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Full text of "Geschichte der spartanischen und thebanischen Hegemonie vom Königsfrieden bis zur Schlacht bei ..."

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ARTES SCIENTIA VERITAS 






Geschichte 



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ifDlöDIP 



TOffl KöiigsMeles bis w SchMt bei Kaitiiea. 



Mit (leiiehmigimg 
einer 



Hochverordneten historisch -philologischen Facultät der Kaiserlichen 

Universität zu Dorpat 



behufs Erlangung des Grrades eines 



Doctors der classischen Philologie 



zur öffentlichen Vertheidignng bestimmt 



von 



Ernst von Stern. 



Ordentliche Opponenten : 

Caiid. Q. Mekier - Prof. I>r L. Mendelssohn -- Prof. Dr. G. Loeschcke. 



Dorpat. 

Druck von II. Laakmann's Buch- und yieindruckerel . 

Ih84. 



^\ 









Gedruckt mitlGenehmigung der historisch-philologischen Faxndtät der Kaiserlichei 
Universität Dorpat 

Dorpat, den 6. Oktober 1884- 

* Decan W. Hoersohelmann. 

Nr 96. 



Cli-l^c-6oor' 



Sr. Excellenz dem Herrn Geheimrath 

Ä. Yoa ßeorgiewsiy, 

Präsidenten des Gelehrten Comit^s im Ministeritim 

der Volksaufklärung 



in Dankbarkeit 



zugeeignet. 



Vorwort. 



N^"V ■ ^»V^N* 



Üine erneute Behandlung der griechifchen Gefchichte vom 
Königsfrieden bis zur Schlacht bei Mantinea bedarf wol keiner 
eingehenden Rechtfertigung. Seit dem Werke von Curtius ift 
diefe wichtige Zeitepoche nicht zur Darftellung gelangt, die vielen 
neugefundenen Infchriften find nicht zufammenfaflfend verarbeitet und 
eine methodifche Quellenforfchung ift gerade für diefen Zeitabfchnitt 
noch nicht in Anwendung gebracht worden. Ich habe mich 
bemüht, mit möglichft vollftändiger Heranziehung des vorhandenen 
Materials, eine Schilderung der fpartanifchen und thebanifchen 
Hegemonie in diefer Zeit zu geben und bin namentlich über die 
Bedeutung der thebanifchen Politik für Griechenland und über den 
- Werth von Xenophons Gefchichtswerk zu einem von der früheren 
Auffaffung wefentlich abweichenden Urtheil gelangt. Ob es be- 
rechtigt und begründet ift, mufs ich natürlich der Entfcheidung 
der Fachgenoffen überlaffen. 

Die Anregung zur vorliegenden Schrift verdanke ich Herrn 
Prof. Dr. Loefchcke, und ich benutze daher die hier gebotene 
Gelegenheit, um ihm hierfür, fowie für die mir während der Arbeit 
felbft geleiftete Hilfe meinen wärmften Da;ik auszufprechen. 

Da in meinem Buch" die neuere Litteratur, zum Theil wenig- 

ftens, nicht mit vollem Titel citirt ift, fo will ich der Ueberficht- 

lichkeit halber hier in alphabetifcher Reihenfolge eine ZuCammen- 

ftellung der von mir benutzten Werke und Abhandlungen geben : 

i) Abamelek-Lafareff ,,Die pheräifchen Tyrannen." (Kuf- 
fifch). St. Petersburg 1880. 

2) Abel „Makedonien vor König Philipp.*' Lpz. 1847. 

3) Bauch „Epaminondas und Thebens Kampf um die HegC' 
monie.** Breslau 1834. 



VI 

4) Beloch „Zur Finanzgefchichte Athens/' Rh. Museum 
B. XXXIX 1884. 

5) Blafs „Die attifche Beredfamkeit." Lpz. 3 Bd. 1874—80. 

6) Böckh „Corpus Infcriptionum Graecarum/* Berlin 1825 - 40. 

7) Böckh „Die Staatshaushaltung der Athener/' Berlin 1851. 

8) Böckh „Zur Gefchichte der Mondcyklen.'* Supplementb. 
I von Jahns Jahrb. f. Philol. 

9) Bornemann „De Caftoris chro^icis Diodori Siculi fönte ac 
norma.** Programm des Katharineums, Lübeck 1878. 

10) Bröcker „Unterfuchungen über Diodor'*. Gütersloh 1879. 

11) Bücheier „Weihinfchrift des Xenokrates/* Rh. Mufeum 

B. xxxn. 

^2) ßurfian „Geographie von Griechenland." 2 Bd. Leipzig 
1864—68. 

13) Bufolt „Der zweite athenifche Seebund." Supplementb. VII 
der N. Jahrb. Lpz. 1872 — 75. 

14) Butt mann „Leben des Agefilaos/' Halle 1872. 

15) Cauer „Quaeftionum de fontibus ad Agefilai hiftoriam 
pertinentibus". Pars prior. Vrat. 1847. 

16) Clinton „Fasti hellenici" ed. Krüger. Lpz. 1830. 

17) Curtius „Griechifche Gefchichte''. 3 B, Berlin 1880. 

18) Curtius „Infcriptiones Graecae'^ Rh. Mufeum 1843. 

19) Curtius „Peloponnes''. 2B. Gotha 1851 u. 52. 

20) Dittenberger ,,Sylloge Infcriptionum Graecarum". 2 H. 
Lpz. 1883. 

21) DuMesnil „Ueber den Werth der Politik des Epami- 
nondas für Griechenland.*' Sybels hift. Zeitfchr. 1863. 

22) Endemann „Beiträge zur Kritik des Ephoros." Mar- 
burg 1881. 

23) Erich „De Euagora Cyprio'*. Roftock 1872. 

24) Fiat he „Gefchichte Makedoniens und der Reiche, die von 
Makedonien beherrfcht wurden.** 3 B. Lpz. 1832—34. 

25) Foucart „D^cret en Thonneur de Phanolodtos de Parium". 
Revue arch^ologique 1877. 

26) Foucart „D^cret des Atheniens relatif ä la ville de Chal- 
cis". Rev. arch^ol. 1877. 

27) Fränkel „Der Begriff des Tifirjfia im ath. Steuerfyftem'*. 
Hermes XVm. 

28) Franke „Der boeotifche I^und". Wismar 1843. 

29) Frenzel „De Andocidis de pace oratione.'* Königsberg 1866. 

30) Frohberger „Die letzten Lebensjahre Thrafybuls von 
Steiria.^' Philologus XVÜ. 

31) Fuhr „Animadverfiones in oratores atticos." Bonn 1877. 

32) Gilbert „Die Infchrift des Thebaners Xenokrates.*' N. 
Jahrb. f Philol. CXVÜ. 

33) Gilbert „Handbuch der griechifchen Staatsalterthümer.*' 
I. Lpz. 1881. 



Vfl 

34) Grote „Gefchichte Griechenlands." Aus dem En^fdien 
übertragen von Meifsner. Lpz. 1855. 

35) V. Gutfchmid „Die makaionifcfae Anagraphe/' Symbola 
philologorum Bonnenfium in honorem Ritfcfaelü collecta. 
Lpz. 1864— 67* 

36) Hahn „Einige Bemerkungen über den zweiten ath. See- 
bund/' N. Jahrb. f. Philol. CXIH 

37) Hartel „Demofthenifche Studien." Beriin 1877. 

38) Hartel, „Demofthenifche Anträge." Conmientationes in 
honorem Momnafenii Berlin 1877. 

39) Herbft „Kritik von Hertzbergs Agefdaos." N. Jahrb. f. 
Philol. LXXVIL 

40) Hertzberg „Das Leben d. Königs Agefilaos II.** Halle i8s6* 

41) Hicks „A manual of hiftorical infcriptions.'* Oxford 1882 

42) Hock, ,Der Rath der Bundesgenoflen im zweiten ath. Bunde." 
N. Jahrb. f. Philol. CXVH. 

43) Hock „De rebus ab Athenienfibus in Thracia et Ponto ab 
anno 378—338 gestis.'' Kieler Univerfitätsfchriften XXm. 

44) Hofmann „Die Sonnenfinftemifs bei Pelopidas' Tode.'* 
Zeitfchrift für öftr. Gym. 1876. 

45) Holm „Gefchichte Siciliens im Alterthum." 2 B. Lpz. 
1870—75. 

46) lebb „The Attic Oratore** iSyö. 

47| Imhoof-Blumer „Monnaies Grecques." 

48) Kai bei „Epigrammata graeca ex lapidibus collecta." 
Berlin 1878. 

49) Keil „Sylloge Infcriptionum Boeoticarum." Lpz. 1745. 

50) Kirch hoff „Symmachie zwifchen Athen und Dionys von 
Syrakus." Philol. XH. 

51) Kirchner „De Andocidea, quae fertur tertia oratione.** 
Berlin 1861. 

52) Klütz „De foedere Boeotico." Berlin 1821. 

53) Köhler „Die griech. Politik Dionys d. Aelteren." Mitth. d. 
arch. Inft. I. 

54) Köhler „Ueber zwei ath. Vertragsurkimden." Mitth. des 
arch. Inft. L 

55) Köhler „Attifche Pfephismen aus der erften Hälfte des 
4. jahrh.** Mitth. des arch. Inft. I und TL. 

56) Köhler „Mauerbauinfchriftcn aus d. Peiraieus u. Athen." 
Mitth. d. arch. Inft. m. 

57) Klöhler „Zur Gefdiichte des Münzwefens." Mitth. des 
arch. Inft. VEL 

58) Köhler „Das Zwanzigftel des Thrafybul." Mitth des 
arch. Inft. VE. 

60) Köhler ,Jnfchrift aus OL 96, 3." Studien zu att, Pfephii, 
II, Hermes III. 



Infchriftenfragment ^) aus dem Archontat des Eubulides (^^/s), 
das uns den regen Eifer diefes Baues bezeugt. Während deffen 
blieb Konon nicht muffig : er unternahm mit der ihm überlaffenen 
Flotte eine Rundfahrt im aegäifchen Meere*), landete nochmals 
am Ifthmus^), wol um dort die neuen militairifchen Mafs- 
nahmen zu überwachen und zu fördern, und begann 'feine weit- 
gehenden Pläne in Ausführung zu bringen. Er konnte fich nicht 
verhehlen, dafs die von ihm mit allen Mitteln angedrehte Wieder- 
herftellung der athenifchen Seemacht*) früher oder fpäter zum 
Bruch mit Perfien führen müÖe und fuchte fich daher mäch- 
tige Bundesgenoffen zum unvermeidlich mit dem Grofskönig be- 
vorfkehenden Kampf zu fchaffen. In einer in diefem Jahre vom 
athenifchen Rath dem Uqxwv l'rxsXlag erwiefenen Aufmerkfamkeit^) 
mochte Konon den Anknüpfungspunkt für feine politifchen Pro- 
jecte finden. Er veranlafste oder fchickte felbft eine Gefandtfchaft 
nach Sicilien % die eine Familienverbindung zwifchen den Tyran- 

1) Publicirt von Kumanudis im ^A&rjvaiov VI, p. 388 und besprochen 
V. Köhler Mitth. III, p. 49 (vergU C. I. A. U, 161). Die Datirung der In- 
schrift (Archontat des Eubulides; beweist, dass Grote (V, p» 258) so ziem- 
lich das Richtige getroffen hat, wenn er die Wiederherstellung der Mauern 
in den Sommer 393 verlegt wissen will. Nur mit grösserer Bestimmtheit, 
als er und Biückler p. 17 es thun, werden wir jetzt mit Köhler den Früh- 
sommer anzunehmen haben. Diodors Gewährsmann ^XIV, 85) liess sich 
durch das Archontat des Eubulides ("Va) verleiten, den Mauerbau dem 
Jahre 394 zuzuweisen» 

2) Auf dieser hat er wol Lemnos, Imbros und Skyros wieder in athe- 
nischen Besitz gebracht X. Hell. IV, 8, 15. 

3) So nach Grotes Vermuthung. 

4> Vergl. Sievers p. 83, Grote V, p. 260, Foucart Revue archeolo- 
gique 1877 1, p. 26*2, gegen den sich aber Kirchhoff C. L A. IV, p. U 
erklärt hat, Köhler Mitth. 1, p. 8 A. 2. Swobodas Ansicht (Mitth* VII, p. 190), 
dass nicht Konon, sondern erst Thrasybul die Gründung eines neuen atti- 
schen Seereiches versucht habe, ist nach den uns überlieferten Zeugnissen 
nicht haltbar; Thrasybul setzte das Werk Konons fort. 
> *''^* 5) C. I A. II, 8 Fragment eines Ehrendccrets für Dionys vom Jahre 

JiT^Tt ^94/3. Nähere Erörterungen darüber siehe bei Köhler Hermes UI, p. 157, 
U1)« \o( Holm II, p. 7, Köhler Mitth. I, p. 4 folg. 

(, f^ 6) Lys. de bonis Arist, § 19 folg. Es erhellt aus d. Stelle nicht, ob 

Aristophanes und Eunomos als Gesandte des Volkes oder nur im Privatauf- 
trag d. Konon sich zu Dionys begaben, Grote V, p. "^60 entscheidet sich für 
das erstere. 



IX 

8/) Plass „Gefchichte des alten Griechenlands?' 3B. Lpz^i834. 

88) Poppo „Beiträge zur Kunde der Infel Chios.*' Frankf. a./M. 
1822. 

89) Prell er „Griechifche Mythologie." 2 B. Berl. 1872—75. 

90) Pr6ller „Zur Gefchichte von Oropos." Berichte der läch- 
fifchen Gesell, d. Wiff. IV. ^ 

91) Preuss „Quaestiones Boeoticae'*. Programm d. Nikolaigym. 
Lpz. 1879. 

92) Purgold „Olympifche Weihgefchenke." Philol. u. hist Auf- 
fötze Emft Curtius gewidmet. Berlin 1884. 

93) Queck „De fonttbus Plutarchi in vita Pelopidae.'* Dram- 
burg 1876. 

94) Rangab6 „Antiquitfe hell^niques.'* Äthanes 1855. 

95) Ranke „WeltgefcWchte." I. Lpz. 1881. 

96) Rehdantz „Vitae Iphicratis, Timothei, Chabriae Athe- 
nienfium.'' Berlin 1845. 

97) Rodbertus „Ueber die röm. Tributsteuem/' Hildebrands 
JahrK für Nationaloek» u. Statist» VIIL 

98) Rüftow u. Köchly „Gefchichte des griech. Kriegswefens." 
Aarau 1852. 

99) Sauppe „Inscriptiones Macedonicae quattuor." Gym.- 
Programm Weimar 1847. 

100) Schäfer „Demosthenes u. feine Zeit/* 3 B^ Lpz. 1856. 
loi) Schäfer „Die Schlacht bei Mantinea.'* Rh. Mus. 1847. 

102) Schambach ,,Unterfuchungen zu Xenophons Hellenika." 
Jena 1876. 

103) Scharfe „De Euagorae, Salaminorum reguli vita ac rebus 
gestis.^' München 1866. 

104) Schiller „Stämme u. Staaten Griechenlands.'* Jahresbericht 
der königl. Studienanstalt zu Erlangen 1866. 

105) Sievers „Gefchichte Griechenlands vom Ende des pelopon- 
nefifchen Krieges bis zur Schlacht bei Mantinea.^' Kiel 1840. 

106) Sievers „Theböns Befreiung." Jahresbericht des Johan- 
neums. Hamburg 1837. 

107) Swoboda „Pfephisma über Klazomenae.'' Mitth. d. arch. 

Infi. vn. 

108) Swoboda „Vertrag des Amyntas mit den Chalkidiem.*^ 
Archäolog.-epigraph. Mitth. aus Oeft. 1883 VII. 

109) Szanto „Athen und Plataeae.'* Wiener Studien 1884 II. 
HO) Thirlwall „Ahiftory of Greece'*. 8 B. London 1835— 44. 
III) Unger „Zur Chronologie des Manetho.*' Berlin 1867. 
112 > Unger „Kritik von Bomemann „De Caftoris etc."** Philol. 

Anzeiger 1880. 

113) Unger „Die Quellen Diodors im XI. Buch." Philol. XLI. 

114) Vater „Leben des Pelopidas.** Supplementb. VIII der 
N. Jahrb. f. Philol. 1842. 

115) Vif eher „Ueber Bildung v. Staaten u. Bünden.'' Bafel 1849. 



ii6) Vif eher „Erinnerungen u. Eindrücke aus Griechenland.*' 
Bafel 1857. 

117) Volquardfen „Unterfuchungen über die griech. u. ficil. 
Gefchichte bei Diodor XI -XVI." Kiel 1868. 

118) Wachsmuth „HeUenifche Alterthumskunde/* 2 B. Halle 
1826—30. 

119) Weil „Meffenifche Grenzfehden/' Mitth. d. arch. Inft. VII. 

120) Weiffenborn „Kritik von Rehdantz „Vitae Iphicrat etc." " 
Zeitfchr. für Alterthumswiffenfchaft 1847. 

121) V. Wilamowitz-Möllendorf ,,Cc)mmentariolum grammati- 
cum/' Index fqholarum in Universitate Gryphiswaldenfi 1879. 

122) V. Wilamowitz ,, Abrechnung eines boeotifchen Hippar- 
chen/* Hermes VIEL. 

123) V. Wilamowitz „Antigonos v. Karystos." Philol. Unter- 
fuchungen IV. Berlin 1882. 



Einleitung. 



B, 



>ei einer Darfteilung der intereffanten und wichtigen Zeit- 
epoche griechifcher Gefchichte vom Königsfrieden ') bis zur end- 
gültigen Vernichtung der fpartanifchen Hegemonie, fcheint es ge- 
boten, vorher, wenn auch in grofsen Zügen, ein Bild der Zuftände 
und Ereigniffe der letztvergangenen Zeit zu entwerfen. Die Fäden, 
aus denen fich das hiftorifche Gewebe jener Periode zufammen- 
fetzt, reichen oft weit zurück, die Zeiterfcheinungen, welche unfer 
Intereffe am Meiften in Anfpruch nehmen, find das Ergebnifs 
politifcher und föcialer Factoren, deren Entwickelung der Vergan- 
genheit angehört. 

Und um fo mehr ift ein kurzer Rückblick auf die dem An- 
talkidas-Frieden vorausgehenden Jahre erforderlich, als die vielfach 
neuen Gefichtspunkte, die fich durch die reichen Infchriftenfunde 
des letzten Jahrzehntes ergeben haben, trotz richtiger Würdigung 
im Einzelnen, noch nicht in einer zufammenfaffenden Betrachtung 
jener Zeit zur Verwerthung gelangt find. 

Selten ift durch eine einzige Schlacht eine . fo voUftän- 
dige Umwälzung der Verhältniffe herbeigeführt worden , wie 
durch die Niederlage der Spartaner bei Knidos *). — Es war 
ein Ereignifs von den weittragendften Folgen. Sparta, das fich 

l)'^ H ßaCtXdwg slQrjvrj^ sIqtjvtj rjv ßactksvgxatdnefitffsv oder atcvvd'fjxai 
«^ wfioaev ßaaiXevQ xul ^Ad^rjvatot xuX AaxsSaifiovioi. xal ot likkoi^ 
"Ekkrjvsg ist, wie U. Köhler in den Mitth. d. arch. Institut» I, p. 15 A. 1 be- 
merkt hat, der officielle Ausdruck (cf. C. I. A. II, 51. Mitth II, p. 138) 
für den in unseren litterarischen Quellen mit rj ei^ ^Avrakxi^ov eigtjvtj be- 
zeichneten Vertrag. 

2) Verfel. über d. Schlacht: X. Hell. IV, 3, 10-12, Diodor XIV, 83, 
Nep. Con. IV, 4. 5, Plut. Artax. 21, Paus. VI, 3~l6, Sievers p. 79, Lach- 
mann I, p. 171, Grote V, p. 226, Hertzberg p. 86, Cartius III, p. 183. 

1 



feit dem Ende des peloponnefifchen Krieges im unbeftrittenen 
Befitz der Land- und Seehegemonie ficher gefühlt, das von ftol- 
zen Siegeshoffnungen getragen, einen erfolgreichen Krieg gegen 
den Grofskönig begonnen hatte, ward mit einem Schlage feiner 
Meeresherrfchaft beraubt und aus feiner überfeeifchen Machtflellung 
verdrängt. Diefer Thatfache gegenüber kam der Landerfolg bei 
Koronea^) nicht in Betracht. Agefilaos' Hoffnung auf eine baldige 
Rückkehr nach dem afiatifchen Kriegsfchauplatz ') war zu einem 
unerfüllbaren Traum geworden. Mit dem Erfcheinen der fieg- 
reichen perfifchen Flotte unter Pharnabazos und Konon im aegäi- 
fchen Meere waren aller Orts bedeutfame politifche Umwälzungen 
verbunden. In Ephefos^), Chios, Kos — überall*) gelangte die 
demokratifche Partei ans Ruder, und es hätte nicht einmal eines 
fo ftarken Lockmittels bedurft, wie es die auf Konons Rath zuge- 
ficherte Autonomie^) war, um alle durch Spartas Gewaltherr- 
fchaft erbitterten Infein und Küflenflädte Kleinafiens zur Vertrei- 
bung der Harmoflen und zum Abfall zu bewegen. Den neuen 
Freiheitsbringern wurde gehuldigt von Rhodos ®) an bis hinauf nach 
Sestos und Abydos'^) — den einzigen Orten, die gegen Konons und 
Pharnabazos' Angriffe zu behaupten den Spartanern gelang. Wir 
fehen bei diefem Triumph- und Siegeszuge der perfifchen Flotte 
deutlich, dass Konon, obwol durch feine Stellung als Vertraueos- 
mann des Grofskönigs gebunden, doch von vorneherein fpeciell 
athenifche Intereffen verfolgte. Die gleich nach der Schlacht 
bei Knidos von Chios®), Phafelis®) und wol noch anderen Städ- 



1) Vergl. über d. 8chlacht: X. Hell. IV, 3, 15 folg., Diodor XIV, 84. 
Besonders ausführlich ist die Darstellung bei Hertzberg p. 87 — 93 und 
278-81. Cf. Herbst Jahrb. LXXVII, p. 690 folg. 

2) X. Hell. IV, 3, 3. — 3) Vergl. X. Hell. IV, 8, 1-3. 

4) Diodor XIV, 84. 

5) et A. 3. 

6) Diod. XIV, 79. X. Hell. IV, 8, 20. 

7) X. Hell. IV, 8, 4-7. 

8) Vergl. C. I. A. II, 11, Z. 10 u. 11, Poppo „Beitröge zur Kunde d. 
Insel Chios^ p. 28,'^öhler Mitth. II, p. 140. 

9) C. I. A. II, 11. Köhler Hermes VII, p. 159 folg. 



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ten mit Athen eingegangenen Verträge zur Regelung ihrer 
Handelsbeziehungen beweifen klar, dafs es Konon um Wieder- 
herftellung des athenifchen Einfluffes in jenen Gegenden zu 
thun gewefen ift. Im folgenden Frühjahr ^) trat Pharnabazos 
im Verein mit Konon feine Fahrt nach den griechifchen Ge- 
wäfTem .an. Die . Kykladen ergaben fich ohne Widerftand ^), 
die lakonifche Küfte wurde verwüftet , ' Kythera genommen ®) 
und der Athener Nikophemos als Harmoft dort, eingefetzt. 
Die fieggekrönte Flotte landete darauf am Ifthmus*). Pharna- 
bazos trat hier in nähere Beziehungen *) zum Bundesrath der 
antifpartanifchen Coalition, erniuthigte ihn zur Fortfetzung des 
Krieges und überliefs ihm eine gröfeere Geldfumme zur Befoldung 
von Miethstruppen und zur Ausrüftung einer Flotte im korinthi- 
fchen Meerbufen^). Er felbft kehrte darauf nach Afien zurück, 
nachdem er Konon vorher ermächtigt, den Wiederaufbau der lan- 
gen Mauern Athens in Angriff zu nehmen und ihm zu diefem 
Zweck den gröfsten Theil der Flotte und die erforderlichen Geld- 
mittel überwiefen hatte. Er war durch Konon überzeugt worden, 
dafs ke»n Schlag die Spartaner empfindlicher treffen könnet, als 
die Wiederherflellung diefes Bollwerks des athenifchen Staates. 
Unverzüglich machte fich der treue Sohn feines Vaterlands 
an§ Werk. Mit Hilfe der perfifchen Schiffsmannfchaft , der 
athenifchen Bürger, der Böoter und der übrigen Verbündeten 
entfland die neue Befefl:igung Athens Wir befitzen ein 

1) X. Hell. IV, 8, 7. 

2) Diodor XIV, 84. 

3) X. HeU. IV, 8, 8. 

' 4) X. Hell. IV, 8, 8. Cf. Brückler p. 17, Sievers p.'SS, Lachmann I, p. 171, 
Kortüm 11, p. 59, Hertzberg p. 101 u. 287 A. 15a, Curtius HI, p. 184, Grote 
V, p. 256. 

5) X. Hell. IV, 8, 8 Nach Diodor XIV, 84 xal Gv^fiaxlav noirjcä- 

fisvot Tovioig ist erst damals das Bündniss zwischen Persien und der Coa-^][^ v* * 
lition abgeschlossen. Lachmann I, p 171 ist meines Wissens der einzige un- *■ — ' '** 
ter den neueren Gelehrten, der dem Diodor gefolgt ist. X. HeJLJIIj 5, vve,^,^.^ •- 
1 und 2 combinirt mit IV, 8, 8 beweist die Unrichtigkeit dieser Version. /^. Aih fUti 

6) X. Hell. IV, 8, 10. ^^ tn^^ 

7) X. HelL IV, 8, 9 folg '"^^^^ f*^» 

1^ 



lO 

des Admirals hatte die oligarchifche Reaction wieder ihr Haupt 
erhoben — aber der Kampf hatte mit ihrer völligen Niederlage ge- 
endet. So vermochte denn auch Ekdikos mit feinen wenigen 
Schiffen nicht mehr der Oligarchenpartei eine wirkfame Unter- 
ftützung angedeihen zu laffen. Er blieb in Knidos vor Anker. 
Auf die Nachricht vom entfchiedenen Siege der rhodifchen Demo- 
kraten fandten die Spartaner den Teleutias, der nach Heranziehung 
aller Verilärkungen über eine Flotte von 27 Schiffen ') gebot, 
nach Rhodos ab, um energifch den Kampf für die Freunde Spar- 
tas zu führen. Unterwegs gelang es ihm zehn athenifche Trieren, 
die als Hilfscontingent nach Cypern gingen, zu capem. Waren 
diefe Erfolge auch noch nicht bedeutend , fo war das blofse Vor- 
handenfein einer fpartanifchen Flotte doch (chon ein beunruhi- 
gendes Ereignifs und ein Beweis, dafs Sparta nicht darauf ver- 
zichtet hatte, feinen Einflufs auf Kleinafien und das Infelreich 
geltend zu machen. Dem mufsten die Athener mit allem Eifer 
entgegentreten, Thrafybul lief aus, nahm aber feinen Cours 
nicht nach Rhodos, fondern nach Norden hinauf, in die thrakifchen 
GewäfTer. Ihm fchien die Stellung der Demokraten auf Rhodos *) 
fürs Erfle gefiebert und er wollte die Zeit zur Verfolgung feiner' 
weitergehenden Pläne benutzen. Was Konon angebahnt, wollte er 
vollenden. Die Wiederherflellung der athenifchen Seehegemonie 
in ihrem früheren Umfange war fein Ziel'). Es gelang ihm zu- 
nächfl die mit einander hadernden Thrakerfürften zu verföhnen 
und mit ihnen ein Freundfchafts- und Bundesverhältnifs herzufl:ellen. 
So im Rücken gedeckt, fegelte er nach Byzanz. Dort wurde die 
oligarchifche Regierung geftürzt und eine demokratifche VerfaflTung 
eingeführt. Und wie einft Alkibiades, . fo verficherte fich auch 
Thrafybul fogleich des SundzoUs im Bosporus — der fogenannten 

ruhig in Knidos liegen bleiben, da er schon dort erfahr, die Demokraten 
hätten zn Wasser und zu Lande einen Yollständigen Sieg erfochten (X. Hell. 
IV, 8, 22 u. 2ö). Vergl. ßusolt p. 671—73, Volqnardsen p. 61. 

1) X. Hell. IV, 8, 24. Diod. XIV, 94. 

2) X. HeU. IV, 8, 26. 

3) Ver^l, X. Bell, IV, 8, S6 folg. 



II 

Ssxarri — und führte fomit eine erhebliche Steigerung der athe- 
nifchen Einkünfte herbei *). Nachdem er noch Chalkedon ge- 
wonnen, verliefs er den Hellespont und wandte fich nach Lesbos. 
Dort (landen alle Städte mit Ausnahme von Mytilene auf Seiten 
Spartas. Trotz eines fchweren, durch Sturm herbeigeführten 
Verluftes an Schiffen *) lieferte Thrafybul , unterftiitzt von den 
Mytilenäem und den verbannten Demokraten, den Spartanern bei 
Methymna eine fiegreiche Schlacht®) und bewirkte hierdurch den 
Anfchlufs von Erefos und Antiflfa *), Jetzt war er in den Stand 
gefetzt, werthvoUe Contributionen zu erheben und fich durch 
Plünderung des feindlichen Gebietes den Sold für feine Schiffs- 
mannfchaft zu fchaffen. Im nächften Frühling^) ging er weiter 
nach Süden, um nun den rhodifchen Demokraten Hilfe zu 
bringen. Er fegelte längs der kleinafiatifchen Küfte hinunter 
und die dortigen Städte mufsten empfinden, was es heifst, den 
Krieg durch den Krieg führen. Nachdem er Halikamafs und 
andere Orte gebrandfchatzt, landete er \>t\ Aspendos in Pamphy- 
lien. Die dortige Bevölkerung, über die Bedrückungen feiner Sol- 
daten erbittert, überfiel Nachts fein Zelt und erfchlug ihn^). So ward 
feiner erfolgreichen Unternehmung ein plötzliches Ziel gefetzt. Ein 
helleres Licht über feine Thätigkeit, als urifere dürftige litterarifche 
Ueberlieferung , verbreiten die neugefundenen Infchriften'). Wir 



1 

1) Cf. Böbkh nStaatshaushaltung» V p. 442. Beloch Rh M. XXXIX, p. 40 

berechnet die Einnahme, welche der, in der Höhe von 10 7o des Fracht- . 
werthes, den die Strasse von Byzanz passirenden Schiffen auferlegte Zoll ^ / /4" 
repräsentirtc, auf 120 Talente jährlich. ' ' 

2) Grote V, p. :^93 hätte an der Wahrkeit dieser von Diodbr XIV, 94 
überlieferten Nachricht nicht zweifeln sollen, wenn auch die Anzahl der 
durch den Sturm vernichteten Schiffe übertrieben sein mag. VergU Froh- 
berger PhiloU XVII, p. 441, Swoboda Mitth. VII, p. 188 A. 4. 

3) X. ^eil. IV, 8. 29. Diod.. XIV, 94. 

4) Diod. XIV, 94 u. 0. I. A. II, 92 mit der Ergänzung von Foucart 
Revue arch^ol. 1(^7 I, p. 261. 

5) Frohberger Philol. XVII, p. 442. Curtius III, p. 201. 

6) X. Hell. IV, 8, 30. 

7) Vergl. C. 1. A. II, 92 und dazu Foucart Revue arch^ol. 1877 I, 
p. 261, C. I. A. U, 14b, p. 897 u. 4^3, durch ein drittes neug^fundeftefl 



' ' / 

12 

lernen aus ihnen, dafs Thrafybul die im Jahre 413/2^) theilweife*) 
an Stelle der Tribute eingerichtete sIxogtIj^) wieder eingeführt, 
[dafs er den fich ihm anfchliefsenden Städten Abgaben auferlegt, 
lafe er fich das Recht vorbehalten hat, fie nach feinem Ermeffen 
lit Befatzung zu verfehen*), kurz wir finden nicht einen Bund, der 
[nach Art des fpäteren vom Jahre 378 organifirt war, fondern den 
Verfuch einer Wiederherftellung der athenifchen Herrfchaft nach 
den Principien des delifch-attifchen Bundes^). Dafs es dabei nicht ohne 
Härte und Willkühr zuging, und zugehen konnte, ift leicht verftändlich ; 
den Widerhall der über Bedrückungen erhobenen Klagen finden wir 
in Lyfias' Rede gegen Thrafybuls Mitfeldherrn Ergokles. Auch nach 
dem Tode Thrafybuls blieb die athenifche Politik in den vpn ihm 
vorgezeichneten Bahnen, wenn auch der jetzt von Aegina^) aus 
beginnende Kaperkrieg und die gleichzeitig fich nothwendig ma- 
chende Unterflützung des Euagoras '') eine Zerftückelung der 
Streitkräfte bedingte und fomit den auf Verbreitung und Befefli- 



Fragment ergänzt und besprochen von Swoboda Mitth. VIT, p. 174 folg. Drei 
Fragmente eines Decrets über Tbasos bei Köhler Mitth. VII, p. 313» 

1) Thucyd. VII^ 28. Müller-Strübings („Thucyd. Forschung« p. 30 folg.) 
Zweifel sind durch die epigraphischen Funde erledigt Cf. Beloch Kh. M, 
XXX TX, p. 43. 

2] Das auch nach 413/2 noch Tribute gezahlt sind, lehrt ausser 
Xenophon (Hell. I, 3, 9) besonders C. L A. IV, 51 und C. I. A. I, 258. 
Köhler Urkunden Nr. 105b mit Kirchhoffs Erklärung der betreffenden Stelle. 

3) Vergl* über die shoarrj^ einen Zoll, der in der Höhe von 5% 
von allen aus- und eingeführten Waaren innerhalb des athenischen Bundes- 
gebietes erhoben wurde, Köhler Mitth. VII, p. 316 folg. und Beloch Rh. 
M. XXXIX, p. 43. Im Gegensatz zu der früher verbreiteten Auffassung 
entwickeln sie überzeugend, dass die Bundesgenossen mit der Einführung 
dieses indirecten Besteuerungsmodus Grund hatten zufrieden zu sein* 

4) Vergl. Swoboda a. a. 0. p. 189. 

5) Durch die Inschriftenfunde wird ßöckhs Ansicht (St. I, p. 546b), 
dass von der Schlacht bei Knidos bis zum Königsfrieden die Seestädte in 
einem Bundesverhältniss zu Athen gestanden hätten^bestätigt. Unsere litte- 
rarischen Quellen genügen nicht, die Frage zu entscheiden. Jetzt ist Bu- 
[solts eingehende Beweisführung (Suppb. VII d. Jahrb. p. 664 folg.) gegen 
[Böckhs Annahme hinfällig« 

6) X. Hell. V, 1, 1. 

7) X. Hell. V, 1, 10. 



13 

gung der Seeherrfchaft gerichteten Operationen hemmend ent- 
gegen treten mufste. Doch glückte es Iphikrates dem fpartanifchen 
Harmoften in Abydos eine empfindliche Niederlage beizubringen, 
die Ueberlegenheit der athenifchen Truppen auch im Cherfonnes 
geltend zu machen*) und den Anfchlufs von Thafos^ und die 
Wiederherftellung des athenifchen Regiments im thrakifchen Meere 
zu bewirken. So hatten zur Zeit, als Antalkidas feine Nauarchie 
antrat, die Athener das entfchiedene Uebergewicht im Kriege. 
Antalkidas fah ein, wie fchwer es war mit Spartas erfchöpften 
Mitteln den immer wachfenden Erfolgen der athenifchen Seemacht 
wirkfam entgegen zu treten. Die Gefahr für Sparta lag nahe, 
zu einer Verzichtleiftung auf die Errungenfchaften des pelopon- 
nefifchen Krieges gezwungen zu werden. Wollte man dem vor- 
beugen, fo mufste man einen Frieden, ein Bündnifs mit Per- 
fien anzubahnen fuchen, — dem einzigen Staat, der über Geld 
und Schiffe gebot. Wol aus diefem Gefichtspunkt wurde Antal- 
kidas zum Nauarchen gewählt — hatte er fich doch fchon ein- 
mal als befähigter und gewandter Unterhändler bewährt. Er 
fafste denn auch fein Commando als eine rein diplomatifche 
Miffion auf, und während er feinen Epiftoleus Nikolochos®) 
zum Entfatz des von Iphikrates bedrängten Abydos fandte, 
begab er fich felbfl nach Sufa zum Grofskönig. Der Krieg 
hatte während deifen einen für Athen günftigen Verlauf. Die 
athenifchen Feldherm hielten mit ihrer überlegenen Flotte den 
Nikolochos bei Abydos blokirt*) und gewannen immer neue 
Städte, unter ihnen Klazomenae. Es hatte zum delifch-attifchen 
Bunde und wol zu der Kategorie von Städten gehört, denen die 
Zahlung der alxocjr} auferlegt war. Jetzt war unter der Bürger- 

1) X. Hell. IV, 8, 34 folg. 

2) Vergl. Köhler Mitth. VII, p. 313 folg., der die Fragmente der auf 
d. Thasier bezüglichen Urkunde, die ausführliche Bestimmungen über die 
Besteuerung enthalten, zusammengestellt hat. Ueber die Zeit des Oecrets 
cf. X. Hell. V, 1, 7 u. 25. 

3) X, Hell. V, 1, 7. 

4) X. Hell. V, 1, 7. 



14 

fchaft eine Stafis ^) ausgebrochen, in Folge deren ein Theil auf das 
Feftland hinübergegangen war und fich dort niedei^elaflen hatte. 
Die auf der Infel zurückgebliebene Bevölkerung fchlofs fich den 
Athenern an und erneuerte ihr früheres Bundesverhältniis. Die interef- 
fante Urkunde über diefen Vertrag, aus dem Jahre des Archon 
Theodotos datirt, ift uns fragmentarifch erhalten^). Ihr wefentlicher 
L Inhalt ift, dafs die Klazomenier zur Zahlung der von Thrafybul 
erneuerten®) elxoinrj verpflichtet werden, fonft aber die Garantie 
empfangen, die Athener würden fich jeder Einmifchung in ihr 
Verhältnifs zu den Gegnern auf Chyton enthalten und nicht 
gegen ihren Willen die Stadt mit einer Befatzung verfehen. 

Antalkidas* Bemühen war diesmal von Erfolg gekrönt. Er konnte 
jetzt nicht blofs, wie früher, den Verdacht derPerfer wach rufen, fon- 
dem auf pofitive Thatfachen hinweifen, die dem Grofskönig jeden 
Zweifel an Athens Abfichten und Plänen benehmen mufsten. So wurde 
der Verfuch der Athener, die Seeftädte in das frühere Unterthänig- 
keitsverhältnifs zurückzuführen, die VeranlafTung zum perfifch- 
fpartanifchen Bündnifs und zur milit^irifchen Machtentfaltung des 
Antalkidas, die ihn in Stand fetzte, Griechenland den Königsfrie- 
den zu dictiren. Der Umfchlag des Kriegsglückes war ein rafcher. 
Mit dem Verfprechen des Grofskönigs, Sparta von nun an zu un- 
terftützen, kehrte Antalkidas aus Sufa zurück;*) es gelang ihm, 
Nikolochos aus der Blokade zu befreien und ein athenifches Hilfs- 
gefchwader zu vernichten. Dionys, der hier zum erften Mal be- 
ftimmend in den Gang der griechifchen Verhältniffe eingriff, fahdte 
dem Antalkidas eine Flotte von zwanzig Schiffen;*) die perfifchen 

1) Arist. Pol. V, 2, 12. 

2) Cf. p. 11 A, 7. 

3) Obgleich Thrasybul diese Art der Besteuenmg nur erneuerte, nicht 
neu begründete, so war sie doch erst durch seine Thätigkeit zu einer sol- 
chen Bedeutung gelangt, dass er gleichsam als ihr Urheber angesehen wurde. 
Daher wird sie dann auch kurz mit rj snl SqaGvßovXov elxoartj bezeich- 
net Ich hoffe durch diesen Erklärungsversuch Köhlers Bedenken (Mitth. 
VII, p. 315 folg«) beseitigt zu haben. 

4) X HelU V, 1, 26—27. 

5) X. Hell. V, 1, 28. 



15 

Satrapen ftellten dem entfprechende Contingente und fo ward der 
fpartanifche Befehlshaber durch eine über achtzig Schiffe ftarke 
Flotte Herr der militajfrifchen Situation und fperrte den Helles- 
pont. Athens Mittel waren erfchöpft : hatte es doch in den letzten 
Jahren faft allein die Laft der Kriegsführung zu tragen gehabt» 
Die von Aegina aus getriebene Freibeuterei war auf die Dauer 
befchwerlich und hemmte Handel und Wandel, Jetzt war die 
Einfuhr vom P9ntus unterbrochen, Sparta mit Persien und Sy- 
rakus im Bündniss — die Erinnerung an die Zeiten Lyfanders war 
noch zu lebendig, um nicht den fehnlichen Wunfeh nach Frieden 
entliehen zu laflen. ^) Auch Sparta hatte keine Veranlaffung die 
Fortfuhrung eines Krieges zu betreiben, in dem es nur durch fremde 
Hilfe zeitweilig die Oberhand gewonnen hatte. Der Landkrieg 
erforderte Anflrengungen , die es zu leiften kaum noch im 
Stande war, und die auswärtige Unterflützung hatte es wol 
hauptlächlich zum Zweck den Frieden zu erzwingen erlangt. 
Theben, Korinth und Argos konnten allein nicht an eiile Fort- 
fetzung des Krieges denken, auch dort machte fich überall das 
Bedürfnifs nach Ruhe geltend. So folgten denn die einzelnen 
Staaten bereitwillig der Aufforderung des Tiriba^os zu eitiem 
Friedenscongrefs zufammenzu treten *). Den in lonien erfchienenen 
Gefandten theilte der Satrap die vom Grofskönig im Verein mit 
Antalkidas entworfenen Bedingungen mit. Xenophon giebt in 
feinen Hellenika den wefentlichen ^) Inhalt derfelben» Die klein- 
afiatifchen Städte und die Infelni Kypros und Klazomenae foUten 
dem Artaxerxes zugefprochen werden, die Athener dagegen Lem- 
nos,*) Imbros und Skyros behalten dürfen. Sonft follte jeder 



1) X. Hell. V, 1, 29. 

2) X. Hell. V, 1, 30^ 

3) Hell. V, 1, 31. Dass wir bei Xenophon nicht, wie Grote V, p. 
306, Hertzberg p. 124, und Briickler p« 43 meinen, das Friedensinstrument 
selbst, sondern nar einen Auszog aus demselben haben, folgt aus den uns 
erhaltenen Inschriften : C. I. A. II, 15« 17. 17b. Vergl. dazu die Ausführung von 
Köhler Mitth. II, p. 141 A. 1. 

4) OL C. I. A. II, 14. 



i6 

Staat, klein oder grofs, autonom fein. Die Spartaner wurden zu 
Friedensvollstreckem *) ernannt und Jedem , welcher den Beftim- 
mungen zuwider handelte , der Krieg von Perfien angedroht. 
Zur Ratificirung und Befchwörung des Vertrages wurde eine zweite 
Verfammlung ^) in Sparta angefetzt. Es ging hier nicht ohne 
Schwierigkeiten ab. Die Thebaner wollten, wie bei den Verträ- 
gen während des korinthifchen Krieges®), im Namen der ganzen 
Landfchaft den Frieden unterzeichnen, und die Gefandten erklär- 
ten angewiefen zu fein nur als Vertreter von ganz Böotien zu 
fchwören. Durch die fofortige energifche Kriegsrüftung des Age- 
filaos fahen die Thebaner fich zum Nachgeben gezwungen. Ebenfo 
konnte auch Korinth nur durch Androhung des Krieges zur Ent- 
laffung der argivifchen Befatzung beftimmt werden. *) Die ener- 
gifche Haltung Spartas, die im Hintergrund flehende Hilfe der 
Perfer machte jeden ernftlichen Widerftand unmöglich, und fo 
wurde im Frühling 386^) jener denkwürdige Vertrag vollzogen, 



1) X. Hell. V, 1, 36. 

2) Siövere p. 141 nimmt nnr einen Friedenscongress, und zwar in 
Sparta an. Pauli p. 21 und Buttmann p. 116 widersprechen dem und las- 
sen die Versammlung auf einer Insel oder in lonien stattfinden. Grote V, 
p* 307), dem Curtius (DI, p, 206), Hertzberg (p. 125 u. 307), Bröckler (p. 46) und 
Swoboda (Mitth. VII, p. 187) beistimmen, unterscheidet mit Recht den ersten 
Gongress in Asien von der Tagsatzung in Sparta. Wenn auch eine doppelte 
Versammlung nicht von den Alten direct bezeugt ist, so ergiebt sich doch aus 
der ganzen Erzählung bei Xenophon die Richtigkeit von Grotes Vermuthung. 

3) Vergl. Köhler Hermes V, 1 folg, 

4) X. Hell. V, 1, 34, 

5) Seit Clintons (Fasti Hellenici App. XI, p. 289 folg. ed. Krüger) 
Erörterung ist der Königsfriede von allen Gelehrten auf den ersten Monat 
des Archon Theodotos, d. h. auf den Juli 387 datirt worden (cf. Sievers p. 387, 
Lachmann I, p, 199, Grote V, p, 308 folg., Hertzberg p 307, Curtius III, p.206, 
Brückler p. 48, Pauli p. 20, Scharfe p. 20, Erich p. 15, Hock p. 18, 
Herbst p. 696, Buttmann p. 114). Durch das schon oft von uns erwähnte 
Psephisma über Klazomenae wird diese Datirung umgestossen. Das Decret 
ist unter d* Archontat des Theodotos (887/6) abgefasst, muss aber vor dem 
Abschlass des Königsfriedens aufgesetzt sein, da ja Klazomenae durch die- 
sen Vertrag "dem Grosskönig zufieL Eine üebertretung der Friedensbestini- 
mangen ist bei der Peinlichkeit, mit der die Athener sie sonst hielten, un- 
ii«mViMir. DaÜren wir dieses Psephisma auch so früh wie möglich, d« b« in 



17 

der von nun an über ein viertel Jahrhundert die Grundlage des 
griechifchen Staatsrechts blieb. 



den Juli 387> so müssen die nun folgenden Ereignisse: die Rückkunft 
des Antalkidas ans Snsa, sein Sieg zur See, der Friedenscongress in Sardes, 
die Tagsatzung in Sparta, der Auszug gegen Böotien, die Verwickelungen 
in Korinth zum Mindesten den Zeitraum eines halben Jahres ausgefüllt 
haben. Die endgültig« Beschwörung des Friedens kann also kaum vor dem 
Frühling 386 stattgefunden haben. Dies hat Swoboda bei der Publication 
und Besprechung der Klazomenierinschrift (Mitth. VII p. 174 folg.) zuerst 
richtig gesehen und auch den Nachweis gebracht, dass nach der Gleichung 
bei Polybl^ius (I, 6) der Friede nicht vor dem October 387 geschlossen sein 
kann, mithin die .Autorität dieses Historikers für die lediglich durch Be- 
rechnung gefundene Annahme, der Friedensschluss habe im Juli 387 statte 
gefunden, nicht mehr aufgeführt werden darf. (cf. p. (82 folg«) 



2 



i8 



Cap. I. 

Vom Königsfrieden bis zur Erhebung Thebens. 

Die glänzende Machtentfaltung Spartas nach dem Königs- 
frieden ift aufs Engfte mit dem Namen des Agefilaos verknüpft. 
Zum richtigen Verftändnifs der Bedeutung und der Folgen des 
Antalkidasfriedens ift es daher erforderlich, fich von vornherein 
ein Urtheil zu bilden über die Tendenzen und die politifche 
Stellung diefes hervorragenden Mannes. Nur die rechte Würdi- 
gung feiner Perfönlichkeit ermöglicht es nicht fteuerlos umher- 
zufchwanken zwifchen der Scylla und Charybdis der fich dia- 
metral entgegenftehenden Anflehten über den Zweck des Friedens 
und über Spartas Politik in jener Zeit. Die unbedingte, überfchwäng- 
liche Anerkennung, die das Alterthum dem .Agefilaös gezollt, ift 
— abgefehen von Manfos') wirkungslos verhalltem Widerfpruch — 
auch für die moderne Hiftoriographie mafsgebend geblieben bis 
auf die Zeit Niebuhrs. Im Gegenfatz zum übertriebenen Enthu- 
fiasmus feiner Vorgänger hat er'-) zuerft und ihm find Wachs- 
muth^), Sievers*), Lachmann^) und Curtius^ gefolgt, — ein 
dufteres Gemälde der Heuchelei, Intrigue und Graufamkeit des 
fpartanifchen Königs entworfen. In einer eingehenden und werth- 



!) Band III, Theil I p. 198 folg. 

2) Vort. über alte Gesch II, p« 236 folg. 

3) Hell. Alterthumskunde I p. 698 folg. 
4} p 146. 

5) I, p. 215. 

6) III, p. 154. 



'9 

vollen Monographie hat Hertzberg') dann eine vermittelnde 
Anficht zu begründen gefucht : ihm bietet das Leben feines Helden 
ein Schaufpiel allmählicher, unabläffiger Entartung eines von Haufe 
aus vortrefflichen Charakters. Der Antalkidasfriede bezeichne .den 
Wendepunkt feiner Entwickelung. Aus dem panhellenifchen Kriegs- 
fürft wird ein Politiker, der keinen anderen Mafsftab feiner 
Handlungsweife mehr kennt als fanatifchen Thebanerhafe und 
das nacktefte Intereffe feines Staates *). In neuefter Zeit fchliefs- 
lich find Pauli'*) und Buttmann*) zur Anfchauungsweife des 
^Eyxüifiiov ^AyrjGikäov zurückgekehrt - ein Unternehmen, das kläg- 
lich an der Unmöglichkeit fcheitern musste, Agefilaos* thätige 
Betheiligung an der viel gefchmähten fpartanifchen Politik 
zu leugnen* 

Aber auch mit den übrigen über Agefilaos gefällten Ur- 
theilen kann ich mich nicht einverflanden erklären. Niebuhr 
und feine Nachfolger fordern die hiftorifche Einzelerfcheinung vor 
das Forum ihrer Kritik, und bürden ihr allein die Verantwortung 
für Dinge auf, welche nur die Frucht der fpartanifchen Organi- 
fation, das Refultat der von Urbeginn ererbten und immerdar 
befolgten Politik Lakedämons find. Und ebenfowenig kann 
ich Hertzbergs beredt vertheidigte Anficht von der allmäh- 
lichen Entartung des greifen Kriegsfurfl:en theilen, weil die 
hiflorifche Grundlage, auf der fie bafirt, nicht haltbar ist. 
Nur im ""Byxcifiiov und in Ifokrates' Archidamos wird Agefilaos 
als Nationalheros gepriefen, der gleich Alexander die Barbaren 
bekämpfen will — zwei Quellen von mehr als zweifelhaftem 
Werth, feit man erkannt, dafs Xenöphon nicht der VerfafTer der 
Lobfchrift ift und dafs Ifokrates nur deshalb die panhellenifchen 
Gefinnungen des Agefilaos feiert, um durch die Autorität des Va- 



1) Das Leben des KöDigs Agesllaos d. IL v. Sparta. Vergl. besonders 
p. 127, 215 etc. 

2) ähnlich urtheilt auch Gcote V, p. 313 A 11. 

3) De Face Antalcidea, Berlin 1866 p. 15 u. 20. 

4) AgesilaoSj Halle 1872 passim. 



20 

ters den Sohn für feine Pläne zu gewinnen '). Das Agamemnons- 
Opfer in Aulis fpricht nicht für die Annahme einer panhelleni- 
fchen Periode im Leben des fpartanifchen Königs, und alle fonft 
überlieferten Thatfachen, alle Handlungen des Fürften gegen die- 
felbe. Ja, diefe Annahme ift von vorneherein bei einem Sohne 
Spartas/ das felbft zur Blüthezeit nationalen Auffchwunges nie 
eine Spur von panhellenifchen Regungen documentirt hat, fo un- 
wahrfcheinlich als nur möglich. Agefilaos war von Anbeginn 
an der vollendete Repräfentant des Spartanerthums feiner Zeit. 
Sein ganzes Dichten und Trachten wurzelte nur in feinem 
Staat, und diefen Staat zur erften Macht der Welt zu erheben, 
die Leitung der hellenifchen Angelegenheiten zu gewinnen, war 
fein Ziel, wie das der ganzen damaligen fpartanifchen Politik. 
Mit bewunderungswürdiger Confequenz arbeitete er durch fein 
langes Leben darauf hin vom erften Feldzug nach Afien bis zu 
den Kriegsdienften in Aegypten, und all fein Wirken als fiegge- 
krönter König wie als abenteuernder Söldnerfuhrer verfolgten 
I den ein^n Zweck: Spartas Macht zur Geltung zu bringen. Und 
wo er diefen Zweck mit Gewalt der Waffen nicht erreichen konnte, 
da verftand erfich auch zu diplomatifchen Schachzügen. So ift 
der Antalkidasfrieden nicht ohne fein Wiffen und Wollen ge- 
fchloffen, wenn auch die Verhältniffe efe bedingten, dafs er bei 
den Verhandlungen in Afien im Hintergrund bleiben mufste. 
Aber wie, höre ich einwenden, kann Agefilaos zum Abfchlufs 
des Friedens beigetragen haben, war doch Antalkidas lein 
perfönlicher und politifcher Gegner? Freilich Plutarch in feiner 
Biographie des Ages. (c. 23) nennt den Antalkidas den Feind 
des Spartanerkönigs. Die Mehrzahl der neueren Gelehrten*) 
ift ihm gefolgt. Dafs diefe Notiz aber bei Plutarch nichts 



1) A. Caner „Qaaestionum de fontibus ad Agesilai historiam perti- 
nentibus" pars prior 1847, p. 17 und 28. 

8) Lachmann 1, p. 188. Hertzberg p. im 304 A. 62. Curtius III, 
p. 198. Pauli p. 20 etc. 



21 

weiter als ein künftlicher und dabei nicht mal ftichhaltiger 
Rhetorenfchlufs ift, zeigt die fernere Begründung *) diefer nur 
auf den Gegenfatz von Agefilaos Perferzügen und Antalkidas 
Friedensbeftrebungen bafirten Annahme. 'O yuQ "^AvraXxiiag 
— heifst es — ix^Qog ^v avrw xal t^v eiQrjvrjv «5 Unaviog €nqa%%€v itq 
Tov noXtffov Tov ^Ayfjalkaov ai^ovrog xal noiovvrog ivdol^orarov xal 

Wie wenig Veranlaffung Antalkidas damals gehabt haben 
kann, Neid zu empfinden über die Lorbeeren,, die Agefilaos im 
korinthifchen Kriege errang, mufs Plutarch felbft gefühlt haben, 
und die Fortfetzung feiner Erzählung mit ov ftrjv uXXä etc. zeigt 
deutlich, wie wenig auch in feinen Augen eine Gegnerfchaft der 
beiden Männer durch den Abfchlufs des Friedens erklärt war. 
Und doch ift diefe Notiz Plutarchs die . einzige Stütze, auf die fich 
die Folgerungen jener Gelehrten dann weiter gründen. Es habe, 
fo heifst es, in Sparta eine Partei mit Antalkidas an der Spitze 
einen ehrlichen Frieden, eine vollkommene Reftauration der hel- 
lenifchen Verhältnifle gewollt — fie habe die Abfichfgehabt, einen 
Zuftand herbeizufuhren, wie er vor den Perferkriegen beftanden *). 
Agefilaos habe fich zunächft mit unwilligem Schweigen in das 
Unvermeidliche jenes fchimpflichen Friedens gefügt, — dann aber 
bei feinem leidenfchaftlichen Hafs gegen Theben weit klarer als 
Antalkidas felbft erkannt, wie fehr der Vertrag geeignet war, um 
das zertrümmerte Machtfyftem feines Staates wieder herzuftellen: 
und ihm vor Allen fei der fpätere Mifsbrauch des Friedens daher 
zuzufchreiben ^). Und wo die Phantafie auch nicht fo kühne 
Blüthen getrieben, da hören wir doch, dafs Antalkidas, ein neuer 
Lyfander, der Führer der Gegner der Kriegspartei, klar und ziel- 
bewufst mit allen Mitteln den Nutzen feines Vaterlandes verfolgt 
und dafs Agefilaos, der zunächft feine Heldenlaufbahn in Afien 
nicht habe verleugnen wollen, fich dann mit der Partei des Antal- 



1) Schon Herbst, Jahrb. LXXVII p. 694 fol. hat das richtig erkannt, 

2) Lachmann I, p. 182« 203. 

3) Hertzberg p. 130. 127. 304. 



22 

kidas ausgeföhnt habe „da der Friede desfelben nicht ein Schild 
war, hinter den man fich verkriechen wollte, fondem ein fcharfes 
Schwert gegen die Feinde Spartas^)." Und allen Bewunderem 
und Vertheidigem des greifen Königs ift jene vermeintliche Gegner- 
fchaft natürlich eine willkommene Gelegenheit, Agefilaos von der 
Verantwortung für den Antalkidasfrieden und feine Folgen zu 
befreien, — Selbft Grote^) ift fich über Zweck und Abficht des 
Friedens nicht klar geworden, und doch ift eigentlich kein Zweifel 
möglich. Wir haben uns in der Einleitung darzulegen bemüht, eine 
wie bedenkliche Wendung der Krieg tür Sparta genommen hatte, 
wie unmöglich es wurde, allein den Kampf gegen die aufftrebende 
Macht Athens, gegen Perfien und die Ifthmuscoalition zu führe» 
Man fah fich aufser Stande nur mit Waffengewalt die Stellung 
zu wahren, die durch den peloponnefifehen Krieg Lakedämoh zu- 
gefallen war: — und wollte Sparta nicht auf die Hegemonie 
in Griechenland verzichten, fo mufste es einen vortheil- 
haften Frieden und ein Bündnifs mit Perfien einzugehen fuchen. 
Athens unzeitgemäfse Reftaurationsverfuche feiner Seeherrfchaft 
beförderten diefen Plan und in richtiger Erkenntnifs der Situation 
knüpften die Spartaner gerade daran ihre VerfÖhnungsverhand- 
lungen mit Perfien Dafs Agefilaos diefer Schritt, der ihm eine 
weitere Ruhmeslaufbahn in Afien verfchlofs, leicht geworden fei, ift 
nicht wahrfcheinlich ; aber er war eine politifche Nothwendigkeit, 
die unabweisbare Confequenz der Entwicklung, die Griechenlands 
Politik in den letzten 30 Jahren genommen, Perfien und Sparta 
hatten das gleiche InterefTe daran, Athens Seemacht nicht wieder 
neu erftehen zu lafTen und beide brauchten Frieden, um wieder Herren 
im eigenen Haufe zu werden. Das war die naturgemäfse Bafis 
der Verhandlungen. Der Grofskönig wurde zum oberfteh Schieda- 
richter in Griechenlands Angelegenheiten ernannt und ihm der 
Befitz der kleinafiatifchen Griechenftädte garantirt. Die Spartaner 



1) Cartius III p. 19SI and 207. 

2) V, f. 318. 



■i 



m 

hatten fich nie panhellenifchen Gefühlen hingegeben. Nach ihrer 
ganzen politifchen Organifatiön und Entwickelung konnte ihnen 
die Lage ihrer Stammesbrüder in Afien kaum ein Intereffe abge- 
winnen. Grote ') ift den Beweis für feine Behauptung fchuldig 
geblieben, Archidamos, Kallikratidas, ja felbft L yfande r hätten im ^"^ '^ ' 
gegebenen Falle entrüftet die Forderung Perfiens zurückgewiefen. 
War einmal durch den Wechfel des Kriegsglückes jeder Einflufs 
auf lonien verloren, fo konnte das urkundliche Zugeftändnifs 
diefes Factums bei keinem echten Spartaner grofses Bedenken 
erregen. Und finden wir auch bei einem Ifokrates^), Plato*) und 
Demofthenes*) die tieffle Empörung grade über diefen Friedens- 
paragraphen, fo war doch auch im übrigen Griechenland die Zeit 
nationaler Begeiflerung dahin. Die MafTe des Volkes felbft in 
Athen hatte den Perferhafs verlernt, feit es die einzigen Licht- 
punkte in den fchweren Kriegszeiten der Unterftützung des Grofs- 
königs verdankte, und die Staatsmänner konnten fich nicht ver- 
hehlen, dafs die politifchen Sünden Griechenlands feit dem Jahre 
411 und die feither ufuell gewordene Anrufung von Perfiens 
Vermittelung und Unterftützung nothwendig zu dem Ende fuh- 
ren mufsten. Der zweite Hauptparagraph des Friedens betraf 
die Verhältniffe in Griechenland. Jeder Staat, klein oder grofs, 
foUte autonom fein. Enthielt die erfte Beftimmung des perfifch- 
fpartanifchen Vertrages ein wichtiges Zugeftändnifs an den Grofs- 
könig, fo hatte der Artikel über die Autonomie lediglich Spartas 
Vortheil im Auge: er bezweckte nur das Eine, die fpartanifche 
Hegemonie in Griechenland zur Geltung zu bringen. Dem ge- 
waltig emporwach fenden athenifchen Seebunde, Thebens Supre- 
matie in Böotien, der Vereinigung von Argos und Korinth ^) war 



1) V, p. 313. 

2) Panegyr. c. 47 u. passim. 

3) Menexenös c. 17. 

4) contra Arist. c. 33. 

5) Es ist eine völlige Verkennung der Sachlage, wenn Grote V, p, 318 
schreibt: y\m Jahre 387 gab es keine grössere Körperschaft von Unterthanen, 
die frei gelassen werden sollten, ausBer den Verbündeten von Sparta selbst, 



24 

durch diefe, für jedes Griechen-Ohr fo verlockend klingende Be- 
ftlmmung das Todesurtheil gefprochen, jede Macht im Keime ver- 
nichtet, die Spartas Stellung gefährlich werden konnte. Und während 
deffen Herrfchaft im Peloponnes durch die Proclamation der Frei- 
heit nicht gefährdet wurde, da ja feine Bundesgenoffen dem Namen 
nach autonom ^) waren, ward die Machtftellung der feindlichen 
Coalition mit einem Schlage zertrümmert. So theilten fich der 
Sieger und der Befiegte von Knidos in die Beute, der es im 
richtigen Moment verftanden, fich zum unentbehrlichen Bundes- 
genoffen zu machen. Als Oberherr von Hellas dictirt Arta- 
xerxes, der im eigenen Lande die Rebellen nicht zu unter- 
drücken vermag, den Frieden, einen Frieden der die Freiheit 
der Staaten verkündet, und doch von vorneherein zu ihrer 
Knechtung beftimmt ift, — und Sparta läfst fich zum Vollftrecker 
diefes Vertrages beftellen, det* ihm von Neuem zur Supre- 
matie in Griechenland verhelfen foU. Es fland nicht am Ende, 
fondem am Anfang feiner Pläne ^). Wie es diefelben verfolgte, 
das lehrt ein Blick auf die Gefchichte der nächften Jahre. — 
Zunächil wandten die Spartaner ihre Aufmerkfamkeit den Verhält- 
niffen im Peloponnes felbft zu» Mufsten fie doch vor Allem 
ihre Herrfchaft im eigenen Haufe zur Geltung bringen. Wäh- 
rend des langjährigen Krieges hatten fich vielfach die früheren 
Beziehungen zwifchen Sparta und feinen Bundesgenoffen gelockert, 
hie und da war das demokratifche Element ans Ruder gelangt, 
man hatte fich der Heeresfolge zu entziehen gefucht und offen 
feine Schadenfreude über Spartas Mifserfolge gezeigt. Hier war 
ein energrifches Einfehreiten nothwendig» Wir haben fchon oben 



auf die ihn (d. h* den Auionomieparagraph) anzuwenden, keineswegs be- 
absichtigt war.<* Ich hoffe durch die Darstellung im Text die Unrichtigkeit 
dieser Annahme erwiesen zu haben. 

1) vergl. Busolt (Supplementb, Vn d. Jahrb. für class. Phil. p. ^7 
folg.) der eingehend den Kachweis geführt hat, dass eine bundesgenössi- 
sehe Autonomie neben derjenigen im vollen Sinn des Wortes bestand. 

2) ^ von ßwiiüm ÜI, p. 396. 




25 

gefehen, wie während der Friedensverhandlungen in Sparta mit 
Korinth der Anfang gemacht wurde. Durch Androhung eines 
Heereszuges wurde die argivifche Befatzung zum Abzug gezwun- 
gen, das Bündnifs zwifchen beiden Staaten gefprengt, — die ko- 
rinthifchen Demokraten verliefsen die Stadt, die Verbannten wur- 
den zurückgeführt und Korinth, enger denn je mit Lakedämon 
verbunden, ward wieder der Schutzwall Spartas gegen die äufseren 
Feinde. Auch in den übrigen demokratifch regierten Staaten galt es 
nun, die Herrfchaft wieder den Oligarchen in die tiände zu fpielen. 
Nach Diodor hätten die Spartaner damals directen Anlafs zum Ein- 
greifen erhalten. Er*) erzählt, dafs verfchiedene Städte auf dem . 
Autonomieparagraphen fufsend, begonnen hätten ihre Beamten zur i 
Rechenfchaft zu ziehen, die bisher unter Spartas Schutz bei ihnen 
das Regiment geführt. In Folge der eingeleiteten Unterfuchungen 
wären dann die Führer der lakedämonifchcn Partei des Landes 
verwiefen *) und hätten fich mit ihren Befchwerden nach Sparta 
gewandt und um Unterftützung gebeten. Dafs aber in einer 
Zeit, wo die blofse Drohung Spartas mit militairifcher Interven- 
tion genügte, um den böotifchen Bund zu fprengen und in Ko- 
rinth eine oligarchifche Umwälzung hervorzurufen, die Demokraten 
in den peloponnefifchen Städten gewagt haben foUten eine anti- 
fpartanifche Bewegung zu infceniren, ift im höchften Grade un- 
wahrfcheinlich und Grote *) hat fchon treffend bemerkt, dafs hier 
bei Diodor eine Anticipation der Ereignifse nach der Schlacht 
bei Leuctra vorliege. Aber auch ohne eine folcheeclatanteVeranläs- 
fung hielten es die Spartaner für geboten, fich gegen die Demokratien 
im Peloponnes zuwenden : niöglich ift es, und fogarfehr wahrfcheinlich. 



1) XV, 6. 

2) 80 ist ^pf/yaisvo} zu übersetzen ; es bedeutet nicht, wie Curtius III. 
p. 229 annimmt, „sich durch die Flucht einem Urtheil entziehen.* 

3; Y, p. 336 A. 86. Grote macht mit Recht geltetTd, dass der Spartaner- 
freund Xenophon nicht unterlassen haben würde von diesen Bewegungen 
zu berichten, da ja damit eine plausibele Entschuldigung für Spartas weir 
tcres Vorgehen gefunden wäre. Ich halte Hertzberg*8 p, 3l'i A. It3 uod 
Cnrtius UI, p. 229 abweichende Ansichten für unzulässig. 



26 

dafs diefes Vorgehen durch die in jenen Städten vorhandenen Oligar- 
chen hervorgerufen ift, die bei dem neuen Machtauffphwunge Spartas 
wieder ans Ruder zu gelangen hofften. Zunächft ging es gegen 
Mantinea. ^) Die Stadt war von jeher den Spartanern ein Dom 
im Auge gewefen. Der Synoikismus und die Ummauerung« Man- 
tinea's '^) war erft nach den Perferkriegen auf Argos Antrieb vor 
fich gegangen, und Freundfchaft für Sparta war wol nicht das 
leitende Motiv z\i diefem Unternehmen gewefen. Nacji dem ,Ni- 
kiasfrieden war die Stadt dann dem von Argos begründeten anti- 
fpartanifchen Bunde beigetreten und hatte eifrigen Antheil am 
Kriege genommen. Der unglückliche Ausgang diefes Kampfes 
veranlafste Mantinea ^) zwar fich wieder Sparta unterzuordnen und 
einen Frieden auf dreifsig Jahre *) zu fchliefsen, aber die demokra-. 
tifche Regierung'*) blieb beftehen und der Antagonismus gegen 
Sparta dauerte nach wie vor fort. Die Gemeinde trug offen ihre 
Erbitterung zur Schau,®) leiftete läffig die Heeresfolge und Age- 
filaos war genöthigt nach der Niederlage der Mora auf dem Ifth- 
mus bei Nacht und Nebel an der Stadt vorüberzuziehen, um dem 
Hohn und der Schadenfreude derfelben zu entgehen.') Jetzt war 
der Augenblick gekommen, um Abrechnung zu halten.**) Die 



1) über den Krieg vergl. X. Hell. V, 2. 1-8. Diod. XV, 5, 12, 
Paus. Vin, 8, 5. 

2) cf. Strabo p. 337. Müller Dor» II, p* 70 Curtiua Pelop. I, p. 239. 

3) Tkucyd» V, 81. 

4) X. HelU V, 2, 2. 

6) Aristol. Pol. VI, 4. X. Hell. V, 2, 3 

6) X. Hell. III, 6, 12. 

7) X. Hell. IV, 5, 18. 

8) Die Chronologie der Ereignisse ist nicht mit voller Sicherheit zu 
ermitteln. Nach Diodor XV, 5, der anch sagt, die Spartaner hätten nicht 
einmal 2 Jahre den Frieden beobachtet, begannen die Feindseligkeiten gegen 
Mantinea noch unter dem Archontat des Mystichides (OL 98, 3. 386/5), also 
etwa im Frühling 385. Die Ergebung der Stadt fallt nach seiner Angabe 
(XV, 12) in den Winter von Ol. 98 , 4 — d. h. Ende 385 od. Anfang 84. 
Xenophon macht keine bestimmten Zeitangaben, scheint aber doch auch (V, 
2, 2> mit TOVTfo tw erH Ol. 98,. 3 zu meinen. Da seinem Zeugniss zu Folge 



27 

fpartanifchen Gefandten überbrachten mit einer Menge von Be- 
fchwerden die Forderung nach Mantinea, man foUe die Ringmauern 
abbrechen. Auf eine abfchlägige Antwort hin wurde dann von 
Sparta aus der Krieg erklärt. Agefilao3 bat, ihn von der Heeres- 
führung zu dispenfiren, weil die Mantinäer feinem Vater während 
des meffenifchen Krieges grofse Dienfte erwiefen hätten. Ob dies 
lediglich ein Vorwand gewefeh ift, um feinen Amtsgenoffen zu 
kränken und ihm zu fchaden, läfst fich nicht mit Sicherheit be- 
haupten: ^) es giebt Züge im Charakter diefes Königs, die eine 
folche Auffaffung nicht nothwendig bedingen. Möglich aber 
ift es immerhin, dafs er fich wenig Lorbeeren vondiefem Kriege 
verfpraclT. Agefipolis rückte nach Mantinea aus und fuchte durch 
Verwüftung des Landes die Bevölkerung zum Nachgeben zu brin- 
gen. Als dies Bemühen erfolglos blieb, begann er die Belage- 
rung der Stadt. ^) Die Bevölkerung vertheidigte fich hartnäckig; 
als aber Agefipolis den die Stadt durchftrömenden Ophis ab- 
dämmte, fo dafs eine Ueberfchwemmung. entftand, die den Ein- 
fturz der aus ungebrannten Ziegeln^) erbauten Mauer herbei- 
führte , iahen fich die Einwohner zur bedingungslofen Ergebung 
gezwungen. Auf Verwendung des zu Tegea in der Verbannung 
lebenden Faufaniäs erhielten die Führer des Volkes und die demo- 
kratilchen Parteigänger — 60 an der Zahl '*) — freien Abzug : ein 
Theil der Bevölkerung durfte Mantinea als offenen Flecken weiter 



in diesem Jahre der dreissigj ährige Friede mit Mantinea abgelaufen war, so 
ist der definitive Abschluss des Vertrages wol später zu setzen, als man bis- 
her, gestützt auf Thucyd. V, 81, gethan hat. 

1) Hertzberg p. 136 u. Curtius III, p, V31 sehen in dieser Ablehnung 
nur eine Perfidie des Agesilaos. 

2) üeber die angeblich vorher gelieferte Schlacht, von der Xenophon 
u« Diodor nichts vi^issen, haben vtrir in einem anderen Zusammenhang zu 
reden. Wie Curtius p« 772' an das Stattfin4en dieser Schlacht glauben u. p. 
S31 sagen kann, Agesipolis habe ohne Blutvergiessen die üebergabe zu er- 
zwingen gesucht, ist mir unverständlich* 

3) Paus. VIII, 8, 7. 

4) Nicht 600, wie Curlius m, p. 232 sohnibt 



28 

bewohnen, die Uebrigen mufsten in vier Komen auseinanderfiedeln*). 
Jedes diefer Dörfer erhielt einen fpartanifchen Xenagos. Xeno- 
phon ^) fugt hinzu, die Mantinäer wären über die Umfiedelung zwar 
anfangs unwillig gewefen, hätten nachher aber ihrer Zufriedenheit 
mit dem Gefchehenen Ausdruck verliehen, da fie in der Nähe ihrer 
Aecker und befreit von den läftigen Demagogen bei ariftokrati- 
fcher Regierung ein ruhiges Leben haben führen können. Es ift 
dies die Wiedergabe der oligarchifch fpartanifchen Auflfaffung 
der Sache. 

In alter ^) und neuer *) Zeit ift diefes Vorgehen gegen Man- 
tinea ftets als Akt brutalfter, rohefter Vergewaltigung und Will- 
kühr, als Ausflufs der Politik des Agefilaos gebrandmarkt worden. 
Bei diefer zum Theil gewifs richtigen Verurtheiluug det* dama- 
ligen Leiter des fpartanifchen Staates ift aber doch eins vergeffen 
worden. Die Spartaner haben in einer demokratifchen Verfaffung 
ftets nur einen revolutionären Terrorismus erblickt, der den fried- 
lichen und gefetzten Theil der Bürgerfchaft, ihre Freunde und 
Anhänger unterdrückte. — Ihnen zu helfen, fie wieder an die Re- 
gierung zu bringen, galt als vorortliche Pflicht. Und diefen Gefichts- 
punkt müflen wir fefthalten, um die Handlungsweife des friedlie- 
benden und milden Agefipolis, deflen herrliche Charaktereigen- 
fchaften Curtius^) u. A. in glühenden Farben fchildern, nur 
einigermafsen zu verftehen. Ob er, wie jene Gelehrten meinen, 
den Zug gegen Mantinea widerwillig und nur von den Ephoren 
gezwungen unternommen habe, lafle ich dahingeftellt. Jedenfalls 
bedurfte es auch bei ihm erft der Vermittelung feines Vaters Pau- 



1) Mit Recht sind die sich widersprechenden Angaben Xenophons 
(V, 2, 8) einerseits, und Diodors (XV, 5), £phoro8' (hei Harpokration 
MavTiviiüv dioixiGfiog) und Strabos (VIII p. 337) andererseits auf diese 
Weise von den Gelehrten nach Paus, VIII, 8, 9 ausgeglichen worden. Sievers 
p. 161. Lachmann I, p* 220. Grote V, p. 339 A. 93. Hertzberg p 314. 
A. 127. Schiller p. 19. 

2) Vergl. X. Hell. V, «, 7. 

3) Isokr. Pan. egyr» c ao. Polyb. IV, 27. 

4} Grote Y. d.339. Cartius UI, p. 232. Hertzberg p. 137 Sievers p* 151. 
-' TU^ r *tkU. Hertzberg p. 136 a.810. Sievers p. 146, A« 15 u. 16. 




29. 

fanias, um über die Demokraten in Mantinea, die nach feiner und 
jedes echten Spartaners AufiFaffung den Tod als Rebellen verdient 
hatten, nur die Strafe der Verbannung zu verhängen. Mochte er 
bei der traditionellen Rivalität der Königshäufer und feiner milden 
Charakteranlage ein Gegner des Agefilaos fein, — auf den Gang 
der äufsercn Politik konnte das wenig Einflufs haben; er war durch 
Spartas bisherige Entwickelung feft vorgezeichnet. Und die fpar- 
tanifche Politik kannte ihr Ziel und in ihrer Confequenz liegt das 
Geheimnifs von Spartas Superioritäf in diefer Zeit. Und ift der 
Gefichtspunkt richtig, dafs ein Spartaner aufhören mufste Spar- 
taner zu fein, um anders über die Sachlage zu denken, fo ift es 
auch nicht berechtigt, perfönliche Schmähungen und Verdächti- 
gungen auf einen Schriftfteller zu häufen, der die Auffaffung feines 
Kreifes wiedergiebt. Das Strafverfahren gegen Mantinea rief einen 
tiefen Eindruck in den übrigen peleponnefifchen Städten hervor. 
Voll Hoffnung auf eine ebenfo~ energifche Vertretung ihrer 
Intereffen wandten fich fogleich die aus Phlius verbannten Arifto- 
kraten ^) nach Sparta mit der Bitte, ihre Rückkehr in die Heimath 
zu befürworten. Die blofse Aufforderung der Ephoren an die 
Behörden der Stadt, ihre ohne genügenden Grund vertriebenen 
Freunde wieder aufzunehmen, genügte, um einen Befchlufs zu 
erwirken, der die Verbannung aufhob und den Zurückgekehrten 
die Rückerftattung^ ihrer Güter garantirte. Der Muth zum Wider- 
ftand war durch Mantineas Schickfal gebrochen. Nächft dem Pe- 
loponnes war die Aufmerkfamkeit der Spartaner vor Allem auf 
Böotien gerichtet. War auch der nicht auf Autonomie beruhende 
böotifche Bund durch den zweiten Friedensparagraphen gefprengt, fo 
mufete doch der Möglichkeit vorgebeugt werden, dafs Theben, 
welches für den Urheber des ganzen unglücklichen Krieges galt 
und noch bis zuletzt getrotzt hatte, von Neuem feinen Einflufs 



1) X. Hell. V, 2, 8-11 Diod. XV, 19. Der Vorgang gehört ins 
Jahr 384. cf. Clinton p. 112. Sievers p. 406. Hertzbcrg^ p. 148 Curtius 
.fZeittafeln^^ p. 98 u. Büchsenschntz z« b. X. Stelle setzen ihn ohne genügen- 
den Grund ins Jahr 383. 



.30 

\zur Geltung zu bringen fuchte. So blieb die fpartanifche Be* 
fatzung wol für^s Erfte in dem befreundeten Orchomenos ■), und 
Thespiae fowie Tanagra*) wurden zum Anfchlufs an Sparta 
bewogen. Der empfindlichfte Streich gegen Theben war aber die 
f o^t ^Wy Wiederherftellung Plataeaes^. Einmal wurde dadurch den The- 
banern die Nutzniefsung des platäifchen Gebietes entzogen*), dann 
aber war die neugegründete Stadt natürlich in gänzlicher Ab- 
hängigkeit von Sparta und fomit eine vortreffliche Pofition zum 
Angriff gegen Theben felbft. Wir fehen auch hier die rück- 
fichtslos energifche Politik Spartas zur Ausführung gebracht. — 
Bald gaben gröfsere Verwickelungen in den griechifchen Verhält- 
niffen den Spartanern Gelegenheit, fich als Herren von Hellas zu 
zeigen. Im Frühling, 383 ^) erfchienen in Sparta Gefandte der Städte 
Apollonia und Akanthos um Hülfe zu erbitten gegen den fich immer 
mächtiger ausbreitenden chalkidifch-olynthifchen Bund^), IhrGe- 
fuch wurde durch Abgeordnete des Makedonierkönigs Amyntas 
unterstützt "Order fich durch das Vordringen Olynths im Befitz feiner 
Herrfchaft gefährdet fah. Zur Erklärung diefer Thatfache mufs 
ich ein wenig. zurückgreifen. Amyntas war im Jahre 393 zur Re- 
gierung gelangt ®). Doch nur kurze Zeit, fo fcheint es, könnte er 
fich in feiner Herrfchaft behaupten. Die Partei der Lynceften 



1) Polyb. lY, 27, 5. 

2) Vergl. X. HelU V, 1, 34 mit 4, 10 u. 49. 
8) P aus. IX, 1, 3. 

• 4) Thucyd. DI, 68. 

5) Krüger bei Clinton p» 112. Sievers p. 406. Grote V, p. 349. Kor- 
tüm n, p. 7»^. Curtius III, Zeittafeln p. 98. Hertzberg p. 139 Swoboda 
Archäologisch'epigraphische Mittb. ans Oedtreich Vn p« 35, Scharfe p. 38 — 
nur Lachmann I, 223 ist dem von Krüger widerlegten Ansatz Clintons gefolgt. 

6j X. Hell. V, 2, 11. 

7) Diodor. X?, 19. 

8) Ich kann die schwierige Frage über die macedonische Königsfolge 
hier nicht eingehend behandeln. Die erste wissenschaftliche Untersuchung 
über d. macedonische Ajiagraphe ist von A. v. Gutschmied ,,Symbol. philolog*. 
Bonn." p^ 101 folg. geliefert Er ertheilt der bei Synkellos (ed Bonn, 
p. 373 folg.) n. 'Eusebins erhaltenen Königsreihe den Vorzug vor Diodor, 
da sie die ältere Tradition repräsentire, und reconstruirt auf sie gestützt 
die Liste der Regenten folgendermassen : (p. 107 ) 



31 

erhob fich wieder mächtig im Lande und mit Hilfe der Illyrier 
gelang es ihr den Amyntas zu vertreiben. In feiner Bedrängnifs 
fuchte der entthronte König Beiftand beim olynthifchen Staaten- 
bunde ') und fchlofs einen Defenfivvertrag ab, mit welchem er 
durch Abtretung eines Landftriches und Zuficherung günftiger 
Handelsbedingungen fich die Unterftützung der Griechenftädte zu 
verfchaffen hoffte. Wann Amyntas feine Herrfchaft- wiederge- 

Amyntas II 392—390. 

Pausanias 390—389. 

Amyntas HI 389—383. 

Argaeos II 383-381. 

Amyntas III. nochmals 381—369. 
Sein Vorgänger in gewissem Sinn ist Schäfer (Demosthenes II, p« 6, 
A. 2). Curtius III, p. 411 und Dittenberger S. L G. I, 60, haben seine 
Datirung acceptirt. Dagegen hat Pack (Hermes X, p. 282 folg.) den 
Nachweis geführt, dass die bei Diodor vorliegende Eonigsreihe bis auf 
Amyntas den Fixirangen d. Ephqros am Nächsten stehe, und dass d. bei 
Synkellos überlieferte Liste nicht die älteste sei. Auch Unger (Philol. 
XLI, pag. 78 folgt der bei x Diodor sich findenden Chronologie. Neuer- 
dings hat dann Swoboda (Archäologisch - epigraphischen Mittheilungen aus 
Oestreich Vn, p. 1 folg.^ wie mir scheint, überzeugend nachgewiesen, 
dass die Tradition bei Diodor den Vorzug verdiene. Diodor XIV, 92 
und XV, 19 erzählt die Vertreibung des Amyntas durch die Illyrier. Das 
erste Mal ist er seiner 'chronologischen Quelle gefolgt, während er das 19. 
Cap. einer ausführlicheren Erzählung — wol dem Ephoros — entnommen 
hat. Und das, was von diesem in einem Abschnitt dargestellt und Als Pro- 
dukt eines längeren Zeitraumes gefasst ist, hat er bei seiner Schilderung in 
ein Jahr, und zwar das Endjahr zusammengezogen. So erledigt sich Vol- 
quardsen's (21 u. 22) Vorwurf, dass er dasselbe Ereigniss unter verschiede- 
nen Jahren erzähle. Wer die chronologische Quelle Diodor*s sei, darüber 
an einem andern Ort— hier nur noch eine Bemerkung. Diodor sieht beidemal 
(XIV, 92 und XV, ,19) in Amyntas Verzweiflung an der eignen Herrschaft 
das Motiv zur Landabtretung an Olynth. Schäfer (D. II, p. 7) ist dieser 
Angabe gefolgt; allein der Beweggrund ist doch wol kaum richtig: Schon 
Lachmann I, p. 223 und Swoboda p. 33 haben erkannt, dass Amyntas sich 
durch diesen Akt den Beistand OlyntlTs sichern wollte. Die Wiederholung 
desselben unrichtigen Motivs aber in der chronologischen und der unchro- 
nologischen Quelle, die hier ausser allem Zweifel wol Ephoros ist, enthält eine 
bisher nicht beachtete Stütze der Ansicht Packs, dass das von Diodor benutzte 
Chronikon seine Daten über makedonische Herrscher aus Ephoros ge- 
schöpft habe. 

1) Ob das im Jahre 393 geschehen sei, wie Sauppe und Swoboda 
statniren, scheint mir fraglich. Aus Diodor, XIV, 92 braucht man nicht 
nothwendig diesen Schluss zu ziehen. 



32 

wann, ist fraglich. Schon Diodor's Quelle kannte zwei Berichte: 
nach dem einen gefchah es bald, nach dem andern hatte Argaeos 
2 Jahre lang den Königsthron inne. Er kehrte aber, darin flim- 
men beide überein , mit Hilfe der Theffaler zurück und über- 
wand glücklich die Ufurpation. Offenbar hatten die Olynthier ihm 
nicht die erhoffte Unterflützung gegen die Illyrier geleiflet. So 
betrachtete denn Amyntas auch den Vertrag als hinfällig und ver- 
langte das abgetretene Niedermakedonien zurück. Die Olynthier 
/ 

erfüllten feine Forderung nicht, fondern waren im Gegentheil be- 
flrebt die Macht ihres Bundes immer mehr und mehr zur Gel- 
tung zu bringen. Es war ihrer Vereinigung gelungen fafl alle 
Städte auf der Chalkidike zum Beitritt zu bewegen, auch noch 
weiter nach Makedonien vorzudringen, ja felbfl Pella an fich zu 
ziehen. Jetzt war der Bund in der Lage dei^ widerfh-ebenden 
Städten im Fall der Anfchlufsverweigerung mit Krieg zu drohen 
und fchon weitgehende Pläne ins Auge zu faffen. Ein Vertrs^ 
mit Athen und Theben follte ihm den Einflufs auf Mittelgriechen- 
land fichem. Uns ifl, wenn auch fragmentarifch, die Steininfchrift 
jenes Defenfivbündniflfes mit Amyntas erhalten ^), durch welches 
der Stadt Olynth fo vortheilhafte ^) Zugefländniffe gemacht wur- 
den. Aus diefer Urkunde und den Ergänzungen dazu, welche 
die Rede des Kleigenes bei Xenophon ^) bietet, erhalten wir ein 
deutliches Bild der Bundesorganifation, Die officielle Benennung- 
des Bundes war oi XaXxideVg *) ; (chon der Name allein zeigrt 
deutlich, dafs Olynth als führender Ort keine bevorzugte Stellung 
einnahm und dafs ein fefter Zufammenhang unter den Gliedern 



1) Zuletzt herausgegeben und besprochen von Swoboda a. a. 0. p. |. 
folg. wo auch die Literatur über die früheren Pnblicirungen zusammenge- 
stellt ist. Vergl. auch Sauppe : „Inscriptiones Macedon. quattuor** Nr. 2 p« 
15 und 16. Weimar. Oymnasial-Programm 1847. 

2) Wie Hicks ^A mann^l of Greek historical inscriptions^ Oxford 
^ 0^1882 yr- 7? P* 129 folg. behaupten kann, der Vertrag wäre für Amyntas gün- 

" I stig gewesen, nicht für Olynth, ist mir unverständlich. 
8) X. Hell, y, 3. 12-20. 

4) yergU HarteL ,,Demosthenische Anträge'^ p. 532 d« commentationes 
in 1 uXaÜi^ßiQ oi enl ^q^xiK*^ C I. A. II, 105. 




33 

beftand. Die zum Bunde gehörigen Städte traten in einem aus politi- 
fchen Gefichtspunkten errichteten xoivov zufammen, das mit der Füh- , 
rung der äufseren Angelegenheiten betraut war. So wurde der Ver- 
trag mit Amyntas im Namen der Bundesbehörde gefchloffen. Die 
Verfaffung der einzelnen Städte war nach gleichartigen Grund- 
fätzen geregelt, und durch imyafila und i'yxrfjmg waren nahe 
Beziehungen zwifchen den einzelnen Gliedern ermöglicht und 
angeftrebt. Durch die energifche und wohlgeordnete Centralifa- 
tion war ein Bundesftaat gefchaflfen, der vortrefflich geeignet 
war, ein Bollwerk hellenifcher Macht gegen Thrakien und 
ein neuer Ausgangspunkt zur Cultivirung des barbarifchen 
Nordens zu werden. Wenn wir Rückfchau halten -auf den 
Entwicklungsgang der Gefchichte Griechenlands, fo drängt fich 
die Ueberzeugung unabweisber auC, dafs nur eine ftramme 
Einigung, die Bildung enggefchloffener Bundesftaaten, den fchnel- 
len Procefs des politifchen Verfalles hätte hemmen können. Und 
gerade diefe Ueberzeugung ift denn auch der Grund, weshalb 
die Mehrzahl der modernen Gelehrten') ihre volle Anerkennung 
und Sympathie den Beflrebungcn des olynthifchen Bundes 
gesollt hat. Ob freilich die glänzenden Zukunftsbilder fich 
je re^lifirt hätten, die namentlich Grote^) dem Bunde entwirft,^ 
bleibt auch dann fraglich, wenn feine Gründung nicht in die Zeiten 
der fpartanifchen Willkührherrfchaft gefallen wäre. Centralifirung 
und Nivellirung widerftanden dem. griechifchen Geifle und 
alle dahin zielenden Beftrebungen mufsten an dem Autonomiefana- 
tismus der griechifchen Staaten fcheitem. 

Durch das Hilfsgefuch von Apollonia und Akanthos, die ihre 
ererbte Verfaffung beibehalten wollten, und durch die gleichzei- 



1) Abel „Macedonien vor König Philipp«* p. 211 steht mit seinen 
Vorwürfeh gegen Olynth ziemlich vereinzelt da. Schon Vischer „Bildung 
von Staaten und Bünden" p, 26 hat sie mit Recht widerlegt. Swoboda p. 53 
ist neuerdings, wenn auch mit Vorsicht, der günstigen Auffassung über 
Olyntha Politik entgegengetreten. 

2) V, p. 360 folg. 

3 



( 



34 

tigen Bemühungen des bedrängten') Amyntas ward Sparta die 
erwünfchte Gelegenheit zupi Vorgehen gegen den chalkidifchen 
Bundesftaat geboten. Die olyntifche Seemacht und die immer wei- 
tere Ausbreitung des Bundes hatten gewifs fchon längft in Sparta die 
allgemeine Aufmerkfamkeit auf fich gelenkt und den Gegenlland 
beforgter Beobachtung gebildet. Der Möglichkeit, dafs diefer 
Bimd erftarke und auch in Mittelgriechenland zu einer mafsgebenden 
Stellung gelange, mufste um jeden Preis vorgebeugt wercjen. Die 
fpartanifche Politik erforderte es, jede gröfsere Machtentwickelung 
der Staaten niederzuhalten. So wurde der Krieg gegen Olynth 
befchloffen, und dem Wunfeh der Gefandten gemäfs Eudamidas 
unverzüglich mit einem Heere, wie es in der Eile ausgerüftet 
werden konnte, abgefandt. 

Mit dem Reft der nach Thrakien beftimmten Truppen foUte 
deffen Bruder Phoebidas folgen, fobald die Aushebungen vollendet 
waren, welche diefesmal bei der hier zuerft in Anwendung gebrachten 
Militairreorganifation ') wol länger als gewöhnlich dauerten. Im 
Spätfommer 383 ^) konnte Phoebidas ausrücken. Er nahm feinen 
Weg über. Theben. Dort hatte , fo erzählt Xenophon ^), der 
Kampf der Parteien den höchften Grad erreicht. Leontiades und 
Ismenias bekleideten damals das Polemarchenamt ; *) Sie waren 



1) Dasa um diese Zeit auch die Illyrier wieder nach Makedonien ein- 
gebrochen seien, wie Schäfer 11. 6 angiebt, ist nns nirgends bezeugt. 

7) Diodor XV, 81*. X. Hell. V, 2, 21. Es wurde den Biindea- 
städten gestattet durch eine bestimmte Geldentschädigung sich von dem per- 
sönlichen Felddienst zu befreien« 

3) vergl. über die Zeitfolge der Ereignisse Schambach: «»Unter- 
suchungen über Xenophons Hellenika" Jena 1871 p. 44. Wie Grote V p. 349 
die Gesandtschaft ins Jahr 388 setzen und dabei den Ueberfall Thebens 
(V, p. 358) in den Herbst 382 datiren kann, ist mir unverständlich. , 

4) Hell. V, 2, 26 folg. 

5) Dass es in Theben überhaupt nur 2 Polemarchen gab, darf man 
aus dem vorliegenden Fall nicht schliessen. Wir haben es hier eben mit 
anomalen Zuständen zu thun. — Böckh folgerte aus C. I. G. 1573 und 
1574 (cf. p. 730b), dass in den böotischen Städten 8 Polemarchen die Herr- 
schaft führten: Allein Curtius (R. M 1848 p. 110) hat den Nachweis ^- 
bracht, dass 2 von den auf der Inschrift genannten Namen Patronymikä 
seien: Auch ein dritter ist es, wie die Orchomenierinschrift (Keil S. I. B. 



35, 

erbitterte Feinde und jeder von ihnen Führer einer befonderen 
Hetairie. Die antilakonifche Partei hatte fiir's Erfte noch das 
Uebergewicht. Es war der Befehl verkündet worden , dafs Nie- 
mand fich anwerben laffen dürfe für den Feldzug gegen Olynth* 
Als Phoebidas vor den Mauern der Stadt erfchien, fuchte Leon- 
tiades, deffen Familie von jeher ^) in engen Beziehungen zu 
Sparta geflanden hatte , feine Gunft durch allerlei DieniUeiftun- 
gen zu erworben und überredete dann den ehrgeizigen und ei- 
telen Feldherm zu einem Handftreich gegen die Kadmeia. Er 
werde dadurch die Anhänger Spartas zur Herrfchaft bringen 
und fich die thätige Unterftützung Thebens im olynthifchen 
Kriege fichem. Phoebidas ging auf die Pläne des Leontia^es 
ein. Der Tag des Thesmophorienfeftes war zur Action aus^r- 
fehen. An ihm begingen die iFrauen der Stadt allein einie Feier 
im uralten Demetertempel auf der Kadmeia. Phoebidas foUte 
zum Schein fein Lager abbrechen und den Marfch gegen Nor- 
den beginnen. Während der Rath in einer Halle am Markt 
verfammelt war und die Mittagshitze die Bevölkerung in die 
Häufer bannte , fprengte Leontiades dem abziehenden Feldherm ' 
nach, führte ihn unbemerkt zur Burg hinauf, und öffnete ihm 
die Thore. Dann begab er fich in die Sitzung des Rathes, 
meldete das Gefchehene und liefs Ismenias -als Unmheftifter ver- 
haften« Die Führer und Anhänger der Gegenpartei, 300 an der 
Zahl,^ waren zur Flucht nach Athen genöthigt, um ihr Leben zu 
retten*.') — So lautet die Darftellung Xenophons, der den in 
Sparta officiell verbreiteten Bericht über das Ereignifs wiedergiebt. 
Nach ihm alfo vollführt Phoebidas den Handftreich lediglich be- 



lli p. 17 Lebas Nr. 627) best&tigt. Also haben wir 3 Polemarchen zn sta- 
tniren. Das Amt war ein jährliches (Keil 8. I. B. XXXIII), doch konnte 
dieselbt Person mehrmals wiedergewählt werden, (Bull de Corr. bell. IL» 
p. 493 folg. Nr. 1 A. 4). Näheres siehe Prenss. „Quaest. Böotic/'* Leipzig 
1879 p. 14 folg. 

I) Herod. Vn. 205. 233. Thucyd. n. 2. 6. 
* 2) Diodor läast sie natürlich vorher noch eine Schlacht mit deti Spar- 
tanern bestehen. 



^ 



36 

ftimmt durch die Rathfchläge der OHgarchenpartei. in Theben. 
Wefentlich anders finden wir bei Diodor *) und Plutarch *) das 
Motiv feiner Handlungsweife erzählt. Diodor behauptet, dafs 
Phoebidas im geheimen Auftrag der Regierung gehandelt habe, 
und Plutarch giebt an, dafs man allgemein den Agefilaos für den 
Urheber der That gehalten: Aber auch ohne diefes, freilich von 
gegnerifcher Seite (lammende Zeugnifs liegt der Gedanke nahe^ 
dafs ein Ereignifs, bei dem alle Einzelheiten fo genau in einander 
greifen, nicht das Kind eines Zufalls, das Werk eines Augen- 
blickes fein kann, und es haben daher Grote, ^) Curtius, *) Pom- 
tow*) und Swoboda®), wie mir fcheint, mit Recht') die Anficht 
vertreten, dafs die Befetzung der Kadmeia eine fchon vorher be- 
fchloffene Sache gewefen und dafs Phoebidas darauf bezügliche 
geheime Anweifungen erhalten habe. Diet urfprüngliche Einge- 
bung mag von der Oligarchenpartei in Theben felbft gekommen fein. 
Es war ihr trotz eifriger Bemühungen bisher nicht geglückt fich voU- 
ftändigder Herrfchaft zu bemächtigen.®) War auch dasMifslingen der 



1) Diodor XV, 20. 
12) Plnt* Age. 23. 24 

3) V. p. 355. 

4) m, p. 241. 

5) p. 24. 

6) p. 51 folg. 

7) Ich kann mich nicht von der Richtigkeit der abweichenden Auf- 
fassung bei Lachmann I p. 226 Ä* I. ii. Herbst p. 725 überzeugen. 

8) Alle Gelehrten, die wie Bauch p, 5., Sievers p» 157- Lachmann I, 
p. 220. Curtius III, p. 772, Kortüm II, p. 72 u. Pomtow p. 27. an das Statt- 
finden der Schlacht bei.Mantinea glauben, sehen sich genöthigt folgenden 
Entwickelungsgang der thebanischen Pai'teiverh&ltnisse anzunehmen. Gleich 
nach dem Königsfrieden , zu dessen Ratificirung Theben nur durch eine 
Kriegsdrohung bewogen werden konnte, findet mit Sparta der Abschlnss 
einer Symmachie Statt und Theben ist zur Heeresfolge gezwungen» In ei- 
ner Zeit dann , als überall in den griechischen Städten und namentlich in 
Böotien die Oligarchenpartei erstarkt und ans Ruder gelangt, erfolgt in 
Theben ein Umschwung und die Demokraten erheben sich wieder so mäch- 
tig, dass die Oligarchen (Curtius III, p. 239) sich nach auswärtiger Hilfe um- 
sehen müssen, um sich zu halten. Ehe man solch eine Ungeheuerlichkeit 
glaubte, hätte man doch den Werth unserer Quellen, die diese Schlacht be- 
zeugen , prüfen sollen. Freilich, sowol Plutarch Pelop. 4, wie auch 



37 

Verhandlungen mit Olynth wol wefentlich durch ihren Einflufs her- 
beigeführt *),fo hielt die Patriotenpartei noch immer das Gegengewicht 
und hatte ^ben erft einen Befchlufs durchzufetzen vermocht, der 
felbft eine Privatbetheiligung am olynthifchen Kriege im Gefolge 
der Spartaner verbot. Die Oligarchen wufsten , dafs Phoebidas 
bald dem Eudamidas in den Cherfones folgen foUte; es ift nicht 
unwahrfcheinlich , dafs fie daher in Sparta den Wunfeh haben 
laut werden laffen, durch die Anwifenheit und Preffion eines ^ 
fpartanifchen Heeres in den Stand gefetzt zu fein, definitiv ans 
Ruder zu gelangen. Bei Agefilaos und den Führern in Sparta 
bedurfte es aber wol kaum ein6r Eingebung von Theben her, um 
eine derartige Vergewaltigung gut zu heifsen. Die Befetzung der 
Kadhieia war eine politifche Nothwendigkeit, nur eine weitere 
Confequenz der fpartanifchen Hegemoniebeftrebungen. Man hatte 
nicht umfonft die Erfahrungen des letzten Krieges gemacht. 



Paasatiias IX, 13, 1 erwähnen diese Schlacht und erzählen dabei, date 
Epaminondas in ihr das Leben des Pelopidas gerettet habe. So ist dies Er- 
eigniss allerdings doppelt bezeugt. Die Nachricht stammt aber docb nur 
aas einer Quelle. Wilamowitz hat in scharfsinniger Weise darauf hin- 
gewiesen (Hermes VllI, p. 439 und ^comment. gramm.^ im Greifswalder 
Programm von 1869/70 p. 11), dass Paus. IX, 13 ein sorgfältiger Auszug aus 
Plutarchs „Leben des Epaminondas** sei: so stammt denn die Nachricht bei 
Paus, aus demselben Autor, auf welchem Plut. in der Biographie des Pelop. 
u. im „genium Socfatis^ vornehmlich fusst. Der böotische Historiograph — 
über dessen Werth im Allgemeinen wir an einem anderen Ort zu handeln 
haben — konnte sich die Freundschaft zwischen dem philosophisch ernsten 
Epaminondas und dem heiteren, prachtliebenden Pelopidas nur durch eine 
ausserge wohnliche Begebenheit erklären: die Analogie des Verhältnisses 
zwischen Sokrates und Alkibiades lieferte ihm den nöthigen Stoff zur Er- 
findung seiner Geschichte und ihrer Staffage. 

1) Lachmann I, p. 224, Grote V, p. 355 u. Swoboda p. 52 behaupten, 
Theben hätte ein Bündniss mit Olynth geschlossen. Auf Xenophon hätten 
sie sich bei dieser Annahme nicht berufen sollen, denn bei ihm steht 
nicht avfifjiuxlav inoirjauv — sondern inoiovvro d..h. imp.de conatu. (V, 
2, 34). Die Annahme hat alle Wahrscheinlichkeitsgründe gegen sich., 
Einmal wäre Xenophons Empörung über den .Friedensbruch und die Ge-j 
waltthat unbegreiflich, wenn Theben wirklich im Bunde mit den Feinden 
Spartas gestanden , and andererseits wäre die Sorglosigkeit der Thebaner 
noch unverständliclier, wenn sie nicht das Bewusstsein gehabt, keinen direc-, 
ten Anlass zo Feindseligkeiten gegeben zu haben. 



38 



^yährend Agefilaos feine Siegeslaufbahn in Aficn verfolgte, war 
auf Perfiens Betrieb in Griechenland eine Coalition gegen Sparta 
entftanden, und Theben vor Allem hatte den gröfsten Eifer bd 
Bildung diefer antifpartanifchen Verbindung gezeigt, welche La, 
kedämons Exiftenz fo verhängnifsvoll bedrohte^ Auch jetzt be- 
gann Sparta einen Krieg an Griechenlands Grenzen: war das 
Glück nicht günftig, wurde eine Schlacht verloren, fo ivar die 
Möglichkeit, ja Wahrfcheinlichkeit nicht ausgefchloffen, dafs das 
feindliche, kaum bezwungene Theben fich wieder erhob, dem fpar 
tanifchen Heere den Rückweg verlegte und den nachziehenden 
Truppen die gröfsten Schwierigkeiten bereitete. »Die Kadmeia 
war für die Sicherheit der Heeresftrafse der entfcheidende Platz.» 
(Curtius in, p. 240). Diefe Pofition muTste in Freundeshand fein, 
/ wenn man im fernen Norden anfing einen langwierigen Krieg zu 
führen. Und das einzige Mittel diefen Zweck zu erreichen, war 
der Oligarchenpartei in Theben die Zügel der Regierung in die 
Hand zu fpielen und zu ihrem Schutz die Burg mit fpartanffchen 
HopHten zu befetzen. Der glückliche Erfolg lehrte, wie lohnend 
der Umweg war, den Phoebidas auf feiner Marfchroute gemacht 
— Der Gewaltakt, die Ueberrumpelung der thebanifchen Burg 
mitten im Frieden rief in ganz Griechenland einen Sturm der 
Entrtiftung hervor *). - Auch in Sparta felbft wurde der Unwifle 
der Bevölkerung gegen Phoebidas laut, weil er, wie Xenopboa 
hinzufügt*), ohne Autorifation, ohne Befehl gehandelt habe. Es 
fcheint, dafs die Regierung in Sparta es zweckentfprechend fand, 
allein dem Phoebidas die Schuld für das Gehäffige des Verfahrens 
aufzubürden, und fo ift, obgleich Xenophon davon fchweigt, die 
Nachricht') nicht unwahrfcheinlich, dafs Phoebidas des Commaxf- 
dos entfetzt und mit einer unerfchwinglichen Geldflrafe bel^ft 
Würde. Man glaubte wol der Empörung Griechenlands diefe 
Scheinverurtheilung fchuldig zu fein. Die Bezahlung der ihm auf- 



1} Isocrat. Panegyr. c. 35. 

1) X. Hell. V, 2, 32-37. 

3) Diodor XV, 20 Plut Felop, 6. Ncpos Pelop. 1. 



39 

erlegten Summe verlangte man freilich von ihm nicht und bereits 
im folgenden Jahre bekleidete er die Stelle eines fpartanifchen Har- 
moften in Böotien. Im Uebrigen gelang es den Vorftellungen des 
Leontiades und Agefilaos ^), der offen erklärte, man dürfe bei Be- 
urtheilung des vorlic;genden Falles nur den Gefichtspunkt geltend 
machen, ob Phoebidas* Vergehen dem Staate nutzbringend ge- 
wefen fei oder nicht, leicht die Spartaner von der Zweckmäfsigkeit 
und Nothwendigkeit des Handftreichs zu überzeugen. So wurde die 
Burg von Theben nicht wieder geräumt und gegen Ismenias von Bun- 
des wegen ein Procefsverfahren eingeleitet. Es trat ein feierliches 
Gericht, beftehend aus drei fpartanifchen Commiflaren und je einem 
Abgeordneten aus jeder Bundesftadt in Theben*) zufammen, um 
über die Verbrechen des Ismenias abzuurtheilen. Trotz feiner 
Vertheidi^ung gegen die im Einzelnen vorgebrachten Befchul- 
digungen gelang es dem Angeklagten nicht bei den Richtern 
die Ueberzeugung zu erwecken, dafs er kein äv^Q^fisyaXonQoiY^wv 
und xaxoTtQayiKov fei. Er wurde zum Tode verurtheilt. Das Em- 
pörendfte bei diefem Juftizmord, der lediglich ein Racheakt gegen 
den einftigen Führer der antifpartanifchen Coälition war, ift die 
Farce eines Gerichthofes, der angeblich natiqnale Gefichtspunkte 
und Intereffen vertrat. 

Der Weg nach Thrs^kien war jetzt gefiebert und die Fort- 
fetzung des Krieges gegen Olynth wurde .mit regeftem Eifer be- 
trieben. 

Wol im Frühling 382 •) rückte Teleutias, der Bruder des 



1 



1) Bnttmann p* 1S9 sucht den Nachweis zu führen, data die Gegen- 
partei des Agesilaos in der Zeit die massgebende gewesen sei, und mithin 
anch die Verantwortnng für das Geschehene zu tragen habe. Es kann meine 
Aufgabe hier nicht sein, eine ernstliche Widerlegung dieser wnnderlichen 
Apologie des Agesilaos za geben. 

2) Plnt. Pel. 6 berichtet, Ismenias sei nach Sparta geschleppt wor- 
den und dort ▼erurtheilt. Sein böotischer Gewährsmann suchte die Sache | 
noch gehässiger darzustellen, als sie schon an sich war. X* Hell. V, 3, 
35^37 beschreibt eingehend das Verfahren gegen Ismenias. 

3) Die Ciironologie des olynthischen Krieges lässt sieh nicht mehr 
mit Sicherheit feststellen. Ich glaube aber weder, dass Peter (Zeittafeln 



40 

Agefüaos, mit einem zahlreichen Heere gegen Ol3aith aus. 
Truppen hatte er noch in Theben complettirt und von 
fowie dem Elemierfiirft Derdas Hilfscontingente erhalten. 
begann ein langwieriger, erbitterter Kampf. Nach einigen 
liehen Erfolgen, die dem Teleutias geftatteten verwüftend 
Olynth felbft vorzudringen, fiel er in einer heifsen Schladit 
fein Tod war das Signal zu allgemeiner Flucht. Sein • 
Heer ward vernichtet und aufgerieben (381). Mit erflaunensi 
Ausdauer fetzten die Spartaner den Krieg fort: im Frühling 
wurde wieder eine mächtige Armee ausg^rüftet und der ji 
König Agefipolis mit der Führung betraut. Er kämpfte gl 
lieh, erlag aber im Sommer einem hitzigen Fieber. Erft fei 
Nachfolger im Commando, Polybiades, gelang es, die ausg< 
gerte Stadt, die von der Zufuhr zur See abgefchnitten und di 
den langdauernden, verwüftenden Krieg um ihre Emdten gebi 
war, zur Uebergabe zu zwingen. So wurde im Jahre 379 
Bund aufgelöft und die ftolze Stadt genöthigt den Spartial 
Heeresfolge zu leiden — ' aus dem mächtigen Vorort der Chi 
kidike ward ein -befcheidenes Glied der lakedämonifch^n S] 
machie^). 



p. 49) und Hertzberg (p. 317) Recht haben, wenn sie Teleutias. schoo^gjj 
nach Thrakien ziehen lassen, noch dass Curtius' (Zeittafeln p. 99) Ansatz gnl 
billigen ist, wenn er die Expedition des Teleutias erst dem Jahre 381 zu- 
weist. Es ist einerseits nicht glaublich, dass die Spartaner noch im Spät- 
herbst 383 das grosse Heer des Teleutias ausgerüstet, andererseits aber Mch 
nicht Terständlich, warum sie bis 381 den olynthischen Krieg vernachlÄsaigt 
haben sollten. Die von mir versuchte Chronologie, die in einigen Einiel- 
heiten von Sievers p* 406 abweicht, scheint mir der Erzählung des ^enophon 
am meisten gerecht zu werden» Vergl. auch Schambach p. 44. 

1) VergU über den Olynth. Krieg. X. Hell. V, 2, 38 - 43. 3, 
t— 10 ur 26. Diodor XV, 20, 21, 23, 33. Hertzberg p. t37 folg. Lachmann 
I, p. 227 folg. Grote V, p. 360 folg. 

Schäfer Demosth. D, p. 7 nimmt, gestützt auf das Scholion zu Aeschi- 
nes U, 36 an, dass auch die Athener bei der Zurückführung des Amyntaa 
behilflich gewesen sind. Köhler C* I. A. 11 15b p.397, 423 folgt den Ausein- 
andersetzungen Schäfers und datirt demgemäss die Fragmente eines Bündniss- 
vertrages zwischen Amyntas und Athen ins Jahr 383* Mit Recht hat Ditten- 
berger S. I* G. I. Nr. 61 aus der Inschrift selbst gefolgert, dass sie nur den letz- 



41 

i Während deffen war auch der Peloponnes felbft wieder der 

! Schauplatz einies neuen Kampfes gewefen. Wir haben oben er- 

i -wähnt, dafs den aus Phlius verbannten Ariftokraten auf Spartas 

c Verlangen die Rückkehr in die Heimath geftattet und die Wie- 
j dergabe ihres Befitzthums verfprochen worden war. — Wie immer, 

, fo ftiefsen auch hier die Expropriationsverfuche auf faft unüber- 
. windliche Schwierigkeiten. An gutem Willen den Gang des Ver- 
f fahrens zu fördern, mag es auch gefehlt haben, da die Richter 
r felbft wol häufig fich im Befitz der den Verbannten gehörigen 
Güter befanden. Doch fchdnt aiifangs wenigftens der Ausgleich 
nicht allzufehr erfchwert oder verfchleppt worden zu fein, 
und wir hören, dafs die Phliuntier beim Feldzug des Agefipolis 
durch ihre reichlich und prompt gezahlten Beiträge fich als eif- 
rige Bundesgenoffen Spartas befonders hervorgethan haben. Nach 
dem Auszug des Agefipolis, so erzählt Xenophon^), hätt6n die 
Phliuntier dann, in der Hoffnung, vor fpartanifcher Intervention 
ficher zu fein, die Auseinanderfetzung der verwirrten Befitzverhält- 
niffe fiftirt. Die zurückgekehrten Ariftokraten wandten fich, als 
ihre Forderung eines uriparteiifchen Schiedsgerichtes unbörück- 
fichtigt blieb, mit ihren Befchwerden nach Sparta. Als ihre hei- 
mifchen Behörden fie für dies eigenmächtige Vorgehen beflraften, 
befcWoffen die Ephoren auf Zureden . der Verbannten und des 
diefen eng befreundeten Agefilaos einen Feldzug gegen Phlius. 
Die Phliuntier baten um Frieden, konnten aber natürlich auf 
Agefilaos Forderung einer bedingungslofen Uebergabe der Burg 
nicht eingehen. So begann eine langwierige Belagerung der Stadt, 
bei welcher Agefilaos fich genöthigt fah zu allerlei liftigen Manövern 

ten Jahren vor dem Tode des Amyntas angehören könne ; nnd nach Swobodas 
Ausführungen ist ein Zweifel kaum möglich, dass ein Zusammengehen von 
Sparta und Athen um diese Zeit undenkbar sei, zumal wir aus Xenophon wis- / 
sen, dass damals zwischen Olynth und Athen Verhandlungen wegen eines / 
Bündnissabschlusses stattgefunden haben. * / 

I) Wenn auch Xenophons Bericht, wo es sich um einen Kriegszug 
des Agesilaos handelt, mit Vorsicht geprüft werden muss, so scheint mir 
doch das von ihm denPhliuntiern zugeschobene Motiv ihrer Handlungsweise 
nicht nn wahrscheinlich. 



42 

I 

feine Zuflucht zu nehmen, um den Unwillen der Lakedämonier 
und der Bundesgenoffen darüber zu befchwichtigen , dafs^ man 
weniger Oligarchen wegen fich die zahlreiche Bevölkerung des 
Afoposthales zu Feinden mache. Es ift dies der erfte Beginn der 
Mifsftimmung unter den peloponnefifchen Bundesgenoffen, die 
nachher fo lähmend auf die weiteren kriegerifchen Unternehmun- 
gen der Lakedämonier einwirkte. Dank der tapferen Vertheidi- 
gung des Delphion, der Xenophon feine Anerkennung nicht ver- 
fagt, hielt fich die Stadt doppelt fo lange als man erwartete. 
Endlich, im Jahre 379, zwang die Noth an Lebensmitteln die Ein- 
wohner Friedensverhandlungen zu beginnen: unkluger Weife 
wandten fie fich mit Uebergehung des Agefilaos direct nach Sparta. 
Von dort aus wurde dem König die alleinige Entfcheidung über- 
tragen und das über Phlius verhängte Strafgericht ward natur- 
gemäfs durch die verfuchte Beifeitefchiebung des Agefilaos nicht 
milden Es wurde eine Commiffion, beftehend au^ 50 Oligarchen 
und 50 Bürgern *) der Stadt eingefetzt, die man mit der Ent- 
fcheidung der Frage betraute, wer von den Einwohnern am Leben 
bleiben foUe und wer nicht. Sodann wurde ihr noch die Aus- 
arbeitung einer Verfaffung überwiefen. Zum Schutz der neuen 
Ordnung der Dinge blieb proviforifch eine lakedämonifche Be- 
fatzung in der Akropolis zurück *). So hatte auch in Phlius, wie 
in Olytith, Sparta den Sieg errungen. 

Xenophon und Diodor') geben hier, um einen defto grel- 
leren Hintergrund für die Schilderung der Ereigniffe in der Folge- 



1) ot oXxod'BV bedeutet nicht nSpartaner*^, wie Sievers p. 158 und 
Plass m, 488 annehmen. Das haben bereits Lachmann I, p. 28t, Grote 
V, p» 365 etc. richtig erkannt. 

2) X. Hell/v, 3, 10-18 u. 21-26 giebt eine eingehende Schil- 
derang dieses Krieges. Der Vorwurf Niebnhrs (ü, p. 265), dass er die 
Sprache eines Geschworenen vom Revolutionstribunal fähre, ist bereits mit 
Recht von Eortüm (11, p. 73) zurückgewiesen worden» Ebenso wenig ist 
man berechtigt, wie vielfach geschehen, das Verfahren des Agesilaos gegen 
Phlius als besonders rachsüchtig und grausam zu bezeichnen. Man ziehe 
nur den Vergleich mit dem Vorgehen gegen das viel schuldlosere Mantinea. 

3) X. Hell. V, 3, 27, DiQdpr XV,' 23. 



43 

zeit zu gewinnen, einen Ueberblick über die bisherige Ausdeh- 
nung fpartanifcher Macht und Herrfchaft Und in der That, die 
. griechifche Gefchichte vom Antalkidasfrieden bis zur Unterwer- 
fung Olynths, ift nichts als eine Gefchichte fpartanifcher Macht- 
entfaltung. Mit Perfien, dem Tyrannen von Sicilien und dem 
Makedonierkönig im Bündnifs, gebot „Sparta unwiderftehlich von 
den Felfenklippen des Taygeton bis zum Athos.** Durch den 
Autonomieparagraphen waren alle antifpartanifchen Coalitionen 
gefprengt. In Korinth, dem Schlüflel zum Peloponnes, war die 
Oligarchie wieder hergeftellt, Böotien zu einem Vafallenftaat Spar- 
tas geworden, der gefahrdrohende olynthifche Bund vernichtet, 
und die Trümmer von Mantinea und die Blutgerichte in Phlius 
bewiefen, wie Sparta jede Auflehnung, jeden Ungehorfam zu be- 
ftrafen gedachte. Allerorts beherrfchten die fpartanifchen Har- 
moften mit ihren Befatzungen die Burgen und unter ihrem Schutze 
hielten oligarchifche Machthaber den Demos in Feffeln. Wol 
^war zu Lyfänders Zeiten die Herrfchaft der Spiartiaten ausge- 
dehnter, aber gewaltiger Aind unumfchränkter wie jetzt hatten fie 
noch nie über Hellas geboten. Wenn auch Athen mit ftctiger 
Ausdauer beftrebt war, feinen Einflufs zur See geltend zu machen, 
wenn es auch gleich nach dem Königsfrieden mit Chios ') einen '** H 
Vertrag abfchlofs, der ein Vorläufer des fpäter erneuerten See- 
bundes war — wie wenig Bedeutung hatte das ddr Machtftellung 
Lakedämons gegenüber , die ihren Höhepunkt erlangt. Und der 
beharrlichen, confequenten Politik des Agefilaos vor Allem hatte 
Sparta es zu danken, dafs fein Wunfeh und fein Spruch in Grie- 
chenland entfchied. Mit Stolz mochte der greife König auf das 
Ziel blicken, das er erreicht. Es war ein gewaltiger Bau: und 
wenn auch Willkühr und Härte ihn errichtet und Blut und Grau- 
famkeit ihn zufammengefchweifst , es bleibt ein ergreifendes Schau- 



l).C. L A. 15. Köhler Mitth. 11, p. 138 folg^ Dittenberger 8. I. Q. 
Nr* 59, der übrigens nach Swobodas Ausführungen Mitth. VII, p. 174 folg. 
nicht mehr mit Köhler den Vertrag dem Ende des Jahres 387 hätte anwei- 
sen dürfen« 



44 

fpiel, wie noch vor den Augen des Gründers Stein auf Stein aus 
ihm gebrochen wurde, bis nur ein mächtiges Trümmerfeld Zeug- 
nifs ablegen konnte von einftiger Gröfse. 

I 

Cap. II. 

Thebens Erhebung. 

« 

Nach dem Handftreich gegen die Kadmeia hatten dreihun- 
dert Anhänger der Demokratenpartei fogleich die Stadt verlaffen, 
fich nach Athen gewandt und dort, da die Erinnerung an die Zei- 
ten Thrafybuls noch lelpendig war, freundliche Aufnahme gefun- 
den. Sie waren nicht gewillt, fich refignirt in ihr Schickfal zu 
fugen. Von vornherein war ihr Streben darauf gerichtet, eine 
Aenderung der Dinge herbeizuführen. Die thebanifche Regie- 
rung verfolgte natürlich mit Argwohn die Schritte der Verbann- 
ten. Der lakedämonifche Bund hatte über fie die Acht verhängt 
und die meuchelmörderifche Hinwegräumung des Androkleides, *) 
der nach Ismenias Tod die Führung der Partei übernommen, 
zeigt deutlich, dafs man auch aufserhalb Thebens den Feind zu 
treffen verftand. Obwol die Verbannten in Theben felbft in den 
angefehenflen und einflufsreichflen Kreifen ihre Anhänger zählten, 
obwol ihre Pläne in Athen von einer flarken Partei begünftigt 
und befürwortet wurden , fo dauerte es doch noch Jahre bis fie 
das von fo verfchiedeiien Seiten energifch edlrebte Ziel erreich- 
ten. Es waren Jahre fegensreicher , emfler Arbeit. Durch den 
Druck der Willkührherrfchaft wurden die heften Kräfte im Volk 
zur Entwicklung gebracht und unter dem läuternden Einfluss 
der flrebfamen Führer gereift. Die Zeit der Erniedrigung lehrte 
Einkehr halten bei fich felbft und brachte eine Reihe kraftvoller 
Erfcheinungen hervor. Nach Aufsen hin trat von alle dem fürs 
firfte noch nichts zu Tage. Immer mehr ftieg der Einfluss und 
die Macht Spartas , immer fefter fchicn feine Herrfchaft begrün- 



1) Die Thatsache ist freilich nqr bei ?\nU Pelop. 6 überliefert, klingt 
fiber an sich sehr wahrscheinlich, 



45 

det, und naturgemäfs wurde auch dadurch das Sicherheitsgefiihl 
und die Sorglofigkeit der Tyrannen gröfser, läffiger die Beobach- 
tung ihrer Vorfichtsmafsregeln. Jetzt war der Zeitpunkt zum 
Handeln gekommen. Phyllidas, der Secretär der Polemarchen 
und wie es fchien, ihr treu ergebener Anhänger, begab fich, — 
fo erzählt Xenophon — in irgend welchen Gefchäften nach Athen 
Dort traf er mit Melon, einem der .Verbannten zufammen, der 
fchon aus früherer Zeit fein guter Bekannter war. Ihr beiderfei- 
tiger Hafs gegen die heimifche Tyrannenherrfchaft führte unter 
ihnen rafch eine Verftändigung herbei: fie fchwuren fich Treue 
zu und entwarfen einen gemeinfamen Actionsplan* Bei ^ dem fpar- 
tanifchen Einflufs in Böotien, bei der Machtftellung' der Tyrannen 
war an eine offene Erhebung nicht zu denken — nur ein kühner 
Meuchelmord, deffen glückliches Gelingen eine Bewegung der 
ganzen Bevölkerung hervorrief, konnte das verzweifelte Unterneh- 
men zum Ziele führen, Melon und fechs feiner vertrauteften 

• 

Freunde, nur mit kurzen Schwertern bewaffnet, machten fich beim 
Einbruch der Nacht aus Athen auf den Weg, Nachdem fie den 
Tag über fich an einem einfamen, abgelegenen Orte verfleckt ge- 
halten, hatten, betraten fie fpät am Abend, zur Zeit als die letz- 
ten Feldarbeiter zurückkehrten, die Thore ihrer Vaterfladt. Im 
Haufe des Charon verbrachten fie dann die Nacht und den fol- 
genden Tag, an welchem den Polemarchen zur Feier der glück- 
lich beendeten Amtsführung von ihrem Geheimfchreiber ein Ge- 
lage ausgerüflet wurde. Er hatte verfprochen fein Fefl durch 
die Gegenwart der fchönflen und angefehenflen thebanifchen Frauen / 
zu verherrlichen , auf welche die Tyi^nnen fchon längfl ihre Be- 
gierden gerichtet hatten. Durch den eifrigen Zufpruch des Wir- 
thcs flieg die Trunkenheit unter den Gäflen rafch, und imnier 
dringender äufserte fich das Verlangen der Tyrannen nach den 
verfprochenen Weibern. — Phyllidas ging, unter dem Vorwand 
fich nach ihrem Verbleib zu erkundigen hinaus und führte die 
Verfchworenen , von denen drei als Herrinnen , die übrigen als 
Dienerinnen verkleidet waren, in ein Seitengemach des Polemar- 



46 

cheion. Dann kehrte er wieder zum Gelage zurück und meldete 
die Ankunft der Frauen, fügte aber hinzu, dkfs fie fich weigerten 
einzutreten, fo lange die Dienerfchaft anwefend wäre. Sofort 
wurde die letztere gehiefsen sich in die Wohnung eines ihres 
Kameraden zurückzuziehen. Damit muffige Neugier fie nicht von 
dort hervorlockte, ward fie reichlich mit Wein verforgt. Jetzt 
führte Phyllidas die Frauen hinein und wies jeder ihren Platz an. 
Sobald fie fich gefetzt — fo lautete die Verabredung — follten 
fie fich entfchleiem und den Mord vollziehen. Nachdem Alles 
glücklich abgelaufen, begab fich Phyllidas mit drei der Verfchwo- 
renen zum Haufe des LrContiades. Seine Angabe, er habe einen 
Auftrag der Polemarchen zu überbringen, öflfnete ihm den Zutritt. 
Leontiades lag behaglich nach der Mahlzeit auf feinem Ruhebett 
und feine Gemahlin, mit einer Wollarbeit befchäftigt, fafs allein 
bei ihm, um ihm Gefellfchaft zu leiften. Nichts ahnend forderte 
er Phyllidas auf näher zu treten. Die Verfchworenen flürtzten 
fich auf ihn und tödteten ihn, während fie durch Drohungen die 
Frau zum Schweigen brachten. Sie befahlen dann das Haus ver- 
fchlofTen zu halten: im Uebertretungsfall wären alle Bewohner 
dem Tode verfallen '). Darauf begab Phyllidas fich mit zweien 
feiner Begleiter zum Gefängnifs und erklärte dem Wächter, er 
bringe im Namen der Polemarchen einen neuen Verbrecher, den 
man feflfetzen müfle. Kaum war das Thor geöffnet, fo machten 
fie den Gefangnifsfchliefser nieder, befreiten die Gefangenen, 
rüfteten fie mit den in der Stoa befindlichen Waffen aus, und 
wiefen fie an, fich beim Ampheion zu lagern. Dann wurden die 
Bürger zur Freiheit aufgerufen, da die Tyrannen gefallen feien. 
Während der. Nacht hielt die Bevölkerung fich noch zurück,' So- 
bald es aber tagte, und fie das Gefchehene klar vor Augen fahen, 
kamen alle, Hopliten und Ritter, in voller Rüftung zur Hilfe her- 
bei. — So lautet im Wefentlichen die Darflellung Xenophons *). 



1) Die Ermordung des Hypates erwähnt Xenophon an einer anderen 
Stelle, (Hell. VIT, 8, 5). ^ 

2) X. HelL V, 4, 1-^10 



47 

Selbft wenn man im Auge behält, dafs das Alterthum über Ty- 
rannenmord anders dachte und urtheilte als die Jetztzeit, fo fcheint 
doch dem modernen Betrachter das feige Hinfchlachten der trun- 
kenen Polemarchen, die nach Entfernung der Dienerfchaft von 
ihren vermeinten Liebhaberinnen überfallen werden, und die Nieder- 
metzelung des Leontiades, das jähe verrätherifche Ende einer 
häuslichen Idylle, zu abfcheu- und ekelerregend, als dafs man fie 
thebanifchen Freiheitshelden zutrauen könnte. Einer fo feigen, 
berechnenden Vorficht, meinte man, fei die edle Katur des muth- 
voUen Pelopidas *) nicht fähig; und fo liefsen die Gefchichtsfor- 
fcher *) unferer Zeit denn faft ausnahmslos die Darftellung Xeno- 
phons fallen, für deffen Parteilichkeit man, wie Vater*), nicht 
Worte genug zu finden vermochte, und wandten fich einem an- 
deren Berichte zu, der allerdings wefentiich abweichend die Be- 
freiung Thebens erzählt. Diefe Schilderung findet fich bei 
Plutarch im daifionov IwxQutovg, diefem merkwürdigen Conglo- 
merat eines philofophifchen Gefpräches mit detaillirter Gefchichts- 
darilellung, und in der Biographie des Pelopidas^ In beiden 
Schriften ift Plutarch fichtlich ein und derfelben Quelle*) gefolgt; 
nur ift die Erzählung im Leben des Pelopidas verkürzt, unge- 
nauer '^) und zeigt deutlich das Beftreben®;, die Betheiligung 



1) Er war gewiss einer der 6 GenosseD des Melon, die Xenophon t 
nicht namentlich nennt > 

2) Bauch p* 15« Meissner p. 104. Sievers p. 171 f. Lachman I, 
p. 236* Kortüm II, p. 84 f. Pomtow p. 48 folg. Vater Jahrb^ 1842 p. 339. f. — 
Cartins IQ, p. 264 folg. und Grote V, p. 306 suchen zu vermitteln* 

3) Vater p. 356 tiXenophon ist ein unreiner Charakter** p. 357 ,er ist 
ekelhaft* p. 366 „unlautere* p. 367 „niedrige Gesinnung« p. 377 „Gemein- 
heit der Darstellung* — das ist nur eine kleine Blüthenlese aus den auf 
Xenophon geh&uften Schmähungen. 

4) Wer diese Quelle sei, darüber in einem andern Zusammenhang. 

5) Vergl Queck: „De fontibus Plut. in vita Pelopid '* Dramburg 1876, 
cf. Pel. 8, I mit Gen. Soc. 1. Pel. 8. 30. — Gen Soc. 18 Pel 13, 21 — 
Gen. Soc* 33 — Pel. 14 — Gen. Soc I 

ß) Fast alle modernen Historiker (z. B. Cnrtius III, p. 264) sind 
Plutarch gerade darin gefolgt, während doch die vollständigere und quellen- 
massigere Darstellung im Daimonion den Melon als obersten Leiter be> 



4* 

ihres Helden beim Drama in Theben befonders hervorzuheben. 
Es ift kaum möglich die in epifcher Breite entworfene Befchrei- 
bung von Plutarchs Autor wiederzugeben, auch kann eine Re- 
production nie den Reiz des novellenartigen Originals erreichen; 
nur in grofsen Zügen will ich verfuchen die Hauptmomente dfer 
Erzählung Plutarchs zur Darftellung zu bringen. Der Sturz der 
Gewaltherrfchaft war fchon lange geplant. Die Demokraten in 
Theben hatten ihre eifrige Betheiligung zugefagt — Charon ") 
fein Haus für die Aufnahme der Verfchworenen zur Verfügung 
geftellt und Phyllidas fich in dem Grade das Vertrauen der Macht- 
haber zu erwerben gewufst , dafs fie ihm das Amt des Geheim- 
fchreibers bei den Poleiparchen übergaben. Die Einkerkerung 
des Amphitheos , eines eifrigen Demokraten , ' befchleunigte die 
Ausführung des Unternehmens : man hoffte ihn durch eine rafche 
That noch zu retten* In Uebereinflimmung mit den Freunden 
in Theben fetzte man Tag und Stunde feft : während dann der 
gröfsere Theil der aus Athen ausgerückten Verfchworenen unter 
Pherenikos im thriafifchen Felde blieb , um von Eleufiis aus fich 
der Grenze zu nähern, zogen zur Vpllführung des blutigen Hand- 
ftreichs zwölf der Muthigflen, unter ihnen Melon, Pelopidas, Da- 
mokleidas und Theopomp, voran und'fuchten als Jäger verkleidet, 
mit Hunden und Waidgeräth verfehen, in einzelnen Gruppen fich 
der Stadt zu nähern. Wind und Unwetter geftatteten ihnen fich 
zu verhüllen und auf diefe Weife unerkannt ihr Ziel zu erreichen. 
Während fie wandern , verfetzt Plutarch uns nach Theben in's 
Haus des leidenden Simmias, wo unter dem Vorwand philöfophi- 
fcher Gefpräche eine Verfammlung der Tyrannenfeinde ftattfand. 
Das Auf- und Abwogen der verfchiedenflen Perfonen , dabei die 



zeichnet ond sich in dieaem Punkt in keinem Gegensatz zu Xenophon be- 
findet 

1) Wenn Plut. im Gen. Soc. c. 2. den Hergang andersr darstellt, so 
ist das seine eigene Erfindung, um hier, wie Cap. 3, den Muth und die Ent- 
schlossenheit des Charon besonders zu preisen. Er befindet sich damit im 
Widerspruch zu seiner Quelle, (vergU Pelop. 7. Gen. Soc, c. 4 und 24V der 
wir hier nacherzählen. 



49 

emft philofophifchen Gefpräche des Epaminondas , Theanor und 
Simmias und das haftig-erregte Geflüfter der Verfchworenen ift 
zu einer Scene voll dramatifchen Lebens verarbeitet» Erregt 
führte Phyllidas den Hippofthenidas herbei, Obwol letzterer zum 
Kreis der Genoffen gehörte, fo hatte er doch in Furcht vor dem 
verzweifelten Wagnifs den Verbannten einen Boten entgegen- 
gefandt, um fie zur Umkehr zu bewegen. Gegen die von allen 
Seiten auf ihn eindringenden Vorwürfe fuchte er feine Handlungs- 
weife zu vertheidigen, indem er auf die Unmöglichkeit eines Er- 
folges hinwies : man könne nicht die 1 500 Trabanten des Archias 
trunken machen, und wenn es auch gelänge die Polemarchen zu töd- 
ten, fo würden doch die fpartanifchen Befehlshaber Herippidas und 
Arkefos nüchtern die Nacht wachen, befonders da fie wol fchon Ver- 
dacht gefchöpft hätten. Ferner fei den Thespiem befohlen unter 
Waffen zu fein und derProcefs gegen Amphitheos werde befchleunigt 
Auch die Götterzeichen hätten Ungünftiges geweisfagt Während der 
Seher Theokrit dem widerfpricht und eine erregte Verhandlung 
beginnt, erblickt man Chlidon, den vermeintlichen Boten des Hip- 
posthenidas an der Thür. Auf das allgemeine Erftaunen, das fich 
bei feinem Erfcheinen äufserte, erklärte er, wegen eines vermifsten 
Zügels fei er mit feiner Frau in einen Wortwechfel gerathen, der 
einen Auflauf der Nachbarn und eine Schlägerei veranlafst hätte. 
Nun möge man einen andern fenden: er für fein Theil hätte ge- 
nug. So hinderte die gütige Vorfehung die Vereitelung des Pla- 
nes, — und Phyllidas und Charon begannen nun fofort ihre Mafs- 
regeln darnach zu treffen. Jetzt, kurz vor der Entfcheidung, fand 
durch Galaxidoros, Theokrit und Kaiphefias noch ein Verfuch 
ftatt, Epaminondas zur Theilnahme zu bewegen. Allein der 
philofophifche Leiter blieb entfchieden bei feiner Weigerung. Er 
wolle kein Bürgerblut vergiefsen, wenn nicht die höchfte Noth 
ihn dazu zwänge ; auch eine politifche Rückficht geböte ihm vom 
Unternehmen fern zu bleiben, denn für die Stellung der Patrioten- 
partei dem Volk gegenüber fei es erforderlich, dafs einzelne Mit- 
glieder derfelben fich die Hände rein erhalten hätten. Zur rieh- 

4 



50 

tigen Zeit würden er und Gorgidas handelnd in den Gang der 
Ereigniffe eingreifen. Mittlerweile langten die Verfchworenen 
aus Athen glücklich an, und alle Theilnehmer — 48 an der Zahl 
— verfammelten fich nun im Haufe des Charon. Während fie in 
feierlicher Stille fich zum Befreiungswerk vorbereiteten und der 
Priefter die Opferflammen beobachtete, wurde heftig an die Thür 
geklopft. Zwei Boten der Polemarchen befchieden Charon fofort 
, zu den fchmaufenden Tyrannen. Die Beftürzung unter den Ver- 
fchworenen war eine namenlofe: hier konnte nur aus dem Kreife 
der Theilnehmer felbft Verrath geübt fein, und der Verdacht lenkte 
fich zunächft auf Hipposthenidas. Dennoch entfchlofs fich Charon 
dem Gebot der Polemarchen Folge zu leiften. Durch Ruhe und Be- 
fonnenheit hoffte er noch Alles retten zu können. Als Bürgfchaft 
der Treue übergab er aber den Verfchworenen feinen kleinen Sohn. 
Jetzt entfpann fich ein edler, rührender Wettftreit: die Genoflen be- 
fchworen den Charon fein Kind dem Vaterlande zu erhalten, und es 
nicht in ihr dunkles Schickfal zu verpflechten. Mit pathetifchen 
Worten, die alle Anwefenden zu Thränen brachten, wies aber Charon 
jeden Widerfpruch zurück: ein Sprofs feines Haufes dürfe das 
Mifslingen des Freiheitsuntemehmens nicht überleben. Ungerührt 
verabfchiedete er fich und überlieferte den Verfchworenen feinen 
Sohn, der, ein zweiter Neoptolemos, muthvoll erfchien und neu- 
gierig die Schärfe von Pelopidas' Schwert prüfte. Kaum hatte 
Charon das Haus verlaffen, fo kam Diotonos in voller Rüftung 
herbei und trieb die Verfammelten eiligft zum Kampfe an. Er 
wies darauf hin, dafs fie den Feinden zuvorkommen müfsten und 
fich nicht wie ein Bienenfchwarm im Haufe abfangen laflen Roll- 
ten. Während fie , von ihm überredet, zum Ueberfall rüfteten, 
kehrte Charon zurück. Es war Alles glücklich abgelaufen. Die 
fchon trunkenen Polemarchen hätten ihn zwar durch die Mitthei- 
lung erfchreckt, es wären ihnen Gerüchte von der Anwefenheit 
der Verbannten zu Ohren gekommen. Dann aber, als er gefehen, 
dafs fie doch nichts Näheres wüfsten, hätte er feine Geiflesgegen- 



51 

wart wiedergewonnen, und feinem und des Phyllidas Zureden 
wäre es gelungen, ihren Argwöhn zu verfcheuchen. 

Jetzt gingen die Verfchworenen unverzüglich an's Werk. 
Die T5n'annen wollten indeffen fich die Freude des Banketts durch 
Nichts mehr ftören laffen. Als bald nach dem Weggang des 
Charon ein Brief aus Athen eintraf, der alle Einzelheiten des 
Complottes enthüllte, fo fchob ihn Archias, obwol der Ueber- 
bringer auf die Wichtigkeit des Inhalts hingewiefen, mit den Wor- 
ten rä anoviala eig avQiov unter das Polfter. Wie eine Gefellfchaft 
trunkener Nachtfchwärmer, bekränzt und theils als Frauen verklei- 
det, begaben fich Charon, Melon und andere Verfchworene zum 
Feftmahl des Phyllidas. Anftatt der erwarteten Weiber treten die 
Rächer ein. Einen Augenblick halten fie auf der Schwelle und 
fuchen fich ihre Opfer heraus. Dann ftürzt Melon, fofort von 
Kabeirochos erkannt, vor und tödtet den Archias. Charon er- 
mordet den Philippos. Selbft der Archon mit der heiligen Lanze, 
Kabeirochos, *) welcher der erften Aufforderung fich zO ergeben 
nicht fogleich Genüge, leidet, fallt unter den Streichen des Theo- 
pomp. Die Uebrigen werden gefangen gefetzt. Unterdeflen wa- 
ren im ärgften Schneegeftöber Pelöpidas , Damokieides und 
Kephifodoros mit einem anderen Theil der Verfchworenen zum 
Haufe des Leontiades gefchlichen. Ihre Angabe , fie feien Bo- 
ten des Kalliftratos ' aus Athen , öffnete ihnen den Eintritt. 
Nun (türmten fie vor. Leontiades, der fich fchon zur Ruhe ge- 
legt hatte, ahnt die wahre Abficht der Eindringlinge Er fpringt 
vom Lager und ohne die Lampe hinter fich zu löfchen, die fo 
den Verfchworenen zu ihrem Angriff leuchtet, wirft er fich 
mit gezücktem Schwert ihnen entgegen und ftöfst den Kephi- 



1) Franke: „Der böotische Bund^* p. 24 nimmt an, Kabeirochos sei 
die stehende Benennung des thebanischen Archon. Dagegen hat Müller: 
i,Geschichte Thebens v. d. Einwanderung bis zur Schlacht bei Koronea^^ 
p. 70 mit Recht geltend gemacht , dass Kabeirochos ein nicht einmal sehr 
seltener Eigenname in Böotien sei. Ein späterer Komödiendichter hiess 
ebenso, cf. C. I. 6. Nr. 1584. 

4* 



53 

fodoros nieder. Während die herbeieilende Dienerfchaft von 
Samidas und den Anderen zurückgehalten wird, hat Pelopidas 
einen fchweren Kampf mit dem muthigen Leontiades zu beilehen. 
Obgleich felbft verwundet, gelingt es ihm feinem G^^er einen 
tödtlichen Stofs beizubringen und feinen flerbenden Freund zu 
rächen, der ihm im Todeskampf noch voll Dankbarkeit die Hand 
hinftreckt. Dann ging es weiter zum Haufe des Hypates, den 
man noch auf der Flucht ereilte und tödtete. Der letzte Gang 
der Verfchworenen galt dem Gefängnifs: Phyllidas verlangte vom 
Vorfteher deffelben die Auslieferung des Amphitheos, da er beauf- 
tragt fei den Inhaftirten zu den Polemarchen zu fuhren. Der Ge- 
fängnifswärter weigert fich dem Wunfeh des Phyllidas nachzu- 
kommen, weil letzterer keine Beglaubigung für feinen Auftrag 
vorzuweifen hat — da ftöfst Phyllidas den verabfcheuungswür- 
digen Menfchen nieder, der fich durch feine Graufamkeit fo allge- 
mein verhafst gemacht, dafs noch am folgenden Tage die Frauen 
feinen Leichnam befpieen und mit Füfsen traten» Die unglück- 
lichen Gefangenen, die in Ketten und Banden fchmachteten, werden 
befreit. Das zufammenftrömende Volk nimmt Partei für die g^te 
Sache, Epaminondas und Gorgidas haben fich mit ihren Freunden 
beim Tempel des Athena verfammelt und verkünden begeiftert 
die Freiheit; die Maffe wird aus den Werkftätten und Tempeln 
mit Waffen verfehen, überall Lärm, Feuersbrunft, Tumult, Errc-. 
gung, die Feinde fliehen auf die Burg — in wenigen Nachtfhith 
den ift ein furchtbares Gericht gehalten über die Verräther des 
Vaterlandes. — Ja, diefe Darft^Uung ift freilich wefentlich von der 
des Xenophon verfchieden. Auf wie ganz andere Art wird die 
Sympathie des Lefers für die Verfchworenen erregt: in effect- 
voUer, theatralifch fich fteigernder Weife werden die dem Unter- 
nehmen drohenden Gefahren befchrieben. Erft ift es der Klein- 
muth eines Theilnehmers, der beinahe den Plan vereitelt, dann 
find es dunkle Gerüchte, die zu den Polemarchen während des 
Gaftmahls dringen , und fchliefslich langt ein Brief an , der eine 
detaillirte Enthüllung der Verfchwörung giebt — aber die göttliche 



53 

Vorfehung wendet glücklich alle diefe Gefahren ab. Und nun 
die Befchreibung des blutigen Aktes felbft — wie anders ift fie, 
als bei Xenophon. Schon die Zahl der Verfchworenen fcheint 
bei Plutarch gröfser, die Betheiligung allgemeiner, und muthig und 
entfchloflen wollen die Patrioten, als fie die Sache verrathen wäh- 
nen, mit offener Empörung vorgehen. Die Verkleidung Einzelner 
als Frauen, die Imitation einer Komaftenfchaar gefchieht nur, 
um nicht vorzeitig auf der Strafse Verdacht zu erregen: kaum 
fmd die Verfchworenen in's Haus getreten, fo gehen fie kühn 
ans Werk. Von einer vorhergehenden Entfernung der Diener- 
fchaft, von einer Verftellung bis zum letzten Augenblick, in dem 
anftatt der erwarteten Liebesfreude die Tyrannen der Mörderdolch 
trifft, weifs oder will der Autor Plutarchs nichts wiffen. Und während 
Xenophon uns eine friedliche Idylle im H^fe des Leontiades be- 
fchreibt, finden wir bei Plutarch die Kehrfeite des Bildes. Durch 
Schnee und Unwetter fchleichen die Verfchworenen herbei, — und 
Pelopidas mordet nicht einen wehrlofen,unbewaffnetenMann,fondem 
rächt nur den Tod feines Freundes, der zuerft von Leontiades ange- 
griffen ift. Bei Xenophon endlich Öffnet der Kerkermeifter bereit- 
willig das Thor und wird niedergeftofsen, — bei Plutarch weigert er 
fich der Aufforderung des Phyllidas nachzukommen und fein Mord 
wird durch die von ihm verübten Graufamkeiten und durch die 
in glühenden Farben gefchilderte, elende Lage der Gefangenen 
hinlänglich motivirt. Man ficht, der Autor Plutarchs hat Ims in 
die Ideinften Einzelheiten hinein im bewufsten Gegenfatz zu der 
bei Xenophon fich findenden Verfion gefchrieben. Alles was 
hindern könnte, die That -im herrlichften, reinften Licht erfcheinen 
zu laffen, ift getilgt. Ift diefe Beobachtung richtig, fo ift es kri- 
tifch nicht zuläffig mit Grote beide Berichte zu vereinigen: man 
kann fich nur für den einen oder anderen entfcheiden. Die 
meiften Gelehrten find dem Plutarch gefolgt: doch haupt- 
lächlich, weil er in würdigerer, unfer Gefühl befriedigenderer Weife 
die herrliche That der Befreiung zur Darftellung gebracht hat. 



54 

Aber man hat auch, fo namentlich Sievers*), durch fpecielle 
Gründe die Autorität des Zeitgenoffen Xenophon zu entwcrthen 
gefucht. Xenophon habe zunächft kein fpecielles Interreflfe an 
dem ganzen Ereignifse gehabt, — aber abgefehen davon fei er 
auch aus anderen Urfachen kein competenter Zeuge. Für feine 
Mifsgunft fpreche das Verfchweigen von Pelopidas' Verdienften, 
für feine Flüchtigkeit die Uebergehung der Ermordung des Hypa- 
tes, fiir die Unwahrfcheinlichkeit feiner Darftellung fchliefslich der 
Umftand, dafs die Verbannten nach feiner Auffaffung eine Nacht 
und einen ganzen Tag in Theben verborgen gewefen wären> ehe 
fie an's Werk gingen. In der Erzählung Plutarchs fänden fich 
folche Mängel nicht, fein Gewährsmann fei aller Wahrfcheinlichkeit 
nach Ephoros, und die Glaubwürdigkeit der Schrift n€Ql iatfjLovUw 
SwxQoitovg werde durch die Uebereinftimmung mit dem Bericht in der 
Lebensbefchreibung^des Pelopidas erhöht. Es fei daher kein Zweifel, 
dafs wir bei einer Reproduction diefer Ereigniffe dem Plutarch folgen 
müfsten. Es ift nicht fchwer Punkt für Punkt diefe Beweisführung zu 
widerlegen. Dafs Xenophon wirkliches Intereffe dem Befreiungswerk 
in Theben entgegenbrachte, dafür fpricht nicht nur feine ausfuhr- 
liche Erzählung desfelben, fondem auch die Thatfache, dafs ihm 
fchon verfchiedene Abweichungen von der bei ihm gegebenen 
Darflellung bekannt geworden fmd. Dafs er femer den Pelopidas 
hier nicht namentlich nennt, erklärt fich daraus, dafs er auch die 
übrigen Genoffen des Melon, der ja neben Charon und PhylHdas 
auch im „Daimonion*' als Hauptperfon erfcheint, nicht mit Namen 
aufzählt. Und die Uebergehung der Ermordung des auch bei 
Plutarch nur als Nebenfigur genannten Hypates, fowie der an fich ja 
nicht unmögliche eintägige Aufenthalt der fieben Verfchwol-enen 
im Haufe des Charon können doch kaum hinlängliche Gründe 
fein, um die Darftellung Xenophons falten zu laffen Aber 
Plutarch foU doch auch einem, wenn auch jüngeren Zeitgenoffen 



1) Sievers p. 171 folg. und anefübrlicher im Programm des^Jolianne- 
um?, Hamburg 1837 p. 37 folg. 



55 

gefolgt fein, — dem Ephoros. Nun , wenn wir auch nicht mit 
völliger Gewifsheit die Quelle Plutarchs namhaft machen können, 
fo läfsf fich doch mit Beftimmtheit fagen, dafe fie Ephoros nicht 
fei. — Ift es fchon a priori unwahrfcheinlich, dafs in einer Welt- 
gefchichte eine einzelne Begebenheit mit folcher Genauigkeit 
befchrieben war, dafs Plutarch feine detaillirte Erzählung aus ihr 
herübemehmen konnte, fo fpricht'auch kein einziges pofitives Zeug- 
nifs für eine folche Benutzung. Weder liefern die Ephorosfragmente 
und die Berichte der Schriftfteller, die ihm gefolgt, den geringften 
Anhaltspunkt für diefe Annahme, noch finden wir bei Plutarch 
felbft eine Stütze, oder eine Angabe, die zur Folgerung berech- 
tigte, er habe feine Darftellung auf Ephoros gegründet. Und 
dafs fchliefslich die Schrift ttsqI iaifioviov Swxqutovq ihre Glaub- 
würdigkeit dadurch erhalte, dafs derfelbe Plutarch aus derfelben 
Quelle diefelbe Erzählung im Leben des Pelopidas nochmals vor- 
bringt - diefem Gedankengang geftehe ich nicht folgen zu kön- 
nen. Die warme, feffelnde Darftellung bei Plutarch ift ja wol 
die Veranlaffung, dafs fo viele Gelehrte bisher alle ihre Unwahr- 
fcheinlichkeiten mit in den Kauf genommen haben. Ich will 
nicht vom theatralifchen, dramatifchen Tone der Erzählung reden, 
* noch mich bei Kleinigkeiten aufhalten^ fondem nur drei Haupt- 
punkte herausheben. Bei der Vorficht und Befonnenheit, mit der 
die Verfchworenen auch nach Plutarch zu Werke gingen ift es 
faft unmöglich zu glauben, fie hätten in hellen Haufen Athen ver- 
lafTen und dadurch eine Denunciation ihres Auszuges und die 
Vereitelung des ganzen UnternehQiens provocirt ; es ift femer un- 
verfländlich, warum die Verfchworenen, obwol Alles fchon bereit 
ift, den Charon allein zu den Polemarchen ziehen laffen, wodurch 
fie Gefahr laufen, dafs er verhaftet und fie felbft im Haufe um- 
zingelt werden *; ; und es ift fchliefslich unbegreiflich, dafs Archias, 
der, wenn auch trunken, eben erft den Charon hatte kommen 



1) Freilich hätte sich der Autor Plut. bei einer anderen Darstellung 
die Gelegenheit entgehen lassen müssen die rührende Scene mit dem Sohne 
des Charon zu schildern. 



56 

laflen, um ihn über die gerüchtweife Meldung von der Ankunft 
der in Athen wohnenden Flüchtlinge zu befragen, gleich nach 
deffen Weggang einen Brief aus Athen, auf deffen Wichtigkeit 
und Eiligkeit er noch fpeciell aufmerkfam gemacht wird/ uner- 
öffnet gelaffen haben follte. Das folgenfchwere Ereignifs des 
Tyrannenmordes in Theben erweckte in ganz Griechenland Inter- 
effe und bei dem regen Geift des Volkes war es nur zu natürlich, 
dafs das wirklich Thatfächliche bei der Befreiung mit einem Ranken- 
gewucher von individuellen Zügen, Ausfchmückungen und piquanten 
Erfindungen umgeben wurde, bis fchliefslich eine dramatifche und 
novellenartige Erzählung gebildet war, die bald die allein würdige 
Auffaffui^ der wichtigen und überrafchenden Begebenheit zu fein 
fchien. Welche Blüthcn noch fpäter die geftaltungsfrohe Phan- 
tafie getrieben, kann man aus den Variationen des Themas bei 
Polyän^) erfehen. Es ift gewifs keine dankbare Aufgabe für den 
Gefchichtsforfcher, den Nimbus zu zerftören, den die Sage um ein 
hervorragendes Ereignifs gebreitet — aber doch fordert das kri- 
tifche Gewiffen es unerbittlich, auch hier, fo weit es eben mög- 
lich ift, die Wahrheit zu ermitteln. Bedenken wir die politifche 
Lage im damaligen Griechenland, erwägen wir, dafs bei der Alles 
beherrfchenden Stellung Spartas, bei der dem Anfchein nach fo 
ficher begründeten Tyrannis in Theben nur ein mit äüfserfler 
Vorficht und von möglichft wenig Theilnehmern angezetteltes 
Complott gegen das Leben der thebanifchen Machthaber die Ga- 
rantie für das Verborgenbleiben und fomit das Gelingen des 
Planes bieten konnte, fo darf man fich der Ueberzeugung nicht 
länger verfchliefsen, dafs die Darftellung bei Xenophon keine ein- 
zige hiftorifche Unwahrfcheinlichkeit enthält, vielmehr aufs Befte 
der wirklichen Sachlage gerecht wird. Ich ftehe mitrdiefer An- 
ficht auch im Gegenfatz zu Ranke ^), der meiner Meinung nach 
entfchieden zu weit geht, wenn er jedes Detail über die Befreiung 



1) II 4,3 und II 3,1. 
i\ ^^,^ 2) Weltgeschichte I. p. 101. 



57 

Thebens in's Gebiet der Fabel verweift und den einzig hiftori- 
fchen Kern in deni Satze erkennt: äg xco/iaara? elceXd^ovTog rovi; 
än^l MiXwva änoxTslvai. rovg nokefxaQxovg 0- 

Xenophons Bericht ruht, wie es fcheint, auf Erkundigungen, 
die er bei beiden Parteien und zwar ausnahmslos bei Augenzeugen 
einzog : die Schilderung der Kataftrophe im Haufe des Leontiades 
kann er z. B. nur aus dem Munde der Wittwe des Ermordeten 
haben, während ihm von der Tödtung der Polemarchen einer der 
Verfchworenen erzählt haben mufs, — man möchte an Phyllidas 
denken. Er zeigt fich auch fonft überall wbhlinftruirt, und ich fehe 
daher keinen Grund auch nur in einem Punkt von der bei ihm gege- 
benen Darftellung abzuweichen. Ich habe hier mit einer Ausführ- 
lichkeit über ein einzelnes Factum gehandelt, die einer Erklärung 
bedarf. Es kam mir darauf an, die hier gebotene Gelegenheit 
zu benutzen, um die Glaubwürdigkeit und den Vorzug der xeno- 
phontäifchen Erzählung darzuthun. Es ift dies für die Auffaffung 
und BeurtheUung der hiftorischen Ereigniffe in der Folgezeit von 
principieller Bedeutung. Ift der Nachweis geführt, dafs Xenophon 
eine That, deren Spitze gegen Sparta gerichtet war, richtiger 
darftellt, als die übrigen Quellen, fo wird man auch fernerhin 
seine abweichenden AuffafTungen nicht kurzer Hand mit dem 
Vorwurf der Böswilligkeit und Parteilichkeit abfertigen können. 
Weit entfernt einem blinden Köhlerglauben an feine Autorität das 
Wort zu reden, fcheint es mir doch, dafs keiner unferer Hiftoriker, 
felbft Grote nicht, dem VerfafTer der Hellenika voUftändig 
gerecht geworden ift. 

Doch kehren wir zu unferer Darftellung zurück : die Tyran- 
nen waren gefallen, das Volk hatte dem Freiheitsruf Folge ge- 
leiftet und in einer fogleich gehaltenen Verfammlung waren die 
Mörder entfiihnt, als Retter begrüfst, und Melon, Charon und 
Pelopidas zu Böotarchen gewählt worden. Das Befreiungs- 
werk war aber damit noch nicht beendet. Es galt die Kad" 



1) X. Hell. V, 4, 7, 



58 ^ 

meia den Händen der fpartanifchen Befatzung zu entreifeen. 
Die Verfchworehen hatten fich hierfür der militärifchen Mit- 
wirkung zweier athenifcher Feldherrn verfichert und fandten 
jetzt fogleich reitende Boten mit der Meldung des Gefche- 
henen zu den an der Grenze flehenden Strategen '). Diefe 
eilten herbei und es begann die Blokade und Beftürmung 
der Burg« Die fpartanifchen Befehlshaber hatten, fo fcheint 
es, durch die überrafchenden Vorgänge in der Stadt voU- 
ftändig die Befinnung verloren. Die Tyrannen wären nicht mehr 
am Leben, zu deren Schutz fie auf der Kadmeia poftirt waren, 
— nun wufsten fie im erften Augenblick nicht, was fie thun foll- 
ten. Ein rafches Vorgehen gegen die Stadt hätte die ganze 
Erhebung noch vereiteln können, aber der Schreck, die Ankunft 
der Flüchtlinge auf der Burg, die in ihrer Angft fchon eine allgemeine 
Erhebung der Bevölkerung gefehen haben wollten, der Lärm- und 
die Freudenfeuer in der Unterftadt lähmten die Energie und That- 
kraft der Befatzung. So befchränkten fich die Commändanten 
darauf, nach Thespiae und Platäae um Entfatz zu fenden. 
Wirklich eilten die Platäer umgehend zur Hilfe herbei, wur- 
den aber, als fie fich der Burg näherten, von den theba- 
nifchen Reitern in die Flucht gefchlagen. So fah fich die Be- 
fatzung auf ihre eigenen Kräfte befchränkt. Proviant, um einer 
längeren Belagerung zu widerftehen, 'war nicht vorhanden; die 
zahlreichen, flüchtigen Oligarchen erfchwerten die Möglichkeit 
einer Vertheidigung ; zudem war einer der Führer^) abwefend 



1) X. Hell. V, 4, 10. Die Stelle iat leider lückenliaft und verderbt, 
80 dass wir keine Erklärang darüber erhalten, wie es kam, dass zwei atheni- 
sche Strategen mit einer Heeresabtheilung an der Grenze standen. Ich Balte 
die Lücke für noch grösser, als man gewöhnlich annimmt, und glanbe, dass 
nns auch nähere Nachrichten über den Harmosten auf der Kadmeia, seine 
Unterbefehlshaber und ihr Verhalten verloren sind. 

2) Plut de Gen. c. 34. Wenn Diod. XV, 27 u. Plut. de Gen. 17 drei 
Befehlshaber auf -der Kadmeia erwähnen, so steht das in keinem Wider- 
spruch zu Xenophon (V, 4, 10 u- 13), der nur von einem Harmosten spricht« 
Denn nach Plut. a a. 0. war Lysanoridas ,^TQlrog awiö^" als Commandant 
auf der Kadmeia eingesetzt, d. U. er war der eigentliche Harmost, während 



59 

und die Bundesgenoffen, welche die Hauptmaffe der Truppen bil- 1 
deten, wol nicht fehr geneigt fich den Strapazen einer Hungers 
noth und Blokade zu unterziehen. Die lakedämonifchen Befehls- 
haber waren daher genöthigt, als nach dem eigenmächtigen ') Zuzug 



die beiden anderen die einzelnen Moren befeliligten. Es ist daher nur eine 
üngenauigkeit des Ausdrucks, wenn Plut. Pelop. 13 alle drei als Harmosten 

bezeichnet. 

1) Dass dieser Zuzug ein eigenmächtiger gewesen, ersehen wir aus Xeno- 
phon und Plutarch deutlich. Diodor XV, 26 erzählt, die Thebaner hätten 
eine Botschaft mit der Bitte um Hilfe nach Athen gesandt, und es wäre 
darauf ein Volksbeschluss erfolgt, durch den ihnen 5000 Hopliten und 500 
Reiter unter dem Befehl des Demophon als Unterstützung geschickt seien. 
Die Athener wären aber noch erbötig gewesen, erforderlichen Falls mit vol- 
ler Macht auszurücken. Durch den Zuzug aus den übrigen thebanischen \ 
Städten hätte das Belagerungsheer dann bald mehr als 12 Tausend Hopliten 
und !2000 Reiter gezählt. Nach langwierigem Sturm sei es ihnen gelungen 
die üebergabe zu erzwingen. Grote V, p, 380 folg. hat überzeugend dar- ■ 
gethan, dass durch die Widersprüche bei Diodor selbst (c. 29) und die hi- ( 
storische und politische Unmöglichkeit eines solchen Volksbeschlusses zu / 
damaliger Zeit die Nachricht einfach als Irrthnm bei Seite zu lassen ist; 
somit sind denn auch die Vorwürfe, die Lachmann I^ pag. 247, und II, y. 
401, Pomtow und Kortüm II, p. 87 auf den athenischen Demos wegen der 
nachherigen Verurtheilung der Strategen häufen, gegenstandslos, Sievers 
p. 182 und Curtius III, p. 267, haben richtig erkannt, dass von einem offi- 
ciellen athenischen Volksbeschluss nicht die Rede sein könne, aber sie las- 
sen nur diesen einen Punkt bei Diodor fallen und folgen sonst seiner Er- 
zählung, Ich halte ein solches Verfahren für kritisch falsch -^ ganz abge- 
sehen davon, dass Xenophon, wenn wirklich eii^e langwierige Belagerung 
durch eine erdrückende Uebermacht stattgefunden hätte, diese Thatsache 
zur Rechtfertigung der Üebergabe nicht verschwiegen haben könnte. Nach 
seiner Darstellung handelt der Harmost koptlos und capitulirt sehr bald, 
ohne nur einen ernstlichen Widerstand versucht zu haben. Diese Capitel 
Diodors sind aber noch in anderer Beziehung interessant: Cap. 25 § 1—4 
folgt Diodor seiner chronologischen Quelle — doch wird die Erzählung der- 
selben ihm zu dürftig, und er holt sich Rath in anderen Berichten. Nach 
Yolquardsen ist seine unchronologische Quelle nur Ephorot, und man könnte 
nun meinen, Diodor habe das, was Ephoros vom böotisch-atbenitchen Bünd- 
niss im folgenden Jahre erzählt, an eine falsche Stelle versetzt und für 
seine Zwecke zurechtgestutzt. Allein dazu ist die Erzählung zu zusammen- 
hängend, zu einheitlich. Diodor rnnss sie so schon bei seinem ijewährs- 
mann gefunden haben. Selbst wenn man Niebuhrs 11, p. 410 hohe Mei- 
nung über den Werth vom Geschichtswcifk des Ephoros nicht theilt, und 
dem strengen Urtheil von Müller (Dor. I, p. 53, p» 187) und Endemann 
(Beiträge zur Kritik d. Ephoros p. 25. Marburg 1881) über seine Leicht- 
fertigkeit und seinen Mangel an historischer Wahrheitsliebe bei Darstellung 



6o 

der athenifchen Strategen die Mauern der Burg von allen Seiten 
umfchloffeii und mit dem gröfsten Eifer berannt wurden, Verhand- 
lungen anzuknüpfen. Unter der Bedingfung des freien Abzugs 
ward die Kadmeia übergeben. Die in die Burg geflücliteten 
thebanifchen Oligarchen fielen als Opfer der Volkswuth — nur 
Einzelne wurden durch die Bemühungen der Athener gerettet'). 
So war das Befreiungswerk glänzend gelungen — aber die bei 
Weitem fchwerere Aufgabe ftand noch bevor: die neu erlangte 
Freiheit zu- behaupten. Dies war den Angriffen des allmäch- 
tigen Sparta gegenüber nur denkbar, wenn Theben nicht 
allein ftand, wenn ganz Böotien muthig den Kampf auf fich 
nahm. Wol hatte früher' im böotifchen Bunde eine Einigung der 
Landfchaft ftatt gefunden. Aber diefe Einigung hatte fich nicht 
als ftark genug erwiefen. Ein Friedensparagraph genügte, um 
den Buftd zu fprengen und im eigenen Lande Vorpoften der 
feindlichen Herrfchaft erftehen zu laffen. Wollte Theben, das 
keck die Fehde begonnen, auch weiterhin dem Feinde die Spitze 
bieten , fo durfte es nicht mehr auf die veralteten , nicht lebens- 
fähigen Verhältnifse des früheren Bundes zurückgreifen, fich nicht 
mit einigen vorortUchen Rechten und dem Anfpruch auf Heeres- 
folge begnügen, fondern mufste die ganze Landfchaft, ähnlich wie 
Attika und Lakonien, zu einem Einheitsftaat mit mächtiger Central- 



der ältesten Geschichte beistimmt^ so darf mau doch nicht — und das hat 
auch Endemann nicht gethan, — bei einem Ereigniss, dem Ephoros zeitlich 
so nahe steht, ihm eine derartige Verwirrung und solche Widersprüche an- 
trauen. Den spätem Rednern (cf. Dein, in Dem. p. 30) kam es sehr dar- 
auf an, diese Hilfsleistung hervorzuheben. Möglich, dass Diodor einer solchen 
' oder ihr nahestehenden Quelle seine Nachricht verdankt. Jedenfalls schei- 
fnen mir diese Capitel auch ein Argument gegen den seit Volquardsen zam 
:, Axiom gewordenen Satz, Ephoros sei für die griechische Geschichte die ein- 
- zige Quelle des Diodor. 

1) Vater p. 345 sieht in dieser Nachricht des Xenophon einen 
neuen Beweis der Böswilligkeit und Parteilichkeit des Schriftstellers. Dass 
diese Notiz unwahr sei, hat Vater freilich nicht dargethan und auch nicht 
darthun können. Spricht doch selbst in der Verherrlichungsschrift der Ute- 
banischen Erhebung (de Genio c. 3) Epaminondas die Befürchtung ans, 
Eumolpidas und Samidas würden in ihrer Rache kein Mass haltet). 



6i 

gewalt verfchmelzen. Das Unternehmen war kühn, aber nicht 
hoffnungslos, da es fafk in jeder böotifchen Stadt eine Partei gab, 
die aus Hafs gegen die fpartanifche Zwingherrfchaft zu jeder 
Conceffion und zu jedem Opfer bereit war. Es hatte auch nicht 
an Vorarbeiten in diefer Beziehung gefehlt. Wie feft und klar 
.aber die Verfchworenen ihr Programm vom erften Augenblick 
an verfolgten, zeigt die Notiz Plutarchs, dafs fchon am erften 
Tage drei Thebaner zu Böotarchen *) gewählt wurden. Die 



1) Nachdem der Aufstand sich über die Stadt hinaus verbreitet« ist 
wol das Böotarchen colleg wieder zur ursprünglichen Siebenzahl complettirt 
worden. Jedenfalls finden wir iii der Schlacht bei Lenktra 7 Bundesfeld- 
hcrren (Paus. IX, 13, 6 xu 7. Diod. XV, 53)« Ich sagte mit Absicht die ur- 
sprüngliche Siebenzahl, denn ich billige mit Lolling (Mitth, III. p. S9) trotz 
Preuss* (Quaest. Boeotic. Lpz. 1879 p. 7) Widerspruch , die ^Correctur von 
Wilamowitz (Hermes Vm p. 440) bei Thucyd. IV, 91: Dass dort nicht 11, 
sondern 7 Böotarchen zu lesen seien, folgt, glaube ich, evident aus dem 93. 
Cap., wo 7 Städte als> Theilnehmerinnen des Bundeskrieges aufgeführt wer- 
den. Dass es ursprünglich 14 Bundesstädte gegeben , wie noch Böckh (C. 
1. G. p. 727) annimmt, ist eine grundlose Hypothese Müllers, ebenso wie 
Böhm (Ausgabe des Thucyd. Note zu IV, c. 76) keinen Beweis seiner An- 
sicht beibringen kann, dass zur Zeit des pelop. Krieges 10 Städte den Bund 
gebildet. Bis zum Jahre 316 v. Chr. haben wir keine Inschriften über den 
böotischen Bund. Aus den seit dieser Zeit erhaltenen (C* I. G. 1565, 1593. 
Keil S. I. B. IL p. 3 u. X. p. 69^ Lolling Mitth. III, p. 87) ersehen wir, dass 
es auch damals 7 Böotarchen gab, wobei der Archon foederis bald ein The- 
baner, bald ein Thespier, Koronäer u. s. w. war. Die Inschriften wider- 
legen Böckh^s Annahme , dass auch in dieser Zeit nur ein Thebaner das 
Eponymat gehabt habe« Als auch mehr als 7 Städte zum Bunde gehörten, 
behielt man doch bei der Zähigkeit, mit der man die überkommenen For- 
men bewahrte, die ursprüngliche Zahl der Böotarchen bei« Da es in der 
Natur der Sachen lag, dass jede Bundesstadt einen Vertreter haben sollte^ so 
modificirte man bei grösserer Mitgliederzahl das Recht der Vertretung -^ 
die kleineren Btädte schickten abwechselnd «ei neu Böotarchen und hatten 
eine Collectivstimme (Böckli L C. G« p. 728). Sehen wir so, dass spä* 
ter die Siebenzahl blieb, dass zur Zeit der thebanischen Herrschaft bei ganz* 
lieh veränderten Umständen dieselbe Zahl festgehalten wurde, so kann es 
keinem Zweifel unterliegen, daes sie auch schon im pelop. Kriege die ur- 
sprüngliche Zahl der Bundesvertreter gewesen ist Alle auf die Böotarchen 
bezüglichen Inschriften hat Preuss Q. B. p. 5 zusammengestellt« cf. C. I. G. 
1593 Keil S. L B. X. p« 69 Lolling Mitth. III, p. 87. Bull de* corre« heU. 
i, 208, 210, 2)1. Kangab6 Nr. 12i7. Die neueste Arbeit über den böoti- 
schen Bund von Limann „Foederis boeotici instituta** l882 p. 34 folg. ver- 
tritt hinsichtlich der'Böotarchenzahl eine andere Auffassang. Ich kann der 



62 

höchfte Behörde des Bundes wird aus Thebanem zufammen ge- 
fetzt — das ift ein willkommener Beitrag zu unferer dürftigen 
Kenntnifs der inneren Reformen, mit denen die Patriotenpartei 
ihrem Ziele zuftrebte. Ift es uns auch nicht vergönnt in die 
Werkftatt ihrer Arbeit zu blicken, was fie erlangt und erreicht, 
lehren die folgenden Blätter der Gefchichte. 

Cap. III. 

Von Kleombrotos' erftem Zug nach Böotien bis zu 
Epaminondas' Expedition in den Peloponnes. 

Die Nachricht vom Aufftand in Theben rief natürlicherweife 
in Sparta die tieffte Empörung hervor. Während die fpartanifche 
Politik Triumph auf Triumph gefeiert und die Macht Spartas 
unerfchütterlich feft begründet fchien, hatte Theben, wie einft beim 
Perferzuge des Agefilaos, es wieder gewagt, fich aufzulehnen ge- 
gen die Herrfchaft der Eurotasftadt. Man durfte die Vertreibung 
der Befatzung aus der Kadmeia nicht ungerächt laffen. Die mili- 
tairifche Ehre und das bisher verfolgte politif che Syftem erforderten 
es mit Nothwendigkeit, Theben auf Leben und Tod zu bekämpfen. 
Die zwei Führer, die ohne Entfatz abzuwarten die Burg über- 
geben hatten, wurden hingerichtet *), der dritte, der bei der Ka- 

Aneführnng des Verfassers nicht beistimmen. Seine Interpretation der 
Thucydidesstelle (p. 42 folg«) ist gezwungen, der Irrfchum, den Thucyd. be- 
gangen haben soll, unwahrscheinlich, und die Behauptung unerwiesen^ dass 
Theben stets durch 3 Böotarchen im Rathe repräsentirt wurde. 

I) Diodor XV, 27. Nach Plut. Pelop. 18 trafen die abziehenden Com« 
mandanten in Megara schon den zu Hilfe herbeieilenden König Kleombro- 
tos. Bei der nach Xenophon fast widerstandslosen Uebergabe d. Kadmeia 
ist die Nachricht unglaublich -> das hat bereits Queck a a. 0. p. 20 erkannt 
Der Autor Plutarchs sucht überall die göttliche Fügung bei der Befreiang 
Thebens hervorzuheben. Die das Unternehmen bedrohenden Gefahren müsfae» 
daher sensationell vergrössert werden, um ihre glückliche Abwendung desto 
klarer als Götterwillen erscheinen zu lassen. Ich kann daher Curtias II], p. 
268, Sievers p. 184 und Lachmann l, p 245 nicht beistimmen, wenn sie der 
Erzählung Plutarchs folj^en« X. Hell. V, i, 13 erwähnt übrigens nur die 
Hinrichtung des Harmosten. 



63 

taftrophe in der Nacht nicht zugegen gewefen, mit einer uner- 
fchwinglichen Gcldftrafe belegt. Dann wurde der Krieg gegen 
Theben befchloffen : man hoffte durch einen rafchen Angriff den 
Aufftand noch erfticken zu können, ehe er weiter in Böotien um 
fich griff. Dafs diefer fchnelle Befchlufs nur das Werk der Partei 
des Agefilaos gewefen, wie Lachmann') meint, dafs nur der fa- 
natifche Thebanerhafs des greifen Königs feine Vaterftadt in einen 
neuen, langwierigen Krieg verwickelt habe, ift eine unbegründete 
Annahme. Xenophon ^) berichtet, Agefilaos habe die Ephoren ge- 
beten ihn von der Führung des Feldzuges zu dispenftren, unter 
dem Vorwande, dafs er dem Herkommen gemäfs bei feinem Alter 
zu Kriegsdienften aufser Landes nicht mehr verpflichtet fei. Er 
habe fich auch von allen weiteren Berathungen über den Krieg 
ferngehalten. Der wahre Beweggrund zu diefer Weigerung aber 
fei die Erkenntnifs gewefen, man würde es ihm zufchreiben, dafs 
weniger Tyrannen wegen neue Opfer vou der Stadt und den Bun- 
desgenofsen gefordert würden. Er hatte in der Beziehung vor 
Phlius feine Erfahrungen gemacht, und es kam ihm jetzt darauf 
an zu zeigen, dafs auch ohne feijie Betheiligung die fpartanifche 
Politik ihren confequenten Gang gehen mufste. Auf Gewalt be- 
ruhte Spartas Machtftellung — fie mufste zufammenftürzen, wollte 
man die Vertreibung fpartanifcher Befatzungen als berechtigte 
Volkserhebung anfehen. Mochte der junge König Kleombrotos 
noch fo ^hellenifch" und „bundesfreundlich" gefmnt fein, es wäre 
Landesverrath gewefen, wenn er und feine Partei fich gegen die- 
fen Feldzug erklärt hätten ^). In Theben war man fich des Ern- 



1) I, p. 345. 

'i) Hell. V, 4, 13 u. 14* 

8) Curtias III, p. 27i meint, die thebanischen Flüchtlinge in Sparta 
hätten den Ephoren begreiflich gemacht, dass das Auftreten des Agesilaos 
in Böotien den heftigsten Wideretand hervorrufen werde. Die Ephoren seien 
durch ihre Auseinandersetzungen überzeugt worden, Agesilaos habe sich 
verstimmt zurückgezogen und Kleorobotros sei nun gezwungen gewesen, die 
Führung zu übernehmen. Nur die hergebrachte Geringschätzung gegen 
Xenophons Autorität mach^ es einigermassen verständlich, dass man sich 
solche Willkührlichkeiten in d. Interpretation seiner Worte erlaubt hat. 



«4 

ftes der drohenden Gefahr vollftändig bewufst: in Böotien felbft 
noch von Feinden umgeben, ohne auswärtige Bundesgenoflen, 
mufste die einer felbftändigen Kriegsführung ungewohnte Stadt 
den Kampf mit Sparta auf fich nehmen, das jetzt gerade auf der 
Höhe feines Einfluffes ftand. Alle Zugänge zum Lande waren 
offen, und mitten in Böotien waren Platäae, Thespiä, und Orcho- 
menos fefte Waffenplätze der fpartanifchen Macht Diefe un- 
günftige Lage macht die Nachricht einer fonft unglaubwürdigen 
Quelle nicht unwahrfcheinlich, dafs gleich nach dem Umfturz in 
Theben eine Gefandtfchaft von der neuen Regierung ') nach Sparta 
abgeordert fei, um durch Verhandlungen und Zugeftändniffe dem 
Ausbruch eines Krieges vorzubeugen ^). Diefe Bemühungen blie- 
v^^^l ben jedoch ohne Erfolg und Kleombrotos rückte noch im Winter 
378 mit feinem Heere gegen Theben aus. Den Pafs von Eleu- 
therä hielt Chabrias mit feinen Peltaften befetzt -—"Athen wahrte, 
fo fcheint es, bewaffnete Neutralität. Kleombrotos zog zuerft nach 
Platäae, dann nach Thespiä, und fchlug darauf in der Nähe von 
Theben, bei Kynoskephalä, fein Lager auf. Nachdem er dort 
verhältnifsmäfsig kurze Zeit in drohender Haltung verharrt, ent- 
fchlofs er fich zum Rückzug. Doch liefs er den Sphodrias mit 
dem dritten Theil feiner Truppen und mit reichen Geldmitteln in 
Thespiä als Harmoften zurück ^). Der ganze Zug ward fo zu einer 
blofsen Demonftration und fein Refultat entfprach nicht den Hoff- 



1) Nach Curtins m, p 273 sind die leitenden Ideen der thebanischen 
Politik schon damals ohne Zweifel von Epsminondas ausgegangen und sei- 
nem Einfluss sei auch der Versuch einer friedlichen Lösung zuzuschreiben. 
Wenn wir bedenken, dass Epaminondas ruhig von d. Tyrannen in Theben 
geduldet wurde, weil der ernste Philosoph ihnen ungefährlich erschien, dam 
er bei dem Befreiungswerk keinen thätigen Antheil nahm, dass er nic]it 
vor dem Jahre 371 Böotarch wurde und erst durch glänzende militärische 
Erfolge und Verdienste sich seine massgebende Stellung errang, dass er schliess- 
lich niemals ein Mann des Volkes war und sich Schritt für Schritt den Boden 
für seine Bestrebungen erkämpfen musste — so wird es kaum zweifelhaft 
sein können, dass er damals noch nicht der Leiter der thebanischen Politik war, 

2) Die Details freilich dieser nur von Isocrates (Plat. 12) berichteten 
Vermittelungsvertuche sind von Grote (V, p. 383} mitRecht angefochten worden. 

3) X, Hell. V, f 14-16. Flut. Age. 34. 



65 

nungen, die ein grofser Theil der Spartaner an diefe Expedition 
geknüpft. Man lieh feinem Unwillen unverhohlen Worte und 
machte verftändliche Hindeutungen auf die thebanerfreundliche 
Grefinnung des jungen Königs. Die Erzählung Xenophons^) 
fpiegelt die Stimmung jener Kreife deutlich wieder. Allein, um 
Kleombrotos gerecht zu werden, dürfen wir nicht vergef- 
fen , dafs der König, welcher übrigens zum erilen Male ein 
Heer befehligte, durch die Ungunft der Jahreszeit kaum ein 
gröfseres Unternehmen zur Ausführung bringen konnte. Bei De-, 
Hon und Koroneia hatte fich die Tapferkeit der Thebaner gezeigt. 
Ein Ueberfall oder eine Blokade der Stadt bei Winter und Schnee- 
fturm war nicht möglich, ohne fich dabei der Eventualität einer 
Niederlage auszufetzen, die Sparta bei feiner Stellung ängfblich 
vermeiden mufste. Auch war der Feldzug nicht ohne allen Et- 
folg. Die Oligarchen in den befreundeten Städten Böotiens ge- 
wannen an Einflufs und Muth, und die ftarke, in Thespiae zurück- 
gelaffene Befatzung hemmte allein fchon durch ihre Gegenwart 
alle Verfuche Thebens, feine Macht in Böotien zur Geltung zu 
bringen. Bemerkenswerth aber vor Allem war die Einwirkung, 
welche die Expedition auf das Verhältnifs zu Athen übte. Die 
dort herrfchende Partei hatte mit voller Sympathie die Vorgänge 
in .Theben begrüfst Hatten die beiden Feldherm auch ohne 
Autorifation des Volkes bei der Befreiung mitgewirkt, fo war ihre 
That nachher doch auch nicht von der Regierung gemifsbilligt 
worden*) und man befand es für gut beim Anmarfch des Kleom- 



1) Hell. V, 4, 16. 

2) Von Lachmann II, p. 401 und Busolt p. 679 wird der Darstellung 
Diodors der Vorzug ertheilt. Xenophon, meint Lachmann, habe die Wahr- 
heit entstellt, nur um die Athener nicht von Anfang an als Genossen der 
yerhassten Thebaner erscheinen zu lassen. Er muthet uns zu, wir sollen 
glauben, Xenophon habe dieses doch kaum in Betracht kommenden 5 oder 
6 monatlichen Zeitgewinnes wegen, alle Vortheile, die der Bericht der 
Wahrheit seiner lakedämonerfreundlichen Gesinnung bot, ausser Acht ge- 
lassen, «habe sich sogar dieser Frist wegen zu der anderenfalls ja nicht noth- 
wendigen Eiklärung yerstanden^ die Freisprechung des Sphodrias sei eine, 
eclatante Rechtsverletzung gewesen« ßusolts Auffassung nach war der Gang 

5 



GS 

brotos die Grenzen des Landes zu decken. Es erfchienen nun 
fpartanifche Gefandte in Athen, um Rechenfchaft zu fordern für 
die zum Mindeften zweideutige Haltung der Stadt. Der Schreckens- 
' eindruck, den die Anwefenheit des (partanifchen Heeres in unmit- 
telbarer Nähe von Attika hervorrief, bewirkte einen Umfchwung 
der Parteiverhältniffe in Athen. Die Gegner der Böoterfreunde 
erlangten durch den Hinweis auf die fie unmittelbar bedrohende 
Gefahr den Volksbefchlufs, den Gefandten die geforderte Genug- 
thuung zu gewähren. Die Feldherm, die fich eines Mifsbrauchs 
ihrer Amtsgewalt fchuldig gemacht hatten, wurden vor Gericht ge- 
ftellt. Der eine von ihnen ward zum Tode verurtheilt, gegen den 
aodem, der fich rechtzeitig durch die Flucht der Verurtheilui^ 
entzogen, ein Verbannungsdecret erlaffen ^). Während die fparta- 
nifchen Gefandten fich noch in Athen aufhielten, trat ein uner- 
wartetes Ereignifs ein, das mit einem Schlag die Stellung der 
hellenifchen Hauptmächte zu einander gänzlich veränderte. Der 
zu Thespiae ftationirte fpartanifche Harmoft Sphodrias rückte 
eines Abends mit feinen Truppen aus, um durch einen nächt- 
lichen Handftr^ich den noch nicht voUftändig befeftigten Pei- 
raieus zu nehmen. Jedoch war er erft bis in die Nähe 
von Eleufis*) gelangt, als es bereits tagte. Die erfchreckte 
Bevölkerung fandte Eilboten nach Athen, welche die Stadt 



der Ereignisse folgender: Die Athener hätten sogleich bei der Belageraog 
der Kadmeia ein Bündniss mit Theben geschlossen (Diod XV, 28) und 
wären sofort zur Bildung des zweiten Seebundes geschritten. Durch den 
Anmarsch des Kleombrotos in Schrecken gesetzt, hätten sie aber dann das 
Bündniss den Thebanern aufgesagt (Plut. Pelop. 15) und die beiden Feld- 
herren verurtheilt (X. Hell. V, 4, 19;. Grote hat, wie bereits oben erwähnt, 
überzeugend dargethan , dass die Berichte des Xenophon u Diodor , die 
Lachmann mit einander verschmilzt, unvereinbar seien, und dass die Auto- 
rität des Zeitgenossen durch alle Wahrscheinlichkeitsgründe noch unterstützt 
werde. Da Lachmann sich Grotes Beweisführung verschliesst , so ist eine 
weitere Polemik unnütz. 

1) X Hell. V, 4, 19. 

9) So X. Hell. V, 4, 21. Flut. Age. 24. Nach Plut. Pelop. 14 war er 
bis Eleusis selbst vorgedrungen. 



67 

alarmirten. HopHten und Ritter traten fofort unter Waffen, 
um die gefährdete Heimath zu fchützen. — Durch den Fehler, den 
Sphodrias bei der Zeitberechnung für feinen Marfch begangen, fah 
er feinen Plan vereitelt. Er mufste zurück. Die aufgehende Sonne 
verrieth fein Unternehmen — aber auch er felbft ^) that nichts, um 
die Abficht, die er gehegt, zu verfchleiem. Sengend und plün- 
dernd trat er feinen Rückzug nach Thespiä an. Ueber die Motive, 
welche den Sphodrias zu diefem Friedensbruch getrieben, gehen die 
Angaben unferer Quellen auseinander. Nach Xenophon hätten die 
Böotarchen Pqlopidas und Melon, um einen Bruch zwifchen Athen 
und Sparta herbeizufuhren, den ehrgeizigen und leidenfchaftlichen 
Harmoften überreden, ja vielleicht fogar beftechen laffen, einen 
Einfall nach Attika zu unternehmen und die Befetzung des noch 
nicht ummauerten Peiraieus zu verfuchen. Es ifl: dies die in 
Spartanerkreifen verbreitete AuffafTung des Ereignifses. Die (pä- 
tere Folge des Ueberfalles, — das enge Bündnifs zwifchen Theben 
und Athen, — verführte zu der Meinung, dafs von vorneherein der 
ganze Plan nur zu diefem Zwecke von den thebanifchen Führe'm er- 
fonnen und der ungeftüme Ehrgeiz des Sphodrias zur Erreichung die- 
fes Ziels benutzt fei.» Die ganze Darftellung bei Xenophon ift nichts 
als ein vaticinium ex eventu; das haben bereits Schäfer*) und 
G r o t e ^) richtig erkannt. Letzterer hat meiner Meinung nach 
auch überzeugend bewiefen, dafs diefe Verfion unmöglich dem 
wirklichen Sachverhalt entfprechen könne. Da die xenophon- 
teifche Darftellung in Curtius*) neuerdings einen beredten Ver- 
theidiger gefunden, fo ift eine eingehendere Erörterung nicht zu ver- 
meiden. Dafs der Anfchlag von den Leitern der thebanifchen 



1) o5<f' aixQ^ inoif]C€v^ ügiB Xa&etv so stellt, — wie ich meine mit 
Recht — Liebhold Jahrb. CXVII p. 595 die handschriftliche verderbte Lesart 
oifde zuvra bei X. Hell. V, 4, 21 hen 

2) Demost. u. s, Z. I, p. 16. 

3) V, p. 387. 

4) Sein Vorgänger ist Bauch p. 18* 

5* 



68 

Politik ausgegangen, fcheint mir voUftändig unmöglich. Denn 
einmal hätte der Plan fehr wol gelingen können und die Böotarchen 
hätten fomit den Spartanern dazu verholfen eine militairifche 
Pofition zu erlangen, die auf den ganzen Gang des Krieges von 
mafsgebender Bedeutung gewefen wäre. Aber wenn auch von 
vorneherein auf das Mifslingen des Ueberfalls gerechnet wäre, fo 
hätte das ganze Unternehmen an fich doch kaum eine Annähe- 
rung zwifchen Theben und Athen herbeiführen können. Wurde 
Sphodrias für den Friedensbruch beftraft, fo konnte' dais Ver- 
hältnifs zwifchen Athen und Sparta durch den ganzen Zwifchenfall 
nicht getrübt werden, im Gegentheil mufste die Entfremdung 
zwifchen Theben und Athen nur wachfen, weil die Führer The- 
bens die Vcranlaffung zu jenem empörenden Handftreich gewefen. 
Dafs Sphodrias aber würde freigefprochen werden , konnten 
Pelopidas und feine Genoffen nicht ahnen, und doch bewirkte 
nur diefe Freifprechung , dafs Theben die Früchte der That 
erndtete. Plutarch, der fonft im Leben des Pelopidas böo- 
tifchen QueDen folgt, hat, wie bei der Biographie des Agefilaos, 
den Bericht über die Expedition des Sphodrias dem Xenophon 
entlehnt. ') Dem gelehrten Polyhiftor fchien diefe Lift eine zu 
bemerkenswerthe politifche That feines Helden, als dafs er fic 
mit StiUfchweigen hätte übergehen können. 

Die entgegengefetzte Auffaffung finden wir bei dem hier. 
wol auf Ephoros zurückgehenden Diodor^). Er behauptet, Kle- 
ombrotos fei der Urheber diefes von Sphodrias verfuchten Ueber- 
falls. Wir wiffen wenig von der politifchen Stellung und Rich- 
tung des jungen Königs, — aber dies Wenige widerfpncht 
ftrict der Annahme , Kleombrotos hätte zu einer Zeit, wo 
in Athen für den Augenblick die fpartanerfreundliche Partei ans 



1) Queck giebt zwar zu, dass Plutarch und Xenophon hier fast wört- 
lich übereinstimmten, hält sie aber doch für von einander unabhängig. Ich 
sehe keinen Grund zn dieser Annahme. 

2) XV, 29. 



69 

Ruder gelangt war, einen fo gewagten Gewaltakt veranlafst. 
Die neueren Gelehrten ^) haben daher mit Recht die bei Diodor 
vorliegende Auffaffung verworfen. 

Das wahre Motiv des folgenfchweren , Unterfangens war wol, 
wie Hertzberg^ richtig gefehen, der rückfichtslofe Ehrgeiz 
des Harmoften felbft. Plutarch ^) berichtet ausdrücklich , dafs- 
die Lorbeeren des Phoebidas den Sphodrias nicht hätten fchlafen 
laffen. Die unfichere und zweideutige Haltung Athens, feine 
fteten Bemühungen wieder Einflufs auf der See zu erlangen, 
mögen ihm fehr wol die Idee eingegeben haben fich durch einen 
kühnen Handftreich der Stadt zu bemächtigen. Es war ein Plan, 
der unabfehbare Confequenzen haben konnte, zugleich aber ein 
Gewaltsftreich, der nur derii verziehen wurde, dem er gelang. 

In Athen erregte diefer Friedensbruch natürlich die tieffte 
Empörung: man fetzte fogleich die noch anwefenden fpartanifchen 
Gefandten gefangen, indem man fie mit verantwortlich machte 
für die That des Harmoften. Es ward ihnen nicht fchwer, 
das Volk von ihrer Schuldlofigkeit 'zu überzeugen. Man liefs fie 
daher wieder auf freien Fufs, und. fie reiften mit der Verficherung 
ab, dafs Sphodrias die ftrengfte Strafe erleiden würde. Wirklich 
klagten die Ephoren ihn auf Tod und Leben an, und er wagte nicht 
fich dem Gericht zu ftellen. Kleombrotos und feine Freunde nah- 
men zwar für ihren Genoffen Partei — aber dennoch fehlen ihre 
Hoffnung gering, feine Freifprechung zu erlangen. Es kam Alles 
auf die Stellung des Agefilaos an. Perfönliche Verhältnifse gaben 
hier einen unerwarteten Ausfchlag. Archidamos, der Sohn des 
Agefilaos, ftand in einem zärtlichen Verhältnifs zu Kleonymos, 
dem kaum dem Knabenalter entwachfenen Sohne des Sphodrias. 
Die leidenfchaftlichen Bitten des Archidamos beftimmten den 



1) Nur KortüiD , II, p. 87, so viel ich weiss , wählt das praktische 
Auskaoftsmittel, sowol die Darstellung Xenophons, wie die Diodors für 
wahr zu halten. 

8)'p. 338. A. 28. 

8) Ag. 24. 



70 

greifen König und damit feinen ganzen Anhang fich für die 
Freifprechung des Harmoften zu entfcheiden. Selbft Etymokles, 
einer der Gefandten, die den Athenern die ftrengfte Beftra- 
fung des Friedensbruches zugefichert, gab jetzt als Freund 
des Agefilaos fein Votum für die Straflofigkeit des Sphodrias 
ab. Diefer Richterfpruch , der wie Xenophon fagt *), vielen 
fo ungerecht wie noch keiner in Lakedämon erfchien, ift ein deut- 
liches Sympton für den inneren Verfall und die fortfchreitende 
Desorganifation des Staates. 

Diefe Freifprechung gab einem an fich fchon fchwerwiegenden 
Ereignifs weittragende Folgen. Der Staat hatte die Schuld des 
Sphodrias auf fich genommen. Das nächfte Ergebnifs war der 
Bruch mit Athen, das fich eng mit Theben verbündete und unter 
dem Eindruck des Gewaltakts feine ganze zähe Energie von 
Neuem zu folgenfchwerer Thätigkeit entfaltete. — 

Die Athener hatten nach dem Königsfrieden nicht darauf 
verzichtet, ihren Einflufs auf der See wieder zur Geltung zu bringen. 
Das mit Chios bald nach dem Friedensfchlufs eingegangene 
Schutzbündnifs ^ beweifl, dafs fie auch auf Grundlage des neuen 
Staatsrechts unentwägt dem einmal gefleckten Ziele zuflrebten. 



1) X. Hell. V, 4, 24—34 gielJt eine eingehende Schilderung von der 
Stimmung in Sparta und den Motiven für Agesilaos' Verhalten beim Pro- 
cesse des Sphodrias. Ich sehe keine Veranlassung mit Gurtius III, p. 27Q 
an der Richtigkeit dieser detaillirteu Begründung, die von einer genauen 
Bekanntschaft mit den Verhältnissen zeugt, zu zweifeln. Nach Gurtius han- 
delt Agesilaos nicht aus schwächlicher Vaterliebe, sondern aus grundsätz- 
licher Billigung einer solchen That, aus Triumph, dass ein Gegner sich« znr 
Politik des rücksichtslosen Staatsegoismus bekannt. Wol mochte die Energie 
des Sphodrias seine Sympathie erregen ; aber grundsätzlich konnte auch er 
die That nur dann billigen, wenn sie von Erfolg gekrönt war Es war 
ein ^Gonsilium, quod non potest laudari nisi peractum,** wie Tacitus (Hist. 
I, 38) richtig derartige Gewaltstreiche charakterisirt. Mit Recht haben alle 
anderen Gelehrten der Autorität Xenophons, der ja dieser Sache besonders 
nahe stand, bei Schilderung des ganzen Vorganges den verdienten Glauben 
geschenkt. 

2) C. I. A. II, 15. Köhler Mittheil. II, p* 138. Dittenberger 8. L 
G I 59. 



71 

Mit Mytilene und Byzanz ^) hatten fie gleichfalls freundfchaftliehc 
Beziehungen aufrecht erhalten und auch noch mit anderen Städ- 
ten*) Verträge abgefchloffen. Das waren die Fundamente, auf 
denen jetzt ein Neubau begann. Nach der Freifprechung des 
Sphodrias') wurden Gefandte an die fpartanerfeindlichen Städte 
mit der Aufforderung gefchickt zu einem Bunde zufammenzutre- 
ten, um die durch den Antalkidasfrieden garantirte Autonomie gegen 
lakedämonifche Uebergriffe zu fichem*). Vertreter von Chios, Tene- 
dos, Rhodos, Mytilene und Methymna*) erfchienen dann in Athen 
und es wurden die Grundlagen eines allgemeinen Bundes verein- 
bart. ' Eine eigentliche Bundesacte hat es nie gegeben, doch fmd 
wir durch das wichtige Pfephisma aus dem März 377 über die 
Beftimmungen und Bedingungen deffelben genügend unterrichtet. 



1) Isoc. Plat. 28, xäi Xtot xal MvTi^TjvaToi xal Bv^dvnoi avfjL- 
7TaQdfi€tvav. Obwol ich im Allgemeinen dem ürtheil Busolts p. 677 folg. . 
über die histor. Werthlosigkeit der Rede für die Platäer nur beistimmen kann,'80 
bat Isokrates' Zeugniss, was die Gbier betrifft, seine inschriftliche Bestätigung 
gefanden, und daher an Glaubwürdigkeit für Mytilene u. Byzanz gewonnen. 
In den Fragmenten der Bündnissurkunde zwischen Athen und Mytilene bei 
Begründung des zweiten Seebundes wird eines Vertrages aus früherer Zeit 
gedacht« C. I. A. II, 18 cf. Hock „De rebus ab Atheniensibus in Thracia 
et Ponte gestis ab anno 379-338,« p. 18 

2) C. I. K 19. Dittenberger S. I. G. I. 63 a Zeile 8. 

d) So Schäfer Dem. I, p. 16 gestützt auf Xen. V, 4, 34 nnd Plut. 
Pelop. 15. Nach Busolt p. 679 und Hock p. 18 ist die Version bei Diodpr 
XV, 28 vorzuziehen, der die ersten Schritte zur Begründung des Bundes 
noch vor dem Ueberfall des Sphodriaa thun lässt Ich habe schon oben 
diese Annahme zu widerlegen gesucht. 

4) C. I. A. II, 17 Zeile 9 folg. 

5) Diese 5 Städte waren bereits Mitglieder des Bundes^ als C. I. A. 

II, 17 verfasst wurde, da ihre Namen von derselben Hand, wie das Psephisma 
über den Landbesitz, auf der Stele eingezeichnet sind. Cf. Gilbert H. d. g. 
St. p. 410, A. 2. Dittenberger S. I. G. I. p. 113 (cfc auch Diod XV, 28). 
üeberbleibsel von den mit Byzanz und Mytilene jetzt geschlossenen Verträ- 
gen sind C. I. A. II, 18 u. 19. Beim Vertragsabschluss mit Mytilene ist 
dei^selbe Kephalos Antragsteller, der bald nach dem Antalkidasfrieden als 
Gesandter nach Chios sich begab um^ das Schutzbündniss mit Athen einzu- 
gehen. Die Thatsache ist für die Beurtheilung der Tragweite des Bünd- 
nisses mit Chios nicht bedeutungslos: cf. Köhler Mitth. II, p. 141. Cnrtius 

III, Nachträge p. 117. 



72 

Eine eingehende Darftellung der BundesverfafTung zu geben, ift 
hier nicht meine Aufgabe^) — ich will nur das Wichtigfte der- 
felben hervorheben, fo weit es zum Verftändnifs" der folgenden 
hiftorifchen Ereigniffe nothwendig ift. Auf der Bafis des Königs- 
friedens wurde ein Bund gefchloffen, um Spartas Hegenomiege- 
lüften entgegen zu treten. Nationale Tendenzen, wie beim erften 
Bunde, wurden nicht verfolgt. An alle Griechen und Barbaren, 
foweit fie nicht Unterthanen de3. Grofskönigs waren, eiging die 
Aufforderung zum Beitritt. Den Mitgliedern ward Autonomie 
und Selbftändigkeit der Verfaffung garantirt. Sie follten keine 
athenifchen Beamten und Befatzungen ^) aufzunehmen haben und 
von Tributzahlung befreit fein^)» Der officielle Titel des Bundes 
war ol A^rivaXoi xal ol aifiiJLaxoL **), und fchon die Benennung fchei- 
det deutlich die zwei Factoren deffelben. Der Hegmon ift Athen, 
ihm gegenüber vertritt die Intereffen der anderen Staaten ein 
Bundesrath, in welchem jedes Bundesmitglied eine Stimme reprä- 
fentirt*). Diefes avviÖQiov twv <rt;/Ajua;^a>v ^) ift eine permanent 
fungirende Behörde, die ihren Sitz in Athen hat''). Dafs der Bun- 
desrath lediglich eine berathende Körperfchaft fei, wie. ihn ^Bu- 



1) vergl. darüber Böckh „Staatsh. d. Ath.« I, p. 646. Rehdantz „Vitae 
Iphicratis etc. p. 54. Schäfer „De sociis^ etc. p^ 9 u* Demosth. etc. I, p. ^ 
folg. Busolt p. 645—866. Hahn Jahrb. CXIII p. 453 folg. Hock Jahrb. 
C^VII p. 473 folg. Lenz „Das Synedrion d. Bundesgenossen im 2. ath. Bunde,* 
Königsberg 1880. 

2) In Kriegszeiten, besonders wenn eine Bundesstadt in der Nähe des 
Kampfscbauplatzes lag^ wurde diese Bestinoimung freilich nicht beobachtet« 
C. I. A. II, 62 u. II, 69. 

3) C. I. A. II, 17. Zeile 15 folg. 

4) C. I. A. II, 17. 19. 

5) Dass eine Stadt auch mehrere Vertreter ins Synedrion abdelegiren 
kann, zeigt C. I. A* II, 52c. Hock p. 473. Jedoch hatten diese zusanamen 
nur eine Stimme. 

6) C. I. A.n A. 17. Z. 44. n;51 Zeile 10 u. 15. II, 57b. Zeile 13. n, 
49b heisst es bald awdÖQiov twv avfiftdx(ov bald oi aififia^oi u, endlich 

7) C. L A n, 51, II, 49 u» dazu Lenz p. 6, der Busolts p. 693 nicht 
hinreichende Beweisführung durch inschriftliche Belege unterstützt. 



73 

folt^), Hartel*) und Gilbert •) charakterifiren, fcheiht mir nach den 
infchriftlich bezeugten Functionen deffelben nicht haltbar. Es gab 
ein Bundesgericht*), das avvädqiov hatte eine beauffichtigende Thä- 
tigkeit*) und war bei der Aufnahme neuer Bundesgenoffen bethei- 
ligt®). — Doch mufs man fich andererfeits hüten, mit Hock') 
und Lenz®) dem Bundesrath eine allzu ^einflufsreich'e Stellung zu- 
zuweifen. Athen felbft hatte keine Stimme im Organ des Bundes. 
Nach dem regelmäfsigen Gefchäftsgang in Bundesangelegenheiten 
brachte der Bundesrath fein Dogma bei der athenifchen Bule 
ein^). Stimmte der Rath mit der geftellten Propofition überein, 
fo übergab er mit Nennung des Urfpunges dies Gutachten der 
Ekklefie : im anderen Falle fugte er ein abweichendes Pro- 
buleuma bei. Die Volksverfammlung hatte die endgültige 5nt- 
fcheidung. Das find die wichtigften Beftimmungen des anfangs 
nur mit Jenen fünf Seeftaaten vereinbarten Bundes. Eine weitge- 
hende Finanzreform in Athen felbfl, die eine ficherere und breitere 
Grundlage der öfientlichen Leiflungen bezweckte, fowie der Feld- 
zug des Agefilaos nach Böotien, zwangen die Athener, ihre Thä- 
tigkeit zunächft auf näher liegende Gebiete zu concentriren 
und von einer weiteren Ausdehnung des neubegründeten Seebun- 
des fürs Erfle Abfland zu nehmen. 

Im Sommer 378 rückte Agefilaos gegen Böotien aus. Er 
hatte vorher die KithäronpäfTe durch eine Söldnerfchaar befetzen 
lafTen, um ungefährdet feinen Einfall bewerkftelligen zu können, 
und zog nun ohne Aufenthalt bis zum befreundeten Thespiae. 
Die Thebaner hatten in der kurzen Ruhezeit zwifchen dem Feld- 



1) p. 69h 

2) Demost. Stud. 2, p, 46 folg. 

3) Handbuch d. g. Staatsalterthümer p. 414. 

4) C. I. A. n, ir. Zeile 52-62 

5) C. I. A. n, 17, 41—46» 

6) C. I. A. n, 49b, 57b. 

7) p. 478 

8) p. 9. 

9) C. I. A n, Ji7b. Köhler Mitth. I, p» 198. 



74 

zug des Kleombrotos und dem des Agefilaos energifche Verthei- 
digungsmafsregeln ergriffen* Agefilaos fand ihr Gebiet durch 
Wälle und Laufgräben verfchanzt und innerhalb diefer Befefti- 
gungen ein thebanifch-athenifches Heer, das ftetig allen feinen 
Bewegungen folgte. Obgleich er durch einen kühnen Ausfall 
diefer Truppen einen empfindlichen Verluft erlitt, gelang es ihm 
doch endlich an einer unbewachten Stelle in jene Verfchanzungen 
einzudringen und das thebanifche Gebiet mit i^euer und Sch^wert 
zu verheeren. Zu einer Entfcheidungsfchlacht kam es nicht; 
durch ein gefchicktes taktifches Manöver des Chabrias, ifo 
wird berichtet*), mufste Agefilaos von einem beabfichtigten An- 
griff auf das feindliche Heer abftehen. Er drang verwüftend bis 
Theben vor, kehrte dann um, und ging, nachdem er Phöbidas in 
Thcspiae als Harmoften zurückgelaffen, in den Peloponnes zurück. 
Das Refultat des ganzen Feldzuges war für Sparta durchaus kein 
glänzendes. Möglich, dafs die Bundesgenoffen fich fchon jetzt fchwic- 
rig gezeigt, und dafs daher mehr als die Vernichtung der thebani- 
fchen Erndten nicht zu erreichen war N ach dem Abzug des Age(ilaos 
drangen die Thebaner gegen Thespiae*) vor. Im einem heifsen 



1) Diod XV, 32. Polyaen 11, 1, 2 und Nepos, Chab I (wo nach 
Hensel dahrb. XCI, p. 728 proiecta r e c t a hasta zu lesen ist), erzählen ein- 
gehend von jener Aufstellung des Chabrias, der seine Soldaten mit gegen 
das Schild gestemmtem Knie und gerade vorgestreckter Lanze die heran- 
rückenden Feinde ruhig erwarten liess. Xenophons Schweigen hierüber ist 
als ein Zeichen seiner niederen Gesinnung aufgefasst, die ihn hinderte, die 
militairischen Verdienste seiner Gegner zu würdigen. Dagegen spricht nuD 
freilich Hell. VI, 2, 35 u. VII, 5, 20, wo wir eine warme Anerkennung des Iphi- 
krates und ^paminondas finden; zudem hat Sievers p. 205 richtig bemerkt, 
dass Xenophon ja, wie Diod. und Polyaen, gerade ein Lob des Agesilaos 
an den ganzen Vorfall hätte knüpfen können. Ist die Erzählung bei den 

Kftk 6^*^ oben genannten Schriftstellern nicht eine spätere Erfindung, um eine passende 
k A'Ftc Erklärung für Chabrias' Stellung auf seiner Bildsäule zu geben, so lässt sich 
^r I Xenophons Schweigen wol am Einfachsten durch den Hinweis erklären, dass 
. ^, |die Hellenika ja doch im Grunde nur ein Entwurf zu einer Geschichte sind. 
Dem Freund des Agesilaos hätte es doch vor Allem darauf ankommen müs- 
sen , die Resultatlosigkeit des Feldzuges durch die übermächtige Stellung 
der Feinde zu erklären. 

2) X. HelU V, 4. 42. Diod. XV, 27 setzt fälschlich den Zug gegen 
Thespiae gleich nach der Befreiung der Kadmeia. 



75 

Kampf, bei welchen Phöbidas den Tod fand, gelang es ihnen den 
Sieg zu erfechten und die Spartaner waren genöthigt zur Siche- 
rung der verbündeten Stadt eine neue Mora, diesmal zur See, 
nach Böotien zu (enden *). 

Die Athener betrieben inzwifchen mit Eifer ihre Seerüftun- 
gen. Nur das Vorhandenfein einer mächtigen Flotte konnte den 
Beftand und die weitere Verbreitung des neugefchloffenen See- 
bundes garantiren. Um aber derartige^) Kriegsrüflungen beftrei- 
ten zu können, bedurfte man vor Allem der dazu gehörigen 
Mittel. Man fuchte fich diefelben durch eine durchgreifende Üm- 
geftaltung des Steuerwefens zu verfchaffen , durch eine Reform, 
die das Vermögen der Staatsangehörigen in weiterem und geord- 
neterem Umfang für die Eisphora heranzuziehen bezweckte*). 
In Athen war die alte Thatkraft und Unternehmungsluft von 
Neuem erwacht. Aber die fchweren Jahre der Erniedrigung wa- , 
ren nicht fpurlos vorübergegangen. An eine Wiederherftellung 
der Seeherrfchaft des erften Bundes, wie man fie noch nach der 
Schlacht bei Knidos geplant, war jetzt nach dem Königsfrieden nicht 
zu denken. Der Autonomieparagraph mufste die Bafis jeder wei / 
teren Neugeftaltung der griechifchen Verhältniffe bilden. Mit Waf- ■ 
fengewalt allein liefs fich nichts Sicheres erringen. Athen mufste 
das Vertrauen der Seeftaaten zu gewinnen fuchen, um mit Erfojg 
feinen weiteren Plänen nachgehen zu können. Dies war der lei- 
tende Gefichtspunkt , welcher dazu führte das Pfephisma über 
den Grundbefitz einzubringen. Ein glücklicher Zufall hat uns 



1) vergU über den ganzen Feldzug d. Agesilaos . . Hell. V, 4, 34 — 
47. Diod. XV, 32. Plnt. Ages. 26. 

2) Nach Polybios II, 62, dem Schäfer Dem. I, p. 21 folgt, waren es 
10,pOO Hopl. u. 100 Trieren, die die Athener ausgerüstet hätten, nach Diod. 
XV, 29, dessen Angabe Grote V, p, 397 acceptirt, wurde gerade die doppelte 
Anzahl auszusenden beschlossen. 

3) üeber die Organisation der Neuordnung hat Böckh. ,,Staath. d. 
Ath.'' I, p. 667 folg. mit gewohntem Scharfsinn gehandelt. Die entgegen- 
stehende Auffassung lon Rodbertus (Hildebrands Jahrb. für Nationaloekon. 
u. Statistik VIU, p. 453 folg.) ist durch Lipsius' Revision d. Frage (Jahrb. 
für Phil. CXVn, p. 289 folg.) und Fränkels Ausführungen im Hermes 
XVIII P..314 widerlegt. 



76 

dies wichtige Decret, das durch Ariftoteles ^) im Febn/Marz 377 
beantragt wurde, erhalten*). Zunächft erging darin die Auf- 
forderung, dem Bunde mit Athen unter denfelben Bedingungen 
beizutreten, unter welclier die Separatverträge mit Chios und 
Theben abgefchloffen waren. Vollftändige Autonomie in Ver- 
faffung und Verwaltung, fo wie Abgabenfreiheit und Vcrfcho- 
nung von flehender Befatzung war zugefichert. Um nun die 
Garantie der Selbftändigkeit und Integrität des Bundesgenoffen- 
gebietes zu erhöhen, verzichteten*) die Athener auf jede« aus- 
wärtigen Grundbefitz, fei's Gemeinde-, fei's Sondereigenthum und 
beftimmten, dafs in Zukunft ßr den Uebertretupgsfall eine An- 
klage vor dem Bundesfynedrion ftatt haben foUe, durch welche 
der Beklagte, wenn überwiefen, feines Eigenthums verluftig ging, 
das zur Hälfte dann dem Ankläger, zur Hälfte der Bundeskaffe 
anheimfiel. Mit diefem einen Akt entfagten die Athener allen 
Anforderungen, welche ihre Hegemonie vor Zeiten in Verruf ge- 
bracht hatten*). Und zur Gewährleiftung einer Sicherheit audi 
für die Zukunft wurde Atimie und Tod demjenigen angedroht, 
der es wagen foUte eine Abänderung diefes Decretes zu beantragen*). 
— Nachdem Athen fomit ein öffentliches Programm feiner neuen 
Politik ausgegeben, fuchte ^es nun auch energifch auf dem einmal 
betretenen Wege weiter zu gehen. In demfelben Decret wurde 



1) Diog. Laert V, 35 ^BitBOoq (^ A^ifSTOTskrii^ o noXiXB^iSoLix^v^^ 
Ad'fjvrjifi,^ ov xal iixavixol ^dQovjai },6yoi x^Q^^^^^* Meier «Comm epigr.* 
n, p. 57. 

2) Am besten publicirt Köhler C. I. A. II, 17 u. Dittenberger S» I. 
G. I. 68. 

3) Dass dies nicht eine Restitution wirklich besessenen Eigen thams 
war, sondern nur eine Verzieh tleistnng auf das Besitzrecht von Grund und 
Boden , den man in Wirklichkeit seit dem pelopon. Kriege nicht nnehr in 
Händen hatte, — ist eine Annahme von Schäfer I, p. 80 und Grote V, 
p« 391, deren Unhaltbarkeit Busolt p« 687 folg. u. Hock p. 20 überzeugend 
nachgewiesen haben. Yergl. auch Dittenberger S. I. G* I. p. 112 Isokr. XIV 
44 u. Diod. XV, 29, bei welchem letzteren xAi7^ov;|f(a» nur ein ungenauer 
und unpassender Ausdruck für eyxTfjiiaja ist. 

4) Schäfer Dem. I, p. 32. 

5) 0. I. A. II, 17. Zeile 51 folg. 



n 

befchloffen, zunächft Gefandte nach Theben zu fchicken, um die- 
fen mächtig aufdrehenden Staat, der mit Athen fchon vorher einen 
Separatyertrag eingegangen war, als Mitglied für den neuen See- 
bund zu gewinnen ^)» Das Verzeichnifs der Bundesgenoffen , das 
auf derfelben Stele, wie das Decret, in chronologifcher^) Reihen- 
folge eingegraben ift, beweift, dafs diefe Bemühung fogleich 
von Erfolg gekrönt war» Weiter erklärten ihren Beitritt dann 
die euböifchen Städte, bis auf Histiaea*). Bei allen diefen Ver- 
, handlungen nimmt ein gewiffer Pyrrhander eine hervorragende 
Stellung ein: er fungirt als Gefandter beim Bündnifsabfchlufs mit 
Byzanz*) und Theben*) und ift der Antragsfteller für das Sym- 
machiedecret mit dem euböifchen Chalkis ^, das, wie die meiften 
übrigen euböifchen Städte, gerade durch das Plephisma über den 
athenifchen Grundbefitz bewogen, fich noch im Frühling 377 dem 
Bunde anfchlofs. 

Die Spartaner liefsen diefe Bewegungen fürs Erfte unberück- 
fichtigt^ In ftarrer Confequenz verfolgten fie ihr nächftliegendes 
Ziel, — die Demüthigung Thebens. Zu Anfang 377, fobafd nur 
die Jahreszeit den Beginn der militairifchen Operationen geftattete, 
boten die Ephoren die gefammte Kriegsmacht, die im vergange- 
nen Sommer unter dem Befehle des Agefilaos geftanden hatte, 
von Neuem zum Kampf gegen Theben auf). Auch diesmal 
liefs Agefilaos noch vor der Eröffnung des Feldzuges durch den 
thespiäifchen Harmoften fich den Befitz der Kitharonpäffe fichem, 



1) Daes Theben nicht schon vor dem Psephiema sich dem Bunde an- 
geschlossen, wie Busolt p. 746'm^int, folgt aus Zeile 72 der Inschrift selbst« 

"l) Busolts Annahme p. 741 von einer Verletzung der Chronologie bei 
der Aufzeichnung der Namen ist bereits von Hahn p. 463 folg. widerlegt. 
Die Thebancr sind die Nächsten, die im Verzeichnifs auf d. 6 obengenannten 
Staaten (or/ vvv ovaai noXsig (^Vfi/iaxl^eg) folgen. Dann kommen die Chal- 
kidier C. I. A, II, 17b. 

3) Diod. XV, 30. C. L A. II, 17, Zeile 80-81. 

4) C. I. A II, 19. Dittenbergcr S. L G. I, 62. 

6 0. I. A. II, 17 Zeile 76» Ditt S. I. G. I, 63 p. 115. A^26. - 

6) C. I. A. II, 17b. Dittenbcrger S. 1. G I, 64. lüHf Busolts 
p. 745 BerechuuDg erfolgte der Beitritt noch vor dem Mai 377. 

7) Diodor XV, 34, 



7« 

dann drang er felbft zu Beginn des Frühlings in Böotien ein und 
gelangte ungefährdet bis nach Platäae. Hier mögen wol auch die 
olynthifchen Contingente zu feinem Heere geftofsen fein *). Da 
die Thebaner, vereint mit den Truppen des Chabrias, auch jetzt 
ihre Verfchanzungen mit der gröfsten Sorgfalt bewachten, galt es 
durch Lift fich den Eintritt in ihr Gebiet zu erzwingen. Agefi- 
laos dirigirte alle Zufuhr fowie die Gefandfchaften der.böotifchen 
Städte nach Thespiae, und die Thebaner warfen daher die Haupt- 
maffe ihrer Truppen nach der weftlichen Seite der Schanzen, da 
fie von dort her einen Angriff auf ihre Linien erwarteten. Da 
wandte fich Agefilaos nach Often, in der Richtung auf Krythrae, 
und durchbrach nach einem ungewöhnlich fchnellen Marfch bei 
Skolos die feindlichen Befeftigungen, ehe noch die überrafchten 
Thebaner zur Abwehr herbeizueilen vermochten *), Auch dies- 
mal fand keine Entfcheidungsfchlacht ftatt. Es kam nur zu 
leichten Scharmützeln, die mit wechfelndem Kriegsglück ausge- 
fochten wurden* Bei einem hitzigen Gefecht unter den Mauern 
Thebens zogen die Lakedaemonier entfchieden den Kürreren. 
Das Ergebnifs des ganzen Feldzuges war wiederum nur eine 
weitgehende Verwüftung thebanifchen Gebiets und die Vernich- 
tung der Erndte. Ja, felbft dazu fcheint Agefilaos feine auflafsigen 
Bundestruppen nur mit Mühe vermocht zu haben — es find 
intereffante Details , die uns Plutarch '**) und Polyaen *) über die 
Stimmung der zur Heeresfolge gezwungenen peloponnefifchen 
Bundesgenoffen mittheilen. Es liegt auf der Hand, dafs Agefilaos, 
trotz alles perfönlichen Feldhermtalents, mit einem Heere, in 
welchem ein derartiger Geift der Auflehnung und Unzufriedenheit 
herrichte, gegenüber den gut geführten, für ihre höchften Güter 
kämpfenden Thebanern nichts Wefentliches ausrichten konnte. 
Bei einem Kampf, in welchem die Entfcheidung von Jahr zu Jahr 



1) X. Hell. V, 4, 54. 

2) X. Hell. V, 4, 47-60. 

3) Plut. Ages 26. 

4) Polyän II, 1, 7; 1, 21; 1, 20 u. 1, 18. 



^ 79 

verfchleppt wurde, mufste der Muth und die Tapferkeit der Feinde 
nur gefteigert werden. Sie verlernten die Furcht vor Spartas 
Kriegern und wurden in den fteten Gefechten mit Agefilaos' Trup- 
pen zu den Helden gefchult, die nachher in der Ebene von Leuk- 
^ tra für Theben den Sieg errangen. Das^ war ein moralifcher Ge- 
winn, der die Verlufte reichh'ch aufwog, welche die Verwüftung 
des Landes verurfachte. Dafs Spartas erfter Feldherr mit feiner 
grofsen Truppenmacht nicht im Stande war, die eine rebellifche 
Stadt zu bezwingen, mufste in den weiteften Kreifen die Achtung 
vor den fpartanifchen Waffen untergraben und fomit die Haupt- 
flütze der fpartanifchen H^rrfchaft erfchüttern ^). 

Unverrichteter Sache kehrte Agefilaos in den Peloponnes 
zurück. Zu Megara, wo er die Bundescontingente entliefs, zog 
er fich durch einen Aderbruch am Fufs eine fchwere Verletzung^ 
zu, die ihn für Jahre ans Krankenlager feffelte. Böotien hat der 
greife König nicht wieder betreten. 

Kaum war die Kriegsgefahr in Mittelgriechenland befeitigt, 
fo rüfteten die Athener unter Chabrias ihre edle gröfsere Flotten- 
expedition aus. ^unächft ging Chabrias mit feinem .Gefchwader 
in die euböifchen und thrakifchen Gewäffer ab. DieHiftiäerliefeenfich 
auch jetzt nicht dazu bewegen, dem Bunde beizutreten. Ihrer Weige- 
rung verlieh eine fpartanifche Befatzung Nachdruck, die in der Burg 



1) vergl. über den ganzen Feldzug X. Hell. V, 4, 47—58, von dessen 
eingehender Beschreibung Diodor XV, 32—34 nur in nebensächlichen Din- 
gen abweicht. Wie es beina Freunde des Agesilaos natürlich ist, sucht 
Xenophon die doch im Grunde sehr geringen Erfolge des Feldherrp mög- 
lichst hervortreten zu lasaen. Von einer auffälligen Herabsetzung der The- 
baner, wie sicT Sievers p. 207 A. 26 in Xenophons Bericht sieht, lässt sich 
bei unbefangener Kritik wenig bemerken, und ich kann daher Sievers* Zweifel 
an der Wahrheit von Xenophons Erzählung, namentlich über die Verschan- 
zung des thebanischen Gebiets, nicht theilen. Diodors Bericht ist viel zu 
flüchtig, um aus seinem Schweigen über die betreffenden Vorkehrungen 
einen Schlnss ziehen zu dürfen, und es gehört die eingewurzelte Missach- 
tung gegen die Autorität Xenophons dazu, um der skizzenhaften Darstellung 
eines späteren Compilators den Vorzug vor der eingehenden Erörterung des 
Zeitgenossen zu geben. 

2) X* Hell. V, 4, 58. PluU Ag. 27. 



8o 

ihrer Stadt Oreoslag. Chabrias verheerte das feindliche Gebiet und 
* "' ' nahmeine fiebere Pofition, die er mit Befeftigungswerken undVer- 
theidigungsmannfchaft verfah, konnte jedoch Oreos felbft nicht er- 
obern. Er fegelte dann weiter nach Norden, gewann Peparethos *), 
Skiathos und noch andere den Lakedämoniern untergebene In* 
fein*), und nahm darauf feinen Cours nach den Kykladen, wo, 
wie es fcheint, vor Allem Faros ^) fich dem neuen Seebunde an- 
fchlofs. Das Refultat diefes erften Seezuges war bei verhäitnife- 
mäfsig geringer Machtentfaltung ein recht befriedigendes. " Es 
war der Beitritt einer ganzen Reihe von Städten zum Bunde erlangt 
und der deutliche Beweis geliefert, dafs Athen mit Erfolg von Neuem 
feinen Einflufs auf der See zur Geltung zu bringen verftand. Von einer 
meerbeherrfchenden Stellung Athens, wie fie Sievers*) fchon für 
jene Zeit annimmt, konnte freilich noch nicht die Rede fein. Ge- 
rade die Flottenexpedition des Chabrias ift ein Beweis, dafe 
Athens Seemacht noch nicht zu allzugrofser Stärke gelangt war*) 



1) Seitdem Köhler erkannt, (C. I. A. ü, 17) dass die 5 ersten Ban- 
desstädte von einer Hand, Theben n. d. enböischen Städte dann von einei 
anderen eingezeichnet sind, nnd dass eine ,,tertia manus^ endlich d. Perin- 

. thier, Peparethier etc. hinzugefügt hat, sind Busolt's p. 745 f. Erklärangs- 
1 versuche der scheinbar unterbrochenen chronologischen Reihenfolge hinföl- 
( lig geworden. 

2) Damals wurde wol auch Ikos in den Bund aufgenommen c£ C. 
I. A. II, 22. 

3) Busolt p. 747 hat . überzeugend gegen Schäfer D L p. 38 v^iBgt 
führt,' dass Faros noch vor der Schlacht bei Naxos Glied des Bandet 
wurde. Ebenso treffend ist seine Polemik gegen d. Annahme von RehdaDti 
(Vitae Iphic. etc. p, 54, 57, 202), dass dem Timotheos d. directe Leitung* der ea- 
böischen Angelegenheiten zuzuschreiben sei. R. stützt sich dabei anf Plat 
d« gl. Ath. b. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass diese gelegentliche 
auch aus anderen Gründen schiefe Notiz Plntarchs dem Bericlfte Diodor's ge 
gentiber nicht in Betracht kommen kann, der bei den athenischen Seeunterneh 
mungen entschieden auf Ephoros fusst und mehrfach Chabrias als Leitei 
der Expedition bezeichnet. Auch Schäfer^s D. l, p. 33 VermitteluugsversaclM 
zwischen den divergirenden Quellenangaben sind verfehlt, wenn sich and 
natürlich nicht die Wahrscheinlichkeit einer regen Betheiligung des TLimo- 
theos bei Reorganisation der Kriegsmacht, des Finanzwesens u. der bandes- 
genössischen Verhältnisse in Abrede stellen lässt 

4) p. 219. 

6) vergU Schäfer D. I, p. 35. BusoU p. 756 folg. 



^ 81. 

und dafs fie noch nicht wagen durfte entfcheidende Operationen 
gegen Lakedämons Stellung im Archipel zu unternehmen. Moch- 
ten durch die für den Anfang immerhin anerkennenswerthen Er- 
folge des Chabrias fich die maritimen Bundesgenoffen auch beun- 
ruhigt fühlen, für Sparta felbft fchien noch kein Grund vorzu- 
liegen, von der einmal eingefchlagenen Politik abzuweichen, be- 
fonders jetzt, wo es eben durch Theben einen empfindlichen Ver- 
lud erlitten hatte. Im Herbft 377 hatten nämlich die Thebaner, 
denen zwei Sommer hindurch die Enidte vernichtet worden war, 
Schiffe ausgerüftet, um fich Getreide aus Theffalien kommen zu 
laffen. Der Transport wurde vom fpartanifchen Harmoften Al- 
kestas in Oreos abgefangen. Aber der Sieg wandelte fich durch 
die Sorglofigkeit des fpartanifchen Führers in eine Niederlage. 
Es gelang der gefangengefetzten Schiffsbemannung fich der Hurg 
zu bemächtigen und die Stadt zum Abfall zu bewegen. Die wich- 
tige Pofition auf Euboea war den Spartanern verloren ^). Die Er- 
bitterung gegen Theben war durch diefcn Vorgang natürlich noch 
gefteigert und mit Beginn des kommenden Frühlings rückte 
Kleombrotos von Neuem gegen Böotien aus. Diesmal fah er fich 
die Kithäronpäffe durch eine thebanifch-athenifche Befatzung ver- 
legt. Er fühlte fich nicht ftark genug auch nur den Verfuch zu 
wagen, mit Gewalt den Uebergang zu erzwingen, und kehrte fo 
unverrichteter Sache in den Peloponnes zurück. Die ganze Aus- 
J rüfhing, die koflfpielige Mobilifirung war vergebens ins Werk ge- 
[ fetzt worden. Es war nur zu natürlich, dafs bei der nächften Tag- 
f fatzung in Sparta die Bundesgenoffen lebhaften Protefl erhoben 
gegen die fchwächliche und kurzfichtige Continentalpolitik ihres 
jj Oberhauptes. Sie führten mit Recht aus, dafs der Angriff gegen 
si die verbündete Macht gerichtet werden muffe, dafs die einfeitige 
Bekämpfung Böotiens erfolglos bleiben würde, ja, dafs nach den 
Erfahrungen des letzten Feldzuges felbfl dafür das Vorhandenfein 
r einer Flotte ein nothwendiges Erfordernifs wäre. Die Anficht 

zi 






1) X, HelU V, 4, 56 u. 57. 



82 

drang durch, und Sparta mufste fich wol oder übel zu einem See 
krieg entfchliefsen. Behielten die Lakedämonier auch femer nod 
den Kampf in Böotien felbft im Auge ^). fo ward doch jetzt de 
Hauptfchauplatz der militairifchen Operationen auf die See ver- 
legt. In kurzer Zeit fchon fegelte Pollis, der lakedämonifche Ad- 
miral , mit einer 60 Schiffe ftarkcn Flotte in die Gewäffer vob 
Aegina, Keos und Andros. Es galt von Neuem das Manöver des 
Lyfander auszuführen, Athen von der überfeeifchen Zufahr ato 
fchneiden und fo die Stadt zur Ergebung zu z\^ing'en. Nur tA 
genauer Noth*) konnte eine Getreideflotte, die vom Hellespont 
nach Athen beftimmt war, fich vor den feindlichen Kreuzerfchiffa 
in den Hafen von Geraistos auf Euboea retten. Die HauptftaA 
blieb ohne Proviant und gerieth in nicht geringe Verlegenheit 
Mit regem Eifer würde in Athen eine Flotte gerüftet, die unter 
der bewährten Führung des Chabrias in See flach. Pollis wagte 
nicht fofort einen Angriff zu unternehmen: fo konnte Chabrias 
ungefährdet die Blokade paffiren. Er wandte fich jetzt, v« 
Faros aus vielleicht herbeigerufen, gegen das feindliche Naxos 
Die beginnende Belagerung hatte wol mit den Zweck, den Sdiafr 
platz der Operationen zu verlegen. Pollis mufste zum Entfatz dff 
bedrängten Infel herbeieilen, und der athenifche Admiral hatte 
dann feine nächftUegende Abficht erreicht, feine Stadt vcjn (te 
Blokade und der drohenden Hungersnoth zu befreien^^). In dtf 
Gewäffem zwifchen Faros und Naxos kam es zur Schlacht, Xenoplioi 



1) X. Hell. V, 4, 62. VI, I, 1. Diod. XV, 37. Plut. Pel. 16 und«. 
Ages 27. 

2) Dass das Ehrendecret für Phanokritos von Parion (C. I. A. U A 
Dittenberger S. 1. G. I 58) sich nicht, wie Böckh (n. 1. G. I 84), 8di|ftr 
(Demosth. I. p 35 u. A annehmen, anf^ie Operationen bei Naxos besieht, 
sondern wahrscheinlich auf Vorgänge während des korinthischen Krieg» 
(X. Hell. V, 1, 25, 26). hat Foucart (Rev. arch. 1877 XVm p; 399 fi^) 
erwiesen. 

3) Obwol Xenophon uns, wo es sich am Seeunternehmun^en handelti 
meistens im Stich lässt, so giebt er doch, wie hier, (V, 4, 61) eine siemlick 

1 ausführliche Schilderung, sobald die Interessen Spartas direct bei dentelbes 



83 

berichtet nur ganz kurz über den Verlauf derfelben* Auch die einge- 
hende Schilderung bei Diodor ^), die wol aus Ephoros (lammt, bietet 
kein vollkommen klares Bild, und wir können uns daher den Gang 
des Kampfes nicht mehr genau vergegenwärtigen. Nach heifsem 
Gefecht gewannen die Athener die Oberhand. Die Flotte der 
Spartaner ward faft gänzlich vernichtet, obwol Chabrias feinen Sieg 
nicht bis zu Ende verfolgen konnte. Denn des Schickfals eingedenk, 
das die Feldherrn nach der Arginufenfchlacht erlitten, wandte er 
nach erfochtenertl Siege feine nächfte Sorge den eigenen Verwun- 
deten und Todten zu. Beutebeladen ^) fegelte er dann zurück 
in den Peiraieus, und die überfchwenglichen*) Ehrenbezeugungen, 



betheiligt sind. Nach seiner Darstellung ist die freie Getreidezufuhr die / 
Folge der Schlacht bei Nazos. — Man hat hierin einen weiteren Beleg für 
die Verkleinerungßsucht des Schriftstellers zu finden gemeint u. mit Sievers 
p. 220 Schäfer D. I, p. 36 etc» sich dem Berichte Diodors XV, 34 zugewandt, 
nach welckem Chabrias zunächst die Blokade gebrochen , die Zufuhr gesi- 
chert und dann die Offensive ergriffen habe« Wie er ohne Schwertatreich 
dies Resultat einer ebenbürtigen Flotte gegenüber erreicht, bleibt hierbei 
freilich unerklärt. Nicht weil die Zufuhr gesichert war, sondern um sie zu 
sichern, begann Chabnas die Belagerung von Naxos. Diese Auffassung 
steht auch mit Xeuophon im vollsten Einklang. 

1) XV, 35 u. dazu Plut. Phokion 6. Polyaen III, 2, 3. 

2) Nach Demost. contra Lep. c. 17 p. 480, dem Grote (V, p» 411, A. 
117) folgt, wurden 49 laked. Trieren genommen, 3000 Gefangene gemacht 
110 Talente erbeutet* Nach Diod. wurden 24 laked. Schiffe zu Grunde ge- 
richtet, 8 sammt der Mannschaft gefangen. Die Schol. zu Aristid. Panath* 
(p. 91, 380, 500) stimmen in der Zahl der vernichteten Schiffe überein, 
während sie die erbeuteten auf 2 angeben. Rehdantz p. 60 folgt 
Diodor. Sievers p. 222 sucht beide Angaben dadurch in Einklang zu 
bringen, dass er annimmt, Chabrias habe, nachdem er den Pflichten gegen 
seine Mitbürger genügt, noch weiter die laked* Schiffe verfolgt u. dabei die 
Zahl der firbeuteten von 24 auf 49 gebracht* Nach Lachmann I p. 281 A. 3 
wäre bei Diodor TeccaQaxovia vor oxrco ausgefallen : Uebereinstimmung 
zwischen Demost* u. Diodor wird freilich auch dadurch nicht erreicht. Da 
die UnZuverlässigkeit in Zahlenangaben bei beiden Autoren hinlänglich be- 
kannt , und es Grote die Glaubwürdigkeit d. Demosth. hier zu erweisen, 
wie mir scheint, nicht gelungen ist, so kann man in der Frage zu keinem 
sicheren Resultat gelangen. 

3) Dem. gegen Lep. 84-86 p, 482, aOf. 146 p. 501, 28f. Dem. gegen 
Arist. 198 p. 686. 23. 



84 

die das dankbare Volk feinem Helden darbrachte, beweifen, wie 

fehr man die Bedeutung diefes, nach fo langer Zeit zum erflen 

Mal aus eigner Kraft erkämpften Sieges zu fchätzen wufste. 

Und in der That, der Sieg hatte die weittragendften Folgen 

Zunächft wurde wol die Uebergabe von Naxos^) erzwungen und 

eine Reihe von Infelftaaten für den neuen Bund gewonnen'). 

'• Für die weitere Ausbreitung deffelben fcheint in hervorragendem 

I Mafse der junge Phokion thätig*). Mit einer Triere fe- 

gelte er von Staat zu Staat, erreichte durch feine Ueber- 

redungskünfte den Anfchlufs neuer Mitglieder und führte den 

Athenern reiche Geldbeiträge zu*). Die Athener waren wieder 

Herren im ägaeifchen Meere. Es galt jetzt, nicht auf halbem 

Wege flehen zu bleiben, fondem voll und ganz die Herrfchafl auf 

der See zur Geltung zu bringen. So rüfleten fie im Frühling 375 

— 9 



1) vergl. Schäfer D. I, p* 88. Busolt hat p. 757 folg. den- Beweis 
erbringen wollen, dass Nazos nie zum Bunde gehört habe. Dagegeo 
hat schon Hahn p. 465 nnit Recht polemisirt Die Frage wird entscbiedei 
durch d? üeberbleibsel eines Vertrages zwischen Naxos u. Athen, der voa 
Herausgeber Kumanudis ^Ad'ijvatov VH, p. 95 in das erste Viertel d. 4 
Jahrh. gesetzt ist. 

2) Dem. geg. Lept. p. 480. 

3) Plut. Phok. 7. 

4) Nach dem Peephisma über den Grundbesitz müssen wir annehmee, 
dass es von vornherein keine Bnndessteuern gab. Die Mitglieder waren 10 
gegenseitiger Unterstützung verpflichtet. Die praktischen SchwiengkeiteB 
aber, die sich namentlich für die kleinen Staaten aus dem persönliche! 
Kriegsdienst ergaben, führten bald, wie beim ersten Bunde, zum Modiu 
durch Geldbeiträge, die anstatt des verhaseten Wortes „(poQog** durch Kalli* 
Stratos mit „ffwrajag'* bezeichnet wurden (vergl. Harpoc. sub voce), die 
persönliche Verpflichtung zum See- und Kriegsdienst abzulösen. Schon ii 
priori ist daher die Annahme Busolts unwahrscheinlich, alle Bundesgenossen! 
hätten Beiträge gezahlt (p. 703 folg.) Dass Theben keine owra^sig ent-l 
richtete, bezeugt X, Hell. VI, 2, I , eine Stelle, die Lachmann I p. 290 falsch 
interpretirt, wenn er aus ihr folgert, die Thebaner hätten 374 nicht mehri 
zur Bundeskasse beigesteuert. Davon steht bei Xenophon nichts. Dass auch 
Korkyra keine Beiträge zahlte, macht Hahn p, 458 wahrscheinlich. Jeden- 
falls darf man nicht aus Xen, Worten (Hell. VI, 2, 9,). wie Lenz pi 22 ef 
thut, das Gegentheil erschliessen. Isokrates Aret>pag, 2 giebt den unzwei- 

( deudigsten Beleg für die Richtigkeit der hier entwickelten Ansicht. 



8s 

eine doppelte Flotte aus.v Xenophon^) berichtet, die Thebaner feien 
die intellectuellen Urheber diefer Seeuntemehmungen gewefen, für 
die fie plaidirt, um freie Hand für ihre Pläne in Böotien zu gewinnen. 
Von diefer in Sparta herrfchenden AufTafTung ift entfchieden fo- 
viel richtig, dafs den Thebanem die Veränderung des Kriegs- 
fchauplatzes höchft erwünfcht fein mufste und dafs fie es an Ueber- 
redung in diefer Richtung wol nicht haben fehlen lafTen. Allein die 
weiteren Operationen zur See waren doch fchon die nothwendige 
Folge des Siöges von Naxos, wenn man nicht von vornherein auf 
die Refultate deffelben verzichten* wollte. Mit der einen neu aus- 
gerüfleten Flotte ging Chabrias in die thrakifchen Gewäffer. Dort 
verheerten Triballerhorden das Küftenland, Nachdem fie zuerfl 
unterlegen, war es ihnen fpäter gelungen fall die ganze waffen- 
fähige Mannfchaft der Abderiten aufzureiben und die Stadt mit 
einer engen Blokade zu umgeben. Da traf Chabrias mit feiner 
Flotte ein und fchlug die Barbaren aus dem Lande. Die nächfle 
Folge diefes Sieges waj der Beitritt von Abdera zum Bunde. 
Diodor*), der die einzige Quelle für diefen Zug des Chabrias ifl, 
endet hier feinen Bericht mit einer irrthümlichen Notiz über den 
Tod des Feldherrn. Aus der Reihenfolge in dem infchriftlichen 
Verzeichnifs der Bundesgenoffen dürfen wir fchliefsen*), dafs auch 
noch Thafos, die Chdkidier in Thrakien, die Ainier, Samo- 
thraker und Dikäiopoliten damals für den Seebund ^Wonnen 
find. Weiter wiffen wir von den Erfolgen des Chabrias nichts, 
Fefl fteht es keineswegs, wie Bufolt*) annimmt, dafs der An- 
fchlufs der von Andros bis Neapolis auf der Stele nach den Ke- 
phalleniem etc. verzeichneten Städte mit der Expedition des Cha- 
brias zufammenhängt. Es ift dies fchon deshalb eine grundlofe 
Hypothefe, weU keine gcographifche Ordnung in diefem Ver- 
zeichnifs fich findet. Ich kann daher auch nicht Schäfers*) An- 



1) Hell. V, 4, 6i. 

2) XV, 36. 

3) vergl. Schäfer D. I, p. 39* Dittenberger S. I. G. I p. 114. 
A) p. 767. 

5) Demost. I, p. 52. Ihm stimmt Cortius HL, p* 291 bei. 



86 

ficht beipflichten, dafs Timotheos auf feinem Zuge im Jahre 373 
diefe 19 Staaten dem neuen Seebunde einverieibt habe — ganz 
abgefehen davon, dafs gegen diefe Annahme auch noch andere 
Gründe fprechen. Wir muffen hier die ars nesciendi üben: 
nur foviel fteht feft, dafs jene Städte wol vor 374 dem Bunde bei- 
getreten find; über das Nähere läfst fich beim jetzigen Stand 
unferer Nachrichten keine Vermuthung ausfprechen. 

Mittlerweile hatte Timotheos mit der zweiten, 60 Schiffe') 
ftarken Flotte feine Fahrt ins ionifche Meer angetreten. Er um- 
fegelte den Peloponnes, wol nicht ohne verheerende Landungei 
auszuführen ^), und legte dann bei Kephallenia an. Die Palläer, 
die gröfste Gemeinde auf diefer Infel, eröffneten die Reihe der 
athenifchen Bundesgenoffen im Wellen. Von^ dort ging Timo- 
theos weiter nach Korkyra, wol von der ftarken demokvatifchefi 
Partei auf der Infel herbeigerufen. Ift auch der bei den Rednern *) 
von der Gewinnung Korkyras gebrauchte Ausdruck: ,,7V/io^M$ 
KoQxvQay slXsv"^ eine Uebertreibung, fo berechtigen doch die Worte 
des Xenophon zur Annahme, dafs Timotheos zunächft den Wi- 
derftand einer herrfchenden feindlichen Partei zu überwinden hatte. 
Seine weife Mäfsiguhg, die er hierbei bewies, der Umftand vof 



1) fto nach X. Hell. V, 4, 63, dessen Angabe Grote V, p. 413 fol^ 
Schäfer D. I, p. 44 hält Isokrates' Notiz, (nsQl avTiS. § 109), Timotheos habe nur 
50 Schifife gehabt, für glaubwürdiger, da die Pelop. doch Allee aofgebotcB 
haben werden, um nicht, wie bei Naxos, in schwächerer Zahl dem Feinde 
entgegenzutreten. Auch die Angaben bei Polyaen lU, 10, 6. 13, 10 und 
Frontin ü, 5, 47 lehrten, dass Timotheos den Sieg nicht seiner Uebermaelit, 
sondern der geschickteren Manövrirungskunst verdanke. Allein nach 2«- 
nophon hatte Nikolochos 55 Schifife während des Kampfes ohne d. 6, odei 
— wie Rehdantz p. 69 A* 77 aus Polyaen IQ, 10, 17 schliesst, — die 10 
ambrakischen Schifife abzuwarten. Mithin war d« pelopon. Flotte imnieTii^ 
in der Uebermacht. Und Polyäns und Frontins Notizen Über die EiDxel* 
heiten des Kampfes kommen bei der bekannten Vorliebe jener Schriftsteller, 
jeden Erfolg auf eine besondere Kriegslist zurückzuführen, der AntoritiU 
eines Zeitgenossen gegenüber doch überhaupt nicht in Betracht 

2) Nepos Tim. 2. X. Hell. VI, 'i, 28. 

3) Isokr. neql avnS. § 111* Dem. geg. Lep. § 77 Nepos Tim. t Boaolt 
p. 768 A. 1. 



87 

1^ Allem, dafs er die Freiheit und Verfaffung') des Staates nicht 

. antaftete, gewann ihm die mächtige Infel, die über eine bedeu- 

„ tende Flotte gebot und durch ihre Lage für die Seeherrfchaft im 

; ionifchen Meer eine der wichtigften Pofitionen bildete. Timotheos 

\. Verhalten erweckte das Vertrauen auch der benachbarten Staaten; 

die Könige der Molotter in Epiros, die auch über die Athamanen 

am Pindos und die Chaonen an der Küfte herrfchten *), traten der 

athenifchen Bundesgenoffenfchaft bei. Als dann Timotheos 

im Laufe des Sommers wieder füdwärts fegelte, gewann er 

die Pronncr auf Kephallenia und die akarnanifchen Städte. Die 

Spartaner konnten natürlich diefe immer weitere Ausdehnung 

der athenifchen Seemacht nicht ruhig hinnehmen. Lag die 

Gefahr doch nicht mehr fern, dafs der Peloponnes von 

einem Gürtel athenifcher Bundesgenoffen umgeben wurde. Sie 

hatten eine Flotte von 55 Schiffen ausgerüftet, die unter dem 

Befehl des Nikolochos gegen den Feind auslief. Der verwegene 

fpartanifche Admiral begann auf der Höhe von Alyzia , ohne die 

ambrakifche Verftärkung abzuwarten, den Kampf, fobald er nur 

der feindlichen Flotte anfichtig wurde. Die Schlacht, bei der uns 

Polyaen ^) intereffante Details über die Manöver des athenifchen 

Strategen zu berichten weifs, endete mit einer Niederlage der 

Spartaner. So glänzend freilich, wie bei Naxos, war der Sieg nicht. 



1) Schafer Dem. I p. 41 A. 1 nimmt, gestützt auf Diod. XV, 46 gegen 
Sievers p. ^24 an, dass damals in Korkyra keine Aristokratie herrschte 9 nnd 
allerdings finden wir schon um das Jahr 374/3 die Demokraten am Ruder. 
Aber bei der Leichtigkeit, mit welcher die Griechen überhaupt ihre Verfas- 
sungen von heute auf morgen änderten hat das an sich nichts Wunderbares, 
und die Worte des Xenophon (Hell. V, 4, 64 ovre vofiavg iier^attjcsv) 
haben doch nur dann einen Sinn, wenn damals eine oligarchische Regie- 
rung auf der Insel bestand* Man konnte doch nicht die Erwartung hegen, 
der atheo. Stratege werde im Kampf gegen d. aristokrat, Sparta die Demo- 
kratie auf Korkyra stürzen* Vergl. Hahn p. 4G4 der sich auch mit Recht 
gegen Busolts p. 741 Auslassungen über d« Aufnahme Korkyras in den 
Seebund wendet« 

2) Nepos Tim. 9. Strabo 7, 323 nach Theopomp, siehe auch X* Hell. 
VI, % 10. 

3} m, 10, 4. e. 17 etc. 



88 

Nach dem Eintreffen der ambrakifchen Verftärkung konnte JKko- 
lochos von Neuem eine Schlacht anbieten, doch wagte er. bei der 
kampfbereiten Stellung feines Gegners keinen Angriff, Durdi 
einen Zuzug von Korkyra brachte Timotheos dann feine Flotte 
auf 70 Trieren *) und verharrte in feiner Pofition auf dem wni- 
fchen Meere, während die von ihm gewonnenen Staaten in Athen 
ihren formellen Eintritt in den Bund betrieben*). 

Die Thebaner hatten die ihnen durch den Seekrieg vergönnte 
Ruhezeit und das Ausbleiben von fpartanifchen Einfallen nicht un- 
benutzt verftreichen laffen. Wir find über die in Theben fich abfpie- 
lenden Ereigniffe während jener Zeit, über die inneren Reformen, ja 
felbft über den Gang des Kampfes in Böotien faft gamicht untenidi* 
tet. Aus den wenigen^) Notizen bei Xenophon können wir entnehmen, 
dafs die Thebaner unentwägt und mit allen Mitteln ihrem Ziele zo- 
ftrebten — der Vereinigung von ganz Böotien unter dem Scepter 
der Kadmeiaftadt. — Es war dies das Programm, das die Patrioten 
partei fchon beim Sturz der Tyrannenherrfchaft ausgegeben. Wie 
Athen und Attika, Sparta und Lakonien, fo follten auch Theben 
und Böotien identifche Begriffe fein*). War auch in faft allen 
böotifchen Städten eine ftarke Partei diefen Beftrebungen günft^ 



1) X. Hell. V, 4, 63-66. 

2) Uns Bind die Fragmente des Decrets tiber die Aufnahme der 
Korkyräer, Kephallenier und Akarnaner noch erhalten. C. L A* IL 
49 und 49b p« 399. Dittenberger S. I. G. I, 65. Das Decret f&llt 
in den August oder September 375. Es scheint mir unrichtig, wenn 
Schäfer Demost. I, p. 40 A. 4 aus dem Umstand, dass die Korkyzftcr 
auf der Stele (G. I. A. II, 17) yor den thrakischen Gemeinden eingeseich- 
net sind, die Folgerung zieht, Timotheos sei früher in Korkyra geweaen, 
als Chabrias nach Abdera kam. Da nach dem Decret (G. I« A. II, 49) die 
Korkyräer, Kephallenier u. Akarnaner gleichzeitig aufgenommen und Üu« 
Namen doch im Verzeichniss räumlich von einander durch Einschiebang der 
thrakischen Städte getrennt sind, so müssen die Verhandlungen über die 
Aufnahme der Ost- u. Weststaaten wol ganz in die gleiche Zeit fallen, n, 
es ir^t wol nur einem Zufall zuzuschreiben, doss gerade mit den Korkyrftern 
die Reihe der neu einzuzeichnenden Mitglieder eröffnet wurde. 

8) X. Hell. V, 4, 63. VI, 1, 1 u. VI, 4, 10. 

4) Es zeugt von vollkommenem Misskennen des wirklichen Sachverbal- 
tes, wenn Diodor XV, S8 von einer xoivfj avufiaxla t&v Boiun&v «prichU 



89 

gefinnt, erfolgte auch mancher freiwillige Anfchlufs, fo ging es 
doch in der Regel nicht ohne harten Kampf ab. ^) 

lieber die Details der Kämpfe erfahren wir gerade in die- 
fer Zeit wenig ^) — nur über das berühmte bei Tegyra gelieferte 
Gefecht, in welchem Pelopidas die an Zahl doppelt überlegenen 
Gegner unter Anführung des fpartanifchen Harmoften aus Orcho- 
menos fchlug, befitzen wir eingehende Schilderungen bei Diodor 
und vor Allem bei Plutarch*). Pelopidas hatte mit feiner heiligen 
Schaar einen Handftreich gegen Orchomenos geplant, da er 
in Erfahrung gebracht, dafs die Befatzung der Stadt einen 
Streifzug nach Lokris unternommen. Da indefTcn eine neue 
Befatzung zur Ablöfung eingetroffen war, mufste er von feinem 
Unterfangen abftehen und fich zum Rückzug entfchliefsen. Auf 
dem Marfche traf er mit den aus Lokris zurückkehrenden feind- 
lichen Truppen zufammen. Ungeftüm begann er im engen 
Terrain mit feftgefchloffener Schaar den Angriff» Der doppelt 
überlegene Feind fah fich bald genöthigt feine Reihen zu öffnen, 
um den Thfebanem den Durchzug freizugeben. Allein Pelopidas 
machte von diefer Erlaubnis keinen Gebrauch und beharrte beim 
Kampf, bis die Gegner iii wildem Schrecken flohen ^). Mag diefe 



1) ^QaG£CüQ iCTQaTsiovTo — sagt Xenophon — inl rag nsQioixiSag 
noXeig xal nakiv aivaq avekaußavov. 

2) Die Siege bei Platäae and Tanagra, von denen Plut. Pel. 16 spricht 
und die Grote V, p* 415 in das Jahr 876 folg. setzt, fallen , wie der ganze 
Zusammenhang der Stelle u. X« Hell. V, 5, 44 lehren, nach dem ersten Ein- 
fall des Agt'silaos. 

3) Diodor XV, 37. Plut Pelop. 16. 17. Auch X. Hell. VI, 4, 10 spricht 
in anderem Zasammenhang von den Kämpfen bei Orchomenos, 

4) Das Treffen bei Tegyra fand nach Diodor XV, 37 gleichzeitig mit 
den Operationen d. Timotheos statt, d. h. im Jahre 375, vergl. Hertzberg 
p. 843 A. 70. Cnrtius' „Zeittafeln** p. 100 setzt die Schlacht ins Jahr 374. Er 
lässt die hier geschilderten Kämpfe erst nach dem Friedensschluss zwischen 
Sparta und Athen vor sich gehen (HE, p. *i90 ). Es ist dies mit der Dar- 
fteilung des Xenophon unvereinbar, der erst den Einfall der Thebaner 
nach Phokifl, darauf die Bemühungen des Polydamas in Sparta und dann 
erst die Friedensverhandlungen zwischen Athen und Sparta beschreibt Es 



90 

Darflellung Plutarchs immerhin ein wenig zu Gunllen der 
Thebaner gefärbt fein , es war doch der erfte Sieg , der über 
die Lakedaemonier in freiem Felde von geringerer TruppenzaU 
erfochten wurde. Das Selbftgeflihl der Thebaner mufste durdi 
folchen Erfolg gefteigert, ihre Thatkraft von Neuem angefponit 
werden. Zu Beginn des Jahres 374 ')> f'^g* Xenophön, war der 
Widerftand der böotifchen Städte gebrochen. Ob freilich alle 
Städte fchon damals dem Bunde einverleibt waren, fcheint nadi 
Diodor fraglich. Er berichtet ausdrücklich , dafs Piataeae und 
Orchomenos noch längere Zeit ihre Unabhängigkeit bewahrt hät- 
ten*). — Jedoch fühlten fich die Thebaner fo fehr fchon als 
Herren im eigenen Haufe, dafs fie daran denken durften, auch 
über die Grenzen Böotiens hinaus ihre fiegreichcn Waffen zu tra- 
gen. Zunächft ging es gegen Phokis. Es befland fchon von 
früher*) her Feindfchaft zwifchen den Nachbarftaaten ; zudem 
hatten die Phoker fich noch in der letzten Zeit als eifrige Bun- 
desgenoffen der Lakedämonier bethätigt*). Auf das Hilfegefudi 
der bedrängten Freunde wurde Kleombrotos^) mit vier lakecß- 
monifchen Moren und einem Hilfscorps Verbündeter auf dem See- 



liegt kein einziger, zwingender Grund vor von der Autorität des zei^ 
genössiscben Gewährsmannes abzuweichen. 

1) Vergl. Manso |,Sparta« m, 2, 211. 

2) Lachmann I, p* 285 und Sievers p. 2tl widersprechen dem, da Orcho- 
menos vor seiner Zerstörung (364/3) im Bündniss mit Theben war (Diod. 
XV, 79) und mit Platäae, das 374 noch nicht zerstört war, Frieden bestan- 
den zu haben scheint. Immerhin ist damit noch nicht der Beweis erbracht, 
dass damals schon der Anschluss jener Städte erfolgt sei» Nach Diod. XV, 
46 war Platäae bis 373 und Orchomenos bis nach der Schlacht bei Leuktra 
(Diod. XV, 57) selbständig, — ich sehe keinen Grund an der Richtigkeit die- 
ser Nachricht zu zweifeln. 

3) X. Hell, m, 5, 4. 

4) X. Hell, in, 6, 3, IV, 3, 15. Vergl. Diod* XV, 31. 

6) Clinton „Fasti Hell.^ setzt den Zng des Kleombrotos ins Jahr S7& 
Krüger, Manso ^»Sparta" m, 2, p. 211, Sievers p. 408 u. Grote V, p. 417, 
A 138 datiren ihn in den Anfang von 374. Letzterer giebt eine eingehend« 
nnd überzeugende Begründung dieses Ansatzes. Nach GurtiuB TTT^ p^ 290 
föllt auch dieser Zng natürlich erst in d. Zeit nach dem Frieden. 



91 

wege zum Beiftand gefandt. Sein Erfcheinen nöthigte zwar die 
Thebaner^) vom Angriffe abzulaffen, aber einen weiteren Erfolg 
hatte der lakedämonifche Heereszug nicht* Kleombrotos wagte 
nicht, nun feinerfeits nach Böotien einzudringen. Die Verhältnifse 
wurden indeffen für Sparta immer verwickelter. Im Norden hatte 
fich ein neuer gefährlicher Feind erhoben — der Tyrann lafon 
von Pherae. Was fein Vorgänger und Schwiegervater*) Lykophron 
angebahnt, er führte es aus. Es waren hohe, ehrgeizige Pläne, mit 
denen er fich trug. Zunächft galt es die Einigung von Theffalien 
unter feinem Sccpter. Er wufste die verfchiedenen Gruppen von 
Stämmen an fich zu ziehen ; die Makarer, Doloper und andere Bei^- 
völker huldigten ihm, und Alketas, derMolofferkönig in Epirus,wurde 
ihm unterthan. Eine Stadt Theffaliens nach der anderen ward 
zum Anfchlufs genöthigt, und da lafon vereinigen, nicht zerftören 
wollte, fo gewährte er den fich unterordnenden Städten die an- 
nehmbarflen Bedingungen. Im Jahre 374 trotzte nur noch Phar- 
falos. Auch 'dort hatte eine demokratifche Bewegung ftattgefun- 
den. Zur Vermittelung der Anfprüche der verfchiedenen Stände 
war Polydamas*), eine hervorragende Perfönlichkeit unter dem 
alttheffalifchen Adel erwählt. Diefer fpeciellen Verhältniffe wegen 
legte wol lafon das giöfste Gewicht auf eine friedliche Aus- 
gleichung. Denn wurde auch die Tyrannis durch die Spaltung 
des Adels begünftigt, fo fland fie doch ficher zum Theil auf 
demokratifchem Boden. lafon forderte den freiwilligen Anfchlufs 
von Pharfalos: als Polydamas erklärte, er könne nicht ohne jeg- 
lichen Grund vom verbündeten Sparta zu den Feinden abfallen, 
verftattete er ihm eine Frift, um lakedämonifche Unterftützung 
nachzufuchen. Diefer Edelmuth war für den Tyrannen gefahrlos. 



1) X. Hell. VI, a, h ' 

3) Seit Wachsmath „Hell. AUerth.«^ I, 2 p. 327 wurde allgemein 
angenommen, dass lason der Sohn des Lykophron sei. Dagegen haben Pahle 
„Zur Geschichte der pherttischen Tyrannis' Jahrb. XCÜI, p, 533 u. Fürst 
Abamelek-Lasarelf : i,Die pheräischen Tyrannen^ (russisch) Petersburg 18S0 
p. 8 folg, mit Recht Protest erhoben* 

S; vergl. X. HelU VI, 1, 2 folg. 



.92 

da er wol vorausfah^ dafs Sparta nicht im Stande fein würde, 
einen neuen Krieg im Norden zu beginnen. Und in der That, 
Polydamas' Bemühungen in Sparta blieben erfolglos '). Den 
Lakedämoniem mag die abfchlägige Antwort fehr fchwer und 
demüthigend gewefen fein, aber es war eine reine Unmöglichkeit, 
jetzt, wo der Peloponnes durch eine athenifche Flotte bedrobt 
war, wo die Haupttruppenmacht der Spartaner in Phokis ftand, 
noch auf einem entfernteren Kriegsfchauplatz den Kampf gegen 
einen mächtigen Gegner aufzunehmen. Die Burg von Pharfalos 
mufste übergeben werden und lafon ward als Oberfeldherr 
von ganz Theflalien anerkannt. Jedoch begnügte fich der ehr- 
geizige Herrfcher nicht mit diefem Triumph, fein Streben war auf 
gröfsere Ziele gerichtet. Er begann in die griechifchen Angd^ 
genheiten mit einzugreifen. Schon vor dem Jahre 374 hatte er 
mit den Thebanern ein Bündnifs abgefchloffen ') und wol damals 
feine Operationen gegen Phokis begonnen '% «Es waren dies poK- 
tifche Conftellationen, die für die Spartaner höchft bedenklich fein 
und in ihnen den Wunfeh erregen mufsten, vor allen Dingen mit Athen 
Frieden zu haben, um freie Hand gegen die Bundesgenoffenfchaft auf 
dem mittelgriechifchen Feftlande zu gewinnen. Auch in Attoi 
felbft war man der weiteren Fortfetzung des Krieges abgeneigt 
Man hatte dem Timotheos bei feiner Expedition ins ionifcfae 
Meer nur 13 Talente mitgeben können*), die Freude überfeine 
glänzenden Erfolge wurde ftark gedämpft durch feine, gleichzci- 



1) X. Hell. VI, 1, 2— 19. 

2) X» Hell. VI, I, 10. Wenn Plutarch „G. S.<» c. 14 erzählt, leton 
hätte schon im Jahre 379 versncht den £paminonda8 dnrch Bestechungen 
zn gewinnen, so erweist sich diese Erzählung als reine Erfindung schon da« 
durch, dass Epaminondas im genannten Jahre eine viel zu wenig herTorra- 
gende Stellung einnahm , als dass ein fremder Herrscher sich von seiner 
Gunst hätte Vortheile versprechen können. Die spätere böotische Tradition 
konnte natürlich nicht genug darin thun , dem Helden von Leuktra schon 
von vornherein die Rolle des leitenden Staatsmannes zuzaertheilen. Viele 
unserer neueren Historiker, namentlich Curtius, verfallen demselben Fehler. 

3) X. Hell. VI, 4, 21—27. Grote V, p. 416. 

4) Isokr» /t€qI «vnJ, § 109^ 



93 

tigen dringenden Geldforderungen'). Man fah fich aufser Stande 
fie zu befriedigen. Es gab keinen Kriegsfehatz, und auch die Bei- 
träge floffen nicht allzureichlich. Die läftige Kaperei, die von j 
Aegina aus geübt wurde , hemmte Handel und Wandel. Und 
fchliefslich kamen die gebrachten Opfer doch vor allen Dingen 
den Thebanem zu Gute. Während Athen und Sparta den Kampf 
zur See führten, war es den Thebatiern gelungen, Böotien zu 
unterwerfen, ja fie hatten es unternehmen können, fchon gegen 
Phokis zu Felde zu ziehen. Diefe Erfolge erweckten in Athen 
die alte Eiferfucht gegen den Nachbarilaat ^). Die Erbitterung 
wurde durch den Angriff gegen Phokis, das feit alter Zeit her in freund- / ^9*» , 
fchaftlichen Beziehungen zu Athen ftand^), noch gefteigert. So 
gefchahen denn von Athen aus die erften Schritte, um eine Be- 
endigung des Krieges herbeizuführen. Es wurden Gefandte nach 
Sparta gefchickt, die mit ihren Friedensvorfchlägen dort williges 
Gehör fanden. So lautet die Erzählung Xenophons* — Eine 
wefentlich abweichende Darftellung diefer Vorgänge giebt Dio- 
dor^), und fein Bericht ift der Grund, wefshalb der Frieden von 
374 Gegenftand lebhafter Controverfe unter den neueren Gelehr- 
ten geworden. Wir können uns daher einer eingehenden Behand- 
lung der Frage nicht entziehen. Im Jahre 375*) — fo erzählt 
Diodor*) — warb Artaxerxes ein Söldnerheer für den ägyptifchen 
Krieg und befchlofs deshalb unter den hellenifchen Staaten Frie- 
den zu ftiften, weil er dann hoffien konnte, von dort her reich- 
liche Contingente für feine Truppenmacht zu erlangen. Seine Ge- 
fandten gingen nach Griechenland und forderten alle Staaten zu 
einem gemeinfamen Frieden auf Ermüdet vom ewigen Kriege 



\ j 



1) X. Hell. V, 4, 66. Nepos Tim. 2 leokr. nsQi dvriK § 1(6. 

2) vergl. X. Hell. VI, 2, |. 

3) Thukyd. ffl, 95. X. Hell. VI, 3, 1. 

4) Diod XV, 38. 

5) Diod. datirt bis c. 50 fast alle Ereignisse um ein Jahr zu früh, 
cf. Unger y,Ghronologie des Manetho^ p. 302. 

6) XV, 38. 



94 

nahm man bereitwillig die Vorfchlägc des Grofskönigs an. Die Bads 
des Friedens bildete die Autonomie aller Staaten und ihre Befreimf 
vonBefatzungen, Einquartierungen undHarmoften» Zur Erfüllung der 
letzten Beftimmung wurden befondere i^aYutyeTg erwählt. 'Nur die 
Thebaner weigerten fich auf diefe Bedingungen hin Frieden zu 
fchliefsen« Im xoivbv gvv^öqiov kam es zwifchen Epaminondas und 
Kalliftratos zu heftigem Wortwechfel. Schliefslich wurde von 
eUlen Staaten ein Friede ratificirt, von dem die Thebaner ausge- 
fchloffen blieben. Es folgt dann eine begeifterte Lobpreifung der 
thebanifchen Führer und weiter in c. 40 eine Schilderung der 
unficheren Zuftände, wie fie nach Abfchlufs des Friedens befoo- 
ders im Peloponnes hervortraten. Auf den erden Blick zeigt fidi 
die völlige Uebereinftimmung diefer Erzählung mit der Darftei- 
lung der Vorgänge im Jahre 371, wie fie Diodor^) felbft und 
ausführlicher noch Xenophon ') und Plutarch •) geben* Auch dort 
ift es Phamabazos, der den Frieden vermitteln läfst; wir finden 
dort diefelben Bedingungen. Die Autonomie, die Wegberufiu^ 
der Befatzungen und Harmoften bilden die Grundlage der Ver- 
handlungen. Der thebanerfeindliche Kalliftratos ift Vertreter von 
Athen, Epaminondas vertheidigt gegen ihn und namentlich gegen 
Agefilaos den Standpunkt feiner Vaterftadt, Auch hier kommt 
es zu heftigen Scenen. Theben wird vom Frieden ausgefchloffiai- 
Die Zuftände find nach dem Frieden, befonders im Peloponnes, 
fchwankend und haltlos, der Parteikampf fuhrt zu den fchredc- 
lichften Ausfchreitungen. Es fchien unmöglich, dafs in Wirklichkeit 
die Ereigniffe der Jahre 374 u. 371 fo bis ins Detail hinein über- 
einftimmten, und man nahm daher seit Wefieling^) an, dals hier 
bei Diodor eine Dittographie*) vorliege, einer der nicht wenigen 
Fälle, wo er fich wiederhole und unter analogen Umftänden daf- 



1) XV, 60 

2) Hell. VI, 3, 1-iO. 
3: Plut. Ag. 27 u. 28» 

4) Note zu Diod» XV, 88 

5) cf, Mei88fier I, p. 183. 



95 

felbe Ereignifs zweimal erzähle*). Gegen diefe Annahme erhob 
Rehdantz^) zuerft Widerfpruch. Er wies darauf hin, dafs Dio- 
dor XV, 50 ndXiv und ücneq y.ul ttqotsqov hinzufetzt, wenn er eine 
bereits XV, 38 erzählte Thatfache nochmals bringt. Es fei dar- 
aus erfichtlich, dafs der Verfaffer mit vollem Bewufstfein und 
nicht aus Verfehen zweimal einen faft gleichlautenden Bericht 
biete, und man habe daher nicht die minderte Veranlaffung an 
der Erzählung Diodors, wie er fie für die Friedensverhandlungen 
des Jahres 374 gebe, zu zweifeln. Rehdantz folgt nun auch bis 
ins Einzelne feiner Schilderung, die er in der Weife mit der Dar- 
fteilung Xenophons verfchmilzt , dafs er jenen Wortwechfel zwi- 
fchen Epaminondas und Kalliftratos in eine Vorberathung des 
xoivbv Gvviöqtov zu Athen verlegt, während dann der Friede felbft 
laut Xenophon in Sparta ratificirt fei. Es laffen fich jedoch gegen 
diefen Bericht Diodors gegründete Einwendungen erheben. Zu- 
nächft kann der Grofskönig keinen directen Antheil am Frieden 
von 374 gehabt haben. Der unzweideutigfte Beweis hierfür läfst 
fich aus Ifokrates* platäifcher Rede^), die im darauffolgenden Jahre 
gehalten ift, entnehmen: er fagt dort, der König hätte fich in 
der letzten Zeit der Einmifchung in die griechifchen Angelegen- 
heiten enthalten« Auf eine Fälfchung der Gefchichte konnte es 
dem Rhetor hier nicht ankommen, und er hätte doch wol kaum 
feinem Publikum gegenüber gewagt mit dreifler Stirne diefe Be- 
hauptung auszufprechen, wenn erft im Vorjahr der Frieden durch 
Perfien verjnittelt worden war^). 

Dann liegt in der Erzählung Diodors, wenigflens in der 
äufseren Faffung wie fie gegeben ift, ein Widerfpruch. Es kann 
unmöglich in ein und demfelben Friedensinftrument, in welchem 
den Mitgliedern Autonomie und Befreiung von jeglicher militai- 
rifcher Befatzung garantirt wurde , die Abmachung verzeichnet 

1) vergl. Kortüm ü, p» 95. Grote V, p. 433, A. 173. Lachmann I, p. 300. 

2) Vitae Iph. etc p 72 folg. 

3) Plan 4t. 

4) vergl. darüber d. Überzeugenden Auseinandersetzungen von ün- 
ger ^Chronologie d. Manetho" p. 302 folg. 



gcwefen fein: Sparta foUc die Land-, Athen die Seehegemonie 
haben.*) Und fchliefslich-entfpricht es nicht deni Sachveilialt; 
wenn Diodor im Jahre 374 die Thebaner htmtovSoi, werdee 
läfst. Wir können hier zunächft mit einem argumentum a 
filentio operiren. Xenophoh,. der eingehend das Verhältoi& 
zwifchen Athen und Theben befpricht*), den die Ausfchliefsung 
des ärgften Feindes der Lakedämonier vom allgemeinen FriedcM- 
vertrage aufs Höchfte intereffiren mufste, wie er denn diefen Vor- 
gang beim Frieden 371 mit minutiöfefter Genauigkeit befchrdbt, 
hätte gamicht umhin gekonnt bei der Erzählung vom Friedens- 
fchlufs zwifchen Sparta und Athen ein folches Ercig^fs zu er- 
wähnen, oder wenigftens bei der ausführlichen Schilderung der 
Verhandlungen im Jahre 371 anzudeuten, dafs Theben fchon frü- 
her in der gleichen Lage gewefen fei^. Sein Schweigen ift 
eigentlich fchon beweifend. Nun fehen wir aber noch aus <te 
Rede des ApoUodor gegen Timotheos*) und aus Ifokrates' Platäi- 
kos*), dafs die Thebaner im Jahre 373 noch Mitglieder des See- 
hundes waren, dafs fie ihre Schiffscontingente Hellten und aus der 
Bundeskaffe Befoldung für ihre Mannfchaft zu beanfpruchen hatten. 
An eine Ausfchliefsung der Thebaner vom Frieden 374 ift aHb 
nicht zu denken. Auch Schäfer^) und Curtius') haben fich nidit 
ganz der Berechtigung diefer Ausftellungen an der Erzählung Dio- 
dors verfchloffen : dennoch fuchen fie feine Darftellung in der 
Hauptfache zu retten. Den Paffus über die perfifche Vermitt^ 
lung laffen fie freilich fallen und berichten nach Xenophon daft 
von Athen die Initiative zur Beilegung des Krieges ausgegangen 
fei. Auf die von Diodor mitgetheilten Bedingungen hin wait 



1) Ol fi€v Tl^g xarä yrjv — sagt Diodor XV, 38 - 01 &e r^g xofi 

2) X. Hell. VI, 2, 1. 

3) Vergl. Busolt p. 774 folg. 

4) Apoll, gegen Tim. lO, H, 21, 49. 

5) Plat. 21, 34, 43. 17. 

6) Dem. a. s. Z. I, p. 46. 

7) m, p. 286. 



97 

dann zu Sparta zwifchen den Athenern und Lakedämoniern ein 
Vertrag vereinbart worden, der fpäter den Abgeorcfiieten des 
Seebundes zur Beftätigung vorgelegt fei ^). Auf diefer Tag- 
. fatzung war ^s, — fo fchildern Schäfer und Curtius weiter — 
wo Epaminondas in ebenbürtiger Weife gegen den gröfsten Red- 
ner Athens, Kallistratos, die Intereffen Thebens vertrat. Seinen 
Aufträgen gemäfs weigerte er fich den Frieden anders, als im 
Namen von ganz Böotien zu unterzeichnen. Die Folge davon 
war, dafs Theben von der Theilnahme am Vertrage ausgefchlof- 
fen wurde. In Theben aber habe dann doch bei reiflicher Erwä- 
gung die Scheu gefiegt, einen Kampf 'zu beginnen, dem die 
Kräfte der Stadt noch nicht gewachfen fchienen \ eine zweite Ge- 
fandtfchaft fei, — wie Weifsenbom^ aus Ifokrates* Plat. 14^) 
richtig gefolgert, — daher nach Athen gefchickt, um einzulenken 
und den Frieden zu unterzeichnen, fo wie es die übrigen Staaten 
verlangten. So finden wir bei Schäfer und Curtius die Ereignifse 
von 374 dargeftellt. Ich halte es für methodifch falfch, aus der bei 
Diodor vorliegenden Schilderung der Friedensverhandlungen von 
374, bei der man, um der Wahrheit gerecht zu .werden, den An- 



1) Schäfer D. I, 48 A. 1 u. Curtius III, 286 nehmen wol nur deshalb 
gegen Biodor eine doppelte Verhandlung des Friedens, die eine zu Sparta, 
die andere zu Athen an, weil sie mit Rehdantz p. 73 glauben, dass 'AOivov 
GwäSQiav nur den gemeinsamen Rath der athenischen Bundesgenossen be- 
zeichnen könne. Dass aber dieser Ausdruck durchaus nicht in so enger Be- 
deatang zu fassen ist, hat Busolt p 775 f* an einer Reihe von Beispielen 
dargethan. Wenn Hahn p. 466 dagegen einwendet, dass bei Diodor xoi' 
vbv GvviSQiov doch nur eine formelhafte Benennung für die Vertreter des 
athenischen Seebundes sei, so hat Hock p, 475 schon dagegen Diod. XIV, 
82 angeführt, wo mit xotvov avvtdQtov der Kriegsrath d. antispartanischen 
Coalition während des korinthischen Feldzuges bezeichnet wird. Es ist also 
an unserer Stelle unter xoivbv cvv^^qvov gewiss nichts Anderes zu verstehen, 
als die Versammlung der zur Abschliessung des Friedens ermächtigten Ge- 
sandten. 

2) Zeitsch. für A. W. 1847 p. 921. 

3) Isokrates' Worte lauten; ri'Aonsv IxsrsvGovrsg firj nsqudelv Tjfiaq 

elQ^VTjg ovarjg avaCTouovg vito Grjßalu)v YSY€Vi]i.isvovg. Darnach müssten, 
so schliesst man , die Thebaner doch nachträglich dem Frieden beigetreten 
sein. Ob diese Folgerung zwingend ist, darüber siehe unten p. 100. 

7 



98 

fang fallen laßen und das Ende in das gerade Gegentheil des 
Gefagten verkehren mufs , dennoch die Mitte herauszugreifen 
und fie für wohl beglaubigt auszugeben. Die Erzählung bei Dio- 
dor hängt aufs Engfte in fich zufammen und entfpricht vollftan- 
dig dem Bericht über die »Vorgänge im Jahre 371, die uns auch 
in den übrigen Quellen auf gleiche Weife gefchildert 'werden. 
Ift es daher nachgewiefen, dafs Anfang und Ende bei der Erzäh- 
lung Diodors über den Frieden von 374 nicht vereinbar find mit 
dem, was wir aus den zeitgenöffifchen Quellen über die Ereigniffe 
diefes Jahres wiffen, fo muffen wir den ganzen Bericht Diodors 
darüber fallen laffen und ihn als Dittographie, als Anticipation 
der Thatfachen betrachten , die drei Jahre fpäter auf dem Con- 
grefs zu Sparta fich ereigneten. Es fragt fich nur, welche 
Erklärung man für diefe Wiederholung finden kann, die fo augen- 
fällig ift, dafs ja auch die Mehrzahl der Gelehrten fie nicht in 
Abrede fteUt ßufolt ') meint, bereits in der Quelle Diodors hätte 
die Dittographie vorgelegen, die unfer Schriftfteller zwar als 
folche nicht erkannt, aber doch als auffallende Erfcheinung durch 
ein bezügliches nuXiv und äcnsQ tuu ngorsgov bezeichnet habe. 
Eine Widerlegung diefer Annahme wäre kaum nöthig , da • Bufolt 
felbft die ihr entgegenftehenden Bedenken nicht entgangen find, 
wenn nicht auch Volquardfen ^) eine ähnliche Anficht vertreten 
hätte. Er polemifirt gegen Grotes*) Bemerkung, dafs Diodor 
XV, 38 die in XV, 50 gegebene und dort paffende Erzählui^ 
anticipire, und meint, beide Capitel feien aus ein und derfelben 
Quelle, und zwar aus Ephoros gefchöpft. Nun mag man über 
Ephoros denken, wie man will, eine folche Verwirrung wird man 
dem Schriftfteller, der nach Jofephus' Zeugnifs*) mit Akribie 
arbeitete und hier zeitgenöffifche Ereignifse darftellte, doch nicht 
zutrauen dürfen. Für die Quellenkritik Diodors ift die Frage 



1) p. 774, 

2) p. 66. 

3) V, p. 433 A. 173. 

4) Gegen Ap» 1, 12 p. 183. 



nach dem Entliehen der Dittographie von Intereffe — und ich 
glaube, es läfst fich eine Löfung für diefelbe finden. Diodor hatte 
bei feiner Arbeit, wie es natürlich war, eine chronologifche Quelle 
vor fich, die gleichfam den Grundflock bildete, uni.den fich die aus 
anderen Autoren gelchöpften Nachrichten gruppirten. Die An- 
nahme von Bomemann ^) , dem Unger *) beiftimmt, hat viel 
Wahrfcheinliches , dafs er zu dem Zweck das neuefte derartige 
Handbuch,* die Chronika des Caftor benutzt habe, Die Nach- 
richten, die Diodor in diefer Quelle über den Frieden vom Jahre 
374 fand, fchienen ihm zu dürftig und er zog daher eine unchro- 
nologifche Quelle zu Rath. Hierbei paffirte ihm das Verfehen, 
dafs er, was dort vom Frieden von 371 erzählt war% auf den vom 
Jahre 374 bezog, — ein Verfehen, das wir ihm nicht allzuhdch 
anrechnen dürfen, weil beidemal die Vorereignifle allerdings eine 
gewifle Aehnlichkeit aufweifen, und fomit ein Moment gegeben 
ift, das zu einer Doublette verleiten konnte. Diodor erzählt dann 
weiter: er kommt zum Jahre 371 und fand in feiner chronologi- 
fchen Quelle genügendes Material , um feine kurze Darfteilung 
in c. 50 von den Friedensverhandlungen in Sparta zu ent- 
werfen. Es fiel ihm hierbei die grofse Uebereinftimmung mit 
den Ereignifsen auf, wie er fie fälfchlicherweife fich fchon vor drei 
Jahren hatte abfpielen laflen und er fugte daher ein nakiv und 
äansQ xal nqoT§Qov hinzu. Ich hoffe fomit den Nachweis gefuhrt 
zu haben, dafs wir den Bericht Diodors nicht einer Schilderung 
der Friedensverhandlungen vom Jahre 374 zu Grunde legen dürfen 
Xenophon giebt nichts Näheres über die Friedensbedingungen 
an : nach einer Notiz bei Diodor, die aufserhalb der Dittographie 
fteht, und mit der Erzählung des Nepos*) übereinftimmt, wäre 



1) De CastoriB Chronicis Diodori etc. Lübeck 1878 p. 19. 

2) Philol. Anz. 1880 p. 371 folg. 

3) Unger „Chronologie d. Manetho** p. 302 thut des Guten zu viel, 
wenn er annimmt, bei Diodor habe eine Verwechselung mit dem Frieden 
von 371, dem Antalkidasfrieden und dem Vertrage des neuen Seebandes 
stattgefunden. 

4) Tim. 2, 2. 

7* 



100 

clüiiiaLj die Vereinbarung getroffen, Athen die See-, Sparta 
Landhegemonie zuzugeftehen. In der vorliegenden Faflusg 
die Nachricht entfchieden mifsverftändlich. Doch können wir 
ihr mit einiger Sicherheit entnehmen, dafs die beiden den Fik 
contrahirenden Mächte fich den gegenleitigen Belitzftand 
tirt haben werden, dafs alfo Sparta, mit dem man bisher 
die Exiftenz des Bundes gekämpft, jetzt formell die Berechtij 
der neuen athenifchen Seeherrfchaft anerkannte. Ina U* unferen 
len, — bei Xenophon ^), Demofthenes ^), Nepos^) — erfcheinen nurj 
Spartaner und Athener als friedenfchliefsende Mächte» Dafs aucl 
Bundesgenoffen, vor Allem der neue Seebund mitTheil am V< 
genommen habe, hat man aus Ifokrates' Plat. 14*) erfchliefsen 
len*). Die Stelle ist nicht beweiskräftig. Abgefehen davon, dafs 
platäifche Rede des Ifokrates kaum den Werth eines hiftorifd|| 
Zeugniffes beanfpruchen darf, wenn es fich darin um die fpedc 
zwifchen Theben und Plataeae obwaltenden Verhältniffe und Bi 
Ziehungen handelt, fo kennzeichnen fich die Worte dgr^vt^g ovatjg, an 
denen man eine Betheiligung der Thebaner am Frieden im Jahre 31 
gefolgert hat, als rein rhetorifche Floskel, die das Mitleid für i 
im tiefsten Frieden Überfallenen Platäer erwecken foU, fcb 
dadurch, dafs die Zerflörung Plataeaes ja erft erfolgte, J 
der Frieden von 374 durch den Wiedefausbruch des Kampl 
fchon aufgehoben war. Es ift daher fehr gewagt von Bufdt 
die Annahme Ungers'), dafs der Friede nicht vor dem Bun 



1) X. Hell. VI, 2, 1—2. 

2) Dem. gegen Androt. 15 p. 598. 

3) Tim. 2. 

4) i]XOfi€v — fiTj ns^iidtlv ijfiag slQi^vrjg ovGijg dvaarccTovg v 
Orjßalcüv yeysvTjfievovg. 

5) So namentlich Busolt p. 778 folg. Thirwall „History of Gree 
V. eh. 38. p. 70—72. 

6) p. 776. 

7) Chronol. des Manetho p. 303. Aehnlich wie Unger, urtheilt Gi 
V, p. 417. 



lOI 

verhandelt worden fei, als ebenfo unbegründete wie falfche Hypo- 
thefe zu bezeichnen. Dies Urtheil ftützt fich auf eine durchaus 
unrichtige Vorausfetzung. Bufolt meint*), die athenifche Bundes- 
genoffenfchaft hätte fchon deshalb am Frieden Thcil genommen, 
weil fonft, was keineswegs gefchah, durch diefen Frieden die Auf- 
löfung des Bundes hätte erfolgen muffen. Allein wir werden 
weiterhin Gelegenheit haben zu fehen, dafs Athen fpäter fogar 
ein Schutzbündnifs ndit Lakedämon ohne Hinzuziehung feiner 
Bundesgenoffen abfchlofs, und dafs trotzdem der Bund beliehen 
blieb. Nach den Berichten der Quellen wurde im Jahre 374 
nur ein Separatfrieden*) zwifchen Sparta und Athen verein- 
bart, doch läfst fich allerdings beim dürftigen Zuftand unferer 
Ueberlieferung eine endgültige Entfcheidung der Frage nicht 
treffen. Der Friedenstraum, dem man fich namentlich in Athen 
mit fo grofsem Jubel hingegeben'), war von kurzer Dauer. Gleich 
nach Abfchlufs des Vertrages war dem Timotheos der Befehl 
überfandt worden, heimzukehren. Ehe er das ionifche Meer auf 
immer verliefs, benutzte er die Gelegenheit, noch ein neues Glied 
dem Seebunde zu erwerben. In Zakynthos war nämlich damals 
der Parteikampf zum offenen Ausbruch gekommen und die ver- 
triebene, den Spartanern feindliche Faction hatte auf der Flotte 
des Timotheos Zuflucht gefunden. Bei feiner Rückfahrt nun fetzte 
der athenifche J*eldherr feine Freunde ans Land , half ihnen ein 
CaflelH) befefligen und unterflützte fie in ihren feindlichen Ope- 

1) p.. 775. 

2) Unsere Quellen (vergl. d. vollständige Stellensammlung bei Reh- 
dantz p. 75 folg.) bezeugen mit genügender Deutlichkeit, dass wirklich ein 
Frieden sschluss stattfand. Es ist daher unberechtigt , wenn Vater: ,yLeben 
d. Pelop«^ p.352 u. Kortüm II, p. 94 nur von einem Waffenstillstand sprechen, 
oder wenn Bauch „Epam.** p. 24, Manso «Sparta* III, p. 139, Plass ,,Ge- 
schichte des alten Griechenlands^ m, p. 626 u.yoemel «»Orat. Phil.«« III, p. 
139 den Frieden überhaupt in Abrede stellen und in ihm nur nicht zur Aus. 
führnng gelangte Verhandlungen sehen. 

3) Isokrat. nsql dvitd. ^09 u. 110. Nepos Timoth. 2. 

4) Nach Diod« XV, 45 hiess das Castell Aquadia. An letzter Stelle 
findet sich im Verzeichniss des athenischen Seebundes ZcucwSliOv ifjfxog 
6v zm JNdXXif, Nellos war wol der Name des Berges , auf dem die Befesti. 
gong erbaut war. cf. Bursian ,Geog. Qriech.^ n, p. 379. 



lOZ 

rationell gegen die Machthaber der Stadt. Diefe wandten (ich mit 
ihren Befchwerden qach Sparta^). So war der Grund t\i neuem 
Conflict gelegt. Xenophon erzählt, dafs die Spartaner fofort auf 
die Meldung diefes Vorfalls hin den Frieden für gebrochen er- 
klärt hätten und an eine neue Flottenausrüftung gegangen wären. 
Wie Diodor berichtet, hätten die Spartaner zunächft durch eine 
Gefandtfchaft Befchwerde über Timotheos in Athen führen laffen; 
äg Ö€ ed^ewqovv^ — fährt er fort — tov druiov änoxUvovva ngog 
Tovg g>vyA^ag, cvvearfjaavTo vavnxbv. Auch hiernach fcheint es, dafs 
die Spartaner eine endgültige Entfcheidung der Sache nicht abgewar- 
tet haben, und es ift daher wol kaum richtig, wenn Sievers'), Schäfer*) 
Lachmann*), Grote^) und Curtius') annehmen, den Spartanern wäre 
in Athen die Genugthuung verweigert worden. Wäre das der Fall 
gewefen, fo hätte Xenophon doch nicht verabfäumt davon Notiz 
zu nehmen, da er hierdurch einen legalen Grund für die Fortfüh- 
rung des Krieges fpartanifcherfeits hätte gewinnen können. 

Der Abfchlufs des Friedens und die ftaatsrechtiiche Anerken- 
nung der neugeftifteten athenifchen Seehegemonie wurdefi in Sparta 
bald bereut. Man hatte fich zu diefem Zugeftändnifs verftanden 
aus Furcht, dafs Theben. im Bunde mit lafon von Pherae mit aller 
Macht den Krieg gegen Phokis weiterführen würde, und in der Er- 
wägung, dafs man daher fich alle disponibelen militairifchen 
Kräfte für den nordifchen Kriegsfchauplatz frei zu halten habe. Nun 



1) vergl. X» Hell. VI, 2, 2 folg. Diod. XV. 45-47 giebt von dem 
Wiederausbruch des Kampfes eine ausführliche Darstellung, die wol auf 
Ephoros zurückgeht und den kurzen Bericht Xenophons in manchen wesent- 
lichen Punkten ergänzt. Nur hat Diodor auch hier mit grosser Flüchtigkeit 
compilirt. So beruht seine Notiz ^ die zurückgeführten Zakj^nthier seien 
Aristokraten gewesen, natürlich auf einem Irrthum; sie steht ja auch im 
Widerspruch mit dem, was Diodor selbst zu Beginn des 45. cap berichtet. 

2) Hell. VI, 2, 3. 

3) p. 229. 

4) Dem. I, p* 50. 
6) I, p* 291. 

6) V, p. 420» 

7) m, p. 288. 



I03 

war es fürs Erfte dort ruhig geblieben'; die Thebaner hatten fich 
nach dem Erfcheinen des Klleombrotos zurückgezogen und nah- 
men nur eine Defenfivftellung ein. Uriterdeffen war für den See- 
krieg eine neue verlockende Perfpective gefchaffen. In Korkyra 
waren die Demokraten ans Ruder gelangt und hatten die Oli- 
garchen vertrieben. Diefe wandten fich mit der Bitte um Un- 
terftützung an die Spartaner und verfprachen dafür ihnen den 
Befitz der Infel/die über eine mächtige Flotte und reiche Geld- 
mittel gebot, zu verfchaffen'). Der Friedensbrüch des Timotheos 
war daher vielleicht ein erwünfchter Vorwand, um den Krieg von 
Neuem beginnen und Athen diefe wichtige Pofition im ionifchen 
Meere, die den Seeweg nach Sicilien beherrfchte, entreifsen zu 
können % 

Mit Eifer betrieb Sparta feine Rüftungen : wol noch im Spät- 
herbft 374 ging ein Gefchwader von 25 Schiffen unter Führung 
des Ariftokrates in See, den Zakynthiem zu Hilfe ; ein anderes von 
22 Schiffen foUte unter dem Befehl des Alkidzis, — fo lautete die 
officielle Weifung — nach Sicilien fegein. Die Abficht war, unter- 
wegs einen Handflreich gegen Korkyra zu verfuchen *). Der 
Plan wurde freilich durch die Wachfamkeit der Korkyräer ver- 
eitelt, doch liefs fich Sparta durch diefen Mifserfolg nicht von der 



1) Diodor XV, 46 

2) Es ist weder von einem alten Schriftsteller, noch von unseren neue- 
ren Gelehrten versucht worden, eine genügende Erklärung für den erneuten 
Kriegseifer der Spartaner zu geben. Ich hoffe ihn durch die vorstehende 
Auseinandersetzung motivirt zu haben.. 

3) Xenophon schweigt von diesen Expeditionen und geht gleich zur 
Schilderung der grossen Flottenausrüstung unter dem Befehl des Nauarchen 
Mnasippos über. Doch sind mit den von ihm angegebenen Thatsachen die 
beiden von Diodor erwähnten Seezüge keineswegs unvereinbar, vergl. Grote 
V, p» 421. Es ist ein wol durch den Wechsel der Quellen entstandenes 
Versehen Diodors, wenn er damals den Stesikles nach Zakynlhos abgehen 
läset ; dorthin konnte erst die Flotte Hilfe bringen. Er giebt selbst im fol- 

. genden Capitel in Uebereinstimmung mit Xenophon richtig an, dass Stesikles 
im Frühjahr 373 nach Korkyra gesandt wurde. Da wir in der laked. Flotte 
Contingente aus Zakynth finden (X. Hell. VI, 2, 3), so gelangte wol damals 
gar keine athenische Unterstützung hin. Es ist nur ein Fehler, der Kopisten, 

, wenn wir bei Diodor Ktesikles stall Stfcbikle.s lesen 



I04 

Fortfetzung feiner Seeoperationen abfchrecken. Im folgenden 
Frühjahr lief eine aus 60 ^) Segeln beftehende Flotte unter dem 
Commando des Nauarchen Mnafippos gegen Koipkyra aus. Zu 
gleicher Zeit hatte man fich an Dionys gewandt, um feine Mit- 
wirkung im Kampfe gegen Korkyra zu erlangen , da es ja auch 
in feinem Intereffe war die Infel nicht länger im Befitz der Athe- 
ner zu belaffen. 

Mnafippos vollführte glücklich feine Landung, fchiffte feine 
1500 Mann ftarken Truppen aus und fchlug auf einem ungefähr 
5 Stadien von der Stadt entfernten Hügel ein befeftigtes Lager 
auf^ Zugleich poftirte er feine Flotte in zwei Gefchwadern auf bei- 
den Seiten der Stadt und liefs fie an fturmfreien Tagen den 
Hafen vollfländig blokirt halten. Natürlich ging es bei alledem 
nicht ohne Kampf ab, deffen Details Diodor uns zu berichten 
weifs ^). Die Korkyräer, fo zu Lande und zur See eingefchloffen, 
fchickten ein dringendes Hilfsgefuch nach Athen. Ihre Vorflel- 
lungen dort, dafs Athen fich die wichtige Infel nicht entreifsen 
und den Feind einen derartigen Machtzuwachs gewinnen laffen 
dürften , fanden Eingang. Man befchlofs unter dem Oberbefehl 
des Timotheos eine Flotte von 60^) Schiffen nach Korkyra zu 
fenden. Da eine derartige Ausrüftung aber Zeit erforderte, 
wurde fogleich, um der dringendften Noth abzuhelfen, Stefikles 
mit 600 *) Peltaften der belagerten Stadt zur Verflärkung gefchickt. 
Man hatte ihn beordert den nächften und kürzeften Weg einzu- 
fchlagen, d. h. zu Lande durch Theffalien und Epirus zu ziehen, und 
hatte fich an den verbündeten Molofferkönig Alketas mit der Bitte 
gewandt, für die Ueberfetzung der Truppen nach Korkyra Sorge 
zu tragen. In der That gelang es dem Hilfscorps auf der Infel 
zu landen und bei Nacht ihren Beftimmungsort zu erreichen. 



1) X. Hell. VI, 2, 3. Nach Diod. XV, 47 waren es. 65 Schiffe. 

2) XV, 47. 

3) X. Hell. VI, 1, 11. Diod* XV, 47. ApolL gegen Tim. 11. p. 
1J87, 21. 

4) X. Hell. VI, I, 10. Nach Diod. XV, 47 waren es 600. 



I05 
Stefikles brachte nicht nur die willkommene Nachricht, dafs eine 

# 

grofse athenifche Flotte in nicht allzuferaer Zeit erwartet werden 
könne, fondern trug auch viel zur Vertheidigung der belagerten 
Stadt bei. Seine Verdienfte fchildert uns Diodor, der aus feinem 

» 

athenifchen Gewährsmann Ephoros hierüber gewifs beglaubigte 
Nachrichten gefchöpft hat. 

Mit dem Auslaufen der Flotte hatte es freilich noch gute 
Weile. Die Schiffe wurden geftellt, aber es mangelte an hinrei- 
chender Bemannung und vor Allem an Geld, um den Bedürf- 
niffen eines grofsen Gefchwaders für eine derartig weite Expe- 
dition gerecht zu werden. Im ApriHj 373 ging Timotheos von 
Munychion aus in See. Nach einer geiftvollen Vermuthung 
Grotes ^) brachte er zunächft den Stefikles mit feinen Pel- 
tailen nach Theffalien und erlangte dort nicht nur vom Tyran- 
nen lafon von Pherae den ungehinderten Durchmarfch der 
Truppen nach Epirus, fondem gewann auch den mächtigen 
Despoten zu einer Verbindung mit Athen ^. Ob der Admiral 
damals noch weiter nach Makedonien gegangen und mit dem 
König Amyntas in Beziehung getreten ift, wie Grote*) meint, 
läfst fich nicht mit Sicherheit befümmen;* wir wiffen nur, dafs 
er längere Zieit bei den Kykladen kreuzte*), da er zur Ver- 
voUftändigung und Löhnung der Flottenmannfchaft auf die 
Syntaxeis der benachbarten Infein angewiefen war. Die Bun- 
desgenoffencontingente hatten fich während deffen feinem Be- 



1) Apoll, gegen Tim. 6 p. 1186. 

2) Grote V, p. 424. 

3) Die Fragmente eines Vertrages zwischen Thessalien und Athen 
aind uns erhalten, (C. I. A. II, 88) und von Köhler Hermes V, p. 10 
besprochen. Im Jal^re 374 war lason nach X. Hell. VI, 1, 10 noch 
nicht Bundesgenosse der Athener, im November 373 tritt er als solcher 
beim Processe des Timotheos auf. (Apoll, gegen Timoth. 22 p. II9O). 
Köhler bezieht die Inschrift auf den inzwischen geschlossenen Vertrag, 
da sie auch dem Schriftcharakter nach zwischen Ol. 101 u. 106 abgefasst 
zu sein scheint« 

I) V, p. 424. Ebenso Schäfer D* II, p. 9. 
5) X» Hell. VI, 2, 12. 



io6 

fehl gemäfs bei Kalauria verfammeltr Da der Feldherr und mit 
ihm die erhofften Geldmittel lange ausblieben , ftellte fich bald 
Mangel und Noth auf der neugebildeten Flotte ein, und die Bun- 
desgenoffen, namentlich die Böoter, zeigten fich fchwierig und 
drohten auseinander zu gehen ^)» Es fcheint, dafs die eingelau- 
fenen Flpttengelder nicht in der gehörigen Weife verwaltet wurden, 

— wenigftens ward der Schatzmeifter des Timotheos , Anti- 
machos, bei dem fpäteren grofseh ProcefTe zum Tode verurtheilt 

— und obwol er auf fein Privatvermögen grofse Summen aufnahm, 
gelang es Timotheos nicht die BedürfnifTe zu decken und die 
Expedition ihs ioiiifche Meer zu bewerkftelligen. Während alle- 
dem war der Frühfommer verftrichen , die Noth der Belager- 
ten in Korkyrä ftieg mit jedem Tag, und der Unwille des 
Volkes in Athen wurde immer heftiger und heftiger gegen ih- 
ren Feldherrn, der den ihm gewordenen Auftrag . nicht erfüllen 
konnte. Die Gegner des Timptheos^ Kalliftratos und Iphikra- 
tes, ruhten nicht mit ihren Anklagen und brachten es dahin, 
dafs das erzürnte Volk den Admiral feines Commandos entfetzte 
und es dem Iphikrates, wie es fcheint^ mit weitgehenden Voll- 
machten übertrug*). Der rückfichtslofe Söldnergeneral machte 
wenig Umftände: er zwang die Trierarchen®) ihren Verpflich- 
tungen nachzukommen, prefste ohne weiteres Seefoldaten, fchaffte 
fich durch aufserordentliche Befteuerung Geldmittel^), zog alle 
Trieren, die fonft die Küftenbewachung Attikas zu verfehen hatten, 
an fich und ging dann, nachdem das Volk ihm auf feinen aus- 
drücklichen Wunfeh Kalliftratos und Chabrias zu Mitfeldherren 
beflimmt hatte, noch im Herbft deffelben Jahres mit einer Flotte 
von 70 Schiffen in See, um dem bedrängten Korkyra die längft 



1) Apoll, gegen Tim. 12 n» 14 p. 1 188 u. weiter — 21 p. 1190« 

2) X* Hell. VI, 2, 13. 

3) X. Hell. VI, 2, 14. 

4) Poly&n m, 9, 30. 



10/ 

« 

vcrfptöchene und erwartete Hilfe zu bringen. — Doch ich mufs 
hier in meiner Darftellung inne halten, um eine Begründung und 
Rechtfertigung derfelben zu geben. Obwol fie auf der Erzählung 
des Xenophon beruht, die durch den Bericht des Apollodor in 
feiner Rede gegen Timotheos ergänzt wird , und mit der Auffaffung 
Grotes *) in allen wefentlichen Punkten im Einklang fleht, fo haben 
doch fo namhafte Gelehrte, wie Rehdantz^), Schäferf) und Cur- 
tius*), eine völlig abweichende Anficht über die eben erzählten 
Ercigniffe vertreten und eine derartig andere Schilderung der 
Flottenexpedition des Timotheos gegeben, dafs fich eine einge- 
hende Befprechung der Frage nicht abweifen läfst. 

Diefe Verfchiedenheit der Anflehten hat, abgefehen von der ver- 
fchiedenen Interpretation einer Stelle in der Rede gegen Timo- 
fheos*), ihre Urfache darin, dafs jene Gelehrten den Bericht Dio- 
dors*), den wir bisher aus fpäter zu erörternden Gründen völlig 
bei Seite gelaffen haben, mit heranziehen und in ihre Darftellung 
verarbeiten. Sie kommen dabei zu folgendem Refultat. 

Im April 373 lief Timotheos mit feiner Flotte aus, fuhr aber 
zunächft nach Norden an die Küften von Theffalien und Makedonien. 
Er wollte für den langen in Ausfleht ftehenden Krieg neue Hilfs- 
quellen eröffnen. Er fchlofs Verträge njit lafon von Pherae, mit 
Amyntas, und fuhr als glücklicher Mehrer des Bundes im ägäi- 
fchen Meere umher. Es gelang feiner gewinnenden Perfonlichkeit 
eine ganze Reihe von Staaten und Infelgruppen zum Anfchlüfs an 
Athen zu bewegen. Seinen damaligen Bemühungen, fo meint 
Schäfer, verdanke der Seebund den Beitritt der 19 von Andros 
bis NeapoHs auf der Stele verzeichneten Glieder, und die grofse 
Ausdehnung des Bundes gelte daher mit Recht als Werk des Ti- 
motheos. Doch fo erfolgreich diefe Unternehmungen des Feld- 

1) V, p. 424, 425 folg. 

i) Vitae Iphik. etc. p. 85 folg. 

3) Demost. I, p. 52 folg« 

4) m, 291 folg. 

5) 9, p. 1187. 

6) XV, 47. 



io8 

herm im ägäifchen Meere auch waren, fo verftrich der Sommer 
dabei, ohne dafs der Admiral die ihm zunächft geftellte Aufgabe, 
den Korkyräem Hilfe zu bringen, erfüllt hätte. Seine Feinde blie- 
ben nicht ynthätig und brachten durch ihre Agitationen die Bür- 
gerCdhaft dahin, die Abberufung des Timotheos auszufprechen. 
Allein feine ruhmreiche Heimkehr mit einer durch 30 Bundesge- ' 
noffenfchiffe vermehrten Flotte, die zahlreichen Gefandtfchaften, 
die zu Bündnifsabfchlüfsen autorifirt «waren, und der Umftand, dafs 
er — um Diodors Worte zu gebrauchen — Alles wohl zum Kriege 
vorbereitet hatte ' ), verföhnte das Volk, das ihm nun von Neuem 
den Oberbefehr übertrug. 

Aber auch diefes zweite Auslaufen 'der Flotte führte zu kei- 
nem Refultat. Es mangelten die Mittel, um eine gröfsere Expe- 
dition zu beftreiten und Timotheos war gezwungen, bald im ägäi- 
fchen Meere zu kreuzen, um fich Geld zu fchaffen, bald wieder 
unthätig in der Rhede von Kalauria zu liegen. Die koftbare Zeit 
ging verloren, ohne dafs der fchuldlofe Feldherr, der auf alle Weife 
und mit eigenen Mitteln die Bedürfniffe zu decken verfuchte, im 
Stande war, die Fahrt ins ionifche Meer zu bewerldlelligen. 

In Athen hatten feine perfönlichen Feinde, Kalliftratos und 
Iphikrates, fich während deff«i zu einem Angriff gegen ihn ver- 
einigt. Es gelang ihnen, die Entfetzung des Feldherm vom Ober- 
commando und eine Anklage wegen Landesverrathes zu erreichen. 
Der denkwürdige Procefs, von dem Diodor nichts weifs, fpielte 
fich im November 373 ab. In ganz Griechenland erregte er Auf- 
fehen, lafon von Pherae, der Molotterkönig Alketas erfchienen 
perfönlich in Athen, um fich für ihren Freund zu verwenden. 
Trotz der Anklage des Kalliftratos und Iphikrates, an deffen An- 
wefenheit bei dem Proceffe nicht zu zweifeln fei*), wurde Timo- 

• 

theos freigefprochen* Mit bemerkenswerther Abweichung von 
Diodor, der den Timotheos fernerhin das Commando neben Iphi- 



1) XV, 47. nävta rov azoXov sv xaTeaxevaxdg ngog zbv noXsiiov, 

2) Apollod. gegen Tim. 9 u. 13. 



109 

krates fuhren läfst, berichten dann jene Gelehrten weiter, dafs 
im FrühUng 372 Iphikrates, Kalliftratos und Chabrias den Korky- 
räem zu Hülfe geeilt feien, die feit dem Herbft 373 von Mna- 
iippos zu Lande und zu« Waffer blokirt gehalten wurden. — 

Ich will mit dem letzten Punkte beginnen. Zwar haben 
jene Gelehrten Recht, wenn fie es für unwahrfcheinlich erklären, däfs 
Korkjrra ein ganzes Jahr lang von Mnafippos belagert worden, da der 
Mangel an Proviant bei der Blokade zu Waffer und zu Lande fich 
vjon vornherein fühlbar machte* Allein dürfen wir deshalb den 
B<^[inn der militairifchen Operationen des Mnafippos in eine fo 
fpäte Zeit verlegen? Dem Bericht des Xenophon gemäfs wurde 
Stefikles noch vor der Flottenexpedition des Timotheos nach 
Kork5a-a beordert, und Schäfer*) felbft tritt der Vermuthung 
Grotes bei, dafs es des Admirals erfte Handlung war, Stefikles 
und feine 600 Peltaften nach Theffalien zu fchaffen. Im Mai alfo 
mufs das athenifche Hilfscorps in Korkyra angelangt fein. Sowol 
nach Diodor als Xenophon war die Stadt damals bereits belagert, 
und unfere Quellen bezeichnen es als Glück, dafs Stefikles un- 
vermerkt auf der Infel landen und Nachts in die Stadt gelangen 
konnte. Nun war freilich im Herbft 374 der fpartanifche Nauarch 
Alkidas mit 22 Schiffen gegen Korkyra entfandt worden, um 
einen Handftreich gegen die Infel zu verfuchen. Doch fcheiterte 
fein Unternehmen an der Wachfamkeit der Korkyräer, und wir 
hören weiter nicht, dafs er feine Operationen gegen die feindliche 
Stadt fortgefetzt, oder fie gar blokirt und belagert habe. Die ge- 
ringe Zahl feiner Schiffe, mit denen er nur durch Ueberrafchung wir- 
ken konnte, verbot es, ein derartiges Unterfangen zu wagen. Es mufs 
alfo die Flotte und das Heer des Mnafippos bereits vor Ankunft des 
Stefikles den Kampf gegen Korkyra eröffnet haben. Noch eine andere 
Erwägung fuhrt zu demfelben Refultat, das freilich fchon durch 
die Reihenfolge in der Erzählung des Xenophon als richtig be- 
glaubigt ift. Den Spartanern lag Alles daran, in den Befitz der 



1) Dem. I, p. 52, A. 2. 



HO 

mächtigen Infel zu gelangen. Noch ini Herbft 374 hatten fie 
Ariftokrates mit 25 Schiffen nach Zakynthos gehen laffen, um 
dort den Einflufs der athenerfreundlichen Partei zu brechen. Dem 
Admiral mufs feine Aufgabe, die ohnehin nicht allzufchwierig 
war, da die' Demokraten ja erft eben wieder Fufs auf der Infel 
gefafst, in nicht allzulanger Zeit gelungen lein. Jedenfalls finden 
wir in der Flotte des Mnafippos bereits zakynthifche Conting^te. 
Alfo fchon im Winter 374 verfügten ^ die Spartaner, wenn fie die 
Gefchwader des Ariftokrates und Alkidas vereinigten, über eine 
Flotte von 47 Schiffen» Und nun follen fie zur Befchaffung der 
noch fehlenden I3, oder — wenn man Diodors Angabe folgen 
will, — 18 Schiffe, die erforderlich waren, um die Zahl, auf 
welche die Flotte des Mnafippos , normirt war, zu erreicbeh, über 
ein halbes Jahr gebraucht und fich dabei der Gefahr ausgefetzt 
haben, dafs Timotheos, der fchon im Frühling 373 auslief, ihnen 
zuvorkam, die Infel befeftigte und einen Angriff und eine Bela- 
gerung derfelben unmöglich machte. 

Aber nicht nur gegen diefeii Punkt, fortdern auch gegen die 
weiteren Ausführungen von Schäfer und Curtius laffen fich ge- 
gründete Einwendungen erheben. — Selbft wenn man die Un- 
wahrfcheinlichkeit in den Kauf nimmt,' dafs Timotheos mit 
feiner unzulänglich ausgerüfteten Flotte zu fo glänzenden Reful- 
taten bei feinen Unternehmungen itn aegäifchen Meere gelangt 
fei, fo bleibt es doch unverftändlich, dafs er, der doch mit dem 
beftimmten Auftrage Korkyra zu entfetzen, zum Admiral ernannt 
%var, 5 Monate lang im aegäifchen Meere als friedlicher Sieger 
umherfuhr, — ebenfo fo unverftändlich, wie uns die Langmuth 
des athenifchen Volkes erfcheinen mufs, das faft ein halbes Jahr 
diefem wol an und für fich nutzbringenden, aber doch aicht ganz 
zweckentfprechenden Treiben feines Feldherm ruhig zufah. Doch 
mag dies Alles immerhin noch hingehen : hören wir weiter. Das 
Volk entfetzt Timotheos feines Commandos, wird aber wieder 
verföhnt, als jener feinen glänzenden Einzug im Peiraieus hält. 
Als Hauptgrund diefer Umftimmung des Volkes nennt Diodor 



den Umftand, dafs der Feldherr bei feiner Heimkehr 30 bundes- 
genöffifche Trieren mit fich führt und die ganze Flotte wohl zum • 
Kriege ausgerüftet hat. Timotheos wird nun im Amte belaffen 
und geht nach Kalauria ab. Und nun, trotz der guten Aus- 
rüftung der Flotte, trotz des Zuwachfes an Bunclesgenoffen- 
fchifien, trotz der Vermehrung der Geldcontingente , fieht fich 
Timotheos doch noch aufser Stande in See zu gehen und bleibt 
Monate hindurch im aegäifchen Meer und auf der Rhede von 
Kalauria liegen. 

Endlich reifst dem Volk die Geduld und es wird dem Ad- 
miral im November 373 wegen Landesverrath der Procefs ge- 
macht: der defignirte Nachfolger fungirt ak Ankläger — und 
anftatt den bedrängten Korkyräern, deren Noth von Tag zu Tag 
fteigt, nun fchleunig Hilfe zu bringen, denkt auch das athenifche 
Volk jetzt an nichts Anderes, als an die Beendigung des fenfatio- 
nellen Proceffes. Erft als derfelbe entfchieden, geht Iphikrates 
im Frühling 372 zum Entfatz nach Korkyra, das — man verlieht 
freilich nicht wie, felbft wenn man die Expedition des Mnafippos 
mit jenen Gelehrten fälfchlicher Weife erft in den Herbft 373 
verlegen wollte — bisher ohne Proviant den Leiden und Be- 
fchwerden der Belagerung getrotzt. 

Der Vorwurf, den Börne in feinen Parifer Briefen gegen die 
Deutfchen erhebt, dafs fie, um einen Flecken aus dem Rock zu 
tilgen, erft fich hinfetzten und Chemie ftudirten, unbekümmert, 
ob der Rock darüber in Fetzen geht — diefer Vorwurf würde 
ina voUften Umfang in diefem Fall auf das athenifche Volk paffen. 
Während es von der höchften politifchen Wichtigkeit war , fich 
fo fchnell als möglich den Befitz des mächtigen Korkyra zu fichem, 
hätten die in ihren EntfchlüfTen fonft allzurafchen Athener ihren 
Feldherrn über ein halbes Jahr feinem eigenen Willen nachgehen 
lallen, und dann noch mit Procefsführen und anderen Dingen 
ein weiteres halbes Jahr verbraucht, ehe fie die fo dringliche 
Expedition nach Korkyra unternahmen» An diefe letzte Unge- 
heuerlichkeit foUen wir glauben, weil aus der Rede des ApoUodor 



112 

gegen Timotheos die Anweffenheit des Kalliftratos und Iphikrates 
beim Procefse erfichtlich fei. Ich kann die Richtigkeit diefer Be- 
hauptung nicht zugeben. Dafs der grofse Redner Athens per- 
fönlich bei der Gerichtsverhandlung betheiligt war, fcheint auöh 
mir wahrfcheinlich, und wir werden fpäter fehen, dafs er wol mit 
zu dem Zweck von Korkyra zurückkehrte; — doch kann man, 
ohne den Worten in der betreffenden ApoUodorftelle Zwang an- 
zuthun, fie fehr wol auf die heftigen Anklagereden deuten, mit 
denen Iphikrates vor der Volksverfammlung im Juni 373 die Ab- 
berufung des Timotheos erreichte. In dem kurzen und oberfläch- 
lichen Satz bei ApoUodor ift dann zwifchen diefei^ Reden und der 
erft im November erfolgten Unterfuchung kein deutlicher Unterfchied 
gemacht Aber nicht nur diefe fpäte Entfendung des Iphikrates ift 
eine Unmöglichkeit, ich hoffe auch den Beweis erbracht zu haben, 
dafs der Verfuch jener Gelehrten, den Bericht Diodors mit dem unferer 
übrigen Quellen zu yerfchmelzen, zu'fo viel Unwahrfcheinlichkei- 
ten fuhrt, dafs wir feine Erzählung zu Gunften unferer beffer be- 
glaubigten Gewährsmänner bei Seite laffen muffen. Aber wie 
— wendet man mir ein — Diodor zeigt fich doch gerade bei den 
Seeuntemehmungen gut inftruirt und fchöpft feine Nachrichten aus 
Ephoros, dürfen wir da die von ihm gegebenen Daten einfach 
unberückfichtigt laffen ? Nun, ich zweifle gar nicht an der Richtig- 
keit der von ihm überlieferten Ereigniffe, fondem nur an der Richtig- 
keit ihrer Gruppirung, und glaube eine Erklärung finden zu können, 
wie feine in ihrer jetzigen Geftalt unmögliche Erzählung entftanden 
ift. Diodor fand in feiner chronologifchen Quelle über die betref- 
fende Frage kaum mehr, als die Notiz, dafs Timotheos den Kor- 
kyräem mit 60 Schiffen zu Hilfe beordert worden fei, dafs man 
ihn wegen Verzögerung der Fahrt angeklagt, aber doch freige- 
fprochen und dafs darauf Iphikrates den Oberbefehl über die 
Flotte erhalten habe. Er holte fich daher, um Ausführlicheres 
berichten zu können, Rath bei Ephoros und fand dort die Nach- 
richt, dafs 'man in Athen zwar die Abfetzung des Timotheos 
ausgefprochen habe, dafs aber das Volk dann durch die Menge 



"3 

der neugewonnenen Bundesgenoflen ^ deren Gefandte Timotheos 
nait fich brachte, durch den Zuwachs der Flotte und durch die 
Erfolgei die der Feldherr erreicht, verföhnt worden fei. Das ver- 
fchmolz nun Diodor mit den Daten feiner chronologifchen Quelle 
zu der bei ihm- vorliegenden Erzählung^). Allein hierbei hat 
Diodor, was auch einem weniger flüchtigen Schriftfteller leicht 
pafliren könnte, überfehen, dafs die dem Ephoros entnommene 
Notiz ins Jahr 374 gehörte. 

Alles, was wir bei Diodor von der glänzenden Heimkehr des 
Timotheos lefen, pafst genau auf feine Rückkunft von der Expe- 
dition ins ionifche Meer, und wenn es uns auch anderweitig nicht 
berichtet ift, fo hat die Annahme doch grofse Wahrfcheinlichkeit 
fiir fich, dafs die Friedenspartei in Athen, an deren Spitze Kalli- 
ftratos ftand, den Timotheos damals wegen des Friedensbruches 
in Zakynth angeklagt und feine Etitfetzung vom Commando 
erreicht hatte, bis das Volk durch die von ihm aufgewiefenen 
Refultate feines Feldzuges umgeftimmt wurde. 

Beruht aber die Erzählung Diodors auf einem reinen Ver- 
fehen, fo kann ich auch nicht die theilweifen Conceffionen 
billigen, die Grote*) derfelben macht, und hoffe die Berech- 
tigung für die völlige Beifeitelaffung derfelben, zumal fie auch in 
keiner Weife mit der Schilderung des Xenophon und ApoUodor 
in Einklang zu bringen ift, erwiefen zu haben. 

Doch kehren wir nach diefer nothwendigen Digreffion zu 
unferer Darflellung zurück. Wir hatten gefehen, dafs noch im 
Herbfl 373 Iphikrates in See ging. Rafch und energifch, wie er 
bei der Ausrüftung verfahren war, betrieb er auch die weitere 
Expedition. Die grofsen Segel wurden zu Haufe gelaffen und die 
Bemannung fafl ausfchliefslich am Ruder gehalten, um die Fahrt 



> 1) Wenn Diodor XV, 47 berichtet, dass Timotheos neben Iphikra- 
tes die Expedition gegen Korkyra geleitet habe, so ist das eine aus der 
Freisprechang des Timotheos gezogene Schlassfolgerung des Schriftstel- 
lers selbst. 

2) V, p. 426. 

8 



zu bcichleunigen und dabei zugleich die Soldaten im Seehand- 
werk zu üben. Plötzliche Landungen und Plünderungen an der 
feindlichen Küfte und ebenfo rafche Abfahrt wurden zum gleichen 
Zwecke ausgeführt. Xenophon*) giebt eine ausfuhrliche Schilde- 
rung diefer Fahrt und zollt feine volle Anerkennung*) dem Geift 
und der Zucht, die auf der Flotte herrichten. Schon an der mef- 
fenifchen Küfle erhielt Iphikrates die Kunde von der Niederlage 
und dem Tode des Mnafippos. Er traute der Nachricht nicht, 
hielt fie für eine KriegsHft und fuhr daher kampfbereit weiter. 
In Kephallenia empfing er die Beflätigung" des Gehörten. Er 
raflete daher hier und bezwang die noch nicht dem Bunde bei- 
getretenen Städte. Dann ging er nach Korkyra. Dort war ein 
völliger Umfchwung in den VerhältnifTen eingetreten. Die Hun- 
gersnoth in der Stadt "w^ar aufs Höchfte geftiegen, und die Zahl 
der Ueberläufer wuchs derart, dafs Mnafippos fich weigerte 
fie aufzunehmen. In ihre Stadt nicht wieder hineingelafien, mufs-- 
ten die Unglücklichen vor den Thoren verichmachten. Diefe 
Scenen von Jammer und Elend, erweckten beim fpartanifchen Be- 
fehlshaber die Ueberzeugung, dafs die Ergebung der Stadt in kurzer 
Zeit erfolgen müfse ; er glaubte daher feinen Söldnertruppen nicht 
mehr viel Rückfichten fchuldig zu fein, entliefs einen Theil 
derfelben und enthielt dem anderen den Sold für zwei Monate vor, 
obwol feine KriegskaflTe gut gefüllt war. Die Stimmung der Sol- 
daten wurde durch derartige Willkührmafsregeln natürlich fchlecht 
und die Disciplin merklich gelockert. Als die Korkyräer die 
Sorglofigkeit im Belagerungsheer wahrnahmen, wagten fie mit den 



1) Hell. VI, 2, 37—39. * 

2) Schäfer D. I, p. 59 findet diese LobpretsuDgen des Iphikrates befremd- 
lich, da der Admiral doch nicht Gelegenheit gehabt „einen bedeutenden 
Schlflg zu thun.^ Allein dem schriftstellernden Ofßzier flössten die Dis-, 
ciplin, die Taktik u. Manövrirkunst des Iphikrates, die ja auch höher 
stehen als ein durch Zufälligkeiten erlangter Erfolg, Interesse und Respekt 
ein, dem er in einer nur etwas zu breiten Schilderung Ausdruck giebt. Die 
ausführlich behandelte Episode , deren Länge in keinem Verhältnise zum 
Umfang des übrigen Werkes steht, ist auch mit ein Beweis dtifHr, dass 
Xenophon nicht die letzte Hand an seine Hellenika gelegt hat* • 



115 

letzten ICräften der Verzweiflung einen Ausfall. Mnafippos führte 
ihnen die Lakedämonier entgegen und befahl den Söldnertruppen, 
(ich gleichfalls in Schlachtordnung aufzuftellen. Die Offiziere, die 
lfm drauf aufmerkfam machten, dafs fie für den Gehorfam der 
unbezahlten Soldaten nicht garantiren könnten, trieb er mit Schlä- 
gen auf ihre Poften. So nahm das Belagerungsheer irii Ganzen 
widerwillig den Kampf auf: Mnafippos fiel und die Spartaner 
erlitten eine völlige Niederlage. Die Korkyräer hatten fich Luft 
gefchafft. Zwar hielt fich noch zunächfl das feindliche Lager, fo- 
bald aber die bevorflehende Ankunft des Iphikrates gemeldet 
wurde, rettete fich Hypermenes, der Unterbefehlshaber des' 
Mnafippos, mit den übrig gebliebenen Truppen und der Flotte nach 
Leukas. So blieb dem Iphikrates ein wirklicher Kampf erfpart. 
Bald nach feiner Ankunft auf Korkyra gelang es ihm neun von 
den zehn ficilifchen Trieren abzufangen, die Dionys den Lakedä- 
moniem als Hilfscontingent gefandt und die nichts vom Wechfel 
des Kriegsglückes ahnend, ruhig herbeiführen^). Der durch den 
Verkauf der Beute und das Löfegeld der Gefangenen erzielte 
Gewinn bot einen willkommenen Zufchufs für die an Mitteln nicht 
allzureiche KriegskaflTe des Feldherm. 

Da Iphikrates fürs Erfle keinen gröfseren Flottenkampf zu 
erwarten hatte, fo fandte er das von ihm mit zur Expedition ge- 
'zogene, aber urfprünglich zum Küflenfchutz Attikas befl:immte 
Gefchwader unter Kalliflratos in die Heimath zurück. Der Staats 
mann und Redner hatte fich wol auch nur widerwillig*) zur Mit- 
feldhermroUe verflanden und flrebte nun danach zum bevorfle- 
henden Procefs des Timotheos wieder in Athen zu fein. So wurde 



1) Hell. VI, 2, 35 f. Diod. XV, 47. Die Version bei Diodor XVI, 
57, dass Iphikrates mit Weihgeechenken beladene Trieren genommen und die 
Ladang mit Genehmigung des athenischen Volkes Terkauft habe, muss wol, 
wie Grote V, p. 428 bereits gesehen, auf irgend welchem Missverständniss 
beruhen, und ich halte es daher nicht für richtig, wenn Sievers p. 233 und 
Schäfer D. I, p. 60 diese Notiz mit in die Darstellung jener Ereignisse hinein- 
▼erarbeiten. 

SO X. HeU. VI, 3, 3. 

8^ 



ii6 

e^ depn von Iphikrates entlaffen, nachdem er letzterem das Ver- 
fprechen gegeben, dafür Sorge tragen zu wollen, dafs das athe- 
nifche Volk die nothwendigen Subfidien und Exiftenzmittel der 
Flotte bewillige, — oder wenn er das nicht erlangen könne, den 
Abfchlufs des Friedens eifrig zu betreiben *). Der glückliche Er- 
folg der Expedition blieb wol nicht ohne Einflufs auf den Gang 
des fenfationell^n Proceffes gegen Timotheos, der fich im No- 
vember 373 abfpielte. Die Verwendung nicht nur zahlreicher be- 
freundeter Bürger, fondem auch mächtiger ausländifcher Gönner, 
wie lafon von Pherae und des Molotterkönigs AJketas thaten zu- 
dem das ihrige: während über den Schatzmeifter des Timotheos 
die Todesftrafe verhängt wurde, erfolgte ein freifprechendes Ur- 
theil gegen den Admiral felbft. In wie weit von einer wirklichen 
Schuld des Timotheos in Bezug auf die Verzögerung des Feld- 
zuges und_ die fchlechte Kaffenverwaltung die Rede fein kann, 
läfst fich nach dem uns vorliegenden Material nicht mehr be- 
ftimmen, keineswegs find wir aber berechtigt mit Schäfer^) und 
Curtius ^) die Infcenirung des ganzen Proceffes als Parteichicane 
zu betrachten» Im Gegentheil könnte man aus dem Umftand, 
dafs Timotheos nach feiner Freifprechung auf Jahre Athen ver- 
liefs und Dienfte beim perfifchen Satrapen nahm, mit mehr Recht 
folgern, dafs die Anklage doch manches Compromittirende ent- 
halten haben mufs. 

Iphikrates blieb zunächft ruhig im ionifchen Meere zum 
Schutz der dortigen athenifchen Bundesgenoffen ftationirt. Es 
war dies eine militairifch nothwendige Mafsregel, da die pelopon- 
nefifche Flotte ja noch keineswegs völlig vernichtet war und nach 
der Entfernung des Iphikrates leicht ihre kriegerifchen Opera- 
tionen gegen die feindlichen Infein von Neuem beginnen konnte. 
Freilich war es für den Feldherm ein Ding der Unmöglichkeit 
ohne Geldmittel die ganze Zeit über feine Flotte beifammen zu 



1) X. Hell. VI, 3, 3. 

2) D* I, p. 56. 

3) m, p. 202. 



. "7 

halben und ein gröfseres Unternehmen zu wagen: er mufste, um 
feine Mannfchaft erhalten zu können^ feine A^atrofen bei den Kor- 
k3rräern Arbeit nehmen laden, die zur Inftandfetzung ihrer ver- 
wüileten Felder und Weinberge vieler Hände bedurften. Er 
fdbft fetzte inzwifchen mit feihen Hopliten und Peltaften nach 
Akamanien über, um dort im Dienft befreundister Städte 
Krieg gegen verfchiedene Völkerftämme, namentlich gegen die 
Thyrier zu führen. Dann' complettirte er feine Flotte, brachte 
fie mit Hilfe Jcorkyräifcher Contingente jiuf 90 Schiffe, trieb, — 
fo auf Kephallenia, — von Freunden und Feinden Contributionen 
bei und begann einen erfolgreichen Freibeuterkrieg, bei dem er 
die peloponnefifchen Küften auf empfindliche Weife brandfchatzte ^). 

Während Iphikrates fo im Frühling und Sommer 372 den 
Kampf gegen Sparta, wenn auch im Kleinen, fortführte, lief 
gegen' ihn kein lakedämonUches Gefchwader aus. Auch dort 
waren die Mittel erfchöpft, zumal der Peloponnes gerade um diefe 
Zeit von den fürchterlichften Naturerfcheinungen heimgelucht 
wurde. Diodor ^) und Paufanias ^) wiffen uns von grauenvollen 
Erdbeben und Ueberfchwemmungen zu berichten. Die Städte 
Helike und Eura in Achaia wurden durch die entfeffelten Ele- 
mente mit einem grofsen Theil der Bevölkerung vernichtet, und 
zehn lakedämonifche Trieren, die zufällig während der Naoht an 
der Küfte vor Anker lagen, gingen in den wild erregten Fluthen 
zu Grunde. 

Die Einzigen, die während des erneuten Kriegszuftandes 
wirkliche Vortheile erlangt hatten, waren die Thebaner. Während 
Sparta und Athen ihre Kräfte in fortgefetztem Kampfe aufrieben, i 
betrieben jene energifch die Confolidirung ihres Staates und ftreb- ' 
ten ihrem Ziele, der Vereinigung der ganzen Landfchaft unter 
der Führung Thebens, mit allen Kräften zu. Ob Plataeae fich 
bereits früher gezwungener Weife Theben angefchloffen hatte, 



1) X. Hell. VI, 2. 37, 38. 

2) XV, 48, 49. 

3) VII, 25. 



ii8 ' 

oder ob nur ein factifcher und nicht gefetzlicher Fricdenszuftand 
zwifchen beiden Städten herrfchte, läfst fich nicht mit Sicherheit 
entfcheiden. Aber hüben wie drüben war man wol davon über- 
zeugt, dafs eine Freundfchaft zwifchen ihnen nicht Beftand haben 
könne. Mufste doch Plataeae den Thebanern immer ein Dom 
im Auge fein, da die Stadt nach dem Königsfrieden von den 
Spartanern nur erbaut worden war, um ein Waffendepot 
gegen Theben zu gewinnen und diefem zugleich die Nutz- 
niefsung des Gebietes zu entziehen. Die Plataeer wufsten daher 
fehr wol, dafs man in Theben ihre Exiftenzberechtigung nie 
anerkannt hatte, und da auch fie nur von feindlichen Gefühlen 
gegen die mächtig aufftrebende böotifche Hauptftadt befeelt waren, 
fo knüpften fie ins Geheim mit Athen Verhandlungen an, die den 
Zweck verfolgten, ihre Stadt den Athenern in die Hände zu fpie- 
len und fie dem attifchen Gebiete einzuverleiben ^). Die Kunde 
diefer Intrigue beftimmte die Thebaner zu einem entfcheidenden 
Schlag. An einem Tage, an dem die fonft mifstrauifchen und 
wachfamen Plataeaer einen Ueberfall der Thebaner nicht erwarten 
konnten und fich daher auf ihre Felder zerftreut hatten, erfchien 
der Böotarch Neokles mit einem Heere und nahm die Stadt ohne 
Widerftand ein. Die unglücklichen Plataeer mufsten fich nun, da 
fie ihren Befitz, ihre Weiber und Kinder in den Händen der Sie- 
ger fahen, den vorg^fchriebenen Bedingungen fugen ^) : es wurde 
ihnen freier Abzug niit ihrer beweglichen Habe geftattet, dann 
ward die Stadt vernichtet und das Gebiet von Neuem mit The- 
ben vereinigt^). In ähnlicher Weife ging man dann auch geg^en 



1) Diodor XV, 46. 

2) Paus, ix, I, 8. 

3) Clinton p* 118 setzt die Zerstörung Plataeaes in den Frühling des 
Jahres 374. Bücheenschütz (An. zo X, Hell. VI, 3, 1) nnd Benseier (Aus- 
gabe d. Isokrat.) stimmen ihm bei. Allein vor dem Abschluss des Friedens 
im Jahre 374 ist der Ueberfall Plataeaes nicht erfolgt, (vergU Sievers p* 211) 
und wir haben auch keinen einzigen Anhaltspunkt für die Datirung in die- 
ses Jahr. Nach Diodor XV, 46 fand die Katastrophe im Jahre des Archen 
Sokratides statt, und zwar setzt er sie in den Frühling 373. Busol-t p* 785 
folgt dieser Datirung und führt dabei an, dass auch Pausanias (IX, 4, 3) die 



119 

das ftets feindliche Thespiae vor. Die Stadt und ihre Mauern 
wurden zerftört, und die Bevölkerung zum Dioikismus in einzelne 
Dörfer gezwungen*). So war nun Theben wirklich Herr von 
Böotien geworden und hatte, während die übrigen Staaten durch 
nutzlofen Krieg ihre Kräfte zersplitterten, fein fchon fo lange ver- 
folgtes Ziel erreicht. Die Zerftörung des befreundeten Plataeae 
erregte in ^then natürlich die höchfte Erbitterung und führte 
faft zum offenen Bruch mit Theben*). Die Ueberzeugung, dafe 
durch die Weiterfiihrung des Krieges nur die Machtentwickelung 
des verhafstenNachbarftaates gefördert würde, gewann in Athen 



Zerstörang ins Archontenjahr von 374/3 verlege. Allein zuDächat spricht 
Paosanias IX, 4, 3 gamicht von der Vernichtung Plataeaes, sondern vielmehr 
IX, 1, 8, and an dieser Stelle versetzt er sie ins Jahr des Archon Asteioe d. 
h, 373/2. Da PausaniiS sich über die Plataeaerfrage sehr wohlinstruirt zeigt 
a. seine Angaben hier entschieden aas gater Quelle stammen, so trage ich 
kein Bedenken ihm zu folgen und mit Grote V, p. 436 A. 180 anzunehmen, 
dasa- Plataeae im Winter oder Frühling 372 erobert worden ist. 

1) Ich glaube auf die Weise die Nachrichten bei Xenophon m, 3f 1, 
— dass die Thespier damals schon anoXi^eg gewesen seien, — und bei Pau- 
Bsnias IX, 14, 2, ^ dass sie noch zur Zeit der Schlacht bei Leuktra in 
Böotien waren, von der Erlaubniss , sich nicht an dem Kampf betheiligen 
BD müssen (Pans IX, 13, 8), Gebrauch machten und darauf entgültig vertrie- 
ben wurden, — vereinigen zu können and hoffe durch diesen Ausweg auch 
Urotes Bedenken gegen die Richtigkeit von Xenophons Notiz beseitigt zu 
haben. 

2) Busolt p« 786 meint, Theben sei damals aas dem Seebande aus- 
geschlossen worden, weil es durch die Zerstörung Piataeaes die Grundsätze 
der Bundesverfassung verletzt habe. Allein da Plataeae nicht Mitglied des 
Seehundes war, so hatte Theben der Stadt gegenüber vollkommen freie 
Hand and den Interessen des Bandes konnte es ja nur forderlich sein, wenn 
ein Mitglied desselben durch grössere Machtentfaltang die Garantie einer 
■t&rkeren Stütze gewähren konnte. Ich gestehe überhaupt hier dem Ge- 
dankengang Basolts nicht folgen zu können. Er sagt, es stehe fest (?], 
dMS die Thebaner im Frühjahr 371 nicht mehr im Rath der Bundesgenos- 
sen vertreten waren, und weist dann 15 Zeilen später selbst mit richtiger 
Interpretation von X. Hell. VI, 3, 19 darauf hin , dass Theben beim Con- 
gress in Sparta anter der Zahl der athenischen Bundesstädte auf dem Frie- 
densinstrument verzeichnet wor and dann erst der dabei sich ergebenden 
Confliete wegen in formeller Weise ausgeschieden sei. Allein wäre Theben 
schon vor dem Frieden nicht mehr Glied des Bundesgenossenrathes gewesen, 
so hätte es doch nicht in der Urkunde unter den athenischen Bundesge* 
nossen aufgeführt sein können« 



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120 

immer mehr an Boden, und bei der Erfchöpfung der materiellen 
Mittel trat eine allgemeine Friedensfehnfucht ein^ So führten fall 
diefelben Gründe, wie im Jahre 374, auch jetzt eine Annäherung 
zwifchen Athen und Sparta herbei. 

Die erfte, wenn auch indirecte, Anregung zu neuen Friedens- 
verhandlungen war diesmal von Sparta ausgegangen. Antalkidas ^) 
war wieder als Gefandter nach Afien gefchickt worden, um eine 
perfifche Intervention in Betreff des Königsfriedens zu erwirken, 
der durch Thebens Vorgehen gegen die böotifchen Städte ge- 
brochen fei. Seine Miffiqn war von Erfolg gekrönt, denn es er- 
fchienen im Laufe des Winters (372/1) Delegirte des Grofskönigs 
in Griechenland, welche den Befehl überbrachten, die griechifchen 
Staaten foUten vom Kriege abflehen und die Differenzen nach 
den Grundfätzen des Königsfriedens beilegen, Die Athener gaben 
bereitwillig diefen Propofitionen Gehör^ Sie liefsen fogleich nach 
Theben die Aufforderung ergehen, einen Friedensconvent in 
Sparta- zu befchicken*), und fandten dann ihrerfeits Vertreter 



1) X. Hell. VI, 8, 12. Ich trete der auch von Köhler Mitth* I, p. 12 
gebilligten Auffassung Grotes V, p. 433 bei , dass der Congress von Persien 
auf Spartas Veranlassung angeregt wurde. Auch Diodor XV, 50 spricht 
von persischer Vermittelung. Wenn bei Xenophon Hell. VI, 3, 2 die Athe- 
ner den Frieden in Sparta beantragen, so steht das zu der oben vertretenen 
Ansicht nicht in unausgleichbarem Widerspruch, wie Sievers p. 236 meint. 
Nach der persischen Aufforderung, von der Xenophon schweigt, können die 
Athener sehr wol die nächsten Schritte zur Herbeiführung einer friedlichen 
Lösung gethan haben. Warum Xenophons (Hell. VI, 3, 12,) Erzählung, wie 
Sievers behauptet, nothwendig die Mitwirkung des Perserkönigs ausschliesse, 
gestehe ich nicht einsehen zu können. 

2) X. Hell« VI, 3, 2. Wir dürfen aus der Thatsache nicht mit Busolt 
p. 786 schliessen, dass Theben nicht mehr als Bundesmitglied im Synedrion 
vertreten war. Theben war nicht nur als Stadt ein Glied des Bundes, son- 
dern repräsentirte zugleich factisch die ganze Landschaft Böotien , und es 
war daher natürlich, dass bei der Machtstellung, die es einnahm, die Athe- 

I ner sich vorher über die Absichten und Pläne dieses Grossstaates vergewis. 
! sem wollten. Theben hatte wegen seiner Bedeutung eine Ausnahme- 
' Stellung im Bunde, — es verstand sich nicht so ganz von selbst, dass es, 
i etwa wie Andros oder Eretria, auf dem Congress vertreten war, wenn man 
in Athen beschlossen hatte über den Frieden zu verhandeln. 



121 

nach Lakedämon, um die Friedensverhandlungen zu betrei- 
ben. Im Juni des Jahres 371 trat der denkwürdige Congrefs zu- 
fanmien. Es waren nicht nur Abgeordnete aller griechifchen 
Staated, fondem auch Gefandte des Perferkönigs und des Amyn- 
tas von Makedonien ^) erfchienen. Xenophon *) giebt ein ausfuhr- 
liches Referat über die Reden der athenifchen Gefandten. Nach- 
dem Elallias in gefuchten, niehtsfagenden Phrafen gefprochen, Au- 
tokies darauf den Spartanern ein rückfichtslofes Spiegelbild ihrer 
Politik und der Folgen derfelben gezeigt hatte, hielt Kalliftratos 
die eigentliche Friedensrede. Er erkannte an, dafs auf beiden 
Seiten Fehler begangen feien. Doch foUe man fich diefelben 
nun nicht mehr gegenfeitig vorhalten, fondem aus ihnen die 
fich ergebenden Lehren ziehen. Sparta muffe jetzt doch wol 
eingefehen haben, dafs feine Art den Antalkidasfrieden zu hand- 
haben, ihpi felbft wenig Vortheil gebracht; es werde daher wol 
in Zukunft den Forderungen der Gerechtigkeit Gehör geben und 
fich dazu verftehen, eine gemäfsigtere Politik zu verfolgen. Er 
führte dann weiter aus, dafs Athen nicht von irgend welcher Noth 
gedrängt, fondem von wirklicher Friedensliebe befeelt, die Been- 
digung des Krieges herbeiwünfche,- da es erkannt, dafs nur ein 
aufrichtiges Einverftändnifs zwifchen Sparta und Athen dem Inter- 
effe von ganz Hellas gerecht werden könne. Aus diefem 
Grund foUe man fich daher an den bisherigen Erfolgen und Er- 
werbungen des Krieges genügen laffen und nicht wie ein ver- 
zweifelter Spieler das Glück auf die äufserfte Probe Hellen: es 
gehe dabei gemeiniglich Alles verloren und unabfehbare Wirren 
und Verwickelungen feien die Folge. 

Wefentlich nach den in diefer Rede angedeuteten Grund- 
(atzen wurde der Vertrag vollzogen. Es war im Ganzen eine Er- 



1) Aesch* De falsa legatione c 9 p. 216 folg. R. 

2) Hell. VI, 3, 4—18. Dass die ixxXtjTOi^ vor denen die Reden gehal- 
ten werden, dasselbe ist, wie die Ekklesia, folgt aas unserer Stelle, vergli- 
chen mit V, 2, 11 u. y, 2, 32 u. 33. Büchsenschütz zu X. Hell. II, 4, 38, 
m, 2, 33. 



12^ 

V 

I 

f neuerung des Königsfriedens. Die Harmoften und Befatzungen 
foUten aus den Städten gezogen , die Heere abgerüftet , die 
Flotten aüfgelöft werden, und jeder Staat, grofs oder klein, follte 
volle Autonomie haben* Nur ein Punkt des früheren Friedens 
ward vollkommen geändert. Mit der Vollziehung und der Ueber- 
j wachung deffelben wurde nicht, wie ehedem, Sparta beauftragt* 
/ Man wollte die arg gemifsbrauchte Vollmacht nicht von Neuem 
den Händen der Lakedämonier anvertraut fehen, und Sparta mufste 
fich ftillfchweigend die herbe Demüthigung gefallen laffen, nicht 
mehr als oberfte Inflanz in hellenifchen Angelenheiten zu gelten. 
Aber auch nicht Athen, noch beide Grofsmächte zufammen über- 
nahmen die Verantwortung für die Aufrechterhaltung des Friedens, 
fondem es ward nach dem neuen Vertragsparagraphen dem Be- 
lieben eines jeden einzelnen Staates anheimgeftellt, ob er dem 
durch den Bruch der flipulirten Friedensbedingungen Gefchädig- 
ten Hilfe bringen wolle, oder nicht. Vertheidiger demnach und 
Schirmer des gefchlofTenen Vertrages zu fein, ward fo den Einzel- 
flaaten oder Staatenverbindungen nur als Recht vindicirt, nicht als 
Verpflichtung auferlegt. Grote fieht in diefer Abänderung des 
Antalkidasfriedens den Ausflufs des damals herrfchenden liberalen 
Geifles, der die Freiheit der einzelnen Staaten in ihren EntfchlüfTen 
und Entfcheidungen gewahrt wifTen wollte. Nun, — dann war 
auch hier, wie häufig, der Liberalismus die Quelle der gröfsten 
Willkührlichkeiten , denn durch die beigefügte Klaufel ward die 
Bedeutung aller getroffenen Friedensbeflimmungen eine illufori- 
fche. Jede Stadt, jed.e Gemeinde konnte jetzt ungeilraft fich die 
gröfsten Gewaltthaten upd Bedrückungen ihren Nachbarn gegen- 
über erlauben, wenn fie fich nur vorher der Nichtintervention der' 
jenigen Staaten verfichert hatte, die im Stande waren, ihr ein 
Hindemifs in den Weg zu legen. Aber ich denke, nicht eine 
allgemeine Vorliebe für liberale Theorien machte den Vertrag zu 
einem leeren Trugbilde , fondem die damaligen politifchen Ver- 
hältniffe bedingten diefe bedeutungsvolle Beftimmung im Friedens- 
document* Athen wünfchte wirklich Ruhe und die Beendigung 



123 

des Kriegszuftandes und wollte fich daher nicht von vohieherein für 
den vorausfichtlichen Fall einer gewaltfamen Durchfuhrung der 
Friedensbedingungen die Hände binden. Mochten Sparta und 
Theben allein den kaum zu vermeidenden Kampf ausfechten und 
'dabei gegenfeitig ihre Kräfte verzehren, Athen fühlte weder Nei- . 
gung noch Beruf an diefem Kampfe Theil zu nehmen und zu I 
Günften eines anderen Staates Kriegsopfer zu tragen. Anderer- / 
feits mufste auch Sparta diefe Paffivität der Athener genehm fein. { 
Wie die Verhältniffe im Peloponnes lagen, wären bei einer ein- 
fachen Erneuerung des Antalkidasfriedens die Athener gezwungen 
gewefen, auf den Hilferuf der bedrückten Städte gegen Sparta zu 
Felde zu ziehen. Es war alfo auch im Intereffe Lakedämons, 
dafs der Friede keine verpflichtenden Beftimmungen in der Be- 
Ziehung enthielt, und wir können daher den Vertrag mit Bufolt *) 
als Ergebnifs einer zeitweiligen Annäherung zwifchen Athen und 
Sparta betrachten, die durch beiderfeitige Zugeftändnifle und 
Connivenzen zu jener Abänderung des Königsfriedens führte. 
Wir haben bisher nicht Gelegenlieit gehabt, der Stellung zu ge- 
denken, die Theben auf dem Friedenscongrefs einnahm. Bei den 
abweichenden Berichten, die in unferen Quellen hierüber vorliegen, 
und den verfchiedenen Beurtheilungen und Darftellungen der neueren 
Gelehrten fcheint es erforderlich in eingehenderer Befprechung das 
Verfäumte nachzuholen. Nachdem man über die Friedensbedingun- 
gen fich geeinigt, fo erzählt uns Xenophon*), befchworen dieLakedä- 
monier in ihrem und ihrer Bundesgenoflen Namen den Vertrag*), 



1) p. 790. 

2) Hell. VI, 3, 18. 

8) Ans welchen Gründen Pomtow p. 58 diese wohlbezeugte Thatsaohe' 
in Abrede stellt, vermag ich nicht einzusehen. Als Vorort einer a a töne- 
rn eu Bandesgenossenschaft konnte Sparta jederzeit für alle Glieder dersel- 
ben den Eid ablegen , da der Begriff der Autonomie es nicht nothwendig 
erforderte, dass jedes Bundesmitglied einzeln schwor. Die Verkennnng die- 
ses Grundsatzes ist die Veranlassung von Grotes (V, p. 440 folg.) schiefer 
AnifasBnng dieses Friedenscongresses und der Handlungsweise der Sparta- 
ner, in welcher er einen Akt brqtaler Willkühr sieht. Wenn auf der an*' 
dem Seite auch das athenische Bundes-Synedrion den Schwur leistet, so ist 



während die Athener und ihre Bundesgenoffen einzeln, ftadtweife- 
den Eid leifteten. Unter die Theihiehmer des befchworenen Frie- 
dens — fo interpretirt man bisher die Worte Xenophons — hatten fich 
auch die Thebaner einzeichnen laffen^ Am folgenden Tage aber 
traten ihre Gefandten mit der Forderung auf, anftatt als „Theba- 
ner" als „Böoter" in das Friedensinftrument aufgenommen zu werden. 
AgefJaos weigerte fich ihrem Wunfeh zu willfahren, bemerkte 
aber, er fei bereit ihren Namen aus der Urkunde zu tilgen, falls 
fie nicht am Vertrage Theil haben wollten. Da die Thebaner 
auf ihrem Verlangen beftanden, blieben fie vom allgemeinen Frie-, 
den ausgefchloffen und kehrten entmuthigt in ihre Heimath zurück. 
Die Mehrzahl der Gelehrten *) hat an diefer Erzählung des Xeno- 
phon Anftofs genommen. Man findet in ihr eine Herabfetzung 
der Thebaner und ihrer Vertreter, und da die lakonerfreundliche 
Gefmnung des Xenophon bekannt ift und er zudem die ander- 
weitig wohl bezeugte^ Anwefenheit und Thätigkeit des Epaminon- 
das auf dem Congreffe verfchweigt, fo hat man kein Bedenken 
getragen, feinen Bericht über die Schlufsvorgänge auf dem Con- 
vente fallen zu laffen und fich der bei Plutarch gegebenen Dar- 
ftellung zuzuwenden, die das Auftreten und die Wirkfamkeit des 
Epaminondas in ganz anderer Weife betont und hervorhebt. 



das wol nicht, wie Bnsolt p. 651 meint, ein Ersatz für die weniger einfluss- 
reiche Theilnahme am Zustandekommen des Friedensvertrages, sondern weil 
— wie Lenz p. 26 mit Recht annimmt, — in der gesonderten Eidesablegong 
eine grössere Garantie dafür lag, dass der Vorort der Stimme des 8yn- 
edrions Gehör geben musste. Bei dem jungen Bestand des Seebundes war 
das Verhältniss zwischen Athen u. den beigetretenen Gliedern noch kein 
so fest consolidirtes, wie zwischen Sparta und den peloponnesischen Bun- 
desgenossen, und Athen daher zur Beobachtung grösserer Rücksicht den 
Vertretern der verbündeten Staaten gegenüber gezwungen. 

1) Sievers p. 237. Grote V, p. 443* Kortüm II, p. 106. Pomtow p. 
59. Hertzberg p. 347 etc. 

2) Flut. Ages. 27 n. 28. Paus IX, 13, 2. Wenn letzterer den be- 
rülimten Wortwechsel zwischen Epam. u. Ages. in die Verhandlung über 
den Antalkidasfrieden verlegt, so ist der Irrthum wol daraus entstanden, dass 
im Jahre 371 im Wesentlichen eine Erneuerung des Königsfriedens statt- 
fand. — 



"5 

Unter den nach Sparta beorderten Gefandten der hellenifchen 
Staaten — fo erzählt Plutarch — befand fich auch Epaminondas. 
Er allein hatte den Muth, kühn und rückfichtslos gegen Sparta 
und feine Politik aufzutreten und in längerer Rede den Nachweis 
zu fuhren, dafs nur ein auf Gerechtigkeit und .Gleichberechtigung 
beruhender Frieden die Einzelftaaten in den Stand fetzen würde, 
fich vor lakedämonifchen Uebergriffen zu fchützen, während die 
Fortfetzung des Krieges zum Schaden von ganz Griechenland den 
Machtzuwachs Spartas fördere und nähre. Diefe Rede^) voll heftiger 
Invectiv6n und offener Angriffe gegen Sparta erregte die Aufmerk- 
(iunkeit und Bewunderung der Zuhörer. Um den Eindruck dcrfelben 
abzufchwächen, unterbrach Agefilaos den Redner mit der Frage, 
ob er es denn nicht für Recht halte den böotifchen Städten ihre 
Selbftändigkeit zu lafTen ? Epaminondas antwortete mit der Gegen- 
frage, ob die Spartaner auch den lakonifchen Metökenflädten ihre 
politifche Autonomie wiedergeben wollten? Nachdem fich diefelbe 
Scene nochmals wiederholt hat, fpringt dann Agefilaos auf, 
ftreicht^ den Namen der Thebaner aus der Friedensurkimde 
imd erklärt ihnen den Krieg. 

Abgefehen davon, dafs die Angabe unrichtig ifl, nur 
Epaminondas hätte den Spartanern ein Spiegelbild ihrer Politik 
vorzuhalten gewagt, und dafs femer bei der damaligen Lage 
der Dinge der Redner wol nicht zur Behauptung berechtigt 
war, die Fortfetzung des Krieges bringe den Spartanern Ehre 
und Ruhm, während die Uebrigen nur Leid und Unglück 
emdteten, fo ifl auch die ganze Anordnung der plutarchifchen 
Erzählung eine rein unmögliche. Dafs Epaminondas, nachdem 
die Friedensurkunde entworfen und die Unterfchriften gegeben 
waren*), nicht mehr eine flammende Rede gegen Sparta 

1) Mit den Worten: „Non minus illa oratione opes Lacedaerooniorupi 
concassit, quam Leuctrica pugna,^ schildert Nepos £pam. VI, 4 die Wirkung 
dieser Redel 

2) Flut Ages 28, oSroi tQaxdwg icx^v o ^AyficlXaoq xal t^ nqwpaaw 

^änijcsvj Cüg sid'vg i^aXsVtlfa^ to raiv Ot]ßalwv ovofia tl^g elQtjvrjg. 

3) Die Worte Platarchs i^aXetipai tb t&v Stjßaiwy ovofxa rrig 



126 

halten konnte, ift auch von den Vertretern der Darfteilung Plu- 
tarchs anerkannt worden, und mit bezeichnender Abweichung 
von feinem Berichte verlegen S i e v e r s ^) und G r o t e *) 
die Rede des Epaminondas in die Zeit der Verhandlung über die 
Formulirung der einzelnen Friedensbeftimmungen, während fie die 
berühmte Discuffion zwifchen Agefilaos und Epaminondas bei der 
Eidesleiftung vor fich gehen laflen. Aber nicht nur, dafs jene Ge- 
lehrten die zufammenhängende Erzählung Plutarchs zerftückeln 
und auf zwei gefonderte Vorgänge beziehen muffen, wodurch ein 
total fremdes Moment — die Eidesleiftung — in die von ihm ge- 
gebene Darftellung hineingetragen wird, fondem fie fmd auch ge- 
nöthigt die Schlufsnotiz Plutarchs, die Unterfchriften feien bereits 
vollzogen gewefen, fallen zu laffen, um eine eiinigermafsen wahr- 
fcheinliche Schilderung der Begebenheiten gewinnen zu können* Es 
ift wahr, es giebt in der plutarchifchen Erzählung felbft keine ein- 
zige Stelle, wo man das zum Schlufs als voUendeten Akt erwähnte 
Unterfchreiben des Friedensdocumentes einfügen könnte, — und 
deshalb vermeidet es wol auch Grote, beftimmt von einem Unter- 
zeichnen der Friedensurkunde zu fprechen oder genau die Reihen- 
folge der einzelnen Momente in der Verhandlung, wie er fie fich 
nach Plutarch denkt, anzugeben. Die einzig berechtigte Folgerung 
nun aus dem Allen fcheint mir, dafs wir doch Bedenken tragen foUtcn 
Xenophon, dem man bisher eine reine Erfindung nicht hat nachwei- 
fen könnnen, hier einer wiffeutlichen Entftellung von Thatfachen zu 
zeihen, • — und das einer dramatifch zugefpitzten Erzählung wegen, 
die felbft voll von Unzulänglichkeiten ift, deren Anordnung man 
umftofsen und deren Schlufs man weglaffen mufs, um eine den 
Anforderungen des gefunden Menfchenverftandes entfprechende 
Schilderung von den Voigängen am Ende des Congreffes ent- 
werfen zu können* So hat denn ein anderer Theil der neueren 



elQtpfijg gestatten nur die im Text vertretene Deutung, wie das bereits 
Herbst p. 700 gegen Hertzberg p. 347 überzeugend ausgeführt bat. 

1) p. 237. 

2) V, 443. 



137 

Gelehrten mit Recht den Kern wenigftens des xenophonteifchen 
Berichtes zu halten und^ fich aus ihpi ein Bild der Schlufsverhand- 
lungen zu rcconftruiren gefacht. Man hat fich dabei in den ver- 
fchiedenften Vermuthungen ergangen. Hertzberg ^)' meint, 
nach einer vorläufigen Annahme der vereinbarten Beftimmungen 
fei eine Art von Protokoll entworfen worden, das auch von Epa- 
minondas und feinen Mitgefandten als Abgeordneten Thebens 
unterzeichnet worden fei. Sie hätten das unbefchadet ihrer An- 
fprüche auf Böotien thun können. ,Am folgenden Tage bei der 
Eidesabiegung aber hätten fie, wenn fie die Rechte auf die Hegemonie 
ihres Landes wahren wollten, nur im Namen von ganz Böotien 
fchwören können, und nun fei, als fie diefes Verlangen vorbrach- 
ten, der Streit zwifchen Agefilaos und Epaminondas entftanden, 
der die allendliche Ausfchliefsung Thebens veranlafste. Allein 
abgefehen davon, dafs diefer vorläufige Friedensvertrag nur ein 
Fhantafiegebilde ift, für das fich auch nicht die geringften An- 
haltspunkte in der Ueberlieferung finden laflen , fo ift auch von 
Hertzberg keine Erklärung verfucht und gegeben worden, warum 
die thebanifchen Gefandten bei ihren von vorneherein geltend ge- 
machten Anfprüchen auf die Herrfchaft über Böotien fich nun 
doch zu einem fcheinbaren Zugeftändnifs verstanden und diefen Verr 
trag nur im Namen Thebens unterzeichnet haben. Ein derartiges 
Schwanken des Epaminondas mufs unverftändlich bleiben, wenn 
man nicht, wogegen ja auch Hertzberg lebhaft proteftirt, an einen 
über Nacht gekommenen bcfleren Entfchlufs glauben will. Daher 
erblickt denn auch Lachmann *), dem Schäfer ^) im Wefentlichen 
bdftimmt, in der ganzen uns bei Xenophon gefchilderten Scene 
nur eine tückifche Lift des Agefilaos. Trotzdem die Thebaner 
fich geweigert, die Autonomie Böotiens anzuerkennen, feien fie 
doch zum Eide zugelafien worden und hätten .Um daher als im 
Namen von ganz Böotien geleiftet angefefaefr <a]sdocu- 



1) p. 348. 

2) I, p. 309. 

3) Demosth« I, p. 67. 



128 

ment wären fie aber von den Spartanern als einzelner Staat ein- 
gezeichnet worden, und hierüber hätte fleh dann der bekannte 
Streit erhoben. Ich halte diefen Erklärungsverfuch für nicht fehr 
glücklich. Es ift nicht recht einzufehen, warum Agefilaos zu einer 
derartigen compromittirenden Lifl feine Zuflucht genommen haben 
follte, da er doch auch ohne diefelbe mit Fug und Recht die Theba- 
her wegen ihrer Anfprüche auf die Suprematie Böotiens von der 
Theilnahme am Frieden ausfchliefsen ' und fie als Friedensflörer 
hinflellen konnte, — während fle jetzt durch den von ihm ge- 
übten Betrug als Opfer einer Intrigue erfcheinen mufsten. Age- 
filaos hätte feinen Abfichten durch ein folches Verfahren fchlecht 
gedient. ' Einen anderen Weg zu einem befriedigenden Refultat 
zu gelangen, haben dann Herbfl^) und Curtius*) eingefchlagen. 
Die Friedensartikel , — fo meinen jene Gelehrten , — feien fefl- 
gefetzt und von den Spartanern , Athenern und Thebanem be- 
fchworen worden. Es hätte dann das Friedensprotokoll noch 
für weitere Unterfchriften offen geflanden, und nun wären unter 
anderen am folgenden Tage auch Abgeordnete böotifcher Ge- 
meinden erfchienen, „um durch eigenhändige Unterzeichnung ein 
urkundliches Anrecht auf ihre Selbfländigkeit zu erwerben." 
Hiergegen hätte Epaminondas erklärt, feine Unterfchrift gelte für 
ganz Böotien und dadurch den Bruch herbeigeführt. Aber einmal 
ifl es auch nur reine Hypothefe, dafs fich böotifche Städte zur Ei- 
desleiflung gemeldet haben follten, und dann ifl es nicht abzufehen, 
warum die Thebaner nicht von vorneherein zur Vermeidung jeg- 
licher MifsverfländnifTe im Namen von ganz Böotien, wie beim 
Vertrage vom Jahre 395 •), den Frieden abfchloffen. Sie mufßten 
fich doch felbfl fagen, dafs, wenn fie nur als Thebaner die Urkunde 
unterzeichneten, fofort bei der Durchführung des Friedens die 
Forderung an fie geflellt worden wäre, ihrer unterthänigen Bun- 
desgenoffenfchaft die Autonomie zurückzugeben. 



1) p* 700. 

2) m, 298. 

8) vergl. C. L A» II, 6 a. Köhler Hermes V, p. 1. 



129 

Bufolt *) fchliefslich ift voll und ganz für die Richtigkeit der 
,xenophonteifchen Erzählung eingetreten. Er meint, die Thebaner 
hätten die Gefahr einer völligen Ifolirung- für fo fchwerwiegend 
gehalten, dafs fie am erften Tage nur als Abgeordnete ihrer Stadt 
das Friedensdocument unterzeichneten •, dann wären fie über Nacht 
anderen Sinnes geworden und hätten die Anerkennung ihrer Bun- 
desgenoffenfchaft dadurch zu erreichen gefucht, dafs fie an Age- 
filaoa die Forderung Hellten, er foUe „iBoiwioi" anftatt ^.SrißaXoi'' 
in die Urkunde fetzen. Aber mit Recht ift eine derartige Auf- 
faflung allgemein angefochten worden. Bei dem zielbewufsten 
und energifchen Vorgehen, das die Patriotenpartei vom Tage 
der Befreiung an gezeigt , bei den Erfolgen, die fie errungen, 
ift es ganz undenkbar, dafs die Gefandten nicht mit einem be- 
ftimmt vorgezeichneten Programm auf dem Congreffe erfchienen 
wären, ift es undenkbar, dafs fie durch haltlofes Schwanken und 
Aenderung ihrer Entfchlüffe fich dem Fluch der Lächerlich- 
keit- ausgefetzt und ein Eingeftändnifs ihrer Schwäche geliefert 
hätten. «• 

Ich kann mich fo mit allen bisherigen Verfuchen, die Frage 
zu löfen, nicht einverftanden erklären. Doch ift die Grundan- 
fchauung, von der Herbft, Curtius und Bufolt ausgehen, entfchie- 
den richtig, dafs wir die Erzählung des Xenophon trotz ihrer Aus- 
lafTungen und Mängel nicht einfach für erfunden und gefälfcht 
halten dürfen. Dafs man bisher aber doch an diefem Bericht 
immer wieder hat Anftofs nehmen müflen, liegt nicht fowol an 
Xenophon, als an feinen Interpreten. Eine richtige Deutung 
der Worte Xenophons giebt, meiner Meinung nach, auch die 
bis jetzt nicht gefundene Erklärung dafür, warum Epaminondas 
imd feine Mitgefandten zunächft als Thebaner den Frieden unter- 
zeichneten» Es fchworen — fagt Xenophon — die Lakedä- 
monier für fich und ihre Bundesgenoffen, die Athener aber und 
ihre Bundesgenoffen ^fXaxä noUiq exacroi/^ Der folgende Satz 

1) p. 788. 



I30 

nun, ,^d7roYQatpaiJj6voi> S^iv xatq 6iJi(Ofioxvlai.g noXiCi xal oi &9jßatoi,^* fteht 
im engften logifchen und fachlichen Zufammenhang mit dem vor- 
hergehenden und befagt, dafs auch die Thebaner unter der Zahl 
der athenifchen Bundesgcnoffenftädte den Eid geleiftet hätten. 
Das ganze Synedrion des Bundesrathes war zum Congrefs nach 
Sparta gereift, und die Glieder deffelben befchworen im Namen 
der Städte, die fie vertraten, den Frieden. Theben gehörte zum 
Seebunde und mufste daher als Mitglied deffelben im Verein mit 
den übrigen Bundesgenoffen den Vertrag unterzeichnen, wollte es 
nicht anders fein Vertretungsrecht im Bundesrath verwirken. 

Da nun die Thebaner, wie wir das noch heute im Mitglieds- 
verzeichnifs des zweiten athenifchen Seebundes lefen können •), nur 
im Namen ihrer Stadt dem Bunde beigetreten waren, fo konnten fie 
auch folgerichtig in der Zahl diefer Bundesgenoffen nur als ,,Sfjßatoi'^ 
den Schwur ablegen. Epaminondas aber fah voraus, welche Con- 
fequenzen es nach fich ziehen würde, wenn er und feine Genoffen 
nur im Namen Thebens am Frieden Theil genommen hätten, und 
daher trat er am folgenden Tage in feiner Eigenfchaft als Böo- 
tarch mit der Forderung auf, nun auch im Namen von ganz Böo- 
tien, deffen Vertreter Theben und feine Gefandten feien, die 
Friedensurkunde zu unterzeichnen. 

Er wollte alfo keine Aenderung der Unterfchrift, fondem nur 
eine Erweiterung derfelben, neben Theben, das als athenifches 
Bundesmitglied den Frieden abgefchloffen hatte, foUte auch Böo- 
tien als Theilnehlner fungiren. Wenn Xenophon fagt, fjixsksvov 
fi€TayQd(p€iv avü Stjßaliov BotwToi)q'\ fo ift ihm hierbei ein leicht 
verzeihlicher Irrthum paffirt. Er wufste, dafs die Gefandten zu- 
nächft als Thebaner unterfchrieben hatten und nun am anderen 
Tage das Anfinnen ftellten, als Böoter in der Urkunde einge- 
zeichnet zu werden, und meinte, es handle fich um eine Abände- 
rung der erften Unterfchrift, während in Wirklichkeit noch eine 
zweite gegeben werden follte, um dadurch jede felbftändige Betheili- 



1) C, I. A. II, 17. 



131 

gung böotifcher Orte ein für allemal abzufchneiden und Thebens 
Stellung als böotifche Vormacht zu beurkunden. 

Epaminondas war mit dem Wortlaut der Vertragsartikel ein- 
verftanden, es fragte fich nur, welche Anwendung diefelben' auf 
Theben finden foUten. Seiner und feiner ParteigenofTen AufifaCTung 
nach hatte die Hauptftadt Böotiens das volle Recht, die Landfchaft 
unter ihrem Scepter zu einigen, wie es einfl Athen und Sparta 
mit Attika und Lakonien gethan. Diefes Recht, fo alt wie die 
jetzige Anfiedlung Böotiens, war einft von Sparta felbfl anerkannt 
und gefchützt worden^), und um fo mehr glaubten daher die Ge- 
sandten Thebens den Anfpruch geltend machen zu können, dafs 
der Autonomieparagraph keine Beziehung auf ihre Herrfchaft über 
Böotien haben dürfe. Allein diefe Fordernng fand auf dem Con- 
grefs den lebhafteflen Widerfpruch. Nicht der fanatifche The- 
banerhafs des Agefilaos, wie unfere neueren Gelehrten meinen^), 
veranlafste denfelben, fondem es war in der hiftorifchen Entwicke- 
lung der Dinge auch rechtlich begründet, dafs man diefe An- 
fprüche Thebens als unvereinbar mit den Vertragsartikeln be- 
trachtete. 

Beim Abfchlufs des Königsfriedens hatten die Thebaner 
felbfl — durch welche Umftände gezwungen, ifl gleichgültig 
auf ihre Herrfchaft über Böotien verzichtet und damit das Ein- 
geftändnifs geliefert, dafs ihre Hegemonie über die Landfchaft mit 
den Forderungen der politifchen Selbfländigkeit der Einzelflaatcn 
nicht im Einklang flände. Nun waren fie theils durch friedliche 
Mittel, zum Theil durch Feuer und Schwert wiederum Herren 
von Böotien geworden. Sollte eine Erneuerung des Antalkidas- 
friedens flattfinden, fo mufste folgerichtiger Weife der Zuftand 
wieder herbeigeführt werden, der nach Annahme defifelben als 
rechtlich anerkannt worden war, und Theben mufste dann von 
Neuem feine Suprematie über Böotien aufgeben. Es war natür- 



1) Bei der Zerstörung Plalaeaes im peloponnesischen Kriege, 
(Thncyd. m, 61.) 

2) Cortius m, p. 399 u Andere. 

9* 



132 

lieh, dafs die Patriotenpartei nach all' den errungenen Erfolgen fich 
zu diefer Refignation nicht verftehen konnte, und ebenfo natür- 
lich, dafs die beiden Grofsmächte die Freigebung der unterthänigen 
Bundesgehoffenfchaft verlangtep. Es kam, wie Xenophon^) das 
auch andeutet, zti heftigen Scenen*) auf dem Convent, und das 
allendliche Refultat der Verhandlungen war die Ifolirung Thebens 
und feine Ausfchliefsung von der Theilnahme am allgemeinen 
Frieden. — Das Ende des Friedenscongreffes war eine Kriegs- 
erklärung, und von Neuem entbrannte der Kampf in Hellas. 

Den Athenern war es ernftlich um den Frieden zu thun. 
Sie zogen ihre Befatzungen aus den Städten, riefen den Iphikra- 
tes mit feiner Flotte zurück und befahlen ihm Alles, was er noch 
nach dem Abfchlufs des Vertrages gewonnen, wieder heraus zu 
geben ^). Soweit es die Staaten betraf, die am Frieden fich be- 
theiligt, erfüllten auch die Spartaner die feflgefetzten Bedingungen, 
vielleicht um fo eifriger, je eiliger fie es hatten das Strafgericht 
über den Friedensftörer hereinbrechen zu laffen. Ein rafcher 
Uebergang zum Krieg gegen Theben wurde durch den Umftand 
wefentlich begünfligt, dafs der König Kleombrotos mit feinem 
Heere noch in Phokis*) (land. Auf feine Anfrage nach Verhaltungs- 
mafsregeln wurde er beordert fogleich in Böotien einzurücken, 
falls die Thebaner fich nicht noch im letzten Augenblick ent- 
fchlöffen, die Autonomie der unterworfenen Städte anzuerkennen*). 



1) Hell. VI, 3, 19. 

2) vergl. Plut. Ages. 28. Paus. IX, 13, 2» 

3) X. Hell. VI, 4, 1. 

4) Vergl. Lachmanns II, p. 405 gegen Sievers p. 239 gerichtete Aus- 
führungen über diesen Punkt. 

5) X. Hell. VI, 4, 3. Diodor XV, 61 u. Arist. (Grat. Leuct. II, p. 664 
Dindorf) berichten von einer Sendung spart Gesandten nach Theben, die 
dort die stolze Antwort empfingen, Lakedämon hätte sich nicht um böoti- 
sche Verhältnisse zu kümmern. Grote V, p. 447 hat die Wahrscheinlich- 
keit einer solchen förmlichen Requisition in Zweifel gezogen. Doch scheint 
— ganz abgesehen von der Frage nach der Glaub- oder Unglaubwürdigkeit 
der bei Diodor berichteten Details — nach der Erzählung Xenophons soviel 

'188 von Kleombrotos ein Ultimatum gestellt worden ist, oder dass 
\ Spartaner gehofft haben, die Thebaner würden, wenn sie den 



133 

Dem Wortlaut des Friedens gemäfs hätten die Spartaner freilich 
erft das in Phokis flehende Heer zurückrufen und auflöfen muffen, 
um dann Von Neuem zu ruften und es dabei dem Belieben der 
einzelnen Bundesgenoffen zu überlaffen, ob fie fich an dem Zuge 
betheiligen wollten, oder nicht. In Sparta felbft forderte Pro- 
thoos eine derartige gefetzmäfsige Durchführung des Friedens. 
Er wurde aber wie ein Thor verhöhnt : „l^ttj yaQ, äs k'oixsv^ rb 
icufiwio¥ vY^v," fagt Xenophon im Hinblick auf die fpäteren 
Folgen des fpartanifchen Vorgehens. 

Bei der Stellung jedoch, die Sparta im Peloponnes noch ein- 
nahm, war eine offene Weigerung der Bundesgenoffen gegen 
Theben zu Felde zu ziehen, ausgefchloffen, und es wäre daher 
eine unnöthige , koftfpielige und unpolitifche Weitläufigkeit ge- 
wefen, den grofsen Vortheil, den Kleombrotos* Anwefenheit in 
Fholds bot, unbenutzt aus der Hand zu geben. So rückte denn 
der fpartanifche König gegen Böotien aus. Die Thebaner hatten, 
um feinem Eindringen zu wehren, den Pafs bei Koroneia befetzt. 
Allein ftatt auf der Heerftrafse von Phokis nach Böotien zu mar- 
fchiren, wählte Kleombrotos einen anderen Weg. Er zog auf 
befchwerlichen Gebirgspfaden an der Südfeite des Helikon über 
Thisbe nach Kreufis, nahm den wichtigen Hafenort mit den 12 
dort ftationirten thebanifchen Trieren ein ") und erreichte dann, 
nachdem er die vom Peloponnes gefandten Hilfstruppen an fich 
gezogen, ungehindert das offene HügeUand, wo er bei Leuktra 
fein Lager auffchlug. Kleombrotos hatte durch diefen Marfch 
einen glänzenden Beweis feines ftrategifchen Genies geliefert. Er 
hatte fich nicht nur durch die Eroberung von Kreufis die Com- 
munication mit Sparta gefiebert *), fondem war auch ohne Schwert- 
ftreich ins Herz von» Böotien gelangt und bedrohte jetzt durch 



Ernst der Kriegsrüstungen sähen, doch schliesslich/ wie beim Antalkidas- 
friedeO) nachgeben. 

1) X. Hell. VI, 4, 8 5. 

2) Nach Cartius III, p. 303 macht Kleombrotos diesen beschwerlichen 
Zug nur ans dem Grunde, um d* peloponn. Verstärkung aufzunehmen. 



134 

feine Stellung Tl^eben felbft. Man erwartete in Griechenland 
nichts Anderes, als nun bald die Macht des^ Staates gebrochen 
zu fehen, der es gewagt, fich gegen Spartas Befehle aufzulehnen. 
Im thebanifchen Heere, das fich am nördlichen Rande der Ebene 
Kleombrotos gegenüber gelagert hatte, herrichte keineswegs freu- 
dige Siegeszuverficht. — Man empfand es fehr wol, was es be- 
deutete, ohne Bundesgenoffen , ohne Unterftützung den Kampf 
gegen das fieggewohnte Sparta in offener Feldfchlacht aufzuneh- 
men, und unter den Böotarchen felbft wurde die Meinung laut, 
man folle fich auf eine Verfchanzung und Vertheidigung der 
Stadt Theben befchränken '). Epaminondas und feine Partei- 
gänger hatten einen fchweren Stand : fie mufsten zunächft 
die Unentfchloifenheit der eigenen Amtsgenoffen befiegen und 
fie von der unabweisbaren Nothwendigkeit eines Kampfes über- 
zeugen. Weder war man der Treue der Landfchaft derart ver- 
fichert, noch mit hinreichendem Proviant verfehen, um fich den 
Befchwerden einer langwierigen Belagerung ausfetzen zu können*). 
Durch Priefterfchaft und Orakel fuchte man dann die Stimmung 
des Heeres zu heben ^). Ein alter Götterfpruch wurde hervorge- 
holt, der die Niederlage der Spartaner an dem bei Leuktra ge- 
legenen Grabe der Skedafostöchter verkündete^ thebanifche Prie- 
fterinnen verhiefsen aus glückUchen Wahrzeichen den Sieg, und 
aus der Hauptftadt wurde gemeldet, dafs die Thüren des Herakles- 
tempels fich plötzlich geöffnet hätten und die Rüftung des Landes- 
heros verfchwunden fei — ein ficheres Zeichen, dafs er felbft zum 
Schutz der bedrängten Heimath die Waffen ergriffen*). Vor 
Allem war es die Priefterfchaft von Lebadeia, welche die Pläne 
und Abfichten des Epaminondas eifrigft unterftützte^). Uns ift 
noch heute die ftolzc Weihinfchrift des Böotarchen Xenokrates 



1) Diod. XV, 51. 

2) Diod. XV, 53. Paus. IX, 13. 
3^ X. Hell. VI, 4, 6. 

4) X. Hell. VI, 4, 7. 

5; Cic. de Div. I, 34, 74. Paus. IV, Z%, $. 



135 

erhalten, in der er fich rühmt, durch Erfüllung der vom Zeus 
Trophonios gefkellten Bedingungen zum Siege bei Leuktra beige- 
tragen zu haben*). 

Alle diefe Götterzeichen und Verheifsungen verfehlten nicht 
den Muth der thebanifchen Truppen für die bevorftehende Schlacht 
zu erhöhen. Die Tiefebene zwifchen dem Helikon und Kithäron 
war zur Walilftatt auserfehen. Hier rückten die feindlichen 
Heere gegen einander vor. Die Truppenftärke auf beiden Seiten 
läfst fich nicht mehr fefUlellen, doch fcheint e$, dafs die Lakedä- 
monier ein bedeutendes numerifches Uebergewicht hatten*). Frei- 
lich hoben andere Uebelftände diefen Vortheil auf. Die fpartanifche 
Reiterei war, wie immer, in traurigem Zuftande, und ein grofser 
Theil der Bundestruppen zeigte keine fonderliche Kampfesluft. 
Die Schlacht wurde auf beiden Linien durch die Reiterei eröffnet. 
Die thebanifche, durch die Kämpfe der letzten Jahre in fteter 
Uebung gehalten, durchbrach die feindlichen Reihen und warf 
die fpartanifchen Reiter auf das Fufsvolk zurück, deren Schlacht- 



1) üeber d. Inschrift haben gehandelt: Bücheier Rh. M. XXXII, p. 479, j 
Gilbert N Jahr. CXVII p. 304 folg. und zuletzt Kaibel „Epigr. graeca* 
praef» XVI, Nr. 768a. Ich stimme den gegen Bücheier gerichteten Ausfüh- 
rungen Gilberts bei und bemerke gegen Kaibel, dass es mir nicht wol denk- 
bar erscheint, dass der Böotarch Xenokrates während der Schlacht u. wäh- 
rend d« Lakedämonier im Vortheil sind, sich d. Aufgabe erloost, dem Zeus 
ein Tropaion zu weihen. |,Wenn ihr mir ein Tropaion errichtet, so werde 
ich eure Feinde vernichten", so lautete der Orakelspruch des Zeus^ (Paus. 
IV, 32, 5) und die thebanischen Führer beeilten sich , denselben noch vor 
der Schlacht zu erfüllen. Was Paus. a. a* 0. weiter vom Schild d. Aristo- 
menes berichtet, der, um die Spartaner zu schrecken, so aufgerichtet worden 
sei, dass sie ihn während des Kampfes sehen konnten , beruht wol auf 
theban. Erfindung und hätte von Lachmann I, p. 317 nicht nacherzählt 
werden sollen. 

2) Nach Plut. Pelop. 20 betrug die Grösse des spartanischen Heeres 
10,000 Hopliten und 1000 Reiter. Diod. giebt <XV, 52; den Thebanern 
nur 6000 Mann. Dieses fast unmögliche Zahlenverhältniss ist von unseren 
Historikern (Lachmann I, p. 315, Curtius III, p, 303 etc.) acceptirt 
worden. — Den Späteren schien der Sieg über einen doppelt so starken 
Feind für die theban. Helden noch nicht ehrenvoll genug: Frontin IV, 
2, 6 erzählt, Epam. habe 4000 Fusssoldateu und 400 Reiter gehabt, während 
d. spartanische Heer aus 24,000 Hopliten und 600 Reitern bestand. Nach 
Polyaen ^H, 3, 8 u. 12) hatte Kleombotros sogar 40,000 Mann. 



136 

Ordnung dadurch geftört und im gleichmäfsigen Vorrücken gc- 
heninx.t wurde ^). 

Dies bot dem Epaminondas Gelegenheit, feinen Hauptangriff 
auszufuhren. Von jeher war es denThebanem eigenthümlich in tiefer 
Schlachtordnung zu kämpfen. Epaminondas ftellte jetzt fein Heer 50 
Mann hoch*) auf und concentrirte die ganze Stärke auf einem, 
und zwar dem linken Flügel. Es war dies eine bedeutungsvolle 
Neuerung. Der das Commando führende Staat nahm fonft ftets 
den rechten Flügel ein. Die hinter der Front gebildete Angriffs- 
colonne richtete fo ihre Spitze gegen den Punkt, wo die Lake- 
dämonier und Spartiaten unter Kleombrotos Führung flanden, 
während das Centrum und der rechte thebanifche Flügel 
zurückgezogen waren, um die Flanke des vordringenden^) Keiles 
zu decken. Die berühmte Aog^ y>äkavl^ bot den Vortheil, dafs der 
mit allem Ungeftüm auf einen beftimmten Theil des feindlichen 
Heeres ausgeführte Angriff denfelben nothwendig in Verwirrung 
bringen mufste, wodurch der erfte Erfolg fall unzweifelhaft war. 
Gelang es aber, die Lakedämonier und ihren König zu befiegen, 
fo war von den Bundesgenoffen — das wufste Epaminondas wol 
— wenig Widerftand zu befürchten. Die einzige Mafsregel, die 
diefe taktifche Neuerung unwirkfam machen konnte, war eine Um- 
zingelung der kurzen thebanifchen Flanke» Mit richtigem militai- 
rifchem Scljarfblick liefs Kleombrotos daher feine Truppen d^loy- 
iren — allein die Bewegung wurde durch das ungeftüme Vor- 
dringen des Pelopidas mit feiner heiligen Schaar vereitelt*). Es 
entfpann fich nun ein erbitterter Kampf, der lange unentfchieden 
blieb. Zunächfl fchienen die Spartaner die Oberhand zu behal- 
ten. Da fiel tödtlich verwi^ndet der König Kleombrotos, imd 
um feine Perfon entftand das blutigfte Handgemenge. Es gelang 

1) X. Hell. VI, 4, 13. 

2) X. Hell. VI, 4, 12* 

3) Diod. XV, 52. 

4) Plut. Pelop. 20. Köchly o. Rüstow p. 172 folg. lassen Pelop. das 
letzte Glied d. Btarmcolonne bilden n. dann plötzlich hervorbrechen, wäb- 
end Grote V , p. 45'i u. Pomtow p. 70 ihn die Vorderreibe einnehmen lassen- 



137 

den Seinen ihn noch lebend vom Schlachtfelde zu tragen. Als 
aber auch der Polemarch Deinon, Sphodrias und andere Heer- 
führer im Kampfe geblieben waren, löften fich die fpartanifchen 
Reihen und wichen. Der Bundesgenoffenflügel hatte kaum in die 
Schlacht eingegriffen und zog iich nun in das befefligte und 
hochgelegene Lager zurück. So hatte am 5 Hekatombeion des 
Jahres 371 das Schickfal zu Gunflen der Thebaner entfchieden *). 
Sie konnten flolz ein Siegesdenkmal *) errichten, während die La- 
kedämonier bei der Kampfesunluft der Bundesgenoffen durch die 
Bitte um Auslieferung der Todten ihre Niederlage eingeflehen 
mufsten. Wie viele auf beiden Seiten gefallen, läfst fich bei den 
fchwankenden *) Angaben nicht mit Sicherheit ermitteln. Beider 
Heftigkeit des Kampfes muffen hüben und drüben die Verlufle 
bedeutend gewefen fein. Auf dem Schlachtfelde felbft trat Ruhe 
ein. Die Thebaner unternahmen keinen weiteren Angriff gegen 
die fpartanifche Pofition ; es fchien, als feien fie felbft von ihrem Er- 
folge und Siege überrafcht. Und da das spartanische Lager feft ver- 
fchanzt war und von einer bedeutenden Truppenmacht vertheidigt, 
so fahen die thebanifchen Führer fehr wol ein, dafs trotz des Sieges 



JL) Plut Ag« 28. Nach Idelers Berechnung am 8. Juli. Ausser 
Dodwell, dessen irrige Datirung freilich längst bei Clinton ^Fasti hell/ 
ed* Krüger p. 390 widerlegt ist, hat Niemand an der Richtigkeit d* 
Angabe Plutarchs vom nur zwanzigtägigen Interwalle zwischen dem Frie- 
denscongress in Sparta und d. Schlacht bei Leuktra gezweifelt« Die Frist 
scheint doch allzu kurz bemessen. Sollte nicht etwa bei Plutarch, wie ihm 
das 9fDe gloria Athen.' p. 350 A. auch passirt ist, eine Verwechselung des 
Datums des Dankesfestes mit dem der Schlacht vorliegen? üeber derartige 
Verschiebungen siehe Böckh „Zur Geschichte der Mondcyklen^ p. 64. 

3) Ulrichs „Reisen etc.^ 2 p. 110 glaubt das Tropaion der Thebaner 
entdeckt zu haben; ihm stimmt Vischer „Erinneruugen' p. 552 bei« Nach 
Curtius III, p* 776 und Lolling (in Baedeckers Griechenland) hat Keils An- 
nahme (Syll. inscrip« Boot.), der in d. Ruinen ein Grabmonument sieht, mehr 
Wahrscheinlichkeit für sich. 

3) Nach X Hell. VI, 4, 15 waren 400 Spartaner und im Ganzen wol 
an 1000 Lakedämonier gefallen; Plut. Ag« 28 giebt die Zahl der getödteten 
Lakedämonier anf 1000, Paus. IX, 18 auf über 1000 an. [Nach Diod. XV, 
66 hätte der Verlust spartanischerseits 4000, nach Dionys v. Halik. 
Ant. Rom. II, 17 1700 Mann betragen* Die Thebaner hatten nach Diodor 
nur 300, ja nach Pausanias nur 47 Mann eingebüsst» 



138 

Theben noch nicht aus aB^r Gefahr befreit war. Bei feiner ifolirten 
Stellung, bei dem Mangel jeglicher Bundesgenoffen, kam Alles auf 
die Haltung der übrigen griechifchen Staaten, vor Allem Athens 
an. Liefsen die Athener fich bewegen zu Gunften Spartas zu 
interveniren, (o hatte Theben gegen die geeinten Grofsmächte den 
Kampf um feine Exiftenz zu beliehen. Nach dieser Seite mufste 
man fich fo fchnell wie möglich zu fiebern fuchen, und daher 
fandten die Thebaner gleich nach der Schlacht einen bekränzten 
Boten nach Athen, der die Gröfse des Sieges melden und die 
Athener zugleich zu einer T^ßoij^siat auffordern foUte, da jetzt die 
Gelegenheit gekommen, an Sparta Rache zu nehmen für alle Un- 
bill, die man von ihm erlitten ^). Die Siegesnachricht ward in Athen 
mit offenbarem Verdruffe aufgenommen, man vemachläffigte dem 
Herold gegenüber die felbftverftändlichften Höflichkeitsrückfich- 
ten*) und gab ihm auf das Hilfsgefuch keinen Befcheid*). 
Erfolgreicher war die Gefandtfchaft an den fchon von früherher*) 
verbündeten lafon von Pherae. Er verfprach dem Ruf der The- 
baner fogleich Folge zu leiften, rüftete ein Heer aus, durchzog 
das feindliche Phokis, ehe man dort feinen Abmarfch in Erfah- 
rung gebracht hatte und langte in kürzefter Frift auf dem Schlacht- 
felde von Leuktra an*). Die Thebaner wollten nun im Verein 
mit lafon den Sturm auf das feindliche Lager wagen. Der 
Tyrann rieth ihnen entfchieden von diefem Unternehmen ab und 



1) X. Hell, VI, 4, 19. Curtius III, p. 308 meint, d. Thebaner hätten 
von einer blutigen Verfolgnng des Sieges abgestanden, um die Schlacht bei 
Leuktra als eine nationale und allen Hellenen zu Gute kommende That an- 
erkennen zu lassen. Deshalb wäre denn auch d. Gesandschaft nach Athen 
abgegangen. Ich glaube, dass die im Text gegebene Darstellung mehr der 
wahren Sachlage entspricht 

2) Wie kränkend die Vernachlässigung des Brauches war, den Ge- 
sandten auf Kosten d Staates freie Aufnahme zu gewähren, lehrt Demost. 
nsql nagangeg. 31. 

3) X. Hell. VI, 4, 20. 

4) Dass Curtius III p. 308 in der Annahme irrt, lason wäre erst jetzt 
ein Bündniss mit Theben eingegangen, beweisen Xenophons Worte: VI, 4, 
20, nqog ^Idcova^ ßvfj^fxaxov ovta, hrsfjincy. 

6) X. HeU. VI, 4, 21. 



139 

brachte durch feine Vermittelung einen Vertrag zu Stande, dem- 
zufolge das lakedämonifche Heer freien Abzug erhielt. Man hat 
— fo Sievers ^) — "in diefem Vorgehen lafpns nur den Ausflufs 
einer eigennützigen Politik gefehen, bei der ihm ein entfchiedenes 
Uebergewicht der Thebaner unerwünfcht war; er habe deshalb 
durch Hintergehung und Uebervortheilung feiner Bundesgenoffen 
die eingefchloffenen Lakedämohier gerettet. Allein es war ein 
fchwieriges Unternehmen, das hochgelegene und ftark vertheidigte 
Lager zu erftürmen, und da die Feinde Herren des Hafens Kreu- 
fis waren, fo liefs fich auch eine Cernirung und Aushungerung 
kaum bewerkftelligen. Es war daher, wie Grote*) richtig erkannt 
hat, von dem Böotarchen das Klügfte, eine ehrenvolle Capitulation 
zu bewilligen.^) Freilich mufste es auch lafon bei feinem Stre- 
ben, die Vermittlerrolle in Griechenland zu fpielen, höchft er- 
wünfcht fein, Tich ein Recht auf die Dankbarkeit der Spartaner 
zu erwerben. 

Die Nachricht der grofsen Niederlage bei Leuktra traf 
in Sparta gerade am letzten Tage des Gymnopädienfeftes 
ein. Die Feier durfte nicht unterbrochen werden und heroifch, 
wie immer, trugen die Spartaner den Verlufl. Kein Schmerz, 
keine Klage ward laut.*) Sofort veranftalteten dann die Ephoren 
eine neue Aushebung, bei welcher fogar die höchften dienftpflich- 
tigen Alterskiaffen vom 35*®? bis zum 40*?^ Jahr mit herangezogen 
wurden. Archidamos, der Sohn des Agefilaos, bekam den Oberbefehl, 
und das Heer rückte nun zum Entfatz der im Lager bei Leuktra 
befindlichen Truppen aus.*) Bei Aigofthena im Megarifchen traf 
er die aus Böotien abziehenden Mannfchaften. Da Archidamos 
auf diefe Weife feine Miflion erfüllt fah, kehrte er um , löfte das 
Heer auf und zog nach Haufe. ^) Dies ift in grofsen Zügen ein 



1) p* 247. 

2) V, p. 459. 

3) Vergl. darüber besonders Abamelek-Lasareff, p. 26 folg« 

4) X. Hell. VI, 4, 16 und nach ihm Plat. Ages* 29. 

5) X. Hell. VI, 4, 18. 

6) X. Hell. VI, 4, 26. 



140 

Bild jener für Griechenland fo bedeutungsvollen Ereigniffe. Je 
nach dem Parteiftandpunkte der alten Autoren oder ihrer Quellen 
find uns fehr verfchiedenartig gefärbte Berichte über jene Zeit 
überkommen. Eine genauere Befprechung derfelben fcheint daher 
geboten, befonders da fich mit ihr zugleich die nothwendige 
Rechtfertigung der von uns entworfenen Schilderung vereinigen 
läfst. — 

Ich habe in Gang und Reihenfolge der Darftellung mich in 
Uebereinfiimmung mit den meiften neueren Gelehrten dem Xenophon 
angefchloffen, obwol feine Erzählung gerade über die Schlacht bei 
Leuktra immer wieder als Hauptbeweis feiner Parteilichkeit und 
Unzuverläffigkeit angeführt 'wird. Es Hl wahr, Xenophon nennt, wie 
Grote ') fagt, zu feiner Schande, kein einziges Mal den Namen 
des Epaminondas und hat kein Wort der Anerkennung für die 
Tapferkeit und die militairifchen Neuerungen der Thebaner. Da 
er feine Hellenika viele Jahre nach der Schlacht von Leuktra ver- 
fafste, mufste er vollauf Zeit und Gelegenheit gehabt haben fich 
über den wahren Sachverhalt zu unterrichten, wie es feine Pflicht 
als Hiftoriker erheifchte. Allein weit entfernt hier eine ^,Rettung" 
des Xenophon verfuchen zu wollen, fcheint es mir doch leicht 
begreiflich, dafs er fich nicht frei machen konnte von der Dar- 
flellung und dem Bericht, wie er in Sparta vom Verlauf der 
Schlacht colportirt worden war. Es ifk kaum wahrfcheinlich, 
dafs damals -gleich nach der Schlacht der Name des Epami- 
nondas in Sparta viel genannt worden ift. Der thebanifche Held 
war im Jahre 371 zum erflen Male Böotarch, ein Befehlshaber 
fo gut wie die übrigen fechs Glieder des höchflen militairifchen 
Collegiums, und da er damals, wenigflens der Aufsenwelt gegen- 
über, nicht i^e Curtius *) meint, auf der Höhe, fondem erfl am 
Anfang feines Einflufses und feiner Bedeutung fland. fo war man 
fich in Lakedämon vielleicht noch nicht recht klar darüber ge- 



1) V, p. 456. 

2) III, p. 3Q7, 



141 

worden, dafs man ihm und feinem (Irategifchen Genie vor Allem 
den Erfo^ der Thebaner zuzufchreiben hatte. Aber auch der 
weitere Bericht des Xenophon über die Schlacht felbft bietet ge- 
rade darum Interefle, weil er die hierüber in Sparta herrfchende 
Aufiaflui^ genau wiedergiebt. 

Aufser in anderen widrigen Vorfällen, fah man vor Allem 
den Grund der Niederlage im Mangel eines ordnenden Geiftes, 
eines entfchloffenen Willens. Kleombrotos hätte wenig Luft zum 
Kampfe gezeigt und fich erft auf Zureden von Freund und Feind 
dazu entfchloffen. Der entfcheidende Kriegsrath beim König hätte 
dann bis zum Mittag gedauert, und von Wein und Tafelfreuden 
erhitzt wären die Führer zur Schlacht ausgerückt. So hätte denn 
zumeift <las Ungefchick des Feldherren — wie das auch Ifokra- 
tes *) den Archidamos ausfprechen läfst — das Unglück herbei- 
geführt. Curtius, der fonft nicht allzu grofsen Refpect vor der 
Autorität des Xenophon hat, ift gerade hierin*) feinen Angaben 
gefolgt — die Thatfachen felbft, meine ich, hätten ihn eines 
Befieren belehren können. Der Marfch von Phokis nach Leuktra 
und der Deployirungs- und Umzingelungsverfuch während der 
Schlacht felbft legen beredtes Zeugnifs für die Feldhermtüchtig- 
keit des Kleombrotos ab. 

Dafs man in Sparta fich nicht entblödete dem todten König 
den Mifserfolg ungerechtfertigter Weife zur Laft zu legen, hatte 
nicht nur in dem hergebrachten Antagonismus der beiden Regie- 
rungshäufer feinen Grund, es war hierfür noch ein befonderer 
Anlafs vorhanden« Es ift bekannt, dafs man diesmal die „Gefetze 
fchlafen liefs"^) und über die befiegt aus der Schlacht zurückge- 
kehrten Spartaner nicht die Atimie verhängte, um die ohnehin ge- 
ringe Vollbürgerzahl nicht noch mehr zu reduciren. Es mufste nun 
aber auch ein Erklärungs- und Entfchuldigungsgrund für diefe 



1) Isokr* Archid. 9. 

2} m, p. 304. 

3} Plat. Ages. c. 30. 



142 

aufserordentliche Mafsregel gefunden werden; man mufste die Sol- 
daten felbft fo fehr als möglicii von der Schuld an der Niederlage 
entladen. Da man nun in Sparta doch nicht die Ueberlegenheit 
der thebanifchen Waffen einfach anerkennen wollte und konnte, 
fo blieb kein anderer Ausweg, als die fchlechte Führung des 
Kleombrotos für das Mifsgefchick "verantwortlich zu machen. 
Aufser dem Vorwurf aber , dafs Xenophon allzu bereitwillig die 
in Sparta verbreitete Verfion über den Verlauf der Schlacht für 
wahr gehalten habe, läfst fich gegen feine Darftellung fonft kein 
I Einwand erheben : fie trägt vollkommen den Stempel innerer und 
äufserer Wahrheit an fich und ift daher auch mit Recht jetzt als 
Primärquelle den neueren Schilderui^en zu Grunde gelegt worden. 
Wefentlich verfchieden lautet der Bericht Diodors. Er giebt 
in fechs Capiteln *) eine ausführliche Befprechung der Ereigniffe. 
Der Hauptinhalt derfelben ift in Kürze folgender. 

Nachdem man in Theben der letzten Gefardfchaft der Spar- 
taner eine ftolze, abfchlägige Antwort ertheilt, rückte Kleombrotos 
mit Heeresmacht gegen die rebellifche Stadt Selbft die fparta- 
nifchen Bundesgenoffen betheiligten fich mit Eifer am Kriege, da 
fie hofften ohne Schwertftreich Böotien unterwerfen zu können. 
Die Stimmung in Theben dagegen war tief gedrückt. Man be- 
fchlofs Weiber und Kinder nach Athen zu fenden, wählte dann 
Epaminondas zum Heerführer imd fchickte ihn mit den 6000 Mann 
ftarken Truppen ins Feld Gleich beim Auszuge ereigneten fich eine 
Reihe von unglücksverheifsenden Zeichen, welche die Muthlofigkeit 
noch fteigerten, obwol Epaminondas die Omina durch andere Deu- 
tung zu entkräften fuchte. Er fchlug bei Koroneia fein Lager auf Da 
Kleombrotos fich hier den Weg verfperrt fah, marfchirte er durch 
Phokis, nahm unterwegs Kreusis *) und die dort ankernden the- 
banifchen Trieren und gelangte nach Leuktra. Hier ftellten fich 



1) Diod. XV, 51-66. 

2) „Tiva T&v noXiafxatiwv," sagt Diodor XV, 53, da er aber tyXal 

TQi^QWv hyxQar^g iyeveTO*' hinzufügt, so meintauch eroflfenbar d. Hafenstadt 
Kreusis. 



143 

ihm die Böoter entgegen. Im Böotarchenrath waren die Stimmen 
getheilt : drei entfchieden fich für die Schlacht, drei für den Rückzug. 
Es gelang Epaminondas den fiebenten Böotarchen, der herbeigezo- 
gen kam, — woher, erfahren wir aus Paufanias *) - zu überreden, 
fich feiner und feiner Parteigenoffen Anficht anzufchliefsen und fo- 
fort den Kampf zu wagen» Um den Muth der Soldaten dann zu 
heben, wurden Priefl:erfchaft /und Orakel in Bewegung gefetzt. 
Durch all' die gemeldeten günfl:igen Omina und durch eine An- 
fprache des Epaminondas ward die Kampfeslufl: der Soldaten ent- 
fiaotmit. Während deffen traf lafon von Pherae mit 1500 Mann 
Fufevolk und 500 Reitern auf dem Schlachtfelde ein und brachte 
durch feine Bemühungen einen Waffenftillftand und Vertrag 
zwifchen den feindlichen Heerführern zu Stande. In Folge deffen 
begann nun Kleombrotos den Rückzug aus Böotien. Unter- 
wegs traf er ein zahlreiches lakedämonifches Heer, das die Spar- 
taner ihm unter Archidamos' Führung zu Hilfe gefandt hatten, 
um der Kampfbereitfchaft und dem Muth der Böoter eine er- 
drückende Uebermacht entgegenftellen zu können. Den vereinig- 
ten Heeren fchien es fchimpflich jetzt noch Furcht vor der Tapfer- 
keit der Böoter zu zeigen — Kleombrotos und Archidamos 
brachen den Vertrag und zogen wieder nach Leuktra zurück. 
HKer kam es zum Kampfe. Die Stellung der Lakedämonier unter 
den beiden Führern, die Pofition der Thebaner und den Gang der 
Schlacht mit allen Einzelheiten fchildert Diodor dann ausführlich 
in zwei Capiteln. Das allendliche Refultat des Kampfes, in wel- 
chem 4000 Lakedämonier und nur 3CX) Thebaner fielen, war 
ein glänzender Sieg Thebens. 

Da die Anficht von Palmerius und Schneider^, Xenophon 
habe diefe Verletzung des Waffenfliillftandes aus lakedämonier- 
freundlicher Parteilichkeit verfchwiegen, und die Thatfaöhen hät- 
ten fich wirklich fo ereignet, wie Diodor fie erzählt, bereits von 



1) IX, 13, 7. Er hatte die Kithäronpässe bewacht« 

2) Note zu X. Hell. VI, 4, 5 u, 6. 



144 

Meifsner^), Bauch'), Lachmann') und Grote*) eingehend wider- 
legt worden ift und von keinem Gelehrten der Neuzeit mehr ge- 
theilt wird, fo brauche ich mich nicht damit aufzuhalten, die Un- 
möglichkeiten und Unwahrfcheinlichkeiten nachzuweifen, die in 
dem Bericht Diodors über die Ankunft des lafon und das !pin- 
treffen des Archidamos vor der Schlacht, dem Treubruch etc. 
liegen. Intereffanter ift die Frage, woher Diodor feine Erzählung 
gefchöpft habe. Nach den Quellenunterfuchiungen von Volquard- 
fen fcheint eine folche Frage faft unzuläffig, da das Refultat diefer 
Forfchung, Ephoros fei in dieser Periode der einzige Gewährs- 
mann Diodors fiir die griechifche Gefchichte, mit feltener Einftim- 
migkeit acceptirt worden ift. Gerade die Darftellung der Schlacht 
bei Leuktra hat mit zur Begründung fiir diefe Anficht dienen 
muffen, da Volquardfen ^) in ihr, wie in der Schilderung des 
Kampfes bei Plataeae (XI, 31), diefelbe Befchreibung findet, die 
immer wiederkehre, die Stilübung des Rhetors, für welche eine 
Schlacht das Thema bilde. Bereits Bröcker ^) hat darauf hinge- 
wiefen, dafs die rhetorifchen Stilübungen in den Schlachtenbe- 
fchreibungen von Plataeae und Leuktra doch recht verfchieden von 
einander ausgefallen find, und ich kann Wachsmuth') und Vol- 
quardfen nicht Recht geben, wenn fie auch hier im Bericht über 
den Kampf bei Leuktra die Darftellung einer beftimmten, indivi- 
duellen Begebenheit vermiffen. Allein ganz abgefehen davon, — 
dürfen wir wirklich annehmen, dafs Diodor die hier in Betracht 
kommenden Capitel dem Ephoros entlehnt habe? Ich weifs fehr 
wol, dafs die Anflehten über Werth oder Unwerth des ephorifchen 
Gefchichtswerkes fehr von einander abweichen — allein felbft 



1) I, p. 234. 

2) p. 27. 

3) II, p. 405. 

4) V, p. 460. 

5) p. 47 u. 48. 

6) ifUntersuchuDgen über Diodor.* Gütersloh 1879 p. 39. 

7) Hell. Alt. I, 2, p. ^24» 



145 

wenn man Biüllers ^) hartes Urtheil über Ephoros theilen foUte^ fö 
darf man ihm doch keineswegs bei Darftellung zeitgenöflifcher 
Ereigniffe, zumal wir aus Polybius^) wiffen, dafs er die Bedeu- 
tung des Selbfterlebthabens wol zu fchätzen verftand, eine der- 
artige Ver*virrung zutrauen, wie wir fie hier in Betreff der Züge 
des lafon und Archidamos . finden. Auch können wir uns hierbei 
nicht mit dem Ausweg helfen, dafs jene Verfehen nur dem Dio- 
dor zuzufchreiben feien, der durch Flüchtigkeit und Verwechfelung 
den wahren Bericht feiner Quelle entftellt habe* Die widerfpruchs- 
lofe, wöhlbegründete und zufammenhängende Darftellung verbietet 
eine derartige Annahme und zeigt deutlich, dafs Diodor feine 
Erzählung ohne viel Veränderung aus feinem Autor entnommen 
hat. Für mich ift die Gefchichtsfälfchung, die in der zu frühen 
Datirung des Hilfszuges des lafon, in dem vermeintlichen Ver- 
tragsbruch der Spartaner etc. liegt,, fchon ein hinreichender Be- 
weis gegen die Benutzung des Ephoros; es kommt noch man- 
cherlei hinzu, um meine Annahme zu ftützen. Selbft wenn 
Ephoros die Bedeutung des Kampfes bei Leuktra noch fo fehr 
gewürdigt, fo ift es kaum wahrfcheinlich, dafs er in feiner Wel t- 
gefchichte fie mit fo überrafchender Detaillirung gefchildert 
hat, wie wir das bei Diodor finden. Wenn man die^sechs Capitel, 
welche Diodor den Ereigniifen widmet, mit Aufmerkfamkeit lieft, 
wenn man erwägt, ' mit welch' eingehender und liebevoller Ge- 
nauigkeit die Entmuthigung der Thebaner, die Unglück ver- 
heifsenden Vorzeichen, die Zuverficht des Epaminondas, die Sitzung 
des Böotarchenrathes, die Wirkung der Orakel und der Rede des 
Führers befchrieben find, wenn man weiter die unmöglichen 
Zahlenverhältniffe der auf beiden Seiten Gefallenen bedenkt, und 
wenn man fchliefslich fieht, wie lakedämonifcherseits nur Ueber- 
muth und Treubruch die bedeutungsvolle Kataftrophe herbeiführt, 
fo kann man fich der Ueberzeugung nicht verfchliefsen, dafs Diodor 
nicht nur eine antifpartanifche, fondern eine flreng böotifche Quelle 

1) Dorier I, p. 53. 

2) XII, 27. 

10 



146 

benutzt hat, die nicht aus zufälligem Verfehen den Gang der 
Ereigniffe verfchiebt, vielmehr in gutem Glauben oder voller Ab- 
ficht die in Böotien landläufige Verfion über die Vorgänge wieder- 
giebt. Schon WefTeling^) hat vermuthet, dafs Diodor hier dem 
Kallifthenes gefolgt fei. Ich verzichte darauf; bereits hier *^) mit 
Beftimmtheit diefen oder einen andern Namen zu nennen, glaube 
aber doch auch fo eine nähere Bezeichnung der Diodorquelle 
geben zu können. Es ift diefelbe, meine ^ich, die auch der Er- 
zählung des Plutarch zu Grunde gelegen hat. Freilich finden wir 
bei Plutarch einen nur ungenügenden Bericht über die in Betracht 
kommenden Ereigniffe : denn im Leben des Pelopidas ifl-von 
der Schlacht bei Leuktra nur in foweit die Rede, als der Held 
der Darflellung dabei betheiligt ifl und fich hervorthut. Die ein- 
gehende Schilderung derfelben hatte der gelehrte Polyhiflor in der 
Biographie des Epaminondas gegeben, und diefe gerade ifl 
uns verloren. Allein wir befitzen einen, wenn auch dürftigen,. 
Auszug derfelben in der Periegefe des Paufanias^). Ich bin bereits 
oben (vergl. p. 37) diefer geifl vollen, von Wilamowitz mehrmals *) 
ausgefprochenen Vermuthung beigetreten und kann noch einen 
bisher nicht beachteten Beweisgrund zur Erhärtung derfelben bei- 
bringen. Im Agefilaos, c. 28, fagt Plutarch, er habe in der 
Biographie des Epaminondas die vielen den Spartanern Unglück 
vcrheifsenden Omina befchrieben. Bei Paufanias nun finden wir 
im 4. Paragraphen des 13. Capitels diefe Wahrzeichen erzählt, 
von denen unfere übrigen Quellen nichts wiffen. Diefe Ueberein- 
flimmung im Verein mit den von Wilamowitz angeführten Argu- 
menten fcheint mir die Richtigkeit der Hypothefe aufser allen 
Zweifel zu flellen. Wie fchon bemerkt, giebt nun auch Paufanias 



1) Ausgabe des Diodor, Anmerkung zu der betreff. Stelle. 

2) Die Entscheidung der Frage, wer der von mir hier immer nur als 
„böotische Quelle** bezeichnete Autor sei, behalte ich mir für eine geson- 
derte Abhandlung vor. 

3) IX, 13. 

4) Vergl. ausser den oben p. 37 angeführten Stellen auch Wilamo- 
witz „Antigones v. Karystos** p. 332. A. 19. 



H7 

keine ausfuhrliche Schilderung des ganzen Krieges; er erzählt den 
Hergang nur foweit Theben und Epaminondas bei heiligt find 
und berichtet daher nichts vom Hilfszug und Vermittelungs- 
verfuch des lafon und vom Treubruch der Lakedämonier, wo- 
durch fich erft unzweifelhaft die Benutzung der gleichen Quelle 
durch Diodor und Plutarch erweifen laffen würde. Aber es giebt 
doeh mehrere fehr bemerkenswerthe Anhaltspunkte für diefe 
Annahme. Zunächft jfinden wir fowol bei Diodor '), als bei 
Paufanias ^) die irrthümliche Nachricht, dafs man in Theben daran 
gedacht , Weiber und Kinder beim bevorflehenden Kriege nach 
Athen zu fenden. Obwol Lachmann®) diefer Angabe folgt, ift 
doch ein derartiger Befchlufs der thebanifchen Heerführer bei der 
damaligen 'politifchen Sachlage völlig unmöglich*). Wie konnten 
die^ Thebaner hoffen, dafs diefelbe Stadt, die foeben die ver- 
tfiebenen Plataeer mit ihren Familien freundfchaftlichft auf- 
genommen und durch ihren Neid und ihre Feindfchaft ge- 
.gen den mächtig emporftrebenden Nachbarftaat hauptfächlich 
das Zuftandekommen des Friedenscongreffes in Sparta und die 
Ifolirung Thebens veranlafst hatte, jetzt hilfreich fich bereit 
zeigen würde den Thebanern die Kriegsführung und Vertheidi- 
gung des Landes zu erleichtern? Mit vollem Recht haben daher 
fall alle neueren Hifl:oriker diefe Angabe nicht mit in ihre 
Darftellungen der Begebenheiten verflochten; fie ift ein Irrthum, 
der zwar nicht einem Zeitgenoffen, wie Ephoros, wol aber dem 
späterlebenden Gefchlecht leicht paffiren konnte, dem die 'vielen , 
freundfchaftlichen Beziehungen zwifchen Athen und Theben be- 
kannt waren; und das daher auch auf diefen Krieg die Gefinnungen 
bezog, die der kurz vorhergehenden Periode angehörten. 

Aber nicht nur dieser Irrthum ist Paufanias und Diodor ge- 



1) XV, 52. 

2) IX, 13, 6. 

3) I, p. 313. 

4) Daher wissen denn aach Xenophon o. Polyän nichts von dieseoi 
Plan der Thebaner. 

10« 



148 

meinsam, auch sonst giebt es noch aufifallende Uebereinstimniungen 
zwischen beiden. Ich will hierbei kein Gewicht darauflegen, dafs beide 
von einer f^em^avicTaTti vixrj^^ der-Thebaner reden, das Gleiche 
über die Skedafostöchter berichten etc., fondem nur noch einen 
Punkt hervorheben: es ift dies die übereinftimmende Schilderung 
der Sitzung des Böotarchenrathes, von der alle unfere übri- 
gen Quellen nichts wiffen, Diodor erzählt flüchtig und kürzet 
als Paufanias; er nennt nicht alle Böotarchen bei Namen, ja fein 
Bericht wird erft durch Hinzunahme von Paufanias' Darftellung 
verftändlich. Diodor fagt, es herrfchte Stimmengleichheit im- 
Rathe, drei hätten fich für, drei gegen eine Schlacht erklärt: T^änoQiag 
Je ovarjg fieyaktjg x(ü övcxqItqv^ — fo tährt er fort — »rwv ßoianaQxäv o 
l-ßdofiog ^x£v«, welcher dann der Anficht des Epaminondas beitrat 
Wir erfahren von Diodor aber weder, wefshalb der fiebente Böo- 
4:arch nicht von Anbeginn an fich bei der Sitzung betheiligte, 
noch woher er kam« Die Erklärung hierfür giebt Paufanias (K, 
13, 7), aus dem wir erfehen, dafs Bakchylides die Kithäronpäffe 
bewacht hatte und im entfcheidenden Mpment nach Leuktra zu- 
rück geeilt war. Dem Diodor hat offenbar in feiner Quelle die- 
felbe Verfion vorgelegen: dadurch, dafs er die hothwendige Er- 
gänzung zum »^x^yc fortliefs, raubte er fich und feinen Lefem die 
Möglichkeit, ein klares Bild von der Verhandlung zu gewinnen. 
Aber nicht nur dafs die Erzählung Diodors in der Darftellung des 
Paufanias die richtige Ergänzung findet — auch der ganze Gang der 
Befchreibung zeigt deutlich, dafs er fie demfelben Gewährsmann 
entnommen bat, aus dem auch die Schilderung des Periegeten 
ftammt. Der Umftand, dafs bei Diodor und Paufanias die Angabe 
über die Zahl der Gefallenen beträchtlich von einander diver- 
girt, kann nichts gegen die Vermuthung beweisen, beider 
Bericht ginge in letzter Inflanz auf ein und denfelben Au- 
tor zurück. Wir dürfen nicht vergefTen, dafs Paufanias ja 
feine Daten nicht direct jenem Autor, fondem dem Plutarch 
entlehnt , der bei feiner grofsen Belefenheit in feinen Bio- 
graphien nicht nur einem Gewährsmann folgte, fondem feine 



149 

Lebensbefchreibungen aus den mannigfachften Schriften zufammen- 
fchmolz. Die hier vorgetragene Anficht über die Diodorquelle 
wird dadurch wefentiich geftützt, dafs der Agyrinäer auch in dem 
gleichfolgenden Abfchnitt über die pheräifche Tyrannis ^) — wie 
das bereits Köhler ^) richtig erkannt — denfelben Schriftfteller 
benutzt hat, der bei Darfteilung der gleichen Begebenheiten auch 
von Plutarch ') herangezogen ift, und den wir vorläufig nur als 
„böotifche Quelle*' bezeichnen wollen. Doch kehren wir zu, 
unferer Darftellung der auf die Schlacht bei Leuktra folgenden 
Ereignifle zurück. 

Während die Thebaner gleich nach dem errungenen Siege 
vollauf noch mit der Confolidirung ihrer Macht im eigenen Lande 
zu tHun hatten, fuchten die Athener mit grofsem Gefchick die 
politifchen Conftellationen zu benutzen, um fich von Neuem an 
die Spitze der griechifchen Staaten zu ftellen. Sie entfprachen 
der Mahnung der Thebaner, dafs es jetzt Zeit fei mit den Fein- 
den Abrechnung zu halten — freilich nur in anderer Weife, als 
man., es in Theben gemeint und gewünfcht hatte. Bald nach dem 
refultatlofen Verlauf der Expedition des Archidamos *) liefsen die 
Athener die Aufforderung ergehen, in ihrer Stadt zu einem Con- 
greffe zufammen zu treten. Es wurde dort unter ihrer Vorftand- 
fchaft und ihrem Schutz die Erneuerung des Antalkidasfriedens 
befchworen, und zwar mit dem wichtigen Zufatz, dafs jeder Theil- 
nehmer am Vertrage verpflichtet fein foUte, im Fall eine eidge- 
nöflifche Stadt angegriffen würde, ihr mit aller Kraft beizuftehen. 
Es war dies ein Doppelfchlag gegen die natürlichen Feinde Athens. 
Im Princip gegen Theben gerichtet, traf die Wirkung der Con- 
vention faft ausfchliefslich Sparta. Gerade das Aufgebot zum 



I) XV, 61. 

9) Mitth. IL p. 198 A. 1. 

3) Pelop. 29. 

4) X. Hell VI, 5, I. Warum Busolt p 791 die Tagsatzung in Athen 
erst im Frühling 370 stattfinden lässt , ist nicht abzusehen. Der Wortlaut 
der Xenophonstelle — der einzigen Quelle, die uns hierüber berichtet — 
ist mit dieser Annahme Busolts unvereinbar. 



ISO 

Feldzuge des Archidamos hatte gezeigt, dafs die peloponnefifchen 
Bundesgenoffen trotz der Friedensciaufel vom Jahre 371, welche 
die Betheiligung am Kriege dem Belieben jedes einzelnen Staates 
überliefs, doch nicht wagen konnten, Sparta die Heeresfolge zu 
weigern. Durch den in Athen, befchworenen Vertrag wurden die 
Verhältniffe in diefem Punkte wefentlich geändert. Die Bundes- 
genoffen hatten jetzt einen Rückhalt an der Eidgenoffenmacht 
und konnten furchtlos den Forderungen Spartas in Betreff mili- 
tairifcher Contributionen Widerftand entgegenfetzen, da fie, im 
Fall ihr Bundesoberhaupt mit Gewalt vorgehen wollte, auf den 
Beiftand aller übrigen Städte hoffen durften. 

So war denn die Betheiligung vor Allem der peloponnefifchen 
Bundesgenoffen am Congrefs zu Athen eine allgemeine, nur Elis ^) 
weigerte fich der Convention beizutreten, da es die Autonomie 
von Skillüs und Triphylien nicht anerkennen wollte. Selbftver- 
ftändlich hatte Theben die Tagfatzung in Athen nicht befchickt 
— und ebenfo felbftverfländlich hatten auch die Spartaner an ihr 
nicht Theil genommen^). Gegen die Richtigkeit diefer letzten 
Behauptung ift freilich neuerdings Proteft erhoben worden. Bu- 
folt^) und ihm folgend Hahn^) haben die Anficht vertreten, dafs 
die Spartaner fich gebeugt und den von Athen vorgelegten Eid 
geleiftet hätten. Es folge dies aus zwei Xenophonftellen (Hell. 
VI, 5, IG u. VI, s, 36) , und fei fchon durch die Erwägung 
wahrfcheinlich, dafs Sparta es nicht habe wagen dürfen, fich einem 
Kriegszug der Eidgenoffen unter Athens Führung auszufetzen. 
Allein der Wortlaut bei Xenophon — das hat bereits Lenz ge- 
fehen^) — zwingt uns keineswegs an den Vertrag von Athen zu 
denken, fondem läfst fich mit ebenfo viel Fug und Recht auf die 
Vereinbarungen des fpartanifchen Friedenscongreffes beziehen, und 

1) X. Hell. VI, 6, 2. 

2) Grote V, p. 468 Schäfer D. J, p. 71. Sievers p. 252, Lachmann 
L p. 332. 

3) p. 794. 

4) p. 467. 

5) p 52. 



da die Convention in Athen^ nur ein Defenfivbündnifs ^) war, fo 
hatte Sparta, wenn es gewiffenhaft den fchon im Vorjahr be- 
fchworenen Autonomieparagraphen hielt, weiter keine militairifche 
Intervention zu fürchten. 

Die für die Betheiligung Spartas am Friedensverträge ange- 
führten Gründe find fomit nicht beweiskräftig. Xenophon fchweigt 
vom Anfchlufs Spartas an die athenifche Eidgenoffenfchaft, und 
da er lakedämonifche Gefchichte fchreibt, hat, wie Lenz bemerkt, 
fein Schweigen einen gewiffen Werth. Dann aber war der ganze 
Congrefs zum Theil aus fpartanerfeindlichen Motiven^ veranlafst, 
und mir fcheint es daher im höchften Grade unwahrfcheinlich, dafs 
die Spartaner, mochten fie durch die Niederlage auch noch fo 
gedemüthigt fein, fich activ an diefem gegen fie felbfl gerichteten 
Vertr^ige betheiligt und die Suprematie Athens dadurch officiell 
aberkannt haben. 

Die Berufung der Tagfatzung und die auf ihr vereinbarten 
Beftimmungen waren ein wohl berechneter diplomatifcher Schach- 
zug Athens. Es hatte fich dadurch zum Proftates des Königs- 
friedens gemacht, und von welcher politifchen Bedeutung diefe 
Stellung war, zeigt der überwiegende Einflufs, den Sparta einft 
kraft feines Amtes als Schirmer und Schützer des Antalkidasfrie- 
dens auf den Gang der hellenifchen Angelegenheiten ausgeübt hatte. 
Aber Athen war jetzt nur noch in den Intentionen und Entwürfen 
das alte : bei der Ausführung ermatteten und erlahmten die Kräfte. 
Zwifchen zwei feindlichen Gebieten konnte es die neuerworbene 
mächtige Stellung nur behaupten, wenn es fich bereit zeigte, von 
vorneherein mit Waffengewalt feinen und der Eidgenoffen Forde- 



1) X. Hell. VI, 5, 2. €fifi€€viü ratg ajtov^aig ag ßaaiXsvg xaTinsfi- 
fpe xal toTq fp?j(pla/ja6i Totg ^A&Tjvaicav xal t&v avfxfiäxdoy* iav 6h rig 
CTqaxBvri inl riva rwv ofjtaaacwv rov^e rov oqxov^ ßorj^fjau) ndvri ad'dvsi. 

2) X Hell. VI, 5, 1. Es unterliegt wol heutzutage keinem Zweifel 
mehr, dass wir ohno) Siaxdoivio ol Aaxsdaifioviot^ äcnsQ tovc; ^A&fjyaiovg 
iUd'ecav zu lesen haben. Grotes Bedenken dagegen, der ovtw '^V, p. 488) 
halten will, sind unberechtigt. ^ 



rungen Nachdruck zu verleihen und jede Auflehnung, jedes Ab- 
weichen von den befchworenen Verträgen unbarmherzig zu ahn- 
den. Da man aber nun in Athen, zufrieden mit dem errungenen 
Erfolge, die Ereignifle, ohne einzugreifen, ruhig ihren Gang gehen 
liefs, gelangte die Coalition zu keiner praktifchen Bedeutung und 
begann fchon in den nächften Jahren zu verfallen und fich 
zu löfen. 

Die Thebaner hatten während deffen in energifcher Thätig- 
keit fich den Gewinn des Sieges bei LeuTctra zu fichem gefucht. 
Zunächft galt es hoch den letzten Widerftand in der eigenen 
Landfchaft zu bezwingen» Die Thespier hatten fich vor Beginn 
der Schlacht unzuverläffig gezeigt, und Epaminondas fah fich daher 
aus Furcht vor Verrath genöthigt ihnen die Erlaubnifs zum Ab- 
zug zu ertheilen, von der fie dann bereitwillig Gebrauch gemacht '). 
Jetzt nach erkämpftem Siege wurde ein fchweres Strafgericht übör 
die Thespier verhängt und fie des Landes verwiefen. Dann ging 
es gegen Orchomenos. Die Stadt konnte ohne fpartanifche Un- 
terftützung nicht an Gegenwehr denken und mufste fich ergeben. 
Diodor *) theilt uns mit, dafs Epaminondas den Ausbruch der Er- 
bitterung feiner Landsleute hinderte, die Stadt vor Zcrftörung be- 
wahrte und fie in den böotifchen Bund aufnahm. Es empfahl fich 
entfchieden zunächft den Weg der Milde einer Stadt gegenüber 
zu verfuchen, die, wie Orchomenos, einen fo bedeutenden Zuwachs 
der böotifchen Macht repräfentirte. 

Aber auch über die Grenzen des eigenen Landes hinaus 
fuchten die Thebaner ihren Einflufs zur Geltung zu bringen. Sie 
wufsten fehr wol und konnten es ja auch aus dem Beifpiel 
Spartas und Athens erfehen, dafs .nur das Vorhandenfein einer 
gröfseren Bundesgenoffenfchaft die Bafis einer wirklich be- 
deutenden Machtftellung bilden konnte. Naturgemäfs waren fie 
daher auf eine Einigung der mittelgriechifchen Landfchaften hin- 



1) Paus. IX, 13, 8 u. 14, 2 

2) XV, 57. ^ 



153 

gewiefeii. Nach Phokis'), Lokris, Aetolien, Akamanien*), Malis, 
Euboea und zu den Völkerfchaften am Oetagebirge gingen Ge- 
fandte aus Theben mit der Aufforderung, Bundesverträge über 
gemeinfame Heeresordnung abzufchliefsen. Ueberall war der Ein- 
flufe der lakonifchen Partei erfchüttert und das Anfehen der Gegner 
mächtige, überall fanden die Vorfchläge bereitwillig Gehör, Nie- 
mand dachte daran, dem Sieger von Leuktra das Recht zu be- 
ftreiten, Führer und Leiter- der neuen Waffenverbrüderung zu fein. 
So trat in kurzer Zeit eine Amphiktyonie zufammen, ein fefter 
Bund naturgemäfs auf einander angewiefener Staaten, der durch 
das delphifche Orakel feinen geiftigen Mittelpunkt imd gleichfam 
feine Sanktion erhielt. So an der Spitze von Mittelgriechenland 
durfte Theben getroft der Zukunft entgegenfchauen. Denn dafs 
der Kampf mit Sparta durch den einen Sieg bei Leuktra noch nicht^ 
beendet war, darüber herrfchte ja wol auch in Theben kein 
Zweifel. 

Freilich ift uns die Nachricht erhalten, dafs man nach der 
Schlacht von Leuktra eine friedliche Verftändigung herbeizuführen 
vcrfucht hat. Kein geringerer Gewährsmann als Polybius^) be- 
richtet; dafe die Spartaner und Thebaner damals den Achäem die 
Beilegung ihres Streites übertragen hätten. Wie die Sache ver- 
laufen, und warum diefer Vermittelungsverfuch refultatlos geblie- 
ben, darüber fchweigt auch Polybius. Die Unwahrfcheinlichkeit 
der ganzen Notiz fprmgt fofort in die Augen. Es ift undenkbar, 
dafs Sparta, der Hegemon des Peloponnes, fich dem Schieds- 



1) Narh X. Hell. VI, 5, 23 waren d. Phoker sogar unterworfen wor- 
den. Hell. VII, 5, 4 berufen sie sich aber auf ihre Verträge, die sie nur 
zur Epimachie zwängen. 

2) X. Hell. VI, 6, 23 — Ich sehe keinen Grund, mit Schäfer D. I, p. 
72. A. 2. ""AxaQvdvwv für eine Glosse im Texte zu halten. Diodor XV, 57 
nennt freilich nur d* Aetoler, Lokrer u« Phokei', allein das beweist doch noch 
nicht, dass die Akarnaner nicht beigetreten seien. 

3) II, 39. ov fJir;v uk'ka ys nsql x&v äiiiy)iaßtjTOV/j^vwv Inhqsxpav 
OrjßaToi xal Aaxsdaifiovioi, fiovoig rvuv ^EXXip'Wv ^Axo^iotg^ ov nQog t^v 
divafiiv (Inoßkttpuvreg etc. 



154 

richterfpnich einer kleinen, unbedeutenden Landfchaft auf der Halb- 
infel habe fügen wollen, nnd ebenfo undenkbar, dafs Theben feine 
mit Blut und Eifen erkaufte Stellung, feine Herrfchaft über Böo- 
tien abhängig gemacht habe vom Urtheil und Gutdünken eines 
Staates, der noch foeben beim Feldzug des Archidamos den gröfs- 
ten Eifer bewiefen^), Sparta die Heeresfolge zu leiften. Es hätte 
fich doch nimmer gebeugt und beugen können, wenn von Achaia 
nun die gamicht fo unberechtigte Forderung ausgefprochen worden 
wäre, die böotifchen Städte fpllten autonom fein, Wie die ganze 
Nachricht entftanden, ift nicht fchwer zu erklären. Als der 
achäifche Bund fich zur erden Macht Griechenlands emporgefchwun- 
gen hatte , fuchte man wenigftens das moralifche Anfehen des 
Staates in möglichfl frühe Zeit zurück zu datiren, und nahm des- 
halb, wenn das hiftorifche Material fehlte, zu einfachen Erfindun- 
gen feine Zuflucht. Die griechifche und römifche Gefchichtsüber- 
lieferung ift leider an Belegen , zu welcher Virtuofität man es hierin 
gebracht hat, nicht arm. Dafs Polybius als Achäer und unter dem 
Bann der Zeitereigniffe flehend, diefc Fabel als baare Münze 
colportirt, ift ihm nicht allzuhoch anzurechnen — fchlimmer 
ift es , dafs ein Theil unferer neueren Hiftoriker diefe Nach- 
richt nicht nur für wahr und wohlbeglaubigt hält, fondern fie nun 
zu motiviren und noch weiter auszufpipnen fucht. So glaubt 
Lachmann*), dafs der Congrefs in Athen eine Annäherung zwi- 
fchen Sparta und Theben herbeigeführt und diefe Uebereinkunft 
veranlafst habe. Durch die Wendung der peloponnefifchen Ange- 
legenheiten fei dann freilich eine dauernde Wirkfamkeit des Ver- 
trages unmöglich gemacht. Noch charakteriftifcher ift die Art, 
wie Curtius die Polybiusnotiz verwerthet: Epaminondas, meint 
er^, habe feine verlöhnliche Gefmnung und feinen Widerwillen 
gegen den Bruderkrieg deutlich documentirt. Man habe den 



1) X. Hell, vi, 4, 18. 

2) I, p. 332 folg» 

3) m, p. 312. 



155 

Spartanern Vorfchläge zur Verftändigung gemacht und die den 
Welthändeln femftehenden Achäer zur Entfcheidung der fchwe- 
benden Streitfragen berufen. Auch diefer Ausgleichurigsverfuch 
fei am Widerfpruch Spartas gefcheitert, „welches nur in eigen- 
finnigem Stolze Kraft und Entfchloffenheit zeigte". Ich brauche 
wol kaum noch ausdrücklich zu bemerken, dass der Wortlaut der 
Polybiusftelle nicht den geringften Anhaltspunkt zu dieser Auf- 
faflung giebt, die lediglich eine Verherrlichung von Epaminondas' 
Charakter bezweckt. 

Der Peloponnes war indeffen Schauplatz der heftigften Bewe- 
gungen und Erfchütterungen geworden* Laut dem Paragraphen des 
Friedensvertrages von 371 war Sparta verpflichtet feine Härmoften 
zurückzurufen und feine Befatzungen aus den Städten zu ziehen. Die 
prompte und vollftändige Beobachtung diefer Beftimmung war wol 
eine der nächften Folgen der Niederlage bei Leuktra. Die Wirkung 
diefer Mafsregel war bei dem gefchwächten Anfehen Spartas 
eine weitgehende. Ueberall — in Korinth, Sykion, Megara, 
Phigaleia, Phlius^) — begann eine energifche Reaction gegen 
die von Sparta eingefetzten oder begünft igten Oligarchien und 
Dekarchien. Die Demokratenpartei erhob mächtig ihr Haupt 
und führte durch ihre politifche Agitation allerorts einen Zufland 
des Schwankens und der Unficherheit herbei. Den Höhepunkt, 
erreichten die Parteikämpfe in- Argos. Der berüchtigte^) Skytalismos, 
der auch die Urheber der Revolution mit verfchlang, zeigte dort die 
wildentfefTelten Volkselemente in ihrer fchreckenerregendflen Ge- 
ftalt. Neben diefen deftructiven Tendenzen traten nun freilich 
auch andersgeartete, wichtige Bewegungen im Peloponnes hervor, 



1) Vergl. im Uebrigen Grotes V, p, 466 Aasführangen gegen die Po- 
lybiusnachricht. 

2) Diod» XV, 40 setzt, worin Curtius ihm folgt, all* diese Bewegungen 
ins Jahr 374* Ich habe mich bereits oben (p. 99) bemüht den Nachweis 
ZQ führen, wie jene durchaus unpassende Anticipation entstanden sei. 

3) Diod XV, 57. Diouys v. Halikarnass VU, 66. 



156 

vor Allem in Arkadien. Es ftand mit dem Abfchlufs der Con- 
vention in Athen im engften Zufammenhang, dafs man dort eine 
offene Auflehnung gegen Sparta wagte und von Neuem den 
Aufbau der Stadt Mantinea begann, ^) Die nach dem Königs- 
frieden vertriebenen Volksführer kehrten zurück, die in Dörfer 
aufgelöfte Gemeinde machte fich eifrig ans Werk, und die 
Nachbarorte halfen bauen oder fchickten, wie die Eleer, Geld- 
beiträge, um das Unternehmen noch fchnell zu Ende zu führen, 
ehe die Spartaner es hemmen konnten. Es ift wol felbftver- 
ftändlich, dafs in Sparta über diefe Erhebung die tieffte Empörung 
herrfchte. Aber man wagte es nicht, namentlich bei der augenblick- 
lichen Stimmung der Bundesgenoffen, "gegen Mantinea einzufchrei- 
ten, da eine eigentliche Rechtsverletzung nicht vorlag. Dfer Auto- 
nomieparagraph garantirte jedem Staat Freiheit und Selbftbe- 
ftimmung in Bezug auf feine politifche Verfaffung und Verwaltung.*) 
Aber man wollte In Sparta doch y^renigftens die offene Nichtach- 
tung und Ehrverletzung, die in dem Vorgehen Mantineas lag, 
abzuwenden fuchen. Agefilaos, der von altersher freundfchaftliche 
Beziehungen zu den Mantinäem hatte, begab fich dahin, um für 
den Augenblick wenigftens die Einftellung des Mauerbaues zu 
bewirken. Man folle der Form wegen Sparta um Erlaubnifs 
fragen: dafs die Genehmigung dann ertheilt werden würde, dafiir 
verbürge er fich. Ja, Sparta werde in dem Fall felbft zur Beftrei- 
tung der Baukoften beifteuem und das Werk fördern. Die leitenden 
Behörden in Mantinea gewährten dem König aber keinen Zutritt zu 
der Volksverfammlung und entliefsen ihn mit dem Befcheid, dafs 
man an dem einmal gefafsten Befchlufs der Gemeinde nichts mehr 
ändern könne.^ Sparta mufste diefe Demüthigung ruhig hinneh- 



1) X. Hell. VI, 5, 3. 

2) X. Hell. VI, 6, 5. GTQarsvsiv ys fisvtog in avrovg öi ^vvarov 
idoxsi slvtti^ in airovofila Ttjg slQrjvrjg ysysvijfi^rjg. 

3) X. Hell. VI, 5, 3-6. Nach Paus, vm, 8, 10 u. "IX, 14, 4 hätte 
Epam« die Stadl Mantinea hergestellt. Die böotische Quelle, der Plut. folgte, 
suchte den Einfluss Thebens auch da schon hervorzuheben, wo er sich nach- 



157 

men, die deutlich bewies, dafs die Furcht vor dem Hegemon 
des Pelopomies gefchwunden war. 

Das neuerwachte arkadifche Nationalbewufstfein begnügte 
fich aber nun nicht mit dem Synoikismos Mzmtineas. Es foUte 
weiter ein freies, geeintes und ftarkes Arkadien hergeftellt werden, 
das im Stande war, würdig den Platz zu behaupten, den der 
ältefte und zahlreichfte Volksftamm der Halbinfel beanfpruchen 
durfte. Die Volkspartei mufs fchon lange im Stillen auf dies 
Ziel hingearbeitet und eine rege Thätigkeit entfaltet haben, fonft 
wäre es kaum möglich gewefen, fchon fo bald nach der Schlacht 
bei Leuktra eine Verftändigung zwifchen den verfchiedenen Ge- 
meinden herbeizufuhren und den Befchlufs ins Werk zu fetzen, 
durch Synoikismus der vielen ftadtlofen Bezirke und kleineren' 
Ortfchaften eine Hauptftadt^), einen neuen Mittelpunkt der 



weislich noch nicht geltend machen konnte. Ich stimme Cartius IH, p. 
323 nicht bei, wenn er in den theban. Helden die intellectuellen Urheber 
und Leiter d. arkadischen Bewegung sieht. Ihr Eingreifen datirt von einem 
sp&tem Zeitpunkt. 

1) Paus. Vm, 27, 1-8. Diod. XV, 72. Xenophon spricht nicht aus- 
dräcklich von der Thatsache, erwähnt aber d. Einwohner der Stadt. Paus» 
a. a. 0. setzt die Gründung in d. Archontat des Phrasikleides Ol» 102, 2 (371 
V. Chr.), nach d, Marmor Parium fand sie im Jahr d. Dyskinetos Ol. 102,- 3 (370 
V. Chr.), nach Plut. Pelop. im Jahre d. Lysistratos OU 102, 4 (369 v. Chr.), nach 
Diod. XV, 72 endlich unter Nausigenes Ol. 103, 1 (368 v. Chr.) statt. Wie Pömtow 
p. 80 meint, lassen sich die Angaben vereinigen — sie bezeugen, dass vier 
Jahre an der Stadt gearbeitet sei. Im Jahre 371 wurde wol nur der ße- 
Bchluss zur Gründung gefasst. Paus. VIII, 27, 2 berichtet, Epaminondas 
habe den Arkadern 1000 Mann unter Pammenes sofort zu Hilfe gesandt. 
Es ist dies die böotische Tradition , die in allen damaligen bedeutungs- 
vollen Ereignissen das Werk des Epaminondas sehen will. Lachmann I, p 344, 
Hertzberg p. 351 u. Curtius IE, p. 332 folgen hier dem Pausanias. Mir scheint 
eine solche Sendung im Jahre .H71 doch höchst unwahrscheinlich. Es ist völ- 
lig unbegreiflich, warum die Arkader beim Einfall des Agesilaos zunächst 
in Athen Hilfe suchen und dann erst nach Theben sich wenden, wenn die 
Thebaner sich schon vorher als Bundesgenossen bethätigt hatten. Vielleicht 
war Pammenes nachher zum Schutz der neuen Gründung zurückgelassen; 
eine solche Massregel war nicht überflüssig, wie Hertzberg meint. Wir fin- 
den später in Tegea (X Hell. VII, 4, 33 folg) einen theban. Harmosten. 



158 

Landfchaft zu gründen, dpr Sitz der künftigen arkadifchen Central- 
behörde und einer die ganze Landfchaft vertretenden Gemeinde- 
verfammlung fein foUte. 

Der Verfaffungsentwurf, bei dem der Mantinäer Lykomedes ^) 
in hervorragender Weife betheiligt fcheint , war leicht gemacht, 
— aber die praktifche Durchführung bot.faft unüberwindliche 
Schwierigkeiten. Städte, wie Orchomenos und Heraia, die unter 
feftorganifirter Gefchlechterherrfchaft flanden und daher eng zu 
Sparta hielten, fetzten den neuen demokratifchen Beftrebungen 
energischen Widerftand entgegen; mehrere kleine Ortfchaften, 
deren Vertreter fich zum Synoikismus bereit erklärt hatten, wei- 
gerten fich im letzten Augenblick die alten Heimftätten zu ver- 
laffen und mufsten mit Gewalt zur Verfchmelzung gezwungen 
werden — und in den bedeutendflen Städten des Landes,' die 
von altersher felbftändig waren, kam der Parteikampf, wie das 
faft unvermeidlich war, zu offenem Ausbruch. So in Tegea Der 
Gegenfatz der confervativen Partei — an deren Spitze Stafippos 
ftand — und der nationalen Faction, die von KallibioS und Pro- 
xenos geleitet war, führte zu Gewaltmafsregeln und fchliefslich 
zu heftigem Strafsenkampf, in welchem Stafippos zunächft die 
Oberhand behielt. Bald aber wandte fich das Glück. Von Man- 
tinea erfchien ein Hilfscorps, um den Gefinnungsgenoffen Unter- 
ftützung zu bringen, und in Folge deffen fah Stafippos und feine 
Partei fich genöthigt die Stadt zu räumen. Sie fuchten im Tem- 
pel der Artemis Zuflucht. Aber die Heiligkeit des Ortes khützte 
fie nicht. Die Feinde erftiegen das Dach, deckten es ab und 
zwangen fie durch Steinwürfe zur Ergebung. Dann wurden fie 



1) Diodor XV, 59. Dass Diodor hier den Tegeaten nennt, ist ein 
reines Versehen. Wie Schiller richtig bemerkt (p. 21), waren nach Paasa- 
nias VIII, 27 in der Commission der Oikisten von Megalopolis zwei Lykome- 
des. Allein der Mantinäer war der bei Weitem bedeutendere Staatsmann, 
und Diodor durfte hier nur ihn nennen. Freilich ist sein Versehen nicht 
so gross, wie Sievers p. 255 meint, da es in Wirklichkeit doch auch einen 
Tegeaten gleichen Namens gab. Die Pausaniasstelle, die Diodor entlastet, 
ist Sievers und Clinton entgangen. 



159 

entwaffnet, gebunden, nach Tegea gebracht und dort vor ein Ge- 
richt geftellt, das durch Hinzuziehung der Mantinäer für diefen extra- 
ordinären Fall gebildet war. Sie wurden verurtheilt und hinge- 
richtet, da der Widerftand gegen die nationalen Intereffen vom 
revolutionären Terrorismus als Hochverrath betrachtet ward. 
Achthundert Anhängern des Stafippos gelang es jedoch nach 
Sparta zu entkommen. Sie riefen die Spartaner um Hilfe an, — 
imd dort befchlofs man ein Heer auszurüften, um den Frie- 
densbruch der Mantinäer, die mit Waffengewalt gegen Tegea ge- 
zogen waren, tu rächen. Agefilaos ward der Oberbefehl über- 
tragen. Der König rückte, nachdem er Zuzug von Lepreon und 
Heraia erhalten- hatte, geradeswegs gegen Arkadien aus. 

Die Mantinäer waren indeffen gegen Orchomenos zu Felde 
gezogen, das fich durch Anwerbung korinthifcher Söldner ^) unter 
Pofytropos feine Stellung hatte fiebern wollen. Der Sturm auf 
die Stadt war vergeblich, doch erfochten die Mantinäer in einem 
harten Kampf, in welchem Polytropos und der gröfsere Theil 
feiner Mannfchaft blieb, einen Sieg unter den Mauern von Orcho- 
menos. Durch die phliafifche Reiterei wurden fie freilich an einer 
Ausnutzung und weiteren Verfolgung diefes Vortheils gehindert, 
iiild kehrten daher nach Haufe zurück. Die Spartaner hatten 
' ftark auf eine Unterftützung von Seiten des Polytropos gehofft, 
jetzt mufsten fie ohne ihn ihren Feldzug fortfetzen. Agefilaos 
zog in das Gebiet von Mantinea. Die Arkader hatten fich in 
Afea gefammelt und folgten ihm. Aber es kam zu keinem 
Kampf; man hatte, fcheint es, auf beiden Seiten keine Luft zu 



1) Nach Diod. XV , 62 wäre Polytropos von den Spartanern noit 
1000 lakedämonischen Hopliten und 500 böotischen u. argivischen Flücht- 
lingen zum Schutz von Orchomepos entsandt vrorden. Curtius HL, p. 323 ^ 
folgt dieser Angabe. Mir scheint dio Version des Xenophon nicht nur durch 
die Autorität des Gewährsmannes beglaubigter, sondern auch innerlich wahr- 
scheinlicher. Sparta war nach den Verlusten von Leuktra gar nicht im 
Stande, so ohne Weiteres 1000 ^^noXiTUol onXtjai^' einer Bundesstadt zar 
Verfügung zu stellen, — und hätte man das wirklich gekonnt, Xenophon 
wäre der Letzte gewesen es zu verschweigen 



i6o 

einer Schlacht. Agefilaos begnügte fich mit dem Ruhm,. fich aufser- 
halb Lakoniens mit einem Heere gezeigt und die Felder verwüftet 
zu haben, — dann kehrte er um. Die Jahreszeit war rauh ge- 
worden, vor Allem aber bewog ihn wol die Meldung, dafs auswär- 
tige Unterftützung nahe, zum Rückzug^). Denn die Arkader 
hatten fich, im Gefühl und ßewufstfein ihrer eigenen Unficherheit 
und Schwäche nach fremder Intervention umgefehen» Naturgemäfs 
hatten fie fich zunächft nach Athen gewandt*;, dem Proftates des 
heubefchworenen Königsfriedens. Wollten die Athener ihren Ein- 
flufs wahren, fo mufsten fie zu den Bewegungen im Peloponnes 
Stellung nehmen. Es war eine unbegreifliche Schlaffheit, dafs fie 
nicht in den Gang der Ereigniffe eingriffen. Sie liefsen durch den 
abfchlägigen Befcheid, den fie Mantinea ertheilten, felbfl die Zü- 
gel der Hegemonie wieder fahren, die fie foeben erft kühn er- 
griffen hatten. Die arkadifchen Gefandten gingen nun nach The- 
ben» Dort fanden fie mit ihrem Gefuch bereitwillig Gehör. Der 
Moment für Theben war gekommen, jetzt feinen Einflufs auch 
über die Grenzen Mittelgriechenlands hinaus geltend zu machen 
und nun im Peloponnes felbft den Kampf mit. Sparta zum Aiis- 
trag zu bringen. 

Cap. IV. 

Thebens Hegemonie. 

Bevor wir in unferei* Darflellung den weiteren Verlauf der 
Ereigniffe verfolgen können, fcheint es geboten, einige Be- 
merkungen über Thebens Politik und die feiner hervorragenden 
Führer vorauszufchicken. Es gilt hier zunächfl die Fundamente 
zu legen, auf denen fich eine Schilderung jener wichtigen und 
hochintereffanten Zeitepoche griechifcherGefchrchte aufbauen kann. 



1) Vergl. über die Wirren im Peloponnes und die letztgeschilderten 
Ereignisse besonders X. Hell. VI, 5, 1—23. 

2) Diodor XV, 62. 



i6i 

Man hat fich gewöhnt, die thebanifchen Hegemoniebeftre- 
bungen in einem verklärten Lichte zu betrachten, in ihnen das 
letzte wiridiche Aufleuchten idealen, nationalgriechifchen Geiftes, 
dtiL uneigennützigen Verfuch einer Erhebung Griechenlands aus 
Sdhmadi und beginnendem Verfall zu fehen, und in den Arbeiten 
dei* heueren Gelehrten/) die fich fpeciell die Lebensbefchreibung und 
. Charakterfchilderung der zwei thebanifchen Helden zur Aufgabe ge- 
ftelit haben, begegnen wir daher durchweg der Anfchauung, dafs Pelo- 
pidad, und In noch höherem Grade natürlich Epaminondas in fei- 
neti Plänen und Unternehmungen nicht nur böotifche Intereflen 
verfolgt, fondern vielmehr mit feinem Blick und Willen das Wohl von 
gätit Griedhenlatid umfafst und erftrebt habe.*) Gerade diefe pan- 
belldnifche Gefinnung verleihe der Natur des Epaminondas etwas 
Uiftbefirdifches, Er fei der weitaus gröfste Staatsmann des 
Aherthums und überrage durch feine aufs Allgemeinwohl gerich- 
tettti Intentionen hoch einen Lykurg, Solon und Perikles^), denen 
itnftier doch nur der augenblickliche Nutzen des eigenen Staates 
die Richtfchnur ihrer politifchen Thätigkeit gewefen. Und um fo 
Ijepierkenswerther erfcheint diefe Anficht, als fie nicht nur von 
dtü VetfafTern *) jener oben erwähnten biographifchcn Effayes, 
dfe im Grunde auf eine Verherrlichung ihrer Helden abzielen, 
vertreten ift, — fondern auch von der gröfsten Zahl unferer bekann- 
tdien Hiftoriker getheilt wird. 



1) Meissner ^E^p^minondaB^ (Prag »1798. Bauch „Epaminondas^ etc. 
Breslau 1834. Vater „Leben d. Pelop." 8 Supp. der Jahrbücher für Philol. 
I8ia p, 325— 3Sa. Du Memil „Ueber den Werth der Politik des Epaminon- 
da«.* SybtU bistoriscbe Zeitsphrift 1663 p. '^89—342« Pomtow ^Leben des 
Epaminondas, sein Charakter und seine Politik^ Berlin 1870. 

2) Pomtow p. 119 folg. Bauch p. 45. 

3) Pomtow p. 120. Bötnerkenswerth ist das TJrtfaeil des Ver- 
fassers über Perikles (p. 6—13): er soll die Schuld daran tragen, dass das 
uneigennützige und hochherzige Volk der Athener geldgierig, bestechlich 
und käuflich geworden sei! 

4) Am objectivsten ist die Abhandlung von Du Mesnil, der p. 237 und 
239 anerkennt, dass doch hie und da in der thebanischen Politik Unter- 
lassungen panhellenischer Bestrebungen zu rügen seien. 

11 



l62 

Auch bei Lachmann'), Curtius'^) und Anderen tritt uns die 
Auffaflung entgegen, dafs Epaminondas nicht in böotifchem Son- 
derintereffe, fondem als Hellene den Freiheitskampf gegen Sparta 
begonnen habe und dafs ihm d^s Wohl und Wehe der Gefammt- 
heit aller Griechen ftets bei feinem Thun und Laffen maßgebend 
gewefen fei. Da fo die böotifche Hegemonie, als Ausflufs edelfter 
panhellenifcher Gefmnung gefafst, bei unferen Gefchichtsfchreibem 
den Kern- und Angelpunkt für die Schilderung des folgenden 
Zeitraumes bildet , fo ift es leicht erfichtlich , von welch' ent- 
fcheidender Bedeutung die Anerkennung oder Leugnung der- 
artiger, auf das Gefammtwohl Griechenlands gerichteter, Beftre- 
bungen für die Beurtheilung diefes Gefchichtsabfchnittes fein muls. 
Ein näheres Eingehen auf diefe Frage wird daher Pflicht. Doch 
würde es wehig zur Feftftellung des wahren Sachverhaltes bei- 
tragen, wenn ich hier in apodiktifcher Form das Endrefultat mei- 
ner Forfchung geben wollte. Denn es hiefse nur Behauptung 
gegen Behauptung ftellen, wenn ich erklärte, dafs fich weder in 
den Berichten unferer Quellenfchriftfteller ein Anhaltspunkt für 
diefe Idealität der thebanifchcn Politik finde, noch dafs die hifto- 
rifchen Thatfachen felbft zu Gunften der vielg;erühmten Hochher- 
zigkeit und panhellenifchen Friedensftiftung der Thebaner fprächen. 
Vielmehr mufs meine Unterfuchung zunächft rückblickend die 
Frage beantworten, wie in der bisher behandelten Zeitepoche fich 
die Entwickelung der thebanifchen Politik geftaltet habe, und 
ob fich in ihr der Keim jenes edlen Panhellenismus erkennen laffe. 

Dafs die Thebaner bis zur Schlacht bei Leuktra keine Ge- 
legenheit und Möglichkeit gehabt haben, ihr Augenmerk und ihre 
Thätigkeit dem weiteren Vaterlande zuzuwenden, ift wol nie 
beftritten worden. 

Mit welch' eiferner Confequenz mufsten fie- vorgehen, wie 
viele Kämpfe hatten fie zu beftehen, um ihre Exiftenz zu 



1> I. p. 305, 360 etc. 

2) Vergl. m, p. 313, 314 und pasaim. 



i63 

fi^henii um ihr Streben nach landfchaftlicher Einigung ver- 
wirklichen zu können. Dafs fie bei diefem langjährigen Ringen 
um Befreiung von spartanifcher Oberhoheit, bei dem Kampf, 
deflen Ausgang ja doch immer zweifelhaft erfchien , fich fchon 
mit Plänen zum Wohle von ganz Griechenland getragen hätten, ift 
nicht wahrfcheinlich, nicht möglich» Das zielbewufste Voiwärts- 
ftreben ohne Abweichen nach rechts oder links beweift, wie klar 
der Blick, wie feft das Programm der thebanifchen Führer war, 
und zeigt zugleich, wie wenig man fich nutzlofen Illufionen und 
Träumereien hingab, die ja ftets eine Hintanfetzung der nächft- 
liegenden Erfordemiffe nach fich ziehen. So bezeichnet denn 
die Schlacht bei Leuktra in den Augen der oben erwähnten Ge- 
lehrten den bedeutungsvollen Wendepunkt. Der Sieg, fagt Curtius^), 
feilte als eine nationale und allen Hellenen zu Gute kommende That 
anerkannt werden — deshalb denn auch die Gefandfchaften, 
die vom Schlachtfelde nach Athen und Theffalien abgingen. Allein 
kann wirklich der Wunfeh, als Wohlthäter von ganz Hellas betrach- 
tet zu werden, die wahre Veranlaffung zu jenen Heroldsfendungen 
gcwefen fein ? Ich glaube kaum. Theben hatte zwar gefiegt, allein 
das feindliche Heer war noch keineswegs vernichtet und ftand 
drohend im Lande. Ifolirt, ohne Bundesgenoffen konnte Theben 
kaum hoffen, fich die Folgen des Sieges zu fichem, wenn es jetzt 
nicht mächtige Verbündete gewann» Vor Allem kam es natürlich 
auf die Stellung Athens an. Man mufste ein Zufammengehen von 
Sparta und Athen zu hintertreiben und womöglich die Unter- 
ftützung der mächtigen Nachbarftadt zu erlangen fuchen. 

Die Stimmung in Athen war diefen Bemühungen freilich 
nicht günftig. Dachte man bei dem tiefen Friedensbedürfnifs dort 
auch nicht daran, zu Gunften Spartas fich neuen Befchwerden aus- 
zufetzen, (o fühlte man fich doch noch viel weniger veranlafst für 
Theben einzutreten. Die Gefandfchaft blieb refultatlos. Erfolg- 
reicher war die Miffion nach Theffalien, dort zeigte fich lafon von 
Pherae fogleich zu einem Hilfszuge bereit* 

1) III, p. 308. 

11* 



* 

Vor feiner Ankunft hatten die Thebaner nicht gewagt das 
Lager der Feinde anzugreifen; als er dann mit Heeresmacht in 
Böotien erfchienen war, überredeten fie ihn gemeinfam den Sturm 
zu unternehmen. Doch genügte auch jetzt ;ioch feineffeits ein 
blofser Hinweis auf die Schwierigkeiten d^s Vorhabens , um die 
Thebaner zum Abftehen von ihrem Wunfche und zum Eingehen 
auf feine Vermittelungsverfuche zu .bewegen. Mail fieht, fie fühl- 
ten fich noch lange nicht als Herren der Situation, erft der Abzug 
des fpartanifchen Heeres fchien ihnen die Sicherheit der etgenen 
Lage, den Erfolg des Sieges zu garantiren. 

Ferner hatten dann die Thebaner noch im eigenen Lande 
den letzten Widerftanri gegen die Verfchmelzun^ Böotiens tu 
brechen. Thespiae und Orchomenos mufsten bezwungen fein, ehe 
man an ein weiteres Vorgehen denken durfte. Die nächften 
Schritte wurden dann naturgemäfs zu einer Einigung der mittd- 
griechifchen Staaten gethan. Durch Bundesverträge mit Phokis, 
Lokris, Aetolien und Akarnanien, die d^m Sieger von Leuktt^ 
das Recht zuerkannten, Führer und Leiter der neuen Amphiktyonie 
zu fein, fuchte fich Theben di/e Stellung zu fchaffeö, zu welcher 
es durch feine Erfolge die gerechteften Anfprüche erworben hattie. 

Dafs man aber in Theben bei alledem ftets ganz Griechen- 
land im Auge gehabt, eine nationale Erhebung gegen den Drude 
Spartas beabfichtigt, dafs man bei der ai^efirebten MachtentfiJ- 
tung wieder habe gut ipachen wollen, was in früheren Zeiten an 
anderen Hellenen von Sparta gefrevelt war, dafe man fchon jetzt 
den beftimmten Plan der Wiederherftellung Meffeniens ge£afdt, 
wie Curtius^) meint, fcheint mir wenig wahrfcheinlich zu fein* 

Wol konnten fich die Führer Thebens der Ueberzeugimg 
nicht verfchliefsen, dafs der Kampf mit Sparta durch die Schlacht 
bei Leuktra keineswegs fein Ende gefunden habe, — ^ aber die po- 
litifche Lage der Dinge geftattete ihnen noch nicht, befttmmte 
Entfchlüffe und Pläne zu fafien, wie das Ende herbeizufuhren fei. 



1) III, p. 313. 



i6s 

Es ift entfchieden zu viel gefagt, wenn Curtius annimmt, 
I^>aminondas habe damals allein die Zeit beherrfcht und die Ge- 
fchicke der Hellenen geleitet-, ein Hinüberfpielen des Kampfes 
in den Peloponnes, eine Entblöfsung Böötiens von feiner Truppen- 
macht durfte man in Theben fchon der bedrohlichen Stellung 
wegen, die lafon von Pherae im Norden einnahm, nicht wagen. 

Wol war der Tyrann thebanifcher BundesgenofTe : aber feine 
ehrgeizigen und felbftändigen Pläne traten immer deutlicher hervor. 
Schon bei feinem Abzüge aus Böotien nach der Schlacht bei 
Leuktra hatte er Heraklea überfallen und die Mauern der Stadt 
tcrftort. Es follte Niemand ihm den freien Eintritt nach Hellas 
mehr wehren können ^)^ Jetzt, im Sommer 370, rüftete er einen 
gflänsenden Heereszug zu den pythifchen Spielen nach Delphi* Er 
bezweckte hierbei mehr, als eine Schauftellung feiner königlichen 
Macht. Delphi vi^ar als Sitz und Mittelpunkt der Amphiktyonen ftets 
tfas Bindeglied zwifchenTheffalien und den übrigen griechifchen Staa- 
ten gewefen. Durch die prachtvollen Huldigungen, die lafon jetzt 
kk feinem Opferzuge dem Gotte darbrachte, wollte er die längft bedeu- 
timgsloe gewordenen Beziehungen erneuern, wollte geftützt auf die 
Thatfache, dafe im alten Bundesrathe der Amphiktyonen die thef- 
falifchen Stämme die Majorität repräfentirten , den Schutz des 
Orakels, die Leitung der Feftfpiele übernehmen und fich einen 
leiiier Macht entfprechenden Einflufs im griechifchen Staaten- 
fyfteme fichem. Die Truppenmaffen, die ihn auf diefem Feftzuge 
begleiten foUten, verliehen diefen Anfprüchen und Forderungen 
den genügenden Nachdruck. Den Nord-Griechen und wol auch 
den Thebanem entging die ihnen drohende Gefahr nicht. Mit 
welch' ängftlicher Spannung fie feine Schritte beobachteten, wie 
beunruhigt die Bevölkerung Nord-Griechenlands war, zeigt uns die 
Erzählung Xenophons zur Genüge^. Der plötzliche Tod des 
lafon befreite die Hellenen wie von einem Alp, — und die That- 



1) X. Hell. VI, 4, 27 folg, 

2) X. Hell. VI, 4, 30. 



i$6 

fache, dafs man feine Mörder in Griechenland als Erretter vor 
Tyrannei und Unterdrückung feierte^), ift wol ein unzweideutiges 
Zeichen von der Stimmung, in die man durch die letzten Unter- 
nehmungen des lafon verfetzt worden war. — Jedenfalls war es aber 
für Theben und den mittelgriechifchen Bund unmöglich, fo lange 
lafon feinen Zug nach Delphi plante, Sparta im Peloponnes zu 
bekriegen^ Man durfte die Truppen aus Mittelgriechenland nicht 
entfernen, ohne Gefahr zu laufen, dafs lafon diefen Umftand be- 
nutzte, um feine ehrgeizigen Pläne bis in die letzten Confequen- 
zen zu verfolgen. 

Andererfeits war ein Angriffskrieg gegen Sparta nur mög- 
lich, wenn man fich der Mitwirkung eines Theils der peloponne- 
fifchen Bevölkerung dabei verfichert hatte, ein Eindringen in die 
Halbinfel nur denkbar, wenn der peloponnefifche Bund zerfallen 
war und felbft die Intervention fremder Staaten nachfuchte. Frei- 
lich war feit dem Friedenscongreffe in Sparta der Peloponnes 
der Schauplatz der wildeften Parteikämpfe und Bewegungen ge- 
worden. Die eine Bedingung zur Ermöglichung eines directen 
Eingreifens in die peloponnefifchen Verhältniffe war erfüllt — es 
fragte fich nur, ob die auffländifchen Arkader es wünfchten, mit 
Theben in Beziehungen zu treten und von dort her Schutz ihrer 
fpartanerfeindlichen Umwälzungen zu erhalten» Ich habe mich 
bereits oben (p. 157) gegen die Auffaflfung erklärt, in Epaminondas 
und den thebanifchen Führern die intellectuellen Urheber der arka- 
difchen Einigimgsbeflrebungen zu fehen, — eine Auffaffung, die 
im Bericht des Paufanias ihre einzige Stütze findet* Es ifl leicht 
erfichtlich, dafs diefe thebanifche Tradition entfchieden unhalt- 
bar ift. Auf Grundlage der in Athen gefchloffenen Conven- 
tion waren der Synoikismos von Mantinea, die Bewegungen in 
Arkadien vor fich gegangen. Athen, der Gegner Thebens, war 
Proftates diefes neubefchworenen Königsfriedens. Schon um die 
Gunft des Oberhauptes nicht zu verfcherzen und den Schutz der 



1) X. Hell. VI, 4, 3». 



16/ 

EidgenofTen nicht zu verlieren, hätten die Arkader eine theba- 
nifche Mitwirkung bei ihren Unternehmungen ablehnen muffen. 
Als dann bei Spartas Angriffen gegen das neu erftandene arka- 
difche Reich fich die Nothwendigkeit eines auswärtigen Bei- 
flandes fühlbar machte — da wandten fich die Arkader 
naturgemäfs an den Schirmer und Leiter des Friedens, an 
Athen. Erft als fie dort, und zwar unerwarteter Weife; auf 
ihr Hilfsgefuch einen ablehnenden Befcheid erhielten, erft als 
Athen aus Liebe zur Ruhe und aus Furcht vor neuen Ver- 
wickelungen die felbfterwählte Aufgabe des Bundeshegemon 
nicht erfüllte, gingen die Gefandten weiter nach Theben* Und 
jetzt erft, jetzt wo lafon todt und die Macht und Fähigkeit feiner 
Nachfolger nicht mehr beforgnifserregend war, jetzt wo die Arka- 
der felbft von Athen im Stich gelaffen mit der Bitte um Inter- 
vention nach Theben kamen, konnten die Leiter der thebanifchen 
Politik mit der Möglichkeit rechnen, im Peloponnes felbft die 
Entfcheidung herbeizuführen» Bis zu diefem Moment aber, 
deffen Eintreten fich keineswegs vorausfehen liefs, geftatte- 
ten die politifchen Verhältniffe im Norden fowol, als im Peloponnes 
den Thebanem es nicht, beftimmte Pläne für das Eingreifen in 
die Verhältniffe der Halbinfel und für den weiteren Kampf mit 
Sparta zu entwerfen. Diefer aus den Thatfachen felbft gefolger- 
ten Deduction gegenüber kommt die Notiz des Paufanias ^) wol 
kaum in Betracht, dafs die Thebaner gleich nach dem Siege bei 
Leuktra Gefandte nach Afrika, Sicilien und Italien gefchickt hät- 
ten, um die Meffenier zur Rückkehr in den Peloponnes und zur 
Befitzergreifung ihrer alten Landfchaft aufzufordern. Curtius legt 
auf diefe Notiz viel Gewicht; fie bildet bei ihm den Ausgangs- 
punkt für die Darlegung der feit der Schlacht bei Leuktra fich 
geltend machenden panhellenifchen Beftrebungen Thebens. Ob 
die Wiederherftellung Meffeniens • nur zu dem Zweck in Angriff 
genommen wurde, um eine „Fülle edler Volkskraft, welche das Mut- 

1) IV, 26, 5. 



i68 

terland durch die Schuld der Spartaner eingebUfst, d^mfelbofik 
wieder zuzuführen ^) " — darüber an einem andern Orte. Hier 
nur die 3eaierkung, dafs ich nach den obenflehenden AusfUhrvu^ 
gen in der von Paufanias überlieferten Nachricht weiter night^ 
ajis den Ausflufs der thebs^nifchen Tradition f^heu kam\, W^lqh^ 
die ma(sgeb^de Stellung und Bedeutung ihres Helden in WQg- 
lichfl früho Zeit zurückzudatiren fich bemüht '^Jf» 

Dem PUfsgefuche der Arkader Folge leiftend unterpts^bmcsi 
die Böotarchen im Späitherbfle <its Jahres 370 den ^rflen Zug in 
den Peloponnes. Die Art der Ausrüftung »ejgt, dafs es fich nicht, 
wie Grote*) meipt, um eine von langer Hand geplante und ypr- 
bereitete Ei^pedition handelte: um ihre Truppen überhaupt mobil 
machen zu können, m.ufsten die Thebaner noch fchleunigft eine 
Anleihe von 10 Talenten bei Elis *) erheben. Und der UmftancL 
dafs die Böotarchen zum Schlufs ihres Amtyahfes ohne Pro- 
rogation des Oberbefehls ausgefandt wurden, beweifl deutlich^ 
dafs man in Theben keine anderen Abfichten verfolgte, a^ da$ 
nächfle Ziel -^ den bedrängten Arkadem Hilfe zu bringen. Bei 
der Ankunft des thebanifchen Heeres im Peloponnes hatte fich 
Agefilaos bereits wieder nach Lakonien ^zurückgezogen. Der 
Zweck der Expedition war fo ohne Schwertflreich erreichti Arka^- 
dien gerettet und e» war nur natürlich, dafs die Thebaner ^h 
Unikehr dachten*). 

Inzwifchen hatten fich die Truppen der verbündeten Felo-, 
ponnefier mit ihnen bei Mantinea vereinigt : fie bildeten zufaounen 



1} Cartias m, p, 8)4, 

2) Dahin gehört auch die Angabe bei Plut. ?elop. 24, dass der Abfall 
von Elifl, Argo 8U. Arkadien dem Einflusf d. Epam« u. Pelop. zuzuschreiben sei. 
S) V, p. 417. 

4) X. SeU. VI, 5, 19. 

5) X. Hell. VI, 5, 23. Ich kann beim besten Willen in dieser Nach- 
rieht nicht mit einer Anz&hl neiferer Gelehrten die Böswilligkeit de« 
XenophoD erkeo&en. Nach Meissner p. 30t hätte flpaminondaa di« ArgJ.Yer, 
Arkader und Eleer zum Einfall in Lakonien beredet, um den Ruhm der 
thebanischen Helden zu vergrössern, hat man sich nicht gescheut, das 
Gegentheil unserer bestbeglaubigten üeberlieferung für wahr zu halten. 



169 

ein zahlreiches *) und ftatüiches Heer und es fehlen faft undenk- 
bar, dafs dlefe Kriegsmacht wieder auseinanderziehen foUte, ohne 
«in emftliches Unternehmen zu wagen — undenkbar, dafs man 
den Augenblick nicht benutzte, um mit Sparta abzurechnen. 

Durch die Disciplin und Haltung der böotifchen Truppen 
ermuthigt, fuchten die Arkader und ihre »Bundesgenoffen die 
Böotarchen zu «nem Einfall in Lakonien zu bewegen *). Die 
thebaniicäien Heerführer wollten anfangs auf ihre Vorfchläge nicht 
eingehen. Sie kannten die HindemifTe, die fchon die lakonifchen 
Grenzgebirge einem Heereszuge entgegenflellten : wurden die 
ven Natur fchwer pafTirbaren Zugänge zweckmäfsig vertheidigt, 
fo bot <Jas Eindringen allein fafl unüberwindbare Schwierigkeiten; 
man mufste fich zudem auf verzweifelten Widerfland von Seiten 
•der Spartaner gefafst machen bei einem Kampf, in welchem es 
fldi um die Exiftenz ihres Staates handelte. Dann war es Win- 
ter — die Zeit alfo zu einem Feldzuge durch das Hochgebirge fo 
ungünfHg, wie nur möglich. Und fchliefslich nahte das Amtsjahr 
4^r BQotarcheq feinem Ende, und auf das ungefetzmäfsige Weiter- 
fuhren des Befehles fland Todesftrafe »}. Das Alles erklärt ein 
Zögern und Schwanken der thebanifchen Feldherren zur Genüge. 
Die Nachrichten, die inzwifchen aus Lakonien einliefen, brachten 
eine Entfcheidung herbei. Es wurde aus der Grenzfladt Karyae 
gemeldet, dafs die PäfTe nur fchwach befetzt und die nördlichen 
€regenden Lakoniens von Truppen fafl ganz entblöfst feien *). 
Zudem erklärte fich eine grofse Anzahl der Periöken zum Abfall 
^bereit, ja ein Theil der Bevölkerung von Sparta felbfl fchien un- 
2uverläfrig und einem Umflurze nicht abgeneigt. Hierdurch wurde 



1) Nach Diodor XV, 62» Fiat Pelop. 24 u. Ag. 31 war«n et 
70000 Mann« Plut Ag. 31 speciallsirt die Kriegsmacht auf 40000 Hopliton 
und 30000 Leichtbewaffnete und Reiter. Alle Gelehrten haben aofinahmslos 
4ie9e Zahlen acceptirt. Mir «cheint ein Zweifel an ihrer Richtigkeit doch 
wol gestattet: ein derartig grosses Aufgebot ist kaum möglich* 

%) X« HeU. VI» &, 23. 

9) Hlafc. Pelop. 24* 

A) X. Hell. VI, 5, 26. 



I/o 

die Ausficht für den Erfolg der Expedition wefentlich erhöht. 
Mit dem ihm eigenen politifchen Scharfblick, der ruhig und klar 
alle Verhältniffe überfah, befchlofs Epaminondas die Gunft der 
Sachlage nicht unbenutzt vorübergehen zu laffen. Es gelang ihm, 
feine MitfeldheHren^) für den Plan zu gewinnen, und unverzüglich 
rückte er dann gegen Sparta aus. 

In getrennten Heereshaufen und auf verfchiedenen Wegen ^ 
wurde der Einfall bewerkflelligt. Die Arkader waren die Einzigen, 
die einen Kampf an der Grenze zu beflehen hatten: bei Oion 
trat ihnen Ifcholaos mit feinen Truppen entgegen. Er hätte, fagt 
Xenophon'), die PäfTe wirkfamer vertheigen können, wenn er im 
Gebirge Stellung genommen; — da er fich der Mitwirkung der 
Einwohner verfichem wollte, war er im Orte felbfl geblieben. 

Nach heifsem Kampf ward er befiegt, und die Arkader 
zogen nun weiter, um fich mit den übrigen Abtheilungen zu ver- 



1) Nach App. Syr. 41 a. Gorn* Nepos» £p. 2 hatten Epaminondas a. 
Pelopidas nur noch einen CoUegen. Woher jene Schriftsteller ihre Notiz 
haben, läset sich nicht bestimmen, aber sie scheint glaublich, weil es so zu 
erklären ist, wie Epaminondas mit seiner Ansicht durchdringen konnte, 
Diod. XV, 62 berichtet, schon beim Auszuge hätten die übrigen Böotarchen 
den beiden Helden das Commando abgetreten. Nach Plut. Pel» 24 u. 25 
hätten Efamincndas und Pelopidas die Bedenklichkeit der Amtsgenossen 
dadurch gehoben, dass sie die Verantwortung für den Gesetzesbruch auf 
sich allein zu nehmen versprachen. Lachmann I, p. 355, Hertzberg p. 354 
und Curtius HE, p. 328 folgen dem Plutarch hierin. Doch dürften sich die 
Hitfeldherren nur im Falle, dass sie im Böotarchenrathe überstimmt wurden, mit 
einem derartigen Versprechen zufrieden gegeben haben, — sonst konnte ihnen 
dasselbe keine Sicherheit gewähren, da sie dem Volke gegenüber als Beamte 
desselben doch für jede ungesetzliche Handlung, die sie hätten hindern 
können, verantwortlich blieben. Die Commandanten, die auf Ueberredung 
eines Collegen mit meutern, können sich nicht durch die Entschuldigung frei- 
machen, dass der Anstifter versprochen habe, die Folgen zu tragen. Ich 
glaube daher, dass Appian und Nepos das Rieh tige^ bieten : der dritte Feld- 
herr wurde im Böotarchenrathe von Epam. und Pelop^ überstimmt. 

3) Hell. VI, 5, 26. 

3) Xenophon sagt^ dass die Thebaner über Karyae, die Arkader 
über Oion gingen. Er spricht nur von diesen beiden Heeresabtheilungen ; 
da er aber selbst später die Anwesenheit der Argiver und Eleer in Lakonien 
erwähnt, so haben wir mit Diod* XV, 64 wol vier getrennte Heereszüge 
anzunehmen. 



171 

einigen. Der Sieg über Ifcholaos wirkte ermuthigend^) auf das ganze 
Heer, das fich bei Sellafia concentrirte. Von dort ging es, das 
linke Eurotasufer hinab, gegen Sparta weiter. Ohne Gegenwehr 
zu finden ftand die geeinte Truppenmacht am folgenden Tage 
Sparta gegenüber, nur durch die Eurotasbrücke vom Markt der 
Stadt getrennt, welche in ihrer weiten Ausdehnung durch keine 
Mauern und Befeftigungen gefchützt war. Doch wagte es Epa- 
minondas nicht, hier im Angefleht der Feinde, die am andern 
Ufer beim Heiligthum der Athena Alea*) zweckmäfsig aufgeftellt 
waren, den Uebergang über die Brücke zu erzwingen. Längs 
dem durch die| Winterregen hoch angefchwoUenen Strom zog das 
Heer fengend und plündernd fudlich bis nach Amyklae, wo es 
ihm nicht ohne Schwierigkeiten gelang über den Eurotas zu fetzen. 
Binnen wenigen Tagen fchwärmte dann die thebanifche Reiterei 
bis zum Hippodrom und dem Pofeidontempel an der Südfeite der 
Stadt »).^j; 

Der Schrecken und die Verwirrung, die in. Sparta herrfchten^ 
läfet fich leicht begreifen. Die Mannfchaft war fchwach' und muth- 
los. Die Periöken jubelten dem Feinde als Befreier von jahrhun- 
dertlanger Unterdrückung zu und weigerten die Heeresfolge. Man 
hatte dann die Heloten gegen das Verfprechen der Freiheit zum 
Kampf aufgefordert, doch war die neuformirte Schaar, die fleh 
auf 6000 Mann belief, eher beforgnifserregend als vertrauener- 
weckend. Der mafslofe Jammer der Weiber, die noch nie den Rauch 
eines feindlichen Lagers gefehen, vermehrte das allgemeine Ent- 
fetzen* Und fchlimmer als das Alles war die Unflcherheit unter 
den Bürgern felbft, die Unzuverläffigkeit eines Theils der Bevöl- 
kerung, die bei dem angehäuften Gährungsftoff die Zeit 
gekommen wähnte, durch Unterhandlungen und CompromifTe 



t) Ich kann auch in dieser Angabe nicht mit Lachmann I p. 357 
eine Bosheit des Xenophon sehen. 

2) Preller Griech. Mythol. I p» 156. 

3) X^ Hell. VI, 5, 28 u. 30. Bauch p» 47. Lachmann I p. 359. 



172 

mit den Feinden ihre Anfprüchc zur Geltung zu bringen. — Die 
f^anze Laft der Vertheidigung ruhte auf den Schultern des 
greifen AgefUaos. Er leiilete Wunder^ und mehr denn je 
zeigte fich jetzt im Unglück dte Heldengröfse • des einft feiner 
Siege wegen viel gefeierten Königs. Er wufste fich der Treue 
der orchomenifchen Söldner «u verfichern, die Hilfscontingente 
der noch zu Sparta haltenden Bundesftädte ■) auf dem Seewege 
heranzuziehen und glücklich in die gefährdete Stadt zu bringen: 
dann fuchte er Ruhe und Ordnung, fo viel als möglich, aufrecht 
zu erhalten, hemmte den Kan^fesmuth der Männer und unte^ 
drückte mit ftaunenswerther Geiftesgc^^nwart und Schnelligkeit 
die angezettelten Veriäthereien *). Mit Aufgabe der niedriger 
belegenen Quartiere zog er dann feine Truppen zu wirkfamer 
Vertheidigung auf den Höhepunkten zufammen. Die fumpfig^ 
Ufer des Eurotas, die verfchiedenen Hügelgruf^n und Engpäffe 
boten ein natürliches Bollwerk zum Schirm und Schutz der 
Stadt, -r^ Epaminondas liefs in der freien Niederung am EAirotas 
feine Reiterei gegen Sparta vorrücken. Das Unternehmen 
war erfolglos, denn feine Truppen fielen beim Tempel der 
Tytxdariden in einen Hinterhalt und wurden durch gldch^eHJge 
Angriffe der in ihrer Flucht Kehrt machenden fpartanifchen 
Reiter zurückgeworfen. Die Niederlage war nicht gerade 
bedeutend, aber fie erweckte in Epaminondas die Ueberzeugung, 
dafs die Terrainfchwierigkeiten es fafl unmöglich machte», die 
Stadt mit Sturm zu nehn^n. An eine langwierige Belagerung 
im Winter und ohne die erforderlichen Apparate war nicht 2u 
denken, — zudem die Disciplin feiner peloponnefifchen Bundes- 
truppen eine äufserfl lockere. Die Meiflen von ihnen vcr- 
folgten keine anderen Abfichten, als fich auf Streif- und Raub- 
zügen zu bereichern. Nachdem ihnen ihr Zweck in der von 
Feinden bisher unberührten Landfchaft gelungen, begannen fie 



1 Siehe das Verzeichniss bei X. Hell. VI, 5, ^ n. Tollstftndig VII, 2, 9. 
2) Plut* Ag, 32. So den Mentereiversacb aaf Issorion u. d. Ver^ 
«chwörung der Spartiaten selbst in der Stadt. 



I7S 

beutebeladen fich nach Haufe zu zerftreuen. Dann mufste 
Ej>aininondas bei dem auf eigene Verantwortung unternommenen 
Feldzuge fich vor jedem Mifserfolge aufs Sorgfältigfte hüten. 
Eine offene Feldfchlacht, zu der er die Spartaner herausforderte,, 
hätte ihm bei feiner Uebermacht zu einem entfchiedenen Sieg 
verbolfen, aber Agefilaos liefs fich durch keine Provocation von 
der Durchführung feiner klugen Defenfive abbringen. 

So gab Epaminondas denn einen weiteren Angriü auf 
Sparta^) felbft auf, um deffen voUftändige Niederwerfung und Ver- 
nichtung es ihm nicht zu thun war, — und zog fengend und plün- 
dernd bis nach Helos und Gytheion zur Südküfte Lakoniens. 

Ich habe hier im Wefentlichen den Bericht Xenophons wie- 
dergegeben. — Es ift wahr, der Gefchichtsfchreiber im Spartaner- 
lager nennt auch hier den Epaminondas nicht mit Namen, ver- 
fchweigt die Meutereien und Complotte in Sparta felbft und bemüht 
fich> rafch über jene für die Lakedämonier fo demüthigenden Er- 
eignifle hinwegzugehen. Allein er ift objectiv genug, den The- 
banern die ihnen gebührende Anerkennung^ nicht zu verfagen, 
— wenn wir natürlich auch bei ihm nicht eine begeifterte Lob- 
preifung erwarten dürfen^ — und ein deutliches und klares Bild 
jener Vorgänge zu geben, fo dafs Grotes harte Worte ^) über ihn 
an diefer Stelle gegenftandslos fmd. Plutarch und Diodor bieten 
ia ihren Erzählungen mehr individuelle Züge, — aber im Ganzen 



1) Kach Polyaen ü, 3, 5 hätte Epaminondas gar nicht die Zerstö- 
Mlti^ Spartas beabsichtigt, weil sonst das Zusamtnen halten und die durch 
■Uhts bedrohte Einigkeit der peloponnesiechen Bnndesgenosven den Theba- 
nem gefährlich werden konnte Worauf sich diese Nachricht gründet, lässt 
sich nicht erweisen — jedenfalls dürfen wir aber nicht mit Slevers p. 271 
•igt», n'AtBB tiar Leatc sie hätten herausklügeln köntien, welche die ganie 
Wirksamkeit des Hannes nicht zu erfassen vermochten und sich nicht 
scheuten, aaf seinen Charakter die ihnen selbst innewohnende Halbheit zu 
übertragen.'^ Diese Speculation mit dem Gleichgewicht der Kräfte zeugt von 
eminent politischem Geiste und darf einem Epaminondas wol zugetraut werden. 

2) Hell. VI. 6, 23 und 30. 

3) V, p. 491. »Wol schwerlich ist aber ein Beispiel dieser Gesinnung 
(sc. Parteilichkeit für Sparta) so abscheulich und ihm Schande machend, als 
der Yorliegende Fall.*^ 



174 

I 

hat auch ihren Autoren nicht reicheres hiftorifches Material vor- 
gelegen. Man erkennt bei Diodors Gewährsmann leicht die Feder 
des Rhetors. Den in vier Heereshaufen einbrechenden Feinden 
ziehen die Spartaner mit vollem Aufgebot entgegen*). Wo 
freilich jenes Heer bleibt, davon weifs auch Diodors Quelle nichts, 
denn die Argiver haben nur mit einer Grenzwache unter 
Alexandros, und die Arkader, wie auch Xenophon erzählt, mit 
Ifcholaos einen Kampf zu beftehen. Der letztere bietet dem Rhetor 
Gelegenheit, mit begeifterten Worten den Heldentod*) des Ifcho- 
laos zu preifen uiid das Ereignifs mit Zügen, die aus der Ge- 
fchichte des Leonidas entlehnt find, auszufchmücken. Dann 
rücken die vereinten Truppen über den Taygetos (siel)*) zum 
Eurotas von Hier treten ihnen die Lakedämonier entgegen und 
bringen ihnen beim Flufsübergang bedeutende Verlufte bei. 

Diefe letzte Nachricht beruht wol, ebenso wie das Vorhergehende, 
nur auf Erfindung Diodors oder feines Gewährsmannes, der es für paf- 
fend erachtete durch Einfchaltung gröfserer Kämpfe mehr Abwechfe- 
lung in die Befchreibung des Feldzuges zu bringen. Xenophon hätte 
es d9ch wahrlich nicht verfchwiegen, wenn er bei diefen demüthi- 
genden Begebenheiten von irgend einem Erfolge der Lakedämonier 
hätte berichten können. Weiter ift es ein Irrthum Diodors, wenn er 
die Hilfstruppen der den Lakedämoniern treu gebliebenen Bun- 
desgenoflen erft nach dem Abzug des Epaminondas eintreffen läfst, 
und fchliefslich feine Notiz der Autorität des Xenophon gegen- 
über nicht glaublich, dafs nur taufend Heloten dem Ruf zur Frei- 
heit Folge geleiflet hätten und unter Waffen getreten wären. Wir 
fehen, dafs der Bericht Diodors Irrthümer aufzüweifen hat, die 
theils auf der Flüchtigkeit des Schriftftellers felbft beruhen, theils 
durch die Darflellung feines Autors veranlafst find, der die 



1) Diodor XV, 63. 

2) Bauch p. 48 und Lachmann I, p. 357 folgen dem Diodor hierin. 

3) Man sieht, die geographischen Kenntnisse des Rhetors lassen man- 
ches zu wünschen übrige - aber der Gebirgsübergang gehört dazu, um das 
Bild romantischer zu machen. 



175 

nackten öberlieferten Thatfachen in rhetorifcher Weife auszu- 
fchmücken fich beftrebte* So bietet trotz alledem die Erzählung 
des vielgefchmähten Xenophon, die mit den kurzen Daten Plu- 
tarchs nicht im Widerfpruch fleht, das zuverläffigfte Material für 
die Gefchichte der erften Kämpfe in Lakonien* 

Epaminondas begnügte fich nicht mit der Verwüflxmg 
und Verheerung der Landfchaft. Er benutzte vielmehr die 
Conftellation der Umftände, um die Axt an die Wurzel von 
Spartas Macht zu legen und einen Schlag zu führen, der auf 
immer den Hegemonie- und Suprematiegelüften der Lakedämo- 
nier ein Ziel fetzen mufste. Bei feinem Einfall in Lakonien war 

« 

in Meffenien ein allgemeiner^) Aufftand der Bevölkerung gegen 
die fpartanifche Zwingherrfchaft ausgebrochen» Epaminondas be- 
fchlofs die Gelegenheit, um Sparta tödtlich zu treffen, nicht vor- 
übergehen zu lafTen. Möglich, dafs die aus Naupaktos und Kephal- 
lenia vertriebenen MefTenier, welche bisher vergebens von der auf- 
ftrebenden athenifchen Seehegemonie eine Reftituirung erhofft und 
erbeten^, fich nach der Schlacht bei Leuktra unter den Schutz 
der neuen Grofsmacht geflellt und fich an fie mit dem gleichen 
Gefuche gewandt hatten. Allein für die Pläne des Epaminon- 
das kann diefer Umfland nicht von vorneherein mafsgebend gewe- 
fen fein. Die Wiederherflellung MefTeniens bildete nicht den be- 
fonderen Zweck feines Feldzuges, wie Grote^) meint, noch war 
fie, wie Curtius*) annimmt, die Verwirklichung eines längfl geheg- 
ten und vorbereiteten Lieblingsgedankens. Wir haben bereits 
oben gefehen, dafs nur die Abficht, den von Sparta bedrängten 
Arkadem beizuftehen, die Veranlaffung zur Expedition in den Pe- 
loponnes war. Erfl als die Verhältniffe in Lakonien und Meffe- 
nien felbfl, der Abfall der Periöken und der Aufftand der Heloten 
die günftige Gelegenheit darboten, den ganzen Krieg zu einem 

1) X. Hell. VII, 2, 2 meint wol vor Allem die Messenier, wenn er vom 
Abfall sämmtlicher Heloten spricht. 

2) Pau8^ IV, 26, 3. vergl. Grote V, p. 478. 

3) V, p. 486. 

4) III, p* 330. 



176 

rafchen und glorreichen Ende zu jRihren, — erft da fefste Epa- 
minondas den EntfcblufS) und konnte ihn faflen, MefTenien von 
Sparta loszureifeen und dem Lande die Freiheit und Selbftändig- 
kein wiederzugeben *), Von Lakönien auö •) entfandte ef feine 
Boten, um die in der Fremde lebenden Meffenier iür Rückketir 
WBßufördern, *— dann ;Äog er felbft» nadidem er noch in Arka- 
dien *)jdie Verhältolfle geordnet, näeh Meifetilen, um dort die Neu- 
geftaltung dee Landes herbeizuführen. Ei war das ein poUtlfcher 
Meifterzug: die Gtünduög der wohlbefeftigten Hauptftadt Meflfene, 
die Unabhängigkeitserklärung der Landfchaft beraubte Sparta ilieht 
nur des wichtigften und einträglichften Theiles feines Befitzes, fön- 
dem fügte noch dfcn Schlufsftein in jene durch Argos und Mega- 
tepdüs gebildete Linie, welche Sparta im Peloponned felbfl blo- 
kirt halten und auf Lakönien befchränken foUte*). 

Dies war der mafsgebende Gefichtspunkt flir die Wfeder- 
lierfbellung Meffeniend, — nicht der Wunfeh ein von Sparta be- 
gangenes Unrecht :äu fiihnen und eine Fülk edler Vdkdkf aft deiti 
Mutterlande wieder zuzuführen. Denn auch Epaminöndas hat fehf 
wol gewufst, dafs politifche Selbfländigkcit tlieht das höchfle Gut 
für ein Volk ift ^ wenn diefeä nicht die fittliche Fähigkeit befitEt, 
fie aus eigner Kraft zu erringen. Kehrte auch . tin TheÜ Att 
früher vertriebenen Meffeiiier, die fich längft in der Ff^iödfc 
eine neue Heimath gegründet hatten, zurück^ fö bildeten d6eh dit 



1) ßaach p. 49. 

2) Diod. XV, 66. 

8) Nach Pmlb. I^, r4, 3 W&re ^p^tnlnöiidas dlrect von Lakönien 
fiftcb. Mesecnien gezogen. Allein die directen Wege über den Taygetoe 
waren im Winter angangbar (Gartine Pclop* II, p. 160)« und Dtodor XV, 65 
bat daher wol Recht, wenn er den Gpaminondas zunächst mit unermesslicBer 
Beate nach Arkadien tnriickk ehren Iftsdi Aach der Umstand, dafs nach 
Paus. IV, 26, 6 die Argiver den Strategen Epiteles apeciell zum OikisUn 
Messenes ernennen, spricht, wie Hertzberg p. 359 richtig gesehen, für eine 
besondere Berathang der peloponnesisclien Bundesgenoseen nach dem Abzug 
aus Lakönien, ebenso wie der Reihenfolge der Ereignisse bei Plat. Pelop. 
24 den Zug aus Arkadien nach Messenien wahrscheinlich macht. Xenophon 
schweigt bekanntlich Ton alledem. 

4) SieTers, p. 273« 



\ 



177 

weitaus gröfste Zahl der neuen Staatsbevölkerung längft der Frei- 
heit entwöhnte Periöken, Heloten und allerlei abenteuerndes 
Volk '), die nicht im Stande waren eine fefte ftaatliche Einigkeit 
herbeizuführen. Für die politifche Schwäche der Landfchaft 
ift es bezeichnend, dafs die wenigen aus Meffenien erhaltenen Ur- 
kunden j^ner Zeit fich fall alle auf Grenzftreitigkeiten mit Nach- 
barftaaten beziehen*). 

Es war fomit in jedem Falle ein Danaergefchenk, das Epa- 
minondas der Bevölkerung Meffeniens in der Reftituirung ihrer 
ftaatlichen Autonomie, mit der fie nichts anzufangen wufste, er- 
theilte. Wol aber wurden feine politifchen Pläne durch diefe 
Selbftändigkeitserklärung eines Theiles des fpartanifchen Gebietes 
in hohem Mafse gefördert. Ich glaube Epaminondas nicht herab- 

• zufetzen, wenn ich die in alter und neuer Zeit ihm untergefcho- 

benen panhellenifchen Beweggründe bei feinem Vorgehen leugne. 

Es giebt keine Gröfse, die nicht die Wurzel hat im 

Herzen ihrer Zeit, und gerade weil Epaminondas die Er- 

fordemiffe feiner Zeit erkannte, gebot er über die Gefchicke 

. der Griechen* Aber feine Zeit war keine panhellenifche mehr. 
Die Tradition der Perferkriege war längft verklungen, und feit 
man den Grofskönig und den Tyrannen von Syrakus, unter deren 
zweifachem Einflufs *) die griechifchen Verhältniffe in der erften 
Hälfte des vierten Jahrhunderts ftanden, als oberfte Schiedsrichter 
bereitwillig anerkannt hatte, war eine auf dem Nationalitätsprincip 
beruhende Einigung, eine Erhebung und Gründung griechifcher 
Staaten im Gegenfatz und als Kampfmittel wider die Barbaren- 
reiche eine, wenn auch ideale, fo doch wolkenwandelnde Politik. 
Ifokrates, der fie predigte, ward, wenn auch als wohlmeinender 
Träumer, aber immer als Träumer belächelt. 



1) Lyk. geg. Leok. § 12 Meaarjvfjp ix rwv rv^ovrojv uv&qwjtwv cvvoi- 

ieiad^sTaav. leok Archid. § 62. Cf. Schiller p. 14. 

2) Weil Mitth. VH, p. 211. 

3) Köhler Mitth. I, p 21. 

12 



178 

Nie hätte Epaminondas das erreicht, was er in der That er- 
reicht hat, wenn er nicht unbeirrt durch fentimentale Regungen 
und panhellenifche Utopien fein klar vorliegendes Ziel mit allen 
Mitteln verfolgt hätte: die Herrfchaft Böotiens über Griechen- 
land zu unbedingter Anerkennung zu bringen. 

Im Verein mit den Arkadern , Argivem und den übrigen 
Bundesgenoffen liefs fich Epaminondas zunächft die Errichtung 
ftarker ftädtifcher Mittelpunkte in Mefsenien angelegen fein» Ora- 
kel, Träume und Götterfprüche wurden herangezogen, um die 
Neugründung*) einer mächtigen Hauptftadt — Mefsenes — ins 
Werk zu fetzen. Mit . reichen Mitteln und wohlberechnetem Plan 
wurde der Bau ausgeführt. Die Riefenmauem, die noch nach 
Jahrhunderten die Bewunderung des Paufanias erregten, fmd auch 
heute in ihren wohlerhaltenen Ueberreften beredte Zeugen für 
die Pracht der Anlage und die Tüchtigkeit der Werkmeifter. 
Nachdem Epaminondas dem wiederhergeftellten Reiche und feiner 
buntzufammengewürfelten Bevölkerung eine demokratifche Ver- 
faffung gegeben und zum Schutz des Baues, für deffen Aus- 
führung') vorzüglich der argivifche Feldherr Epiteles forgte, 
eine Abtheilung Thebaner zurückgelaflTen, befchlofs er den Rück- 
weg nach Böotien anzutreten. Die Dauer des Feldhermamtes 
war längfl überfchritten. Vor Allem aber bewog ihn das erneute 
Eingreifen der Athener zum VerlafTen des Peloponnes. Sparta 
hatte in feiner Bedrängnifs in alle Weltgegenden Gefandtfchaften 
mit Hilfsgefuchen gefchickt, und in Athen war man nach langen 
Debatten, über die uns Xenophon^ eingehend berichtet, «um Ent- 



1) Paus. IV, 13 sagt aasdrücklich, dass vor der thebanischen Zeit eine 
Stadt Messene nicht existirt habe. Strabos Worte VIII p. 361 zwingen nicht 
zur Annahme, dass er das Gegentheil habe bezeugen wollen. Ebensowenig 
ist Niebuhrs Einwand (Vort* über alt. Gesch. 1, p. 281) stichhaltig, dass die 
Manern von Messene einer älteren Zeit, als der des Epaminondas ange- 
hörten. Schiller p. 13. 

2) Siehe über die Gründung Messenes Paus. IV, 26, 5-27, 5, IX, 
14, 2, Diod. XV, 66, 67, Plut. Ag. 34, Pelop. 24 und Nepos Ep. 8, 4. 

8) Hell. VI, 5, 33—50. Xenephon giebt die lakedämonische Tradition 



179 

fdilufs gekommen, die bisher befolgte Friedenspolitik um jeden 
Preis — aufzugeben und den allzu kraftvoll aufftrebenden Nach- 
barftaat noch zur rechten Zeit in feiner gefährlichen Machtent- 
wickelung zu hemmen« 

Iphikrates rückte mit einem ftattlichen Heer in den Pelopon- 
nes aus. Als er aber bis nach Arkadien gelangt war, brachte er 
in Erfahrung, dafs Epaminondas bereits Lakonien verlafTen hätte 
und dafs die Arkader und Argiver mit ihrer Beute nach Haufe 
zurückgekehrt feien. 

Da Sparta felbft zunächft nicht mehr bedroht und fomit 
der nächfte Zweck der Expedition, die Entfetzung der in Gefahr 
fchwebenden Stadt, erfüllt war, zog fich Iphikrates aus dem 
Feindeslaode nach Korinth zurück. Diefe Demonftrationen der 
Athener bewirkten die fchnellere Räumung des Peloponnes 
durch die Thebaner. Doch gehen die fpäteren athenifchen Red- 
ner viel zu weit, wenn fie ihnen die Rettung Spartas zufchrei- 
ben ^). . Dem Iphikrates kam es nicht darauf an, Epaminondas 
im Peloponnes feilzuhalten, noch wollte er in einer Schlacht 
gegen das ftärkere thebanifche Heer fich der -Möglichkeit 
ausfetzcQ, bedeutende Verlufte und Niederlagen zu erleiden. Er 
liefs daher den Pafs bei Kenchreae unbefetzt und fuchte nur 
durch Reiterattaquen die Rückzugslinie der Thebaner zu beun- 
ruhigen und ihre Macht zu fchwächen. Wie aus Xenophon*) 
erhellt, fcheinen diefe Angriffe nicht immer glücklich gewefen zu 
fein; doch ifl es wol nur auf die Uebertreibung der böotifchen 
Tradition zurückzuleiten , wenn wir bei Plutarch ®) von einem 



wieder, welche das Demüthigende einer solchen Bittgesandtschaft dadurch 
ziii mildern suchte, dass sie die Athener von selbst Berathungen über eine 
etwaige Unterstützung der Lakedämonier beginnen Hess. 

i) Isokrat. De pace 105—107, p. 180. folg., Isok» Phil. 44, p. 91, 
Demost. für d. Megalop» 13 fol. p. 205, Nepos Iphik. 2. Siehe die Stellen 
gesammelt bei Schäfer D. L p« 77, A. 1, der den Einfluss der athenischen 
Hilfssendung auch übertreibt. Rehdantz p. 108 giebt das Richtige* 

S) Hell. VI, 5, 52. 

3) Pelop. 24. 

12» 



i8o 

förmlichen Siege der Thebaner lefen. Nach Paufanias *) wäre 
Epaminondas, nachdem er den Angriff des Iphikrates und feiner 
Pehaften zurückgefchlagen, in Attika eingefallen und bis vor die 
Thore Athens gezogen; da aber Iphikrates den Kampfesqiuth 
feiner Mitbürger gezügelt und fie hinter den Mauern feftgehalten 
hätte, feien die Thebaner dann nach Böotien zurückgegangen, 
— Die Mehrzahl der neueren Gelehrten ^) folgt hier dem 
Paufanias. Wie unwahrfcheinlich die ganze Notiz von die- 
fem fonft nirgends bezeugten Angriff auf Athen fei, und zu welch' 
geradezu unmöglichen Vorftellungen über den Gang des Kampfes 
die Annahme derfelben fuhrt , hat Grote *) bereits in geift- 
voller Schärfe dargelegt. Nur kann ich ihm nicht beiftimmen, 
wenn er uns zumuthet, in den Worten des Paufanias: ^fllgog 
ahb ^A^vTjalwv tö aarv** die damals von den Athenern occupirte 
Stadt, d. h. Korinth zu verftehen. Vielmehr hat der Perieget 
ty A^f}val(üv^* für ,fKoQiv&iwv^* gefchrieben, ebenfo wie in demfelben 
Zufammenhang Lechaion mit Kenchreae verwechfelt ift und Iphi- 
krates als Sohn des Timotheos bezeichnet wird. Denn auf 
Korinth ging Iphikrates zurück und marfchirte erft über den 
Ifthmos, nachdem die Thebaner nach Haufe abgezogen waren. 
Seine paffive und defenfive Art der Kriegsführung, die es in w6i- 
fer Mäfsigung nur darauf abfah, durch eine drohende Stellung im 
Norden den Epaminondas zu rafcherem Veflaffen des Peloponnes 
zu bewegen, erregte namentlich in Sparta, wo man von dem athe- 
nifchen Hilfszug die Revanche für Leuktra erhofft hatte, die 
höchfte Verflimmung. Xenophon*) hat ihr Ausdruck verliehen 
und führt, worin ihm Lachmann ^) nicht hätte folgen foUen, den 
Mangel an pofitiven Refultaten diefes Zuges auf das perfönliche 



1) IX, 14. 

2) Sievers p. 275, Lachmann J, p. 366, Curtius III, p. 333 etc. 

3) V, p. 497 lind p. 498* 

4) Hell. VI, 6, 51. 

5) I, p, 366» 



i8i 

XJngefchick des Feldherrn zurück, während doch der ganze Ope- 
rationsplan des Iphikrates von bewufster Abficht und politifcher 
Einficht zeugt. Epaminondas war nach Theben zurückgekehrt: er 
hatte fich nun für die eigenmächtige Verlängerung^) des Com- 
mandos zu rechtfertigen. Das ungefetzliche Weiterführen des 
Oberbefehles war ein offener Verfaffungsbruch , und eine An- 
klage daher die natürliche Folge. Doch liefs der Gerichtshof, 
durch die grofsartigen Refultate des Feldzuges bewogen, den 
unbarmherzigen Buchftaben des Gefetzes ruhen , und ohne 
zur Einielabftimmung zu fchreiten , kam es durch Accla- 
mation zu einem freifprechenden Urtheil Das ift das einzig Ge- 
ficherte, was wir aus Paufanias^) von diefem Proceffe wiffen» 
Plutarch^), Nepos*) und Aelian^) bieten eine Menge Details, — 
eine ftolze Rechtfertigungsrede des Epaminondas, flehende Bitten 
des Pelopidas etc. — die für uns natürlich von keinem Werth fein 
können. Aber auch die ganze Auffaffung jener Schriftfteller, die 
dann in die meiften unferer Handbücher®) übergegangen ift, fcheint 
wenig berechtigt. Nach ihrer Darfteilung ift die Infcenirung des 
Proceffes lediglich auf die Umtriebe von Epaminondas' perfönlichen 
Feinden und Gegnern zurückzuführen, die das undankbare. Volk 
faft dazu vermocht hätten, die Todesftrafe an feinem Führer zu voll- 
ziehen* • Die Thatfachen bieten wenig Anlafs^ diefe Märtyrerkrone 



1) Nach Diodor XV, 67 hat der ganze Feldzug 85 Tage gedauert. Das 
genaue Datum beweist, dass die Notiz aus einer wohlinstruirten Quelle 
stammt. Plntnrch Ag. 32 spricht von „drei ganzen Monaten'' was dasselbe 
besagt, wie Diodor. Nach Plutarch Pelop. 25 hätte Epaminondas den Befehl 
vier Monate über die gesetzliche Zeit weitergeführt, öo auch Nepos Ep. 7. 
Ap"pian(Sy. 46) endlich lässt den Feldherrn sogar sechs Monate dasCommando 
den designirten Nachfolgern vorenthalten« Ich sehe keinen Grund, mit 
Orote V. p» 493 gerade die Angabe in Plut. Pelop. 25 für die richtige zu hal- 
ten. Das Unternehmen des Epaminondas liess sich sehr wol in drei bis 
vier Monaten ausführen. 

2) IX. 14. 

3) Pelop. 25. 

4) Ep. 7 und 8. 

5) V. H. XIII, 42. 

6) Lachmann I, p. 367» Curtius III, p. 333 etc. 



l82 

um die Stirn des Helden zu flechten. Die Gefetzesübcrtre- 
tung verlangte eine Rechtfertigung, aber fobald fich Epaminon- 
das zu einer Verantwortung bereit erklärt, geftaltete fich die ge- 
richtliche Verhandlung für ihn zu einem Triumph. Der vorliegende 
Fall fcheint daher kein paflendes Beifpiel, um die fprichwörtliche 
Undankbarkeit des Volkes gegen feine grofsen Männer zu illuftriren. 
0b der Procefs überhaupt irgend welche Folgen gehabt, ifl fraglich. 
Nach Bauch ^) und Sievers *) wären Pelopidas und Epaminondas, 
gleichfam als Strafe, der Böotarchie für das laufende Jahr enthoben 
worden. Bereits Grote *) hat fich mit Recht gegen diefe An- 
nahme erklärt, da Epaminondas noch in demfelben Sommer als 
Heerführer erfcheint und für Pelopidas, nach unferen Quellen*) 
wenigftens, eine Unterbrechung feiner jährlich erneuerten Böo- 
tarchie nicht wahrfcheinlich ifl. 

Durch den Hilfszug des Iphikrates hatten die Athener den 
Krieg mit Theben begonnen und waren mit Sparta wieder in 
freundfchaftliche Beziehungen getreten. Aber Pflichten und Rechte 
der Neuverbündeten waren noch nicht abgegrenzt, und es fehlen 
um fo gebotener hierüber fiebere Beflimmung zu treffi^n, als der 
Kampf im Peloponnes felbft ja noch keineswegs beendet war, und 
fich eine neue Intervention der Thebaner in nächfter Zeit erwar- 
ten liefs. Daher kam noch im Frühling 369 ^) eine Gelandfchaft 
der Lakedämonier und ihrer Verbündeten nach Athen, um einen 
endgültigen Vertrag zu Stande zu bringen. 

Da die Spartaner natürlich von vorneherein auf alle Supre- 
matieanfprüche verzichteten und für fich nur Gleichberechtigimg 
forderten, fo lautete das Rathsgutachten dahin, dafs nach dem 

• 

neuen Bündnifle Athen die Hegemonie zur See, Sparta die zu 
Lande führen folle* Hiergegen erhob fich von Seiten der 



1) p« 58. 

2) p. 277. 

3) V, p. 500. 

4) Diod. XV, 81. Plut. Pelop, 34. 

5) üeber die Chropologie der Ereignisse vergl, Grote V, p. 509 A. 
23 und Sievers p. 892->395. 



i83 

Athener in der Volksverfammlung lauter Widerfpruch. Nament- 
lich that fich jetzt, wie fpäter^), Kephifodotos hervor. Er 
führte -aus, wie bei einer folchen Anordnung die Athener benach- 
theiligt wären, da die Flottenmannfchaft der Spartaner aus Heloten 
beftände, während die Lakedämonier über I^eib und Leben ihrer 
als Hopliten dienenden Bürger zu gebieten hätten, und es gelang 
ihm, den Befchlufs durchzufetzen, dafs der Oberbefehl über die 
gefammte Truppenmaffe von fünf zu fünf Tagen unter den Grofs- 
mächten wechfeln foUe. Es ift von felbft erfichtlich, dafs eine 
folche Wanderung des Obercommandos von Hand zu Hand eine 
erfolgreiche Kriegsführung unmöglich machen mufste*). 

Diefer Bundesvertrag wurde von den Lakedämoniern und 
ihren Bundesgenoffen einerfeits, und von den Athenern andererfeits 
abgefchloffen. Wir find keineswegs mit Bufolt') berechtigt, aus 
der Thatfache, dafs die Lakedämonier mit ihren Bundesgenoffen 
den einen Contrahenten repräfentirten, zu fchliefsen, dafs analog 
auf der anderen Seite auch der athenifche Seebund mit am Ver- 
trage betheiligt war. Xenophon nennt hier den Seebund nicht, 
und da er fehr ausführlich über jene Vorgänge berichtet und län- 
gere Reden giebt, fo hat fchon fein Schweigen einen gewiffen 
Werth. Dann aber haben Hahn^) und Lenz*) mit Recht auf die 
Unwahrfcheinlichkeit hingewiefen, dafs der athenifche Seebund, 
der doch gegen Sparta gegründet war, nun mit Sparta einBünd- 
nifs eingegangen fei und nach fünfjährigem Kriege, den das 
eigene Intereffe erfordert hatte, fich noch bereit gezeigt, 
Opfer zu Gunften derjenigen zu bringen, die er foeben bekämpft» 
— Zudem hätte, da der Oberbefehl alle fünf Tage wechfelte, das 



l)^Demo8th. geg. Lep. 160. 

2) Ueber den Vertragsabschlugs vergl. X. Hell. VI, 1, 1 — ^14 und in 
Kürze Diodor XV, 67. 

3) p. 700. 

4) p 454. 

6) p. 67. 



i84 

Synedrion des Bundes dann bald in Sparta, bald in Athen tagen 
muffen. Kurz, wir werden bei der Annahme Bufolts zu fo viel 
Unmöglichkeiten geführt, dafs diefe fchon an und für fich aui 
fchwachen Füfsen ruhende Hypothefe als durchaus unbegründet 
bezeichnet werden mufs. Doch geht Hahn andererfeits zu weit, 
wenn er die Betheiligung des Seebundes am Kriege gegen The- 
ben überhaupt leugnet. Euboea- und Akarnanien waren vom 
Bunde') abgefallen und hatten fich Theben angefchloffen;'nach 
dem Conventionsparagraphen war der Bund verpflichtet, Athen bei 
der Bekämpfung der abtrünnigen Glieder zu unterftützen. Soweit 
der Krieg gegen diefe geführt wurde, mufsten auch die athenifchen 
Bundesgenoffen ihre Contingente ftellen. 

Gleich nach Abfchlufs des Vertrages rüfteten die Athener 
unter Chabrias ein Heer aus und entfandten es zu den Ifthmos- 
päffen, wo die Truppen der Lakedämonier und Bundesgenoffen 
Stellung nahmen. Die Mafsregel war noth wendig, um einen 
erwarteten Einfall der Thebanern verhindern zu können. Denn 
im Peloponnes hatte inzwifchen der Kampf nicht geruht, 
— Pellana, und fomit das obere Eurotasthai, war von den 
Arkadern genommen^) und gegen Phlius '), den treuen Bundesge- 
noffen Spartas, von Seiten der Argiver ein bisher freilich nicht 
fehr erfolgreicher Krieg eröffnet worden. Die Verwicklungen, 
die durch diefe Kämpfe entflanden, fowie die Schwierigkeiten, 
die bei der Confolidirung der arkadifchen und mesfenifchen Staaten 
noch zu überwinden waren, liefsen den Thebanern von Neuem 
eine perfönliche Einmifchung erwünfcht erfcheinen. — 

So rückte denn im Hochfommer 369*) Epaminondas aber- 
mals gegen den Peloponnes aus. Er fand diesmal die Päffe des 
Oneiongebirges wohlbefetzt, und da der an Truppenzahl über- 



1) X. Hell. VI, 6, 23. 

2) Diod» XV, 67. 

3) X. Hell. VII, 2, 1 folg. 

4) Grote V, p. 510. 



i85 

legene*) Feind fich nicht aus feiner feften Stellung zu einer 
Schlacht herauslocken Hefs, fah fich Epaminondas genöthigt, einen 
der Eingänge zu ftürmen. Er wählte den ihm am bequemften 
gelegenen weftlichen Pafs, der von .den Lakedämoniern und Pel- 
lenem occupirt war/ und eröffnete beim Morgengrauen, — ^- zur 
Zeit als die Nachtwachen bereits ihren Dienft eingeftellt hatten, 
das Heer aber eben erft im Begriff war, fich aus der Ruhe zu 
erheben und feine Pollen einzunehmen, — einen energifchen An- 
griff. Er erzwang den ungeordneten Truppen gegenüber, wie es 
fcheint nach kurzem Widerftand^), den Durchzug, nöthigte die 
gefchlagenen Feinde fich auf einen in der Nähe gelegenen Hügel 
zurückzuziehen und erlangte vom überrafchten Harmoften die 
Bewilligung eines Waffenftillfl:andes, der ihm den ungefährdeten 
Einmarfch nach Sikyon geftattete. In den mafsgebenden Mili- 
tairkreifen, deren Stimmung Xenophon Ausdruck giebt^), unter- 
lag das Verhalten des lakedämonifchen Befehlshabers einer ftren- 
gen und . abfälligen Kritik. Ob fie vollkommen berechtigt, läfst 
fich mit den uns zu Gebote flehenden Hilfsmitteln nicht ent- 
fcheiden. Wol aber fcheint der Tadel des Xenophon über den 
rafchen Abfchlufs des Waffenftillftandes bei der überlegenen Trup- 
penzahl der verbündeten Mächte und ihrer günftigen Stellung 
nicht unbegründet. 

Nachdem Epaminondas fich mit feinen peloponnefifchen 
Bundesgenoffen vereinigt, rückte er vor Sikyon und erlangte den 
Anfchlufs*) der Stadt. Es war dies eine wichtige Errungenfchaft 



1) Soviel darf man wol aus Diodor XV, 68 echliessen; ob freilich die 
Feinde wirklich 20000, Epaminondas nur 7000 Mann gehabt, ist bei der 
totalen Unzuverlässigkeit von Diodors Zahlenangaben nicht so sicher, yf\e 
Curüos JII, p. 336 annimmt. 

2) Diodor XV, 68 spricht natürlich von heftigem Kampf; wenn wirk- 
lich ein solcher stattgefunden, hätte Xenophon doch wol kaum unterlassen 

hn zu erwähnen. £s würde zu Ounsten der spartanischen Waffenehre 
sprechen, wenn das Heer trotz der Ueberraschung sich tapfer gewehrt hätte« 

3) Hell. VII, 1, 17. 

4) Nach Diodor XV, 69 schloss sich die Stadt gezwungen an, allein 
aus X. Hell. VII, 3, 2 (vergl. VII, 1, 44) ist ersichtlich, dass der lieber- 



i86 

für die kriegerifchen Unternehmungen, da man jetzt eines beque- 
men Landungsplatzes verfichert war und nun durch das Afo- 
posthal einen offenen Zugang in das Herz des Peloponnes 
hatte» Weiter ward noch Pellene gewonnen ') — fonft waren, 
die ferneren Operationen nicht glücklich. Ein Zug gegen 
Epidauros blieb ohne wefeotlichen Erfolg und ein Angriff 
auf Korinth, das man zu überrumpeln gehofft hatte, führte 
zu einem für die Thebaner unglücklichen Gefecht *), bei welchem 
fie genöthigt waren ihre Niederlage einzugeftehen und um die 
Auslieferung ihrer Todten zu bitten. - Zu gleicher Zeit traf ein 
Hilfsgefchwader d6s Dionys ein. Im Verhältnifs des Tyrannen zu 
den griechifchen Städten Siciliens und Unteritaliens lag ein trifti- 
ger Grund, der Entwicklung der Dinge auf der Halbinfel aufmerk- 



tritt der Stadt darch eine förmliche Abstimmang der Bürger beschlossen 
wurde. 

f) Woher Curtius III, p. 336 weiss, dass der Angriff des flpaminon- 
das auf Pellene erfolglos geblieben sei, ist mir unersichtlich. X. Hell. VII^ 
2, 2 erwähnt zur Zeit des ersten Thebanerzuges in den Peloponnes die 
Slkyonier und Pellener unter den Bundesgenossen Spartas mit dem Zusatz: 
y,ov ydq nm tots ay>^aTaaavy^ Hell Vn, 4, 17 lesen wir dann, „^cTj? yaQ ndXiv 
nQog€X6X(OQ^x€Gav ol ilsXXr^vstg elg t^v TCüvAaxeäaifioviwvavfifjLa^lavJ* 
Es ist also deutlich ersichtlich, dass die Pellener sich eine Zeit lang den 
Thebanern angeschlossen haben, — am Wahrscheinlichster^ wol eben damals 

als, wie X. Hell. VII, 1, 18 berichtet: ^fOrjßatoi^ nqoaißaXov nqoq l\xv(ova 
xai llekirivrjv*', 

2} Diodor XV, 69 berichtet den Hergang der Sache, der er ein ganzes 
Capitel widmet, wesentlich abweichend: nach ihm schlagen die Thebaner 
zunächst die Korinther, versuchen in die Stadt einzudringen, werden aber 
von Chabrias wieder hinausgetrieben, der sich dann ausserhalb der Stadt 
mit seinen Athenern aufstellt und einen erneuten Angriff der Böoter zu- 
rückweist Man erkennt deutlich im ganzen Capitel das Bestreben der 
athenischen Quelle — des Ephoros — die Verdienste des Ohabrias hervor- 
zuheben. Es lag für Xenophon kein Grund vor, .die Wahrheit zu ent- 
stellen, wenn wirklich der Kampf ein derartiger gewesen wäre, wie Diodor 
ihn schildert. Bei Diodor erscheint die Niederlage der Thebaner viel be- 
deutender, als nach der Erzählung des Xenophon ; und letzterer hätte doch 
nicht verabsäumt, die Erfolge des verbündeten Heeres genügend zu betonen, 
wenn dieselben wirklich vorhanden gewesen. Ich kann daher Lachmanns I, 
p. 374, Auffassung nicht theilen. 



i87 

fam zu folgen *) und der Bitte der Lakedämonier um Unterftützung 
nachzukommen, weil er fo feinen Einflufs auf den Gang der Er- 
eigniffe geltend zu machen hoffte» Die von ihm gefandten kel- 
tifchen und iberifchen Truppen verurfachten ipit ihrer ungewohn- 
ten Kampfesart den Thebanern mannigfache kleine Verlüde, fo dafs 
Epaminondas-es für das Gerathenfle hielt, nachdem er noch einige 
Tage den Norden des Peloponnes verwüftet hatte, nach Böotien 
zurückzukehren. — Die Hilfsvölker des Dionys bewerkftelligten 
darauf einen Einfall nach Sikyon und brachten den Einwohnern 
eine empfindliche Niederlage bei, — dann fchifften auch fie fich 
wieder unter mannigfachen Ehrbezeugungen der Spartaner ^) nach 
Haufe ein. Die geleiftete Hilfe bahnte naturgemäfs auch ein freund- 
liches Verhältnifs zwifchen den Athenern und Dionys an, und nach 
den Klhmus- Kämpfen ward dem Beherrfcher Siciliens ein Kranz 
vom athenifchen Demos decretirt. *) 

Grote *) meint, dafs in diefem Feldzuge weit mehr vorgefal- 
len fein mufs, als Xenophon angiebt, da Epaminondas doch kaum 
der unbedeutenden Dinge wegen , die wir in den Hellenika er- 
wähnt finden, den Durchzug über das Oneion forcirt haben würde. 
Ich bedauere, dafs Grote feine Anficht nicht des Näheren ausge- 
führt und mptivirt hat, bisher fehe ich keinen Grund an der Wahr- 
heit des xenophonteifchen Berichtes zu zweifeln. Epaminondas 
konnte beim Sturme der Päffe unmöglich vorausfehen, dafs feine 
geplanten Operationen im Norden des Peloponnes bis auf die Ge- 
winnung von Sikyon erfolglos bleiben würden ; erft als er fich 
hier mehrere Schlappen zugezogen, und die Feinde durch die 
Hilfsfendung desDionyseine unerwarteteVerftärkung erlangt hatten, 
gab er wol die Durchführung weiterer Pläne gegen den Süden 



1) VergU Köhler Mitth. I, p. 21. 

2) Diodor XV, 70. 

3) C. I. A. n, 51* Z. 26. Köhler Mitth. I, p. 15. Dittenberger S. L G. 
1, 72 p. 128, A, 10. 

4) V, p. 614, A. 34. 



i88 

I 

des Peloponnes und gegen Lakonien felbft auf. Der Hauptgrund, 
dafs der Feldzug im Ganzen fo wenig pofitive Refultate aufzuweifen 
hatte, mag vor Allem an der unzureichenden Unterftützung der Ar- 
kader und Argiver gelegen haben, deren craffes Stammesbewufstfein 
fich fchon im folgenden Jahre auch im Verhältnifs zu Theben gel- 
tend machte. Einer erdrückenden Uebermacht gegenüber mufste 
das Feldherrngenie felbft eines Epaminondas darauf verzichten, glän- 
zende Siege und Eroberungen herbeizuführen. Auch in Theben 
hatte man fich gröfsere Früchte von diefer Expedition verfprochen: 
man fah das Mifslingen als Mangel an gutem Willen an, warf 
dem Epaminondas unverantwortliche Schonung der Feinde beim 
Kampf in den Paffen vor und entfetzte ihn feines Feldherrnamtes *). 

Inzwifchen war der Peloponnes nicht der einzige Kriegs- 
fchauplatz geblieben. Die Verhältniffe in Theffalien hatten fich 
derart geftaltet, dafs auch hier den Thebanem die erwünfchte 
Gelegenheit geboten ward, gleichwie im Süden Griechenlands, 
zu mafsgebendem Einflufs zu gelangen. Ich mufs hier ein wenig 
zurückgreifen. Nach dem plötzlichen, gewaltfamen Tode des 
lafon hatten zunächft feine Brüder Polydoros und Polyphron ge- 
meinfchaftlich eine kurze Zeit über die Tageia bekleidet. Dann 
war unter fo verdächtigen Umftänden, dafs man allgemein den 
Bruder als Mörder bezeichnete, der Tod des Polydor erfolgt*). 

Polyphron führte nun in harter und graufamer Weife allein 
die Regierung weiter — doch nur ein Jahr, dann ward er von 
feinem Neffen •) Alexandros hinweggeräumt, welcher voi^ab den 
Tod feines Vaters am Mörder zu rächen und die Freiheit Thef- 



1) Diod. XV, 72. 

2) X. Hell. VI, 4, 83. 

3) Plut. Pelop. 29 bezeichnet den Polyphron als Oheim des Alexander. 
Die Notiz scheint wohlbeglaubigt, da sie mit den Thatsachen in Einklang 
steht. Xenophon, der über die verwandschaftlichen Beziehungen frei- 
lich im Unklaren gewesen zu sein scheint, sagt, Alex« sei als Blnträcher 
und Tyranneribe freier aufgetreten. Nach Diodor XV, 61 war Alexander der 
Bruder des Polydor. Grote V, p 505 und Flathe I, p. 93 folgen hier 
dem Diodor; Curtius m , p. 345 und Abamelek - Lasareff p. 33 
wagen keine Entscheidung zu treffen und bezeichnen den Alexander ganz 



i89 

faliens gegen das tyrannifche Regiment in Schutz zu nehmen. 
Alexander trat darauf felbft das Oberfeldhermamt an, — machte fich 
aber in kurzer Zeit durch feine Wilikühr, Despotie uiid Graufamkeit 
fo fehr verhafst, dafs die von ihm verfolgten theffalifchen Aleuaden, 
welche, wie es fcheint, fchon früher bei den Bedrückungen des Poly- 
phron eine Zuflucht in Makedonien gefunden hatten ^), fich jetzt an 
Alexandros, den Sohn des Amyntas, mit der Bitte zu interyeniren 
wandten. Der König von Makedonien rückte in Folge deflen in 
Theflalien ein und befetzte, während der Tyrann von Pherae fich 
gefchlagen zurückzog, Lariffa und Krannon. Bald aber zeigte es 
fich, dafs Alexander von Makedonien bei feiner Hilfsleiftung nur 
die eigene Machterweiterung bezweckte und keineswegs gewillt 
war, die occupirten Städte herauszugeben. Die in ihren Hoff*- 
nungen getäufchten Theflalier, die fo nur einen Bedrücker gegen 
einen anderen eingetaufcht hatten, kamen nun nach Theben. Hier 
fanden fie bereitwillig Gehör. Man benutzte dort jeden Anlafs, 
der ein Feld zu neuer politifcher Thätigkeit bot. — Während Epa- 
minondas zum zweiten Mal gegen den Peloponnes zog, ward Pe- 
lopidas, der feitdem die Leitung der theflalifch-thebanifchen An- 
gelegenheit in der Hand behielt, angewiefen, die Verhältnifle im 
Norden gemäf§ den Intereflen Thebens zu ordnen» 

An der Spitze eines thebanifchen Heerhaufens fiej Pelopidas 
in Theffalien ein. Bei feinem Heranrücken hatte fich die ma- 
kedonifche Befatzung aus Larifla und Krannon entfernt, fo dafs er 
ohne Schwertftreich die Städte einnehmen konnte. Dann nöthigte 
er den Tyrannen Alexander fich auf das Gebiet von Pherae zu- 
rückzuziehen und machte fo, indem er die theffalifchen Städte vor 
fremden Einflüflen zu fichem vorgab , thatfächlich deflen 



allgemein als Verwandten des Hauses. Doch glaube ich, dass Köhler (Mitth* 
II, p. 198) in seiner Annahme Recht hat, es falle nur dem Diodor und nicht 
seiner Quelle zur Last, wenn er den Polydor mit üebergehung des Polyphron 
von seinem Bruder Alexandros ermordet werden lässt. Diodor schöpft hier 
ans demselben Autor, wie Plutarch, und die you ihm gebrachte Nachricht 
erklärt sich leicht als reine Flüchtigkeit. 

1) Vergl. Arist. Pol, V, 8, 12. Abamelek-LasareflF p. 23. 



igo 

Tageia ein Ende^). Weiter zog darauf Pelopidas, einer Auffor- 
derung Folge leidend, nach Makedonien, um dort die Thronftrei- 
tigkeiten zwifchen Ptolemäos Alorites und Alexander zu fchlich- 
ten. Er fchlofs ein Bündnifs *) mit Alexander, zeigte fich aber 
auch hier beftrebt vor Allem dadurch feinem Vaterlande zu nützen, 
dafs er durch Zugeftändniffe an Ptolemäos die Macht Makedoniens 
zu fchwächen und die Einmifchung des Nachbarftaates in den 
Gang der theffalifchen Politik ein für allemal unmöglich zu 
machen fuchte. 

Die Thebaner durften, trotz des theilweifen Mifserfolges 
des zweiten peloponnefifchen Feldzuges mit; den Errungen- 
fchaften diefes Jahres zufrieden fein. Um, ihre Herrfchaft über 
.Böotien zu behaupten, hatten fie mit Sparta den Kampf 
um" ihre Exiftenz begonnen, und nun hatte diefer Kampf fie 
im Sturmfehritt von Erfolg zu Erfolg gefuhrt und fie zur erften 
Grofsmacht Griechenlands erhoben, deren Einflufs vom Offa bis 
zum Taygetus fich erftreckte. Der Auffchwung war fo fchnell, fo 
glänzend und blendend, dafs die Spartaner darauf verzichteten, einzig 
nur durch Waffengewalt eine Reftituirung ihrer früheren Machtftellung 



1) Nach einem bei Suidas (Ha^' ovdev &€fi6vog) angeführten Frag- 
ment eines ungenannten Autors hätte Alex, damals mit Pelop. einen formlichen 
Vertrag abgeschlossen. Ourtius III, p. 346 acceptirt die Notiz. Doch wider- 
spricht sie , wie Köhler Mitth. II, p. 199 bereits bemerkt hat, der bei Platarch 
und Diodör vorliegenden Ueberlieferung., der wir, da sie aus einer den Ereig- 
nissen nahestehenden Quelle stammt, den Vorzug ertheilen müssen. 

2) Nach Diodor XV, 67 und Plut. Pelop. 26 ist damals Philipp von 
seinem Bruder Alezander als Geissei den Thebanern übergeben worden« 
Dem widerspricht Aeschines „De falsa legaf pag. 32, 7. (c. 13, 14 p. 
249, 250)* Grote V, p. 506 und Köhler Mitth« II, pag. 198 folgen dem 
Letzteren. Flathe I, p. 39 hält die Nachricht bei Aeschines für absichtlich 
erlogen. Aehnlich scheint Abamelel^-Lasareff zu urtheilen p. 35, der übri- 
gens Schäfer und Cnrtius ungerechtfertigter Weise vorwirft, dass sie sich 
über diesen Punkt in Schweigen hüllten. Curtius III, p. 346 folgt dem 
Diodor und PIntarch, und Schäfer H, p. 11 stimmt Abel p. 228 f. bei, der 
die Notiz bei lustin VII, 5 mit der Veränderung acceptirt, dast er den Phi- 
lipp nicht, wie lustin will, bei den Illyrien, sondern bei Ptolemäos Alorites 
abgegeben werden lässt. Mir scheint sowol ein Irrthum als eine absicht- 
liche Entstellung bei Aeschines ausgeschlossen. • 



191 

zu^ erreichen, fie ergriffen ihre Zuflucht wiederum zu diplo- 
matifchen Schachzügen. Im Frühfommer 368 wurde von aufsen 
her ein erneuerter Verfuch gemacht, den Frieden in Griechenland 
wieder herzuftellen. Philiskos, ein Abgefandter des Satrapen 
Ariobarzanes, *) erliefs die Aufforderung , zu einem Congrefs in 
Delphi zufammenzutreten. Dem Bericht unferer litterarifchen Quel- 
len fich anfchliefsend hat ein Theil*) der neueren Hiftoriker die 
Anficht vertreten, dafs Ariobarzanes aus eigener Initiative und 
im eigenen Interefle den Frieden habe vermitteln wollen, um fich 
der Unterflützung der griechifchen Söldnertruppen bei feinem ge- 
planten Abfall vom Grofskönig zu verfichem. Ein uns erhaltenes 
attifches Pfephisma,®) in der 10. Prytanie des Archon Lyfiftratos, 
d« h. Sommeranfang 368 erlaffen, berichtigt diefe Auffaffung und 
ergänzt in willkommener Weife die dürftige Erzählung unferer 
Autoren. Das Decret verfugt die Ertheilung des Bürgerrech- 
tes an Dionys und feine Söhne und belobt den Tyrannen für 
feine Bemühungen um das Zuftandekommen des Congreffes.*) 

Da wir durch nichts zur Annahme berechtigt find, dafs Dio- 
nys um die Privatpläne des Ariobarzanes gewufst und fie unter- 
ftützt habe, fo erhellt , dafs die erfte Anregung zu der erneuten 
Vermittelung von Griechenland ausgegangen fein mufs. Grote*) 
meint, dafs Athen, welches damals mit dem Satrapen in Verbin- 
dung getreten war, die Einmifchung Perfiens veranlafst habe« Be- 
reits Köhler hat dagegen geltend gemacht, dafs die Faffung des 
erhaltenen Decretes diefe Annahme nicht unterftütze, dafs es viel- 
mehr wahrfcheinlich fei, die Beziehungen zwifchen den Athenern 
und Ariobarzanes datirten erft feit dem Vermittelungsverfuche des 



1) 80 nach X. Hell. VII, 1, 27. Diodor XV, 70 berichtet, dass Philis- 
kos vom Perserkönig gesandt sei ; Sivers p. 28] hält es für wahrscheinlich, 
dass er das Letztere vorgegeben* 

2) Sievers p. 283. Cartius III, p« 350. Schäfer Dem« I, p. 86. 

. 3) C. I. A. II, 51. Köhler MittK I, 1 folg. Dittenberger S. h G. I, 72. 
4) Köhler Mitth. I, pag. 15. 
6) V, p. '616. 



192 

Letzteren. Köhler') hat meiner Meinung nach entfchieden das 
Richtige gefehen. Wie in den Jahren 387 und 3/1 , fo hatte 
Sparta auch jetzt in feiner Bedrängnifs, jetzt wo die Arkader und 
Argiver fiegreich den Kampf im Peloponnes weiterführten , eine 
gleichzeitige Intervention feiner beiden mächtigen Verbündeten 
angeregt. Es ift für die veränderte Sachlage bezeichnend, 
dafs nicht mehr die Stadt Sparta , fonderh Delphi zum Ver- 
fammlungsort auserfehen war. Dort traten nun die Abgeordneten 
der Griechenflaaten zur Führung von Friedensverhandlungen zufam- 
men. Wie es vorauszufehen war, wurde 6ine Einigung nicht erzielt. 
Meffenien bildete den Streitpunkt, und am Protefte Thebens *) 
gegen die Einverleibung des eben gegründeten Reichea durch 
Sparta fcheiterte jede . Möglichkeit , eine friedliche Löfung 
herbeizuführen. Mit dem refultatlofen Auseinandergehen des Con- 
greffes fleht es wol im Zufammenhang, dafs der perfifche Abge- 
fandte Söldner zu Spartas Unterilützung anwerben, und Dionys 
eine zweite „ßorj^eia^' in den Peloponnes auslaufen liefs. Das 
waren aber auch die letzten Anflrengungen , die jene einfiufs- 
reichen auswärtigen Grofsftaaten zu Gunften Spartas machten. 
Mit durch jenen Congrefs in Delphi mögen üe zur Ueberzeygung 
gelangt fein, dafs die Lakedämonier nach dem erhaltenen Schlage 
fich niemals mehr würden erheben können; und während Dionys 
daher bald nach den gefcheiterten Friedensverhandlungen ®) in 
immer nähere Beziehungen zu Athen trat und ein förmliches 
Bündnifs abfchlofs*), wechfelte Perfien im folgenden Jahre gänz- 
lich feine Politik und warf fich zumBefchützer Thebens auf. 



1) Mitth. 1, pag. 21. 

2) X. Hell. VII, (, 27.^ 

3) Ich sehe nicht ein, wesshalb Gilbert (Handbuch d« gr. Staatsalt. 
p. 415, A. 1) leugnet, dass das Ehrendecret f. Dion. C. I. A. ü, 51 in 
naher Beziehung zum Bündnissvertrag C* I. A. Il^ 52 steht. 

4) C. I. A. II, 52. Köhler Mitth. I, 22 folg. Dittenberger S. I. G, 
I. 73- Das Bündniss ist unter dem Archontat des Nausigenes 368/67, Ol. 103, 
1; etwa im Winter 068 geschlossen, während wir den Congress noch in OL 
102, 4, wol in den Juni 368 zu datiren haben. In dieselbe Prytanie^ wie das 
Bündniss mit Dionys von Syrakus fällt nach Dittenberger S. I. G. 75 (cf. 



193 

Ihzwifchen nahm der Krieg in Griechenland feinen Fortgang. 
— Theben, das mit den Bundesgenoffen im Peloponnes zum Theil 

■ 

wenigftens die Fühlung verloren hatte, wandte feine Thätigkeit 
und Aufmerkfamkeit vor Allem den Verhältniffen im Norden zu. 
Die 'Rühe in Theffalien hatte nicht lange gedauert. Schon im 
Jahre 368 kamen die theffalifchen Städte von Neuem mit ihren 
Befchwerden über die Bedrückungen und Gewaltthaten des Ty- 
rannen von Pherae nach Theben. Pelopidas, nur von Ismenias 
begleitet, machte fich ohne Heer auf, um die Streitpunkte zu 
fchlichten und Alexander in feine Schranken und Grenzen zu 
verweife'n. Die vielen Feldzüge hatten den Thebanem faft 
übermenfchliche Opfer auferlegt. Pelopidas hielt das Anfehen der 
ihebanifchen Macht und des thebanifchen Namens fchon für der- 
art gefiebert, dals er auch ohne Truppen glaubte wagen zu kön- 
nen, den Schiedsrichter in Theffalien zu fpielen. Auch in Make- 
donien waren inzwifchen neue Wirren ausgebrochen; der König 
Alexander, Thebens Verbündeter, war von Ptolemäos ermordet 
worden. Doch auch letzterer konnte fich des Befitzes der Herr- 
fchaft nicht fi'euen, da ein neuer Prätendent aus königlichem 
Stamm, Paüfanias, auftrat, und ihm diefelbe, wie es fcheint, mit 
Erfolg ftreitig machte. In feiner Noth wandte fich Ptolemäos 
an Iphikrates, welcher mit einem Gefchwader in der Nähe der 
makedonifchen Küfl:e fl:ationirt war, und feinen Vorfl:ellungen 
glückte es, eine Intervention des athenifchen Admirals zu feinen 
Gunften zu erlangen ^). 

Die Athener, fo fcheint es, trugen fich damals wiederum 
mit gröfseren Plänen zur Erweiterung und Befeftigung ihrer Herr- 



C. I, A. II, 50 u. Add. p* 400 a. 402) ein Proxeniedecret für den Lakedä- 
monier RoroiboB. In der Urkunde wird einer Gesandtschaft der Athener 
nach Sparta Erwähnung gethan. Wesshalb sie abdelegirt ist, wissen wir 
nicht. Die Vermuthung Dittenbergers, dass sie in Zasammenhang mit dem 
zwischen Athen nnd Dionys abgeschlossenen Bündniss stehe, ist nicht un- 
wahrscheinlich. Möglich, dass diese "Gesandtschaft Missverständnissen vor- 
beugen Bollte, die dieser neueingegangene Vertrag naoh sich ziehen konnte. 
1) Aeschines de falsa legat. c. 13, 14 p. 249, 250. Cornel. Nepos Iphik. 3. 

13 



194 

fchaft. Unfere litterarifche Ueberlieferung berichtet freilich 
wenig davon, allein die Belobigungsdecrete ^), mit; denen man 
fich die Freundfchaft der feemächtigen Mytilinäer fichem wollte, 
die Bündnifsverträge mit den Leukadiem*) und mit Dionys*), 
und die mit all* diefen Ereigniffen gleichzeitige Anwefenheit des 
Iphikrates an der makedonifchea Küfte fprechen dafür, dafs Athen 
nicht gewillt war fich aus feiner Grofsmachtftellung durch Theben 
verdrängen zu laffen, und dafs die Erfolge der Nachbarftadt dem 
athenifchen Demos die Veranlaffung zu regerer Kraftentfaltung boten. 
Kaum war Pelopidas nach ThefTalien gelangt, fo erreichten 
ihn die Boten der Anhänger des ermordeten Königs*). — Auch 
ohne ihr Hilfsgefuch hätte Thebens Führer wol nicht die Ercig- 
niffe ihren Gang gehen laffen , da es ihm vor Allem darauf an- 
kam zu verhindern, dafs die Athener irgend welchen Einfiiufs in 
Makedonien gewannen. In gröfster Eile brachte er ein Soldner- 
heer zufammen und rückte in Makedonien ein. Militairifche Er- 
folge hatte er bei feinem Feldzuge nicht; denn im entfcheidenden 
Momente verliefsen ihn, vom Feinde beftochen, feine Truppen. 
Der Feldherr kam hierdurch in die gröfste perionliche Gefahr, 
doch war Ptolemäos einfichtig genug, um ein gröfsferes Gewicht 
auf ein gutes Einvernehmen mit Theben zu legen , als auf die 
Vernichtung feines Gegners. Er erklärte die Herrfchaft im Nameo 
der unmündigen Brüder des verftorbenen Königs führen zu wolleti, 
ftellte Geifseln und ging einen Bündnifsvertrag ein. Nachdem 
Pelopidas hier fein Ziel erreicht, begab er fich nach Theflalien 
zurück. — Um an den treulofen Söldnern Rache zu nehmen, zog 
er mit einer neugeworbenen Schaar gegen Pharfalos, wo fich 
die Weiber, Kinder und Habe der Abtrünnigen befanden. Hier 
traf er unerwartet auf ein ftarkes Heer des Tyrannen von Pherae, 
fo ds^s an offenen Widerftand nicht zu denken war. Pelopidas 



1) C. T. A II, 52c. Dittenberger S. I. G. I, Nr* 74. 

2) C. I. A. II, 52b V. Jahre 368/7. 

3) C. 1. A. II, 52. ^Kirchhoflf Philol. XII, p. 571. 

4) Plut. Pelop. 37. * 



195 

machte daher einen letzten verzweifelten Verfuch, Thebens Au- 
torität zu wahren und fich zu retten, indem er unbewaffnet ins 
feindliche Lager ging und wie etwas felbftverftändliches die Rc41e 
des Vermittlers zwifchen Theffalien und dem Tyrannen fiir fich in 
A^fpruch nahm. Doch Alexandros liefs fich durch diefen kecken 
Schritt nicht verblüffen .und um die fcheinbare Gunft des Augen- 
blickes betrügen, fondem nahm Pelopidas gefangen^). Plutarch *) und 
Nepos *) fehen in diefer Handlungsweife des Alexander ein Verbrechen, 
eine Verletzung der heiligen Gefandtfcbaftsrechte, und neuere 
Hiftoriker, wie Sievers*) und Kortüm^), haben in der Mafslofigkeit 
ihrer Verur theilung des Gefchehenen die böotifchen Schriftfleller 
noch weit überboten. Allein Pelopidas war kein von beiden Parteien 
erwählter Vermittler und hatte das Recht, als officieller Gefandter 
behandelt zu werden,. durch feinen Angriff auf Pharfalos verwirkt^). 
Seine Gefangennehmung war nicht ein Verbrechen, aber um mit 
Tayllerand zu reden, fie war mehr als das, fie war ein Fehler. Auch 
dem Tyrannen ward es bald vor der Bedeutung feines Fanges bange. 
Er trug daher den Athenern ein Bündnifs an '), um fich gegen einen 
drohenden Angriff der Thebaner Unterftützung zu fchaffen. In 
Athen ging man®), da jede Gelegenheit, den Widerftand gegen 
Thebens Machterweiterung im Norden zu verftärken, mit Begierde 
ergriffen wurde, bereitwillig auf die günftigen®) Verfprechungen 

1) Diodor XV , lU Plut. Pelop. 27. 

2) Pelop. 27. 

3) Pelop. 5, 1. 

4) p. 330. 

5) IL p. 132. 

6) Abamelek-Lasarefif p. 37* 

7) Grote V, p. "519 setzt die Gefangennehmung des Pelopidas, im 
Widerspruch zu unseren Quellen, nach dessen Gesandtschaftsreise nach Per- 
eien an. Er steht mit dieser Ansicht vereinzelt da* Da Schäfer Demosth. 
I, p. 82 und namentlich Köhler Mitth. IL, p. X99, A. 1 mit unwider- 
leglichen Gründen ihre Unrichtigkeit erwiesen haben, so halte ich es für 
überflüssig, hier noch näher auf die Frage einzugehen. 

8) Diod XV. 71 u. Demosth. geg, Arist. liO setzen dieses Bündniss, 
es sei gegen Grote bemerkt, ausdrücklich mit der Gefangennahme des Pe- 
lopidas in Zusammenhang. 

9) Plut Apopht. Ep. 17 p. 193. 

13» 



196 

und Propofitionen des Tyrannen ein. Die Athener entfandten 
fogleich unter dem Befehl des Autokies ein Hoplitenheer und eine 
Flotte zur Bekämpfung *) der Thebaner i!nd beantragten in Sparta*), 
dafs das zweite Hilfscorps des Dionys, welches im Sommer im 
Peloponnes angelangt war, nach Theffalien delegirt werde. Schei- 
terte auch diefer Verftärkungsplan der nordifchen Armee am Wi- 
derfpruch der peloponnefifchen Bundesgenoffen, fo gelang es doch 
dem Alexander unter der Mitwirkung der athenifchen Hilfstruppen, 
das zur Befreiung des Pelopidas herbeigeeilte thebanifche Heer 
unter Kleomenes und Hypates *) zu einem fchimpflichen und gefahr- 
vollen Rückzug zu zwingen. Durch Proviantmangel und ungefchickte 
Führung waren die Thebaner in die äufserfte Gefahr gebracht, und 
erft als Epaminondas, der als Privatmann dem Heere gefolgt war, auf 
Wunfeh der Soldaten das Commando übernahm, wurden fie gerettet 
und gelangten ficher nach Böotien zurück. Epaminohda», der fich 
durch diefe Heldenthat in der Volksgunft rehabilitirt hatte, wurde 
von Neuem zum Böotarchen gewählt und unternahm darauf, wol 
zu Beginn des Jahres 367*), wiederum einen Feldzug gegen Theffalien. 
Es gelang feinem entfchloffenen Auftreten, ohne dafs er eine Ent- 
fcheidungsfchlacht wagte und den Tyrannen dadurch zu einem ver- 
zweifelten Schritt brachte, doch Alexander derart in die Enge zu 
treiben, dafs er gegen die 'Zuficherung eines dreifsigtägigen Waf 
fenftillftandes die Auslieferung feines Gefangenen bewilligte*). 
Zufrieden mit diefem Erfolge kehrte Epaminondas wieder zurück; 



1) Diod. XV, 71. 

2) X. HelU VII, 1, 28* 

3) Paus. IX, 15. 

4) Curtins m, p. 847. 

5) Ueber die thessalischen Feldzüge spricht am Ausführlichsten Pla- 
tarch Pelop. 26—29. Ferner berichtet über sie Diodor XV, 71 und Paus. 
IX, 15. Alle drei Darstellungen sind Auezüge aus ein und derselben böo- 
tischen Quelle, Uns fehlen die Mittel, die Wahrheit der Erzählung zu con- 
troUiren, — namentlich springen bei Plut. Ausschmückungen und üeber- 
treibungen sofort in die Augen. Ich habe mich bemüht ijfi Text nur das 
zu geben, .was auch durcji innere Wahrscheinlichkeitsgründe als gesichert 
erscheint 



197 

— die Geflaltung der Verhältniffe in Griechenland lenkte die 
Aufmerkfamkeit der Thebaner zunächft auf andere Aufgaben. 
Der Norden war nicht der einzige Kriegsfchauplatz geblieben, 
auch im Peloponnes hatte der Kampf vor und nach dem Con- 
grefs in Delphi nicht geruht. Es waren dort eigene Bewegungen 
vor fich gegangen. Der Wiederauf bau Mantineas, die Gründung 
eines arkadifchen Einheitsftaates waren die Früchte, die das er- 
wachte Stammesbewufstfein hervorgebracht. Um fie zu fichem, 
hatten die Führer der arkadifchen Patriotenpartei die Hilfe des 
Siegers von Leuktra anrufen muffen: aber fie waren keineswegs 
gewillt, fich nun dem Einflufs Thebens zu beugen und das Scepter 
Lakedän;ions nur gegen ein neues zu vertaufchen. Der zweite 
Zug des Epaminondas in den Peloponnes erfchien ihnen für ihre 
Selbftändigkeit gefahrbringend, und ihre läffige Unterftützung 
mag wol der Hauptgrund gewefen fein, dafs die Expedi- 
tion nur fo wenige Refult^te aufzuweifen hatte. Lykomedes 
und feine Genoffen waren von der Uneigennützigkeit der 
thebanifchen Politik nicht derart überzeugt, wie unfere neue- 
ren Gefchichtsfchreiber ^), — und die Thatfachen felbft, meine 
iclKy lehren , dafs fie mit ihrer Auffaffung der Sachlage fo 
Unrecht nicht hatten. Wir find weder durch die Handlungen 
des Lykomedes, noch durch die Charakteriftik, welche die Alten 
geben, dazu befugt; in ihm mit Curtius^) nur einen grofsfpreche- 
rifchen Schreier, Wühler und Agitator zu fehen, deffen Endziel 
auf eine demagogifche Dictatur hinauslief. Selbft bei Xenophon, 
der als Lakonerfreund keine Sympathien mit den Beftrebungen 
des Lykomedes haben konnte, finden wir nicht den geringften 
Anhaltspunkt für ein derartiges Urtheil. Was Lykomedes wollte 
und anftrebte, war die Selbftändigkeit feines arkadifchen Heimath- 
landes, und wir haben kein Recht zur Annahme, dafs feine Motive 
weniger- rein gewefen find, als wie bei den thebanifchen Freiheits- 



1) Cartins m, p. 348. 

2) m, p. 349, 



beiden. Freilich überfchätzte auch er, wie fie, die fittliche und 
politifche Reife feines Volkes. Er war der Mann des Tages und 
entflammte feine Landsleute zu regem Kriegseifer, indem er aufe 
Lebbaftefte die militairifche Tüchtigkeit und das Autochtonenthum 
derfelben betonte, um fie dadurch aufzufordern fich felbft zu 
genügen und nicht immer fremde Herren zu fuchen. Es ift ein 
charakteriftifches Zeichen der Zeit, dafs Argos und Mantineä, 
wie Köhler^) nachgewiefen hat, damals in alterthümelnder Weife 
Scheidemünzen aus Eifen zu prägen begannen. 

Bei diefer nicht weniger gegen Sparta und Athen, als gegen 
Theben gerichteten Bewegung ftand Argos nah zu Arkadien. 
Den bei einem Zuge gegen Epidauros von Chabrias und den 
Korinthem eingefchloflenen und hart bedrängten Argivem kamen 
die Arkader zu Hilfe herbeigeeilt, und es gelang ihnen fie aus ihrer 
fchwierigen Pofition zu befreien'^). Sie find dann wol eine enge Waffen- 
Verbrüderung eingegangen. Die kriegseifrigen Arkader begannen nun 
den Kampf gegen Sparta felbft. Sie hatten fchon vor. dem Zuge des 
Epaminondas Pellana genommen: jetzt drangen fie von dort aus 
weiter vor und überfielen Afine; die Befatzung wurde gefchlagen 
und der fpartanifche Befehlshaber Geranor getödtet. Der fo fehr 
als parteilich verfchrieene Xenophon ift objectiv genug die Kriegs- 
tüchtigkeit diefes Bergvolkes voll anzuerkennen®). Ihre Erfolge 
waren, wie wir bereits oben gefehen, die HauptveranlafTung, dals 
Sparta fich um eine auswärtige Intervention bemühte. 

Zwar blieb der Congrefs zu Delphi refultatlos, aber die Sach- 
lage nach demfelben änderte fich doch zu Gunften der Spartaner. 
Dionys liefs eine zweite ,,ßoi]&6ia^' landen, und mit ihrer Hilfe be- 
gann der junge Königsfohn Archidamos feine militairifchen Ope- 
rationen. Er zog das Oinosthal hinauf, nahm Karyae und flrafte 



1) Mitth. vn, p. 1 folg. 
9\X^ Hell. VII, 1, 25. 




199 

die Bergbewohner für ihren Abfall. Nachdem er fo die eigenen 
Grenzen gefichert, drang er gegen Arkadien felbft vor und ver- 
wüftete das Land. Vor ,den heranrückenden Arkadem und Ar- 
givem zog er fich dann freilich zurück und lagerte auf den Hö- 
hen von Midea. Hier erklärte der Führer der keltifchen Hilfs- 
völker, Kiflidas, dafs ihre Zeit abgelaufen ijnd fie nach Haufe zu- 
rückkehren müfsten. Möglich, dafs die Beziehungen, die Dionys 
mit Athen anknüpfte, es ihm jetzt nicht nxehr wünfchenswerth er- 
fcheinen liefsen , feine Truppen in nutzlofem Kampf für Sparta 
aufzureiben. Man lieft bei Xenophon ' ) zwifchen den Zeilen die 
Mifsftimmung heraus, die über den rafchen Abzug der ficilifchen 
Hüfscontingente in Lakedämon herrfchte» Doch werden wir auch 
durch feine Darftelliing nicht dazu berechtigt, hier mit Curtius*) 
von einem „fchnöden Verlaffen** oder einem „Vertragsbruch'* 
von Seiten der Kelten zu fprechen. Kiffidas handelte gewifs 
ftreng nach feinen Inflxuctionen. Kaum hatte er fich auf den 
Weg nach Sparta gemacht, fo wurde er von den Meffeniern über- 
fallen und eingefchloffen. Es war eine Thorheit, dafs man dfen 
abziehenden Truppen Hindemiffe bereitete, imd eine noch gröfsere, 
dafs die Argiver und Arkader dem auf das Hilfsgefuch des 
KifTidas forteilenden Archidamos den Rückzug zu verlegen 
fuchten« Diefe Kampfes- und Siegeszuverficht rächte fich furchtbar. 
Die peloponnefifchen Truppen konnten dem ungeftümen Angriff 
der Lakedämonier und Kelten nicht Stand halten, und das Ende 
des heifsen Kampfes war ein glänzender Sieg Spartas. Die mafs- 
lofe Freude, der die Lakedämonier fich über diefes Ereignifs hin- 
gaben, beweift, wie Plutarch*) treffend bemerkt, mehr als Alles 
das Sinken und den Verfall der fpartanifchen Macht. Man hatte 
fich dort fchon des Siegens entwöhnt. Mafslos wie der Jubel, 
find auch die Schilderungen, die uns die alten Autoren von der 



1) Hell vn, 1, 29. 

2) in, p. 351. 

3) Ag. 33. 



200 

„thränenlofen** Schlacht bieten. Die Niederlage der Arkader 
war den Böotern^) faft ebenfo willkommen, wie den Lakedä- 
moniem, und daher wurde diefes Ereignifs hüben wie drüben 
ins Unendliche vergröfsert, ^) Der Sieg der Spartaner blieb 
auf die Verhältnifle der Staaten im Peloponnes faft ganz ohne 
Einflufs. Die Lakedämonier hatten - einige Grenzorte wieder- 
gewonnen, — das war Alles. An eine Wiedereroberung Meffe- 
niens mit Waffengewalt, an eine Wiedererlangung der Hegemonie 
durch eigene Mittel war nicht zu denken. So fuchten fie denn 
von Neuem eine Unterftützung und Intervention des Grofekönigs 
herbeizuführen. Ihr Gefandter Euthykles*) begann in Sufa dahin 
zielende Verhandlungen. — Aber auch die Lage der Thebaner war, 
trotz der anfcheinend fo glänzenden äufseren Erfolge, allmählich 
eine mifsliche geworden. .Sie hatten das alte Staatenfyftem zer- 
trümmert, Spartas Macht gebrochen, — doch überftieg es ihre 
Kräfte nun eine neue fefte Ordnung zu begründen, der wachfen- 
den Verwirrung und Gährung zu fteuem. Hüteten die Aikader 
fich auch nach ihrer Niederlage offen mit Theben zu brechen, fo 
war doch in Folge der nationalen Beftrebungen im Peloponnes 
der Einflufs der Thebaner merklich gefchwunden» Das Ergebniis 
der Kriege in Theffalien femer ftand in keinem Verhältnifs zu . 
den Mitteln und Kräften, die fie' erfordert hatten. Man. hatte im 
Begeifterungs- und Sturmesdrang die eigene Leiftungsfähigkeit 
überfchätzt und zuviel auf einmal begonnen. Die Gefahr lag nahe, 
den feften Boden unter den Füfsen zu verlieren. 

Das war der Beweggrund; der nun auch die Thebaner ver- 
anlafste, zum herkömmlichen Auskunftsmittel ihre Zuflucht zu 



1) X. Hell, vn, 1, 32. 

2) Bei X. Hell. VU, 1, 32 und Plut. Ag. 33 lesen wir, dass kein 
Lakedämonier, wol aber eine grosse Menge feindlicherseits gefallen sei, 
Diod. XV, 72, der im ersteren Punkt mit Xenoph. und Plut. übereinstimmt, 
weiss sogar von 10000 Leichen zu berichten, die vom arkadischen Heere 
die Wahlstatt bedeckt hätten. 

3) X. Hell, vn, 1, 33. 



201 

nehmen — (ich Hilfe in diefer fchwierigen Pofition von Perfien 
zu fuchen. Es ift eine. völlige Verkennung der Sachlage, wenn 
Grote 1) annimmt, dafs nur der Wunfeh, eine periifche Beftätigung 
für die Gründung von Megalopolis und Meffene zu erhalten, die 
Thebaner zu diefem Schritt bewogen habe^ oder wenn Pomtow *) 
das Motiv der Gefandtfchaft in dem Verlangen des Epaminondas 
Ruhe, Glück und Frieden in Griechenland herzuftellen, zu finden 
meint. Die Thatfache diefer Gefandtfchaft freilich, und mehr* noch 
die Befchaflfenheit der zwifchen Theben und Perfien ftipulirten 
Friedensbedingungen find die unvermeidliche Klippe, an der alle 
Verfuche, die thebanifche Politik auf ideale und panhellenifche 
Beftrebungen zurückzufuhren, kläglich fcheitem muffen. Die weit- 
hergeholten Entfchuldigungs- und Erklärungsgründe, die Curtius*), 
Pomtow etc. für das Vorgehen Thebens beizubringen fich bemühen, 
find fchon an fich für die Haltlofigkeit der von diesen Gelehrten 
verfochtenen Anficht bezeichnend. Die Verhandlungen am Königs- 
hofe zu Sufa laflfen fich eben nicht in Einklang fetzen mit der 
angeblich fonfl fo felbfUofen und nur dem nationalen InterefTe 
dienenden Handlungsweife Thebens*). Im Frühfommer 367 gin- 
gen von Theben aus Pelopidas und Ismenias als Gefandte nach 
Perfien. Zugleich wurden die Bundesgenoffen im Peloponnes zu 
einer gemeinfamen Gefandtfchaft nach Sufa aufgefordert und alle *), 



1) V, p. '639. 
2} p. 95. 

3) m, p. 352. 

4) Da Mesnil p. 337, der sonst die panhelleniscbe Hypothese theüt, ist 
ehrlich genug zuzugestehen, dass Pelopidas' Verhalten in Persien sich im 
Widerspruch mit Thebens nationaler Politik befinde. • Er hätte nur durch 
diese Erkenn tniss zu einer richtigeren Grundanschauung geführt werden 
müssen. 

5) X. Hell. Vn, 1, 34 sagt: Die Arkader hätten den Antiochos, die 
Eleer den Archidaraos geschickt. ^Hxokovd^H äh xal ^Agyelag*^ fügt er dann 
hinzu* Schneider zu Xen. glaubt, worin ihm Sivers p. 285 beistimmt, es 
sei dies der später erwähnte Eleer . Argeios (VII, 4, 15)* Allein es wäre 
zu auffallend und unverständlich, dass Arges und Messenieu an der Gesandt* 
Schaft sich nicht betheiligt haben sollten. Das hat Grote V, p. 529 bereits 
gesehen, der daher hinter ^A^ystog ein yyTi^" einschieben will. Dock ist damit 



202 

fo fcheint es, delegirten, den Wünfchen Thebens folgend, ihre 
Vertreter z-um Grofskönig. Zur Wahrung ihrer Intereffen beeilten 
ftch dann auch die Athener, als fie von diefer Miffion nach Perfien 
hörten, Leon und Timagora§ dahin abzuordern. So trat ein förm- 
licher Congrefs in Sufa zufammen, und der blutige Waffenkampf 
ward durch eine diplomatifche Fehde abgelöft. 

Es war eine neue Huldigung, welche die Griechen dem Per- 
ferkönig. freiwillig darbrachten. Bei den jetzt beginnenden Ver- 
handlungen waren die Thebaner von . vorneherein im Vortheil 
Der Ruf ihrer Thaten ging ihnen voraus , die Siegespalme von 
Leuktra und die im Peloponnes gepflückten Lorbeeren verliehen 
der Perfon des Pelopidas einen beftrickenden Nimbus. Dazu kam 
noch eins. Die Thebaner konnten fich mit Recht darauf berufen, 
dafs fie den Perfem nie feindlich entgegengetreten wären, dafs fie 
allein unter den Hellenen einft bei Plataeae an ihrer Seite ge- 
fochten, dafs fie beim Siegeszuge des Agefilaos die Heeresfolge 
verweigert und das Agamemnons-Opfer in Aulis geftört hätten. Es 
war dies ein Moment, das gewifs mit zu ihren Gunften in die Wag- 
fchaale fiel ^). Den Perferkönig knüpfte kein perfönliches Inter- 
effe an Sparta. Wol auf dem Congrefs zu Delphi war ihm die Ohn- 
macht feines Bundesgenoflen völlig klar geworden. Die perfifche 
Politik erforderte es, die herrfchende Grofsmacht.in Griechenland zu 
fliützen, um durch fie das oberrichterliche Anfehen des Grofskö- 
nigs aufrecht erhalten zu können. So trat denn ein völliger Fronte- 
wechfel ein. Perfien ergriff" die Sache Thebens, und beide Staaten 
beftiimmten nun im Verein eine neue Ordnung der Dinge in Hel- 
las, für )velche fie mit allen Mitteln fich Anhänger zu verfchaffen 



die Stelle noch nicht getheilt. Ich glaube, dass im Xenophon-Text ungefähr 
eine Zeile ausgefallen ist und dass in der jetzigen Lücke näheres über die 
Vertreter von Argos uud namentlich Messenien gestanden hat. 

1) Es gehört die ganze Voreingenommenheit gegen Xen. dazu, um 
mit Sivers p. 286, Lachmann I, p. 887 und Grote V, p. 530 in der Er- 
wähnung der vergangenen Beziehungen zwischen Theben und Persien eine 
Böswilligkeit und Parteilichkeit des Schriftstellers zu sehen. So glänzend 
npd leicht, wie Flut (Felop. 30) es schildert, war die Mission des Pelopidae 



203 

fachten*). Durch das Refcript des Grofskönigs wurde zuiiächfl 
Meflenien als felbftändiger und von Sparta unabhängiger Staat 
anerkannt, und die in letzter Zeit den Thebanern entgegenwir- 
kenden Arkader dadurch gedehmüthigt, dafs Triphylien wiederum 
den Eleem zugefprochen ward *). Amphipolis foUte dann als freie 
und autonome Stadt ^ unter dem Schutz des Grofskönigs flehen, 
während den Athenern geboten wurde, ihre Kriegsfchiffe abzurüften 
und ans Land zu ziehen» Wer fich diefen Bedingungen nicht fügte, 
follte mit vereinter Macht bekriegt werden, und Theben als Oberhaupt 
Griechenlands über die Erfüllung und Vollziehung des Friedens 
Weichen. Das waren die Hauptpunkte des vereinbarten Vertrages. 
Befcheiden waren die Forderungen nicht, die der Sieger von 
Leuktra geftellt hatte. Sparta ward der Lebensnerv zerfchnitten, 
Arkadien für feine Anmafsung geftraft — im Peloponnes follte 
nun der Einflufs Thebens gebieten. Aber man wollte noch mehr. 
Nur noch Athen ftand den auf die Beherrfchung von ganz 
Griechenland gerichteten Plänen Thebens im Wege. Es galt alfo 
die Seemacht diefes Staates zu brechen, der jetzt erfolgreich im 
Norden Theben entgegengetreten war und eine Weiterbegründung 
feiner Herrfchaft angeftrebt hatte. In diefem Punkte trafen die 
Intereffen des Grofskönigs und der Thebaner zufammen, da man 
in Perfien ftets am ,Meiften vom Auffchwung und der Erftarkung 
der athenifchen Flotte zu beforgen hatte. Der Umftand, dafs fich 
fo die Wünfche der beiden den Frieden contrahirenden Mächte 
begegneten, erklärt die Härte der den Athenern geftellten Bedin- 



wol kaum, und es lag in der Natur der Sache, ^ass die Gesandten zur Ge- 
winnung des Grosskönige auch die ihrem Vorhaben so günstige Vergangen- 
heit ztir Sprache bringen mussten. 

1) Der athenische Gesandte Timagoras, der nachher in Athen seiner 
Bestechlichkeit wegen zum Tode verurtheilt wurde (Plut. Pcl. 30. X. Hell,. 
Vn, 1, 38) trat offen auf die Seite des Pelopidas; wol von den Thebanern 
▼eranlasst, hat der Grosskönig ihn zu gewinnen gesucht. 

2) Es ist dies eine mit grosser Wahrscheinlichkeit von Grote V, p* 531 
aas X. Hell. Vn, 1, 38 gefolgerte Annahme. Schäfer Dem I, p. 81 
stimmt Grote mit Recht bei. 

3) Pemosth. ne^l naqanqsc. c. 42, p* 383 



204 

gungen. Bei einer Capitulation auf Gnade und Ungnade hätte 
fie nichts Schwereres treffen können, als die jetzt ausgefprochene 
Forderung der Selbftentwaßhung: Der heftige Proteft des athe- 
niichen Gefandten Leon bewirkte freilich zum Schlufs, dafs der 
Perferkönig eine Klaufel zu den Friedensbeflimmungen fügte; die 
den Weg zu gütlicher Verftändigung nicht völlig verlchlofs; Doch 
war das nur eine Höflichkeitsform, die an der Sachlage nichts 
änderte. Als Sieger kehrten die Thebaner heim und beiriefen 
nun ihrerfeits einen Congrels in ihre Vateriladt, um auf Grund 
des königlichen Refcriptes eine neue Eidgenoflenfchaft unter den 
griechifchen Staaten zu bilden und die ihnen vom Grofekönig 
zuerkannte Führerrolle zu übernehmen. 

Hier zeigten fich die e^fften emftlichen Schwierigkeiteri. Üie 
Gefandten der einzelnen Staaten erklärtem zur Eidesleiftung nicht 
bevollmächtigt zu fein, und fo kam die erwünfchte Ratification des 
Friedens nicht zu Stande. Am Energifchflen traten die Arkader 
unter Lykomedes auf. Sie verbaten fich die Einmifchung der 
perfifchen' Autorität, vor der fie durch die Schilderungen ihrer 
aus Sufa zurückgekehrten Abgeordneten jeden Refpect verloren 
haben mochten, beftritten den Thebanem das Recht, in ihrer 
Stadt die Tagfatzungen abzuhalten und fchieden förmlich aus der 
Verfammlung aus. Die Thebaner fuchten nun auf anderem Wege 
zum Ziele zu gelangen. Sie fchickten ihre Gefandten in die ein- 
zelnen Städte und liefeen ihnen dort den Vertrag zur Befchwö- 
rung vorlegep. Auch diefer Verfuch blieb ohne Erfolg, er fchei- 
terte zuerft am Widerfpruch der Korinther, deren Beifpiel viele 
andere Städte dann folgten*). Das Mittel, ein vom Grofskönig 
verbrieftes Anrecht auf die Hegemonie geltend zu machen, war 
verbraucht. Man hatte einen zu klaren Einblick in die perfifchen 
Verhältniffe gewonnen, um die angedrohte militärifche Intervention 
ernftlich zu fürchten. Zudem waren die Friedensbedingungen 



1) Vergl. über die VerhandlaDg jand die Geeandschaft X. Hell. VII, 
1, 33-^40, Flui. Pelop. 30. Diod. XV, 81. 



205 

t 

derart/ dafs man in Sparta, Athen und den ihnen anhängenden 
Staaten es lieber aufs Aeufserfte ankommen laffen wollte, als fich 
gutwillig zu fugen. So Iahen denn die Thebaner fich von Neuem 
in die Nothwendigkeit verfetzt, mit Waffengewalt ihren Forderungen 
Geltung zu verfchaffen und durch die Macht des Schwertes das 
zu erlangen, was auf dem Wege diplomatifcher Verhandlung zu 
erreichen nicht geglückt war. 

% Noch im Spätherbft deffelben Jahres^) unternahm Epami- 
nondas feinen dritten Zug in den Peloponnes. Bei der fall feind- 
feligen Stellung Arkadiens kam es darauf an, im Norden der Halb- 
infel feflen Fufs zu faffen, um von dort aus den Gang der Ereig- 
nifTe beeinfluffen zu können. Wie einfl Agefilaos bei feinen Zügen 
nach Böotien vor Allem die Strafse frei zu halten fuchte, fo 
wies auch jetzt Epaminondas den argivifchen Feldherrn Peifias an, 
die von den verbündeten lakedämonifch-athenifchen Truppen unter 
Naukles und Timomachus nachläffig bewachten Oneionpäffe durch 
einen unerwarteten Angriff zu nehmen. Nachdem der Anfchlag ge- 
lungen und der Weg über Kenchreae in Freundeshand war, rückte 
Epaminondas in den Peloponnes ein. Er wandte fich zunächfl gegen 
Achaia, weil die Beherrfchung des korinthifchen Bufens für The- 
ben von der gröfsten Bedeutung war. Die" ariflokratifch regierten 
Städte traten, da fie einfahen, dafs ohne auswärtige Hilfe ein Wi- 
derfland unmöglich war, freiwillig zu den Thebanem über. Der 
Anfchlufs war ihnen durch die Milde und politifche Einficht des 
Epaminondas leicht gemacht. Er verbürgte den herrfchenden 
Familien, dafs die bisherige Verfaflfung beliehen bleiben und keine 

Ich^ billige gegen Clinton p. 184 den Ansatz von Slevers p. 410 u. 
Grote V, p. 620, welche den Feldzug dem Jahre 367 zuweisen. (Nach Diod« 
XV, 76 unter dem Archontat des Euzelos 367/6). Nur kann ich Grote 
nicht beistimmen , wenn er meint, der Zug wäre gleichzeitig mit der Ge- 
aandtschaf tsreise* Die Thebaner können doch unmöglich während der Frie- 
densverhandlungen in Persien, die noch dazu für sie sich so günstig gestal- 
teten, -einen neuen Einfall in den Peloponnes unternommen haben. Wenn 
die Gesandtschaft auch mehrere Monate dauerte, (etwa vom Mai bis August) 
80 konnte Epaminondas doch immer noch Ende September oder Anfang 
October aasrücken« 



206 

gewaltfamen ymwäkungen ftattfinden follten, und gewann dadurch 
ohne Schwertftreich das Bündnif3 uad die Freyndfcliaft diefer 
durch ihre Lage fo wichtigen Landfchaft ^)* Da die Achäer zu- 
dem noch zur Verzicbtleiftung auf die Städte Naupiaktos und Kz- 
lydon am jenfeitigen Ufer und zur Abtretung von Dyme *) an der 
eigenen Küfte bewogen worden waren, fo konnte man mit dem 
Refultate des Zuges wol zufrieden fein. Die thebanifche Macht 
am korinthifchen Bufea war wefentlich verftärkt und ein unverleg- 
barer Uebergang in den Peloponnes eröffnet. 

Trotzdem riefen die Verfügungen und Einrichtungen des 
Epaminondes eine ftarke Mifsftimmung hervor. Die Arkader 
und die Demokratenpartei in Achaia befchwerten fich in 
Theben über die Schonung der Oligarchenfamilien und über 
die Befeftigung des ihnen feindlichen Regierungsprincipes. Ihre 
Klagen fanden in TJieben felbft lauten Wiederhall, da man 
auch dort die d.emokratifche Verfaffung als die . Grundlage und 
das einigende Band der böotifchen Herrfchaft betrachtete. So 
wurden die Mafsregeln des Epaminondas einfach umgeftofsen, 
thebanifche Harmoften in die achäifchen Städte gefchickt, und 
die herrfchenden Gefchlechter vertrieben. Die Folgen diefer 
Gewaltthat liefsen nicht auf fich warten. Die Verbannten fchaar- 
ten fich zufammen, brachten eine Stadt nach der anderen wieder 
in ihren Befitz und fchloflfen fich nun eng an Sparta.^) Die Vor- 
gänge in Achaia übten auch auf Sikyon ihre Wirkung. Auch 



1) X. Hell. Yn, I, 41-43* 

2) Diod. XV, 75* 

3) X.^Hell. Vn. 1. 43. Grote bringt die von Diodor XV\72 berichtete 
AbsetZiUng des Epaminondas nach dem zweiten Zug in 4£n Peloponnes mit 
den hier geschilderten Vorgängen in Verbindang* Die Vermuthung^ dass 
er erst nach dem Feldzng in Achaia bei der Böotarchenwahl übergangeii 
wurde, scheint ansprechend ; allein es ist doch kein hinreichender Qrund 
vorhanden von der übereinstimmenden Erzählung bei Diodor und Plut abzu- 
gehen, die Grote dieser und der eng damit zusammenhängenden Hypothese 
zu Liebe, dass Pelopidas erst nach der Gesandtschaft von Alexandros gefangen 
gesetst sei, oft sehr willkührlich verändert. Lachmann IL p. 405 u. Schä- 
fer D« 1, p* 82 haben Grotes' Auffassung mit Recht zurückgewiesen. 



207 

dort hatte man die politifche Verfaffung nicht angetaftet und fich 
mit dem Anfchlufs der wichtigen Stadt und der Befitznahme der 
Burg begnügt. Jetzt trat ein ehrgeiziger Bürger Namens Euphrori, 
der zur Zeit der Lakedämonierherrfchaft eine hervorragende Rolle 
gefpielt, wieder in den Vordergrund der politifchen Schaubühne. 
Es gelang ihm, die Arkader und Argiver v6n der Nothwendigkeit 
einer Vafeffungsähderung zu überzeugen, da bei der beftehenden 
Oligarchenregierung die Gefahr nahe liege, dafs die Stadt bei 
nächfter Gelegenheit wieder lakonifiren würde^ Unter der Preflion 
der verbündeten peloponnefifchen Truppen führte er dann ein 
demokratifches Verwaltungsfyftem ein und fchwang fich, ohne 
dafs die thebanifche Befatzung ihn daran hinc^frte, zum Tyrannen 
der Stadt auf. Alle Aemter wurden durch ^eine Kreaturen be- 
fetzt, fein Sohn zum Befehlshaber des Söldnerheeres ernannt, die 
Münzen mit feinem Bilde geprägt^;, die Tempelgüter einge- 
zogen, die einflufsreichften Familien verbannt und ihr Vermögen 
confiscirt. Es begann eine voUftändige Willkürherrfchaft, der die 
Verbündeten eme Zeit lang ruhig zufahen, weil Euphron ihnen 
mit feinen Miethtruppen beim immer fortdauernden Kleinkriege 
wichtige Dienfle leiftete* Als feine Tyrannei dann alle Grenzen 
überfchritt, zog der argivifche Feldherr Aeneas von Stymphalos 
gegen ihn aus. Euphron mufste fliehen. Er änderte jetzt fofort feine 
Politik und überlieferte noch vor feiner Einfchiffung den Lakedä- 
moniem den Hafen, den die letzteren freilich den Arkadem ge- 
genüber nicht lange behaupten konnten**) Dann kehrte Euphron 
mit einer in Athen geworbenen Söldnerfchaar zurück und fetzte 
fich von Neuem in den Befitz der Stadt. Da die Burg in Händen 
der Thebaner war, und die Lakedämonier ihm keine Unterftützung 
angedeihen laflen konnten, fo fah der Tyrann nur in einem Bünd- 
nife mit Theben die Möglichkeit fich zu halten. Er begab fich 
daher nach Böotien, um Wieder neue Beziehungen anzuknüpfen. 



1) Ceake Nam. Hell. £ur. 164. 

2) X. Hell. VII, 4, I. 



208 

• 

Hier endete er auf gewaltfame Weife fein Leben, und feine Mör- 
der wurden als Tyrannenbefreier vor dem thebanifchen Gericht 
glänzend gerechtfertigt.') 

Die Epifode der fikyonifchen Gewaltherrfchaft ift für den 
Gang der griechifchen Politik von wenig Belang, doch glaubte 
ich fie wenigftens in Kürze hid», behandeln zu muffen, weil fie ein 
helles Streiflicht auf die wachfende Verwirrung und Zerrüttung 
Griechenlands wirft. Inzwifchen . waren Ereigniffe eingetreten, 
welche die Stellung der griechifchen Staaten zu einander wefent- 
lich veränderten. Den Athenern war nämlich Oropos, ein für 
den Verkehr mit Euböa unentbehrlicher Porten, im Frühling 366 *) 
entriffen worden. JDie Stadt, an der Grenze von Böotien und 
Attika gelegen, liite von jeher einen Zankapfel zwifchen beiden 
Staaten gebildet.*) Während des böotifchen Krieges, oder zur 
Zeit, als die Kadmeia von den Lakedämoniem befetzt wurde,*) 
war Oropos endgültig in die Botmäfsigkeit der Athener gelangt, 
und die Anhänger der Thebaner waren vertrieben und verbannt 
worden. Indeffen hatte fich der Seebund nach der Schlacht bei 
Leuktra gelockert, Euböa war zu Theben abgefallen imd in Ere- 
tria namentlich war in der Perfon des Themifon ein den Athe- 
nern feindlicher Gewaltherr ans Rüder gelangt. Mit Hilfe diefes 
Tyrannen bemächtigten fich Aun die Gegner Athens der Stadt.*) 



1) V«rgl. über die Geschichte des Euphron den 'ausführlichen Bericht 
bei X. Hell. VII, 1, 44-46 u. 3, 2, 12. Xenophon ist allein für die Chro- 
nologie der Ereignisse massgebend. Diodor XV, 70 setzt fälschlicher Weise 
den, Beginn der Tyrannis ins Jahr 369/68. Lachmann hätte seinen richtigen 
Ansatz I, p. 498 nicht ü, p. 410 nach Diodor corrigireu sollen. 

2) Nach Diodor XV , 76 unter dem Archontat des Kephisodoros 
366/65. Die Schollen zu Aeschines gegen Ktesiphon datiren das Ereigniss 
noch ins Archontat des Polyzelos (367/66 v. Chr.). Jedenfalls fand die Oc.-^^ 
cupation Ton Oropos im Jahre 366 statt. Cf. Clinton p. 129« Rehdantz' 
p. 112. Schäfer D. I, p. 93* 

3) Ueber die Geschichte von Oropos Vergl. Schäfers ausführliche Dar- 
stellung. Dem« I, 92—104. 

4) Preller , in den Berichten der säsch, Gesellsch. d. Wissenschaften 
IV, p. 178. 

5) X. Hell« Vn, 4, 1. Diodor XV, 76. 



209 

Auf die Meldung des Gefchehenen riefen die Athener ihren im 
Peloponnes ftehenden Feldherm Chares zurück, entboten die Bun- 
desgenoffen und wollten mit Waffengewalt von Neuem den Befitz 
der abtrünnigen Stadt erlangen. Angefichts diefer Gefahr wandten 
(ich die' Oropier nun an die Thebaner und Hellten fich unter 
deren Schutz — das Ganze ein abgekartetes Spiel, wie es 
faft fcheint.^) Die Bundesgenoffen weigerten fich zu Felde zu ziehen 
und willigten ein, dafs bis zur Entfcheidung durch ein Schiedsgericht 
die Thebaner die Stadt behalten foUten. So fahen die Athener fich 
des wichtigen Ortes auf lange Zeit beraubt. Einem Schiedsge- 
richt aber wollten und konnten fie fich nicht unterwerfen, und ohne die 
Betheiligung der Bundesgenoffen war es doch nicht möglich einen 
nachdrücklichen Kampf mit Theben zu beginnen. Diefer Zwifchen- 
fall hatte weittragende Folgen.^) 

Die indifferente, ja abweifende Haltung der peloponnefi- 
fchen Bundesgenoffen in der Oroposaffaire rief in Athen den lau- 
teften Unwillen hervor. Man hatte durch Jahre zu ihren Gunften 
den befchwerlichen Kampf gegen Theben geführt und fah nun, 
als man felbft det; Hilfe bedurfte, dafs auf Dank und Unter- 
ftützung von Seiten der Peloponnefier nicht zu rechnen war. Diefe 
Mifsftimmung und Entfremdung fuchte der Leiter der arkadifchen 
Nationalpartei fofort zu benutzen. Obwol es zwifchen Arkadien 
und Theben noch nicht zum offenen Bruch gekommen wzu* und 
man es arkadifcherfeits auch nicht dahin bringen wollte, fo war das 
Mifstrauen doch gegen den allzu mächtig aufftrebenden Verbünde- 
ten von Jahr zu Jahr geftiegen, und zur Wahrung der eigenen 
Selbfländigkeit galt es, fich nun auswärts neue Freunde zu wer- 
ben. Es ift ein Beweis für den politifchen Scharfblick des Lyko- 



1) Banch p. 65, A. 134. 

2) Auf die Bedeutung, welche die Oroposaffaire für die innere 
Geschichte Athens hatj kann ich hier nicht näher eingehen. Ich ver- 
weise aaf die Zusammenstellung der uns hierüber erhaltenen Notizen bei 
Rehdantz p. 111-114. 

14 



2IO 

medes , dafs er jetzt nach Athen ging, um den Abfchlufs eines 
Bündniffes zu betreiben. Dort war, wie immer in Athen nach 
Mifserfolgen, die alte Energie von Neuem erwacht* Man 
trug fich mit grofsen Plänen. Sowol gegen Theben als auch 
gegen die unzuverläffigen Buiidesgenoffen wollte man feine Grofs- 
machtftellung wahren und zu mafsgebendem Einfluffe bringen. 
So fand denn Lykomedes mit feinen Vorfchlägen williges Gehör. 
Die Bedenken der Lakonerfreunde wurden durch die Erwä- 
gung befeitigt, dafs es ja auch im Intereffe Spartas liege, Arkadien 
und Theben zu trennen ^), und es erfolgte, obwol Lykomedes auf 
feiner Rückreife von Athen durch Mörderhand fiel, die Ratificiru^ig 
eines Defenfivbündniffes mit dem arkadifchen „xotvov"*). Wäh- 
rend die Athener zur Behauptung ihrer Meeresherrfchaft eine 
neue Flotte unter dem Commando des Timotheos ausgefandt 
hatten ^, fuchten fie gleichzeitig eine felbfländige Rolle im Pelo- 
ponnes zu übernehmen und im Norden der Halbinfel feften Fufe 
zu faffen. Schon um in Verbindung mit ihren neuen Bundesge- 
noffen, den Arkadem, zu bleiben, war es von Wichtigkeit, felbft 
den Eingang und den Schlüffel zum Peloponnes zu beherrfchen. 
So ward auf Antrag des Demotion den Strategen der Befehl ^- 
theilt, die Ifthmusftadt der athenifchen Bürgerfchaft zu fichem*). 
Die Korinther hatten rechtzeitig die gegen fie geplanten Unterneh- 
mungen in Erfahrung gebracht. Sie lohnten die am Ifthmus flehenden 
athenifchen Hilfstruppen ab und entliefsen fie. Als Chares dann mit 
feiner Flotte bei Kenchreae anlief und fein Erfcheinen zur Bun- 
deshilfe dadurch motivirte, dafs er von einem den Korinthem 



1) X. Hell. VII, 4, 2. 

2) Der Bericht bei Nepos^Epam. 6 von einer Gesandtschaftsreise des 
Epaminondas nach Arkadien u. einem dort stattgehabten Wortgefecht zwi- 
schen ihm and Kallistratos, der von Athen znm Bündnissabschlnss hinge- 
schickt gewesen sei, enthält za viel Irrthümer und hat ein za anekdoten- 
haftes Gepräge, als dass ich ihm mit Grote V, p. 538 irgend welchen hiFto- 
rischen Werth beimessen könnte. 

3) Im Sommer 366. Vergl. über d. Zeitbestimmung Busolt p. 804, A. 2. 

4) X. Hell. VII, 4, 4. 



211 

drohenden Anfchlage gehört, wehrten fie ihm den Eintritt in den 
Hafen und forderten ihn mit beftem Dank für feine freundliche 
Abficht zum Weiterfahren auf Der Plan, der es auf eine Ueber- 
nimpelung der Stadt abgefehen hatte, war mifsglückt ^). Der 
beabfichtigte Handftreieh hatte aber Folgen, an die man in Athen 
keineswegs gedacht. Die Korinther waren jetzt gezwungen auf 
eigene Koften ein Söldnerheer zu halten, um ihr von allen Seiten 
gefährdetes Land zu fchützen. Waren fie einft mit Hilfe der 
- Athener nicht ftark genug gewefen, die Einfälle der Thebaner zu- 
verhindern, fo war es jetzt eine Unmöglichkeit geworden den 
Kampf fortzuführen , jetzt , wo der frühere Freund fich in einen 
Gegner verwandelt hatte. Die Lage wurde auf die Dauer unerträglich. 
Die Korinther fahen ein, dafs fie bei dem Stande der Dinge einer 
völligen Erfchöpfung ihrer Hilfsmittel entgegen gingen, und das 
Bedürfnifs nach Frieden und Ruhe machte fich daher mit gebie- 
tender Nothwendigkeit geltend. Sie knüpften mit den Thebanern 
Verhandlungen an und erklärten fich zum Eingehen auf die von 
Pelopidas aus Sufa gebrachten Friedensbeftimmungen bereit. Den 
Thebanern war diefe Wendung der Politik natürlicherweife höchft 
willkommen und fie genehmigten mit Freuden den Vorfchlag 
Korinths, auch die übrigen ßundesgenoflen , welche des Krieges 
müde feien, zum Beitritt am Frieden aufzufordern. Da die 
Korinther eine wirklich neutrale Stellung gewinnen, nicht den 
Kampf unter veränderter Führung fortfetzen wollten, fo kam es 
ihnen darauf an, die Einwilligung Spartas zu ihrem Vorgehen zu 
erhalten und für ihre Pläne eine möglichfl: grofse Betheiligung 
der Bundesgenoflen zu erlangen. Sie legten daher der nach Spar- 
ta zufammenberufenen Synode der Verbündeten ihre Sache vor 
und führten aus, dafs fie bei aller Bundestreue nicht mehr im 



1) ich kann Lachroann I, p. 403 nicht beistimmen, wenn er den aus- 
führlichen u. klaren Bericht des Xenophon dahin modificirt, dass Chares 
üor ausgeschifift sei, um die Entlassung d. athenischen Truppen zu ver- 
hindern, und dass nur das Misstrnuen gegen d. Politik Athens im Allge- 
meinen, nicht ein specieller Volksbeschluss u. ein geplanter Gewaltstreich 
dM Geschehene veranlasst hätte. 



212 

I 

Stande feien, fich weiter am Kampf zu betheiligen. Am Liebften 
wäre es ihnen, wenn es gelänge, auch Sparta zum Frieden zu 
bewegen — anderenfalls aber bäten fie, ihre Stadt nicht dem offenen 
Verderben zuzuführen, fondem ihr Ruhe und Schonung zu ge- 
währen. Phlius, das durch Jahre hindurch *) heldenmüthig treu 
zu Sparta gehalten und alle Leiden des Krieges muthvoU und ge- 
duldig ertragen hatte, unterftützte das Gefuch Korinths. Es 
mögen erregte und lebhafte Debatten fliattgefunden haben. End- 
lich fah Sparta fich gezwungen, da es nicht in der Lage war zu 
helfen, es dem Ermeffen der Bundesftädte anheimzuftellen, ihrem 
Intereffe gemäfs eine Verftändigung mit Theben herbeizuführen. 
Gern gaben die Spartaner ihre Genehmigung hierzu gewifs 
nicht — aus der damals abgefafsten archidamifchen Rede des 
Ifokrates lernen wir die Empörung kennen , . welche in Sparta 
über das Anfinnen der abtrünnigen Bundesftädte herrichte.*) Die 
Korinther , Phliuntier und Epidaurier machten von der ihnen er- 
theilten Erlaubnifs fofort Gebrauch und fchickten nun Friedens- 
gefandfchaften nach Theben. Die Thebane^ wollten fie zunächft 
gleichzeitig zum Abfchlufs eines Symmachievertrages bewegen Als 
die Korinther fich aber entfchieden weigerten, eine feindliche Stel- 
lung gegen ihr früheres Bundesoberhaupt einzunehmen, liefsen fie 
mit einer Bereitwilligkeit, der Xenophon feine Anei'kennung nicht 
verfagt,^) von ihrer Forderung ab, und es wurde nun am Ende 
des Jahres 366 oder zu Beginn 365 *) ein Friede gefchloffen, def- 
fen Bafis die Anerkennung Meffeniens und die Garantie der Selb- 
ftändigkeit und des jeweiligen Befitzes der Einzelftaaten bildete. 



1) Xenophon widmet das ganze zweite Capitel ßeines 7. Buches der 
Hellenika diesen Kämpfen von Phlius. Da sie für den Gang d. griechischen 
Geschichte von untergeordneter Bedeutung sind, habe ich diese hauptsäch- 
lich zwischen Argos a. Phlius zum Austrag gebrachten Fehden hier nicht 

weiter behandelt. 

2) Vergl. Isokrat. Archid. p. 11—13. 

3) Hell. VII, 4, 10. 

4) Ich sehe keinen Grund, mit Schäfer I, p. 101, A» 2 den Friedens- 
schluss in den Frühling 365 herabzuriicken. Diodor setzt ihn (XV, 76) in 
Ol. 103, 3 d. h, 366/65. 



213 

Diodor ') führt diefe friedliche Löfung auf erneute perfifche Inter- 
vention zurück und berichtet, dafs durch diefen allgemein ange- 
nommenen Frieden der feit der Schlacht bei Leuktra dauernde 
fünfjährige lakedämonifch-böotifche Krieg fein Ende gefunden habe. 
Schäfer ') hätte auch den erften Theil diefer Angabe nicht accep- 
tiren foUen. Der Friede war auf Grundlage des von Pelopidas 
erwirkten periifchen Refcriptes gefchloffen — von erneuter Ver- 
mittelung des Grofskönigs, kann, wie Grote ^) richtig gefehen hat, 
nicht die Rede fein. Und ebenfo wenig gelangte der Friede zu 
allgemeiner Geltung. Nur foviel ift wahr , dafs der Kampf der 
Grofsmächte mit einander für den Augenblick ruhte. Es war die 
Stille vor dem Sturm. Theben war mit der Vorbereitung grofser 
Pläne, die feine Hegemonie über Griechenland unerfchütterlich 
begründen follten , befchäftigt und hatte jetzt um fo weniger Ver- 
anlaffung in den Gang der Ereigniffe im Peloponnes einzugreifen, 
als dort die wachfende Verwirrung und die hie aufhörenden Kämpfe 
den Intereffen der thebanifchen Politik in die Hände arbeiteten. 

Jetzt, zu Beginn des Jahres 365 hatte die fchon feit langem 
zwifchen Elis und Arkadien herrfchende Spannung in offenem 
Kriege ihren Ausbruch gefunden. Da die Eleer ihre Anfprüche 
auf Triphylien mit Lepreon, das ihnen auch vom Grofskönig zu 
' erkannt worden war , auf dem Wege friedlicher Verhandlungen 
nicht zur Geltung bringen konnten , und die Arkader hartnäckig 
die Herausgabe des freiwillig zu ihnen getretenen Land- 
ftriches weigerten, fo drängte jetzt die der arkadifchen De- 
mokratie feindliche Partei in Elis , welche das Heft in Händen 
hatte, zu einer Entfcheidung mit Waffengewalt. Die Eleer rück- 
ten aus und nahmen Lafion , einen Gebirgsort an den Peneios- 
quellen ein, der zu den Arkadern abgefallen war. Lange freilich 
konnten die Eleer den zurückgewonnenen Befitz nicht halten. 
Die Arkader fchlugen fie zurück, bemächtigten fich dann der Akro- 
reierftädte und Olympias und drangen gegen die Hauptftadt 



1) XV, 76. 2) D, I, p. 102. 3) V, p. 541 A. 192. 



I 
I 



214 

felbft vor. Obwol ihr Angriff auf die Riirg erfolglos blieb, ka- 
men die Eleer doch in die fchwierigfte Lage. Nur auf die Un- 
terftützung von achäifchen Schaaren angewiefen, hatten fie aufser 
mit dem übermächtigen Feinde auch im eigenen Lager einen 
harten Kampf zu beliehen. Denn die Demokratenpartei in Elis 
wähnte jetzt den Augenblick gekommen , um die Herrfchaft an 
fich zu reifsen, knüpfte mit den Arkadern Verhandlungen an und 
machte einen Verfuch, fich in den Befitz der Akropolis zu fetzen. 
Ihr Unternehmen fcheiterte, da das Heer es mit den herrfchenden 
Machthabem unter der Führung des Stalkas, Hippias und Stratolas 
hielt. Die Leiter der Demokraten, Charopos, Argeiös und Thrafoni- 
das wurden mit ihren'Anhängem aus der Stadt veijagt Allein die 
Verbannten nahmen die Stadt Pylos, im Rücken von Elis gelegen, 
ein, fchloffen mit den Arkadem ein Bündnifs und boten fo den 
Feinden eine wichtige Pofition zum weiteren Angriff auf die Haupt- 
ftadt und das ganze Land. In ihrer Noth fuchten die Eleer jetzt 
Hilfe bei Sparta, das natürlich allen Grund hatte, für die Be- 
drängten einzutreten.' Denn die Eleer hatten in kleinen Sfchar- 
mützeln Niederlage auf Niederlage erlitten und die Gefahr lag nahe, 
dafs ihr ganzes Gebiet in die Hände der Arkader gelangen konnte. 
Das Intereffe Spartas erforderte es, einen derartigen Machtzu- 
wachs feines ärgften Feindes mit allen Mitteln zu verhindern, und 
fo rückte denn Archidamos zu Beginn des Sommers 364 in Ar- 
kadien ein. Er verwüftete das Land, nahm Kromnos und liefs 
dort eine Befatzung von 200 Hopliten zurück. Mit diefem Re- 
fultat zufrieden, zog er nach Haufe. Seine kriegerifchen Mafs- 
regeln waren fchwächlich gewefen und konnten daher auch keine 
Früchte bringen. Das arkadifche Heer erfchien bald vor Krom- 
nos, umgab die Stadt mit Wällen und Gräben und begann die 
Belagerung der /partanifchen Truppen. Archidamos mufste zum 
Entfatz der piokirten von Neuem ausziehen. Er verheerte die 
Skiritis und einen Theil Arkadiens, wurde aber bei dem 
Verfuch einen Hügel zu befetzen, der die arkadifche Stellung 
beherrfchte, zurückgefchlagen. Er fcheint, wie man aus der etwas 



I \ 



215 

befchönigenden Befchreibung bei Xenophon wol mit Grote *) 
ichliefsen darf, hier mit bedeutenden Verluften gekämpft zu haben. 
Bei einem erneuten Angriff auf die Verfchanzungen der Arkader 
gelang es jedoch den Lakedämoniem einen Theil ihrer ein- ' 
gefchloffenen Hopliten zu befreien. Die Uebrigen freilich, 
mehr als loo an der Zahl, fahen fich bald, da die Blokade ohne 
Unterbrechung fortgefetzt wurde, wegen Mangel an Lebensmit- 
teln zur Uebergabe gezwungen. — Die Eleer hatten während- 
deffen die Abwefenheit des arkadifchen Heeres benutzt, um fich 
wider ihre Gegner im eigenen Lande, die Demokraten, zu wen- 
den und die von ihnen occupirten Plätze zurückzuerobern. Ihr 
Bemühen war hierin zum Theil von Erfolg gekrönt, aber fchneller 
als fie erwartet, kehrten die feindlichen Truppen zurück und 
drängten fie von Neuem in die £)efenfive. Dann benutzten die 
Alkader ihre fefte Stellung in Olympia, um unter dem Schutze 
der Waffen zur herkömmlichen Zeit das Nationalfeft zu begehen. 
Den Vorfitz über die heilige Ceremonie hatten fie den Pifaten er- 
theilt, welche feit jeher, wenn auch vergebens, diefe Ehre für fich 
in Anfpruch genommen hatten*). Esjwar eine tödliche Schmach für 
die Eleer, dafs fie fo von der Feier ihres eigenen Landesfeftes aus- 
gefchloffen wurden, und fie fuchten Alles daran zu fetzen, um die 
Abhaltung diefer revolutionären Olympiadenfpiele nicht zu Stande 
kommen zu laffen. Im Verein mit den Achäem rückten fie aus, 
ül?erfchritten den Kladeos und drangen in unaufhaltfamem Unge- 
ftüm bis in die Mitte des heiligen Haines vor'). Hier aber wur- 
den fie von der Uebermacht des argivifch-athenifchen Heeres, das 
durch die vielen Tempel und Hallen gedeckt die denkbar 

1) V, p. 561. 2) Vergl. Grote V, p. 562 u, die dort angeführten 
Stellen der alten Autoren 

3) Auf die Beschädigungen , die vermuthlich bei dieser Gelegenheit 
olympische Heiligthümer erlitten, und dadurch nothwendig gewordene Repa- 
raturen hat Purgold hingewiesen in den „Histor. und philol. Aufsätzen Ernst 
Cnrtiüs gewidmet" Berlin 1884 p. 227 folg. Doch ist sein Versuch, den 
Künstler Boethos aus dem dritten ins vierte Jahrh. zurückzuversetzen und 
eines seiner Werbe mit diesen Vorgängen in Verbindung zu bringen, sicher 
verfehlt; Vergl. Brunn Sitz. B. d. Münch. Akad. 1880. p. 484, 



2l6 

günftigfte Pofition einnahm, zurückgeworfen. Ihr Führer Stratolas 
fiel im Kampf, und da die Arkader in der folgenden Nacht Ver- 
fchanzungen und Wälle aufgeworfen hatten, fo wagten fie es am 
anderen Tage nicht mehr ihren Angriff zu erneuern. „Die Lai> 
desfeinde blieben die Herren des heiligen Bodens *)/' Die Arkader 
hatten in allen diefen Kämpfen die Oberhand behalten. Sie warei 
die Schutzmacht Olympias geworden, hatten fich die Ehrenrechts 
der Spartaner angemafst und hielten nun das Heiligthum mit fei- 
nen reichen Schätzen im Befitz^). 

Die Thebaner hatten fich jeder Einmifchung in den Ganj 
des peloponnefifchen Krieges enthalten — ihr Augenmerk war ki 
der Zeit auf wichtigere und bedeutungsvollere Dinge gerichtet. 
Seit Jahren fchon mufs Epaminondas fich mit grofsen, weitgehei- 
den Plänen getragen haben. Durch die fortwährenden Kriege m 
Norden und Süden, die Theben zur Erlangung feiner tlegemoiie 
geführt, waren die Mittel des Landes erfchöpft, waren Opfer vom 
Einzelnen gefordert, die auf die Dauer unerfchwinglich wurden. 
Es galt, wollte man die einmal betretene Bahn nicht verlaiTen, 
neue Hilfsqyellen dem Lande zu eröffnen , mit den Infein und 
Colonien in Verbindung zu treten und durch überfeeifchen Handel 
Böotien zu nichtgeahntem Reichthum zu verhelfen. Dazu bedurfte 
man vor Allem einer Flotte, — man bedurfte ihrer aber noch 
aus einem anderen Grunde. Die Einfälle in den Peloponnes, • die 
Tagfatzung zu Delphi hatten deutlich gezeigt, dafs Spartas Ein- 
flufs auf immer vernichtet war. Der einzige Staat, der Thebens 
Suprematiebeftrebungen Widerfland entgegenfetzen konnte , war 
Athen. Es war der einzige gefahrliche Feind, gefährlich eben 
durch feine feebeherrfchende Stellung. *Die Athener aus derfelben 
zu verdrängen, und Theben zur Seemacht zu erheben, — das war 
das Ziel des Epaminondas. Auf dem Congrefs in Perfien hatten 



1) Curtius m, p 361. 

1) Vergl. iiie eingehende u. klare Schilderung dieser Kämpfe bei X. 
Hell. Vn, 4, 13—33, welche bis auf die oben erwähnte Beschönigung der 
spartan Niederlage ein durchaus j\n schauliches u. objectives Bild bietet. 



217 

die Leiter Thebens es verfucht, mit einem Federftrich Athens 
Seehegemonie zu befeitigen. Als dies nicht gelungen war, als 
Athen dem Refcripte des Grofskönigs voUftändig Trotz 
geboten hatte, ging Epaminondas daran, in wirkfamerer Weife 
den in Sufa erhobenen Forderungen Geltung zu verfchaffen. 
Der Plan, ein ackerbauendes Binnenvolk zu Seefahrern und 
Schiffern umzuformen, und das nicht allmählich, fondem mit 
einem Schlage, fcheint fo abenteuerlich, dafs man ihn in alter ^) 
und neuer*) Zeit der politifchen Mäfsigung und Einficht des Epami- 
nondas nicht zutrauen zu dürfen glaubte. Gegen beffere Ueberzeu- 
gung, fo meinte man, fei Epaminondas zu den Seerüftuifgen gedrängt 
worden und habe den ungeftümen Forderungen politifcher Schreier 
nachgeben muffen. Mit Recht hatGrote^) dagegen ausgeführt, dafs 
^ir nach den klar vorliegenden Thatfachen Epaminondas nicht 
von der Urheberfchait und der Verantwortung für diefen Schritt 
frfeifprechen dürfen. Doch kann ich mit Grote nicht in der Faf- 
•fung feines Urtheils über diefe neuhervortretenden Beftrebungen 
thebanifcher Machtentfaltung übereinftimmen. Er meint — und 
er fleht* mit diefer Anfchauung nicht allein*) — dafs diefe See- 
rüflungen einer fieberhaften Uebereilung, einer grenzenlofen Eifer- 
fucht gegen Athen entfprungen feien, und fleht in ihnen einen 
Irrthum und eine Ueberfchätzung der eigenen Volkskraft von 
Seiten des Epaminondas , der doch fein ganzes Streben darauf 
hätte concentriren muffen , zu Lande die böotifche Ueber- 
macht zu behaupten. Richtiger ifl eine folche Verurtheilung ge- 
wifs , als die Anfleht von Curtius *), der bei feiner Vorliebe 
für die thebanifchen Helden auch hierin wieder die Verfolgung 
panhellenifcher Ziele zu erblicken wähnt, — allein fie geht 
zu weit, oder nicht weit genug. Epaminondas fah klar ein, 



1) Plut Philop. 14. 2) Bauch p^ 70, A. 140* 3) V, p. 551 folg. 

4) Vergl. Kortüm II, p. 141. Da Mesnil p. 339. 

5) III, p. 365. Dass Epam* eine Zeit lang ein aufrichtiges Einverständ- 
niss mit Athen für möglich gehalten habe, aber diese Hofifnung ohne seine 
Schuld zerstört worden sei, nimmt Curtine ohne Grand ai). 



2l8 

dafs Theben feinen Anfprüchen auf die Landhegemonie nur 
durch das Vorhandenfein einer ftarken Kriegsflotte Nachdruck 
verleihen , dafs nur die Eröffhung neuer Hilfsquellen, nur ein 
fchwunghaft betriebener Handel die Mittel bieten konnte, (ich 
auf . der einmal erlangten Höhe zu halten. So war es denn 
nur eine, weitere Confequenz des bisher befolgten politifchcn 
Syftems, wenn Epaminondas fich jetzt der See zuwandte. Aber 
freilich, der Schritt erinnert /an die Ijntemehmungen moderner 
Gründer , die eine gewagte Speculation durch noch gewagtere 
zu ftützen fuchen, und die Utopie, die in dem Plane liegt, 
ein fchwerfälliges Landvolk zu einer See- und Handelsmacht zu 
erheben, fpricht ein beredtes Urtheil über die böotifchen Hege- 
moniebeftrebungen überhaupt. 

Epaminondas ging mit Energie ans Werk. Es mufsten 
Häfen gefchaffen, Schiffe gebaut und ausgerüftet, Matrofen 
herangebildet werden. Es galt aus nichts eine Flotte, eine See- 
macht hervorzurufen. Um fich die einzig guten Häfen im Norden 
zu fichem, wurde jetzt wol der Anfchlufs von Korfeia und den 
übrigen lokrifchen Städte am Küftenflrich — Hylos, Larymna *) etc. 
— zum böotifchen Bunde veranlafst. Man fleht, es waren wohl- 
überlegte, weitgehende Mafsregeln, die das ftolze Wort^ des 
Epaminondas, man dürfe nicht eher ruhen, als bis die athenifchen 
Propyläen die Kadmeia fchmückten, zur Wahrheit machen follten. 



1) Paus. IX, 23, 8 giebt an, die Städte, speciell Larymna, seien zur 
Zeit der thebanischen Machtherrschaft freiwillig zu Böotien getreten« 
Körte Mitth. IV, p. 271 bringt ein monumentales Zengniss zur Bestätigung 
dieser Nachricht bei. Uns sind die Reste einer den Zugang zum Engpass 
von Opus sperrenden Mauer erhalten, die durch ihre Construction aus ge- 
waltigen polygonalen Blöcken darauf ^hinwiesen, dass sie in die Zeit d. 
Epaminondas, nicht aber in d* 2. Hälfte d. 3* Jahrh. gehörten. Zur Zeit d. 
Errichtung der Mauer müsse d. Küstenstrich östlich derselben böotisch ge- 
wesen sein. Ueber das weitere Schicksal dieser Städte vergl. Ulrichs I, p. 228. 

2) Der Ausspruch ist durch eine zeitgenössische Autorität, Aesch. de 
falsa legat. c. 32, wohlbeglaubigt und liefert, mag man ihn wörtlich oder 
übertragen nehmen« einen deutlichen Beweis für die wahren Absichten die* 
fer Seerüstungen. 



219 

Die Erfolge des Timotheos, der Samos genommen und zu mafs- 
gebendem Einflufs- auf dem Cherfones *) gelangt war, wirkten be- 
fchleunigend auf den vom Volk ^ befchloffenen Trierenbau und 
die Errichtung von Schiffswerften* 

Während hier mit regem Eifer gearbeitet wurde, machte 
fich zu gleicher Zeit ein erneuter Feldzug nach Theffalien noth- 
wendig. Die Gefandtfchaft' nach Perfien, die dritte Expedition in 
den Peloponnes und vor Allem das neue Arbeitsfeld, das man in 
Böotien felbft fich gefchäffen, waren die Veranlaffung gewefen, dafs 
man feit dem Jahre 367 den Ereigniffen in Theffalien weiter keine 
Aufmerkfamkeit fchenkte. Diefe Zeit hatte Alexandros benutzt, um 
feine Macht von Neuem im Lande auszubreiten: er hatte Befatzungen 
in die Städte der Achäer, Phthioten und Magneter ^) gelegt, feine 
Gegner aufs Graufamfte verfolgt, im Lande geplündert und ge- 
raubt und wieder die alte Willkührherrfchaft begonnen. Die bit- 
terften Kllagen über diefe Bedrückungen gelangten nach Thebe;i, 
und dort befchlofs man jetzt energifch gegen den Tyrannen vor- 
zugehen. Man hatte hierzu, ganz abgefehen von der Nothwendig- 
keit den Alexander in feine Schranken zurückzuweifen, noch einen 
fpeciellen Grund. Athen war noch immer im Bündnifs mit Phe- 
rae, und Timotheos hatte gerade jetzt Potidäa und Torone er- 
obert und die Chalkidiker unterjocht*), es lag fomit die Ge- 
fahr nahe, dafs die Athener ihre Meeresherrfchaft immer mehr 
erweitem und zu bedingungslofer Anerkennung bringen könnten. 
Die auf die Seehegemonie gerichteten Pläne Thebens erforderten 

• 

es aber, hier im Norden die Macht Athens nicht erftarken zu 
laffen, vielmehr die Häfen und Küften Theffaliens in die eigene 
Botmäfsigkeit *) zu bringen. Da fomit ein Krieg in Theffalien zu- 
gleich eine Förderung der mit allen Mitteln angeftrebten See- 



1) Vergl. Grote V, p. 542-550. 

2) Diodor XV, 79. 

3) Plut. Pelop. 31 

4) Isokr* ttsqI avjid. p. 69, 70 Diod* XV, 81. Nepos Tim. 1. SicTcr» 
p, 317. Rehdantz p. 135. Schäfer D. I, p* 10$ 

5) Abamelek-Lasareflf p. 41, 



220 ^ 

herrfchaft verfprach, wurde eine bedeutende Heeresmacht ausge- 
rüftet und unter den Oberbefehl des Pelopidas geftellt. An deni Tage 
aber, als er ausrücken wollte — dem 13.^) Juli 364 — trat. eine ftarke 
Sonnenfinftemifs ^) ein, die bei dem abergläubifchen Sinn der 
Griechen einen derartigen Schrecken verurfachte und als fo un- 
glücksverheifsendes Zeichen gedeutet wurde, dafs die Ausführung 
des Unternehmens unterbleiben mufste. Jedoch der ungeftüme 
Sinn des Führers liefs fich nicht aufhalten. Mit 300 freiwillig ihm 
folgenden Reitern überfchritt er die Grenzen Theffaliens. Er fah 
fieh in feiner Hoffnung auf eine allgemeine Erhebung ''der thefTa- 
lifchen Städte zu feinen Gunften nicht getäufcht. Allerorts 
ftrömte ihm das Volk zu, und alle Landfchaften und Städte fandten 
ihm ihre Truppencontingente. Bald fühlte er fich ftark genug, 
um einen Angriff wagen zu können. Bei Pharfalos, auf den Hö- 
hen von Kynoskephalae, erwartete ihn der Tyrann x^it einem an 
Zahl weit überlegenen Heen Es entfpann fich ein heifser Kampf, 
an welchem Pelopidas fich perfonlich tapfer betheiligte, um den 
Muth der Seinigen zu heben. Unauthaltfam drang er vor, flelite, 
als die Schlacht fchwankte, das Gleichgewicht wieder her und ^ 
ftürmte dann, als er des Alexandros inmitten feiner Leibwache au 
dem Kampfplatze anfichtig wurde, mit wildem Ungeftüm gegen ihn 
los. Hier fank er, ehe er noch feinen Gegner erreicht hatte, von den 



1) Die neueste Berechnung von Hofmann (Zeltschrift für Ostreich. 
Gym« f876 p. 166 folg.) nach den Hannsen'schen Sonnen* u. Mondtafeln 
führt auf dasselbe Datum, das bereits Calvislus und später Pingr^ (Memoires 
de TAcademie des Inscriptions T. XLII, 1786) gefunden hatten. Dodwell 
glebt nach Angabe eines befreundeten Astronomen den 13^. Juni an. Ihm 
sind Thirlwall,, Bauch p. 74 u' Sievers p. 332 gefolgt. Grote V, p 655 
enthält sich eines Urtheils, während Curtius III, p. 366 die Sonnenfinst^r- 
niss auf den 30. Juni setzt u* sich dabei (p« 782, A. 65) auf Dodwell und 
Schäfer D. I, p« 109, A. 2 beruft. Jedoch ist dort uur vom Juni im Allge- 
meinen die Rede« Der 30. Juni ist baare Unmöglichkeit; der 13* Juni bei 
Dodwell ist ein Rechenfehler: die einzige hier in Betracht kommende Son- 
nenfinsterniss fand am 13. Juli 364, nach Ortszeit in Theben um 8 Uhr 
53,7 Minuten Morgens statt. Die Verfinsterung betrug 9,7 Zoll — war also 
stark und leicht sichtbar« 

2; Diod. XV, 80, Plut. Pelop. 3t. 



221 

Lanzen der Trabanten des Tyrannen durchbohrt zu Boden. Sein 
Tod fpornte die Semigen zu regem Kampfesiputh und fie ruhten 
nicht eher, als bis das feindliche Heer völlig gefchlagen fich in 
zügellofer Flucht löfte. • Aber der Sieg war theuer erkauft. Die 
Trauer um den Verlud des heldenhaften Führers ward in Theffa- 
lien wie Böotien gleich tief empfunden und gelangte in den glän- 
zenden ' Beftattungsfeierlichkeiten und dem Rachezug der Thebaner 
zu würdigem Ausdruck» Unter der Führung des Malkitas und 
Diogeiton Yückte eine ftattliche thebanifche Truppenmacht gegen 
Alexandros aus, vereinigte fich «mit den Parteigängern im Lande, 
befiegte den Tyrannen in mehreren Schlachten und zwang ihn 
zur Unterwerfung. Er mufste alle abhängigen Städte in Thefla- 
lien freigeben, fich auf Pherae befchränken und den Thiebanem 
Treue und Heeresfolge fchwören. Es war ein glänzender Erfolg, 
und doch wog er dert Tod des Mannes nicht auf, der allein bis- 
her die riiakedonifch-theffalifchen Angelegenheiten und Bezie- 
hungen hatte leiten und regeln können. Wie fehr die Böoter 
feibft den Werth ihres Helden zu fchätzen verftanden, — das be- 
zeugen mehr als Alles die Verherrlichungen' und die legenden- 
haften Züge, mit denen die thebanifchen Gefchichtsfchreiber das 
Leben und Ende ihres Lieblings um woben *)♦ — 

Die Thebaner wandten nch jetzt nach diefem traurigen Zwifchen- 
fall mit doppelter Energie den Seerüftungen izu und fuchten mit den 
wichtigften Küftenftädten und Infein Beziehungen anzuknüpfen. Ihre 
Gefandten gingen nach Rhodos, Chios, Byzanz, wahrfcheinlich auch 



1) Plut Pelop. cf. besonders c. 31—35 Diod. XV, 81 widmet dem 
Pelop. einen warmen, panegyrischen Nachruf. Das Capitel ist für d. Quel- 
lenkritik Diodors interessant. Es enthält Thatsachen, die sich sonst in der 
Erzählung Diod nicht finden, oder gar mit dem in der übrigen Darstellung 
Berichteten in Widerspruch stehen. Wir haben mithin in c* 81 einerseits, 
u. in c. 25, 34, 37, 55, 56, 62 andererseits, zwei verschiedene, entgegengesetzte 
Schilderungen der theban. Geschichte. Dass Diodor daher nicht nur auf 
eine Quelle, den Ephoros, zurückzuführen sei, hat Bröcker p. 36 in seiner 
Polemik gegen Volquardsen mit Recht hervorgehoben. Woher Diodor das 
8t. Cap. geschöpft haben kann, ist nicht erweislich; man möchte fast an 
eins der vielen populären Bücher „?r€§l iväol^wv aviqcuv^' dabei denken. 



222 

nachKos^), — man rechnete für das Gelingen des Unternehmens ftark 
auf den Abfall und den Beitritt der athenifchen Bundesgenoflen, 
deren Vereinigung bei dem rein negativen Zweck des Bundes 
fchon lange gelockert und deren Unzufriedenheit und Mifsftimmung 
gegen ihr Oberhaupt mehr als einmal hervorgetreten war. Nach- 
dem die' Vorbereitungen weit genug gediehen, flach Epaminondas 
felbft im Frühling 363 ^ mit feiner Flotte in See. Ein Bericht 
über den Verlauf der Expedition felbft ift uns nicht erhalten. 
Aus den dürftigen Notizen bei Diodor^) und Ifokrates*) können 
wir nur entnehmen, dafs ein athenifches Gefchwader unter Laches, 
welches dazu beftimmt war den Epaminondas im euböifchen 
Meere zurückzuhalten, zum Weichen gebracht wurde, und dafs 
die fiegreiche Flotte ungehindert bis Byzanz gelangte. Auch 
wenn nicht beftimmte Andeutungen vorlägen, liefse fich anneh- 
men, dafs diefes erfte Auftreten der neuen Seemacht von entfchie- 
denem Erfolge begleitet war. Die gröfseren Seeftädte, deren Be- 
deutung und Wohlfland auf Ackerbau, Handel und Gewerbe be- 
ruhte, und die vor allen Dingen Frieden brauchten, waren in 
heftiger Oppofition gegen die athenifche Politik, welche fie 
in immer neue Kriege verwickelte» So lange es die Be- 
kämpfung Spartas galt, hatte man willig die Opfer ge- 
bracht, die das eigene Interefle erforderte; jetzt, als keine Gefahr 



1) Schäfer D. I p. 105. vergl. Diod. XV, 76. 

2) Nach Diod. XV, 78, dessen ZeitbestimmuDg Rhedantz p. 138 mit 
Recht gegen Schneider vertheidigt, unter dem Archontat des Timokrates, d. 
h. 364/3. Schäfer D. I p. 109 entscheidet sich für 364, Grote V, p. 555, 
für 363* Freilich glaubt^ letzterer, dass auch der Marsch d. Pelop. nach- 
Thessalien während des Jahres 363 stattfand. Dieser Ansatz wird durch das 
Datum der Sonnenfinstemiss widerlegt. Dennoch stimme ich mit der Gro- 
te'schen Datirung des Seezuges überein ; icli glaube kaum, dass die Rjiatun- 
gen frülflr beendet gewesen sein können, und dass Theben die Mittel ge- 
habt, gleichzeitig die Flottenexpedition und den Zug jiach Thessali^ ins W^erk 
zu setzen. Sievers p. 319 u. Gurtius III, p. 365 entscheiden sich auch für 
das Jahr 363. Worauf Busolt p. 803 sich gründet, wenn er Epaminondas 
im Jahr 365 schon in See gehen lässt, ist mir unersichtlich« 

3) XV, 79. 

4) Phil, bö. 



^23 

mehr' von diefer Seite zu beforgen war, und Athen nun doch 
nicht aufhörte die Bundesgenoffen in die politifchen Bewegungen 
hineinzuziehen, zeigte fich Gährung und Unzufriedenheit, und man 
benutzte den Augenblick, um die gegenftandslos gewordene Ver- 
bindung mit Athen zu löfen. Byzanz fchied damals^) aus dem 
Seebunde aus, Chios und Rhodos traten iu freundfchaftliche Be- 
ziehungen zu Theben, und auch auf Keos hatte, wofür wir ein 
infchriftliches *) Zeugnifs befitzen, eine Erhebung der antiatheni- 
fchen Partei ftattgefunden, die ihre Gegner vertrieb und zur Be- 
kämpfung^) Athens ein Bündnifs mit Theben einging. Für die 
erfte Probefahrt der neuorganifirten Seemacht waren dies Refultate 
genug, und Epaminondas konnte befriedigt wieder nach Haufe 
fegehi. Er mufste es zunächft vermeiden mit einer überlegenen 
Flotte, wie der des Timotheos, zufammenzuftofsen, — zudem 
riefen ihn wol die inzwifchen auf dem Feftland eingetretenen Er- 
eignifle zurück. Er hoffte gewifs*) in den nächften Jahren feine 

T. 

Seeuntemehmungen weiter verfolgen zu können und den grofsange- 
l^ten Plan zu Ende zu führen. Das Schickfal hat es anders gefügt. 
Die erfte Meeresfahrt war zugleich die letzte, und die Bündniffe 
mit den Seeftädten find, wenn auch eingeleitet, daher nie in Kraft 
getreten*). — ' 

1) Dem. geg. Arist 149 folg. Nepos Tim. 1. Kehdantz p. 138. 6a* 
solt p. 803. 

2) Köhler Mitth. II, p. 142, der mit gewohntem Scharfsinn d. Bezie- 
hung und Deutang dieser Inschrift gegeben. Ihm stimmt Dittenberger S. 
L 6. Nr. 79 in allen Punkten bei. Die loschrift aus dem Jahre d. Chari- 
kleides (363/2) bietet ein interessantes Bild von den Kämpfen auf der Insel. 
Nach dem Abzug der theban* Flotte hatte Ghabrias d« Insel ron Neuem 
unterworfen u. sie zu einem Bündniss unter härteren Bedingungen gezwun- 
gen. In Julis erhob sich dann nochmals die athenerfeindliche Partei, da 
aber ihre Hoffnung auf theban. Hilfe unerfüllt blieb , wurde der Aufstand 
bald unterdrückt. 

3) Zeile 28 u. 29 d. Inschrift bei Dittenberger p. 141 u. 142 A. 11. 

4) Diod. XV, 79. 

5) Bauch p. 72 u. Lachmann I, 398 gehen viel zu weit, wenn sie die 
eigentliche Wurzel des ßundesgenossenkrieges in den damaligen Unterneh- 
mungen dei Epaminondas sehen. So nachhaltig konnte der Einflass diesef 
einen kurzen Zuges nicht sein. 



1^4 

Während der Abwefenheit des Epaminondas hatte fich in 
Böotien felbft ein folg^nfchweres Ereignifs abgefpielt. Verbannte, 
aus Theben hatten, fo erzählt Diodor^), zufammen mit' den Rit- 
tern in Orchomenos eine Confpiration angezettelt, welche es auf 
nichts Geringeres, als den Umfturz der Verfaffung abfah. Einen 
Tag, an welchem eine Mufterung in Theben angefetzt war, hatte 
man zur Ausführung des Unternehmens beftimmt. Der Zeitpunkt*) 
war gut gewählt. Pelopidas war gefallen, Epaminondas mit einem 
grofsen Theil der thebanifchen Heeresmacht auf feiner Expedition, 
— bei dem Mangel an Führern in Theben bot ein fchneller Hand- 
ftreich genügende Hoffnung auf Erfolg. Der Plan wurde jedoch 
von einigen Theilnehmem, die den Muth verloren hatten und fich 
Straflofigkeit zu fiebern hofften, verrathen, und die thebanifche 
Regierung gewann Zeit, ihre Gegenmafsregeln zu treffen. Die 
orchomenifchen Ritter wurden, als fie zur Mufterung erfchienen, 
ergriffen und hingerichtet', dann ging es gegen die rebellifche 
Stadt felbft. Es erfolgte nun ein furchtbares Strafgericht: die 
Einwohner wurden in die Sclaverei verkauft und die Stadt dem 
Erdboden gleich gemacht. Als Epaminondas von dem Ge- 
fchehenen hörte, fo fügt Paufanias •) hinzu, habe er feinem Schmerz 
und feinem Unwillen Worte verliehen und geäufsert, er würde bei 
feiner Anwefenheit diefen Ausbruch der Volksleidenfchaft verhin- 
dert haben. Allein ich meine, es ift eine fentimentale Gefchichts- 
fchreibung, die den Epaminondas gerade da von der moralifchen 



1) XV, 79. 

2) Nach Diodor XV, 79, der allein ausführlich, n« wie es scheint, 
sachgemäss über das Ereigniss berichtet, fand es unter dem Archontat d. 
Timokrates (364/3) statt* Pausanias IX, 15, 3, welcher gelegentlich die Zer- 
störung von Orchomenos erzählt, setzt sie viel früher an, in d. Zeit, als 
Epaminondas den Pelopidas in Thessalien befreite, Müller i^Orchomenos 
p. 416) u* Lachmann I, p» 385 folgen ihm, doch haben dagegen »Sievers p* 296, 
Grote V, p. 557 u. Pomtow p. 103 mit Recht der Chronologie bei Diod. den 
Vorzug ertheilt. Ich stimme mit Meissners II, p* 440 Ansatz überein, der 
die Begebenheit nach dem Tode d« Pelop» in d. Zeit von Epaminondas, 
Seezug datirt. 

3) IX, 15, 3, 



225 

Verantwortung freizufprechen fücht, wo fich feine Politik am Con- 
fequenteften zeigt und bewährt. Das letzte Ziel der Patrioten- 
partei war die Einigung der Landfchaft, die Gründung eines 
mächtigen Vorortes. Alles, was hiergegen Widerftand leiftete, 
mufste fallen. Thespiae und Plataeae waren defshalb zerftört,^ 
jetzt mufste auch Orchomenos vernichtet werden, als es die ihm 
nach der Schlacht bei Leuktra erwiefene önade nicht zu fchätzen 
vcrftand und von Neuem den Geift der Auflehnung und Empö- 
T^^g gegen Theben nährte^). Ob Epaminondas perfönlich beim 
Strafbefchlufs gegen Orchomenos betheiligt war oder nicht, ift 
irrelevant, im Ge^'ft feiner Politik war diefes Vorgehen gegen die 
alte Rivalin Theoens, die fich immer feindlich gezeigt hatte und 
durch die früher gewährte Schonung nicht gewonnen worden war. 
Die Verhältniffe im Peloponnes hatten fich während deffen 
derart geftaltet, dafs Epaminondas von einer weiteren Verfolgung 
feiner Seeherrfchaftspläne Abftand nehmen und feine volle Auf- 
merkfamkeit den Ereigniffen im Süden zuwenden mufste. Wir 
haben gefehen, dafs die Arkader im Kampfe^ mit Elis die Ober- 
hand behielten und fich im unbeftrittenen B^fitz des olympi- 
fchen Heiligthums befanden. Aber es war, als ob ein Fluch 
auf dem geraubten Tempelgut läge: der frevelhaft erworbene 
Reichthum wurde der Anlafs zu blutigem Zwift unter den 
Siegern felbft. Nach dem Tode des Lykomedes fehlte es 
in Arkadien an einem Oberhaupt, das durch die Macht 
feiner Perfönlichkeit die verfchiedenen Intereffen fich unter- 
ordnen und dienftbar machen konnte. Der alte Gegenfatz 
zwifchen Mantinea und Tegea trat wiede'r deutlich hervor.^ 
Während Tegea, in welchem eine thebanifche Befatzung ftand, 
mit den demokratifchen Elementen Arkadiens den Einflufs The- 



I) Müller Orchomenos p. 415 sucht freilich die Sache so darzastellen, 
als ob das Ganze eine in Theben abgeredete Sache gewesen wäre, um die orcho- 
menischen Ritter ins Verderben zu locken und einen Vorwand für d. Zer- 
störung d. Stadt zu gewinnen. Unsere Quellen bieten nicht den geringsten 
Anhaltspunkt für diese Hypothese. 

15 



226 

bens zu ftützen fuchte, hatte eine peloponnefifche Partei, die in 
den ariftokratifchen Kreifen ihre Anhänger zählte und im An- 
fchlufs an Athen das Gegengewicht gegen die fich kreuzenden 
fpartanifchen und thebanifchen Intereffen zu finden (ich bemühte, 
ihren localen Mittelpunkt in Mantinea \ und dort, in der Heimath- 
ftadt des Lykomedes, wollte man nun, wenn auch einfeitiger, in 
den Bahnen der von ihm vorgezeichneten Politik weiter wandeln'). 
Die arkadifchen Heerführer hatten fchnell zugegriffen und ihren 
Truppen den rückftändigen Sold aus den Tempelgeldem bezahlt 
Ein Staatsfehatz war nicht vorhanden, man war auf den Erlöfs der 
Kriegsbeute angewiefen und der reiche Gewinn, den man aus den 
Weihgefchenken und Schätzen in Olympia erzielt hatte, erleichterte 
in hohem Grade die Möglichkeit, auch in Zukunft ein ftarkes Bun- 
desheer zu unterhalten. Gegen diefes von der Bundesbehörde ge- 
billigte Verfahren legten die Mantinäer Protefl; ein. Sie mochten 
durch die neue, bedeutende Steigerung der Einnahmen eine Stär- 
kung der demokratifch - thebanifchen Partei befürchten, — vor 
Allem aber entfprang ihr Widerfpruch aus emften religiöfen Be- 
denken gegen die Aneignung von heiligem Gute. Sie fandten 
ihren Contingenten Sold aus der ftädtifchen Caffe und fagten fich 
feierlich von jeder Betheiligung am Verbrechen los^). Die arkadifche 



1) Xenophon VII, 4, 35 nennt diese Partei : „ Ol 6h rä XQaTi<na rp 
neXonovv^Gw ßovlsvofievot.*' Grote V, p. 566 findet in diesem Ausdruckt 
der von Xenophon für die Umschreibung der oligarchischen Partei gebrauch, 
ist, wiederum einen Beweis der lakonerlreundlichen Gesinnung d, Schriftstel- 
lers. So wenig ich die letztere überhaupt in Abrede stellen will, 
so liegt doch hier nicht der geringste Grund zur Annahme vor^ dass 
die oligarchisch - peloponnesische Partei (X. ,H. VIT, 5, 1 ^,Oi X17- 
äofisvot rl^g HsXoTiowTjGov^') von vorneherein ihr Heil in der Freundschaft 
mit Sparta erblickt hätte. Im Gegentheil hat die im Text entwickelte An- 
sicht (vergl. Köhler Mitth. I. p. 199), das» die mantinäische Partei das Erbe 
d. Lykomedes antrat und Arkadiens Selbständigkeit im Gegensatz zu 
Sparta und Theben wahren wollte, wie mir scheint, alle Wahrscheinlich- 
keit für sich Erst als Epaminondas den Krieg gegen sie begann, sah 
sie sich genöthigt zur Rettung ihrer Existenz auch in Sparta Zuflucht 
zu suchen. 

2) Dass die Mantinäer nach der Veitheilung der Beute an die einzel- 



227 

Centralbehörde remonftrirte naturgemäfs gegen eine derartige Auf- 
lehnung und forderte die Beamten der Stadt Mantinea zur Re- 
chenfchaft. Als diefe der Vorladung nicht Folge leifteten, wurden 
fie Afiierurtheilt und die Epariten ausgefandt, um jetzt mit Gewalt 
gegen das widerfpenftige Bundesglied vorzugehen. Allein die 
Mantinäer leifteten muthig Widerftand: fie fchloffen die Thore, 
wehrten den Bundestruppen den Eintritt und beharrten bei ihrer 
Weigerung fich zu fügen. Diefe energifche Haltung, der gegen- 
über die Machtlofigkeit der Centralbehörde offen zu Tage trat, 
verfehlte nicht ihre Wirkung auf einen grofsen Theil der arkadi- 
fchen Bevölkerung, die bei ihrer abgefchloffenen Stellung und den 
alterthümlichen Sitten fich ein ftreng religiöfes Gefühl bewahrt 
hatte. In dem Rathe der „^uv^^o*" wurden immer mehr Stimmen 
laut, welche das Verhalten der Mantinäer billigten. Die Regie- 
rungsbehörde fah fich dadurch veranlafst, um einer etwaigen 
Verantwortung wegen der Betheiligung am Tempelraube zu 
entgehen, fich mit der Bitte um Intervention nach Theben 



nen Städte getrachtet, mitbin nar eine andere Verwendung derselben, als 
die Tegeaten, gewollt hätten, wird von Diodor XV, 82 berichtet Obwol die 
ganze Erzählung Diodors hier sehr verworren ist^ und seine Angabe schon 
durch die Thatsache , dass es zwischen Mantinea und Elis zum Bündniss 
kam, als unrichtig gekennzeichnet wird , so sind ihm doch eine Anzahl 
neuerer Gelehrten, — so Schäfer Rh. M. 1847 p. 47. Lachmann I, p. 411 etc. 
— gefolgt, und erblicken darin einen neuen Beweis für die Geschichts- 
fälschung des Xenophon. Es zeige sich aus vielen Bemerkungen des 
Xenophon, wie sich seine Parteilichkeit den Mantinäern von dem Zeit- 
punkt an zuwende, wo sie sich den Spartanern wieder nähern. Ich habe 
, schon oben bemerkt, dass von einer Annäherung zwischen Mantinea und 
Sparta fürs Erste noch nicht die Rede war, mithin für 'Xenophon kein 
Grund vorlag, aus lakonerfreundlicher Gesinnung die Wahrheit geflissent- 
lich zu verhüllen« Der Kernpunkt der Sache ist hier der, dass unsere 
neueren Historiker, selbst Grote nicht ausgenommen, bei ihrer offen zu 
Tage tretenden Vorliebe für die Thebaner und die Demokratie;! überhaupt, 
einer aristokratischen Bewegung keine anständigen Motive zutrauen, wäh- 
rend sie Alles, was auf gegnerischer Seite versehen worden ist, im mil- 
desten Lichte darstellen. So wird der Bruch des eben beschworenen Frie- 
dens von Seiten d. theban. Harmosten bei Lachmann zu einer „Unbesonnen- 
heit" (I, p, 414). 

I6» 



228 

ZU wenden und dort auf die Gefahr hinzuweifen, dafs bei Schwä- 
chung des demokratifchen Principes und der peloponnefifch-theba- 
nifchen Partei der lakonifche Einflufs in Arkadien wieder zur Gel- 
tung gelangen könne. Allein hiergegen fetzten dieMantinäet im 
,,7(oi>v6v'^ einen Befchlufs durch, welcher jede auswärtige Einmifchung 
ablehnte und das Vorgehen der erften Gefandtfchaft in Theben 
als völlig unberechtigt desavouirte. Weiter wurde dann noch 
die Zurückerftattung der heiligen Schätze auf Antrieb der 
Mantinäer beföhloffen und eine Ausföhnung und ein Friede 
mit den Eleern zu Stande gebracht. Die ariftokratifche Partei 
hatte im Bundesrath einen vollftändigen Sieg erfochten, und 
ihre Macht ftieg dadurch noch von Tag zu Tag, dafs die 
unbemittelten Elemente fich nun bei der mangelnden Befoldung 
zum Austritt aus dem Eparitenheere gezwungen fahen^ wel- 
ches durch den maffenhaften freiwilligen Zuzug der Begüterten 
ein voUftändig ariftokratifches Gepräge erhielt. Durch den Frie- 
densabfchlufs mit Elis und die Wiederherftellung der Ruhe im Pe- 
loponnes foUte den fremden Mächten jeder Anlafs genommen wer- 
den, in die Verhältniffe Arkadiens einzugreifen. Um auch nach 
Aufsen hin einen Beweis der neubefeftigten Einigkeit zu liefern, 
wurde dann in Tegea ein grofses Friedens- und Verbrüderungsfeft 
abgehalten. Es fcheint, dafs hier auch zugleich im Intereffe der 
zur Herrfchaft gelangten Partei neue Beftimmungen für die Bun- 
desordnung getroffen wurden — jedenfalls lag für die früheren 
Leiter der Centralbehörde die Gefahr nahe, jetzt nachträglich noch 
zur Rechenfchaft über die Verwendung der geraubten Tempel- 
gelder gezogen zu werden, und fie fuchten daher durch einen 
Gewaltftreich fich zu retten und ein«n Umfchwimg der Lage 
herbeizufuhren. Sie überredeten den thebanifchen Harmoflen, die 
Thore während des Feftes fchliefsen zu laffen und fich der her- 
vorragendflen ariflokratifchen Parteigänger zu bemächtigen. Es 
war hierbei vor Allem auf die Wortführer der Mantinäer abge- 
fehen. Die Getängniffe waren bald überfüllt, — doch hatten fic 



229 , 

von ihren Hauptfeinden nur wenige ergriffen, da die Mantinäer 
fchon faft alle vor Einbruch der Nacht die Stadt verlaffen hatten. 
Die letzteren begannen jetzt ihre Gegenmafsregeln, Sie befchick- 
ten die arkadifchen Cantone, hiefsen die Bürger unter Waffen 
treten und alle Eingänge bewachen. Dann fandten fie nach Tegea 
ein Ultimatum : fie verlangten die fofortige Freilaffung der Gefan- 
genen, von denen man keinen bis zur Infcenirung eines Gerichts- 
verfahrens gefeffelt halten oder gar tödten dürfe, und verbürg- 
ten, fich ihrerseits dafür, dafs jeder der Angeklagten fich vor dem 
fyxöivov** der Arkader Hellen würde. Die energifche Sprache der 
Mantinäer, welcher die Möglichkeit eines fchnellen Aufgebotes 
den gehörigen Nachdruck verlieh, bewog den thebanifchen Har- 
moften, der nur über 300 Mann Truppen verfügte, zum Nach- 
geben. Er fetzte die Eingekerkerten auf freien Fufs und moti- 
virte feine frühere Handlungsweife durch die Erklärung, dafs man 
ihn getäufcht und ihm die Nachricht habe zukommen laffen, es fei 
Verrath im Werke, und ein lakonifches Heer ftehe an dfen Grenzen, 
um einen gegen Tegea geplanten Handftreich auszufuhren. Obgleich 
Niemand, fügt Xenophon ^) hinzu, diefer Entfchuldigung Glauben ge- 
fchenkt, fo habe man ihn doch nachher unbehelligt feiner Wege ziehen 
laflTen. Grote *) meint, wir hätten keinen Grund, an der Wahrheit der 
Erklärung des thebanifchen Befehlshabers zu zweifeln, und die pelo- 
ponnefifch-demokratifche Partei habe fich feiner Mitwirkung wirklich 
dadurch verfichert, dafs fie ihm dieUeberzeugung vom Beflande eines 
Complottes eingeredet. Es fei auch nicht unmöglich ^), dafs die 
Idee zu einem derartigen Verrath wirklich gefafst war, und wenig- 
ftens' höchft wahrfcheinlich, dafs die Gegner an das Beliehen eines 
folchen Planes geglaubt hätten. Da Xenophon die einzige Quelle 
ifl, der wir den ganzen .vorftehenden Bericht verdanken, fo mufs 
man allerdings die Möglichkeit, zugeben, dafs er im IntereflTe der 



1) X. Hell. VII, 4, 39. 

2) V, p. 567 folg. 

3) Auch Schäfer D* I, p. 111 glanbt, dass in der That d. Absicht ge- 
hegt wurde, die Xenophon nur als erdichtetes Gerede erwähnt. 



230 

ariftokratifchen Partei irgend welche in Ausficht genommenen 
Unternehmungen gegen Tegea verfchwiegen haben kann. Allein, 
dafs alle Wahrfcheinlichkeit für diefe Annahme fpreche, kann ich 
Grote nicht zugeben. Die Lage der Demokraten und der The- 
baner in Arkadien war gerade durch das grofse Verbrüderungs- 
feft in Tegea eine derart verzweifelte und mifsliche geworden, 
dafs fie auch ohne eine handgreifliche Gefahr fich zu einem rafchen 
Gewaltakt entfchliefsen mufsten, wollten fie anders fich felbft vor 
jeder drohenden Eventualität fiebern und wieder zu ihrem früheren 
Einflufs und ihrer herrfchenden Stellung gelangen. Ich fehe daher 
keinen Grund, von der eingehenden und in fich wohl motivirten 
Erzählung des Xenophon abzuweichen, für den ja auch keine durch- 
fchlagende Veranlaffung zu einer Gefchichtsfälfchung vorlag. Doch 
wie dem auch fei, der thebanifche Harmoft hatte fich — aus welchem 
Beweggrunde, ift gleichgültig — eines offenen Friedensbruches fchul- 
dig gemacht, und die herrfchende Partei in Arkadien verlangte nun 
Genugthuung von Theben und forderte dort zum Minderten die Hin- 
richtung des in Tegea rtationirten Befehlshabers. So war ein 
directer Berührungs- und Conflictspunkt zwilchen beiden Staa- 
ten gefchaffen, und es kam nun alles darauf an, welche Stellung 
die thebanifche Regierung zu diefen Begebenheiten nahm. 

Der Umrtand, dafs Epaminondas das erfte Interventionsge- 
fuch der Tegeaten unberückfichtigt gelaffen hatte, zeigt deutlich, 
dafs er die Ereignifse im Peloponnes zunächft ihren Gang gehen 
laffen wollte, wol um Zeit für weitere Seeunternehmungen zu ge- 
winnen. Jetzt war die Sachlage durch die Vorfälle beim Friedens- 
feft in Tegea wefentlich geändert. Sehr erwünfcht mag der Ge- 
waltakt des thebanifchen Harmorten dem Epaminondas nicht ge- 
kommen fein, allein der Friedensbruch war nun einmal gefchehen, 
und das ängrtliche Nachgeben des Befehlshabers machte die Sadie 
nicht beffer. Diefe Halbheit der Mafsregel, der Verfuch, die Fol- 
gen des Handrtreiches von fich abzuwälzen, mufste nothwendig 
das letzte Anfehen und den letzten Einflufs Thebens im Peloponaes 



untergraben, wenn die Regierung Böotiens jetzt nicht felbft ener- 
gifch eingriff. Den Befchwerde führenden arkadifchen Gefandten er- 
theilte Epaminondas daher die peremptorifche und abweifende Ant- 
wort '), dafs der Kriegsvogt beifder Gefangennehmung der arkadifchen 
Wortführer richtiger gehandelt habe, als bei ihrer Freilaffung. Er 
konnte mit allem Griind darauf hinweifen, dafs die Arkader nur 
den thebanifchen Kriegszügen ihre Selbftändigkeit und Unab 
hängigkeit von Sparta verdankten; fomit hätte denn Theben, 
meinte er, fich auch ein Recht erworben, darauf zu fehen, dafs 
die Arkader nicht ohne feine Einwilligung Frieden fchlöffen und 
ihre Staatseinrichtungen träfen. Er werde felbft in den Pelopon- 
nes kommen, die thebanifche Partei um fich fammdn und den 
Widerftand feiner Gegner brechen. Der Befcheid des Epaminon- 
das, der als offene Kriegserklärung gelten mufste, bewog die 
Arkader zu energifchen Gegenmafsregeln. Sie mufsten für 
den bevorftehenden Kampf vor Allem Bundesgenoffen zu ge- 
winnen fuchen. Es wurde zunächft eine Einigung derjenigen 
Staaten im Peloponnes erzielt, welche von einer thebanifchen 
Einmifchung Gefahr für ihre Selbftändigkeit befürchteten. Dann 
wandten fich die Arkader, ider Tradition des Lykomedes 
folgend, nach Athen» ^) Es kam hier, wenige Wochen vor 
der Schlacht bei Mantinea, zwifchen den Athenern und ihren 
Bundesgenoffen einerfeits, und den Arkadem, Achaiern, Eleern 



1) Obwol Sievers p. 337 im Text ßchreibt: „Epaminondas durfte sich 
äussern, dass der Harmost besser gehandelt, als er sie ergreifen Hess, als 
da er sie freigab,** gestattet er (in d» Anmerkung 6) dem Xenophon nicht, 
diese Worte des Epam. anzuführen. „Mit augenscheinlicher Freude,** sagt er, 
erwähnt Xenophon dieser Aeusserung, freilich als eines Gerüchtes. Bosheit 
aber ist es, ein böswilliges Gerücht zu wiederholen.** Die Wahrscheinlich- 
keit freilich, dass Epam. einen derartigen Ausspruch gethan, bestreitet 
Sievers , wie der Text lehrt, garnichf. Ich kann hier Grote (V, p. 569) ^ 
nicht einmal zugeben, dass in diesem Referat d. Xenophon ein ungünsti- 
ges ürtheil über Epaminondas enthalten sei. 

2) X. Hell. VII, 5, !. Diodor XV, 82. 



232 

und Phliuntiern *) andererfeits , zu einem Symmachieabfchlufs, 
in welchem die den Vertrag contrahirenden Mächte nicht 
nur ein Defenfivbündnifs eingingen, fondem fich auch den Be- 
ftand ihrer Verfaffungen garantirten. Die Fragmente der inte- 
reffanten Urkunde hierüber aus dem Archontat des Molon, welche, 
wie wir fpäter fehen werden, auch für die Zeitbeftimmung von 
entscheidender Wichtigkeit ift, find bei den reichen Infchriftenfunden 
am Südabhange der Akropolis zu Tage gefördert worden. *) — 
Aber noch auf andere Weife fuchten die Arkader fich zu fichem. 
Sie knüpften fogar, um nur die Thebaner auf keinen Fall die 
Herrfchaft im Peloponnes gewinnen zu laffen, mit Sparta von 
Neuem Verbindungen an. Die Lakedämonier fahen natürlich mit 
Freuden, wie der ihnen verhafste und gefährliche arkadifche Bun- 
desftaat zerfiel und fagten daher der ariftokratifchen Partei be- 
reitwilligft ihre Unterftützung zu. Bei ihrer machtlofen Stellung 
war es fchon für fie ein Gewinn, dafs man fich überhaupt um 
ihre Hilfe bewarb und ihnen fo die Gelegenheit bot, allmählich 
wieder Einflufs im Peloponnes zu gewinnen. Mit den Hege- 
monieanfprüchen war es freilich vorbei, und fie mufsten fich der 
Beftimmung fügen, dafs derjenige Staat die Oberleitung haben 
follte, in deflen Gebiet der Krieg geführt wurde.*) Im Hoch- 
fommer*) des Jahres 362 rückte Epaminondas in den Peloponnes 
aus. — Unfere Quellen über diefen letzten Feldzug fliefsen befon- 
ders reichlich. Vor Allem kommt natürlich hier der Bericht 
des Xenophon in Betracht, welcher das Schlufscapitel feiner Hel- 
lenika diefen Ereignifien widmet. Er zollt dem Epaminondas 
hier eine warme Anerkennung und bietet ein objectives und kla- 



1) Die Letzteren nennt Xenophon nicht, aas der gleich za besprechen- 
den Inschrift sehen wir aber, dass aach sie sich am Bündniss betheiligt haben. 

2) Zuerst publicirt von Kumanudis ''A&rjvaiov V, p. 101. C. I. A. II, 
57b u. 113. Köhler Mitth. I, p. 197 folg. a. neaerdings mit weiteren Er- 
gänzungen Dittenberger S. I. G. I, Nr. 83 p. 148, der den Ausführnngen 
Köhlers in allen Punkten beistimmt. 

3) X. Hell. VII, 5, 3. 

4) Ueber die Zeit des Feldzuges siehe unten p. 238. 



233 

res Bild der Vorgänge. Die ziemlich breit ausgefponnene Er- 
zählung Diodors*) ift unklar und verworren. Diodor folgt hier, 
wie man allgemein annimmt, dem Ephoros, dq/Ten Schlachtbe- 
fchreibung von Mantinea Polybius') gerade als Beifpiel dafür an- 
fuhrt, dafs der Rhetor fich ein Treffen zu Lande gamicht vorzu- 
ftellen wufste. Die Möglickeit, dafs Diodor den Ephoros auch 
für die Darftellung der Sehlacht bei Mantinea benutzte, läfst^fich 
nicht beftreiten, — allein fehr wahrfcheinlich fcheint mir die An- 
nahme nicht zu fein. Die detaillirte und doch nicht fachgemäfse 
Schilderung, das theilweife Verfchweigen der Reitemiederlage bei 
Mantinea, die liebevolle und genaue Befchreibung der letzten 
Augenblicke des Epaminondas und der daran fich knüpfende 
panegyrifche Epilog weifen auch hier, wie bei der Schlacht bei 
Leuktra, auf die Benutzung einer böotifchen Quelle. Femer fin- 
den wir dann bei Plutarch im Agefilaos und fpnft dankenswerthe 
Notizen, und eine Fülle freilich von mehr oder minder anekdoten- 
haften Nachrichten und individuellen Zügen bei Paufanias, Polyän, 
Frontin und Nepos. Es ift daher nicht fchwer eine klare Schilde- 
rung von den Begebenheiten jener Tage zu entwerfen. Es zeigt 
fich befonders hier, wie die Darftellung des Zeitgenoffen Xeno- 
phon vor allen anderen durch ihre Sachlichkeit und Anfchaulich- 
keit den Vorzug verdient. Wir haben fie daher bei einer kurzen 
Befp rechung des letzten Kampfes zu Grunde zu legen. 

An der Spitze eines zahlreichen Heeres hatte Epaminondas 
den Ifthmus überfchritten. Er konnte auch im Peloponnes immer 
noch auf den Zuzug bedeutender Tmppencontingente rechnen. 
Argos und Meffenien hielten treu zu Theben und ebenfo fchlofs 
fich natürlich die demokratifche Partei in Arkadien, die über 
Tegea, Megalopolis, Afea, Pallantium und einige kleinere Städte 
gebot •), dem thebanifchen Feldherrn an. Er lagerte zuerft in 



1) XV, 82-89. 

2) XII, 26* 

3) So nach X. Hell. VII, 5, 6. Diodor XV, 84 berichtet, die Mehr- 
zahl d. arkadischen Städte hätte zo Tegea gehalten. Lachmann I, p, 415 



234 

Nemea, um die Athener, von denen er wufste, dafs fie noch nicht 
auf der Halbinfel waren, auf dem Marfche zu falTen. Es lag ihm 
natürlich viel daran, die Vereinigung der Feinde zu hindern un4 
feine Gegner einzeln zu bekämpfen. Nachdem er eine Zeit lang 
vergeblich gewartet, liefs er fich durch falfche Kundfchaft und 
das von den Athenern ausgefprengte Gerücht, fie würden diesmal 
zur See nach Lakonien gehen, täufchen, gab die Päfle frei und 
fetzte feinen Marfch nach Tegea fort. Hier zog er die pelopon- 
nefifchen Bundesgenoflen an fich und fchlug fein Hauptquartier 
auf. Xenophon ') fpendet der ftrategifchen Umficht, die er hier- 
bei bewies, das wärmfte Lob. Die Truppen der Arkader, Eleer 
und Achäer hatten fich währendJelTen bei Mantinea gefammelt. 
Auch die Lakedämonier unter Agefilaos waren ausgerückt und 
befanden fich auf dem Wege nach Mantinea. Man erwartete all- 
gemein, dafs nun in kürzefter Zeit eine Entfcheidungsfchlacht auf 
dem Blachfelde zwifchen den feindlichen Hauptquartieren flatt- 
finden würde. Da zog Epaminondas eines Abends mit ein- 
brechender Dunkelheit nach Süden ab. Er hatte in Erfahrung 
gebracht, dafs Agefilaos, welcher fich die directe Marfchroute 
nach Mantinea verlegt fah und daher weftlich gehen mufste, mit 
dem Kern der Seinen bei Pellana angelangt war, Sparta felbft 
war vollftändig von Truppen entblöfst, und Epaminondas befchlofs 
daher, fich durch einen rafch ausgeführten Handftreich der Euro- 
tastladt zu bemächtigen, um biet ^gflUen feindlichen Bund 
fprengen und von Sparta aus d' ^^^^V dictiren 2 
Der Plan bot alle Ausficht auf E: ^^^Curdft^durch Verrath 
im eigenen Lager vereitelt *) ^^^^k' '^i durch 

a. Sievara p. 337 A. ö folge 

■ Manlinäer im »^oti-ov" be 
bftUen und im Namen von 
beweist die Ricktigkeil dei 

■ wie lOMi ^meint, den wb 

1) X. Hell- VlI, 5, f 
j, SJ X. Hell. VII, 5, 
rolle BotBchaft brachte. PL 




235 

einen Ueberläufer noch rechtzeitig die Mittheiliing von dem 
beabfichtigten Unternehmen zu. Er entfandte einen Eilboten 
nach Sparta, machte dann mit feinem Heere Kehrt i;nd langte 
nach einem forcirten Nachtmarfche noch rechtzeitig, kurz vor 
dem Eintreffen des Feindes, in der gefährdeten Vaterftadt 
an ^). Die Thebaner erfchienen bald nach Tagesanbruch am 
Eurotas. Ohne Widerfland zu finden überfchritten fie den Flufs 
,und rückten bis zum Marktplatz vor^). Hier war gegen Erwarten 
alles zur Abwehr bereit. Trotz der kurzen Frifl hatten Archi- 
damos und Agefilaos die un^faffendflen Vorkehrungen zu hart- 
näckiger Vertheidigung getroffen, und warfen fich jetzt mit dem 
Muth der Verzweiflung dem anrückenden Feinde entgegen. Nach 
heiffem Kampf, über welchen uns namentlich Plutarch ^) eingehende 
Details zu berichten weifs, fah Epaminondas die Unmöglichkeit 



fügt hinzu, dass Eallisthenes einen Thespier Namens Euthynos als Verräther 
nenne. Die Nachrichten lassen sich sehr wol vereinigen Der Thespier mag 
den Verrath geübt u« dann- einen kretischen Läufer zum Agesilaos entsandt 
haben. So kam es, dass Xenophon nur von der Existenz d. letzteren, der 
im lacedämon. Lager erschien, Eenntniss hatte. Diodors Gewährsmann XV, 
87 lässt den spartan« König Agis die Sache errathen und durch kretische 
Läufer dem Agesilaos nach Sparta Meldung thun. Die Verwechselung der 
Eönigsnamen halte ich mit Wesseling für ein reines Versehen d. Abschrei- 
ber od. des Diodor. Bezeichnend aber i^t es, dass die Quelle die Rettung 
Spartas einem übernatürlichen Vorgange, einer plötzlichen Ahnung, zuschreibt 
Ij Nach Polyb. IX, 8 stand Agesilaos bereits bei Mantinea; er lässt 
Epaminondas daher auch vor dem König nach Sparta gelangen. Die Nach- 
richt ist schon an sich unwahrscheinlich, denn ohne militärischen Schutz 
hätte Sparta sich auch nicht einen Augenblick halten können. Bei Diodor 
XV, 82 findet sich dieselbe Version, dass das bereits angegriffene Sparta 
durch die Ankunft d. Königs gerettet wird. Das an sich sensationelle 
Ereigniss wurde nachher noch weiter vergrössert und ausgeschmückt, um 
den Reiz des Wunderbaren zu erhöhen. Plutarch u. namentlich Xenophon 
hätten doch allen Grund gehabt, die Vertheidigung der von allen Truppen 
entblössten Stadt hervorzuheben, wenn eine solche wirklich stattgefunden 
oder überhaupt hätte stattfinden können Cf. Hertzberg p. 365* 

1) Polyb. IX, 8. Isokr. Phil. 48,,«' fiiarj tJ nokst'^ auch X. Hell VII, 

5, 11 sagt jyinel iy^vero iv tt} niXei^' Lachmannl'p. 417 findet die Darstellung 

Xenophons absichtlich verwirrt. Nur die ünkenntniss der Lage und des 

Terrains von Sparta macht dies Urtheil erklärlich. 

1) VergL über die Heldenthaten des Archidamos und Isidas Plat, 
Ag. 34. 



236 

ein, die mauerlofe' Stadt mit Sturm zu nehmen. An einen wei- 
teren Angriff, oder gar an eine Belagerung durfte er bei dem 
Stande der Dinge nicht denken. Er hatte bei feinem erften Feld- 
zug, als Sparta über kein Heer verfugte und faft der ganze 
Peloponnes zu Theben hielt, die Erfahrung gemacht, dafe eine Er- 
ftürmung Spartas fich bei zweckmäfsiger Verfchanzung des fchwie- 
rigen Terrains nicht erzwingen liefs. Und nun lagen die Dinge 
noch wefentlich anders wie damals. Eine Erhebung der Heloten 
und Periöken fand nicht ftatt, und die Ankunft der verbündeten 
Truppen aus Mantinea ftand jeden Augenblick zu erwarten. So 
war für Epaminondas ein weiteres Bleiben nicht, gerathen. Sein 
wohlangelegter Plan war mifeglückt. Doch liefs fich das Feld- 
hermgenie des Epaminondas durch diefen einen Mifeerfolg 
nicht entmuthigen. Vielmehr benutzte er den günftigen Augen- 
blick, um ein neues, ebenfo kühnes Unternehmen zu beginnen. 
Er hatte durch Gefangene erfahren, dafs das Heer der verbün- 
deten Peloponnefier auf Geheifs des Agefilaos zum Entfatz von 
Sparta heranrücke und dafs Mantinea felbft auf diefe Weife von 
Truppen entblöfst fei. Er beherrfchte den directen Weg von 
Sparta dorthin und befchlofs daher durch einen Handftreich 
Befitz vom Centralpunkt der feindlichen Macht zu ergreifen. 
Er verlor keinen Augenblick. Durch falfche Lagerfeuer fuchte 
er den Feind irrezuleiten und zog dann auf geradem Wege fo 
fchnell als möglich nach Tegea zurück. Während er dem Fufs- 
volk dort einen Rafttag gönnte, fandte er feine Reiterei fogleich 
weiter gegen Mantinea vor; ein plötzlicher Ueberfall liefs fich 
um fo leichter bewerkftelligen, als wegen der Emdte die ganze 
Bevölkerung auf den Feldern zerftreut war. Auch diefer kühn ent- 
worfene Plan des Epaminondas konnte durch einen aufser menfch- 
licher Berechnung liegenden Zufall nicht zur Ausfuhrung gebracht 
werden. Die athenifchen Hilfscontingente, die doch den Marfch zu 
Lande gemacht, waren wenige Stunden vor dem Angriff in Man- 
tinea angelangt. Trotz ihrer Uebermüdung wagten fie es auf 
Brtten der Bürger, vereint mit den wenigen wehrhaften Man- 



237 

nem der Stadt den Kampf zu beftehen. Der Erfolg lohnte ihre 
Kühnheit Nach hitzigem Gefecht, das auf beiden Seiten blu- 
tige Opfer*) forderte, blieb die athenifche Reiterei Herr des 
Platzes, während die Thebaner, die auf keinen Kampf vorbe- 
reitet und vom langen Marfche erfchöpft waren, fich zurückzie- 
hen und die Leicfen ihrer Gefallenen von den Siegern erbitten 
mufsten. Die Mantinäer fahen fich auf diefe Weife durch das 
rechtzeitige Erfcheinen und tapfere Eingreifen der Athener gerettet, 
und die Ehrbezeugungen *), die fie dem athenifchen Hipparchen 
Kephifodoros und Gryllos, Xenophons Sohn, zollten, welche beide im 
Kampfe den Heldentod gefunden, beweifen deutlich, dafs fie die 
Bedeutung der ihnen gebrachten Hilfe voll zu würdigen verftan- 
den. So waren die Entwürfe des Epaminondas, welche Polybius 
als Beifpiel der gröfsten Kriegskunft beleuchtet, und deren kluge 
Berechnung Xenophon gebührend anerkennt, im Kleinen wie im 
Grofsen fehlgefchlagen. Der Muth des Feldherm war jedoch hier- 
durch nicht gebeugt. Was er bisher hatte vermeiden wollen. 



1) Plut. de Glor. Ath. ,p. 346. Diod. XV, 84 u. Polyb. IX. 8 berich- 
ten gleichfalls, freilich mit einigen Abweichungen u. Ungenauigkeiten, von 
diesem Reitergefecht. Die Gelehrten haben mit Recht der von uns wieder- 
gegebenen Darstellang des Xenophon den Vorzug ertheilt. Plut. gedenkt 
a. a. 0. eines Gemäldes d. Euphranor, welches dieses Reitergefecht 
zum Gegenstand hatte. Es stellte vor Allem, wie wir aus Paus« VIII, 
9, 8, I, 3, 4 sehen, den Heldentod des Gryllos, des Sohnes Xenophons dar, 
der wie wir auch aus anderen Quellen wissen, (Diog. Laert. II, 53. Suidas 
s. V. Kephisodoros u. Harpokratlon s. v. Kephisodoros) in jener Reiterat- 
taque ein rühmliches Ende fand. Die Worte Xenophons (Hell. VII, 6, 17) 
^^avTutv (sc. ^A&f]vai(tiv) änä^avov avSqeg äya&ol xal anixisivav ds dri- 
Xov Ol* TOiOüTot;^'* können als Motto zum Bilde dienen. Die Verwechselung 
dieses Reiterkampfes mit der späteren Schlacht bei Mantinea bedingte die 
falsche Version bei Paus. (I, 3, 4 u. VIII, 11, 6), der auf das Gemälde des 
Euphranor u. d. später verbreitete Sage in Athen gestützt, dem Gryllos die 
Ehre zuschreibt, den Epam« getödtet zu haben, während in Wirklichkeit d* 
thebanisebe Reiteroberst durch d. Hand d. tapferen Atheners fiel. Vergl. 
d. ausführliche Stellenbehandlung bei Schäfer Rh. M 1847 p. 58—76, die 
Lachmann p« 456 (Beilage 4) offenbar nicht gekannt hat — sonst hätte sein 
ürtheil über d. Gegenstand d. Gemäldes wesenMich anders ausfallen müssen. 

2) Paus. VIII, 9, 10. 



238 

fuchte er jetzt felbft herbeizufuhren — eine Entfcheidungsfchlacht. 

I 

Es lag ihm daran nach den vergeblichen Märfchen und kleinen 
Unfällen die empfangene Scharte rafch wieder auszuwetzen. Zu- * 
dem drängte .die Zeit ^) den unvermeidlichen Kampf nicht mehr 
hinauszufchieben. Im Peloponnes nahte die Emdte ; feine dortigen 
BundesgenoiTen wünfchten daher eine rafchdl Beendigung des 
Krieges und hatten fich wol nur für eine beftimmte Frift.zur Hee- 
resfolge verpflichtet. Die Spartaner und die Bundestruppen waren 
dem Epaminondas wieder nach Arkadien gefolgt und harrten vor 
Mantinea des Angriffs. So kam es in der Ebene von Tripo- 
litza, im Auguft 362*), zum Kampf. Epaminondas rückte von 
Tegea aus, ging aber nicht in gerader Richtung auf den Feind los, 



1) X. HelL VII, 5, 18 sagt: ^^Ena^€iV(!)v6aq €v&Vfiovfi€vog, ow oXi- 
yü)v fi€v fj^dQWv ävayxrj eüoiro ärndvai diä zb i^rjxeiv Tri crgaTsUf zw 
XQovov" etc. Lachmann I, p. 419 sieht in diesen Worten eine Verwechselung 
mit dem ersten Einfall in Lakonien. Wahrscheinlich ist diese Vermuthang, 
wie Schäfer erkannt hat, nicht. Aber ich kann auch Schäfers Erklärung 
(a. a. 0. p. 55) nicht theilen, dass dem Epam. von Theben aus eine be- 
stimmte Frist für den Feldzug gesetzt gewesen sei; bei einem grossen Kriege, 
bei welchem sich durch unvorhergesehene Umstände fast täglich neue Con- 
junctureii boten, liess sich ein Rückkunftstermin garnicht auf Tag u* Stunde 
bestimmen. Thirlwall p* 145 meint, Epam. habe in Rücksicht auf d. Erridte 
geeilt; ich bin im Text, wenn auch in modificirter Weise, dieser Annahme 
gefolgt. 

2) Nach Diod. XV, 82 u. Plut. vit. X. orat. p. 845 fand d. Schlacht 
unter d. Archontat d, Charikleides statt« Plut. de glor* Ath» p» 360 A be- 
stimmt d* Tag auf d. 12. Skirophorion, was nach den Berechnungen BÖckhs 
u. Ungers („Chronolog. d. Manetho^^ p. 311) d. 3., — nicht, wie Schäfer p. 
51 angiebt, dem 5. — Juli d. Jahres 362 entspricht. Diese verschiedenen 
Zeugnisse scheinen in ihrer Uebereinstimmung zwingender Natur zu sein. 
Und doch ist die Datirung nicht richtig. Das Symmachiedecret zwischen 
Athen u. Arkadien, das wie Köhler Mitth. I, p. 201 mit Recht aus Zeile 6 
d. Inschrift folgert, noch vor der Schlacht bei Mantinea erlassen ist, fallt 
nach den Praescripten in d. Archontat d* Molon, welches etwa am 22. öder 
23. Juli 362 seinen Anfang nahm. Die Schlacht kann etwa drei Wochen 
später stattgefanden haben. 2Ienöphons Angabe, dass es damals Emdtezeit 
war, steht damit in vollem Einklang. (Vergl* Mommsen „Zur Kunde des 
gr. Klimas*' Schleswig 1870, p. 8.; DaDiodor in Datirungsfragen viele grobe 
Irrthümer begangen hat u. Plut. d. Tag d. Schlacht bei Mantinea in einem 
grösseren Yerzeichnisa von Schlachttagen giebt, in welchem er bei dreien 



. 239 

fondern entfernte fich durch eine Schwenkung nach links zu den 
Höhen, die im Nordweften die Ebene umfäumen. Dort machte 
er Halt und traf Anftalten ein Lager zu beziehen. ' Beim Feind, 
welcher fich fchon in voller Schlachtordnung, aufgeftellt hatte, er- 
weckte er hierdurch die Ueberzeugung, dafs er fürs Erfte einen 
Kampf vermeiden wolle. Das Fufsvolk trat daher aus den Rei- 
hen, die Reiter zäumten ab, die Ordnung löfte fich. Gerade das 
hatte Epaminondas bezweckt; er machte Kehrt und ging alsbald 
zum Angriff vor. Während er fich in Bewegung fetzte, fonpirte 
er aus den Hopliten des linken Flügels, den Thebanem, eine 
tiefe Angriffscolonne ; das Centrum und den rechten Flügel, die 
Argiver, hielt er deployirt, und ertheilte ihnen den Befehl, den 
Feind blos zu befchäftigen und ihn zu hindern gegen den Haupt- 
angriff zu Hilfe zu kommen. Zum felben Zweck, und um zugleich 
feinen rechten Flügel vor einem heftigen Vordringen der Feinde 
zu fchützen, befetzte er mit einem Detachement von Leichtbe- 
waffneten, Reitern und Söldnern die Abhänge der Hügel, welche 
das Schlachtfeld begrenzten. Das Treffen eröffnete die thebanifche 
Reiterei. Nach kurzem Gefecht gelang es ihr die fpartanifchen 
Reiter zu werfen , ^ die , wie das ganze Heer , beim Be- 
ginn der Attaque in höchfler Eile und nur unzureichend 
die Schlachtordnung wieder gewonnen hatten. ' Dann rückte 
Epaminondas mit feiner Hoplitenphalanx gegen den rechten 
feindlichen Flügel, auf dem die führenden Mantinäer und 
die Spartaner poflirt waren, vor. Hier follte die Entfcheiduug 
fallen *). Der hitzige Kampf, der fich entfpann, endete fchon mit 



nachweislich den Tag d Schlacht mit d. Daten des Dan^esfestes verwech- 
selt hat (Böckh ,,Mondcyklen'* p. 64), so kann es keinem Zweifel unter 
liegen, dass wir diesen unzuverlässigen Gewährsmännern gegenüber der in- 
schriftlich gewonnenen Fixirung den Vorzug ertheilen u. den bisher allge- 
mein äcceptirten Kampfestermin um etwa 6 Wochen herabrücken müssen. 

I) Eine eingehende Beschreibung der Schlacht, d. Xenophon sehr an- 
schaulich schildert, bieten Schäfer („Schlacht bei Mantinea* Rh. M. 1847, 
p. 56 folg.) Köchly u. Rüstow (p. 175 folg. mit Plan) u. die meisten unse- 
rer Handbücher, auf die ich hier verweise. Diod. ist ausführlich, aber ver- 



240 

I 

einem voUftändigen Siege der Thebarier, — da fank Epaminondas, 
der rückfichtslos zur Anfeuerung der Seinigen fich in das Kampf- 
getümmel gewagt, tödtlich getroffen zu Boden ^). Der Fall des 
Führers wirkte lähmend auf den ganzen Gang der Schlacht Die 
Truppen wurden muthlos, die Verfolgung flockte, und den Athe- 
nern gelang es fogar, auf dem rechten Flügel einige Vortheile zu 
erringen. Zwar blieben die Thebaner Herren des Kampfplatzes, 
aber der Tag von Mantinea, auf den ganz Griechenland mit angft- 
voUer Spannung gewartet, brachte keine Entfcheidung. Es war 
ein Sieg ohne Sieger, ein Kampf ohne Preis. „Man wufste nur, 
dafs Sparta die Hegemonie ein für alle Mal verloren habe und 
dafs Theben fie nicht erhalten würde." 



vforren^ da er oder wol sein Gewähramann schon den Reiteraugriff mit in 
die Schlacbtbeschreibung verarbeitet hat* 

1) Dass Gryllos nicht den Todesstoss geführt, haben wir bereits oben 
gesehen. Nach Paus. Vi II, 11, 5 folg. nahmen so wol die Mantinäer als 
auch d. Lakedämonier die Ehre für sich in Anspruch und bezeichneten 
übereinstimmend d. Machairon als Thäter. Plut. Ag. 35 entscheidet die 
Frage: er sagt, dass ein Lakone Antikrates, dessen Nachkommen d. Lakedä- 
monier y^MaxaiQiojvag^' nennen und von dem ein Spross Kallistratos zu sei- 
ner Zeit lebte, den Epam. getödtet habe. Die Angabe ist so genau, dass 
wir dem solche Fragen mi.t besonderem Eifer erforschenden Polyhistor 
unseren Glauben nicht versagen können. 



Schlufs. 



Es ift ein Bild mit dufterem Hintergrund, das fich vor unfe- 
ren Augen entrollt hat. Die fünfundzwanzig Jahre griechifcher 
Gefchichte, die wir betrachtet, fmd Jahre fteten BruderkaQipf(^. 
Und in dem ewigen Zwift und Hader zerfplittem die Kräfte und 
werden die Keime gelegt zur politifchen Auflöfung, die Grie- 
chenland fo bald nachher den Raub eines mächtigen Eroberers 
werden liefs. 

Sparta, das durch den peloponnefifchen ICrieg zur erften 
Grofsmacht von Hellas erhoben war, erreichte in der von uns be- 
handelten Zeit den Gipfelpunkt feines Einflufses und feiner Herr- 
fchaft — um defto jäher dann aus feiner ftolzen Höhe zu fallen 
und an den Rand der Vernichtung gebracht zu werden. Es ift 
ein ergreifendes Schaufpiel, wie noch unter den Augen des greifen 
Heldenkönigs, der feinen Staat von Erfolg zu Erfolg gefuhrt, in 
den anfcheinend fo feft begründeten Bau Brefche auf Brefche ge- 
fchlagen wurde, bis fich zuletzt das Schickfal des nie befiegten 
Sparta auf den Blachfeldern von Leuktra und Mantinea erfüllte» 
Hin fank das Anfehen der Eurotasftadt, deren Machtwort einft 
in Griechenland entfchied, gebrochen war ihr Einflufs und fie, 
die fich rühmen durfte feit Jahrhunderten nie den Rauch ein^s 
Feindeslagers erblickt zu haben, entging nur wie durch ein Wun- 
der dem Untergang und der völligen Zerftörung» 

Auf Koften des finkenden Sparta erhob fich von Neuem 

Athen: aber auch hier war die wiederbegründete Seeherrfchaft 

nur ein Nachklang früherer Gröfse, auch hier kam man über 

16 



242 

weitangelegte Pläne und Intentionen nicht hinaus. Die Kräfte 
erlahmten und ermatteten bei der Durchfuhrung und immer deut- 
licher zeigte es fich, dafs auch Athen nicht im Stande war, feine 
einftige Stellung wieder zu gewinnen. 

Und während die bisherigen Grofsmächte Griechenlands 
nach Auffen hin Schritt für Schritt ihren Einflufs und ihre 
Bedeutung verloren, weil im Inneren die Kräfte verbraucht, 
der Gehalt des Volkes erfdiöpft war, trat ein neuer Staat 
in den Vordergrund der politifchen Schaubühne, der eine durch- 
greifende Umgeflaltung der Verhältnifle herbeiführte. Es war 
dies Theben. Der Auffchwung der alten Kadmäerfladt, die fich 
aus eigener Kraftentwickelung zum Mittelpunkt eines Staates machte, 
der bald eine führende Rolle in Griechenland fpielen follte, 
w^r fo fchnell, fo glänzend und überrafchend, dafs durch diefen hellen 
Lichtpunkt in dem dunkelen Gemälde beginnenden Verfalles noch 
das Auge des heutigen Befchauers geblendet wird. So ifl es gekom- 
men, dafs man in dem ruhmvollen Aufftreben der thebanifchen Politik 
das letzte Aufleuchten ideal-panhellenifchen Geiftes erblickt hat, fo ift 
es gekommen, dafs man gemeint, Theben habe aus rein nationa- 
lem InterefTe das felbflfüchtige fpartanifche Gewaltfyflem brechen, 
das einfüge Erbe Athens antreten und die vorortliche Leitung 
eines frei verbundenen Griechenlands nach AufTen hin übernehmen 
wollen. Gerade weil die Erhebung und Gröfse Thebens in eine 
Zeit fällt, als fich die Sonne Griechenlands fchon zum Unter- 
gange neigte, hat man immer wieder mit rückhaltslofer Be- 
wunderung in diefer Machtentwickelung den letzten und herrlich- 
ften Abglanz Alles deffen gefehen, was einfl den Inhalt von Grie- 
chenlands weltbeherrfchender Stellung gebildet. Und weil The- 
bens Ruhm unzertrennlich verbunden ifl mit dem feines gröfsten 
Führers, fo hat man Epaminondas zum Friedensfürflen, zum Ideal 
eines Menfchen, Bürgers und Staatsmannes geflempelt und ihn als 
echteflen Repräfentanten hellenifchen Wefens gefchildert. 

So begreiflich es ifl, dafs die Nachwelt mit immer neuem 
InterefTe bei jener glänzenden und feffelnden Machtentfaltimg eines 



243 

bis dahin in zweiter Linie ftehetlden Landes verweilt, fo ift es 
um fo mehr Pflicht des kritifchen Gefchichtsfchreibers fich den 
Blick nicht trüben zu laffen, fondern frei von der Parteien 
Gunft und Mifsgunft ein Bild diefer bedeutungsvollen Periode 
2u geben, das der Wahrheit gerecht zu werden verfucht. Es 
ift eine fchwierige Aufgabe — und in gewiflem Sinn eine 
undankbare. Denn die Auffaflung von der felbftlos-idealen und 
panhellenifchen Politik Thebens und feiner Führer hält vor 
der hiftorifchen Kritik nicht Stand. Es läfst fich in den Hand- 
lungen und Plänen des Epaminondas und feiner Parteigenoffen 
auch nirgends ein Anhaltspunkt entdecken, der uns zum Urtheil 
berechtigte, fie hätten das Intereffe fürs Allgemeinwohl zur Rieht- 
fchnur ihres Strebens und Thuens gemacht. Vielmehr lehrt eine 
unbefangene Betrachtung der Ereignifle, dafs der ganze Entwicke- 
lungsgang, den die thebanifche Macht genommen hat, unverein- 
bar fei mit der den Führern des neuen Grofsftaates zugefchrie- 
benen panhellenifchen Gefmnung. Aber dafs man eine nationale 
Einigung unterliefs, eine panhellenifche Hegemonie im idealen Sinne 
des Wortes nicht einmal anftrebte, ift kein Vorwurf, der Theben trifft. 
Es ift höchftens ein Vorwurf gegen die damalige Zeit überhaupt. 
Sie war keine panhellenifche mehr. Die Tradition der Perfer- 
kriege war verklungen und felbft in Athen, wo man ja ftets am 
Meiften nationalen Geift gehegt und gepflegt, wurden die, welche 
die Tage des Themiftokles und Perikles als leuchtendes, nachzu- 
eiferndes Vorbild betrachteten, wie Träumer und Thoren ver- 
fpottet. Man hatte fich in Hellas daran gewöhnt, fich in all' den 
wichtigften Entfcheidungsfragcn an den Grofskönig und auswärtige 
Tyrannen zu wenden, der Gegenfatz zwifchen Barbaren und Grie- 
chen war durch den fteten regen Verkehr mit fremden Ländern" 
verblafst und eine Einigung aller die ^utterfprache fedendeti 
Völkerfchaften als Kampfmittel wider das Perferreich und die 
auswärtigen Machthaber lag dem damaligeh Sein und Fühlen 
fchon fem^ Und nun gar in Theben, wo die glorreiche Erinne- 
rung an den grofsen Nationalkampf nur eine Erinnerung der Schmach 



244 

fein konnte, wo man fich nie im Gegenfatz zu Perfien gewufst und 
ftets nur in Sparta oder Athen den natürlichen Feind gefehen hatte, 
follten nationale Einigkeits- und Friedenstendenzen^die Norm des 
politifchen Handelns gebildet haben? Das ift fchon an fich un- 
denkbar, ganz abgefehen davon, dafs die Thatfachen felbft, wie 
bereits dargethan, beredtes Zeugnifs gegen diefe Auffaflung abl^en. 
In fpäterer Zeit freilich, als durch das Eingreifen einer neuen Bar- 
barenmacht die griechifche Freiheit zu Grabe getragen wurde, 
fchärfte fich auch von Neuem das Nationalgefühl, und man er-> 

I 

blickte jetzt in dem letzten Machtauffchwimg eines griechifchen 
Staates den Verfuch, ein Bollwerk gegen die auswärtigen Feinde 
zu errichten und fchrieb den thebanifchen Freiheitshelden- das 
Sehervermögen zu, dafs fie Griechenland einig und ftark machen 
wollten in der Vorahnung, es bedürfte einer folchen Confolidirung, 
um dem freilich erfl nach einem Menfchenalter fich erhebenden 
Makedonerreich Widerftand bieten zu können. 

Nein, das Ziel des Epaminondas war ein anderes. Und weil 
er feine Zeit verftand und beherrfchte, mufste es ein anderes fein. 
Es war, meine ich, drum kein fchlechteres: „Denn auch der Par- 
ticularismus kann edle Früchte treiben, wenn er geftützt auf eine 
beffere Vergangenheit eine fchmachvoUe Gegenwart mit Anfpan- 
nung aller Kräfte bekämpft.** Um die eigene verlorene Selbflän- 
digkeit wiederzuerringen, hatte man den fchweren Krieg mit Sparta 
begonnen und nun hierbei von Erfolg zu Erfolg geführt, erweiterte 
fich das Programm der thebanifchen Politik immer mehr, bis das 
Endziel : die Herrfchaft Böotiens über ganz Griechenland zur Gd- 
tung zu bringen , klar gegeben war. Vom erften Heereszug in 
den Peloponnes bis zur Schlacht bei Mantinea verfolgten Thebens 
Führer unentwegt diefen Plan , ftetig und mit Aufbietung aller 
Mittel, wie denn auch dasUrtheil der Zeitgenoffen ') ihre Beilre- 



1) Xenophon (Hell. VII, 5, 18) bespricht die Gründe und ErwS^n- 
gen, die Epaminondas veranlassten bei Mantinea zu kämpfen, und fahrt dann 
fort: bI ib ano^otvot xaXifif xipf TfAfvr^ fiyricaTolßüBöd^ai nct^fiivw 
T^ nougUi äqxv^ HeXo/fovviiao'v xaxakmaXv. Und auch in Xenophoni 



245 

bungen als naturgemäfs auf die Beherrfchung von Hellas gerich- 
tet aufgefafst hat. Für einen böotifchen Patrioten war diefes Ziel wol 
des Kampfes würdig, würdig, dafs Epaminondas' es mit Einfetzung 
feiner ganzen Perfönlichkeit zu erreichen fuchte* Verwirklichen 
liefs fich diefes Streben nach Hegemonie freilich nicht. Nicht 
nur uns, die wir von der Warte fpäter Jahrtaufende die Ereig- 
niffe ' betrachten, fondem auch dem leidenfchaftslofen zeitgenöffi- 
fchen Befchauer hat fich die Ueberzeugung aufgedrängt, dafs der 
Verfuch, die auf verhältnifsmäfsig niederer Culturftufe flehende 
Bevölkerung einer mittellofen Binnenlandfchaft mit einem Schlage 
zum Herrfcher von Griechenland zu machen, nothwendig fcheitem 
mufste. Wol konnten die kriegstüchtigen Thebauer unter der 
Leitung ihrer Helden das alte Staatenfyflem zertrümmern, aber 
auf die Dauer ein neues zu begründen , dazu fehlte dem Volk, 
deflen Bedeutung lediglich auf der hervorragenden Perfönlichkeit 
feiner Führer bafirte, die fittliche Kraft und Reife, und früher oder 
fpäter mufste es fich zeigen, dafs der unter dem Hochdruck eines 
mächtigen Willens errichtete Bau den Stürmen des Lebens nicht 
Stand halten konnte. Wir dürfen den Epaminondas von der 
Schuld^) nicht freifprechen, dafs er die Leiftungsfähigkeit feines 
Volkes überfchätzt und es zu Aufgaben geführt hat, denen das 
Können und Vermögen desfelben nicht gewachfen war — es ift 
das freilich eine Schuld, die er mit den hervorragendften Män- 
nern der Gefchichte theilt. Eben weil fie den Funken des Prome- 
theus in ihrer Hand verfpüren, fuchen fie ihn auch in ihrem 
Volke anzufachen, unbekümmert darum, dafs er zur verheeren- 
den Flamme werden kann* Weil fie geiftig hoch ihre Zeit 



Angen hat dieses Strebeu nichts Tadelnswerthes, sondern er hält es, wie das 
Folgende <§ 19) lebrt, für etwas ganz Naturgemässes. 

1) Die Mehrzahl der neueren Gelehrten meint freilich, wir dürften 
uns hierüber kein Urtheil anmassen, da Epam* mitten ans seiner Helden- 
lanfbahn abberufen sei. Andere suchen auch hier eine beredte Vertheidigung 
des Epam. zu geben* Am Weitesten geht Pomtow p. 102, der die falsche 
'Schätzung der thebanischen Macht für Ep« als Recht in Ansprach nimmt, 
weil es damals noch keine Statistik gegeben habe* 



246 

und ihr Volk überragen, fliehen fie daffelbe auf jede Weife zu 
ihrer Hohe zu erheben, ohne zu bedenken, dafs ein Entwicke- 
lungsgang, der Jahrhunderte erfordert, fich nicht in einem Men- 
fchenalter durchmachen läfst. Von Unternehmen zu Unterneh- 
men, von Krieg zu Krieg führte Epaminondas fein Volk — bis 
er zuletzt auf der Wahlftatt von Mantinea felbft das Eingeftändnife 
liefern mufste, dafs er Unmögliches ^) gewollt. Die böotifche Tra- 
dition, die mit liebevoller Schilderung bei den letzten Augen- 
blicken des Helden verweilt, berichtet, Epaminondas habe, in rich- 
tiger Erkenntnifs der Armuth Thebens an Männern, die im Stande 
waren den Gang feiner Politik weiter zu wandeln, feinen 
Mitbürgern den Rath erteilt,- Frieden zu fchliefsen. „Er hatte 
keinen Nachfolger, und fein Tod war der Abfchlufs einer 
gefchichtlichen -Epoche, die nie wiederkehren konnte.'* Das Alte 
war zerftört, ohne dafs neue fefte Zuftände begründet waren, und 
überall herrichte nach dem Fall des Epaminondas Schwanken, 
Verwirrung und Unficherheit. So durfte der zeitgenöffifche Hifto- 
riker fein Werk mit den dufteren Worten befchliefsen: y^äxQtffla 

d^ xal ragax^ srt nXslwv fisia ttjv fiaxf^v iyivBto tf ngocd'ev iv rrj 
^EXXadi.*'^ ^) Wir dürfen es nicht. Wer in der Gefchichte nicht das 
Spiel des blinden Zufalles fleht, fondem das zielbewufste Walten 
eines höheren Geiftes, für den ift es ein Frevel, die Thätigkeit 
des Epaminondas ftir eine erfolglofe, fein Streben für ein vergeb- 
liches zu halten» Das Wirken und Wollen eines Mannes, der die 
Gefchicke feiner Zeit beherrfcht, geht nie fpurlos vorüber; und 
ohne die Tage von Leuktra und Mantinea wären die Siegeszüge 
der Makedoner undenkbar gewefen, die zwar Griechenlands Frei- 
heit zu Grabe trugen, aber Geift und Bildung, Cultur und Gefit- 
tung der Hellenen zum Gemeingut der Menfchheit machten. 



1] Ich stehe mit dieser Ansicht namentlich im Oegensatz zu Gortias 
(III, 379), der in Epam. erst d. Hellenen n. dann in zweiter Linie jden The- 
baner sieht (p. 383) n. eine geradezu panegyrische Schildemng d* böoii- 
schen Hegemoniebestrebnngen giebt» 

2) X. Hell. Vn, 6,^27. 



Nachträge. 



Zu p. 3 folg. Die Numismatiker haben fchon längft ge- 
wufst, was ich nicht einmal als Vermuthung auszufprechen wagte, 
dafs Konon nach der Schlacht bei Knidos einen föj;mlichen Städte- 
bund begründet hat. In Samos, Ephefos, Rhbdos, Knidos und 
auf lafos ift in der Zeit eine Föderativmünze gefchlagen 
worden, die als Stempel das Bild des Herakles trägt» Es 
hat alfo damals ein Bund diefer Staaten beftanden, deren eini- 
genden Mittelpunkt ein Heraklesheiligthum bildete. Vergl. Wad- 
dington Revue num. 1863 ?!♦ X, i — 4. Head „Ephefos** 1880 
p, 25 — 27 pl. n, I. Ich citire noch Imhoof-Blumer „Monnaies 
Grecques" p. 311» 

Zu p. 118. Der Druck meiner Schrift war bereits been- 
det, als mir die Arbeit von Szanto „Athen und Plataeae" 
Wiener Studien 1884, II, p. 159 folg. zugänglich ' wurde» 
Szanto ertheilt, ebenfo wie ich es gethan, dem Berichte des Pau- 
fanias über die Zerftörung Plataeaes durch die Thebaner den 
Vorzug. Doch kann ich mit ihm nicht übereinftimmen, wenn er 
die Notiz Diodors, dafs Plataeae fich damals habe Athen an- 
fchliefsen wollen, für baare Unmöglichkeit erklärt. Er meint 
(p. 168), dafs Plataeae, wenn es fich überhaupt um fremde Inter- 
vention bemüht, fich naturgemäfs hätte nach Sparta wenden 
muffen. Allein einmal war Sparta, da es damals zugleich mit 
Theben und dem Seebunde Krieg führte, gamicht im Stande 
Plataeae eine wirkfanie UnterfUitzung angedeihen zu laffen, dann