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Full text of "Geschichte der Quellen des römischen Rechts"

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/ 


GESCHICHTE  DER  QUELLEN 


DES 


RÖMISCHEN  RECHTS. 


VON 


De.  THEODOR  KIPP, 

O.   PROFESSOR   AN    DER   UNIVERSITÄT   BERLIN. 


ZWEITE  UMGEARBEITETE  AUFLAGE. 


Leipzig 
A.  Deichert'sche   Verlagsbuchh.   Nachf. 
(Georg  Böhme). 
1903. 


M]G'^' 


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Alle  Rechte,   besonders   das   der  Übersetzung 
vorbehalten. 


K 

K  Cr 

1903 


Vorwort. 

Das  vorliegende  Buch,  welches  im  Jahre  1896  zuerst  er- 
schien und  von  dem  im  Jahre  1 897  eine  italienische  Über- 
setzung von  G.  Pacchioni  veranstaltet  wurde,  stellt  sich  zur 
Aufgabe,  eine  kurz  gefaßte  Geschichte  der  Quellen  des 
Römischen  Rechts  zu  bieten.  In  der  ersten  Auflage  habe 
ich  mich  im  wesentlichen  darauf  beschränkt,  eine  Sachdar- 
stellung mit  sparsamen  Belegen  aus  den  Quellen  und  noch 
sparsameren  Hinweisen  auf  die  Literatur  zu  geben.  Bei  der 
Neubearbeitung  dagegen  emj^fand  ich  das  Bedürfnis,  sowohl  den 
Quellenapparat  wesentlich  zu  verstärken,  wie  auch  die  Literatur, 
insbesondere  die  neuere  und  neueste,  weit  eingehender  zu  be- 
rücksichtigen. Aber  auch  abgesehen  von  diesen  Punkten 
wird  man  nach  manchen  Richtungen  das  Buch  verändert  und, 
wie  ich  hofife,  verbessert  finden.  Insbesondere  bin  ich  bemüht 
gewesen,  die  neueren  Quellenfunde  gebührend  zu  beachten 
und  gewisse  Grundfragen  der  Quellentheorie:  ins  gentium, 
aeqtiitas,  ins  naturale,  Gewohnheitsrecht,  mehr  in  den  Vorder- 
grund zu  rücken  und  in  der  Darstellung  zu  vertiefen. 

Berlin,  im  Juni    1903. 

Theodor  Kipp. 


Inhalt. 


§ 

6. 

§ 

7. 

§ 

8. 

§ 

9. 

§ 

10. 

§ 

11. 

§ 

12. 

§ 

13. 

§ 

14. 

§ 

15. 

Seite 


§      1.      Einleitung 1 

Erstes  Kapitel. 

Allgemeine   Fragen. 

§      2.      Übersicht    über  die   Formen   der   Rechtsbildung    bei   den   Römern. 

Positives  Recht  und  ius  naturale.      Jus  und  aequitas       ....  3 

§      3.      Geltung    des    römischen  Rechts    im  römischen  Reich.     Jus   civile 

und  ius  gentium 


10 


Zweites  Kapitel. 

§     4.      Das  römische  Gewohnheitsrecht 17 

Drittes  Kapitel. 

Recht  setzende   Staatsakte. 

§     5.      1.   Angebliche  Rechtsaufzeichnungen  der  Königszeit         ....  24 

2.  Die  Volksgesetzgebung.      (Leges  latae) 26 

Allgemeine  Lehren  vom  Volksgesetz         26 

Die  XI]   Tafeln         29 

Die  Volksgesetzgebung   nach   den   XII   Tafeln 36 

3.  Leges  datae  und   leges  dictae 40 

4.  Edicta  magistratuum.     Jus  civile  und  ius  honorarium      ...  44 

5.  Senatus  consulta #.  52 

6.  Constitutiones  principum t>9 

Die  kaiserlichen   Erlasse  unter  dem  Principal 59 

Die  kaiserlichen   Erlasse  in   der  absoluten   Monarchie       ...  70 

Die   Überlieferung  der  vorjustinianischen   Konstitutionen      .      .  77 

7.  Erlasse  der  Präfecti   Prätorio.      Sonstige  Beamtenerlasse        .      .  86 


—     VI     — 
Viertes  Kapitel. 

Die  Rechtswissenschaft. 

Seite 

§16.     1.  Die  repubUkanische  Rechtswissenschaft 88 

2.  Die  klassische  Rechtswissenschaft 95 

§17.  Stellung   und  Tätigkeit    der    klassischen   Rechtswissenschaft  im 

allgemeinen 95 

§  18.           Die  beiden  Schulen 100 

§19.           Die  einzelnen  Juristen  von   Labco   bis  Julian 102 

§   20.           Die  Juristen  von   Pomponius  bis  Marcellus        111 

§  21.  Die  Juristen  von  Scävola  bis  zum  Ausgang  der  klassischen  Zeit  118 
§  22,     3.   Behandlung     der     Schriften     der     klassischen    Juristen    in    der 

Folgezeit 125 

§   23.      4.   Die  nachklassische   Rechtswissenschaft 127 

§  24.      5.   Die   Überlieferung  der  juristischen   Werke 128 

Fünftes  Kapitel. 

§  25.      Leges  Roraanae  der  germanischen  Reiche .      .      135 

Sechstes  Kapitel. 

Die  Justinianische   Gesetzgebung    und    ihre    orien- 
talischen  Bearbeitungen. 

§  26.      1.   Der   Verlauf  der  Justinianischen   Gesetzgebung 137 

2.  Die   Bestandteile  der   Tustinianischen   Gesetzgebung     ....  139 

§  27.  Die   Institutionen 139 

§  28.  Die  Digesten        140 

§  29.  Der  Codex  Justinianus 144 

§  30.  Die  Justinianischen   Novellen 146 

§  31.     3.   Zusammenfassung  zum   Corpus  iuris  civilis.      Ausgaben    .      .      .  148 
§  32.     4.   Die    orientalischen   Bearbeitungen    der  Justinianischen    Gesetz- 
gebung          151 

Siebentes  Kapitel. 

§  33.      Akten  und   Urkunden 153 

Achtes  Kapitel. 

§  34.      Die   nichtjuristische   Literatur 159 


Bibliographische  Vorbemerkungen. 


Quellenwerke. 

Ausgaben  des  Corpus  iuris  civilis  s.   §   31. 

Die  Überreste  der  römischen  Jurisprudenz  außerhalb  des  Corpus  iuris  civilis 
bieten:  Krüger,  Mommsen  und  Studemund,  Collectio  librorum 
iuris  Anteiustiniani  und  Huschke,  iurisprudentiae  Anteiustinianae  quae 
supersunt.  Über  beide  Werke,  wie  auch  über  Lenel,  Palingenesia  iuris 
civilis  und  Bremer,  Jurisprudentiae  Antehadrianae  quae  supersunt  s.  §  24 
Anm.    1. 

Bruns,  fontes  iuris  Romani  antiqui.  6.  Aufl.  von  Mommsen  und  Gra- 
denwitz.  P.  I  Leges  et  negotia ;  P.  II  Scriptores  (Auszüge  aus  Nicht- 
juristen.)     Freib.   u.    Leipz.    1893. 

Wo  für  inschriftliches  Material  Bruns  versagt,  ist  zurückzugehen  auf  Dessau, 
inscriptiones  Latinae  selectae  Berol.  I  1892.  II,  1  1902  oder  weiter  auf  das 
Corpus  inscriptionum   Latinarum   (C.   J.   L.)   Berol.    1862  sqq. 

Papyrussammlungen  s.   §  33   Anm.  20. 


Darstellungen    der     römischen    Rechtsgeschichte    insbesondere 
der  Quellengeschichte. 

G.   F.   Puchta,    Kursus    der    Institutionen.    B.   I.    10.   Aufl.    nach    dem    Tode 

des  Verfassers  besorgt  von  P.  Krüger.     Leipzig   1893. 
O.  Kariowa,   römische  Rechtsgeschichte    I.  B.  Staatsrecht  und  Rechtsquellen. 

Leipzig  1885. 
P.   Krüger,     Geschichte    der    Quellen    und    Literatur    des    römischen    Rechts 

(Bindings  Handbuch   d.   deutschen  Rechtswissensch.  I,   2).     Leipzig   1888. 
F.   Schulin,   Lehrbuch  der   Geschichte  des  römischen   Rechts.     Stuttg.    1889. 
M.   Voigt,  römische   Rechtsgeschichte.      3  Bde.      Leipzig  1892  —  1902. 
P.   Jörs,    das    römische    Recht.       Birkmeyers    Encyklopädie    der    Rechts- 
wissenschaft.    Berlin   1900.      Quellen  S.   77-91. 
P.  F.   Girard,    Manuel    ^lementaire    de   droit    Romain.      3.  Aufl.   Paris   1901. 

S.  1—88. 
R.   So  hm,   Institutionen.      11.  Aufl.      Leipzig   1903.      S.    14  —  134. 
Bruns-Pernice-Lenel,   Geschichte  und   Quellen   des   römischen   Rechts  in 

H  o  Itzen  d  or  f  fs    Encyklopädie    der    Rechtswissenschaft.      6.   Aufl.      Berlin 

1902/B.     S.  73—170. 


—      VIII     — 
Römisches  Staatsrecht. 

Th.  Mommsen,  römisches  Staatsrecht.  3  Bde.  (Marquard t-Mommsen, 
Handbuch  der  römischen  Altertümer  B.  1—3.)  B.  1.  2  in  3.  Aufl.  und  B.  3,  I 
Leipzig  1887.     B.  3,  2  das.  1888. 

—  —  Abriß  des  römischen  Staatsrechts  (B  i  n  d  i  n  g  s  Handbuch  der 
deutschen   Rechtswissenschaft   I,   3).      Leipzig   1893. 

Theorie  der  Rechtsquellen. 

M.    Wlassak,     Kritische   Studien   zur  Theorie  der  Rechtsquellen  im   Zeitalter 

der  klassischen  Juristen.      Graz    1884. 
E.  Ehrlich,  Beiträge  zur  Theorie   der  Rechisquellen    I.  T.  das  ius  civile,   ius 

publicum,   ius   privatum.     Berlin   ]90"2. 

Römische  Rechtswissenschaft. 
P.  Jörs,    römisc'.ie    Rechtswissenschaft    zur    Zeit    der  Republik.      1.  Tl.      Bis 

auf  die  Catonen.     Berhn   1888. 
H.   H.   Filting,   über  das  Alter  der  Schriften   römischer  Juristen   von  Hadrian 

bis  Alexander.      Basel   1860. 
W.   Kalb,   das  Juiistenlatein.     2.   Aufl.      Nürnberg   1888. 

—  —     Roms  Juristen,   nach   ihrer  Sprache  dargestellt.      Leipzig   1890. 

Hülfsmittel  zur  Exegese. 

Th.  Schimmelpfeng,  Hommel  redivivus  oder  Nachweisung  der  bei  den 
vorzüglichsten  älteren  und  neueren  Civilisten  vorkommenden  Erklärungen 
einzelner  Stellen  des   Corpus  Juris  Civilis.      3   Bde.      Cassel   1858,  <'i9. 

B.  Brissonius,  de  verborum  quae  ad  ius  civile  pertinent  significatione,  zu- 
letzt bearbeitet  von   Heineccius.      Halle    1743. 

H.  E.  Dirksen,  manuale  Latinitatis  fontium  iuris  civilis  Romanorum. 
Berlin   1837. 

H.  G.  Heumann,  Handlexikon  zu  den  Quellen  des  römischen  Rechts.  8.  Aufl. 
von   Thon.     Jena   1895. 

Vocabularium  iurisprudentiae  Romanae.  Editum  iussi  inslituti  Savigniani  (von 
Gradenwitz,  Kubier,  E.  Th.  Schulze,  Helm,  jetzt  unter  Leitung 
von   Kubier).      Berlin,    im     Erscheinen  seit    1884. 


Die  Anführungen  aus  der  Zeitschrift  der  S  a  v  i  g  n  y  -  S  t  i  f  t  u  n  g 
für  Rechtsgeschichte  (Weimar  1880  ff.)  beziehen  sich  auf  die  romaiiisli«che 
Abteilung. 


§   1.    Einleitung. 

Von  Quellen^)  des  Rechts  spricht  man  in  einem  doppehen 
Sinne,  dem  der  Entstehungsquellen  und  dem  der  Erkennt- 
nisquellen. 

I.  Die  Entstehungsquellen,  die  Quellen,  aus  denen  das 
Recht  fließt,  sind  genau  genommen  die  Faktoren,  von  denen 
die  Rechtsbildung  ausgeht:  die  Inhaber  gesetzgebender  Gewalt 
oder  die  Träger  sonstiger  rechtsschöpferischer  Macht,  wie  das 
Volk  als  Urheber  der  Rechtsgewohnheit,  die  Juristen  als 
Schöpfer  des  Juristenrechts.  Gewöhnlich  aber  versteht  man 
unter  Rechtsquellen  nicht  diese  schöpferischen  Faktoren,  son- 
dern nennt  so  die  von  ihnen  ausgehenden  Akte,  durch  welche 
sie  Recht  schaffen :  das  Gesetz,  die  Rechtsgewohnheit,  die 
gemeine  Meinung  der  Juristen. 

IL  Erkenntnis(]uelle  des  Rechts  ist  alles,  woraus  wir  unsere 
Kenntnis  des  Rechts  schöpfen.  Weitaus  die  Hauptrolle  spielt 
dabei  die  Schrift.  Es  kommen  aber  auch  andere  Dinge  in  Be- 
tracht.-) Die  schriftliche  Rechtsüberlieferung  bewegt  sich  in 
der  unmittelbaren  Wiedergabe  der  Texte  von  Rechtssatzungen, 
in  Mitteilungen,  Ausführungen,  Erwägungen  über  den  Inhalt  be- 


1)  Das  darin  liegende  Bild  ist  auch  den  Römern  nicht  fremd.  Liv. 
III,  34:  fons  omnis  publici  privatique  iuris.  Dort  ist  aber  der  Sinn  ein  eigen- 
tümlich gefärbter:  die  XII  Tafeln  unter  der  gewaltigen  Masse  übereinander- 
gehäufter  Gesetze  der  Urquell  des  Rechts ;  übrigens  wohl  mehr  im  Sinne 
der  Entstehungsquelle   als  nur  der   Erkenntnisquelle. 

^)  Münzen  sind  nicht  bloß  durch  ihre  Inschrift,  sondern  auch  durch  ihre 
Bilder,  ihre  Zusammensetzung,  ihr  Gewicht  lehrreich,  und  das  Münzwesen  ist 
öffentlichrechtlich  wie  privatrechtlich  von  vielseitiger  Bedeutung;  die  notitia 
dignitatum  (§  24)  ist  nicht  bloß  durch  ihren  Text,  sondern  auch  durch  ihre 
Abbildungen  wichtig. 

Kipp,  Quellen  des  röm.  Rechts.  1 


stehender  Rechtssätze,  in  Erklärungen,  Beurkundungen,  Erzäh- 
lungen, welche  das  Recht  in  der  Anwendung  auf  den  einzelnen 
Fall  zeigen,  oder  sonst  Schlüsse  auf  Rechtssätze  erlauben. 
Den  ersten  Rang  nehmen  ein  buchmäßig  verbreitete  Werke: 
Gesetzbücher,  juristische  Privatarbeiten  und  Werke  der  nicht- 
juristischen Literatur,  die  bei  den  Römern  in  allen  ihren 
Zweigen  für  die  Erkenntnis  des  Rechtes  ergiebig  ist.  Dazu 
kommen  Inschriften  auf  Bronze  und  Stein,  Urkunden  auf 
wachsüberzogenen  Holztäfelchen,  Bronzetäfelchen,  Papyrus. 

III.  Die  Lehre  von  den  Entstehungsquellen  des  römischen 
Rechts  ist  ein  Stück  des  römischen  Rechts  selbst;  denn 
Rechtsvorschriften  sind  es,  welche  darüber  bestimmen,  wie  sich 
Recht  bilden  soll.  Die  Einsicht  in  jene  Lehre  verdanken  wir 
ebenso  wie  alles,  was  wir  sonst  vom  Inhalt  des  römischen  Rechts 
wissen,  den  Erkenntnisquellen  des  römischen  Rechts.  Man  könnte 
sonach  versucht  sein,  die  Lehre  von  den  Erkenntnisquellen 
selbständig  voranzustellen.  Das  ist  aber  nicht  möglich,  weil 
man  ohne  Darlegung  der  Lehre  von  den  Entstehungsquellen 
oft  gar  nicht  zeigen  kann,  in  wiefern  dies  oder  jenes  den 
Wert  einer  Erkenntnisqueile  des  römischen  Rechts  hat.  Die 
folgende  Darstellung  behandelt  daher  Entstehungsquellen  und 
Erkenntnisquellen  in  Verbindung  miteinander.  Die  Lehre  von 
den  Entstehungsquellen  des  römischen  Rechts  ist  aber  nur 
dann  vollständig,  wenn  auch  dargelegt  ist,  welche  Geltungs- 
kraft, welcher  Geltungsbereich  dem  aus  ihnen  geflossenen 
Recht  zukam,  und  auch  an  der  ganz  andern  Frage  ist  nicht 
vorbeizugehen,  inwieweit  nach  römischer  Ansicht  eine  Norm, 
um  Recht  zu  sein,  der  Sanktion  durch  eine  sg.  Rechtsquelle 
überhaupt  bedarf 


Erstes  Kapitel. 

Allgemeine  Fragen. 

§  2. 

Übersicht   über  die  Formen  der  Rechtsbildung  bei  den 

Römern.      Positives  Recht  und  ius  naturale. 

lus  und   aequitas. 

I.  Die  Römer  gehen  davon  aus,  daß  das  Recht  eine  von 
einem  Gemeinwesen  ausgehende,  für  den  Bereich  dieses  Ge- 
meinwesens bestimmte  Lebensordnung  ist.  Römisches  Recht 
ist,  was  die  Römer  auf  einem  der  von  ihnen  selbst  aner- 
kannten Wege  der  Rechtsbildung  sich  als  Recht  geschaffen  haben. 
Im  Anfange  steht  vorwiegend  gewohnheitsrechtliche  Rechts- 
bildung. xA.ber  schon  früh  trat  eine  Gesetzgebung  in  Tätig- 
keit, gehandhabt  von  den  geordneten  Volksversammlungen 
unter  Leitung  von  Beamten.  Die  erste  umfassende  Gesetz- 
gebung sind  die  XII  Tafeln.  Die  Rechtswissenschaft  hatte 
zuerst  ihren  Sitz  im  Kollegium  der  Pontifices,  seit  etwa  300 
v.  Chr.  emanzipierte  sie  sich  vom  Priestertum.  Die  gemeine 
Lehre  der  Juristen,  ihre  das  Volksrecht  umbildende  interpretatio, 
wurde  dem  Volksrecht  gleich  als  Recht  anerkannt.  Gewohn- 
heitsrecht, Volksgesetzgebung  und  Juristenrecht  bildeten  das 
ius  civile.  In  der  jüngeren  Zeit  der  Republik  gewann  eine 
neue  Rechtsquelle  Bedeutung:  die  Edikte  der  Jurisdiktions- 
magistrate, vor  allem  der  Prätoren  und  kurulischen  Adilen.  Der 
im  Laufe  der  Zeit  in  beständiger  Wiederholung  gefestigte 
Inhalt    der    Edikte    trat    als  Amtsrecht,    ins  honoi-ariuni,   dem 

iiis  civile  gegenüber. 

1* 


—    4    — 

In  der  Kaiserzeit  Augustischen  Stils  war  die  Volksgesetz- 
gebung noch  eine  kurze  Zeit  lebhaft  tätig,  wurde  aber  bald 
bei  Seite  gelegt;  die  Edikte  der  Jurisdiktionsmagistrate  spielten 
in  der  Fortbildung  des  Rechts  nur  noch  eine  untergeordnete 
Rolle;  unter  Hadrian  gelangte  ihr  Inhalt  zum  endgültigen 
Abschluß.  Dagegen  traten  als  neue  Quellen  des  Rechts,  und 
zwar  gleichgeachtet  dem  alten  Volksgesetz,  als  Quellen  des 
ins  civilc,  ein:  die  Senatuskonsulte  und  die  Festsetzungen 
(constitJitiones)  der  Kaiser.  Die  Rechtswissenschaft,  welche 
sich  in  den  ersten  beiden  Jahrhunderten  der  Kaiserzeit  zur 
höchsten  Blüte  erhob,  erfreute  sich  der  alten  Anerkennung 
ihrer  schöpferischen  Kraft,  ja  ihre  Macht  wurde  noch  gesteigert 
durch  die  Einführung  des  Privilegiums  für  hervorragende 
Juristen,  Gutachten  gewissermaßen  im  Namen  des  Kaisers 
zu  erteilen. 

In  der  Zeit  der  diokletianisch-konstantinischen  Monarchie 
dagegen  ist  der  Kaiser  der  alleinige  und  unumschränkte  Ge- 
setzgeber, der  sich  jede  Mitwirkung  der  Rechtswissenschaft 
an  der  Fortbildung  des  Rechts  verbittet. 

II.  Dies  in  vorläufigem  Überblick  die  Wege  der  Rechts- 
schöpfung bei  den  Römern.  Es  hat  aber  schon  bei  den  Römern 
der  Gedanke  nicht  gefehlt,  der  zu  allen  Zeiten  immer  wieder 
auftaucht,  daß  es  gegenüber  dem  Recht,  welches  ein  Volk  sich 
schafft,  dem  sogen,  positiven  Recht,  auch  ein  natürliches  Recht 
gebe,  ein  ins  naturae^)  ins  naturale^-)  welches  allen  \"ölkern 
gemeinsam,  oder  gar  Menschen  und  Tieren  gemeinsam  sei, 
von  der  Natur  ihnen  eingepflanzt.^) 

Insofern  das  ius  naturale  allen  Menschen  gemeinsam  sein 
soll,  berührt  sich  sein  Begriff  mit  dem  des  ins  gentium,  von 
dem  unten  die  Rede  sein  wird  (§  3).  Ein  Menschen  und 
Tieren   gemeinsames  Recht  gibt  es  nicht,  weil  das  Tier  keiner 


»)  Pomp.  D.  L,   17,  206. 

2)  Paul.  D.  I,   1,   11. 

')  Cic.  de  off.  111,5,23,  de  harusp.  resp.  14,82,  Gai.  I,  1.  D.  I,  1,  9, 
XLI,  1,  1  pr.,  Ulp.  D.  I,  1,  6  pr.,  Paul.  D.  XIX,  2,  1.  Vgl.  über  das  ius 
naturale  M.  Voigt,  Das  ius  naturale,  aequum  et  bonum  und  das  ius  gentium  der 
Römer.  4  Bde.,  Leipzig  1856 — 1875.  —  Bergbohm,  Jurisprudenz  und 
Rechtsphilosophie  I  (Leipzig   1892)  S.   154  ff 


—     5     — 

Rechtsvorschrift  Gehör  leihen  kann.  Im  übrigen  ist  folgendes 
zu  bemerken :  Rechtssätze,  welche  wir  in  der  uns  beherr- 
schenden Rechtsordnung  beobachten,  erscheinen  uns  als  natür- 
lich, wenn  wir  finden,  daß  elementare  Gerechtigkeitsgründe 
für  sie  sprechen,  die  nach  unserem  Urteil  weder  aus  den  Be- 
sonderheiten unserer  Zeit,  noch  aus  denen  unseres  Volkes  sich 
erklären,  sondern  allgemein  menschlich  und  dauernd  sind. 
Und  darin  liegt  eine  ganz  berechtigte  Denkungsart.  Denn  so 
viel  auch  die  Rechtsordnungen  verschiedener  Völker  und 
Zeiten  an  Verschiedenheiten  aufweisen,  so  fehlt  es  doch  auch 
nicht  an  Sätzen,  die  in  der  Tat  seit  Jahrtausenden  dieselbe 
unmittelbar  einleuchtende  Überzeugungskraft  besessen  haben. 
Die  Römer  nennen  z.  B.  den  Satz  naturalis,  daß  man  sein  Geld 
wieder  fordern  kann,  wenn  man  es  zahlte  in  dem  irrigen  Glauben, 
die  Summe  schuldig  zu  sein,"^)  und  denselben  Satz  finden  auch 
wir  ganz  „natürlich".  Gerechtigkeitserwägungen  aber,  die  als 
—  nach  Ansicht  des  Urteilers  —  einfache,  allgemeingültige 
und  dauernde  einem  vorhandenen  Rechtssatz  den  Anspruch 
auf  das  Prädikat  eines  natürlichen  geben,  sind  auch  von  jeher 
nicht  nur  zur  Begründung  der  Anforderung  aufgetreten,  daß 
die  Rechtsordnung  ihre  Sätze  ihnen  entsprechend  zu  gestalten 
habe,  sondern  diese  Anforderung  hat  die  beständige  Neigung, 
in  die  Behauptung  überzugehen,  daß  die  als  natürlich  em- 
pfundenen Sätze  bereits  geltende  Rechtssätze  seien,  auch  wenn 
ihre  i\nerkennung  in  den  Quellen  des  positiven  Rechts  nicht 
nachzuweisen  sei.  Die  römischen  Juristen  haben  prinzipiell 
durchaus  nicht  das  ins  naturale  als  geltendes  Recht  unab- 
hängig von  den  positiven  Quellen  betrachtet.  Sie  wußten 
z.  B.  zu  sagen,  daß  das  ins  naturale  die  Freiheit  aller  Menschen 
forderte,  und  doch  war  die  Sklaverei  ein  anerkanntes  Rechts- 
institut.■^)  Ihre  ganze  freie  Stellung  zu  dem  gegebenen  Rechts- 
stoff aber,  zu  dessen  beständiger  Fortbildung  im  Sinne  der  An- 
näherung an  das  Gerechtigkeitsideal  sie  berufen  waren,  anders 
ausgedrückt ;  die  Stellung  der  Rechtswissenschaft  selbst  unter 
den  anerkannten  Quellen    des    Rechts  eröffnete    den    von    der 


*)  Paul.   D.  XII,   6,    15   pr.  Indebiti  soluli   condictio   naturalis  est. 
'^j   Ulp.   D.   LI,   4. 


—     6     — 

Rechtswissenschaft    als    dem  ins  naturale  entsprechend  erach- 
teten Sätzen  ein  weites  Tor  in  das  römische  ius  civile. 

III.  In  diesem  Zusammenhange  ist  auch  das  Walten  der 
aequitas^)  im  römischen  Recht  zu  betrachten.  Durch  keinen 
seiner  grlänzend.sten  Einzelsätze  hat  das  römische  Recht  sich 
so  viel  Anspruch  auf  seine  Unsterblichkeit  erworben  als  durch 
die  Art,  wie  es  grundsätzlich  sein  Verhältnis  zur  Äquität  be- 
stimmt hat.  Aequitas  (aeqnuin,  bomim  et  aeqiaiui)  ist  zunächst 
ein  sittlicher  Begriff:  die  Gerechtigkeit,  Billigkeit")  als  Inbegriff 
von  Normen  und  subjektiv  als  entsprechende  1  ugend.  In  der- 
selben Art,  wie  das  Recht  als  natürlich  hingestellt  wird,  wenn 
es  der  Urteilende  für  allgemein  und  unwandelbar  gerecht  und 
billig  hält,  in  derselben  Art  wird  auch  die  Gerechtigkeit  selbst 
nicht  selten  als  etwas  Natürliches  bezeichnet.**)  Das  Recht  ist 
nun  nicht  die  aequitas  selbst,  aber  es  will  einen  Niederschlag  der 
aeqnitas  darstellen.^)  Es  will  seinen  Inhalt  nach  den  Anforde- 
rungen der  aequitas  gestalten,  nach  ihnen  ausgelegt  und  ange- 
wandt werden.  Aequitas  ist  Maßstab  der  Kritik  des  bestehenden 
Rechtes.     Im  Gegensatz  zum  aeqiiuni  ins^^)  ist  ius  ifiiquum  un- 


^)  M.  Voigt,  in  dem  oben  Note  3  angeführten  Werke.  —  Leiit,  Civi- 
listische Studien.  4.  H.Jen.  1877,  bes.  S.  190ff.,  S.  209  ff.  —  Krüger  S. 
119ff.  —  Federico  de  Cola,  lo  stretto  diritto  e  l'equitä  nel  diritto  Romano. 
Messina  1888.  —  Emilio  Costa,  il  diritto  private  nelle  comedie  di  Plauto. 
Torino  1890.  p.  58  sq.  Pernice  Zeitschr.  d.  Sav.-Stift.  XX  (1899)  S.  147  ff. 
Kipp,  Pauly-Wissowa's  Realencyclopädie  Artikel  aequitas. 

')  Im  weitesten  Sinne  kann  sich  aequitas  auf  das  gesamte  Verhalten  zu  Göttern 
und  Menschen  beziehen.  Cic.  top.  90:  aequitas  tripertita  dicitur  esse:  una 
ad  superos  deos,  altera  ad  manes,   terlia  ad  homincs  perlinere. 

*)  Natura  aequum:  Pomp.  D.  XII,  6,  14,  naturalis  aequitas:  Gai  D. 
XXXVIII,  8,2,  XU,  1,  93,  Paul.  D.  XLIV,  1,  1,  Ulp.  D.  IV,  4,  1  pr.,  iure  na- 
turae  aequum:  Pomp.  D.  L,  17,  20'3. 

®)  Cicero  (top.  9)  definiert  das  ius  civile  als  aequitas  constituta  iis  qui  eiusdem 
civitatis  sunt.      Celsus   (D.  I,  1,  1  pr.)  nennt   das  Recht:   ars   boni   et  aequi. 

'")  Nach  römischer  Ansicht  ist  aequitas  nicht  ein  Gedanke,  der  erst  in 
junger  Zeit  in  das  Recht  eingedrungen  ist.  Cicero  u.  Tacitus  rühmen  die 
Aequität  der  XII  Tafeln  (Cic.  de  rep.  II,  61,  Tac.  Ann.  III,  27).  Tacitus  nennt 
sie  sogar  das  Ende  des  gerechten  Rechts  (finis  aequi  iuris)  im  Gegensatz  zu 
den  Gesetzen  der  Folgezeit.  Auch  sonst  wird  die  Äquität  sehr  alter  Sätze 
hervorgehoben:  Paul.  D.  XLIX,  15,  19  pr.,  Gai.  III,  7.  L  Ip.  XXVI,  2,  D. 
XXXVllI,   16,   1,  4. 


billiges  Recht,")  ius  strictiun  ein  zwar  nicht  ganz  unbilliges, 
aber  doch  den  Forderungen  der  aeqidtas  nicht  weit  genug  ent- 
gegenkommendes Recht.^-)  Aequitas  ist  Maxime  der  Auslegung 
des  Rechts,  die  im  Sinne  der  Fortbildung  des  Rechts  nach  den 
Forderungen  der  aequitas  gehandhabt  wird  und  werden  soll. 
Die  interpretatio  ist  Mittlerin  zwischen  Recht  und  aequitas}'^) 
Endlich  aber  ist  aequitas  auch  ein  Inbegriff  von  Normen,  die  das 
Recht  vielfältig  ergänzen.  Es  ist  schlechthin  unmöglich,  daß  das 
Recht  mit  Sätzen,  die  ins  einzelne  gehen,  den  Rechtsge- 
nossen erschöpfende  Verhaltungsmaßregeln,  dem  Richter  er- 
schöpfende Anweisungen  zum  Spruch  gebe.  Die  Rechtsvor- 
schriften bedürfen  der  Ergänzung  aus  dem,  was  im  Leben  als 
gerecht  und  billig  angesehen  wird.  Wenn  in  den  Quellen 
aequitas  als  Richtschnur  für  Magistrate  wie  Geschworene  auf- 
gestellt wird,^^)  so  bezieht    sich  dies  keineswegs    nur    auf    die 


1')  Gai,   III,  25.   (iuris  iniquitates.) 

12)  Gai.  III,   18. 

1*)  Aequitas  verlangt,  daß  nicht  am  Buchstaben  gehaftet  wird.  Daher 
stellt  sie  Cicero  in  Gegensatz  zu  scriptum,  verba,  litterae  (Cic.  Brut.  145.  198, 
de  orat.  I,  242  sqq.,  p.  Caec.  65.  77.  80.  104,  p.  Mur.  27.  Damit  tritt  aequitas 
zunächst  nicht  in  Gegensatz  zum  ius,  sondern  ius  und  aequitas  stehen 
vereint  dem  Buchstaben  und  der  Spitzfindigkeit  gegenüber  (Cic.  p.  Caec.  57. 
61.  65.  77.  80.  81.  104).  Die  Auslegung  soll  den  Willen  des  Gesetzgebers 
erforschen  (Cels.  D.  I,  3,  17— 19.  Tryph.  D.  XLIX,  15,  12,  8).  Aber  dies  ver- 
wandelt sich  in  der  Hand  der  römischen  Juristen  in  das  Ziel,  die  Vorschrift 
so  auszulegen,  wie  sie  der  gerecht  denkende  Gesetzgeber  nach  Ansicht  der 
Juristen  in  Berücksichtigung  der  Gerechtigkeitsüberzeugungen  der  Gegenwart 
geben  müsste,  auch  wenn  das  ihrem  ursprünglichen  Sinne  nicht  entspricht. 
Daher  gehen  die  Juristen  im  Interesse  der  Äquität  des  Ergebnisses  von  dem 
bisherigen  Rechte  oft  weit  ab,  indem  sie  der  aequitas  den  Vorzug  geben  vor 
dem  ius  (Ulp.  D.  XV,  1,  32  pr.,  Paul.  D.  XXXIX,  3.  2,  5),  dem  strictum  ius  (Pap. 
D.  V,  8,50,  1,  XXIX,  2,  86  pr.,  Paul.  D.  XIII,  5,  30),  der  stricta  ratio  (Gai.  D. 
XU,  1,  7,  5;  Pap.  D.  XI,  7,  43),  dem  rigor  iuris  (Ulp.  D.  XL,  5,  24,  10),  der  sub- 
tilitas  iuris  (Javol.  D.  XXXIX,  5,  25,  Cels.  D.  VIII,  3,  11)  u.  s.  w.  Drangen  sie 
mit  ihrer  Ansicht  allgemein  durch,   so  wurde  deren  Inhalt  zum  Rechtssatz. 

'*)  Liv.  III,  33.  Cic.  de  lege  agr.  II,  102,  in  Ver.  I,  136,  151,  III,  42,  V, 
27.  Ammian.  XXII,  10,  2.  C.  J.  L.  IX,  1575.  X,  4863.  Cic.  pro.  Clu.  156, 
159,  in  Ver.  II,  109.  III,  220.  Eine  im  Jahre  1901  gefundene  Ehreninschrift 
für  den  Valerius  Dalmatius,  Statthalter  der  provincia  Lugdunen sis  tertia,  aus  dem 
fünften  Jahrhundert,  beginnt:  Jus  ad  iustitiam  revocare  aequumque  tueri  Dal- 
matio  lex   est  quam  dedit  alma  fides  Bis  sex  scripta  (XII  Tafeln)  tenet  praetoris- 


—     8     — 

aeqiiitas  als  Auslegungsmaxime,  sondern  auch  auf  gerechte 
Würdigung  der  Tatsachen  und  Handhabung  gerechten  Er- 
messens in  Ergänzung  der  Rechtsvorschriften.  Oft  glaubt  man, 
daß  der  Gedanke  der  aequitas  etwas  erst  verhältnismäßig 
spät  im  römischen  Recht  Aufgetauchtes  sei;  aber  es  ist  viel- 
mehr umgekehrt  zu  behaupten,  daß  gerade  in  den  ältesten 
Zeiten  das  freie  Ermessen  der  Magistrate  wie  der  Geschworenen 
eine  besonders  große  Rolle  gespielt  hat,  und  daß  es  durchaus 
römisch  ist,  das  Regiment  des  Ermessens  auch  in  solch  alter 
Zeit  als  ein  Regiment  der  acqiiitas  aufzufassen,^^)  wenn  auch 
der  Inhalt  der  Normen  der  aequitas  von  der  alten  Zeit  anders 
aufgefaßt  wurde  als  von  der  späteren.  Die  römische  Volks- 
gesetzgebung ging  allerdings  grundsätzlich  darauf  aus, 
alles  so  viel  wie  möglich  selbst  zu  bestimmen  und  das  freie 
Ermessen  zurückzudrängen.  Aber  auch  sie  konnte  doch  der 
Mitwirkung  desselben  keineswegs  ganz  entbehren.  Es  kommt 
vor,  daß  das  Gesetz  eine  Entscheidung  ausdrücklich  in  das 
Ermessen  des  Magistrats  stellt,''^)  und  schon  die  XII  Tafeln 
kennen  Streitigkeiten,  bei  deren  Schlichtung  das  freie  Ermessen 
des  oder  der  Geschworenen  die  Plauptrolle  spielt  faj-biti'ium 
finmiii  regundoruvi,  faniiliae  ercisciindae,  aqiiae phtviae  arccndae). 
Aber  auch  sonst  sind  die  Bestimmungen  der  Gesetze  großen- 
teils so  gefaßt,  daß  ihre  Anwendung  ohne  Eingreifen  billigen 
Ermessens  gar  nicht  gedacht  werden  kann,  weil  sie  mit  Begriffen 
des  Lebens  operieren,  die  sie  selbst  nicht  festlegen.  Der  römische 
Senat  bekennt  sich  zur  aequitas  als  der  Maxime  seiner  Verwaltung 
schon  in  den  ältesten  Beschlüssen,  die  wir  von  ihm  kennen.^' i 
Er  verweist  ebenso  wie  die  Gesetze  die  Beamten  auf  ihr  Er- 
messend^) und  hat  hierzu  um  so  mehr  Anlaß,  als  er  ihnen  staats- 


que  omne  volumen  (das  Edikt)  Doctus  et  a  sanctis  condita  principibus  (Kaiser- 
konstitutionen). —  Vgl.  Mommsen,  .Sitzungsber.  der  Berl.  Akad.  1902 
S.  836ff.     Mitteis  Zeitschr.  der  Sav -Stift.  XXIII  (1902),  S.  443  f. 

'^)  Liv.  III,  1.3.  33. 

'«)  Lex.  agrar.  35.  73.  74.  78.   83,   lex.  Acil.    repet.  30.  65,    lex.   Cornel. 
de  XX  quaest.    33,  lex.  Jul.  munic.  21.  33.  47.  54. 

'""')  SC.  de   Bacchanal.  26.    SC.   de    Tiburt.  4.    SC.   de  Asclepiadc  Lat.  11, 
Gr.  30. 

'*)  SC.  de  Thisbaeis  44  sq.      Suet.  de  cl.  rhet.  c.   1.     SC.  de  Asclepiade 
Lat.    11,  Gr.  31. 


—     9     — 

rechtlich  streng  genommen  nur  Ratschläge  erteilen  kann.  Die 
beiden  Hauptträger  der  Ausbildung  des  römischen  Rechts  zu 
seiner  Blüte,  das  prätorische  Edikt  und  die  Jurisprudenz,  haben 
in  der  einsichtigsten  Weise  der  aequitas  als  einer  das  Recht  er- 
gänzenden Entscheidungsnorm  die  gebührende  Stellung  gesichert. 
Der  Prätor  hat  oft  in  seinem  Edikt  sich  selbst  die  Prüfung  der 
Sachlage  im  Einzelfalle  vorbehalten,^^)  vor  allem  aber  die 
Anweisungen,  welche  im  jüngeren  Civilprozess  der  Geschwo- 
rene vom  Prätor  erhielt,  größtenteils  so  gefaßt,  daß  der  Richter 
sich  ausdrücklich  zur  Beachtung  der  Normen  der  aequitas  ver- 
pflichtet sah.  Zum  Teil  waren  die  Formeln  geradezu  auf 
bonuin  et  aeqiiiiui  gestellt.-^)  In  der  grossen  Gruppe  der 
aciiones  bonae  fidei  kam  die  Verweisung  auf  die  aequitas 
dadurch  zum  xAusdruck,  daß  der  Richter  beauftragt  wurde, 
den  Beklagten  zu  verurteilen  auf  dasjenige,-^)  was  der  Be- 
klagte dem  Kläger  ex  fiele  bona  schuldig  sei  [qidcqiiiel  Xinne- 
riiini  Xe^s^idiiuii  Au/o  Agerio  dare  faeere  oportet  ex  fide  bonaj, 
worunter  nichts  anderes  als  das  bonmu  und  aequuju  zu  ver- 
stehen war.--)  In  der  ebenfalls  großen  Gruppe  der  actiones 
arbitrariae  wurde  der  Geschworene  angewiesen,  den  Beklagten 
erst  dann  zu  verurteilen,  wenn  er  nicht  in  einer  nach  Ermessen 
des  Richters  festgesetzten  Weise  den  Kläger  zufriedengestellt 
habe  (nisi  arbitratu  tuo  [iudicis]  restituetjr^')  Allerdings  ist  durch 
die  Praxis  und  die  unausgesetzte  Arbeit  der  Juristen  in  weitem 
Umfange  wiederum  als  Rechtssatz  fixiert  worden,  was  als  der 
bona  fides,  der  aequitas  entsprechend  anzusehen  sei,  und  inso- 
fern die  Herrschaft    der  aequitas  als  solcher  wieder  zurückge- 


»9)  S.  u.  §  10. 

•20)  Cic.  de  off.  III,  61.  Gai.  D.  IV,  5,  8.  Ed.  praet.  D.  IV,  3,  1  pr. 
Ulp.Ü.  XI,  7,  14,  6.13.  XLVII.  10,  17,  2.  Paul.  D.  XLVII,  10,  18  pr.  XLIV,  7, 
34  pr.,  Ed.  praet.  D.  XLVII,  12,  3  pr.  Pap.  D.  XLVII.  12,  10.  Ed.  aedil.  D.  XXI, 
1,  42. 

■-*)   Genauer:   einen   dem  entsprechenden  Geldbetrag. 

-2)  Tryphon.  D.  XIV,  3,  31  pr.  Bona  fides  quae  in  contractibus  exigitur 
aequitatem  summam   desiderat. 

'^^j  Von  diesen  Klagen  heißt  es  in  J.  4,  6,  31  :  in  his  enim  actionibus  et 
ceteris  .similibus  permittitur  iudici  ex  bono  et  aequo  secundum  cuiusque 
rei   de  qua  actum  est  naturam  aestimare  quemadmodum  actori  satisfieri  oporteat. 


10 


drängt,  aber  man  hat  sich  immer  gehütet,    hierin    zu   weit  zu 
eehen.-"*) 


§  3. 

Geltung    des    römischen   Rechts    im   Römischen   Reich. 

Jus  civile  und   ins  gentiuvi. 

I.  Das  römische  Recht  hat  das  römische  Gebiet  keines- 
wegs von  Anfang  an  ausschUeßlich  beherrscht,  sondern  es 
galten  dort  nach  dem  System  der  Personalität  der  Rechte 
viele  Nationalrechte  nebeneinander,  die  das  römische  Recht 
nur  in  langer  Entwickelung  und  niemals  vollkommen  ver- 
drängt hat.^)  Das  römische  Recht  hat  das  Prinzip  der  Per- 
sonalität des  Rechts.  Es  eeht  grundsätzlich  von  der  An- 
schauung  aus,  daß  die  Gesetze  des  römischen  Volks  und  was 
ihnen  gleichsteht,  also  ihre  interpretatio  durch  die  Juristen 
und  das  unter  Römern  hergebrachte  Gew^ohnheitsrecht,  nur 
für  den  römischen  Bürger  geschaffen  sind.  Dieses  Recht  ist 
ins  Quiritiwn,  ins  civile  populi  Romani,  ins  civile.  id  est  ins 
proprium  civitatis  nostrae.  —  Jns  civile  proprinm  est  civiuin 
Ronianornuir)  Die  Nichtrömer  (peregrini)  bindet  also  das 
römische  Nationalrecht    nicht.     Es    gilt    für  sie    nur,  wenn  sie 


2*)  Cels.  D.  XLV,  1,91,3;  esse  enim  hanc  (Verschulden  beim  Verzuge) 
quaestionem  de  bono  et  aequo,  in  quo  grenere  plerumque  sub  auctoritate  iuris 
scientiae  perniciose,  inquit,  erratur.  Scaev.  D.  XLIV,  3,  14  pr. :  de  accessioiiibus 
possessionum  nihil  in  perpetuum  neque  generaliter  definire  possumus.  consistunt 
enim  in  sola  aequitate. 

1)  Vgl.  Mommsen,  röm.  Staatsrecht  III,  S.  603fl".  —Mitteis,  Reichs- 
recht und  Volksrecht  in  den  östlichen  Provinzen  des  römischen  Kaiserreichs. 
Leipzig  1891.  —  Wlassak,  römische  Prozeßgesetze  II.  Abt.  Leipzig  1891, 
S.  93ff.  —  Baron,  Peregrinenrecht  und  ius  gentium.  Leipzig  1891.  — 
Pernice,  Zeitschr.  der  Sav.-Stift.  XX  (1899)  S.  138 ff.  —  Baviera  il  diritto 
intcrnazionale  dei  Romani  Arch.  giuridico  LX  1898  p.  266  sq.,  463  sq.  LXI 
(1899)  p.  243  sq.  433  sq.  Dazu  H.  Krüger,  Zeitschrift  der  Savigny-Stift. 
XX  (1899)  S.  264ff.  Ehrlich,  Beiträge  zur  Theorie  der  Rechtsquellcn. 
Berlin   1902  .S.   84  ff. 

2)  Gai.  I,   1.    13.  I,   1,  9.    XLI,  1,  1  pr.    l'lp.   I).  I,  1,  6  pr.    J.  I,  2,  I.   2. 


—  li- 
es recipiert  haben  (ndsciscere,  fundus  fit  aliquis  popuhis 
aliciäus  legis) :^)  Aber  Rom  hat  das  Recht  für  sich  aller- 
dings beansprucht,  nach  seinem  Willen  durch  seine  Gesetze 
auch  die  Nichtbürger  zu  binden.  So  ist  durch  das  sempro- 
nische  Plebiszit  im  J.  193  v.  Chr.  verordnet,  ut  cum  sociis  ac 
nomine  Laiino  peciiniae  creditae  ins  idem  quod  cum  civibus 
Romanis  esset})  Die  Kapitalisten  hatten  zur  Umgehung  der 
Zinsgesetze  sich  hinter  bundesgenössischen  Gläubigern  ver- 
steckt, auf  welche  jene  Gesetze  nicht  Anwendung  fanden; 
jetzt  wurden  sie  auf  die  Bundesgenossen  als  Gläubiger  der 
Römer  ausgedehnt.  Soweit  aber  eine  solche  Ausdehnung  nicht 
stattgefunden  hat,  hat  der  Nichtbürger  am  römischen  Recht 
keinen  Teil,  kann  sich  nicht  einmal  nach  dessen  Sätzen  durch 
Rechtsgeschäft  verpflichten  oder  berechtigen,  wenn  ihm  nicht 
besonders  (wie  den  Latinern)  das  ins  commercii  d.  h.  die  Rechts- 
gemeinschaft des  Vermögensverkehrs,  oder  das  ins  conntibn  d.  h. 
die  Ehegemeinschaft  und  somit  überhaupt  die  FamiUenrechtsge- 
meinschaft,  oder  beides  verliehen  ist.  Der  Nichtbürger 
lebt  nach  seinem  Xationalrecht,  seinem  ins  civile.^)  An 
diesem  Nationalrecht  hat  der  Römer  seinerseits  keinen  Teil. 
Nur  diejenigen  Peregrinen,  welche  nach  ihrer  Unterwerfung 
unter  Rom  keinerlei  Anerkennung  ihrer  Rechtsordnung  er- 
halten haben  (peregrini  dediticii),  haben  in  römischen  Augen 
ein  Volksrecht  überhaupt  nicht,  ebenso  wie  die  aus  dem  rö- 
mischen Bürgerrecht  Ausgestossenen  (capitis  deminutio  media). 
Sie  sind  cmölidni  hoc  est  sine  civitate)^)  Solche  Personen  können 
z.  B.  ein  Testament  überhaupt  nicht  machen,  weil  dasselbe 
nach  römischer  Ansicht  stets  gemäß  einem  bestimmten  Volks- 
recht zu  errichten  ist.'^) 


3)  Cic.  pro  Balbo  8,  21.  22:  ...  innumerabiles  aliae  leges  de  civili 
iuie  sunt  latae:  quas  Latini  voluerunt,  adsciverunt.  Gell.  XVI,  13,  6  von  den 
cives  sine  suffragio :  neque  ulla  populi  Romani  lege  adstricti  nisi  in  quam 
populus  eorum  fundus  factus  est.     Fest.  s.  v.  fundus. 

^)  Liv.  35,7. 

^)   Gai.  I,   1 :    Quod    quisque  populus  ipse    sibi     ius    constituit,    id  ipsius 
proprium  est  vocaturque  ius  civile.     J.   1,2,2:    Jus  quidem  civile  ex  unaquaque 
civitate  appellatur,  veluti  Atheniensium. 
.  «)  Marci.  D.  XLVIII,  19,  17. 

')   Ulp.  D.  XXXII,    1,   2:     Hi   quibus  aqua  et  igni  interdictum   est,    item 


—     12     — 

II.  Ausser  dem  jeweiligen  peregrinischen  Volksrecht 
finden  aber  auf  die  Peregrinen  auch  in  ziemlich  weitem  Umfange 
Satzungen  Anwendung,  die  ihnen  von  den  Römern  oktroyiert 
sind:  dahin  gehören  die  Provinzialordnungen,  welche  nach  Er- 
oberung oder  VViedereroberung  einer  Provinz  aufgestellt  wer- 
den (s.  u.  §  9),  die  vielen  einzelnen  Städten  verliehenen  Stadt- 
ordnungen (s.u.  §9),  namentlich  aber  auch  die  Edikte  derProvin- 
zialstatthalter  und  der  Ouaestoren  für  den  Bereich  ihrer  provin- 
zialen  Jurisdiktion  (s.  u.  §  9).  In  der  Kaiserzeit  haben  SCC. 
und  kaiserliche  Konstitutionen  von  vornherein  kein  Bedenken 
getragen,  Vorschriften  für  alle  Reichsangehörigen  ohne  Unter- 
schied der  Nationalität  aufzustellen.^) 

IIL  Ein  wichtiger  Hebel  zur  Herstellung  der  Rechtseinheit 
auf  dem  Boden  des  römischen  Reiches  und  zugleich  der  inneren 
Fortbildung  des  römischen  Rechtes  war  das  von  den  Römern  s.  g. 
ins  genthiin.  Es  mußte  sich  beim  Verkehr  \^on  Römern  mit 
Peregrinen  und  \'on  Peregrinen  verschiedener  Nationalität  die 
Frage  aufwerfen,  welches  der  verschiedenen  Nationalrechte 
auf  ihre  Beziehungen  anzuwenden  sei.  Diese  Frage  hätte  sich 
von  dem  Prinzip  der  Personalität  des  Rechtes  aus  durch  eine 
der  des  heutigen  internationalen  Privatrechts  ähnliche  Theorie 
lösen  lassen:  man  hätte  Festsetzungen  darüber  treffen  können, 
wie  unter  den  beteiligten  Rechtsordnungen  zu  wählen  sei. 
Auch  das  moderne  internationale  Privatrecht  geht  nur  zum 
Teil  von  dem  Prinzip  der  Territoralität  des  Rechts  aus,  zu 
nicht  geringem  Teil   beruht    es    auf    dem  Gedanken    der  Per- 


deportati    fideicommissum  relinquere  non  possunt,   quia  nee  testamenti    faciendi 
ius  habent,   cum  sint  d7iö/.iS£t: 

*)  Gai.  I,  53:  nach  einer  Konstitution  von  Antoninus  Pius  neque  civibus 
Romanis  nee  ullis  aliis  hominibus  qui  sub  imperio  popuH  Romani  sunt  licet 
supra  modum  et  sine  causa  in  servos  suos  saevire.  Gai.  I,  81 :  Ein  Senatus- 
konsult  unter  Hadrian  liestimmte,  daß  ein  Kind,  dessen  Vater  Latiner,  dessen 
Mutter  Peregrinin  sei  oder  umgekehrt,  dem  Stande  der  Mutter  folgen  solle. 
Ulp.  D.  XLVII,  12,  3,  5  spricht  den  allgemeinen  Satz  aus,  daß  kaiserliche 
Reskripte  aller  Orten  gehen,  auch  im  Widerspruch  mit  dem  Stadtrecht. 
Zu  Ulpians  Zeit  hatten  zwar  schon  alle  Städte  Bürgerrecht,  aber 
er  trägt  seine  Ansieht  im  Anschluß  an  eine  Verordnung  Iladrians  vor,  zu  dessen 
Zeit  es  noch  nicht  so  war.  Diocl.  C.  J.  VI,  24,  7  verwirft  den  Brüderschafts- 
vertrag, auch   unter   Peregrinen. 


—     13     — 

sonalität  des  Rechts.  Eine  solche  Lösung  haben  aber  die 
Römer  nicht  gegeben,  sondern  statt  der  beteiligten  National- 
rechte   ein  drittes  Recht  angewandt,  das  ins  gcntiimi. 

Das  ins  gentium  tritt  mit  der  Prätention  auf,  ein  Recht 
zu  sein,  das  bei  allen  Völkern  gelte.®)  In  Wahrheit  ist  es  ein 
in  den  Edikten  der  mit  der  Peregrinenjurisdiktion  betrauten 
Magistrate  und  in  der  Theorie  der  Juristen  gebildeter  Zweig 
des  römischen  Rechts,  hat  also  die  formellen  Quellen  mit  den^ 
sonstigen  römischen  Recht  gemein.  Der  Sache  nach  war  es 
größtenteils  wirklich  gemeinsames  Recht  der  Mittelmeervölker, 
wird  sich  freilich  auch  insoweit  unter  der  Hand  der  römischen 
Juristen  umgebildet  haben;  zum  Teil  aber  sind  es  Sätze  des 
nationalrömischen  Rechtes,  welche  die  Römer  dem  Peregrinen- 
verkehr  zugänglich  zu  machen  Anlass  fanden.  Der  allgemeine 
obligatorische  Vertrag  der  Römer  war  die  stipulatio  in  münd- 
licher Frage  des  Gläubigers  und  bejahender  Antwort  des 
Schuldners.  Diesen  Vertrag  reservierten  sie  für  die  römischen 
Bürger,  wenn  er  in  den  Worten  spondcsne?  spondeo  auftrat, 
erklärten  ihn  aber,  wenn  statt  dieser  Worte  andere  gewählt 
wurden  {dahis?  dabo  u.  s.  w.)  für  Sache  des  ins  gentium}^) 
Der  Stipulation  entspricht  die  mündliche  Quittierung  Jiabcsnc 
acccptmnr  habeo,  die  acccptilatio-^  auch  sie  ist  aus  dem  rö- 
mischen ins  civile  in  das  ins  gentinm  übergegangen.^^)  Den 
obligatorischen  Kontrakt  durch  Eintragung  in  das  Hausbuch 
wollte  nur  eine  Schule  der  römischen  Juristen  (die  Sabinianer, 
s.  u.  §  1 8)  und  auch  diese  nur  für  einen  bestimmten  Fall  als  den 
Peregrinen  zugänglich  gelten  lassen.*-)  Hauptsächlich  rech- 
neten die  Römer  zum  ins  gentium  die  frei  entfalteten 
Verkehrsobligationen, *'^)  die  Verträge,  die  entweder  ohne  jede 

*)  Gai.  I,  1 :  quod  vero  naturalis  ratio  inter  omnes  homines  constituit,  id 
apud  omnes  populos  peraeque  custoditur  vocaturque  ius  gentium  quasi  quo 
iure   omnes  gentes  utunlur  ^=   D.   I,    1,   9. 

10)   Gai.   111,93. 

1")   Ulp.  D.  XLVI,  4,   8,  4.  ^ 

1-^)  Gai.  III,   133. 

'^)  Ulp.  D.  II,  14,  7  pr.  §  I :  Iuris  gentium  conventiones  quaedam  actioncs 
pariunt  quaedam  exceptiones.  Quae  pariunt  actioncs,  in  suo  nomine  non  stant, 
sed  transeunt  in  proprium  nomen  contractus:  ut  emptio  venditio  locatio  con- 
ductio  societas  commodatum   depositum   et  ceteri  similes  contractus.      Paul.  D. 


—     14     — 

Form  ^geschlossen  werden  können,  die  Konsensualkontrakte 
—  Kauf  (enitio  venditio),  Miete,  Dienst-  und  W'erkverdingung 
(alle  drei  als  locatio  condiictio  zusammengefaßt),  Auftrag  [man- 
dat?iin),  Gesellschaft  [societas]  —  oder  doch  keiner  anderen 
Form  bedürfen,  als  daß  eine  Partei  etwas  leistet  unter  ent- 
sprechender Übernahme  einer  Verpflichtung  durch  die  andere, 
die  Realkontrakte,  zunächst  Darlehen  (mutuum),  Leihe  (commo- 
datuvi),  Hinterlegung  (deposituni),  Verpfändung  (pigmis),  ferner 
auch  das  von  der  Leihe  getrennte,  aber  mit  ihr  verwandte 
Precarium;  nicht  minder  die  Forderungen  auf  Herausgabe  einer 
ungerechtfertigten  Bereicherung.^*) 

Angewandt  wird  das  ms  gentiiun  zunächst  sein  in  Fällen 
der  oben  bezeichneten  Kollision;  dann  aber,  da  es  ja  bei 
allen  Völkern  gelten  sollte,  auch  unter  Angehörigen  derselben 
Nation,  und  so  auch  unter  Römern.  Qiiod  civile,  non  idein 
conti II  HO  gentium,  qnod  ante  vi  gentinvi,  idevi  civile  esse  debet 
(Cicero). ^■'')  Zwar  wusste  man,  daß  das  einzelne  ins  civile  von 
dem  ins  getitiuni  abweichen  könne, ^*')  aber  dieses  mußte  jeden- 
falls beim  Schweigen  des  Volksrechts  Anwendung  finden, 
und  ist  auch  im  Widerspruch  mit  veralteten  Sätzen  des 
römischen  ins  civile  als  Träger  der  neueren  Rechtsideen  an- 
gewandt worden.  Ebenso  wird  es  den  Peregrinenrechten 
gegenüber  in  der  Hand  der  Römer  oft  dazu  gedient  haben, 
von  ihnen  missbilligte  Sätze  des  Volksrechts  ausser  An- 
wendung zu  setzen. 

Häufig  wird  von  den  römischen  Juristen  nur  ein  Rechts- 
prinzip, wie  die  Anerkennung  der  Notwehr, ^'^)  oder  ein  Institut, 


XVIII,  1,1,2  (Kauf).  Paul.  D.  XIX.  2,  1  (locatio  conductio),  UIp.  fr.  Endlich. 
1,2  (locatio  conductio).  Gai.  111,154  (societas).  Gai.  III,  132  (Darlehen).  Ulp. 
D.  XLIII,  26,  1,  1  (precarium). 

'*)  Marci.  D.  XXV,  2,  25:  iure  gentium  condici  puto  posse  res  ab  his  qui 
non   ex  iusta  causa  possident. 

'»)  Cic.  de  off.  III,  17,69. 

'*)  Gai.  I,  83 :  Animadverlerc  tarnen  debemus  ne  iuris  «gentium  icgulani 
vel  lex  aliqua  vel  quod  legis  vicem  obtinet  aliquo  casu  commutaverit.  Ulji. 
D.  1,1,6:  Jus  civile  est  quod  ncque  in  totum  a  niituriiH  vel  «jcniiuin  reccdil 
nee   per  omnia  ei   servit. 

")  Flor.  1).  I,  1,3  cf.  I).  I,  1,  1,4. 


—     15     — 

wie  Sklaverei,  Freilassung/^)  Eigentumserwerbung  durch  Okku- 
pation, AUuvion,  Pflanzung,  Tradition^'^j  in  das  ins  gentium  ver- 
wiesen, vorbehaltlich  also  der  Ausgestaltung  durch  die  National- 
rechte. Denn  der  Sklave  des  Peregrinen  ist  seinem  Herrn 
nach  peregrinischem,  der  des  Römers  nach  römischem  Rechte 
unterworfen,  die  Freilassung  des  Römers  wirkt  anders,  als  die 
des  Peregrinen  (der  vom  römischen  Bürger  Freigelassene  wird 
römischer  Bürger);  Okkupation  und  Tradition  verschaffen  den 
Peregrinen  nicht  römisches  Eigentum,  sondern  das  seines 
Rechts.^^)  Auch  ganz  allgemeine  Pflichten,  wie  Religiosität, 
Gehorsam  gegen  Eltern  und  Vaterland,  werden  als  Sätze  des 
ins  gentium  formuliert"^)  oder  gar  so  ziemlich  der  ganze  Lauf 
der  Welt  darauf  zurückgeführt."")  Diese  vom  praktisch  an- 
wendbaren itis  gentium  sich  mehr  oder  weniger  weit  entfernen- 
den Ideen  bilden  die  Brücke  zu  denjenigen  vom  ins  naturale. 
Vielfach  wird,  was  dem  ins  gentium  zugeschrieben  wird,  zu- 
gleich als  ins  natui-aJe  bezeichnet  in  dem  oben  (S.  4)  erwähnten 
Sinne,  daß  das  allen  Völkern  gemeinsame  Recht  ihnen  von 
der  Natur  eingepflanzt  sei.^S)  Von  da  kam  man  wie  eben- 
falls bereits  oben  (S.  4)  bemerkt,  mit  einem  Schritt  weiter 
selbst  zu  einem  Menschen  und  Tieren  gemeinsam  angeborenen 
Rechte,  welches  dann  von  dem  ins  gentium,  das  nur  für  die 
Menschen  gilt,  verschieden  ist.'^)  Aber  auch  abgesehen  von 
diesem  Punkte  wird  wohl  das  ins  gentium  von  dem  ins  natu- 
rale unterschieden;  Ulpian  führt  die  Sklaverei  auf  ins  gentium 
im  Gegensatz  zum  his  natui'ale  zurück.^s) 

rV.  Die  Anwendung  des  römischen  Rechts,  auch  soweit 
dasselbe  als  ins  civile  auf  den  Kreis  der  Bürger  beschränkt 
bheb,    mußte    gleichen    Schrittes    mit    der    Ausdehnung    des 


^^)  Gai.  I,  52:   die  potestas  über  die  Sklaven.    Ulp.  D.  I,  1,  4:  die  Sklaverei 
und   die  Freilassungen. 

1»)  D.  XLI,  1,  1—9. 

20)  Vgl.   Gai.   11,40. 

21)  Pomp.  D.  I,  1,  2. 

22)  Hermogen.  D.  I,  1,  5:  Krieg  und  Frieden,  Unterscheidung  der  Nationen, 
Gründung  von  Reichen,  Eigentum,   Häuserbau,  Handel  und   Wandel. 

23)  S.   §  2  Note   3. 

2*)  Ulp.  D.  I,    1,   1,  3.  4. 
25)  D.   I,    1,  4. 


—     16     — 

Bürgerrechts  vordringen.  Caracalla  hat,  wie  es  scheint,  das 
Bürgerrecht  allen  Gemeinden  des  Reichs  verliehen,  die  es  noch 
nicht  hatten.  Genau  sind  die  Grenzen  seines  Erlasses  nicht 
bestimmbar.^")  Ganz  aufgehoben  ist  der  Unterschied  zwischen 
Bürgern  und  Nichtbürgern  durch  ihn  nicht,  schon  um  des- 
willen, w^eil  auch  in  der  Folge  noch  das  Bürgerrecht  ver- 
loren, durch  gewisse  unvollkommene  Freilassungen  peregrini- 
scher  Stand  erworben  werden,  und  Nichtreichsangehörige  auf 
dem  Boden  des  Reichs  sich  aufhalten  konnten.  Im  justiniani- 
schen Recht  sind  zwar  jene  unvollkommenen  Freilassungen 
beseitigt,  die  beiden  andern  eben  erwähnten  Kategorien  von 
Peregrinen  kommen  aber  noch  vor.  Freilich  war  auch  inner- 
lich der  Gegensatz  von  ins  civile  und  ins  gcntiiiDi  abgeschliffen. 
Die  Institute,  welche  noch  als  Privilegium  römischer  Bürger 
galten,  hatten  sich  eingeschränkt  auf  das  Familienrecht  und  das 
Erbrecht.  Für  eine  Ehe,  aus  welcher  väterliche  Gewalt  über 
die  Kinder  hervorgehen  soll,  ist  Civität  beider  Gatten  erfor- 
derlich, das  Kind  bedarf  der  Civität,  um  in  väterlicher  Gewalt 
stehen  zu  können.  Vormund  sein  und  bevormundet  werden, 
erben  und  beerbt  werden  kann  nach  römischem  Recht  auch 
unter  Justinian  nur  der  römische  Bürger.^')  Daß  aber  das 
römische  Recht  auch  in  seiner  justinianischen  Fassung  die 
Volksrechte  nicht  ganz  verdrängt  hat,  lehrt  insbesondere  die 
Autorität,  welche  auch  nach  Justinian  das  syrisch-römische 
Rechtsbuch  (§   24)  behalten  hat. 


26)  Ulp.  D.  I,  5,  17  sagt  zwar  ;  In  orbc  Romano  qui  sunt,  ex  constitutione 
imperatoris  Antonini  cives  Romani  effecti  sunt.  Aber  es  ist  unzweifelhaft,  daß 
damit  zuviel  gesagt  ist.  Vgl.  Mommsen  Hermes  X\'I  S.  474(T.,  Staatsr  III 
1   S.  699,   Mitteis  a.  a.   O.  S.   1.59  ff. 

27)  J.  I,  10  pr.  Justas  aulem  nuptias  inter  se  cives  Romani  contrahunt.  J.  I, 
9  pr.   In  potestate   nostra  sunt  liberi  nostri,   quos  ex  iustis  nuptiis  procreaverimus. 

|.  I,  12  §  1  :  Verlust  der  väterlichen  Gewalt  durch  Verlust  des  Bürgerrechts, 
Untergang  der  väterlichen  Gewalt  dadurch,  daß  das  Kind  aufhört,  Bürger  zu 
sein.  J.  I, '22,  1.4:  entsprechendes  für  die  Vormundschaft.  Ulp.  D.  XXVIII,  5, 
6,  2 :  Der  zum  Erben  Eingesetzte  muß  römischer  Bürger  sein,  es  schadet  nur 
nichts,  wenn  er  es  zwischen  Testamentserrichtung  und  Tod  des  Erblassers  eine 
Zeit   lang  nicht  ist.    Ulp.  I).  XXXII,  1,  2:    Der  Nichtbürger  kann  nicht  testieren. 


Zweites  Kapitel. 


Das  römische  Gewohnheitsrecht.^) 

I.  Daß  in  den  Anfängen  Roms  die  Rechtsbildung  haupt- 
sächlich eine  gewohnheitsrechtliche  war,  sagt  nicht  bloß  die 
römische  Tradition,  die  dabei  die  Kraft  der  gerichtHchen 
Sprüche  besonders  betont,")  sondern  es  wird  auch  bestätigt 
durch  die  allgemeine  geschichtliche  Erfahrung  und  durch  den 
in  den  Ständekämpfen  der  Republik  erhobenen  Ruf  nach  ge- 
schriebener Gesetzgebung.     Aber    auch    seitdem    die    Gesetz- 


1)  Das  berühmte  Werk  Puchtas:  Das  Gewohnheitsrecht.  2  Teile.  Erl. 
1828.  1837  behandelt  das  römische  Gewohnheitsrecht  im  ersten  Buch  (I, 
S.  1 — 120).  Das  Gewohnheitsrecht  im  allgemeinen  wie  das  römische  im  be- 
sonderen behandeln  auch  die  Pandektenwerke.  Bei  ihnen  weitere  Literatur, 
vergl.  namentlich  Windscheid,  8.  Auflage  von  Kipp  I,  §  15*.  Gierke, 
Deutsches  Privatrecht  I,  §  20,  Neukamp,  das  Gewohnheitsrecht  in  Theorie 
und  Praxis  des  gemeinen  Rechts.  Referat  und  Kritik.  Arch.  für  bürgerliches 
Recht  XII  (1897.)  S.  89  ff.  Neuestens  Brie,  Die  Lehre  vom  Gewohn- 
heitsrecht. I.  Teil.  Breslau  1899.  Römisches  Recht,  S.  1  —  58.  — 
Pernice,  Zum  römischen  Gewohnheitsrechte,  Ztschr.  der  Sav. -Stift.  XX 
(1899)  S.  126  ff.,  dazu  ein  Nachtrag  (mit  bes.  Rücksicht  auf  Brie). 
Das.  XXII  (1901)  S.  59  ff.  —  Sturm,  Revision  der  gemeinrecht- 
lichen Lehre  vom  Gewohnheitsrecht  unter  Berücksichtigung  des  neuen  deut- 
schen Reichsrechtes,  Leipzig  1900,  nimmt  gelegentlich  auf  römisches  Recht 
Rücksicht,   stellt  die  römischen  Anschauungen  aber  nicht  zusammenhängend  dar. 

2)  Pomp.  D.  I.  2,  2,  1  :  initio  civitatis  nostrae  populus  sine  lege  certa 
sine  iure  certo  primum  agere  instituit  omniaque  manu  a  regibus  gubernabantur. 
Dionys.  X,  1  :  ovtcco  yäo  tot'  fjv  oilr'  iaovoftia  Ttaga  Piofiaiois,  o^V 
lariyooia,  o-öS'  ev  y^aifais  aitavta  t«  Sixaia  rerayfiiva  dXka  rb  fiev  äoyuTov 
Ol  ßuaiXeZs  e(f  avrwv  eraTiov  toTs  Seofievois  ras  Sixas  xul  rb  Sixauoß'sp 
vTt"   ey.Eivcov,   tovto   vöftog  rjv. 

KipPi  QueUen  des  röm.  Kechts.  2 


—     18     — 

gebung  (mit  den  XII  Tafeln)  begonnen  hatte,  eine  umfassende 
Tätigkeit  zu  entfalten,  ist  der  Fluß  des  Gewohnheitsrechts 
nicht  versiegt.  Cicero  '^)  wie  die  klassischen  Juristen  *]  er- 
kennen es  als  eine  dem  Gesetz  ebenbürtige  Rechtsquelle  an, 
so  daß  auch  das  Gesetz  durch  Gewohnheitsrecht  aufgehoben 
werden  kann,  da  dieses  nur  ein  anderer  Ausdruck  desselben 
Volkswillens  ist,  der  das  Gesetz  trägt. '^j  Verlangt  wird  für 
die  Anerkennung  eines  Gewohnheitsrechtssatzes  in  ziemlich  un- 
bestimmten Ausdrücken,  daß  er  durch  Sitte,  Gewohnheit  sich 
befestigt  hat  finos  mores  [majorum],  consuetudo  [diutiwna, 
lovga,  inveterata]). 

Die  Gewohnheit  erscheint  als  Begründungstatsache  für  den 
Rechtssatz,  nicht  als  bloßes  Erkenntnismittel  für  die  Rechts- 
überzeugung des  Volks,  die  in  sich  allein  im  Stande  wäre 
den  Rechtssatz  zu  schaffen.^)  NatürHch  muß  es  sich  dabei  um 
eine  Rechts sitte,  eine  Rechtsgewohnheit  handeln,  d.  h.  die 
Gepflogenheit  muß  von  dem  Gedanken  getragen  sein,  daß  es 
sich   von  Rechts  wegen  gebühre,  so  zu  handeln.'')     Im  Volke 


3)  Cic.  de  invent.  II,  22,  65.  67 :  Consuetudinis  autem  ius  esse  putatur  id 
quod  voluntate  omnium  sine  lege  vetustas  comprobavit.  —  Cic.  top.  5,28.  Auct. 
ad  Herenn.  2,  19  Consuetudine  ius  est  id,  quod  sine  lege  aeque  ac  si  legitimum 
sit,  usitatum  est. 

^)   S.   im  allgemeinen  D.  I,   3,   32—40. 

^)  So  Jul.  D.  I,  3,  32.  Inveterata  consuetudo  pro  lege  non  immerito 
custoditur  et  hoc  est  ius  quod  dicitur  moribus  constitutum,  nara  cum  ipsae 
leges  nuUa  alia  ex  causa  nos  teneant  quam  quod  iudicio  populi  receptae  sunt, 
merito  et  ea  quae  sine  ullo  scripto  populus  probavit  tenebunt  omnes,  nam 
quid  interest  suffragio  populus  voluntatem  suam  declaret  an  rebus  ipsis  et  factis. 
Quare  rectissime  etiam  illud  receptum  est,  ut  leges  non  solum  suflfragio  legis- 
latoris  sed  etiam  tacito  consensu  omnium  per  desuetudinem  abrogentur. 
S.  auch  Hermogen.  D.  I,  3,  35:  velut  tacita  civium  conventio.  Gell.  II, 
24,  11,  XI,  18,  4,  XII,  13,  5,  XX,  1,  7—10.  22.  23.  Pernice  XX 
S.  156  ff..  XXII  S.  69ff.  74  ff.  Brie  S.  16  ff  Pernice  sieht  die  Ansicht 
Julians,  daß  das  Gewohnheitsrecht  ein  Gesetz  abschaffen  könne,  als  eine  doktri- 
näre an  und  erklärt  sich  grundsätzlich  gegen  die  „derogatorische  Kraft"  des 
Gewohnheitsrechtes,  räumt  ihr  aber  doch  schliesslich  viel  ein.  M.  E.  ist  sie 
prinzipiell  zu  bejahen.     So  auch   Brie  S.  37  ff. 

«)  Vgl.  neuestens  Brie  S.  12  ff.  Pernice  XXII  S.  69.  Die  entgegen- 
gesetzte Ansicht  von  der  Stellung  der  Gewohnheit  hatten  Savigny  und  Puchta. 

')  Daß  die  Gewohnheit  darum  doch  etwas  Tatsächliches  ist  (Pernice 
XXII   S.  22.  60  ff.  ist  allerdings  vollkommen  richtig,   und   ebenso  unzweifelhaft, 


—     19     — 

geht  die  Ansicht  von  dem,  was  Recht  ist,  und  von  dem,  was 
Recht  sein  sollte,  beständig  durcheinander.  Die  Handlungen 
und  Unterlassungen,  deren  ständige  Wiederholung  den  Rechts- 
satz schafft,  gehen  von  dem  Gedanken  aus,  daß  er  schon  be- 
stände.'^) Insofern  ruht  jedes  Gewohnheitsrecht  auf  einem 
Irrtum.  Die  Frage,")  inwieweit  es  der  Entstehung  eines  Ge- 
wohnheitsrechtssatzes hinderlich  sei,  wenn  die  Rechtsgewohn- 
heit auf  Irrtum  beruhe,  setzt  den  Fall,  daß  die  Rechtsgewohn- 
heit von  einer  bestimmten  irrigen  Vorstellung  über  tatsäch- 
liche X'erhältnisse  getragen  ist  oder  auf  einer  irrigen  x\us- 
legung  eines  bestimmten  Rechtssatzes  beruht,  dessen  (schein- 
barem) Zwange  man  sich  fügt,  ohne  daß  die  innere  Überzeu- 
gung damit  übereinstimmt.  Auch  in  solchen  Fällen  ist  aber 
die  rechtsbildende  Kraft  der  Gewohnheit  nicht  zu  leugnen. 
Die  Aufklärung  des  Irrtums  kann  nur  zu  einer  Rückbil- 
dung oder  Umbildung  führen,  wenn  sie  ihrerseits  die  prak- 
tische Ausübung  für  sich  gewinnt.  Ein  Satz  des  Celsus,^^) 
den  man  wohl  für  die  Unverbindlichkeit  der  auf  Irrtum  be- 
ruhenden Gewohnheit  anführt,  erkennt  in  Wahrheit  den  Rechts- 
charakter eines  Satzes,  der  auf  einem  in  der  Gewohnheit  ein- 
gewurzelten Irrtum  beruht,  an,  und  spricht  sich  nur  gegen 
analoge  Ausdehnung  so  entstandener  Sätze  aus.^^) 

II.  Konstante  Praxis  der  Gerichte  wird  der  außergericht- 
lichen Rechtsgewohnheit  selbständig  zur  Seite  gestellt  (con- 
suetndo  aut  rerimi  pei'petuo  similiter  iudicatainmi  aiictoritas)\^'^) 
aber  auch  bei  erweislicher  außergerichtlicher  Gewohnheit  wird 

daß  die  Rechtsgewohnheit  und  diejenige,  welche  nur  eine  außerrechtUche 
Sitte  schafft,  vielfach  tatsächlich  nicht  scharf  auseinander  gehalten  werden  können. 
Pernice   XX,   S.    127  f. 

«)   Pernice  XXII   S.   70. 

»)  Vgl.  Windscheid-Kipp,   Pand.  I  §   16  Note  3. 

10)  D.  I,  3,  89:  Quod  non  ratione  introductum  sed  errore  primum,  deinde 
consuetudine  obtentum  est,   in  aliis  similibus  non  obtinet. 

11)  So  auch  Dernburg,  Pand.  I  §  27*,  Regelsberger,  Pand.  I  §20' 
Pernice  XXII  S.  81,  der  aber  zweifelt,  ob  Celsus  überhaupt  von  einem  Rechts- 
satz spricht  und  nicht  vieiraehr  von  einem  obrigkeitlichen  Dekret,  auf  das  sich 
eine  Gewohnheit  aufbaute  oder  von  etwas  Ahnlichem.  Brie  S.  30,  nach  ver- 
hältnismässig größter   Wahrscheinlichkeit, 

12)  Callistr.  D.  I,  3,  38. 

2* 


—     20     — 

besonderes  Gewicht  darauf  gelegt,  daß  sie  in  einem 
Streitfalle  durch  gerichtliches  Urteil  Bestätigung  ge- 
funden hat.^^)  Tatsächlich  steht  die  Rechtsgewohnheit  des 
Volkes  mit  der  gerichtlichen  Praxis  in  inniger  Wechselwir- 
kung, ebenso  wie  beide  von  den  Lehrmeinungen  der  Juristen 
beeinflußt  werden  und  ihrerseits  jene  beeinflussen.  Auch  das 
prätorische  Edikt  entnimmt  seine  Erwägungen  der  Praxis  des 
Verkehrs  und  der  Gerichte  wie  der  Lehre  der  Juristen  und 
wirkt  seinerseits  auf  alle  jene  zurück.  In  den  Zeiten  des  ent- 
wickelten römischen  Rechts  tritt  die  selbständige  Rechtsbil- 
dung durch  die  Volksgewohnheit  in  den  Hintergrund;  die 
Gewohnheit  wirkt  mehr  indirekt  durch  ihren  Einfluß  auf 
Praxis,  Lehrmeinungen  und  Edikte.^*) 

III.  Einer  besonderen  Betrachtung  bedarf  die  Frage,  wie 
die  römischen  Gesetzgeber  sich  zum  Gewohnheitsrecht  gestellt 
haben.  Davon,  daß  das  Gewohnheitsrecht  nur  auf  Grund 
einer  Zulassung  durch  den  Gesetzgeber  sich  bilden  könnte, 
findet  sich  bei  den  Römern  nichts.  Wohl  aber  haben  die 
Kaiser  das  Recht  für  sich  in  Anspruch  genommen,  eine  be- 
stehende Rechtsgewohnheit  anzuerkennen  oder  ihr  die  Aner- 
kennung zu  versagen.  Die  freie  Stellung,  welche  die  Kaiser 
in  ihren  Erlassen  allem  bestehenden  Recht  gegenüber  ein- 
nehmen, das  beständige  Hinübergreifen  ihrer  Verfügungen  in 
das  gesetzgeberische  Gebiet,  läßt  von  vornherein  nichts  anderes 
erwarten,    als    daß    sie    bestehende    Rechtsgewohnheiten    bei- 


'^)  Primum  quidem  illud  explorandum  arbitror,  an  etiam  contradicto 
aliquando  iudicio  consuetudo  firmata  sit.  (Ulp.  D.  I,  3,  34.)  Der  Sinn  dieser 
Stelle  wird  jedenfalls  durch  den  obigen  Text  getroffen.  Zweifelhaft  mag  sein, 
ob  man  (wie  die  vorige  Auflage)  geradezu  übersetzen  darf,  in  einem  kontra- 
diktorischen Urteil,  d.  h.  in  einem  Urteil,  das  nach  zweiseitiger  Streitverhand- 
lung gefällt  wird  (Gegensatz:  Versäumnisurteil).  Contradictum  iudicium  wäre 
freilich     ana^     leyöfievov.  (Kubier      im     Vocabularium      iurisprudcntiae 

Romanae  s.  h.  v.)  Mommsen  h.  1.  (größere  Ausgabe)  hält  contradicto  auf- 
recht; aber  er  nimmt  es  adverbial.  Das  führt  sachlich  zum  gleichen  Er- 
gebnisse. Eine  schon  von  Heineccius  in  Brissonius  Wörterbuch  vertretene 
Konjektur  will  contradicta  lesen,  aber  contradicta  consuetudo  ist  auch  ein 
sehr  anfechtbares  Latein. 

1+)  Dies  ist  der  Grundgedanke  der  Ausführungen  von  Pernice.  (Vgl. 
XX  S.   128)     S.  auch  Brie  S.  3  ff .  52  ff. 


—     21     — 

Seite  schieben,  die  sie  dem  Inhalt  nach  nicht  billigen.  Dies 
tat  schon  Trajan,  indem  er  eine  Bestimmung  der  Provinzialord- 
nung  des  Pompejus  für  Bithynien  gegenüber  einer  entgegen- 
stehenden Gewohnheit  wiederherstellte,  ohne  doch  prinzipiell 
auszusprechen,  daß  die  Gewohnheit  gegen  ein  Gesetz  nicht  auf- 
komme, ^'^j  Der  allgemeine  Ausspruch,  daß  die  Rechtsgewohnheit 
das  Gesetz  nicht  besiegen  könne,  gepaart  mit  dem  anderen, 
daß  sie  auch  wider  die  Vernunft  nicht  aufkomme,  liegt  uns 
vor  in  einem  Erlaß  Constantins.^*^)  Allein  ganz  allgemein  das 
bestehende  Gewohnheitsrecht  insoweit  zu  kassieren,  als  es 
irgend  welchen  gesetzlichen  Bestimmungen  zuwiderliefe, 
hätte  einen  ganz  sinnlosen  und  zudem  völlig  aussichtslosen 
Versuch  bedeutet,  die  römische  Rechtsgeschichte  um  Jahr- 
hunderte zurückzuschrauben.  Noch  Justinian,  der  jenen  Erlaß 
Constantins  in  seinem  Codex  (§§  27,  29)  aufnahm,  hat,  während 
er  seinem  Zinsgesetz  gegenüber  die  Berücksichtigung  ab- 
weichender Gewohnheiten  verbietet,  ^')  nichts  dagegen    einzu- 


15)  Plin.  ad  Traj.  114.  115.  Trajan  wuide  von  dem  jüngeren  Plinius,  als 
dem  Statthalter  von  Bithynien,  um  Entscheidung  angegangen  in  folgendem 
Falle:  die  Provinzialordnung  des  Pompejus  (lex  Pompeja)  hatte  bestimmt,  daß 
den  bithynischen  Städten  freie  Verleihung  ihres  Bürgerrechts  zustehen  sollte,  nur 
sollten  nicht  Bürger  einer  bithynischen  Stadt  zugleich  Bürger  einer  anderen 
werden.  Das  war  durch  Gewohnheit  außer  Übung  gekommen  und  sogar  in 
sehr  vielen  Fällen  Bürger,  die  dem  zuwider  aufgenommen  waren,  Buleuten 
geworden.  Plinius  zweifelte,  ob  sie  aus  den  Stadtsenaten  zu  entfernen  seien. 
Der  Kaiser  erkennt  den  Zweifel  als  berechtigt  an:  Merito  haesisti  .  .  .  nam  et 
legis  auctoritas  et  longa  consuetudo  usurpata  contra  legem  in  diversum  movere 
te  potuit.  Er  entscheidet,  daß  das  bisher  Geschehene  nicht  umzustossen,  in 
Zukunft  aber  die  lex  Pompeja  zu  beachten  sei.  Offenbar  ist  er  dabei  von  dem 
Gedanken  geleitet,  daß  die  Wiedereinführung  der  Beobachtung  der  lex  Pompeja 
sich  aus  sachlichen  Gründen  empfehle;  denn  im  entgegengesetzten  Falle  hätte 
er  unzweifelhaft  nicht  aus  Respekt  vor  einem  alten  Gesetz  (nicht  einmal  einem 
Volksgesetz,  sondern  einer  einseitigen  Verfügung  des  Pompejus)  die  entgegen- 
stehende Gewohnheit  verworfen.  Ich  stimme  also  mit  Brie  S.  41  nicht  überein, 
der  die  Entscheidung  des  Kaisers  darauf  gründet,  daß  das  vom  Vertreter  des 
römischen  Volkes  (Pompejus)  den  Unterworfenen  gegebene  Gesetz  sie  absolut 
bindet. 

16)  Constantin  C.  J.  VIII,  52  (53),  2:  Consuetudinis  ususque  longaevi 
non  vilis  auctoritas  est,  verum  non  usque  adeo  sui  valitura  momento,  ut  aut 
rationem  vincat  aut  legem. 

17)  C.  J.   IV,   32,   26,   3. 


—     22     — 

wenden,  daß  ältere  Gesetze,  deren  Inhalt  er  nicht  wieder 
herbeiwünscht,  durch  Gewohnheit  aufgehoben  sind/^) 
Jener  Ausspruch  Constantins  wird  die  Begründung  dafür  ab- 
gegeben haben,  daß  der  Kaiser  eine  bestimmte  Rechtsge- 
wohnheit wegen  Widerspruchs  mit  einem  Gesetze,  dessen  In- 
halt er  aufrecht  erhalten  wissen  wollte,  oder  wegen  sonstigen 
Widerspruchs  mit  seiner  eigenen  Einsicht  verwarf  Ob  Con- 
stantin  den  Satz  bereits  in  der  Form  ausgesprochen  hat,  die 
er  im  justinianischen  Recht  angenommen  hat,  eine  Form,  aus 
der  der  Richter  auch  für  sich  das  Recht  ableiten  konnte,  einer 
Rechtsgewohnheit  wegen  Widerspruchs  mit  einem  Gesetz  oder 
seiner,  des  Richters,  Anschauung  vom  Vernünftigen  die  Aner- 
kennung zu  versagen,  bleibt  zweifelhaft,  ist  aber  keineswegs 
unmöglich.  Denn  auch  Julian  hat  Ähnliches  verordnet.  Er 
be.stimmte,  '^)  daß  Gewohnheiten  zu  beachten  seien,  cuvi  nihil 
per  cmisani  publicam  intervenit  und  daraus  macht  die  schulmäßige 
interpretatio,  die  im  westgotischen  Römergesetzbuch  \orliegt 
(unt.  §  25),  daß  eine  Gewohnheit  wie  ein  Gesetz  gilt,  wenn  sie 
nicht  dem  öffentlichen  Wohl  zuwiderläuft,"^)  worüber  doch 
wohl  derjenige  zu  erkennen  das  Recht  haben  soll,  vor  dessen 
Gericht  man  sich  auf  die  Gewohnheit  beruft.  Daß  damit 
eine  gewisse  Unsicherheit  des  Rechtszustandes  gegeben  ist, 
ist  nicht  zu  verkennen :  die  Gewohnheit  unterliegt  der  be- 
ständigen Prüfung  ihrer  Verbindlichkeit  aus  beständiger  Nach- 
prüfung ihres  Werts.  Aber  schließlich  ist  das  von  dem  \'er- 
fahren  der  juristischen  Klassiker  dem  geltenden  Recht  gegenüber 
(§  2  '^)  doch  nicht  wesentlich  verschieden.  Keineswegs  kann 
man  den  Erlaß  Constantins  in  seinem  oder  im  Sinne  Justinians 
dadurch  erklären,  daß  man  annimmt,  er  habe  sich  nur  auf  sog. 
partikuläre,  nicht  auf  gemeine  Gewohnheiten  des  ganzen  Reiches 
bezogen.  Wenn  es  auch  richtig  ist,  daß  bei  der  Größe  des 
Reiches  einheitliche  positive  Rechtsgewohnheiten  nicht  leicht 
vorkommen  konnten,  so  kam  doch  in  negativer  Richtung, 
nämlicli  in   der  Nichtbefolgung  älterer  Gesetze  (desiietudo)  ein- 


18)  c.  J.  VI,  51,   1,   1.  Nov.  89  c.   16  pr. 

19)  C.  Th.  V,   12,   1. 

20)  Interpr.    ad    c.  Th.   V,     12,     1 :    Longa    consuctudo    quae   ulilitatibus 
publicis  non   impedit,   pro  lege  servabitur. 


—     23     — 

heitliches  ständiges  Verhalten  im  ganzen  Reiche  vor,^^)  und 
es  ist  nicht  anzunehmen,  daß  die  Denkweise  des  Kaisers 
über  solche  negative  Gewohnheiten  eine  andere  war,  als  über 
positive.  Auf  den  Fall  einer  noch  nicht  völlig  gefestigten 
Gewohnheit  bezieht  sich  die  Vorschrift  von  Leo  und  Zeno, 
daß,  wenn  Streit  entsteht  über  ein  noviini  ius  quod  inveterato 
usii  non  adhuc  stabilitimi  est,  kaiserliche  Entscheidung  eingeholt 
werden  soll.^"") 


21)  Brie  S.  6  Note   18.  S.  44. 

22)  C.  J.  I,   14,   11. 


Drittes  Kapitel. 

Recht  setzende  Staatsakte. 

§  5. 

I.   Angebliche  Rechtsaufzeichnungen  der  Königszeit. i) 

I.  Die  spätere  Zeit  kannte  als  leges  regiae  eine  Reihe 
von  Satzungen  sakralen  Inhalts  oder  doch  über  Rechtsverhält- 
nisse, welche  mit  dem  Sakrahvesen  zusammenhängen  und  unter 
sakralem  Schutze  stehen.  Es  gab  ein  Werk  de  ritii  sacroriini^^ 
gewöhnlich  nach  seinem  angeblichen  Urheber  ms  Papirianum 
genannt,^)  in  welchem  solche  legcs  regiae  gesammelt  waren. 
Dazu  schrieb  ein  Granius  Flaccus*)  einen  Kommentar.  Die 
Berichte,  welche  das  Werk  selbst  zum  Teil  bis  in  die  Königs- 
zeit zurückführen,  sind  widerspruchsvoll  und  unglaubhaft.  Streng 
genommen  läßt  sich  die  Existenz  des  Buches  nicht  einmal  für 
die    letzten    Zeiten  der    Republik    mit  Sicherheit    behaupten.^) 


1)  M.  Voigt,  die  leges  regiae,  Leipzig  1876.  Mommsen,  Staatsr.  II, 
S.  41  ff.  Kariowa  S.  105  ff.  Jörs,  Gesch.  d.  röm.  Rechtswissenschaft  I  S.  59ff. 
Krüger  S.  3  ff .  Zusammenstellung  der  quellenmäßigen  Nachrichten  gibt 
Bruns,  fontes  I  p.   1  sqq. 

2)  Daß   dies  der   Titel  war,   bezeugt   Serv.    in   Aeneid.    12,  836. 

3)  Macrob.  Saturn.  III,  11,  5.  —  Serv.  1.  c.  bringt  als  landläufigen  Aus- 
druck lex  Papiria. 

*)   Granius  Flaccus  in  libro  de  iure  Papiriano  scribit  (Paul.  D.  50,  16,  144). 

5)  Nach  Dion.  3,  86  hätte  Ancus  Marcius  die  sacrorum  commentarii, 
welche  Numa  Pompilius  verfaßt  hatte,  sich  von  den  Pontifices  geben  lassen 
und  auf  Tafeln  auf  dem  Forum  aufgestellt.  Vor  Alter  seien  sie  verwischt, 
aber  nach  Vertreibung  der  Könige  von  dem  (ersten)  Pontifex  Maximus  G.  Pa- 
pirius  wieder  hergestellt.  Pomponius  (D.  I,  2,  2)  behauptet  im  §  20,  daß  noch 
zu  seiner  Zeil  ein  Buch  vorhanden  war,  welches  alle  leges  regiae  enthielt  und 
von  Sex.   Papirius,    einem   hervorragenden   Manne   aus   der   Zeit   des   Tarquinius 


—    25     — 

Inhaltlich  aber  werden  viele  der  leges  regiae  in  der  Tat  aus 
der  Königszeit  stammen,  fraglich  jedoch,  aus  welcher  Rechts- 
quelle.'') 

Sagenhaft^)  ist  auch  der  Bericht  des  Dionysius  von  Hali- 
carnaß  über  die  Gesetzgebung  des  Servius  TuUius,  der  ins- 
besondere das  Institut  der  Zivilgeschworenen  eingeführt,  auch 
ungefähr  50  Curiengesetze  über  Verträge  und  Delikte  durch- 
gebracht haben  soll,  von  denen  die  auf  Verträge  bezüglichen 
durch  Tarquinius  Superbus  aufgehoben,  durch  die  ersten  Kon- 
suln wiederhergestellt  wären. 

IL  Die  spätere  Sitte  der  Magistrate,  Aufzeichnungen  über 
ihre  Amtshandlungen  zu  machen  (connnentarli  viagistratuunij^ 
mag  schon  von  den  Königen  beobachtet  sein;  auch  werden 
cofnmentarii    reginn    öfter    erwähnt.^)     Diese  Erwähnungen 


Superbus  herrührte ;  in  §  36  nennt  er  als  denjenigen,  der  leges  regias  in  ununi 
contulit,  einen  P.'  Papirius,  ohne  genauere  Zeitangabe,  aber  jedenfalls  so,  daß 
er  älter  sein  müßte,  als  die  Verfasser  der  XII  Tafeln.  Hirschfeld,  Sitzungs- 
bericht d.  Berliner  Akad.  Philos.-hist.  Kl.  1903  I,  S.  8  ff.  nimmt  an,  daß  es 
sich  hier  um  Geschichtsfälschungen  zu  Ehren  des  Geschlechts  der  Papirier 
handelt,  was  sehr  wahrscheinlich  ist.  Hirschfeld  folgert  aus  dem  Schweigen 
Ciceros  in  einer  Stelle,  in  der  er  den  Patrizierstand  der  Papirier  nachweisen 
will  (ad  fam.  IX,  21),  daß  zu  seiner  Zeit  (und  zwar  wahrscheinlich  noch  im 
Jahre  46  v.  Chr.)  den  gelehrten  Kreisen  Roms  weder  jene  Papirier  noch  die 
einem  von  ihnen  zugeschriebene  Sammlung  der  Königsgesetze  bekannt  gewesen 
sein  können.  Sicher  ist  dieser  Schluß  wohl  nur  in  Bezug  auf  die  Verbindung 
der  Sammlung  mit  dem  Namen  eines  Papirius.  Aber  einen  positiven  Beleg 
für  die  Existenz  der  Sammlung  in  der  letzten  Zeit  der  Republik  gibt  es  aller- 
dings nicht.  Der  Kommentator  derselben,  Granius  Flaccus  muß  nicht  not- 
wendig derselbe  gewesen  sein,  der  dem  Cäsar  ein  Buch  de  indigitamentis 
(Gebetsformeln)  widmete  (Hirschfeld  a.  a.  O.  S.  Uff.),  obwohl  nicht  nur 
die  Xamensgleichhcit,  sondern  auch  der  verwandte  Inhalt  der  fraglichen  beiden 
Bücher  dafür  spricht.  Ja,  es  steht  nicht  einmal  fest,  daß  der  Cäsar,  welchem  das 
Buch  de  indigitamentis  gewidmet  war,  der  Diktator  ist.  Nach  Serv.  1.  c. 
(Note  2)  hat  aber  wenigstens  Vergil  das  Werk  de  ritu  sacrorum  gekannt.  Alter 
als  das  ins  Papirianum  sind  jedenfalls  die  »monumenta«  des  M'  Manilius 
(§  16  I,  2),  welche,  wie  Hirschfeld  a.  a.  O.  S.  2  ff.  nachweist,  angebliche  Gesetze 
Numas  enthielten,  wenn  auch  nicht  nur  solche. 

6)  Edikte  des  Königs  als  des  Oberpriesters?  Uraltes  priesterliches  Ge- 
wohnheitsrecht? 

'']  S.   auch   Lenel,   Holtzend.   Encyklop,   S.  89. 

S)  Dion.  IV,  13.25.43.     V,  2. 


—     26     — 

können  aber,  selbst  wenn  jene  Dokumente  wirklich  einmal 
existiert  haben,  nur  auf  mittelbarer  und  unsicherer  Kunde  von 
ihnen  beruhen. 


2.   Die  Volksgesetzgebung.     (Leg es  latae.) 

§   ö- 
Allgemeine  Lehren  vom  Volksgesetz. 

I.  Lex"^)  in  dem  hierhergehörigen  Sinne  des  Worts  ist  der 
eine  Rechtsvorschrift  aufstellende  Beschluß  der  Volksgemeinde, 
welcher  auf  Antrag  eines  Magistrats  ergeht  (lex  rogata,  lata). 
Dies  ist  der  verfassungsmäßige  Weg  zur  Aufstellung  dauernder 
Rechtsvorschriften  in  der  römischen  Republik.  Über  die  Ge- 
setzgebungskompetenz der  einzelnen  Arten  von  Volksversamm- 
lungen bemerken  wir  nur  kurz  Folgendes. 

1.  Die  ursprünglich  alleinstehenden  Curiatcomitien  haben 
in  historischer  Zeit  nur  noch  die  Beschlußfassung  über  das 
Imperium  der  meisten  Magistrate  (lex  curiata  de  imperioj  und 
über  gewisse  spezielle  Angelegenheiten,  deren  Erledigung  eines 
Gesetzgebungsaktes  bedarf.  Solange  nämlich  das  Testament 
als  eine  Dispensation  von  dem  gesetzlichen  Erbrecht  durch 
Spezialgesetz  behandelt  wurde,  ist  dieses  Gesetz  in  Curiat- 
comitien ergangen.^)  Desgleichen  unterlag  die  ArrOgation,  die 
Annahme  eines  bisher  keiner  väterlichen  Gewalt  Unterliegen- 
den an  Kindesstatt,   der  Beschlußfassung   der  Curiatcomitien.^) 

2.  Die  allgemeine  Gesetzgebune  lieet  in  historischer  Zeit 


1)  S.   dazu  Pernice   Zeitschr.   der  Sav.-Stift.   XXII   S.   64  ff. 

2j  Gai.  II,  101.  Gell.  XV,  27,  1  —  3.  Es  ist  freilich  bestritten,  ob  das 
testanoentum  in  calatis  comiliis  einen  Gesetzgebungsakt  darstellt  und  nicht 
vielmehr  die  Volksgemeinde  bei  diesem  Testament  nur  Zeugschaft  leistet.  Für 
die  im  Text  vertretene  Ansicht :  Mommsen,  röm.  Staatsrecht  III,  1,  S.  .S19f. 
Ihering,  Geist  des  r.  R.  I  zu  ■''5b  ff.  Pernice,  (wenigstens  für  die  ur- 
sprüngliche Zeit)  Festg.  f.  Gneist,  Berlin  1888  S.  129.  Girard  p.  793  suiv. 
A.   M.  Kariowa   11   S.    848  ff. 

3J   Gai.   I,   98  sqq.      Gell.   V,    19,    1—6. 


—     27     — 

zuerst  bei  den  Centuriatcomitien,  mit  denen    aber    die   beiden 
folgenden  Versammlungen  in  Konkurrenz  treten. 

3.  Seit  wann  Tributcomitien,  d.  h.  nach  Tribus  geordnete 
patrizisch-plebejische  Versammlungen  zur  Gesetzgebung  ver- 
wandt sind,  ist  nicht  genau  zu  sagen.  Livius  bringt  ein  Bei- 
spiel von  357  V.  Chr.'*) 

4.  Beschlüsse  der  nach  Tribus  geordneten  Plebejer  Ver- 
sammlung (concüüitn  plebis)  haben  für  das  Gesamtvolk  ver- 
bindliche Kraft  seit  der  lex  Hortensia  zwischen  289  und  286 
v.  Chr.  Vielleicht  hatten  sie  schon  vorher  gleiche  Kraft  unter 
der  Bedingung,  daß  der  Senat  sie  genehmigt  hatte,  und  hat 
die  lex  Hortensia  die  Bedeutung,  diese  Bedingung  beseitigt 
zu  haben. ■^) 

IL  Lex  heißt  im  strengen  Sprachgebrauch  nur  das  vom 
Gesamtvolk  beschlossene  Gesetz.     Der  Beschluss  des  conciliuvi 


4)  Liv.  VII,  16.  Mommsen,  Staatsr.  III,  1  S.  322  f.  nimmt  an,  daß 
die  Tributcomitien  schon  vor  den  XII  Tafeln  geschaffen  sind.  Der  comitiatus 
maximus  der  XII  Tafeln  (Bruns  IV,  1.  2)  fordere  als  Gegensatz  leichtere 
Comitien,  diese  könnten  nur  die  Tributcomitien  sein.  Das  ist  höchst  wahr- 
scheinlich zutreffend.  Ein  Gesetz  dieser  Art  ist  die  lex  Quinctia  de  aquae- 
ductibus  vom  Jahre  9  v.  Chr.  Frontin  de  aqu.  urb.  Romae  c.  129.  (Bruns 
I  p.    115  sqq.) 

•"i)  Es  soll  nach  den  Quellen  dreimal  festgesetzt  sein,  daß  die  Plebiszite 
Gesetzeskraft  für  alle  Quirlten  haben  sollten;  zuerst  durch  eine  der  leges  Va- 
leriae  Horatiae  von  449  v.  Chr.  (Liv.  III,  55,  3),  dann  durch  eine  der  leges  Publiliae 
Philonis  von  339  v.  Chr.  (Liv.  VIII,  12,  14),  endlich  durch  die  lex  Hortensia 
zwischen  289  und  286  v.  Chr.  (Gai.  1,8.  Gell.  XV,  27,  4).  Ist  es  nun  schon 
dunkel,  wie  diese  dreimalige  Festsetzung  sich  erklären  soll,  (vielleicht  muß 
man  den  Glauben  daran  ganz  aufgeben  und  annehmen,  daß  in  Wahrheit  nur  die 
lex  Hortensia  sich  mit  der  Angelegenheit  beschäftigte  [Erman  Zeitschr.  d.  Sav.-.S. 
XXIII  S.  455  f]),  so  verwirrt  sich  die  Sache  dadurch  noch  mehr,  daß  schon 
vor  der  allerersten  jener  Bestimmungen  von  Plebisziten  mit  Gesetzeskraft  die 
Rede  ist;  so  bei  Livius  schon  in  den  Kämpfen,  die  der  Abfassung  der  XII  Tafeln 
vorangingen,  obwohl  er  in  diesem  Punkte  sich  nicht  treu  bleibt,  (s.  §  7  Anm.  1). 
Da  nun  in  der  Überlieferung  hervortritt,  daß  die  Tribüne  in  der  älteren 
Zeit,  um  ein  Plebiszit  einbringen  zu  können,  oft  erst  lange  Kämpfe  zu  be- 
stehen hatten,  so  schließt  Mommsen,  Staatsr.  111,1  S.  156  ff.,  daß  der  Wille 
der  Tribunen  allein  hierzu  nicht  genügte,  sondern  eine  andere  Instanz  zuzu- 
stimmen hatte,  die  er  in  dem  Senat  findet.  Dafür  noch  unterstützende  Mo- 
men;e  S.  158.  Sicherheit  aber  besteht  natürlich  nicht.  Daß  die  völlige  Gleich- 
stellung der  Plebiszite  mit  den  leges  erst  auf  der  lex  Hortensia  beruht,  sieht 
auch   Lenel   Holtz.   Enc.   S.    104  Anm.  3  als  sicher  an. 


—     28     — 

plehis  heißt  technisch  plediscitianf)  im  weiteren  Sinne  wird 
aber  lex  auch  für  dieses  gebraucht.  In  der  vorsichtigen  Sprache 
der  späteren  Gesetze  wird  oft  ,h\r  sive  id  plehiscitimi  est  zur 
Bezeichnung  eines  Gesetzes  verwandt,  um  anzudeuten,  daß  das- 
selbe möglicherweise  lex,  möglicherweise  Plebiszit,  der  Unter- 
schied aber  gleichgültig  sei.')  Nach  dem  Amtscharakter  des 
beantragenden  Magistrats  scheiden  sich  Icges  consitlares^  prae- 
toriae,  tribuniciae;  das  einzelne  Gesetz  wird  in  adjektivischer 
Form  mit  dem  Namen  des  Antragstellers  bezeichnet,  die  kon- 
sularischen regelmässig  mit  denen  beider  Konsuln. 

III.  Die  reclitswirksame  Publikation  des  Gesetzes  besteht 
in  der  Renuntiation,  der  förmlichen  Verkündigung  des  Ab- 
stimmungsergebnisses. Die  Urkunde  des  Gesetzes  wird  im 
Archiv  (im  Aerarium)  aufbewahrt,  welches  unter  Leitung  der 
Ouaestoren  stand  (bis  a.  1 1  v.  Chr.  unter  Teilnahme  der 
Adilen);  nach  einer  lex  Licinia  Junia  vom  Jahre  62  v.  Chr. 
sollte  schon  bei  der  Promulgation,  der  ersten  Ankündigung 
des  Vorschlags  durch  Edikt  des  Antragstellers,^)  der  Antrag 
im  x\erar  deponiert  werden,")  damit  die  verbotene  Abänderung 
des  Vorschlags  nach  der  Promulgation  kontrolliert  werden 
konnte.  Die  wichtigeren  Gesetze  wurden  öffentlich,  zuerst 
auf  Holz,  später  auf  Bronze  aufgestellt.^") 

IV.  Zu  unterscheiden  ist  die  Hauptvorschrift  des  Gesetzes 
von  der  sanctio  (Befestigung),  der  Bestimmung  über  die  Folgen 
der  Übertretung  der  Hauptvorschrift.  Ein  Gesetz,  welches 
Rechtshandlungen  \'erbietet,  ist  lex  ininiis  quam  perfecta,  wenn 
die  saiictio  zuwiderlaufende  Rechtshandlungen  mit  Nachteilen 
bedroht,  ohne  sie  für  nichtig  zu  erklären.")  Sind  dem  Über- 
treter nicht  einmal  Nachteile  angedroht,  so  liegt  lex  iDiperfccta 


ti)  Gai.   I,  3.     Gell.  XV,  27,  4. 

7)  Lex  Lat.  tab.  Bantin  7.    15,  lex  Ruhr.  c.  20. 

8)  Fest.  s.  V.  jiromulgari :  Promulgari  leges  dicuntur  cum  primuin  in 
vulgus   eduntur. 

9)  Schol.   Bobiensia  ad  Cic.   pro   Sestio   64,   6   (Orclli-Baiter). 

''')  Die  Formen  der  Gesetzesurkunde  zeigt  die  lex  Quinctia  de  aquae- 
ductibus.      (Bruns   1   p.    115s(]q.) 

")  Ülp.  init.  2.  Minus  quam  perfecta  lex  est  quae  vetat  aliquid  fieri 
et  si   factum    sit,    non   rescindit,   sed  pocnam   iniungit   ei   (jui  contra  legem   fecit. 


—     29     — 

vor.^^)  Lex  perfecta  ist  danach  diejenige,  welche  übertretende 
Rechtshandlungen  für  nichtig  erklärt,  ^'^j  Sanctio  heißt  auch 
die  oft  eingefügte  Klausel,  daß  wegen  Befolgung  dieses 
Gesetzes  aus  anderen  niemand  sollte  zur  Verantwortung  ge- 
zogen werden  können/^)  Auch  sie  befestigt  das  Gesetz!  Sie 
zeigt  die  juristische  Vorsicht  der  Römer;  denn  eigentlich  ist 
sie,  da  schon  nach  dem  Zwölftafelgesetze  von  zwei  wider- 
sprechenden Volksschlüssen  der  jüngere  gilt,'^)  überflüssig. 
Oft  finden  sich  Selbstbeschränkungen  des  Gesetzes,  besonders 
eine  Klausel,  durch  welche  das  Gesetz  erklärt,  beschworene 
ältere  Satzungen  nicht  berühren  und  sonst  nicht  gegen  etwa 
seiner  Kompetenz  entzogenes  Recht  verstoßen  zu  wollen. 
Hierfür  hat  Valerius  Probus ^^)  eine  ständige  Abkürzungsformel, 
die  er  auflöst:  si  quid  saa'osanctmn  est,  quodve  ins  non  sit 
rogarier,  eins  hac  lege  nihilum  i'ogatiir}') 


§  7. 

Die  XII  Tafeln. 

I.  In  der  Mitte  des  fünften  Jahrhunderts  v.    Chr.  hat  das 
römische    Volk     sein    Recht     in     einer    umfassenden     Gesetz- 


12)  Macrob.  ad  somn.  Scip.  11,17,13:  inter  leges  ....  illa  imperfecta 
dicitur  in  qua  nulla  deviantibus  poena  sancitur. 

13)  Ein  Beleg  fehlt  zufällig.  Wahrscheinlich  stand  die  Sache  in  dem 
fehlenden  Anfangsstück  Ulpians.  Daß  Gesetze,  welche  nicht  Rechtshand- 
lungen verbieten,  niemals  mit  Nichtigkeit  drohen  können,   ist  selbstverständlich. 

11)  Cic.  ad  Attic.  III,  23,  2  caput  ....  tralaticium  de  impunitate  si  quid 
contra  alias  leges  eins  legis  ergo  factum  sit.  Die  lex  de  imperio  Vespasiani 
(unter  §  8)  hat  unter  der  Überschrift  sanctio  nichts  als  eine  Vorschrift  dieser 
Art  (Bruns  I  p.    193). 

15)  Liv.  VII,  17,  ut  quodcumque  postremum  populus  iussisset  id  ius  ratum- 
que   esset. 

16)  Prob.  3. 

17)  Cic.  pr.  Caec.  38,  95  sagt,  daß  in  allen  Gesetzen  stehe :  si  quid  ius 
non  esset  rogarier  eius  ea  lege  nihilum  rogatum.  Vgl.  auch  de  dorn.  40,  106. 
Nach  Ciceros  Ansicht  scheint  hauptsächlich  mit  jener  Klausel  der  Grundsatz 
der  Wahrung  wohlerworbener  Privatrechte  ausgedrückt  worden  zu  sein.  Daß 
keine  sanctio  ein  Gesetz  gegen  Abschaffung  schützen  kann,  darüber  treffend 
Cic.  ad  Attic.  111,23,2. 


—     30     — 

gebung  niedergelegt,  dem  Zwölftafelgesetz.  Die  Geschichte 
dieser  Gesetzgebung  erzählt  die  Überlieferung  in  einer  von 
Widersprüchen     stark     durchsetzten    Weise.  ^)       Die      Haupt- 


1)  In  der  Darstellung  des  Livius  herrscht  über  die  staatsrechtliche  Seite 
der  Vorgänge  vollständige  Verwirrung.  Zuerst  kündigt  Terentilius  Arsa  an, 
daß  er  ein  Gesetz  promulgieren  würde:  ut  quinqueviri  creentur  legibus  de 
imperio  consulari  scribundis  (III,  9,  5).  Das  damit  angekündigte  Gesetz  konnte 
nur  ein  Plebiszit  sein;  denn  ein  Comitialgesetz  haben  die  Tribunen  nie 
einbringen  können.  Später  aber  ist  doch  von  Comitien  über  das  Gesetz  die 
Rede  (III,  24,  7)  oder,  was  dem  gleichsteht,  vom  ferre  ad  populum  (nicht 
plebem)  (III,  29,  8,  vgl.  auch  schon  III,  U,  15  [quod  populus  in  se  ius  dederit]). 
Die  Einbringung  des  Gesetzes  durch  die  Tribunen  vereitelten  nach  Livius  die 
Patrizier  zuerst  mit  allerlei  Künsten  (artibus  lex  elusa  (III,  14,  6),  dann  läßt 
I.ivius  ein  Senatusconsult  ergehen,  das  den  Tribunen  die  Einbringung  des  Gesetzes 
für  das  laufende  Jahr  verbietet  (III,  21,  2,  vgl.  29,  8),  offenbar  in  der  An- 
nahme, daß  dieses  Verbot  ausreichte,  um  die  Einbringung  auszuschließen. 
Plötzlich  kommen  die  Konsuln  des  Jahres  455  als  mit  einem  ganz  neuen  Ein- 
wände mit  dem  Satze:  plebem  et  tribunos  legem  ferre  non  posse  (III,  31,  6).  Sie  be- 
streiten also  die  Möglichkeit  eines  Plebiszits,  die  das  Frühere  doch  wenigstens  unter 
Voraussetzung  der  Zustimmung  des  Senats  anerkennt.  Ihr  Einwand  soll  die  Tri- 
bunen zu  grösserem  Entgegenkommen  bewogen  haben;  diese  bitten  nun  die  Patrizier 
(oder  den  Senat),  wenn  ihnen  plebeiae  leges  mißfielen,  so  möchten  sie  ge- 
statten, daß  gemeinschaftlich  legum  latores  sowohl  aus  den  Patriziern  wie  den 
Plebejern  gewählt  würden,  qui  utrisque  utilia  ferrent  quaeque  aequandae  libertatis 
essent  (31,  7).  Diese  Schwenkung  ist  wieder  ganz  unklar.  Die  Konsuln  be- 
streiten, daß  die  Geselzgebungskommission  durch  Plebiszit  berufen  werden 
kann,  die  Tribunen  antworten  damit,  daß  die  Zusammensetzung  der  Kommission 
und  der  Inhalt  der  von  ihr  abzufassenden  Gesetze  anders  werden  soll.  Aber 
worin  besteht  diese  Änderung?  War  denn  zuvor  das  Verlangen  der  Plebejer 
so  weit  gegangen,  daß  ausschließlich  Plebejer  eine  Kommission  zur  Abfassung 
von  Gesetzen  über  das  konsularische  Imperium  bilden  sollten?  Davon  hat 
Livius  zuvor  nichts  gesagt.  Plebeiae  leges  als  eine  Sondergesetzgebung  für 
die  Plebejer  kann  der  alte  Vorschlag  nicht  zum  Ziel  gehabt  haben;  es  kann 
von  vornherein  nur  auf  eine  auch  die  Patrizier  bindende  Gesetzgebung  abgesehen 
gewesen  sein ;  denn  eine  andre  hätte  den  Plebejern  gegen  die  Patrizier  nichts  ge- 
nützt, hätte  auch  nicht  als  leges  de  imperio  consulari  bezeichnet  werden  können. 
Sollte  jetzt  der  Inhalt  der  abzufassenden  Gesetze  ein  weiterer  sein  als  ursprünglich 
geplant  war?  Dazu  paßt,  daß  die  XII  Tafeln  in  Wahrheit  weit  mehr  sind,  als 
leges  de  consulari  imperio.  Aber  hieß  das  lenius  cum  patribus  agere  (Liv.  III, 
31,7),  wenn  jetzt  weit  mehr  verlangt  wurde  als  zuerst?  Livius  kommt  dann 
auf  die  Gesandtschaft  nach  Griechenland  (111,31,8.  32,  1.  32,6.  7),  vgl.  den 
Text  zu  sprechen.  Die  endliche  Bestimmung,  daß  decemviri  gewählt  werden 
sollten,  bringt  Livius  mit  einem  einfachen  placet,  ohne  zu  sagen,  was  für  ein 
Rechtsakt  diese  Bestimmung  war  (_III,   32,7).     Das  einzig  staatsrechtlich   Klare 


—     31     — 

punkte  sind  folgende.  In  den  Kämpfen  der  Plebejer 
und  der  Patrizier  war  ein  wesentlicher  Beschwerdepunkt 
der  Plebejer,  daß  die  damals  noch  rein  patrizischen  Ma- 
gistrate, die  bei  ihrer  Amtsführung  wenig  an  Gesetze  ge- 
bunden waren,  parteiisch  gegen  die  Plebejer  verfuhren.  Des- 
halb verlangten  die  Plebejer  unter  Führung  der  Tribunen  und 
zwar  zuerst  des  C.  Terentilius  Arsa,  seit  dem  J.  462  v.  Chr.  eine 
geschriebene  Gesetzgebung.  Im  Jahre  455  gaben  die  Patrizier 
die  Abfassung  von  Gesetzen  zu,  es  blieb  aber  streitig,  ob  die 
Plebejer  daran  tätigen  Anteil  nehmen  sollten.  Inzwischen 
wurde  eine  Gesandtschaft  nach  Griechenland  geschickt,  um 
die  Gesetze  Solons,  auch  andere  griechische  Rechte  kennen 
zu  lernen.  Nachdem  diese  Gesandtschaft  zurückgekehrt  war, 
kam  man  im  Jahre  452  v.  Chr.  überein,  daß  Decemvirn  ge- 
wählt werden  sollten  als  Gesetzverfasser  und  zugleich  als 
Regierungskollegium  mit  Ausschluß  anderer  Magistrate  und 
des  Volkstribunats.  In  der  Frage,  ob  Plebejer  in  dieses 
Amt  sollten  eintreten  können,  gab  man  schließlich  den 
Patriziern  nach,  und  für  das  Jahr  451  v.  Chr.  wurden 
nur  Patrizier  zu  Decemvirn  gewählt.  Diese  verfaßten 
die  Gesetze  der  ersten  zehn  Tafeln,  die  von  den  Cen- 
turiatcomitien  angenommen  wurden.  Für  das  Jahr  450 
wurde  wiederum  ein  Decemviralkollegium  gewählt  und  zwar 
ein  patrizisch-plebejisches.  Dieses  verfaßte  die  Gesetze 
der  beiden  letzten  Tafeln,  wurde  aber  infolge  seiner  Über- 
griffe gestürzt,  und  die  beiden  letzten  Tafeln  wurden  erst 
nachher    auf    Antrag    der    Konsuln    des  Jahres    449,    Valerius 


an  der  ganzen  Erzählung  ist,  daß  die  von  den  Decemvirn  verfaßten  Gesetze  in 
den  Centuriatcomitien  angenommen  wurden,  und  auch  das  sagt  Livius  deutlich  nur 
von  den  ersten  10  Tafeln  (III,  34,  6).  Dionysius  von  Halicarnaß  läßt  die 
Tribunen  von  jeher  decemviri  (nicht  erst  quinqueviri)  verlangen,  und  zwar 
mittels  eines  von  ihnen  an  eine  Tribusversammlung  gebrachten  Antrages 
(X,  3).  Die  Gesandtschaft  nach  Griechenland  kennt  er  auch  (X,  52).  Dann 
läßt  er  ein  Senatusconsult  ergehen,  welches  die  Wahl  der  Decemvirn  an- 
ordnet (X,  55),  die  Wahl  selbst  läßt  er  in  den  Centuriatcomitien  vor  sich 
gehen  (X,  56),  ebenso  die  Bestätigung  der  ersten  10  Tafeln  (X,  57).  Er  läßt 
aber  auch  die  beiden  letzten  Tafeln,  wie  es  scheint,  von  den  Decemvirn  selbst 
auch  formell  gesetzgeberisch  vollendet  werden  (X,  60).  S.  noch  Pomp.  D.  I, 
2,  2,  3.  4.'  24. 


—     32     — 

und  Horatius  zum  Gesetz  erhoben.-)  Die  Aufstellung  der  ge- 
samten Icges  decemvirales  auf  Tafeln  wird  jedenfalls  erst  auf 
diese  Konsuln  zurückgeführt.^)  So  sehr  aber  auch  diese  Er- 
zählung von  Sagen  durchwoben  sein  mag,  so  stehen  doch  die 
beiden  Tatsachen,  daß  es  Decemvh'i  legibus  scribiindis  gegeben 
hat,  und  daß  eine  von  diesen  verfaßte  Gesetzgebung  die 
Grundlage  der  gesamten  späteren  Rechtszustände  der  Römer 
war,  mit  aller  Sicherheit  fest,  die  sich  in  g-eschichtlichen  Dinsren 
erwarten  läßt.  Die  neuerdings  aufgestellte  Behauptung,  daß 
die  XII  Tafeln  eine  Fälschung  seien,  daß  eine  spätere  private 
Rechtsdarstellung  unter  dem  Namen  der  XII  Tafeln  für  eine 
Gesetzgebung  des  römischen  Volkes  fälschlich  ausgegeben  ist, 
ist  eine  Ausgeburt  übertriebener  Zweifelsucht.**) 


aj  Diodor.    XII,  26. 

3)  Liv.  III,  57,  i.f. 

•1)  Pais  hat  in  seiner  storia  di  Roma  I,  (Torino  1898)  bes.  p.  566  sq.  aus- 
geführt, daß  die  XII  Tafeln  nichts  anderes  seien  als  das  ius  civile  Flavianum 
(unt.  §  14),  also  eine  private  Rechtsaufzeichnung  aus  der  Zeit  um  300  v.  Chr., 
die  man  später  für  eine  Gesetzgebung  gehalten  habe.  Lambert,  la  tradition 
Romaine  sur  la  succession  des  formes  du  testament  devant  l'histoire  compara- 
tive  (Paris  1901)  sprach  sich  über  Pais  ohne  abschließendes  Urteil  mit  großer 
Achtung  aus,  ging  aber  dann  —  N^ouvelle  Revue  historique  de  droit  frangais 
et  etranger  XXVI  (1902)  p.  149  suiv.  über  Pais  noch  hinaus,  indem  er  die 
XII  Tafeln  mit  dem  ius  Aelianum  (unt.  §  14)  identifizierte,  ihr  Alter  also 
noch  um  100  Jahre  herabsetzte.  Dies  führt  Lambert  weiter  aus  in:  la 
fonction  du  droit  civil  compare,  tome  I  les  conceptions  etroites  et  unilaterales 
(Paris  1903)  p.  407  suiv.  593  suiv.  Dagegen  sind  für  die  Echtheit  der  XII 
Tafeln  als  eines  Gesetzgebungswerks  aus  der  Mitte  des  fünften  Jahrhunderts 
V.  Chr.  eingetreten;  Girard,  histoire  de  l'organisation  judiciaire  des  Romains  I 
(Paris  1901)  pag.  50  n.  2,  derselbe  Nouvelle  Revue  historique  XXVI  (1902) 
p.  381  suiv.,  Erman  in  der  Zeitschr.  der  Savigny-Stift.  XXIII  (1903) 
S.  450  ff.,  Lenel,  Holtzendorffs  Encykl.  6.  Aufl.  (1903)  S.  96  Aura.  1. 
Eine  Übersicht  des  Sireitstandes  bietet  Erman  a.  a.  O.  Der  positive 
Beweis  der  Echtheit  der  XII  Tafeln  läßt  sich  denen  in  zwingender 
Art  nicht  führen,  die  den  Quellen  gar  nichts  glauben  wollen.  Aber  mit  Recht 
betont  Girard,  daß  die  Sprache  der  XII  Tafeln  auch  so,  wie  sie  die  uns  vor- 
liegenden Fragmente  zeigen,  in  die  Mitte  des  fünften  Jahrhunderts  besser  paßt, 
als  an  das  Ende  des  4.  oder  gar  des  3.  Jahrh.  v.  Chr.  Wir  wissen  sogar, 
daß  sie  ein  Wort  (lessum)  enthielten,  das  schon  Sex.  Aelius,  der  Verfasser  des 
ius  Aelianum,  nicht  mehr  verstand  (Cic.  de  leg.  II,  23,59).  Auch  der  Inhalt  der  XII 
Tafeln  stimmt,  wie  Girard  ferner  mit  Recht  hervorhebt,  nicht  zu  der  Annahme, 
weder    von   Pais  noch    von    Lambert.       Besonders    beweisend    ist    in    dieser 


—     33     — 

IL  Die  Gesetzgebung  der  XII  Tafeln  war  grösstenteils 
A\ifzeichnung  alten  Gewohnheitsrechtes  und  umfaßte  sowohl 
staatsrechtliche,  strafrechtliche  und  prozessuale,  wie  privat- 
rechtliche Dinge,  war  aber  von  der  Vollständigkeit  moderner 
Gesetzbücher  wohl  weit  entfernt.  Daß  zur  Vorbereitung 
des  Werkes  Kunde  griechischen  Rechts  eingeholt  ist,  ein 
Grieche  die  Decemvirn  beraten, °)  und  griechisches  Recht  den 
Inhalt  der  XII  Tafeln  in  der  Tat  beeinflusst  hat,  ^)  ist  innerlich 
keineswegs  unglaublich,  wenn    auch    die    Nachrichten    darüber 


Beziehung  die  blutige  Exekutionsordnung  und  der  Satz,  daß  der  Schuldner 
trans  Tiberim,  d.  h.  ins  Ausland,  verkauft  werden  konnte  (tab.  III,  5.  6 
[Bruns],  Gell.  XX.  1,  47:  trans  Tiberim  peregre  venum  ibant),  während  schon  um 
300  der  Tiber  nicht  mehr  Grenzfluß  war.  Ferner  stützt  sich  Giraid  mit  Recht 
darauf,  daß  sich  die  Überlieferung  von  den  XII  Tafeln  als  einer  Gesetzgebung 
soweit  zurückverfolgen  läßt,  als  ■  das  nach  Lage  der  geschichtlichen  Quellen 
überhaupt  erwartet  werden  kann.  Es  ist  durchaus  unglaubwürdig,  daß  eine 
private  Rechtsdarstellung,  verfaßt  um  200  v.  Chr.,  zu  einer  Zeit,  als  die  römische 
Jurisprudenz  bereits  im  starken  Aufblühen  begriffen  war,  durch  Irrtum  oder 
Betrug  zu  dem  dauernden  Ansehen  einer  Gesetzgebung  hätte  gelangen  können, 
noch  unglaublicher,  daß  sie  in  der  Vorstellung  der  Späteren  nicht  etwa  zu  einer 
Gesetzgebung  geworden,  sondern  vielmehr  den  Glauben  an  eine  hinter  ihr 
stehende  Gesetzgebung  erzeugt  hätte  (denn  die  Römer  hielten  die  XII  Tafeln 
und  das  Werk  des  Sex.  Älius  doch  auseinander).  Geht  man  um  100  Jahre  weiter 
zurück  auf  das  ius  Flavianum,  so  wird  derartiges  um  einen  Schatten  weniger 
unmöglich,  aber  noch  keineswegs  plausibel.  Die  gewaltige  innere  Entwickelung, 
welche  das  römische  Privatrecht  und  der  Prozess  von  den  XII  Tafeln  bis  zum  Ende 
der  Republik  durchgemacht  haben,  erscheint,  wenn  man  den  zeitlichen  Ab- 
stand um  250  Jahre  verkürzt  (Lambert),  ganz  unmöglich,  wenn  man  ihm  150 
Jahre  nimmt  (P  a  i  s),  immer  noch  schwer  begreiflich.  Verlangt  man  bei  den 
Römern  eine  Parallele  zu  den  sonst  häufigen  Erscheinungen,  daß  alte 
Aufzeichnungen  vom  Gewohnheitsrecht  für  noch  ältere  Gesetzgebungen  aus- 
gegeben werden,  so  mag  man  sich  mit  den  leges  regiae  begnügen.  Und  end- 
lich: wenn  einmal  im  Interesse  des  erhöhten  Ansehens  das  Zwölftafelrecht 
künstlich  zurückdatiert  worden  wäre,  so  ist  sehr  unwahrscheinlich,  daß  man 
damit  so  bescheiden  gewesen  wäre.  Man  würde  es  dann  unzweifelhaft  in  die 
Königszeit  versetzt  haben.  Der  äujäere  Vorgang  der  Schöpfung  der  XII  Tafeln, 
so  unklar  er  im  einzelnen  überliefert  ist,  ist  doch  im  Kern  vollkommen 
glaubwürdig:  die  XII  Tafeln  eine  Frucht  des  gewaltigen  Kampfes  der  beiden 
Stände. 

^)  Pomp.  D.   I,  2,  2,  24 :  Der  Ephesier  Hermodorus,    exulans    in  Italia. 

")  Vgl.  Gai.  ad  XII  tab.  D.  X,  1,  13.  D.  XLVII,  22,  4.  Cic.  de  leg. 
II.  23,  59. 

Kipp.  Quellen  des  röm.  Rechts.  o 


—     34     — 

im  einzelnen  sagenhaft  sind,  und  der  Einfluß  des  griechischen 
Rechts  nicht  überschätzt  werden  darf.")  Ob  die  auf 
dem  Forum  aufgestellten  XII  Tafeln,  von  denen  die 
Gesetzgebung  ihren  Namen  führt  (XII  tabulac,  lex  XII 
tabidarum)  Bronzetafeln  ^)  waren,  oder  ob  diese  erdichtet 
sind,  und  man  in  jener  alten  Zeit  noch  Holztafeln  nahm,  bleibt 
zweifelhaft.  Daß  die  im  gallischen  Brande  zu  Grunde  ge- 
gangenen Tafeln'')  später  erneuert  wären,  ist  unwahrscheinlich,  ^^j 
Denn  in  der  späteren  Zeit  war  die  Gesetzgebung  zwar  dem 
Inhalt  nach  vollständig  bekannt  (bis  in  Ciceros  Zeit  lernten  sie 
die  Knaben  in  der  Schule  auswendig)/^)  aber  ihre  Form  wurde  im 
Laufe  der  Zeit  mehr  und  mehr  modernisiert,  was  im  Angesicht 
eines  authentischen,  auf  dem  Forum  zu  lesenden  Textes  nicht 
möglich  gewesen  wäre.  Trotz  aller  späteren  Rechtsveränder- 
ungen sind  die  XII  Tafeln  noch  spät  als  die  eigentliche  Grund- 
lage des  römischen  Rechts  angesehen  worden;  fons  oinnis 
piiblici  privatiqiie  iiiris  sagt  Livius  mit  Bezug  auf  die  ersten 
lO  Tafeln,  und  läßt  das  Volk  reden,  wenn  noch  die  beiden 
letzten  hinzugefügt  würden,  so  könne  velut  corpus  oinnis  Ro- 
mani  iuris    damit    fertiggestellt    werden.^-)     Noch    im    justini- 


')  Steinbausen,  de  legum  XII  tabularum  patria.  Greifsw.  [1887]  und 
Boesch,  de  duodecim  tabularum  lege  a  Graecis  petita.  Gott.  1893  wollen  von 
der  Gesandtschaft  nach  Griechenland  nichts  wissen.  Voigt  XII  Tafeln  I 
S.  15;  nur  nach  Grossgriechenland;  auch  Lenel,  Holtz.  Encyklop.  S.  97 
will  nur  zugeben,  daß  die  Decemvirn  Kenntnis  des  griechischen  Rechts  (aus 
campanischen  Griechenstädten)  besaßen.  Dagegen  schenken  Kariowa  IS.  112 
und  Krüger  S.  9  der  Nachricht  von  der  Gesandtschaft  nach  Griechenland 
Glauben.    Ebenso  Costa,  storia  di  dir.     Rom.  (1901)  I  p.   11   sg. 

«)  Liv.  III,  ,57  i.  f.  Dion.  X,  57.  Eboreae  bei  Pomp.  D.  I,  2,  2,  4  kann 
aus  roboreae,   aber  auch  aus  aereae  entstanden  sein. 

ö)  Liv.  VI,    1. 

'**)  Man  hat  dafür  wohl  angeführt  Cyprian.  ad  Donat.  10:  incisae 
sint  licet  leges  XII  tabulis  et  publice  aere  praefixo  iura  praescripta  sint,  inter 
leges  ipsas  delinquitur,  inter  iura  pcccatur.  S.  gegen  die  Beweiskraft  dieser 
Stelle  Krüger  S.  10'^.  Für  die  Wicderaufstellung  Girard  Nouv.  Rev.  histo- 
rique    1903  p.  412      Liv.   VI,    1    behauptet  sie  doch   nicht  deutlich. 

'^)  Cic.  de  leg.  II,  23,  59;  discebamus  i'nim  pueri  XII  ut  Carmen  ne- 
cessarium,  quas  iam  nemo  discit. 

12)  Liv.  III,  34. 


—     35     — 

anischen  Recht  gelten  manche  Bestimmungen  der  XII  Tafeln 
fort.  Sie  sind  von  Juristen  oft  kommentiert  (Sex.  Aelius  [§  i6], 
Labeo  !§  19],  Gajus  [§  20]);  aber  auch  andere  Schriftsteller 
haben  ihnen  insbesondere  in  sprachlichem  und  antiquarischem 
Interesse  Aufmerksamkeit  gewidmet. 

III.  Auf  den  in  juristischer  wie  nichtjuristischer  Literatur 
zerstreuten  Mitteilungen  und  Anführungen,  welch  letztere  aber 
auch  da,  wo  sie  es  vorgeben,  wohl  nirgends  wörtlich  genau  sind, 
beruht  unsre  Kenntnis  zahlreicher  Bestimmungen  der  XII  Tafeln. 
Die  lapidare  Sprache  der  Citate  ist  trotz  der  erwähnten  Moder- 
nisierung immer  noch  altertümlich  genug  geblieben,  um  den  Leser 
empfinden  zu  lassen,  daß  das  gewohnte  Latein  nicht  immer  aus- 
reicht, sie  zu  verstehen.  Diese  Schwierigkeit  ist  aber  keineswegs 
unüberwindlich.  Haupteigentümlichkeiten  liegen  in  der  mangel- 
haften Bezeichnung  der  Personen,  an  die  sich  das  Gesetz  wendet, 
oder  von  denen  es  redet,  und  in  dem  Gebrauch  des  Imperativs 
für  nicht  gebietende,  sondern  berechtigende  Vorschriften. 

IV.  Mit  der  Ordnung  und  Ergänzung  der  Fragmente  der 
XII  Tafeln  hat  man  sich  seit  dem  16.  Jahrhundert  beschäftigt, 
zuerst  Aymar  du  Rivail^^]  Wichtiger  schon  ist  die  Bear- 
beitung des  grossen  Jacobus  Gotho/redus^^)  Der  Grund  der 
modernen  Restitution  ist  von  Dirksen  gelegt. i'"*)  Die  Be- 
arbeitung von  SchoelP'M  hat  den  Schwerpunkt  in  verbesserter 
philologischer  Kritik.  Bruns'  fontes^')  enthalten  eine  auf 
Dirksen  und  Scholl  beruhende,  sie  verbessernde  Handausgabe. 
—  M.  Voigt 's  Werk  über  die  XII  Tafeln^")  ist  bei  aller 
seiner  Gelehrsamkeit  nur  mit  grosser  Vorsicht  zu  benutzen.^^) 


13)  Aymarus  Rivallius,  civilis  historiae  iuris  s.  iu  XII  tabularum  leges 
commentariorum  libri  quinque.      1515. 

!■*)  Jac.   Gothofredus,   Quatuor  fontes  iuris  civilis.    1653. 

^5)  Dirksen.  Übersicht  der  bisherigen  Versuche  zur  Kritik  und  Her- 
stellung des  Textes  der  Zwölftafelfragmente  (Leipzig  1824). 

1^)   R.   Seh o eil,   legis  duodecim  tabularum  reliquiae   (Leipzig   1866). 

1')  I  p.   15sqq.  • 

18)   M.  Voigt,   die  XII  Tafeln.     Leipzig  1883. 

1®)  S.  auch  Girard,  textes  de  droit  Romain  p.  9  suiv.  Über  ein  in 
russischer  Sprache  erschienenes  Werk  von  N  i  k  o  1  s  k  i,  System  und  Text  der 
XII  Tafeln  (1897),  s.  v.  Tuhr,  Kritische  Vierteljahrsschrift  XL  (1898) 
S.  482fr.     Pergament  Zeitschr.   d.   Sav.-Stift  XIX  (1898)   S.   374fr. 

3* 


,      —     3(3     — 

§  8. 
Die  Volksgesetzo;ebung  nach  den  XII  Tafeln. 

I.  Seit  den  XII  Tafeln  sind  sehr  zahlreiche  Volksgesetze, 
darunter  auch  viele  privatrechtlichen  Inhalts,  ergangen.  Xoch 
in  der  ersten  Kaiserzeit  ist  die  Comitialgesetzgebung  lebhaft 
tätig  gewesen;  doch  nimmt  sie  schon  unter  Tiberius  und 
Claudius  ab  und  erlischt  im  Laufe  des  i.  Jahrhunderts  ganz. 
Das  letzte  bekannte  Volksgesetz  ist  eine  von  Kaiser  Nerva 
beantragte  lex  agraria})  Indessen  bUeb  in  der  Kaiserzeit  dem 
Volke  auch  später  noch  ein  gesetzgeberischer  Akt  vorbehalten, 
nämlich  die  formelle  Beschlußfassung  über  die  Kompetenz  des 
jeweiligen  Kaisers,  lex  de  iviperio  principis,  von  Ulpian"')  lex 
regia  genannt.  Der  Sache  nach  handelt  es  sich  dabei  aber 
nur  um  formale  Bestätigung  eines  Senatuskonsults. 

Die  jüngeren  römischen  Gesetze  lieben,  anders  als  die 
XII  Tafeln,  einen  verschachtelten,  langatmigen  Stil.  In  über- 
grosser Sorgfalt,  die  Sache  ja  richtig  zu  treffen,  häufen  sie  oft 
Ausdrücke  (ähnlich  modernen  englischen  Gesetzen),  bei  denen 
es  falsch  sein  würde,  hinter  jedem  einen  von  dem  des  andern 
scharf  gesonderten  Begriff  suchen  zu  wollen.^)  Die  Klarheit 
des  römischen  Rechts  ist  aus  der  Arbeit  der  Juristen,  nicht 
aus  der  Gesetzgebung  hervorgegangen. 

IL  Unsere  Kunde  von  den  leges  beruht  vorwiegend  auf 
Überlieferung  in  der  Literatur.  Einzelnes  ist  inschriftlich  er- 
halten.    Zu  erwähnen  sind: 

I.  Tabula  Baut ina,  eine  bei  Bantia  (jetzt  Banzi)  in  Lucanien 
a.  1790  gefundene  Bronzetafel,  auf  deren  einer  Seite  ein 
Bruchstück  eines  oskischen  Gesetzes  von  unsicherem  Inhalt 
und  Ursprung  steht;  vielleicht  ist  es  die  von  Rom  den  Ban- 
tinern  verliehene  Stadtordnung.     Auf  der   anderen  Seite  steht 


1)  Callistr.  D.  XLVII,  21,3,  1,  Pernice,  Ztschr.d.Sav.-Stift.  XX  (1899) 
S.  159  deutet  den  Zweifel  an,  ob  etwa  Callistratus  von  einem  Senatusconsult 
spreche,  verwirft  dies  jedoch   selbst. 

2)  D.  I,  4,   1   pr. 

3)  Man  lese  nur  die  Lex  Quinctia  de  aquaeductibus.     Bruns  I  p.  115  sqq. 


—     37     - 

ein  Stück  der  sanctio    eines    lateinischen  und    zwar  römischen 
Gesetzes  aus  der  Zeit  zwischen   133  und   118  v.  Chr.^j 

2.  Elf  Bruchstücke  einer  Bronzetafel,  welche  vor  1521 
in  Rom  waren,  von  denen  aber  einige  jetzt  nur  noch  in  Ab- 
schriften \-orhanden  sind.  x\uf  der  einen  Seite  steht  die  lex 
Acilia  repetundariüii  von  133  oder  132  v.  Chr.,  auf  der  an- 
dern Seite  die  lex  agraria  vom  Jahre   1 1 1    v.  Chr.'^) 

3.  Eine  in  Rom  im  16.  Jahrhundert  gefundene  Bronze- 
tafel, die  achte  einer  Reihe,  auf  welcher  die  lex  Cornelia  (Sullae) 
de  viginti  quaestoribus  von  c.   81    v.  Chr.  verzeichnet  war.**) 

4.  Eine  in  Rom  im  16.  Jahrhundert  gefundene  Bronze- 
tafel enthält  ein  bedeutendes  Anfangsstück  der  lex  Antonia 
de  Termessibus,  vom  Jahre  71  v.  Chr.,  eines  Plebiszits,  durch 
welches  die  Angehörigen  von  Termessus  in  Pisidien  für  frei, 
Freunde  und  Bundesgenossen  des  römischen  Volkes  erklärt 
werden,  und  dementsprechend  ihre  Rechtsstellung  geregelt 
wird.')  Man  könnte  versucht  sein,  dies  Gesetz  als  eine  die 
Termessier  subjektiv  berechtigende  lex  specialis  aufzufassen; 
richticrer  würdigt  man  seinen  Inhalt  aber  doch  wohl,  wenn 
man  es  als  ein,  objektive  Rechtsvorschriften,  allerdings  von 
beschränkter  Anwendbarkeit,  aufstellendes  betrachtet. 

5.  Eine  1760  in  den  Ruinen  von  Veleja  bei  Piacenza  ge- 
fundene Bronzetafel,**)  enthaltend  einen  Teil  (in  c  19  anfan- 
gend, in  c.  23  schließend)  eines  Gesetzes  über  die  Munizipal- 
gerichtsbarkeit in  Gallia  cisalpina,  wichtig  für  das  Recht  der 
cautio  danini  in/ecti,  operis  novi  nuntiat io,  confessio  in  jnre, 
verweigerten  defensio.  Das  Gesetz  ist  erlassen,  nachdem  Gallia 
cisalpina  durch  eine  lex  Roscia  vom  Jahre  49  v.  Chr.  das 
römische  Bürgerrecht  erhalten  hatte  und  wohl  vor  der  im 
Jahre  42  v.  Chr.  erfolgten  Vereinigung  des  cisalpinischen 
Galliens    mit    Italien."*)       Man    hält    das  Gesetz    für  ein   V'^olks- 


^)  Bruns  I.  p.  48.  sqq.  Moratti,  la  legge  osca  de  Banzia  Archivio  giuri- 
dico  LIIl  (1894)   p.   745   sq. 

^)   Bruns   I   p.  55  sqq.      ")  Bruns  I   p.   90  sqq.      ')   Bruns  I  p.    94  sqq. 

^)  Bruns    I   p,   98  sqq. 

®)  Die  Ansicht  Kar  Iowas,  daß  es  sich  umgekehrt  gerade  um  Ausführungs- 
bestimmungen zu  dieser  Vereinigung  handelt,  halte  ich  nicht  für  wahrschein- 
lich, aber  immerhin  für  durchaus  möglich. 


—     88     — 

gesetz,  das  sich  selbst  als  lex  Rtibria  bezeichnet,  und  hierbei 
ist  trotz  des  von  Mommsen  erhobenen  Widerspruchs  zu 
bleiben/«) 

6.  Das  sog.  Fragvienüun  Ate  stimmt  ist  eine  im  Jahre  1880 
zu  Ateste,  jetzt  Este  gefundene  Bronzetafel,  welche,  wie  die 
vorige  von  Munizipaljurisdiction  handelt.^\)  Das  Gesetz  ist  im 
Jahre  49  v.  Chr.  erlassen.  Der  Fundort  und  namentlich  die 
Beziehungen  des  Bruchstücks  auf  die  lex  Roscia  weisen  ent- 
schieden darauf  hin,  daß  es  sich  um  ein  Gesetz  für  Gallia 
cisalpina    handelt.     Daß  die  Tafel    ein  Stück    der    lex  Rubria 


^°)  Mommsen,  Wiener  Studien  XXIV,  H.  2  (Bormannheft)  und  Ephem.  epigraph . 
IX  p.  4  nimmt  an,  daß  es  eine  lex  data  war  (s.  unt.  §  9,  I).  Hierfür  beruft  er 
sich  auf  die  Analogie  sonstiger  Provinzial-  und  Stadtordnungen,  die  doch 
keineswegs  ausschließt,  daß  derartigeOrdnungen  auch  durch  unmittelbaren  Volks- 
schluß erlassen  werden  konnten.  Ferner  glaubt  Mommsen,  daß  das  starke 
Eingehen  des  Gesetzes  in  Einzelheiten  für  seine  Natur  als  einer  lex  data 
spreche.  Auch  das  trifft  nicht  zu.  Man  vergleiche  z.  B.  die  tab.  Heracl.,  die 
unzweifelhaft  einen  Volksschlufi  enthielt,  oder  die  lex  Quinctia,  die  doch 
wahrlich  an  Eingehen  ins  einzelne  nichts  zu  wünschen  läßt.  Das  Gesetz  stellt 
Prozeßformeln  für  den  Fall  der  verweigerten  cautio  damni  infecti  auf.  In 
ihnen  wird  die  Verurteilung  davon  abhängig  gemacht,  daß  der  Beklagte  einem 
ex  lege  Rubria  ergangenen  magistratischen  Befehl  zur  Kautionsleistung  den 
Gehorsam  verweigert  hat:  quod  eins  is  duovir  quattuorvir  praefeclusve 
ex  lege  Rubria  seive  id  plebeive  scitum  est,  decreverit  (lin.  28  sq.  38  sq.).  Xua 
hatte  aber  das  Gesetz  selbst  (lin.  7  sqq.)  dem  Munizipalmagistrat  Recht  und 
Pflicht  gegeben,  in  Fällen  des  drohenden  Schadens  dem  Beklagten  zu  befehlen, 
daß  er  ex  formula,  d.  h.  (dem  Zusammenhang  zufolge)  gemäß  dem  Formular 
des  Edikts  des  Peregrinenprätors  durch  einfache  Stipulation  (repromittere),  unter 
Umständen  mit  Bürgen  (satisdare),  Ersatz  des  möglicherweise  eintretenden  Schadens 
verspreche:  eum  quei  in  ius  eductus  erit  de  ea  re  ex  formula  repromittere  et 
sei  sadisdare  debebit,  sadisdare  iubeto  decernito.  Es  ist  m.  E.  nicht  der  ge- 
ringste Grund,  zu  bezweifeln,  daß  diese  Vorschrift  des  Gesetzes  selbst  es  ist, 
welche  die  Prozeßformel  mit  den  Worten :  quod  ex  lege  Rubria  seive  id  plc- 
beivescitum  est  decreverit  in  Bezug  nimmt,  also  kein  Grund,  die  lex  Rubria 
mit  Mommsen  für  ein  von  der  velejatischen  Tafel  verschiedenes  Gesetz  zu 
lialten.  Es  bedarf  keiner  Erwähnung,  daß  das  Gesetz  in  den  Prozeßformeln 
nicht  sagen  konnte:  ex  hac  lege;  denn  im  Gebrauch  tritt  die  Prozeßformel  aus 
dem  Rahmen  des  Gesetzes  heraus.  Meint  aber  die  vclejatische  Tafel  sich 
selbst  mit  den  Worten  lex  Rubria  sive  id  plebiscitum  est,  so  war  sie  doch 
wohl  sicher  ein  Volksgesetz,  denn  daß  in  Bezug  auf  leges  datae  die  Klausel 
sive  id  plebiscitum  est  vorkomme,  ist  nicht  erweislich  und  nicht  anzunehmen. 
")   Hruns   I   p.    102   sqq. 


—     39     — 

biete,  ist  aber    nicht  anzunehmen,  viehiiehr    wird  es  ein  Vor- 
läufer der  lex  Rubria  gewesen  sein.^-j 

7.  Tabula  Heracleensis,  eine  1732  in  den  Ruinen  von 
Heraclea  in  Lucanien  gefundene  Bronzetafel  in  zwei  Stücken.  ^'^) 
Darauf  steht  ein  großer  Teil  eines  Gesetzes  Cäsars  vom  Jahre 
45  V.  Chr.,  dessen  erhaltene  Bestimmungen  Getreideverteilungen 
und  Strassenpolizei  in  Rom,  sowie  die  Verfassung  der  Bürger- 
gemeinden fmagistratiis,  dcciirioncs)  betreffen.  Man  hat  dieses 
Gesetz  bisher  auf  die  Autorität  Savignys^"^)  als  lex  Julia 
mnnicipalis  bezeichnet.  Es  ist  aber  von  Mommsen  neuer- 
dings ^^)  mit  Recht  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  diese 
Bezeichnung  willkürlich  ist.  Indessen  sind  die  allgemeineren 
Bestimmungen  des  Gesetzes  über  die  Verfassung  der  Bürger- 
gemeinden doch  so  zahlreich,    daß    man    (gegen  Mommsen) 


12)  Die  lex  Rubria  hat  für  die  Zuständigkeit  der  Munizipalmagistrate 
eine  Grenze  nach  dem  Streitwert,  und  zwar  reicht  die  Zuständigkeit  jener 
^lagistrate  bis  zu  15  000  Sesterzen.  Das  Fragm.  Atestin.  rechnet  mit  einer 
andern  Grenze,  nämlich  10  000  Sesterzen.  Diese  Summe  wird  zwar  nur  in 
Ansehung  von  actiones  famosae  genannt  (d.  h.  von  Klagen,  bei  denen  die 
Verurteilung  ehrlos  macht).  Es  scheint  aber  der  Sinn  des  Gesetzes  nicht  zu 
sein,  daß  für  solche  Klagen  eine  besondere  Kompetenzgrenze  besteht,  sondern 
vielmehr,  daß  die  an  sich  ohne  Rücksicht  auf  den  Streitwert  bei  actiones  fa- 
mosae ausgeschlossene  Kompetenz  des  Munizipalmagistrats  innerhalb  der  ge- 
wöhnlichen Kompetenzgrenze  von  10  000  Sesterzen  durch  den  Willen  des  Be- 
klagten begründet  werden  kann.  Dann  aber  kann  das  Fragm.  Atest.  nicht 
zur  lex  Ruhr,  gehören.  Vgl.  Appleton,  Revue  generale  du  droit  1900  p.  193  suiv. 
bes.  p.  234  suiv.  ;  dazu  Kubier,  Zeitschr.  der  Sav.-Stift.  XXII  (1901)  S.  200ff. 
Der  zweite  Absatz  des  Fr.  Atestin.  hält  für  Privatprozesse  die  vor  der  lex  Roscia 
von  a.  49  auf  Grund  besonderer  Bestimmungen  irgend  welcher  Art  Muni- 
zipalmagistraten zustehende  Jurisdiktion  aufrecht.  Wie  dies  zuging,  behandelt 
Appleton  1.  c.  p.  148  als  unaufgeklärt.  M.  E.  lag  die  Sache  so:  Man  hätte 
denken  können,  daß  durch  die  Bürgerrechtsverleihung  die  besonderen  Satzungen 
der  einzelnen  Gemeinden  beseitigt  worden  wären,  und  diese  Folgerung  wollte 
das  Fr.  Atestin.  ablehnen.  Dabei  citiert  das  Fr.  Atestin.  die  lex  Roscia  als 
ein  Gesetz  vom  11.  März  ohne  Jahresangabe,  was  nur  möglich  war,  wenn  das 
Gesetz  des  Fragments  im  selben  Jahr,  wie  die  lex  Roscia  erging  (vgl.  Apple- 
ton 1.  c.  p.  206).  Vielleicht  hat  die  lex  Rubria,  indem  sie  die  Kompetenz- 
grenze der  munizipalen  Gerichtsbarkeit  erhöhte  und  eine  eingehende  Prozeß- 
ordnung gab,   den  Vorbehalt  des  Fr.   Atestinum  abgeschafft. 

13)  Bruns  I   p.    104  sq. 

11)  Vermischte  Schriften  III  s.  279  ff.. 
15)   Ephemeris  epigraphica  IX  p.   5   sq. 


—     40     — 

sehr  wohl  sagen  kann,  dasselbe  enthalte  eine  allgemeine 
Städteordnung,  die  freilich  der  Ergänzung  durch  die  speziellen 
Ordnungen  der  einzelnen  Städte  bedurfte.^") 

8.  Ein  bedeutendes  Schlußstück  des  für  Vespasian  im 
Jahre  69  n.  Chr.  erlassenen  Kompetenzgesetzes  (vergl.  oben  I), 
s.  g.  lex  de  imperio  Vespasiani^  ist  zu  Rom  auf  einer  Bronze- 
tafel im    14.  Jahrhundert  gefunden  worden.^") 

§  9. 
3.  Leg  es  datae  und  leg  es  dictae. 

I.  Provinzen  und  Stadtgemeinden  sind  von  den  Römern 
Rechtsordnungen  vielfach  in  der  Weise  verliehen,  daß  ein 
Magistrat  das  Gesetz,  ohne  einen  römischen  Volksschluß  über 
dessen  Inhalt  einholen  und  ohne  die  Provinzialen  oder  Ge- 
meindeangehörigen befragen  zu  müssen,  einseitig  auferlegt 
{legem  dare,  lex  data). 

I.  Den  Provinzen  gab  solche  Ordnung  in  der  Regel 
der  Feldherr,  der  sie  erobert  oder  nach  einem  Aufstande  be- 
ruhigt hatte.  Er  war  dabei  an  die  nachträgliche  Genehmigung 
des  Senates  gebunden,  wenn  nicht,  wie  gewöhnlich  geschah, 
der  Senat  ihm  eine  Kommission  beigegeben  hatte,  nach  deren 
Beschlüssen  er  sich  zu  richten  hatte.  So  hat  der  Konsul 
P.  Rupilius  im  Jahre  131  v.  Chr.  nach  dem  ersten  Sklaven- 
kriege Sizilien  neu  geordnet  durch  die  de  deceni  senatoi'um 
dccreto  gegebene  lex  Riipilia.  bekannt  aus  Ciceros  verrinischen 
Reden;  ^)  sie  enthielt  eine  eingehende  Gerichtsordnung.  Pom- 
pejus  erließ  nach  dem  dritten  mithridatischen  Kriege  im  Jahre 
64/63  v.  Chr.  umfassende  Anordnungen  für  die  asiatischen 
Länder,  deren  Genehmigung  nach  seiner  Rückkehr  zu  einem 
Hauptstreitpunkt  mit  dem  Senat  wurde.  Noch  in  der  Kaiser- 
zeit standen  von  ihm  herrührende  Bestimmungen  als  lex  Poni- 
peja  in  Gellung;  wir  kennen  daraus  solche  über  Munizipal- 
bürgerrecht, Magistrate  und  Decurionen.-) "'') 

I6j  vgl.   unt.  §   9,    I,  2.       ")   Bruns  I   p.    192  sqq. 
')  Cic.  in  Verr.  II,  2,  13,  32;   16,  39. 

-)  Plin.  ad  Trai.  79.  80.   112.   114.   115.     Vgl.  ob.  §  4  Anm.   15. 
")  Nach   Mommsen   wäre  auch   das  Gesetz   der  velejatischen  Tafeln   eine 
lex   data  für  Gallia  Cisalpina.     S.   darüber  §   8,   I.   5. 


—     41     — 

2.  Das  älteste  Zeugnis  einer  von  Rom  verliehenen  Stadt- 
ordnung  ist  die  Nachricht,  daß  im  Jahre  317  v.  Chr.  die 
Bürgerkolonie  Antium  vom  Senat  Patrone  ad  jiira  statiienda 
ipsius  coloniae  erhielt.*)  Vielleicht  gehört  auch  das  oskische 
Gesetz  der  tabula  Bantina  (§  8  II,  i )  hierher.  Ob  solche 
Ordnungen  in  alter  Zeit  durch  Volksschluß  bestätigt  wurden, 
ist  fraglich.  In  der  '  späteren  Zeit  wurden  Stadtordnungen 
durchaus  regelmäßig  einseitig  von  einem  oder  mehreren  Be- 
amten erlassen,  welche  hierzu  durch  Volksschluß  ermächtigt 
wurden.  Wie  häufig  und  beliebt  dies  Verfahren  war,  zeigt 
die  Klausel  des  cäsarischen  Gesetzes  der  Tabula  Heracleensis, 
daß  die  mit  solcher  Ermächtigung  Ausgestatteten  noch  ein 
Jahr  nach  Erlaß  dieses  Gesetzes  das  Recht  der  \'erbesserung 
ihrer  Anordnungen  haben  sollten.'^)  Die  einzelnen  Stadtord- 
nungen müssen  auf  dem  allgemeinen  Inhalt  des  genannten 
Gesetzes  gefußt  haben.  Daß  sie  in  ihrem  Inhalt  vielfach 
identisch  waren,  ist  sehr  glaublich.'^)  In  der  Kaiserzeit  geht 
die  \^erleihung  von  Stadtordnungen  vom  Kaiser  aus.  Er  hat 
dazu  nicht  im  Einzelfalle  Ermächtigung  eingeholt,  sondern  ist 
allgemein  dazu  für  ermächtigt  erachtet,  unsicher  mit  welchem 
formellen  Anhalt. 

Hierher  grehören  folgende  Inschriften: 

a)  Die  Stadtordnung  von  Tarent  als  Bürgerstadt,  erlassen 
zwischen  89  und  62  v.  Chr.  Davon  ist  die  neunte  Bronze- 
tafel  1894  zu  Tarent  gefunden.') 

b)  Die  lex  U^'sonensis  oder  lex  colo)iiae  Juliae  Genetivae, 
welche  M.  Antonius,  der  auf  Cäsars  Befehl  ein  Gesetz  über 
Kolonie-Gründung  durchgebracht  hatte,  auf  Grund  dieses  Ge- 
setzes   der    unter   jenem    Namen    kolonisierten    Stadt  Urso  in 


•*)  Liv.   IX,   20  i.  f.     ^)  Tab.   Heracl.  Jin.    159  sqq. 

®)  Vgl.  unten  Note  10  und  zu  Note  12.  Mommsen,  Ephem.  epigr.  IX  p.  5 
sqq.  nimmt  an,  daß  lex  municipalis  abstrakt  gebraucht  den  identischen  Inhalt  der 
einzelnen  Stadtordnungen  bezeichnet,  da  er  eine  allgemeine  Städteordnung 
leugnet  (ob.  §  8,  I,  7).  Wahrscheinlich  ist,  daß  jener  Ausdruck  das  allge- 
meine gesetzliche  Stadtrecht  deckt,  wie  es  sich  zusammensetzt  aus  dem  Inhalt 
des  cäsarischen  Gesetzes  und  dem  identischen  Inhalt  der  einzelnen  Stadt- 
ordnungen. 

"')  Mommsen,  Ephem.  epigr.  IX  p.  1  sqq.  Scialoja,  Bulletino  dell' 
stituto   di  dir.    Romano   IX,    1    (1896)   p.    7   sg.   88.     Dessau  6086. 


—     42     — 

Spanien  (jetzt  Osuna)  im  Jahre  44  v.  Chr.  verlieh.  Einige  in 
Osuna  1870— 1874  gefundene  Bronzetafeln  enthalten  bedeu- 
tende Stücke  davon,  von  (in)  c.  61  bis  (in)  c.  82  und  von  (in) 
c.  91    bis  c.    134.'^) 

c)  Aus  der  Augustischen  Zeit  und  wohl  von  Augustus 
selbst  verliehen  ist  ein  Gesetz  für  Narbo,  betreffend  einen 
dort  eingesetzten  Flamen,  bruchstückweise  erhalten  auf  einer 
in  Narbonne    1883   gefundenen  Bronzetafel. ^) 

d)  Die  Stadtordnung  von  Salpensa,  s.  g.  lex  Salpensa7ia, 
und  die  von  Malaca  (Malaga)  s.  g.  lex  Malacitana,  welche 
beide  Domitian  zwischen  81  und  84  den  genannten  damals 
(seit  Vespasian)  des  latinischen  Rechts  teilhaftigen  Gemeinden 
verlieh.  Zwei  Bronzetafeln,  welche  185  i  bei  Malaga  gefunden 
sind,^°)  bieten  von  der  lex  Salpetisana  c.  21  bis  c.  29,  von  der 
lex  Malaeitana  c.  51  bis  (in)  c.  69.";  Ein  seit  1896  be- 
kanntes bei  Sevilla  gefundenes  Bronzebruchstück  gibt  einen 
Teil  des  c.  6']  der  lex  Malaeitana  wieder.  Es  gehört  zu  der 
inhaltlich  mit  der  lex  Malaeitana  übereinstimmenden  Ordnung 
einer  anderen  spanischen  Stadt.'"-) 

IL  Das  römische  Bürgerrecht  kann  in  der  republikanischen 
Zeit  grundsätzlich  nur  durch  Volksbeschluß  verliehen  werden, 
es  ist  also  ein  den  vorigen  ähnlicher  Akt  delegierter  Gesetz- 
gebung, wenn  ein  Magistrat  kraft  ihm  durch  Gesetz  erteilter 
Ermächtigung  das  Bürgerrecht  verleiht.  Er  erteilt  damit  aber 
nur  ein  Personalprivilegium,  und  für  die  Kenntnis  des  objek- 
tiven römischen  Rechts  sind  Erlasse  dieser  Art  nur  als  Belege 
für  die  Regeln  wichtig,  denen  sie  folgen,  nicht,  die  sie  sta- 
tuieren.    Die  besprochene  Ermächtigung  ist  zuerst  an  kolonie- 


*)  Bruns  I  p.  123  sqq.  Fabricius  Hermes  B.  XXXV  (1900)  S.  205  ff. 
nimmt  mit  guten  Gründen  an,  Antonius  habe  das  in  Cäsars  Nachlaß  unvollendet 
gefundene  Gesetz  vollenden  lassen  und  dabei  gegenüber  Cäsars  Intentionen  ge- 
ändert.     Dessau    6087. 

")   Bruns  I   p.    140  sqq.      Dessau   6088.   6089. 

10)  Vielleicht  hatten  die  Malacitaner  die  Tafel  des  salpensanischen  Ge- 
setzes zur  Ergänzung  einer  zu  Verlust  gegangenen  Tafel  ihres  eigenen,  inhalts- 
gleichen, sich  verschafft.     Mommsen,  Ephem.  ejiigr.   IX   p.   10. 

")  Bruns  I   p.   142  sqq. 

12)  Mommsen,  Ephem.  epigr.  IX  p.  10.  Nicht  recht  zu  bestimmen  ist 
das  Bronzebruchstück   das.   p.    11. 


—     43      — 

gründende  Beamte  mit  Bezug  auf  die  Kolonisten,''^)  dann  auch 
an  Feldherren  mit  Bezug  auf  ihre  Soldaten  erteilt,  z.  B.  im 
Jahre  72  v.  Chr.  dem  Pompejus  durch  Gesetz  der  Konsuln 
L.  Gellius  und  Gn.  Cornelius  nachdem  sertorianischen  Kriege.  ^*) 
In  der  Kaiserzeit  haben  die  Kaiser  in  umfassendem  Maße  aus- 
gedienten Soldaten  das  Bürgerrecht  und  —  mit  Rücksicht 
auf  ihre  Ansiedlung  in  einer  Provinz  —  das  connubium  mit 
einer  peregrinischen  Frau  (denen,  die  bereits  Bürger  waren, 
nur  dies)  ^■^)  verliehen.  Die  entsprechende  Verfügung,  welche 
für  zahlreiche  Soldaten  zusammen  erging,  wurde,  wie  ein  Ge- 
setz, auf  dem  Kapitol  in  Bronze  angeschlagen,  dem  einzelnen 
aber  auf  bronzenem  Diptychon  (zwei  verbundenen  Täfelchen), 
ein  von  Zeugen  beglaubigter  Auszug  daraus  zu  seiner  Legi- 
timation erteilt.  Solche  s.  g.  Soldatendiplome  sind  zahl- 
reich erhalten.'") 

III.  Lex  dicta  ist  eine  rechtliche  Bestimmung,  welche 
jemand  seiner  eigenen  Sache  auferlegt.  Dahin  gehören  also 
auch  Rechtsvorschriften,  welche  einer  im  Eigentum  des  Staates 
oder  der  Gemeinde  stehenden  Sache  von  den  zuständigen 
Organen  im  Namen  des  Staates  oder  der  Gemeinde  auferlegt 
werden.  Solche  leges  dictae  sind  die  sehr  altertümlichen  Hainge- 
setze von  Luceria  und  Spoletium,  die  Tempelordnung  von  Furfo 
vom  Jahre  58  v.  Chr.,'')  die  von  den  Narbonensern  II  — 13 
V.  Chr.  festgesetzten  Vorschriften  für  einen  neugestifteten  Altar 
des  Augustus,'^)  eine  Altarordnung  Domitians,'^)  die  von  dem 
diiovir  von  Salona  (Dalmatien)  gegebene  Ordnung  eines  Jupiter- 
altars vom  Jahre    137   n.  Chr.'^°) 

Es  kann  unter  Umständen  zweifelhaft  sein,  ob  ein  Erlaß 
mehr  von  dem  Eigentümerrecht  oder  mehr  von  Regierungs- 
rechten getragen  wird.  Die  s.  g.  lex  nietalli  Vipascetisis , 
eine  kaiserliche    gegen    Ende    des    i.  Jahrhunderts  n.  Chr.   er- 


13)  Cic.  Brut.  20,  79.     i^)  Cic.  pro  Balb.  8,  19. 

15)  Gai.  I,  57.  Man  ist  aber  dabei  doch  nicht  zu  weitherzig:  das  Privi- 
legium gilt  nur  mit  Bezug  auf  eine  und  zwar  die  erste  nach  der  Entlassung 
genommene    Frau. 

16)  Beispiele  bei  Bruns   l  p.  252  sqq.  cf.   371  sqq. 
17).  Bruns  I  p.  260  sq.       i^)  Bruns  1  p.  261  sqq. 
19)  Bruns  I  p.  264  sqq.       20)  Bruns   1  p.   263. 


—     44     — 

lassene  Ordnung  für  den  nicht  städtisch  organisierten,  im  kaiser- 
lichen Eigentum  stehenden  und  von  €\nt.T[i  proairator  metalloriun 
\erwalteten  Bergwerksbezirk  von  Vipasca  in  Portugal,  weist  ihr 
eigener  Ausdruck'-^)  und  die  Natur  ihrer  Bestimmungen  entschie- 
den den  kraft  Eigentümerrechts  ergangenen  leges  dictae  zu.  Von 
ihr  ist  ein  Teil  erhalten  auf  einer  1876  bei  Aljustrel  in  Portugal 
in  den  alten  Goldgruben  gefundenen  Bronzetafel,  ^^j  Die  er- 
haltenen Bestimmungen  beschäftigen  sich  hauptsächlich  mit 
den  Rechten  und  Pflichten  derjenigen,  welche  vom  Fiskus 
ausschließUche  Gewerbebetriebe  innerhalb  des  Bezirks  ge- 
pachtet haben  (Auktionator,  Ausrufer,  Badehalter,  Schuster, 
Barbier  u.  s.  w. ).  Diese  Bestimmungen  ruhen  wesentlich  auf 
dem  fiskalischen  Eigentum  an  dem  Grundstück,  auf  welchem 
jene  Gewerbe  geübt  und  andere  daran  verhindert  werden 
sollen.  ÄhnHcher  Natur  sind  die  Domänenordnungen.  Wir 
haben  eine  Inschrift  aus  der  Zeit  Trajans,  welche  Festsetzungen 
von  zwei  kaiserlichen  Prokuratoren  über  gewisse  afrikanische 
Domänen  des  Kaisers  enthält  und  zwar  im  Anschluß  an  eine 
lex  Mmiciana'^'^^  und  eine  ähnliche,  aber  minder  bedeutende 
Inschrift,  enthaltend  Festsetzungen  der  kaiserlichen  Prokura- 
toren für  mehrere  afrikanische  saltus  im  Anschluß  an  eine 
lex  Hadriana  -*). 

§  10. 
4.  Edicta  magistratum.     Jus  civile 
und  ins  ho  110 7' avium. 

I.  Das  ius  cdiccndi  ist  ein  allgemeines  Recht  der  höheren 
republikanischen  Magistrate.     Es  ist  das  Recht,    mündlich    [in 

21)   Elege  metallis  dicta.     (lin.   58.)       22)   Bruns  I   p.   266  sqq. 

23)  Adolf  Schulten,  Abhandlungen  der  Kgl.  Gesellschaft  der  Wissen- 
schaften zu  Göttingen,  Philol.-histor.  Kl.  N.  F.  B.  II  Nr.  3  (1897).  O.  Seeck, 
Neue  Jahrbücher  f.  d.  klass.  Altertum,  Geschichte  und  deutsche  Litteratur  I 
(1898)  S.  628fr.  H.  Krüger,  Zeitschrift  d.  Sav.-Stift.  XX  (1899)  S.  267  flf. 
Erman,  Centralblatt  f.  Kechtswissensch.  XXVII  (1898),  S.  176fr.  Weiteres 
bei  Kalb  im  Jahresbericht  f.  Altertumswissenschaft  B.  CIX  (1901   II)  S.  24  ff. 

24)  Bruns  fontes  I  p.  .382  sq.  A.  Schulten,  Hermes  B.  XXIX  (1894) 
S.  204 ff.  Weiteres  bei  Kalb,  Jahresbericht  f.  Altertumswissenschaft  a.  a.  O. 
S.  217  ff. 


—     45     — 

concione]  oder  schriftlich  durch  Aufstellung  auf  weissen  Holz- 
tafeln  (in  albo  proponcre)  dem  Volke  Willen  und  Meinung  des 
Magistrates  kund  zu  tun.  Z.  B.  ein  Edikt  der  Censoren  von 
92  V.  Chr.^)  verkündet  das  Mißfallen  der  Censoren  denen,  die 
Rhetorenschulen  halten  oder  besuchen.  Auch  priesterliche 
Edikte  kommen  vor,  z.  B.  von  den  qiiindecimviri  sacris 
faciwidis'-). 

Von  dem  ins  edicendi  haben  seit  der  jüngeren  Zeit  der 
Republik  die  mit  der  Ziviljurisdiktion  betrauten  Magistrate 
(in  Rom  Prätoren  und  curulische  Ädilen,  in  den  Provinzen  an 
Stelle  der  Prätoren  die  Statthalter  und  an  Stelle  der  Ädilen 
die  Quästoren)  in  der  Weise  Gebrauch  gemacht,  daß  sie  bei 
ihrem  Amtsantritt  ein  ausführliches  Edikt  erließen,  enthaltend 
die  Regeln,  nach  denen  sie  ihre  Jurisdiktion  zu  handhaben 
gedachten'^).  Insofern  dieses  Edikt  das  ganze  Jahr  hängen 
bleiben  und  beobachtet  werden  soll,  heißt  es  edictimi  petpc- 
tnuni^).  Es  enthält  weniger  Befehle  an  die  Gerichtsuntertanen 
(auch  solche  kommen  vor,  z.  B.  proniintitDito,  dicimto  im  Edikt 
der  Curulädilen,  nc  quis  .  .  .  habeat  im  prätorischen  Edikt"''), 
als  vielmehr")  Ankündigung  von  Maßregeln,  welche  der  Ma- 
gistrat in  den  und  den  Fällen  zu  treffen  gedenkt,  z.  B.  Nieder- 
setzung eines  Schwurgerichtes  (iudicium  dabo),  Besitzeinweisung 
(in  possessioneni  ire  jubebo,  possidere  jiibebo,  bonorum  possessi- 
onein  dabo),  Anordnung  des  Abschlusses  einer  Stipulation  mit 
oder  ohne  Bürgenstellung  (prouiitti,  satisdari  jidwbo),  Wieder- 
einsetzung in  den  vorigen  Stand  (in  intcgriini  restitnam)  und 
anderes  mehr.  Charakteristisch  ist  im  Gegensatz  zu  dem 
Gesetz  (welches  das  Ermessen  der  Beamten  beschränken  will !) 
für  das  Edikt,  daß  der  Magistrat  es  vermeidet,  sich  die  Hände 
zu  eng    zu   binden,    und    daher    verhältnismäßig    oft    sich    die 


1)  Suet.  de  rhet.  c.   1.     (Bruns  I  p.  230.) 

-)  Ein  Edikt  von  17  v.  Chr.  (inschriftlich  erhalten)  s.  bei  Bruns  I    p.  236. 

*)  Pomp.   D.   1,2,2,10:   ut  scirent  cives   quod  ius   de  quaque  re  quisque 

dicturus  esset  seque  praemunirent,   edicta  proponebant. 

*)  Ascon.   in  Cornelian.  p.  58.     (Bruns  II  p.   71.) 

s)  D.  XXI,  1,  1  pr.     1).  IX,  3,  5,  6. 

•*)  Für  die  folgenden  Erscheinungen  bedarf  es  besonderer  Belege  nicht, 
da   solche  dem  Leser  des  Edikts  sich  von   selbst  aufdrängen. 


—     46     — 

Sachprüfung  im  Einzelfalle  ausdrücklich  vorbehält  (causa  cog- 
tiita,  si  mihi  iusta  causa  esse  vidcbitur)  oder  die  zu  treffenden 
Maßnahmen  nur  im  allgemeinen  andeutet  (cogani,  uti  quaeqne 
res  erit  animadvertani).  Ein  Hauptbestandteil  des  Edikts  sind 
Formulare  für  die  vorzunehmenden  Amtshandlungen,  nament- 
lich auch  für  die  /ormidae,  mittels  deren  im  Zivilprozeß  der 
Prätor  den  Geschworenen  zur  Untersuchung  und  Entscheidung 
des  Falles  beauftragt  und  instruiert.  Das  Ganze  ist  ein  Pro- 
gramm der  Jurisdiktionsführung  des  Magistrats,  aus  dem  aber 
überall  indirekt  herauszulesen  ist,  welches  Verhalten  der  Ma- 
gistrat von  den  Rechtsuntertanen  beobachtet  wissen  will.  Dies 
tritt  auch  in  (konjunktivisch)  gebietenden  und  verbietenden 
Überschriften  oft  genug  hervor,  wo  der  Text  selbst  nicht 
gebietende  Form  hat.  Edictuni  heißt  aber  nicht  nur  das  Edikt 
als  Ganzes,  sondern  auch  jede  einzelne  Bestimmung  desselben. 
IL  Es  ist  selbstverständlich,  daß  von  dem  Urheber  des 
Edikts  erwartet  wurde,  er  werde  sich  nach  seinen  Ankün- 
digungen auch  richten.  Gleichmäßigkeit  ist  eine  der  ersten 
Anforderungen  der  Rechtspflege.  Man  betrachtet  es  schon 
als  etwas  nur  durch  gewichtige  Gründe  zu  Rechtfertigendes, 
wenn  ein  Gericht,  nachdem  es  eine  Rechtsfrage  in  einem  kon- 
kreten Falle  in  bestimmter  Weise  entschieden  hat,  in  einem 
anderen  Falle  dieselbe  Frage  anders  entscheidet.  Um  wieviel 
mehr  müssen  die  allgemeinen  Ankündigungen  der  Behörde 
über  ihr  Verfahren  zuverlässig  sein.  Gegen  Ende  der  Republik 
riß  aber  der  Mißbrauch  ein,  daß  Magistrate  nach  Gunst  und  Gut- 
dünken von  ihren  Edikten  abwichen.  Dem  wirkte  man  zunächst 
entgegen  durch  das  Mittel  der  Intercession,  welche  auch  im 
Zivilprozeß  verwendbar  war;')  aber  im  Jahie  6'j  v.  Chr.  wurden 
—  durch  eine  lex  Coinielia  —  die  Magistrate — zunächst  die 
Prätoren  —  für  die  Dauer  ihres  Amts  an  ihr  Edikt  gesetzlich 
gebunden. ö)   Aber  mit  dem  Aufhören  des  Amts  seines  Urhebers 


')  Cic.  in  Verr.  11,1,46,119:  (Verres)  in  magistratu  contra  illud  ipsum 
cdictum  suum  sine  ulla  religione  deccrnebat.  Itaque  L.  Piso  multos  Codices 
complevit  carum  riTum,  in  quibus  ita  intercessit,  quod  iste  aliter  atque  ut  edixerat 
decrevisset. 

^)  Ascon.  1.  c.  (Anm.  4):  Aliam  dciiuie  legem  Cornelius,  etsi  nemo  repuijiiare 
ausns  est,  multis    tanien  invitis  tulit:   ut  praetores    ex    edictis    suis  perpetuis   ius 


—     47     — 

verlor  das  Edikt,  weil  nur  getragen  von  dem  Imperium  des 
Magistrats,  der  es  erlassen  hatte,  von  selbst  seine  Geltung. 
Der  Amtsnachfolger  pflegte  jedoch  in  sein  Edikt  die  bewähr- 
ten Bestimmungen  der  X^orgänger  herüberzunehmen,  und  so 
bildete  sich  ein  allmählich  über  das  ganze  Gebiet  des  Privat- 
rechts und  Zivilprozesses  sich  verzweigender  Stamm  in  den 
Edikten  regelmäßig  wiederkehrender,  materiell  dauernder  Be- 
stimmungen (edicta  translaticia)'-).  Die  wichtigsten  Edikte 
waren  die  der  beiden  städtischen  Prätoren  ^");  daneben  stand 
das  Edikt  der  curulischen  Ädilen^^).  Die  Provinzialstatthalter 
lehnten  ihre  Edikte  an  die  der  Prätoren  ^'-)  und  wohl  vorzugs- 
weise an  das  des  praetor  pcregrimis  an,  die  Quästoren  folgten 
dem  Muster  der  curulischen  Ädilen'^).  Viele  Edikte  und 
ediktmässige  Institute  lebten  bei  den  Späteren  unter  dem 
Namen  der  Prätoren,  die  sie  zuerst  aufgestellt  hatten,  z.  B. 
fornmla  Octaviana  [actio  cjii.  iiutus  caiisa\,  actio  Piibliciana, 
Patdiaiia,  Scrviaiia,  intcrdictimi  Salviammi,  cdictuni  Car/w- 
niamiui. 

III.    Die    o-anze    Sitte    der     Edikte    ruht    auf    der    Grund- 


dicerent;    quae  res  cunctam  t^ratiam  ambitiosis  praetoiibus  qui  varie  ins  dicere 
assueveranl,   abstulit.  Cf.   Dio   Cass.   36,40   [23]. 

®)  Cic.  in  Verr.  II,  1,  44,  114:  hoc  vetus  edictum  translaticiumque  esse; 
vgl.   Cic.  ad  fam.   III,   8,  4. 

10)  Gai.  I,  6:  amplissimum  ius  est  in  edictis  duorunri  praetorum  urbani 
et  peregriüi. 

11)  Gai.   T,   6. 

1-)  Cic.  ad  Attic.  VI,  1,  15  u.  ad  fam.  III,  8,  4  über  sein  cilicisches  Edikt. 
V.  Velsen,  Zeitschr.  d.  Sav.-Stift.  XXI  (1900)  S.  73  ff.  meint,  daß  ein  Gesetz 
unter  Augustus  in  der  Absicht,  das  Sonderrecht  der  Provinzen  abzuschaft'en, 
bestimmte,  daß  die  Provinzialedikte  identisch  sein  sollten  mit  den  Stadt- 
edikten, und  daß  seitdem  ein  eigentliches  Provinzialedikt  nicht  bestand, 
sondern  das  edictum  praetoris  peregrini  den  Namen  edictum  provinciale  an- 
nahm. Ich  kann  das  namentlich  deshalb  nicht  glauben,  weil  eine  so  absolute 
Gleichmacherei  mir  für  jene  Zeit  höchst  unwahrscheinlich  ist.  Auch  scheint 
mir  Gai.  I,  6  zu  beweisen,  daß  die  Statthalter  ihr  Edikt  an  das  beider 
städtischen  Prätoren  anlehnten,  wie  das  ja  auch  unvermeidlich  war,  da  in  den 
Provinzen  zahlreiche  römische  Bürger  lebten,  die  auch  unter  sich  in  Konflikt 
kommen  konnten.       Gegen  v.   Velsen  s.  auch   Lenel,    Holtzendorffs  Encykl. 

s.  1231 

13)  Gai.  I,  6  drückt  sich  so  aus,  als  hätten  die  Quästoren  in  den  Pro- 
vinzen geradezu  das  ädilicische   Eilikt    proponiert. 


—     48     — 

läge,  daß  der  Magistrat  zwar  an  das  Volksgesetz,  und  was 
ihm  gleich  steht,  dessen  intei'pretatio  durch  die  Juristen  (§  i6) 
und  das  alte  Gewohnheitsrecht  (ius  civile  in  diesem  Sinne) 
gebunden  ist,  soweit  aber  diese  Fesseln  Freiheit  lassen,  sein 
Amt  nach  eigenem  Ermessen  ausübt  und  befugt  ist.  Regeln 
darüber  festzusetzen,  wie  er  es  auszuüben  gedenkt.  Dies  führt 
zunächst  nur  auf  ediktale  Bestimmungen,  welche  diejenigen 
des  ms  civile  ergänzen  und  ihren  Gedanken  zu  Hilfe  kommen; 
es  haben  aber  die  Magistrate  im  umfassendsten  Maße  auch 
solche  Ediktssätze  aufgestellt,  welche  dem  ius  civile  geradezu 
zuwiderliefen,  es  verbessern  wollten^'*).  Das  verstieß  zwar 
gegen  den  Grundsatz  von  der  Stellung  des  Magistrats  unter 
dem  Volksrecht;  aber  es  fragte  sich,  welche  Folgen  praktisch 
ein  solcher  Verstoß  hatte.  Ein  von  dem  Magistrate  mittels 
einer  dem  ius  civile  zuwiderlaufenden  fonnula  instruierter  Ge- 
schworner  hatte  nicht  das  Recht,  sich  mit  der  fonnula  in  seinem 
Urteil  in  Widerspruch  zu  setzen.  Nur  konnten  Dekrete  des  Ma- 
gistrats von  einem  gleich-  oder  übergeordneten  Beamten  im  Wege 
der  Interzession  vernichtet  und  davon  auch  wegen  Verstoßes 
gegen  das  Volksrecht  Gebrauch  gemacht  werden.  Auch 
konnte  der  Magistrat  nach  Rücktritt  von  seinem  Amte  wegen 
Bruches  des  Volksrechtes  in  Anklage  versetzt  werden.  Allein 
Interzession  wie  Anklage  stellten  sich  nicht  ein,  wenn  der 
Magistrat  über  alte  Satzungen  des  Volksrechtes  hinwegging, 
welche  von  der  Rechtsüberzeugung  des  Volkes  nicht  mehr 
getragen  wurden,  und  an  deren  Stelle  Neuerungen  setzte, 
welche  den  Beifall  der  Zeitgenossen  gemäß  fortgeschrittener 
Rechtsüberzeugung  zu  erwarten  hatten.  In  diesem  Sinne 
aber  haben  die  Magistrate  (von  Mißbräuchen  abgesehen)  ihre 
Aufgabe  bei  der  Abfassung  ihrer  Edikte  weise  gelöst,  und 
die  Edikte  sind  als  eine  von  Jahr  zu  Jahr  revidierte  und  da- 
rum den  neuen  Bedürfnissen  und  neuen  Anschauungen  rasch 
und  leicht  folgende  Quelle  neuen  Rechtes,  als  „lebendige 
Stimme"  des  Rechts*'^)  allseitig  anerkannt.     Der    ständige    In- 


l*)  Pap.  D.  I,  1,  7,  1 :  Ius  praetorium  est  quod  praetores  introduxerunt  adiu- 
vandi  vel  supplendi  vel  corrigendi  iuris  civilis  gratia  jiropter 
utilitatem  publicam. 

l-'j)   Marci.  D.  I,  1,  8;   Nam  et  ipsum  ius  honorarium  viva  vox  est  iuris  civilis. 


—     49     — 

halt  der  Edikte  heißt  ins  und  zwar  ins  honorari?an  (von  honoi% 
Ehrenamt)  das  Amtsrecht,  insbesondere  üis  praetorium,  ins 
aediliciuni.  Indem  dabei  aber  stets  festgehalten  wurde,  daß 
die  Magistrate  das  Volksrecht  nicht  aufheben  konnten,  kam 
man  zu  der  theoretischen  Auffassung,  daß  das  ins  civilc  und 
das  ius  lionorarium  neben-  und  gegeneinander  stehen;  prak- 
tisch ging  im  Widerspruchsfalle  das  letztere  vor. 

Eine  allseitig  scharfe  Scheidung  zwischen  ius  civilc  und 
ius  honorariuni  mußte  sich  aber  als  unmöglich  herausstellen. 
Einerseits  entnahmen  die  Prätoren,  selbst  größtenteils  juristisch 
gebildet,  den  Inhalt  ihrer  Edikte  doch  Anregungen,  welche 
ihnen  der  bestehende  Rechtszustand '^)  und  die  Jurisprudenz 
und  Praxis  ihrer  Zeit  bot.  Jurisprudenz  und  Praxis  aber  legte 
man  die  Kraft  bei,  ius  civilc  zu  schaffen.  Somit  konnte  bei 
der  Neuaufstellung  eines  Ediktsatzes  oft  zweifelhaft  sein,  ob 
und  in  wieweit  eine  wirkliche  prätorische  Neuschöpfung  oder 
vielmehr  nur  die  Aufnahme  eines  im  ius  civilc  bereits  aner- 
kannten Satzes  vorläge.  Anderseits  begannen  an  dem  Edikts- 
recht Jurisprudenz  und  Praxis  und  später  auch  die  kaiser- 
lichen Reskripte  (die  ebenfalls  ius  civilc  schufen)  fortzuarbeiten, 
und  es  mußten  auf  diese  Weise  Sätze  des  ius  honorariuni  in 
das  ius  civilc  übergehen.^') 

IV.  In  der  Kaiserzeit  ist  die  produktive  Kraft  der  Edikte 
erlahmt.  Noch  immer  haben  die  noch  fungierenden  aus  republi- 
kanischer Zeit  herrührenden  Jurisdiktionsmagistrate  ihre  Edikte 
proponiert;  nur  ist  das  ädilicische  Edikt  in  den  kaiserlichen 
Provinzen  nicht  mehr  angeschlagen,  weil  dorthin  keine 
Quästoren  gesandt  wurden.^^^)  Es  fehlen  auch  in  dieser  Zeit 
neu  aufkommende  Bestandteile  des  Ediktes  nicht  ganz;  sie 
finden  sich  namentlich  zur  Ausführung  neuer  zivilrechtlicher 
Vorschriften,  wie  z.  B.  des  SC.  Trebcllianum.  ^^)    In  der  Haupt- 

16)  Dafür,  insbesondere  soviel  die  gewohnheitsmäßige  Übung  angeht,  auch 
Pernice,  Zeitschr.  d.  Sav.-St.  XX  (1899)  S.   128  ff.,  vgl.  ob.  S.  20. 

'')  Ehrlich,  Beiträge  zur  Theorie  der  Rechtsquellen  S.  125  ff.  gibt  ein 
reiches  Material  über  die  Verwendung  des  Ausdrucks  ius  honorarium  u.  ähn- 
licher, grenzt  aber  die  Bedeutung  des  Gegensatzes  von  ius  civile  und  ius  hono- 
rarium m.   E.   zu  eng  ein.       i'a)   Gai.   I,   6. 

18)  Gai.  II,  253:  Das  Edikt  enthält  die  ausdrückliche  Ankündigung  der 
actiones  utdes  des  Universalfideikommissars  und  gegen   ihn. 

Kipp,  Quellen  des  röm.  Kechts.  4 


—     50     — 

Sache  aber  liegt  die  Fortbildung  des  Rechts  jetzt  in    anderen 
Händen. 

Hadrian  ließ  durch  Salvius  Julianus  (§  19)  das  Edikt  des 
Prätor  Urbanus  und  als  Anhang  dazu  dasjenige  der  Curul- 
ädilen  neu  redigieren  und  zwar  vor  129  n.  Chr.;  denn  schon 
vor  diesem  Jahre  begann  Julian  seine  Digesten,  welche  die 
vollendete  Ediktsredaktion  voraussetzen.^^)  Wie  tief  und  nach 
welcher  Richtung  hauptsächlich  Julian  eingegriffen  hat,  ist 
nicht  sicher  zu  sagen.  Wenn  Julian  später  ordinator  cdicti 
heißt, '^^)  so  beweist  dies  durchaus  nicht,  daß  er  hauptsächlich 
die  systematische  Anordnung  verbessert  hat,  denn  hierauf 
geht  ordina7-e  nicht  einmal  vorzugsweise,  sondern  es  bedeutet 
überhaupt  die  Festsetzung  nach  Inhalt  und  Form.  So  heißt 
es  von  einer  einzelnen  V'^orschrift  des  Edikts:  ita  edictiim  or- 
dinatuni  videüir}^)  (Vergl.  auch  die  Wendungen  iiidiciwn. 
testamentmn  ordinäre)  Das  systematische  Interesse  der  Römer 
ist  überhaupt  so  gering,  daß  nicht  füglich  ein  Kaiser  den 
größten  Juristen  seiner  Zeit  mit  Revision  des  Edikts  vorzugs- 
weise der  Anordnung  wegen  betraut  haben  wird.  Es  war 
vielmehr  unzweifelhaft  die  Absicht,  das  zurückgebliebene  Edikt 
nach  Inhalt  ebensowohl  wie  Form  wieder  auf  die  Höhe  der 
Zeit  zu  bringen.  Wenn  sogleich  vorgesehen  wurde,  wie  spä- 
tere Neuerungen  eingefügt  werden  sollten  (vgl.  den  folgenden 
Absatz),  so  kann  man  bei  der  Redaktion  selbst  nicht  verfehlt 
haben,  die  bereits  als  wünschenswert  erkannten  sachlichen 
Änderungen  zu  bewerkstelligen.  Daran  ändert  es  nichts,  daß 
wir  zufällig  nur  eine  solche  Änderung  kennen,  die  s.  g.  nova 
clausula  de  conjmigendis  cum  eniancipato  liberis  eius}^) 

Der  julianische  Text  ist  durch  Senatuskonsult  bestätigt 
und  heißt  edictum  perpetuuni  in  dem  neuen  Sinne  des  die  ein- 
zelnen   Amtsjahre    überdauernden    Inhalts.     Das    SC.    hat  das 


19)  Die  Datierung  der  Ediktsredaction  auf  das  Jahr  131  n.  Chr.  be- 
ruht auf  Hieronymus  (einer  Quelle  aus  der  zweiten  Hälfte  des  vierten  Jahrliun- 
derts,  die  gerade  in  Bezug  auf  Jahreszahlen  anerkannt  unzuverlässig  ist  (Teuffel- 
Schwabe  §  4341»). 

20)  Just.  C.  J.  IV,  5,   10,   1. 

21)  Ulp.  D.  XXV,  2,   13. 

22)  Mareen.  D.  XXXVII,  8,  3,  Ulp.  D.   XXXVII,  9,   1,   13. 


—    51     — 

Edikt  nicht  zum  Reichsgesetz  für  die  Untertanen  erhoben, 
sondern  war  ein  Dienstbefehl  an  die  Magistrate,  das  Edikt 
nunmehr  stets  mit  dem  julianischen  Text  zu  proponieren. 
Etwa  erforderliche  Neuerungen  sollten  vom  Kaiser  ausgehen. ^^) 
Auch  das  Edikt  des  Prätor  Peregrinus  und  das  Provinzialedikt 
muß  auf  ähnliche  Weise  festgelegt  sein;  es  fehlt  jedoch  an 
Nachrichten  darüber.  Damit  war  das  ins  edicendi  der  Ma- 
gistrate sachlich  unterbunden.  Die  formelle  Proposition 
der  Edikte  läßt  sich  aber  noch  bis  ins  3.  Jahrhundert  ver- 
folgen. 2*) 

Der  Gegensatz  zwischen  ins  civile  und  ins  lionorarium 
ist  durch  Hadrian  formell  nicht  aufgehoben.  Es  wurde  aber 
die  Verschmelzung  beider  Rechtsmassen,  die  sich,  wie  gezeigt, 
schon  früher  angebahnt  hatte,  durch  die  dauernde  Fixierung 
des  Ediktsinhalts  noch  wesentlich  befördert.  Niemals  freilich 
ist  im  Bewußtsein  der  Römer  jener  Gegensatz,  so  praktisch 
bedeutungslos  er  im  Laufe  der  Zeit  wurde,  erloschen.  Noch 
im  justinianischen  Rechte  wird  er  als  vorhanden  angenommen, 
während  er  hier,  da  Justinian  das  ganze  alte  Recht  als  sein 
kaiserliches  Gesetz  publizierte,  jede  Existenzberechtigung  ver- 
loren hatte.  Es  war  unmöglich,  eine  Auffassung,  mit  der  Jahr- 
hunderte operiert  hatten,  ganz  auszumerzen. 

V.  Unsere  Kenntnis  von  den  Jurisdiktionsedikten  beruht 
ausschließlich  auf  Anführungen  ihres  Inhalts  in  der  Literatur. 
Besonders  von  dem  hadrianischen  Edikt  kennen  wir  ziemlich 
viel  aus  den  in  die  justinianischen  Digesten  aufgenommenen 
Stücken  von  Bearbeitungen  desselben  durch  die  klassischen 
Juristen. 

Die  Versuche,  das  hadrianische  Edikt  zu  restituieren,  be- 
ginnen im   16.  Jahrhundert  (Eguinarius  Baro);  von  den  moder- 

23)  C.  Tanta  §  18:  et  ipse  Julianus  legum  et  edicti  perpetui  subtilissi- 
mus  conditor  in  suis  libris  hoc  rettulit,  ut,  si  quid  inperfectum  inveniatur  ab 
imperiali  sanctione  hoc  repleatur  et  non  ipse  solus  sed  et  divus 
Hadrianus  in  compositione  edicti  et  senatus  consulto  quod  eara  se- 
cutum  est  hoc  apertissime  definivit,  ut  si  quid  in  edicto  positum  non  invenitur 
hoc  ad  eius  regulas  eiusque  coniecturas  et  imitationes  posset  nova  instruere 
auctoritas. 

2*)  C.  J.  VIII,  1,  1  (a.  224)  .  .  .  praeses  ad  exeraplum  interdictorum, 
quae  in  albo  proposita  habet. 

4* 


nen  Arbeiten  kommt  die  von  Rudorff, ^°)  wiewohl  seiner  Zeit 
sehr  verdienstüch,  doch  jetzt  kaum  noch  in  Betracht  neben 
dem  epochemachenden  Werk  von  Lenel, -^)  das  Edictum  per- 
petuum. 

§    11- 
5.    Senatus  consiil ta. 

I.  Der  Senat,  ursprünglich  nur  beratender  Körper,  hat 
sich  in  den  Zeiten  der  Republik  zu  der  eigentlich  staatslenken- 
den Stelle  entwickelt.  Seine  Einwirkung  auf  die  Rechtsbildung 
tritt  zunächst  in  verschiedenartigem  Einfluß  auf  die  Volks- 
schlüsse hervor.  Von  alters  her  bedarf  der  Beschluß  der 
Comitien  zu  seiner  Gültigkeit  der  Bestätigung  durch  den 
Senat;  seit  aber  Plebejer  in  den  Senat  eingetreten  sind,  nehmen 
an  dem  Beschluß  darüber  nur  die  patrizischen  Mitglieder  des 
Senates  teil  (paijiim  auctoritas)})  Auf  Plebiszite  findet  die 
pat7-um  auctoritas  keine  Anwendung;  sie  unterliegen  aber  wahr- 
scheinlich bis  zur  lex  Hortensia  (zwischen  289  und  286  v.  Chr.; 
der  Bestätigung  durch  den  gesamten  (patrizisch-plebejischenj 
Senat  (§  6,  I,  4).  Im  Laufe  der  Zeit  ist  die  patrmn  auctoritas 
zur  leeren  Förmlichkeit  geworden,  worauf  aber  der  Umstand, 
daß  sie  nach  einer  lex  Publilia  von  339  v.  Chr.  zunächst  für 
Centuriatgesetze  und  dann  wohl  auch  für  die  übrigen  Comitial- 
beschlüsse  vor  Beginn  der  Volksabstimmung  zu  erteilen 2} 
(oder  zu  verweigern!)  ist,  nicht  den  ihm  oft  zugeschriebenen 
Einfluß  gehabt  haben  kann.  Praktisch  ist  aber  auch  in  der 
jüngeren  Zeit  der  Republik  der  Senat  des  Einflusses  auf  die 
Gesetzgebung   nicht  entkleidet.     Denn   durchaus    üblicher,    ob- 


28)   RudorfF,   de   iurisdictione  edictum,   Leipzig   1869. 

26)  Lenel,  das  Edictum  Perpetuum,  Leipzig  1888.  Eine  zweite  Auflage 
erschien  in  französischer  Sprache :  Lenel,  essai  de  reConstitution  de  l'edit  per- 
petuel.  Ouvrage  traduit  en  frangais  par  Frederic  Peltier  sur  un  texte 
revu  par  l'auteur.  Tome  I  Paris  1901,  tome  II  1903.  Von  Lenel  ist  auch 
jetzt  die  entsprechende  Partie  in  Bruns,  fontes  I  p.  202  sqq.  bearbeitet, 
Rubrikenindex  des  Ediktes  bietet  Lenels  Palingenesia  iuris  civilis,  II  col. 
1247   sqq. 

')   Mommsen,   Staatsrecht   111,   2  S.    1037  ff. 

2)  Liv.  VIII,   12,   15. 


—     53     — 

wohl  nicht  rechtsnotwendiger  Weise,  wurden  Comitialgesetze 
wie  Plebiszite  im  Senat  vorberaten. '^j  Dazu  tritt  in  den  letz- 
ten Zeiten  das  vom  Senat  in  Anspruch  genommene  und  prak- 
tisch durchgesetzte  Recht,  Volksschlüsse  wegen  mangelhaften 
Zustandekommens  für  nichtig  zu  erklären  durch  den  BeschluiS: 
ea  lege  non  videi'i  popubim  teuer i.^^ 

Dispensation  von  Gesetzen  [lege  aliquem  solvere)  kann 
grundsätzlich  nur  durch  Gesetzgebungsakt  erfolgen.  Auch 
hier  aber  hat  der  Senat  eingegriffen,  indem  er  zuerst  Dispen- 
sationen unter  Vorbehalt  der  Genehmigung  durch  Volksschluß 
verfügte;  später  aber  unterblieb  die  wirkliche  Einholung  der 
letzteren,  und  endlich  blieb  auch  der  Vorbehalt  selbst  aus 
dem  Senatuskonsult  fort.  Der  Volkstribun  C.  Cornelius  suchte 
a.  67  v.  Chr.  das  Dispensationsrecht  dem  Volk  zurückzuge- 
winnen. Es  kam  aber  nur  ein  Gesetz  zu  stände,  nach  welchem 
die  Dispensation  im  Senat  bei  Anwesenheit  von  mindestens 
200  Mitgliedern  beschlossen  und  dann  zwar  von  den  Comitien 
bestätigt  werden  muß,  die  Bestätigung  aber  nicht  verweigert 
werden  darf,  also  reine  Formalität  ist. '^j 

Die  Anweisungen,  welche  der  Senat  den  Magistraten 
über  ihre  Amtshandlungen  erteilte,  gaben  ihm  schon  früh  die 
Handhabe,  auch  die  Jurisdiktion  und  die  Edikte  zu  be- 
einflussen. Schon  seit  dem  Jahre  193  v.  Chr.  finden  sich 
Anweisungen  des  Senats  an  die  Magistrate,  so  und  so  Recht 
zu  sprechen.**)     Das  SC.  de  BacchanaliÖKS  von  a.   186  v.  Chr. 

3)   Mommsen,   Staatsrecht  III,   2  S.   1043ff. 

*)  Cic.  in  der  Rede  pro  C.  Cornelio  (fr.  1 1  bei  Orelli-Baiter)  nach  Ascon. 
in  Cornelian.   p.   68.     Vgl.   Mommsen,   Staatsr.   III,    1    S.   366  ff. 

^)  Ascon.  in  Cornelian.  p.  56  (Bruns  II  p.  70  sq.).  Dio.  cass.  36,  39 
(22).     Mommsen,  Staatsrecht  III,   1   S.  337  f.     III,  2  S.   1229  ff. 

®)  Liv.  XXXV,  7.  Römische  Wucherer  versteclcten  sich  hinter  Bundesgenossen 
als  Gläubigern,  weil  diese  den  römischen  Zinsgesetzen  nicht  unterlagen.  Der 
Senat  wollte  die  römischen  Schuldner  aber  auch  für  diesen  Fall  schützen.  Er 
beschloß,  daß  von  den  nächsten  Feralien  an,  wenn  der  Schuldner  römischer 
Bürger,  der  Gläubiger  Bundesgenosse  sei,  der  Schuldner  wählen  könne,  ob  die 
römischen  oder  die  bundesgenössischen  Gesetze  angewandt  werden  sollen,  und 
zwar  ist  dies  in  Form  einer  Dienstinstruktion  an  die  Jurisdictionsmagistrate 
gekleidet:  ut  ex  ea  die  pecuniae  creditae,  quibus  debitor  vellet  legibus  ius  cre- 
ditori   dicerecur. 


—     54     — 

ist  in  der  Hauptsache  eine  Anweisung  zum  Erlaß  von  Edikten 
bestimmten  Inhalts. ')  Solche  Anweisungen  über  Jurisdiktions- 
führung und  Ediktsfassung  werden  auch  die  aus  den  letzten 
Zeiten  der  Republik  berichteten  SCC.  über  Zinsfuß  und  über 
a7nbilus^)  gewesen  sein  und  entsprechend  der  allgemeinen 
Stellung  des  Senats  zu  der  Magistratur  eine  tatsächlich  ver- 
bindliche Kraft  gehabt  haben.  Daß  aber  ein  Senatsbeschluß, 
welcher  ein  Gesetz  auslegt,  einem  Geschworenengericht  die 
Hände  bindet,  wie  nach  einem  Ausspruch  Ciceros  scheinen 
könnte,®)  ist  nicht  glaublich.  Ebenso  wenig  ist  aus  republi- 
kanischer Zeit  erweislich,  daß  ein  SC.  unmittelbar  verbindliche 
Rechtsvorschriften  für  das  Volk  aufstellen  konnte.  Wenn  das 
SC,  welches  demjenigen,  der  sich  betrügerisch  als  Sklaven 
verkaufen  läßt,  die  Freiheit  abschneidet,  wirklich  in  repub- 
likanische Zeit  zurückgeht,  ^^)  so  spricht  doch  alles  dafür,  daß 
dasselbe  eben  auch  nur  eine  Jurisdiktionsanweisung  an  den 
Prätor  war.  Es  wies  ihn  an,  die  proclaiiiatio  ad  Hhertat^m 
zu  denegieren,  ^^"l 

IL  Immerhin  war  man  mit  diesen  Jurisdiktionsanweisungen 
bereits  hart  an  die  Grenze  der  Aufstellung  allgemein  verbind- 
licher Rechtsvorschriften  durch  den  Senat  gekommen.  Denn 
sachlich  steckt  in  der  Norm,  die  der  Magistrat  bei  seiner 
Jurisdiktion  beobachten  soll,  auch  die  Vorschrift  an  die  Pri- 
vaten, ihr  Handeln  danach  einzurichten.  Die  Dienstvorschrift 
an  den  Magistrat  enthält  eine  Rechtsvorschrift  in  sich,  und 
es  ist  in  der  Kaiserzeit,  obwohl  erst  nach  einem  Streit, 
von  dem  noch  Gajus  berichtet,  anerkannt,  daß  diese  Rechts- 
vorschriften   dem  Volksgesetze    gleichstehen,     die     SCC.    also 


')  SC.  de  Bacchanal.  (Bruns  I  p.  160  sqq.)  lin.  2  sq.:  de  Bacanalibus 
quei   foideratei   esent  ita  exdeicendum   censuerc. 

8)  Cic.  ad  Ättic.  V,  21,  13,  vgl.  6,  37.  —  Cic.  pro  Mur.  32,  67.  ad 
Attic.   I,   16,    12. 

^)  Cic.  pro  Mur.  32,  67.  Cicero  mußte  das  .SC.  gelten  lassen,  weil  er 
es  selbst  beantragt  hatte. 

10)  Wenn  nämlich  der  handschriftliche  Quintus  nieus  bei  Paul.  D.  .\L, 
12,   23  pr.  Q.  Mucius  Scaevola  ist;  das  ist  aber  keineswegs  sicher. 

11)  Ulp.  D.  .XL,    13,    1.     Pomp.  eod.  3.     Paul.  eod.  4,  5. 


—     55     — 

ttis  civile  schaffen.^-)  Diese  Ansicht,  nach  welcher  die 
gesetzesgleichen  SCC.  aus  den  Jurisdiktionsanweisungen 
hervorgewachsen  sind,  hat  handgreifliche  Beweise  aus  der 
Form  der  privatrechtlichen  SCC.  der  Kaiserzeit  für  sich;^'^) 
auch  hat  die  hier  angenommene  Entwickelung  zwei 
Parallelen:  die  Entwickelung  von  Rechtsvorschriften  aus  den 
kaiserlichen  Dienstvorschriften  für  die  Beamten  (niandata, 
s.  unt.  §  12)  und  die  Entwickelung  von  Rechtssätzen  aus  dem 
magistratischen  Amtsprogramm  (s.  ob.  §  10). 

III.  Die  SCC.  der  Kaiserzeit  ergehen  oft  auf  Antrag  des 
Kaisers,  gestellt  durch  eine  Rede,  die  er  vorträgt  oder  durch 
einen  Beamten  {guaestor)  vortragen  läßt.  Diese  oratio  princt- 
pis  wurde  mehr  und  mehr  die  Hauptsache,  das  bestätigende 
SC.  Formalität,  weshalb  die  Juristen  statt  des  SC.  öfter  ge- 
radezu die  oratio  als  Rechtsquelle  eitleren.^'*)  Die  Form  des 
SC.  aber  haben  die  Kaiser  für  wichtigere  gesetzgeberische 
Neuerungen  bis  in  das  dritte  Jahrhundert  gern  gewahrt.  An- 
dere Antragsteller  als  der  Kaiser  sind  wohl  regelmäßig  nur 
auf  seinen  Befehl  oder  doch  nicht  ohne  seine  Zustimmung  auf- 
getreten. 

IV.  Die  Beurkundung  der  SCC.  erfolgte  zuerst  in  der 
Art,  daß  der  Magistrat,  welcher  den  Beschluß  erwirkt  hatte, 
nach  der  Sitzung  in  Gegenwart  einiger  als  Zeugen  fungieren- 


12]  Gai.  I,  4  (Senatusconsultum)  legis  vicem  obtinet,  quamvis  fuerit  quae- 
situm.     Pomp.  D.  I,  2,  2,  9.     Pap.  D.   I,   1,  7  pr.     Ulp.  D.  I,  3,  9. 

13)  SC.  Vellejanum  D.  XVI,  1,  2,  1:  arbitrari  senatum  recte  atque  ordine 
facturos  ad  quos  de  ea  re  in  ius  adituin  erit,  si  dederint  operam  ut  in  ea  re  senatus 
voluntas  servetur.  SC.  Trebellianum  D.  XXXVI,  1,  1,  2:  placet  actiones  .  .  . 
dari.  SC.  Macedonianum  D.  XIV,  6,  1 :  placere  ne  .  .  .  actio  pctitioque  da- 
retur.  Actionem  (petitionem)  dare  ist  Sache  des  Magistrats!  Eine  klare  staats- 
rechtliche Grundlage  hat  die  Gesetzeskraft  der  Senatusconsulte  nicht  gehabt. 
Denn   dann  wäre  der  Streit  darüber  nicht  möglich  gewesen. 

1*)  Ulp.  D.  II,  15,  8  pr. :  divus  Marcus  oratione  in  senatu  recitata  efifecit. 
Ulp.  D.  XXIV,  1,  23  citiert  nur  die  oratio  divi  Severi,  während  er  selbst  eod.  32 
sagt:  Imperator  noster  Antoninus  Augustus  (d.  h.  Caracalla)  ante  excessum 
divi  Severi  patris  sui  oratione  in  senatu  habita  auctor  fuit  senatui  censendi  .  .  . 
Ulp.  D.  XXVII,  9,  1  spricht  von  einer  oratio  imperatoris  Severi  als  der  einen 
Rechtssatz  begründenden  Quelle  und  noch  dazu  kündigt  der  Text  der  oratio 
einfach  kaiserliche  Maßregeln  an  (interdicam),  dennoch  hat  auch  hier  die  Be- 
stätigung durch  SC.   nicht  gefehlt:   vgl.  Ulp.  D.  XXVII,   9,    10.      Marci.   ib.    12. 


—      o()      — 

der  und  in  der  Urkunde  mit  den  Worten  scfibendo  affuere^^) 
aufgeführter  Senatoren  den  Beschluß  niederschrieb  oder  nieder- 
schreiben ließ.  Diese  Urkunden  sollen  seit  449  v.  Chr.  im 
Cerestempel  unter  Aufsicht  der  plebejischen  Adilen  aufbewahrt 
worden  sein,  ein  Institut,  das  später  wieder  verschwindet  und 
vielleicht  sich  nur  auf  die  die  Plebs  berührenden  SCC,  speziell 
diejenigen,  welche  Plebiszite  genehmigten,  bezog. ^*)  In  der 
späteren  Zeit  der  Republik  waren  die  SCC.  im  Ärarium  nieder- 
zulegen. Diese  Einrichtung  wird  zuerst  für  das  Jahr  197  v. 
Chr.  bezeugt.  ^"'^  Die  Niederlegung  ist  Voraussetzung  des  In- 
krafttretens des  SC.^^)  Je  nach  Umständen  erfolgen  Aus- 
fertigungen an  Interessenten  ^^),  Publikationen  in  Volksversamm- 
lungen {conciones),  inschriftliche  Aufstellungen.-")  Cäsar  hat  in 
seinem  ersten  Konsulat  die  Einrichtung  getroffen,  daß  über 
die  Verhandlungen  des  Senats  (wie  der  Volksversammlungen) 
tägliche  Berichte  veröffentlicht  wurden.^^) 

Die  Benennung  der  SCC.  mit  Personennamen  ist  nicht 
offiziell  gewesen.  Bei  den  Juristen  bildete  sich  aber  der  Ge- 
brauch, die  SCC.  adjektivisch  mit  dem  Namen  des  oder  eines 
der  Antragsteller  zu  bezeichnen  (z.  B.  SC.  NeronianMin-'^)  nach 
dem  Kaiser  Nero,  Vellaeanuni  [  Vellejanuni\  (a.  46  n.  Chr.,-^) 
Trebelliammi  (a.  56  n.  Chr.),-*)  Pegasianmn  (unter  Vespasian).^^) 
Gelegentlich  kommt  auch  die  Benennung  nach  dem  Verbrecher 
vor,  der  das  SC.  veranlaßt  hatte,  so  bei  dem  SC.  Maccdo- 
nianmn}^) 

V.  Die   meisten    SCC.    kennen   wir    nur    aus    literarischer 


lö)  sc.   de  Bacchan.  lin.   2.    SC.   de   nundinis   saltus  Beguensis  lin.  6  sqq. 
16)  Liv.  III,  55.     Vgl.  oben  §  6,  I,  4.     17)  Liv.  XXXIX,  4,  8. 

18)  Der  Senat  ist  auch  Strafgericht.  Um  den  zum  Tode  Verurteilten 
einen  Aufschub  zu  sichern,  wurde  nach  Tac.  ann.  III,  51  unter  Tiberius  durch 
SC.  festgesetzt,  daß  die  decreta  palrum  erst  nach  20  Tagen  in  das  Aerar  ge- 
bracht werden  sollten.  Der  Vollstreckung  muß  also  das  deferre  ad  aerarium 
rechtlich  notwendig  vorausgegangen   sein. 

19)  SC.  de  Thisbaeis  lin.  58  sqtj. 

20)  Vgl.  das  im  Text  V,   1   über  das  SC.  de  Bacchanalibus  Gesagte. 

21)  Suet.  Caes.  20,  vgl.  Mommsen,   Staatsr.  III,  2  S.    1017  f. 

22)  Gai.  II,  197.  212.       23)  D.  XVI,   1. 

24)  Gai.  III,  255  und  sonst,  D.  XXXVI,   1. 

2ö)  Gai.   III,  256   und  sonst.      26)  uip.  D.   XIV,   6,   1. 


Überlieferung.  Doch  ist  auch  manches  inschriftlich  erhalten. 
Zu  erwähnen  sind  die  folgenden  SCC,  unter  welche  auch  solche 
aufgenommen  sind,  welche  nur  spezielle  Verwaltungsakte  des 
Senats  darstellen.  Denn  auch  diese  sind  als  Belege  für  die 
■Regeln  wichtig,  nach  denen  Fälle,  wie  die  ihnen  zu  Grunde 
liegenden,  behandelt  zu  werden  pflegten. 

1.  Das  SC.  de  Bacchanalibus  vom  Jahre  i86  v.  Chr.,  die 
Maßregeln  zur  Unterdrückung  der  bacchanalischen  Verschwö- 
rungen betreffend,  gefunden  1640  auf  einer  Bronzetafel  zu 
Tiriolo  in  Calabrien.  In  Ausführung  der  Vorschriften  des 
Senates  veranlassen  die  Konsuln  unbekannte  Magistrate  des 
agir  Tewanus,  die  mitgeteilten  Vorschriften  des  Senats  durch 
Verkündigung  in  concione  und  durch  Aufstellung  in  Erz  be- 
kannt zu  machen  und  sonst  zu  ihrer  Ausführung  mitzu- 
wirken.^') 

2.  Zwei  SCC.  in  betreff  der  Rechtsverhältnisse  der  Ge- 
meinde Thisbaea  in  Boeotien,  von  170  v.  Chr.,  in  griechischer 
Übersetzung  auf  Marmor  in  Thisbaea   1871    gefunden.-*) 

3.  Ein  SC,  betreffend  die  Tiburtiner  (um  160  v.  Chr.). 
gefunden  zu  Tibur  im  16.  Jahrhundert,  auf  einer  später  wieder 
verlorenen  Bronzetafel. -'■'j 

4.  Ein  SC.  vom  Jahre  78  v.  Chr.,  durch  welches  drei 
griechische  Nauarchen,  Asclepiades  und  Genossen  wegen 
ihrer  Verdienste  im  Bundesgenossenkrieg  für  Freunde  des 
römischen  Volkes  erklärt  und  privilegiert  werden;  gef.  zwei- 
sprachig zu  Rom  im    16.  Jahrhundert  auf  Bronze. ^'^) 

5.  Ein  SC.  vom  Jahre  73  v.  Chr.,  durch  welches  die 
Entscheidung  der  Konsuln  in  einem  Streit  der  Oropier  mit 
Publikanen  bestätigt  wird;  in  griech.  Übers,  auf  Marmor  1884 
zu  Oropos  gefunden.^^) 

6.  Ein  SC.  vom  Jahre  42  v.  Chr.,  durch  welches  Aphro- 
disias  in  Carien  zur  civitas  libera  erklärt  wurde;  in  griechi- 
scher Übersetzung  auf  einem  Marmor,  zuerst  1738  herausge- 
geben.^-) 


27)  Bruns  I  p.    160  sqq.  28)   ßruns   I   p.    162   sqq. 

as)  Bruns  I  p.    166  sq.  30)   Bruns  I  p.   167   sqq.        31)  Bruns  I   p. 
172   sqq.- 

32)  Bruns  I  p.    177  sqq.  Über    zwei  SCC.    betr.   die  Rechtsverhältnisse 


—     oö     — 

7.  Ein  SC.  de  ludis  saecularib  iis  (zwischen   17  v.  Chr- 

und  47  n.  Chr.)  auf  Marmor,  gefunden  im    16.  Jahrhundert  zu 
Rom.33) 

8.  Ein  Kapitel  eines  SC,  durch  welches  die  Bildung  von 
Totenkassen  gestattet  wird,  erhalten  als  Bestandteil  der  In- 
schrift des  coUegiiim  funeraticium  Lanuvmum.^^) 

9.  Eine  Oratio  des  Kaisers  Claudius  betreffend  die  Er- 
teilung des  ins  Jio)iornni  an  die  den  transalpinischen 
Galliern  entstammenden  Bürger,  auf  deren  Grund  wenigstens 
zunächst  den  Aeduern  (Tac.  annal.  XI,  25)  dieses  Recht  vom 
Senat  erteilt  ist:  gefunden    1528  in  Lyon  auf  Bronze.^^) 

10.  Eine  Oratio,  vielleicht  ebenfalls  von  Claudius  über 
deli  Ausschluß  jugendlicher  Personen  vom  Richteramt  und 
Ähnliches,  erhalten  in  Gestalt  eines  Papyrus.^^) 

11.  Aus  einer  1600  in  Herculaneum  gefundenen,  später 
wieder  verlorenen  Bronzetafel  sind  bekannt  zwei  SCC.  von 
44  46  n.  Chr.  und  vom  Jahre  56  n.  Chr.,  gerichtet  gegen  Speku- 
lationen mit  Kauf  von  Häusern  auf  Abbruch  {SC.  Hosidianiim 
und  SC.    VoliisiannmF') 

12.  Ein  SC.  vom  Jahre  138  n.  Chr.,  durch  welches  einem 
Afrikaner  Lucilius,  senatorischen  Standes,  das  Recht  gewährt 
wird,  in  einem  außerstädtischen  Bezirk  [saltus)  im  Territorium 
der  Musulamier  monatlich  zweimal  Markt  zu  halten;  gefunden 
in  Tunis    1860  und    1873   auf  zwei  Steinen.^*) 

13.  Ein  Stück  eines  SC.  zwischen  138  und  160  n.  Chr., 
durch  welches  das  in  der  Stadt  Cyzicus  bestehende  corpus 
viiov  genehmigt  wird,  1876  auf  Stein  in  den  Ruinen  \-on 
Cyzicus  gefunden.^^) 

14.  Das  SC.    über  Verminderung    der  Kosten    der  Gla- 


von  Stratonicea  und  Tabae,  ergangen  im  Anschluß  an  die  Anordnungen  Sullas 
in  Kleinasien  vgl.  Diehl  und  Cousin,  Bulletin  de  Corresp.  hclleuique  IX 
(1885)  p.  437  suiv.  und  Doublet  ebenda  XIII  (1889)  p.  503  suiv.,  dazu 
Viereck  Hermes  XXV  (1890)  S.  624  ff.  Mommsen  Hermes  XXVI  (1891) 
S.   14.5  ff. 

33)   Bruns   I   p.    183  sqq.       34)   Bruns  I   p.   345  sq. 

35)  Bruns  I   p.    187   sqq. 

36)  Griechische  Urkunden  aus  den  Kgl.  Museen  zu  Berlin  Bd.  II  Nr.  611. 

37)  Bruns  I  p.    190  sqq.       38)   Bruns  I   p.   196   sq. 
39)   Bruns   I   p.    197   sq. 


—     59     — 

diatorenspiele  von  176/7  n.  Chr.  ist  nicht  selbst  erhahen, 
sondern  nur  ein  längeres  Stück  einer  darauf  bezüglichen  Rede 
eines  Senators,  gefunden  1888  auf  einer  Bronzetafel  in  Italica 
in  Spanien.**^) 

6.    Consiüuiiottes  Principum. 

§   12. 

Die  kaiserlichen  Erlasse  unter  dem  Principat. 

I.  Die  Kaiser  der  augustischen  Staatsordnung,  die  vor- 
diocletianischen  Kaiser,  sind  von  vornherein  keineswegs 
als  Gesetzgeber  aufgetreten,  sondern  haben,  wie  früher  gezeigt, 
zuerst  noch  die  Volksversammlung,  daneben  und  danach  den 
Senat  für  Gesetzgebungszwecke  benutzt.  Aber  das  altrepub- 
likanische ins  edicendi,  welches  dem  Kaiser  als  einem  höchsten 
Magistrat  nicht  fehlte,  die  in  alles  eingreifende  Verwaltungs- 
tätigkeit und  Gerichtsbarkeit  des  Kaisers,  bei  welcher,  (wie 
überall  bei  den  Römern)  Rechtsanwendung  in  Rechtsfortbildung 
übergeht,  und  sein  Recht,  den  ihm  untergebenen  Beamten 
Instruktionen  zu  erteilen,  haben  zu  einschneidender  und  um- 
fassender kaiserlicher  Rechtsbildung  geführt.  Man  hat  dabei 
anzunehmen,  daß  die  Gesetzeskraft  der  kaiserlichen  Erlasse 
erst  allmählich  mit  der  fortschreitenden  Konsolidation  der 
Kaisermacht  zur  Anerkennung  gelangt  ist,  trotzdem  Gajus 
sagt,  es  sei  darüber  nie  gezweifelt.  ^)  Seit  der  Mitte  des 
zweiten  Jahrhunderts  wird  die  gesetzgleiche,  also  ins  civile 
schaffende  Kraft  der  kaiserlichen  Erlasse  als  feststehend  be- 
handelt.2)  Ulpian  sagt  schlechtweg:  qiiod  principi placuit,  legis 
habet  vigoj'em^^^  Die  Begründung,  welche  dafür  angegeben 
wird:  cwn  ipse  imperator  per  legem  imperiuni  accipiat^)  oder: 
utpote  cum  lege  regia,  quae  de  imperio  eins  lata  est,  popidtis  ei 


iO)  Bruns  I   p.    198  sqq. 

1)  Gai.  I,  5.  Vgl.  Just.  C.  J.  I,  14,  12.  Eine  offene  Kontroverse  der 
Juristen  wird  freilich  aus  naheliegenden  Gründen  vermieden  sein.  Was  Just. 
C.  J.  I,  14,  12,  2  (1)  sagt,  bezieht  sich  nicht  auf  den  Streit  der  Klassiker, 
sondern  auf  Vorgänge  der  nachklassischen  Gesetzgebung. 

2)-  Gai.  I,    2.  5.     Pomp.  D.  I.  2,  2,  11,   12,  Pap.  D.  I,   1,   7  pr. 

3)  D.  I,  4,    1  pr.       *)  Gai.  I,  5. 


—     ()0     — 

et  in  eiiin  omnc  sja4m  miperhnn  et  potestateui  conferat^)  zeigt 
nur,  daß  es  für  die  Gesetzeskraft  der  Konstitutionen  eine  klare 
Grundlage  nicht  gab,  die  insbesondere  auch  in  der  allgemeinen 
Klausel  der  für  die  Kaiser  erlassenen  Kompetenzgesetze,  daß 
sie  alles  tun  [agere  facere)  dürften,  was  sie  im  Staatsinteresse 
für  angemessen  hielten,*)  nicht  gefunden  werden  kann.  Fand 
aber  einmal,  auf  welcher  Grundlage  immer,  Anerkennung,  daß 
der  erklärte  Wille  des  Kaisers  Gesetzeskraft  habe,  so  mußte 
sich  dies  auf  jeden  Erlaß  desselben  beziehen,  mittels  dessen 
er  einen  objektiven  Rechtssatz  aussprechen  wollte,  ohne  Rück- 
sicht darauf,  in  welcher  Form  er  diesen  Willen  kundgab,  und 
ohne  Rücksicht  darauf,  ob  der  allgemeine  Satz  selbständig 
auftrat,  oder  nur  aus  der  Entscheidung  eines  konkreten  Falles 
und  ihrer  Begründung  herausgelesen  werden  konnte.  Dahin- 
gegen gewann  keine  Gesetzeskraft,  was  nach  ausgesprochener 
oder  durch  Auslegung  ermittelter  Absicht  des  Kaisers  nur  für 
den  Einzelfall  gelten  sollte.') 

Die  römischen  Juristen  bezeichnen  als  constitJitiones  prin- 
eipiim  nur  die  Edikte  und  dasjenige,  was  wir  Dekrete  und 
Reskripte  nennen;^)  die  Beamteninstruktionen  {mandatd)  lassen 
sie  dabei  ebenso  außer  Ansatz  wie  die  kaiserlichen  leges  datae 
und  dictae.  Es  ist  aber  sachlich  gerechtfertigt,  die  mandata 
hier  mit  zu  behandeln,  während  von  den  leges  datae  und  dietae 
bereits  im  §  9  gesprochen  ist. 

Dem  Kaiser  steht  ein  Konsilium  zur  Seite,  bis  Hadrian 
eine  freie  Versammlung  von  Freunden,  seit  Hadrian  fester 
organisiert.  Dieses  wirkt  beratend  mit  bei  der  kaiserlichen 
Gerichtsbarkeit;  und  die  in  deren  Ausübung  erlassenen  münd- 
lichen wie  schriftlichen  Entscheidungen  sind  also,  wenn  auch 
formell  vom  Kaiser  allein  getroffen,  so  doch  unter  Beirat 
einer  Versammlung  zu  stände  gekommen,  in  welcher  stets 
eine  Anzahl  angesehener  Juristen  waren.     Manche  der  uns  be- 


")    Ulp.   Ü.  I,  4,    1   pr. 

*•)    Lex  <lc   iinp.   Vespas.   liii.    17   sqq. 

')  Ul]i.  I).  I,  4,  1,  2.  Plane  ex  bis  quaedam  sunt  personales  nee  ad 
exempla  tralntntur;  nam  quae  princeps  alicui  ob  merita  indulsit  vel  si  quam 
poenam  irrogavit  vel  si  cui  sine  exemplo  subvenit,  personam  non  egreditur. 

8)  Gai.  I,    5.     Ulp.  D.    I,  4,    1,    1. 


—     61     — 

kannten  Juristen  sind  als  kaiserliche  Räte  bezeugt.  Den 
ersten  Rang  im  Konsilium  nehmen  die  Präfekti  Prätorio 
ein,  darunter  ein  Papinian,  Paulus,  Ulpian  (s.  unt.  §  2i).®j  Man 
wird  annehmen  dürfen,  daß  der  gleiche  Beirat  auch  bei  sonstigen 
rechtlich  erheblichen  Erlassen,  also  auch  bei  der  Redaktion 
von  Edikten  und  Mandaten  nicht  gefehlt  hat.  Alexander 
Severus  soll  keine  Konstitution  anders  als  unter  Zuziehung 
von  20  Juristen  und  50  anderen  Räten  erlassen  haben.^")  Es 
ist  danach  begreiflich,  daß  die  kaiserlichen  Erlasse  an  den 
Vorzügen  der  klassischen  Jurisprudenz  teilnahmen. 

II.  Edikte  des  Kaisers  sind,  wie  diejenigen  anderer  Ma- 
gistrate, öffentlich  bekannt  gemachte  Anordnungen.  Ein  Amts- 
programm haben  die  Kaiser  nicht  erlassen,  aber  eine  Reihe 
von  einzelnen  Rechtssätzen  durch  Edikte  aufgestellt. 

Z.  B.  hat  zuerst  Augustus,  dann  Claudius  durch  Edikt 
den  Frauen  die  Interzession  für  ihre  Männer  verboten,  ^^)  die 
Verjährung  der  Statusklagen  fünf  Jahre  nach  dem  Tode  der 
Person,  die  sie  betrafen,  wird  auf  ein  Edikt  Nervas  zurück- 
geführt,'^) das  Privilegium  exigendi  des  Gläubigers,  der  ein 
Darlehn  zum  Wiederaufbau  eines  Gebäudes  gegeben  hat,  auf  ein 
Edikt  M.  Aureis.  ^'^)  Die  kaiserlichen  Edikte  gelten,  anders  als 
die  der  republikanischen  Magistrate,  nach  dem  Aufhören  des 
Amts  ihres  Urhebers  fort.^*)  Daß  das  kaiserliche  Edikt  auch 
spezielle  Angelegenheiten  ordnen  kann,  wie  z.  B.  das  Edikt 
des  Claudius  äi^  civitate  Anaiinorn^n,^^)  hat  es  mit  den  Edikten 
anderer  Magistrate  gemein.  ^^) 

Das  Edikt  kann  (wie  das  anderer  Magistrate)  mündlich 
verkündet  werden.     Es  war  aber  wohl  Ausnahme,  wenn  dies 


^}   Mitteilungen  aus  Beratungen  D.   IV,   4,   38,   XLIX,    14,   50. 

^")   Hist.  Aug.   Alex.  Sev.    16,   1. 

11)  D.  XVI,  1,  2  pr.      12)  D.  XL,   15,  4. 

13)  D.  XLII,  5,  24,  1.     Vgl.  C.  J.  X,  60  (59),  1. 

1*)  Dafür  auch  Krüger  S.  103  f.  Der  beste  Beweis  dafür  ist,  daß  ein 
Edikt  des  Augustus  als  später  aufgehoben  bezeugt  ist,  also  mit  seinem  Tode 
nicht  von  .«elbst  gefallen  war.  Paul.  D.  XXVIII,  2,  26:  iam  sublato  edicto 
divi  Augusti.  Dies  sieht  indessen  Lenel,  Holtz.  Encykl.  S.  127  Anm.  4 
nicht  als  ausreichenden   Grund  für  die  hier  vertretene  Ansicht  an. 

15)  S.  u.  §  14,  VI,  2. 

16)  Man   denke  nur  an  die  Ladungsedikte  im  Prozeß. 


—     62     — 

von  dem  Kaiser  selbst  geschah/')  Die  Urkunde  über  das 
Edikt  führt  den  Kaiser  im  Präsens  redend  ein  (z.  B.  Ti.  Clau- 
dius Caesar  .  .  .  dicit}'^^  Das  Edikt  wird  öffentlich  auf  eine 
wohl  wechselnd  bestimmte  Zeit  angeschlagen,  zunächst  in  der 
Residenz  des  Kaisers,  je  nach  Umständen  auch  an  andern 
Orten.  Daß  bei  Publikation  im  weiteren  Bereiche  die  Mit- 
wirkung der  örtlich  zuständigen  Beamten  in  Anspruch  ge- 
nommen wird,  ist  natürlich.-'^)  Man  darf  aber  zweifeln,  ob 
immer  für  die  angemessene  Publikation  allgemeiner  Rechts- 
sätze im  ganzen  Reich  Sorge  getragen  ist. 

III.  Mandata  sind  die  Instruktionen,  welche  der  Kaiser 
den  ihm  untergebenen  Beamten,  einschließlich  der  Statthalter 
der  Senatsprovinzen,  die  seiner  Oberaufsicht  unterstehen,  er- 
teilt. Analog  dem  privatrechtlichen  Mandatsbegrifif  gelten 
diese  Instruktionen  nur  für  den  Beamten  persönlich,  dem  sie 
erteilt  sind,  und  nur  für  die  Dauer  der  Regierung  des  Kaisers, 
der  sie  erteilt  hat.  Es  bildete  sich  aber  ein  für  alle  Beamten 
ständiger,  beim  Regierungs-  und  Beamtenwechsel  regelmäßig 
erneuerter  Grundstock  von  Mandaten  (ähnlich  den  tralaticischen 
Pldikten)  ein  Mandaten-Buch  mit  einer  Anzahl  ständiger  Kapitel. 
Hierdurch  sind  eine  Reihe  von  neuen  Rechtssätzen  aufgestellt, 
die  man  nicht  mehr  bloß  als  Dienstinstruktionen  für  die  Be- 
amten, sondern  als  unmittelbar  für  die  Rechtsuntertanen  gel- 
tende Vorschriften  und  zwar  als  ms  civtle  auffaßte,  ähnlich 
wie  bei  den  zunächst  Amtsinstruktionen  aufstellenden  Senatus- 
konsulten  (ob.  S.  54  f.).  Z.  B.  die  Anerkennung  des  formlosen 
Soldatentestaments,  aus  welchem  zivile  Erbschaft  erworben 
werden    kann,  ^°)    beruht    auf   einem    seit    Trajan    ständig    den 


17)  Als  ein  so  verkündetes  Edikt  ist  die  von  M.  Aurel  im  Prätorianer- 
lager  verlesene  Rede  Vat.  Fr.   195  zu  bezeichnen. 

18)  Ed.  Claudii  de  civitate  Anaunor.     (Bruns  I.  p.  240  lin.  6.) 

19)  Das  Edikt  des  Claudius  zu  Gunsten  der  Juden  bei  Joseph,  antiqu. 
19,  5,  5  (Hänel  corp.  leg.  p.  45  sq.)  sollte  von  den  Magistraten  aller  Stadt- 
gemeinden in  Italien  und  außerhalb  desselben  und  von  den  verbündeten  Fürsten 
mindestens  30  Tage  ausgehängt  werden;  die  Publikation  in  Rom  wird,  offen- 
bar als  selbstverständlich,   übergangen. 

20)  Ulp.  D.  XXIX,  1,  15,  1:  hereditatem  milcs  —  nuda  voluntate  dare 
potest.      Hereditas  ist  die   Erbschaft  nach   ius   civile. 


—     63     — 

Mandaten  inserierten  Kapitel.^^)  Die  Ehe  von  Provinzial- 
beamten  und  Soldaten  in  der  Provinz  mit  Provinzialinnen  war 
in  den  Mandaten  \erboten  und  wird  iure  civili  als  nichtig 
angesehen.^"^)  Auch  in  das  Strafrecht  greifen  die  Mandate 
ein.^^j  Wie  es  scheint,  ist  \"eröffentlichung  das  Publikum 
interessierender  Bestimmungen  der  Mandate  durch  Edikte 
der  Statthalter  wenigstens   vorgekommen.^*) 

IV.  Dec7-etiivi  bezeichnet  allgemein  die  X^erfügung  in  Ver- 
waltungs-  und  Justizsachen.-'')  In  engerem  Sinne  ist  decretimi 
principis  die  mündlich  verkündete  und  auf  mündliche  Ver- 
handlung ergangene  Entscheidung  in  einem  Prozesse,  sei  es 
Endurteil  oder  Zwischenverfügung  {interlociitio).  Derartige 
von  dem  Kaiser  in  Ausübung  der  Zivil-  wie  Strafgerichtsbar- 
keit zum  Teil  in  letzter,  zum  Teil  in  einziger  Instanz  verkün- 
dete Bescheide  beruhen  zunächst  auf  Anwendung  des  gel- 
tenden Rechts,  welches  der  Kaiser  jedoch,  wie  andere  zur 
Rechtsanwendung  und  Rechtsauslegung  berufene  Faktoren 
auch,  fortbildend  interpretiert.  Und  zwar  so  frei,  daß  die 
Interpretation  vielfach  in  die  Aufstellung  ganz  neuer  Rechts- 
sätze übergeht,  wie  z.  B.  in  dem  berühmten  decreUini  divi 
Marci?^)     Die    von  dem  Kaiser    getroffene    Entscheidung  des 


21)  Ulp.  D.  XXIX,    1,    1    pr.      Mandatis  inseri  coepit  caput  tale   cet. 

22)  Ulp.  D.  XXIV,   1,  3,   1. 

23)  Callistr.  D.  XLVIII,   19,  27,   1.  2. 

24)  Hierauf  beziehe  ich  die  Nachricht,  daß  Antoninus  Pius  als  Statthalter 
von  Asia  ein  Kapitel  der  Mandate  sub  edicto  proposuit.  Marci.  D.  XLVIII, 
3,   6,    1. 

25)  Decretum  principis  wird  von  Papinian  D.  I,  1,  7  pr.  offenbar  in  ganz 
allgemeinem  Sinne  statt  constitutio  principis  gebraucht.  Wenn  das  prätorische 
Edikt  (wenigstens  in  der  Hadrianischen  Fassung)  wiederholt  erklärt,  sich  nach 
edicta  und  decreta  principis  richten  zu  wollen  D.  III,  1,  I,  8,  IV,  6,  1,  1, 
XLIIl,  8,  2  pr.,  so  muß  decretum  ebenfalls  in  einem  allgemeineren  Sinne  ge- 
braucht sein ;  es  ist  wenigstens  nicht  einzusehen,  warum  das  prätorische  Edikt 
die  schriftlichen  Erlasse  des  Kaisers  weniger  respektieren  sollte  als  die  Dekrete 
im  engeren  Sinne. 

26)  D.  IV.  2,  13.  XLVIII,  7,  7.  , Optimum  est,  ut  si  quas  putas  te 
habere  petitiones,  actionibus  experiaris.  interim  ille  in  possessione  debet  morari 
tu  petitor  es',  et  cum  Marcianus  diceret:  ,vim  nullam  feci',  Caesar  dixit :  ,tu  vim 
putas  esse  solum  si  homines  vulnerentur?  vis  est  et  tunc  quotiens  quis  id  quod 
deberi    sibi    putat    non  per  iudicem  reposcit   [non  puto  autem  nee  verecuudiae 


—     64     — 

einzelnen  Falles  hat  Rechtskraft;  die  Gesetzeskraft  des 
Dekrets  bedeutet,  daß  die  in  ihm  hervortretenden,  die  Ent- 
scheidung begründenden  Rechtssätze  auch  für  andere  Fälle 
maßgebend  sind. 

Das  Dekret  wie  die  ganze  Verhandlung,  zu  der  es  ge- 
hört, wird  in  die  Protokolle  der  kaiserlichen  Amtshandlungen 
{coi7imentarii,  i:7C()}.ivi]!.iaTu)  aufgenommen.^^)  Die  Publizität 
der  Dekrete  als  gesetzgeberischer  Akte  konnte  als  durch  die 
Öffentlichkeit  der  Verhandlungen  gegeben  angesehen  werden; 
den  Interessenten  scheint  Abschrift  der  Protokolle  nicht  so- 
wohl erteilt  als  vielmehr  ihnen  nur  gestattet  zu  sein,  sie  selbst 
zu  nehmen.'^^)  Ausnahme,  besonders  durch  die  Stellung  des 
Adressaten  motiviert,  wird  es  gewesen  sein,  wenn  mittels 
kaiserlichen  Schreibens  ihm  Protokollauszug  zugefertigt  wird, 
wie  in  dem  Schreiben  Domitians  an  die  Gemeindeorgane  von 
Falerio.29) 

V.  Schriftliche  Erlasse  des  Kaisers  an  eine  bestimmte 
Adresse  sind  epistolae,  und  wenn  sie  unter  eine  Eingabe  ge- 
setzt sind,  subscriptiones.  Reskripte  können  sie  streng  ge- 
nommen nur  genannt  werden,  wenn  sie,  selbständig  oder  als 
subscriptio,  Antwort  auf  eine  Eingabe  sind.  Doch  erlaubt 
man  sich,  den  Ausdruck  Reskript  auch  wohl  auf  Erlasse  aus- 
zudehnen, die  diesen  Charakter  nicht  haben. 

I.  Es  kommen  generelle  Verordnungen  der  Kaiser  in 
Form  von  Schreiben  an  einzelne  Beamte  vor.^Oi     ^Än  solcher 


nee  dignitati  nee  pietati  tuae  eonvenire  quicquam  non  iure  facere]  quisquis 
igitur  probatus  mihi  fuerit  rem  uUam  debitoris  (  vel  peeuniam  debitam  )  non  ab 
ipso  sibi  sponte  datam  sine  ullo  iudice  temere  possiderc  (  vel  aceepisse  )  (  isque  ) 
[eumque]  sibi  ius  in  eam  rem  dixisse,  ius  erediti  non  habebit.  Die  in  []  ein- 
gesehlossenen  Worte  fehlen  in  D.  IV,  2,  13,  die  in  <  )  eingesehlossenen  Worte 
läßt  D.  XLVIII,  7,  7  fort.  Die  Überlieferung  in  D.  XLVIII,  7,  7  ist  offenbar 
die  bessere.  Die  Worte  vel  peeuniam  debitam  und  vel  aecepisse  sind  inter- 
poliert. Nur  isque  in  D.  IV,  2,  13  ist  besser  als  eumque  in  D.  XLVIII,  7,  7, 
aber  vielleicht  (mit  Mommsen)   durch  ipseque  zu  ersetzen. 

27)   D.  IV,  2,  13.   XLVIII,  7,  7,  s.  Anm.  26.    Alex.  Sever.  C.  J.  VII.  62,  1. 
Das  Stichwort  ist:  Caesar  dixit  im  Gegensatz  zum  Edikt  (dicit). 

28j  Sententiam  Divi  Patris    mei,    si    quid    pro    sententia    dixit,  describere 
tibi  permitto.    Reskript  von  Antoninus  Pius  C.  J.  L.  III,  411. 

29)  Bruns  I  p.  242  sq. 

30)  Z.   B.   das  Schreiben   Madrians   über  das  Erbrecht  der  Soldatenkinder, 


—     65     — 

Erlaß  kann,  aber  muß  nicht  auf  Anregung  des  Adressaten 
ergangen  sein.  Liegt  er  uns  unter  der  Adresse  eines  Be- 
amten vor,  so  schließt  das  natürlich  nicht  aus,  daß  er  gleich- 
lautend an  andere  ergangen  ist.  Vielmehr  werden  derartige 
Verordnungen  oft  an  alle  Beamten,  die  ihr  Inhalt  anging,  zugleich 
erlassen  sein;  wir  können  aber  nicht  behaupten,  daß  dies 
immer  geschah  und  für  die  Gemeinverbindlichkeit  des  Erlasses 
als  erforderlich  angesehen  wurde.'^) 

2.  Allgemeine  Anordnungen  enthalten  regelmäßig  auch 
die  Erlasse  an  die  Städtetage  {cornmunia,  xotva)  einer  Provinz, 
die  wohl  regelmäßig  durch  eine  Eingabe  derselben  veranlaßt 
wurden.  Sie  können  für  die  Provinz  allein  ergehen,  •''-)  aber 
auch  gemeines  Reichsrecht  begründen,  und  dies  nach  aus- 
drücklichem Zeugnis,  trotzdem  kein  anderer  Publikationsakt 
als  der  Erlaß  an  den  einzelnen  Städtetag  vorliegt.'^'^)  Auch 
an  eine  einzelne  Stadtgemeinde  sind  gelegentlich  allgemeine 
Rechtsvorschriften  reskribiert  und  daraufhin  als  gemein- 
gültig behandelt  worden. ^4) 

3.  Die  Erlasse  in  speziellen  Verwaltungs-  und  Justizange- 
legenheiten   sind    wohl    durchweg    Reskripte    im    eigentlichen 

bei  Bruns  I  p.  381  (dort  irrig  dem  Trajan  beigelegt);  vgl.  Wilcken  Hermes 
XXXVII  (1902)  S.  87  ff. 

31)  Wo  wir  heute  literarisch  einen  Erlaß  rein  generellen  Inhalts  an  einen 
Beamten  vor  uns  sehen,  ist  übrigens  mit  der  Möglichkeit  zu  rechnen,  daß  er 
dennoch  zur  Regelung  eines  Spezialfalles  ergangen,  und  die  Beziehung  auf 
diesen   in  der  Überlieferung  verloren   gegangen  ist. 

32)  Ulp.  D.  I,  16,  4,  5.  Caracalla  reskribierte  auf  Antrag  der  Asianer, 
daß  der  Prokonsul  zu  Schiff  nach  Asien  zu  kommen  habe  und  zwar  zunächst 
nach  Ephesus. 

33)  Mod.  D.  XXVII,  1,  6,  2.  tniarokfi-;  'Arrcorh'ov  tov  EiaEj-iovs 
yony^siarjg  fiev  tö>  y.oivcö  TJjg  Aaias,  Tiavrl  Se  im  y.öafico  Siafefjovar]^ 
vgl.  ferner  Callistr.  D.  V,  1,  37:  daß  zuerst  über  die  gewaltsame  Vertreibung  aus 
dem  Besitz,  dann  erst  über  das  Eigentum  zu  erkennen  sei,  reskribirte  Hadrian 
an  das  y.oivöt'  von  Thessalien  in  griechischer  Sprache.  Ulp.  D.  XLIX,  1,1,1 
teilt  ein  griechisches  Reskript  von  Antoninus  Pius  an  das  y.oivöv  der  Thrakier 
mit  über  die  Appellation  gegen  ein  kaiserliches  Reskript  wegen  Unrichtigkeit  des 
Berichts,  auf  den  es  ergangen  ist.  Paul.  D.  XLIX,  1,  25  bringt  ein  ebenfalls 
griechisches,  die  Appellation  betreffendes  Reskript  an  das  y.oiröf  der  Griechen 
in   Jiithynien. 

31)  Ulp.  D.  XLVIII,  3,  3.  Antoninus  Pius  reskribierte  griechisch  auf 
Antrag  der  Antiochenser  über  die   Untersuchungshaft, 

Kipp,  Quellen  des  röm.  Kechts.  5 


—     66     — 

Sinne;  zumal  in  Justizsachen  ist  Verfügung  ohne  Eingabe 
kaum  denkbar.  Auch  das  Verwaltungsreskript  ist  rechtsan- 
wendender Natur  und  von  der  Gesetzeskraft  der  in  ihm  her- 
vortretenden objektiven  Rechtssätze  nicht  ausgeschlossen.  Die 
Hauptrolle  fällt  aber  den  Justizreskripten  zu.  Diese  wollen 
wie  die  Dekrete  zunächst  das  geltende  Recht  anwenden;  aber 
wie  bei  jenen  wird  daraus  Rechtsfortbildung,  und  während 
die  eigene  Kognition  des  Kaisers  nur  beschränkt  ausführbar 
war,  ist  das  Eingreifen  der  Reskripte  ein  sehr  umfassendes 
gewesen.  Allerdings  gibt  es  auch  viele  Reskripte,  die  nichts 
sind  als  Wiedergabe  des  geltenden  Rechts  und  dabei  oft  auf 
die  Zweifellosigkeit  der  behandelten  Frage  selbst  hinweisen.^^) 
Ihre  Gesetzeskraft  bedeutet  wie  bei  den  Dekreten:  Geltung 
der  in  ihnen  ausgesprochenen  oder  durch  Auslegung  aus  ihnen 
zu  gewinnenden  objektiven  Rechtssätze  auch  für  andere  Fälle 
als  den  konkreten,  in  welchem  das  Reskript  erging.  Zu 
unterscheiden  sind  Reskripte  auf  Bericht  eines  Beamten  und 
auf  Parteiantrag. 

Der  zur  Entscheidung  berufene  höhere  Beamte,  und  zwar 
wahrscheinlich  nur  ein  solcher,  von  dem  auch  die  Appellation 
an  den  Kaiser  geht,^^)  kann,  wenn  er  zweifelt,  die  Sache 
mittels  Berichts  (consiiltatio.  relatio)  dem  Kaiser  vorlegen  und 
die  Entscheidung  von  ihm  erbitten.  Das  Reskript  an  den 
Beamten  entscheidet  dann  auf  Grundlage  der  in  dem  Bericht 
enthaltenen  Sachdarstellung  und  kann  eine  Zwischenverfügung 
wie  ein  Endurteil  sein;  es  ist  den  Parteien  von  dem  Beamten 
zu  eröffnen.  Es  kann  durch  Appellation  an  den  Kaiser  ange- 
fochten werden  mit  der  Behauptung,  daß  der  Bericht  die 
Sachlage  unrichtig  dargestellt  habe. 3*^)  War  jedoch  der  Be- 
richt der  Partei  abschriftlich  mitgeteilt,  so  hätte  sie  die  Appel- 
lation sofort  gegen  ihn  richten  müssen  und  kann  gegen  den 
Inhalt  des  Reskripts  nicht  mehr  appellieren.^S) 


36)  Z.  B.  Carac.  C.  J.  II,  3,  6.    Diocl.  C.  J.  II,  4,  32.    Phil.  C.  J.  III,  28,  15. 

36)  Der  Legatus  Proconsulis.  von  welchem  an  den  Prokonsul  appelliert 
wird  (Venu).  Saturn.  D.  XLIX,  3,  2),  soll  auch  die  Konsultation  nicht  an  den 
Kaiser,   sondern  an   seinen  Prokonsul  richten   fUlp.   D.   I,    16,   6,   2). 

37)  Ulp.  D.  XLIX,   1,   1.  2.     XLIX,  4,    1    pr.      Alex.  C.  J.  VII,  62,  2. 

38)  Macer  D.   XLIX,  4,   3. 


—     67     — 

Auf  den  Antrag  einer  Partei  [libellus,  preces,  siipplicatid) 
kann  der  Kaiser,  wie  er  berechtigt  ist,  die  Untersuchung  und 
Entscheidung  selbst  zu  übernehmen,  so  auch  die  Sache  an 
einen  besonderen  Richter  verweisen^s)  und  diesen  instruieren, 
beides  wohl  mittels  unmittelbaren  Erlasses  an  ihn.  Er  kann 
auch,  ohne  die  Sache  dem  ordentlichen  Richter  zu  entziehen, 
mittels  Erlasses  an  diesen  Anweisungen  über  die  rechtliche 
Behandlung  der  Sache  erteilen.*")  Am  häufigsten  aber  sind 
die  Reskripte  an  die  Partei  selbst,  in  welchen  der  Kaiser 
sich  über  die  auf  die  Sache  anwendbaren  Rechtssätze  ausspricht. 

Eine  Nachricht  über  Trajan*^)  scheint  sagen  zu  wollen, 
daß  er  solche  Rechtsbelehrungen  nicht  erteilt  hat,  fraglich,  ob 
nach  dem  Beispiel  früherer  Kaiser  oder  im  Gegensatz  zu 
ihnen.  Seit  Hadrian  dagegen  haben  die  Kaiser  in  unzähligen 
Fällen  Reskripte  dieser  Art  erlassen,  welche  die  Hauptmasse 
der  uns  erhaltenen  kaiserlichen  Konstitutionen  bilden.  Das 
Reskript  kann  sich  begnügen,  abstrakte  Rechtssätze  hinzu- 
stellen. So  erscheinen  vielfach  Reskripte  des  Codex  Justinianus, 
was  freilich  zum  guten  Teil  auf  Umarbeitung  durch  dessen 
Verfasser  beruht.  Wenn  das  Reskript  eine  Entscheidung  des 
konkreten  Falles  gibt,  so  kann  diese,  weil  auf  einseitigem 
Parteivortrag  beruhend,  nur  eine  bedingte  sein,  abhängig  von 
der  im  Prozess  zum  Austrag  zu  bringenden  Voraussetzung, 
daß  die  von  der  Partei  vorgetragenen  erheblichen  Tatsachen 
wahr,  und  nicht  andere  wahr  sind,  welche  eine  andere  Ent- 
scheidung zu  begründen  geeignet  wären.  Die  Reskripte  zeigen 
das  meist  in  irgend  einer  Art  durch  ihre  Fassung,  si  vera 
sunt,  quae  precibus  complexa  es'^^),  oder  gewöhnlich,  indem  sie 
die  Entscheidung  von  den  und  den  tatsächlichen  Bedingungen 
abhängig  machen.  Hierbei  ist  aber  zu  beachten,  daß  diese 
Bedingungen  nicht  immer  Behauptungen  der  Bittschrift  ent- 
sprechen, sondern  oft  auch  die  Kaiser  erst  darauf  aufmerksam 
zu  machen  scheinen,  was  die  Partei  vorbringen  muß,  auch 
verschiedene  P>entualitäten  berücksichtigen.     In   vielen  Fällen 


39)  Ulp.  D.  IV,  4,  18,  4. 

40)  Vgl.  Ulp.  D.  XXXIV,   1,  3.     Callistr.  (Hadr.)  D.   XLII,   1,  33.  Ulp. 
(Anton.  Plus)  D.  XLVIII,   6,  6. 

41)  Histor.  August.  Macrin.    13.       42)   Diocl.   C.  J.   II,   4,    18. 

5* 


—     68     — 

haben  die  Kaiser  aber  auch  die  Partei  einfach  an  den  ordent- 
lichen Richter  verwiesen,  ohne  auf  die  Sache  selbst  einzu- 
gehen.^3)  Es  ist  natürlich,  daß  die  meisten  Reskripte  von 
klagelustigen  Parteien  erwirkt  wurden,  auch  solche  an  Klage- 
bedrohte aber  kommen  vor.**)  Das  Reskript  vor  Gericht  zu 
produzieren  ist  Sache  der  Partei. 

4.  Beamte,  Stadtgemeinden  und  Städteverbände  erhielten 
die  an  sie  gerichteten  Erlasse  in  Form  eines  selbständigen 
kaiserlichen  Briefes.  Die  \"eröffentUchung  wird  bei  den  an 
Stadtgemeinden  und  Städteverbände  gerichteten  den  Adres- 
saten überlassen  sein.*'')  Anlangend  die  an  Beamte  gerichteten, 
so  enthält  das  Schreiben  Hadrians  an  Rammius  funt.  §  14,  VI,  5) 
den  Publikationsauftrag  und  ist  daraufhin  in  zwei  Legionslagern 
öffentlich  angeschlagen.  Ähnliche  Aufträge  mögen  auch  sonst 
bei  Erlassen  erfolgt  sein,  die  für  das  Publikum  von  Interesse 
waren,  mochten  sie  allgemeine  Vorschriften  allein  oder  in 
Verbindung  mit  Verfügungen  über  einen    Einzelfall    enthalten. 

An  Private  ergeht  das  Reskript  gewöhnlich  mittels  sub- 
scriptio  unter  der  Eingabe.  Daß  die  Eingabe  mit  dem  Ori- 
ginal einer  solchen  vom  Kaiser  selbst  gezeichneten  Fußver- 
fügung an  Private  ausgehändigt  w^urde.^ß)  —  nach  Umständen 
durch  Vermittelung  eines  Provinzialstatthalters*')  oder  anderer 
Beamter  —  ist  sicher  vorgekommen.  GewöhnUch  aber  ge- 
schah es  nicht,  sondern  wnirden  periodisch  die  Eingaben 
mit  daruntergesetzten  Reskripten  vereinigt  zu  einem  liber 
libelloruui  i'escriptoi-imi  in  der  Residenz  des  Kaisers  öffentlich 
ausgehängt  und  dem  Bittsteller  überlassen,  sich  daraus 
eine  beglaubigte  Abschrift  in  Form  einer  Zeugenurkunde  zu 
nehmen.  Hierdurch  sparte  man  die  Zustellung  an  die  Partei 
und  hatte  zugleich  eine  Publikation  des  gesetzgleichen  Inhalts 
der    Reskripte.       Dieses     Verfahren     ist    klar    gestellt    durch 


«)  Jul.  D.  I,  18,  8.     Callistr.  U.  I,   18,  9.     **)  Diocl.  C.  J.  II,  4,  15. 

■*5)  Vgl.  Schluß  des  Schreibens  Vespasians  an  die  Saborenser  Bruns  I 
1>.  242  sq.,  und  desjenigen  Domitians  an  die  Falcrienscr  Bruns  I  p.  242  sq., 
auch  §   14,  VI,   10. 

*6)  Das  Reskript  des  Commodus  Bruns  I  p.  244  sq.  scheint  Lurius  Lu- 
cuUus  selbst  in  Händen   gehabt   zu  haben. 

■1")   Plin.   et  Trai.  ep.  107(108);    zu   lesen  wird   sein:   libcUum  rescripluni. 


—     69     — 

das  Reskript  Gordians  an  einen  \^ertreter  der  Skapto- 
parener.*^)  Die  uns  erhaltenen  Reskripte  tragen  meistens  den 
Vermerk  dieser  Proposition  (im  Codex  Justianus  von  Antoninus 
Pius  an^^),  die  man  trotzdem  bis  zur  Auffindung  der  eben 
genannten  Urkunde  meistens  bezweifeln  zu  müssen  glaubte. 

Die  Sprache  der  Erlasse  ist  nur  in  seltenen  Fällen 
griechisch,  »0)  durchaus  regelmäßig  lateinisch.  Gleichviel  ob 
selbständige  epistola  oder  subscriptio,  beginnt  der  Erlaß  mit 
der  Bezeichnung  des  Kaisers,  von  dem  er  ausgeht;  im  Falle 
der  Mitregentschaft  ergeht  er  jedoch  stets  im  Namen  beider 
Kaiser;'''^)  dann  folgt  die  Bezeichnung  des  Adressaten,  bei  No- 
tabeln  mit  Grußformel  {salutem  dicit^^),  später  haz'e  .  .  . 
carisshiie  nobis,'^'^)  hieran  schließt  sich  der  Text;  an  ihn  die 
eigenhändige  Unterschrift  des  Kaisers,  nicht  mit  dem  Namen 
sondern  mit  dem  Wort  scripsi,  rescripsi^^)  oder  mit  einer 
Grußformel  (z-^/^).^^)  Weiter  folgt  das  in  seiner  genauen  Be- 
deutung noch  nicht  sicher  gestellte  recognovi  des  ausfertigen- 
den Kanzleibeamten  ;^^)  dann  gewöhnlich  die  Angabe  des 
Tages  der  Ausfertigung  mit  dem  Stichwort  data  (oder  sub- 
scriptajy')     Der  Beamte,  welcher    den  Erlaß    empfängt,    setzt 


*8)  Unt.  §  14,  VI,  II.    49)  C.  J.  11,12  (13),  1. 

50)  Anscheinend  erhielten  Koiid  wie  einzelne  Gemeinden  der  hellenisti- 
schen Reichsteile  ihre  Reskripte  regelmäßig  griechisch.  S.  ob.  Note  33,  34. 

51)  Höchst  sonderbar,  wenn  ein  mündliches  Dekret  als  von  mehreren 
Kaisern  unisono  gesprochen  bezeichnet  wird:  Diocl.  u.  Maxim.  C.  J.  IX,  47, 
12:  dixerunt.  Krüger  will  zwar  statt  dessen  dixit  setzen,  aber  das  halte  ich 
flir  nicht  berechtigt. 

Ö-)   Schreiben  Vespasians  und  Domitians  an  Gemeinden  Bruns  I  p.  241  sqq. 
53)  Diocletian  C.   J.  VII,   62,   9.     IX,   2,    11. 

51)  Schreiben  des  Commodus  Bruns  I  p.  246;  Gordians  an  die  Skapto- 
parener  Bruns  I  p.   249. 

55)  Schreiben  Vespasians  an  die  Saborenser,  Domitians  an  die  Falerienser 
Bruns  I  p.  242  sq. 

56)  Vgl.  Schreiben  des  Commodus  Bruns  I  p.  248.  Reskript  Gordians 
Bruns  I  p.  249.  Am  wahrscheinhchsten  ist  das  recognovi  die  Konstatierung 
der  Übereinstimmung  der  Reinschrift  mit  dem  Entwurf  und  wird  zeitlich  vor 
der  kaiserlichen  Zeichnung  auf  die  Reinschrift  gesetzt,  gerade  wie  heutige 
Gegenzeichnungen.        57)  z.  B.  C.  J.  IV,  26,   1.  3.  6.  7.  8—12. 

58)  Vgl.,  allerdings  aus  der  folgenden  Epoche:  nov.  Val.  10,  1.  Steht 
accepta  auf  einem  Erlaß  an  einen  Privaten,   z.   B.   divi  fratres  C.  J.  II,  12  (13), 


—     70     — 

ein  „Präsentatum"  darunter:  accepta^^)  Der  Vermerk  des  er- 
folgten öffentlichen  Aushangs  hat  das  Stichwort  proposita 
ipp^^^).  Es  ist  aber  in  den  Formalien  manches  schwankend 
und  zweifelhaft. 

Auch  die  schriftlichen  Erlasse  des  Kaisers  werden  in 
dessen  Coinmentarii  eingetragen. ''^j  Die  Seinestria  M.  Aurels^') 
waren  offenbar  eine  halbjährliche  Sammlung  von  Konsti- 
tutionen; über  ihre  Natur  läßt  sich  aber  sonst  nichts  Sicheres 
sagen. 

§  13. 
Die   kaiserlichen  Erlasse  in  der  absoluten  Monarchie. 

I.  Seit  Diocletian  ist  der  Kaiser  der  unumschränkte 
Gesetzgeber.  Sein  oberster  Beirat  in  Rechtsangelegenheiten 
ist  der  quacsto?'  sacri  palatii.  Er  ist  das  erste  Mitglied  des 
Consistoi'ium  Pi'incipis,  wie  nunmehr  \)  das  vormalige  Kon- 
silium heißt.  Das  Konsistorium,  oft  auch  als  proceres 
palatii,  iiidices  bezeichnet,  umgibt  den  Kaiser  bei  den  vor 
ihm  geführten  mündlichen  Verhandlungen,  berät  den  Kaiser 
also  bei  Erlaß  der  Dekrete f)  es  ist  anzunehmen,  daß  auch 
bei  dem  schriftlichen  mit  Reskript  endenden  Gerichtsverfahren 
das  Konsistorium  zugezogen  wurde.  Leges  gencrales  .  sollen 
nach  einer  Verordnung  von  Theodosius  II 3)  sowohl  im  Kon- 
sistorium wie  im  Senat  beraten  werden.  Ob  das  in  Ansehung 
des  Senates  immer  beobachtet  ist,  ist  fraglich.  Mit  dem  Rück- 
gang der  Jurisprudenz  hängt  es  zusammen,  daß  die  kaiser- 
lichen Erlasse    sich    in    juristischer    Technik    und    im  Stil  ver- 


2.  Sev.  et.  Car.  C.  J.  II,  20  (21),  1,  so  ist  das  freilich  auftallig,  kann  sich 
aber  daraus  erklären,  daß  der  Erlaß  durch  Vermittelung  eines  Beamten  dem 
Adressaten   zugestellt   ist. 

59)  Z.  B.  C.  J.   II,   18  (19),   1  —  16. 

60)  Piin.  et  Trai.  epp.  65  (71).  66  (72).  95  (96).  105   (106). 

61)  Tryph.  D.  II,   14,  46.     Scaev.   (Claud.)  D.  XVIII,   7,    10. 
')  Diocl.  C.  J.  IX,  47,   12. 

-)  Diocl.  C.  J.  IX,  47,  12.  Const.  C.  Th.  VIII,  15,  1.  Jul.  C.  Th.  XI, 
39,  5.  Theod.  I.  C.  Th.  XI,  39,  8.  Just.  C.  J.  VII,  62,  37,  2.  c.  39,  la  (1). 
VII,  63,  5,  2.  3.     VII,  64,  10  pr.      ^)  C.  J.  I,  14,  8. 


—     71     — 

schlechtem.  Sie  werden  schwülstig,  oft  unklar  und  zudem 
prahlerisch. 

IL  Bis  zum  Jahre  429  war  es  Prinzip,  daß  die  in  der 
einen  der  beiden  Reichshälften  erlassenen  Konstitutionen  von 
selbst  auch  in  der  andern  gelten.  Wie  man  damit  ausge- 
kommen ist,  ist  freilich  sehr  problematisch.  In  einem  Erlaß 
vom  Jahre  429  klagt  Theodosius  II  über  die  Unsicherheit  des 
damit  gegebenen  Rechtszustandes  und  verfügt  deshalb,  daß 
die  Gesetze  des  einen  Kaisers  in  dem  Gebiete  des  andern 
nur  dann  gelten  sollen,  wenn  sie  diesem  übersandt  und  von 
ihm  angenommen  und  für  seinen   Reichsteil    publiziert    sind.'*) 

III.  Die  Formen,  in  denen  die  kaiserlichen  Erlasse  sich 
bewegen,  schließen  sich  an  die  der  vorigen  Epoche  an,  haben 
aber  doch  erhebliche  Wandlungen  erlitten. 

I.  Als  Formen  für  allgemeine  Rechtsvorschriften  {leges 
generales^)  sind  folgende  zu  unterscheiden. 

a)  Erlasse  an  einen  der  beiden  Senate,  in  Rom  oder  Kon- 
stantinopel, welche  ein  höherer  Beamter  durch  Verlesen  in 
der  Sitzung  verkündet.  Diese  Form  ist  aus  der  oratio  prin- 
cipis  der  früheren  Epoche  hervorgegangen;  der  offizielle  Aus- 
druck ist  auch  jetzt  oratio^),  aber  das  bestätigende  Senatus- 
konsult  fällt  fort. 

b)  Edicta.  durch  öffentlichen  Aushang  publiziert,  scheiden 
sich  weiter  in  zwei  Formen.  Das  Edikt  kann  unmittelbar  an 
die  Untertanen  [ad  popiihiui "')  oder  einzelne  Kreise  derselben, 
z.  B.  die  Einwohner  der  Hauptstadt^)  gerichtet  werden  und 
wird  dann  als  kaiserliches  Edikt  aufgestellt.  Es  kann  aber 
auch^)  an  einen  oder  mehrere  hohe  Reichsbeamte  oder  an 
die  Provinzialstatthalter  oder  einen  derselben  gerichtet  wer- 
den mit  dem  Auftrage,  die  Publikation  (so  weit  nötig,  unter 
Mitwirkung  von  ihnen  weiter  zu  beauftragender  Behörden),  zu 
veranlassen.     Das  kaiserliche  Edikt  wird  dann  durch  Beamten- 


*)   C.   Th.   I,    1,  5  vgl.  auch  nov.   Theod.   I,   5. 
^)  C.  J.  I,  14,  3,  1  (a.  426). 

«)  C.  Th.  IV,   1,   1   (a.  426):  hac  oratione   sancimus.     C.  J.  I,   14,  3  (a. 
426) :  missa  ad  venerabileni   coetum   oratione  conduntur. 
')Xov.  Val.  9,   1.        8)  Nov.  Val.   14.   1. 
^)   Wie   die  meisten  posttheodosianischen  Novellen  zeigen. 


-     72     — 

edikte  publiziert,  welche  das  kaiserliche  in  sich  aufnehmen. 
Die  Aushangszeit  wird  verschieden  gewesen  sein.  Es  tritt  im 
Sinne  eines  besonders  langen  Aushangs  die  \^erfügung  auf, 
daß  das  Edikt  durch  das  ganze  laufende  Jahr  stehen  bleiben 
soll.  Auch  die  Anordnung,  daß  der  Erlaß  in  Erz  dauernd 
aufgesellt  werden  soll,  kommt  vor.'*')  Vereinzelt  ist  ein 
mündliches  Edikt  Constantins  in  Form  einer  oratio  an  die 
Soldaten."; 

2.  Mandata  principis  kommen  wie  früher  vor.  Die  Bilder 
der  notitia  dignitaüim  (unten  §  24)  zeigen  noch  den  libej-  maii- 
datorwn.  Im  fünften  Jahrhundert  ist  aber  die  Sitte,  den  Be- 
amten beim  Amtsantritt  ein  allgemeines  Instruktionsbuch  mit- 
zugeben, unterbrochen.  Justinian  stellte  im  Jahre  535^^)  eine 
neue  allgemeine  Instruktion  fest. 

3.  Kaiserliche  Verfügungen  für  den  Einzelfall  haben  auch 
jetzt  die  Form  des  schriftlichen  Erlasses  oder  des  mündlich 
verkündeten  protokollierten  Dekrets.'^)  Protokollabschrift  wird 
wie  sonst,  so  auch  bei  dem  Kaisergericht  jetzt  amtlich  erteilt 
sein.^*)  Die  Dekrete  treten  aber  jetzt  noch  mehr  zurück,  seit 
die  Appellation  an  den  Kaiser  die  Form  der  appellatio  viore 
considtationis  annimmt.  Ähnlich  nämlich  wie  der  Richter  vor 
dem  Spruch  die  Sache  dem  Kaiser  mittels  Berichts  zur  Ent- 
scheidung vorlegen  kann,  ward  sie  hier  nach  dem  Spruch 
auf  erhobene  Appellation  berichtlich  mit  Akten  eingesandt, 
und  die  Entscheidung  erfolgt  mittels  Reskripts.  Sowohl  bei 
diesem  i\ppellationsverfahren,  wie  bei  der  consjdtatto  aide 
sententiaiii  muß  jetzt  der  Beamte  den  Bericht  den  Parteien 
zur  Vorbringung  ihrer  Einwendungen  vorlegen.'^)  Ist  dies  be- 
folgt, so  fällt  die  Appellation  gegen  den  Inhalt  des  Reskripts 
weg;  wegen  nicht  erteilter  Berichtsabschrift  oder  versäumter 
Akteneinsendung  findet  Beschwerde  an  den  Kaiser  statt. ^^) 
Dieses  Verfahren  hat   aber   manche  Wandlungen    erlebt;   man 


10)  C.  Th.  II,  27,  1,  6.     XIV,  4,  4. 

11)  Protokoll  darüber  C.  Th.  VII,  20,  2.     12)  Nov.   17. 

13)  Diocl.  C.  J.  IX,  47,  12.  Constantin  C.  Th.  VIII,  15,  1.  Jui.  C. 
Th.  XI,  39,  5.     Theod.  I.  C.  Th.  XI,  39,  8. 

11)  Vgl.  Theod.  II  u.  Val.  III  C.  J.  VII,  62,  32,  2.  4a:  Scripta  liliga- 
toribus  edere.       i'>)   Constant.  C.  Th.  XI,  30,  1.      1")  Constant.  C.  Th.   XI,   30,  6. 


—     73     — 

kehrte  zur  mündlichen  Verhandlung  zurück  und  führte  diese 
sogar  für  die  consiiltatio  ante  sententimn  ein.^')  Die  letztere 
hat  Justinian  a.   543  ganz  verboten. ^^) 

Das  auf  einseitigen  Parteivortrag  ergangene  Reskript  gilt 
auch  jetzt  nur  unter  der  Bedingung  der  Wahrheit  und  Voll- 
ständigkeit des  vorgetragenen  Tatbestandes  (praescriptio  men- 
daciorinn),^'^)  nach  einer  Verordnung  Zenos  soll  die  Bedin- 
gung: si  preces  veritate  nitiintur,  stets  dem  Reskript  einge- 
fügt werden.^**)  Von  öffentlichem  Aushang  der  an  Privatper- 
sonen gerichteten  Erlasse  verlautet  jetzt  nichts  mehr.  Eine 
Konstitution  Diocletians  setzt  voraus,  daß  diese  Erlasse  zuge- 
stellt werden,  und  verfügt,  daß  es  im  Original  geschehen  soll.-V) 

Die  Gesetzeskraft  der  Reskripte  hatte  zu  schlechten  Er- 
fahrungen geführt.  Es  wurden  Reskripte  erschlichen,  welche 
eine  vom  Kaiser  nicht  gewollte  Abweichung  vom  bis- 
herigen Rechte  enthielten.  Zudem  mochte  man  es  der 
juristischen  Auslegung,  der  die  Kaiser  überhaupt  feindlich 
entgegentraten  [unt.  §  22]  und  die  ihre  alte  Kraft  verloren 
hatte,  nicht  mehr  überlassen  wollen,  festzustellen,  was  vom 
Kaiser  als  Einzelverfügung,  und  was  als  Gesetz  beabsichtigt 
wäre.  Darum  verfügte  Constantin,  daß  Reskripte,  welche 
wider  das  bestehende  Recht  verstiessen,  nichtig  sein  sollten,--) 
Arcadius  verordnete,  auf  Consultatio  ergangene  Reskripte 
sollten  nicht  über  den  Fall  hinaus  gelten,  in  dem  sie  erlassen 
wären,  entzog  ihnen  also  die  Gesetzeskraft.-^)  Valentinian  III. 
bestimmte,^*)  daß  Gesetzeskraft  nur  den  an  den  Senat  erlasse- 
nen und  denjenigen  Verfügungen  beiwohnen  solle,  welche  sich 
als  Edikt  oder  lex  generalis  bezeichnen,  ihre  Publikation  durch 
Aushang  anordnen  oder  sonst  zu  erkennen  geben,  daß  sie  ge- 
meingültig sein  wollen.  Es  gehören  dahin  also  namentlich 
auch  die  Konstitutionen,  in  denen  mit  Entscheidung  des  Spe- 
zialfalles deutliche    generelle  Bestimmungen    verbunden    sind.^^) 


17)  Kipp,    Pauly-Wissowas  Realencyklopädie  der  klassischen     Altertums- 
wissenschaft unt.   d.  W.   appellatio   IV,   4.      ^^)  Nov.   125. 
'9)  C.  J.  I,  22,  2-5.     20)  Zeno  C.  J.  I,  23,  7. 
21)  Diocl.  C.  J.  I,  23,  3.      22)  Constant.  C.  Th.  I,  2,  2. 
23)Arcad.  C.  Th.  I,  2,   11.       2*)  Valent.  C.  J.  I,   14,  2.  3. 
25)  Z.  B.   nov.   Val.   8,    1. 


-      74     — 

Ausgeschlossen  von  der  Gesetzeskraft  wurden  damit,  wie  es 
scheint,  nicht  bloß  die  unter  die  obigen  Kategorien  nicht  fallen- 
den Reskripte,  sondern  auch  die  Dekrete."^^)  Nach  justinianischem 
Recht  haben  aber  Dekrete  immer  und  Reskripte  auch  dann 
Gesetzeskraft,  wenn  sie  bestehendes  Recht  nur  auslegen.^^) 

Annotatio  sieht  nach  einem  Zeugnis  ^^)  aus  wie  das  Kon- 
zept eines  Reskripts,  kommt  aber  auch  mit  Reskript  gleich- 
bedeutend und  ferner  in  dem  Sinne  einer  nicht  genauer  be- 
stimmbaren, manchmal  dem  gewöhnlichen  Reskript  gegenüber 
ausgezeichneten  Nebenform  der  Reskripte  vor.^^) 

4.  Pragmatica  sanctio  (pragmatica  lex,  forma  oder  auch 
nur  pragmatica)  scheint  dem  Worte  nach  ein  Erlaß  zu  sein, 
der  ein  ngäyua,  eine  Angelegenheit  betrifft.  Die  Pragmatica 
ist  aber  keine  gewöhnliche  spezielle  Verwaltungs-  oder  Justiz- 
verfügung, sondern  betrifft  Angelegenheiten  des  öffentlichen 
Interesses.  Ihre  Grenze  ist  freihch  weder  gegen  die  Reskripte 
noch  gegen  die  /eges  generales  scharf  gezogen.  Die  Bestim- 
mungen der  pragmaticae  sanctiones  sind  teils  allgemeiner,  teils 
spezieller  Natur;  aber  auch  wenn  sie  eine  reine  Einzelverfügung 
betreffen,  wie  die  Avocation  eines  Strafprozesses  vom  ordent- 
lichen Richter,  tritt  doch  hervor,  daß  dabei  das  öffentliche 
Interesse  massgebend  ist.^^)  Anderseits  gründen  sich  auch  die 
allgemeinen  Anordnungen  der  Pragmatiken  auf  einen  spezi- 
ellen Anlaß,  einen  besonderen  Bericht  eines  Beamten  oder 
eine  Petition.^')     Auch   das  Schreiben,  mittels  dessen  ein  Kaiser 

26)  Interlocutionibus,  quas  in  uno  negotio  iudicantes  protulimus  vel  postea 
proferemus,   non  in  commune  praeiudicantibus.     C.  J.   1.   14,  3,    1. 

27)  Just.  C.  J.  I,   14.   12.     28)  Constant.  C.  Th.  I,  2,   1. 

29)  Theod.  I  C.  Th.  V,  J3,  30.  Theod.  II  C.  Th.  IV,  14,  1  §  1 ;  Nrc 
sufficiat  precibus  oblatis  speciale  quoddam,  licet  per  annotationem  meruisse 
responsum.  Nov.  Val.  19,  1,  3:  Quod  enim  fas  non  est  vel  per  annotationes 
nostras    nocentes  mereri,  multo  magis  vetamus   rescriptis  simplicibus  impetrare. 

30)  Nov.  Just.  69  c.  4  pr. 

31)  So  erging  nov.  Val.  7,  3  auf  suggestio  des  comes  sacrarum  largiti- 
onum,  nov.  Just.  162  auf  einen  Bericht  eines  Präfektus  Prätorio  über  Kontro- 
versen der  Advokaten  seines  Gerichtshofes,  das  Edikt  VII  Justinians  auf 
Petition  der  Korporation  der  Argentarier,  die  Verordnung  Justinians  zur  Rege- 
lung der  Rechtsverhältnisse  Italiens  nach  der  Wiedereroberung  auf  Vorstellung 
des  Vigilius,  Bischofs  von  Rom  (pragmatica  sanctio  pro  petitione  Vigilii 
Corp.  iur  Civ.  III,  p.  779  sqq.). 


—     75     — 

demjenigen  der  andern  Reichshälfte  seine  Konstitutionen  zum 
Zwecke  der  Einführung  in  dem  Gebiet  des  Adressaten  zu- 
sendet, erscheint  als  Pragmatica.^^)  Hierbei  ist  ein  Gesuch 
um  Übersendung  nicht  vorausgesetzt;  daß  aber  sonst  die  prag- 
matischen Sanktionen  regelmässig  auf  Gesuch  ergehen,  zeigen 
die  Bestimmungen  Zenos,^^)  nach  denen  sie  wie  die  Reskripte 
nur  mit  Hinzufügung  der  Bedingung  si  preces  veritate  nitimticr 
erlassen  werden,  überhaupt  aber  nicht  an  einzelne,  sondern 
nur  in  öffentlichem  Interesse  an  Provinzen,  Gemeinden,  Korpo- 
rationen, Beamtenkollegien  oder  sonstige  Personengemeinschaften 
ergehen  sollen.  Anastasius^^)  hat  ihnen  die  Geltung  im  Wider- 
spruch mit  leges  generales  abgesprochen.  Justinian  ließ  bei 
Erlaß  des  Codex  Justinianus  den  bisherigen  pragmatischen 
Sanktionen  ihre  Kraft,  so  weit  sie  Privilegien  erteilten,  inso- 
weit sie  dagegen  allgemeine  Rechtssätze  aufstellten,  nur  unter 
der  Bedingung,  daß  sie  dem  Codex  nicht  widersprachen.^^) 

5.  Bei  sämtlichen  schriftlichen  Erlassen  des  Kaisers  sind 
die  äußeren  Formen  ähnlich  denen  der  früheren  Zeit.  Die 
Erlasse  sind  noch  immer  regelmässig  lateinisch,  doch  mehren 
sich  die  griechischen  gegen  die  justinianische  Zeit.  Sie  be- 
ginnen mit  dem  Namen  des  oder  der  Kaiser.  Fast  bis  zum 
Untergang  des  westlichen  Reiches  erscheinen  stets  die  Namen 
der  Kaiser  beider  Reichshälften.  Die  Adresse  ist  nach  Umständen 
verschieden.^")  Die  eigenhändige  Zeichnung  des  Kaisers  besteht 
bei  den  zu  unmittelbarem  Aushang  bestimmten  Edikten  in 
d&rWQxiügnng:  proponatiir  aniantissimo  nostro  populo  Romano •^'^) 
bei  Erlassen  an  den  Senat  oder  hohe  Beamte  ist  sie  ein  mehr 
oder  minder  feierlicher  Gruß.^^)  Bei  Schreiben  an  unter- 
geordnetere Personen  mochte  das  bis  zu  dem  einfachen  sa'ipsi 
heruntersinken.     Die  Zeichnung-  erfolgft  mit    einer  dem  Kaiser 


32)  Nov.  Theod.   1,  5.        33)  Zeno  C.  J.  I,  23,  7, 
34)  Anast.   C.  J.  I,  22,   6.        35)  c.  Summa  §  4. 

36)  Populo  Romano,  (nov.  Val.  9,  1),  consulibus  praetoribus  tribunis  plebis 
senatui  suo  salutem  dicunt  (nov.  Val.  1,  3),  have  Abiabi  carissime  nobis  an 
(Constantin  an  einen  Präfektus  Prätorio.  Bruns  I  p.  258);  an  niederer  Stehende 
natürlich   einfacher. 

37)  Nov.  Val.   9,    1.    14,    1. 

38)  Nov.  Val.   1,  3.  nov.   16,   1,  4.  nov.   19,   1,  4. 


—     76     — 

allein  vorbehaltenen  Purpurtinte. ^^)  Über  die  Gegenzeichnung*") 
sind  wir  nicht  genau  unterrichtet.  Justinian  bestimmte,  wohl 
kaum  als  etwas  Neues,  sondern  im  Sinne  der  Einschärfung, 
daß  jeder  Erlaß  vom  Quästor  sacri  palatii  in  bestimmter 
Weise  gegenzuzeichnen  sei."*^) 

Unter  dem  Erlaß  wird  das  Datum  der  Ausfertigung 
bemerkt  [data],  auch  notiert,  an  wen  gleichlautende  Erlasse 
ergehen.*^)  Ferner  wird  bei  Erlassen  an  den  Senat  die  Ver- 
lesung beurkundet  {recitatä)^^)  Bei  dem  den  Erlaß  empfan- 
genden Beamten  erfolgt  Präsentierung  [accepta,^^)  Registrierung 
[regesta)^^)  und  Beurkundung  des  etwa  erfolgten  Aushangs 
(proposita),^'")  vollständiger  mit  der  Angabe,  daß  der  Beamte 
die  Konstitution  mittels  seines  Edikts  bekannt  gemacht  habe 
{antelata  edicto,  proposita  siih  edicto}'') 

6.  Für  die  Sammlung  der  Erlasse  im  kaiserlichen  Archiv 
ist  natürlich  auch  in  dieser  Zeit  Sorge  getragen;  wie  es  scheint, 
vorzugsweise  bei  dem  Quästor  sac7'i  palatii}^)  Doch  ist  dieser 
nicht  allein  damit  betraut  gewesen.  Das  vom  östlichen 
Hofe  übersandte  Exemplar  des  Codex  Theodosianus  hat  im 
Westreich  der  Präfectus  Prätorio  aufbewahrt;  eine  Abschrift 
erhielt  der  Präfectus  urbi,  eine  zweite  die  Constitutionarii, 
um  daraus  Abschriften  an  das  Publikum  herauszugeben.  Da 
sie  aber  als  solche  bezeichnet  werden :  gnos  iam  dudinn  limc 
officio  (sei.  coiistitiitionariorwn)  inservij-c  praeter  culpani  pro- 
bamus,  so    ist  anzunehmen,   daß   diese   Behörde    schon    früher 

39)  Leo  C.  J.  I,  23,  6.  Sacri  affatus  ....  non  alio  vultu  penitus  aut  colore 
nisi  purpurea  tantummodo  scriptione  illustrentur  scilicet  ut  cocti  muricis  et 
triti  conchylii  ardore  signentur  ....  Hanc  autem  sacri  encausti  confectionem 
nulli  sit  licitum  aut  concessum  habere  aut  quaerere  aut  a  quoquam  sperare  eo 
videlicet  qui  hoc  adgressus  fuerit  tyrannico  spiritu  post  proscriptionem  bo- 
noruir   omnium   capitah  non  immerito  poena  plectendo. 

■'ü)  Subscripsi  in  nov.  Val.  19,  1  i.  f.,  20,  2  i.  f.  hinter  dem  Propo- 
sitionsvermerk,  kann  kaum  eine   Gegenzeichnung  sein. 

11)  Nov.  Just.   114.       +2)  Xov.  Martiani  2.   1.  7. 

*3)  Nov.   Val.   1,  3,    7.     «)  Nov.  Val.    10,    1,  4.  20,  2,  6. 

IS)  C.  Th.  XI,  28,   14.  nov.  Theod.   1,   1,   6. 

«)  Nov.   Val.  2,  2.  5.  nov.   11,   1,  2. 

17)  Nov.  Val.  20,  1,  6.  22,  1,  9.  nov.  Val.  26.   1,  S. 

1**)  Ihm  legen  die  Bilder  der  Notitia  dignitatum  ein  Haus  mit  der  Auf- 
schrift leges  salutares  bei. 


mit  der  Funktion  bestand,  das  Bedürfnis  nach  Abschriften 
kaiserlicher  Konstitutionen  für  das  Publikum  zu  decken.*^) 
Justinian  ließ  seine  Novellen  in  eine  congrcgatio,  einen  über 
legt4m   eintragen.^'') 

§  14. 

Die  Überlieferung  der  vorjustinianischen 

Konstitutionen. 

I.  Die  dem  Text  oder  wenigstens  dem  Inhalt  nach  er- 
haltenen kaiserlichen  Konstitutionen  zählen  nach  vielen  Tau- 
senden. Zunächst  haben  die  Juristen,  denen  nicht  bloß  die 
amtlich  publizierten  Erlasse  zu  Gebote  standen,  sondern  deren 
viele  auch  durch  ihre  hohen  Staatsstellungen  freiesten  Zugang 
zu  den  kaiserlichen  Archiven  hatten,  die  Konstitutionen  in 
ihren  Schriften  verarbeitet,  auch  besondere  Sammlungen  davon 
veröfifentlicht,  wie  Papirius  Justus  [constitutionuui  libri  XX) 
und  Paulus  {decretoriim  libri  III,  impei'ialiian  sententiarum 
libri  VI).  Für  dieses  Material  sind  wir  also  auf  die  Über- 
lieferung der  Juristenschriften,  insbesondere  auf  die  Digesten 
Justinians  angewiesen.  Vieles  bringt  die  nichtjuristische  Lite- 
ratur, namentlich  auch  Konzilienakten  und  kirchliche  Sammel- 
werke; manches  geben  Inschriften  und  Urkunden.^)  Hervor- 
zuheben ist  Folgendes. 

Die  Reskripte  Trajans  an  den  jüngeren  Plinius  auf  die 
von  ihm  als  Statthalter  von  Bithynien  (legatiis  Augusti  pro 
praetore  considari  potestate.  wahrscheinlich  in  den  J.  iii  — 113 
n.  Chr.)  erstatteten  Berichte  in  dem  Briefwechsel  zwischen 
Plinius    und    Trajan,    in    den    Ausgaben    mit    der    allgemeinen 


*9)   Vgl.  das  Senatsprotokoll    über  Einführung  des  Codex  Theodosianus. 

50)  C.  Cordi  §  4.  nov.   17   pr.  nov.  26  c.  5  §  1. 

^)  Eine  Sammlung  der  Konstitutionen  vor  Justinian  ist  Haenel:  corpus 
legum  ab  imperatoribus  Romanis  ante  Justinianum  latarum  (Leipzig  1857). 
Die  in  den  drei  Codices,  den  posttheodosianischen  Novellen  und  der  sirmon- 
dinischen  Sammlung  (unt.  II — V)  enthaltenen  Konstitutionen  sind  in  diesem 
Werke  nur  chronologisch  registriert,  die  sonst  überlieferten  in  chronologischer 
Folge  abgedruckt.  Personen-,  Orts-  und  Sachregister  sind  hinzugefügt.  Das 
Ganze  ist,  wenn  auch  in  vieler  Beziehung  mangelhaft,  so  doch  höchst  dankens- 
wert und  durch  nichts  Besseres  ersetzt. 


—     78     — 

Briefsammlung  des  Plinius  verbunden  und  früher  als  deren  lo. 
Buch  behandelt. 

II.  Besonders  wichtig  wurden  für  die  Folgezeit  zwei 
Privatarbeiten,  der  Codex  Gregorianus  und  der  Codex  Hermo- 
genianus.  Sie  bilden  die  einzige  Quelle  des  Codex  Justinianus 
für  die  Konstitutionen  der  Zeit  vor  dem  Bereich  des  Codex 
Theodosianus  (unt.  III)."^) 

1.  Der  Codex  Gregorianus  ist  das  Werk  eines  nicht 
weiter  bekannten  Gregorius.^)  Er  enthielt,  eingeteilt  in  Bücher 
und  Titel,  Konstitutionen  der  Kaiser  bis  auf  Diocletian  und 
zwar  mindestens  von  Hadrian  an.*)  Nach  den  vorliegenden 
Anführungen  war  er  historisch  gearbeitet,  ohne  besondere 
Bevorzugung  des  neuesten  Materials.  Die  überlieferten  Buch- 
zahlen reichen  bis  XIX.^)  Das  Werk  wurde  im  Orient  ge- 
schrieben^) und  zwar  unter  der  Regierung  Diocletians  und 
Maximians.')  Wahrscheinlich  ist  es  gleich  nach  dem  Jahr 
294  veröffentlicht.^) 

2.  Der  Codex  Her  möge  nianus  stammt  von  einem  Hermo- 
genianus;^)  ob  es  der  sonst  bekannte  Jurist  dieses  Namens 
ist  (§  21,  71),  ist  unsicher.  Das  Werk  war  kleiner  als  der 
C.  Gr.,  nur  in  Titel  eingeteilt,  doch  darf  man  es  sich  keines- 
wegs als  unbedeutend  vorstellen;  wir  hören  von  der  120. 
Konstitution  des  69.  Titels.^")  Die  aus  diesem  Codex  ange- 
führten Konstitutionen  gehören  fast  ausschließlich  der  Zeit 
Diocletians  an,  die  meisten  den  Jahren    293  und  294,^^)    und 

^)  Dies  hat  Justinian  so  vorgeschrieben.  C.  Haec  quae  nee.  §  2,  vgl.  c. 
Summa  §  1. 

»)  Mommsen   Zeitschr.  d.  Sav.-Stift.  X  (1889)  S.  347  f. 

'*)  Sonst  könnte  der  Codex  Justinianus  nicht,  wie  der  Fall,  Konstitutionen 
von  Hadrian  an  aufweisen;  denn  aus  dem  C.  H.  hat  er  sie  sicher  nicht. 

^)  Coli.  3,  4.  Aber  vielleicht  ist  hier  XVIIH  irrig  statt  XIV  ge- 
schrieben.    S.  Jörs  bei  Pauly-Wissowa  Art.  Codex  Gregorianus. 

«)  Note  14.     In  Berytus?  Mommsen  Zeitschr.  d.  Sav.-Stift.  XXII  s.  189  fl". 

')  Eine  dem  C.  Gr.  entnommene  Konstitution  (Coli.  1,  10,  1)  vom  Jahre 
290  führt  die  Kaiser   Diocletian  und   Maximian  als   domini  nostri   ein. 

8)  S.  unt.  Note  14. 

8)  Mommsen,   Ztschr.  d.  Sav.-Stift.  X   (1889)  S.  348 f. 

10)  Schol.  Sinait.  §  5. 

")  Ich  meine  die  Konstitutionen,  die  die  Quellen  ausdrücklich  als  im 
C.   II.   eiitlialten  angeben. 


—     79     — 

es  überwiegen  durchaus  diejenigen  von  Diocletian  selbst.  Vor- 
diocletianische  Konstitutionen  sind  aus  dem  C.  H.  überhaupt 
nicht  bekannt.  Das  Werk  war  im  Gegensatz  zu  der  histo- 
rischen Anlage  des  C.  Gr.  auf  das  Neueste  gerichtet.^-)  Es 
ist  wie  der  C.  Gr.  im  Orient  geschrieben  und  gleich  nach 
294  veröffentlicht.  Der  Verfasser  soll  es  aber  noch  zweimal 
neu  aufgelegt  haben.*^)  Jedenfalls  ist  es  später,  auch  von 
dritter  Hand,  mit  Nachträgen  vermehrt  worden  und  zwar 
auch  aus  occidentalischem  Material.^*) 


12)  Was  Theodosius  II.  C.  Th.  I,  1,  .5  von  dem  historischen  Wert  der 
Codices  sagt,  kann  für  den  C.  H.  in  dem  Sinne  gemeint  sein,  daß  er  nun 
historisches  Material  geworden  war,  auch,  daß  er  mit  den  späteren  Nachträgen 
ein  historisches  Bild   darbot. 

13)  Sedulius  in  der  Widmung  zu  seinem  paschale  opus. 

11)  Im  C.  J.  findet  sich  eine  im  Vergleich  zu  der  Zahl  der  Konstitutionen 
der  älteren  Kaiser  höchst  auffallende  Masse  von  Konstitutionen  der  diocletianischen 
Zeit  und  zwar  fast  ausschließlich  sicher  von  Diocletian  selbst.  Wie  in  den  Resten  des 
C.  H.  sind  dabei  die  Jahre  293/294  am  stärksten  vertreten ;  aus  der  Zeit  nach  294 
dagegen  finden  sich  nur  noch  sehr  spärliche  diocletianische  Konstitutionen.  Wenn 
nun  auch  nach  der  sonst  feststehenden  Beschaffenheit  der  beiden  älteren  Codices 
anzunehmen  ist,  daß  das  diocletianische  Material  des  C.  J.  hauptsächlich  aus 
dem  C.  H.  stammt,  so  ist  doch  der  hervorgehobene  Befund  auch  für  den  C.  Gr. 
von  Bedeutung,  denn  er  beweist,  daß  auch  aus  dem  C.  Gr.  kein  oder  kein 
nennenswertes  maximianisches  Material  zu  holen  war,  und  daß  auch  er  diesseits 
des  Jahres  294  nicht  viel  bot.  Danach  aber  ist  anzunehmen,  daß  beide 
älteren  Codices  im  Orient  geschrieben  sind  und  in  ihrem  Material  mit  294  in 
der  Hauptsache  abschlössen.  Dann  werden  beide  gleich  nach  294  veröffentlicht 
sein,  und  der  C.  H.  wird  nicht  sowohl  ein  Nachtrag  wie  ein  Seitenstück  des 
C.  Gr.  genannt  werden  müssen.  Daß  der  Verfasser  des  C.  Gr.  Vorstudien  in 
Rom  gemacht  hat  oder  hat  machen  lassen,  um  die  Konstitutionen  der  älteren  Kaiser 
zusammenzubringen  (Jörs  in  Pauly  Wissowas  Realencykl.  Art.  Codex  Gregorianus) 
ist  möglich,  aber  ob  das  notwendig  war,  doch  wohl  zweifelhaft.  Es  ist  mög- 
lich, daß  der  Verfasser  des  C.  Gr.  noch  einzelne  Konstitutionen  des  Jahres 
295  selbst  eingetragen  hat  (Coli.  6,  4),  und  das  Gleiche  läßt  sich  von  dem 
Verfasser  des  C.  H.  nicht  leugnen,  obwohl  Consult.  5,  7,  eine  occidentalische 
Konstitution,  wahrscheinlicher  ein  Nachtrag  von  anderer  Hand  ist.  Das  ganz 
Wenige,  was  die  Verfasser  des  C.  J-  aus  der  Zeit  zwischen  der 
so  bestimmten  ersten  Veröffentlichung  der  CC.  Gr.  und  H.  und  dem  Herr- 
schaftsbereich des  C.  Th.  aufgenommen  haben,  werden  sie  aus  späteren  Nach- 
trägen zu  den  CC.  Gr.  und  H.  kennen,  die  der  erstere  ebensowohl  erlebt 
haben  kann,  wie  sie  der  letztere  sicher  und  zwar  auch  im  Occident  erlebt  hat. 
Ein  solcher  Nachtrag    werden    namentlich    die  sieben  Konstitutionen   (darunter 


-     80     — 

Sowohl  vom  C.  Gr.  wie  vom  C.  H.  besitzen  wir  Kunde 
nur  durch  ihre  Benutzung  in  späteren  Werken,  besonders  der 
Lex  Romana  Wisigothorum  f§  25,  I),  der  Collatio  (§  24,  15) 
und  der  Consultatio  (§  24,18);  auch  in  den  Fragmenta 
Vaticana  (§  24,    14)  und    in    der  Lex  Romana  Burgundionum 

(§  25,  my') 

III.  Der  Codex  Theodosianus'^j  ist  ein  Gesetzbuch 
von  Kaiser  Theodosius  II.  Dieser  hatte  die  x\bsicht, 
nach  dem  Vorbilde  des  C.  Gr.  und  C.  H.  eine  amtliche 
Sammlung  der  kaiserlichen  Konstitutionen  von  Konstantin  an 
zu  veranstalten.  Dabei  sollte  auch  dasjenige  Aufnahme  finden, 
was  nur  noch  von  geschichtlichem  Interesse  wäre,  durch 
chronologische  Anordnung  der  Konstitutionen  aber  deutlich 
gemacht  werden,  wie  die  jüngeren  den  älteren  vorgehen. 
Dann  sollte  aus  dem  so  entstandenen  und  den  beiden 
älteren  Codices  und  aus  den  Juristenschriften  ein  fernerer 
auf  das  praktisch  Geltende  gerichteter  Codex  zusammengestellt 
werden.  Hierzu  bestimmte  der  Kaiser  eine  Kommission 
von  acht  aktiven  und  inaktiven  Staatsbeamten  und  einem 
Advokaten  mit  dem  Rechte  der  Kooptation.''')  Der  Plan  ist 
in  diesem  Umfange  gescheitert,  im  Jahre  435  aber  eine  neue 
Kommission  aus  16  Staatsbeamten  lediglich  zur  Abfassung  des 
Konstitutionencodex  berufen.^^)  Sie  hatte  die  Instruktion,  die 
Konstitutionen  nach  Materien  in  Titel  und  innerhalb  derselben 
chronologisch  zu  ordnen,  zu  diesem  Zwecke  die  einzelne 
Konstitution   wo   nötig   zu   zerteilen,    um  jedes  Stück    in  dem 


sechs  occidentalische)  aus  den  Jahren  364  und  365  sein,  welche  Consult.  9, 
1 — 7  aus  dem  C.  H.  anführt.  Die  Datierung  des  C.  H.  zwischen  314  und 
324  (Mommsen  Hermes  XVII  S.  532,  Krüger  S.  281  f.),  der  auch  ich 
mich  früher  angeschlossen  habe  (Kritische  Vierteljahresschr.  XXXII  (1890) 
S.  28),  kann  ich  nach  Obigem  nicht  mehr  für  richtig  halten.  Wenn  die  Kon- 
stitutionen des  C.  J.,  welche  den  Namen  des  Licinius  tragen,  wirklich  aus 
dem   C.   H.   stammen,   so   können   auch  sie  zu  dessen   Nachträgen  gehören. 

lö)  Die  Ausgabe  von  Haenel,  Codices  Gregorianus,  Hermogenianus, 
Theodosianus  (Bonn  1842)  ist  überholt  durch  die  von  Krüger.  Collectio  III 
p.  221   sqq. 

16)  Mommsen,  Das  theodosische  Gesetzbuch,  Zeitschr.  der  Sav. -Stift. 
XXI  (1900)  S.  149  fr.    S.  885  f. 

1-)  C.  Th.  I,  1,  5  a.  429.      i'')  C.  Th.  1,   1,  6. 


—     81     — 

geeigneten  Titel  unterzubringen,  nur  dasjenige  aufzunehmen, 
was  den  Charakter  des  Rechtssatzes  hätte,  also  wegzulassen, 
was  nur  auf  den  Spezialfall  sich  bezöge,  auch  sonst  Weg- 
lassungen, Zusätze,  Veränderungen  in  den  Texten  nach  Er- 
messen vorzunehmen. 

Aus  der  Arbeit  dieser  Kommission,  von  deren  ernannten 
Mitgliedern  aber,  wie  es  scheint,  nur  acht  wirklich  in  Tätigkeit 
getreten  sind,^**)  entstand  der  nach  kaiserUchem  Befehl  so  be- 
nannte Codex  Theodosianus.  Er  wurde  im  Orient  publiziert 
am  15.  Febr.  438  mit  Gesetzeskraft  vom  i.  Jan.  439.  Diejenigen 
Konstitutionen  seit  Konstantin,  welche  er  nicht  enthielt,  wurden 
fast  sämtlich  außer  Kraft  gesetzt.^")  Valentinian  III.  hieß  das 
Werk  gut  und  ließ  es  im  Westreich  publizieren.  Wir  haben 
noch  das  interessante  Protokoll  der  Senats.sitzung,  in  welcher 
der  Präfectus  Prätorio  Anicius  Acilius  Glabrio  den  Codex  vor- 
legte. Die  Herausgabe  von  Exemplaren  desselben  wurde 
den  Constitutionarü  ausschließlich  übertragen  (vergl.  ob.  §  13, 
III,  6}^)  Der  Codex  zerfiel  in  16,  in  Titel  mit  Rubriken  ge- 
teilte Bücher.  Von  den  Veränderungen,  zu  denen  die  Kom- 
mission ermächtigt  war,  hat  sie  reichlich  Gebrauch  gemacht.  Die 
chronologische  Reihenfolge  hat  sie  zum  Teil  gewaltsam  hergestellt, 
indem  sie  Konstitutionen,  die  ihr  undatiert  oder  mit  mangel- 
haften Daten  vorlagen,  mit  fiktiven  Daten  versah. ^^)  Zudem 
haben  die  s.  g.  Inskriptionen,  die  Angaben  der  Urheber  und 
Adressaten  der  Konstitutionen,  und  die  s.  g.  Subskriptionen, 
die  Datierungen,  starke  Verderbnisse  in  den  Handschriften 
erlitten. 

Wir  haben  vom  C.  Th.  nur  lückenhafte  Handschriften, 
die  aber  vielfache  Ergänzungen  finden  durch  die  Benutzung 
desselben  in  späteren  Werken,  vor  allem  der  Lex  Romana 
Wisigothorum  f§  25,  l).-^) 


19)  Denn  nur  acht  erhalten  in  nov.  Theod.  I  den  kaiserlichen  Dank  für 
ih^e  Mitwirkung.        20)  Nov.  Theod.   I,   6. 

21)  Eine  Konstitution  Valentinians  III.  bestätigte  ihnen  dies  Recht  im 
J.  448.  Diese  wie  das  .Senatsprotokoll  setzten  sie  den  Exemplaren  des 
C.   Th.  voran. 

22)  Seeck,   Zeitschr.  der  Sav.-Stifi.   X  (1889)   S.   1  ff. 

23)  Die  Ausgabe  der  drei   Codices    von   Hänel   (üb.  Anm.   15)  ist  für  den 
Kipp,  Quellen  des  röm.  Recht«.  6 


—     82     — 

IV.  Die  s.  g.  posttheodosianischen  Novellen  sind  eine 
Sammlung  nach  Erlaß  des  Codex  Theodosianus  ergangener  Kon- 
stitutionen (novellae  legcs).  Es  entspricht  dem  allgemeinen 
Übergewicht  des  östlichen  Reiches  über  das  westliche,  daß 
von  dem  in  Aussicht  genommenen  ^Austausch  der  in  beiden 
Reichshälften  ergangenen  Konstitutionen  (ob.  §  13,  II)  nur  ein- 
seitig Gebrauch  gemacht  ist,  durch  Übersendung  östlicher 
Konstitutionen  an  den  westlichen  Hof  und  Acceptation  durch 
diesen.  Die  Übersendung  westlicher  Gesetze  an  das  Ostreich 
ist  nicht  erweislich  und  unwahrscheinlich  deswegen,  weil  der 
Codex  Justinianus  nachtheodosianische  westliche  Konstitutio- 
nen nicht  kennt.  Im  Westreiche  entstand  eine  Sammlung  occi- 
dentalischer  und  orientalischer,  dem  Westreich  übersandter 
und  von  ihm  acceptierter  Novellen.^*]  Von  dieser  Sammlung 
gibt  die  Lex  Romana  Wisigothorum  einen  Auszug,  der  in 
einzelnen  ihrer  Handschriften  aus  der  uns  verlorenen  Origi- 
nalsammlung ergänzt  ist.^°) 

V.  Die  s.  g.  sirmodinischen  Konstitutionen  sind  eine 
von  Jacobus  Sirmondus  1631  zuerst  vollständig  herausge- 
gebene, wahrscheinlich  in  Gallien  bald  nach  425  veranstaltete 
Sammlung  von  (18)  Konstitutionen  meist  kirchenrechtlichen 
und  sehr  kirchenfreundlichen  Inhalts  aus  den  J.  331  bis  425.^^) 

VI.  Von  Inschriften  und  Urkunden  nennen  wir: 

I.  Edictmn  Augusti  de  aqiiaeductu  Venafrano.  Enthält 
Vorschriften  über  die  \on  Augustus  in  Venafrum    (im    Samni- 


Theodosianus  noch  die  neueste  und  beste;  diejenige  von  Jacobus  Gotho- 
fredus  (1587 — 1652),  erst  nach  seinem  Tode  von  Marvillius  herausgegeben, 
zuletzt  mit  Zusätzen  von  Ritter  (Leipzig  1736 — 174ij  ist  wegen  der  mit 
staunenswerter  Gelehrsamkeit  geschriebenen  Kommentare  und  Anhänge  noch 
immer  unentbehrlich.      Eine  neue  Ausgabe  von  Mommsen  steht  bevor. 

24)  Wir  kennen  daraus  Gesetze  von  Theodosius  II.,  übersandt  an  Va- 
lentinian  III.  im  Jahre  447  durch  nov.  Theod.  2,  publiziert  von  Valentinian 
im  Jahre  448  durch  nov.  Val.  25,  1,  einige  Gesetze  Marcians  aus  den  Jahren 
450 — 455,  eins  von  Leo,  welches  Anthemius  als  das  seinige  im  J.  468  publi- 
zierte (nov.  Anthem.  3,  1  vgl.  2,  1)  und  eine  Reihe  von  Gesetzen  der  west- 
lichen Kaiser  Valentinian   III.,   Majorian,   Severus,  Anthemius. 

26)  Ausgabe;  Haenel,  novellae  constitutiones  impcriitorum  Theodosii  II 
cet.  (Bonn   1844),  hinter  der  Ausgabe  der  drei  Codices. 

26)   Ausgabe:   Haenel   hinter  der  eben  bezeichneten   Novellcnausgabe. 


—     83     — 

tischen)  gestiftete  Wasserleitung,  den  leges  dictae  f§  9)  nahe- 
stehend. Die  Magistrate  und  Decurionen  werden  ermächtigt, 
weitere  Vorschriften  zu  erlassen  ijeges  dicere).  —  Berührt 
werden  cautio  damni  infecti  und  Recuperatorengerichte.  Er- 
halten auf  Marmor  in  Venafro.-^) 

2.  Ein  Edikt  von  Claudius  von  46  n.  Chr.,  welches  die 
Entscheidungen  eines  kaiserlichen  Kommissars  über  fiskalische 
Grundstücke  gut  heißt  und  zu  deren  Verkündigung  ermäch- 
tigt, ferner  den  Anaunern,  Tulliassern  und  Sindunern  (bei 
Trient)  das  Bürgerrecht  (in  Berücksichtigung  ihres  langen  Be- 
sitzes desselben!)  bestätigt.  —  Berührt  wird  das  Institut  der 
Richterdecurien.  Gefunden  1869  bei  Trient  auf  einer  Bronze- 
tafel.2^) 

3.  Ein  Edikt  eines  der  ersten  Kaiser  über  das  Appel- 
lationsverfahren.    Auf  Papyrus.^") 

4.  Zwei  auf  Bronze  erhaltene  Reskripte  von  Vespasian 
an  Magistrate  und  Decurionen  der  Vanaciner  (Corsica)  und 
der  Saborenser  (Spanien)  in  städtischen  Angelegenheiten.^^) 

5.  Ein  auf  Bronze  erhaltenes  Schreiben  Domitians  vom 
J.  82  an  quattiwrviri  und  Decurionen  der  Falerienser  (Picenumj, 
durch  welches  ihnen  ein  von  dem  Kaiser  verkündetes  Dekret 
in  einem  Streite  zwischen  den  Faleriensern  und  Firmanern 
zugefertigt  wird.^^j 

6.  Ein  Reskript  Hadrians  an  den  Präfectus  Ägypti  Q. 
Rammius  Martialis,  durch  welches  der  Kaiser  die  bisherige 
Erbunfähigkeit  der  von  Soldaten  während  der  Dienstzeit 
gezeugten  Kinder  ihren  Vätern  gegenüber  in  so  weit  mildert, 
daß  ihnen  die  bonorum  possessio  iinde  proximi  cognaii  zu- 
stehen soll.  Das  Reskript  war  in  griechischer  Übersetzung 
angeschlagen    in    den  Winterlagern    von    zwei  Legionen.     Er- 


27)  Bruns   I  p.  238  sqq.     28)  Bruns  I  p.  240  sq. 

29)  B.  G.  U.  II,  Nr.  628.  Mitteis  Hermes  XXXII  (1897)  S.  629  ff. 
Scialoja  Bulletino  dell'  istituto  di  dir.  Rom.  IX  (1896)  p.  180  sq.  Auf  der 
Rückseite  des  Papyrus  steht  ein  Edikt  von  Augustus  als  Triumvir,  betreffend 
Veterarienprivilegien. 

30)  Bruns  I  p.  241   sq.      »i)  Bruns   I   p.   242   sq. 

6* 


—     84     — 

halten    auf    einem  ägyptischen  Papyrus  in   Berlin,  zuerst    1892 
veröffentlicht.^-) 

7.  Ein  inschriftlich  erhaltenes  Reskript  Hadrians,  nach 
welchem  dem  Vorsteher  der  epicurischen  Schule  zu  Athen 
auch  für  den  Fall,  daß  er  römischer  Bürger  ist,  gestattet  ist, 
über  seine  Würde  und  was  damit  zusammenhängt  nach 
griechischem  Rechte  zu  testieren  und  auch  einen  Peregrinen 
zu  seinem  Nachfolger  einzusetzen.'^^) 

8.  Ein  Reskript  des  Antoninus  Pius  v.  J.  139  n.  Chr.  er- 
laubt Abschrift  von  einem  Dekret  Hadrians  zu  nehmen 
Marmorinschrift  in  Smyrna.^"^) 

9.  Ein  Reskript  des  Commodus  an  einen  Vertreter  der 
Bewohner  des  saltus  Burunitanus,  eines  im  kaiserlichen  Eigen- 
tum stehenden  Bezirks  in  Afrika,  betreffend  die  von  ihnen  zu 
leistenden  Frohnden,  nebst  einem  Stück  der  entsprechenden 
Bittschrift  und  einem  zugehörigen  Schreiben  des  kaiserlichen 
Prokurators  jenes  Bezirks,  daselbst  auf  Stein  gefunden,  zuerst 
1880  herausgegeben.^^) 

10.  Ein  Reskript  von  Severus  und  Caracalla  v.  J. 
201  n.  Chr.  an  einen  Heraclitus,  Freiheiten  der  Tyraner  (Beß- 
arabien)  bestätigend,  inseriert  einem  zweiten  an  Ovinius  Ter- 
tuUus,  Präses  von  Untermösien,  der  das  Ganze  mittels  eines 
griechischen  Schreibens  den  Tyranern  übersendet.  Diese  ver- 
öffentlichten es  auf  einem  Marmor,  der  (am  Anfang  unvoll- 
ständig) am  Dnjestr   1847  gefunden  wurde.^'^) 

11.  Ein  Reskript  Gordians  v.  J.  238  an  den  Soldaten 
Pyrrus  als  Vertreter  der  Skaptoparener  (Thrakien)  verweist 
nur  wegen  Beschwerden  an  den  Präses  Provinciae,  ist  aber 
wegen  der  Formalien  sehr  wichtig  (vgl.  ob.  §  12  zu  Anm.  48). 
Erhalten  auf  einem  erst  nach  seiner  Entdeckung  stark  zer- 
störten  Marmor  in  Bulgarien,  zuerst    1890  veröffentlicht.^') 


32)  Bruns   I    p.    381    sq.       Dazu    Wilcken    Hermes    XXXVIII    (1902) 
S.   74  flf.,  der  Urheber  und  Empfänger  richtig  stellt. 

33)  Kovfiat/oi'Srjg  kfrifiBi)ii  äoyaioXoyiy.rj  1890  p.  142 — 155. 
31)  C.  J.  L.  III  No.  411.  Haenel,  Corpus  legum  p.  102. 
35)  Bruns  I  p.  244  sqq.     36)  Bruns  1  p.  246  sqq. 

37)  Bruns  I  p.  248  sq.     Mommsen   Zeitschr.  d.  Sav.-Stifi.  XII  (1892) 
S.  244  ff.     XXII  (1901)  S.  142  ff. 


12.  Diocletians  Edikt  de  p?rtus  verum  venaliuni  v.  J. 
301  n.  Chr.,  eine  bei  Todesstrafe  eingeschärfte  Preistaxe  für 
viele  Waren  und  Arbeiten,  unvollständig  erhalten  in  einer 
Anzahl  von  Inschriften  teils  im  Original,  teils  in  griechischer 
Übersetzung  an  verschiedenen  Orten  des  östlichen  Reiches.^*^) 

13.  Ein  Reskript  (unbekannt  welcher  Kaiser)  an  Lepidus, 
wohl  Präses  von  Pisidien,  die  Einführung  der  Decurionats- 
Verfassung  in  Tymandus  in  Pisidien  betreffend,  interessanter 
Beleg  für  das  allmähliche  Vordringen  dieser  Verfassung.  Neuer- 
dings in  Pisidien  gefundene  Steininschrift.^^) 

14.  Ein  Reskript  auf  Papyrus,  prozessualen  Inhalts,  wahr- 
scheinlich von  Diocletian.^") 

11;.  Ein  Edikt  Constantins  vom  i.  Jan.  314  über  die 
Ankläger  ist  erhalten  durch  drei  einander  ergänzende  Stein- 
inschriften, von  denen  eine,  altbekannt,  nur  noch  in  Abschriften 
vorhanden  ist,  während  die  beiden  anderen  erst  kürzlich  ge- 
funden wurden.*^) 

16.  Ein  Reskript  Constantins  und  seiner  Söhne  an  den 
Präfectus  Prätorio  Ablavius  (zwischen  323  und  326),  der  Ge- 
meinde Orcistus  in  Phrygien  das  Stadtrecht  erneuernd,  mittels 
Schreibens  des  Ablavius  den  Orcistenern  mitgeteilt.  Der 
Schluß  dieses  Schreibens,  das  kaiserliche  Reskript  und  der 
Anfang  der  Bittschrift  der  Orcistener  sind  erhalten  auf  Stein 
bei  Orcistus.  Ebenda  steht  ein  zweites,  an  das  erste  an- 
knüpfendes Reskript  von  Constantin  und  Constantius  v.J.  331 
n.  Chr.  an  die  Decurionen  (ordo)  von  Orcistus.*^) 

17.  Eine  Konstitution  Julians  de  pe daneis  indicibus  (C. 
J.  III,  3  5  [C.  Th.  I,  16,  8])  V.  J.  362  n.  Chr.,  steht  vollstän- 
diger auf  einem  Stein,  der  1841  auf  der  Insel  Amorgos  ge- 
funden wurde. *^j 

38)  C.  I.  L.  III  p.  801  sqq.  1055  bis  1058.  1909  sqq.  AuchHaenel, 
Corp.  leg.  p.  175  sqq.  Neuere  Funde  und  Literatur  s.  Kalb,  Jahresber.  f. 
Altertumswissenschaft  LXXXIX  (1896  II)  S.  220  f.  und    CIX   (1901   II)  S.  31. 

39)  Bruns  I  p.   156  sq. 

<0)  Mommsen  Zeitschr.  d.  Sav. -Stift.  XXII  (1901)  S.  195  ft".  Graden- 
witz das.  XXIII  (1902)  S.  356  ff. 

*i)  Bruns  I    p.  249  sq.     Vgl.    auch  C.  Th.  IX,  5,  1.     C.  J.  IX,  8,  3. 

*2)  Bruns  I   p.   157   sqq. 

*3)  C.  I.   L.   III   No.  459.      Haenel,   Corp.   leg.  p.  212. 


—     86     — 

i8.  Reste  von  zwei  Originalausfertigungen  lateinischer 
Prozeßreskripte,  wohl  des  5.  Jahrhunderts,  ergangen  auf 
preccs  der  Partei,  aber  gerichtet  an  den  zur  Entscheidung  der 
Sache  berufenen  Beamten,  auf  Papyrusblättern  in  Oberägypten 
gefunden.*^) 

19.  Ein  Reskript  von  Justinus  und  Justinian  v.  J.  527 
zum  Schutze  des  Oratorium  Sancti  apostoli  JoJiaiinis  gegen 
militärische   Übergriffe.*'^) 


§   15. 

7.  Erlasse  der  Präfecti  Prätorio.     Sonstige 
Beamtenerlasse. 

Die  Sitte  der  Amtsprogramme  der  Beamten  republi- 
kanischen Stils  ist  von  den  neuen  kaiserlichen  Beamten  nicht 
übernommen.  Das  Recht  zum  Erlaß  allgemeiner  Vorschriften 
in  ihrem  Ressort  hat  aber  den  höheren  unter  ihnen  nicht  ge- 
fehlt. Daß  diese  Verordnungen  in  ihrer  Geltung  auf  die  Amts- 
dauer ihrer  Urheber  beschränkt  waren,   ist  nicht  anzunehmen. 

I.  Vor  allem  die  Präfecti  Prätorio  haben  Verordnungs- 
recht mit  der  Maßgabe,  daß  ihre  Verordnungen  Gesetzen  und 
Konstitutionen  nicht  zuwiderlaufen  dürfen.  So  bestätigte  es 
ihnen  Alexander  Severus  im  J.  230.  ^)  Ihre  Verordnungen  sind 
zum  Teil  Erläuterungs-  und  Ausführungsvorschriften  zu  gleich- 
zeitig von  ihnen  publizierten  kaiserlichen  Edikten,'^)  zum  Teil 
selbständig.  Sie  sind  teils  Edikte  an  die  ITntertanen,  teils 
Erlasse  an  untergebene  Beamte.  '^]     Die  Überlieferung  ist  zer- 

**)  Mommscn,  Bekkers  und  Mulhers  Jahrbuch  des  gemeinen  Rechts, 
(1863)  IV  S.   398  ff.,  Hacnel,  Corp.  leg.  p.  281. 

*6)  Diehl  Bulletin  de  corr.  hellenique  XVII  (1898)  p.  501  suiv.  Scia- 
loja  Bulletino  dell'istitut.  di  dir.  Ro.   IX  (1896)  p.   136  sq. 

')  C.  J.  I,  26,  2.  Formam  a  praefecto  praetorio  datam,  si  generalis  si«, 
minime  legibus  vcl  constitutionibus  contrariam,  si  nihil  postea  ex  auctoritate 
mea  innovatum  est,   servari   aequum   est. 

'')  So  diejenigen  bei  Ilaenel.  Corp.  leg.  p.  247.  249.  200  aus  den  Jahren 
431,  448,  473. 

^^  So  nov.   Just.    166   an   den   Consularis  von   Lydien. 


—     87     — 

streut.  Einige  Erlasse  von  Präfecti  Prätorio  sind  in  die 
griechische  Sammlung  der  Novellen  Justinians  aufgenommen 
(166—168). 

II.  Auch  von  andern  Beamten  sind  allgemeine  Verord- 
nungen überliefert,  so  inschriftlich  an  einer  Tempelmauer  in 
Oberägypten  zwei  Edikte  von  Präfecti  i\gypti  von  49  und  68 
n.  Chr.,  beide  an  den  Strategen  der  Oase  von  Theben  zum 
Zwecke  der  Publikation  gesandt  und  von  ihm  in  Ausführung 
dieses  Auftrages  an  untergeordnete  Behörden  weitergegeben.  •*) 
Ebenfalls  inschriftlich  besitzen  w4r  eine  Rang-  und  Sportel- 
ordnung,  die  der  Konsularis  von  Numidien  unter  Kaiser  Julian 
für  sein  Unterpersonal  erließ,  ^)  auch  zwei  Edikte  des  Turcius 
Apronianus,  Präfectus  Urbi  von  Rom,  über  den  Verkehr  mit 
Schlachtvieh  und  die  den  suarii  zukommenden  Leistungen,  ^) 
im  wesentlichen  bestätigt  durch  einen  Erlaß  Valentinians  I. 
an  den  Amtsnachfolger  des  Apronianus.  ') 


*)  Corpus  inscription.  Graecar.  III.  No.  4956.  4957.  Haenel,  Corp.  leg. 
p,  268  sqq.  Aus  dem  zweitgenannten  sind  die  privatrechtlich  wichtigen  Be- 
stimmungen über  Exekution  privater  und  öffentlicher  Forderungen  aufgenommen 
bei  Bruns  I  p.  234  sqq. 

5)  Bruns  I  p.  257  sq.  Pernice  Zeitschr.  der  Sav.-Stift.  VII  2  (1886) 
S.    113  ff. 

«)   Corp.   inscr.  Lat.  VI,    1,    1770.    1771.      Haenel,   Corp.   leg.   p.  221. 

')  C.  Th.  XIV,  4,  4  a.  867. 


Viertes  Kapitel. 

Die  Rechtswissenschaft. 

§   16. 
I.    Die  republikanische  Rechtswissenschaft. 

Die  Geschichte  der  Quellen  des  römischen  Rechts  hat 
die  römische  Rechtswissenschaft  nach  zwei  Gesichtspunkten 
zu  würdigen  —  nach  ihrer  Bedeutung  für  die  Fortbildung  und 
nach  derjenigen  für  Darstellung  und  Überlieferung  des  römi- 
schen Rechts. 

I.  Daß  die  Jurisprudenz  ursprünglich  in  dem  Pontifikal- 
kollegium  gepflegt  wurde,  ist  eine  sichere  Tatsache,  ^)  wenn 
sie  aucli  durch  den  Zusammenhang  des  sakralen  mit  dem 
bürgerlichen  Recht  und  durch  den  Einfluß  der  Pontifices  auf 
das  im  Gerichtsverfahren  bedeutsame  Kalenderwesen  nicht 
hinlänglich  erklärt  werden  mag,  und  wenn  auch  die  Nachricht 
des  Pomponius,  der  von  den  Pontifices  sagt :  ex  quibus  con- 
siiUiebatiir  quis  qiwqiw  anno  prae esset  privatis  -)  nur  unsicher 
dahin  gedeutet  werden  kann,  daß  die  Pontifices  jährlich  einen 
der  Ihrigen  zur  Erteilung  von  Rechtsgutachten  an  Private 
delegiert  haben.  Eine  von  dem  Pontifikalkollegium  unabhängige 
Jurisprudenz   begann    seit    ungefähr    300  v.   Chr.    sich    zu    cnt- 


')  Liv.  IX,  46;  [Cin.  Kkivius)  civile  ius,  re[)Osituni  in  penctralibus  pontificum, 
evulgavit.  Valer.  Max.  11,  5,  2 :  Ius  civile  per  multa  saecula  inter  sacra 
caerimoniasque  dcorum  immortalium  abditum  solisque  pontificiljus  notum  Gn. 
Flavius  ....  vulgavit.  Pomp.  D.  I,  2,  2,  6:  omnium  tarnen  harum  et  inter- 
prctandi  scientia  et  actioncs  apud  collegium  pontificum  orant,  ex  quibus 
constituebatur  quis  quoquo  anno  praeesset  privatis. 
')   Pomp.   1.   c.   (vorige   Anm.). 


—     89     — 

wickeln.  Um  diese  Zeit  veröffentlichte  Gn.  Flavius  eine 
Sammlung  der  legis  actiones,  d.  h.  der  Spruchformeln,  welche 
in  genauer  Anlehnung  an  das  Gesetz  im  Prozeß  gebraucht 
werden  mußten  (ius  civile  Flaviamun).  ^)  Nach  Pomponius  ^) 
war  das  Buch  von  App.  Claudius  Caecus,  dem  grossen  Refor- 
mator (Censor  a.  312)  verfasst  und  diesem  von  Flavius  gestohlen, 
App.  Claudius  soll  auch  ein  Buch  de  usurpationibiis  d.  h.  von 
Ersitzungen  und  ihren  Unterbrechungen  geschrieben  haben,  '^j 
Von  Ti.  Coruncanius,  dem  ersten  plebejischen  Pontifex  Maxi- 
mus (a.  253  V.  Chr.)  haben  wir  eine  Nachricht,  ^)  die  wahr- 
scheinlichbedeutet, ')  daß  er  als  der  erste  seine  Rechtsgutachteu 
öffentlich  unter  Zulassung  von  Schülern  erteilte  und  mit  ihnen 
die  Fälle  besprach  —  in  dieser  Form  also  öffentlichen  Rechts- 
unterricht erteilte.  Schriften  von  ihm  waren  auf  Pomponius 
Zeit  nicht  gekommen;  aber  man  wußte,  daß  er  eine  ganze 
Anzahl  bemerkenswerter  Responsen  erteilt  hatte. ^)  Sex. 
Aelius  Paetus  Catus  (Konsul  a.  198  v.  Chr.)  schrieb  ein  Werk: 
Tnpertita,  auch  genannt  ius  Aelianiiin^)  das  nach  Pomponius  zu 
dessen  Zeit  es  noch  vorlag,  vehiti  cunahiila  iuris  enthielt.  Es 
verband  das  Gesetz  der  XII  Tafeln  mit  der  iiiterpi-etatio  der 
Juristen    und    den  legis    actiones}^)      Seit    dieser    Zeit    werden 


"-)  Pomp.  I).  I,  2,  2,   7.     Liv.  1.  c.  (Anm.   1).  Val.  Max.  1.  c.  (Anra.  1). 

*)  D.  I,  2,  2,  7. 

^)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  86. 

^)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  35:  ex  omnibus  qui  scientiam  nancti  sunt  ante 
Ti.  Coruncanium  publice  professum  neminem  traditur.  88;  Ti.  Coruncanius  .  .  . 
qui   primus  profiteri   coepit. 

')  Man  beachte  den  Gegensatz.  Von  anderen  sagt  Pomponius  1.  c,  sie 
hätten  das  ius  civile  geheim  halten  oder  wenigstens  nur  Ratfragendcu,  nicht 
Schülern  zur  Verfügung  stehen  wollen. 

»)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  38. 

"j  Oder  ist  das  ius  Aelianum  bei  Pomp.  D.  I,  2,  2,  7  ein  anderes  Werk 
desselben  Verfassers  als  die  Tripertita  in  §  38  daselbst,  eine  selbständige 
Aktionensammlung?  Dafür  Jörs  S.  103  ff.  Dagegen  Kariowa  1  S.  476, 
Lenel,  Das  Sabinussystem,  Festg.  f.  Jhering  (Straßburg  1892)  S.  9  Anm.  2, 
Bremer,  Jurispr.  Ante-Hadr.   I  p.    15. 

"•)  Streitig  ist,  wie  man  sich  die  Anordnung  des  Werkes  zu 
denken  hat.  Nach  der  einen  Auffassung  stellte  das  Werk  die  ganzen 
XII  Tafeln  voran,  ließ  dann  im  zweiten  Teile  die  interpretatio,  im 
dritten   die   legis  actiones   folgen.     So   Krüger  S.  54,   Jörs  S.  105  ff.,  die  aber 


—     90     — 

zahlreiche    berühmte    Juristen    genannt,    von    denen    hervorzu- 
heben sind: 

1.  Die  beiden  Cato,  Vater  (geb.  234,  gest.  149  v.  Chr.) 
und  Sohn  (gest.  152  v.  Chr.).  Der  Sohn  soll  viele  Bücher 
hinterlassen  haben. ^'j 

2.  M.'  Manilius  (Kons.  149),  P.  Mucius  Scävola  (Kons. 
133)  und  M.  Junius  Brutus,  ihr  Zeitgenosse,  denen  Pomponius 
ein  besonderes  Verdienst  um  die  Begründung  der  Rechts- 
wissenschaft beimißt:  fnndavenint  ius  civile}'^)  Von  Manilius 
rührten  Verkaufsformulare  her  (Manilii  actiones,  Ma- 
nilianae  venalinni  vendendoriim  legesP)  Auch  schrieb  er  ein 
Werk  unter  dem  Titel  momimcnta,  in  welchem  unter  anderem 
angebliche  Gesetze  Numas  gesammelt  waren.^*) 

3.  P.  Rutilius  Rufus  (Kons.  105),  der  bekannte  im  Jahre 
92  V.  Chr.  mit  Unrecht  wegen  Erpressungen  verurteilte  Ehren- 
mann, beschäftigter  Respondent,  vielleicht  Verfasser  einer 
Schrift  de  modo  aedificiofiwi}^) 

4.  Q.  Mucius  Scävola  (Kons.  95,  im  Jahre  82  auf  Befehl 
des  Marianers  Damasippus  ermordet,    schrieb    einen    libo-  sin- 


annehmen,  daß  in  dem  ersten  Teile  des  Werkes  schon  eine  gewisse  Erläuterung 
der  XII  Tafeln  enthalten  war,  der  zweite  Teil  nur  die  umbildende  Interpretation 
der  Juristen  enthielt.  Hiergegen  ist  von  Lenel,  Sabinussystem  S.  8 ff. 
mit  Recht  eingewandt,  daß  eine  Scheidung  zwischen  erläuternder  und  um- 
bildender Interpretation  in  Wahrheit  nicht  möglich  war.  Lenel  nimmt  mit 
Huschke  Zeitschr.  f.  geschichtl.  Rechtswissenschaft  XV  S.  179  ff.  an,  daß 
Aelius  jedem  Satz  der  XII  Tafeln  die  Erläuterung,  einschließlich  der  umbildenden, 
beifügte,  dann  die  zugehörige  legis  actio  folgen  ließ,  also  nicht  ein  Werk 
in  drei  Teilen,  das  Tripertitum  heißen  müßte,  sondern  dreiteilige  Erörterungen, 
tripertita  vorlagen.  Die  letztere  Ansicht  halte  auch  ich  für  die,  welche  die  größere 
Wahrscheinlichkeit  für  sich  hat;  aber  mit  Sicherheit  kann  niemand  in  solchen 
Dingen  auftreten.  Sicher  wissen  wir  eigentlich  nicht  einmal,  daß  Tripertita 
bei  Pomponius  Nominativ  Pluralis  ist;  es  kann  auch  Femininum  sein.  Daß 
das  Buch  noch  vorhanden  sei,  sagt  Pomponius  bestimmt  (extat  liber).  Will 
man  es  also  nicht  glauben,  so  muß  man  (mit  Sanio  Varroniana  Leipzig  1S67 
S.  164)  annehmen,  daß  Pomponius  die  Notiz  einem  Älteren  gedankenlos 
nachschrieb. 

")  Pomp.  D.  I,  2,  2,  38.        •«)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  39. 

'3)  Varro  de  re  rustica  II,  ö,   11.     Cic.  de  Orat.  I,  58,  246. 

'*)  Hirschfeld  in  den  Sitzungsberichten  der  Berliner  Akademie  phil.- 
hist.  Kl.   1903,  I  S.  2  ff. 

'■■*)  Cic.  Brut.  30,   113.     Suet.   Aug,  8.  9. 


—     91     — 

gularis  ^oooiv  i.  e.  deftnitiomini  und  i8  libri  iuris  civilis,  das 
erste  große  System  des  ius  civile,  bis  späthin  von  großem 
Einfluß.^®)  Pomponius  sagt,  daß  er  zuerst  das  ins  civile  nach 
genera  geordnet  hat.      Er  nahm  z.  B.  fünf  genera  tutclae  an.^") 

5.  C  Aquilius  Gallus,  Schüler  des  vorigen  (Prätor  G^\, 
lebte  und  schrieb  eine  Zeitlang  in  Cercina.  Maxiniae  micto- 
ritatis  apud  popidum  (Pomponius),  vir  magnae  auctoritatis  et 
scientia  iuris  excellens  (Valerius  Maximus). ^^) 

6.  Servius  Sulpicius  Rufus  (Kons.  51,  gest.  43)  trat 
zuerst  als  Gerichtsredner  auf,  eine  Tätigkeit,  bei  der,  wie  man 
an  Cicero  sieht,  eine  vollständige  juristische  Durchbildung  nicht 
gefordert  wurde.  Als  nun  aber  Servius  einst  bei  Q.  Mucius 
für  seinen  Klienten  Rechtsrat  einholte  und  die  Antwort  des 
Q.  Mucius  wiederholt  nicht  verstand,  fuhr  ihn  Q.  Mucius  an: 
turpe  esse  patricio  et  nobili  et  causas  oraiiti  ius  in  quo  versa- 
retur  ignorare.  Dies  nahm  sich  Ser\'ius  zu  Herzen  und  stu- 
dierte eifrig-  die  Rechtswissenschaft,  in  der  er  es  zu  großem 
Ruhme  brachte.  Sein  Hauptlehrer  war  Aquilius  Gallus. '^j 
Servius  soll  an  die  180  libri  geschrieben  haben,  darunter: 
reprehensa  Scaevolae  capita  (notata  Mucii)^^)  de  dotibus^^) 
auch  den  ersten  Kommentar  zum  prätorischen  Edikt  (ad  Brutum) 
in  zwei  sehr  kurzen  Büchern.^^) 

7.  A.  Ofilius,  Schüler  des  vorigen,  Freund  Cäsars,  ob- 
wohl er  im  Ritterstande  verblieb,  schrieb  zahlreiche  Bücher 
über  ius  civile,  welche  für  alle  Teile  desselben  grundlegend 
waren.  Auch  verfaßte  er  den  ersten  ausführlichen  Kom- 
mentar zum  prätorischen  Edikt.  Er  wirkte  noch  unter  Au- 
gustus;  denn  er  schrieb  über  die  von  diesem  eingeführte  Erb- 
schaftssteuer. Pomponius  nennt  ihn  gelehrter  als  Cascellius  (lOj 
und  Trebatius  {\\)?^) 


>8)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  41.        1')  Gai.  I,   188. 

^8)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  42.  43.  Cic.  pr.  Caec.  27.  77.  78.  Valer.  Max. 
VIII,  2,  2.     Kubier,  Zeitschr.  d.  Sav.-Stift.  XIV  (1893)  S.  75  ff. 

'9)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  42.  43.  44.  Gell.  II,  10,  1.  —  Cic.  Brut.  41, 
152  sqq.  stellt  ihn  über  Q.   Mucius. 

•^0)  Gell.    IV,   1,  20.     Paul.  D.  XVII,  2,  30.        ^i)  Nerat.   1).  XII,  4,  8. 

2-^)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  44  i.  f.     Ulp.  D.  XIV,  3,  5,  1. 

23)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  44.  45. 


—     92     - 

8.  P.  Alfenus  Varus  (Kons.  39)  schrieb  in  Anlehnung 
an  seinen  Lehrer  Servius  Sulpicius  40  Bücher  digesta?^) 

9.  Aufidius  Namusa  ordnete  die  Schriften  von  acht 
Schülern  des  Servius  Sulpicius  (Sei-vn  auditores)  in  140 
Bücher.^"*) 

10.  A.  Cascellius,  vir  iuris  civilis  scientia  clanis  (Vale- 
rius  Maximus),  lebte  noch  unter  Augustus,  schrieb  u.  a.  einen 
liöer  hene  dictoruni'}^') 

11.  C.  Trebatius  Testa  lebte  ebenfalls  noch  unter  Au- 
gustus, der  ihn  als  bedeutendste  Autorität  über  die  Anerken- 
nung von  Kodizillen  zu  Rate  zog ;  schrieb  de  civili  iure  und 
de  religionibusy' ) 

12.  O.  Aelius  Tubero,  Schüler  des  Ofilius,  schrieb  über 
öffentliches  und  privates  Recht,  sehr  gelehrte  Werke,  die  aber 
wegen  affektiert  altertümlichen  Stils  unangenehm  gefunden 
wurden.^^) 

13.  C  Aelius  Gallus,  welcher  de  verhoruni,  quae  ad 
ins  pertinctit  sigiiificatioue'^^ )  schrieb,  war  vielleicht  nicht  Jurist, 
sondern  Grammatiker. 


2*)  Pomp.  D.  I,  2,  2.  44.  Nach  Horat.  satir.  I,  3,  130  war  Alfenus 
von  Haus  aus  Schuhmacher.  Dazu  sagt  der  Scholiast  Porphyrio :  Romam 
petit  magtstroque  usus  Sulpicio  iuris  consulto  ad  tantam  pervenit  scieniiam,  ut 
et  consulatum  gereret  et  publico  funere  efiferretur ;  über  Alfens  Digesten,  ins- 
besondere auch  über  ihre  späteren  Bearbeitungen  und  die  Gestalt,  in  der  sie 
den  Verfassern  der  Justinianischen  Digesten  vorlagen,  vgl.  Karlovva  I  S.  485, 
Krüger  S.  64,  Lenel  Palingen.  I  col.  37  not.  1,  Ferrini  Bull,  dell'  istil. 
di   dir.   Rom.:   IV,   p.    1   sq. 

25)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  44. 

2")  Pomp.  D.  I,  2,  2,  44.  Valer.  Max.  VI,  2,  12.  Andere  Schriften 
von  Cascellius  als  den  liber  bene  dictorum  hatte  man  zur  Zeit  des  Pomponius 
nicht  mehr.  Pomponius  erklärt  den  Cascellius  für  minder  gelehrt,  als  Tre- 
batius,   aber  für  beredter  als  jenen. 

2')  Pomp.  D.  I,  2,  2,  45.  Seine  Würdigung  des  Trebatius  im  Vergleich 
zu  Cascellius  s.  vorige  Anmerkung.  —  J.  H,  25  pr.  Ciceros  Topica  sind 
dem  Trebatius  gewidmet,  auch  Cic.  ad  fam.  VII,  6 — 22  sind  an  Trebatius 
gerichtet,  aus  den  Jahren  54  bis  44  v.  Chr.  (Nr.  22  nicht  datierbar).  Horaz 
schrieb  an  ihn  satir.  II,  15.  Ein  Scholion  des  Porphyrio  dazu  nennt  die  im 
Text  bezeichneten  beiden  Werke  des  Trebatius. 

■^0)  Pomp.  D.   I,  2,  2,  4(j.     Gell.   XIV,  2,  20. 

-")  D.  L,    16,    157   ist  aus  jener  Schrift  entnommen. 


—     93     — 

II.  Die  römischen  Juristen,  welche  die  Jurisprudenz  nicht 
als  ausschließlichen  Lebensberuf,  sondern  neben  staatsmän- 
nischer oder  anderer  öffentlicher  Tätigkeit  betrieben,  waren 
Schriftsteller,  Lehrer  und  rechtliche  Berater  ihres  Volkes  zu- 
gleich :  doimis  hn-is  coimdti  totms  oraadum  civitatis?^^  In  der 
letzteren  Beziehung  tritt  hervor  das  respondere,  das  Erteilen 
von  Rechtsgutachten  über  die  von  Interessenten  vorgelegten 
Fragen,  das  cavere,  die  Beihilfe  zur  korrekten  Abfassung  von 
Rechtsgeschäften  und  das  Entwerfen  von  Formularen  dafür, 
und  das  agere,  wahrscheinlich  das  Entwerfen  von  gericht- 
lichen Spruchformeln  {legis  actiones),  welche  der  Jurist  der 
Partei  vor  Gericht  vorspricht  oder  ihr  schriftlich  mitgibt.^^) 
Ihre  Gutachten  erteilten  die  Juristen  mittels  Briefs  an  die 
Richter  oder  mündlich  der  Partei,  die  darüber  ein  Zeugen- 
protokoll aufnahm.^-)  Sie  haben,  wie  ob.  S.  7  bemerkt,  bei 
Auslegung  der  bestehenden  Rechtssätze  prinzipiell  nicht  das 
Ziel  verfolgt,  den  ursprünglichen  Sinn  des  Rechtssatzes  zu 
treffen,  sondern  ihn  so  auszulegen,  wie  er  ihrer  Ansicht  nach 
verstanden  werden  mußte,  um  gerecht  zu  sein,  der  aequitas 
zu  entsprechen.  Sie  haben  also  in  Fällen,  wo  modernere  Ge- 
rechtigkeitsüberzeugung den  Sinn  eines  älteren  Rechtssatzes 
überholt  hatte,  sich  nirgends  gescheut,  in  ihn  diese  neuere 
Überzeugung  hineinzuinterpretieren;  ihre  interpretatio  ist 
fortbildend. 

Die  in  einem  Gutachten,  oder  einer  literarischen  Arbeit 
ausgesprochene  Rechtsansicht  eines  Juristen  hat  nur  das  Ge- 
wicht, welches  ihre  innere  Begründung  oder  das  äußere  An- 
sehen ihres  Urhebers  ihr  verleihen;  ebenso,  wie  die  von  einem 
Juristen  entworfene  Geschäfts-  oder  Aktionsformel  erst  die 
Probe  zu  bestehen  hat,  ob  sie  Anerkennung  findet.  Die  über- 
einstimmende Ansicht  der  zeitgenössischen  Juristen  (iuris  pen- 
toj'um  auctoritas,  prudentimn  interpretatio  u.  ä.)  aber  ist  von 
dem  römischen  Volke  als  ausreichend  angesehen,  um  ihrem 
Inhalt  den  Charakter  des  Rechtssatzes  und  zwar  des  ins  civile 


30)  Cic.   de  orat.  I,  45,   200. 

31)  Cic.  de  orat.   I,  48,  212,  pro  Mur.  9,  22.     Jörs  S.  82. 

32)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  49. 


—     94    — 

aufzuprägen,  ja  es  hieß  ins  civile  im  engsten  Sinne  gerade 
dies  Juristenrecht. ^^)  Solche  Rechtsbildung  durch  die  Juristen 
ist  einer  der  wesentlichsten  Hebel  zum  Fortschritte  des 
römischen  Rechts  in  seinen  verschiedensten  Zweigen  gewesen, 
Sie  läßt  sich  aber  von  der  Fortbildung  des  Rechts  durch  die 
Verkehrsgewohnheit  und  die  gerichtliche  Praxis,  durch  die 
Edikte  und  nachmals  die  kaiserlichen  Konstitutionen  nicht 
rein  abscheiden,  weil  eben  bei  allem  diesem  die  Juristen  und 
ihre  Lehren  die  Hand  mit  im  Spiele  hatten.^*) 


^^')  Cic.  Top.  5,  28  ius  civile  .  .  .  quod  in  legibus,  senatus  consultis,  rebus 
iudicatis,  iuris  perilorum  auctoritate,  edictis  magistratuum,  more,  aequitate 
consistat.  Pomp.  D.  I.  2,  2,  5  sagt  von  dem  Juristenrecht,  daß  es  keinen 
eigenen  Namen  führe,  wie  die  anderen  Zweige  der  Rechtsordnung:  propria 
parte  (appellationer)  non  appellatur  ut  ceterae  partes  iuris  suis  nominibus 
designantur  datis  propriis  nominibus  ceteris  partibus  [datis  .  .  .  partibus  delen- 
dumf\  sed  comrauni  nomine  appellatur  ius  civile.  Im  §  12  spricht  Pomponius 
vom  proprium  ius  civile,  quod  sine  scripto  in  sola  prudentium  interpretatione 
consistit.  Das  heißt  also,  daß  es  ein  ius  civile  im  weiteren  und  im  engeren 
Sinne  gibt.  Gesetze  und  andere  Dinge,  die  dazu  gehören,  haben  ihre  spe- 
ziellen Namen  und  nehmen  außerdem  an  der  gemeinsamen  Bezeichnung  als 
ius  civile  teil,  dagegen  hat  das  Juristenrecht  keinen  besonderen  Namen,  sondern 
ist  auf  den  allgemeinen  Namen  ius  civile  angewiesen,  der  dann  auch  im 
engeren  Sinne  gerade  das  Juristenrecht  allein  trifft.  Das  scharfsinnige  und 
gründliche  Buch  von  Ehrlich,  Beiträge  zur  Theorie  der  Rechtsquellen  I 
(Berlin  1902)  geht  m.  E.  darin  entschieden  zu  weit,  daß  es  den  Ausdruck  ius 
civile  ausschließlich  für  die  Rechtstheorie,  das  in  den  Schriften  der  Juristen 
anerkannte  Gewohnheitsrecht  und  das  von  den  Juristen  geschaffene  Juristen- 
recht  in  Anspruch  nimmt  und  behauptet,  ius  civile  bedeute  nie  das  positive 
Gesetzesrecht  (S.  47).  Den  Ausspruch  Papinians  D.  I,  1,  7  pr. :  Ius  autem 
civile  est,  quod  ex  legibus,  plebisscitis,  senatus  consultis,  decretis  principum, 
auctoritate  prudentium  venit,  sucht  Ehrlich  als  der  Interpolation  verdächtig 
und  als  „gar  so  vereinzelt"  beiseite  zu  schieben  (S.  138  f.),  während,  wie 
oben  gezeigt,  doch  auch  Pomponius  einen  gemeinsamen  Namen  ius  civile 
kennt,  der  sehr  wohl  auch  das  Gesetz  umfassen  kann.  Übrigens  gibt  Ehrlich 
zu,  daß  im  Erbrecht,  und  vereinzelt  mit  Bezug  auf  die  XII  Tafeln  auch 
außerhalb  des  Erbrechts  ius  civile  mit  Einschluß  des  Gesetzesrechts  gebraucht 
wird  (S.  131  ff.).  Es  fehlt  aber  an  einer  befriedigenden  Erklärung  dafür,  warum 
nur  in  diesen  Grenzen  das  Gesetz  als  ius  civile  bezeichnet  worden  wäre.  Die 
Ungültigkeit  der  Schenkungen  unter  Ehegatten  führt  Ehrlich  auf  das  ius 
civile  in  seinem  Sinne  zurück  (S.  44  ff.),  und  doch  hat  Alibrandi  bewiesen, 
daß  sie  auf  einem  Gesetz  des  Augustus  beruht.  S.  \Vi  ndscheid  -  K  i  pp  III, 
§  509  Anmerk.   1. 

8*)  Vgl.  ob.  S.  20.  49.  60  f. 


—     95     — 

Manche  Institute  trugen  den  Namen  der  Juristen,  die  sie 
zuerst  zur  Anerkennung  gebracht  haben,  z.  B.  die  7'egula  Ca- 
toniana  (I,  i  [Vater  oder  Sohn?],^^)  formula  Rtitiliana,^^)  usii- 
capio  ex  Rutiliana  constitutione  (I,  3  ?),  ^^)  caiitio  Muciana 
(I,  4),^^)  stipulatio  Aquiliana  (I,  5),^^)  iudicium  Cascelliammi 
(I,  10);**')  doch  ist  dieses,  wie  61t /orjnula  Rutiliana  auf  die 
Prätur,  nicht  auf  die  wissenschaftliche  Tätigkeit  ihrer  Urheber 
zurückzuführen. 

III.  Erhalten  ist  von  den  Schriften  der  republikanischen 
Juristen  nichts  unmittelbar,  wir  kennen  nur  manches  davon 
aus  Anführungen  und  Auszügen. 

2.  Die  klassische  Rechtswissenschaft. 

§  17. 

Stellung-    und  Tätigkeit    der    klassischen   Rechtswissen- 
schaft im  allgemeinen. 

I.  Bereits  in  den  letzten  Zeiten  der  Republik  begann  die 
Rechtswissenschaft  sich  zu  der  Blüte  zu  erheben,  die  in  den 
ersten  Jahrhunderten  der  Kaiserzeit  zur  vollen  Entfaltung  ge- 
langte. Bis  etwa  zur  Mitte  des  dritten  Jahrhunderts  n.  Chr. 
reicht  diese  Zeit  der  klassischen  Jurisprudenz.  Der  Einfluß 
der  Juristen  auf  das  Rechtsleben  erfuhr  in  der  Kaiserzeit  eine 
wesentliche  Steigerung  durch  die  Einführung  des  ins  res- 
pondendi,  g^mner publice  respondendi  iiis.^)  Die  Macht,  welche 
die  Juristen  durch  die  Erteilung  von  Rechtsgutachten  über 
die  Bevölkerung  hatten,  mußte  es  dem  Kaisertum  wünschens- 
wert erscheinen  lassen,  die  Jurisprudenz  zur  Freundin  zu  haben 
und  sie  zugleich  in  Abhängigkeit  vom  Kaiser  zu  bringen.  Beides 
wurde  durch  das  Institut  des  ins  respondendi  erreicht.  Es 
haben  nämlich  schon  unter  Augustus   bedeutende  Juristen  aus 

35)  Cels.  D.  XXXIV,   7,   1.      36)  Gai.  IV,  35.      37^  Fr.  Vat.   1. 

38)  Ulp.  D.  XXXV,   1,   7  pr. 

39)  J.   II,  29,  2.      40)  Gai.  VI,   166  a.   169. 

1)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  48—50.     Gai.  I,  7.  J.  I,  2,  8. 


—     96     — 

dem  Senatorenstande,  seit  Tiberius  auch  aus  dem  Ritterstande 
(zuerst  Sabinus,  §  19,  5)  von  den  Kaisern  ein  besonderes  Recht,  zu 
respondieren,  publice  respondendi  ms,  verliehen  erhalten.  Die 
so  Privilegierten  respondieren  ex  auctoj'itate  principis,^)  was 
wenigstens  annähernd  richtig  als  Respondieren  im  Namen  des 
Kaisers  wiedergegeben  werden  kann.  Über  die  Kraft  ihrer 
förmlich  erteilten  Responsa  geben  die  Quellen  keine  klare 
Auskunft.  Der  Kaiser,  der  im  Anfang  noch  nicht  eigentlich 
als  Gesetzgeber  auftritt,  kann  unmöglich  dem  einzelnen  Juristen 
die  Befugnis  erteilt  haben,  mit  Gesetzeskraft  zu  respondieren, 
und  obwohl  er  der  höchste  Richter  war,  so  kann  man  daraus 
kaum  ableiten,  daß  er  den  von  ihm  autorisierten  Juristen  auch 
nur  die  Macht  hätte  beilegen  können,  durch  ihre  ausge- 
sprochene Rechtsansicht  den  Richter  in  dem  konkreten  Falle 
formell  zu  binden,  in  welchem  das  Responsum  ergangen  war. 
Natürlich  aber  mußte  ein  im  Namen  des  Kaisers  auftretendes 
Responsum  in  den  Gerichten  von  ganz  besonderem  Ansehen 
und  wird  von  vornherein  nicht  leicht  mißachtet  sein.  Daß 
der  Richter  rechtlich  verpflichtet  war,  es  zu  befolgen,  voraus- 
gesetzt natürlich,  daß  ihm  nicht  ein  abweichendes  Responsum 
eines  andern,  gleich  privilegierten  Juristen  vorgelegt  wurde, 
wird  sich  erst  allmählich  in  der  Praxis  festgestellt  haben. 
Wäre  die  Grundlage  des  wichtigen  Institutes  eine  klare  ge- 
wesen, so  würde  es  auch  in  unserer  Überlieferung  nicht  so 
verschwommen  auftreten,  wie  geschieht. 

Man  muß  in  der  Einführung  des  ins  respondendi  einen 
meisterhaften  Zug  des  Augustus  erkennen.  Die  Macht  und 
die  Ehre  der  Jurisprudenz  erhöhend,  stellte  er  beide  als 
einen  Abglanz  der  kaiserlichen  Macht  dar;  der  Jurist,  welcher 
solche  Macht  vom  Kaiser  zu  Lehen  empfing,  schuldete  ihm 
Dank,  und  die  Auswahl  der  Personen,  denen  man  sie  gab, 
konnte  zu^^leich  politisch  zu  Gunsten  des  Kaisertums  wirken 
und,  sachgemäß  gehandhabt,  eine  wirkliche  Hebung  der  Justiz 
bedeuten,  auf  welche  hinzuwirken  die  Kaiser  sich  vielfach 
haben  angelegen   sein    lassen.     Die    Verleihung    ist    zum    Teil, 


*)  Pomp.   U.    1,   2,   2,  49:      primus    divus    Augustu?;    ut    niaior    aucloritas 
iuris  babcn-Uir,   constituit,   ut   ex   auctoritate  eius   responden-nt. 


—     97     — 

aber  gewiß  nicht  immer,  auf  Antrag  des  Privilegierten 
erfolgt.  ^) 

Die  nicht  mit  dem  ins  respondendi  ausgestatteten  Juristen 
muiSten  neben  den  dieses  Privilegiums  Teilhaftigen  in  eine 
zweite  Klasse  zurücktreten.  Jjiris  considti  war  die  offizielle 
Bezeichnung  der  autorisierten  Juristen,*)  und  man  geht  im  all- 
gemeinen wenigstens  nicht  fehl,  wenn  man  annimmt,  daß,  wo 
Juristen  als  Autoritäten  mit  den  Ausdrücken  pmdentcs,  mris 
auctores,  auctoj'es  u.  ä.  genannt  werden,  jetzt  nur  die  Autorisierten 
gemeint  sind.  Ausschließlich  auf  sie  gehen  jedenfalls  Ausdrücke 
wie  iui'a  constituentes,  ^)  ii  qidbus  permissum  est  iura  condere  ^) 
und  die  späten  Bezeichnungen  leguni  auctores,  latores,  conditores. 
Natürlich  aber  mußten  sich  die  privilegierten  Juristen  aus  den 
nicht  privilegierten  rekrutieren.  Es  ist  auch  den  nicht  Privi- 
legierten das  Respondieren  keineswegs  verboten,  nur  hatte  ihr 
Responsum  mit  dem  eines  Autorisierten  nicht  gleiche  Kraft. 

Die  notwendige  Form  der  prozessualisch  gültigen,  der 
Partei  erteilten  Responsen  scheint  darin  bestanden  zu  haben, 
daß  sie  unter  dem  Siegel  des  Respondenten  abgegeben  wurden.  '') 
Wenn,  wie  man  annehmen  sollte,  dies  den  Zweck  hatte,  das 
Responsum  erst  vor  dem  Richter  zu  entsiegeln,  so  muß  der 
Partei,  die  der  Kenntnis  von  seinem  Inhalt  nicht  entraten 
konnte,  dieser  auf  anderem  Wege,  durch  Abschrift  oder 
scripttira  exterio)'  auf  derselben  Urkunde  (unt.  §  33)  mitgeteilt 
sein.  Die  Angabe  von  Gründen  war  für  die  Gültigkeit  des  Re- 
sponsums  nicht  erforderlich.^)  Wenn  Magistrat  ^)  oder  Judex^^) 
sich  an  einen  Juristen    um  Auskunft  wandten,    so  handelte  es 


")  Das  Reskript  Hadrians  an  die  viri  praetorii  bei  Pomponius  D.  I,  2, 
2,  49  kann  für  eine  besonders  höfliche  Gewährung  des  erbetenen  Privilegs, 
aber  auch  für  Zurückweisung  des  Antrags  als  eines  unschicklichen  genommen 
werden;   eher  ist  es  das  letztere. 

*)  J.  I,  2,  8.  Paul.  D.  XII,  1,  40. 

s)  Pomp.  D.  L,   16,  120.       «)  Gai.  I,  7. 

')  Pomp.  D.  I,  2,  2,  49  sagt  von  der  Zeit  vor  der  Einführung  des  ius 
respondendi:   neque  responsa   utique  signata  dabant. 

®)  Seneca  epistol.     94,  27. 

9)  Z.  B.  Ulp.  D.  IV,  4,  3,   1,  D.  XXIII,  4,  2. 

10)  Gell.  XII,  13,   1—3. 

Kipp,  Quellen  des  röm.  Rechts.  7 


—     98     — 

sich  wohl  immer  um  einen  formell  unverbindlichen  Rechtsrat;") 
denn  der  Prozeß  hat  kein  Mittel,  den  Richter  anzuhalten,  von 
einem  von  ihm  eingeholten  Gutachten  den  Parteien  Mitteilung  zu 
machen  und  es  zu  befolgen.  VV'enn  der  Beamte  den  Kaiser 
konsultiert,  so  ist  dies  eine  Amtshandlung,  die  er  den  Parteien 
durch  Interlokut  ankündigt;  die  Einholung  des  Gutachtens  eines 
Juristen  ist  Privatsache.  Auch  wenn  die  Partei  konsultierte, 
haben  die  Juristen  oft  formlos  und  unverbindlich  Rechts- 
rat erteilt;  denn  es  ist  bei  der  Konsultation  eines  Juristen 
nicht  immer  um  eine  unmittelbar  prozessual  verwertbare  Ant- 
wort zu  tun. 

Im  Inhalt  sind  die  Responsa  den  Rechtweisung  erteilenden 
kaiserlichen  Reskripten  durchaus  ähnlich.  Sie  stellen  entweder 
nur  abstrakte  Rechtssätze  hin  oder  geben  zwar  konkrete  Ent- 
scheidungen, diese  aber  nur  unter  der  ausgesprochenen  oder 
stillschweigenden  Bedingung  der  Richtigkeit  und  Vollständig- 
keit des  vorgetragenen  Tatbestandes  oder  unter  Hervorhebung 
bestimmter  zu  bewahrheitender  Bedingungen.^^)  Auch  haben 
die  Juristen  (wie  die  Kaiser)  nach  Umständen  den  Fragesteller 
einfach  an  den  Richter  verwiesen.'^) 

Gesetzeskraft,  d.  h.  verbindliche  Kraft  für  andere  Fälle 
als  den  konkreten,  zu  dem  es  erging,  hat  das  Responsum 
nicht  gehabt.  Es  lag  aber  in  der  Natur  der  Sache,  daß  man 
die  Frage,  ob  eine  feste  Meinung  der  Jurisprudenz  vorläge, 
der  man  jetzt  wie  früher  den  Wert  des  Rechtssatzes  beimaß,^*) 
jetzt  nur  nach  den  Ansichten  der  autorisierten  Juristen  be- 
antwortete ^^)  und  diejenigen  der  nicht  autorisierten  als  unter- 
geordnet beiseite  ließ.  Wie  es  scheint,  hat  man  aber  früh 
begonnen,  in  den  Gerichten  auch  das  einzelne  Responsum 
(urkundlich  oder  auf  Grund  literarischer  Veröffentlichung),  wie 

U)  Daher  suadere  bei  Ulp.  D.  IV,  4,  3,  1.  Jul.  D.  XL,  '2,  5;  freilich 
kommt  auch  respondere  vor.   Ulp.   D.   XXIII,   4,   2. 

12)  Paul.  D.  III,  2,  21.  Scacvol.  D.  VI,  1,  67.  XXII,  1,  18  pr.  XLII. 
8,  21.     XLVI,  8,  90. 

13)  NamenUich  Scaevola:  D.  XXXIII,  1,  18,  1.  XXXIV,  1.  15,  1.  XXXIV, 
3,  28,  2.     XXXV,  2,  95,  2. 

H)  Pap.  D.  I,   1,  7. 

15)  Auctoritas  iura  coustitucntium  hei  I'omp.  I».  L,  16,  120  kann  uur 
auf  die  privilegierten  Juristen  gi-hen. 


—     99     - 

unsere  höchstrichterlichen  Erkenntnisse,  für  fernere  Fälle,  auf 
die  es  paßte,  zu  Grunde  zu  legen,  ohne  genau  zu  prüfen,  ob 
es  gemeiner  Meinung  der  Juristen  entspreche.  Dies  konnte 
sich  leicht  auf  die  anderweit,  nicht  in  Responsenform,  ver- 
öffentlichte Rechtsansicht  des  autorisierten  Juristen  übertragen, 
und  man  konnte  so  dahin  kommen,  die  einzelne  Schriftstelle 
eines  autorisierten  Juristen  wie  einen  Gesetzestext  zu  citieren. 
Das  Reskript  Hadrians,  ^'')  welches  Gai.  i,  7  anführt,  läßt 
sich  am  besten  dahin  erklären,  daß  bereits  Hadrian  einem 
solchen  Mißbrauch  gegenüberstand  und  dagegen  einschärfte, 
daß  die  Ansichten  und  Meinungen  der  autorisierten  Juristen 
(die  Gajus  geradezu  mit  deren  Responsen  indentifiziert)  nur 
dann  Gesetzeskraft  haben,  wenn  alle  übereinstimmen,  wenn 
also  gemeine  Meinung  in  dem  alten  Sinne  vorHegt.  In  der 
hadrianischen  Zeit  kann  man  sich  jenen  Mißbrauch  aber  nur 
bei  Geschworenen  und  niederen  Behörden  denken;  bei  den 
höheren  Gerichten,  in  welchen  die  hervorragenden  Juristen 
selbst  saßen,  ist  nicht  glaublich,  daß  sie  geneigt  gewesen 
wären,  dem  einzelnen  Ausspruch  eines  Fachgenossen  blinde 
Folge  zu  leisten.  i\uch  die  gemeine  Meinung  der  Juristen 
war  nichts  Starres,  sondern  im  beständigen  Fortschritt  be- 
griffen und  dem  autorisierten  Juristen  selbst  gegenüber  unver- 
bindlich, der  den  Widerspruch,  der  ihre  Kraft  brach,  selbst 
einzulegen  im  stände  war.  Mit  dem  Sinken  der  Jurisprudenz 
im  dritten  Jahrhundert  macht  sich  das  Anführen  einzelner 
Stellen  aus  den  klassischen  Juristen,  als  wären  es  Gesetzestexte, 
wieder  geltend  und  wird  selbst  in  kaiserlichen  Konstitutionen 
gebräuchlich.^^) 

IL    Die  juristische  Literatur  dieser  Zeit  ist  sehr  vielseitig. 
Ihre  Hauptgruppen  sind: 


J«)  Vgl.  Eisele,  Zeitschr.  der  Sav.-Stift.  XI  (1890)  S.   199  ff. 

1')  Carus  Carin.  et  Numer.  C.  J.  VI,  42,  16.  Diocl.  C.  J.  V,  71,  14. 
IX,  22,  11.  IX,  41,  11.  Bei  Anführung  von  Responsen  in  einer  Zeit,  die 
der  Lebenszeit  des  Respondenten  noch  nahe  steht  (C.  J.  V,  4,  6  [Hadrian  — 
Paulus].  VI,  37,  12  [Alexander  —  Papinian]),  hat  man  allerdings  mit  der  Mög- 
lichkeit zu  rechnen,  daß  das  Responsum  in  demselben  konkreten  Fall  ergangen 
ist,  wie  das  Reskript.  Sicher  so:  Gord.  C.  J.  III,  42,  5:  merito  tibi  a  .  .  . 
Modestino  responsum  est. 


—     100     — 

1.  Lehrbücher  für  Anfänger:  institittiones,  enchiridia. 

2.  Bücher  knapp  gefaßter  Rechtsregeln  und  Definitionen: 
regulae.  dcfinitioncs,  sententiae,  opiniones,  teils  für  Unterricht, 
teils  für  Praxis. 

3.  Sammlungen  von  responsa,  wohl  nur  autorisierter 
Juristen,  epistolae,  teils  Responsa,  teils  sonstige  Rechtsbeleh- 
rungen, namentlich  auch  an  Schüler  des  Verfassers  enthaltend, 
qiiaestiones  und  dispiitationes,  Erörterungen  von  Rechtsfragen, 
teils  in  Anlehnung  an  konkrete  Fälle,  teils  rein  theoretisch, 
vorwiegend  aus  wirklich  gepflogenen  mündlichen  Besprechun- 
gen  eines  Rechtslehrers   mit   seinen  Schülern   hervorgegangen. 

4.  Kommentare  zum  prätorischen,  ädilicischen  und  Pro- 
vinzialedikt. 

5.  Gesamtdarstellungen  des  ms  civile.  Eine  solche  in 
kurzer  Form  schrieb  Massurius  Sabinus  (libri  tres  iuris  civilis). 
Die  Späteren  lehnten  sich  zum  Teil  an  ihn,  zum  Teil  an  O. 
Alucius  Scävola  an:  libri  ad  Q.  Muciimi,  ex  Q.  Mucio.  ad 
Sabhium,  ex  Sabino.  Auch  Kommentare  zu  den  XII  Tafeln 
wurden  noch  geschrieben. 

6.  Digesta,  vereinigte  Darstellungen  des  ins  Jionorarium 
und  des  iiis  civile.  Das  Ediktsrecht  steht  als  Hauptmasse 
voran,  das  ius  civile  folgt  in  einer  herkömmlichen  Ordnung.^^) 

7.  Eine  reiche  Fülle  anderweitiger  Schriften,  Kommentare 
zu  wichtigen  leges,  insbesondere  zu  den  leges  Jidia  et  Papia 
Poppaea.^  zu  wichtigen  Senatuskonsulten  und  sonstige  Mono- 
graphien verschiedenster  Art. 


§   18. 
Die  beiden  Schulen. 

Die  beiden  Juristenschulen')  der  Sabinianer  (Cassianer)  und 


1**)  Lenel,  Palingenesia  II  col.   1255  sq. 

>)  Pomp.  D,  I,  2,  2,  47  sqq.  Bremer,  die  Rechtslehrer  und  Rechts- 
schulen im  römischen  Kaiserreich.  Berlin  1868.  Neuestens  Baviera  le  due 
scuole  dei  giureconsulti  Romani.  Firenze  1898,  dazu  Kipp  Zeitschr.  d.  Sav.- 
Stift.  XXI  (1900)  S.  392  ff.  Kalb,  Jahresber.  f.  Altertumswissenschaft  CIX 
(1901   II)  S.  34  f. 


—     101     — 

Proculianer,  welche  zu  Anfang  der  Kaiserzeit  einander  gegen- 
übertraten, müssen  mit  der  Organisation  des  Rechtsunterrichts 
in  Verbindung  gesetzt  werden.     Unter  Augustus,  so  berichtet 
Pomponius,  standen  einander   gegenüber:    M.  Antistius  Labeo, 
ein  selbständiger  Kopf  und  Charakter,   daher  auch   republika- 
nisch   gesinnt^)    und    auf   dem    Gebiete    der    Jurisprudenz    ein 
kühner  Neuerer,^)   und  C.  Atejus  Capito,    ein  gefügiger  Mann, 
der  sich  bei  dem  Gegebenen  in  der  Politik^)  wie  in  der  Rechts- 
wissenschaft   beruhigte.-^)     Diese  sollen    zuerst    gewissermaßen 
zwei  sectae  hervorgerufen  haben,  und  ihre  Meinungsverschieden- 
heiten von  ihren  Nachfolgern  noch  vermehrt  sein.     An  Labeo 
knüpfen    die    Proculianer    an,    als    welche    Pomponius    nennt: 
Nerva    Pater,    Proculus,    Nerva     Filius,    Longinus,     Pegasus, 
Celsus  Pater,  Celsus  Filius,  Neratius.     Auf  Capito    werden  zu- 
rücksfeführt  die  Sabinianer    oder  Cassianer.     Als   solche  zählt 
Pomponius  auf:  Massurius  Sabinus,  Cassius,  Caelius  Sabinus, 
Javolenus,    Valens,    Tuscianus,    Julianus.      Die    zerstreuten  und 
zum  Teil    recht    untergeordneten  Kontroversen,    welche   unter 
diesen  Schulen  verhandelt  wurden,**)  weisen  auf  einen  einheit- 
lichen Gegensatz    der    wissenschaftlichen  Grundrichtung    nicht 
hin.')      Ihr    Gegensatz    muß    also    ein    äußerer    gewesen    sein. 
Wir  wissen,  daß    der  Rechtsunterricht  jetzt    schulmässiger  or- 
ganisiert war  als    zu  Zeiten  der  Republik,    und  wahrscheinlich 
hielten  die  Schulen,  ähnlich  den  Philosophenschulen  genossen- 
schaftlich zusammen,  und  ist  die  Nacheinanderfolge  (siiccessio) 
der  als  Schulhäupter  von  Pomponius  Genannten  auf  Vorstand- 
schaft   und  Lehramt    in    solcher  Genossenschaft    zu    beziehen. 


2)  Tac.  annal.   III,   75:   incorrupta  libertate. 

3)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  47:  ingenii  qualitate  et  fiducia  doctrinae,  qui 
et  ceteris  operis  sapientiae  operam  dederat,   plurima  innovare  instituit. 

*)  Tac.  annal.  III,  75:  Capitonis  obsequium  dominantibus  magis  pro- 
babatur.  III,  70  sagt  ihm  Tacitus  sogar  eine  sehr  gemeine  Handlungsweise 
nach,  ein  schändliches  Kriechen  unter  dem   Scheine  des  Freimuts. 

^)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  47  :  In  his  quae  ei  tradita  fuerant  perseverabat. 

«)  Vgl.  Gai.  I,  196.  II,  15.  37.  79.  123.  195.  200.  216  sqq.  231. 
244.  III,  87.  98.  103.  133.  141.  161.  167  a.  168.  177  sq.  IV,  78.  79. 
Lenel,  Palingen.   II,  col.  216.     Baviera  p.  38  sq. 

')  Einen  solchen  behauptet  noch  neuerdings  Voigt,  Rechtsgesch.  II 
S.   222  ff.   und  in  anderer  Weise  Bremer  iurispr.  Antehadr.  II,  1.  23.  348  sqq. 


—     102     — 

Der  Name  Cassiani  überwiegt  in  der  klassischen  Zeit  den  der 
Sabiniani,  und  Pomponius  sagt  genau  gelesen  ganz  deutlich,^) 
daß  zu  der  Zeit,  da  Cassius  und  Proculus  einander  gegenüber 
standen,  die  Namen  Cassiani^)  und  Proculiani  aufkamen.  Von 
ihnen  sind  dann  die  Schulen  mit  Recht  auf  die  Lehrer  des 
Proculus:  Nerva  den  Älteren,  und  des  Cassius:  Sabinus,  zurück- 
datiert ;  mit  weit  zweifelhafterem  Recht  aber  haben  sie  sich 
weiter  bis  auf  Labeo  und  Capito  hinaufgerückt.  Nach  Gajus, 
der  sich  oft  als  Sabinianer  bekennt  (um  i6o  n.  Chr.),  ver- 
schwindet der  Gegensatz  der  Schulen.  Es  ist  zu  beachten, 
daß  Pomponius  bei  beiden  Schulen  die  Reihe  der  Häupter 
mit  mehreren  nebeneinander  schließt:  auf  selten  der  Procu- 
Haner  mit  Celsus  dem  Sohn  und  Neratius  Priscus,  auf  selten 
der  Sabinianer  mit  Valens,  Tuscianus  und  Julianus;  danach  liegt 
die  Annahme  nahe,  daß  beide  an  inneren  Spaltungen  zu 
Grunde  gegangen  sind. 


§    lÖ- 
Die  einzelnen  Juristen  von  Labeo  bis  JuHan. 

Wir  betrachten  nun  die  einzelnen  Juristen  der  klassischen 
Epoche  und  zwar  in  chronologischer  Folge,  wobei  freilich  zu 
beachten  ist,  daß  diese  Anordnungsweise  zum  Teil  nur  auf 
Vermutungen  gebaut  werden  und  nur  ein  annähernd  der 
Wahrheit  entsprechendes  Bild  zu  erzielen  hoffen  kann. 

I.  M.  Antistius  Labeo/)  gestorben  zwischen  lO  und  22 
n.  Chr.,  war  Prätor,  lehnte  das  Konsulat  ab")  oder  wurde  zu 
Gunsten  Capitos  davon  ausgeschlossen.'^)  Er  war  Schüler  des 
Trebatius  im    Anfangsunterricht,  hörte   aber  zahlreiche  Lehrer. 


8)  D.  I,  2,  2,  52. 

*)  Plin.  ep.  VII,  24,  8  nennt  Cassius  Cassianae  scholac  princeps  et 
parens. 

')  Pernice,  M.  Antistius  Labeo  B.  1  (Halle  1873)  S.  7  ff.  Jörs,  An- 
tistius No.  34  in  Pauly-Wissowas  Realencyklopädie. 

2)  So  Pomponius:  D.  I,  2,  2,  47. 

8)   So  Tac.    annal.   III,   75. 


—     103     — 

Seine  Charakteristik  ist  bereits  oben  (§  i8)  gegeben.  Er 
war  eine  geniale  Natur  von  vielseitiger  Bildung*)  aber  mit 
etwas  Neigung  zum  Doktrinarismus.'^)  Er  soll  je  sechs  Mo- 
nate mit  seinen  Schülern  verbracht,  sechs  Monate  geschrift- 
stellert,  und  400  Bände  hinterlassen  haben  :*^)  Ad  XII  tab. 
lidri,  ad  cd.  praetoris  iirbmii  libri  und  ad  ed.  praet.  pc7'egrini 
libri  (mindestens  30);  die  Citate  aus  beiden  Werken  sind  nicht 
genau  zu  unterscheiden;  responsor.  l.  (mindestens  15);  epistolar. 
libri;  jtiH-avä,  von  Paulus  epitomiert  und  kritisiert,  kasuistischer 
Natur;  de  iiire  pontificio  l.  (mindestens  15);  mindestens  40 
libri posterioi'um,  nach  seinem  Tode  herausgegeben,  von  Javolenus 
bearbeitet.  — 

2.  C.  Atejus  CapitO,')  Konsul  a.  5  n.  Chr.,  gest.  22, 
Schüler  des  Ofilius  (vergl.  über  seine  Persönlichkeit  §  18).^) 
Er  schrieb:  Coniectanea,  mindestens  8  B.,  de  iure  po7itißcio., 
mindestens  7  B.,  de  officio  senatorio,   i  B.  (Teil  der  coniectanea:). 

3.  Fabius  Mela  wird  neben  Labeo  citiert.")  Den  Servius 
Sulpicius  benützt  er,'")  Proculus  kritisiert  ihn.") 

4.  Vitellius  schrieb  ein  Werk,  das  zuerst  Sabinus  be- 
arbeitete.'^) 

5.  Massurius  Sabinus,  das  erste  Haupt  der  nach  ihm 
benannten  Schule,  war  von  geringer  Herkunft,  lebte  zumeist 
von  den  Beiträgen    seiner  Schüler,    trat  erst  mit    ungefähr  50 


*)  Gell.  XIII,  10:  iuris  quidem  civilis  disciplinam  principali  studio  ex- 
ercuit  et  consulentibus  de  iure  publice  responsitavit,  set  ceterarum  quoque 
bonarum  artium  non  expers  fuit  et  in  grammaticam  sese  atque  dialecticam 
litterasque  antiquiores  altioresque  penetraverat  Latinarumque  vocum  origines 
rationesque  percallueraf  eaque  praecipue  scientia  ad  enodandos  plerosque  iuris 
laqueos  utebatur. 

^)  Das  zeigt  die  Geschichte,  die  Gell.  X,  12  nach  einem  Brief  Capitos 
von  ihm  erzählt:  Als  einst  die  Volkstribunen  ihn  vor  sich  laden  ließen,  folgte 
er  nicht,  sondern  lielB  ihnen  sagen:  posse  .  .  ,  eos  venire  et  prendi  sc  iubere, 
sed  vocandi  absentem  ius  non  habere.  Das  formale  Staatsrecht  hatte  er  dabei 
auf  seiner  Seite,  aber  es  hatte  sich  eingebürgert,  daß  die  Tribunen  luden  und 
ihre  Ladungen  befolgt  wurden. 

6)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  47. 

')  J  ö  r  s  Atejus  3  in  Pauly-Wissowas  Realen cyklopädie. 

«)  D.  I,  2,  2,  47.     Tac.  ann.  III,  70.  75.  —  "•)  Ulp.  D.  XIX,  2,  13,  8. 

lOj  Ulp.  D.  XXXllI,  9,  8,   10.   —  ")  Ulp.  D.  IX,  2,   11  pr. 

12)  S.  jedoch  Note  16.  —   i3)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  48.  50. 


—      104     — 

Jahren  in  den  Stand  der  Ritter,  erhielt  aber  als  solcher  und 
zwar  als  erster  dieses  Standes  das  ius  respondefidi}^)  Er  schrieb 
noch  unter  Nero.^"')  —  Libj'i  ires  uiris  civilis,  ein  einflußreiches, 
oft  kommentiertes  Werk,^^)  ad  edict.  pi-aet.  urbani  liöri;  ad 
Vitcllinvi  libri;^'^)  responsor.  l.  (mindestens  2);  de  furtis  l.  sing.; 
assessoriwn,^"')  auch,  wie  es  scheint,  einen  Kommentar  zur  lex 
Jtdia  iudicioruin  privatomm}^^ 

6.  Minicius,  vielleicht  Schüler  des  Sabinus,'^)  von  Julian 
kommentiert. 

7.  M.  Coccejus  Nerva  der  ältere,  das  erste  Haupt  der 
nachmals  s.  g.  Proculianer,  wird  als  Kenner  alles  gött- 
lichen und  menschlichen  Rechts  gepriesen. ^°)  Er  hat  das 
Konsulat  bekleidet.^^)  Seit  dem  Jahre  24  n.  Chr.  war  er 
ciirato?'  aquarimiF-)  Dem  Tiberius  stand  er  als  einer  der  Ver- 
trautesten nahe,-^)  tötete  sich  aber  im  Jahre  33  n.  Chr.  aus 
Furcht  vor  schlimmem  x\usgang  dieser  Freundschaft,  die  ihm 
die  Schäden  des  Staates  so  recht  aus  der  Nähe  gezeigt  hatte."^*j 

8.  Nerva,     der    Sohn     des    vorigen,     ebenfalls    Pro- 


li)  Nach  dem  SC.  Neronianum.     Gai.  II,  218. 

15)  Über  das  System  s.  Leist,  Versuch  einer  Geschichte  der  römischen 
Rechtssysteme  (1850)  Taf.  I  zu  S.  44.  Voigt,  Aelius-  und  Sabinussystem 
Abh.  d.  kgl.  Sachs.  Gesellschaft  derWissensch.XVII(1879)  S. 319 ff.  Kariowa  I  S. 
687  ff.  Krüger  S.  151  f.  Lenel,  Palingenesia  h.  1.  Kipp,  Krit.  Viertel- 
jahresschr.  XXXIII  (1891)  S.  543  ff.  Lenel,  das  Sabinussystem, Festschr.  f.  Ihering, 
Stral3b.  1892,  S.  1  ff.     Kipp,  Gott,  gelehrte  Anzeigen   1895  S.  345 ff. 

16)  Nach  Bremer,  Jurisprud.  Antehadriana  II,  1  p.  27.5  nicht  ein  Kom- 
mentar zum  Werk  eines  Vitellius,  sondern  ein  einem  Vitellius  gewidmetes  Werk. 
Zustimmend  eine  Schrift  von  di  Marzo,  dagegen  mit  Recht  Baviera,  Arch. 
giur.  LXIII  (1899)  p.  154  sg.  Schneider,  Krit.  Vierteljahresschr.  XLIII 
(1901)   S.   228. 

17)  Ulp.  D.  XLVII,  10,  5,  8. 

18)  Gell.  XIV,  2,   1.      Wlassak,   Grünh.  Zeitschr.  XIX  (1892)  S.  705  ff. 

19)  D.  XII,   1,  22. 

20)  Tac.   annal.   VI,  26:   omnis  divini   humanique  iuris   sciens. 

21)  Tac.  ann.  IV,  58.     C.  J.   L.  VI,   1539.  9005. 

22)  Frontin.   de  aqu.    102. 

23)  Pomp.  I).  I,  2,  2,  48.  Tiberio  Cacsari  familiarissimus.  Tac.  annal. 
VI,  26 :  continuus  principi. 

24)  Tac.  ann.  VI,  26  ferebant  gnari  cogitationum  eius,  quanto  propius 
mala  rei  publicae  viseret,  ira  et  metu,  dum  integer  dum  intemptatus,  honestum 
finem   voluisse. 


—     105     — 

culianer,  Prätor  designatus  a.  65.^^)  Pomponius  weiß  nichts 
Rechtes  von  ihm  zu  sagen,-^)  aber  nach  Ulpian  soll  er  schon 
mit  17  Jahren  oder  wenig  älter  respondiert  haben.^^)  Er 
schrieb:  de  usiicapionibus  libri. 

9.  Cartilius,  von  Proculus   citiert.^^) 

10.  Proculus,  von  dem  die  proculianische  Schule  den 
Namen  trägt,  Nachfolger  Nervas  des  älteren.^^)  —  Epistolar.  l. 
(mindestens  ij);  ex  postei'iorib.  Labeonis  l.  (mindestens  3), 
vielleicht  hieraus  die  vereinzelt  angeführten  7iotae  zu  Labeo.^**) 

11.  Atilicinus,  wird  neben  Nerva  und  Proculus,  auch 
neben  Sabinus  und  Cassius  genannt. ^^)  Bei  Proculus  fragt  er 
um  Rat.32) 

12.  Fulcinius  Priscus  wird  neben  Mela  und  Atilicinus  ge- 
nannt.^^)  Er  zieht  Folgerungen  aus  einer  Ansicht  Labeos  ;^*) 
Neratius  citiert  ihn.^°) 

13.  C.  Cassius  Longinus,  von  dem  die  sabinianische 
Schule  den  anderen,  wahrscheinHch  älteren,  Namen  der  Cassianer 
trägt  (ob.  §  18),  war  durch  seine  Mutter  Enkel  Tuberos  und 
Urenkel  des  Servius  Sulpicius.  Er  war  Konsul  a.  30,^*^)  Prokonsul 
von  Asia  a.  40/41,^^)  Statthalter  von  Syrien  i.  J.  49,^^)  ein 
Mann  von  ausserordentlichem  Ansehen. ^^)  Unter  Nero  wurde 
er,  ein  Erblindeter,  durch  Spruch  des  Senates  nach 
Sardinien  verbannt,  weil  er  unter  seinen  Ahnenbildern 
das  Bild  des  Cäsarmörders  Cassius  behalten  hatte  ;^°)  unter 
Vespasian  wurde  er  zurückgerufen,  ist  aber  bald  darauf 
gestorben.*^)      Er  schrieb:   iia-is  civilis  l.  (mindestens   10)  von 


25)  Tac.  ann.  XV,   72.  —  26)  D.   I,   2,   2,   52:   fuit  eodem  tempore. 

27)  D.  III,  1,  1,  3.  —  28)  D.  XXVIII,  5,  70  (69). 

29)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  52.     30)  z.  B.  Ulp.  D.  III,  5,  9,   1. 

31)  Z.  B.  Paul.  D.  II,   14,  27  pr.     Ulp.  D.  IV,  8,  21,  9.    Paul.  D.  XVII. 
1,  45,  7.     Ulp.  D.  XVII,  2,  52,  18. 

32)  Proc.  D.  XXIII,  4,   17.  —  33)  Paul.  D.  XXV,  2,  8,  4.     XXV,  2,  6  pr. 
34)  Ulp.  D.  XXV,  1,  1,  8.  —  35)  D.  XXXIX,  6,  48. 

36)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  51.     C.  J.  L.  X,  1283. 

37)  Dio  Cass.  LIX,  29,  3.  —  38)  Tac.  ann.  XII,   11. 

39)  Pomp.   1.  c.  plurimum  in  civitate  auctoritatis    habuit,    Tac.  ann.   XII, 
12:    ceteros  praeminebat  peritia  legum. 

40)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  51.  52.  Tac.  ann.  XVI,  9.     Suet.  Nero  37. 
*i)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  52. 


—     10()     — 

Javolenus  bearbeitet;    iiotac    zu  Vitellius    oder  zu  Sabinus    ad 
Vitelliimi}^) 

14.  Ein  anderer  Longinus  wird  als  Proculianer  genannt 
und  zwar  als  Zeitgenosse  des  Proculus,  ihm  an  Bedeutung 
nachstehend.^^) 

15.  Cn.  Arulenus  Cälius  Sabinus  war  Nachfolger  des 
Cassius  in  der  Vorstandschaft  der  sabinianischen  Schule,  Konsul 
a.  69,*^)  unter  Vespasian  von  großem  Einfluß."*^)  Ad  edict. 
aedil.  air}^) 

16.  Urs  ejus  Feroxsteht  Cassius  und  Proculus  zeitlich  nahe. 
Er  ist  öfter  der  Berichterstatter  der  Späteren  über  Ansichten 
der  Genannten.*^)  Julian  bearbeitete  ein  Werk  von  ihm  (unt.  33). 

17.  Juventius  Celsus  der  ältere  war  der  Nachfolger 
des  Pegasus.'*^) 

18.  Paconius,  von  Ulpian  und  von  Paulus,  vielleicht  nach 
Plautius,  angeführt.*^) 

19.  Plautius,  schrieb  zwischen  Cassius  und  Proculus, 
die  er  citiert,^^j  und  Javolenus,  der  ihn  kommentiert,  ein  von 
Späteren  öfter  bearbeitetes  Werk. 

20.  C.  Octavius  Tidius  Tossianus  Javolenus  PrisCUS, 
Nachfolger  des  Cälius  Sabinus,^')  in  der  zweiten  Hälfte  des 
I.  und  im  Anfang  des  2.  Jahrhunderts  in  zahlreichen 
Amtern  tätig  (Kommandeur  verschiedener  Legionen,  Statt- 
halter von  Britannien,  Germania  superior,  Syrien,  Afrika,^^) 
Lehrer  Julians. ■^■"')  Vielleicht  nur  wegen  eines  empfindlich 
treffenden  Witzes  bringt  ihn  Plinius  der  Jüngere  in    den   Ver- 


12)  D.  XXXIII,  7,  12,  27.  S.  noch  J  ö  r  s,  Cassius  60  in  Pauly-Wissowas 
Realencyklop. 

43)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  52.  —  44)  Tac.  bist.  I,  77. 

-15)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  53.  —  ^6)  Gell.  IV.  2,  3. 

*7)  Paul.    D.  VII,  4,   10,   5.   Ulp.   D.   IX,  2,  27,   1. 

^»)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  53. 

*9)  Ulp.  D.  XIII,  6,   1,    1.      Paul.   D.  XXXVII,   12,  3  pr. 

•''0)  D.  XXXIV,  2,  8.     XXXV,  1,  43  pr.  —  01)  Pomp.  D.  I,  2,  2,    53. 

52)  C.  J.  L.  III,  2864.  Dessau  1015.  1998.  Heron  de  Villefosse, 
comptes  rendus  des  seances  de  l'Acad.  des  inscr.  et  heiles  leltres  IV, 
22  1894  p.  228  suiv.  Kalh,  Jahresbericht  f.  Altertumswissensch.  LXXXIX 
(1896  II)  .S.  228  f. 

5B)  Das  sagt  Julian  selbst   I).  XL,  2,  5- 


—     107     — 

dacht,  geistig  nicht  ganz  gesund  gewesen  zu  sein;  jedenfalls 
hinderte  dies  nicht,  dass  er  amtlich  tätig  war,  zu  Konsilien 
zugezogen  wurde  und  respondierte.^*)  Javolenus  schrieb : 
Epistolar.  l.  XIV,  ex  Cassio  l.  XV,  ex  Plaiitio  l.  V.  zwei  Be- 
arbeitungen von  Labeos  posteriora :  Labeonis  libri  posteriorum 
a  Javoleiw  epitomati  (mindestens  6  B.)  und  Javoleni  libri  ex 
posterioribus  Labeonis  (lo  B.).  Daß  diese  beiden  Werke  iden- 
tisch sind,  ist  nicht  wahrscheinlich.^'') 

21.  Pegasus,  Nachfolger  des  Proculus,  unter  Vespasian 
Präfectus  urbi.^^j 

22.  Von  Fufidius  citiert  African  (37)  ein  2.  Buch  quaestio- 
mtin,  worin  auf  Atilicinus  Bezug  genommen  wird.^^)  Anderswo 
lässt  Ulpian  den  Atilicinus  von  einem  Aufidius  Chius  citiert 
werden.^^)  Vielleicht  ist  dieser  mit  jenem  Fufidius^^)  identisch. 

23.  Varius  LucuUus  wird  von  ^Aristo  (24)  citiert.®") 

24.  Titius  Aristo,  Freund  des  jüngeren  Plinius,  der  ihn 
sehr  rühmt, ®^)  Konsiliar  Trajans,®^)  gesucht  als  Respondent  und 
Advokat.^^)  Notae  zu  Labeos  posteriora,  zu  Sabinus  ad 
Vitellium,  vielleicht  auch  zu  dessen  libri  iuris  civilis  \  zu  Cassius' 
libri  iuris  civilis ,   decreta  Frontiana  (zweifelhaften  Charakters). 


5*)  Plin.  ep.  VI,  15.  Passennus  Paulus  ....  scribil  elegos  .  .  .  Is  cum 
recilaret,  ita  coepit  dicere  ,Prisce  iubes'.  Ad  hoc  Javolenus  Priscus  (aderat 
enim  ut  Paullo  amicissimus)  ,ego  vero  non  iubeo'.  Cogita  qui  risus  hominum 
qui  ioci.  Est  omnino  Priscus  dubiae  sanitatis.  Interest  tarnen  officiis,  adhibetur 
consilüs  atque  etiam  ius  civile  publice  respondet, 

5-'')  Für  die  Identität:  Lenel,  Palingenesia  I  col.  299  nota  4.  Dagegen: 
Kariowa  I  S.  698,  Krüger  S.  163f.  Daß  die  Kompilatoren,  wie  Lenel 
meint,  das  erste  Werk  künstlich  aus  dem  zweiten  herausgezogen  haben,  um 
mit  Labeos  Namen  zu  prunken,  kommt  mir  nicht  sehr  wahrscheinlich  vor. 

56)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  53.  —  57)  D.  XXXIV,  2,  5.  —  ssj  Fr.  Vat.  77. 

59)  Und  mit  dem  von  Martialis  V,  61,  10  (unter  Domitian)  genannten 
Aufidius. 

60)  D.  XLI,   1.   19. 

61)  Plin.  ep.  I,  22:  Nihil  enim  est  illo  gravius,  sanctius,  doctius  .  .  . 
quam  peritus  ille  et  privati  iuris  et  public! !  quantum  rerum,  quantum  exem- 
plorum,  quantum  antiquitatis  tenet!  Nihil  est  quod  discere  velis,  quod  ille  docere 
non  possit,   cet. 

62)  Pap.  D.  XXXVII,    12,  5. 

63j   Plin.  ep.   I,   22,   6:   multos  advocatione,  plures  consilio  iuvat. 


—     108     — 

25.  Vivianus,  schrieb  über  das  Ediktsrecht,  wird  von 
Ulpian  nach  Celsus  angeführt.^^j 

26.  P.  Juventius  CelsUS  T  i  t  u  s  Aufidius  Oenus  Severianus, 
Sohn  des  unter  17  Genannten,  Nachfolger  seines  Vaters  im 
Vorstand  der  proculianischen  Schule,"^)  Prätor  im  J.  106  oder 
107^^)  zum  zweiten  Male  Konsul  a.  129,"^)  Konsiliar  Hadri- 
ans.^^)  —  Das  Hauptwerk  des  Celsus  sind  seine  Digestoi-iim 
l.  XXXIX.  Ferner  schrieb  er:  epistolar.  l.  (mindest,  ii),  com- 
mentarii  (mindest.  7.  B.),  quaestiones  (mindest.  12  B.).  Celsus 
ist  eine  der  hervorragendsten  Erscheinungen  der  römischen 
Jurisprudenz,  aber  derb  bis  zur  Grobheit  und,  (wie  bei  dieser 
Eigenschaft  nicht  selten)  nicht  immer  im  Recht,  wenn  er 
grob  ist.^^j 

27.  Neratius  Priscus,  mit  Celsus  zusammen  Vorsteher 
der  proculianischen  Schule,^°)  erlangte  das  Konsulat,'^^)  war 
Konsiliar  Trajans^-)  und  Hadrians.'^)  Er  ist  wahrscheinlich 
identisch  mit  einem  L.  Neratius  Priscus,  der  praefectus  aerarti 
Saturni,  Konsul  und  Statthalter  von  Pannonien  war.''*)  Er  schrieb 
Rcgidar.  l.  XV,  responsor.  l.  III.,  epistolae,  mindest.  4  B.; 
vienibranatinti  L    VII,  so  wohl  deshalb  genannt,   weil  auf  Per- 


64)  D.  IV,  8,  21,  11.  —  65)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  53.  —  66)  Plin.  ep.  VI,  5,  4. 

67)  Als  solcher  beantragte  er  mit  seinen  Kollegen  das  sog.  SC.  luventi- 
anum   D.  D.  V,  3,  20,  6,  Diocl.  C.  J.  VII,  9,  8,   1.     Vgl.  Pomp.  1.  c. 

68)  Histor.  Aug.  Hadrian   18,   1. 

69)  In  D.  XXVIII,  1,  27  fragt  ein  gewisser  Domitius  Labeo  bei  Celsus 
an:  ob  derjenige,  der  als  Testamentsschr eiber  gebeten  sei,  aber  nach  der 
Niederschrift  das  Testament  mit  besiegelt  habe,  als  Zeuge  (deren  sieben  sein 
müssen)  mitzuzählen  sei.  Celsus  antwortet:  non  intellego  quid  sit  de  quo  me 
consulueris  aut  valide  stulta  est  interogatio  tua.  plus  enim  quam  ridiculum 
est  dubitare,  an  aliquis  iure  testis  adhibitus  sit,  quoniam  idem  et  tabulas  testa- 
menti  scripserit  (Quaestio  Domitiana,  responsum  Celsinumj.  Und  doch  konnte 
die  Frage  den  haltbaren  Sinn  haben,  ob  es  nicht  einen  Mangel  begründe,  daß 
der  Schreiber  nicht  ausdrückHch  als  Zeuge  gebeten  war  (vgl.  Ulp.  D.  XXVIII, 
1,  21,  2)  und  es  ließ  sich  auch  fragen,  ob  der,  der  das  Testament  niederge- 
schrieben, der  rechte  Zeuge  dafür  sei;  denn  er  muß  sich  doch  selbst  die 
Richtigkeit  seiner  Niederschrift  bezeugen,  vgl.  Hofmann,  Kritische  Studien 
(Wien  1885)  S.  39  f. 

70/71)  Pomp.  D.   1,  2,  2,  53.       72)  Pap.  D,  XXXVII,   12,  5. 

73)  Hist.  Aug.  Hadrian.  18,   1. 

74)  C.  I.  L.  IX,  2454/5  (Dessau  1033.   1034). 


—     109     — 

gament   herausgegeben;   dem  Inhalt  nach  dogmatisch-kasuisti- 
sche Erörterungen;  ex  Plaiitio  libri,  de  nuptiis  l.  sing.  — 

28.  Campanus  wird  von  Valens  (30)  und  Pomponius 
(36)  citiert/^) 

29.  Oktavenus,  ebenso.''^) 

30.  Aburnius  Valens,  als  Nachfolger  des  Javolenus  im 
Vorstande  der  sabinianischen  Schule  neben  Tuscianus  (31) 
und  Julianus  (32)  genannt/^)  Konsiliar  des  Antoninus  PiusJ^)  — 
De  fideicommissis  l.    VII?^) 

31.  Tuscianus  vgl,  Valens  (30). 

32.  Valerius  Severus,  von  Julian  citiert.®") 

33.  L.  Oktavius  Cornelius  Salvius  Julianus  Aemi- 
lianus^^)  war  mit  Valens  (30)  und  Tuscianus  (31)  im  Vor- 
stande der  sabinianischen  Rechtsschule.  ^^)  Über  sein 
Leben  hat  eine  1899  in  Afrika  im  Gebiete  seiner  Heimat  *^'^) 
Hadrumetum  gefundene  Inschrift^*)  einer  ihm  von  jener  Stadt 
gesetzten  Bildsäule  ungeahntes  Licht  verbreitet.  Julian  war 
decemvir  litibus  iudicandis,  guaestor  Augusti  unter  Hadrian  und 
zwar  wegen  seiner  großen  Gelehrsamkeit  mit  doppeltem  Ge- 
halt, Konsiliar  Hadnans,^»)  Volkstribun,  Prätor, §6)  pmefectus 
aerarii  Satiirni  und  aerarii  niilitaris,  Konsul^')    und  zwar  im 


75)  Valens  D.  XXXVIII,   1,  57.     Pomp.  D.   XL,  5,  34,   1. 

76)  Valens  D.  XXXVI,   1,  69  (67)  pr.  Pomp.  D.  XIX,   1,  55. 

77)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  53.     78)  Hist.  Aug.  Pius  12,  1. 

79)  Valens  libro  VIT  actionum,  D.  XXXVI,  4,  15,  ist  wohl  irrig  für 
Venulejus.       80)  D.  III,  5,  29  (30). 

81)  Buhl,  Salvius  Julianus  B.  I  (Heidelb.  1886).  Mommsen  Zeitschr. 
der  Sav.-Stift.  XXIII   (1902)  S.  54  ff. 

82)  Pomp.  D.  I,  2,  2,  53.     83)  Hist.  Aug.  Did.  Jul.   1. 

84)  Mommsen,  a.  a.  O.  S.  54.  Sie  lautet  (unter  Auflösung  der  Ab- 
kürzungen) :  L.  Octavio  Cornelio  P.  F.  Salvio  Juliane  Aemiliano,  decemviro, 
quaestori  imperatoris  Hadriani,  cui  divos  Hadrianus  soli  salarium  quaesturae 
duplicavit  propter  insignem  doctrinam,  tribuno  plebis,  praetori,  praefecto 
aerarii  Saturni,  item  militaris,  consuli,  pontifici,  sodali  Hadrianali,  sodali 
Antoniniano,  curatori  aedium  sacrarum,  legato  imperatoris  Antonini  Augusti  Pii 
Germaniae  inferioris,  legato  imperatoris  Antonini  Augusti  et  Veri  Augusti 
Hispaniae  citerioris,  Proconsuli  provinciae  Africae,  patrono,  decreto  decurionum 
pecunia  publica. 

85)  Hist.  Aug.   Hadrian.    18,  1    die  Inschrift  Anm.   84  erwähnt  das  nicht. 
86/87)  s.  auch  Jul.  D.  XL,  2,  5. 


—     HO     — 

J.  148  n.  Chr.,^^)  Priester  der  Gott  gewordenen  Kaiser  Hadrian 
und  Antoninus  Pius,  airator  aedhim  sacrariwi,^^)  Statthalter 
von  Untergermanien  unter  Antoninus  Pius,^^)  unter 
M.  Aurel  und  L.  \^erus  Statthalter  von  Hispania  citerior, 
endlich  Prokonsul  von  Afrika.  Er  war  Großvater  des 
Kaisers  Didius  Julianus,  und  nach  dessen  Biographie  ^^)  ist 
Julian  später  noch  einmal  Konsul  und  Präfektus  urbi  gewesen; 
diese  Nachricht  ist  aber  von  zweifelhaftem  Wert.  ^2)  Julian 
starb  unter  der  Herrschaft  der  divi  fratres  (M.  Aurel  und 
L.  Verus).^3j  p^^  Jurist  war  er  Schüler  des  Javolenus  (20).^*)  Er 
ist  der  berühmte  Redaktor  des  prätorischen  Edikts  (ob.  S.  50I, 
bei  Zeitgenossen  wie  Späteren  mit  Recht  in  höchstem  An- 
sehen. Sein  bedeutendstes  Werk  sind  digestoriivi  hbri  XC, 
geschrieben  unter  Hadrian  und  Antoninus  Pius.  Der  Anfang 
fallt  vor  das  Jahr  129*^).  Andere  Werke  Julians  sind:  ad 
Urseium  l.  IV.,  ad  Minicium  libri^^)  de  ambiguitatibtLS  L  sing. 
(über  Auslegung  unklarer  Willenserklärungen). 

34.  Sex.  Pedius  ist  etwa  Zeitgenosse  Julians,*^)  —  er 
schrieb  ad  edici.  praetoris  und  aedil.  cur.  (über  25  B.),  de 
stipulationibiis  libri. 

35.  Pactumejus  Clemens,  Konsul  a.  138,^^)  von  Pompo- 
nius  citiert.^^l 


S8)  Mommsen  a.  a.  O.  S.  57.      89)  S.  auch  C.  J.  L.  VI,  855. 
90)  S.  noch  Mommsen  S.  58  Anm.  4.       9i)  Hist.  Aug.  Did.  Jul.   1. 

92)  Mommsen  a.  a.  O.  S.  59  f. 

93)  Gai.  11,  280  (unter  den  divi  fratres)  sagt:  scio  tamen  Juliano  pla- 
cuisse  ....  quam  sententiam  et  his  temporibus  magis  obtinere  video.  Als 
dies  geschrieben  wurde,  muß  Julian  doch  schon  längere  Zeit  tot  gewesen  sein. 
Jetzt  macht  Mommsen  a.  a.  O.  auf  ein  Reskript  der  divi  fratres  (D.  XXXVII, 
14,  17)  aufmerksam,  worin  diese  Kaiser  sagen:  sed  et  Salvii  Juliani  amici  nostri 
clarissimi  viri  hanc  sententiam  fuisse.      9*)  Jul.  D.  XL,  2,  5. 

96)  Da  Julian  in  D.  V,  3,  33,  1  (wahrscheinlich  libro  VI)  das  SC. 
Juventianum   noch   nicht  kennt. 

96)  Riccobono  Bull,  dell'  istituto  di  dir.  Rom.  VII  (1894),  p.  225  sq. 
VIII   (1895)   p.    169  sq. 

97)  Trotz  Lenel's  Widerspruch  (Palingen.  II  col.  1  nota  1)  scheint 
uns  mit  Krüger  S.  172  zu  79  nach  Paul.  D.  IV,  8,  82,  16  wahrscheinlich, 
daß  Pedius  das   Edikt  später  als  Julian  commentierte. 

98)  Auch  sonst  reich  an  Ämtern;  C.  I.  L.  \'III,  7059,  aber  als  Jurist 
nicht  weiter  bekannt.        99)   I).   XL,   7,   21,    1. 


—    111    — 

§  20. 

Die  Juristen   von  Pomponius   bis  Marcellus. 

36.  Sex.  Pomponius,  Sabinianer,  \)  schrieb  in  der  Zeit 
von  Hadrian^j  bis  zu  den  divi  fratres,''^)  ein  fleißiger  Verar- 
beiter  der  Literatur.  —  Seinem  liber  singidaris  enchiridii, 
unter  Hadrian,^)  entstammt  die  wichtige,  auch  in  diesem  Buch 
oft  benutzte,  leider  arg  verderbte  Übersicht  der  römischen 
Rechtsgeschichte  in  D.  I,  2,  2.  —  Daneben  stehen  encliiridii 
libri  II.  Ferner  schrieb  Pomponius  ad  Sabiimni  l.  XXXV 
oder  XXXVI,  unter  Hadrian,^)  ad  Q.  Miiciiim  L  XXXIX, 
nach  dem  Tode  Hadrians/)  ex  Plaiäio  /.  VII  ebenfalls  nach 
Hadrian,  vielleicht  sogar  nach  Antoninus  Pius^)  epistolar.  L 
XX,  nach  Pius^),  ferner  einen  Kommentar  zum  prätorischen 
und  ädilicischen  Edikt,  der  im  81.  Buch  nicht  weit  über 
die  Mitte  ist,  varianini  Icctionmn  /.,  mindest.  41,  regu/ar.  L 
sins;.,  de  senatus  considtis  L  V,  de  stipidationib.,  mindest.  8  B., 
de  fidciconiuüss.  I    V. 


*)  Sicher  wissen  wir  das  allerdings  nicht.  Daß  Pomp.  D.  XLV,  3,  39 
mit  Gaius  noster  C.  Cassius  als  das  berühmte  Haupt  der  cassianischen  Schule 
bezeichnet,  der  er  somit  sich  zurechnet,  wäre  äußerst  wahrscheinlich,  wenn 
nicht  noch  wahrscheinlicher  wäre  (Lenel,  Paling.  II  col.  72  nota  4,  Seckel 
und  Kubier  in  der  Vorrede  ihrer  Ausgabe  des  Gajus  p.  III),  daß  der  frag- 
liche Passus  von  den  Kompilatoren  Juslinians  herrührt,  die  ihren  geliebten 
Gajus   (38)  gemeint  haben. 

*)  Üptimus  princeps  Hadrianus  bei  Pomp.  D.  I,  2,  2,  49  weist  darauf 
hin,   daß  der  Kaiser  damals  noch  lebte  (nicht  divus!). 

8)  Divus  Antoninus  bei  Pomp.  1.  sexto  epistolar.  et  variar.  lectionum 
D.  L,    12,    14   geht  auf  Antoninus  Pius. 

*)  S.  Anm.  2. 

^)  Trajan  heißt  divus  D.  XLVIII,  22,  1.  Julian  wird  nicht  angeführt, 
citiert  aber  seinerseits  im  XXXV.  Buch  seiner  Digesten  eine  Ansicht  des  Pom- 
ponius, die  im  5.  Buch  ad  Sab.  stand.  Vat.  fr.  88,  89,  D.  VII,  2,  8,  VII,  8, 
4,  1.     VII,  8,  7.  8,  1. 

6)  Pomp.  D.  VII,  8,  22. 

')  D.  XL,  7,  21  nennt  Antoninus  Pius  als  regierenden  Kaiser,  aber 
aus  dem  Munde  des  Pactumejus  Clemens,  also  kann  Pomponius  die  Stelle 
auch  nach  dem  Tode  des  Pius  geschrieben  haben.     Kariowa  I   S.   717. 

8)  Pomp.  D.  L,   12,   14  i.    f.       »)  Ulp.  D.  XXV,  3,  3,  4. 


—     112     — 

37-  Sex.  Cäcilius  Africanus,";  Schüler  Julians,  berühmt 
durch  die  Schwierigkeit  des  Verständnisses  seiner  Schriften, 
Seine  Quaestiones,  9  B.,  enthalten  größtenteils  julianische  Ent- 
scheidungen mit  kritischen  Bemerkungen.  Einmal  wird  auch 
ein  Werk  epistolae  in  mindestens  10  Büchern  von  Africanus 
erwähnt.^*') 

38.  GajUS,  geboren  spätestens  unter  Hadrian/^)  schrieb 
von  der  Zeit  des  /Vntoninus  Pius^-j  an,  bis  mindestens  zum 
Jahre  178,  da  er  das  diesem  Jahre  angehörige  SC.  Orphitianum 
kennt. ■'^)  Zeitgenossen  und  spätere  Klassiker  eitleren  ihn  nicht  ;^*) 
Responsen  von  ihm  sind  nicht  bekannt;  er  war  wohl  aus- 
schließlich Lehrer  und  Schriftsteller  und  hatte  das  ins  respon- 
dendi  nicht.  In  der  Folge  gelangte  er  jedoch  zu  großem  An- 
sehen.^'"') Man  hat  seine  eigentümliche  Stellung  daraus  zu  er- 
klären gesucht,  dass  er  ein  ,.Pro\inzial-Jurist''  gewesen  sei,  in 
einer  östlichen  Provinz  gelebt  und  gelehrt  habe,  oder  doch 
in  Rom  an  einer  für  Provinzialen  bestimmten  Rechtsschule 
tätig  gewesen  sei.^*')     Man    beruft    sich    für    diese    Annahmen 


10)  Ulp.  D.  XXX,  39  pr.  Ist  die  Stelle  in  Ordnung?  Es  ist  immerhin 
höchst  auffallend,  daß  während  sonst  Africanus  Referent  über  Ansichten  Julians 
ist,  in  diesem  einzigen  Falle  ein  sonst  ganz  verschollenes  Werk  des  Africanus 
auftritt,  das  Julian  benutzt  haben  müßte.  Denn  die  Erklärung  von 
Kariowa  IS.  714:  Africanus  apud  Julianum  quaerit  =  African  berichtet  einen 
Satz  Julians  und  knüpft  daran   eine   Frage,   halte  ich  für  unmöglich. 

^1)  Gai.  D.  XXXIV,  5,  7  pr.  beweist  das  freilich  nur,  wenn  nostra 
aetate  genau  zu  nehmen  ist,  was  nicht  unbedingt  feststeht.  Aber  der  Mann,  der 
um  161  n.  Chr.  seine  Institutionen  schrieb  und  schon  vorher  ein  Werk  ad  Q. 
Mucium  und  eins  ad  edictum  geschrieben  hatte  (Gai.  I,  188),  wird  doch  mit 
seiner    Jugend   in   die  Regierungszeit  Hadrians  zurückreichen. 

12)  S.  unt.  Anm.  23.  28  ff.        i3)  s.  unt.  Anm.  22.  23. 

1*)  Ulpians  1.  sing,  regularum  weist  viel  Ähnlichkeit  mit  Gajus  auf. 
Kalb,  Roms  Juristen  S.  77  erklärt  das  daraus,  daß  beide  eine  gemeinschaftliche 
Quelle  benutzt  haben,  aber  ebenso  möglich  bleibt  doch,  daß  Ulpian  den  Gajus 
benutzt  hat,  der  freilich  in  der  uns  vorliegenden  Fassung  des  Ulpianischen 
Buchs  nicht  genannt  wird.  Vgl.  Mitteis,  Reichsrecht  und  Volksrecht  S.  147 
Anm.  4.  Grupe,  Zeitschr.  d.  Sav.-Stift.  XX  (1899)  S.  90 ff.  Dagegen  freiHch 
wieder  Kalb,  Jahresbericht  f.  Altertumswiss.  CIX  (1901    II)  S.  38  f. 

15)  S.  unt.  §  22.   27. 

16)  Mommsen,  Jahrb.  des  gem.  R.  111  (1859),  S.  1  ft'.  nimmt  an,  daß 
Gajus  in  der  Provinz  Asia  lebte.  S.  ferner  Bremer,  Rechtslehrer  in  Rechts- 
schulen  S.   77  ff.     Kuntze,     der   Provinzialjurist   Gajus    wissenschaftlich    abge- 


—     113     — 

darauf,  daß  Gajus  das  Provinzialedikt  kommentiert  und  auch 
in  seinen  Institutionen  die  provinzialen  Rechtsverhältnisse,  und 
zwar  der  östlichen  Reichsteile,  berücksichtigt.  Da  er  aber 
als  eifriger  Sabinianer  auftritt,  so  ist  er  sicher  zu  Rom  in  der 
sabinianischen  Rechtsschule  gebildet.  Es  ist  auch  anzunehmen, 
daß  er  in  Rom  lehrte;  denn  die  Berücksichtigung  des  Provin- 
zialrechts  in  seinen  Institutionen  ist  vereinzelt  und  dient  dem 
Zweck,  römische  Rechtsinstitute  durch  den  Gegensatz  schärfer 
hervorzuheben;^')  ein  ernsthaftes  Eingehen  auf  die  Bedürfnisse 
der  Provinzialen  findet  sich  nicht.  Der  Kommentar  zum 
Provinzialedikt  kann  auch  in  Rom  für  Statthalter  und  sonstige 
mit  der  Provinzialjurisdiktion  Befaßte  geschrieben  sein.^^) 

Ein  anderer  Versuch  zur  Lösung  des  Rätsels,  das  unleug- 
bar über  der  Person  des  Gajus  schwebt,  ist  folgender:  Alles 
was  unter  dem  Namen  des  Gajus  vorliegt,  sind  ursprünglich 
Werke  des  C.  Cassius,  des  Hauptes  der  Cassianer  und  von 
einem  Anonymus  um  i6i  nur  unter  dem  alten  Verfassernamen 
bearbeitet. ^^)  Diese  Hypothese,  die  man,  wie  so  viele,  nicht 
streng  widerlegen  kann,  ist  sehr  unwahrscheinlich.  Der  be- 
rühmte Cassius  wird  regelmäßig  von  den  Klassikern  als  Cas- 
sius oder  als  C.  Cassius  citiert,  nur  selten  als  Gajus. '*^j     Seine 


schätzt.  Leipziger  Programm  1883.  Kalb,  Roms  Juristen  S.  73  ff.  Jahres- 
bericht für  d.  Altertumswissenschaft  LXXXIX  (1896)  S.  231.  233.  Mitteis, 
Reichsrecht  und  Volksrecht  S.  147 ;  die  Annahme,  dai3  Gajus  zwar  in  Rom, 
aber  in  einer  für  Provinzialen  bestimmten  Rechtsschule  tätig  war,  stammt  von 
Kariowa,  I  S.  722.  Es  ist  aber  sehr  unwahrscheinlich,  daß  es  dergleichen 
Sonderschulen  gab.  S.  auch  Seckel  u.  Kubier  (Anm.  1)  p.  III  sq. 
Lenel  in  Holtz.  Enc.  S.   137  Anm.  3.       17)  i^  55.     i^  19.3. 

1*)  Vgl.  Krüger  S.  191.  Wlassak,  römische  Prozeßgesetze  II  Leipzig 
1891   S.  224  ff. 

19)  S.  Kalb,  Jahresber.  für  Altertumswiss.  LXXXIX  (1896  II)  S.  232. 
CIX  (1901  II)  S.  40,  Nur  in  dieser  Fassung  ist  die  Sache  diskutabel. 
Die  Ansicht  Longinescus,  Gajus  der  Rechtsgelehrte  (Berl.  Diss.)  1896,  daß 
Gajus  identisch  mit  C.  Cassius  sei  (S.  62  ff.)  ist  ganz  indiskutabel.  Siehe 
dagegen  Herzen,  die  Identität  des  Gajus,  Zeitschr.  d.  Sav.-Stift.  XX  (1899) 
S.  211. 

20)  So  zuweilen  bei  Javolenus  ex  Cassio,  z.  B.  D.  XLVI,  3,  78,  bei 
Julian  ad  Urseium  Ferocem.  D.  XXIV,  3,  59.  Pomp.  D.  XLV,  3,  39  Gaius 
noster  ist  der  Interpolation  dringend  verdächtig.  Lenel,  Palingen.  II  col.  72 
nota  4. 

Kipp,  Quellen  des  röm.  Rechts.  8 


—     114     — 

Schule  hieß  die  der  Cassianer  und  nicht  der  Gajaner.  Es 
wäre  also  sonderbar,  wenn  ein  Neuherausgeber  seiner  Werke 
sie  nicht  als  solche  des  Cassius,  sondern  des  Gajus  bezeichnet 
hätte.  Dazu  kommt,  daß  in  den  Institutionen  des  Gajus  wie 
in  dessen  sonstigen  Schriften'-^)  Cassius  oft  als  Fremder  und  zwar 
als  Cassius  citiert  wird.  Dies  kann  freilich  bei  einem  Bear- 
beiter unter  Umständen  vorkommen,  aber  warum  hätte  der 
Bearbeiter  im  Text  immer  einen  andern  Namen  gebraucht 
als  den,  den  er  auf  das  Titelblatt  gesetzt  haben  soll?  Der 
Ediktskommentar  des  Gajus  beruht  auf  dem  hadrianisch-juli- 
anischen  Edikt,  was  nicht  ausschließt,  aber  doch  recht  un- 
wahrscheinlich macht,  daß  er  eine  Bearbeitung  eines  Werks 
des  C.  Cassius  ist.  Gajus  schrieb  nach  zwei  Stellen  der  Digesten'--) 
ad  SC.  Tertidlianmn  unter  Hadrian  und  ad  SC.  0rplntiamim{2i.  178 
n.  Chr.),  Werke,  die  nicht  von  Cassius  stammen  können.  Dies  ist 
nur  deshalb  kein  ganz  entscheidender  Beweis,  weil  die  Inskrip- 
tionen der  beiden  Stellen  nicht  absolut  sicher  sind.-'^)  Endlich  aber 
woher  die  unerklärliche  Anonymität  des  Bearbeiters?  Dieser  soll 
doch  vieles  Neue  hinzugefügt  haben.  Warum  nennt  er  sich 
nie,  wie  doch  so  viele  der  römischen  Juristen,  die  die  Werke 
anderer  bearbeiteten?  Bleiben  wir  also  dabei,  daß  Gajus 
der  Name  eines  Juristen  des  zweiten  Jahrhunderts  ist.  Er 
war  keiner  der  hervorragenden  Geister,  aber  ausgezeichnet 
durch  Glätte  und  Verständlichkeit  seiner  Darstellung. 

Seine  institidiommi  commcntarii  quattiior,  geschrieben  um 
161  n.  Chr.,  der  Anfang  noch  unter  Antoninus  Pius,'*)  der  Schluß 
schon  unter  den  divi  fj-atres,-^)  sind  das  einzige  uns  fast  voll- 
ständig erhaltene  W^erk  eines  klassischen  Juristen.  Daß  sie 
ein    nachgeschriebenes    Kollegienheft    seien, -'^)    ist    ihrer    trefif- 


21)  Ad  ed.  prov.  D.  II,  1,  11  pr.  IX,  4,  15.  XIII,  3,  4.  XVI,  3,  14,  1. 
XVIII,   1,  85,  5,  de  manumiss.  D.  XL,  4,  57,  de  verb.  obl.  D.  XLV,  3,  28,  4. 

22)  D.  XXXVIII,   17,  8.  9. 

23)  Voran  geht  (D.  XXXVIII,  17,  7).  Paul,  ad  SC.  Tertull.  et  Orphit. 
Danach  wird  behauptet,  daß  auch  fr.  8  und  fr.  9  von  Paulus  seien.  Aber  in 
Bas.  XLV,  1,  33  =  D,  XXXVIII,  17,  18  steht  auch  Gajus;  die  Verderbnis 
müßte  also  sehr  alt  sein. 

24)  Gai.  II,   151a.     25)  Gai.  II,   195. 

26)  Dernburg,  die  Institutionen  des  Gajus,  ein  Kollegienheft  aus  dem 
Tahre  161    n.  Chr.  Geb.  H.ilie   1869. 


—     115     — 

liehen  Fassung  wegen  unwahrscheinlich.-')  Außer  den  Insti- 
tutionen schrieb  Gajus:  ex  Q.  Mucio  libri  unter  Pius;-^)  ad 
edict.  provinciale  l.  XXXII,  die  beiden  letzten  B.  vom  ädili- 
cischen  Edikt;  ad  edict.  urbiciini,  wovon  nur  lO  Bücher  auf 
Justinians  Zeit  kamen.-'')  Mindestens  einer  der  beiden  Edikts- 
kommentare ist  vor  den  Institutionen  geschrieben.''*^)  Nach 
Pius  sind  vollendet:  ad  leg.  Juliani  et  Papiam  l.  XV'^^)  und 
fideicoimnissor.  l.  11'^''')  ad  SC.  Orphitian.  L  sing.,  frühestens 
a.  178.  Fernere  Werke:  ad  leg.  XII  tabidai'.  l.  VI,  reriivi 
cottidianarum  l.  VII,  wohl  erst  später  aurea  genannt,  Samm- 
lung alltäglich  vorkommender  Rechtssätze;  regidar.  l.  III  und 
/.  sing.,  de  vtamunissionib.  l.  III,  de  verborum  obligatioidb.  l. 
III,  de  fornmla  hypothecaria  l.  sing.,  ad.  SC.  Tertulliamim  l. 
sing.,  de  tacitis  fideicommissis  l.  sing.,  de  casibus  l.  sing.,  do- 
talicion  l.  sing.,  ad  leg.   Glitiavi  (:)  l.  sing. 

39.    Servilius,  von  Terentius  Clemens  (40)  citiert.33) 


27]  Daß  Gajus  ältere  Literatur  benutzt  hat,  ist  selbstverständlich.  Es 
geht  aus  seinen  Citaten  hervor,  und  auch  wo  er  nicht  citiert,  wird  er  oft  ältere 
Schriften  benutzt  haben;  denn  das  ist  in  der  antiken  Literatur  nicht  ungewöhnlich. 
Ob  das  aber  so  weit  geht,  daß  man  sagen  darf,  er  habe  einen  alten  Grund- 
stock nur  leicht  überarbeitet,  ist  doch  höchst  zweifelhaft.  Für  jene  Annahme 
namentlich  Kniep,  vacua  possessio  I  (1885)  S.  461  ff.  Präscriptio  und 
Pactum  (Jena  1891)  S.  14  ff.  Der  Besitz  des  BGB.  gegenübergestellt  dem 
römischen  und  gemeinen  Recht  (Jena  1900)  S.  26  ff.  Kalb,  Jahresbericht  für 
Altertumswissenschaft  LXXXIX  (1896  II)  S.  231  f.  CIX.  (1901  II)  S.  40,  vgl. 
auch  denselben  Roms  Juristen  S.  83  ff.  Eine  andere  Frage  ist,  ob  Gajus 
sein  System  (ius  quod  pertinet  ad  personas,  ad  res,  ad  actiones)  erfunden  hat. 
Affolter,  das  römische  Institutionensystem  Einleit.  Thl.  Berl.  1897  führt 
dieses  System  auf  Q.  Mucius  Scävola  zurück.  Jedenfalls  ist  es  sehr  möglich, 
daß  Gajus  sich  einem  vorhandenen  System  anpaßte,  Lehrbuch  s  y  s  t  e  m  e  sind 
ja  auch  bei  uns  tralaticisch,  die  wir  auf  Selbständigkeit  des  Inhalts,  der  ihnen 
gegeben  wird,  mehr  sehen  als  die  Alten. 

28)  Gai.  I,   188. 

29)  Ad  edictum  urbicum  ra  fiora  Evoe&tvTa  ßiß'/.ia  Biy.a  (Index 
Florent.), 

30)  Über  den  Kommentar  zum  Provinzialedikt  s.  v.  V eisen,  Zeitschr. 
d.  Sav.-Stift.  XXI  (1900)  S.  73  ff.  (vergl.  ob.  S.  47  Anm.  12),  dagegen 
Kalb,  Jahresber,  f.  Altertumswiss.  CIX  (1901   II)  S.  42  ff. 

31)  Gai.  D.  XXXI,  56.       32)  Gai.  D.  XXXV,  1,  90.     XXXII,  96. 
33)  D.  XXXVII,   14,   10. 


—     116     — 

40.  Terentius  Clemens,  Schüler  Julians,^*)  schrieb  ad 
leg.  JhL  et  Pap.  l.  XX. 

41.  Vindius  Verus,  Konsul  a.  138,  Konsiliar  des  Pius,^'') 
konsultiert  Julian  ;^*^j  Mäcian  (44)   citiert  ihn.^^) 

42.  Junius  Mauricianus,  unter  Antoninus  Pius/'^^)  schrieb 
ad  legem  Jidiati  et  Papiani  l.  VI.  Aus  einem  Werk  von  ihm 
de  poenis  soll  nach  der  Inskription  eine  Stelle  in  den  Digesten 
stammen ;^^)  der  Jndex  Florentinus  (§  28)  kennt  dieses  Werk 
aber  nicht. 

43.  Venulejus  Saturninus  schrieb:  de  officio  p7-oconsulis  l. 
IV,  de  iiidiciis  public,  l.  III  {boid^  nach  dem  Tode  Hadrians)/") 
actionuin  l.  X,  de  interdictis  l.  VI,  de  stipulationibiis  l.  XIX, 
vielleicht  auch  disputationwn  libri*"^)  De  poenis  paganoi'iun 
schrieb  ein  Claudius  Saturninus;*^)  ob  dieser  mit  Venulejus 
Saturninus  identisch  ist,  ist  zweifelhaft.*^)  Es  gibt  noch  einen 
dritten,  von  dem  wir  nicht  wissen,  wie  er  zu  den  beiden 
vorigen  steht:   Q.  Saturninus,  von  dem  Ulpian**)  ein  10.  Buch 


34)  Ter.  Clem.  D.   XXVIII,   6,   6:  Julianus  noster. 

35)  Hist.  Aug.  Pius  12.  1.  36)  Fr.  Vat.  77.  37)  D.  XXXV,  2,  32,  4: 
Vindius  noster. 

3^)  Den  er  D.   XXXI.   57   imperator  Antoninus  nennt. 

39)  D.  II,  13,  3. 

40)  Venul.  libr.  I  de  off.  proc.  D.  XL,  14,  2.  XLVIII,  19,  15,  libr. 
II  de  iud.  publ.  D.  XLVIII,  2,   12,   1. 

41)  Wenn  nicht  D.  XLVI,  7,  18  stipulationum  statt  disputationum  zu 
lesen   ist. 

42)  D.  XLVIII,   19,   16. 

43)  Der  Index  Florentinus  (§  28)  legt  das  Werk  de  poenis  paganorum 
dem  Venulejus  Saturninus  bei;  aber  dieser  Index  ist  nicht  immer  zuver- 
lässig. In  zwei  unmittelbar  auf  einander  folgenden  Stellen  der  Digesten 
(XLXIII  19,  15.  16)  stoßen  Venulejus  und  Claudius  so  auf  einander,  daß  es 
schwer  ist,  an  ihre  Identität  zu  glauben.  Kalb,  Roms  Juristen  S.  26,  macht 
geltend,  daß  Claudius  Saturninus  den  Sprachgebrauch  poena  plecti  hat  (D.  XLVIII, 
19,  16,  4),  den  frühere  Juristen  (so  auch  Venulejus)  vermeiden.  Auch  die 
Wendung:  sceleris  est  instar  bei  Claudius  Saturninus  (I),  XLVIII  19,  16  pr.) 
weist  nach  Kalb  darauf  hin,  daß  Claudius  Saturninus  frühestens  ein  Zeit- 
genosse Papinians  war.  Ist  das  so,  dann  muß  der  Claudius  Saturninus,  an 
den  Hadrian  (Fr.  Vat.  223)  und  Antoninus  Pius  reskribierten  (Marci.  D.  XX, 
3,  1,  3,  L,  7,  3  (4)  pr.),  und  dessen  Urteil  (als  er  Prätor  war)  die  divi  fratres 
in  D.  XVII,   1,  6,  7  aufhoben,  wieder  ein  anderer  gewesen  sein. 

44)  D.  XXXIV,  2,   19,  7. 


—     117     — 

ad  cdictuDi  anführt,  und  der  bei  demselben^^)  einer  Ansicht 
des  Marcellus  zustimmt.  Venulejus  Saturninus  citiert  einmal  :^^) 
Sabinus  .  .  .  Procuhis  autein  et  ceteri  diversae  scholac  auctores 
aber  er  tritt  der  Ansicht  des  Proculus  bei  und  konnte  jene 
Gegenüberstellung  auch  vornehmen,  ohne  seinerseits  sich  zu 
den  Sabinianern  zu  rechnen.*^)  Jedenfalls  ist  diesseits  von 
Venulejus  Saturninus  die  letzte  Spur  des  Schulengegensatzes 
verschwunden. 

44.  Volusius  Mäc  ianus,  Konsiliar  des  Pius/^)  Rechtslehrer 
M.  Aureis, '*^)  vielleicht  unter  Pius  Präfectus  Ägypti^**)  auch  Kon- 
siliar der  divi  fratres,^^)  schrieb  Quaestiomim  de  fideicommiss. 
l.  XVI,  de  mdiciis  pnblicis  l.  XIV,  de  lege  Rhodia.  Seine  assis 
distributio,  M.  Aurel  gewidmet,  ist  eine  Darstellung  der  üblichen 
Einteilungen  eines  Ganzen  mit  Namen  und  Zeichen  der  Teile, 
wie  sie  bei  Erbeseinsetzung  und  sonst  vorkommt;  also  ein 
halbjuristisches  Werk. 

45.  Florentinus  schrieb  nach  Pius  ^^)institidwnuni  l.  XII. 

46.  Laelius  Felix,  von  Gellius  (um  170)  citiert  und  wohl 
derselbe,  den  Paulus  als  Laelius  anführt.^^) 

47.  Papirius  Justus,  constitutioman  libri  XX,  Konstitu- 
tionen von  den  divi  fratirs  und  M.  Aurel  allein^*)  enthaltend. 

48.  Publicius  wird  von  Marcellus  angeführt.^-'') 

49.  Ulpius  Marcellus,  Konsiliar  von  Pius^^)  und  M.  Aurel,°') 


45)  D.  XII,  2,  13,  5.  —  46)  D.  XLV,  1,  138. 

4')  Anders  wäre  es,  wenn  er  von  diversae  scholae  auctores  spräche, 
ohne  zuvor  den  Sabinus  genannt  zu  haben. 

48)  Hist.  Aug.   Pius   12,    1.   —   49)  Rist.   Aug.   Marc.   Aur.   3,   6. 

50)  Urkunden  aus  den  Berliner  Museen  II  No.  613.  P.  Meyer,  Hermes 
XXXII  (1897)  S.  222  ff.  Stein  das.  663  ff.  Archiv  f.  Papyrusforschung  I 
(1901)  447  ff 

51)  Reskript  der  divi  fratres  D.  XXXVII,  14,  17:  Volusius  Maecianus 
amicus  noster  ut  et  iuris  civilis  praeter  veterem  et  bene  fundatam  peritiam 
anxie  diligens.        52)  D.   XLI,   1,   16   (Divus  Pius). 

53)  Gell.  XV,  27.     Paul.  D.  V,  3,  43.     V,  4,  8. 

54)  So  unter  den  überlieferten  nur  eine,  die  einzige  des  8.  Buchs.  Die 
sonst  erhaltenen  gehören  dem  1.  und  2.  Buch  an  und  sind  sämtlich  von  den 
divi  fratres. 

55)  D.  XXXI,  50,  2.  —  56)  Hist.  Aug.  Pius  12,   1. 

57)'  D.  XXVIII,  4,  3  pr.  berichtet  er  (1.  XXIX  dig.)  selbst  über  eine 
Verhandlung  des  Kaisergerichts  aus  dem   Jahre   166  n.  Chr. 


—     118     — 

einer  der  Besten,  scharfsinnig  und  klar.  —  Digestorum  l.  XXXI 
(unter  M.  Aurel  und  L.  Verus)^^)  notae  ad  Jid.  di  esta  und  ad 
Pompon.  regulas,  ad  leg.  Jid.  et  Pap.  l.  VI,  de  officio  consulis 
libt'i,  responsonmi  l.  sing.  —  Eine  Stelle  in  den  Digesten^^) 
stammt  nach  der  Inskription  aus  einem  Werk  des  Marcellus 
de  publicis  iudiciis.  Sie  wird  aber  wohl  richtiger  dem  gleich- 
namigen Werk  Marcians  (65)  zuzuschreiben  sein.  Ebenso  wird 
die  einzige  Stelle,  welche  angeblich  des  Marcellus  Werk  de 
officio  praesidis  angehört,*^")  dem  so  betitelten  Werk  Macers 
[6G)  entstammen. 


§  21. 

Die    Juristen  von  Scävola  bis  zum  Ausgang   der 
klassischen  Zeit. 

50.  Q.  Cervidius  Scävola,  Konsiliar  M.  Aureis, ^)  Lehrer 
von")  Tryphonin  (53)^)  und  Paulus  (62),*)  in  seinen  Bescheiden 
auffallend  kurz.  Sein  Hauptwerk  sind  Digestoj'iim  l.  XL,  voll- 
endet nach  Erlaß  des  SC  Orphitianum  a.  178, 5)  aber  vor 
dem  Tode  M.  Aureis  (a.  180),^)  ferner  schrieb  er  quaestiomim 
L  XX  (nicht  vor  der  Mitregentschaft  von  M.  Aurel  und  Com- 
modus),"^)  responsorum  l.  IV  (wie  es  scheint,  unter  Septimius 
Severus),^)  notae  ad  Juliani  und  Marcelli  digesta,  quaestionnm 


58)  Marcell.  1.  III  digestor.  D.  IV,  1,  7  pr. :  Divus  Anloninus  (Pius); 
s.  auch  Anm.  45. 

59)  D.  III,  2,  22.       60)  D.  IV,  4,  43. 

1)  Hist.  Aug.  Marc.  Aur.   11,    10.     ■^)  Ob  auch  Papinians?     S.  Anm.  10. 

3)  Tryph.  D.  XX,  5,   12,   1.     XLIX,   17,   19  pr.  Scaevola  noster. 

*)  Paul.  D.  111,5,  18,  1.     IV,  4,  24,  2.     XII,    14,  27,  2:  Scaevola  noster. 

*)  Im  neunten  Buch  kennt  er  das  Erbrecht  der  Kinder  am  Vermögen 
der  Mutter,  wie  es  durch  das  SC.  Orphitianum  a.  178  eingeführt  ist.  D.  XXII, 
3,  29,  1. 

®)  In  D.  XVIII,  7,  10  trägt  Tryphonin  eine  dem  Scävola  unbekannte 
Entscheidung  des  Kaisers  Marcus  nach. 

')  Die  Constitutio  Marci  et  Commodi  ad  Aufidium  Victorinum  (C.  I.  IV, 
57,  2)  hat  Scävola  im  14.  Buch  der  Quästionen  besprochen  (Ulp.  D.  IV,  4,  11,  1). 

®)   Dies    wird    daraus    gefolgert,    daß   D.   .XXVl,   7,  47,  4    vom  Präfectus 


—     119     — 

publice  tractataruiiL  l.  sing.,  regularum  l.  IV  und  de  quaestione 
familiae  l.  sing. 

51.  Tarruntenus  Paternus,  Präfectus  Prätorio,  unter 
Comniodus  hingerichtet,'')  schrieb  de  re  militari. 

52.  Ämilius  Papinianus/^j  Magister  Libellorum,  ^^)  von  a. 
203  an  Präfectus  Prätorio.^")  Caracalla  ließ  ihn  a.  212  hin- 
richten, weil  er  in  der  einen  oder  andren  Weise  dessen  an 
Geta  begangenen  Mord  mißbilligt  hatte. ^-^)  Die  Späteren 
feiern  ihn  als  den  größten  der  römischen  Juristen,  und  jeden- 
falls ist  er  einer  der  allerersten;  nur  Julian  ist  man  heute  ge- 
neigt, über  Papinian  zu  stellen.  —  Qiiaestionum  l.  XXXVIl, 
unter  Septimius  Severus^^)  responsornm  l.  XIX,  begonnen  un" 
ter  Severus  und  Caracalla,^*)  vollendet  vielleicht  erst  unter 
Caracallas  Alleinherrschaft,^'')  defiiiitionum  l.  II,  de  adnlteriis 
l.  II  und  /.  sing.,  aGivv01.11/.6c   /novößt-ßAog. 


legionis  spricht,  ein  Titel,  den  erst  Septimius  Severus  eingeführt  haben  soll. 
Hirschfeld,  Hermes  XII  (1877)  S.  142f.  Die  Beweise  dafür,  daß  Scävola  in  den 
Responsen  das  SC.  v.  195  über  die  Veräußerung  von  Mündelgut  nicht  kennt 
(D.  IV,  4,  47,  D.  XXVI,  7,  47,  4;  Lenel  Paling.  II  col.  287  sq.  nota  6), 
scheinen  mir   nicht   recht  zwingend. 

»)  Dio  Cass.  LXXI,  33.  LXXII,   5.     Hist.  Aug.  Commod.  4,  2. 

^'')  Leipold,  über  die  Sprache  des  Juristen  Ämilius  Papinianus.  Erl.  Diss. 
1891,  dazu  Kalb,  Jahresber.  f.  Altertumswiss.  LXXXIX  (1896  II)  S.  234 f. 
Wölfflin,  Krit.  Vierteljahresschr.  XXXIV  (1892)  S.  9  ff.  Costa,  Papiniano,  4  voll. 
Brl.  1894  —  1899  gibt  I,  p.  3—49  die  Biographie.  Daß  Papinian  Schüler 
Scävolas  gemeinschaftlich  mit  dem  späteren  Kaiser  Septimius  Severus  gewesen 
und  diesem  als  advocatus  fisci  im  Amte  nachgefolgt  sei,  ist  sehr  möglich,  steht 
aber  Hist.  Aug.  Carac.  8,  3  nur  von  der  Hand  eines  späten  Interpolators 
Mommsen,  Zeitschr.  der  Sav.-Stift.  XI  (1890)  S.  30ff.  Daß  Papinian  aus 
Afrika  stammt,  hat  Kalb,  Roms  Juristen  S.  111  ff.  aus  sprachlichen  Erwägungen 
höchst  wahrscheinlich  gemacht;  dagegen  freilich  E.  Th.  Schulze,  Zeitschrift 
d.  Sav.-Stift.  XII  (1892),  S.  124  ff. 

")  Tryph.  D.  XX,  5,   12  pr. 

12)  S.  Paul.  D.  XII,  1,  40  eine  Verhandlung  in  seinem  Gerichtshof ;  über 
die  Zeitbestimmung  vgl.   Krüger  S.    198   Anm.   6. 

12a)  Hist.  Aug.   Carac.  8,   Sever.  21,   8. 

13)  Nach  Marcus  und  Commodus:  D.  XXXI,  64.  Nach  Commodus: 
D.  XXII,   3,  26.     Unter  Septimius   Severus:  D.  XXII,    1,   6,   1.     L,   5,   7. 

14)  S.  z.  B.  D.  XXVII,  1,  30  pr.     XXXIV,  9,  16,   1.     XXXI,  78,  1. 

15)  D.  XXXIV,  9,  18  (libr.  XV  resp.)  nennt  Severus  schon  divus,  aber 
vielleicht  ist  das  in  Wahrheit  Note  eines  Kommentators  Papinians. 


—     120     — 

53-  Claudius  Tryphoninus,  Konsiliar  des  Septim.  Seve- 
rus, '**)  Schüler  Scävolas,  schrieh  notae  zn  de^sstn  digesta-^  dis- 
putation.  l.  XXI  unter  Caracalla.^^) 

54.  Messius,   Konsiliar  des  Severus. ^^) 

55.  Papirius  Fronto  (responsa)  von  Callistratus  citiert. ''-*). 

56.  Callistratus,  Grieche,  nimmt  auf  die  Verhältnisse 
der  hellenistischen  Reichsteile  viel  Rücksicht,  schreibt  unvoll- 
kommenes Latein.  —  Quaestiommi  l.  VI  und  de  iure  fisci  et 
populi  l.  IV,  unter  Sept.  Severus,^^)  de  cognitionib.  l.  VI,  unter 
Severus  und  Carac.,^^)  instiiiitio)i.  /.  III,  ad  edictum  monitorium 
l.    VI  (das  letzte  Wort  des  Titels  unklar). 

57.  Arrius  Menander,  Konsiliar  von  Severus  und  Cara- 
calla.^^)  —  De  re  militari  L  IV. 

58.  TertuUianus  schrieb  de  castrensi  pecidio  l.  sing., 
unter  oder  nach  Septim.  Severus, ^^)  qnaestion.  l.  VIII,  dem 
Ulpian  unter  Caracalla  bekannt.^*)  Ob  der  genannte  Jurist 
mit  dem  Kirchenvater  TertuUianus  identisch  ist,  ist  zv^reifelhaft.^^'j 
Unwahrscheinlich  ist  es  durchaus  nicht.  Die  Zeiten  stimmen. 
Der  Kirchenvater  lebte  etwa  150 — 250-^)  und  war  notorisch 
der  römischen  Rechte  gelehrt.-^)     Daß  er,  Christ  geworden,  die 


16)  Paul.  D.  XLIX,  14,  50:  der  Kaiser  befolgt  in  einem  Urteil  den  Rat 
Tryphonins. 

17)  S.  z.  B.  D.  XXVII,  1,  44  pr.  D.  XLIX,  15,  12,  17.  Scialoja, 
Bull,  dell'  istit.  di  dir.  Rom.  1  (1888)  p.  228  sq. 

18)  D.  XLIX,  14,  50.     19)  z.  B.  D.  L,  16,  220,  1. 

20)  D.  I,  3,  38.     D.  XLIX,  14,  2,  6. 

21)  D.  I,  19,  3.      22)  uip.  D.  IV,  4,   11.  2. 

23)  Er  gibt  dem  peculium  castrense  einen  Inhalt  (D.  XLIX,  17,  4  pr.), 
den  es  erst  unter  Severus  erhalten  zu  haben  scheint.  Fitting,  peculium  castrense 
S.  36  f.     24)  D.  XXIX,  2,  30,  6. 

25)  Dagegen  Krüger  S.  203  Anm.  99.  Lenel,  Paling.  II,  Col.  341 
nota  1.  Dafür  Teuffei- Schwabe  §  372.  Harnack  Sitzungsberichte  der  Berl. 
Akademie  1895  XXIX  S.  550  Anm.  1.  Auf  das  Argument  Harnack s,  daß 
der  Juri.st  Tertullian  de  castrensi  peculio  schrieb,  der  Vater  des  Theologen  aber 
Centurio  war  und  der  Theologe  eine  gewisse  Vertrautheit  mit  militärischen  Dingen 
zeigt,  ist  wohl  nicht  viel  zu  geben.  Übrigens  hält  Harnack  selbst  Zweifel 
nicht  für  ausgeschlossen.     Voigt,  Rechtsgesch.  II  S.  257. 

26)  Teuffcl-Schwabe  §.  373. 

27)  Euseb.   bist.  eccl.   II,   2,   4;   auch   Tertulliaus   Schriften   zeugen   davon. 


—     121     — 

Christenverfolger    kurzsichtig,    befangen,    ja     sophistisch     be- 
fehdet,-**) schheßt   nicht   aus,    daß  er  ein  tüchtiger  Jurist  war. 

59.  Claudius  Saturninus,  mit  Venulejus  Saturninus  nicht 
identisch,  wohl  Zeitgenosse  Papinians.  - — De  poenis  paganorinn 
l.  sing.  (s.  ob.  43). 

60.  Arrianus,  de  interdictis,  von  Paulus  und  Ulpian 
citiert.'^") 

61.  Puteolanus,   von  Ulpian   citiert.^*^) 

62.  Julius  Paulus,  Schüler  Scävolas,^^)  Assessor  Papi- 
nians, des  Präfectus  Prätorio,^^)  Konsiliar  des  Severus  oder 
des  Caracalla,  ^^)  Präfectus  Prätorio  neben  Ulpian  unter  Ale- 
xander Severus.^*)  Ein  feiner,  logischer,  zuweilen  überlogischer 
Denker.  —  Ad  edict.  praetoris  l.  LXXVIIL  dazu  ad  ed.  aed. 
cur.  l.  II,  vielleicht  noch  vor  Septim.  Severus,  3^)  ad.  Sabin,  l. 
X\^I,  unter  Sept.  Sever.,^*")  decretor.  l.  III,  unter  Severus  und 
Caracalla,^')  rcsponsor.  L  XXIII,  unter  Elagabalus^^)  und  Ale- 
xander Severus,^'')  sententiar.  l.  V,  nach  a.  206,*")  quaestion.  L 
XXVI,  nach  Septim.  Sever.-*^)  Ferner:  institution.  /.  //,  regu- 
lär, l.    VII  und  /.  sing.     Bearbeitung    von  Alfens    Digesten, ^^) 


28)  Krüger  S.   203  Anm.  99. 

29)  Ulp.  D.  V,  3,  11.     Paul.  D.  XXXVIII,  10,5.     30)  d.  II,  4,  12. 
31)  Anm.  4.     S2)  Paul.  D.  XII,   1,  40.  Bericht  über  eine  Beratung. 

33)  Paul.  D.  IV,  4,  38.  D.  XXIX,  2,  97.  Berichte  über  Beratungen. 
Hist.  Aug.  Pescenn.   7,   4. 

3-1)   Hist.  Aug.  Alex.  Sev.   75,  5.  68,   1. 

3ö)  Fitting,  Alter  der  Schriften  S.  46  castrense  peculium  D.  XXXII. 
Krüger  S.  207.  Der  Ansatz  ist  aber  unsicher.  Erheblich  später  datiert 
Pernice,  Zeitschr.  d.  Sav.-Stift.  XIII  (1892)  p.  281  Anm.  4,  aber,  daß  Paul. 
D.  XLIV,  4,  5,  6  nach  Carac.  C.  I.  IV,  30,  2  a.  215  geschrieben  ist,  ist  auch 
nicht  sicher. 

36)   Scheint  vor  Papinians  Quästionen  verfaßt  zu  sein.     Krüger  S.   207. 

3'')  Diese  sind  die  imperatores  nostri  in  D.  XXVIII,  5,  93  (92);  vgl. 
D.   L,   2,   9   pr.  Severus  Augustus. 

38)  Der  Imperator  Antoninus  in  D.  XLVIII,  19,  43  pr.  ist  Elagabalus. 
Fitting  S.   50. 

39)  Paul.  D.  XXXI,  87,  3.  4.     XLIX,  1,  25. 

40)  Paul.  II,  28,  5.  7  kennt  das  SC.  vom  J.  206  über  die  Schenkungen 
unter  Ehegatten. 

■ti)   Paul.   1.    1    quaest.   D.  L,    1,   18:   Divus  Severus. 

42)  Dazu  Ferrini,  Ricerche  critiche  ed  esegetiche  Bull,  dell'istit.  di  dir.  R. 
IV  (1891)   p.    1   sg. 


122     

von  Labeos  7ii,'iuvu,  ad  Vitcllhuii  l.  IV,  ad  Plantiinii  l. 
XVIII,-^^)  ad  Neratmm  l.  /F/*)  notae  zu  Julian,  Scävola,  Papi- 
nian,  iinperialiwn  sejiteiitiariüu  in  cognitionibus  prolatariivi  l. 
F/;  zu  verschiedenen  einzelnen  leges^  de  senatiis  consultis,  und 
zu  verschiedenen  einzelnen  SCC,  de  officio  verschiedener  Be- 
amter, und  manches  andere,  zusammen  ungefähr  90  Schriften. 
63.  Domitius  Ulpianus,  aus  Tyrus  in  Phönizien  stam- 
mend,*'^) war  mit  Paulus  Assessor  Papinians,-^")  wurde  anschei- 
nend von  Elagabalus  verbannt,-*')  aber  unter  Alexander  Seve- 
rus  zurückgerufen  und  zum  Magister  Libellorum,^*^),  dann  zum 
Präfectus  Annonae,^®)  schließlich  mit  Paulus  zum  Präfectus 
Prätorio  ernannt/^^)  Er  war  der  vertrauteste  Ratgeber  des 
Kaisers,  von  ihm  wie  ein  Vormund  angesehen."^ ^)  Im  Jahre 
228  wurde  er  von  den  Prätorianern  ermordet.-^)  Seine  Werke 
sind  zumeist  unter  Caracalla  geschrieben,  vor  seiner  großen 
Amtstätigkeit.  Die  bedeutendsten  sind:  Ad  edict.  praetoris  l. 
LXXXI,  dazu  als  Anhang  ad  ed.  aed.  cur.  l.  II,  die  ersten 
50  Bücher  unter  Caracalla-^^)  und  ad.  Sabin.  /.  LI  unter  Caracalla 


i3)  Dazu  Riccobono  Bull,  dell'istit.  di  dir.  Rom.  VI(1893)  p.  119  sg. 

**)  Dazu  Landucci  im  Jubiläumsband  für  serafini  (Studi  giuridici  etc.) 
Fir.  1892  p.  403  sg. 

■15)  Ulp.  D.  L,  15,  1  pr.  Phoenice  splendidissima  Tyriorum  colonia, 
unde  mihi  origo   est. 

16)  Hist.   Aug.  Pescenn.   7,   4.      Alex.  26,   6. 

17)  Hist.  Aug.  Heliogabal.   16,  4. 

*S)  Hist.  Aug.  Pesc.  7,  4.     Alex.  26,   6. 

49)  C.  J.  VIII,  37,  4  a.  222.  30.  März. 

50)  C.  J.  IV,  65,  4  a.  222.  1.  Dez.  (Hist.  Au^j.  Alex.  26,  5.  Dio  Cass. 
80,    1.) 

51)  Hist.  Aug.  Alex.  26,  6.  31,  2.  3.  34,  6.  51,  4.  67,  2.  68,  1. 

52)  Dio  Cass.  80,  2,  2. 

53)  Im  9.  Buch  erscheint  Caracalla  als  allein  regierend  (D.  111,3,32,2), 
ebenso  im  50. :  Imperatoris  nostri  et  divi  Severi  (D.  XLVIII,  18,  3).  Anderer- 
seits kommt  im  VI.,  XI.,  XV.,  XXXV.  Buch  Severus  als  lebender  Kaiser  vor 
(D.  III.  2,  24,  IV,  4,  22,  V,  3,  20,  12,  XXVI,  10,  3,  .3).  Danach  wird  an- 
genommen, daß  Ulpian  zu  Lebzeiten  des  Severus  einen  ersten  Entwurf  des 
Werkes  bis  mindestens  Buch  35  anfertigte,  und  daß  bei  der  Schlußredaklion 
unter  Caracalla  einige  Hinweise  auf  Severus  als  einen  Lebenden  stehen  blieben. 
Ob  der  letzte  Teil  des  Werkes  von  Buch  51  an  noch  unter  Caracalla  oder 
später  vollendet  wurde,  ist  zweifelhaft.  Ein  und  derselbe  Erlaß  Caracallas 
kommt    im    52.    Buch    in    D.  XXXVI,  4,  5,   16    als    vom    regierenden    Kaiser 


—     123     — 

(unvollendet).-^^)  Dazu  kommen  Institution,  l.  II,  regulär.  L  sing., 
opinion.  L  VI,  nach  Erlaß  des  SC.  über  Veräußerung  der  Mündel- 
güter (a.  195)/'^)  de  fideicoDiniissis  /.  VI,  ad.  leg.  Jul.  et  Pap. 
l.  XX,  de  officio  consulis  l.  III,  de  officio  proconsulis 
l.  X,  de  omnibjis  tribunalibus  l.  X^^^)  sämtlich  unter  Caracalla,^'') 
de  appellationib.  l.  IV,  unter  Caracalla  oder  Elagabalus,^^)  ad 
Isg-  Jid.  de  adtdteriis  l.  V,  nach  Caracallas  Tode;^^y  ferner 
re Sponsor,  l.  II,  disputation.  l.  X.,  regulär,  l.  VII,  navör/aov 
ßißli'u  X,  pandectarum  l.  sing.,  notae  zu  Papinians  Responsen 
und  Marcellus'  Digesten,  einiges  andere.  Wenn  auch  Ulpian 
kein  originaler  Kopf  war,  so  war  er  doch  ein  Meister  in  der 
Beherrschung  der  gewaltigen  Rechtsliteratur  und  steht  den 
Vorlagen,  die  er  bearbeitet,  mit  selbständiger  Kritik  gegen- 
über.«") 


Antoninus  und  gleich  darauf  als  vom  verstorbenen  Kaiser  Antoninus  herrührend 
vor.  Es  mui5  aber  auch  beachtet  werden,  dai3  im  73.  Buch  noch  einmal 
steht  ab  Imperatore  Severe  et  Antonino  rescriptum  est.  (D.  XLIl,  8,  19,  1.  So 
die  Florentiner  Handschrift.  Mommsen  h.  1.  will  freilich  einfach  setzen:  a 
Severe  et  Antonino.)  Wäre  es  nicht  die  nächstliegende  Annahme,  daß  das 
ganze  Werk  zweimal  bearbeitet  ist,  das  erste  Mal  vor  dem  Tode  des  Septimius 
Severus,  das  zweite  Mal  nachher  und  zum  Teil  nach  dem  Tode  Caracallas? 
Vgl.  Fitting,  S.  38fr.  Mommsen,  Zeitschr.  für  Rechtsgesch.  IX  (1888) 
S.  101  ff.  Fitting,  Castrense  peculium  S.  XXXV  f.  Kariowa  S.  743. 
Krüger,  S.  217f. 

54)  D.  XXXVIII,  17,  1,  3.  Imperator  noster  et  divus  pater  eins.  D. 
XXX,  37  pr.  Imperator  noster  et  divus  Severus.  D.  XXIV,  1,  32  pr. :  Im- 
perator noster  Antoninus  Augustus  ante  excessum  Di  vi  Severi  patris  sui.  Daß 
das  Werk  unvollendet  ist,  beruht  auf  der  Beobachtung,  daß  es  das  Sabinus- 
system  nicht  vollständig  umfaßt.  Krüger  S.  219.  Nach  c.  Cordi  §  3  i.  f. 
hat  Ulpian  eine  zweite  Auflage  erscheinen  lassen.  Das  kommt  auch  heute  bei 
unvollendeten   Werken  vor.      (Pernice,   Labeo.) 

ö5)  D.  XXVII,   9,  9,    10. 

56)  Pernice,  Zeitschr.  d.  Sav.-.Stift.  XIV  (1893)  S.  135  ff.  Kubier, 
Festschrift  für  Hirschfeld.     Berl.    1903. 

57)  Die  Beweise  beruhen  auch  hier  auf  den  Kaiserbezeichnungen.  Siehe 
Fitting  S.  34ff.  XIX,  1.  2.  3.  4.  5. 

58)  Welcher  von  beiden  der  Kaiser  in  D.  XLIX.  5,  5,  3  ist,  ist  zweifelhaft. 

59)  D.  XLVIII,   5,   14,   3  Divi  Severus  et  Antoninus. 

6«)  Pernice,  Ulpian  als  Schriftsteller,  Sitzungsberichte  der  Berliner 
Akademie   1885  S.  443  ff.,    setzt    den  Ulpian    etwas  zu  tief  herab. 


__     124     — 

64-  Licinius  Rufinus,  Schüler  des  Paulus/")  regulär,  l. 
XII  oder  XIII. 

65.  Älius  Marcianus  schrieb  de  appellationib.  l.  II,  nach 
dem  Tode  des  Septim.  Severus,^^)  institutio7i.  l.  XV  (XVI ?), 
regulär,  l.  V,  de  üidiciis  piiblicis  l.  II,  ad  fornndam  hypo- 
thecariani  l.  sing.,  ad  SC.  Tiirpilliammi  l.  sing.,  de  delatoribus 
l.  sing.,  notac  zu  Papinian  de  adultcriis. 

66.  ÄmiHus  Mac  er,  tätig  unter  Caracalla  und  Alexander 
Severus,*^)  verfaßte  de  appellationib.  l.  II,  de  publicis  indiciis 
l.  II,  de  officio  praesidis  l.  II,  ad  leg.  vicesiniam  Jiereditatiuin 
l.  II,  de  re  militari  l.  II. 

6"].    Julius  Aquila,   etwa  gleichzeitig,  responsa. 

68.  Furius  Anthianus,  etwa  gleichzeitig,  Kommentar 
zum  Edikt,  von  dem  die  Kompilatoren  nur  noch  5  Bücher 
hatten. 

69.  Rutilius  Maximus,  etwa  gleichzeitig,  ad  leg.  Fal- 
cidiavi  l.  sing. 

70.  Herennius  Modestinus,  Schüler  Ulpians,^^)  als  Respon- 
dent  erwähnt  a.  239,^^)  zwischen  d.  J.  226  und  dem  J.  244 
als  Präfectus  vigihun  in  der  lis  fidlonuni  tätig ;^^)  schrieb  seine 
Werke  nach  Caracallas  Tode,^'')  nur  de  lieiwematicis  l.  sing. 
(kasuistisch)  könnte  früher  sein,  jedenfalls  nicht  vor  a.  204.*'^) 
Regulär,  l.  X,  pandectar.  l.  XII,  differentiar.  l.  IX.  (Unter- 
scheidungen von  Dingen,  die    leicht   verwechselt  werden),  re- 


61)  Er  befragt  ihn  in  D.  XL,   13,  4. 

62)  D.  XL IX,   1,   7  Divus  Severus. 

63)  D.  XXIX,  2,  61  libr.  I  de  off.  praesidis:  divus  Severus.  D.  XLIX, 
13,    1    pr.   libr.  II   de  appell.  :   imperator  noster  Alexander. 

64)  Ulp.  D.  XLVII,  2,  52,  20.  Herennio  Modestino  studioso  meo  de 
I )  almatia  consulenti  rescripsi. 

65)  C.  I.  III,  42,  5.     66)  Bruns  I  p.  362  sq. 

67)  Dies  paßt  vor  allem  zu  dem,  was  wir  sonst  von  seiner  Lebenszeit 
wissen,  und  im  allgemeinen  auch  zu  den  Kaiserbezeichnungen  (Stellen  bei 
Fitting  S.  53  ff.).  Daß  regulär.  1.  VL  (D.  I,  9,  8)  und  in  den  Büchern 
de  poenis  (z.  B.  D.  XXXIX,  4,  6)  Divus  Severus  et  Antoninus  vorkommt,  ist 
kein  Beweis  dafür,  daß  Caracalla  damals  noch  lebte;  s.  Fitting  selbst,  dann 
Mommsen  Zeitschr.   f.    Rechtsgesch.  IX  (1888)  S.    108  sq. 

68)  D.  XVIII,  6,  4,  2;  Severus  et  Antoninus  constituit,  bezieht  sich 
auf  C.  I.  VI,  26,  2  a.  204. 


—     125     — 

Sponsor,  l.  XIX,  de  excusationib.  l.  VI,  griechisch  {Tiaoalzt^aig 
k7iiiQ07irg  -Aal  xouQacooias)  vorwiegend  auf  provinzielle  Ver- 
hältnisse berechnet,  de  poenis  l.  VI,  de  praescriptionib.  l.  sing.^^) 
libri  Singular  es  de  emicleatis  casibiis,  de  mamimissionib., 
de  ritii  nnptiar.^  de  differentia  dotis,  de  legatis  et  fideiconiiniss., 
de  testamentis,  de  inofficioso  testaiJi."'^) 

71.  Hermo  genianus  wird  meist  erst  in  das  4.  Jahrh. 
versetzt,  aber  aus  unzureichenden  Gründen;  der  Sprache  nach 
gehört  er  noch  der  klassischen  Zeit  an.'^)  Er  schrieb  Juris  epito- 
marum  l.    VI,  eine  Verarbeitung  früherer  Juristenschriften.^^) 

72.  Aurelius  Arcadius  Charisius,  Magister Libellorum,") 
gehört  in  das  4.  Jahrhundert;")  — Libri  singidai'es  de  muneribus 
civilibus.  de  officio  praefecti  praetoj'io,  de  testibus. 


§  22. 

3.  Die  Behandlung  der  Schriften  der  klassischen  Juristen 
in  der  Folgezeit. 

Die  seit  dem  3.  Jahrhundert  erstarkende  Sitte,  die  ein- 
zelnen Schriftstellen  der  klassischen  Juristen  wie  Gesetzestexte 
zu  eitleren,  ist  in  der  nachdiocletianischen  Zeit  vollkommen 
an  der  Tagesordnung.  Jus  bedeutet  jetzt  vorzugsweise  das 
Recht  der  Juristenschriften  im  Gegensatz  zu  den  Konstitutionen 
[ins  legesgue)})      Dabei  mußten  sich  aber    wegen    der  Menge 


69)  D.  XLV,  1,  101,  angeblich  aus  Buch  4,  kann  aus  Buch  4  der 
pandectae  sein. 

^^)  D.  XLl,  1,  53.  54,  welche  die  Inskriptionen  einem  Werk  des  Modestin 
ad   Q.  Mucium  beilegten,  scheinen  von  Pomponius   zu  sein. 

71)  Kalb,  Roms  Juristen  S.   144. 

72)  Diesem  Werk  mag  auch  D.  XXXVI,  1,  14  entstammen,  welche  Stelle 
die  Inskription  einem  4.  Buch  fideicommissorum  beilegt. 

73)  D.  I,   11,   1. 

74)  Nicht  weil  er  in  D.  I,  11,  1,  1  ein  Gesetz  Constantins  vom  J.  .331 
(C.  Th.  XI,  30,  16)  erwähnte;  denn  die  sententia  principalis  publice  lecta, 
von  der  er  spricht,  ist  das  nicht;  wohl  aber  wegen  seiner  Sprache. 

ly  C.  Th.  XI,  36,  25  (a.  378)  satis  et  iure  et  constitutionibus  eautum 
est.     Nov.  Val.    31,   1,  5  (a.  451)  gnaros  iuris  et  legum.     In  C.  Deo  auctore 


—     126     — 

des  Stoffes  und  der  Meinungsverschiedenheiten  der  klassischen 
Juristen  häufig  Zweifel  und  Zufälligkeiten  in  der  Auswahl  des 
der  Entscheidung  zu  Grunde  zu  Legenden,  und  wegen  der 
Unvollkommenheit  des  Buchwesens  Entstellungen,  selbst  Fäl- 
schungen der  Texte  einstellen.  Die  Gesetzgebung  hat  öfter, 
freilich  roh  und  willkürlich,  die  Benutzung  der  Juristenschriften 
in  den   Gerichten  zu  regulieren  gesucht. 

Konstantin  verbot  im  J.  32 1")  die  Benutzung  der  Notae 
von  Paulus  und  Ulpian  zu  Papinian  mit  dem  albernen  Grunde: 
qui  dum  ingenii  Imidem  sectantiir,  non  tain  corrigere  eiini  quam 
depravare  nialuermit.  Dies  war  später  auch  auf  die  Noten 
Marcians  ausgedehnt.^)  Wahrscheinlich  im  Jahre  328*)  wurden 
alle  Werke  des  Paulus,  entsprechend  dem  Ansehen,  das  sie 
schon  hatten,  namentlich  aber  die  Sententiae,  unter  besonderer 
Hervorhebung  ihrer  Vortrefflichkeit  mit  Gesetzeskraft  aus- 
drücklich bekleidet,  eine  Ausnahme  in  Bezug  auf  die  Noten 
zu  Papinian  ist  nicht  ausdrücklich,  aber  wohl  stillschweigend 
gemacht. 

Im  J.  426  erging  das  berühmte  s.  g.  Citiergesetz  Va- 
lentinians  III.^)  Man  scheint  in  der  Praxis  sich  hauptsächlich 
mit  den  Werken  von  Gajus,  Papinian,  Paulus,  Ulpian  und 
Modestin  begnügt  zu  haben.  Die  ältere  Literatur,  die  bei 
diesen,  besonders  bei  Ulpian,  reichhaltig  exzerpiert  vorlag,  scheint 
selten  geworden  zu  sein.    Nun  bestätigt  das  Gesetz  die  Schriften 

spricht  Justinian  von  den  zwei  Codices  uno  constitutionum,  altero  iuris  enu- 
cleati  =  Digesten! 

2)  C.  Th.  I,  4,   1.       ^)  C.  Deo  auctore  §  6.     *)  C.  Th.  I,  4,  2. 

^)  C.  Th.  I,  4,  3.  Papiniani,  Paulli,  Gaii,  Ulpiani  atque  Modestini  scripta 
universa  firmamus  ita,  ut  Gaium  quae  Paullum,  Ulpianum  et  cunctos  comitetur 
auctoritas,  lectionesque  ex  omni  eins  opere  recitentur.  Eorum  qiioque  scientiam, 
quorum  tractatus  atque  sententias  praedicti  omnes  suis  opcribus  miscuerunt, 
ratam  esse  censemus,  ut  Scaevolae,  Sabini,  luliani  atque  Marcelli,  omniumque, 
quos  illi  celebrarunt,  si  tarnen  eorum  libri,  propter  antiquitatis  incertum,  codicum 
collatione  firmentur.  Ubi  autem  diversae  sententiae  proferuntur,  potior  numerus 
vincat  auctorum,  vel,  si  numerus  aequalis  sit,  eius  partis  praecedat  auctoritas, 
in  qua  excellentis  ingenii  vir  Papinianus  emineat,  qui  ut  singulos  vincit,  ita 
cedit  duobus.  Notas  etiam  Paulli  atque  Ulpiani  in  Papiniani  corpus  factas 
(sicut  dudum  statutum  est)  praecipimus  infirmari.  Ubi  autem  pares  eorum 
sententiae  recitantur,  quorum  par  censetur  auctoritas,  quod  sequi  debeat,  eligat 
moderatio  iudicantis.      Paulli  quoque  Sententias  somiKT  valere   praecipimus. 


—     127     — 

jener  fünf  mit  der  Hervorhebung,  daß  Gajus  dieselbe  Au- 
torität haben  soll  wie  die  andern.  Auch  die  Sententiae  des 
Paulus  werden  noch  besonders  bestätigt.  Die  Noten  von 
Paulus  und  Ulpian  zu  Papinian  bleiben  ausgeschlossen.  Es  gelten 
aber  auch  die  Ansichten  derer,  welche  bei  den  Fünf  citiert  sind; 
unter  ihnen  werden  Sabinus,  Scävola,  Julian,  Marcellus  be- 
sonders genannt.  Und  zwar  dürfen  nicht  bloß  die  von  den 
Fünf  citierten  Stellen,  sondern  die  Werke  der  Citierten  selbst 
benutzt  werden,  diese  aber  nur,  wenn  die  Echtheit  der  Lesart 
durch  Vergleichung  mehrerer  Handschriften  festgestellt  wird. 
Wenn  Meinungsverschiedenheiten  unter  den  Autoritäten  ob- 
walten, so  entscheidet  deren  Mehrzahl,  bei  Stimmengleichheit 
Papinian,  und  nur  bei  Stimmengleichheit  unter  den  übrigen 
darf  der  Richter  den  eigenen  Verstand  gebrauchen. 


§  23. 

4.  Die  nachklassische  Jurisprudenz. 

Der  Niedergang  der  römischen  Jurisprudenz  ist  von  der  Mitte 
des  dritten  Jahrhunderts  an  zu  datieren.  Es  ist  kein  rascher 
Sturz,  sondern  ein  allmählicher  Verfall  im  Zusammenhange 
mit  dem  allgemeinen  Verfall  der  römischen  Welt. 

Ein  Hauptgrund  des  Verfalls  der  Rechtswissenschaft  ist 
in  der  veränderten  Stellung  der  Kaiser  ihr  gegenüber  zu  suchen, 
eine  Veränderung,  die  freilich  eine  schon  stark  zurückgegangene 
Jurisprudenz  voraussetzt.  Die  absolutistischen  Kaiser  seit 
Diokletian  haben  das  his  respondendi  nicht  mehr  verliehen; 
sie  haben  die  zwischen  dem  geltenden  Recht  und  den  An- 
forderungen der  Äquität  vermittelnde  Interpretatio  als  kaiser- 
liches Privilegium  in  Anspruch  genommen,^)  den  Juristen  also 
die  alte  Stellung  als  Fortbildner  des  Rechtes  zu  entziehen 
gesucht ;  sie  haben  die  freie  Bewegung  des  Richters  durch  die 
Citiergesetze  geknebelt.  Daß  hierdurch  die  in  der  Rechts- 
wissenschaft noch  lebenden  Kräfte  umsomehr  gelähmt  wurden, 


1)  Constantin  C.   J.  I,   14,    1. 


—     128     — 

ist  begreiflich.  Aul5er  den  Arbeiten  des  schon  §  21,  72  mit 
aufgeführten  Arcadius  Charisius  sind  Sammelarbeiten  und 
Schollen  das  Einzige,  wovon  wir  noch  hören.  Gegen  die 
justinianische  Zeit  zeigt  sich  aber  wieder  ein  entschiedener  Auf- 
schwung in  den  Rechtsschulen,  vor  allem  in  der  von  Berytus.  Als 
bedeutende  Lehrer  des  fünften  Jahrhunderts,  zumeist  in  Berytus, 
sind  bezeugt:  Cyrillus,  Domninus,  Demosthenes,  Eudoxius,  Patri- 
cius.'j  Am  besten  zeigt  die  Wiedererhebung  der  Rechtswissen- 
schaft die  Tatsache,  daß  es  dem  Kaiser  Justinian  gelang,  den 
unter  Theodosius  II  gescheiterten  Plan  einer  grossen  Kodifi- 
kation auszuführen,  und  daß  die  Jurisprudenz  seiner  Zeit  die 
Fesseln  sprengte,  die  er  ihr  in  der  Bearbeitung  der  Kodifikation 
aufzulegen  gedachte. 


§   24. 

5.  Die  Überlieferung   der  juristischen  Werke. 

Das  meiste,  was  wir  von  den  Werken  und  Aussprüchen 
der  römischen  Jurisprudenz  kennen,  verdanken  wir  den  Justi- 
nianischen Digesten;  auch  die  justinianischen  Institutionen,  und 
hie  und  da  auch  Codex  und  Novellen  tragen  dazu  bei.  Die 
Werke  der  nachklassischen  Zeit  haben  zum  guten  Teil  ihre 
Bedeutung  darin,  daß  sie  Quellen  für  die  Kenntnis  der  Klas- 
siker sind.  Dazu  kommen  sonstige  litterarische  Notizen.  Im 
Original  haben  wir  nur  verhältnismäßig  weniges.^) 


2)  Huschke   p.   860  sqq. 

1)  Die  Werke  der  klassischen  Jurisprudenz,  soweit  tunlich  in  ihrem 
ursprünglichen  Zusammenhange  wiederhergestellt,  bietet  Lenel,  Palingenesia 
iuris  civilis  (2  Bände.  Leipzig  1888/9),  ein  ganz  ausgezeichnetes  Werk.  Gajus' 
Institutionen,  die  Sententiae  des  Paulus,  Ulpians  1.  sing,  regulär,  und  einiges 
andere  hat  Lenel  nicht  aufgenommen.  Vgl.  Kipp,  Krit.  Viertcljahrsschr. 
XXXIII  (1890)S.  481  ff.  Ähnliche  Zwecke  verfolgt  Bremer,  iurisprudentiae  Ante- 
hadrianae  quae  supersunt.  Lips.  I  1896.  II,  1899.  II,  2,  1900.  Huschke, 
iurisprudentiae  Anteiustinianae  quae  supersunt  (5.  Auflage.  Leipzig  1886)  ent- 
hält eine  Sammlung  der  außerhalb  der  Digesten  überlieferten  Citate  —  und  Aus- 
gaben der  selbständig  überlieferten  Schriften  mit  guten  Parallelstellensamm- 
lungen.     Gajus    s.    auch   .Vnm.   3.      Kritisch      besser     sind      die     Au.sgaben     in 


—     129     — 

In  das  folgende  Verzeichnis  sind  auch  einige  nur  halb 
rechtswissenschaftliche  Schriften  aufgenommen. 

I.  Schriften  der  klassischen  Zeit. 

1.  Gaii  iiLstitutionuni  conwientarii  quattuor  (§  20,  38)  waren 
bis  18 16  nur  bekannt  in  dem  in  der  Lex  Romana  Wisigo- 
thorum  enthaltenen  Auszug")  (§  25,  l)  und  aus  sonstiger 
späterer  Benutzung.  18 16  fand  Niebuhr  in  der  Bibliothek  des 
Domkapitels  zu  Verona  einen  Codex  palimpsestus  (rescriptus), 
welcher  unter  Werken  des  heiligen  Hieronymus  den  echten 
Gajus  enthält.  Ein  nicht  reskribiertes  Blatt  der  Handschrift 
w^ar  schon  früher  herausgegeben.  Die  Handschrift  stammt 
etwa  aus  dem  5.  Jahrhundert  und  ist  durch  wiederholte  Nach- 
vergleichung  bis  auf  verhältnismäßig  wenige  Lücken  jetzt  voll- 
ständig entziffert.3)  Im  Jahre  1899  fand  Chatelain  in  Autun 
auf  Palimpsestblättern  Stücke  einer  Paraphrase  des  Gajus. 
Die  Handschrift  stammt  spätestens  aus  dem  5.  Jahrhundert. 
Das  Werk  selbst  gehört  jedenfalls  den  Zeiten  des  Tiefstandes 
der  Rechtswissenschaft  an.*) 

2.  Maeciani  assis  disTribiitio.^) 

3.  Von  Papiniani  responsa  (§  21,  52)  sind  geringe  Reste 
des  5.  und  9.  Buches  auf  ägyptischen  Pergamentblättern  er- 
halten; die  des  5.  in  Berlin,  zuerst  1879,  die  des  9.  in  Paris,  zu- 
erst  1883    herausgegeben.     Ein    Responsum    Papinians    bildet 


Krüger,  Mommsen,  Studemund,  collectio  librorum  iuris  Anteiustiniani 
(B  Bde.  Berlin  1877-90.  Bd.   1  in  4.  Aufl.   1900). 

2)  Hitzig,  Beiträge  zur  Kenntnis  und  Würdigung  des  sog.  westgotischen 
Gajus,  Zeitschr.  d.  Sav.-Stift.  XIV  (1&93)  S.   187  ff. 

^)  Nachbildung  der  Handschrift :  Gaii  institutionum  commentarii  quattuor. 
Codicis  Veronensis  denuo  collati  apographum  von  G.  Studemund  (Leipzig 
1874).  Ausgaben:  Collectio  t.  I,  4.  ed.  1900.  Huschke  p.  148  sqq.,  jetzt 
in  neuer  Bearbeitung  von  Seckel  und  Kubier   1903. 

4)  Vgl.  Mommsen,  Zeitschr.  d.  Sav.-Stift.  XX  (1899)  S.  235  f.  Kalb, 
Jahresbericht  f.  Altertumswissenschaft.  CIX  (1901  II)  S.  37  f.  No.  77  und 
dort  Citierte.  Die  neueste  Studemundsche  Ausgabe  (Collectio  I)  hat  die 
Fragmente  von  Autun  mit  aufgenommen.  Ferrini  und  Scialoja,  Bull,  dell' 
istit.  di  dir.  Rom.  XIII,   1   (1900). 

5)  Huschke  p.  411    sqq. 

Kipp,  Quellen  des  röm.  Rechts.  " 


—     130     — 

den    Schluß    der    Lex    Romana    VVisigothorum.      Einen     Satz 
seiner  Quästiones  hat  Harmenopoulos.*') 

4.  Pauli  senteniiae  (§  21  ,62)  kennen  wir  aus  dem  in  der 
Lex  Romana  Wisigothorum  enthaltenen  Auszuge,  der  aber 
nicht  den  reinen  Text  bietet  und  nur  etwa  \y  des  Ganzen 
umfaßt.  In  einigen  Stellen  der  Handschriften  ist  er  aus  dem 
echten  Werk  ergänzt.  Dazu  treten  andre  Bruchstücke  in  Dig., 
Collatio,  Fr.  Vat.  und  andern  Werken.')  Zwei  geringfügige 
Bruchstücke  aus  Paul.  /.  XXXII  ad  edictuni  enthält  ein  zuerst 

1897  herausgegebenes  Pergamentstückchen. **) 

5.  Von  Ulpiaiii  institutioncs  (§  21,  63)  sind  Reste  auf 
Papyrus  von  Endlicher  1835  in  der  W'iener  Bibliothek  ge- 
funden.9) 

6.  Ulpiaiii  L  sing.  7'egidarnni  (§  21.  63)  ist  enthalten  in 
einer  Handschrift  des  10.  Jahrh.  (im  Vatikan)  in  einer  wahr- 
scheinlich bald  nach  320  n.  Chr.  hergestellten  Epitome,  welche 
Ergänzungen  erhält  durch  Dig.  und  Collatio.'") 

7.  Das  s.  g.  fragmenhwi  de  iiidiciis,  ein  ägyptisches  Pa- 
pyrusblatt, in  Berlin,  zuerst  1879  herausgegeben,  vielleicht  aus 
einem  selbständigen  W^erk  de  iudiciis,  vielleicht  aus  einem 
Ediktskommentar.  ■'^) 

8.  Fragnienta  de  iure  ßsci,  zwei  zugleich  mit  dem  Gajus 
in  Verona  entdeckte  Pergamentblätter  aus  dem  5.  oder  6. 
Jahrhundert.  Das  Werk  selbst,  zu  dem  sie  gehören,  scheint 
dem  Ende  des  2.  oder  Anfang  des    3.  Jahrh.    anzugehören. ■'-) 

9.  S.  g.  /ragmentum  Dosithcanuvi.  In  einer  Handschrift 
zu  St.  Gallen    folst    auf   die    Ars    erammatica    des    Dositheus 


6)   Collectio   II   p.    157.  III  p.  285  sqq.      Huschke  p.  435  sqq. 

"')  Collectio  II  p.  39  sqq.  Huschke  p.  450  sqq.  Citate  aus  Paulus' 
Institutionen:  Collect.  II  p.   160.  III  p.  297  sq.     Huschke  p.  562. 

8)  Krüger,  Zeitschr.  der  Sav.-Slift.  XVIII  (1897)  S.  224  f.  Die  erste 
Herausgabe  im  gleichen  Jahr  von  Grenfell  u.  Hunt.  Vgl.  auch  Kalb, 
Jahresber.  f.  Altertumswissensch.  CIX  (1901   II)  S.  46  f. 

®)   Collect.   II   p.   157  sqq.   Huschke  p.   617  sqq. 

10)  Collect.  II  p.  1  sqq.  Huschke  p.  563  sqq.  Citate  aus  Ulpian: 
Collect.   II   p.    160.   III   p.  298.    Huschke  p.  623  sqq. 

11)  Collect.  III  p.  298  sq.  Cantarelli,  Bull,  dell'istituto  di  dir.  Rom. 
VII  (1894)  p.  27  sg. 

12)  Collect.   II   p.    162  sqq.      Huschke  p.   633  sqq. 


—     131     — 

eine  Sammlung  von  interpf'etametita,  Übungsstücken  zum  Über- 
setzen zwischen  dem  Griechischen  und  dem  Lateinischen,  die 
man  kein  Recht  hat,  wie  früher  allgemein  geschah,  dem  Do- 
sitheus  zuzuschreiben.  Ein  —  durch  andere  Handschriften 
überliefertes  —  Stück  dieser  Sammlung  enthält  einen  juristi- 
schen Traktat,  lateinisch  und  griechisch,  aber  durch  schlechtes 
Hin-  und  Herübersetzen  sehr  entstellt.  Die  Rede  ist  von  ins 
naturale,  gentium,  civile,  ins  civile  und  ius  honorariuni,  dann 
von  Freilassungen.  Das  Werk,  aus  welchem  das  Bruchstück 
stammt,    ist  nicht  vor  Julian    geschrieben,    der    citiert  wird.^'^) 

10.  Tractatiis  de  gi-adibus  cognationwn,  wohl  aus  klas- 
sischer Zeit,    in    den  Handschriften    der    notitia    dignitatum}^) 

11.  Ein  Stückchen  von  Pomponii  über  sing,  regtäai^m}^) 

12.  Ein  Satz  aus  Modestins  libri  regularum  und  ein  Citat 
wohl  aus  seinen  differentiae}^) 

13.  Ein  Pergamentblatt  aus  Ägypten  in  der  Sammlung 
des  Erzherzogs  Rainer,  zuerst  1888  herausgegeben,  aus  einem 
nicht  bestimmbaren  Werk,  nicht  vor  Julian.  In  seinem  Inhalt 
tritt  die  forniula  Fabiana   hervor,    daher    genannt    Fragin.  de 

form.  Fab.'^'') 

II.  Aus  nachklassischer  Tj^it. 

a)  Aus  dem  westlichen  Reiche. 

14.  Fragmenta  Vaticana,  auf  einem  Palimpsest  im  Vati- 
kan von  Angelo  Mai  entdeckt.  Bruchstücke  eines  grossen 
Sammelwerkes  von  Auszügen  aus  Schriften  von  Paulus,  Papinian, 
Ulpian,  einer  Schrift  de  interdictls,  und  Kaiserkonstitutionen, 
materienweise  geordnet,  als  selbständiges  Produkt  gering- 
wertig, aber  als  Überlieferung  sehr  wertvoll,  weil  der  Ver- 
fasser   die    Texte    nicht    änderte.     Entstanden    im    Westen  ^^) 


13)  Collect.  II   p.   149  sqq.      Huschke  p.  424  sqq. 

14)  Collect.  II  p.   166  sqq.     Huschke    p.    626    sqq.      Verwandtschafts- 
tabellen: Collect.  II  p.   168.     Huschke  p.  628  sqq. 

15)  Collect.  II  p.   148.     Huschke  p.   146  sq. 

16)  Collect.  II  p.   161.     Huschke  p.  644. 

17).  Collect.  III  p.  299  sq. 

18)  Sie    enthält  Reskripte  Maximians. 

9* 


—     132     — 

zwischen  3/2^*)  und  438,-^)  wahrscheinlich  aber  zur  Zeit  Kon- 
stantins angelegt  und  um  372  nur  vermehrt."^) 

15.  Collatio  legiiin  Mosaicariim  et  Romanaruin,  in  den 
Handschriften  überschrieben :  lex  Dei  quam  praecepit  Dominus 
ad  Moysen,  eine  Gegenüberstellung  von  Sätzen  des  Pentateuch 
in  lateinischer  Übersetzung  und  Sätzen  des  römischen  Rechts 
aus  Gajus,  Papinian,  Paulus,  Ulpian,  Modestin,  nebst  Konsti- 
tutionen aus  C.  Gr.,  C.  H.  und  einer  Konstitution  von  390, 
entstanden  im  Westen  zwischen  390  und  dem  C.  Th.  Zweck 
des  Verfassers  war,  die  Übereinstimmung  des  RR.  mit  dem 
biblischen  zu  zeigen.'^^) 

16.  Q.  Aiirelii  Symmachi  relationes,  aus  seiner  Amts- 
führung als  p7-aefectiis  urbi  von  Rom   384  bis   385."'^) 

17.  Etwa  411/413  ist  als  Privatarbeit  nach  amtlichen 
Quellen  verfaßt  die  in  einer  Handschrift  in  Speier  gefundene 
notitia  dignitatum  uU'iusque  imperii,  ein  Verzeichnis  der 
höheren  Beamten  beider  Reichshälften  mit  ihrem  Hilfspersonal 
und  den  ihnen  unterstehenden  Truppenteilen  nebst  ihren  In- 
signien  (mit  Bildern).  Die  Bearbeitung  ist  so  zu  denken:  Ein 
occidentalischer  Verfasser  stellte  nach  dem  Muster  der  ihm 
vorliegenden  notitia  dignitatum  des  Ostreichs  eine  solche  für 
das  westliche  Reich  auf.-^) 

18.  Coiisultatio,  Sammlung  von  Gutachten,  die  ein  Rechts- 
gelehrter einem  Anwalt  erteilt,  mit  Belegen  aus  Pauli  Senten- 
tiae,  CC.  Gr.,  H.  und  Th.,  in  der  zweiten  Hälfte  des  5.  oder 
im    6.    Jahrhundert    wahrscheinlich    in     Gallien     geschrieben. 


19)  Bis  dahin  reichen   die  Konstitutionen  (§  37). 

20)  Der  C.  Th.  ist   dem   Verfasser  unbekannt. 

21)  Collect.   III  p.    1    sqq.      Husch ke  p.   706  sqq. 

22)  Collect.  III  p.  107  sqq.  Huschke  p.  645  sqq.  Conrat,  Hermes 
XXXV  (1900)  S.  344  ff.  legt  die  Collatio  dem  Kirchenvater  Hieronymus  bei; 
dagegen  Kalb,  Jahresber.  f.  Altertumswissensch.  CIX  (1901  II)  S.  48 f.  P'rüher 
dachte  man  an  Ambrosius  von  Mailand.     Vgl.  Krüger  S.  303  Anm.  42. 

23)  Herausgegeben  von  W.  Mcycr  (Leipzig  1873),  von  Seeck  (Berlin 
1883)  (Monum.  German.  auct.  antiquiss.  VI,  I). 

2*)  Herausgegeben  mit  Kommentar  von  Böcking  (Bonn  1839 — 53),  von 
Seeck  (Berlin  1876).  Über  die  Entstehung  vgl.  Joh.  Schoene,  Hermes  XXXVII 
(1902)  S.  271  f. 


—     133     — 

Von      Cujacius      aus      verschollener      Handschrift      herausge- 
geben.^^) 

19.  Zwei  Anhänge  zur  Lex  Romana  Wisigothorum 
sind  private  Sammlungen  von  Auszügen  aus  römischen 
Quellen.-«) 

20.  Cassiodorius  Senator,  c.  480 — 575,  in  zahlreichen 
und  den  höchsten  Ämtern  der  auf  römischem  Fuß  gebliebenen 
Verwaltung  Italiens  unter  den  Ostgoten  tätig,  schrieb  varia- 
7'mn  l.  XII,  Sammlung  von  ihm  verfaßter  amtlicher  Verfüg- 
ungen und  sonstiger  Schriftstücke."^) 

b)  Aus  dem  östlichen  Reiche. 

21.  Scholia  Sinaitica.  Im  Sinaikloster  sind  kürzlich  ge- 
funden wenige  Bruchstücke  eines  Werkes,  welches  Scho- 
llen zu  Ulpians  libri  ad  Sabinuni  enthielt.  Dasselbe  muß 
im  Orient  nach  dem  C.  Th.  und  vor  Justinian  verfaßt 
sein  und  dem  Rechtsunterricht,  vielleicht  in  Berytus,  gedient 
haben.-«) 

22.  Das  syrisch-römische  Rechtsbuch.  Nach  472, 
aber  vor  Justinian,  ist  im  Orient  eine  griechische  Darstellung 
römischen  Rechts  entstanden,  von  der  Übersetzungen  in  die 
syrische,  arabische  und  andere  orientalische  Sprachen  erhalten 
sind.  Diese  Übersetzungen  haben  jahrhundertelang  von  r\gypten 
bis  Armenien  große  Anerkennung  gefunden  und  sich  sogar 
dem  Justinianischen  R.  gegenüber  behauptet.  Sie  enthalten 
das  RR.  nicht  ungetrübt,  vieles  ist  mißverständUch,  vieles  in 
offenbar  absichtlicher  Abweichung  vom  RR.  wiedergegeben 
(besonders  in  der  Intestaterbfolge).  Der  Titel  der  Hand- 
schriften: „Gesetze  und  Befehle  der  siegreichen  Könige"  oder 
^Gesetze  der  siegreichen  christlichen  Könige  Konstantin,  Theo- 

25)  Collect.  III  p.   199  sq.     Huschke  p.  835  sqq. 

26)  Collect.   III  p.  249  sqq. 

27)  Ausgabe  von  Mommsen,  monum.  Germaniae,  auctores  antiquiss.  t. 
XII.     Berlin  1884. 

28)  Collect.  III  p.  265  sqq.  Huschke  p.  815  sqq.  Zachariae  von 
LingentKal.  Bull,  dell'  istiluto  di  dir.  Ro.  V  (1892)  p.  1  sg.  Riccobono 
das.  IX  (1898)  p.  217  sg. 


—     134     — 

dosius  und  Leo"  paßt  nicht;  denn  Konstitutionen  dieser  Kaiser 
bilden  den  geringsten  Teil.'"") 

23.  Johannes  Lydus  schrieb  unter  Justinian  de  viagistra- 
tibiis  rei  public ae  Romanae?^) 


29)  Mit  deutschen  Übersetzungen  und  Kommentar  herausgegeben  von 
Bruns  und  Sach au  (Leipzig  1880).  Ferrini,  Beiträge  zur  Kenntnis  des  s.  g. 
syrisch-römischen  Rechtsbuchs,  Zeitschr.  d.  Sav.-Stift.    XXIII  (1902)  S.   101  ff. 

30)  Corpus  scriptorum  historiae  Byzantinae.     (Bonn  1837)  p.   119  sqq. 


Fünftes  Kapitel. 

§  25. 
Leges  Romanae  der  g-ermanischen  Reiche. 

In  den  germanischen  Reichen  auf  römischem  Boden  sind 
drei  Gesetzbücher  erlassen,  die,  aus  den  Quellen  des  römischen 
Rechts  geschöpft,  für  die  Erkenntnis  des  vorjustinianischen 
Rechts  von  großer  Wichtigkeit  sind,  obwohl  sie  es  nicht  un- 
getrübt enthalten. 

I.  Lex  Roniana  Wisigothornm  im  J.  506  von  König  Ala- 
rich  II  gegeben  für  die  Römer  des  Westgotischen  Reiches, 
später  Bi-eviaruan  Alaricianum  genannt.  Sie  ist  hergestellt 
von  einer  Kommission  von  Pnidentes  und  enthält  Auszüge 
aus  C.  Th.,  posttheodosianischen  Novellen,  Gaii  Institution., 
Pauli  sententiae,  C.  Gr.,  C.  H.  und  ein  Responsum  Papinians. 
Gajus  ist  aufgenommen  in  einer  verkürzten  Bearbeitung,  welche 
wahrscheinlich  im  4.  oder  5.  Jahrh.  für  Schulzwecke  hergestellt 
war;  sie  läßt  das  4.  Buch  ganz  fort  und  zieht  die  drei  ersten 
in  zwei  zusammen.  Bei  den  anderen  benutzten  Quellen  ist 
den  Auszügen,  soweit  es  erforderlich  erschien,  eine  vitcrpretatio 
beigegeben,  welche  aber  die  Prudentes  in  der  Hauptsache  aus 
bereits  vorhandenen  schulmäßigen  interpretationes  ausgezogen 
haben. ^) 

II.  Edichim  TJieodcrici,  erlassen  von  Theoderich  dem 
Großen  gemeinsam  für  Römer  und  Ostgoten,  wahrscheinlich 
bald  nach  512,  enthält  in  selbständiger  Fassung  Rechtssätze, 
die  aus  den  CC.  Gr.  H.  Th.,  posttheodosianischen  Novellen, 
Pauli    Sententiae    und    vielleicht    noch    anderen    Ouellen    des 


^)  Ausgabe  Haenel,  lex  Romana  Visigothorum  (Leipzig  1849). 


—     13G     — 

römischen  Rechtes,    auch    aus    den    interprctationes    geschöpft 
sind.-) 

III.  Lex  Romana  Burgiindiommi.  In  dem  gegen  Ende 
des  5.  Jahrh.  erlassenen  Gesetzbuch  für  die  Burgunder  (Gundo- 
bada),  welches  nur  teilweise  auch  für  die  Römer  des  Burgun- 
dischen Reiches  galt,  hatte  König  Gundobad  (473 — 516)  den 
Römern  ein  besonderes  Gesetzbuch  versprochen.  Dieses  ist 
erlassen  wahrscheinlich  noch  von  Gundobad,  jedenfalls  vor 
Untergang  des  burgundischen  Reichs  (534).  Die  Lex  Romana 
Burgundionum  stellt  in  selbständiger  Fassung  römische  Recht.s- 
sätze,  nicht  frei  von  burgundischen  Elementen,  zusammen. 
Benutzt  sind  CC.  Th.  Gr.  H.,  posttheodos.  Nov.,  Pauli  Sen- 
tentiae  und  Gaii  Institutiones  (oder  Regulae?),  auch  die  vor- 
handenen Interpretationen.'^) 


2)  Ausgabe:    Bluhme,    monumenta     Germaniae    leges    V    p.     145    sqq. 
(Hannover  1875.) 

3)  Ausgaben:    Bluhme,     monumenta    Germaniae    leges  III    p.   579  sqq. 
(Hannover   1863).     v.  Salis.   raon.  Germ.   leg.   sect.  I  t.  II  p.  I  (Hannover  1892). 


Sechstes  Kapitel. 

Die  Justinianische   Gesetzgebung   und   ihre 
orientalischen  Bearbeitungen. 

§  26. 

I .      Der  \'^erlauf  der  justinianischen  Gesetzgebung. 

Kaiser  Justinian  (527 — 565)  hat  den  Plan  Theodosius'  II, 
eine  umfassende  Kodifikation  aus  Konstitutionen  und  Juristen- 
schriften herzustellen,  wieder  aufgenommen  und  zum  Ziel  ge- 
führt.    Sein  Hauptratgeber  dabei  war  Tribonian. 

I.  Zuerst  befahl  der  Kaiser  am  13.  II  528  durch  die 
(ebenso  wie  die  im  folgenden  angeführten)  nach  den  Anfangs- 
worten so  benannte  c.  Haec  quae  necessario'^)  einer  Kommis- 
sion von  10  Mitgliedern,  darunter  Tribonian,  Magister  Officiorum, 
und  Theophilus,  Professor  (aiitecessor)  in  Konstantinopel,  die 
Abfassung  eines  neuen  Codex  Constitutionum,  welcher  am 
7.  April  529  durch  die  c.  Suiiniia  rei  publicae-)  mit  Gesetzes- 
kraft vom   16.  April   529  an  veröffentlicht  wurde. 

II.  Auf  Grund  eines  der  c.  Deo  auctore  vom  15.  Dez.  530'^) 
vorangegangenen  Befehls  bildete  Tribonian,  jetzt  Quaestor 
sacri  palatii,  unter  seiner  Leitung  eine  Kommission  von  17 
Mitgliedern,  Constantinus,  Comes  sacrarum  largitionum  u.  s.  w., 
zwei  Professoren  von  Konstantinopel,  Theophilus  und  Cratinus, 
zwei  von  Berytus,  Dorotheus  und  Anatolius,  und  elf  Advokaten 


*)  Die  erste   Vorrede  des  Codex  Justinianus. 

2)   Zweite  Vorrede   des  C.   J.       3)    1.  Vorrede  der  Digesten. 


—     138     — 

vom  Gericht  des  Präfectus  Prätorio  Orientis,*)  zum  Zwecke 
der  Ausarbeitung  einer  Sammlung  von  Auszügen  aus  den 
Juristenschriften  (Digesta,  Pandcxtae).  Das  Werk  dieser  Kom- 
mission ist  durch  c.  Tanta,  in  griechischer  Ausfertigung 
Jf.ÖLüAev,^)  vom  i6.  Dez.  533  mit  Gesetzeskraft  vom  30.  Dez. 
533  publiziert  und  gleichzeitig  durch  c.  Oninein  rei  publicae^) 
den  Professoren  in  Konstantinopel  und  Berytus  als  nun- 
mehr zu  beobachtende  Grundlage  des  Rechtsunterrichts  zu- 
gefertigt. 

III.  Das  schon  in  der  c.  Deo  auctore  (§  11)  in  Aussicht 
genommene  Lehrbuch  für  Anfänger,  Institutiones  oder  Elevienta, 
ist  nach  Fertigstellung  der  Digesten  von  Tribonian,  Dorotheus 
und  Theophilus  auf  Befehl  des  Kaisers  ausgearbeitet,  aber 
noch  vor  den  Digesten  durch  c.  Imperatorimn  majestatevi "') 
vom  21.  Nov.  533  publiziert  und  nach  c.  Tanta  §  23  mit 
Gesetzeskraft  vom  30.  Dez.   533  an  versehen. 

IV.  Seit  Erlaß  des  Codex  hatte  Justinian  durch  einzelne 
Konstitutionen  manche  Kontroversen  der  Juristen  entschieden. 
Diese  Entscheidungen  wurden  in  eine  (verlorene)  offizielle 
Sammlung  der  quinquaginta  decisiones  gebracht.**)  Auch  waren 
seit  Erlaß  des  Codex  manche  sonstige  Gesetze  ergangen,  und 
in  den  Digesten  durch  Änderungen  der  alten  Texte  manche 
Neuerungen  eingeführt.  Den  hierdurch  veralteten  Codex  Heß 
Justinian  durch  Tribonian,  Dorotheus  und  drei  der  an  den 
Digesten  beteiligten  Advokaten  revidieren. 

Das  überarbeitete  Werk,  Codex  Jiistinianus  repetitae  prae- 
lectionis,  wurde  durch  c.  Cordi"^)  vom  16.  Nov.  534  mit  Ge- 
setzeskraft vom  29.  Dez.   534  publiziert. 

V.  Nach  Vollendung  dieser  Arbeiten  erließ  Justinian  noch 
eine  große  Zahl  von  einzelnen  Gesetzen  [Novellae  leges)  zum 
Teil  großen  Umfangs  und  einschneidender  Bedeutung.  Diese 
wurden    amtlich    in    eine    Sammlung    eingetragen    (ob.  S.   ']']^. 


■*)  c.  Tanta  §  9.     ^)  3.  Vorrede  der  Digesten. 

6)  2.  Vorrede  der  Dig. 

'')  Vorrede  der  Inst. 

^)  c.  Cordi  §   1   u.  5. 

")  3.  Vorrede  zum  Codex. 


—     139     — 

So  viel  wir   wissen,    ist    aber    diese    Sammlung    nicht    offiziell 
veröffentlicht. 

VI.  Nach  Wiedereroberung  Italiens  führte  Justinian  seine 
drei  Gesetzbücher  dort  mittels  Edikts  ein,  bestätigte  ihre 
Geltung  durch  die  Sanctio  pragmatica  Pro  petitione  Vigilii 
(vgl.  ob.  S.  74  Anm.  31)  vom  13.  Aug.  554  und  ordnete  zu- 
gleich an,  daß  auch  die  Novellen  in  Italien  ediktal  publi- 
ziert werden  sollten. 


§  27. 

2.  Die  Bestandteile    der    Justinianischen   Gesetzgebung. 

Die  Institutionen. 

Die  Institutionen  stellen  das  Privatrecht  in  kurzem 
AbriiS  dar,  anhangsweise  auch  Strafrecht  und  Strafprozeß 
berührend  (IV,  18  de  piiblicis  iudiciis).  Sie  zerfallen  in  vier, 
in  Titel  mit  Rubriken  geteilte  Bücher.  (Die  Paragraphenein- 
teilung ist  späteren  Ursprungs.)  Nach  c.  Imperatoriam 
maiestatem  §  6  sind  sie  aus  den  älteren  Institutionenlehr- 
büchern, vornehmlich  dem  des  Gajus,  desselben  res  cottidianae 
(ob.  S.  115)  und  anderen  Werken  zusammengearbeitet.  Ihre 
Quellen  im  einzelnen  geben  sie  nicht  an.  Was  aus  Gajus, 
und  hie  und  da,  was  aus  anderen  Juristenschriften  oder  Kon- 
situtiönen  entnommen  ist,  lässt  sich  durch  Vergleichung  ander- 
weitiger Überlieferung  feststellen;  soweit  diese  Vergleichung 
nicht  führt,  ist  man  beim  Forschen  nach  den  Quellen  der 
einzelnen  Partieen  der  Institutionen  auf  stilistische  Erwägungen 
und  sonstige  Indizien  angewiesen.  Diese  Forschung  hat  in  der 
neuesten  Zeit  erhebliche  Fortschritte  gemacht.^)  Aus  stilistischen 
Gründen  hat  man  mit  Recht  geschlossen,  daß  Buch  I  und  II  einen 
andern  Verfasser  haben  als  Buch  III  und  IV,  und  daß  mut- 
maßlich  jeder    der  beiden  an  der  Abfassung    beteiligten  Pro- 


1)  Ferrini,  Bulletino  dell'  istituto  di  diritto  Romano  XIII  (1900j  p. 
101  sq.;  dazu  Kubier,  Zeitschr.  d.  Sav.-Stift.  XXIII  (1902)  S.  508  ff.  Weiteres 
bei   Kalb,    Jahresber.  für  Altertumswissenschaft  LXXXIX   (1896   II)   S.   284  ff. 


—     140     — 

fessoren  eine  dieser  Hälften  bearbeitet  hat,  während  Tribonian 
nur  die  Oberleitung  des  Ganzen  hatte.-)  Eine  Turiner  Hand- 
schrift hat  Scholien,  welche  wohl  in  Justinians  Zeit  zurück- 
gehen und  vorjustinianische  Quellen  benutzen.^) 


§  28. 
Die  Digesten. 

Die  s.  g.  Kompilatoren  der  Digesten  hatten  Befehl, 
die  Schriften  derjenigen  Juristen,  welchen  die  Kaiser  das  ius 
respondendi  (aitctoritatem  conscribendarimi  interpretandariimque 
Icgum)  erteilt  hatten,  zu  exzerpieren,  und  die  Exzerpte  in 
50  Bücher  mit  Titeleinteilung  nach  Anhalt  des  Codex  Justinianus 
und  des  prätorischen  Edikts  zu  ordnen.  Dieses  Werk  sollte 
dann  die  alleinige  Grundlage  der  Benutzung  der  Juristen- 
schriften in  den  Gerichten  sein;  das  Citiergesetz  Valentinians  III 
wurde  aufgehoben;  alle  Juristen  sollten  gleichstehen,  auch  die 
Noten  zu  Papinian  von  Paulus,  Ulpian,  Marcian  durfte  die 
Kommission  benutzen.  Sie  sollte  die  alten  Texte  nach  Er- 
messen kürzen,  ergänzen  oder  sonst  verbessern.  Widersprüche 
sollten  nicht  vorkommen,  auch  keine  Wiederholungen,  weder 
innerhalb  der  Digesten,  noch  im  Verhältnis  zum  Codex,  in 
letzterer  Beziehung  höchstens  dann,  w^enn  besondere  Umstände 
dazu  führten.  Aufgenommen  werden  sollte  nur,  was  noch  in 
praktischer  Geltung  stand,  worüber  im  Zweifel  die  Rechts- 
gewohnheit von  Konstantinopel  entscheiden  sollte.^) 

Demgemäß  umfassen  die  Digesten  50  Bücher,  welche  mit 
Ausnahme  von  B.   30 — 32  in  Titel  mit  Rubriken  geteilt   sind; 


2)  S.  g.  Turiner  Institutionenglosse.  Krüger,  Zcitschr.  f.  Rechtsgesch. 
VII,  1  (1886)  S.  47  ff. 

3)  Zu  dieser  Frage  Huschke,  praefatio  seiner  Ausgabe  der  Institutionen 
p.  VI  sq.  Grupe,  de  Justiniani  institut.  compositione.  Straßburg  Diss.  1884. 
Kariowa  I  S.  1015  f.  Krüger  S.  341  f.  Ferrini,  Zeitschr.  d.  Sav.-Stift. 
XI  (1890  S.  106  ff.).  Zocco-Rosa,  Per  il  XXXV  anno  d'insegnam.  di  F.  Serafini 
(Fir.  1892)  p.  417  sq.      Buonamici,  Archiv,    giur.  LVIII  (1897)  p.   139  sq. 

^)  c.  Deo  auctore. 


—     141     — 

30—32  bilden  zusammen  einen  Titel  de  legatis.  Die  Ord- 
nung folgt  den  befohlenen  Vorlagen.  Die  offizielle  Einteilung 
in  sieben  partes  lehnt  sich  an  die  der  Ediktskommentare  und 
dient  hauptsächlich  den  Zwecken  des  Rechtsunterrichts.-) 
Nach  der  c.  Tanta  §  2  sqq.  ist  die  Einteilung  folgende:  I. 
TCQioia  lib.  I — 4.  IL  de  iiidiciis  Hb.  5 — 11.  III.  de  rebus  Hb. 
12 — 19.  IV.  timbiliciis  lib.  20 — 27.  V.  lib  28 — 36,  darunter 
28 — 2<^de  tcstaineniisht\\t^\\.\d^\Q.  dann  folgenden  Inhaltsangaben 
der  c.  Tanta  treten  nicht  mehr  als  Titel  auf.  VI.  lib.  37 — 44. 
VII.  lib.  45 — 50.  Die  Titelübersicht  in  der  Florentiner  Hand- 
schrift ^)  weicht  von  dieser  Einteilung   mehrfach  ab. 

In  die  einzelnen  Titel  sind  die  Exzerpte  (s.  g.  fragmenta, 
leges)  mit  Angabe  des  Verfassers  und  des  Werkes,  dem  sie 
entstammen  (Inskription),  eingetragen.  (Die  Paragraphenein- 
teilung ist  späteren  Ursprungs.)  Das  offizielle  Verzeichnis  der 
benutzten  Werke,  welches  den  D.  vorangestellt  werden  sollte,*) 
ist  durch  die  Florentinische  Handschrift  überliefert  (s.  g.  Index 
FlorentiimsP)  Dasselbe  ist  aber  nicht  frei  von  Mängeln.  Ein 
genaues  gab  Krüger.^)  Im  ganzen  sind  40  Juristen  benutzt. 
Nach  Justinians  Angabe'^)  lagen  2000  libri  mit  3000000  versus 
(Zeilen)  vor,  welche  die  Kompilatoren  auf  150 000  versus 
reduziert  haben.  Die  benutzten  sind  nicht  durchweg  solche 
Juristen,  welche  das  ijis  respondendi  gehabt  haben.  Gajus  hatte  es 
wahrscheinlich  nicht,  und  die  Republikaner  Q.  Mucius,  Alfenus 
und  Älius  Gallus  können  es  ebensowenig  gehabt  haben,  wie 
der  dem  4.  Jahrhundert  angehörige  Arcadius  Charisius.  Den 
Löwenanteil  hat  Ulpian,  von  dem  ein  Drittel,  danach  Paulus, 
von  dem  ein  Sechstel  des  Ganzen  stammt.  Die  Kommission 
teilte  (nach    einer  Entdeckung    Bluhmes^)     die    zu    exzerpie- 


-)  vgl.  c.   Omnem  rei  publ.  §  2  sqq. 

3)  In  Mommsens  kleinerer  Ausgabe   p.   V  sqq. 

■*)   C.   Tanta  §  20.     ^)   Mommsens  kleinere  Ausgabe  p.   XXX  sqq. 

«)  Bei   Mommsen  a.   a.   O.  p.  879  sqq.      ')  C.   Tanta  §   1. 

^)  Bluhme,  Zeitschr.  f.  geschichtl.  Rechtswiss.  IV  (1820)  S.  257  ff. 
Der  Angriff  auf  seine  Lehre,  den  Hofmann,  die  Compilation  der  Digesten 
Justinians  (herausgegeben  von  J.  Pf  äff.  Wien  1900j  unternommen  hat,  ist 
durch  xMommsen,  Zeitschr.  d.  Sav.-Stift.  XXII  (1901)  S.  1  ff.,  Krüger  das. 
S.  12ff.  und  Jörs  Art.  Digesta  in  Pauly-Wissowa's  Encykl.  abgeschlagen. 


—     142     — 

renden  Schriften  in  drei  Massen,  welche  vielleicht  je  einer 
Subkommission  überwiesen  wurden.  Die  jeder  Masse  ange- 
hörenden Auszüge  stehen  in  den  einzelnen  Titeln  bei  einander, 
nur  ist  manchmal  ein  Fragment  wegen  inhaltlicher  Verwandt- 
schaft zu  solchen  einer  anderen  Masse  in  diese  eingesprengt; 
auch  sonst  finden  sich  kleine  Abweichungen.  Die  eine  Masse 
beginnt  mit  den  libri  ad  Sabinum,  daher  Sabinusmasse  genannt, 
die  andere  mit  den  libi'i  ad  cdictum,  daher  Ediktsmasse,  die 
dritte  mit  den  Ouästiones  und  Responsa  Papinians,  daher 
Papiniansmasse.  Einige  wohl  erst  im  Laufe  der  Arbeit  her- 
beigeschaffte Werke  sind  einer  vierten  Masse  überwiesen,  s.  g. 
Appendixmasse.  Die  Reihenfolge  der  Massen  in  den  Titeln 
wechselt;  nicht  alle  Titel  haben  alle  Massen,  manche  zwei 
Serien  der  verschiedenen  Massen,  was  w^ohl  daher  kommt, 
daß  man  ursprünglich  beabsichtigte,  zwei  Titel  zu  bilden, 
und  diese  später  zu  einem  verband.^) 

Die  Arbeit  der  Kommission  ist,  verglichen  mit  den  etwa 
gleichzeitigen  Arbeiten  auf  dem  Boden  des  Westreichs,  selbst 
mit  der  besten  unter  ihnen,  der  Lex  Romana  Wisigothorum, 
höchst  respektabel.  Die  in  Wahrheit  kaum  lösbare  Aufgabe, 
aus  zahllosen  Schriften  von  Juristen,  zwischen  denen  viele  Kontro- 
versen schwebten,  aus  einem  Zeitraum  von  über  2  5  o  Jahren,  dessen 
Ende  schon  um  Jahrhunderte  zurückliegt,  ein  einheitliches 
modernes  Gesetzbuch  zu  machen,  hat  die  Kommission  in  hoch- 
achtbarer Weise  zu  lösen  gesucht,  wenn  auch  viele  Mängel  übrig 
geblieben  sind.  Insbesondere  fehlt  es  nicht  an  Widersprüchen 
und  Wiederholungen;  selbst  Wiederholung  einer  und  derselben 
Stelle  kommt  vor  (leges  geiuiiiataej.  Stellen,  deren  Beziehung 
zu  dem  Titel,  in  dem  sie  stehen,  dunkel  ist,  nennt  man  li'ges 
fiigitivae,  erraticae.  In  die  Texte  hat  die  Kommission  in- 
struktionsgemäß durch  Auslassungen,  Zusätze  und  Verän- 
derungen überall  tief  eingegriffen.  Zusätze  und  Veränderungen 
nennt  man  Interpolationen  (emblentata  Triboniani).  Man  hat 
das  unbehagliche  Gefühl,  daß  man  die  Garantie  dafür,  Worte 


9)  Ein  genaues  Verzeichnis  der  zu  den  vier  Massen  gehörigen  Schriften 
gibt  (nach  Bluhme)  Krüger  bei  Mommsen  a.  a.  O.  p.  874  sqq.  Auch 
ist  bei  Mommsen  zu  den  einzelnen  Titeln  der  I).  angegeben,  wie  sie  sich 
aus  den   Massen  zusammensetzen. 


—     143     — 

der  Klassiker  vor  sich  zu  haben,  eigentlich  nirgends  in  den 
Digesten  besitzt;  dennoch  bleibt  nichts  übrig,  als  jeden  Satz 
und  jedes  Wort  so  lange  für  echt  zu  nehmen,  bis  sich 
positive  Gründe  für  einen  Eingriff  der  Kompilatoren  ergeben. 
Diese  Materie  gehört  zu  den  interessantesten,  aber  auch 
schwierigsten  des  Quellenstudiums.  Während  zahlreiche  Inter- 
polationen längst  bekannt  sind,  hat  man  erst  in  neuester 
Zeit  umfassende  und  systematische  Nachforschung  nach  den 
Interpolationen  gehalten  und  feste  Grundsätze  zur  Reinigung 
der  Klassikertexte  zu  gewinnen  gesucht.^*^) 

Glosseme  sind  ursprüngliche  Glossen,  welche  ein  späterer 
Abschreiber  aus  Versehen  in  den  Text  aufnahm.  Auch  sie 
sind  in  den  D.  zahlreich,  von  Interpolationen  nicht  immer 
klar  zu  unterscheiden,  und  stammen  wohl  großenteils  schon 
aus  den  Handschriften,  welche  den  Kompilatoren  vorlagen. 

Die  älteste  und  beste  Handschrift^^)  der  Digesten  ist  die 
s.  g.  Florentina  (sei.  littera  =  Lesung),  geschrieben  von 
Griechen  im  6.  oder  7.  Jahrhundert.  Sie  soll  im  J.  11 35  von 
den  Pisanern  der  Stadt  Amalfi  abgenommen  sein,  war  jeden- 
falls seit  der  Mitte  des  12.  Jahrh.  in  Pisa,  kam  1406  nach 
dessen  Eroberung    durch    die    Florentiner    nach    Florenz.     Sie 


10)  Hauptverdienst  in  dieser  Richtung  haben  Eisele,  Zeitschr.  der  Sav.- 
Stift.  VII,  1  (1886)  S.  15  ff.,  IX  (1888)  S.  296  ff.,  XI  (1890)  S.  1  ff., 
XIII  (1892)  S.  118  ff.,  XVIII  (1897)  S.  1  ff,  Gradenwitz,  Interpolationen  in 
den  Pandekten.  Berlin  1887;  Lenel  in  den  Noten  seiner  Palingenesie.  S. 
ferner  Grupe,  die  Gajanischen  Institutionenfragmente  in  Justinians  Digesten 
Zeitschr.  d.  Sav.-Stift.  XVI  (1895)  S.  300  ff.  Zur  Sprache  der  Gajanischen 
Digestenfragmente :  Zeitschrift  der  Savigny-Stiftung  XVII  (1896)  S.  311  ff. 
XVIII  (1897)  S.  213  ff.  Übrigens  ist  jede  raateriellrechlliche  Ausführung  über 
römisches  Recht  heutzutage  mit  der  Interpolationenfrage  befaßt.  Eine  brauch- 
bare Monographie  über  das  Interpolationenwesen  ist  Apple  ton,  des  interpo- 
lations  dans  las  Pandectes  et  des  methodes  propres  ä  les  decouvrir.  Paris  1895. 
Dazu  Kipp,  Zeitschr.  d.  Sav.-Stift.  XVI  (1895)  S.  333  ff.  Zur  Vorsicht  mahnt, 
vielfach  mit  Recht,  Kalb,  die  Jagd  nach  Interpolationen  in  den  Digesten.  Fest- 
schrift z.  fünfundzwanzigjährigen  Rektorats-Jubiläum  von  Autenrieth.  Nürnberg 
1897  S.  11  ff.,  der  auch  in  seinen  sonstigen  Arbeiten  (Juristenlatein,  Roms 
Juristen,  Jahresberichte  für  Altertumswissenschaft)  der  Interpolationenfrage  ein- 
gehendste Beachtung  schenkt.     Neuestens  Jörs  Art.  Digesta. 

11)' Vgl.  Buonamici,  sulla  storia  del  manuscritto  Pisano  Fiorentino. 
delle  Pandette   Arch.   giur.  XLVI  (1891)  p.  60  sq. 


—     144     — 

ist  fast  vollständig  und  verhältnismäßig  wenig  fehlerhaft.^^) 
Von  Handschriften  ähnlichen  Werts  sind  nur  geringe  Reste 
vorhanden. 

Diesen  Handschriften  gegenüber  stehen  die  s.  g.  Vulgat- 
handschriften,  wie  sie  die  Bologneser  Glossatoren  hatten 
{littera  Bononiensis),  seit  dem  ii.  Jahrh.  Sie  sind  von 
der  Florentina  abhängig,  haben  aber  bis  Buch  34  einzelne 
der  Florentina  gegenüber  bessere  Lesarten,  die  nicht  auf 
Konjektur,  sondern  auf  handschriftlicher  Überlieferung  be- 
ruhen. Danach  ist  mit  Mommsen^^)  anzunehmen,  daß  die 
Vulgathandschriften  alle  auf  eine  Mutterhandschrift  zurück- 
gehen, welche  aus  der  Florentina  abgeschrieben,  aber  bis  Buch 
34  aus  einer  zweiten,  der  Florentina  gleichwertigen  Hand- 
schrift korrigiert  war.  Einzelne  griechische  Stellen  haben  sie 
nachgemalt,  in  der  Hauptsache  aber  enthalten  sie  das  Grie- 
chische der  D.  nur  in  lateinischer  Übersetzung,  die  zum  Teil 
von  dem  Pisaner  Burgundio  (gest.  11 94)  herrührt,  zum  Teil  aber 
wohl  älter  ist.  ^■*)  Gewöhnlich  umfassen  die  Vulgathandschriften 
nur  ein  Stück  der  Digesten  nach  eigentümlicher  Dreiteilung,  zu 
welcher  Zufall  und  Absicht  zusammengewirkt   haben  müssen: 

1.  Digestiun  vetus  bis  Buch  24  Tit.  3  iiiscriptio  von  1.  2 
Wort    trigesimo    einschließlich,    später    nur    bis    XXIV,  2  i.  f. 

2.  (Digestuni)  Infortiatnm  (verstärkte  Digesten)  von  XXIV,  3 
bis  XXXVIII  Ende.  Hiervon  heißt  der  Schlußabschnitt  tres 
partes,  beginnend  XXXV,  2,  2  mitten  im  Satze  mit  den  Worten 
tres  partes.     3.  Digestmn  novuin:  XXXIX — L.^*) 


§  29. 
Der  Codex  Justin ianus. 
Die  Kommission  zur  Abfassung   des  älteren  Codex  hatte 


12)  Praefatio  der  größeren  Ausgabe  p.   IV  sqq. 

J3)  Savigny,    Gesch.    des   röm.    Rechts     im     Mittelalter    IV    S.  403  ff. 
Fitting,  Sitzungsber.  der  Berl.  Akad.   1894  XXXV  8.  813  ff.  bes.  817  f. 
1^)   Vgl.   Kar  Iowa  I   S.    1027  f.   Anm.   3.      Krüger  S.   382  f. 


-      145     — 

den  Befehl,  aus  den  CC.  Gr.  H.  Th.  und  aus  den  nach  Ab- 
schkiß  des  C.  Th.  ergangenen  Konstitutionen  eine  neue  Kon- 
stitutionensammlung unter  dem  Namen  Codex  Justinianus  zu- 
sammenzustellen. Nicht  mehr  Gültiges  sollte  sie  fortlassen, 
nichts  doppelt  und  keine  Widersprüche  aufnehmen,  alles  unter 
passende  Titel  chronologisch  ordnen,  Konstitutionen,  die  sine 
die  et  consule  vorlägen,  mit  dieser  Bezeichnung  versehen. 
Solche  Gesetze  sollten  darum  nicht  weniger  gelten;  ebenso 
wie  Speziaireskripte  und  Pragmaticae  durch  Aufnahme  in  den 
Codex  den  Constitutiones  generales  gleichgestellt  werden 
sollten.  Überflüssige  Vorreden  der  Konstitutionen  sollten  be- 
seitigt, die  Texte  nach  Bedarf  geändert,  dem  Inhalt  nach  zu- 
sammengehörige Konstitutionen  zu  einer  vereinigt  werden; 
auch  die  Ermächtigung,  Konstitutionen  zum  Zweck  der  Ver- 
teilung auf  mehrere  Titel  zu  zerschneiden,  muß  die  Kommission 
gehabt  haben,  obwohl  dies  in  der  Instruktion  deutlich  wenig- 
stens nicht  steht.')  Der  Codex,  wie  er  vorliegt,  beruht  in 
der  Hauptsache  auf  der  Arbeit  der  ersten  Kommission,  die 
zweite  hatte  nur  den  Auftrag,  die  inzwischen  ergangenen 
Gesetze  in  ihn  einzutragen  und  die  dadurch  bedingten  Ver- 
änderungen in  dem  älteren  Bestände  seines  Inhaltes  vorzu- 
nehmen. ^ )  Der  alte  Codex  wurde  aufgehoben,  und  es  blieben 
von  früheren  Konstitutionen  außerhalb  des  neuen  Codex  nur 
in  Kraft  die  bei  den  Behörden  registrierten  militär-  und  fiskal- 
rechtlichen, sowie  diejenigen  Pragmaticae,  welche  Privilegien 
erteilten,  oder  dem  Codex  nicht  widersprachen.^) 

Der  Codex  zerfällt  in  12  Bücher,  diese  in  Titel  mit  Ru- 
briken. Die  Ordnung  ist  im  ganzen  aus  Verschmelzung  der- 
jenigen des  C.  Gr.  und  C.  Th.  hervorgegangen. 

Aufgenommen  sind  Konstitutionen  von  Hadrian  an.  Über 
die  hervorragende  Rolle  diocletianischer  Konstitutionen  und 
ihre  Ursachen  vergl.  ob.  S.  78  f.  Occidentalische  Konstitu- 
tionen nach  Abschluß  des  C.  Th.  fehlen.  Den  Konstitutionen 
ist  die  Angabe  der  Urheber  und  der  Adressaten  vorangestellt 


1)   c.   Haec  quae  necessario  §   2,   c.  Summa  §   1. 

2)c.  Cordi   §   2.   3. 

3)   c.   Summa  §  4,  Cordi  4.   5. 

Kipp,  Quellen  des  röm.  Rechts.  1" 


—     146     — 

(Inskription).  Die  Datierung  u.  s.  w.  steht  am  Schlüsse  (Sub- 
skription). (Die  Paragrapheneinteilung  ist  späteren  Ursprungs.) 
Die  oben  besprochenen  Zusammenlegungen,  Zerteilungen,  Ver- 
änderungen der  Texte  sind  zahlreich  vorgenommen.  Konsti- 
tutionen, welche  aus  dem  C.  Th.  in  den  C.  J.  übergegangen 
sind,  haben  somit  zweimal  derartige  Veränderungen  über  sich 
ergehen  lassen  müssen  (vergl.  ob.  S.  80  f.).  Die  moderne 
Interpolationenforschung  hat  dem  Codex  noch  nicht  dieselbe 
Aufmerksamkeit  gewidmet  wie  den  Digesten.*) 

In  den  Handschriften  des  Codex  sind  früh  Inskriptionen 
und  Subskriptionen  vernachlässigt,  der  Inhalt  selbst  ist  stark 
verkürzt.  Man  ließ  die  drei  letzten  Bücher  fort,  in  den 
übrigen  überging  man  die  griechischen  und  viele  lateinische 
Konstitutionen.  Mindestens  seit  dem  9.  Jahrhundert  hat  man 
aber  angefangen,  das  Fehlende  wieder  zu  ergänzen.  Die 
existierenden  Handschriften  der  Bücher  i  —  9  (Codex)  gehen 
bis  ins  ii.,  die  der  drei  letzten  Bücher  (tres  libri)  jedoch  nur 
bis  ins  12.  Jahrhundert  zurück.  Wichtig  für  die  Kritik  ist 
auch  ein  Auszug,  der  frühestens  aus  dem  7.  Jahrhundert 
stammt  und,  weil  in  einer  Handschrift  des  10.  Jahrhunderts 
zu  Perugia  überliefert,  Snvivia  Pcnisina  genannt  wird.''')  Die 
griechischen  Konstitutionen  sind  erst  seit  dem  16.  Jahrhundert 
aus  den  Basiliken  und  andern  Quellen  wiederhergestellt  (leges 
restitiitae)^) 

§  30. 
Die  Justinianischen  Novellen. 

Die  Novellen^)  sind  meistens  in    griechischer  Sprache   er- 


4)  S.  jedochEisele.Zeitschr.  d.Sav.-Stift.  VII,  1(1886)  S.  15  ff.  Grupe. 
zur  Latinität  Justinians,  Zeitschr.  d.  Sav.-Stift.  XIV  (1893)  S,  224ff.  XV  (1894) 
S.  327  ff.  Dazu  Kalb,  Jahresber.  f.  Altertumswissensch.  LXXXIX  (1896  II) 
S.  293  ff.  H.  Krüger,  Bemerkungen  über  den  Sprachgebrauch  der  Kaiser- 
constitutionen  im  C.  J.  Arch.  f.  ]at.  Lexikographie  X  (1898)  S.  147  ff.  XI  (1900) 
S.  453  ff. 

5)  Heimbach,  Anecdota  T.   II,   Leipzig  1840. 

6)  Über  das  in  diesem  Absatz  Gesagte  vgl.  Krüger,  Praefatio  seiner 
größeren  Ausgabe. 

^)   Biener,    Geschichte    der    Novellen    Justinians.     Berlin     1824. 


-      147     — 

lassen,  einige  aus  besonderem  Grunde,  weil  sie  sich  auf  die 
Tätigkeit  der  obersten  Reichsbehörden  beziehen,  oder  weil 
sie  für  die  lateinischen  Reichsteile  bestimmt  waren,  lateinisch, 
einige  zweisprachig.     Erhalten  sind  verschiedene  Sammlungen. 

1.  Die  cpitonie  Jidiani,  ein  lateinischer  Auszug  aus  122 
Novellen  der  Jahre  535 — 555;  zwei  kommen  doppelt  vor,  wo- 
durch die  Zahl  auf  124  steigt.  Privatarbeit  eines  Professors 
Julianus  in  Konstantinopel  noch  zur  Zeit  Justinians.'j 

2.  Das  sogen.  Authenticuni,  eine  Sammlung  von  134  No- 
vellen der  Jahre  535 — 556,  enthält  die  lateinischen  im  Original,  die 
griechischen  in  einer  sehr  mangelhaften  lateinischen  Übersetzung, 
die  auf  eine  zum  Teil  bereits  textlich  verdorbene  griechische 
Vorlage  schliessen  lässt.  Danach  ist  unwahrscheinlich,  daß 
(wie  behauptet  ist'^)  in  dieser  Sammlung  die  offizielle  Publi- 
kation der  Novellen  für  Italien  vorliege;  die  Sammlung  scheint 
aber  allerdings  in  Italien  entstanden  zu  sein.  Ihr  Name  soll 
daher  rühren,  daß  Irnerius,  der  berühmte  Glossator  (um  iioo), 
zuerst  nur  die  Epitome  Juliani  gekannt,  und  als  er  die  hier 
besprochene  Sammlung  kennen  gelernt,  ihre  Echtheit  bezweifelt, 
dann  aber  sie  als  die  authentische  vor  dem  Julian  bevorzugt 
habe.  Jedenfalls  hat  diese  Bevorzugung  seit  dem  12.  Jahr- 
hundert stattgefunden.*)  Die  von  dem  Inhalt  des  Authenticums 
brauchbar  befundenen  96  Novellen  (aiithenticae  in  diesem  Sinne), 
die  man  glossierte,  ordnete  man  in  9  Collationes,  die  andern 
ließ  man  als  aiithenticae  inutilcs,  extraordinariae  entweder  fort 
oder  stellte  sie  an  den  Schluß.  Die  so  geordnete  Sammlung 
ist  die  sogen.  Vulgata.  Auszüge  aus  den  einzelnen  Novellen 
wurden  zu  den  Stellen  des  Codex,  zu  welchen  sie  in  Beziehung 
stehen,  am  Rande  vermerkt,  später  auch  in  den  Text  aufge- 
nommen (authenticae  in  diesem  Sinne). 

3.  Die  griechische  Novellensammlung,  von  den 
Humanisten  ans  Licht  gezogen,  enthält  168  Nummern.  Dazu 
kommen  in  einer  Handschrift  in  Venedig  noch  13  Edikte 
Justinians.     Davon  sind  aber    7  Doubletten,    5   Gesetze    Justi- 

2)   Ihre  Anhänge  vergl.  Krüger  S.   372. 

8)  Zachariae  v.  Lingenthal,  Sitzungsber.  der  Berliner  Akad.  1882  S.  993  ff. 
S.   dagegen   Krüger    S.   357  Anm.   29. 

■t)  Savigny,   Gesch.   des  röm.   R.  im  Mittelalter   III  S.  490  ff. 

10* 


148     — 

nians  vor  Abschluss  des  Codex,  4  Gesetze  von  Justinus  II 
(565 — 578),  4  von  Tiberius  II  (578 — -582),  3  bis  4  fonnac  prac- 
fecto7'um  praeto7-io  (vgl.  ob.  S.  86 f.),  so  daß  eigentliche  justiniani- 
sche Novellen  158  bis  159  übrig  bleiben.  Lateinische  Novellen 
haben  die  Handschriften  teils  gar  nicht,  teils  in  griechischem 
Auszuge.  Die  Sammlung  ist  im  Orient,  wahrscheinlich  in 
Konstantinopel  geschrieben,  angelegt  unter  Justinian,  abge- 
schlossen unter  Tiberius  II.  Dazu  treten  einige  Ergänzungen 
der  Überlieferung  durch  andere  Sammelwerke  und  Auszüge.'^) 


§  31. 
Das    Corptis  2217' is  civilis.     Ausgaben. 

I.  Der  Ausdruck  corpus  iuris  im  Sinne  der  Gesamtheit 
des  Rechts  ist  echt  römisch;  V)  als  Bezeichnung  für  die  Ge- 
samtheit der  justinianischen  Rechtsbücher  findet  er  sich  schon 
bei  den  Glossatoren  des  12.  Jahrh.  Die  Handschriften  um- 
faßten aber  immer  nur  ein  Stück  des  Ganzen  und  zwar  so, 
daß  Digestum  vetus,  Infortiatum,  Digestum  Novum,  Codex 
(1.  I — IX)  je  einen  selbständigen  Band  bildeten,  Institutionen, 
ti'es  libri  und  Novellen  in  einem  Bande  [voluinen  paitiuni, 
Volumen)  zusammengefaßt  wurden,  in  welchen  man  noch  die 
Bücher  des  langobardischen  Lehenrechts  [lih'i  feudoruni)  und 
einzelne  Gesetze  deutscher  Kaiser  als  decima  collatio  (zu  den 
9  CoUationes  der  Novellen)  aufnahm.  Abschnitte  aus  Gesetzen 
Friedrichs  I.  und  IL  wurden  auch,  wie  die  Novellenauszüge,  in 
den  Codex    eingereiht    (autlienticac  Fridfricianac). 

Auch  in  den  gedruckten  Ausgaben  erscheinen  zunächst 
jene  5  Bände  selbständig.  Die  ältesten  Ausgaben  haben  ge- 
wöhnlich die  Glosse  des  Accursius  (gest.  um  1260),  die  aber 
im  Laufe  der  Zeit  Zusätze  erhielt;  oft  findet  sich  als  6.  Band 
ein  Sachregister  (Thesaurus  AccursiaiiusJ}) 


^)  Vgl.   Kroll,    Praefalio   zu  seiner  und   Schölls  Ausgabe. 
')   Liv.  III,   34  mit  Beziehung  auf  die   XII  Tafeln;   ferner  C.  J.  V,  13,  1  pr. : 
rem  in  omni  paene  corpore  iuris  effusam. 

'•')   Die  letzte  glossierte  Ausgabe  ist  von  Joh.  Fehius  (Lyon  1G27.  6  Bde.  fol.). 


—     U9     — 

IL  Die  humanistische  Bewegung  des  15.  und  16.  Jahrh. 
hat  auch  für  die  Herstellung  der  Quellen  des  römischen 
Rechts  in  reinerer  Gestalt  reiche  Früchte  getragen.  Gregor 
Haloander  (1501  — 1531)  gab  1529  — 1531  alle  Bestandteile 
des  Corpus  Juris  Civilis  heraus  und  zwar  Digesten  wie  Codex 
unzertrennt,  die  Novellen  zum  ersten  Male  griechisch  mit  latei- 
nischer Übersetzung.'^)  Die  Textverbesserungen  Haloanders 
haben  großenteils  dauernden  Wert  behalten.  Der  Italiener 
Lelio  Torelli  gab  1553  die  Digesten  in  ausgezeichnetem  kri- 
tischen Abdruck  der  Florentina  heraus.^)  Die  Herstellung  der 
verlorenen  griechischen  Konstitutionen  des  Codex  beruht 
hauptsächlich  auf  den  Arbeiten  des  Spaniers  Antonius 
Augustinus  (1516^1586)'^)  und  des  unübertroffenen  Jacobus 
Cujacius  (1522 — 1590).^)  Die  Novellen  edierte  Heinrich 
Scrimger,  ein  Schotte  (gestorben  1571),  im  Jahre  1558  voll- 
ständiger als  Haloander  nach  der  venetianischen  Handschrift.") 
Nach  ihm  gab  der  Franzose  Antonius  Contius  (gest.  1577)  in 
seiner  (zweiten)  zu  großem  Ansehen  gelangten  Ausgabe^) 
(1571)  den  griechischen  Text  nebst  einem  lateinischen,  der 
sich  zusammensetzt  aus  Vulgata  und  Übersetzungen  von  Halo- 
ander, Heinrich  Agylaeus,^)  Contius  selbst  und  anderen  Zutaten. 
Contius  ist  auch  Urheber  der  jetzt  gebräuchlichen  Zählung 
und  Einteilung  der  Novellen. 

Die  erste  Gesamtausgabe  unter  dem  Titel  Corpus  iuris  civilis 
ist  die  von  Dionysius  Gothofredus  (1549 — 1622)  im  Jahre  1583 
veranstaltete.^")  Die  seitdem  zahlreich  erschienenen  Wieder- 
holungen und  Nachdrucke  der  gothofredischen  Ausgaben  herrsch- 
ten bis  in  das   18.  Jahrhundert    vor.     Sie    enthalten  J.,  D.,  C. 


')   ^'gl-   Stintzing,   Geschichte  der  deutschen  Rechtswissensch.  I  S.  180 ff. 

■*)  Vgl.  Stintzing  a.  a.  O.  S.  214f.  Terrassen,  histoire  de  la  juris- 
prudence  Romaine   (Paris   1750)   p.  424 

*)   Constitutionum   Graecarum   Codicis  collectio    1567. 

^)  In  seinen  observatioiies  und  seiner  Ausgabe  der  tres  libri  (1562).  Vgl. 
Terrassen  1.  c.  p.  463  suiv.  Stintzing  a.  a.  O.  S.  375  ff.  Es  gibt  von 
Cujacius  auch  eine  Ausgabe  der  Institutionen,   zuerst   1585. 

')   Vgl.   Stintzing  a.   a.    O.  S.  206.     Terrasson   I.   c.   p.  431. 

^)  Vgl.  Stintzing  a.  a.   O.   S.   206  f. 

*)■  Supplementum  versionis  novellarum  Haloandrinae.      Col.    1560. 

10)  Vgl.  Stintzing  a.  a.  O.  S.  208 f. 


—     150     — 

und  Nov.,  die  letzteren  auf  Grund  der  Rezension  des  Contius, 
aber  manchmal  nur  lateinisch;  dazu  Beigaben  verschiedener 
Art.^')  Der  von  Späteren  vermehrte  Notenapparat  ist  als 
Parallelstellensammlung  noch  heute  wohl  brauchbar.^-) 

Die  Ausgabe  von  Gebauer  und  Spangenberg^^)  hat 
den  Text  der  Digesten  auf  Grund  einer  Nachvergleichung  der 
Florentina  durch  H.  Brencmann  verbessert  und  den  Novellen 
eine  neue  Übersetzung  von  J.  Fr.  Hombergk  zu  Vach^*) 
beigegeben.  Die  Becksche  Ausgabe^^)  gibt  die  Novellen 
griechisch,  in  Hombergkscher  Übersetzung  und  nach  dem 
Authenticum  in  ursprünglichem  Zusammenhange.  Die  Aus- 
gabe der  Brüder  Kriegel  mit  Hermann  (Codex)  und  Osen- 
brüggen  (Novellen), ^^j  hat  viel  Verdienst  um  die  Kritik  des 
Codex  und  hat  die  Hombergk'sche  Übersetzung  verbessert. 
Die  beste  Ausgabe  ist  jetzt  die  von  Krüger  (J.  und  C), 
Mommsen  (D.)  und  Sch'öll  (Nov.,  nach  SchöU's  Tode 
vollendet  von  KroU).^")  J.  D.  u.  C.  beruhen  auf  voran- 
gegangenen Einzelausgaben,  und  zwar  der  Institutionen  von 
Krüger,^®)  der  Digesten  von  Mommsen^^)  und  des  Codex  von 
Krüger,^*^)  die  aber  durch  die  Gesamtausgabe  Verbesserungen 
erfahren  haben.  Die  Novellen  sind  nur  einmal  bearbeitet.  Die 
Ausgabe  stellt  dem  Text  der  griechischen  Sammlung  den  des 
Authenticums  zur  Seite,  darunter  eine  neue  lateinische  Über- 
setzung.^^) ^^). 

11)  Die  in  der  folgenden  Note  bezeichnete  Ausgabe  bringt  eine  Samm- 
lung nachjustinianischer  Kaiserkonstitutionen,  die  libri  feudorum,  XII  Tafeln, 
Ulpians  Fragmente,   Paulli  Sententiae  und   anderes. 

12)  Als  die  beste  der  gothofredischen  Ausgaben  gilt  die  von  Simon  van 
Leeuwen   1663  besorgte  (Amsterdam  fol.).       i^)  Gottingae   1776.   1797. 

")  Erschienen   1717.       15)   Leipzig   1825—1836. 

16)  Zuerst  1828—1843  (17.  Aufl.  Leipzig   1887). 

17)  Berol.  Vol.  I  (J.  D.)  II  (C.)  1872.  9.  u.  7.  Aufl.  1902.  1900.  Vol.  3. 
(Nov.)  1880—1895. 

18)  Justiniani  Institutiones.  Recensuit  V.  Krueger  (Berol.  1867),  editio 
altera  1899. 

19)  Digesta  Justiniani  Augusti.  Recognovit  assumpto  in  operis  societatem 
Paulo  Kruegero  Th.  Mommsen.  2  voll.  (Berol.   1868.   70.) 

20)  Codex  Justinianus,     Recensuit  Paulus  Krüger  (Berlin   1877.) 

21)  Hinzugefügt  sind  einige  zerstreut  überlieferte  Konstitutionen  Justinians, 
darunter  auch   die  Sanctio   pragmatica:     Pro   petitione   Vigilii.         22)   Von    Ein- 


—     151     — 

§  32. 

4-   Die  orientalischen  Bearbeitungen   der  Justinianischen 
Gesetzgebung-. 

I.  Mit  Justinian  pflegt  man  die  römische  Rechtsgeschichte 
abzuschließen;  der  berechtigte  Grund  dafür  ist,  daß  Justinians 
Gesetzgebung  in  Deutschland  rezipiert,  nur  bis  dahin  also  die 
römische  Rechtsgeschichte  Vorgeschichte  unseres  eigenen 
Rechtes  ist.  Die  byzantinischen  Bearbeitungen  des  römischen 
Rechtes  aber  sind  für  Kritik  und  Auslegung  des  justinianischen 
Rechtes  von  großer  Bedeutung.  Justinian  ^)  hatte  in  Ansehung 
der  Digesten  jede  Kommentierung  als  dem  wahren  Sinne  des 
Gesetzes  gefährlich  verboten,  nur  wörtliche  Übersetzungen 
{/.aia  TToöa),  kurze  Inhaltsangaben  {'ivdi-/.fg)  und  naQajLxla, 
Parallelstellensammlungen  zu  einzelnen  Stellen  und  ganzen  Titeln 
sollten  erlaubt  sein.  Diese  auf  die  andern  Werke  Justinians 
nicht  erweislich  ausgedehnten  Bestimmungen  sind  bald  über- 
treten. Man  verfaßte  auch  Übersetzungen  di^  Ttldrog:  erläu- 
ternde Paraphrasen,  und  Kommentare:  jcagayoufpai-  Auch 
einzelne  Monographien  kommen  vor.  Zum  größten  Teile 
kennen  wir  diese  byzantinische  Rechtsliteratur  nur  aus  den 
Basiliken  und  ihren  Schollen  (s.  unt.  II).  Selbständig  über- 
liefert ist  eine  griechische  Paraphrase  zu  den  Institutionen,^) 
die  dem  Theophilus  selbst  zugeschrieben  wird.  Diese  Angabe 
wird    freilich    wegen    der    inneren    Mängel    des    Werkes    be- 


zelausgaben  sind  noch  zu  nennen:  Institutionen  mit  Kommentar 
von  Ed.  Schrader  (Corpus  iur.  civ.  t.  I  [Berl.  1832],  mehr  nicht 
erschienen),  auch  eine  kleinere  Ausgabe  nur  mit  Parallelstellensammlung  von 
demselben  mit  Tafel,  Clossius,  Maier  (zuerst  1835);  ferner  eine  solche 
von  Huschke  (Leipzig  1867).  —  Juliani  epitome  von  Haenel  (Leipzig 
1878).  —  Authenticum  von  Heimbach,  II  partes  (Leipzig  1845 — 51).  Justi- 
nian! novellae  quae  vocantur  sive  constitutiones  quae  extra  Codicem  supersunt 
ordine  chronologico  digestae  ed.  Zachariae  a  Lingenthal.  II  partes  (Leipzig 
1881).  Dazu  Nachtrag:   de  dioecesi  Aegyptiaca  lex  (a.   554)  (Leipzig   1891). 

')  C.  Deo  auctore  §   12.  Tanta  §  21. 

2)  Nach  Ferrini,  Byzantin.  Zeitschr,  VI  (1897)  S.  548  ff.  (und  früheren 
Arbeiten  desselben)  ist  dabei  auch  eine  griechische  Bearbeitung  der  Institutionen 
des  Gajus  benutzt. 


—     152     - 

zweifelt,  findet  sich  aber  schon  in  Scholien  des  sechsten  Jahr- 
hunderts.^) 

IL  Mehrmals  sind  von  den  byzantinischen  Kaisern  gesetz- 
liche Auszüge  und  Bearbeitungen  der  justinianischen  Rechts- 
bücher veranstaltet.  Hiervon  ist  die  wichtigste  rü  Baot'/.i/.ü, 
begonnen  unter  Basilius  Macedo,  vollendet  und  publiziert  unter 
Leo  dem  Weisen  (886 — 911).  Sie  enthalten  in  60  Büchern 
eine  zeitgemäße  griechische  Bearbeitung  der  justinianischen 
Gesetzgebung,  aus  deren  einzelnen  Bestandteilen  jedesmal  das 
Zusammengehörige  in  einem  Titel  der  Basiliken  vereinigt  ist. 
Der  Text  ist  um  so  wertvoller,  weil  er  auf  den  älteren  Über- 
setzungen beruht.  Im  10.  Jahrh.  ist  das  Werk  mit  Scholien 
aus  der  älteren  byzantinischen  Literatur  versehen.  Der  Text 
ist  ziemlich  vollständig,  die  Scholien  nur  teilweise  auf  uns  ge- 
kommen.^) Die  Überlieferung  wird  ergänzt  durch  spätere 
Bearbeitungen.  Dahin  gehört  die  Synopsis  Basilicorum  (um 
950),  ein  alphabetischer  Auszug  aus  den  Basiliken,  der  s.  g.  Tipu- 
citus  [xi  7Toi  y.tiiüi),  Inhaltsangabe  der  Basiliken  mit  Parallel- 
stellen und  neueren  Gesetzen  (aus  dem  12.  Jahrh.).  Die 
letzte  noch  in  Betracht  kommende  Bearbeitung  des  römisch- 
b}-zantinischen  Rechtes  ist  der  l'iößißÄoc  des  Konstantinos 
Harmenopoulos,  Nomophylax  und  Richters  von  Thessalonich, 
um   I345-'') 


^)  Vgl.  Zachariae  v.  Lingenthal,  Zeitschr.  d.  Sav.-Süft.  X  (1889j 
S.  257  f,  Ausgabe  von  Reitz,  2  Bde.  (Hag.  1757).  Eine  neue  von  E.  C.  Ferrini 
Berlin   1884—1897. 

*)  Ausg.  von  Heimbach  6  Bde.  mit  Supplement  von  Zachariae  v. 
Lingenthal  (Leipzig  1838 — 1870).  Ein  neues  Supplement  von  Ferrini  untl 
Mercati  erschien   1897. 

^)  ed.  Heimbach  (Leipzig  1851).  —  Im  übrigen  ist  zu  verweisen  auf 
K.  E.  Zachariä  von  Lingenthal,  Geschichte  des  griechisch-römischen  Rechts 
(3.  Aufl.  Berlin    1892)   Einleitung. 


Siebentes  Kapitel. 

§  33. 
Akten   und  Urkunden. 

Wir  besitzen  inschriftlich  eine  Reihe  von  Beamtendekreten 
in  speziellen  Justiz-  und  Verwaltungssachen,  die  zwar  nicht 
objektives  Recht  schufen,  aber  für  dessen  Erkenntnis  als  leben- 
dige Akte  der  Anwendung  hochbedeutsam  sind.     Wir  nennen: 

1.  Dekret  des  L.  Ämilius  Paulus  als  Prokonsuls  \'on  His- 
pania  Ulterior  v.  J.  189  v.  Chr.,  Freierklärung  gewisser 
Sklaven  betreffend.    Bronzetäfelchen,  bei  Cadix  1866  gefunden.^) 

2.  Die  s.  g.  sententia  Minuciorum  (Bronzetafel,  1506 
bei  Genua  gefunden).  Die  Brüder  Q.  und  M.  Minucius  Rufus 
entscheiden  im  J.  117  v.  Chr.  einen  Streit  der  Genueser  mit 
den  castellani  Langenses  Veturii  fLangates),  den  Einwohnern 
eines  benachbarten,  von  Genua  abhängigen  Ortes.  Sie  haben 
in  Genua  verhandeln  lassen,  Untersuchung  geführt  und  schon 
dort  Maßregeln  getroffen,  dann  aber  die  Parteien  nach  Rom 
vorgeladen  und  ihnen  dort  den  Spruch  verkündet,  und  zwar 
ex  seuatiis  co)isulto,  so  daß  man  sich  den  Spruch  als  seinem 
Inhalt  nach  vom  Senat  genehmigt  vorzustellen  hat.  Am 
Schluß  werden  für  etwaige  weitere  Streitigkeiten  die  Parteien 
aufgefordert,  sich  wieder  an  die  Urteiler  zu  wenden.  Danach 
hatten  die  Minucier  einen  dauernden  Beruf  zu  solchen  Ent- 
scheidungen, ohne  Zweifel  als  vom  Senat  bestellte  Kom- 
missare, und  wohl  selbst  Senatoren. ■) 

3.  Dekret  des  Prokonsuls  von  Sardinien  von  a.  69  n.  Chr., 
ein  Urteil  mit    Gründen    in    einem  Grenzstreit    von    zwei    Ge- 


1)   Bruns   I   p.   2.31.      -)   Bruns  I   p.   358  sqq. 


—     154     — 

meinden;  von  Zeugen  beglaubigte  Privatabschrift  aus  dem 
Protokollcodex  des  Prokonsuls;  1866  in  Sardinien  auf  einem 
Bronzetäfelchen  gefunden. '^j 

4.  Ein  Schreiben  der  Präfecti  Prätorio  von  168  n.  Chr. 
an  die  Munizipalmagistrate  von  Saepinum,  enthaltend  eine 
Verwarnung,  die  Pächter  der  fiskalischen  Schafherden  nicht 
zu  verletzen;  auf  Stein  in  Sepino.^) 

5.  Dekret  des  L.  Xovius  Rufus,  legatus  Augiisti  pro  Prae- 
torc,  in  Prozesssachen,  v.  J.  193  n.  Chr.  Nur  der  Eingang  ist 
erhalten  und  der  Formen  wegen  bemerkenswert  (ex  tilia  re- 
citavit).     Inschrift  in  Tarragona.^j 

6.  Urteil  des  Alfenius  Senecio,  (subpraefechts  classis  prae- 
toriae  Misenatis)  im  2.  oder  3.  Jahrh.  in  einem  Prozeß,  in 
welchem  es  sich  um  den  Verkauf  von  Grundstücken  handelt, 
die  teilweise  loca  religiosa  waren,  aus  einer  verlorenen  In- 
schrift von  Accursius,  dem  Glossator,  abgeschrieben.*') 

7.  Mehrere  Zwischenurteile  von  Präfecti  vigilum  in  einem 
Prozeß  von  ßdloncs  wegen  eines  Wasserzinses  aus  den  Jahren 
226 — 244  n.  Chr.,  s.  g.  lis  fullonum.  Marmorinschrift  zu  Rom, 
1701    gefunden.') 

8.  Auch  einige  priesterliche  Erlasse  sind  inschriftlich  er- 
halten: Ein  Reskript  der  quindccinivi7-i  sacris  facmndis  (289 
n.  Chr.)  bestätigt  die  von  den  Dekurionen  von  Cumae  voll- 
zogene Wahl  eines  Priesters  der  Mater  Deum,  ^j  ein  Pontifikal- 
dekret  genehmigt  die  Umbestattung  eines  Leichnams.  Be- 
merkenswert ist,  daß  es  ebenso,  wie  die  kaiserlichen  Reskripte, 
unter  der  Bedingung  ergeht,  si  ea  ita  sunt  qne  libclo  con- 
tcnentur^) 

II.  Auch  Inschriften,  welche  private  Rechtsgeschäfte  und 
Ahnliches  beurkunden,  sind  in  reicher  Zahl  erhalten.  Das 
Material  ist  zu  groß,  um  hier  auch  nur  annähernd  im  einzelnen 
vorgeführt  werden  zu  können.  Eine  umfassende  Sammlung, 
geordnet  nach  Gegenständen,  bietet  Bruns.^°) 

S)  Bruns   I   p.   231   sqq.     •»}   Bruns   I   p.   238  sq. 
*)  Bruns  I   p.   361.      «)   Bruns   I   p.   361    sq. 
'•)  Bruns  I  p.  362  sq.     «)  Bruns  I  p.  237. 

9)  Bruns  I  p.  237. 

10)  I  p.   260  sqq.   .Aber  nicht  alles,  was  dort  gesammelt  ist,  beruht  auf  In- 


—     155     — 

III.  Die  Hauptform  der  römischen  Privaturkunde  klas- 
sischer Zeit  ist  die  der  Zeugenurkunde  (testatio),  bei  welcher 
eine  Erklärung  vor  den  Zeugen  abgegeben  und  von  ihnen 
durch  Siegelung  der  Urkunde  als  geschehen  bezeugt  wird. 
Derjenige,  gegen  welchen  die  Urkunde,  z.  B.  ein  Schuldbe- 
kenntnis, beweisen  soll,  kann  sie  schreiben  oder  schreiben 
lassen.  Sie  kann  die  Erklärungen  der  Beteiligten  in  dritter 
Person  protokollieren:  Ille  emit,  uiancipioque  accepit,  fide  ro- 
gavit\  ille  fide  promisit,  fide  siia  esse  ins  Sit,  accepisse  et  Jiabere  se 
dtxit.'^^)  Es  kann  aber  auch  der  Aussteller  in  erster  Person 
schreiben:  scripsi  nie  accepisse  oder  ein  dritter  statt  seiner: 
scripsi  rogatu  illius  euui  accepisse}'-)  In  derselben  Weise  kann 
ein  anderer  Vorgang  als  von  den  Zeugen  wahrgenommen 
protokolliert  werden;  deshalb  eignet  sich  die  Zeugenurkunde 
auch  als  beglaubigte  Abschrift  einer  anderen  Urkunde.  Sie 
bezeugt  dann,  daß  die  Zeugen  ein  Schriftstück  des  Inhalts 
vor  sich  gesehen  haben,    wie    es  die    Abschrift    wiedergibt. ^■^) 

Die  Urkunde  wird  in  wachsüberzogene  Holztäfelchen  ein- 
geritzt, von  denen  2  (diptychon),  3  (triptychon),  oder  mehr 
verbunden  werden.  Die  Beurkundung  durch  die  Zeugen, 
deren  Zahl  schwankt,  geschieht  in  der  Weise,  daß  sie  je  ein 
Siegel  auf  die  Schnur  setzen,  mit  welcher  die  die  Urkunde 
tragenden  Tafeln,  die  Schrift  nach  innen,  verschlossen  werden.^*) 
Dem  Siegel  wird  der  Name  des  Zeugen  zugeschrieben  (er 
braucht  es  nicht  selbst  zu  tun).  Im  Notfall  wird  die  Urkunde 
vor  Gericht  vorgelegt;  die  Zeugen  haben  sich  zu  erklären,  ob 
sie  die  Siegel  als  die  ihrigen  anerkennen,  und  wird  dies  be- 
jaht, so  haben  sie  damit  zugleich  bezeugt,  daß  der  Vorgang, 


Schriften.  Über  das  Statut  der  Elfenbeinarbeiterzunft  das.  p.  .356  vgl.  noch 
Gradenwitz,  Zeitschr.  d.  Sav.-Stift,  XI  (1890)  S.  72  ff.  XII  (1892)  S.  138  ff. 
Auch  das  schiedsrichterliche  Urteil  Bruns  I  p.  360,  der  sog.  Schiedsspruch  von 
Histonium,  gehört  hierher.  Denn  der  römische  Schiedsspruch  ist  Privatakt. 
Öffentliche  und  private  Elemente  können  sich  mischen,  so  in  dem  Beschluß 
des  Rats  von  Puteoli  (Bruns  I  p.  303  Nr.  117)  betr.  einen  privatrechtlichen 
Vertrag  der  Gemeinde. 

11)  Bruns  I  p.  288  Nr.   105. 

12)  Bruns  I  p.   316  sqq.     Paul.   D.   XII,   1,  40.     D.  XLV,   1,    12,    6,  2. 

13)  Bruns  I  p.  350  Nr.   149. 
11)  Vgl.  Paul.  V,  25,  6. 


—     156     — 

welcher  in  der  Urkunde  niedergelegt  ist,  sich  vor  ihnen  ab- 
gespielt hat.  Derjenige,  welcher  die  Urkunde  zum  Zweck 
des  Beweises  gegen  sich  aus  den  Händen  gibt,  insbesondere 
der  Schuldner,  der  die  Schuldurkunde  dem  Gläubiger  ausstellt, 
siegelt  sie  mit,  um  die  einseitige  Öffnung  der  Urkunde  durch 
den  Gegner  auszuschließen.  Um  nicht  die  Urkunde  öffnen  und 
die  Siegel  zerstören  zu  müssen,  nur  um  den  Inhalt  zu  lesen, 
sind  die  Täfelchen  so  eingerichtet,  daß  der  Inhalt  der  ver- 
schlossenen Urkunde  auf  der  Außenseite  wiederholt  wird 
(sci'iptura  exterior).  Die  Öffnung  ist  also  nur  nötig,  um  die 
Übereinstimmung  der  sc7'iptiira  inferior  mit  der  scriptiira  ex- 
tfrior  zu  beweisen.  Die  sc7'iptura  exterior  ist  aber  nicht  immer 
wörtlich  mit  der  iiiterior  übereinstimmend;  z.  B.  kommen 
Quittungen  vor,  deren  scriptura  interior  auf  Jiabe7'e  se  dixit 
lautet,  während  die  scriptura  exterior  die  Form  hat:  sc?'ipsi 
nie  accepisse  oder  scripsi  rogatii  illins  eiivi  accepisse.^'")  Bei 
letztwilligen  Verfügungen,  deren  Inhalt  geheim  bleiben  soll, 
fällt  die  scriptiira  exterior  fort. 

Eine  Anzahl  solcher  Wachsurkunden  aus  den  Jahren 
131' — 167  n.  Chr.  sind  (1786— 1855)  zum  Vorschein  gekommen 
aus  Goldbergwerken  bei  \"erespatak  in  Siebenbürgen.  Sie 
handeln  von  Käufen  mit  Manzipation,  stipiilatio  dnplac,  Quit- 
tung über  das  Kaufgeld;  Darlehn  mit  Stipulation,  depositmn 
irreguläre,  pecunia  constituta,  Dienstmiete,  Sozietät,  Auflösung 
eines  CoUegium  Funeraticium. '")  Zu  Pompeji  ist  1875  im 
Hause  des  L.  Cäcilius  Jucundus  eine  Kiste  mit  Wachstafeln 
gefunden,  fast  alle  Quittungen  über  Zahlungen  des  Jucundus 
enthaltend,  die  meisten  über,  von  ihm  abzüglich  seiner  Pro- 
vision abgelieferte,  Auktionserlöse;  einige  über  Zahlungen  an 
die  Gemeinde  Pompeji  zu  Händen  eines  Sklaven  derselben.*'') 
1887  sind  noch  einige  weitere  Wachstafeln  in  Pompeji  ge- 
funden,*^) 


'5)   Bruns   1    p.   318   sq. 

16)  Bruns  I  p.  288—291.  311—818.  828  sq.  834.  350.  375  .sqq. 
")   Bruns   I   p.   314  sqq. 

18)   Bruns   I   p.   291  sqq.      Eck,  Zcitschr.  d.  Sav. -Stift.  IX  (1888)   S.  60  ff. 
151.      Gradenwitz,   Zeitschr.   d.   Sav. -.Stift.   XIV    (1893)   S.    126ff.      GrUnluits 


—     157     — 

IV.  Papyrusurkunden  haben  früher  keine  große 
Rolle  gespielt.  Altbekannt  sind  Verhandlungen  über  Testa- 
mentseröfifnung,  fünf  Protokolle  von  Gemeindebehörden  v.  J. 
474  an  in  einer  Papyiu.-- handschrill  vom  Anfang  des 
6.  Jahrh.  aus  Ravenna,  jetzt  in  Paris.^^)  In  den  letzten  De- 
cennien  sind  die  Papyrusfunde  ganz  besonders  ergiebig  ge- 
wesen. Das  klassische  Land  dafür  ist  Ägypten.  Neben  die 
Epigraphik  ist  die  Papyrologie  als  eine  selbständige  und 
wichtige  Disziplin  getreten.^")  Eine  große  Menge  von  Rechts- 
urkunden öffentlicher  und  privater  Natur  sind  uns  in  Gestalt 
von  Papyri  geschenkt  und  gewähren  namentlich  tiefe  Einblicke 
in  das  Verwaltungs-  und  Rechtsleben  Ägyptens  unter  römischer 
Hoheit.  Nur  einiges  kann  beispielshalber  hier  genannt  werden: 
Ein  Papyrus  der  Sammlung  des  Erzherzogs  Rainer  von  Österreich 
enthält  eine  griechische  Abschrift  aus  dem  Protokollbuch  (tciuo^ 
rnof.ivrific(TiauÖ>v)  des  Bläsius  Maximus,  Präfekten  einer  Kohorte, 
über  einen  Erbschaftsstreit,  den  er  auf  Delegation  des  Präfectus 
Ägypti  im  Jahre  124  n.  Chr.  zu  entscheiden  hatte.^i)  Eine 
ähnliche  Verhandlung  vom  J.  135  n.  Chr.  gibt  ein  Bediner  Pa- 
pyrus.^'^)  Ein  anderer  enthält  eine  prozessuale  Verhandlung 
über  den  Nachlaß  eines  Ermordeten  aus  dem  Ende  des  2.  Jahr- 
hunderts.^^)   Aktenstücke    in    einer    Vormundschaftssache    aus 


Zeitschr.  XVIII  (1891)  S.349ff.  Ausgabebeider  Gruppen  von  Zangemeister  C.  J.  L. 
vol.  VI   supplem.  I  (1898).    Erman,  Zeitschr.   d.  Sav.-Stift.  XX  (1899)  S.  172ff. 

19)  Bruns  I  p.  280  sqq.  gibt  das  älteste  Protokoll,  alle  bei  Savigny 
vermischten  Schriften  III,  S.   122  ff. 

20)  Mit  einer  eigenen  Zeitschrift:  Archiv  iür  Papyrusforschung,  herausgeg. 
von  Ulrich  Wilcken.  Seit  1901.  Die  wichtigsten  Sammlungen  sind:  F.  G. 
Kenyon,  Greek  papyri  in  the  British  Museum.  Lond.  I.  1893.  II.  1898. 
Corpus  papyrorum  Raineri  archiducis  Austriae  (herausgeg.  von  Wessely  und 
Mitteis).  Wien  1895.  Urkunden  aus  den  königl.  Museen  zu  Berlin.  Heraus- 
gegeben von  der  General-Verwaltung.  Griech.  Urkunden  (B.  G.  U.)  Berl. 
1-111,41(1898—1903).  Grenfell  U.Hunt  the  Oxyrhynchus  papyri.  London 
I.  1898.  II.  1899.  The  Amherst  papyri.  London  I.  1900.  II.  1901.  Gren- 
fell,  Hunt  und   Hogarth.     Fayum  towns  and    their    papyri.      London   1900. 

21)  Bruns  I  p.  364  sqq.  Mommsen,  Zeitschr.  d.  Sav.-Stift  XII  (1892) 
S.  284  ff. 

22)  Bruns  1  p.  267  sqq.  Mommsen,  Zeitschrift  der  Sav.-Slift.  XIV 
(1893)  S.   Iff 

23)  Mommsen,   Zeitschr.   der  Sav.-Stift.   XVI   (1895)   S.    185  ff. 


—     158     — 

den     Jahren     147/148,    wiederum     aus     Ägypten,      sind  im 
Besitz     des    Professors    Nicole     in     Genf.-*)      Ein    Testament 

vom  Jahre    186  n.  Chr.  bietet  ein  Berliner   Papyrus. ^^)    —  Ein 

hochverdienstliches    Werk  von   Graden witz   macht  sich  zur 

Aufgabe,    mit  reichem  Material  an    Erläuterungen  in    die  Pa- 
pyrusforschung einzuführen.^^) 


24)  Erman,   Zeitschr.  d.  Sav.-Stift.  XV  (1894)  S.  241  ff. 

25)  Mommsen,  Zeitschr.  d.  Sav.-Stift.  XVI  (1895)  S.  198ff.  Scialoja, 
Bull,  dell'  istitut.  di  dir.   Rom.    VII  (1894)  p.   1   sg. 

26)  Graden  witz,  Einführung  in  die  Papyrusurkunde  I.  Heft,  Erklärung 
ausgewählter  Urkunden.  Leipzig  1900;  s.  noch  denselben  Bull'  dell'  istituto  di 
dir.  Rom.  IX  (1896)  p.  98  sq.  Arch.  f.  Papyrusforsch.  II  (1902)  S.  96  ff. 
Mitteis,  zur  Berliner  Papyruspublikation,  Hermes  XXX  (1895)  S.  564  ff., 
Papyri  aus  Oxyrhynchos,  Hermes  XXXIV  (1899)  S.  88  ff.,  neue  Rechtsurkunde 
aus  O.  Arch.  f.  Pap.-Forsch.  I  (1901)  S.  178  ff.  343  ff.,  griechische  Papyri  zu 
Leipzig.  Arch.  f.  Pap.-Forsch.  II  (1903)  S.  159  ff.  A.  Schulten,  römischer 
Kaufvertrag  aus  dem  Jahre  166  n.  Chr.,  Hermes  XXXII  (1897)  S.  273  ff. 
Scialoja,  Bull,  dell'istituto  di  dir.  Rom.  VIII  (1895)  p.  155  sq.  Wenger, 
rechtshistorische  Papyrusstudien,  Graz  1901,  dazu  Erman,  Zeitschr.  der  Sav.- 
Stift.  XXII  (1901)  S.  241  ff.  Wenger,  zu  den  Rechtsurkunden  in  der  Samm- 
lung des  Lord  Amherst  Arch.  f.  Pap.-Forsch.  II  (1902)  S.  96  ff.  J.  C.  Naber 
observatiunculae  ad  papyros  iuridicae,  Arch.  f.  Pap.-Forsch.  I  (1901)  S.  85  ff. 
und  Fortsetzungen. 


Achtes  Kapitel. 

§  34. 

Die  nichtjuristische  Literatur  als  Quelle  der 
Kenntnis  des  römischen  Rechts. 

Es  ist  kein  Zweig  der  Literatur  bei  den  Römern,  der 
nicht  für  das  römische  Recht  Ausbeute  gewährte.  Geschichts- 
schreiber, Dichter,  Rhetoren,  Redner,  Philosophen,  Briefschreiber, 
Grammatiker,  Kommentatoren,  Notizen-  und  Anekdotensammler, 
Fachschriftsteller,  Kirchenväter,^)  alle  tragen  zu  unserer  Kenntnis 
des  römischen  Rechts  mehr  oder  weniger  bei,  durch  Mitteilung 
und  Besprechung  von  Rechtssätzen,  Auszügen  aus  Juristen- 
schriften, Behandlung  von  Rechtsfällen,  Schilderungen  aus  dem 
Rechtsleben,  juristische  Anekdoten,  Verwendung  rechtlicher 
Vorgänge  im  Bühnenstück,  Benutzung  von  Zügen  des  Rechts- 
lebens in  Satire  und  Predigt.  Nicht  zu  reden  davon,  daß  über- 
haupt die  ganze  Kenntnis  der  römischen  Geschichte  und  des 
römischen  Lebens,  welche  uns  die  Literatur  gewährt,  mit- 
telbar für  die  Kenntnis  des  römischen  Rechts  unentbehrlich 
ist.  Es  ist  hier  nur  möglich,  auf  das  besonders  Wichtige  und 
auf  sonst  wenig  Bekanntes  aufmerksam  zu  machen. 

I.  Plautus  (254 — 184  V.  Chr.)  hat  das  Recht  gern  auf  die 
Bühne  gebracht,  muß  aber  mit  Vorsicht  benutzt  werden,  da 
man  mit  dichterischer  Freiheit  und  Anlehnung  an  griechische 
Originale  rechnen  muß.^)  Weniger  ergibt  und  noch  vorsichtiger 
zu  benutzen  ist  Terenz. 


*)  Ferrini,   die  juristischen  Kenntnisse   des  Arnobius  und  des  Lactantius, 
Zeitschr;  der  Sav.-Stift.  XV  (1894)  S.  343  ff. 

2)  Vgl.   Emilio  Costa,   il  diritto  privato  nelle    comedie    di  Plauto   (Turin 


—    im   — 

2.  M.  Porcius  Cato,  der  Vater,  auch  als  Jurist  bekannt 
(§  i6,  I,  i),  schrieb  de  ir  nistica,  mit  Berücksichtigung  des 
Landwirtschaftsrechts  (Formeln  für  Rechtsgeschäfte.  ^) 

3.  M.  Terentius  Varro,  geb.  116  v.  Chr.,  gest.  nach 
36  \^  Chr.:  Rerum  msticarum  libri.  —   De  lingiia  Latina.  *) 

4.  Eine  besonders  hervorragende  Stellung  nimmt  ein 
Cicero  (106 — 43  v.  Chr.),  der  in  seinen  philosophischen  und 
rhetorischen  Schriften  und  seinen  Briefen  viel  Juristisches  bietet, 
und  in  seinen  Reden,  vor  allem  den  prozessualen,  eine  eminente 
Quelle  des  Rechtes  seiner  Zeit  hinterlassen  hat.  In  Zivilsachen 
sind  gehalten  die  Reden  pro  Ouinctio,  pro  Roscio  Conioedo,  pro 
Tidlio,  pro  Caecina,  in  Strafsachen  die  pro  Roscio  Amerino, 
die  \^errinischen,  pro  Fonteio,  pro  Clucntio,  pro  C.  Rahirio 
(perduellio),  pro  Mnrcna,  pro  Sulla,  pro  Archia,  pro  Flacco,  pro 
Sestio,  in  Vatiniiun,  pro  Caelio,  pro  Balho,  pro  Plancio,  pro 
C.  Rabirio  (Repetunden),  pro  Milone.  —  Ciceros  Werke  de 
repnblica  xxnd  de  legibus  sind  nicht  Darstellungen  des  römischen 
Staats  und  Rechts,  sondern  allgemeine  philosophische  Be- 
trachtungen und  gesetzgeberische  Vorschläge,  aus  denen  aber 
über  die  römische  Wirklichkeit  vieles  zu  lernen  ist.  ^) 

5.  M.  Valerius  Probus,  Grammatiker  (von  Tiberius 
bis  Domitian),  verfaßte  eine  Schrift  über  die  gebräuchlichen 
xA.bkürzungen,  zumal  in  leges,  plebiscita,  SCC,  legis  actiones, 
edicta  perpetua-^  von  ihr  haben  wir  einen  am  Schlüsse  unvoll- 
ständigen Auszug,  der  teilweise  ergänzt  wird  durch  eine  alpha- 
betische Notensammlung  einer  Handschrift  im  Kloster  Einsiedeln 
(Kanton  Schwyz).") 

6.  Valerius  Maximus:  fac forum  et  dictoruni  memorabi- 
liuin  libi-i  novcm,  an  Kaiser  Tiberius  gerichtet. 


1890).  Bekker,  die  römischen  Komiker  als  Rechtszeugen,  Zeitschr.  d.  Sav.- 
Stift.  XIII  (1892)  S.  53  ff.  Costa,  il  diritto  private  nelle  comedie  di  Terenzio, 
Archivio  giuridico  L  S.  407  ff. 

3)  Auszug:   Bruns   II   p.  49  sqq.       ■*)  Auszug;   Bruns  II  p.   53  sqq. 

^)  Vgl.  Keller,  Semestrium  ad  M.  Tullium  Ciceronem  1.  VI.  vol.  I 
(1.  I— III)  Zürich  1851—1853.  Be  thmann- Ho  11  weg,  der  römische  Zivil- 
prozeß. B.  II  .S.  762  ff.  Schneider,  der  Prozeß  des  C.  Rabirius.  Zürich 
1889.  Kühler,  der  Prozeß  des  Quinctius  und  C.  Aquilius  Gallus,  Zeitschr. 
d.  Sav.-Stift.     XIV  (1893)  S.  54  ff. 

*■')   Collect.   11   p.    141    sqq.    Huschke   p.   129  sqq. 


—     1(51     — 

7-  O.  Asconius  Pedianus  (c.  3 — 88  n.  Chr.):  Kommen- 
tar zu  fünf  Reden  Ciceros;  der  früher  ihm  zugeschriebene 
Kommentar  zu  den  Verrinen  ist  nicht  von  ihm  und  wird  jetzt 
meist  als  Pseudo-Asconius  citiertJ) 

8.  Quintilianus  (c.  35 — 95  n.  Chr.):  institutio  oratoria, 
besonders  für  den  Prozeß  wichtig. 

9.  C.  Plinius  Caecilius  Secundus  der  Jüngere  (62  bis 
1 1 3  n.  Chr.):  Briefe,  und  zwar  gehören  hierher  die  Privat- 
briefe;   der   Briefwechsel    mit  Trajan  ist  §   14,  I  besprochen. 

10.  Die  Feldmesser,  agrimensores,  gromatici  [gj-oma  ein 
Meßinstrument):  Sex.  Julius  Frontinus  (c.  40 — 103  n.  Chr.), 
Hyginus,  Siculus  Flaccus,  Baibus  unter  Trajan;  Agennius  Ur- 
bicus  im  5.  Jahrhundert.  Eine  Sammlung  der  gromatischen 
Schriften,  vielleicht  aus  der  Zeit  Justinians,  in  Handschriften 
des  9.  oder  10.  Jahrhunderts,  enthält  auch  Auszüge  aus 
juristischen  Quellen,  so  namentlich  den  tit.  Dig.  X,  i  finiimi 
7'egimdoruni  aus  einer  der  Florentina  gegenüber  besseren  Vor- 
lage.^) Frontinus  ist  zugleich  Verfasser  einer  Schrift  de  aqiiis 
jirbis  Romae,  wichtig  wegen  der  mitgeteilten  Gesetzes-  und 
sonstigen  Urkunden.^) 

11.  A.  Gellius  (geb.  etwa  130  n.  Chr.):  20  Bücher  «öf/ri- 
Atticae  (um  170),  allerlei  schöngeistige  und  halbwissenschaft- 
liche Erörterungen,  besonders  wichtig  durch  die  Auszüge  aus 
älteren  römischen  Juristenschriften. 

12.  Pompejus  Festus  um  150  n.  Chr.  fertigte  aus  dem 
Werke  des  unter  Augustus  lebenden  Verrius  Flaccus  de  ver- 
borum  signi/icatu  einen  Auszug,  der  unvollständig  erhalten  ist, 
aber  ergänzt  wird  durch  einen  weiteren  von  Paulus  Diaconus 
(c-  735 — 797)  angefertigten  Auszug.^") 

13.  Nonius  Marcellus  (2.  Hälfte  des  3.  oder  Anfang 
des  4.  Jahrhunderts):  coinpendiosa  doctrina  per  litteras,  ein 
lexikalisches  Werk.^^) 

14.  Servius  Honoratus  Maurus  (2.  Hälfte  des  4.  Jahr- 
hunderts): Kommentator  Vergils.^^) 


')  Auszug:   Bruns  II   p.  69  sqq. 

*)  Auszüge:   Bruns  II  p.   88  sqq.,  vgl.  auch  Pruns  I  p.  96. 
^)  Vg'-  Bruns  I   p.  115.      *'')  Alphabetischer  Auszug:   Bruns  II  p.  1  sqq. 
^1)  Auszug:   Bruns  II  p.   66  sqq.      ^^)  Auszug:  Bruns  II  p.   78  sqq. 
Kipp,  Quellen  des  röm.  Kechts.  \\ 


—     162     — 

1$.  Q.  Aurelius  Symmachus  (c.  345 — 415  n.  Chr.): 
Privatbriefe,  seine  offiziellen  Berichte  als  Stadtpräfekt  vgl.  §  24. 

16.  M  aerob  ins  (Ende  des  4.  und  Anfang  des  5.  Jahr- 
hunderts): Satiirfialia  und  Kommentar  zu  Ciceros  Soinmum 
Scipionis. 

17.  Anicius  Manlius  Severinus  Boethius  fgest.  524): 
Kommentar  zu  Ciceros  Topica.^^) 

18.  Isidorus  Hispalensis  (gest.  636):  origimim  (ety- 
mologiariim)  libri\  besonders  das  5.  Buch  behandelt  juristische 
Kunstausdrücke  unter  Benutzung  alter  Quellen,  aber  sehr  wirr.^*) 


3)   Auszug:   Bruns  II   p.   75  sqq.      ^*)  Auszug:   Bruns  II   p.  82  sqq. 


Sachregister. 

(Zugleich   Erklärung  der  Citiervveisen.) 

In  diesem  Buche  ist  die  sog.  philologische  Citierweise  befolgt,  welche 
bei  allen  Quellen  von  der  größten  zur  kleinsten  Einteilung  absteigt.  Der  Ver- 
fasser ist  der  Ansicht,  dass  die  altherkömmliche  sog.  juristische  Citiermethode 
nicht  mehr  aufrecht  erhalten  werden  sollte.  In  dem  Sachregister  sind  die 
Buchstaben,  mit  denen  man  eine  Quelle  zu  bezeichnen  pflegt,  im  Druck  her- 
vorgehoben. Die  sonst  nötigen  Erklärungen  über  die  übHchen  Anführungs- 
weisen sind  teils  unter  den  Stichworten  der  einzelnen  Quellen  gegeben,  teils 
selbständig  in   das  Alphabet  eingeordnet. 


Aburnius  Valens   109. 

Älius  Gallus  92. 

(Sex.)  Älius  Pätus  89. 

aequitas  6  ff. 

aequum  et  bonum  6  ff. 

Africanus   112. 

Agrimensoren   161. 

Alfenus  Varus  92. 

Altarordnungen  43. 

Annotatio   74. 

Appellatio  more  consultationis   72. 

Aquilius   Gallus   91. 

Arcadius  Charisius  125. 

Archivwesen  28.  56.  64.  70.  76  f. 

Aristo   107  f. 

Arrianus   121. 

Arrius  Menander   120. 

Asconius   161. 

Atilicinus   105. 

Auctoritas  iure  consultorum  93. 

—  patrum  52. 

Aufidius  Chius  107. 
Namusa   92. 
Authenticae   147.   148. 
Authenticum   147. 

Basilika   152. 
Boethius    162. 
bona  fides  9. 
Brutus  90. 
Bürgerrechtsverleihung  42  f. 


Byzantinische  Gesetzgebung  152. 
—  Rechtsliteratur   151. 

C.  s.  Codex  Justinianus. 

c.  =  constitutio,  bei  Anführung  justi- 
nianischer Novellen  =  caput. 

Cälius   Sabinus   106. 

Callistratus   120. 

Campanus   109. 

Capito   101.    103. 

Cartilius   105. 

Cascellius  92. 

Cassianer   100  ff. 

Cassiodorius   133. 

Cassius   105  f. 

Cato  Sohn  90. 
—    Vater  90.    160. 

Celsus  Sohn   108. 
—      Vater   106. 

Cicero   160. 

cives   10  f. 

cit.  =  citatus,  a,  um,  gebräuchlich, 
wenn  dieselbe  Quellenstelle  oder 
derselbe  Titel  in  der  Anführung 
wiederkehrt:  z.  B.  1.  17  cit.  =  die 
zuvor  angeführte  lex  17;  1.  3  tit. 
cit.  =  lex  3  in  dem  zuvor  ange- 
führten Titel. 

Citiergesetze   126. 

(Ap.)  Claudius  Caecus  89. 

Claudius  Saturninus   116.    121. 
11* 


164     — 


Codex   Gregorianus   78  ff. 

—  Hermogenianus   78  ff. 

—  Justinianus  137  f.  144  ff.  Wo 
Verwechslung  nicht  zu  befürchten, 
genügt  zur  Bezeichnung  C.  allein. 
Die  hergebrachte  Citierweise  ist 
1.  7  C.  de  rei  vindic.  3,  32  oder 
c.  7  de  rei  vindic.  3,  32  =  C.  J, 
lib.  III,  tit.  32  (mit  der  Rubrik  de 
rei  vindicatione),  lex  (constitutio) 
7.      S.  auch   cit.,   eod.,   h.  t.,   pr. 

—  Theodosianus  80  f.  Herkömm- 
liche Citierweise  wie  beim   C.   J. 

Collatio  152. 
Comitia  26  ff. 
Commentarii  principum  64.   70. 

—  regum  25  f. 

Commercium   11. 
Concilium  plebis  27. 
Connubium   11. 
Consilium  principis   60  f. 
Consistorium  principis  70. 
Constitutiones     principum    12.     59ff. ; 

einzeln  überlieferte  82  ff. 
Constitutionarii   76  f. 

Consultatio  132  f. 

Consultatio   ante  sententiam   66. 
Corpus  iuris   civilis   148  ff. 
Ti.   Coruncanius   89. 

Decemviri   31. 

Decisiones   138. 

Decreta  principum   63  f.   72  ff. 

Dekrete  von  Beamten   153  ff. 

Digesta  Justiniani  137  ff.  140  ff.  Her- 
kömmliche Citierweise :  1.  1  D.  de 
reb.  cred.  12,  1  =  D.  lib.  XII,  tit. 
1  (mit  der  Rubrik  de  rebus  creditis), 
lex  (fragmentum)  1.  S.  auch  cit., 
eod.,   h.  t.,  pr. 

Dispensation  von   Gesetzen   53. 

Edicta  magistratuum  44  ff. 

—  principum  61  f.   71  f. 
Edictuui  Theoderici    135  f. 

eod.  ^  eodem  titulo,  gebräuchlich, 
wenn  eine  Quellenstelle  demselben 
Titel  angehört,  wie  eine  kurz  vor- 
her angeführte  andere. 

epil.  :=:  epilogus,  bei  Justin.  Nov. 

Epistolae  principum  64  ff. 

Fabius  Mela   103. 
Festus   161. 
(Gn.)  Flavius  89. 
Florentinus   117. 


fr.  =  fragmentum,  namentlich  auch 
gebräuchlich  zur  Bezeichnung  der 
einzelnen   Stellen   in   den  D. 

Fragmentum  Atestinum  38  f. 

Fragmentum   Dositheanum   130  f. 

—  de  formula  Fabiana  131. 

—  de  iudiciis   130. 
Fragmenta  de  iure  fisci   130. 

—  Sinaitica  =  Sinai-Scholien. 

—  Vaticana   131  f. 
Frontinus   161. 
Fufidius   107. 
Fulcinius  Priscus  105. 
Fundus    11. 

Furius  Anthianus  124. 

Gajus  112ff.  129    Gai.  bezeichnet  seine 

Institutionen. 
Gellius   161. 
Gerichtsgebrauch   19  ff. 
Gesetzgebung  der  Republik  26  ff. 
Gewohnheitsrecht   17  ff. 
(De)    gradibus  Cognationum    tractatus 

131. 
Gromatiker   161. 

Harmenopoulos  152. 

Hermodorus  33^. 

Hermogenianus   125. 

h.  t.  =  hie  titulus,  hoc  titulo,  üb- 
lich bei  Citaten  aus  demjenigen 
Titel  eines  Rechtswerkes,  welcher 
zum  Hauptgegenstand  denselben 
hat,  wie  die  Abhandlung,  der  Ab- 
schnitt u.  s.  w.,  in  welchem  das  Citat 
vorkommt.  Z.  B.  1.  1  D.  h.  t.  ist, 
wenn  es  in  einem  Abschnitt  über 
die  rei  vindicatio  steht,  =  D.  VI, 
1,  1. 

Javolenus  Priscus   106  f. 

Index  Florentinus   143. 

Institutiones  Justiniani  138.  139f.  Her- 
kömmliche Citierweise;  Pr.  §  1  J. 
de  rer.  div.  2,  1  =  J.  lib.  II,  tit. 
1  (de  rerum  divisione),  principium 
und  §   1.     S.  auch  cit.,   eod.,  h.  t. 

Interpretatio   93. 

Isidorus   Hispalensis   162. 

Juliani   epitome   novellarum   147. 

Julianus  50.   109  f. 

Julius  Aquila   124. 

Jus  aedilicium  49. 

—  aequum  6  f. 

—  Aelianum  89. 

—  civile  10.  14.  16.  48.  49.  51.  93  f. 


165 


Jus  edicendi  44  f. 

—  Flavianum   89. 

—  gentium   12  ff". 

—  honorarium   49.   51. 

—  iniquum  6  f. 

—  und  leges   125  f. 

—  naturale  4  ff".   15. 

—  Papirianum  24. 

—  praetorium  49. 

—  respondendi  95  ff". 

—  strictum  7. 

Justinians  Gesetzgebung  137  ff". 
l.:^=lex,     besonders     zur     Bezeichnung 

der    einzelnen   Stellen    in  D.    und 

C.  verwandt. 

Labeo   101.   102  f. 
Lälius  (Felix)   117. 
Leges    datae    40  fi^.    selbständig    über- 
lieferte 41  ff". 

—  dictae  43  f. 

—  generales  70  f. 

—  imperfectae  28  f. 

—  latae  26  ff".  36,    selbständig  über- 
lieferte 36  ff". 

—  minus  quam  perfectae  28. 

—  perfectae  29. 

—  regiae  24  f. 

—  rogatae  26  ff". 
Lex  27  f. 

—  Acilia  repetundar.  37, 

—  Antonia  de  Termessibus  37. 

—  Cornelia,  überJurisdictionsedikte46. 

—  — -de  viginti  quaestoribus  37. 

—  de  imperio  principis  59  f. 

—  de  imperio  Vespasiani  40. 

—  Hadriana  44. 

—  Hortensia  27. 

—  Julia  municipalis  39  f. 

—  Licinia  Junia  28. 

—  Malacitana  42. 

—  Manciana  44. 

—  raetalli  "Vipascensis  43  f. 

—  Pompeja  40. 

—  Publilia  52. 

—  regia  s.  de  imperio  principis. 

—  Romana  Burgundionum   136. 

—  —         Wisigothorum   135-    An- 
hänge  133. 

—  Rubria  37. 

—  Rupilia  40. 

—  Salpensana  42. 

—  Tarentina  41. 

—  Ursonensis  41. 
Licinius  Rufinus   124. 
Longinus   106. 

Lydus  (Johannes)   134. 


Macer   124. 
Macrobius   162. 
Mäcianus   117.   129. 
Mandata  principis  62  f.   72. 
Manilius  90. 
Marcellus   117  f. 
Marcianus   124. 
Mauricianus  116. 
Messius   120. 
Minicius  104: 
Modestinus  124  f.   131. 
(P.)  Mucius  90. 
(Q.)  Mucius  90  f. 

Neratius  Priscus  108. 
Nerva,  Sohn  104  f. 

—  Vater  104. 
Nonius  Marcellus   161. 
Notitia  dignitatum  132. 
nov.^novella,   citiert  mit  Beisatz  des 

Kaisers,  der  sie  erliess;  bei  justi- 
nianischen Novellen  fällt  dieser 
Zusatz  fort,  wenn  "Verwechselung 
nicht  zu  befürchten  ist.  S.  auch 
c,  cit.,  pr.,  praef.,  epil. 
Novellen,  justinianische    138  f.    146  ff". 

—  posttheodosianische    82. 

Octavenus   109. 

Ofilius  91. 

Oratio  principis  55.   71. 

Paconius  106. 

Pactumejus  Clemens   110. 

Papinianus   119.    129  f. 

Papirius  Fronto   120. 

Papirius  Justus   117. 

Papyri   157  f. 

Paulus  121  f.  130.  Paul,  bezieht  sich 
auf  seine  Sententiae. 

Pedius   HO. 

Pegasus   107. 

Peregrini   10  ff". 

Personalität  des  Rechts  10  ff". 

Plautius   106. 

Plautus  159. 

Plebiscita  27  f. 

Plinius   161;   und  Trajan   77. 

Pomponius   111.   131. 

Pontifices  88. 

pr.  =  principium,  gebräuchlich  zur 
Bezeichnung  des  Anfangsstückes 
einer  Stelle  in  denjenigen  Quellen, 
in  denen  man  die  Anfangsstücke 
ohne  Paragraphenzahl  gelassen  hat. 

praef.  oder  prooem.  =  praefatio  oder 
prooemium,  die  Einleitungen  der 
justinianischen  Novellen. 


—     166 


Präfecti  Ägypti,  Erlasse  87. 
Präfecti  Prätorio   61,   Erlasse   86  f. 
Präfectus   Urbi,   Erlasse  87. 
Praescriptio  mendaciorum   73. 
Pragmaticae  Sanctiones   74  f. 
Preces  67. 
Procnlianer  100  ff. 
Proculus    105. 
Promulgation   28. 
Provinzialordnungen   12. 
Provinzialstatthalter,   Erlasse  87. 
Pseudo-Asconius   161. 
Publicius   117. 
Puteolanus   121. 

Quästor  sacri  Palatii   70.   76. 
Quintilianus   161. 

Rechtswissenschaft,  republikanische 
88 ff.,  klassische  95  ff.,  nachklassische 
127  f.,   byzantinische   151  f. 

Rescripta  principum  64  ff.,   72  ff. 

Responsa  93  f.,  95  ff. 

Rutilius  Maximus   124. 
—       Rufus  90. 

Sabinianer  100  ff. 

Sabinus   103  f. 

Sanctio  legis  28  f. 

Saturninus  (Q.)   116. 

Scävola  (Cervidius)  118.  Mucius  s. 
unter  diesem  Namen. 

Semestria  70. 

Senat  52  ff.  70. 

Senatus  consulta  52  ff.  Einzeln  über- 
lieferte  57  ff. 

Servilius  115. 

Servius  (Kommentator)   161. 

Servius  Sulpicius  91. 

Sinaischolien    133. 

Sirmondyiische   Konstitutionen   82, 
citiert:   c.   Sirm.    1. 

Soldatendiplome  43. 

Stadtordnungen   12. 

Subscriptio  64.   68. 

Summa  Perusina   Codicis    146. 

Supplicatio  67. 

Synimachus   132.    162. 


Synopsis  Basilicorum   152. 
Syrisch-römisches  Rechtsbuch   133  f. 

Tabula  Bantina  86  f. 

—        Heracleensis  39  f. 
Tarruntenus  Paternus   119. 
Terentilius  Arsa  31. 
Terentius  Clemens   116. 
Terenz   159. 
TertuUianus   120. 
Theophilus  151  f. 
Tipucitus    152. 
Trajan  und  Plinius  77, 
Trebatius  92. 
Tripertita  89. 
Tryphoninus   120. 
Tubero  92. 
Turiner    Glosse    zu    den    Institutionen 

140. 
Tuscianus   109. 

Ulpianus,  122  f.  130.  Ulp.  ohne  wei- 
teres bezieht  sich  auf  den  lib.  sing, 
regularum,  die  Institutionenfrag- 
mente werden  als  fr.  Endlicher  oder 
fr.   Vindobonensia  citiert. 

Urkunden   153  ff. 

Ursejus  Ferox  106. 

Valerius  Maximus   160. 

—  Probus  160. 

—  Severus  109. 
Varius  Lucullus  107. 
Varro   160. 

Venulejus  Saturninus    116. 
Verrius  Flaccus   161. 
Vindius  Verus   116. 
Vitellius   103. 
Vivianus   108. 
Wachstafeln  155  f. 

Zwölf  Tafeln  29  ff.  Nachtrag:  Für 
die  Echtheit  der  zwölf  Tafeln  s. 
noch  Appleton  le  testament  Ro- 
main ....  et  l'authenticite  des 
XII  tables.  Extrait  de  la  Revue 
generale  du  droit.  Paris   1903. 


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laria  Formulae.     12  Mk.,  Glossar  dazu  3  Mk. 

,  Deutsche  Stadtrechtsaltertümer.     10  Mk. 

,  Beiträge  zur  Rechtsgeschichte  Bayerns.    1.  Heft:  Die  altbayerischen 

Rechtsquellen  aus  der  vorwittelsbachischen  Zeit.  5  Mk.;  2.  Heft: 
Die  altbayerischen  Ehehaft-Rechto.  3  Mk.  50  Pf.;  3.  Heft:  Die 
Quellen  des  Stadtrechts  von  Regensburg  aus  deqi  XIII,  XIV.  und 
XV.  Jahrhundert.  3  Mk.  80  Pf.;  4.  Heft:  Die  Verfassungszustände 
im  bayerischen  Franken  bis  zum  Beginne  des  XIII.  Jahrhunderts. 
5  Mk. 

—  — ,  Des  Schwabenspiegels  Landrechtsbuch.  Zum  Gebrauche  bei  aka- 
demischen Vorträgen.  Mit  einem  Wörterbuch.  2.  verb.  Aufl.  2  Mk. 
50  Pf. 

Hanausek,  Dr.  Gustav,  Die  Lehre  vom  uneigentlichen  Niessbrauch  nach 
gemeinem  Recht.     3  Mk. 

Harburger,  Dr.  J.,  Das  constitutum  possessorium  im  römischen  und  heutigen 
Rechte.     Ein  civilistischer  Versuch.     2  31k. 

Holder,  Prof.  Dr.  E.,    Beiträge   zur   Geschichte   des    römischen  Erbrechts. 

3  Älk.  50  Pf.  • 

Hruza,  Prof.  Dr.  E.,  Beiträge  zur  Geschichte  des  griechischen  und  römi- 
schen Familienrechtes.  I.  Die  Ehebegründung  nach  attischem 
Rechte.  3  M.  IL  Polygamie  und  Pellikat  nach  griechischem  Rechte. 
3  Mk.  50  Pf. 

,  Über  das  lege  agere  pro  tutela.     Rechtsgeschichtl.  Untersuchung. 

2  Mk. 

..Zur    Lehre    von    der    Novation    nach    Österreich,     und    gemeinem 

Recht  4  Mk. 


Ä.  Deichert'sche  Verlagsbuchhdlg.  (Georg  Böhme)  Leipzig-. 

Janka,  Dr.  K.,  Der  strafrechtliche  Notstand.    4  Mk. 

,  Staatliches    Klagmonopol    oder   subsidiäres  Strafklagerecht.     Eine 

strafprozessuale  Abhamllung.     1  Mk. 

Matthiass,  Prof.  Dr.  B.,  Die  römische  Grundsteuer  und  das  Vectigalrecht. 
1  Mk. 

Meyer,  Prof.  Dr.  H.,    Die  Frage  des  Schöffengerichts  geprüft  an  der  Auf- 
gabe der  Geschworenen.     1  Mk. 

,  Die    Mitwirkung    der   Parteien    im  Strafprozess.    Ein  Beitrag  zur 

Beleuchtung  einer  deutschen  Strafprozessordnung.     1  Mk.  20  Pf. 

,  Die  Parteien  im  Strafprozess.     75  Pf. 

,  Die  Willensfreiheit  und  das  Strafrecht.    60  Pf. 

,  Hamlet  und  die  Blutrache.    Ein  Vortrag.    60  Pf. 

Müller,  Dr.  E.,  Hat  der  Staat  das  Recht,  die  Standesherren  zur  Ein- 
kommensteuer heranzuziehen?  Eine  Untersuchung  unter  spezieller 
Berücksichtigung  der  preus.sischen  und  bayerischen  Verhältnisse. 
1  Mk.  40  Pf, 

—  -,  Gegen   den   „groben  Unfug"  in  der  heutigen   Kechtsprechung,   ins- 
besondere den  Press-  und  politischen  Unfug.     1  31k.  60  Pf. 

Neubug,   Prof.  Dr.  Cl.,    Der  Einfluss  des  Bergbaus  auf  die  erste  Entwick- 
lung der  Forstwirtschaft  in  Deutschland.     1  Mk.  20  Pf. 

V.  ScheurI,  Prof.  Dr.  A.,  Beiträge  zur  Bearbeitung  des    römischen  Rechts. 

I.  Bd.  4  Mk.  80  Pf.     II.  Bd.     1.  Heft  1  Mk.  20  Pf.     II.  Bd.  2.  Heft 
auch  unter  dem  Titel  : 

Zur  Lehre  von  den  Nebenbestimmungen  bei  Rechtsgeschäften.    6  IVIk. 

,  Weitere     Beiträge     zur     Bearbeitung     des     römischen     Rechts. 

1,  Heft:  Teilbarkeit  als  Eigenschaft  von  Eechten.     2  Mk.  — 

2.  Heft:  Zur  Lehre  vom  römischen  Besitzrecht.     4  Mk. 

,  Lehrbuch  der  Institutionen.     2.  verb.  Aufl.  6  Mk.  — 

Sehling,  Prof.  Dr.  E.,   Die  Kirchengesetzgebung  unter  Moritz  von  Sachsen 
1544—1549  und  Georg  von  Anhalt.     3  Mk.  60  Pf. 

Thomas,   Dr.  K.,   Das   kanonische   Testament.     (Testamentserrichtung  vor 
dem  Pfarrer.)     Historis^'h-dogmatischc  Studie.     1   Mk.  80  Pf. 

Wendt,  Dr.  0.,  Reurecht  und  Gebundenheit  bei  Rechtsgeschäften.    Heft  1: 
Die  condictio  ex  poonitentia.   2  ]Mk.  —  Heft  2:  Die  Keuverträge.    3  Mk. 


Druck  von  W.  Hoppe,  Borsdorf-L. 


K  Kipp,  Theodor 

Geschichte  der  Quellen  des 
K5767G4  römischen  Rechts 
1903 


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