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Full text of "Geschichte der Wandalen"

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CHARLES MINOT 
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GESCHICHTE 



DER WANDALEN 



VON 



Dr. LUDWIG SCHMIDT 

BIBLIOTHEKAB AN DER KÖNIGL. ÖFFENTLICHEN BIBLIOTHEK 

IN DRESDEN. 




LEIPZIG 

VERLAG VON B. G. TEUBNER 

1901. 






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ALLE BEOHTE, 
EINSCHLIESSLICH DES ÜBERSETZUNGSRECHTS, VORBEHALTEN. 



DRUCK VON B. G. TEUBNER IN DRESDEN. 



Yorwort. 



JNachdem seit 1837, in welchem Jahre das für seine Zeit vor- 
treffliche Werk Papencordts herauskam, keine eingehende kritische 
Spezialuntersuchung über die Gesamtgeschichte der Wandalen ver- 
öffentlicht worden ist, erschien es angemessen, dieses Thema wiederum 
einer Bearbeitung zu unterziehen, um so mehr, als namentlich durch 
die modernen französischen, auf Ausgrabungen und Lokalforschungen 
basierten Arbeiten über das römische Afrika auch für die Geschichte 
des wandalischen Reiches vielfach neue, gesicherte Grundlagen ge- 
schaffen worden sind. Ich habe mich bemüht, die wichtigste Litteratur 
möglichst ausgiebig heranzuziehen, wenn auch manche wertvolle Unter- 
suchung mir entgangen sein mag. Eine von mir im Jahre 1888 
publizierte kleine Schrift über die Zeit vor der Eroberung Afrikas 
ist in das vorliegende Buch in völlig veränderter Gestalt, wesentlich 
erweitert und verbessert, aufgenommen worden. Von der Beigabe 
einer Karte mufste leider abgesehen werden; für das Topographische 
sei daher hiör auf die Karten im Corpus inscriptionum Latina- 
rum VIII, 2 (Berol. 1881); Tissot, Geographie comparee de la pro- 
vince Romaine d'Afrique, Atlas par S. Reinach, Paris 1888; Cagnat, 
L'armee Romaine d'Afrique et Toccupation militaire de TAfrique sous 
les empereurs, Paris 1892; Atlas archeologique de la Tunisie (De- 
scription de TAfrique du Nord), Paris 1893 ff.; Diehl, L'Afrique 
Byzantine. Histoire de la domination Byzantine en Afrique, Paris 1896, 
verwiesen. Für das Gebiet zwischen Bone und Philippeville (Massif 
de TEdough) sowie das Grenzgebiet zwischen Byzacena und Tripolis, 
femer für Mauret. Gaes. kommen besonders die Karten im Recueil des 
notices et memoires de la soc. arch. du dep. de Constantine vol. 32 
(1898) p. 96. 146 und bei Cat, Essai sur la province Romaine de 
Mauretanie Cesarienne, Paris 1891, in Betracht. 

Herrn Dr. Adolf Schulten in Göttingen sei an dieser Stelle für 
seine freundliche Hülfe noch besonders gedankt. 

Dresden, im September 1901. 

Ludwig Schmidt. 



InhaltsTerzeiclmis. 



Seite 

Vorwort m 

Erstes Buch: Die älteste Zeit 1—38 

Anhang zum ersten Buch : Die Verfassung in ältester Zeit . . . 38 — 44 

Zweites Buch: Das afrikanische Reich unter Geiserich 45 — 100 

Drittes Buch: Die Nachfolger Geiserichs bis zum Untergange des Reiches 101—152 
Viertes Buch: Innere Geschichte des afrikanischen Reiches .... 153 — 202 
Stammtafel # • • • 203 



Erstes Biich. 



Schmidt, Wandalen. 



Der Name „Wandalen*'^) umfalste ursprünglich eine gröfsere 
Gruppe germanischer Völker im östlichen Deutschland und blieb 
später allein auf zwei derselben angehörenden Stämmen^ den As- 
dingen und Silingen^^ haften. Das älteste Zeugnis für die um- 
fassendere Bedeutung dieser Bezeichnung verdanken wir der Natur- 
geschichte des älteren Plinius (ca. 77 n. Chr.) IV, 14, 99 (nach Müllen- 
hoflfs Ausgabe, öermrfnia antiqua, Berol. 1873, p. 91), der Vandili, 
quorum pars Burgondiones, Varinne (1. Varini), Charini*), Gutones 
den westgermanischen Verbänden der Ingwäonen, Istwäonen und Her- 
minonen gegenüberstellt. Auch Tacitus in dem allgemeinen Teil 
der Germania (geschrieben 98 n. Chr.) Kap. 2 erwähnt Vandilii als 
Name einer grofseren Völkervereinigung: er setzt an dieser Stelle 
dem Mythus von der Abstammung der Westgermanen und ihrer Drei- 
teilung die Ansicht etlicher römischen Antiquare von einer Teilung 
der ganzen Nation in vier grofse Gruppen, Marsen, Gambrivier, 
Sueben und Wandilier entgegen.^) In dem speziellen Teil der Ger- 
mania fehlt jedoch jener Name: in der hier gegebenen Schilderung 
der Völker des östlichen Deutschland nennt er (Eap. 43) von Süden 
nach Norden vorgehend nach den Cotini, deren Wohnsitze in den 
Gebirgen des nordwestlichen Ungarn östlich von den Quaden zu 

1) Der Name, der in verBchiedenen Formen als Vandili, Vandilii, Bavdilot, 
BccvdijXoi, Vandtdi, Vandali erscheint (vgl. darüber Wrede, Über die Sprache 
der Wandalen, Strafsbnrg 1886, S. 39), soll bedeuten: die „Beweglichen" oder 
die „Wandelbaren", ein von den benachbarten Völkern herrührendes Scheltwort, 
analog dem Namen der Lngier, der angeblich die „Lügnerischen" bezeichnet, 
vgl. Mnch in den BeitiUgen znr Geschichte der deutschen Sprache und Litteratnr 
XVn (1893), S. 32. 

2) Die Süingen werden ausdrücklich als Wandalen zuerst von Hjdatius 
im fünften Jahrhundert genannt (Chron. c. 49 z. J. 411 : Wandali cognomine Silingi 
u. 5.) ; doch erscheinen sie in den Quellen bereits im zweiten Jahrhundert unter 
diesem Namen, vgl. unten. 

3) Charini ist wohl Dittographie von Varini, also aus dem Text zu streichen; 
denn Ptolemäus (Geogr. m, 5), der diese Stelle benutzt hat (Holz, Beiträge zur 
deutschen Altertumskunde, Heft 1, Halle 1894, S. 69), kennt einen derartigen 
Volksnamen nicht, sondern nur A6olqwoI neben ^Qovyovvdimvsg. 

4) Quidam, ut in licentia vetustatis, pluris deo ortos plurisque gentis 
appellationes, Marsos, Gambrivios, Suebos, Vandilios affirmant, eaque vera et 
antiqua nomina. Vgl. Müllenhoff, Deutsche Altertumskunde E, 192; IV, 126. 

1* 



4 Erstes Bach. 

suchen sind^), jenseits des Gebirges (d.h. der Sudeten) die grolse 
Kultgenossenschaft der Lygier, dann die Goten innerhalb der greisen 
Beugung der Weichsel^) und die Rugier und Lemovier unmittelbar am 
Meere (zwischen Oder und Weichsel). Ergänzt werden diese Angaben 
durch Ptolemäus (bez. Marinus)^ der, wie neuerdings Holz nachgewiesen 
hat, für den Süden und Osten Germaniens eine sehr gute Quelle aus dem 
Anfang des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts, also aus einer 
wenig späteren Zeit, als Tacitus schrieb, benutzt hat. Wird diese 
aus der durch Kontamination verschiedener Berichte zusammen- 
gesetzten Ptolemäischen Yölkertafel herausgeschält, so ergiebt sich 
folgende Ansetzung für jene Periode: An der Weichselquelle sitzen 
die BovQOL als Teil der Lugier (/lovyLOc)^ die das Gebiet östlich der 
Sudeten {^A^üißovQytov ogog) bis an die Weichsel in Anspruch 
nehmen; südlich und südöstlich von den Semnonen, deren Sitze in 
der Mark Brandenburg und der Niederlausitz lagen, die ZiXCyyai im nörd- 
lichen Schlesien und wohl noch in der Oberlausitz. Die östlichen 
Nachbarn der Semnonen sind die BovQyovvtat, an die sich nach 
dem Meere zu die OvCQbvvoi (Warnen) und die Rugier (beide nach 
den Ortsnamen OvCqovvov^) und ^Fovyiov zwischen Oder imd Weichsel 
anzusetzen) anschliefsen (vgl. Holz a. a. 0. 33 ff. 59. 65). Die Goten 
haben das Gebiet östlich der mittleren und unteren Weichsel inne. 
Eine wandilische Völkergruppe kennt Ptolemäus nicht. Tacitus 
nennt fünf Völker der Lugier, jedoch mit der ausdrücklichen Be- 
merkung, dafs er nur die stärksten derselben aufführe: die Harii, 
Helvaeonae, Manimi, Helisii, Nahamavali; Ptolemäus nur drei, die 
BovQov^ 'Ofiavoi, jdiöovvioi (die beiden letzteren Namen sind ver- 
derbt, vgl. Holz a. a. 0. 46). Aus der geographischen Lage der Wohn- 
sitze der Silingen ergiebt sich indessen, dafs diese ebenfalls den 
Lugiern zuzuzählen sind.*) Ob das gleiche von den Burgundionen 
gilt, deren Name bei Tacitus fehlt, ist sehr fraglich. Dagegen spricht 
namentlich, dafs es schon vor der Besiedelung Deutschlands ein Volk 



1) Müllenhoff, D.A. H, 324ff. 

2) Vgl. MüUenlioff, D. A. n, 5. 0. Bremer in Pauls Gnindrifs der german. 
Philologie (Strafsburg 1899) HI *, 826 setzt die Goten zu beiden Seiten der oberen 
Weichsel an, was ich nicht für richtig halte. Die Zugehörigkeit derselben zum 
Marbodschen Völkerbund ist sehr zweifelhaffc. 

3) Nach Gnirs, das östl. Germanien und seine Verkehrswege 1898, Prager 
Studien auf dem Gebiete der Geschichte IV, 37, soll der Ort OvCqovvov einen 
Übergang über die Warthe bedeuten, eine Annahme, die wohl kaum der Wider- 
legung bedarf. 

4) Vgl. auch 0. Bremer in Pauls Grundrifs lU, 823. 



Die älteste Zeit. 5 

dieses Namens gegeben hat^)^ während die Lugier damals sicher noch 
einen Stamm gebildet haben. Die gemeinschaftliche Kultusstätte war 
ein heiliger Hain bei den Nahamavalen; wo ein göttliches Zwillings- 
paar, Alkiz mit Namen, verehrt wurde, deren Dienst ein Priester 
muliebri omatu versah.^) MüUenhojßf (Zeitschrift f. Deutsch. Altertum 
XII, 346 flf.) glaubt das Brüderpaar mehrfach in der deutschen Helden- 
sage nachweisen zu können. Wichtig ist vor allem der Nachweis, 
dafs der Name des wandalischen Eönigsgeschlechts Asdingen oder 
richtiger Hasdingen (gotisch Hazdiggos), der später auf den Stamm 
übertragen wurde*), „Männer mit Frauenhaar" bedeutet und auf das 
Taciteische muliebri omatu zu beziehen ist: wahrscheinlich ist die 
stirps regia der Asdingen aus dem Priestergeschlecht der Naharnavalen 
hervorgegangen.*) Es ergiebt sich hieraus, dafs das Volk (civitas) 
der Asdingen mit den Naharnavalen identisch ist. 

Vorwiegend wird nun — hauptsächlich nach der Autorität des 
Plinius — die Ansicht vertreten, dafs der Wandalenname anfanglich dem 
ganzen Zweig der Ostgermanen zukam, zu denen nach den Ergebnissen 
der modernen sprach- und rechtsgeschichtlichen Forschung aufser den 
Lugiem besonders die Goten, Gepiden, Rugier, Burgundionen, vielleicht 
auch die Langobarden gehörten^); ich möchte mich indessen der auch 
von 0. Bremer a. a. 0. S. 820 ausgesprochenen Vermutung anschliefsen, 
dafs jener in ältester Zeit nur von den Lugiern geführt und von den 
swebischen Nachbarstämmen irrig mit auf die nördlicheren Ost- 
germanen ausgedehnt wurde. Von Bedeutung für diese Auffassung 
ist namentlich der umstand, dafs allein zwei lugische Stämme, 
darunter derjenige, der das Bundesheiligtum behütete, später sich 

1) Wie ans dem Namen Burgundarholm (Bomholm) sich ergiebt, vgl. unten. 

2) Golther, Handbuch der germanischen Mythologie S. 214. 

3) Jordanes, Getic. c. 22. Waitz, Verfassungsgeschichte I', 319. 

4) Brunn er, Deutsche Rechtsgeschichte I, 126. 

6) Vgl. auch Prok. b. V. I, 2, der den Ost- und Westgoten, Wandalen und 
Gepiden denselben Körperbau, dasselbe Recht, dieselbe Religion (d. h. den 
Arianismus) und dieselbe Sprache zuschreibt. Grimm, Geschichte der deutschen 
Sprache 435 ff. Wrede, Sprache d. Wand. 6. Derselbe, Über die Sprache der 
Ostgoten in Italien 11. Schröder, Lehrbuch der deutsch. Rechtsgeschichte', 
11. 21. 26. 48. Loewe, Die ethnische u. sprachliche Gliederung der Germanen 
(HaUe 1899). Ficker, Untersuchungen zur Rechtsgeschichte (Innsbruck 1891ff.) 
I. n. (bes. n, 17); derselbe in den Mitteilungen des Instituts f. österr. Geschichts- 
forschung XXn (1901), S. Iff. Kier, Edictus Rotari. Studier vedrörende Lango- 
bardemes nationalitet. Aarhus 1898. Derselbe: Dansk og Langobardisk arveret. 
Aarhus 1901. Das Verhältnis der germanischen Rechte zu einander und ihre 
Bedeutung für die ethnographische Stellung der einzelnen Stämme ist noch 
nicht genügend gewürdigt. Die Sprache ist viel leichter Beeinflussungen unter- 
worfen als das Recht. 



6 Erstes Bnch. 

Wandalen nannten ; in ähnlicher Weise wie bei den Sweben aufser 
den Quaden das Kernvolk, die Semnonen, nach der Auflösung des 
Eultverbandes den alten Bundesnamen als StammesbezeichnuDg annahm. 
In der Geschichte erscheinen die Lugier zuerst um Christi Geburt 
als Zugehörige des von Marbod begründeten germanischen Völker- 
bundes (Strabo VII, 1,3: JovyCovg (liya Id'vog)] sie hatten also da- 
mals schon ohne Zweifel die erwähnten Sitze östlich der Sudeten 
inne. Das Vorhandensein einer festen Kultusstätte — denn dafs die 
Lugier schon zu Strabos Zeit nicht mehr eine civitas, sondern eine 
Völkergruppe waren, darf mit grofser Wahrscheinlichkeit angenommen 
werden^) — läfst darauf schliefsen, dafs sie bereits zu einer gewissen 
Seishaftigkeit gelangt waren und dafs sie jenes Gebiet geraume Zeit 
vor ihrem Bekanntwerden in Besitz genommen hatten. Der genaue 
Zeitpunkt, wann dies geschehen, läfst sich ebensowenig mit Sicher- 
heit angeben wie der Weg, den sie auf ihrer Wanderung von der 
Urheimat eingeschlagen haben. Die ältesten Sitze der Germanen in 
Mitteleuropa sind wahrscheinlich in Schonen und den nächstliegenden 
Küstenstrichen von HaUand, Bohuslän und Bleking, ferner in Däne- 
mark, Schleswig- Holstein und Mecklenburg zu suchen. Die Ost- 
germanen sind von Schweden aus direkt über das Meer in Deutsch- 
land eingedrungen.^) Dafür sprechen namentlich die archäologischen 
Funde, sowie eine Anzahl übereinstimmender Namen: Goten imd 
Gauten, Rugier in Pommern und im norwegischen Rogaland, Bur- 
gundionen und Burgundarholm (Bomholm) u. a. Gestützt wird diese 
Annahme durch die Ursprungssagen der Goten und Langobarden, in 
denen auch die Wandalen (d. h. nach dem oben Bemerkten die 
späteren Lugier)*) eine Rolle spielen. Jordanes erzählt (Get. c. 4), 
dafs die Goten nach ihrer Ankunft aus Scandza (d. h. Skandinavien)*) 
die am Meeresufer wohnenden Ulmerugen, d. h. die Liselrugier*), ver- 

1) Strabos Ansdrack fiiya iO^og spricht niclit dagegen; denn aucli die 
swebische Völkergruppe wird von ihm iO'vog genannt. 

2) VgL Kossinnain den Indogermanischen Forschungen VII (1897), 276 ff. 
Zeitschr. des Vereins für Volkskunde VT (1896) S. 12. Loewe a. a. 0. 0. Bremer 
im Anzeiger für deutsches Altertum XVm (1892), 413ff. Hedinger und Hirt 
in den Neuen Jahrbüchern für das klassische Altertum m (1899), 562 ff. Für 
eine Besiedelung Skandinaviens von Deutschland aus treten ein die nordischen 
Archäologen und 0. Bremer in Pauls Grundrifs. 

3) Lugier könnten auch die Wendlers in Nordjütland sein, vgl. meine 
Geschichte der Langobarden 37. 

4) VgL meine Gesch. d. Langob. S. 39 ff. 

5) Es können doch nur die Liseln an der Odermündung gemeint sein. Diese 
muTsten die Goten von Schweden kommend zuerst berühren. 



Die älteste Zeit. 7 

trieben und deren Nachbarn^ die Wandalen^ sich unterworfen 
hätten. Die Sage der Langobarden berichtet^); dals diese ^ nachdem 
sie von Slftuidinavien ausziehend das Land Scoringa (d. h. Uferland); 
also die Ostseeküste*) erreicht, mit den Wandalen unter Ambri und 
Assi in Krieg verwickelt worden seien. Dats die langobardische 
Wanderlegende durchaus original, nicht etwa der gotischen nach- 
gebildet ist, hat Bernheim') mit Recht betont. Man würde also, die 
Richtigkeit jener Erzählungen vorausgesetzt, anzunehmen haben, dafs 
die Rugier und Lugier zuerst die Urheimat verlassen und sich an 
der Ostseeküste niedergelassen hatten, wo sie mit den später nach- 
folgenden Goten und Langobarden in Konflikt gerieten. 

Im Jahre 50 nahmen lugische Völkerschaften, wahrscheinlich 
also auch Wandalen (Asdingen und Silingen), an der Zerstörung des 
Swebenreiches des Yannius, das vermutlich das ganze Gebiet der 
Markomannen und Quaden umfa&te^), teil. Diese Gegnerschaft zwischen 
Lugiem und Sweben bestand auch später noch fort; vom Jahre 92 (?), 
unter Domitian, werden Kämpfe zwischen beiden Stämmen erwähnt, 
wodurch auch das römische Gebiet in Mitleidenschaft gezogen wurde.**) 
Bestimmt bezeugt ist die Teilnahme der Wandalen am Markomannen- 
kriege, imter welchem Namen jene grofse Völkerbewegung zusammen- 
gefafst wird, die seit der Mitte des zweiten Jahrhunderts fast die 
ganze germanische Welt in Aufruhr versetzte und auch sarmatische 
und slawische Völkerschaften zur Teilnahme veranlafste. Etwa im 
Jahre 171 brachen, wie Dio Cassius erzählt, die Asdingen unter 
Raus und Raptus®) in Dacien ein, in der Hofi&iung, gegen Leistung 
von KJriegshilfe Wohnsitze daselbst und noch Qteli dazu zu empfangen, 
was ihnen indessen Clemens, der Statthalter dieser Provinz (seit 170)^), 

1) Origo gentia Langob. 1. Paul. Diac. Hist. Langob. I, 7. 

2) Nicht das Land am Ufer der unteren Elbe, wie ich früher annahm. 
Vgl. MüUenhoff, D. A. H, 97. 

3) Im Neuen Archiv d. Ges. f. ä. d. Geschichtskunde XXI (1896), 393 ff. 

4) Mommsen, Bömische Geschichte V, 196. Vgl. meinen Aufsatz im Hermes, 
XXXTV (1898), S. 158. 

5) Dio 67,6 (12,6) und dazu Boissevain (Berol. 1901). Vgl. Mommsen im 
Hermes m (1869), S. 115 ff. Schiller, Geschichte der römischen Kaiserzeit I, 2 
(1883), S.530. Gsell, Essai sur le rägne de Tempereur Domitien (1894) S. 225. 
An Stelle der überlieferten, durch den Excerptor verderbten Worte: ort ev ty 
Mvcltf Ävyioi Zovrißoig zusl nolBfKoG'ivtsg ist wahrscheinlich zu lesen: oti ot 
Zovrißoi, ot iSnlg trig MvcCag, AvyCoig tiol nol, etc. Hiemach ist 0. Bremer 
a. a. 0. S. 936 zu berichtigen, dessen Aufstellungen über die Sweben überhaupt 
sehr anfechtbar sind. 

6) Richtiger Hraus (= saevus) und Hraptus (= violentus), vgl. Müllenhoff, 
Zeitschrift für deutsches Altertum VH, 528. 

7) V. Domaszewski, Neue Heidelberger Jahrbücher V (1895), 109. 



g Erstes Buch. 

verweigerte. Infolgedessen wandten sie sich gegen das Gebiet der 
den Römern feindlich gesinnten Kostoboken (an der oberen Theifs)^) 
und eroberten dasselbe^ nachdem sie zuvor ihre Weiber und Kinder 
dem Clemens anvertraut hatten, fuhren aber trotzdem noch fort, 
das römische Gebiet mit Einfällen heimzusuchen. Die Lacringen 
indessen, welche fürchteten, die Römer möchten jene in das von 
ihnen, den Lacringen, bewohnte Land (wohl im nördlichen Dacien) 
verweisen, griffen die Asdingen an, ehe sie sich zum Widerstand 
rüsten konnten, und brachten ihnen eine schwere Niederlage bei. 
Nun baten diese demütig beim Kaiser um Frieden und erlangten 
auch schliefslich Subsidien und Land, indem sie als Gegenleistung 
versprachen, den Römern Heeresfolge zu leisten. Der Bericht Dios 
zeigt, dafs es den Asdingen hauptsächlich auf Erwerb neuer Wohnsitze 
ankam (es zog das ganze Volk mit Weib und Kind aus); wahr- 
scheinlich waren sie durch südwärts drängende gotische Stämme*) ge- 
zwungen worden, ihr bisheriges Gebiet zu verlassen und gegen das römische 
Gebiet vorzurücken, wozu bei der Schwächung der Grenzen günstige 
Gelegenheit geboten war. In anderen Beziehungen zu den damaligen 
Völkerbewegungen scheint dieser Zug der Asdingen nicht gestanden zu 
haben. Als Hilfsvolk des Kaisers^) haben sie dann in den folgenden 
Jahren an den Kämpfen gegen Germanen und Sarmaten teilgenommen.*) 
Der Wandalen als Teilnehmer des Krieges gedenken auch Eutrop 
(Breviar. 8, 13) und Capitolin (Vita Marci 17, 3). Ob dagegen in dem be- 
kannten Verzeichnis der am Markomannenkrieg beteiligten Völker (Vita 
Marci 22, i) ihr Name ausgefallen ist, muTs dahingestellt bleiben.^) 

1) Vgl. Müllenhoff, D. A. n, 84. Domaszewski a. a. 0. S. 125 setzt sie 
fälschlich östlich von Dacien, nördlich von der Donanmündmig an und spricht 
von einem Durchzug der Asdingen durch Dacien, wovon bei Dio kein Wort steht. 

2) Auf diese bezieht sich wohl die berühmte Stelle Capitol. vita Marci 14,i: 
aliis etiam gentibus, quae pulsae asuperioribus barbaris fdgerant .... bellum 
inferentibus (vor 169). 

3) Vgl. V. Domaszewski, Die Marcussäule (Text) S. 113. 

4) Petrus Patricius fragm. 7. Dio 71,12: -kocI ovtoi fihv ^nga^dv xi iv 
vnia%ovxo, Marcussäule S. 121. Neue Heidelberger Jahrbücher V (1895), 125. 

5) Domaszewski, Serta Harteliana S. 8 ff., liest: [Vandali, Langobar]di 

Oblique cum Victualis, konstruiert also 11 Völker, die er in dem Bericht des 
Petr. Patr. fr. 6 von dem Zug der Langobarden u. a. Stämme (im ganzen elf) 
wiederfindet, und spricht auf Grund dieser Konjektur von einem grofsen Völker- 
bunde gegen die Römer. Doch vgl. dagegen meine Ausführungen im Hermes 
a. a. 0. S. 155 ff. — Die Victualen, (Vit. Marc. 14) identifizieren Conrad (Mark 
Aureis Markomannenkrieg 9) und Müllenhoff (D. A. H, 82. 324) mit den 
Asdingen. Dafs dies nicht richtig sein kann, ergiebt die^ Chronologie. Die 
Stelle des Capitolin bezieht sich auf die Zeit vor 169, während der Einbruch der 
Asdingen erst nach 170 erfolgte (vgl. oben). 



Die Slieste Zeit. 9 

Die nunmehrigen Wohnsitze der Asdingen, die jedenfalls ihre 
Yollkommene nationale Selbständigkeit behielten^ nur in einer losen 
Abhängigkeit vom Reiche standen, haben wir uns wahrscheinlich in 
den Niederungen an der oberen Theifs an der Nordgrenze Daciens 
im ehemaligen Lande der Kostoboken^) zu denken. Als im Jahre 177 
der Krieg von neuem ausbrach, scheinen sie wiederum gegen die 
Bömer gekämpft zu haben; denn es heilst bei AbschluTs des Friedens 
vom Jahre 180 durch Commodus, dafs aufser den Buren auch andere 
Völker (d. h. wohl die Jazygen und Wandalen) die Gefangenen 
zurückgeben und sich verpflichten mufsten, mit ihren Wohn- und 
Weideplätzen 40 Stadien von der Grenze Daciens fem zu bleiben 
(Dio 72,3). Dagegen wurde gleichzeitig den Markomannen und 
Quaden untersagt, die Jazygen (in den Ebenen an der unteren Theifs), 
Buren (an den Quellen der Oder und Weichsel) sowie die Wandalen 
mit Krieg zu überziehen (Dio 72,2), was auf Nachbarschaft jener 
(speziell der Quaden) mit den letztgenannten Völkern hindeutet. 
Die oben gegebene Bestimmung der Wohnsitze der Asdingen wird 
hierdurch bestätigt. Von einer Aufnahme derselben in das römische 
Gebiet wissen die Quellen nichts. 

Der andere Stamm, der den Namen Wandalen beibehalten hat, 
die Silingen, scheint dagegen damals seine Sitze in Schlesien zu- 
nächst nicht wesentlich verändert zu haben. Auf diese bezieht es 
sich wohl, wenn Dio (77, 20) erzählt, der Kaiser Caracalla habe sich 
gerühmt, die bisher befreundeten Markomannen und Wandalen gegen- 
einander aufgehetzt zu haben (214^). Leider ist Näheres über diese 
Vorgänge nicht überliefert; dieselben scheinen im Zusammenhange 
mit einer gröfseren Bewegung der Völker an der Donau gestanden 
zu haben, deren Niederwerfung durch die kluge Politik des Kaisers 
ermöglicht wurde. Dagegen ist es wohl nur Reminiscenz aus älterer 
Zeit, wenn derselbe Geschichtschreiber, der zu Anfang des dritten 
Jahrhunderts sein grofses Werk vollendete, die Eibe in den „wanda- 
lischen Bergen'^ entspringen läfst*), womit er aller Wahrscheinlichkeit 
nach richtig das Biesengebirge meint. Ebenfalls auf die Zeit, wo 
die beiden Stämme noch in Schlesien bei einander safsen, beziehen 

1) Die Kostoboken scheinen damals teils aufgerieben, teils vertrieben worden 
zu sein. Ein flücMiger Schwärm derselben drang um diese Zeit bis nach 
Griechenland vor (Pausanias 10, 34). Eine Versetzung des Volkes in Hörigkeit 
ist wegen der späteren wirtschaftlichen Verhältnisse der Wandalen nicht an- 
zxmehmen, vgl. dazu weiter unten. 

2) Vgl. Schiller, Gesch. der röm. Kaiserzeit I, 745. 

3) QsC iti Tcof Ovccv$aXi%mv oq^v. 



10 Erstes Buch. 

sich auch, wie es scheint, die Ai^aben der späteren Chorographien 
(soweit sie die Wandalen aufführen), die bekanntlich in der Haupt- 
sache auf Redaktionen der grofsen von Agrippa bez. Augustus ver- 
anlafsten Weltkarte zurückgehen. Die Karte, die Jordanes bez. Cassiodor 
in seiner Gotengeschichte benutzte (wohl aus dem -2. Jahrb.), setzte 
die Wandalen östlich von den Markomannen, südlich von den Her- 
munduren, nördlich von der Donau und westlich von den Goten an.^) 
Die wahrscheinlich auf den Bischof Hippolytus (Anfang des 3. Jahrb.) 
zurückgehende Völkertafel in dem sog. Barbarus Scaligeri führt 
Wandalen (Bardunii) zwischen Markomannen und Quaden auf (vgl. 
C. Frick, Chronica minora, Lips. 1892, p. 216,5; cf. 33,17), die sog. 
Veroneser Völkertafel (aus dem Anfang des 4. Jahrb.; bei Riese, 
Geographi latini min. 128) Taifali, Hermunduri, Vandali, Sarmatae 
U.S.W, (vgl. MüllenhoflF, D. A. IE, 317), die Kosmographie des Julius 
Honorius (Anf. des 5. Jahrb.; Riese a. a. 0. 40) Marcomanni, Heruli, 
Quadi, Sarmatae, Bastemae, Carpi, Qothi, [Van]duli, Gippedi, vgl. 
die Rekonstruktion seiner Karte bei Miller, Mappae mundi, die 
ältesten Weltkarten VI, Taf 4 und Müllenhoff a. a. 0. HI, 221. Auf 
denselben Stand führt auch die Beatuskarte von 776 n. Chr. bei 
Miller a. a. 0. I. Auf der aus dem 4. Jahrb. ^) stammenden Tabula 
Peutingeriana stehen Vanduli südlich von den Markomannen, der 
Name Jutugi zwischen Quadi; es ist jedoch einleuchtend, dafs dieV. 
über den Quaden, die Jut. über den Mark, aufzustellen sind. Auch 
das letztgenannte Denkmal hat uns also wahrscheinlich noch die alte 
Überlieferung aus der Zeit vor dem Markomannenkriege bewahrt (vgl. 
auch MüllenhoflF a. a. 0. HI, 217, 316). Alle die erwähnten kosmo- 
graphischen Aufzeichnungen haben ungefähr denselben Wert wie das 
Werk des Ptolemäus: sie können, da sie ältere und neuere Berichte 
durcheinanderarbeiten, nur als sekundäre Quellen in Frage kommen. 
Die Silingen treten seitdem bis zu ihrer Vereinigung mit den 
Asdingen nur noch zweimal in der Geschichte hervor. Als die 
Burgundionen um die Mitte des dritten Jahrhunderts ihre grolse 
Wanderung nach Südwesten antraten*), hat wahrscheinlich der gröiste 

1) Jord. Get. c. 22: Erat illis (Vandalis) tunc ab Oriente Gothns, ab 
oeeidente Marcomannus , a septentrione Hemumdolus, a meridie Histroin, qui 
et DanubiuB dicitur. Vgl. Mommsens Einleitung XXX ff. An die Gotinen, wie 
Mommsen will, statt der Goten, ist nicht zu denken. Die Hermunduren haben 
hier noch ihre alte Stellung im Königreich Sachsen und Thüringen, die sie 
zwischen 58 und 98 n. Chr. geräumt hatten. 

2) Curtz im Hermes 1894, S. 686 ff. 

8) Jahn, Geschichte der Burgundionen I, 36 ff. 



Die älteste Zeit. H 

Teil des Volkes Schlesien verlassen und sich jenen angeschlossen. 
Denn Zosimus, dem wir die einzige erhaltene Nachricht darüber ver- 
danken, erzählt (I, 68), dafs der Kaiser Probus mit Burgundionen und 
Wandalen an einem in den Handschriften nicht deutlich bezeichneten 
Flusse (nach Mommsen bei Mendelsohn in dessen Ausgabe des Zos., 
Lips. 1887, p. 49 am Lech, also in Rätien) in feindliche Be- 
rührung gekommen sei. Diese Kämpfe nahmen durch Anwendung 
von List einen für die Römer günstigen Verlauf. Da nämlich die 
Germanen, die das gegenüberliegende Ufer besetzt hielten, an Zahl 
weit überlegen waren, lockten die Römer einen Teil derselben mit 
der Aufforderung zum Kampfe zu sich herüber und machten diese 
entweder nieder oder zu Gefangenen. Den Übrigen ward auf ihre 
Bitte Frieden bewilligt unter der Bedingung des Ausliefems der auf 
ihrem Zuge gewonnenen Kriegsbeute und der Gefangenen; als die- 
selben aber dies (angeblich) nur unvollständig erfüllten, griff sie der 
Kaiser nochmals auf ihrem Rückzuge an und tötete abermals eine 
grofse Menge von ihnen. Die überlebenden, unter denen sich auch 
der Anführer Igila (Igillos)^) befand, wurden als Ko Ionen (nicht 
als Föderaten) nach Britannien verpflanzt, wo sie später bei einem 
Aufstande dem Kaiser wichtige Dienste leisteten (Zosimus a. a. 0.). 
Man glaubt im heutigen Gambridgeshire die Gegend ihrer Ansiedelung 
gefunden zu haben. ^) Der geschilderte Vorgang fällt wahrscheinlich 
in das Jahr 278; denn der Kaiser hatte nach seiner Ernennung (276) 
zunächst die schon unter seinem Vorgänger in Gallien eingefallenen 
Franken und Alamannen abzuwehren.^) Dafs die fräijdsche und 
alamannische Livasion (indirekt) den Anlafs zu jenem Vorstofs der Bur- 
gundionen gegeben hat, ist ohne weiteres klar; die Konzentration der 
römischen Truppen am Rhein forderte geradezu zu einem Einbruch an 
einer anderen Stelle der Grenze heraus. Dagegen kann von einer gegen- 
seitigen Hilfeleistung der Germanen (wie v. Wietersheim, Geschichte 
der Völkerwanderung I*, 243, annimmt) keine Rede sein; der Charakter 
der germanischen Völkerbewegungen widerspricht einer solchen Auf- 
fassung durchaus.*) Auch Lugier^), deren Name jetzt zum letzten 

1) Über die Namensform s. Wrede a. a. 0. S. 47. 

2) C am den, Britannia, London 1607, p. 82: . . . nbi vero sederint (Vandali) 
nisi in agro Cantabrigiensi nescio. Gervasius enim Tilbimensis meminit antiqui 
valli in illo agro, quod Vandelsbnrg vocat, Vandalorumqne opus fiiisse dicit. 

3) Vopiscufl, Probns c. 18 ff. Vgl. besonders c. 16: Post baec (nach der 
Pacifikation Galliens) Ulyricnni petiit. Priusquam veniret, Betias . . pacatas 
reliqnid. 4) Vgl. Hermes XXXIV, 156 ff. 

5) Gramer, Die Geschichte der Alamannen als Gangeschichte (Breslau 
1899) S. 18, hält diese för die „Lahngauer", also einen Teil der Alamannen. 



12 Erstes Buch. 

Male in der Geschichte erwähnt wird, also engere Verwandte des 
silingischen Stammes, sind damals in das römische Gebiet ein- 
gedrungen und von Probus geschlagen worden (Zos. I, 67); ver- 
mutlich hatten sich diese ebenfalls der burgundischen Wanderung 
von Schlesien her angeschlossen. Die zu jener Zeit von den ver- 
einigten Burgundionen und Wandalen innegehabten Sitze, von denen 
der oben erzählte Beutezug^) ausging, haben wir uns wahrscheinlich 
nordöstlich von den Alamannen, die die Gegenden am Mittellaufe 
des Main und südlich davon den römischen Limes entlang occupiert 
hatten, zu denken.^) 

Wie so häufig in der germanischen Völkerwanderung nicht der 
ganze Stamm auszog, sondern einzelne Abteilungen zurückblieben, 
denen das Land nunmehr reichlichere Nahrung zu bieten vermochte^), 
so hat auch wahrscheinlich von den Silingen ein Teil die alten 
Stammsitze nicht verlassen und ist dann dort von den nachrückenden 
Slawen aufgesogen worden. Ein Zeugnis hierfür ist der Name 
Schlesien selbst: Sleza, die slawische Bezeichnung dieses Landes, 
führt auf ein ursprüngliches Silingia zurück (MüUenhoflF, D. A. II, 92).*) 

Als gegen Ende des dritten Jahrhunderts die Alamannen das 
Land zwischen dem unteren Main und dem Bodensee in bleibenden 
Besitz nahmen, rückten die Burgundionen mit den Silingen in die 
bisherigen Wohnsitze der Alamannen nach, die sie nun bis zu Anfang 
des fünften Jahrhunderts besetzt hielten. Von hier aus erfolgte wohl 

1) Ein solcher war es ohne Zweifel, nicht eine Auswanderung des ganzen 
Volkes, da alle entweder getötet oder gefangen genommen worden zu sein 
scheinen. 

2) Vgl. Jahn, Gesch. d. Burg. I, 46. — Vopiscus, vita Probi c. 18, erzählt, 
der Kaiser Probus habe Bastamen, Gepiden, Grauthungen (Ostgoten) und Wandalen 
(Vanduli) im römischen Reiche angesiedelt; die letzteren drei Völker hätten 
jedoch bald ihre Sitze verlassen und das römische Gebiet durch Plünderungszüge 
unsicher gemacht (279, vgl. Schiller, Kaiserzeit I, 879). Ohne Zweifel ist jedoch 
an dieser Stelle Francis statt Vandulis zu schreiben, da eine Ansiedelung von 
Franken am Schwarzen Meere auch durch Zosimus I, 71 bezeugt ist und die 
Worte des Vopiscus: per totum paene orbem pedibus et navigando vagati sunt 
auf jenen abenteuerlichen Raubzug der Franken, von dem uns Zosimus a. a. 0. 
erzählt, vortrefflich passen. 

3) Anders, wenn eine Bedrohung durch einen mächtigeren Gegner vorlag: 
dann zog wohl in der Regel das ganze Volk aus. 

4) Vgl. Much in den Beiträgen z. Gesch. d. deutsch. Sprache XVII, 83: „Ein 
Beweis dafür, dafs die einwandernden Wenden noch starke Reste der ältesten 
germanischen Bevölkerung vorfanden und slawisierten; anders ist es wohl nicht 
erklärlich, wenn germanische Volksnamen bei ihnen fortbestehen." Auch von 
den Semnonen sind starke Reste zurückgeblieben; es sind die Maurungani des 
Geographus Ravennas, d. i. Maurungi in slawischer Umformung, wie Slezane 
aus Silingi. 



Die älteste Zeit. ^ 13 

der Einfall der Wandalen in Gallien, den der Kaiser des Westreiches 
Gratian nach der Erzählung des Jordanes (Get. c. 27)^) während der 
Erkrankung des Theodosius, also im Jahre 380, zu bekämpfen hatte, 
wenn nicht an dieser Stelle eine Verwechslung mit der Invasion der 
Alamannen vom Jahre 378 (vgl. v. Wietersheim, Völkerw. II*, 50ff.) 
vorliegt. Dafs unter diesen Wandalen nur die Silingen, nicht die 
damals in Ungarn ansässigen Asdingen verstanden werden können, 
liegt auf der Hand. 

Die letzteren scheinen in der auf die Markomannenkriege folgenden 
Zeit in ihren Wohnsitzen an der oberen Theifs (vgl. oben) sich be- 
hauptet zu haben. Hier waren sie ungefähr seit der Mitte des dritten 
Jahrhunderts Nachbarn der mächtigen Goten geworden, die schon 
von dieser Zeit ab das transdanuvianische Dacien zum gröfsten Teile 
besetzt hielten.*) Als deren Bundesgenossen werden sie (Astringi 
nonnuUi, also wohl nur einzelne Gefolgschaften) bei dem Zuge des 
Königs Ostrogotha nach Mösien erwähnt*) (248).*) Bedeutsamer war 
ihr Zusammentreffen mit dem Kaiser Aurelian, worüber wir durch 
den zeitgenössischen Geschichtschreiber Dexippus (Fragm. 22, vgl. 
Petr. Patric. fr. 12), dessen Darstellung wahrscheinlich mit der un- 
klaren des Zosimus (I, 48) zu vereinigen ist, näher unterrichtet sind. 
Hiemach fielen die Wandalen imter der Führung zweier Könige (ver- 
mutlich im Herbst des Jahres 270)^) über die Donau in Pannonien 
ein, das der Kaiser eben erst verlassen hatte, um gegen die Juthimgen 
zu Felde zu ziehen.^) Ihrem Vordringen that indessen der rasch mit 
einem Heere herbeigeeilte Kaiser Einhalt; eine noch auf römischem 
Gebiete gelieferte Schlacht scheint allerdings ohne Entscheidung ge- 
blieben zu sein, veranlafste aber die Wandalen, die die Überlegenheit 
der feindlichen Truppen erkannten, einen Vertrag mit den Römern 
abzuschliefsen, der ihnen freien Abzug nach ihren bisherigen Sitzen 

1) Quod cum GratiannB imperator, qui tunc Roma in Gallis ob incursionem 
Vandalorum recesserat etc. Eine Änderung in Alamannorum, die Jahn 
a.a.O. 1,267 befürwortet, ist nacli den Handschriften unzulässig. Vgl. im 
übrigen G. Kaufinann in den Forschungen zur deutschen Geschichte Xu, 430. 

2) Mommsen, Römische Geschichte V, 220. 3) Jordanes, Get. 16, 91. 
4) Schiller, Kaiserzeit I, 803. 

6) Vgl. Holländer in der Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 
XXVI (1874), 304ff. Schiller, Gesch. d. röm. Kaiserzeit I, 852. Mendelssohn 
zu Zosimus I, 48 (p. 33 f. Note). Die Ansicht v. Wietersheims I, 558 ff., der die 
von Zos. erwähnten Skythen mit den Juthungen identifiziert, ist schon des- 
halb zu verwerfen, weil von einem Einbrüche dieses Volkes (das einen Teil der 
Alamannen bildete) in Pannonien keine Rede sein kann. 

6) Hierin liegt auch die Veranlassung zu demselben. Von einer Diversion 
zu Gunsten der Juthungen (so Wietersheim 1 , 385) kann keine Rede sein. 



14 Erstes Buch. 

und Lebensunterhalt bis zur Donau gewahrte^), wogegen sie 2000 
Mann Beiterei (teils Freiwillige, teils Auserlesene) als Hilfstruppen 
und Geiseln (die Kinder der Könige und Adligen) zu stellen hatten.*) 
Da soeben die Nachricht von einem neuen Einfall der Juthungen, 
die bis nach Italien hinein streiften, eintraf, so sah sich der Kaiser 
genötigt, von einer Fortsetzung des Kampfes abzusehen. Als auf 
dem Rückwege ein Haufe von 500 Wandalen, die geschlossenen Ver- 
träge mifsachtend, in dem römischen Gebiete zu plündern begann, 
wurde derselbe yon den eigenen Stammesgenossen niedergehauen und 
ihr Führer von dem einen der Könige mit eigener Hand erschossen. 
Ob und inwieweit diese Vorgänge mit den Kämpfen des Kaisers 
gegen die Jazygen (Sarmaten) in Verbindung gestanden haben, von 
denen nur Vopiscus (Aurel. c. 18) Kunde giebt und die ungefähr in 
dieselbe Zeit zu fallen scheinen, mufs dahingestellt bleiben. 

Es ist nicht unwahrscheinlich, dafs die geschüderte Invasion der 
Wandalen ihren eigentlichen inneren Grund in dem Mangel an Land 
zur weiteren Ausbreitung gehabt hat; vermutlich aus derselben 
Ursache haben diese dann, da ihnen die Eroberung römischen Ge- 
bietes mifslang, versucht, sich auch in Dacien festzusetzen. Hier 
kamen sie aber in Konflikt mit den Goten, die ebenfalls dort sich 
auszubreiten suchten. Hiermit im Zusammenhang standen wohl die 
Kämpfe zwischen den Wandalen und den durch Taifalen unterstützten 
Terwingem (d. h. Westgoten), von denen eine aus dem Ende 290 
oder Anfang 291 stammende Nachricht Kunde giebt.') 



1) nttQsxovxog tov *Paificei(ov aQxovtog dyoqav (Lebensmittel) io%B knl xbv 
"loTQov, Papencordt, Gescliichte der wandalischen Herrschaft in Afrika S. 7, 
hat diese Worte des Dexippns völlig mifsverstanden, wenn er von Verstattung 
freien Handels auf der Donau spricht. So auch Dahn, Urgeschichte der ger- 
manischen und romanischen Völker I, 149; Schiller a. a. 0. 1, 858. 

2) Mit kurzen Worten gedenkt dieses Friedensschlusses auch Petrus Patricius 
fragm. 12 (Dindorf I, 431). — Bei dem Triumph des Jahres 274 (Vopisc. Aurel. 
c. 88) fahrte Aurelian daher auch gefangene Wandalen auf. 

S) Genethl. Maxim, c. 17 (über die Abfassungszeit vgl. 0. Seeck, Jahrbücher 
f. klass. Philologie 187 [1888] S. 716) bei Baehrens, XH panegyrici Latini, Lips. 
1874, p. 114: Gothi Burgundios penitus excidunt, rursumque pro victis armantur 
Alamanni, itemque Tervingi, pars alia Gothorum, adiuncta manu Taifalorum 
adversum Vandalos Gipedesque concurrunt. Über diese Stelle ist viel gestritten 
worden, ohne eine Einigung zu erzielen. Die Ansicht Dahns (bei Wietersheim I*, 
270 Anm.) ist ganz unwahrscheinlich und läfst sich auch nicht im entferntesten 
begründen. Sicher dürfte sein, dafs statt Alamanni Alani zu schreiben ist; 
die von den (Ost-)(joten besiegten Burgundii sind wahrscheinlich ein Teil der 
Burgundionen (welche um diese Zeit am römischen Grenzwall im heutigen 
Württemberg sitzen, Jahn I, 47), der sich von diesen bereits in den alten Sitzen 



Die älteste Zeit. 15 

Von weiteren Eämpfen^ die um 335^) gesetzt werden mülisten, 
weifs nun Jordanes bez. Gassiodor (öet. c. 22; vgl. c. 31) zu berichten: 
Die Wandalen, deren Sitze in die Gegend zwischen Marosch und den 
drei zusammenfliefsenden Eörös verlegt werden (iuxta flumina Marisia, 
Miliare et Gilpil et Grisia), seien von dem Gotenkönig Geberich in 
einer furchtbaren Schlacht an den Ufern der Marosch geschlagen 
worden, wobei ihr König Wisimar den Tod fand; die überlebenden 
Reste des Volkes hätten vom Kaiser Konstantin d. Gr. Wohnsitze 
auf dem rechten Ufer der Donau in utraque Pannonia erbeten und 
erhalten, wo sie gegen 60 Jahre als Diener des Kaisers friedlich 
lebten. Es ist schon von anderer Seite hervorgehoben worden, wie 
auffällig es ist, dafs die sonstigen Quellen nichts von derartigen 
Vorgängen zu erzählen wissen, während man doch mit Bestimmtheit 
annehmen sollte, dafs die römischen Berichte ein so wichtiges 
Ereignis, die Besiegung eines germanischen Volkes und die Aufaahme 
desselben in eine römische Provinz, nicht unerwähnt gelassen hätten. 
Es ist daher an eine Verwechslung der Wandalen mit den von 
Jordanes nicht erwähnten Sarmaten (Jazygen) gedacht worden. Diese, 
zwischen TheiGs und Donau ansässig, waren um 331 von den Goten 
besiegt worden, worauf sie den Kaiser Konstantin zu Hilfe riefen, 
der ihre Bedränger am 20. April 332 aufs Haupt schlug. Im 
Jahre 334 brach eine Revolution unter ihnen aus: die sog. Limigantes, 
von ihren Herren bewaflftiete Leibeigene, erhoben sich gegen diese 
(Ardaragantes genannt), die zum Teil zu den Victofalen und Quaden 



in den Weichselgegenden getrennt hatte, tun mit den Goten nacli Südosten ab- 
zuziehen. Sie sind identisch mit den Ovgovyovvdot des Zosimns (I, 27. 81), die 
in den Jahren 253 und 257 mit den Goten u. a. Völkern ins römische Eeich 
einbrachen. 

1) Eöpke, Deutsche Forschungen, Berlin 1859, S. 101, setzt auf Grund 
der Worte des Jordanes: (Vandali) ibi (in Pannonia) per LX annos plus minus 
sedibus locatis imperatorum decretis ut incolae famularunt, die Schlacht 
zwischen 886 und 846 und versteht unter dem Constantinus princeps, der nach 
Jord. den Wandalen Wohnsitze in Pannonien anwies, Konstantin n. (337 — 840). 
Allein Pannonien hat zweifellos nie zu dessen Gebiet gehört (vgl. Schiller, 
Kaiserzeit 11, 235 ff. Ranke, Weltgeschichte IV, 1, 13. Gardthausen im 
Hermes XVn, 260 ff.); es kann also nur an Konstantin d. Gr. (f 337) gedacht 
werden. Andrerseits mufs Geberich nach 332 König geworden sein, da in 
diesem Jahre sein Vorgänger Ararich noch lebte (vgl. Jordan, c. 21 : Tunc etenim 
ßub Ariarici et Aorici regum suorum florebant imperio [sc. Gothi]. Post quorum 
decessum successor regni extitit Geberich. Anon. Vales. § 81 [vom Gotenkriege 
des Jahres 882 handelnd, vgl. Gardthausen a. a. 0. S. 255 ff.]: Tunc et obsides 
accepit [Constantinus], inter quos et Ariarici filium [vermutlich Aorich]). Vgl. 
Mommsen im Index zum Jordanes s. v. Ariaricus. 



16 Erstes Buch. 

flüchteten, zum Teil bei Konstantin Au&ahme fanden. Der Kaiser, 
der hierbei einschritt, hat damals den Ardaragantes im römischen 
Gebiet Wohnsitze angewiesen, während die Limigantes im sarma- 
tischen Gebiete verblieben. Dafs Jordanes über die Wandalen kein 
sehr zuverlässiger Berichterstatter ist, zeigt der Hals, den er überall 
gegen dieses Volk zur Schau trägt und der ihn auch sonst, wie wir 
noch sehen werden, zu falschen Mitteilungen über dasselbe veranlaiüst 
hat. Gegen die Richtigkeit seiner Angabe spricht auch der Umstand, 
dals der Verfasser des Panegyrikus auf Theodosius d. Gr., Pacatus, 
an der Stelle, wo er die Kriegsvorbereitungen desselben gegen 
Clemens Maximus (388) bespricht und die in Pannonien zu ihm 
gestolsenen fremden Hilfstruppen erwähnt, der Wandalen nicht 
gedenkt: Kap. 32 (p. 300 ed. Baehrens): ibat sub ducibus vexillisque 
Romanis hostis aliquando Bomanus et signa, contra quae steterat, 
sequebatur urbesque Pannoniae, quas inimica dudum populatione 
vacaverat, miles implebat. Gothus ille et Hunnus et Haianus 
respondebat ad nomen etc. Die hier genannten Goten und Alanen^) 
waren die vor den Hunnen geflüchteten Ostgoten unter Alatheus 
und Saphrax mit ihren alanischen Begleitern, welche zusammen mit 
den Westgoten Fritigems die Schlacht bei Adrianopel geschlagen 
hatten und darauf vom Kaiser Gratian Sitze in Pannonien angewiesen 
erhielten (380^). Andrerseits ist zu beachten, dafs der Name 
Wisimar entschieden germanisch ist, wie denn auch sonst Gründe 
gegen ^e Identifizierung der Sarmaten mit den Wandalen des 
Jordanes sprechen.*) Den Schlüssel giebt dieser selbst (c. 31, 161) 
durch die Bemerkung: Vandali vel (= et) Alani, quos superius 
diximus permissu principum Romanorum utramque Pannoniam 
resedere, seien aus Furcht vor den Goten nach Gallien aufgebrochen; 
da die Alanen bestimmt in Pannonien wohnten, nahm er an, dafs 
auch ihre späteren Wandergenossen, die Wandalen, dort angesiedelt 
gewesen sein müfsten. Das Faktum aber mag seiner Darstellung zu 
Grunde liegen, dafs Kämpfe des Gotenkönigs Geberich gegen die 
letzteren um die Mitte des vierten Jahrhunderts stattgefunden haben. 
Die Wandalen werden also ihre alten Wohnsitze im wesent- 
lichen beibehalten haben. Ob sie in irgend einem Vertragsverhältnis 

1) tTber die (ungermanische) Nationalität der Alanen vgl. Müllenhoff, 
D. A. m, 103. 

2) Zosim. IV, 34. Jord., Get. c. 27. v. Wietersheim a.a.O. 11, 44 f Kauf- 
mann in d. Forschungen zur deutschen Geschichte XII, 420. Pallmann, Gesch. d. 
Völkerw. I, 173. 

3) Vgl. Rappaport, Die Einfälle der Goten in das röm. Reich (1899) S. 117. 



Die älteste Zeit. 17 

zum römischen Reiche gestanden haben, ist ungewifs.^) Die in der 
Notitia dignitatum Or. XXVIII, 25^) aufgeführte ala octava Vandi- 
lorum, welche in Ägypten stand, ist jedenfalls nicht auf ein solches 
zurückzuführen; diese ist vielmehr ein Überrest der einst dem 
Kaiser Aurelian gestellten Hilfstruppen, von denen nur ein Teil 
festen Bestand erlangte, und wird sich in der Hauptsache aus 
Werbungen, nicht aber aus regelmäXsigen Rekrutenaushebungen 
ergänzt haben. ^) Befehlshaber derselben war wahrscheinlich 
unter dem Kaiser Valens, also zwischen 364 und '378, der Vater 
StiUchos.*) 

Den Hauptgrund, welcher zu Anfang des fünften Jahrhunderts 
die Wandalen bewogen hat, ihre bisherigen Sitze aufzugeben, hat 
uns Prokop überliefert (Bell. Vand. I, 22; vgl. I, 3), der hier eine 
alte, nicht anfechtbare Tradition der Wandalen selbst wiedergiebt. 
Es war hiernach Mangel an Land, der durch rasches Anwachsen der 
Bevölkerung und durch die zu wenig intensiv betriebene Be- 
arbeitung des Bodens veranlafst worden war. Das gleiche Motiv 
wird auch den früheren Versuchen der Wandalen, ihr Gebiet aus- 
zudehnen, zu Grunde gelegen haben (vgl. oben).^) Ein kleinerer Teil 
(einzelne Gaue) des Volkes blieb zurück, dem in der Folge der 
Grund und Boden reichliche Ernährung zu bieten im stände war; 
doch behielten die ausziehenden Wandalen, an deren Spitze König 
Godigisel stand, das Eigentumsrecht an den bisher von ihnen 
bewirtschafteten Ländereien sich vor, um für den Fall des Mifslingens 
ihres Unternehmens gesichert zu sein, und weigerten sich auch 
später noch, nach ihrer Niederlassung in Afrika, ihren früheren 
Besitz aufzugeben. Es zeigt diese Erzählung, die in ihren Grund- 
zügen als durchaus historisch angesehen werden mufs, weil die 



1) Wenn in dem Briefe des Hieronymns ad Heliodonim (Migne, Patr. 
lat. XXII, 600; geschr. 396) auch der Wandalen als Bedränger des Reiches 
gedacht wird, so beruht dies wohl auf rhetorischer Übertreibung: Viginti et 
eo amplius anni sunt, quod . . . quotidie Romanus sanguis effunditur. 
Scythiam, Thraciam . . . cunctasque Pannonias Gothus, Sarmata, Quadus, 
Alanus, Hunni, Wandali, Marcomanni vastant, trahunt, rapiunt. Dahn, 
Urgeschichte II, 406 citiert diesen Brief als einen solchen des heil. Ambrosius (!). 

2) Dieses Staatshandbuch des ost- und weströmischen Reiches ist zwischen 
411 und 413 verfafst worden, vgl. Kariowa, Römische Rechtsgeschichte I, 992. 

3) Vgl. dazu Mommsen im Hermes XXTV (1889), S. 273. 277. Eine ala 
zählte ca. 500 Reiter. 

4) Vgl. Keller, Stilicho (1884) S. 14. 

5) Es war also kein blofser Raubzug, wie Kaufmann, Deutsche Ge- 
schichte I, 318 (vgl. S. 135. 137), will. 

Schmidt, Wandalen. 2 



lg Erstes Buch. 

Gescilichte der Yölkerwanderung analoge Beispiele bietet^); daCs der 
Auszug auf Gb-und eines Beschlusses des ganzen Stammes erfolgte. 
Der Grund^ der yielfach bei den germanischen Völkerschaften zur 
Teilung gef&hrt hat^ nämlich die Unmöglichkeit des Fimktionierens 
der YolksYersammlung infolge übermäfsigen Anwachsens der Zahl 
der zur Teilnahme berufenen Krieger^ scheint also hier keine Bolle 
gespielt zu haben. Auch politische Motive, die damaligen Völker- 
bewegungen an der Donau, sind schwerlich in Frage gekommen, da 
sonst jedenfalls der ganze Stamm sein Gebiet verlassen haben würde. 
Der Aufbruch der Wandalen, zu denen sich auch die in Pan- 
nonien ansässigen Alanen gesellt zu haben scheinen (vgl. unten), 
erfolgte um das Jahr 400 und richtete sich zunächst — auf welchem 
Wege, ist unklar — gegen die Provinzen Noricum und Bätien 
(Vindelicien). Hiervon sind wir nur durch den Dichter Claudian (de 
hello Pollentino sive Gothico ed. Birt, Mon. Germ. Auct. antiquiss. X, 
260 ff., vgl. praefat. p. XLVIIIf.) unterrichtet. Dieser sagt nämlich 
von der Bätischen Legion, die bei Pollentia (J. 402) gegen Alarich 
focht, V. 414/15: quam Baetia nuper Vandalicis auctam spoliis 
defensa probavit; femer spricht derselbe v. 363 ff. von Völkern, die 
das Födus mit den Bömem gebrochen und „Vindelicos saltus et 
Norica rura tenebant". Stilicho hat die eingefallenen Barbaren teils 
mit Gewalt (vgl. oben), teils durch Unterhandlungen (v. 380 ff. u. ö., 
dazu Keller, Stilicho S. 46) zur Buhe gebracht, vermutlich sich aber 
genötigt gesehen, denselben das von ihnen occupierte Land imter 
römischer Oberhoheit gegen die Verpflichtung, Heeresfolge zu leisten, 
einzuräumen. Denn v. 402 wird die Teilnahme von fremden Auxiliar- 
truppen aus Vindelicien und Noricum an dem Kriege gegen Alarich 
erwähnt, imd v. 581 werden Alanen, die wir später in Gemeinschaft 
der Wandalen finden, direkt mit Namen ebenfalls als Hilfsvolk 
Stilichos genannt. Die Chronologie ergiebt sich aus der Angabe 
V. 279 (vgl V. 380 ff.), dafs die Invasion Alarichs erfolgte, während 
die römischen Truppen in Bätien beschäftigt waren; diese fallt aber 
in das Jahr 400 oder 401.*) 

1) Platnerin den Forschungen zur deutschen Geschichte XX (1880) S. 166 ff. 
Seelmannim Jahrbuch des Vereins för niederdeutsche Sprachforschung XU (1886), 
S. 80. Die Richtigkeit derselben wird hauptsächlich deshalb angezweifelt, weil 
„mehrere Geschlechter hindurch in dem viel umstrittenen Pannonien for die 
ausgewanderte grofse Zahl von den geringen Splittern der Zurückgebliebenen deren 
Landteil nicht hätte behauptet werden können" (Dahn, Urgeschichte I, 205). 

2) Vgl. Rosenstein in den Forschungen zur deutschen Geschichte DI, 192 ff. 
Keller a.a.O. 42 ff. 



Die älteste Zeit. 19 

Wenig später finden wir jedoch die Wandalen wieder auf der 
Wanderung nach finichtbareren und reiche Beute versprechenden 
Gebieten. Die Yeranlassuug dazu dürfen wir wohl darin suchen, dafs 
Stilicho um 401 einen grofsen Teil der an der Bheingrenze stehenden 
römischen Truppen von dort zurückgezogen hatte ^), um sie gegen die 
Westgoten zu verwenden. Ganz ungerechtfertigt war dagegen die 
schon von den Zeitgenossen gegen den allezeit uneigennützigen Staats- 
mann erhobene Beschuldigung, dieser habe selbst die mit den Alanen 
und Sweben verbündeten Wandalen ins Land gerufen, um bei der 
dadurch im Reiche entstehenden Verwirrung seinen Sohn Eucheruis 
auf den weströmischen Kaiserthron zu erheben. Dies berichtet 
namentlich Orosius (adversum paganos ed. Zangemeister VII, 38. 40, 
geschrieben 417, mit der Bemerkung: sicut a plerisque traditur*), 
ferner die südgallische Chronik von 452 (früher Chronicon imperiale 
genannt, Mon. Germ. Auct. ant. IX, 652 zum 13. Jahre des Honorius), 
letztere mit der Begründung, dafs Stilicho aus Bache so gehandelt 
habe, weil seinem Sohne die Kaiserwürde versagt worden sei, und, 
etwas allgemeiner gehalten, Hieronymus (epistola ad Ageruchiam 
geschr. 409, bei Migne patrol. lat. XXII, 1058) sowie der Dichter 
Rutilius Namatianus (Itinerar. II, 41ff., geschr. 416). Die Ent- 
stehung dieser Legende, ein Seitenstück zu der bekannten unhistorischen 
Erzählung von der Berufung der Langobarden durch Narses^), ist ja 
begreiflich, da einerseits Stilicho wandalischer Abkunft war, andrer- 
seits aber die zum Schutze Italiens notwendig gewordene Entblölsung 
der Bheingrenze und das eigentümliche Verhältnis zwischen ihm und 
Alarich^) leicht falsch gedeutet werden konnten. Dazu kam, dafs die 
dem Minister feindliche Hofpartei unter Führung des Olympius, als 
jener nach dem Tode des Arcadius eine Beise nach Konstantinopel 
plante, das Gerücht aussprengte, Slilicho wolle den unmündigen 
Kaiser Theodosius aus dem Wege räumen und seinen Sohn an dessen 



1) Vgl. Bahn, Deutsche Gescliiehte I (Gotha 1888), S. ISff., Urgeschichte 
d. germ. u. rom. Völker n, 406 f. Keller a. a. 0. 46. 

2) Orosius ist benutzt von Jordanes, Get. c. 22, von Marcellinus comes chron. 
a. 408, letzterer wiederum von Jord. Rom 322 (ed. Mommsen). 

8) Vgl. meine Geschichte der Langobarden S. 65 ff. 

4) Vgl. Oros. Vn, 38: Quamobrem Alaricum cunctamque Gothorum gentem, 

pro pace optima et quibuscunque sedibus suppliciter orantem, occulto 

foedere fovens, publice autem et belli et pacis copia negata, ad tuendam terren- 
damque rempublicam reservavit und dazu Bosenstein a. a. 0. 206. Es unterliegt 
wohl keinem Zweifel, dafs St. die Westgoten nur deshalb wiederholt geschont 
hat, um in ihnen einen Rückhalt gegen das Ostreich zu besitzen. Vgl. Keller 
S. 41. 55. 58. 

2* 



20 Erstes Buch. 

Stelle setzen, Machinationen, durch welche auch bald darauf sein 
Sturz herbeigeführt wurde.^) Dafs der Minister thatsächlich niemals 
die Absicht gehegt hatte, den Kaiser Honorius abzusetzen, ist durch 
Olympiodor bei Zosimus (V, 32) direkt bezeugt^); auch hinsichtlich 
des Ostreiches erstreckten sich seine Pläne wahrscheinlich nicht weiter 
als auf die Erlangung der Vormundschaft. Soviel wir erkennen 
können, hat er niemals das Wohl des Reiches seinen eigenen Interessen 
dienstbar zu machen versucht (vgl. auch Zosimus V, 34). Es ist 
femer schwer ersichtlich, weshalb er gerade die Wandalen berufen 
haben sollte; zur Erreichung des von den Quellen angegebenen 
Zweckes lag es doch viel näher, die föderierten Westgoten oder 
Franken zu verwenden. Die von Ranke*) vertretene Ansicht, Stilicho 
habe sich der Wandalen bedient, um der Erhebung der britischen 
Legionen unter Konstantin, die sich auch auf Gallien auszudehnen 
und seiner Stellung gefährlich zu werden drohte, einen Damm 
entgegenzusetzen, scheint mir aus demselben Grunde wenig glücklich; 
dagegen spricht aber auch die Chronologie. Ranke ist wohl zu dieser 
Ansicht durch die in der Anmerkung mitgeteilte Stelle des Zosimus 
(VI, 3)*) veranlafst worden.^) 

Über den Weg, den die Wandalen einschlugen, sind wir nur auf 
Vermutungen angewiesen; wahrscheinlich zogen sie, da ein Durch- 
bruch durch das Land der Alamannen (vom unteren Main bis an den 
Bodensee) sich als unmöglich herausstellte, auf der den Limes be- 
gleitenden Militärstrafse^) in nordwestlicher Richtung bis an den 
Main, und dem Laufe dieses Flusses folgend, dem Rheine zu. Am 



1) Vgl. Zosim. V, 31. 82. Philostorgius , bist. eccl. Xu, 1. 

2) 'AXXä ZzbXI%(ov [ikv ovdhv awBTCiazafisvog anrix^lg rj liatoc zov ßaailscog 
^ natcc tav azqazKotmv ßsßovXsvfisvov, 

3) WeltgeschicMe IV, 1, 253 ff. 

4) Kccl noXvv igyaadfisvoi, (povov snCtpoßoi %al zotg sv BQStzav^aig axqazonidoig 
iyivovto (die Wandalen, Alanen, Sweben). 

5) Vgl. Rosenstein a.a.O. 213 ff. Papencordt, a.a.O. S. 337 ff. Stadler 
V. Wolffersgrün, die Wandalen von ihrem Einbrüche in Gallien bis zum Tode 
Geiserichs, Bozen 1884, hält an der Benifong durch Stilicho fest. Ebenso irrig 
ist desselben Behauptung, Stilicho sei Heide gewesen; einem solchen würde 
Theodosius d. Gr. wohl kaum seine Nichte vermählt haben. Wenn Oros. (Vit, 38) 
anfuhrt, dafs Eucherius das Heidentum energisch begünstigt und eine Verfolgung 
der Christen (soll wohl heifsen: Orthodoxen) geplant habe, so beweist das an 
sich nichts dafür; wahrscheinlich aber entbehrt diese Angabe jedes thatsächlichen 
Grundes, da sie auf den Aussprengungen der streng kirchlich gesinnten Hof- 
partei beruht. Vgl. auch Kaufinann, Deutsche Geschichte I, 303 f. 

6) Vgl. dazu Mommsen in der Westdeutschen Zeitschrift XTTT (1894) 
S. 137 ff. 



Die älteste Zeit. 21 

Main berührten sie die Sitze der mit den Burgundionen vereinigten 
Silingen, die sich ihnen in Erinnerung an die alte Verwandtschaft 
und frühere Nachbarschaft sofort anschlössen.^) Aufserdem zogen mit 
ihnen die schon genannten Alanen und Sweben, die letzteren ohne 
Zweifel identisch mit Abteilungen der bisher in Mähren und im nörd- 
lichen Ungarn^) ansässigen Quaden, wie sich aus der Aufzählung der 
Gallien verwüstenden Stämme bei Hieronymus (ep. ad Ageruchiam, 
vgl. oben) ergiebt, unter denen keine Sweben, wohl aber Quaden genannt 
werden.^) Beinahe wäre hier dem Zuge der vier Völker ein jähes 
Ende bereitet worden. Die Alanen hatten bereits den Bhein glücklich 
erreicht — dort trat ein Teil derselben unter Goar in römische 
Dienste — als die etwas zurückgebliebenen Wandalen von den 
Franken (d. i. wahrscheinlich den früheren Chatten*), die eingedenk 
ihres einst (ca. 401) mit Stilicho geschlossenen Vertrages die Grenze 
bewachen halfen^), plötzlich überfallen wurden. Schon war der König 
der Asdingen, Godigisel, mit angeblich 20000 Mann^) gefallen: da 
stürmten noch rechtzeitig die Alanen unter Bespendial heran und 
brachten den Angreifem eine schwere Niederlage bei.'') Nun stand 
die Strafise nach Gallien offen, und ungehindert überschritten die 

1) Das Yerwandtschaftsgeföhl hat sich bei einzelnen deutschen Stämmen 
auch nach langer Trennung noch frisch erhalten, so bei den Langobarden und 
Sachsen, die vereinigt nach Italien zogen, vgl. meine Geschichte der Lango- 
barden S. 68. 

2) Vgl. Zeufs, Die Deutschen S. 364. 

3) Quidquid inter Alpes et Pyrenaeum est, quod Oceano et Rheno inclu- 
ditur, Quadus, Wandalus, Sarmata, Halani, Gipedes, Heruli, Saxones, Bur- 

gundiones, Alemanni et hostes Pannonii (d.h. wohl die Hunnen, vgl. Jahn 

a. a. 0. 1, 283 Note) vastarunt. Zur Kritik dieser Stelle vgl. Zeufs a. a. 0. S. 460 
Note und Eossinna, Westdeutsche Zeitschrift IX (1890) S. 207. Das Zeugnis 
Gregors von Tours (bist. Franc. H, 2), der die Sweben för Alamannen erklärt, 
kommt nicht in Betracht, vgl. Holder -Egger, tTber die Weltchronik des sog. 
Severus Sulpicius S. 53. Dafs nicht alle Quaden ausgezogen sind, zeigt die Er- 
zählung von der Unterwerfung der Suavi, die aller Wahrscheinlichkeit nach mit 
jenen zu identifizieren sind, durch die Langobarden unter König Wacho, vgl. 
meine Gesch. d. Langob. S. 66. Much in den Beiträgen z. Gesch. d. d. Sprache 
XX, 27. Irrig 0. Bremer in Pauls Grundrifs lü, 938. 

4) Über deren Sitze vgl. Zeufs a. a. 0. 327. Schröder, Rechtsgesch. 94 u. a. 
An die Salier wie Arnold, Deutsche Urzeit S. 164 will, ist nicht zu denken. 

5) Vgl. Dahn, Deutsche Geschichte I, 2 S. 14. Rosenstein a. a. 0. 206 ff. 

6) Über die Bedeutung dieser Zahl vgl. meine Bemerkungen in der West- 
deutschen Zeitschrift XX (1901) S. 2. 

7) Die Hauptquelle ist Renatus Profaturus Frigiretus bei Greg. Tur. Hist. 
Franc. H, 9: Interea Respendial rex Alamannorum (1. Alanorum) Goare ad 
Romanos transgresso de Rheno agmen suorum converfcit, Wandalis Francorum 
hello laborantibus, Godigyselo rege absumpto, aciae viginti ferme milibus ferro 
peremptis cunctis Wandalorum ad intemitionem delendis, nisi Alamannorum vis 



22 Erstes Buch. 

Völker (die Asdingen unter Führung König Gunderichs, Godigisels 
Sohn^), am 31. Dezember 406 den wahrscheinlich zugefrorenen Strom.*) 

DaTs der Übergang wahrscheinlich in der Nähe von Mainz 
erfolgte^ ergiebt sich namentlich aus folgenden Erwägungen. Be- 
kanntlich haben die vier Völker das Land der Franken berührt, dessen 
Südgrenze gegen das alamannische Gebiet der Main bildete*); andrer- 
seits aber berichtet Salvian*), dafs die Wandalen auf ihrer Wanderung 
zuerst in die Provinz Germania I und darauf nach Belgica gekommen 
seien; erstere aber dehnte sich im Norden nur bis in die Gegend 
von Brohl, zwischen Remagen und Andernach, aus.^) Dazu stimmt, 
dafs wir die Alanen unter Goar, die nach dem Zeugnis des Benatus 
Prof. Frig., während des Zuges zu den Römern übergingen, später 
(i. J. 411) in Mainz unter den Besatzungstruppen finden.®) 

Wahrscheinlich ist bei dieser Gelegenheit auch Mainz selbst an- 
gegriflfen und hart mitgenommen worden, wie wir aus dem öfter 
citierten Briefe des Hieronymus ad Ageruchiam entnehmen dürfen.') 



in tempore subvenisset. Vgl. auch Oros. VII, 40,3: Gentes Alanorum Sne- 

borum, Vandalorum mnltaeqne cum his aliae Francos proterunt, Rhennm trans- 
eunt. Mona, Urgeschichte des badischen Landes 11, 344 verlegt den fränkischen 
Überfall anf das linke Rheinnfer, mit Unrecht, wie aus Orosius hervorgeht, der 
den tTbergang über den Strom auf die Schlacht folgen läfst. Unklar bleibt es, 
wie die Alanen unbehelligt den Rhein erreichen konnten. Vermutlich haben 
die Römer versucht, die Völker zu trennen und einzeln mit ihnen fertig zu 
werden; darauf deutet auch der Übertritt der Alanen unter Goar. Jedenfalls 
zeigt der Bericht des Renatus, dafs die Grenze keineswegs blofs von Franken 
bewacht war. 

1) Dafs Gunderich Godigisels Sohn war, ist wohl aus Prokop (bell. Vand. I, 3) 
zu entnehmen, dessen Bericht allerdings sonst ganz unzuverlässig ist. 

2) Cont. Prosp. Havn. nach den gleichzeitigen italienischen Konsularfasten 
(Chronica minora ed. Mommsenl, 299, Mon. Germ. Auct. ant. IX) z. J. 406: Wandali 
rege Gxinderico transito Reno totam Galliam crudeli persecutione vastant coUo- 

catis secum in comitatu Alanis gente moribus et ferocitate aequali [ pridie 

kl. Januarii]. Prosper Tiro, epitoma chron. (ebenda p. 465): Wandali et 
Halani Gallias traiecto Rheno ingressi n. kl. ian. [406]. Die in der Chronologie 
sehr unzuverlässige südgallische Chronik von 451 setzt das Ereignis ins Jahr 407 
(13. Jahr des Honorius, vgl. oben). Das Jahr 406 wird auch durch Zosimus 
(VI, 3,8) bestätigt. Vgl. auch Orosius VII, 38. 40. Greg. Tur. II, 2. Jahn a. a. 0. 
I, 276 Note 3. 

3) Zeufs S. 309ff. 317ff. 

4) de gub. dei VH, 60 ed. Hahn: Ac primum a solo patrio effasa est in 

Germaniam primam (Pauly liest gegen die Handschriften proximam) post 

cuius primum exitium arsit regio Belgarum .... 

6) Mommsen, Rom. Geschichte V, 109. 6) Vgl. Jahn I, 299. 

7) Moguntiacum capta atque subversa est, et in ecclesia multa 

hominum millia trucidata. Vgl. dazu Jahnl, 298 Note 2. Hauck, Kirchen- 
geschichte Deutschlands I ', 35. 



.Die älteste Zeit. 23 

Hierauf walzte sich der Strom der Einwanderer westwärts in die 
Provinz Belgica^); ohne Zweifel das römische Wegenetz*) benutzend^ 
zogen sie alles verwüstend über Trier nach Rheims*), Toumay, 
Terouanne; Ärras^ Amiens^ von da durch die Provinz Lugdunensis 
nach den Provinzen Aquitania (secunda) und Novempopulana, ver- 
mutlich auf der von Amiens nach Paris, Orleans*), Tours, Bordeaux 
und weiter nach Pamplona in Spanien führenden Strafse. Die Pyrenäen, 
deren Pässe wohl bewacht waren, verhinderten einen Einfall in 
Spanien: dafür überschwemmten aber die Germanen die bisher noch 
verschont gebliebenen reichen Gefilde des südlichen Frankreichs (Gallia 
Narbonensis). Nur wenige Städte, die sie berührten, konnten dem 
Ansturm widerstehen, darunter Toulouse, das durch das thatkräftige 
Verhalten des Bischofs Exuperius vor der Eroberung bewahrt blieb. 
Der vor den wilden Horden einhergehende Schrecken, der Mangel an 
genügenden Besatzungen und vor allem die namentlich von Salvian 
in glühenden Farben geschilderte Sittenlosigkeit der Vornehmen und 
die Gleichgültigkeit der verarmten niederen Bevölkerung lähmten jeden 
energischen Widerstand.^) 



1) Über die Einteiltuig Galliens in damaliger Zeit vgl. Desjardins, Geo- 
graphie de la Gaule Romaine HE, 486 ff. 

2) Ygl. Longnon, Atlas historique de la France pl. n. 

3) Ygl. anch Hincmar, epist. ad episcopos Remorum dioeceseos (875) 
(Opera ed. Sirmond n, 166): Nicasins Remorum episcopus .... tempore Wanda- 
lorum in persecutione generali suam non deseruit civitatem et intra parietes 
ecclesiae martyrio meruit coronari. Analecta BoUandiana I (1882) S. 609 ff. 
Flodoard, Eist. Remensis I, 6 (M. G. SS. Xm, 418ff., auf Grund älterer Märtyrer- 
akten). 

4) Ob die im 5. Jahrb. an der Loire ansässigen Alanen (ZeuTs 705) mit 
zurückgebliebenen Abteilungen der Wandergenossen der Wandalen unter Re- 
spendial oder mit den Alanen des Goar identisch sind, läfst sich nicht 
entscheiden. 

5) Oros. Vn, 40, 8. Salvian. a. a. 0.: deinde opes Aquitanomm luxuri- 

antium et post haec corpus omnium Galliarum. Bes. Hieronym. ad Ageruch.: 
Remorum urbs praepotens, Ambiani, Attrebatae extremique hominum Morini 
(Terouanne), Tomacus translatae in Germaniam. Aquitaniae Novemque popu- 
lorum, Lugdunensis et Narbonensis provinciae praeter paucas urbes populata 
sunt cuncta. Quas et ipsas foris gladius, intus vastat fames. Non possum 
absque lacrymis Tolosae facere mentionem, quae ut hucusque non rueret, s. 
episcopi Exuperii merita praestiterunt. Hier, trägt jedenfalls zu stark auf, 
doch ist kein Grund vorhanden, im allgemeinen seinen Bericht anzuzweifeln, da 
er als Zeitgenosse spricht. Ygl. auch Carmen de Providentia divina (bei Migne 
patrol. lat. LI, 617 ff v. 15 — 60, bes. 34 f: Caede decenni Yandalicis gladiis ster- 
nimur et G^ticis (also geschr. 417). Paulini epigr. (früher dem Claudius Marius 
Yictor zugeschrieben, vgl. Hauck I, 77) im Wiener Corpus scriptt. eccl. Lat. XYI, 
504: Et tamen heu si quid vastavit Sarmata, si quid Yandulus incendit, veloxque 
abduxit Alanus etc. (v. 18 f). Orientius, commonitorium (ebenda 993) ü, 181 ff. 



24 Erstes Buch. 

Die von den Wandalen verübten Greuel sind noch lange in der 
Erinnerung der Einwohner haften geblieben; aber manche Schand- 
that ist von der späteren Tradition mit Unrecht jenen beigemessen 
worden, so die Ermordung der Bischöfe Desiderius von Langres und 
Antidius von Besan9on; da es zum mindesten sehr wahrscheinlich ist, 
dafs die Wandalen niemals diese Gegenden berührt haben.^) Der 
Wandalen und der von ihnen angeblich verübten Zerstörung einer 
auf dem Berge La9ois gelegenen alten Stadt^ die später nach ihrem 
Wiederaufbau Rossillon genannt wurde (östlich von Lyon, nord- 
westlich von Belley), wird auch in einer Aufzeichnung über die alt- 
französische Sage von dem Grafen Girart von Rossillon gedacht.*) 

Um das Unglück voll zu machen, drangen zur gleichen Zeit auch 
die Alamannen in Gallien ein, gedrängt wiederum von den Bur- 
gundionen, die von ihren Sitzen am mittleren Main nach dem Rhein 
zu vorrückend jenen die unteren Maingegenden entrissen und auch 
zum Teil auf dem linken Rheinufer festen Fufs fafsten.^) Zweifellos 
auf die Alamannen ist es zu beziehen, wenn Hieronymus meldet, auch 
Worms, Speier, Strafsburg seien zur Zeit der wandalischen Invasion 
von den Germanen erobert worden.*) 

In welchem Verhältnis diese Völker zu dem Usurpator Konstantin 
gestanden haben, ist leider ziemlich unklar. Letzterer, ein gemeiner 
Soldat, war im Jahre 407 von den Legionen in Britannien zum Kaiser 
erhoben worden und sofort nach Gallien übergesetzt^), wohl zunächst 
um die unruhigen Soldaten zu beschäftigen.^) Hier zog er, wahr- 
scheinlich von den Einwohnern überall als Retter begrüfst, die noch 

1) Series episcoporum Lingonensium (M. G. SS.XIII, 379): Sanctus Desiderins 
episcopuB. Hie passus est a Wandalis anno . . . 407. Vgl. Hagiologimn Franco- 
gaUiae bei Labb^, Nova bibliotheca ü, 700 (10. kal. iun.). Sigebertns Gemblac. 
cbron. ad. a. 411. Acta sanctorum Juni Y, 41. 

2) Vgl. Stimming, Über den provenzalischen Girart von Roussillon (Halle 
1888) S. 25. 

3) Vgl. Zeufs S. 317 f. 468. Oros.VH, 38: gentes . . . Alanorum Sueborum 
Yandalonun ipsoqne simnl motu inpulsonun Borgondionnm . . . snscitavit (Sti- 
licbo). Hier, nennt die Bargandionen aasdrücklicb anter den in Gallien ein- 
gebrochenen Völkern (vgl. anten). 

4) a. a. 0. . . . Yangiones longa obsidione deleti . . . Nemetae, Argento- 
ratas translatae in Germaniam (Zeafs S. 318), nachdem er vorher gesagt: Qaid- 
qaid inter Alpes et Pyrenaeam est qaod Oceano et Rheno incladitar, Qaadas, 
Wandalas, Sarmata, Halani, Gipedes, Herali, Saxones, Bargandiones, Ale- 
manni . . . vastarant. 

5) Prosp. c. 1232 (a. 407). Sozomenas, bist. eccl. IX, 11. Zosim.YI, 2.3. 
Olympiodor. fragm. 12 (Sozom. a. Zosim. schöpfen aas Olympiodor). Oros YH, 40, 4. 

6) Die von Zosimas YI, 3 angegebene Bedrohang der britannischen Legionen 
durch die Wandalen ist schwerlich richtig. 



DiB älteste Zeit. 25 

vorhandenen römischen Truppen an sich und wandte sich nach Süden ^), 
wo es mit den dort umherschweifenden Wandalen und deren Bundes- 
genossen zu heftigen Kämpfen kam^ ohne dafs es ihm gelange die 
Feinde völlig zu vernichten (Zos.VI, 3)^). Dagegen hat er wahr- 
scheinlich mit den eingedrungenen Alamannen und Burgundionen^ 
jedenfalls gegen Anweisung von Land auf dem linken Rheinufer, 
sowie mit d^n Franken Föderationsverträge zur Sicherung der Grenze 
Galliens abgeschlossen , die sich freilich später als nicht dauerhaft 
erwiesen.^) In diesem Sinne ist wohl die Angabe des Zosimus, dafs 
Konstantin damals die seit Julian vernachlässigte Eheingrenze befestigt 
habe*), zu verstehen^ 

Nachdem Konstantin so in Gallien festen Fufs gefafst, suchte 
er auch Spanien in seine Gewalt zu bringen. Die von ihm ein- 
gesetzten höheren Beamten fanden hier willige Aufnahme; die sich 
gegen den neuen Herrscher auflehnenden kaiserlichen Verwandten 
Didymus, Verinianus, Theodosius und Lagodius, welche anfänglich 
die Übergänge über die Pyrenäen mit Glück verteidigten^), wurden 
nach kurzem Widerstand von seinem Sohne Konstans, den er mit 
einem zum Teil aus barbarischen Föderattruppen, den sogenannten 
Honorianem, bestehenden Heere nach Spanien schickte, besiegt und 
teils gefangen genommen, teils zur Flucht gezwungen (Oros. VII, 40. 
Zos.VI, 4. Sozomenus bist. eccl. IX, 11). Die Bewachung der Pyrenäen- 
pässe übertrug Konstans, der nunmehr wieder zu seinem Vater zurück- 

1) Dies ergiebt sich daraus, dafs die Kämpfe zwischen Sarus xuid den 
Truppen des Usurpators (Anfang 408) bei Yalence stattfanden (Zos.VI, 2). 

2) Cbron. Gall. a. 462 c. 63 (mit falscher Chronologie, z. J. 410): Galliarum 
partem Yandali atque Alani vastavere: quod reliquum fuerat, Constantinus 
tjrannus obsidebat. 

3) Oros. yn, 40: (Constantinus) ibi saepe a barbaris incertis foederibus 
inlusus detrimento magis reipublicae fnit. Diese Angabe wird von Jahn a. a. 0. 
I, 286 ff. ohne Grund verdächtigt. Vgl. namentlich Hauck, Kirchengeschichte 
Deutschlands I \ 96. Die Franken scheinen damals sich noch nicht auf dem linken 
Bheinufer ausgebreitet zu haben; denn Sozomenus IX, 13 bemerkt, Constantin 
habe seinen Feldherm Edobech über den Rhein (icsQav xov ^Ptjvov) gesandt, 
um von den Franken und Alamannen Hilfe zu holen. 

4) Zosim.VI, 3. Die Worte des Zosim.: $tcc xavxa zoCvvv rovroig xotg xonoig 
(d. h. den Alpen, vgl. Sievers, Studien z. Gesch. d. röm. Kaiser. Berlin 1870. 
S. 465) (pvla-Kcig iyautiatTias KcDvatavtCvog, atg av firj xriv slg VaXccziav ccvsififvrjv 
i%oiBv nägodov beziehen sich auf die Vorkehrungen, die Konstantin gegen Sarus 
getroffen hatte (vgl. Rosenstein, Forsch. I, 183) und scheinen Jahn (a. a. 0. 
S. 286. 289) veranlafst zu haben, von einer völligen Vertreibung der vier Völker 
aus Gallien zu sprechen. Dafs davon keine Rede sein kann, zeigt das Schweigen 
sämtlicher Quellen, die von einem zweiten Einbruch in Gallien nichts wissen. 

5) Beloch, Der Verfall der antiken Kultur (Hist. Zeitschr. 84, 33) hat die 
hierüber handelnde Stelle des Orosius mifsverstanden. 



26 Erstes Buch. 

kehrte, den Honorianem, obgleich die einheimischen Truppen^) ge- 
beten hatten, dieselben nicht der Obhut Fremder anzuvertrauen 
(Oros. a. a. 0. Zos.VI, 5. Sozom. IX, 12). Aber das Glück, das der 
Usurpator bisher auf seiner Seite gehabt, begann sich rasch wieder 
von ihm abzuwenden. Nachlässige Bewachung der Pässe, wie wohl 
richtig Sozomenus (IX, 12) angiebt, oder (weniger wahrscheinlich) 
direkter Verrat seitens der Honorianer, die für ihre Plünderungszüge 
in das umliegende Land Strafe befürchteten (so der überall Verräterei 
witternde OrosiusVII, 40), gab den Wandalen, Alanen und Sweben Ver- 
anlassung, das Gebirge zu überschreiten und in die schon lange von 
ihnen ins Auge gefafste blühende Provinz einzubrechen. Die Meinung, 
daJs ihre Existenz in dem von der Natur so wohl geschützten Lande 
sich sicherer gestalten würde, femer die hier in besonders reichem 
Mafse zu erwartende Kriegsbeute (svdaifiova xal nXovöiotdtrjv xriv 
%WQav axovovtsg sagt Sozomenus a. a. 0.) mögen die wesentlichsten 
treibenden Motive gewesen sein. Wenn dagegen Jordanes (Getica c. 31) 
die Furcht vor den Westgoten als Grund des Einbruches in Spanien 
angiebt, so beruht dies ohne Zweifel auf einer irrigen Übertragung 
früherer und späterer Verhältnisse (Geberich, vgl. oben und Wallia, 
8. unten), ist auch an sich ganz unmöglich. 

Da der Zug der Germanen sich gegen den Westen der iberischen 
Halbinsel richtete, so ist anzunehmen, dals der Übergang über das 
Gebirge auf der von Bordeaux nach Pamplona und weiter über Burgos, 
Leon, Zambra, Salamanca, Merida nach Sevilla führenden grofsen 
römischen Heerstrafse erfolgte. Als Zeitpunkt desselben giebt Hydatius 
(c. 42) den 28. September oder den 13. Oktober des Jahres 409 an.*) 
Dazu kam, dafs zu derselben Zeit Gerontius, den Konstans bei 
seinem Abzug aus Spanien dort als Statthalter zurückgelassen hatte, 
sich empörte und seinen Anhänger Maximus als Kaiser ausrief.') Die 



1) In Spanien standen damals unter den Befehlen des comes Hispaniae die 
zmn Teil zersplitterte legio VII. gemina (in Leon) , femer 5 Kohorten (Not. dign. 
Occ. 42, 25ff.)i wozu Dach Oros. VII, 40,8 der aus eingeborenen Bauern (Basken) 
bestehende Grenzschutz für die Pyrenäen kam, sodann von dem Eaiserheer 
(Mommsen im Hermes XXTV, 225 ff.) 11 auxilia palatina und 5 legiones comi- 
tatenses (Infanterie). 

2) Vgl. Prosp. c. 1237. Consularia Constantinopolitana (M. G^. Auct. ant. IX, 
246) 409. 

3) Dafs die Erhebung des Gerontius erst nach dem Einbruch der Germanen 
stattfand, zeigt Oljmpiod. fr. 16: Fsgövriog b avQatrj'ybg xriv ngbg tovg ßagßocQovg 
dofisviaag sIqi^vtiv Md^ifiov . . . ßccaiXsa dvayogsvsL. Die Angabe des ganz ver- 
wirrten, also nur mit Vorsicht zu benutzenden ZosimusVI, 5, dafs Gerontius 
blofs mit der Bewachung der Pässe beauftragt gewesen sei, wird widerlegt 



Die älteste Zeit. 27 

Bedrohung durch ein heranrückendes Heer des Eonstans zwang jenen^ 
mit den eingedrungenen Barbaren sich zu verständigen; mit diesen 
vereinigt^ brachte er dem Eonstans eine Niederlage bei und zwang 
ihn zur Flucht nach Gallien.^) Wahrend nun Gerontius sich nach 
Gallien wandte, um Eonstantin zu bekriegen, breiteten die vier 
Völker unter furchtbaren Verwüstungen, die besonders Hydatius in 
grellen Farben schildert (c. 48 zum Jahre 410)*), sich in den Landes- 
teilen Galicien, Lusitanien, Bätica und Earthagena aus. Der übrige 
Teil der Halbinsel, d. h. der gröfste Teil der Provinz Tarraconensis, 
blieb, wohl auf Grund eines Abkommens, von den Barbaren verschont 
und in römischen Händen, zunächst noch unter der Herrschaft des 
Gerontius, der indes, nachdem er von dem kaiserlichen Feldherm 
Eonstantius aus Gallien vertrieben worden war, bereits im Jahre 412 
seinen Tod fand, indem die in Spanien stehenden Truppen von ihm 
abfielen und den von ihm zum Eaiser ausgerufenen Maximus ver- 
jagten.8) 

Zwei volle Jahre dauerten die Raubzüge der wilden Scharen, in 
deren Folge Hungersnot und Seuchen im Lande ausbrachen. Diese 
umstände, die ihre eigene Existenz bedrohten, mehr noch aber wohl 
ein wahrscheinlich um diese Zeit zwischen dem Eaiser und dem 
Westgotenkönig Ataulf zur Bekämpfung des Gegenkaisers Jovinus 
in Gallien und zur Befreiung Spaniens abgeschlossenes Abkommen*), 
femer die Stärkung der kaiserlichen Macht durch die Siege des Eon- 
stantius haben die vier Völker zu friedlicherem Verhalten veranlafst. 
Es ist zum Abschlufs eines Vertrages zwischen diesen und dem 
Eaiser gekommen, demzufolge die Barbaren gegen die Verpflichtung, 



durch den zuverlässigen Bericht des Renatus Profaturus Frigiretus bei Greg. 
Tur. hist. Franc, n, 9. Ranke, Weltgesch. 17, 1, 257 konstruiert auf Grund dieser 
Stelle des Zosimus in Verbindung mit Orosius (VII, 40) eine Berufong der 
Wandalen nach Spanien durch Gerontius, von welcher die zuverlässigen Quellen 
keine Silbe wissen. 

1) Ren. Prof. Frig. a. a. 0. : Constantinus . . . redire ad Hispanias filium 
monet. Qui, praemissis agminibus, dum cum patre resederet, ab Hispania nuntii 
commeant, a Gerontio Maximum . . . imperio praeditum atque in se come- 
tatu gentium barbararum accinctum parari. Ygl. Olymp, fr. 16 a. E.: 
Md^tfiog . . . ngbg rovg vnoanovdovg (psvyst ßaQßdQovg. Sozom. IX, 12. 
Kfovatag . . . tpsvymv Ix trjg *Ianccviag (Aqt^Xcctov KcctiXccßs). 

2) Ygl. auch Oros.Vn, 40. 41. Olymp, fr. 30. Salvian. de gub. dei VIT, 52 u. ö. 
Augustin. epist. 111 (Migne 33, 422 ff.). 

3) Sozom. EX, 13. Olymp, fr. 16. Oros.VII, 42,4. 5. Prosp. chron. c. 1245. 

4) Diese Thatsache liegt wahrscheinlich der sonst unrichtigen Erzählung 
des Jordanes von Kämpfen Ataulfs gegen die Wandalen in Spanien (Get. c. 31 , 163) 
zu Grunde. Ygl. denselben c. 32, 164: foedus dudum cum Atauulfo initum. 



28 Erstes Buch. 

Spanien gegen fremde Angriffe zu verteidigen^ also als kaiserliche 
milites, Land zur Niederlassung erhielten. Die Verteilung der Pro- 
vinzen, in denen die einzehien Völker angesiedelt werden sollten, 
erfolgte durch das Los: den Asdingen und Sweben wurde Galicien 
zugewiesen, während die Silingen Bätica und die ihren Verbündeten 
an Volkszahl überlegenen Alanen Lusitanien und das Gebiet von 
Karthagena^) erhielten. Diese Thatsache wird sowohl von Hydatius^) 
wie von Orosius^) bezeugt; nach letzterem sollen die Barbarenkönige 
dem Kaiser vorgestellt haben, er möge mit ihnen Frieden schliefsen, 
von ihnen Geiseln nehmen: „wir kämpfen miteinander und erliegen 
auf unsere Kosten, wir siegen aber für dich, und es ist ein ewiger 
Gewinn für das Reich, wenn in unseren inneren Kämpfen beide 
streitende Parteien zu Grunde gehen ^'. Dafs es zu einer wirklichen 
Gebietsabtretung in politischer Hinsicht nicht gekommen ist, zeigt 
namentlich deutlich der von Hydatius gebrauchte Ausdruck ad in- 
habitandum, der bei Ansiedelungen von Föderaten im römischen 
Reiche in den Quellen jener Zeit mehrfach Anwendung findet*); da- 
für spricht auch der Umstand, dafs die in Spanien gefundenen Münzen 
der Swebenkönige das Bild des Kaisers Honorius tragen.^) Bestätigend 
tritt ferner hinzu auch das Zeugnis des allerdings für jene Zeit sehr 
unzuverlässigen, nur sekundär in Betracht kommenden^ Prokop (bell. 
Vand. I, 3) von einem zwischen dem Kaiser und den Wandalen in 
Spanien abgeschlossenen Vertrage des Inhalts, dafs die letzteren das 
Land besetzen sollten, ohne es zu plündern; wenn dagegen daran 
anknüpfend derselbe Gewährsmann eine angebliche Verordnung des 
Honorius anführt, nach welcher die Zeit des Aufenthaltes der Wan- 
dalen in Spanien für die dortigen römischen Grundeigentümer bei 
der Berechnung der dreifsigjährigen Verjährungsfrist nicht gelten 
sollte — wodurch die Niederlassung der Barbaren als eine nur vor- 
übergehende bezeichnet worden wäre — , so liegt die Annahme nur 
zu nahe, dafs Prokop das Gesetz Valentinians HI. vom Jahre 452 

1) D.h. der römische Gerichtsbezirk (conventus) Carthaginensis, vgl. Kiepert, 
Lehrbuch der alten Geographie 490. 

2) Hydat. c. 49 (zum Jahre 411): Barbari ad pacem ineundam .... con- 
versi sorte ad inhabitandum sibi provinciarum dividunt regiones. 

3) Vn, 40, 10. 41, 7. 43, u. (Quamvis et ceteri Alanorum Vandalorum Suebo- 
rumque reges eodem [wie mit Wallia] nobiscum placito depecti forent). 

4) Vgl. V. Halb an. Das röm. Recht in den germanischen Yolksstaaten I 
(Breslau 1899), 65 f. 

5) Vgl. darüber Dahn, Könige VI ', 563. Sallet, Handbücher der königl. 
Museen zu Berlin. Münzen u. Medaillen (1898) S. 103. 

6) Vgl. meine Bemerkungen in der historischen Vierteyahrsschrift 1899 S. 452 f. 



Die älteste Zeit. 29 

(Leg. iiovell.Val. XXXIV, 12), worin verfügt wurde, dafs bei Rechts- 
geschäften der Bewohner der noch kaiserlich gebliebenen Gebiete 
Afrikas die Zeit der wandalischen Eroberung von der Zahl der 30 Prä- 
skriptionsjahre abgezogen werden solle, irrig dem Kaiser Honorius 
beigelegt hat.^) Dafs es nicht zu einer blofsen Einquartierung, sondern 
zu einer wirklichen Landnahme gekommen ist, ergiebt sich aus der 
(allerdings nur figürlich zu verstehenden) Äufserung des Orosius, dafs 
die Barbaren nach der Besitznahme des Landes zum Pfluge gegriffen 
hätten. Über die Grundsätze, nach denen hierbei verfahren wurde, 
ist leider Näheres nicht bekannt; man darf wohl nach den analogen 
Verhältnissen, wie sie bei den Landnahmen der Burgundionen, der 
Ost- und Westgoten obwalteten, vermuten, dafs die römischen Grund- 
besitzer einen Teil, vielleicht ein Drittel, ihres Eigentums, d. h. Grund 
und Boden, Sklaven, Vieh und die an die Scholle gebundenen Eolonen 
an die einzelnen Familien abtreten mufsten. Ob die Steuerpflicht 
dieser Teile dem Reiche gegenüber bestehen blieb, ist ungewifs. Das 
Bestreben der Germanen war darauf gerichtet, sich eine arbeitslose 
Existenz zu schaffen, die ihnen die Ausübung des Waffenhandwerkes 
in voller Mufse ermöglichte. Es ist daher mit Bestimmtheit anzu- 
nehmen, dafs nur der gröfsere und Grofsgrundbesitz, auf dem sich 
eine zahlreiche unfreie und hörige Bevölkerung befand, von der Teilung 
betroffen wurde. An eine Überweisung der gewifs in grofser Zahl 
vorhandenen verödeten Grundstücke ist nicht zu denken; die mit- 
geschleppten Sklaven, so viele ihrer auch gewesen sein mögen, werden 
zu landwirtschaftlichen Arbeiten nur zum geringen Teil geeignet ge- 
wesen sein. 

Die meisten noch unerobert gebliebenen Städte öffneten jetzt 
ihre Thore*), erhielten wohl auch zum Teil barbarische Besatzungen; 
die wichtigsten Festungen jedoch, insbesondere die Hafenplätze des 
Mittelländischen Meeres — hierzu zählten namentlich Sevilla und 
Earthagena, die erst 425 eingenommen wurden — blieben ganz in 
römischen Händen.^) Es entsprach dies der damals befolgten Politik, 
die von der richtigen Erkenntnis ausging, dafs die Beherrschung des 



1) Ygl. auch Dahn, Könige der Germanen I, 145 Note. Der Auffassung 
Haibans I, 66 f. kann icli nicht beipflichten. 

2) Hydat. c. 49: Hispani per civitates et castella residui a plagis bar- 
barorum per provincias dominantium se subiciunt servituti. — Ob auch eine 
Teilung städtischen Grundbesitzes wie bei den Westgoten (Dahn, Könige VI*, 
56) stattgefunden hat, läfst sich nicht feststellen. 

3) Ygl. auch Hydat. c. 91 (zu 430, von den Raubzügen der Sweben in 
Galicien): plebe perm, quae castella tutiora retinebat. 



30 Erstes Buch. 

Mittelländisclien Meeres durch die Barbaren den Untergang des 
Reiches bedeuten würde. Daher war man auch mit allen Kräften 
bemüht; die Festsetzung der Westgoten in der Provinz Narbonne 
zu verhindern. Ein wenige Jahre später (419 am 24. September) zu 
Eonstantinopel erlassenes Gesetz belegte mit Todesstrafe jeden^ der 
die Barbaren in der diesen bisher unbekannten Schiffsbaukunst unter- 
richten würde ^). 

Orosius^) weifs von einem nunmehr eingetretenen engen freund- 
schaftlichen Verhältnis zwischen den Fremden und den Römern zu 
erzählen: es habe unter den letzteren manche gegeben, die der 
drückenden Steuerlast sich durch Flucht zu jenen entzogen (sie 
traten wohl als Eolonen auf den germanischen Gütern ein), und 
sicher ist dies in Beziehung auf die ärmere landwirtschaftliche Be- 
völkerung zum grofsen Teil zutreffend. Die Aristokratie und die 
orthodoxe Geistlichkeit waren mit den neuen Verhältnissen begreif- 
licherweise nicht einverstanden, daher denn auch Hydatius von 
einer Unterwerfung unter die Knechtschaft der Barbaren spricht 
(c. 49 vgl. oben). 

Das Föderatverhältnis der vier Völker zum Reiche war jedoch 
nicht von langer Dauer. Es ist bekannt, dafs der Westgotenkönig 
Ataulf nach Alarichs Tode wahrscheinlich im Auftrage des Kaisers 
(vgl. oben) sich zunächst nach Gallien wandte, von dort aber, nach- 
dem sein Verhältnis zum Reiche gelöst war, von den kaiserlichen 
Truppen unter Konstantins hart bedrängt, in Spanien einfiel Da- 
von, dafs er jetzt die Wandalen aus diesem Lande habe vertreiben 
wollen, wie Jordanes (Get. 31, 163) erzählt, kann keine Rede sein; 
sein Zug richtete sich vielmehr gegen das damals noch römische 
Gebiet. Nachdem er hier die Stadt Barcelona erobert, fand er den 
Tod durch Meuchelmord (415). Sein Nachfolger Wallia verharrte 
anfänglich in der Feindschaft gegen das Reich; offenbar im Ein- 
verständnis mit den Alanen und Silingen, deren Gebiet er durch- 
ziehen mufste — wenigstens hören wir nichts von Kämpfen mit 
diesen — wandte er sich nach dem Süden der Halbinsel, um nach 
Afrika überzusetzen. Als jedoch diese Absicht sich als unausführbar 
erwies (Oros. VII, 43, il) und Konstantins über die Pyrenäen heran- 
zog, liels sich Wallia in Unterhandlungen mit letzterem ein. Es ward 



1) Cod. Justin. IX, 47. 

2) Vn, 41, 7: Bomanos ut socios modo et amicos fovent, nt inveniantur 
iam inter eoB quidam Bomani, qui malint inter barbaros pauperem libertatem 
quam inter Romanos tributariam sollicitudinem sustinere. 



Die älteste Zeit. 31 

ein Vertrag des Inlialtes abgeschlossen, daTs der Westgotenkonig 
gegen Empfang von 600000 Sclieflfel Getreide die Witwe Ataulfs, 
Placidia, des Kaisers Schwester, ausliefern und Spanien dem Beiche 
wiedergewinnen sollte (416).^) 

Zunächst wandte sich das westgotische Heer gegen die Silingen, 
deren König Fredbai durch List gefangen und zum Kaiser nach 
Bavenna geschickt ward (416)*), wahrend das Volk selbst in den 
folgenden Jahren durch schwere Niederlagen zum gröfsten Teile 
ausgerottet wurde (418).*) Der Name der Asdingen verschwindet 
daher jetzt als Volksname gänzlich und bleibt allein noch Bezeich- 
nung des königlichen Geschlechts. Auch die Alanen, gegen die 
Wallia nunmehr vorging, wurden empfindlich geschlagen und der- 
mafsen geschwächt, dafs das Volk nach dem Tode des Königs Addac 
beschlofs, kein eigenes Oberhaupt wieder zu wählen, sondern sich 
den asdingischen Wandalen anzuschlielsen, deren König als den 
ihrigen anzuerkennen (418).*) Die nunmehr auftretende Titulatur 
der wandalischen Könige als reges Vandalorum et Alanorum^) deutet 
an, dafs die Alanen zui^chst eine gewisse Sonderstellung bewahrten. 
Sie wurden zwar ebenfalls nach Tausendschaften organisiert (Prok.I, 5); 
doch scheinen sie neben den Wandalen als besonderer Stamm nach 
ihrem nationalen Rechte weiter gelebt zu haben, während die anderen 
jetzt und später hinzugetretenen Elemente wohl unter die Wandalen 
verteilt wurden. 

Ihre auf diese Weise gesteigerte Macht benutzten die Wandalen 
nach der Abberufung Wallias aus Spanien (Ende 418), um sich 
gegen ihre Nachbarn, die Sweben, mit denen vermutlich vom Beiche 
ein neues foedus abgeschlossen worden war, zu wenden; in den ner- 



1) Olympiod. fragm. 31. Hydat. c. 60. Prosp. c. 1259. Oros. YU, 43, 12 ff. 
Die folgende Darstellung beweist das Irrige der Bemerkung Haibans S. 66: 
„Die Wandalen bleiben nun von 411 — 429 auf Grund dieses Übereinkommens 
in Spanien; wir hören wenig Klagen über sie." 

2) Hydat. c. 67. 

3) Hydat. c. 68 (wohl übertreibend); Wandali Silingi in Baetica per Walliam 
regem omnes extincti. Sidon. ApoUin. carm. H, 362 ff. : Simul et reminiscitur 
illud, quod Tartesiacis ayus huius Yallia terris Yandalicas turmas et iuncti 
Martis Halanos stravit. 

4) Hydat. ibid. . . . ut . . . pauci (wohl ebenfalls übertrieben), qui super- 
faerant, abolito regni nomine Gunderici regis Wandalorum . . . se patrocinio 
Bubiugarent. Ygl. dazu Waitz, Yerfassungsgeschichte I', 307. K. 4. 

5) Nachweislich allerdings erst seit Hunerich (aus dessen Zeit stammt 
wohl auch die Notiz in der Continuatio Prosperi codicis Alcobaciensis z. J. 466, 
Chron. min. I, 487: rex Wandalorum et Alanorum Geisericus regnat post 
mortem Yalentiniani imp. annis XXI), jedenfalls aber schon seit Gunderich. 



32 Erstes Buch. 

basischen Bergen (in Nerbasis montibus) (die wohl in dem Gan- 
tabrischen Gebirge zu suchen sind)^) eingeschlossen, wurden diese 
nur dadurch vor dem drohenden Untergange gerettet, dafs ein wahr- 
scheinlich von ihnen zu Hilfe gerufenes, überlegenes römisches Heer 
unter dem comes Asterius^ heranzog und die Wandalen zum Abzug 
nach Bätica, den früheren Sitzen der silingischen StammesgenosscD, 
deren Überreste hier mit ihnen spurlos verschmolzen, nötigte. Auf 
dem Wege dahin, der wohl auf der über Oporto, Lissabon, Faro 
laufenden Stralse erfolgte, ist es bei Bracara (Braga) zu Kämpfen 
gekommen, bei denen eine Anzahl Wandalen getötet wurde (419; 
Hydat. c. 74).*) Hier wurden die Wandalen zwei oder drei Jahre 
später wiederum von den Römern angegriffen und durch eine 
enge Einschlieiüsung in eine solche Bedrängnis gebracht, dafs sie 
schon im Begriff waren sich zu ergeben, als der römische magister 
militum Castinus unbesonnenerweise es zu einer offenen Schlacht 
kommen liefs. In dieser erlitt das kaiserliche Heer — sei es nun, 
weil Castinus aus Eifersucht den kriegstüchtigen Bonifatius von der 
Teilnahme an dem Kriegszuge ausgeschlossen hatte (so Prosper) oder 
weil die (westgotischen) Hilfstruppen sich als treulos erwiesen (so 
Hydatius) — eine schwere Niederlage; 20000 Mann sollen damals 
auf Seite der Römer gefallen sein, was jedoch sicher nicht der 
Wahrheit entspricht (vgl. oben S. '21), und nur mit Mühe konnte 
sich der Anführer selbst nach Tarraco retten.*) Dieser Sieg steigerte 
die Zuversicht und die Macht der Wandalen in hohem Grade und 
trieb sie zu neuen Unternehmungen an. Zu ihrer später so gefürch- 
teten Seemacht haben sie damals den Grund gelegt^), denn wir ver- 
nehmen, dafs im Jahre 425 von ihnen die Balearischen Inseln und 
selbst die Küste Mauretaniens heimgesucht wurden. Zu derselben 
Zeit fielen auch Carthago Spartaria (Carthagena) und Hispalis 
(Sevilla), die letzten Bollwerke der Römer im feindlichen Gebiete, 



1) Genauer sind dieselben nicht mehr mit Sicherheit geographisch zu fixieren. 
Die Lage des cpogog Naqßaaav bei Ptolemäus ü, 6, 49 (vgl. Wietersheim n, 377 f.) 
pafst nicht in den Znsammenhang der von Hydat. berichteten Yor^nge. 

2) et sub vicario Maurocello sagt Hydat. c. 74. Befehlshaber des Heeres 
kann Maurocellus nicht gewesen sein; der Vicarius war Civilstatthalter. Einen 
Subvicar (so Wieterheim ü, 183) gab es nicht. 

3) Aliquantis Bracara in exitu suo occisis sagt Hydat.; diese Worte sind 
allerdings verschiedener Deutung fähig. 

4) Hydat. c. 77 z. J. 421. Prosp. c. 1278 z. J. 422. Chron. Gall. c. 107 
z. J. 431. Salvian. de gub. dei "VU, 45 (vgl. Zschimmer, Salvian S. 40). 

5) Es waren natürlich requirierte römische Schiffe, deren sich die Wan- 
dalen anfänglich bedienten. 



J 



Die älteste Zeit. 33 

ersteres yermutlich durch eine gemeinsame Operation zwischen Land- 
heer und Flotte, und wurden zum gröfsten Teile zerstört (Hydat. 
c. 86). Drei Jahre später (wahrscheinlich in den ersten Monaten des 
Jahres 428) starb Gunderich in Sevilla^) bei der Plünderung der 
Schätze der dem heiligen Vincentius geweihten Kirche^) eines plötz- 
lichen Todes*) — der fromme Hydatius führt denselben natürlich 
auf ein Strafgericht Gottes zurück — ; ihm folgte als König sein 
Halbbruder Geiserich*), der uneheliche Sohn Godigisels und einer 
Sklavin^), mit Übergebung der Söhne Gunderichs, die jener später 
in Afrika ermorden liefs, um die Thronfolge seinen Nachkommen 
zu sichern.^) Da Geiserich, wenn auch in sehr hohem Alter (Prok. 
I, 7) im Jahre 477 starb, so kann er nicht gut vor 390 geboren 
sein; sein Bruder, den wir im Jahre 406 an der Spitze des wan- 
dalischen Heeres quellenmäfsig bezeugt finden (vgl. oben), war also 
jedenfalls älter — denn bei den Kriegsnöten der Wanderung war es 
geboten, bei der Königswahl auf eine Persönlichkeit in schon rei- 
feren Jahren zurückzukommen — , und es ist wiederum ein Beweis 
für die Unzuverlässigkeit Prokops, wenn dieser den Gunderich bei 
dessen Vaters Tode als einen Knaben, Geiserich aber als einen er- 
probten Kriegshelden bezeichnet. Wenn daher Dahn (Urgeschichte 
I, 156; vgl. Könige I, 143 f.) sagt, dafs letzterer für seinen Bruder 
bis zu dessen Mündigkeit Scepter und Schwert geführt, ja auch 

1) Hydat. c. 89 (z. J. 428): Gundericus — capta Hispali — interiit, nach- 
dem er vorher (zn 425) gesagt: Carthagine Spartaria et Hispali e versa. Capta 
ist wohl in dem Sinne der Besetzung, nicht einer zweiten Eroberung zu verstehen. 

2) Den Namen der Kirche nennt allein der sonst für diese Zeit ganz un- 
selbstäjidige Isidor von Sevilla, Historia Vandalorum, c. 73, auf Grund von an 
Ort und Stelle eingezogenen Erkundigungen. Vgl. Hertzberg, Die Historien 
und Chroniken des Isidorus v. S. (Gott. 1874) S. 55. 

3) Dies ist die richtige Version. Prokop b. V. I, 3 erwähnt eine von den 
Wandalen selbst, aber erst aus seiner Zeit stammende Tradition, wonach 
Gunderich in Spanien im Kampfe mit Germanen (d. h. Franken) gefangen und 
von diesen ans Kreuz geschlagen worden sei. Davon kann keine Bede sein; es 
liegt offenbar Verwechslung mit dem Tode Godigisels, der am Rheine gegen 
die Franken fiel, vor. Ebensowenig kann die andere von Prokop angefahrte 
Version, dafs Gunderich von seinem Bruder Geiserich ermordet worden sei, 
Anspruch auf Glaubwürdigkeit machen. 

4) Nach Fr. Kauf&nann, Zeitschr. f. Deutsche Philol. XXXHI (1901) S. Iff. 
wäre die authentische Namensform Gensirix, nicht Geisarix; doch schreibt der 
Zeitgenosse Hydatius Gaisericus, und auch Vict. Vit., der schon zu G.'s Zeit 
lebte, hat die Form Geisericus. 

5) Procop. I, 3: vo&og, bestätigt durch Sidon. ApoUin. carm. H, 358 (cum 
serva sit illi parens), V, 57 (famula satis olim hie praedo). 

6) Victor Vitensis, Hist. persec. Afric. prov. H, 14. Daraus ist wohl die von 
Prokop berichtete Version, dafs Geiserich seinen Bruder ermordet habe, entstanden. 

Sohmidt, Wandalen. » 



34 Erstes Buch. 

späterhin unter ihm einen entscheidenden EinflnTs auf die Regierung 
ausgeübt habe, so ist dieser Versuch, das Zeugnis Prokops mit den 
zuverlässigen abendländischen Quellen, den Konsularf asten und 
Hydatius^ in Einklang zu bringen, als durchaus verfehlt zu be- 
zeichnen. Es ist dagegen nicht unwahrscheinlich, wenn auch nur 
Vermutung, dafs Geiserich bereits damals die wandalische Flotte 
befehligt hat, die hauptsächlich später seinem Namen zu einem so 
gefürchteten Rufe verhalf Über die näheren Umstände, unter denen 
seine Wahl zum Könige erfolgte, ist nichts überliefert. Von einer 
stattgefundenen Usurpation der Krone ist nirgends die Rede; Geiserich 
ist also wohl durch Beschlufis des Volkes an die Spitze berufen 
worden, wahrscheinlich weil ihn seine Tüchtigkeit vor den (vermut- 
lich noch in jugendlichem Alter stehenden) direkten Nachkommen 
des verstorbenen Königs zu dieser Stellung besonders geeignet er- 
scheinen liefs.^) Berühmt ist das Charakterbild, das Jordanes 
(Getica 33,168) von ihm entwirft und das wenigstens den Vorzug 
hat, frei von panegyrischer Übertreibung zu sein, da der Geschicht- 
schreiber des Gotenvolkes, wie schon bemerkt, von einer grofsen 
Animosität gegen die Wandalen erfüllt ist. Geiserich war hiemach 
ein Mann mittlerer Gröfse, infolge eines Sturzes vom Pferde hinkend 
(dies wohl erst seit späterer Zeit), wortkarg, aber tiefen Geistes, 
enthaltsam, jähzornig, habgierig und äuJserst geschickt, unter den 
Völkern den Samen der Zwietracht zu verbreiten. Prokop nennt 
ihn einen erprobten Kxiegshelden von rastloser Thatkraft, während 
der Byzantiner Malchus (fragm. 13) sagt, er sei rascher in der That 
als andere im Entschlufs gewesen. Die grofse, durch sein späteres 
Verhalten bestätigte Begabung des Königs als Heerführer und Poli- 
tiker geht deutlich aus diesen Charakteristiken hervor. Dafs er ur- 
sprünglich Katholik gewesen und nun zum arianischen Glauben 
übergetreten sei, ist, wie der einzige Gewährsmann, Hydatius, selbst 
vorsichtig bemerkt, nicht sicher bezeugt (c. 89: ut aliquorum relatio 
habuit); auch an sich aber scheint diese vielleicht erst aus späterer 
Zeit stammende, wohl nur auf böswilliger Erfindung beruhende 
Version wenig glaublich. 

Die hervorragenden Eigenschaften Geiserichs haben bei dessen 
Wahl ohne Zweifel einen um so entscheidenderen Einflufs aus- 
geübt, als die Absicht einer Reichsgründung in der Spanien 
gegenüberliegenden afrikanischen Provinz wohl schon unter seinem 

1) Vgl. auch Dahn, Könige VI«, 547. Pflugk-Harttung in der Zeit- 
schrift der Savignystiftnng für Rechtsgeschichte, Germ. Abt. XI, 178. 



Die älteste Zeit. 35 

Vorgänger Gundericli bestand. Die oben erwähnte wandalische 
Expedition nach Mauretanien im Jahre 425 ist wohl unter diesem 
Gesichtspunkt, als eine zur Orientierung unternommene Fahrt, zu 
beurteilen. Die bekannte ,,Landnot'^ ist in diesem Falle wahrschein- 
lich nicht als Grund in Frage gekommen, da das fruchtbare, er- 
tragsfahige Südspanien, das damals wesentlich zur Yerproviantierung 
Italiens beitrug, der ohnehin nicht sehr zahlreichen Volksmenge 
reichliche Nahrung zu bieten im stände war. Ein wesentliches 
Moment war wohl die Besorgnis vor einem erneuten Einfall der mit 
dem Reiche föderierten, überlegenen Westgoten, der um so mehr 
zu fürchten war, als die Pyrenäenpässe in den Händen der Feinde 
waren; dieses Motiv ist vielleicht auch der sonst unrichtigen Dar- 
stellung des Jordanis (Getica c. 33) zu entnehmen, wozu die (bis auf 
den gesperrt gedruckten Zusatz aus Prosper entlehnte) Stelle in der 
Chronik Cassiodors (chron. c. 1213: Gens Vandalorum a Gothis 
exclusa — ad Africam transit) zu vergleichen ist. In Afrika da- 
gegen mochte man sich namentlich durch die Flotte, die ja auch 
späterhin eine wesentliche Verstärkung und Ausbildung erfahren hat, 
besser geschützt glauben. Dazu kam die bei den germanischen Ein- 
fallen in das römische Gebiet immer eine bedeutende Rolle spielende 
Aussicht auf Kriegsbeute und der Wunsch nach Befriedigung der 
Rauf- und Mordlust. Die zu jener Zeit in Afrika herrschenden, durch 
innere Zwistigkeiten hervorgerufenen verworrenen Verhältnisse, ferner 
die zur Verteidigung des grofsen Gebietes zu wenig genügende 
Truppenzahl und die damals ausgebrochenen Unruhen der Mauren, 
Umstände, von denen die Wandalen natürlich nicht ohne Kenntnis 
blieben — wir kommen später darauf zurück — , forderten aber 
geradezu zu einem Einbrüche heraus. Dagegen ist die Version, dafs 
der Militärgouverneur von Afrika, Bonifatius, die Wandalen selbst 
dahin gerufen habe, um seine Stellung gegen die Intriguen einer 
ihm feindlichen Hofpartei zu stützen oder um sich wegen erlittener 
Kränkungen zu rächen (so selbständig Prokop, Jordanes und Paulus 
Diaconus) ganz unhistorisch und eine wahrscheinlich erst hundert 
Jahre später am byzantinischen Hofe zu dem Zwecke aufgebrachte 
Fabel, um den Verlust der Provinz an die Barbaren zu motivieren. 
Ausführlich habe ich darüber bereits an anderer Stelle gehandelt, so 
dafs ich mich hier begnügen kann, darauf zu verweisen.^) 

1) Hist. Vierteljahrsschrift 1899 S. 449 ff. Zu S. 458 möchte ich noch be- 
merken, dafs die Bedeutung des Wortes famosus als berühmt auch durch 
Victor Yit. 1,24 (nobilissimam atque famos am . . . Bomam) gestützt wird. 

3* 



36 Erstes Buch. 

Bereits waren Anstalten zur Einschiffung der Wandalen getroffen^ 
als die Nachricht einlief, dafs eine Schar Sweben unter Hermigar^) 
plündernd in den an die Bätica angrenzenden Teil Lusitaniens ein- 
gedrungen sei: rasch eilte Geiserich mit einer Abteilung seiner 
Krieger wieder zurück und schlug die Feinde bei Emerita (Merida) 
in die Flucht, wobei ihr Führer in den Fluten der Guadiana den 
Tod fand (Anfang des Jahres 429). So lautet der Bericht des 
zuverlässigen Hydatius (c. 90); unbrauchbar ist dagegen die Dar- 
stellung, die Gregor von Tours (Hist. Franc. 11,2) von diesen Vor- 
zügen giebt: Die benachbarten Sweben und Wandalen geraten mit- 
einander in Streit; auf Vorschlag des Swebenkönigs wird von den 
beiden Völkern beschlossen, die bevorstehende Schlacht durch einen 
Zweikampf zweier Knechte (pueri) entscheiden zu lassen; der Stamm, 
dessen Kämpfer siegt, solle das Land besitzen. Der Kampf beginnt 
und der Vertreter der Wandalen fällt; diese (als ihren König nennt 
Gregor den Thrasamund, der erst siebzig Jahre später auf den Thron 
gelangte) verlassen hierauf Spanien. Dafs in dieser Version echte 
Volkssage, und zwar swebischen Ursprungs, vorliegt, zeigen die 
charakteristischen Züge der Erzählung^); sie ist insofern auch 
geschichtlich verwertbar, als sie die beschränkte Macht des Königs 
und die entscheidende Gewalt der Volksversammlung bei den Sweben 
erkennen läfst.^) 

Nach diesem Zwischenfall wurde der Übergang der Wandalen 
ohne Störung bewerkstelligt; im Mai 429 setzte Geiserich mit seinem 
Volke von Julia Traducta (jetzt Tarifa*) aus nach Afrika über. 
Man wird anzunehmen haben, dafs eine Eroberung der die Strafse 
von Gibraltar auf dem afrikanischen Ufer deckenden festen Plätze 
Tingis (Tanger) und Septem (Genta) vorhergegangen ist. Ob der 

1) Da später wiederholt die Neigung der Sweben, sich in zwei Gruppen 
unter besonderen Herrschern zu gliedern, hervortritt, so ist es denkbar, dafs 
Hermigar neben dem früher und später als Herrscher genannten Hermerich 
König war; Hydatius freilich nennt ersteren einfach nur Suevum (c. 90), vgl. 
Dahn, Könige YI «, 547. 

2) Vgl. auch Giesebrecht in der Übersetzung Gregors, 2. Aufl., I, 47. 

3) Der gegenteiligen Ansicht Dahns, Könige VI*, 547, Note 4, kann ich 
nicht beistimmen. 

4) Vgl. Greg. Tur. a. a. 0. Proc. b. V. I, 3. Jord. Get. 33, 167. Infolge 
einer Verwechselung mit der gegenüberliegenden spanischen Stadt sagt Plinius 
hist. nat. V, 2, die Stadt Tingis habe seit Claudius auch Traducta Julia geheifsen. 
Vgl. Forbiger, Handbuch der alten Geographie H, 875. Die Ergänzung der 
von Tissot (vgl. M^moires pr^sent^s par divers savants ä Tacad. des inscriptions 
et helles lettres S^r. I. tom. 9 (1878), S. 185 ff.) gefundenen Inschrift, die zur 
Stütze des Plinius herangezogen wird, ist doch sehr unsicher. 



Die älteste Zeit, 37 

Name AndaloS; mit dem die Araber zur Zeit Tariks anfänglich 
diesen südlichsten Punkt Spaniens^ später aber die ganze pyrenäische 
Halbinsel bezeichneten, = Vandalos zu setzen und von dem dort 
stattgefundenen Übergang der Wandalen herzuleiten ist, scheint mir 
fraglich; sicher ist die landläufige Meinung, dafs das heutige 
Andalusien nach den Wohnsitzen der Asdingen und Silingen in der 
Bätica benannt worden sei, falsch.^) Dafs das Jahr 429 das richtige 
ist, wird jetzt allgemein angenommen, da dieser Zeitpunkt durch 
das Zeugnis des Hydatius gestützt wird, Prosper chron. c. 1295 
setzt den Übergang der Wandalen ins Jahr 427; doch falst dieser 
hier nach seiner öfters zu bemerkenden Gewohnheit die Ereignisse 
mehrerer Jahre zusammen. Nicht in Betracht kommen dagegen die 
Angaben der in der Chronologie unzuverlässigen südgallischen Chronik 
c. 108 (zu 431) und des Chronicon paschale (zu 428). Letzteres 
geht allerdings auf die gleichzeitigen oströmischen Eonsularfasten 
zurück (vgl. Holder- Egger im Neuen Archiv f. alt: d. Gesch. II, 82 ff.); 
doch ist es bei dem Mangel von anderen Ableitungen derselben 
fraglich, ob dort wirklich jenes Ereignis zum Jahre 428 angesetzt 
war. Es war kein Abenteuerzug, unternommen von einer Anzahl 
freiwillig dazu entschlossener, kriegslustiger Barbaren, sondern die 
Auswanderung des gesamten Volkes: dies sagt Hydatius ausdrückUch 
c. 90: Gaisericus — cum Vandalis omnibus eorumque familiis . . . 
transiit. Vgl. dazu auch Victor Vit. I, 2: Transiens igitur quantitas 
universa . . . Dafs Goten und allerlei sonstiges Volk aus Spanien 
freiwillig^ sich anschlössen^), ist für die Beurteilung des Grund- 
charakters dieses Zuges ohne Bedeutung. Die EinschifiPung gab dem 
Könige Veranlassung, eine Zählung der gesamten Volksmenge, Weiber*), 
Kinder, Greise und Sklaven eingerechnet, vorzunehmen, angeblich 
um seiner Macht zu einem gefürchteten Rufe zu verhelfen; nach 
dem Zeugnisse Victors von Vita (I, 2) waren es 80000 Köpfe. Diese 
Angabe verdient jedenfalls gröfseren Glauben, als die Prokops (bell. 

1) Ygl. die trefflichen Ausfähruiigen Dozy's, Recherclies sur Thistoire et 
la litt^rature de TEspagne pendant le inoyen-äge. P, 301 ff. 

2) Sickel in der Westdeutschen Zeitschrift IX (1890), S. 239, zählt die 
Alanen mit Unrecht zu den unter Geiserich dienenden Freiwilligen. 

3) Possidius vit. August, c. 28 : manus ingens . . . Wandalorum et Alanorum 
commixtam secum habens Gothorum gentem (wohl unter Ataulf oder WaUia in 
Spanien zurückgebliebene Scharen) aliarumque diversarum [gentium] personas. 
Die bei Prosper chron. c. 1329 genannten spanischen Römer gehörten zum 
königlichen Gefolge. 

4) Diese werden nicht ausdrücklich erwähnt, sind aber ohne Zweifel mit 
inbegriffen. 



38 Anhang zum ersten ßuch. 

Vand. I, 5), dafs die Zahl der übergesetzten Barbaren nicht mehr 
als 50000 betragen habe. Die Anzahl der waffenfähigen Männer 
hat also wahrscheinlich 16000 nicht überstiegen. Wenn Prokop 
femer sagt, Geiserich habe sein Volk in 80 Haufen (Xoxot) geteilt, 
an deren Spitze er je einen Anführer, Ghiliarch genannt, stellte, um 
den Anschein zu erwecken, als ob sein Heer aus 80000 Mann 
bestehe, so beruht diese auch an sich wenig wahrscheinliche Nachricht 
wohl auf einem Kombinationsversuch der beiden einander gegenüber- 
stehenden Versionen über die damalige Stärke der Wandalen (50000 
und 80000); die Kenntnis von der nationalen Gliederung des Volkes 
in Tausendschaften mag dabei mitgespielt haben.^) 



Anliaiig zum ersten Buch. 

Was wir über die inneren Verhältnisse des wandalischen Volkes 
vor der Niederlassung in Afrika wissen, ist leider sehr unvollkommen. 
Wie bei den germanischen Stämmen überhaupt, so waren auch 
natürlich bei den Wandalen zur Zeit ihres Eintrittes in die Geschichte 
die wirtschaftlichen Zustände sehr primitiver Art.^) Den Zustand 



1) Vgl. Delbrück in den Preufsisclien Jahrbüchern 81 (1895), S. 476 xmd 
meine Bemerkungen Westdeutsche Zeitschrift XX (1901), S. Iff. Anders Seeck 
in den Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik. 3. Folge, Bd. XTTT (1897), 
S. 178 ff. Victor von Vita wendet sich ausdrückKch gegen die von anderer Seite 
vertretene Ansicht, dafs allein die Waffenfähigen 80000 Mann stark gewesen 
seien, zeigt sich also als gut unterrichtet. Auch Prokop spricht von der Volks- 
menge, t6 nXijd'os. Wenn Seeck meint, Geiserich habe kein Interesse an der 
Feststellung der gesamten Volkszahl, sondern nur an der der kriegstüchtigen 
Männer gehabt, so kann ich dem nicht beipflichten; es handelte sich doch bei 
dem Übergange nach Afrika in erster Linie um die Beschaffung des erforderlichen 
Schiffsraumes und die Verteilung des Volkes auf die einzelnen Fahrzeuge. Es 
mufs deshalb auch angenommen werden, dafs die Zählung vor der Einschiffung 
stattgefunden hat (Vict. drückt sich unbestimmt aus: transiens igitur quantitas 
universa etc.). Die Römer haben diesen Zweck völlig mifsverstanden. 

2) Vgl. namentKch Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte I, 67 ff. Schröder, 
Deutsche Rechtsgeschichte', S. 53 ff. Räch fahl in den Jahrbüchern für 
Nationalökonomie und Statistik, 3. Folge, XIX (1900), S. 161 ff. Nach Rachfahl 
ist die bisherige Ansicht, dafs Tacitus die wirtschaftlichen Zustände der Ger- 
manen in einer höheren Stufe als Cäsar darstelle, falsch; jener habe nur die 
Mitteilungen Cäsars zu Grunde gelegt. Vgl. jetzt auch Delbrück, Geschichte 
der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte n (Berlin 1901), S. 25 
(vgl. S. 26: „Um frischen ertragsreichen Boden bestellen zu können, wurde der 
Platz der Ansiedelung innerhalb des Gaues öfter verlegt"). 



^ 



Die Verfassung in ältester Zeit. 39 

des Nomadentums hatten dieselben damals bereits überwunden; sie 
waren, wie wir sahen, zu einer gewissen Sefshaftigkeit gelangt. 
Die HauptqueUe der Ernährung bildete Jagd und Viehzucht; daneben 
wurde auch etwas Ackerbau getrieben, der jedoch durchaus extensiv 
war und sich auf die Frühjahrsbestellung beschränkte. Den letzteren 
zu besorgen lag den Frauen und den schwächeren Familienangehörigen 
ob, während die kampffähigen Männer für die Fleischnahrung zu 
sorgen hatten. Die einzelnen Gaue (Tausendschaffcen) dürfen in jener 
Zeit als die Eigentümer des Grund und Bodens betrachtet werden, 
über welchen der Gau sich erstreckte. Die Gauvorsteher wiesen 
alljährlich den einzelnen Geschlechtem (Sippen) Land zur Nutzung 
zu; jedes Jahr fand ein Wechsel der Feldmarken und damit auch 
der Wohnungen statt.^) Ob in diesen Verhältnissen später, während 
der langjährigen Niederlassung an der Theifs eine Änderung sich 
vollzogen hat, darüber fehlen die Nachrichten; doch ist es sehr 
wahrscheinlich, dafs es im wesentlichen bei den alten Zuständen, 
wie sie Cäsar schildert, geblieben ist. Aus der schon erwähnten 
Erzählung bei Prokop bell. Vand. I, 22 geht hervor, dafs auch 
damals, zu Anfang des fünften Jahrhunderts, noch ein Gesamt- 
eigentum des Gauvolkes an dem von ihm occupierten Gebiete be- 
stand. Die Viehzucht hat jedenfalls noch immer die Hauptrolle in 
der Emährungsfrage gespielt, während der Ackerbau von ganz unter- 
geordneter Bedeutung war. Namentlich ist die Pferdezucht, und 
zwar zu Kriegszwecken, eifrig betrieben worden. Aus Dexippus 
(vgl. weiter unten) ersehen wir, dafs das Heer der Wandalen im 
Jdire 270 vorwiegend aus Reitern bestand. Das Land reichte aber 
bei der bisherigen Bewirtschaftungsmethode, nachdem die Bevölkerung 
erheblich angewachsen war, nicht mehr zur Ernährung aus, und man 
entzog sich der Mühe, die der Übergang zu einer höheren agrarischen 
Entwickelungsstufe erforderte, indem man sich zur teilweisea Aus- 
wanderung entschlofs.*) 

Eine völlige Umwälzung wurde durch die Wanderung herbei- 
geführt. Es war bedeutungsvoll, dafs die Wandalen, ohne ein Über- 
gangsstadium durchgemacht zu haben, plötzlich sich den hoch- 



1) Vgl. Caesar bell. Gall. IV, 1, 2, VI, 22, dem wir die ersten Nachrichten 
über die germanische Agrarverfassnng verdanken. 

2) Wie Hartmann, Greschichte Italiens im Mittelalter 11 (Leipzig 1900), 
S. 6, treffend bemerkt, braucht ein Volk im primitiven Kulturzustande entweder 
sehr viel Platz zur Ausbreitung seiner extensiven Wirtschaft oder unterworfene 
Stämme oder Hörige, die ihm die Arbeit intensiverer Wirtschaft abnehmen. 



40 Anhang zum ersten Buch. 

entwickelten wirtschaftlichen Verhältnissen des römischen Reiches 
gegenübergestellt sahen. Das Volk nahm^ als es sich in Spanien 
niederliefs, den Possessoren Teile ihrer Güter weg und trat für 
diese ganz in die Rechte und die Stellung der bisherigen Eigentümer 
ein; die römische Wirtschaftsverfassung, die die Fürsorge für die 
Ernährung des Herrn fast ganz in die Hände der Sklaven und 
Kolonen legte, blieb bestehen. Die frühere Bedeutung der Sippen 
als Wirtschaftsgenossenschaften ging dadurch völlig verloren.^) 

Die staatliche Gliederung schlofs sich völlig an die des Heeres 
an: die Begriffe Volk und Heer waren identisch. Dies tritt auch 
später noch hervor, vgl. Vict. Vit. I, 13: (Geisericus) exercitui . . . 
Zeugitanam . . . divisit; vgl. ebenda HI, 60. Die Wandalen waren 
nach Tausendschaften gegliedert. Zeitweilig, solange das Volk feste 
Wohnsitze inne hatte, zu territorialer Bedeutung (Gaue) gelangt 
(vgl. die Tausendschaft im Beowulf v. 2196), ist die persönliche 
Bedeutung dieser Abteilung auf der Wanderung wieder aufgelebt. 
An der Spitze der Tausendschaften ^ standen (anfänglich vom Volke 
gewählte) Häuptlinge (Fürsten, principes bei Tacitus), denen die 
Führung ihrer Mannschaften im Kriege und die Handhabung der 
Rechtspflege oblag. Die Tausendschaften zerfielen wiederum in 
Hundertschaften, unter eigenen Anführern stehende, 100 oder 120 
Erieger umfassende Abteilungen, die zugleich besondere Gerichts- 
gemeinden bildeten, in denen der Tausendschaftsführer unter Mit- 
wirkung des Volkes Recht zu sprechen hatte. Die Grundlage der 
Hundertschaften bildeten wiederum die Geschlechtsverbände. In den 
Quellen erscheinen die Vorsteher der Tausendschaften als aQxovrsg 
zuerst in dem verfassungsgeschichtlich wichtigen Bericht des Dexippus 
(fragm. 22, vgl. auch oben). Es heifst, dafs sie fast ebenso hoch 
wie die beiden Könige geachtet worden seien imd dafs sie gleich 
diesen ihre Kinder als Geiseln stellten.') Die Hundertschaften treten 
nirgends hervor; dagegen scheint die Existenz von Abteilungen zu 
500 Mann unter besonderen Befehlshabern aus der weiteren Erzählung 



1) Vgl. auch die Bemerkungen über die Landnahme in AMka. 

2) Die nationale Bezeichnung für den Anführer der Tausendschaft war 
jedenfalls auch bei den Wandalen J^usundifaJ^s , womit Wulfila das griechische 
XiXiocQxog übersetzt, vgl. Dahn VI *, 29. 

3) oi 81 toav ßaQßocQcop ßocaiXsig %ocl aQxovreg ijiiovteg nad'oti acpial ngoaeigri- 
fiivov, iSocav oit'rJQOvg acpmv ccvtmv ov tcc SsvvSQa oc^ioaasoag xal tvxrjg. oT te yocQ 
ßaaiXsig tovg naCdag shcctsqoi 8i86aaiv ig trjv öfjLrjQsiav, ivSoidcccvtsg ov8hv, %ccl 
^rsQoi Sfia avtoCg ov fiaXa nofgat a^icoascog, Ygl. dazu auch v. Sybel, Ent- 
stehung des deutschen Königtums \ 219 ff. 



Die Verfassung in ältester Zeit. 41 

des Dexippus hervorzugehen.^) Aus derselben Quelle erfahren wir 
zugleich^ dafs eine Hauptwaflfe des wandalischen Heeres Pfeil und 
Bogen gewesen ist.^ Direkt bezeugt ist die Tausendschaft allerdings 
erst durch die schon erwähnte (zum Teü irrige) Erzählung Prokops, 
dals Geiserich nach der Landung in Afrika die Wandalen und Alanen 
unter 80 Chiliarchen gestellt habe (vgl. oben). Aber sie reicht 
jedenfalls in die älteste Zeit zurück.') Die Ansicht Mommsens 
(Neues Archiv £ ä. d. Gesch. XIV (1889), S. 499, N. 4), Geiserich 
habe wie der nach Italien ziehende Theoderich sein Heer nach 
römischem Muster geordnet, d. h. den damaligen numerus von 
1000 Mann unter einem tribunus zu Grunde gelegt, muls auf alle 
Fälle verworfen werden. 

Die Hauptmasse des Volkes bildeten die Gemeinfreien; sie füllten 
das Heer, auf ihnen ruhte in erster Linie Recht und Gesetz, indem 
sie die die höchste Regierungsgewalt ausübende Volksversammlung 
bildeten. Aufserdem finden wir bei den Wandalen noch Knechte. 
Vgl. Vict. Vit. I, 2 von der Zählung des Volkes durch Geiserich: Qui 
reperti sunt senes, iuvenes, parvuli, servi vel domini, LXXX 
milia numerati. Die Zahl der Knechte wird natientlich auf den 
Zügen durch Gallien und Spanien eine starke Vermehrung erfahren 
haben. Der Stand der Hörigen war, wie bei allen Ostgermanen, so 
auch hier anfänglich unbekannt; doch haben die Wandalen, als sie 
in Spanien in die römischen Grimdbesitzverhältnisse eintraten, den 
römischen Kolonat bestehen lassen, die rechtliche Stellung der An- 
gehörigen dieses Standes respektiert.*) Ob es auch Freigelassene ge- 
geben hat, ist unbekannt. 

Über den Gemeinfreien stand der Adel, dessen Inbegriff die 
Geschlechter des Königs und der Fürsten bildeten, und wenn einer- 
seits das Emporkommen neufürstlicher, also neuer Adelsgeschlechter 
durch die Berufung eines Nichtadeligen zum Fürstenamte prinzipiell 
nicht ausgeschlossen war, so galt es doch durchaus als Regel, wie 

1) VgL meinen Aufsatz Westdeutsche Zeitschr. XX (1901), S. 1 fF. 

2) xal TO ^Qyov rovtq tbv iQyocad^svov nccgä T<p ßaoiXsC natato^svd'rjvai,, 

3) Vgl. Westd. Zeitschr. a. a. 0. Nach Delbrück a. a. 0. wäre zu setzen 
Geschlecht = Dorf = Gau = Hundertschaft. Die Gröfse der Hundertschaft sei 
auf 400 — 1000, bisweilen auch bis zu 2000 Seelen zu veranschlagen. Vorsteher 
ist der Hunno; die principes sind Angehörige edler, über den Gemeinfreien 
stehender Geschlechter, die vom Volke gewählt waren und durch die Gaue 
reisten, um Gericht zu halten, mit fremden Mächten verhandelten, die öffent- 
lichen Angelegenheiten berieten etc. Ich kann mich mit dieser Hypothese nicht 
einverstanden erklären. 

4) Vgl. dazu im allgemeinen Waitz, Verfassungsgesch. ü, 1, 241. 



42 Anhang zum ersten Buch. 

den Könige so auch die Fürsten nur aus den Reihen des Adels zu 
nehmen.^) Als das höchste Adelsgeschlecht galt das königliche. 

Zur Zeit des Tacitus scheinen die lugischen Völkerschaften noch 
eine republikanische Verfassung gehabt zu haben: in der Germania 
(cap. 43) werden die von Königen regierten Goten, Rugier und 
Lemovier den übrigen Germanen gegenübergestellt.^) Über das 
Königshaus der Silingen ist nichts überliefert; namentlich wird 
bei diesen erst nach der Eroberung Spaniens ein König, Fredbai, 
genannt. Die asdingischen Wandalen nahmen ihre Könige gewohn- 
heitsrechtlich aus dem Geschlechte der Asdingen, das sich bis zum 
Untergange des Volkes im Besitze der Krone erhalten und nach dem 
dieses selbst seinen Namen bekommen hat. Letzteres ergiebt sich 
aus den Worten des Jordanes (Getica c. 22,118 nach Dexippus): 
Visimar . . . Asdingorum stirpe, quod inter eos eminet genusque 
indicat bellicosissimum u. s. w. und wird auch durch das Beispiel 
anderer Völker bestätigt.*) Es liegt Grund zu der Annahme vor, dafs 
das Königshaus der Asdingen das zur Königswürde emporgestiegene 
Priestergeschlecht bei den Nahamavalen gewesen ist.*) Eine feste Erb- 
folgeordnung fehlte in jener Zeit; das Volk wählte imter den lebenden 
Mitgliedern der stirps regia diejenigen zu Königen, die sich durch be- 
sondere, namentlich kriegerische Eigenschaften auszeichneten.^) So ward 
der kriegstüchtige Geiserich mit Übergehung der Söhne seines Bruders, 
die wahrscheinlich noch im Kindesalter sich befanden, zur Herrschaft 
berufen. Anfänglich standen bei den Asdingen, einer bei den Germanen 
überhaupt mehrfach nachweisbaren Gewohnheit entsprechend^), zwei 
Könige nebeneinander an der Spitze: so Raus und Raptus im Marko- 
mannenkriege und die beiden von Dexippus erwähnten Könige im Jahre 
270; erst nach dieser Zeit wird das Königtum durch eine Person 
vertreten. Der Inbegriff der königlichen Gewalt bestand in der ältesten 
Zeit hauptsächlich in der Heerführerschaft und dem Oberpriestertum.') 

1) Schröder, Rechtsgesch. S. 42. 

2) Omnimnque harum gentium insigne . . . erga reges obsequium. 

3) Vgl. Brunner, Rechtsgesch. I, 121 Note 15. Waitz, Verfassungsgesch. P, 
319. — Auf die spätere Zeit beziehen sich die Stellen Cassiodor, Variae IX, 1 : si 
inter Hasdingorum stirpem retinuissetis Hamali sanguinis purpuream dignitatem; 
Joh. Lydus, de magistratibus m, 55: rslC^isga . . . avv roCg svdo^oig xov 
k'd'vovg, ovs iyidXovv 'jiatiyyovg otßaQßaQoi; Dracontius, satisfactio v. 22: Nominis 
Asdingui bella triumphigera; Florentinus in laudem Thrasamundi (Riese, Anthol. 
lat. I, 1, p. 244) V. 30: Carthago Asdingis genetrix. 

4) Vgl. Brunner 1, 126 und oben. 

5) Dieses entscheidende Moment spricht sich auch in der citierten Stelle 
des Jordanes aus. 

6) Waitz a. a. 0. 322. 7) Brunner I, 126. Schröder S. 25. 



Die Verfassniig in ältester Zeit. 43 

Aulserdein hatte der König die Gesamtheit, den Staat, nach aiiTsen 
zu vertreten; doch tritt er hier nur als VoUzieher der Beschlüsse der 
Volksversammlung auf, wie er denn stets, wenn es sich um Krieg 
oder Frieden oder Aufgabe der bisherigen Wohnsitze handelte, an 
den Willen des Volkes gebunden war. Dafs bei der Aufgabe der 
Sitze an der Theifs, die der gröfsere Teil der Asdingen unter der 
Führung des Königshauses verlief s, es sich um einen Beschlufs des 
gesamten Stammes handelte, geht aus der schon besprochenen Stelle 
Prokops bell. vand. I, 22 direkt hervor. Auch der Übergang nach 
Afrika ist ohne Zweifel mit Zustimmung des versammelten Volkes 
erfolgt; unser bester Gewährsmann, Hydatius, sagt ausdrücklich, es 
seien alle Wandalen dahin aufgebrochen, also nicht blofs einige 
abenteuerlustige Abteilungen derselben. 

Aus der Vereinigung der Heerführerschaft und des Oberpriester- 
tums resultierte die Strafgewalt über das Heer, die die wandalischen 
Könige, solai^e dasselbe beisammen war, besafsen^): in der be- 
sprochenen Erzählung des Dexippus erschiefst der eine König den 
Befehlshaber der Abteilung von 500 Mann, welche mit dessen Zu- 
stimmung das römische Gebiet, dem Friedensvertrag zuwider, verheert 
hatten. Namentlich diese letztere Befugnis hat jedenfalls bei dem 
fortwährenden Kriegszustande auf der Wanderung, begünstigt durch 
die kraftvollen Persönlichkeiten einzelner Herrscher, wie es nament- 
lich Geiserich war, eine allmählich fortschreitende Stärkung der 
Machtstellung des Königtums auf Kosten der Volksgewalt bewirkt. 
Die Volksversammlung hülste immer mehr an Bedeutung ein, sie trat 
immer seltener zusammen; der Einflufs des königlichen Willens auf 
ihre Beschlüsse wurde immer grö&er; die Abteilungsvorsteher empfingen 
ihr Mandat aus der Hand des Herrschers, wurden dessen Beamte 
und waren ihm zur Treue und Ergebenheit verpflichtet. So bildeten 
sich auch hier die Anfänge zu einem Dienstadel, in dem der alte 
Geschlechtsadel zum gröfsten Teile aufging. 

Diese Entwickelung, die wir nach der Begründung des souveränen 
Reiches in Afrika als völlig abgeschlossen vorfinden, vollzog sich 
also durchaus auf germanischer Grundlage; sie ist im grofsen und 
ganzen dieselbe, wie bei anderen deutschen Stämmen, z. B. den 
Langobarden^) und Franken. Von römischen Elementen wird das 



1) Vgl. oben und Schröder S. 38. 

2) Vgl. meine Gresch. der Langobarden S. 77 f. Hartmann, Gresch. 
Italiens ü. 



44 Anhang zum ersten Buch. 

wandalische Königtum erst später wesentlich beeinflufst^); in der 
hier behandelten älteren Periode kommen solche Einwirkungen — 
im Gegensatz zu der besonders von Sybel imd Mommsen vertretenen 
Anschauung — nur in untergeordneter Weise in Betracht. Die 
Verhältnisse lagen hier doch wesentlich anders als namentlich bei 
den Ostgoten und Burgundionen; den Reichsgründungen dieser 
Völker nach der Völkerwanderung ging eine völlige Auflösung der 
alten Zustände voraus; ihre Herrscher entstammten nicht von alters 
her bestehenden Königshäusern, sondern waren Häuptlinge, die ihre 
monarchische Gewalt wesentlich einem Dienstvertrag mit dem römischen 
Kaiser verdankten. Bei den Wandalen ist dagegen der ganze Stamm 
unter einem seit der ältesten Zeit fortdauernd an der Spitze ge- 
bliebenen königlichen Geschlecht im wesentlichen zusammengeblieben; 
auch gegenüber dem zurückgelassenen dacischen Volksteile hat sich 
das Gefühl der staatlichen Zusammengehörigkeit noch lange Zeit 
wach erhalten. Der lange Aufenthalt in dem der römischen Kultur 
entrückten Gebiete an der Theifs mufste auf die Entwicklung des 
Nationalitätsbewufstseins von vorteilhaftem Einflüsse sein, während 
die Niederlassung in Spanien von zu kurzer Dauer war, um direkt 
tiefer gehende Beeinflussung durch römisches Wesen hervorrufen zu 
können. 



1) Hervorzuheben ist, dafs Gteiserich anfanglich, auch noch in den ersten 
Jahren der Herrschaft in Afrika, der lateinischen Sprache nicht mächtig war 
(Vict.Vit.I, 18). 



Zweites Buch. 



<t 



Das römische Afrika zerföllt in zwei grofse Hälften, deren 
Scheide die grofse Syrte bildet: östlich Ägypten und Kyrenaika, unter 
dem Einflufs der griechischen Civilisation stehend, westlich Tripolis, 
das eigentliche Afrika, Numidien und Mauretanien, dem Kreise der 
phönikischen Kultur angehörend, die dann von der römischen ab- 
gelöst wurde. Uns interessiert an dieser Stelle nur der westliche 
Teil. Durch die von Diokletian begründete, von Konstantin d. Gr. 
weiter ausgebaute neue Reichsorganisation wurden hier sieben Provinzen 
gebildet: Tripolitana mit der Hauptstadt Tacapae; Byzacena (Hadru- 
metum)^); Proconsularis oder Zeugitana, die ehemaligen Diöcesen von 
Hippo Diarrhytus und Carthago (Karthago); Numidia (Cirta); 
Mauretania Sitifensis (Sitifis); Mauretania Caesareensis (Cäsarea) und 
Mauretania Tingitana. Diese Einteilung lernen wir kennen aus dem 
Veroneser Katalog von 297, aus dem Breviarium des Rufus Festus 
(369), Polemius Silvius (385/86) und der Notitia dignitatum (aus 
dem Anfang des 5. Jahrh.) ^. Das sog. prokonsularische Numidien, 
dessen Hauptort Hippo regius war und das anfänglich zur Pro- 
konsularprovinz gehörte^), scheint zu Beginn des 5. Jahrhunderts zum 
cirtensischen Numidien geschlagen worden zu sein. Denn es ist un- 
zweifelhaft, dafs die byzantinische Provinzialeinteilung an die vor 
dem Einbruch der Wandalen bestehende angeknüpft hat. In der be- 
kannten darüber erlassenen Verordnung Justinians Cod. 1, 27, l,i2heifst 
es nach dem berichtigten Text: Zeugi, quae proconsularis antea 
vocabatur Carthago, et Byzacium ac Tripolis rectores habeant 
consulares; reliquae vero, id est Numidia et Mauritaniae et Sardinia 
a praesidibus gubementur.*) Die Descriptio orbis Romani des 



1) Hadrametum hiefs später nach dem wandal. König Hunirix Honoriopolis, 
vgl. die Konzilsakten v. J. 526 bei Mansi, Concil. coli. VIII, 648. 

2) Vgl. dazu bes. Cagnat, L'armäe Romaine d'Afrique (1892) p. 703 ff. 

3) Pallu de Lessert, Les fastes de la Numidie p. 231. Schwarze, 
Untersuchungen über die äufsere Entwickelung der afrik. Kirche (1892) S. 21. 

4) Vgl. Diehl, L'Afrique byzantine (1896) p. 107ff. 



48 Zweites Buch. 

t 

Georgius Cyprius vom Ende des 6. Jahrhunderts (ed. Geker, Lips. 1890, 
p. 33) rechnet zu Numidien unter anderem Calama und Hippo regius. 
Die Grenze nach Osten zu bestimmt sich durch die Bemerkung Prokops 
(b. V. I, 25), dafs Bulla regia (in der Prokons.) nicht weit von der 
numidischen Grenze entfernt liege. Ebendahin fährt auch das 
Provinzialverzeichnis von 484, worüber weiter unten. Schwierigkeiten 
macht allein die Ausdrucksweise Victors von Vita (Hist. pers. Afr. 
prov.), der die Prokonsularis und Zeugitana als zwei verschiedene 
Provinzen, in denen das Ansiedelungsgebiet der Wandalen lag, 
aufführt; vgl. I, 13: Zeugitanam vel (= et) proconsularem; I, 29: 
Zeugitanae et proconsulari provinciae; doch ist auf diese Unter- 
scheidung wohl kein Gewicht zu legen, da derselbe Autor I, 39 
als die Provinz, in der sich die Wandalenlose befanden, nur die 
Zeugitana nennt. 

Die Civilverwaltung war seit Konstantin d. Gr. von der militärischen 
getrennt. Der Erledigung der Geschäfte diente eine den höheren 
Kreisen entstammende, nach Rangklassen gegliederte Beamtenschaft, 
der ein zahlreiches Bureaupersonal (officia, officiales) zur Seite stand. ^) 
An der Spitze der Civilverwaltung stand der Vicarius Africae^ mit 
dem Sitz in Karthago, der wiederum von dem praefectus praetorio 
Italiae abhing, aber direkt vom Kaiser ernannt wurde, und dem die 
Givilstatthalter der Tripolitana sowie von Mauretania Caesareensis 
und Sitifensis (mit dem Titel praesides) von Byzacena und Numidia 
(consulares) untergeben waren. Der oberste Verwaltungsbeamte der 
Prokonsularprovinz (proconsul) in Karthago stand dagegen direkt unter 
dem Kaiser, während die Tingitana zur Diöcese Hispanien gehörte; 
der dortige Civilbeamte (praeses) war dem vicarius Hispaniae unter- 
stellt. Die Kompetenz der Provinzialstatthalter erstreckte sich auf die 
Ausübung der Polizei, die Erhebung der Steuern und namentlich auf die 
Civil- und Kriminaljurisdiktion, weshalb sie auch ordinarii iudices 
heiTsen. Die Steuern bestanden hauptsächlich aus der teils in Geld, 
teils in Naturalabgaben (annonariae functiones) zu entrichtenden Grund- 
steuer (tributum), der von den Handel- und Gewerbetreibenden zu leisten- 
den Erwerbssteuer, der auri lustralis collatio, sowie der den niederen 
Klassen auferlegten Kopfsteuer.^) Die Stelle der Steuern vertraten 



1) Vgl. dazu auch Mommsen, Neues Archiv XIV, 461. 

2) Vgl. Pallu de Lessert, Vicaires et comtes d'Afrique, Paris 1892. 

3) Vgl. K a r 1 w a , Römische Rechtsgeschichte I, 858 ff., 903 ff. Marquardt, 
Römische Staatsverwaltung ü", 204 ff. 



Das afrikanische Reich unter Greiserich. 49 

bei einzelnen Korporationen bestiinmte erbliche Dienstleistungen für 
den Staat^ z. B. Transport von Getreide, Holz u. s. w. 

Die Verwaltung der Staatseinkünfte unterstand als oberstem 
Beamten dem comes sacrarum largitionum in der Beichshauptstadt. 
In dessen Kasse (fiscus) flössen die Erträgnisse der Zölle, des Münz- 
regals, der kaiserlichen Bergwerke (mit Ausnahme der Steinbrüche) 
und Fabriken, sowie der Steuern, soweit sie nicht für die Besoldung 
der Beamten und des Heeres in Anspruch genommen wurden. Als 
seine Untergebenen werden für Afrika genannt: der comes titulorum 
largitionum per Africam, der rationalis summarum Africae, der rat. 
summ. Numidiae, der procurator gynaecii (Weberei) Carthaginiensis, 
der procurator bafiorum (Färbereien) omnium per Africam und der 
proc. bafii Girbitani prov. Tripol.^) Getrennt hiervon war die Ver- 
waltung des Kronguts (res privata) und des kaiserlichen Privatgutes 
(fiindi patrimoniales), wozu vor allem der gesamte Domanialbesitz 
gehorte. Die res privata stand unter dem comes rerum privatarum 
als Centralbehörde; als oberster Bechnungsbeamter für Afrika er- 
scheint der rationaUs r. p. per Africam.^) Die fundi patrimoniales, 
das Schatullgut'), standen in Afrika unter einem praefectus fund. 
patr., der wiederum vom praef. praetorio per Italiam abhängig war.*) 
Eine Abzweigung der res privata waren die fundi domus divinae, 
die Güter der Civilliste und Apanagegüter der Kaiserin und der 
Prinzen, unter einem comes domorum oder rationalis rei priv.fundorum 
domus divinae per Africam, der wiederum dem comes r. p. unterstellt 
war. Die Verwaltung der einzelnen Domänen ward von procuratores 
saltus besorgt, über denen die Prokuratoren gröfserer Bezirke (proc. 
provinciae oder tractus) standen. Dem Provinzialprokurator entspricht 
der Administrator der zur res privata gehörenden Güter des Bebellen 
Gildo, der comes Güdoniaci patrimonii.^) 

Die Militärgewalt in den Provinzen Proconsularis, Byzacena, 
Numidia^ Mauretania Sitifensis und zum Teil auch in Maur. Caesareensis 
übte der vom magister peditum in praesenti (am Hofe) abhängige 
comes (d.h. dux mit dem Bange als comes der ersten Klasse) Africae 
mit dem Sitze in Karthago aus; die Caesareensis und Tripolitana^ 

1) Not. dign. Occ. XI. 

2) Not. dign. Occ. XH. 3) Not. dign. Occ. TL. 

4) Hierzn gehörten auch die bedeutenden Marmorbrüche in Numidien, vgl. 
Marquardt, a. a. 0. 262 f. 

5) Vgl. im allgemeinen bes. Kariowa I, 840 ff. Schulten, Die röm. 
Grondherrschafben (Weimar 1896), His, Die Domänen der röm. Kaiserzeit (Leipzig 
1896) passim. 

Schmidt, Wandalen. ^ 



50 Zweites Buch. 

sowie die Tingitana standen nnter besonderen Befehlshabern, in den 
beiden ersteren Provinzen duces^), in der letzteren comes genannt 
Es ist zu unterscheiden zwischen den an der Grenze stationierten 
Truppen und der zu deren Bückhalt bestimmten, mobilen, im Innern 
untergebrachten Feldarmee. Von letzterer, den sogenannten Kaiser- 
truppen (milites palatini und comitatenses) standen nach der Notitia 
dign. unter den Befehlen des comes Africae (mittelbar unter den der 
magistri peditum und equitum praesentales) 3 legiones palatinae, 
8 legiones comitatenses (ä 1000 Mann), 1 auxilium palatinum und 
19 yexillationes comitatenses (ä 500 Mann), zusammen nominal 
11500 Mann Infanterie, 9500 Mann Eavallerie; in der Tingitana 
2 auxilia palatina, 1 legio pseudocomitatensis, 1 legio comitatensis, 
2 yexillationes comitatenses (zusammen 4000 Mann), während von 
dem Vorhandensein von Eaisertruppen in Maur. Gaes. und in der 
Tripolitana nichts bekannt ist. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, 
dafs die angegebene Truppenzahl zur Zeit des WandaleneinfaUes nicht 
dem Effektivstande entsprochen hat, sondern viel geringer gewesen 
ist; auch mögen damals einzelne der in der Notitia aufgeführten 
Truppenteile nicht mehr in Afrika gewesen, sondern in andere, ge- 
fährdetere Provinzen abkommandiert worden sein. Dafs Bonifatius 
sich als Offizier (tribunus) wie als Statthalter mit Privatsöldnem*) 
umgeben hat, zeigen Augustinus (epist. 220,7) und Olympiodor 
(fragm. 42); eine Verstärkung scheinen dieselben noch während seines 
Konfliktes mit dem kaiserlichen Hofe erfahren zu haben.') 

Die Grenze des kultivierten Gebietes gegen die eingeborenen 
Berberstämme war in einzelne Abschnitte (limites) geteilt.^) Den 
Mittelpunkt derselben bildeten die castra, wo die Stäbe der zu jenen 
gehörigen Truppenkörper lagen, während die übrigen Mannschaften 
in eine Anzahl fester Plätze verteilt waren. Die in diese gelegten 
Soldaten waren zum Teil Bauern; das zu den einzelnen Garnisonen 
gehörige Land war ihnen zur Bewirtschaftung überwiesen. Über die 
Stärke dieser Grenztruppen sind wir nicht unterrichtet. Die firQher 
in Afrika stehende dritte Augustische Legion (Hauptquartier Lam- 
baesis am Nordabhang des Auresgebirges) war aufgelöst und teils den 
Grenzbesatzungen, teils dem Kaiserheere zugeteilt worden. Die 
Kommandanten der Grenzabschnitte hiefsen praepositi limitum; diesen 

1) Zur Zeit der Not. dign. waren die duces zugleich Civilstatthalter. 

2) Vgl. Mommsen im Hermes XXTV (1889), 233fF. 

3) Eist. Vierteljahrsschrift 1899 S. 456 f. 

4) Vgl. die Karte bei Cagnat S. 752/53. 



Das afrikanisclie Beich unter Geiserich. 51 

waren auch die einzelnen, in den betreffenden Bezirken wolinenden 
eingeborenen Stämme untergeben. Die Notitia dignitatum nennt 16 
praepositi limitum, die unter den Befehlen des comes Africae, 12 (wozu 
noch die Kommandanten der milites Fortenses in castris Leptitanis 
d.h. in Leptis Magna, und der milites Munifices in castris Madensibus 
kommen), die unter dem dux der Tripolitana und 8, die unter dem 
dux Yon Mauretania Gaes. standen; die drei wichtigsten limites dieser 
zuletztgenannten Provinz waren zugleich dem comes Africae unter- 
stellt. In der Tingitana werden keine limites genannt; die Grenzhut 
wurde nach der Not. hier von einer ala und 7 Kohorten (4000 Mann) 
besorgt. Von dem Vorhandensein einer Flotte vernehmen wir nichts; 
die in der früheren Kaiserzeit in Caesarea (Gherchel) stationierte 
Abteilung von Kriegsschiffen^) war aufgehoben worden.^) Die aller- 
dings infolge elementarer Ereignisse gescheiterten Versuche Alarichs 
und Wallias, von Sicilien bez. Spanien aus nach Afrika überzusetzen, 
haben keine Veranlassung zur Wiederherstellung derselben gegeben. 
Auch als die Wandalen ihre Seezüge von Spanien aus unternahmen 
und die Provinz zu bedrohen anfingen, hat man in unbegreiflicher 
Verblendung und Sorglosigkeit nichts gethan, den Fehler wieder gut 
zu machen. Die damals vorgenommene Befestigung Karthagos') 
konnte dafür nur einen teilweisen Ersatz bieten. Wie sehr über- 
haupt das ganze Verteidigungssystem der afrikanischen Provinzen zu 
Anfang des fünften Jahrhunderts in Verfall geraten war, zeigt der 
geringe Widerstand, den die Wandalen auf ihrem Eroberungszuge 
fanden. 

Der wertvollste Teil Afrikas war die Prokonsularprovinz und 
Numidien, da hier das zwischen dem nördUchen und südlichen Rand- 
gebirge liegende Steppenland nicht dieselbe Ausdehnung besitzt, wie 
in den übrigen Landesteilen. Die Ansiedelungen lagen deshalb in 
einem dichten Netz über das Gebiet verstreut und dehnten sich bis 



1) Vgl. Cagnat, 342f. 

2) Die Notitia dignitatniu aus dem Anfang des 5. Jahrh. fahrt noch die 
drei weström. Flottenstationen in Misenum, Ravenna und Aqnileja auf (Marqnardt 
n*, 502). Zum letzten Male wird m. W. eine weström. Flotte unter Gonstantius 
gegen die Westgoten i. J. 419 erwähnt (Oros. VII, 43, eine Stelle, die Papencordt 
S. 236 Note 3 völlig mifsverstanden hat). Seitdem ist, wie die späteren Er- 
eignisse lehren, von einer solchen keine Rede mehr. Ygl. dazu namentlich 
Prise, fr. 30: onsQ (der Mangel an Schiffen) hi (laXiatcc indncoes tä iv tij ianiQu 
*Pco(iai(ov TtQayficctcc diä to dtrjQ^ad'oei, trjv ßaaiXs^ccv (z. J. 463). 

3) Chron. Grall. de 452 c. 98 z. J. 426. Vgl. dazu Tissot, Gr^ographie com- 
par^e de la province Romaine d'Afrique. I (Paris 1884) p. 661. Noch zur Zeit 
des Orosius (V, 1, 6) war die Stadt ohne Mauern. 

4* 



52 Zweites Buch. 

an die äuTserste Grenze gegen die Wüste hin aus. Namentlich das 
Thal des gröfsten Flusses Nordafrikas^ des BagradaS; und ein groISser 
Teil Numidiens (hier besonders die Thäler des aurasischen Gebirgs- 
stocks, vgl. Procop, bell. Vand. II, 13) lieferten so reichliche Halm- 
früchte fast wie -das Nilthal. Das hier gebaute Getreide ging haupt- 
sächlich nach Italien, das seinen Bedarf nicht mehr selbst zu decken 
vermochte, und zwar vorwiegend als Steuer. Die Getreidelieferung 
hatte ein besonderer Beamter, der praefectus annonae Africae zu über- 
wachen (Not. dign. Occ. 11, 41). Es wurde daher Afrika auf den 
Münzen und sonst als eine weibliche Figur mit Ähren in der Hand 
dargestellt.^) Reiche Erträgnisse lieferten auch die Olivenkultur, sowie 
(speziell in Numidien) die Pferde- und Viehzucht. Die Landwirtschaft 
war es daher, von der die Bevölkenmg, auch die der Städte, haupt- 
sächlich lebte. Der Handel beschränkte sich fast ganz auf den Aus- 
tausch der agrarischen Produkte des Landes; die Hauptemporien des- 
selben waren Karthago und Hadrumetum, letztere Stadt vorzugsweise 
ftir die Ausfuhr der Oliven, Die Industrie trat dagegen sehr in den 
Hintergrund. Karthago hatte sich zu einer Weltstadt empor- 
geschwungen und war seit dem 4 Jahrhundert, wo Rom entschieden 
im Rückgang sich befand, die erste Stadt der westlichen Reichs- 
hälfte. Dafs sie der Sitz der höchsten Civil- und Militärbeamten 
war^), ist schon erwähnt worden, hier war auch die Winterresidenz 
der reichen Grofsgrundbesitzer und der Sammelpunkt der gelehrten 
und studierenden Welt Nordafrikas. Illic enim omnia officiorum 
publicorum instrumenta, illic artium liberalium scolae, illic philo- 
sophorum officinae cuncta denique vel linguarum gymnasia vel morum 
sagt Salvian, de gub. dei VH, 68. Die Hauptvertreter der bedeutsamen 
afrikanischen Litteratur, die weit über die Grenzen Afrikas hinaus 
ihre Wirksamkeit erstreckten: Annaeus Comutus aus Leptis, Fronto 
aus Girta, Apuleius aus Madaura, Tertullian, Gyprian von Karthago, 
Salvius Julianus aus Hadrumetum, Minutius Felix, Lactantius, Arno- 
bius, Augustinus, haben alle längere oder kürzere Zeit in Karthago 
gelebt. Allerdings hatte auch hier ganz besonders unter der Be- 
völkerung Verweichlichung und Sittenlosigkeit überhand genommen, 
die von Salvian in seiner bekannten, stark aufgetragenen Manier ge- 
schildert wird; hinsichtlich der gebotenen sinnlichen Genüsse unter- 
schied sich Karthago wenig von einer modernen Grofsstadt. Die 

1) Vgl. Friedländer, die Münzen der Vandalen S. 9. 

2) Wahrscheinlich lag hier auch eine bedeutende, aus Kaisertruppen be- 
stehende Garnison (Salvian, de gub. dei VU, 68: copiae militares). 



Das afrikanisclie Reich unter Geiserich. 53 

Aufsicht über die öffentlichen Festlichkeiten führte ein besonderer 
vom Kaiser ernannter Beamter, der tribunus voluptatum, der in der 
Verordnung vom Jahre 413, Cod. Theod. XV, 7,3 erwähnt wird. 

Minder wichtig als jene Bezirke war die Byzacena; im fünften 
Jahrhundert rechnete man prozentuell auf dieses Gebiet etwa die 
BSIfte weniger an kulturfähigem Lande als auf die übrigen afrika- 
nischen Provinzen, und mit Unrecht wird von Neueren dasselbe als 
besonders ertragsfähig bezeichnet.^) Noch geringer an Bedeutung 
war die Tripolitana, wo das zum Anbau geeignete Land nur einen 
schmalen Streifen längs der Eüste bildet, nicht minder auch Maure- 
tanien (Gaesareensis und Sitifensis). Die unfruchtbare Zwischensteppe 
erreicht hier die gröfste Ausdehnung; das kultivierte Gebiet be- 
schrankte sich im wesentlichen auf das nördliche Gebirge und das 
vorliegende Land bis an die Küste. Die Dichte der Besiedelimg 
nimmt in diesem Teile Afrikas in der Richtung von Ost nach West 
stetig ab. Ganz auTser Zusammenhang mit den übrigen Provinzen 
stand die Tingitana: das Eulturgebiet dehnte sich hier nur auf den 
Strich an der Küste des Atlantischen Ozeans südlich von Tanger bis 
gegen Sala hin aus und erstreckte sich nur wenig weit in das Innere 
hinein. Von dem benachbarten Cäsareensischen Mauretanien war diese 
Provinz durch das Gebiet der räuberischen Maziken und Baquaten 
getrennt; eine Verbindungsstrafse zu Lande existierte nicht; der 
Verkehr von Tanger bis Portus Divini (jetzt Oran?) erfolgte zu Schiff 
längs der Küste (Itinerarium Antonini edd. Parthey et Pinder p. 4). 
Wie schon bemerkt, gehörte das Gebiet politisch zu Spanien. 

Wie in den übrigen Provinzen des römischen Reiches war die 
Verwaltung auch in Afrika grofsenteils auf die städtischen Gemeinden 
basiert^) Die Bürgerschaft zerfiel in possessores (kleine und mittlere 
Grundbesitzer), imter denen die honorati, die zu einem wirklichen 
oder titularen Staatsamte gelangten Munizipalen, besonders unter- 
schieden werden, und die nach Berufsarten in erbliche Zwangs- 
korporationen verteilte, nicht ansässige Bevölkerung, die plebeji, aus 
der die negotiatores, die Handel- und Gewerbtreibenden, besonders 
hervorragen. An der Spitze des Munizipiums stand der Gemeinderat 
(ordo, curia, decuriones, curiales), dem neben der städtischen Ver- 
waltung hauptsächlich die Beitreibung der Staatssteuem unter den 

1) Vgl. Mommsen, Römisclie Geschichte V, S. 651. 

2) Vgl. Marqnardt, Rom. Staatsverwaltung I*, 162ff. 183ff. Kariowa, 
Böm. Bechtsgesch. I, 894 ff. Liebenam, Städteverwaltung im röm. Kaiserreich 
(1900) S. 488ff. Toutain, Les citäs Romaines de la Tunisie (1896) S. 344ff. 



54 Zweites Buch. 

Gemeindegliedern oblag. Die obersten Beamten waren die duumviri, 
neben diesen fungierten der curator^) für die Verwaltung der städtischen 
Finanzen und der i. J. 365 für das ganze Reich eingeführte defensor^ 
die beiden letzteren vom Kaiser ernannt oder vielmehr bestätigt. Der 
defensor^) hatte in Konkurrenz mit den duumviri Jurisdiktion in 
niederen Sachen; die wichtigeren Bechtsangelegenheiten unterlagen 
jedoch durchaus der Entscheidung des Statthalters. Dazu kam noch 
ein Subalternpersonal. Das Decurionenverzeichnis der Stadt Thamugadi 
aus der Zeit kurz vor 367 n. Chr. nennt als Mitglieder des Gemeinde- 
rats: Patroni viri clarissimi^ patroni viri perfectissimi, sacerdotales^ 
curator^ duoviri, fiamines perpetui, pontifices, augures^ aediles^ quaestor^ 
duoviralicii (Marquardt a. a. 0. S. 192). Die Kommunen^ die sich einst 
einer grofsen Freiheit und Selbständigkeit erfreuten^ waren seit dem 
dritten Jahrhundert immer mehr in die Abhängigkeit von der Staats- 
gewalt geraten. Die Kurien wurden nicht mehr ergänzt durch den 
Eintritt der gewesenen Beamten, sondern ausschlieüslich und zwar 
zwangsweise aus den im Munizipalgebiet ansässigen Possessoren. Aus 
der Reihe der Decurionen, deren Würde zu einem erblichen Stande 
geworden war, wurden nunmehr vom Gemeinderat die Magistrats- 
personen ernannt, die jetzt völlig als Beamte des Staates betrachtet 
werden. Bei der immer mehr zunehmenden Verschlechterung des 
Kommunalvermögens — namentlich die Kirche wufste sich den 
gröfsten Teil der Gemeindeländereien anzueignen — und dem von der 
Staatsregierung befolgten Grundsatz, für die Leistung aller auf der 
Stadt liegenden Lasten und der in ihr zu erhebenden Abgaben die 
Decurionen persönlich haftbar zu machen, wurde der Decurionenstand 
aus einer Ehre zu einer unerträglichen Last, der sich die besitzenden 
Klassen auf jede Weise — durch Flucht oder Eintritt in den Elerus 
oder in die Hörigkeit der Grofsgrundbesitzer — zu entziehen suchten, 
während der Staat zur Erhaltung der Kurien die schärfsten Zwangs- 
mafsregeln in Anwendung brachte. Eine allgemeine Verarmung jener 
Volksklassen war die natürliche Folge dieser kurzsichtigen Politik.') 
Neben der munizipalen Organisation kam die des Grofsgnmd- 
besitzes für Afrika ganz besonders in Betracht.^) Die Latifundien 
(possessiones) waren hier ausgedehnter als anderswo und hatten den 



1) Vgl. über diesen bes. Toutain 8Ö6ff. 86Ö n. 1. In vielen Städten werden 
nur cnratores, keine anderen Beamten erwähnt. 

2) Vgl. Gorpns inscriptionum Latinarom VILL n. 11825. 

3) Vgl. Toutain S. 364. 

4) Vgl. Schulten, Grundherrschafben passim. 



\ 



Das afrikanisclie Eeich unter Geisericli. 55 

kleineren Güterbesitz fast völlig aufgesogen; sie nahmen die Ge- 
schlossenheit der städtischen Territorien an und sind deshalb schon 
früh aus dem Gemeindeverband ausgeschieden. Den gröfsten Teil 
derselben machten die kaiserlichen Domänen aus^ deren Umfang 
durch häufige Konfiskationen sich schnell vergröfsert hatte ^ nament- 
lich am Ende des 4. Jahrhunderts^ durch Beschlagnahme der um- 
fänglichen Güter des aufständigen Gildo. Grofse Komplexe lagen am 
oberen Bagradas in der Zeugitana (ungefähr 72 Quadratmeilen um- 
fassend)^), im Nordwesten der Byzacena (saltus Massipianus nördlich 
von Ammaedara)*), bei Buhira (10 km westlich von Sitifis) und in 
der Ebene Medja im sitifensischen Mauretanien; der übrige Lati- 
fundienbesitz war in den Händen der Aristokratie (senatores, nobiles)^), 
während von exempten kirchlichen Grundherrschaften nichts be- 
kannt ist. Die kaiserlichen Besitzungen hatten staatliche Hoheits- 
rechte, wie die Munizipien; die Prokuratoren übten hier eine ihnen 
vom Kaiser übertragene Gerichtshoheit aus.*) Die privaten Grund- 
herrschaften besafsen dieselben Eigenschaften nicht; in jurisdiktioneller 
Hinsicht standen sie durchaus unter den Statthaltern; doch hatten 
sie die Autonomie der Verwaltung. Teilweise ist es aber den Be- 
sitzern derselben gelungen, die eigene Jurisdiktion, die Patrimonial- 
gerichtsbarkeit zu erwerben. 

Den Mittelpunkt der Gutsherrschaft bildete die Villa, der Herren- 
hof, umgeben von dem Hoflande, dem besten Teile des Gutes. Zu 
diesem gehörten nicht allein Felder, sondern namentlich auch die 
dem Luxus dienenden Betriebe: Park, Waldungen, die zu Jagd- 
Zwecken unterhalten wurden, Fischteiche etc.^) Das Territorium der 
Villa wurde von Sklaven bewirtschaftet, die hierin durch die von 
den zum Gute gehörigen Kolonen zu leistenden Hand- und Spann- 
dienste unterstützt wurden. Die Kolonen safsen auf den Parzellen, 
fundi, in die der übrige Teil der Gutsländereien geteilt war. Ur- 
sprünglich waren dieselben freie Pächter, die einen Teil der ein- 
gebrachten Ernte oder einen Zins an den Gutsherrn abzugeben 
hatten. Sie rekrutierten sich namentlich aus kleinen Grundbesitzern, 
die bei der Aussichtslosigkeit, mit den grofsen, anfänglich nur durch 



1) Schulten in den Abhandlungen der Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften 
zu. Göttingen N. F. Bd. 11, 3 (1897) S. 4. Tissot, Gäogr. comp. pl. 18. 

2) Tissot pl. 19. 

3) Über den Stand der (Reichs-) Senatoren vgl. Schulten, Grundherrsch. 
S. 121 und die daselbst citierte Litteratur. 

4) Jedoch nicht in Kriminalsachen, vgl. Schulten S. 78. 
6) Vgl. Schulten, Grundherrschaften S. 60 ff., 93 ff. 



56 Zweites Bach. 

Sklaven bewirtschafteten Gütern zu konkurrieren^), und bei den zur 
Erhaltung der Kurien angewendeten Zwangsmafsregeln (vgl. oben) 
sich veranlafst sahen ^ ihr Eigentum aufzugeben. Aber nach und 
nach gerieten sie in immer drückendere Abhängigkeit; sie wurden 
durch die aus der gesetzlichen Durchführung des Prinzips der Erb- 
pacht abgeleitete Fesselung an die Scholle zu Hörigen; die von 
ihnen am Gutshof zu leistenden Frohnden erfuhren durch den Bück- 
gang der Sklavenbevölkerung eine immer gröfsere Steigerung. 
Wesentlich verschlimmert wurde ihre Lage noch dadurch^ dafs fast 
allgemein die Grundeigentümer ihre Güter nicht mehr direkt^ sei es 
in eigener Person oder durch einen Intendanten (actor), verwalteten 
und bewirtschafteten, sondern dieselben an conductores, General- 
pächter, gegen eine feste jährliche Rente verpachteten.*) Die Be- 
sitzer aber bez. die kaiserlichen Prokuratoren waren in der Regel 
weit entfernt, die Gutsunterthanen gegen die mit diesem System ver- 
bundenen Bedrückungen zu schützen, sondern steckten mit den Kon- 
duktoren gewöhnlich unter Einer Decke.®) Besonders schroflf und 
unhaltbar mögen die Zustände in dieser Hinsicht auf den Domänen 
gewesen sein. Aus Kolonen setzten sich daher hauptsächlich jene 
Elemente zusammen, die seit Beginn des 4. Jahrhunderts unter 
dem Namen Circumcellionen durch revolutionäre Erhebungen das 
Land unsicher machten. Wenn auch zeitweilig unterdrückt, haben 
diese Bewegungen, da ihre Grundursache, die eben geschilderten 
MiTsstände, weiter fortbestand, bis zur Begründung der wandalischen 
Herrschaft nicht aufgehört; dafs die unzufriedene, geknechtete Be- 
völkerung hier wie anderwärts die Ankunft der Germanen freudig 
begrüfste, wird von Salvian (de gub. dei VD, 71) direkt aus- 
gesprochen.*) 

So gewähren denn die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse 
der römischen Bevölkerung Afrikas zu Anfang des 5. Jahrhunderts 

1) Vgl. über die Ehtwickelung der Grandherrschaft Hartmann, Gesch. 
Italiens I, 12 ff. 

2) Ein Teil der Güter, namentlich die der domus divina, ist jedoch in 
eigener Regie bewirtschaftet worden; so vor allem die Besitzungen, auf denen 
sich Paläste, Luxusvillen und industrielle Unternehmungen befanden, vgl. His, 
Domänen S. 11. 79. 

3) Vgl. auch Schulten, Das römische Afrika (Leipzig 1900) S. 46. 107. 

4) Proscriptiones dico orfanorum, viduarum afflictiones, pauperum cruces: 
qui ingemescentes cotidie ad deum ac finem malorum inprecantes et, quod 
gravissimum est, interdum vi nimiae amaritudinis etiam adventum hostium 
postulantes, aliquando a deo impetrarunt, ut eversiones tandem ac barbaris in 
commune tolerarent, quas toli a Bomanis ante toleraverant. 



Das afrikanisclie Eeich unter Geisericli. 57 

ein Bild des tiefaten Verfalls, das sich freilicli in grörserem oder 
geringerem Mafse auch in den übrigen Provinzen des Reiches zeigt. 
Die vom Despotismus durchgefährte ständische Zwangsorganisation, 
die jeden Einzelnen einer bestimmten erblichen Kaste oder Körper- 
schaft zuwies, aus der ein Austritt unstatthaft war, lähmte jede freie 
Bewegung. Wer nicht den privilegierten Ständen angehörte, denen 
die Beamtenstellen in der Staatsverwaltung und im Heere vorbehalten 
waren, und die Steuerlasten auf die Schultern anderer abwälzen 
konnte, wie es auf den Grundherrschaften mit den Kolonen geschah, 
befand sich in äuTserst drückender und vöUig hofihungsloser Lage. 
Was ihm an Einkommen und Zeit nach Abzug der dem Staate und 
der Gemeinde zu leistenden Abgaben und sonstiger persönlichen 
Dienste noch übrig blieb, war ganz unbedeutend. Die Mehrzahl 
der Bevölkerung lebte daher in den ärmlichsten Verhältnissen, die 
zu dem luxuriösen Leben, das die Aristokratie führte, in schroffem 
G^ensatze standen. 

EbenfaUs aufserhalb der städtischen Ordnung standen in ihrer 
überwiegenden Mehrheit die eingeborenen Völkerschaften, die 
Berbern, oder wie sie von den Römern bez. Byzantinern genannt 
wurden, die Mauren (Maurusier)^), die vorzugsweise die Steppen und 
Gebirge innehatten. Nur zum geringen Teil war es gelungen, die 
Berbern für die Givilisation zu gewinnen und zu einem sefshaften 
Leben zu bringen-, die Hauptmasse beharrte in ihrem alten kultur- 
feindlichen Nomaden- und Räuberleben. ^ Ihre Lebensweise war im 
Gegensatze zu der der üppigen römischen Bevölkerung eine äu&erst 
einfache. Sie wohnten in erbärmlichen Hütten und schliefen auf 
bloiser Erde; Brot und Wein waren ihnen unbekannte Genüsse; ihre 
Hauptnahrung bildeten (aufser Fleisch und Milch) Kuchen aus Hafer 
oder Gerste, die in der heifsen Asche gebacken wurden.^) Im Kriege 
befolgten sie die Methode, dafs sie den Feind zu überraschen und 
durch die Wucht des ersten Angriffs niederzuwerfen suchten; mifs- 
lang derselbe, so verzichteten sie auf weiteres Vorgehen und ver- 

1) Libyer heifsen die römisclien Bewohner Afrikas, vgl. z. B. Prok. b. 
V, 1, 7. 

2) Über das Detail, insbes. die Namen and Sitze der einzelnen Stämme, 
vgL namentlich Part seh, Prooeminm zu seiner Ausgabe des Corippus (M. Gr. 
Anct. ant. in, 2) nnd Satora Yiadrina. Festschrift zum 25 jährigen Bestehen des 
Philologischen Vereins zu Breslau (1896) S. 20 ff. Jung, Die romanischen Land- 
Bchafben des römischen Reichs (1881) S. 95ff. Mommsen, Rom. Gresch. V, 
637 ff. 649 f. Beckurts, Die Kriege der Römer in Afrika (Progr. Wolfenbüttel 
1888) S. 8 ff. 

3) Proc. b. V. n, 6. 7. 



58 Zweites Bach. 

schwanden ebenso rasch^ wie sie gekommen waren^ in ihre Schlupf- 
winkel in den Bergen, wohin ihnen niemand zu folgen vermochte. 
Ihre Bewafi&iung bestand aus Wurfspiefsen, Schwertern und kleinen 
leichten Schilden; ihre Beweglichkeit verdankten sie ihren trefflichen 
Pferden, durch die namentlich Numidien von jeher ausgezeichnet 
war. Auch Kamele haben sie geführt; doch scheinen sie sich dieser 
nur als Lasttiere bedient zu haben.^) Nur mit groDsen militärischen 
Mitteln und unter kluger Benutzung der Rivalität zwischen den ein- 
zelnen Häuptlingen konnten diese Stämme von den Römern in Schach 
gehalten werden. Sie standen zwar gröfstenteils unter römischer 
Oberhoheit und leisteten dem Reiche als Föderaten Kriegsdienste; 
ihre Fürsten liefsen sich vom Kaiser die Herrschaftsinsignien ver- 
leihen^): doch war die Abhängigkeit nur eine mehr nominelle. Dies 
gilt namentlich von den zahlreichen in Mauretanien und Tripolis woh- 
nenden Völkerschaften. Seit dem 3. Jahrhundert, als die Macht des 
Reiches zu sinken begann, traten sie immer mehr als dessen Feinde 
auf und richteten durch ihre häufigen Raubzüge schweren Schaden 
in den civilisierten Gebieten an. Bedeutende Dimensionen nahm be- 
sonders die Erhebung des Häuptlings Firmus i. J. 372 an^), der als 
Führer einer Koalition maurischer Stämme mit Unterstützung der 
Donatisten die Losreifsung Afrikas vom Imperium anstrebte und, 
nachdem ganz Mauretanien in seine Hände gefallen war, nur mit 
äufserster Anstrengung besiegt werden konnte. Ebenfalls einen 
national -maurischen Charakter trug die Erhebung des Bruders des 
Firmus, GUdo, der gegen jenen zu den Römern gehalten hatte und 
als Belohnung dafür zur Würde eines comes et magister utriusque 
müitiae von Afrika befordert worden war. Seine Hauptstütze waren 
die eingeborenen Stämme der Nasamonen, Garamanten und Nazaken 
(in Tripolis), zu denen die geringeren römischen Truppen und die 
oppositionellen Elemente der afrikanischen Bevölkerung kamen. 
Dieser Aufstand, der namentlich durch das Abschneiden der Getreide- 
zufuhr für Rom geföhrlich zu werden drohte, fand nur dadurch ein 
rasches Ende, daXis des Usurpators Bruder Mascezel sich gegen ihn 
erklärte imd die maurischen Häuptlinge von ihm abspenstig zu 
machen wufste. Die nun wiederhergestellte Ruhe war jedoch auch 
jetzt wieder nur vorübergehend; wir hören, dafs Bonifatius sowohl, 

1) VgL Haury, Zur Beurteilung des Geschichtschreibers Procopius von 
Cäsarea (München 1896) S. 8. 

2) Prok. I, 25. 

3) Vgl. dazu und zum Folgenden bes. Gagnat a. a. 0. S. 69 ff. 



Das afrikanisclie Reich unter Geiserich. 59 

bevor er comes Africae war, als nach dem Antritte dieses Amtes 
(ca. 420) die Mauren bekämpft und zur Buhe verwiesen hat.^) Im 
Jahre 428^ kurz vor dem Einbrüche der Wandalen^ nahmen diese 
Einfalle jedoch wieder eine besonders gefahrdrohende Gestalt an; 
ihrer wird sowohl in den italienischen Konsularfasten (Chronica 
minora I^ 300 c. 548) als in dem 220. Briefe Augustins gedacht^ ohne 
dafs wir etwas Näheres darüber erfahren. Begünstigt wurde der 
Verlauf dieser Unruhen jedenfalls durch die Vorgänge, die mit dem 
damals ausgebrochenen Konflikt zwischen Bonifatius und dem kaiser- 
lichen Hofe zusammenhingen. 

Die Geschichte der christlichen Kirche in Afrika war seit ihrer 
offiziellen Anerkennung durch den Staat ganz besonders durch un- 
erfreuliche Verhältnisse ausgezeichnet. Das Land zerfiel in sechs 
Kirchenprovinzen, deren Abgrenzung sich zu Anfang des 5. Jahr- 
hunderts mit der politischen deckte; nur war die Tingitana zum 
cäsareensischen Mauretanien geschlagen.^) Die Provinzen waren 
wiederum in eine grofse Zahl von Bischofs- oder Presbyterialsprengeln 
geteilt; solche bildeten sowohl die städtischen Gebiete als die ex- 
empten Latifundien.^) Bei einigen solcher Territorien war sogar 
eine Zersplitterung in mehrere Bistümer eingetreten, so namentlich 
bei den Grundherrschaften, wo die einzelnen darin gelegenen castella, 
die Mittelpunkte der Unterabteilungen der Gutsbezirke (fundi), viel- 
fach Sitze von Bischöfen waren.^) Jede Provinz hatte ihren Metro- 
politen (Primas).^) Als solcher galt je der älteste Bischof derselben; 
nur in Karthago haftete diese Würde an dem Orte. Was die 
Stellung der afrikanischen Kirche zum römischen Bischof anbelangt, 
so war die wiederholt von Augustinus ausgesprochene Anschauung 
in Geltung, dafs der apostolische Stuhl in Rom zwar eine hohe 
Autorität besitze, aber nicht über, sondern neben den andern bischöf- 
lichen Stühlen stehe ^); erst gegen Ende des 5. Jahrhunderts, 

1) Angustin. epist. 220, 7. Olympiod. fragm. 42. 

2) Die Behauptung Schwarzes (S. 23), in der Notitia von 484 seien unter 
Manr. Caes. auch die Bischöfe der Tingitana mit aufgeführt, ist nicht richtig. 

3) Ein Bischof Faustus Buronitanus bei Vict. Vit. I, 38. Vgl. C. I. L. VIII, 
suppl. 1 p. 1171. 

4) Vgl. Kuhn, Die städtische und bürgerliche Verfassung des römischen 
Eeiches 11,437. Schulten, Grundherrsch. S. 105.116. — Die Einsetzung von 
Bischöfen in kleineren Ortschaften war sonst durch Konzilsbeschlufs untersagt. 
Dieses Verbot wurde i. J. 446 vom Papst Leo I. für Afrika erneuert. Vgl. Morcelli, 
Africa Christiana DI, 155. 

5) Vgl. dazu auch Hinschius, Kirchenrecht H (1878) S. 2. 

6) Vgl. Langen, Geschichte der römischen Kirche I (1881) S. 850 ff. 



60 Zweites Buch. 

« 

namentlich unter dem Einflüsse der wandalischen Verfolgung, hat 
man ausdrücklich anerkannt^ dafs die ecclesia Bomana das Haupt 
aller Kirchen sei.^) 

In keinem Gebiete des römischen Reiches war das Sektenwesen 
so verbreitet wie in Afrika; besonders bedeutsam aber war das Auf- 
kommen des Donatismus, da derselbe zu den damaligen politischen 
Bewegungen und der agrarischen Revolution in enge Beziehungen 
trat und die weitesten Kreise der Bevölkerung in Aufregung versetzte. 
So haben die Anhänger dieser Häresie an den Erhebungen des 
Firmus und Gildo teilgenommen, wie auch die Aufstände der Circum- 
cellionen geschürt und unterstützt. Der Hauptsitz des Donatismus 
war Numidien; man kann ihn als die eigentliche numidische Landes- 
kirche betrachten; doch hatte er auch in den anderen Landesteilen 
Wurzel gefafst. Durch das Auftreten Augustins und durch energische 
Strafbestimmungen der Kaiser wurde seit der Synode von Hippo 411, 
an der 286 katholische und nicht weniger als 279 donatistische 
Bischöfe teilnahmen, die Rückkehr vieler Häretiker zur katholischen 
Kirche herbeigeführt, so dafs (um 420) wenigstens äufserlich der 
Friede wiederhergestellt schien.*) Dafs der Brand jedoch noch weiter 
fortglimmte, zeigen namentlich die kaiserlichen Erlasse der Jahre 
425 (an den Prokonsul von Afrika) und 428 im Codex Theodosianus 
XVI, 5, 63.65; sogar bis ins sechste Jahrhundert hinein finden wir 
Spuren davon, daCs die donatistische Bewegung noch nicht erloschen 
war.') Jedenfalls hat dieser Zwiespalt wesentlich zur Schwächung 
der inneren Kraft des Landes beigetragen. 

Zu allen den geschilderten unglücklichen Verhältnissen, unter 
denen Afrika zu Anfang des 5. Jahrhunderts zu leiden hatte, kam 
noch der Konflikt zwischen dem seit etwa 420 im Amte befindlichen 
Militärstatthalter Bonifatius und dem magister militum praesentalis 
Felix. Über diese ziemlich dunklen Voi^änge habe ich bereits an 
anderer Stelle gehandelt und kann mich daher auf einige kurze Be- 
merkungen beschränken. Wie es scheint, hat Felix zunächst einen 
Aufstand unter den in Afrika stehenden Reichstruppen gegen Boni- 



1) Vict. Vit. n, 43. 

2) Possid. vit. Aug. c. 19: Manichaeos, Donatistas, Pelagianistas et Paganos 
. . . ecclesiae Bei sociatos esse congaudens (Augustinus). Vgl. Bauschen, 
Augustinus (1898) S. 631. 

8) Walch, Historie der Ketzereien IV, 230 f. — Donatistische Gräber aus 
der Zeit von 434 bis 446 sind bei der Basilika von Ala Miliaria in Mauretanien 
(jetzt Bänian) gefunden worden, vgl. Jahrbuch des Kaiserl. Deutschen Archäolog. 
Instituts 1900 S.79. 



Das afrikanisclie Eeich unter Geiserich. g^ 

fatius angezettelt (a. 427 nach Prosper); als dieser Versuch, den Statt- 
halter zu verderben, mifslang, gab der hierauf folgende grofse Auf- 
stand der Mauren, den jener mit seinen Streitkräften nicht zu unter- 
drücken vermochte, den Anlafs zu seiner Abberufung. Als er der- 
selben nicht Folge leistete, wurde der comes Segisvult mit einem 
Truppenkommando gegen ihn, der sich hauptsächlich auf gotische 
Privatsöldner stützte, geschickt.^) Der Ausbruch eines Kampfes 
wurde noch in letzter Stunde durch Intervention eines kaiserlichen 
Gesandten, Darius, verhindert und (wahrscheinlich zu Anfang des 
Jahres 429) ein Ausgleich zu stände gebracht. Dafs indessen noch 
nicht alle Differenzpunkte beseitigt waren, wird in dem Briefe des 
Darius an Augustin (Aug. ep. 230, 3: si non exstinximus bella, certe 
distulimus) direkt gesagt. Jedenfalls wurde Bonifatius in sein Amt 
wieder eingesetzt, während Segisvult das Land verlassen zu haben 
scheint. Vermutlich sind die erwähnten Zwistigkeiten der Anlafs ge- 
wesen, dals man den drohenden Bewegungen der Wandalen nicht die 
gebührende Beachtung geschenkt hat; dazu kam der Aufstand der 
Mauren, der jedenfalls das gröfste Interesse in Anspruch nahm. 

Über den Verlauf des wandalischen Eroberungszuges sind wir 
nur unvollkommen unterrichtet.*) Nach dem oben Bemerkten ist 
anzunehmen, dafs die Wandalen zunächst zu Schiff an der maure- 
tanischen Küste entlang bis zum heutigen Oran fuhren; wahrschein- 
lich wurde von hier ab zunächst die am Meere entlang ostwärts 
führende römische Strafse benutzt, während der Trofs auch dann 
noch zu Wasser weiterbefördert worden sein mag. Wie in Gallien 
und Spanien, so war auch hier der Zug der Barbaren von furcht- 
baren Oreueln begleitet; in Flammen aufgehende Ortschaften und 
Landhäuser bezeichneten deren Weg; zahlreiche Einwohner, d. h. 
hauptsächlich wohl die wohlhabenden, die nicht ihr Heil in der 
Flucht suchten, wurden entweder getötet oder zu Sklaven gemacht. 
Dals besonders die Geistlichen, Kirchen und Klöster^) hart betroffen 
wurden, ist sicher nicht aus dem religiösen Gegensatz, wie ultra- 
montane Geschichtschreiber wollen, sondern vielmehr daraus zu er- 
klären, dafs bei jenen die meisten Schätze zu finden waren. Dazu 

1) Segisvult mufs nach Possidius c. 17 und der collatio Augustini cum Maxi- 
mino c. 1 (Migne 42, 709) die beiden Städte Hippo regius und Karthago im 
Jahre 428 in seiner Gewalt gehabt haben. 

2) Vgl. besonders Possidius , vita August, c. 28 (gleichzeitiger Bericht) , Vict. 
Vit. I, 1—3 (ca. 486 geschr.). 

3) Dafs die Schändung von Nonnen vorgekommen ist, zeigt der Brief Papst 
Leos I. (ep. 12) von ca. 445 an die Bischöfe von Mauretania Caesareensis. 



g2 Zweites Bnch. 

kam^ dafs nacli einer Entscheidung des heil. Augustinus (Brief 228 
an Bischof Honoratus von Thiabena [zwischen Hippo und Thagaste]^ 
geschrieben unter dem Eindruck der wandalischen Invasion) die geist- 
lichen Vorsteher der Gemeinden erst dann flüchten durften, nachdem 
die sämtlichen Gemeindeglieder sich in Sicherheit gebracht hatten. 

Die Mehrzahl der befestigten Ortschaften fiel im ersten Anlaufe 
info^e Mangels an genügenden Yerteidigungsmitteln; andere, die 
zunächst einer Belagerung erfolgreich trotzten, waren zur Kapitulation 
gezwungen, da unter den in ihren Mauern zusammengedrängten, 
hauptsächlich aus Flüchtigen der Umgegend bestehenden Menschen- 
massen ansteckende Krankheiten ausbrachen und die verwesenden 
Toten, die nicht beerdigt werden konnten, die Luft verpesteten.^) 
Für die Seestädte mag die Mitwirkung der wandalischen Flotte be- 
sonders verhängnisvoll gewesen sein. Dafs die Wandalen überall bei 
den unzufriedenen Elementen der römischen Einwohnerschaft, nament- 
lich der ländlichen Bevölkerung, starke Unterstützung fanden, ist 
sehr wahrscheinlich; dafür spricht auch das oben citierte Zeugnis 
Salvians (VII, 71). 

Ein Jahr lang dauerten die Plünderungszüge der Barbaren, die 
sich nirgends festsetzten, in Mauretanien und Numidien; im Juni 430 
erschienen sie vor der Stadt Hippo regius (unweit des heutigen Bone), 
nachdem sie zuvor, wenn die Angabe Prokops (bell. Vand. I, 3) richtig 
ist, den Statthalter Bonifatius in offener Feldschlacht aufs Haupt 
geschlagen hatten. Auch das kann vielleicht als Faktum der Er- 
zählung Prokops entnommen werden, dafs Bonifatius zu jener Zeit 
Verhandlungen mit dem Feinde angeknüpft hat, um denselben zu 
friedlichem Verhalten zu bewegen. In jene durch gotische Söldner 
des Bonifatius verteidigte Stadt, in der der heilige Augustinus resi- 
dierte, hatten sich zahlreiche Bischöfe aus der Umgebung, darunter 
Possidius von Galama (an der Grenze der Prokonsularprovinz gegen 
Numidien), der Biograph jenes berühmten Kirchenvaters, geflüchtet; 
die Anwesenheit Augustins, der indessen schon im dritten Monat 
der Einschliefsung, am 28. August 430^, am Fieber starb, mag nicht 
wenig dazu beigetragen haben, dafs der Platz von vornherein be- 
sonders energisch verteidigt wurde. Während hier ein Teil der 
Wandalen lagerte, streiften einzelne Tausendschaften derselben sengend 
und brennend durch die Prokonsularprovinz und die Byzacena; Possi- 

1) So ist die Stelle Victors I, 9 mit Papencordt S. 67 zu erklären. Vgl. 
aach Aul er, Historisclie Untersacliiingen, A.Schäfer gewidmet (1882), S. 264. 

2) Prosper c. 1804. 



Das afrikanisclie Eeich unter Geiserich. 63 

dius^ dessen Angaben als eines Zeitgenossen und Augenzeugen besondere 
Beachtung verdienen^ bemerkt^ dafs noch bei Lebzeiten Augustins nur 
drei Bischofssitze, Hippo regius^ Girta und Karthago, unerobert 
waren. ^) Dafs damals die Wandalen bis in die Byzacena vorgedrungen 
sind, ist direkt durch Vict. Vit. I, 10 bezeugt, wo es heilst, es sei 
vor der Eroberung Karthagos (also vor 439) der Bischof Panpinianus 
nostrae civitatis, d. h. von Victors Heimat Vita*), die zur genannten 
Provinz gehörte, mit glühendem Eisenblech zu Tode gemartert, sowie 
der Bischof Mansuetus von Urusita dem Scheiterhaufen überliefert 
worden.') 

Die zu jener Zeit herrschenden Zustände schildert anschaulich 
ein Schreiben des Bischofs Gapreolus von Karthago, das auf der 
Synode zu Ephesus am 22. Juni 431 zum Vortrag gelangte*) und 
worin das Nichterscheinen der afrikanischen Bischöfe entschuldigt 
wurde: Omnis hac tempestate viae aditus praeclusus est. Etenim 
eSusa hostium multitudo et ingens ubique provinciarum vastatio, 
quae incolis partim exstinctis, partim in fugam actis absolutum deso- 
lationis specimen, quoquoversum longe lateque porrigitur, oculis 
offert, promtam illam coeundi facultatem ademit.^) Da& trotz der 
drohenden Oefahr die Bevölkerung in den noch in römischer Oewalt 
befindlichen Orten, namentlich in Karthago, eifrig ihrer Genufssucht 
frohnte, wird von den zeitgenössischen Schriftstellern lebhaft beklagt.^) 

Der erfolgreiche Widerstand der drei genannten Festungen erwies 
sich in der Folge fär die Erhaltung der römischen Macht in Afrika 

1) Das for die Zeitbestimmung der wandalischen Invasion öfter citierte 
(resetz im Codex Theodosianus XII, 6, 33 vom 15. Februar 430 über die Ver- 
iraltang der G^treidemagazine in der Prokonsularprovinz kann überhaupt nicht 
alB Beweis angeführt werden, da die kaiserliche Eegierung damals Afrika trotz 
der feindlichen Erfolge keineswegs als aufgegeben betrachtete. 

2) Wahrscheinlich der Bischof Papinianus aus der Byzacena, der nach den 
Eonzilsakten i. J. 418 auf dem Konzil zu Thelepte anwesend war. 

3) Mansuetus Uricitanus in porta incensus est Fomitana, d. h. nicht in Kar- 
thago, wie Auler a. a. 0. S. 265 will, sondern in Urusita selbst. Eine Stadt dieses 
Namens in der Byzacena ist inschriffclich bezeugt, vgl. C. J. L.ViU suppl. 1 p. 1239, 
und nicht zu verwechseln mit der ähnlich lautenden in der Prokonsularis (Notitia 
prov. procons. no. 20: Quintianus Urcitanus [sie!]). Der Bischofsstuhl von Urusita 
war wohl seitdem unbesetzt, kommt also in der Notitia nicht vor. 

4) Hefele, Conciliengeschichte n *, 187 f. Vgl. auch Liberatus breviarium cap.4. 

5) Migne, patrol. lat. 53, 845. 

6) Vgl. Salvian VI, 69: ecclesia (d. h. die G-emeinde) Carthaginiensis in- 
saniebat in circis, luxuriabat in theatris. Pseudo- Augustinus, Sermo de tempore 
barbarico (Migne 40, 699 ff.): Inter tantas angustias et in ipso fine rerum posita 
est universa provincia et quotidie frequentantur spectacula; sanguis hominum 
qnotidie funditur in mundo et insanientium voces crepitant in circo. 



64 Zweites Buch. 

als auTserordentlicli günstig. So büfsten die Wandalen walirend der 
yierzehn Monate dauernden Belagerung Hippos^ das sie trotz der Ab- 
schneidung der See nicht zu nehmen vermochten^), durch Ent- 
behrungen einen grofsen Teil ihrer Streiter ein. Zwar wurde diese 
Stadt bald nach dem Abzüge des feindlichen Heeres von den Ein- 
wohnern verlassen und den Wandalen preisgegeben, die sie, teilweise 
wenigstens, durch Feuer zerstörten; Karthago aber vor allem blieb 
in den Händen der Römer, was für diese um so wichtiger war, als 
hierdurch die Verbindung mit den übrigen Teilen des Reiches offen 
erhalten blieb. So war es möglich, die Verstärkimgen, die (wahr- 
scheinlich 432, vgl. unten) unter Flavius Ardabur Aspar*) von Byzanz 
eintrafen, ohne Schwierigkeiten zu landen; nach Prokop wäre es nun 
zu einer gewaltigen Schlacht zwischen Römern und Wandalen ge- 
kommen, in der die ersteren unterlagen. In Aspars Heere befand sich 
der nachmalige oströmische Kaiser Marcian(450 — 457) als Domesticus 
(d. h. als oberster Subaltembeamter des Befehlshabers, vgl. Mommsen 
im Neuen Archiv XIV, 508), der, wie eine (offenbar nach dem späteren 
schwächlichen Verhalten dieses Kaisers den Wandalen gegenüber kon- 
struierte) Anekdote bei Prokop berichtet, von den Wandalen ge- 
fangen, aber wegen eines auf seine spätere Stellung hindeutenden 
Vorzeichens gegen das eidliche Versprechen, nichts gegen sie zu 
unternehmen, freigelassen wurde. In Wahrheit können diese Hilfs- 
truppen (die Prokop als TCoXvg ötgarog bezeichnet) jedoch nicht von 
bedeutender Stärke gewesen sein, auch wird der angebliche grofse 
Kampf zwischen den beiden Parteien auf ein blofses Scharmützel vor 
den Mauern Karthagos reduziert werden müssen^); denn es ist auf- 
fällig, dafs unsere übrigen Quellen über diese Vorgänge gänzlich 
schweigen. Sicher ist jedoch, dafs Aspar im Jahre 434 in Karthago 
als weströmischer Konsul sich aufhielt^); wahrscheinlich war ihm 
die Verteidigung dieser Stadt an Stelle des 432 nach Italien zur Be- 
kämpfung des Aetius berufenen Bonifatius übertragen worden. 



1) Hippo lag nicht an der Küste, sondern zwei Kilometer landeinwärts. 
Vgl. Tissot a. a. 0. n, 17. Possid. a. a. 0.: Quam nrbem ferme XTV mensibus 
conclusam obsedenint, nam et littus illi marinum interclusione abstuleront. 
Proc. b.V. I, 3. 

2) Vgl. über diesen Seeck in Paulys Realencyklopädie 11 , 607. 

3) Palln de Lessert, Vicaires et comtes d'Afrique a. a. 0. S. 158, verlegt 
ans unbekannten Gründen die Lokalität dieses Kampfes nach Calama. 

4) Nach dem Zeugnis des gleichzeitigen Liber de promissionibus (Migne 
61, 841): Nostris quoque temporibus Aspero VI cos. Carthagini constituto. Vgl. 
auch Priscus fragm. 11. 



Das afrikanisclie Beich nnter Geiserich. g5 

Das Unvermögen der Wandalen, diesen wichtigen Stützpunkt 
der römischen Macht zu nehmen^ und der Verlust zahlreicher Krieger 
yeranlafsten Geiserich^ mit dem Reiche in Friedensunterhandlungen 
zu treten. Der Abschlufs des Friedens fand am 11. Februar 435 in 
Hippo regius statt; als kaiserlicher Bevollmächtigter fungierte ein 
gewisser Trigetius^ wahrscheinlich derselbe^ der im Jahre 452 als 
Gesandter zu Attila geschickt wurde (Prosp. c. 1367).^) Die Wan- 
dalen begaben sich als Föderaten in die Dienste des Reiches ^ wofür 
ihnen Land zur Bestreitung ihres Unterhaltes — nach welchen 
Grundsätzen^ ist unbekannt^ wahrscheinlich wohl nach denselben wie 
früher in Spanien — zugewiesen wurde. Geiserich trat also in die 
Stelle eines kaiserlichen Militärbeamten ein. Diese Thatsache ergiebt 
sich deutlich aus den Worten Prospers c. 1312, der sich hierbei 
einer für derartige Landanweisungen feststehenden technischen Formel 
bedient: Pax facta cum Yandalis data eis ad habitandum Africae 
portione.*) Das Föderatverhältnis der Wandalen ergiebt sich auch 
aus einer anderen Stelle Prospers (c. 1330), wo offenbar in Beziehung 
auf die Wandalen gesagt ist, dafs Vertragsbrüchige Föderaten See- 
räuberei getrieben hätten.^ Von einer völkerrechtlichen Gebiets- 
abtretung ist keine Rede, das Land blieb nach wie vor Bestandteil des 
römischen Reiches. Datum, Ort und Vermittler des Friedensschlusses 
sind zwar nur durch später in Afrika interpolierte Handschriften der 
Chronik des Prosper überliefert, doch liegt kein Grund vor, die 
Richtigkeit dieser Angaben anzuzweifeln. Die abendländischen Ge- 
schichtschreiber stützen sich, soweit sie von dem Friedensschlüsse 
berichten, auf Prosper, haben jedoch den Text desselben mehrfach 
willkürlich und ohne Verständnis verändert. Isidor von Sevilla, 
EEist. Vand. c. 74, sagt, Kaiser Valentinian habe, aufser stände, Geiserich 
Widerstand zu leisten, diesem den von den Wandalen besetzten Teil 
Afrikas tamquam pacifico überlassen, gegen eidlichen Verzicht auf 
weitere Eroberungen. Diese Auffassung entspricht jedoch keineswegs 
der wirklichen Sachlage. Ähnlichen Charakters ist der Zusatz des 
Paulus Diaconus (Hist. Rom. XIII, 11) zu Prosper, der mit den 
Wandalen abgeschlossene Frieden sei ein (für das Reich) mehr 
notwendiger als nützlicher gewesen. Dagegen bemerkt Prokop (Bell. 



1) Vielleicht ist er anch identisch mit dem gleichnamigen comes rei 
privatae, an den der Erlafs Cod. Theodos. XI, 20,4 (v. J. 423) gerichtet ist. 

2) Vgl. V. Sybel, Entstehung des deutschen Königtums*, 265, 269. Halban 
a. a. 0. 65 f., 162 und oben. 

3) Holder -Egger im Neuen Archiv I, 38. 

Schmidt, Wandalen. g 



66 Zweites Buch. 

Vand. I, 4), Geiserich habe sich trotz seiner Erfolge, die er in Afrika 
errungen, in weiser Mäfsigung zu dem Vertrage mit dem Kaiser 
veranlafst gesehen, die Zahlung eines jährlichen Tributs (wie die 
Stelle gewöhnlich verstanden wird: ig exaötov itog dacffiovg) ver- 
sprochen und seinen Sohn Hunerich als Geisel gestellt; letzterer 
aber sei bald darauf wegen der grofsen Freundschaft, die zwischen 
Yalentinian und dem Wandalenkönig bestanden, zurückgeschickt 
worden. Die Vergeiselung des Königssohnes ist an sich durchaus 
glaublich, da Geiselstellung seitens der Föderatvölker etwas ganz 
Übliches war, weniger dagegen das angebliche freundschaftliche 
Verhältnis zwischen den beiden Fürsten^), das durch die That- 
sachen selbst nicht bestätigt wird, ebenso auch die bei Föderalen 
ungewöhnliche Tributentrichtung.*) Man versteht unter der letzteren 
in der RegeP) die Lieferung der für Italien unentbehrlichen land- 
wirtschaftlichen Produkte, namentlich von Getreide und Ol, was 
aber kaum anzunehmen ist. Wahrscheinlicher ist es, dafs die Inhaber 
der einzelnen ihnen zugewiesenen Hufen zur Entrichtung der römischen 
Grundsteuer, wie die Ostgoten in Italien, verpflichtet wären, und dals 
diese Bedeutung der Prokopschen Stelle zu Grunde liegt. 

Die Wandalen waren wohl im prokonsularischen Numidien an- 
gesiedelt: zum Jahre 437 meldet Prosper (c. 1327), dafs Geiserich den 
Bischof Possidius (von Calama) intra habitationis suae limites ver- 
trieben habe. Dafs jene auch die Meeresküste inne hatten, zeigen die 
Notizen desselben Autors über Raubzüge des Volkes zur See (c. 1330, 
1332 zu den Jahren 437 und 438). Die Residenz Geiserichs war wohl 
in Hippo regius, wie wir aus dem zwar erst im sechsten Jahrhundert 
verfalsten, aber auf guten älteren Quellen beruhenden Laterculus 
regum Wandalorum et Alanorum (Chron. min. IE, 458) zum Jahre 439 
entnehmen dürfen: Geisericus tribus annis Hippone regio exemptis 
Carthaginem occupat etc. Die wenigen noch in Afrika stehenden 
römischen Truppen werden jetzt zum gröfiaten Teile zurückgezogen 
worden sein, da sie in Gallien zur Niederhaltung der Goten, Bur- 
gundionen und Franken notwendig gebraucht wurden. 

Man mufs annehmen, dafs Geiserich jenen Zustand nur als Provi- 
sorium betrachtete, um seine Kräfte wieder zu konsolidieren, und daCs die 
Absicht des Königs von vornherein auf die Gründung einer souveränen 
Herrschaft gerichtet war. Zunächst ist der Friede nicht gestört 

1) Wohl eine Übertragung aus späterer Zeit, vgL weiter untren. 

2) Vgl. Mommsen im Hermes XXTV, 220. 

3) Papencordt S. 72. Sybel S. 269. Ranke, Weltgeschichte IV, 282. 



Das afrikanisclie Beicli unter Geisericli. g7 

worden; aber bereits zwei Jahre nach dem Abschlüsse des Vertrages 
hören wir, dafs es zu Konflikten kam. Wahrscheinlich hatten einige 
orthodoxe Geistliche in dem den Wandalen angewiesenen Gebiete 
der Abhaltung des arianischen Gottesdienstes Schwierigkeiten bereitet 
und die Einräumung von Kirchen verweigert. Geiserich verfügte 
daher ihre Absetzung und bestrafte diejenigen, welche dabei Wider- 
stand leisteten, darunter Posidius (wohl von Calama, der inzwischen 
in sein Bistum zurückgekehrte Biograph des heiligen Augustinus), 
Novatus^) und Severianus mit Verbannung.^) Von einer systema- 
tischen Katholikenverfolgung kann bei diesem Schritte jedoch ebenso- 
wenig die Bede sein wie bei dem Vorgehen des Königs gegen die 
fOnf zu seinem Hofstaat gehörenden, aus Spanien stammenden katho- 
lischen Bömer Arcadius, Probus, Paschasius, Eutycianus und Paulillus, 
an die derselbe jetzt, wohl weil sie Anlafs zu MiTstrauen gegeben 
hatten, die Aufforderung richtete, dafs sie zum Zeichen ihrer Treue 
und Ergebenheit sich zum Arianismus bekennen sollten. Da alle 
fest an ihrem Glauben hielten, wurden sie ihres Vermögens beraubt, 
verbannt und wahrscheinlich, da sie wieder zurückzukehren ver- 
suchten, aufgereizt durch den in Cirta, also aufserhalb des wan- 
dalischen Machtbereichs residierenden Bischof Honoratus, mit Aus- 
nahme des Paulillus, der nur zur Geif seiung und Verknechtung ver- 
urteilt wurde, unter Martern hingerichtet.^) Aus derselben Zeit 
wird von Raubzügen der Wandalen zur See berichtet, die im 
Jahre 438 bis nach Sizilien ausgedehnt wurden.^) Vielleicht war 
der Seeräuber Contradis (Guntharix?, griechisch Fovd'aQtg?), der, wie 
Marcellinus Gomes chron. a. 438 meldet, mit seinen Begleitern ge- 
fangen und getötet wurde, ein Wandale. Diesem feindlichen Ver- 
fahren, dem durch die Abwesenheit des Aetius in Gallien wesentlich 
Vorschub geleistet wurde, setzte Geiserich die Krone auf, indem er 



1) Dieser ist natürlich nicht identisch mit dem gleichnamigen Bischof 
von Sitifis (f 440), dessen Grabschrift noch erhalten ist. C. I. L. ViU, 8634. 

2) Prosper c. 1327 (zu 437), der stark übertreibend von einem Versuche, die 
katholische Kirche auszurotten, spricht. Dafs jenen Priestern das Ansinnen 
gestellt worden sei, zum Arianismus überzutreten, wie Görres (Deutsche Zeitschr. 
f. Geschichtswissenschaft X, [1893] S. 30) behauptet, ist nicht gesagt. 

3) Vgl. den Brief des Honoratus an Arcadius bei Ruinart, Hist. pers. Vand. 
(1732) p. 209. Pseudo-Gennadius de viris inl. c. 96 (ed. Richardson, Leipzig 1896). 

4) Prosp. c. 1330: Eodem anno piraticam barbari foederatorum desertores 
exercuemnt (437). c. 1332: Hoc quoque anno (438) iidem piratae multas insulas, 
sed praecipue Siciliam vastavere. Woher weiTs Görres a. a. 0., S. 34, dafs diese 
Züge von einzelnen wandalischen Scharen aus eigener Machtvollkommenheit 
unternommen wurden? 

5* 



gg Zweites Buch. 

am 19. Oktober 439^) plötzlicli die Stadt Karthago überfiel und in 
seine Gewalt brachte. Der König konnte diesen Schritt^ den er zur 
Behauptung seiner Herrschaft unbedingt thun muGste^ um so eher 
wagen^ ab die Bewohner sich in völliger Sorglosigkeit dem früheren 
äenufsleben hingegeben hatten und auf einen Angriff der Wandalen 
nicht im mindesten gefafst waren.^) Eine allgemeine Plünderung 
folgte der Besetzung^ wobei es naturgemäfs nicht ohne Eoheit und 
Grausamkeit gegen die Bevölkerung abging. Doch werden die 
Berichte darüber^ die von dem Hafs der Katholiken gegen die 
arianischen Ketzer beeinfluiüst sind, sicher übertrieben sein.^) Be- 
sonders hart wurden die Vornehmen (Senatoren) imd die Geistlichen 
betroffen, teils weil bei ihnen die meisten Reichtümer zu finden 
waren, teils weil sie mit Eecht als feste Stützen der kaiserlichen 
Herrschaft gelten muGsten. Das gesamte bewegliche und unbewegliche 
Vermögen der Angehörigen beider Stände wurde konfisziert; den 
karthagischen Klerus brachte man mit seinem Oberhaupt, dem Bischof 
Quodvultdeus, auf schadhafte Schiffe, die dem Spiele der Wellen 
preisgegeben wurden. Doch gelang es den Ausgesetzten, ohne Unfall 
die Küste Italiens zu erreichen. Das Los der Adligen aber war 
teils Knechtschaft, teils Verbannung. Unter den vertriebenen Senatoren 
befand sich der Grofsvaterdes„heiligen^^Fulgentius,Gordianus, dessen 
Söhne später nach Afrika zurückkehrten und wenigstens die Güter 
des Geschlechts in der Byzacena vom König zurückerhielten*), femer 
Celestiacus, dessen Schicksal der Bischof Theodoret von Kyros 
in Syrien in mehreren Briefen lebhaft beklagt.^) Es ist begreiflich, 
dafs der König in dem wichtigsten Stützpunkte seiner Macht einflufs- 
reiche Römer nicht dulden wollte. Dafs bei dieser Gelegenheit auch 
die Kirchen geplündert worden sind, ist durchaus glaubhaft^), mit 
Unrecht wird dies von Papencordt und Auler angezweifelt; denn 



1) So Frosper c. 1339 (späterer Zusatz, aber wohl aus den Konsularf asten; 
vgl. auch Additiones ad cyclos Dionysianos, Chron. min. I, 755) und Hydat. c. 115. 
Die Chronik des Marcellinus Comes a. 439 giebt den 23. Oktober an, das Ghronicon 
paschale I, 583 (Bonn) nur den Monat (Oktober). Die Chron. Gallica a. 452 
setzen die Eroberung Afrikas ins Jahr 444 (c. 129). 

2) Gisiricus, de cuius amicitia nihil metuebatur (Prosp.). 

3) Die Hauptquellen sind Prosper und Victor von Vita I, 12 fF. Ferner 
Hydat. c. 118. 

4) Vit. Fulg. Kap. 1. 

ö) Theodoret. epist. 29 — 36. (Migne, Patr. graec. 83, 1207 flF.) 

6) Hieraus stammten vielleicht das mit Edelsteinen besetzte goldene Kreuz 

und die zwei silbernen vergoldeten Leuchter, die Belisar später aus der wan- 

dalischen Beute der Peterskirche in Rom schenkte. 



Das afrikanische Reicli unter G^iserich. g9 

wenn später, im Jahre 455, der Bischof Deogratias Eirchengerate 
genug besais, mn Grefangene damit loszukaufen, so konnte inzwischen 
Ersatz beschafft worden sein. Sämtliclie innerhalb, sowie einige 
auEserlialb der Stadt gelegenen Gotteshäuser wurden fOr den katho- 
lischen Gottesdienst gesperrt und eine Anzahl derselben, darunter 
die bischöfliche Kathedrale (die basilica Restituta), sowie die basilica 
Maiorum^) und die beiden dem heiL Cyprian geweihten Kirchen*), 
wie Victor und Hydatius erzählen, mit dem Kirchenyermogen der 
arianischen Geistlichkeit überwiesen. 

Die Erzählung Prospers, dafs die heiligen Gebäude den Wandalen 
nicht einmal zur eigenen gottesdienstlichen Verwendung, sondern zu 
Wohnungen überwiesen worden seien, ist daher ganz unglaubhaft. 
Eine derartige Entweihung hat, wenn überhaupt, sicher nur vorüber^ 
gehend bei der ersten Besetzung der Stadt stattgefunden.^) Von 
einer damals erfolgten mutwilligen Zerstörung einzelner Gebäude, 
wie von Papencordt S. 74 angenommen wird, kann keine Rede sein; 
die von Victor I, 8 berichtete Niederreifsung der Theater und der 
Via Gaelestis hängt jedenfalls mit den Mafsnahmen Geiserichs gegen 
die Üppigkeit imd Unzucht zusammen und fällt in eine spätere Zeit. 
Ebenso ist die von . demselben Autor erwähnte Demolierung von 
Kirchen (vgl. 1,9: basilicas quas non destruxerunt) ganz un- 
glaubhaft. Victors Ausdrucksweise ist ganz unbestimmt; wäre er 
genau unterrichtet gewesen, so würde er nicht verfehlt haben, Einzel- 
heiten mitzuteilen. Dazu kommt, dafs Kaiser Justinian in seiner 
bekannten Verordnung vom Jahre 534 (Cod. I, 27, i, s) zwar von der 
Entweihung von Kirchen zu Ställen spricht, aber von Zerstörung 
derselben keine Silbe berichtet. — In richtiger Erkenntnis der Be- 
deutung des Besitzes der Stadt ist denn auch bald nachher die 
Rechnung nach Königsjahren, vom 19. Oktober 439 ab als Neujahr 
gerechnet, eingeführt worden (vgl. weiter unten). 

Geiserich mufste erwarten, dafs nach diesem Vorgehen der Hof 
zu Ravenna alle Mittel in Bewegung setzen würde, um den kühnen 
Räuber der wertvollsten Provinz zu bestrafen und ihn aus derselben 
zu vertreiben. Um durch fortwährende Beunruhigung, namentlich 



1) So ist mit den Hdschrr. zu lesen, nicht bas. maior. Die Restitnta ist 
mit dieser Kirche nicht identisch, vgl. Gsell, M^anges d'arch^ologie et d*histoire 
XX (1900), S. 120. 

2) Die eine derselben war noch unter Gelimer im Besitz der Arianer, vgl. 
Prok. I, 8. 

8) Vgl. Schwarze a. a. 0. S. 165. 



70 Zweites Bnch. 

aber durcli Wegnahme der jetzt für die Komversorgung Italiens 
hauptsächlich in Betracht kommenden Inseln Sardinien und SizUien^) 
das Westreich in den Zustand dauernder Hilflosigkeit zu versetzen, 
rüstete er wahrscheinlich im Frühjahr des folgenden Jahres im Hafen 
Karthagos eine grofse Flotte aus.*) Die Kunde von dem Auslaufen 
derselben erfüllte die Eömer mit Schrecken^ um so mehr als man 
über das Ziel der geplanten Expedition gänzlich im unklaren war; 
eine am 24. Juni 440 erlassene kaiserliche Verordnung rief alle Ein- 
wohner des Reiches zur Verteidigung auf, wobei auf die von Ostrom 
erbetene Hilfe^ das Herannahen eines Heeres unter Aetius und die 
von dem magister militum Sigisvult getroffenen Schutzmafsregeln 
hingewiesen wurde.*) Jedenfalls in Hinblick auf die durch die Weg- 
nahme Karthagos entstandene Gefahr war noch i. J. 439 die Be- 
festigung Konstantinopels auf der Seeseite^) sowie die Wieder- 
herstellung der schadhaft gewordenen Mauern und Türme Roms im 
März 440^ durch die Kaiser angeordnet worden. Ohne indes 
wesentlichen Widerstand zu finden, landeten die Wandalen, wahr- 
scheinlich bei Lilybaeum, auf Sizüien, zogen plündernd auf der Insel 
umher und belagerten zuletzt Palermo; wir hören auch von Ver- 
folgungen der Katholiken, die Geiserich hier auf Betrieb des arianischen 
Bischofs Maximinus vorgenommen haben soll.^ Der traurigen Lage, 
in die der Bischof von Lilybaeum Pascasinus durch die wandalische 
Occupation geraten war, gedachte der Papst Leo in einem (verlorenen) 
Schreiben (geschrieben 442); der Inhalt desselben ist uns aus der 
Antwort des Bischofs (aus der ersten Hälfte des Jahres 443) bekannt."^) 
Das entschlossene Auftreten eines Vorfahren des berühmten Cassiodorus 

1) Salvian. de gab. dei VI, 68: eversis Sardinia ac Sicilia, id est fiscalibns 
horreis, atque abscisis velut vitalibus venis. Der Besitz von Sizilien, namentlich 
des Hafens von Lilybaeum, war auch strategisch wichtig, da der letztere das 
Ansfallsthor für die Angriffe gegen Karthago bildete. 

2) Das Chron. pasch. I, 583 gibt irrig das Jahr 439 an. — Von einer Plan- 
losigkeit dieses und der folgenden Raubzüge, wie man nach Prokop I, 6 an- 
nehmen könnte, kann keine Bede sein. Die hier mitgeteilte Anekdote mag 
richtig sein, hat aber jedenfalls ihren Grund dann, dafs Geiserich das Zied 
seiner Expeditionen sorgfältig geheim hielt. 

8) Novell. Valent. IX (quia sub aestiva navigandi opportunitate satis incertum 
est, ad quam oram terrae possint naves hostium pervenire). 

4) Chron. pasch, a. 439. 

6) Nov. V; Cuius (praefecti urbis) ordinatio etiam in muris, turribus et 
portis, quae sunt labefactata, restituat. 

6) Hydat. c. 120. Prosp. c. 1342. Theophanes, chronogr. a. 5941, ed. de 
Boor I, 101. 

7) Krusch, Studien zur christlich - mittelalterlichen Chronologie (1880) 
S. 100. 247 ff. Vgl. auch Beda chron. c. 481. 



Das afrikanische Eeich unter Geiserich. 71 

Senator soll damals dem Vordringen der Wandalen, deren Streif züge 
sich bis nach Bruttium ausdehnten, Einhalt gethan haben.^) Weniger 
jedenfalls dieser Umstand als die Kachricht, dafs Sebastianus, der 
Schwiegersohn des ehemaligen Militärstatthalters Bonifatius, nach 
Karthago sich geflüchtet habe, und das Herannahen der von Valentinian 
herbeigerufenen ostromischen Flotte veranlafste Geiserich, noch in dem- 
selben Jahre Sizilien aufzugeben und nach Afrika zurückzukehren.^ 
Sebastianus war nach dem Tode des Bonifatius (432) in dessen SteUe 
als magister militum praesentalis eingerückt, bald darauf aber von 
Aetius zur Flucht nach Konstantinopel gezwungen worden. Von 
hier ging er, nachdem er eine Zeitlang Seeräuberei getrieben*), zu 
dem Westgotenkönig Theoderich und sodann nach Spanien, wo er 
sich eine selbständige Stellung zu schaffen suchte. Er wurde in- 
dessen auch von dort vertrieben und landete nun in Karthago, um 
in die Dienste Geiserichs einzutreten. Dem mifstrauischen Könige 
mufste jedoch mit Recht die Anwesenheit des angesehenen, kriegs- 
tüchtigen Mannes als eine grofse Gefahr für den Bestand seiner 
Herrschaft erscheinen; er verlangte von ihm auf Anraten der arianischen 
Bischöfe, dafs er als Beweis seiner Treue zum Arianismus übertreten 
6olle, und als er dieser Zumutung auswich, liefs er ihn später unter 
einem Vorwande hinrichten.^) • 

Die avisierte oströmische Flotte landete zwar im folgenden Jahre 
(441), angeblich m einer Stärke von 1100 Transportschiffen mit einer 
bedeutenden Truppenzahl auf Sizilien; die Anführer, Areobindus, Ansila, 
Inobindus, Arintheus und Germanus, verbrachten jedoch die Zeit ihrer 
Anwesenheit mit nutzlosem Zaudern und bewirkten dadurch, dafs die zum 
Schutz erbetene Hilfe zu einer förmlichen Plage für die unglücklichen 
Bewohner der Insel wurde. Als nun zur gleichen Zeit die Perser und 
namentlich die Hunnen unter Attila und Bleda in die östlichen Grenz- 



1) Cassiod. var. 1, 4, 14. Avus enim Cassiodorus — a Wandaloruin incnrsione 
Bruttios Siciliamque armomni defensione liberavit (vor der Eroberung Roms 455) ; 
jedenfalls übertrieben. 

2) Prosper c. 1342. Theoph. a. a. 0. 3) Suidas s. v. ©soSöaiog, 

4) Vict. Vit. I, 9 ff. Die von diesem gebrachte Erzählung von dem Gleichnis 
vom Brote und der Taufe ist jedenfalls unhistorisch, vgl. Auler a.a.O. S. 268f. 
Dafs Sebastianus übrigens als Märtyrer seines Glaubens gestorben sei, sagt Vict. selbst 
nicht. Vgl. femer Hydat. c. 129. 132. 144. Marcellin. Com. a. 435 ; beide mit 
falscher Chronologie. Hyd. erzählt die Flucht zu den Wandalen zweimal (zu 
den Jahren 445 und 450), wahrscheinlich nach zwei verschiedenen Quellen, 
Prosper a. a. 0. setzt sie in das Jahr 440 und verdient jedenfalls den Vorzug. 
Sebastians Tod fällt wohl noch in dasselbe Jahr (Hyd. c. 144: parvo post 
tempore quam venerat — iubetur occidi). Vgl. auch Morcelli a.a.O. HI, 158. 



72 Zweites Buch. 

lande^ die durch die wandalische Expedition zum Teil ihrer Besatzungen 
beraubt waren, einfielen^ wurde die Flotte^ ohne nur das Geringste 
ausgerichtet zu haben ^ wieder zurückberufen^) (442). Daus damals 
Friedensverhandlungen zwischen Geiserich und Theodosius stattgefunden 
hätten, wird von Theophanes, jedoch wenig glaublich, berichtet^ 
wenigstens wird dessen Angabe durch keine andere Quelle bestätigt. 
Unter diesen Umständen sah sich der Kaiser Yalentinian ge- 
nötigt, mit Geiserich Frieden zu schliefsen, dessen Herrschaft als eine 
selbständige offiziell anzuerkennen: dies ergiebt sich aus den Worten 
Prospers c. 1347 (zum Jahre 442), es sei Afrika zwischen den beiden 
Herrschern certis spatiis geteilt worden. Wie wir aus den kaiser- 
lichen Verordnungen Nov.Val.XVIIL XXXHI imd Victor von Vita 
(I, 13ff.)^) erfahren, verblieben das Cäsareensische und Sitifensische 
Mauretanien, Numidien mit Cirta sowie Tripolis bei dem Beiche, 
während die Provinzen Abaritana (d. h. wahrscheinlich das tingitanische 
Mauretanien^), dessen Besitz wegen der Beherrschung der Meerenge 
für die Wandalen unumgänglich nötig war), Prokonsularis, Bjzacena, 
das prokonsularische Numidien (wichtig wegen der Stadt Hippo 
regius)^) und Gätulien (wohl identisch mit dem südlichen Teile der 
Byzacena), also die wichtigsten Provinzen Afrikas, an die Wandalen 
zu souveränem Besitze abgetreten wurden. Dals der Kaiser jedoch 
zunächst die Hofl&iung auf Wiedergewinnung der verlorenen Gebiets- 
teile nicht aufgab, zeigen die Worte der aus dem' folgenden Jahre 
stammenden Verordnung Novell. XII, § 2: Quod observari volumus 
.... usque ad illud tempus, quo qualibet ratione atque eventu patriae 
vel propriorum recuperatio optata contigerit.^) 

1) Prosp. c. 1844. 1346. Theoph. a. a. 0. Güldenpenning, Gesch. d. ostrGm. 
Reiches, S. 338 fF. Eine Koalition zwischen Geiserich und Attila, wie letzterer will, 
ist schwerlich anzunehmen. Ebenso auchWietersheim, Gesch. d.Völkerw.*, 11,223. 

2) (Geisericns) . . . sibi Bizacenam, Abaritanam atqne Getuliam et partemNmni- 
diae reservavit, exercitui vero Zengitanam — divisit, Valentiniano adhuc imperatore 
reliquas licet iam exterminatas (d. h. voneinander getrennt) provincias defendente. 

3) Der sonst unbekannte Name findet sich nur noch beim Anonymus 
Ravennas, Cosmographia I, 3; m 11 (edd. Pinder et Parthey p. 8. 162. 164) als 
einheimische Bezeichnung fOr die Provinz Gaditana: quae Gaditana barbaro 
modo Abrida dicitur. An die Gegend von Abara (Aboritanus in der Notitia 
prov. von 484, vgl. auch das Bistumsverzeichnis aus dem T.Jahrh. bei Grelzer, 
Byzantinische Zeitschrift n [1893] S. 31), wie Papencordt will, ist natürlich 
nicht zu denken. Auch über den Begriff Gätulien giebt der Anon. Rav. m, 9 
(p. 159) näheren Aufschlufs. Vgl. Miller, Mappae mundi VI (1898) S. 32. 

4) Jedenfalls identisch mit Victors pars Numidiae. 

5) Die nach den älteren Texten denselben Gedanken ausdrückenden Worte 
der Konstitution von 451 Novell. XXXTTT § 4 lauten in Wahrheit: Donec meliere 
auspicio ubertas rerum Africae (d. h. reichlichere Steuereinkünfte) contingat. 



Das afrikanische Beich unter Geisericli. 73 

Besiedelt wurde von den Eroberem in diesem Gebiete jedoch 
nur die Prokonsularprovinz^); militärisclie Ghründe, die ein Zusammen- 
bleiben des Volkes und zwar in der Kahe Karthagos wünschenswert 
erscheinen liefsen^ sowie der Umstand^ dafs dort das fruchtbarste 
Ackerland sich befand^ sind hierfür jedenfalls in erster Linie mafs- 
gebend gewesen.*) In den übrigen vom Reiche abgetretenen Provinzen 
befanden sich von wenigen Ausnahmen abgesehen keine wandalischen 
Niederlassungen. Jeder Tausendschaft wurde nach vorheriger Ver- 
messung mit dem Seile (funiculus)^) ein bestimmtes Gebiet zugewiesen 
und dieses sodann durch die Obrigkeiten an die einzelnen Haus- 
haltungen als steuerfreies ; erbliches Eigentum (sortes Vandalorum) 
verteilt. Die Tausendschaft erlangte somit wieder territoriale Be- 
deutung; ob und inwieweit bei der Abgrenzung derselben eine An- 
lehnung an die bestehende Einteilung der Prokonsularis in Ver- 
waltungsbezirke stattgefunden hat; ist unbekannt. Von der Teilung 
ward der weltliche und kirchliche Grimdbesitz ohne unterschied, 
jedoch nur der ländliche und auch dieser wohl nicht im ganzen üm- 
fEinge betroffen; eine Konfiskation der städtischen Grundstücke fand 
im allgemeinen nicht statt; blofs in Karthago wurde hiervon in 
Bezug auf das Eigentum des höchsten Adels und des Klerus eine 
Ausnahme gemacht (vgl. oben). Den bisherigen Grundbesitzern^) 
wurde — soweit diese nicht schon bei der Eroberung getötet oder 
vertrieben worden waren — die Wahl gelassen, ob sie nach Verlust 
ihres Eigentums als Freie ihren Aufenthalt anderswo nehmen^) oder 
als Knechte ^9 d. h. wahrscheinlich als Kolonen^ auf ihren früheren 
Besitzungen zurückbleiben wollten. Die auf diesen expropriierten 
Gütern ansässigen Sklaven und Kolonen wurden dagegen in der 

1) Vict. I, 13: exercitui vero Zengitanam vel (=et) proconsularem 

divißit. Vgl. I, 29 und I, 17: memoratarum provinciarum, quas diviserat 

Wandalis nnd dazu oben. 

2) Die Erhaltung der wandalischen Nationalität haben diese Mafsnahmen 
in bewulster Weise nicht bezweckt; wer eine derartige Ansicht (so Stadler S. 27) 
vertritt, verkennt die damaligen Verhältnisse völlig. 

8) Vgl. dazu Gaupp, die german. Ansiedelungen und Landteilungen S. 206. 

4) Vgl. dazu und zum Folgenden Vict. Vit. I, 13 ff. Procop. b. V. I, 6 (stark 
übertrieben). Vita Fulgentii cap. 1. Apoll. Sid. Carm. V, 58 ff: Hie praedo et dominis 
extinctis barbara dudum sceptra tenet tellure mea penitusque fugata nobilitate 
fiirens. 

6) Den Vertriebenen wurde durch Gesetz Valentinians vom Jahre 461 
(Nov. XXXTTT) in den kaiserlich gebliebenen Provinzen Land angewiesen (honoratis 
proconsularis ac Byzacenae coUocari, quos a barbaris sublatis patrimoniis etiam 
de sedibuis propriis constat expulsos). 

6) Vict. I, 14: servi perpetui. 



74 Zweites Buch. 

Hauptsache in ihrer bisherigen Stellung belassen, erfahren also nur 
einen Herrenwechsel. ^) Da das kaiserliche Krongut in der Prokonsularis . 
eine grofse Rolle spielte — dasselbe umfafste weit über die Hälfte 
der ganzen Provinz — , so ist anzunehmen, dafs auch von diesem 
ein grofser Komplex an das Volk zur Verteilung gelangte. Dafs 
jedoch auch dem Königshause hier gröfsere Besitzungen, offenbar 
ehemalige kaiserliche Domänengüter, zugefallen sind, zeigen die Er- 
zählungen Victors I, 17 (ad Maxulitanum litus) und I, 44 von den 
in der Nähe Karthagos gelegenen Gütern Theoderichs, des Sohnes 
Geiserichs.^) Ob das bei der Eroberung des Wandalenreiches er- 
wähnte Schlofs zu Grasse, das an der Strafse von Hadrumetum nach 
Karthago unweit des Meeres bei Aphrodisium noch innerhalb der 
Prokonsularis gelegen war*), schon unter Geiserich königliches 
Hausgut gewesen ist, wissen wir nicht, doch ist es sehr wahrscheinlich. 
Das gleiche Schicksal wie die Possessoren traf die katholischen 
Kleriker, soweit sie in den wandalischen Bezirken residierten*), ein Vor- 
gehen, das sich einerseits zur Fundierung und Dotierung der arianischen 
Kirche notwendig machte, anderseits aber auch der zu befürchtenden 
politischen Propaganda vorbeugen sollte. Dafs trotzdem von der 
orthodoxen Geistlichkeit Versuche gemacht wurden, in den ihnen 
gesperrten Distrikten zu amtieren, zeigt die Erzählung Victors I, 
16 ff. deutlich.^) Wenn gegen die Widersetzlichen mit strengen 
Strafen vorgegangen wurde, so war dies nur in der Ordnung; von 
welchem (berechtigten) Grimm der König erfüllt war, zeigt dessen 
Bemerkung auf die an ihn von jenen gestellte Zumutung, die freie 
Ausübung des katholischen Gottesdienstes innerhalb der Wandalen- 
lose zu gestatten (Vict. I, 18). Zu den damals Vertriebenen gehörte 
wahrscheinlich auch der von Theodoret (epist. 52. 53) erwähnte, aus 
Afrika geflohene Bischof Cyprianus. Auf die Kleriker in den Städten 
(aufser Karthago) und in den etwa noch in römischem Besitz ver- 
bliebenen ländlichen Distrikten erstreckte sich jedoch ebenfalls diese 
Mafsregel nicht; wir finden daher später zahlreiche katholische Priester 
in der Prokonsularis erwähnt, obwohl es an Versuchen der Wandalen- 
könige nicht fehlte, die Zahl derselben zu beschränken. In den aufser- 
halb der Prokonsularis gelegenen Provinzen trat der König als Rechts- 



1) Sie sind wohl hauptsächlich nnter dem popnlus dei Vict. I, 17 zn verstehen. 

2) Vgl. Papencordt S. 181 f. 8) Tissot a. a. 0. ü, 116, pl. Vm. 

4) Vict.I, 14. 17. n, 13. 39. HI, 3. 4. 

5) Vgl. namentlich § 18: . . . coepenint qualiter poterant et ubi poterant 
ablatis ecclesiis divina mysteria celebrare. 



Das afrikanisclie Reich unter Geiserich. 75 

nachfolger des Kaisers in den Besitz sämtlicher Fiskalgüter ein^ von 
denen er einen Teil seinen Söhnen verlieh. Aus Vict. Vit. I, 44 er- 
fahren wir, dafs Theoderich Eigentümer von Ländereien in der 
Byzacena war. Vgl. auch Proc. B. V. I, 5 (p. 333, Bonn). Die Be- 
sitzverhältnisse der römischen Privatpersonen und der Kirche blieben 
hier mit wenigen Ausnahmen unangetastet^); anfänglich konfiszierte 
Güter wurden sogar später ihren Inhabern wieder zurückgegeben 
(vgl. vita Fulg. c. 1 von den Söhnen des Gordianus). Die Grund- 
steuerpflicht, wenn auch etwas verändert, blieb bestehen, und insofern 
derjenige, der zur Entrichtung von Abgaben verpflichtet war, nach 
germanischer Anschauung einem Hörigen gleich geachtet wurde, 
konnten jene Gebiete als Eigentum des Staates, d. h. des Königs 
gelten.*) In diesem Sinne ist wohl dis Bemerkung Victors I, 13, 
Geiserich habe sich aufser der Abaritana die Provinzen Byzacena, 
Gätulien und einen Teil Numidiens vorbehalten, zu verstehen. Freilich 
kann hier ebensogut die römische Auffassung zu Grunde liegen, dafs 
das gesamte Grundeigentum einer eroberten Provinz an den erobernden 
Staat übergeht, das Privateigentum aber, soweit es fortbesteht, nur 
als geduldeter Besitz gut.») 

Die Gründung des souveränen Staates in Afrika, die doch das 
eigentliche Werk Geiserichs war, mufste naturgemäfs dessen Ansehen 
und Macht in erheblicher Weise steigern. So konnte der König nun 
den Schritt wagen, die letzten noch vorhandenen Reste der Volks- 
freiheit zu beseitigen. Wir erfahren hiervon nur aus einer leider 
sehr dürftigen Notiz Prospers z. J. 442 (c. 1348): gegen Geiserich, 
der, durch seine Erfolge (d. h. die Begründung des souveränen Staates) 
übermütig gemacht, gegen die Seinen hochfahrend aufgetreten sei*), 
hätten einige Vornehme eine Verschwörung angezettelt, die alsbald 
blutig unterdrückt worden sei. Und als andere kurz darauf wiederum 
eine Erhebung vorbereitet, habe der argwöhnische König so viele 
aus seinem Volke hinrichten lassen, als ihn ein unglücklicher Krieg 
gekostet haben würde. 

Wahrscheinlich in dieselbe Zeit fällt das von Geiserich für die 
katholischen Kleriker in den römischen Gebietsteilen erlassene Kanzel- 



1) Vgl. dazn aucli vita Fulg. c. 14. 19. Papencordt S. 193. Die Novelle 
Valentinians yTXTTT von 451 spricht allerdings von Vertriebenen ans der Pro- 
konsnlaris und der Byzacena; allein darauf ist nicht viel Gewicht zu legen. 

2) Vgl. Dahn, Könige I, 206. Waitz, Verfassungsgeschichte 11% 255. 276. 

3) Mommsen, Rom. Staatsrecht ü', 2, 963. 

4) In Gisiricum de successu rerum etiam apud suos superbientem 
(vgl. dazu Tac. ann. XII, 17. 29) quidam optimates ipsius conspiraverunt u. s. w. 



76 Zweites Buch. 

gesetz, wodurch diesen untersagt wurde, in ihren Predigten biblischer 
Verfolger, wie Pharao, Nebukadnezar^), Holofemes, zu gedenken, 
weil er fürchtete, dafs derartige Namen nur vorgeschoben würden, 
um gegen seine Person auszufallen. Diejenigen, die sich an dieses 
Gebot nicht hielten, wurden mit Verbannung bestraft.^ Einen Bück- 
halt fanden diese aufsässigen Geistlichen namentlich in ihren Amts- 
brüdem in den dem Reiche verbliebenen Provinzen. Schon oben ist 
der aufreizenden Thätigkeit des Bischofs Honoratus von Cirta ge- 
dacht worden; eben dahin gehören wahrscheinlich die von Gennadius 
de vir. inl. cap. 74. 78. 79 als Verfasser von Streitschriften gegen den 
Arianismus aufgeführten afrikanischen Bischöfe Asclepius, Victor 
Cartennensis und Voconius von Gastellum (vgl. unten). Daßs auch die 
hier ansässigen Angehörigen des Adelsstandes streng überwacht 
wurden, ist selbstverständlich; doch hören wir, wie schon gesi^ 
von Ausweisungen derselben nichts.*) Um den zu fürchtenden inneren 
und äufseren Feinden jeden Stützpunkt zu nehmen, liels der König 
die Mauern der meisten Ortschaften schleifen^); die einzigen, die ihre 
Befestigungen behielten, waren, wie es scheint, das Kastell Septem, 
sowie die Städte Hippo regius und Karthago; die letztere wurde als 
das Hauptbollwerk der wandalischen Macht in Afrika angesehen. 
Wahrscheinlich ist damals auch die Datierung nach Königsjahren 
vom 19. Oktober 439, der Einnahme Karthagos, ab als Neujahr ge- 



1) Sonst wurde dieser von der aMkanischen Kirche gewissermafsen als ein 
Heiliger verehrt, da er, durch das Wunder von den drei Männern im feurigen 
Ofen veranlafst, ein Edikt gegen die Gotteslästerer erlassen habe. Vgl. Augustin. 
epist. 105, 7. Eine kürzlich in Karthago aufgefundene Thonlampe zeigt den 
König mit einem Heiligenschein über dem Kopfe. 

2) Vict. I, 22. 23. Doch fallen mehrere der hier erwähnten Ausweisungen 
von Bischöfen sicher in eine spätere Zeit, da die genannten Provinzen zum Teil 
erst nach Yalentinians Tode dem wandalischen Eeiche angegliedert wurden. Zu 
den damals Exilierten gehörte vielleicht auch der Bischof Aurelius von Hadm- 
metum, der 461 auf der Synode von Chalcedon anwesend war (Harduin, coli, 
concil. n, 483) und bald danach gestorben zu sein scheint. Vgl. auch weiter unten. 
Auler S. 271 bezweifelt ohne Grund, dafs der Ort Teudalis, dessen Bischof Habet- 
deum jetzt oder später ausgewiesen wurde, in der Prokonsularis gelegen habe; 
denn auch in dieser lagen Distrikte, die direkt der königlichen Gewalt unter- 
standen. 

3) Vict. HI, 26 erzählt von einem generosus et nobilis vir Servius aus Tu- 
burbi in der Prokonsularis, der unter Geiserich Mifshandlungen erlitt, weil er amici 
cuiusdam secreta nicht verraten wollte. Offenbar handelt es sich um eine Kon- 
spiration; man sieht hieraus, wie begründet das Mifstrauen des Königs gegen 
den römischen Adelsstand war. 

4) Proc. B. V. I, 6. de aedif.VI, 6. 



Das afrikanische Reich nnter Geiserich. 77 

rechnet; durch Geiserich gesetzlich angeordnet worden. Diese Rech- 
nung; die den souveränen Charakter des Staates deutlich zum Aus- 
druck bringt, ist von nun an allein im Gebrauch gewesen; von 
Datierung nach Konsulatsjahren oder Indiktionen^ wie sie bei den 
Westgoten und Burgundionen vielfach nebenbei erscheint, ist hier 
keine Spur nachzuweisen.^) 

Wie mächtig damals das Reich Geiserichs dastand, zeigt die 
Thatsache, dafs der Westgotenkönig Theoderich I. seine Bundes- 
genossenschaft suchte, zu deren Besiegelung eine Tochter des 
letzteren mit dem Königssohn Hunerich, dem präsumtiven Thron- 
folger, vermählt wurde. Langen Bestand hat jedoch dieses Verhältnis 
nicht gehabt; auf den blofsen Verdacht hin, dafs seine Schwieger- 
tochter ihn habe vergiften wollen, schickte Geiserich dieselbe, ver- 
stümmelt an Käse und Ohren, an ihren Vater zurück. Es ist jedoch 
fraglich, ob diese Erzählung des Jordanes (Get. 36, 184) in allen 
Punkten richtig ist; wahrscheinlicher ist es, dafs der König die 
Trennung der Ehe seines Sohnes im Hinblick auf eine in Aussicht 
stehende Verbindung desselben mit einer Tochter des Kaisers Valen- 
tinian, worüber damals Verhandlungen gepflogen worden zu sein 
scheinen , verfügt hat. Der angebliche Vergiftungsversuch mag dabei 
als Vorwand gedient haben. Wir erfahren hiervon aus dem Panegyrikus 
des Merobaudes auf das dritte Konsulat des Aetius (446) v. 24 — 29; 
es heilst hier, der in Libyen eingedrungene Gewalthaber, der es ge- 
wi^ hatte, die eliseischen, d. h. karthagischen Gebiete vom Reiche 
loszureüsen, sei durch Aetius bewogen worden,, in enge Beziehungen 
zu Rom zu treten sociamque intexere prolem. Der Eintritt in ver- 
wandtschafkHche Beziehungen zu der kaiserlichen Familie war das 
Ziel des Ehrgeizes der meisten Barbarenfürsten — sei es, um ihrem 
Hause einen gröfseren Glanz zu verleihen, sei es, um einen Rechts- 
grund für Ansprüche auf römische Gebietsteile zu haben oder um 
ihr Herrschertum gegenüber der römischen Bevölkerung in den von 
ihnen besetzten Ländern zu stärken und zu sichern. Zum Abschlufs 
einer Ehe ist es allerdings nicht gekommen: dafs jedoch damals ein 
freundschaftliches Verhältnis zwischen beiden Staaten eingetreten ist, 
geht auch sowohl aus Priskus (fragm. 24), nach dessen Zeugnis der 
Kaiser Avitus im Jahre 456 den Wandalenkönig an ein früher von 
diesem mit dem abendländischen Reiche abgeschlossenes Bündnis er- 
innerte, als aus Johannes Antiochenus (fragm. 201 Müller, ebenfalls 



1) Vgl. die Nachweisungen Mommsens Neues Archiv XVI (1891) S. 62 ff. 



78 Zweites Buch. 

aus Priskus)^) hervor, wonach öeiserich durch den Tod des Aetius 
und Valentinians III. die bisher bestehenden Friedensverträge als ge- 
löst betrachtete.^) 

Thatsächlich vernehmen wir nach 445, in welchem Jahre eine 
Flotte der Wandalen die Küsten Spaniens heimsuchte, bis zum Tode 
Valentinians von Raubzügen derselben im Mittelmeer nichts mehr ^) 5 
ja es liefs sich Geiserich sogar auf Bitten des Kaisers herbei, die 
Wiederbesetzung des seit 439 (vgl. oben) verwaisten Bischofsstuhles 
von Karthago zu gestatten.^) Am 25. oder 26. Oktober 454^) wurde 
Deogratias in der Kirche des heil. Faustus*) daselbst zum Bischof 
geweiht. Wahrscheinlich ist damals der Mehrzahl der ausgewiesenen 
Bischöfe (d. h. mit Ausnahme der in dem wandaUschen Ansiedelungs- 
gebiet ansässig gewesenen) die Rückkehr in ihre früheren Sprengel 
gestattet worden^, eine Milde, die diese freilich, wie die späteren 
Vorgänge lehren, schlecht gelohnt zu haben scheinen. Wir haben 
hier ohne Zweifel einen politischen Schachzug des Aetius zu erkennen, 
der mit scharfem Blicke einsah, dafs eine Koalition zwischen West- 
goten und Wandalen für den Bestand des occidentalischen Reiches 
die grölste Gefahr bedeutete. Eine Folge der nunmehr eingetretenen 
Isolierung der Westgoten war, dafs diese Anlehnung an das damals 
mächtig aufstrebende Swebenreich unter König Rekiar suchten®) (nach 
446). Erst die von dem gemeinsamen Feind, den Hunnen, drohende 
Gefahr hat wieder einen Zusammenschlufs der Römer und Westgoten 
herbeigeführt, wozu sich letztere freilich anfänglich nur widerstrebend 
bereit fanden^) (451), Die Erzählung des Jordanes (Getica c. 36), 

t) Vgl. Holder-Egger im Neuen Archiv f. alt. d. Gesch. I, 271 Note 5. Dieses 
Fragment gehört nicht zu der Chronik des Joh. Antiocheniis , wie Patzig, Joh. 
Antioch. u. Malalas, Lpz. 1892, und Byzantinische Zeitschrift II (1893) S. 691 ff. 
gezeigt hat. 

2) atg TTJg filv slg'^vrjg %avat(p x&v CTCBLCafiBvcav Xvd'stcrig, 

3) Hydat. c. 131 von der Plünderung Galiciens. 

4) Vict. Vit. I, 24. 

6) Continuatio Prosperi Reichenav. (M. G. Auct. ant. IX, 490) c. 25: Car- 
thagine ordinatur episcopus Deogratias in basilica Fausti die dominico Vill. kal. 
novemb. Vgl. dazu Holder-Egger im Neuen Archiv der Gesellsch. f. alt. d. Ge- 
schichtskunde I, 279. 

6) Die Kathedrale (ecclesia Restituta) blieb nach wie vor im Besitz der 
arian. Geistlichkeit. 

7) Die Neubesetzung des bischöfl. Stuhles von Hadrumetum, auf den Felix 
nach des Aurelius Tode erhoben wurde (Vict. I, 23), fällt wahrscheinlich in diese 
Zeit, vgl. oben, 

8) Dahn, Könige V, 76. 

9) Vgl. dazu besonders G. Kaufmann, Forschungen zur deutschen Ge- 
schichte Vm, 144. 



Das afrikanische Reich unter Geiserich. 79 

Attila sei damals durch reiche Geschenke Geiserichs zu seiner Ex- 
pedition nach Gallien veranlafst worden, um die Bache des beleidigten 
Königs Theoderich abzuhalten, scheint mir sehr zweifelhaft, wenn 
sie auch durch Priskus fragm. 15^) gestützt wird. Wahrscheinlich 
beruht sie lediglich auf einem künstlichen Erklärungsversuch der 
Thatsache, dafs der Zug der Hunnen sich nicht zunächst gegen Italien, 
sondern gegen Gallien richtete. 

Wesentlich anders wurde das Verhältnis zwischen den beiden 
Staaten, als der Kaiser Valentinian, der Mörder des hochverdienten 
Aetius, von dessen Gefolge getötet worden war (16. März 455). 
Wie schon bemerkt, betrachtete Geiserich das bestehende Vertrags- 
verhältnis als gelöst; er erklärte, dafs er den neuen Kaiser Maximus 
(seit 17. März), der bei der Ermordung des Aetius und Valentinians 
seine Hand im Spiele gehabt^) und die Kaiserin -Witwe Eudoxia zur 
Ehe gezwungen hatte, nicht als würdigen Nachfolger auf dem Kaiser- 
throne anerkennen könne. ^) Unter diesem Vorwande ging er sofort 
mit einer grofeen Flotte, die schon seit längerer Zeit in Erwartung 
kommender Ereignisse ausgerüstet gewesen zu sein scheint, nach 

Italien unter Segel. 

Von dem Zuge Geiserichs nach Rom und den begleitenden Nebenumständen 
berichten von den abendländischen Geschichtsquellen selbständig hauptsäch- 
lich die italienischen Konsularfasten (M. G. Auct. ant. IX, 304), Prosper c. 1375, 
Hydatius c. 162. 167, die südgallische Chronik von 511 c. 623 (sämtlich gleich- 
zeitig), Victor Tonnenensis a. 465, Victor Vitensis I, 24; femer Cassiodor chron. 
c. 1262 f. nach Prosper, Jordanes Rom. 334, Get. c. 45 § 235 nach Marcellinus 
Comes, letztere Stelle mit einem selbständigen Zusatz über den Mörder des Maxi- 
mus; Isidor von Sevilla, Hist.Vand. c. 77, nach Victor Tonn, und Hydatius; Paulus 
Diaconus Hist. Rom. XIV, 16 nach Jordanes und den ital. Konsularfasten, Lan- 
dolfas Sagax XV p. 363 Droysen aus Paulus und Anastasius, dem Übersetzer 
des Theophanes. Von den ostarömischen Quellen besonders" Priskus (bei Joh. Ant. 
fr. 201 ; der ausführlichste Bericht) , Marcellinus Comes a. 455, zum gröfsten Teil 
aus den oströmischen u. weströmischen Konsularfasten, aber mit selbständigem Zu- 
satz über die Berufung Geiserichs, vgl. Neues Archiv I, 270, das Chronicon paschale 
(nach den oströmischen Fasten), Euagrius hist. eccl. 11 , 7 (nach Eusthatius, Anfang 
6. Jahrb.), Malalas chron. XIV, p. 365 f. Bonn, (schrieb zwischen 528 und 533/40, vgl. 
Patzig, Progr. der Leipz. Thomasschule 1892 S. 30), Prokop bell. Vand. I, 5. 11, 9. 
Die Auszüge aus einer zwischen 600 u. 800 verfafsten Kirchengeschichte, in der 
namentlich Theodorus Lector (Anf. 6. Jahrh.) benutzt ist, bei Gramer, Anecdota 
Paris, n, 101, vgl. Krumbacher, Gesch. der byzant. Litteratur*, 247. Die übrigen 
Byzantiner (namentlich Johannes Antiochenus fragm. 200, Theophanes, Kedren, 
Const. Manasses, Zonaras, Nikephoros) haben direkt oder indirekt aus Prokop 



1) Tcgog Sh For&'ovg xocqlv Fi^sgizfp 'natcctid'BfiBVOv, 

2) Dafs dies der Fall gewesen, scheint mir unzweifelhaft, wenn auch 
Prosper nichts davon erwähnt. Vgl. Ranke, Weltgeschichte IV, 1, 333 Note. 

3) Priskus (Joh. Antioch. fr. 201). 



gO Zweites Bach. 

und Malalas bez. EnagrixLs geschöpft; (vgl. iPatzig S. 6 ff.). Die Zeitbestimmtuig 
des Einzugs Geiserichs bei Theophanes (p. 109 ed. de Boor: t^ tQitjj rifiiga t^g 
atpayrig Ma^^fiov) stammt übrigens aus einer unbekannten Quelle und findet sich 
in dieser Form nur noch bei Victor Tonn. 

Wenn es heilst, Eudoxia habe, um sich von der verhafsten Ver- 
bindung zu befreien und Bache an dem Mörder ihres Gemahls zu 
nehmen, den Wandalenkönig herbeigerufen, so ist dies eine Fabel. 
MuTs schon die Ähnlichkeit dieser Erzählung mit anderen derartigen 
unhistorischen Anekdoten aus der spätrömischen Geschichte Bedenken 
erregen, so kommt hinzu, dafs die gleichzeitigen Quellen von 
einem solchen Motive entweder gar nichts wissen oder dasselbe, wie 
Hydatius und Priskus (ut mala fama dispergit und of dd q>a0i)^ als 
blofses Gerücht bezeichnen. 

Ohne Widerstand zu finden, landete Geiserich in dem Hafen 
Roms Portus und zog mit seinen zum Teil aus Mauren (die jetzt 
zum ersten Male in engerer Verbindung mit den Wandalen erscheinen) 
bestehenden Scharen auf der via Portuensis auf die ewige Stadt 
zu.^) Auf die Kunde von seiner Annäherung war hier die gröfste 
Verwirrung ausgebrochen. Zahlreiche Einwohner, besonders An- 
gehörige des Adelsstandes, verUefsen Rom, um wenigstens das Leben 
zu retten; als auch Maximus sich anschickte, das Gleiche zu thun, 
statt in Erfüllung seiner Regentenpflicht die Verteidigung der Stadt 
in die Hand zu nehmen, wurde er von einem burgundischen Soldaten 
Ursus aus der kaiserlichen Leibwache, die über die Feigheit ihres 
Herrn empört war, durch einen Steinwurf getötet; sein Leichnam 
ward von der erbitterten Menge durch die Stadt geschleift und 
schliefslich stückweise in den Tiber geworfen (31. Mai).^) Drei Tage 
darauf (also am 2. Juni)^) rückte Geiserich in Rom ein. An der 
porta Portuensis empfing ihn der Papst Leo I., der durch sein Bitten 
den Wandalenkönig bewogen haben soll, wenigstens von Mord und 
Brand abzustehen und sich mit blofser Plünderung zu begnügen. 



1) Portus wird in den Quellen nicht genannt, doch kommt nur dieser 
Hafen in Frage, da damals Ostia infolge Versandung von gröfseren Schiffen 
nicht mehr angelaufen wurde. Priskus erwähnt einen Ort Azestos nahe bei Born, 
den Geiserich berührt habe; ein solcher ist nicht nachzuweisen. 

2) So werden die vielfach differierenden Berichte zu vereinigen sein. Der 
Soldat Ursus, der nach Jordanes den Kaiser tötete, ist wohl identisch mit dem 
Burgundio, der nach Apollinaris Sidonius carm.VII, 442 infido ductu tibi (Romae) 
extorquet trepidas mactandi principis iras. Dafs die Wandalen durch Verrat 
eines burgundischen Söldners Bom eingenommen hätten, wie angenommen 
worden ist, läfst sich aus dieser Stelle nicht entnehmen. 

3) Die Datierung ergiebt sich mit Genauigkeit aus den Ableitungen der 
Konsularf asten, vgl. Neues Archiv I, 286 No& 3. 



Das afrikanische Beich unter Geiserich. 31 

Haben wir auch keinen Grund, die von Prosper glaubwürdig bezeugte 
Gesandtschaft des Papstes zu leugnen, so spricht doch manches da-, 
gegen, dals dessen EinfluTs es beizumessen gewesen, dafs Rom vor 
gröfseren Greueln verschont blieb. In der Predigt wenigstens, die 
Leo am 6. Juli nach der öffentlichen, anläfslich des Abzuges der 
Wandalen abgehaltenen Dankfeier gehalten hat^), ist nichts davon 
gesagt; die Bettung der Stadt wird hier lediglich der Gnade Gottes 
zugeschrieben. Die Wandalen trachteten, wie die Goten Alarichs, in 
der Hauptsache nur nach Kriegsbeute; die Zerstörung von Häusern 
und Denkmälern wäre daher meist zwecklos gewesen; dazu kam als 
wichtiges Moment die Ehrfurcht vor der Gröfse und Heiligkeit Roms, 
die allen Germanenfiirsten eigen war. 

Vierzehn Tage lang weilten die Wandalen und Mauren in Rom, 
Zeit genug, um alle von den Goten noch übrig gelassenen oder seither 
wieder ersetzten Kostbarkeiten zu rauben. Über die Einzelheiten der 
Plünderung berichtet namentlich Prokop in glaubwürdiger Weise, da 
er selbst die von Belisar eroberten wandalischen Beutestücke gesehen 
hat, während die gleichzeitigen Quellen nur in allgemeinen Aus- 
drücken darüber berichten. In erster Linie wurde der Kaiserpalast 
betroffen; alles, was sich darin befand, ward auf die Schiffe gebracht, 
um die Residenz in Karthago damit zu schmücken, darunter auch 
die Insignien der kaiserlichen Würde.*) Das gleiche Schicksal traf 
den Tempel des Jupiter Capitolinus, dessen vergoldetes Dach sogar 
zur Hälfte mitgenommen wurde. Vom Kapitol stammten wohl auch 
die Statuen, von denen eine Schiffsladung bei der Überfahrt zu Grunde 
ging (nach Prokop). Unter den geraubten Schätzen spielten die einst 
von Titus nach Rom gebrachten salomonischen Tempelgefäfse eine 
besondere Rolle.*) Von Plünderung der Kirchen ist in den älteren 
Berichten keine Rede; man sollte doch annehmen, dafs, wenn eine 
solche stattgefunden, namentlich der Augenzeuge und Zeitgenosse 
Prosper, der die Schändung der dem Gottesdienst geweihten Gebäude 
in Karthago durch die Wandalen in grellen Farben schildert, nicht 
unterlassen haben würde, darauf hinzuweisen. Auch Prokop weifs 
nichts von geraubten Gerätschaften aus römischen Kirchen; erst 



1) Sermo 84 (Migne 54, 433). Vgl. dazu Langen, Geschichte der römischen 
Kirche von Leo I. bis Nikolaus I. (1886) S. 87 f. 

%) Vgl. Malalas a. a. 0. p. 366: ngccLSsvcag navxa xa tov nalaxiov ^mg z6v 
XciXyL0VQy7i(idT(ov (kupferne Geräte). Cod. Just. L 27, i (7): ipsa imperialia oma- 
menta (vgl. dazu Mommsen N. A. XJY, 537 N. s), quae capta Borna faerant ablata. 

3) VgL dazu Gregorovius, Geschichte der Stadt Rom,* 1,205. 

Schmidt, Wandalen. a 



82 Zweites Buch. 

Theophanes und Kedren erwähnen solche (JxxXrjaiaötiKo) unter den 
Beutestücken, was jedoch nur auf willkürlicher Erweiterung des 
Prokopschen Berichts beruht. Die Cramerschen Excerpte wissen 
dagegen von einer Beraubung der Peterskirche zu erzählen, aus der 
zahlreiche Gegenstände den Arianem nach Konstantinopel gesandt 
worden seien. Die erst im siebenten Jahrhundert verfafste Biographie 
Leos I. (M. 6. Gesta pontificum I, 104)^) berichtet wiederum, der 
Papst habe sechs grofse Vasen, je zwei aus den Basiliken Constantins, 
der Apostel Petrus und Paulus, einschmelzen lassen, um den Verlust 
der anderen Barchen an Gerätschaften zu ersetzen. Wie dem auch 
sei, jedenfalls scheinen die Barchen im allgemeinen am glimpflichsten 
weggekommen zu sein.^) Dafs die Einwohner am Leben geschont 
wurden, auch Brandstiftungen nicht vorkamen, ist durch die zu- 
verlässigen Quellen auf das Bestimmteste bezeugt (vgl. namentlich die 
südgallische Chronik von 511: sine ferro et igne Roma praedata 
est).^) Euagrius, der von einer Verbrennung der ganzen Stadt spricht, 
steht hierin völlig allein. Ebensowenig ist von mutwilliger De- 
molierung einzelner Gebäude und Kunstwerke die Rede, und mit 
Unrecht ist durch das Wort „Wandalismus^^, das hauptsächlich von 
der Plünderung der ewigen Stadt hergeleitet wird, dem Volke 
Geiserichs ein Brandmal aufgedrückt worden. Sicher ist, dafs andere 
Kriegsvölker früher und später weit schlimmer gehaust haben; man 
braucht hur an die Zeiten des SOjäbrigen Krieges zu denken.*) 

Zu der gewaltigen Beute, die Geiserich mit fortschleppte, ge- 
hörten auch mehrere tausend Gefangene, namentlich solche, die sich 
durch Jugend und Kunstfertigkeit^) auszeichneten, und viele Sena- 
toren, soweit sie nicht vorher die Stadt verlassen (diese ohne Zweifel 
des zu erpressenden hohen Lösegeldes wegen) ^), besonders aber die 
Kaiserinwitwe Eudoxia mit ihren beiden Töchtern Eudoxia'') und 
Placidia, die Verlobte (oder Gattin?) des Senators Olybrius, sowie 



1) Vgl. die Einleitung S. XVm. 

2) Vgl. auch Gregorovius a. a. 0. S. 210 Note 2. 

3) Nur die Cramerschen Excerpte berichten von zahlreichen Mordthaten 
{tcoXIoc filv nXri%"ri ^Pix)fia^(Dv %at satpcc^sv). 

4) Vgl. Kleinschmidt, Über den sogenannten Wandalismus, Programm 
Torgau 1876. Ganz verkehrt Gregorovius S. 210, der sich übrigens selbst 
widerspricht. 

6) Wahrscheinlich namentlich in der WafFenschmiedekunst, vgl. Vict. Vit. I, 30. 

6) Malalas a. a. 0. 

7) Die Paschalchronik nennt diese irrig Honoria; der Fehler ist dadurch 
entstanden, dafs sie mit Hunerich (OvotQixog) vermählt wurde. 



Das afrikanische Eeich unter Geisericli. 83 

der Sohn des Aetius, Gaudentius.^) Die Legende berichtet, die 
Wandalen hätten auf dem Rückwege Gampanien verwüstet, Gapua 
und Nola zerstört und von dort zahhreiche Gefangene fortgeschleppt; 
der Bischof Paulinus von Nola habe sein ganzes Vermögen zum Log- 
kaufe der letzteren geopfert und schliefslich, um die Befreiung eines 
Sohnes einer armen Witwe zu erwirken, sich an dessen Stelle nach 
Afrika in die Sklaverei begeben, sei aber kurz vor G^iserichs Tode 
von den Barbaren, die seine Selbstlosigkeit bewxmderten, freigelassen 
worden.^) Dafs diese Erzählung nicht richtig sein kann, ergiebt sich 
schon daraus, dafs Paulinus bereits i. J. 431 tot war; dagegen liegt 
ihr ohne Zweifel das historische Faktum zu Grunde, dafs i. J. 410 
die Westgoten Alarichs Gampanien geplündert, Nola eingenommen 
und den Bischof längere Zeit in Gefangenschaft gehaltei^ hatten.^ 
Es geht hieraus hervor, da£s Geiserich direkt ohne weitere Feind- 
seligkeiten nach Afrika zurückgekehrt ist. Die zahlreichen Gefangenen 
teilten die Wandalen und Mauren unter sich; doch wurden viele von 
dem Bischof von Karthago, Deogratias, durch Veräulserung von 
Kirchengeräten losgekauft. Den Befreiten wurden zwei der Haupt- 
kirchen zum vorläufigen Aufenthaltsort angewiesen *) 

Geiserich mufste erwarten, dafs die unerhörte That, die Plün- 
derung der ewigen Stadt, die West- imd Oströmer aufrütteln und zu 
einer energischen Aktion gegen ihn veranlassen würde. Die Gefangen- 
haltung der Kaiserin Eudoxia und ihrer Töchter war daher ein wert- 
volles Pfand in seinen Händen, um sein Reich vor feindlichen An- 
griflfen zu bewahren. Er beherrschte jetzt die Situation vollständig; 
seine Person steht seit jener Zeit im Mittelpunkt der abendländischen 
Geschichte. Den Gedanken, das Imperium für sich in Anspruch zu 
nehmen oder wenigstens einen entscheidenden Einflufs auf die Be- 
setzung des Kaiserthrones zu erringen, hat er jedoch anfänglich nicht 
gehabt; sein Ziel war zunächst, wie schon früher (vgl. oben S. 70), 
die Suprematie im Mittelmeer zu erhalten und das Westreich durch 
fortwährende Verwüstungen imd das Abschneiden der Getreidezufuhr 
dauernd wehrlos zu machen. Wie gut ihm dies gelang, zeigt die 
bald nachher in Italien ausgebrochene Hungersnot, welche später zum 
Sturz des neuen Kaisers Avitus führte. Dieser war am 9. Juli 455 
in Gallien, wo er als magister utriusque militiae fungierte, unter Mit- 

1) Hydat. c. 167. 

2) Paul. Diac. Hist. Rom. XIV, 17. 18. Gregor. Magn. dial. m, 1. 

3) Dahn, Könige V, 54. Migne, Patrol. Lat. 61, 116f. 

4) Yict. Vit. I, 25. 

6* 



g4 Zweites Bncb. 

Wirkung der Westgoten und der einlieimischen Aristokratie zum 
Augustus ausgerufen worden und am 21. September d. J. in Italien 
eingezogen. Am 1. Januar 456 hielt ihm der Dichter Sidonius 
Apollinaris in Rom einen Panegyrikus, worin er ihm die Wieder- 
eroberung Afrikas weissagte.^) Eine seiner ersten Regierungshandlungen 
war die Abschickung einer Gesandtschaft nach Eonstantinopel^ um 
den Kaiser Marcian zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen Oeiserich 
zu veranlassen; denn wenn Avitus auch die Westgoten zu Bundes- 
genossen hattC; so konnte er doch zu einem Angriff auf Afrika bei 
dem Mangel an Schiffen und seekundigen Leuten die oströmische 
Hilfe nicht entbehren.^) Marcian verharrte indessen in Unthätigkeit; 
er begnügte sich damit; Geiserich aufzufordern, von weiteren Ein- 
jßllen in «Italien abzustehen und die kaiserlichen Gefangenen zurück- 
zugeben. Da dies, wie natürlich, resultatlos blieb, schickte er, seiner 
Würde vergessend, einen arianischen Bischof Namens Bleda nach 
Karthago, weil er glaubte, dafs derselbe als Glaubensgenosse auf den 
König einen gröfseren Einflufs auszuüben im stände wäre; doch eben- 
falls vergebens. Wir werden nicht fehlgehen, wenn wir diese 
schwächliche Haltung des oströmischen Kaisers auf den damals zur 
Macht emporgestiegenen Patricius Aspar zurückführen, da dieser, 
wenigstens später, nachweislich, wie auch sein Rechtsnachfolger 
Theoderich Strabo, jede kriegerische Aktion gegen die Wandalen 
hintertrieb.*) Das gleiche Schicksal hatte eine dasselbe bezweckende 
Botschaft des Kaisers Avitus.*) 

Infolge der Thatenlosigkeit der beiden Reiche waren die Wan- 
dalen in den Stand gesetzt, die ohnehin von Verteidigungsmitteln 
entblöfsten noch römisch gebliebenen Provinzen Afrikas zu besetzen; 
auch die hier wohnhaften maurischen Stämme scheinen ohne Wider- 
stand die wandalische Oberhoheit anerkannt zu haben, wozu der ge- 
fürchtete Name Geiserichs nicht wenig beigetragen haben mag. Dafs 
dies in jener Zeit, vor dem Jahre 458, geschehen ist, zeigen die 
Verse des Apollinaris Sidonius in dem Ende 458 verfafsten Panegyrikus 
auf Majorian (V, 335 ff.), welche eine Anzahl maurischer Stämme aus 
jenen Gegenden als Teilnehmer der wandalischen Kriegszüge auf- 



1) Cami. VII, 588: Hie tibi restituet Libyen per vincula quarta. 

2) Hydat. c. 166: Per Avitum legati ad Marcianum pro unanimitate 

mittuntur imperii. 

3) Theodor. Lect. I, 7 sagt, dafs Marcian gegen die Wandalen gerüstet 
habe; doch sei der Ausbruch des Krieges durch seinen Tod verhindert worden. 

4) Prise, fr. 24. 



^'Öiiai^; T^ du» die B«ui«ifaiiig Vi^bwr«; wä \\i^ (^ 1IÄ\ \ihh ^ 
heilsty da- König habe uadi TdientiniNii» Tdte Atf^ i\i ^^^^i»m^ 
ganzen Umfiuige in Besiti genommeiis 

Wie es sdidnt, ist Geiserieh damals» «u ^m '^w^)mi i\\ di\w^\m 
in Besiehmigen getreten; denn diese fiel<m jt^tet i)^ äi^ A^ i^Vim 
römischen Beiche gehörende tarraeonend«<^e Pro^ka ^)\^ W\IV^^ 
aber von den Westgoten^ die, b^leitet vcm Bur^i^ndkn^^ i\\\ Axkf-- 
trage des Avitus über die PyrenSen log^m, Wtt ft» Okteb(M» #Ö ä*u 
Flusse TJrbicus geschlagen. Gleiohieitig Y^h<^^to ^\m y^m^M^\>\\^ 
Flotte Sizilien und die angrenzenden Küst^ng^bkt^ Ullt^fitilti^l^A.^) 
Diese Gewaltthat spornte Avitus endlich lu @n»rgiieh§r Tk^Mtfk^it 
an; er liefs ein Truppenkommando unter dem Swiböft ttldftli^y, i^imm 
Enkel König Wallias, nach deu bedrohten Oegifidf^a ftbg^b^fli 4^m 
es auch gelange den Feinden auf dem Land# b§l Ag[i*ig^iit ^\m 
Niederlage beizubringen.*) Ebenso wurde von demsribMtt ^im Ab= 
teilung Wandalen, die auf 60 Schiffen auigilftufen Wftf u«4 ^imn 
Angriff auf die italienische oder gallische Küst§ b#Abili@btitj[te| Ailf 
Korsika vernichtet. Die Nachricht von dem ktÄt§r#tt BfÄijjftis Wttf4§ 
dem Westgotenkönig Theoderich durch ünm b@iond#r#» tioUn ttb^^- 
mittelt^) 

Die unterdessen in Rom ausgebroebimd llvin(f^tm^ wy^rtk j^4^^b 
durch diese Siege nicht beseitigt^ ein B^wm, 4*^ di^ WmidfifUm 
iiroiKdem die See beherrschten. Von d^^t» mMj$^dmmn mffim-'i^tm- 
Volk gezwungen muJbte Avünn tmim goiimhm Hlil4$mr mttmmßf 
wodnrdi er ganz in die Gewalt Bmmmn ffmrkif ä^ nnt^ UU^ff^ 
Bwmtoimg dar Umstände den Kmmt xm H^kk^hr m^ üMim 
Dol^te (t Ende 456,^) Auf d<aa wmiirfh^k^hm HäimÜ^m wm'4^ 

t) fnofdi» aal mtäeat anaok; ihi^ü^^^ S'^imä^., <(;*#^»NW^IANtfiA*>W /M)<Vil(9-' 

l^^Sla fiBifiBeoa «MQStä) t<$w Sw Tii^t^MimK» ^m 4^' <Minm- .^<4^ w^ Mi 
KjmaaSESBs, «äse «QainannmBifltaix my 4^ ^t^j^mu^ 4^ T^^^M^^^ü^Mi'., <4^ ^-»^^^^^ ^ 




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86 Zweites Buch. 

nun von Bicimer mit Zustimmung des neuen von Aspar eingesetzten 
E^aisers des Ostreiches, Leo I. (seit Januar oder Februar 457), 
Major ianus (am 1. April 457) erhoben. Bald nach dessen Re- 
gierungsantritt soll es den Bömem (vielleicht unter Bicimer) ge- 
limgen sein, eine aus Wandalen imd Mauren bestehende Schar, die 
unter Geiserichs Schwager wiederum die Ebenen Campaniens ver- 
wüsteten, in die Flucht zu schlagen, wobei der feindliche Anfilhrer 
den Tod fand.^) 

Inzwischen aber hatten sich die mit Avitus föderiert gewesenen 
Westgoten und Burgundionen von dem Bündnis mit dem Reiche 
losgesagt; der Thronwechsel galt ihnen als willkommener Vor- 
wand, ihre Macht auf Kosten des Imperiums weiter auszudehnen. 
Die Augen des westgotischen Königs Theoderich waren namentlich 
auf das wichtige Arles gerichtet, dessen Belagerung er sofort 
begann. Die veränderte politische Konstellation auszunutzen, ist 
Geiserich damals in Beziehungen zu den Westgoten getreten ; Hydatius 
berichtet, es seien gotische und wandaUsche Gesandte gemeinsam 
bei den Sweben in Spanien gewesen, offenbar um eine Aktion der 
drei Völker gegen Rom in die Wege zu leiten.^) Diese kam jedoch 
nicht zu stände, da Majorian (Ende 458) mit einem stattlichen 
Heere*) über die Alpen in Gallien einrückte, die Burgundionen auf 
seine Seite zog und die Westgoten zwang, die Belagerung von Arles 
aufzugeben und sich wieder an Rom anzuschliefsen^) (Frühjahr 459). 
Gleichzeitig wurden die Rüstungen gegen die Wandalen energisch 
betrieben. Es gelang, gegen 300 Schiffe zusammenzubringen,^) die 
sich in dem Hafen von Karthagena in Spanien vereinigen sollten, 
um das kaiserliche Heer nach Afrika überzusetzen; denn die bisher 
gewählte Operationsbasis, Sizilien, hatte sich als ungeeignet erwiesen. 
In pomphafter Weise schildert Sidonius^ das Detail dieser Rüstungen. 

1) Apoll. Sid. cann. V, 385 ff. (nuper) stark übertreibend; irgend welche 
Bedeutung hatte diese Niederlage der Wandalen jedenfalls nicht. Die Lage 
des Schlachtfeldes bestimmt Sidonius v. 393 ff.: planis, quae pelagus coUemqae 
secant portomqne redncto efficiunt flexu fluvii. Der genannte Flnfs ist der 
Liris oder Voltumus; die feindliche Flotte lag in der Flufsmündung. 

2) Hydat. c. 192 (zu 458?): Legati Gothorum et Yandalomm pariter ad 
Suevos veniunt et revertuntur. 

3) Die Völker, aus denen dasselbe zusammengesetzt war, fuhrt Sid. Apoll. 
0. V, 474 ff. auf. Sie gehörten vorzugsweise dem Osten an. 

4) Hydat. 197. Prise, fr. 27. Joh. Ant. fr. 203. 

5) Prise, a. a. 0. (Joh. Ant. fr. 203). 

6) Carm. Y, 441 ff. : Interea duplici texis dum litore classem infemo superoque 
mari etc. Vgl. auch Cassiod. chron. 1270 (zum Jahr 458): Maiorianus in Africam 
movit procinctum. 



Das afrikanische Reich unter Geiserich. 87 

Er vergleicht die geplante Untemeliinung mit den Expeditionen 
Agamemnons, des Xerxes, des Antonius. In den Häfen des Tuscischen 
(mare infernum) wie des Adriatischen Meeres, in Italien und Gallien, 
habe man Schi£Fe gesammelt; die Wälder des Apennin seien nieder- 
geschlagen worden, um als Bauholz fiir neue Fahrzeuge zu dienen. 
Von einer Hilfeleistung des oströmischen Kaisers, der damals noch 
ganz unter Aspars Einflufs stand, vernehmen wir nichts. Wenn 
jedoch Prokop (b. V. I, 7) erzählt, Majorian habe sich verkleidet 
nach Karthago begeben, um die Macht der Wandalen und die 
Stimmung der Mauren sowie der römischen Bevölkerung gegen diese 
zu erkunden, und sei unerkannt von Oeiserich selbst in den Arsenalen 
herumgeführt worden, so ist dies natürlich gänzlich zu verwerfen. 
Der Kaiser hielt sich noch Ende März 460 in Gallien auf; im Mai 
erschien er mit seinem Heere in Spanien und wandte sich über 
Zaragoza^) nach Karthagena.^) Die aufgebotene Macht war so 
imponierend, dafs der Wandalenkönig sich derselben nicht gewachsen 
glaubte und durch Gesandte um Frieden bat.^) Als dies versagt 
wurde, liefs er Mauretanien verwüsten und die Brunnen vergiften, 
um ein schnelles Vorrücken der Feinde in dem verödeten Lande zu 
verhindern. Da es ihm femer glückte, einen grofsen Teil der 
römischen Flotte, der aufserhalb des Kriegshafens bei dem heutigen 
Elche (zwischen Karthagena und Alicante) lag, durch Verräterei 
wegzunehmen, so sah sich der Kaiser genötigt, das Unternehmen 
ganz aufzugeben.*) Majorian liels sich nun herbei, mit Geiserich 
über den Frieden zu verhandeln; doch scheinen die Bedingungen für 
Rom wenig günstige gewesen zu sein. Wahrscheinlich mufste sich 
jener verpflichten, den Angriff auf Afrika nicht zu wiederholen, 
während anderseits der Wandalenkönig versprach, die Raubzüge 
nach den Küsten Italiens einzustellen.^) Diese Vorgänge hatten den 
Sturz des Kaisers zur Folge; am 2. August 461 wurde er auf dem 
Wege nach Rom von Ricimer seiner Würde entkleidet und fünf 
Tage später ermordet. An seine Stelle setzte der allmächtige Patricius 
den Severus (19. November d. J.). 



1) Maximus Caesaraug. z. J. 460 (M. G. Auct. ant. XI, 223). 

2) Hydat. c. 200. 

3) Prise, a. a. 0. Hierauf bezieht sich wohl Hydat. c. 209 (zu 460?): 
Gaisericus rex a Maioriano imperatore per legatos postulat pacem. 

4) Hydat. a. a. 0. Marius Avent. chron. a. 460 u. Chron. Gall. a. 511 c. 633. 

5) Vgl. Joh. Ant. fr. 203: xal inl avvd'T^^aLg aiaxQatg xofTOfXvffag tov 
noXsfiov inavsSsvyvvsv. 



83 Zweites Buch. 

Durch den Tod Majorians erklarte Geiserich wiederum die vor 
kurzem abgeschlossenen Verträge als gelöst; von neuem begann er 
seine Züge nach Italien imd Sizilien.^) Nun wiederholte sich 
das alte Spiel; Bicimer sowohl wie Kaiser Leo schickten Ge- 
sandte an den Eonig^ um diesen zur Einstellung der Feind- 
seli^eiten und zur Bückgabe der Gefangenen aus dem theodo- 
sianischen Kaiserhause zu bewegen. Doch hatten diese Botschaften 
jetzt wenigstens den Erfolg, dafs Geiserich die Witwe Yalentinians 
und deren Tochter Placidia zurückgab; die ältere Prinzessin Eudoxia 
hatte er schon vorher seinem Sohne Hunerich vermählt.^) Als Löse- 
geld erhielt der König einen Teil der Hinterlassenschaft Yalentinians 
ausgezahlt; auch scheint es zum Abschlüsse von Verträgen mit dem 
oströmischen Beiche gekommen zu sein.') Dagegen setzte er die 
Plünderung von Sizilien imd Italien weiter fort; denn seine Forde- 
rungen an das abendländische Beich: Besetzung des Kaiserthrones 
mit Olybrius, der nach der Bückkehr der Placidia mit dieser sich 
verheiratet hatte, also Schwager des Königssohnes Hunerich geworden 
war, sowie die Herausgabe der Vermögen Valentinians und des 
Aetius wurden von Bicimer, dessen Machtstellung naturgemäfs durch 
die Bewilligung des ersteren Verlangens eine wesentliche EinbuJüse 
erlitten hätte, nicht erfüllt.*) Alljährlich mit Beginn des Frühjahrs 
verliefsen wandalische Flotten mit starken Besatzungen die afrika- 
nischen Häfen, um die bezeichneten Gebiete heimzusuchen^); die 
unbeschützten Ortschaften wurden geplündert imd zerstört, während 
man die Plätze, in denen Besatzungen lagen, sorgföltig vermied. 

Das Westreich befand sich jetzt in einer gröfseren Bedrängnis als je. 
Auf drei Seiten bedrohten es gefährliche Feinde: aulser den Wan- 
dalen Marcellinus von Dalmatien aus, wo er nach seiner Ver- 
treibung aus Sizilien (vgL oben) eine selbständige Herrschaft ge- 
gründet hatte, und Aegidius, der sich in Gallien in unabhängiger 
Stellung behauptete und danach strebte, als Anhänger des Kaisers 

1) Prise, fr. 29. 

2) Prise, fr. 29. Hydat. e. 216 (zu 462/63?). Procop. b. V. I, 5. Malal. 
XrV, 368. Euagr. 11, 7. Theoph. 5949 (= a. Chr. 457). Gramer, Anecd. Paris, 
n, 104. Chron. pasch, a. 455, wo es heifst, die Bückgabe sei kurze Zeit nach 
der Gefangennahme unter Leo I. erfolgt, während sie nach Theophanes, Malalas, 
Euagrius noch unter Marcian fällt. Hydat. nennt irrig statt Hunerich den 
Königssohn Gento. Dafs die Gefangenen gut behandelt worden sind, bezeugt 
Malalas XIY, p. 366. — Der Abschlufs der Ehe fällt nach Theoph. 5964 in das 
Jahr 456 (Flucht der Eudoxia i. J. 472 nach 16jähr. Ehe). 3) Prise, fr. 30. 

4) Prise, a. a. 0. Joh. Ant. fr. 204. Proc. b. Y. 1, 6. 

5) Apoll. Sid. c. n, 348 ff. Prise, a. a. 0. 



Das afrikanisclie Reich unter Geisericli. 89 

Majorian dessen Tod an Ricimer zu rächen. Dazu kam der gänzliclie 
Mangel an Kriegsschiffen; das oströmische Beich aber, d. h. Aspar, 
verweigerte trotz wiederholter Bitten in Rücksicht auf die geschlossenen 
Verträge jeden Succurs gegen die Wandalen. Die Gefahr erreichte 
den Höhepunkt, als Aegidius mit Geiserich in Verbindung trat; um 
einen kombinierten Angriff gegen Ricimer vorzubereiten.^ Es ging 
deshalb eine weströmische Gesandtschaft an Leo ab^ diesen zu 
ersuchen^ den Marcellinus und die Wandalen zum Frieden zu bewegen. 
PhylarchuS; der vom oströmischen Kaiser mit dieser Mission betraut 
wurde^ hatte indessen nur bei dem ersteren Erfolg^ indem er ihn 
dazu vermochte; nichts gegen die Römer zu unternehmen^; Geiserich 
beharrte dagegen bei seinen Forderungen. Die Lage für das West- 
reich blieb daher gefährdet^ obgleich Aegidius, bevor er seine P^.ne 
verwirklichen konnte, starb (noch im Jahre 464).') Eine jetzt wieder 
nach E[arthago geschickte Gesandtschaft unter dem Patricius Tatianus 
erzielte keine besseren Erfolge, als früher. Diese unglücklichen Ver- 
hältnisse dauerten fort bis zum Jahre 467. Der thatkräftige Kaiser Leo, 
der immer die Politik des engen Zusammenschlusses beider Reichs- 
hälften vertreten hatte, wufste sich jetzt nach vielen vergeblichen 
Versuchen dem Einfiuls des bisher allmächtigen Aspar zu entziehen. 
Er trat mit Ricimer in Verbindung, der notgedrungen seine Forderung: 
Besetzung des seit 465 verwaisten Kaiserthrones mit dem Griechen 
Anthemius bewilligen muTste, dafür aber als Garantie seiner Gewalt 
die Hand der Tochter des neuen Kaisers erhielt.*) Mit einem grofsen 
Heere landete Anthemius im Frühjahr 467 in Italien und liefs sich 
in der Nähe von Rom am 12. April d. J. zum Augustus ausrufen. 
Die Flotte, auf der sich der Kaiser befand, führte Marcellinus, der 
von Leo dazu gewonnen worden war, die Stellung des Anthemius 
gegen Ricimers Einflufs zu stützen und gegen die Wandalen von 
Italien aus vorzugehen.^) Bevor das letztere geschah, sandte Leo 

1) Hydat. 224: Mense Maio supradicti vir! Aegidi legati per Oceanuin ad 
Yandalos transeunt, qui eodem cursu Septembri mense revertuntur ad eos (464). 

2) Prisk. fr. 30: TCQog fihv xov MaQV.aXXtvov ^vXaQ%og axalBlQ ^nstas %ocxcc 
^Pmiuc^tov onXa fiiy %Lvstv, Die Nachricht des Hydatius, Marcellin habe die Wan* 
dalen i. J. 464 auf Sizilien geschlagen, ist wenig wahrscheinlich, vermutlich 
beruht sie auf Verwechslung mit einem späteren Ereignis. (Vgl. Papencordt, 
S. 97, Note 3.) 

8) Hydat. 228. 4) Vgl. die Quellenstellen bei Pauly-Wissowa, Real- 
encyklopädie I, 2366. 

5) Hydat. 234 (fälschlich z. J. 465). Consul. Constant. (Chron. min. I, 247): 
Adyersum Wandalos grandis exercitus cum Marcellino duce dirigitur (irrig zu 
464). Proc. b. V. I, 6. 



90 Zweites Buch. 

wiederum den Phylarchus an Geiserich, um diesem die Thron- 
besteigung des Anthemius anzuzeigen und ihm mit Krieg zu drohen, 
wenn er nicht von seinen Zügen nach Italien abstünde. Der König 
wies jedoch dieses Verlangen schroflf zurück und rüstete zum Kriege, 
da, wie er sagte, die Oströmer die geschlossenen Verträge gebrochen 
hätten.^) 

Die Raubzüge der Wandalen richteten sich nunmehr statt 
gegen Italien, wo ohnehin nichts mehr zu holen war, gegen die 
Küstengebiete des Ostreiches. Illyrien, der Peloponnes und das 
ganze übrige Griechenland spürten jetzt die Hand des gewaltigen 
Germanenkönigs ^); auch Ägyptens Hauptstadt Alexandria schien von 
ihm bedroht.*) Da es ohne Zweifel auch in diesen Fällen nur auf 
Erwerb von Beute abgesehen war, so ist kaum anzunehmen, dafs 
besondere Greuelthaten damals aufser den üblichen Plünderungen 
und Zerstörungen von Ortschaften verübt worden wären. Das Gegen- 
teil könnte man allerdings aus einer Erzählung Prokops (b. V. 1, 22) 
entnehmen. Hiemach sollen die Wandalen bei dem Versuch, an dem 
Vorgebirge Tänarum im Peloponnes zu landen, mit starkem Verlust 
zurückgeschlagen worden sein; aus Bache dafür habe Geiserich auf 
der Insel Zakynthos zahlreiche Menschen ermorden, gegen 500 an- 
gesehene Einwohner gefangen nehmen und diese dann auf offener 
See in Kochstücke zerhackt (xQsovgyi^öccg) ins Meer werfen lassen. 
Dieser Bericht macht jedoch nicht den Eindruck unbedingter Glaub- 
würdigkeit; denn es ist nicht recht einzusehen, warum der König 
die Gefangenen, wenn deren Ermordung überhaupt beabsichtigt war, 
nicht schon auf dem Lande hat töten lassen. Es ist wohl eher 
anzunehmen, dafs Unwetter auf See die Entlastung der Schiffe not* 
wendig gemacht oder dafs eine Meuterei jener stattgefunden hat. 

Inzwischen versuchte Marcellinus von Italien aus einen Vorstofs nach 
Afrika zu imtemehmen, wurde aber durch widrige Winde am weiteren 
VordriQgen gehindert.^) Doch hatte das Erscheinen der römischen 
Flotte wenigstens den Erfolg, dafs die Gesandten, die von den 
Königen der Westgoten und Sweben Eurich und Romismund an 
Geiserich abgeschickt worden waren, um wie schon früher eine 
Koalition gegen das Reich zu verabreden, schleunigst wieder um- 



1) Prise, fr. 40. 

2) Proc. b. V. I, 5. Vict. Vit. I, 51. Vgl. auch Prise, fr. 42. 

3) Leben des Daniel Stylites von Symeon Metaphrastes (10. Jahrb., aber 
nach einer älteren Voriage) bei Surius, Vit. sanct. 11. dec. § 33. 

4) Hydat. 236 (nach der Erhebung des Anthemius, falsch zu 4ft6). 



Das afrikanische Reich unter Geiserich. 91 

kehrten (467).^) Das Mifelingen dieser Untemehmung gab dem 
Kaiser Leo Veranlassung zu gewaltigen Rüstungen^ um endUcli mit 
einem entscheidenden Schlage das Wandalenreich zu vernichten. 
Die Quellen bezeugen übereinstimmend^ dafs dazu ganz auTser- 
gewöhnliche Anstrengungen gemacht worden sind. 

In den Häfen des Ostreiches wurden alle verfügbaren Schiflfe 
requiriert, im ganzen ca. 1100, welche von 7000 (?) Seeleuten ge- 
führt wurden, und ein Heer von über 100000 Mann angeworben; 
zur Bestreitung der Kosten brachte man 64000 Pfund Gold und 
700000 Pfund Silber, wovon ein Teil vom Kaiser Anthemius bei- 
gesteuert wurde, zusammen. Nach heutigem Gelde würde dies die 
Summe von ca. 104 Millionen Mark ausmachen.^) Alles dies geschah 
im Gegensatz zu Aspar, dessen wandalenfreundliche Gesinnung be- 
kannt war; es war nicht ohne Grund, daüs sich damals das Gerücht 
verbreitete, Aspar sei wegen Begünstigung dieses Volkes abgesetzt 
und sein Sohn hingerichtet worden.^) 

Der wohlausgedachte Kriegsplan ging dahin, das Wandalen- 
reich auf drei Seiten anzugreifen. Das Hauptheer, dessen Kommando 



1) Hydat. 238, 240. — Hierauf geht wohl die Mitteilung des Jordanes Oet. 
c. 47 zurück, Geiserich habe zur Sicherung seines Reiches ein Bündnis mit 
Eurich geschlossen. Wenn es ebendaselbst heifst, der Wandalenkönig habe 
gleichzeitig auch die Ostgoten zum Kriege gegen Byzanz veranlafst, so liegt 
dieser Angabe wohl lediglich die Thatsache zu Grunde, dafs später (i. J. 473) 
der Rechtsnachfolger Aspars, Theoderich Strabo, dem oströmischen Kaiser die 
Bedingung stellte , zur Kriegshilfe gegen die Wandalen nicht verpflichtet zu sein 
(Malch. fr. 7). Papencordt, S. 104, N. 3, bezieht Jordanes fälschlich auf die 
Zeit von 470 — 71; doch ist auf die Chronologie dieses Geschichtschreibers kein 
Gewicht zu legen. 

2) Die aufgebrachten Summen werden von Candidus Fragm. 2 im einzelnen 
nach offiziellen Quellen angegeben. Nach Joh. Lydus de magistratibus DI, 43 
waren es 65 000 Pfand Gold, 700000 Pfand Silber. Wohl nur auf Textverderbnis 
beruht die abweichende Angabe Kedrens (1,613 Bonn): 650000 Pfund Gold, 
700000 Pfund Silber, aufser dem, was aus dem Ärar genommen und vonWestrom bei- 
gesteuert worden war. Nach Priskus bei Theophanes 5961 und Prokop 1, 6 war die 
Gesamtsumme 130000, nach Nicephorus bist. eccl. XV, 27 120000 Pfund Gold. 
Ein Pfand Gold repräsentiert einen Wert von 913,59 Mark, vgl. Hultsch, Metro- 
logie, 2. Aufl. S. 317. Das Verhältnis des Goldes zum Silber war damals un- 
gefähr 1 : 14 (Hultsch 330 N. 1). Die Zahl der Schiffe (wohl fast sämtlich 
Transportschiffe, also Segler) beziffert Priskus auf 1100 (so ist der Text zu 
emendieren statt 100000), Joh. Lydus auf 10000 Libumen, Kedren auf 1113, die 
der Mannschaften der letztgenannte auf 111300 (auf jedes Schiff 100 Mann), 
Joh. Lydus auf 400000, Prokop auf über 100000. Die Zahl der Seeleute geben 
Theodorus Lector I, 25 und Nicephorus a. a. 0. an, doch ist dieselbe schwerlich 
richtig. Bei der Expedition BeÜsars kamen auf jedes Transportschiff 40 See- 
leute als Bemannung. 

3) Hydat. 247 (zu 468): Vandalis consulentes. 



92 Zweites Buch. 

dem Basiliskus, dem Schwager Leos^ übertragen war^ sollte direkt 
gegen Karthago vorgehen^ ein anderes Eorps unter Heraklius und 
Marsus von Ägypten aus auf dem Landwege nach Westen vordringen 
und Marcellin mit seiner Flotte die Stützpunkte der Wandalen im 
Mittelmeer wegnehmen.^) Der Anfang des Krieges nahm einen 
für die Römer günstigen Verlauf. Die Truppen des Heraklius und 
Marsus machten rasche Fortschritte^ nachdem sie die in Tripolis 
stationierten wandalischen Krieger geschlagen^ während Marcellin 
Sardinien imd Sizilien von den Feinden säuberte.^) Ebenso vermochte 
Basiliskus die Landung seiner Flotte an dem Promunturium Mercurii 
(jetzt Kap Bon)^ nachdem er mehrere Kämpfe mit wandalischen 
Schiffen erfolgreich bestanden, glücklich zu bewerkstelligen.*) Alles 
deutete darauf hin, dafs die Stunden des Wandalenreiches gezählt 
seien. Statt jedoch die errungenen Vorteile zu benutzen, liefs sich 
der Anführer der Griechen überlisten und bewilligte dem Könige 
einen fünftägigen Waffenstillstand, den dieser erbeten hatte, angeblich 
um« eine Versöhnung mit dem Kaiser in die Wege zu leiten, in 
Wahrheit aber nur um Zeit zu Rüstungen zu gewinnen und den 
Eintritt günstigen Windes abzuwarten. Basiliskus war um so eher 
zu diesem, wie es schien, unbedenklichen Zugeständnis geneigt, ab 
Geiserich seine Bitte durch reiche Geschenke unterstützt hatte.^) Als 
die erwartete Gelegenheit eintrat, segelten die Wandalen zur Nacht- 
zeit mit Brandem aufs Meer hinaus und zündeten durch diese einen 
Teil der feindlichen Flotte an, während die übrigen Schiffe bei der 
entstandenen Verwirrung teils gekapert, teils zur Flucht gezwungen 
wurden. Kaum die Hälfte der stattlichen Armada vermochte Sizilien 
zu erreichen (Sommer 468).^) 

1) Hydat. 247: . . . magmim valde exercitum cum tribus ducibus lectis 
adversxuu Yandalos a Leone imperatore descendisse directo Marcellino pariter 
cum manu magna eidem per imperatorem Anthemium sociata. Die drei hier ge- 
nannten Heerführer sind Basiliskus, Heraklius und Marsus, welchen letzteren 
Prokop (I, 6) nicht, sondern allein Theophanes (5963) nennt. Doch irrt dieser 
insofern, als er die Expedition des Heraklius u. s. w. zwei Jahre später ansetzt. 

2) Prokop a. a. 0. Hierauf bezieht sich wohl Hydat. 227: Vandali per 
Marcellinum in Sicilia caesi effagantur ex ea, welche Notiz fälschlich zum 
Jahre 464 steht. 3) Prok. Prisk. fr. 42. Candid. fr. 1. 

4) Nach Malchus fragm. 7 war Basiliskus geldgierig und schwerfölligen Greistes. 

5) Am ausführlichsten darüber Prok. I, 6. Vgl. femer Priskus fr. 42 ; Jordan. 
Rom. 337 (wohl nach Priskus); Theodor. Lect. 1,25; Malal. XIV p. 372 f. Theoph. 
5961. Kedren. I, 613. Zonaras XIV, 1, 24 ff. Niceph. hist. eccl. XV, 27. Paulus 
Diac. hist. Rom. XV, 2 (vgl. dazu Bauch, Über die hist. Romana des P. D. S. 63). 
Nach Suidas s. v. sniyisliLBva erhielt Bas. 2000 Pfand Gold und sonstige Kost- 
barkeiten zum Geschenk. 



Das afidkani^clie Reicli unter Geiserich. 93 

So scheint der wahre Sachverhalt zu sein. Es lag die Ver- 
mutung nahe^ dafs Basiliskus als Verräter gehandelt und die Flotte 
mit Bewufstsein den Wandalen preisgegeben habe^ und die Mehrzahl 
der Quellen hat dies direkt ausgesprochen. Als Motiv wird einer- 
seits Bestechung durch Geiserich angegeben, indem man die von 
diesem anläXslich des Waffenstillstandes gegebenen Geschenke damit 
in Verbindung brachte (so schon der Zeitgenosse Priskus), andrer- 
seits ein vor Beginn des Feldzuges zwischen Basiliskus und Aspar 
getroffenes Abkommen zu dem Zwecke, dem Kaiser Leo Schwierig- 
keiten zu bereiten. 

Marcellin bereitete nun zwar einen Angriff auf Karthago vor, 
wurde aber, bevor derselbe zur Ausführung gelangte, wahrscheinlich 
auf Anstiften seines alten Feindes Bicimer, im August d. J. auf 
Sizilien ermordet.^) Heraklius aber und Marsus sahen sich hier- 
durch genötigt, die bisher errungenen Erfolge ganz aufzugeben, und 
wurden nach Hause zurückberufen. Die Folge war, dafs die Wan- 
dalen die ihnen abgenommenen Stützpunkte ihrer Seeherrschaft im 
Mittelmeer wieder in Besitz nahmen. Leo war aufser stände, die 
Scharte auszuwetzen, da Aspar jetzt wieder zu Einflufs gelangte, und 
sah sich genötigt, mit Geiserich Frieden zu schliefsen^, während ein 
von Anthemius i. J. 470 geplanter Kriegszug gegen die Wandalen, 
den Ricimer leiten soUte, daran scheiterte, dafs dieser sich empörte 
und mit den ihm anvertrauten 6000 Mann den Kaiser von Mailand 
aus bedrohte.*) Zwar gelang es dem Bischof Epiphanius, vorläufig 
den Frieden wiederherzustellen, aber die Spannung blieb bestehen, 
und auch der Angriff gegen die Wandalen unterblieb, da die West- 
goten in Gallien mächtig um sich griffen. Während die Streitkräfte 
des Anthemius in Gallien beschäftigt waren (471), kam es wieder 
zum Bruche; ßicimer trat mit Leo und wahrscheinlich auch mit 
Geiserich in Verbindung und liefs sich den Thronkandidaten des 
Wandalenkönigs Olybrius, der zugleich als Gemahl der Placidia 
einen gewissen Zusammenhang mit dem theodosianischen Kaiserhause 
hatte, von Konstantinopel kommen.^) Im April 472 wurde Olybrius 

1) Marcellin. Com. chron. a. 468. Cassiod. chron. c. 1285. Cons. Ital. c. 601 
(Chron. min. I, 305). 2) Theoph. 5963. 

3) Joh. Ant. fr. 207. Bicimers Auflelinung stand im Zusammenhang mit 
der Ermordung des Patricius Romanus, welche nach den Konsularfasten 470 erfolgte. 

4) Paul. Diac, Hist. Rom. XY, 3 nach den italienischen Konsularfasten. 
Theoph. 5964. Die Erzählung des Malalas XIV, 373 f. von den angeblichen 
Missionen des Olybrius nach Rom und zu Geiserich zur Anbahnung einer Ver- 
söhnung und von dem Verrat, den Kaiser Leo an jenem wegen seiner Wandalen- 
freandlichkeit beabsichtigt, ist ganz von der Hand zu weisen. 



94 Zweites Buch. 

zum Augustus ausgerufen, während Anthemius am 30. Juni d. J. im 
Bürgerkriege den Tod fand. Es schien so die beste Lösung aller 
Schwierigkeiten gefunden und Aussicht vorhanden zu sein, das dahin- 
siechende Reich noch eine Zeit lang vor dem Untergänge zu be- 
wahren. Aber Ricimer starb bereits am 19. August d. J., und ihm 
folgte der neue Kaiser am 2. November im Tode nach. Die Truppen 
riefen nun (am ß. März 473) den Glycerius als Imperator aus, 
während Leo den Julius Nepos zu dieser Würde ernannte, der denn 
auch seinen Nebenbuhler des Thrones beraubte^), aber wiederum dem 
Patricius Orestes weichen mufste (28. August 475). Dieser setzte 
seinen Sohn, den jungen Romulus, auf den Kaiserthron und schlofs, 
um sich gegen Byzanz zu decken, mit Geiserich ein Bündnis,^) wurde 
aber von dem Germanenführer Odovakar im Bürgerkriege getötet 
(28. August 476), worauf das Kaiserlein (Augustulus) zur Abdankung 
gezwungen wurde (September d. J.). 

Li Ostrom war inzwischen der Kaiser Leo gestorben 
(18. Januar 474); ihm folgte Zeno, der anfänglich von Basiliskus 
verdrängt und genötigt wurde, die Hauptstadt zu verlassen 
(9. Januar 475), aber im Sommer des folgenden Jahres wieder 
dahin zurückkehrte. Wie früher verwüsteten die Wandalen, 
wahrscheinlich nach dem Tode Leos die mit diesem abgeschlossenen 
Verträge als gelöst betrachtend, in häufigen Expeditionen vor- 
nehmlich die griechischen Küstengebiete. Zeno, aufser stände, 
die Räuber zu bestrafen, sah sich genötigt, um Frieden zu 
bitten; der durch vortreffliche Charaktereigenschaften ausgezeichnete 
Senator^) Severus wurde mit der Führung der Verhandlungen beauf- 
tragt und nach Karthago geschickt. Auf die Nachricht, dafs eine 
oströmische Gesandtschaft zu ihm abgehen solle, liefs Geiserich 
noch schnell eine Flotte auslaufen, welche Nikopolis an der Küste von 
Epirus wegnahm; doch liefs er sich schliefslich herbei, in den Ab- 
schlufs eines Vertrages zu willigen: Es wurde verabredet, dafs beide 
Reiche fortan nichts Feindliches gegeneinander unternehmen sollten; 
der König versprach, den Katholiken in Karthago freie Religions- 
übung zu gewähren und die Rückkehr der verbannten Geistlichen 
zu gestatten, wenn er auch nicht dazu zu bewegen war, die Wieder- 



1) Am 19. Juni 474 wurde Nepos in Portus zum Kaiser erhoben. 

2) Paul. Diac, Hist. Eom. XV, 7 : Annali deinceps circulo evoluto cum rege 
Wandalorum Geiserico foedus initum est ab Oreste patricio, d. h. 476, vgl. Holder- 
Egger, Neues Archiv I, 308. 

3) Er wurde zum Patricius ernannt, um dem Wandalenkönig zu schmeicheln. 



Das afrikanisclie Eeich unter Geiserich. 95 

besetzung des karthagischen Bischofsstuhles zu genehmigen. Aufser- 
dem gab er die ihm und seiner Familie zugefallenen römischen Ge- 
fangenen ohne Lösegeld zurück und erteilte dem Severus die Erlaub- 
nis, von den unter das Volk als Beute verteilten Sklaven beliebig 
viele mit Einverständnis ihrer Besitzer loszukaufen. Dagegen ist 
ohne Zweifel die Anerkennung des wandalischen Reiches in seinem 
damaligen Umfange — es umfafste die ganze römische Provinz Afrika, 
die Balearen, Pithyusen, Korsika, Sardinien imd Sizilien — von dem 
byzantinischen Kaiser, der jetzt, wenn auch zum Teil nur nominell, 
das Oberhaupt beider Reichshälften war, ausgesprochen worden. 
Was Sizilien betrifft, so überliefs Geiserich diese Insel bald darauf 
an Odovakar gegen Zahlung eines Jahrestributs, sich nur einen 
Teü, wahrscheinlich die strategisch wichtige Gegend um Lilybaeum, 
vorbehaltend.*) Der Abschlufs jenes Friedens, der bis zu den Zeiten 
Justinians fortbestand, fäUt m. E. unzweifelhaft in den Herbst des 
Jahres 476; die Zeit ist begrenzt durch die Daten der Rückkehr 
Zenos (Sommer 476) und des Todes Geiserichs (Januar 477). In 
das Jahr 474, also vor das Exil des Kaisers, kann derselbe nicht 
gehören, da das erwähnte Bündnis der Wandalen mit Orestes (476) 
deutlich gegen Byzanz gerichtet war und notwendig vorher ab- 
geschlossen worden sein mufs. 

Die oben angeführte Bestimmung des Friedensvertrages über 
die afrikanischen Katholiken macht es nötig, einen Rückblick auf 
die Stellung der katholischen Kirche unter Geiserichs Regierung seit 
dem Tode des Kaisers Valentinian (455) zu werfen. 

Das seit 454 bestehende gute Verhältnis zu den Katholiken war 
zunächst nicht gestört worden; man darf dies sicher in der Haupt- 
sache dem EinfluTs des einsichtsvollen Bischofs Deogratias von Kar- 
thago zuschreiben, — also ein Beweis, dafs es wesentlich von den 
EAtholiken selbst abhing, sich eine günstigere Position im Wandalen- 
reiche zu schaffen. Erst nach des Bischofs Tode (457)^) ist es 
wieder zu schärferen Mafsregeln gegen jene gekommen. Daus die 
katholische Geistlichkeit die auswärtigen Verwicklungen Geiserichs 
benutzte, um gegen ihn zu konspirieren, scheint aus der Erzählung 
Victors (1, 23) von der Aufaahme eines „ überseeischen^' Mönches 
durch den Bischof Felix von Hadrumetum hervorzugehen. Dieser 
wurde daher mit voUem Rechte verbannt, und das gleiche Schicksal 

1) Malch. fr. 3. Procop. b. V. I, 7. Yict. Vit. 1, 14. 51. 

2) Das Kalendarixun Carthaginense bei Egli, Altchristi. Studien (Zürich 1887) 
8. 108 ff. Nr. 66, giebt seine Depositio zum 5. Jan. an. 



96 Zweites Bnch. 

traf eine Anzahl anderer^ wahrscheinlich ebenfalls des Hochverrats 
verdächtiger Bischöfe ^ so namentlich die Inhaber der zur Tripolitana 
gehörigen Bischofsstühle von Girba^ Sabrata und Oea (vgL dazu 
oben). Starb einer von diesen Vertriebenen während des Exils, so 
durfte ihm kein Nachfolger bestellt werden.^) Die bisher noch ge- 
duldeten Bischöfe in der Prokonsularis — ihre Zahl giebt Victor 
auf 164 an — wurden ganz auf den Aussterbeetat gesetzt und ihnen 
auferdem durch Konfiskation der Kirchengeräte die Ausübung ihres Amtes 
erschwert. Diese MaJüsregel erklärt sich wohl daraus, dats jene in den 
in der Nachbarschaft gelegenen wandalischen Bezirken eifrig kirch- 
liehe wie politische Propaganda getrieben hatten.^ Diejenigen, die 
den Befehlen des Königs hierbei Widerstand entgegensetzten, wurden 
mit harten Strafen belegt, wie das Beispiel des Bischofs Valerianus 
von Abensa beweist.') Die den E^atholiken eingeräumten Eorchen 
von Karthago wurden nun wieder wie früher ganz g^perrt, und die 
Einsetzung eines neuen Bischofs an des Deogratias SteUe ward nicht 
genehmigt.*) Wenn die orthodoxen Geistlichen in den ihnen ver- 
schlossenen Kirchen Gottesdienst zu halten versuchten imd sie selbst 
und die von ihnen aufgereizte Bevölkerung dafür am Leben gestraft 
wurden, wie es bei Bulla Regia vorkam, so war dies eine gerechte, 
wenn auch zu scharfe Strafe ihres Trotzes, und es gehört die ganze 
Naivetät des Erzählers (Vict. I 41 f.) dazu, um die beteiligten Katho- 
liken als schuldlos hinzustellen. Systematische Verfolgimgen ledig- 
lich um des Bekenntnisses willen scheinen unter Geiserich überhaupt 
weder früher noch später stattgefunden zu haben. Ob die Erzählung 
des Hydat. c. 120 von einer im Jahre 440 stattgefundenen Katholiken- 
verfolgung Geiserichs auf Sizilien völlig der Wahrheit entspricht, 
mufs noch sehr bezweifelt werden; der Sachverhalt war wohl der, 
dafs der arianische Bischof Maximin die Anwesenheit der Wandalen 
auf der Insel benutzte, um auf eigne Faust vorzugehen, gewaltsame 
Bekehrungsversuche zu machen und sich an seinen orthodoxen Ver- 
folgern zu rächen. Politische Motive lagen sicher dem Verfahren 
gegen einige christliche Sklaven, die einem wandalischen Tausend- 
führer gehört hatten, zu Grunde. Geiserich verfugte deren Ver- 



1) Ein Beispiel von Begnadigung eines aufsässigen Bischofs durch Geiserich 
bietet Dracontius, Satisf. v. 299 ff.: Vincemalos, wahrscheinlich Bischof in Maur. 
Caes. Victor Vit. verschweigt solche Fälle von Milde natürlich gänzlich. 

2) Dafs dies Erfolg gehabt, zeigt Victor m, 38: Wandali duo sub Gteiserico 
saepius confessi; 111,33 (Dagila). 

3) Vict. I, 29. 39. 40. 

4) Vict. I, 51. 



Das afrikanisolie Reich unter Geisericli. 97 

bannnng zu den Mauren^ bei denen sie zahlreiche Heiden bekehrten. 
Als sie aber mit dem nächstwohnenden katholischen Bischof in Ver- 
bindung traten^ um von diesem sich Geistliche zu erbitten^ liefs sie 
der Könige der offenbar eine Untergrabung seines Ansehens in 
den maurischen Bezirken fürchtete, von wilden Pferden zu Tode 
schleifen.^) 

Die Verfügung Geiserichs, es sollte die Beamtenschaft in seiner 
Umgebung sowie bei den Hofhaltungen seiner Söhne nur aus 
Arianem bestehen, muTs unter aüen Umständen als berechtigt an- 
gesehen werden. An sich betrachtet kann man es dem Könige nicht 
yerdenken, dafs er in seiner imd seiner Familie Umgebung nur Be- 
kenner seiner Religion dulden wollte. Soweit Unfreie in Frage 
kamen, war das Vorgehen rechtlich ohne weiteres zulässig, da der 
Enecbt ja völlig in der Gewalt seines Besitzers stand. Gegen die zu 
den Freien zählenden Mitglieder des Hofistaates aber kam der Grund- 
satz zur Anwendung, dafs dieselben entsprechend ihrer wichtigen 
Stellung im Mittelpunkte des Staates besondere Treue und beson- 
deren Gehorsam ihrem Herrn schuldig waren.^) Als Beweis der 
Treue imd Ergebenheit aber galt vor allem die Annahme der 
arianiscben Wiedertaufe. Gleichwohl ist es zu einer strikten Durch- 
ftthrung jenes Gebotes nicht gekommen, vgl. Vict. Vit. II, 8. 23. Das 
Ansinnen, sich zum Arianismus zu bekennen, ward anscheinend nur 
an diejenigen gestellt, bei denen schwerwiegende Ghünde zum Mifs- 
trauen (Unterhaltung von Verbindungen mit katholischen Bischöfen, 
Betreibung orthodoxer Propaganda unter den Amtsgenossen) bestanden. 
Hierher gehören die Erzählungen Victors I, 21. 43 ff. von Sebastianus 
(vgL oben), Airmogast und Saturus (vgl. bei dem letztgenannten die 
für die Motivierung wichtige Stelle § 48: Qui cum lucidum esset 
membrum ecclesiae Christi et pravitatem Arrianorum libertate 
catholica frequenter argueret), wie auch die schon erörterte 
Oeschichte der vier katholischen Spanier. Dafs gegen die Wider- 
strebenden oft über die Gebühr grausam verfahren wurde, ist zum 
Teil auf den Charakter des Königs, zum Teil aber auch auf die 
Wirksamkeit des arianischen Klerus zurückzufahren, dem zumeist 
die Exekution der königlichen Befehle übertragen war und der be- 
greiflicherweise die günstige Gelegenheit zur Befriedigung seiner 
Rach^efÜhle nicht vorübergehen liefs. Dafs die Schaffung von 



1) Vict. 1, 35 a 

2) VgL dazu Brunner, Rechtsgeschichte IE, 78 und weiter unten. 

Sehmidt, WandalexL 7 



98 Zweites Buch. 

Martyrien möglichst vermieden wurde, geschah nur, um die Position 
der Orthodoxen nicht zu stärken. Einen weitgehenderen EinfluTs 
hat jener jedoch, wenigstens unter Geiserich, im allgemeinen nicht 
ausgeübt; das Vorgehen gegen die Katholiken würde sonst weit 
gröfsere Dimensionen angenommen haben, und wir müssen doch an- 
nehmen, dafs imsere katholischen Berichterstatter das Material nahezu 
vollständig überliefert haben. Dafs die arianischen Priester unter 
der eingeschüchterten römischen Bevölkerung eifrig Propaganda 
trieben und die verwerflichsten Mittel zur Erreichung ihres Zieles 
anwendeten, ist von vornherein anzunehmen, vgl. dazu auch das 
unten mitgeteilte Zeugnis des unter Geiserich geschriebenen Liber 
de promissionibus IV, 5.^) 

Am 25. Januar 477 starb Geiserich hochbetagt ^, nachdem er 
das Wandalenreich auf den Gipfel seiner Macht geführt hatte. Wenn 
Sidonius Apollinaris schon zum Jahre 458 sagt, der König sei träge 
geworden, seine Gesundheit durch Schwelgereien und lasterhaftes 
Leben zu Grunde gerichtet'), so ist dies sicher in allen Punkten 
unwahr, wie seine bis zuletzt entfaltete Thatkraft beweist. Was er 
als Heerführer und in der äufseren Politik geleistet, ist bei den 
schwierigen Verhältnissen, mit denen er fortwährend zu kämpfen 
hatte, jedenfalls bewundernswert. Die Macht, auf die er sich stützen 
konnte, war sehr gering, und nur durch die kluge Benutzung der 
damaligen politischen Konstellationen war es ihm möglich, seine 
Herrschaft gegen die Übermacht der Feinde zu behaupten^ Dafs er 
in seinen Mitteln nicht wählerisch war und den Bruch geschlossener 
Verträge nicht scheiite, kann ihm kaum zum Vorwurf gemacht 
werden. Seine Bedeutung in dieser Hinsicht ist daher auch allseitig 
rückhaltlos anerkannt worden, und Prokop*) hat völlig recht, wenn er 
ihn neben Theoderich als den hervorragendsten Barbarenfürsten jbe- 
zeichnet. Wie hoch sein Andenken von seinem Volke in Ehren ge- 

1) Arianos quos nnnc videmns multos sedncere, ant potentia temporali 
aut indnstria mali ingenii ant certe abstinentia parcitatis vel quonunlibet 
signorom deceptione. — Bezüglich des Anfbretens des arianischen Klerus ist 
Victor Vit. keine ganz zuverlässige Quelle, da letzterer naturgemäXs jenen mit 
ganz besonderem Hasse verfolgte. 

2) Das Datum ergiebt sich aus dem Laterculus regum Vandalorum et 
Alanorum (Chron. min. IH, 458) : qui (Greisericus) regnavit . . . ann. XXXVII, 
m. m, d. VI, von der Eroberung Karthagos (19. Oktober 439) ab gerechnet. 
Vgl. Vict. Vit. I, 51. Proc. b. V. I, 7 (39 Jahre), Vict. Tonn. a. 464: im 
40. Jahre. 

3) Carm. V, 328. 339 ff. 

4) B^U. Goth. m, 1. 



i 



Das afrikanische Eeich unter G^iserich. 99 

halten wurde, zeigt die Bede Gelimers bei Prokop (bell. Vand. 11, 2), 
worin derselbe die Wandalen ermahnt, tapfer zu kämpfen imd dem 
Buhme Geiserichs keine Schande zu machen. Offenbar wesentlich 
dem Einflufs seiner Eiiegsthaten war es zu danken, wenn die 
Mauren, die sich früher und später als eine Geiüsel der kultivierten 
Distrikte Afrikas zeigten, während der Dauer seiner Begierung sich 
völlig ruhig verhielten. 

Wesentlich ungünstiger dagegen mufs das urteil über des Königs 
staatsmännische Eigenschaften ausfaUen. Die nähere Ausfuhrung ist 
in einem anderen Zusammenhange zu geben. Das Beich, das Geiserich 
gründete, trug den Keim des Verfalls in sich. Die Einwanderer 
und die Bömer wohnten in demselben in abgesonderten Landschaften 
nebeneinander; beide Unterthanenklassen wurden nach ihren nationalen 
Einrichtimgen regiert, ohne dafs es jedoch zu einer Anerkennung 
der Bechtsverhältnisse der römischen Bevölkerung gekommen wäre. 
Geiserich kam als selbständiger Eroberer ins Land; seine Absicht 
ging nicht dahin, wie die der burgundischen imd gotischen Könige, 
sein Volk in den Organismus des römischen Beiches einzufügen, 
ebensowenig aber hat er eine Staatsemeuerung auf germanischer 
Grundlage, wie sie die Franken und Langobarden durchgeführt haben, 
angestrebt, sondern die Dinge in der Schwebe gelassen. Was er 
versäumt, konnte später, auch wenn die Absicht dazu bestanden hätte, 
nicht wieder gutgemacht werden. Seine legislatorische Thätigkeit 
beschränkte sich in der Hauptsache auf den Erlais von Sittengesetzen, 
sowie einer Thronfolgeordnung, welche letztere den Untergang des 
Beiches wohl aufzuschieben, jedoch nicht abzuwenden vermochte. Es 
wäre falsch, wenn man, den hauptsächlichsten Quellenzeugnissen 
folgend, den König sich als einen finsteren, blutgierigen Wüterich 
vorstellen wollte. Es ist bereits oben versucht worden, die Angaben 
unserer Berichterstatter auf das richtige Mafs zurückzuführen. Seine 
kriegerischen Expeditionen waren nicht von schlimmeren Greueltaten 
begleitet, als die anderer Völker in jener barbarischen Zeit. Wesent- 
lich aber kommt dabei in Betracht, dafs dieselben nicht durch pure 
Baub- und Mordlust veranlafst waren, sondern zumeist sich aus 
schwer wiegenden politischen Gründen nötig machten. Das Gleiche 
gilt von dem vielfach so grausamen Auftreten Geiserichs im Lmem 
seines Beiches; auch hier kommt es auf die Feststellung der Motive 
an, die die Verhältnisse in einem weit milderen Lichte erscheinen 
lassen. Gewifs, gewaltthätig war seine Natur; aber ein milder, 
humaner Charakter wäre auch nicht im stände gewesen, der Schwierig- 

7* 



KK) Zweites Bittjh./ 

keiten^ die sich allenthalbeii a;uftarmten; Meister zu werden. Däb 
ihm reim meüschlicfa;e Gefühle nicht frettd waren^ lehrt z.B. sein 
Yerhalteii gegenüber dem kaiseilichen Gesandten Severus^ dem er 
wegen seines nnamtastbaren Charakters die gröMe Hochachtung be- 
zeigte und dem zuliebe er aus freien Sttteken seine Sklaven ohne 
Lösegeld freigab ^ femer die Gednnung, die er gegen, seine Gefolgs- 
genossen an den Tag legte^ indem er dieselben auf dem Totenbette 
seinem Nachfolger empfahl. 



Drittes Buch. 



JNach dem Hausgesetze Geiserichs folgte dessen ältester Sohn 
HunericU auf den Königsthron. Dieser war, wie wir schon erwähnten, 
mit der Tochter Valentinians III. Eudoxia vermählt, welche indessen 
bereits i. J. 472 angeblich aus Abneigung gegen den arianischen 
Glauben ihren Gatten verlassen und sich nach Jerusalem geflüchtet 
hatte. ^) Gleich zu Anfang meiner Begierung kam es deutlich zur 
Erscheinung, dals das Ansehen des Wandalenreiches stark erschüttert 
war. Der jedenfalls schon in den letzten Jahren Geiserichs ein- 
getretene Verfall der Volkskraft machte rasche Fortschritte. Die 
Wandalen, ohnehin von geringerer Widerstandsfähigkeit gegen die 
schädlichen Einflüsse der römischen Kultur, als beispielsweise die 
aus härterem Stoffe gefügten Langobarden, erschlafften immer mehr 
und versanken in Üppigkeit imd Wohlleben. Den Feinden konnten 
die veränderten Verhältnisse natürlich nicht lange verborgen bleiben. 
So gelang es nach wechselvollen Kämpfen den im aurasischen Gebirge 
wohnhaften maurischen Stämmen, die Herrschaft der Wandalen abzu- 
schütteln.^) Es waren dieselben Völkerschaften, deren König Jaudas oder 
Jabdas den Byzantinern nach dem Zusammenbruche des wandalischen 
Reiches so schwer zu schaffen machte.^) Diese Mifserfolge scheinen 
ihre Wirkung auch auf den inzwischen mit dem oströmischen Reiche 
ausgebrochenen Konflikt ausgeübt zu haben. Hunerich hatte die 
Herausgabe des Vermögens der Eudoxia verlangt und noch andere 
von seinem Vater erhobene Ansprüche erneuert; es war auch bereits 
zu Feindseligkeiten gekommen^ die zunächst ihren Ausdruck in dem 
Wegkapem von Handelsschiffen fanden. Vom Kaiser Zeno, der den 
Frieden sehnlichst wünschte, wurde der Haushofineister von Hunerichs 

1) Theophan. 5964. 

2) Procop. de aedif. VI, 7. B. V. I, 8. H, 13. Die Städte Diana Vetera- 
norum und Lambaesis sind wohl damals zerstört worden; 484 erscheinen keine 
Bischöfe von da anf der Konferenz zn Karthago. 

3) Man scheint Sizilien sehr bald nachher aufgegeben und sich mit dem 
ansbednngenen Tribut begnügt zu haben; allerdings wurden anfänglich noch 
katholische Hofbeamte nach dieser Insel verbannt, vgl. Victor 11, 23; aber 484 
werden keine sizilischen Bischöfe genannt. Das Crleiche gilt von Mauretania 
Tingitana, vgl. auch Geizer, Byzantin. Zeitschrift 11, 34. 



104 Drittes Buch. 

Schwägerin Placidia Alexander nach Karthago geschickt, und diesem 
gelang es bald, die Differenzen zu beseitigen. Der König nahm, in 
der Erkenntnis, dafs die Macht des Wandalenreiches nicht mehr auf 
der früheren Höhe stand, alle Forderungen zurück, verzichtete auch 
auf Erstattung der den karthagischen Kaufleuten erwachsenen Schäden 
und erklärte, mit dem Kaiser in Frieden und Freimdschaft leben zu 
wollen. Als Grund dieses raschen Bückzuges gab er die seiner 
Schwägerin am kaiserlichen Hofe zu teil werdende ehrenvolle Behand- 
lung an, ein Vorgeben, das zu fadenscheinig war, um nicht durch- 
schaut zu werden.^) Auch weiterhin zeigte sich der König nachgiebig, 
indem er auf Verwendung des Kaisers und der Placidia die Wieder- 
besetzung des Bischofsstuhles von Karthago genehmigte und über- 
haupt den katholischen Geistlichen eine grölsere Bewegungsfreiheit 
einräumte; als Gegenleistung verlangte er nur, dafs man dem. 
arianischen Klerus im oströmischen B^che bei der Ausübung seiner 
Funktionen keine Schwierigkeiten in den Weg lege. Wahrscheinlich 
Ende Juni 481^) wurde Eugenius zum Bischof von Karthago ge- 
wählt; zwar wollte die intolerante Geistlichkeit anfänglich von 
jener nicht unbilligen Bedingung nichts wissen und lieber auf alles 
verzichten, doch wurde ihr Widerstand durch das Drängen des 
Volkes und durch das kluge Verhalten des kaiserlichen Gesandten 
Alexander, der die Verhandlungen im Auftrage des Königs leitete, 
gebrochen.^) Eine Beeinträchtigung erfuhren die hierdurch geschaffenen 
günstigeren Verhältnisse der römischen Unterthanen allerdings durch 
die Einführung eines drückenden Abgabensystems; doch sind wir nach 
den dürftigen und parteiischen Angaben Victors^) nicht in der Lage, 
ein einigermaßen zuverlässiges Bild von der Art desselben zu ge- 
winnen. Dafs es aber nur die Furcht vor einem ernstlichen Konflikt 
mit Byzanz war, die den König veranlafste, mildere Seiten den katho- 
lischen Unterthanen gegenüber aufzuziehen, lehrt sein sonstiges Ver- 
halten, wobei er sich in seiner wahren Natur, als blutdürstigen Tyrannen 
der schlimmsten Art, zeigte. Zunächst wütete er mit furchtbarer 



1) Malch. fr. 13. Diese Vorgänge müssen, da das Werk des Malchns nur 
bis 480 reichte, etwa ins Jahr 479 fallen. 

2) Nach Victor IE, 2 war der Bischofssitz 24 volle Jahre unbesetzt; Deogratias 
starb i. J. 457. Die Botschaft Hunerichs an den karthagischen Klerus datiett 
vom 18. Juni. — In jene Zeit fällt wohl die Disputation zwischen dem maure- 
tanischen Bischof Cerealis und dem arian. Bischof Maximinus zu Karthago, die 
noch erhalten ist. (De fide s. trinitatis, Migne 68, 766 ff., vgl. Pseudogennad. c. 97; 
Isidor de vir. ill. c. 11). 

3) Vict.n, 3 ff. 4) n, 2. 



Die Nachfolger Geiserichs bis iscan. Untergänge des Reiches. X05 

Grausamkeit gegen die im Lande wohnenden Manichäer, schwerlich 
jedoch in der Absicht, wie Victor angiebt, um dadurch die Katholiken 
günstig zu stimmen, sondern wohl um der erfolgreichen manichäischen 
Propaganda unter der arianischen Priesterschafb einen Biegel vor- 
zuschieben. Weiter richtete er seine Verfolgungen gegön die Familien 
seiner Brüder Theoderich und Gento, um die Thronfolge seinem 
Sohne Hilderich zu sichern. Zunächst lieis er die Gattin Theoderichs, 
deren Klugheit er besonders fürchtete, unter einer falschen Anklage 
hinrichten; das gleiche Schicksal traf ihren ältesten durch Bildung 
ausgezeichneten Sohn^), während Theoderich und der älteste Sohn 
Gentos, Godagis, mittellos in die Verbannung geschickt wurden, wo 
sie durch einen natürlichen Tod vor der ihnen drohenden Ermordung 
bewahrt wurden. Theoderichs überlebender unmündiger Sohn und 
seine beiden erwachsenen Töchter wurden zu der schimpflichen 
Strafe des Eselreitens verdammt. Die vermeintlichen und wirklichen 
Anhänger der Verfolgten aber, sowie die Freunde und Waffen- 
gefahrten Geiserichs lieTs er in grofser Zahl töten, so den arianischen 
Patriarchen Jucundus, der auf offener Strafse (in media civitate pro 
gradibus plateae novae, d. h. an der Treppe, die von der unteren Stadt 
Karthago nach der oberen führte)^ verbrannt wurde, ferner den be- 
jahrten Reichskanzler seines Vaters Heldica u.a.m. 

Als Hunerich erkannte, dals er einen Angriff des Kaisers nicht zu 
erwarten habe, schritt er auch zur Unterdrückung seiner katholischen 
ünterthanen. WiUig folgte er den Einflüsterungen der arianischen 
Geistlichkeit, unter der der Patriarch Cyrila^) der fanatischste war. Es 
kann nicht unsere Aufgabe sein, die Einzelheiten der Katholikenver- 
folgungen Hunerichs an dieser Stelle zu erzählen; es mag genügen, hier 
die wesentlichsten Punkte vorzuf&hren. Unsere Hauptquelle ist Victor 
von Vita 11, 6 ff., IH, Iff., dessen Darstellung, wenn auch vielfach 
übertrieben und legendenhaften Charakters^), doch im grofsen und 
ganzen der Wahrheit entsprechen dürfte. Zunächst erliefs der König 

1) Daraus, dafs dieser zunächst aus dem Wege geräumt wurde, hat Vict. 
Vit. n, 13 irrig gefolgert, dafs er der nächstberechtigte Thronerbe gewesen sei, 
während dies in Wirklichkeit des Königs Bruder Theoderich war. 

2) Vict. n, 13. Vgl. Wieland, Ein Ausflug ins altchristliche Afrika 
(1900) S. 22. 

3) Die Beziehung der Inschrift C. I. L. VlIL n. 10904 auf diesen ist unsicher. 
Anderer Ansicht ist Schwarze a. a. 0. S. 159. 93. Über ihn vgl. auch die Passio 
VJLL monachorum § 2 und den sagenhaften Bericht über die Hunerichverfolgung 
bei Greg. Tur. bist. Franc n, 3. 

4) Die n, 17 ff. geschilderten Visionen sind natürlich nach den später ein- 
getretenen Ereignissen konstruiert. 



106 Drittes Buch. 

die Verfügung, dafs alle diejenigen, die Hof- oder Staatsämter be- 
kleideten, sich zum Arianismus bekennen sollten; gegen die Wider- 
strebenden ging er ohne Ausnahme mit Vermögenseinziehung imd 
Verbannung vor. Seinen ursprünglichen Plan, das Vermögen ge- 
storbener Bischöfe zu konfiszieren und die Genehmigung einer Neuwahl 
von der Zahlung von 500 Solidi abhängig zu machen, gab er auf 
Anraten seiner Hofbeamten wegen der zu befürchtenden Bepressalien 
seitens der Byzantiner auf. Sodann verwies er gegen 5000 (4966) 
Katholiken, Priester und Laien, zu den Mauren in die Wüste; die 
Leiden, die jene dabei zu erdulden hatten, hat uns Victor (II, 26 ff.) 
als Augenzeuge geschildert. Als Aufenthaltsort war den Verbannten 
wahrscheinlich das Gebiet im Süden der Byzacena bei Eapsa^) an- 
gewiesen; denn als Sammelplätze werden die Städte Sicca Veneria 
und Lares in der Prokonsularis bezeichnet, von wo sich der Zug 
durch die Byzacena bewegte.*) Hier nahm sich der unglücklichen 
der Bischof Cyprianus von Unizibira (Vict. II, 33) an. Die leider 
verstümmelte im heutigen Djezza, früher Aubuzza, südlich von Sicca 
(El-Kef), gefundene Inschrift C. I. L. VIII suppl. 1 n. 16396, auf der 
30 Namen von Geistlichen und Laien verzeichnet stehen, deren Ge- 
dächtnis in den Kirchen gefeiert wurde, ist vermutlich auf jene 
Vorgänge zu beziehen. 

Üieses Vorgehen veranlafste den Kaiser Zeno auf Antrieb 
des Papstes (Felix; seit 13. März 483)'), einen Gesandten Namens 
Reginus nach Karthago zu schicken, um Hunerich zu einem 
milderen Verfahren zu bewegen; doch blieb diese Intervention ^nz- 
lich erfolglos, ja sie reizte vielmehr, wie es scheint, den König zur 
Anwendung von noch schärferen Mafsregeln. Er erliefs ein Edikt^), 
das am Himmelfahrtstage, d. h. am f 9. Mai 483 zu Karthago vor der 
versammelten Gemeinde in Gegenwart des erwähnten byzantinischen 
Gesandten verlesen werden sollte und das durch Kuriere auch im 
übrigeü Afrika verbreitet wurde, des Inhalts, dafs alle orthodoxen 

1) Es ist wohl dasselbe Gebiet, wohin sich später Amalafrida flüchtete. 

2) Vict. Tonn. a. 479, der jedoch, wie die angegebenen Lokalitäten (Tnbanae 
in Nnmidien, Macri in Manr. Sitif.) beweisen, verschiedene Vorfälle zusammen- 
wirft. Die Zahl der Verbannten wird hier auf qnattnor circiter milia angegeben. 
Fassio Vn monach. § 4: Primo sacerdotmn et ministromm copiosissimam et 
mazimam torbam in longinquis et extremis regionibns exilio cradeli detmsit 
(im 7. Regierungsjahre Hunerichs, also 483). 

3) Vgl. Euagr. bist, eccl.m, 20. 

4) Dasselbe ist bei Vict. IE, 39 datiert „sub die XTTT. Kai. Junias anno 
septimo Hunerici^^ d. h. am 20. Mai, was wegen des Himmelfahrtstages nicht 
richtig sein kann; vielleicht ist zu bessern: XVI. kal. Jun. (17. Mai). 



Die Nachfolger Greiserichs bis zum Untergänge des Reiches. 107 

Bischöfe am 1. Februar des folgenden Jahres in der Hauptstadt zu 
einem Beligionsgespräch sich versammeln sollten , um die Richtigkeit 
ihrer Lehre gegenüber dem arianischen Klerus aus der Heiligen Schrift 
zu beweisen. Als Anlafs wurde die (allerdings wahrscheinlich that- 
sächlich stattgefundene) wiederholte Übertretung des schon von 
Geiserich erlassenen Verbotes, innerhalb der Wandalenlose katholische 
Propaganda zu treiben, angegeben. Es war von vornherein klar, dafs 
hinter dieser anscheinend harmlosen Einladung ein böser Plan sich 
versteckte. Dies zeigte sich gleich zu Beginn der Versammlung, zu 
der zur angegebenen Zeit die Mehrzahl (imgefahr 460) der Bischöfe 
aus A&ika und den zum Wandalenreiche gehörigen Inseln^) sich 
eingefunden hatte, wie wir aus der bekannten Notitia provinciarum et 
civitatum Africae ersehen.*) Die Forderung des Eugenius, Bischöfe 
aus allen übrigen Ländern, insbesondere einen Vertreter der römischen 
Kirche, „die das Haupt aller Kirchen sei'', einzuladen, um Zeit zu 
gewinnen und, wie Vict. Vitt. II, 44 sagt, Männer bei der Konferenz 
zu haben, die von der Gewaltherrschaft der Wandalen unabhängig 
seien und deshalb freimütiger auftreten könnten, hatte der König 
höhnisch zurückgewiesen. Um die anwesenden Katholiken von vorn- 
herein einzuschüchtern, wurden die geistig hervorragendsten unter 
ihnen teils in die Verbannung geschickt, teils körperlich mifshandelt, 
teils, wie der Bischof Latus von Nepte'), eingekerkert, um später dem 
Scheiterhaufen überliefert zu werden.*) Als hierdurch der Mut der 
Übrigen nicht gebrochen wurde, machte die arianische Gei6tlichkeit 

— es war ein offenbar mit dem Könige vorher abgekartetes Spiel 

— durch ihr Auftreten das Zustandekommen des Gesprächs un- 
möglich. Zwar waren hierauf die Katholiken vorbereitet, indem sie 
nun ein schriftlich abgefalstes, nach Pseudogennadius de viris ill. 
c. 98 von Eugenius herrührendes Glaubensbekenntnis, den sog. Liber 



1; Aus Sardinien, Minorca, Majorca, Ebnsns und Korsika vgl. Schwarze S. 25. 

2) Dieses wichtige Schriftstück scheint die in der königlichen Kanzlei auf- 
gestellte Liste der zu citierenden Bischöfe zu sein, welcher später, etwa 485, 
Angaben über die Schicksale der betroffenen Geistlichen hinzugefügt wurden. 
Vgl. dazu Schwarze S. 162 ff. Die Überschrift der Not. stammt in der über- 
lieferten Form jedenfalls nicht aus der Kanzlei, da esTieifst: nomina episcoporum 
catholicorum: die Arianer nannten die Katholiken Homousier und sich selbst 
catholici, vgl. den Sermo des Fastidiosus Migne 65, 375 D. 376 C. — Es ist an- 
zunehmen, dafs auch die vorher zu den Mauren Verbannten geladen worden 
•sind. Diese wurden nach Schlufs der Versammlung wieder dahin zurückgeschickt. 

Sie sind es in der Hauptsache, deren Namen in der Not. mit dem Zusatz exilium 
oder in exil. versehen sind. 

3) Vgl. auch Vict. Tonn. a. 479. 4) Am 24. Sept. 484. 



1(08 Drittes Bnch. 

fidei catholicae (bei Vict. Vit. 11, 56jff.), überreichten.^) Doch war 
auch dieser Trumpf gänzlich wirkungslos. Unter dem Verwände, 
dafs das Scheitern der Verhandlungen lediglich auf das tumultuarische 
Auftreten der Katholiken zurückzuführen sei, liefs Hunerich am 
7. Februar^) sämtHche Kirchen in Afrika schliefsen und den Bischofen 
eröJBben, dafs dieselben solange geschlossen bleiben sollten, bis sie 
zur Fortsetzung der Diskussion sich bereitfinden würden.^) Da 
letzteres natürlich nicht eintrat, wurde am 24. Februar das berüchtigte 
Edikt veröffentlicht, worin der Konig die Anwendung der von den 
romischen Kaisem erlassenen Ketzergesetze gegen alle katholische 
Unterthanen anordnete^), die sich bis zum 1. Juni nicht zum Arianis- 
mus bekannt haben würden. Es ward hiemach den orthodoxen 
Priestern untersagt, religiöse Versammlungen abzuhalten, Kirchen 
zu erwerben oder neu aufzufuhren, Taufen, Weihen imd dergleichen 
zu erteilen, ihnen überhaupt der Aufenthalt in allen Städten und 
Ortschaften verboten; das Vermögen aller katholischen Kirchen und 
diese selbst seien dem arianischen Klerus zu überweisen. Die 
häretischen Laien sollten die aktive und passive Fähigkeit zu 
Schenkungen, Vermächtnissen u. s. w. verlieren, die Hofbeamten katho- 
lischen Bekenntnisses ihrer Würden entkleidet und für infam erklärt 
werden. Alle Bücher, welche die Irrlehre behandelten, seien zu 
verbrennen. Für die einzebien Klassen der Bevölkerung wurden nacb 
dem Bang abgestufte Geldstrafen festgesetzt. Im Falle der Beharrung 
sollten alle zur Deportation imd Vermögenseinziehung verurteilt 
werden; wer aber bis zum 1. Juni die Wiedertaufe annehme, sei ffir 

1) Das Schriftstück trägt das Datum 20. April (XU. kal. Maiarom); die 
Überreichung mufs aber vor dem T.Februar stattgefanden haben. Petschenig 
.(Vorr. zur Ausgabe Victors p. VI) meint daher, dasselbe sei zuerst nur den arian. 
Bisehöfen und später, eben am 20. April, auch dem König übergeben worden; 
daher erkläre sich, dafs in dem Edikt vom 24. Februar keine Bücksicht darauf 
genommen sei. Aber es ist schwer zu glauben, dafs Hunerich die Eingabe erst 
nach zwei Monaten erhalten haben sollte. Offenbar ist die Datumsangabe ver- 
dorben; Konjekturen aufzustellen, wäre zwecklos. 

2) Vict. Vit. m, 2. 7. Laterculus reg. Wand. 6: Hunerix . . . omnes . . . 
ecclesias clausit. 10: Quae ecclesiae fuerunt clausae ... ab octavo anno Huneiici 
id est ex die VII. id. febr. (484). Fassio monachorum 6 : Post modicum quoque 
temporis universas simul "ecclesias . . . claudi mandavit (der auf diese Stelle 
folgende Satz: universa monasteria . . . Mauris cum habitatoribus donare prae- 
cepit ist jedoch schwerlich im vollen Umfang richtig). Vgl. dazu auch S. 186 
N. 2. Den Beginn der Katholikenverfolgungen Hunerichs setzt der Laterculus 
ans Ende des 7. Begierung^ahres (483), Marcellin in den Februar 484. Vgl. 
Faschale Campanum a. 484 (Chron. min. I, 746): Huniricus persequitur catholicoB. 

3) Vict. Vit. m, 7. 

4) Besonders der Gesetze Cod. Theod. XVI, 6, 62. 64. Vgl. dazu Dahn S. 266 ff. 



Die Nachfolger Geiserichs bis zum Untergänge des Eeiches. 109 

straf&ei zu erklären. Die Mitglieder der Behörden, die bei der Aus- 
fithrong der königlichen Befehle sich säumig zeigten^ wurden mit 
Hinrichtung und Konfiskation ihres Eigentums bedroht. 

Die in Karthago anwesenden Bischöfe^ von denen inzwischen 
einige sich durch Flucht in Sicherheit gebracht hatten^), wurden, aller 
Mittel zum Lebensunterhalt beraubt, vor die Mauern der Stadt gestoüsen; 
als sie hier den König bei einem Spazierritte desselben ad piscinas mit 
Vorstellungen bestürmten, ihrer traurigen Lage ein Ende zu machen, 
gab dieser statt einer Antwort den Befehl, die Unglücklichen nieder- 
zureiten. Die Mehrzahl der in der Notitia mit dem Zusatz prbt. 
(peribat) aufgeführten Bischöfe ist wohl bei dieser Gelegenheit um- 
gekommen. Hierauf eröffiiete ihnen der König Aussicht auf Bückkehr 
in ihre Ämter, wenn sie eidlich versprechen wollten, die Succession 
seines Sohnes Hilderich anzuerkennen und mit überseeischen Ländern 
keine Beziehungen zu unterhalten. Die Minderheit (25 oder 46) 
verweigerte die Eidesleistung in Rücksicht auf das Schwurverbot der 
Heiligen Schrift, und diese wurden, weil sie die Thronfolge Hilderichs 
nicht wollten, nach Korsika verbannt, um dort für die Staatswerften 
Holz zu fällen; die übrigen, die geschworen hatten (302 oder 325), 
wurden dazu verurteilt, in der Nähe ihrer bisherigen Sitze Acker 
als Kolonen zu bebauen^), als Strafe für die Übertretung jenes 
biblischen Verbotes. Die allgemeine Verfolgung der Katholiken be- 
gann erst nach Ablauf der gestellten Frist, am 1. Juni 484.^) Die 
Ausfühnmg des Dekrets hatte der König, wie schon Geiserich, ganz 
in die H^de der arianischen Geistlichkeit gegeben^), die die an- 
gedrohten Strafen mit der empörendsten Grausamkeit vollstreckten, 
ja noch darüber hinausgingen. Doch wurde wie früher in kluger 
Berechnung die Schaffung von Martyrien möglichst vermieden. Solche 
erlitten nur der Bischof Latus (vgl. oben) und der Prokonsul zu 



1) Nach der Schlnfssumme der Notitia 28, während im Text derselben 
nur einer den Znsatz „fag/^ trägt. Zu diesen gehörte der Bischof Quintianns 
ürcitanns ans der Prokonsnlaris, Vict.I, 29. 11, 22 CLL. VIII p. 123Ö. 

2) Auch die vita Ftdg. c. 4 erwähnt, dafs die Bischöfe dazn verurteilt 
wurden, in der Nähe ihrer Sitze in Verbannung zu leben, weifs jedoch nichts 
von dem Kolonat derselben und erzählt sogar von dem Bischof Faustus, dafs 
dieser an der Stelle seines Exils ein Kloster gründete und daselbst seine Tage 
zubrachte. — Marcellinus Comes giebt die Gesamtzahl der verbannten und 
vertriebenen Bischöfe auf ca. 334 an. Die Zahlen im Text der Notitia stimmen 
mit den Summierungen am Schlüsse derselben nicht überein. 

3) VgLVictm, 21 ff. 

4) Derselbe HI, 54: quia ipsi (die arianischen Geistlichen) huius rei habere 
noscuntur per omnia potestatem. 



110 Drittes Buch, 

Kaiiihago Victörianus. Um so gröfser war die Zahl der Bekenner. 
Am berühmtesten ist das nicht nur von Victor von Vita, sondern 
auch von anderen Zeitgenossen registrierte sogenannte Wunder von 
Tipasä, einer Stadt in Mauretania Caesareensis, wo einige streng- 
glaubige Bewohner ihrer Zungen beraubt wurden, trotzdem aber ihr 
Sprechvermögen behielten.^) In diese Zeit fällt auch die Verbannung 
des Bischofs Eugenius nach Tamallenum oder Tamalluma (an der 
Grenze zwischen der Byzacena und Tripolis), wo derselbe unter den 
Quälereien des arianischen Bischofs Antonius schwer zu leiden hatte ^), 
die durch Schläge und Hunger verschärfte Exilierung der gesamten 
karthagischen Priesterschaft, etwa 500 Personen, sowie wahrscheinlich die 
Verurteilimg des numidischen Bischofs Domninus zur Arbeit in einem 
Bergwerk, also zu einer besonders schweren Strafe, wie der Zusatz 
in der Notitia prov. Num. 76: metallo, beweist,^) Das erneute Ein- 
schreiten des Kaisers Zeno zum Schutze der Verfolgten war wiederum 
erfolglos; der Eonig liels sogar die meisten Exekutionen in den 
Strafsen vornehmen, die der nach Karthago geschickte Gesandte 
Uranius passieren mufste.*) 

Es wird keinem Billigdenkenden in den Sinn kommen, das ge- 
schilderte Vorgehen irgendwie rechtfertigen zu wollen. Die katho- 
likenfeindlichen Ma&nahmen Geiserichs betrafen in der Haupt- 
sache nur diejenigen, die für den Bestand des Staates und die 
Erhaltung der Religion des wandalischen Volkes in irgend einer 
Weise gefährlich erschienen, während sein Nachfolger seine Ver- 
folgungen gegen alle Anhänger des orthodoxen Glaubens ohne Aus- 
nahme richtete. Habgier und Blutdurst und damit vereinigt religiöser 
Fanatismus waren bei letzterem die entscheidenden Beweggründe; die 
politischen Motive traten in den Hintergrund, haben jedoch immer 
noch eine gewisse Bolle gespielt und zwar in gröfserem Mafse, als 
man es nach Victor Vit. annehmen könnte. Der orthodoxe Klerus 
hatte die ihm gewährte gröfsere Bewegungsfreiheit schleunigst be- 
nutzt, um innerhalb der Wandalenlose wieder Propaganda zu treiben 
(Vict. n, 39), auch von neuem zu „überseeischen" Ländern Beziehungen 
angeknüpft, die gewils nicht harmloser Natur waren (HI, 19). Die 
im einzelnen verübten Grausamkeiten erscheinen in einem etwas 



1) Vgl. die Erörterung von Görres in der Zeitschrift für wiss. Theologie 
36, I, 494 ff. 

2) Vict. m, 43. Notit. procons. 1. 

3) Vgl. Vict. in, 68: in locis squalidis metallomm. 

4) Vict.m, 32. 



Die Nachfolger Geiserichs bis znm Untergänge des Reiches. XI 1 

milderen Lichte, wenn man bedenkt, dafs die kathöliselie Bevölkerung 
jedenfalls, was immer zu betonen ist, infolge der Aufhetzungen des 
Klerus, den königlichen Befehlen vielfach mit offenem Trotz begegnete 
und dadurch direkt zu den an ihr verübten Gewaltthätigkeiten reizte. 
Victor Vit. (III, 29) giebt selbst zu, dafs die Bewohner von Tipasa 
den arianischen Bischof verhöhnten und öffentlich ihren Gottesdienst 
feierten. Die Erzählung desselben (III, 27) von dem Tode des 
Victorianus ist wahrscheinlich nicht ganz der Wahrheit entsprechend; 
ihn traf die Strafe wohl deshalb, weil er die Bestimmungen des 
königlichen Dekretes nicht ausgeführt hatte,^) Bei alledem mufe 
noch in Betracht gezogen werden, dafs die früher von den römischen 
Kaisern gegen die Ketzer verfügten Mafsregeln eine fanatische Natur 
wie Hunerich zur Wiedervergeltung geradezu auffordern mufsten; 
dieser Erkenntnis hat man sich auf katholischer Seite natürlich 
gänzlich verschlossen; vgl. die Bemerkung Victors III, 2 a. E. 

Es ist begreifUch, dafs die gegen die Katholiken in Anwendung 
gebrachten Gewaltmafsregeln viele Übertritte von Laien und Klerikern 
?ur arianischen Kirche zur Folge hatten. Nach Victor könnte es 
freilich scheinen, als wäre ihre Zahl nur gering gewesen. Dafs jedoch 
das Gegenteil richtig, lehren die Verhandlungen der Lateransynode 
vom 13. März 487 (oder 488?)^), welche sich ausschliefslich mit den 
Bedingungen, imter denen die Wiederau&ahme der Gefallenen in den 
Schofs der orthodoxen Kirche zu erfolgen habe, beschäftigte. Es ist 
dabei zu berücksichtigen, dafs die breiten Schichten der Bevölkerung 
jedenfalls schwerlich von dem orthodoxen Glauben so durchdrungen 
gewesen sind, dafs sie nicht, um ihre Existenz zu retten, ohne 
Skrupel sich zu einem Bekenntniswechsel bereit gefunden hätten,^) 
Man kann hiemach wohl annehmen, dafs es schliefslich dem Könige 
gelungen wäre, den Katholizismus in Afrika gänzlich auszurotten. 



1) Über die Hunerichverfolgung vgl. aufser den bereits citierten Quellen- 
steilen noch Gelasii epist. ad episcopos Dardaniae ed. Günther (Corp. scriptt. 
eccl. Vindob. 35, 391, gescbr. 1. Febr. 496): Ecce nuper Honorico regi Vandalicae 
nationis vir magnns et egregins sacerdos Engenius Cartaginensis episcopns multi- 
que cum eodem catholici sacerdotes constanter restitere saevienti cunctaque ex- 
trema tolerantes hodieque persecutoribus resistere non omittunt. Vgl. ebenda 
p. 328: Basilica (Fausti) — unde nostros patres tyrannus Huniricus expulerat. 
(535 Mai). Proc. b. V, I, 8 (vgl. dazu Görres, Deutsche Zeitschr. f. Gesch. X, 53 
Note 2). 

2) Vgl. He feie, Conciliengeschichte 11*, 614ff, Langen, Gesch. d. röm. 
Kirchen, 149 ff. 

3) Namentlich infolge der grofsen Hungersnot vgl. Vict. Vit. HI, 60: Et 
idcirco forte maior rebaptizatorum perditio potuit provenire. 



112 Drittes Buch. 

wenn ihn nicht ein frühzeitiger Tod am 23. Dezember 484^) von 
dieser Welt abberufen hätte. Über sein Ende haben die Katholiken, 
um es als eine Strafe Gottes hinzustellen^ später die abenteuerlichsten 
Angaben verbreitet; nach dem Laterculus reg. Wand., sowie dem 
(unechten) SchluTskapitel des Geschichtswerkes Victors von Vita soll 
er von Würmern zerfressen worden sein, während er Gregor von 
Tours (11, 3) zufolge sich selbst mit seinen Zähnen zerfleischt habe. 
Victor von Tonnena (a. 479) läfst ihn wie Arius infolge des Heraus- 
tretens der Eingeweide sterben. Sicher scheint nur zu sein, dafe er, 
wie auch Prokop (b. V. I, 8) angiebt, einer Krankheit erlegen ist. 

Hunerichs Nachfolger wurde nach den Bestimmungen des Haus- 
gesetzes Gentos Sohn Gunthamund, dem es wahrscheinlich geglückt 
war, durch Flucht sich den Verfolgungen seines Oheims zu entziehen; 
sein älterer Bruder Godagis war schon vorher im Exil gestorben. 
Die Verfolgungen der Katholiken hörten auch jetzt zunächst noch 
nicht auf; denn Victor Vit., der sein Geschichtswerk nach Hunerichs 
Tode schrieb (vgl. namentlich die Stelle H, 12: [Huniricus] desiderans 
post obitum suum filiis, quod non contigit, regnum statuere) weist 
noch voll Erbitterung auf ihre Portdauer hin (vgl. 1, 1. IH, 64fF.).*) 
Aber es trat hierin bald eine Wendung zum Bessern ein. Wie der 
durch genaue chronologische Angaben ausgezeichnete Laterculus reg. 
Wand. § 8 bemerkt, liefs der König im dritten Jahre seiner Begierung, 
also 487, den Katholiken das coemeterium s. martyris Agilei ein- 
räumen, nachdem er schon vorher den Bischof Eugenius aus der Ver- 
bannung zurückberufen hatte. Wahrscheinlich aber ist damals über- 
haupt den meisten Katholiken die Bückkehr gestattet und die Mehr- 
zahl der Kirchen wieder freigegeben worden; dies ergiebt die schon 
erwähnte römische Synode von 487 oder 488, an der auch vier 
afrikanische Bischöfe teilnahmen. Es waren dies nach den Akten 
Victor, Donatus, ßusticus und Pardalius, der zuletztgenannte ohne 
Zweifel mit dem gleichnamigen episcopus Macomadiensis der Not. 
prov. Numid. 84 identisch. Die Angabe des Laterculus § 9. 10, es 
seien die katholischen Kirchen im zehnten Jahre Gunthamunds, am 
10. August 494 wieder geöflEuet imd sämtliche Geistliche (omnes Dei 
sacerdotes) auf Verwendung des Eugenius zurückberufen worden, ist 
daher auf den aus besonderen Gründen so lange zurückgehaltenen 

1) Laterculus reg. Wand. : Hunerix — ann. VII m. X d. XXVm. Nach Prokop 
1,8 regierte er acht Jahre, nach Vict. Tonn. a. 464: 7 Jahre 5 Monate. 

2) Vict. Tonn. a. 479 sagt irrig, der König hätte sofort die Verbannung 
aufgehoben. 



Die Nachfolger Geiserichs bis zum Untergange des Eeiches. X13 

Best des orthodoxen Klerus (wahrscheinlich vorwiegend Bischöfe) 
zu beziehen.^) Die Katholikenfreundlichkeit des Königs wird namentlich 
illustriert durch die Erzählung von dem heiligen Fulgentius^ dem der 
arianische Bischof von Karthago Sühne anbot wegen der ihm und 
dem Abt Felix in der Stadt Sicca durch einen arianischen Priester 
zu teil gewordenen MiCshandlungen.*) Es zeigt dieser Fall aber zu- 
gleich, dafs ein Teil der arianischen Geistlichkeit den neuen Ver- 
hältnissen sich nicht fügen wollte und die Verfolgungen auf eigene 
Faust weiter fortsetzte; in Bücksicht hierauf ist wohl auch in dem 
oben citierten Briefe des Gelasius vom 1. Februar 496 von der Fort- 
dauer der Bedrängnis der Katholiken die Bede. Dafs die letztere 
übrigens zum guten Teil selbstverschuldet war, indem man in den 
Bezirken arianischen Glaubens eifrig Propaganda trieb , zeigt das so- 
eben erwähnte Beispiel des Fulgentius.^) 

Die Gründe, welche den König zu dieser veränderten Beligionspolitik 
I veranlafsten, sind nicht recht klar. Auf eine Intervention von Seiten des 
byzantinischen Beiches ist dieselbe unzweifelhaft nicht zurückzuführen, 
da der Kaiser sich damals in schroffem Gegensatz zur römischen Kirche 
befand und fiir ihn keine Veranlassung vorlag, für die afrikanischen 
Katholiken einzutreten. „Der Gegensatz des Königs zu Hunerich, der das 
Haus Gentos so schwer verfolgt hatte" (so Dahn, Könige I, 268) kann 
wohl kaum ernstlich als Motiv in Frage kommen, da der Wechsel in der 
Beligionspolitik erst einige Jahre nach dem Begierungsantritt erfolgte. 
Ungewifs, wenn auch nicht unwahrscheinlich ist es, dals die jetzt 
immer gröfsere Dimensionen annehmenden Erhebungen maurischer 
Stämme auf die Entschliefsungen Gunthamunds eingewirkt haben. 
Prokop (b. V. I, 8) weifs blofs ganz allgemein von mehreren mit den- 
selben stattgefiindenen Kämpfen zu erzählen. Dracontius rühmt in 
seiner Satisfactio v. 213f. (vgl. unten) die in Abwesenheit des Königs 
von dessen Heere erfochtenen Siege (Maurus ubique iacet). Etwas 
Genaueres erfahren wir aus dem Leben des heiligen Fulgentius (cap. 9), 
wonach die an die Byzacena angrenzenden Stämme diese Provinz mit 
ihren Einfällen heimsuchten und viele Bewohner zur Flucht in 
sichere Gegenden nötigten. Auf dieselben Vorgänge wird auch die 



1) Nach Prok. I, 8 hätte G. noch gröfsere Leiden über die Katholiken ver- 
hängt als sein Vorgänger. 

2) Vita Fulg. c. 9— 11. 

3) Vita Fulg. c. 9, 17 non aliquos reconcüiando sed omnes, quos attingere 

poterat, ad reconciliationem salutaribus monitis invitando. Vgl. dazn auch 
G. Picker in der Zeitschrift für Kirchengeschichte XXI (1900), 19. 

Schmidt, Wandalen. o 



114 Drittes Buch. 

Stelle in der Mythologie des Fabius Planciades Fulgentius (p. 5 ed. 
Helm Lips. 1898) zu beziehen sein^ wo es heilst^ dafs die Heiden 
die Felder verwüsteten und die Bevölkerung sich in ihren zu Festungen 
umgestalteten Häusern gegen die feindlichen Angriffe zu verteidigen 
suchte^ bis die Ankunft des Königs (dominus rex) aller Sorge ein 
Ende machte.^) Gunthamund scheint es also schliefslich gelungen 
zu sein, die Mauren in ihre Schlupfwinkel zurückzuweisen, wenn es 
auch zu einer entscheidenden Niederwerfung derselben nicht gekommen 
ist. Dafs sich die maurische Invasion auch auf andere Gegenden als 
die Byzacena erstreckte, ersehen wir aus der vom Jahre 495 datierten 
Inschrift von Mouzai'aville (Taranamusa, südlich von Tipasa in Mauret. 

Gaes.), C. I. L. YIII, 9286: multis exiliis saepe probatus et fidei 

catholicae adsertor dignus inventus inplevit in episcopatu annos 
XYIII menses H dies XH et occisus est in hello Maurorum et 
sepultus est die VI. idus Maias anno provinciae CCCCLXVI. Es 
liegt hier wahrscheinlich die Grabschrift des in der Notitia von 484 
Maur. Caes. no. 37 aufgeführten Bischofs Donatus Temamusensis vor.^ 

Völlig fehl aber schlug der Versuch des Königs, sich in Sizilien 
wieder festzusetzen, wozu der zwischen Odovaker und Theoderich dem 
Grofsen ausgebrochene Krieg günstige Gelegenheit zu bieten schien. 
Die dort brandschatzende wandalische Expedition wurde vertrieben 
und Gunthamund genötigt, den Ostgotenkönig um Frieden zu bitten 
und auf den bisher von der Insel gezahlten Tribut Verzicht zu leisten') 
(491). Wenn Dracontius*) Siege des Königs zu Lande und zur 
See feiert und dabei auch eines sonst unbekannten Ansila gedenkt, 
so mag dies zum Teil hiermit in Verbindung zu bringen sein. Viel- 
leicht hatten die Wandalen anfönglich einen Vorteil über die nach 
Sizilien gesandten ostgotischen Truppen, deren Anführer Ansila hiefe, 
davongetragen; denn dieser Name ist unzweifelhaft ein gotischer 
Personenname: ihn führte z. B. ein Amaler nach Jordanes Getica XIV, 79. 

Dafs übrigens trotz der veränderten Stellung des Kaisers zur 
Kirche dieser wenigstens von einem Teil der römischen Bevölkerung 
als der allein rechtmäüsige Herrscher Afrikas angesehen und auch 
offen bezeichnet wurde, lehrt das Beispiel des schon erwähnten Dichters 
Dracontius, der damals in Karthago beim Prokonsulat eine Stelle be- 



1) Vgl. Helm im Rhein. Museum f. klasa. Philol. K F. LIV (1899) S. 123 f. 

2) Vgl. Schwarze S. 170. 

3) Cass. chron. c. 1327. Ennod. paneg. Theod. 13, 70. 

4) Dracont. aatisf actio v. 213 f.: Contulit absenti terrae pelagique triumphoe, 
Ansila testatur. 



Die Nachfolger Greiserichs bis ztun Untergange des Reiches. 115 

kleidete und ins Gefängnis geworfen wnrde^ weil er^ wie er selbst an- 
giebt; einen Fremden (d.li. eben offenbar den Kaiser) als seinen Herrn 
besungen habe^ statt des wandalischen Fürstenhauses.^) um die Frei« 
heit wieder zu erlangen, verfafste er das bekannte Eeugedicht, die 
Satisfactio ad Gunthamundum regem Guandalorum, in der er des 
Königs milden Charakter rühmt, ihn um Verzeihung bittet und ver- 
spricht, künftig nur zu seinem Ruhme zu dichten. Die erhoffte Be- 
gnadigung blieb jedoch zunächst wenigstens aus; das Vergehen, offen- 
kundiger Hochverrat, war jedenfalls schwer genug, um die Gewährung 
einer solchen nicht gerechtfertigt erscheinen zu lassen.^) 

Gunthamunds Tod fallt wahrscheinlich auf den 3. September 496'); 
Trasamund, sein Bruder, ausgezeichnet durch Schönheit, Liebens- 
Würdigkeit, scharfen Verstand und wissenschaftliche Bildung^), folgte 
ihm auf den Thron. Den Katholiken gegenüber verfolgte dieser 
wieder eine andere Politik als sein Vorgänger. Wie Hunerich suchte 
er den Arianismus in seinem Beiche zu verbreiten, doch vermied er 
im allgemeinen die schroffen Mafsregeln, die dieser angewendet hatte. 
Die Konvertiten wurden mit Geschenken, Ehren und Ämtern über- 
häuft; Verbrechern, die die Wiedertaufe annahmen, gewährte er Be- 
gnadigung, während die Glaubensstarken mit Nichtachtung behandelt 
wurden.^) Dieses Verfahren scheint in der That die Bekehrung zahl- 
reicher Katholiken zur Folge gehabt zu haben.^) Eifrig beschäftigte 
er sich mit den aktuellen theologischen Streitfragen und forderte die 
Orthodoxen, namentlich den Bischof von Kuspe Fulgentius, den er 
aus der Verbannung nach Karthago berief (vgl. weiter unten), zu 
Disputationen über den wahren Glauben heraus. Natürlich berichtet 
der Biograph des Fulgentius, dafs es diesem zum Vergnügen der 

1) Satisf. V. 93 f. 

2) Vgl. Man it ins, Geschichte der christlich -lateinischen Poesie 380. Die 
Gefangenschaft des Dichters fällt, wenn die Verse 213 f. richtig auf die sizilische 
Expedition bezogen sind, nach 491. 

3) Nach der einen Bezension des Laterc. reg. Wand. (§ 7) regierte G. 11 Jahre 
9 Monate 11 Tage, d. h. bis zmn 4. Okt. 496, nach der anderen 11 Jahre 8 Monate. 
In der ersteren ist wahrscheinlich zu emendieren Villi in Vlll, da es weiter 
unten heifst, G. habe nach der Öffnung der kath. Kirchen am 10. Aug. 494 noch 
2 Jahre 1 Mon. regiert. Vict. Tonn. a. 479 giebt 12 Jahre an, nach Prok. I, 8 
starb der König in der Mitte des 12. Jahres seiner Eegierung. 

4) Florentinus in laudem regis v. 6 ff. (Anthologia latina ed. Eiese I, v. 376.) 

Proc. I, 8. Cassiodor. Var. V, 43. Fulgent. adv. Thrasim. 1,2: hoc ingenii 

studiique tui sagacitas recognoscit .... Per te . . . disciplinae studia moliuntur 
jura barbaricae gentis invadere. 

6) Proc. b. V. I, 8. 

6) Vit. Fulg. c. 21 ff. Fulg. adv. Thrasim. I, 2. 

8* 



116 Drittes Buch. 

karthagischen Katholikengemeinde gelungen sei^ alle Aufstellungen des 
Königs (die uns zum Teil noch in dem Liber unus contra Arianos [Migne 
65, 205 ff.] erhalten sind) trotz der ungünstigen Bedingungen siegreich zu 
widerlegen.^) In Wahrheit ist der Arianismus der Wandalen durch diese 
Polemik nicht überwunden worden; doch mufs immerhin die Thätigkeit 
des Fulgentius in Karthago auf die in ihrem Grlauben wankend ge- 
wordenen Katholiken nicht ohne Einflufs geblieben sein. Der Bischof 
wurde daher sehr bald wieder in sein Exil zurückgeschickt. Dais 
Trasamund indes daneben und zwar gleich zu Anfang seiner Ite- 
gierung die Anwendung strengerer Mittel, namentlich gegen den 
Episkopat, nicht scheute, ist zuverlässig überliefert In diese Zeit 
fällt wahrscheinlich das königliche Edikt, welches bestimmte, dafs die 
durch Abgang erledigten Bischofssitze nicht wieder besetzt werden 
sollten.^ Im Jahre 499 befand sich nach dem Leben des Fulgentius 
(c. 13) auf einer Insel bei Sizilien ein byzacenischer Bischof Eufinianus, 
der den Verfolgungen seitens der Wandalen sich durch Flucht ent- 
zogen hatte.^) Zu 505 meldet Victor Tonn, den Tod des kartha- 
gischen Bischofs Eugenius als confessor; wenn der Erzählung Gregors 
von Tours (hist. Franc. 11, 3) zu trauen ist, starb derselbe im Exil 
zu Alby in Südfrankreich.^) Ohne Zweifel ist dieser einflufsreiche 
Mann gleich zu allem Anfang aufser Landes geschickt worden. Um 
503 fällt die Verbannung einiger afrikanischer Bischöfe, an die im 
päpstlichen Auftrag Ennodius das unter dessen Briefen (no. 51) er- 
haltene Schreiben richtete, worin dieselben wegen ihrer Glaubens- 
stärke gepriesen werden.^) Als die im Jahre 508®) noch übrig ge- 
bliebenen Prälaten in der Bjzacena dem Verbote zuwider neue Wahlen 
vornahmen, um dem herrschenden kirchlichen Notstand abzuhelfen, 
wurden sie, darunter auch der wider seinen Willen zum Bischof von 

1) Vit. Fulg. c. 21,45: Alios jam rebaptizatos errorem suum plangere 
docebat et reconciliabat; alios antem, ne suas animas pro terrenis commodis 
perderent, admonebat. Vgl. auch ebenda c. 28,54: Scripsit eodem tempore 
Carthaginensibus epistolam .... Tibi pene cunctos dolos et fallacia blandimenta, 
quibus infelices reducebantur animae ad mortem (d. h. den Arianismus) .... 
digessit. 

2) Vit. Fulg. c. 16 und dazu Papencordt S. 121. Vgl. auch Vict. Tonn, 
z. J. 497 : Trasamundus .... catholicos insectatur, catholicorum ecclesias claudit etc. 
Auf die Chronologie Victors ist freilich wenig Gewicht zu legen. 

3) Von einer Verbannung dahin, wie Hasenstab, Studien zu Ennodius, 
München 1890, S. 36 will, ist keine Rede. 

4) Dafs ihm dieser Aufenthaltsort angewiesen worden sei, ist nicht an< 
zunehmen. 

6) Zur Zeitbestimmung vgl. Hasenstab S. 2 7 ff. 
6) Hasenstab S. 31 f. 



Die Nachfolger Geiserichs bis zum Untergänge des Reiches. 117 

Buspe konsekrierte Fulgentius, mit vollem Bechte nach Sardinien 
deportiert. Damals befanden sich auf dieser Insel 60 Exilierte (vit. 
Fulg. cap. 20), und die Zahl derselben ward später noch gröfser^)5 ob 
sie jedoch 120 betragen, wie Victor Tonn. a. 497,4 zusammenfassend 
berichtet, ist fraglich.*) Das Los der Verbannten mufs aber ein 
ganz erträgliches gewesen sein; namentlich ist hervorzuheben, dafs 
ihnen der Verkehr mit der Aufsenwelt nicht verboten war (Vit. Fulg. 

c. 20. 28).^) Alljährlich sandte ihnen der Papst Symmachus (f 514) 
Unterstützungen an Geld und Kleidungsstücken.*) In den Jahren 
517 — 20 erscheint ferner ein afrikanischer Bischof Possessor in Kon- 
stantinopel, wohin er ohne Zweifel vor den Wandalen sich geflüchtet 
hatte (Günther, Epistolae pontificum n. 131. 230. 231; Langen, Gesch. 

d. röm. Kirche H, 265flF. 286f.). 

DaTs es damals zu Mifshandlungen oder gar zu blutigen Gewalt- 
akten wie unter Hunerich gekommen sei, ist von keiner zuverlässigen 
Quelle überliefert. Wenn wir von roher Behandlung katholischer 
Priester und Kirchenschändungen hören, die die wandalischen Truppen 
bei ihrem Zuge gegen die Mauren in Tripolis sich erlaubten, so waren 
dies Ausschreitungen der Soldateska, die schwerlich die Billigung des 
Herrschers gefunden haben.^) Bemerkenswert ist femer, dafs gegen 
die Klostergeistlichkeit nicht eingeschritten wurde; so durfte Fulgentius, 
ohne den Widerspruch des Königs zu erfahren, zwei neue Klöster 
in Afrika gründen, zu denen vornehme Bömer den Grund und Boden 
hergaben.^) 

Ob und inwiefern die Beligionspolitik Trasamunds von dessen 
auswärtigen Beziehungen beeinflufst worden ist, läfst sich nicht mit 
Klarheit erkennen. Das Verhältnis zum arianischen Ostgotenreiche 
kann jedenfalls hierbei nicht in Betracht kommen, da dasselbe erst 

1) Vgl. die Nachweisimg von Hasenstab S. 34. 

2) Andere Berichte kommen nicht in Frage. Aus Vict. Tonn, hat Isidor 
geschöpft, ans diesem nnd dem Papstbuch (vgl. N. 4) Beda. Auf Beda und 
Isidor geht zurück Paulus Diac. hist. Rom. XVI, 3. Das oft citierte chronicon 
breve ist weiter nichts als eine Kompilation aus Beda, wie ich im Neuen Archiv 
f. ä. d. Gesch. IX (1883) S. 197 ff. nachgewiesen habe. Alle Folgerungen, die 
Hasenstab S. 28 f. hierauf gründet, sind daher zu verwerfen. 

3) Vgl. die Briefe unter den epistolae des Fulgentius 16. 16. 17 (Migne 
65, 436 ff.). 

4) Vita Symmachi (Mon. Germ. Gesta pontif. I, 125): (Symmachus) omni 
anno per Africam vel (= et) Sardiniam ad episcopos, qui exilio erant retrusi, 
paecunias et vestes ministrabat. Hiemach könnte man annehmen, dafs sich 
auch in Afrika im Exil lebende Bischöfe befanden hätten; doch ist auf diese 
Angabe schwerlich viel Gewicht zu legen. 

5) Proc. b. V. I, 8. 6) Vit. Fulg. c. 14. 19. 



118 Drittes Buch. 

vom Jahre 500 datiert. Die Bemühungen Theoderichs des Grofsen 
waren bekanntlich, nachdem seine Herrschaft in Italien einigermafsen 
gefestigt erschien, in erster Linie darauf gerichtet, durch enge Ver- 
bindung mit den übrigen germanischen Fürsten sein Reich auch 
nach aufsen hin sicherzustellen. In Eonsequen? dieser Politik suchte 
der Grotenkönig u. a. die Bundesgenossenschafb des wandalischen 
Reiches zu gewinnen, dessen Flotte ihm bei dem Mangel einer eigenen 
Schiffsmacht gegen einen Angriff der Byzantiner von wesentlichem 
Nutzen sein, andrerseits aber auch schweren Schaden zufügen konnte. 
Die Allianz, durch die natürlich auch die Wandalen wesentlich ge- 
winnen mufsten, ward besiegelt durch die Vermählung Trasamimds, 
dessen erste Gattin, ohne ihm Kinder zu hinterlassen, gestorben war, 
und der gleichfalls verwitweten Schwester Theoderichs Amalafrida; 
diese traf mit einem Geleite von 1000 vornehmen Goten (Doryphoren) 
nebst 5000 streitbaren Knechten^) in Karthago ein und brachte ihrem 
königlichen Gatten als wertvolle Mitgift den Teil der Insel Sizilien 
um Libybäum zu.*) Eine Unterbrechung erfuhr das gute Verhältnis 
beider Staaten in den Jahren 508 — 511. In der Schlacht bei Vougle 
507 war die gallische Herrschaft der Westgoten dem Frankenkönig 
Chlodowech erlegen. Während ein ostgotisches Heer mm im folgen- 
den Jahre über die Alpen zog, um die Provence in Beschlag zu 
nehmen, erschien eine kaiserliche Flotte an den Küsten Süditaliens 
und brandschatzte die Gefilde Kalabriens und Apuliens.') Trasamund 
that jedoch nichts, um die Byzantiner zu vertreiben, wozu er doch 
als Verbündeter Theoderichs verpflichtet war, und wenn wir bei 
Prokop. lesen, dafs er zum Kaiser Anastasius, mit dem ihn ohnehin 
die gleichen, katholikenfeindlichen Neigungen verbanden, in einem 
freundschaftlichen Verhältnis gestanden habe, so möchte man ver- 
muten, dafs damals ein geheimer, gegen das Ostgotenreich gerichteter 
Vertrag zwischen beiden Herrschern abgeschlossen worden sei. 

1) Vgl. dazu Mommsen im Hermes XXTV, 244 N. 1. Pauly-Wissowa, Real- 
encyklopädie III, 935. 

2) Anon. Vales. c. 68. Jord. Get. 58. Cass. var. V, 43. Ennod. pan. 13, 70 
(gehalten zwischen 504 u. 508). Prokop I, 8 u. Athalarich (Cass. var. IX, 1: quam 
[Amalafridam] magnis supplicationibns expetistis) stellen die Sache so dar, als 
ob die Initiative von Trasamnnd ausgegangen sei. Vgl. den bei Marsala ge- 
fdndenen Grenzstein mit der Inschrift: Fines inter Yandalos et Gothos TTTT, 

C. I. L. X, 2, 7232. Der bei Catania gefundene Stein ebenda no. 7022: ^°" 



FinetVB 

ist wohl nicht auf die Wandalen zu beziehen. Die Ereignisse bei der Eroberung 
des Wandalenreiches scheinen anzudeuten, dafs das wandalische Gebiet sich nicht 
bis nach Catania hin erstreckte. 
3) Marcellin. Com. a. 508. 



Die Nachfolger Geisericbs bis zum Untergange des Beiches. HQ 

Die Erfolge; die Theoderichs General Ibba in kurzer Zeit erzielte^ 
verhinderten indessen^ daXs die getroffenen Abmachungen zur Aus- 
ftthrung gelangten. Oesalech^ der von einem Teile der Westgoten 
zum König ausgerufen, von Theoderich jedoch nicht anerkannt worden 
war, wurde zur Flucht nach Afrika gezwungen, wo er bei dem 
Wandalenkönige Schutz und Hilfe suchte. Dieser wagte es zwar 
nicht, den Flüchtigen mit Geld zu unterstützen, rüstete ihn aber 
reichlich mit Geldmitteln behufs Anwerbung von Soldaten aus (510). 
Als Theoderich hiervon erfuhr, machte er dem Schwager im Gefühl 
seiner Überlegenheit ernsthafte Vorstellungen wegen seines Verhaltens, 
das wie ein Friedensbruch aussehe, worauf dieser ein Entschuldigungs- 
schreiben nebst reichen Geschenken, die aber nicht angenommen 
wurden, abgehen liefe (511).^) 

Seitdem blieben beide Herrscher in enger Verbindung; zu den 
Girkusspielen, die anlalslich des Antritts des Konsulats durch Eutha- 
rich in Bom stattfanden (519), sandte Trasamund wilde Tiere aus 
Afrika zum Geschenk.*) Über die Vorgänge im Ostgotenreich liefs 
sich der Wandalenkönig u. a. durch Ennodius, damals Bischof von 
Pavia, Bericht erstatten.') Das Verhältnis zu Byzanz aber mufste 
naturgemäfs einen anderen Charakter annehmen, nachdem im Jahre 
518 der orthodox gesinnte Kaiser Justinus den Thron des Ostreiches 
bestiegen hatte. Dafs dieser Schritte that, um die Lage der katho- 
lischen Bischöfe in Afrika zu verbessern, ersehen wir aus einem an 
den Papst Hormisdas gerichteten Schreiben d. d. 17. November 519, 
in dem der Kaiser bemerkt, er habe den ihm empfohlenen flüch- 
tigen Bischof, vielleicht den oben erwähnten Possessor, gnädig auf- 
genommen, könne aber über die gewünschte Unterstützung der Kirchen 
erst entscheiden, wenn seine Legaten vom König Trasamund wieder 
zurückgekehrt seien.^) 

Eine wesentliche Einbulse erlitt das Ansehen von Trasamunds 
Regierung durch die Mauren, die in ihren Bemühungen, sich von 
der wandalischen Oberhoheit zu emanzipieren, immer weitere Fort- 
schritte machten. Wichtig für diese Verhältnisse ist zunächst die In- 
schrift C. L L. Vin, 9835, aus der hervorgeht, dafs im Jahre 508 

1) Cass. var. V, 43 Tind das Antwortschreiben Theoderichs auf Trasanmnds 
Entschuldigung V, 44. Vgl. dazu Mommsen in der Einleitung zur Cassiodor- 
ausgabe p. XXXVI. Isidor bist. Goth. 37 und Chron. Caesaraugust, a. 610. 

2) Cass. chron. c. 1364: feras . . . Africa sub devotione transmisit. 

3) Ennod. epist. 138. 

4) Langen 11, 286. Thiel, epp. pontif. I, 900. Jaffa, Regesta I, 8. 



120 Drittes Buch. 

die Gegend von Safar, Altava und Castra Severiana im westlichen 
cäsareensischen Mauretanien unter der Herrschaft eines Königs Ma- 
suna stand, der sich rex Maurorum et Bomanorum nannte,^) während 
noch 484 die beiden letztgenannten Orte unter wandalischer Bot- 
mäXsigkeit standen (vgL Notit. Maur. Caes. no. 10. 73). In dieselbe Zeit 
fällt wohl auch die Zerstörung der Stadt Tamugadi (Timgad) durch 
die im Auresgebirge ansässigen Völkerschaften. (Proc. b. V. II, 13.) 
Auch der Stamm der Frexes zwischen Thelepte und Theveste*) be- 
gann sich damals zu regen; wir erfahren aus der Johannis des Co- 
rippus (III, 156, vgl. dazu Partsch, prooemium p. VI), dafs der Sohn 
des Fürsten Gruenfan, der später so gefürchtete Antalas, seit dem 
Jahre 517 an Raubzügen derselben sich beteiligte. Zu ernstlichen 
Kämpfen scheint es aber nur mit den tripolitanischen Stämmen unter 
Cabaon gekommen zu sein. Trasamund zog gegen diese am Ende 
seiner Regierung zu Felde, erlitt aber eine Niederlage. Den Um- 
stand, dafs die Truppen der Wandalen nur aus Reitern bestanden 
und allein im Nahekampf gefährlich waren, wuJfete der Maurenfürst 
in kluger Weise auszunutzen. Er stellte rings um sein Heer, in dessen 
Mitte die Weiber und Kinder untergebracht waren, Kamele auf, deren 
Geruch die Pferde nicht ertragen können; die streitbaren Männer liefe 
er zwischen die einzelnen Tiere treten und so, die Schilde anein- 
anderschliefsend, den Angriff erwarten. Als die Wandalen nun heran- 
kamen, wurden ihre Pferde wild und brachten alles in Verwirrung; 
die Reiter waren infolgedessen den feindlichen Greschossen wehrlos 
preisgegeben, und nur wenigen von ihnen soll es gelungen sein, sich 
durch Flucht in Sicherheit zu bringen. Auch auf die Unterstützung 
der katholischen Bevölkerung hatte Cabaon gerechnet, indem er die 
Roheiten, die die wandalischen Krieger allenthalben auf dem Marsche 
an den orthodoxen Geistlichen verübten, durch ausgesandte Späher 



1) Pro salute et incolmnitate regis Masunae gentimn Manroram et Roma- 
nonim castram edificatum a Masgiyini prefecto de Safar idir (?) procuratore 
castra Severiana (1. castrorum Seyerianoram) , quem Masnna Altava posnit. Et 
Maximus procurätor Altavae perfecit. Positum (?) provinciae CCCCLXVm. VgL 
Diehl, L'Afrique Byzantine (1896) p. 43. 263 ff. 

2) Die Gegend von Theveste stand zur Zeit Trasamunds noch unter 
wandalischer Botmäfsigkeit, vgl. die daselbst gefundene Inschrift Revue 
archäologique 1900, 11, 513 mit dem Namen dieses Königs. Aus derselben 
Zeit (507—508) stammt wohl auch die unvollständige Inschrift in der 

Basilika zu Theveste C. I. L. VJJLl, 2013, in der mundi in Thrasamundi 

zu ergänzen ist. Wahrscheinlich ist Theveste bald nachher von den Mauren 
zerstört worden. 



Die Nachfolger Geiserichs bis zum Untergänge des Reiches. 121 

beobachten und sofort nach dem Abzüge der Truppen wieder gut- 
machen liefs.^) 

Der König starb am 6. Mai 523; nach ihm bestieg den Thron 
der schon betagte, gänzlich verweichlichte und dem Kriegswesen ab- 
geneigte^) Sohn Hunerichs und der Eudoxia, Hilderich.^) Trasa- 
mund hatte diesem ; in Vorahnung künftiger Ereignisse, noch auf dem 
Totenbette das eidliche Versprechen abgenommen, den vertriebenen 
Katholiken weder ihre Kirchen noch ihre Privilegien zurückzugeben; 
Hilderich aber, dem die Neigung zum Katholizismus offenbar von 
seiner Mutter her im Blute lag^), umging diese Verpflichtung, indem 
er noch vor dem formlichen Regierungsantritt die verbannten Kleriker 
zurückrief und Neuwahlen an Stelle der verstorbenen anordnete.'^) 
Auch der karthagische Bischofsstuhl ward jetzt mit der Person des 
Bonifatius, der in der Agileuskirche die Weihe empfing, neu be- 
setzt. ^) 

Die durch die vorhergegangene Verfolgung eingetretene Störung 
in den kirchlichen Verhältnissen machte die Abhaltung von Synoden 
notwendig. Noch in demselben (?) Jahre fanden Provinzialkonzilien 
in Junca und Sufes (beide in der Bjzacena) statt, die sich mit den 
Übergriffen eines Bischofs in eine andere Diözese und der Selbständig- 
keit eines Klosters zu befassen hatten.'') Besonders wichtig aber war 
das grofse afrikanische Konzil zu Karthago (525), an dem 60 Bischöfe 
aus fast allen Landesteilen (zwei aus Tripolis: Girba und Tacapae, je 
einer aus Mauret. Sitif. [Horrea] und Caesareensis [Mina], die übrigen 
aus Numidien und der Prokonsularis) teilnahmen.^) Die Konzilsakten 



1) Proc. I, 8. Die Glaubwürdigkeit Prokops wegen einer geringen Ähnlich- 
keit dieser Stelle mit Herodot anzuzweifeln, geht nicht an, vgl. Haury, Zur 
Beurteilung des Prok. v. Cäs. (1896) S. 8. Allerdings wird die Schwere der Nieder- 
lage von Prokop wohl arg übertrieben; wenigstens erscheint die tripolitanische 
Provinz auch später noch als zum Wandalenreich gehörig. 

2) Proc. I, 9. Coripp. Joh. HE, 199: insuetus conferre mamim. 

3) Laterc. reg. Wand. 12: regnavit Trasamundus . . . ann. XXVI m.VJLUL d. mi. 
(nach der 2. Rezension 26 Jahre 9 Monate, nach Prok. 27 Jahre, nach Vict. 
Tonn. 27 Jahre 4 Monate). — Hilderich wird etwa 66 Jahre alt gewesen sein, da 
der Abschlufs der Ehe zwischen Hunirix und Endoxia ins Jahr 456 fällt. Vgl. 
Coripp. Joh. ni, 262: regem . . . annonim fessum niimero. 

4) Vgl. Paul. Diac. bist. Rom. XVI, 7. 

5) Vict. Tonn. a. 623, 2. 

6) Laterculus 15. Vit. Fnlg. c. 28. 29. Lib. pontif. Hormisdas p. 130. Die 
übrigen Hauptkirchen Karthagos blieben jedenfalls in den Händen der Arianer. 

7) Vit. Fulg. c. 29. Hefele, Konziliengeschichte H*, 702. Ficker in der 
Zeitschr. f. Kirchengesch. XXI, 19. 

8) Hefele 710 ff. Ficker 32 ff. Mansi conc. coll.VIH, 636 ff. 



122 Drittes Buch. 

sind hiernach auch für die Feststellung der damaligen politischen 
Grenzen von Bedeutung, wenn auch nicht in dem MaTse wie die 
Notitia von 484; wichtig ist es namentlich, zu erfahren, dafs der 
Süden der Byzacena (Turris Tamalleni)^) und das Gebiet am Nordost- 
fuTse des Aures (Yegesala, Mascula, Lamfua)^) zum Machtbereich der 
Wandalen noch gehörte. Von dem nichtanwesenden Bischof Optatus 
von Sitifis heilst es, dafs er durch königlichen Befehl abgehalten sei, 
ohne dafe wir etwas Näheres über die Gründe erfahren. Von be- 
sonderem Interesse ist die Bemerkung, dafs die Bischöfe von Maur. 
Caes., aufser dem von Mina, durch die „dura belli necessitas^', d. h. 
die maurischen Invasionen, am Erscheinen verhindert seien.*) 

Auch in der äufseren Politik wandte sich Hilderich ganz von 
dem bisherigen Kurs, der Anlehnung an das Ostgotenreich, ab und 
schlofs sich eng an das byzantinische Beich an, wo der thatkräffcige 
NefiFe des alternden Kaisers Justin, Justinian, faktisch bereits das 
Scepter führte.^) Auch äufserlich kam dies zum Ausdruck, indem 
er Münzen mit dem Bilde Justins I. prägen liefs, also eine Ober- 
hoheit des byzantinischen Reiches anerkannte.^) Der Abfall von dem 
gotischen Bündnisse fand natürUch bei Amalafrida und ihrem Gefolge 
lebhaften Widerstand; wohl nicht ohne Grund wurde sie beschuldigt, 
gegen König und Beich der Wandalen konspiriert zu haben.®) Hilderich 
liefs infolgedessen die Goten sämtlich umbringen; Amalafrida, die zu 
den Mauren in die Wüste bei Gapsa geflohen war, wurde in den 
Kerker geworfen, wo sie bald darauf, wie man sagte, eines im- 
natürlichen Todes starb (wahrscheinlich 525).'^ Theoderich konnte 



1) Mansi 634. 651 E. Vgl. C. I. L. Vm p. 21. 

2) Die Stadt Bagai kann also erst nach dieser Zeit zerstört worden sein, 
vgl. Proc. n, 19 p. 494. 

3) Mansi 640 A. 

4) Die Yermntung, H. sei mit seiner Mutter nach Byzanz geflohen und 
habe dort längere Zeit gelebt, ist ganz unbegründet. 

6) Vgl. Friedländer, Münzen der Vandalen, S. 29 ff. 

6) Proc. b. V. 1,9 (p. 360): ineveynovrsg ocvtoig vsoatsgiisiv ig -üb Bavd£lovg 
Tiocl 'lidsQixov. Nach den Worten Athalarichs Cass. var. IX, 1: Si snccessio 
debebatnr alteri, nmnqnid femina in eo ambitu potuit inveniri scheint man 
der Königin vorgeworfen zu haben, dafs sie einen Sohn ans ihrer Ehe mit 
Trasamnnd auf den Thron habe bringen wollen. 

7) Proc. a. a. 0. Cass. var. a. a. 0.: Quis enim nesciat Amalafridam . . . 
violentum apud vos reperisse lucis occasum . . . Bestat ut naturalis eins fingator 
occasus. Vict. Tonm. setzt Amalafridas Tod in das Jahr 523, was sicher nicht 
richtig ist, da das Schreiben Athalarichs unter dem noch frischen Eindruck der 
Todesnachricht abgefafst ist. — Die Galagetici impetus bei Fulgentius Mitol. I, 
p. 4,16 (Helm) auf den Aufruhr der Goten zu beziehen, geht nicht an. 



Die Nachfolger Geisericjis bis znm Untergange des Eeiches. 123 

die ihm zugefügte Beleidigung nicht ungerächt hingehen lassen. 
Das Flottenwesen im Ostgotenreiche war bisher gänzlich yemach- 
lässigt worden, offenbar weil er auf die Unterstützung der Wandalen 
gerechnet hatte. Er gab daher Befehl, zunächst 1000 Schiffe neu 
zu bauen, und liels in allen Teilen des Reiches Freie imd Sklaven 
als Besatzungsmannschaften anwerben. Als Sammelpunkt wurde 
Ravenna bestimmt, als Termin der 13. Juni (526).^) Aber sein Tod, 
der am 30. August 526 erfolgte, verhinderte die Ausführung des 
Bachezuges, der den Wandalen wahrscheinlich verhängnisvoll geworden 
wäre. Theoderichs Enkel imd Nachfolger Athalarich oder vielmehr 
dessen Mutter Amalaswintha begnügte sich mit Vorwürfen; er forderte 
Hilderich auf, sich zu rechtfertigen, die Wahrheit der der Königin 
zur Last gelegten Vergehen nachzuweisen, und kündigte ihm, falls 
dies nicht geschehe, die Freundschaft. Bezeichnend ist es, dafs 
jetzt nicht mit Krieg gedroht, sondern nur der Himmel zur Bestrafung 
der Frevelthat angerufen wurde. 

War somit von den Ostgoten nichts zu fürchten, so drohte eine 
um so grofsere Gefahr von den Mauren. Das cäsareensische Maure- 
tanien, mit Ausnahme der Hauptstadt — das tingitanische war längst 
schon aufgegeben — ^ ebenso die sitifensische Provinz und das süd- 
liche Numidien^) scheinen nach dem Jahre 525 völlig in ihre Gewalt 
gekommen zu sein.^) Besonders verhängnisvoll in ihren weiteren 
Folgen aber war die Erhebung des schon erwähnten Antalas, der 
an der Spitze seines Stammes und verbündet mit der Völkerschaft 
der Naffur im südlichen Teile der Byzacena diese Provinz immer 
ärger heimsuchte imd schliefslich den herbeigeeilten wandalischen 
Truppen eine schwere Niederlage beibrachte. Die Einzelheiten des 
stattgefundenen Kampfes schildert ims anschaulich Corippus, der 
Dichter der Johannis EI, 198 — 261.*) Die auf einem ihrer Raubzüge 

1) Cass. var. V. 16 — 20, 23. Vgl. V, 16,8: Cum nostrum igittir animTun 
frequens cura pulsaret naves Italiae non habere, iind dazu Proc. b. Y. a. a. 0. 
Var. V. 17,8: Non habet quod nobis Graecus hnputet aut Afer insultet. 

2) Die Gegend zwischen Cirta und Gibba war unter Gelimer noch im 
wandalischen Besitz, wie die bei Henschir Koräiba gefandene Inschrift C. I. L. 
Vm, 10862 beweist. Ammaedara (Ha'idra) im Westen der Byzacena wird noch 
unter Hilderich erwähnt ibid. no. 10516 (v. J. 526/26). De Rossis Ergänzung 
der Inschrift 10706 aus Hr. Mertum am Ostabhange des Aures: tempore domini 
Hilderici regis ist sehr unsicher. 

3) Proc. b. V. n, 5, 10 (vdra^ov d\ ot MavQOvaioi nolXäg %axa BavdiXmv 
vUaq dvsXofiBvoi MavqixavCav ... ix raÖBiQoav (lixQi x&v Kataageiag oql<ov 
xsCvovaav xq;1 Aißvrjg xrjg aXXrig xä nXsiava ic%Qv). 20. Diehl a. a. 0. p. 35 f. 
und weiter unten. , 

4) Kurze Erwähnung bei Prok. I, 9. 



124 Drittes Buch. 

befindlichen Mauren sind in die Berge zurückgedrängt worden, wo 
sie sich in einem unzugänglichen Felsengebiete verschanzen. Das 
ihnen gegenüberstehende Heer leidet schwer an Durst und verläfst 
in völliger Auflösung seine Stellung, um an einem entfernten Flusse 
Wasser zu schöpfen. Die Feinde benutzen die eingetretene Un- 
ordnung und dringen in die Reihen der Wandalen ein; auf der 
Flucht, die durch das für die Reiterei — aus der auch jetzt wieder 
die wandalischen Truppen vorwiegend zusammengesetzt erscheinen — 
ungünstige gebirgige Terrain wesentlich erschwert wird, findet eine 
grofse Zahl derselben den Tod. Die Wandalen hatte ein Vetter 
Hilderichs, Oamer, sonst ein wackerer Kriegsmann, geführt; die an 
sich unwahrscheinliche Angabe des Corippus, dafs der König (der 
hier Hildimer genannt wird) selbst am Kriegszuge teilgenommen^ 
wird durch das Zeugnis Prokops (a. a. 0.) widerlegt. Die Niederlage 
brachte die schon längst bei der Mehrzahl der Wandalen bestehende 
Abneigung gegen den König zum vollen Ausbruch. Hilderich ward 
von dem geschlagenen Heere, bez. den Führern desselben abgesetzt, 
er selbst mit seinen Kindern, femer Oamer und dessen Bruder 
Oageis^) sowie der gröfste Teil ihrer Anhänger, zu denen natur- 
gemäfs der römische Adel gehörte — dafs der römerfreundliche 
König sich vorwiegend mit Angehörigen dieses Standes umgeben 
hatte, zeigt Prokop (b. V. H, 5: Apollinaris, vgl I, 17) — , wurden 
ins Gefängnis geworfen (19. Mai 530).*) 

Als König wurde nun der nächstberechtigte Thronerbe Grelimer*), 
ein Enkel Gentos und Geiserichs Urenkel, der wahrscheinlich an dem un- 
glücklichen Feldzuge teilgenommen hatte, ausgerufen. Die näheren Um- 



1) So nach der Anth. lat. ed. Riese no. 346, 369. Enagees bei Prok. Oageis 
scheint nach der Anth. neben Oamer einen hohen militärischen Posten bekleidet 
zu haben (falls nicht eine Verwechslung mit seinem Bruder vorliegt). 

2) Für die Bestimmung der Chronologie kommt namentlich in Frage der 
Laterculus § 15, nach dessen 2. Eezension Hilderich 7 Jahre 14 Tage, also bis 
zum 19. Mai 530 regierte. Auch Prok. giebi 7 Jahre an, Vict. Tonn. (a. 623, a) 
7 Jahre 3 Monate, die 1. Bez. des Laterc. dagegen 8 Jahre 8 Monate. Zu dem 
obigen Datum stimmt, dafs der Laterc. als das Ende des Wandalenreiches die 
Einnahme Karthagos, d. h. den Einzug in die Stadt am 14. (lies 16.) Sept. 638 
angiebt, während er die Regierungszeit Gelimers auf 3 Jahre 3 Monate beziffert 
(§ 17, 19). Daher wird auch die Gesamtdauer des Reiches auf 93 Jahre 
10 Monate 11 (richtig wäre 26) Tage berechnet; mit Unrecht will Mommsen 
93 in 94 ändern. Prok. (b. V. 11, 3) und Justinian (vgl. Neues Archiv V, 79), die 
96 Jahre angeben, rechnen bis zur Gefangennahme Gelimers (634). Es ist also 
falsch, wenn Vict. Tonn, und Malal. dessen Erhebung ins Jahr 631 setzen. 

3) Laterc: Geilamer und Gheilamir. Vict. Tonn.: Geilimer. Coripp.: 
Geilimer. CLL. Vm, 10862: Geilimer; ibid. 17412: Geilamir. 



Die Nachfolger Greisericha bis zum Untergange des Eeiches. 125 

stände, unter denen dieser Thronwechsel sich vollzogen, sind nicht ganz 
klar. Prokop erzählt (b. V. I, 9), Gelimer, ein kriegstüchtiger, aber 
herrschsüchtiger und hinterlistiger Mann, habe die vornehmen Wandalen 
überredet, ihm die Krone zu übertragen, weil der König unfähig sei, die 
Waffen zu führen, und von den Mauren eine Niederlage erlitten habe, 
auch weil derselbe das Beich an den byzantinischen Kaiser verraten 
wolle, wie eine kürzlich an diesen abgegangene Gesandtschaft 
beweise, um ihn, den Gelimer, nicht zur Regierung kommen zu 
lassen. Nach Malalas (XVIII, p. 459 B), dessen Zeugnis am wenigsten 
ins Gewicht fällt, hatte Gelimer die in Tripolis und die Byzacena 
eingefallenen Mauren, gegen die er geschickt worden war, geschlagen, 
sich mit denselben verbündet und nach seiner Rückkehr den Hilderich 
nebst Familie gefangen genommen, den (römischen) Adel (rovg 
övyxXrjtLTcovg) aber niedermachen lassen. Vict. Tonn. (a. 531) be- 
richtet, dafs Gelimer bei seiner Ankunft in Karthago die Herrschaft 
usurpierte, den König mit seinen Kindern (cum filiis) gefangen 
nehmen und den Asdingen Oamer nebst vielen Vornehmen töten 
liefs.^) Nach Corippus (Joh. 111,262 ff.) habe das von Antalas ge- 
schlagene Heer den altersschwachen König abgesetzt und das Scepter 
dem „wilden Tyrannen ^^ übertragen.^) Dafs die Persönlichkeit Gelimers 
bei dem Thronwechsel keine blofs passive Rolle gespielt hat, steht 
aufser allem Zweifel. Seine Eifersucht, die ihn zu der auch in dem 
Briefe an Justinian (vgl. unten) angedeuteten, wohl ganz grundlosen 
Anschuldigung veranlafste, Hilderich wolle ihn seines Anrechtes an 
den Thron berauben, kommt als wichtiges Moment hierbei in Frage, 
Wenn jedoch die byzantinischen Geschichtschreiber die Absetzung 
des Königs ausschliefslich auf die Thätigkeit des „Tyrannen", wie 
Gelimer allgemein bezeichnet wird, d. h. des illegitimen Usurpators, 
zurückzuführen suchen, so sind deren Angaben von vornherein mit 
einem gewissen Mifstrauen anzusehen, da sie begreiflicherweise sich 
ganz den von Justinian vertretenen Anschauungen anschliefsen.^) 



1) Die Ermordung derselben fällt, wie sich aus Prokop ergiebt, erst in 
die Zeit nach der Ankunft der Byzantiner, vgl. auch Vict. Tonn. a. 633 und unten. 

2) Hinc acies confracta redit regemque trementem, annorum fessum numero 
casumque paventem deicit et sceptrum saevo dedit inde tyranno. 

3) Vgl. noch Coripp. Joh. I, 308 f. : tyrannus Geilamir . . . perfidus. Jord. 
Get. 33,170: Quem (Hilderich) malo gentis suae Gelimer inmemor atavi prae- 
ceptorum de regno eiectum et interemptum tyrannide praesumpsit. Laterc. reg. 
Wand. § 17: Quo regnante adsumpta tyrannide Geilamer regnum eius invadit . . . 
(ebenda 2. Rezension: Gheilamir tyrannide adsumpta Hilderico regno pulso 
eiusque origine truncata dominatus est Afris.) 



126 Drittes Buch. 

Jedenfalls befand sich Gelimer im vollen Einverständnis mit seinem 
Volke, das einmütig, mit wenigen Ausnahmen, mit der bisher be- 
folgten Politik gegenüber den Katholiken und Bjzanz, der Zurück- 
drängung des wandalischen Elements beim Hofdienste sowie mit 
dem unkriegerischen, nach germanischer Anschauung mit dem Wesen 
des Königtums unvereinbaren Charakter Hilderichs unzufrieden war. 
Die ehrgeizigen Bestrebungen Gelimers und der Yolkswille kamen 
einander entgegen. Von einer Spaltung der Wandalen in zwei grofse 
Parteien findet sich keine Spur; wären die Anhänger Hilderichs unter 
ihnen bedeutend an Zahl gewesen, so würde der Zwiespalt sich 
später geltend gemacht haben. Geschlossen steht viehnehr das Volk 
zusammen, als Belisar an dasselbe die Aufforderung ergehen lälst, 
sich von dem neuen Herrscher abzuwenden (vgl. weiter unten). Wir 
dürfen also mit Fug in jenen Vorgängen einen nationalgermanischen 
Akt erblicken, der zwar rechtlich unzulässig war, aber durch die 
Verhältnisse, deren Fortdauer die selbständige Existenz des Staates 
bedrohte, geboten erschien. 

Dem byzantinischen Kaiser, der jedenfalls schon seit länger 
seinen später deutlich ausgesprochenen Plan, alle zum alten 
römischen Reiche gehörenden Gebiete unter seinem Scepter 
zu vereinigen^), im Sinne hatte, kamen diese Ereignisse äulserst 
erwünscht. Wie nachher als Rächer der Amalaswintha, so gerierte 
er sich jetzt als der berufene Schützer der Rechte des abgesetzten 
Königs. Ob dieser direkt seine Hilfe angerufen, wie Malalas erzählt, 
mufs dahingestellt bleiben.*) Die Form der Gesetzmäfsigkeit, in 
die Justinian zunächst sein Auftreten kleidete, ist für den Urheber 
der berühmten Gesetzsammlung charakteristisch. Er forderte Gelimer 
in durchaus gemäfsigter Sprache auf, das Hausgesetz Geiserichs nicht 
offen zu verletzen, sondern sich mit der thatsächlichen Ausübung 
der Herrschergewalt zu begnügen und den alten König, dessen Tod 
ja sowieso bald zu erwarten sei, als Schattenkönig in seiner Stellung 
zu belassen. Der Kaiser wird natürlich genau gewuTst haben, data 
sein Vorschlag bei der herrschenden antibyzantinischen Stimmung 
erfolglos bleiben würde, und Gelimer würdigte ihn in der That auch 



1) Novell. Just. 30,11,2: utque bonas spes habeamus fore ut etiam reli- 
quorom imperimn nobis deus adnuat, quae veteres Romani nsque ad fines 
ntrinsque oceani snbacta deinceps socordia sua amiseront. 

2) Die Bemerkung derselben Quelle, Grelimer habe seinen Regierungsantritt 
dem Kaiser durch eine Gesandtschaft angezeigt, diese aber sei zurückgewiesen 
worden, ist natürlich ganz von der Hand zu weisen. 



Die Nachfolger Geisericlis bis znm Untergänge des Reiches. 127 

keiner Antwort, sondern liefs vielmehr den Oamer blenden^), den 
Hilderich und Oageis aber noch strenger bewachen, unter dem Vor- 
geben, dafs sie Flucht nach Byzanz beabsichtigten. Wenn Justinian 
hierauf nicht sofort den Krieg erklarte, so geschah dies nur deshalb, 
weil sein Heer im Orient gegen die Perser kämpfte. Um Zeit zu 
gewinnen, schrieb er noch einmal an den Wandalenkönig: dieser 
möge die unrechtmäfsig erworbene Herrschaft behalten, solle aber 
die Gefangenen zu ihm senden: „Wenn du dich weigerst, werden 
wir dies nicht ruhig hinnehmen; denn uns verpflichtet ihr Vertrauen 
auf unsere Freundschaft zum Handeln. Der mit Greiserich geschlossene 
Vertrag wird uns daran nicht hindern; wir wollen seinen legitimen 
Nachfolger nicht bekriegen, sondern nach Möglichkeit rächen.*^ Die 
Absicht des Kaisers, die Person des gestürzten Herrschers in seine 
Gewalt zu bekommen, um sie beim Eintritt gelegener Verhältnisse 
als Vorwand zur bewafiheten Einmischung zu benutzen, lag klar 
zu Tage; Gelimer weigerte sich daher auch, diese Zumutung zu 
erfaUen. In stolzer, seines grofsen Ahnen würdiger Sprache schrieb 
er: „König Gelimer an Kaiser Justinian".*) Er betonte die Gesetz- 
mälsigkeit seiner Succession. Hilderich sei vom Volk der Wandalen 
abgesetzt, weil derselbe gegen Geiserichs Haus Schlimmes im Schilde 
geführt — Änderung der Thronfolge zu Ungunsten Gelimers — , er 
selbst aber gemäfs seines Alters zur Herrschaft gelangt. Justinian 
möge sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern; einem 
etwaigen Angriffe von seiner Seite werde er mit aller Energie ent- 
gegentreten.^) Der Kaiser war nunmehr fest entschlossen, sogleich 
die Waffen entscheiden zu lassen, und schritt zunächst zur Beendigimg 
des gegen die Perser begonnenen Erieges. Im Jahre 532 wurde mit 
den letzteren Frieden geschlossen. 

Die gegen das Wandalenreich gerichteten Pläne fanden jedoch 
im Kronrat, dem Justinian dieselben zur Begutachtung vorlegte, 
keine Zustimmung; man erinnerte daran, dafs es an Geld fehle und 



1) Nach Vict. Tonn. a. 531 wäre Oamer gleich zu Anfang getötet worden, 
was falsch ist. 0. starb etwa 532 im Gefängnis, wohl eines natürlichen Todes. 

2) ßaaiX8vg FslifiBg ' lovativiccvm ßaatXet. Prok. I, 9. Dafs sich Grelimer 
in der Titulatur absichtlich dem Kaiser gleichgestellt, folgt hieraus noch nicht, 
da Prok. auch sonst far König und Kaiser denselben Ausdruck gebraucht 
(Bavd^Xmv etc., ßccaiXsvg I, 24, vgl. I, 9: ßaailhCa), Allerdings kommt ßaaiXsvg 
im allgemeinen nur dem Kaiser zu, vgl. Prok. b. G. I, 1. Mommsen, Neues 
Archiv XTV, 641. 

3) Prok. I, 9. Wenn auch die Form der mitgeteilten Briefe nicht streng 
historisch sein mag, inhaltlich sind dieselben jedenfalls durchaus glaubwürdig. 



128 Drittes Buch. 

daXs den Byzantinern leicht dasselbe Schicksal bereitet werden könne^ 
wie einst dem Basiliskus unter Kaiser Leo durch Geiserich. Wie 
gefürchtet die Seemacht der Wandalen war^ zeigte namentlich die 
Stimmung im Heere; Generale wie Soldaten gerieten in Schrecken^ 
dafs sie sogleich nach Beendigung der beschwerlichen persischen 
Expedition wieder in den ungewissen Kampf gegen ein mächtiges 
und berühmtes Beich jenseits des Meeres geschickt werden sollten. 
Den obwaltenden Bedenken wufste namentlich der praefectus prae- 
torio Johannes der Kappadokier^ der für die Beschaffung der Mittel 
verantwortlich war, energischen Ausdruck zu verleihen. Nur die 
grofse Masse der hauptstädtischen Bevölkerung, die nichts zu riskieren 
hatte, war mit der in Aussicht stehenden Unternehmung einverstanden. 
Justinian war schon geneigt, ganz davon abzustehen, da machte sich 
ein bisher in den Hintergrund getretenes Moment geltend, das für 
seine Pläne einen weiteren willkommenen Yorwand abgab, das 
religiöse: die gottgefällige Bekämpfung des Arianismus. Ein orien- 
talischer Bischof erschieu am Hofe und erklärte, Gott selbst habe 
ihm in einem Traume befohlen, dem Kaiser Vorwürfe wegen seiner 
IJnentschlossenheit zu machen und demselben mitzuteilen, dafs er 
auf die Unterstützung des Himmels rechnen dürfe, wenn er zur Be- 
freiung der Christen in Afrika von der Herrschaft des Tyrannen 
ausziehen würde. So Prokop (I, 10); nach Vict. Tonn. a. 534, i soll 
der als Märtyrer gestorbene Bischof Laetus den Kaiser in eiaer 
Traumerscheinung zum Kriege bestimmt haben. ^) Wie dem auch 
sei, es unterliegt jedenfalls keinem Zweifel, dafs die katholischen 
Geistlichen überhaupt, insbesondere aber natürlich die afrikanischen, 
die von dem Thronwechsel das Schlimmste für sich befürchten 
mufsten, alle Hebel ia Bewegung gesetzt haben, eine kriegerische 
Intervention zu Gunsten ihres Glaubens herbeizuführen. 

Durch diese Einflüsse, die durch die Bemühungen der nach 
Byzanz entkommenen römischen Adligen wesentlich unterstützt 
wurden^, wurde Justinian völlig umgestimmt. Die Büstungen 
wurden jetzt energisch betrieben. Belisar, vorher Oberbefehlshaber 
im Perserkrieg, der noch vor dem Friedensschlufs abberufen worden 

• 

1) Die Einzelheiten der Prokopschen Erzählung unterliegen allerdings be- 
gründeten Bedenken, vgl. Braun, Die Nachahmung Herodots durch Prokop 
(1894) S. 46. 

2) Vgl. dazu Prokop n, 5 und die von diesem unabhängige syrische 
Kompilation ausd.J. 570, die unter dem Titel: ,,Die sogenaimteEirchengeschichte 
des Zacharias Bhetor^^ von Ahrens und Erüger, Leipzig 1899, herausgegeben 
worden ist (IX, 17 p. 205). 



Die Nachfolger Geiserichs bis ziun Untergange des Reiches. 129 

war, weil er sich als nicht fähig erwiesen hajite, wurde an die' Spitze 
der Expedition mit unbeschränkter Vollmacht gestellt^), wahrschein- 
lich als Belohnung seiner dem Kaiser gegenüber an den Tag gelegten 
TrQue anläfslich des Nikaaufstandes in Byzanz zu Anfang des Jahres 
532. Sehr zu statten kam dem Kaiser, dafs die Ostgotenkönigin 
Amalaswintha sich von vornherein auf seine Seite stellte und dem 
Heere die Lieferung von Proviant und von Pferden auf Sizilien in 
Aussicht stellte; in dem Bestreben, sich mit Byzanz gut zu stellen, 
hatte sie auch dem Wandalenkönig die Anerkennung verweigert.^) 
Eine wichtige Unterstützung kam den Byzantinern sodann aus dem 
Wandalenreiche selbst. Auf die Kimde von den Kxiegsvorbereitungen 
erbat ein vornehmer Römer Pudentius in Tripolis militärische Hilfe 
und nahm nach Eintreffen einer kleinen Truppenabteilung imter 
Tattimuth die ganze Provinz, in der sich kein einziger wandalischer 
Krieger befand, ohne die geringste Schwierigkeit für den Kaiser in 
Besitz. Zur gleichen Zeit fiel auch der Statthalter von Sardinien, 
Godas, ein Gote von Abstammung, von der Sache der Wandalen 
ab. Dieser, bisher ein treuer Anhänger Gelimers, trug sich mit dem 
Gedanken, eine selbständige Herrschaft zu begründen; er nahm den 
Königstitel an, umgab sich mit einer Leibwache und suchte nun bei 
Justinian, als er von dessen Absichten hörte, um Zusendung 
von Truppen nach, um sich behaupten zu können. Nach Prokop 
soll er nach Byzanz geschrieben haben, er sei von seinem Herrn 
abgefallen, weil dieser grausam gegen seine Verwandten und Unter- 
thanen vorgegangen sei; er wolle lieber einem geirechten Kaiser als 
einem ungerechten Tyrannen dienen. Aber die Echtheit des Briefes 
unterliegt mancherlei Bedenken; derselbe verrät zu sehr byzantinische 
Anschauung, als dsSs man ihn als authentisch ansehen könnte. 
Justinian sagte natürlich mit Freuden die gewünschte Hilfe zu und 
bestimmte ein Korps von 400 Mann, das unter Cyrülus nach Sardinien 
abgehen soUte^); freilich war dies nicht ganz im Sinne des Godas, 
der blofs Soldaten, aber begreiflicherweise nicht auch einen kaiser- 
lichen Befehlshaber auf der Insel zu haben wünschte. 

Im Juni 533 waren die Rüstungen in Byzanz voUendet. Die 
aufgebotene Armee zählte 10000 Mann Infanterie unter Johannes 



1) Prok.b.V.I, 11. 2) Prok.b.V.I, 14, MalaLXVHI p. 459. 

3) Die Truppen nach Tripolis scheinen vor der Abfahrt des Hauptheeres 
abgegangen zu sein. Das für Sardinien bestimmte Korps fahr dagegen mit 
diesem nach Sizilien, wie sich aus der Darstellung Prokops ergiebt (b. Y. I, 11 
p. 368,^16. 369,12). 

Schmidt, Wandalen. 9 



130 Drittes Buch. 

BXLH Epidamnus und ca. 5000 Matin Kavallerie. Die letztere settte 
sich zusammen aus sogenannten Föderaten^ d. h. von spekulative 
Condottieren für den Reichsdienst angeworbetien La&dsknechtshfiufbn^ 
unter 9 Anführern, ca. 8600 Mann, sowie aus 4 vom Staate auf- 
gestellten Schwadronen (numeri) ca. 1600 Mann. Dazu kamen die 
5000 Mann zählenden Gefolgsleute Belisars^ die Doryphoren und 
Hypaspisten, sonst aAich bucellarii genannt, sowie 400 Heruler Unter 
Fara und 600 Hunnen (Massageten) unter 2 Anführern als Bundes- 
genossen (^viifiaxot), also im ganzen ca. 21 000 Mann. Die Foderaten 
setzten sich zusammen aus leichten Reitern, die übrige Kavallerie, 
namentlich Belisars Gefolgschaft;, ftus Panzerreitem. Die Massi^eteü 
(ob auch die Heruler, ist nicht klar) waren berittene Bogenschützen.^) 
Die Flotte bestand aus 500 von Kalonymus befehligten Transport- 
schiffen mit einen Gehalt von 3000 — 50000 Medimnen und war 
bemannt mit 20000 ägyptischen, ionischen und kilikischen Seeleuten, 
femer aus 92 einrudrigen Kriegsschiffen (Drömonen), besetzt mit 
2000 (?) Byzantinern, die zugleich als Ruderer und Soldaten dienten.^ 
Als Eriegszahlmeister fungierte Archelaus, der zum praefectuli 
praetorio Afrikas designiert war, als Domesticus des Oberbefehls- 
habers der Eunuche Solomon, als Zahlmeister (optio) für die G«rde 
Belisars Johannes der Armenier, der später unter den Offizieren eine 
besonders hervorragende Stelle einnahm: derselbe führte in det 
Schlacht bei Tricamarum das Mitteltreffen und trug die Feldherrü- 
Standarte. Zu den Begleitern Belisars gehörte auch der Geschieht^ 
Schreiber Prokop, der seit dem Jahre 527 das Amt eines Geheim- 
schreibers (Assessors) bei diesem innehatte.*) 

Nachdem der Patriarch von Byzanz den Segen des Himmek 
für das Gott wohlgefällige Unternehmen erfleht, ging die Abfahrt 

1) Prok. b. V. I, 11. n, 3. 7. tJber die Stellung der Föderaten und 
Bnoellarier vgl. bes. Benjamin, De Justiniani imperatoris aetate qnaestiones 
militares. Berol. 1892. Seeck in der Zeitschrift der Savignystiftong Glerm. 
Abt. XVn (1896), 97 ff. und bei Pauly-Wissowa, Realencykl. HI, 934 ff. Di« 
Starke des Gefolges Belisars ergibt sich aus Prok. n, 7: zotsovzov ^v xb tm9 
innkoüv nXijd'oc: tmv BsXi^aQ^co sTttöicofiivoav, Prok. I, 17. 19 fflhren gleichzeitig 
Johannes und Uliaris 300 und 800 Hypaspisten, während Belisar noch eine 
bedeutende Schar um sich hatte; im Gotenkrieg zählte die Garde 7000 MaxuL 

2) Es sind die von Leo, Tactica XIX, 10 (9. Jahrh.) beschriebenen 
kleineren Drömonen. Die gröfseren Drömonen hatten eine Bemannung von 
200, die mittleren eine solche von -100 -Köpfen; beide Schiffsklassen hatten 
2 Euderlinien. Die Zahl der Mannschaft der kleineren, nur mit einer Buder- 
linie versehenen Drömonen ist nicht angegeben, wahrscheinlich betrag si« 
60 Mann. Die obige Zahl würde also in 4600 zu emendieren sein. 

3) Vgl.Haury, Zur Beurteilung des Geschichtschreibers Procopius (1896) S.20. 



Die Nachfolger Geiserichs bis ztun Untergange des Reiches. 1^1 

disr Schiffe von statten (Ende Juni; ,^um die Zeit der Sommersoiinen- 
Wende'^). Wenn wir bedenken, dkfs man übbr die Stärke und Be- 
schaffenheit der wandalischen Streitkräfte völlig im unklaren war ütLd 
diese ; namentlich aber die Flotte für sehr bedeutend hielt ^)^ so mÜi^ 
man die Expedition als ein ziemUch gewagtes unternehmen bezeichnen. 
Diese völlige Unkenntnis der Byzantiner muGs um so mehr wunder- 
nehmen^ als man doch annehmen sollte^ däfs die von Karthago ent- 
flohenen vornehmen Römer infolge ihrer früheren Stellung am Hofb 
des Königs Hilderich in der Lage geweseh wären ^ näheres über die 
wahren Machtverhältnisse des anzugreifenden Reiches mitzuteilbn. 
Wie mangelhaft es mit der byzantinischen Marine bestellt war, lehrt 
der ganze Verlauf der Reise sowie die Erzählung ^)y Belisar habe, 
um einer Zerstreuung der Schiffe vorzubeugen, durch Anstreichen der 
Segel mit roter Farbe, des Nachts aber durch Aufhängen vöh 
Laternen an den drei an der Spitze laufenden Fahrzeugen, auf dehen 
er sich nebst seinem Gefolge befand, den Steuerleuten die ein- 
zuschlagende Richtung bezeichnen lassen. Also: das Admiralschiff 
war ein Schiff wie die anderen auch, weder durch seine Gröfse noch 
durch stärkere Armierung vor den übrigen ausgezeichnet. Allgemein 
wurde denn auch diese Schwäche zur See deutlich empfanden; einen 
Kampf zu Lande scheute man dagegen nicht so sehr, obwohl, wie 
sich später so oft zeigte, die Truppen mit Ausnahme der Garde 
Belisars durchaus unzuverlässig waren, namentlich in Bezug auf 
Disziplin fast alles zu wünschen übrig Kefsen. Dafs die wandalische 
Feldarmee nicht unüberwindlich war, hatten die wiederholten Kämpfe 
mit den Mauren gezeigt, und man durfte bei der Überlegenheit der 
römischen Strategie und Bewaffiiung mit grofser Wahrscheinlichkeit 
auf Erfolg hoffen. 

hx langsamem Tempo ging die Fahrt über Perinth — 
hier wurden die vom Kaiser dem Oberbefehlshaber geschenkteh 
Pferde aufgenommen — , Abydüs, Sigeum, Malea, Tänarum nach 
Methone, wo man die unter Valerianus und Martinus voraus- 
geschickten Truppen einschiffte. An demselben Orte wurde auch der 
Brotvorrat ergänzt, der durch die Sparsamkeit des Präfekten Johannes 
völlig verdorben war, was den Tod von gegen 500 Soldaten zur 
Folge hatte. Von Methone segelten die Byzantiner nach dem Hafen 
von Zakynthus, um von da nach Sizilien überzusetzen. Die Über- 
fahrt nahm volle 15 Tage in Anspruch, da plötzlich Windstille 



1) Vgl. weiter unten. 2) Prok.b.V.I, 13. 

9 



J32 Drittes Buch. 

eintrat und die Schiffe auf dem offenen Meere festhielt. Dazu ent- 
stand eine neue Schwierigkeit^ indem das mitgenommene Trinkwasser 
infolge mangelhafter Aufbewahrung in Fäulnis überging. Erst am 
16. Tage vermochte die Flotte die Landung in Sizilien in der Nahe 
des Ätna zu bewerkstelligen. Durch das Entgegenkommen der 
Amalaswintha war Belisar in den Stand gesetzt^ hier die für den 
Krieg in Afrika nötigen Lebensmittel und Pferde einzukaufen^); aber 
trotz des bisherigen verhältnismäXsig günstigen Verlaufes der 
Expedition war der Feldherr wegen der Zukunft in grofser Besorgnis. 
Er fürchtete, da von den Feinden keine Spur zu erblicken war, 
in einen Hinterhalt zu geraten; namentlich beunruhigte ihn das Ver- 
halten seiner Soldaten, die offen erklärten, dafs sie nur zu Lande 
kämpfen, bei einem feindlichen Angriffe zur See aber sofort die 
Flucht ergreifen würden. Erst als Prokop in Syrakus Erkundigungen 
eingezogen und von einem soeben dort aus Karthago eingetroffenen 
Sklaven erfahren hatte, dafs die Wandalen von den Bewegungen 
der Byzantiner keine Kenntnis hätten, dafs kurz vorher ihre besten 
Truppen nach Sardinien abgegangen seien und der König, ohne an 
den Schutz der Küstenplätze zu denken, ahnungslos in Hermiane^ 
in der Byzacena vier Tagereisen vom Meere entfernt weile, ging die 
Flotte von Caucana (Catania?) aus nach Afrika in Segel. ^) 

Ganz der Wahrheit entsprach diese Erkundigung freilich nicht. 
Es ist nach Lage der Dinge völlig ausgeschlossen, dafs Gelimer von 
der Annäherung der byzantinischen Flotte ohne Nachricht geblieben 
sei. Aber wie v. Pflugk-Harttung richtig vermutet*), war er wahr- 
scheinlich der Meinung, dafs ein Angriff auf Afrika erst in der 
kühleren Jahreszeit zu erwarten und zunächst die Besetzung der 
wandalischen Liseln im Mittelmeer, Sardinien, Korsika und der 
Balearen in Aussicht genommen sei. So erklärt es sich, dafs er die 
bedeutende Streitmacht von 5000 Mann Kemtruppen auf 120 schnell- 
segelnden Schiffen unter den Befehlen seines Bruders Tzazo nach 
Sardinien abgehen liefs. Durch diese Unvorsichtigkeit hatte der 
König die Verteidigungsmittel Afrikas wesentlich geschwächt. Weitere 
Kriegsschiffe zur Küstenverteidigung standen ihm offenbar nicht zur 
Verfügung; denn der Bote, den er später zu Tzazo nach Sardinien 
sandte, benutzte ein Handelsschiff (Prok. I, 25). Die in Afrika zu- 
rückgebliebenen Truppen waren, wie sich aus mehreren Stellen 

1) Prok.b.V.1, 14. b.G.I, 3. 

2) Vgl. dazu Diehl p. 14. 3) Prok. b. V. I, 14. 
4) Eist. Zeitsch. 61 , S. 82. 



Die Nachfolger Geisericlis bis ztun Untergänge des Reiches. 133 

Prokops ergiebt, durchweg von geringer Qualität. Auch ihre Zahl 
kann nicht sehr bedeutend gewesen sein; denn man wird kaum fehl- 
gehen, wenn man die waffenfähigen Mannschaften der Wandalen 
überhaupt in jener Zeit auf höchstens 12 — 15000 Mann veranschlagt 
(vgl. dazu weiter unten). Die Befestigungen der Hauptstadt Karthago, 
die Geiserich mit Recht als das wichtigste Bollwerk seiner Macht 
angesehen, ohne deren Besitz eine Behauptung Afrikas unmöglich 
war, wie sich schon früher gezeigt hatte, waren seit längerer Zeit 
verfallen^), und nicht einmal der Versuch wurde jetzt gemacht, die- 
selben wieder in stand zu setzen. Die Sperrung des Hafens durch 
Ketten^) gegen die feindliche Flotte konnte dafür natürlich keinen Er- 
satz bieten. Erst später, als Gelimer als Gefangener in die von 
Belisar neu armierte Stadt einzog, kam ihm die Erkenntnis, eine 
wie grofse Nachlässigkeit er sich damals hatte zu schulden kommen 
lassen.^) 

Wie gering der König die von den Byzantinern drohende Gefahr 
für Afrika schätzte, zeigt auch der Umstand, dafe er, wie es scheint, 
unter Zurücklassung eines Korps unter den Befehlen seines Bruders 
Ammatas in Karthago den wahrscheinlich schon früher begonnenen 
Feldzug gegen die Mauren in der Byzacena ruhig fortsetzte. Diese 
hatten seit dem Siege des Antalas über das Heer Hilderichs (530) 
ihre Raubzüge immer weiter ausgedehnt; zu Anfang des Jahres 533 
scheint fast die ganze Provinz bis an die Meeresküste in ihrer Ge- 
walt gewesen zu sein. Die Lebensbeschreibung des Fulgentius erzählt 
(c. 30), dafs nach dem Tode des Heiligen (1. Januar 533)*) das Gebiet 
von Buspe (jetzt Sbia) von ihnen völlig verwüstet wurde. Die 
Städte waren ja den Barbaren hilflos preisgegeben, da Geiserich alle 
Mauern hatte zerstören lassen. Nur Hadrumetum und SuUectum 
vermochten sich zu halten; die Einwohner waren hier zur Selbsthilfe 
geschritten und hatten notdürftige Schutzwehren errichtet. Dafs 
GeUmer während der Landung der Byzantiner in Afrika mit dem 
Krieg gegen die Mauren in der Wüste beschäftigt gewesen, berichtet 
die Kirchengeschichte des Zacharias (vgl, oben), und wir haben 
keinen Grund, diese Nachricht anzuzweifeln; so erklärt sich auch die 
Erzählung bei Prokop von dem damaligen Aufenthalte des Königs 
in Hermiane. 

Inzwischen fuhr die griechische Flotte bei den Inseln Gozzo und 
Malta vorbei und wurde von einem Ostwind an die afrikanische 

1) Prok.b.V.I, 21. 2) Ebenda I, 20. 3) Ebenda I, 23. 
4) Vgl. Hasenstab, Studien zn Ennodins S.32. 



134 Pritteß Bncli. 

t. • ■ 

• 

Kt^ßte beim Vorgebirge Caput Vp^da (Eas Kaboudia)^) getrieben 
(^nfjong September 533). In einem von Belisar zusammengerufenen 
Krie^srat vertrat Archelaus die Ansicht^ dafs man sofort weitersegeln 
ui]^d Karthago ^greifen müsse; doch wurde dem Antrag des Ober- 
befehlshabers gemäXs beschlossen^ die Truppen auszuschiffen und der 
K^ßte entlang yon der Flotte begleitet nach der Hauptstadt zu 
marschieren. Die Besorgnis vor einem Angriffe der wandalischen 
Flotte sowie vor einem mögUcherweise ausbrechenden Sturm gab 
den Ausschlag. Zugleich hoffte auch Belisar während des Marsches 
mit der römischen Bevölkerung in Beziehung treten und diese für 
den £aiser gewinnen zu können. Allenthalben wurde verkündet, 
dals die Byzantiner als Befreier kämen und nur mit den Wandalen 
]^eg führten. Belis^ bestrafte daher unnachsichtlich alle Übergriffe, 
die sich seine Soldaten gegenüber Pei^son imd Besitz der Einwohner 
zu schulden kommen liefsen, imd bewirkte dadurch, dals diese ihm 
nichts in den Weg legten und bereitwillig die nötigen Lebensmittel 
lieferten. Von einer allseitig freudigen Au&ahme scheint jedoch 
keine Bede gewesen zu sein, tn der Hauptsache waren es doch nur 
der Adel und die Geistlichkeit, die für die Ankunft der Byzantiner 
ein wesentliches Interesse hegten, wahrend die übrigen Yolksklassen 
derselben im günstigsten Falle gleicbgiltig gegenüberstanden, da sie 
eine Verbesserung ihrer materiellen Lage nicht erwarten durften. 
Wie wenig man der Stimmung der Bevölkerung traute, zeigt das 
Verfahren bei der Besetzung von Sullectum (Salecta), der ersten 
Stadt, die nach der Landung in Afrika erreicht wurde. Eine voraus- 
geschickte Abteilung Hypaspisten legte sich des Nachts in der Nähe 
in einen Hinterhalt, drang beim Morgengrauen zugleich mit hinein- 
fahrenden Bauemwagen in den Ort ein und besetzte denselben. In 
einer nun zusammenberufenen, aus dem Bischof und den Vomehnoisten 
bestehenden Versammlung wurde die Proklamation Belisars verlesen, 
worauf die Schlüssel zu den Eingängen abgeliefert wurden. Hier 
fiel den Byzantinern das gesamte Inventar der königlichen Post- 
anstalt in die Hände; einem aufgegriffenen Kurier schenkte Belisar 
die Freiheit, indem er denselben beauftragte, eine Proklanaation 
Justinians unter dem wandalischen Adel zu verbreiten, worin dieser 
aufgefordert wurde, die Sache des „Tyrannen" zu verlassen. Die 
Hoffnung, hierdurch Zwietracht unter den Wandalen selbst zu erregen, 



1) Coripp.Joh.I, 369. Vgl.Tissot Geogr.II, 181 pl.X. Später wurde hier 
die Stadt Jnstinianopolis erbant. 



Die Nachfolger Geiseric]}^ bis z^xm Untergange des Beiclies. ].3Ö 

erwies siek freilich als trügeirisdi; der Bote wagte^ offenbar in Bück- 
sichjb a^f die herrschende Stimiaungy das kaiserliche Schreiben nur 
einigen seilet Freunde zu zeigen und erzielte damit auch bei diesen 
einen kaum nennenswerten Erfolg. Gegenüber den unerfreulichen 
Verhältnissen im sinkenden Ostgotenreiehe mufe das feste Zusammen- 
stehen des wandalischen Volkes einen besonders günstigen Eindruck 
machen. 

Der Weitermai:sch vollzog sich nun in folgender Weise : 
die Vorhut bildeten 300 Hypaspisten unter dem Befehle des Zahl- 
meisters Johannes^ zur Deckung der linken Flanke waren die 600 
Hunnen kommandiert^ während auf der rechten Seite das Heer mit 
der im gleichen Tempo dahinsegeLa^den Flotte (jedes Schiff war mit 
5 Bogenschützen zur Bewachung besetzt) in Fühlung blieb. In der 
Nachhut befand sich Belisar selbst mit den besten Truppen^ weil er 
einen Angriff Gelimers auf dieser Seite befürchtete. Wahrscheinlich 
infolge der Hitze kam man nur langsam vorwärts; es wurden täglich 
ungefähr blofs 80 Stadien^ d.i. ca. 17 km^ zurückgelegt. Nachtquartier 
wurde entweder in einer Stadt oder in einem wohlbefestigten Lager 
genommen, um vor unUebsamen Überraschungen gesichert zu sein. 
Die Städte Leptis minor und Hadrumetum berührend erreichte man 
das durch seine Orangenhaine ausgezeichnete königliehe Lustschlofs 
Grasse (Sidi Ehalifa); etwa 150 km, also ca. 9 Tagemärsche, von 
Caput Vada und 350 Stadien (74 km) von Karthago entfernt.^) 

Inzwischen war Gelimer keineswegs unthätig geblieben. Zunächst 
hatte er kurz vor der Landung der Byzantiner Gesandte an den 
Westgotenkönig Theudis nach Spanien geschickt, um von diesem 
Unterstützung zu erbitten.*) Femer erteilte er seinem Bruder Am- 
matas in Karthago Befehl, den König Hilderich (jedoch nicht dessen 
Kinder) mit seinem hauptsächlich aus römischen Adligen bestehenden 
Anhang im Gefängnis zu töten ^), um einer Erhebung zu deren Gunsten 
vorzubeugen, und liefs die in der Hauptstadt anwesenden byzanti- 
nischen Kaufleute, die beschuldigt wurden , mit dem Kaiser geheime 
Beziehungen zu unterhalten, in Haft nehmen.^) Da& er den Ernst 

1) VgLTissot n, 116. 

2) Prok. b.V. I, 24. 

3) Prok. I, 17. Vict. Tonn. a. 533 (die Hinrichtung der Adligen wird hier 
zum ' zweiten Male berichtet, nachdem schon zum J. 631 davon die Bede ge- 
wesen). 534. Der zahlreichen damals stattgefundenen Yermögenskonfiskationen, 
womit der Kanzler Bonifatins beauftragt war, wird auch von Luxorius, Anth. 
lat. no. 341. 342 gedacht; Bonifatius heifst hier ins Griechische übersetzt Eutychus 

4) Prok. I, 20. . 



136 Drittes Bnch* 

der Lage wohl erkannte^ zeigt der Umstand^ dafs er seinen Schatz 
in einem Schnellsegler im Hafen von Hippo regius unterbringen lielis 
und seinen Kanzler Bonifatius beauftragte^ im Falle einer unglück- 
lichen Wendung des Krieges nach Spanien zu fahren, wohin er sich 
ebenfalls zu retten gedachte (Prok. II, 4). Er folgte nun mit seinen 
Kriegern den dahinziehenden feindlichen Truppen, ohne dieselben an- 
zugreifen. Es geschah dies in wohlerwogener Absicht. Sein Plan 
ging dahin, die Byzantiner bis nach Decimum (ad decimum miliare, 
70 Stadien oder 15 km von Karthago), auf der Südseite des Sees 
von Tunis, wo die Strafse zwischen Hügeln (Megrine und Sidi-Fathal- 
lah) hindurchfuhrte^), ziehen zu lassen; hier sollte sie Ammatas von 
vom, eine Heeresabteilung von 2000 Mann unter Gibamund in der 
linken Flanke fassen, während der König selbst mit der Hauptmacht 
gleichzeitig im Bücken angreifen wollte. Es wurde dabei jedenfalls 
der Umstand mit in Rechnung gezogen, dafs in dieser Gegend von 
einer Unterstützung durch die byzantinische Flotte, die von Grasse 
ab überhaupt aufser Fühlung mit dem Landheer kam, da sie wegen 
der in das promunturium Mercurii auslaufenden Halbinsel einen weiten 
Umweg machen mufste, keine Rede sein konnte. Gelimer mufs sehr 
wohl erkannt haben, dafs er mit seinen wenig zahlreichen, leicht- 
bewaffneten Truppen den wohlgerüsteten Byzantinern auf andere Weise 
nicht beikommen konnte. Wie fest die Wandalen an den Erfolg des 
Planes glaubten, zeigt die Thatsache, dafs sie an dem Tage des er- 
warteten siegreichen Einzuges in der Hauptstadt für Gelimer ein 
festliches Mahl in der karthagischen Königsburg hergerichtet hatten.') 
Ohne eine Ahnung von den Absichten des Feindes zu haben, 
langte Belisar nach einem viertägigen Marsche in der Nähe von De- 
cimum an und schlug in einer Entfernung von ca. 7 km von diesem 
Punkte (bei Darbet es-Sif) ein befestigtes Lager auf. Hier liels er 
die Infanterie zurück, wahrend er selbst mit der Reiterei weiter vor- 
rückte, um mit den Wandalen Fühlung zu erhalten und deren Starke 
erkunden zu können. Wahrscheinlich war er über das Schicksal der 
Vorhut unter Johannes und der zur Deckung der linken Flanke 
kommandierten Hunnen, von denen er ohne Nachricht blieb, in Be- 
sorgnis. Offenbar hegte er jetzt die Ansicht, dafs Gelimer mit der 
Hauptmacht vor ihm sei, während er früher mit Recht das Gegenteil 
angenommen hatte (vgl. oben). Wurden seine Reiter geschlagen, so 

1) Nicht bei El-Ariana, vgl. Tissot 11 , 120 n. pl. Vm. Atlas arch^ologique 
de la Tunisie pl. XX. 

2) Prok. I, 21. 



Die Nachfolger Geisericlis bis zum Untergange des Reiches. 137 

konnten sie im Lager Schutz suchen und sich wieder sammehi. Doch 
die Rechnung stimmte nicht, und es war lediglich das Ungeschick 
der Wandalen, das die Byzantiner vor dem Untergänge bewahrte. 
Zunächst erschien Ammatas sechs Stunden zu früh, gegen Mittag 
des 13. September (vgl. Prok. I, 18. 21), auf dem Platze, nur von 
wenigen, nicht einmal auserlesenen Kriegern begleitet, griff voll 
Kampf begier die Vorhut der Byzantiner an, wurde aber nach tapferem 
Widerstände erschlagen. Seine Leute suchten sich nach dem Tode 
ihres Führers in wilder Flucht zu retten und rissen so die von Kar- 
thago in ungeordneten Haufen von 20 bis 30 Mann nachrückenden 
Wandalen mit sich fort. Die Verfolgung der Fliehenden, von denen 
viele niedergemacht wurden, erstreckte sich bis vor die Thore der 
Hauptstadt. Fast zur gleichen Zeit trafen auch die nach links be- 
orderten 2000 Mann unter Gibamund^) auf dem Salzfelde Sebkhat 
es Sedioum mit den 600 Hunnen zusammen, wurden aber von diesen 
in einem raschen Vorstofs auseinander gejagt und sämtlich nieder- 
gemacht. Kurz darauf erschienen die die Spitze bildenden byzanti- 
nischen Föderaten — Belisar war mit den übrigen Reitern ziemlich 
weit zurück — in Decimum und trafen auf die Spuren des zwischen 
Ammatas und Johannes stattgefundenen Kampfes. Unschlüssig, was 
zu thun, blieben sie hier halten und liefsen von den umliegenden 
Hügeln aus nach dem Feinde Umschau halten. Eine Staubwolke 
zeigte ihnen bald das Herannahen der wandalischen Hauptmacht unter 
Gelimer, die, nach Umgehung des Lagers durch das Terrain geschützt, 
unbemerkt zwischen Belisars Abteilung und den Hunnen auf der 
linken Seite der Strafse hindurchgekommen war. Sie schickten nun 
schnell an den Oberbefehlshaber nach Verstärkungen und suchten bis 
zum Eintreffen derselben auf dem höchsten Hügel in der Gegend sich 
festzusetzen. Nach Tissot ist hierunter der 35 Meter hohe Hügel 
Megrine zu verstehen, dessen Plateau für jenen Zweck wohl geeignet 
war» Aber die Wandalen kamen ihnen in der Besetzung desselben 
zuvor, und nun eilten die Byzantiner auf der Strafse zurück bis zu 
dem Punkte, wo sich Uliaris mit 800 Hypaspisten befand (7 Stadien 
oder IVg km von Decimum), und nahmen, mit diesen vereinigt, die 
Übermacht der Feinde fürchtend, in voller Flucht den Weg zu Belisar. 
Dieser liefs sich jedoch nicht irre machen, brachte die Fliehenden 
wieder in Ordnung und rückte, als der erwartete Angriff ausblieb, 



1) Ob der Asdinge Gunthimer, dessen Tod Vict. Tonn. a. 534 erwähnt, 
sich bei dieser Schar befand, ist zweifelhaft. 



138 Prittes Bnck 

schnell g^en Geliiner vor, der inzwisclieii die Zeit unter Wehklagen 
über den Tod seines Bruders AmmatH» und mit der Beerdigung des 
Leichnams yerbrachte. Als die Wandalen die Byzantiner herankoumien 
^^then, eilten sie in völliger Auflösung auf der nach Numidien fahren- 
den Stralse dayon, wobei zahlreiche Leute von den Nachsetzenden 
niedei^emacht wurden (Abend des 13. September). 

Das Unternehmen hätte auch nach der Niederli^ des Amwiatas 
upd Gibamund einen glücklichen Ausgang nehmen können^ wenn der 
Eonig nicht in seinem Eifer zu rasch vorwärts geritten wäre. Statt^ 
wie der Plan war^ die gesamte byzantinische Reiterei im Rücken zu 
&sseii und von der Verbindung mit dem Lager abzuschneiden, über- 
holte er dieselbe und traf nur mit der Spitze zusammen. Die Ver- 
hältnisse hatten sich dadurch mit einem Schh^e zu Ungunsteu der 
Wandalen verändert. Wichtig war vor allem ^ daCs Belisar nun ün 
stände war, die Sachh^e völlig zu überschauen. Es mu&te ihm daran 
liegen, die Wandalen in einen gröfseren Kampf zu verwickdn, bis 
die Soldaten des Johannes und die Massageten herankamen und jene 
von hinten und in der Flanke angreifen konnten. Prokop (I, 19) 
meint, Gelimer hätte den fliehenden Föderaten nachsetzen und sich 
zugleich auf die übrigen Truppen werfen sollen; bei der entstandenen 
Panik sei ihm der Erfolg sicher gewesen. Doch fragt es sich, ob 
4ieser ein entscheidender gewesen wäre^ da die Byzantiner jetzt wieder 
den Rückhalt in ihrem Lager hatten^ ganz abgesehen davon, dals die 
Wandalen mit ihrer geringen Zahl kaum Aussicht hatten, einen 
wesentlichen Erfolg zu erzielen. Ganz verkehrt aber würde der König 
gehandelt haben, wenn er sofort die Richtung nach Karthago ein- 
geschlagen ^ die Abteilung des Johannes über den Haufen zu reiten 
und sich in der Stadt festzusetzen versucht hätte; denn bei dem 
schlechten Zustande der Verteidigungsmittel konnte er sich dort un- 
möglich längere Zeit halten. Es war daher unter den obwaltenden 
umständen das Richtige, dafe GeUmer jedem ZusammentrefiPen mit 
dem Feinde aus dem Wege ging und die Strafse nach Numidien ein- 
schlug. Freilich war dies nicht durch einen auf sorgfaltige Über- 
legung gegründeten Entschluis veranlalst; denn der König hatte sich 
von seinen Gefühlen so völlig überwältigen lassen, dats er alles um 
sich herum vergaüs und es auch unterlieis, seine Truppen in Kriegs- 
bereitschaft au&ustellen. Aulser stände daher, eine Schlacht anzu- 
nehmen^ sah er sich beim Herannahen Belisars zur Flucht gezwimgen. 

Die Nacht verbrachte Belisar in Decimum, wo auch bald die 
Vorhut unter Johannes und die Massageten sich einfanden; am folgen- 



Die Nachfolger Geiserichs bis zum Untergange des Eeiches. 139 

den Tage (14 September) marschierte er mit dem inzwischen nach- 
gekommenen FuTsheere bis vor ]^arthago^ wo er zur Abendzeit ei|^- 
tr^f. Doch wagte er nicht in die festlich illuminierte Stadt ein- 
zuziehen, da er einen Hinterhalt befürchtete. Freilich ws^: diee^ 
Besorgnis imbegründet^ die hier zurückgebliebenen Wandalen hatten^ 
statt sich zu verteidigen oder zum Heere des Königs zu stoXsen^ in 
den Kirchen Schutz gesucht. 

Am selben Tage umsegelte auch die byzantinische Flotte das 
Vorgebirge Merkurs und kam in Sicht der Hauptstadt. Die Karthager 
entfernten nun die dexi Hafen Mandracium sperrenden Ketten und 
befreiten die gefangenen byzantinischen Kaufleute; doch ging man 
den früher gegebenen Befehlen Belisars entsprechend, der immer noch 
an das plötzliche Auftauchen einer feindlichen Flotte glaubte , nicht 
dort; sondern in der Bai von Timis vor Anker. Am nächsten Morgen 
liefs Belisar die Besatzungen ausschiffen und zog mit dem gesamten 
Heere in kriegerischer Ordnung in Karthago ein; sein Hauptquartier 
nahm er in der Königsburg; wo man noch am Tage vorher f(ir 
Gelimer einen festlichen Empfang vorbereitet hatte ^) (15. September). 
Streng hielt er darauf^ dafs die Soldaten sich keine Ausschreitungen 
gegen die Einwohnerschaft zu schulden kommen lielsen; das Geschäfts- 
leben in der Stadt ging daher seinen gewohnten Gang; ganz wie in 
Friedenszeiten. Auch den in die Kirchen geflüchteten Wandalen liefs 
er seinen Schutz angedeihen. Wahrscheinlich gleich nach der Be- 
setzung der Stadt ward der Domestikus Solomon nach Byzanz ab- 
geschickt, den emmgenen Erfolg dem E^iser zu melden^), und bereits 
am 21. November desselben Jahres legte sich Justinian in der vor 
der Ausgabe der Institutionen stehenden Verordnung die Beinamen 
AlanicuS; Yandalicus, Africanus zu.*) 

In der richtigen Erkenntnis, dafs von der Behauptung Karthagos 
der Besitz Afrikas abhänge; richtete Belisar sein Augenmerk vor allem 
auf die Wiederherstellung der Befestigungen. Zunächst wurde in kurzer 
Zeit; da er mit dem Gelde nicht kargtO; ein Graben gezogen und 
dieser mit Palissaden besetzt; sodann aber an dem Aufbau der ver- 



1) Der Laterculns reg. Wand. § 19 setzt den Einzug Belisars anf den 
14: September; doch ist nach Prok. Xvill. kal. oct. in XVII zn emendieren, vgl. 
Papencordt S. 152. — Die Zählung nach annis. Earthaginis auf den in der kaiser- 
lichen Münzstätte zu Karthago geprägten Kupfermünzen geht also wahrschein- 
lich vom 16. September 533 ab, nicht, wie Mommsen, Neues Archiv XVI (1891) 
S. 64, bemerkt, vom 14. September 534. 

2) Prok. b.V. I, 24. 

3) Dat. XI. kal. dec. nach der Ausgabe von Krüger. 



140 Drittes Buch. 

fallenen Ringmauer mit allen Kräften gearbeitet.^) Aus diesem Grunde 
verzichtete er auch zunächst auf die Verfolgung Gelimers. Dieser 
hatte sich nach der grofsen Ebene bei Bulla regia (jetzt Hammam- 
Darradji)^), vier Tagereisen von Karthago entfernt, begeben, wo er 
seine zersprengten Scharen sanmielte. Von hier aus trat er auch mit 
den Mauren in Verbindung, um sie zu gemeinsamem Kampfe gegen 
die Byzantiner zu bewegen. Die Häuptlinge derselben hatten nach 
den Erfolgen Belisars Gesandte an diesen geschickt, sich für Unter- 
thanen des Kaisers erklärt und Kiriegshilfe versprochen; jetzt be- 
schlossen sie, sich neutral zu verhalten und die Entscheidung abzu- 
warten, hinderten aber ihre Leute nicht, die Neigung zeigten, sich 
den Wandalen anzuschliefsen. Die Zahl derer, die dies thaten, kann 
dem Zeugnis Prokops entgegen nicht unbedeutend gewesen sein, da 
sie bei Tricamarum das ganze Hintertreffen bildeten.*) Günzlich er- 
folglos blieben die Bemühungen des Königs, die Westgoten zur 
Waflfenhilfe anzurufen. Die nach Spanien geschickten Gesandten 
mufsten, da Theudis bereits durch einen Kauffahrer von der Nieder- 
lage der Wandalen erfahren hatte, was er jedoch sorgfältig geheim 
hielt, unverrichteter Sache wieder abreisen und gerieten, als sie nichts 
ahnend in Karthago eintrafen, in die Gewalt der Byzantiner.*) Vor 
allem aber ward jetzt Tzazo zurückberufen, der inzwischen mit ge- 
ringer Mühe Sardinien wieder unterworfen und den Godas hatte hin- 
richten lassen, ohne dafs Gelimer jedoch etwas davon erfahren, da 
die mit der Siegesnachricht abgeschickten Boten den Kaiserlichen in 
die Hände fielen. Prokop (I, 25) teilt den Brief, den der König an 
seinen Bruder geschrieben haben soll, im Wortlaut mit: Ein geheimes 
Walten des Schicksals habe das Unglück der Wandalen herbeigeführt. 
Tzazo sei mit den besten Truppen nach Sardinien entführt worden, 
um die Landung der Byzantiner in Afrika zu ermöglichen. Die hier 
zurückgebliebenen Wandalen aber hätte trotz der geringen Macht 
Belisars sogleich die alte Tapferkeit verlassen; durch ihre Feigheit 
hätten sie den Untergang des Ammatas und Gibamund verschuldet. 
Es unterliegt aber keinem Zweifel, dafs dieser Brief durchweg eine 
Erfindung Prokops ist; darauf deutet vor allem das Hervorheben des 
Einflusses der rvxrj, der ja bekanntlich bei jenem eine so groJse Rolle 
spielt.^) Auch die gegen die Wandalen erhobene Beschuldigung der 
Feigheit ist schwerlich in Wirklichkeit von dem Könige erhoben 
worden. 

1) Prok. a. a. 0. I, 21. 23. de aedif. VI, 5. 2) Tissot ü, 259 ff. pl. XVUL 

3) Prok. 1, 25. 4) Prok. I, 24. 5) Vgl. D ahn, Prokopius von Cäsarea S. 286. 



Die Nachfolger Geiserichs bis zum Untergänge des Reiches. 141 

Die Zeit bis zum Eintreffen der Verstärkungen benutzte Gelimer^ 
um die römische Landbevölkerung gegen die Byzantiner in Bewegung 
zu setzen und diese dadurch zu beschäftigen. Für jeden ihm über- 
brachten Kopf eines erschlagenen Feindes verhiefs er eine Belohnung. 
Die Bauern fanden sich gern hierzu bereit, offenbar hauptsächlich, 
weil sie eine Rückkehr der früheren Zustände befürchteten und der 
humanen Behandlung, die ihnen die Wandalen bisher hatten zu teil 
werden lassen, eingedenk waren. Ein gröfserer Erfolg ward hierdurch 
freilich nicht erzielt; gegen die von Belisar vorsichtigerweise nur in 
gröfseren Abteilungen zum Rekognoszieren ausgeschickten wohl- 
bewaffheten Soldaten vermochten die Landleute nichts auszurichten, 
und nur eine Anzahl von marodierenden Sklaven und Trofsknechten 
ward von denselben erschlagen. 

Nach dreitägiger beschleunigter Fahrt landete Tzazo mit den 
Seinigen an der afrikanischen Küste und zog zu Fufs nach dem Ver- 
sammlungsort. Prokop (I, 25) giebt an, dafs die Landungsstelle an 
der Grenze zwischen Numidien und Mauretanien, also etwa an der 
Mündung des Amsaga gelegen habe, was aber wegen der grofsen 
Entfernung dieses Punktes von Bulla regia schwer glaublich ist. 
Vermutlich liegt eine Verwechslung vor, und es ist gemeint die 
Grenze zwischen der Zeugitana und Numidien; Tzazo würde hiemach 
bei Thabraca sich ausgeschifft haben. Die rührende Scene des Wieder- 
sehens zwischen den beiden Brüdern, die den weichen, schwärmerischen 
Charakter des Königs vortrefflich beleuchtet, hat Prokop in anziehen- 
der Weise geschildert. 

Das Eintreffen der Verstärkungen belebte Gelimers Mut insoweit, 
dafs er nun gegen Karthago vorrückte und den Byzantinern eine 
Schlacht vor den Thoren der Stadt anbot. Einen Sturmangriff auf 
die Mauern unternahm er klugerweise nicht, offenbar in der Er- 
kenntnis, dafs seine Reiterscharen für einen solchen nicht geeignet 
waren. Er rechnete dabei wesentlich auf Unterstützung aus dem 
Lager der Byzantiner selbst und aus den Kreisen der Einwohner- 
schaft. Nicht ohne Erfolg waren seine Emissäre in dieser Hinsicht 
wohl schon seit einiger Zeit thätig gewesen. Namentlich war es ihm 
geglückt, unter Austeilung reichlicher Geldspenden die ohnehin un- 
zufriedenen Massageten auf seine Seite zu ziehen und von ihnen das 
Versprechen zu erlangen, bei dem nächsten Treffen zu ihm über- 
zutreten. Belisar hielt sich anderseits vorsichtig zurück, einmal weil 
die Befestigungsarbeiten noch nicht beendet waren, hauptsächlich 
aber wohl, weil ihm die Bewegung zu Gunsten der Wjandalen schwere 



142 Drittes Buch. 

Sorgen bereitete. Er schritt zwar sofort, naclidem er Kenntnis er- 
langt, mit Strenge ein nnd liefs einen der verschworenen Skriha- 
ginienser öffentlich hinrichten; wie wenig sicher er sich aber fehlte, 
zeigt der Umstand, dafs er es nicht wagte, die Massageten durch 
energische Mafsregeln zum Gehorsam zu zwingen, sondern dieselben 
durch Versprechungen und Geschenke dahin brachte, von ihrem Vor- 
haben abzustehen.^) Erst nachdem er sich völlig gesichert glaubte, 
ergriff er die Offeiisive und wandte sich gegen die Wandalen, die, 
nachdem sie ihre Pläne gescheitert sahen, sich weiter von der Stadt 
zurückgezogen hatten. Die Kavallerie, auch die Garden, schickte er 
voraus, während er selbst als Reserve mit dem Fufsvolke und 
500 Reitern am nächsten Tage folgte. Bei Tricamarum, 140 Stadien 
oder 30 km von Karthago — die Lage des Ortes ist leider nicht 
mehr zu bestimmen — , stiefsen die das eröte Treffen bildenden By- 
zantiner, die wahrscheinlich bei Tagesanbruch Karthago verlassen 
hatten, mit beginnender Dunkelheit auf die Wandalen. Beide Teile 
verbrachten hier in ziemlicher Entfernung voneinander die Nacht. 
Am nächsten Morgen liefs Gelimer Weiber, Kinder und den ganzen 
Trofs in das Lager bringen, das jedoch — charakteristisch füt die 
Kriegsweise der Wandalen — gänzlich unbefestigt war und somit 
keinen Rückhalt zu bieten im stände war. Nachdem er die Truppen 
in Schlachtordnung aufgestellt und in Gemeinschaft mit seinem Bruder 
zur Tapferkeit ermahnt hatte — die von Prok. (II, 2) mitgeteilten, 
angeblich von beiden gehaltenen Reden sind jedoch sicher in dieser 
Form nicht echt, wie wiederum die Hervorkehrung der Macht der rvxn 
beweist*) — , rückte er um die Mittagszeit (ccQLatov) an den Bach, 
der die beiden Heere'^ trennte, vor. Er kam den Byzantinern völlig 
imerwartet, die gerade mit Abkochen beschäftigt waren und sich in 
völliger Unordnung befanden. Dafs etwas derartiges angesichts der 
bevorstehenden Entscheidung möglich war, ist fast nicht zu glauben, 
und nur das Zaudern der Wandalen bewahrte jene vor schweren Ver- 
lusten. Unbehelligt vom Feinde, der unbegreiflicherweise die günstige 
Gelegenheit zu einem Angriffe vorübergehen liefs, stellten sich nun 
die griechischen Reiter in aUer Eile in Schlachtordnung auf. Den 
linken Flügel bildeten die Föderaten, den rechten die kaiserlichen 
Regimenter, das Mitteltreffen die Gefolgschaft Belisars unter dem Be- 
fehle des Johannes, der zugleich die Feldhermstandarte führte. Die 
Massageten nahmen abseits vom übrigen Heere eine Stellung ein; sie 



1) Prok. n, 1. 2) Vgl. darüber auch oben. 



Die Nachfolger Geiserichs bis ztun Untergange des Reiches. 143 

Wollten gfemäfs einer beim Abmarsch unter sich getrofifönen Ver- 
abredung die Entscheidting abwarten und sich dann der siegreichen 
Partei aniächliefsen. Es war unter den obwaltenden umständen ein 
gröfses Gläck für die Byzantiner^ dafs jetzt Belisar mit deü 
500 Reitern — das Fufsvolk war etwas weiter zurück — auf deM 
Platze erschien und die Oberleitung übernehmen konntisj. Bei den 
Wandalen befand sich Tzazo mit seinen Kerhscharen im Gentrum^ 
hinter ihm waren die maurischen Hilfstruppen aufgestellt; den rechten 
und linken Flügel bildeten die übrigen Tausendschaften unter ihreil 
gewöhnlichen Führern. Während Belisar seinen Platz in der Mitte 
einnahm^ ritt Gelimer überall ümher^ die Zaghaften ermunternd. 
Seinen Leuten hatte er befohlen, nur mit dem Schwerte zu kämpfen, 
offenbar weil er wufste, dafs sie in der Anwendung von Femwaffen 
dem Gegner nicht gewachsen seien. 

Geraume Zeit standen sich die Gegner gegenüber, indem jeder 
den Angriff des andern erwartete. Um die Wandalen aus ibret 
Stellung herauszulocken, setzte Johannes auf Befehl Belisars mit 
einigen Leuten durch den Bach und ergriff, als Tzazo gegen ihn 
anritt, die Flucht, ohne dafs jedoch die Wandalen sich zur Ver- 
folgung verleiten liefsen. Als ein zweiter init einer gröfseren Trüppen- 
zahl unternommener Versuch ebenfalls nicht den gewünschten Erfolg 
hatte, liefs Belisar seine gesamte Garde zum Angriff vorgehen. Wie 
nicht anders von den Leuten Tzazos zu erwarten war, leisteten diese 
kräftigen Widerstand; aber als eine Anzahl der Tapfersten, darunter 
namentlich der Anführer selbst, gefallen war und nun auch die 
übrigen byzantinischen Reiter heranstürmten, ergriff das ganze wan- 
dalische Heer die Flucht und suchte in dem Lager Schutz. Die Ver- 
luste, die die Wandalen im Treffen selbst und während der Ver- 
folgung, an der sich nun auch die Massageten beteiligten, erlitten, 
betrugen ca. 800 Krieger, während die Byzantiner nur etwa 50 Tote 
hatten. Das Lager sofort zu stürmen wagte Belisar, jedenfalls einen 
verzweifelten Widerstand erwartend, nicht; erst nach Ankunft des 
Fufsvolkes, das gegen Abend eintraf, schritt ei* zum Angriff. Als 
Qelimer von dem Herannahen der Byzantiner erfuhr, liefs er uüer- 
hörterweise sein Volk heimlich in Stich und floh, nur von einigen 
seiner nächsten Verwandten, Dienern und Gefolgsleuten begleitet, 
auf der nach Hippo regius fährenden Strafse davon. Er dachte jetzt 
seinen schon zu Beginn des Krieges vorbereiteten Plan, sich nach 
Spanien in Sicherheit zu bringen (vgl. oben), auszuführen, obwohl 
noch keineswegs alles verloren war. Li dem unbefestigten Lager 



144 Drittes Buch. 

konnte er allerdings sich nicht dauernd halten; eine grolse Aussicht 
bot sich ihm aber dar, wenn er mit den Seinigen sich in die Berge 
zurückzog und einen Guerillakrieg im grofsen Stile inszenierte, wozu 
die schnellen wandalischen Reiter vorzüglich geeignet waren. Wie 
gefährlich ein solcher für die Byzantiner hätte werden können, haben 
ja die Kämpfe mit den Mauren, die jene nach dem Falle des Wan- 
dalenreiches auszufechten genötigt waren, deutlich genug gezeigt. — 
Das plötzliche Verschwinden des pflichtvergessenen Königs rief unter 
den Zurückgebliebenen die gröfste Bestürzung und Verwirrung her- 
vor. Keiner dachte mehr an Verteidigung, sondern suchte sich so 
schnell wie möglich ebenfalls in Sicherheit zu bringen. Der einzige, 
der im stände gewesen wäre, Ordnung zu schaffen und die Kopf- 
losen zur Vernunft zu bringen, Tzazo, weilte ja nicht mehr unter 
den Lebenden. So fiel ohne Kampf das Lager mit den reichen 
Schätzen, die die Wandalen auf ihren Raubzügen früher zusammen- 
gebracht hatten, den Byzantinern in die Hände. Die Flüchtigen 
wurden bis in die Nacht hinein verfolgt, die Männer sämtlich nieder- 
gehauen, Weiber und Kinder zu Sklaven gemacht. Das Wandalen- 
reich hatte aufgehört zu bestehen (Mitte Dezember 533).^) 

Der Besitz der unermefslichen Beute raubte den byzantinischen 
Soldaten gänzlich die Besinnung; das Heer befand sich im Zustande 
völliger Auflösung, und es wäre dem Feinde, hätte er sich gesammelt 
und einen Angriff gewagt, ein Leichtes gewesen, Alle zu vernichten. 
Erst am folgenden Morgen gelang es dem Oberbefehlshaber ^ die 
Disziplin, zunächst wenigstens unter den Garden, notdürftig wieder 
herzustellen. Johannes der Armenier erhielt nun den Befehl, mit 
200 Mann Gelimer zu verfolgen und lebendig oder tot einzuliefern; 
BeHsax selbst zog in der Umgegend umher, liefs, ohne den geringsten 
Widerstand zu finden, die flüchtigen Wandalen aufgreifen, soviel er 
ihrer habhaft werden konnte, entwaffnete sie und schickte sie trupp- 
weise unter Bedeckung nach Karthago, um sie von da später aulser 
Landes zu schaffen. Nachdem er so das Land gesäubert imd wahr- 
scheinlich auch die feindliche Flotte weggenommen hatte, zog er 
mit der Hauptmacht dem entflohenen König nach. Diesen hatte in- 
zwischen die ihm nachsetzende Truppenabteilung des Johannes nahezu 
eingeholt, als der plötzliche Tod des Anführers der weiteren Ver- 
folgung ein Ziel setzte. In Hippo regius angelangt, wo ihm zahl- 
reiche in den Kirchen Schutz suchende Wandalen (darunter viele 



1) Prok. n, 2. 3. 



Die Nachfolger Geisericlis bis ztun Untergange des Reiches. 145 

Edle) sowie auch der Königsscliatz^ den der Kanzler Bonifatius in- 
folge widriger Winde nicht mehr, wie verabredet, hatte in Sicher- 
heit bringen können, in die Hände fielen, erfuhr Belisar, dafs Gelimer 
nach dem schwer zugänglichen Gebirge Pappua^) an der äußersten 
Grenze Numidiens geflohen sei und sich in der Stadt Medeos bei 
befreundeten Mauren aufhalte. Da der Winter vor der Thür stand, 
gab er die weitere Verfolgung auf und beauftragte den Heruler Fara, 
mit einer erlesenen Schar die Zugänge zur Zufluchtsstätte des Königs 
sorgfältig zu bewachen, um denselben am Entweichen zu verhindern 
und ihm die Lebensmittelzufahr abzuschneiden. Er kehrte nun 
nach Karthago zurück und traf Anstalten, die noch nicht in Beschlag 
genommenen Teile des Wandalenreiches in Besitz zu nehmen. Ein 
Korps unter CyriUus, dem als Zeichen des Unterganges der wan- 
dalischen Herrschaft der Kopf des erschlagenen Tzazo mitgegeben 
wurde, unterwarf ohne Mühe Sardinien und Korsika* ein zweites 
unter ApoUinaris die Balearen und Pithyusen, ein drittes ging zur 
Unterstützung des Pudentius und Tattimuth, die von den Mauren 
hart bedrängt waren, nach Tripolis ab^), ein viertes und fünfteflH be- 
setzten die Stadt Gäsarea und das Kastell Septem.^) Ein Versuch, 
das übrige Gebiet im tingitanischen und cäsareensischen Mauretanien 
zu occupieren, wurde nicht gemacht: diese Provinzen, wie auch 
Mauretania Sitifensis, femer das südliche Numidien und der 
westliche Teil der Byzacena blieben nach wie vor in der Gewalt der 
Mauren. Auch Lilybäum suchte Belisar für den Kaiser in Anspruch 
zu nehiüen und drohte, da die in Sizilien stationierten Ostgoten auf 
diesen wichtigen Punkt inzwischen Beschlag gelegt hatten und den< 
selben herauszugeben sich weigerten, mit Krieg. Der drohende 
Konflikt ward jedoch vorläufig beigelegt, indem man sich dahin 
einigte, die Entscheidung des Kaisers anzurufen. 

Gelimer hielt inzwischen hartnäckig in jenem Felsenneste aus, 
obwohl sich unter den Eingeschlossenen bald Mangel an Lebensmitteln 
einstellte, der für die an üppige Tafel gewöhnten Wandalen doppelt 
sich fühlbar machte. Einen Sturmangriff der Byzantiner auf seine 



1) Die Lage dieses Gebirges ist nicht mit Sicherheit festzustellen. Mit 
dem heutigen Edongh ist dasselbe, da es nach Prokop an der Grenze Nnmidiens 
(nnd Matiretaniens) lag, bestimmt nicht zu identifizieren. Weitere Vermutungen 
bei Tissot 1,36 ff. 11,785. Vgl. anch Ponydragnin in dem Becneil des notices 
et memoires de la sog. arch. dn dep. de Constantine vol. "XTYTT (1898) S. 165 ff. 

2) Hierauf ist wohl die Erzählung Prokops de.aedif. VI, 4 p. 336 zu beziehen. 

3) Von einer Vertreibung der Westgoten aus Septem (so Diehl p. 86) ist 
damals keine Eede. 

Schmidt, Wandalen. ^q 



146 Drittes Bach. 

uneinnehmbare Stellung schlugen die Mauren mit leichter Mühe zu- 
rück; die Aufforderung, sich zu ergeben, wies er in stolzer Sprache 
ab, indem er erklärte, einem Feinde, der ihn auf unredliche WeiscF 
ins Unglück gestürzt, nicht unterthan sein zu können.^) Aber statt; 
den Versuch zu machen, die Cernierungstruppen zu durchbrechen 
und die Freiheit sich zu erkämpfen, verharrte er in tnLger Buhe^ 
weil es ihm an persönlichem Mute gebrach, und dichtete auf sein 
Elend ein Lied, zu dessen Begleitung er sich von Fara eine Leier 
erbat. Erst als er Augenzeuge einer Scene war, wie zwei vor 
Hunger halbtote Kinder, sein Neffe und ein Maurenknabe, sich um 
einen Brotkuchen schlugen, gab er den unrühmlichen, besonders aber 
eines germanischen Königs unwürdigen Widerstand auf und zeigte 
den Byzantinern seine Unterwerfung an, wobei er jedoch nicht ver^ 
gafs, die Erfüllung der ihm früher gegebenen Versprechungen: Er- 
hebung in d^ Patriciat und Zuweisung von Landbesitz mit reich- 
lichen Einkünften, sich garantieren zu lassen (Ende März oder An- 
fang Aprü 534). 

Gelimer ward nun mit seiner Sippe nach Karthago gebracht! 
und traf hier mit Belisar zusammen, der ihn wie auch die 
übrigen Wandalen in milder Haft hielt, bis die Vorbereitungen zur 
Abreise nach Byzanz beendet waren. Wahrscheinlich etwa im Monat 
Juni — die an Belisar gerichtete kaiserliche Verordnung über die 
provisorische militärische Organisation der eroberten Gebiete (Cod.- 
Just. 1, 27, 2.) ist vom 13. April d. J. datiert — stach die Flotte 
beladen mit den unermefslichen Schätzen und den zahlreichen Ge- 
fangenen in See. Nach der glücklichen Ankunft in der Hauptstadt 
ward dem siegreichen Feldherrn vom Kaiser ein Triumph bewilligi^ 
eine Ehre, wie sie seit Jahrhunderten nicht wieder einem Privat- 
mann zuteil geworden war, ein Beweis, wie hoch man den er- 
rungenen Erfolg schätzte. Es fand eine zweimalige Feier statt: das 
erste Mal zog Belisar zu Fufs von seinem Hause nach dem Hippo- 
drom, wo er und der besiegte König dem Kaiserpaar ihre Unter-- 
würfigkeit durch Niederfallen bezeugten. Die zur Schau getragene: 
Beute*) bestand aus Gegenständen, die zum Gebrauche des Königs- 
hauses gedient hatten: goldenen Thronsesseln und Wagen, goldenem 
Tafelgerät und mit Edelsteinen besetzten Schmucksachen, femer aus 
vielen tausend Talenten Silber. Besonderes Aufsehen erregten die 

1) Der von Prokop 11, 6 ^[litgeteilte Briefwechsel zwischen Fara nnd dem 
Könige ist freilich sicher nicht authentisch. 

2) Vgl. auch Coripp. in laud. Just 11, 121 ff. 



Die Nachfolger Geisericlis bis zum Untergänge des Reiches. 147 

einst von Geiserich aus dem kaiserlichen Palast in Born geraubten 
Stücke ; darunter namentlich die heiligen Geräte aus dem Tempel zu 
Jerusalem, die der Kaiser bald nachher aus abergläubischer G^*' 
stunung wieder an ihren alten Ort zurückbringen liefs, wo sie spätet' 
verloren gingen. Aus dem Eönigsscfaatze ist noch heute ein Stüd:' 
erhalten: eine wahrscheinlich von germanischen Söldnern nach Italien 
verschleppte silberne Schüssel mit der Umschrift: Geilamir rex Van- 
dalorum et Alanorum.^) Als Gefangene schritten im Zuge einher 
auTser Gelimer dessen ganze Sippe*) und die Gröfsten und Statt- 
lichsten unter den übrigen Wandalen. Eine damals geprägte 
Münze zeigte auf der einen Seite des Kaisers Bild^ auf der andern ' 
den Kopf Belisars mit der Umschrift: BeXi^dgiog i^ So^a täv 
^PmybaCfpv?) Hilderichs Kinder sowie alle übrigen ^iAchkommen 
der Eudoxia aus- deren Ehe mit Hunerich wurden mit reichen Ge- 
schenken bedacht, während Gelimer Landgüter in Galatien erhielt, 
auf denen auch seinen Verwandten zu wohnen gestattet wurde. Der 
Patriciat wurde dem ehemaligen Könige jedoch nicht verliehen, trotz 
des früher gegebenen Versprechens, da er den arianischen Glauben 
nicht abschwören wollte. Eine nochmalige Feier wurde anläfslich 
des Antrittes des Konsulates durch Belisar am 1. Januar 535 ab- 
gehalten: Der Sieger fuhr auf einem von Gefangenen gezogenen 
Wagen umher und teilte einen grofsen Teil der wandalischen 
Beute unter die hauptstädtische Bevölkerung aus.*) 

Eine nach allen Seiten hin gerechte Würdigung der Persönlich- 
keit des letzten wandalischen Königs, der so unrühmlich von der 
geschichtlichen Bühne abtrat, ist nicht leicht zu geben, da die 
Quellen keine genaue und unparteiische Auskunft geben, die Äufe- 
rungen insbesondere, die Prokop ihm in den Mund legt, von zweifel- 
hafter Echtheit sind. In früheren Jahren ein tapferer Kriegsmann, 
zeigt er sich nach seinem Begierungsantritt in immer steigendem 



1) Vgl. Ephemeris epigraphica V, 826. C. I. L. Vm, suppl. 1 n. 17412 (p. 1651). 
Neues Archiv Vm, 353. 

2) Malal. p. 478 nennt aucli Gelimers Gattin als Gefangene, Joh. Lydus de 
niftgistr. lU, 55 und Zonaras XTV, 7, 8. 4, anfser dieser auch noch Gelimers 
Kinder. Aber nach Prokops Erzählung scheint der König keine Familie be- 
sessen zu haben. 

3) Anonymus de antiquitatibus Constahtin. bei Banduri, Imperium Orientale 
I pars 8 pag. 69. Gramer, Aneedota Parisina 11, 324 f. 

4) Prok. n. 4 — 9. Aufser den bereits citierten Quellenstellen handeln 
über den Untergang des Wandalenreichs selbständig in Kürze. Marcellin. Com. 
und Vict. Tonn. a. 534; Jordanes Rom. 366, Get. 33, 171 ff.; Zacharias Rhetor 
IX, 17 (p.206). 

10* 



148 Drittes Buch. ■ 

MaXse zaghaft^ energielos, weichlich, von Stimmungen beherrscht. 
Dazu kommt ein gänzlicher Mai^el von Umsicht und gründlicher 
Einsicht in die Verhältnisse, sowie ein häfslicher Zug von Egoismus. 
Im Gefühle der Sicherheit weist er in stolzer, pathetischer Sprache 
die Zumutungen des Kaisers zurück, sorglos läfst er die Byzantiner 
herankommen, ohne rechtzeitig Mafsregeln zur Abwehr zu trefifen: 
als er aber die Gröfse der Gefahr endlich erkennt, denkt er auch 
schon an Flucht und giebt Auftrag, den Königsschatz in Sicherheit 
zu bringen. Er raflFfc sich dann wieder empor; aber bald kommt 
seine wahre Natur wieder zum Vorschein. Aus Zaghaftigkeit läfst 
er die anfangs bei Tricamarum sich bietende günstige Gelegenheit, 
die Byzantiner zu überrumpeln, unbenutzt vorübergehen; als die 
Schlacht verlören ist, denkt er nur an sich und schleicht heimlich 
davon, sein Volk im Stiche lassend, obwohl sich leicht ein weiterer 
Widerstand hätte organisieren lassen. Der Vorwurf der Grausam- 
keit ist ihm dagegen mit Unrecht gemacht worden: sein Verfahren 
gegen Hilderich und dessen Anhänger war ein berechtigter Akt der 
Notwehr; es ist bemerkenswert, dafs er die Kinder des entthronten 
Königs schonte. — Man möchte geneigt sein, aus dem Lachen, mit 
dem er nach seiner Gefangennahme Belisar in Karthago empfing, 
sowie aus seinem Benehmen im Hippodrom zu Byzanz, wo er fort- 
während die Stelle aus dem Prediger Salom. „Alles ist eitel" 
rezitierte, auf einen Zustand geistiger Abnormität zu schliefsen, 
wenn nicht aein Verhalten bei der Übergabe, bei welcher er sich 
Garantien für eine ihm zu gewährende bequeme, sorgenfreie Existenz 
geben liefs, eines anderen uns belehrte. So darf man es wesentlich 
seiner Persönlichkeit beimessen, wenn das Wandalenreich ein so 
rasches, in der Geschichte fast einzig dastehendes Ende fand. Unter 
anderer Leitung hätte dasselbe wohl noch eine Zeitlang sein Dasein 
fristen können, da die Volkskraft, wenn auch stark im Niedergang 
begrifien, doch keineswegs völlig erloschen war. 

Von den gefangenen Wandalen, die Belisar mit nach Byzanz 
genommen hatte, wurde ein Teil, jedenfalls die Tüchtigsten, unter 
die Gardetruppen Belisars gesteckt^); aus den übrigen ca. 2000 Mann 
formierte der Kaiser 5 Reiterregimenter und schickte sie nach dem 
Orient, um daselbst die Grenze gegen die Perser zu bewachen, die 
sog. Vandali Justiniani.^) Eins dieser Regimenter (400 Mann) 
überwältigte jedoch auf der Fahrt nach dem Bestimmungsorte bei 



1) Prok. b. Goth. m, 1. 2) Prok. b. V. 11, 14. b. Pers. ü, 21. 



Die Nachfolger Geiserichs bis znm Untergange des Reiches. ]49 

der Insel Lesbos die Schiffsmannschafb^ segelte, den Peloponnes be- 
rührend, nacb Afrika, wo an einem wüsten Orte gelandet wurde, 
und zog teils nach dem Auresgebirge, teils nach Mauretanien. Wahr- 
scheinlich ist das tingitanische Mauretanien gemeint; denn der 
ravennatische Kosmograph (I, 3 bez. III, 11) bemerkt, dafs dorthin 
„das von Belisar besiegte Volk der Wandalen geflohen sei'^^) Eine 
grofsere Anzahl Wandalen war dagegen von Anfang an in Afrika 
zurückgeblieben, teils solche, die sich gut versteckt gehalten hatten, 
teils solche, die bei der Abreise Belisars von den mit der Depor- 
tation betrauten Beamten übersehen worden waren. ^) Dazu kamen 
noch zahlreiche wandalische Priester, sowie die grofse Menge Frauen 
und Ejnder, die die byzantinischen Soldaten als Kriegsbeute unter 
sich verteilt hatten.') Diese Elemente haben bald nachher in der 
Geschichte der Provinz eine nicht unbedeutende Rolle gespielt. 

Obwohl die Verhältnisse in Afrika noch sehr im Argen waren 
— die B;eorganisation der Civilverwaltung und die Einrichtung 
des Verteidigungswesens*) hatten kaum begonnen — , hatte Belisar 
seine Abreise beschleunigt, weil er von einigen seiner Offiziere 
beim Kaiser des Strebens nach selbständiger Herrschaft bezichtigt 
worden war; er glaubte auf diese Weise die Absichten seiner Gegner 
am besten durchkreuzen zu können. **) Den Oberbefehl über die 
zurückbleibenden Truppen — das gesamte Heer Belisars, mit Aus- 
nahme von dessen Garden, also ca. 15000 Mann — übernahm nun 
der bisherige Domesticus Solomon, der seit dem 1. Januar 535 auch 
als Praefectus praetorio erscheint.^) Kaum hatten jedoch die Mauren 
von der Abfahrt der byzantinischen Flotte erfahren, als sie ver- 
heerend in die Byzacena und Numidien einbrachen, so dafs Belisar, 
der hiervon auf hoher See in Kenntnis gesetzt wurde, sich veranlafst 
sah, seinem Nachfolger einen Teil seines Gefolges zu überlassen -^ 
ein Zeichen, wie wenig man von der Tüchtigkeit der übrigen Reichs- 
truppen hielt. Nur mit grolsen Anstrengungen gelang es, die Bar- 
baren in mehreren Feldzügen in ihre Schlupfwinkel zurückzuwerfen 
(535). Aber auch im Innern hatte Solomon mit grofsen Schwierigkeiten 
zu kämpfen. Das wieder eingeführte römische Steuersystem erbitterte 

1) In qua Graditana patria gens Wandalorum a Belisario devicta in Africam 
fdgit et nnnquam comparoit. 

2) b. V. n, 15. 3) b. V. n, 14. 

4) Vgl. die Verordnungen Cod. Just. I, 27 (de ofßcio praefecti praetorio 
Africae et de omni einsdem dioeceseos statn; 1. an den Praef. praet. Archelaus, 
2. an Belisar gerichtet). 

6) Prok. n, 8. 6) Just. Novell. 36. 



;J§0 Drittes Bucl^. 

die JBeyölkerung aufs äuTserste und bewirkte^ dafs man fast allgemein 
«die Rückkehr der wandalischen Herrschaft herbeiwünschte.^) Die von 
.4eia , Wandalen früher innegehabten Landlose liefs der Kaiser , soweit 
sie nicht von den früheren Eigestümem reklamiert wurden^ für den 
rPi^kus mit Beschlag belegen. Viele der byzantinischen Soldaten hatten 
.die ihnen als ;Kriegsbeute zugefallenen wandalischen Frauen und 
jT5(^hter geheiratet und verlangten nun^ von diesen aufgereizt^ dafs 
ihnen die Güter, die die früheren Ehemänner oder Verwandten ihrer 
Gattinnen besessen^ als .Eigentum überwiesen würden. Die durch die 
Ablehnung dieser Forderung im Heere erzeugte Erbitterung wurde 
durch 4en Hinzutritt religiöser Motive noch wesentlich verschärft 
Justinjian hatte durch eine die völlige Restitution der orthodoxen 
^Kirche im Lande betreffende Verfügung die Vornahme jeder ketze- 
rischen gottesdienstlichen Handlung verboten.^) Hierdurch wurden 
^ber die unter den Byzantinern dienenden arianischen Soldaten, etwa 
1000, an Zahl, hart betroffen, und die zurückgebliebenen wandalischen 
Priester liefsen die günstige Gelegenheit nicht vorübergehen,, jene 
zum Aufruhr zu reizen. Die Empörung kam zum vollen Ausbruch, 
als die Nachricht von der Landung des oben erwähnten, f»us Wan- 
dalen rekrutierten Reiterregimentes eintraf. Solomon sollte am ersten 
Osterfeiertage, dem 23. März 536, in der Kathedrale zu Karthago 
ermordet werden, er entkam jedoch mit wenigen Begleitern nach 
Syrakus^ um die Unterstützung Belisars, der soeben Sizilien von der 
Herrschaft der Ostgoten befreit hatte, anzurufen. Inzwischen ver- 
sammelten sich die Insurgenten, ca. 8000 Mann, unter Leitung des 
Stutza auf der Ebene von Bulla regia; zu ihnen stiefsen hier die in 
Afrika aufhältlichen Wandalen, etwa 1000 Mann, sowie eine groüse 
Anzahl Sklaven. Mit diesem stattlichen Heere rückte Stutza vor 
Karthago; die von Solomon zurückgelassene Besatzung verweigerte 
indes die Übergabe, obwohl die eingeschüchterte hauptstädtische Be- 
völkerung dazu drängte. Gerade zur rechten Zeit traf Belisai:, von 
nur 100 Mann begleitet, im Hafen ein, und die blofse Kundo von 
seiner Ankunft wirkte derartig, dafs die Belagerer in grofsQr Un- 
ordnung sich schleunigst zurückzogen. Mit 2000 Soldaten nahm 
Belisar deren Verfolgung auf; bei Membressa am Bagradas traf er 
mit ihnen zusammen und schlug sie mit leichter Mühe in die Flucht 
Unter den Gefallenen befanden sich besonders viele Wandalen; bei 
.der Einnahme des feindlichen Lagers wurden aufser bedeutenden 



1) Prok. b. V. n, 8. 2) Nov. 37 (vom 1. Aug. 536). 



Die Nachfolger Geiserichs bis 2iiin Untergänge des Reiches. J[51 

Schätzen auch zahlreiche wandalische Frauen^ die Anstifterinnen der 
BeTolte, erbeutet.^) Belisar kehrte hierauf nach Sizilien zurück; an 
Solomons Stelle aber trat Justinians Neffe Germanus. Diesem gelang 
es, den Stutza^ der nach Numidien geflohen war und seine Scharen 
durch Überläufer aus dem kaiserlichen Heere sowie durch maurische 
Bimdesgenossen bedeutend verstärkt hatte^ bei Cellas Yatari^) nach 
erbittertem Kampfe YÖllig zu schiffen; nur von wenigen Wandalen 
begleitet^ entkam der Anführer nach Mauretanien (537).') 

Im Jahre 539^) kam Solomon zum zweiten Male als Oberbefehlshaber 
nach Afrika. Eine seiner ersten Amtshandlimgen bestand darin^ daXs 
er von den zurückgebliebenen Wandalen , so viele nur zu erlangen 
waren y vor allem aber die Frauen^ als die hauptsächlichsten Friedens- 
störer^ auTser Landes schaffen lieüs.^) Nachdem Solomon 544 im 
Kriege mit den Mauren des Antalas bei Colonia Cillitana den Tod 
gefunden^ erschien auch Stutza wieder mit seinen zum Teil aus 
Wandalen bestehenden Anhängern imd schlofs sich den Mauren an.^) 
Im folgenden Jahre fiel Stutza im Kampfe mit Johannes^ dem Sohn 
des Sisinniolus, bei Tacea; seine Truppen — es waren nach Prokop 
b. V. n, 27 ca. 600 Römer, 80 Hunnen, 420 Wandalen — gingen nun 
unter Führung eines gewissen Johannes zu dem Usurpator Guntarith 
über, der den kaiserlichen Oberbefehlshaber Areobindus durch Meuchel- 
mord aus dem Wege schaffte (März 546). Aber nach nur 36tägiger 
Herrschaft ward Guntarith von Artabanes in Karthago bei einem 
Gastmahle, an dem auch einige vornehme Wandalen teilnahmen, ge- 
tötet. Dasselbe Schicksal traf auch seine Anhänger; nur eine geringe 
Anzahl Wandalen, die sich in eine Kirche geflüchtet, kam mit dem 
Leben davon und wurde nach Byzanz geschickt.^ Damit war, wie 
es scheint, der letzte bedeutendere Rest dieses Volkes in Afrika be- 
seitigt. Dafs in den den Byzantinern unzugänglichen Landesteilen 
einzelne Splitter sich erhielten, ist nicht ausgeschlossen, aber von 
gröfserer Zahl waren dieselben sicher nicht. Thatsache ist allerdings, 
dafs ein grofser Prozentsatz der heutigen Berberbevölkerung in Marokko, 
am Rif, in den Gebirgen Aures und Grofskabyliens sowie auf den 
Kanarischen Inseln blondes Haar und blaue Augen hat^); aber die 
wiederholt, zuletzt von Löher (Das Kanarierbuch, München 1895) 
vertretene Ansicht, dafs dies auf germanische, spezieU wandalische 

1) Prok. n, 14. 15. 2) Diehl p. 84. Coripp.Joh.m, 318. 3)Prok.b.V.n,16. 17. 
4) Marcellin. eom. a. 639. 5) Prok. n, 19. 

6) Vgl. im allgemeinen Partsch, praef. zu Corippus p. XVI ff. 

7) Prok. n, 28. 8) Tissot G^ogr. I, 403. 







152 Drittes Buch. 



Mischung zurückzuführen sei — nach Löher sollen die Wandschen 
auf den Kanarischen Inseln Nachkommen der dahin geflohenen Wan^ 
dalen sein — , muTs als unbegründet verworfen werden.^) 

Über das Schicksal der an der Theifs zurückgebliebenen Wandalen 
fehlen fast alle Nachrichten. Dafs diese noch zur Zeit Geiserichs 
eine selbständige politische Existenz führten , zeigt die aus wanda- 
lischer Quelle stammende , schon oben angeführte Erzählimg Prokops 
(b. V. I, 22).^) In welches Jahr die hier erwähnte Gesandtschaft, die 
die Wandalen in Afrika zur Aufgabe des Besitzrechtes an ihren früher 
innegehabten Ländereien bewegen sollte^ fällt^ ist nicht festzustellen^ 
sicher doch wohl nach 442^ wahrscheinlich aber in die Zeit nach dem 
Sturze der Hunnenherrschaft^ unter der der Volksteil an der Theifs 
zweifellos gestanden hat. Wahrscheinlich ist derselbe hierauf von 
den Herulem, die nunmehr in jenen Gegenden erscheinen^ aufgesogen 
worden. 



1) Den EinfluTs germanisclier Elemente nehmen anch Batzel, Völker- 
kunde n*, 460 und Sievers, Afrika (Leipzig 1891) S. 881 an. 

2) Urnen entstammte wohl der Johannes 6 Isyofisvog OvccvdaXog^ der sich 
nach Theophanes A. M. 5988 i. J. 446 gegen Valentinian m. erhob. 



Viertes Buch. 



Das Gebiet des souveränen afrikanischen Reiches hiefs regnum^ 
wie dies namentlich in dem Titel des höchsten Reichsbeamten^ des 
praepositus regni hervortritt^); doch T^ird regnuxn sonst gewöhnlidi 
im Sinne von Eonigsherrschaft^ nicht in räumlicher Bedeutung an- 
gewendet.^ Vict. Vit. n, 39 spricht Hunerich von provinciis a d€>o 
nobis concessis; ebenda III, 14 von terris et regionibus, quae pro- 
pitia divinitate imperii nostri regimine possidentur. Die römische 
Provinzialeinteilung^) blieb bestehen; als besonderes Gebiet waren die 
den Wandalen zugewiesenen Distrikte, die sortes Vandalorum, aus- 
geschieden. Der Mittelpunkt des Reiches war Karthago. Hier liefen 
alle Fäden der Regierung zusammen; hier residierte der König in 
seinem Palast*), der ohne Zweifel mit der Wohnung des Prokonsuls, 
dem Prätorium, identisch war.^) 

Dem Reiche gehörten, wie wir sahen, mehrere Nationalitäten 
an, deren rechtliche Stellung eine sehr verschiedene war.^ Das 
herrschende Volk waren die Wandalen. Den Kern derselben bildeten 
die Asdingen, wozu die Reste der Silingen und Alanen, femer Goten 
und andere Volkssplitter traten (vgl. oben). Die Alanen, die wohl 
zur Zeit des Überganges nach Afrika bereits germanisiert waren, 
scheinen eine Zeitlang eine gewisse Sonderstellung eingenonmien zu 

1) Vict. Vit. II, 39. m, 3. Vgl. 11, 2: provincias regni sui. 

2) Vict. m, 3: nostro regno subiectis. I, 18: crescente opibus regno. ü, 7: 
regnum (Hunerichs), quod breve faerat et cadncum. ü, 13: cui regnuin debebatur. 
m, 20: regnuin filii donini nostri. Ebenso Prok. b. V. I, 9 {ßccails^a), 

3) Dies ersehen wir namentlich aus der erwähnten Notitia provinciarum et 
civitatum Africae, die die politische (nicht kirchliche) Einteilung des wan- 
dalischen Reiches i. J. 484 verzeichnet. 

4) palatium vgl. bes. Vict. HI, 32. Prok. I, 21. Im übertragenen Sinne noch 
öfter bei Vict. 

5) Über die Lage desselben vgl. Tissot I, 649. 660. Das Prätorium scheint 
zugleich als kaiserliches Absteigequartier gedient zu haben, da es auch palatium 
genannt wird, Tissot I, 660 N. 4. 

6) Vict. Vit. m, 3: universis populis nostro regno subiectis. Mit populi 
sind nicht die verschiedenen Nationen, für die der technische Ausdruck gentes 
ist, gemeint, sondern einfach das Volk, die Leute, vgl. Zeumer, Neues Archiv 
XXm (1898), S. 478. 



156 Viertes Buch. 

haben ^); doch ist Näheres darüber leider völlig imbekannt. Zur Zeit 
Prokops waren diese fremden Elemente völlig unter den Wandalen 
aufgegangen (b. V. I, 5). Die Zahl der in Afrika eingefallenen Ger- 
manen betrug nach der von Geiserich vorgenommenen Zahlung 80000, 
also etwa 16000 Krieger; davon werden sicher mindestens zwei Drittel 
etwa 50 — 60000, wandalischer Nationalität gewesen sein. In Afrika 
hat das Volk nicht unbeträchtliche Verluste erlitten; bei den Be- 
lagerungen von Hippo regius und Karthago hülste es einen grofsen 
Teil seiner Streiter ein. Zum Jahre 442 berichtet Prosper, daCsi 
Geiserich unter den Seinen ein gewaltiges Blutbad angerichtet habe: 
es seien so viele hingerichtet worden, als in einem unglücklichen 
Krieg gefallen sein würden. Für seine Zeit (c. 486) bemerkt Vict. 
Vit. (I, 2), dafs die Wandalen gegen früher bedeutend an Yölkszahl 
abgenommen hätten. Prokop a. a. 0. sagt dagegen, sie seien durch 
fremden Zuzug und eigene Fortpflanzung während der Dauer des 
afrikanischen Reiches zu einer groüsen Menschenmenge angewachsen, 
und an anderer Stelle heifst es (Hist. arc. 18), dais unter Justinian 
80000 streitbare Wandalen den Tod gefunden hätten. Man müTste 
hiemach annehmen, dafe ihre Zahl von 80000 auf ca. 500000 Köpfe 
gestiegen sei, was ganz unmöglich ist. Das üppige Leben, das die 
Wandalen späterhin führten, mufste notwendigerweise eine ungünstige 
Wirkung auf die Kindererzeugung ausüben; von einer starken Zu- 
wanderung von auswärts ist aber nichts bekannt. Prokop denkt 
wahrscheinlich an die Goten, die unter Amalafrida nach Afrika 
kamen; aber diese waren ja sehr bald nachher niedergemetzelt worden. 
Sein Zeugnis hat um so geringeren Wert, als er ein Interesse hatte, 
die Gbgner Belisars als möglichst stark hinzustellen; der Zahlen- 
angabe in der G^heimgeschichte liegt offenkundig die tendenziöse 
Absicht zu Grunde, die Thätigkeit Justinians in recht schwarzen 
Farben darzustellen. Dals die Wandalen unter Gelimers Regierung 
wenig zahlreich waren, zeigt auch eine Stelle der Kirchengeschichte 
des Zacharias (p. 206): „Als der Häuptling (Gelimer) mit einem Heere 
kam, stellte es sich als klein und winzig heraus^. Mag nun auch 
Victors Angabe etwas Obertrieben sein, was bei dessen übelwollender 
Gesinnung ganz erklärlich wäre, so wird man zu dem Resultat kommen 
müssen, daCs die Gesamtmenge zur Zeit der byzantinischen Er- 
oberung nicht höher, eher etwas geringer war, als sie bei der Ein- 



1) Vgl. auch Apoll. Sid. carm. II, 379: Quod oonsanguineo me Yandahu 
hostis Halano diripuit radonto. 



Innere Geschichte des afrikänisclien Beiches. 157 

Wanderung gewesen ist. Es ist offenbar eine bewufste Fälschung 
Prokops, wenn dieser (b. V. II 2) den Gelimer bei Tricamarum sagen 
läfst, sein Heer sei den gegenüberstehenden (etwa 10000 Mann starken) 
Byzantinern um das Zehnfache überlegen. Wenn man auch in Byzanz 
zu Anfang des Krieges die Wandalen für so stark gehalten haben 
mochte, so mufste der Verlauf der Expedition doch die Wahrheit 
sehr bald an den Tag bringen. 

Weitaus an Volkszahl überlegen waren die Römer. Diese 
galten prinzipiell nicht als gleichberechtigt, sondern wurden als 
Unterworfene behandelt, wenn sich auch ihre Lage zeitweilig etwas 
günstiger gestaltete. Der schroflFe religiöse Gegensatz und die Tod- 
feindschaft des hart betroffenen Adels haben eine Annäherung zwischen 
beiden Nationalitäten verhindert.^) Eheschliefsungen zwischen Römern 
und Wandalen waren ohne Zweifel streng verboten. Wenn trotzdem 
aufserhalb der Wandalenlose die bisherigen Einrichtungen in der 
Hauptsache bestehen blieben und selbst hohe Amter in den Händen 
der Römer ^) belassen wurden, so geschah dies nur deshalb, weil die 
Wandalen bez. ihre Herrscher mangels jeder staatlichen Begabung 
eine Neuorganisation des gesamten Staatswesens nicht eintreten zu 
lassen vermochten (vgl. darüber weiter unten). 

Wesentlich anders war die Stellung, die die Mauren innerhalb 
des wandalischen Reiches einnahmen. Als die Wandalen in Afrika 
einbrachen, scheinen sie sich neutral verhalten zu haben; nach der 
Eroberung des Landes traten sie zu den Siegern in engere Be- 
ziehungen. Sie erkannten, wohl hauptsächlich durch die Kriegs- 
thaten Geiserichs eingeschüchtert, die Oberhoheit der neuen Herren 
an, behielten jedoch wie zur Römerzeit ihre Autonomie. Ihre Fürsten 
empfingen aus den Händen der wandalischen Könige die Insignien 
ihrer Würde.^) Der Einflufs der wandalischen Herrschaft war je 
nach der geographischen Lage der Wohnsitze der einzelnen Stämme 
ein verschiedener; in einem gröfseren Abhängigkeitsverhältnis stand 
z. B. der Maurenfürst Kapsur, der über die Vorgänge in seinem 
Gebiete an Geiserich Bericht erstatten mufste und von diesem Befehle 
empfing (Vict. Vit. I, 35 ff.). Eine grofse Rolle spielten die Mauren 
bei den religiösen Verfolgungen: zahlreiche Bekenner des katholischen 



1) Diesen Antagonismus bringt besonders Vict. Vit. DI, 62 zum Ausdruck. 

2) Diese mufsten jedoch, soweit sie in der Umgebung des Königs lebten, 
in wandalischer Tracht erscheinen, wurden also gewissermafsen dadurch zu 
Angehörigen des wandalischen Volkes gestempelt. Vict. Vit. ü, 9. 

3) Prok. b. V. I, 26. 



158 Vierteg Buch. 

61anbens wurden ilmen zur Überwachung in der Wüste überwiesen.^) 
Zu den auswärtigen Expeditionen stellten sie ein starkes Kontingent; 
sie standen im königlichen Sold und hatten Anteil an der Kriegs- 
beute (vgl. unten). Geiserich hat es verstanden, die wilden Stämme/ 
die, wie wir sahen, zur Zeit der wandalischen Invasion im voUen 
Aufruhr waren, durch gütliche Mittel und Gewalt im Zaume zu 
halten; unbotmäfsige Elemente liefs er nach Sardinien schaffen, wo 
sich dieselben nachher so vermehrten, dafs sie (Barbaricini genannt) 
wegen ihrer Raubzüge zu einer grofsen Plage för die Bewohner der 
Insel wurden.^ Das Verdienst, das sich der König hierdurch 
erworben, kann nicht hoch genug angeschlagen werden; ohne die 
Dazwischenkunffc der Wandalen wäre sehr bald die Givilisation in 
Afrika vernichtet worden, da das römische Reich nicht mehr im stände 
war, die Einfälle der Barbaren abzuwehren. Freilich nach seinem Tode^ 
begannen die Mauren mit Erfolg das Joch abzuschütteln und ihre 
Herrschaft immer weiter auszudehnen, so dafs schliefslich der gröiste 
Teil des Landes in ihrer Gewalt sich befand. Bei dem Kampfe zwischen 
Gelimer und Belisar verhielten sich die Fürsten neutral; doch hat 
eine gröfsere Anzahl ihrer E[rieger im wandalischen Heere gedient. 
Nur mit äufserster Krafbanstrengung gelang es den Byzantinern, sie 
niederzuwerfen; aber der Krieg hatte den Wohlstand der Provinz 
vernichtet, so dafs nun hier zwar Ruhe, aber die Ruhe des Fried- 
hofes herrschte. Was in Afrika in jenen Zeiten an Denkmälern der 
Kultur vernichtet worden ist, das ist nicht auf die Rechnung der 
Wandalen, sondern auf die der Mauren zu setzen. Unversöhnliche 
Feinde der Givilisation, sahen diese ihren Lebenszweck nur in Raub 
und Zerstörung. Eine Ausnahme scheint nur der Fürst Masuna in 
Mauretania Gaesareensis gemacht zu haben, dessen Regierungs- 
thätigkeit durch die oben mitgeteilte Inschrift eine Beleuchtung 
erfährt.8) 

Was die wirtschaftlichen Verl^ltnisse der Wandalen in Afrika 
anbelangt, so ist eine Veränderung in denselben gegenüber der 
Niederlassung in Spanien nicht eingetreten. Die Landnahme 
von 442 — die vom Jahre 435 trug ganz den Charakter 



1) Dafs die Deportierten regelmäfsig Sklaven der Mauren geworden seien, 
ist nicht gesagt; mit solchen Mengen hätten diese nichts an^Eingen können. 

2) Vgl. Prok. n, 13 a. E. Cod. Just. I, 27, 2,8. Noch im Jahre 694 lebten 
sie dort in grofser Zahl, vgl. Gregor. Magn. epist. IV, 25. 27 und die in der 
Ausgabe der Mon. Germ, dazu citierte Litteratur. 

3) Vgl. Diehl, p. 263 ff. und oben. 



Innere Geschichte dee a&ikanischen Reiches. 159^ 

der spanischen — erfolgte^ wie wir sahen, naeh den Gfnmd-^- 
sätzen des Eroberungsrechts^ nicht mehr auf Gh*und eisum Yer^- 
trages mit dem römischen Reiche in der Form der Hospitalitätf 
der grölste imd wertvollste Teil des ländlichen Güterbesitzes in der 
Zeugitana wurde expropriiert und den einzelnen Haushaltungen über- 
wiesen. Über die Einzelheiten fehlt es leider an näheren Angaben^ 
sicher aber ist die Organisation der römischen GmndbesitzYerhaltnissa^ 
nicht z^stört worden. Die Güter wechselten nur die Person der. 
B^itzer^ sonst blieb es bei den früheren Zuständen. In die Villa 
des römischen Gutes zog jetzt ein Wandale mit seiner Familie ein^)^ 
und wie bisher hatten die Kolonen die sdmldigen Abgaben an den^ 
Herrn oder dessen Stellvertreter abzuliefern und auf dem Hof lande' 
Frohndienste zu leisten. Die einzelnen Lose können bei der verv 
schiedenen Gröfse der zur Verteilung gelangten Wirtschaftseinheiten 
schon von Anfang an nicht von gleichem umfange gewesen sein, 
und der Unterschied wird sich im Laufe der Zeit durch Vererbung u, s.w. 
noch verstärkt haben. Die Erträgnisse derselben sind jedenfalls im 
Durchschnitt nicht unbedeutend gewesen, da sie die Entfaltung einer 
üppigen Lebensweise im Volke auch nach Vermehrung der Kopfzahl 
ermöglichten. Dafs bei der Landteilung die Beamten, d. h. der Dienst« 
adel, vor den übrigen Freien besonders begünstigt worden sind, ist: 
von vornherein anzunehmen; jenen fielen daher auch diejenigen Güter^ 
zu, die durch einen reichen Viehstand sich auszeichneten, der wie* 
vor alters als besonders wertvoller Besitz geschätzt wurde. Die 
Erzählung Victors v. V. 1, 35 zeigt, dafs der Reichtum des hier 
genannten Tausendschaitsführers hauptsächlich in Viehherden bestand. . 
Durch spätere Überweisungen aus dem Fiskalgute wird, wie ander- 
wärts, der Grundbesitz der Günstlinge des Königs noch weiter an' 
Umfang gewonnen haben. Die Verwaltung wurde wohl wie bisher 
nur zum geringeren Teil von den neuen Herren selbst geführt, da 
diese nicht über die zum Wirtschaftsbetrieb nötigen Kenntnisse ver- 
fügten, auch durch Kriegspflicht und Hofdienst häufig zur Ab^ 
Wesenheit von ihren Gütern gezwungen waren, in der Begel vielmehr 
durch Intendanten oder durch Konduktoren, die aus den früheren 
Verhältnissen mit übernommen wurden. Die Beibehaltung des Ver- 
paehtungssystems ist namentlich für die gröfeeren Güter, insbesondere 
fttr die Domänen anzunehmen; VgL Vict. Vit. HI, 11, wo von con^ 

1) Vgl. dazu Prokop b. V. 11,6: %al ä^Lrivzo (isv avtmv ot noXXol (d.h. die 
meiBten, die grofse Masse des- Volkes) iv na^^eiaois^ vdatmv m«1 divdQonv 



160 Viertes Bnch. 

ductores regalium praediorum die Rede ist. Die Besitzungen der 
Königssöhne Theodericli und Hunerich scheinen entsprechend den 
Gfütem der kaiserlichen domus divina nach den Erzählungen Victors 
Vit. I, 44 ff., 48 ff. in eigener Regie verwaltet worden zu sein. Gleich- 
wohl muls sich die Lage der Gutsunterthanen, wenigstens insoweit 
sie direkt unter der Herrschaft der V7andalen standen, nicht un- 
wesentlich verbessert haben. Zur Erscheinung kam dies schon in 
Spanien, wie die oben erwähnte Erzählung des Orosius beweist; 
wäre es anders gewesen, so würden die Wandalen bei ihrer Ankunft 
in Afrika nicht so viele IVeunde gefunden haben. Daher denn auch 
die bereitwillige Unterstützung, die Gelimer unter den Landleuten 
fand, als er diese — es waren wohl hauptsächlich solche aus den 
wandalischen Bezirken — gegen Belisar aufbot; es war ohne Zweifel 
weniger der Einflufs der ausgeteilten Geschenke, als die Aussicht 
auf Rückkehr der alten Zustände, die sie zur Parteinahme gegen 
die Byzantiner bestimmte. Für diese Auffassung spricht auch der 
Umstand, dafs viele depossedierte Possessoren es vorzogen, auf ihren 
Gütern als Kolonen zurückzubleiben, statt aller Mittel entblofst in 
Freiheit anderswo zu leben (Vict. Vit. 1, 14). Wäre ihre Lage nicht 
ganz erträglich gewesen, so würde sich kaum jemand in die Ab- 
hängigkeit der Feinde begeben haben. Trotz aller sonstigen Brutalität 
entbehrten also auch die Wandalen nicht der den Germanen überhaupt 
eigentümlichen Humanität. In die Verhältnisse, wie sie auf den in 
römischen Händen verbliebenen Gütern bestanden^), scheinen die 
Wandalen im allgemeinen nicht eingegriffen zu haben; doch haben 
sie auch (im Gegensatz namentlich zu Theoderich d. Gr.) nichts 
gethan, die Rechte der Grundbesitzer gegenüber den Kolonen zu 
schützen und deren Flucht zu verhindern. Die Verordnung Justinians 
vom 6. September 552 (Novell, app. 6; Corp. jur. civil. HI, 799), es 
sollten die (gewils zahlreichen) Kolonen, die in der Wandalenzeit 
ihre Scholle verlassen und unter den Freien sich aufgehalten Mtten, 
nicht wieder ihrer früheren Stellung zugeführt werden, ist wohl 
hierauf zu beziehen. 

Die Stände bei den Wandalen waren auf serlich die gleichen wie 
früher, in ihrem inneren Wesen jedoch teilweise stark verändert. 
Dies gilt zunächst von dem alten Geschlechtsadel. Wie in anderen 
germanischen Staaten so waren auch die Grundlagen desselben durch 



1) Fortbestand des römischen Verpachtongssystems zeigt namentlich das 
Religionsedikt Hunericlis Vict. Vit. m, 11. 



Innere Geschiclite des afrikanisclien Reiches. 161 

das Emporkommen des Königtums völlig erschüttert worden. Das 
Volk, das dem Adel bisher seine bevorzugte Stellung verliehen hatte, 
war von der Leitung des Staatswesens zurückgedrängt worden; allein 
der König vermochte jetzt Würde und Macht zu verleihen. Nur wenn 
sie in den königlichen Dienst eintraten, konnten die alten Geschlechter 
sich Teile ihres früheren Ansehens bewahren; eine Stellung in der 
Umgebung des Herrschers war aber jetzt jedem Stande, auch den 
Unfreien, zugänglich. Die Mehrzahl der Adligen hat wahrscheinlich 
jenen Schritt zu thun nicht verscjimäht; diejenigen von ihnen, die 
sich ablehnend verhielten, verschwanden unter den übrigen Freien, 
wenn auch in der ersten Zeit die Erinnerung an früher innegehabten 
Vorrang ihnen im Auge des Volkes noch ein gewisses besonderes 
Ansehen verleihen mochte.^) Zu den letzteren gehörten wohl jene 
optimates, die, wie schon oben erwähnt, nach Prospers Erzählung 
gegen Geiserich im Jahre 442 als Verfechter der Volksfreiheit in 
zweimaligem fruchtlosen Aufstande sich erhoben.^) Es tritt jetzt 
eine neue Aristokratie hervor, die auf den Königsdienst, nicht mehr 
auf die Abkunft, sich gründete. Die nun in den Quellen auftretenden 
nobiles gentis, doxtftot, aQxovtsg^ agiCtoi u. a. gehören ohne Zweifel 
dem Dienstadel an, ebenso wie die edel Geborenen {sv yeyBvöreg), 
die neben königlichen Verwandten unter den flüchtigen Begleitern 
Gelimers von Prokop (11, 6) erwähnt werden und schwerlich als 
Adlige im alten Sinne zu fassen sind, wie Dahn (Könige I, 236) 
meint (vgl. weiter unten). Während nun anderwärts, wie namentlich 
bei den Westgoten, dieser Dienstadel eine hervorragende Bedeutung 
im politischen Leben zu erringen vermochte, ist im Wandalenreiche 
von einer solchen Entwicklung wenig zu spüren: die Ausbildung 
eines Oligarchentums ist durch den Einflufs des starken Königtums, 
namentlich durch die gesetzliche Regelung der Succession verhindert 
worden. 

Auch auf den Stand der Gemeinfreien ist die Verschiebung der 
Verhältnisse nicht ohne Einflufs gewesen. Die einzelnen Hausväter 
waren erbliche Eigentümer der ihnen zugeteilten Grundstücke und 
frei von jeder Steuer; aber infolge des Überganges der Gewalt der 
Volksversammlung an das Königtum war ihre Bedeutung im öfifent- 



1) Vgl. darüber Maurer, Über das Wesen des ältesten Adels der deutschen 
Stämme (München 1846), S. 208 ff. 

2) Vgl. Dahn, Könige I, 236. Schücking, Der Regierungsantritt (1899) 
I, 24, N. 1. Anderer Ansicht ohne entscheidende Gründe v. Bethmann- 
Hollweg, Der germ.-roman. Civilprozefs I, 135, N. 28. 

Schmidt, Wandalen. h-* 



162 Viertes Buch. 

liehen Leben stark gesunken. Dazu kam^ dafs wahrscheinlich auch 
hier die kräftigsten Elemente des Standes in dem neuen Dienstadel 
aufgingen.^) 

Die schon vorher beträchtliche Zahl der Unfreien oder 
Knechte (servi, homines) war durch die Eroberung Afrikas^ die 
späteren Plünderungszüge nach den Küsten des Mittelmeeres und 
die Katholikenverfolgungen noch weiter vermehrt worden. Besonders 
der Zug nach Rom hatte eine so gewaltige Menge Sklaven als Beute 
gebracht^ dafs sie kaum imtergebracht werden konnte. Jeder einzelne 
Wandale besafs deren eine gröfsere Zahl, besonders natürlich die 
Vornehmen. Vgl. Vict. Vit. I, 14 S., 24 ff. 30. III, 31. 59, Malchus 
fragm. 3. Zum grofsen Teil waren sie als Gutsverwalter oder sonst im 
Haushalt des Herrn in verschiedenen Funktionen beschäftigt. Die 
von Vict. Vit. I, 30 erwähnte Sklavin Maxima leitete das ganze Haus- 
wesen eines Tausendschaftführers, während der Knecht Martinianus 
bei demselben das Amt eines Waffenschmiedes versah. Jene Elasse 
der unfreien nahm eine bevorzugte Stellung ein. Die niedrigste 
Stufe des Standes bildeten die zu Feldarbeiten und dergl. verwendeten 
Sklaven. Vict. Vit. I, 44 wird Armogast, der am Hofe des Königs- 
sohnes Theoderich angestellt war (Theodericus, qui eins dominus 
erat), zum Erdarbeiter und Kuhhirten degradiert. Prosper c. 1329 
wird der Knabe Paulillus ad infimam servitutem verurteilt. Doch 
galten die unfreien sämtlich nicht als Person, sondern als venLuJGser- 
liche (Vict. I, 35. 48) Sache. Der Herr verfügte über ihre Ehe- 
schlielsungen (1,32 f.) und konnte sie nach Belieben strafen (töten, 
ins Gefängnis werfen, foltern I, 33. 44); in dieses Strafrecht griff 
jedoch der König vielfach ein, wenn es sich um Vergehen von 
politischer Bedeutung handelte (I, 36 ff., vgl. HI, 31 : diversitates 
poenarum, quas ex iussu regis sui etiam ipsi Wandali in snos 
homines, d. h. Sklaven, nicht etwa, wie Zink übersetzt: Leute des 
eigenen Volkes, exercuerunt). Einer besonders günstigen Stellung 
erfreuten sich hier wie anderwärts die Knechte am königlichen Hofe, 
die zu den höchsten Ämtern aufsteigen konnten: so wurde Godas, 
ein Unfreier (ßovXog), von Gelimer zum Statthalter der Inseln im 
Mittelländischen Meere ernannt (Prok. b. V. 1, 10). Ein regius servus 
Abcar wird in einem Gedichte der Anthologie (no. 209 Biese) gefeiert. 
Eine Zwischenstellung zwischen Freien und Kiiechten nahmen die 
persönlich freien, aber an die Scholle gefesselten Kolonen ein, deren 



1) Vgl. Brunner I, 253. 



Innere Geschichte des afrikanischen Reiches. 153 

rechtliche Stellung im allgemeinen anerkannt worden zu sein scheint. 
Die zahlreichen römischen Possessoren und Geistlichen^ die nach 
Yict. Vit. auf ihrem bisherigen Eigentum und in ihren früheren 
Wohnsitzen zurückblieben^ werden wohl zum gröfsten Teil in den 
Kolonat eingetreten sein (vgl. oben). Die Bischöfe, die den Schwur 
geleistet hatten, dafs sie die Nachfolge Hilderichs anerkennen wollten, 
wurden zur Bebauung von Ackern colonatus jure verurteilt, 
während die übrigen mit Sklavenarbeiten (Fällen von Bauholz) 
beschäftigt werden sollten. 

Die tiefgehendsten Wandlungen hat das Königtum durchzumachen 
gehabt. Durch die Verhältnisse auf der Wanderung und die Er- 
oberung Afrikas gewaltig erstarkt, hat die Macht desselben unter 
dem Einflufs des römischen Rechts, dessen die Herrscher zunächst 
den unterworfenen Römern, sodann aber auch vielfach den eigenen 
Volksgenossen gegenüber sich bedienten, eine weitere Steigerung 
erfahren. So vollzieht sich die Entwicklung in der Art, dals das 
wandalische Königtum, wenn auch aus germanischer Wurzel ent- 
sprossen, schliefslich sich in seinem inneren und äufseren Charakter 
wenig von dem römisch -byzantinischen Absolutismus unterscheidet.^) 

Der offizielle Titel des Königs war rex Wandalorum et Alano- 
rum: so nennt sich Hunerich in den Verordnungen Vict. II, 39. III, 3 
und Gelimer in der Inschrift auf dem oben erwähnten wandalischen 
Beutestück, vgl. auch Prok. b.V. I, 24: ä Bavdiltov ts xal l4kav(ov 
ßaCikev (Tzazos Anrede an den König). Hierauf bezieht sich auch 
Anthol. lat. n. 215 von König Hilderich: gemini diadematis heres. 
Daneben war die Bezeichnung dominus noster rex im Gebrauch, und 
zwar auf Münzen bei den Nachfolgern Hunerichs D(ominus) n (oster) 
rex (ebenso auf Inschriften C. I. L. n. 2013. 10516. 10862 [Domnus 
Geilimer]; Schwarze, Afrikanische Kirche S. 64), bei den Schrift- 
stellern jedoch schon früher. Vict. Vit. I, 20 wird auch Geiserich von 
Sebastianus domine rex angeredet*), doch beruht dies wohl auf Über- 
tragung späterer Verhältnisse. Ferner Vict. II, 3: domnus; H, 44: dom- 
nus meus rex; HI, 17. 19: dominus noster rex; HI, 20: filius donmi 
nostri (sämtlich von Hunerich). Pulgentius, Myth. ed. Helm p. 5, 14: 
domini regis; Dracontius, Satisf. v. 107: regi dominoque (von Guntha- 



1) Von einem unvermittelten Auftreten des königlichen Absolutismus, 
wie Halban I, 81 will, kann jedoch keine Rede sein. 

2) Die Angabe des Theophanes chronogr. a. 5941 , Geiserich habe sich (nach 
der Eroberung Karthagos) rex genannt (J^riyu %aXiactg savtbv)^ beruht wohl auf 
einem MiTsverständnis. 



164 Viertes Buch. 

mund). Anth. 203: dominus rex (von Hilderich). Die Bezeichnung 
dominus beruht offenbar auf Entlehnung aus dem Titel der römischen 
Kaiser^) und ist schwerlich nationalen Ursprungs. Auf den erhaltenen 
Münzen Hunerichs wird dieser Augustus genannt.^) Einmal erscheint 
auch der Ausdruck maiestas regia (Yict. III, 3), femer dementia nostra 
(ibid.), pietas nostra (III, 12), von Hunerich selbst gebraucht, während 
die (römischen) Unterthanen zur offiziellen Titulatur die Prädikate 
pius (Dracont. v. 110. 193 von Gunthamund), clementissimus 
(Vict. n, 42 von Hunerich; Pulg. adv. Thrasim. I, 2 von Trasamund), 
gloriosissimus (Concil. a. 525 von Hilderich) hinzufügen, von regalis 
Providentia sprechen (Vict. HI, 41) und den König mit vestra celsi- 
tudo (Fulgent. a. a. 0. 1, 1), benigna mansuetudo (ib. I, 2) u. s. w. an- 
reden. 

Über die Abzeichen der königlichen Gewalt ist wenig bekannt. 
Die Bilder auf den erhaltenen Münzen, die die wandalischen Herrscher 
sämtlich mit dem Stirnband und dem Purpurmantel darstellen, bieten 
keine sichere Handhabe, da sie nach römischem Muster hergestellt 
sind. Das lang herabwallende Haupthaar war in ältester Zeit ein 
hauptsächliches Kennzeichen des Königs sowie seiner Sippe und ist 
es wohl auch nach der Begründung des afrikanischen Reiches noch 
längere Zeit geblieben. Dasselbe finden wir bei den Merowingern wie 
auch bei dem Ostgotenkönig Theoderich, dessen Haartracht auf einem 
neuerdings gefundenen Medaillon deutlich zur Erscheinung gelangt.^ 
Dafe die Wandalenkönige wenigstens in älterer Zeit an der her- 
gebrachten Tracht festhielten, darf man wohl daraus entnehmen, dals 
die Hofbeamten Hunerichs, auch die römischer Geburt, in specie 
suae gentis*) erscheinen mufsten. Gelimer trug wie der Kaiser das 
Purpurgewand; im Hippodrom zu Byzanz wurde ihm dasselbe ab- 
genommen, um ihn äufserlich seiner Würde zu entkleiden (Prok. H, 9). 
Ein Sinnbild des Königtums war femer der Thron, dessen beim Ein- 
zug Belisars in Karthago Erwähnung geschieht (Prok. I, 20 p. 394B). 
Von sonstigen Abzeichen, wie Speer, Stab, Krone u. s.w., verlautet 
dagegen nichts. Von den Königinnen wird bemerkt, dafs sie in be- 
sonderen, kostbaren Wagen auszufahren pflegten (Prok. H, 9.) ^) 



1) Vgl. dazu Mommsen, Rom. Staatsrecht ü', 2 S. 737 ff. 

2) Friedländer, Münzen d. Vandalen S. 8. 18 ff. 

3) Vgl. Sallet, Handbücher der kgl. Museen zu Berlin. Münzen u. Medaülen 
(1898) S. 101. 

4) Vict. Vit. n, 9. 

5) Über Gefolge u. Hofhaltung vgl. unten. 



Innere Geschichte des afrikanischen Reiches. 165 

Die Thronfolge^) war durch das sogenannte Testament Geise- 
richs gesetzlich geregelt. Die Hanptquellenstelle darüber ist Prokop 
b. V. I, 7: ,, Geiserich hatte ein Testament {diad-i^ag) gemacht, worin 
er aufser vielen anderen Dingen verordnete, dafs die Eönigsherrschaft 
über die Wandalen immer auf denjenigen übergehen sollte, der aus 
der männlichen Nachkommenschaft zu dem Geblüte Geiserichs gehöre 
und von allen seinen Verwandten dem Alter nach der erste sei." 
Hierzu tritt noch eine kürzere Angabe bei Jordanes (Get, c. 33 § 169).*) 
Der Ausdruck Testament ist auch in dem Briefe Justinians an 
Gelimer (Prok. II, 9 p. 351, li) gebraucht; richtiger ist es, wenn 
Vict. Vit. n, 13 von einer constitutio Geiserici spricht und auch 
Justinian in demselben Briefe weiter unten (p. 351, 20) die Bezeich- 
nung vorlog Fl^sqlxov a4wendet; denn Wort und Begriff des Testa- 
ments waren dem Sprachschatz und Recht der Wandalen fremd.*) 
Der Erlafs des Gesetzes fällt wohl in die Zeit kurz vor 477, als der 
greise König sein Ende nahen fühlte; dafür spricht namentlich die 
Bemerkung des Jordanes a. a. 0.: ante obitum suum . . . ordinavit, 
was wohl in dem Sinne: nicht lange vor seinem Tode zu verstehen 
ist. Die Chronologie der Erzählung Prokops (I, 7), die Dahn (Bau- 
steine 223) als Beleg hierfür anführt, ist nicht beweiskräftig; denn 
Prok. gedenkt des Testaments nicht kurz vor, sondern nach Er- 
wähnung des Todes Geiserichs, um die folgende Darstellung ein- 
zuleiten. Das Wandalenreich war der erste und auf lange Zeit hin- 
aus der einzige Staat, in dem' die Idee einer dauernden Ordnung der 
Succession zur Verwirklichung gelangte. Mit Recht wird daher das 
Hausgesetz Geiserichs zu den merkwürdigsten staatsrechtlichen Er- 
eignissen der Geschichte gezählt; dasselbe bildete schon für die Zeit- 
genossen den Gegenstand lebhaften Interesses und der Bewundertti^. 
Geiserich betrachtete sich, nachdem er in den Vollbesitz der mon- 
archischen Gewalt gelangt war, als Neubegründer des wandalischen 
Königtums, als Stifter einer Dynastie*), ganz ebenso wie der Franks» 
Ghlodowech; die Herrschergewalt galt als ein Erbgut seiner Familie, 
über das dem Volke kein Verfügungsrecht mehr zustand. Die übrigen. 
Asdingen waren also von der Thronfolge ausgeschlossen; doch waren 

1) Vgl. namentlich Herrn. Schnlze, De tesfcamento Genserici, Jen. 1859. Der- 
selbe in der Zeitschrift für Rechtsgeschichte VE (1868), 341 ff. Dahn, Könige 
I, 228 ff. Derselbe, Bausteine n (1880), 213 ff. v. Pflugk-Harttnng in der Zeit- 
schrift der SavignyBtiftung für Rechtsgeschichte, Germ. Abt. XI (1890), 182 ff. 

2) Über die Stelle Vict. Vit. II, 13 vgl oben. 
^ • 3) Dahn, Bausteine S. 219. 

4) Vgl. die Stellen bei Schulze p. 89 n. 64. 



166 ViiBrfceß Buch. 

bei dem Erlafs der Successionsordnung Angehörige dieses Geschleclits 
aufser den Descendenten des Königs wahrscheinlicli nicht mehr am 
Leben. Die Söhne Gunderichs hatte er mitsamt ihrer Mutter wohl 
schon früher aus dem Wege schaffen lassen^ um etwaigen von dieser 
Seite hervortretenden Ansprüchen vorzubeugen.^) Da aber bei dem 
Vorhandensein mehrerer Erbberechtigter die Gefahr eines Zerfalls 
des ohnehin in wenig gesicherter Lage befindlichen Wandalenreiches 
in einzelne Teile bestand^ so setzte Geiserich das Prinzip der Indi- 
vidualsuccession fest; femer verfügte er, dals die £j*one an den 
jeweils Ältesten aus seiner männlichen Nachkommenschaft überzugehen 
habe.^ Durch diese letztere Bestimmung sollte die Regierung eines 
minderjährigen, waffenunfahigen Königs, die ebenso wie die Herr- 
schaft einer Frau dem kriegerischen Charakter des Volkes wider- 
sprach, nach menschlicher Voraussicht unmöglich gemacht werden. 
Vorbildlich bei der Schaffung des Gesetzes sind jedenfalls die bei den 
Wandalen bisher in Geltung gewesenen Grundsätze gewesen: Un- 
teilbarkeit des Reiches, Nachfolge im Mannesstamme und AusschluJs 
minorenner Mitglieder des asdingischen Geschlechts von der Königs- 
wahl. Wir sahen, dafs Geiserich seine Erhebung seiner Kriegstüchtig- 
keit und dem Umstände verdankte, dafs die Söhne Gunderichs noch 
im Kindesalter sich befanden. Dafs Geiserich das Seniorat von den 
benachbarten Mauren entlehnt habe^), halte ich f^r nicht wahrschein- 
lich, ganz abgesehen davon, dafs mit Sicherheit die Existenz desselben 
bei dieser Nation sich nicht nachweisen läfst. Das wandalische Haus- 
gesetz ist vielmehr als eine originale Schöpfung anzusehen.^) 

Bis zum Ende des Reiches ist dasselbe in voller Geltung ge- 
blieben. Auf Geiserich folgte zwar dessen ältester Sohn Hunerich, 
diesem jedoch folgten nacheinander zwei seiner Neffen, Gunthamund und 
Trasamund, und erst nach des letzteren Tode Hunerichs Sohn Hilde- 
rich. Bemerkenswert ist es, dafs Hunerich in seinem Bestreben, seinem 
Sohne die Krone zu verschaffen, nicht offen gegen die Successions- 
ordnung aufzutreten wagte, sondern dieselbe zu umgehen versuchte, 
indem er nach und nach alle Thronanwärter, die älter als Hilderich 



1) Vict. Vit. n, 14. Die Witwe GunderichB ward im Flusse Amsaga in 
Nomidien ertränkt. 

2) D. h. nur an die Descendenten männlichen Geschlechts, die durch M&nner 
mit Geiserich verwandt waren. 

3) Schulze p. 21. 

4) Für den germanischen Charakter Mommsen, Neues Archiv XTV, 640 N. 1. 
Dagegen ohne Angabe von Gründen Halban I, 82. 



Innere Geschichte des afrikanischen Reiches. 167 

waren^ aus dem Wege räumen liels.^) Gelimer gelangte dagegen auf 
direkt ungesetzlichem Wege zur Krone, da dem Volke ein Recht zur 
Absetzung des Königs nicht mehr zustand; seine Bemühungen, Justinian 
gegenüber sich als legitimen Herrscher hinzustellen, waren verfehlt. 

Nach dem oben Bemerkten ist es höchst unwahrscheinlich, dafs 
Geiserich bei dem Erlafs des „ Testaments ^^ das Volk um seine Zu- 
stimmung befragt habe (vgl. auch weiter unten); da die königliche 
Herrschaft als Familiengut angesehen wurde, kam nur eine Aus- 
einandersetzung mit den Söhnen in Frage.*) Die letzteren aber konnten 
um so eher ihr Einverständnis erklären, als die Möglichkeit ihrer 
Succession nicht direkt, wie bei der Primogenitur, ausgeschlossen 
wurde. Wenn an dem Hausgesetze so lange festgehalten wurde, so be- 
ruhte dies lediglich auf dem tiefgewurzelten Ansehen der machtvollen 
Persönlichkeit Geiserichs; von dessen Gefolgsgenossen war daher auch 
in erster Linie ein energischer Widerstand gegen eine Verletzung 
der Successionsordnung zu erwarten. So verstehen wir es, wenn 
Victor Vit. (H, 15) erzählt, Hunerich habe zahlreiche angesehene Per- 
sönlichkeiten, insbesondere solche, die ihm sein Vater auf dem Sterbe- 
bette unter Eidesabnahme empfohlen, hinwegräumen lassen. Auch 
Gelimer vermochte nur dadurch die Herrschaft zu erlangen, dafs er 
auf den angeblichen Versuch Hilderichs, das Hausgesetz Geiserichs 
umzustöfsen, Bezug nahm und damit den Wandalen gegenüber die 
Bechtmäfsigkeit der Absetzung des Königs begründete. 

Das Wandalenreich würde ohne die erfolgte Regelung der Thron- 
folgefrage bei den unvermeidlichen Erbteilungen wahrscheinlich viel 
früher, als es thatsächlich geschah, den Untergang gefunden haben, 
eine leichte Beute seiner mächtigen Feinde geworden sein, und in- 
sofern ist das günstige urteil, das Jordanes über die Wirkungen des 
Hausgesetzes fällt, nicht ohne Berechtigung. Die Mängel, die der 
Succession nach Seniorat notwendigerweise anhaften, sind jedoch auch 
hier von unheilvollem Einflüsse gewesen. Eine solche Erbordnung 
steht dem natürlichen Verlangen des Vaters, seinem Sohne die Krone 
zu hinterlassen, entgegen und macht den einer entfernten Linie an- 
gehörigen präsumtiven Thronerben leicht zum Rivalen des regierenden 
Königs. Hunerichs blutiges Vorgehen gegen seine Verwandten, das 



1) Später scheint Hunerich allerdings die Absicht gehabt zu haben, seinen 
Sohn nach römischem Brauch bei Lebzeiten zum Nachfolger zu designieren; 
darauf deutet der Eid, den er nach Vict. Vit. lU, 19 den katholischen Bischöfen 
und wohl auch den Wandalen auferlegte. 

2) Jord. a. a. 0.: filiorum agmine accito. 



168 Viertes Buch. 

seinem Sohne die Nachfolge sichern sollte, hat ohne Zweifel nicht 
wenig dazu beigetragen, die innere Kraft des Reiches zu schwächen. 
Der zweite Übelstand trat bei der Succession Gelimers hervor und 
wurde indirekt der Anlafs zur Einmischung der Byzantiner und zum 
Sturze der wandalischen Herrschaft. Es darf hierbei jedoch nicht 
aufser acht gelassen werden, dafs Justinian, wenn er nicht die Ver- 
letzung des Hausgesetzes hätte vorschieben können, einen anderen 
Vorwand gefunden haben würde, in die Geschicke des Wandalen- 
reiches einzugreifen. 

Es ist sehr zu bedauern, dafs das Testament Geiserichs nicht in 
seinem vollen Wortlaut überliefert ist. Dafs in demselben zahlreiche 
uns unbekannte Vorschriften getroffen waren, ergiebt sich aus der 
oben mitgeteilten Stelle Prokops: iv alg aXXa xs %oXXä BavdtXoig 
iitieKr^te. Gleichwohl wäre es verfehlt, eine Bicchtsaufzeichnung im 
Sinne der erhaltenen germanischen Volksrechte anzunehmen: nament- 
lich ist es ausgeschlossen, an eine Kodifikation des Privatrechts zu 
denken. Es kann sich vielmehr nur um Bestimmungen handeln, die 
mit der Succession in Zusammenhang standen. So ist wahrscheinlich 
die Frage der rechtlichen Stellung der nichtregierenden Glieder des 
asdingischen Hauses, für die Prokop den technischen Ausdruck ävstlfcoi. 
Vettern, gebraucht, geregelt worden. Dafs diese gewisser Vorrechte 
vor den übrigen Adligen teilhaftig waren, ergiebt sich aus ver- 
schiedenen Zeugnissen: ihnen wurde die Führung gröfserer Truppen- 
abteilungen, die Leitung kleinerer Expeditionen sowie auch zeitweilig 
der Oberbefehl über das ganze Heer in Stellvertretung des Königs 
übertragen, vgl. die Rolle, die unter Hilderich Oamer und Oageis 
(von letzterem heifst es Anthol. lat. 345, 15: Libyam dum protegit 
armis) und unter Gelimer Tzazo, Ammatas und Gibamund spielten. 
Ferner hatten sie eigene, den königlichen nachgebildete Hofhaltungen, 
über die jedoch der König eine gewisse Gewalt ausübte^), und waren 
mit reichen Einkünften ausgestattet. Aus Anth. 369 darf vielleicht 
geschlossen werden, dafs ihnen das Prädikat domnus zukam. Sonst 
aber nahmen sie, auch die nächsten Anverwandten des regierenden 
Königs, diesem gegenüber ganz die Stellung der übrigen Unterthanen 
ein: Gelimer wird von seinem Bruder Tzazo mit dem feierlichen Titel 
o BavävXov xs xal 'JXaväv ßaacXev angeredet (Prok. 1,24). 



1) Vgl. Vict. Vit. I, 43 : Geisericus prsBceperat ut intra aiüam suam filiommque 
suorum nonnisi Arriani ponerentur. Schulze test. p. 23. Vgl. dazu auch Malcb. 
fr. 3, wo Geisericli die Sklaven seiner Söhne verschenkt. 



Innere Geschichte des a&ikanischen Reiches. 169 

Ebenso wird auch eine Anordnung über die Art des Regierungs- 
antrittes getroffen gewesen sein. Die Herrschergewalt gelangte durch 
den Tod des Königs eo ipso wie jedes andere Erbgut in den Besitz 
des Thronfolgers; doch ist es üblich gewesen, den Übergang derselben 
auch äufserlich durch einen feierlichen Akt vor der Öffentlichkeit zu 
konstatieren. Wichtig ist hierfür das Zeugnis des Victor von Tonnena 
a. 523, wo es heilst, Hilderich habe nach Trasamunds Tode dem ihm 
abgenommenen Eid zuwider, priusquam regnaret, der katholischen 
Kirche ihre Freiheit zurückgegeben.^) Wie der Hergang im einzelnen 
gewesen ist, wissen wir nicht; wahrscheinlich wird in Gegenwart des 
gesamten Adels der oberste Reichsbeamte dem neuen König die Ab- 
zeichen seiner Würde überreicht, dieser hierauf den Thron ein- 
genommen und die vollzogene Übernahme der Herrschaft mündlich 
verkündet haben. Die Annahme, dafs eine aUgemeine Huldigung der 
Unterthanen unter Ablegung eines Treueides sich angeschlossen habe, 
ist bei dem Charakter des Hausgesetzes ausgeschlossen. Auf die ge- 
schilderte Weise mögen Hunerich, Gunthamund, Trasamund und 
Hilderich zur Regierung gelangt sein, und nicht viel anders ist es 
wahrscheinlich bei der Succession Gelimers zugegangen, da dieser ja 
nicht eigentlich durch eine Wahl des Volkes, sondern ebenfalls nach 
den Bestimmungen des Hausgesetzes den angeblich erledigten Thron 
einnahm. 

Vorschriften betreffend die Ebenbürtigkeit der Ehen der Asdingen 
imd die Successionsfahigkeit der aus nicht ebenbürtigen Verbindungen 
entsprossenen oder gar unehelich geborenen Kinder scheint das 
Testament dagegen nicht enthalten zu haben; vielmehr wurden wohl, 
alter Anschauung entsprechend, stillschweigend alle Nachkommen 
Geiserichs, gleichviel welcher Abstammung, wenn sie nur vom Vater 
anerkannt waren, als berechtigt angesehen, das Szepter zu führen. 
War doch Geiserich selbst von einer Konkubine des Königs Godigisel 
geboren. Ebenbürtig vermählt waren, soweit wir wissen, nur Hunerich 
und (in zweiter Ehe) Trasamund. Die Frauen der übrigen Asdingen 
stammten vermutlich zum gröfsten Teil aus verschiedenen Standen 
des eigenen Volkes. 

Der Inhalt der königlichen Gewalt bestand in dem Heerbann, 
dem Repräsentationsrecht, der Gerichtshoheit, der Gesetzgebungs- imd 
Verordnungsgewalt, der Amtshoheit, dem Finanz- und Polizeibann, 
der Kirchenhoheit. Von einer Mitwirkung des Volkes, d. h. des 



1) VgL Schücking, Der Regierungsantritt I (Leipzig 1899) S. 28 f. 



170 Viertes Buch. 

wandalischen — die Römer kamen natürlich nicht in Frage — bei 
der Regierung ist keine Rede mehr. Die Entwickelung zum Ab- 
solutismus erscheint abgeschlossen im Jahre 442: die Adligen^ die 
sich damals zweimal gegen den die Grenzen seiner Macht über- 
schreitenden (superbientem) König erhoben, wurden mit einem 
grofsen Teil der Volksgenossen hingerichtet. Vgl. dazu auch Vict. 
Vit. 1, 18: Subinde crescente opibus regno maior coepit et superbia 
propagari. So kann es Geiserich wagen, das Wahlrecht des Volkes 
zu beseitigen und die Thronfolge in seinem Hause gesetzlich fest- 
zulegen. Das Fehlen einer Volksversammlung zur Entscheidung 
pglitischer Fragen zeigt deutlich die Erzählimg des Malchus fragm. 3 
von den Friedensverhandlungen des Jahres 476 (vgl. oben). Die 
Wandalen werden wie die Romanen offiziell als subiecti, d. h. des- 
potisch regierte ünterthanen bezeichnet^): universis populis nostro 
regno subiectis, Vict. Vit. III, 3; über beide Nationen übt der König 
in gleicher Weise eine arbiträre Strafgewalt aus, ohne auf den 
geringsten Widerstand zu stofsen. So namentlich Hunerich, der den 
Patriarchen Jucundus öffentlich verbrennen läfst, während Geiserich, 
wie es scheint, anfänglich bei solchen Gewaltakten auf die Volks- 
stimmimg Rücksicht nehmen mufs: so ist es wohl zu erklaren, dafs 
er die Witwe seines Bruders in dem entlegenen Flusse Amsi^ 
ertränken liefe. Der Ursprung der königlichen Gewalt wird auf 
Gott zurückgeführt (Gottesgnadentum) : vgl. Jord. Get. c. 33, 169: 
(Gyzericus) a divinitate, ut fertur, accepta auctoritate diu regnans.; 
Vict. 11,39: in provinciis a deo nobis (Hunerich) concessis; ibid. 111,14: 
regionibus . . . quae propitia divinitate imperii nostri regimine possi- 
dentur.^) Der herrschende Mittelpunkt im Staate ist der König und 
sein Hof; die Aufuahme in die königliche amicitia^), der Zutritt zmn 
Palast gilt als das höchste erstrebenswerte Ziel (Pass. mart. § 8. 12). 
Dagegen kann der König über das Privateigentum der Wandalen 
und die Verteilung der Kriegsbeute nicht eigenmächtig verfügen 
(vgl. weiter unten). Von diesem Gesichtspunkte aus ist zu beurteilen 
die Erzählung Prokops (I, 22) von einer Volksversammlung, die 
Geiserich berief, als die Gesandten der in Ungarn zurückgebliebenen 
Wandalen die Volksgenossen in Afrika zum Verzicht auf die Besitz- 



1) Kariowa, Rom. Rechtsgesch. I, 894. Vgl. bei den Goten Dahn, Könige 
VI *, 512. Oben S. 166. 

2) Ähnlich bei den Westgoten Dahn a. a. 0. 617. 

3) Ganz im römischen Sinne, vgl. dazu Kariowa I, 511. Doch vgl. Branner, 
Eechtsgesch. ü, 261. 



Innere Geschichte des a£rikanischen Reiches. 171 

rechte an den von denselben früher bewirtschafteten Ländereien auf- 
forderten: König und Volk stimmen dem Ansinnen zu; aber als ein 
angesehener Wandale auf die Notwendigkeit, sich eine Zufluchtsstätte 
zu sichern^ hinweist^ entscheidet Geiserich in abschlägigem Sinne. 
Nur über die Abtretung der Privatrechte des Volkes beschliefst also 
der König nicht selbständig; im übrigen wird die Zustimmung der 
Versammlung nicht eingeholt. Die Wandalen machen sich zwar 
über den König und seinen Batgeber lustig^ wagen aber keinen 
offenen Widerspruch. In dem oben erwähnten Bericht des Malchus 
sagt Geiserich^ er habe nicht die Macht, sein Volk zu zwingen, die 
diesem zugefallenen Kriegsgefangenen zurückzugeben.^) Aus derselben 
Stelle ergiebt sich, dafs die Kriegsbeute unter König und Heer durch 
das Los verteilt wurde*); ersterer hatte also nicht das Recht, für 
sich ohne weiteres das wegzunehmen, was ihm gefiel. Wir müssen 
hiemach annehmen, dafs bei der Landnahme der Wille des Volkes 
(exercitus, vgl. Vict. 1, 13) von Einfluls gewesen ist, wenn auch 
wegen der dabei in Frage kommenden politischen Momente das 
Königtum eine wesentliche Rolle gespielt haben mufs.*) 

Kriegswesen.*) Der König führt den Oberbefehl über die 
Truppen und erläfet das Aufgebot zur Heerfahrt an die waffenfähigen 
Freien. Es gilt als ungehörig, wenn derselbe dauernd die Leitung 
des Kriegswesens aus der Hand giebt, wie dies bei Hilderich der 
Fall war, dessen Sturz hierdurch auch befordert wurde. Die Gliederung 
des Heeres war dieselbe wie die des Volkes: in Tausendschaften unter 
ihren Chiliarchen oder Millenarien imd Hundertschaften, vgl. Prok. 
n, 3 (p. 421) und Vict. Vit. I, 30. Gröfsere Truppenabteilungen 
wurden unter besonders vom König ernannte Befehlshaber gestellt, 
die in der Regel zu den königlichen Verwandten zählten: Tzazo 
befehligt fünf, Gibamund zwei Tausendschaften (Ammatas wahr- 
scheinlich ebensoviel); die Expedition nach Italien im Jahre 457 
führte ein Schwager Geiserichs. 

Wir haben oben gesehen, dafs die Wandalen schon in ihren 
Sitzen an der Theifs ein Reitervolk waren, u^d dies sind sie auch 
in Afrika, wo ihnen ein vortreffliches Pferdematerial zur Verfügung 

1) avtbe ö'ocv ov SwaCyi^riv ov% i&iXovTccg zavxa rovg slXrjtpitrag ßidaaad'ai, 

2) ovg (ihv avv toig i^oig vtsai tmv alxfi'CiXcoToav aniXaxov . . . r^v 6\ %b 
nXri^og . . . yiatsvs^^ccto ^oiqocv . . . Vgl. aucli Vict. Vit. I, 25: Dividentes 
Wandali et Mauri ingentem popnli qnantitatem. 

3) Vgl. im allgemeinen Bethmann- Hollweg, Civilprozefs IV, 136, Halban 
a. a. 0. 1, 81 ff. 

4) Vgl. bes. v.PflTigk-Harttung, Hist. Ztschr. 61, 74 ff. 



172 Viertes Buch. 

stand, geblieben. Der Fulskampf war ihnen völlig ungewohnt; selbst 
auf die Raubzüge über See nahmen sie ihre Bosse mit (Apoll. Sid. 
carm. Y, 399. 423). Ihre Ausrüstung^) bestand hauptsächlich aus 
Stofslanzen und Schwertern^); auf den Pernkampf waren sie dagegen 
nicht eingerichtet, wenn auch der Gebrauch von Pfeil und Bogen 
sowie von Wurfspeeren ihnen nicht völlig fremd gewesen ist.^) 
Schutzwafifen, wie Panzer und Schilde, scheinen ihnen fast völlig 
gefehlt zu haben.*) Diese Mängel treten in den Kämpfen mit den 
Mauren und Byzantinern deutlich hervor und haben nicht wenig zu 
dem Untergänge des Reiches beigetragen. Die unter Trasamund 
gegen die Mauren gelieferte Schlacht endete mit der Niederlage der 
Wandalen, weil diese ihre durch den Geruch der Kameele scheu 
gewordenen Pferde nicht an die feindliche Stellung heranzubringen 
vermochten und, selbst ohne- Femwaffen, den Geschossen der Gegner 
wehrlos preisgegeben waren. So erklärt es sich, wenn Gelimer bei 
Tricamarum den Seinen befiehlt, nur mit dem Schwerte, ihrer 
Hauptwaffe, zu kämpfen. Die wohlbewafl&ieten, namentlich durch 
Panzer geschützten Byzantiner waren ihnen daher in dieser Hinsicht 
stark überlegen. Erfolge konnten die Wandalen imter solchen Um- 
ständen nur durch die Wucht des ersten Angriffs und eine fort- 
dauernde Beunruhigung des Feindes erzielen. Die Eroberung Afrikas 
ist wesentlich durch die Schnelligkeit ihrer Pferde, die völlige Über- 
raschung der Römer zu stände gebracht worden. Eng mit diesen 
Verhältnissen hängt die gänzliche Unfähigkeit der Wandalen in der 
Belagerungskunst zusammen; Karthago konnte von ihnen nur durch 
Überrumpelung eingenommen werden, während die meisten anderen 
befestigten Städte lediglich durch Hunger, Seuchen u.s.w., die unter 
der Einwohnerschaft ausbrachen, in ihre Hände fielen. Den Mauren 
konnten sie, wenn sich diese in die Berge zurückzogen, als Berittene 
nicht beikommen (vgl. Coripp. Joh. IH, 198 ff.). Geiserich liefs deshalb 
die Befestigungen der meisten Ortschaften schleifen, um zu verhüten, 
dafs sich Feinde darin festsetzten, deren Vertreibung viele Zeit und 



1) Feldzeichen im wandalischen Heere werden erwähnt Coripp. Joh. m, 286 ff. 

2) Die Kunst, Waffen zu verfertigen, ward bei den Wandalen besonders 
geschätzt, vgl. Vict. Vit. I, 30. Die von Papencordt S. 261 aus Cass. var. V, 1 
gebrachten Belege sind zu streichen, da hier nicht von den Wandalen, sondern 
von den Warnen die Rede ist. 

3) Vgl. Vict. Vit. I, 41 f. Apoll. Sid. carm. V, 400 ff. 

4) Panzer werden allerdings erwähnt von Sid. Apoll, carm. V, 399: pars 
ferrea texta concolor induitur. Doch ist auf diese Stelle schwerlich viel Grewicht 
zu legen. 



Innere Geschichte des afrikanischen Reiches. 173 

Opfer gekostet haben würde; denn bei der geringen Zahl der Wan- 
dalen war es nicht möglich, in alle Städte Garnisonen zu legen. 
Nur Karthago, femer Hippo regius (wird noch unter Gelimer eine 
feste Stadt genannt, Prok. 11, 4), sowie wahrscheinlich Caesarea 
(Prok. II, 5) und das Kastell Septem, die zugleich als Stationen für 
die Flotte von Wichtigkeit waren, behielten ihre Mauern und waren 
mit starken Besatzungen belegt; von diesen Stützpunkten aus konnten 
bei dem trefflichen Strafsensystem die Schwadronen mit grofser 
Schnelligkeit nach den verschiedenen Reichsteilen dirigiert werden. 
Anderwärts scheinen sich keine Truppenstationen befunden zu haben, 
auTser (anfänglich) in Tripolis (vgl. Prok. I, 6, p. 337), sowie auf 
den Inseln des Mittelländischen Meeres (zu Sardinien vgl. Prok. I, 6. 
10. 24).^) Unter den Nachfolgern Geiserichs geriet jedoch dieses 
Defensionssystem in Verfall; zur Zeit Gelimers waren die Befestigungen 
Karthagos zum grofsen Teil eingestürzt, das tingitanische Mauretanien 
war längst völlig aufgegeben; auch in Tripolis befanden sich keine 
Wandalen mehr, wie die Erzählung von dem Abfall dieser Provinz 
beweist (Prok. I, 10). 

Von weitaus gröfserer Bedeutung als das Landheer war die 
wandalische Flotte.^) Die Anfänge der letzteren gehen, wie wir 
sahen, auf die Zeit der Niederlassung in Spanien zurück. Die 
Schiffe, auf denen sie von hier aus nach den Balearen und nach 
Mauretanien fuhren, waren ohne Zweifel römische; römische Steuer- 
leute und Matrosen sind ihre Lehrmeister in der Nautik gewesen. 
Zur Bedeutung gelangte die wandalische Seemacht erst nach der 
Eroberung Afrikas, insbesondere der Hauptstadt, wo ihnen ein 
besonders ausgezeichnetes Material in die Hände fiel; bei der Be- 
lagerung Karthagos hatte sich die Flotte noch auTser stände gezeigt, 
die Zuführung neuer Truppen zu verhindern. Im Jahre 437 hören 
wir zuerst von Piratenzügen, die von afrikanischen Häfen ausgingen; 
dieselben wurden unter Geiserichs Regierung fast alljährlich wiederholt 
und machten die Wandalen zu Beherrschern des ganzen Mittelländischen 
Meeres. Die Erzählungen von den überseeischen Expeditionen zeigen 
deutlich, dafs die Fahrzeuge durchgängig kleine, leicht gebaute, 
schnellsegelnde Kreuzer, keine Ruderschiffe waren; sie fafsten, da 
der Zug nach Sardinien unter Tzazo für 5000 Mann 120 Schiffe 
erforderte, nur je ca. 40 Personen. Wie das Landheer, so konnte 

1) Die häufigen Deportationen nach Sizilien und besonders nach Sardinien 
und Korsika setzen die Anwesenheit von wandalischen Truppenabteilungen voraus. 

2) Naves dominicae Yict. Vit. lU, 20. 



174 Viertes Buch. 

* 
also auch die Flotte nur durch ihre grofse Beweglichkeit wirken. 

Man wich daher stets einer regulären Seeschlacht aus, in der die 
römischen Kriegsschiffe sich überlegen gezeigt hätten, und suchte 
den Gegnern durch plötzliche Überraschung, List und Verrat bei- 
zukommen. Über die Stärke der Seemacht fehlen uns aus älterer 
Zeit bestimmte Angaben; ohne Zweifel hat dieselbe mehrere Hundert 
Schiffe betragen. An dem Zuge nach Rom 455 war jedenfalls nicht 
die ganze Flotte beteiligt, und doch waren es so viele Fahrzeuge, 
dafs auTser den zahlreichen Truppen noch mehrere Tausend Gefangene 
befordert werden konnten.^) Einer Abteilung von 60 Schiffen gedenkt 
Hydatius c. 176 f. zum Jahre 456. In der langen Friedensepoche 
nach Geiserichs Tode wird die Zahl wesentlich reduziert worden sein; 
die 120 Schiffe, die Gelimer nach Sardinien sandte, machten wahr- 
scheinlich den ganzen Bestand aus, da bei der Ankunft der Byzantiner 
von einer Aktion der wandalischen Flotte keine Bede ist.*) Dafe 
maa unter Hunerich den Schiffsbau nicht vernachlässigt hat, zeigt 
die Notiz von der Verurteilung katholischer Bischöfe zum Fällen 
von Holz auf Korsika för die königlichen Werften (Vi^t. Vit. IQ, 20). 
Die Hauptstation war natürlich der geräumige Hafen von Karthago: 
von hier gingen alle gröfseren Expeditionen aus'); aber auch in 
einigen der wichtigsten Häfen an defn zum Wandalenreiche gehörenden 
Küsten werden ständig Flottenabteilungen gewesen sein. Das Material 
zum Schiffsbau wurde, wie schon angedeutet, hauptsächlich aus den 
Wäldern der Insel Korsika bezogen. 

Die römische Bevölkerung Afrikas war naturgemäfs prinzipiell 
vom Kriegsdienste ausgeschlossen, wenn auch einzelne Ausnahmen 
vorgekommen sein mögen. Dagegen stellten, wie schon erwähnt, die 
Mauren ein bedeutendes Kontingent, namentlich seit dem Jahre 455. 
Bei den häufigen Raubzügen nach den Küsten des Mittelmeeres war 
ihnen gewöhnlich die Rolle des Plünderns zugeteilt, während die 
seekundigen Wandalen die Schiffe bewachten und so den Rückzug 
deckten (Apoll. Sid. carm. V, 385 ff.). Es ist jedoch starke Über- 
treibung, wenn der Dichter (V, 335 ff.) zum Jahre 458 sagt, Geiserich 
vollbringe nichts mehr mit eigenen Waffen, sondern aUes nur durch 
maurische Völker. Die Wandalen sahen sich genötigt, diese Hilfe 
in Anspruch zu nehmen, hauptsächlich jedenfalls wegen ihrer geringen 
Zahl, um Afrika nicht völlig von Truppen entblölsen zu müssen. 



1) Vgl. Prok. 1,6: atoXm noXXm. 2) Vgl. oben S. 132. 

3) Vgl. z.B. Hydat. c. 176; oben S. 70 (z. J. 440); Prok. b. V,I,6 (p. 886 B). 



Innere Geschichte des a&ikanischen Brciches. X75 

Aber es ergab sich hieraus ein wesentlicher Nachteil für das Volk. 
Dasselbe büfste in immer steigendem Mafse seine Kriegstüchtigkeit 
ein und erlag rasch den Einflüssen des verweichlichenden Eümas 
und der überfeinerten römischen Kultur. Diese Erscheinungen traten 
schon unter Hunerich^), namentlich aber unter Gelimer deutlich zu 
Tage.^ Allerdings wird kriegerischer Sinn noch von einem Teile 
des Volkes, insbesondere vom Adel, hochgehalten: Hilderich ward 
abgesetzt hauptsächlich wegen seiner Unfähigkeit, das Schwert zu 
führen. Im Kampfe gegen die Byzantiner haben sich denn auch 
diese Elemente wacker gehalten; aber die Übrigen und, was das 
SchUmmste war, selbst der König erwiesen sich als zaghaft und 
unfähig, der Grefahr ins Auge zu schauen. Charakteristisch ist das 
Verhalten der zur Gefangennehmung von 22 Mann byzantinischer 
Garde ausgesandten, über zehnmal stärkeren Truppenabteilung: mit 
Recht wird dieser auch von Prokop (I, 23) der Vorwurf der Feigheit 
gemacht. Massenhaft wurden daher Wandalen aufgegriffen, die, statt 
zu kämpfen, in den Kirchen ein Asyl gesucht hatten. 

Es ist merkwürdig, dafs schon Salvian (de gub. dei VIT, 29 ff.), 
wo er von der Eroberung Spaniens spricht, die Wandalen als das 
feigste der germanischen Völker bezeichnet. Aber man kann nach 
den Erzählungen unserer Gewährsmänner kaum sagen, dafs die Wan- 
dalen in früherer Zeit weniger tapfer und kriegerisch gewesen seien 
als die übrigen Deutschen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dafs das 
urteil Salvians auf eine gotische und daher mifsgünstige Quelle 
zurückgeht. Jedenfalls kann sein Zeugnis wegen der zu Grunde 
liegenden tendenziösen Absicht, die Polgen der römischen Sitten- 
losigkeit in möglichst scharfer Beleuchtung darzustellen, keinen An- 
spruch auf besondere Glaubwürdigkeit machen. 

Repräsentationshoheit. Der König leitet die gesamte aus- 
wärtige Politik, entsendet und empfängt Gesandte, schHefst Bündnisse 
ab, bestimmt über Krieg und Frieden. Einzelne Fragen von hervor- 
ragender Bedeutung wird er vorher mit den Spitzen seiner Umgebung 
beraten haben, doch fehlt es an sicheren Belegen. Der königliche 
Wille war jedenfalls der allein mafsgebende; es mangelt für das 
Wandalenreich an Beispielen, wie wir sie oft bei den Franken finden, 



1) Vgl. Malch. fr, 13: iiBtä tlv &dvoctov rtvjtp^juov nBaovteg ig nccaav 
[laXanCav ovts xrjv ccvtitV §(Dfiriv ig ngayficcta ia%ov ovts tag ccvräg ht avvBt%ov 
nagaaiisvccg, 

2) Vgl. die bekannte Schilderung der Verweichlichung des Volkes bei 
Prok. n, 6, 



176 Viertes Bucli. 

dsSs das versammelte Heer Anteil an der Entscheidung über Krieg 
und Frieden nahm (vgl. auch oben). Als Politiker hat namentlich 
Geiserich eine hervorragende Befähigung erwiesen; wir haben oben 
gesehen, wie es ihm gelungen ist, durch kluge Benutzung aller 
Umstände dem Wandalenreiche eine führende Bolle im Abendlande 
zu verschaffen. 

Gerichtswesen. Über die Bechtspflege im Wandalenreiche 
sind wir leider nur sehr unvollkommen unterrichtet. Die Wandalen 
wurden jedenfalls nach ihren nationalen Bechtsgrundsätzen in den 
einzelnen Hundertschaften von den Tausendschaftsführem gerichtet. 
Da die Herrscher die Privatrechte des Volkes respektierten, so halte 
ich es für sehr wahrscheinlich, dafs die wandalischen Gerichte, obwohl 
die Beamten vom Könige ernannt waren, eine gewisse Unabhängigkeit 
besafsen und dafs die Volksgemeinde bei der Urteilfindung beteiligt 
war.^) Die Aburteilung von Vergehen politischer Natur war dem 
Könige als Bechtsnachfolger der Volksversammlung vorbehalten.^ 
Das Gerichtsverfahren für die Bömer blieb dasselbe wie bisher: 
geringe Sachen wurden von den Stadtmagistraten (ordines civitatum)^), 
gröfsere von den Provinzialstatthaltem (iudices provinciarum)*) nach 
römischem Becht im Namen des Königs entschieden. Ebenso ist der 
Fortbestand der Bureaus dieser richterlichen Beamten direkt bezeugt^) 
Einen praepositus indiciis Bomanis in regno Africae Vandalorum 
(Papencordt, S. 251) gab es nicht. Der von Vict. Vit. HI, 27 und 
Dracont. carm. V. a. E. erwähnte Prokonsul zu Karthago war der 
Vorstand der Prokonsularprovinz. Der Dichter Dracontius war Anwalt 
(Drac. vir clarissimus et togatus fori proconsulis almae Karthaginis 
a. a. 0.) beim Gericht desselben (eines Advokaten, causidicus, gedenkt 
auch das Gedicht Anthol. lat. 340, vgl. daselbst no. 295). Streitig- 
keiten zwischen Wandalen und Bömem sind natürlich nur in den 
wandalischen Gerichten nach dem Bechte der Sieger entschieden 
worden.^) — Dafs der König in das ordentliche Bechtsverfahren der 
Bömer vielfach willkürlich eingriff, Strafen ohne Beweisaufnahme 
und Verteidigung auf blofsen Verdacht hin verhängte oder aufhob, 
kann bei der Stellung, die diese Nation im Wandalenreiche einnahm, 

1) Das Yorhandensein von Gerichtsschreibem (notarii) in den wandalisclien 
Grerichten folgt aus Vict. IQ, 19 nicht, vgl. weiter unten. Wenn Halban I, 82 
sagt: „Ob nun die Gerichtsbarkeit durch die millenarii gehandhabt wurde oder 
durch andere königliche Beamte, germanisch war sie nicht ^S so ist dies ganz 
unzutreffend. 2) tJber das Verfahren gegen Sklaven vgl. oben S. 162, 

3) Vict. m, 12. 4) ibid. m, 11—13. ö) ibid. m, 9, 11. 

6) Vgl. dazu Zeumer, Neues Archiv XXIII, 472. 



Innere Geschichte des afrikanischen Reiches. 177 

und bei den gewifs häufig vorgekommenen Versuchen der römischen 
richterlichen Beamten, die königlichen Verfugungen zu Grünsten ihrer 
Volksgenossen zu umgehen, nicht verwundem. Aber ein ähnliches 
arbiträres Verfahren ist auch den Wandalen gegenüber in den der 
königlichen Entscheidung unterstehenden Sachen: Landesverrat, Ver- 
gehen gegen die Person des Königs und sein Haus (Infidelität) und 
namentlich Übertritt zur katholischen Kirche, zur Anwendung ge- 
kommen. Ein eigentliches Königsgericht wie bei den Franken, wo 
das Vorhandensein eines Urteilerkollegiums und die Beobachtung 
der allgemeinen Formen des Prozesses vor willkürlicher Bestrafung 
schützten, hat hier ohne Zweifel nicht bestanden; nur zum Schein 
mag manchmal ein formliches Rechtsverfahren stattgefunden haben. ^) 
Indem man dann den Begriff jener Verbrechen nach Belieben erweiterte, 
solche auch blofis andichtete, wie das Verfahren Hunerichs gegen 
seine Seiten verwandten und ihre Anhänger beweist^), waren Leben 
und Freiheit des Einzelnen dem Willen des Königs völlig preis- 
gegeben. Einen Schutz gewährte die Flucht in arianische Kirchen, 
jedoch nur insoweit, als sie den Hilfesuchenden vor dem Tode, nicht 
aber vor anderen Strafen sicherte.^) 

Das zur Anwendung gelangte Strafensystem zeigt naturgemäfs 
eine starke Mischung germanischer und römischer Elemente. Eine 
grofse Rolle spielte die Todesstrafe, die namentlich wegen der 
zum Begriffe des Hochverrats gehörigen Verbrechen verhängt wurde. 
Unter den verschiedenen Arten derselben ist hervorzuheben das 
Hinrichten mit dem Schwerte (Enthaupten)*) (Vict. I, 44. 47. 
n, 12. 14 u. ö.), häufig verschärft durch vorhergegangene qualvolle 
Martern, das Verbrennen (bes. Vict. H, 1. 14. 15. 16; HI, 15; auf 
offenem Meere Pass. VH mon. § 10 ff.), Ertränken (Vict. 1, 18; II, 14), 
Zutodeschleifen durch ungezähmte Pferde (Vict. I, 37), Vor- 
werfen vor wilde Tiere (ib. II, 16; III, 27). Leibesstrafen: 
a) Strafen zu Haut und Haar: Körperliche Züchtigung mit Stöcken, 
Ruten und Peitschen, hauptsächlich bei Knechten und widerspenstigen 
Katholiken, aber auch bei freien Wandalen angewendet: Vict. I, 33; 



1) Das arbiträre Begnadigungsrecht der Könige ist dnreh viele Beispiele 
zu belegen. 

2) Vict. n, 12 ff. Als ein Ausflufs des Strafrechts über die Beamten 
kann dieses Verfahren nicht angesehen werden. 

3) Vict. n, 15. Vgl. Brunner H, 610 f. 

4) iugnlare Vict. II, 14; gladio intereipere ib. n, 12; capite detruncare 
ibid. n, 16. . 

Schmidt, Wandalen. ^2 



178 Viertes Buch. 

II, 16. 45. 54 1); IH, 21 ff., 33. 34 38. 40. Prosp. c. 1329. Prok. b. 
Y. I, 8; Nehmen des Haupthaares, besonders schimpflich fär die 
Wandalen, in schärferer Weise, indem die Kopfhaut mit abgerissen 
Würde (Vict. II, 9 ff.), oder in milderer Form durch Abscheren (so 
wurde wohl gegen Fulgentius verfahren, Vit. Fulg. c 11)*). b) Ver- 
stümmelungen: Abschneiden von Nase und Ohren, Händen und Füfsen, 
Blenden, Ausreif sen der Zunge (Vict. lü, 30ff. Jord. 6et 36, 184). 
Eine grofse Rolle spielten bei den Katholikenyerfolgungen die größten- 
teils dem romischen Rechte entlehnten Folterungen. Mit Vollziehung 
dieser Strafen waren besondere Beamte (tortores) betraut (Vict. ü, 9, 
ni, 21. 28). 

Unter den Freiheitsstrafen begegnet in erster Linie die Ver- 
bannung (exilium) in die afrikanische Wüste, nach Sardinien, Kor- 
sika, Sizilien (Vict. II, 23. IH, 20. 33 etc. Vit. Fulg. c. 20 [vgl. oben], 
Prosp. c. 1329), oft auch verschärft durch Konfiskation des Vermögens, 
überhaupt Entziehung aller Subsistenzmittel, Sklavenarbeiten etc., ohne 
bestimmtes Ziel aufs offene Meer in lecken Schiffen (Vict. I, 15), 
nach überseeischen, nicht zum Wandalenreich gehörenden Ländern 
(ibid. II, 1 u. a.), femer die Verurteilung zur Knechtschaft im all- 
gemeinen und zu besonderen niedrigen Fronarbeiten, mitunter wohl 
auf bestimmte Zeit (Prosp. c. 1329, Vict. I, 48»). II, 10. 16. HI, 20. 68. 
Not. prov. Num. 76*), Einkerkerung, verschärfk durch Hunger und 
Schläge (Vict. I, 33. II, 16. 28 ff. Dracont. satisf. v. 312, de laudibus 
Dei 3,582. 649. Pass.VII monach. § 9). Ehrenstrafen: Eselreiten 
(Vict. n, 14), öffentliches Entblöfsen von Frauen (ib. HI, 21 ff.), Be- 
legen der katholischen Hofbeamten mit der römischen Infamia 
(Vict. ni, 9); häufig in Verbindung mit anderen Strafen: Herumführen 
der ihres Haupthaares beraubten Frauen (ib. H, 9), Verurteilung zu 
niedrigen Sklavenarbeiten in der Nähe der Hauptstadt (ib. I, 44), in 
Gemeinschaft mit einem Ziegenhirten und Bauern (H, 16). Vermögens- 
strafen. Wie in allen germanischen Rechten, so hat auch jedenfalls 
im wandalischen die Bufse eine grofse Bolle gespielt, über das 
Wergeid bei den Wandalen fehlt es leider gänzlich an Nachrichten. 
Vermögenseinziehungen wurden namentlich bei den politischen und 

1) 100 und 160 Prügel, vgl. dazu Brmmer II, 606. 

2) Hier liegt allerdings nur ein privater Gewaltakt vor, doch zeigt die 
echt germanische Verbindung von Prügelstrafe und Scheren, dafs dieses Ver- 
fahren auf wandalische Bechtsgrnndsätze sich stützte. VgL bes. Branner II, 606. 

3) Verknechtung der Kinder. 

4) Vernrteilnng zn Arbeiten in Bergwerken, vgL über diese römische Strafe 
Marqnardt, Römische Staatsverwaltung II ', 265 K 8. 



Innere Geschichte des aMkanischen Eeiches. 179 

religiösen Yerfolgungen gegen Wandalen und R5mer yerffigt^ in der 
Regel verbunden mit Exil oder Hinrichtung (Prösp. c. 1329^); 
Vict. 1, 14 48. n, 23. HI, 10. 11 u. ö. Vict. Tonn. a. 533). Ganz dem 
römischen Recht entnommen sind die Geldbufsen, die Bunerich als 
Wiedervergeltung über die Katholiken verhängte: Vict. UI, 10. 11. 

Dafs der König die Gesetzgebungsgewalt, wenn auch mit 
einer gewissen Beschränkung hinsichtlich der Privatrechte der Wan- 
daleU; handhabte, unterliegt keinem Zweifel. Die meisten Gesetze^, 
von denen wir Kenntnis haben, waren gegen die Römer und gegen 
die Katholiken im allgemeinen gerichtet, und in diesen erscheint 
naturgemäfs der königliche WiUe als der allein malsgebende. AuGs^ 
den Religionsedikten sind besonders bemerkenswert die Verordnungen, 
die Geiserich gegen die in Afrika unter der römischen Bevölkerung 
so stark verbreitete, den Germanen widerwärtige Unzucht erliefs; der 
Ehebruch ward unter Strafe gestellt, die Päderasten wurden verbannt, 
die Bordelle geschlossen und die Dirnen zur Ehe gezwungen.^) Ebenso 
wurde unnachsichtlich gegen die über alle Mausen obscönen Schau- 
steUungen^) auf den Theatern eingeschritten; höchst wahrscheinlich 
ist hiermit die auch teilweise vom Liber de promissioliibus^) be- 
stätigte Erzählung Victors Vit. I, 8 in Zusammenhang zu bringen^ 
dafs unter Geiserich das Odeum*), das (Amphi-) Theater^, der Tempel 
der Memoria und die via Gaelestis von Grund aus zerstört wurden. 
Welchen Zwecken der genannte Tempel «ach Einführung des Christen- 
tums diente, ist nicht bekannt; in der Straf se der Göttin Gaelestis, 
deren unzüchtiger Kultus noch zu Salvians Zeit (de gub. dei VIII, 9) 
in Blüte war^), mögen besonders viele Stätten gewesen sein, wo 



1) primuin proscripti, deinde in exilimn aoti, tmn atrocissimis gupplicüs 
excruciati, ad postremum diversis mortibus interempti. Die Proskription ist hier 
wie Vict. m, 11 die Konfiskation des Vermögens , vgl. dazu Mommsen, Römisches 
Strafrecht (1899) S. 938 N. 1. 

2) constitutio Vict. ü, 13. HI, 12 vgl. statuere IE, 39. m, 7. 13. decretnm 
I, 12. m, 2, Salvian. de gub. dei VII, 99. lex Vict. III, 2. edictnm 11, 3. 39. 
ni, 15. praeceptnm, praeceptio I, 22. n, 24, 38. 41. Vit. Folg. c. 16, vgL prae- 
cipere I, 43. n, 4. 24. HE, 14. promulgatio EI, 13. 

3) Salvian. de gub. dei VII, 94ff. 

4) Vgl. dazu Friedländer, Darstellungen aus der Sittengeschichte Boms 
n«, 436 ff. 

5) m, c. 44 (Migne, patr. lat. 51, 836): ipsam viam (Gaelestis) sine memoria 
sui nunc Vandalica manus evertit. 

6) Vgl. Tissot I, 654 f. Reste sind kürzlich entdeckt worden, vgL Deutsche 
Litteraturzeitung 1900 Nr. 51/52. S. 8399. 

7) Tissot I, 643 ff. 

8) Vgl. dazu Pauly-Wissowa, Realencjklopädie s. v. Gaelestis. 

12* 



180 Viertes Buch. 

der Venus vulgivaga gehuldigt wurde. Dafs übrigens das Schauspiel- 
wesen nicht gänzlich unterdrückt wurde, zeigt die Erzählung Victors 
V, V. (I, 47) von dem Archimimus und Bekenner Masculas.^) Diese 
Mafsregeln hatten zunächst eine allgemeine Besserung der sittlichen 
Verhältnisse zur Folge; Salvian, der um 450 schrieb, sagt a. a. 0. 
Vn, 107: bei den Goten sind nur die Römer der ünkeuschheit er- 
geben, bei den Wandalen nicht einmal die Römer. Der Verlauf der 
Geschichte des Reiches zeigt jedoch, dafs die günstigen Wirkungen 
nur vorübergehende waren und dafs das wandalische Volk später 
selbst, was üppiges Leben anbelangt, mit den Römern wetteiferte. — 
Allgemeine Geltung hatte andrerseits das Thronfolgegesetz; wir 
haben aber oben gesehen, dafs Geiserich dasselbe höchst wahrschein- 
lich, ohne die Zustimmung seines Volkes dazu einzuholen, aus eigener 
Machtvollkommenheit erlassen hat. 

Der königliche Hof und die Beamten. Die Beamten im 
Hof- und Staatsdienst wie auch die der Kirche sind sämtlich der 
königlichen Gewalt unterworfen; sie werden vom Monarchen ernannt 
oder wenigstens bestätigt und können ihrer Funktionen durch könig- 
lichen Machtspruch entkleidet werden. Schon in ältester Zeit hat es 
im Haushalt des Königs bestimmte Amter gegeben, die anfänglich 
ausschliefslich von Knechten, sodann aber zum Teil, insbesondere die 
Aufsicht über das Haus, den Marstall, den Schatz und die Getränke, 
auch von Freigeborenen besorgt wurden. Neben dieser eigentlichen 
Hausdienerschaft bildete die Umgebung des Herrschers das militärische 
Gefolge, dessen nähere Kenntnis wir namentlich der Schilderung des 
Tacitus verdanken. Auf dieser Grundlage, die jedoch stark durch 
römische Elemente beeinflufst worden ist, hat sich die spätere Ein- 
richtung des wandalischen Königshofes aufgebaut. Derselbe wird 
domus regia, aula, palatium genannt.*) Die zum Hofstaat gehörigen 
Personen^), deren Zahl eine sehr grofse war*), setzten sich aus Geist- 

. 1) Der wirkliche diesem Bericht zu Grunde liegende Sachverhalt war wohl 
der, dafs M. wegßn Übertretung der Sittengesetze — gerade der Mimus zeichnete 
sich besonders durch Anstöfsigkeit aus, vgl. Friedländer a. a. 0. S. 438 — zu 
harter Strafe verurteilt, ihm aber im Falle seines Übertritts zur arianischen 
Kirche Begnadigung in Aussicht gestellt worden war. 

2) domus: Yict. Vit. 11, 8. IH, 11. 13. aula: I, 43. 11, 10. palatium: I, 22. 
n, 23. Passio "^septem monach. § 12. 

3) Ygl. Vict. n, 8: ob hoc quod domui regiae serviebant. IE, 10: hbmines 
in \atda eins constituti. IE, 23: ut nemo in eins palatio militaret. III, 13: Qui 
domus nostrae oecupati militia. Der Ausdruck militare in palatio ist römisch, 
vgl. z.B. Cod. Just. X, 71, 1. 

4) Vgl. Vict. n, 8. . 



Innere Geschichte des afrikanischen Breiches. 181 

liehen und Laien, Germanen und Bomanen^ Freien und Unfreien zu- 
sammen. Freie Römer waren z. B. die vier katholischen Spanier, die 
Geiserich 437 hinrichten liefs, der comes Sebastianus, die viri ingenui, 
die Hunerich zu Knechtesarbeit verurteilte (Vict. II, 10), der Kanzler 
Bonifatius unter Gelimer. Besonders stark war das römische Element 
unter Hilderich am Hofe vertreten (vgl. oben). Über die einzelnen 
Hofämtei?, die auch der allgemeinen Reichsverwaltung dienten (mi- 
nisteria)^) und deren Inhaber stipendia et annonas bezogen^), wissen 
wir leider sehr wenig. Ob die vier germanischen Hausämtei- des 
Seneschalk oder Truchsefs, Marschall, Schenken, Kämmerer oder 
Schatzmeister am wandalischen Hofe in Afrika fortbestanden haben^ 
ist imbekannt. Der Vict. Vit. IH, 33 erwähnte ceUarita regis Dagila*) 
war ein niederer Hausbeamter, wohl identisch mit dem römischen 
cellarius (Verwalter von Vorräten im Vorratsraum, sei es auf einem 
Landgut oder in der Residenz)^); wenn seine Gattin matrona nobilis 
et delicata genannt wird, so läiBt sich hieraus noch nicht auf ein 
höheres Amt schliefsen, da in den Augen Victors eben jeder Bekenner 
des orthodoxen Glaubens nobilis war. Die procuratores der Prinzen 
Theoderich und Hunerich (Vict. I, 45. 48)^) waren wohl aus der 
römischen Domänenverwaltung übernommene Beamte, nicht Haus- 
meier. Der höchste Beamte am wandalischen Hofe war der prae- 
positus regni, dessen Bedeutung ganz auf dem Gebiete der Reichs- 
verwaltung liegt. Seine Thätigkeit tritt bei den Katholikenverfolgungen 
Hunerichs hervor: er verhandelt im Namen des Königs mit den 
Bischöfen und wird von diesen ersucht, ihre Eingabe an aUerhöchster 
Stelle zum Vortrag zu bringen.^) Genaueres über seine Funktionen 
ist nicht bekannt; die Wichtigkeit seiner Stellung, die der eines ersten 
Ministers entsprochen haben wird, geht daraus hervor, dafs er von 
den Römern mit dem Prädikat Magnificentia angeredet, also zur Rang- 
klasse der illustres gerechnet wird, welcher die Inhaber der höchsten 
dignitates palatinae am Kaiserhof, der magister ofßciorum, der quaestor 
sacri palatii, die comites sacrarum largitionum und rei privatae sowie 



1) Vict. I, 43: per diversa ministeria. Anth. lat. no. 341: Eutychus, mi- 
nister regis. 

2) Vict. n, 10. 

3) Dafs Dagila der Name des Mamies, nicht der der Frau war, hat Wrede, 
Sprache der Wandalen, S. 62, wahrscheinlich gemacht. 

4) Vgl. His, Domänen S. 29. 

5) procuratores domna Theoderici und Hunirici. domus ist hier im Sinne 
von Grundstück, nicht von Hofhaltung gebraucht, vgl. His S. 21. 

6) Vict. II, 41 ff. Vgl. dazu Papencordt S. 369 Note 8. 



182 Viertes Buch, 

der priEL^ositus sacri cubiculi angehörten. Unter Geiseridi bekleideten 
das jedenMls ungermanische Amt Heldica^)^ unter Hunerich Obad, 
also Personen germanischer NationaUtät. Ein hervorragender Posten 
war auch der des Vorstandes der Eabinettskanzlei^ für den in den 
Quellen sich die Bezeichnungen notarius^ yQafi^iatBvgy primiscriniarius 
und wohl auch referendarius finden. Derselbe fertigte die schriftlichen 
Erlasse des Königs aus und machte sie den Beteiligten bekannt.^) 
Häufig wurde er auch zu besonderen Missionen benutzt: unter Hunerich 
leitete er die Verhandlungen bei dem Beligionsgespräch zu Karthago^ 
unter fielimer erhielt er den Auftrag^ das Vermögen des römischen 
Addis einzuziehen und den königlichen Schatz nach Spanien in Sicher- 
heit zu bringen. Als Inhaber dieses Amtes werden erwähnt Vitarit, 
idso ein Wandale^ zur Zeit Hunerichs^); die Römer Boni£B>tius (ygaii' 
futtsvgY), Victorinianus (primiscriniarius)*) und Petrus (referen- 
darius)^) unter Gelimer und Trasamund. Unterbeamte der Kanzlei 
waren die notarii^ die bei dem von Vict. Vit. HI, 19 berichteten Ver- 
fahren gegen die katholisdien Bischöfe als Schreiber fungierten. 
Unklar ist die Stellung, die der von Pseudogennadius (cap. 98 ed. 
Bichardson) erwähnte maior domus Hunerichs einnahm; es heifst an 
dieser Stelle (vom Bischof Eugenius): altercationes quas cum Aria- 
norum praesulibus per intemuntios habuit, conscripsit et regi .legen- 
das^ per maiorem domus eins (Huni&rici) transmisit Die gewöhnlich 
vertretene Annahme^ dafs derselbe identisch mit dem praepositus regni 
sei'^y ist nicht begründet; es ist wohl an einen höheren Hofbeamten 
zu denken.^ 

Das Vorhandensein einer besonderen arianischen Hofgeistlichkeit 
darf man daraus erschlief sen^ dafis bei den prinzlichen Hofhaltungen 
Hauskapläne amtierten^ vgl. Vict. Vit. I^ 44. Andrerseits lebte am 
wandalischen Hofe ständig eine sich immer wieder ergänzende Klasse 



1) Viot. n, 16. 

2) Vict. Vit. n, 3: destinans per notarixun suxun, nomine Yitarit, edictmu 
quod publice legeretur. n, 41. 

3) Proc. b. Y. II, 4 p. 428B. Yict. Tonn. a. 533. 

4) Ygl. das Gedicht Anthol. no. 264, in dem der Yerfasser (Flavius Felix) 
den Beamten um seine Yerwendung zur Erlangung eines geistlichen Amtes bittet. 

5) Anth. lat. 380: Domni Petri referendarii versus in basilica palatii sanctae 
Mariae. Ygl. dazu de Bossi, Inscriptiones christianae urbis Bomae n, 1 p. 241 
no. 6. Die Bezeichnung domnus macht es wahrscheinlich, dafs derselbe nicht 
ein Unterbeamter war. 

6) So ist jedenfalls zu lesen, nicht relegendas. 

7) Hermann, Das Hausmeieramt ein echt germanisches Amt (Breslau 1880) S. 84. 

8) Ygl. dazu Brunner H, 104 N. 7. 



Innere Geschichte des afrikanischen Reiches. IgS 

TOD Männern, die, ohne ein bestimmtes Amt zu beUeiden, die Gunst 
des Königs genossen und von diesem in verschiedener Weise ver- 
wendet wurden. Eine solche Stellung nahm z. B. Sebastianus^ der 
Schwiegersohn des Bonifatius, ein, dessen consiUa Geiserich necessaria 
habebat (Vict. I, 19). Ein Teil derselben scheint wie bei den Franken, 
Ostgoten u. s. w. den comes-Titel geführt zu haben: so erklärt sich 
wohl die Stelle Vict. Vit. 11, 14, Hunerich habe comites quam pluri- 
mos et nobiles gentis bis in den Tod verfolgt. Aus ihrer Mitte sind 
namentlidb die Gesandten an fremde Völker sowie die Emissäre ge- 
nommen worden, die der König zur Durchführung aufserordentlicher 
MaCsregeln in die Provinzen entsandte. Zwei comites Hunerichs be- 
aufsichtigen den Transport der 5000 Katholiken in die Wüste, lassen 
die Widerspenstigen einkerkern und machen ihnen im Auftrage des 
Königs Versprechungen, falls sie sich bereit finden würden, zum 
Arianismus überzutreten (Vict. U, 28 ff.). Ein comes wird nach Tipasa 
geschickt, um die dortigen Bewohner, die dem königlichen Befehle 
zum Trotz öffentlich orthodoxen Gottesdienst abhielten, zu strafen 
(Vict. ni, 30). Ebendahin gehören die ministri regis Vict. III, 19, 
Pass. VU monach. § 14 aus der Zeit Hunerichs, die ministri regalis 
faroris d. h. Trasamunds Vit. Fulg. c. 20. Mit den germanischen Grafen 
haben diese den römischen agentes in rebus entsprechenden „Gewalt- 
boten^' nichts zu thun. Unter jener Kategorie von Hofleuten dürfen 
wir auch das militärische Gefolge des Königs suchen, von dem aller- 
dings nur unsichere Spuren sich finden. Gefolgsleute waren wohl 
wenigstens zum Teil die d^ avtov ad6Xq>idoi ts xal ävailfiadol xal 
&XXoi SV yeysvotsg^), die den flüchtigen Gelimer begleiteten^, ebenso 
die Personen, die Geiserich auf dem Totenbette seinem Nachfolger 
empfahl (Viet. II, 15). Ein militärisches Gefolge zu halten, galt als 
ein Vorrecht des Königs; es wurde daher als ein Zeichen des Auf- 
ruhrs angesehen, als Godas auf Sardinien sich eine Leibwache 
(doQvg?6Qovg) zulegte (Prok. 1, 10 p. 358, lo).*) Zusammen mit zeit- 
weilig am Hofe anwesenden Provinzialbeamten sowie arianischen 
Bischöfen haben die höher stehenden Angehörigen der Umgebung des 
Königs häufig bei Entscheidung wichtiger Staatsangelegenheiten mit- 
gewirkt. Als Gesamtbezeichnung für dieselben, soweit sie weltlichen 



1) Vielleicht Wiedergabe des germanischen magen, vgl. Branner I, 142, 
Schröder », 33 N. 32. 

2) Prok. b. V. n, 6 (p. 484, loB). An anderer Stelle (11, 3 p. 422, 18) heifst 
es: ot ts ^vyysvsLg xal tav oiuBtmv oX(yov, 

3) Vgl. dazn Seeck, Pauly-Wissowa, Realencyklopädie III, 934 ff. 



184 Viertes Buch. 

Standes waren, erscheint der Ausdruck domestici, der wörtlich (ob 
yöllig auch inhaltlich^ ist sehr fraglich) dem gotischen gardingi 
(gardi = domus)^) entspricht. Sie sind jedenfalls identisch mit den 
Vornehmen der Wandalen, die die Tischgenossen des Königs bildeten 
(Prok. I, 21). Praesentibus episcopis atque domesticis suis fordert 
Geiserich den Sebastianus auf, zum Arianismus überzutreten (Vict. 1,19); 
auf Anraten der Bischöfe verbietet derselbe die Anstellung von Ka- 
tholiken im Hof dienst (I, 43); die Vorstellung der domestici hat zur 
Folge, dafs Hunerich seinen Plan, das Vermögen der verstorbenen 
katholischen Kleriker einzuziehen, aufgiebt (II, 24); cum consensu 
episcoporum werden die orthodoxen Bischöfe zum Religionsgespräch 
nach Karthago vorgeladen (11, 39). Die Au&ahme in den Hofstaat 
war an einen Treueid geknüpft: Sebastiane, sagt Geiserich, scio quia 
fideliter nobis adhaesisse iurasti. Vgl. auch Prosper c. 1329 von 
den vier katholischen Spaniern: dudum apud Gisiricum merito sapien- 
tiae et fidelis obsequii cari clarique habebantur. 

Aus dem Hofstaat sind auch zum gröfsten Teil die Inhaber der 
höheren Ämter bei der Provinzialregierung, vor allem der wanda- 
lischen, hervorgegangen. Die wichtigsten Beamten der Wandalen in 
dieser Hinsicht waren die Millenarien, denen die Verwaltung der 
ihnen unterstellten Bezirke (Tausendschaften) in richterlicher, mili- 
tärischer, administrativer und fiskalischer Hinsicht oblag. Über ihre 
Stellung als Richter und Militärbeamte war schon oben die Rede; 
neben diesen wesentlichsten Funktionen sind die übrigen natur- 
gemäfs nur von untergeordneter Bedeutung gewesen. Zu ihrer Be- 
soldung dienten wohl ein Teil der Gerichtsgefälle sowie die Einkünfte 
aus gewissen zum Amte gehörigen liegenden Gütern, vielleicht auch 
besondere Emolumente aus der Staatskasse. Über die Unterbeamten 
der Millenarien ist Näheres nicht bekannt. Aufserhalb der Wandalen- 
lose blieb die Organisation der römischen Verwaltung in Afrika mit 
Ausnahme der militärischen bestehen, und wurden die Geschäfte der 
einzelnen Amter in der Hauptsache auch von Römern selbst besorgt. 
Die (Civil-) Statthalter der einzelnen Provinzen*) erscheinen in den(i 
Religionsedikt Hunerichs als iudices provinciarum; als Vorstand der 



1) Dieses Wort selbst ist bei den Wandalen nicht nachweisbar; die an- 
geblichen Gardingen bei Yict. Tonn. a. 534 haben sich durch die neue Edition 
Mommsens als Asdingen entpuppt. — Bei Yict. Vit. HI, 27 wird jetzt gelesen: 
quod eum habiturus esset prae omnibus; das in älteren Ausgaben hinzugefugte 
Wort domesticum fällt weg. 

2) Der vicarius Africae wurde beseitigt. 



Innere GeschicMe des a&ikanischen Reiches. 135 

Byzacena werden in der Vita Fulgentii (c. 14) Sylvester (prov. Byz. 
Primarius), als oberste Verwaltungsbeamte der Prokonsularis, soweit 
dieselbe nicht von den Wandalen okkupiert war, die in Karthago 
wohnenden Prokonsuln Victorianus (Vict. III, 27) und Pacidegius 
(Dracont. Gaj*m. V Ende) genannt. Diese Beamten administrierten wie 
früher mit ihrem Kanzleipersonal, den officia (Vict. III, 9: officiales 
indicunL 11: primates officiorum). Die Ordnung der römischen Finanz- 
verwaltung^), des (nur den Interessen der Staatsgewalt dienenden) 
Postwesens*) erfuhr ebensowenig eine Umgestaltung wie die Ver- 
fassung des exempten Grundbesitzes (vgl. oben S. 55) und der 
Municipien. Hunerichs Edikt setzt Strafen aus gegen die principales 
und sacerdotales, d. h. die obersten Mitglieder der Gemeinderäte 
(ordines civitatum Vict. III,- 11) und die eigentlichen Decurionen; als 
Verwalter des städtischen Finanzwesens wird wie in früherer Zeit 
ein curator oder vielmehr procurator (Fulgentius, vgl. Vita c. 1 a. E.; 
ein anderer in Ruspe ibid. c. 17) erwähnt. DemgemäXs erscheint auch 
im Wandalenreich die römische Bangklassen- und Ständeorganisation: 
es werden inlustres, spectabiles^), senatores*), possessores, negotia- 
tores^), plebei etc. aufgeführt.®) 

Die Inseln des Mittelländischen Meeres Sardinien, Korsika und 
die Balearen, die nach der Notitia dignitatum (Occ. I, 96. 97. 100) 
von je einem praeses verwaltet wurden, bildeten nach der Notitia 
prov. et civ. Africae (484) eine Provinz unter einem Statthalter, der 
auf Sardinien residierte und mit militärischen wie civilen Funktionen 
betraut war.^ Wahrscheinlich wurden für diesen wichtigen Posten 
in der Regel Männer germanischer Nationalität gewählt. Unter 
Gelimer versah das Amt der Gote Godas, den der König, wie Prokop 
(b. V. 1, 10) sagt, (fvXaxijg rs Ivsxa xal tpoQov tov i%itSLOv a%0(fiQSLV 
auf Sardinien stationiert hatte. Eine Veränderung in den römischen 
Verfassungsverhältnissen ist im übrigen auch hier nicht eingetreten. 



1) Vgl. weiter unten. 

2) Vict. Vit. II, 38: veredi currentes. m, 39: veredi. Prok. b. V. I, 16: 6 
TOV ifjfioaiov ÖQOfiov inL[jisX6fi£vos (Postmeister). Ibid. ßeQedccgiovg, 

3) Der proconsnl war vir spectabilis, die Dichter Dracontius n. Flavius 
Felix gehörten der Eangklasse der clarissimi an. 

4) D. h. die Reichssenatoren, die Grofsgrundbesitzer, nicht etwa die Mit- 
glieder der Senate in den einzelnen Städten. 

6) dno negotiatores als Märtyrer Vict. III, 41. 

6) Vict. m, 10 f. 

7) Die Vereinigung dieser Gebiete zu einer Provinz hat Justinian bei- 
behalten. 



186 Viertes Bnch, 

Finanzwesen. Der Herrscher hat vermöge seiner Stellung 
über die Staatseinkünfte unbeschränktes YerfQgungsreeht; Staatsgut 
und königliches Privatgut gelt^i als identisch. Die Einkünfte des 
Königs in ältester Zeit setzten sich zusammen aus freiwilligen Oaben 
der Volksgenossen^ aus Erträgnissen von Grundbesitz ^ den Gerichts- 
gefallen^ soweit sie nicht den richterlichen Beamten zukamen^ sowie 
namentlich aus einem bedeutenden Anteil an der Kriegsbeute. Durch 
die Beichsgründung haben die Einnahmen eine wesentUche Verstärkung 
und Vermehrung erfahren. Einen Hauptbestandteil derselben bildeten 
die Einkünfte aus den Domänen. Wir haben oben gesehen^ dafs der 
wandalische König in das kaiserliche Krön- und Privatgut — soweit 
dasselbe in der Prokonsularis lag^ zum Teil^ soweit auTserhalb; im 
ganzen umfange — succediert war; dieser sehr beträchtliche^ durch 
spätere Konfiskationen noch vermehrte liegende Besitz bestand aus 
Palästen, Villen^), Acker- und Weideland, Weinbergen^), Seen^), 
Wäldern*) und Bergwerken^) mit den dazu gehörigen Kolonen und 
Knechten. Die Bewirtschaftung war ganz die gleiche wie unter 
römischer Herrschaft, durch Prokuratoren und Konduktoren (Vict. 
Vit. in, 11: conductores regalium praediorum).^) Grolse Erträgnisse 
lieferten femer die von den Provinzialen zu leistenden Steuern. Die 
Wandalen und die von ihnen occupierten Güter waren völlig ab- 
gabenfrei.') Ohne Zweifel ist die Besteuerung in ihrer bisherigen 
Form, die verschiedenen Gattungen derselben als Grundsteuer u.s.w., 
die Art der Erhebung im wesentlichen beibehalten worden, wenn 
auch die römischen Kataster gleich zu Anfang der wandalischen 
Herrschaft vernichtet worden sind.^) Von Geiserich sagt Prokop 
(I, 5), er habe die im Besitz ihrer Güter belassenen Römer so schwer 
mit Abgaben belastet, dafe ihnen vom Ertrag nichts mehr übrig 
geblieben sei. Von Hunerich wird berichtet, dafs von ihm die 
JProvinzen seines Reiches variis calumniis atque indictionibus 



1) Schlofs zu Grasse, Prok. 1, 17. 

2) Vgl. Yict. Vit. 11,16: Anlegung von Weinpflanzungen als Strafe. 

3) Piscinae Vict. XU, 16. Lacunae regiae Anthol. no. 291. 

4) Wälder auf Korsika, Vict. IH, 20. Zu dem Schlofs von Grasse gehörten 
grofse Orangenhaine, vgl. Tissot II, 115 ff. 

5) Marmorbrüche in Numidien, vgl. die Verurteilung eines Bischofs zu 
metallo Not. prov. Num. 76. Dieselben sind wohl auch gemeint Vict. Vit. m, 68: 
in locis squalidis metaUorum. Die Steinbrüche gehörten in der Kaiserzeit zum 
Patrimonium, vgl. Marquardt n*, 263. 6) vgl. oben. 

7) Prok. b. V. I, 5. Vgl. Vict. Vit. I, 22: sacerdotibus qui in his regionibus 
versabantor, quae . . . palatio tributa pendebant. 

8) d. h. sie wurden jedenfalls durch neue ersetzt. Prok. n, 8 (Ende). 



Innere Geschichte des afrikanischen Reiches. X%^ 

(Steueranflagen) schwer bedrückt worden seiexL^) Aus der Zeit 
Gonthamunds wird über den grausamen^ fortwährend sich ver- 
gröfsemden Steuerdruck geklagt, unter dem die Bewohner der Muni- 
cipien seufzten. Die Decurionen, insbesondere der Prokurator, hatten 
ganz wie früher die Abgaben fär ihren Bezirk einzutreiben und 
waren för die abzuUefernde Gesamtsumme mit ihrem Vermögen 
haftbar.^ Immerhin können die Lasten im allgemeinen nicht gar 
so schUmm gewesen sein; denn als nach der Eroberung Afrikas die 
byzantinischen Steuerbeamten wieder in Thätigkeit traten, fanden 
die Einwohner, da& die Verhältnisse unter wandalischer Herrschaft 
viel erträglichere gewesen waren.^) Die überlieferten Klagen erklären 
sich wohl zum Teil daraus, dals die staatsfeindlichen Elemente, die 
Aristokratie und der Klerus, besonders scharf herangezogen wurden. 
Unter den vom Grundbesitz zu leistenden Naturalabgaben mag die 
Lieferung von Pferden fUr das Heer eine gro&e BoUe gespielt haben. 
Die Verpflichtung der römischen TJnterthanen zu gewissen Dienst- 
leistungen, z. B. fUr die Post, bestand jedenfalls fort wie in der 
vorhergehenden Zeit. 

AuGser den Steuern sind noch als ordentliche Einnahmen zu 
erwähnen die Erträgnisse aus Zöllen und dem Münzregal, aus den 
Strafgeldern, sowie aus den Bergwerken und Fabriken. Über das 
im wandaUsehen Reiche giltige Zollsystem wissen wir nichts 
Näheres; ohne Zweifel ist dasselbe von dem römischen nicht ver- 
schieden gewesen. Auch im Münzwesen schlols man sich den 
römischen Ordnungen an. Hunerich beschlielst (Vict. Vit. HI, 23), 
daJs die orthodoxen Bischöfe bei ihrer' Ordination 500 Solidi an 
die Staatskasse zahlen sollten. In dem Religionsedikt (Vict. HI, 9 ff.) 
werden die von den verschiedenen Klassen der katholischen Be- 
völkerung zu entrichtenden Strafen nach Pfunden Goldes und Silbers 
berechnet. Als Silbermünzen erscheinen das Miliarense mit der 
Wertzahl 100 = ^ Solidus (1 SoL = ^ » Gold), die SiHqua (Wert- 
zahl 50) und die halbe Siliqua (25), als Kupfermünzen Denare 
(nummi) (1 Solidus = 6000 Denare) mit den Wertzahlen 42 
(« l SiHqua = 41| Denare), 21 (== ^ SU. == 2a|- Den.), 12 (= ^ Sol.), 
4 (= j^ SoL). Autonome Münzen (mit den Bildnissen der Herrscher, 
jedoch ganz in römischem Typus) haben die Wandalen nur in Silber 

1) Vict. Vit. n, 2. 

2) Vit. Folg. c. 2. Folg. Mythogr. p. 7 (Helm) und dazu Helm im Rhein. 
Mus. N. F. 64 (1899), S. 129 f. 

3) Prok. n, 8. 



188 Viertes Bucli. 

und Kupfer geschlagen^ und zwar, wie es scheint, erst seit Hunerich; 
unter Geiserich, von dem keine einzige Münze nachweisbar ist^), 
scheint kein Bedürfnis zu eigener Prägung bestanden zu haben, da 
die Kriegszüge aus allen Gegenden des römischen .Reiches grofse 
Mengen Geldes nach Afrika brachten. Gold ist bei den Wandalen 
wohl überhaupt nicht zur Ausmünzung gelangt; es beruhte dies 
schwerlich auf Anerkennung des Grundsatzes, dafs alleiu der Kaiser 
berechtigt sein sollte, Goldmünzen zu schissen, sondern ebenfalls auf 
dem Mangel an Bedürfiiis. Unter Hilderich sind auch Silbermünzen 
geprägt worden, die nur das Bild des byzantinischen Kaisers Justin I. 
tragen, wohl um diesem eine Huldigung darzubringen. Die königliche 
Münzoffizin befand sich zu Karthago; diese ist neu begründet worden, 
da die Römer vorher dort kein Geld geschlagen haben.^) Woher die 
Wandalen das nötige Personal und Material genommen haben, ist 
unbekannt.*) 

Sehr ergiebig als Einnahmequelle waren die Strafgelder, be- 
sonders diejenigen, welche aus den Katholikenverfolgungen resultierten 
(vgl. namentlich die von Hunerich verhängten Geldbulsen); dazu 
kamen die häufigen Konfiskationen ganzer Vermögen wegen Hoch- 
verrats U.S.W. (siehe oben). Von geringerer Bedeutung waren die 
Einkünfte aus den fiskalischen Fabriken (Färbereien, Webereien u.s.w.) 
und den Bergwerken. Von den numidischen Steinbrüchen ist oben 
die Rede gewesen; aufserdem kamen noch die Erzgruben auf Sardinien 
in Betracht.*) 

Von aulBerordentlichen Einnahmen sind besonders erwähnenswert 
die Geschenke fremder Fürsten (vgl. von Hilderich Prok. b. V. I, 9, 
p. 350 B.), die Mitgift fremder einheiratender Prinzessinnen (Amala- 
frida)^) und die Kriegsbeute. Wahrscheinlich ist in Bezug auf die 
letztere nach dem auch sonst befolgten Grundsatze verfahren worden, 



1) Abbildung einer fälschlich Geiserich zugeschriebenen Münze bei Dahn, 
Urgeschichte 1,301. 2) Marquardt, Staatsverw. n*, 36, N. 2. 

3) Vgl. im allgemeinen bes. Friedländer, Die Münzen der Yandalen 
(1849), und desselben Eepertorimn der antiken Nmnismatik (1885), S. 425 (seit 
1849 nichts Neues hinzugekommen). Mommsen, Cresch. des röm. Münzwesens 
(1860), S. 749, 787 f., 791, 795 f., 841, 843. Abbildung einer Münze Gunthamunds 
bei Sallet, Handb. der Kgl. Mus. zu Berlin. Münzen und Medaillen 102. — 
Wie es scheint unter Hilderich ist der Stadt Karthago das vorher von ihr nicht 
innegehabte Recht verliehen worden, autonome Kupfermünzen zu prägen. 

4) Vgl. Hirschfeld, Untersuchungen zur römischen Yerwaltungsgeschichte I 
(1877), S. 86. 

5) Die Ansprüche, die Hunerich auf das Vermögen seiner Gemahlin Eudoxia 
erhob, wurden nicht be&iedigt. 



Innere Geschiclite des afrikanischen Reiches. Ig9 

dafs das gesamte kaiserliche und staatliche Gut eo ipso dem Könige 
zufiel, während das übrige zwischen diesem und dem Volke durch 
Verlosung' zur Verteilung gelangte (vgl. dazu auch oben S. 171).^) 
Die Kostbarkeiten, die Geiserich einst aus dem kaiserlichen Palast 
in Rom geraubt, fanden sich im Königsschatz Gelimers wieder vor 
(Prok. n, 9). Den enormen Einnahmen gegenüber waren die Aus- 
gaben verhältnismäfsig gering. Zu diesen gehörten die Kosten der 
Verpflegung des Heeres, die Besoldung der maurischen HiKstruppen, 
der Aufwand für die gesamte Verwaltung (Hofhaltung, Dotierung 
der Beamten u.s.w.), für Bauten (vgl. unten), Geschenke, Unter- 
stützungs- und Bestechungsgelder an fremde Fürsten, Generale, 
Gesandte (angeblich an Attila, an Eurich Jord. Get. c. 47, Basüiskus, 
Severus Malch. fr. 3, Gesalech, an Theoderich d. Gr. u. a.) u.s.w. 

Der für die Verwaltimg der Finanzen nötige Apparat blieb 
wahrscheinlich wie bisher in der Hauptsache bestehen: es wird 
zwischen der Kasse des fiscus (ärjiioöiov) und der der domus regia 
unterschieden. In jene flössen die Steuern, Strafgelder u. s.w., in 
letztere die Erträgnisse der Domänen.^) Die bei beiden Kassen 
angestellten Beamten sind nirgends genannt, werden aber dieselben 
gewesen sein, wie zur Römerzeit (comes titulorum largitionum, 
praefectus fundorum patrimonialium, rationalis rei privatae mit ihren 
Untergebenen) und unter der Oberaufsicht des praepositus regni ge- 
standen haben. Eine besondere Bolle spielte der Königshort. Der- 
selbe bestand aus gemünztem Gold und Silber, besonders aber aus 
köstlichem Schmuck, Tafelgerätschafken, goldenen Sesseln und Wagen, 
kunstvollen Waffen u.s.w.^) Wie bei allen Germanen galt der könig- 
liche Schatz fast nicht weniger als das Beich; der Verlust desselben 
war mit dem Verlust der Herrschaft gleichbedeutend; Gelimers erste 
Sorge war daher, als er die von den Byzantinern drohende Gefahr 
erkannte, den Hort in Sicherheit zu bringen.*) Er wurde haupt- 
sächlich vermehrt aus der Ejriegsbeute^), sowie aus den Gaben aus- 
wärtiger Fürsten; aus seinen Beständen stammten andrerseits haupt- 



1) Nach der Erzählung von Marcian bei Prok. I, 4 hätte Geiserich auf die 
Verteilung der Gefangenen Einfiufs gehabt; allein die Anekdote ist unhistorisch 
und auch in ihren einzelnen Zügen nicht verwertbar. 

2) Yict. ni, 11: quantum domui regiae inferrent, tantum etiam fisco poenae 
nomine cogerentur exsolvere (conductores). ü, 23 : das Vermögen der verstorbenen 
Bischöfe solle der fiscus einziehen, die Nachfolger derselben sollen fisco regali 
500 Solidi zahlen. Prok. I, 5 : rrjg de yijg . . . roaavra ivd^Ms t<p drjfioa^co q)iQS6&cct 
TOi^ag etc. 

3) Vgl. Prok. n, 9. 4) Ibid. H, 4. 



190 Viertes Buch. 

sächlich die beschenke; die der König seinen Getreuen, fremden 
Herrschern*) n.s.w. darbrachte. 

Dafs die Vorgänge bei der Besetzung des Landes eine groüse 
Schädigung des Wohlstandes der romischen Einwohnerschaft be- 
deuteten, ist ohne weiteres klar^); in derselben ungünstigen Weise 
muGsten die Beligionsverfolgungen Hunerichs imd besonders die Seezüge 
Geiserichs durdi die Störung des gesamten Handelsverkehres auf dem 
Mittelländischen Meere wirken. Wie die wandalischen Flotten bü» 
römischen Kauffahrer kaperten, so nahmen auch die Byzantiner die ihn«i 
in die Hände kommenden afrikanischen Handelsfahrzeuge weg. Andrer- 
seits mufs betont werden, daJs die ackerbautreibende Bevölkerung 
durch die Niederhaltung der maurischen Stämme viel besser geschützt 
war, als in den letzten Jahren der römischen Herrschaft;. Nach dem 
Eintritt dauernder frie^cher Beziehungen zu Byzanz nahm auch 
der Handel wieder einen bedeutenden Aufschwung. Es muJste im 
Interesse der Könige liegen, denselben zu schützen, schon deshalb, 
imi fiir die Produkte der Domänen, die doch schwerlich ganz im 
Lande selbst verbraucht werden konnten, Absatzgebiete zu erwerben. 
In dem Vertrage Hunerichs mit dem Kaiser Zeno kamen die Ent- 
schädigungsansprüche für gekaperte karthagische Handelsschiffe zur 
Verhandlung.®) Der Hebung des Handels dienten wohl auch in 
erster Linie die grofsen Seebauten, die nach dem Gedichte Gates 
(Anthol. 387) auf Befehl Hunerichs ausgeführt wurden. Zahlreiche 
griechische Kaufleute befanden sich zur Zeit Gelimers in Karthago 
und wurden bei der Ankunft Belisars ins Gefängnis geworfen unter 
dem Verdachte des Verrates.^) Von dem byzantinischen Flotten- 
kommandanten Kalonymus wird erzählt, dafs er heimlich mit einigoi 
Schiffen in den Hafen Mandracium einlief und die GKiter der an 
demselben wohnenden Kaufleute plünderte. Ein Handelsschiff aus 
Karthago befand sich damals in Spanien (vermutlich in Sevilla, 
Prok. I, 24) und der an Tzazo nach Sardinien abgeschickte Bote 
bediente sich eines Kauffahrers (Prok. I, 25). Die Ausfuhr erstreckte 
sich in der Hauptsache natürlich auf Getreide^) und Öl, wohl auch 

1) Theoderich d. Gr. schreibt an Trasamund (Cass. var. V, 44), er nehme 
dessen Geschenke nicht an: redeant ad cnbicnlnm vestrom mnnera. 

2) Vgl. auch die Novellen Yal. tit. 12 (Si afflictis Afrorum fortunis, qni onmefl 
fiacnltates snas per acerbissima snpplicia omitterc sunt coacti etc.). 18. 83 u. s.w. 

3) Malch. fr. 13. 4) Prok. I, 20. 

ö) Nach Olympiodor fr. 29 hätten einmal die Wandalen an die von Hunger 
bedrängten Gk)ten Getreide für hohen Preis verkauft. Es kann sich dies nur 
auf die Zeit der wandalischen Niederla ig in Spanien beziehen, da Olymp, 
nur die Zeit bis 426 (vgl. Christ, Gesch. ( • griech. Litt.', S. 7^7) behandelte. 



Innere Geschiclite des afrikanischen Reiches. 191 

Pferde; wilde Tiere ^); Marmorsteine, während besonders Goldsachen^ 
kostbare Stoffe und andere Luxusgegenstände importiert wurden.^) 

Kirche. Der kSnigUcHen Gewalt unterliegt die arianisehe wie 
die katholische Kirche; die Besetzung der Bistümer ist von der 
Zustimmung des Staatsoberhauptes abhängig; die Synoden werden 
vom König berufen oder treten nur mit seiner Erlaubnis zusammen. 
Wann die Wandalen zum Christentum übergetreten sind; ist nicht 
überliefert. Die Asdingen sind wahrscheinlich in ihren Sitzen an 
der oberen Theifs durch gotische Missionare zum Arianismus bekehrt 
worden; die Silingen dagegen und Alanen, wie auch die Sweben') 
waren wohl noch zur Zeit ihres Einbruches in Gallien und Spanien 
Anhänger des heidnischen Glaubens und sind erst nach ihrer Ver- 
einigung mit den Asdingen Arianer geworden. Dafs die Wandalen 
in Spanien arianisehe Christen (haeretici) waren, bezeugt ausdrücklich 
Salvian (de gub. dei VU, 45 ff., vgl. V, 14); es wird hier auch an- 
läßlich der 421 oder 422 gegen die Römer gelieferten Schlacht 
hervorgehoben, in wie hohem Ansehen bei jenen die Bibel, d. L die 
gotische WulfilaS; stand. 

Nach der Besetzung Afrikas wurden , wie schon oben ausgeführt; 
die katholischen Kleriker aus den Landbezirken der Prokonsular- 
proyinZ; sowie aus der Hauptstadt Karthago völlig ausgetrieben und 
die erledigten Stellen an arianisehe Geistliche mit dem gesamten 
Kirchenyermögen überwiesen.^) In den übrigen Landesteilen befanden 
sich anfanglich keine odier nur wenige arianisehe Priester; erst unter 
Hunerich; der überhaupt alle katholischen Kirchen den Arianern 
schenkte (was freilich niemals ganz zur Durchführung gelangte); 
sind solche in gröfserer Zahl eingesetzt worden.^) Der in Karthago 
residierende Bischof führte den Titel Patriarch^) und übtC; wie die 
Metropoliten^; eine oberste Gewalt über den gesamten arianischen 
Episkopat im Wandalenreiche aus. Dafs ihm Notare zur Seite standen, 
zeigt Vict. Vit. III; 29. Unter den einzelnen Bischöfen und deren Straf- 
g^walt unterworfen^) standen die verschiedenen Klassen der niederen 

1) Wilde Tiere bildeten sclion zur Zeit des Plinius einen Hauptexport- 
artikel Numidiens (Hist. nat. Y, 3) ; Trasamund schickte solche zum Geschenk 
an Theoderich (vgl. oben). 2) Anth. lat. no. 376. 

3) Über die Sweben vgl. Dahn, Könige VI*, 564. 

4) Dafs auch Privatgüter an dieselben verliehen -wurden, zeigt Vit. Fulg. c. 1. 
ö) Ein arianischer Bischof in Tipasa, Vict. Vit. 111,29; ein solcher in der 

Byzacena, ibid. 111,42. 

6) Vict. IT, 13. 64. Die Berechtigung, diesen Titel zu führen, wurde 
natürlich von den Katholiken bestritten, ibid. 

7) Vgl. dazu Hinschius, Kirchenrecht 11, Iff. 8) Vgl. Vit. Fulg, cap. 11. 



192 Tiertes Buch. 

Geistlichkeit; wie in der orthodoxen Kirche werden Presbyter und 
Diakonen erwähnt.^) Das Mönchtum, das überhaupt dem welt- 
freudigen Arianismus unbekannt war^), ist auch hier nicht vertreten 
gewesen; der Yict. 11^ 2 genannte monachus Clementianus war 
Manichäer, nicht Arianer, wie Papencordt, S. 273, meint. Die Bis- 
tümer wurden jedenfalls durch direkte königliche Ernennung besetzt; 
der Patriarch scheint häufig aus der bei den Hofhaltungen des 
Königs oder der Prinzen angestellten Geistlichkeit hervorgegangen 
zu sein: so Jucundus, der anfanglich Kaplan bei Geiserichs Sohn 
Theoderich war. Der arianische Gottesdienst wurde, wie bei den 
übrigen Germanen, in der Volkssprache abgehalten, vgl. dazu Vict. 
II, 4 und (Pseudo-)Augustinus, epist. 178 (Migne 33, 1156), wo der 
Anfang eines wandalischen Gebetes angeführt wird (Wrede, Sprache 
der Wandalen, S. 18). Die Kleriker waren daher in ihrer Mehrzahl 
germanischer Nationalität, zum gröfsten Teil wohl auch diejenigen, 
welche in den Quellen unter lateinischen Namen erscheinen. Es 
werden genannt Clementianus (Vict. 11, 2), ein Diakon Marivad (I, 48), 
die Presbyter Anduit (I, 41) und Felix (natione barbarus, vgl. Vit. 
Fulg. c. 9), die Bischöfe Antonius (Vict. III, 42) und Pinta (Vit. Fulg. 
c. 23), die Patriarchen Jucundus und Cyrila. Dazu kommen ver- 
schiedene Konvertiten, wie Fastidiosus (Migne 65, 375), Elpidoforus 
(Vict. Vit. ni, 34). Cyrila erklärte bei dem Religionsgespräch in 
Karthago, des Lateinischen nicht mächtig zu sein, eine Behauptung, 
die ihm von den anwesenden katholischen Bischöfen widerlegt wurde 
(Vict. n, 55). Eine besondere Machtstellung im Staate hat der wan- 
dalische Klerus nicht eingenommen; gröfserer Einflufs ist von dem- 
selben nur in den religiösen Fragen und auch in diesen nur unter 
Hunerichs Regierung ausgeübt worden. Wir haben schon gesehen, 
dafs die Könige bei derartigen Angelegenheiten den Rat der Geist- 
lichkeit einholten und dieser auch die Ausführung der einzelnen Ver- 
ordnungen übertrugen. Dafs es dabei zu Kompetenzüberschreitungen 
kam, läfst der zwischen den beiden Konfessionen bestehende Haus 
sehr begreiflich erscheinen; aber auch sonst sind die arianischen 
Priester vielfach ganz eigenmächtig gegen die Anhänger des ortho- 
doxen Glaubens in der grausamsten Weise vorgegangen.*) Es ist 
daher durchaus unbillig, wenn man alle verübten Gewaltthaten dem 
wandalischen Königtum auf die Rechnung setzt. 



1) Vict. n, 1. 16. n, 42. 2) Vgl. Ficker, Ztschr. f. Kirchengesch. XXI, 27. 
3) Vgl. Vit. Ftdg. c* 1. 



Innere Geschichte des afrikanischen Reiches. 193 

Der oben gegebenen Schilderung der Lage der katholischen Kirche 
unter wandaüscher Herrschaft ist an dieser Stelle nur weniges noch 
hinzuzufügen. Dafs die Wandalen schon in Gallien und Spanien die 
Orthodoxen um ihres Bekenntnisses willen verfolgt hätten, ist gänz- 
lich unerweislich; wenn damals zahlreiche Priester hingemordet worden 
sind, so ist dies ledigUch eine Folge des aUgemeinen Kriegszustan'des 
gewesen; übrigens stammt die Überlieferung, die hiervon zu berichten 
weifs, zum gröfsten Teile aus späterer Zeit und ist darum von zweifel- 
haftem historischen Werte. Geiserich ist in Afrika, nachdem die 
Stürme der Erobenmg vorbeigegangen und die Dotierung der aria- 
nischen Staatskirche vollzogen war, nur gegen diejenigen Anhänger 
des Orthodoxismus vorgegangen, von denen Gefahr für den Staat zu 
besorgen war. Der Klerus aufserhalb der Wandalenlose wurde scharf 
beaufsichtigt, jedoch, wenn er dem königlichen Willen nicht zuwider- 
handelte und sich auf die Ausübung seiner Amtsobliegenheiten be- 
schränkte, nicht beheUigt. Die eigentlichen Verfolgungen begannen 
erst unter Hunerich und wurden nach einer Friedenspause unter 
Gunthamund von Trasamund, wenn auch in wesentlich milderer Form, 
fortgesetzt. Hilderich gab der katholischen Kirche ihre volle Freiheit 
wieder; sein Nachfolger Gelimer, ein eifriger Arianer, war durch die 
politischen Verwickelungen zu sehr in Anspruch genommen, um sich 
auf jenem Gebiete bethätigen zu können. Die kirchlichen Verhältnisse 
erlitten somit nur vorübergehende, nicht dauernde Störungen imd 
haben keinen wesentlichen Schaden erlitten; vielmehr haben die Ver- 
folgungen wesentlich dazu beigetragen, die innere Kraft der afrika- 
nischen Kirche zu stählen. So ist auch das bischöfliche Archiv in 
Karthago völlig intakt geblieben.^) Über die Verfassungszustände im 
einzelnen erfahren wir, dafs wie bisher die Vorsteher der Bistümer 
von Klerus und Gemeinde gewählt und von den benachbarten Biscliöfen 
unter Genehmigung des Metropoliten geweiht wurden (Vict.Vit.II, 1 fif., 
besonders Vit. Fulg. cap. 17, vgl. Hinschius, Kirchenrecht 11, 513). Das 
Bestätigungsrecht hat der König stets ausgeübt, wie zahlreiche Quellen- 
stellen bezeugen. Katholische Synoden sind zur Wandalenzeit nur 
drei in Afrika abgehalten worden, und zwar unter Hilderich, der 
aber ohne Zweifel seine ausdrückliche Genehmigung zu ihrem Zu- 
sammentritt gegeben hat: von einem Bischof heifst es "iii den Akten 
des karthaginiensischen Konzils, dafs er durch königlichen Befehl 



1) Vgl. Günther in den Sitzungsberichten der Wiener Akad. Phil.-hist. Kl. 
Bd. 134, V, 27. 

Schmidt, Wandalen. 13 



194 Viertes Buch. 

(praeceptio regalis) am Erscheinen verhindert sei.^) Das Religions- 
gespräch Yon Karthago a. 484; das ganz unter dem Einflüsse des 
Königs stand, gehört nicht hierher, — Zu bedeutender Entwickelung 
gelangte in jener Zeit, namentlich im sechsten Jahrhundert, das 
Mönchswesen. Die Verkommenheit und das üppige Leben nicht allein 
des Laien-, sondern auch des Priesterstandes, die trüben politischen 
Verhältnisse veranlafsten viele, die Welt zu fliehen und in beschau- 
licher Buhe und Enthaltsamkeit ein Gott gefälliges Leben zu führen. 
Die herrschende mönchische Tendenz tritt namentlich in den Er- 
zählungen der Vita Fulgentii deutlich hervor. Zu gröfserem Einflufs 
gelangte das Mönchtum dadurch, dafs zahlreiche Bistümer unbesetzt 
waren und ihm nun die Aufgabe zufiel, die Interessen der katholischen 
Kirche zu vertreten. Dafs zwischen jenem und dem Episkopat nach 
der Restitution durch Hilderich eine Spannung entstand, war daher 
sehr begreiflich; die Spuren eines solchen Gegensatzes sind nament- 
lich aus den Verhandlungen des Konzils von 525 ersichtlich.*) Dafe 
übrigens die Wandalen, wenigstens unter Trasamund, den Klöstern 
gegenüber sich sehr tolerant zeigten, ist schon oben bemerkt worden. — 
Der Primat des Bischofs von Rom war von der afrikanischen Kirche 
anerkannt worden^), nachdem die durch die Verfolgungen eingetretene 
Not den Klerus gezwungen hatte, engen Anschlufs an jenen zu 
suchen, um dessen Fürsprache bei der weltlichen Macht zu gewinnen. 
Den Wandalenkönigen waren diese „überseeischen" Verbindungen 
natürlich ein Dom im Auge, und sie haben scharfe Gegenmafsregeln 
ergriffen, ohne jedoch wesentliche Erfolge zu erzielen. Auffälliger- 
weise hat es Trasamund geschehen lassen, dafs die nach Sardinien 
verbannten Bischöfe einen regen Verkehr mit Rom unterhielten. 

Über die Lage der Sekten der Donatisten, Pelagianer, Manichäer 
im Wandalenreiche ist nur wenig bekannt; wahrscheinlich haben sie 
dieselbe Behandlung erfahren wie die Katholiken. Fastidiosus, ein 
Konvertit, bekämpfte in gleicher Weise Homousianer und Donatisten, 
vgl. Fulg. epist. 9 (Migne 65, 374): et Homousianos et Donatistas ob- 
jectionum suarum jaculis quasi vulnerans. Dafs Hunerich in grau- 
samer Weise gegen die Manichäer vorging, die unter den Arianem 
erfolgreich Bekehrungsversuche gemacht hatten, ist schon oben er- 
wähnt worden. 



1) MansiVm, 640 D. 

2) Vgl. im allgemeinen Ficker, Zeitschr. f. Kirchengesch. XXI, 25 ff. 

3) Vict. Vit. II, 43; oben S. 60. 



Innere Gescliichte des afrikanischen Reiches. , 195 

Die Kultur im afrikanischen Wandalenreiche. Ali^i. di0 
Wandalen Afrika besetzten^ standen sie jedenfalls im wesentliiäh^ll 
noch auf derselben Kulturstufe, auf der sie sich in ihren Wohnsitzen 
an der Theifs befunden hatten. Ihre politische Stellung als Eroberer, 
daB Zusammenwohnen in einem geschlossenen Gebiete, der schroffe 
religiöse Gegensatz mufsten naturgemäfs eine raschere Beeinflussung 
durch das röniische Element erschweren. Unter Gelimer hatte das 
Volk in seiner Mehrheit ganz die üppige Lebensweise der Römer, 
d. h. des reichen Adels, angenommen; wie Prokop sagt, wohnten die 
Wandalen in prachtvollen Villen, schmückten sich mit seidenen Ge- 
wändern und trugen allerhand Goldschmuck, besuchten täglich die 
Bäder, ergötzten sich an Theater, Musik, Cirkusspielen, Jagden und 
huldigten mit grofser Leidenschaft der Aphrodite. Die Anfänge des 
Verfalls waren schon zu Anfang der Regierung Hunerichs zu Tage 
getreten (vgl. Malchus fr. 13); aber noch imter diesem hielten die 
Wandalen an ihrer hergebrachten Tracht fest: sie trugen lange 
Haare^), Kamisole, Beinkleider*), und auch die am königlichen Hofe 
angestellten Römer waren verpflichtet, sich so zu kleiden. Die haupt- 
sächlich aus der Zeit Trasamunds und seiner Nachfolger stammenden 
Gedichte der Anthologie zeigen uns, dafs die sittlichen Zustände der 
afrikanischen Bevölkerung die gleichen waren wie vor der wanda- 
lischen Eroberung. Die Buhldime spielte wieder eine grofse Rolle; 
die Interessen des Volkes gingen zum grofsen Teile in den Schau- 
stellungen des Cirkus imd Amphitheaters, den schlüpfrigen Dar- 
stellungen der Mimen auf.*) Stätten der Unzucht waren besonders 
die Badestuben; es heilst daher von Fulgentius, dafs er, als er von 
der Welt sich zurückzog, nicht mehr in die Bäder ging (Vita cap. 3). 
Die wohlgemeinten Sittengesetze Geiserichs, der sein Volk vor der 
Ansteckung zu bewahren trachtete, hatten nur vorübergehende Er- 
folge zu erzielen vermocht. 

Dafs die wandalische Sprache*) im Verkehr der Volksgenossen 
unter sich bis zum Ende des Reiches in Übung blieb, unterliegt 
keinem Zweifel; für die Erhaltung sorgte schon der in der Volks- 
sprache abgehaltene arianische Gottesdienst (vgl. auch weiter unten). 

1) Dies ergiebt sich aus Vict. ü, 9. 

2) camisia et femoralia Vict. I, 39. 

3) Cirkus mit den Parteien der Grünen und Blauen Anth. 293. 306. 312. 
324. 327. 328. 33G. Amphitheater 346. 373. Eine pantomima Macedonia 310. Ein 
Mimus 386. Eine Saitenspielerin (psaltria) 361. 362. Katholische Märtyrer wurden 
vielfach wie in Rom in der Arena den wilden Tieren preisgegeben. (Vgl. oben.) 

4) Vgl. darüber das Nähere in der öfter angeführten Arbeit Wredes. 



196 Viertes Buch. 

Poch war sicher, namentlich in späterer Zeit, der Adel, überhaupt 
'^q}^ die gesamte höhere Beamtenschaft (vor allem natürlich der prae- 
ptfeitus regni und der Kanzler) des Lateinischen (schwerlich auch des 
Griechischen, vgl. weiter unten) mächtig. Die Anthologie enthält 
mehrere Gedichte, die an wandaüsche Grofse gerichtet sind: Fridamal 
n. 304. 305, Oageis 345. 346. Ein solches (nicht erhaltenes) Gedicht 
war es wohl auch, in dem Oamer der wandalische Achilles genannt 
wurde (Prok. b. V. I, 9): Kenntnis der homerischen Epen bei den 
Wandalen ist hieraus nicht zu folgern. Von dem Grammatiker Feli- 
cianus (Zeit Gunthamunds) singt Dracontius carm. 1, 14, dals in seiner 
Schule Barbaren wie Römer lernten. Es ist daher eine arge Über- 
treibung, wenn Fulgentius (Mythol. p. 9 Helm) wahrscheinlich in Be- 
ziehung auf das Schicksal des Dracontius sagt, die Barbaren seien 
jeder litterarischen Thätigkeit so abgeneigt, dafs sie jeden ohne Ver- 
hör zur Folter schleppen, der nur seinen Namen schreiben kann.^) 
Beide Sprachen beherrschten auch die meisten der arianischen Geist- 
lichen, wie sich aus der lebhaften Polemik, die zwischen den An- 
hängern der beiden Konfessionen damals geführt worden ist, ergiebt 
(vgl. auch oben von Cyrila); umgekehrt scheint auch ein Teil des 
orthodoxen Klerus das Wandalische sich angeeignet zu haben, da 
nicht ohne Erfolg katholische Propaganda in den Bezirken der Wan- 
dalen getrieben worden ist. 

Die Verhältnisse brachten es mit sich, dafs die Bekanntschaft 
mit dem Lateinischen und überhaupt der antiken Bildung besonders 
am Königshofe Wurzel fafste und Verbreitung fand. Lateinisch war 
wie in den übrigen germanischen Reichen die Sprache des diploma- 
tischen Verkehrs und der Gesetzgebung; auch die Eingaben der Römer 
an die Regierung waren lateinisch abgefafst. Geiserich war wenigstens 
in der ersten Zeit seiner Herrschaft allerdings dieser Sprache noch 
nicht mächtig; er liefs sich die Vorstellungen der katholischen Bischöfe 
durch einen Dolmetscher übersetzen.^) Dafs derselbe übrigens der 
Erkenntnis von der Bedeutung gelehrter Bildung sich keineswegs 
verschlofs, zeigt Dracontius Satisf. v. 302, wo es heifst, der König 
habe dem gelehrten Vincemalos mit den Worten verziehen: dem 
Menschen vergebe ich es nicht, aber seine Zunge (d. h. sein Ruhm 
als Gelehrter) hat es verdient. Von dem auf Befehl Hunerichs hin- 
gerichteten Enkel Geiserichs wird gerühmt, er sei magnis litteris 
institutus gewesen.^) Durch umfassende wissenschaftliche Kenntnisse 



1) Vgl. Rhein. Mus. 54, 125. 2) Vict. Vit. I, 18. 3) Vict. H, 13. 



Innere Geschiclite des afrikanischen Reiches. 197 

war namentlich König Trasamund ausgezeichnet (vgl. oben), und auch 
von Hilderich, dem Sohne der Römerin Eudoxia und Freunde Justi- 
nians, dürfen wir ohne weiteres annehmen, dafs ihm klassische 
Bildung nicht fremd war. Bezeichnend für den steigenden Einflufs 
des Bomanismus ist die Thatsache, dafs die wichtigsten Ämter am 
Königshofe (sicher wenigstens das Kanzleramt, vgl. oben), die an- 
fänglich nur mit Wandalen besetzt waren, später in den Händen von 
Römern erscheinen. Dafs unter Hilderich das germanische Element 
im Mittelpunkte des Staates ganz in den Hintergrund getreten war, 
haben wir schon früher bemerkt. 

Dafs der Druck der wandalischen Herrschaft, wie er namentlich 
unter Geiserich und Hunerich auf der afrikanischen Bevölkerung 
lastete, auf die litterarische Produktion (von der theologischen ab- 
gesehen) lähmend einwirken mufste, ist natürlich. Zu einem Auf- 
schwung kam es erst unter der müden Regierung Gunthamunds: von 
dem damals lebenden Grammatiker Felicianus heifst es (Dracont. 
carm. I, 13), dafs er die aus Afrika geflüchteten Wissenschaften 
wieder nach Karthago zurückführte.^) Aus der Zeit Hunerichs ist 
nur ein Dichter Cato mit Sicherheit nachweisbar, der die Wasser- 
bauten des Königs verherrlichte (Anthol. 381). Ein Schüler des Feli- 
cianus war der Dichter Blossius Aemilius Dracontius, der be- 
gabte Verfasser der schon erwähnten Satisfactio ad Gunthamundum 
regem, eines christlichen Lehrgedichtes De laudibus Dei in drei 
Büchern (ebenfalls im Gefängnis geschrieben), sowie einer Anzahl 
Epen, deren Stoff der antiken Sagenwelt entnommen ist.^) Der Zeit 
Gunthamunds gehören auch die Werke an, die der Bischof Ful- 
gentius in seiner Jugend schrieb: Liber physiologus (verloren), drei 
Bücher Mytologiae, die Expositio Virgilianae continentiae, die Ex- 
positio sermonum antiquorum, eine Weltgeschichte (de aetatibus mundi 
et hominis) und die Schrift super Thebaidem.^) Von Fulgentius be- 
richtet sein Biograph, dafs er zuerst Griechisch und dann erst La- 
teinisch lernte; Kenntnis des Griechischen aber war damals etwas 
Seltenes, wie sich aus einer Stelle der Expos, serm. ergiebt, und 
brachte denjenigen, der nur einigermafsen diese Sprache beherrschte. 



1) Vgl. auch Florentimis in laudem Trasamundi (Anth. 376) v. 32: Carthago 
studiis, Carthago ornata magistris. 

2) Vgl. Teuf fei, Geschiclite der römischen Litteratur § 475. Ebert, Allg. 
Gesch. der Litt, des Mittelalters I*, 383 ff. Manitius, Geschichte der christl. 
latein. Poesie S. 327 ff. Boissier, L'Afrique Romaine (1895) S. 261 ff. 

3) Vgl. Helm, Rhein. Mus. N. F. 52 (1897) 177 ff. 54 (1899) S. 111 ff. 



198 Viertes Buch. 

in den Rulim groüser Gelehrsamkeit.^) Ein besonders lebhaftes litte- 
rarisches Treiben entfaltete sich am Hofe der Könige Trasamund und 
Hilderich.^ Die Dichter dieser Periode lernen wir hauptsächlich aus 
der lateinischen Anthologie des Codex Salmasianus kennen ^ die wahr- 
scheinlich zu Beginn des sechsten Jahrhunderts in Afrika selbst zu- 
sammengestellt worden ist. Aus ihrer grofsen Zahl sind besonders 
die Namen Luxorius, Flavius Felix, Florentinus hervorzuheben. 
Die Arbeiten derselben, vorwiegend Epigramme in der Art Martials, 
Verse mythologischen Inhalts und LobUeder auf die Regierungs- 
thätigkeit der Fürsten, sind zum gr.öfsten Teile^ebrft^ nind ' g g »c !Btiäck- 
los und den Dichtungen des Dracontius in keiner Weise ebenbürtig, 
aber wertvoll als Spiegelbilder des damaligen Kulturlebens. Ein Zu- 
gehöriger desselben Dichterkreises, ihn jedoch an Bedeutung weit 
überragend, war wahrscheinlich der Verfasser des früher dem Ter- 
tullian oder Cyprian zugeschriebenen christlichen Gedichtes: Carmen 
ad Flayium Felicem de resurrectione mortuorum.*) 

Zu einer grofsen Blüte gedieh im Wandalenreiche durch die 
Entfesselung des Kampfes zwischen Arianismus und Orthodoxismus 
die theologische Streitschriftenlitteratur. Zur Zeit Geiserichs schrieben 
die Bischöfe Asclepius (in Baiensi territorio; in Numidien?) ad- 
versum Arianos und adv. Donatistas (beides verloren); Victor 
Cartennensis (in Mauret. Caesar.) adv. Arianos, Homilien (beides 
verloren). De poenitentia publica lib. I, einen Libellus consolatorius 
ad Basilium super mortem filii (die dem Victor zugeschriebene 
Chronik, aus der zahlreiche Stellen in das Werk Papencordts u. a. 
übergegangen sind, ist eine grobe spanische Fälschung; vgl. Watten- 
bach, Geschichtsquellen 11^,489); Voconius von Castellum (Maur. 
Caes.) adv. ecclesiae inimicos und Sacramentorum volumen (beides 
verloren); Cerealis von Castellum, Disputation mit dem arianischen. 
BischofMaximinus^) (doch vgl. S. 104, 2) und vielleicht auch ServusDei 
(Gennad. c. 88). Derselben Periode gehören auch der fälschlich dem heil. 



1) Helm, Rhein. Mus. 54, 127. 

2) Auch aus der Zeit Gelimers sind einige Gedichte erhalten, z. B. Anthol. 
lat. 341. 342. 

3) Manitius S. 344 ff. 

4) Gennad. de vir. ill. 74. 78. 79. 97; Isid. vir. ill. 11 und dazu die treff- 
lichen Erläuterungen und Nachweisungen von Czapla und Dzialowski in 
Knöpf lers Kirchengeschichtlichen Studien IV (1898), 1, S. 149. 161. 153. 2, S. 17. 
Ein Teil der oben erwähnten Schriften ist jedenfalls zu einer Zeit geschrieben, 
wo die Sitze dieser Bischöfe noch nicht wandalisch waren. Vgl. oben S. 76. 



Innere Geschichte des afrikanischen Reiches. 199 

Augustinus zugeschriebene Sermo de tempore barbarico (Migne 40^ 690)^ 
der Liber de promissionibus et praedictionibus Dei (vgl. oben) und das 
karthagische Paschalwerk (Gomputus Carthaginiensis) vom Jahre 455 
(vgl. Erusch, Studien zur christl. mittelalterl. Chronologie, S. 138 £, 
219 S.) an.^) Unter Hunerich lebten: der schon öfter erwähnte 
Bischof Eugenius von Karthago^ Verfasser des liber fidei catholicae 
(Vict. Vit. n, 56 fif.), von epistolae commonitoriae (Migne 58, 770) 
und nicht mehr erhaltenen Altercationes mit arianischen Bischöfen 
(Gennad. c. 98); ferner Vigilius, Bischof von ThapsuS; der bei dem 
Eeligionsgespi^h 484 anwesend war (Not. prov. Byzac. 109) und 
dann wahrscheinlich nach Byzanz entfloh, schrieb: Adv. Nestorium 
et Eutychen libri V pro defensione synodi Chalcedonensis, libri XII 
de trinitate (?), eine Streitschrift gegen den arianischen Diakon 
Varimadus (Marivad) u. a. teilweise unter den Namen des Athanasius 
und Augustinus^) In den ersten Jahren Gunthamunds (um 486) 
verfafste Victor Vitensis seine bekaz)||Lte, oft angezogene Historia 
persecutionis Africanae provinciae, die Geschichte der Glaubens- 
verfolgungen unter Geiserich und Hunerich, in 3 Büchern. Victor 
war nach der Not. prov. Byzac. 44 im Jahre 484 Bischof von Vita 
in der Provinz Byzacena und bei dem Beligionsgespräch in Karthago 
nicht anwesend (non ocurrit)^): dies ergiebt sich auch aus der Art 
seiner Erzählung von den damaligen Verhandlungen, die er nicht 
als Augenzeuge schildert. Vorher scheint er ein geistliches Amt in 
Karthago bekleidet zu haben, und nachdem er zur bischöflichen 
Würde gelangt, ist er wiederholt in der Hauptstadt gewesen, wie 
zahlreiche, nach Autopsie niedergeschriebene Stellen beweisen. Dafs 
ein Werk, das nichts anderes sein will, als eine einseitige Tendenz- 
schrift, Objektivität und Unparteilichkeit vermissen läfst, den Gegnern 
in keiner Weise gerecht wird, ist für jeden unbefangenen Beurteiler 
ohne weiteres klar. Zweifellos hat Victor sich durch seinen glühenden 
Hafs häufig zu Verdrehungen der wirklichen Thatsachen hin- 
reilsen lassen; anderseits aber zeigt die Aufnahme einer Anzahl 
wichtiger Aktenstücke, deren Erhaltung für uns von unschätzbarem 



1) Das Buch der Genealogien (Mon. Germ. Auct. ant. IX. 164 ff.) ist bereits 
Yor der Wandalenzeit (427) geschrieben und sodann blofs mit einigen Zusätzen 
versehen worden. 

2) Teuffei, § 469,ii. Herzog und Plitt, Realencyklopädie der Protestant. 
Theologie s. v. . 

3) Der Annahme, dafs der hier erwähnte Victor Vit. ein anderer gewesen 
sei, kann ich nicht beipflichten. 



200 Viertes Buch. 

Werte ist, dafs ihm historischer Sinn durchaus nicht abging.^) — Aus 
derselben Zeit stammt die den Handschriften Victors angehängte 
Passio Septem monachorum, ein Bericht über das Martyrium von 
sieben Mönchen eines Klosters im Süden der Byzacena unter Hunerich. 
Über die notitia provinciarum et civitatum Africae vgl. oben S. 107, 2. 

Sehr lebhaft gestaltete sich die Polemik über die theologischen 
Steitfragen unter Trasamund. Dafs dieser König sich selbst daran 
beteiligte, ist schon erwähnt worden. Der wichtigste katholische 
Schriftsteller dieser Zeit ist der Bischof Fulgentius von Buspe 
(geb. 468, gest. 533), von dem noch zahlreiche Abhandlungen erhalten 
sind: es seien aus denselben die drei Bücher gegen Trasamund, der 
Liber unus contra Arianos (Antwort auf die Fragen des Königs) 
und die Briefe hervorgehoben.^) Von den gewifs zahlreichen Streit- 
schriften seiner arianischen Gegner ist so gut wie nichts erhalten — 
wie denn überhaupt fast die ganze arianische Litteratur zu Grunde 
gegangen ist — ; wir kennen nur einige Namen aus den Gegen- 
schriften, wie Pinta, Fabianus, Fastidiosus (ein Sermo des letzt- 
genannten ist noch vorhanden: Migne 65, 375 f.). Einer seiner Schüler, 
der auch mit ihm in Sardinien in der Verbannung lebte, schrieb 
seine Biographie, deren Vollendung um 535 fällt, und die, wie wir 
schon sahen, eine wertvolle Quelle für die Geschichte des Wandalen- 
reiches ist. Die Annahme, dafs Ferrandus, Diakon zu Karthago, 
von dem noch einige Briefe erhalten sind, der Verfasser sei, ist un- 
begründet.^) 

Zu erwähnen ist endlich noch, dafs die Chronik Prospers in 
Afrika mehrfache Bearbeitungen mit für uns nicht unwichtigen Zu- 
sätzen erfahren hat, vgl. Mommsen, Chronica minora I, 486flf. Eine 
wertvolle Quelle ist namentlich der öfter citierte Laterculus regum 
Wandalorum et Alanorum (Chron. min. III, 458 fif., in 2 Rezensionen 
erhalten), der zwar erst nach dem Sturze des Wandalenreiches ge- 
schrieben ist, dem aber ohne Zweifel ältere, sehr zuverlässige und 
genaue Aufzeichnungen zu Grunde liegen.^) 



1) Über Vict. Vit. bes. Ebert I *, 454. Auler a. a. 0. und die Übersetzung 
Victors von M. Zink (Bamberg 1883), Einleitung. Vgl. auch Görres in der deutschen 
Ztschr. für Geschichtswiss. X, 17. Ganz unbrauchbar ist die Dissertation von 
Alb. Schönfelder, De Victore Vitensi episcopo. Vratislav. 1899, die ebenso ein- 
seitig ist, wie das Werk Victors selbst. 

2) Vgl. Ficker in der Ztschr. f. Kirchengesch. XXI, 13fiF. 

3) Vgl. Ficker a. a. 0., S. 10 ff. 

4) Vgl. dazu auch Holder-Egger, Neues Archiv I (1876), S. 46 f. 



Innere Geschichte des afrikanischen Reiches. 201 

Von wandalischer Volkspoesie ist leider nichts erhalten; aber 
wir wissen, daXs Gelimer ein Lied (natürlich in der Volkssprache) 
auf sein Schicksal zur Zither dichtete (Prok. 11, 6). Dafs namentlich 
die Grofsthaten Geiserichs in nationalen Gesängen gefeiert worden 
sind, unterliegt bei dem grofsen Ansehen, in dem dieser König bei 
seinem Volke stand, kaum einem Zweifel. 

Über die Kunst im Wandalenreiche läfst sich gegenwärtig 
etwas Abschlielsendes noch nicht sagen, da die Ausgrabungen der 
französischen Regierung in Afrika fortwährend neue Resultate ergeben. 
Von einer national -wandalischen Kunst darf man jedoch kaum 
sprechen; was in jener Zeit produziert worden ist, stammt jedenfalls 
in der Hauptsache von Römern her und ist höchstens durch die 
Wandalen beeinflufst worden. Nur von dem Waffenschmiedehandwerk 
könnte man nach Analogie anderer, auf ähnlicher Kulturstufe 
stehender Völker annehmen, dafs es von den Wandalen selbst aus- 
geübt worden ist (vgl. auch die Bemerkung Hartmanns über die 
Kunst der Langobarden, Geschichte Italiens im Mittelalter II, 1, 32, 
Note l4). Eine besonders lebhafte Bauthätigkeit entfaltete der pracht- 
liebende König Trasamund: derselbe liefs den Ort Alianae wieder- 
herstellen, wo er nun mit Vorliebe residierte, und schmückte ihn mit 
herrlichen Gebäuden.^) Hier lagen wohl die den Namen des Königs 
tragenden Bäder, die Thermae Trasamundiacae^), der neu errichtete 
königliche Palast und das Gotteshaus, deren der Dichter Felix 
(Anthol. 213,6 ff.) rühmend gedenkt. Diese Kirche ist wohl identisch 
mit der Basilica palatii sanctae Mariae, für die der Referendar Petrus 
drei Verse als Inschrift verfasste (Anth. 380). Vielleicht aus derselben 
Zeit stammt die berühmte Basilika zu Ammaedara (Haidra), in der 
Inschriften mit der Angabe des 14. Regierungsjahres Trasamunds 
und des 4. Jahres Hilderichs gefunden worden sind.^) Auch die 
kürzlich entdeckte Basilika zu Alamiliaria in Mauret. Caesar, (in 
diesem Orte erscheint 484 ein Bischof, vgl. Not. prov. Maur. Caes. no. 33) 
ist nach einer Mitteilung des Herrn St. Gsell in Algier in der Wan- 
dalenzeit erbaut worden. Neu errichtete Gebäude waren wohl ferner das 



1) Anthol. lat. 376,19 ff. 

2) Anthol. 210 ff. Vgl. Tissot 1,661. 

3) Vgl. Cagnat in den Archives des missions scientifiques et litt^raires. 
3. s^r. Tom. XII (1885), S. 231 (no. 257) und Saladin ebenda Xm (1887), S. 181. 
F. X. Kraus, Geschichte der christlichen Ktmst I, 276. Schwarze, Afrikan. 
Kirche, S. 49 (die Inschrift aus dem 14. Jahre Trasamunds wird von letzterem 
S. 64 fälschlich als in der Kirche zu Theveste gefunden angegeben). 

13* 



202 Viertes Buch. 

königliche Schlofs zu Grasse, der Wohnsitz des Fridamal (Anth. 
304. 305) u. a. Dafs bei diesen Bauten besonders Marmor (jedenfalls 
aus den numidischen Steinbrüchen) Verwendung fand und bild- 
hauerischer sowie malerischer Schmuck in reichem Mafse angebracht 
wurde, wird in den Gedichten vielfach hervorgehoben. Den Wan- 
dalen werden sodann zugeschrieben mehrere neuerdings ausgegrabene 
Schmuckgegenstände (Gürtelschnallen u. dergl.), deren Verzeichnis 
nebst Abbildungen sich in Description de l'Afrique du Nord. Musees 
et coUections arch^ol. de TAlg^rie et de la Tunisie. Collection Farges 
par Maur. Besnier et Paul Blanchet (Paris 1900), S. 66 f. pl. X findet. 
Der aus dem wandaHschen Königsschatz stammenden sübernen 
Schüssel mit dem Namen G^limers ist schon oben gedacht worden. 



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