In Mitte dieses unteren breiten Saumes gewahrt
man eine stark gedrehte Seidenkordel , die nach gleichen Zwi-
schenräumen kleine Glöckchen von Silber, in Vierpassform getrie-
ben, aufnimmt und befestigt. Diese Glöckchen, grade hundert an
der Zahl, entbehren der Klöppel im Innern und geben dieselben
dadurch einen melodischen Klang, dass sie beim Gebrauch des
Ornates gegenseitig aneinander schlagen. Im Verlaufe dieser No-
tizen über die Form und Verzierungsweise der mittelalterhchen
mppae wird sich noch Gelegenheit finden , auf Angaben älterer
Inventare hinzuweisen , in welchen ähnhch verzierte Chormäntel
nandiaft gemacht Averden, deren untere Ränder ebenfalls mit sol-
chen tintinnabuJa verziert waren.
Bei Aufzählung von heute noch erhaltenen Vespermänteln des
Mittelalters dürfen wir nicht mit Stillschweigen übergehen jenes
mit Scenerien aus dem Lel)en des Heilandes in Plattstich reich ge-
stickte jo/wü/a^e, das sich bis zur Stunde in dem Schatze der Cathedral-
kü'che zu Anagni erhalten hat, und das der Ueberlieferung nach
als Geschenk Papst Bonifacius VIII. daselbst herrührt. Aehnlich
der früher besprochenen cappa von St. Paul in Kärnthen ist auch
der ebengedachte Ornat zu Anagni als palliiua scutellatum. oder
rotatum mit einer grossen Zahl von Kreisen gemustert, innerhalb
welcher eine Menge von Scenen aus dem Leben des Herrn und
der allerseligsten Jungfrau in meisterhafter Technik vielfarbig ge-
stickt sind. Es fehlt uns hier der Raum, um diese merkwürdige
cappa zu Anagni , die wir daselbst zu zwei verschiedenen Malen
anzusehen Gelegenheit hatten, ausführlicher zu besprechen; wir ver-
weisen der Kürze wegen auf die Beschreibung, welche dieser Ornat,
wie es heisst, ehemals eine casula, in den «Annales Archeologiques«
— 299 —
jüngst erfahren luit'). Nicht weniger Beachtung als das eben-
gedachte pluviale Papst Bonifacius VIII. zu Anagni verdient auch
jene noch ausgezeichnet gut erhaltene cappa in der Sacristei der
Basilica St. Johann im Lateran , deren genauere Besichtigung uns
durch das freundliche Entgegenkommen des Secretärs der s. Rituum
Congregatio Monsignore Bartohni, Canonicus der ebengedachten
Basilica, ermöglicht wurde. Im Interesse der christüchen Alter-
thumswissenschaft wäre es dringend zu wünschen, dass von geüb-
ter Künstlerhand dieses merkwürdige piviale der Laterankirche
auf Grundlage einer photographischen Aufnahme abgezeichnet und
demnächst unler Beigabe einer monographischen Beschreibung ver-
öffentlicht würde. So viel uns heute noch dunkel erinnerhch ist,
besteht dieser reich gestickte Chormantel von St. Johann in Rom
aus grossen Rundmedaillons, die aus Kreisen zusammengesetzt, ge-
genseitig in Verbindung stehen. Irren wir nicht, so sind in diesen
grössern Kreisen die Hauptbegebenheiten aus dem Leben des Herrn
und der heiligen Jungfrau in vielfarbigem Plattstich gestickt. So-
wohl die Zeichnung als auch die Technik der vielen meisterhaft
ausgeführten figuralen Darstellungen sprechen für eine Entstehung
dieser äusserst werthvollen cappa gegen Mitte des XIV. Jahrhun-
derts. Die Composition, nicht weniger auch die Ausführung der
vielen Bildwerke an diesem \'espermantel zeigen auffallende Aehn-
• hchkeit mit jenem reichgestickten Altarvorhange, der heute noch in
der Sacristei des Domes zu Salzburg aufbewahrt wird und der von
der sachkundigen Feder eines Freundes in jüngster Zeit eine aus-
führliche Beschreibung nebst Abbildung gefunden hat-).
Zahlreich sind heute noch in den Sakristeien grösserer Kirchen
Vespermäntel anzutrefl'en, die aus dem XV. Jahrhundert, der Blü-
thezeit des Bilder- und Plattstiches, sowie überhaupt der kirchlichen
Ornatstickereien, herrühren. So sind unter Anderm aus dieser eben
angegebenen Epoche herstammend namentlich im Schatze des Domes
von Halberstadt, in der Donildrche zu Dauzig, dessgleichen auch
im Dome von Bern und von Xanten eine Anzahl von reichgestick-
ten und gut erhaltenen Rauchmänteln anzutreffen , die mehr , als
dies heute bei den modern zugeschnittenen und unter der Scheere
') Pidroii, Annales Arclieologiques, Vetements ecclesiastiques d'Anagni p.
233 et 234 tome XVII. Paris 1857.
^) Vgl. das Antependium des Domes von Salzburg, beschrieben von Ür.
G. Heider im IV. Bande der Mittlieilungen der k. k. Central-Commis-
sion zur Ei-haltung der Baudenkmale. Wien 1860.
~ 300
von meistens unwissenden Paramentenhändlern unkenntlich gewor-
denen Chormänteln der Fall ist, noch deutlich daran erinnern, wel-
che Beschaffenheit diese cappae im frühen Mittelalter hatten, als sie
noch, wie oben angedeutet wurde, die propriae vestes cantorurn wa-
ren. Die zwei Besatzstreifen zu beiden Seiten des offenen Gewan-
des sind als schmale aurifrisiae höchstens nur in der Breite einer
Hand mit mehr oder weniger reich gestickten Ornamenten, zuwei-
len auch mit verschiedenen gestickten Heüigenbüdern verziert. Fer-
ner ist noch im Beginne des XV. Jahrhunderts die ehemahge nach
hinten befestigte, bewegliche cappa, die früher als Bedeckung für das
Haupt in Form einer CaiDuze nur geringe Ausdehnung beanspruchte,
noch auf ein Minimum von Stoff beschränkt und dient dazu, in
Form eines dreieckigen kleinen Schüdes, das meistens nach Unten
in Spitzbogenform endigt, entweder das gestickte Bild des Kir-
chenpatrons, oder aber den Namensheiligen des Eigenthümers und
Trägers der betreffenden cappa, in Nadelmalerei ausgeführt, auf-
zunehmen. Auch das Wappen des gräflichen oder fürstüchen Ge-
schenkgebers findet nicht selten auf diesem kleinen clipeus, der
die Stelle der ehemahgen Guggel einnimmt, eine Darstellung. An
den reicher verzierten pluvialia des XV. Jahrhunderts fehlt selten
als ornamentale Ausschmückung dieses Schildes ein langer Quasten
von verschiedenfarbigen Seidenfäden, die in der Regel oben von
einem mehr oder weniger reich verzierten pomellum als Abschluss-
knauf überragt werden. Auch der untere Rand des Chormantels
ist an jener Stelle mit dichten Seidenfransen als Absclüuss besetzt,
wo im Xni. und XIV. Jahrhundert als fimhriae kleine Glöckchen,
von Silber oder Ornamentstickereien häufiger ersichtlich waren.
In unserm Katalog der mittelalterlichen Kunstausstellung zu Cre-
feld vom Jahre 1852 ') stehen eine Anzahl von reichgestickten
Pluvialien verzeichnet, die, sämmthch dem XV. und XVI. Jahr-
hundert angehörend, noch an die ältere Form und Beschaffenheit
der cappae des XIII. Jahrhunderts erinnern. Als jedoch gegen
Schluss des XV. und mit dem Beginne des XVI. Jahrhunderts die
Tafelmalerei so grosse Triumphe feierte, und die Meister der Cöl-
nischen. Flandrischen und Schwäbischen Malcrschulen ihre Thätig-
keit auch auf die Leistungen der befreundeten Bildsticker-Innungen
auszudehnen begannen, wurden die Stäbe zu beiden Seiten der Plu-
viahen zur Anbringung von kunstreich gestickten Bildern verschie-
') Vgl. Catalog der mittelalterlichen Kunst-Ausstellung zu Crefeld von
Franz Bock, im Verlag von Klein, II. Aufl. Crefeld 1852.
— 301 -
dener Heiligen oder selbst von figurenreichen Darstellungen aus
dem Leben des Heilandes und der Himmelskönigin immer um-
fangreicher und breiter. In demselben Maassstabe , als die ehe-
mals schmalen praetextae der Chorkappe an Ausdehnung zunah-
men, erweiterte sich auch der hintere Schild, um zur Aufnahme
Ton grössern Gruppen den nöthigen Raum zu bieten. Namentlich
sind jene Chorkappen, die von den Bildstickern in Flandern, ins-
besondere aber von denen zu Arras in meisterhafter, bis jetzt un-
übertroffener Technik angefertigt wurden und die man daher in
Italien mit dem generellen Namen arrazzi bezeichnet, als Belege
dafür zu betrachten, welche Veränderungen hinsichtlich der Aus-
dehnung der reichgestickten Stäbe und der Erweiterung des Schil-
des an den Chormänteln gegen Schluss des XV. und Beginn des
XVI. Jahrhunderts eingetreten sind. Unstreitig zu den kostbarsten
cappae die, aus dem XV. Jahrhundert herstammend, in ausgezeichnet
guter Erhaltung sich bis auf unsere Tage gerettet haben, zählen
jene vier Chormäntel, die, im reichsten Bilderschmuck gestickt, unter
den liturgischen Ornaten des Ordens vom goldenen Vliess heute
noch im Schatze der Kaiserburg zu Wien sich vorfinden ').
Da es im Mittelalter Brauch war, dass die Stifts- und Dom-
herrn namentlich an kirchlichen Festen dem feierlichen Gottesdienste
mit jener rappa bekleidet anwohnten, die denselben eigenthümlich
gehörte und die desshalb auch mit den heraldischen Abzeichen
ihres Geschlechtes meistens verziert und überreich gestickt waren;
so leuchtet es ein, dass nicht selten der persönlichen Eitelkeit ein
weites Feld geöffnet war , wenn es galt , durch eine ausgewählte
Ausstattung der Chorkappe den Reichthum des Hauses, den her-
vorragenden Adel des Geschlechtes oder die hohe geistliche Würde des
Trägers erkennen zu lassen. Wie man insbesondere im XVIII. Jahr-
hundert in Anwendung der kostbarsten Spitzen und Brabanter Gui-
})urs, welche das dem Träger zugehörende Rochette garniren sollten,
sich nicht selten gegenseitig überbot; so scheint man im XIII. und
XIV. Jahrhundert, dem Wortlaut älterer Schatzverzeichnisse zufolge,
in möglichst reicher Ausstattung der eappae chorales gegenseitig
rivalisirt zu haben. Ausser den kostbarsten Seiden- und Sammet-
stoffen in den verschiedensten Farben, die, reich mit Gold durch-
wirkt zum Grundstoff dieser cappaa professionis gewählt wur-
den, ausser den kunstreich gestickten und durch den Schimmer
') Die burgundischen Gewänder der k. k. Schatzkammer, 12 Bl. Photo-
graphien mit Text herausg. v. k. k. Oesterr. Museum. Wien 1864.
fr
— 302 —
von Gold und Edelsteinen gehobenen Aurifrisien, die den vordem
Rand dieser Chormäntel verbrämten, kommen um diese Zeit, den
Angaben der gedachten Inventare zufolge, an reichern Chormänteln
insbesondere zwei Ornamente zur Geltung, an welchen die Kunst der
Goldschmiede das ZierMchste und Formschönste versuchte, was sie zu
bieten vermochte. Es vpar dies die vordere Schüesse zur Zusam-
menlieftung der cappa , die in den betreffenden Schatz verzeichnissen
zuweüen 7norsm, nionile, oder ßbula, pectorale genannt wird, und zwei-
tens jenes kleine clipeua, das, wie bereits schon früher gesagt, in drei-
eckiger Form die Stelle des ehemaligen caputium vertrat. Dieses
schildförmige Ornament, das zuweilen auch capulus oder capettum
genannt wir-d, war nicht selten mit in Gold und Silber gehämmer-
ten und mit vielfarbigen Schmelzen verzierten Ornamenten der
Art reich ausgestattet, dass es den Eindruck eines metallenen
Schildes machte. Es fand also die Kunst der Nadel in vielen Fällen
keinen Raum mehr vor, um ihre Gebilde auf dem engen Schildchen
anzubringen, das der Goldschmied für seine metallischen Decora-
tionen ausschliesslich in Anspruch genommen hatte. In enghschen
Kirchen kam es , den Angaben unseres Gewährsmannes Canonicus
Dr. Rock zufolge, häutiger vor, dass um diese Zeit prachtvolle, mit
goldenen und sübernen Ornamenten ausgestattete ^chaperons beweg-
lich an goldenen Knöpfclien auf der hintern Seite reicherer Pluvia-
lien befestigt waren. Man konnte alsdann diese goldenen Schilder
nach Gutdünken abnehmen, um mit denselben einen andern Clior-
mantel wieder auszuschmücken. So berichten, um andore Angaben
zu umgehen , die Annalen der Cathedrale von Rochester , dass
der Prior Helyas lünsichtüch der Schliesse und des clipeus eine
dort bereits befindliche cappa professioids habe reicher verzieren
lassen. Die Stelle lautet wörtHch, wie folgt: »In capa Güeberti
episcopi fecit fieri morsum de argento et capettum deauratum et
pretiosis lapidibus ornatum.a
Bei Beschreibung von reichern Chormänteln, welche die neu-
ernannten Stiftsherren bei ihrer Installii'ung zuerst anlegten, werden
in englischen Schatzverzeichnissen sowohl zur Verzierung des Schil-
des als auch zur Ausstattung der reichgestickten Stäbe in langer
Reihe immer wieder Ornamente unter der Bezeichnung tasseUi nam-
haft gemacht. So lies't man, um nur einige dieser reichgestick-
ten und mit tasselli verzierten Chorkappen hervorzuheben, in dem
Leben Gaufrid's ') «Fecit VII capas, quarum una am'o et lapidibus
') Vita Gaufridi, A. D. 1119 apud Matt. Paris, in Vitis Able. p. 40.
— 303 —
obducta est tota. Alia vero pretiosis tassellis, auro et margaritis
anterius et in circiiitu parabatur. Aiiae quator optimo aurifrigio,
septiraa purpurea tassellis deceiitur adornatur.« Ferner findet man
in Dart's Cnterbury, App. p. v. die Angabe: «Capa Kndulphi Here-
fordiensis episcopi de rubeo sameto cum tassellis et amauz ') in
medio.
Aus den vielen Citaten englischer Schatzverzeiclmisse, in wel-
chen die Bezeichnung tussMus in allen möglichen Wendungen nicht
nur zur Verzierung der Aurifrisien an Pluvialien, sondern auch zur
Ausstattung der gestickten Stäbe von Messgewändei-n, Dalmatiken
und Tunicellen vorkommt, mögen die angeführten Angaben einst-
weilen genügen, indem aus diesen Andeutungen ziemlich klar zu
entnehmen ist, dass in den meisten Fällen unter tassellus ein Or-
nament zu verstehen ist, welches in runder Form oder in Weise
eines Drei- oder Vierpasses, dessgleiclien in Gestalt von stylisirten
Rosen aus dünnem vergoldeten Silberblech durch die Kunst des
Goldschmiedes Entstehung gefunden hat. Sehr häufig waren die
einzelnen Blätter dieser ia-^selli oder der innere Tiefgrund derselben
mit eingeschmelzten Arbeiten verziert. In üebereinstimmung mit
unserm verehrten Freunde Canonicus Dr. Rock sind auch wir der
Ansicht, dass in erster Reihe unter dem Terminus tasselli jene auf-
gesetzten metallischen Verzierungen zu verstehen seien, die nach
gleichen Zwischenräumen namenthch an dem opus anglicum oder
hybcrnicum vorkommen. Eine solche »englische Arbeit«, nändich
die Verbindung der Goldschmiedekunst, der Bijouterie- Arbeit mit
der Stickerei, ist auch an der reichgestickten mirifrisia ■wahrnehm-
bar, mit welcher der vordere, auf Tafel XLII theilweise abgebildete
Rand der auf Seite 297 besprochenen Chorkappe im Aachener Mün-
sterschatz verziert ist. Offenbar sind die daselbst 14 mal wieder-
kehrenden Vierpassrosen in vergoldetem Silberblech als tasselli auf-
zufassen. Auch die 68 Goldbleche, mit welchen in den zierlichsten
Formen und Gestaltungen die kaiserliche Stole aufbewahrt in
der Burg zu Wien, ausgestattet ist, würden englische Inventaristen
•) Canonicus Dr. Rock erklärt das amauz gleichbedeutend mit Amethist;
es liegt aber zu Tage , dass das amauz hier mit ^maux Schmelz gleich-
bedeutend ist.
■-') Wir haben sämmtliche Variationen dieser schönen tasselli auf Tafel
XXXII unseres Werkes der »Kleinodien des h. römischen Reiches
deutscher Nation« in natürlicher Grösse abgebildet und auf Seite 1.56
näher beschrieben.
— 304 —
des Mittelalters unbedingt als tasselH bezeichnet haben; in deut-
schen Inventaren werden diese vielfarbig gehaltenen metallischen
Zierrathen in der Regel monilia, peciae, plicae aureae etc. genannt.
Aber nicht nur die in Gold und Silberblech geformten Verzierungen,
welche die Stäbe und Schilder reicherer Chorkappen als stellenweise
aufgesetzte Ornamente verzierten, führen in alten Seliatzverzeichnis-
sen den Namen tasselli, sondern auch erhaben aufsitzende Stickereien
in Gold und Seide oder Perlen werden in englischen Inventaren
nicht selten mit demselben Ausdrucke bezeichnet. So lies't man
nämlich in dem Verzeichniss der «Ornamenta in Vest. Eccl. Christi
Cantuar'): «Capa Adae Prioris de viridi samicto cum tassellis ru-
beo brudatis. Duae capae de croceo samicto cum rubeis tasselis
brudatae. Capa professionis Thomae Eboracensis archiepiscopi de
rubeo panno diasperato cum tassellis nigris rotundis brudata.«
Die zweite reich verzierte Einzelheit, die an den cappae pro-
fessionis für den persönlichen Gebrauch der installirten Canonici
im XIII. und XIV. Jahrhundert immer wieder angetroffen wird,
bestand , dem oben bereits Gesagten zufolge , in einem kunstreich
ausgeführten Pectoralstück, das den Zweck hatte, jene verbindenden
Stoffstücke zu verdecken und zu verzieren, die auf der Brust des
Trägers die Bestimmung hatten, nach der Anlegung die Chorkappe
zu befestigen. Schon seit jenen Zeiten, als die Pluviale nach und
nach aufhörte, ausschliessliches Chorgewand der Sänger und der
Jüngern Cleriker zu sein, und dieselbe, reicher ausgestattet, in den
Gebrauch der Stifts- und Cathedral-Geistlichkeit und selbst der
Bischöfe überging, kommen bereits kleinere fibulae vor, die in
Weise von Krampen den Zweck hatten, die Pluviale auf der Brust
des Trägers zusammen zu halten. Wir hatten Gelegenheit, in der
reichhaltigen Sammlung des Herrn Chalendon^) in Lyon eine grös-
sere Anzahl solcher Halter, meistens in Rundform gestaltet, in Au-
genschein zu nehmen, die in einem Durchmesser von 10 bis 12 Cent, in
der Mitte getheüt waren. Die zusammengehörenden Hälften dieser
Krampen hatten eine solche Einrichtung, dass dieselben zusammen-
gefügt durch einen starken, oben mit einem Knopfe verzierten me-
tallischen Stift, epingle , geschlossenen und beim Zurückziehen des
9
*) Cf. Dart's Canterbury A. D. 1315. App. v. u.
^) Möns. Chalendon, einer der ausgezeichnetsten Archäologen Lyons, be-
sitzt daselbst ein ausgewähltes Privat-Museum, in welchem die interes-
santesten und ältesten kirchlichen Geräthe und Gefässe, meistens der
Limousiner Schule angehörend, aufbewahrt werden.
— 305 -
verbindenden Stiftes wieder geöffnet werden konnten. Die meisten
dieser halbirten monüia waren mit Heiligenfiguren, in vielfarbigem
Grubenschmelz (email champleve) verziert, die, wie es scheint, in
grosser Anzahl von den Limousiner Schmelzarbeitei'n und Gold-
* schmieden im XIII. Jahrhundert für den Handel angefertigt wur-
•♦deu. Die offenbar reichste und formschönste fibula in zehnblätte-
riger Rosenform, die sich am Rheine bis zur Stunde noch erhalten
hat, befindet sich heute in der reichhaltigen Sammlung des Herrn
■ Kaufmann Rulü in Cöln. Derselbe hat dieses Meisterwerk deut-
scher Goldschmiedekunst beim Verkauf der Leven'schen Sammlung
käuflich erstanden. Dieses prachtvolle Pectoralschild hat einen gröss-
ten Durchmesser von 21 V2 Centm. In der mittlem Rundung erblickt
man in trefflich ciselirter Arbeit das Bild der Madonna, der h. He-
lena und zweier Apostel. In den Vertiefungen von neun Rosenblät-
tern sind äusserst zierhche Darstellungen der neun Chöre der Engel
ersichtlich. Da dem oben Gesagten zufolge im XIV. und XV. Jahr-
hundert auch in dem kaiserlichen Krönungsstifte zu Aachen der Ge-
brauch bestand, dass die den verschiedenen Stiftsherren zugehören-
den cappae professionis nach ihrem Tode der Sacristei als Eigen-
thum zufielen, so ist es erklärlich, dass heute noch aus der ange-
gebenen Epoche trotz der Plünderungen und Verschleuderungen in
den Tagen der französischen Revolution im Schatze der ehemaligen
Krönungskirche deutscher Könige sich noch mehrere reich verzierte
cappae professionis erhalten haben, deren morsus sich ebenfalls noch
in dem Schatze des Aachener Münsters grösstentheils vorfinden.
Um den Lesern einen annähernden Begriff" von dem Umfange,
dem Reichthunie und dem vielgestalteten Aeussern dieser meisterhaft
gearbeiteten ßbulae als iutegi'irende Ornamente reicher Installations-
Pluviahen zu verschaffen, haben wir auf Taf. XL VII, Fig. 1 und 2
und Taf. XL VIII, Fig. 2 die vorzüglicheren morsus im verkleinerten
Maassstabe abbilden lassen, die dem ebengedachten Schatze zur
besonderen Zierde gereichen. Auf Taf. XL VII, Fig. 2 ist in hal-
ber natürhcher Grösse eine reichverzierte Agraffe abgebildet, die
hinsichtlich ihrer zierlichen Anlage in Vierpassform und der Kost-
barkeit des Materials zu den reichsten und formschönsten Pccto-
ralschilden zu zählen ist, die sich heute noch, aus der Mitte des XIV.
Jahrhunderts herrührend, in den Kunst- und Reliquienschätzen
DeutscUands erhalten haben. Der äussere Rand dieser fibula in
vergoldetem Süber ist mit einem reichen Kranz von Perlen in
' Rosenform, wie es auch die Abbildung zeigt, umgeben. Unten Imks
, ersieht man in zarter Cisehrung das kniende Bild des Donators,
— 306 —
der zugleich mit jener cappa professionis bekleidet ist, an welcher
die vorliegende Agraffe als morsus zur Verdeckung des verbinden-
den StofFstückes angebracht war. Auch das Wappen des Geschenk-
gebers ist in dem untern Vierpass ersichtlich. Offenbar ist unter
dem Bilde des vor seinem Namenspatron als supple.v knieenden
Geschenkgebers ein Canonikus des ehemaligen Krönungsstiftes zu
Aachen zu ersehen. Eine zweite interessante Schliesse als morms
oder fibul'i und zwar in rechteckig länglicher Form ist auf Tafel
XLVIII, Fig. 2 in halber natürlicher Grösse abgebildet. Dieser
Krampen, zu welchem im Aachener Schatze die ehemals dazu ge-
hörende Chorkappe nicht mehr kenntlich ist, stellt in halberhaben
getriebener Arbeit von vergoldetem Silber die Verkündigung des
Engels dar. Die Auffassung der Figuren und der reiche P'alten-
wurf dei- Gewänder, nicht weniger die zierlichen Kreuzblümchen in
den Hohlkehlen der Umi'ahmungen dürften als Belege dafür gelten,
dass der Auftrag zur Anfertigung der vorliegenden fihida und der
entsprechenden cappa professionis von einem Aachener Stiftsherrn
im Begiime des XV. Jahrhunderts ertheilt worden ist.
Eine dritte Agraffe in sechsblätteriger Rosenform, die ihrerseits
wieder einen kleinem Dreipass umschliesst, haben wir auf Tafel
XLVII, Figur 1 ebenfalls in bedeutend verkleinertem Maassstabe
bildlich wiedergegeben. Dieser morsus, heute noch nebst mehreren
andei-n reichen Agraffen im Schatze des Aachener Münsters be-
findlich, hatte ursprünglich den Zweck, einen Chormantel als
Pektoralstück zu verzieren. Der Donator, mit der von ihm be-
schafften Chorkappe bekleidet , an welcher der vorliegende morsus
befestigt war, kniet vor dem Bilde der Himmelskönigin nieder.
Zu beiden Seiten stehen sein Namenspatron und der Patron sei-
ner Familie. Sämmtliche Figuren sind äusserst delikat in vergol-
detem Silber ciselirt. An jener Stelle, wo nach unten hin ein klei-
nes locellus mit Reliquien heute angebracht ist imd der Inschrift:
De pannis Salv. D. N. J C, befand sich ursprünglich wahrschein-
lich das kleine emaillirte Wappenschild des knieenden Geschenk-
gebers. Erst später ist durch Hinzufügung der beiden Ständer, in
Form von LÖwenfüssen, aus der ehemaligen Agraffe ein sogenann-
tes Paxtäfelchen zum Darreichen des osculum pacis hergestellt
worden, indem zugleich nach Hinten hin eine silberne Handhabe
hinzugefügt worden ist.
An diesen drei morsus oder fibulae, die wir auf Tafel XLVH,
Figur 1 und 2, dessgleichen auf Tafel XLVHI, Figur 2 im Bilde
veranschaulicht haben, befanden sich ehemals auf der Rückseite
•
— 307 -
4
weite Krampen von Silber. Vermittelst dieser silbernen Haken konn-
ten diese und ähnliche Agrafi'en mit leichter Mühe über das verbin-
dende Stoflstück geschoben und befestigt werden . wodurch die
Chorkappe auf der ISrust des Trägers geschlossen wurde. Wir
haben auf Tafel XLI\' nach einem ältern Holzschnitte genau die
Figur eines rnagister cantus abgebildet, der, mit der Chorkappe be-
kleidet, in dem Momente dargestellt ist, wo er mit dem Aspergil
das Weihwasser austheilt; mit der Linken stützt er sich auf den bacu-
lus praecentoris. Der Sängerstab stand ilim als Chorregent amtlich
zu. Diese praecentores führten auch in einigen Cathedralkirchen
den Titel chori episcopi. Auf der Brust unseres Vorsängers, abgebil-
det auf Taf. XLIV, ersieht man ein verbindendes Stoffstück, welches
den Chormantel zusammenhält. Die eben beschriebenen fiOvlae oder
morsus konnten meistens nur vermittelst nach hinten eingelassener
silbernen Haken munittelbar auf diesem Stoffstück befestigt werden ;
desswegen waren an reichern Chorkappen diese verbindenden Schlies- •
sen von Stoff nicht reich verziert, sondern einfach aus jenem Stoff'
angefertigt, der auch in rampo des Chormantels augewandt war.
Bei den Chorkappen hingegen, zu welchen kein morsus gehörte,
kommen zuweilen Goldstickereien auf diesem verbindenden Brust-
stücke vor. Auf Tafel XV, Band H sind nach einem alten kölni-
schen Bilde, heute im Privatbesitz des Herrn Prof. Dr. Vosen in
Cöln befindHch, vier Bischöfe dargestellt, welche sämmtlich mit
reich ausgestatteten cappae bekleidet sind. Wir machen an dieser
Stelle darauf aufmerksam , dass die Chormäntel der drei in der
hintern Reihe stehenden Bischöfe auf Tafel XV durch reichverzierte
fibulae in verschiedenen L'ormeu und zwar ohne verbindende Stoff-
stücke unmittelbar durch die Agraffen selbst zusammengehalten und
befestigt werden. Der Chormantel der ersten Figur wird durch
einen grossen mo7'sus in Rundform, die cappa des zweiten Bischofes
durch eine Agraffe in viereckiger Form zusammengehalten, wo-
gegen die Chorkappe, mit welcher der dritte Bischof bekleidet ist,
durcli eine Pektoralschliesse in Kleeblattform befestigt wird.
Noch auf zwei eigenthümUche moniiia machen wir schliesslich
hier aufmerksam , die sich als Pektoral-Verzierungen in ziemlicher
Grösse und in reichster Ausstattung auf den Brusttheileu des deut-
scheu Kaisermantels vorfinden, der heute als vorzügUchster Krö-
nungsornat unter den Kleinodien und Insignieu des deutschen Rei-
ches in der kaiserlichen Bui'g zu Wien aufbewalu-t wird. Auf
Taf. XLVHI, unter Fig. 1 ist in natürlicher Grösse eines dieser
. prachtvollen Pektoralstücke des paJudamentum imperiale bildlich wie-
21
— 308 —
dergegebeu. Diese monilia tasselli, wie sie englische Inveutaristeii
nennen würden, gehören zu den reichsten Schmelzarbeiten, die in
der ersten Hälfte des XII. Jahrhunderts von sicilianisch-sarazeni-
schen Goldschmieden in vielfarbigem Zellenschmelz angefertigt wor-
den sind. Wir haben in unserni Werke der «Kleinodien des h.
römischen Reiches deutscher Nation« auf Taf. VI, Fig. 8 den deut-4
sehen Kaisermantel mit seinen reichen ornamentalen Eiuzelnhei-
ten bildlich wiedergegeben, und denselben in dem beschreibenden
Texte auf Seite 27 bis 81 ausführlich erörtert.
Indem wir zur Erklärung der Beschaffenheit der mittelalter-
lichen Chorkappen mid zur Feststellung der Terminologie der ver-
schiedenen ornamentalen Eigenthümlichkeiten derselben im Folgen-
den den Wortlaut älterer Schatzverzeichnisse in chronologischer
Reihenfolge anführen, ist bei der Auswahl dieser Citate besonderes
Gewicht darauf gelegt worden, nachzuweisen, wie die Bezeichnungen
für die ornamentalen Einzelnheiten des Chormantels sich in den
verschiedenen Ländern und Diöcesen verschiedenartig gestaltet ha-
ben. Eröffnen wir diese Anführungen mit den Angaben des alten
Schatzverzeichnisses der Benedictiner-Abtei Martinsberg in Ungarn,
angeblich aus den Tagen Königs Ladislaus i). Hinsichtlich der pluvia-
lia lesen wir daselbst: cappae sunt LIII, quarum duae sunt aureis
buUis paratae una margaritis compta, VII aurifriso circumdatae,
inter quas una habet super se pectorale aureum, smaldo paratum ^).
Auch das oft citirte Mainzer Chronicon, nach Pertz angefertigt von
Christianus, welches, aus dem XII. Jahrhundert stammend, die Schätze
der Domkirche von Mainz in langer Reihe aufzählt, berichtet über eine
grosse Zalil von kostbar gestickten liturgischen Gewändern, unter wel-
chen auch viele Chorkappen von Seide und Purpur, mit Goldstickereien
und Edelsteinen verziert, namhaft gemacht werden. Nach Aufzählung
von andern Ornaten heisst es weiter wörtlich: Inter quae sex cap-
pae praecipuae erant, quarum una aestimata est ad LX marcas, sie
enim et obligari*) poterat. Aliae quinque minoris erant aestima-
tionis: ex his duas vidi, quarum una vetustate fuit sie consumta
Ladislaus regierte von 1077 — 1095; das betreffende Inventar scheint
uns aber bedeutend jünger zu sein.
Diese aureae bullae hingen in grosser Anzahl an dem untern Saume
ähnlich wie an dem Chormantel im Schatz zu Aachen, den wir auf
Tafel XLI abgebildet haben.
Za diesem Pluviale gehörte als Agraff ein Pektoralstück, das mit ein-
geschmelzter Arbeit verziert war.
*) Aus diesem Zusätze und aus den Angaben anderer Schatzverzeichnisse
•
309
et attrita, qiind aliciii usui non valebat; data ergo est igni et red-
debat ti'es nuircas auri cum dimidia. Alia, quae adliuc recentior
videbatur, vendita est cum una jDalla altaris : quid pro his acceptum
t'uerit, vel quo devenerit venditum acceptum, penitus ignoratur.
In dem Bamberger Scliatzverzeichuiss vom Jahre 1128 steht
eine Anzahl von Vespermänteln in folgender Weise angeführt:
cappae LXXXIII'), quarum XXVI aurifrigio sunt circumpositae,
LXXXIX quidem fuerunt, sed ex his XXIII annichihitac (sie)
tuerunt. ex quibus frusta colligentes quasdam integras cappas feei-
mus, et quibusdam cappis reliquias induximus. Nicht weit nach
dieser Angabe tindet sich eine andere Notiz, welche lautet: Nodus
latus cristallinus ad liniendum aurifrigium. Es gewinnt den An-
schein, dass dieser grosse Christallknauf, vielleicht mit geschnittenen
Figuren, dazu diente, eine goldverzierte Quaste als Abschluss zu
bekrönen.
In dem Schatzverzeichnisse von St. Johann in Monza, der Ki'ö-
nungskirche lombardischer Könige, hest mau zum Jahre 1275,
hinsichtlich der im dortigen Schatze befindlichen cappae, folgende
Angaben: Item pluviales VI, quorum duo sunt aureati, quorum unus
fodratus est de cendato vermijio^), et secundus ruber; item unus
alius rubeus; item unus alius albus brostatus^) de auro; item unus
viridis fodratus de gialdo * ) ; item unus de sammito qui pulchrior ;
item alii undecim sunt de purpura de diversis drapis.
Den zahlreichen Angaben von Schatzverzeichnissen englischer
und deutscher Diöcesen zufolge steht es fest, dass im XIII. und
XIV. Jahrhundert die Dom- und Stiftsherren beim Antritt ihrer
Präbende, d. h. bei der feierlichen Installirung sich aus ihren
eigenen Mitteln einen mehr oder weniger reich gestickten Chor-
lässt sich entnehmen, dass einzelne besonders reiche und kostbare Or-
nate in bedrängten Zeiten zuweilen verpfändet zu werden pflegten.
') Diese grosse Zahl der Chormäntel findet darin eine Erklärung, dass
die meisten derselben von dem niedern Clerus und den Sängern be-
nutzt wurden, nur die seclisundzwanzig , die mit Stickereien au der
vordem Oeftnung und wahrscheinlich an dem untern Saume verziert
waren, scheinen von den Canonici an l'esttagen getragen w orden zu sein.
Eine dieser cappae von Goldstoff war gefüttert mit einem Ceiidel von
goldgelber Farbe (neuital. vermiglio, franz. vermeil).
') brostare ist mittelalterliche Bezeichnung für breudare, franz. l)roder,
ital. bordare; die classische Benennungsweise für diese Kunstül)ung
ist bekanntlich acu pingere, varlare.
gialdo im Neuitalienischen giallo, franz. jaune, gelb.
2r
- 310 -
oder Vespermantel anfertigen Hessen, den sie bei den verschiedenen
kirchlichen Feierlichkeiten zu tragen pflegten. Derselbe fiel nach
erfolgtem Ableben des betreffenden Besitzers dem Schatze der
Kirche als Eigenthum zu. So ist es zu erklären, dass im. XIII. und
XIV. Jahrhundert in reichern Stifts- und Domkirchen eine so grosse
Zahl solcher cappae professionis angetroffen werden, die in den
mittelalterlichen Schatzveizeichnissen immer den Namen des gegen-
wäi'tigen oder des verstorbenen Besitzers beibehalten haben. Wir
heben im Folgenden aus der langen Reihe von cappae, vorfindlich
bei der «visitatio facta in thesauro Sancti Pauli Londiniensis (1295), ^
hier nur wenige hervor: Cappa Alardi decani, de nigro sameto cum
Petro et Paulo in pectorali ^) , breudata cum stellis ; item cappa
Galfridi de Lucy decani, de sameto purpureo, breudata cum locellis ^)
et radice Jessae^); item cappa Godefridi de Wecham de rubeo
sameto, breudata cum ymaginibus regum et episcoporum*). Item
cappa Ricardi de Stanford de viridi sameto, breudata nostris regibus,
leonibus et griphonibus; item cappa breudata cum minutis notis^)
') Es ist aus dieser Angabe nicht ersichtlich , ob unter dem pectorale
hier zu verstehen sei der morsus, d. i. der Halter des Pluviale oder
aber, ob unter dem Pectorale hier aufzufassen seien die beiden auri-
frisiae, welche die Pluvialien auf der Brust der Länge nach ver-
zierten.
*) Wir lassen es hier dahingestellt sein, ob unter diesen locelli als immer
wiederkehrende Motive jene Quadraturen und Hexagone zu halten
seien, mit welchen die cappa im Schatze des Aachener Münsters,
theilweise abgebildet auf Taf. XLI, XLII und XLIII. ebenfalls ein
opus Anglicanum, verziert ist.
*) Eine radix Jesse in der aurifrisia als reiche Stickerei fanden wir un-
längst an einem Messgewande in der ehemaligen Stiftskirche zu Essen ;
auch in altern Glasmalereien der spätromanischen Kunst-Epoche, dess-
gleichen in Holzsculpturen der entwickelten Gothik kömmt diese radix
oder auch arbor Jesse sehr häufig vor, welche Blüthen treibt, auf welchen
die Könige Israels iu Brustbildern dargestellt sind, wie sie in dem libei'
generationis namhaft gemacht werden.
*) Wahrscheinlich erblickte iiiau m den schmalen aurifrisiae, von Me-
daillons umgeben oder von goldgestickten Baldachinen überragt, die
Brustbilder verschiedener englischen Könige und Bischöfe.
°) Es ist au dieser Stelle unverständlich, welche Technik der Ausdruck
cum minutis notis bezeichnen soll. Vielleicht wird dadurch eine Stick-
art angedeutet, für welche auch heute die Bezeichimng »Knotenstich«
gang und gäbe ist. Merkwürdigerweise zeigt die eigenthümliche
Stickerei an der aurifrisia der sogenannten cappa Leonis III. zu
Aachen diesen ebengedachten Knotenstich in voller Entwicklung.
— 311 —
de dono Radulphi Dun Jon ; item cappa domini Radulphi de Stan-
ford de indico velveto cum aurifrigio et rubeo velveto cum platis*)
et perlis desuper positis.
Auch das »Inventarium Ornamentorum in Ecclesia Sarum« vom
Jahre 1222, das uns in Abschrift vorliegt, enthält eine Menge von
Citaten, in welchen mehr oder weniger reichgestickte cappae nam-
haft gemacht wei'den, von welchen wir hier einige der Terminologie
wegen folgen lassen : Cappa una, quae fuit Episcopi Rogeri cum lapi-
dibus XVI. et esmaltis X brodata^). Item cappa una, quae fuit
Werneri de_Sandford cum morsu de aurifrisio cum lapiUulis multis
in morsu*) in caputio et a latere^).
Item cappa una, quae fuit magistri Simonis de Scalis cum
crista argentea"^) deaurata. heue brodata cum lapidibus XIII.
Item cappae quatuor viginti et III de serico^) et praeterea
una apud Canning.
*) In englischen, italienischen und auch stellenweise in deutschen luven-
tarien findet sich als sinonymo Bezeichnung für das griechische hexami-
tum, russ. und böhmisch haxamit und haxamat, engl, sameit, ital. scia-
mito die Benennung velvetum, velvet, jedenfalls zusammenhängend mit
dem franz. velour und dem ital. velluto. Offenbar stimmt dieser alte Ter-
minus velvet, entweder geschnittener oder ungeschnittener Sammet,
■vielleicht auch eine geringere Qualität, die man heute Plüsch nennen
würde, mit der Bezeichnung »Fluel« zusammen, die sich häufig noch
im Niederdeutschen, identisch für Sammet, vorfindet und die in alt-
kölnischen Schatzverzeichnissen übereinstimmt mit der Bezeichnung
»Flauwel.«
Zweifelsohne fehlt hier nach platis das Adjectivum aureis und dürften
dann unter dieser Bezeichnung jene plicae aureae zu verstehen sein,
die, als dünne Goldbleche, iu getriebener Arbeit ornamentale und
nicht selten mit Schmelz überzogene Verzierungen zeigten, die von
Perlschnüren eingefasst und umgeben waren,
') In den reichgestickten Stäben dieser cappa befanden sich mehrere gefasste
Steine und zehn eingeschmelzte Ornamente auf Gold- oder Silberblech.
*) Es scheint, dass unter diesem morsus de aurifrisio keine in Silber ge-
triebene und ciselirte Arbeit als Pectoralschliesse zu verstehen ist,
sondern eine Agraife in reichen Stickereien (de aurifrigio).
^) Sowohl auf dem hintern caputium, clipeus anderwärts genannt, als
auch auf den schmalen Stäben zu beiden Seiten des vordem Randes
(a latere) waren ebenfalls eingefasste Edelsteine aufgenäht.
Vielleicht dürfte unter dieser crista eine silberne Kammverzierung an-
zunehmen sein, die sich zu beiden Seiten des clipeus befand. Aehn-
liche cristae trifft man auch zuweilen in Blätterform an den reichver-
zierten cornua bischöflicher Mitern im XIII. und XIV. Jahrhundert.
') Diese 24 cappae scheinen zum täglichen Gebrauch — vermuthlich für
Auch das oft citirte Schatzverzeicliniss von St. Veit zu Prag, an-
gefertigt unter dem Decan Bohuslav, zählt eine Menge von Chormän-
teln auf; auch unterlässt der luventarist es nicht, bei jeder cappa
den Namen des Eigenthümers anzuführen, von welchem sie wohl
als cappa professionalis der besagten Kirche geschenkt wurde. In
dem uiiä in Abschrift vorhegeuden Schatzverzeichnisse wird die
grosse Zahl von 130 solcher cappae, die damals der Domschatz
von St. Veit besass, namhaft gemacht. Wir heben aus dieser Zahl
in Folgendem nur einzelne hervor: Item cappa in viridi ciun avi-
culis aureis, tenentibus litteras aureas in rostro, quam dedit do-
minus Pribyslaus de Porzessyn decanus Pragensis, subducta viridi
sine capulo^). Item cappa in rubeo cum aviciüis albis, qui di-
cuntur cygui subducta viridi 2) cum praetextis aureis 3), quam de-
dit Magister Fridmannus et etiam utebatur eodem. Item cappa
alba in rubeo cum rosis albis et floribus blancis habentibus turres,
quarum turrium quaelibet continet unum canem, subducta blaveo
Kuklerz , quam dedit idem dominus Radetz Wenceslaus, et ante
pectus sunt arma ejus^). Item cappa de nachone in blaveo cum
griphonibus et quibusdam litteris gentilibus^) circuHs inclusis, sub-
die Sänger — mit in Modeldruck ausgeführten Verzierungen belebt
gewesen zu sein, die drei andern waren aus Seidenstoffen verfertigt.
') Capulum steht hier, wie dies aus den folgenden Aufzählungen klar
wud, gleichbedeutend mit caputium, und erhellt aus dieser Angabe,
dass im XIV. Jahrhundert sich auch im Prager Domschatze reichge-
stickte Chorniäntel vorfanden, die ohne clipeus angefertigt waren.
-j Die subductura oder foederatura, wie an anderen Stellen der Futter-
stoff genannt wird, war an dieser Chorcappe von gininer Farbe . und
bestand wahrscheinlich dieses Futterzeug aus Taffetseide.
Praetexta wird im vorliegenden Schatzverzeichnisse jene schmale üni-
bordung genannt , die in anderen Schatzverzeichnissen den Namen
aurifrisia oder aurea lista trägt.
^) Entweder war auf den beiden Stoffstücken der Brust , welche die
Chorcappe verbanden, das Wappen des Geschlechtes der Radetz ge-
stickt, oder es war hier ein Monile befestigt, das in Metall gearbeitet,
das Wappen des ebengedachten Geschenkgebers in getriebener oder
ciselirter Arbeit enthielt.
'■') Das in Rede stehende Prager Schatzverzeichniss ist desswegen für
archäologische Forschungen von um so grösserem Interesse, als es auf
die stoffliche Beschaffenheit der Gewänder und sogar auf deren Muste-
rungen weit genauer als andere eingeht. Die literae gentiles sind
wahrscheinlich saracenische Inschriften, wie man dieselben in Menge
in den sicilianischen Gold- und Seidenstoffen des XIII. und XIV.
Jahrhunderts antrifft.
- 313 —
(lucta viridi , qua utittir Dominus Woytiessius de Moravia. Item
cappa in aibo nachone'), habeus pennas pavonum, et in capulo
arma Domini Archiepiscopi Pragensis , subducta blaveo , Habens
praetextas aureas, quam dedit Dominus Archiepiscopus modernus,
interim quod erat Canonicus, qua utitur Dominus Wenceslaus, frater
Archiepiscopi
Item cappa de baldachino ^) in blaveo^) habens circulos ru-
beos magnos, et in quolibet circulo rubeo duo animalia rubea et
in alia nigra circulos minores, rubeos cinctos, in albo et in medio
cuilibet aviculam viridam. subducta viridi zendalino cum praetextis
aureis, quam dedit Dominus Doctor Cnusso, custos Pragensis no-
mine custodiae et praebendae^). Item cappa de nachono in rabeo
') Die Bezeichnung nacho , nämlich ein schwerer Seidenstoff mit Gold
brochirt, findet sich an vielen Stellen des oben bezeichneten Schatzver-
zeichnisses vor, und dürfte dieser Ausdruck nacho eine latinisirte En-
dung erhalten haben , für den Terminus »nach« , identisch mit »nac,
nachitz, nekh«, wie er in anderen Schatzverzeichnissen des XIII. und
XIV. Jahrhunderts als kostbares orientalisches Seidengewebe mit Gold-
brochirungon sehr häufig angetroffen wird. Man liest sogar in dem
Schatzverzeichnisse vom Jahre 1387 eine besondere Rubrik mit der
Ueberschrift de nachonibus. Offenbar sind unter diesen nachones kost-
bare, mit goldenen Dessins durchwirkte Seidenstoffe zu verstehen, die
als reiche Behänge und Bedeckungen kirchlich in Gebrauch waren.
In dieser Auffassung kömmt auch bei DuCange das Wort nacho vor
als Ablativ von nachum auch naccum, nactum und nactus.
2) Diese Chorcappe, die auf dem capulum, d. i. dem caputium, das ge-
stickte Wappen des damaligen (modernus) Erzbischofes von Prag
zeigte , war der Kirche von St. Veit von demselben Erzbischofe ge-
schenkt worden, als er noch Canonicus war, und bediente sich später
dieses Ornates der Bruder desselben.
•■') Das Baldachingewebe, über welchen kostbaren Seidenstoff wir uns an
anderer Stelle ausführlicher ausgesprochen haben , ist abzuleiten von
dem orientalisclien Terminus »baidach.« Weil aus diesem schweren Sei-
denstoff die verschiedenen kirchlichen und profanen Thronhimmel
gewöhnlich angefertigt zu werden pflegten , erhielten dieselben von
dem dazu verwandten Stoffe den Namen Baldachin, ital. baldachino
fr. baudequin, engl, baudeckin.
Blaveus silc. color, adjectivische Bezeichnung flu- das Hochblau, ge-
bildet aus dem Deutschen blaw, blau, franz. bleu, it. blu.
^) Aus dieser letzten Angabe »nomine custodiae et praebendae« erhellt
also , dass Doctor Cnusso , damaliger Custos der Prager Domkirche,
diesen Chormantel beim Antritt seines Amtes auf den Grund hin lu
schenken gehalten war, damit er die mit dem Amte der Custodie ver-
bundene Pfründe zu geniessen Berechtigung erhielt.
314 -
ad DQodum stolarum, habens flores virides et leunculos de auro in-
textos cum praetextis aiireis. in capulo clipeusi) cum flammis
argenteis et rubeis serieeis ac nodo serico . viridi subducta , quam
dedit Dominus Wolframus.
Item cappa de nachone in blaveo luddo, vubei coloris habens
aviculas aiiieas cum parvulis pi'aetextis, in (•a])ulo habens arma
Ecclesiae et arma Arnesti, et aquila cum duobus capitibus, sub-
ducta rubeo Taffato laniato^), quae fuit Imperatoris^).
Der Zuvorkommenheit unseres Freundes P. Lehner. Minoriteu-
Conventuals in Padua, verdanken wir die Absclirift eines umfang-
reichen und interessanten Inventars der reichen Kircheuschätze von
St. Antonio daselbst aus dem Jahre 1385. Unter den vielen dort
aufgezählten pluvialia lieben wir liier nur einige hervor:
Primo Unum pluviale solepne de serico allio contextum per
totum de auro cum avichs cum uno solempni frixo*) cum pulcro
smalto cum duabus figuris relevatis °) videlicet sanctorum Francisci
et Antonii et super cai)uteolum est unus Crucifixus in campo aureo
a parte vero superiori dicti Crucifixi est una finis cum aviclis suis
et a parte anteriori sunt octo figurae cum Anuunciata. foderata
tella rubea.
Item unum aliud pluviale de velluto azuro et zallo per modum
trexarum cum frixi'^ aureis trexatis cum uno solempni frixo recha-
mato*^) ad figuras et cum uno pulcro smalto cum duabus figuris.
videlicet sanctorum Francisci et Antonii et super caputeum est
figura sancti Jeronimi cardinalis, tela alba.
'I Auf der Capiize ersah man ein gesticktes Wappenschild (clipeus)
mit silbernen Flammen und solchen, die in rötlilicher Seide gestickt
waren. An der untern Spitze des Schildes erblickte man einen grün-
seidenen Knauf, jedenfalls mit dai'an befindlicher Quaste von Seide.
Dieser ehemalige Mantel Carls IV. war im Inneren mit rothem Sei-
dentaffet als Futterstoff überzogen . der durch die Länge der Zeit
Risse erhalten hatte.
■■'l Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde in diesem reichverzierten Man-
tel, dessen Cappa in Stickerei das Wappen des Erzbischofs Arnest
von Pardubitz und zugleich das des Prager Dums zeigte. Carl IV. als
König von Böhmen gekrönt, und liess der ebengedachte Kaiser nach
seiner Krönung den prachtvoll gestickten Mantel dem Schatze der
Prager Domkirche als Geschenk übergeben.
*) Gleichbedeutend mit Stabverzierung, aurifrisia, praelexla.
') Mit Heiligenfiguren in getriebener Arbeit.
Gleichbedeutend mit acu picta, breudata.
— 315 —
Item unum aliud pluviale pulcrum, medium de purpiira alba,
eontextum de auro et aliud medium de veluto azuro vergato virgis
aureis cum uno smalto de ai gento cum una Figura de argento in
medio ipsius smalti, cum uiiu frixo rechamato de serico et super
caputeum habet figuram sancti Antonii et unius Archiepiscopi de
auro, foderatiim tella zalla.
Item unum aliud pluviale de veluto azuro virgulatum per tutum
virgis aureis cum uno pulcro frixo rechamato ad tiguras et cum
uno pulcro siualto et cum una figura argentea in medio et super
caputeum virginem cum filio, foderatum tella viridi ^).
Item unum aliud pluviale de serico viridi laborato cum avilnis
habentibus pedes et capita alba cum uno frixo rubeo laborato de
grixolina et in fine caputei habet unum peculum^) Cristaliuum,
foderatum sindone rubeo.
Das Schatzverzeichniss der Domkirche zu Olmütz vom Jahre
1435 enthält ebenfalls eine grosse Zalil von reichgestickten Ves-
permänteln und geht aus den ziemlich ausführlichen Beschreibun-
gen derselben hervor, dass bereits gegen Mitte des XV. Jahrhun-
derts sowohl die vordem Stäbe, als auch das capuiium an der
hintern Seite mit Büdstickereien verziert waren. Wir heben aus
der grossen Zahl in Folgendem nur wenige hervor: Item primo
cappa alba ymaginibus angelicis cum armis Christi et praetexta
aurea cum passione Christi oniata, habens lapidem album ab ante
ad modum capitis humani cum rubea subductura. Item cappa
alba, habens praetextam auream cum sex ymaginibus, a parte
dextra ymago Beatae Virginis, Mainae Magdalenae, Catharinae,
in einistra parte ymago Salvatoris Fetri et Pauli, in clipeo a tergo
(ymago) Beatae Virginis cum duobus angelis, cum rubea subductura.
Item cappa all)a diversis animalibus et avibus aureis intexta, cum
praetexta aurea cum X ymaginibus ab ante, cum nodo de perlis,
cum rubea subductura.
Item cappa fiavea cum aureis avibus et cedulis literis graecis
per totum inserta, habens praetextam cum ymaginibus XIV.
Item cappa rubea de haxamit habens a latere praetextas.
Unter den reichen kirchlichen Ornaten, die Pabst Bonifacius VIII.
aus dem Gesclilechte der Conti zu Anagni der Kirche seiner Va-
terstadt schenkte, der er frühei- als Bischof vorgestanden, finden wir
') Mit grünem Stofi' gefüttert.
^) Der Krystallknauf an der unteren Spitze des Schildes wird hier
peailum genannt.
— 316 —
eine grosse Zahl von reich gestickten und golddurchwirkten Plu-
vialen verzeichnet, von welchen wir hier einige ihrem Wortlaute
nach anführen: Item unum pluviale de sammito rubeo, laborato
ad acum de auro battuto ' i ad griphos, papagallos, et aquilas cum
duobus capitibus et aurifrisio cum pernis^). Item unum ahud no-
bile pluviale album, auro contextum, cum avibus et diversis operi-
bus, cum aurifrisio de pernis, cum centum septuaginta duobus petiis
auri^), qui pro smaltis, et quatuor bottonibus*) de auro et pernis.
quo solus Episcopus debet uti tantum in festis Beatae Virginis.
Item unum pluviale laboratum ad acum de auro battuto et
serico de diversis historiis et passionibus Sanctorum foderatum de
Purpura rubea ad aves croceas^). Item unum pluviale ad arma
regis Castiliae ^ ) cum duobus pernis de argento in caputio^). Item
unum pluviale de sammito nigro cum amplo aurifrisio de auro sine
opere.
Nachträglich mögen hier noch die verschiedenen Angaben
De Moleou's ihrem Wortlaute nach eine Stelle finden, in welchen die-
ser französische Gelehrte über Form, Beschaffenheit und Gebrauch
jener Chormäntel berichtet, die sich noch im vorigen Jahrhundert,
M auruin battutum ist das franz. »or battu« und waren vermittelst
gesciilagener Goldfäden Greife, Papageien und Adler mit Doppelköpfen
gestickt.
perna gleichbedeutend mit perla, raargarita.
^) Diese petii auri sind kleine in Goldblech getriebene Ornamente, wie
sie ebenfalls an dem Chormantel im Schatze zu Aachen (vgl. Taf. XLII.)
gehämmert vorkommen. Diese Verzierungen, zuweilen auch plicae au-
reae oder tasselli, monilia genannt, waren nicht selten stellenweise
mit vielfarbigem Schmelz überzogen.
*] bottones, an andern Stellen boctones, gleichbedeutend mit dem ital.
botton und franz. boutons.
^) Offenbar zeigten sich auf diesem pluviale von grösseren Kreisen ein-
gefasst eine Menge von gestickten Dai-stellungen aus dem Leben ver-
schiedener Heiligen.
^) In diesem Futterzeug von purpurrother Seide waren eingewirkte Vö-
gel in gelber Farbe zu ei-sehen.
') In der aurifrisia dieses Pluviale waren die Wappenschilder des Königs
von Castilien gestickt, also die drei Thürme, wie man sie in französi-
schen Webereien und Stickereien aus den Tagen Blanca's von Casti-
lien, der Mutter Ludwigs des Heiligen, häufig findet.
Ob an diesem Pluviale noch das caputium als cucullus zur Bedeckung
des Hauptes befestigt war, oder bereits als clipeus in ornamentaler
Weise die Stelle des ehemaligen caputium einnahm, ist aus dieser
Andeutung nicht mit Sicherheit zu ersehen.
- 317
aus dem Mittelalter herrührend, in französischen Kirchen vor-
fanden.
aS^. Martin de Tours. — Le Chaperon de leur plus ancienne
chappe, qui sert ä Noel, ä Päques et ä l'Assomption, est taille en
forme de capuchon, et se termine en pointe.
Notre Dame de Ronen. — II y a encore deux anciennes chappes
rouges que ont des chaperons oii capuchons pointus, qui servent
aux Fetes Semidoubles des Martyrs aux premiers Vepres, ä Matines
et ä la Messe, comme aussi ä la Pi'ocession qui se fait aux grandes
Fetes avant la grande Messe. On sgait que ce chaperon ou capu-
chon se mettait sur la tete.
St. Maurice d' Angers. — Les chappes ont Ic chaperon un peu
en pointe; et les clasnhles sont si amples, qu'elles ont bien cinq
pieds de largeur, et pour le raoins autant de longeur, et ne sont
qu'un peu echancrees par les bras.
St. Etienne de Sens. — Les chaperons des chappes ne sont
pas ronds , mais un peu pointus comme ä la plupart de celles de
l'Eglise Cathedrale de Rouen.
St. Agnan d' Orlkins. — A la grande Messe des P'etes Annuelles
tous etaient revetus de chappes.
Notre Dame de Rouen. — On faisait aux Fetes solennelles la
Procession avant la grand' Messe, et tout le clerge restait en chappes
ä la Messe
Notre Dame de Rouen. — Aux Fetes de Päques, de Pentecote,
de l'Assomption, de la Dedicace de TEglise, et de St. Romain, tout
le clerge etait en chappes a la Procession et restait en chappes ä
la grand' Messe, ou' il y en avait neuf qui etaient sur une meme
ligne au miheu du Choeur. Iis ne sont plus que cinq.
Es würde ein Leichtes sein, hier noch in langer Reihe die
Angabe und Beschreibungen älterer Schatzverzeichnisse fortzuführen,
die ausführlicher über Form und künstlerische Beschaffenheit der
Ohorkappe gegen Schluss des Mittelalters Interessantes berichten.
Anstatt der Fortsetzung dieser Angaben sei es vergönnt, noch we-
nige Worte über die Beschaffenheit und Form jener heute noch
erhaltenen Pluviale hier hinzuzufügen, die unmittelbar vor dem
Eintritt der Renaissance und zum Theil noch unter der Herrschaft
') Daher erklärt sich auch in den Öchatzverzeichnissen französischer,
englischer und deutscher Kathedral-Kirchen die Anführung einer so
grossen Zahl reich gestickter Pluviale.
— 318 —
des neuen Styles von den flandrischen, rheinischen und schwäbischen
Kunststickern angefertigt wurden.
Bei der grossen Fertigkeit, welche die Innungen der Bildsticker
gegen Schluss des Mittelalters und im Beginn der Neuzeit erlangt
hatten, wurden, insbesondere in den Tagen der Regierung Kaisers
Karl V., die breiten Flächen der Chormäntel dazu ausersehen, den
grössten Reichthum von in Gold und Sammet gewebten oder ge-
■-tickten Musterungen, ausgeführt in einem grossartigen Style, hier
zur Geltung zu bringen. Auch die aurifiisiae oder pruetextae. die als
schmale Besatzstiicke an den Chormänteln des XIV. und XV. Jahr-
hunderts kaum die Breite von 5" A'" bis 6" &" hatten, wurden ohne
Noth im XVI. Jahrhundert bis zu einer Breite von 10" bis 11" erwei-
tert. Von jetzt an werden nicht so häufig mehr einzelne Heiligen-
figiiren, von Baldachinen überragt, in Plattstich ausgeführt, sondern
es werden häufiger ganze Scenen aus dem Leben des Herrn, der aller-
seligsten Jungfrau und verschiedener Heiligen nicht selten in höchster
Vollendung durch Nadelmalerei, zuweilen aber auch in der weniger
kunstvollen Mosaikstickerei erzielt. Mit dieser Erweiterung der Stäbe
stand auch im Einklänge die Vergrösserung des Schildes, das vom
XVI. Jalu'hundert ab nicht mehr in eine Spitze ausmündete, sondern
nach unten sich rund gestaltete und, hinsichtlich seiner Grösse über
Gebühr ausgedehnt, über den Rücken des Trägers sich ausdehnte.
Die Schilde an den Chormänteln des XIV. und XV. Jahrhunderts,
die eine grösste Länge von kaum 12" bis 14" hatten, erreichten im
XVI. und mehr noch im XVII. Jahrhundert durchsei inittlich eine
Ausdehnung von 18" bis 20" bei einer grössten Breite von 18".
In den Sakristeien der ehemaligen Stiftskirche von Xanten am
Niederrhein, dessgleicheu auch in Calcar, sowie im Schatz der
früheren Stiftskirche zu Tongern hat sich noch eine grosse Zahl
solcher mit Figurenstickereien reich verzierten Chormäntel erhalten,
die aus der eben bezeichneten Epoche herrühren. Auch auf der
internationalen Ausstellung mittelalterlicher Kunstgegenstände in
Mecheln, veranstaltet im Jahre 1864, ersah man eine grosse Zahl von
reich gestickten cappae, die sich heute noch zahlreich in belgischen
und holländischen Kirchen befinden. Ferner werden im Schatz des
Münsters zu Aachen, aus der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts
herrührend, heute noch vier reich verzierte Chormäntel aufbewahrt,
deren campt aus einem kostbaren gemusterten Rothsammt mit
geschnittenen und ungeschnittenen Dessins besteht. Diese cappae
sind unten mit geschlossenen Silberschellchen, jedesmal 27 an der
- 319 ^
Zahl, verziert, deren Form und Gestaltung auf Tafel XXX unter
Figui" 6 ersichtlich ist').
Die Stäbe und die hintern Schilde dieser vier Chormäutel sind
in flandrischer Weise reich mit Heiligenfiguren auf Goldfond ge-
stickt. Sowohl diese Figuren als auch die Breite der auri/risiae,
dessgleichen der cUpei, können zum Belege dienen, dass dieselben
erst am Schlüsse des ersten Viertels des XVI. Jahrhunderts ange-
fertigt worden sind. Aller Wahrscheinlichkeit nach waren die hin-
tern Schilde dieser cappae, in Uebereinstimmung mit den silbernen
Schellchen am_ untern Saum, ebenfalls mit hullae von vergoldetem
Silber verziert, mit welchem reich gearbeitete Seidenquasten in
Verbindung standen.
Wir haben auf Tafel XXX unter Figur 7 und 8 zwei dieser
pomella in verkleinertem Maassstabe biklJich wiedergegeben. Leider
sind diese merkwürdigen Abschlussknäufe an den clipei dieser Chor-
kappen ihrer ursprünglichen Stelle vielleicht erst seit dem vorigen
Jahrhundert entrückt und vor einigen Jahrzehnten eigenthümlicher
Weise als hohle Kugeln dazu benutzt worden, um vermittelst ein-
gelassener Stiele von Silber als Schwengstäbe zum Austheilen des
Weihwassers gebraucht zu werden. Mit Grund steht zu helfen,
dass diese Knäufe als primitive Ornamente mit den Schilden der
ebengedachten Chorkappen in nächster Zeit wieder in Verbindung
gesetzt werden.
Die Quasten an der unteren Abrundung der echapperons von
reicheren Chormänteln hatten seit dem XVI. Jahrhundert das Be-
') Im Hinweis auf die im .\achener Schatz erhaltenen vier pluvialia
unterlassen wir nicht, bei der Aufzählung von heute noch vorfind-
lichen cappae des Mittelalters, nachträglich darauf aufmerksam zu ma-
chen, dass in der Kirche von Saint Maximin, Departement du Vare,
noch ein in Plattstich gestickter Chormantel des h. Ludwig von Tou-
louse aufbewahrt wird, der, gleich der auf Seite 289 erwähnten cappa
von Anagni, aus dem XIII. Jahrhundert herrührt. Dieser Chormantel,
der sich durch äusserst reiche Figurstickereien, ausgeführt in 30 Rund-
medaillons, als französische Meisterarbeit vortheilhaft auszeichnet, ist
in einer besonderen Monographie, unter Hinzufügung von 16 Abbildun-
gen in Kleinfolio, bereits im Jahre 1855 beschrieben worden unter dem
Titel: Notice sur la chape de St. Louis, eveque de Toulouse, par L. et
Th. Rostan. Auch unter den gestickten Ornaten im Kensington-Museum
zu London sahen wir im vorigen Jahre eine merkwürdige cappa, deren
Stäbe mit gestickten Figuren aufs reichste verziert waren, welche zu
den vorzüglichsten heute noch erhaltenen cappae zu zählen ist, welche
das XIV. Jahrhundert auf englischem Boden entstehen sah.
320 -
streben, sich immer weiter auszudehnen, und drohten sogar Haupt-
sache werden zu wollen. In deutschen, belgischen und holländi-
schen Diöcesen haben sich diese Quasten noch an festtäglichen
Pluvialen bis zur Stunde meistens in kunstreicher Posamentirarbeit
erhalten. In Rom und in Italienischen Diöcesen scheinen sie hin-
gegen seit dem XVI. Jahrhundert mehr und mehr in Wegfall ge-
kommen zu sein.
Schliesslich machen wir hier noch auf den Schnitt und die grosse
Länge von bischöflichen Chorkappen aus dem Sclüusse des XV. und
dem Beginne des XVI. Jahrhunderts aufmerksam, die, in Ueberein-
stimmung mit den weiten Schleppen an den priesterhchen und bischöf-
lichen Talaren, ebenfalls am untern Saume mit einer Schleppe ver-
sehen waren. In einigen Diöcesen hatten dieselben eine solche Aus-
dehnung, dass, ähnlich den Hofkleidern mit langen Schleppen, auch
die Chorkappe am untern Saume eine solche Verlängerung zeigte,
dass dieselben von caudatarii nachgetragen werden mussten, damit
bei feierlichen Processionen das lange, faltenreiche Gewand dem Trä-
ger nicht beschwerlich wurde. Wir haben auf Taf. XVII des vorliegen-
den II. Bandes eine bischöfliche Figur nach einem alten Tempera-
Gemälde, im Besitze von Prof. Dr. Vosen in Köln, abgebildet, wel-
ches einen Bischof, bekleidet mit einem prachtvollen Pluviale aus
dem Schlüsse des XV. Jahrhunderts, veranschauhclit, die eine solche
Länge hat, welche einer cauda ähnlich ist. Seit den Tagen des Mittel-
alters bis auf die Neuzeit trägt auch der h. Vater, wenn er in der
Sixtinischen Kapelle in der Charwoche dem feierlichen Gottesdienste
unter dem Throne beiwohnt, ein prachtvolles Pluviale, welches mit
der im Bilde auf der eben bezeichneten Tafel XVII veranschaulich-
ten cappa ihrer Längenausdehnung nach ziemhch übereinstimmt.
Es hat dieselbe nämlich eine solche Längenausdehnung, dass sie die
obersten Stufen des päbstlichen Thrones vollständig bedeckt, wenn
der Pabst unter dem Thron-Baldachin stehend sich erhoben hat.
Welche Form und künstlerische Beschaffenheit das piviale im
nördhchen Italien seit dem XVI. Jahrhundert aufzuweisen hatte,
erhellt aus den Bestimmungen des Bischofs Carl von Novara, der
in seiner Abhandlung: «De mensuris propriis sacrae suppellectilis,\(
hinsichthch der Grössenverhältnisse und der Verzierung unseres Or-
nates Folgendes angegeben hat : Es reiche der Chormantel bei einer
Länge von 4' 10" bis an die Knöchel hinab , und dehne sich halb-
kreisförmig in die Breite aus; an dem vordem Rande sei er von
oben bis unten mit goldgestickten Verzierungen verbrämt; auf der
hintern Seite befinde sich eine schildförmige Kapuze, deren Stickerei
— 321
mit jener an der vordem Seite übereinstimmt. Nacli römischer Sitte
sollen die Fransen, mit welchen die hintere cappa besetzt ist, etwas
breiter, die Fransen hingegen am äussersten Saume etwas kürzer
sein; auf der Brust möge sich eine Schliesse mit 3 oder 4 grossen
Haken befinden; die an dem Sehilde herabhängende Quaste ist in
ßom beim Säcularclerus nicht mehr in Gebrauch.
- 322
Capitel Yll.
Die geistliche Hanstracht und die Chorkleidung
des Pfarr- und Stiftsclerus.
In dem vorliegenden II. Band Cap. V und VI ist es versucht
worden, eine allgemeine üebersicht über die Entstehung, Entwick-
lung und künstlerische Verzierungsweise jener liturgischen Ornate
im chronologischen Zusammenhange zu liefern, deren sich die Bi-
schöfe, dessgieichen die celebrirenden Priester, die Diaconen und
Assistenten bei Feier des heil. Messopfers nach kirchlichen Vor-
schriften vorzugsweise im Mittelalter bedienten. In dem vorliegen-
den Cap. VII sollen in kurzen Umrissen jene Gewänder besprochen
und durch Abbildungen näher erläutert werden, mit welchen be-
kleidet der Stifts- und Cathedral-Clerus seit den Tagen des Mittel-
alters dem Chordienste obliegt, und deren sich auch die Pfarr-
geistlichen bei Verrichtung von verschiedenen kirchlichen Handlun-
gen zu bedienen pflegen.
A. Der Talar oder die Sutane (vestis, toga, tuuica talaris vel
subtaua).
Seit jener Zeit, wo bei der Strömung der Völkerwanderun}^
neue, fremdartige Sitten, Gebräuche und Gewänder auch in Rom
Eingang fanden, und es bei dem steten Wechsel der Profangewän-
der nöthig wurde, dass die Kirche bei jenen geschichtlich ererb-
ten Kleidungen verharrte, die grösstentheils den hervorragenden
Senatoren-Gewändern des classischen Roms entlehnt waren, zeicli-
neten sich die priesterlichen Ornate durch ihren feierlichen Ernst
und durch ihren würdevollen, faltenreichen Schnitt vor jenen Ge-
wändern aus, welche durch die fremden Eroberer sich nach Italien
Eingang verschafft hatten. Bei der fortwährenden Veränderung.';
der Kleiderformen, die auch in jenen Jahrhunderten, welche unmittel-
bar der Völkerwanderung folgten, noch fortdauerte, erhielt sich
in der römischen Kirche als priesterliches Gewand für den gewöhn-
lichen Tagesgebrauch fortwährend jener Leibrock, der in seinem
Schnitt und in seiner Gestalt an die römische tuuica erinnerte und
mit einigen Veränderungen von diesem altrömischen Gewände sei-
nen unmittelbaren Ursprung ableitete*).
') Vgl. das Nähere über die toga und tunica, deren Form und Verzierung>ä-
weise bei Octavius Ferrarius de re vestiaria lib. II. cap. VIII bi« XI.
— 323 —
Als ferner auch im Laufe des Mittelalters immerwährende Verän-
derungen in den Laieukleidern eintraten, und die profanen Gewän-
der für den täglichen Gebrauch nicht selten durch die Kostbarkeit
der Stoffe und den Reich tlium der Vei'zierungen, dessgleichen diirch
Eigenthünilichkeit des Schnittes sich unterschieden, erhielt sich mit
geringen Veränderungen als Hausgewand für den Secularclerus
jener faltenreiche, vom classischen Rom herrührende Talar, der
desswegen die Bezeichnung iunica tuluris fühi'te, weil er bis zu den
Knöcheln, uaque at talos, faltenreich herunterstieg und in weitem,
parallel nebeneinander fortlaufenden Faltenwurf den Körper des
Trägers so bedeckte und umhüllte, dass die einzelnen Theile des-
selben keinen Ausdruck fanden. Neben der Bezeichnung toga oder
tunica talaris, die an und für sich schon auf den römischen Ur-
sprung hinweist, tritt im Laufe des Mittelalters die Benennung
subtaneum oder suhtuna auf, aus welchem Namen die französi-
sche Benennung soutane und die deutsche Bezeichnung Sutane her-
zuleiten ist. Ob der Ansicht des Du Gange Gewicht beizulegen sei,
wenn er ad vocem »subtaneum« anführt: »togae seu tunicae sptcies,
quam etiam nunc «Soutane« vocamus, quod forte Sultauorum seu Tur-
corum vestis propria fuerit,« lassen wir hier, weil er keine Belege
dazu beibringt, dahingestellt sein.
Es würde für die Zwecke des vorhegenden Werkes zu weit
führen, wenn wir unter Hinweis auf mittelalterliche Malereien und
Miniaturwerke den Nachweis führen wollten, welche vielfache Ver-
änderungen und Umgestaltungen der priesterliche Talar im Laufe
des Mittelalters durchgemacht hat. Um kurz zu sein, sei hier nur
bemerkt, dass schon seit dem Mittelalter zwei Formen desselben zur
Geltung kamen. Entweder stieg derselbe in weitem faltenreichen
Umfange vom Halse bis zu den Füssen des Trägers herunter, so
dass auch der Oberkörper unter dem Faltenreichthum desselben
verhüllt bheb, oder aber der Talar legte sich enge dem Oberkörper
des Trägers an und wurde vermittelst einer Reihe von Knöpfen
von der HalsöHnung bis zu den Füssen geschlossen. Dieses letzte,
auf der Brust anliegende Gewand mit engen Aermeln, das an der
Vorderseite der ganzen Ausdehnung nach zugeknöpft wird, er-
weitert sich nach Unten hin so faltenreich, dass es das bequeme
Ausschreiten der Füsse nicht beengt. Diesen Leibrock nennt man in
verschiedenen deutschen und französischen Diöcesen Sutane' j, zum
') Sulanelle, das Diminutiv von Sutane, wird in einigen deutschen Bis-
thümeru jener Ueberrock genannt, dessen sich die Geistlichen als
— 324 —
Unterschiede von dem weiten faltenreichen Talar, der den Oberkör-
per nicht enge umschliesst, sondern fast in derselben Weite und Aus-
dehnuns;, von einem kleinen aufreclitstehenden Halskragen überragt,
bis zu den Füssen faltenreich herniedersteigt. Dieser letzgedachte
priesterliche Talar, von dem auch das richterliche Gewand sowie
das amtliche Doctorenkleid herzuleiten ist, wie es heute noch an
einigen Universitäten bei feierlichen Veranlassungen von den Mit-
gliedern der verschiedenen Facultäten getragen wird, scheint ehe-
mals mit weiten Aermeln versehen gewesen zu sein. Da jedoch
die Anlegung des .nipcrpellicewn, von dem in der Folge gehandelt
werden wird, durch die weite Ausdehnung der Aermel des Talars
theilweise behindert wurde, so kommen in verschiedenen Bisthümern
bereits gegen Ausgang des Mittelalters Talare mit angesetzten en-
gen Aermeln vor oder mit Durchlässen für die Arme. Wie über-
haupt bei allen Veränderungen, die im Laufe der Jahrhunderte
sowohl an den vfstes sacrue als auch an den vestes profanae, der
Geistlichen stattfanden, noch immer einzelne Ueberbleibsel beibe-
halten wurden, die an die ursprüngliche Gestalt des betreffenden
Gewandstückes vor seiner Umgestaltung erinnerten, so hat sich
auch in mehreren Diöcesen au dem faltenreichen Talar zur Er-
innerung an die ehemaligen weiten Aermel, unmittelbar an dem
heutigen Ausschnitt zum Durchlassen der Arme, ein langer schma-
ler Stotfstreü'en erhalten, der gleichsam als Schleppe und Ver-
zierung bis zu dem Saume des Talars herunterreicht und der in
den letzten Jahrhunderten hin und wieder mit Fransen und mit
Posamentir-Arbeiten besetzt worden ist.
Was nun den Stoff oder das Material betrifl't, aus welchem
der priesterliche Talar seit dem Mittelalter bis zur Stunde ange-
fertigt wurde, so ist im Allgemeinen anzugeben, dass zur Anferti-
gung desselben meistens Wollenstoffe verwendet zu werden pflegten.
Auch halbseidene Stoff'e, die im Mittelalter im Gegensatze zu den
schweren Seidenstoffen tela subserica hiessen , fanden häufig bei
Anfertigung von Talaren, namentlich zum Gebrauche der Stifts-
geistlichkeit, eine Verwendung. Auch reichere Talare finden sich
Profangewand öffentlich bedienen. Derselbe bedeckt mit stehendem
Halskragen eng anliegend die Arme und den Oberkörper grade wie
die Sutane; nur wird derselbe an den bis weit über die Kriiee herun-
tersteigenden Rock- oder Schoostheilen in der Regel nicht durch
Knöpfe geschlossen und ist seiner Kürze wegen beim Ausgehen be-
quemer als die Sutane.
— 325 —
vor, die aus schwerer Seide (gros de Tours) angefertigt wurden.
Ferner trifft man auch noch festtägliche Talare aus dem vorigen
Jahrhundert an, die aus einem schweren Seidendamast mit grossem
ßlumenwerk bestehen.
Hinsichtlich der Farben, die bei dem priesterhchen Leibrock
seit dem Mittelalter vorkamen, ist zu bemerken, dass schon seit
mehrern Jahrhunderten, in Folge von Beschlüssen verschiedener Sy-
noden und Concilien, der Talar, den der Priester auch unter den
früher beschriebenen ve.stes sacrae als Untergewand meistens zu
tragen pflegt, durchgehends von schwarzer Farbe angefertigt
wurde. Nur die Bischöfe, die Hausprälaten des Pabstes sowie jene
Monsignori, die zur faiinylia Fondficia gehören, dessgleichen auch
die Canoniker mehrerer bischöflichen Kirchen haben das Recht,
Talare von violetter Farbe zu tragen. Seit den Tagen Pabst Inno-
cenz HI. ist die Farbe der Sutane der Cardinäle die hochrothe; nur
allein der Pabst pflegt einen Talar von feinem weissen Tuche anzule-
gen '). Schon seit dem i'riiheu Mittelalter zeichnete der faltenreiche
Talar den Geistlichen, wie oben angedeutet wurde, selbst im gewöhn-
lichen Leben aus. Beim Ausgehen, namentlich zur Winterzeit, pfleg-
ten die Cleriker über dem Talar einen faltenreichen, oft mit einer Ca-
puze versehenen Mantel, zu tragen, der in verschiedenen Zeitläuften
Umgestaltungen erfahren hat. Der Wechsel der Tageskleidung im
profanen Leben scheint in allen Jahrhunderten des Mittelalters
auch auf die geistliche Tracht mehr oder weniger Einfluss ge-
habt zu haben, so dass einzelne Bischöfe , dessgleichen auch ver-
schiedene Synoden im Laufe der Jahrhunderte sich veranlasst fan-
den, den Einfluss des profanen Gewandes mit seinen manigi'alti- O
gen, wechselnden Formen und Farben von der profanen Kleidung
des Secularclerus fern zu halten. So schreibt schon ein Concil, ab-
gehalten in den Tagen der Karolinger zu Metz 888 vor, dass die
Cleriker keine Waffen und keine Laiengewänder tragen dürfen; es
verbietet aber auch den Laien das Tragen jenes Gewandes, das den
Priester im gewöhnhchen Leben auszeichnete^). Ferner bestimmt
') Die Farbe der Sutane der Zöglinge verschiedener Priester-CoUegien
und Seminarien in Rom ist verschieden; so sahen wir mehrere Eleven
daselbst, die blaue Sutanen tragen; die Zöglinge der römischen Aca-
demie tragen Talare in violetter Farbe und die Alumnen des Collegium
Germanicum zeichnen sich durch Talare von rother Farbe aus.
-J Der "Wortlaut des Concils von Metz vom Jahre 888 ist folgender: Ut
nemo clericorum arma portet vel indumenta laicalia induat, i. e. Cot-
tas vel mantellos sine cappa non portent, et laici cappas non portent. ^
22*
— 526
das Concil von Rheims vom Jahi'e 1148, dass die Verschieden-
heit und der Reichtlium der Farben von der geisthchen Tracht
fern gehalten werden solle. Ein Concil von Aviguon , abgehalten
1209, befiehlt den Clerikern, namentlich aber den Mitgliedern der
geistlichen Orden, geschlossene lange Gewänder zu tragen, und ver-
bietet ausdi-ücklich Gewänder von hellen Farben und von Seiden-
stoffen. Das Concil von Tours, das nicht viel sj)äter, nämlich 123Ö
gefeiert wurde, schreibt wörtlich vor, dass die Geistlichen im ge-
wöhnlichen Leben öffentlich nicht anders erscheinen sollen «nisi
in cappis clausis vel in mantellis; clausa etiam habeant supertuni-
caha 1 ). ((
Als mit dem XIV. und XV. Jahrhundert, der Blüthezeit des
Ritterthunis und des Zunftwesens, eine Sucht nach auffallend ge-
stalteten Gewändern von kostbaren Stoffen und brillanten Farben
sich im christlichen Abendlande geltend machte, gegen welche Aus-
schreitungen des Luxus und der Kleiderpracht eine Menge Luxus-
gesetze erschienen, scheinen diese Uebertreibungen in Kleiderformen
auch auf das geistliche Profangewand einen mehr oder weniger um-
gestaltenden Einfluss gewonnen zu haben. Diesen Einwirkungen ge-
genüber sah sich das Concil von Paris vom Jahre 1428 genöthigt,
strengere Vorschriften zu erlassen, wodurch diesem Einfluss der pro-
fanen Mode auf die priesterliche Kleidung Schranken gestellt werden
sollten. Wir lassen ia freier Uebersetzung die Verordnung des
ebengedachten Pariser Concils hier folgen, da die Verbote desselben,
ins Einzelne gehend, die geistliche Tracht kennzeichnen, wie sie
damals von Clerikern im gewöhnlichen Leben getragen zu werden
pflegte: «Vor Allem verbieten wir Allen und Jeden, Tuniken zu
tragen von röthlicher oder grünlicher Farbe, die unten und oben
mit Purpurstreifen verbrämt, und solche, die mit zu grossen Schlep-
pen versehen sind; auch verbieten wir die zu grossen umgeschla-
genen Halskragen , dessgieichen die allzugrossen und geschweiften
Aermel; aber auch jene untersagen wir, welche sich durch allzu grosse
Kürze oder Länge bemerklich machen, dessgieichen auch die, welche
von rückwärts oder von vorne höher als bis auf die Kniee aufgeschlitzt
sind^).« Wir haben nicht unterlassen wollen, diese interessante
') Unter dem supertunicale dürfte ebenfalls ein Gewand zu verstehen
sein, das als faltenreicher Leibrock, ähnlich unserni Talar, noch über
ein kürzeres Unterkleid angelegt wurde.
em Wortlaute nach heisst die Stelle wie folgt; »Praecipue inhibenius
quibuscumque, ne portent tunicas colorum iiibeorum vel viridium per
— 327 —
Stelle ihrem Wortlaute nach im Citate unten folgen zu lassen, zu-
mal bereits seit dem Schlüsse des Mittelalters von Frankreich und
namentlich von Paris ausgehend, sich in dem Süden und Westen
Europa's der französische Kleidertand und die Herrschaft der Pariser
Mode immer weiter und weiter auszudehnen begann. Bezeichnend
ist es, dass neben den faltenreichen Aermeln an den priesterlichen
Profankleideru bereits gegen Schluss des XV. Jahrhunderts auch
die Scldeppen an den Talareu zur Geltung kamen. Diese caudae
an den priesterlichen Talaren, die den Hofkleidern itahenischer
und französischer Grossen iui XIV. und XV. Jahrhundert nach-
geahmt, auch auf die kirchlichen Talare allmähg übergegangen
sind, haben sich bis zur Stunde, wenn auch in nicht so auf-
fallender Ausdehnung, an den priesterlichen Leibröcken in vielen
französischen, belgischen und holländischen Diöcesen noch erhal-
ten. Man muss es den Franzosen lassen, dass sie sich dieser
caudae am Talar, die, was die Bewegung und den Gang betrifft,
unter vielen Umständen als ein lästiges Anhängsel erscheinen, mit
Anstand und Würde zu bedienen Avissen und dass sie es verstehen,
durch eine geschickte Schwenkung des Fusses die queue des Ta-
lars in die jedesmal erforderliche Lage zu versetzen. Soviel uns
bekannt ist, finden sich in deutschen und österreichischen Diöcesen
die Schleppen nur noch selten an den bischöflichen Talareu vor,
und haben sich dieselben an den priesterlichen Untergewändern
gar nicht mehr erhalten.
B. Der Gürtel (eingulum, ligamen, vinculum].
Gleichwie die Albe vermittelst eines Gürtels geschürzt und
durch diese Aufgürtung mit der Körpergrösse des Trägers in Ein-
klang gebracht wurde, so pflegte man auch den geistlichen Leib-
rock, die tunica tahiris, die als priesterliche Tracht den Geistlichen
auch ausserhalb der Kirche vor dem Laien auszeichnete, mittelst
eines Gürtels um die Lenden zu befestigen. Die Anlegung dieses
chu/ulum, das hi den verschiedenen Jahrhunderten des Mittelalters
eine grössere oder geringere Breite hatte, diente weniger dazu, den
Talar aufzuschürzen, als vielmehr dem weiten Untergewande grös-
inferius aut superius porfilatas aut nimium caudatas, nec etiam mag-
nos colletos reversos, aut manicas nimium grossas seu caudatas, nec
nimia brevitate aut longitudine notandas, nec scissas a parte poste-
riori seu a parte anteriori nisi usque ad genua.«
328 -
sern Halt zu geben und die Falten desselben gleicbmässig zu ord-
nen. Zugleich hatte aber auch dieser Gürtel den Zweck, den
höchst einftichen Anzug zu vervollständigen und demselben einen
würdigen Abschluss zu geben.
Als im XIII. und XIV. Jahrhundert bei den profanen Gewän-
dern der Gürtel eine grössere ornamentale Ausstattung erlangte
und derselbe nicht selten aus Gold und Seidenstoffen mit goldenen
Zierrathen und Edelsteinen kunstreich ausgestattet zu werden
pflegte, scheint auch in verschiedenen Diöcesen der einfache Gürtel
der Geistlichen hiusichtUch des reichen Materials und seiner Ver-
zierungsweise eine weitere Entwicklung gewonnen zu haben.
Zur selben Zeit, wo von Seiten der Kaiser und verschiedener
abendländischen Fürsten die Gesetze gegen den überhandnehmenden
Luxus und die Kleiderpracht erschienen , gingen auch von einzel-
nen Bischöfen und kirchlichen Synoden Verordnungen aus, durch
welche die geistliche Hauskleidung geregelt und einzelne Ueber-
schreitungen streng gerügt wurden. So erliess 1337 der damalige
Erzbischof von Cöln einen Erlass , wodurch den Geistlichen das
Tragen von silbernen oder goldenen Gürteln untersagt wurde. Bei
der sonstigen Einfachheit des i^riesterlichen Anzuges scheint fort-
während das cingulum mehr eine Sache des Schmuckes und der
Zierde denn der Nothwendigkeit, eine aufmerksamere Behandlung
und Ausstattung erhalten zu haben. So sieht sich auch die Synode
von Mailand vom Jahre 1574 veranlasst, hinsichtlich der Beschaffen-
heit der priesterlichen Gürtel, die den Talar umschlossen, Folgen-
des festzusetzen : «Neque cingula serica retisve instar contexta aut
e corio confecta adhibeant.« Einige Jahre später (1601) spricht sich
das Concil von Treviso auch hinsichtlich der Farbe des klerikalen
Gürtels aus, indem es verordnete: «Nullus clericorum deferat ligamen
sive vinculum coloris violacei, sed tantum nigri coloris, exceptis
R. D. Decanis etc.« Es liegt ausserhalb der Gränzen dieses Wer-
kes hier weiter auszuführen, in welcher Weise in den verschie-
denen Ländern und Diöcesen die cingula angelegt und befestigt
zu werden pflegten. In vielen französischen und in einigen italie-
nischen Diöcesen fanden wir heute noch den, wie uns scheinen will,
traditionell ererbten Gebrauch vor, dass man die Gürtel, aus schwar-
zer Seide oder Wolle in der Breite einer Hand angefertigt, zwei Mal
um die Lenden des Trägers beim Anlegen windet und alsdann ver-
mittelst einer breiten Masche in einen Knoten schürzt, durch welchen
dem cinguhm ein natürlicher und zugleich würdevoller Faltenwurf
gegeben wird. In vielen deutschen Diöcesen hingegen bedient sich
- 329 —
der Clerus eines Gürtels, der in einer platten ausdruckslosen Weise
so hergerichtet und zusammengenäht ist, dass eine Umgürtung,
wie sie der Name ligaine7i oder zona erfordert, dadurch unmöglich
gemacht und das chigulum nicht mehr in einer natürlichen Schleife
oder Binde angeschürzt, sondern ausdruckslos vermittelst Krampen
angeheftet wird.
Noch sei hinsichtlich der fimbriae an dieser priesterlichen
Binde hemerkt, dass dieselben heute meistens aus maschenförmigen
Netzen mit quadratischem Geflechte von schvi^arzer oder violetter
Seide bestellen, wohingegen die Fransen an den bischöflichen cin-
gula, dessgleichen an denen der römischen Prälaten, meistens aus
violett seidenen Quasten von Posamentirarbeit bestehen, die nach
unten in zwei umfangreiche Trödeln ausmünden.
C. Das weisse Chorkleid (superpelliceum, roehettum).
Bei der Abhaltung des Chordienstes, dessgleichen bei Verrich-
tung verschiedener priesterlichen Amtshandlungen legt seit dem
Mittelalter bis zur Stunde sowohl die Stifts- als auch die Pfarr-
geistlichkeit ein weisses Gewand von feinem Leinen oder Battist an,
welches, je nach der Diöcese und seiner äussern Form, verschiedene
Namen führt. Die unzweifelhaft älteste Bezeichnung für die-
ses weisse Chorgewand, das über dem Talar getragen wird und
das sich aus der Albe gebildet hat, ist in dem Ausdruck superpelli-
ceum zu suchen. Nach unserm Dafürhalten scheint von den ältern
Liturgikern zuerst Durandus, Bischof von Mende, in seinem «Ra-
tionale Divinorum Officiorum« der Ansicht Verbreitung gegeben
zu haben, dass der Name superpelliceum dem weissen Chorgewande
desswegen gegeben worden sei, weil es über der pellis , einev Art
von Talar, der namentlich zur Winterzeit mit Pelzwerk im Innern
gefüttert war, getragen zu werden pflegte. Daher auch die Be-
zeichnung vesiis supra pelles, aus welchem einfach der Name super-
pelliceum im Verlauf der Zeit entstand i).
') Vgl. die betreffende Stelle bei Guilel. Durand. Ration. Divin. OS', lib.
III. cap. 1, n. 10.:
»Denique praeter praemissas, vestes sacris ordinibus et ministris de-
putatas, est et alia quaedam vestis liiiea, quae superpelliceum dicitur ;
dictum est superpelliceum eo quod antiquitus super tunicas pelliceas,
de pellibus mortuorum animalium factas, induebatur, quod adliuc in
quibusdam ecclesüs observatur.«
— 330 —
In der Bezeichnung mperpelKceum ist der französische Aus-
druck surplis vorgebildet; aus dem altdeutschen «roch« jedoch,
dürfte der Name rocims hergeleitet worden sein, woher sich auch
noch in einigen Diöcesen der Name Chorrock datirt. Aus dem
mittelalterlich-lateinischen rochus bildete ferner der Italiener sein
rochetto^), und aus dieser Bezeichnung gestaltete der Franzose sein
röchelte. Erst in neuerer Zeit hat man weniger Schicldichkeit in
Benennung dieses weissen Chorgewandes beobachtet, das man in
einigen Gegenden nach seiner äussern Gestalt auch Chorhemd,
chemise de choeiir, benannt hat. Obgleich alle diese verschiedenen
Bezeichnungen für das weissleinene Chorgewand identisch sind, so
wird dennoch hinsichlich der Form und des Schnittes zwischen dem
superpelliceum und dem rocheiium unterschieden ^). So versteht man
unter der Bezeichnung superpelliceum jenes Chorkleid mit weiten
faltenreichen Aermeln, das in der Regel von den Caplänen, den
Vicaren und in den meisten Bisthümern auch von den Pfarrern ge-
tragen wird. Der Ausdruck röchelte hingegen bezeichnet jenes Chor-
kleid, das an Stelle der weiten manicae eng anliegende Aermel hat.
In einigen Diöcesen wird dieses röchelte ausscliliesslich nm' von der
Stiftsgeistlichkeit, den Dechanten und den Archidiaconen getragen;
in andern Bisthümern jedoch wird auf diese Unterscheidung zwischen
superpelliceum und rochel/um weniger Gewicht gelegt. Wir haben
Gelegenheit gehabt zu bemerken, dass namentlich in manchen italie-
nischen und französischen Diöcesen Superpelliceen mit weiten Aer-
meln gar nicht gebräuchlich sind und anstatt derselben durch-
gängig IkOchetten mit eng anliegenden Aermeln von dem niedern
und höhei'n Clerus ohne Unterschied getragen werden 3).
') Aehnlich diesem roclictto, der Diminutivform von roccus, hat sich offen-
bar das im IxheinUxnd gebräuchliche »Röcklein« gebildet, welche Be-
zeichnung heute nocli, namentlich in der kölnischen Diöccse, allgemein
in Gebrauch ist.
^) Ein namhafter englischer Canonist, Lyudwood, bezeichnet den Unter-
schied zwischen dem Kochet und dem Superpelliceum in folgender
Weise: Rocbetuni differt a superpelliceo, quia superpelliceum habet
manicas pendulas, sed rochetum est sine manicis et ordinatur pro
clerico ministraturo sacerdoti, vel forsan ad opus ipsius sacerdotis
in baptizando pueros, ne per manicas ipsius brachia irapediantur.
Lyndwood, Provinciale p. 252, in nota n.
•'*) Es ist dies nainentlich in österreichisch-italienischen Diöcesen der Fall,
wo das Rochette den Namen »cotta« führt. Dasselbe ist in den mei-
ste Fällen auf ein Minimum von Leinenstoffen beschränkt. Zum
— 331 —
Forscht mau nach der ursprünglichen Form und dem Her-
kommen des superpelliceum, so liegt es nahe, nicht nur hinsichtlich
des Stoffes , aus dem dasselbe besteht, sondern auch rücksichtlich
des Schnittes und der «äussern Form in der Albe den Prototyp zu
erkennen, aus welchem seit dem XII. Jahrhundert sich das weisse
Chorkleid allmählich entwickelt hat. Aeltere liturgische Schriftsteller
berichten, dass in l'ranzösischen und englischen Diöcesen bei dem nie-
dern und höhern Clcrus zum Gebrauche bei Verrichtung einzelner
üturgischen Handlungen noch immer die aufgeschürzte Albe An-
wendung fand, an welcher Stelle erst seit dem XHI. und XIV. Jahrh.
meistens eine verküi'zte Albe mit erweiterten Aermeln, unser super-
pelliceum, getragen zu Averden pflegte. So verordnet das Concil
von Roiien vom Jahre 1072 , dass die Vertheilung des Chrisma
und der geweihten üele von den Decanen mit der grössten Vor-
sicht und Ehrerbietung in einer Weise vorgenommen werden solle,
ut Interim, dum distribuerint, albis sint induti ^). Hinsichtlich des
Tauf-Aktes schreibt dasselbe Concil vor, dass der Priester, der
denselben vornimmt, ebenfalls wieder mit der Albe und der Stole
bekleidet sein solle. Der Wortlaut der Vorschrift ist folgender:
Nullus sacerdos baptizet infautem, nisi jejunus et indutus alba et
stola, nisi necessitate
Als im Laufe des XII. Jahrhunderts in verschiedenen engli-
schen Kirchen und Abteien der (iebrauch des superpelliceum anstatt
der Albe schon hin und wieder in Aufnahme gekommen war,
scheint in einigen Kirchen der niedere ('lerus noch immer die aut-
geschürzte Albe bei verschiedenen Funktionen getragen zu haben,
wie das bei John Bromton, Abt von Gervaix in Yorkshire, gegen
das Jahr 1193 zu ersehen ist. Bei Gelegenheit nämlich, wo er die
'Krönung Richards Löwenherz bespricht, sagt er u. A. daselbst:
In prima fronte praecedebant clerici albis induti, portantes aquam
benedictam, crucem et cereos et thuribulos^). Auch der bekannte
Liturgiker Honorius von Autun schreibt noch im Jahre 1130 über
den Gebrauch der liturgischen Gewänder von Seiten der niedern
Cleriker Folgendes : Ministris inferioris ordinis , scilicet ostiariis,
grössten Theil besteht dasselbe aus unechten, gewebten Spitzen aus
Baumwolle und .steht die auffallende Kürze dieser cotta nicht im min-
desten mit dem kirchlichen Ernste dieses Obergewandes in Einklang.
') Orderici Vitalis Eccl. llist. lib. IV., p. 527, ed. Duchesnio, Parisiis 1619.
-) Ibid.
■') Hist Anglic. scriptores ed. Twysden, p. 1158.
— 332 -
lectoribus, exorcistis, acolythis, tres sacrae vestes conceduntur
Portant namque superhumerale Tunicam talarem id est albam
portant Balteo id est zona jubentur renes praeciiigere ctc^).
Auch -am Rheine scheint im Beginne des Xll. Jahrhunderts in den
Abteikirchen der Gebrauch der Alben beim Chorgottesdienste noch
vorherrschend gewesen zu sein, wie dies aus einer Stelle bei Ru-
pert von Deutz zum Jahre 1111 zu entnehmen ist, wo es u. A.
heisst: Solemus enim in hujusmodi festis omnes in albis stare vel
procedere. — Convenienter ergo in albis procedentes simul etiam
omnes a senibus usque ad infantes manipulos portamxis^).
Das Gleiche war in den Cluniacenser- und Cistercienserklöstern
der Fall, wie das aus einer Stelle in D'Achery's Specilegium zu er-
sehen ist. Es heisst nämlich von den Cluniacensern bei St. Udal-
rich zum Jahre 1110: Ad majorem missam omnes, qui cantare
sciunt, sunt in albis.
Ungeachtet der eben citirten Stellen, nach av eichen in vielen
Diöcesen noch das XL und XII. Jahrhundert hindurch die Alben
bei dem niedern und höhern Clerus fortwährend in Gebrauch wa-
ren, linden sich aber auch Stellen vor, welche besagen, dass bereits
gegen das XII. Jahrhundert in verschiedenen Diöcesen auch der
Name des superpelliceum und das betreffende Gewand , nämlich
die verkürzte Albe, in Aufnahme gekommen war. So liest man in
einem Briefe des Bischofs Stephan von Tournay, wo er einer Albe
Erwähnung thut, die bis zu den Knöcheln herunter reicht: super-
pellicium novuiii, candiduni talare Auch aus einer Stelle der Ge-
setzbücher König Eduards des Bekenners geht hervor, dass in da-
maligen Zeiten in vielen englischen Kirchen die Chorröcklein beim
niedern Clerus allgemeiner in Gebrauch waren. Die betreffende
Stelle lautet nämlich: Et postea justicia episcopi faciat venire pro-
cessionem cum sacerdote induto alba et manipulo et stola et cle-
ricis et superpelliciis cum aqua benedicta et cruce et candelabris
et thuribulo cum igne et incenso^).
Im XIII. Jahrhundert scheint der Gebrauch, über dem winter-
hchen Talar, der mit Pelz nach Innen belegt war, verkürzte Alben
in Form von Superpelliceen mit weiten Aermeln zu tragen, bereits
allgemeineren Eingang gefunden zu haben. Ein englischer Schrift-
') Gemma Aiiimae lili. I. cap. 226.
Rupertus, De divin. offic. IIb. II., cap. 23.
Legis Regia Edwardi Confessoris , De Latron., Thorpe's Ancient Laws
and Institutes of England, vol. I., p. 460.
- 333 —
steller John Garland bemerkt nämlich in seinem Comentarius Li-
ber, 1) Moderni sacerdotes habent superlicia vel ut quidam di-
cunt superpellicia, quare sacerdotes solebant habere pellicia et de-
super illa ornamenta in publico mundiciam protendo. Im XIII.,
namentlich aber im XIV. Jahrhundert mehren sich die Angaben über
den Gebi'auch des superpelliceum , namentlich beim niedern Clerus
und zur Bekleidung der Chorknaben. So liest man in einer Vor-
schrift, die Bischof Grandison zum Jahre 1339 bei der Stiftung der
St. Mariakirche erlässt, folgende Verordnung: Quod omni anno in
festo S. Michaelis sacrista faciat fieri ad minus duas albas (hier
gleichbedeutend mit superpellicea) cum amictibus pro sacerdote et
diacono vel subdiacono, et alias duas pro pueris thuribulariis 2).
Auch die Verordnungen Walter Raynold's, Erzbischofs von Canter-
bury, zum Jahre 1322 schreiben bereits ausdrücklich jedem Cleriker
den Gebrauch des superpelliceum beim Altar in folgenden Worten
vor: Nullus clericus permittatur ministrare in officio altaris, nisi
indutus sit superpelhcio^).
Ein anderer englischer Schriftsteller erzählt, dass beim Einzüge
König Richards II. im Jahre loi'2 der Clerus in Procession ihm
entgegen gezogen sei, und dass sich bei dieser Procession mehr als
500 mit Superpelliceen bekleidete Chorknaben befunden hätten*).
«Auf den Grund hin, dass schon in sehr früher Zeit die An-
gaben über das Vorkommen und den Gebrauch der superpe.llicea
in englischen Diöcesen sich mehren, stellt unser gelehrter Freund
Canon. Dr. Rock, dem wir die vorhergehenden Notizen über das
Vorfinden der Röcklein in englischen Kirchen verdanken, die Behaup-
tung auf, die mau schwerlich wird entkräften können, dass die
superpeliicea in ihrer Gestalt als verkürzte Alben ohne Aufschür-
zung und mit weiten faltenreichen Aermeln zuerst in englischen
Kirchen als Chorgewänder und Ministrantenkleidung in Aufnahme
gekommen wären. Nur seien auch noch im späteren Mittelalter in ver-
schiedenen englischen Kirchen die Alben .immer noch als Ministran-
tenkleidungen bei Feier von Pontificalmessen und auch sonst an Fest-
M Comentarius Libei', MS. in the library of Cajus College, Cambridge,
fol. 209.
2) Statuta Col. S. Maria de Otery. Olivier's Mon. Dioc. Exon. p. 271.
Constitutiones Walteri Raynold, Cantuar. Arcliiep. A. D. 1322, ap<id
Wilkins, Concil. Magn. Brit. vol. IL, p, 513.
') Knyghton: Fertur in illa processione plus quam quingeutos pueros in
siiperpelliciis exstitisse. Twysden, t. IL, p. 2740.
— ,-534 -
tagen beibehalten worden und sei das superpelliceuin vorzugsweise
als Chorkleidung von der Stiftsgeistlichkeit getragen worden
Obschon seit dem XIV. Jahrhundert in vielen englischen, fran-
zösischen und deutschen Diöcesen namentlich an Festtagen die
pueri chorales als Ministraiaten am Altare und als Sänger im Chore
mit weissen Röcklein bekleidet waren, finden sich doch bei Schrift-
stellern des Mittelalters Angaben , und haben sich auch noch in
Miniatur- Werken Abbildungen erhalten , die zum Beweise dienen,
dass in vielen Kirchen im Mittelalter und auch noch in den Tagen
der Renaissance der Gebrauch vorherrschend war, die Messknaben,
namentlich an grössern Kirchenfesten , mit Alben und Dalmatiken
zu bekleiden, (Ue in der Regel aus altern und schadhaft gewor-
denen Diaconen-Gewändern durch Verkürzung und Zuschnitt her-
gestellt Avaren. So fanden wir vor wenigen Jahren in den Ge-
wandscliränken der Pfarrkirche zu Linz bei Andernach am Rhein,
noch eine Anzahl von älteren Leviten-Röcken vor, die durch ihren
kleinen stoft'liclien Umfang bewiesen, dass sie aus grösseren Leviten-
Kleidern für den Gebrauch der Chorknaben hergestellt worden
waren. Aber nicht nur kleinere Alben , die vermittelst des cingu-
lurn aufgegiii-tet wurden, sowie Dalmatiken und SuiDcrpeilicien kom-
men im Mittelalter als liturgische Bekleidungen der infcmtcs chori
in Anwendung, sondern auch Chorkappen, die aus schadhaft ge-
wordenen grösseren cappae chorales zurecht geschnitten waren.
Bevor wir im Folgenden zur Ermittelung der Form und
der Grössenverhältnisse des sogenannten Chorhemdes mit weiten
Aermeln übergehen, sei hier noch darauf hingewiesen, dass im
Mittelalter und auch heute noch in vielen, namentlich in italieni-
schen Diöcesen, das superpellit eum als Chorgewand mit weiten Aer-
meln cota, Cotta und, wie Ducange angibt, auch cottys genaiant wird.
Der letzgedachte Schriftsteller fügt ad vocem cotta noch hinzu,
dass dieses betreffende Gewandstück im Französischen cotte Messe,
wovon das deutsche «Kutta abzuleiten sei. So findet sich in einem
Briefe Pabst Alexander's IV. eine Stelle, woraus hervorgeht, dass
das superpelliceum und die cotta nach Form und Gebrauch iden-
tisch sind^). Ferner wird in der Charta des Bischofs Peter von
The Church of our fathers by Dan. Rock vol. II. cap. VI, London 1849.
") Die betrefi'ende Stelle heisst: Clerici induti vestimeiitis sericis aut su-
perpelliciis sive cotis vadaut processionaliter. Alexandei IV., P. P. lib.
6, epist. 256.
- 335
Anagni die cotla Ijei kirchiiclien Functionen als Gewand des Dia-
cons, des Subdiacons und der Acolythi genannt i).
Auch das Concilium Budense, (Ofen in Ungarn) cap. 20, stellt
die Ausdrücke mperpellicea und coitue als gleichbedeutend, und
schreibt u. A. vor: Rectores et simplices sacerdotes cum cottis seu
superpelliceis et stolis tantuni, inferioris vero status vel ordinis
clerici cum cottis synodum intrent. — Aus der Verordnung des
Concils von Ravenna vom Jahre l.)14, Can. VI, geht hervor, dass
die Cotta auch den Namen cocta führte, und dass dieselbe, wie das
auch beutender Fall ist, unter der Pluviale getragen zu werden
pflegte. Die Stelle lautet: Et in missa parati coctis, amictis, plu-
vialibus etc. Supra : Cum coctis et pluvialibus.
Hält man nun näher Nachfrage nach dem Schnitt und der
formellen Beschaffenheit der Chorröckleiu des Mittelalters, so scheint
besonders bei dem englischen Clerus im XIV. und XV. Jahrhun-
dert das weisse Chorgewand eine besondei-e faltenreiche Form und
einen majestätischen Schnitt gehabt zu haben, wie das aus einer Abbil-
dung ersichtlich ist, die wir aus einem Codex im biitischeu Museum
bezeichnet 2 B. VII, entlehnt und auf Tafel L, Figur 1, wie-
dergegeben haben. Diese Abbildung veranschaulicht tüe Form der
englischen superpellicea des XV. Jahrhunderts. Von besonders guter
Wirkung sind die langen, faltenreichen tnanicae. Von einer ähnlichen
Länge und von gleichem Faltenreichthum scheinen auch in belgi-
schen Diöcesen die Chorröcklein der Stiftsherrn und niederen
Cleriker aus der letzten Hälfte des XV. Jahrhunderts gewesen
zu sein, wie das eine Abbildung veranschaulicht, die als Hand-
zeichnung sich im Besitze von Mr. Robinson in London befindet.
Dieselbe rührt von einem ausgezeichneten flandrischen Maler aus
der Mitte des XV. Jahrhunderts her und stellt in charakteristischer
Weise eine Frohnleichnams-Prozession, die sogenannte Gottestraeht
dar. Die älteren Geistlichen, dargestellt auf Tafel XL VI unter Fig. c
und d, tragen über dem Talar, der bei der Figur unter c am Hals-
kragen mit Pelz ausgefüttert ist, ein faltenreiches, stattüches super-
pelliceum, dessen Aermel sehr breit gestaltet sind und die nach
Unten sämmtlich in eine Spitze ausmünden. Diese Ausmündung
der Aermel in einen spitzen Ausschnitt nach Unten, welche male-
risch wirkt, ersieht man auch an dem Röcklein des Chorknaben,
') Dort heisst es nämlich; Diaconus stet cum Cotta et stola et subdiaco-
nus et acolythus cum eotta. Charta Petri Episc. Anagnini, apud Odor.
Raynald. an. 1299. num. 30.
— 336 -
abgebildet unter Figur /, dessgleichen an dem Röcklein des Can-
tors, der unmittelbar hinter dem Chorknaben einherschreitet.
Im Gegensatze zu den bis auf ein Minin)um von Form ver-
kürzten superprllicea, wie sie seit dem Schlüsse des vorigen Jahr-
hunderts in vielen Diöcesen liturgisch im Gebrauch sind, verord-
net die Constitution des Pabstes Benedict XII. vom Jahre 1339,
dass dieses Chorgewaud nach Unten «ultra mediam tibiam vel
circa« reichen soll. Auch mehrere spätere Vorschriften, unter an-
dern die des Concils von Basel und von Sens vom Jahre 1517,
verbietet ausdrücklich, das oftgedachte Chorgewand eigenmächtig
zu verkürzen und zuzuschneiden, und schreiben diese Verordnun-
gen vor, dass dasselbe «ultra medias tibias« herunter reichen solle.
Leider fehlen heute zur Feststellung der Form und decorativen
Ausstattung der supei p. licea nicht nur aus der romanischen, son-
dern auch aus der gothischen Kunstepoche, ältere Originale. Der
Grund, wesswegen von allen liturgischen stofflichen Gebrauchs-
gegenständen heute ältere superpellirea am seltensten angetrofien
werden, mag wohl darin liegen, dass nach einem Schadhaftwerden
dieser Chorgewandung der Leinenstoff zu andern kirchlichen Zwecken
verbraucht zu werden pflegte. Auch in altern Schatzverzeichnissen
finden sich die sut>erpeÜicea desswegen weniger erwähnt, weil sie
meistentheils Eigenthum des Trägers waren und sie auch ihres
geringen materiellen Werthes wegen nicht als zum Schatze ge-
hörend betrachtet zu werden pflegten. Die einzige Quede zur Er-
forschung des Schnittes , der Form und Beschaftenheit der älteren
superpellicea, sowohl für den Schluss der romanischen Kuustepoche
als auch für die verschiedenen Entwicklungsstufen der Gothik, sind
in ältern Miniaturbildern, namentlich auf Tafel- und Wandmale-
reien der italienischen, flandrischen, rheinischen und schwäbi-
schen Malerschule des Mittelalters zu flnden.
Seit einer Reihe von Jahren haben wir es versucht an der Hand
von Wand- und Tafelmalereien über die geschichtliche Entwicklung
und allmählige Umgestaltung der Röcklein, wie sie namentlich im
XIV. und XV. Jahrhundert kirchlich in Gebrauch waren, ins Klare zu
kommen. Diesen ältern Darstellungen zufolge ist es als feststehend
anzunehmen, dass bereits im XIV. und vollends im XV. Jahrhundert
das superpelliceum allgemein mit weiten langen Aermeln versehen
war und dass dasselbe bis über die Mitte der Unterschenkel herunter
reichte, so zwar, dass die darunter befindliche tunica üduris nur
theilweise zum Vorschein trat. Gegen Mitte und insbesondere gegen
Schluss des XV. Jahrhunderts war bereits eine Verkürzung des
— 337 —
■vveissleinenen Röckleins insofeni eingetreten, als dasselbe häufig
nur bis in die Mitte der Schienbeine herunterreichte. Auf älteren
Malereien aus der ebengenannten Kunstepoche haben wir keine
Belege gefunden, dass als Ausstattung der Säume der Chorröcklein
aus dem Schlüsse des Mittelalters bereits das opus arantum als durch-
brochene Verzierung der Randeinfassungen sich vorgefunden habe.
Um sich annähernd einen Begriff von der grossartigen Aus-
dehnung und dem Faltenreichthum der mittelalterlichen Röcklein
zu machen, verv^f eisen wir auf die DarsteUung des ritterlichen
Maximilian, bekleidet mit einem kv perpell icejtm, das derselbe Kaiser
auf einer Walliährt nach der berühmten Abtei Echternach im
Luxemburgischen als Chorhemd getragen haben soll und das
heute noch aus gedachter Abtei herrührend auf dem grossher-
zoglichen Schlosse Friedrichstein in Gotha aufbewahrt wird. Mit
noch einigen andern Erinnerungen aus den Tagen Maximilian's I.
und verschiedenen metallischen Kostbarkeiten und Seltenheiten,
die nach Aufhebung der alten Abtei Echternach, einer Stiftung
Kaiser Otto's II. und der Theophania, veräussert wurden, gelangte
dieses seltene Ornatstück von den letzten Benedictinern des eben-
gedachten altberühmten Stiftes durch Ankauf in den Besitz des
damaUgen Herzogs von Coburg -Gotha. Bei unserm Verweilen
in Gotha wurde es uns zuvorkommend gestattet, eine genaue
Vermessung und Abzeichnung der vielen Einzelheiten dieses
merkwürdigen Chorgewandes von befähigter Künstlerhand auf-
nehmen zu lassen. Dieses eigenthümliche Gewand auf Schloss
Friedrichstein, das der ebengedachte Kaiser einer glaubwürdigen
Tradition nach getragen haben soll , da er auf seiner Wallfahrt
nach Echternach mit der dortigen Stiftsgeistiichkeit die kirchhchen
Tageszeiten im Chore verrichtete, stimmt seiner äussern Form und
seinem Schnitte nach so ziemlich mit dem Superpelliceum überein,
wie es gegen Schluss des Mittelalters in grossartigem Faltenreich-
thum getragen zu werden pflegte. Sämmtliche gestickte Musterungen
zeigen jedoch keinen abendländischen, sondern einen deutlich aus-
geprägten orientalischen Formentypus, der offenbar an die rad-
und sternförmigen Musterungen erinnert, die im XV. Jahrhundert
in der maurisch-saracenischen Stick- und Webekunst immer wieder
angetroffen werden*).
') Im IV. Bd. S.57 des »Kirchenschraucks, Archiv für weibliche Handarbeit«,
haben wir dieses originelle Chorgewand ausführlicher beschrieben und
einzelne Stickereien desselben, in Tamburetstich ausgeführt, abgebildet.
— 388 —
Aus dem Schlüsse des XV. und dem Beginne des XVI. Jahr-
hunderts finden sich noch eine grössere Zahl von Tafelmalereien
vor, die, aus der niederdeutschen Schule herrührend, und zwar
meistens auf den Pliigeltliiircn, die knieenden Bilder der geistlichen
Bestellgeber zeigen mit ihren dabei befindlichen Namenspatro-
nen. Diese Donatoren, meistens als Canoniker der höheren Stifts-
geistliclikeit angehörend, sind gewöhnlich kiiieend dargestellt, und
mit einem weissen faltenreichen Röcklein bekleidet, das sich durch
das malerische Gefälte seiner weiten Aerrael auszeichnet. Die super-
pellicea dieser auf Temperamalereien vorfindlichen Donatoren sind
an der Ausmündung der Aermel und an dem untern Saume weder
mit aufliegenden Weisszeug-Stickereien, noch mit durchbrochenem
Spitzenwerk verziert. Es hatte nämlich gegen Schluss des Mittel-
alters das weisse Chorkleid noch durchaus seinen ernsten streng-
kirchlichen Charakter bewahrt und noch nicht jenen profanen, mo-
dernisirenden Anstrich gewonnen, der ihm im XVIII. Jahrhundert
durch seine auffallende Kürze und durch die tändelnde Ziererei
von Brüsseler und Valencienner Spitzen gegeben wurde ^). Als man
seit dem XVII. und XVIII. Jahrhundert begann, Leinenstofie von
grösster Feinheit, namentlich in Rom und in italienischen Diö-
cesen, zu den Superpelliceeu zu verw^enden, scheint es um diese
Zeit nach und nach üblich geworden zu sein, dieselben in kleine
Falten zusammenzulegen. Man erzielte dadurch, dass der Fal-
tenwurf des einfachen Gewandes der Länge nach geordnet vmrde
und dass die Steifheit, die man mittelst Glättung diesen plicaturae
zu geben wusste, die Reinheit des weissen Chorkleides länger
erhielt. Diese Faltung der SuperpeUiceen, die anfangs aus obigen
Gründen sehr erwünscht kam, artete, namentlich in den letzten
Jahrhunderten, als die Rochetteu auf das geringste Maass ihrer
stotilichen Ausdehnung in mehrern Diöcesen ohne Noth verkürzt
wurden, in einer Weise aus, dass dieselben, als allzuselu: gesucht
und manierirt, dem ehemaligen weiten und faltenreichen Gewände
fast das Ansehen eines eng gegürteten Panzerhemdes verheben 2).
Wir beschränken uns desswegen hier auf obige allgemeine Andeutun-
gen unter Hinweis auf das dort Gesagte.
') Vgl. im Gegensatz zu der Ausartung der superpell icca in den letzten Jahrh.
das Nähere in unserer betreffenden Abhandlung im V. B. S. 1 1 und 1 2
des »Kirchenschmucks,« über eine gestickte camisia des XIII. Jahi'h.
'■') In Rom und in italienischen Diöcesen hat man Maschinen in Holz,
um die Falten sowohl in äusserst feinen lang gezogenen Streifen als
auch in Zickzackform leicht herstellen zu können.
— 339 —
Eine Eigentliiimlichkeit der siirpJis, welche man in verschie-
denen französischen und deutsclien Diöcesen vorfindet, besteht darin,
dass die ehemals faltenreichen Aeruiel bei den heute bedeutend
verkürzten Röcklein ganz in Wegfall gekommen sind imd dass zur
Erinnerung an diese weiten mnnicae sich heute als frei herunter-
hängende schmale Schulterstücke, mehr oder Aveniger breite weisse
Streifen erhalten haben, die an den beiden offenen Ausschnitten
zum Durchlass der Arme, die mavicae der ehemaligen superpellicea
vertreten sollen.
Seit den- Tagen der Renaissance hat sich fast mit Ausnahme
der Miter bei vielen liturgischen Ornaten das Bestreben geltend
gemacht, dieselben auf das kürzeste Maass ihrer stofflichen Aus-
dehnung einzuschränken , wodurch die Würde und das Ansehen
der betreffenden Gewändei- bedeutend beeinü'ächtigt worden ist.
Gegen Schluss des XVII. Jahrhunderts ist auch das superpclHccwn
dem Einfluss des modernen Profangeschmackes in einer Weise untei-
legen, dass demselben nicht nur seine ehemalige würdevolle Weite
benommen, sondern dass dasselbe auch in ornamentaler und stoff-
licher Beziehung geschwächt und verunstaltet worden ist.
In den Tagen des h. Karl Borromäus besass das siiperpelliceum,
dessgleichen auch das rocheUim, noch die alte Einfachheit in der
Verzierungsweise und die ehemalige faltenreiche Ausdehnung. Diese
Einfachheit in der Ausstattung der Chorröcklein wird auch in den
Bestimmungen betont, die als rechtskräftig und bindend von dem
dritten Provinzial-Concilium von Mailand angenommen und später
von Rom genehmigt wurden. In dem Anhange des thesaurus sacro-
rum rituum von Gavantus lauten diese Bestimmungen des gedachten
Mailänder Concils wie folgt: »Die cottu (gleichl)edeutend mit super-
peüiceum) sei aus einem feinen Gewebe angefertigt, und seien die
Aermel derselben so lang, dass sie in Falten gelegt bis zu den
Spitzen der Finger herunterreichen. Die Aermel können gegen 3
Schuh (2 cub.) lang und bei 6 Schuh (4 cub.) weit sein. Der Aus-
schnitt am Halse habe mehr eine runde als viereckige Form. Auf
der Brust habe dieselbe keinen Schlitz. Der Länge nach reiche die
Cotta bis über die Kniee, fast bis zur Mitte der Unterschenkel. Ihre
Weite betrage unten IOV2 Schuh (13 cub.) und oben 12 Schuh (8 cub.)
KeinTlieil werde mit einer allzu gekünstelten Stickerei versehen, zu-
mal habe sie an den Schultern keine besonderen gestickten Verzierun-
gen.« Hinsichtlich des Stoffes, aus welchem die Chorröcklein ange-
fertigt werden sollen, setzen die Rubriken aus dem Grunde nichts Be-
■stimmtes fest, weil es sich von selbst versteht, dass zur Anfertigung
23
- 340 —
des superpelliceum feines Leinen gleichwie zur Anfertigung der Albe
genommen werde ^).
Es würde zu umständlich sein, wenn wir hier allen jenen Wand-
lungen folgen wollten, die das ehemals anspruchslose und falten-
reiche Chorgewand seit den eben gedachten Tagen der ausarten-
den Renaissance und Rococco-Zeit bis zur Stunde erlitten hat.
Diese Modificationen an dem superpelliceum und dem rochetum wur-
den, wie bereits früher angedeutet, dadurch hauptsächlich veran-
lasst, dass die Spitzen, die noch im Beginn des XVI. Jahrhunderts
als Nebensache kaum bemerkbar zum Vorschein traten, in den
zwei letzten Jahrhunderten an beiden Chorgewändern in einer
Weise Hauptsache wurden , dass der Leineustoff des ehemaligen
faltenreichen Gewandes durch Tüll- und Baumwollspitzeu in neuester
Zeit so verdrängt wurde, dass oft vom ursprünglichen Leinen-
stoff kaum mehr als der vierte Theil verblieb. Auf diese Weise
löste sich das ehemalige ernste Chorkleid aus einfachem Leinen-
stoff zuletzt in eine Hülle von kostbaren Spitzen oder im andern
Falle von fiitterhaftem Nesseltüll mit eingestepptem kunstlosem
Stickwerk auf, wie das noch in den beiden letzten Jahrzehnten
häufig der Fall war.
Wir lassen hier nicht unerwähnt, dass von Seiten einzelner Bi-
schöfe in den letzten Zeiten die moderne Entstellung der Chorröck-
lein mehrmals gerügt worden ist, welche die unsoliden Fabrik-
spitzen und durchbrochenen Weisszeugarbeiten sowohl dem super-
pelliceum wie auch dem rochetum in verschiedenen Kirchensprengeln
zugefügt haben. In Folge dieser bischöflichen Zurechtweisungen
wurde in manchen Diöcesen alles Spitzeuwerk durchaus abgeschafft
und so verfiel man, ohne es zu wollen, gerade ins Gegentheü. Von
der Ueberzeugung ausgehend, dass durch die durchsichtig ge-
arbeiteten Spitzen dem ehemals so einfachen Chorgewande nicht
selten ein weicliliches, tändelndes Aussehen verliehen werde, was
nicht im Mindesten zum ernsten Charakter dieses Gewandes
passt, hat man in neuester Zeit an vielen Stellen in Deutsch-
land, Frankreich und England den löblichen Versuch gemacht,
die superpellicea auf ihre frühere faltenreiche Form und ein-
fache ornamentale Beschaffenheit in einer Weise wieder zurückzu-
führen, dass dem betreffenden Gewände bei einer passenden
Verzierung an den untern Säumen doch der kirchüche Ernst be-
wahrt bleibe.
') Vgl. auch De Herdt p. I. n. 11. 4.
- 341 —
Von anderer Seite hat mau den, wie uns scheint, nicht ge-
lungenen Versuch angestellt, an den ßöcklein mit Verdrängung
der modernen Tüllstickereien, Filet- oder Netz- und Häckelarbeiten
mit grossen quadratischen Maschen einzusetzen. Durch diese un-
gefügige Technik und wenig künstlerische Ornanientation wird am
allerwenigsten der ernste kirclJiche Charakter dem Chorgewande
gewahrt, und würde an der Stelle dieser unförmigen Hand-
stickereien mit wenig ausdrucksvollen Musterungen eine leinene
Spitze von massiger Ausdehnung, wie man sie an vielen Orten
mit einfachen traditionellen Dessins noch kunstreich und solid zu
klöppeln pflegt, viel geigneter sein.
Der Firma M. N. DeBey sei. Wittwe (J. Lamberty) in Aachen ge-
bührt das Verdienst, der Fabrikation von gediegenen Leinenspitzen
in ihrer Anwendung für die verschiedenen kirchlich - ornamentalen
Zwecke in letzten Jahren dadurch einen neuen Aufschwung gegeben
zu haben, dass der Inhaber derselben nach den besten Vorlagen eines
alten Muster und Modelbuches aus dem Beginne des XVI. Jahrhun-
derts von stylkundiger Meisterhand eine grosse Zahl von Kirclienspit-
zen hat entwerfen lassen, die in alter solider Weise durch Klöppel-
arbeit meist in ungebleichtem englischem Leinen kunstgerecht ausge-
führt worden sind. Diese dauerhaften und ernsten Spitzen mit schönen,
der Technik anpassenden Musterungen haben in letzter Zeit vielen
Beifall gefunden und haben dieselben wesentlich dazu beigetragen,
die Tändeleien mit den leichtfertigen von der Fabrik gewebten
Baumwollenspitzen aus der Kirche und vom Altare hin und wieder
fern zu halten. Unter Beigabe einiger Mustervorlagen, die von dem
gedachten Hause angefertigt, auf Tafel LI unter Figur 1 und 2
wiedergegeben sind, haben wir in Nr. 3 des Organs für christ-
liche Kunst, Köhl 1865, diese neuesten Leistungen als einen erfreu-
lichen Fortschintt zum Bessern unter der Ueberschrift: «Spitzen-
arbeiten nach mittelalterlichen Mustern« ^) ausführlicher besprochen.
Den durchbi'ochenen Filet- und Tülistickereien gegenüber hat
man an andern Orten den Versuch gemacht, durch aufgenähte Tam-
bouret-Arbeiten von rother Farbe den Säumen der Röcklein eine
passende Ornanientation zu verleihen. Obgleich eine Tambouret-
Stickerei an den Säumen der SuperpelUceen und der Rochets zur
*) Die Firma M. N. De Bey sei. Wittwe (J. Lamberty) in Aachen ist er-
bötig auf Anfragen Mustervorlagen von diesen neuen kirchlichen Leinen-
spitzen an Geistliche und Kirchen- Vorstände unter Angabe der Preise
einzusenden.
23*
— 342 —
Verstärkung des untern Randes viel zweckmässiger erscheint , als
durch irgend welche durchbrochene Arbeit den untern Saum ohne
Noth zu schwächen, so müssen wir doch eingestehen, dass sämmtliche
tambourirte Verzierungen in rothgefärbtem türkischem Garn auf der
weissen Unterlage zu grell sich abheben, und zu dem ernsten Cha-
rakter des kirchlichen Chorkleides nicht vortheilhaft stimmen wollen.
Nach Analogie der reichen Tambouret-Stickereien auf dem Chor-
gewande Kaiser Maximilians 1., das im IV. B. S. 57 des «Kirchen-
schmuckes« beschrieben und bildlich veranschaulicht worden ist,
würde es nach unserem Dafürhalten zweckmässiger sein , wenn
man in einem dunklen ungebleichten Leinen sämmthche Ornament-
stickereien an den Säumen der Superpelliceen so ausführen würde,
dass nur die äusseren Conturen mit einem farbigen Abschlussrande
umgeben und eingefasst würden. Wir hatten in'neuester Zeit Gelegen-
heit, in den Klöstern vom armen Kinde Jesu in Aachen, Cöln und
Wien einige in dieser Weise gestickte SuperpeUiceen näher in Augen-
schein zu nehmen, die nicht nur vortheilhaft vor den modernen
Fabrik-Spitzen in weichlicliem Charakter sich durch Ernst und
Gediegenheit auszeichnen , sondern deren Technik auch auf lange
Zeit hin den Säumen eine grössere Dauerhaftigkeit verleiht.
D. Das Biret.
Unter den verschiedenen litui-gischen Gewändern, die sowohl
die Priester als auch die Bischöfe kirchlich in Gebrauch nehmen,
und welche der Reihe nach in dem vorliegenden Werke hinsichtlich
ihrer Entstehung und ihrer Entwickelung enie nähere Erör-
terung finden, ist das Biret als das jüngste zu ])ezoichnen. Das-
selbe ist, wie es sich heute in seiner Form und Beschaffenheit
darstellt , erst seit dem XVI. Jahrhundert allgemein in Gebrauch
genommen worden. Wir wollen im Folgenden die Ursachen nui- in
Kürze andeuten, wesswegen bis zum Ausgange des Mittelalters
das Biret als feststehende Kopfbedeckung in der Form , wie wir
sie heute kennen, nicht zur Geltung kommen konnte.
In dem vorliegenden II. Bande ist von Seite 19 bis .'31 auf die
Beschaffenheit und Verzierungsweise des Immerale hingewiesen und
mit Bezugnahme auf Taf. II Fig. 1 — 5 hervorgehoben worden, dass
bis gegen Schluss des Mittelalters fast in allen Bisthümern das hume-
ale mit einer mehr oder weniger reich gestickten praetexta oder
— 343 —
panira verziert zu werden pflegte. Auf Seite 25 ist ferner be-
merkt worden, dass dieses mit der praetexta oder der plaga ver-
zierte Scliultertuch , wie es auch die Abbildung auf Tafel II
Figur 2 zeigt, als Kopfbedeckung in Weise eines Helmes in der
Sakristei so angelegt zu werden pflegte, dass dasselbe erst nach dem
Stafi'elgebete von dem Haupte des celebrirendeu Priesters her-
unter geschoben wurde. Alsdann diente das Immerale dazu, um
gleichsam als Kragen den Ausschnitt des Messgewandes zum Durch-
lassen des Kopfes nach Art eines collare zu verdecken. In dieser Weise
bedienen sich auch heute noch einige Orden des humerale, wenngleich
auch bei diesen in den lezten Jahrhunderten die parurn in Wegfall
gekommen ist, als Kopfbedeckung, sowohl beim Hingange zum Altar,
als auch beim Weggange. Aus dem eben Gesagten erhellt also,
dass bei der ornamentalen Beschaffenheit und der ehemaligen An-
legungsweise des Schultertuches für den celebrirendeu Priester keine
Veranlassung vorlag, weder beim Hingange zum Altar, noch beim Rück-
gange in das sacrarium sich einer besonderen Kopfbedeckung zu
bechenen. Das vorher Gesagte hinsichtlich der Anlegungsweise des
Immerale und seines Gebrauches gleichsam als galea, welche Bezeich-
nung auch in dem übhchen Gebete bei Anlegung des Schultertuches
vorkommt, findet seine Anwendung auch auf die Diakonen, die sich
dieses Gewandstückes in gleicher Weise wie die celebrirendeu Priester
bedienten. Auch hatte der Säkularklerus keine Veranlassung, bei
Absingung der verschiedenen Tagszeiten im Chor sich einer beson-
deren Kopfbedeckung zu bedienen, da, wie auf Seite 287 bis 297, im
II. B. bemerkt ist, wenigstens bis zum XIII. Jahrhundert die Guggel,
d. h. die Kapuze an der cappa choralis die Stelle des spätem Birets
vollständig vertrat. Als jedoch im XIII. und mehr noch seit dem
XIV. Jahrhundert diese Kapuze an dem Chormantel fast in allen
Diöcesen in WegfaU kam und der ehemalige cuccullus am Chor-
mantel sich zum ornamentalen clipeus in kleiner, dreieckiger Form
umgestaltete, da wurde es zunächst für den Klerus in Abteien und
Stiftern namentlich zur Winterzeit bei Absingung der Chorgebete
nöthig, eine besondere Kopfbedeckung in Gebrauch zu nehmen.
Diese Kopfbedeckung, die bereits seit dem XI. und XII. Jahr-
hundert als niedriger, runder fileus vereinzelt vorkommt, hatte zu-
nächst auch den Zweck, namenthch in der rauhen Jahreszeit die
grosse Tonsur der Mönche und Kleriker zu verdecken; diese! .^e
war im Winter überdies mit feinem Pelzwerk gefüttert. Hinsicht-
lich der äussern Form und Beschaffenheit dieses altern pileus ist
noch anzuführen, dass derselbe ähnlich unserm heutigen Soli-Deo-
— 344 —
Käppchen, das in französischen Diöceseu calotte^) und in Rom zuc-
cheito genannt wird, ohne alle Erhöhung kopfförmig als runde Mütze,
meistens mit einem starken Zwischenfutter, gehalten war. In der
eben angedeuteten Form und Gestalt als einfache runde Mütze zur
Bedeckung der grossen corona, wie sie sowohl die Kloster- als auch
die Weltgeistlichen das Mittelalter hindurch zu tragen pflegten, sind
auch auf den mittelalterlichen Grabmonumenten in den Umgängen
des Domes zu Hildesheim die verschiedenen Birets gehalten, die da-
selbst als Kopfbedeckung von Bischöfen, Priestern und Diakonen
in Stein gemeisselt zu ersehen sind.
In den Zeiten, als der Pseudo-Alcuin sein bekanntes Werk
de divinis officiis schrieb, d. h. gegen Mitte des XI. Jahrhunderts,
scheint man insbesondere während der Feier des heil. Messopfers
sich eines pileolus, der die grosse Tonsur bedeckte, weder dies-
seits noch jenseits der Alpen allgemein bedient zu haben. Der-
selbe führt nämlich bei Erklärung der tiara Folgendes an: Tiara
erat vestis , pileolum videlicet rotundum .... Hujusmodi vestis
non habetur in Romana ecclesia, vel in uostris regionibus. Non
enim moris est, ut pileati divina mysteria celebrent. Apud Graecos
autem hoc dicitur, quia pileos, id est, cuphias gestant in capite
dum assistunt altaribus^).
Gegen Mitte des XII. Jahrhunderts scheint in englischen Diö-
cesen bei gewissen Theilen der heil. Messe wenigstens von den
Bischöfen eine kleine Kopfbedeckung in Form eines pileolus ge-
tragen worden zu sein. So führt Reginald, ein Mönch des Klosters
Durham und Zeitgenosse des h. Thomas vonCanterbury bei Beschrei-
bung des Martyriums des letztgenannten berühmten Erzbischofes an :
Pileolo capitis vertice perornatus. Ferner wird in einem andern
Werke berichtet, dass der Mörder des heihgen Erzbischofs mit der
Spitze seines Dolches das Käppchen desselben fortgestossen habe
und lauten die betreffenden Worte: Pileum mucrone dejiciens^).
Dass man in englischen Diöcesen die Kopfbedeckung der
Sänger und niedern Kleriker in demselben Gewandschranke, zugleich
mit den bischöflichen Mitern aufbewahrte, ist aus einem englischen
') Daher auch im Französischen der Spottname ^culotin« gleich bedeutend
mit dem deutscheu »Schwarzrock«.
^) Pseudo-Alcuinus, De Divinis Off. Cap. De Singulis Vestibus; Auct.
Biblioth. Vet. Pat. t. i, p. 272. Paris, 1610.
Capgrave in Vita S. Thomae Cant. Nov. Leg. Angliae, impress. W. de
Werde, fol. CCLXXXXI.
— 345 —
Inventar vom Jahre 1218 zu ersehen, wo es heisst: Item in se-
quenti armario inveni VI pileolos officiariorum et VIII. mitras').
Diese Art Kopfbedeckung in Form eines kleinen Scheitel-
käppcliens , das meistens aus schwarzem Tuch , mit Leinen oder
Seide gefüttert war, wurde im gewöhnlichen Sprachgebrauche
auch hura genannt, wie das Mathaeus Paris in dem Leben des
Bischofs von Lincoln berichtet, der, unter der Regierung Hein-
rich's IL, gegen 1163, lebte. Es lautet nämlich der Bericht desselben
wie folgt: Statimque assurgens, in manu regis per capitis sui
galerum , qui «/mm« dicitm*, resignavit id juris, quod dicebat se
habere in ecclesia b. Albani etc.
In Dugdale's Monasticum Anglicanum, finden sich die Statuten
der Collegiatkirche von Stoke verzeichnet, und lautet darin u. A.
eine Vorschrift hinsichtlich der Calotten, die hier ancelmrae ge-
nannt werden, wie folgt: Utantur omnes (clerici majores) in choro
nigris pileis ancehuris, et nullo modo capiciis sive cappis mon-
struosis 2).
Bereits im Jahre 1243 gab Papst Innocenz IV. den Bene-
diktinern der Abtei von St. Augustin zu Canterbury den Ge-
brauch eines Soli-Deo-Käppchens zu, und gestattete ihnen die An-
legung desselben während des Gottesdienstes mit Ausnahme bei
der Lesung des Evangeliums und der Elevation in der h. Messe. Die
betreffende Stelle lautet also: Vestris supplicationibus inclinati
vobis utencU pileis vestro ordini congruentibus cum divinis inter-
fueritis officiis, concedimus liberam facultatem, ita tarnen quod in
lectione Evangelica et elevatione corporis Domini Jesu Christi et
in alüs debita reverentia observetur ^). Auch den Benediktinern
der Abtei von Peter-Borugh gestattete der Papst dieselbe Gerechtsame.
In der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts scheint indessen
das Biret, oder der pileoliis , in englischen Diöcesen allgemeiner
in Gebrauch genommen und nicht mehr als besondere Auszeich-
nung getragen worden zu sein, denn in den Statuten des Bischofs
Grandisson vom Jahre 1337 findet sich unter der Ueberschrift: De
Habitu Chori folgende Verordnung: Debent omnes indui exterius
cappis nigris ... et in capite pileolis nigris etc.
») Invent. an. 1218, t. i. Hist. Nem. p, 66.
*) Statut. Eccles. Collegiat. de Stoke juxta Cläre. Dugdale, Mon. Anglic.
t. VIII., p. 1419.
*) Raynaldus, ad annum 1243, n. 41.
— 346 —
Auch die englischen Bischöfe bedienten sich gegen Schluss
des XIII. Jahrhunderts einer niedrigen, runden Kopfbedeckung,
die damals schon den Namen biretlum führte, und scheinen dieselben
mit dieser Kopfbedeckung gleichsam eine Art Investitur bei Ver-
leihung von kirchlichen Beneficien vorgenommen zu haben. Wir
entnehmen dies aus einer Stelle, die Du Gange ad vocem birettum
beibringt. Dieselbe lautet: Thomae Custe providimus de bene-
ficio ecclesiastico . . . iUudque eidem Thomae contulimus ac eum
de ipso per nostrum birettum praesentialiter investimus etc^).
Auf unserer Abbildung Taf. XXXI, die einer älteren Malerei
des XV. Jahrhunderts grösstentheils entlehnt ist, bemerkt man
eine Art Kopflied eckung unter der Miter des dort abgebildeten
heil. Erzbischofs, die auch auf anderen Bildwerken des Mittelalters
häufig ersichtlich ist.
Aus einigen Stellen, die Dr. Rock in seinem oft citirten
Werke 2) anführt, könnte hergeleitet werden, dass bereits in der
letzten Hälfte des XIII. Jahrhunderts diese Kopfbedeckung der
Cleriker, die, parallel mit der Miter der Bischöfe, i7ifula und im
gewöhnlichen Sprachgebrauch auch coypha genannt wurde, eine,
wenn auch unbedeutende Ausdehnung und Erhöhung erhalten habe.
Die betreffende Stelle lautet : Nec nisi in itinere constituti (clerici)
unquam aut in ecclesiis, vel coram praelatis suis, aut in conspectu
communi hominum, publice infulas suas, quas vulgo coyphas vocant,
portare aliquatenus audeant vel praesumant^).
Dass diese infula, die auch te7ia genannt wurde, nicht von
zu grosser Ausdehnung gewesen sein müsse, lässt sich aus dem
Umstände ermessen, dass dieselbe auch unter dem caputium des
Chormantels bei strenger Kälte oder in Krankheitsfällen zu tragen
gestattet war, wie das aus folgender Stelle zu entnehmen ist:
Videtur — quod tali infula vel tena sub caputio, causa frigoris
vel infirmitatis uti non sit prohibitum *).
Diese runde Kopfbedeckung, die zur Winterszeit noch unter
der Kapuze der mppa oder des almutium in vielen Kirchen ge-
tragen zu werden pflegte, hatte eine solche Ausdehnung, dass auch
die Ohren davon bedeckt wmxlen, und dass sie vermittelst zweier
') Chron. W. Tlioru, p. 1969.
The Church of our fathcrs by Dan. Rock. London, 1849 vol. II, p. 65,
•'*) Constit. Othoboni, A. D. 1268, apud Wilkins, Concil. Mag. Brit. Tom.
II, p. 4.
'') Lyndwood's Provinciale, lib. III. tit. I. p. 120.
— 347 —
Schnüre unter dem Kinn festgebunden werden konnte, wie dies
aus folgender Stelle bei Matthaeus Paris erhellt: Qui . . .
captus est coram judicibus judicandus. Et cum non posset objectis
respondere . . . voluit ligamina suae coifae solvere, ut palam
monstraret, tonsuram se habere clericalem
Da über das Verkommen, die Gestalt und Ausdehnung einer
von der Chorkappe getrennten Kopfbedeckung des niedern und
höhern Clerus den vorher angeführten Stellen zufolge seit dem XIII.
Jahrhundert kein Zweifel mehr obwalten kann, so liegt uns hier die
Frage zur Beantwortung vor: haben sich, aus der Frühzeit des
Mittelalters herrührend solche Birets heute noch erhalten?
Die Ursachen liegen nahe, wesswegen von allen Hturgischen
Kleidungsstücken am allerseltensten heute ältere Kopfbedeckungen
aus der romanischen Kunstepoche anzutreffen sein dürften.
Offenbar die älteste und auch bei weitem interessanteste
Kopfbedeckung m runder Form, welche sich durchaus dem Haupte
des Trägers anpasst, bewahrt man heute noch im Schatze der
Kii-che San Zeno in Verona. Dieselbe wird in einem besondern
Reliquiar sorgfältig auf bewehrt, imd soll dieselbe sich, irren wir
nicht, bis auf die ersten Jahrhunderte der Kirche zurückfüliren
lassen 2). Eine fernere, nicht weniger merkwürdige Kopfbedeckung
in Form eines pileolus, welcher grade die grosse Tonsur bedeckte
und nur die corotia des Haares zmn Vorschein treten Hess, wird
heute noch im Domschatze zu Trier unter vielen andern Reliquien
ehrfurchtsvoll aufbewahrt. Einer glaubwürdigen Ueberheferung
nach bediente sich dieser kleinen calotte der heilige Simeon,
den Erzbischof Poppo aus dem Oriente mit nach Trier führte,
und zu dessen Gebrauch er bekanntlich den heute noch be-
stehenden chorförmigen Anbau an der Porta nigra errichten
liess. Dieser merkwürdige pileolus^ den wir auf Tafel L unter
Fig. 2 im verkleinerten Maasstabe bildlich wiedergeben, scheint
aus Kameelgarn von hellbrauner Farbe durch Handarbeit in der
Weise angefertigt worden zusein, wie man auch spii-alförmig die
oberen Rundungen von Bienenkörben herzustellen pflegt. ' Die Eigen-
i)Matt. Paris, Eist. Angl, sub an. 1259, p. 663.
*) Wir haben von dieser merkwürdigen Kopfljedeckung vor wenigen
Jahren durch einen geschickten Künstler eine genaue Abbildung in
uuserin Beisein aufnehmen lassen. Der Zeichner ist jedoch vor kurzer
Zeit gestorben, und ist die von ihm aufgenommene Copie in seinem
Nachlasse nicht mehr wiedergefunden worden.
— 348 —
thümlichkeit des Materials und der Anfertigimg iässt nicht den
mindesten Zweifel über die Authenticität dieser Kopfbedeckung auf-
kommen. Zum Schutze dieser Reliquie scheint man am Schlüsse des
XIV. Jahrhunderts ein zweites Chorkäppchen angefertigt zu haben,
das auf derselben Tafel unter Figur 3 abgebildet ist, und welches
aus einem figurirten Seidenstoffe norditalienischer Fabrikation besteht.
Wie die betreffende Abbildung dies veranschaulicht, gehen von der
Spitze des Mützchens 4 schmale goldgewirkte Tressen aus. Wir
lassen es hier dahingestellt sein, ob dieser zweite jnleolus ehemals
getragen worden ist, oder ob derselbe, was wahrscheinlicher ist,
als schützender Ueberzug für die Kopfbedeckung des heil. Simeon
angefertigt wurde.
Es dürfte schwer halten, den Zeitpunkt genauer zu bestimmen,
wann die clericale Kopfbedeckung sich nach der Höhe hin weiter
auszudehnen und zu entwickeln begann. Nachdem wir eine grosse
Zahl älterer Grabsteine des XIV. und XV. Jalii'hunderts mit ihren
figürlichen Darstellungen genauer erforscht haben, sind wir zu der
Ansicht gelangt, dass in deutschen und französischen Diöcesen erst
gegen Beginn des XV. Jahrhunderts der pileus sich hutförmig zu
erweitern und allmählig zu erhöhen begann. Die schöne Hand-
zeichnung auf Taf. XLVL, die einem ausgezeichneten flämischen
Maler gegen Mitte des XV. Jahrhunderts Entstehung zu danken
hat, lässt bei den Canonikern, dargestellt unter lit. e und d,
noch in einfachster Form den pileus als caloüe oder Scheitel-
käppchen ohne alle Erhöhung erkennen. Auf Taf. LXIV. jedoch
trägt der magister cantus ein Biret, das sich nicht mehr in runder
Form enge dem Haupte des Trägers anschliesst, sondern das sich
bereits hutförmig zur Höhe hin entwickelt hat. Diese Erhöhung
des piletis tritt namentlich in der Kölner Erzdiöcese gegen den
Schluss des XV. Jahrhunderts auffallend zu Tage, wie es das Bild-
werk des Cölnischen artium magister Joh. Krytwysh von AUmern
deutlich zeigt, der im Jahre 1513 starb und dessen Grabstein, an-
gefertigt im Beginne des XVI. Jahrhunderts, heute noch in der
Vorhalle zu St. Gereon, in Stein gemeisselt, zu ersehen ist. Auf
Tafel VIII des I. B. ist eine getreue Abbildung dieses Grabdenkmals
ersichtlich.
Im Beginne des XVI. Jahrhunderts scheinen in englischen Diö-
cesen die Birets eine solche Ausdehnung zur Höhe noch nicht er-
') Dieser magister cantus ist einem schwäbischen Holzschnitte aus dem
letzten Viertel des XV. Jahrhunderts getreu nachgebildet.
— 349 —
reicht zu haben, wie dies am Rheine, der ebengedachten Abbildung
zufolge, der Fall war. Zum Belege dafür verweisen wir auf ein
Grabmonument des Kanonikers Urswick, das sich, aus dem Jahre
1521 herrührend, in der Kirche zu Hackney in der Grafschaft Midd-
lesex befindet. Wir geben die Abbildung dieses Grabmals auf Ta-
fel L Figur 4 auch schon desswegen wieder, weil dieses interessante
Bildwerk die vollständige Cliorkleidung eines englischen Kanonikers
aus dem Beginne des XVI. Jahrhunderts getreu veranschaulicht.
Als Untergewand trägt derselbe einen faltenreichen Talar, der, wie
es die Abbildung zeigt, mit Pelz gefüttert ist. Darüber erblickt man,
weit über die Kniee hinuntersteigend, die weissleinene cotta, unser
heutiges Röcklein, mit weiten Aermeln und ohne Stickereien am
untern Saume, lieber der cotta trägt derselbe einen ziemlich lan-
gen Schulterla-agen von Pelzwerk, das abnucium, welcher auf den
Schultern ein weites capucium d. h. eine cappa, ebenfalls von Pelz
erkennen iässt. Als letztes Obergewand tritt der Chormantel, die
cappa choralis zum Vorschein, die an den vordem Rändern mit
einer reichgestickten auvifrisia verbrämt ist. Anstatt der Miter, die
sich auf bischöllichen Grabdenkmälern, immer wieder vorfindet, ist
das Haupt unseres Kanonikers mit einem sehr niedrigen Biret be-
deckt, das sich in der Mitte zu einer Spitze erhebt, an welcher
Stelle bereits um diese Zeit in deutschen und italienischen Diö-
cesen ein kleiner ßoccus ersichtlich war.
Es leuchtet ein, dass die Birets in der altern Form als ein-
fache runde Kopfbedeckng beim Gebrauche sich als unbequem
erwiesen, und war dies um so mehr der Fall, als die altern
Scheitelkäppchen vor dem XV. Jahrhundert des Steiffutters mei-
stens entbehrt zu haben scheinen. Behufs des leichtern Gebrau-
ches beim Auf- und Absetzen der Birets begann man namentlich
in der Mitte des XV. Jahrhunderts, allmählig jene Zusammen-
setzungs-Nähte gleichsam als cornua weiter zu entwickeln, die
sich auf der obern Rundung unter der Hand des Schneiders von
selbst ergaben. Aus diesen drei oder vier aufstehenden Nähten
wurden alsdann gegen Schluss des XV. Jahrhunderts, Anfangs in
unscheinbarer niedriger Form, zuweilen mit Unterlagen von stei-
fen Futterzeugen, jene cornua weiter ausgedehnt, die an den heu-
tigen Birets vielfach eine zu grosse und zwecklose Höhe auf Kosten
der Schönheit der kirchlichen Kopfbedeckung angenommen haben
') Claude de Vert, geht in seiner Explication des ceremonies de l'eglise,
t. II, p. 272—282, bei Beschreibung der Birets sehr ausführlich zu
— 350 —
Schon früher war an den Birets in vielen Diöcesen Vorkehrung ge-
troffen, dass man zinn Zweck des leichteren Gebrauches beim Auf-
und Absetzen an dem Mittelpunkt des Birets, da wo die aufrecht
stehenden Ecken zusammeustossen, einen kleinen, niedrigen Quasten
von Seidenfdden anbrachte, dessen Mittelpunkt an vielen Stellen
mit einem platten Knopfe, des bequemeren Gebrauches wegen, ver-
sehen war.
Diese Anfangs unscheinbaren Fi'ansen, die zuweilen den Namen
ßmbriue, flocci führen, erweiterten sich im Laufe der Jahrhunderte
zuweüen über Gebühr in einer Weise, dass sie an vielen Birets
namentlich seit dem vorigen Jahrhundert zu einem starken, runden
Quasten mit steifem Haar heranwuchsen.
Der beschränkte Raum erlaubt es nicht auch nur in kurzen
Umrissen hier die verschiedenen Formen und Grössenverhältnissen
der Birets zu beleuchten, wie sie noch vor wenigen Jahrzehnten
in vielen Bisthümern zur Anwendung kamen. In neuester Zeit ist
man von diesen langgezogenen, die Höhe anstrebenden Birets, die
in der Regel mit einem mächtigen Quasten abschlössen, allmählich
zurückgekommen, und hat man in vielen Bisthümern wieder jene
niedrige Form derselben einzuführen begonnen, wie sie heute noch
in Rom allgemein in Gebrauch ist, und wie sie, der römischen
Form nahe kommend, auch die P. Jesuiten zu tragen pflegen i).
Ausser den niedrigen Scheitelbedeckungen zu San Zeno in
Verona und im Domschatze zu Trier, haben sich, aus nahe hegenden
Gründen, wie oben bereits angedeutet, wenige altern priesterlichen
Kopfbedeckungen in Form von Birets erhalten, aus denen sich
der Schnitt und die Beschaffenheit derselben vor dem XV. und
XVI. Jahrhundert nachweisen liesse^). Auch ältere Schatzverzeich-
nisse unterlassen es, die kirchliche KopflDcdeckung, da sie keinen
besonderen Werth hatte und der jedesmaligen Person des Trägers
zuständig war, namhaft zu machen. Nur auf älteren Malereien,
Werke und bringt viele interessante Einzelheiten über die äitere Be-
schaffenheit derselben bei.
*) Bekanntlich finden sich an den Birets in römischer Form, die den Ty-
pus der mittelalterlichen pilei am treuesten bewahrt haben, immer nur
drei cornua vor ; nur die doctores ss. Camnum et s. Theologiae haljen das
Recht und zwar in cathedra sich eines Birets mit vier comua zu bedienen.
*) Auch im Domschatz zu Sens sahen wir ein merkwürdiges Scheitelkäpp-
chen des h. Thomas von Canterbury, dessgleichen in der Kirche auf der
llheininsel Niederwerth, Vallendar gegenüber, eine interessante calote, die
einer glaubwürdigen Ueberlieferung zufolge vom h. Bei'nliard herrührt.
— 351 —
dessgleichen auf Grabsteinen lässt sich die Form und Beschaffeu-
heit der Birets noch ziemlich klar nachweisen, wie dieselben sich
gegen Schluss des Mittelalters entwickelt haben.
Auf Taf. L, Fig. 5 und 6 sind im genauen Anschluss an ältere
Abbiklungen zwei bildliche Darstellungen mit Kopfbekleidungen wie-
dergegeben, die deutlich zeigen, dass gegen Schluss des XV. Jahr-
hunderts das Biret schon eine merkliche Ausdehnung und Eut-
wickelung erhalten hatte. Das Biret unter Fig. 5 ist einem Glas-
gemälde aus der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts entlehnt;
das schöne Biret unter Fig. G auf Taf. L veranschaulicht nach dem
bekannten Diirer'schen Holzschnitt das Porträt des Kardinals
Albert von Brandenburg, Erzbischofs von Mainz. Zur selben Zeit,
als die zuletzt besprochenen und abgebildeten Kopfbedeckungen,
die schon ziemlich zur Höhe anstreben, liturgisch in Gebrauch
waren, kommen auch bei der grossen Verschiedenheit und Ab-
wechselung der Formen je nach den verschiedenen Ländern Bi-
rets vor, die sich mehr jenen profanen Kopfbedeckungen nähern,
wie dieselben gegen Schluss des Mittelalters von den Doktoren und
den Magistern der freien Künste an den Universitäten, dessgleichen
auch an Gerichtshöfen von richterlichen Beamten getragen wurden.
Ueberhaupt hat die proläne Kopfbedeckung, wie eine solche, altern
bildhchen Darstellungen zufolge, von den Humanisten und den
Theologen im Beginne des XVI. Jahrhunderts getragen zu werden
pflegte, hinsichtlich ihrer Anlage und Form grosse Aehnlichkeit
mit jenen hireta quadrata, wie sie besonders in der ersten Hälfte
des XVI. Jahrhunderts sowohl von dem Pfarr- als auch dem Stifts-
klerus in deutschen Diöcesen getragen zu werden pflegten. Auf
Taf. L Fig. G geben wir in verkleinertem Maassstabe eine getreue
Nachbildung eines Birets wieder, das sich genau in der vorliegen-
den Form auf dem Haui)tc eines Stiftslierrn vorfindet, dessen in
Stein gemeisseltos Grabmonumcnt sich heute noch in der lürche zu
Oberwesel bei Bingen erhalten hat. Wie Fig. 7 auf Taf. L zeigt, sind
die vier cornua in den Zusammensetzungs-Nähten an dem obern
Theile kaum ersichtlich. Aus derselben Zeit, nändich aus dem
Schlüsse des XV. Jahrhunderts, rührt auch jenes Biret her, dessen
cornua sich kaum merklich nach der Höhe hin abheben , und
welches auf Taf. XLIX dargestellt ist, wie es eha knieendcr Stilts-
herr in Händen hält. Dieses Originalbildwerk in Stein, das sich
gegenwärtig in unscrm Besitze befindet, wurde zur Zeit der fran-
zösischen Revolution nebst dem dazu gehörenden Gi'abdeukmale
aus der eben gedachten Kirche entfernt.
352 —
>Jeben dem Biret fand sicli seit den Tagen des Mittelaltars
bis zu den letzten Jahrhunderten auch das almucium als kirchliche
Kopfbedeckung in Gebrauch. Dieses Kopf und Schulter zugleich
bedeckende Obergewand, das aus mehr oder weniger kostbarem
Pelzwerk bestand, führt bei altern Schriftstellern verschiedene
Namen. Du Gange hat in seinem Glossarium dafür die synonimen
Bezeichnungen almucium , ahnucia , aumucia , amiculum aufgestellt.
Mit dem amiculum hält er für gleichbedeiitend den amictus und
führt dabei an: quo canonici Caput humerosque tegebant. Dass
das almucium, das die Franzosen aumuce, aumusson oder aumucon
benennen, im frühen Mittelalter vornehmlich als winterliche Kopf-
bedeckung in Gebrauch war, ersieht man auch aus dem Glossarium
Lat. Galt. , wo das aumuce gleichbedeutend mit apex steht.
In den Statuta Massiiiens. Mss. sind die Ausdrücke capucium und
almucia ebenfalls identisch. Das almucium in seiner altern Form
als weiter Schulterkragen von Pelzwerk mit daran befindlicher
Kapuze zur Bedeckung des Kopfes bestand also aus zwei wesent-
lichen Haupttheilen, nämlich aus der almucia, welche die Schultern
bis etwa zu den Ellbogen bedeckte, und dem cucullus oder cappa,
welche über das Haupt geschoben werden konnte. Dieses almucium,
das beim Chordienste von den Kanonikern der verschiedenen Stifter
über der cotta getragen wurde, bestand in vielen Kathedralen
in seiner Ganzheit aus feinem Pelzwerk , wie das in dem Werke
des Claude de Vert auf der betreffenden Abbildung zu ersehen ist.
In einigen Kirchen jedoch war nur das Innere derselben mit fei-
nem Pelzwerk gefüttert, und zwar nicht nur das Innere des Kragens,
sondern auch ganz besonders die Innentheile der Kapuze. Zuweilen
befand sich an dem almucium eine Kopfljedeckung, der cucullus
oder das capucium in viereckiger Form; zuweilen mündet dieselbe
auch in eine ausgerundete Spitze aus. Auf Taf XL VI ersieht man
die Copie einer alten flandrischen Federzeichnung aus der Mitte
des XV. Jahrhunderts, welche unter andern Figuren auch zwei
Kanoniker darstellt, welche gleichmässig das almucium tragen ; die
Figur unter c ist mit einem solchen bekleidet, das als almucium
quadratum in zwei Spitzen ausmündet. Diese Kopfhülle, welche
sich sowohl unter Figur c als d vorfindet, scheint nur im Innern
mit Pelzwerk gefüttert zu sein, und erblickt man an dem untern,
') Explications des cereinoiiies de Teglise par Dom Claudp de Vert, toine
IL, pl. 2, pag. 264, fig. 1-9.
- 353 —
ausmündenden Theile gleichsam als Fransen kleine Flocken von
Pelz.
Ein interessantes almucium veranschaulichen vs^ir auf Tafel L
Fig. 8, die einen gegen das Jahr 1360 verstorbenen Petrus de
Cinthiis, Kanoniker von St. Peter in Rom theilweise bildlich wieder-
gibt. Diese Kopf und Schultern gleichmässig verdeckende Kapuze
von feinem Pelzwerk kann zum Belege gelten, dass im XIV. Jahr-
hundert auch in römischen Kirchen das almucium in Gebrauch war.
Im Sommer wurde diese Kopf- und Schulterbedeckung, beson-
ders wenn sie aus Pelzwerk bestand, nicht über Kopf und Schultern
gelegt, sondern die Kanoniker pflegten alsdann dieses auszeichnende
Obergewand mehr als Ornament über dem linken Arm zu tragen,
wie das an der Darstellung unter d auf Tafel XL VI zu ersehen
ist. Im Chor wurde es in der warmen Jahreszeit über das
stallum des betreffenden Stiftsherrn rückwärts hingelegt. Auf Ta-
fel XLIX erblickt man bei dem Bilde des knieenden Stiftsherrn,
das , in Stein ausgeführt , aus der lürche von Oberwesel stammt
und das, wie es der sehr geknickte Faltenwurf der Gewänder
deutlich anzeigt, dem Schlüsse des XV. Jahrhunderts angehört,
eine andere Form des alnmcium , das nach Aussen hin aus ver-
schiedenen Lagen von Pelz bestand und dessen capucium anscheinend
in eine Spitze ausmündete. Wie die Abbildung dieses knieenden
Stiftsherrn andeutet, scheint der an dem Pelzkragen befindliche
cucullus schon nicht mehi" die Bestimmung gehabt zu haben als
pileus zur Bedeckung des Kopfes zu dienen, sondern die knieende
Figur hält ein besonderes Biret in Händen, das neben dem almu-
cium in rheinischen Kirchen im XVI. Jahrhundert fortwährend in
Gebrauch gewesen zu sein scheint.
Aeltern Darstellungen von Stiftsherren aus dem XV. und XVI.
Jahrhundert zufolge, wie sie auf grössern altdeutschen Bildern als
Donatoren im kölner Museum zahlreich ersichtlich sind, dürfte
das almucium in den kölnischen Kirchen um diese Zeit mit dem
entsprechenden Gewandstück abgebildet auf Tafel XLIX überein-
stimmend in der Form gewesen sein.
Heute ist, so weit uns bekannt ist nur in wenigen Kirchen dieser
Pelzkragen mit daran befindlicher Guggel, wie er eben beschrieben
wurde, noch in Gebrauch. Durch die Einführung der cappa magna,
die der römischen Kirche entlehnt ist, wurde das almucium in den
zwei letzten Jahrhunderten nach und nach verdrängt, zumal in
unmittelbarer Verbindung mit der cappa magna, unserer Beschreibung
auf Seite 355 zufolge, auch eine Art von almucium vorkommt, das
— 354 —
als cumllus oder capuchon in Winterszeit ebenfalls über den Kopf
geschoben werden konnte und die Stelle des ehemaligen Pelzkra-
gens mit Koi^fbedeckung vollständig ersetzte.
Da der in dem vorliegenden Bande zugemessene Raum schon be-
deutend überschritten worden ist, so kann es im Folgenden nicht un-
sere ALsicht sein, alle jene Chorgewänder und Ornate ausführlicher zu
besclu-eibeu, welche die Bischöfe, ferner der Stifts- und Kathedral-
Clerus, dessgleichen die römischen Prälaten in ihren v erschiedenen
Rangabstufungen als decorative auszeichnende Obergewänder über
dem rochettirn zu tragen pHegen. Eine ausführliche Besprechung
dieser Gewänder, die eigentlich nicht mehr in den Bereich des
vorliegenden Werkes gehören, da dieselben nicht aus dem Mittel-
alter stammen, sondern erst in neuerer Zeit Entstehung gefun-
den haben, möchte wohl allein eine umfangreiche Abhandlung
erfordern und wäre eine Beschreibung des geschichtlichen Ur-
prunges und der Entwickelung derselben ohne Hinzugabe von zahl-
reichen Abbildungen kaum zu ermöglichen. Diejenigen, die sich
des Nähern über jene Chorkleidungen unterrichten wollen, welche
die verschiedenen kü-chlichen Würdenträger bei Abhaltung des
Chorgottesdienstes über dem Röcklein anzulegen pflegen, finden
nähere Aufschlüsse bei dem französischen Liturgiker Molinet in
seinen : Figures des differents habits des Chanoines Reguliers, dess-
gleichen auch bei Bonanni: Catalogo degli Orthni Rcligiosi, und
endlich in dem bekannten, umfangreichen Werk von Moroni.
Für den vorliegenden Zweck mag es der Vollständigkeit wegen
genügen, nur in Kürze auf jene auszeichnenden Chorgewänder
hinzuweisen, die seit dem Schlüsse des Mittelalters die Stifts-
und Domherrn, die römischen Prälaten und Bischöfe beim Chor-
gottesdienst und bei sonstigen Funktionen zu tragen pflegen. Die
meisten derselben sind aus dem Chormantel, der cappa, durch
vielfache Umänderungen im Schnitt und im Stoff, namentlich erst
in den drei letzten Jahrhunderten, auf jene Formen zurückgefülui
worden, wie sie heute in den meisten Kathedral-Kirchen gebräuch-
lich sind.
Unter diesen Obergewändern, die in ihrer allmähligen Ver-
kürzung und Umänderung verschiedene Namen lühren, sind vor
Allem zu erwähnen die cappa magna, den camail ital. mozetta,
ferner die römische Prälatenkleidung der Monsignori , die zur
famiglin pontificia gehören, nämlich die mantcleUn und der 7nan-
tellone.
E. Die sonstigen auszeichnenden Obergewänder der Stifts-
und Domherren, der Bischöfe und Cardinäle.
Die cappa magna, die von den Kardinälen in hochrother Seide
zugleich mit einem die Schultern und auch ehemals den Kopf be-
deckenden cucullus getragen wird, dessen lunentheile in Winterzeit
mit Hermelin ausgefüttert sind, unterscheidet sich von dem entspre-
chenden Ornat der Bischöfe und Domherren nur hinsichtlich des
Stoffes und der Farbe, nicht jedoch in Bezug auf Schnitt und
Form. Diese Chormäntel der Bischöfe und Domherren bestehen aus
violettem W^Uenstoff oder Seide und sind die nach Aussen zum Vor-
schein tretenden Innentheile des Guggeis mit rother Seide, im Win-
ter indessen mit Pelzwerk überzogen. Die cappa magna wird in Win-
terszeit als faltenreicher, an der vorderen Seite geschlossener, auf
der Brust aufgeschhtzter Mantel so getragen, dass die Kapuze bei
Abhaltung der kii-chlichen Tageszeiten mit leichter Mühe der
Wärme wegen über den Kopf geschoben werden könnte. Der hin-
tere stofi'reiche Theil dieses Chormantels verlängert sich jedoch
zu einer bedeutend langen cauda, die bei den Kardinälen und Bi-
schöfen von einem assistirenden caudaUirius getragen wird. In der
päpstUchen KapeUe tragen die Bischöfe die ganze Schleppe zusam-
mengerolUt auf dem Arme oder in einer Schleife. Sowohl bei Molinet
als auch bei D. Claude de Vert, tome II, pl. VI. sind Abbildungen
dieser cappa magna zu sehen und ist bei diesen die Beschreibung
dieses stattlichen, schon seit dem Mittelalter in der römischen
Klirche in Gebrauch stehenden Obergewandes, Seite 304 tf. zu finden.
In den letzten Jahrhunderten sind die cappae magnae, meistens
in violetter Farbe, verschiedenen bischötlichen und erzbischöf-
hchen Kapiteln als auszeichnende Ornate verliehen worden. Wir
sahen dieselben in vielen kleinen itaüenischen Kathedralen in Ge-
brauch; die Domherren grösserer dui'ch Alter und geschichthche
Bedeutung hervorragender Domkirchen Italiens haben das Vorrecht
mit dieser cappa magna in rother Kardinalsfarbe, oder wie die
Bezeichnung lautet «in abito cardinalizio,« zu erscheinen. Auch
dem Domkapitel in Salzburg ist in neuester Zeit der Gebrauch
derselben in Kardinalsfarbe verliehen worden. Das Domkapitel
von St. Veit in Prag, das seit den Tagen der Reformation die
ehrenvolle Bezeichnung «Semper fidehs« führt, hat das Recht
ebenso wie auch andere Kapitel in Deutschland sich der cappa
magna in violetter Farbe zu bedienen, und besteht die foede-
ratnra an der Guggel lür die Winterzeit aus gräiüichem Pelz.
Auch in vielen französischen und belgischen Domkirchen ist
dieser grosse Chormantel in Gebrauch.
24
— 356 —
Im Vergleich zu dem würdevollen Clioroniate, dessen sich
mündUchei- Ueberlieferung zufolge das alte Domkapitel zu Cöln
bis zum Schlüsse des vorigen Jahrhunderts bediente, ist die heutige
Chorkleidung des Metropolitan-Kapitels daselbst höchst einfach zu
nennen und steht dieselbe im Hinblick auf den hahitus chori in
anderen Domkii'chen weder mit dem Vorrang und der alt ge-
schichtlichen Bedeutung der Cölnischen Kirche noch mit den bau-
prächtigen Formen des Domes in Einklang. Sind wir gut unter-
richtet, so soll vor einigen Jahren dem Cölner Domkapitel der
Gebrauch der cappa magna angeboten Avorden sein. Beim Besuche
einer grossen Zahl von italienischen und französischen Kathedralen
ist es uns oft einleuchtend geworden, dass man in Itahen und
Frankreich das decorum hinsichtlich der Chorornate und der litur-'
gischen Gewänder überhaupt besser zu Avürdigen versteht, als das
deutscher Seits der Fall ist.
Neben der cappa magna, die als faltenreiches, namentlich für
den Gebrauch in Winterzeit sehr zweckmässiges und kleidsames Ober-
gewand in den letzten Jahrhunderten von Rom aus in die verschie-
denen Diöcesen diesseits der Alpen Eingang gefunden hat, bedienen
sich die Domherren und Bischöfe in den meisten Kathedralen
in der besseren Jahreszeit des weniger stofifreichen caniail, der in
Italien allgemein den Namen mozetta führt. Dieser Ornat stellt
sich heute als ein die Scludter und Brust bedeckender Kragen dar,
der bis zu den Ellbogen herunterreicht. Auf der Rückseite ist
dieses Gewandstück, das oft aus schwarzem, oft aus violettem
Tuch oder Seide besteht, gescUossen. Auf der Brust öffnet sich
dasselbe und wird hier durch eine Reihe von Knöpfen geschlossen.
Wie der kleine capuchon, die ganze Form und der äussere
Schnitt dieses Gewandes es deutlich zu erkennen gibt, ist unsere
mozetta in ilii'er heutigen Gestalt ungefähr der dritte Theil eines
ehemaligen faltenreichen, nach vorn und hinten geschlossenen
Mantels, der im Laufe der Jahrhunderte aus Rücksichten der Be-
quemlichkeit und Oekonomie ailmäUich bis zu den Ellbogen ver-
kürzt worden ist. Die kleine Kapuze, mit welcher derselbe auf der
hintern Seite in ornamentaler Weise garnirt ist, hatte ehemals eine
solche Ausdehnung, dass sie namentlich bei Abhaltung der Chor-
zeiten im Winter über den Kopf geschoben zu werden pflegte. Wir
können liier der Kürze halber es füglich unterlassen, Aveiter auf die
verschiedenen Verzierungen des camail hinzuweisen und anzuführen,
wie derselbe durch Anbringung von aufgenähten, verscliiedenfar-
bigeu Seidenschnüren und Knöpfen , dessgleichen durch Verbrä-
— 357 —
mung mit einem den untern Rand abfassenden Pelzsaume in ver-
schiedenen Diöcesen reicher ausgestattet worden ist. In anderen
Werken , die sich vorzugsweise mit der Hturgisch-rituellen Bedeu-
tung der kirchlichen Ornate befassen, wird behauj^tet dass die
mozetta der Bischöfe vornemlich als Signum jui'isdictionis aufzu-
fassen und zu betrachten sei, was jedoch ursprünglich nicht der
Fall war.
Statt des camail tragen die Bischöfe, dessgleiclien auch die
römischen Prälaten der ersten Rangstufe als Obergewand über
dem Talar und dem Röcklein die manteletta, die, wie es schon
der Name besagt, in ihrer äussern Form und ihrem Schnitt
sich als verkürzter Mantel darstellt, der, nach vorn geöffnet und
nach hinten geschlossen, den Oberkörper gleichmässig bedeckt und
kaum bis zu den Knieen heruntersteigt. Diese manteletta der Bi-
schöfe und römischen Hausprälaten liesteht je nach der Jahreszeit
aus violettem Tuch oder Seide und ist im Innern mit rother Seide
als Futterzeug versehen. Das eben gedachte mantelförmige Gewand
bildet seinem Schnitt nach eine vollständige Kreisrundung und misst
der Halbmesser desselben ungefähr 1 Meter ohne Hinzunahme der
runden Oeffnung zum Durchlass für den Kopf. Auch auf beiden
Seiten sind zwei mit rother Seide ausgebordete Durchlässe für
die Arme ersichtlich.
Gleichwie nur die Bischöfe und die praelati höheren Ranges
das Recht haben , diesen bis zu den Knieen reichenden kurzen
Mantel zu tragen, und desswegen monsignori di manteletta
heissen, so bedienen sich die monsignori di mantellone^ die römi-
schen Prälaten der weiteren abwärts folgenden Rangstufen, näm-
lich die camerieri und capellani der päpstlichen Curie, eines
Obergewandes , dass die Form eines weiten , bis zu den Knöcheln
herunterreichenden Talares hat, der anstatt der ehemaligen Aermel
auf den Schultertheilen mit Oeffnungen zum Durchlass der Arme
versehen ist. Wahrscheinlich zur Ei-innerung an diese ehemahgen
weiten manicae sind die Durchlässe des mantellone mit einer
etwa drei Finger breiten Schleppe versehen. Offenbar stimmen
diese römischen talarfÖrmigen Obergewänder, die im Winter aus
violettem Tuch, im Sommer aus violetter Seide bestehen, mit jenen
altern, auch in vielen Diöcesen Deutschlands gebräuchlichen priester-
lichen Talaren von schwarzer Damastseide ziemlich überein, wie
sie bis gegen Schluss des vorigen und auch noch vereinzelt in diesem
Jahrhundert in verschiedenen Stiftskirchen getragen zu werden
pflegten. Diese älteren Chorröcke entbehrten ebenfalls der Aermel
24*
— 358 —
und zeigten unter den Schulterstücken je einen Einschnitt zum Durch-
lassen der Arme, welche Oeffnungen auf beiden Seiten mit einem
schmalen bis zu den Füssen heruntersteigenden StofiPrest versehen
waren, der in früheren Zeiten mit seidenen Quasten verziert wurde.
Nachträglich fügen wir hier noch hinzu, dass die Vikare
an Stifts- und Kathedral - Kii-chen über diesem Talar einen
kurzen Kragen tragen, der nur bis zur Schulter heruntersteigt und
seit dem vorigen Jahrhundert mit kleineren Quasten von Posa-
mentirarbeit verziert zu werden pflegt. Dieses kleinen Hals-
kragens bedienen sich heute in einigen deutschen Diöcesen auch
die Kapläne und Pfarrer bei Verrichtung verschiedener amtlichen
Functionen, und zwar über dem superpelliceum, um auf diese Weise
der Chorkleidung am Halse und auf der Schulter einen passenden
Abschluss zu geben. In italienischen und französischen Diöcesen
haben wir diesen kleinen Halskragen nirgend in Gebrauch gefunden.
Nur die Pfarrer in Rom dessgleichen die Prälaten tragen über
dem Talar resp. Soutane einen kleinen glatten Kragen ohne ver-
zierende ßocchi. Schliesshch sei noch hinzugefügt, dass sämmtliche
Pfarrer Cölns über dem superpelliceum ein verkürztes almucium
von weissem Pelz tragen, das auf der Brust verlängert herunter-
steigt. Der Tradition nach ist den Pfarrern Cölns dieses aus-
zeichnende Ehrenkleid wegen ihres entschiedenen Auftretens ver-
liehen worden, das sie bei der auch in Cöln versuchten Einführung
der Reformation au den Tag gelegt haben.
Noch erübrigt es hier, einige Worte hinsichtlich der Ent-
stehung und der heutigen Form des collare hinzuzufügen, das an
Stelle des in französischen Diöcesen gebräuchlichen rabat den
Zweck hat, die Blösse des Halses zu verdecken. Es kann bei die-
ser nachträghchen Aufzälilung der verschiedenen Chorgewänder
nicht unsere Absicht sein, die Entstehung, Gestalt und Aus-
stattung des rahat näher zu entwickeln , Avelches , der Renais-
sance angehörend, in den beiden letzten Jahrhunderten, namentlich
in französischen Diöcesen, als integrirender Theil der Chorkleidung
eine besondere Entwickelung gefunden hat, wie das bei dem be-
kannten Liturgiker Claude de Vert^) ausführhch zu ersehen ist.
Dieses sogenannte rabat trat gegen Schluss des XVI. Jahrhunderts
unter dem aufrechtstehenden Halskragen des Talars als Hemdkragen
hervor, welcher mit seinem oberen Saume kaum ersichtlich wurde.
') Cl. de Vert, Explication des Ceremonies de l'eglise tom. II, pag. 262.
planche III. Fig. IV— XI, Paris 1741.
— 359 —
Im XVII. Jahrhundert erweiterte sich dieses collet allmählig und
wurde als selbstständiges Bekleidungsstück über den Halskragen des
Talars zu einer Zeit umgeschlagen"), als noch in den Tagen nach dem
30jährigen Kriege in der Laienwelt die grossen spanischen und
niederländischen Halskragen mit breiten spanischen Spitzen garnirt,
getragen wurden. Nachdem das ehemalige collet sich zu einem
umgeschlagenen selbstständigen Halskragen erweitert hatte, wurde
im XVIII. Jahrhundert der vormalige, runde Halskragen in einer
Weise umgeändert, dass die früher rund herunter hängenden Theile
desselben nach hinten wegen der Perrücke fortfielen und nur noch
unter dem Halse ein Rest des rabat verblieb, der. in seiner Hälfte
getheilt, gegen Mitte des vorigen Jahrhunderts an den Säumen mit
einer weissen Einfassung umzogen wiirde.
üeber Form und Entwickelung des rahat mag das im Vorher-
gehenden Gesagte genügen; hier soll nur noch darauf hingewiesen
werden, dass auch in einigen deutsch-rheinischen Diöcesen sich als
Halsbekleidung in verkürztem Schnitt jenes aus Frankreich stam-
mende rahat in einer Gestalt und Ausdehnung erhalten hat, wie
es in verwandten Formen das Richterpersonal an jenen Gerichts-
höfen zu tragen pflegt, wo der Code Napoleon eingeführt ist.
Diese Halsbedeckung, die an vielen Stellen auch den Namen beffa
führt, ist in letzten Zeiten in rheinischen Diöcesen durch die Ein- •
führung des römischen rollare ziemlich verdrängt worden. Seit
dem Schluss des Mittelalters war das collare in römischer Form, wie
das an ältern Abbildungen kirchlicher Würdenträger nachgewie-
sen werden kann , schon lange Zeit in Gebrauch , ehe von Frank-
reich aus das rabat stellenAveise auch am Rheine in Aufnahme kam.
Was nun zunächst die Form und die stoffliche Ausstattung des,
die Nacktheit des Halses verdeckenden collare betrifft, so ist hier
kurz zu bemerken, dass dasselbe einen aufstehenden, gesteiften
Halskragen bildet, an welchen nach unten hin ein anderes Stoff-
stück, meistens in dreieckiger Form, angesetzt ist. Dasselbe be-
steht in den verschiedenen Bisthümern aus verschiedenen Stoffen
und Farben. Der Säkularklerus in Rom und in jenen Diöcesen, die
dem römischen Ritus gefolgt sind, trägt das collare von schwarzer
Wolle oder Seide, wohingegen die Bischöfe und römischen Prä-
*) Daher auch der französische Name von rabbatre, rabbattu. Dieser rabat
als ein dem französischen Klerus eigenthümlicher Ornat, der in seiner
Entwickelung und Gestaltung aus den Zeiten der Blüthe des Gallicanis-
mus herrührt, scheint in Rom sich keines besondern Beifalls zu erfreuen.
— 360 —
laten sicli eines solchen von violetter Seide bedienen. In der Erzdiö-
cese Mechelu ist das collare hellblau und wird dasselbe nicht durch
Schnüre nach hinten zasammengezogen und befestigt, sondern diese
Halsbinde wird sowohl in der Mecheler Erzdiöcese als auch in den
übrigen Bisthümeru Belgiens vorne geschlossen.
Im Vorhergehenden ist in Kürze angedeutet worden, dass die
kirchliche Kopfbedeckung der Parochial-, Stifts- und Kathedral-Geist-
lichkeit entweder aus einem Biret bestand, oder dass dieselbe vormals
als Guggel mit dem uhnucium in Verbindung stand. Für den Profan-
gebrauch kam namentlich bei der höhern Geistlichkeit schon seit dem
XIV. Jahrhundert ein kurzer Hut in Aufnahme, der mit breitem Rande
dazu diente, beim Ausgehen sowohl gegen Sonnenstrahlen als gegen
Regen zu schützen. Diese Hüte, welche in rother Farbe zuerst den
Kardinallegaten bereits im XIII. Jahrhundert durch Papst Innocenz
IV. verliehen wiuxlen, waren entweder aus Tuch oder Seide ange-
fertigt ; die Bischöfe und die Kanoniker bedienten sich derselben in
wenig veränderter Gestalt, aus schwarzem Tuch, Seide oder Filz.
Die Form dieser Hüte hat, wie dies ältere Abbildungen aus dem
XIV., XV. und XVI. Jahrhundert zeigen, nach und nach ver-
schiedene Veränderungen erfahren , indem der Theil der Hüte zur
unmittelbaren Bedeckung des Kopfes entweder kopfförmig aus-
4 gerundet war oder mit einem oberen Rande eckig abschloss. Auf
Temperagemälden und Miniaturmalereien des XIV. und XV. Jahr-
hunderts nimmt man sowohl Hüte der Kardinäle, als auch der Bischöfe
und Domherren wahr, die sich nach oben nur wenig verjüngen und
mit einem runden Deckel in einem Kreise abschhessen. Die Ränder
an diesen ältern Hüten aus dem Ende des Mittelalters sind ziem-
lich breit und umfangreich ; dieselben bilden aber nicht mit dem Hute
einen rechten Winkel, sondern sind zuweilen abwärts gerichtet.
Auf ältern Miniatur-Malereien werden diese Hüte nicht in der Hand
getragen, sondern sind unmittelbar au einem mautelartigen Oberge-
wand duixh Schnüre, nach hinten hängend, so befestigt, dass sie
beim Gebrauch leicht über den Kopf geschoben werden konnten.
Als stattliche Ornamente erblickt man an dienen Hüten seidene
Quasten, welche zu beiden Seiten derselben mit starken seidenen
Schnüren reihenweise so befestigt sind, dass sie, mit einem Quasten
beginnend, in jeder der folgenden Reihen um einen Flocken zu-
nehmen. Seit dem XV. Jahrhundert hat man bei Anbringung
dieser Quasten an den Hüten der höhern Geistlichkeit, zumal wenn
sie als Zierden über deren Wappenschild angebracht waren,
durch die Anzahl derselben die jedesmalige Rangabstufung ange-
— 361 —
deutet. So ündet man z. B. nicht nur auf Siegeln, sondern auch
auf Grabsteinen an den Hüten der Stifts- und Domherrn im XVI.
und XVII. Jahrhundert zwei Reihen von Quasten, wodurch nacli
dem oben Angeführten je drei fiorcM gebildet werden. An den Hüten
der römischen Prälaten sind diese Quasten um eine dritte Reihe
vermehrt, und erblickt man an denselben mithin sechs fiocchi; bei den
Bischöfen finden sich ausserhalb Roms vier Reihen vor, wodurch die
Zahl der Quasten auf zehn steigt. An den Hüten der Bischöfe sind
diese Quasten und Schnüre grün mit Gold durchwirkt ; au denen der
untern Prälaten violett. Der rothe Hut der Kardinäle endlich, der
heute nur als Ceremonienhut von einem Assistenten bei grossen
Feierlichkeiten vorgetragen, jedoch nicht mehr angelegt wird, ist
mit fünf Reihen von Quasten, im Ganzen also mit fünfzehn Troddeln
verziert. Es ist alter Brauch, diese Ceremonienhüte der Kardinäle
nach dem Absterben derselben über der kirchlichen Begräbnissstätte,
und zwar am Gewölbe schwebend, so zu befestigen, dass dadurch
nicht nur der hohe Rang, sondern auch die Begräbnissstelle des
Verstorbenen kenntlich gemacht wird. So sieht man namentlich in
italienischen Kathedralen eine grosse Anzahl solcher Kardinalshüte
meistens an den Schlusssteinen der Gewölbe schwebend befestigt.
Noch sei darauf hingewiesen, dass in den beiden letzten Jahr-
hunderten die Hüte, wie sie der niedere und höhere Klerus aus-
serhalb der Kirche in verschiedenen Diöcesen zu tragen pflegt,
sich in ihrer feststehenden, überlieferten Form vor der Kopfbe-
deckung der Laien auszeichnen, welche dem Wechsel der Mode
und des Zeitgeschmackes fortwähi'end unterworfen ist. Die schwar-
zen Filz- und Seidenhüte für den Profangebrauch des Säkiilar-
klerus waren in den letzten Jahrhunderten meistens nach oben
hin kopfförmig ausgerundet, und hatte die Borte, der untere kreis-
runde Rand, immer eine ziemlich breite Ausdehnung sich bewahrt.
An dem untern Rande des runden Hutes, da wo er einen Winkel
mit der kopfförmigen Erhebung desselben bildet, befindet sich seit
den letzten Jahrhunderten eine Schnur oder Kordel von Seide mit
kleinern Quasten, deren Farbe die kirchliche Rangstufe des Trägers
anzeigt. Nachdem im vorigen Jahrhundert die Borten sowohl an
den Hüten der Weltgeistlichen, als auch an denen der Laien eine
solche übermässig grosse Ausdehnung erreicht hatten, dass dieselben
ohne starkes Zwischenfutter nicht mehr die grade Richtung einhalten
konnten, begann man zuerst auf beiden Seiten die breiten Ränder
aufzukrempeu, wodurch die sogenannten Kremphüte entstanden, die
bald darauf den dreieckigen Hut zur Folge hatten, wie er vor und
nach der französischen Revolution und in manchen Ländern heute
noch allgemein von der höhern und niedern Geistlichkeit im Pri-
vatleben getragen zu werden pflegt. Derselbe ist, mit goldenen
Quasten ausgestattet, heute noch bei den Kardinälen in Gebrauch,
wohingegen in österreichischen Diöcesen bei offiziellen Veranlassun-
gen der sogenannte Bonaparts-Hut noch zur Anwendung kommt.
In jüngster Zeit hat man , dem Vorgange des Klenis in italieni-
schen, französischen und englischen Diöcesen Folge gebend, auch in
deutschen Bisthümern den lobenswerthen Anfang gemacht, die Klei-
dung der Weltgeistlichen für den Profangebrauch von der immer
wechselnden Mode des Tages unabhängig zu machen, und hat man
desswegen als geistliches Gewand für das gewöhnliche Leben den an-
spruchslosen Talar von schwarzem Tuch, Klerik oder Soutane ge-
nannt, mit anschliessendem Brustleib , und mit Hinzunahme eines
entsprechenden eingulum von Camelote oder Seide allmähUch wieder
eingeführt. Ein einfacher runder Hut mit massig breitem Rande
vervollständigt diese würdige priesterliche Tracht. Während der
rauhen Jahreszeit legt man in deutschen Bisthümern noch über die
sogenannte Reverende einen faltenreichen Mantel oder einen talar-
förmigen Ueberzieher, den man in der bessern Jahreszeit in fran-
zösischen und belgischen Diöcesen durch einen schmalen, in Falten
gelegten seidenen Streifen, als Ueberrest eines ehemaligen Mantels,
ersetzt. In Italien wird an der Soutane oder KJerik noch ein Hals-
kragen, pelerine genannt, getragen, der eben die Schultern bedeckt;
in Verbindung mit demselben stehen Oberärmel, die bis zum Ell-
bogen reichen und durch eine Reihe von Kjiöpfen geschlossen wer-
den. Dies Kleid wird zimarra genannt. In Rom und in vielen
italienischen Bisthümern steht diese letztgedachte Hauskleidung,
nämlich der Talar nebst kleinem Schulterkragen mit Oberärmeln
bei den Prälaten und Bischöfen in häufigem Gebrauch. Die mon-
signori di mantellone , nämlich die päpstlichen Kämmerer und
Kapläne der verschiedenen Ordnungen, bedienen sich dieser zuletzt
gedachten Hauskleidung von schwarzem Tuch mit violetten Knöpfen
und mit entsprechender Seide eiiigefasst, wohingegen die Bischöfe,
dessgleichen die monsignori di mantehtta das Vorrecht haben, die
Soutane und die zimarra mit rother Seide so wie mit rothen Knöpfen
garnirt zu tragen. Auch der Papst legt als Hauskleidung meistens
einen Talar nebst eingulum, und zimarra an; diese päpstliche Sou-
tane nebst Schlüterkleid, dessgleichen auch das zucchetto sind aus
feinem weissem Tuch angefertigt.
Alphabetisches Namen- und Personen-Register.
Aachen. Domschatz I, 12. 211. —
Merkwürdige Webereien 19. — Apo-
stel-Statuen im Dom 117. — Alte
Stole griechischer Arbeit 185. II, 70.
— Casel des h. Bernard I, 193. 205.
II, 112. — Kunstreiche gestickte
Gewänder I, 287. — Pfarrkirche zu
St. Adalbert 287. — Hauptsitz für
mittelalterliche Stickerei 316 ft". —
Der deutsche König Canonicus des
Münsters II, 96. — Pontifical-Hand-
schuhe des Bischofs Berdolet II, 147.
— Kaiserliches Brustkreuz im Dom-
schatz 215. — Cappa Leonis III.— II.
297. — Kunstreiche Brustkrampen
an Chorkappen 305.
Aaron, Bischof von Krakau II, 203.
Abarbanel, über das hohepriesterl. Pal-
lium I, 357. — über das Ephod 371.
Abdinghof, Abtei, Stolen vom h. Mein-
werk geschenkt II, 65.
Aben-Ahlahmar, Maurenkönig, fördert
die Seidenzucht I, 40.
.\blutio calicis im Mittelalter II, 260.
Adalbert IL, Bischof v. Lüttich, darf
das Rationale tragen II, 203.
Adelheid, König, v. Frankreich, schenkt
verschiedenen Kirchen eigenhändig
gestickte Gewänder I. 144. II, 114.
Adler, der, als Musterung I. 13. — Der
doppelköpfige (sein Alter) II, 282.
Admont, Abtei, mitra abbatialis das.
II, 179.
Adria, pailes d', I, 45.
Adrian IV. Ei-öffnung seines Grabes
II, 139.
Adelfled, Herzogin, stickt einen Vor-
hang für die Kirche von Ely I, 142.
Alfled, Königin, und ihre Töchter,
berühmte Stickerinnen I, 141.
.^Ifric's Glossarium II, 155.
Äthelwold, Benedictionale v. St., II, 154.
Agilbert, Bischof von Paris, sein Ring
II, 208.
Agincourt, Seroux d', I, 135. 434.
Agnes, Kaiserin, schenkt einen kost-
baren Vorhang nach Monte Cassino
I, 181. — Ebenso eine kunstreiche
Albe II, 37.
Agnes, Äbtissin v. Quedlinburg, Sticke-
rin I, 155.
Aix. berühmt durch Stickkunst I, 1 27.
Albertus Magnus, sein Messgewand I,
99. 229. II, 248.
Aldered, eines gewissen, Frau be-
rühmte Stickerin 1, 155.
Alexander II. verleiht dem Bischof v.
Halberstadt das Pallium und die
Röm. Mitra II, 164. — dem Abt
Engelsinus Miter und Sandalen 165.
— erlaubt dem Böhmenherzog einen
pileus zu tragen 167.
Alexandei IV. II, 203. 334.
Alexandrien, bedeutende Seidenwir-
kereien das. I, 28. ff. 174.
Algiva, Königin, stickt kunstreiche Al-
tarvorhänge I, 142.
Al-jorjani, eine Art von Gewebe I, 41.
Alkuin, über die Albe I, 44. — das
colobium 449. — Dalmatik 452. II,
275 f. — Hun)erale II, 20. — Ma-
nipel I, 441. II, 79.
Almeria, Seiden-Manufacturen das. I,
7. 39. 41.
Almosenbeutel I. 218 ff.
Alphart's Tod, ein Gedicht I, 216.
Alphons, Bruder Ludwig's IX. Klei-
derpracht bei seiner Heirath I, 102.
Altar, der, in seinem Schmuck seit
dem XI. Jahrh. I, 180 f
Alwid, berühmte Stickerin I. 154.
Amalarius Fortunatus I, 135. 426. —
über die inappula 441. II, 79. —
Albe I, 444. — Sandalen II, 5. —
Humerale 20. — Dalmatik 276. —
Casel 290.
Amalfi, Lagerplatz orientalischer Tü-
cher I, 32.
Amandus, des h., Abbildung II, 155.
Amari, Geschichtschreiber I, 33.
— 364 —
Ambrosius, der h., über die Hyaziuth-
. färbe I, 367.
Amictus erklärt I, 446.
Ammiaiius Marcellinus II, 151.
Anaboladium I, 446.
Anagni, reichhaltiger Schatz an litur-
gischen Gewändern II, 109. 174. 298.
— Schatzvei'zeichniss des XIV. Jahr-
hunderts 42. 91. 117. 315. — Alte
Mitren das. I. 184 Anm. — Pracht-
volle alte Kapelle 230 ff. — Altar-
vorhang aus dem Schluss des XIV.
Jahrh. 242.
Anastasius Bibliothecarius, Bei ihm
vorkommende Stofi'namen I, 4. 5. 10.
11. 13. 16. fl. 22. 25. 30. — Wand-
bekleidung in der Kirche 136. —
Altarvorhänge 181. — Verbot die
h. Gewänder ausser der Kirche zu
tragen 425. — Alter der Dalmatik
448. — Stoff der liturg. Gewänder
451. — II, 33. 67. — Farbe der Mess-
gewänder 102.
Andreas, des h., Casel I, 203.
Andechs, Klosterkirche II, 69.
Angouleme, Diöcesangeschichte II, 65.
Anna von Bretagne, verfertigt kirch-
liche Stickereien I, 239.
Anna, Kaiserin, schenkt ein ko.stbares
Messgewand an St. Veit in Prag 1,245.
Anna Comnena II, 160.
Anno, des h., Casel II, 66. 103.
Antependien, gestickte, schon im VII.
Jahrh. I, 181. 194.
Antiochien, bedeutende Seidenwirke-
reien I, 28. 30.
Apulien, Wolle I, 421.
Araber, lieben gestreifte Zeuge I, 19.
— Ihre hohe Kunstfertigkeit 52.
Arabesken I, 51. Anm. — 87. 175.
Arbor vitae II, 113.
Aretin, Baron v., entdeckt die tunicella
Heinrich's des Heiligen. I, 171.
Aringhi I, 417.
Arras, durch Stickereien berühmt I,
262. 291. ff. — Orfroies, d', 292. —
Anfertigungs weise dieser Stickerei
294.
Ars plnmaria I, 139.
Artenodorus über den Webstuhl bei
den Alten I, 407.
Assyrien, Seidenausfuhr I, 26.
Asterius, der h., beschreibt eine Toga
mit den Wunden des Heilands 1, 132.
Ataldus, Bischof von Kheims, sein Stab
II, 220.
Attalus, König, Erfinder der Web-
kunst I, 2.
Augsburg. Alte Caseln im Dom II, 112.
Augustinus, der h., über Urim u. Thum-
mim I, 380. — II, 152. — Miter in sei-
nem Grab gefunden 158. — Ring 207.
Aurifrisia, phrygia I, 184. — II, 106.
Auroclavum, ein Gewebe I, 5.
Ausonius erwähnt scenerirte Gewänder
I, 125.
Autun. Kostbarer griechischer Behang
in St. Stephan I, 16.
Auxerre, Notre-Dame II, 39.
Avignon I, 242. — Concil das. über
die Tracht der Kleriker II, 326.
Axamit, ein Stoff II, 142. Anm. 2.
B.
Babylouier, geschickte Sticker I, 127.
Bad, ein alttestamentlicher Stoff I, 394.
Bäkod bei Kälocsä, merkwürdige Ringe
daselbst gefunden. II, 209.
Baldachin-Altäre des Mittelalters I,
20. 181.
Baldachinum, ein Seidenstoff II, 313.
Bamberg, Domsehatz daselbst I, 150.
— Merkwürdiges Rationale II, 199.
— Sogenanntes paludamentum Hen-
ricill. — 247. — Schatzverzeichniss
II, 42. 71. 280. 309.
Banner, gestickte, der Angelsachsen
bei ihrer Landung in England 1, 147.
— der Dänen ib. — Harold's II, ib.
Barbarica opera I, 126.
Barbaricarius I, 127.
Bard, ein gestreifter Stoff" bei den
Arabern I, 19.
Baronius, über die Ableitung des Wor-
tes planeta I, 427.
Bai'selanius, jüdischer Schriftsteller I,
342. — über den hohepriesterlichen
Gürtel 343.
— 365 -
Bartholini, über paenula I, 429. Anm. 1.
— 431.
Bartholomeo, Fra II, 93.
Basel, Concil, über das superpelliceum
II, 33fi.
Basiliken, die, des frühesten Mittel-
alters I, 20 ff.
Bastamantinus, über diemurenae II, 52.
Baubrüderschaften im Mittelalter I, 44.
Baudri, Bischof II, 217.
Baukunst, die s. g. gothische, von den
Italienern unverstanden I, 63 Anm.
Baysius, über den Ursprung der Stole
II, 63.
Becker, Historiker I, 430.
Beda Venerabilis I, 32. — II, 152. 154.
— über den bischöfl. Stab II, 219.
Anm. 2. — über das corporale 260.
Beffroi, le, archäologische Zeitschrift
II, 256.
Bela IL, König von Ungarn. Ringe in
seinem Grab gefunden II, 210. — ße-
liquienkreuz 214.
Benedict III. schenkt an St. Peter figu-
rirte Gewebe I, 23. — erhält vom
Sachsenkönig kostbare Alben zu Ge-
schenk II, 33.
Benedict IX. verleiht dem Bischof
Aaron v. Ki-akau das Pallium II, 203.
Benedict XII. über das superpelliceum
II, 336.
Benno,Bischofv. Osnabrück, seineCasel,
I, 432.11, 103. — Ein ihm irrthüm-
lich zugeschriebener Ring. II, 211.
Beuzo, Bischof v. Alba, über die päpst-
liche Tiara II, 159.
Berdolet, Bischof von Aachen, seine
Pontifical-Handschuhe II, 147.
Berengar I, kostb. Brustkreuz II, 214.
Berlin, königi. Museum II, 229.
Bein, Dom, prachtvoller Ornat von
Colin Jolyn I, 265. — II, 299.
Bernard. der h., eifert gegen die Thier-
musterungen II, 69. Anm. 165.
Bernoldus (Bertoldus), "S^erfasser des
ordo Romanus II, 134.
Berthold, Bischof II, 202.
Bestiarium I, 36. 51. 56. — Symboli-
sche Deutung desselben 57 ii'. 67.
Betharius, der h., Bischof v. Chartrcs
II, 133.
Bilderstürmerei, die, veranlasst Aus-
wanderung byzantinischer Künstler
nach Italien I, 139.
Bildschnitzer im Mittelalter I, 44.
Bildstickcr II, 300.
Birin. der h., Bischof von Dorchester
II, 155. 206.
Bissi II, 143.
Bianca, Königin von Böhmen. Ihre
Kunstfertigkeit im Sticken I, 239.
Blasien, St., Abtei. Kunstschätze nach
St. Paul im Lavanthale geflüchtet
II, 110.
Blatta, blatthin, ein Stofi' I, 5.
Blaveus, eine Farbe II, 313. Anm. 4.
Boisseree, S., Archäolog I, 201.
Bötticher, Archäolog. Seine Deutung
der figurirten Gewebe des Mittel-
alters I, 57. widerlegt 58.
Bollandisten II, 115. 265.
Bona, Cardinal, über die liturg. Ge-
wänder der frühchristlichen Zeit I,
134. 421. 423. — über das oi-arium
440. — über das Humerale II, 25
— über den Ursprung der Stole
63. 132. — den bischöfl. Stab 219.
— über die mittelalterliche ablutio
calicis 260. — über das velum ca-
licis 272. — die Dalniatiken 278.
Bouifacius, der h., beklagt die Klei-
derpracht seiner Zeit I, 153. — dar-
gestellt auf einer altenStickerei 11,20 1 .
Bonifacius VIII. Schenkungen an den
Dom von Anagni II, 43. 139. 159. 298.
Borromäus, der h. Karl, über Form
und Schnitt der liturg. Gewänder
II, 28. — über die Farbe der Pon-
tifical-Handschuhe 143. — Grösse-
bestimmungen der Gewänder 240.
Bottones II, 316. Amn. 4.
Bourgogne, Hof von, Luxus in reichen
Stoffen I, 108. — Herzog von B.
schenkt dem Herzog v. Glocester ein
kostbares Sammtgewebe 109.
Bracareuse conciHum bestraft die un-
ehrerbietige Behandlung der liturg.
Gewänder II, 272.
— 366 -
Brambaricarius I, 127. 173. II, 170.
Brandenburg, Dom II, 277.
Braunius, Archäolog I. 27. 330. 335. —
über den hohepriesterlichen Gürtel
339. — über den pileus 349. — über
das hohepriesterliche Pallium 355. —
ephod 370. — über ungenähte Ge-
wänder 403. 406.
Braunschweig. Reichthum au alten Ge-
wändern 1, 38. — Interessante Sticke-
rei V. Kaisermantel Otto's IV. 227. —
Marktkirche II, 277. — Museum 292.
Brauweiler, Abtei II. 103. 245.
Breudare II, 309.
Brignoles, Miter des h. Ludwig von
Toulouse II, 176.
Brito Will, erklärt den Ausdruck plu-
marius I, 140. — polymitarius ib.
Brodeurs du roi II, 183.
Broidschen II, 146.
Bromton John, Abt von GervaixII, 331.
Brostare, s. breudare.
Brügge, bedeutende Seidenfabrication
I, 78. — Stickereien 291.
Bruno von Asti über den Stoff der
bischöflichen Handschuhe II, 135.
Buchstaben, arabische, als Ornainent
in Geweben I, 53.
Bulengerus, Liturgiker I, 429.
Burgund, Herzoge von, grosse P'örde-
rer der Kunst im XV. Jahrh. I, 263.
Burkhard, Bischof von Halberstadt, er-
hält das jus pallii II, 164.
Bnrsfeld, ceremoniale II, 262.
Burtscheid. Merkwürdige alte Kapelle
daselbst I, 230.
ßuxtorf, Archäolog I, 342.
Byssus I, 329. — Preis desselben 395.
— Seine Textur 396.
Byzanz. wichtigster Stapelplatz für
den Seidenhandel im ganzen Mittel-
alter I, 31. — Eroberung desselben
durch die Kreuzfahi-er 101. — Sein
grosser Kunstfleiss 137. f. 200.
C.
Cäsarius, der h., Bischof von Arles I,
1 40. — verbietet die Anfertigung von
Profanstickereien in d. Klöstern 152.
Calixt II. verleiht Pallium und Römi-
sche Miter dem Bischof von Utrecht
II, 164.
Calkar, Pfarrkirche, reich an mittel-
alterl. Kunstwerken I, 270. II. 318.
Camboca II, 219.
Carabuta II, 219.
Camisia I, 444.
Camisol I, 332. Anm. 2.
Gange, du, erklärt Stofihamen bei Ana-
stasius I, 5. 6. 98. 131. — Unrich-
tige Erklärung des Ausdrucks fim-
briaell, 87. Anm. 5. — 107. — Ablei-
tung des Wortes Soutane 323. — 334.
— über das Bii-et 345. — Erklärung
des Ausdrucks almucium. 350.
Ganterb ury. Inventar des dortigen
Schatzes II, 135. Anm. 1. 142. 176.
304.
Capitolinus über die Dalmatik I, 450.
Cappae professionis II, 310.
Capuita II, 219.
Carmoisin. Ableitung dieses Wortes
I, 368.
Caroli Calvi Uber precationum II, 270.
Garrouges, Casel von, I, 266.
Gasaretto, Anfertiger kirchlicher Stofte
I, 90. f.
Gasaubonus I, 403. 44(1. II, 36.
Gasel, die, im Mittelalter I, 222. —
Erklärung des Wortes 428.
Gastri, Ghrist., über Urim und Thum-
mim I, 380.
Gatullus I, 125.
Gaumont, de, Archäolog, über das Stu-
dium der mittelalterl. Gewebe I, 15.
Geremoniale episcoporum II, 167.
Ghalendon, Archäolog II, 304.
Chartres. Statuarium der Kathedrale
wichtig für das Studium der liturg.
Gewänder I, 1 14. 392. II, 16. 90. 136.
161. — Schatzverzeichniss (1337) II,
21. 43. 59. 141.
Ghemise, erklärt I, 332.
Chorknaben. Ihre Kleidung II, 59. 332. f
Chorsänger. Ihre Tracht im Mittelalter
II, 331.
Chrismale, anderer Name für das cor-
porate II, 260.
Christenthum und Judenthum, allego-
rische Stickerei I, 246.
Chrysoclavum, ein Stoff I, 5. II, 37.
Chrysostomus, der h., erwähnt die Albe
I, 444.
Chur. Reliefstickerei daselbst. 1, 298.
Ciampini, Archäolog, über die Stoff-
muster des Mittelalters I, 10. — über
ungenähte Gewänder I, 409.
Ciborium, s. Baldachin-Altäre.
Cidaris«mitra II, 150.
Cimabue I, 59. 115. 263.
Circumrotatae, vestes I, 8.
Clavus, erklärt 1, 129. 452. latus II, 112.
Clemens von Alexandrien, über Ringe
II, 206.
Clemens IV., gegen die überreichen
Mitern der Aebte II, 166.
Cleve, der Herzoge von, grosse Kunst-
liebe und Freigebigkeit I, 84.
Cloveshoe, Concil, untersagt die Ver-
wendung der Stickerei für Profan-
Gewänder I, 153.
Cocousfarbe, die I, 368.
Cölestin I. verleiht dem h. Cyrill von
Alexandrien einen auszeichnenden
Kopfschmuck II, 159.
Cöln, Dom. Ausschmückung des Chors
I, 62. Anm. — Die sogenannte Cle-
mentinen-Kapelle 311. — Heiligen-
statuen in der Vorhalle 117. — St.
Alban 282. — St. Andreas I, 302.
Anm. II, 248. — St. Brigitta (Schatz-
verzeichniss) II, 271. — St. Cäcilia
I, 279. — St. Columba 283. — St. Cu-
nibert 392. — Dominicanerkirche II,
248. — Schatzverzeichniss von St.
Georg 58. 67. 71. — St. Gereon I,
182. Anm. 1. 219. II, 89. 348. —
St. Jakob I, 280. — St. Johann 281.
— St. Maria in der Schnurgasse 311.
— St. Severin 276. — Schellen-Con-
vent von den Wappenstickern er-
stürmt I, 284. — Seminarkirche 287.—
ürsulinerkloster 311. — Erzbischof,
verbietet 1337 allzu kostbare cingula
II, 328.— Cöln. Künstler 1.274.— Mu-
seum, erzbischöfl. 1, 107. 300.— städ-
tisches 1 18. — Pfarrer, ihre auszeich-
nende Kleidung II, 358. — Stick-
kuu.st, blühend im XV.Jahrh. I, 262.
— auch in neuester Zeit 318. —
Wappenstickerzunft 273. ff. II, 76.
Colobium, Levitengewand I, 448.
Columnae, Stäbe d. Messgowands II, 1 24.
Comminges, St. Bertrand, bischöfliche
Handschuhe II, 147.
Como. Seine Seiden-Industrie I, 79.
Constantia IL, Kaiserin II, 7. 210.
Constantin d. Gr. schenkt dem Bischof
Makarius von Jerusalem eine Stole
I, 436.
Coos, Insel, Bezugsquelle für Seidel, 26.
Corium fenestratuni, pertusum II, 15.
Corneli-Münster I, 286.
Cornua an der Miter IL 162. am Bi-
ret 349.
Corona, bischöfliche Kopfbedeckung
in der altern Zeit II, 152.
Corporaltasche, beschrieben I, 302 f.
Cortunae I, 20.
Cotta oder cota«rochettum II, 330.
Anm. 2. 334.
Crefeld. Kunstausstellung daselbst I.
107. — Verein für mittelalterliche
Stickkun.st 319.
Croyland, Abtei I, 143.
Cucullus= Kapuze I, 432.
Cuthbert, der h., I, 141. II, 64. 154.
Cyprense aurum I, 50 Anm. — opus
210. II, 39.
Cyrill, der h., v. Alexandrien II, 150. 159.
D.
D'Achery II, 331.
Dagobert, König von Frankreich I, 4.
Dalmatik. Ihr Alter als liturg. Gewan-
des I, 448. — Schon in der classi-
schen Zeit bekannt 450.
Damaskus. Bedeutende Seidenvvirke-
reien I, 28. 174.
Damiani, der h. Petrus II, 290.
Daniel in der Löwengrube, ein altes
figurirtes Gewebe I, 17. f.
Daniele, Fr. , über die Funeralhand-
schuhe Heinrich's VI. II, 137.
Danzig, Liebfrauenkirche I, III. 299.
305. IL 73. 237. 277. — Domkirche 299.
— 368 —
Dei, Benedetto 1, 47.
Denis, St. II, 114.
Deutz, Benedictiner- Abtei II. 221. —
Pfarrkirche 103. 266.
Diapistis, ein Seidenstoff' I, 36. 138.
II, 103.
Diarbodiuum I, 7. 36.
Dibaphum I, 368. II, 37.
Didron, Archäolog I, 232. II, 172. 209.
Diodorus Siculus I, 18.
Dirodinum s. diarhod.
Dirotanum ibid.
Douet d'Arq I, 109.
Dresden, königl. Museum I, 248. f. 299.
Dreux, Philipp de, Bischof von Beau-
vais II, 172.
Dürer, Albi-echt I, 120.
Düsseldorf, Lambertikirche I, 271. —
Maxpfarre ibid.
Dugdale II, 344.
Dunstan, der h., fertigt die Zeichnung
zu einem Messgewand I. 142. II, 156.
Durandus, Bischof von Mende I, 336.
— über das cingulum 345. — Pal-
lium 360. — Tunika 363. — Stole
436. II, 63. — die bischöfl. Strümpfe
II, 8. — Sandalen 15. — Dalmatik
86. ff. — Hand.sclmhe 132. 142. 208.
— Bischofsstab 220. — Sudarium
227. 251. — Superpelliceuui 329.
Durham, Stole des Bischofs Frithestan
daselbst I, 141.
E.
Ebn-Djobair, sarazenisch(;r Geschicht-
schreiber I, 35. 37.
Eberhard, Bischof von Trier II, 163.
Echternach, Abtei II, 336.
Edrisi, Geograph I, 40.
Eduard der Bekenner. Kostbar ge-
sticktes Tuch auf seinem Grab 1, 147.
— Seine Gesetzbücher II, 332.
Eichstädt, Walburgiskirche I, 17. —
Domschatz II, 112. 200.
Einhard, Bischof von Freising II, 38.
Eligius, der h., I, 4.
Elisabeth, der h., Gürtel II, 56.
— Königin, schenkt der Pra-
ger Kathedrale kunstr. (Jrnate 1, 24 1.
Ely I, 142. — Kirchliche Stickschule
daselbst 153.
Emblemata s. aenigmata Saracenorum
II, 170. 173.
Emmerich, Katharina I, 135.
i^i^uii] I, 136.
Eugelsinus, Abt vonCanterbury II, 165
Engilmar, Münch, erfahren in der We-
berei und Stickerei I, 154.
England. Seine Seidenmanufactur 1, 79.
— Hohe Blüthe der Stickerei 141 . 261 .
Ennodius, der h., II, 152.
Epiphanius, der h., über das hohe-
priesterliche Pallium I, 360. — ra-
tionale 379. — erwähnt einer Stirn-
binde des h. Jakobus II, 150.
Epiphanie, die, eine Stickerei des XV.
Jahrh. I, 264. — eine andere des
XVI. Jahrh. 285.
Episcopuschori-magister cantus II, 307.
Erlösungswerk, das, eine frühromani-
sche Stickerei I, 166.
Erkelenz, Pfarrkirche I, 285. II, 128.
Essen, Stiftskirche II, 310. Anm. 3.
Essenwein, Architekt II, 247.
Etheldreda, die h., stickt dem h. Cuth-
l)ert eine kostbare Stole I, 141. II. 64.
Ethelwulf, König von Essex. Sein Ring
II, 209.
Eucharistie, die heil., ihre Aufbewah-
rung im frühen Mittelalter I, 181.
Eucharius, d.h., Bischof V.Trier 11,222.
Eusebius, Kirchenhistoriker I, 423.
II, 150.
Euskirchen, Pfarrkirche daselbst I, 286.
Eustadiola, die h. Äbtissin, übt die
Kunst des Stickens I, 145.
Eutychianus, Papst, gibt eine Verord-
nung über die Beerdigung der Mär-
tyrer I, 452.
Examitum, ein Seidengewebel, 98. 100.
Exarentasmas, ein Stoff' I, 36.
'E'iofiie 1, 448.
Eyck, Geschwister van I, 263.
F.
Fahnen im Mittelalter und heute I, 30 1 .
Falcandus, Hugo, über den Kunstfleiss
Palermo's I, 36. 98. II, 250.
•- 369 —
Faltenwurf an mittelalterlichen Bild-
werken I, 114.
Familie, die Ii., Stickerei des XIV.
Jahrh. I, 247.
Fanon, phanon I, 441.
Farben, die heiligen des A. B. I, 34ü.
hellblaue für kirchliche Gewänder
nicht zulässig II, 252. — unbestimm-
te, verboten 253.
Farfa, Chronist von I, )53.
Federwild als Stoffmuster I, 14.
Fegfeuer, auf einem Messgewand dar-
gestellt I, 267.
Ferrara, allgemeines Concil II, 216.
Ferrarius, Octavius, über die Sticke-
roi bei den alten Römern I, 1 25. —
über die paenula 429. — Ursprung
der Kasel 430 f. — tunica 442. II, 3().
Ferula II, 219.
Fey, A. über die Albe II, 50.
Fiesole, Fra Angelico da I, 115. f IUI.
263. II, 93.
Fimbriae II, 106.
Firmus, von Kaiser Theodosius besiegt
II, 151.
Flodoardus, Geschichtschreiber II, 219.
Florenz, tiauptsitz der Seidenweberei
im XV. Jahrh. I, 47. — sendet Sei-
denwirker nach P'rankreich 67. —
palazzo degli Uffici 115. — Gemälde
von Fiesole in St. Marco 116.
Flügelaltäre u. Flügelbilder, gestickte
I, 264 f.
Fügen, Fräulein, Kunststickerin I, 319.
Fossius, über fanon l, 441.
Francisque-Michel,ArchäologI, 22. 144.
P'rankfurt, Dom I, 288.
Frankreich. Geschenke an das Aache-
ner Münster beim Ableben des Kö-
nigs l, 104. — Mittelalterliche Chor-
kappen daselbst II, 317.
Franz I. von Frankreich erlässt Frei-
briefe für die Seidenwirker I, 75. —
Prunk bei seinem Einzug in Lyon
ibid.
Franz Joseph, Kaiser von Oesterreich
II, 234.
Franzosen, der, habgierige Zerstör-
rungswuth I, 59. Anm. 1.
Frecta II, 269. Anm. 4.
Frectura II, 177. Anm. 7.
Friedenstein, Schloss II, 336.
Friedrich II. Eröffnung seines Grabes
in Palermo I, 199. II, 7.
Frisi, Historiker II, 265.
P^-ixum^aurifrisia II, 314.
Fröhlichs. Erasmus I, 158.
Fulcher v. Chartres über Konstanti-
nopel I, 31.
Fundatum, ein Stoff I, 5.
Futterstoff, rother, an Albsäumen ver-
boten II, 241.
(i.
Gabrielle von Bourbon, geübte Sticke-
rin I, 238.
Galea-lmmerale II, 26.
Galenus I, 403.
Gallen, Abtei St., pflegt die Stick- und
Webekunst I, 146. — Byssusstoff an
einer äg3rptischen Mumie daselbst.
I, 334.
Gallus, der h. II, 219.
Gant, gantus erklärt II, 133.
Garland, John II, 333.
Gaudentius, der h., von Brescia II, 219.
Gaufrid II, 302.
Gaules, Simoune de, berühmter Sticker
I, 266.
Gavantus II, 29. 78. 238. 240. 243. 204.
f. 264. 271. 273. 286.
Geiger, Karl II, 271. Anm.
Gellius über das collobium I, 449.
Genossenschaft der Schwestern vom
ai'raen Kinde Jesu. Ihre hohen Ver-
dienste vim die kirchliche Stick-
kunst 1, 316. ft". II, 264. 266. 341.
Genua, bedeutende Seideniudustrie
I, 47.
Gepa, erfahrene Stickerin I, 155.
Gerhard, Bischofv. AngoulemeII,39. 65.
— Bischof V. Limoges. Ring in
seinem Grab gefunden II, 209.
Germanus, des h. Patr. von Constan-
tinopel, Stole I, 436.
Gewänder, goldene, in der classischen
Zeit I, 2. — bemalte 126. — ge-
druckte, kommen schon im XIII.
— 370 —
Jahrli. vor ibid. Anm. II, 2-49. —
scenerirte der Römer, nicht gewebt,
sondern gestickt I, 131. — seidene
bei den Römern, ihr Alter 421.
Gewänder der jüd. Priester, abgenutzte
zu Dochten verwandt 397. — be-
schmutzte oder zerrissene zu tragen
verboten 39S. — Kostbarkeit der-
selben 399. £F. — wurden sorgfältig
aufbewahrt 401.
— der christl. Priester in den ersten
Jahrhunderten nicht verschieden
in der Form von den profanen 418.
423. 42ti. — Verbot dieselben im
öffentl. Leben zu tragen 425.
Giani, KirchenstofFen-Fabrik II. 247.
Anm.
Giotto I, 59. 115. 263.
Gisela, die h. Königin von Ungarn.
Kunstreiche Casel von ihrer Hand
1, 150. 155. 157 £f.
Glinsky, I, 56 Anm.
Goch, Hermann von 1, 220.
Göss, Stift I, 186. Anm. 227. II, 47.
109. 296.
Goldfaden, der. Seine Bereitung im
Mittelalter I, 42. 48. 161. — in neue-
rer Zeit 49. — im A. T. 366.
Goldstoffe zur Ausschmückung der
Kirchen I, 4.
Gothisch. Erklärung dieser Bezeich-
nung I, 63.
Gousset, Cardinal II, 112.
Grabtuch, das, des Heilands, I 334 Anm.
Gramata II, 39.
Gramicia ibid.
Gran, Domschatz II, 211.
Granatapfel, eine Musterung, symbo-
lisch gedeutet I, 88. — Alter der-
selben 92.
Grandison, Bischof II, 332. 345.
Gregor v. Nazianz II. 150.
— der Grosse I, 438. II, 162. -
Sein sacramentarium über den
bischöflichen Ring 206. — sen-
det der Königin Theodelinde
ein kostbares Brustkreuz 213.
— IV. n, 51.
— Yll. II, 167.
Gregor IX. II, 203.
— von Tours II, 64.
Greif, der, als Musterung 1, 12.
Griechen, geübte Sticker I, 173.
Gruss, der englische, ein Gewebe I, 63.
Guarrazar. Votivkronen daselbst ge-
funden II, 150.
Gubbio, Kathedrale I, 292.
Gudrun I, 216.
Gundekar, Bischof von Eichstädt. Sein
Pontificale II, 197.
Gwantus II, 133.
Gyra I. 159. II. 37. 110.
H.
Haarschmuck in Stickereien I, 215. f.
Halberstadt, Dom I, 99. 106. 130. 147.
171. 182. ff 192, 211. 226. 341. 369.
II, 9. 73. 88. 108. 249. 277. 299.
Hartwiga, Tochter Heinrich's von
Schwaben, erfahi-ene Stickerin I, 146.
Harun-al-Raschid schenkt Karl dem
Grossen Sammtstoffe I, 101.
Hedde, Ph. I, 99. Anm.
Hedwig, Königin von Polen, stickt ein
Humerale für Krakau II, 202.
Heeren 1, 33.
Hefele I, 421. 427. II, 58. 163 293.
Hefner-Alteneck, von I, 80.
Heinrich der Heilige, Kaiser, schenkt
dem Dom von Bamberg kostbare
Messgewänder I, 164. ff. — Seine
Tuniceila in München 171.
— VI. Eröffnung seines Grabes in Pa-
lermo I, 199. II, 7, 137.
— III. von Frankreich. Ein Gastmahl
desselben I, 81.
Heider II, 110. 295. 299.
Helena, die h. Kaiserin. Angebliche
Stickerei von ihrer Hand I, 133
Helgald, Mönch II, 114.
Hemmling I, 263.
Herdt, de II, 2H.
Heribert, des h. Erzbischofs Messge-
wänder II, 103.
Herodes nimmt die hohepriesterlichen
Gewänder in Gewahrsam I, 401.
Herodot über zwei Arten des Webena
I, 405.
— 371 —
Hervee, Bischof von Troyes II, 210.
Hibarah, ein Stofif I, 19.
Hieronymus, der h., über die hh. Ge-
fässe in der ersten christl. Zeit I, 2.
— gegen die Kleiderpracht seiner
Zeit 2. 133. — über die brachae
der jüd. Priester 330. — tunica 332.
335. — pileus 348. — pallium 356.
360. — ephod. 370.404. — die prie-
sterlichen Gewänder 443. — II, 20.
150. 152. 1.58.
Hildebert, der h., Bischof v. Meaux.
Wunder bei der Consecration II, 133.
Hildesheim I, 105. II, 103. — Gode-
hardikirche 113.— Grabmonuraente
im Dom 343.
Hirschmuster, 343. symbolisch gedeu-
tet I, 55.
Hittorp, Cölner Stiftsdechant II, 133.
HohenzoUern, der Fürsten von, Frei-
gebigkeit an die Kirche I, 84.
Holol, ein Stoff, 41.
Homer I, 124.
Honorius Augustodunus I, 42ii. 428.
445. 448. II, 19. 64. 132. 135. 219.
278. 290. 331.
Hormisdas, Papst II, 272.
Hrabanus Maurus I, 439. 441. II, 5. 20.
64, 79. 261. 276.
Hugdietrich I, 217.
Hugo, Bischof v. Chalons II, 39.
— der h. Abt von Cluny II, 134.
165. 289.
— von St. Victor II, 85.
Hungertücher I, 187.
Hyazinthfarbe, die I, 367.
Hyrkanus,Erbauer d. Tempelburg 1,401.
J.
Jaen, bedeutende Seidenzucht I, 40.
Jakobus, des h. Apostels, Gewänder
J, 443. II, 150,
Jarchius I, 357. 388.
Ibi et ubi I, 168. Anm.
Ibn-al-Khatib I, 41.
Iburg, Abtei II, 66. 211.
Jerusalem, bedeutender Seidenhandel
I, 174.
Imizinum, ein Gewebe I, 5.
Innungen, der, Opfer an den Festen
ihrer Patrone I, 85.
Innocenz II. — II, 203.
— III. — II, 15. 32. 84. 135. 207.
216. 222. 251. 262
IV. - II, 344
Inschrift einer Miter aus dem XII.
Jahrh. II, 171.
Inzigkofen, Kloster II, 270.
Joar II, 159.
Jobst V. Mähren, schenkt der Olmützer
Kathedrale i-eiche Ornate I, 245.
Johanna, Königin von Navarra. Ihr
Leichenbegängniss I, 104.
Johannes, des h. Apostels, goldene
Stirnbinde I, 423. II, 150.
— Erzbischof von Ravenna I,
Jolye, Colin, berühmter Sticker I, 265.
384. 386. 388. 393. 397.
Josephus, Flavius I, 335. 340. ff. 348.
350. 356. 364. 369. 371. 378. 379.
384 386. 388. 393. 397.
Isabella, Schwester Ludwig's des Heil,
erfahrene Stickerin I, 238.
— von Baiern. Ihr Brevier I, 243.
Isidor von Sevilla I, 140. 428. 436. 444.
449. 452. II, 34. 57. 206.
Ispahan, ein Seidengewebe I, 41.
Italicum opus II, 48.
Italien. Hoher Aufschwung der Seiden-
industrie im XIV. Jahrh. I, 58. fi'. —
Die Stickerei im XV. Jahrh. 255. ff.
Italiener gründen eine mächtige Co-
lonie von Seidenwebern in Lyon I, 76.
Juda Leo über die Aufljewahrung der
hohepriestei'l. Kleider I, 401.
Juden handeln mit falschen Reliquien
I, 29. Anm.
Judith, Kaiserin, geübt in der Stick-
kunst I, 145.
Jumieges, Abtei II, 176.
Justinian I. schenkt der Peterskirche
Seidengewebe I, 4. — führt die Sei-
denzucht ein 27.
Justinus Martyr I, 360.
Jutta, Köuigin, schenkt dem Dom zu
Prag einen ko.stb. Altarvorhang 1, 245.
Ivo von Chartres I, 381. 383. 426. II,
5. 79. 195.
25*
— 372 —
K.
Kampf, der, mit dem Drachen, auf
einer mittelalterliclien Teppichwir-
kerei dargestellt I, 300.
Kapellen bei Geldern I. .305.
Karl der Grosse. Die nach ihm be-
nannte Dalmatik I, 9. II, 95.
Kunstfertigkeit seiner Töchter
145. — Sein angebliches ßrust-
kreuz II 215.
— der Kahle schenkt der Kirche
St. Denis ein Messgewand mit
der descriptio totius orbis II, 114.
— IV. II, 205. Eröffnung seines
Grabes in Prag I, III. Sein
Krönungsmantel 314. Anm. 3.
— der Kühne. Sein Inventar I, 2G4.
— II, 203.
— V. von Frankreich. Sein Schatz-
verzeichniss I, 12. 105. 243. 265.
— VI. Sein Schatzverzeichniss I, 244.
— VII. von Frankreich. Sein reich
gestickter Mantel I. 265.
Karl VIII. Freibriefe für die Seiden-
weber I, 75.
— Bischof von Novara. Verordnung
über die Ausdehnung der liturg.
Gewänder II, 28. 240. 320.
Karthago. Das 4. Concil daselbst über
die Albe I, 444.
Kaschau, Dom II, 70.
Katakombe Platonia II, 157.
Keller hofen, Chi'omolithograph I, 116.
Kimichius beschreibt das Ephod Aa-
ron's I, 370.
Kirche, die, in ihrem Schmuck I, 179 fl".
Kirchenschmuck, eine Zeitschrift 1, 321.
II, 240.
Kleiderpracht im XV. Jahrh. I, 80.
Köperstoff I, 18.
Konrad, Bischof v. Halberstadt, bringt
kostbare Stoffe aus dem Oi'ient I,
16. 171. 189. II, 33.
Kopfbedeckung in der ältesten Zeit I,
346. — der jüdischen und christ-
lichen Priester 351.
Koran, der, verbietet Seidenstoffe zu
tragen I, 37
Kosmos, Mönch, bringt die ersten Sei-
denwürmer nach Europa I, 27.
Krakau, Domschatz II, 182. 202.
ILreischgauer, lustitut für kirchliche
Stickerei zu Paris I, 315.
Kreuser I. 11. 26. 320. 417.
Kreuz, im heidnischen Alterthum be-
liebtes Ornamens I, 16.
Kunigunde, die h. Kaiserin, in der
Stickkunst erfahren I, 155.
Kunst, die kirchliche. Lehrmeisterin
der weltlichen I, 64. f. Ihr Auf-
schwung seit dem XI. Jahrh. 44.
179. ff. — Ihre heutige Verweltli-
chung 65. Anm. — die christliche
im Gegensatz zur heidnischen 112 fl'.
Kutte II, 334.
L.
Lambecius II, 53.
Lambert, des h., Bischofsstab II, 223.
Anm.
Lamberty, Spitzenfabrikant II, 240.340.
Lamina, ein platter Goldfaden II, 139.
Lampridius I, 129.
Lanfrank II, 289.
Laon, statuarium der Cathedrale wich-
tig für das Studium der liturg. Ge-
wänder II, 130.
Laurent, Bischof von Chersones I, 248.
286.
Laurentius, der h., Gemälde des XIV.
Jahrh. II. 93.
Le Mire, Anfertiger von Kirchenstoffen
I, 90. f 315.
Lemnisci II, 153.
Leo der Grosse II, 152.
— III. I, 23. Die nach ihm benannte
Dalmatik 200. ff. — Chorkappe
zu Aachen 211. — erhält von
Kaiser Nicephorus ein Brustkreuz
zu Geschenk II, 213.
— IX. verleiht dem Abt von Monte
Cassino die bischöfl. Handschuhe
II, 134. — dem Erzbischof von
Trier die Röm. Miter 163.
— Cardinal-Bischofv. Ostian,37. 134.
Leodegar, des h. Bischofs von Autun,
Ring II, 208.
— 373 —
Lessing, Archäolog I, 38.
Leucorhodinuin, ein Stoff I, 7.
Levantin, StofCnaine 1, 56.
Levide, ausgezeichnete Sticlcerin des
XL Jahrh. I, 155.
Ijibyen. Lebhafter Seidenhandel I, 29.
Limbus, lymbus I, 186, II, 110. 138.
Limburg a. d. L., Donischatz II, 221.
Linas, de, Archäolog I, 292. Anm. II,
87. Anm. 4. 13.3. 146. 175. 176.
Linz, Pfarrkirclie II, 334.
Lisbona. Bedeutende Seidenmanufac-
turen I, 39.
Listae aureae II, 106.
Literae gentiles II, 312.
Liutharius, Benedictinerabt II, 291.
Löwenmuster I, 11. 17. 66.
London. Schatzverzeichniss von St.
Paul (1295J I, 55. II, 9. 119. 140. 176.
269. 2S2. 310. — Kensington-Museum
II, 229. 243. f.
Loning, Archäolog I, 260.
Leonpreri, de Orientalist I, 42. 53.
Lorum-mitra II, 150.
Loudon, de, Bischof v. Mans II, 143.
Lucca. Blühende Seidenraanufactur im
XIII. Jahrh. I, 45. — Ausv^andcrung
von Seidenwebern 46.
Lucretius I, 127.
Ludwig IX. Reiche Gewänder in sei-
ner Kapelle I, 105.
— XI. befördert die Seidenfabri-
cation in Lyon I, 75. — Klei-
derpracht bei seinem Einzug
in Lyon 76. — zieht auslän-
dische Künstler nach Tours 77.
— V. Anjou, Bischof v. Toulouse.
Seine Miter II, 176. — Seine
Chorkappe 319. Anm.
Lütticli, St. Lambert daselbst zerstört
II, 203.
Lundius, Johann I, 355.
Lyon. Seine grosse Seidenindustrie I,
74. 76. f. — Museum 2.
M.
Maastricht, St. Servaz I, 219. — Lieb-
fraueukirche II, 276.
Mabillon II, 195. 221. 265.
Magnoaldus, der h, 219. ,
Majestas Domini, eine spätkarolingi-
sche Stickerei I, 148. 201.
Mailand, Provinzial-C'oncil das. gibt
wichtige Vorschriften über die litur-
gischen Gewänder II, 28. 227. 241.
255. 328. 330.
Maimonides über die priestorl. Ge-
wänder des A. B. I, 325. 331. 333.
335. 341. 3.56. 366. 370. 378. 38.5.—^
über deren Anfertigung 412. '
Mainzer Schatzverzeichniss des Doms
II, 140. — St. Stephan I, 298. II, 103.
Manieale II, 142.
Manutius I, 130 Anm.
Marcellus IL, Pabst Geschenk» an die
Kirche von Gubbio I, 292.
Margaretha von Burgund. Kostbare
Stickerei von ihr zu Aaclien I, 239.
— von Schottland, geülite Stickerin I,
238, Anm. II, 289.
Maria, die seligste Jungfrau. Zahl-
reiche Darstellungen derselben seit
der frühesten Zeit I, 24. — Auf-
nahme 258. — Verkündigung 269.
Krönung 271. — Compassio 283.
— Agyptiaca, in einem Gewebe dar-
gestellt I, 61.
— V. Ungarn. Kunstreiche Stickerei
von ihrer Hand im Aachener Schatz
I, 239.
Marlot II, 196.
Marokko, lebhafter Seidenhandel 1,29.
Martens, Fräulein, Kunststickerin I,
288. 319.
Martial I, 127. 365.
Martin, des h. Bischofs von Tours,
Mantel II, 294.
Martin u. Cahier I, 6. 12. 17. 69. 214.
259. II, III. 220, 225.
Martinsberg, Abtei in Ungarn. Inte-
ressantes Byssusgewaud daselbst I,
159. — Schatzverzeichniss II, 71.
280. 308.
Maternus, der h. II, 222.
Mathilde, Äbtissin v. Quedlinburg, fer-
tigt einen Kaisermantel für Otto III.
I, 155.
— Königin v. Schottland I, 141.
- 374 —
Maximilian I. wallfahrte nach Ech-
ternach II, 337.
Meichelbeck II, 38.
Meinwerk, der h. I, 362. Anm. —
Seine Casel II, 103.
Menage, Hub. Institut für kirchliche
Stickerei I, 315.
Menardus II, 195.
Merlo I, 274. Anm. II, 76. 88 Anm. 247.
Metaxis I, 48.
Metz II, 292. — Verordnung des Con-
cils daselbst über die Kleidung der
Kleriker 325.
Meving, von I, 312.
Michelsberg, Abtei, Schatzverzeichniss
II, 144. 284.
Milet, Wolle von I, 399.
Missa Illyricorum II, 134.
Miter mit gemalten Stäben II, 174.
— neuester Zeit nach mittelalterlichen
Mustern I, 317.
Mittelalter. Seine Begeisterung für die
kirchliche Kunst I, 44. 179. ff.
Mizillus I, 5.
Mi^inum I, 5.
Mönch, der, von St. Gallen 1. 19. 28.
Moleon, de II, 316.
Molinet II, 353. 454.
Monasticum anglicanum II, 65.
Monoloris II, 37.
Montauld, Barbier de II, 174.
Monza, St. Johann II, 214. 265 —
Schatzverzeichniss 72. 270. 282. 309.
Morard, Abt. Stab in seinem Grab
gefunden II, 219.
Morea I, 27.
Mosaikstickerei I, 301. 318.
Moucy, Johan de, Sticker I, 266.
Müller, Bischof v. Münster II, 230.
— A, Maler I, 269.
— 0., I, 430.
München, königl. Pinakothek I, 118.
— Maximilian-Museum II, 237. 281.
Münster, bischöfl. Museum I, 272. II,
2'M).
Münstereifel I, 286.
Murena II, 51.
Musterung der mittelalterlichen Ge-
webe II, 105.
N.
Nacho, ein Seidenstoff II, 45. 313.
Anm. 1 .
Napoleon I. Ki'önungsornat I. 312.
Neapel, Bourbonisches Museum I, 2.
128. — Gestickte Altartafeln 264.
Nero. Tücher bei seinem Leichen-
begängniss I, 2.
Neu-Haaren. Pfarrkirche II, 217.
Nikolaus der Grosse II, 159.
Nicephorus, Patr. von Constantinopel
II, 57.
— Kaiser II, 213.
Noce, Angelo della I, 13.
Norwegen, Mittelalterliche Gewänder
I, 266.
Nürnberg I, 90. — Reichskleinodien
dort aufbewahrt 288. — Schatzver-
zeichniss von St. Sebaldus 289. II,
124. I, 304.
0.
Oberwesel, Liebfrauenkirche II, 350.
Octapolum, Stoff I, 5.
Ofen, Schloss II, 292. — Concil 335.
Olfers, von I, 56. 165. Anm.
Olmütz, Domschatz I, 245- — Schatz-
verzeichniss II, 22. 44. 122. 283. 315.
Oloveron, ein Stoff I, 138.
Optatus Milevitanus I, 158.
Opus anglicum, anglicanum I, 209. —
araneum II, 239. — • choscheb I, 365.
— phrygicum 125. — plumarium,
plumatum, plumare, plumeum 138.
140. — polemitum, polymitum 140.
340. 366. — propulsatum 386. 389.
— rokem 365. — spicatum 179.
Or battu, erklärt I, 294.
Ora II, 110.
Orarium^stola I, 439.
Orbis terrarum, in Stickerei dargestellt
I, 144. 168. II, 114.
Ordo Romanus, der alte II, 84. 133.
f. 259. 261. 289. f.
— II, — II, 153.
— XIII. - II, 143.
Organ für christl. Kunst II, 240,
Origenes I, 140.
Ornit's Meerfahrt, ein Gedicht I, 216.
— 375 -
Ossey, Benedictiner-Stift I, 173. Anm.
Otto III., Kaiser II, 271. 291.
- V. Freising II, 33. 175. I, 173. 250.
P.
Paderborn. Liborius-Teppich I, 320.
Padua. Schatzverzeichniss v. St. An-
tonio II, 314.
Paenula, erklärt I, 429. — Capuze an
derselben vielleicbt Ursprung des
Humerale 432.
Pala d'oro L,. 21. — linostiraa I, 436.
Palermo, durch seinen Kunstfleiss be-
i-ühmt I, 34. ff.
Pallium I, 4. — orbiculatum I, 203.
II, 247. — phrygium I, 127. — qua-
drapolum II, 105. 282. — reticula-
tum oder lacuatum I, 333. — rota-
tum 16. 165. Anm. II, 246. — scu-
tellatum I, 8. 86. 165 Anm. II, 67.
Pannus tartarius II, 92 Anm. 4.
Paratura II, 139.
Pardubitz, von, erster Erzbischof von
Prag II, 204.
Paris, Mathäus») voni, 210. II, 345. 347.
— Louvre-Museum I, 116. II, 93.
— Museum des hötel Cluny 153. —
Concil daselbst über die Kleidung
der Geistlichkeit 326.
Parura I, 110. 161. II, 20.
Patrizi, Cardinal II, 256.
Paulus, des h. Apostels paenula I, 294.
— Papst I, 4.
— Sl. Benedictiner- Abtei in Käru-
then II, 294.
Peculum n, 315. Anm. 2.
Pelldram, Bischof v. Trier II, 217.
PendiUa II, 153.
Pera corporalium II, 268.
Perceval, Gedicht I, 236.
Periclysis I, 159. II, 37. 298.
Perlstickerei I, 207.
Perser I, 19.
Pertz, II. 38. 115.
Pestcaseln II, 250.
Pesth, Museum II, 215.
Peter, Bischof von Anagni II, 334.
1) Nicht Mathias, wie irrthümlich im Text
stellt.
Petri auri II, 75. 316.
Petrus, des h. Apostels cathedrale 1,417.
Philipp, Bischof v. Beauvais I, 224.
Philo I, 364. 386. 388.
Philologie, Hochzeit der, eine Sticke-
rei I, 146.
Phrygier, Erfinder der Stickkunst 1, 1 26.
Phrygiones, vestes phrygioniae I, 127.
Phrygium II, 150.
Physiologus I, 176. 178.
Pictus, erklärt I, 126.
Pmchas, Vorsteher der Tempelweber,
I, 412.
Plaeti de auro II, 75.
Plaga, plagula I, 110. 452. II, 20.
Planeta, erklärt I, 427.
Plica II, 45 Anm. 3.
Plinius I, 2. 125. 127. 367. f. 395. 400.
II, 132.
Pluviale, das I, 212. 223.
Hoixikia, Tioiy.ü.i6y I, 139.
Pollux I, 406.
Porträt- Stickereien i. Mittelalter I, 236.
Praetexta I, 129. 186. II, 106. 138.
Prag I, 205. 240. 242. 244. 249. 315.
396. Anm. — Schatzvei-zeichniss II,
21. ff. 43. f. 120. 139. 141. 204. 216.
228. 270. 282. 312.-355.
Pseudo-Alkuin II, 343.
Prudentius I, 127.
Przezdziecki, Alex. II, 182. f. 203.
Pugin I, 314.
Purpurfarbe 1, 6. 1 38. 1 49. 367. 399. Anm.
Q.
Quadrapola, quadruplum I, 5.
Qualburg bei Cleve I, 305.
Quartiermeister des lieben Herrgotts
I, 45.
Quasten an den Hüten der Prälaten
II, 359.
Quedlinburg, Abtei I, 182. II, 216. 221.
Quinaude, Gillon, berühmter Sticker
I, 266.
R.
Radix Jesse, eine Stickerei II, 310.
Ragenfred, Bischof von Chartres, Bi-
schofsstab II, 221.
— 376 —
Ramboux, Conservator I, 134. Aum.
3n. f. 318.
Raphael I, 307. II, 254.
Rastawiecki, Eduard II, 183.
Ratoldus, Abt von Corvey I, 382. II,
85. 195. 208.
Rationale episcoi^orum I, 381. fi'.
Ravenna, St. Vitale I, 434. 437. —
Concil II, 335.
Raynold, Walter, Erzb. von Canter-
bury II, 332.
Reafan I, 147.
Reccesvinthus, Gothenkönig II, 153.
Redimiculum II, 151.
Reginald v. Durham II, 334.
Regensburg Dom II, 197. III. — St.
Emmeram I, 154, II, 112.
Reichensperger I, 118.
Reichskleinodien, die deutschen II,
75. 238.
Renaissance. IhrEintluss auf die Stick-
kunst I, 306.
Rheims. Dom I, 382. 233. 291. II, 91.
112. 136. 195. — St. Remy 155. —
St. Thierry I, 244.
Rhodinum, ein Stoff I, 7.
Rhodomelina, ein Stoff ib.
Riculph, Bischof von EUi II, 65. 133.
207.
Richard, deutscher König. Sein Krö-
nungsornat I, 212.
Richard IL, König von England II, 333.
Richlin. Kunstgeübte Stickerin I, 146.
Rienzo, Cola di I, 202.
Rigaud, Eudes, Erzb. v. Rouen I, 218.
Riquier, St. Kirche II, 135. Anm.
Ritterthum. Sein Glanz nach den Kreuz-
zügen 1,44. — Rittertracht 103. 216. ff.
Rocca, F. Angelus II, 17. 157.
Rochester II, 302.
Rock, Dr. I, 141. II, 154. 228. 231.
302. 303. 333. 345.
Roger von Sicilien, Beförderer der
Seiden-Industrie I, 33.
Rom. St. Peter II, 94. 214. — St. Jo-
hannes im Lateran 299. — St. Mar-
tino del monte 157. 172. — Haupt-
lagerplatz oriental. Tücher im Mit-
telalter I, 32.
Rotellus, erklärt II, 177. Anm. 6.
Rottenburg, Kunstverein 1, 321.
Rouen, Concil II, 331.
Rubenius I, 429.
Rubens I, 307.
Rutinus I, 371.
Ruhl II, 305.
Ruinart II, 196. 203.
Rupert von Deutz II, 216. 331.
S.
Sacrament, das allerh., in einem Ge-
webe I, 62.
Salmasius I, 140. 403.
Salmur I. 11.
Salzburg, Dom I, 228. II, 175. 299. —
St. Peter 112. 170.
Sambuoa II, 219.
Samir I, 378.
Samos, Wolle ven I, 421.
Sammt, erklärt [, 329. — Erste Spur
eines Sammtgewebes 99. — Seine
Fabrication im Mittelalter und heute
107. — Kostbarkeit desselben im
Mittelalter 108 fif.
Samson, der h. Bischof II, 152.
Sampdallo, ein Stoff I, 81.
Sarazenen. Ihre hohe Kunstbildung I,
34. ff.
Sarum, der ecclesia, Schatzverzeich-
niss II, 21. 42. 58. 72. 311.
Satin I, 70. 79,
Saussay, du I, 422. 428. II, 17. 25. 32.
38. 69. 132. 157. 208.
Schanat II, 64.
Schesch, erklärt I, 329.
Schnaase I, 11.
Schneider, Architekt II, 217.
Schwamm statt des purificatorium II,
260.
Schweden. Alte Stickereien I, 267.
Schweiz. Seidenindustrie I, 79.
Scylla und Charybdis, eine Stickerei
I, 177.
Seide. Ihr hoher Werth in der Rom.
Kaiserzeit I, 26.
Seidentextur im Mittelalter II, 104.
Seidenwürmer, die ersten in Europa
I, 3.
— 877 —
Sens, Concil II, 330.
Sevilla, bedeutende Seiden-Manufac-
turen I, 39.
Serge I, 56.
Servius I, 130. Anra.
Sicilien. Einführung der Seidenweberei
I, 33. — Bedeutender Seidenhandel
I, 174.
Sighart, Prof. II, 38. 69. 200.
Silva plana. Benedictinerkloster mit
einem Institut für kii'chl. Weberei
und Stickerei I, 153.
Simeon, des h. v. Trier, Kopfbedeckung
II, 347.
Smilo, Sacristanpriester in Prag II, 141.
Soest I, 116. 271.
Spanien. Hauptsitz der Seiden-Manu-
factur I, 7. 39. ff. 68. 174. — Sti-
ckereien von Infantinnen 239. —
Stickerei in der spätgothischen Zeit
259. ff. — Spanien's Banner 260.
Spatuli ad arma II, 75.
Spencer, über Urim u. Thummim I, 380.
Speier, Dom I, 288.
Spitzen, Brabanter II, 264.
Stanislaus, der h. Bischof von Krakau
II, 182.
Stephan, Pabst I, 135.
— Bischof von Tournay II, 332.
Stephanus Aeduensis II, 87.
Stern, beliebtes Ornament im heidni-
schen Alterthum I. 16.
Stickerei, Lieblingsbeschäftigung der
edelen Frauen im Mittelalter I, 238.
— Ihr Verhältniss zu den übrigen
Künsten 262.
Stigand, Erzb. von Ely I, 143.
Stoffnamen I, 7. 8.
Stoffe, kostbare, häufig zu Geschenken
an die Kirchen verwandt I, 103. ff.
Storax, storacinum I, 4.
Strabo, Walafried I, 307. 414. 426. 438.
II, 20. 84.
Stralsund, Kirche der Calandsbrüder
II, 277.
Strumpfwirkerei, wann erfunden II, 1 46 .
Strzempinski, Thomas, Erzb. v. Kra-
kau II, 181.
Subtile I, 448.
Sueton I, 387.
Suidas I, 429.
Suinthilanus, Gothenkönig II, 153.
Supertunicale II, 326 Anm.
Sylvester I, Pabst führt die Dalmatik
ein I, 449. II. 261. — über den Stoff
der Gewänder I, 451. II, 275.
T.
Tankred I, 35. A.
Traquinius Priscus, sein Triumphzug
I, 2.
Tambouret (-Stich), erklärt I, 207.
Tassellus II, 139. 303.
Tempel, die beiden, zu Jerusalem 1,412.
Teppiche, kirchliche I, 182.
Teppichwirkerei des Mittelalters I,
299. ff.
Tertullian I, 423.
Tetravela I, 136. 181.
Texier, abbe II, 209. 221.
Than, Philipp de, Verfasser des Uber
bestiarius I, 12.
Theodorich II., Erzb. v. Cöln, Schätze
dem Herzog von Cleve verpfändet
n, 145.
Theodelinde, Königin. Ihre Votiv-
krone II, 153. 265. Evangelistarium
ders. 209. — Erhält ein goldenes
vom h. Gregor d. Gr. 213.
Theodoras Balsamo, griech. Schrift-
steller II, 150.
Theodosius, Kaiser, erhält von dem
besiegten Firmus eine priesterliche
Krone II, 151.
— Patr. von Jerusalem, sendet dem
h, Ignatius von Coustantinopel die
Gewänder des h. Jakobus I, 443.
Theodulph, Bisch, v. Orleans II, 152.
— Pergamentcodex zu Le Puy
I, 99.
Theophylakt, über palästinische Art
zu weben II, 405.
Thierfratzeu, ihre Bedeutung I, 9.
Thomas, der h., Erzb. v. Canterbury,
ein Messgewand I, 185. Miter II, 168.
— der h. Kirchenlehrer II, 222. Anm.
— a Kempis II, 125.
Tiberius, Kaiser, verbietet seidene
378
Stofife zu tragen 1,26. — gibtden Juden
ihre priesterl. Gewänder zurück 402.
Tintinuabula an Gewändern I, 213.359.
Tiraz, ein kostbares Gewebe I, 41. —
Hotel de, normannisches Institut für
Weberei und Stickerei 34. 37. 98.
174. II, 41. 175
Toga, die Rom. I, 129. — picta et
palmata ib. — nicht Vorbild der
Casel 431.
Toledo, Concil II, 207. 218.
Tongern, Stiftskirche II, 318.
Tours. Seidenfabriken I. 74. — St. Gre-
gor II, 114 — Concil- Verordnung
über d. Kleidung d. Geistlichen 11,326.
Tramites I, 452. II, 106.
Trebellius I. 339.
Trezisa, Synode zu, über die Farbe
des priesterl. Gürtels II, 328.
Trier, Schatzverzeichniss des Doms zu
II, 72. 140. 347.
Trin coutesimum I, 138.
Tritheim II, 206.
Trivulse, Jacques de, gibt Ludwig XII.
ein Fest I, 81.
Troja's Eroberung, eine kunstreiche
Stickerei I, 143.
U.
Uerdingen, kunstreicher Ornat I, 270.
Upsala, Dom I, 267.
Urban II. verleiht dem Abt von Cluny
die bischöfl. Ornate II, 134, 165.
— III. II, 203.i
— V. II, 159.
Utrecht, erzb. Museum II, 294.
V.
Valencina, belgisches Kloster, durch
Stickkunst berühmt I, 146.
Variare I, 140. Anm.
Varro I, 339. 354.
Veldecke, Heinrich von I, 102.
Velours, erklärt I, 101.
Velvetum, ein Stoff, erklärt II, 311.
Anm. 1.
Venedig. Bedeutender Seidenhandel
I, 28. — Schatzverzeichniss von St.
Marco II, 284.
Venetianer, Seiden weber - Zunft in
Brügge I, 78.
Verbrämen, erklärt I, 127.
Vercelli. Madonna von der h. Helena
gestickt I. 133.
Veridella II, 72. Anm. 4.
Verklärung des Herrn I, 201.
Vermiglio, vermeil II. 309.
Verona, S. Zeno II, 157. 172. 346.
Vert, Claude de II, 155. 349. Anm.
352. 358.
Vestes ecclesiae I, 20. — clavatae 452.
— rectae 405. — stauracin II, 107.
Vestimenta altaris I, 4.
Victor III. II, 33.
— der h. Bischof von Ravenna
I, 136.
Vierfüssler als Stoffmuster I, 14.
Vindicianus, der h. II, 155.
Violette, Roman de la I, 218.
Virgil erwähnt gestreifte Stoffe I, 18.
— Stickereien 124. f.
Virgulae an Gewändern I, 452.
Vitta II, 106. 151.
Vogeno, Goldschmied II, 217.
Vopiscus II, 36. f.
Voragine, Jakobus') a II, 113.
Vrede, Fürstin, für mittelalterl. Stick-
kunst thätig I, 320.
W.
Wärmapfel, der II, 145.
Wantus, gwantus II, 133.
Wappensticker-Zunft s. Cöln.
Wartenberg, Bischof II, 200.
Weale, James II, 56.
Webereien, historische I, 12. — ihr
Zweck als Kirchenschmuck 22 —
Hauptvorwürfe für bildliche Dar-
stellungen in kirchlichen ib. — pro-
fane, ihre bildlichen Darstellungen
64. — maurische, ihre Textur 70. —
mittelalterliche, ihre Seltenheit und
wo sie zu suchen 7 2. — ihr Einfluss
auf Skulptur und Malerei 112 ff.
Wedekin, Bischof v. Hildesheim 11,216.
Im Text steht irrthümlich Juhaiines a. V.
Weinsberg'. K(jiii ;uI v , Erzb. v. Mainz
II, 202.
Weis?:. Prof. I, 430.
Vveyer, Baumeister I, 12(1. 11, 212.
Wiborad, d. h , fertigt ku.stljMi'e l'^iu-
biiiide für Messbüchor I, MO.
Wien. Der deutsche Kaiserschatz I,
107. tf. 235. II, 7. 74. 95. 281. —
Kostbare liturg. Gewänder des Or-
ilens vom goldenen Vliess I, 21)5.
II, 128. 301.
Wigolois der Ritter I, 103.
Wilhelm von Cöln I, 119. 206.
— Bastard I, 143.
Willegis, des h , Casel I, 432. II, 103.
Wisoman, Cardinal I, 417.
Withlaf, Köllig v. Mercia I, 143.
Wolfgang, des h , Mitra II, 169.
Wykeham, William of, Bischof II, 131».
Würzbui-g,Schatzvor/eichniss 11,24 4.i
X.
Xanten I, 268. f. II, 103. 299. 318.
Y.
Yahya (Johann), Kniiststicker Wil-
helm'« II. von Sicilien I, 37.
Ymagiers, Innung der II. 224.
Z.
Zacliarias, Pabst I, 4.
Zonae I, 452.
26**
Erklärung der lithograpliirten Tafeln und Be-
zugnahmen auf dieselben.
Tafel
I.
II.
III.
IV.
V.
VI
VII.
VIII.
IX.
X.
XI.
XII.
XIV.
XV.
XVI.
XVII.
XVIII.
XIX.
XX.
XXI.
XXII.
XXIIl
XXIV.
XXV.
XXVI.
Seite
15. 18.
20. 2B. 27. 30. 237.342
23. 27. 35.
2(5. ()8. 83. 280.
56. 59. 60. 62. 88. 91,
242.
90.
98. 99. 136. 144.
74. 81. 108.
97.
16. 18. 90. 168.
26. 89.
26. 113. 168.
136. 229.
181. 307.
68. 80. 170. 172.
181. 320.
68. 69. 77. 80. 170.
137. 139. 147.
139. 147.
153.
154. 155. 156. 159.
161. 162.
168. 169.
155. 172. 173. 178.
185.
180.190.192. 199.202
II. Band.
Tafel
XXVII.
XXVIII.
XXIX.
XXX.
XXXI.
XXXII.
XXXIII.
XXXIV.
XXXV.
XXXVI.
XXXVII.
XXXVIII.
XXXIX.
XL.
XLI.
XLII.
XLIII.
XLIV.
XLV.
XL VI.
XLVII.
XLVIII.
XLIX.
L.
LI.
Seite
200.
209. 210. 211.
214.215. 217. 218.
221.222. 224.230.
319.
231. 235. 346.
246. 248.
247.
247.
263. 268. 271.
265.
281.
286.
291.
295. 296.
297. 308. 310.
297. 303. 310.316.
298. 310.
307. 348.
292.
335. 348. 352. 353.
305. 306.
305. 306. 307.
351. 353.
335.347. 349. 351.
353.
341.
Druckfehler- Verzeichniss.
In Folge der h;iuii<icii Abwesenlicit dos Verfassers vum Druckortc. haben
sich mehrere Unriolitigkeiteii eingeschlichen. Nur die auftitUendsten sollen in
dieser Beilage liezeichnet werden; hinsichtlich der weniger störenden rech-
nen wir im Voraus auf die Nachsicht der Leser.
Im ersten Band.
Seite 101 zu Aum. 5.
Robert Guiskard kam erst nach 1050 nach Italien, erst 1080 gründete er
das Königreich Neapel; Palermo insbesondere ward erst 1071 den Sarazenen
entrissen : — ■ es muss mithin schon vor Robert ein solches Institut dort be-
standen haben.
Seite 102 Zeile 13 von oben lies: Walther von der Vogelweide.
V 195 16 » ■■■> ■> Den Heiland.
227 » 12 » unten die Stadt Br.
> 231 » 1 » oben v Bonifaz VIII.
254 ' 5 » - Bonifaz VIII.
257 ' 14 ••- - Einen andern Grund.
Im zweiten Band.
17 Aiim. 2 lies: osculatione.
113 Zeile 21 von oben lies: Jakobus a. Voragino.
-> 135 * 9 ' inconsutilis.
» 139 » 15 - ' einen emaillirten.
V 167 ■ * 4 Gregor VII.
187 ' 4 - unten zu streichen: Justinian — Beiisar.
Es sind hier zwei verschiedene Notizen in einander geflossen, nämlich
die Gregor's d. Gr. über die Verleihung des Pallium an Syagrius v. Autun
und eine andere von P. Vigilius, der im J. 545 Auxanius v. Arles zum apo-
stolischen Vicar von Gallien erhob und demselben zugleich das Pallium über-
sandte mit dem Bemerken, er habe durch Beiisar die Erlaubnis« Justinian's
hierfür erwirkt. (Baron, ad ann. 545. 6.)
Seite 210 Zeile 1 von oben lies: Einen andern.
» 247 V 18 » » » und des.
» 332 » 12 V » » Spicilegiun).
» 345 » 6 » » » Mäthäus Paris.
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