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Full text of "Geschichte des mittelalterlichen handels und verkehrs zwischen Westdeutschland und Italien mit ausschluss von Venedig"

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I 


Schulte, 

Geschichte  des  mittelalterlichen  Handels  und 
Verkehrs  zwischen  Westdeutschland 

und  Italien. 


I.  Band. 


Greschichte 

des 

mittelalterlichen  Handels  und  Verkehri 

zwischen 

Westdeutschland  und  Italien  mit 
Ausschlufs  von  Venedig. 


Herausgegeben  von  der 

Badischen   Historischen   Kommission. 

Bearbeitet  von 

Dr.  Aloys  Schulte, 

onl.Dtl.  ProtauDr  dar  OMchidite  Tu  dar  ÜDivartltit  BraU.a. 

I.  Band. 
Darstellnng. 


Leipzig, 

Verlag  von  Duncker  &  Humblot. 

1900. 


VORWORT. 


•> 

> 


Das  vorliegende  Werk  ist  aus  kleinen  Anfingen  hervorgegangen. 
Als  in  dem  Archiv  der  Handelskammer  jene  wertvollen  Urkunden  auf- 
gefunden worden  waren-,  die  den  zweiten  Band  einleiten,  regte  der  Alt- 
meister der  Handelsgeschichte,  Wilhelm  von  Heyd,  ihre  Herausgabe  an 
und  im  Herbst  1890  stellte  der  damalige  Vorstand  der  Badischen  Histo- 
A  rischen  Kommission,  der  nunmehr  verewigte  Eduard  Winkelmann,  bei 
dieser  den  Antrag,  in  Mailand,  Genua  und  an  andern  Orten  vorhandene 
Urkunden  und  Aktenstücke  zur  Geschichte  des  Handelsverkehrs  der  ober- 
italienischen Städte  mit  denen  des  Oberrheins  während  des  Mittelalters 
zu  sammeln.  Mit  dieser  Aufgabe  betraute  die  Historische  Kommission 
mich;  sie  zu  lösen  verhinderten  mich  zunächst  andere  Arbeiten,  dann 
der  Übergang  vom  Archivdienst  zum  akademischen  Lehramt.    Im  Herbst 

1894  kam  ich  zum  erstenmal  über  dici  Alpen;  zwei  weitere  Reisen  dorthin 
(März/ April  und  August  1896)  schlössen  sich  an,  während  die  deutschen 
und  schweizerischen  Archive,  soweit  sie  nicht  gelegentlich  jener  italie- 
nischen Route  besucht  worden  waren,  auf  zwei  weiteren  Fahrten  (Herbst 

1895  und  1897)  durchforscht  wurden. 
War  schon  bei  den  späteren  Reisen  der  Rahmen  der  ursprünglichen 

Aufgabe  weiter  gespannt  worden,  so  erwies  es  sich  sehr  bald  als  un- 
möglich, sich  mit  dem  blofsen  Abdrucke  von  hie  und  da  gefundenen,  in 
ihrem  Zusammenhang  unverständlichen  Urkunden  zu  begnügen.  Es 
schien  mir  unabweislich,  sie  auch  zu  erläutern,  und  daraus  entstand  der 
Plan,  Quellen  und  Forschungen  zur  Geschichte  des  Handels  zwischen 
Oberitalien  und  Südwestdeutschland  darzubieten.  Ich  begann  nun  in  aus- 
gedehntem Mafse  die  Quellen  heranzuziehen,  und  das  vielgestaltige 
Material  der  Urkunden  führte  mich  nach  allen  Seiten  vor  Probleme  und 
Rätsel.  Es  hat  mir  manchmal  die  Versuchung  vorgeschwebt,  solchen 
Schwierigkeiten  aus  dem  Wege  zu  gehen;    aber  schliefslich   siegte  doch 


VI  Vorwort. 

immer  wieder  die  Lust,  zu  erproben,  solch  schwierige  Nüsse  zu  knacken, 
wenn  es  zur  Aufklärung  der  Hauptfragen  notwendig  war.  So  wurden 
aus  den  Quellen  und  Forschungen :  Forschungen  und  Quellen  und  endlich 
vorliegendes  Werk,  das  schon  in  seiner  äufseren  Gestalt  verrät,  dafs  das 
Schwergewicht  aus  der  Publikation  in  die  Darstellung  verlegt  wurde. 
Dafs  die  Badische  Historische  Kommission  ihrem  ehemaligen  Mitgliede, 
das  ausschied,  als  es  in  den  Osten  Deutschlands  berufen  wurde,  alle 
diese  Wandlungen  verstattet  hat,  dafür  bin  ich  aufs  herzlichste  dankbar. 

Die  Sammlung  des  Materials  hat  mich  persönlich  auf  das  Archiv  der 
Handelskammer,  das  Staatsarchiv,  das  Notariatsarchiv  und  Stadtarchiv 
in  Mailand,  das  Staatsarchiv  in  Genua,  die  in  Florenz,  Siena,  Pisa  und 
Lucca,  das  Archiv  der  Familie  Roncioni  in  Pisa,  das  Notariatsarchiv 
in  Siena,  die  Stadtarchive  von  Alessandria  und  Asti,  das  Staatsarchiv 
in  Turin,  das  Archiv  des  Museo  civico  in  Pavia,  die  Stadtarchive  von 
Piacenza,  Cremona  und  Como,  das  Notariatsarchiv  und  die  Stadt- 
bibliothek in  Como  geführt.  In  der  Schweiz  arbeitete  ich  auf  den  Staats- 
archiven von  Bern,  Neuenburg  und  Chur,  ein  paar  Stunden  auch  auf  dem 
von  Luzern,  auf  dem  Stadt-  und  dem  bischöflichen  Archive  in  Chur;  im 
Deutschen  Reiche  auf  den  Stadtarchiven  von  Lindau,  Konstanz,  Über- 
lingen, Ravensburg,  Ulm,  Augsburg,  Nürnberg,  dem  Reichsarchive  zu 
München,  dem  Staatsarchiv  zu  Stuttgart  und  dem  Kreisarchiv  von 
Nürnberg. 

Aber  diese  Benutzung  hat  das  Material  vielleicht  nirgends  erschöpft, 
nirgends  auch  erschöpfen  können.  Namentlich  in  Italien  verbot  die 
Fülle  der  Archivalien  eine  extensive  Arbeit.  Ich  kam  mit  dem  Ge- 
danken auf  das  Mailänder  Notariatsarchiv,  von  etwa  50  zu  50  Jahren 
die  sämtlichen  Akten  der  Notare  eines  Jahres  durchzufliegen,  ob  mir  nicht 
deutsche  Namen  begegneten.  Aber  der  erste  Versuch  mufste  erlahmen. 
In  einem  Archive,  in  dem  für  die  Zeit  von  1290  bis  1516  die  oft  höchst 
umfangreichen  Akten  von  mehr  als  1700  Notaren  erhalten  sind,  ist  ein 
solches  Beginnen  undurchführbar.  Da  beschleicht  einen  das  Gefühl,  dafs 
man  versucht  habe,  das  Meer  auf  einige  Perlen  hin  zu  durchsuchen.  Wir 
Deutschen  werden  wohl  immer  darauf  angewiesen  bleiben,  in  diesen 
Notariatsarchiven  den  gütigen  Fingerzeigen  jener  emsigen  Forscher  zu 
folgen,  die  Teile  dieser  schwer  lesbaren  Konzeptbücher  für  andere  Zwecke 
durchsuchen.  Ein  systematisches  Auslesen  würde  einen  enormen  Auf- 
wand an  Zeit  erheischen.  Auch  in  andern  Archiven  verbot  die  Rück- 
sicht auf  Mittel  und  Zeit  —  ich  habe  nicht  mehr  als  ein  Vierteljahr 
unter  italienischem  Himmel  zugebracht  —  ein  Fischen  mit  feinmaschigen 


Vorwort.  Vn 

Netzen.  Am  gründlichsten  waren  meine  Untersuchungen  in  Mailand  und 
Como,  und  auch  da  habe  ich  nicht  alles  erschöpfen  können.  Wenn  man 
in  solcher  Hast,  in  fieberhafter  Erregung  Band  auf  Band,  Heft  auf  Heft 
durchjagt,  um  etwas  zu  finden,  kommt  schliefslich  doch  das  Verzagen 
und  man  hört  yielleicht  gerade  dort  auf  zu  pürschen,  wo  das  Wild  zum 
Schusse  steht. 

Wenn  ich  daran  erinnere,  dafs  die  hansische  Geschichtsforschung 
einer  ähnlichen,  allerdings  weit  gröfseren  Aufgabe  die  Kräfte  einer  grofsen 
Zahl  hervorragender  Männer  mehrere  Jahrzehnte  hindurch  widmete, 
wird  meine  Quellenforschung  nicht  mit  jener  verglichen  werden  dürfen, 
aber  ich  glaube  doch  überall  die  zu  Tage  liegenden  Gänge  abgeschürft 
zu  haben. 

In  höchst  dankenswerter  Weise  haben  sich  mehrere  Archive  selbst 
der  Mühe  unterzogen,  mir  das  Material  aufzusuchen  und  zum  Teil  in 
Breslau  oder  Freiburg  zugänglich  zu  machen,  zum  Teil  wurden  sogar 
Regesten  und  Abschriften  gefertigt.  Ich  nenne  das  General-Landesarchiv 
zu  Karlsruhe,  das  Staatsarchiv  zu  Basel,  das  Stadtarchiv  in  Colmar, 
Stadt-  und  Bezirksarchiv  in  Strafsburg,  die  Staatsarchive  in  Wiesbaden, 
Koblenz  und  Düsseldorf.  Vor  allen  andern  habe  ich  Harlefs  in  Düssel- 
dorf zu  danken.  Andere  Forscher  haben  mir  ihr  mühselig  gesammeltes 
Material  zur  Verfügung  gestellt;  so  spendete  Herr  Oberbibliothekar  a.  D. 
Direktor  Wilh.  v.  Heyd,  der  während  dieser  Jahre  in  lebhaftem  Aus- 
tausche sich  als  ein  treuer  Gönner  des  Werkes  erwies,  Stücke  aus  Mai- 
land und  Genua,  die  auf  die  beiden  nun  verstorbenen  Desimoni,  Ghinzoni 
und  auf  Schellhafs  zurückgehen;  Professor  Simonsfeld  in  München 
schenkte  Urkunden  aus  Nürnberg  und  Augsburg,  Privatdozent  Sieveking 
Mitteilungen  aus  Genua,  die  er  bei  seinen  Studien  zur  Finanzgeschichte 
dieser  Stadt  gewonnen  hatte,  Privatdozent  Beyerle  überwies  mir  mehrere 
umfangreiche  Stücke  aus  Konstanz,  Stadtarchivar  Leiner  in  Konstanz 
erledigte  für  mich  manche  Anfragen  und  Emilio  Motta  bearbeitete  die 
deutschen  Stücke  einiger  Handschriften  der  von  ihm  verwalteten  Trivul- 
ziana  in  Mailand  und  forschte  nach  den  Vorlagen  im  Notariatsarchiv, 
von  ihnen  Abschriften  liefernd.  Professor  Conte  Carlo  Cipolla  in  Turin 
hatte  die  Güte,  mehrere  Stücke  für  mich  abzuschreiben.  Eine  Reihe  von 
kleineren  Nachforschungen  will  ich  nicht  einzeln  anführen,  aber  auch  für 
sie  danke  ich  herzlichst. 

Von  dem  von  mir  gesammelten  archivalischen  Stoffe  habe  ich  den 
wichtigeren  im  zweiten  Bande  in  Regesten  oder  in  Abdrücken,  die  durch 
ein  Kreuz   vor   der   laufenden   Nummer   bezeichnet  sind,   veröffentlicht. 


Yin  Vorwort. 

Diesen  Band  als  ein  Urkundenbuch  zu  bezeichnen,  ging  nicht  an;  denn 
einmal  blieben  die  schon  anderweitig  gedruckten  Stücke  ausgeschlossen, 
nur  solche,  die  entweder  besonders  wichtig  waren  oder  deren  Druck  in 
Deutschland  kaum  zu  beschaffen  ist,  habe  ich  zum  zweiten  Male  ge- 
boten; zum  andern  ist  die  Sammlung  des  Stoffes  doch  zu  wenig  ab- 
geschlossen. Ein  chronologisch  geordnetes  Urkundenbuch  hätte  diesen 
unfertigen  Stand  der  archivalischen  Forschung,  die  doch  von  der  Hoffnung 
nicht  lassen  kann,  dafs  noch  in  den  Tiefen  weitere  Quellen  ruhen,  ver- 
wischt. Die  wahre  Sachlage  tritt  in  der  von  mir  gewählten  Anordnung 
nach  Fundstätten  deutlich  hervor,  die  zu  weiterem  Sammeln  anreizen  soll. 
Ein  Ordnen  nach  der  Zeitfolge  hätte  Stücke  von  Siena  bis  vom  Nieder- 
rhein durcheinander  gewürfelt,  um  den  chronologischen  Faden  darzubieten. 
Das  sachlich  und  räumlich  Zusammengehörige  findet  sich  viel  eher  in 
meiner  Anordnung  bei  einander.  Namentlich  in  den  italienischen  Archi- 
vajien  überwiegt  das,  was  ich  aus  Konzeptbüchern  bieten  konnte.  Bei 
der  gewählten  Anordnung  war  es  möglich,  Gruppen  von  gleichartigen 
Urkunden  zu  ganz  knappen  Regesten  zusammenzudrängen,  die  in  einer 
chronologisch  geordneten  Sammlung  weit  mehr  Raum  beansprucht  hätten. 
Ein  ursprünglich  beabsichtigtes  chronologisches  Verzeichnis  der  Stücke 
habe  ich  schliefslich ,  um  den  Umfang  des  Werkes  nicht  allzu  sehr  an- 
schwellen zu  lassen,  fortgelassen. 

Die  Herstellung  der  Texte  hat  mir  mitunter  grofse  Schwierigkeiten 
bereitet.  Ein  deutscher  Kenner  mittelalterlicher  Schrift  mufs  sich  doch 
noch  in  italienische  Handschriften  erst  hinarbeiten  und  die  Konzepte  sind 
meist  aufserordentlich  abgekürzt.  Ich  war  oft  froh,  gütige  Nachhilfe  zu 
erhalten.  Weit  glücklicher  ist  ein  Archivbeamter,  der  zur  Abschrift, 
Kollation  und  Revision  verschiedene,  oft  durch  weite  Zeiträume  getrennte 
Stunden  wählen  kann.  Ich  mufste  das  alles  in  Hast  und  Gier  nach 
neuem  Stoffe  in  der  gleichen  Stunde  erledigen.  In  meiner  Edition  habe 
ich  den  überlieferten  Text  möglichst  wenig  umgestaltet,  ich  habe  im  all- 
gemeinen die  Grundsätze  beobachtet,  die  beim  Strafsburger  Urkunden- 
buch innegehalten  wurden. 

Die  Sammlung  der  gedruckten  Nachrichten  hat  mir  kaum  weniger 
Mühe  gekostet.  Die  Lektüre  des  Buches  wird  zeigen,  wie  ungemein  zer- 
streut das  Material  ist.  Ich  gebe  mich  gar  nicht  der  Hoffnung  hin,  die 
Litteratur  vollständig  herangezogen  zu  haben.  Eine  Arbeit  wie  die  vor- 
liegende mufs  eine  so  umfangreiche  Lokalgeschichtschreibung  benutzen, 
dafs  jenes  Ziel  zu  erreichen  schon  heute  ausgeschlossen  ist.  Ich  will 
jedoch    wünschen,    dafs   mir   grofse   grundlegende    Arbeiten    nicht    ent- 


Vorwort.  IX 

gangen  sind.  Weder  die  Freiburger  noch  die  Breslauer  Bibliotheken 
reichten  aus,  ich  habe  sehr  viele  Bücher  von  auswärts  heranziehen 
müssen,  Yor  allem  yon  Berlin,  aber  auch  von  München,  Stuttgart,  Stras- 
burg, Luzem  (Bürgerbibliothek),  Göttingen,  Dresden  und  Leipzig 
(Bibliothek  des  Reichsgerichts),  wie  ich  jenseits  der  Alpen  die  Riccar- 
diana  in  Florenz,  die  Ambrosiana  und  Brera  in  Mailand  benutzte.  Dazu 
wurde  mir  manches  durch  Freundeshand  zugänglich.  Keiner  Bibliothek 
schulde  ich  aber  mehr  Dank  als  der  königl.  und  Universitätsbibliothek 
zu  Breslau  und  demnächst  der  dortigen  Stadtbibliothek. 

Das  ursprüngliche  Thema  war  auf  die  Geschichte  des  Handels  ein- 
geschränkt; das  erwies  sich  aber  sofort  als  unhaltbar;  diese  Fessel 
mufste  gleich  gesprengt  werden.  Die  gröfste  Schwierigkeit,  die  der 
mittelalterliche  Handel  zu  überwinden  hatte,  war  eben  der  Transport. 
Man  kann  schlechterdings  keine  mittelalterliche  Handelsgeschichte  treiben, 
wenn  man  nicht  damit  die  Geschichte  der  Handelswege  verbindet,  und 
schon  das  Archiv  der  Mailänder  Handelskammer,  die  Erbin  der  alten 
Cammunitas  mercatorum  nundinas  Campaniae  freqtientantium ,  zeigte  den 
kaum  geahnten  Einflufs  der  Kaufmannschaft  auf  die  Gestaltung  und  Be- 
nutzung der  Strafsen. 

Diese  Erweiterung  des  Themas  hatte  erhebliche  Konsequenzen.  Wer 
die  Verkehrsstrafsen  behandelt,  kann  die  geographische  Grundlage  nicht 
entbehren,  er  mufs  die  natürlichen  Voraussetzungen  darstellen,  um  die 
Wandlungen  begreiflich  zu  machen.  Im  vorliegenden  Falle  mufste  ich 
dem  Umstände  Rechnung  tragen,  dafs  in  dem  Bereiche  der  von  mir  be- 
handelten Alpen  die  folgenschwere  Erschliefsung  des  St.  Gotthards  die 
natürlichen  Voraussetzungen  umgestaltete.  Vorher  und  nachher  war  das 
Pafssystem  ein  anderes  und  es  mufs  deshalb  die  geographische  Einleitung 
eine  doppelte  sein. 

Das  Verkehrsleben  war  in  einem  gar  nicht  geahnten  Umfange  im 
Mittelalter  von  politischen  Verhältnissen  abhängig  und  damit  ergab  sich 
die  Notwendigkeit,  sehr  weit  auch  diese  zu  berücksichtigen.  Wenn  wirk- 
lich die  Schweiz  ein  Pafsstaat  ist,  so  konnte  ich  die  Geschichte  ihrer 
Entstehung  nicht  umgehen.  Diese  Erörterungen  werden  manchem  zu- 
nächst überflüssig  erscheinen;  aber  ich  meine  nicht  unrecht  gethan  zu 
haben,  den  gewaltigen  Einflufs  der  Natur  auf  den  Verkehr  und  des  Ver- 
kehrs auf  die  politische  Geschichte  zu  verfolgen.  Ich  glaube,  meine  Auf-, 
fassung  von  den  Anfängen  des  Bundes  bringt  Momente  zur  Geltung,  die 
mit  Unrecht  bisher  vernachlässigt  wurden.  Wenn  die  Verkehrsgeschichte 
mich  tief  in  die  historische  Entwicklung  der  schweizerischen  Thäler  und 


X  Vorwort. 

Gebirge  einführte,  so  zwang  mich  die  Geldgeschichte,  den  Geschicken 
von  Florenz,  Siena  und  Asti  nachzugehen  und  mich  mit  ihnen  zu  be- 
fassen; ebensowenig  konnte  ich  die  Einzelgeschichte  der  Städte,  die  am 
Warenhandel  sich  beteiligten,  umgehen.  Dieselbe  aber  von  den  Abruzzen 
bis  nach  Osnabrück,  von  Tirol  bis  zur  Champagne  allüberall  sicher  zu 
beherrschen,  ist  mir  gewifs  nicht  gelungen.  Nicht  allein  bin  ich  gewärtig, 
auf  Lücken  aufinerksam  gemacht  zu  werden,  auch  Fehler  und  Irrtümer 
sind  unausbleiblich. 

Wie  die  Entwicklung  des  Handels  einmal  von  der  des  Verkehrs  ab- 
hängt, so  andererseits  von  der  der  Gewerbe.  Es  ist  mir  im  Laufe  meiner 
Studien  erschreckend  klar  geworden,  wie  weit  wir  trotz  aller  vortreff- 
lichen Einzeluntersuchungen  von  einer  Geschichte  des  Gewerbes  in 
Deutschland,  namentlich  aber  in  Italien  entfernt  sind.  Und  doch  auch 
an  diesen  Dingen  konnte  ich  mich  nicht  vorbeiwinden.  So  habe  ich 
denn  versucht,  den  Städten  ihre  Stellung  in  den  wichtigsten  Gewerben 
und  dadurch  im  Handel  auch  dann  nachzuweisen,  wenn  sich  mir  die 
bisherige  Forschung  versagte  und  ich  an  die  Quellen  selbst  gehen  mufste. 
Selbst  auf  dem  Gebiete  der  Textilindustrie  war  ich  öfter  dazu  gezwungen. 

Nach  einer  Seite  habe  ich  jedoch  eine  Ausdehnung  abgelehnt.  Als 
ideales  Ziel  wäre  es  mir  vorgeschwebt,  wenn  ich  alle  Geldwerte  auf  den 
Edelmetallgehalt  reduziert  hätte.  Erst  dadurch  werden  die  Werte 
mathematisch  klar  und  dem  Bereiche  der  Phantasie  entzogen.  Eine 
Geldgeschichte  Deutschlands  und  Italiens  existiert  nicht,  sie  ist  das 
erste  Erfordernis  unserer  Wirtschaftsgeschichte.  Schon  mein  Studien- 
gang untersagte  es  mir,  diesen  Boden  zu  betreten.  Immer  und  immer 
wieder  aber  mufs  diese  Forderung  ausgesprochen  werden,  bis  sich  eine 
Kraft  findet,   die   diese  riesige  und  doch  ebenso  lohnende  Aufgabe  löst. 

Auch  noch  auf  anderen  Gebieten  mufs  sich  der  Geschichtschreiber 
des  Handels  zurecht  finden.  Goldschmidts  grofses  Werk  über  die  Ge- 
schichte des  Handelsrechtes  blieb  in  den  Anfängen  stecken,  die 
germanistische  Seite  fehlt.  Die  Geschichte  des  Geldhandels  brachte  mich 
mit  Fragen  des  kanonischen  Rechtes  in  Beziehung. 

Die  Geschichte  der  hervorragendsten  Geschäftshäuser  liefs  sich  nur 
verfolgen,  wenn  ich  auch  die  Mühe  nicht  scheute,  Stammtafeln  auf- 
zustellen. Für  die  Muntprat,  Mötteli  und  Humpifs,  sowie  ein  paar 
weitere  Konstanzer  Familien  hatte  Herr  Kindler  von  Knobloch  die  Güte, 
mir  seine  Sammlungen  zur  Verfügung  zu  stellen.  Die  zeitraubende  Be- 
arbeitung einzelner  Steuerlisten  hat  sich  für  die  Untersuchung  recht 
fruchtbar  erwiesen. 


Vorwort.  XI 

Erhebliche  Schwierigkeiten  bereitete  mir  das  Qlossar.  Je  mehr 
Du  Cange  veraltet,  je  dringlicher  das  Bedürfnis  nach  einem  Lexikon  des 
mittelalterlichen  Lateins  wird,  umsomehr  halte  ich  die  Herausgeber  von 
Quellenveröffentlichungen  für  gezwungen,  Material  zu  Tage  zu  legen. 
Bei  mir  handelte  es  sich  auch  um  italienisch,  deutsch  und  altfranzösisch. 
In  allen  Fällen  wird  ein  Sprachforscher  das  Glossar  besser  machen  als 
der  Historiker.  Meine  Gabe  bitte  ich  nur  als  das  anzusehen,  was  es  ist, 
als  ein  Hinweis  auf  seltene  und  in  den  Kreisen  der  Historiker  nicht 
geläufige  Wörter  und  schwache  Versuche,  ihren  Sinn  zu  erklären.  In 
einigen  Fällen  konnte  ich  mich  des  Rates  meines  Kollegen  Appel  er- 
freuen, der  auch  die  Güte  hatte ,  mir  bei  der  Herausgabe  der  fran- 
zösischen Urkunde  Nr.  6  zu  helfen. 

Die  nähere  Behandlung  der  Waren  schien  mir  ganz  besonders  not- 
wendig. Es  ist  keine  Frage,  dafs  unsere  Darstellungen  der  mittelalter- 
lichen materiellen  Kultur  viel  zu  sehr  von  der  Litteratur  des  Mittelalters 
und  der  Renaissance  beherrscht  werden.  Man  vergleiche  den  Abschnitt 
liber  die  mittelalterlichen  Textilstoffe  im  höfischen  Leben  von  Alwin 
Schultz  mit  dem,  was  uns  die  Zolltarife  bieten.  Bei  jenen  überwiegt 
die  teure  prunkvolle  Ware;  es  gilt,  ihr  gegenüber  die  wirkliche  Markt- 
ware zur  Geltung  zu  bringen,  den  höheren  Ständen  gegenüber  die 
Masse  des  Volkes. 

Ich  führe  das  alles  an,  um  Irrtümer  und  Mängel  zu  entschuldigen. 
Das  Arbeiten  auf  den  Grenzgebieten  hat  die  gröfsten  Reize,  man  bezahlt 
sie  aber  mit  einem  Gefühle  der  Unsicherheit.  Ich  habe  diese  Schwierig- 
keiten nicht  umgehen  wollen  und  weifs  sehr  wohl,  wie  wahr  das  fran- 
zösische Sprichwort  ist:  Qui  trop  embrasse  mal  itreint  Aber  es  schien 
mir  hier  notwendig  zu  sein,  nicht  auszuweichen.  Und  schliefslich  schreibt 
man  ja  doch  ein  jedes  Buch  nicht  als  Abschlufs  des  Wissens  auf  diesem 
Gebiete,  sondern  um  die  Forschung  zu  fördern  und  eine  Etappe  zu  schaffen. 

Mein  Quellenmaterial  waren  unzählige  kleine  Mosaiksteinchen.  Sie 
zusammenzufügen  war  sehr  mühselig.  Wer  musivische  Bilder  schafft, 
mufs  stets  mit  doppeltem  Mafsstabe  arbeiten.  Er  mufs  sich  sorgen  und 
mühen,  jedes  Steinchen  richtig  und  fest  einzufügen,  mufs  also  das 
Auge  dicht  am  Material  haben  und  doch  noch  viel  mehr  darauf  aus 
sein,  die  grofsen  Grundlinien  energisch  zur  Geltung  zu  bringen,  um  auf 
die  weite  Entfernung  zu  wirken.  Viel  glücklicher  ist  der  daran,  der  von 
einem  breiten  Aktenstrom  getragen  eine  einheitliche  Entwicklung  dar- 
stellen soll.  Die  mittelalterliche  Handelsgeschichte  zwingt  dazu,  dürftigen 
Notizen  Leben  einzuhauchen. 


Xn  Vorwort. 

Das  Werk  hat  keinen  scharfen  zeitlichen  Abschlufs.  Die  Geschichte 
des  oberdeutschen  Handels  tritt  mit  dem  Ausgang  des  Mittelalters  in 
keine  ganz  neue  Periode;  es  endet  mitten  in  der  Zeit  seiner  Blüte.  Aber 
allerdings  sind  die  im  sechzigsten  Kapitel  dargestellten  Gründe  doch  so 
tief,  um,  wenn  nicht  einen  Hauptabschnitt,  so  doch  einen  Unterabschnitt 
zu  begründen  und  die  allgemeine  Handelsgeschichte  setzt  hier  mit  Recht 
den  Anfang  einer  Periode :  das  Ende  der  Vorherrschaft  Italiens  und  der 
Hansa  und  den  Beginn  der  oceanischen  Periode. 

Wenn  schon  die  Geschichte  des  Grofsen  St.  Bernhards  und  seiner 
Zufahrtswege  mich  dazu  drängte,  mitunter  die  Fäden  weit  nach  Frank- 
reich hinein  zu  verfolgen,  so  brachte  die  Bedeutung  der  Messen  der 
Champagne,  von  Genf  und  Lyon  es  mit  sich,  dafs  ich  auch  für  das 
Hoch-  und  Spätmittelalter  diese  verfolgte  und  knapp  darstellte.  Der 
deutsch-italienische  Handel  wurde  eben  zu  einem  grofsen  Teile  auf  diesem 
seitwärts  gelegenen  Boden  betrieben.  Der  deutsche  Handel  in  Genua 
zwang  mich  auch  auf  den  nach  Spanien  einzugehen.  Es  war  für  mich 
eben  viel  leichter,  nach  Osten  hin  eine  Grenze  zu  finden,  als  im  Westen. 
Wie  ich  schon  den  Fernpafs  ausschlofs,  so  ist  doch  Augsburg  und  Nürn- 
berg, wenn  auch  knapp,  mitbehandelt.  In  diesen  beiden  Orten  liegt  das 
Hauptinteresse  schon  auf  der  Verbindung  mit  Venedig,  dessen  Bedeutung 
mich  zwang,  seiner  nicht  selten  zu  gedenken,  ja  ihm  ein  Kapitel  zu 
widmen. 

Die  Badische  Historische  Kommission  hat  auch  meine  Bitte  gewährt, 
die  wegen  der  vielen  Ortsnamen  schwierige  Lektüre  meines  Buches  durch 
zwei  Karten  zu  erleichtern.  Auf  ihnen  treten  die  Ergebnisse  der  verkehrs- 
geschichtlichen Untersuchung  ziemlich  scharf  hervor.  Dank  dem  Ent- 
gegenkommen der  Wagner  &  Debes'schen  geographischen  Anstalt  in 
Leipzig  konnten  die  Platten  zweier  Karten  des  vorzüglichen  Debes'schen 
Atlasses  benutzt  werden,  so  dafs  wenigstens  auf  dem  Specialblatt  auch 
der  Einflufs  der  Gebirge  plastisch  hervortritt. 

Die  beiden  Blätter:  Der  Verkehr  auf  den  Alpenstrafsen  und  ihren 
Zugängen  im  Mittelalter  (im  Mafsstab  1 : 1 000  000)  und  Übersichtskarte 
der  nordsüdlichen  Handelswege  des  Alpengebietes  im  Mittelalter  (im 
Mafsstab  1 : 3  500  000)  bedürfen  einer  Erläuterung.  Man  darf  auf  ihnen 
keine  nur  dem  örtlichen  Verkehr  dienende  Wege  suchen,  ebensowenig 
solche,  welche  in  oder  aufserhalb  der  Alpenwelt  den  Osten  mit  dem 
Westen  verbinden.  Es  handelt  sich  nur  um  die  nordsüdlichen  Alpen- 
wege und  ihre  Zufahrtslinien.  In  der  Darstellung  habe  ich  nur  eine 
Ausnahme  gemacht.     Die  Wichtigkeit  der   Genfer   und  Lyoner  Messen 


Vorwort.  XIII 

zwang  mich  auch,  die  Wege,  die  zu  ihnen  führen,  näher  zu  studieren. 
Manches  ist  die  Frucht  der  Studien  der  letzten  Monate.  Wer  auf  den 
Sjurten  auch  die  Ergebnisse  dieser  Untersuchungen  eintragen  will,  findet 
auf  S.  388  f.  die  Angaben  über  die  Linie  Nürnberg — Nördlingen— Ulm, 
auf  S.  494  Konstanz — Schaffhausen,  Kaiserstuhl — Baden  und  Aarburg — 
Bern  über  Burgdorf  und  endlich  auf  S.  489  Genf— Lyon.  Auf  S.  489  f, 
ist  die  für  die  Deutschen  wichtigste  Route  von  Genf  zur  Rhonemündung 
und  nach  Spanien  für  die  Strecke  Chamb^ry — Valence  und  weiter  bis 
Nimes  angegeben.  Auf  Seite  429  habe  ich  auch  Mitteilungen  über 
pftlzische  Geleitstrafsen  gemacht,  wie  S.  592  über  die  Wege  von  Bologna 
und  Parma  nach  Verona. 

Meine  Studien  waren  allseitig  und  möglichst  tief  nur  für  die  im 
Texte  dargestellten  schweizerischen  Alpenpässe.  Ich  hielt  es  doch  für  gut, 
auch  die  wichtigsten  Wege  über  die  französischen  und  österreichischen 
Alpen  anzugeben,  die  im  Texte  zum  Teil  gar  nicht  erwähnt  sind. 

Die  beiden  Karten  liefern  hoffentlich  eine  brauchbare  Grundlage 
f&r  eine  Verkehrskarte  des  Mittelalters  in  den  von  ihnen  genauer  dar- 
gestellten Gebieten.  Wenn  man  bedenkt,  welche  Liebe,  Zeit  und  Arbeit 
den  Römerstrafsen  gewidmet  wurde  und  wird,  so  erscheint  die  mittel- 
alterliche Verkehrsgeschichte  noch  wie  ein  fast  ungebrochenes  Feld, 
trotz  der  Verdienste  von  Öhlmann,  Berger,  Ludwig,  Roder  —  um  nur 
die  Arbeiten  zu  nennen,  die  ich  zu  erwähnen  habe.  Eine  Verkehrskarte 
darf  sich  aber  nicht  mit  den  Strafsen  begnügen,  so  wenig  wie  eine 
Eisenbahnkarte  nur  die  Geleise  angiebt.  Ich  habe  mehrere  Zeichen  ver- 
wendet, uni  andere  Momente  hervorzuheben,  und  bin  zum  Teil  auf  die- 
selben gekommen,  die  jüngst  Kötzschke  in  den  Deutschen  Geschichts- 
blättem  (Bd.  I  Heft  5)  empfahl. 

Ein  Warenballen  bedeutet,  dafs  dort  eine  Sust  oder  ein  Kaufhaus 
den  Waren  als  regelmäfsige  Unterkunft  diente  oder  dafs  an  dem  be- 
treffenden Orte  eine  Transportorganisation  bestand.  Im  allgemeinen  sind 
damit  die  Stätten  angeben,  in  denen  nachts  die  Waren  ruhten.  Elin 
Schlagbaum  zeigt  die  Stelle  an,  wo  Zölle  oder  Weggelder,  Brückengelder, 
Fürleiten,  also  Transportabgaben  erhoben  wurden.  Wenn  der  Satz  gilt: 
Wo  ein  Zoll,  da  ist  Verkehr,  so  wird  es  gerade  für  die  Ebenen  Deutsch- 
lands notwendig  sein,  durch  eine  Karte  der  Zollstellen  die  Verkehrskarte 
zu  begründen.    Noch  viel  mehr  deuten  die  Spitäler  für  die  Fremden  auf 

• 

einen  Verkehr,  aber  freilich  sind  sie  sehr  schwer  von  den  Spitälern  für 
Ortskranke  und  Alte  zu  unterscheiden.  Jene  Spitäler  sind  namentlich  in 
romanischen  Landschaften  sehr  verbreitet  und   ihre  Sammlung  wäre  an 


XIV  Vorwort. 

sich  schon  verdicDStlich.  Auf  den  Karten  sind  die  meisten  der  im 
Buche  erwähnten  Orte  verzeichnet,  doch  nicht  alle.  Zwei  Nebenkarten 
und  die  Skizze  auf  S.  425  geben  Stellen,  wo  eine  noch  genauere  Dar- 
stellung notwendig  war. 

Bei  meinen  archivalischen  Forschungen  in  Mailand  schulde  ich  ganz 
besonderen  Dank  dem  Bibliothekar  der  Trivulziana  Emilio  Motta  und  dem 
damaligen  Vizesekretär  der  Handelskammer  Dr.  Luigi  Gaddi,  jetzt  Advokat 
in  Lugano.  Gaddi,  der  durch  seine  Entdeckung  der  Urkunden  der  Handels- 
kammer die  Veranlassung  zu  diesem  Werke  gegeben,  war  ein  nimmer- 
müder Freund  des  Werkes.  Qhinzonis  und  Mottas  gedachte  ich  schon  oben. 
Auf  dem  Notariatsarchive  war  mir  der  Conservatore  Dr.  Pietro  Arganini 
behilflich.  In  Como  habe  ich  dem  Professore  Francesco  Fossati,  dem 
Avvocato  Nobile  Vittorio  Rovelli,  der  mich  auf  die  Akten  des  Cermenate 
verwies,  und  dem  Segretario  Capo  al  Municipio  Dottr  Luigi  Biotti  zu 
danken.  In  Cremona  verpflichtete  mich  der  Sac.  Professore  Berenzi,  in 
Piacenza  der  gelehrte  Arciprete  della  chiesa  di  S.  Antonino  A.  Qaetano 
Tononi,  in  Pavia  der  Conservatore  del  Civico  Museo :  Sac.  Prof.  Rodolfo 
Majocchi,  in  Alessandria  der  Professor  Abbate  Oasparolo.  In  Genua 
waren  aufser  den  Beamten  des  Archivs  die  Herren  Arturo  Ferretto  und 
der  Marchese  Staglieno  so  freundlich,  mich  auf  Material  hinzuweisen. 
In  Florenz  habe  ich  vor  allem  Alceste  Giorgetti  auf  dem  Staatsarchiv  und 
Morpurgo  auf  der  Riccardiana  zu  danken,  in  Siena  neben  dem  Archiv- 
direktor Lisini,  dem  Universitätsprofessor  Dr.  L.  Zdekauer,  jetzt  in 
Macerata,  in  Lucca  dem  gelehrten  Kenner  der  Handelsgeschichte  Archiv- 
direktor Salvatore  Bongi,  in  Turin  endlich  aufser  dem  schon  oben  er- 
wähnten Carlo  Cipolla  dem  Archivista  Carlo  Emanuele  d'Agliano.  Aber 
damit  habe  ich  längst  nicht  alle  angeführt,  die  dem  Fremden  die  alt- 
erprobte Liebenswürdigkeit  der  italienischen  Archivare  und  Gelehrten 
zukommen  liefsen. 

In  Chur  haben  mich  die  Herren  Stadtarchivar  von  Jecklin,  Professor 
und  Kanonikus  G.  Mayer,  Kanonikus  Tuor  und  Kanzler  Schmid  von 
Grünack,  in  Luzern  der  Staatsarchivar  Dr.  Th.  von  Liebenau,  in  Bern 
Staatsarchivar  Dr.  Türler  und  Privatdozent  Dr.  Geiser,  in  Basel  endlich 
Staatsarchivar  Dr.  Wackernagel  zu  lebhaftem  Danke  verpflichtet.  Von 
deutschen  Archivbeamten  schulde  ich  das  Gleiche  —  wenn  ich  von  oben 
schon  genannten  Herren  absehe  —  vor  allem  Archivdirektor  Archivrat 
Dr.  Pfannenschmidt  uud  Stadtarchivar  Dr.  Waldner  in  Kolmar,  Stadt- 
archivar Dr.  Winkelmann  und  Archivdirektor  Professor  Dr.  Wiegand  in 
Strafsburg,  Archivdirektor  Dr.  Wolfram  in  Metz,  Archivdirektor  Geheimen 


Vorwort.  XV 

Rat  Dr.  von  Weech  und  Archivrat  Dr.  Obser  in  Karlsruhe,  Geheimen 
Archivrat  Dr.  von  Stalin  in  Stuttgart,  Reichsarchivrat  Dr.  Baumann  in 
München,  Stadtarchivar  Dr.  Buff,  Archivar  Hirschmann  und  Domänen- 
direktor Schum  in  Augsburg,  Kreisarchivar  Dr.  Bauch  und  Archivrat 
Dr.  Mummenhoff  in  Nürnberg.  Herr  Justizrat  Freiherr  von  Krefs  hatte 
die  grofse  Güte,  im  Archiv  seiner  Familie  Materialien  aufzuspüren  und 
mir  nach  Breslau  zu  übersenden;  es  waren  und  blieben  die  einzigen 
Geschäftspapiere  gröfseren  Umfanges,  die  mir  vorgelegen  haben;  gerade 
ein  Krefs  war  aber  mit  einem  Mailänder  zu  einer  Gesellschaft  ver- 
bunden. In  Koblenz  hat  Herr  Archivdirektor  Dr.  Becker,  in  Wiesbaden 
ebenso  Wagner  und  in  Düsseldorf  Harlefs  mich  unterstützt,  wie  Archiv- 
direktor Professor  Dr.  Hansen  in  Köln. 

Bei  der  Bearbeitung  habe  ich  mir  oft  Rat  bei  liebenswürdigen  Kollegen 
holen  dürfen.  Ich  danke  auch  vor  allem  meinem  Kollegen  Jos.  Partsch 
für  seine  stets  bereitwilligst  und  liebenswürdigst  geleistete  Hilfe;  er 
machte  mir  die  Aufzeichnungen  Carl  Neumanns  über  die  Alpenpässe 
zugänglich,  die  mir  um  so  wertvoller  waren,  da  ich  nur  wenige  selbst 
kenne.  Ebenso  danke  ich  den  Nationalökonomen  Bücher  in  Leipzig, 
Sombart  und  Wolf  in  Breslau,  den  Germanisten  Kluge  in  Freiburg  und 
Vogt  in  Breslau,  dem  Botaniker  Pax  und  dem  chemischen  Pharmazeuten 
Polleck  ebenfalls  in  Breslau. 

Schliefslich  mufs  ich  auch  noch  derer  gedenken,  die  mich  auf  Ur- 
kunden und  Nachrichten  aufmerksam  machten,  vor  allem  die  Kollegen 
Cartellieri  in  Heidelberg  und  Redlich  in  Wien  wie  Professor  Dr.  Roder 
in  Überlingen  u.  s.  w.  Mancher  Freundlichkeit  kann  ich  hier  nicht 
weiter  Erwähnung  thun.  Ich  habe  kaum  je  an  eine  Thüre  geklopft,  die 
verschlossen  blieb. 

Mit  einiger  Resignation  nehme  ich  von  dem  Buche  Abschied.  Es 
wird  mir  genügen,  wenn  es  der  Forschung  auf  diesem  weiten  Felde  der 
Handelsgeschichte  einen  neuen  Impuls  giebt. 

Breslau,  Pfingsten  1900. 

Aloys  Schulte. 


VERZEICMIS  DER  MEHRMALS  CITIERTEN  WERKE  UND 

ABHANDLUNGEN. 


A. 

Abschiede,  Amtliche  Sammlung  der  älteren  eidgenössischen  Abschiede. 
Bd.  1,  2.  Aufl.  Bd.  2  ff.  Luzem  1839  ff.  —  Acta  sanctorum,  notis  illustravit 
Joannes  Bollandus  etc.  etc.  Bd.  1.  Antwerpen  1643  und  die  folgende  Serie,  citicrt 
nach  Monaten.  —  Aeneas  Sylvius  Piccolomineus ,  De  viris  illustribus  in  Biblio- 
thek des  litter.  Vereins.  Bd.,1.  Stuttgart  1842.  —  Albert,  P.,  Geschichte  der 
Stadt  Radolfzell  am  Bodensee.  Radolfzell  1896.  —  Alezi,  S.,  Die  Münzmeister 
der  Kalimala-  und  Wechslerzunft.  Zeitschr.  f.  Numismatik.  Bd.  17.  1890.  — 
Altmann,  Die  Urkunden  Kaiser  Sigmunds^  verzeichnet,  a.  u.  d.  Tit.:  Regesta  im- 
perii  XL  2  Bde.  Innsbruck  1897  ff.  —  Ami  et,  J.  J.,  Die  französischen  und  lom- 
bardischen Geldwucherer  des  Mittelalters,  namentlich  in  der  Schweiz,  im  Jahrb. 
f.  Schweiz.  Gesch.  Bd.  1  u.  2.  Zürich  1876  f.  —  Amodini,  Conte  G.  Vitale.  Gli 
Statut!  antichi  di  Domo  d'Ossola.  Parma  1898.  —  Angiolini,  Francesco.  Voca- 
bolario  milanese-italiano.  Torino  1897.  —  Annalen  des  hist  Vereins  f.  den  Nieder- 
rhein Bd.  35,  41.  Köln.  —  Antiquarius,  Rheinischer,  Teil  2,  Bd.  8  u.  28.  Kob- 
lenz. —  Anzeiger  für  Schweiz.  Altertumskunde  Bd.  1  ff.  1869  ff.  —  Anzeiger  für 
Schweiz.  Gesch.  Bd.  1  ff.,  seit  1870.  —  Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit. 
Bd.  1—30.  Nürnberg  1853—83.  —  Archiv  für  Schweiz.  Gesch.  Bd.  1-20.  1843 
bis  1876.  —  Archiv  für  Kunde  österr.  Geschichtsquellen  (bez.  für  österr.  Gesch.). 
Bd.  1  ff.  Wien  seit  1848.  —  Archiv  für  Post  und  Telegraphie  Bd.  4  ff.  (Bd.  1—8 
deutsches  Postarchiv).  Berlin  1873  ff.  —  Archiv  des  hist.  Vereins  Bern  3  —  14. 
1855  ff.  —  Archivio  storico  italiano,  mehrere  Serien.  Firenze  1842  ff.  —  Archi- 
vio  storico  lombardo.  Anno  1 — 25.  Milano  1874—98.  —  Aronius,  Julius,  Regesten 
zur  Geschichte  der  Juden  im  fränkischen  und  deutschen  Reiche  bis  1273.  Berlin 
1887  ff.  —  W.  J.  Ashlej,  Englische  Wirtschaftsgeschichte,  deutsche  Übersetzung 
in  Brentano  und  Leser:  Sammlung  älterer  und  neuerer  staatswissenschaftlicher 
Schriften.  Nr.  7  u.  8.  Leipzig  1896.  —  Astegiano,  Lorenzo,  Codice  diplomatico 
Cremonese  715—734;  in  Historiae  patriae  Monumenta  edita  jussu  regis  Caroli 
Alberti.  Series  II.  Tomus  21  u.  22.  Augustae  Taurinorum.  1895  u.  98.  Bezeichnet 
als  1  u.  2.  —  Atti  della  societ4  Ligure  di  storia  patria.  Volume  5,  7.  Genova 
1867  ff.  —  Auvray,  L.  RÄgistres  de  Gr^goire  IX.    Tome  1.    Paris  1896  ff. 


Baader,    J.,    Nürnbergs    Handel    im   Mittelalter.     38.  Jahresbericht   des 
historischen  Vereins  für  Mittelfranken  1871  und  1872.   Ansbach  1872.   S.  94-113.  — 

Sohttlte,  Gesch.  d.  mittelAlterl.  HAndels.    I.  II 


XVin        VerzeichDiß  der  mehrmals  citierten  Werke  und  Abhandlungen. 

Baader,  Joseph,  Nürnbergs  Polizeiordnungen  aus  dem  13.  bis  15.  Jahrhundert. 
Bibliothek  des  litter.  Vereins  in  Stuttgart.  Bd.  63.  Stuttgart  1861.  —  Bähler,  A., 
Mitteilungen  über  den  Grimselpafs  und  das  Grimselhospiz.  Biel  1895.  —  Ba- 
luze,  St.,  Innocentii  III.  epistolarum  libri  11.  2  Bde.  Paris  1682.  —  Baer,  P.  J., 
Chronik  über  Strafsenbau  und  Strafsenverkehr  in  dem  Grofsherzogtum  Baden. 
Berlin  1878.  —  Baer,  Max,  Urkunden  und  Akten  z.  Geschichte  der  Verfassung  und 
Verwaltung  der  Stadt  Koblenz.  Bonn  1898.  —  Baumann,  F.  L.,  Geschichte  des 
Allgäus.  3  Bde.  Kempten  o.  J.  —  Ders.,  Ein  humpissisches  Kopialbuch.  Zeit- 
schrift f.  d.  Gesch.  des  Oberrheins  32,  76—160.  —  Bavier,  8.,  Die  Strafsen  der 
Schweiz.  Zürich  1878.  —  Beck,  Ludwig,  Geschichte  des  Eisens.  1,  2.  Braun- 
schweig 1884  ff.  —  Beer,  Adolf,  Allgemeine  Geschichte  des  Welthandels  1.  2.  Wien 
1860  u.  1862.  —  Belgrano,  L.  T. ,  A  proposito  deir  articolo  di  G.  Heyd  in  Gior- 
nale  ligustico  di  archeologia,  storia  e  letteratura,  12,  81—90.  Genova  1885.  — 
V.  Below,  Die  Entstehung  des  Handwerks  in  Deutschland.  Zeitschr.  f.  Social- 
und  Wirtschaftsgeschichte.  Bd.  5.  —  van  Berchera,  Guichard  Tavel,  6vöque  de 
Sion  1342 — 75  im  Jahrb.  f.  Schweiz.  Gesch.  24,  27 — 395.  —  Bergengrün,  Die 
politischen  Beziehungen  Deutschlands  zu  Frankreich  während  der  Regierung  Adolfs 
von  Nassau.  Strafsburg  1884.  —  Berger,  Elie,  Les  registres  dlnnocent  IV.  1.  bis 
3.  Bd.  Paris  1884  ff.  —  Berger,  Friedrich,  Die  Septimerstrafse.  Kritische  Unter- 
suchungen über  „die  Reste  alter  Römerstrafsen"  im  Jahrb.  f  Schweiz.  Gesch.  15, 
1 — 180.  Zürich  1890.  —  Berlan,  Franciscus,  Liber  consuetudinum  Medio lani  anni 
MCCXVI  ed.  Mediolani  1868.  —  Berlepsch,  H.  A.,  Die  Gotthardbahn.  Be- 
schreibendes und  Geschichtliches.  Ergänzungsheft  Nr.  65  zu  „Petermanns  Mit- 
teilungen**. Gotha  1881.  —  Bernoulli,  J.,  Acta  pontificum  Helvetica.  Bd.  1. 
Basel  1891.  —  Berti,  Documenti  riguardanti  il  commcrcio  dei  Fiorentini  in  Francia 
nei  secoli  XIII.  e.  XIV.  im  Giornale  storico  degli  archivi  toscani.  1857.  — 
Beyerle,  Konrad,  Die  Konstanzer  Ratslisten  des  Mittelalters,  herausg.  v.  d.  bad. 
bist.  Kommission.  Heidelberg  1898.  —  Bianchetti,  E.,  L*Ossola  inferiore.  2  Bde. 
Torino  1878.  —  Bibliothek,  Helvetische.  Zürich  1735—36.  —  Blancard,  Docu- 
ments  inMits  sur  le  commerce  de  Marseille.  2  Bde.  1884  f.  —  Blätter  aus  der 
Walliser  Geschichte,  herausg.  vom  geschichtsforschenden  Verein  von  Ober- Wallis. 
1.  u.  2.  Jahrgang.  Sitten  1889,  1890.  —  Bock,  Fr.,  Geschichte  der  liturgischen 
Gewänder  des  Mittelalters.  2  Bde.  Bonn  1859.  —  Bodmann,  Franz  Joseph, 
Rheingauische  Altertümer.  Mainz  1819.  —  Böheim,  Wendelin,  Die  Waffe  und  ihre 
einstige  Bedeutung  im  Welthandjßl.  Zeitschr.  f.  bist.  Waffenkunde  1,  171  ff.  — 
Ders.,  Werke  Mailänder  Waffenschmiede  in  den  kaiserlichen  Sammlungen.  Jahr- 
buch der  kunsthistorischen  Sammlungen  des  allerhöchsten  Kaiserhauses.  Bd.  9.  — 
Böhmer,  Codex  diplomaljcus  Mri^nofrancofurtanus.  Th.  1.  Frankfurt  1836.  — 
Ders.,  Regesta  imperii  inde  ab  a.  1246 — 1313.  Stuttgart  1844  mit  den  Additamen- 
ta.  —  Ders.,  Regesta  imperii  inde  ab  a.  1314—1347  (Ludwig  der  Bayer)  Frankfurt 
1889  mit  den  Addidamenta.  —  Böhmer-Ficker,  Acta  imperii  selecta.  Gesammelt 
von  Böhmer,  herausg.  von  J.  Ficker.  Innsbruck  1870.  —  Böhmer-Ficker  bez. 
B.  F.  Winkelmann,  Böhmer  Regesta  imperii  V.  Die  Regesten  des  Kaiserreichs 
der  späteren  staufischen  Periode,  neu  herausg.  v.  J.  Ficker  u.  Ed.  Winkelmann. 
1—4  Abteil.  1881—94.  —  Böhmer-Huber,  Böhmer:  Regesta  imperii  VIII.  Die 
Represten  des  Kaiserreichs  unter  Kaiser  Karl  IV.  1346—78.  Innsbruck  1877  und 
Additamentum  primum  ebenda  1889.  —  Böhmer- Mühlbacher,  Regesta  imperii  I : 
Die  Regesten  des  Kaiserreichs  unter  den  Karolingern,  neu  bearbeitet  von  Mühl- 
bacher. 1.  Bd.  1880— 89,  2.  Aufl.,  Heft  1.  1899.  —  Böhmer-Redlich,  Böhmer:  Reg. 
imperii  VI.  1273—1313.   Neubearbeitung  v.  0.  Redlich.    1  Abteil.   Innsbruck  1898.  — 


YerzeichniB  der  mehrmals  citierten  Werke  und  Abhandlungen.  XIX 

Bolletino  storico  della  Svizzera  italiana.  Redazione:  Emilio  Motta.  Anno  1 
bis  18.  Bellinzona  1879  ff.  —  Bonaini,  Acta  Henrici  VIL  Romanorum  imperatoris. 
2  P.  Flor.  1877.  —  Ders.,  Statuti  inediti  della  citti  di  Pisa  dal  XII.  al  XIV.  se- 
colo.  3  Vol.  Firenze  1854 — 69.  —  Bongi,  Salvatore.  Della  mercatura  dei  Luc- 
chesi  nei  secoli  XIII.  e.  XIV.  sec.  ediz.  Lucca  1884.  (Estratto  dal  Vol.  23  degli 
Atti  della  R.  Accademia  Lucchese).  —  Bonvesin  (Bonyicinus):  De  magnalibus 
urbis  Mediolani  in  Bulletino  deir  Istituto  storico  italiano.  no.  20.  Roma  1898. — 
Boo8|  Heinrich,  Geschichte  der  rheinischen  Städtekultur,  mit  besonderer  Berück- 
sichtigung der  Stadt  Worms.  1.— 3.  Teil.  Berlin  1897  ff.  —  Ders.,  Quellen  zur  Ge- 
schichte der  Stadt  Worms.  3  Bde  (1.  u.  2.  auch  u.  d.  T.:  Urkundenbuch).  Berlin 
1886—93.  —  Ders.,  Urkundenbuch  der  Stadt  Aarau.  Aarau  1880  («=  Argovia 
Bd.  10).  —  Ders.,  Urkundenbuch  der  Landschaft  Basel.  1.  u.  2.  Teil.  Basel  1881 
u.  1883.  —  Borel,  FrM^ric,  Les  foires  de  Gen^ve  au  quinzi^me  siöcle.  Genöye 
1892.  —  Börlin,  Die  Transportverbände  und  das  Transportrecht  der  Schweiz  im 
Mittelalter.  Zürich  1896.  —  Bourel  de  la  Uonci^re,  de  Loye  et  Coulon,  Les 
registres  d' Alexandre  IV.  Fase  1 — 3.  Paris  1894.  —  Bourquelot,  F61ix,  Etudes 
8ur  les  foires  de  Champagne  in  M^moires  pr^sent^s  par  divers  savants  k  Tacade- 
mie  des  inscriptions  et  belies  lettres.  2«  s6rie.  Antiquit^s  de  la  France.  Tome  5. 
1«  et  2«  partie,  citiert  als  1  u.  2.  Paris  1865.  —  Brandi,  Karl,  Quellen  und 
Forschungen  z.  Gesch.  der  Abtei  Reichenau,  herausg.  v.  d.  bad.  histor.  Kommission. 
1.  Bd.  Die  Reichenauer  Urkundenfälschungen.  Heidelberg  1890.  2.  Bd.  Die 
Chronik  des  Gallus  öhem.  1893.  —  Brefslau,  Harry,  Das  älteste  Bündnis  der 
schweizerischen  Urkantone.  Jahrb.  f.  Schweiz.  Gesch.  20,  1 — 36.  —  Ders.,  Zur 
Geschichte  der  deutschen  Gemeinden  im  Gebiet  des  Monte  Rosa  und  im  Ossolathalc. 
Zeit  sehr,  der  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Berlin  (1881)  16,  173—194.  —  Broglio 
d'Ajano,  Graf,  Die  venetianischen  Seidenweberzünfte  vom  13.  bis  16.  Jahrhundert. 
Stuttgart  1893.  —  Brück  er,  J.,  Strafsburger  Zunft-  und  Polizeiverordnungen  des 
14.  u.  15.  Jahrhunderts.  Strafsburg  1889.  —  Bucher,  Bruno,  Geschichte  der  tech- 
nischen Künste.  3.  Bd.  Stuttgart  1893.  —  Bücher,  Karl,  Die  Bevölkerung  von 
Frankfurt  a.  M.  im  14.  u.  15.  Jahrhundert.  1.  Bd.  Tübingen  1886.  —  Ders.,  Die 
Entstehung  der  Volkswirtschaft.  Tübingen  1893.  —  Bulletino  del  Istituto  storico 
italiano.  Fase.  1  ff.  Roma  1886  ff.  —  Bulletino  senese  di  storia  patria.  anno  4. 
Siena  1897.  —  Burckhardt,  Jakob,  Die  Kultur  der  Renaissance  in  Italien.  2  Bde. 
4.  Aufl.  1885.  —  Bürkli-Meyer,  Adolf,  Geschichte  der  zürcherischen  Seiden- 
industrie vom  Schlüsse  des  XIII.  Jahrhunderts  an  bis  in  die  neuere  Zeit.  Zürich 
1884.  —  Bus  er,  B.,  Die  Beziehungen  der  Mediceer  zu  Frankreich  1484—94.  Leipzig 
1879.  —  Butler,  Placid,  Friedrich  VIL  der  letzte  Graf  von  Toggenburg.  Mit- 
teilungen zur  vaterl.  Gesch.  (St.  Galleu)  22,  1—108  u.  25,'l— 102.   St.  Gallen  1891  ff. 


C. 

C anale,  Michel-Giuseppe,  Storia  del  commercio,  dei  viaggi,  delle  »coperte  e 
carte  nautiche  degl'  Italiani.  Genova  1866.  —  Capitolare  dei  Visdomini  del  fon- 
tego  dei  Todeschi  in  Venezia.  Kapitular  des  deutschen  Hauses  in  Venedig,  herausg. 
•v.  Georg  Martin  Thomas.  Berlin  1874.  —  Cardauns,  Konrad  von  Hostaden,  Erz- 
bischof  von  Köln.  Köln  1880.  —  Caro,  Georg,  Die  Verfassung  Genuas  zur  Zeit 
des  Podestats.  Strafsburg  1891.  —  Cartellieri  s.  Regesten  zur  Geschichte  der 
Bischöfe  von  Konstanz.  —  Castelfranco  Gran  San  Bemardo,  Noticie  degli  scavi 
1891.  75—81.  —  Chevalier,  Fr.  F^l.,  M^moires  historiques  sur  la  ville  et  seig- 
neurie  de  Poligny.  Lons-le-Saunier.    1767.  —  Chmel,  Jos^h,  Regesta  chronologico- 

II* 


XX'  VerzeichDis  der  mehrmals  citierten  Werke  und  Abhandlungen. 

diplomatica  Rupert!  regia  Romanorum.  Frankfurt  1834.  —  Ders.,  Regesta  chrono- 
logico-diplomatica  Friderici  IV.  Romanorum  regia  (imperatoris  III).  Wien  1838 — 40. 
2.  Bde.  —  Baaler  Chroniken,  herauag.  v.  d.  hiat.  Gesellach.  in  Basel.  5  Bde.  Baael 
1872  ff.  —  Die  Chroniken  der  deutachen  Städte  vom  14.  bia  ina  16.  Jahrhundert, 
herauag.  d.  d.  hiat.  Kommiaaion.  25  Bde.  Leipzig  1862  ff.  —  Cibrario,  Luigi, 
Della  economia  politica  del  medio  evo.  4»  edizione.  Torino  1854.  —  Dera.,  Ope- 
rette varie.  Torino  1860.  —  Dera.,  Delle  atorie  di  Chieri  libri  4.  Torino  1827.  — 
Codex  Curaanua  bibliothecae  ad  templum  diyi  Marci  Venetiarum,  edidit  comea 
G^za  Kuun.  Budapeatini  1880.  —  Codex  Malabajla,  Codex  Astenaia  qui  de  Mala- 
bayla  communiter  nuncupatur.  Vol.  2.  ed.  Quintinua  Sella  a.  u.  d.  T.  Atti  della 
reale  Accademia  dei  Lincei.  1875.  Serie  II  Volume  5.  Roma  1880.  —  Codogno, 
Ottavio,  Nuovo  itinerario  delle  poate  per  tutto  il  mondo.  Milano  1608.  -—  Con- 
flictua  ovia  et  lini.  Zeitachr.  f.  deutsches  Altertum.  Bd.  11.  —  Das  Lütisburger 
Copialbuch  in  Stuttgart.  Mitteilungen  zur  vaterl.  Gesch.  (St.  Gallen)  25,  103 
bis  190.  St.  Gallen  1891.  —  Crollalanza,  G.  B.,  Storia  del  Contado  di  Chiayenna. 
Milano  1870. 


Dahn,  Felix,  Die  Könige  der  Germanen.  Nach  den  Quellen  dargestellt. 
8.  Bd.  2.-4.  Abtoil.  Leipzig  1899.  —  Darmatädter,  Paul,  Daa  Reichagut  in  der 
Lombardei  und  Piemont.  Strafaburg  1896.  —  Davidaohn,  Robert,  Geachichte  von 
Florenz.  1.  Bd.  Berlin  1896.  —  Dera.,  Forachungen  zur  älteren  Geachichte  von 
Florenz.  1.  Berlin  1896.  —  Del  Giudice,  Giuaeppe,  Codice  diplomatico  del  regiio 
di  Carlo  I  e  II  d'Angiö.  1,  2,  1.  1863 — 69.  —  Del  Lungo,  laidoro,  Dino  Compagni 
e  la  aua  cronica.  Bd.  1—3.  Firenze  1879 — 87.  —  Deaimoni,  C.  e  Belgrano,  L.  T., 
Documenti  ed  eatratti  riguardanto  la  atoria  del  commercio  e  della  marina  ligure. 
Atti  della  aocietd  ligure  di  atoria  patria,  5  (1867),  357—547.  —  Diener,  Carl,  Der 
Gebirgabau  der  Westalpen.  Wien  1891.  —  Di  er  au  er,  Johannca,  Geachichte  der 
achweizeriachen  Eidgenoaaenachaft.  Bd.  1,  2.  Gotha  1887  u.  92  (Teil  der  Geach, 
der  europ.  Staaten,  herauag.  von  Heeren,  Ukert  u.  Gieaebrecht).  —  Digard, 
Georges,  Faucon  &  Thomas,  R^gistres  de  Boniface  VIII.  4  Fase  Paris  1884  ff. — 
Digot,  A.,  Hiatoire  de  Lorraine.  2«  Edition.  Nancy  1880.  —  Diöcesan-Archiv, 
Freiburger,  Bd.  1.  Freiburg  1866.  —  D ob  1  hoff,  J.,  Der  Lukmanier  und  das  Kloater 
Disentia,  in  Mitteilungen  d.  k.  k.  geograph.  Geaellach.  in  Wien.  (1882)  25,  210ff. 
u.  343  ff.  —  Doneaud,  Giovanni,  II  commercio  e  la  navigazione  dei  Genoveai  nel 
Medio -Evo.  Oneglia  1883.  —  Dönnigea,  Acta  Heinrici  VII.  imperatoris.  2  P. 
Berol.  1839.  —  Doren,  Alfred,  Entwicklung  und  Organisation  der  Florentiner 
Zünfte  im  13.  u.  14.  Jahrhundert.  Leipzig  1897.  Staats-  u.  socialw.  Forachungen 
V.  Schmoller.  Bd.  15,  Heft  3.  —  Ders.,  Untersuchungen  zur  Geschichte  der 
Kaufmannsgilden  im  Mittelalter.  (Schmoll  er,  Staats-  und  social  wissenschaftliche 
Forschungen  Bd.  12  Heft  2.)  Leipzig  1893.  —  Dorez  etGuiraud,  Les  registres 
d'Urbain  IV.  2  Fase.  Paria  1892.  —  Duc,  Joaeph  Auguate,  ä  quelle  date  eat  mort 
St.-Bemard  de  Menthon?  in  Miacellanea  di  atoria  italiana  31,  341 — 368.  —  v.  Duhn, 
F.,  Die  Benutzung  der  Alpenpäaae  im  Altertum.  Neue  Heidelberger  Jahrbücher 
2  (1892),  55—92.  —  Dümg^,  Regeata  Badenaia.  Karlaruhe  1836.  —  Dümmler, 
Emat,  Daa  Formelbuch  Biachof  Salomoa  111.  von  Konstanz.  1857.  —  Dürr  er, 
Robert,  Die  Familie  vom  Rappenatein  gen.  Mötteli  und  ihre  Beziehungen  zur  Schweiz. 
Geachichta freund  48,  81 — 276,  49,  1—74.  —  Dera.,  Die  Freiher m  von  Ringgen- 
berg, im  Jahrbuch  f.  achweiz.  Geach.    Bd.  21. 


Verzeichnis  der  mehrmals  citierten  Werke  und  Abhandlungen.  XXI 


Eckert, Christian^  Das  Mainzer  Schiffergewerbe  in  den  letzten  drei  Jahrhund, 
des  Kurstaates.  Staats-  und  social  wissenschaftliche  Forschungen.  Bd.  16,  Heft  3. 
Leipzig  1898.  —  Eheberg,  K.  Th.,  Yerfassungs-,  Verwaltungs-  und  Wirtschafts- 
geschichte der  Stadt  Strafsburg  bis  1681.  1.  Urkunden  und  Akten.  Strafsburg  1899.  — 
Ehrenberg,  Richard,  Das  Zeitalter  der  Fugger.  Geldkapital  und  Kreditverkehr 
im  16.  Jahrhundert  2  Bde.  Jena  1896.  —  Eichhorn,  A.,  Episcopatus  Curiensis. 
1797.  —  Endemann,  W.,  Studien  in  der  romanisch-kanonistischen  Wirtschafts-  und 
Bechtslehre.  2  Bde.  Berlin  1874,  1883.  —  Ennen,  L.  u.  Eckertz,  G.,  Quellen 
zur  Geschichte  der  Stadt  Köln.  Bd.  1—6.  Köln.  1860-79.  —  Erdmannsdörffer, 
Bemhardus,  De  commercio,  quod  inter  Venetos  et  Germaniae  civitates  aevo  medio 
intercessit    Jenenser  Dissertation.    Leipzig  1858.  — 


Fabri,  Felix,  Evagatorium  in  terrae  sanctae  peregrinationem.  Bibl.  des  litter. 
Vereins.  Bd.  2  u.  4.  1843,  49.  —  Fratris  Felicis  Fabri  tractatus  de  civitate 
Ulmensi.  Herausg.  von  Gustav  Vcesenmeyer.  Bibliothek  des  litter.  Vereins 
in  Stuttgart.  Bd.  186.  Tübingen  1889.  —  Fabronius,  Angelus,  Magni  Cosmi 
liedicaei  vita.  1.  2.  Pisis  1789.  —  Fagniez,  G.,  Documents  r^latifs  k  Thistoire  de 
rindustrie  et  du  commerce  en  France.  I.  Paris  1898,  in  der  Collection  de  textes 
pour  servir  a  T^tude  et  ä  Tenseignement.  —  Ders.,  Etudes  sur  Tindustrie  et  la  classe 
industrielle  k  Paris  au  XIII "»♦?  et  au  XIV <»  si^cle  a.  u.  d.  T.:  Bibliothöque  de 
r^cole  des  hautes  etudes.  33«  fascicule.  Paris  1877.  —  Falke,  Joh.,  Die  G^e- 
schichte  des  deutschen  Handels.  2  Tle.  Leipzig  1859,  60.  —  Favre.  Camille,  Etüde 
sur  rhisloire  des  passages  italo-suisses  du  Haut-Valais  entre  Simplen  et  Mont.-Rose. 
Jahrbuch  f.  Schweiz.  Gesch.  Bd.  8.  —  Fechter,  Daniel  Albert,  Topographie 
von  Basel  in:  Basel  im  14.  Jahrhundert.  Basel  1856.  —  Ferrero,  Gran  San 
Bemardo.  Notizie  degU  scavi  1890,  273,  294-306.  1892,  63-77,  440—50.  1894, 
88 — 47.  —  Fester,  Richard,  Markgraf  Bernhard  I.  und  die  Anfänge  des  badischen 
Territorialstaates.  (Badische  Neujahrsblätter  6.)  Karlsruhe  1896.  —  Ders., 
Begesten  der  Markgrafen  von  Baden  und  Hachberg.  1.  Bd.  Innsbruck  1892—1900.  — 
Finot,  Jules,  Etüde  historique  sur  les  relations  commerciales  entre  la  France  et 
la  Flandre  an  moyen  ftge.  Paris  1894.  —  Fischer,  Friedr.  Christoph  Jonathan,  Ge- 
schichte des  teutschen  Handels  1 — 4.  Hannover  1785.  —  Ficker,  Julius,  Engelbert 
der  Heilige.  Köln  1853.  —  Ders.,  Reinald  von  Dassel,  Reichskanzler  und  Erz- 
bischof von  Köln.  Köln  1850.  —  Flegler,  Die  Beziehungen  Nürnbergs  zu  Venedig. 
Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit.  1867.  S.  289  ff.,  329  ff.,  361  ff.  — 
Flnckiger,  F.  A.,  Die  Frankfurter  Liste.  Halle  1873,  auch  Archiv  d.  Pharmacie, 
Bd.  201.  —  Ders.,  Pharmakognosie  des  Pflanzenreiches.  3.  Aufl.  Berlin 
1891.  —  Ders.  et  Hanbury,  Histoire  des  drogues  d'origine  v^g^tale;  traduction 
de  Lanessan.  2  Tomes.  Paris  1878.  —  Fontes  rerum  Bemensium.  Bd.  1—7. 
Bern  1877  ff.  —  Fonti  per  la  storia  d'Italia  pubblicati  dair  Istituto  storico  italiano 
Tom.  1  ff.  Roma  1887  ff.  —  Foresti^,  Les  livres  de  compte  des  fr^res  Bonis,  in 
Archives  historiques  de  la  Gascogiie  fasc.  20.  1890.  —  Formentini,  Marco,  II 
ducato  di  Milano.  Studj  storici  documentati.  Milano  1877.  —  Fournier,  Paul, 
Le  royaume  d'Arles  et  de  Vienne  (1138—1378).  Paris  1891.  —  Franck,  W.,  Ge- 
schichte der  ehem.  Reichsstadt  Oppenheim.  Darmstadt  1859.  —  Freidhof,  Die 
Städte  Tusciens  zur  Zeit  Manfreds  (Jahr.-Ber.  des  Lyceum  in  Metz  1879  und 
1880).  —  Freivogel,  Die  Landschaft  Basel.    Bemer  DisserUtion  1893.  —  Frey, 


XXH  Verzeichnis  der  mehrmals  citierten  Werke  und  Abhandlungen. 

Carl,  Die  Schicksale  des  königl.  Gutes  in  Deutschland  unter  den  letzten  Staufern. 
Berlin  1881.  —  Fromm,  E.,  Frankfurts  Textilgewerbe  im  Mittelalter.  Archiv 
für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst.  3.  Folge,  6.  Bd.  —  F.  T.  (Franz  Graf  von 
Thurn  und  Taxis):  „Die  Anfänge  des  habsburgischen  Postwesens  (1460 — 1519)  in 
„Neue  Tiroler  Stimmen  1891"  Nr.  295  u.  296.  —  Funck-Brentano,  Philippe  le 
Bei  en  Flandre.  Paris  1896.  —  Funck-Brentano,  Frantz,  Philippe  le  Bei  et  la 
noblesse  franc-comtoise.  Biblioth^que  de  T^cole  des  chartes.  Tome  49.  Annöe 
1888.  —  Für  r  er,  Sigismund,  Geschichte,  Statistik  und  Urkunden -Sammlung  über 
Wallis.    3  Bde.    Sitten  1850. 

O. 

Gaddi,  Luigi,  Per  la  storia  della  legislazione  e  delle  istuzioni  mercantili  lom- 
barde,  ricerche  d'archivio.  Milano,  Bortolotti  1893.  Abgedruckt  aus  dem  Archivio 
storico  lombardo.  Anno  20.  —  Galant i,  I  Tedeschi  sul  versaute  meridionale 
delle  Alpi.  Roma  1885.  —  Gasner,  Ernst,  Zum  deutschen  Strafsenwesen  von  der 
ältesten  Zeit  bis  zur  Mitte  des  17.  Jahrhunderts.  Leipzig  1889.  —  Gatrio,  Die 
Abtei  Murbach.  2  Bde.  Strafsburg  1895.  —  Gay,  Jules,  Les  registres  de  Nico- 
laus ni.  1  fasC.  Paris  1898.  —  Geering,  Traugott,  Kölns  Kolonialwarenhandel 
vor  400  Jahren.  Mitteilungen  aus  dem  Stadtarchiv  von  Köln,  Heft  11.  41  bis 
65.  —  Der s.,  Handel  und  Industrie  der  Stadt  Basel.  Basel  1886. —  Geiger,  Aloys, 
Jakob  Fugger  (1459—1525).  Regensburg  1895.  —  Gengier,  Heinrich  Gottfried, 
Deutsche  Stadtrechts -Altertümer.  Erlangen  1882.  —  Geschichtsforscher,  Der 
schweizerische.  Bd.  1—13.  1812 — 52.  —  Geschichtsfreund,  Der,  Mitteilungen  des 
historischen  Vereins  der  fünf  Orte.  Einsiedeln  1844 ff.  —  Geschichtsquellen  der 
Stadt  Wien.  I.Abteil.  Wien  1877.  —  Württembergische  Geschichtsquellen, 
Urkundenbuch  der  Stadt  Efslingen.  —  Giesebrecht,  W.  v.,  Geschichte  der  deut- 
schen Kaiserzeit.  6.  Bd.  Herausg.  und  fortgesetzt  von  B.  von  Simson.  Leipzig 
1895.  —  Gingins-Ia-Sarraz,  D^veloppement  de  Tind^pendance  du  Haut-Yallais 
et  conqu^te  du  Bas-Vallais.  Im  Archiv  f.  Schweiz.  Gesch.  Bd.  2  u.  3.  —  Gingins 
la  Sarra,  D6p@ches  des  ambassadeurs  Milanais  sur  les  campagnes  de  Charles  le 
Hardi  duc  de  Bourgogne  de  1474  k  1477.  Paris  ÄGen^ve  1858.  —  Giornale  storico 
della  litteratura  italiana  5.  —  Giulini,  Giorgio,  Memorie  spettanti  alla  storia,  al 
governo  ed  alla  descrizione  della  cittä  e  della  campagna  d|  Milano  ( — 1311).  Mi- 
lano 1760  ff.  T.  1—9.  —  Ders.,  Continuazione  delle  Memorie  etc.  (1311—1447). 
T.  1 — 3.  —  Glafey,  Adam  Fridericus,  Anecdotorum  S.  R.  J.  historiam  ac  jus  publi- 
cum illustrantium  collectio.  Dresdae  &  Lipsiae  1734.  —  Goldschmidt,  L.,  Die 
Geschäftoperationen  der  Champagner  Messen,  in  Zeitschrift  für  Handelsrecht. 
Bd.  40.  —  Ders.,  Universalgeschichte  des  Handelsrechts.  Erste  Lieferung.  Stutt- 
gart 1891.  (Handb.  d.  Handelsrechts,  3.  Aufl.,  I,  1,  1.)  —  Görz,  Mittelrheinische 
Regesten  4  Tle.  1876 — 86.  —  Gothein,  A.,  Zur  Geschichte  der  Rheinschiffahrt,  in 
Westde.itsch.  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst.  Jahrgang  14.  Trier  1895. 
S.  231—256.  —  Ders.,  Wirtschaftsgeschichte  des  Schwarz waldes  und  der  angrenzen- 
den Landschaften.  1.  Bd.  Strafsburg  1892.  —  Gottlob,  Adolf,  Die  päpstlichen 
Kreuzzugssteuem  des  13.  Jahrhunderts.  Heiligenstadt  1892.  —  Ders.,  Die  päpst- 
lichen Darlehnsschulden  des  13.  Jahrhunderts.  Historisches  Jahrbuch  20,  665  bis 
717.  —  Grandjean,  Ch.,  Les  registres  de  Benoit  XI.  4  fasc.  Paris  1883  ff.  — 
Greiff,  B.,  Tagebuch  des  Lucas  Rem  1494—1541.  26.  Jahresbericht  d.  hist 
Kreis-Vereins  im  Regierungsbezirk  Schwaben  u.  Neuburg.  Augsburg  1861.  S.  1 
bis  110.  —  Gremaud,  Jean,  Documents  relatifs  k  Thistoire  du  Yallais,  in  M^moires 
et  documents  publi^s  par  la  soci^t^  d*histoire  de  la  Suisse  romande.    Bd.  29 — 33, 


Verzeichnis  der  mehrmals  citierten  Werke  und  Abhandlungen.        ItXTTT 

37__89.  —  V.  Groote,  Die  Pilgerfahrt  des  Ritters  Arnold  von  HarflF.  Köln  1860.  — 
de  Gudenus,  Codex  diplomaticus  anecdotorum  res  Moguntinas  iilustr.  5  Bde. 
1743—58.  —  Guiraud,  J.  et  Cadier,  L.,  Les  registres  de  Gr^goire  X.  et  de 
Jean  XXI.  3  fasc.  Paris  1892  ff.  —  Gutermann,  Fr.,  Die  älteste  Geschichte  der 
Fabrikation  des  Linnen-Papiers,  im  Serapeum  6,  256—265  u.  273 — 286. 


Häbler,  Konrad,  Die  Fugger  und  der  spanische  Gewürzhandel.  Zeit  sehr, 
des  bist.  Vereins  f.  Schwaben  und  Neuburg.  1892.  19.  Bd.  25—44.  —  Ders., 
Die  Geschichte  der  Fuggerschen  Handlung  in  Spanien,  in  socialgeschichtlichen 
Forschungen.  Ergänzungshefte  zur  Zeitschrift  f.  Social-  und  Wirtschafts- 
geschichte. Heft  1.  Weimar  1897.  —  Ders.,  Peter  Tafurs  Reisen  im  Deutschen 
Beiche  in  den  Jahren  1438 — 39,  in  Zeitschrift  f.  allgemeine  Geschichte  4,  502 
bis  529.  Stuttgart  1887.  —  Hafner,  T.,  Geschichte  der  Stadt  Ravensburg.  Ravens- 
burg 1887.  —  Hagel  Stange,  Alfr.,  S&ddeutsches  Bauernleben  im  Mittelalter. 
Leipzig  1898.  —  Hampe,  Karl,  Geschichte  Konradins  von  Hohenstaufen.  Inns- 
bruck 1894.  —  Häne,  Johannes,  Leinwandindustrie  und  Leinwandhandel  im  alten 
St.  Gallen.  Zürich,  Neue  Züricher  Zeitung  1899.  —  Hanauer,  Etudes  ^conomiques 
sur  TAlsace  ancienne  et  moderne.  2  Bde.  Paria  &  Strasbourg  1876,  8.  —  Hantzsch, 
Victor,  Deutsche  Reisende  des  16.  Jahrhunderts.  Leipziger  Studien  aus  d.  Ge- 
biete d.  Geschichte.  1.  Bd.,  4.  Heft.  Leipzig  1895.  —  Hardegger,  J.  u.  Wart- 
mann, H.,  Der  Hof  Kriefsern.  St.  Gallische  Gemeindearchive.  St.  Gallen  1878. — 
Hartwig,  Otto,  Ein  Menschenalter  Florentiner  Geschichte,  in  Deutsche  Zeit- 
schrift für  Geschichtswissenschaft  1,  10—48  und  2,  38—96.  —  Heierli,  J.  und 
Öchsli,  W.,  Urgeschichte  des  Wallis.  Mitteilungen  der  antiqu.  Gesellschaft  in 
Zürich.  Bd.  24,  Heft  3.  Zürich  1896.  —  Hellwig,  Handel  und  Gewerbe  der  deut- 
schen Städte  während  der  sächsischen  Kaiserzeit.  Göttinger  Programm  1882.  — 
daTHerba,  Itinerario  delle  poste.  Roma  1563.  —  Herzog,  Hans,  Die  Zurzacher 
Messen.  Separatabdruck  aus  dem  Taschenbuch  der  historischen  Gesellschaft  des 
Kantons  Argau.  Aarau  1898.  —  Heusler,  Adreas,  Rechtsquellen  des  Kantons 
Tessin,  in  Zeitschrift  f  Schweiz.  Recht.  33.  Bd.  Basel  1892.  —  Ders.,  Rechts- 
quellen des  Kantons  Wallin.  Zeitschrift  f.  Schweiz.  Recht.  Bd.  29  und  31.  — 
Heyck,  Eduard,  Geschichte  der  Herzöge  von  Zähringen.  Freiburg  1891.  — 
Heyd,  W.,  Die  Alpenstrafsen  im  Mittelalter,  im  Ausland.  55.  Jahrg.  1882.  S.  461 
bis  467.  —  Ders.,  Geschichte  des  Levantehandels  im  Mittelalter.  2  Bde.  Stutt- 
gart 1879.  (Die  franz.  Ausgabe  von  Rejnaud  1885  nur  benutzt).  —  Ders.,  Die 
grofse  Ravensburger  Gesellschaft.  Beiträge  zur  Geschichte  des  deutschen  Handels  I. 
Stuttgart  1890.  —  Ders.,  Das  Haus  der  deutschen  Kaufleute  in  Venedig,  (v.  SybelX 
Historische  Zeitschrift  32,  193—220.  —  Ders.,  Schwaben  auf  den  Messen  von 
Genf  und  Lyon.  Württemb.  Vierteljahrshefte.  Neue  Folge  1,  373—385.  — 
Ders.,  Der  Verkehr  süddeutscher  Städte  mit  Genua  während  des  Mittelalters. 
Forschungen  zur  deutschen  Geschichte  Bd.  24  (1884),  213—230.  —  Hidber,  B., 
Schweizerischer  Urkundenregister.  Herausg.  v.  der  allgem.  geschichtsforschenden 
Gesellschaft  der  Schweiz.  2  Bde.  Bern  1863—77.  —  Hilgard,  Urkunden  zur  Ge- 
schichte der  Stadt  Speyer.  Strafsburg  1885.  —  Höfler,  Albert  Beham,  Registrum 
epistolarum.  Bibliothek  des  litterarischen  Vereins  16.  Stuttgart  1847.  —  Hont- 
heim,  Historia  Trevirensis  diplomatica  et  pragmatica.  Tom.  2.  Aug.  et  Herbipoli 
1750.  —  Hoppeler,  Robert,  Berns  Bündnis  mit  dem  Bischof  von  Sitten  vom 
17.  Juli  1252,  im  Jahrbuch  f.  Schweiz.  Geschichte.    Bd.  22.  —  Ders.,  Das  Unter- 


XXIV        Verzeichnis  der  mehrmals  citierten  Werke  und  Abhandlnngen. 

Wallis  und  dessen  Beziehungen  zum  Hochstift  Sitten  während  des  13.  Jahrhunderts. 
Zürich  1897.  —  Hub  er,  Alfons,  Geschichte  des  Herzogs  Rudolf  IV.  von  Österreich. 
Innsbruck  1865.  —  Huber,  Eugen,  System  und  Geschichte  des  Schweizerischon 
Privatrechtes.  Bd.  4.  Basel  1893.  —  Hub  er,  F.  C,  Die  geschichtliche  Entwick- 
lung des  modernen  Verkehrs.  Tübingen  1893.  —  Hüllmann,  Karl  Dietrich,  Städte- 
wesen des  Mittelalters  1.  Bonn  1826.  —  Huvelin,  P.,  Essai  historique  sur  le 
droit  des  march^  et  des  foires.    Paris,  Rousseau  1897. 


J. 

Jacob,  G.,  Ein  arabischer  Berichterstatter  aus  dem  10.  oder  11.  Jahrhundert 
über  Fulda.  2.  Aufl.  Berlin  1891.  —  Ders.,  Der  nordisch-baltische  Handel  der 
Araber  im  Mittelalter.  Leipziger  Dissertation  1887.  —  Jäger,  Carl,  Ulms  Ver- 
fassung, bürgerliches  und  kommerzielles  Leben  im  Mittelalter.  Stuttgart  und  Heil- 
bronn 1831  (a.  u.  d.  T.  Schwäbisches  Städte wesen  im  Mittelalter  1).  —  Jahns,  Ma.x, 
Entwicklung  der  alten  Trutz wafFen.  Berlin  1899.  —  Jahrbuch  des  schweizer. 
Alpenklubs  seit  1864.  Bern.  —  Janssen,  Joh.,  PVankfurts  Reichs korrespondenz 
von  1376—1519.  2  Bde.  Freiburg  1863—72.  —  Jastrow  u.  Winter,  Deutsche 
Geschichte  im  Zeitalter  der  Hohenstaufen  1.  Stuttgart  1897.  —  Jecklin,  Constanz, 
Urkunden  zur  Verfassungsgeschichte  Graubündens,  im  12.  Jahresbericht  der  hist.- 
antiqu.  Gesellschaft  von  Graubünden.  1882.  —  v.  Inama-Sternegg,  Karl 
Theodor,  Die  Goldwährung  im  Deutschen  Reiche  während  des  Mittelalters.  Zeit- 
schrift für  Social-  und  Wirtschaftsgeschichte  3,  1 — 60.  1895.  —  Ders.,  Deutsche 
Wirtschaftsgeschichte  1—3,  1.  Leipzig  1879 — 99.  —  Jordan,  Edouard,  R^gistres 
de  Clement  IV.  3  fasc.  Paris  1893  f.  —  Juvalt,  Wolfgang  von,  Forschungen 
über  die  Feudalzeit  im  kurischen  Rätien  1  u.  2.    Zürich  1871. 


Kagelmacher,  Ernst,  Filippo  Maria  Visconti  und  König  Sigismund  1413—1431. 
Greifswalder  Dissertation  1885.  —  Kaltenbrunner  s.  Mitteilungen  aus  dem 
Vatik.  Archive.  —  Keller,  Ferd.,  Statistik  der  römischen  Ansiedlungen  in  der 
Ostschweiz.  Mitteilung  der  antiqu.  Gesellschaft  in  Zürich.  Bd.  15,  Heft  3. 
Zürich  1864.  —  Kind,  Chr.,  Beiträge  zur  rätischen  Geschichte,  im  Jahrbuch  für 
Schweiz.  Gesch.  14,  211—260.  —  Kindler  v.  Knobloch,  Das  goldene  Buch  von 
Strafsburg.  Wien  1885,  86.  —  Ders.,  Oberbadisches  Greschlechterbuch.  1.  Bd.  u. 
2.  Bd.,  1.  u.  2.  Lief.  Heidelberg  1894r-1900.  —  Kirsch,  Die  päpstlichen  Kollek- 
torien  in  Deutschland  während  des  14.  Jahrhunderts.  Quellen  und  Forschungen 
aus  dem  Gebiete  der  Geschichte,  herausg.  v.  d.  Görres-Gesellschaft  Bd.  3.  Pader- 
born 1894.  —  Klumker,  Chr.  Jasper,  Der  friesische  Tuchhandel  zur  Zeit  Karls 
des  Grofsen  und  sein  Verhältnis  zur  Weberei  jener  Zeit.  Leipz.  Dissert.  1899.  — 
Knipping,  Kölner  Stadtrechnungen  des  Mittelalters,  1,  2.  Bonn  1897,  98.  — 
Koch  n.  Wille,  Regesten  der  Pfalzgrafen  am  Rhein  1214—1400.  Innsbruck  1894.  — 
Köhler,  Die  Entwicklung  des  Kriegswesens  und  der  Kriegführung.  3  Bde.  Breslau 
1886—89.  —  Kopp,  J.  E.,  Geschichten  von  der  Wiederherstellung  und  dem  Verfall 
des  Heiligen  Römischen  Reiches.  Bd.  1-5,  2,  1.  1845—82.  —  Ders.,  Geschichts- 
blätter der  Schweiz.  2  Bde.  Luzem  1854 — 56.  —  Ders.,  Urkunden  zur  Geschichte 
der  eidgenössischen  Bünde.  Luzem  1835,  citiert  als  Urkunden  1.  —  Ders.,  Ur- 
kunden zur  Geschichte  der  eidgenössischen  Bünde,  im  Archiv  für  Kunde  öster- 
reichischer  Geschichtsquellen.   Bd.  6.    1851,  citiert  als  Urkunden  2.  —  Kraus,  F.  X., 


Verzeichnis  der  mehrmals  citierten  Werke  und  Abhandlungen.         XXV 

Geschichte  der  christlichen  Kunst.  Bd.  1,  2,  1.  Freiburg  1896  f.  —  Ders.,  Die 
Kunstdenkmäler  des  Grofsherzogtums  Baden.  1.  Bd.:  Kreis  Konstanz.  Freiburg 
1887.  —  Kriegk,  Georg  Ludwig,  Frankfurter  Bürgerzwiste  und  Zustände  im  Mittel- 
alter. Frankfurt  1862.  —  Krüger,  Emil,  Die  Grafen  von  Werdenberg-Heiligenberg 
und  von  Werdenberg-Sargans.  Mitteilungen  zur  vaterl.  Gesch.  (St  Güllen)  22, 
103-393  U.I-CLIII.  —  Kruse,  Ernst,  Kölnische  Geldgeschichte  bis  1386,  in  West- 
deutsche Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst.  Ergänzungsheft  4.  1888.  — 
Kunze,  Karl,  Hanseakten  aus  England  1275—1412.  Hansische  Geschichts- 
quellen Bd.  6.  Halle  1891.  —  Kurz  u.  Weifsenbach,  Beiträge  zur  Geschichte 
und  Litteratur  1  Bd.    Aarau  1846. 


Lacomblet,  Urkuudenbuch  für  die  Geschichte  des  Niederrheins.  4  Bde. 
1840—58.  —  Lamprecht,  Karl,  Deutsche  Geschichte.  Bd.  1—5.  Berlin  1891  ff.  — 
Ders.,  Deutsches  Wirtschaftsleben  im  Mittelalter.  Untersuchungen  über  die  Ent- 
wicklung der  materiellen  Kultur  des  platten  Landes  auf  Grund  der  Quellen  zu- 
nächst des  Mosellandes.  Bd.  1 — 3.  Leipzig  1885.  —  Langlois,  Oh.  V.,  Notices 
et  documents  relatifs  k  Thistoire  de  France  aux  temps  de  Philippe  le  Bei.  Revue 
historique  (1896)  60,  307—28.  —  Langlois,  Emest,  Rögistres  de  Nicolas  IV.  (1288 
bis  1292).  9  fasc.  Paris  1886  ff.  —  Lattes,  Alessandro,  II  diritto  commerciale  uella 
legislazione  statuaria  delle  cittä  italiane.  Milano  1884.  —  Lau,  Friedrich,  Entwicklung 
der  kommunalen  Verfassung  und  Verwaltung  der  Stadt  Köln.  Bonn  1898.  — 
Xtaurent,  J.,  Aachener  Stadtrechnungen  aus  dem  14.  Jahrhundert.  Aachen  1866. — 
Layettes  du  tr^sor  des  chartes.  T.  2.  Paris  1866.  —  Leg  es  municipales,  in  Monu- 
menta  historiae  patriae.  2  Bde.  Augusta  Taurinorum  1838 ff.  —  Lehmann,  J.  G., 
Urkundliche  Geschichte  der  Grafschaft  Hanau  -  Lichtenberg.  2  Bde.  Mannheim 
1862 f.  —  Lehugeur,  Histoire  de  Philippe  le  Long.  T.  1.  Paris  1897.  —  Lenel, 
W.,  Die  Entstehung  der  Vorherrschaft  Venedigs  an  der  Adria.  Strafsburg  1897.  — 
Lettere  volgari  del  secolo  XIII.  scritti  da  Sanesi,  pubblicate  da  Cesare  Paoli  e 
Enea  Piccolomini,  in:  Scelta  di  curiositä  letterarie,  dispensa  116.  Bologna  1871. — 
Liber  jurium  Januensium  in:  Liber  jurium  republicae  Genuensis.  Historiae  patriae 
Monumenta.  1854,  1856.  —  v.  Liebenau,  Hermann,  Lebensgeschichte  der 
Königin  Agnes  von  Ungarn.  Regensburg  1868.  —  Ders.,  Urkunden  und  Regesten 
zur  Geschichte  des  St.  Gottbard.  Vom  Ursprung  bis  1450.  Im  Archiv  f.  Schweiz. 
Gesch.  Bd.  18,  19  u.  20.  —  Liebenau,  Theodor  v..  Das  Gasthof-  und  Wirtshaus- 
wesen  der  Schweiz  in  älterer  Zeit.  Zürich  1891.  —  Ders.,  Das  alte  Luzem.  Luzern 
1881.  —  Ders.,  I  Sax  signori  e  conti  di  Mesocco,  im  Bolletino  storico  della  Sviz- 
zera  italiana.  10.  11.  u.  12.  Bd.  Bcllinzona  1880 — 90.  Auszug  auch  in  der  Beilage 
zum  Jahresbericht  der  hist-antiqu.  Gesellschaft  von  Graubünden  pro  1889.  — 
Ders.,  Dio  Schlacht  von  Arbedo  nach  Geschichte  und  Sage.  Geschichtsfreund 
Bd.  41  S.  187 — 220.  —  Lichnowsky,  E.  M.  Fürst  v.,  Geschichte  des  Hauses  Habs- 
burg (mit  den  Regesten  von  E.  Birk).  8  T.  Wien  1836—44.  —  Longuon,  Auguste, 
Atlas  historique  de  la  France.  Paris  1885  f.  —  Ludwig,  Friedrich,  Untersuchungen 
über  die  Reise-  und  Marschgeschwindigkeit  im  XII.  u.  XIII.  Jahrhundert.  Berlin 
1897.  —  Lütolf,  A.,  Die  Regesten  und  Urkunden  des  Familienarchivs  Rusconi  in 
Luzem.    Gesc hieb ts freund  33,  319 — 502. 


XXVI        Verzeichnis  der  mehrmals  citierten  Werke  und  Abhandlungen. 


Magenta,  C^rlo,  I  Visconti  e  gli  Sforza  nel  castello  di  Pavia  1.  2.  Milano 
1883.  —  Malavolti,  Orlando,  Historia  de^fatti  e  guerre  de'Sanesi.  Venetia  1599. 
2  Bde.  —  Man  dein,  Vittorio,  II  comune  di  Vercelli  nel  medio  evo  1—3.  Vercelli 
1857 — 58.  —  Mansi,  Collectio  Conciliorura  uova.  Lucca  1748  ff.  —  Marin,  Carlo 
Antonio,  Storia  civile  e  politica  del  commercio  de'Veneziani  1 — 8.  Vinegia  1798  bis 
1808.  —  Martine  et  Durand,  Thesaurus  anecdotorum  novus.  5  Voll.  Paris 
1717 f.  —  Martin,  Grofsbetrieb  und  Handwerk  vor  600  Jahren.  Proufs.  Jahrbücher 
Bd.  91.  —  Matile,  Monuments  de  l'histoire  de  Neuchätel.  2  Bde.  Neuch&tel 
1844 — 48.  —  May,  A.  von,  Bartholomäus  May  und  seine  Familie.  Berner  Taschen- 
buch auf  das  Jahr  1874.  1 — 178.  —  Mayr,  Richard,  Lehrbuch  der  Handela- 
geschichte  auf  Grundlage  der  Wirtschafts-  und  Socialgeschichte.  Wien  1894.  — 
(Med  er ,  Loren  tz),  Handel  Buch.  Darin  angezeigt  wird,  welclier  gestalt  inn  denfümemb- 
sten  Handclstetten  Europa  allerley  Wahren  etc.  Nürnberg  1558.  —  Mediolanum 
1 — 4.  Milano  1881.  —  Megenberg,  Konrad  von,  Das  Buch  der  Natur,  herausg. 
von  Franz  Pfeiffer.  Stuttgart  1862.  —  M^moires  et  documents  publi^s  par  la 
soci^t^  d^histoire  et  d'arch^ologie  de  Genöve.  Vol.  14.  —  Meyer,  H.,  Die  römischen 
Alpenstrafsen  in  der  Schweiz.  Mitteilungen  d.  antiqu.  Gesellschaft  in  Zürich. 
Bd.  13.  Zürich  1861.  —  Meyer  von  Knonau,  G.,  Eine  verlorene  schweizerische 
Eroberung,  im  Jahrbuch  des  Schweizer  Alpenklub.  10.  Jahrg.  1875,  S.  518—58. — 
Michael,  Emil,  Geschichte  des  deutschen  Volkes.  Bd.  1,  2.  Freiburg  1897-99.  — 
Miller,  Konrad,  Die  ältesten  Weltkarten.  Heft  8.  Stuttgart  1895.  —  Miscel- 
lanea  di  storia  italiana  edita  per  cura  della  R.  Deputazione  di  storia  patria. 
Vol.  1  ff.  Torino  1862 ff*.  —  Mitteilungen  aus  dem  vatikanischen  Archive.  Her- 
ausg. V.  d.  kais.  Akad.  d.  Wissensch.  Bd.  1  Aktenstücke  u.  s.  w.  Herausg.  von 
Kaltenbrunner.  Wien  1889.  —  Mitteilungen  der  bad.  bist.  Kommission,  an- 
gehängt der  Zeitschrift  f.  Gesch.  des  Oberrheins.  —  Mitteilungen  zur  vater- 
ländischen Geschichte.  Herausg.  vom  bist.  Vereine  des  Kantons  St.  Gallen.  Bd.  1  ff. 
St.  Gallen  1861  ff.  —  Mitteilungen  der  antiquarischen  Gesellschaft  iu  Zürich. 
Bd.  1  ff.  1841  ff.  —  Mitteilungen  aus  dem  germanischen  Nationalmuseum. 
Jahrg.  1  ff.  Leipzig  1884  ff.  —  Mitteilungen  aus  dem  Stadtarchive  Köln.  Heft 
1  ff.  Köln  1882  ff.  —  Mitteilungen  des  Vereins  für  Geschichte  der  Stadt  Nürn- 
berg 1  ff.  Nürnberg  1879  ff.  —  Mohr,  Th.  v.,  Codex  diplomaticus  ad  historiam 
Raeticam.  (Archiv  f.  d.  G.  der  Republik  Graubünden  Bd.  1,  2,  Bd.  3,  4,  bearbeitet 
von  C.  V.  Moor.)  Cur  1848 — 64.  —  Mohr,  Th.,  Regesten  von  Disentis,  in  Regesten 
der  schweizerischen  Eidgenossenschaft  Bd.  2.  1853.  —  Mol  inier,  luven  taire  du 
tr^sor  du  saint  si^ge  sous  Boniface  VIIL  (1295).  Bibl.  de  T^cole  des  chartes  46  u. 
47.  —  Mommsen,  Theodor,  Römische  Geschichte.  Bd.  5,  3.  Aufl.  Berlin  1886.  — 
Ders.,  Die  Schweiz  in  römischer  Zeit.  Mitteilungen  d.  autiquar.  Gesellschaft  in 
Zürich.  Bd.  9.  Zürich.  1858 — 56.  —  Mone,  Zur  Handelsgeschichte  der  Städte  am 
Bodensee  vom  13.  bis  16.  Jahrhundert.  Zeitschrift  f.  d.  Gesch.  d.  Oberrheins,  4, 
8—66.  —  Monti,  Pietro,  Vocabolario  dei  dialetti  della  cittä  e  diocesi  di  Como. 
Milano  1845.  —  Monumenta  Boica  ed.  academia  scientiarum  Maximil.  Boica.  VoL 
1 — 44.  Monachi  1763  ff.  —  M.G.  =  Monumenta  Germaniae  historica.  Hannover 
seit  1826.  SS.  =  Scriptores.  Ep.  =  Epistolae.  Necr.  =  Necrologia  u.  s.  w.  — 
Monumenta,  Historiae patriae — edita jussu regis Caroli Alberti. Augustae Taurinorum 
1836  ff.  —  Monumenta  historica  ad  provincias  Parmensem  et  Placentinam  pertinen- 
tia.  Vol.  1  ff.  Parma  1856 ff.  —  Monumenti  istorici  pertinenti  alle  provincie  della 
Romagna.    Serie  1.   Tomo  1.   Bologna  1869.  —  Morbio,  Carlo,  Storie  dei  Municipj 


Verzeichnis  der  mehrmals  citierten  Werke  und  Abhandlungen.        XXVU 

italiani.  Vol.  6.  Milano  1846.  —  Morel,  Les  jurisdictions  commerciales  au  moyen- 
&ge.  Paris  1897.  —  Motta,  Emilio,  Personaggi  celebri  attraverso  il  Gottardo,  in 
Bolletino  storico  della  Svizzera  italiana.  Tomo  3  u.  14.  —  Mühlemann,  Adolf, 
Studien  zur  Geschichte  der  Landschaft  Hasli  im  Archiv  des  hist.  Vereins  des 
Kantons  Bern.  Bd.  14.  Bern  1896,245—388.  ~  Mummenhoff,  Ernst,  Altnümberg. 
Schilderungen  aus  der  älteren  reichsstadtischen  Zeit  bis  zum  Jahre  1350.  Ba3nr]sche 
Bibliothek.  Bd.  22.  Bamberg  1890.  —  Muoth,  J.  C,  Zwei  sogenannte  Ämter- 
bücher  des  Bistums Chur  aus  dem  Anfang  des  15.  Jahrhunderts  im27.  Jahresbericht 
der  hist-antiqu.  Gesellschaft  von  Graubünden.  Chur  1898,8.  1—254.  —  Muralti, 
Francisi  J.  U.  D.  patricii  Comensis  Annalia  edita  a  Petro  Aloisio  D  o  n  i  n  i  o , 
Mediolani  1861.  —  Muratori,  Antiquitates  Italicae  medii  aevi.  6  Vol.  Mediolani 
1738—42.  —  Ders.,  Renim  Italicarum  scriptores.  T.  1 — 25.  Mediolani  1723—51.  — 
Murr,  C.  G.  von,  Urkunden  der  vornehmsten  Orte,  mit  welchen  die  Reichsstadt 
Nürnberg  Zollfreyheiten  errichtet  hat.    Nürnberg  1806. 


Nagl,  Franz  u.  Lang,  Alois,  Mitteilungen  aus  dem  Archiv  des  deutschen 
Nationalhospizes  S.  Maria  delFAnima  in  Rom,  in  römische  Quartalschrift. 
Supplementheft  12.  1899.  —  Neumann,  Max,  Geschichte  des  Wuchers  in  Deutsch- 
land bis  1654.  Halle  1865.  —  Neugart,  Tr.,  Codex  diplomaticus  Alemanniae.  2  T. 
1791,  5.  —  Nissen,  Heinrich,  Italische  Landeskunde  Bd.  1.  Berlin  1883.  —  Noel, 
Octave,  Histoire  du  commerce  du  monde  depuis  les  temps  les  plus  recul^s.  2  Vol. 
Paris  1891  f.  —  Nübling,  Eugen,  Ulms  Baum  Wollweberei  im  Mittelalter.  Staats- 
und social  wissenschaftliche  Forschungen  von  Sc  hm  oller.  Bd.  9,  Heft  5.  Leip- 
zig 1890.  —  D.ers.,  Die  Judengemeinden  des  Mittelalters,  insbesondere  die  der  Reichs- 
stadt Ulm.  Ulm  1896.  —  Ders.,  Ulms  Kaufhaus  im  Mittelalter.  Rostocker  Disser- 
tation 1895.  —  Nüscheler,  Die  Gotteshäuser  der  Schweiz.  3  Hefte.  Zürich  1864 
bis  1873  (Fortsetzungen  in  d.  Argovia  und  im  Geschichtsfreund).  —  Ders., 
Historische  Notizen  über  den  St.  Gotthardpafs,  im  Jahrbuch  des  Schweizer  Alpen - 
klub,  7,  55—84.    Bern  1872. 

O. 

Oberamtsbeschreibung  Ulm  =  Beschreibung  des  Oberamts  Ulm,  her- 
ansg.  von  dem  Königl.  Statistischen  Landesamt.  2.  Bd.  1897.  —  öchsli,  W.,  Die 
Anfänge  der  schweizerischen  Eidgenossenschaft.  Bern  1891.  —  Öfele,  A.  F.,  Rerum 
Boicarum  scriptores.  2  T.  Aug.  Vind.  1763  f.  —  Öhlmann,  Ernst,  Die  Alpenpässe 
im  Mittelalter.  Im  Jahrbuch  f.  schweizer.  Gesch.  Bd.  3,  165—289  u.  4,  163-321. 
Zürich  1878  u.  1879.  —  Osio,  Luigi,  Documenti  diplomatici  tratti  dagli  archivj 
Milanesi.   1—3.    Milano  1864—72. 

P, 

(Pagnini)  Della  decima  e  di  varie  altre  gravezze  imposte  dal  comune  di 
Firenze.  4  Vol.  Lisbona,  Lucca  1765.  —  Paoli,  Cesare,  Urkunden  zur  Geschichte 
der  deutschen  Schusterinnung  in  Florenz.  Mitteilungen  d.  Instituts  f.  österr. 
Geschichtsforschung  8,  455—476.  —  Pasi,  Bartholomeo  di.  Tariffa  dei  pesi  e  misure, 
corrispondenti  dal  Levante  al  Ponente  e  da  una  terra  e  luogo  alFaltro  quasi  per  tutte 
le  parti  del  mondo.  Citiert  in  der  Ausgabe  von  1557.  Vinegia  Paolo  Gherardo 
(erster  Druck  1503j.  —  (Passerini)  Gli  Alberti  di  Firenze.    2  Voll.  —  Pavesi, 


XXVin      Verzeichnis  der  mehrmals  citicrteu  Werke  und  Abhandlungen. 

AngelOf  Memorie  per  servire  alla  storia  del  commercio  dello  stato  di  Milano  e  di 
quello  della  cittä  e  provincia  di  Como.  Como  1778.  —  Pegolotti,  Francesco  Bal- 
duccif  La  pratica  della  Mercatura  bildet  den  3.  Bd.  von  (Pagnini)  Della  Decima. 
Lisbona  &  Lucca  1766.  —  P Plissier,  L^on  G.,  Documenta  pour  Phistoire  de  la 
domination  fran^aise  dans  le  Milanais  (1499 — 1513).  Biblioth^que  m^ridionale 
2  s^rie  tome  1.  Toulouse  1891.  —  Periodico  della  societä  sforica  per  la  provincia 
e  antica  diocesi  di  Como.  Vol.  1  seg.  Como  1877  ff.  —  Perret,  Hist.  des  relations 
de  la  France  avec  Venise.  Paris  1896.  2  Bde.  —  Perrens,  F.  T.,  Histoire  de 
Florence  jusqu'  k  la  chute  de  la  r^publique.  Vol.  1—9.  Paris  1877 — 90.  —  Pertilc, 
Antonio,  Storia  del  diritto  italiano  dalla  caduta  dellMmpero  Romano  alla  codificazione 
1 — 5.  2  edizione.  Torino  1896  ff.  —  Peruzzi,  S.  L.,  Storia  del  commercio  e  dei 
banchieri  di  Pirenze  dal  1200  al  1345.  Firenze  1868  und  Appendice  1868.  --  P^tit, 
Emest,  Histoire  des  Ducs  de  Bourgogne.  Tome  4.  Dijon  1894.  —  Pigeonneau,  H., 
Histoire  du  commerce  de  la  France.  2  vol.  Paris  1885  u.  89.  —  Pi renne,  Henri, 
Geschichte  Belgiens  I.  (Gesch.  d.  europäischen  Staaten,  herausg.  v.  Heeren 
u.  s.  w.)  Gotha  1899.  —  Piton,  C,  Les  Lombards  en  France  et  ä  Paris.  2  Hefte 
Paris  1892  u.  1893.  —  Planta,  P.  C,  Die  currätischen  Herrschaften  in  der  Feudal- 
zeit. Bern  1881.  —  Ders.,  Das  alte  Ratien.  Berlin  1872.  —  Plattner,  Placidus, 
Geschichte  des  Bergbaus  der  östlichen  Schweiz.  Chur  1878.  —  Pöhlmann,  Robert, 
Die  Wirtschaftspolitik  der  Florentiner  Renaissance  und  das  Princip  der  Verkehrs- 
freiheit. Preisschriften  der  fürstlich  Jablonowskischen  Gesellschaft  zu  Leipzig, 
Nr.  13  der  historisch-nationalökonomischen  Sektion.  Leipzig  1878.  —  Posse,  Ana- 
lecta  Vaticana  (1254 — 1372).  Oeniponti  1878.  —  Pott  hast,  Regesta  pontificum 
Romanorum  inde  ab  anno  1198  ad  a.  1304.  2  Bde.  1874  f.  —  Pressutti,  Regesta 
Honorii  papae  HL  Vol.  1 — 2.  Romae  1888 — 95.  —  Prou,  Maurice,  Les  registres 
d'Honorius  IV.  Fase.  1  ff.  Paris  1888  ff.  —  Publications  de  la  section  historique 
de  rinstitut  Luxembourgeois.    Luxembourg. 

9 

Quellen  zur  Geschichte  der  Stadt  Worms  s.  Boos.  —  Quellen  z.  Schweiz. 
Geschichte.  Bd.  1  ff.  Basel  1877  ff.  —  Quetsch,  Franz  H.,  Geschichte  des  Ver- 
kehrswesens am  Mittelrhein  von  den  ältesten  Zeiten  bis  zum  Ausgang  des  acht- 
zehnten Jahrhunderts.  Freiburg  i.  B.  1891.  —  Quix,  Christian,  Geschichte  der 
Stadt  Aachen.  2  Bde.  Aachen  1840  u.  1841  mit  Codex  diplomaticus  Aquensis. 
Aachen  1839. 

R. 

Rahn,  Statistik  schweizerischer  Kunstdenkmale,  Kauton  Tessin.  Beigabe 
des  Anzeigers  f.  Schweiz.  Altertumskunde.  —  Ratzinger,  G.,  Forschungen  zur 
bayrischen  Geschichte.  Kempten  1898.  —  Ders.,  Die  Volkswirtschaft  in  ihren  sitt- 
lichen Grundlagen.  2.  Aufl.  Freiburg  1895.  —  Rechenschafts-  (später  Jahres-) 
bericht  des  Ausschusses  des  Vorarlberger  Museumsvereins,  20  ff.  Bregenz  1880  ff.  — 
Redlich,  Oswald,  Vier  Post-Stundenpässe  aus  den  Jahren  1496 — 1500.  In  Mit- 
teilungen des  Instituts  f.  österr.  Geschichtsforschung  12,  494—504.  —  Regesta 
Boica,  Regesta  sive  rerum  Boicarum  autographa.  13  Bde.  Monaci  1822 — 54.  — 
Regesten  zur  Geschichte  der  Bischöfe  von  Konstanz.  Bd.  1  u.  2,  Lieferung  1 — 3, 
bearbeitet  von  Ladewig,  Müller  und  Cartellieri.  Innsbruck  1885—1896.  — - 
Regestum  Clementis  papae  V,  editum  cura  monachorum  ord.  s.  Benedicts  T.  1 — 9 
u.  Append.   Romae   1885  ff.   —    Reichstagsakten,    Deutsche  —  Bd.   1—9,    11. 


Verzeichnis  der  mehrmals  citierten  Werke  und  Abhandlungen.       XXTX 

München  bez.  Gotha  1867  ff.  —  Jüngere  Reihe:  1,  2.  1893,  1896.  —  Reicke, 
Emil,  Geschichte  der  Reichsstadt  Nürnberg.  Nürnberg  1896.  —  Repertorium 
Germanicum,  Regesten  aus  d.  päpstl.  Archiven  z.  Gesch.  d.  deutschen  Reiches. 
Pontificat  Eugens  IV.  Bd.  1.  Berlin  1897.  —  v.  Reumont,  Lorenzo  de'Medici  il 
Magnifico.  2  Bde.  Leipzig  1874.  —  Reufs,  Rodolphe,  L^Alsace  au  dix-septi^me 
si^cle.  Tome  1.  Paris  1897.  (Bibl.  de  T^coie  des  hautes  ^tudes.  Fase.  116.)  — 
Der  Rheinstrom  und  seine  wichtigsten  Nebenflüsse,  herausg.  von  dem  Central- 
bureau  für  Meteorologie  und  Hydrographie  im  Grofsherzogtum  Baden.  Berlin  1889.  — 
Riant,  Paul,  Expeditions  et  pelerinages  des  Scandinaves  en  Terre  Sainte  au  temps 
de  croisades.  Paris  1865.  —  Richental,  Ulrich  von,  Chronik  des  Konstanzer 
Concils,  herausg.  von  M.  R.  Bück.  Bibliothek  des  litter.  Vereins.  Bd.  159. 
Tübingen  1882.  —  Rietschel,  Siegfr.,  Markt  und  Stadt  in  ihrem  rechtlichen  Ver- 
hältnis. Leipzig  1897.  —  Roder,  Christian,  Die  Verkehrswege  zwischen  Villingen 
und  dem  Breisgau,  hauptsächlich  Freiburg,  seit  dem  Mittelalter.  Zeitschrift  für 
d.  Gesch.  d.  Oberrheins.  N.  F.  9,  505—533.  —  Röhricht,  Reinhold,  Deutsche 
Pilgerreisen  nach  dem  heiligen  Lande.  Gotha  1889.  —  Röhricht  und  Meisner, 
Deutsche  Pilgerreisen  nach  dem  heiligen  Lande.  Berlin  1880.  —  Rom  an  in,  Storia 
documentata  di  Venezia.  10  Voll.  Venezia  1853—69.  —  Roscher-Stieda. 
Röscher,  Wilhelm,  System  der  Volkswirtschaft.  Bd.  3.  Nationalökonomik  des 
Handels  und  Gewerbefleifses.  7.  Aufl.,  bearbeitet  von  W.  Stieda.  Stuttgart  1899.  — 
Roth,  Johann  Ferdinand,  Geschichte  des  Nümbergischen  Handels.  1—4.  Nürnberg 
1800—02.  —  Rovelli,  Giuseppe,  Storia  di  Como,  descritta  dal  Marchese  — .  Parte 
II,  III.  Tome  1,  2,  3.  Milano  1794—1802.  —  Rübsam,  Joseph,  Johann  Baptista 
von  Taxis,  ein  Staatsmann  und  Militär  unter  Philipp  II.  und  Philipp  III.  1530  bis 
1610.  Freiburg  1889.  —  Ruppert,  Ph.,  Die  Chroniken  der  Stadt  Konstanz.  Kon- 
stanz 1891.  —  Der 8.,  Der  Konstanzer  Handel  im  Mittelalter,  in  Konstanzer  geschicht- 
liche Beiträge,  Heft  4.    Konstanz  1895. 


Sackur,  E.,  Die  Cluniacenser  in  ihrer  kirchlichen  und  allgemein  geschicht- 
lichen Wirksamkeit.  2  Bde.  Halle  1892  f.  —  v.  Salis,  L.  R.,  Die  Rechtsquellen 
des  Kantons  Graubünden.  Zeitschrift  für  schweizerisches  Recht.  Bd.  27,  28  u. 
33.  —  V.  Salis- See wis,  J.  U.,  Gesammelte  Schriften.  Chur  1858.  —  Salvi, 
MichePAngelo,  Historie  di  Pistoja  e  dei  fazioni  d'Italia.  3  Bde.  Roma  1656  ff.  — 
Sanuto,  Marino,  Diarii.  Vol.  1  ff.  Venezia  1879  ff.  —  Sbaralea,  Bullarium 
Franciscanum.  Tomus  1  ff.  Romae  1759  ff.  —  Scaciga,  Storia  di  Val  d'Ossola. 
Vigevano  1842.  —  Schaube,  Adolf,  Ein  Kursbericht  von  den  Champagner  Messen 
in  Zeitschrift  für  Social-  und  Wirtschaftsgeschichte.  Bd.  5.  Weimar  1897.  —  Ders., 
Proxenie  im  Mittelalter.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  des  Konsularwesens.  Bericht 
des  Gymnasiums  zu  Brieg  1899.  —  Scheffer-Boichorst,  Paul,  Chiavenna  als 
Grafschaft  des  Herzogtums  Schwaben  in  seinem  Buche:  Zur  Geschichte  des  XII. 
und  XIII.  Jahrhunderts.  Diplomatische  Forschungen.  Berlin  1897,  S.  102 — 122.  — 
Schinz,  Hß.  Rudolf,  Beyträge  zur  nähern  Kenntnifs  des  Schweizerbundes.  1.  bis 
4.  Heft.  Zürich  1783.  —  (Schinz)  Versuch  einer  Geschichte  der  Handelschaft  der 
Stadt  und  Landschaft  Zürich.  Zürich  1763.  —  Schmoller,  Gustav,  Die  Strafsburger 
Tucher-  und  Weberzunft.  Urkunden  und  Darstellung,  nebst  Regesten  und  Glossar. 
Strafsburg  1879.  —  Schmidt,  F.  G.  A,,  Handelsgesellschaften  in  den  deutschen 
Stadtsrechtsquellen  des  Mittelalters.  Untersuchungen  zur  deutschen  Staats-  u. 
Rechtsgesch.  Heft  15.     Breslau  1883.  —   Schneider,  Georg,   Die  finanziellen  Be- 


XXX         Verzeichnis  der  mehrmab  citierten  Werke  und  Abhandlungen. 

Ziehungen  der  florentinischen  Bankiers  zur  Kirche,  a.  u.  d.  T. :  Schmoll  er:  Staats- 
und socialwissenschaftliche  Forschungen.  Bd.  17,  Heft  1.  Leipzig  1899.  — 
Schöpflin,  J.  D.,  Alsatia  diplomatica.  2  T.  Manhem.  1772—75.  —  Ders.,  His- 
toria  Zaringo -Badensis.  T.  5.  Carolsnihae  1764.  —  Schönberg,  Gustav,  Finanz- 
verhältnisse der  Stadt  Basel.  Tübingen  1879.  —  Schott,  Albert,  Die  deutschen 
Kolonien  in  Piemont.  Stuttgart  1842.  —  Schreiber,  Urkundenbuch  der  Stadt 
Freiburg  im  Breisgau.  Bd.  1,  2.  Freiburg  1828 f.  —  Schriften  des  Vereins  für 
die  Geschichte  des  Bodensees  und  seiner  Umgebung.  Heft  1  ff.  Lindau  1869  ff.  — 
Schulte,  Aloys,  Geschichte  der  Habsburger  in  den  ersten  drei  Jahrhunderten. 
Innsbruck  1887.  —  Schultz,  Alwin,  Deutsches  Leben  im  XIV.  u.  XV.  Jahrhundert. 
Grofse  Ausgabe.  Wien  1892.  —  Ders.,  Das  höfische  Leben  zur  Zeit  der  Minne- 
singer. 2.  Aufl.  1889.  —  Seh  unk,  Joh.  Peter,  Beyträge  zur  Mainzer  Geschichte 
mit  Urkunden.  1. — 3.  Bd.  Mainz  1788 — 90.  —  Schurtz,  Neu  eingerichtete  Material- 
Kammer.  Nürnberg  1673.  —  Schwalm,  Jakob.,  Die  Landfrieden  in  Deutschland 
unter  Ludwig  dem  Bayern.  Göttingen  1889.  —  Schwarz,  Adolf,  Mailands  Lage 
und  Bedeutung  als  Handelsstadt.  Progr.  d.  höheren  Bürgerschule  der  Stadt  Köln. 
1890  und  1891.  —  Scriptores  remm  Britannicarum.  Bd.  68.  London  1874.  — 
Segesser,  Anton  Philipp  v.,  Rechtsgeschichte  der  Stadt  und  Republik  Luzern. 
Luzem  1850  ff.  —  Sella,  Quintino,  Del  codice  d*Asti  detto  de  Malabayla.  Vol.  1 
des  Codex  Astensis.  Atti  d.  r.  Acc.  dei  Lincei  1875/6.  Serie  II.  Vol.  4.  Roma 
1887.  —  Sercambi,  Le  chroniche  de  Giovanni  —  pubblicati  a  cura  di  Salvatore 
Bongi,  in  Fonti  per  la  storia  dltalia.  Bd.  19—21.  Roma  1892.  —  Serra,  Mar- 
chese  Girolamo,  La  storia  della  antica  Liguria  e  di  Genova.  Tomo  4.  Torino 
1884.  —  Sieveking,  Heinrich,  Genueser  Finanzwesen  mit  besonderer  Berück- 
sichtigung der  Casa  di  S.  Giorgio.  1.  Genueser  Finanzwesen  vom  12.  bis  14.  Jahr- 
hundert. 2.  Die  Casa  di  S.  Giorgio,  in  volkswirtschaftlichen  Abhandlungen  der 
badischen  Hochschulen.  Bd.  1,  Heft  3  u.  Bd.  3,  Heft  3.  Freiburg  1898  u.  99.  — 
Ders.,  Die  Genueser  Seidenindustrie  im  15.  und  16.  Jahrhundert.  Ein  Beitrag  zur 
Geschichte  des  Verlagssystems,  in  Schmoll ers  Jahrbuch  f.  Gesetzgebung,  Ver- 
waltung u,  Volkswirtschaft,  21,  101—133.  —  Silbermann,  Henri,  Die  Seide,  ihre 
Geschichte,  Gewinnung  und  Verarbeitung.  1.  Bd.  Dresden  1897.  —  Simons  fei  d, 
Henry,  Der  Fondaco  dei  Tedeschi  in  Venedig  und  die  deutsch-venetianischen 
Handelsbeziehungen.  2  Bde.  Stuttgart  1887.  —  Ders.,  Ein  venetianischer  Reise- 
bericht über  Süddeutschland,  die  Ostschweiz  und  Oberitalien  aus  dem  Jahre  1492. 
Zeitschriftf.  Kulturgeschichte  Bd.  2,  241-  283.  —  Sommerlad,  Theo,  Die  Rhein-. 
Zölle  im  Mittelalter.  Halle  1894.  —  Spitteler,  Carl,  Der  Gotthard.  Frauenfeld  1897.— 
Stadtbuch,  Augsburger  von  1276,  herausg.  v.  Chr.  Meyer.  Augsburg  1872.  — 
Die  Züricher  Stadtbücher  des  XIV.  und  XV.  Jahrhunderts,  herausg.  v.  H.  Zeller- 
Werdmüller,  1.  Bd.  Leipzig  1899.  —  Statuta  Mediolani,  so  citiert  der  titel- 
lose Inkunabeldruck  des  Liber  statutorum  inclite  civitatis  Mediolani  .  .  .  im- 
pressus  opera  et  impensa  egregii  magistri  Pauli  de  suardis  1480.  Ich  citiere  nach 
der  Blattzählung  des  Exemplars  der  Reichsgerichtsbibliothek  in  Leipzig.  Statuta 
criminalia  1—30,  St.  civilia  31—100,  extraordinaria  102—148,  datiorum  149—174, 
victualiam  175—198,  mercatorum  199—222  und  mercatorum  lane  228—235.  Über 
andere  Exemplare  des  sehr  seltenen  Werkes  vgl.  Gaddi60f.  —  Statuti  della 
societä  dei  mercanti  di  Monza,  per  cura  studio  e  a  spese  di  cittadini  monzesi» 
Monza  1891.  —  Statuta  communitatis  Novariae  anno  1277  lata  collegit  et  notis 
auxit  Antonius  Ceruti.  Novariae  1879.  —  Statuti  dei  comune  di  Padova  ed. 
Gloria.  Padova  1873.  —  Statuta.mercatorumJPlacentinorum,  in  Monumenta 
historica  ad  provincias  Parmensem  et  Placeutinem  pertinentia.    Tomus  1.    Parma 


Verzeichnis  der  mehrmals  citierten  Werke  und  Abhandlungen.       ICXXT 

1856.  —  Stein  hausen,  G.,  Der  Kaufmann  in  der  deutschen  Vergangenheit.  Leip- 
zig 1899.  —  Ders.,  Deutsche  Privatbriefe  des  Mittelalters  1.  Berlin  1898.  — 
Stieda,  Wilh.,  Hansisch -veneian tische  Handelsbeziehungen  im  15.  Jahrhundert 
Festschrift  der  Landesuniversität  Ro'ttock.  Rostock  1894.  —  Ders.,  Revaler  Zoll- 
bücher und  -quittungen  des  14.  Jahrhunderts.  Hansische  Geschichtsquellen, 
herausg.  vom  Verein  für  hansische  Geschichte.  Bd.  5.  Halle  1887.  —  Stobbe, 
Otto,  Die  Juden  in  Deutschland  während  des  Mittelalters.  Braunschweig  1866.  — 
Ders.,  Miszellen  zur  Geschichte  des  deutschen  Handelsrechts,  in  Zeitschrift  f. 
d.  ges.  Handelsrecht  8.  1865.  —  Stumpf,  K.  Fr.,  Die  Raiserurkunden  des  10.,  11. 
und  12.  Jahrhunderts  chronologisch  verzeichnet.  (Die  Reichskanzler  Bd.  3.)  Inns- 
bruck 1865—83. 


Tafur,  Andan^as  6  viajes  inColeccion  de  libros  espaüoles  raros  o  curiosos. 
T.  8.  Madrid  1874.  —  Theiner,  A.,  Codex  diplomaticus  domiuii  temporalis  sedis 
sanctae.  Bd.  1.  Romae  1861.  —  Thomas,  G.  M.,  s.  Capitolare  d ei  Visdomini. — 
Thomm  en,  Rudolf,  Basel  und  das  Basler  Konzil,  im  Basler  Jahrbuch  1895  S.  188— 225. 
—  Ders.,  Urkunden  zur  Schweizer  Geschichte  aus  österreichischen  Archiven.  Bd.  1. 
Basel  1899.  —  Tiraboschi,  Hieronymus,  Vetera  Humiliatorum  monumenta.  Medio- 
lani  1766 — 68.  2  Voll.  —  Toniolo,  Giuseppe,  Dei  remoti  fattori  della  potenza 
economica  di  Firenze  nel  Medio  Evo.  Milano  1882.  —  Trog,  Hans,  Rudolf  I.  und 
Rudolf  II-  von  Hochburgund.  Basel  1887.  —  Tschudi,  Ägidius,  Chronicon  Helve- 
ticum  1,  2.  Basel  1734/86.  —  Anton  Tuch  ers  Haushaltbuch  (1507  bis  1517),  herausg. 
von  Wilhelm  Loose.Bibliothck  des  litterar.  Vereins  Stuttgart  Bd.  134.  Tübingen  1877. 


V. 

Ullmann,  H.,  Kaiser  Maximilian  I.  2  Bde.  1884,  91.  —  Urbar,  Das  Habs- 
burgische, herausg.  von  Rudolf  Maag,  Quellen  zur  Schweizer  Geschichte.  Bd.  14 
u.  15,  1.  Basel  1894  u.  99.  —  Urkunden«  Rätische,  aus  dem  Gentralarchiv  des 
fürstlichen  Hauses  Thnrn  und  Taxis  in  Regensburg.  Quellen  z.  schweizer.  Ge- 
schichte. Bd.  10.  Basel  1891.  —  Urkunden  buch  der  Stadt  Augsburg  von 
Chr.  Meyer.  2  Bde.  Augsburg  1874,  8.  —  Urkundenbuch  der  Landschaft 
Basel  s.  Boos.  —  Urkundenbuch  der  Stadt  Basel,  herausg.  v.  Wacker- 
nagel, Thommen,  Haller,  1.— 5.  u.  7.  Bd,  Basel  1890  ff.  —  Urkundenbuch 
der  Stadt  Efslingen,  bearb.  v.  Diehl  u.  Pfaff.  1  Bd.  Württemberg.  Ge- 
Bchichtsquellen  Bd.  4.  Stuttgart  1899.  —  Urkundenbuch,  Fürsten- 
bergisches.  7  Bde.  Tübingen  1877—91.  —  Urkundenbuch,  Hansisches, 
bearb.  v.  Höhlbaum,  Kunze  u.  Stein.  Bd.  1—5,  8.  1876—99.  —  Urkunden- 
buch, Rapoltsteinisches,  bearb.  v.  K.  Albrecht.  Bd.  1—5.  Kolmar  1890  bis 
1898.  —  Urkundenbuch,  St.  Galler,  s.  Wartmann.  —  Urkundenbuch  der 
Stadt  Strafsburg.  7  Bde,  bearb.  v.  Wiegand,  Schulte,  Wolfram,  Fritz 
und  Witte.  Strafsburg  1879—1900.  —  Urkundenbuch,  Ulmisches,  1  Bd., 
herausg.  v.  F.  Pres  sei.  Stuttgart  1873.  2.  Bd.,  herausg.  v.  Veesenmayer  und 
Bazing.  Ulm  1898.  —  Urkundenbuch  der  Stadt  Worms,  s.  Boos.  —  Ur- 
kundenbuch, Württembergisches,  Bd.  1—7.  Stuttgart  1849—1900.  —  Ur- 
kundenbuch der  Stadt  und  Landschaft  Zürich,  von  J.  Escher  u.  P.  Schwei- 
zer. Bd.  1 — 4.  Zürich  1888 — 1898.  —  Uzzano,  Giovanni  da,  La  pratica  della 
Mercatura  bildet  den  4.  Bd.  von  (Paguini).   Della  Decima.   Lisbona  &  Lucca  1766. 


XXXTT      Verzeichnis  der  mehrmals,  citierten  Werke  und  Abhandlungen. 


del  Vecchio,  A.  ed  E.  Casanova,  Le  rappresaglie  nei  comuni  medievali  e 
specialmente  in  Firenze.  Firenze-Bologna  1894.  —  Vignati,  Cesare,  Codice  diplo- 
matico Laudense  inBibliotheca  historica  Italica.  Tomus  2,  3,  4.  Milano  1873 — 85.  — 
Villani,  Chronik  des  Giovanni,  citiert  nach  Büchern  und  Kapiteln.  Ausgabe  Triest 
1857.  —  Villari,  Pasquale,  I  primi  due  secoli  della  storia  di  Firenze.  2  Bde. 
Firenze  1893  f.  —  Vitoduranus,  Joh.,  Chronicon  ed.  G.  von  Wyss.  Archiv 
f.  Schweiz.  Gesch.  11.  Zürich  1856.  —  Voigt,  Enea  Silvio  de'  Piccolomini.  3  Bde. 
BerUn  1856—63. 

W. 

de  Waal,  Anton,  Der  Campo  Santo  der  Deutschen  zu  Rom.  Freiburg  1896.  — 
Wackernagel,  s.  Urkundenbuch  Basel.  —  Wagner,  R.,  die  Rechtsquellen  des 
Kantons  Graubünden.  Zeitschrift  für  schweizerisches  Recht  Bd.  25,  27  u.  30. — 
Waitz,  G.,  Deutsche  Verfassungsgeschichte.  Bd.  4,  2.  Aufl.  —  Fratris  Pauli 
Waltheri  Guglingensis  Itinerarium  in  terram  sanctam  et  ad  sanctam  Catha- 
rinam,  herausg.  v.  M.  Sollweck.  Bibliothek  des  litterarischen  Vereins  in  Stutt- 
gart Bd.  192.  Tübingen  1892.  —  Warnkönig,  Flandrische  Staats-  und  Rechts- 
geschichte  3  Bde«  Tübingen  1835 — 39.  —  Wart  mann,  Hermann,  Urkundenbuch 
d.  Abtei  St.  Gallen.  Teil  1—4.  Zürich  bez.  St.  Gallen  1863—99.  —  Wattenbach, 
Deutschlands  Geschichtsquellen  im  Mittelalter  bis  zur  Mitte  des  13.  Jahrhunderts. 
6.  Aufl.  2  Bde.  Berlin  1893,  94.  —  Watterich,  J.  M.,  Pontificum  Romanorum  .  . 
vitae.  2  T.  Lips.  1862.  —  Weber,  Max,  Zur  Geschichte  der  Handelsgesellschaften 
im  Mittelalter,  nach  südeuropäischen  Quellen.  1889.  —  Weinhold,  Karl,  Die 
deutschen  Frauen  in  dem  Mittelalter.  3.  Aufl.,  2  Bde.  Wien  1897.  —  Welti, 
Friedrich  Emil,  Die  Tellbücher  der  Stadt  Bern  aus  dem  Jahre  1389,  im  Archiv 
des  bist.  Vereins  des  Kantons  Bern.  Bd.  14.  Bern  1896,  505—704.  —  Wer  lauf, 
Ericus  Gh.,  Symbolae  ad  geographiam  medii  aevi  ex  monumentis  Islandicis.  Hav- 
niae  1821.  —  Wetzel,  Erich,  Das  Zollrecht  der  deutschen  Könige  bif*  zur  goldenen 
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Breslau).  —  Will,  Regesten  zur  Geschichte  der  Mainzer  Erzbischöfe.  Bd.  1  u.  2. 
Innsbruck  1877 — 1886.  —  Winkelmann,  Eduard,  Acta  imperii  inedita  1.  2.  Inns- 
bruck 1880,  1885.  —  Wurstemberger,  L.,  Peter  IL,  Graf  von  Savoyen.  4  Teile. 
1856 — 58.  —  Wyneken,  Wilhelm,  Der  Landfrieden  in  Deutschland  von  Rudolf 
von  Habsburg  bis  Heinrich  VIL  (Grötting.  Dissertation).    Naumburg.  1886. 


Zdekauer,  Lodovico,  U  constituto  del  comune  di  Siena  deir  anno  1262. 
Milano  1897.  —  Ders.,  Documenti  Senesi  riguardanti  le  iiere  di  Champagne  (1294). 
Estratto  dagli  Studi  Senesi  12,  4—5.  Torino  1896.  —  Ders.,  Statutum  potestatis 
Comunis  PistoriL  Volum.  1.  Milano  1888.  —  Zeitschrift  für  die  Geschichte  des 
Oberrheins.  Bd.  1—39.  Neue  Folge  1—14.  Karlsruhe  1850  ff.  —  Zeitschrift 
für  das  gesamte  Handelsrecht.  Erlangen  1859.  —  Zeitschrift  für  schweize- 
risches Recht.  Bd.  1  ff.  1852  ff.  —  Zeitschrift  des  historischen  Vereins  für 
Schwaben  und  Neuburg.  Augsburg.  —  Zösmair,  J. ,  Geschichte  des  Arlbergs 
von  1218 — 1418,  im  28.  Jahresbericht  des  Vorarlberger  Museums- Vereins  über 
das  Jahr  1889.    Bregenz.   S.  23—41. 


Erstes  Buch. 

EINLEITUNG. 


Erster  Teil. 

GEOGKAPfflSCHE  VORBEDINGUNGEN. 

Erstes  Kapitel. 

Oeograpbiscbe  Bedingungen  des  Verkehrs  in  der  Zeit  vor  Entdeckung 

des  Oottbardweges. 

Die  pafslose  Nordkette  war  an  beiden  Seiten  zu  umgehen.  Dadurch  entstehen  zwei 
Pafssysteme  mit  ihren  Städten.  Vergleich  der  Systeme  der  Ehöne-  Mid  Bheinpässe. 
Beschreibung  der  eineeinen:  Chrofser  St,  Bernhard,  TheodulpafSy  Monte  Moro,  Antrona- 
pafSf  Simplon,  Ebenso  die  des  Bhfinsyste^ns :  Lukmanier  ^  Greinapa fs,  Bertihardin 
und  Splügen,  Septimer  und  Julier.  Strafseiiknoten  im  Südeti:  Äosta-Irrea,  Vergogna, 
Bellinzona.  Weg  zum  Logo  Maggiore,  der  See  selbst,  Arona,  Monte  Cenere.  Chiavenna, 
VeUlin.    Comersee.    Die  Pässe  konvergieren  nach  dem  Mittelpunkt  der  Po-Ebene. 

Wohl  niemals  wieder  im  Laufe  der  Weltgeschichte  waren  zwei 
Länder,  die  nach  Bevölkerung,  Weltlage,  Klima  und  Interessen  so  tief 
verschieden  waren,  doch  in  ihren  Geschicken  so  eng  verbunden,  als  das 
bei  Deutschland  und  Italien  der  Fall  ist.  Sie  trennt  das  gröfste  Gebirge 
Europas,  eine  Mauer,  welche  jedem,  der  vom  lombardisch  -  adriatischen 
Senkungsfelde  aus  den  Blick  nach  Norden  wendet,  den  natürlichen  Ab- 
schnitt und  die  natüi*liche  Grenze  italienischen  Lebens  und  italienischer 
Interessen  ankündigt. 

Es  ist  nicht  der  Zweck  dieser  Arbeit  zu  zeigen,  wie  im  Verlaufe 
des  ganzen  Alpenzuges  die  Verbindung  zwischen  Deutschland  und  Italien 
im  Laufe  des  Mittelalters  sich  gestaltete ;  eine  solche  Aufgabe  kann  heute 
noch  nicht  gelöst  werden.  Mein  Werk  beschränkt  sich  auf  den  Teil  des 
Gebirges,  der  die  nächste  Verbindung  zwischen  Italien  und  dem  west- 
lichen Deutschland  ermöglicht.  Es  scheidet  also,  wenn  man  die  Alpen 
in  drei  Teile  zerlegt,  die  West-  und  die  Ostalpen  aus,   also  gerade  jene 

Sehvlt«,  Oeioh.  d.  mitt«l«lt«rl.  Handels.    I.  1 


2  £rstes  Kapitel.  - 

Züge,  die  zuerst  von  Händlern,  von  wandernden  Völkern  und  den  Heeren 
überschritten  wurden,  deren  Geschichte  am  weitesten  zurückgeht.  Über 
die  Westalpen  gelangt  man  in  das  Flulssystem  des  unteren  Rhone  und 
damit  in  ein  Gebiet,  das  im  Mittelalter  politisch  mit  Deutschland  eng 
verbunden  war,  ohne  aber  seiner  Gesittung  wie  seiner  Sprache  nach  zu 
ihm  zu  gehören.  Die  Ostalpen  treten  in  der  deutschen  Geschichte  noch 
weit  mehr  hervor,  über  sie  sind  die  meisten  der  Römerzüge  unserer 
Könige  gegangen  und,  wenn  wir  die  Summe  der  Waren  nehmen,  welche 
im  Mittelalter  von  Italien  nach  Deutschland  gingen,  so  hat  der  gröfsere 
Teil  derselben  wohl  seinen  Weg  über  die  Ostalpen  genommen.  Doch 
führen  diese  Strafsen  zunächst  nach  Venedig,  dessen  Handel  mit  Deutsch- 
land am  besten  erforscht  ist,  und  im  Norden  führen  sie  in  das  Land 
der  Donau.  Eine  Betrachtung  des  Handels  und  Verkehrs  dieser  Gegenden 
liegt  ebenfalls  völlig  aufser  dem  Rahmen  dieser  Untersuchungen. 

So  schränkt  sich  die  Aufgabe  auf  den  Handel  und  Verkehr  ein,  der 
die  Alpen  auf  der  Strecke  vom  Grofsen  St.  Bernhard  bis  zum  Julier 
überschritt,  der  im  Norden  also  auf  den  Bodensee  und  die  schweizerische 
Hochebene,  im  Süden  aber  auf  die  piemontesische  und  lombardische 
Ebene  mündete. 

Welche  Wege  hatte  die  Natur  diesem  Verkehre  gewiesen  ?  Und  wie 
weit  waren  dieselben  erkannt? 

Für  die  Verkehrsgeschichte  des  Mittelalters  bis  zu  den  Erfolgen  der 
Seefahrer  hin  ist  keine  Entdeckung  so  bedeutsam  geworden,  als  die  des 
St.  Gotthardes.  Die  Anlegung  der  stiebenden  Brücke  ist  eine  technische 
Leistung,  die  uns  ebenso  winzig  scheinen  will,  wie  dem  Jahrhundert  des 
Tunnelbaus  das  einst  so  viel  gepriesene  „Umer  Loch**,  das  jenes  Wunder- 
werk des  Mittelalters  im  Anfang  des  achtzehnten  Jahrhunderts  ersetzte, 
auch  keinen  Eindruck  mehr  macht;  aber  dieser  schwankende  Steg  führte 
in  der  Geschichte  des  Alpenverkehrs  eine  neue  Epoche  herbei.  Erst  jetzt 
war  der  Pafs  entdeckt,  der  die  direkte  Verbindung  der  oberrheinischen 
Tiefebene  mit  dem  Mittelpunkte  der  Poebene  herstellte.  Vorher  muCste 
der  Verkehr  ganz  andere  Wege  wählen.  Für  die  Zeiten  vor  der  Ent- 
deckung des  Gotthardes  war  die  pafsreiche  südlichere  Kette  des  mittleren 
Alpenteiles  nach  Norden  hin  durch  die  pafslose  nördlichere  eingedeckt. 
Die  kleineren  Pässe  —  Grimsel,  Gemmi,  Sanetsch  —  liefsen  wohl  in  den 
Sommermonaten  einen  lokalen  Verkehr  zu,  nicht  aber  einen  regelmäfsigen, 
sie  konnten  von  dem  Wanderer,  der  aus  weiter  Ferne  herkam,  gar  nicht 
in  Betracht  gezogen  werden ;  auch  lagen  sie  weit  von  irgend  dichter  be- 
siedelten Gebirgen  ab.  So  war  diese  nördliche  Kette  der  Centralmassive 
von  den  Diablerets  angefangen  bis  an  den  Kalanda,  von  dem  Ostfufse 
des  Genfersees  bis  zu  der  Stelle,  wo  der  Rhein  das  Längsthal  am  Süd- 
fufse  dieser  nördlichen  Kette  verläfst,  um  am  äufsersten  Ende  derselben 


Geogr.  Vorbedingungen  vor  Entdeckung  des  Ootthardweges.  3 

vor  den  Zügen  der  Ostalpen  nach  Norden  umzubiegen,  eine  unübersteig- 
liche  Mauer,  die  der  Wanderer  umgehen  mufste«  Er  konnte  zum  Genfer- 
see  gelangen  oder  an  diese  östliche  Stelle,  in  der  die  neuere  geologische 
Forschung  die  Grenze  der  West-  und  Ostalpen  verlaufen  läfst  In  diesen 
Jahrhunderten  sahen  die  nordwärts  streichenden  Thäler  von  Glarus,  der 
Urkantone  und  des  Berner  Oberlandes  wohl  niemals  einen  Wandersmann, 
sie  waren  weltentlegen  und  unbekannt.  Die  beiden  Pforten  zu  den 
schweizerischen  Pässen  waren  also  weit  voneinander  getrennt.  Von 
Villeneuve  am  Genfersee  bis  zur  Mündung  der  Landquart  in  den  Rhein 
beträgt  die  Entfernung  in  der  Luftlinie  211  km,  so  viel  wie  von  Nürn- 
berg nach  Landau. 

Jede  dieser  Pforten  erschliefst  ein  ganzes  System,  und  diese  haben 
unter  sich  eine  frappante  Ähnlichkeit  Beide  fUhren  in  eins  der  beiden 
grofsen  Längsthäler,  welche  diesen  nördlichen  Zug  begleiten :  das  Rhöne- 
thal  ist  ja  die  durch  das  Urserenthal  hergestellte  Fortsetzung  des  Vorder- 
rheinthales.  Bei  beiden  liegt  die  beherrschende  Stadt  an  der  Stelle,  wo 
die  Wege  über  den  südlichen  Zug  sich  ausbreiten.  Besonders  charakte- 
ristisch ist  die  Lage  Churs,  des  alten  römischen  Curia  und  des  Bischof- 
sitzes fUr  das  obere  Rheingebiet.  Wer  vom  Lukmanier  an  bis  zum  Julier 
die  Alpen  überschreitet,  kann  Chur  nicht  umgehen.  Das  Gleiche  trifft 
bei  dem  Verkehre  über  den  Grofsen  St.  Bernhard  bis  zum  Simplon  für 
Martigny  zu,  jedoch  hat  neben  dem  alten  Octodurus  das  etwas  weiter 
Rhdne  abwärts,  jenseits  des  eigentlichen  Durchbruches  dieses  Flusses 
durch  den  nördlichen  Alpenzug  gelegene,  altehrwürdige  St.  Maurice,  das 
Agaunum  der  Römer,  der  Sitz  der  Könige  von  Hochburgund,  dieselben 
Vorteile  der  Lage.  Martigny  ist  mehr  der  Fufspunkt  einer  Pafs- 
wanderung,  St.  Maurice  die  Herrin  des  Gebietes.  Die  wichtigste  Stadt 
des  grofsen  Rhönethales,  das  alte  Sedunum  der  Römer,  Sitten,  thront  in- 
mitten des  Langthaies.  Hier  verteilt  sich  also  auf  drei  Orte,  was  Chur 
in  sich  vereint. 

Das  System  der  Rhdnepässe,  wie  man  sie  nennen  sollte,  ist  weit  ein- 
facher als  das  der  Rheinpässe.  Jene  gehören  ganz  und  gar  den  West- 
alpen an  und  hängen  von  dem  viel  einfacheren  Baue  derselben  ab.  Die 
äufsere  nördliche  Kette  der  Centralmassive  wird  von  dem  Rhone  ober- 
halb des  Genfersees  durchbrochen,  die  Diablerets  und  der  Dent  du  Midi 
sind  die  Pfeiler,  welche  stehen  geblieben  sind.  Die  südliche  innere 
Kette  ist  viel  besser  erhalten,  sie  erreicht  im  Monte  Rosa  ihre 
höchste  Erhebung.  Nach  Westen  hin  schlägt  der  Pafs  des  Grofsen 
St.  Bernhard  eine  Brücke,  wie  im  Gotthardgebiet  die  beiden  Züge  sich 
so  nahe  rücken,  dafs  der  für  die  Pafsbildung  so  wichtige  zwischen 
beiden  Centralmassiven  eingelagerte  Bündener  Schiefer,  der  im  Rhöne- 
thale    meist    die   Thalsohle    und    die    Südhänge   bildet,    hier    auf    den 


4  (Erstes  Kapitel. 

schmalen  Streifen  des  Urserenthaies  eingeschränkt  ist.  Die  Pässe  des 
Rhonesystems  haben  nur  diese  südliche  Kette  zu  übersteigen.  Die  Rhein- 
pässe dagegen  gehören  bereits  zu  einem  grofsen  Teile  den  Ostalpen  an, 
deren  Bau  ungleich  verwickelter  ist.  Der  Weg  über  den  Julier  geht 
sogar  über  zwei  Pafshöhen  und  zwischen  beiden  durch  das  Stromgebiet 
der  Donau.  Der  westlichste  unter  den  Rheinpässen:  der  Lukmanier 
fuhrt  noch  durch  die  letzten  Ausläufer  der  Westalpen.  Dieser  Pafs  liegt 
in  der  langen  Zone  des  Bündener  Schiefers,  dessen  steile  Schichten- 
stellung der  Pafsbildung  so  günstig  ist,  wie  am  Nordhang  des  Grofsen 
St.  Bernhard,  des  Simplen,  am  Nufenen-  wie  an  den  beiden  Hinterrhein- 
pässen zu  sehen  ist  In  dem  Zuge  einer  Linie,  welche  vom  Vorderrhein- 
thal über  den  Greinapafs,  Val  Blegno,  Tessinthal  und  Lage  Maggiore 
streift,  verläuft  die  Grenzlinie,  welche  die  West-  von  den  Ostalpen  vom 
Standpunkte  der  Erdgeschichte  aus  trennt  ^ 

Betrachten  wir  zunächst  die  einzelnen  Pässe  des  Rhein-  und  Rhone- 
systems mit  Ausschlufs  derjenigen,  die  über  das  centrale  Gebiet  des 
St.  Gotthardes  führen.  Wir  lernen  damit  die  Vorbedingungen  des  Ver- 
kehrs in  der  Zeit  kennen,  in  denen  dieses  centrale  System  eine  terra 
mcognita  war.  Eine  spätere  Betrachtung  seiner  Verhältnisse  wird  uns 
den  Umschwung  vor  Augen  fuhren,  den  die  Entdeckung  des  St.  Gotthard- 
passes  herbeiführen  mufste. 

1.  Der  Zugang  zum  Grofsen  St.  Bernhard,  dem  höchsten  aller 
regelmäfsigem  Verkehre  dienenden  Alpenpässe  (2491  m)^  wird  wenigstens 
auf  der  Nordseite  dadurch  erleichtert,  dafs  die  NiveaudifFerenz  sich  ziem- 
lich gleichmäfsig  auf  den  Anstieg,  der  von  Martigny  elf  Stunden  er- 
fordert, verteilt.  Der  Weg  führt  in  einem  schmalen  Thal  (Val  Entremont) 
empor,  das  in  ziemlich  festes  Gestein  eingeschnitten  ist.  So  wurde  es 
möglich,  schon  früh  einen  Fahrweg  bis  nach  Bourg  St.  Pierre  (1633  m) 
emporzufuhren.  Der  alte  Weg,  der  von  dem  neuen  namentlich  in  den 
unteren  Lagen  vielfach  abweicht,  war  steil  an  den  Hängen  emporgeführt, 
meist  hoch  über  der  Drance ;  mehrere  sehr  gefährliche  Stellen  sind  heute 
durch  Sprengungen  u.  s.  w.  gebessert.  Der  Abstieg  führt  sehr  steil  in 
das  enge,  fast  schluchtähnliche  Thal  von  St.  R^my,  wo  der  Fahrweg 
wieder  beginnt.  Erst  bei  Gignod  (994  m)  erweitert  sich  das  Thal  und 
verliert  seinen  Hochgebirgscharakter  und  zwischen  Weinbergen,  Maulbeer- 
und  Mandelbäumen  gelangt  der  Wanderer  nach  Aosta.  Auch  hier  hindern 
eingeschaltete  festere  Gesteinsschichten  allzu  starke  Lockerung  des  Gestein- 
gefUges,  welche  in  älteren  Zeiten  der  Wegführung  ernste  Hindernisse  hätte 
bereiten  können. 


*  So  Diener,  Der  Gebirgsbau  der  Westalpen.    Wien  1891. 
"  Der  Verkehr  auf  dem  Stiifser  Joche  (2757  m)  wird  im  Winter  wenigstens  zeit- 
weise völlig  unterbrochen. 


Greogr.  Vorbedingungen  vor  Entdeckung  des  Gotthardweges.  5 

Der  Pafs  besitzt  unter  allen  Alpenpässen  die  meisten  Denkmale  seiner 
Geschichte,  vor  allem  auch  eine  Reihe  von  Befestigungen,  ja  oberhalb 
St.  Römy  war  das  Thal  durch  eine  Mauer  abgeschlossen.  Der  recht 
beschwerliche  Pafs  trägt  auf  seinem  Kamme  das  bekannte  Hospiz,  lange 
Jahrhunderte  hindurch  das  höchste,  ständig  bewohnte  Gebäude  Europas. 
Die  dort  gemachten  Beobachtungen  ergaben,  dafs  das  Klima  so  rauh  ist 
wie  in  einer  Binnenstation  des  nördlichsten  Schweden.  Aus  dem  Ver- 
gleiche der  Ziffern  (Gr.  St.  Bernhard  mittlere  Jahrestemperatur  — 1,3  ®, 
Januar  — 8,3,  Juli  7,3,  Unterschied  der  Extreme  15,6®)  und  Jockmock 
(19 «  51'  ö.  L.  V.  Gr.  66  *>  36'  Br.  und  265  m  ti.  d.  M,:  Jährest.  —1,3, 
Januar  — 14,4,  Juli  +14,2,  Unterschied  28,6®)  ergiebt  sich,  dafs  der 
Sommer  auf  dem  St.  Gotthard  erheblich  unwirtlicher  und  der  Winter 
erheblich  milder  ist  als  in  der  nordschwedischen  Ortschaft.  Alpen-  und 
Polarklima  läfst  sich  nicht  so  glatt  miteinander  vergleichen. 

2.  Der  Theodulpafs  (oder  Matterjoch,  3322  m)  liegt  weit  höher 
als  der  Grofse  St.  Bernhard,  ist  für  den  Winter  völlig  unbenutzbar  und 
kann  auch  nicht  von  Saumtieren  begangen  werden,  da  er  auf  der  Nord- 
seite, auf  dem  Scheitel  und  auf  der  Südseite  über  Gletscher  flihrt  Er 
verbindet  das  Zermatterthal  mit  dem  Val  Tomanche,  also  weiterhin  das 
Wallis  mit  dem  Thal  der  Dora  Baltea.  Reste  von  Befestigungen  am 
Fufse  des  nach  Italien  hin  hängenden  Gletschers  beweisen,  dafs  der  Pafs 
doch  nicht  völlig  bedeutungslos  war. 

8.  Wie  der  Theodulpafs  westlich  vom  Monte  Rosa,  führt  der  Pafs 
vom  Monte  Moro  (2862  m)  östlich  von  ihm  über  den  Zug,  der  Wallis 
und  Italien,  hier  das  Saasthal  von  Val  Anzasca  trennt.  Der  W^eg  führt 
nicht  über  Gletscher,  wohl  über  Schneefelder,  die  namentlich  an  der 
Südseite  sehr  steil  sind,  und  an  furchtbaren  Abgründen  abwärts  nach 
Macugnaga.    Reste  eines  gepflasterten  Pfades  haben  sich  erhaltend 

4.  Aus  dem  Saasthale  zweigt  sich  bei  Almagel  der  Weg  zum  An  trona- 
passe  ab,  der  über  dem  Rande  eines  Gletschers  über  die  Pafshöhe  (2841  m) 
in  das  Antronathal  führt,  das  sich,  wie  Valle  Anzasca,  in  das  Tosathal 
Offnet.  Auch  auf  diesem  Wege  sind  Reste  eines  mit  Platten  belegten 
Saumpfades  erhalten'.  An  Höhe  übertreffen  diese  Pässe  alle  ihre  Nach- 
barn, von  selbst  ergiebt  sich  daraus,  dafs  auf  sie  ein  regelmäfsiger  Ver- 
kehr nicht  begründet  werden  konnte.     Es  waren  lediglich  Sommerpässe. 

5.  Der  Simplonpafs  ist  zwar  sehr  niedrig  (2009  m,  Brig  am 
Nordfufse  708  m.  Domo  d'Ossola  277  m),  bietet  aber  namentlich  an  seinem 
Südfufse  die  gröfsten  Schwierigkeiten,  so  dafs  er  die  Wanderer  nicht 
besonders  anlocken  konnte.    Durch  den  grofsartigen  Bau,   den  Napoleon 


'  Vgl.  Albert  Schott,  Die  deutschen  Kolonien  in  Piemont  62  ff. 
^  Vgl.  Favre,  Etüde  snr  Thist«  des  passages  italo-suisses  S.  182  f. 


g  Erstes  Kapitel. 

von  1800  bis  1805  aufftihren  liefs,  sind  diese  Schwierigkeiten  besiegt. 
Doch  waren  dazu  auf  der  vierzehnstündigen  Strecke  von  Brig  bis  Domo 
d'Ossola  613  gröfsere  und  kleinere  Brilcken,  acht  Galerien  bez«  Tunnels 
und  zwanzig  Schutzhäuser  erforderlich.  Auf  der  Nordseite  weicht  der 
Zug  der  modernen  Strafse  von  dem  alten  Saumpfade  dadurch  erheblich 
ab,  dafs  sie,  um  jedes  GegengefkUe  und  den  Anstieg  sanft  zu  gestalten, 
das  Ganterthal  umzieht.  Der  Saumpfad  mufste  aber  gleichfalls  die  wilde 
Saltinenschlucht  an  ihrem  oberen  Hange  umgehen,  senkte  sich  dann 
jedoch  in  den  Grund  der  Saltine  herab,  dabei  den  Ganterbach  vor 
seiner  Mündung  überschreitend  \  In  einer  Höhe  von  etwas  unter 
1000  m  liegt  diese  Brücke.  Der  Weg  mufs  nun  enorm  steil  die  Pafs- 
höhe  erklettern,  er  führt  völlig  gerade  aus  am  Hange  des  Saltinen- 
einschnittes  empor,  die  er  bei  1731  m  überschreitet.  Kurz  vorher 
liegen  „Tavernen",  Erinnerungen  an  die  Zeiten,  wo  sich  hier  der 
Wanderer  zum  letzten  Anstieg  stärkte.  Der  Weg  entzieht  sich  dem 
gefährlichen  Bereiche  unterhalb  des  Kaltwassergletschers  und  steigt  in 
vielen  kurzen  Wendungen  zur  Pafshöhe  empor.  Der  Pfad  dürfte  Lauinen- 
gefahren  ziemlich  entzogen  gewesen  sein.  Jenseits  der  Pafshöhe  empfUngt 
uns  heute  das  Hospiz,  das  alte  Hospiz  liegt  etwas  weiter  und  rechts  seit- 
wärts der  modernen  Strafse. 

Die  Hauptschwierigkeit  beim  Abstieg  bietet  aber  die  Schlucht  von 
Gondo,  eine  ^der  wildesten  Felsenspalten,  welche  das  Alpengebiet  auf- 
zuweisen hat,  sie  ist  eingerissen  in  Gneis  und  Granit.  Die  fast  senk- 
rechten, ja  mitunter  überhängenden  Felsen  erreichen  eine  Höhe  bis  zu 
2000  Fufs,  sie  gefährden  im  Sommer  den  Wanderer  namentlich  bei 
Regenwetter  durch  Steinschlag,  in  der  ungünstigen  Jahreszeit  durch 
Lauinen.  Es  ist  ganz  begreiflich,  dafs  ein  solcher  Engpafs  bewirkte, 
dafs  der  Grenzzug  für  Sprache  und  Staat  von  der  Pafshöhe  an  diese 
Stelle  herabgezogen  wurde.  So  reicht  hier  die  deutsche  Sprache  bis 
über  den  Kanmi  der  Alpen  hinüber.  Der  Weg  von  der  Pafshöhe  bis 
zum  Eintritt  in  die  Schlucht  von  Gondo  bietet  keine  erheblichen  Schwierig- 
keiten, er  ist  jedoch  an  manchen  Stellen  Lauinen  ausgesetzt.  In  der 
Schlucht  der  Doveria  sind  die  Reste  des  alten  Weges  noch  mehrfach  zu 
erkennen,  und  wer  sie  gesehen  hat,  gedenkt  mit  Schrecken  der  Zeiten, 
wo  der  Kaufmann  auf  diesem  Steige  dieses  wilde  und  doch  so  wunderbar 
schöne  Felsenthal  zu  passieren  gezwungen  war,  in  dem  die  Natur  fast 
nirgends  mehr  Raum  gelassen  hat,  als  der  wild  tosende  Bach  ihr  ab- 
gerungen. Der  Weg  hatte  den  rechten  Thalhang  wählen  müssen,  da 
eine  Überbrückung  der  Katarakte  des  von  der  linken  Seite  einmündenden 
Alpienbaches  der  damaligen  Zeit  unmöglich  war.    Die  Schlucht  erweitert 


1  Vgl.  die  Siegfriedkarte  Blatt  497  u.  601. 


Geogr.  Vorbedingungen  vor  Entdeckung  des  Gk>tthardwege8.  ^ 

sich  unterhalb  Gondo,  ein  offenes  Thal  —  das  Thal  von  Ossola  oder  Eschen- 
thal —  wird  jedoch  erst  bei  Crevola  erreicht. 

Die  Pässe  über  den  Centralstock  der  Alpen  sind  erst  später  zu  be- 
handeln. 

6.  Der  westlichste  der  Rheinpässe,  der  'Lukmanier  (Pafshöhe 
1917  m);  hat  eine  auffallende  Verwandtschaft  mit  dem  Simplon.  Gleich 
ihm  geht  er  von  der  hohen  Stufe  eines  langen  Seitenthals  aus,  er  ist 
noch  niedriger,  und  auch  bei  ihm  liegen  die  Schwierigkeiten  nicht  in  der 
Höhe,  sondern  am  Eingange.  Der  ganze  Anstieg  von  Norden  hat,  da 
Disentis  (jenseits  des  Rheins)  1150  m  hoch  liegt,  nur  870  m  zu  tiber- 
winden, er  durchbricht  dabei  den  Zug  der  Centralmassive,  während  der 
Pafs  seitlich  an  den  Zug  des  Bündner  Schiefers  stöüst,  der  vom  Nufenen- 
pafs  nach  Graubünden  führt  und  hier  im  Scopi  emporragt  Wie  bei 
allen  Querthälern  im  Bündener  Oberlande  ist  auch  der  Eingang  des 
Medelserthales  schluchtartig.  Erst  in  neuester  Zeit  wurde  hier  der  Strafse 
bequemer  Platz  erzwungen,  früher  ging  nur  ein  böser  Pfad  durch  die 
Schlucht;  ungleich  der  Schlucht  vor  Gondo  liefs  sich  diese  Felsenspalte 
umgehen.  Der  alte  Saumpfad  ging  am  linken  Ufer  des  Medelserrheines 
in  steilem  Anstiege  nach  Mompe  Medels  (1275  m)  empor,  um  sich  dann 
dem  Rheine  oberhalb  der  Schlucht  zu  nähern.  Schon  von  dieser  Höhe 
läfst  sich  der  Charakter  des  Thals  erkennen.  Es  ist  ziemlich  hoch  hinauf 
noch  angebaut  und  ist  an  seinen  Hängen  vor  Lauinen  durch  eine  Wald- 
zone gedeckt,  welche  trotz  aller  Waldverwüstung  noch  einen  starken 
Holzbestand  einschliefst.  Noch  ist  auch  der  Bär  in  diesen  Gebieten 
nicht  ganz  verschwunden.  Und  wenn  der  Name  Lukmanier  zu  deuten 
ist,  so  werden  wir  doch  wohl  eher  an  den  lucus  magnm,  den  greisen 
Wald,  als  an  das  keinen  Sinn  gebende  locus  magnus  zu  denken  haben. 
Der  Saumweg  ersteigt  nun  auf  dem  rechten  Ufer  die  verschiedenen  Thal- 
stufen, die  der  junge  Mittelrhein  in  Fällen  herunterhüpft.  Bei  Perdatsch 
an  der  Einmündung  der  Val  Cristallina  hört  die  Waldzone  auf  und  das 
Hochthal  verändert  bald  seinen  Charakter,  es  wird  immer  wilder  und 
einsamer,  die  Vegetation,  die  immer  dürftiger  wird,  folgt  aber  fast  bis 
zur  Pafshöhe.  Steinschutt  bedeckt  die  Thalsohle,  schliefslich  wird  daraus 
eine  kahle  Steinwüste  am  Fufse  des  Scopi,  dessen  Flanken  von  Schluchten 
und  Lauinenzügen  zerrissen  sind.  Ihnen  auszuweichen,  geht  der  Saum- 
pfad auf  das  linke  Ufer  hinüber.  In  dieser  Einöde  folgen  sich  die  drei 
Hospize  St.  Gion  (Johann),  St.  Gall  und  St.  Maria.  Vom  letzten  hat 
man  noch  eine  halbe  Stunde  Weges  über  Schiefer  und  blendend  weifse 
Gipshalden  zur  Pafshöhe. 

Der  Abstieg  im  Val  St.  Maria  ist  sehr  steil.  Von  der  Pafshöhe  bis 
Olivone,  wo  das  Thal  in  das  Blegnothal  einmündet,  ist  in  horizontaler 
Projektion  des  Weges  kaum  zwei  Meilen,   und  dabei  beträgt  der  Unter- 


8  Erstes  Kapitel. 

schied  der  Höhenlagen  1025  m.  Der  Saumpfad  hält  sich  zunächst  am 
linken  Ufer  des  Baches  und  führt  unter  Lauinenbetten  und  Rufen  vor- 
bei, die  in  schlimmen  Tagen  auch  die  neue  Kunststrafse  bedrohen.  Auch 
hier  liegen  zwei  Hospize:  Casaccia  und  Camperio.  Der  Wechsel  der 
Vegetation  ist  enorm,  Olivone  ist  schon  von  Kastanien  umgeben,  und 
wenn  der  Wanderer  bei  Biasca  in  das  Thal  des  Tessin  eintrat,  hatte  er 
schon  die  ersten  Reize  italienischer  Natur  reichlich  genossen,  schon  um- 
gaben ihn  Weingärten. 

Der  Zugang  zum  Lukmanier  ist  auf  der  deutschen  Seite  noch  ein- 
mal gesperrt.  Es  ist  im  Vorderrheinthale  zwischen  Reichenau  und  Ilanz 
unmöglich,  den  Weg  dem  Laufe  des  Vorderrheins  folgen  zu  lassen,  da 
der  Flufs  sich  unterhalb  der  Landschaft  Gruob  eine  Schlucht  durch  das 
entgegenstehende  Gestein,  durch  die  700  m  mächtige  Geröllmasse  des  von 
den  Geologen  in  die  Eiszeit  verlegten  Flimser  Bergsturzes,  des  gewaltigsten, 
den  die  Alpen  weit  kennt,  gegraben  hat.  Ein  Weg  am  Flusse  war  und 
ist  unmöglich.  Die  Strafse  sucht  von  Reichenau  (586  m)  das  sonnigere 
rechte  Rheinufer  auf,  steigt  hier  durch  den  Flimser  Wald  über  die 
Trümmer  bis  über  ein  Niveau  von  1100  m  empor,  um  sich  dann  über 
Laax  dem  Rheine  wieder  zu  nähern,  der  bei  Ilanz  in  einer  Höhe  von 
691  m  wieder  erreicht  wird. 

7.  Der  Greinapa fs  hat  wohl  niemals  dem  Handelsverkehr  gedient, 
obwohl  er  nicht  viel  schwieriger  sein  konnte  als  der  Lukmanier.  Er  geht 
durch  das  Somvixthal  empor,  das  aufserordentlich  waldreich  war  und 
noch  ist.  Wir  werden  sehen,  dafs  aber  gerade  Wälder  den  Verkehr  noch 
mehr  abhielten,  als  Lauinen  und  Steinschlag.  Der  Eingang  in  das  Thal 
wird  ähnlich  wie  beim  Lukmanier  gewonnen.  Die  gröfste  Steigung  ist 
in  der  Frondscha  zu  überwinden,  wo  der  Thalbach  in  schäumenden 
Kaskaden  das  granitische  Gestein  durchbricht.  Jenseits  dieses  Anstiegs 
entdeckt  man,  dafs  man  nicht  einen  Grat  erstiegen  hat,  sondern  eine 
Hochfläche.  Erst  nach  langer  Wanderung  erreicht  man  die  Pafshöhe 
(2360  m).  Der  Abstieg  in  das  Thal  Camadra,  das  gleich  dem  Lukmanier 
nach  Olivone  führt,  ist  sehr  steil.  Bauten  zum  Schutze  der  Reisenden 
sind  nicht  vorhanden.  Von  der  Hochfläche  führt  auch  der  Monterascio- 
pafs  (2260  m)  nach  Olivone. 

8.  und  9.  Den  beiden  Pässen  des  Hinterrheins  setzt  sich  ein  gemein- 
sames Hindernis  am  Nordfufse  entgegen.  Dasselbe  Gestein,  das  den 
Pässen  selbst  von  Vorteil  war,  war  auch  ihr  Feind.  Zwischen  die 
Centralmassive  der  Adula-  und  Surettagruppe  schieben  sich  vom  Rhein- 
waldthale  her  zwei  Zungen  dieses  leicht  zerstörbaren  Schiefergesteines, 
und  in  ihnen  oder  vielmehr  an  ihnen  liegt  der  St.  Bernhardin pafs  und 
der  Splügen.  Das  Gestein  erstreckt  sich  bis  Thusis,  und  in  dasselbe  ist 
die  dort  ausmündende  Via  mala  eingeschnitten,    während   in   der   weiter 


Geogr.  Vorbediogungen  vor  Entdeckung  des  Gotthardweges.  Q 

oberhalb  gelegenen  Rofhaschlucht  der  Rhein  sich  durch  den  Granit  einen 
Weg  bahnen  mufste. 

Wandern  wir  einmal  mit  den  mittelalterlichen  Eaufleuten.  In 
Reichenau,  an  dem  Zusammenflüsse  von  Vorder-  und  Hinterrhein,  bog 
der  Weg  aus  dem  langen  Vorderrheinthal  in  das  Querthal,  das  sich 
nach  dem  Engpasse  von  Juvalta  zu  einem  freundlichen  und  fruchtbaren 
Thale  erweitert,  dem  Domleschg.  Zahlreiche  Burgen  krönen  hervor- 
springende Felsen,  der  Anbau  geht  hoch  bis  an  die  Hänge,  ja  auf  dem 
linken  Ufer,  dem  sogenannten  Heinzenberg  bis  zur  Höhe  des  Kammes 
hinauf.  Es  ist  der  Garten  Graubündens,  auf  den  der  Weg  am  Fufse 
des  Heinzenbergs  freien  Ausblick  gestattet.  Bei  Thusis  verändert  sich 
aber  völlig  der  Charakter  der  Gegend.  Die  wildschäumenden  Wogen 
des  Hinterrheins  treten  aus  schauerlichen  Gründen  heraus,  durch  die 
niemand  sich  wagte.  Erst  unser  Jahrhundert  hat  den  ersten  Abschnitt 
der  herrlichen  und  schrecklichen  Via  mala  bezwungen,  nachdem  schon 
vorher  ein  sehr  schlechter  Pfad  bestanden.  Bis  dahin  mufste  der 
Wanderer  gleich  oberhalb  Thusis  am  Ufer  der  Nolla  emporsteigen,  die 
erst  seit  der  Entholzung  sich  aus  einem  unschädlichen  Gebirgsbach  in 
ein  berüchtigtes  Wildwasser  umgewandelt  hat,  um  dann  die  Eingangs- 
spalte der  Via  mala  zu  umgehen  und  sich  zu  dem  Wiesengehänge  von 
Rongella  zu  senken.  Dann  betrat  der  Wanderer  den  zweiten  Teil  der 
Schlucht  und  den  Weg,  der  nicht  umsonst  Via  mala  hiefs.  Die  zwischen 
den  oft  senkrecht,  stets  aber  äusserst  steil  ansteigenden  Felswänden  ein- 
geklemmte, von  Lauinen-  und  Felsstürzen  nicht  freie  dämmrige  Schlucht 
hat  noch  heute  an  mehreren  Stellen  erhebliche  Stücke  des  alten  Weges 
erhalten.  Sie  war  unzweifelhaft  eine  kühne  Anlage  und  machte  denen, 
die  sie  im  fünfzehnten  Jahrhundert  geschaffen,  alle  Ehre.  Dann  erfreut 
sich  das  an  den  Schrecken  gewöhnte  Auge  an  dem  sonnigen  Anblicke 
der  Landschaft  Schams.  Sie  ist  der  Thalboden  eines  alten  Sees,  der  be- 
stand, bis  der  Rhein  sieh  durch  das  zerfressene  Gestein  der  Via  mala 
einen  Ausweg  geschaffen  hatte.  Nach  oben  hin  wiederholt  sich  das  noch 
einmal.  Auch  das  Thal  Rheinwald  ist  ein  alter  Seeboden  und  die  Rofna- 
schlucht,  durch  die  man  diese  obere  Thallandschaft  erreicht,  ist  das  Gegen- 
stück der  Via  mala,  wenn  auch  in  etwas  milderen  Formen  sich  dar- 
bietend. 

So  lange  nicht  die  Via  mala  erbaut  war,  also  bis  zum  15.  Jahrhundert, 
war  die  Verbindung  der  Landschaft  Schams  und  Rheinwald  und  unserer 
beiden  Pässe  mit  Thusis,  wenn  man  sich  nicht  dem  Pfade,  der  den  Namen 
Via  mala  schuf,  anvertrauen  wollte,  nur  auf  einem  höchst  beschwerlichen 
Umwege  möglich,  der  westlich  den  Felsenschlund  der  Via  mala  und  der 
Rofna  umging.  „Ein  6'  breiter  gepflasterter  Weg,  angeblich  ein  Römer- 
werk,  von   dem  hier  und  da  noch  Überbleibsel  vorhanden  sind,   führte 


\Q  £rBtes  Kapitel. 

vom  Heinzenberg  über  die  NoUa  bei  Thusis,  durch  den  sogenannten  dilrren 
Wald  oberhalb  der  Dörfer  Lon,  Mathon  und  Wergenstein,  über  die  Alpen^ 
Arosa  und  Sufers  nach  dem  Dorfe  Splügen  ^/  Ohne  selbst  diese  Höhen 
aufgesucht  zu  haben,  kann  man  aus  den  Karten  doch  wenigstens  einige 
Sicherheit  gewinnen.  Von  der  südnördlichen  Kette,  die  sich  dann  im 
Heinzenbergrücken  fortsetzt,  zweigen  sich  zwei  nach  Osten  streifende 
Ketten  ab.  Die  vom  Piz  Beverin  wird  von  der  Via  mala  durchsägt. 
Giebt  es  einen  Weg,  der  über  sie  der  Richtung  der  Via  mala  parallel 
hin  wegführt?  Die  Siegfried-Karte  verzeichnet  Strafsenstücke  im  Dürren- 
wald, welche  in  einer  Höhe  von  2204  m  eine  Lücke  des  Kammes  über- 
schreiten. Das  ist  offenbar  der  Weg,  den  Bavier*,  Neumann  u.  a.  im 
Auge  haben.  Es  würde  dann  der  Weg  entweder  von  Thusis  (746  m) 
am  linken  Ufer  der  NoUa  steil  hinaufgeführt,  den  Bach  „im  Loch*'  über- 
schritten und  dann  sehr  steil  die  Pafshöhe,  die  fast  100  m  höher  als  der 
Splügen  selbst  ist,  erklommen,  oder  den  Thalboden  des  Heinzenberges 
und  Thusis  gar  nicht  berührt  haben.  In  der  That  ist  eine  fast  stets  gleich- 
hochlaufende  Verbindung  zwischen  der  Stelle  „Im  Loch"  mit  dem  Ein- 
gang ins  Domleschg  über  Rhäzuns  vorhanden.  So  haben  Meyer ^  u.  a. 
sich  den  Lauf  der  Strafse  von  Rhäzuns  (648  m)  gedacht,  dafs  sie  sofort 
emporstieg,  um  den  Engpafs  von  Juvalta  zu  umgehen.  Bei  Praz 
(1186  m)  wäre  dann  die  Höhe  erreicht  gewesen,  die  über  Partein  und 
Urmein  (1273  m)  bis  im  Loch  beibehalten  wäre.  Der  Übergang  über 
die  zur  Rofna-Schlucht  führende  Kette  liegt  einigermafsen  sicher  fest. 
Von  Sufers  am  Hinterrhein  führt  der  Weg  bis  zur  Pafshöhe  von  2079  m, 
von  dort  setzt  er  sich  senkend  nach  Donath  in  der  Landschaft  Schams 
herunter.  Das  Verbindungsglied  ist  aber  auf  der  Karte  nicht  verzeichnet, 
alle  heutigen  Pfade  führen  von  den  Höhen  ins  Thal  von  Schams  hinab, 
und  hier  handelte  es  sich  doch  um  einen  Weg,  der  möglichst  wenig  von 
der  Steigung  einbüfsen  durfte,  also  jedenfalls  hoch  über  Donath  abbog. 
Das  aber  liefs  sich  nur  erreichen,  wenn  er  die  z.T.  tief  eingeschnittenen 
Wasserläufe  in  ihren  obersten  Teilen,  also  auf  der  weitläufigen  Alp 
Annarosa  umging.  Absolute  Hindernisse  sind  da  nicht  vorhanden.  Dieser 
Weg  war  also  eine  aufserordentlich  lange  Umgehun|;  der  Via  mala  in 
der  Alpenregion  hoch  über  allen  bewohnten  Orten  und  oberhalb  des 
Baumwuchses,  wobei  die  höchste  Stelle  sich  noch  über  den  Splügen  erhob. 
Unter  solchen  Umständen  war  ein  regelmäfsiger  auch  den  Winter  über- 
dauernder Verkehr  kaum  möglich. 


*  Worte  Karl  Neumanns  in  seinen  mir  vorliegenden  Aufzeichnungen  über 
die  Alpenpässe.     Vergleiche  die  Nebenkarte. 
«  S.  12. 
»  S.  138.    Ba  vi  er,  Die  Strafsen  der  Schweiz  S.  12. 


Geogr.  VorbedinguDgen  vor  Entdeckung  des  Gk)tthardwege8.  H 

Vom  Dorfe  Splügen  ab  trennen  sich  die  beiden  Pafswege.  Der  zum 
St  Bernhardin  oder  Vogelsberge  (2063  m)  durchzieht  noch,  soweit 
menschliche  Wohnungen  reichen,  das  Rheinwaldthal,  dessen  alte  Waldungen 
erheblich  gelichtet  sind.  Das  Dorf  Hinterrhein  (1624  m)  liegt  der  Quelle 
des  Rheins  am  allemächsten ,  es  ist  ein  gegen  die  Gletscherwelt  des 
Rhein  Waldhorns  vorgeschobener  Vorposten.  Die  Strafse  verläfst  oberhalb 
des  Dorfes  den  Thalboden  und  erklettert  die  Alpenterrasse  der  Thäli-Alp, 
von  wo  dann  in  sanfterem  Anstiege  die  Pafshöhe  (2063  m)  erreicht  wird. 
Auf  ihr  liegt  der  Lago  Moesola,  und  *  Platten- Messela*  war  ein  alter  Name 
des  Passes.  Von  hier  fkUt  das  schöne  Misox  in  vier  grofsen  Thalstufen 
steil  abwärts.  In  scharfem  Abstiege  wird  die  erste  erreicht,  auf  der  das 
Dorf  San  Bernardino  (162G  m)  liegt,  wie  auf  der  nächsten  S.  Giacomo 
(1146  m),  auf  der  dritten  leuchten  uns  unterhalb  des  Dorfes  Mesocco  (777  m) 
die  prächtigen  Ruinen  der  stolzen  Burg  der  Freiherm  von  Sax  entgegen, 
auf  der  vierten  beginnt  der  Weinbau  und  bei  Cama  (384  m)  begegnet  der 
erste  im  Freien  ausdauernde  Feigenbaum.  Erhebliche  Hindemisse  sind  auf 
der  ganzen  Strecke  nicht  vorhanden,  wenn  der  Pafs  auch  nicht  gerade 
als  bequem  und  gefahrlos  bezeichnet  werden  kann. 

Dasselbe  gilt  nicht  vom  Splügen  (Pafshöhe  2117  m)^  Schon  auf 
der  Nordseite  ist  der  Weg  durch  Lauinen  und  Schneestürme  gefährdet, 
ganz  besonders  gilt  das  aber  von  der  Südseite.  Ob  man  den  östlichen 
oder  westlichen  Hang  des  St  Jakobsthaies  wählte,  man  geriet  im  Thal 
des  Liro  in  den  Bereich  zahlreicher  Lauinenzüge,  die  steilen  Bergwände 
sind  von  kolossalen  Rufen  durchzogen  und  selbst  nicht  wetterfest.  Die 
Schlucht  des  Cardinello  ist  am  berüchtigtsten.  Auch  die  heutige  Chaussee 
mufste  mehrmals  ihre  Richtung  verlegen.  Bei  dem  Dorfe  Isola  ist  man 
bereits  bis  auf  1277  m  gesunken  und  bei  Chiavenira  (317  m)  ist  man 
ganz  inmitten  oberitalienischer  Flora. 

10.  und  11.  Dem  System  dieser  Hinterrheinpässe  läuft  parallel  das  der 
beiden,  welche  nach  Norden  zum  Hinterhalbsteiner  Rhein  ihr  Wasser  ent- 
senden:   Septimer  und  Juli  er. 

Dem  fruchtbaren  lieblichen  Domleschg  hat  freilich  das  Zwillingspaar 
der  Hinterhalbsteiner  Pässe  kein  Paradies  an  die  Seite  zu  stellen.  Die 
Wanderung  an  der  Plessur,  dann  der  Rabiosa  aufwärts  zeigt  weit  ernstere 
Bilder  und  jenseits  der  Pafshöhe  von  Parpan  (1551  m)  tritt  der  Weg  auf 
das  alte  Flufsgeröll  der  Lenzer  Heide,  um  sich  dann  recht  steil  zu  dem 
tiefliegenden  Schlüssel  von  Oberhalbstein,  nach  Tiefenkasten  (850  m)  zu 
senken.  Bis  dahin  machte  sich  der  Weg  einen  alten  Thallauf  des  Ober- 
halbsteiner Rheins  zu  nutze.  Die  Durchsägung  des  Schynpasses  entleerte 
dann  das  Flufsgebiet  nach  dem  Domleschg  und  so  entstand  die  übrigens 


^  Vgl.  Berger,  Die  Septimerstrafse  S.  43. 


12  Erstes  Kapitel. 

erst  seit  Erbauung  der  neuen  Strafse  recht  nutzbar  gewordene  Ablenkung 
eines  Teils  des  Verkehrs  nach  dem  westlichen  Parallelthale. 

Der  Name  „Tiefenkasten*'  charakterisiert  den  Ort  ausreichend  —  es 
ist  das  tiefgelegene  Kastell.  Der  Weg  nach  Oberhalbstein  geht  an  dem 
rechten  Ufer  der  Julia  aufwärts  und  hat  sehr  bald  eine  ernste  Schwierig- 
keit zu  überwinden.  Vom  Piz  St.  Michel  drängt  eine  Bergnase  an  den 
Flufs,  der  in  tiefer  Schlucht  sich  an  ihm  entlang  windet.  Hier  mufste 
der  Pfad  sich  an  den  Absturz  anschmiegen.  Fast  eine  Stunde  dauert 
das  Defilö.  Das  war  der  Stein  ^  nach  dem  das  Thal  seinen  Namen 
erhielt :  Oberhalbstein  (lat.  Supra  saxum,  rom.  Sur  seisa).  Man  tritt  nun 
in  den  ersten  der  terrassenft3rmig  hintereinander  aufsteigenden  Thalkessel. 
In  ihm  liegt  als  bedeutendster  Ort  Tinzen  (1240  m),  von  dem  wir  mehr- 
mals werden  zu  reden  haben.  Aus  diesem  noch  Ackerbau  treibenden  Thale 
führt  durch  eine  von  Tannenwäldern  verdüsterte  Schlucht  der  Weg  in  den 
Kessel  von  Roffna,  dessen  Thalsohle  sumpfig  ist.  Der  nächste  von  Molins 
(1461  m)  ist  der  kleinste,  in  ihn  münden  eine  Reihe  von  Alpenschluchten. 
Der  Aufstieg  zur  nächsten  Thalmulde  wird  durch  die  Ruine  Splüdatsch 
bewacht.  In  diesem  Kessel  hat  der  Feldbau  sein  Ende  gefunden,  noch 
aber  steigt  der  Wald  an  den  Lehnen  empor.  Vor  Marmorera  (Marmels) 
liegt  ein  starkes  Felsennest,  die  Burg  gleichen  Namens,  an  deren  Fufs 
einst  der  Weg  entlang  führte.  Dann  gelangt  man  in  die  oberste  Thal- 
stufe, die  baumlose  Wiesenmulde  von  Stalvedro  und  Bivio ;  früher  trugen 
die  sumpfigen  Hänge  noch  Wald.  Inmitten  dieser  schutzlos  den  Nord- 
winden preisgegebenen  Öde  liegt  Bivio  oder  Stalla.  Die  Namen  sind 
schon  bezeichnend:  Stalla  der  Stall  und  Bivio  der  Zwieweg,  die  Weg- 
scheide. Hier  ist  in  der  That  die  Stelle,  wo  sich  der  Septimer  und 
Julier  gabeln. 

Von  Bivio  geht  der  Septimerweg  durch  Wiesen  eine  breite  allmählich 
ansteigende  Fläche  aufwärts,  wohl  sind  sie  manchmal  sumpfig,  sonst 
bieten  sie  aber  kaum  eine  Schwierigkeit  dem  Reisenden  dar.  Die  Pafs- 
höhe  (2311  m)  enthält  auch  die  Ruinen  des  Hospizes.  Von  dieser  Stelle 
an  verändert  sich  der  Charakter  des  Weges  völlig;  denn  er  hat  nun  bis 
Casaccia  (1460  m),  das  (in  der  Projektion)  nicht  halb  so  weit  liegt  als 
Bivio,  von  wo  der  Anstieg  eine  NiveaudifFerenz  von  nur  535  m  ergab, 
eine  Differenz  von  851  m  auszugleichen.  Zum  Abstieg  mufs  das  Defil^ 
des  Septimerbaches  benutzt  werden,  und  dessen  Gefäll  ist  so  beträchtlich, 
dafs  hier  zahlreiche  Kehren  angelegt  werden  mufsten,  um  überhaupt  den 
Pfad  benutzen  zu  können.  Wegeanlagen  waren  durch  Wasser  und 
Rufen  bedroht.  Zickzackanlagen  mufsten  auch  noch  beim  Austritt  aus 
der  Val  Marozzo  oberhalb  Casaccia  angewendet  werden.  Im  übrigen 
erfolgt  der  schwierige  Abstieg  an  der  Sonnenseite  und  hat  Lauinenzüge 
vermieden.    So  bot  dieser  Pafs  einem  rüstigen  Fufsgänger  keine  Schwierig- 


Geogr.  VorbediDgUDgen  vor  Entdeckung  des  Grotthardweges.  13 

keit.  Er  yerband  am  direktesten  die  Einlafspforte  Chur  mit  der  lombar- 
dischen Tiefebene,  er  bot  nur  an  den  Felsen  oberhalb  Tiefenkasten  ernst- 
liche GefahrcD,  so  war  er  flir  seinen  Verkehr  in  gleicher  Weise  begünstigt, 
wie  der  Grofse  St  Bernhard. 

Der  Septimer  ist  aber  ein  Zwillingspafs  und  der  Juli  er  bietet 
manche  andere  Vorteile  dar.  Der  An-  und  Abstieg  ist  nicht  sehr 
bedeutend,  da  Bivio  1776  m,  Silva  Plana  1816  m,  der  Scheitel  aber  nur 
2287  m  hoch  liegt.  Der  Pafs  ist  vor  allen  andern  schneefrei  und  Lauinen 
kaum  ausgesetzt.  Er  würde  also  unfraglich  den  Septimer  völlig  in  den 
Schatten  gestellt  haben,  wenn  er  nicht  in  die  verkehrte  Richtung  führte. 
Unmittelbar  am  Septimer,  am  Piz  Lunghino  liegt  die  Wasserscheide 
zwischen  Nordsee,  Mittelmeer  und  Schwarzem  Meer.  Der  Septimer  führt 
aus  dem  Gebiete  des  Rheins  in  das  des  Po,  der  Julier  aber  in  das  der 
Donau,  näherhin  des  Inn.  Durch  einen  zweiten  Pafs  mufs  also  das  Ge- 
biet des  Pos  erreicht  werden,  und  das  geschieht  durch  den  Maloja-Pafs, 
den  niedrigsten  der  Alpenpässe  (1817  m).  Der  Weg  führt  an  den  Seen 
von  Silvaplana  und  Sils  zur  Felsenschwelle  des  Engadin  hinauf,  wo 
gegen  Italien  zu  sich  ein  plötzlicher  Felsenabsturz  (von  300  m)  aufthut. 
Im  Schatten  herrlicher  Fichten  vollzieht  sich  der  Abstieg.  In  Casaccia 
treffen  sich  Septimer  und  Julier.  Wer  von  Bivio  aus  den  Julier  benutzte, 
hatte  die  beiden  Seiten  eines  spitzwinkligen  Dreiecks  abgegangen,  der 
Wanderer  über  den  Septimer  aber  nur  die  Grundlinie. 

Ein  letztes  mehr  militärisches  Hindernis  stellt  sich  der  Strafse,  welche 
von  den  beiden  Pässen  des  Bergell  hinabführt,  in  der  Mitte  desselben 
vor  Promontogno  entgegen.  Ein  scharfer  Bergesgrat  tritt  von  der  Höhe 
hier  bis  an  die  Mera  heran,  mit  seiner  Klippe  ein  natürliches  Hindernis 
darbietend.  Es  lag  nahe,  diese  schmälste  Stelle  des  Thaies  durch  eine 
Mauer  abzuschliefsen  und  nur  eine  Porta  offen  zu  lassen.  Die  Burg 
Castelmur  sperrte  den  Eingang  *.  Unterhalb  wird  Vegetation  und  Kultur 
immer  südlicher,  bis  man  in  Chiavenna  die  erste  italienische  Stadt 
begrüfsen  kann. 

Auch  im  Süden  werden  die  Pafsstrafsen  an  mehreren  Stellen  zu 
Bündeln  zusammengefafst,  doch  nicht  wie  im  Norden  an  zwei  weit  von 
einander  getrennten  Stellen.  Hier  fehlt  die  lange  Parallelkette  des 
Nordens,  der  Abstieg,  der  auf  italienischer  Seite  weit  steiler  ist,  führt 
nicht  wieder  in  Längsthäler,  sondern  in  die  Lücken,  welche  zwischen 
den  Gruppen  des  arg  zerrissenen  Gebirgslandes  sich  gebildet  hatten. 
Schon  innerhalb  desselben  vereinigen  sich  mehrere  Strafsen.  Die  so 
entstehenden  Strafsensysteme  sind  jedoch  mehrfach  miteinander  durch 
bequeme  Zwischenpässe   verbunden,    und  so   bildet    sich    ein    weit  ver- 


^  Sitnationsplan  bei  Bavier,  Die  Strafsen  der  Schweiz  Tafel  IV. 


14  Erstes  Kapitel. 

wickelteres    Netz,    das    aber   schliefslich   auf  einen   Punkt  alle  Vorteile 
vereint. 

Die  westlichste  Gruppe  wird  noch  innerhalb  eines  Hochgebirgsthales : 
in  Aosta  zusammengefafst.     Zwei  Pässe  des  Wallisersystemes   vereinigen 
sich  mit  einem  Passe  des  Savoyischen  Berglandes.    Dieses  ist  der  kleine 
St.  Bernhard,  der  das  Thal  der  Dora  Baltea  mit  dem  der  Isire,  also  mit 
Vienne  und  Lyon  verbindet.    In  das  erstere  Thal  münden  dann  bei  Aosta 
selbst  die  Wege  über  den  Grofsen  St.  Bernhard  und  den  Theodulpafs  ein. 
Es   ist  begreiflich,   dafs  Augustus  an  dieser  Stelle,    um  die  räuberischen 
Salasser   endlich   zur  Ruhe  zu   bringen,    eine  Kolonie   anlegte,   Augusta 
Praetoria  Salassorum,  die  noch  heute  durch  den  Kranz  der  antiken  Stadt- 
mauer eingefafst  wird.    Augustus  sicherte  durch  ihre  Anlage  die  Benutzung 
der  Pässe.      Eine    höhere   Bedeutung    als  Handelsstadt    hat    aber   Aosta 
niemals   erreichen   können,   war   es   doch  nicht  etwa  am  Ausgange  eines 
Thaies  belegen,  vielmehr  von  dem  Flachlande  noch  durch  einen  Engpafs 
abgeschnitten,  den  heute  das  Fort  Bard  sperrt,  das  Napoleon,  als  er  1800 
mit  seiner  Reservearmee  vom  Grofsen  St  Bernhard  herabstieg,  die  ernsteste 
Verlegenheit  bereitete.    Diesen  Engpafs  konnte  auf  leidlichen  Wegen  der 
Verkehr  nicht  umgehen,  erst  unterhalb  von  Ivrea,  dem  römischen  Eporedia, 
öffnet  sich  das  Land  zu  Füfsen  der  Berge:  Piemont.     In  ihm  vereinigen 
sich  die  Strafsen  vom  Apennin,  von  den  See-  und  den  Savoyischen  Alpen, 
sowie  die,  welche  aus  dem  Thale  von  Aosta  kommen. 

Ein  zweiter  Vereinigungspunkt  von  erheblich  geringerer  Bedeutung 
ist  Vergogna  im  Thale  der  Tosa,  wo  die  in  diesem  vom  Simplonpasse 
herabkommende  Strafse  die  aus  dem  Anzascathale  und  vom  Monte  Moro 
aufnimmt.  Der  Weg  führt  den  Flufs  abwärts  zum  Lago  Maggiore  oder 
am  Orta-See  entlang  auf  Novara. 

Erheblich  deutlicher  bezeichnet  ist  der  dritte  Punkt.  Es  ist  der  Ort, 
der  das  Tessinthal  beherrscht:  Bellinzona.  In  der  letzten  Thalenge  des 
Tessin  gelegen  dokumentiert  es  sich  dem,  der  vom  Gotthardpasse  herunter- 
kommt und  in  ihr  die  erste  Stadt  italienischen  Charakters  begrüfst,  durch 
die  drei  mittelalterlichen  Burgen  als  die  natürliche  Deckung  der  Gott- 
hardstrafse.  Doch  schon  vor  der  Eröffnung  dieses  Weges  war  es  ein 
Schlüssel  zu  mehreren  Alpenpässen.  In  das  Livinenthal  tritt  bei  Biasca 
die  Strafse,  welche  über  den  Lukmanier  nach  Disentis  an  den  Vorderrhein 
führt,  und  mit  ihr  verbunden  der  Weg  vom  Greinapasse.  Dicht  oberhalb 
Bellinzona  mündet  die  Strafse  von  S.  Bemhardin  ein.  Also  schon  im 
Frühmittelalter  sah  dieser  Ort  manchen  Wanderer,  während  das  heute 
so  belebte  obere  Livinenthal  damals  so  still  und  weltentlegen  war,  wie 
noch  heute  das  nachbarliche  Val  Maggia. 

Von  Beilenz,  dem  römischen  Bilitio,  gabelt  sich  der  Weg,  der  zur  Po- 
ebene  fuhrt.    Der  Lauf  des  Tessin  führt  die  einen  zum  Lago  Maggiore,  die 


Geogr.  Vorbedingungen  vor  Entdeckung  des  Qotthardweges.  15 

andern  übersteigen  den  Monte  Cenere,  um  nach  Como  zu  gelangen. 
Jene  Richtung  tritt  in  Verbindung  mit  der  Strafse,  die  von  Vergogna 
kommt,  diese  mit  den  Wegen,  die  sich  bei  Chiavenna  vereinigt  haben. 
Jene  strebt  möglichst  schnell  dem  Wasser  zu.  Wer  ihr  folgte,  muGste 
das  Schiff  besteigen,  denn  weder  am  westlichen  Ufer  des  Lago  Maggiore, 
noch  am  östlichen,  wo  die  Strafse  ja  noch  heute  fehlt,  gab  es  eine  durch- 
laufende Verbindung.  Der  Langensee  trug  auf  seinem  Rücken  allen 
Verkehr.  Wie  bei  allen  Alpenseen  hat  sich  die  Gestalt  auch  dieses  Sees 
selbst  in  historischer  Zeit  beträchtlich  verändert  Der  Tessin  bringt 
erhebliche  Massen  von  Geröll  in  den  See,  ihn  langsam  mit  den  Senk- 
stoifcn  füllend.  Die  Verlandung  des  Tessin  hat  heute  Magadino  erreicht, 
das  nur  deshalb  von  den  Schiffen  noch  besucht  werden  kann,  weil  hier 
der  Flufs  selbst  einmündet  und  genügende  Fahrtiefe  darbietet.  Magadino 
war  für  den  Alpenwanderer  der  natürliche  Hafenplatz,  er  kam  hier  sofort 
auf  das  linke  Ufer  des  Tessin,  den  sein  Weg  nicht  verläfst.  Heute  — 
und  schon  im  späteren  Mittelalter  —  hat  bekanntlich  Locarno  den  Ver- 
kehr an  sich  gezogen.  Die  westlich  von  dieser  Stadt  einmündende 
Maggia  würde,  wenn  sie  geröllreicher  wäre,  längst  mit  ihrem  Delta  den 
obersten  Teil  des  Sees  abgeschnitten  haben.  Da  das  aber  nicht  der  Fall  ist, 
bietet  Locarno  den  besten  Hafenplatz  am  Kopf  des  Sees.  Wer  aber  von 
Bellinzona  nach  Locarno  wollte,  mufste  zuvor  das  breite,  veränderliche 
Geröllbett  des  Tessin  überwinden. 

Am  Strande  von  Magadino  oder  Locarno  nahm  der  Kaufmann,  der 
von  den  Alpen  herabstieg,  die  Warenballen  vom  Rücken  seines  Lasttieres, 
und  in  sicherer  Fahrt  trug  die  Barke  des  Fremden  Gut  nach  Arona 
an  das  südlichste  Gestade  des  Sees  oder  vielleicht  gar  weiter  den  Tessin 
und  Po  abwärts.  Bei  der  Fahrt  über  den  herrlichen  See  mochte  der 
Wanderer  der  Schrecknisse,  welche  die  Alpenwelt  ihm  gezeigt  hatte,  ver- 
gessen, denn  ihrer  Schönheit  wurde  er,  umgeben  von  Fährlichkeit,  Not 
und  Tod,  kaum  gewahr.  Die  Furcht  hat  den  Genufs  der  Gebirgsnatur 
lange  verhindert. 

Aber  nur  ein  Teil  der  Kaufleute  hat  die  Fahrt  auf  dem  Wasser  der 
Landreise  vorgezogen.  Diese  führte  über  die  Depression  des  das  linke 
Ufer  des  Tessin  begleitenden  Gebirges  über  den  Monte  Cenere  (553  m), 
dann  im  Agnothal  zum  Luganersee  und  wiederum  einen  niedrigen  Sattel 
überschreitend  nach  Como.  Hier  am  Südfufse  des  anderen  grofsen  lom- 
bardischen Fjords  treffen  wir  den  vierten  Vereinigungspunkt  der  Strafsen, 
dessen  Bedeutung  jedoch  erst  klar  werden  kann,  wenn  wir  die  Schlüssel- 
stadt Chiavenna  besprochen  haben. 

Hier  lenken  von  Norden  die  Splügenstrafse  und  von  Osten  das 
Bündel  der  Bergellerpässe  zusammen,  d.  h.  der  Septimer  und  über  den 
Maloja  auch  der  Julier.     Keiner  der   Pässe  führt   noch  zum  Gotthard 


\Q  Erstes  Kapitel. 

oder  Vorderrhein  hinüber,  sie  dienen  zur  Verbindung  mit  dem  Gebiete 
des  Hinterrheins,  der  Malojapafs  erschliefst  aber  auch  das  Längsthal  des 
Inns,  des  Engadin,  und  führt  also  mitten  in  den  Zug  der  Ostalpen 
hinein.  In  den  Zeiten  des  früheren  Mittelalters  war  dieses  heute  stark 
besuchte  Thal  aber  aufserhalb  des  Verkehrs;  man  darf  nicht  vergessen, 
dafs  der  mittelalterliche  Kaufmann  möglichst  schnell  das  Alpengebiet 
durchqueren  und  möglichst  bald  aus  den  Regionen  fortkommen  wollte, 
die  heute  —  allerdings  nur  in  wenigen  Sommermonaten  —  die  Freude 
Tausender  geworden  sind. 

Chiavenna  liegt  noch  ebenso  tief  im  Gebirge  wie  Aosta,  dem  Wanderer 
steht  nur  die  eine  Strafse  zum  Comersee  offen.  Noch  in  historischer  Zeit 
war  das  Haupt  des  Sees  von  Chiavenna  nur  7  km  entfernt,  der  Name  von 
Samolaco  —  summus  lacus  —  beweist  das.  Heute  hat  die  Mera  mit  ihrem 
Gerolle  erhebliche  Strecken  zugefullt,  und  von  der  Seite  aus  ist  das 
Delta  der  aus  dem  Veltlin  fliefsenden  Adda  so  angewachsen,  dafs  es  vom 
Comersee  den  Lago  di  Mezzola  abschnürte.  So  ist  heute  Samolaco  16  km 
von  dem  Haupte  des  Comersees  entfernt,  und  als  Ort  der  EinschiflFiing 
dient  jetzt  Colico.  Hier  mündete  auch  das  reiche  Veltlin  ein,  und  das 
Wormserjoch  war  ein  viel  begangener  Pafs.  Trotz  seiner  Höhe  (2512  m), 
trotzdem  es  noch  die  Überschreitung  der  Reschen  -  Scheideck  (1494  m), 
die  Überwindung  des  Finstermünzpasses  und  endlich  noch  des  Fern- 
passes (1210  m)  erforderte,    hat  es  manchen  Kaufmann  angezogen. 

Der  Gletscher,  der  einst  das  Felsenbecken  des  Comersees  füllte,  war 
in  seinem  unteren  Teile  in  zwei  Zipfel  gespalten.  Der  westliche  läuft  gegen 
Como  blind  aus,  das  von  den  Gipfeln  der  Endmoräne  umgeben  ist.  Como 
hat  also  nicht  den  Vorteil,  durch  eine  natürliche  Wassers trafse  mit  der  Po- 
ebene  verbunden  zu  sein.  Aber  auch  dem  anderen  Arme  fehlte  in  älterer 
Zeit  dieser  Vorteil :  wohl  entfliefst  ihm  bei  Lecco  die  wasserreiche  Adda, 
diese  bildet  aber  bei  Merate  Stromschnellen.  Auf  2V2  km  verteilt  sich 
ungleich  das  Gefälle  von  27  m,  sie  machten  jede  Schiffahrt  unmöglich  und 
forderten  die  Anlage  eines  Seitenkanales. 

Die  Reihe  der  inneren  Konzentrationspunkte:  Aosta,  Vergogna, 
Bellinzona  und  Chiavenna  hat  noch  eine  Ausdehnung  von  178  km,  immer- 
hin schon  33  km  weniger  als  die  Front  vom  Haupt  des  Genfersees  bis 
nach  der  Mündung  der  Landquart;  die  Austrittspunkte  der  Pässe  in  die 
Ebene  Ivrea,  Arona,  Como  und  Lecco  nehmen  eine  Front  von  nur  126  km, 
wenn  wir  von  Lecco  absehen,  gar  nur  von  97  km  ein.  Diese  Ziffern 
zeigen,  in  wie  hohem  Mafse  die  Pässe  nach  dem  Mittelpunkte  der  Poebene 
konvergieren. 


Geogr.  Vorbedingangen  vor  Entdeckung  des  Gotthardweges.  17 

Zweites  Kapitel. 
Fortsetzung. 

ZMe  des  Verkehrs  im  Süden.  Genua  oder  Piacema.  Lage  von  Genua.  Pässe. 
Schwierigkeiten  im  Apennin.  Piacema,  die  letzte  Brückenstadt  am  Po,  Unterhalb  Meer 
und  Land  nicid  definitiv  geschieden.  MittelaUerlidie  Brückenschlage  unterhalb.  Lage  von 
Boncaglia.  Mailandy  die  Stadt  der  Mitte.  Gunst  der  Lage.  Die  fehlende  VerbindtMg 
mit  den  schiffbaren  Gewässern  schuf  es  selbst. 

Divergent  des  Verkehrs  im  Norden.  Gründe.  Die  Fortseteungcfi:  KunkdspafSy  das 
Bheinihal,  Bheineck.  Lücke  des  Walensees,  Zürich.  Die  Pforte  an  der  Rfiöne.  Ziele 
des  Verkehrs.  Hindernis ;  Jura.  Pässe  von  Poniarliery  von  Äugst :  Oberer  und  unterer 
Hauenstein,  Bötzberg.  Verkehr  in  der  Längsrichtung  der  Hochebene.  Hydrographische 
Pforte  der  Schweiz.    Bodensee.    Konstanz.    Basel.    Strafslmrg. 

Der  Verkehr,  der  von  Deutschland  nach  Italien  über  diese  Pässe 
ging,  hatte  noch  weitere  Ziele,  als  die  Poebene  zu  erreichen.  Erst 
wenn  man  über  diese  sich  klar  geworden  ist  und  auch  den  anderen 
Gebirgsrand  der  Poebene  gewürdigt  hat,  kann  man  sich  von  den  Voraus- 
setzungen des  Handels  und  des  Verkehrs  auf  der  weiten  Fläche  selbst 
eine  richtige  Vorstellung  machen. 

Das  Ziel  des  Wanderers,  der  von  Norden  kommt,  treibt  ihn  ent- 
weder zur  Küste  des  ligurischen  oder  adriatischen  Meeres,  nach  Genua 
oder  Venedig  oder  er  sucht  auf  dem  Landwege  die  südlicheren  Land- 
schaften der  Halbinsel  zu  erreichen. 

Die  Gestaltung  des  Apennins  hat  die  eigentümliche  Folge,  dafs  von 
der  Lombardei  aus  kein  Pafs  über  seinen  Rücken  an  die  ligurische 
Küste  führt,  der  in  den  Zeiten  des  früheren  Mittelalters  und  auch  des 
späteren  einem  regeren  Verkehre  gedient  hätte.  Es  ist  ganz  dieselbe 
Erscheinung,  wie  sie  bis  zur  Entdeckung  des  St.  Gotthardes  auf  der 
Alpenfront  zu  Tage  trat.  So  konzentriert  sich  der  nordsüdliche  Verkehr 
auf  zwei  Stellen.  Im  Westen  auf  das  Gebiet,  wo  der  ligurische  Meer- 
busen am  tiefsten  in  das  kontinentale  Italien  eingreift,  und  zugleich  am 
meisten  diesem  Meere  die  Poebene  sich  nähert;  hier,  bei  Genua,  sind  die 
meisten  und  besten  Übergänge  über  den  Apennin;  im  Osten  vereint  sich 
der  Verkehr  auf  den  letzten  sicheren  Poübergang,  auf  die  Stadt,  mit  der 
der  Strafsenzug  längs  des  Apennin,  die  Via  Emilia,  anhebt,  von  ihr 
gehen  dann  alle  weiteren  südlicheren  Apenninpässe  aus. 

Die  Lage  von  Genua  vereinigt  seltene  Vorzüge.  Hier  am  innersten 
Punkte  des  ligurischen  Meerbusens  bot  sich  ein  kleiner  natürlicher  Hafen; 
wie  das  Meer  möglichst  tief  vordrängt,  so  schiebt  sich  von  der  Poebene 
aus  zwischen  das  Bergland  von  Montferrat  und  in  das  Gefüge  des 
Apennin  die  Bucht  von  Alessandria  ein,  zugleich  senkt  sich  der  Kamm 
des  Gebirges  so  sehr  herab,  dafs  eine  gröfsere  Anzahl  von  Pässen  die 
Verbindung  zwischen  der  Küste  und  der  Poebene  vermittelt. 

Schalte,  Oesoh.  d.  mittelalterl.  Handels.    I.  2 


lg  Zweites  Kapitel. 

Ah  genuesische  Pässe  sind  zu  beanspruchen  der  Passo  del  Turchino 
(Pafshöhe  532  m),  der  Passo  la  Bocchetta  (722  m),  der  Passo  i  Giovi 
(472  m)  und  der  über  den  Col  de  la  ScofFera  (678  m)  ^  Der  erste  ver- 
läfst  die  Küste  bei  Voltri  mehrere  Stunden  westlich  von  Genua  und 
führt  nach  Ovada  und  weiter  nach  Alessandria  und  Acqui.  Diese  StraTse 
vermittelte  wohl  vor  allem  den  Verkehr,  der  nach  Piemont  weiter  ging, 
es  war  also  auch  die  Route  derer,  die  von  Ivrea  aus  direkt  über  Chivasso 
durch   das  Bergland  von  Montferrat  nach  Acqui   und  Genua  wanderten. 

Die  wichtigste  Strafse  des  Mittelalters  für  den  Verkehr  nach  der 
Lombardei  war  die  Bocchetta,  welche  bei  Ponte  Decimo  das  Thal  ver- 
läfst  und  jenseits  der  Pafshöhe  das  Lemmethal  erreicht.  Die  Strafse  war 
gesperrt  durch  das  Städtchen  Gavi,  von  dort  geht  der  Weg  weiter  auf 
Alessandria  oder  nach  Tortona.  Alessandria  ist  fast  die  einzige  Stadt 
Italiens,  welche  das  Mittelalter  ohne  jede  Anlehnung  an  einen  antiken 
Ort  und  zwar  als  eine  Festung  gegründet  hat.  Sie  sperrt  die  Übergänge 
nach  Ligurien,  wie  den  östlichen  Zugang  zu  dem  Passe  von  Stradella, 
der  in  der  italienischen  Kriegsgeschichte  eine  hervorragende  Rolle  spielt 
und  von  dem  bald  näher  zu  reden  ist. 

Die  andere  von  Pontedecimo  ausgehende  Strafse  berührt  nicht 
Alessandria,  die  römische  Via  Postumia,  welche  dem  heutigen  Zuge  zu 
Grunde  liegt,  führt  vielmehr  vom  Thal  der  Polcevera  hinüber  ins  Thal 
der  Scrivia  nach  dem  heute  verlassenen  Libarna,  dann  durch  den  Eng- 
pafs  von  Seravalle  nach  Tortona  (Dertona).  Die  Römerstrafse  überschritt 
nicht  den  Po,  sondern  begleitete  sein  rechtes  Ufer,  durchzog  die  Stelle,  wo 
der  von  der  lombardischen  Ebene  durch  ihre  Neigung  abgelenkte  Strom 
hart  an  den  Fufs  des  Apennin  tritt,  —  eben  den  Pafs  von  Stradella  und 
erreichte  in  Piacenza  die  AniUnge  der  zum  adriatischen  Meere  gewandten 
Seite  Italiens. 

Eine  ganz  andere  Seite  des  Gebirges  durchbricht  die  letzte  der  vier 
Strafsen,  die  über  den  Col  de  la  Scoffera.  Sie  steigt  östlich  von  Genua 
über  die  Wasserscheide  zu  den  Quellen  der  Scrivia,  wendet  sich  aber 
wieder  zum  Kamme  (855  m),  um  sich  dann  in  das  Thal  der  Trebbia  zu 
senken.  Die  Richtung  dieses  Flusses  führt  nach  Piacenza  hinüber,  aber 
der  Weg  ist  weit  und  höchst  unbequem.  Diese  nördlichste  Ausbiegung 
des  Apennin  besteht  aus  Thonarten,  welche  der  Erosion  sehr  ausgesetzt 
sind,  das  Thal  des  Wildbaches  birgt  nur  an  einzelnen  Stellen  den  Weg, 
das  Gestein  ist  für  Wegebau  viel  zu  nachgiebig,  so  sucht  der  Weg  oft 
die  Höhe  auf,  und  da  die  Trebbia  sich  durch  eine  Reihe  von  quer, 
streichenden  Zügen  hindurcharbeitet,    mufs   der  Saumpfad  öfters   steigen 


^  Von  den  Pässen  von  Savona  sehe  ich   hier  ab.     Über  ihre  Geschichte  vgl. 
Bulietino  deiia  societä  storica  Savonese  I  (1898)  S.  11  ff. 


Geogr.  Vorbedingangen  vor  Entdeckung  des  Gotthardweges.  19 

und  fallen^.  Einen  lebhaften  Verkehr  konnte  er  nicht  in  die  armen, 
menschenleeren  und  unfruchtbaren  Apenninlandschaften  bringen. 

In  die  nach  Norden  sich  hinziehenden  Abhänge  dieses  Gebirges  sind 
mehrere  Torrenten  eingeschnitten,  welche  meist  wasserleer  sind,  nach 
einem  starken  Regen  aber  zu  wütenden  Wassern  anschwellen.  Nur  an 
der  Staffora  führt  von  Voghera  aus  ein  Saumpfad  zur  Höhe  hinauf, 
welche  bei  Bobbio  von  Norden  her  senkrecht  in  den  eben  besprochenen 
Saumpfad  von  Genua  und  Torriglia  nach  Piacenza  einmündet. 

Piacenza  ist  einer  der  wichtigsten  Brennpunkte  Italiens.  Die  Lage  der 
Via  Emilia,  welche  bei  Rimini  die  Meeresküste  verläfst,  ist  nicht  allein 
durch  den  Apennin  bestimmt,  an  dessen  Fufse  sie  bis  Piacenza  entlang 
zieht,  eine  Reihe  von  wichtigen  Randstädten  verbindend.  Es  war  auch 
das  Bedürfnis  der  Römer,  diese  vielleicht  wichtigste  aller  Römerstrafsen, 
welche  sich  der  Achse  der  Halbinsel  möglichst  anschmiegt,  nicht  aus  dem 
Bereiche  geschützter  trockener  Striche  zu  bringen.  Weiter  nach  Nord- 
osten begann  das  Land  amphibischer  Art,  wo  Wasser  und  Erde  mit- 
einander ringen  oder  doch  rangen,  das  Gebiet  der  Verlandungen  und 
Überschwemmungen,  das  Terrain,  das  noch  unfertig  war.  Bei  Piacenza 
erreicht  die  Emilia  den  Po.  Weiter  unterhalb  könnte  die  Strafse 
höchstens  noch  bei  Cremona  einmünden,  dann  aber  beginnen  die  fort- 
laufenden Deiche,  deren  Zug  den  Flufs,  seine  Arme  und  die  Kanäle 
nun  bis  zum  Meere  geleitet^. 

Piacenza  am  rechten,  Cremona  am  linken  Ufer  sind  die  letzten  echten 
auf  altgefestigtem  Boden  entstandenen  Städte,  dann  beginnt  das  weite  Delta 
und  Lagunengebiet  mit  seinen  eingelandeten  oder  noch  kämpfenden  Haff- 
städten, mit  jenen  Meeresherrscherinnen  kurzer  Dauer  wie  Adria,  Ravenna 
und  auch  Venedig,  ein  Gebiet,  in  dem  das  Netz  von  Wasseradern,  Flufs- 
armen,  künstlichen  Kanälen  nicht  allein  aus  einem  Strom  seine  Wasser- 
massen erhält,  sondern  auch  von  der  Etsch  und  Brenta  gespeist  wird. 
Das  Schiff  ist  in  diesem  Gebiete  das  Bewegungsmittel.  In  diesem  weiten 
Bereiche  ist  der  Schiffer  der  Herr.  Ein  solches  Land  setzt  jedem  Truppen- 
durchzuge die  gröfsten  Hindernisse  entgegen,  und  so  mufste  die  römische 
Militärstrafse  es  umgehen.  Die  letzte  Brückenstadt  ist  Piacenza  und 
Cremona,  obwohl  hier  sehr  spät,  erst  in  unserem  Jahrhundert,  eine  Brücke 
gebaut  wurde,  unterhalb  hat  erst  die  neueste  Zeit  Brücken  errichtet,  vor- 
her waren  nur  Fähren   vorhanden.     Eine   stehende  Brücke  hat  auch  bei 


^  Für  den  Anteil  von  Parma  verglich  ich  die  Karte  des  österr.  Generalstabs 
von  1828. 

^  So  viel  ich  auf  der  Carta  topografica  dei  ducati  di  Parma,  Piacenza  e 
Guastalla  1828  Blatt  II  ersehen  kann,  beginnen  die  Deiche  des  rechten  Ufers  sogar 
schon  unterhalb  Roncaglia,  oberhalb  sind  oder  waren  sie  nur  streckenweise  vor- 
handen. 

2* 


20  Zweites  Kapitel. 

Piacenza  erst  der  Bau  der  Eisenbahn  veranlafst,  für  den  übrigen  Verkehr 
dient  eine  Schiffsbrücke. 

Im  Hochmittelalter  trug  der  Strom  nur  selten  von  Piacenza  ab  eine 
Brücke.  So  berannte  Friedrich  II.  die  neue  Brücke,  welche  die  Piacentiner 
oberhalb  ihrer  Stadt  an  der  Mündung  des  Lambro  erbaut  hatten,  und 
liefs  durch  die  Paresen  den  Versuch  machen,  unterhalb  eine  Brücke  über 
den  Flufs  zu  schlagen*.  Noch  kühner  war  wohl  der  Bau  der  Kriegs- 
brücke bei  Bugno,  die  Enzio  im  Winter  1247/8  mit  den  Bewohnern  von 
Cremona  und  Ferrara  errichtete,  um  der  Stadt  Parma  die  Verbindung  nach 
Norden  abzuschneiden.  Sie  stand  zwischen  den  heutigen  Mündungen  der 
Parma  und  Enza^. 

Der  Po  ist  kein  Freund  der  Städte,  diese  scheuen  den  gewaltthätigen 
Strom.  So  ist  Piacenza  eine  Ausnahme,  es  ist  seine  Brückenstadt  xor^ 
i^ox^y.     Sie  deckt  zugleich  nach  Osten  hin  den  Pafs  von  Stradella. 

Bei  Piacenza  lag  ein  Ort,  berühmt  in  der  deutschen  und  italienischen 
Geschichte.  Es  ist  Roncaglia.  Auf  die  Ehre,  die  Stätte  wichtiger  Ver- 
handlungen und  das  regelmäfsige  Rendezvous  der  deutschen  Mannschaften, 
die  zu  einem  Zuge  über  die  Alpen  entboten  waren,  gewesen  zu  sein, 
macht  zunächst  der  fünf  Kilometer  unterhalb  Piacenza  am  rechten  Poufer 
gelegene  Ort  Roncaglia  Anspruch.  Der  Platz  wäre  nicht  ungünstig  ge- 
wählt. Den  regelmäfsigen  Ort  der  Versammlung  soweit  nach  Süden  ver- 
legen, hiefs  den  Einzelnen  bez.  den  Gruppen  die  Wahl  des  Alpenpasses 
überlassen,  ja  ihnen  den  Ort,  wo  sie  den  Po  überschreiten  wollten,  frei- 
stellen. Roncaglia  lag  denen,  welche  über  die  Tiroler  Pässe  kamen,  be- 
quem, weiter  unterhalb  als  Cremona  war  der  Übergang  für  fremde  Krieger 
schwierig ;  fUr  die,  welche  Schweizer  Pässe  benutzten,  war  Roncaglia  nur 
dann  ein  Umweg,  wenn  der  Zug  nach  Ligurien  oder  nach  Piemont  gehen 
sollte.  Das  waren  aber  gewifs  seltene  Fälle.  Es  versammelten  sich  die 
deutschen  Streiter  an  der  Stelle,  wo  die  centrale  Strafse  der  Halbinsel 
beginnt,  also  unter  der  Annahme,  dafs  in  dem  kontinentalen  Italien,  im 
Pogebiet,  kein  Widerstand  zu  besorgen  sei. 

Roncaglia  liegt  etwa  fünf  Kilometer  von  Piacenza  an  der  Strafse  nach 
Cremona.  Das  Feld  zur  linken  ist  zum  Teil  den  Überschwemmungen  bez. 
dem  Druckwasser  des  Po  ausgesetzt,  es  tritt  hier  ein  alter  Poarm  bis 
nahe  an  die  Strafse  heran,  der  jedoch  vor  Roncaglia  wieder  zurückbiegt. 
Das  sehr  fruchtbare  Ackerfeld  rechts  der  Strafse  hingegen  ist  völlig 
inundationsfrei,  und  dort  dürften  die  Beiwachten  bezogen  sein.  Mir  fiel 
auf,  dafs  diese  Gegend  weit  weniger  Bäume  inmitten  der  Ackerfelder 
hat,  wie  das  in  der  Lombardei  der  Fall  ist.     Wer  diese  mit  ihren  vielen 


»  Böhmer-Ficker  2529». 
«  Böhmer-Ficker  3663». 


Geogr.  VorbediDgangen  vor  Entdeckung*  des  Gotthardweges.  21 

Wasserläufen  y  ihren  Baum-  und  Strauchreihen  kennt ,  weifs,  wie  wenig 
die  Reiterei  heute  in  dem  nicht  htlgeligen  Gebiete  wirken  kann.  Es  hat 
la  ohne  Zweifel  die  Zahl  der  Bewässerungsgräben  und  auch  wohl  der 
Bäume  sehr  erheblich  zugenommen,  aber  schon  im  Mittelalter  mufs 
zwischen  dem  durchschnittenen  Gelände  der  Lombardei  und  dem  relativ 
offeneren  um  Piacenza  ein  Unterschied  bestanden  haben.  Weingärten 
wechseln  bei  Roncaglia  mit  Ackerfeldern  und  Wiesen.  Ein  Lager  bei 
Roncaglia  hatte  also  leidlich  freien  Ausblick,  es  war  im  Rücken  durch 
den  Po  geschützt,  nach  Cremona  zu  einigermafsen  auch  durch  das  Bett 
der  Nure,  eines  bösen  Wildwassers  vom  Apennin,  über  dessen  bei  Ron- 
caglia tief  eingefurchtes  Bett,  das  nicht  wie  die  nächsten  Torrenti  Riglio 
imd  Chiavenna,  Dämme  zum  Schutze  der  Gemarkung  benötigt,  eine  dem 
ersten  Blicke  nach  zu  urteilen,  ziemlich  alte  Brücke  führt. 

Neuere  Forschung  hat  gegen  diese  in  Deutschland  ganz  allgemein 
geltende  Bestimmung  schwere  Gründe  vorgebracht,  die  der  Beachtung 
sehr  würdig  sind^  Es  wird  in  den  Berichten  über  die  Reichstage 
niemals  erwähnt,  dafs  die  von  Deutschland  kommenden  Herrscher  oder 
Mannschaften  vorher  den  Po  überschritten,  vielmehr  sind  alle  Angaben 
der  Quellen  mit  einem  auf  dem  linken  Poufer  liegenden  Roncaglia  ver- 
einbar, ja  in  einer  Quelle  ist  ausdrücklich  der  Poübergang  nach  dem 
Reichstage  erwähnt^.  Das  bisher  angenommene  Roncaglia  lag  im  Bis- 
tume  Piacenza,  also  Erzbistum  Ravenna,  und  gehörte  nicht  mehr  zur 
Lombardei  im  engeren  Sinne.  Eine  Curtis  Roncallia  gab  es  aber  auch 
auf  dem  linken  Ufer  des  Po  und  an  recht  beachtenswerter  Stelle,  unmittel- 
bar vor  dem  Poübergang  nach  Piacenza,  an  der  Stelle,  wo  der  grofse  Alpen- 
weg über  den  Grofsen  St.  Bernhard  von  dem  höher  liegenden  inundations- 
freien  Ufer  in  das  dem  Hochwasser  ausgesetzte  Gebiet  einbog.  Der 
kleine  Ort  Castelnuovo  dicht  südlich  von  Somaglia  trug  einst  den  Namen 
di  Roncaglia,  und  in  seiner  Umgebung  sucht  Agnelli  die  Stätte  der 
berühmten  Reichstage.  Kirchlich  gehörte  das  Gebiet  damals  zu  Lodi, 
politisch  schon  früh  wohl  zu  Piacenza.  Die  Ansicht  hat  sehr  viel  fUr 
sich  ^,  und  dann  wäre  also  der  Sammelpunkt  vor  den  grofsen  Flufsüber- 
gang  gelegt,  an  eine  Stelle,  wo  auch  noch  nach  Pavia  abgebogen  und 
ein  Marsch   nach   Ligurien   angetreten   werden   konnte.     Doch   wie   dem 


1  Agnelli,  Roncaglia,  in  Archivio  storico  lombardo  anno  18.  505 — 561  mit  einer 
Kartenskizze. 

2  Eckehard,  M.  G.  SS.  6,  244. 

*  Besonders  frappierend  ist  die  Thatsache,  dafs  Cotrebbia,  wo  während  des 
grofsen  Reichstages  von  1158  eine  Besprechung  stattfand,  gerade  unmittelbar  gegen- 
über von  Castelnuovo  di  Roncaglia  liegt.  Bedenken  erregt  aber  wieder,  dafs  der 
Kaiser  seine  Zelte  aufgeschlagen  hatte,  »in  comitatu  Placentie,  in  loco  qui  Medianuft 
iniquitatis  dicitur*.    M.  G,  SS.  18|  412.    Dieser  Ort  ist  leider  nicht  erklärt. 


22  Zweites  Kapitel. 

auch    sei;     die    Bedeutung    von    Piacenza    leuchtet    in    beiden    Fällen 
hervor. 

Ich  glaube,  es  ist  auch  nicht  zu  übersehen,  dafs  der  andere  Ort, 
an  dem  groCse  italienische  Reichsversammlungen  gehalten  wurden,  nörd- 
lich des  Po  lag.  Auf  der  königlichen  Pfalz  in  Corte  Olona  hielten  sich 
wiederholt  karolingische  Herrscher  auf,  es  fanden  in  dieser  Zeit  dort 
auch  mehrere  Reichsversammlungen  statt.  Mit  dem  Übergange  des 
Hofes  an  das  Kloster  S.  Salvatore  in  Pavia,  um  die  Mitte  des  zehnten 
Jahrhunderts,  hörten  diese  Besuche  auf,  und  auch  die  Versammlungen 
fielen  fort  und  wurden  mehr  Po  abwärts  verlegt  ^  Den  Ort  Koncaglia 
weiter  von  Piacenza  zu  verlegen,  wie  es  neuerdings  Majochi  versucht 
hat,  der  ihn  im  Gebiete  von  Pavia  sucht ^,  verbietet  die  ausdrückliche 
Angabe  mehrerer  Quellen,  dafs  er  juxta  Placentiam   liege. 

Verbindet  man  von  den  vier  wichtigsten  Eingangspforten,  die  aus 
dem  Gebirge  in  die  mittlere  Poebene  führen,  die  sich  diagonal  gegenüber- 
liegenden: Arona  mit  Piacenza,  Como  mit  Tortona,  so  liegt  der  Schnitt- 
punkt dicht  westlich  von  Mailand. 

Die  Natur  hat  diese  Stadt  zur  Stadt  der  Mitte,  zur  Herrscherin  des 
gewaltigen  ehemaligen  Meerbusens  der  Adria  gemacht,  den  die  Alpen 
und  Apenninflüsse  mit  der  Zeit  ausgefüllt  haben.  Die  Vorherrschaft 
beschränkt  sich  nicht  auf  dieses  Gebiet  zwischen  den  wichtigsten  Aus- 
gängen des  Süd-Nordverkehres;  auch  in  anderem  Sinne  ist  die  Poebene 
ein  Durchgangsland:  der  Verkehr,  der  aus  den  ostdeutsch  -  slavischen 
Ländern  nach  Venetien  eintritt  und  den  Pässen  in  den  Westalpen  zustrebt, 
nimmt  seinen  Zug  durch  die  Ebene,  und  auch  er  führt  über  Mailand. 
Die  Lage  dieser  west-östlichen  Strafse  ist  durch  die  Schichtung  der  Po- 
ebene bedingt^.  Ihre  Abdachung  geht  nach  Südosten  hin,  auf  dieser 
schiefen  Ebene  folgt  von  Norden  nach  Süden,  dem  Gebiete  der  Moränen, 
welche  amphitheatralisch  den  Endpunkt  der  alten  Gletscher  umgeben, 
eine  zweite  Zone  groben  diluvialen  Schuttes.  Der  steinige  und  trockene 
Boden  ist  schwer  zu  bearbeiten,  so  dafs  gelegentlich  noch  Haiden  auf- 
treten, trotzdem  die  höchste  Kunst  auf  die  Befruchtung  des  Bodens  ver- 
wendet wird.    Ein  äufserst  fruchtbarer  Gürtel  fein  geschlämmter  Diluvial- 


^  Darmstädter,  Das  Hcichsgut  in  d.  Lombardei  190,  der  leider  Dicht  die  dort 
gehaltenen  Versammlungen  zusammenstellt. 

*  In  der  mir  unzugänglichen  Scuola  cattolica  (Nov.  1896).  Jahresber.  f. 
Gesch.  Wiss.  1896  III,  279. 

"  Taramelli,  Cart«  geologica  delia  Lombardia  und  danach  Th.  Fischer  in 
der  Länderkunde  von  Europa  II,  2  S.  358.  Vgl.  auch  Adolf  Schwarz,  Mailands 
Lage  und  Bedeutung  als  Handelsstadt.  Progr.  der  höheren  Bürgerschule  der  Stadt 
Köln  1890  u.  1891. 


Geogr.  Vorbedingungen  vor  Entdeckung  des  Gotthardweges.  23 

ablagerungen  schlieCst  sich  an,  der  in  wasserführenden  Schichten  zwischen 
dem  Thone  eine  Unzahl  von  Quellen  (Fontanili)  führt,  die  zur  Bewässe- 
rung schon  im  grauen  Altertum  verwendet  wurden.  Die  weitere  Zone 
des  alluvialen  Gerölles  bildet  die  letzte  höchst  fruchtbare  Übergangsstufe 
zu  dem  Flufs  selbst,  der  mit  seinen  QeröUablagerungen,  den  Hochwasser- 
gefahren, seinen  Uferstauungen  die  Menschen  verscheucht.  In  dem 
Gebiete  der  Fontanili  liegt  Mailand,  der  grobe  Schotter  tritt  nur  bis 
Magen ta-Monza-Treviglio  heran,  und  so  liegt  diese  westöstliche  Strafse 
am  Tessin  in  dem  Gebiet  des  groben  Schotters,  diese  widerstandsfesteren 
Schichten  zwängen  den  Flufs  noch  ein  und  geben  die  Gelegenheit  zu 
einem  sicheren  Übergange.  Von  dem  Übergange  bei  Boffalora  an  ver- 
breitert sich  die  Zone  der  toten  Arme  und  des  Inundationsgebietes  des 
Tessin.  Mehr  noch  ist  die  Adda  (bei  dem  Übergange  von  Cassano) 
zusammengehalten,  wiewohl  der  Übergang  schon  in  den  Bereich  der 
Fontanili,  wenn  auch  in  die  äufserste  Spitze  desselben  fällt.  Weiter 
nördlich  würde  Mailand  in  eine  unfruchtbare  Region  fallen,  weiter  süd- 
lich unter  den  Unbequemlichkeiten  leiden,  welche  die  Übergänge  über 
die  zerrissenen  Flufsläufe  der  Niederlandsflüsse  an  ihren  Mündungen 
darbieten.  Die  Nebenflüsse  sind  gleich  dem  Po  dem  Menschen  feindlich, 
er  meidet  sie,  und  so  liegt  auch  Mailand  fast  im  gleichen  Abstände  vom 
Tessin  wie  von  der  Adda.  Die  beiden  gewaltigsten  der  Alpennebenflüsse 
bilden  Abschnitte,  die  in  der  Kriegsgeschichte  oft  hohe  Bedeutung  gehabt 
haben:  die  Seen,  denen  sie  entströmen,  sind  ihre  Regulatoren,  und  sie 
führen  beide  fast  stets  so  viel  Wasser,  dafs  sie  nicht  durchf artet  werden 
können.  Der  Tessinabschnitt  bildet  auf  dem  linken  Poufer  die  Fort- 
setzung des  Passes  von  Stradella,  wie  die  Adda  in  ein  ähnliches  Verhält- 
nis zu  Piacenza  tritt. 

Scheinbar  ist  Mailand  durch  die  Natur  von  der  Schiffahrt  ausge- 
schlossen, ihre  Bewohner  haben  aber  schon  früh  verstanden,  das  Wasser 
der  Flüsse  wie  zur  Bewässerung  der  Felder,  so  auch  zur  Schiffahrt  zu 
verwenden.  In  den  Tagen  der  staufischen  Kaiser  wurde  der  Lanibro,  der 
zum  Po  führt,  zur  Schiffahrt  benutzt^  Es  können  dort  jedoch  nur  kleine 
Schiffe  verkehrt  haben.  Schon  1179  war  aber  vom  Tessin  Wasser  ab- 
geleitet, das  zur  Bewässerung  dienen  sollte,  der  Kanal  ging  zunächst 
nur  von  Tomavento  bis  Abbiategrasso  dem  Tessin  fast  parallel,  1223 
(oder  1253)  wurde  er  als  Schiffahrtskanal  nach  Osten  hin  auf  Mailand 
zu  bis  Trezzano  geftlhrt,  1271  erreichte  der  Naviglio  grande  die  Stadt, 
welche   nun   eine  Verbindung  mit  dem  Lago  Maggiore  (ohne  Schleusen) 


'  Vgl.  Urk.  Friedrichs  IL  Böhmer-Ficker  410.  In  den  Tagen  Galvano 
Fiammas  war  der  Verkehr  mit  Venedig  eingegangen.  Mise,  di  stör.  ital.  7,  448 
u.  726. 


24  Zweites  Kapitel. 

besafs  ^  In  den  Statuta  jurisdictionum  Mediolani  werden  die  Oberen  ver- 
pflichtet, das  Projekt,  den  Luganersee  durch  die  Tresa  mit  dem  Langen- 
see  und  diesen  mit  Mailand  in  Verbindung  zu  setzen,  nicht  aus  dem 
Auge  zu  lassen;  man  versicherte,  das  sei  mit  geringen  Kosten  ausführ- 
bar. Auch  sollten  sie  für  die  Herstellung  der  Schiffahrt  nach  Venedig 
sorgen^.  In  Mailand  wurde  der  Mangel  eine«  Meereshafens  sehr  lebhaft 
empfunden,  und  sein  Lobredner  Bonvesin,  der  nur  zwei  Fehler  Mailands 
kennt,  bezeichnet  als  den  einen,  dafs  bis  zu  ihm  die  Meeresschiffahrt 
nicht  reiche;  er  hofft  aber  doch,  dafs  die  Herren  des  Landes  dem  noch 
abhelfen®.  Der  Naviglio  di  Bereguardo  wurde  1457  —  70  angelegt,  um 
den  Tessin  auch  von  Abbiategrasso  bis  Bereguardo  zu  vermeiden.  Die 
östliche  Fortsetzung  des  Naviglio  grande,  der  Naviglio  della  Martesana, 
der  dann  dem  Addalaufe  nach  Norden  sich  entgegenwendet,  wurde 
1457 — 1500  gebaut.  Wann  der  Naviglio  di  Pavia  erstand,  ist  nicht 
sicher,  schon  1359  genannt,  war  er  unter  Francesco  Sforza  schiffbar, 
verlor  dann  aber  seine  Bedeutung,  bis  Napoleon  I.  den  Bau  eines  Kanals 
zwischen  Mailand  und  Pavia  befahl*.  Wenn  so  Mailand  ein  ausgedehntes 
Kanalsystem  besafs,  das  die  Stadt  mit  Brennholz,  Lebensmitteln,  Bau- 
materialien, überhaupt  den  aus  der  Nähe  stammenden  Massenartikeln, 
versorgte*^,  so  darf  die  Bedeutung  der  Kanäle  für  den  internationalen 
Handel  nicht  überschätzt  werden.  Teure  Waren,  die  der  Händler  selbst 
begleitete,  kamen  unzweifelhaft  auf  dem  Landwege  von  den  Alpen  her 
schneller  fort.  Doch  wir  sind  fast  schon  in  die  Verkehrsgeschichte  selbst 
eingetreten. 

So  war  Mailand  der  von  der  Natur  begünstigte  Mittelpunkt  nicht 
allein  der  Lombardei  im  engeren  Sinne,  sondern  sogar  des  gesamten  Po- 
tieflandes  in  seiner  weiten  Ausdehnung  von  Cuneo-Turin  bis  zum  Gestade 
der  Adria,  schon  in  einer  Zeit,  da  der  Gotthardpafs,  der  centralste  Pafs 
der  Alpenwelt,  noch  nicht  erschlossen  war,  noch  nicht  die  Kunst  des 
Wasserbaues  Mailand  mit  Tessin,  Adda  und  Po  verbunden  und  es  noch 
nicht  an  den  Vorteilen  der  Wasserstrafsen  teilnahm.  Das  alte  Mediolanum 
war  in  den  letzten  Jahrhunderten  des  römischen  Imperiums  der  Mittel- 
punkt des  Staates  geworden  und  hatte  Rom  fast  in  die  zweite  Linie  zu- 
rückgedrängt,   und  diese  Vorortsstellung  konnte  ihm  die  grofse  Brücken- 


'  Vgl.  Ghinzoni  im  Arch.  stör,  lombardo  20,  200  ff.  Giulini,  Memorie  8,  144. 
488.   Novati  in  Bullet,  del'  Istituto  storico  italiano  20,  109  Anm.    Mediolanum  1,  51. 

"  In  welcher  Zeit  diese  Beschlüsse  gefafst  wurden,  ist  nicht  leicht  zu  sagen. 
Leges  municipales  2,  1070. 

'  De  magnalibus  urbis  Mediolani  170  f. 

^  Mediolanum  1,  55. 

*  Galvano  Flamma  (Miscell.  di  stör.  ital.  7,  448)  nennt  nur  »vinum,  Ugna 
et  hnjusmodif. 


Geogr.  Vorbedingungen  vor  Entdeckung  des  GrOtthardweges.  25 

Stadt  des  Tessin,   Pavia,   nur  für  wenige  Jahrhunderte  rauben.     Mailand 
war  zu  einer  Grofsstadt  durch  seine  Lage  geschaffen. 

Wenn  die  Alpenpässe  somit  im  Süden  konvergiren,  ist  im. Norden 
die  Divergenz  gegeben,  aber  sie  ist  doch  wesentlich  eingeschränkt.  Sehen 
wir  uns  die  Dienerschen  Leitlinien  der  Westalpen  an  ^,  so  erkennen  wir, 
dafs  die  westliche  Pafspforte  am  Genfersee  im  Scheitelpunkte  des 
gewaltigen  Bogens,  den  die  Westalpen  um  die  obere  Poebene  ziehen, 
liegt.  Hier  wäre  eine  völlig  freie  Entwicklung  nach  allen  Seiten  denk- 
bar, wenn  sich  nicht  im  Jurazuge  sofort  ein  Hindernis  entgegenstellte. 
Die  andere  Pforte  liegt  gerade  auf  der  Scheide  der  West-  und  Ostalpen. 
Der  Rhein  hat  sich  seinen  Weg  durch  die  nordöstlichsten  Züge  der  West- 
alpen gebrochen,  dafs  er  aber  nicht  weiter  nach  Osten  zog,  ergab  sich 
durch  die  Leitlinien  der  Silvretta  -  Gruppe  und  der  ihr  vorliegenden 
Rhätikon-Gruppe.  So  wurde  Bregenz  die  äufserste  Warte  nach  Osten, 
erst  jenseits  des  Bodensees  konnte  sich  der  Verkehr  ausbreiten,  bis  dahin 
gab  es  nur  Verbindungen  nach  Westen,  welche  auf  die  schweizerische 
Hochebene  führen  und  sich  dort  mit  den  Strafsen,  die  aus  dem  Rhone- 
munde herauskamen,  verbanden  oder  kreuzten. 

Die  grofse  Pforte  von  Chur  hat  einen  Nebeneinlafs  in  dem  K  u  n  k  e  1  s  - 
passe,  den  aber  wohl  nur  dann  jemand  benutzte,  wenn  er  Grund  hatte, 
Chur  zu  vermeiden.  Mit  gutem  Gewissen  sind  ihn  wohl  selten  Kaufleute 
gefahren.  Der  gewaltige  Calanda,  der  Eckpfeiler  am  Rheinknie  von  Chur, 
steht  mit  der  westlichen  Kette  nur  durch  ein  1351  m  hohes  Joch  in  Ver- 
bindung. Zu  diesem  Kunkelspasse  mufs  man  von  Reichenau  und  Tamins 
(684  m)  ungemein  steil  zwischen  den  Felstrüramern  hinaufklettern.  Von 
dort  zieht  sich  nach  Norden  am  Steilabfall  des  Calanda  ein  breites  sanft- 
abfallendes Wiesenthal,  das  von  Vättis  (951  m)  ab  die  Richtung  des 
Thals  der  Taraina  bestimmt.  Es  ist  eine  düstere,  von  Lauinenztigen 
vielfach  bedrohte  Felsenschlucht,  in  der  sich  der  Bach  tief  eingegraben 
hat,  um  im  „Beschlufs" ,  wo  die  berühmte  Quelle  von  Pftlfers  liegt, 
ganz  in  den  Felsen  zu  verschwinden.  Bei  Ragatz  tritt  der  Weg,  der  in 
den  obersten  Teilen  immer  ein  Saumpfad  blieb,  in  die  Rheinebene. 
Jedenfalls  hat  ihn  von  dort  aus  nur  jemand  benutzt,  der  die  Zollstellen 
unterhalb  von  Chur  umfahren  und  einen  der  Hinterrheinpässe  benutzen 
wollte. 

Die  normale  Pforte  war  natürlich  das  Rheinthal  selbst.  Häufiger 
wird  Chur  als  Anfang  der  rheinischen  Schiffahrt  bezeichnet,  es  können 
aber  hier  nur  kleine  Kähne  benutzt  werden  ^.  Auch  im  Rheinthal  sind  die 
Wege  durch  die  Natur  vorgezeichnet.    Unterhalb  Sargans  hat  der  Rhein 


'  Diener,  Gebirgsbau  der  Westalpen, 
s  Der  Rheinstrom  S.  227. 


26  Zweites  Kapitel. 

sich  in  einem  Felsenriegel  zwischen  dem  Schollberg  und  dem  EUhom 
einen  Weg  bahnen  müssen.  Die  Stelle  ist  jedoch  nicht  so  eng,  dafs  nicht 
dort  am  linken  Ufer  ernste  Arbeit  einen  Verkehr  hätte  ermöglichen 
können. 

Dieser  wird  aber  durch  das  rechte  Ufer  mehr  begünstigt.  Von  Chur 
ab  zieht  sich  nur  durch  das  versandete  Mündungsgebiet  der  Landquart, 
eines  bösen  Wassers,  unterbrochen  eine  höchst  fruchtbare,  weinreiche 
Gegend  bis  zum  Städtchen  Mayenfeld.  Hier  ist  allerdings  ein  kleiner 
Pafs  zu  überwinden:  die  bekannte  Luziensteige.  Die  Steilhänge  des 
Falknis  sind  durch  ein  flaches,  plateauartiges  Joch  von  dem  Fläscher 
Berg  getrennt,  der  zum  Rhein  in  senkrechten  Wänden  abfällt.  Die 
Steigung  von  Mayenfeld  beträgt  nur  166  m,  der  Abstieg  nach  Balzers 
ist  etwas  bedeutender. 

Unterhalb  des  Engpasses  (Schollberg-Luziensteige)  verteilen  sich  die 
Vorteile  auf  beide  Rheinufer.  Der  Weg  auf  dem  rechten  Rheinufer  ist 
naturgemäfs  eine  Strafse  am  Fufse  des  Gebirges,  zumal  das  Rheinthal 
durch  die  Verhältnisse  des  Stromes  schon  wohl  sehr  früh  recht  unwirtlich 
war,  und  berührt  Feldkirch,  Altenstadt,  um  bei  Bregenz  den  Bodensee 
zu  erreichen.  Besondere  Schwierigkeit  bietet  aber  der  Übergang  über 
die  Bregenzer  Aache.  Auf  dem  linken  Ufer  kommen  von  den  Höhen 
unterhalb  des  Trübbaches  nur  kleine  Bäche.  Dieser  Weg  führt  aber 
nach  Rheineck  zu  der  alten  Mündungsstadt  des  Flusses,  der  inzwischen 
sein  Delta  schon  weit  vorgeschoben  hat.  In  Bregenz  und  Rheineck 
haben  wir  die  bayrisch-schweizerische  Hochebene  erreicht. 

Doch  wir  müssen  noch  einmal  in  das  Rheinthal  oberhalb  Sargans 
zurückkehren.  Es  hat  eine  Zeit  gegeben,  wo  der  Rhein  gar  nicht  durch 
den  Bodensee  flofs,  sondern  die  andere  Richtung  des  alten  Rheingletschers 
verfolgte,  die  sich  zwischen  den  Ausläufern  der  Tödikette  und  den  Kur- 
rirsten  hinzog.  Die  NiveaudiflFerenz  ist  hier  so  gering,  dafs  noch  heute 
die  Gefahr  vorhanden  ist,  dafs  der  Rhein  bei  aufserordentlichen  Umständen 
ausbreche  und  seinen  Weg  über  den  Walen-  und  Zürchersee  nehme  ^ 
Dieser  Zug  war  auch  für  den  Verkehr  gegeben.  Er  besteht  von  Walen- 
staad  an  aus  einer  grofsen  Wasserverbindung;  es  ist  freilich  fraglich,  ob 
die  Verbindung  zwischen  dem  Walensee  und  dem  Ztirichersee  immer 
schifibar  war.  Es  geht  nur  am  Südufer  des  Walensees  auch  ein  Weg, 
der  ziemlich  tief  in  das  Glarner  Thal  einbiegt,  um  die  Thalsohle  zu 
erreichen.  Der  Zürichersee  ist  natürlich  hüben  und  drüben  von  Wegen 
eingefafst.  Als  Austrittspunkt  aus  dem  Alpengebiete  repräsentiert  sich 
Zürich,  es  hat  in  diesem  Sinne  die  Bedeutung  von  Bregenz-Rheineck. 

Die  Rhonepforte  ist  fast  unmittelbar  an  den  Genfersee  gerückt,    das 


1  Der  Kheinstrom  S.  46  f. 


G«ogr.  VorbedinguDgen  vor  Entdeckung  des  Gotthardweges.  27 

Gegenstück  des  Bodensees.  Doch  begleiten  jenen  auf  beiden  Ufern 
noch  die  Alpenketten.  Auf  dem  rechten  Ufer  werden  sie  erst  bei 
Vevey  so  niedrig ,  dafs  von  hier  eine  Strafse  nach  Norden  geführt 
werden  kann. 

Die  Nordseite  besafs  also,  solange  die  Pässe  ilber  das  Centralsjstem 
noch  nicht  nutzbar  gemacht  waren,  drei  Austrittspforten :  das  obere  Stück 
des  Genfersees,  Zürich  und  Rheineck-Bregenz.  Vevey  und  Bregenz  sind 
in  der  Luftlinie  235  km  von  einander  entfernt. 

Auch  hier  erhebt  sich  die  Frage,  welchen  Zielen  der  Verkehr  zu- 
strebte, der  in  diesen  drei  Pforten  die  Hochebene  betrat.  Erst  dann 
werden  wir  die  Verhältnisse  auf  derselben  zu  beurteilen  im  Stande  sein. 
Ich  mufs  da  in  gewisser  Weise  voraufgreifen  und  Dinge  berühren, 
die  dem  Wandel  unterworfen  waren.  Als  Hauptziel  des  Verkehrs  kommt 
zunächst  das  Gebiet  der  oberen  Seine  in  Betracht,  wo  im  Mittelalter  die 
grofsen  westeuropäischen  Messen  stattfanden.  In  derselben  Richtung 
liegt  auch  die  schmälste  Stelle  des  Eanales,  sowie  das  früh  hochkultivierte 
Gebiet  von  Flandern.  Das  zweite  Ziel  war  das  Gebiet  des  Mittelrheins, 
der  eigentliche  Sitz  des  Deutschen  Reiches  und  die  am  meisten  von  der 
Kultur  gesättigte  Gegend  des  mittelalterlichen  Deutschland.  Von  ihm 
fllhrten  übrigens  auch  Wege  nach  Flandern  und  nach  der  Champagne 
hinüber.  Ein  drittes  Ziel  war  das  Gebiet,  bis  wohin  der  slavische 
Handel  sich  erstreckte.  Für  den  Alpenverkehr  kam  mehr  als  Leipzig 
Nürnberg  in  Betracht.  Der  Verkehr  nach  Augsburg,  auf  die  bayrische 
Hochebene,  führte  dann  schon  in  das  Gebiet,  dem  die  Ostalpenpässe  be- 
quemer lagen.  Das  sind  aber  nur  die  Hauptziele,  der  Verkehr  zerteilte 
sich  in  dem  weiten,  durch  Gebirgszüge  nur  unwesentlich  erschwerten 
Gebiete  nach  allen  Richtungen. 

Der  gröfste  Teil  dieses  Gebietes  war  aber  von  den  Alpen  noch  durch 
einen  andern  Gebirgszug  abgetrennt,  der  zu  den •  unwegsamsten  Mittel- 
europas zu  zählen  ist,  und  daher  liegt  vor  der  Reihe  der  Alpenpässe 
noch  eine  andere  von  Juraübergängen.  Nur  der  Ausgang  des  Rheins 
auf  den  Bodensee  stöfst  nicht  unmittelbar  wider  diesen  Wall. 

Der  Jura  ist  in  seinem  südwestlichen  Abschnitte  bis  fast  in  die 
Gegend  des  Aaredurchbruches  ein  Faltengebirge  von  sehr  regelmäfsiger 
Gestalt.  Eine  steile  Mauer  erhebt  sich  an  dem  Rande  der  schweizerischen 
Hochebene.  Die  einzelnen  hoch  emporstehenden  Falten  streifen  auf  dem 
Kamme  parallel  nebeneinander  sehr  weit  hin.  Die  Thäler  des  wasser- 
armen Gebietes  ziehen  sich  also  in  der  Richtung  der  Kette  und  verhindern 
den  Verkehr.  Die  Entwässerung  erfolgt  dann  in  schluchtartig  einge- 
schnittenen Querthälem,  welche  dem  Verkehr  öfters  nicht  Platz  genug 
lassen,  jedenfalls  einen  steilen  Anstieg  erfordern.  Nach  der  französischen 
Seite  hin  werden  die  Ketten  allmählich  niedriger.    Der  Zug  erreicht  so  in 


28  Zweites  Kapitel. 

seinen  mittleren  Teilen  eine  erhebliche  Breite.     Das  Klima  ist  rauh,    die 
Gegend  arm  und  auf  den  Höhen  ziehen  sich  grofse  Waldungen  hin. 

Auf  dem  weiten  Zuge  von  Genf  bis  zum  Nordende  des  Bielersees  ist 
nur  ein  einziger  Pafs  leidlich  zugänglich:  es  ist  die  Klause,  welche  sich 
bei  Pontarlier  nach  Frankreich  hin  öffnet  und  weiter  nach  Besannen  bez. 
Dijon  und  zum  oberen  Seinebecken  führt.  Zu  der  Klause  führen  zwei 
A\'ege,  der  eine  von  Neuenburg  durch  Val  Travers  kam  für  den  Italien- 
wanderer erst  nach  Entdeckung  des  Gotthardes  in  Frage,  der  andere  führt 
vom  Genfersee,  von  Lausanne  um  das  Sumpfgebiet,  das  am  oberen  Ende 
den  Neuenburger  See  umgiebt,  nach  Orbe  (445  m),  wo  der  Flufs  gleichen 
Namens  den  Jurahang,  in  den  er  sich  tief  eingeschnitten  hat,  verläfst. 
Oberhalb  der  ungangbaren  Schlucht  mufste  der  Weg  sich  hinziehen,  um 
dann  im  Thale  der  Jougnenaz  die  feste  Stellung  von  Jougne  und  unmittel- 
bar darauf  die  Wasserscheide  (1100  m)  zu  erreichen.  Durch  ein  ödes 
Längsthal  nähert  sich  der  Wanderer  der  Klause  von  Pontarlier. 

Der  Pafs  von  Biel  nach  Basel,  den  heute  die  Eisenbahn  benutzt, 
konnte  in  früheren  Zeiten  keine  Bedeutung  gewinnen.  Er  enthält  nicht 
weniger  als  fünf  schwierige  Durchbrüche  durch  die  Ketten  des  Jura, 
gleich  oberhalb  Biel,  den  Pierre  Pertuis,  den  Durchbruch  unterhalb  Court, 
den  unterhalb  Moutiers  und  schliefslich  den  von  Delsberg  bis  Lauffen. 

In  der  Nähe  von  Basel  vereinigt  sich  dann  eine  gröfsere  Zahl  von 
Strafsen,  denen  die  Natur  ihre  Wege  wies.  Der  obere  Hauenstein  liegt 
so  glücklich,  dafs  in  höheren  Lagen  nur  eine  einzige  Kette  zu  überwinden 
ist.  Nordöstlich  von  Solothum  öffnet  sich  in  der  Klus,  auf  die  die  Burgen 
Bechburg  und  Falkenstein  hinabschauen,  die  vorderste  Kette  des  Jura. 
Der  Weg  kann  dann  ein  Längsthal  benutzen,  um  dann  den  niederen 
Sattel  in  einer  Höhe  von  718  m  zu  überschreiten.  Jenseits  der  Höhe 
mahnt  uns  der  Name  Spital  vielleicht  an  eine  fromme  Stiftung  für  die 
Wanderer.  Mit  dem  Fränkenbache  und  dem  Ergolz  durchsetzt  der  Weg 
die  weiteren  Ketten  des  Jura,  um  bei  Äugst  den  Rhein  zu  erreichen. 

In  diesen  Weg  mündet  auch  der  zweite,  der  vom  unteren  Hauenstein 
ein.  Er  steigt  aus  der  Aareniederung  von  Ölten  aus  steil  zur  Pafshöhe 
(695  m)  empor  und  war  bis  zum  Bau  der  neuen  Strafse  nur  ein  Saum- 
pfad; jenseits  der  Pafshöhe,  die  fast  in  der  vordersten  Kette  liegt,  benutzt 
der  Weg  ein  nach  Nordwesten  streifendes  Thal,  um  oberhalb  Sissach 
gleichfalls  die  Ergolz  und  mit  ihr  den  Rhein  zu  gewinnen.  Der  Ketten- 
charakter tritt,  je  mehr  sich  der  Jura  nun  dem  Rheine  nähert,  zurück, 
und  der  nächste  Pafs  hat  eine  eigentliche  Kette  nicht  mehr  zu  über- 
winden. Es  ist  der  Bötzberg.  Er  geht  von  der  grofsen  schweizerischen 
Flufspforte  aus  (Windisch  366  m),  erhebt  sich  an  dem  Steilhange  des 
Juraabfalls  und  erreicht  sehr  bald  die  weite  Fläche  der  Höhe,  die  nur 
bis  574  m  ansteigt.    Dem  Laufe  eines  Baches  folgend  und  sich  langsam 


Geogr.  VorbedingaDgen  vor  Entdeckung  des  Gotthardweges.  29 

senkend  wird   der  Rhein  bei  Stein  (302  m)   gewonnen,   und  über  Rhein 
felden  führt  der  Weg  gleichfalls  nach  Äugst 

Pontarlier  und  Äugst  sind  demnach  die  natürlichen  Thore  zum  Jura. 
Äugst  hat  an  Basel  die  Vorortsstellung  abtreten  müssen  und  mit  gutem 
Rechte.  Äugst  war  der  Hafenplatz  fUr  diese  drei  Pässe,  war  aber  ihnen 
so  nahe  gerückt,  dafs  der  Verkehr  aus  dem  Birsgebiete  unterhalb  des 
Ortes  den  Rhein  traf.  Vollends  Hefs  sich  in  Äugst  nicht  der  Verkehr 
auffangen,  der  von  Burgund  her  den  Westabhang  des  Jura  umging  und 
durch  die  Pforte  von  Beifort  in  die  oberrheinische  Tiefebene  eintrat. 
Die  betreffende  Römerstrafse  hat  auch  gar  nicht  den  Versuch  gemacht, 
Äugst  zu  erreichen.  Nachdem  einmal  Basel  entstanden  war,  mufste 
Äugst  verdorren.  Das  Glück  ist  überhaupt  den  römischen  Städten  auf 
der  schweizerischen  Hochfläche  nicht  günstig  gewesen. 

Sie  bildet  die  Mulde  zwischen  dem  Alpenabhange  und  dem  Jurawall 
und  ist  nach  Süden  hin  vom  Genfersee  geschlossen,  während  der  Boden- 
see, dessen  Haupt  in  den  Alpen  ruht,  dessen  Fufs  aber  fast  bis  zum 
Jura  reicht,  die  natürliche  Fortsetzung  in  der  schwäbisch  -  bayrischen 
Hochebene  abtrennt.  Dieses  Hochland  legt  sich  wie  ein  Glacis  vor  die 
Alpenfront,  das  sanft- wellige  Hügelland,  dessen  Entwässerungsrinnen 
meist  bis  in  die  Alpen  selbst  zurückgehen,  drängt  die  Tiefenlinie  an  den 
Fufs  des  Jura,  hier  liegt  erst  die  Zone  der  Seen,  dann  die  Aare,  welche 
fast  alle  Gewässer  des  Gebietes  in  sich  aufnimmt 

Folgte  der  Verkehr  diesem  Wasserlaufe?  Es  ist  der  Versuch  von 
den  Römern  gemacht  worden,  das  durchzuftihren.  Er  mifslang.  Eburo- 
dum  (Yverdun),  Minodunum  (Moudon),  Aventicum  (Avenches)  und  Vin- 
donissa  (Windisch)  sind  heute  unbedeutende  Orte  wie  Äugst,  nur  Solo- 
thum  hat  sich  behauptet.  Der  Verkehr,  welcher  vom  Genfer-  zum 
Bodensee  ging,  hat  diese  Linie  nicht  festgehalten,  sondern  hat  sich 
möglichst  den  Alpen  genähert  und  nicht  den  äufseren,  sondern  den 
inneren  Bogen  bevorzugt.  So  begründete  sich  die  Blüte  von  Freiburg  i.  U., 
Bern,  Willisau,  Luzem,  Zürich,  St.  Gallen. 

Vor  allem  täuschten  sicji  die  Römer  in  der  Bedeutung  der  Flufs- 
pforte  von  Windisch.  Noch  innerhalb  des  Juradurchbruches  fliefsen  der 
Aare  die  schiffbaren  Nebenflüsse  Reufs  und  Limmat  zu.  Vor  dieser 
Pforte,  welche  die  schweizerische  Hochebene  erschliefsen  könnte,  liegt 
eine  Mauer.  Sie  öffnet  sich  ja  gegen  das  Massiv  des  südlichen  Schwarz- 
waldes,  der  auch  den  Jurazug  aufgestaut  hat.  Gerade  dieser  Teil  des 
Schwarzwaldes  ist  am  unwegsamsten,  und  nach  Westen  oder  Osten  mufs 
der  Wanderer  ihn  umgehen,  die  Fortsetzung  seiner  Wege  liegt  bei  Basel 
oder  Schaffhausen.  Wäre  die  Mündung  dieses  grofsen  Wassersystems 
nach  Basel  oder  nach  Eonstanz  verlegt,  so  würde  sie  hier  in  das  offene 
Land  den  Verkehr  entlassen,    und  nie  und  nimmer  würde  sich  dann  die 


30  Zweites  Kapitel. 

Schweiz  vom  Deutschen  Reiche  haben  loslösen  können.  Nun  aber  ist 
selbst  der  Flufslauf  tot;  denn  abwärts  hindert  der  Laufen  bei  Laufen- 
burg wenigstens  eine  regelmäfsige  Schiffahrt.  Zu  Berg  ist  sie  bei  dem 
starken  Gefälle  des  Rheins  so  wie  so  nicht  möglich,  für  die  Thalfahrt 
fanden  sich  kühne  Schiffer,  die  sich  wohl  getrauten,  ein  kleines  Schiff 
an  Seilen  über  den  Strudel  zu  bringen,  aber  auch  das  nur  in  einzelnen 
Jahreszeiten,  die  Flöfse  wurden  von  der  Mannschaft  verlassen,  und  wenn 
sie  brachen,  unterhalb  wieder  zusammengebunden^.  Aufwärts  ist  der 
Rheinfall  von  Schaffhausen  ein  absolutes  Hindernis.  Auch  der  Verkehr 
am  Rhein  ist  nicht  besonders  begünstigt,  es  giebt  in  der  Flufspforte  keine 
Brückenstadt  So  mufste  der  Wanderer  über  die  Höhen  des  Jura  steigen. 
Bequem  war  der  Weg  nach  Basel  über  den  Bötzberg,  den  die  alte  Römer- 
strafse  benutzte.  Vergessen  aber  wurde  der  Strafsenzug,  auf  dem  die 
römischen  Legionen  über  das  Gebiet  der  Donauquellen  nach  dem  oberen 
Neckar  marschierten.  So  konnte  die  alte  Römerstadt,  der  erste  Bischofs- 
sitz des  Gebietes,  Vindonissa,  sich  nicht  behaupten,  und  wenn  auch  dann 
von  hier  die  Herrschaft  der  Grafen  von  Baden  und  der  von  Habsburg 
ausging,  so  hat  das  Gebiet  keine  Stadt  wieder  gebildet,  die  die  Bedeutung 
von  Basel  oder  Konstanz  hätte  erreichen  können. 

Der  Verkehr  von  der  schweizerischen  Hochfläche  nach  Konstanz 
und  dem  Südufer  des  Bodensees  ist  so  wenig  erschwert,  dafs  man  nicht 
eigentlich  von  Pässen  mehr  reden  kann. 

Der  Bodensee,  der  meistbegünstigte  See  unseres  Kontinentes,  das 
Gebiet  uralter  Kultur,  kann  keine  ausschliefsliche  Herrin  haben,  wie  der 
Züricher-  oder  Vierwaldstädtersee;  die  einzelnen  Städte  sind  Endpunkte 
von  Linien  und  zu  gleicher  Zeit  Hafenstädte.  Für  den  Alpenverkehr 
kommen  besonders  drei  in  Betracht:  Lindau  als  der  Ausgangspunkt  für 
den  Verkehr  nach  Bayern,  Franken  und  dem  nächstgelegenen  Gebiete 
von  Schwaben,  Friedrichshafen  (Buchhorn)  als  die  direkteste  Verbindung 
nach  Ulm  und  den  Wegen,  die  zum  mittleren  und  unteren  Neckar  führen, 
und  endlich  Konstanz,  eine  Stadt,  die  für  die  Geschichte  des  Alpen- 
verkehrs eine  gröfsere  Bedeutung  hatte,  als  man  bisher  annahm.  Sie 
vereint  die  Vorzüge  einer  Brücken-  und  Hafenstadt,  sie  liegt  inmitten 
einer  schiffbaren  Fläche,  die  von  Schaffhausen  bis  Bregenz  reicht,  und 
sie  ist  (mit  Stein  und  Schaffhausen)  die  einzige  Brückenstadt  auf  dem 
Rheine  in  dem  Gebiete  zwischen  Jura  und  den  Alpen.  Heute,  wo 
politische  Grenzen  Konstanz  von  seinem  natürlichen  Hinterlande,  dem 
Thurgau,  abschneiden,  ist  die  Bedeutung  der  Stadt  nicht  so  deutlich  zu 
erkennen,  wie  im  Mittelalter. 

Für  den  Reisenden,    der  von   Chur  nach   Schwaben   oder  Franken 


1  Der  Rheinstrom  S.  227. 


Geogr.  VorbedinguDgen  vor  Entdeckung  des  Gotthardweges.  31 

wollte,  wäre  Konstanz  ein  Umweg  gewesen.  Es  war  aber  der  Zug  zum 
Rheinthale,  nach  Strasburg  hin,  mehr  oder  weniger  an  Eonstanz  ge- 
bunden. Und  das  war  ihr  ein  wesentlicher  Vorteil.  Vom  Rheine  her 
greift  ein  einziges  Thal  tief  und  energisch  in  den  Schwarzwald  ein, 
dessen  waldbedeckter  Kücken,  so  lange  nicht  Klöster  und  Bauern  in  ihm 
rodeten,  schwer  passierbar  war.  Dem  Zug  der  Kinzig  entgegen  führt  ein 
völlig  sicherer  Weg  bis  nach  Schiltach.  Der  natürliche  Weg  zog  von 
dort  auf  Schramberg,  um  von  hier  aus  in  bequemem  Anstieg  die  Wasser- 
scheide zwischen  Rhein  und  Donau  zu  überwinden  und  in  Villingen  das 
obere  Donaubecken  zu  erreichen.  Die  heutige  Eisenbahn  wählte  aus 
ganz  anderen  Gründen  die  schwierige  Passage  von  Triberg  —  man  kann 
sagen,  dafs  sie  eben  hierher  verlegt  wurde,  weil  die  alte  Richtung  zu 
wenig  romantisch  gewesen  wäre.  Immerhin  war  auch  das  ein  Engpafs. 
Aus  dem  oberen  Donaugebiete  erhebt  sich  der  Zug  noch  einmal  und 
erreichte,  ohne  grofse  Schwierigkeiten  die  Juraformationen  an  ihrer 
schmälsten  Stelle  überschreitend,  bei  Engen  die  fruchtbare  Landschaft 
des  Hegau,  dessen  Verkehr  auf  Konstanz  mündet.  So  war  diese  Stadt 
direkt  mit  Strafsburg,  der  Herrin  der  oberrheinischen  Tiefebene,  ver- 
bunden. Eine  solche  diagonale  Verbindung  über  den  Schwarzwald  besafs 
Basel  nicht,  so  viel  die  Natur  für  diesen  Ort  auch  sonst  gethan  hat 

Basel  hat  eine  Stelle  eingenommen,  wie  sie  so  markant  selten  an 
einem  Flufslauf  wiederkehrt.  Aus  dem  Alpenflusse  wird  hier  der  Strom 
der  Tiefebene,  der  Flufs  tritt  ein  in  eine  lange  breite,  von  der.  Natur 
gesegnete  Spalte,  und  wenige  Meilen  davon  öffnet  sich  eine  breite  Pforte, 
welche  nach  Burgund  und  zum  Mittelmeere  führt.  Der  Versuch,  über 
den  Schwarzwald  den  Alpenverkehr  weiter  zu  leiten,  ist  nicht  gemacht 
worden,  dafs  es  aber  —  wie  sich  zeigen  wird  —  bei  den  Vogesen  und 
zwar  in  ihren  höchsten  Teilen  geschah,  beweist  wie  kräftig  das  Ziel 
war,  welches  nach  dem  Gestade  des  Kanals,  nach  Flandern  lockte. 
Schon  der  Name  zeigt,  dafs  Strafsburg  eine  Stadt  der  Verkehrslinien 
war.  Hier,  durch  die  schiffbare  111  verstärkt,  wie  durch  die  Kinzig, 
begann  der  Rhein  sanfter  zu  fliefsen.  Nach  Westen  und  Osten  öffneten 
sich  die  Senkungen  von  Zabern  und  die  des  Kraichgaues ;  wo  der  frucht- 
barste Boden  des  Elsasses,  der  Löfs,  am  nächsten  an  den  Rhein  tritt, 
ward  seine  Brückenstadt  erbaut.  Auch  hier  werden  wir  den  Alpen- 
verkehr einen  Weg  einschlagen  sehen,  der  heute  völlig  verlassen  ist;  er 
streicht  zum  selben  Ziel  wie  der  von  Basel  ausgehende,  und  wir  dürfen 
darin  wieder  die  magnetische  Kraft  dieses  Zieles  erkennen.  Unterhalb 
Strafsburg  sind  die  Spuren  des  Alpenverkehrs  aufserhalb  der  Rheinstrafse 
80  sparsam,  andere  Momente  treten  hier  so  mächtig  hervor,  dafs  unsere  geo- 
graphische Betrachtung  hier  ihren  Abschlufs  finden  kann.  Wir  sind  mitten 
in  der  Zone  der  Vermittlung  des  nord-  und  des  südeuropäischen  Handels. 


32  Drittes  Kapitel. 

Drittes  Kapitel. 

Ändernnfi;  der  geographischen  Bedingungen  dnrch  die  Einrichtung 

des  Ootthardweges. 

Centrale  Lage  des  Gotthardquerschnittes.  Der  Anstieg  im  Norden,  Die  Haupt- 
schtcierigkeit  im  Urtier  Loch,  ürseren,  Pafshohe.  Der  Abstieg  im  Livinenthal,  Verstärke 
Bedeutung  rot»  Mailand,    Neue  Wege  nach  Zürich,  Basel  und  Windisch. 

BrscMiefsung  des  Grimselpasses,  Fortsetzungen  über  die  südliche  Kette:  Nufenen-, 
Gries-  und  Albrunpafs.   Seit  Eintreten  des  Gotthards  scharfe  Konkurrenz  der  Pdsae. 

Tabelle:   Zusammenstellung  der  Pafshöhen, 

Lange  Jahrhunderte  hindurch  regelte  sich  der  Verkehr  über  die 
Alpen,  soweit  wir  ihn  zu  behandeln  haben,  nach  diesen  Naturbedingungen. 
Und  doch  war  dabei  übersehen,  dafs  es  einen  natürlichen  Querschnitt 
über  dieselben  giebt,  wo  sich  von  Nord  und  Süd  am  weitesten  direkte 
Querthäler  begegnen  und  gerade  an  der  Stelle,  wo  die  beiden  gewaltigen 
Bergmassen  zu  einer  Kette  zusammengefafst  scheinen,  wo  jedenfalls  nur 
eine  einzige  Pafshohe  zu  überschreiten  ist.  Der  Abschnitt  teilt  fast  genau 
die  Alpen  in  gleich  lange  Flügel,  er  verband  am  nächsten  die  Richtung 
der  oberrheinischen  Tiefebene  mit  dem  Mittelpunkt  des  Pogebietes.  In 
jedem  Betrachte  ist  der  Ootthardpafs  der  centralste  aller  Alpenpässe.  Und 
doch  konnte  er  nicht  nutzbar  gemacht  werden,  weil  auf  einer  verhältnis- 
mäfsig  kurzen  Strecke  ein  Hindernis  sich  nicht  bewältigen  liefs. 

Folgen  wir  dem  Laufe  des  Einschnittes!  Der  Nordfufs  des  Vier- 
waldstädtersees, Luzern,  liegt  bereits  an  der  Grenze  des  Alpengebietes, 
unschwer  ist  über  das  vorliegende  Hügelland  dieser  Ort  zu  erreichen,  und 
dann  trägt  der  schönste  der  Alpenseen  den  Wanderer  auf  seinem  Rücken 
durch  die  grandiosen  Propyläen  des  Urner  Sees  an  den  Staad  von 
Flüelen  (437  m),  an  den  Rand  der  Alluvionfläche  der  Reufs.  Die  Ab- 
hänge am  Ufer  dieses  obersten  Teiles  des  Sees  sind  erst  heute  und  zwar 
nur  auf  der  östlichen  Seite  gangbar  gemacht;  bis  zur  Anlage  der  Axen- 
strafse  mufste  jeder  Verkehr  sich  dem  Schiffe  anvertrauen.  Bis  tief  in 
das  Thal  der  Reufs  gönnt  die  Natur  dann  weiter  dem  Auge  den  Genufs 
der  herrlichen  Alpennatur,  während  der  Wanderer  noch  keinerlei  Ge- 
fahren oder  Strapazen  erlebt  hat.  Jenseits  Erstfeld  (475  m)  tritt  das 
Gebirge  eng  zusammen,  der  Name  „Klus"  ist  bezeichnend,  die  sanfte  Thal- 
strecke wandelt  sich  in  ein  schmales  Thal  um,  dessen  geneigte  Thalstufen 
mit  dem  untersten  scharfen  Absturz  bei  Am  Steg  beginnen.  Das  sedi- 
mentäre Gestein  verschwindet  und  mit  dem  krystallinischen  hebt  der 
Durchbruchscharakter  an,  sich  noch  deutlicher  zu  machen.  In  der  That 
befindet  man  sich  in  der  grofsartigsten  Erosionsspalte  der  Alpenwelt.  Die 
Reufs  durchsetzt  in  ihr  in  wildem  Laufe  den  nördlichen  Zug  der  Central- 
massive,    der  weiter  westlich   und  östlich  den  Nordrand  des  Rhone  und 


Änderung  der  Bedingungen  durch  die  Eröffnung  des  Gotthardweges.         33 

Vorderrheinthals  bildet.  Die  Schlucht  der  Reufs  ist  also  der  Pafs  über 
diese  Kette  und  wahrlich  —  wenn  auch  viel  tiefer  gelegen  —  wetteifert 
sie  mit  den  Schrecknissen  der  Hochpässe  dieser  Kette.  Schon  die  Strecke 
bis  Göschenen  (1109  m)  ist  durch  Lauinen  sehr  gefährdet;  die  alte 
Strafse  ging  unter  den  drei  schlimmsten  Lauinenzügen  des  Bristen- 
stockes  durch. 

Oberhalb  Göschenen  mufste  sich  der  Weg  Raum  suchen  in  der 
Schöllenen,  dem  engen  Risse  der  Reufs,  wo  die  von  Lauinenzügen  durch- 
rissenen  Wände  bis  300  m  hoch  anstehen.  In  steilem  Anstiege  müssen 
320  m  erstiegen  werden,  drunten  in  der  Tiefe  tobt  die  Reufs  und  an 
drei  Stellen  mufste  der  Weg  über  den  wilden  Abgrund  setzen,  um  über- 
haupt Boden  zu  finden.  Jenseits  der  Teufelsbrücke  scheint  sich  die 
Schlucht  völlig  zu  schliefsen,  die  Reufs  stürzt  hier  in  solcher  Weise  in 
den  Abgrund,  dafs  der  Gischt  hoch  an  den  senkrechten  Wänden  aufspritzt. 
Diese  Stelle  zu  umgehen,  war  nicht  möglich  ^,  man  hätte  Pafslücken  auf- 
suchen müssen,  die  mühsamer,  zeitraubender  und  gefährlicher  sind,  als 
der  Gotthard  selbst,  und  diese  Stelle  war  es,  welche  das  natürliche  Thor 
sperrte,  bis  es  gelang,  an  Ketten  und  in  den  Fels  befestigten  Ankern 
längs  der  vorspringenden  Spitze  des  Kirchberges  eine  etwa  60  m  lange 
Gallerie  aufzuhängen,  deren  Balkenköpfe  in  den  Fels  eingelassen  waren. 
Da  die  Brücke  im  Sprühregen  der  Reufskatarakte  liegt,  wurde  sie  die 
„stiebende"  genannt.  Jenseits  derselben  öffnet  sich  das  weite  Längsthal 
von  Urseren. 

Die  Gegend  hat  einen  ganz  anderen  Charakter,  es  ist  die  schmale 
Zone  des  Schiefers,  die  den  Boden  des  alten  Seebeckens  ausfüllt.  Das 
Thal  Urseren  war  einst  ein  Hochsee,  dessen  Westrand  in  der  Furka, 
dessen  Ostrand  im  Oberalppasse  seine  niedrigste  Senkung  hatte,  das 
Wasser  aber  grub  sich  durch  die  niedrigste  Lücke  in  der  Umrandung 
im  Norden  seinen  Weg. 

Die  Existenz  eines  solchen  Alpen thales,  das  noch  Baumwuchs  hat 
und  zwischen  der  gefährlichen  Schlucht  und  dem  eigentlichen  Pafs- 
anstiege  eingeschaltet  liegt,  ist  ein  besonderer  Vorzug  des  Gotthard- 
weges. 

Bei  Hospenthal  (1484  m)  verlässt  der  Weg  den  Pafsboden,  um  der 
Lucendro  Reufs  entgegen  scharf  anzusteigen.  Der  Baumwuchs  hat  auf- 
gehört, der  Wiesen boden  verschwindet,  bis  schliefslich  der  nackte  Fels, 
die  alte  glattgeriebeiie  Grundlage  des  Gletschers  zu  Tage  tritt.  Auch 
dieser  Teil  des  Weges  ist  Lauinen  ausgesetzt,  weit  gefährlicher  sind  aber 
die  Schneestürme  auf  dem  „Felde".  Jenseits  der  Pafshöhe  (2114  m) 
findet   sich    noch    in    dem    kahlen    Hochthal,    das    zwischen    der  Fibbia 


1  Spitteler,  Der  Gotthard  S.  209. 

Seh  alte,  Geioh.  d.  mittelalterl.  Handelf.    I. 


»4  Drittes  Kapitel. 

(2742  m)   iiiid  d»in  SaHMo  di  S.  Gottardo  (2510  m)  die  PaTshöhe  ausfüllt, 
da«  iicmpu  iiuuiitüii  oiner  ödon,  greisenhaften  Natur. 

iJür  HiUlhaiiK  den  PaHses  ist  sehr  steil.  Wie  der  junge  Tessin  von 
Hiufe  'Mi  Htufe  htlpft,  mufs  der  Wanderer  den  Hang  hinuntereilen.  Das 
Thal  i«t  Mühr  kurx,  noino  Hänge  aufserordentlich  steil  und  nicht  weniger 
alb  dn-ifbig  LaiiiiionisUg«  bodrohen  den  Pfad,  kaum  eine  Stelle  der  schaurigen 
WUblii  ittt  bichnr.  Auch  hier  sind  die  Schneestürme  gefürchtet,  und  sehr 
langti  lilüibt  Ai^r  Schnee  liegen.  In  einer  Höhe  von  fast  1700  m  hört  das 
gut'tthrlif.hti  Thal  auf,  und  man  steht  an  dem  Hange  des  Livinenthals,  den 
dur  IM'iid  in  xahlrtiichen  Kehren  hinabklettem  mufs,  um  in  Airolo  (1179  m) 
diti  nbiirbti)  ThalNtufn  des  Livinenthales  zu  gewinnen.  Bis  jenseits  der 
l'iil'bhiihii  btiiiul  wioder  das  krystallinische  Gestein  des  Urgebirges  zu  Tage: 
da»  Mabbiv  diw  Ht.  Gotthards. 

ha«  Thiil  ddN  Tessin  ist  durch  zwei  Terrassen  in  drei  Thalstufen 
iiiiightoilt,  diti  auch  durch  die  Vegetation  deutlich  verschieden  sind.  Im 
nliitriiii  LivinnnihaUs  dem  kalten  Hochalpenthale  führt  der  Weg  von  Airolo 
an  (tiiHHii  r)rtrhon  »Stidvedro  vorbei,  das  an  alte  Zeiten  gemahnt,  dann 
k(iiiiiiil  Diixio  grando  (949  m),  und  wirklich  kann  eine  Zollstätte  nicht 
wohl  li«*NHnr  angelegt  worden  als  diese.  Am  Ausgang  einer  Brücke ,  die 
fliirrli  oiiinn  Turm  gesperrt  war,  wartete  der  Zöllner  auf  den  Kaufmann, 
dtu'  iiiilliNfflig  in  der  engen  Felsenschlucht,  die  der  Tessin  sich  in  die 
Hhif'n  i\m  Platifer  eingesägt  hat,  aus  dem  Boden  von  Mittellivinen  empor- 
^Pbtingfui  war.  Zu  umgehen  war  der  Punkt  kaum.  In  Fai'do  (721  m)  ist 
tiian  inmitten  der  zweiten  Thalstufe,  deren  schönste  landschaftlichen 
KtM'zn  die  Fülle  der  Wasserfalle  und  die  herrlichen  Edelkastanien  und 
Nufsbäumc  sind,  auch  der  Maulbeerbaum  taucht  bereits  auf.  Zur  dritten 
ThalMtufc  führt  unterhalb  Lavorgo  die  Biaschinaschlucht ,  in  Giomico 
(451  m)  ist  man  inmitten  des  Weinbaus.  Bei  Biasca  (296  m)  kommen 
wir  an  eine  uns  bekannte  Stelle,  hier  mündet,  aus  dem  Val  Blegno 
kommend,  der  Weg  vom  Lukmanier  und  Greinapasse.  Nach  Süden  hin 
teilt  mit  diesen  Linien  die  Gotthardstrafse  die  Zufahrtslinien:  Lage 
Maggiore  und  Como. 

Dieser  neue  Weg  mufste  auf  der  Südseite  das  Gewicht  von  Mailand 
noch  erheblich  verstärken;  denn  beide  Wege  führten  ja  direkt  auf  die 
lombardische  Hauptstadt  zu.  Im  Norden  mufsten  neue  Wege  gesucht 
werden.  Hier  mufste  Luzern  die  Verbindung  mit  Konstanz  und  Basel 
herstellen. 

Nach  Zürich  hin  bot  die  zwischen  der  Reufs  und  dem  Zürichersee 
sich  hinziehende  Albiskette  ein  Hindernis,  das  am  oberen  wie  unteren 
Ende  sich  umgehen  liefs :  am  oberen  führte  von  Zug  über  Sihlbrugg  der 
Weg  nach  Horgen  an  den  See  von  Zürich;  der  reine  Landweg  ging 
bis  Bremgarten  am  linken  Keufsufer   entlang  und   von   dort  östlich  nach 


•«  

Änderung  der  Bedingungen  durch  die  Eröffnung  des  Gotthardweges.         35 

Zürich  um  die  Albiskette  herum.  Wie  diese  streichen  auch  die  anderen 
Ketten  von  den  Alpen  weg  zum  unteren  und  äuGseren  Rande  der  schweize- 
rischen Hochebene. 

Für  den  Weg  nach  Basel  ergab  sich  als  die  direkteste  Verbindung 
die  Richtung  durch  das  Hügelland  um  Rothenburg  nach  dem  Sempacher- 
aee,  dann  durch  die  sumpfige  Niederung  westlich  in  das  Thal  der 
Wigger  über  Zofingen  nach  Aarburg.  Die  Aare  wurde  dann  wenig 
weiter  unterhalb  bei  Ölten  überschritten,  das  am  Fuüse  des  unteren 
Hauensteins  liegt.  Dieser  Weg,  den  auch  heute  die  Eisenbahn  benutzt^ 
führt  ohne  irgend  gröfsere  Umwege  direkt  von  Luzern  auf  Basel. 

Eine  Verbindung  bis  nach  der  Jurapforte  von  Windisch  bot  die 
Reufs  selbst,  auch  folgte  ihrem  Laufe  eine  Landstralse.  Schliefslich  war 
durch  die  Landschaften  Entlebuch  und  Emmenthal  eine  Verbindung  nach 
der  Westschweiz,  nach  Bern  und  Neuenburg  gegeben. 

Auch  Bern  ist  im  Laufe  des  Mittelalters  der  Endpunkt  eines  Über- 
ganges über  den  Centralstock  des  Alpensjstems  geworden. 

Der  Zug  des  Thuner-  und  Brienzersees  dringt  in  ähnlicher  Weise 
wie  der  Vierwaldstädtersee  in  das  Gebirge  bis  zum  Fufse  des  Finster- 
aarhornmassives  vor,  dieses  im  Grimselpasse  überschreitend.  In  den 
breiten  Rücken  dieses  Massivs,  der  mit  Gletschern  bedeckt  ist,  schneiden 
die  übrigen  Thäler  sich  nicht  tief  genug  ein,  nur  das  Haslithal  macht 
eine  Ausnahme.  Auch  hier  folgen  sich  mehrere  Thalbecken,  deren  Stufen 
enge  Einschnitte  mit  steilem  Anstiege  bilden.  Das  ganze  Haslithal  war 
einst  durch  einen  gewaltigen  Gletscher  ausgefUllt,  und  die  unangenehmste 
Stelle  des  Weges  ist  der  Übergang  über  zwei  Gletscherschliffe,  zwei 
polierte  Granitplatten :  „die  böse  Seite"  und  „die  hähle  Platte".  Während 
in  der  untersten  Thalstufe  Meiringen  599  m  hoch  liegt,  hat  das  letzte 
auch  im  Winter  bewohnte  Dorf  schon  eine  Höhe  von  1060  m,  die  beiden 
letzten  Thalerweiterungen  schon  1705  und  1875  m.  Hier  liegt  in  einer 
öden  Felsenlandschaft  das  Spital,  auf  dasselbe  schauen  die  Gipfel  und 
Gletscher  des  Aarhorngebietes  hinab.  In  einem  letzten  Anstieg  an  einer 
felsigen  Wand  wird  die  Pafshöhe  (2164  m)  gewonnen,  auf  deren  Höhe 
sich  der  Weg  teilt  Wer  nach  Osten  zur  Furka  (2436  m)  und  damit  in 
das  Urserenthal  will,  mufs  zunächst  an  der  Mayen  wand  steil  zur  Rhone- 
quelle (1761  m)  hinabsteigen.  Für  den  Handel  kam  aber  wohl  mehr  in 
Betracht  der  östliche  Weg,  der  ins  Rhönethal  nach  Obergestelen  (1369  m) 
führt  Der  Grimselsaumpfad  ist  im  Vergleich  zu  den  anderen  Pässen 
nicht  gerade  schwierig  zu  nennen,  aber  er  hatte  den  Nachteil,  nur  über 
eine  Kette  zu  ftlhren  und  noch  den  Anstieg  über  die  südliche  Kette  der 
Centralmassive  zu  erfordern.  So  wird  daraus  ein  sehr  lange  in  den 
höchsten  Regionen  führender  Weg,  der  naturgemäfs  von  den  Kindern 
der  Ebene  nicht  gern  aufgesucht  wurde. 

3* 


36  Drittes  Kapitel. 

Die  Fortsetzung  des  Grimselweges  nach  Italien  sind  der  Nufenen-  und 
Oriespafs,  der  Albrunpafs  liegt  schon  weiter  westlich. 

Die  beiden  zuerst  genannten  bilden  ein  Zwillingspaar^.  Wer  von 
der  Grimsel  kam,  muljste  noch  über  Obergestelen  hinaus  ein  wenig  das 
Rhönethal  bis  Ulrichen  (1349  m)  hinabsteigen.  Von  dort  führt  dann  die 
Spalte  des  Eginenthales  anfangs  mäfsig,  dann  stärker  steigend  zu  einigen 
Alpen  empor.  Bei  der  Alp  Altstaffel  (2007  m)  gabelt  sich  der  Weg, 
nach  Osten  führt  der  eine  Pfad  steil  zu  den  schiefrigen  Halden  des 
Nufenenpasses  (2440  m),  dann  steil  in  das  von  Lauinen  schwer  bedrohte 
Val  Bedretto.  Der  Pafs  konnte  natürlich  nur  im  Sommer  benutzt  werden. 
Das  Ospizio  all'  aqua  liegt  bereits  nur  noch  1605  m  hoch.  Bei  Airolo 
nimmt  das  Thal  den  Namen  Livinenthal  an.  Der  Nufenenpafs  führt  also 
nach  Bellinzona,  während  der  von  ihm  nur  durch  den  Nufenenstock  ge- 
trennte Griefspafs  nach  Domo  d'Ossola  geleitet. 

Dafs  dieser  Pafs  im  Mittelalter  ziemlich  viel  benutzt  wurde,  beweist 
der  Umstand,  dafs  sich  auch  hier  der  deutsche  Volksstamm  über  die 
Pafshöhe  auf  den  italienischen  Abhang  vorschob.  Die  Landschaft  Ponunat 
oder  Val  Formazza  hält  noch  heute  an  der  deutschen  Sprache  fest.  Von 
jener  Wegeteilung  führt  der  Pfad  über  kahle  schiefrige  Halden  zum  wenig 
zerklüfteten  und  ungefährlichen  Griesgletschcr,  der  in  zwanzig  Minuten 
auf  seiner  Zunge  überschritten  wird.  Der  von  der  Pafshöhe  (2446  m) 
steil  an  der  heifsen  Wand  hinab  sich  senkende  Pfad  führt  über  zwei  bezw. 
drei  Terrassen  zu  dem  Abstürze  des  Tosafalles,  zum  gewaltigsten  Wasser- 
falle der  Alpen  (143  ra  hoch).  Noch  einmal  tritt  der  Pfad  vor  dem  letzten 
deutschen  Dorfe  Unterwald  oder  Foppiano  in  einen  Engpafs,  wo  im 
Mittelalter  ^die  letei  undenn  Oeschen  oh  der  treuf enden  Fluo€  war,  erst 
bei  diesem  Orte  beginnt  heute  der  Fahrweg,  der  durch  das  schöne  Val 
Antigoria  nach  Crevola  an  der  Simplonstrafse  führt. 

Der  Ausgangspunkt  zum  Albrunpasse  im  Rhönethal  ist,  je  nachdem 
der  Wanderer  Rhone  aufwärts  oder  von  der  Grimsel  kommt,  entweder 
Grengiols  (886  m)  oder  oberhalb  Viesch  (1071  m).  Auf  der  Walliser 
Seite  liefert  das  Binnenthal  einen  bequemen  Einschnitt,  der  nach  Osten 
in  langsamer  Steigung  zu  den  letzten  Hütten  auf  dem  Blatt  (2110  m) 
führt,  von  hier  geht  es  scharf  bergan  zur  Pafshöhe  (2411  m).  Die 
meisten  Schwierigkeiten  bietet  der  Abstieg,  der  in  das  Thal  des 
Devero,  das  zunächst  nach  Südwesten  gerichtet  ist,  hinabführt.  Bei 
Baceno  (685  m)  mündet  der  Saumpfad  in  den  Weg,  der  von  dem  Gries- 
passe  herabkommt. 


*  Über  den  GriefspafB  vgl.  die  schöne  Schilderung  Meyer  v.  Knonans:  Eine 
verlorene  schweizerische  Eroberung,  im  Jahrbuch  des  Schweiz.  Alpenclubs  10, 
518-558. 


Anderang  der  Bedingnogen  durch  die  Effifilinng  des  Ootthardwegefl.         87 
Zusammenstellung  der  Pafaheheu. 


s 

Relative  Höhe  un 

er 

i 

Anrechnung  der  G  egeo- 

§2 

geßlle, 

verglichen 

oiit 

s^ 

Purapunktpn 

3  B 

&> 

■t 

1 
< 

Norden 

i 

Süden 

1 

3322 

2947 

1 

3088 

2 

Fufepuiikte:  Gonfersee  375  m. 
Ivrea  234  m- 

2  Mouto  Moro .   .  . 

2487 

8 

2665 

8 

Fp.,     Genfersee     und     Lago 

2841 

2466 

9 

2644 

10 

Maggiore  197  m.              ^ 
Fp.:lPie  vor. 

Stilfserjoch    .   .   . 

2757 

Col  de  FrfijuH  .  . 

2582 

WoiuiBerjoJh    .  . 
4.  Gr.   St.   Bernhard 

2512 

249! 

2116 

12 

2257 

12 

Fp.:   Genferaee.    Ivrea. 

5.  Griespars    .... 

2446 

2723 

3 

3064 

3 

Fp. :  Bern  538  m,  dasu  Grimael 
2164  m,  Ulrichen  1349  m. 
Fp.  im  S.  Lago  Maggiore. 

6.  NufeDenpafs .    .    . 

2440 

2717 

4 

305S 

4 

Wie  vor. 

7.  Albninpafa    .    .    . 

2411 

2937 

2 

3278 

1 

Fp.  im  Norden:  Bern,  dasu 
Grimael,  tiefst«  Stelle  dea 
Weges  in  Wallis  rund  1100. 

8.  Gretnapars    ,   .   . 

2360 

2346 

11 

2547 

U 

Fp.  im  S.  Lago  Maggiore. 
Pp. im  Norden:  Bodensee 398 m, 

zu  Flima  1102  m.  Ilanz  718  m. 

2330 

9.  Septimerpafe     .    . 

2311 

2614 

6 

2799 

6 

Fp^  im  Norden :  Bodeasee,  d&zu 
Tarpan    1551,    Tiefenkastea 

850m.  IraS.:  Comeraee213m. 

2287 

2617 

a 

2802 

5 

Wie  vor.  Dazu  Silva  Plan* 
1790,     Maioja  1817  m. 

El.  St.  BoTiihard  . 

2157 

Ofenpars    .... 

2155 

11.  SplÜgenpafB  .   .   . 

2117 

17I9ba. 

14 

1904kL 

15 

Wie  vor,    Daau  in  älterer  Zeit 

2499 

7 

2684 

7 

Umgebung  der  Via  mala  bei 
220?  m.    Sufers  1424. 

12.  St.  OotthardpoTs . 

2114 

1677 

15 

1917 

14 

Fp.  imN.:  Vietwoldatädteraee 
437m.  ImS,:  Lago  Maggiore. 

MoDt  Cenia   .    .    . 

2098 

13.  StBenihardinpafB 

2063 

1665hL 

16 

1866  ko. 

16 

Pp.  im  N.:    Bodenaee,    im  S.: 

14.  SimploDpaTs  .   .   . 

2009 

24+5 
1634 

10 
17 

2646 

1812 

9 
17 

Laeo  Maggiore.     Daiu    wie 
beim  Splägen. 
Fp.  im  K:   Genferaee,   im  S.: 

1917 

1903 

13 

2104 

13 

Lago  Maggiore.  Sonst  wi« 
beim  OreinapaTs. 

Hont  Oeoörre.    . 

1860 

Maloja 

1817 

VgL  Juliar. 

Arlbergpars  .    .   . 

1797 

E«BchenSchBideck 

1494 

Brenner 

1362 

FempafB    .... 

1210 

" 

38  Drittes  Kapitel. 

Der  Querschnitt  von  Bern  nach  Domo  d'Ossola  und  Bellinzona  hat 
wegen  der  Länge  gefährlicher  Wege,  der  Höhe  des  doppelten  Anstieges 
und  der  Unwirtlichkeit  der  Gegenden  nicht  eine  Welthandelstrafse  wie 
der  Gotthard  werden  können,  wir  werden  aber  sehen,  dafs  er  doch  auch 
nicht  allein  dem  nächsten  Lokalverkehr  gedient  hat 

Die  Pässe  des  Rhone-  und  Rheinsjstems  lagen  so  weit  voneinander, 
dafs  die  Konkurrenz  zwischen  ihnen  noch  nicht  lebhaft  war,  seit  dem 
Auftreten  des  Gotthards  aber  wird  die  Geschichte  der  Alpenpässe  lebendig. 
Da  sehen  wir,  wie  die  Anwohner  die  Wege  bessern  und  den  Transport 
organisieren.  Die  Natur  gab  die  Gelegenheit,  aber  die  Anwohner  muüsten 
ihr  Bestes  an  Kraft  und  Mut  daran  setzen,  sie  mulsten  den  Fremdling 
durch  eine  Welt  geleiten,  deren  Bedingungen  ihm  völlig  unbekannt  waren. 
Und  dadurch  wird  uns  das  Gefühl  des  Schauderns  verständlich,  das  alle 
Reisende  der  älteren  Zeit  ergriff.  Ihnen  waren  die  Gesetze  der  Alpenwelt 
völlig  unbekannt,  und  so  bangte  ihr  Herz  und  liels  nicht  die  Schönheit 
der  gewaltigen  Natur  fühlen,  die  uns  in  die  Alpenwelt  zieht.  Wir  wissen 
heute,  wie  diese  majestätische  Natur  lebt,  dem  Mittelalter  und  noch  viel 
späterer  Zeit  erschien  sie  wie  tot  und  todbringend. 


Zweiter  Teil. 

DIE  ALPENPlSSE  IM  ALTERTUM. 


Viertes  Kapitel. 

Die  Alpenfront  von  Massalia  wid  der  Donau  aus  umgange^i.  So  auch  zunächst  die 
Römer.  Grofser  St,  Berfihard,  Strafsetibau.  Die  U^alen  Bhönepässe.  Simplon  zu^eifel- 
haft.  BOndener  Pässe.  Julier,  Spliigen,  Fehler  der  Itinerarien,  Funde,  Pflasterungen. 
Ortsuntersuchimgen  nötig.  Spätrömisch  Luhmanier  oder  Bernkar din  benutzt.  /oUstätten, 
Organisation  unter  dem  Einflufs  der  Erwerhsgeschichte.  Spätere  Änderungen.  Nach- 
wirkungen im  Mittelalter,  Das  Strafsensystem  als  Einheit  betrachtet.  Verteilung  der 
römischen  Funde.  Warenhandel,  Was  überlieferte  das  Altertum  dem  Mittelalter?  Strafsen- 
bauy  geänderte  Organisation.    Was  ging  verloren?   Bedingungen  des  Handels  verändert. 

Der  Wall  der  Alpen  ist  sehr  viel  später,  als  man  früher  anzunehmen 
geneigt  war,  vom  Handelsverkehr  überstiegen  worden.  Es  ist  namentlich 
von  Duhn  ganz  überzeugend  der  Nachweis  geführt  worden,  dafs  der 
Handel  die  Alpen  umging  und  von  den  beiden  natürlichen  Wegen  aus 
die  nordalpinischen  Gegenden  zu  erreichen  suchte:  von  Massalia  aus 
Rhone  aufwärts  und  in  gleicher  Weise  entgegen  dem  Lnufe  der  Donau. 
Inschriften  und  Nachrichten  sind  fUr  die  ältesten  Zeiten  nicht  vorhanden, 
aus  der  sorgfältigen  Untersuchung  der  Funde  und  namentlich  aus  der 
Verbreitung  der  Münzen  bez.  der  Münztypen  folgt  mit  zwingender  Kraft, 
dafs  die  Handelswege  vom  Mittelmeergebiete  nach  Norden  das  Alpen- 
gebiet thunlichst  im  Westen  und  Osten  umgingen  und  dafs  in  den  älteren 
Jahrhunderten  ein  Verkehr  von  Italien  über  die  Alpen  jedenfalls  nur  in 
ganz  beschränkter  Weise  stattfand,  so  beschränkt,  dafs  die  Rücksicht  auf 
diesen  Verkehr  den  beiden  unternehmendsten  Handelsvölkem  des  Mittel- 
meers, Phönikem  bezw.  Elarthagem  und  Griechen,  nicht  lohnend  genug 
erscheinen  konnte,  um  deshalb  die  Gefahren  einer  Ansiedlung  inmitten 
unwirtlicher,  halbwilder,  z.  T.  sehr  ärmlicher  Völkerschaften  auf  sich  zu 
nehmend 


^  So  fafst  V.  Duhn,  Die  Benutzung  der  Alpenpässe  im  Altertum,  die  Ergeb- 
nisse seiner  vortrefflichen  Arbeit  zusammen.  Daneben  ist  bes.  zu  vergleichen 
Nissen,    Italische  Landeskunde   Bd.  I.     Berl.  1888.     Vgl.  auch  Forrer    in    der 


40  Viertes  Kapitel. 

Im  Bereiche  der  Rhönemündung  gründeten  die  Phokäer  Massalia 
und  das  Handelsgebict  von  Marseille  erstreckte  sich  bis  in  die  westliche 
Schweiz,  und  die  hier  geschlagenen  Münzen  sind  Nachprägungen  der 
massaliotischen  Silber-  und  Kupfermünzen,  wie  von  Osten  her  bis  in  die 
Nordschweiz  das  Vorbild  makedonischer  Königsmünzen  und  griechischer 
Tetradrachmen  mafsgebend  war.  Römisches  oder  italisches  Geld  vor- 
kaiserlicher Zeit  findet  sich  daneben  nur  sehr  selten  ^  Ebenso  gelangten 
die  dem  südwestdeutschen  Gebiete  eigentümlichen  Regenbogenschüssel- 
chen nur  selten  bis  nach  Italien.  So  lange  Massalia  den  Handel  im  Po- 
gebiete  beherrschte,  hatte  es  kein  Interesse  daran,  die  nordsüdlichen 
Alpenpässe  zu  öffnen,  die  es  viel  bequemer  umging,  und  die  massaliotische 
Führung  dauerte  von  der  gallischen  Occupation  bis  tief  in  das  zweite 
Jahrhundert  v.  Chr.  ^.  Die  italienisch-massaliotischen  Münzen  kamen  im 
Nahverkehr  allerdings  nach  Graubünden®. 

Es  ist  bekannt,  wie  scheu  und  zaghaft  die  Römer  in  die  Poebene 
vordrangen.  Cremona  war  der  erste  schon  im  zweiten  Jahrhundert  vor- 
geschobene Posten.  Seit  der  Eroberung  Galliens  und  seit  dem  Vordringen 
über  die  östlichen  Alpen  war  es  nicht  mehr  möglich,  von  den  Alpen  sich 
zurückzuhalten.  Eher  waren  die  Römer  an  den  Rhein  und  die  Donau 
gelangt,  als  herzhaft  in  dem  mittleren  Alpengebiete  Fufs  zu  fassen.  In 
der  politischen  Geschichte  wiederholte  sich  der  Verlauf  der  Handels- 
gcschichte.  Erst  durch  die  Umklammerung  wurde  es  eine  Notwendigkeit, 
auch  die  Pässe  zu  gewinnen. 

Zunächst  haben  die  Römer  keine  neuen  Alpenpässe  geöffnet,  sondern 
die  alten,  welche  dem  Nahverkehr  dienten,  nutzbarer  gemacht.  Auch  da 
geben  uns  die  Funde  das  beste  Bild. 

Die  Geschichte  keines  Passes  in  römischer  Zeit  ist  so  vortrefflich 
aufgeklärt,  wie  die  des  Grofsen  St.  Bernhard,  die  Augustinerherren  des 
Hospizes  haben  seit  langer  Zeit  alle  Fundstücke  für  ihr  Museum  ge- 
sammelt, und  neuerdings  hat  die  italienische  Regierung  auf  dem  Plan  de 
Jupiter  den  Boden  bis  auf  den  anstehenden  Felsen  untersuchen  lassen, 
und  so  wurde  das  Bild  der  Verhältnisse  des  alten  Alpenpasses  völlig  auf- 
geklärt*. Der  Plan  de  Joux  hält  wie  die  Namen  des  benachbarten  Berges  — 
Mont  Joux  oder  Mont  Devi  —  den   Namen  des  Jupiter  Poeninus   fest. 


Antiqua  1886  S.  84 — 87,  der  einen  Handel  über  die  Alpen  weder  für  die  Stein-, 
noch  die  Kupferzeit  annimmt,  sondern  erst  für  die  Bronzezeit,  wobei  er  S.  87  jedoch 
auch  die  Herkunft  von  Osten  offen  läfst. 

'  V.  Duhn  S.  68  f. 

«  V.  Duhn  S.  66. 

»  V.  Duhn  S.  67. 

*  Berichte  vonFerrero,  Notizie  degli  scavi  1890,  278.  294—306.  1892,  63-77. 
440—460.    1894,  83—47  u.  Castelfranco  1891,  75—81  mit  mehreren  Planskizzen. 


Die  AlpeDpässe  im  Altertum.  41 

Es  wird  damit  eine  kleine  Fläche  auf  dem  Scheitel  des  Passes  bezeichnet, 
die  im  Norden  an  den  kleinen,  acht  Monate  des  Jahres  gefrorenen  See 
stöfst.  In  der  Mitte  desselben  erhebt  sich  ein  Fels,  der  offenbar  als  Altar 
des  von  den  Anwohnern  verehrten  Gottes  Poeninus  gegolten  hat^  In 
den  Falten  und  am  Fufse  des  Felsens  fanden  sich  in  erheblicher  Zahl 
gallische  Münzen  des  zweiten  und  namentlich  des  ersten  Jahrhunderts 
vor  Christus,  daneben  einige  wenige  Münzen  der  römischen  Republik, 
nicht  eine  einzige  greift  in  die  Zeiten  des  Kaiserreiches  hinüber^.  Von 
den  übrigen  zahlreichen  Funden,  welche  die  Ausgrabungen  der  Jahre 
1890 — 93  ihrem  Grabe  entrissen,  erklärt  Ferrero,  sei  nicht  eins,  abgesehen 
von  diesen  Münzen,  mit  Sicherheit  als  vorrömisch  zu  bezeichnen;  die 
scheinbar  ältesten  könnten  auch  zurückgebliebenen  Werkstätten  ent- 
stammen^. In  der  Reihenfolge  der  Schichten  geht  als  älteste  dieser 
gallischen  mit  den  Münzen  des  zweiten  und  ersten  Jahrhunderts  eine 
„mit  recht  alten  Topfscherben  lokalen  Charakters  vorauf*,  über  der  Thon- 
ablagerungen  sich  zu  bilden  Zeit  hatten.  Die  Benutzung  des  Passes  in 
der  Bronzezeit  wird  übrigens  durch  die  Einzelfunde  von  Liddes  und  die 
Gräber  von  Sembrancher  erwiesen*.  Da  bisher  nur  ganz  vereinzelte 
griechische  und  punisch-sizilische  Münzen  gefunden  sind,  sonst  nichts 
Etruskisches  oder  Griechisches,  folgt,  dafs  der  Pafs  in  diesen  ältesten 
Zeiten  nur  dem  Lokalverkehr  diente*. 

Lebhafter  wurde  der  Verkehr  wohl  im  ersten  Jahrhundert,  und  im 
Jahre  57  v.  Chr.  entsandte  Cäsar  zum  Schutze  der  Eaufleute,  welche  den 
Pafs  benutzten,  den  Legaten  Servius  Galba  an  den  Nordfufs  des  Passes 
nach  Octodurus  (Martigny)*,  es  war  der  erste  Vorstofs  in  der  Richtung 
längs  der  Nordfront  der  Centralalpen.  Die  Funde  aus  dieser  gallischen 
Zeit  leiten  nicht  allmählich  zu  denen  aus  der  römischen  Kaiserzeit  über, 
sondern  es  beginnt  damit  eine  neue  Epoche  für  den  Pafs. 

Im  Jahre  25  v.  Chr.  begründete  Augustus  nach  Besiegung  der  räube- 
rischen Salasser,  die  in  die  Sklaverei  verkauft  wurden,  die  Stadt  Augusta 
Praetoria,  das  heutige  Aosta.  Ursprünglich  erhielt  sie  nur  einen  Aus- 
gang   nach    Westen    und    einen    nach    Osten '^,    ein    Thor   zum    Grofsen 


1  Livius  21,  38  erwähnt  das  Heiligtum  der  Veragrer. 

*  Ferrero  1892  S.  64  ff. 

*  Ferrero  1894  S.  43.    Nach  Castelfranco  gehen  zwei  Fandstücke  auf  das 
vierte  oder  fünfte  Jahrhundert  y.  Ohr.  zurück. 

^  Heierli  u.  öchsli   S.  106.    Castelfranco  a.  a.  0.     Über  die  Funde  aus 
der  Eisenzeit  vgl.  Heierli  u.  Öchsli  S.  142. 
»  V.  Duhn  S.  79. 

*  Caesar  de  belle  gall.  3,  1. 

"^  Mommsen,    Römische  Geschichte  5,  18     Über  den  Eindruck,  den  Aosta  mit 
seinen  Römerbauten  heute  macht,  v.  Duhn  S.  75  f. 


42  Viertes  Kapitel. 

St  Bernhard  hin  wurde  ein  Bedürfnis,  als  Rhätien  im  Jahre  15  v.  Chr. 
besetzt  wurde  und  der  Grofse  St.  Bernhard  zu  einer  Verbindung  mit  den 
Lagern  am  Rheine  dienen  sollte.  Zu  diesem  Zwecke  wurde  die  grolüse 
Strafse  erbaut,  die  in  der  Tabula  Peutingeriana  eingezeichnet  ist :  Mailand — 
Vercelli — Ivrea — Aosta — in  summo  Pennino — Martignj — Vevey— Avenches 
— Solotliurn — Äugst  —Basel  ^  Wann  dieser  Bau  ausgeführt  wurde,  giebt 
keine  Quelle  an,  da  aber  die  Meilensteine  unter  dem  Kaiser  Claudius 
47  n.  Chr.  aufgestellt  wurden,  ist  zum  mindesten  damals  die  Strecke 
ausgebaut  worden  '.  Sie  war  demnach  das  Gegenstück  zu  der  Via  Claudia, 
die  vom  Po  über  Trient  nach  Augsburg  lief.  Auf  der  Pafshöhe  war 
eine  Station,  und  hier  wurde  dem  Jupiter  Poeninus  ein  Tempel  erbaut, 
der  höchste  Europas.  In  dem  Plan  de  Joux  sind  die  Substruktionen  des 
Tempels  wie  zweier  Nutzungsbauten  —  die  als  Unterkunftsräume  für 
Menschen  und  Tiere,  festgestellt  sind^  —  ausgegraben.  Eine  Statuette 
des  Gottes  wurde  in  dem  Pafssee  gefunden,  in  den  eine  spätere  Zeit 
zahlreiche  Weihgeschenke  und  Münzen,  die  einst  die  Wanderer  nieder- 
gelegt hatten,  geschleudert  hat^.  Nicht  weniger  als  fünfzig  Weihetäfel- 
chen sind  uns  erhalten,  die  hier  oben  von  Wanderern  dem*  Gotte  gelobt 
wurden,  wenn  er  sie  auf  der  schwierigen  Wanderung  geleite*^,  und  mehr 
als  1600  römische  Münzen  sind  uns  von  denen  erhalten,  die  im  gleichen 
Sinne  gespendet  wurden;  unter  ihnen  sind  am  zahlreichsten  die  Münzen 
des  ersten  Jahrhunderts ;  mit  den  Söhnen  des  Theodosius  endet  die  regel- 
mäfsige  Reihe  der  Münzen^.  Die  Abnahme  beweist  nicht  ein  Zurück- 
gehen des  Verkehrs,  es  war  das  Christentum  herrschend  geworden,  und 
damit  schwand  der  Gebrauch  des  Opfers.  Nach  den  Worten  des  Hl. 
Augustinus  ist  Kaiser  Theodosius  der  Grofse  es  gewesen,  der  die  Alpen- 
heiligtümer des  Jupiter  vernichtete^. 

Auch  in  der  Nähe  des  auf  wallisischem  Boden  liegenden  Hospizes, 
bei  dessen  Bau  Stücke  der  Tempelinschrift  verwendet  wurden  ®,  in  dem 
Fond  de  la  Combe  fanden  sich  Reste  römischer  Bauten,  wie  auf  dem 
Südhange  bei  der  Cantina  di  Fontintes,  wo  seit  der  Mitte  des  dreizehnten 


1  Auch  im  Itiner.  Antonini. 

'  Heierli  u.  Ochsli  S.  167  nehmen  Erbauung  unter  Claudius  an. 

»  Ferrero  1892  8.  444  u.  1894  S.  35. 

*  Abbildung  bei  Ferrero  1892  8.  70. 

*  Ferrero  1874  8.  87.  v.  Duhn  8.77  mit  Nachweis  des  Abdruckes  der  schon 
früher  bekannten  Stücke  in  Anm.  76. 

*  Ferrero  1894  8.  44.  Die  Zahl  der  gallischen  Münzen  bel&nft  sich  auf 
492  8tück. 

■^  De  civitate  dei  lib.  5  cap.  26.  »Victor  autenty  sicut  crediderat  et  praedi^oerat, 
Jovis  simülacraf  quae  adversus  eum  fuerant  nescio  quibtM  ritihus  vdut  cansecrata  et  in 
Alpibus  constituta,  d^posuit  eorumque  fulmina  u.  s.  w.c 

8  Ferrero  1892  8.  73. 


Die  Alpenpässe  im  Altertum.  43 

Jahrhunderts  wieder  ein  Schutzhaus  war^  Der  Weg  ist  heute  auf  italieni- 
scher Seite  noch  Saumpfad,  Ferrero  hält  es  für  wahrscheinlich,  dab  in 
römischer  Zeit  auch  mit  Fuhrwerk  die  wichtige  Strafse  benutzt  wuide*. 
Ein  sicherer  Beweis  —  Radgeleise  und  Nabenschrunde  —  ist  nicht 
erbracht 

Unsere  Arbeit  kann  sich  selbstverständlich  mit  der  lokalen  Unter- 
suchung der  Strafse,  mit  dem  Versuche,  die  einzelnen  Stationen  nach- 
zuweisen, nicht  befassen.  Für  uns  kommt  es  lediglich  auf  die  groben 
Zusammenhänge  an,  der  allzeit  eifrigen,  mitunter  übereifrigen  StraiBen- 
forschung  müssen  diese  Dinge  überlassen  bleiben.  Filr  uns  kommt  nur 
die  Existenz  der  Strafse  und  ihre  Knotenpunkte  in  Betracht  Bei  dieser 
Römerstrafse  bewegt  sich  übrigens  die  lokale  Forschung  auf  sicherem 
Boden*. 

Die  neue  Strafse  war  den  Römern  von  erheblichem  Nutzen,  sie  schuf 
die  nächste  Verbindung  mit  der  Westschweiz,  aber  auch  mit  Geimanien 
und  dem  östlichen  und  nördlichen  Teile  Galliens,  von  den  Verbindungen 
nach  Genf  und  Lyon  ganz  abgesehen.  Bei  Viviscus  (Vevey)  bog  die 
germanische  Strafse  von  dem  Ufer  des  Genfer  Sees  ab,  um  sich  der 
frilher  erwähnten  Entwässerungsrinne  der  schweizerischen  Hochebene  an- 
zuschliefsen,  sie  wird  über  Moudon  (Minnodunum)  und  Avenches  (Aven- 
ticum)  bei  Aarburg  erreicht,  bei  Solothum  (Solodurum)  wieder  verlassen, 
um  den  Jura  im  oberen  Hauenstein  zu  überschreiten.  In  Augusta 
Rauricorum  erfolgt  die  Gabelung,  entweder  war  das  Ziel  östlich  gelegen, 
so  ergab  sich  der  Weg  über  den  Bötzberg  nach  Windisch  (Vindonissa) 
oder  nördlich,  und  da  führte  er  über  Strafsburg  nach  Mainz. 

Die  gallische  Richtung  führte  noch  bis  Lausanne  am  Genfersee  ent- 
lang und  ging  von  dort  auf  la  Sarraz,  dann  Orbe  und  erstieg  den  Pafs 
von  Jougne,  um  nach  Pontarlier  zu  kommen.  Von  dort  führte  die 
Römerstrafse  auf  Besangen,  wo  die  von  d&m  Rhone  nach  dem  Elsafs 
führende  Strafse  geschnitten  wurde,  dann  auf  Langres  (Kreuzung  nach 
Metz  und  Trier),  Chalons  und  Rheims,  dem  Hauptknotenpunkte  (Ür  das 
nördliche  Frankreich. 

Das  Mittelalter  konnte  also  von  den  Römern  die  Benutzung  dreier 
Jurapässe  antreten:  Jougne,  oberer  Hauenstein  und  Bötzberg^. 

Für  den  grofsen  Verkehr  kamen  die  andern  Rhönepässe  nicht  in 
Frage.     Zwar  sind   unter   dem  Gletschereise  des  Theodulpasses  zwanzig 


^  Über  die  Aasgrabangen  an  beiden  Stellen  Ferrero  1894  S.  46  f. 

«  1894  S.  35. 

'  Vgl.  vor  allem  H.  Meyer,  Die  römiflchen  Alpenstrafsen  in  d.  Schweiz  S.  119 
bis  127,  wo  auch  über  die  bis  1861  gemachten  Funde  berichtet  ist. 

^  Auch  der  Pierre  Perthnis  trägt  eine  römische  Inschrift,  jedoch  war  hier 
keine  Strafse  gebaut. 


44  Viertes  Kapitel. 

römische  Kaisermünzen  zum  Vorschein  gekommen;  aber  das  Unglück 
eines  römischen  Bergsteigers  beweist  fUr  einen  regelmäfsigen  Verkehr 
nichts^.  Favre  hat  sich  dahin  ausgesprochen,  dafs  in  den  Zeiten  der 
römischen  Herrschaft  wenigstens  ein  Pafs  über  die  Alpen  nach  Vergogna 
geführt  habe,  und  zieht  aufser  dem  Simplon  die  Pässe  ins  Saasthal  in 
Erwägung,  ohne  selbst  die  Beweise  fiir  zwingend  zu  halten^. 

Noch  ein  Grund  scheint  für  den  Simplon  zu  sprechen.  Aber  die 
Inschrift  nicht  ganz  sicherer  Datierung  —  sie  gehört  entweder  ins  Jahr 
196  oder  225  nach  Christus  —  die  bei  Vergogna  an  einem  Felsen  an- 
gebracht ist  und  von  einem  Strafsenbau  handelt,  läfst  bei  dem  geringen 
Kostenbetrage  auch  die  Deutung  zu,  als  handle  es  sich  um  eine  Strafse 
in  den  reich  kultivierten  Landschaften  um  Domo  d'Ossola.  Im  Oberwallis 
sind  bis  heute  römische  Inschriften  nicht  gefunden,  ein  Leugenstein  in 
Sitten  ist  wohl  von  auswärts  ins  Thal  verschleppt.  Nach  den  Mitteilungen 
von  Duhns  sind  jedoch  Pfarrer  Joller  in  Gondo  (Rüden)  seit  längerer 
Zeit  von  Leuten  römische  Münzen  zugebracht,  die  mit  Trajan  beginnen 
und  gegen  das  Ende  des  zweiten  Jahrhunderts  zunehmen,  auch  habe  er 
einen  Pfad  festgestellt,  der  die  Schlucht  von  Gondo  wie  die  lauinen- 
gefkhrlichen  Stellen  südlich  der  Pafshöhe  umgehe.  Leider  sind  von  ihm, 
der  inzwischen  gestorben  ist,  keine  näheren  Mitteilungen  gemacht  worden. 
Aber  wenn  auch  wirklich  in  der  späteren  Kaiserzeit  ein  We^  gebaut 
wurde,  so  hat  der  Pafs  doch  nur  lokale  Bedeutung  gehabt;  Jean  die 
Funde  aus  Oberwallis  zeigen,  wie  lange  man  hier  am  Alten  festhielt^. 

Für  die  vorrömische  Zeit  hat  die  treffliche  Arbeit  von  Heierli  das 
Fundmaterial  bearbeitet;  eine  besuchte  Handelsstrafse  hat  es  damals  in 
ganz  Oberwallis  gewifs  nicht  gegeben.  Welche  Wege  der  Lokalverkehr 
und  die  Kriegszüge  der  Bewohner  genommen  haben,  kann  uns  hier  nicht 
beschäftigen*. 


^  V.  Duhn  S.  73.  Forrer,  Antiqua  1891  S.  80.  Nach  Anz.  f.  Schweiz.  Alter- 
tumskunde 7  1895  Nr.  3  wurden  auf  italienischer  Seite  röm.  Kaisermünzen  mit  dem 
Bildnisse  Konstantins  gefunden.    Sind  beide  Entdeckungen  identisch? 

'  Er  meint  (Etudes  sur  Thistoire  des  passages  italo-suisses  177)  bei  der  Ablösung 
des  Wallis  von  Rhätien  sei  es  mit  dem  Gebiete  des  Elschenthales  vereint  worden. 
Das  seien  die  Alpes  Atractianae.  Diese  sind  aber  mit  den  Alpes  Grajae  identisch. 
Wäre  die  Identifikation  Favres  richtig,  so  müfste  natürlich  der  »procurator  Älpitun 
Atractianarum  et  Poeninarum*  einen  Pafs  haben  benutzen  können. 

^  Corp.  inscript.  latinar.  5,  6649.  v.  Duhn  S.  72.*f.  u.  die  wichtige  Anm.  62 
und  Nissen,  Italische  Landeskunde  1,  161  halten  die  Strafse  für  wahrscheinlich, 
J.  Partsch,  Artikel  Alpes  in  Wissowas  Real-Encykl.  lehnt  das  mehr  ab.  Betr.  des 
Leugensteins  vgl.  Meyer  S.  127  f. 

*  Heierli  nimmt  eine  Benutzung  der  Gemmi  schon  in  der  Bronzezeit,  für  die 
Eisenzeit  aufserdem  der  Grimsel,  Furka  und  des  Simplon  an.  Es  handelt  sich  aber 
niemals  um  Pafsfunde. 


Die  Alpenpässe  im  Altertum.  45 

Bei  der  Besprechung  der  Bündnerpässe  in  der  römischen  Zeit  ist 
von  den  Angaben  der  Itinerare.  auszugehen  und  dabei  ängstlich  dasjenige, 
was  unwiderleglich  feststeht,  von  dem  zu  trennen,  was  irgend  angezweifelt 
werden  kann. 

Nach  dem  Itinerarium  Antonini  enthält  die  eine  Strafse  folgende 
sichere  Punkte:  Brigantia  (Bregenz),  Curia  (Chur),  Tinnetione  (Tinzen), 
Summolaco  (Samolaco),  Como  und  Mailand.  Durch  Tinzen  ist  der  Zug 
durch  Oberhalbstein  sichergestellt;  es  bleibt  nur  die  Wahl  zwischen 
Julier  und  Septimer  offen,  um  nach  dem  Comersee  zu  gelangen.  Durch 
Bregenz  nnd  Chur  ist  es  wahrscheinlich,  dafs  die  Strafse  durchweg  auf 
dem  rechten  Rheinufer  blieb,  sicher,  dafs  sie  auf  diesem  Ufer  endete. 

An  der  zweiten  Strafse  nennt  das  Itinerarium  Antonini  Bregenz, 
Chur,  Tarvesede,  Clavena  und  fiihrt  an  den  Comersee.  Die  Peutingersche 
Tafel  bietet  mehr  Namen:  Brigantia,  Clunia,  Magia,  Curia,  Lapidaria, 
„Cunu  aureu",  Tarvessedum,  Clavenna  und  Comum '.  Diese  Beschreibungen 
machen  es  wahrscheinlich,  dafs  die  Strecke  von  Bregenz  nach  Chur  auf 
dem  rechten  Rheinufer  lief,  demnach  mit  jener  Strafse  zusammenfiel. 
Die  Identifikation  von  Magia  mit  Mayenfeld  oder  Schaan  hält  diese  An- 
schauung fest^.'  Ebenso  ist  das  Stück  zwischen  Clavenna  und  Como 
notwendig  identisch  mit  der  ersten  Strafse. 

Die  Peutingersche  Tafel  erkennt  das  aber  nicht  an,  sie  läfst  die 
westliche  Strafse  von  Como  an  neben  dem  See  laufen,  die  Oberhalbsteiner 
führt  vom  See  an  völlig  getrennt  neben  der  andern  her.  Unzweifelhaft  hätte 
Clavenna  zum  Knotenpunkt  gemacht  werden  müssen  und  ebenso  hätte 
Curia  das  wieder  sein  müssen.  Der  Weg  über  Oberhalbstein  ist  dazu 
nach  dem  Westen  der  andern  Strafse  verlegt,  statt  auf  die  Ostseite  desselben. 
Angesichts  so  vieler  Fehler  wird  man  aus  dem  Umstände,  dafs  nun  auf 
der  Zeichnung  von  Chur  bis  Bregenz  bez.  Arbor  felix  die  Wege  getrennt 
von  einander  laufen,  nicht  schliefsen  dürfen,  dafs  thatsächlich  hier  richtig 
angegeben  ist,  dafs  der  Splügenweg  rechtsrheinisch  auf  Bregenz,  die 
Oberhalbsteinerstrafse  aber  sie  kreuzend  und  vielleicht  das  linke  Ufer 
benutzend  unter  Vermeidung  von  Bregenz  direkt  auf  Arbon  führte.  Die 
Itinerarien  beweisen  für  das  Rheinthal  von  Chur  zum  Bodensee  nicht 
eine  Doppelstrafse,  sondern  nur  eine  rechtsrheinische.  Den  Zweifler  werden 
Momente,  die  nur  aus  den  Itinerarien  schöpfen,  nicht  besiegen. 

Von  dem  gesamten  übrigen  Zuge  der  Splügenstrafse  zwischen  Chur 
und   Chiavenna   ist   keine   Örtlichkeit   mit  Sicherheit  identifiziert,   selbst 


*  In  der  Tabula  Pciitingeriana  fuhrt  die  Strafse  von  Chur  nach  Arbor  felix 
(Arbon)  direkt  unter  Vermeidung  von  Bregenz,  danach  lief  sie  auf  dem  linken  Rhein- 
ufer.    Wo  der  iRheinübergang  erfolgte,  ist  unsicher. 

«  Planta  79. 


46  Viertes  Kapitel. 

Cuneus  aureus  nicht,  denn  sehr  wohl  kann  von  Gelehrten  der  Name 
Cunno  d'oro  auf  eine  Gegend  am  Splügen  übertragen  und  so  in  den 
Mund  der  Anwohner  gekommen  sein  ^  Wenn  sich  am  Grofsen  St.  Bern- 
hard die  Fuhrleute  darüber  streiten,  ob  Hannibal  über  diesen  Pafs 
gegangen  sei,  so  steckt  darin  keine  Überlieferung,  sondern  die  so  oft 
namentlich  fUr  die  Forschung  „in  grauer  Vorzeit"  gefährliche  Verwechs- 
lung von  hängengebliebener  gelehrter  Erzählung  und  lokaler  Tradition. 

Da  aber  zwischen  Chur  und  Chiavenna  die  Namen  der  Stationen  an 
beiden  Strafsen  völlig  voneinander  abweichen  und  mit  Rücksicht  auf  die 
Station  Chiavenna  neben  dem  Julier-Septimer  nur  an  den  Splügen  gedacht 
werden  kann,  ist  das  Vorhandensein  einer  römischen  Strafse  über  diesen 
Berg  erwiesen.  Am  Splügen  lag  also  Tarvessedum  und  die  Ableitung 
dieses  Wortes  als  Ort,  wo  man  die  Tiere  vor  den  Wagen  spannen  darf, 
wie  dasselbe  Eporedia  (Ivrea)  bedeutet,  würde  beweisen,  dafs  über  den 
Splügen  nur  ein  Saumpfad  führte^. 

Die  zweite  Quelle,  welche  zu  Kate  zu  ziehen  ist,  sind  die  Funde 
von  Münzen  und  Denkmälern.  Systematisch  ausgegraben  ist  auf  keiner 
Pal'shöhe,  doch  hat  der  Zufall  auf  der  Höhe  des  Julier  Grabarbeiten  ver- 
anlafst.  An  den  Strafsen  hat  sich  kein  Meilenstein  erhalten  ^  ebensowenig 
eine  Inschrift,  welche  über  das  Strafsenleben  Auskunft  gäbe.  Das  einzige 
Monument  erhebt  sich  auf  der  Pafshöhe  des  Julicr:  eine  Säule  ohne 
Inschrift*.  An  ihrem  Fufse  wurde  1854  eine  Menge  von  römischen 
Kaisermünzen  entdeckt  und  vereinzelte  haben  sich  auch  sonst  gefunden  ^. 
Auch  hier  haben  Wanderer  den  Göttern  aus  Dank  für  die  bisherige 
Hilfe  und  im  Wunsche  für  weiteren  Schutz  ihre  Gaben  gespendet.  Von 
einem  Tempel  wissen  wir  nichts.  Für  den  Septimer  fehlen  jede  Nach- 
richten über  Münzfunde,  sodafs  dessen  Benutzung  für  diese  Zeiten  sehr 
unwahrscheinlich  wird.  Nur  Nachgrabungen  nach  Münzen  auf  den  Pa(s- 
höhen  können  die  Benutzung  des  Septimers,  des  Bemhardin  und  des 
Lukmanier  zweifellos  feststellen,  auch  wären  sie  für  den  Splügen  sehr 
erwünscht 

Da  die  Reihe  der  Münzen  auf  dem  Julier  mit  Augustus  beginnt  und 
bis  in  die  Tage   des  Constantius  (f  361)  sich  hinzieht®,  haben  wir  einen 

^  Planta,  Das  alte  Bhätien  S.  79.  Meyer  S.  187  führt  als  seinen  Gewährs- 
mann den  Bürgermeister  Albertini  zu  Chur  an.  Wann  erscheint  der  Name  wirklich 
zum  erstenmale? 

«  V.  Duhn  S.  89  Anm.  54. 

8  Meyer  S.  129. 

^  Meyer  S.  133.  Bavier  S.  16.  Die  Säule  ist  umgestürzt,  von  den  drei  Stücken 
sind  zwei  erhalten. 

•i  Meyer  S.  133. 

*  Meyer  S.  133.  Leider  ist  der  Fund  nicht  sorgfältig  im  Zusammenhange 
untersucht. 


Die  Alpenpässe  im  Altertum.  47 

regelmäfsigen  Verkehr  seit  dem  ersten  Jahrhundert  anzunehmen.  Die 
Wagengeleise  beweisen,  dafs  der  Weg  auch  fahrbar  war^  Von  der  Art 
der  Pflasterung  und  Anlage  dieser  Strafse  hätte  die  technische  Unter- 
suchung der  Strafsenreste  der  anderen  Bündner  Strafse  auszugehen.  Der 
Verkehr  über  diesen  Oberhalbsteiner  Pi^s  (ev.  über  den  Septimer)  ist 
auch  für  ältere  Zeiten  durch  den  1789  in  Burvagn  in  Oberhalbstein 
gemachten  Fund,  der  durch  massaliotische  Stücke  italienischer  Prägung 
datiert  ist,  belegt^.  Eine  sorgfältige  Zusammenstellung  der  Funde,  welche 
auf  den  Pässen,  bez.  an  den  Strafsen  gemacht  sind,  müfste  die  Grundlage 
schaffen  für  eine  weitere  Untersuchung^.  Erst  mit  ihrer  Hilfe  liefse  sich 
feststellen,  ob  auch  der  Septimer,  Bernhardin  und  Lukmanier  vor  dem 
Mittelalter  benutzt  wurden^.  Nur  diese  beiden  letzteren  kommen  jedoch 
für  einen  Heereszug  von  den  Campi  Canini  bei  Bellinzona  nach  dem 
Bodensee  und  einen  Raubzug  der  Alamannen  in  umgekehrter  Richtung 
in  Betracht^. 

Von  allen  Pflasterungen  läfst  sich  nur  dann  der  römische  Ursprung 
beweisen,  wenn  auf  oder  neben  demselben  Funde  gemacht  sind.  Sonst 
können  es  ebensogut  mittelalterliche  Strafsen  bauten  sein.  Römermünzen 
sollen  auch  am  Abhänge  des  Heinzenberges  gefunden  sein,  längs  des 
Weges,  der  auf  halber  Höhe  des  Gebirges  die  Dörfer  Urmein,  Portein 
mit  Präz  verbindet,  und  Meyer  hat  daraus  den  Schlufs  gezogen,  dafs  hier 
und  nicht  im  Thale  die  römische  Splügenstrafse  lief®.  Auf  diese  Frage 
bin  ich  schon  oben  eingegangen. 

Auch  unterhalb  Chur  sind  nur  wenige  Funde  gemacht,  welche  den 
Strafsenzug  feststellen.  Sicherheit  ist  nur  für  den  Zug  auf  dem  rechten 
Rheinufer   über   die  Luziensteige   nach  Bregenz  vorhanden,   insbesondere 

1  Meyer  S.  130.  132. 

^  Meyer  S.  135.    Auch  dieser  Fund  wurde  nicht  ausreichend  beschrieben. 

*  Von  den  von  Forrer  in  der  Antiqua  1887  S.  3  ff.  zusanunengestellten  prä- 
historischen Pafsfunden  aus  Graubünden  sind  im  engeren  Sinne  Pafsfunde  nur  die  vom 
Flüelapasse,  aus  Bergün  an  der  Albulastrafse  und  vom  Valserberg.  Es  handelt  sich 
stets  um  einzelne  Objekte.  Die  beiden  Bronzedolchc  vom  Valserberge  würden  zuerst 
für  einen  Handel  zwischen  Deutschland  und  Italien  beweisen,  der  dann  den  Splügen 
oder  Bemhardin  benutzt  haben  müfste.  Der  Depotfund  von  Salez  (bei  Werdenberg) 
liegt  zu  weit  nördlich,  um  beweiskräftig  zu  sein.    Antiqua  1886  S.  34. 

^  Meyer  S.  129  nimmt  als  römisch  aufserdem  noch  den  Greinapafs  in  Anspruch. 
Der  1852  im  Blegnothale  bei  Malvaglia  gemachte  Fund  von  3000  Stück  römischer 
Münzen  des  dritten  Jahrhunderts  (Meyer  S.  139)  ist  nicht  zwingend,  da  Malvaglia 
fast  am  Ausgang  des  Thaies  liegt,  nicht  etwa  im  Innern  am  Aufstieg  zum  Lukmanier. 

^  Die  Lage  der  Campi  Canini  ist  durch  Gregor  v.  Tours  X,  3  (M.G.  SS.  rer. 
Mer.  1,  411)  bestimmt,  danach  lag  Bellinzona  in  denselben.  Den  Baubzug  der  Ala- 
mannen erwähnt  Sidonius  C.  V,  375  (M.G.  Auct.  antiqu.  8,  197),  den  Zug  der  Truppen 
des  Constantius  354  Ammianus  15,  4,  1. 

«  S.  138. 


48  Viertes  Kapitel. 

ist  in  Schaan  eine  befestigte  Niederlassung  völlig  einwandfrei  festgestellt'. 
Hier  war  im  Mittelalter,  wie  später  zu  zeigen  ist,  die  Fähre  nach 
Werdenberg  und  für  den  Handelsverkehr  der  Übergang  auf  das  linke 
Rheinufer.  War  die  römische  Zeit  hier  voraufgegangen  und  folgten 
wenigstens  von  hier  ab  dem  Laufe  des  Rheins  zwei  Strafsen?  Soviel 
mir  bekannt  ist,  sind  Römerfunde  auf  diesem  linken  Ufer  bisher  nicht 
gemacht^. 

Die  geographische  Einleitung  zeigte,  wie  nahe  es  liegt,  über  den 
Walen-  und  Ztirichersee  die  Verbindung  mit  Zürich  zu  suchen.  Weder 
die  Itinerarien  noch  die  Funde  haben  hier  einen  Strafsenzug  bewiesen, 
eine  Inschrift  aber  läfst  keinen  Zweifel  darüber,  dafs  Handelsleute  diese 
Richtung  einschlugen.  Wenn  auch  die  Römer  keine  Strafse  gebaut  haben, 
so  bot  die  Natur  doch  nicht  solche  Hindernisse,  die  nicht  hätten  ohne 
allzu  grofse  Kunst  überwunden  werden  können*.  Die  Provinz  Gallien 
bildete  trotz  der  sonstigen  Zersplitterung  eine  Einheit  in  der  Zoll-  und 
Steuerverwaltung,  an  der  Grenze  der  Provinz  wurden  die  Zölle  in  einer 
Höhe  von  2  V2  ®/o  erhoben. 

Solche  Zollstellen  gab  es  zu  Martinach  und  zu  Zürich.  Hier  ist  der 
Grabstein  eines  praefectus  stationis  Turicensis  quadragesimae  Galliarum 
erhalten.  Wie  jene  die  von  den  Walliser  Pässen  eingehenden  Waren 
durchliefs,  so  mufste  diese  den  Schmuggel  über  den  Walensee  verhindern. 
Ein  Zollbureau  auf  der  Strafse  Bregenz — Chur  ist  uns  vielleicht  durch 
eine  weitere  Inschrift  erwiesen,  in  der  ein  praepositus  stationis  Majensis 
im  Jahre  180  n.  Chr.  einen  Altar  der  Diana  widmete.  Gefunden  ist 
freilich  die  Inschrift  weit  davon  entfernt  und  zwar  auf  dem  Schlofs 
Knillenburg,  und  man  bezog  sie  auf  die  Station  Mais  bei  Meran  —  dann 
wäre  die  Station  aufserordentlich  weit  vorgeschoben,  oder  auf  Mayenfeld. 
Ist  aber  Schaan  Magia,  so  wäre  die  Zollstelle  an  einem  natürlichen 
Platze,  dann  hätten  wir  fiir  alle  Ausmündungen  des  uns  berührenden 
Pafssystemes  die  Zollstellen. 

'  Vgl.  auch  Jenny  über  den  Fund  zweier  römischer  Helme  im  26.  Jahresbericht 
d.  Vorarlb.  Museums-Vereins  S.  48  ff. 

*  Ferd.  Keller  führt  keine  an,  nimmt  aber  S.  71  gleichwohl  einen  Weg  von 
Sargans,  der  den  Schollberg  im  Gebirge  umgeht  und  direkt  nach  Arbon  führt,  an. 
Auch  hier  kann  man  nur  wiederholen,  dafs  völlig  einwandfreie  Funde  entscheiden 
müssen;  ich  halte  von  Schaan  abwärts  eine  römische  Strafse  auf  dem  linken  Ufer 
für  möglich. 

*  Die  Annahme  eines  ausgebauten  Weges  am  Süd  runde  des  Walensees  hat 
Winteler,  Über  einen  Landweg  am  Walensee,  Aarau  1H94  zur  Siciierheit  erheben 
wollen.  Seine  Gründe  hat  Heffter,  Der  römische  liandclsweg  von  Zürich  nach 
Chur  (Jahrb.  d.  bist.  Ver.  d.  Kantons  Glarus  II(^ft  «'K)^  1895)  widerlegt,  geht  aber 
selbst  zu  weit,  indem  er  der  Züricher  Inschrift  k(!ine  l^edeutung  beimifst.  Die  von 
Meyer  S.  66  ff.  angeführten  Funde  aus  Berschis,  Mels,  Kugaz,  Sargans,  Vild,  Vilters, 
Walenstad  und  Wesen  bedürfen  einer  sehr  gründlichen  Nachprüfung. 


Die  Alpenpässe  im  Altertum.  49 

In  Bregenz  und  Arbon  treten  die  Militärstrafsen  an  den  Bodensee. 
Von  Bregenz  setzte  sich  die  eine  nach  Augsburg  fort,  während  die 
andere  über  Pfyn  nach  Windisch  lief  und  somit  die  Bündnerpässe  in  Be- 
ziehungen zu  Basel  und  zum  Oberrhein  setzte. 

Die  römische  Organisation  dieses  Gebietes  trägt  noch  ganz  den 
Stempel  der  Erwerbsgeschichte.  Der  Nordabhang  der  Alpen  war,  wie 
Mommsen  sehr  glücklich  sagt,  eigentlich  beiläufig  erworben  ^  Der  kom- 
binierte Angriff  der  kaiserlichen  Prinzen,  welcher  den  rechten  Flügel  der 
Rheinfront  und  den  linken  der  Donaustellung  sichern  sollte,  hatte  die 
Eroberung  des  Gebirgslandes  herbeigeführt  Die  Basis  von  Tiberius  war 
Gallien  gewesen,  und  so  fügte  er  die  schweizerische  Hochebene  dieser 
Provinz  hinzu.  Drusus  ging  von  den  illyrischen  Provinzen  aus,  und  zu 
diesem  System  gehörte  die  neugeschaffene  provincia  Rhaetia.  Da  Augustus 
in  der  Nähe  Italiens  keine  allzu  mächtigen  Militärkommandanten  haben 
wollte,  wurde  die  vallis  Poenina  (Wallis)  nicht  mit  Gallien  vereinigt, 
sondern  dem  Statthalter  von  Rhätien  unterstellt,  der  nicht  den  Legaten 
aus  dem  Senatorenstande  entnommen  wurde,  sondern  blofs  ein  Präfekt 
oder  Prokurator  aus  dem  Ritterstande  war.  Die  Provinz  ging  damals 
von  Vevey  bis  Regensburg.  Diese  Landschaften  standen  nur  durch  die 
Furka,  das  Urserenthal  und  den  Oberalppafs  miteinander  in  Verbindung, 
hier  mufs  also  ein  Verkehr  (in  der  Längsrichtung  des  Alpenzuges)  be- 
standen haben. 

Das  Nächstliegende  für  Augustus  wäre  es  gewesen,  auf  dem  Nord- 
abhange  der  Alpen  an  der  gegen  die  Germanen  anstofsenden  Front  ein 
einziges  grofses  Kommando  zu  schaffen.  Das  entsprach  aber  nicht  den 
politischen  Interessen,  aber  es  pafste  auch  zu  den  damals  bestehenden 
natürlichen  Verhältnissen  nicht.  Eine  solche  Provinz  hätte  sich  von  selbst 
ergeben,  wenn  der  Gotthardpafs  benutzbar  gewesen  wäre.  Das  aber 
war  er  nicht  ^.  Die  Schöllenenschlucht  war  noch  ein  unüberwindliches 
Hindernis,  auch  entsprach  es  nicht  militärischen  Wünschen,  an  das  Ge- 
stade  eines  Sees  geführt  zu   werden,   der   an   seinen  Ufern  keinen  Weg 


^  Die  Schweiz  in  röm.  Zeit  S.  5. 

^  Der  Ortsname  Quinto  im  Livinenthal  würde  bestenfalls  eine  Benutzung  des 
Passes  bis  ins  Urserenthal  erweisen,  dort  aber  liegen  ja  nicht  die  Schwierigkeiten. 
Nur  Römerfunde  in  Uri  könnten  eine  Benutzung  des  Passes  erweisen.  Wenn  Urseren 
wirklich  von  ursarii  den  aufgestellten  ßärenjägcm  abzuleiten  ist,  so  würde  das  nur 
eine  Benutzung  der  Furka  und  des  Oberalppasses  voraussetzen,  und  die  ist  so  wie 
80  durch  die  Verbindung  von  Wallis  mit  Rhätien  eine  notwendige  Annahme.  Römische 
Münzen  wurden  nach  Motta  1840  und  1844  zu  Madrano  und  bei  Airolo  gefunden, 
auch  sonstige  Altertümer  des  Livinenthals  (Motta,  Bolletino  storico  della  Svizzera 
Italiana  4,  125)  beweisen  nichts  für  die  Benutzung  der  Schöllenenschlucht,  auf  die 
es  ganz  allein  ankommt. 

Schalte,  Oesoh.  d.  mittelalterL  Handels.    I.  4 


50  Viertes  Kapitel. 

zum  offenen  Land  hin  besafs^.  In  den  Tagen  des  Markomannenkrieges 
wurde  Wallis  mit  den  Alpes  Grajae  verbunden,  wie  dieses  Verhältnis  in 
dem  kirchlichen  Verbände  nachwirkte.  Die  Kirchenprovinz  von  Tarantaise 
ist  die  der  Alpenpässe,  ihre  Diöcesen  sind  durch  sie  von  einander  getrennt*. 
Die  neue  Reichseinteilung,  die  von  Diokletian  und  Konstantin  durchgeführt 
wurde  und  das  Wesen  des  Staates  völlig  umformte,  hat  die  im  Jahre 
15  n.  Chr.  geschaffenen  Grenzen  zwischen  Helvetien  und  Rhätien  bestehen 
lassen.  Die  Zerlegung  der  Rhaetia  machte  Chur  zum  Hauptort  der  oberen 
Provinz,  des  rheinischen  Rhätiens,  der  Rhaetia  prima,  deren  Grenzen  im 
Umfange  der  Diöcese  Chur  fortlebten. 

Auch  das  System  der  Militärstrafsen  trug  die  Erinnerung  der  Er- 
oberungsgeschichte an  sich.  Die  Operationslinie  jener  Tage  ist  noch 
erkenntlich,  aber  das  Beispiel  Cäsars  hatte  seinen  Erben  die  Anleitung 
gegeben.  Die  Verlegung  der  Truppen  des  Legaten  Servius  Galba  nach 
Martigny  hat  Cäsar  wohl  nur  den  römischen  Kaufleuten  zuliebe  mit 
der  Sicherung  ihres  Handels  über  den  Grofsen  St.  Bernhard  motiviert, 
thatsächlich  kam  es  ihm  wohl  darauf  ah,  die  Operationslinie  von  Italien 
her  zu  verkürzen  und  die  direkteste  Verbindung  mit  dem  nördlichen 
Gallien  und  dem  Rheinthale  zu  gewinnen.  Was  ihm  nicht  gelang,  hat 
Augustus  durchgeführt  und  die  Strafse  nach  Augusta  Rauricorum  wie 
über  Orbe  erfüllte  diesen  Zweck. 

Ganz  ähnlich  ging  es  im  Osten.  Hier  hat  Drusus  zuerst  eine  Strafse 
von  Trient  durch  den  Vintschgau,  über  Landeck,  zum  Arlberg,  dann  auf 
Feldkirch  und  Bregenz  geführt*.  Sie  war  seine  Operationslinie,  hatte 
aber  die  westliche  Richtung  der  Alpenumgehung  erst  in  eine  nordwestliche 
verwandelt,  die  Strafsen  über  Chur  führten  hingegen  direkt  nach  Norden. 
Erst  am  Bodensee  trat  die  westliche  Richtung  wieder  in  Geltung.  So 
lag  Vindonissa  ungefHhr  auf  dem  Scheidepunkte  der  Kräfte  Galliens  und 
Rhätiens,  es  bezeichnete  den  äufsersten  rechten  Flügel  der  Rhein-  und 
den  äufsersten  linken  der  Donaufront  und  war  somit  für  ein  Standlager 
vortrefflich  geeignet.  Seine  Garnison  konnte  nach  rechts  und  nach  links 
geschoben  werden,  unmittelbar  vor  sich  hatte  sie  ein  unwegsames  Gebirge. 
Als  der  Limes  errichtet  wurde,  und  so  lange  er  bestand,  verlor  Windisch 
seine  Bedeutung,  es  lag  damals  allzuweit  hinter  der  Front,  und  um  eine 
blühende  Handelsstadt  zu  werden,  fehlten  ihr,  wie  früher  gezeigt  ist,  die 
natürlichen  Bedingungen. 

^  Darauf  weist  mit  Recht  Spitteler  S.  205  hin,  aber  man  darf  das  auch  nicht 
überschätzen,  da  ganz  dasselbe  auch  am  Gomersee  der  Fall  war,  was  die  Römer 
nicht  störte. 

*  VgL  auch  Du  che sne,  L.  Fastes  ^piscopaux  de  Tancienne  Gaule  1,  70  f.  Die 
Bildung  der  Kirchenprovinz  erfolgte  erst  unter  Karl  dem  Grofsen.  Ebda.  207 f.  u.  206. 

'  Zweifelsfrei  ist  ihr  Lauf  freilich  nur  von  Italien  bis  in  den  Vintschgau. 


Die  Alpenpässe  im  Altertum.  51 

Der  wirkliche  Grenzort  zwischen  den  von  Westen  und  Osten  aus- 
gehenden Provinzen  lag  bei  dem  thurgauischen  Dorfe  Phyn  (ad  Fines), 
das  seine  ursprüngliche  Bedeutung  im  Mittelalter  natürlich  verlor^  da 
gerade  in  dem  ziemlich  offenen  Gebiete  nördlich  von  Zürich  die  alt- 
römischen Wege  leicht  verlassen  und  neben  ihnen  neue  benutzt  werden 
konnten. 

Die  römischen  Funde  der  Schweiz  sind  am  reichsten  in  der  Gegend 
nördlich  vom  Genfersee  und  diesen  Strafsen  folgend  bis  Augusta  Rauricorum, 
Vindonissa  und  ad  Fines.  Am  ärmsten  daran  ist  der  nördliche  Zug  der 
Alpen  vom  Genfersee  bis  zum  Kalanda  und  die  nördlich  sich  anschliefsenden 
Thäler.  Das  Gebirgsland  war  also  keineswegs  dicht  bevölkert  Die 
Strafse  aus  dem  Wallis  über  Aventicum  und  Solothurn  nach  Äugst  und 
Windisch  war  „die  grofse  Pulsader,  auf  der  der  römische  Verkehr  durch 
die  Schweiz  sich  bewegte.  Im  Transit  werden  ihr  die  Tiroler  Chaussee 
imd  die  Chausseen  der  Westalpen  freilich  bedeutende  Konkurrenz  ge- 
macht haben :  aber  ein  guter  Teil  der  deutschen  und  gallischen  Ausfuhr : 
der  deutschen  Sklaven,  der  menapischen  und  marsischen  oder  wie  man 
auch  sagen  kann  der  belgischen  und  westfälischen  Schinken,  des  vortreff- 
lichen Pelzwerks,  der  schon  im  zweiten  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung 
im  ganzen  Occident  und  Orient  hochgeschätzten  flandrischen  Tuche  wird 
auf  der  Rheinstrafse  und  über  den  Bernhard  seinen  Weg  nach  Italien 
und  weiter  gefunden  haben.  Dazu  kamen  die  dem  Schweizerland  eigenen 
Exportartikel,  ungefkhr  dieselben,  die  heutzutage  weniger  der  Fleifs  der 
Menschen  als  die  Natur  den  Bewohnern  verleiht" :  Käse,  Wachs,  Honig, 
Holz,  Harz,  Pech  und  Fische.  „Dafs  man  dagegen  von  Italien  öl  und 
Wein,  Kunst-  und  Modewaren,  feineres  Tischgerät,  überhaupt  alle  Pro- 
dukte der  gesteigerten  Civilisation  bezog,  bedarf  kaum  der  Erwähnung"  *. 

Die  reiche  römische  Kultur  brach  unter  dem  Ansturm  der  rauhen, 
weit  bedürfnisloseren  Germanen  zusammen.  Damit  veränderten  sich  die 
Bedingungen  des  Handels  von  Grund  aus,  und  nur  wenig  von  dem,  was 
Mommsen  als  charakteristisch  für  den  Durchgangshandel  bezeichnet,  er- 
scheint im  Mittelalter  wieder.  Die  Deutschen  übernahmen  aber  die  Wege 
und  das  Gefühl,  dafs  Italien  der  Mittelpunkt  der  Welt  sei.  Das  römische 
Reich,  das  sie  vernichtet,  war  ihnen  nicht  für  immer  untergegangen.  So 
blieben  die  politischen  Beziehungen  zu  Italien  bestehen,  die  des  Handels 
mufsten  fast  neu  angeknüpft  werden  und  gehorchten  nun  ganz  anderen 
Voraussetzungen. 

Das  römische  Reich  hatte  dem  Handel  und  Verkehr  die  enormen 
Vorteile  gleichen  Rechtes,  gleichen  Mafses  und  Gewichtes  und  gleicher 
Münze  gewährt,  zunehmend  stark  traten  die  Reste  alter  Einheit  im  Mittel- 


'  Mommsen  S.  23  f. 


62  Viert«0  Kapitel. 

sAter  zurück^  um  zu  einem  vollen  Chaos  zu  führen.  Keinen  Posten-  oder 
Nachrichtendienst  gab  en  fortan  mehr.  Und  welche  Umwälzungen  auf 
den  Htrafven  Helb«t,  von  denen  die  in  den  Alpen  noch  am  meisten 
n;»|;ektiert  und  ge[iflegt  wurden,  weil  sie  durch  andere  Wege  nicht  er- 
iK;tzt  werden  konnten,  während  das  in  den  Ebenen  sehr  leicht  war. 

lUil  der  Strafsenanlage  hatte  bis  dahin  das  militärische  Interesse  die 
Entscheidung  gegeben,  und  mit  der  Energie  und  Umsicht  einer  starken 
Regierung  war  der  den  römischen  Interessen  ^dienende  Plan  jedesmal 
durchgeführt  worden.  Die  Anwohner  des  Passes  mufsten  sich  den  An- 
ordnungen der  römischen  Beamten  oder  Militärs  fügen,  diese  ver- 
si'ijwiinden  nun  von  der  Strafse,  und  damit  ging  die  Einheit  einer  An- 
lag'j  verloren.  Der  CJentralisation  folgte  die  Zersplitterung.  Die  Unter- 
haltung und  Reparaturen  wurden  nicht  mehr  von  einer  besonderen 
te<'hnim:h  gebildetcsn  Behörde  besorgt,  die  bei  ihren  Arbeiten  weite 
Itäunie  zu  umspannen  verstand,  sondern  sie  fiel  bestenfalls  einem 
Bischöfe  zu,  wenn  nicht  unmittelbar  den  nächsten  Anwohnern.  Die 
militärischen  Rücksichten  hatten  bis  dahin  bei  Anlage  und  Unterhaltung 
entschieden  und  durch  die  »Stationen  und  gröfseren  Waffenplätze  waren 
die  Htrafsen  mit  dem  Heere  in  ständiger  Beziehung.  Jetzt  gab  es  keine 
stehenden  Heere  mehr,  und  seitdem  wurden  die  Strafsen,  die  bis  dahin 
Teih?  des  Kriegswesens  gebildet  hatten,  nur  gelegentlich  benutzt.  Die 
Aufsicht  der  Centrale  verschwand. 

Kin  hochkultiviertes  Volk  hatte  bis  dahin  die  Erfahrungen  in  der 
Ktinst  des  Htnifsenbaus ,  die  im  weiten  Bereiche  des  Staates  gesammelt 
waren,  verwendet,  nun  blieb  nichts  als  das  Vorbild,  das  sie  geschaffen, 
und  dir  örtliche  Tradition  die  Lehrmeisterin.  Die  Römer  hatten  mit 
den  Mitteln  eines  an  Qeld  reichen  Staates  und  mit  den  Kräften  einer 
gefügigen  Arbeitsorganisation  gebaut,  nun  sank  der  Strafsenbau  in  die 
Natural  Wirtschaft  zurück.  Und  die  staatlichen  Stationen  an  den  Strafsen, 
in  d(^n(ni  der  Beamte  und  Offizier  sein  Nachtquartier  gefunden  hatte, 
verschwanden  und  machten  entweder  dem  Wirtshause  oder  dem  frommen 
Hospiz  Platz.  An  Stelle  der  staatlichen  Fürsorge  trat  das  Geschäft  oder 
die  Wohlthätigkoit. 

Das  centrale  Strafsensystem ,  das  von  Persien  bis  nach  Britannien 
ein  wohlg(*fügteH  Netz  gebildet  hatte,  verländerte  nicht  allein,  sondern  es 
löst(^  sich  noch  weiter  auf.  Jede  Strafse  stand  für  sich  und  wurde  nun 
gopfiegt  von  ihren  Anwohnern.  Es  entwickelte  sich  mit  der  Wieder- 
Bunahine  dos  Handels  ein  Wetteifer  zwischen  den  Strafsen,  und  ihm 
haben  wir  die  Eröffnung  neuer  Strafsen,  ja  sehr  erhebliche  Kunstbauten 
BU  verdanken.  Sie  werden  aber  nicht  nach  dem  Beschlüsse  einer  Re- 
gierung golmut,  sondern  gehen  aus  der  Initiative  der  Anwohner  hervor. 
An  die  Stolle  des  Weltreiches  ist  eine  Gemeinde,  ein  Thal   oder  besten- 


Die  Alpenpässe  im  Altertum.  53 

falls  ein  Kanton  getreten.  Den  Verkehr  der  Strafse  zuzuwenden  und 
damit  dem  Thale  den  Nutzen  vom  Pafsverkehre  zu  verschaflFen,  ist  das 
Ziel  dieser  kühnen  und  entschlossenen  Hirten.  Ein  eigentlicher  Wegebau 
ist  von  den  mittelalterlichen  Elaisern,  selbst  von  Karl  dem  Grofsen  nicht 
ausgegangen  ^. 

Im  Strafsenbau  der  Alpen  hat  erst  Napoleon  eine  neue  Epoche  ge- 
schaffen ;  er  kehrte,  wie  in  so  vielem,  zu  dem  System  der  Römer  zurück. 
Die  Simplonstrafse  ist  das  Gegenstück  zu  den  besten  Römerstrafsen,  nur 
technisch  tiberlegen,  weil  bei  ihr  die  Fortschritte  der  letzten  Jahrhunderte 
und  weit  mehr  Geldmittel  verwendet  wurden,  als  im  Verhältnis  die  alten 
römischen  Strafsen  gekostet  haben. 

Der  Abstand  zwischen  der  römischen  Strafsenverwaltung  und  der  des 
Mittelalters  war  so  grofs,  wie  der  sein  würde,  wenn  heute  die  öster- 
reicliischen  Bataillone  aus  Bosnien  abrückten  und  ihre  Bauten  den  Begs 
und  Popen  überlassen  würden  oder  wenn  aus  den  jungen  Eroberungen 
des  russischen  Reiches  die  Truppen  zurückgezogen  würden. 

Die  Bedingungen  des  Handels  waren  ganz  andere  geworden.  Der 
Luxus  der  nach  dem  Norden  verschlagenen  Römer  erforderte  nicht  mehr 
den  Transport  der  Dinge,  welche  ihnen  in  der  Heimat  ein  Bedürfnis  ge- 
wesen; und  die  Waren,  die  der  am  Rhein  stationierte  Römer  lieb  ge- 
wonnen und  in  Rom  eingebürgert  hatte,  wurden  nicht  mehr  verlangt 
Der  Handel  mit  Luxuswaren,  der  überall  der  Anfang  des  Handels  ist, 
schränkte  sich  ein  auf  die  Objekte,  die  auch  den  neuen  Herren  bald 
unentbehrlich  geworden  waren;  ein  geldarmes,  durchaus  in  der  Natural- 
wirtschaft steckendes  Volk  konnte  Massengüter  überhaupt  nicht  beziehen. 

^  So  ganz  richtig  Gasner,  Zum  deutschen  Strafsen wesen  S.  48. 


Zweites  Buch. 

VERKEHR  UND  HANDEL  IM  FRÜH 

MITTELALTER 

(bis  1032). 


Fünftes  Kapitel. 
Verkebr  bts  znr  Bildnn^  des  boclibiir^ndischeii  Reicbes  (888). 

Der  St,  GoWiard  als  Grenzpfeiler  von  fünf  Bistümern,  Dieser  Pafs  unbenutzt.  Die 
AJpen  in  der  merowingischen  Zeit*  Züge  der  Karolinger,  Gro/ser  St,  Bernhard,  Septimer. 
Beliquientranslationen,    Divisio  regnorwn*    Begründung  des  Königreichs  Hochburgutid. 

Die  kirchliche  Einteilung  des  Alpengebietes  geht  wohl  im  wesent- 
lichen auf  die  spätrömischen  Einrichtungen  zurück  und,  wenn  sie  auch 
flir  diese  Tage  nicht  gelten  sollte,  so  liefert  sie  doch  für  das  frühe 
Mittelalter  den  Beweis,  dafs  der  St.  Gotthard  damals  eine  unbewohnte 
Wildnis  war,  aber  kein  Pafs.  Diesem  Stocke  streben  alle  Grenzen  zu 
als  natürlichem  Grenzpfeiler.  In  ihnen  treten  uns  fünf  Bistümer  und  mit 
ihnen  fünf  Kirchenprovinzen  entgegen :  Mailand ,  Tarantaise ,  Besan9on, 
Mainz  und  Aquileja.  Das  Bistum  Novara,  Suffraganat  von  Mailand,  geht 
mit  dem  Val  Antigorio  bis  an  den  Griespafs,  Sitten  und  mit  ihm  die 
alpine  Kirchenprovinz  Tarentaise  schiebt  sich  bis  zur  Furka,  während 
das  von  Besangen  abhängige  Lausanne  im  Haslithale  die  Gemmi  erreicht. 
Der  grofse  deutsche  Metropolitanbezirk  Mainz  erstreckte  sich  durch  das 
Bistum  Konstanz  (und  Uri)  bis  zur  SchöUenenschlucht,  es  gewann  durch 
den  843  erfolgten  Übertritt  von  Chur,  das  ursprünglich  zum  Erzbistume 
Mailand  gehört  hatte,  auch  das  Thal  Urseren,  ja  im  Bergell  und  im  Val 
Misocco  auch  Gebiet  südlich  der  Alpenwasserscheide.  Im  Norden  und 
Westen  laufen  die  Grenzen  der  vier  erwähnten  Bistümer  also  durchaus 
auf  der  Wasserscheide. 

Anders  ist  das  im  Südosten.  Hier  hat  Mailand  einst  Suffragan- 
rechte  auch  über  Como  und  Chur  besessen  wie  heute  noch  über  Novara. 
Im  Dreikapitelstreite  ging  Como  zum  Patriarchat  von  Aquileja  über. 
Das  Gebiet  von  Mailand  umschnürte  das  des  Bistums  Como,  es  umfafste 


Verkehr  bis  zur  Bildung  des  hochburgundischen  Reiches.  55 

nämlich  die  Val  Maggia,  das  obere  LiviDenthal  bis  dicht  oberhalb  Bellenz 
und  das  zum  Lukmanier  führende  Blegnothal.  Auch  das  Thal  von  Misox 
gehört,  wie  gesagt,  nicht  Como,  sondern  Chur,  so  dafs  Como  nur  das 
unterhalb  Bellinzona  gelegene  Thal  des  Tessin  besafs,  an  die  Alpenpässe 
selbst  nur  am  Splügen  heranreichte.  Dafs  Chur  die  dem  Bemhardin 
und  Septimer  auf  der  Südseite  vorgelagerten  Thäler  besitzt  und  besafs, 
beweist  meines  Erachtens,  dafs  wir  diese  Pässe  als  begangen  ansehen 
müssen.  Der  Gotthard  aber  ist  ebenso  sicher  unbenutzt  geblieben,  der 
Wanderer,  der  auf  diesem  Wege  die  Alpen  hätte  überschreiten  wollen, 
hätte  in  zwei  Tagen  die  Bistümer  Como,  Mailand,  Chur  und  Konstanz 
betreten  müssen. 

Die  Nachrichten  über  den  Handelsverkehr  zwischen  Italien  und 
Deutschland  sind  für  die  Zeit  bis  zur  Vereinigung  de^  Königreichs 
Arelat  mit  dem  Deutschen  Reiche  äufserst  spärlich;  ein  Bild  von  der 
Richtung  der  Handelswege  kann  man  nur  aus  den  Angaben  über  die 
kriegerischen  und  friedlichen  Fahrten  der  Herrscher,  über  die  Pilger- 
fahrten und  Romreisen  gewinnen. 

Man  wird  da  aber  mit  grofser  Vorsicht  vorgehen  und  der  Ver- 
suchung vorschnell  zu  kombinieren  widerstehen  müssen,  öhlmann  hat 
seiner  sonst  so  lehrreichen  Abhandlung^  dadurch  nur  geschadet,  dafs  er 
allzu  viel  Vermutungen  vorbringt.  Es  hat  keinen  Wert,  zweifelhafte  Fälle 
einer  Pafsbenutzung  anzuführen,  es  kann  nur  mit  sicheren  Angaben  das 
Netz  der  damals  benutzten  Strafsen  festgelegt  werden. 

Das  alte  burgundische  Reich  schob  seine  Grenzen  über  die  Pafshöhe 
nach  Italien  vor;  nachdem  das  Thal  von  Aosta  vorübergehend  verloren 
war,  wurde  es  572  wieder  mit  dem  fränkisch-burgundischen  Reiche  ver- 
bunden. Die  Bedeutung  des  Grofsen  St.  Bernhard  ist  damit  auch  für 
diese  Zeiten  erwiesen. 

Als  der  kühnste  unter  den  Nachkommen  Chlodovechs,  Theudebert, 
von  den  Ostgothen  mit  Neualamannien  auch  Rhätien  gewonnen  hatte, 
dachte  schon  er  daran,  Italien  zu  erobern,  doch  nicht  die  Franken, 
sondern  die  Langobarden  wurden  die  Erben  der  Ostgothen.  Aus  den 
Kämpfen  Childeberts  II.  gegen  die  neuen  Herren  Italiens  wissen  wir, 
dafs  einer  der  drei  Angriffshaufen,  welche  über  die  Alpen  kamen,  ent- 
weder den  Lukmanier  oder  den  Bernhardin  benutzte.  Bei  einem  un- 
vorsichtigen Angriff  auf  die  mailändische  Festung  Bellinzona  tiel  ihr 
Führer  ^ 

Erst  in  der  karolingischen  Zeit  werden  die  Angaben  über  den  Weg 
der  vielen   Züge   über   die  Alpen   so   genau,   dafs  man   einen  Überblick 


'  Die  Alpenpässe  im  Mittelalter. 

*  Greg.  V.  Tours  10  c.  3.    Paul.  Diaconus  3  c  31. 


56  Fünftes  Kapitel. 

gewinnen  kann,  und  es  ergicbt  sich,  dafs  man  damals  den  Grofsen 
St.  Bernhard  unter  allen  von  uns  zu  behandelnden  Pässen  bevorzugte. 
Hier  hatten  auf  italienischer  Seite  die  Franken  auch  Sperren  (cJusae) 
angelegt.  Bei  seinem  ersten  Zuge  nach  Italien  773  liefs  Karl  der  Grofse 
seinen  Oheim  Bernhard  über  den  Juppitersberg  rücken.  776  und  801 
benutzte  er  selbst  diesen  Pafs  und  zwar  für  die  Heimkehr^.  Einmal 
ging  er  durch  Kärnten,  im  übrigen  sind  die  Wege  nicht  bekannt^.  Als 
753  Papst  Stephan  II.  schutzflehend  zu  Pippin  eilte,  ging  er  über  den 
Juppitersberg.  Auch  Leo  III.  wandelte  803  diesen  Weg^.  Immerhin 
wahrscheinlich  ist  es,  dafs  Papst  Gregor  IV.  833  und  der  Kaiser  Lothar 
840  diesen  Pafs  benutzten*.  Karl  der  Kahle  hat  875  bei  Hin-  und 
Rückweg  die  Höhe  des  Grofsen  St.  Bernhard  überschritten  und  ebenso 
im  Jahre  877  auf  der  Hinreise,  wo  auch  der  von  ihm  benutzte  Jurapafs 
(Pontarlier-Orbe)  bekannt  ist*.  Auch  Karl  der  Dicke,  der  zum  letzten- 
mal die  karolingischen  Teilreiche  vereinte,  überstieg  sicher  879,  vielleicht 
auch  880  und  885  den  Grofsen  St.  Bernhard*^. 

Arnulf  endlich  drang  bei  seinem  Zuge  im  Jahre  894  von  lombardischer 
Seite  gegen  Ivrea  vor,  um  das  eben  erstandene  Königreich  Hochburgund 
niederzuwerfen.  Er  mufste  die  Thalsperre,  welche  ein  Parteigänger  Widos 
von  Spoleto  und  burgundische  Streiter  besetzt  hatten,  auf  Schleich- 
wegen umgehen  und  gelangte  dann  über  den  Grofsen  St.  Bernhard  nach 
St.  Maurice''. 

Wenn  somit  für  den  Grofsen  St.  Bernhard  in  karolingischer  Zeit 
acht  Übergänge  deutscher  Herrscher  sicher,  drei  als  wahrscheinlich  nach- 
zuweisen sind,  trifft  auf  die  anderen  Rhone-  und  die  sämtlichen  Rhein- 
pässe nicht  ein  einziger  sicherer  Fall.  Doch  ist  die  Benutzung  eines  der 
letzteren  für  die  Rückkehr  Lothars  I.  im  Jahre  823,  für  Karl  III.  im 
Jahre  881  und  883  (Rückreise)  wahrscheinlich  ®.    Doch  sind  die  Angaben 


*  Für  776  wurde  volle  Sicherheit  geschaffen,  wenn  man  [den  Ausstellungsort 
»in  pratis  Oiaigio*  Böhmer-Mühlbacher  203  (199)  feststellen  könnte. 

2  Ö  hl  mann  nimmt  für  sechs  weitere  Reisen  Karls  des  Grofsen  den  Grofsen 
St.  Bernhard  in  Anspruch,  doch  reichen  dafür  die  Beweise  nicht  entfernt  aus.  Für 
786  führt  er  noch  den  Aufenthalt  in  8t.  Maurice  an,  der  ist  aber  erdichtet.  Böhmer- 
Mühlbacher  279»  (270»). 

«  M.G.  SS.  1,  192. 

*  öhlmann  243. 

»  Öhlmann  2,  307.    H  ine  mar,  M.G.  SS.  1,  498  u.  503. 

«  879  kam  er  von  Orbe.  Öhlmann  244.  Entschieden  abzuweisen  ist  es,  wenn 
Öhlmann  auch  den  Zug  von  886  hierher  gehen  läfst. 

'  Das  Nähere  s.  Trog  8.  34  f. 

8  Öhlmann  2,  191  ff.  Für  823  nimmt  Mühlbacher  1019  (986)  den  Splügen  an, 
es  handelt  sich  jedenfalls  um  einen  Rheinpafs.  881  ist  die  Lücke  zwischen  Müh  Ib. 
1577  und  1580  so  grofs,    dafs  Zweifel  über  die  Benutzung  eines  Bündener  Passes 


Verkehr  bis  zur  Bildung  des  hochburgundischen  Reiches.  57 

80  lückenhaft;  dafs  für  mehr  als  die  Hälfte  aller  Alpenfahrten  die  Richtung 
sich  nicht  sicher  erweisen  läfst. 

Aber  auch  die  Bündner  Pässe  waren  nicht  verlassen,  ja  sie  müssen 
weit  mehr  als  wir  wissen,  auch  von  den  Karolingern  benutzt  sein;  denn 
schon  Ludwig  der  Fromme  bestätigte  829  dem  Kloster  Reichenau  die 
alte  Gewohnheit,  dafs  dieses  Kloster  dem  Könige  und  seinen  Söhnen  nur 
zur  Verpflegungspflicht  gebunden  sein  sollte  für  die  Fahrt  durch  und  auf 
Konstanz  und  Chur^.  Und  zum  ersten  Male  taucht  in  dieser  Zeit  auch 
der  Name  des  Septimers  auf.  Ekkehard  erzählt,  wie  am  Ende  des 
neunten  Jahrhunderts  Landeloh,  Erzbischof  von  Treviso,  für  eine  Rom- 
reise zunächst  den  Grofsen  St.  Bernhai'd,  für  die  Rückkehr  aber  den 
Septimer  benutzte^. 

Recht  reiche  Angaben  liefern  auch  die  Berichte  über  Transporte  von 
Reliquien,  die  ja  in  diesen  Jahrhunderten  in  grofser  Zahl  über  die  Alpen 
gebracht  wurden.  Als  Einhard  die  Reliquien  des  heiligen  Tiburtius  und 
Petrus  Exorcista,  die  in  Rom  aus  dem  Grabe  gestohlen  wurden,  nach 
seiner  Stiftung  in  Michelstadt  im  Odenwalde  holen  liefs,  wurden  sie  von 
Pavia  in  sechs  Tagen  nach  St.  Maurice  verbracht.  Nachdem  die  Führer 
ein  Stück  Weges  am  Genfersee  entlang  gegangen  waren,  kam  die  Weg- 
scheide. Sie  wählten  den  Weg  zur  Rechten  und  brachten  den  gestohlenen 
Schatz  über  Solothurn  nach  Strafsburg,  von  wo  ab  ein  SchiflF  benutzt 
wurdet  Aus  dem  Berichte  Einhards  erfahren  wir  —  ein  Beweis  für  die 
Lebhaftigkeit  der  Verbindung  zwischen  Italien  und  Deutschland  —  dafs 
der  römische  Diakonus  Deusdona  in  fünf  Jahren  sechsmal  über  die  Alpen 
gegangen  war*. 

Als  die  Reliquien  des  hl.  Sebastian  826  vom  Propst  von  St.  Medard 
von  Rom  nach  Soissons  verbracht  wurden,  werden  am  Wege  Piacenza, 
mons  Jovis,  Octodurum,  Granant  (==  Grenant  südöstlich  von  Langres), 
cella  s.  Sereni  (Celle-sous  Chantemerle  südlich  von  Sözanne  Döp.  Marne 
Arr.  Epernay),  Calno  munde  und  Soissons  genannt*.  Wohl  genau  die- 
selbe Strafse  gingen    von  Rom   bis   mindestens  Langres  die  Gebeine  der 

bestehen  bleiben.  Dagegen  ist  der  Übergang  885  nach  Mühlbachers  Auseinander- 
setzungen (1650  u.  52)  zu  streichen  und  eher  der  Grofse  St.  Bernhard  anzunehmen. 

^  Gall.  Oheim  bei  Brandi,  Quellen  u.  Forschungen  z.  Gesch.  d.  Reichenau 
2,  48  f. 

-  Ekkch.  Casus  s.  Galli  (ed.  Meyer  v.  Knonau),  Mitt.  z.  vaterl.  Gesch.  15,  38. 

^  Translatio  ss.  Marcellini  etPetri,  M.G.  SS.  15,  1,  242  f.  »bivium,  qiu) 
itinera  in  Franciam  ducentia  diriniuntur,  adtigit,  dexteriorem  viam  ingresstis  per  Ala- 
mannortim  fmes  usque  ad  Salodurum  Burgundionum  opidum  venu,* 

*  Vgl.  die  interessanten  Zusammenstellungen  über  den  Reiseverkehr  aus  Ein- 
hards Werken  bei  Matthäi,  Einhards  Translatio  in  kulturgeschichtlicher  Beziehung. 
Progr.  des  Gymnasiums  zu  Laubach  1888    84. 

••  Acta  SS.  Jan.  II,  284. 


58  Fünftes  Kapitel. 

hl.  Helena,  welche  um  die  Mitte  des  neunten  Jahrhunderts  nach  dem 
Kloster  Hautvilliers  bei  Rheims  verbracht  wurden^. 

Eine  etwas  andere  Richtung  schlugen  jenseits  des  Jura  die  Mönche 
von  St.  Germain  in  Auxerre  ein,  die  von  Rom  die  Reliquien  der  hl. 
Urban  und  Tiburtius  holten  und  in  St.  Maurice  ihren  Schatz  noch  ver- 
mehrten. Über  Orbe  und  Pontarlier  kamen  sie  an  die  Stelle,  wo  sie  die 
alte  Römerstrafse  nach  Besangon  verliefsen.  Die  angeführten  Orte: 
Boujeailles,  Salins,  Wald  von  Mouchard,  Chamblay  (an  der  Loue),  den 
Gau  an  der  Ouche,  Dijon  und  Auxerre,  ergeben  eine  Route,  in  der  wir 
die  später  so  wichtig  gewordene  Strafse  von  Pontarlier  nach  St.  Jean  de 
Losne  wiederkennen  werden^. 

Einen  höchst  interessanten  Einblick  in  die  Schätzung  der  Alpenpässe 
bietet  die  Divisio  regnorum,  die  Karl  der  Grofse  festsetzte.  In  ihr  be- 
stimmte der  alternde  Kaiser  ganz  genau  die  Gebiete,  welche  die  drei 
Söhne  erhalten  sollten.  Die  Grenzzüge  der  drei  Reiche  kümmern  sich 
nicht  um  Nationalität  oder  Stanmi  oder  historische  Erinnerungen,  sie  sind 
vielmehr  so  entworfen,  dafs  allen  drei  Brüdern  der  Eintritt  nach  Italien 
offen  stand:  man  kann  geradezu  sagen,  dafs  die  gleiche  Verteilung  der 
Alpenpässe  die  Hauptgrundlage  des  Ganzen  ist.  Ludwig  sollte  der  Ein- 
tritt freistehen  durch  das  Thal  von  Susa,  Karl  durch  das  Thal  von  Aosta, 
Pippin  endlich  durch  die  norischen  Alpen  und  Chur.  Es  sind  hier  nur 
die  Knotenpunkte  angeführt,  während  aus  der  Grenz beschreibung  folgt, 
dafs  Rhätien  in  seiner  Gesamtheit  zu  Pippins,  das  Wallis  ebenso  zu  Karls 
Gebiet  gehören  sollte.  Recht  bezeichnend  ist  es,  dafis  die  Reichsteilung 
den  Gotthardpafs  nicht  erwähnt,  er  existierte  eben  noch  nicht. 

Noch  wertvoller  sind  die  Bestimmungen  der  Zweiteilung,  welche  im 
Falle  des  Todes  des  einen  der  Brüder  eintreten  sollte.  Auch  hier  bleibt 
die  Grundlage  die  Teilung  der  Alpenpässe.  Dem  Ostreiche  sollte  zufallen 
die  Linie  vom  Grofsen  St.  Bernhard  über  Aosta,  Ivrea,  Vercelli,  Pavia, 
Reggio,  Modena  bis  nach  der  Grenze  des  Kirchenstaates  und  was  zu 
diesen  Städten  gehöre.  Alles,  was  aber  weiter  westlich  liege,  sollte  dem 
Westreiche    verbleiben^.      Aus    dieser   Angabe   folgt  ohne   allen  Zweifel, 


'Acta  SS.  Aug.  III,  616.  Erwähnt  werden  »Taroy  mons  Jörns,  monasterinm  s. 
Petri,  quod  ad  radicefn  montis  situm  est^  Osismus  (nach  den  BoUandisten  Oisame  bei 
Langres,  Longnon  hat  in  dem  Atlas  hist.  de  la  France  diesen  Namen  an  der  von 
den  BoUandisten  angegebenen  Stelle),  Averga,  Falhsia*  dann  erst  in  das  monasterium 
Altumvillare. 

*  Acta  SS.  Juli  7,  278.  »Orba,  Arlia,  Botgalia,  SalifuiSy  saltuR  Mortkaliae,  pagi 
AmaiMensis  riüa  quae  campus  Velii  dicitur,  pagus  OscafensiSy  Divionem,  per  Alisieitsem 
pcufum  in  riUa  quae  Fanum  dicitur,  Pomp^acum,  AfiUssiodori,* 

•  M.G.  Leg.  Cap.  1,  127  f.  ^Ut  ab  ingressu  ItaUae  per  Augustam  civitatem 
accipiat  Karolus  Ehoreiam,    VerceUas,  Papiam  et  inde  per  Padum  fluvium   termino 


Verkehr  bis  zur  Vereinigung  von  Burgund  mit  dem  Deutschen  Reiche.       59 

dafs  flir  den  Verkehr  von  Italien  nach  dem  nördlichen  Frankreich  und 
dem  Niederrhein  diese  Strafse  von  der  Erailia  über  den  Grofsen  St.  Bern- 
hard nach  Besanfon  und  weiter  die  Hauptader  war. 

Die  Auflösung  der  Alpenfront,  wie  sie  Karl  der  Grofse  in  der  Reichs- 
teilung angeordnet  hatte,  sollte  in  einem  ganz  anderen  Sinne  doch  noch 
zur  Ausführung  kommen.  Nachdem  schon  die  Provence  sich  unabhängig 
gemacht  hatte,  setzte  sich  Januar  888,  also  unmittelbar  nach  dem  Tode 
des  letzten  echten  Karlingen  der  Weife  Graf  Rudolf  in  St.  Maurice, 
dessen  Laienabt  er  war,  die  Krone  auf^  und  begründete  damit  das 
Königreich  Hochburgund,  dessen  Hauptorte  sich  längs  der  Route  hin- 
ziehen, die  vom  Grofsen  St.  Bernhard  kommt  und  nach  Burgund  und  dem 
Oberrhein  sich  fortsetzt  Die  wichtigsten  Orte  waren  neben  den  Bischof- 
sitzen: Orbe,  Pajerne  und  St.  Maurice,  und  gerade  in  ihnen  sind  die 
burgundischen  Herrscher,  die  wie  die  deutschen  Könige  wanderten,  am 
häufigsten  nachzuweisen  ^. 

Sechstes  Kapitel. 

Verkehr  bis  zur  VereinigüD^  yon  Bnr^nd  mit  dem  Deutschen 

Reiche  (1032). 

Die  Saracenen  in  den  Alpen,  Älteste  Hospize:  am  Grofsen  St  Bernhard,  auf  dem 
Septimer  und  sonst.  Bündener  Pässe,  Die  Züge  der  Ottonen.  Andere  Beisende. 
Begünstigung  von  Chur.  Erhaltene  römische  Verkehrseinrichtungen:  Schiffmeisterei  am 
Walensee,  Fähren.  Besitz  deutscher  Klöster  jenseits  der  Alpen.  Burgundische 
Pässe:  Verkehr  über  den  Grofsen  St.  Bernhard.  Normannen.  Engländer,  Itinerar 
Sigerichs.    Verhandlungen  Knuds  des  Grofsen. 

Von  der  Begründung  dieses  Reiches  an  war  die  Hälfte  der  Alpen- 
stellung dem  Deutschen  Reiche  verloren,  erst  1032  wurde  das  inzwischen 
mit  Niederburgund  vereinigte  Königreich  Burgund  dem  Ostreiche  wieder 
angegliedert  Die  Ottonen  waren  also  gezwungen,  sich  der  östlichen  Pässe 
zu  bedienen,  und  damit  erreichten  die  Bündnerpässe  eine  Bedeutung,  die 
in  späterer  Zeit  wieder  abgeschwächt  wurde. 

Die  Zersplitterung  des  Besitzes  führte  zunächst  zu  der  tiefsten 
Schädigung  des  Alpenverkehrs,  da  es  einem  seefahrenden,  nichtchristlichen 
Volke  gelang,  sich  der  Pässe  in  den  Alpen  bis  weit  nach  Osten  hin  zu 
bemächtigen  und  an  achtzig  Jahre  die  Reisenden  zu  belästigen.  Ein 
kleines  Häuflein  von  saracenischen  Piraten  überfiel  um  das  Jahr  889 
das  Dorf  Fraxinetum  (Garde-Frainet  Döp.  Var.)  und  gar  bald  begannen 


currente  usque  ad  fines  Begensium  et  ipsam  Begiam  et  Civitaiem  Novam  atque  MtUinam 
usque  ad  terminos  sancti  Petri.* 

1  Trog,  Rudolf  L  u.  Rudolf  IL  von  Hochburgund.    Basel  1887.    S.  24. 

'  Fournier,  Le  royaume  d*Arles  IX. 


60  Sechstes  Kapitel. 

von  diesem  befestigten  Platze  aus  die  Streifzüge  in  die  benachbarten 
Oebirgstbäler  ^  906  vmrde  das  Kloster  Novalese  zerstört,  dann  tauchen 
die  Araber  in  dem  Bereiche  der  Btindnerpässe  auf,  schon  vor  936,  und 
von  zahlreichen  Pilgern  wird  berichtet,  dafs  sie  auf  dem  Wege  nach  Rom 
die  Pässe  gesperrt  fanden.  Es  war  ein  allgemeines  Übel,  das  von  Jahr 
zu  Jahr  anwuchs,  selbst  gröfsere  Pilgerkarawanen  wurden  angehalten. 
939  verbrannten  die  Saracenen  auch  das  Kloster  St.  Maurice.  In  den 
italienisch-deutschen  Wirren  von  941/42  wurden  die  Saracenen  geradezu 
die  Bundesgenossen  des  Königs  Hugo  von  Burgund,  für  den  sie  die 
Sperrung  der  Alpenpässe  zwischen  Schwaben  und  Italien  gegen  Markgraf 
Berengar  von  Ivrea,  der  sich  nach  Schwaben  begeben  hatte,  übernahmen  ^, 
und  doch  war  Hugo  ausgezogen,  der  Saracenenplage  ein  Ende  zu  machen ! 
Die  Gattin  Berengars  entkam  gleichwohl  über  die  Alpen.  Zur  Winters- 
zeit wagte  die  hochschwangere  Frau  die  Fahrt  über  den  Vogelberg 
(Bernhardin),  der  damit  in  die  Geschichte  eintritt  ^  Berengar  hat  Italien 
dann  über  Trient  wieder  erreicht. 

Die  Saracenen  hatten  sich  nach  und  nach  in  den  Alpen  eingerichtet, 
wenn  sie  auch  aus  den  Bündnerpässen  wohl  schon  seit  950  verschwinden. 
Auch  im  Westen  mufs  es  schon  langsam  sich  gebessert  haben,  da  960 
Bischof  Giso  von  Aosta  einen  Zolltarif  bearbeiten  liefs,  der  einen  unge- 
störten Pafsverkehr  voraussetzt*.  Doch  führten  die  Saracenen  noch  972 
einen  frechen  Streich  aus.  Der  Abt  Majolus  von  Cluny  war  970  über 
Chur  nach  Italien  gereist,  seinen  Heimweg  wollte  er  auf  der  nächsten 
Route  über  den  Grofsen  St.  Bernhard  nehmen.  Er  war  mit  seinen  Be- 
gleitern schon  über  die  Höhe  und  bis  an  die  Brücke  von  Orsieres  ge- 
kommen, als  er  von  Saracenen  überfallen  und  gefangen  genommen  wurde. 
Gegen  ein  hohes  Lösegeld  wurde  er  freigelassen*.  Mit  der  Eroberung 
von  Fraxinetum  durch  die  benachbarten  Grofsen  wurden  die  Alpen  un- 
mittelbar darauf  von  diesen  schlimmen  Gästen  befreit. 

Die  Saracenen  haben  —  wie  es  wenigstens  höchst  wahrscheinlich 
ist  —  die  ersten  dem  Fremden  Hilfe  gewährenden  Häuser  zerstört.  Es 
ist  wenig  bekannt,  dafs  schon  seit  dem  Anfange  des  neunten  Jahrhunderts 
ein  Kloster  erwähnt  wird,  das  der  Pafshöhe  des  Grofsen  St.  Bernhard 
möglichst  nahe  gerückt  war.  Es  war  die  „abbatia  montis  Jovis  sancti 
Petri"    in  Bourg-St.  Pierre,    dem  höchstgelegenen  Walliser  Dorfe  an  der 


*  Vgl.  vor  allem  Ohlmann  1,  205—224.     Dierauer,   Gesch.  d.  Schweiz.  Eid- 
genossenschaft 1,  50. 

*  Liudprand  5  c  17.    M.G.  SS.  3,  331.     »foedus  iniit,  td  in  wontihus ,   qui 
Sueviam  atqiie  Italiam  diHdunt,  starent,* 

*  Vgl.  Liiidprands  bitteren  Verse  über  dfn  mons  avium  und  mons  Jovis. 

*  S.  initeu  S.  68. 

''•  Vgl.  Öhlmann  1,  222  f. 


Verkehr  bis  zur  Vereinigung  von  Burgund  mit  dem  Deutschen  Reiche.       61 

Pafsstrafse  (1 633  m,  Pafshöhe  2472  m)  ^  Als  Lothar  seinem  Bruder  Ludwig  IL, 
König  von  Italien,  im  Jahre  859  alle  seine  Besitzungen  zwischen  Jura 
und  den  Alpen  (die  Bistümer  Genf,  Lausanne  und  Sitten)  abtrat,  behielt 
er  sich  das  Hospiz  auf  dem  Grofsen  St.  Bernhard  vor*.  Es  dürfte  damit 
doch  wohl  dieses  Kloster  gemeint  sein.  Es  bestand  —  also  wieder  auf- 
gebaut® —  noch  1011,  damals  schenkte  es  König  Rudolf  III.  von  Hoch- 
burgund  seiner  Gemahlin  *.  „Noch  um  die  Mitte  des  zwölften  Jahrhunderts 
wird  dieses  Gotteshauses  gedacht,  dann  aber  tritt  dessen  Bedeutung 
gegenüber  dem  Hospiz  auf  dem  Berge  gänzlich  in  den  Hintergrund"*^. 

Sehr  viel  früher  als  hier  ist  auf  einer  Pafshöhe  selbst  ein  Hospiz 
errichtet  —  es  würde  somit  das  älteste  eigentliche  Pafshospiz  sein  — 
wenn  das  schon  831  erwähnte  xenodochium  sancti  Petri  wirklich  das 
spätere  Hospiz  auf  dem  Septimer  ist.  In  diesem  Jahre  gab  nämlich  nach 
einer  inhaltlich  ächten  Urkunde  Ludwig  der  Fromme  dem  Bistume  Chur 
die  durch  den  Grafen  Roderich  entzogenen  Güter  zurück,  darunter 
das  senodochium  sancti  Petri  *.  Dieses  senodochium  ist  auch  im  Schanfigg- 
oder  im  Valser  Thal  gesucht  worden,  aber  wozu  sollte  denn  dort  ein 
Hospiz  gegründet  werden?  Man  mufs  es  auf  oder  an  einem  Passe  suchen, 
und  da  das  spätere  Hospiz  auf  dem  Septimer  denselben  Patron  hatte, 
so  sehe  ich  nicht  ein,  warum  man  nicht  in  der  späteren  Gründung  Widos 
die  Wiederbegründung  eines  älteren  Institutes  sehen  solP. 

Mir  ist  es  nicht  zweifelhaft,  dafs  solche  Hospize  schon  im  achten 
Jahrhundert  auch  in  dem  von  mir  zu  behandelnden  Teile  der  Alpen  be- 
standen. Papst  Hadrian  I.  hat  Karl  den  Grofsen  gebeten,  das  Kloster 
Galliata  in  Schutz  zu  nehmen  una  cum  hospitaUs,  gut  per  calles  Alpium 
siii  sunt'  ®.  Und  ist  es  nicht  auffallend,  dafs  die  Hospize  am  Grofsen 
St.  Bernhard  und  auf  dem  Septimer  den  Namen  des  hl.  Petrus  tragen, 
standen  sie  vielleicht  im  Besitze  der  römischen  Kirche?  Man  kann  die 
Frage  aufwerfen,  aber  nicht  beantworten. 

^  Die  Belege  bei  Duc  »A  quelle  date  est  mart  St.  Bemard"  in  den  Mise.  d. 
stör,  italiana  31,  846. 

2  Annal.  Bertiniani,  M.G.  8S.  1,  453.    *Hospitium  quod  est  in  monie  Jovis.* 

8  Das  beweist  auch  die  alte  llnschrift,  die  sich  früher  an  der  Kirche  fand. 
Gremaud  in  den  M^moires  et  docum.  de  la  Suisse  romande  29,  48.  Der 
Nenban  war  vom  Bischof  Hugo  von  Genf  veranlafst. 

*  Duc.  351. 

^  Hoppeler,  Das  Unter- Wallis  S.  284.    Ohne  Belege. 

«  V.Mohr,  Codex  dipl.Rhaetic.  1,34  f.  Mühlbach  er  893  (864).  Die  Best&tigungs- 
urkunde  Ludwigs  des  Deutschen  von  849  ist  unbestritten  echt.  Müh  Ib.  1352.  Auch 
die  erste  Bittschrift  Bischof  Victors  II.  (Mohr  1,  27)  sagt:  »distrticta  sunt  synodochia 
vel  paupenim  susceptiones,* 

■^  Gegen  Öhlmann  2,  175  hat  Berger  S.  114 f.  sich  mit  nicht  durchschlagenden 
Gründen  gewendet  und   das  Hospiz  eher  an  die  Lukmanierstrafse  verlegen  wollen. 

»  M.G.  Epist.  3,  623.    Der  Brief  fallt  zwischen  784  und  791. 


ß2  Heehste«  Kapitel. 

Übrigens  kehrten  die  Fremden  —  von  dem  direkten  Wege  abweichend  — 
auch  wohl  gern  in  den  Klöstern  ein,  über  die  Hospize  von  St.  Gallen 
und  Pfävers  haben  wir  zahlreiche  Nachrichten^. 

Die  Ottonen  waren  also  auf  diese  östlichen  Pässe  eingeschränkt,  und 
in  der  That  können  wir  nachweisen,  dafs  sie  mit  Einschlufs  Heinrichs  H. 
achtmal  die  Bündnerpässe  benutzt  haben.  Nur  bei  der  Rückkehr  Otto 
des  Grofsen,  nachdem  er  das  Kaisertum  wiederhergestellt  hatte,  ist  es 
jedoch  möglich,  den  Pafs  selbst  mit  Sicherheit  anzugeben.  Weihnachten 
hatte  er  in  Pavia  gefeiert,  dann  ging  er  nach  den  Worten  der  Einsiedler 
Annalen  über  den  Monte  Cenere  und  den  Lukmanier  ^  nach  Chur.  An 
denselben  Weg  oder  an  den  Bernhardin  ist  1004  zu  denken,  da  die 
Quellen  vom  Monte  Cenere  reden.  Für  die  Züge  Ottos  von  952  und 
966,  Ottos  n.  972  und  980,  Ottos  HL  996  und  1000  ist  nur  die  Richtung 
über  Chur  sicher®. 

Von  andern  Reisenden,  die  einen  Bündnerpafs  benutzt  haben,  kann 
ich  nur  zwei  gesangeskundige  Italiener  anführen,  die  nach  Ekkehards 
sagenhaftem  Berichte  von  dem  rauhen  Klima,  dem  sie  auf  dem  Comersee 
und  dem  Septimer  ausgesetzt  waren,  schwer  mitgenommen  wurden*. 

Eß  entspricht  durchaus  den  Grundsätzen  ottonischer  Politik,  wenn 
sie  nun  die  Sorge  für  die  wichtigen  Übergänge  und  damit  auch  die 
politische  Macht  in  diesen  (lebieten  den  Grafen  entziehen  und  dem 
Bischöfe  von  Chur  übertragen.  Hartbert  hätte  auch  gar  nicht  in  so  hohem 
Mafse  der  persönliche  Günstling  Heinrichs  I.  und  Ottos  I.  sein  müssen, 
um  für  sein  Bistum  so  viel  zu  erlangen. 

Von  den  reichen  Vergabungen  ist  für  uns  von  Bedeutung  die  Ge- 
währung aller  Fiskaleinkünfte  der  königlichen  Kammer  in  der  Graf- 
schaft Chur  (951)*,  die  952  erfolgte  Bestätigung  und  Schenkung  des 
Zolles,  der  von   den  Händlern   in   Chur   seit  alter  Zeit   erhoben   wurde® 


1  V.  L  i  e  b  e  n  a  u  f  Gasthofwesen  28  f. 

2  Die  Handschrift  hat  luggm,  was  v.  Wyfs  sehr  glücklich  auflöste.  Anzeiger 
f.  Schweiz.  Gesch.  4,  293. 

'  Ö hl  mann  hatte  für  die  Alpenübergänge  von  952,  966,  972,  980  und  1000  be- 
stimmt, für  den  von  966  mit  Vorbehalt  sich  für  den  Septimer  ausgesprochen,  für 
den  von  995  und  1004  den  Bemhardin  bestimmt  angesetzt.  Dagegen  hat  Berg  er 
8.  118  ff.  mit  Recht  polemisiert.  In  der  That  liegen  die  Dinge  so,  dafs  für  den 
Septimer  sich  kein  Beweis  finden  läfst.    Die  Einzelbeweise  a.  a.  0. 

*  (St.  Galler)  Mitth.  z.  vaterl.  Gesch.  15,  171. 
^  DOl  139.    Mohr  1,  69. 

•  DOI  148.  »Omne  teloneum  ab  itinerantilms  et  undique  confluentibus  emptoribus 
aJtque  de  omni  negotio  in  loco  Curia  peracto,  de  quo  semper  cotisuetudo  fuerat  teloneum 
exadafidum  ,  .  .  quod  olim  jam  iotum  ad  ipsam  ecclesiam  ex  integro  cum  preceptis 
regalibus  fuerat  coniradiium".    Mohr  1.  71. 


Verkehr  bis  zur  Vereinigung  von  Burgund  mit  dem  Deutschen  Reiche.       63 

und  schon  früher  der  Churer  Kirche  geschenkt  war,  und  die  Bestätigung 
des  auf  dem  Walensee  fahrenden  bischöflichen  Schiffes  und  seiner  Zoll- 
freiheit ^ 

Die  politische  Tendenz  tritt  aber  noch  stärker  hervor,  wenn  Otto  I. 
960  dem  Bischöfe  Hartbert  die  Landschaft  Bergell  mit  dem  Zoll,  der 
eben  nach  Chur  verlegt  war,  im  Tausche  überliefs  *•  Damit  erfahren  wir, 
dafs  die  Oberhalbsteinerpässe  —  um  nicht  direkt  Septimer  zu  sagen  — 
besonders  wichtig  waren.  Nun  war  die  Landeshoheit  der  Churer  Bischöfe 
bis  über  den  Alpenpafs  vorgeschoben  und  damit  nunmehr  das  gesamte 
Zoll-  und  Abgabenwesen  auf  der  Strecke  von  der  Landquart  bis  an  den 
Luver,  also  innerhalb  des  gesamten  oberen  Rhätien,  in  der  Hand  des 
Bischofs  von  Chur  vereinigt.  Durch  diese  Mafsregeln  wurde  hier  der 
Alpenverkehr  centralisiert. 

Ja  für  kurze  Zeit  wurde  der  Einflufs  des  Churer  Bischofs  noch 
weiter  vorgeschoben  in  den  Bereich  von  Rechten,  die  Karl  der  Grofse 
einst  der  Kirche  von  Como  geschenkt  hatte.  Otto  H.  griff  hier  ein  und 
gab  980  den  Zoll  auf  der  Mairabrücke  an  Biächof  Hildibold  von  Chur, 
in  einer  zweiten  Schenkung  erweiterte  er  das.  Auf  die  Dauer  hat  der 
Bischof  diese  Position  nicht  behaupten  können,  es  folgte  aber  doch  wohl 
aus  dieser  Zugehörigkeit  zu  Chur,  dafs  später  Chiavenna  als  zum  Herzog- 
tum Schwaben  gehörig  erklärt  wurde  ^. 

Auch  über  die  Zufahrten  der  Bündnerpässe  erfahren  wir  manches  von 
Bedeutung.  Wie  sehr  wahrscheinlich  der  Churer  Zoll  aus  römischer  Zeit 
stammt*,  geht  auch  wohl  eine  andere  Verkehrseinrichtung  auf  die  Römer 
zurück.  Auf  dem  Walensee  bestand  in  späterer  Zeit  eine  Schiffmeisterei, 
der  10  Schiffe  unterstellt  waren,  den  Ertrag  (im  Durchschnitt  8  W)  lieferte 
der  Schiffmeister  an  den  Bischof  von  Chur  ab*.  Das  Amt  eines  Schiff- 
meisters wird  freilich  in  den  älteren  Dokumenten  nicht  erwähnt.  Aber 
wir  sehen  doch,  dafs  schon  früher  ein  Schiffahrtsmonopol  auf  dem  See 
bestand.     Kaiser  Lothar  L   gab  nämlich  dem  Bischof  von  Chur  843  das 


1  DOI  175.    Mohr  1,  75. 

2  DOI  209.    Mohr  1,  80.    »Valleni  quoque  PergaUiae et  teloneum  in  ipsa 

väüe  ab  üinerantibus  emptoribus persolvi  consuetum,  modovero  ineodem  loco  Curia  datum.* 
Vgl.  Darmstädter,  Das  Reichsgut  in  d.  Lombardei  86  f. 

s  Das  Nähere  s.  bei  Darmstädter  S.  82  ff.  Berger  125  f.  Öhlmann2,  183. 
Vgl.  auch  Planta  und  besonders  Seh  eff  er- Bei  eher  st,  Chiavenna  als  Grafschaft 
des  Herzogtums  Schwaben. 

*  Die  allgemeinen  merowiugischen  Zollbestimmungen  kann  man  auch  für  diese 
Gegenden,  wie  Planta  S.  408  f.  das  gethan  hat,  heranziehen;  immerhin  fehlt  die 
Gewifsheit,  dafs  sie  praktisch  verwendet  wurden. 

^  Ältester  Einkünfterodel  von  Chur.  »Sunt  ibi  {de  ripa  Walahastaä)  naves  X, 
quas  facitmt  liberi  homines,  ex  quibus  reddüur  singulia  annis  quantum  poterini  nautor 
adquirere,  aliquando  lihras  VIII plus  minusque**    Mohr  1,  288. 


64  Sechstes  Kapitel. 

Recht,  dafs  nach  den  vier  königlichen  Schiffen  auch  ein  bischöfliches  von 
den  Reisenden  benutzt  werden  dürfe,  ohne  dafs  dafür  Zoll  zu  entrichten 
sei.  849  und  955  wurde  dieser  Anteil^  an  der  Schiffahrt  bestätigt  ^  Der 
Verkehr  auf  dem  See  war  also  immerhin  schon  so  lebhaft,  dafs  er  fünf 
Schiffen  Existenz  gab,  und  wer  sie  vor  allem  benutzte,  sagt  uns  ein 
freilich  viel  jüngerer  Rodel:  die  Rompilger*. 

Die  Rompilger  begegnen  uns  auch  auf  einem  anderen  Zufahrtswege. 
In  Rorschach  am  Bodensee  gab  Otto  I.  947  Münze  und  Markt,  der  für 
die  nach  Italien  Reisenden  und  Rompilger  geeignet  sei,  dem  Kloster 
St.  Gallen«. 

Wenn  es  gestattet  ist,  hier  etwas  voraufzugreifen,  so  möchte  ich  aus 
dem  ältesten  Einkünfterodel  des  Bistums  Chur,  der  in  das  elfte  Jahr- 
hundert gesetzt  wird,  ein  paar  bisher  übersehene  Stellen  hervorheben, 
welche  uns  die  Strafsenzüge  in  nachrömischer  Zeit  klarlegen.  Es  heifst 
da  bei  Schaan  (unterhalb  der  Luziensteige ,  wahrscheinlich  das  römische 
Magia^)  »Redditur  tbi  de  nave  dominica  unus^isque  de  VII  villis  unum 
denarium  vel  .  .  .*«  Es  ergiebt  sich  somit,  dafs  hier  ein  bischöfliches 
Schiff  auf  dem  Rheine  lag,  unzweifelhaft  die  Fähre,  und  damit  ist  uns 
die  Stelle  bekannt,  wo  unterhalb  des  Schollberges  und  der  Luziensteige 
der  Rhein  überschritten  wurde®.  Aber  auch  oberhalb  mufste  für  die, 
welche  vom  Walensee  nach  Chur  wollten,  eine  Fähre  vorhanden  sein, 
und  man  wird  sie  ohne  weiteres  direkt  oberhalb  der  Luziensteige  bei 
Mayenfeld  suchen  und  richtig:  *Curtis  Lupinis  .  .  .  census  de  navihus 
reddüiir  tbi*. 

Eine  sehr  lebhafte  Verbindung  dieser  Gregenden  mit  Italien  folgt  auch 
aus  dem  Besitze  der  Klöster.  Wie  in  den  Ostalpen  die  Bistümer  Regens- 
burg, Freising  und  Passau  und  der  bayrische  Adel  auch  jenseits  der 
Pässe  Besitz  gewannen,  haben  auch  die  grofsen  Klöster  Schwabens  nach 
Italien  hinübergegriffen.  Karl  der  Dicke  schenkte  den  Mönchen  von 
St.    Gallen    die    an   Wein    und   öl   reiche   kleine  Abtei  Massino   an    den 


*  "Navem  etiam  episcopcUem  in  Lacu  Rirano  post  dominicas  IUI  natvs  absqne 
tdoneo  et  censu  potestath^e  ab  itinerantibus  carcandum  e^se  precipimusf  Mohr  1,  42. 
Ludw.  d.  Dtsche.  1,  45  (Böhmer- Mühlbacher  1852)  und  Otto  I.  1,  75  (DOI  175). 
Dort  ist  der  Wortlaut  etwas  abweichend  und  hinzugefügt:  »solitas  ministrorum 
contentiofies  penitus  removendas*.    Zur  Sache  Planta  S.  410  f. 

*  Zweiter  Einkünfterodel :  »Item  ad  Bipam  tercia  pars  theolofiei  de  Bomeis  pertinet 
8.  Marie  et  episcopo  Ctm'eusi*.    Mohr  2,  106. 

»  DOI  90.    Wart  mann,  Urkundenbuch  v.  St.  Gallen  3,  16. 

*  S.  oben  S.  47. 
»Mohr  1,  287. 

*  Das  stimmt  mit  den  späteren  Verhältnissen  überein  und  dürfte  vielleicht  auf 
die  römischen  Zeiten  zurückgehen,  wenigstens  würde  sich  so  vortrefflich  die  Lage 
des  aufgedeckten  Kastells  erklären. 


Verkehr  bis  siir  Vereinigmig  von  Burgnnd  mit  dem  Deutschen  Reiche.       65 

üppigen  Ufern  des  Lago  Maggiore  ^  Die  Reichenau  hat  eine  ganze  Kette 
von  Gütern  gehabt,  die  nach  Oberitalien  hinüberfUhrten.  Wenn  der 
Reichenauer  Abt  über  den  Julier  oder  Septimer  wollte,  konnte  er  in  Lenz 
auf  eigenem  Boden  schlafen,  wählte  er  die  Hinter rheinpässe  oder  den 
Lukmanier,  so  bot  sich  ihm  Reichenau  als  Quartier,  fUr  die  letztere  Fahrt 
noch  Tamins  und  Trins*.  Diese  Schenkung  König  Ottos  (I.?)  schuf  die 
Verbindung  mit  der  älteren  Bewidmung  durch  eine  Reihe  von  Orten  am 
Comersee :  Oravedona,  Limonta,  Tremezzo  und  Lecco,  die  einst  Karlmann, 
Ludwigs  des  Deutschen  Sohn,  geschenkt  hatte  ^.  Wein,  öl  und  Kastanien 
hat  wohl  gar  oft  ein  reichenauischer  Mönch  oder  Verwalter  über  die 
Pässe  dem  Kloster  zugeführt.  Auch  Pfävers  ragte  mit  seinem  Besitze 
über  die  Hänge  der  Alpen  bis  in  das  Gebiet  von  Chiavenna,  und  besonders 
bedeutsam  ist  es,  dafs  die  ihm  gehörige  Kirche  St.  Gaudentius  schon  um 
998  als  am  Fufse  des  Septimer  Berges  gelegen  bezeichnet  wird*.  Eine 
solche  Ortsbeschreibung  beweist  uns,  dafs  der  Berg  einen  damals  schon 
viel  benutzten  Pafs  trug  und  die  Anlage  der  Kirche  selbst  in  dem  hintersten 
Teile  eines  Thaies  oberhalb  der  letzten  ständig  bewohnten  Häuser  bezeugt, 
dafs  sie  dem  Verkehr  über  den  Septimer  oder  über  den  Malojapafs  ihren 
Ursprung  verdankt. 

Leider  ist  das  Archiv  von  Disentis  durch  den  Brand  von  1799  ver- 
nichtet, aber  aus  den  anderweitig  erhaltenen  Nachrichten  zur  Geschichte 
dieses  Klosters  wissen  wir,  dafs  auch  dieses  Kloster  einen  bedeutenden 
Besitz  jenseits  der  Alpen  hatte,  namentlich  in  der  Lomellina  und  am  Lago 


1  ^atpert,  Gas.  s.  Galii.  Die  Schenkung  föllt  in  die  Jahre  881  bis  883.  Ich 
fand  im  Mailänder  Staatsarchiv  Missive  Band  155  Fol.  88  ein  Schreiben  des  Herzogs 
von  Mailand  an  den  Abt  von  St.  Gallen  vom  80.  März  1482,  der  sich  an  jenen  um 
Restitution  der  Güter  am  Lago  Maggiore  gewandt  hatte.  Der  Herzog  fand,  das  sei 
778  Jahre  her,  der  Abt  solle  bessere  Dokumente  beibringen.  Die  Rechnung  stimmt 
freilich  nicht;  denn  704  hatte  St.  Gallen  nichts  dort  erworben.  Über  die  Versuche 
von  1493  vgl.  Wartmann  4,  956. 

'  Ich  mufs  hier  Gilg  Tschudi  gegen  P.  C.  v.  Planta  in  Schutz  nehmen,  der 
ihm  (Herrschaften  445  Anm.  4)  die  Aufstellung  einer  unhaltbaren  Hypothese  vorwirft. 
Tschudi  ist  der  einzige  Bündener  Historiker,  der  richtig  gesehen  hat,  dafs  die  Herr- 
schaft Hohentrins  eben  alt-reichenauischer  Besitz  ist. 

»  Gall.  Oheim  herausg.  v.  Brandi  2,  18  u.  19.  Der  Besitz  am  Comersee  wurde 
in  Resten  bis  in  die  Tage  Kaiser  Heinrichs  VII.  behauptet  S.  die  Litteratui  bei 
Brandi  S.  18  Anm.  9  und  125  Anm.  29.  Ich  habe  in  Como  vergebens  nach  weiterem 
Material  gesucht  Auch  der  gründliche  Kenner  der  Kirchengeschichte  dieser  Diöcese 
Abbate  Santo  Monti  vermochte  nichts  beizubringen  als  die  Vermutung,  dafs  das 
Klösterchen  San  Benedetto  (im  Thale  gleichen  Namens)  zur  Reichenau  gehört  habe. 
Es  liegt  in  der  That  nicht  gar  weit  von  dem  reichenauer  Besitz  in  der  herrlichen 
Tremezzana.    Vgl.  auch  Darmstädter  S.  97 — 100. 

^  »EccUsiam  sancti  Gaudentü  ad  peäem  Septimi  montis.*  Eichhorn,  Epiac. 
Cur.  Nr.  29. 

Sehnlt«,  G«Mh.  d.  nittolalUrl.  Hand*la.    I.  5 


66  Sechstes  Kapitel. 

Maggiore.  Sicher  gestellt  ist  er  für  die  Mitte  des  zwölften  Jahrhunderts, 
wird  aber  auf  einen  Grafen  Wido  von  Lomello  zurückgeführt,  der  ein  Zeit- 
genosse König  Pipins  gewesen  und  auf  einer  Reise  nach  Chur  in  Disentis 
erkrankt  sein  solP. 

Der  Verkehr  über  den  Grofsen  St.  Bernhard  raufs  in  der  Zeit  der 
burgundischen  Herrschaft  recht  lebhaft  gewesen  sein,  wenn  auch  die 
Saracenen  die  Strafse  lange  belästigten^.  Der  Abt  Gerard  von  Brogne, 
der  von  Rom  kommend  auf  Saumtieren  Porphyrsteine  zum  Bau  des  Altars 
einer  Kirche  mitbrachte®,  Sigerich  von  Canterbury,  der  990  aus  Italien 
heimkehrte,  und  der  Bischof  Bemward  von  Hildesheim  sind  nachweislich 
diesen  Weg  gewandelt*.  Zu  den  Reisenden,  welche  den  Grofsen  St  Bern- 
hard überstiegen,  gehörte  auch  der  hl.  Ulrich  Biscliof  von  Augsburg*^, 
Majolus  Abt  von  Cluny  wurde  hier  972  von  den  Saracenen  gefangen 
genommen®;  schon  Odo,  der  erste  Abt  von  Cluny,  hatte  941  diesen  Weg 
eingeschlagen'',  wie  später  Abt  Fulco  von  Corbie  es  that®. 

Eine  verspätete  Welle  der  Völkerwanderung  ist  es,  die  im  Anfang 
des  elften  Jahrhunderts  über  den  Grofsen  St.  Bernhard  ging.  Sie  ist  die 
Ansiedlung  der  Normannen  in  Unteritalien.  Nachdem  Rudolf  mit  seinen 
Begleitern  über  die  Alpen  in  die  lombardische  Ebene  hinabgestiegen  und 
vom  Papste  Benedikt  VHI.  für  den  Kampf  wider  die  Griechen  gewonnen 
war  und  1017  wirklich  sie  besiegt  hatte,  brach  nach  Rodulfus  Glaber  eine 
unzählbare  Menge  mit  Weibern  und  Kindern  auf  und  kam  an  den  Jupiters- 
berg. Die  kriegsgewohnten  Normannen  wollten  keine  Zölle  und  Gebühren 
entrichten,  sie  sprengten  vielmehr  die  Befestigungen  und  vertrieben  ihre 
Wächter  und  kamen  so  zu  Rudolf®;  wenn  sie  auch  geschlagen  wurden, 
80  beruht  doch  die  Begründung  des  normännisch-sizilischen  Reiches  in 
ihrem  Auftreten. 

Hier  erscheint   die  Strafse  über  den  St.  Gotthard  als  der  gewohnte 


1  Bestätigung  Friedrichs  I.  von  1154.  Mohr  1,  176.  Stumpf  3701,  jetzt  mit 
der  wichtigen  Vorlage  des  Klosters  auch  bei  Thommen,  Urkunden  zur  Schweiz. 
Gesch.  1,  9  ff.  Bestätigung  Lucius  III.  von  1184  Mohr  1,  212.  Die  nachweisbaren 
Orte  liegen  übrigens  bei  Locamo  und  Luino  am  Lage  Maggiore. 

3  Zu  Hochburgund  gehörte  auch  das  Thal  von  Aosta  Trog  S.  27.  Die  Be- 
strebungen König  Rudolfs  IL,  die  Herrschaft  in  Italien  zu  gewinnen,  beruhten 
natürlich  auf  dem  Besitze  dieses  Passes. 

'  Die  Reise  wird  von  Sackur  bezweifelt. 

*  öhlmann  1,  248  ff. 

^  M.G.  SS.  4,  404.  Er  fand  gerade  das  Kloster  St.  Maurice  von  den  Sara- 
cenen zerstört 

*  S.  oben.    Vgl.  auch  Sackur,  Die  Cluniacenser  1,  228. 
■^  Sackur  1,  110. 

"  Vita  S.  Geraldi  abb.    Acta  SS.  April  I,  416. 

*  Rodulfus  Glaber,  Lib.  3  c.  1.    Ausgabe  von  Maurice  Prou  S.  53. 


Verkehr  bis  zur  Vereinigung  von  Burgund  mit  dem  Deutschen  Reiche.      67 

Weg,  den  man  vom  Norden  Frankreichs  aus  über  die  Alpen  nahm.  Eng- 
lische Pilger  und  Wanderer  haben  ihn  jedenfalls  in  grofser  Zahl  benutzt, 
das  ist  durch  Funde  von  englischem  Gelde   auf  der  Pafshöhe  erwiesen  ^ 

Sigerichs  Reiseroute  giebt  uns  den  Weg,  den  damals  die  Wanderer 
einzuschlagen  pflegten,  ganz  genau  an.  Auf  Piacenza  folgt  St.  Andreas, 
das  ist  Corte  S.  Andrea  unterhalb  der  Mündung  des  Larabro  in  den  Po. 
Es  folgt  S.  Cristina,  das  dicht  westlich  von  Corte  Olona,  einer  alüombar- 
dischen  Königspfalz,  liegt.  Über  Olona  und  Belgiojoso  wurde  Pavia 
erreicht.  Der  Weg  von  hier  bis  Vercelli  ist  durch  den  Namen  Tremel 
(Trumello,  am  Übergang  über  den  Terdoppio)  als  die  über  Mortara 
führende  Heerstrafse  erwiesen.  Zwischen  Vercelli  und  Ivroa  ist  angeführt 
St.  Agath,  jetzt  Santhia.  Es  schliefsen  sich  als  Stationen  an:  Pollein, 
Aosta,  St.  Römy,  Bourg  St.  Pierre,  Orsi^res  und  St.  Maurice.  Folgt  der 
Verkehr  hier  bereits  durchweg  der  alten  Römerstralse ,  so  ist  das  auch 
im  weiteren  der  Fall.  Das  Verzeichnis  führt  weiter  an  Burbulei,  Vivaec 
(=r  Vevey),  Losana  (=  Lausanne)  und  Urba  (-=  Orbe).  Der  zweite 
Name  dieses  Ortes  ist  bezeichnend,  er  lautet  Tabemae*.  Der  Weg  ging 
von  hier  nach  Sigerichs  Itinerar,  mit  dem  die  Angaben  der  Translationen 
durchweg  in  Übereinstimmung  zu  bringen  sind,  über  Antifern,  Punterlin 
(=  Pontarlier),  Nos  (=  Lods  nw.  von  Pontarlier),  Bysiceon  (=  Besan9on), 
Cuscei  (=^  Cuscy  beim  Übergang  der  alten  Römerstrafse  über  den  Ognon), 
Sefui  (=  Seveux  am  Übergang  über  die  Saone),  Grenant  (zwischen  Gray 
und  Langres),  Langres,  dann  weiter  Bar-sur-Aube,  Brienne,  Chalons  s.  M., 
Rheims,  Laon,  Arras  zur  Meeresküste®. 

Die  Route  Sigerichs  giebt  uns  ohne  Zweifel  die  Hauptverkehrsstrafse 
für  den  englischen,  flandrischen  und  nordfranzösischen  Verkehr  an.  Vor 
allem  auf  sie  werden  sich  die  Verhandlungen  bezogen  haben,  die  Knud 
der  Grofse,  der  gewaltige  Herrscher  des  Nordens,  bei  Gelegenheit  der 
Kaiserkrönung  Konrads  II.  mit  diesem  wie  mit  dem  gleichfalls  damals 
in  Rom  erschienenen  Könige  Rudolf  von  Burgund  pflog.  Der  König 
konnte  den  englischen  Bischöfen  melden,  dafs  beide  Herrscher  zugesagt 
hätten,   dafs  Engländern   und  Dänen   der  Weg  nach  Rom  nicht  mehr  so 

^  Nach  Ferrero,  Notizie  degli  scavi  1894  S.  35Anm.  2  fanden  sich  beim  Aus- 
bau des  alten  Saumpfades  zur  Fahrstrafse  auf  schweizerischer  Seite  bis  an  das  Hospiz 
englische  Silbermünzen  des  elften  und  zwölften  Jahrhunderts,  vermutlich  die  Bar- 
schaft eines  Reisenden,  der  auf  der  Wanderung  um  das  Leben  kam.  Die  Abhandlung 
von  Morel-Fatio  war  mir  nicht  zugänglich. 

a  So  966  (Hidber,  Urkundenregister  Nr.  1087),  996  (Nr.  1163),  1011  (1236),  1023 
(1264),  1026  (1278)  und  öfter,  zuletzt  1046  (1336).  Nr.  1439  enthält  eine  Reihe  von 
Angaben  über  Transporteinrichtungen  und  das  Spital. 

8  Script,  rer.ßritanic.  63,  392  ff.  Vgl.  auch  Konrad  Miller,  Die  ältesten 
Weltkarten  Heft  3  S.  156  ff.  Von  Rom  war  der  Erzbischof  über  Acqua  pendente, 
Siena,  Lucca,  Luna,  Pontremoli,  Borgo  San  Donnino  nach  Piacenza  gereist. 

5* 


08  Siebentes  Kapitel. 

erschwert  werden  solle,  sie  sollten  nicht  mehr  durch  so  viele  Wegsperren 
aufgehalten  und  durch  ungerechte  Zölle  belästigt  werden;  die  Eaufleute^ 
wie  die,  welche  des  Gebetes  halber  pilgerten,  sollten  ohne  alle  solche 
Hinderung  nach  Rom  ziehen  und  von  dort  heimkehren  können.  Ins- 
besondere habe  auch  König  Rudolf,  in  dessen  Händen  die  meisten  Pässe 
seien,  dies  zugesagt^. 

Siebentes  Kapitel. 
Der  Handel. 

Spärliche  Nachrichten,  Ältester  ZMarif:  Aosta.  Art  der  Zollerhebung.  Allgemeine 
EandelsverhäUnisse.  Oew^e,  Nahrungsmittel.  Gewwrze.  Weihrauch,  Parfümeriestoffe. 
Wein,  Andere  Waren.  Passive  Handelsbüans  des  Nordens.  Auch  Italien  noch  in 
sdcundärer  Stellung  im  Welthandel.  Deutsche  Kaufleute.  Fremde  Kaufleute:  Syrer, 
Juden,  Araber,  Friesen,  Italiener.    Wanderhandel.    Märkte, 

Direkte  Nachrichten  über  den  Handel  sind  im  ganzen  früheren 
Mittelalter  äufserst  spärlich,  auch  hier  müssen  noch,  wie  ftir  die  früheren 
Zeiten,  die  Funde  als  Quellen  herangezogen  werden.  Es  fehlt  da  noch 
so  gut  wie  an  allen  Vorarbeiten. 

Dem  neunten  Jahrhundert  gehört  der  älteste  Zollkatalog  aus  der 
Alpenwelt  an.  Eki  ist  der,  den  Bischof  Giso  von  Aosta  960  abfassen 
liefs  *.  Er  enthält  nur  wenige  Nummern.  Den  Bedürfnissen  der  bischöf- 
lichen Gutsverwaltung  entsprechend  wurde  am  St.  Ursusthor,  soviel  sie 
brauchte,  vom  Salze  erhoben.  Von  je  einem  Dutzend  Schüsseln,  Lanzen, 
Hirtenhörnem  und  hölzernen  Näpfen  wurde  ein  Stück  genommen,  wie 
von  einer  Saumlast  von  Schwertern  zwei.  Es  sind  die  Bedürfnisse  eines 
Alpenvolkes,  die  gedeckt  werden.  Von  den  übrigen  Waren  wurde  ein 
Verkaufszoll  erhoben  in  einer  Höhe  von  20^  Wert  je  14  S),  also  ein 
Zoll  von  5,8  ®/o,  besonders  erwähnt  werden  Schilde,  Zügel,  Sporen  und 
Sättel.  Ein  specieller  Ansatz  war  für  einige  Waren  gemacht:  zunächst 
für  Metalle:  von  einer  Saumlast  Blei  4,  Zinn  6,  Eisen  4,  Erz  6  %;  von 
Panzern  12  S),  von  einem  Pferde  4  ä).  Sehr  eigentümlich  sind  die  An- 
sätze für  einen  Falken  2  h  und  einen  Affen  —  obwohl  es  ein  lächer- 
liches Tier  sei  —  12  ^,  noch  merkwürdiger  berührt  uns  die  Saum- 
last Dinte,  doch  liegt  da  wohl  irgend  ein  Fehler  vor.  Im  übrigen  mufste 
jeder  Kaufmann,  der  durch  das  Thor  auf  einem  Pferde  oder  einem  Esel 
einritt,  er  mochte  von  oben  oder  von  unten  kommen,  einen  Pfenning 
bezahlen^.    Es  ist  neben  dem  Zoll  eine  Verkehrsgebühr. 

1  Brief  Kanuts  bei  Mansi,  Condliorum  CoUectio  19,  499  ff. 

*  Gedmckt  bei  Besson,  Mämoires  du  diocöse  de  Genöve  473.  Auch  Öhl- 
mann  1,  248  Anm.  4. 

*  Eis  ist  offenbar  zu  lesen:  »de  mercatoribus  de  quacunque  parte  vementibuSt  si 
cum  asino  vel  equo  portam  istam  intraverint  causa  emendi  vel  vendendi,  pro  unoquoque 
denarium  (nicht  denario)  unum,  de  sale  quantum  necesse  est  ad  aulam  episcopi*. 


Der  HandeL  89 

Die  Zolltarife  schmiegen  sich  in  den  Zeiten  der  Naturalwirtschaft 
den  Bedilrfnissen  des  Zollerhebers  mehr  an,  als  dafs  sie  den  Wert  der 
Artikel  berücksichtigt  hätten.  Der  Zollherr  deckt  den  Bedarf  an  ftlr 
ihn  absolut  notwendigen  Dingen  womöglich  durch  Beschlagnahme  eines 
Teiles  der  durchzuführenden  Ware.  So  erfahren  wir  aus  den  ältesten 
Zolltarifen  besser,  was  das  Bedilriiiis  des  Zollerhebers  war,  als  was  in 
gröfseren  Beträgen  die  Zollstätte  passierte,  sie  sind  noch  mehr  eine 
lokale  Quelle  als  eine  Quelle  der  Kenntnis  der  internationalen  Verhält- 
nisse. Die  ganze  Bekleidungsbranche  einschlielslich  der  Rohstoffe  ist 
unberücksichtigt,  die  Artikel,  welche  genannt  sind,  sind  auffallenderweise 
fast  nur  Metalle.  Trotz  dieser  Mängel  enthüllt  uns  der  Zollkatalog  doch 
einen  internationalen  Handel:  wie  der  Affe,  der  die  Jahrmärkte  beleben 
sollte,  den  Orient  oder  Afrika  repräsentiert,  sprechen  die  Panzer  für  die 
Mailänder  Waffenindustrie,  jedenfalls  ist  das  Zinn  der  Vertreter  des  eng- 
lischen Handels.  Cornwallis  und  Devon  sind  unzweifelhaft  als  Heimat 
des  hier  erwähnten  Metalles  anzusehen.  Der  Grofse  St.  Bernhard  erweist 
sich  somit  auch  als  die  Richtung  der  von  England  nach  Italien  gehenden 
Waren,  wie  er  der  Weg  der  Wanderer  war. 

Wir  müssen  den  Versuch  machen,  diese  wenigen  Nachrichten  in  das 
Bild  der  allgemeinen  Geschichte  des  Handels  jener  Zeit  einzufügend 

Mit  dem  Zusammenbruche  des  römischen  Reiches  ist  keineswegs 
der  Handel  völlig  vernichtet  worden,  aber  er  ging  seinem  Umfange  nach 
ganz  enorm  zurück,  und  die  Leistungen  sanken  ebenso  tief.  Nördlich 
der  Alpen  und  zum  Teil  ja  auch  im  Süden  war  die  Q^ld Wirtschaft  völlig 
aufgegeben  und  die  Naturalwirtschaft  führte  die  Zeiten  des  Tauschhandels 
zurück.  Die  Geldnot  drängte  den  Handel  in  die  engsten  Grenzen  zurück. 
Die  germanischen  Völker  waren  fast  ausschliefslich  von  einem  heifsen 
Verlangen  nach  Grundbesitz  geleitet,  und  auf  der  Landwirtschaft  baute 
sich  ihr  Volksleben  auf.    Wie  nun  jede  Wirtschaft  versuchte,  alle  Bedürf- 


'  Ich  stelle  hier  einmal  die  wichtigsten  Werke  zur  allgemeinen  und  der 
speci eilen  Geschichte  des  Handels  dieser  Zeit  zusammen:  Heyd,  Gesch.  d.  Levante- 
handels  —  Pigeonneau,  Histoire  du  commerce  de  la France.  —  W a i  t z ,  V erfassungs- 
gesch.  4,  36  ff.  —  Falke,  Gesch.  des  deutschen  Handels  1859.  —  Beer,  Allg.  Gesch. 
des  Welthandels  1860.  —  Mayr,  Richard,  Lehrbuch  der  Handelsgeschichte  1894.  — 
Schmoller,  Die  Strafsburger  Tucher-  und  Weberzunft.  Strafsb.  1879.  —  H e  1 1  w i g , 
Handel  u.  Gewerbe  der  deutschen  Städte  während  d.  sächs.  Kaiserzeit.  Gk^tt.  Progr. 
1882. —  Boos,  Gesch.  d.  rhein.  Städtekultur  I.  1897.  —  Goldschmidt,  Universal- 
geschichte des  Handelsrechtes.  1.  Lieferung.  1891.  —  Nübling,  Ulms  Kaufhaus  im 
Mittelalter.  Rostocker  Diss.  1895.  —  Jastrow-Winter,  Deutsche  Gesch.  im  Zeit- 
alter der  Hohenstaufen  1897.  —  NoSl,  Histoire  du  commerce  du  monde.  2  voll. 
Paris  1891.  —  Doren,  Untersuchungen  z.  Gesch.  der  Kaufmannsgiiden  im  Mittel- 
alter (Staats-  u.  social wissenschaftl. Forschungen  XU,  2)  1893.  —  Fischer,  Jonathan, 
Gesch.  d.  teutschen  Handels.    Hannover  1782. 


70  Siebentes  Kapitel. 

nisse  möglichst  selbst  zu  decken ,  in  der  eigenen  geschlossenen  Haus- 
wirtschaft alles  zu  erzeugen,  zu  verarbeiten  und  zu  konsumieren ,  wie 
so  eine  Masse  von  durchaus  selbständigen  wirtschaftlichen  Betrieben 
nebeneinander  trat,  war  für  einen  Handel  der  Raum  aufserordentlich  ein- 
geschränkt. Er  erlosch  in  all  jenen  Artikeln,  welche  in  einer  jeden  Wirt- 
schaft hergestellt  werden  konnten  und  zum  täglichen,  Bedarf  gehörten,  er- 
halten aber  blieb  er  in  jenen  Dingen,  die  man  aus  andern  Ländern  holen 
mufste  und  die  dennoch  unentbehrlich  geworden  waren,  erhalten  also  der 
Handel  mit  Luxusgegenständen,  die  der  wohlhabende  Teil  einer  einfachen 
bäuerlichen  Gesellschaft  verbrauchte.  Er  urafafste  seltene  Naturprodukte 
und  gewerbliche  Erzeugnisse  von  hohem  speciiischem  Werte  *. 

Neu  trat  mit  der  Christianisierung  hinzu  der  Handel  mit  den  Kultus- 
bedürfnissen einer  Kirche,  die,  im  Orient  entstanden,  in  ihrem  Gottes- 
dienste der  Gesittung  des  Mittelmeergebietes  folgte  und  in  ihrer  kon- 
servativen unitarischen  Art  nicht  den  lokalen  Verhältnissen  sich  an- 
schmiegte. Zugleich  weckte  die  Kirche  das  Interesse  für  ihren  Schmuck, 
und  die  Künste  dieser  Jahrhunderte  haben  ja  fast  ausschliefslich  der 
Kirche  gedient. 

Relativ  gering  waren  die  Handelsbedürfnisse  in  der  Kleidung  ^.  Der 
Germane  bevorzugte  noch  immer  die  Leinenkleidung  und  das  Pelzwerk, 
so  waren  die  Westgoten  bekleidet  gewesen,  im  Hause  oder  doch  auf 
dem  Hofe  wurde  das  Leinen  zubereitet.  Spinnen  und  Weben  gehörte  so 
sehr  zur  Arbeit  der  Frauen,  dafs  als  Symbol  der  Frau  die  Kunkel  galt. 
Wie  die  Verwandten  des  Mannes  die  Schwertmagen  hiefsen,  so  die  der 
Frau  die  Spindelmagen.  Noch  Karl  der  Grofse  trug  durchweg  Linnen, 
und  bekannt  ist  die  hübsche  Schilderung  des  St.  Galler  Mönches,  wie 
die  vornehmen  Franken  rote  Leinenhosen  trugen.  Dafs  feine,  in  Lueca 
hergestellte  Schenkelbinden  in  Deutschland  verwendet  wurden,  wissen 
wir  aus  dem  Ruodlieb^. 

Die  Wolle  fand  zwar  auch  schon  Verwendung,  aber  doch  immer 
nur  in  bescheidenem  Umfange,  jedenfalls  war  auch  die  Wollbearbeitung 
mit  Ausnahme  des  Walkens  noch  immer  Gegenstand  des  Hausäeifses. 
So   hielt  Karl  der  Grofse  auch  seine  Töchter  zur  WoUstoflfbereitung  an. 


^  Bücher,  Die  EntstehuDg  der  Volkswirtschaft  S.  37. 

'  Vgl.  vor  allem  Schmoller,  auf  S.  358  ist  die  Reichenauer  Urkunde  von  843 
zu  streichen,  da  sie  eine  Fälschung  des  zwölften  Jahrhunderts  ist.  Weinhold, 
Die  deutschen  Frauen  im  Mittelalter  1  ■,  161  ß.,  175  f.  Jetzt  auch  Klumker,  Der 
friesische  Tuchhandel  zur  Zeit  Karls  des  Grofsen  und  sein  Verhältnis  zur  Weberei 
jener  Zeit.  Leipz.  Dissert.  1899,  der  jedoch  Leinen-  und  Wollweberei  nicht  scharf 
^enu^  trennt. 

'Ruodlieb  ed.  Seiler  13  Bruchstück  Vers  114.  »lU^  ligamimhua  de  Lxikla 
crura  coemptis,« 


Der  Handel.  71 

Erst  die  höhere  Entwicklung  der  WoUstoffbereitung,  die  Ausscheidung 
von  Hilfsgewerben  und  der  erhöhte  Konsum  von  Wollstoffen  löste  die- 
selbe von  dem  Hause  ab  und  gab  den  Anstofs  zur  Begründung  des 
gröfsten  und  mächtigsten  mittelalterlichen  Gewerbes,  der  Wollenweberei. 
Die  Leineweberei  blieb  ungleich  viel-  länger  im  Rahmen  der  Hauswirt- 
schaft. Der  Übergang  zu  einem  Handwerk^  und  damit  aus  den  Händen 
der  Frauen  in  die  der  Männer,  hatte  sich  bei  der  Wollenweberei  vor 
1030  unzweifelhaft  schon  in  Flandern  und  Nordfrankreich  bez.  in  Fries- 
land  vollzogen,  wo  die  Kunst  der  alten  belgischen  Nervier  und  Atrabaten, 
die  in  der  Römerzeit  zur  Gründung  von  kaiserlichen  Fabriken  geführt 
hatte,  auf  ihre  Nachfolger,  die  Flandern  und  Friesen,  übergegangen  war 
und  diese  nun  zuerst  unter  den  Germanen  einen  Anteil  am  Welthandel 
sich  errangen.  Der  Vorsprung,  den  diese  Lande  in  der  Textilindustrie 
gewonnen  hatten,  sollte  während  des  Mittelalters  nicht  verloren  gehen. 
Die  ältesten  Weberstädte  nördlich  der  Alpen  sind  die  in  Nordfrankreich 
und  Flandern^,  und  während  sonst  die  Ablieferung  von  fertigen  Woll- 
stoffen seitens  der  Hörigen  an  ihre  Herren  selten  begegnet  —  Prüm, 
Weifsenburg,  Regensburg  — ,  bezog  Fulda  aus  Friesland  693  wollene 
MänteP.  Hier  verstand  man  sich  auf  die  Kunst  des  Färbens.  Es  gab 
weifse,  graue  Tuche,  vermiculata  nud  saphirina^.  Dieses  sind  blaue,  jene 
aber  scharlachrote,  mit  Kermes  (vermieuli)  geferbte.  Die  salzreichen  Land- 
striclie  an  der  Küste  Flanderns  lockten  zur  Schafzucht,  und  wir  haben 
Belege  für  ihre  grofse  Ausdehnung  in  diesen  Gebieten*,  das  reizte  die 
Bewohner  zur  Entfaltung  einer  Tuchindustrie,  die  auch  leicht  aus  Eng- 
land die  beste  Wolle  jener  Zeit  beschaffen  konnte,  dessen  ausgedehnte 
Triften,  feuchtes  Klima  und  üppiger  Graswuchs  die  beste  Wolle  erzielen 
liefsen.  Die  Natur  hatte  Flandern  ftir  die  Textilindustrie  prädestiniert**. 
Für  feinere  Stoffe,  Gewebe,  vor  allem  für  die  Seidenstoffe,  war  der 
Norden  durchaus  auf  den  Orient  bez.  das  östliche  Mittelmeergebiet  an- 
gewiesen, seitdem  die  Seidenraupe  unter  Justinian  nach  (552)  Konstantinopel 
von  Blhotan  her  eingeführt  war.  Schwäbische  Grofse  kauften  in  Pavia 
feines  Pelzwerk  und  seidene,  mit  Purpur  verbrämte  Kleider  von  venetia- 
nischen  Kaufleuten,  welche  de  iransmarinis  partibus  omnes  orientalium 
diviiias  herbeischafften  ®  und  erschienen  in  solcher  Tracht  neben  dem  ein- 
fach gekleideten  Karl,  der  sie  meisterlich  zu  beschämen  wufste.    Prächtige 


'  Vgl.  bes.  Pirenne,  Gesch.  Belgiens  1,  194,  dann  Sc  hm  oll  er,  auch  Gold- 
schmidt  S.  103. 

2  Klumkcr  64. 
»  M.G.  SS.  2,  752. 

*  Klumker  64. 

»  Pirenne  1,  35  f.     194  f. 

•  Mon.  Sangall.  SS.  2,  760. 


72  Siebentes  Kapitel. 

Gewänder  arabischen  oder  orientalischen  Ursprunges  begegnen  uns  unter 
den  Geschenken  an  Kirchen  oder  im  Besitze  von  solchen.  Es  ist  bekann t, 
wie  die  feineren  Zeuge  von  Byzanz  oder  aus  dem  Oriente  stammen  und 
wie  namentlich  die  Stoffe  für  die  liturgischen  Gewänder  von  dorther  be- 
zogen wurden.  Der  orientalische  Geschmack  bestimmte  durchaus  die 
Erzeugung  feinerer  Gewebe.  Für  Sammet  und  Seide  hatte  damals  noch 
der  Orient,  einschliefslich  Byzanz  das  Monopol^.  Aufserdem  lieferte  der 
Orient  Edelsteine,  Goldschmiedearbeiten  und  andere  Luxusartikel. 

Bei  den  Nahrungsmitteln  war  der  deutsche  Handel  intensiver  beteiligt. 
Die  Massenartikel  Getreide  und  Wein  gingen  jedoch  von  Oberdeutsch- 
land Rhein  abwärts;  das  Elsafs  gab  von  seinem  reichen  Weinsegen  nach 
Köln  bedeutende  Quantitäten  ab  und  geradezu  kann  man  den  .Weinhandel 
als  den  Haupthandel  des  Elsafses  in  jenen  Tagen  bezeichnen.  Ermoldus 
Nigellus  hat  den  Segen  des  Weines  für  das  Elsafs  gepriesen^.  Ein 
erheblicher  Teil  des  Handels  jener  Tage  bezog  sich  auf  das  ftir  Menschen 
wie  Tiere  nötigste  Lebensmittel,  das  Salz.  Da  es  jedoch  sehr  unwahr- 
scheinlich ist,  dafs  das  centrale  Gebirge  Europas  gröfsere  Salztransporte 
sah,  habe  ich  grundsätzlich  den  Salzhandel  ganz  ausgeschieden  und  werde 
nur  einzelne  Fälle  des  thatsächlichen  Transportes  anführen. 

War  im  grofsen  und  ganzen  der  Handel  mit  diesen  Artikeln  doch 
auf  geringe  Entfernungen  beschränkt,  so  liegt  es  bei  den  Gewürzen  ganz 
anders.  Das  frühe  Mittelalter  liebte  es,  die  Speisen  scharf  zu  würzen,  ja 
die  Getränke  blieben  nicht  ungewürzt.  Vor  allem  war  der  Pfeffer  aufser- 
ordentlich  beliebt^.  Die  Herrschaft  sucht  ihn  sich  ohne  Handel  direkt 
durch   die  Abgaben    zu   verschaffen;    Pfefferzinse    sind    aufserordentlich 


^  Vgl.  die  Gaben  des  Bischofs  Adalbero  von  Augsburg  an  St  Gallen.  Neugart, 
Cod.  dipl.  Nr.  667  und  andere  Stellen,  die  Dum  ml  er,  Das  Formelbuch  Bischof 
Salomos  III.  von  Konstanz  S.  128  anführt.  Heyd,  Levantehandel  1,  4  u.  97.  105 
u.  öfter.  Jacob,  Nord.  balt.  Handel  S.  138  ff.  Bock,  Gesch.  d.  liturgischen  Ge- 
wänder.   Silbcrmann,  Die  Seide  Bd.  1. 

^  Quae,  Helisace,  tuus  ffignü  amoenus  (iger, 

Gens  animosa  arvis  vinoque  septdta  jaceret, 

Vix  in  tarn  magna  urhe  maneret  hotno; 
Utile  consilium  Frisombus  atque  marinia 

Vendere  vina  fuit,  et  mdiora  vetii, 
Hinc  quoque  plebis  honor  popülos  transcurritf  honestus 

Hinc  repetit  civis,  hinc  peregrinus  opes, 
Nam  tego  veste  meos  vario  fucata  colore, 
Quae  tibimet  nusqitam,  Wasace,  nota  foret. 
M.G.  Poetae  lat.  2,  88.  v.  115—124.    Im  zehnten  Jahrhundert  lag  in  den  Kellern 
des  Bischofs  von  Lüttich  vorzugsweise  Wormser  Wein.    M.  G.  SS.  7,  125.    Der  Abt 
von  St.  Gereon  in  Köln  holte  Wein  von  Worms.    Mirac.  s.  Goaris  M.G.  SS.  15,  869. 
Für  die  Zeit  der  Minnesinger  vgl.  Schultz,  Höfisches  Leben  1,  442. 
»  Schultz  1,  392.    Heyd  1,  91.   99  ff.    2,  638  ff. 


Der  Handel.  73 

häufig,  selbst  Bauern  wurden  sie  aufgelegt^.  Wo  solche  Zinse  erscheinen, 
darf  man  Handelsverkehr  vermuten^.  Und  der  Pfeffer  war  nicht  allein, 
sondern  wie  verbreitet  der  Gebrauch  der  Gewürze  überhaupt  war,  ersieht 
man  daraus,  was  ein  missus  regius  alles  auf  einer  villa  beanspruchen 
durfte^.  Neben  Pfeffer:  Costus,  Gewürznelken,  Spikanarde,  Zimmet, 
Mastix,  Datteln,  Pistazien  und  Mandeln.  Sehr  beliebt  war  es,  oft  recht 
kleine  Quantitäten  der  köstlichen  Gewürze  zum  Geschenke  zu  machen; 
so  erscheint  in  dem  Briefwechsel  des  hl.  Bonifaz:  Zimmet,  Costus, 
Cotzumber  (eine  Weihrauchart)  und  Serostyrax^.  In  andern  Geschenken 
erscheinen  noch  Opobalsamum  und  Thymiama'^.  TartüS!,  ein  Mitglied 
der  maurischen  Gesandtschaft,  die  973  sich  zu  Otto  dem  Grolsen  begab, 
fand  in  Mainz,  obwohl  die  Stadt  im  fernsten  Abendlande  liege,  Gewürze, 
die  nur  im  fernsten  Morgenlande  vorkommen:  Pfeffer,  Ingwer,  Gewürz- 
nelke, Spikanarde,  Costus  und  Galanga*.  Am  genauesten  orientiert 
über  den  Gebrauch  von  Gewürzen,  Räucherwaren  etc.  eine  Aufzeichnung 
des  Klosters  Corbie,  die  das,  was  man  in  Cambray  einkaufte,  aufzählt^. 
An  Wachs  brauchte  das  Kloster  600  iL,  an  Pfeffer  und  Kümmel  je  120, 
an  Ingwer  70,  an  Zimmet  15,  je  10  von:  Gewürznelken,  Galgan,  Rha 
ponticum,  Costus,  percrumy  Spikanarde,  Salbeiblätter,  Mastix,  Weihrauch, 
Schwamm,  pomicar,  Zittwar  und  Styrax  calamita,  5  von  Gotzumber, 
8  von  Myrrhe,  Opperment,  Drachenblut  und  »indtumc,  endlich  2fö  Thymiama. 
Diese  Namen  verraten  uns,  wie  grofs  die  Erbschaft  und  Tradition  im 
Gewürz-  und  Heilpflanzen  verbrauch  war,  die  die  germanischen  Völker 
in  ihrer  Wanderzeit  übernahmen.  Neben  den  bekanntesten  Gewürzen: 
Pfeffer,  Ingwer,  Zimmet,  Gewürznelken,  die  nur  von  fUnf  kleinen  Insel- 
vulkanen der  Molukken  bezogen  werden  konnten,  erscheint  die  aus  den 
Alpen  von  Kaschmir  stanmiende  Costus wurzel  (Aucklandia  Costus)^,  das 

^  In  Speicr  wurde  bis  auf  Heinrich  V.  von  den  Schiffen  Pfeffer  erhoben.  H  i  1  - 
gard,  Urkunden  z.  Gesch.  d.  Stadt  Speyer  S.  19.  Die  deutschen  Kauf  leute  in  London 
gaben  dem  engl.  Könige  einen  Pfefferzins  Heyd  1,  98.  Spätere  Beispiele  z.  B.  Lau, 
Verfassungsgesch.  d.  Stadt  Köln :  »camerarius  qui  praeest  piperi*  S.  67.  Pfeffer  wurde 
von  dem  Gute  der  unbeerbt  in  Köln  gestorbenen  Fremden  erhoben  S.  68.  Die  Juden- 
gemeinde zahlte  alljährlich  6  €6  Pfeffer  S.  178.  Auch  in  Zürich  ging  von  zum  Zoll 
gehörigen  Äckern  ein  Pfefferzins.  Züricher  Urk.  1,  333.  Weitere  Beispiele  bei 
Hüllmann,  Städtewesen  1,  29  f.,  Heyd  2,  639.  Geering,  Handel  und  Industrie 
von  Basel  S.  236.    Vgl.  auch  die  Abgaben  auf  der  Septimerstrafse. 

>  Vgl.  z.  B.  die  Steuer  von  Mals  bei  Mohr  2.  103. 

'  Allerdings  nur  eine  der  Marculfschen  Formeln.    M.G.  Leg.  Sectio  V  S.  49. 

^  Jaff6,  Bibl.  rer.  Germanic.  3,  156  f.  199  u.  218. 

^  Vgl.  die  zusammengestellten  Quellenangaben  bei  D  ü m m  1  e r  a.  a.  O.  S.  1 19  f  u.  141 . 

^  Jacob  G.,  Ein  arabischer  Berichterstatter  aus  dem  zehnten  oder  elften  Jahr- 
hundert über  Fulda  u.  s.  w.  1890  S.  13  f. 

"^  Gu^rard,  Le  polyptyque  de  Tabb^  Irminon.    Paris  1844  2,  336. 

^  Heyd  2,  580.   Flückiger,  Pharmakognosie. 


74  Siebentes  Kapitel. 

Rha  ponticum,  der  von  jenseits  des  Pontus,  thatsächlich  aus  China 
stammende  Rhabarber  ^^  das  Opobalsamum,  der  Saft  des  ägyptischen  und 
arabischen  Balsamstrauches'.  Unter  den  Räuchereien  und  Parfiimerie- 
stofFen  war  dem  Altertum  sehr  wohl  bekannt  und  damals  hochberühmt 
das  Harz  der  auf  Chios  gebauten  Pistacia  Lentiscus*,  ebenso  der  Weih- 
rauch*, die  Myrrhe*^,  das  Harz  und  die  Rinde  von  Styrax  calamita 
bez.  styrax  ofHcinalis,  letztere  thymiama  genannt®.  Die  Spica  Nardi  ist 
der  Wurzelstock  einer  im  Himalaya  wachsenden  Pflanze^,  während  das 
Drachenblut  wohl  nicht  von  Sumatra  und  Java  kam,  sondern  von  den 
Arabern  eingeführt  wurde  und  von  der  Insel  Socotora  stammt®.  Von 
den  Arabern  eingeführt  und  im  Altertum  vielleicht  unbekannt  war  die 
Galangawurzel,  ein  kräftiges  Reizmittel  ^,  und  die  nicht  allein  als  Medizin, 
sondern  auch  zur  Würze  verwendete,  bitter  schmeckende  Zedoar(Zitwar)- 
wurzel  ^^. 

Für  liturgische  Zwecke  war  der  Wein  unentbehrlich,  dazu  kamen 
Weihrauch,  der  nur  aus  dem  Oriente  bezogen  werden  konnte,  und  Wachs, 
das  doch  schon  wohl  damals  für  den  höchst  ausgedehnten  Gebrauch  in 
der  Kirche  aus  dem  Orient  herangezogen  wurde.  Feine  Waffen,  elfen- 
beinene  Kämme  erscheinen  als  Objekte  des  internationalen  Handels,  wie 
lombardische  Bischöfe  deutsche  Zügel  und  sächsische  Sättel  benutzten  ^^ 
Der  Verkauf  von  Waffen,  wenigstens  von  baugae  (Schutzringen)  und 
Brünnen  wurde  zeitweise  verboten  ^*.  Zinn  mufste  England  liefern.  Nicht 
zu  übersehen  ist,  dafs  noch  immer  ein  sehr  lebhafter  Sklavenhandel  be- 
stand, der  namentlich  in  den  Händen  der  Juden  war. 

Im  allgemeinen  ergiebt  sich,  dafs  der  Handel  von  dem  Verkehre 
mit  dem  Orient,  mit  dem  indochinesischen  Hinterlandgebiete,  von  Kon- 
stantinopel und  der  Südküste  des  Mittelmeeres  abhängig  war,  dafs  im 
Vergleich  zu  diesen  Ländern  der  Norden  eine  passive  Handelsbilanz 
haben  mufste.  Er  mufste  einftihren,  was  vom  Oriente  her  in  das  Gebiet 
des  Mittelmeeres  gelangte,   und  konnte  dagegen  nur  bescheidene  Gegen- 


»  Flückiger  405. 

«  Heycl  2,  566-572. 

'  Heyd  2,  616 — 618.    Flückiger  117  f.    Auch  granomastice  genannt. 

*  Heyd  2,  656—58.    Gotsumber  kann  ich  nicht  erklären. 

^  Flückiger  41—43. 

«  Flückiger  132  f.  und  134. 

'  Flückiger  470. 

«  So  Flückiger  u.  Hanbury,  Histoire  des  drogues  2,  490  u.  494.    Wurde  als 
Arznei,  doch  auch  in  der  Malerei  verwendet. 

»  Heyd  2,  591.    Flückiger  363  f. 

*®  Heyd  2,  658.    Pomicar,  indium  und  percrum  vermag  ich  nicht  zu  erklären. 
"  Rat  her.     »Frenis  Germanicis^  sellis  Saxonicis.» 
"  S.  Dahn,  Könige  d.  Germ.  8,  4,  238. 


Der  Handel.  75 

gaben  bieten.  Als  Geschenke  sandte  Karl  der  Grofse  friesische  Tücher 
in  den  Orient,  die  dort  selten  und  teuer  waren  ^  Der  gröfste  Kaiser 
des  Mittelalters  hat  doch  auch  für  den  Handel  ein  lebhaftes  Interesse 
gehabt*.  Im  allgemeinen  war  der  Handel  auf  Objekte  beschränkt,  die 
an  einem  anderen  Platze  nicht  erzeugt  werden  konnten,  selbst  für  die 
friesische  W ollen industrie  dürfte  das  zutreffen,  da  doch  schon  wohl  da- 
mals Friesland  die  feine  Wolle,  welche  die  Schafherden  in  dem  trift- 
reichen und  nebeligen  England  produzierten,  benutzte.  Jedenfalls  war 
die  Schafzucht  im  deutschen  Binnenlande  noch  wenig  entwickelt^. 

Die  gröfsten  Weltemporien  waren  Byzanz  und  die  Randstädte  der 
arabisch-muhamedanischen  Welt  auf  der  Strecke  von  Syrien  bis  Ägypten. 
Hier  waren  die  Stapelplätze  der  Waren  des  Orients,  Indiens  und  Chinas. 
Die  von  dort  ausgehenden  Verkehrsstrafsen  mieden  aber  im  wesentlichen 
die  Alpen,  die  grofse  Strafse,  welche  von  arabischen  Händlern,  bez.  von 
nordischen  Händlern,  die  dem  muhamedanischen  Gebiete  Vorderasiens 
zustrebten,  vielfach  benutzt  wurde  und  vom  Schwarzen  Meere  zur  Ost- 
see ging,  lief  weit  östlich ;  von  dem  Handel  auf  ihr  haben  wir  dank  der 
arabischen  und  byzantinischen  Quellen  sowie  der  Münzfunde  eine  deut- 
liche Vorstellung.  Weit  unsicherer  ist  schon  das  Bild,  das  wir  uns  von 
dem  von  Marseille  aus  nach  Gallien  gerichteten  Verkehre  machen.  Ich 
meine  aber,  man  ging  zu  weit,  als  man  gegenüber  dem  „Strafsenviereck", 
das  aufser  jenen  Strafsen  durch  das  Mittelmeer  und  die  Nord-  und  Ostsee 
gebildet  wurde  und  Deutschland  umging,  die  Alpenstrafsen  als  fast  völlig 
bedeutungslos  bezeichnete*.  Mindestens  für  den  Grofsen  St.  Bernhard 
geht  das  Urteil  zu  weit,  ich  glaube,  er  war  schon  damals  die  Verbindung 
zwischen  den  Ausstrahlungen  von  Byzanz  und  dem  ersten,  nicht  mehr 
rein  bäuerlich  lebenden  Gebiete  Flandern  vorhanden.  Diese  Diagonale 
durch  Westeuropa  hatte  schon  damals  erhebliche  Bedeutung.  Auch  für 
die  Bündnerpässe  ist  doch  wohl  etwas  mehr  Handelsverkehr  anzunehmen. 
Im  Mittelalter  bildete  sich  eine  centrale  Vermittlungszone,  worin  zwischen 
dem  Handelsgebiete  des  Nordens  (Nord-  und  Ostsee)  und  dem  des  Südens 
(Mittelmeer)  der  Austausch  stattfand.  Von  ihren  Gliedern:  Flandern, 
Champagne,  Mittelrhein  und  Nürnberg  tritt  in  unserer  Periode  scharf 
noch  keins  hervor. 

In  diesen  Zeiten  hatte  Italien  zum  Welthandel  noch  immer  eine 
sekundäre  Stellung.  Die  byzantinische  Handelspolitik  hatte  sich  meister- 
lich zum  Herren  des  internationalen  Verkehrs  gemacht:  der  Nordländer 

^  M.G.  SS.  2,  752.    »palUa  Fresonica  alba  cana  vermiculata  rel  saphinna,  qucte  in 
Ulis partibus  rara  et  mtütum  cara  comperit*    Vgl.  die  Bemerkungen  von  Hey  d  1,  101  f. 
2  Wenn Inama-Sternegg,  Deutsche  Wirtschaftsgesch.  1, 435 ff.  auch  übertreibt. 
'  Schmoller  S.  358  f. 
*  So  Jastrow,  Mayr. 


76  Siebentes  Kapitel. 

mufste  in  Byzanz  kaufen,  womöglich  durch  die  Hand  des  Staates,  ohne 
dafs  ihm  verstattet  wurde,  mit  den  Händlern,  die  die  Waren  aus  dem 
Oriente  gebracht  hatten,  direkt  in  Verkehr  zu  treten.  Byzanz  sollte  die 
Vermittlerin  bleiben,  und  die  italienischen  Städte  buhlten  um  kleine  Ver- 
günstigungen. Eki  ist  recht  bezeichnend,  dafs  die  beiden  Städte,  in  denen 
fast  am  längsten  sich  byzantinischer  Einflufs  erhielt,  die  wichtigsten 
Handelsstädte  jener  Zeit  waren.  Sie  hatten  beide  das  Glück,  eine  hohe 
Autonomie  in  inneren  Angelegenheiten  mit  einer  losen  Abhängigkeit  von 
der  oströmischen  Kaiserstadt  zu  verbinden:  Venedig  und  Amalfi,  dessen 
Blüte  ja  nur  kurz  sein  sollte  ^.  Die  Herrscherin  der  Adria  hat  von  den 
deutschen  Königen  fUr  das  Reich  Italien  ausgedehnte  Privilegien  erwirkt, 
doch  verkauften  die  Venetianer  wohl  meistens  ihre  aus  dem  Orient  ge- 
brachten Waren  auf  den  Messen  von  Ferrara  und  Pavia,  das  damals 
eine  Handelsbedeutung  besafs,  die  es  jedoch  bald  einbüfste,  an  Händler, 
die  von  Norden  oder  Westen  gekommen  waren  ^.  Wie  die  Venetianer  im 
allgemeinen  nicht  über  Byzanz  oder  den  muhamedanischen  Küstenrand 
hinauskamen^,  war  es  auch  wohl  das  Normale,  dafs  der  Deutsche  und 
Franzose  die  Messen  von  Pavia  und  Ferrara  besuchte,  wenn  auch  der 
Venetianer  damals  wohl  mehr  in  das  Innere  Italiens  eindrang,  als  später. 
Übrigens  suchte  schon  im  zehnten  Jahrhundert  Venedig  möglichst  direkt 
mit  der  muhamedanischen  Welt  in  Verbindung  zu  treten  und  sich  so 
von  Byzanz  unabhängig  zu  machen.  Im  allgemeinen  hatte  die  Zahl  der 
Hände,  welche  die  Waren  durchliefen,  sich  seit  dem  Altertume  vermehrt. 
Beweise  für  den  Handelsverkehr  durch  Qraubünden  haben  wir  schon 
oben  mehrfach  angeführt.  Die  Namen  von  Konstanzer  Kaufleuten  begegnen 
uns  zuerst  in  nicht  gerade  schönem  Lichte.  Da  war  ein  Diebstahl  von 
Kirchensilber  in  St.  Gallen  vorgekommen,  der  Dieb  hatte  seine  Beute  bei 
einem  Kaufmann  von  Buchau  untergebracht,  aber  auch  sechs  Konstanzer 
Kaufleute  hatten  davon  erhalten^.  Jedenfalls  war  der  Handel  über  die 
Alpen  ftlr  die  oberrheinischen  Gebiete  noch  sekundär.  Die  Haupthandels- 
route ging  zur  Mündung  des  Rheins  nach  Friesland  (im  weitesten  Sinne)  *. 


^  Liudprand  v.  Crem  od  a  Leg.  c.  55  bezeugt,  wie  Venezianer  und  Amalfi- 
taner  von  Bjzanz  her  kostbare  Stoffe  nach  Italien  verbreiteten. 

«  Kohlschütter,  Venedig  unter  Peter  II.  Orseolo.  Gott.  1868  S.  18.  Über 
die  aufserordentlichen  Privilegien  der  Venetianer  ebda.  S.  20 — 23,  67,  75—83. 
Heyd  1,  123.  Auf  die  Messen  von  Ferrara  und  Pavia  schränkte  sie  Heinrich  IL 
ein,  Heyd  1,  129. 

'  Sie  vermitteln  nach  Byzanz  den  Briefverkehr  aus  Deutschland,  Heyd  1,  125. 

*  Wartmann,  S.  Galler  ürkb.  3,  35  z.  J.  1022  oder  1014 

^  Da  die  Strafsburger  Kirche  von  allen  Zöllen  im  Reiche  befreit  wird  mit 
Ausnahme  von  denen  in  den  friesischen  Hafenplätzen  zu  Quentowich,  Duurstede 
und  Sluis  (Karl d. Gr.  775.  Strafsb.  Urk.  1,  10.  Böhmer-Mählbacher  199  [195]), 
setzte  der  Aussteller  voraus,  dafs  Strafsburger  an  diese  Plätze  kamen. 


Der  HandeL  77 

Von  allen  Handelsstädten  war  die  bedeutendste  Mainz,  noch  war  Frank- 
furt kein  Konkurrent,  und  die  westöstliche  Handelsstrafse  mit  ihren  Ver- 
Bweigungen  nach  Thflringen.  und  Bayern  war  ganz  mainzbch  ^ 

Der  Femhandel  jener  Tage  wurde  im  wesentlichen  durch  den  Fremd- 
kaufmann  vermittelt  Die  rein  bäuerliche  Organisation  der  G^ellschaft 
gab  zunächst  aus  dem  germanischen  Volkskörper  keine  Kräfte  ab,  welche 
anderen  Aufgaben  hätten  dienen  können,  und  so  blieb  der  fremde  Kauf- 
mann der  Vermittler  der  fremden  Erzeugnisse.  Früher  hat  man  wohl 
angenommen,  dafs  die  grofsen  Orundherrschaften  mercatores  zum  Vertrieb 
der  von  ihnen  erzeugten  Waren  gehabt  hätten,  aber  es  ist  das  ein  Irr- 
tum. ▼.  Below  hat  die  dafUr  vorgebrachten  Gründe  scharfsinnig  wider- 
1^'.  Doch  selbst  wenn  das  der  Fall  gewesen  wäre,  so  hätte  dieser 
Kaufmann  nur  Wein  und  Bier,  Tuch  und  Leinwand,  Felle  und  Pelzwerk 
zu  Markte  bringen  können.  Die  Grundherrschaft  hätte  mit  diesen  Waren 
nur  den  Bewohnern  derselben  Gegend  Konkurrenz  machen  können,  aber 
die  Bedürfhisse  von  Waren  aus  anderen  Weltteilen  konnte  nie  und 
nimmer  ein  von  einer  Grundherrschaft  angestellter  mercator  befriedigen. 
Der  Blick  des  Ackerbauers  ist  viel  zu  sehr  auf  die  Stätte  seiner  Thätig- 
keit  eingeschränkt,  als  dafs  er  auf  den  Gedanken  hätte  kommen  können, 
mit  unbekannten  orientalischen  Handelsplätzen  in  Handelsverbindungen 
zu  treten.  Das  alles  bleibt  dem  Fremdkaufmann  überlassen,  der  nach 
einem  alten  englischen  Dialoge  „Purpur,  Tuch,  Seide,  kostbare  Steine 
und  Gold,  verschiedenfarbige  Gewänder,  Schminke,  Wein,  Ol,  Elfenbein 
und  Messing,  Kupfer  und  Zinn,  Schwefel,  Glas  und  dergl.  mit  sich 
führte*'^.  Der  Warenvorrat  manches  Handelsmanns  mag  übrigens  sehr 
viel  einfacher  gewesen  sein. 

Ob  Syrer,  die  als  die  Vermittler  mit  der  römischen  Kulturwelt  in 
Gallien  auch  nach  dem  Zusammenbruche  der  römischen  Herrschaft  in 
bedeutender  Zahl  angesiedelt  waren  und  erst  langsam  zurückwichen, 
auch  am  Oberrhein  verkehrten,  ist  nicht  bezeugt.  Sie  waren  in  stän- 
diger Verbindung  mit  ihrer  Heimat  und  hatten  den  Vorteil,  möglichst 
weit  den  orientalischen  Waren  entgegen  gehen  zu  können^. 

Die  Juden  waren  wohl  aus  ihrer  Heimat  vertrieben,  sie  waren  jedoch 
so  weit  über  den  Erdkreis  verstreut  und  hatten  so  wenig  sich  mit  dem 
Boden,   geschweige  denn  mit  der  Bevölkerung  verbunden,   dafs  auch  sie 


1  Die  Translatio  s.  Marcellini  et  Petri  erwähnt  Kauf leute,  die  in  Ober- 

dentschland  Getreide  aufzukaufen  und  auf  dem  Main  nach  Mainz  zu  bringen  pflegten. 

'  Die  Entstehung  des  Handwerks  in  Deutschland  in  Ztschr.  f.  Social-  u.  Wirt- 

schaftsgesch.  5,  140  f. 

»  Aahley ,  Engl.  Wirtschaftsgesch.  S.  70  nach  Aelfrics  Colloquy  um  d.  Jahr  1000. 

«  Heyd  1,  24.    Scheffer-Boichorst,   Mitteilungen  des   Instituts  f.  österr. 
Gesch.  6,  521  ff. 


78  Siebentes  Kapitel. 

ein  fluktierendes  Element  darstellten.  Wir  wissen,  dafs  jüdische  Händler 
weite  Handelsreisen  unternahmen  ^  Ihre  überall  zerstreuten  Gemeinden 
waren  die  natürlichen  Etappen  und  gewährten  ihnen  Vorteile,  wie  sie 
kein  anderes  Handelsvolk  je  gewinnen  konnte.  In  unserem  Gebiete  waren 
mindestens  die  Judengemeinden  von  Worms  und  Mainz  sehr  alt^. 

Für  Handel  mit  arabischen  Händlern,  die  namentlich  durch  die  öst- 
liche Route  mit  den  Ostseeländern  in  lebhafter  Verbindung  standen  und 
auch  im  Westen  mitunter  erschienen,  lassen  sich  für  das  Alpengebiet  und 
das  nördlich  davon  gelegene  absolut  zwingende  Gründe  nicht  vorbringen; 
doch  sind  arabische  Münzen  in  Steckborn  am  Bodensee  gefunden*,  und 
dafs  in  Mainz  Dirhems  aus  Samarkand  aus  der  ersten  Hälfte  des  zehnten 
Jahrhunderts  vorkamen,  wie  das  Tartü^li  bezeugt,  beweist  zum  mindesten 
eine  Kenntnis  des  arabischen  Geldes*.  Das  Erscheinen  von  Saracenen 
bei  Vercelli  kann  wohl  nur  auf  Händler  sich  beziehen  ^. 

Sehr  viel  deutlicher  erscheinen  uns  in  ihrer  Handclsbedeutung  die 
Friesen.  Mit  ihren  Schiflfen  drang  der  nordgermanische  Seehandel  tief 
in  das  Innere  Deutschlands  ein.  Der  Rückgrat  ihres  Handels  war  oflfen- 
bar  der  Verkauf  der  friesischen  Tuche,  wofür  sie  Wein  und  Getreide 
einhandelten.  Ihre  Zahl  war  so  grofs,  dafs  sie  in  Mainz  den  schönsten 
Stadtteil  bewohnten®,  auch  in  Worms  gab  es  ein  FriesenvierteP,  und 
weiter  ist  uns  ihre  Ansiedelung  in  Strafsburg,  Duisburg  und  Köln  be- 
zeugt®. Die  Verbindung  mit  der  Heimat  war  von  ihnen  aufrecht  er- 
halten, und  wir  können  sie  als  Verschleifser  der  Eigenproduktion  be- 
zeichnen,  wenn  sie  auch  zwischendurch  englische  Tuche  mitvertrieben  ^. 


1  Hey  d  1,  138 ff.  Die  Litteratur  über  die  Juden  ist  bis  1891  bei  Goldschmidt 
S.  107  ff.  angeführt.   Vgl.  von  den  seitdem  erschienenen  bes.  Dahn  8,  2,247  f.  u.  4,  233. 

>  Boos,  Städtekultur  1,  370. 

■  Es  waren  arabisch-afrikanische  Münzen  aus  dem  letzten  Viertel  des  achten 
Jahrhunderts.  Man  könnte  an  einen  Handelsverkehr  über  Marseille  denken.  Mit 
Ferd.  Keller  ihn  auf  die  Alpenräuber  zurückzuführen,  geht  nicht,  da  sie  bis  Steck- 
bom  nicht  gekonunen  sind.  Jacob,  Der  nord.-baltische  Handel  S.  87  u.  47.  Vgl. 
auch  S.  70.    114. 

*  Jacob  a.  a.  0.  S.  116.  Jacob,  Berichterstatter  S.  13.  Heyd  glaubt  nicht 
an  Provenienz  des  Geldes  aus  Handel,  doch  steht  eine  Kenntnis  des  arabischen 
Geldes  aufser  allem  Zweifel. 

•^  öhlmann  3,  213.  Die  Bevölkerung  liefs  die  Araber  ruhig  deshalb  ziehen, 
weil  sie  in  ihnen  Händler  vermutete. 

*  »Optima  pars  Mogonti<ie  civitatis,  übt  Frisiones  habitabant  .  .  .  conflagravit  in- 
cendio.*     Ann.  Fuld.  a.  a.  886.    Script,  rer.  Germ.  S.  104. 

•^  Wormser  Urkb.  von  Boos  1,  9  (829),  22,  49  (1080)  u.  59  (1141). 

^  Boos,  Städtekultur  1,  354.  Friesische  Kaufleute  erwähnen  die  Miracula 
SS.  Goaris  M.G.  SS.  15  370.  Einer  läfst  sein  Schiff  an  einem  Tau  Rhein  aufwärts 
sieben.     Näheres  bei  Klumker  54—58. 

»  Klumker  S.  61  f  u.  64  f  unterschätzt  die  friesische  bez.  flandrische  Er- 
zeugung.   Die  „friesischen"   Tuche  sind  meines  Erachtens   wesentlich  flandrischen 


Der  Handel.  79 

Sie  unterscheiden  sich  dadurch  vor  allem  von  den  Juden.  Ob  sie  weiter 
nach  Italien  zogen,  ist  nicht  belegt,  da  jedoch  die  Kette  der  Ansiedelungen 
direkt  auf  Italien  weist,  sollte  man  es  vermuten. 

Lateinische,  italienische  Kauf  leute  sind  diesseits  der  Alpen  in  dieser 
Periode  nur  in  Regensburg  und  auf  der  Messe  von  St.  Denis  (Le  Lendit) 
nachzuweisen  ^. 

Der  Anteil  der  deutschen  Kaufleute  am  Welthandel  mufs  infolge 
dieser  Einschränkungen  durch  Fremd  kauf  leute  noch  gering  gewesen  sein, 
aber  es  ist  doch  nicht  zu  übersehen,  dafs  Otto  I.  den  sehr  reichen  Mainzer 
Kaufmann  Liutfred  mit  einer  Gesandtschaft  nach  Byzanz  beauftragte,  er 
mufs  also  zum  mindesten  dort  Verbindungen  besessen  haben  ^.  Der 
deutsche  Kaufmannsstand  entwickelte  sich  langsam,  geschützt  durch  könig- 
liche Privilegien.  Daneben  betrieben  noch  die  Klöster  und  Stifter  eigenen 
Handel^,  und  sie  erfreuten  sich  besonderer  Privilegien. 

Der  Handel  war  im  wesentlichen  noch  ein  Hausierhandel  und  Wander- 
handel, der  Kaufherr  zog  selbst  mit  den  Karawanen  zu  den  Messen,  von 
denen  die  zu  Troyes  und  St.  Denis  besonders  zu  erwähnen  sind*;  jedoch 
wuchs  in  der  Zeit  der  Ottonen  die  Zahl  der  Handelsniederlassungen  er- 
heblich. Wenn  bis  dahin  auf  deutschem  Boden  nur  die  altrömischen 
Städte  dauernde  Handelsansiedelungen  gewesen  waren  und  wesentlich  dem 
Handel  und  Qewerbe  dienten,  so  wurden  jetzt  Markt  und  Münzstätten 
vielfach  auch  auf  dem  rechten  Rheinufer  errichtet*^.  Langsam  bereitete 
sich  die  Zeit  vor,  in  der  ein  selbständiger  deutscher  Kaufmannsstand  als 
Berufstand  neben  der  bäuerlichen  Bevölkerung  Bedeutung  gewann.  Noch 
um  die  Mitte  des  elften  Jahrhunderts  war  dieser  Erziehungsprozefs  nicht 
beendet,  wenn  auch  die  Lehrmeister,  die  die  Verbindung  mit  Rom, 
Byzanz  und  dem  Orient  aufrecht  erhalten  hatten,  mehr  und  mehr  ver- 
schwinden. Noch  immer  war  der  Occident  in  seinem  Handel  vom  Orient 
durch  und  durch  abhängig. 

Ursprunges,  nicht  aber  aus  Westfriesland.  Deshalb  fehlen  sie  auch  im  Conflietus 
Ovis  et  lini,  der  sehr  wohl  flandrische  Tuche  kennt. 

>  fleyd  1,  96. 

^  Liutpr.  M.G.  SS.  8,  338  bezeichnet  ihn  als  I^ut/redum  üfo^ontinum  institorem 
ditissimum. 

»  Vgl.  Goldschmidt  S.  107. 

*  Pigeonneau  1,  62  f. 

^  Aliensbach,  Villingen,  Binka  (für  Kl.  Sulzburg),  Vallator,  Wiesloch,  Wein- 
heim, Bensheim  auf  dem  rechten,  Andlau,  Selz,  Oppenheim  auf  dem  linken  Rhein- 
ufer erhielten  Marktrecht,  jedoch  nur  zum  Teil  einen  Wochenmarkt;  Jahrmärkte 
riefen  aber  keine  dauernde  Ansiedelung  hervor.  Auch  Binka  wie  Vallator  ver- 
kümmerten. Vgl.  vor  allem  Rietschel,  Markt  und  Stadt  1897.  Auf  die  Fragen, 
welche  mit  der  Städtegründung  zusammenhängen,  gehe  ich  absichtlich  nicht  ein. 
Für  die  hier  erwähnten  Orte  vgl.  Gotheiui  Wirtschaftsgesch.  d.  Schwarzwaldes 
Band  I  Register. 


Drittes  BucL 

VERKEHR  UND  WARENHANDEL  IM 

HOCHMITTELALTER. 


Erster  Teil. 

GESCHICHTE  DES  VERKEHES  VON  DER  VEREmiGTJNG 

DES  BURGUNDISCHEN  MIT  DEM  DEUTSCHEN  REICHE 

BIS  ZUR  ÖFFNUNG  DES  ST.  GOTTHARDES. 

1032  bis  um  1230. 

Achtes  Kapitel. 
Hospize.    Politische  Oeschichte.   RSmerzflge.    Septimer  nnd  Bernhardin» 

Ho  spiee:  Das  auf  dem  St,  Bernhard,  Filialen  und  Besitztmgen  bis  Apulien  und  Eng- 
Joful,  m  Deutschland,  Hospiz  auf  dem  Septimer,  Bitterordenj  andere  Spitäler,  —  Politische 
Geschichte,  Bömerzüge,  Chiavenna  eine  schwäbische  Grafschaft,  Bömerziige  der 
SaUer,  Staufer:  Friedrich  L  und  der  Septimer,  Sehlacht  bei  Legnano,  Lukmanier, 
Kloster  Disentis,  Heinrich  VI,  und  seine  Nachfolger,  —  Septimer  und  Bernhardin, 
Beisende,  Der  Septimer  bei  den  Dichtem  ^  bes,  Gottfried  von  Strafsburg,  Bemhardin,, 
Verkeihrseinrichtungen:    Wirtshäuser,  Fähren,    Burgen,    Bergell, 

Im  Hochmittelalter  beherrschen  noch  die  beiden  direktesten  Pässe 
der  Flügelseiten  —  der  Grofse  St.  Bernhard  und  der  Septimer  —  den 
Verkehr,  bis  der  centrale  Pafs  entdeckt  wurde.  Auf  beiden  Übergängen 
hatte  christliche  Nächstenliebe  Hospize  geschaffen,  welche  im  Winter 
und  Sommer  bewohnt,  den  durchziehenden  Reisenden  und  Pilgern  Unter- 
kunft und  Hilfe  in  der  Not  gewährten.  Die  Wohlthaten,  welche  diese 
Mönche  auf  dem  einen  Passe  bis  heute  gespendet  haben,  sind  des  all- 
seitig, selbst  von  den  bittersten  Gegnern  des  Klosterwesens  gespendeten 
Lobes  vollauf  wtlrdig. 

Der  Schöpfer  des  klösterlichen  Hospizes  auf  der  Pafshöhe  des 
Grofsen  St.  Bernhard  war  ein  Archidiakon  von  Aosta,    der  —  so  ist  es 


Hospize.  gl 

wenigstens  wahrscheinlich  —  1086  gestorben  ist^,  urkundlich  erscheint 
das  Hospiz  freilich  erst  1125.  Der  hl.  Bernhard  von  Menthon  weihte 
das  Hospiz  dem  hl.  Nikolaus  von  Myra^  es  dauerte  aber  nicht  lange,  bis 
nicht  allein  das  Kloster,  sondern  auch  der  Berg  den  Namen  des  würdigen 
Erzdiakons  annahm.  Kaiser  Friedrich  I.  nahm  1176  das  Kloster  in  seinen 
besonderen  Schutz,  wie  das  auch  König. Heinrich  VI.  1187  that,  dieser 
tiberwies  1191  dem  Hospiz  auch  eine  Rente  von  20  Pfund  Silber*. 
Eugen  in.  verlieh  den  Mönchen  Zehntfreiheit  und  seine  Nachfolger 
haben  in  zahlreichen  Urkunden  und  Privilegien  die  herrliche  Schöpfung 
unterstützt^.  Die  Dankbarkeit  des  Wanderers  beschränkte  sich  damals 
nicht  auf  eine  kleine  Spende,  die  er  nach  Labung  und  Stärkung  in  den 
Opferstock  der  Kirche  legte,  sondern  sie  kam  in  reichen  Gaben  an 
Grund  und  Boden,  an  Kirchen  und  Häusern  zum  Vorschein.  Dieser 
dankbare  Sinn  schuf  dem  Kloster,  das  ein  Graf  von  Savoyen  sehr  treffend 
die  Wärmestube  für  den  Armen  und  den  Palast  des  höchsten  Königs 
nannte*,  einen  Besitz,  der  sich  über  achtzehn  Diöcesen  erstreckte.  In 
seinem  Umfange  ist  uns  auch  der  Kreis  überliefert,  von  dem  aus  man 
den  Grofsen  St.  Bernhard  benutzte. 

Schon  die  erste  päpstliche  Bestätigung  durch  Papst  Alexander  HI. 
von  1177  zeigt  die  grofse  Dankbarkeit,  welche  das  Hospiz  gefunden 
hatte.  Schon  damals  ging  der  Besitz  des  Klosters  von  Apulien  und 
Sizilien  bis  England.  In  Unteritalien  erwarb  das  Hospiz  drei  Kirchen, 
sonst  hatte  es  seine  Besitzungen  bis  1286  nur  über  die  Bistümer  Aosta, 
Ivrea,  Turin,  Vercelli  und  Novara  vorgeschoben,  und  in  diesem  Bezirke 
gab  es  nur  eine  Filiale  des  Klosters,  wo  ebenfalls  die  Wanderer  gestärkt 
wurden,  Chatillon  im  Aostathale. 

Weit  interessanter  ist  der  Bezirk,  der  sich  nacli  Nordwesten  aus- 
dehnt. Auf  der  Pafshöhe  und  zu  beiden  Seiten  hatte  das  Kloster  schon 
1125  durch  eine  Schenkung  das  droit  d'^chute  erhalten,  d.  h.  das  Recht, 
alles,  was  Wanderer  auf  dem  Wege  oder  sonst  zurückliefsen ,  auch  das 
Gut  der  Verunglückten,  an  sich  zu  nehmen*.  Dieses  Gegenstück  des 
droit  d'aubaine  erschien  dem   Mittelalter   nicht   so    ungerecht  wie   uns. 


*  Duc.  a.  a.  0.  Die  beste  kurze  Geschichte  des  Klosters  nach  dem  neuesten 
Stande  der  Quellen  gicbt  bis  zum  Ende  des  dreizehnten  Jahrhunderts  Hoppeler 
S.  283—289. 

a  Stumpf  Nr.  4574.  Gremaud  29,  101.  111.  519  und  520.  Die  20  Mark  waren 
von  dem  Rcichshof  San  Miniato  zu  entrichten.  Zur  Datierung  namentlich  der  Ur- 
kunde von  1187  s.  Scheffer-Boichorst,  N.  Archiv  24,  141. 

'  Vgl.  die  Urkunden  bei  Gremaud. 

<  Archiv  f.  Schweiz.  Gesch.  6,  250.    Gremaud  31,  26. 

6  Gremaud  29,  512.  29,  78.  29,  114.  29,  404.  Auf  einer  kleinen  Strecke  ge- 
hörte die  casura  dem  Pfarrer  von  Liddes;  Hoppeler  S.  49. 

Schult«,  Oesch«  d.  mittelalterl.  Handels.    I.  6 


g2  Achtes  Kapitel. 

Verfolgen  wir  ausschliefslich  die  Hospitäler ,  welche  uns  den  Weg  der 
Wanderer  zeigen  ^  Im  Bistum  Lausanne  liegen  die  Hospitäler  von  Vevey 
und  Lausanne  (beide  schon  1177  vorhanden)  am  Genfersee,  in  dem 
nördlichen  Anschlüsse  die  von  Freiburg  und  Murten  ^.  In  dem  Bereiche 
des  Bistums  von  Genf,  mit  dein  der  Besitz  des  Hospizes  nach  Südwesten 
abschliefst,  findet  sich  kein  Spital.  Die  wirkliche  Jurapforte  zeigt  uns  aber 
das  noch  im  Sprengel  von  Lausanne  belegene  ^hospiiale  de  Latar  situim 
juxta  casirum  de  Joffni^,«  wir  erfahren  dadurch  den  Ursprung  der  Ort- 
schaften T>Häpitaux€  bei  Jougne*. 

Eine  volle  Kette  von  Spitälern  führt  von  Jougne  über  Dijon  und 
die  Berge  der  Cote  d'or  nach  Rheims.  Da  ist  zuerst  Salins  südlich  von 
Besan9on  (schon  1177),  es  folgen  Val  Souzon  zwischen  Dijon  und  Chätillon 
sur  Seine,  dicht  unterhalb  der  Wasserscheide  zum  Gebiet  der  hier  ent- 
springenden Seine  (1177  als  locus,  nicht  als  hospitale  bezeichnet),  das 
Haus  zu  Bar  an  der  Seine,  offenbar  eine  ähnliche  städtische  Ansiedelung 
wie  sie  die  Mönche  auch  in  Aosta,  VercelH  und  an  anderen  Orten  hatten, 
die  Domus  Dei  auf  dem  Marktplatze  von  Troyes  (beide  schon  1177  er- 
wähnt), das  Hospital  (auch  Domus  Dei  genannt)  zu  Sözanne  auf  dem 
Wege  zwischen  Troyes  und  Epernay  (1204  genannt)  und  endlich  bei 
Rheims  das  hospitale  Dei  Meritum ,  dessen  Prior  schon  1250  erwähnt 
wird*^.  Diese  Richtung  führt  uns  also  fast  direkt  auf  den  Kanal  und 
den  Übergang  nach  England  zu.  Hier  verdankte  das  Hospital  dem 
Könige  Heinrich  IL  (1154 — 1189)  reichen  Besitz  in  der  Nähe  von 
London®,  und  später  hat  noch  die  Witwe  Heinrichs  HL,  Eleonore  von 
Provence,  das  Priorat  des  Hospizes  in  London  bedacht'.  Heinrich  H. 
hat  niemals  die  Alpen  selbst  überschritten,  in  diesen  Gaben  sehen  wir 
somit  nicht  den  Ausdruck  des  Dankes  für  ihm  geleistete  Wohlthaten, 
sondern  für  solche,  die  seinen  Unterthanen  zu  teil  geworden  waren. 

Südlich  von  dieser  geraden  Strafse,  welche  von  den  Reisenden  jetzt 
offenbar  der  älteren  Strafse  über  Besan9on  -  Langres  vorgezogen  wurde, 
liegt   wiederum   eine  Kette   von   Spitälern,    welche  Dijon   mit  Paris   zu 


'  Folgende  Bestätigungen  enthalten  Aufzählungen  der  Güter:  Alexander  III. 
1177  Juni  18  bei  Gremaud  29,  102  ff.;  Innocenx  lU.  1204  Jan.  20  bei  Gr.  29,  152  f.; 
Gregor  IX.  1281  Mai  5.  29,  526  f.  und  nach  Diöcesen  eingeteilt:  Honorius  IV.  1286 
Juni  11  30,  347— :354, 

■  Erscheinen  erst  1281.  Für  das  Hospital  von  Vevey  vgl.  Miscellanea  di 
storia  italiana  22,  457 — 460. 

•  Erwähnt  erst  1281,  jedoch  1177  bereits  die  ecdesia  de  Juntii. 

•  S.  oben  S.  28. 

»  Gremaud  29,  423  f. 

•  Die  Schenkung  erfolgte  vor  1177. 
^  Gremaud  33,  448. 


Hospize.  83 

verbinden  scheint  ^  Es  folgen  in  dieser  Richtung  Epoisses  westlich  von 
S^mur,  dann  recht  nahe  Montreal,  wo  das  Mutterhospiz  gröfseren  Besitz 
hatte.  Diese  beiden  Hospize  gehören  wohl  der  Verbindung  von  Dijon 
und  Auxerre  an,  welche  nicht  einer  alten  Römerstrafse  folgt  und  auch 
heute  Montreal  nicht  mehr  berührt.  Das  nächste  Hospiz  zu  Appoigny 
zeigt,  dafs  die  Fortsetzung  des  Weges  auf  Sens  und  von  dort  nach 
Paris  geht*. 

Weiter  südlich  verzweigen  sich  auch  die  Besitzungen  nicht.  Wohl 
aber  nach  Norden,  der  uns  besonders  interessiert.  In  den  Hospitälern 
von  Freibui'g  und  Murten  haben  wir  die  Anfänge  des  nach  Norden  ab- 
biegenden Verkehrs.  Im  Bistum  Basel  gehörte  dem  Hospize  die  Pfarr- 
kirche zu  Pfirt,  im  Bistum  Metz  die  cella  de  ponte  sancti  Vincentii^, 
und  bis  nach  Trier  läfst  sich  Eigentum  nachweisen.  Hier  verkaufte 
das  Hospiz  1296  ein  Haus,  das  ihm  einst  sein  Sammler  für  das  Gebiet 
des  Königreich  Deutschland  magister  Amelius  geschenkt  hatte  ^.  Solche 
Sammler  des  Klosters  empfahl  Innocenz  IV.,  doch  dürfte  das  Institut 
sehr  viel  älter  sein^.  In  Strafsburg  begegnet  ein  solcher  1294,  und 
wenn  also  hier  das  Hospital  einen  Sammler  hatte,  so  dürfte  doch  auch 
damals  noch  der  Qrofse  St  Bernhard  Besucher  aus  dem  Elsafs  gesehen 
haben  *. 

Das  Kloster  hat  nur  eine  kurze  Zeit  des  Niederganges  gehabt^,  in 
den  ersten  Jahren  des  dreizehnten  Jahrhunderts  hatte  es  ein  Chorherr 
reformieren  wollen,  aber  er  wurde  in  der  Kirche,  wohin  er  sich  geflüchtet 
hatte,  von  anderen  verwundet,  dann  auf  der  Flucht  bis  Vercelli  verfolgt 
und  schliefslich  geblendet.  Die  Reformation  des  Klosters  an  Haupt  und 
Gliedern  gab  ihm  neue  Kraft,  und  in  der  Mitte  dieses  Jahrhunderts  stand 
das  Hospiz  wieder  in  voller  Blüte.  Die  Boten,  welche  Gaben  für  dasselbe 
zu  heischen  selbst  bis  in  das  Erzbistum  Sens  entsendet  wurden  ®,  fanden 
gewifs  reiche  Spende,  und  diese  Stätte  edelster  und  christlichster  Bethäti- 


^  Der  Weg  von  Dijon  nach  Paris  geht  nach  Matthaeus  Paris  über  Chan- 
ceaiix,  Chätillon  s.S.,  Bar,  Trojes,  Nogent,  Provins  und  Rozay.  Konrad  Miller, 
Die  ältesten  Weltkarten  3,  87. 

'  Vergy  (Vergiaco),  das  Gremaud  als  im  Dep.  Yonne  belegen  bezeichnet,  habe 
ich  nicht  feststellen  können. 

*  Beide  erst  1286  erwähnt.  Es  ist  wohl  damit  der  Ort  Pont  St.  Vincent  ge- 
meint, derselbe  liegt  an  der  Mosel,  aber  nicht  mehr  im  Bistum  Metz. 

*  »Quondam  questarum  domus  nostre  montis  Jovts  per  regnum  Alemanie  procurator 
mag,  Amelius.*    Görz,  Mittelrhein«  Regesten  4  Nr.  2554. 

»  Gremaud  29,  395  vom  9.  April  1247. 
«  Strafsb.  Urkb.  3,  100,  19. 

^  Ich  sehe  da  ab  von  den  langwierigen  Beunruhigungen,  die  1168  der  Bischof 
von  Sitten  erwähnt.    Hidber  Nr.  2449. 

»  Bernoulli,  Acta  pont.  Helv.  1,  93.    1225  Jan.  18. 

6* 


84  Achtes  Kapitel. 

gimg  der  Nächstenliebe  wurde  das  Vorbild  anderer  Gründungen.  Die 
christliche  Charitas  wird  immer  mit  Stolz  auf  diese  Stätte  blicken. 

Minder  glänzend  ist  die  Geschichte  des  Septimerhospizes.  Es  geht 
wohl  auf  eine  ältere  Gründung  zurück  ^  Als  ein  zweiter  Begründer,  wenn 
nicht  als  Stifter  mufs  der  Bischof  Wido  von  Chur  (1095—1122)  angesehen 
werden ;  schon  eine  fast  gleichzeitige  Quelle  bezeichnet  ihn  als  den  Erbauer 
des  Hospizes^.  Leider  fehlen  andere  ältere  Nachrichten,  es  geht  aber 
aus  der  Urkunde  König  Ottos  IV.  hervor,  dafs  die  Stiftung  eine  familia, 
unzweifelhaft  weltliche  Dienstmannen  hatte,  die  bei  der  Übergabe  der 
Stiftsvogtei  an  den  König  dem  Bistume  vorbehalten  blieben^. 

Das  Mittelalter  reihte  die  Gastfreundschaft  unter  die  Zwecke  der 
Klöster  und  Orden  ein,  und  so  ist  der  allgemeine  Reiseverkehr,  und  nicht 
allein  der  der  Pilger  durch  jene  aufs  höchste  gefördert  worden.  Beim 
Benediktinerorden  war  die  Beherbergung  der  Fremden  sorgfältig  geregelt, 
die  Klöster  lagen  aber  vielfach  abseits  der  Strafse.  Der  hl.  Bernhard  von 
Menthon  schmiegte  sich  den  Bedürfnissen  des  Verkehrs  an,  und  so  waren  die 
Chorherren  seines  Hospizes  bald  die  Pflegewirte  und  Rettungsmänner  auf 
allen  Wasserscheiden  dem  weiten  Wege  von  Italien  bis  Rheims  entlang; 
überall  hatten  sie  ihre  Stationen,  wo  die  Gefahr  der  Einsamkeit,  der  höheren 
Lage  irgend  eine  Hilfe  erforderlich  zu  machen  schien.  Der  Wanderer 
fand  die  wichtigsten  Etappen  durch  solche  Hospize  vorgezeichnet. 

Man  darf  nicht  vergessen,  dafs  auch  der  Johanniterorden  aus  einem 
Spitale  hervorgegangen  ist,  das  Kaufleute  für  die  Pilger  in  Jerusalem 
errichtet  hatten.  So  weit  die  Entwicklung  den  Johanniterorden  und  die 
Chorherm  vom  Grofsen  St.  Bernhard  auseinandergeführt  hat,  so  gehen 
sie  doch  auf  dieselbe  Wurzel  zurück,  auf  eine  tiefchristliche  Nächsten- 
liebe*. Dafs  die  Johanniter  auch  den  Pässen  ihr  Interesse  nicht  ver- 
sagten, zeigt  ihr  Haus  auf  der  Höhe  des  Simplen^.  Auch  bei  den 
Templern   herrschte   grofse  Gastfreundschaft,   die   oft   genug  mifsbraucht 

^  S.  oben  S.  61.  Muoth,  Annterbücher  98  läfst  es  von  dem  Frauenkloster 
Müstail  zu  Praden  abhängig  sein,  ohne  schwere  Gründe  vorzubringen. 

*  Das  älteste  Nekrolog  der  Churer  Domkirche.  »Wido  Ouriensis  eps  ob.,  qui 
curtam  de  Astere  cum  cöloniis  et  mancipiis  et  quicquid  ad  ipsam  curiam  pertinet  et 
mneam  de  Clavenna  cum  casa  et  süva  dtdit  et  unum  hospitale  in  honorem  s.  Petri  in 
S^timo  monte  construxit,  ex  quo  plenum  servicium  eisdem  fratribus  per  singulos  annos 
dare  instituit,  oh,  anno  1122.'    Zum  17.  Mai.    M.G.  Necr.  1,  630. 

'  1209  Jan.  13.  »Excepit  etiam  famüiam  hospitalis  monHs  Septimi  ab  eadem 
exactione*  Mohr  1,  214.  Böhmer-Ficker  255.  Bestätigung  von  Friedr.  IL  1213. 
Mohr  1,  252.  Böhmer-Ficker  697.  Berger  zieht  eine  Stelle  des  ältesten  Ein- 
künfterodels: »CvvrHs  Flemis  habet  ecclesiam  in  Sepie  cum  decima  de  ea  villa*  heran, 
es  handelt  sich  aber  um  die  Pfarrkirche  in  Seth  bei  Flims. 

*  Michael,  Gesch.  d.  deutschen  Volkes  1,  175—179.1 

*  S.  weiter  unten  S.  101. 


Politische  Geschichte.    Römerzüge.  85 

wurdet  Auch  sonst  finden  sich  noch  in  dieser  Periode  Hospitalklöster; 
zu  ihnen  sind  zu  rechnen  Peterlingen  (Payeme),  Ej*euzlingen  bei  Konstanz 
und  Bargen  Brücke*.  Vor  allem  aber  ist  das  Hospital  von  St.  Antoine 
im  Viennois  zu  nennen,  der  Ausgang  des  Antoniterordens.  Auf  italienischer 
Seite  gab  es  in  Vercelli  ein  fUr  Schotten  und  Iren  bestimmtes  Hospital, 
dessen  Gründung  man  ins  zwölfte  Jahrhundert  setzt  ^. 

Die  Darstellung  der  politischen  Änderungen  an  den  einzelnen  Alpen- 
wegen mufs  ich  mit  der  Geschichte  der  Romzüge  verbunden  vorauf- 
schicken, ehe  der  friedliche  Verkehr  besprochen  werden  kann. 

Die  Septimerstrafse  war,  wie  wir  wissen,  dem  Bischof  von  Chur 
anvertraut,  und  dann  war  über  den  Pafs  hinaus  auch  das  Bergell  dem 
Bistum  gewonnen,  ja  den  Bischöfen  von  Chur  waren  Rechte  noch  weiter 
nach  Italien  hinein  bis  nach  Chiavenna  gegeben.  Diese  Stellung  haben 
sie  jedoch  nicht  zu  behaupten  vermocht.  Andere  Gewalten  stritten  nun 
um  den  Besitz  der  Schlüsselstadt  und  der  sie  umgebenden  Grafschaft, 
erst  die  feinsinnige  Untersuchung  ScheflFer-Boichorsts  hat  es  uns  gezeigt, 
wie  aus  ihr  eine  schwäbische  Grafschaft  werden  konnte. 

Der  Gang  der  Dinge,  soweit  ihn  Scheffer-Boichorst  festgestellt  hat,  ist 
in  Kürze  folgender*.  Die  Konsuln  von  Chiavenna  baten  1152  König  Fried- 
rich I.,  er  möge  ihnen  die  Grafschaft  Chiavenna  bestätigen,  dagegen 
erhoben  auf  dieselbe  auch  der  Bischof  Ardicio  von  Como  und  ein  nicht 
sicher  zu  bestimmender  Heinrich  Hostia  gleichfalls  Anspruch.  Der 
Spruch  Albrechts,  Grafen  von  Kiburg  (Ulm,  1.  August  1152),  fiel  mit 
Zustimmung  der  Fürsten  dahin  aus,  dafs,  da  die  Chiavennaten  schon 
30  Jahre  im  Besitze  seien  und  auch  eine  Urkunde  König  Konrads  ihnen 
günstig  scheine,  seien  sie  zu  belehnen,  was  geschah^.  Aber  die  Ent- 
scheidung war  keine  definitive.  Der  Bischof  von  Como  legte  in  Konstanz 
(März  1153)  seine  Urkunden   vor,   die  von   Karl   dem  Grofsen   bis  auf 


1  Vgl.  z.  B.  die  Urkunde  Alexanders  III.  bei  Kehr,  Papsturkunden  in  Malta. 
Nachrichten  d.  königl.  Ges.  d.  Wiss.  in  Göttingen  1899  S.  400. 

2  Hidber  Nr.  1720.    Bestätigung  von  1139. 

'  Mandelli,  II  coroune  di  Vercelli  nel  medio  evo  2,  318  fF.; 

*  Seiner  vortrefflichen  Abhandlung  hat  Scheffer-Boichorst  den  sehr  berich- 
tigten Abdruck  des  ersten  Ulmer  Spruches  vom  1.  August  1152  und  der  Hagenauer 
Bestätigung  des  zweiten  Ulmer  Spruches  durch  Heinrich  VI.  vom  15.  Febr.  1192 
(Hagenau)  beigegeben. 

"  »Quia  ClavefincUes  consides  memoratum  comitatum  per  30  annos  sine  inter- 
niptione  posseäenint  et  sine  discordia  et  eiiam,  quia  Privilegium  domini  Conr<ndi  RomO' 
norum  regis  ipsis  ClaretifuUibus  in  hoc  parte  favere  conspicimus,  judicamus,  ut  Claven- 
nates  ipsum  comitatum  haheant  et  quod  a  manu  regia  investiantur  dbsque  omni  contra- 
dictione.* 


86  Achtes  Kapitel. 

Konrad  UI.  reichten.  Da  die  von  Chiavenna  ihre  Dokumente  nicht  bei 
sich  hatten,  wurden  beide  Parteien  neu  entboten  und  zwar  auf  fränki- 
schen Boden  nach  Bamberg.  Die  Vertreter  Chiavennas  wandten  ein^ 
die  Grafschaft  gehöre  zum  Herzogtum  Schwaben  und  nur  der  Herzog 
könne  Richter  über  sie  sein^.  Der  König  erklärte  zwar  sofort,  weder 
sein  Vater  Friedrich  noch  er  vor  der  Thronbesteigung  habe  die  Chia- 
vennaten  in  der  Eigenschaft  als  Herzog  von  Schwaben  belehnt,  vielmehr 
nach  seiner  Thronbesteigung  hätten  sie  von  ihm  als  König  ein  Privileg 
erhalten  *.  Der  Urteilsspruch  der  Fürsten  lautete,  dem  Bischof  von  Como 
stehe  die  Grafschaft  als  Reiclislehen  zu.  Aber  das  Urteil  wurde  von  den 
Chiavennaten  als  rechtlich  nicht  verbindlich  bestritten,  und  sie  fanden 
bei  schwäbischen  Grofsen  Unterstützung,  die  erklärten,  sie  würden  diese 
Schmälerung  der  Ehre  des  schwäbischen  Herzogtums  nicht  dulden,  und 
da  inzwischen  Mailand  seine  Hand  nach  Chiavenna  ausdehnte  ^,  war  dem 
Kaiser  dieser  Widerspruch  wohl  sympathisch,  und  es  wurde  nunmehr 
auf  schwäbischem  Boden  zu  Ulm  vor  schwäbischen  Grofsen  noch  einmal 
die  Frage  rechtlich  verhandelt*.  Auf  Antrag  des  Grafen  Gottfried  von 
Zollern  beschwuren  die  Grafen  Ulrich  von  PfuUendorf  und  Markward 
von  Veringen,  es  gehöre  von  Rechts  wegen  die  Grafschaft  Chiavenna  zum 
Herzogtum  Schwaben,  und  nun  gab  sie  der  Kaiser  unter  Vorbehalt  aller 
Rechte  des  Herzogs  von  Schwaben  den  anwesenden  Konsuln  von  Chia- 
venna. Der  Bischof  von  Como  war  damit  aus  dieser  inneren,  die  Alpen- 
pässe beherrschenden  Position  ausgeschlossen  und  das  Herzogtum  Schwaben 
hatte  ein  transalpinisches  Gebiet  gewonnen,  den  Schlüssel  zweier  Alpen- 
wege. 

Das  Verhältnis  blieb  nur  etwas  länger  wie  35  Jahre  bestehen.  Zwar 
bestätigte  Heinrich  VI.  am  15.  Februar  1192  noch  einmal  den  Spruch 
Friedrichs.  Nach  Hagenau  war  zu  dem  Zwecke  nicht  allein  ein  Konsul 
von  Chiavenna  mit  einem  Gesandten  geschickt,  es  waren  auch  Bündner 
Edle  und  Dienstmannen  bei  der  Bestätigung  anwesend,  die  am  Pafsver- 
kehr  interessiert  waren.  Da  war  der  Freiherr  Rudolf  von  Vaz ,  Ulrich 
von  Juvalt  und  Andreas  von  Marmels,  ein  Vertreter  jener  Familie,  die 
zu  oberst  in  Obcrhalbstein  am  Septimer  safs.    Seine  Anwesenheit  beweist 


*  »Comitatum  iUum  ad  cfuratum  Suevie  pertinere  dicebant,  propter  quod  etinm 
nuäitis  nisi  ducis  judicio  se  sistere  dehere  asserebant.* 

2  »Neque  de  manu  patris  nosiri  Friderici  ducis  Suevarutn  neque  de  manu  nostra, 
dum  adhuc  fjusdem  ducaius  dignitate  fungeremur,  aliquam  investituram  eon  seti  privi- 
legium  suscepisse  cognovimus,  sed  poiiuSy  postquam  regni  solium  divina  dispositione 
(tscendimuSy  Privilegium  de  ipso  comitatu  a  manu  nostra  de  respectu  regni  8U8cei}erufit.* 

8  Friedrich  befreite  die  Grafschaft  »tam  a  Mediolanensium  quam  aiiorum  Lom- 
hardorum  omnium  dominio,*' 

*  2.  Febr.  1157  oder  1158. 


Politische  Geschichte.    Römerzüge.  87 

uns,  dafs  es  den  Leuten  am  Passe  lieb  war,  wenn  der  schwäbische  Ein- 
flufs  möglichst  weit  nach  Italien  hineinreichte. 

Unmittelbar  darauf  veränderte  König  Heinrich  die  Lage,  er  nahm 
die  Grafschaft  —  so  darf  man  schliefsen  —  an  das  Reich  ^.  Wie  überall 
das  Reichsgut  in  den  Stürmen  des  dreizehnten  Jahrhunderts  geschmälert 
wurde,  so  wurde  auch  dieses  Stück  des  Reichsbesitzes  bald  gefährdet. 
Jetzt  trat  Como  mit  seinen  Ansprüchen  wieder  hervor,  und  schon  1196 
scheint  Heinrich  VI.  die  Rechte  des  Bistums,  wie  sie  in  jenem  Bam- 
berger Spruche  festgestellt  waren,  anerkannt  zu  haben  ^.  1203  wehrten 
sich  die  Chiavennaten  noch  gegen  den  Bischof  und  die  Stadt  Como,  sie 
ständen  unter  dem  Reiche,  aber  aller  Widerstand  war  vergebens*.  Schon 
1205  legte  der  Bischof  ihnen  eine  Steuer  auf,  nahm  den  eigentlichen 
Zoll  an  sich,  während  der  Brückenzoll  an  der  Maira  der  Stadt  überlassen 
blieb  ^.  Es  kam  noch  zu  einem  erbitterten  Kampfe  zwischen  Como  und 
Chur,  dessen  Endergebnis  der  Friede  von  1219  ist,  demzufolge  Chiavenna 
und  Plurs  bei  Como  verblieben  und  die  Südgrenze  des  Bergell  auch  die 
Grenze  des  Comasker  Gebietes  wurde  ^.  Chiavenna  war  nicht  mehr  mit 
dem  Herzogtume  oder  dem  Reiche  verbunden  und  ein  deutscher  Vor- 
posten südlich  der  Alpen,  sondern  umgekehrt  der  Wächter  eines  italieni- 
schen Bistums,  und,  da  dieses  sehr  bald  unter  die  Herrschaft  der  Vis- 
conti geriet,  der  der  gewaltigsten  italienischen  Signoria. 

Es  ist  eigentümlich,  zu  beobachten,  dafs  keiner  von  den  Saliern 
einen  der  Bündnerpässe  —  so  viel  sich  nachweisen  oder  auch  nur  ver- 
muten läfst  —  jemals  überstieg.  Auch  die  durch  den  Erwerb  von 
Burgund  wiedergewonnenen  Pässe  sahen  nur  zweimal  einen  deutschen 
König  aus  diesem  Stamme.  Im  Winter  1076/77  überschritt  Heinrich  IV. 
den  Moht  Cenis  auf  seinem  Wege  nach  Canossa,  alle  anderen  Strafsen 
waren  gesperrt.  Heinrich  V.  benutzte  1100  für  seine  Person  den  Grofsen 
St.  Bernhard*,  während  ein  Teil  des  Heeres  über  den  Brenner  rückte, 
der  mehr  und  mehr  die  normale  Stralse  für  die  Römerzüge  geworden 
war'.     Erst  der   Gegenkönig  Konrad,   der  ja  auch  kaum  die  westlichen 


^  Scheffer-Boichorst  hat  das  S.  115  in  hohem  Mafse  wahrscheinlich  gemacht, 
obwohl  ein  urkundliches  Zeugnis  fehlt 
2  Scheffer-Boichorst  S.  116. 

•  Scheffer-Boichorst  S.  116  mit  wichtigen  Ergänzungen  zum  Periodico 
6,  214. 

•  Darmstädter  S.  85.  Kaiser  Otto  IV.  bewilligte  1210  dem  Bischof  von  Como, 
dafs  gegen  seine  Kirche  nur  Verjährung  von  100  Jahren  gelten  solle,  was  offenbar 
sich  auf  den  Streit  um  Chiavenna  bezieht.    Böhmer-Ficker  361. 

»V.  Mohr  1,  257—265. 

•  Frutolf  (Ekkeh.)  M.G.  SS.  6,  243:  »aliis  secutn  per  monteni  Jocis,  cUiis  per 
vaUem  Tridentinam*. 

^  0hl mann  schreibt  ihm  von  1026  bis  1137  von  24  Überschreitungen  19  zu. 


88  Achtes  Kapitel. 

oder  östlichen  Pässe  offen  gefunden  hätte,  benutzte  1128  den  Septimer, 
um  nach  Italien  vorzubrechen  ^.  Dafs  er,  wie  Öhlmann  vermutet,  bei  der 
Heimkehr  denselben  Weg,  nachdem  er  in  Italien  fruchtlos  gekämpft,  ein- 
geschlagen habe,  läfst  sich  nicht  beweisen.  Immerhin  mufs  in  dieser  Zeit 
Konrad  den  Chiavennaten  jenes  Privileg  zugestanden  haben,  auf  das  sie 
ihre  Ansprüche  auf  die  Grafschaft  begründeten. 

Man  sollte  nun  glauben,  dafs  Friedrich  I.  auf  seinen  zahlreichen 
Zügen  über  die  Alpen  den  Septimer  und  Chiavenna  bevorzugt  habe. 
Das  ist  nicht  der  Fall,  auch  er  wählte  für  den  Anmarsch  mit  den  Truppen 
fast  stets  den  Brenner.  Man  hat  dafür  als  Grund  angegeben,  dafs  auf 
dieser  Route  besonders  gut  für  das  Futter  gesorgt  gewesen  sei.  Es 
kommt  doch  etwas  anderes  noch  hinzu.  Das  Heer  konnte  nicht  am 
Ufer  des  Comersees  entlang  ziehen,  sondern  mufste  mit  Schiffen  nach 
Como  oder  Lecco  verbracht  werden.  Sicherlich  keine  leichte  Aufgabe. 
Die  deutschen  Herren  hingen  dann  ganz  vom  guten  Willen  der  Schiffs- 
leute und  ihrer  Patrone  ab,  und  selbst  wenn  dieser  vorhanden  war, 
reichten  die  Fahrzeuge  schwerlich  zum  Transport  aus,  und  in  kleinen 
Trupps  erschien  das  Heer  im  Lande,  statt  in  seiner  ganzen  Stärke.  Fehlte 
aber  der  gute  Wille,  so  war  die  Lage  der  Deutschen  der  nicht  unähn- 
lich, in  die  Suwarow  nach  dem  Zug  über  den  St.  Gotthard  geriet,  als 
er  zu  spät  entdeckte,  dafs  es  am  Vierwaldstättersee  keinen  Uferweg  gab. 

Über  den  Septimer  rückte  Sommer  1158  ein  Teil  des  Heeres, 
während  der  Kaiser  über  den  Brenner  ging,  Herzog  Berthold  von  Zäh- 
ringen aber  mit  den  Burgundern  und  Oberlothringern  den  Grofsen  St 
Bernhard  überschritt^.  Für  den  Septimer  traten  diesesmal  die  Besorgnisse 
zurück,  da  die  Sympathien  des  von  den  Mailändern  zerstörten  Como 
und  seines  Gebietes  dem  Staufer  gehörten,  die  mittlere  Kolonne  wurde 
sofort  an  das  Hauptheer  in  das  Lager  am  Oglio  gezogen,  sie  wurde  also 
sicherlich  im  Arme  von  Lecco  ausgeschifft.  Den  gleichen  Weg  schlug 
Ostern  1167  der  junge  Weif  ein,  um  seine  Krieger  dem  Kaiser  vor  Rom 
zuzuführen,  wo  er  selbst  mit  so  vielen  Deutschen  erliegen  sollte®.  Aber 
auch  damals  bestanden  jene  Bedenken  nicht,  Welfs  Corps  war  ein  Nach- 
schub von  Truppen  für  die  Streitkräfte  der  Erzbischöfe  Reinald  und 
Christian.     Como  war  dem  Kaiser  gesichert,  Mailand  war  zerstört. 

Als  nach  dem  Scheitern  des  Friedens  von  Montebello  der  Kaiser 
durch  Erzbischof  Philipp  von  Köln  die  deutschen  Truppen  aufbieten 
Hefs,  und  nun  der  Kaiser  sie  möglichst  heimlich  in  die  Lombardei  bringen 
und  mit  seinen  italienischen  Bundesgenossen  zu  einem  schnellen  Schlage 


^  Otto  V.  Freising  M.G.  SS.  20,  257. 

»  Otto  Frising  M.G.  SS.  20,  430  f.:    »mnUa  pars  Francoi-um-, 

3  Hi st.  Weif.  M.G.  SS.  21,  471. 


Politische  Geschichte.    Römcrzüge.  89 

auf  Mailand  verwenden  wollte,  bestimmte  er  ihnen  nicht  den  Weg  über 
den  See  von  Como,  also  die  gewöhnliche  Strafse  über  den  Septimer  und 
Chiavenna,  sondern  liels  die  Scharen,  die  die  Erzbischöfe  Wichmann  von 
Magdeburg  und  Philipp  von  Köln  heranführten,  über  Disentis  und  den 
Lukmanier  nach  BeUinzona  rücken  ^.  Der  Kaiser  ging  mit  Wenigen  von 
Pavia  nach  Como  und  hatte  am  Morgen  der  Schlacht  von  Legnano  sein 
Lager  mit  den  vereinigten  deutschen  und  Comasker  Truppen  bei  Cairate 
an  der  Olona.  Zwei  Gründe  kamen  wohl  in  Betracht,  um  den  gewöhn- 
lichen Pafs  über  den  Septimer  nicht  zu  benutzen.  Eine  Überfahrt  über 
den  Comersee  dauerte  zu  lange  und  enthüllte,  da  die  SchiflFe  vorher  an 
dem  Oberende  des  Sees  zusamenzubringen  waren,  das  Geheimnis ;  geratener 
war  es,  jede  längere  Seefahrt  zu  vermeiden,  vielleicht  fühlte  sich  der 
Kaiser  auch  der  Comasken  nicht  sicher  genug. 

Das  Geheimnis  war  in  der  That  gut  gewahrt  worden,  aber  der 
Kaiser  hatte  nicht  den  Vorteil  ganz  ausgebeutet,  sondern  die  deutschen 
Truppen  einen  Umweg  machen  lassen.  Das  Nächste  wäre  es  gewesen, 
um  das  endliche  Ziel,  eine  Vereinigung  der  neuen  Streitkräfte  mit  den 
Comasken  und  Pavesen  zu  erstreben,  für  die  beiden  ersten  etwa  Cairate 
als  Sammelpunkt  anzugeben.  Dann  hätten  die  deutschen  Truppen  vom 
Monte  Cenere  aus  direkt  südlich  am  Ufer  des  Luganersees  entlang,  über 
Agno,  Ponte  Tresa  auf  Varese  und  Cairate  marschieren  können,  während 
die  Comasken  direkt  von  Ost  nach  West  hätten  ziehen  müssen.  Der 
Kaiser  aber  hatte  die  Deutschen  nach  Como  entboten^,  sie  mufsten  also 
über  den  Luganersee  setzen,  wodurch  unzweifelhaft  Zeit  verloren  ging, 
wenn  auch  nicht  entfernt  so  viel,  wie  dies  auf  dem  Comersee  der  Fall 
gewesen  wäre. 

Durch  diesen  Umweg,  der  durch  die  Rücksicht  auf  die  Stimmung 
der  Comasken  wohl  geboten  sein  mochte,  verlor  Friedrich  so  viel  Zeit, 
dafs  die  Mailänder  ihre  Bundesgenossen  aus  grofser  Entfernung  (Brescia) 
heranholen  und  dem  Kaiser  den  Weg  verlegen  konnten.  Friedrich  hätte, 
falls  ihm  Schiffe  zum  Übersetzen  über  den  Strom  zur  Verfügung  standen, 
von  Cairate  aus  den  Tessin  überschreiten  und  trotz  der  Feindschaft 
Novaras  hinter  diesem  Flufslaufe  auf  Pavia  ziehen  können.  Er  wagte  den 
Umgehungsmarsch  um  Mailand,  dessen  Lage  inmitten  des  Flufsvierecks 
Tessin,   Po   und  Adda   aufserordentlich  günstig   ist,   innerhalb  dieses 

*  Ann.  Mediol.  M.G.  SS.  18,  378.  »M  dicebatur,  quod  erant  duo  miliar  quos 
venire  fecerat  per  Desertinam  tarn  privaiissime,  quod  a  fiemtne  Lombardonim  potuü 
sciri,  imo  cum  dicebatur,  quod  esset  apud  Birizonam,  fabulosum  videbatur.*  Köhler, 
Die  Entwicklung  des  Kriegswesens  1,  75  läfst  irrig  die  Deutschen  über  die  Oberalp 
und  den  St.  Gotthard  gehen. 

"  Das  folgt  aus  der  Vita  Alex,  bei  Watterich  2,  430  und  d.  Chron.  regia 
Coloniensis  rec.  II  (Script,  rer.  Germ.  S.  128). 


00  Achtes  Kapitel. 

Abschnittes,  und  da  traf  ihn  der  auf  Busto  Arsizio  gerichtete  Vorstofs 
in  einem  Augenblicke,  wo  die  natürliche  Rlickzugslinie  noch  nach  NW. 
auf  die  Südspitze  des  Lago  Maggiore  und  nicht  etwa  nach  SW.  auf  die 
Nachbarschaft  einer  befreundeten  Stadt  ging.  Die  Mailänder  hatten  ihren 
Vorstofs  auf  diesen  Umgehungsmarsch  in  der  entscheidendsten  Richtung 
gemacht,  so  dafs  die  Schlacht  kaum  vermieden  werden  konnte  und  die 
Rückzugslinie  des  Kaisers  möglichst  ungünstig  war,  weder  auf  Pavia  noch 
auf  Como  ftlhrte'.  Die  Schlacht  von  Legnano  zeigt  uns  deutlich,  wie 
schwer  es  war,  die  auf  Mailand  mündenden  Pässe  zu  benutzen,  wenn 
diese  Herrin  feindlich  gesinnt  war,  und  macht  es  uns  klar,  dafs  dieses 
Debouchiren  aus  einem  mit  Seen  durchsetzten  Gebirge  später  von  den 
deutschen  Kaisem  nicht  wieder  versucht  wurde.  Der  Zeitverlust,  den 
der  Umweg  über  Como  hervorrief,  trägt  die  hauptsächlichste  Schuld  an 
der  Niederlage. 

Die  Strafse  über  den  Lukmanier  war  dem  Kaiser  nicht  unbekannt, 
hat  er  sie  doch  sehr  wahrscheinlich  1164  für  den  Heimweg  benutzt^. 
Jedenfalls  nahm  er  diesen  Weg,  als  er  das  letzte  Mal  Italiens  Boden  ver- 
liefs,  im  Jahre  1 186.  Durch  zwei  Urkunden  ist  der  Weg  geradezu  sicher 
gelegt:  am  22.  Juni  war  der  Kaiser  in  Varese,  am  27.  zu  Biasca  „im 
Gebiete  von  Como",  d.  h.  an  dem  Eingange  zum  Blegnothale  und  zum 
Lukmanier®.  Eine  neuerdings  gefundene  Urkunde  von  1221  erwähnt, 
dafs  der  Kaiser  sich  einst  auf  der  Burg  zu  Serravalle  im  Blegnothale 
aufgehalten  habe*. 

Der  Verkehr   über  diesen    von  Friedrich  oflFenbar  bevorzugten  Pafs 

1  Der  Rückzug  auf  Como  wäre  vielleicht  möglich  gewesen,  die  Mailänder  legten 
Hich  doch  etwan  vor  die  Marschlinie,  die  sie  in  der  Hauptsache  allerdings  von  der 
Si'ite  bedroh t(*n.  Durch  den  Verlauf  der  Schlacht  wurde  aber  gerade  der  Weg  nach 
(Jomo  v<jrlegt,  ho  dafs  die  Flüchtlinge  doch  noch  nach  Pavia  kamen. 

*  Am  4.  Oktober  war  er  auf  der  kaiserlichen  Burg  Belforte  bei  Varese 
(Stumpf  4031),  vom  9.  Oktober  ist  eine  aus  Disentis  datierte  Urkunde  erhalten, 
welche  aber  nicht  ganz  unangefochten  geblieben  ist  und  deren  Jahr  nicht  feststeht 
(Stumpf  4034).  Vgl.  Giesebrecht-Simson,  Geschichte  der  deutschen  Kaiser- 
zeit 6,  433.  Die  Verbindung  Varese-Disentis  ist  natürlich  die  über  den  Lukmanier. 
Gleichwohl  an  einen  von  Como  ausgehenden  Pafs  zu  denken,  giebt  die  Urkunde 
vom  4.  Oktober  Anlafs,  worin  der  Kaiser  der  Stadt  Como  und  ihrem  Bischöfe  bisher 
verweigertem  Befestigungen  übcrliefs  und  ihnen  Verzeihung  gewährte.  Auch  Lud- 
wig, Reisegeschwindigkeit  S.  33  sieht  die  Sache  als  unentschieden  an. 

8  Stumpf  Nr.  4460  u.  4461.  v.  Simson  läfst  Friedrich  (Giesebrecht  6,  144) 
über  den  St.  Gotthard  ziehen,  der  damals  noch  nicht  begangen  wurde.  Lu  dwig  S.  41 
nimmt  auch  den  Lukmanier  an. 

^  Original  im  Archiv  Mailand,  Metropolitana,  Capitolo  maggiore,  erwähnt  von 
Kahn,  Statistik  schweizerischer  Kunstdenkmale,  Kanton  Tessin  S.  219.  Die  Urkunde 
berichtet,  dafs  Barbarossa  auf  einem  Zuge  über  den  Lukmanier  sich  auf  d(;r  Burg 
Serravalle  (auch  Cosnigo)  bei  Semion e  im  Blegnothale  aufgehalten  habe. 


Politische  Geschichte.    Römerzüge.  91 

war  vom  Kloster  Disentis  abhängig,  leider  wissen  wir  von  der  Geschichte 
dieses  Hochalpenklosters  so  gut  wie  nichts  ^  Wir  können  nur  vermuten, 
dafs  dieses  Kloster,  dessen  Besitz  übrigens  weit  nach  Italien  hineingriff, 
gleich  den  andern  freiherrlichen  Klöstern  die  Blütezeit  längst  hinter  sich 
hatte  und  nur  von  wenigen  hochadligen  Mönchen  bewohnt  wurde.  Hätten 
wir  Quellen  zur  Geschichte  dieses  Klosters,  so  würde  das  tiefe  Dunkel,  das 
über  die  Geschichte  des  Lukmaniers  gelagert  ist,  sich  wohl  etwas  hellen  ^. 
Heinrich  VI.  hat  zweimal  den  Septimer  benutzt.  Bei  der  Rückkehr 
im  Winter  1191  sind  uns  Chiavenna  und  Hagenau  als  Aufenthaltsorte 
bekannt^,  an  den  Splügen  konnte  in  solcher  Jahreszeit  gar  nicht  gedacht 
werden.  Auf  seinem  zweiten  Zuge  1194  erhalten  wir  sogar  Angaben 
über  die  Zeit  des  Überganges,  der  Kaiser  brauchte,  um  von  Chur  nach 
Chiavenna  zu  gelangen,  nur  drei  Tage*.  Ob  er  den  Rückweg  über  den- 
selben Berg  nahm,  bleibt  zweifelhaft,  da  die  Aufenthaltsorte  Como  bez. 
Chiavenna  und  Frankfurt  zwei  Wege  zulassen,  immerhin  spricht  die 
Wahrscheinlichkeit  für  den  Septimer  ^.  Como  als  Ausgangspunkt  für  die 
Rückreise  Kaiser  Ottos  IV.  im  Februar  1212  genügt  nicht,  diese  Route 
sicherer  zu  bestimmen  ®.  Wenige  Monate  später  überstieg  der  junge 
Friedrich  II.  die  Alpen,  er  wollte  offenbar  am  liebsten  den  Septimer  oder 
einen  andern  Bündnerpafs  benutzen.  Da  ihm  aber  der  Zugang  an  der 
Südseite  versperrt  war,  ging  er  über  Trient,  um  von  dort,  da  die  Nord- 
ausgänge der  Brennerstrafse  ihm  gleichfalls  gesperrt  waren,  mit  Hilfe 
der  Bischöfe  von  Trient  und  Chur  den  Nordausgang  der  Bündnerpässe 
zu  erreichen,  die  ersten  deutschen  Städte,  die  der  italienisierte  Staufer 
sah,  waren  St.  Gallen  und  Konstanz^. 


»  Äbte  waren  damals  Hugo  (1160—80)  und  Walther  (1180—1203).  Hugo  be- 
zeichnet die  Überlieferung  mit  sehr  zweifelhaftem  Rechte  als  einen  Grafen  von 
Werdenberg. 

*  Da  das  Archiv  vernichtet  ist,  so  hat  v.  Mohr  für  seine  Regesten  der  Bene- 
diktiner-Abtei Disentis  im  Kanton  Graubünden,  Chur  1858,  nur  junge  Abschriften, 
mitunter  völlig  ungenügende  Auszüge  zur  Verfügung  gehabt.  Seit  1048  war  Disentis 
reichsunmittelbar. 

»  Stumpf  Nr.  4731  Dez.  11  Chiavenna.  4733  Dez.  29  Hagenau.  Dorthin  folgten 
ihm  einige  Vertreter  von  Chiavenna  und  Andreas  von  Marmels.  Dazwischen  liegt 
ein  Aufenthalt  zu  Kauf  heuern  (M.G.  SS.  21,  472)  Ludwig  S.  4S. 

*  Stumpf  Nr.  4862  Mai  22  Chur.  4863  Mai  26  Chiavenna.  Am  29.  feierte  er 
das  Pfingätfest  bereits  in  Mailand.  Der  Kaiser  hatte  ein  zahlreiches  Heer  bei  sich, 
aber  die  lombardische  Ebene  war  im  Augenblicke  völlig  ruhig. 

^  Stumpf  4951.  Chiavenna  4951  &  (ohne  Tagesdatum).  Es  wäre  auch  der  Splügen 
denkbar.    Ludwig  S.  45  nimmt  Septimer  an. 

*  Böhmer-Ficker  467»,  469».  Der  Septimer  ist  mir  auch  hier  weit  wahr- 
scheinlicher ab  irgend  ein  anderer  Pafs. 

^  Böhmer-Ficker  670^  und  e.  Es  ergiebt  sich  als  bequemste  Route  Vintsch« 
gau,  Ofenpafs,  Engadin  und  dann  wohl  Julier  oder  auch  sonst  einer  der  weiter  öst- 


92  Achtes  Kapitel. 

Friedrich  hat  vielleicht  nur  für  die  kurze  Anwesenheit  im  Reiche 
1242  einen  Bündnerpafs  benutzt,  sonst  haben  die  letzten  Staufer  sich 
stets  des  Brenners  oder  der  noch  östlicheren  Wege  bedient. 


Wenn  die  Heereszüge  über  den  Septimer  mithin  nicht  so  zahlreich 
sind,  wie  man  erwarten  sollte,  so  wurde  er  von  einzelnen  politischen 
Persönlichkeiten  um  so  öfter  benutzt,  wenn  wir  auch  nur  gelegentlich 
davon  etwas  erfahren.  So  hat  —  wenigstens  sehr  wahrscheinlich  —  die 
bekannte  Scene,  in  der  Heinrich  der  Löwe  dem  Kaiser  Friedrich  I.  seine 
Hilfe  verweigerte,  sich  in  Chiavenna,  wohin  sie  Otto  von  St.  Blasien 
verlegt,  abgespielt,  und  dorthin  war  der  Herzog  doch  wohl  über  den 
Septimer  gekommen  ^  Auch  Gislebert  von  Mons,  der  Kanzler  des  Grafen 
von  Hennegau,  ging,  wie  er  selbst  erzählt,  als  er  1191  den  Kaiser  wegen 
der  Lütticher  Bischofswahl  in  Italien  aufsuchen  wollte,  über  den  Septimer  ^, 
und  zwei  Jahre  später  wurde  der  Kardinallegat  Cinthius,  als  er  von 
Schaffhausen  kommend  über  den  Septimer  wollte,  am  Nordfufse  desselben 
von  dem  Ritter  Andreas  von  Marmels  festgehalten,  seiner  Briefschaften 
beraubt  und  gefangen  gesetzt,  erst  der  energischen  Fürsprache  eines 
benachbarten  Edeln  Namens  Rudolf  und  des  Bischofs  von  Chur  verdankte 
der  Gefangene  seine  Befreiung.  Der  Ritter  von  Marmels  hatte  sich 
übrigens  nur  nach  dem  Gebote  des  Kaisers  gerichtet,  der  jeglichen  Ver- 
kehr mit  der  Kurie  verboten  hatte®.  Wir  sehen  hier  einmal,  wem  die 
Sperrung  der  Pässe  anvertraut  zu  werden  pflegte. 


lieh  gelegenen  Pässe.  Ludwig  S.Öl  nimmt  folgende  Pässe  nacheinander  an:  Ofen- 
pafs  2155  m,  Fluelapafs  2388  m  und  Strelapafs  2377  m.  Mir  ist  eine  solche  Route 
unwahrscheinlich.     Enveisen  läfst  sich  natürlich  nichts. 

*  Zuletzt  behandelt  Giesc brecht- v.  Simsen  6,  525  f.  Auch  hier  mache  ich 
ein  Fragezeichen. 

3  M.G.  SS.  21,  573.  »Qui  j/er  TJieutonicam  terram  incedente.%  Alpes  in  ]oco,  qm 
MonS'Setes  duitur,  et  per  lacum  de  Cnma  iransiernnt.* 

'  Translatio  8.  Bernwardi.  Acta  sanct.  Okt.  Bd.  XI,  1028.  Der  Kardinal 
kam  von  Dänemark  und  von  Hildesheim  reiste  ihm  ein  Abt  nach,  der  ihn  in  Schaff- 
hausen (nicht  etwa,  wie  man  aus  der  Stelle  vermutet  hat,  in  Luxeuil)  traf.  Andreas 
von  Marmels  war  kurz  vorher  beim  Kaiser  in  Hagenau  gewesen  s.  oben  S.  91. 
Aus  dem  Berichte  ist  besonders  interessant  die  Drohung  des  »RoÜtuIfus  nomine  ex 
eadeni  provinvia:  quia  nisi  rebus  eorum  restitutis,  eos  in  pace,  quo  velJent  pateretur 
ahirey  ipse  .  .  .  diu  cum  ipso  habitum  foedus  reseif ideret  et  castrum  fumlitvs  erersnm 
solo  ad<iequaret*.  In  Kudolf  sah  v.  Mohr  einen  Castlemur,  wohl  mit  Recht.  Das 
foedus  hätte  sich  dann  offenbar  auf  den  Transport  über  die  Pafshöhe  bezogen.  Die 
Reise  des  Abtes  von  Floridus  Hortus  in  Holland  kann  nur  allgemein  für  einen 
Bündener  Pafs  herangezogen  werden.  Er  ging  von  Mailand  auf  Como  »et  sie  Alpibus 
transmissis  venit  Basileam  super  Hrenum  et  Argentinam,  Ibi  navi  conduda  Spirn  . . 
Wurmada  ..  Mayuncia^*  Cöln.    Die  Hinreise  geht  durch  die  Champagne :   Duisburg, 


Septimer  und  Bemhardin.  98 

Der  Septimer  war  nach  und  nach  so  bekannt  geworden,  wie  es 
früher  nur  der  Grofse  St.  Bernhard,  der  mons  Jovis,  gewesen  war.  Dafs 
an  ihm  Rhein  und  Inn  entspringe,  war  zwar  nicht  ganz  korrekt,  die 
Bemerkung  Ottos  v.  Freising  ^  zeugt  aber  von  Interesse  an  diesem  Ge- 
biete. Sein  Ruhm  war  schliefslich  so  verbreitet,  dafs  Gottfried  von  StraCs- 
burg  im  Tristan  den  Berg  anführt,  um  ihn  in  kolossaler  Übertreibung 
mit  einem  Herzen  zu  vergleichen,  das  von  Wonne  geschwellt  wird.  Es 
ist  in  jener  Betrachtung  über  die  Liebe,  die  der  Dichter  dem  nächtlichen 
Zusammensein  von  Tristan  und  Isolde  folgen  läfst: 

swenn'  ick  bedenke  aunder 

da^  wvmder  und  daz  wunder^ 

da^  man  an  liebe  ftmde, 

der  ei  gesvochen  künde; 

tca^  fröude  an  liebe  laege, 

der  ir  mit  triutcen  phlaege: 

80  wirt  min  herze  sd  ze  sttmt 

groe^er  danfie  Setmuni.    (12  213—20)". 

Der  Name  des  Septimers  erscheint  später  noch  zweimal  in  der 
Litteratur,  nämlich  einmal  in  dem  Heldenbuche  und  zwar  in  dem  Dich- 
tungskreise, der  die  Drachenkämpfe  der  Genossen  Dietrichs  behandelt. 
In  der  Virginal  giebt  Rentwin  auf  die  Frage  Hildebrands  nach  Name 
und  Heimat  die  Antwort: 

»mtns  vater  lant  get  sicherlich 
vom  Septmer  üf  die  Tüne, 
er  ist  geheimen  Hetfertch, 
ein  helt  geboren  van  Lüne.* 

Vom  Septimer  geht  das  Reich  Helferichs,  dessen  Sitz  der  Dichter 
zu  Arone,  also  offenbar  in  dem  am  Lago  Maggiore  sucht,  bis  auf  die 
*Time€,  Elard  H.  Meyer  hat  Trüne  emendiert  und  den  Namen  auf 
die  Traun  gedeutet.  Zupitza  hat  das  abgelehnt  und  sucht  Tune,  damit 
Arona  innerhalb  des  Reiches  liegt,  südwestlich  von  Arona;  sollte  an 
Domo  d'Ossola  zu  denken  sein^? 

An   die   Stelle   im  Tristan   klingen    in   etwa   die  Worte   des  Frank- 


Maastricht,  Soissons,   Chäteau-Thierry,  S^zanne,  M^rj  sur  Seine,  Trojes,  Bar  s.  S., 
Lyon,  yallis  Moriana,  Susa.    M.G.  SS.  22,  472. 

*  M.G.  SS.  20,  257.  »Fyrenoreum  per  jugum  Septimi  montis,  qua  Ehenus  et  Aenus 
fluvii  oriuntur.t  Der  Inn  entspringt  in  der  That  am  Piz  Lunghino,  der  östlichen 
Bergesiehne  am  Passe,  vom  Passe  selbst  kommt  ein  Bach,  den  man  als  den  Hinter- 
halbsteiner  Rhein  ansehen  konnte.    Der  Südabstieg  ging  an  der  Meira  abwärts. 

*  Auf  diese  Stelle  machte  mich  Freund  Kluge  in  Freiburg  i.  Br.  aufmerksam. 
Vgl.  Jaenicke  in  Zachers  Zeitschrift  2,  183.  Früher  dachte  man  an  Siebenbürgen, 
das  Siebengebirge  oder  verbesserte  gar:   sphSremunt:   Sphärenwelt. 

«  Str.  155  ed.  Zupitza  in  Deutsches  Heldenbuch.  Fünfter  Teil.  Berlin  1870. 
Vgl.  Einleitung  S.  XXVI.    Vgl.  Kaspar  v.  d.  Ron.    Ausgabe  v.  d.  Hagen  S.  149. 


94  Achtes  Kapitel. 

furter  Passionspieles   an.     In   ihm  spricht   der  Synagogus  zum  Salvator, 

der  vom  Genufs  seines  Leibes  geredet  hat: 

utid  iverestu  als  der  berg  Septimunt, 
mr  essen  dich  zu  kurUer  atunt. 

Auch  hier  vertritt  der  Septiraer  den  höchsten  bekannten  Berg^. 

Dafs  auch  der  Bemhardin  nicht  völlig  brach  lag,  beweisen  die  Zu- 
sammenhänge, welche  zwischen  dem  zum  Churer  Bistum  gehörigen 
Misox  und  dem  nördlichen  Graubtinden  bestanden.  Das  Geschlecht  der 
Herren  dieses  Thaies,  der  Freiherm  von  Sax,  ist  nach  Liebenaus  For- 
schungen doch  sehr  wahrscheinlich  verwandt  mit  dem  gleichnamigen 
Geschlecht  im  Rheinthal  und  möglicherweise  von  den  deutschen  Königen 
in  das  vom  Bistum  Como  noch  weit  später  als  Lehen  beanspruchte  Ge- 
biet versetzt^.  Sprechender  ist  noch,  dafs  bei  der  Gründung  der  Stifts- 
kirche von  St.  Johann  und  Victor  in  Misocco  (1219)  der  Stifter,  eben 
Heinrich  Freiherr  von  Sax,  auch  die  *ecclesia  sancti  Petri  de  Ueno  cum 
Omnibus  suis  possessionibus  et  dlpibus,  nwntibus  et  cum  omni  jure  et  actione 
ipsi  ecclesiae  pertinenti^  ^  schenkte ,  jenes  sagenberühmte  Kirchlein ,  das 
bis  fast  an  den  Rheinwaldgletscher  vorgeschoben  war,  die  erste  fromme 
Stätte,  die  der  junge  Rhein  fast  noch  in  der  Gletscherwelt  selbst  begrüfste. 

Für  die  Bedeutung  des  Lukmaniers  spricht  auch  die  Art,  wie 
St.  Gallen  den  Zins  von  der  Abtei  Massino  und  den  anderen  Besitzungen 
in  diesen  Gegenden  —  nicht  allein  Buglio  nördlich  des  Ortasees  gehörte 
dem  Kloster,  sondern  auch  Alpen  und  Leute  in  Val  Antrona  und  dem 
nördlichen  Parallelthal  Valle  di  Bognanco,  auch  einiges  im  Eschenthal 
selbst  —  empfing.  Er  wurde  an  den  Abt  von  Disentis  abgeliefert,  also 
über  den  Lukmanier  gebracht*. 

Über  die  Einrichtungen  auf  dem  Wege,  den  der  Verkehr  durch 
Graubünden  nahm,  sind  auch  in  dieser  Zeit  die  Nachrichten  recht  spär- 
lich. Sehr  willkommen  sind  einige  Angaben  über  Wirtshäuser.  Der 
dem  elften  Jahrhundert  angehörige  Rodel  über  die  Einkünfte  des  Bis- 
tums Chur  führt  folgende  an:  an  dem  Wege  vom  Bodensee  zum  Sep- 
timer: Schan,  Chur,  Lenz  (2)  und  Marmels.  Wenn  diese  Wirtshäuser 
den  damals  üblichen  Nachtquartieren  und  die  Zwischenräume  den  Tages- 
märschen entsprechen,  so  hätte  man  von  Rheineck  bis  über  den  Septimer 
damals  fünf  Tage  gebraucht,  was  eine  aufserordentliche  Leistung  wäre. 
Allein  diese  Vermutung  ist  doch  zu  unsicher.  Von  dem  Stalle  Bivio 
waren,   wenn   das  Heu   nicht  —  wohl   für  einen  Zug  des  Bischofs  oder 

^  F.  Vogt  io  Gennanisti sehe  Abhandlungen,  Heft  16.  Kunz  Kisteners  Jakobs- 
brüder von  Euling.    Nachtrag  S.  126  f. 

«  V.  Liebenau,  Bell,  storico  10,  54  ff.,  137  ff. 

'  V.  Liebenau,  Bell,  storico  d.  Svizz.  it.  12,  60  ff. 

♦Wartmann,  St.  üaller  Urkundenbuch  4,  123,  956,  1004,  1046  und  öfter. 


Septimer  und  Bemhardin.  95 

Königs  —  in  Anspruch  genommen  wurde,  fünfzig  Schilling  zu  entrichten  ^. 
Auch  das  Frauenkloster  Katzis  hatte  eine  Tabeme  in  Chur  und  eine 
solche  in  Tiefenkasten,  also  zwischen  Lenz  und  Manuels^.  Das  bischöf- 
liche Register  giebt  dann  noch  für  den  Julier  und  das  Engadin  in  Sils 
am  andern  Fufse  des  Juliers  einen  Stall  ^  und  je  eine  Tabeme  in  Zuz 
(Oberengadin)  und  Ardez  (Unterengadin)  an.  Dieses  Verzeichnis  läfst 
leider  das  Vorderrheingebiet,  wo  der  Einflufs  von  Disentis  herrschte, 
unbeachtet,  so  dafs  man  über  die  Ausstattung  der  Lukmanierstrafse  im 
Unklaren  bleibt. 

Auf  die  Fähren  bei  Schan  und  Mayenfeld,  wie  auf  die  Schiffe  auf 
dem  Walensee  ist  schon  früher  hingewiesen*.  Die  Zahl  der  Schiffe  war 
nach  dem  Einkünfterodel  schon  auf  zehn  gestiegen. 

Von  den  Burgen  am  Septimerwege  bestanden,  nach  den  Familien- 
namen (oder  den  direkten  Erwähnungen)  zu  urteilen,  bereits  Marmeb 
und  Splüdatsch,  die  von  bischöflichen  Dienstmannen  bewohnt  wurden. 
Nicht  unmittelbar  am  Wege,  sondern  jenseits  des  Oberhalbsteiner  Rheines 
standen  die  Burgen  von  Reams  (damals  Eigentum  der  Freiherrn  von 
Wangen)  und  das  bischöfliche  Salux^.  Auch  die  Burg  Manuels  war 
ursprünglich  das  Lehen  eines  freiherrlichen  Geschlechtes,  der  Ekieln  von 
Tarasp.  An  dem  Wege  war  inzwischen  auch  ein  Kloster  erstanden : 
Kurwaiden  (zwischen  Lenz  und  Chur),  das  aber  zu  dem  Verkehr  in 
keine  direkte  Verbindung  trat*. 

Über  die  Einrichtungen  im  Bergeil  bietet,    nachdem  eine  Reihe  von 


'  Jedes  Wirtshaus  hatte  1  ^  zu  entrichten.  »De  stabtUo  Bivio  erit  ad  censum, 
8i  ei  foenutn  non  tollitur,  sol,  L.*  Mohr  1,  298.  Aufserdem  ist  noch  angeführt  »de 
Porta  Bergalliae  Ixbra  h. 

'  1156.  V.  Mohr  1.  182.  Muoth  68  macht  überhaupt  Katzis  wie  das  Kloster 
Müstail  irrig  zu  ursprünglichen  Herbergsklöstem ,  dazu  waren  Frauenklöster  gar 
nicht  geeignet 

*  Trug  nur  80  oder  40  Schillinge. 

*  S.  oben  S.  64.  Auch  die  Schenkung  des  Grafen  Burkhard  von  Nellenburg 
an  das  Kloster  in  Schaffhausen  erwähnt  in  der  Pertinenzformel  Rechte  in  nawbus 
zu  Mayenfeld.  1105.  v.  Mohr  1,  149.  Die  Fähre  bei  Grabs,  welche  1178  dem 
Kloster  Schännis  bestätigt  wird  (Hidber  Nr.  2381),  dürfte  identisch  sein  mit  der 
von  Schan.    Grabs  und  Schan  liegen  sich  gegenüber. 

"  Dienstmannen  von  Splüdatsch  und  Salux  erwähnt  1160  in  der  Urkunde,  in 
der  der  Edle  Ulrich  von  Tarasp  eine  Reihe  von  Personen,  auch  in  Vicosoprano, 
Gasaccia,  Tinzen,  Marmels  und  Schweinigen  dem  Bistume  schenkte,  v.  Mohr  1,  188. 
In  dieser  Urkunde  wurde  zum  erstenmal  auch  das  castirum  von  Marmorera  und  sein 
Bewohner  Andreas  genannt,  auch  er  gehörte  zu  den  geschenkten  Dienstmannen, 
hatte  sein  Lehen  aber  schon  ab  ein  Kunkellehen  in  Besitz.  Über  Reams  vgl.  Mohr 
1,  266  N.  6.    Vgl.  jetzt  auch  Muoth  zu  den  einzelnen  Burgen. 

*  Höchstens  ist  anzuführen,  dafs  Herzog  Konrad  v.  Schwaben  seinen  Dienst- 
mannen und  Untergebenen  Schenkungen  an  das  Kloster  zu  machen  gestattete. 
V.  Mohr  1.  225. 


96  Neuntes  Kapitel. 

Urkunden,  welche  früher  als  das  Fundament  der  Geschichte  dieser  Land- 
Schaft  galten,  als  Fälschungen  erkannt  sind  ^,  eigentlich  nur  jener  Friedens- 
vertrag von  1219  zwischen  Como  und  Chur  einige  Auskunft.  Es  wurde 
da  den  Unterthanen  beider  Bistümer  der  freie  Verkehr  durch  das  andere 
gestattet,  jedoch  durfte  kein  Getreide  und  Hülsenfrüchte  nach  dem  Ge- 
birge zu  gebracht  werden,  sonst  sollte  die  Strafse  frei  und  offen  sein^. 
Eingeschlossen  in  den  Frieden  werden  Disentis,  der  Zutritt  soll  freistehen 
den  Freiherren  von  Wangen,  dem  Grafen  Hugo  von  Montfort,  dessen 
Besitzungen,  so  viel  wir  wissen,  erst  jenseits  Chur  begannen,  und  den 
Freiherren  von  Sax,  den  Vögten  des  Klosters  Disentis,  und  beschworen 
wurde  der  Friede  u.  a.  auf  Churer  Seite  von  Gliedern  der  Dienst- 
mannenfamilien  Marmels,  Tinzen  und  Castelmur^. 

Neuntes  Kapitel. 

Walliser  Pässe.    Nördliche  Zugänge.    Ergebnisse.    Politische  Lage  am 

Sttdfnfse  der  Alpen. 

Walliser  Pässe.  Grofser  St,  Bernhard,  Beinen  der  Kaiser,  Päpste^  Vornehmer, 
Isländisches  Ititierar.  Der  lliannweg  nicht  der  Lukmanier,  Erstes  Hervortreten  des 
Grimselpasses,  des  Antronapasses  und  des  Simplons. 

Nördliche  Zugänge.    Die  Wege  des  hl,  Bernhard. 

Ergebnisse.    Die  inneren  Pässe  der  beiden  Systeme  Jcmnmen  mehr  in  Aufnahme. 

Politische  Lage  am  Südfufse  der  Alpen.  Bingen  von  Mailand^  der  Frei- 
herm  v.  Sax  und  Como.  Heinrichs  VL  Vertrojuen  auf  Como,  Die  Mailänder  an  den 
ZollsteUen.    Grafen  von  Biandrate  u.  a. 

Von  den  Walliserpässen  ist  der  Grofse  St.  Bernhard,  nachdem  er 
einmal  dem  Reiche  entfremdet  gewesen  war,  bei  den  deutschen  Herrschern 
nicht  wieder  so  beliebt  geworden,  wie  er  es  in  karolingischer  Zeit  gewesen 
war  —  und  von  den  andern  Pässen  ist  in  dieser  Periode  kaum  zu  reden. 
Oehlmann  nimmt  für  den  Grofsen  St.  Bernhard  folgende  Züge  deutscher 
Könige  in  Anspruch:  Heinrich  V.  1110  und  1118,  Friedrich  I.  1162  und 
Heinrich  VL  1196.  Heinrich  V.  ist  in  der  That  1110  mit  dem  gröfsten 
Teile  seines  Heeres  diesen  Weg  gezogen*,  im  Jahre  1118  aber  hat  er 
nach  seiner  Heimkehr  zuerst  Augsburg  aufgesucht^.  Die  Stelle  ^Heinricus 
ab  Itdlia  in  Loihartngiatn  repatriaU  ist  dementsprechend  zu  interpretieren  ®. 
Mit  Oehlmann   kann   ich   bei  der  schleunigen  Reise  übereinstimmen,  die 


*  Die  Urkunde  Friedrichs  1.  für  die  Bergeller  vom  12.  Mai  1179  (v.  Mohr  1, 
209,  Stumpf  4279)  hat  noch  Öhhnann  2,  184  benutzt.  Wer  hat  diese  Bergeller 
Fälschungen  fabriziert? 

9  Mohr  1,  261. 
8  Mohr  1,  263  f. 

*  Ekkehard,  M.G.  SS.  6,  243. 

'''  Udascalcus,  Carmen  de  itinere  et  obitu  Eginonis.     M.G.  SS.  12,  443. 

*  Anselm  cont  Sigebert.     M.G.  SS.  6,  377. 


Walliser  Pfisse.  97 

Friedrich  im  August  1162  antrat,  um  sich  nach  Döle  zu  begeben,  wo 
die  wichtige  Zusammenkunft  mit  König  Ludwig  von  Frankreich,  die 
den  Widerstand  Alexanders  IIL  zu  brechen  bestimmt  war,  stattfinden 
sollte.  Man  wird  dafür  die  Route  über  den  Qrofsen  St  Bernhard  an- 
setzen dürfen.  Zwar  geben  die  Quellen  nur  Turin  und  Döle  bez. 
St.  Jean  de  Losne  an,  aber  wir  werden-  gerade  diesen  Ort  als  den 
Grenzpunkt  der  grofsen  vom  St.  Bernhard  nach  den  Champagnermessen 
führenden  Strafse  bei  ihrem  Eintritte  in  das  französische  Königreich 
kennen  lernend  Ganz  ähnlich  liegen  die  Quellen  bei  Heinrichs  VI. 
letztem  Zuge  nach  Italien.  Er  ging  von  Hagenau  nach  Vesoul,  der 
nächste  Aufenthalt,  den  wir  kennen,  ist  Turin.  In  Besan9on  hatte  der 
Kaiser  die  direkte  Strafse  über  Pontarlier-Jougne  zum  Grofsen  St.  Bern- 
hard, einen  Umweg  zu  machen,  lag  —  so  viel  wir  wissen  —  kein  AnlaCs 
vor.     Jeder  Zweifel  ist  also  nur  bei  dem  Zuge  von  1100  ausgeschlossen. 

Einzelne  Teile  des  deutschen  bez.  des  italienischen  Aufgebots  haben 
den  Pafs  gleichfalls  benutzt.  So  zogen  1034  die  Italiener  unter  dem 
Erzbischofe  Aribert  von  Mailand  dem  Könige  Konrad  II.  zu  Hilfe,  um 
das  Königreich  Burgund  zu  gewinnen^;  1155  wurde  nach  Auflösung 
des  Reichsheeres  von  einem  Teil  der  heimkehrenden  Krieger  der  Grofse 
St.  Bernhard  benutzt*.  Im  Jahre  1158  ging  ein  Teil  des  zur  Bekämpfung 
von  Mailand  aufgebotenen  gewaltigen  Heeres  unter  Führung  des  Herzogs 
Berthöld  von  Zähringen  denselben  Weg*. 

In  der  Papstgeschichte  erseheint  der  Pafs  recht  häufig.  Leo  IX., 
von  Geburt  ein  Elsässer,  hat,  wie  er  schon  1026  als  ernannter  Bischof 
von  Toul  diese  Strafse  gewandelt  war,  sie  1049  zweimal,  1050  einmal 
eingeschlagen.  1063  ist  Kadalus  von  Parma  (Gegenpapst  Honorius'  H.) 
in  höchster  Eile  über  den  Berg  gezogen*.  1106  ging  möglicherweise  Papst 
Paschalis  IL  in  denselben  Fufsstapfen  ^. 

Von  den  Reisen  der  Bischöfe,  Abte  imd  Grofsen  weltlichen  Standes, 
der  Gesandten  und  Legaten  haben  wir  sehr  viel  seltener  Nachrichten, 
als  von  den  beiden  Spitzen  der  Christenheit.  Der  Erzbischof  Anno  von 
Köln  hat  nach  seinem  Biographen  1070  den  Rückweg  von  Rom  über 
St.  Maurice  gemacht,  von  wo  er  jubelnd  wenig  ehrenvoll  gewonnene 
Reliquien  seinem  Kloster  Siegburg  mitbrachte ''.    Sein  Nachfolger  Reiüald 

^  Ludwig  hält  auch  den  Mont  Cenis  far  möglich. 
'  Arnulfi,  Gesta  archiep.  Med.    M.G.  SS.  8,  14. 

•  Otto  Frising,  M.G.  SS.  20,  409;  »alii  ad  occidentcUis  partes  Longobardiae, 
nonnuUi  per  montem  Jovis,  alii  per  vollem  Moriannae  transituri  carpehant  iier*. 

•  Ott  Friß.,  M.G.  SS.  20,  480. 
»  Öhlraann  1,  251  f. 

•  Doch  ist  das  keineswegs  sicher,  es  heifst  »per  Burgundiam*, 

"^  Vita  Annonis,  M.G.  SS.  11,  480.  Die  von  Ohlmann  herangezogene 
Gefangennahme  des  Bischofs  Oger  ,von  Ivrea  spielte  sich  offenbar  nicht  am  Fort 

Sohnlto,  Oeaoh.  d.  xnitteUlierl.  Handelt.    I.  7 


98  Neuntes  Kapitel. 

von  Dassel  hat  Ende  1166  mit  einem  stattlichen  Aufgebot  Kölner  Ritter, 
die  er  der  schweren  Katastrophe  von  1167  entgegenführte,  Italien  zum 
letztenmale  vom  Grofscn  St.  Bernhard  aus  betreten^.  Seine  Fahrt  mit 
den  Reliquien  der  hl.  drei  Könige  war  dadurch,  dafs  er  seinen  Gegnern 
ausweichen  mufste,  bestimmt.  Er  ging  damals  über  den  Mont-Cenis, 
Salins,  Besan9on,  Breisach  Rhein  abwärts^. 

Die  beste,  eindringlichste  Schilderung  einer  Alpenfahrt,  die  noch 
dazu  durch  einen  Lauinensturz  unterbrochen  wurde,  bieten  die  Kloster- 
geschichten von  St.  Trond  bei  Lüttich.  Der  Abt  Rudolf  und  der 
Lütticher  Archidiakon  Alexander  hatten  schon  1 127  diesen  Weg  gemacht, 
dieser  war  dann  von  Basel  durch  Burgund  nach  Hause  geritten,  jener 
hatte,  da  er  das  Reiten  nicht  ertragen  konnte,  die  Fahrt  auf  dem  Rheine 
vorgezogen^.  Im  nächsten  Jahre  wollten  sie  in  den  ersten  Tagen  des 
Januar  über  den  Berg,  wurden  durch  Lauinen  im  obersten  Dorfe 
St.  Remy  mehrere  Tage  festgehalten,  bis  die  Führer,  durch  hohen  Lohn 
gewonnen,  sich  bereit  erklärten,  ihnen  Weg  zu  bahnen.  Eine  Lauine 
verschüttete  zehn  von  ihnen,  erschreckt  liefen  die  Fremden  bergabwärts 
bis  Etroubles,  und  erst  nach  einigen  Tagen  wagten  sie  den  Aufstieg, 
eilten  auf  die  Pafshöhe,  wo  sie  übernachteten,  und  gelangten  dann  weiter. 
Aus  dieser  aufserord entlich  fein  ausgeführten  Schilderung  geht  hervor, 
dafs  selbst  im  Winter  eine  grofse  Masse  Menschen  den  Pafs  beging.  Am 
Morgen  des  ersten  Aufstiegs  drängt  alles  zu  beichten,  und  dazu  genügte 
ein  Priester  nicht*.  1207  kehrte  Wilhelm,  Mönch  des  Klosters  Andres 
im  französischen  Flandern,  der  flir  die  Unabhängigkeit  des  Klosters  von 
seinem  Mutterkloster  an  der  Kurie  stritt,  von  ihr  über  den  mons  Jovis 
in  seine  Heimat  zurück*^.  Die  Kaufleute  werden  wenigstens  in  den 
Statuten  von  Aosta  erwähnt,  sie  kamen  vom  mons  Jovis  durch  das 
Stephansthor  •. 


Bard  ab,  sondern  bei  einer  Veste  am  Nordausgang  des  Brenners.  Bernoldf  M.G. 
SS.  5,  456. 

1  Ficker,  Reinald  105. 

^  Ficker  67  u.  130.  Die  Sage,  dafs  er  damals  über  den  St.  Gotthard  gegangen 
sei,  ist  viel  jünger. 

■  »Per  exittcUia  montis  Jovis  pericula  recepit  eos  tandem  civitas  Basilea,  Alexander 
inde  remeavit  eqties  per  Bu/rgundiam^  dbhas  Rodtdfus  naufragoso  BetU  navigio  xisque 
prope  Coloniam,  quoniam  propter  supradictam  passionem  ferre  non  poterat  jugem 
equüationem.* 

*  M.G.  SS.  10,  306  ff.  Die  Stelle,  wo  die  so  verhängnisvolle  Gefangennahme 
des  Erzbischofs  Eskil  von  Lund  auf  seiner  Eomreise  stattfand,  läfst  sich  nicht  sicher 
bestimmen.  Papst  Hadrian  schrieb,  es  sei  geschehen  »in  tetäonicis  partibua*,  Otto 
von  St.  Blasien  giebt  an  »per  Burgtmdiam  repatriando*  SS.  20,  420  u.  307. 

«  Willelmi  Chronicon  Andrense  M.G.  SS.  20,  740. 

«  Mon.  bist.  patr.  Leges  municip.  1,  35  1188  bestätigt  1252. 


Walliser  Pässe.  99 

Einen  Reiseführer  für  die  Alpen  bietet  aus  dieser  Zeit  weder  Eng- 
land, noch  Frankreich,  noch  Deutschland,  wohl  aber  Island.  Er  wurde 
aus  dem  Munde  von  Nikolaus  Saemundarson  aufgezeichnet,  der  als  Abt 
des  Benediktinerklosters  Thingeyrar  im  nördlichen  Island  1151 — 54  eine 
Pilgerfahrt  ins  heilige  Land  machte.  Dieses  hochwertvoUe  Itinerarium^ 
giebt  verschiedene  Zufahrtslinien,  die  sich  in  Mainz  vereinigen.  Bei 
der  einen  ist  Aalborg  der  Ausgangspunkt  auf  dem  Festlande,  der  Weg 
führt  nach  Stade,  wo  er  sich,  zweigt;  ein  Teil  führt  über  Minden 
und  Paderborn,  der  andere  über  Hildesheim  und  Fritzlar  nach  Mainz. 
Hierher  kamen  auch  die,  welche  zu  Schiffe  über  das  Meer  nach  Utrecht 
und  Deventer  gekommen  waren,  in  drei  Tagen  kamen  diese  Wanderer 
von  Köln  nach  Mainz.  Ich  lasse  nun  den  Bericht  in  deutscher  Über- 
setzung folgen:  „Von  dort  eine  Tagereise  nach  Speier,  wo  an  der  Lieb- 
frauenkirche ein  Bischofsitz.  Von  dort  bis  Selz  (Selsborg)  drei  Tage, 
dann  eine  Tagereise  bis  Strafsburg  (Stransborg),  wo  an  der  Liebfrauen- 
kirche ein  Bischofsitz.  Drei  Tage  bis  Basel  (Boslaraborg).  Dort  wird 
der  Rhein  verlassen^  und  ist  eine  Tagereise  bis  Solothurn.  Eine  Tage- 
reise bis  Avenches  (Wilfisburg,  Vivilsborg),  einst  eine  grofse  Stadt,  seit 
der  Zerstörung  durch  die  Lodbrokarsöhne  aber  klein.  Eine  Tagereise 
bis  Vevey  (Firvizuborg)  am  Martinssee.  Dort  vereinigen  sich  die  Wege 
für  die  Rompilger  verschiedener  Stationen,  welche  über  die  Alpen  wollen : 
Franzosen,  Vlaemen,  Walchen,  Engländer,  Sachsen  und  Skandinavier 
(Frackar,  Flemingiar,  Valir,  Englar,  Saxar,  Nordmenn).  Von  dort  eine 
Tagereise  nach  der  Stadt  des  hl.  Mauritius,  der  dort  mit  seinem  Heere 
6666  Mann  begraben  ist.  Dort  ist  Bourg  St  Pierre  (Petrs  kastali).  Von 
St.  Mauriz  führt  ein  Weg  von  zwei  Tagereisen  bis  zum  Spital  auf  dem 
Berge.  Von  St.  Olafsfest  im  Sommer  sieht  man  oft  die  Felsen  von 
Schnee  und  Eis  überzogen.  Auf  der  Südseite  der  Alpen  ist  Etroubles 
(Thraelathorp).  Dann  folgt  Aosta  (Augusta),  eine  gute  Stadt,  wo  der 
Bischofsitz  an  der  Kirche  des  dort  bestatteten  hl.  Ursus.  Dann  Martins- 
kammer (Marteins  Kamrar).  Es  folgt  Ivrea  (Jöforey),  zwei  Tagereisen 
von  Aosta."  Drei  Tage  nach  Vercelli,  von  dort  eine  Tagereise  nach 
Mailand  (Melansborgar),   wer  aber  nach  Rom  will,   geht  in  einem  Tage- 


^  Hera.  v.  Ericus  Cb.  Wer  lauf,  Symbolae  ad  geographiam  medii  aevi  ex 
monumentis  Islandicis.  Hauniae  1821.  Zur  Sache  vgl.  Ludwig  S.  120  ff.,  Riant, 
Les  scandinaves  en  terre  sainte  undjnamentlich  Öhlmann  1,  257— 267,  der  auch  in 
eingehendster  Weise  die  Nachrichten  über  andere  Romfahrten  der  Isländer  zusammen- 
gestellt hat.  Ich  will  die  Ergebnisse  nicht  wiederholen,  wie  ich  ja  überhaupt  nicht 
die  Pilgerfahrten  behandeln  kann.  Ein  Teil  der  Wanderer  ging  auch  durch  Frank- 
reich, sp&ter  andere  durch  Ostdeutschland  und  über  den  Brenner. 

^  Der  offenbar  nicht  zur  Bergfahrt  diente,  sonst  w&ren  die  Ansätze  z.  B.  Mainz- 
Speyer  mit  80  km  viel  zu  hoch. 

7* 


^   V 


100  Nenntes  Kapitel 

marsch  nach  Pavia,  wo  ein  kaiserlicher  Thron  ist  in  San  Siro.  Von 
dort  eine  Tagereise  nach  Piacenza,  dazwischen  über  den  Po.  „Da 
kommen  die  hinzu,  welche  den  Iliansweg  gemacht  haben. **  Zwischen 
Piacenza  und  Borgo  San  Donnino  am  Taro  lag  das  Hospiz,  das  König 
Erich  der  Gute  für  die  Nordländer  errichtet  hatte  ^  Während  sonst  der 
Weg  durchaus  klar  ist,  erhebt  sich  hier  eine  grofse  Schwierigkeit.  Was 
ist  mit  dem  Ilianswege  gemeint?  Er  erscheint  noch  einmal  und  da  heilst 
es,  dafs  man  in  sechs  Wochen  langsamer  Reise  von  Rom  die  Alpen 
erreiche  und  von  dort  in  dreien  nach  Schleswig  gelange.  „Der  östliche 
Biansweg  (hit  ejstra  Diansveg)  erfordert  neun  Wochen/ 

Schon  Werlauf  hat  an  Ilanz  in  Graubünden  gedacht^,  sich  jedoch 
für  eine  andere  Route  entschieden,  da  er  nicht  denken  konnte,  was  die 
Isländer  in  Ilanz  hätten  suchen  sollen.  Er  veränderte  eystra  in  vestra, 
östlich  in  westlich,  und  nahm  dann  St.  Gilles  an  der  Rhönemündung  als 
den  Ort  an,  den  aus  frommer  Gesinnung  die  Isländer  aufgesucht  hätten. 
Gegen  eine  solche  Deutung  hob  öhlmann  alle  Bedenken  hervor  und 
sprach  sehr  warm  flir  Ilanz  und  führte  aus,  die  Ehrfurcht  vor  dem  alten 
Kloster  Disentis  habe  die  Isländer  ins  Vorderrheinthal  gezogen.  Der  Ilanz- 
weg  war  für  ihn  ein  kräftiger  Beweis  für  die  Benutzung  des  Lukmaniers  ^. 

Eis  ist  wohl  richtig,  dafs  der  Weg  vom  Lukmanier  über  Como  und 
Mailand  in  Piacenza  einmünden  mufste,  aber  das  ist  auch  bei  dem  von 
St.  Gilles  der  Fall,  wenn  man  über  die  ligurischen  Berge  ging,  und 
wenn  die  Isländer  —  wie  später  —  den  Brenner  benutzten,  so  hätte 
gleichfalls  Piacenza  die  Einmündungsstelle  für  sie  sein  können.  Für  die 
Route  von  Avignon  über  den  Mont  Gen^vre  haben  wir  aus  dem  vier- 
zehnten Jahrhundert  ein  Wegverzeichnis  mit  Angabe  aller  Mittagsstationen 
und  Nachtquartiere*.  Und  dieser  Weg  aus  dem  Gebiet  der  Rhone- 
mündung über  Moncalieri,  Asti,  Stradella  ist  der  Ilansweg.  Ich  kann 
auch  nicht  finden,  dafs  der  Name  Ilansweg  für  den  Lukmanier  irgendwie 
berechtigt  wäre,  so  wenig  man  die  Strafse  des  Grofsen  St.  Bernhard  je 
nach  Martigny  benannt  hat,  so  wenig  darf  man  das  von  der  obersten 
Stadt  am  VordeiThein  erwarten*^.  Schon  Riant  hat  ein  unzweifelhaftes 
Zeugnis  für  die  hohe  Verehrung,  welche  die  Nordländer  nach  St.  Gilles 
zog,  beigebracht®,  so  dafs  kein  Zweifel  bleibt,  dafs  unter  dem  Ilianswege 


1  S.  Riant  59. 

«  S.  53  N.  178. 

"  Ihm  folgte  Heyd,  Alpenstrafsen  S.  463. 

^  Forestie,  Lfes  livres  de  comptes  des  fröres  Bonis  I,  XX. 

^  In  dem  Itinerar  heifst  es  bei  Luna  „In  Luna  kommen  die  Wege  aus  Spanien 
und  von  San  Jage  heran''.  Auch  da  handelt  es  sich  um  einen  Wallfahrtsort,  das 
aber  war  Ilanz  nicht  und  ebensowenig  Disentis. 

•  Riant  S.  85. 


k 


Walliser  Pässe.  101 

der  über  St.  Gilles,  wo  die  Nordmänner  den  St.  Ägidiustag  (1.  September) 
feierten,  zu  verstehen  ist. 

Wie  in  GraubUnden  der  Lukmanier  mehr  hervortritt,  als  vorher, 
80  überrascht  uns  nun  auch  in  dem  Systeme  der  Walliserpässe  die  Be- 
nutzung der  Pässe  von  Oberwallis,  fUr  die  bis  dahin  kein  Beweis  eines 
Verkehrs  sich  ergab.  Das  Hochthal  von  Oberwallis  hatte  zunächst  nach 
Norden  'lebhaftere  Verbindung  gewonnen,  über  die  Pässe  des  Bemer- 
oberlandes  war  der  Verkehr  sehr  viel  lebhafter  geworden,  als  früher,  die 
deutsche  Bevölkerung  von  Oberwallis  soll  nach  der  Meinung  sehr  ernster 
Forscher  geradezu  auf  Einwanderung  über  die  Grimsel  zurückzuführen 
sein,  ja  wir  hören  geradezu  von  einem  Kriegszuge,  den  ein  Zähringer 
über  die  Grimsel  machte,  wenn  die  Einzelheiten  dieses  Ereignisses  durch 
Sage  und  Mifsverständnisse  auch  so  überrankt  sind,  dafs  kaum  ein  sicheres 
Bild  zu  gewinnen  ist^. 

Auch  der  Süden  war  nicht  mehr  so  abgeschlossen,  wie  einst.  Im 
Gegenteil  zeigt  uns  das  älteste  Stadtrecht  von  Sitten',  dafs  auch  die 
Bischofsstadt  von  Wallis  nunmehr  von  Handelskarawanen  durchzogen 
wurde.  Das  Geleit  gehörte  von  der  Grenze  des  Unterwallis  gegen  Chablais 
aufwärts  durch  das  ganze  Bistum  dem  Bischöfe.  Der  Zusatz:  »ex  alia 
parte  intrantibus  qtmm  d'Androna€  giebt  für  die  Geleitsbestimmungen 
keinen  Sinn,  aber  er  ist  darum  nicht  minder  wertvoll,  da  er  eine  Be- 
nutzung des  Antronapasses  beweist,  der  hier  zum  erstenmale  erscheint  °. 
Dem  Stadtrechte  ist  eine  Bestimmung  über  den  Zoll  beigefügt,  er  beträgt 
von  dem  Ballen  12  ^,  Stahl  und  Eisen  und  aus  der  Lombardei  durch 
Sitten  geführte  Waffen  zahlen  jedoch  für  den  Ballen  einen  Pfennig*. 

Auch  der  Simplonpafs  mufs  dem  Verkehre  bereits  in  weitem  Mafse 
gedient  haben.  Die  Anlage  eines  Hospitales  der  Johanniter  auf  oder  in 
der  Nähe  der  Pafshöhe  ist  nur  mit  der  Absicht  erklärlich,  den  Rittern 
und   Reisenden   eine  sichere  Unterkunft  zu  gewähren.     Der   charitative 


^  Vgl.  Hoppeler  S.  201,  der  nur  einen  unglücklichen  Kriegszug  der  Z&hringer 
und  zwar  1211  annimmt,  Heyck,  Gesch.  d.  Herzöge  von  Zähringen,  tritt  für  zwei 
Züge  ein  1191  und  1211  S.  480  f.  und  469  f.  Für  uns  konmit  ja  nur  die  Benutzung 
des  Grimselpasses  für  einen  Kriegszug  überhaupt  in  Betracht  und  die  steht  fest. 

'  Das  Datum  1217  ist  überliefert,  ob  zuverlässig?  Da  aber  Heusler,  Ztschr. 
f.  Schweiz.  Eecht  29,  227  das  Datum  angenommen  hat,  kann  man  von  einer  Unter- 
suchung wohl  absehen. 

•  Die  Stelle  lautet:  »Et  a  cruce  de  Ottans  (jetzt  verschwunden,  unterhalb 
Martigny  s.  Hoppe  1er  S.  1)  su2)eri}M  per  totum  episcopatum  strate  sunt  episcopif  ex 
alia  parte  intrantibus  quam  d'Androna,  et  dehet  servare  et  defendere;  et  si  mercatores 
futrint  capU  vel  damnum  passi,  dehet  ea  querere  episcopus  tamquam  res  sua^  proprias: 
Gremaud  29,  197. 

*  »XII  denarios  de  halhs.  De  calibdis  vero  vd  de  quaquo  ferro  debent  unum 
den,*  n.  s.  w.    29,  199. 


102  Neuntes  Kapitel. 

Zweck    mufs    die  Idee    eingegeben  haben,    und   er  setzt  ein   Bedürfnis 
voraus'. 

Für  die  nördlichen  Zugangswege  zu  den  Alpen  ist  es  von  Wert, 
dafs  wir  genau  den  Weg  des  hl.  Bernhard  bei  seiner  ELreuzzugpredigt 
kennen.  Er  zog  auf  der  badischen  Bergstrafse  nach  Freiburg  und  Basel, 
ging  am  Südfufse  des  Schwarzwaldes  aufwärts  bis  Konstanz,  dann  über 
Winterthur  nach  Zürich,  über  den  Bötz^erg  nach  Basel,  die  elsässische 
Bergstrafse  entlang  nach  Strafsburg  und  über  die  elsäfsische  Rheinstrafse 
nach  Speyer*. 

Überblicken  wir  noch  einmal  die  Ergebnisse  dieser  Untersuchungen. 
Auch  in  dieser  Periode  behaupteten  die  beiden  direktesten  Pässe,  der 
Grofse  St.  Bernhard  und  der  Septimer,  ihre  Stellung:  dieser  diente  einem 
regen  Verkehr,  vor  allem  aus  Schwaben,  und  es  ist  nicht  so  unrecht, 
wenn  man  ihn  kurzweg  als  den  schwäbischen  Pafs  charakterisiert.  Un- 
gleich bedeutender  ist  jedoch  der  Verkehr,  den  der  Grofse  St.  Bernhard 
zu  tragen  hatte,  ich  zweifle  nicht  einen  Augenblick,  ihn  als  die  wichtigste 
Alpenstrafse  jener  Zeit  zu  bezeichnen,  der  nur  für  die  politische  Geschichte 
ein  Rivale  an  die  Seite  trat,  der  Brenner.  Der  Verkehr  der  Pilger 
nach  Rom  wurde  vor  allem  von  ihm  getragen,  aber  auch  der  Kaufmann 
bevorzugte  ihn.  Wir  werden  die  Ursachen  näher  kennen  zu  lernen 
haben.  Der  gesteigerte  Verkehr  suchte  nach  neuen  Wegen  und  ver- 
säumte nunmehr  auch  die  inneren  Pässe  nicht  mehr.  Die  aus  dem  oberen 
Wallis  entbehrten  anfangs  jeder  politischen  Bedeutung,  während  umge- 
kehrt der  Lukmanier,  wie  wir  sahen,  von  Friedrich  I.  militärisch  aus- 
genutzt wurde.  Aber  auch  der  Kaufmann  drängt  sich  hierher.  Die 
früher  völlig  weltentlegenen  Gebiete  am  Tessin  wurden  belebter,  und  es 
spitzt  sich  alles  immer  mehr  auf  den  entscheidenden  Augenblick  zu,  wo 
die  Eröffnung  des  Gotthardpasses  alles  umgestalten  sollte. 

In  dem  Gebiete  des  Tessin  herrschte  —  wie  wir  sahen  --  nicht  ein- 
mal eine  kirchliche  Einheit  Es  scheint,  als  sei  die  kirchliche  Um- 
grenzung hier  dem  weltlichen  Besitze  gefolgt,  wenigstens  besafs  die  Mai- 
länder Kirche  seit  langer  Zeit  —  angeblich  seit  einer  Schenkung  durch 
Bischof  Atto  von  Vercelli  —  das  Blegnothal,  das  Livinenthal,  Biasca  und 
das   Thal    Intrasca  ^.     Es   war  somit  der  Südfufs   des   Lukmaniers   auf 


^  Das  Haus  erscheint  zuerst  1285.  An  der  Spitze  desselben  steht  ein  magister, 
die  Johanniterkommende  Salquenen  (Salgesch  westlich  von  Leuk)  stand  wie  die  in 
Conflans  (in  Savoyen,  das  Isörethal  beherrschend)  offenbar  in  nächster  Verbindung 
mit  dem  Hospiz.  Vgl.  Gremaud  29,  319.  387  (hospitale  s.  Johannis  de  CoUibus  de 
Semplon)  394.  478.  498. 

2  M.G.  SS.  26,  121—137. 

'  Von  Hidber  nicht  erklärt. 


Politische  Lage  am  Südfofse  der  Alpen.  103 

Mailändischem  Boden  ^.  Diesen  Mailändischen  Rechten  gegenüber  hat 
die  Stiftung  König  Liudprands  S.  Pietro  in  cielo  d'oro  in  Pavia,  die 
seit  sehr  alter  Zeit  hier  Güter  besafs,  sich  nicht  behaupten  können^. 

Im  Misoxerthale  wurde  wahrscheinlich  in  staufischer  Zeit  ein  Frei- 
herrengeschlecht aus  dem  Rheinthale  oberhalb  des  Bodensees  heimisch, 
die  Freiherrn  von  Sax.  Man  kann  mit  Recht  daraus  schliefsen,  dafs  der 
St  Bemhardinpafs  doch  nicht  so  unbenutzt  war,  wie  man  sonst  glauben 
sollte,  da  er  niemals  erwähnt  wird®.  Wahrscheinlich  war  das  Thal  ein 
Lehen  des  Bistums  Como.  Durch  die  Verleihung  Friedrichs  II.  erhielt 
dieses  Geschlecht  auch  das  Blegnothal,  konnte  sich  aber  dort  nicht  gegen 
die  Mailänder  Kirche  behaupten. 

Innerhalb  des  geistlichen  Bezirkes  hat  das  Bistum  Como  auch  so 
gut  wie  alle  weltliche  Macht  bis  gegen  Ende  des  zwölften  Jahrhunderts 
gewonnen,  und  schon  begann  die  Stadt  nach  und  nach  sich  an  die  Stelle 
des  Bistums  zu  setzen,  wie  das  ja  der  allgemeinen  italienischen  Ent- 
wicklung entspricht.  Die  Grafschaft  BcUinzona  gehörte  schon  im  zehnten 
Jahrhundert  dem  Bistume,  das  im  Anfang  des  folgenden  auch  die  könig- 
lichen Rechte  an  dem  Kastelle  gewann.  Es  ist  hier,  wenn  mit  der  Graf- 
schaft auch  der  Zoll  bestätigt  wird,  wohl  ohne  Bedenken  nicht  an  den 
Marktzoll  in  BcUenz,  sondern  an  einen  Durchgangszoll  zu  denken*. 

In  dem  gewaltigen  Kampfe  der  Staufer  gegen  Mailand  stand  Como 
fast  stets  energisch  zu  den  Kaisern.  Das  Gebiet  von  Como  griff  damals 
bis  nach  Biasca,  also  auf  Mailänder  Boden  im  Tessinthale  hinauf^.  Es 
wurde  dabei  freilich  Locarno  durch  Friedrich  I.  an  das  Reich  genommen, 
sein  Sohn  hielt  das  nicht  aufrecht,  sondern  wies  sie  wie  die  Bewohner 
von  Bellinzona  an,  der  Gemeinde  von  Como  ohne  Widerrede  zu  ge- 
horchen*, ja  er  gab  1191  dieser  Stadt  die  meisten  königlichen  Rechte 
innerhalb  des  Bistums,    und  er  versprach,    niemals  die  Strafse  von  Chia- 

1  Hidber  Nr.  1019  und  Nachträge  im  Bde.  If  S.  XXXIX.  Atto  giebt  '^valks 
illae  Bellenica  et  Lebentina*,  Die  Bestätigung  Eugens  IIE.  von  1149.  Hidber  Nr.  1892 
bezieht  sich  auf  Habiasca,  valles  Bellignium  und  Leventina. 

*  Der  Hauptbesitz  lag  weiter  südlich,  doch  hing  von  der  Marienkapelle  in 
Primasca  (unennittelt  im  Thal  Bellinzona)  Besitz  im  Livinen-  und  Blegnothale  ab. 
Vgl.  die  Urkinden  König  Hugos  von  929.  Hidber  Nr.  2837,  Ottos  L  Nr.  1064. 
DO  I  241».  Ottos  II.  Nr.  2847.  DO  11  173.  Ottos  III.  Nr.  1143.  DO  III  53.  Kon- 
rads IL  Nr.  1302.  Stumpf  2036  und  Heinrichs  V.  Nr.  1553.  Stumpf  3143  (ge- 
fälscht).   Vgl.  Darmstädter  S.  89. 

*  Das  Nähere  V.  Lieb enau,  I  Sax  signori  e  conti  di  Mesocco.  Darmstädter 
8.  89  f.    Die  Besitzungen  des  Bistums  Chur,  Mohr  I,  295  sind  minimal. 

*  Betr.  der  Grafschaft  s.  DO  II,  166.  Hidber  Nr.  1118.  Bestätigung  Hein- 
richs III.  Hidber  Nr.  1380.  Stumpf  2485.  Betr.  der  Burg  Arduin  Hidber  Nr.  1193. 
Stumpf  1842.  Heinrich  IL  Hidber  Nr.  1200.  Stumpf  1383.  Darmstädter  S.88f. 

^  Stumpf  4461  von  1186  ist  ausgestellt  zu  Biasca  »in  territorio  Cumano*. 
ö  1185  Juli  10.    Heinrich  VI.  Stumpf  4753  zu  1192.    Hidber  Nr.  2533. 


104  Neuntes  Kapitel. 

venna  und  BelliDzona  zu  verlegen  und  sie  niemandem  anders  einzuräumen  ^. 
Heinrichs  Vertrauen  auf  die  Treue  dieser  Stadt  war  also  so  grofs,  dafs 
er  sie  zur  Hüterin  der  Alpenpässe  machen  wollte.  Wie  Friedrich  die 
Stellung  des  Reiches  Mailand  zum  Trotze  gestärkt  hatte,  wurde  nun  der 
Versuch  gemacht,  sich  auf  die  Stadt  Como  zu  stützen.  Diese  aber 
räumte  sofort  auch  auf  die  Alpenpassagen  der  Rivalin  Einflufs  ein.  Der 
Fried ensschlufs  von  1195  gestattete  den  Mailändern,  an  die  zwei  wichtig- 
sten Grenzsperren  der  Comasken:  nach  Bellinzona  und  an  den  Turm  von 
Ologno,  der  mit  seinen  Befestigungen  den  Weg  von  Chiavenna  zum 
Haupte  des  Comersees  sperrte  und  von  Friedrich  I.  1164  den  Comasken 
geschenkt  war^,  ihre  Boten  zu  senden,  damit  sie  mit  den  Boten  von 
Como  die  Ausfuhr  von  Qetreide  und  Hülsenfrüchten  verhinderten^. 
Diese  Handelssperre  sollte  der  Bevölkerung  der  Städte  dienen,  welche 
sich  innerhalb  ihrer  Bezirke  freien  Handelsverkehr  zusicherten.  So  hatte 
Mailand  das  Recht  einer  Aufsicht  an  den  Zollstellen  gewonnen ,  sollte 
das  schwächere  Como  sich  gegen  den  Einflufs  von  Mailand  behaupten 
können  ? 

Westlich  vom  Lago  Maggiore  waren  die  wichtigsten  Herren  in  den 
Alpenthälem  neben  den  Bischöfen  und  Städten  von  Novara,  Ivrea  und 
Aosta  die  Grafen  von  Biandrate.  Ihnen  gehörte  die  Grafschaft  im  Thale 
von  Ossola*,  wie  ihnen  Heinrich  VI.  auch  Stadt  und  Grafschaft  Ivrea 
gab*^,  die  sie  jedoch  nur  bis  unter  Friedrich  II.  behaupteten,  da  er  1248 
die  Stadt  an  den  Grafen  Thomas  von  Savoyen  abtrat.  Dafs  auch  das 
Kloster  St.  Gallen  hier  allerhand  Besitz  hatte,  habe  ich  schon  oben  aus- 
geführt. 

'  Stumpf  4678.  Abdruck  Hidber,  Urkunden  S.  98f.  »precipientes  insuper,  ut 
strate  lihere  et  secure  siftt  omni  tempore  ad  civitatem  Cumanam  in  eitndo  et  redeundo 
cum  omni  mercato  et  sine  mercato  nee  stratam  Clavenne  et  Bilizone  removehimus  nee 
aliis  iülo  tempore  concedetnus^. 

2  Vgl.  Darmstädter  81  f. 

«  Hidber  Nr.  2707.    Abdruck  Urkunden  S.  107. 

*  Bestätigungen  durch  Heinrich  VI.  und  Otto  IV. 

»i  Böhmer-Ficker  1182.    Darmstädter  S.  205f. 


Zweiter  Teil. 

GESCHICflTE  DES  HANDELS  BIS  ZUM  ENDE  DES  DREI- 
ZEHNTEN JAHRHUNDERTS. 


Zehntes  Kapitel. 

Deutsche  Kanflente  in  Italien.    Italienische  Kanflente  in  Deutschland. 

Veränderungen  im  Welthandel. 

Deutsche  Kaufleute  in  Italien.  Der  Clmnson  swr  VAir  de  VAmour.  In 
Genua  schon  1128.    Ferrara  1228.    Messen.    Der  Fondaco  in  Venedig.     Überfälle. 

Italienische  Kaufleute  in  Deutschland.  Aus  Lodi,  Mailand,  Piacenza. 
Coblemer  Zolltarif.    Italienische  Steinmetzen  und  Maurer. 

Veränderungen  im  Welthandel.  Konstantinopel  nicfit  mehr  Monopol  als  Ver- 
mittler. Das  Abendland  handelt  direkt.  Die  Kreuzzüge  steigern  den  Luxus.  Italien 
ülemimmt  die  Vermittelwig :   Amalfi,  Pisa,  Genua,  Venedig. 

In  italienischen  Quellen  begegnen  deutsche  Kauf  leute  sehr  spät.  Es 
kann  aber  das  Schweigen  nichts  beweisen.  Der  Verkehr  führt  nur  sehr 
selten  zu  Beurkundungen  und  die  chronikalische  Litteratur  beschäftigte 
sich  mit  ihm  noch  weniger,  die  Poesie  kommt  uns  zur  Hilfe,  um  zu 
zeigen,  dafs  Konstanzer  Kaufleute  selbst  im  Orient  erschienen.  Ein  recht 
lascives  Gedicht  erzählt,  wie  einen  Schwaben  seine  Frau  und  er  sie  be- 
trog. Für  uns  kommt  davon  nur  in  Betracht,  dafs  der  ^Consiantiae  civis 
Suevulus*  zweimal  des  Handels  halber  in  den  Orient  reist  ^.  In  der 
Levante  vermag  ich  direkt  keine  deutschen  Kaufleute  nachzuweisen. 
Heyd   hat    darauf   hingewiesen,    dafs   die  Liste  Benjamins   von  Tudela, 


^  Chanson  sur  TAir  de  TAmour  bei  du  M^ril,  Po^sies  populaires  latines 
antörieures  au  douzi^me  siöcle  S.  275.  Ein  Konstanzer,  der  Handels  halber  in  den 
Orient  ging,  hat  eine  leichtsinnige  Frau  zu  Hause  gelassen.  Einen  Sohn,  den  sie 
während  der  Reise  ihres  Mannes  gebar,  bezeichnete  sie  dem  Heimkehrenden  als 
einen  Sohn  des  Schnees,  den  sie  in  den  Alpen  vom  Schnee  empfangen  habe.  Nach 
fünf  Jahren  geht  der  Vater  wieder  auf  Reise ,  nimmt  den  Sohn  mit  und  verkauft 
ihn  für  100  Pfund.  Heimgekehrt  sagte  er  seiner  Frau,  in  den  Syrten  habe  die 
brennende  Sonne  den  Sohn  des  Schnees  geschmolzen. 


106  Zehntes  Kapitel. 

worin  er  die  Völker  aufzählt,  die  Ägypten  mit  ihren  Schiffen  besuchen, 
und  darunter  auch  Deutsche  und  Sachsen,  unzuverlässig  ist  ^  Man  darf 
sich  nicht  irreführen  lassen,  wenn  man,  wie  in  dem  Handelsplatze  Lajazzo 
an  der  syrischen  Küste  im  christlichen  Königreiche  Armenien,  wohin  nach 
dem  Falle  von  Accon  die  abendländischen  Kaufleute  übersiedelten,  eine 
porta  Alamannorum  findet^,  oder  auf  dem  Stadtplan  von  Accon  ^Ala- 
mannU  ^  angegeben  sieht,  in  beiden  Fällen  handelt  es  sich  um  Deutsch- 
ritter. Immerhin  ist  ein  Beweis  für  das  Gegenteil  nicht  erbracht,  und  in 
dem  Völkergewirr,  das  die  Kreuzzüge  im  Bereiche  der  fränkischen 
Levantestaaten  hervorriefen,  mag  auch  der  deutsche  Kaufmann  nicht 
ganz  gefehlt  haben.  Die  Kaufleute,  die  von  Lübeck,  Bremen  und  Köln 
als  Kreuzfahrer  durch  die  Meerenge  von  Gibraltar  kamen,  mögen 
einzelne  Händler  zurückgelassen  haben,  aber  im  wesentlichen  ruhte  der 
Grofshandel,  der  für  einige  Zeit  geradezu  an  der  Küste  Palästinas  seinen 
Stapel  hatte,  in  den  Händen  der  Italiener,  die  sich  nach  den  Heimatsstädten 
organisierten  *. 

Zu  allererst  darf  man  Nachrichten  erwarten  aus  den  Bündnisbriefen 
der  Städte  und  Fürsten,  da  die  Kämpfe  zwischen  den  Ghibellinen  und 
und  Guelfen  zugleich  als  Handelskriege  geführt  wurden.  In  diesem 
Sinne  beschwur  1193  der  Markgraf  von  Montferrat  den  gegen  Mailand 
verbündeten  Städten  Bergamo,  Cremona,  Pavia,  Como  und  Lodi,  er  werde 
den  Handel  von  Mailand  verhindern.  Wenn  dann  hinzugefügt  ist,  die 
überbergischen  Kauf  leute  sollten  schwören,  dafs  sie  nicht  Mailänder  Gut 
mitführten,  so  könnten  nach  der  Lage  des  Gebietes  von  Montferrat  diese 
negotiatores  ultramontani  auch  Händler  aus  der  Provence  und  Südfrank- 
reich sein.  Es  ist  jedoch  vorher  von  dem  Transport  von  Waren  von 
Savona,  Genua  und  der  Meeresküste  her  die  Rede  und  da  ist  nach  dem 
Zusammenhange  kein  Zweifel,  dafs  diese  negotiatores  deutsche  Kaufleute 
sind,  welche  durch  das  Mailänder  Gebiet  zu  gehen  gewohnt  waren ^. 
Damit  gewinnen  wir  auch  Vertrauen,  unter  die  in  der  Genueser  Zoll- 
urkunde  von    1128   gen«annten  »homines  de  uliramontanis  parttbus<^  auch 


1  1,  428  f. 

2  Arch.  de  l'Orient  latin  2,  2,  66.    Urkunde  von  1300. 

*  Kugler,  Gesch.  d.  Kreuzzüge  230. 

*  Vgl.  aufser  Heyd  auch  Pru  tz,  Kulturgeschichte  der  Kreuzzüge  122.  355  u.  363. 

*  »iY  quod  habet  pröhibere  .  .  universas  negotiationes  que  ducantur  .  .  a  Janua 
trel  Sagunum  seu  a  locis  manUmis  et  specialiter  bomlncium,  ctRumen,  braxiley  en 
[degum?]^  piper,  scU  et  cera.  Item  .  .  omnes  negotiationes ,  que  ducte  fuerint  Medio- 
lanum  .  .  .,  que  velint  defferi  ab  aliquo  versus  Januam  vel  Sagunum  ant  loca  mari- 
tima. Itefn  faciet  per  suum  missum  jurare  negotiatores  uUramontanos  et  alim  cum 
eunt  ultra  mantes,  quod  in  iis  que  defferunt  vel  ducunt  homo  Mediolani  vd  terre  Medio- 
lani  nullo  modo  partem  Jiabeat  vel  habere  debet.*  Vignati,  Codice  diplomatico 
Laudense  in  Bibl.  histor.  italica  3,  198. 


Deutsche  Kaufleute  in  Italien.  107 

deutsche  Händler  einzubeziehen.  Wie  die  Lombarden  mit  ihren  charakte- 
ristischen Waren:  Tuch,  Waffen  und  Rossen  angeführt  werden,  steht 
diesen  Händlern  auch  der  Ballen  Wolle  und  Hanfgespinst  gut  an  ^.  Nach 
Sieveking  gehen  diese  Zollsätze  ins  elfte  Jahrhundert  zurück  '.  Die  Statuten 
von  Como  enthalten  eine  von  1209  stammende  Bestimmung,  welche  be- 
weist, dafe  es  sehr  häufig  vorkam,  dafs  Comasken  Leuten  von  jenseits 
der  Berge  Kredit  gewährten  oder  für  sie  bürgten®,  aus  der  gleichen  Zeit 
etwa  stammen  die  Bestimmungen  über  die  Weinfuhren  über  Chiavenna 
und  Plurs  aufwärts*. 

Deutsche  Kaufleute  werden  direkt  genannt  in  der  für  die  allgemeine 
Handelsgeschichte  so  überaus  wertvollen  Urkunde  von  1228  über  das 
Ripaticum  von  Ferrara.  Es  ist  ein  Dokument,  das  uns  die  glänzenden 
Zeiten  eines  hervorragenden  MeGsplatzes  vor  Augen  führt,  unmittelbar 
bevor  eine  siegreiche  Rivalin  die  Handelsbedeutung  der  Stadt  für  immer 
vernichtete.  Ferrara  ist  die  letzte  in  der  Reihe  der  Vorgänger  Venedigs, 
das  vorletzte  der  Handelscentren  an  der  Adria,  welche  nach  und  nach  zu 
Binnenstädten  herabsanken.  Ferrara  beherrschte  die  Mündung  des  Po,  bis 
an  seine  Hafenlände  kamen  die  Seeschiffe  hinauf,  und  weiter  bis  nach 
Pavia  war  der  Flufs  belebt.  Nach  Mailand  führte  der  damals  schiff- 
bare Lambro  hinauf,  und  schon  gab  es  einige  Kanäle,  welche  Mailand 
mit  dem  Flufssysteme  der  Poebene  verbanden.  Ferrara  hatte  zwei  sehr 
besuchte  Messen  zu  Palmsonntag  und  Martini.  Das  Zollregister  fängt 
mit  den  Franzosen  an,  es  folgen  die  Deutschen,  dann  die  von  Genua 
und  Pisa,  Pavia,  Piacenza  und  Mailand,  Cremona,  Parma,  Bergamo, 
Reggio,  Brescia,  Verona,  aus  der  Trevisaner  (Mark,  von  Bologna,  Imola, 
Faenza,  Rimini,  Ancona,  Apulien  und  Rom^.  Venedig  schaute  mit 
Eifersucht  auf  die  Nachbarin,  welche  den  Poverkehr  zu  sperren  imstande 
war,  und  den  Kampf  wider  Friedrich  H.  benutzend,  bezwang  es  1240 
die  Beherrscherin  des  Po  und  legte  der  Stadt  die  härteste  Bedingung 
auf,  die  zu  denken  war.  Sie  durfte  vom  Meere  her  keine  Schiffe  mehr 
löschen    oder  passieren   lassen,    welche   nicht  von  Venedig  kamen.     Die 


*  »Omnes  homines  de  ultramontanis  partibus  debent  dare  de  unoqtioque  torsello 
lanico  den.  6,  de  torsello  de  canabatiis  den,  4.*    Lib.  jurium  Januens.  1,  32  Nr.  23. 

'  Sieveking,  Finanzwesen  1,  5. 

'  »5*  quis . .  crediderit  aliaii  homini  de  uUra  mantes  vel  se  obligaverit  pro  aliquo 
homine  de  ultra  montes,*  Leg.  municip.  2,  1,  212  in  Monumcnta  bist,  patriae 
Tom.  16. 

*  Ebda.  2,  1,  157. 

'^  Der  Deutsche  genofs  dieselben  Rechte  wie  der  Francigena,  von  dem  es 
beifst:  '»undecumque  veniat  sive  de  eusum  sive  de  sursum  cum  quacumque  negotiatione 
in  8U0  adcentu,  quocunque  veniat  aut  vadat,  solvat  de  avere  a  soma  superius*.  Die 
von  dem  Erlöse  gekauften  neuen  Waren  sind  zollfrei.  1228  Okt.  12.  Muratori, 
Antiquität  es  2,  29. 


108  Zehntes  Kapitel. 

Veaetianer  hatten  nicht  allein  den  Ferrareser  Stapel-  und  Mefsverkehr 
vernichtet,  sondern  auch  für  sich  ein  Monopol  begründet^. 

Schon  gab  es  in  Venedig  den  1228  zum  erstenmale  genannten  Fon- 
daco,  das  Quartier-  und  Handelshaus  der  deutschen  Händler^. 

Auf  dem  Wege  von  Cremona  nach  Ferrara  war  es  wohl,  dafs  1220 
Deutsche  ausgeplündert  wurden®.  Zwei  Jahre  später  erlitten  das  gleiche 
Schicksal  am  Monte  Surdo  südlich  von  Como  zwei  Kaufleute  aus  Lille, 
denen  Tücher  von  Lille,  Ypem  und  Beauvais  und  Hosen  aus  Brügge 
genommen  wurden,  wofür  die  Stadt  Como  ihnen  Schadenersatz  mit  97  i6 
Imperialen  leistete*. 

Italienische  Kaufleute  sind  umgekehrt  in  Deutschland  nachzuweisen. 
Von  Regensburg  sehe  ich  natürlich  ganz  ab,  weil  der  Verkehr  dorthin 
ganz  andere  Wege  ging.  In  dieser  Stadt  gab  es  bekanntlich  eine  ziem- 
lich starke  welsche  Niederlassung.  Zuerst  finde  ich  den  Namen  von 
Lodigianen.  Man  kann  sich  heute  nicht  mehr  leicht  ein  Bild  von  der 
bittersten  Feindin  Mailands  machen,  das  alte  Lodi  ist  ja  zerstört  worden. 
Kaufleute  von  dort  haben  Friedrich  I.  in  den  Kampf  gegen  Mailand 
hineingezogen,  sie  trugen  ihm,  als  er  im  März  1153  in  Konstanz  war, 
die  Übergriffe  Mailands  vor.  Albernandus  Alamannus  und  Homobonus 
Magister  waren  nämlich  auf  Bitten  des  Konstanzer  Bischofs  Hermann 
von  Arbon,  der  wiederholt  in  Italien  gewesen  war,  um  ihm  einen  Ge- 
fallen zu  erweisen,  dorthin  gekommen.  Albernandus,  der  gut  die  deut- 
sche Sprache  gelernt  hatte,  führte  vor  dem  Könige  das  Wort^. 

Die  ersten  Mailänder,  welche  über  die  Alpen  gingen,  um  feine 
Wolle  und  Tücher  zu  kaufen,  nennt  nach  dem  Zeugnisse  eines  Carme- 
liters  Galvano  Fiamma*.  Wenn  Otto  FV.  im  Jahre  1200  als  Boten  an 
Innocenz  III.  neben  dem  Propst  von  Bonn  den  Mailänder  Bürger 
Monachus  de  Villa  verwendet,  so  dürfte  auch  das  dafür  sprechen,  dafs 
Mailändern  der  Niederrhein  nicht  unbekannt  war''^. 

Piacentiner    waren    1208    auf  deutschem    Boden,    als    eben    König 

*  Zur  Gesch.  Ferraras  vgL  die  vortrefflichen  Auseinandersetzungen  von  W. 
Lenel,  Die  Entstehung  der  Vorherrschaft  Venedigs  an  der  Adria.  Strafsb.  1897 
S.  51—64. 

3  Simonsfeld,  Fondaco  2,  8  f. 

"  Leute  von  Luzzara  (östl.  Guastalla)  beschwören  »quod  ille  locus  in  quo  depre- 
dati  f'uerunt  Tiutonici  fum  est  de  districtu  Cretnona^  neque  Luzariae».  Astegiano, 
Codice  dipl.  Cremon.  1,  239. 

*  Unsere  Urkunden  im  zweiten  Bande  Nr.  188. 

«OttoMorena,  M.G.  SS.  18,  587  f.  Ich  zweifle  keinen  Augenblick,  dafs  die 
beiden  Handelsleute  waren. 

^  Chron.  maj.  ed.  Ceruti  in  Miscellanea  di  storia  ital.  7,  716.  Verbunden 
ist  die  Nachricht  mit  einer  Erzählung  zu  1172. 

^  Böhmer-Ficker  213. 


Italienische  Kaufleate  in  Deutschland.  109 

Philipp  ermordet  war.  Sie  brachten  sichere  Kunde  von  dieser  That  einem 
in  Mantua  weilenden  Prälaten,  den  sie  baten,  er  möchte  ihnen,  da  sie  vom 
Grafen  Hugo  von  Montfort  ihrer  Waren  beraubt  seien,  an  die  Bischöfe 
von  Chur  und  den  Abt  von  St.  Gallen  eine  Empfehlung  schreiben.  Die 
That  war  also  zwischen  Chur  und  dem  Bodensee  geschehen^. 

Eine  einzige  Zollrolle  erwähnt  die  fremden  Händler  aus  Italien:  ^ 
ist  der  hochinteressante  Koblenzer  Zolltarif  von  St.  Simeon-Trier,  welcher 
seine  Sätze  nach  der  Herkunft  der  Händler  bemifst  und  uns  damit  ein 
überraschend  helles  Bild  von  dem  Leben  auf  dem  Rheinstrome  gewährt^. 
Die  ältere  Fassung  von  1104  hat  als  die  südlichsten  Orte  Strafsburg, 
Konstanz  und  Zürich^,  die  von  1209  nennt  aufserdem  Basel  statt  Konstanz, 
allgemein  Suevia  und  dehnt  den  Satz  für  die  Züricher  auf  alle  bis  nach 
Rom  Wohnenden  aus,  die  Römer  haben  einen  besonderen  Satz  *.  Lamprechts 
Nachweis,  dafs  wie  Köln  im  Norden  den  Durchgangsverkehr  zu  ver- 
mindern und  ein  Stapelrecht  für  sich  selbst  durchzusetzen  imstande  war, 
so  auch  im  Süden  Mainz  und  Frankfurt  den  Handel  möglichst  an  sich 
zogen,  ist  gewifs  richtig.  Speciell  macht  in  unserm  Tarif  es  keinen 
guten  Eindruck,  dafs  von  allen  Italienern  die  ^RomanU  erhalten  bleiben, 
während  doch  gerade  sie,  wie  bei  der  Geschichte  des  Geldhandels  zu 
erweisen  ist,  weit  hinter  anderen  Städten  zurückstanden. 

Aus  Münzfunden  läfst  sich  leider  die  Person  des  Trägers  nicht 
ermitteln  *. 

Diese  Nachrichten  sind  sporadisch  genug,  aber  es  ist  nicht  zu  be- 
zweifeln, dafs  wir  italienische  Kaufleute  auf  deutschem  Boden  thätig 
denken  dürfen,  wenn  ihre  Zahl  in  Frankreich  und  England  damals  auch 
sehr  viel  gröfser  gewesen  ist. 

Die  Thätigkeit  italienischer  Handwerker  und  Meister  in  Deutschland 
steht  gleichfalls  fest;  wenn  auch  über  die  Bedeutung  der  lombardischen 
Steinmetzen  bez.  Maurer,  sowie  der  dorther  stammenden  Baumeister  die 


'  Heg.  Innocentii  JIl  de  negotio  imperii  ep.  152.    Baluze  1,  752. 

«  Vgl.  Lamprecht,  Wirtschaftsleben  2,  336  ff. 

■  Hansisches  Urkb.  1,  3. 

*  Die  von  Zürich  »qui  vulgcUiter  dicuntur  zülchere  usqite  Romam  XII  den,  UhrdUs 
vel  VLden,  Colonienses.  Romani  vero  IV  den.  vel  VI  den,  Colon.*.  Mit  telrh.  Urkb. 
2  Nr.  242.  Lamprecht  verbessert  an  der  letzten  Stelle  richtig  die  Ziffern  in  6 
und  4.  Die  dritte  Erneuerung  von  ca.  1300,  die  jedoch  M.  Bär,  Urk.  u.  Akten  z. 
Gesch.  d.  Verf.  u.  Verwaltung  d.  Stadt  Koblenz  S.  154  ein  Lebensalter  früher  an- 
setzt, hat  die  Züricher  überhaupt  nicht  mehr,  auch  fehlt  wieder  Konstanz,  doch  die 
Römer  haben  sich  erhalten :  »Item  quicumqtie  Eomani  vefiientes  navi^o  cum  mercimoniis 
tenentur  dare  unum  aedpitrem  vel  6  den,*.    Lamprecht  2,  321. 

^  Der  Fund  von  Oos  enthält  Münzen  von  Venedig,  Genua,  Lothringen,  Nieder- 
lande und  England.  Anzeiger  f.  Kunde  d.  deutschen  Vorzeit  5,  280.  Hier  sind 
viele  Ergänzungen  möglich. 


110  Zehntes  Kapitel. 

Meinungen  sehr  weit  auseinander  gehen.  NordhofF  hat  sie  geradezu  als 
die  eigentlichen  Träger  der  Baukunst  hingestellt^,  und  Ratzinger  regt 
wenigstens  im  eingeschränkteren  Sinne  eine  Untersuchung  für  Bayern  an. 
In  der  That  sind  einzelne  Beweise  unwiderleglich.  So  waren  1188/09 
Meister  und  Arbeiter  aus  Como  in  Stadtamhof  beim  Bau  von  St  Mang 
thätig,  sie  stammten  also  von  einer  Stadt,  die  durch  die  langobardische 
Gesetzgebung  als  Heimstätte  einer  an  römische  Traditionen  und  Organi- 
sationen anknüpfenden  Kenntnis  des  Bauens  erwiesen  wird '.  In  Hirsau 
war  1059  ein  Meister  aus  der  Gegend  von  Venedig,  und  die  Kirche  von  Ros- 
heim im  Elsafs  hat  in  der  That  so  viel  vom  Hauche  italienischer  Kunst 
an  sich,  dafs  ich  diesen  Bau  einem  Italiener  zuschreiben  möchte.  Im 
allgemeinen  wird  man  dem  weit  ruhigeren  Urteile  von  F.  X.  Kraus  zu- 
stimmen müssen,  der  den  Einflufs  auf  die  romanische  Baukunst  der 
Alpengebiete  und  Bayerns  nicht  bestreitet,  aber  den  Übertreibungen  ent- 
gegentritt^. 

Die  Einzelthatsachen  erhalten  ihre  rechte  Beleuchtung  erst  dann, 
wenn  man  die  Entwicklung  des  Welthandels  zum  Hintergrunde  derselben 
macht.  Ich  werde,  um  den  Stoff  nicht  zu  sehr  zu  zerreifsen,  diese  all- 
gemeinen Betrachtungen  sofort  bis  in  den  Anfang  des  vierzehnten  Jahr- 
hunderts weiter  führen. 

Bis  dahin  hatte  Byzanz  es  verstanden,  sich  im  wesentlichen  in  der 
Rolle  eines  Vermittlers  zwischen  den  beiden  grofsen  Kulturkreisen  des 
katholisch-lateinisch-germanischen  Abendlandes  und  des  Muhamedanismus 
zu  behaupten.  Das  wurde  aber  durch  die  Kreuzzüge  anders.  Indem  die 
Scharen  des  Abendlandes  sich  inmitten  der  arabischen  Welt  Raum  er- 
kämpften, war  der  direkte  Kontakt  an  vielen  Stellen  hergestellt  und 
Byzanz  wurde  verdrängt.  Die  katholischen  Städte  Italiens  und  Süd- 
frankreichs übernahmen  nun  direkt  die  orientalischen  Waren,  und  aus 
der  langen  Reihe  von  Handelsvölkern,  durch  deren  Hand  indische  Waren 
gingen,  war  in  den  meisten  Fällen  der  griechische  Kaufmann  ausge- 
schaltet. Die  Italiener  sogen  den  Handel  von  Byzanz  auf.  Die  Abend- 
länder waren  diesen  Waren  entgegengegangen,  sie  hatten  ihren  Wert 
näher  kennen  gelernt,  sie  übernahmen  einen  grofsen  Teil  der  orienta- 
lischen Bedürfnisse,  und  der  Luxus,  den  die  arabische  Welt  in  ihrer 
Glanzzeit  trieb,  ging  über  auf  ihre  christlichen  Feinde. 

Um  die  Araber  zu  bekämpfen,  waren  die  Scharen  ausgezogen,  und 
doch   durchdrangen   sich   die   beiden  Kulturkreise  nun  viel  lebhafter  als 


'  Allgem.  Zeitung  1891  Beilage  Nr.  253. 
'  Ratzinger,  Forschungen  zur  bayr.  Geschiche  S.  579—84. 
*  Kraus y  Gesch.  der  ehristl.  Kunst  2,  108.    G.  Merzario,  I  Maestri  Comacini, 
storia  artistica  di  1200  anni.    2  Bde.    Milano  1898  sah  ich  nicht  ein. 


BekleiduDgsstofFe.  1X1 

firüher.  Unter  andere  Lebensbedingungen  versetzt,  nahm  der  Abendländer 
orientalische  Sitten  an,  die  Enge  des  Gesichtskreises  verschwand,  die 
Gröfse  der  Entfernungen  wurde  nicht  mehr  so  sehr  empfunden.  Eine  so 
häufige  Verschiebung  militärischer  Kräfte  machte  auch  den  Kaufmann 
wanderlustiger.  Sollte  der  Krieg  die  beiden  Kulturkreise  trennen,  so 
brachte  der  Handel  sie  doch  näher  denn  je. 

Die  Zahl  der  Handelsobjekte  wuchs  ebenso  wie  ihre  Quantität;  der 
Gebrauch  der  Luxuswaren  wurde  zur  Gewohnheit  und  zum  Bedürfnisse. 
Viele  der  Waren,  die  der  Orient  lieferte,  band  die  Natur  an  das  Gewürz- 
land Indien.  Diese  Stellung  konnte  dem  Ursprungslande  nicht  geraubt 
werden.  Ein  grofser  Teil  des  Levantehandels  beruhte  aber  noch  auf  der 
kulturellen  Überlegenheit  des  Morgenlandes,  und  diese  war  den  abend- 
ländischen Rittern  erst  recht  aufgegangen,  als  sie  unter  der  heifsen 
Sonne  weilten. 

Den  meisten  Nutzen  dieser  Veränderung  hatte  Italien,  das  eine 
Bedeutung  für  den  südnördlichen  Handelszug  gewann,  die  es  bis  dahin 
nicht  besessen  hatte.  Die  Handelsherrschaft,  wie  der  gröfste  Teil  der 
enorm  gesteigerten  Schiffahrt  im  Mittelmeergebiete  war  an  sie  über- 
gegangen. Amalfi  hat  diese  glänzenden  Tage,  die  die  byzantinische 
Stadt  am  Golfe  von  Neapel  vorbereitet  hatte,  nicht  mehr  erlebt,  die 
normannischen  Fürsten,  dann  Pisa  hatten  ihre  Blüte  geknickt.  Pisa 
war  in  der  ersten  Hälfte  der  Kreuzzugszeit  die  erste  italienische  Hafen- 
stadt geworden,  erlag  aber  der  nachbarlichen  Rivalin  Genua,  der  Sieg 
von  Meloria  1284  und  die  Einnahme  von  Portopisano  und  die  Zerstörung 
des  Hafens  1290  leiteten  den  schnellen  Rückgang  der  alten  Seeherrscherin 
ein.  Genua  hatte  nun  nur  noch  einen  Nebenbuhler:  Venedig,  das  sehr 
bald  die  ligurische  Hafenstadt  überflügeln  und  ein  Weltemporium  werden 
sollte.  Auch  die  süditalienischen  Häfen  gewannen  erhöhte  Bedeutung. 
Diese  Seestädte  hatten  dadurch,  dafs  sie  ihre  Politik  wesentlich  nach 
wirtschaftlichen  Gesichtspunkten  leiteten,  solches  erreichen  können,  die 
Landstädte  hatten  schon  nicht  die  freie  Hand,  welche  jenen  gewährt  war. 

Das  Verhältnis  dieser  Städte  zur  Levante  ist  in  dem  besten  Werke, 
das  deutsche  Gelehrsamkeit  der  Handelsgeschichte  geliefert  hat,  ge- 
schildert worden.  Doch  müssen  wir  uns  hier  beschränken,  diese  Be- 
ziehungen kurz  angedeutet  zu  haben  ^. 


1  Vgl.  Heyd,  Goldschmidt  u.  s.  w.    Georg  Caro,   Genua  u.  die  Mächte 
am  Mittelmeer  1257—1311.    2  Bde. 


112  Elftes  Kapitel. 

Elftes  Kapitel. 
Bekleidimgsstoffe.    Die  Leinen-  nnd  Hanfstoffweberei. 

Bekleidung 8 Stoffe.  Änderungen  in  der  gewerblichen  Organisation,  im  Ver- 
brauch.   Zunahme  desselben. 

Die  Leinen-  und  Hanf  Stoffweber  ei.  Bleibt  vorwiegend  Gegenstand  des  Haus- 
fleifses.  Technisches.  Gleichwohl  bedeutender  Handel.  Konstanz,  Basel,  St.  Gallen,  Augs- 
burg.   Deutsches  Leinen  im  päpstlichen  Schatze.    Erzeugufig  des  Auslandes. 

Der  Welthandel  hat  am  allermeisten  Anregung  wohl  dadurch  erhalten^ 
dafs  im  Textilgewerbe  eine  gründliche  Verschiebung  eintrat,  dafs  nicht 
mehr  allein  die  höheren  KJassen  aus  dem  Markte  Waren  nahmen,  wo- 
durch der  Handel  auf  feinere  Produkte  beschränkt  blieb,  sondern  dafs 
jeder  Mensch  einen  Teil  seiner  Kleidung  kaufte.  Aus  der  Eigenproduktion, 
dem  Hausfleifse,  ging  das  Textilgewerbe  in  eine  Arbeit  für  den  Markt 
über.  Und  da  die  Konsumenten  so  enorm  an  Zahl  gewachsen  waren, 
gewann  der  Markt  in  den  Geweben  eine  ebenso  grofse  Steigerung,  er 
umfafste  nunmehr  neben  den  feinen  auch  die  gewöhnlichen  auf  den  Massen- 
verbrauch berechneten  Stoffe.  Der  Handel  hätte  bei  alledem  gering 
bleiben  können,  innerhalb  der  Stadt  und  des  von  ihrer  Wirtschaft  ab- 
hängigen Bezirkes  wäre  es  in  vielen  Fällen  sehr  wohl  möglich  gewesen, 
die  gesamten  Bedürfnisse  an  Geweben  durch  Eigenproduktion  zu  decken. 
Auf  grofse  Entfernungen  hätte  es  dann  nur  Handel  mit  dem  Rohstoff 
gegeben.  Allein  das  hätte  eine  gleichmäfsige  Beherrschung  aller  Zweige 
der  Textilkunst  innerhalb  dieses  Kreises  vorausgesetzt,  die  aber  fehlte 
nicht  nur,  sondern  es  bestand  geradezu  das  Gegenteil.  Die  eine  Gegend 
war  der  andern  in  diesem  oder  jenem  Zweige  vorauf,  hier  wurde  besser 
blau  gefärbt,  dort  verstand  man  sich  besser  auf  die  Bereitung  von  Loden- 
tüchern, an  einem  dritten  Orte  kamen  andere  Vorzüge  zur  Geltung,  und 
so  ergab  sich  schliefslich ,  dafs  keine  Stadt  alles  erzeugte,  sondern  ein 
Tuchhändler,  um  alle  seine  Kunden  zu  befriedigen,  Waren  verschieden- 
ster Herkunft  vorlegen  mufste.  Wie  er  selbst  von  weither  seine  Gewebe 
bezog,  mufsten  deren  Erzeuger  für  einen  Absatz  in  die  Ferne  sorgen. 
Im  Bekleidungsfache  wurde  die  von  K.  Bücher*  so  trefflich  charakte- 
risierte Stadtwirtschaft  schon  früh  gründlich  verlassen. 

Zwischen  der  Leinen-  und  Hanfweberei  und  der  Wollenweberei 
ergaben  sich  in  dieser  Periode  erhebliche  Unterschiede.  Die  erstere 
verlor  ihr  Gebiet  zum  Teil  an  letztere:  die  leinenen  Beinbinden,  welche 
uns  auf  den  Bildern  der  Karolingerzeit  fast  stets  entgegentreten,  ver- 
schwanden. Jetzt  trug  fast  jeder  irgend  ein  Stück  wollenen  Gewandes, 
der  leinene  Kittel,  den  der  Bauer  an  Markttagen  über  seinen  Rock  zieht, 

^  Entstehung  der  Volkswirtschaft. 


Die  Leinen-  und  Hanfstoffweberei.  113 

ist  noch  heute  eine  Erinnerung  an  die  Zeiten^  wo  noch  die  ganze  Kleidung 
aus  Leinen  bestand.  Mehr  und  mehr  wurde,  abgesehen  von  diesem 
Bauemkittel,  das  Linnen  auf  die  dem  Körper  zunächst  liegenden  Be- 
kleidungsteile eingeschränkt,  und  auch  bei  dem  Hemde  konkurriert  die 
Wolle  *.  Den  Verlust  konnte  die  Leineweberei  aber  noch  ausgleichen : 
denn  es  kam,  wenn  auch  zunächst  nur  in  den  obersten  Ständen,  der  Ge- 
brauch von  Bettzeug  auf,  und  langsam  wurde  auch  die  Tischdecke  in 
Gebrauch  genommen^.  In  dem  reizvollen  Gedichte  Conflictus  ovis 
et  lini,  dessen  Alter  leider  nicht  feststeht,  wenn  es  auch  wohl  dem 
zwölften  Jahrhundert  zuzuweisen  ist,  schildert  der  Flachs  anschaulich  den 
Gebrauch  des  Linnens  zu  Unterkleidern,  Tischzeug,  Bettzeug,  Zelten  etc. 

Im  Anfang  unserer  Periode  stand  die  Kunst  der  Leineweberei  in 
Deutschland  noch  höher  als  die  Wollstoffbereitung.  Als  Leo  IX.  eine 
Reihe  von  Klöstern  seines  Heimatlandes  Elsafs  dem  päpstlichen  Stuhle 
unterstellte,  legte  er  ihnen  nicht  den  üblichen  Geldzins  auf,  sondern  be- 
stimmte Teile  der  päpstlichen  Kleidung,  und  zwar  mufsten  sie  die  Stücke, 
welche  aus  Linnen  gefertigt  wurden,  jährlich  darbringen  ®.  Auch  Heinrich 
der  Löwe  brachte  bei  seinem  Kreuzzuge  dem  griechischen  Kaiser  neben 
Schwertern  und  Harnischen  scharlachene  und  feine  leinene  Kleider*. 

Die  Leineweberei  schliefst  sich  weit  enger  als  die  Wollweberei  an 
die  Natur  des  ländlichen  Haushaltes  an.  Durch  das  Räzen  des  Hanfes 
und  Flachses  ist  der  Rohstoff  wenigstens  zunächst  auf  dem  flachen  Lande 
festgehalten,  das  Bleichen  des  fertigen  Stückes  setzt  gröfsere  sonnen- 
beschienene Strecken  voraus,  als  sie  eine  enge  Stadt  bot.  Vor  allem 
aber  schiebt  sich  der  Hanf-  und  Flachsbau  und  die  Weiterbehandlung 
des  Stoffes  bequem  in  die  Zeitfolge  der  bäuerlichen  Arbeit  ein,  für  die 
langen  Winterabende  war  dies  das  Geschäft  der  Frauen.  Im  wesent- 
lichen blieb  die  Leineweberei  Frauenarbeit,  das  ganze  Gewerbe  hatte 
die  günstigsten  Voraussetzungen  für  den  Hausfleifs.  Es  gab  dabei  keine 
Arbeit,  welche  die  Kraft  der  Frauen  überstieg,  keine  Arbeit,  welche  eine 
besondere  technische  Fertigkeit  voraussetzte.  Die  Leinwand  wurde  nicht 
gewalkt  —  seit  dem  Aufkommen  der  Walkmühlen  hätte  das  notwendig 
zu   einer  Abhängigkeit  des  Hausfleifses  von  diesen  geführt  —  es  wurde 

*  S.  die  von  Lamprecht  I,  568  angeführte  Stelle  zum  J.  1137. 

"  Zur  Geschichte  der  Leineweberei  hat  schon  Hü  11  mann,  Städtewesen  des 
Mittelalters  1,  257  sehr  brauchbare  Nachrichten  gesammelt.  Über  den  Gebrauch 
der  Tischtücher  in  bäuerlichen  Verhältnissen  hat  Hagelstange,  Süddeutsches 
Bauemieben  im  Mittelalter  S.  117  schon  sehr  alte  Zeugnisse  beigebracht. 

*  Andlau  gab  jährlich:  »tres  pannos  lineos  pontificali  ustii  apios* ,  sie  werden 
auch  als  »camisialea*  bezeichnet.  Ottmarsheim  gab  eine  Albe  und  ein  Superhumerale. 
Heiligenkreuz  dagegen  zwei  Unzen  Gold  für  die  hl.  Kose.  Schulte  in  Strafsb. 
Studien  2,  89  f. 

*  Ann.  Lub.  3,  4. 

Sehulte,  Oesoh.  d.  mittelalterl.  Handel«.    I.  8 


114  Elftes  Kapitel. 

auch  nur  selten  gefkrbt,  die  meiste  Leinwand  blieb  in  dem  Zustande, 
in  den  die  einfache  Bauernfrau  sie  bringen  konnte.  Die  Grundherr- 
schaften verbreiteten  den  Anbau  dieser  Faserpflanzen,  die  Verarbeitung 
ging  nach  dem  Verfall  des  centralisierten  Wirtschaftsbetriebes  auf  die 
Höfe  der  Untergebenen  über,  welche  die  Gespinste  der  Herrschaft  abliefern 
mufsten^  Die  Herstellung  des  Stoffes  trennte  sich  somit  nicht  von  dem 
Orte  des  Anbaues,  wie  das  ja  auch  heute  noch  nachwirkt.  Die  Struktur 
der  Flachsfaser,  die  eine  schonende  elastische  Hand  fordert  und  die  harte 
Maschine  abweist,  hat  später  flir  die  Leineweberei  nicht  sofort  und  nicht 
völlig  den  Maschinenbetrieb  zugelassen.  Der  Flachs  ist  dasjenige  Material, 
welches  in  der  bäuerlichen  Periode  schon  seine  Technik  erhielt,  die  auch 
die  Zeit  der  Maschinen  nicht  völlig  ersetzen  konnte. 

Wenn  so  die  Leineweberei  im  wesentlichen  Sache  des  Hausfleifses 
und  vor  allem  des  bäuerlichen  blieb  und  in  mehr  oder  minder  grofsem 
Umfange  wohl  überall  betrieben  wurde,  so  ist  doch  ein  Leinenhandel 
entstanden,  weil  diese  Seite  des  Hausfleifses  in  einzelnen  Gegenden 
besonders  intensiv  betrieben  wurde.  Und  gerade  flir  den  Handel  über 
die  Alpen  wurde  es  besonders  bedeutsam,  dafs  rings  um  den  Bodensee 
sehr  früh  sich  eine  intensive  Leinenindustrie  entwickelte,  deren  Mittel- 
punkte Konstanz^  und  Ravensburg  wurden  und  deren  Fortbildung  die 
Spitzen industrie  der  Kantone  St.  Gallen  und  Appenzell  ist,  nachdem 
nördlich  des  Bodensees  die  Leinenindustrie  auf  dem  Lande  längst  in 
Abgang  gekommen  und  auch  in  St.  Gallen  die  Baumwolle  den  Flachs 
verdrängt  hat. 

Die  ältesten  Belege  für  Leineweberei  ergeben  sich  aus  den  Verpflich- 
tungen, die  gegenüber  dem  Kloster  St.  Gallen  eingegangen  wurden®, 
auch  die  Mönche  der  Reichenau  erhielten  im  zwölften  Jahrhundert  von 
einer  Reihe  von  Dörfern  zwischen  Konstanz  und  Ulm  und  westlich  um 
die  Reichenau  Garne  abgeliefert,  sie  wurden  meist  aus  Hanf,  weniger 
aus  Flachs  hergestellt  *.  Der  Hanf  wurde  am  Bodensee  lange  Jahrhunderte 
hindurch  dem  Flachse  vorgezogen.  Und  auch  auf  den  gleich  zu  erwähnenden 
Gemälden  wird  die  Bereitung  des  Hanfes,  nicht  des  Flachses  dargestellt. 
Ganz  besonders  wichtig  sind  die  Zeugnisse  für  Konstanz:  wir  werden 
später  von  den  Ordnungen  der  Stadt  für  den  Handel  auf  den  Champagner- 


1  Inama-Steru egg  2,  282  f.  804  f.  Über  den  Betrieb  der  Weberei  und  den 
Anbau  der  Faserpflanzen  durch  die  Hörigen;  Schmolier  860.    Klumker  40—46. 

'  Gothein,  Wirtschaftsgeschichte  passim. 

»  Wart  mann,  St.  Galler  Urkb.  Nr.  221.  506.  709. 

*•  Es  wurden  abgeliefert  77  Haspen  Hanf,  80(42?)  Haspen  Flachs  und  28  Haspen 
Gespinst.  Die  Urkunde  ist  zwar  eine  Fälschung,  aber  f&r  die  Zeit  der  Herstellung 
(sweite  Hälfte  des  zwölften  Jahrhunderts)  unbedenklich  zu  verwenden.  Abdruck 
Dümg^,  Reg.  Bad.  70. 


Die  Leinen-  und  Hanfistoffweberei.  115 

messen  reden.  Sie  beweisen  uns^  dafs  der  wichtigste  Handel  von  Kon- 
stanz schon  1289  der  mit  dem  Leinen  des  Bodenseegebietes  war.  Auch 
der  Schied  von  1255  stellt  den  Handel  mit  Leinwand  dem  mit  Wachs, 
Pfeffer  und  einfarbigem  Tuche  voran  ^  Die  Ordnungen  Zeigen  zugl^ch, 
dafs  es  sich  nicht  allein  um  in  Konstanz  erzeugte  Leinwand  handelte, 
sondern  dafs  in  Konstanz  die  Bauern  ihre  Erzeugnisse  verkauften*  Die 
Land-  oder  Oäuweber,  wie  man  sie  später  in  Ulm  nannte,  gehen  un- 
zweifelhaft weit  in  das  dreizehnte,  wenn  nicht  in  das  zwölfte  Jahrhundert 
zurück.  Der  Hausfleifs  der  Bauern  hatte  sich  zu  einem  Landhandweik 
umgebildet,  der  Vertrieb  der  Waren  fiel  den  Städten  zu.  Den  Zustand 
der  Technik  der  Leineweberei  fUhren  uns  die  hochinteressanten  Qemälde 
vor,  welche  in  Konstanz  in  einem  Bürgerhause  entdeckt  wurden.  Ein 
Cyklus  von  21  Bildern  stellt  uns  die  Leinen-,  Borten-  und  Seidenweberei 
in  den  einzelnen  Stadien  vor.  Die  Arbeit  besorgt  auf  allen  Bildern  eine 
Frauensperson,  nur  das  Spulen  ist  einem  Kinde  zugewiesen.  Wir  sehen 
daraus  deutlich,  dafs  die  Arbeit  noch  Frauenarbeit  war  ^.  Solche  kultur- 
historische Darstellimgen  sind  unschätzbar;  als  Darstellung  im  Wand- 
gemälde stehen  diese  Bilder  im  vierzehnten  Jahrhundert,  dessen  Anfang 
sie  angehören  dürften  ^,  einzig  da,  und  es  mufs  ein  reiches  und  mächtiges 
Geschlecht  gewesen  sein,  das  in  solcher  Weise  seine  Wohnräume  schmückte. 
Wirklich  gelang  es,  den  Besitz  des  Hauses,  das  schon  1372  einem  Kon- 
stanzer Stifte  gehörte,  auf  das  alte  Geschlecht  der  Underschopf  zurück- 
zuführen, das  sich  schon  seit  1192  nachweisen  läfst  und  zu  den  ange- 
sehensten Familien  von  Konstanz  gehörte^.  Es  war  das  Stammhaus, 
denn  es  lag  unterhalb  des  bischöflichen  Schopfes,  von  dem  das  Geschlecht 
seinen  Namen  erhielt.  Doch  wir  sind  mit  Erwähnung  dieser  Bilder  be- 
reits ins  vierzehnte  Jahrhundert  gelangt. 

Die  Leineweberei  ist  fast  überall  Landhandwerk  geblieben,  in  den 
Städten  finden  sich  meist  nur  Specialisten ,  so  in  Köln  schon  1149  als 
Zunft  organisiert  die  Bettziechenweber  ^.  Feine  Arten  ftlhrten  nach  dem 
Produktionsorte  den  Namen,  so  die  Linnen  von  Rheims;  besonders  an- 
gesehen waren  die  Linnen  von  Konstanz,  die  tela  de  Costanza.  Zu 
den  schon  von  Mone  und  Heyd  angeführten  Nachweisen  über  das  Vor- 

^  Abgedr.  bei  Rnppert,  Chroniken  d.  Stadt  Konstanz  S.  302  ff. 

'Mone  in  Zeitscbr.  f.  Gesch.  d.  Oberriieins  17,  284.  L.  Ettmüller,  Die 
Freskobilder  eu  KonstanE  in  MitteiL  d.  ant.  Gkselischaffc  Zürich  Bd.  15  (1866)  mit 
Abbildungen  der  Bild'er.    Vgl.  Kraus,  Kunstdenkmäler  Badens  1,  288  f. 

"  So  Lübke  und  Kraus. 

^  Beyerle,  Über  den  Ursprung  des  Konstanz  er  Freskencyclus  aus  dem  vier- 
zehnten Jahrhundert.  Zeitschrift  f.  Gesch.  d.  Oberrh.  N.  F.  13,  694 f.  Regesten 
d.  Bisch,  y.  Konstanz  1,  1127. 

^  »Textores  culcitrarum  pulmnariwti'  und  »textares  peplorum*.  £nnen,  Quellen 
1,  329. 

8* 


116  Elftes  Kapitel. 

kommen  dieser  Bezeichnung  in  Spanien  und  Italien  kommt  eine  Stelle, 
die  Schultz  anführt  und  die  wohl  auf  Konstanz  zu  deuten  ist^.  Sehr 
bedeutend  war  auch  die  Produktion  in  St.  Oallen,  der  Leinwandzoll 
bestand  1303  V  ^^^  recht  oft  finden  sich  Bleichen  zuerst  1281,  wo  ein 
Ritter  den  Btlrgem  ihre  Leinwand,  die  sie  auf  der  Bleiche  an  der  Steinach 
hatten,  wegnahm*.  Auch  Basel  darf  nicht  vergessen  werden,  wo  Bischof 
Heinrich  1268  den  Webern  und  Lein  wettern  eine  Zunft  gab*.  Baseler 
Leinwand  ging  1248  auf  dem  Schiffe  San  Spirito  von  Marseille  nach 
Accon^.  Auch  Zürich  und  Nachbarschaft^,  wie  Augsburg  und  Umgebung 
erzeugten  viel  Leinwand'. 

Das  Verzeichnis  des  päpstlichen  Schatzes  unter  Bonifaz  VIII.  (1295) 
bietet  uns  den  Beweis,  wie  sehr  deutsches  Linnen  geschätzt  wurde.  In 
der  Abteilung:  Leinene  Vorhänge  für  kirchliche  Zwecke  und  Betten, 
Handtücher  und  Hemden  wird  meistens  Deutschland  als  Heimat  bezeichnet, 
leider  ohne  Angabe  des  Erzeugungsortes.  Daneben  erscheint  Linnen 
aus  der  Lombardei,  Pisa  und  Rheims  ®.  Und  schon  in  der  Taxe  für  die 
Unterkäufer,  die  censarii  mercium  von  Genua  vom  Jahre  1204  finden 
sich  die  tela  AUamanie^.   Ja,  diese  ^tela  de  Alemag^  kann  man  bis  in  den 


i  Schultz,  Höfisches  Leben  1,  '  337  fuhrt  aus  Prise  de  Pampelune, 
herauBgeg.  von  Mussaffia,  v.  4732  an:  »Cüvert  luele  detrier  d'impaile  de  Costance», 
Das  sind  streng  genommen  wollene  Tuche.  Das  Gedicht  gehört  dem  vierzehnten 
Jahrhundert  an.  £s  ist  übrigens  möglich,  dafs  der  Name  aus  Keimnot  in  die  Strophe 
kam.  Ruppert,  Konstanzer  Handel  S.  7  sagt,  dafs  in  Bozen  noch  heute  tela  di 
Costanza  als  Marke  auf  der  Laube  zu  lesen  sei.    Heyd,   Ravensb.  Gesellschaft  42. 

«  Wartmann,  St.  Galler  Urkb.  3,  330. 

'  Häne,  Leinwandindustrie  in  St.  Gallen  S.  7. 

*  Baseler  Urkb.  2,  6:  »meister  Salman  der  litiueter*  safs  1274  von  den  Zünften 
im  Rate.    £bda.  2,  80. 

6  Kommendavertrag  über  »3  pecias  telarum  de  Basle*  vom  31.  März  1248  bei 
Bl  an  Card,  Documents  in^d.  sur  le  commerce  de  Marseille  1,  398.  Mit  demselben 
Schiffe  gingen  noch  in  drei  Teilen  weitere  »tda  de  Alamannia",  Es  giebt  einen  Ein- 
blick in  die  Konkurrenz,  wenn  daneben  sechs  Partien  Leinen  von  Rheims,  eine  aus 
der  Champagne  und  eine  von  Epinaud  angeführt  werden.  Unter  den  weit  erheblicheren 
Tuchsendungen,  die  in  diesen  Marseiller  Urkunden  erwähnt  werden,  steht  weit 
allen  Chalons  voran,  dann  kommen  Arras,  Douai,  Ypem,  Provins,  Cambrai,  Lom- 
barden, Narbonne,  Genua,  St.  Quentin.  Unter  den  mit  einem  Ballen  vertretenen 
Städten  erscheint  auch  Metz  (1,96),  sonst  keine  Stadt  des  Deutschen  Reiches. 

^  Die  Bestimmungen  des  Richtebriefs  im  heutigen  Deutsch  bei  Bürkli- Meyer, 
Seidenindustrie  40 — 42. 

■^  Augsburger  Stadtbuch  von  1276,  herausgeg.  von  Chr.  Meyer  an  ver- 
schiedenen Stellen. 

®  Abschnitt  74  »cortine  et  tobdlee  de  Alamia'^  in  dem  von  Mo  linier  veröffent- 
lichten Inventaire  du  tr^sor.  in  Bibl.  de  T^cole  des  chartes  Bd.  47,  658  ff. 

*  »De  centenario  telarum  Allamanie  et  de  leyes,  si  ficerit  mercatum  den,  III  db 
unaquaque  parte.*    Lib.  jur.  Jan.  1,  521. 


Wollweberei.  117 

Orient  verfolgen.    Sie  erscheinen  einmal  in  dem  Codex  Cumanus  *  und  in 
dem  Testament  eines  in  Tauris  sefshaften  venetianischen  Kaufmanns'. 

Im  Auslande  produzierte  aufser  Kheims  und  der  Champagne  über^ 
haupt  Burgund,  Lothringen  und  Spanien".  Von  einzelnen  Städten  fand 
ich  Arras,  Valenciennes  und  Kortryk  genannt.  Nicht  zu  tibersehen  ist, 
dafs  auch  einzelne  italienische  Städte  Leinen  produzierten,  ich  nenne 
Cremona,  Mailand  und  Venedig,  auch  in  Toskana  wurde  Leinen  gewoben. 
Und  endlich  fehlte  auch  der  Orient  mit  einzelnen  feinen  Sorten  auf  dem 
Markte  nicht  ^.  Von  den  Erzeugnissen  dieses  deutschen  Hausfleifses  ist 
uns  sehr  viel  erhalten,  leider  sind  es  nur  Plattlitzen,  die  im  Bodensee- 
gebiete dazu  verwendet  wurden,  um  mit  ihnen  die  Siegel  an  den  Ur- 
kunden zu  befestigen. 

Zwölftes  Kapitel. 
Bekleidungsstoffe  (Fortsetzung).    Wollweberei. 

Wollweberei,  ProdukHonsteüung.  Walken,  Färberei,  örtliche  Teilung.  Die 
Wollweberei  städtisches  Gewerbe.  Reste  auf  detn  Lafide.  Einflufs  der  Klöster.  Alteste 
deutsche  Weber  als  Handwerker.  SUdwestdeutsche  GrauJtucher,  Loderer  im  Südosten. 
Rheinische  Weber,  Köhu  Flandern.  Weltlage.  Die  englische  WoUe  die  beste.  Weberei 
in  England,  in  Flandern,  Frankreich,  Champagne,  auf  der  schweizerischen  Hochebene^ 
Lothringen, 

Italien.  Vorbedingungen,  Alte  Traditionen,  Bezug  der  Wolle.  Kapitalistischer 
Charakter.  Die  Humiliaten.  Überblick:  Maüand,  Lomdardei,  Venetien,  Fiemont,  Toskana, 
bes.  Florenz.     Callimala  und  Arte  della  lana. 

Für  den  Welthandel  waren  viel  bedeutsamer  als  die  Leinenstoffe 
die  aus  Wolle  gefertigten.  Der  Verbrauch  der  Wollstoffe  hatte  sich  auf 
Kosten  der  Leinwand  ausgedehnt,  er  steigerte  sich  mit  der  Erhöhung 
der  Lebensführung,  mit  der  Zunahme  des  Luxus.  Die  Wollindustrie 
wurde  und  mufste  ein  städtisches  Gewerbe  werden.  Es  ergab  sich  sehr 
früh  eine  Produktionsteilung.  Der  Rohstoff  blieb  bis  zur  Herstellung 
der  Genufsreife  nicht  wie  der  Flachs  in  einer  Hand,  sondern  ging  durch 
die  Hände  verschiedener  Arten  von  Arbeitern,  und  darum  mufste  sich  die 
Wollstoflfbereitung  sehr  früh  aus  der  geschlossenen  Hauswirtschaft  scheiden. 

Zunächst  konnte  das  Walken  der  Tuche  nicht  von  den  Arbeitern  des 
Hausfleifses,  den  Frauen,  besorgt  werden,  das  Fufswalken  war  für  sie 
eine  viel  zu  anstrengende  Arbeit,  und  seit  der  Erfindung  der  Walkmühle 


^  Codex  Cumanus  von  1803  nennt  daneben  noch  t.  de  Reins  (Rheims),  t.  de 
Orliens  (Orleans),  t.  nouarese  (Novara),  t,  cremonese  (Cremona),  t  lobarde  (Lombardei), 
t  astexane  (Asti),  t.  ostume  (Ostuni  bei  Otranto  ?),  endlich  noch  tele  bergamasce.   S.  107  f. 

^  Ein  Ballen  deutscher  tele  und  auch  stanforti  di  Melana  (Mecheln).  Ar  eh. 
veneto  1883  p.  161—165  zu  1264. 

*  Bourquelot,  Les  foires  1.  280—4. 

*  Heyd  2,  692  f.  und  697. 


118  Zwölftes  Kapitel. 

war  eine  Veredlungsanstalt  vorhanden,  die  nicht  jeder  sich  selbst  be- 
schaffen konnte.  Der  Plan  fUr  das  Kloster  St.  Gallen  sah  keinen  be- 
sonderen Kaum  für  die  Wollweber  vor,  wohl  aber  für  die  Walker. 
Zu  den  ftar  einen  grofsen  Klosterbetrieb  unentbehrlichen  Handwerkern 
zählt  eine  für  die  Reichenau  1065  ausgestellte  Urkunde  aulser  den 
Fischern,  Bäckern,  Köchen  und  den  Weinleuten  die  Walker  auf^  Auch 
die  (freilich  jüngere)  Vita  des  Konstanzer  Bischofs  Gebhard  des  Heiligen 
erwähnt  fullones,  die  er  aus  seinen  Hörigen  ausschied'.  Und  Walk- 
mühlen sind  bisher  nachgewiesen^  für  Basel  1193,  sicher  1262^,  für 
Trier  1246»,  für  Zürich  1258«,  St.  Gallen  1280  ^  Das  Fufswalken, 
wobei  das  Tuch  in  einer  mit  reinigenden  Zusätzen  versetzten  Lauge  in 
einem  Bottiche  mit  den  Filfsen  hin  und  her  gestofsen  wurde,  um  die 
Wollhaare  zu  verfilzen,  war  eine  äufserst  anstrengende  Arbeit.  Das 
mechanische  Walken  auf  der  Mühle,  die  ein  Stampf-  und  Hammerwerk 
trieb,  erforderte  viel  weniger  menschliche  Arbeit.  In  der  Zeit  des  Fufs- 
walkens  war  die  Zahl  der  Walker  sehr  grofs,  im  Jahre  1270  waren  im 
Leichenzuge  Ludwigs  des  Heiligen  zu  Paris  300  Walker,  wo  die  Stadt 
doch  nur  60  Tuchmachermeister  zählte.  Zur  Schlacht  von  Kortryk 
stellten  1302  die  Brügger  1024  Walker  und  1984  Weber.  Später  kam 
auf  40 — 60  Tuchmachermeister  eine  Walkmühle®.  Der  mechanische 
Betrieb  war  aber  dem  Werke  der  Füfse  durchaus  nicht  überlegen,  die 
Tucher  von  Coutances  wehrten  sich  dagegen  und  erreichten,  dafs  ihre  guten 
Tuche  nur  mit  dem  Fufse  gewalkt  werden  durften*.  Auch  in  Paris  wie 
in  Flandern  wurde  offenbar  das  Fufswalken  als  das  bessere  lange  bei- 
behalten, nicht  deswegen,  weil  man  keine  Wasserkräfte  hatte  ^*^.  Durch 
das   Walken    ergab    sich    sehr  früh   eine   Produktionsteilung,    und   kein 


1  Dümg6  110. 

*  V.  Below,  Entstehung  des  Handwerkes  a.  a.  0.  5,  144. 

^  Die  von  Mone,  Z.  G.  Oberrh.  9,  138  angeführte  Kreuznachcr  Walkmühle 
könnte  auch  dem  dreizehnten  Jahrhundert  angehören ;  ihr  Ruhm  ist  nicht  sicher  zu 
begründen.  Die  älteste  bisher  bekannte  Walkmühle  ist  in  Gr^noblc  1040  nach- 
gewiesen. Lamprecht)  Beiträge  z.  Gesch.  d.  franz.  Wirtschaftslebens  S.  105  Anm.  28. 

*  Bas.  Urkb.  1,  304.  Schon  1193  erscheint  ein  Laie  Hugo  de  Walchun,  später 
eine  wohl  damit  identische  Familie  zir  Walkun. 

*  Lamprecht  1,  588. 

«  Züricher  Urkb.  3,  132. 

T  St.  Galler  Urkb.  3,  224.  Genaueres  zu  1308  ebda.  3.  360.  Danach  fiel  die 
Errichtung  dieser  Walke  in  die  Zeit  des  Abts  Berthold  von  Falkenstein  (1244—71). 

^  Martin,  Grofsbetrieb  u.  Handwerk  vor  600  Jahren.  Preufs.  Jahrbücher  91,  306. 

^  So  erklärt  sich  auch  die  von  Martin  angeführte  Londoner  Entschoidiing  von 
1298,  wonach  es  den  Walkern  untersagt  wurde,  das  ihnen  anvertraute  Tuch  in  eine 
Walkmühle  zu  geben,  was  den  Produzenten  allerdings  direkt  zu  thun  gestattet  war. 

'®  Fagniez,  Etudes  sur  Tindustrie  et  la  classe  industrielle  ä  Paris  au  18<>  et 
14«  ai^le.    Paris  1877.    S.  231. 


Wollweberei  119 

mittelalterliches  Gewerbe  löste  nach  und  nach  die  Produktion  in  eine 
solche  Zahl  von  aufeinanderfolgenden  von  verschiedenen  Personen  aus- 
geführten Arbeiten  auf,  als  die  Wollstoffbereitung. 

Eine  andere  Differenzierung  ergab  sich  durch  das  Färben.  Diese 
Kunst  wurde  in  verschiedenen  Orten  ganz  verschieden  gehandhabt,  hier 
wurde  besonders  gut  in  Scharlach  gefärbt,  dort  verstand  man  nur  graue 
Tücher  zu  machen,  und  so  ergab  sich  neben  der  Produktionsteilung  eine 
lokale  Teilung  der  Produktion,  und  gerade  letztere  mufste  zu  dem  inten- 
siven Handel  mit  Wollstoffen  führen,  wie  er  sich  nachweisen  läfst  Es 
gab  nur  wenige  Gegenden  der  Welt,  in  denen  die  Kunstfertigkeit  alle 
dort  von  Arm  und  Reich  benötigten  Stoffe  erzeugte,  in  den  meisten 
wurde  nur  eine  Seite  befriedigt. 

Diese  örtliche  Zerlegung  der  Produktion  war  schon  sehr  alt  Einen 
trefflichen  Überblick  gewählt;  das  in  Flandern  entstandene  Gedicht  Con- 
flictus  Ovis  et  lini,  in  dem  Schaf  und  Lein  ihre  Vorzüge  preisen.  Gallien 
liefere  die  buntesten  Tücher,  das  neuerungssüchtige  Volk  liebe  den 
bunten  Glanz,  Flandern,  wo  jeder  nach  seinem  Geschmack  und  Farben- 
sinn sich  seine  Stoffe  bereite,  sende  seine  grünen  und  tiefblauen  Tuche, 
um  die  Herren  zu  kleiden,  nach  Deutschland,  das  diese  Kunst  des 
Färbens  nicht  verstehe.  Aber  auch  hier  sei  man  nicht  müssig.  Der 
Rhein  erzeuge  leichte  schwarze  Tücher  für  Mönche  und  Nonnen,  Schwaben 
rote,  nicht  in  der  Wolle  gefärbte;  an  der  Donau  würden  naturfarbene, 
jedem  Wetter  trotzbietende  (Loden-)Stoffe  gewirkt,  wie  es  besser  nichts 
in  Deutschland  gebe^  Die  Quelle  ist  leider  sehr  schwer  zu  datieren; 
wenn  wir  auch  nicht  für  das  elfte  Jahrhundert,  dem  man  früher  das 
Gedicht  zuteilte,  bereits  die  örtliche  Zerlegung  der  Produktion  aus  diesem 
Gedichte  feststellen  können,  so  gehört  es  doch  spätestens  dem  Schlub 
des  zwölften  an. 

Die  Wollweberei  blieb  in  ihrer  Gesamtheit  nur  selten  ein  Gegen- 
stand des  Hausfleifses,  wenn  auch  die  Garne  sehr  oft  im  Hause  herge- 
stellt wurden.  Die  technische  Überlegenheit  des  Berufsarbeiters,  vorab 
des  Walkers  und  Färbers,  trieb  den  Hausfleifs  sehr  früh  auf  die  gröberen 
Sorten;  aber  auch  da  war  die  Arbeit  der  Frau  doch  zu  schwer,  der 
Mann  zu  wenig  gewandt,  um  die  Konkurrenz  aushalten  zu  können.  So 
verkümmerte  der  Hausfleifs  in  der  Wollenstoffbereitung,  ohne  ganz  unter- 
zugehen. So  findet  sich  ländliche  Wollweberei  noch  später  im  Bistum 
Chur,  im  Gebiete  von  St.  Blasien  und  in  dem  von  Säckingen  abhängigen 

'  Conflict.  Ovis  et  lini  v.  169 — 212.  Zeitschr.  f.  deutsches  Altert.  11, 220f. 
Das  Gedicht  wurde  früher  dem  Keichenauer  Mönche  Hermannus  Contractus  (f  1054) 
zugeschrieben,  es  gehört  unzweifelhaft  nach  Flandern.  Wattenbach,  Deutschlands 
Geschichtsquellen  2,  *  44.  Nach  Fagniez,  Etudes  S.  101  hat  Quicherat  das  Ge- 
dicht in  die  zweite  Hälfte  des  zwölften  Jahrhunderts  gesetzt. 


120  Zwölftes  Kapitel. 

Glarus.  Ich  zweifle  nicht,  dafs  bei  sorgfkltiger  Durchsicht  der  Urbare 
sich  noch  weit  mehr  Beweise  aus  dem  oberrheinischen  Gebiete  ergeben 
würden.  Im  grofsen  und  ganzen  wird  aber  die  Wolienweberei  ein 
städtisches  Gewerbe,  ja  für  viele  Städte  geradezu  dasjenige,  das  wirt- 
schaftlich überwog  —  wie  in  Flandern  und  am  Niederrhein  —  und  das 
in  der  politischen  Geschichte  am  allermeisten  hervortritt.  Innerhalb  des 
städtischen  Wollgewerbes  tritt  weiter  eine  sehr  weitgehende  Produktions- 
teilung ein,  das  Waschen  und  Schlagen  der  Wolle,  das  Kämmen,  Spinnen 
derselben,  das  Färben  und  Weben  des  Garns,  das  Walken,  Karden, 
Scheren,  endlich  das  Planen  und  Pressen  des  Tuchs  war  schliefslich 
auf  ebensoviele  Personen  verteilt.  Die  Wolle  ging  dann  durch  zehn 
Hände  ^ 

Das  städtische  Handwerk  soll  nach  der  Meinung  vieler  sehr  tief 
von  den  klösterlichen  Einrichtungen  beeinflufst  gewesen  sein.  Ich  habe 
nie  recht  an  eine  so  starke  glauben  können,  und  namentlich  der  Ein- 
flufs  der  Cistercienser  auf  die  Wollweberei  ist  wohl  überschätzt  worden. 
Diese  fern  von  den  Städten  gelegenen  Klöster  haben  sich  freilich  ihren 
Bedarf  an  Kleidern  wohl  selbst  erzeugt,  auf  den  Markt  brachten  sie 
aber  nur  die  Wolle,  und  in  der  Wollproduktion,  namentlich  in  England, 
haben  die  Söhne  des  hl.  Bernhard  Hervorragendes  geleistet.  Wie  aber 
sollte  Anreiz  zu  einer  Fortbildung  der  Technik  vorhanden  sein,  da  man 
nur  rauhe  Mönchskutten  verfertigte^?  Es  bleibt  dabei  völlig  bestehen, 
dafö  die  Cistercienser  ihre  Geschäfte  mit  kaufmännischem  Geiste  be- 
trieben, die  Veräufserung  und  Produktion  der  Wolle  war  ihre  Sache; 
in  der  gewerblichen  Bearbeitung  hat  der  Orden  aber  keine  Epoche  ge- 
macht. Wenn  ich  für  den  Cistercienscrorden  recht  haben  sollte,  wie  viel 
mehr  würde  das  für  die  Benediktiner  zutreffen?  Man  vergifst  zu  leicht, 
dafö  diese  Klöster,  welche  in  der  Gott  gewidmeten  Kunst  aufserordent- 
liches  leisteten  und  zu  diesem  Zwecke  herrliches  schufen,  für  den 
menschliclien  Bedarf  nur  das  einfachste  und  schlichteste  zuliefsen.  In 
einem  eifrig  nach  der  Regel  lebenden  Kloster  arbeitete  man  also  natur- 
gemäfs  nur  grobe,  rauhe  Gewebe,  war  ein  Kloster  verfallen,  so  dürfte 
noch  viel  weniger  von  ihm  ein  technischer  Fortschritt  ausgegangen 
sein.  In  allen  Orden,  in  denen  der  Geistliche  den  Ton  angiebt,  war  für 
diese  nicht  dem  Gottesdienst  dienenden  Künste  nicht  das  intensive  Inter- 
esse   vorhanden,    wie    wir    das    bei    den   italienischen  Humiliaten   finden 


'  Vgl.  dazu  aufscr  Schmoller  bes.  K.  Fromm,  Frankfiirts  Textilgewerbe 
S.  .54-()0. 

2  Die  Bcöchlüs««»  der  Gcneralkapitel  des  Cistercienscrordens  (Mart^ue  et 
Durand  Bd.  4)  enthalten  eine  Reihe  von  Bestimmungen  über  den  Wollhandel,  auch 
einzelnes  über  die  Weberei.  Dafs  es  sich  aber  ausschliefslich  um  die  Herstellung 
von  Kutten  handelt,  beweist  das   1181   erlassene  Verbot  der  pauni  tindi  et  curioffi. 


Wollweberei  121 

werden.  Den  Frauenklöstem  lag  die  Textilkunst  unzweifelhaft  weit  mehr 
am  Herzen,  als  den  Mönchen  des  hl.  Benedikt. 

Die  ältesten  gewerbsmäfsigen  Weber  in  Deutschland  (von  Flandern 
und  Holland  abgesehen)  finden  sich  in  Mainz  1099^;  da  sie  sich  einen 
Begräbnisplatz  verschaffen  wollen,  sind  es  ihrer  gewifs  nicht  wenige. 
1114  veränderte  Heinrich  V.  für  Worms  einen  SchiffszoU  in  einen  solchen 
auf  schwarze  dicke  Tücher^,  eine  der  wichtigsten  Strafsen  der  Stadt 
führte  1241  den  Namen  Wollgasse®.  Die  Speyerer  Tuchmacherordnung 
entstammt  dem  Jahre  1298,  sie  enthält  ganz  genaue  Bestimmungen  über 
die  Mafse  der  verschiedenen  Sorten,  es  werden  Tuche  von  Weifsenburg 
und  Tuche,  die  schwarz  gefärbt  waren,  erwähnt.  Besonders  wichtig  ist 
aber  die  älteste  Mitteilung  über  die  Anwendung  des  Spinnrades,  *Iiem 
cum  rata  filari  potesU  *.  Doch  wurde  untersagt,  dieses  Garn  zum  Zettel 
zu  verwenden.  Der  Kampf  des  Spinnrades  gegen  Rocken  und  Spindel 
hat  übrigens'  Jahrhunderte  gedauert,  und  noch  heute  gilt  bei  vielen 
Johann  Jürgen  aus  Watenbüttel  bei  Braunschweig  (1530)  als  Erfinder 
des  Spinnrades.  Der  Kern  der  Erfindung  war  viel  älter.  Sollte  auch 
das  in  den  Statuta  vetera  von  Lodi  von  1210 — 1224  erwähnte  »filutn 
ieutonicum<j  wofür  die  Wageverhältnisse  angegeben  werden,  Radgarn 
gewesen  sein**.  Das  Spinnrad  fand  viele  Feinde,  es  machte  die  Menschen 
geradeso  „nervös"  wie  es  später  die  Maschinen  thaten.  Für  ein  Strafsburger 
Beginenhaus  bestimmte  der  Stifter,  dafs  die  Inwohnerinnen  „ein  sanftes 
und  leidliches  Handwerk  mit  Spinnen  an  der  Kunkel,  Nähen  und  anderem" 
betreiben  sollten.  Aber  keine  sollte  mit  dem  Rade  spinnen,  damit  Friede 
zwischen  ihnen  bleibe  und  die  eine  die  andere  nicht  mit  ihrem  unleid- 
lichen Handwerke  erzürne®.  In  Strafsburg  enthält  das  zweite  bald  nach 
1214  entstandene  Stadtrecht  eine  genaue  Bestimmung  über  das  Mafs  und 
die  Reinheit  der  grauen  Tücher.  Es  ist  fast  die  einzige  auf  die  Gewerbe 
bezügliche  Bestimmung  dieser  ältesten,  von  der  Bürgerschaft  veran- 
lafsten  Rechtsaufzeichnung  ^. 

Die  örtliche  Zerteilung  der  Arbeit  hat  auch  in  der  Zeit,  die  ich  in 
diesem  Kapitel  behandle,  noch  fast  vollständig  intakt  bestanden,  und  zwar 

J  Schmoll  er  S.  362. 

2  Wormser  Urkb.  1,  54  »de  mgris  et  grossis  laneia  pannis,r 

"  Ebda.  1,  138.  Das  von  Schmoller  aus  Ufrörer  beigebrachte  Zeugnis  einer 
Urkunde  Heinrichs  VI.  ist  zu  streichen,  die  Urkunde  ist  eine  Fälschung.  Köhne, 
Ursprung  d.  Stadtverf.  in  Worms  u.  s.  w.  S.  272. 

*  Mone  in  Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrheins  15,  281.  Zuerst  angeführt  von 
Martin  a.  a.  0.  S.  309. 

'•  Vignati  in  Bibl.  hist.  ital.  4,  557. 

«  Strafsb.  Urkb.  7  Nr.  SS  zu  1335  und  553. 

^  Strafsb.  Urkb.  1,  481.  Die  Datierung  nach  Rietschel,  Deutsche  Zeitschr. 
f.  Gesch.. W.  N.  F.  1,  43-47. 


122  Zwölftes  Kapitel 

noch  ziemlich  in  demselben  Zustande,  wie  sie  der  Conflictas  ovis  et  lini 
schildert.  In  Südwestdeutschland  giebt  es  Grautucher,  also  Verfertiger 
von  unge&rbten  Tüchern,  während  in  Südostdeutschland  die  halbverfilzten 
Lodenstoffe  erzeugt  wurden,  im  Rheingebiete  schliefsen  sich  nach  Norden 
schwarze  Tücher  an. 

In  Ulm  findet  sich  1253  ein  Loderer,  1292  ein  Zunftmeister  der 
Weber,  1296  ausdrücklich  ein  Tuchmacher,  und  um  die  Wende  des  drei- 
zehnten und  vierzehnten  Jahrhunderts  war  die  Zunft  der  Grautucher 
oder  Mamer  die  mächtigste  in  der  Stadt,  und  das  mächtige  Geschlecht 
der  Ehinger  ist  aus  ihrer  Mitte  hervorgegangen*.  Unter  den  Schwaben, 
welche  um  1200  an  der  Maut  in  Wien  Tücher  verzollten,  sind  wohl  in 
erster  Reihe  Ulmer  zu  verstehen,  deren  „Schachteln"  die  bequeme  Wasser- 
strafse  der  Donau  zur  Verfügung  stand  *.  An  der  Spitze  der  Handwerks- 
zünfte standen  auch  in  Basel  die  Grautucher^,  ja  sie  rücken  an  die  Grenze 
zu  den  Geschlechtern.  Grautucher  werden  hier  seit  1291  erwähnt*.  Aber 
mit  solchem  zufälligen  Vorkommen  ist  das  Alter  durchaus  nicht  erwiesen. 
In  Strafsburg,  wo  die  Grautuchweberei  ja  oben  als  alt  erwiesen  ist, 
würden  wir  ohne  das  Zeugnis  des  zweiten  Stadtrechtes  so  gut  wie  nichts 
wissen,  da  in  den  Urkunden  die  Bewohner  nicht  nach  ihrem  Gewerbe 
genannt,  sondern  gleichmäfsig  als  Strafsburger  Bürger  bezeichnet  werden. 
Gerade  deswegen  ist  es  so  schwer,  einen  Einblick  in  die  gewerbliche 
Gliederung  und  den  Habitus  der  Strafsburger  Bürgerschaft  zu  gewinnen. 
Ein  schlechtes  Lob  giebt  Hermann  von  Minden,  der  tüchtige  und  gefeierte 
Provinzial  der  deutschen  Dominikanerordensprovinz,  wenn  er  dem  Pro- 
vinzial  der  Provence  schrieb :  „Ich  hätte  Euch  auch  ein  zartes  Tuch 
von  Strafsburg  geschickt,  wenn  ich  einen  Träger  oder  Fuhrmann  ge- 
habt hätte.  Ich  sah  auch  einen  anderen  Traum:  da  Euch  das  feine 
Stoffe  webende  und  kämmende  Ilandern  versorgt,  würde  Deutschland 
mit  seinen  borstigen  und  dicken  bei  Euch  keinen  Einlafs  finden*".  In 
Freiburg  war  noch  viel  später  die  Färberei  unbekannt^,  und  ebenso- 
wenig wissen  wir  von  Villingen  etwas  über  die  Kunst  des  Färbens^,  an 
beiden  Orten,    die  um  1300   bereits  ein  hochentwickeltes  Textilgewerbe 


'  Nübliug,  Ulms  Baumwollweberei  182.  140. 

«  Gesch.-Quellen  d.  Stadt  Wien  1  Nr.  3. 

»  Geering  S.  34. 

*  Baseler  Urkb.  3,  26.  1299  3,  243.  Pannifex  1286  2,  312.  Panniparii  1292 
3,  46.  1297  3,  184.  1298  3,  220.  Textores  hierher  zu  ziehen  ist  bedenklich,  zuerst 
erwähnt  1277  2,  120. 

^  Finke,  Ungedruckte  Dominikanerbriefe  des  dreizehnten  Jahrhunderts  1891 
S.  158.    Der  Brief  ist  nach  1290  geschrieben. 

«  Gothein  538. 

7  Gothein  .533  f. 


Wollweberei.  128 

besafsen,  wurde  also  wohl  dasselbe  erzeugt,  wie  in  Ulm,  Basel  und  Strafs- 
borg.  Später  erschienen  Grautucher  auch  in  Konstanz,  Schaffhausen, 
RottweiP.     In  Konstanz  kommen  schon  sehr  früh  Walker  vor^. 

Auf  die  östliche  Lodenweberei  ist  hier  nicht  näher  einzugehen. 
Kegensburg  hatte  auch  wohl  andere  Stoffe  daneben  in  den  Bereich  der 
Produktion  gezogen.  Schon  1259  gab  es  hier  Schwärzer  und  Waid&rber^, 
also  wurde  im  wesentlichen  wohl  die  Kölner  Technik  geübt.  Hierher 
drangen  schon  früh  die  Tuche  von  Ulm  und  Köln,  wenigstens  werden 
Ulmer  Kaufleute  in  Enns  schon  1 192  genannt  *. 

Längs  des  Rheines  zog  sich  die  Reihe  der  alten  Reichsstädte,  in 
allen  hatte  die  Wollweberei  eine  Heimstätte  gefunden,  und  unter  ihren 
Zünften  und  Gewerben  standen  fast  stets  die  der  Wollindustrie  voran. 
Es  ist  bekannt,  welchen  Einflufs  die  Weber  auf  die  politische  Geschichte 
von  Köln  hatten,  durchweg  waren  die  Weber  die  politisch  beweglichsten, 
der  Gegensatz  der  armen  Wollschläger  und  der  reichen  Tuchscherer 
und  Tuchhändler  führte  früh  zu  Kämpfen.  Das  Geschlecht  der  Over- 
stolzen  stammte  von  einem  einfachen  Tuchhändler  ab,  und  noch  1324 
bot  der  frühere  Bürgermeister  Werner  Overstolz  selbst  die  Tuche  feil*. 
Gerade  aus  der  Gewandschneiderbruderschaft  ging  ein  groGser  Teil  des 
Kölner  Patriciates  hervor.  Der  Tuchhandel  von  Köln  war  mit  eins  der 
Fundamente  der  Blüte  dieser  Stadt.  Schon  1192  gingen  Kölner  Tuche 
bis  nach  Österreich®.  Das  Wollenamt  von  Köln  war  schon  1230  völlig 
organisiert,  es  hatte  ein  gemeinsames  Verkaufshaus  und  seine  Meister, 
die  die  Tücher  beschauten,  ja  das  Amt  war  innerlich  schon  so  mächtig, 
dafs  bei  Absatzstockungen  von  Amts  wegen  die  Fabrikation  der  Tücher 
eingestellt  wurde ^.  Es  wird  uns  begreiflich,  dafs  dieses  Amt  geeignet 
war,  die  gemeinsame  Sache  der  Handwerker  zu  führen  —  und  das  führte 
die  Kölner  Weber  ja  für  kurze  Zeit  zur  Herrschaft.  Es  erscheinen  dort 
auch  früh  die  Färber,  war  doch  1290  schon  die  Specialisierung  so  weit, 
dafs  es  einen  Rotfärber  gab^.  Am  ganzen  Niederrhein  war  die  Tuch- 
weberei stark  verbreitet®,  vorab  ist  Aachen  zu  nennen**^.  Am  Mittel- 
rhein erwähnten  wir  schon  Mainz  und  Worms,  nach  Speyrer  Art  wurde 


*  Ruppert  9. 

«Die  Vita  Gebehardi  episcopi  Const.  M.G.  SS.  10,  588  läfst  ihn  aus  den 
Hörigen  fitUones  auswählen. 
8  Schmoller  305. 

*  Nübling  140. 

»  Lau  122  f..  128. 

«  Gesch.-Quellen  der  Stadt  Wien  1,  1. 
'  Lau  204  f. 
«  Lau  212. 
»  Schmoller  366. 
'*  Auch  Aachen  um  1200  an  der  Wiener  Maut  mit  Metz  und  Maastricht. 


124  Zwölftes  Kapitel. 

1281  die  Wollweberei  in  Heilbronn  geregelt  *,  auch  Oppenheim  hatte  eine 
erhebliche  Tucherzeugung  ^. 

Aber  das  alles  stand  doch  hinter  der  grofsen  niederländisch-flandri- 
schen Wollweberei  weit  zurück.  Die  friesischen  Tuche  behaupteten  noch 
immer  ihren  guten  Namen  und  werden  oft  von  Dichtern  angeführt®; 
das  Schwergewicht  ruhte  im  Süden,  in  den  äufsersten  Gebieten  halb- 
friesischer Besiedlung*.  Flandern  war  geradezu  der  Mittelpunkt  der  Woll- 
industrie geworden.  Die  Lage  am  Kanal  hatte  damals  noch  höhere  Vor- 
teile als  heute.  Die  Schiffahrt  vom  Kanal  um  ^Portugal  herum  war  noch 
selten,  so  fand  die  Schiffahrt  der  Nordsee  hier  es  bequem,  die  Waren  um- 
zuschlagen und  zu  Land  nach  dem  Mittelmeer  zu  transportieren.  Die 
Schiffahrt  bis  zur  Elbe  galt  den  Franzosen  und  lüdienern  als  zu  gefähr- 
lich, und  so  war  für  alle,  die  von  Nord  oder  Süd,  von  Ost  oder  West 
kamen,  Brügge  der  natürliche  Endpunkt  ihrer  Fahrt*.  Aus  dem  Binnen- 
lande führten  drei  schiffbare  Flüsse  in  die  Nähe  dieser  Stadt.  War  die 
Blüte  des  Handels  natürlich,  so  war  das  Gewerbe  gleichfalls  begünstigt; 
denn  die  Nähe  von  England  bot  die  bequemste  Zufuhr  der  kostbaren,  im 
Mittehilter  hochgeschätzten  englischen  Wolle.  Die  vlaemische  Küste  mit 
dem  Salzgehalt  ihres  Erdreiches  zwang  zur  Schafzucht,  die  Schafzucht 
weckte  das  Gewerbe,  das  bald  eine  Einfuhr  nötig  machte.  Flandern 
wurde  das  Tuchland  des  Mittelalters.  Auf  diesen  Wollhandel  gründet 
sich  die  Interessengemeinschaft  von  Flandern  und  England,  ohne  eng- 
lische Wolle  konnten  die  flandrischen  Städte  nicht  bestehen,  wie  um- 
gekehrt die  englischen  Klöster  seufzten,  als  die  Schlacht  vor  Dombourg 
1254  die  Reihen  der  Handwerker  decimiert  hatte,  die  Preise  der  Wolle 
sanken.  Das  Material  wurde  möglichst  nahe  an  seiner  Produktionsstätte 
verarbeitet  in  dem  Lande,  dessen  Traditionen  in  der  Textilkunst  damals 
schon  über  1000  Jahre  alt  waren.  Hier  mufs  sehr  früh  das  Fufswalken 
durch  die  Walkmühle  ersetzt  sein,  und  unzweifelhaft  ist  von  hier  aus 
die  Kunst  des  Färbens  verbreitet  worden  ®,  die  namentlich  im  südlichen 
Flandern  blühte.  Die  technische  Überlegenheit  der  Herstellung,  die  Güte 
des  Rohstoffes  und  die  vortreffliche  Verteilung  der  Handelswege,  welche 
Brügge,  damals  in  bequemer  Wasserverbindung  mit  dem  Meere,  bald  zum 
ersten  Börsenplatze  machen  sollte,  kamen  zusammen,  um  die  flandrische 


1  Schmoller  865. 

2  König  Albrecht  1801.    P'rank,  Gesch.  v.  Oppenheim.   Urkundenbiich  Nr.  52. 
^  Hüllmann  1,  221.    Schultz  1,  387  und  840,    der    seine  Beispiele  sehr  un- 
glücklich auf  Phrygien  bezieht. 

*  Vgl.  die  Nachrichten  bei  Schmoll  er  367.    Pi  renne  1,  187  ff.,  198  ff.,  298  ff. 
^  Fuuck-Brentano,  Philippe  le  Bei  cn  Flandre  32  ff. 

*  Schultz  1,  855  Anm.  8  führt  das  Zeugnis  des  Guilelm.  Brito  für  die  Färbe- 
kunst Yperns  an. 


Wollweberei.  125 

Wollindustrie  allen  andern  überlegen  zu  machen.  In  Brügge  trafen  die 
Waren  der  ganzen  Welt  zum  gegenseitigen  Austausche  zusammen,  und 
eine  Zusammenstellung  des  vierzehnten  Jahrhunderts^  fUhrt  einzeln  die 
Produkte  auf,  welche  die  verschiedenen  Länder  boten.  Unser  Vaterland 
erscheint  ärmlich  mit  seinen  Gaben  an  Wein  und  Eisenarblsiten  gegenüber 
den  reichen  Produkten  anderer  Länder.  Flandern  war  der  gemeinschaft- 
liche Markt  für  die  hier  aneinander  stofsende  germanische  und  roma- 
nische Welt,  innerhalb  des  agrarischen  Hochmittelalters  der  Anfang  einer 
neuen  Zeit. 

Wir  werden  noch  oft  von  der  beherrschenden  Stellung,  welche  im 
Handelsleben  England  durch  seine  vortreffliche  Wolle  hatte,  zu  reden 
haben.  Sehen  wir  einmal  zu.  Schon  im  dreizehnten  Jahrhundert 
wufsten  selbst  süditalienische  Geschichtschreiber  den  Wert  der  englischen 
Wolle  zu  schätzen*.  Unter  den  Kaufleuten,  die  1273  aus  England  von 
diesem  Rohstoffe  ausführten,  waren  auch  solche  von  Florenz,  Lucca  und 
Piacenza  neben  solchen  aus  Deutschland ,  Belgien ,  Frankreich  und 
Spanien^.  Und  in  einer  Urkunde  von  1295  erscheinen  die  grofsen 
Bankhäuser  von  Florenz,  die  Cerchi  neri  und  bianchi,  Bardi,  Spini, 
Mozzi,  Frescobaldi,  Pulci,  wie  sie  durch  ihre  Vertreter  englische  Wollen 
haben  aufkaufen  lassen,  die  in  Brabant  und  Holland  lagern^.  Einen 
genauen  Einblick  in  die  Ausdehnung  des  Handels  mit  englischer  Wolle 
seitens  der  Florentiner  giebt  ein  Dokument  von  1284,  demzufolge  22 
englische  Klöster  ihre  Wollproduktion  auf  zwei  bis  elf  Jahre  gröfstenteils 
ganz  an  Florentiner  Häuser  im  voraus  verkauft  hatten  *.  Die  englischen 
Ausfuhrlicenzen  von  1277  bis  Januar  1278  sind  uns  erhalten,  von  dem 
Gesamtbetrage  der  Ausfuhr  entfallen  29,6  *^/o  auf  die  Italiener,  der  Betrag 
wurde  von  den  Holländern  und  ßrabantern  zusammen  allerdings  über- 
troffen (32,2%),  von  den  Franzosen  (21,8)  und  den  Deutschen  (11,6) 
jedoch  nicht  erreicht.  Die  gröfsere  Kapitalkraft  der  Italiener  zeigt  sich 
darin,  dafs  der  Einzelne  weit  gröfsere  Partien,  von  20  bis  300,  im  Durch- 
schnitt 163  Sack  ausführte®.  Die  italienische  Ausfuhr  belief  sich  auf 
4235  Sack;  in  Newcastle  gingen  69<>/o  der  Wolle  1294—98  an  Italiener ^ 

Dafs  Kaufleute  von  Piacenza®,  Florenz,  Siena  und  anderen  italieni- 

^  Hansisches  Urkundeubuch  3,  419. 

"  iExuvias  dofiant  caras  de  Zatia,  quam  Ovis  anglicana  cangesserat  GaUiaque 
UBmeraU'    Schultz  1,  506. 

»  Hans.  Urkb.  3,  407. 

*  Fagniez,  Documcnts  320. 

»  Pagnini,  Della  Decima  4,  324  ff. 

^  Kunze,  Hanseakten  332. 

'  Kunze  333. 

^  Solehe  schon  1199  im  Gcldverkehr  mit  der  engl.  Krone.  Rotuli  charta- 
rnm  31  u.  96. 


126  Zwölftes  Kapitel. 

sehen  Städten  sich  im  Laufe  des  dreizehnten  Jahrhunderts  in  England 
aufhielten,  dafs  sie  dort  den  ausgedehntesten  Geldhandel  trieben,  geht  in 
letzter  Linie  auf  diese  ausgedehnten  Wollkäufe  zurück.  Die  Wolle  hatte 
die  Italiener  bis  hierher  gebracht,  und  sie  machte  aus  ihnen  die  Bankiers. 
Fast  alle  Florentiner,  aber  auch  Sieneser  Bankhäuser  lassen  sich  im  Woll- 
handel nachweisen*.  Und  ein  feiner  Mailänder]  Beobachter  des  drei- 
zehnten Jahrhunderts,  Bonvesin,  erklärt,  trotzdem  er  alles  Lombardische 
sonst  lobt,  die  dortige  Wolle  sei  nicht  gut,  die  feine  Wolle  komme  aus 
der  Fremde*. 

In  der  Folge  —  ich  mufs  hier  vorgreifen  —  hat  gerade  der  Geld- 
handel den  Italienern  geschadet,  schon  1310/11  ging  der  erste  Ansturm 
gegen  sie  los,  die  Frescobaldi  wurden  verbannt,  ihr  Gut  konfisziert®. 
Viel  schwerer  war  der  Bankerott  der  Banken,  den  König  Elduard  III. 
durch  Weigerung  der  Zahlung  seiner  Schulden  herbeiführte.  Dadurch 
erst  wurden  die  Hanseaten  von  ihren  schlimmsten  Konkurrenten  befreit, 
und  der  Hauptexport  ging  an  die  Deutschen  über.  England  selbst  stellte 
keine  Tuche  flir  die  Ausfuhr  her,  wenn  auch  schon  1130  drei  Weber- 
gilden nachzuweisen  sind*;  es  deckte  seinen  Bedarf  an  feineren  Tuchen 
aus  dem  Auslande,  und  als  1258  und  1271  die  ersten  Versuche  gemacht 
wurden,  das  edle  Rohprodukt  ausschliefslich  im  Lande  zu  verarbeiten 
und  ein  WoUeaiisfuhrverbot  erging,  muüsten  die  Leute  weifse  Gewänder 
tragen  *. 

Die  Bedeutung  der  englischen  Wolle  kam  zunächst  in  der  Blüte 
Flanderns  zum  Ausdrucke.  Der  flandrische  Einflufs  strahlt  nach  allen 
Seiten  —  noch  heute  ist  das  nachweisbar.  Vlaemische  Färbekunst  kam 
nach  Wien,  wo  die  Färber  Fläminge  genannt  wurden,  wie  im  Thüringi- 
schen die  Tuchmacher  überhaupt*.  Nach  England  flandrische  Tuchmacher 
zu  ziehen,  wurde  schon  1111  der  Versuch  gemacht',  und  mit  der  Er- 
starkung der  von  Flandern  aus  beeinflufsten  englischen  Wollweberei 
sollte  den  Vlaemen  die  schlimmste  Konkurrenz  erwachsen.  Das  Gebiet 
der  Tucherstädte  an  der  Maas  und  in  der  Picardie  schliefst  sich  unmittel- 
bar an,  und  selbst  nach  Italien  werden  wir  den  Einflufs  Flanderns 
nachweisen  können.  Von  den  flandrischen  Städten  Brügge,  Yperen  und 
Arras  findet  sich  der  Name  fast  in  jedem  Schatzverzeichnisse,  nicht  selten 


^  Bei  Ashley  1,  105  kommt  das  nicht  recht  zur  Geltung.    Ich  kann  jedoch 
hier  die  Beweise  nicht  geben. 
«  S.  97. 

8  Kunze  S.  IX. 
*  Ashley  1,  81. 
»  Ashley  2,  205. 
«  Schmoller  S.  364  f. 
■^  Schmoller  S.  367. 


Wollweberei.  127 

werden  auch  Gent,  Ryssel  und  Doomik  genannt  ^  Brabant  stellte  mit 
Brüssel,  Mecheln,  Löwen,  Huy  die  Verbindung  mit  dem  niederrheinischen 
Bezirke  her,  wie  nach  Südosten  Cambray  und  Valenciennes  als  die  wichtig- 
sten Weberstädte  zu  nennen  sind.  Die  Eifersucht  der  Städte  wachte 
über  die  Güte  der  Tücher  und  förderte  die  lokale  Differenzierung  der 
Tucharten.  So  entstand  eine  schier  unendlich  grofse  Zahl  von  gröberen 
und  feineren  Geweben  in  vielerlei  Farben.  Vor  allem  erzeugte  Flandern 
Luxusstoffe,  und  wie  der  Luxus  stets  der  beste  Förderer  des  Handels 
gewesen  ist,  so  war  es  auch  damals.  Wo  immer  man  Schatzverzeichnisse 
oder  Zolltarife  aufstellte,  fehlten  die  Namen  flandrischer  Städte  nicht*. 
Der  Vertrieb  der  Waren  ging  nach  allen  Seiten  hin,  vor  allem  auch 
nach  Italien  und  dem  Orient,  und  die  Landverbindung  zwischen 
Flandern  und  Italien  durchschnitt  in  den  meisten  Fällen  die  schweize- 
rischen Alpen.  Ich  weifs  sehr  wohl,  dafs  mitunter  auch  Waren  die 
Garonne  aufwärts  gingen,  in  Toulouse  auf  das  Saumtier  kamen,  um  dann 
in  Aigues  Mortes  zur  Seefahrt  verladen  zu  werden. 

Auf  französischem  Boden  setzte  sich  das  Gebiet  der  Wollindustrie 
fort^.  In  der  Picardie  werden  vor  allem  Amiens,  Abbeville  und  St. 
Quentin  genannt,  in  der  Isle  de  France  neben  Paris  St.  Denis  und  in 
der  Beauce  Chartres.  Hervorragend  war  die  Tuchbereitung  in  der 
Champagne,  der  wichtigste  Platz  war  wohl  Chalons  sur  Marne,  wo  ein 
sehr  altes  Statut  hellen  Einblick  gewährt*,  dann  Provins,  Troyes,  Rheims 
und  Lagny.  Eine  Anzahl  nordfranzösischer  Städte  war  für  den  Verkauf 
der  Tuchwaren  auf  den  Messen  der  Champagne  mit  denen  von  Flandern 
und  Brabant  verbunden**.  Dieser  Bund  erstreckte  sich  nach  Südwesten 
bis  Ronen  und  Le  Mans.  Er  ist  zu  unterscheiden  von  der  in  das  fran- 
zösische Sprachgebiet  kaum  hereinreichenden  flandrischen  Hansa  in 
London,  die  gleichfalls  daraufhin  arbeitete,  durch  AusschluCs  der  inneren 


»  Auch  bei  Dichtem  sehr  häufig.  Vgl.  Schultz  1,  353  Anm.  9.  354  Anm.  8,  9 
und  355  Anm.  8,  9.  Der  Venetianer  Tarif  von  1265  führt  auf  Ypem  {»ypra*),  Brügge 
(»broea*),  Doomik  (•tomero*)^  Louviers  im  Ddp.  Eure  od.  Löwen  (»Zor^o«), 
Valenciennes  {»valencino*) ^  auch  »stanfortes  Anglie*.  Capitolare  dei  Visdomini 
herausgeg.  v.  Thomas  284  und  Born  an  in,  Stör.  doc.  di  Venezia  2,  378.  In  Genua 
verhandelten  Astigianen  viel  niederländisches  Tuch,  so  von  Chalons,  Cambrai  und 
Provins.  Liberjur.  Gen.  ad  a.  1251.  In  Wien  Anf.  des  dreizehnten  Jahrhunderts 
Tuche  von  Gent,  Ypem,  Huy,  Arras,  Toumay  u.  Louviers.  Gesch. -Quellen  der 
Stadt  Wien  1  Nr.  4. 

s  Päpstl.  Inventar  von  1295  s.  oben  S.  116.  Neapolit.  der  Anjou.  Ganz  allgemein 
werden  drappi  de  uttra  montes  in  dem  Tarif  der  Sensale  von  Piacenza  aufgeführt. 
Stat.  merc.  S.  72  §  265. 

•  Vgl.  Bourquelot,  Pigeonneau,  Blancard,  Fagniez. 

*  Fagniez  S.  151. 

^  Bourquelot  1,  138. 


128  Zwölftes  Kapitel. 

Konkurrenz  den  Absatz  der  Waren  und  den  Einkauf  der  Rohprodukte 
zu  erleichtern.  Aber  auch  der  Süden  Frankreichs  hatte,  genährt  durch 
die  treffliche  spanische  Wolle,  bedeutende  Wollindustriestädte,  so  Toulouse, 
Montpellier,  Narbonne,  Nimes,  Avignon  u.  a.  Doch  sind  Waren  von  dort 
wohl  kaum  in  gröfserer  Masse  durch  das  hier  zu  behandelnde  Verkehrs- 
gebiet gekommen  ^. 

Auf  der  schweizerischen  Hochebene  ist  aufser  Zürich^,  wo  man 
neben  grauen  Tüchern  Berwer,  Drilche  und  schwarzes  Hosentuch  machte", 
sicher  auch  im  burgundischen  Teile  Freiburg  im  Üchtland  eine  Weber- 
stadt gewesen,  dort  wurde  das  Gewerbe  in  der  Form  der  Hausindustrie 
betrieben*.  Aus  Bern  ist  uns  ein  Statut  für  Tuchweber  von  1307  er- 
halten, das  eine  alte  Übung  des  Handwerks  voraussetzt*.  In  Uri  werden 
wir  Weber  auf  dem  Lande  bei  Herstellung  von  grobem  Tuche  finden.  In 
Lothringen  wird  uns  Metzer  Tuch  genannt,  das  in  Marseille  verschifft 
wurde  ^,  wie  auch  weiter  nördlich  Lüttich  die  Verbindung  mit  der  Weberei 
des  Rheingebietes  herstellte. 

In  Italien  waren  der  Wollindustrie  erhebliche  Hindernisse  entgegen- 
gesetzt, die  günstigen  Vorbedingungen,  die  daneben  bestanden,  haben  aber 
den  kaufmännischen  Sinn  der  Italiener  und  besonders  der  Florentiner 
gereizt,  zugleich  griff  der  eigentümlichste  Orden,  den  die  katholische 
Kirche  hervorgebracht,  ein,  so  wurde  schliefslich  das  italienische  Wollen- 
gewerbe dem  vlaemischen  ebenbürtig^. 

Italien  selbst  produzierte  eine  schlechte  Wolle,  die  nur  zu  den  panni 
schiavini  und  villaneschi,  zu  Tuchen  für  Sklaven  und  Bauern  verwendet 
werden  konnte.  Eine  Verbesserung  der  Wollerzeugung  durch  sorgfältige 
Zucht,  Fütterung  wurde  im  Mittelalter  gewifs  sehr  selten  erstrebt,  und 
in  Italien  wurde  Ackerbau  und  Viehzucht  schon  damals  schwer  vernach- 
lässigt Die  Erfindungsgabe  des  Italieners  war  eine  rein  gewerbliche. 
Die  alte  Technik  ist  —  wenn  auch  eine  Geschichte  des  italienischen  Ge- 
werbes noch  nicht  geschrieben  ist,    so  darf  man  das  wohl  behaupten  — 

'  Der  oben  erwähnte  Venetianer  Zolltarif  von  1265  führt  an  Provins  (aprw'n); 
Cbalons  (zaliaono\  Arras  ((h  razo),  Paris  (parisino),  Lille  {lüla%  St.  Omer  (de  santomeo) 
und  Rheims  {de  rocmo). 

«  Urkb.  3,  132. 

'  BeHtimmungen  des  Richterbriefs  Bürkli- Meyer  36 — 40. 

*  P'ont.  rer.  Bern.  2,  307. 

^  Font.  rer.  Bern.  4,  305. 

®  Biancard  1,  96,  um  1200  in  Wien  s.  oben  S.  116  Anm.  5.  Nach  weiteren 
Zeugnissen  habe  ich  nicht  gesucht,  wie  ich  ja  für  diese  Gebiete  nur  gelegentlich 
primäre  Quellen  heranziehe. 

"^  Eine  Geschichte  der  italienischen  Textilindustrie  kann  ich  natürlich  nicht  er- 
streben, ich  kann  nur  auf  diese  klaffende  Lücke  in  der  Litteratur  hinweisen  und 
sie  provisorisch  füllen. 


Wollweberei.  129 

in  den  meisten  Gewerben  erhalten  geblieben ,  unzweifelhaft  ging  die 
Kunst  der  Wollweberei  nicht  verloren.  Die  überlegene  Technik  der 
Römer  stellte  die  Italiener  also  den  Erben  der  Atrebaten,  den  Friesen 
und  Vlaemen  gleich.  Die  italienischen  Städte  entwickelten  sehr  früh  eine 
stramme  Organisation  der  Handwerke,  der  arti,  mit  Eifersucht  wachte 
jede  Zunft  über  die  Vorteile  und  den  guten  Namen  ihrer  Produktion, 
und  so  war  hier  die  korporative  Organisation  des  Handwerks  früher  und 
intensiver  entwickelt  als  im  Norden.  Die  Mängel  des  Rohmaterials 
mufsten  den  Italienern  um  so  ärgerlicher  sein,  als  die  feineren  Färbe- 
mittel aus  dem  Orient  grofsenteils  auf  italienischen  Schiffen  gebracht 
wurden.  Diese  teuren  Färbemittel  auf  schlechte  Wolle  zu  verwenden, 
konnte  dem  haushälterisch  rechnenden  Italiener  nicht  gefallen,  und  so 
drängte  alles  dazu,  dem  italienischen  Wollgewerbe  einen  besseren  Boden 
zu  verschaffen  durch  Einfuhr  fremder  Wolle,  und  diese  wurde  nun 
herangezogen  aus  der  südlichsten  Provinz  des  heutigen  Portugal:  Garbo 
(Algarve)  ^,  aus  Spanien  und  aus  Tunis.  Die  vorzüglichsten  Qualitäten, 
mit  denen  nur  die  englische  Wolle  einen  Vergleich  aushielt,  standen  jetzt 
zur  Verfügung.  Im  dreizehnten,  vielleicht  schon  am  Ende  des  zwölften 
Jahrhunderts  kam  auch  die  englische  Wolle  nach  Italien  und  damit 
erwuchs  die  intensive  Verbindung  Italiens  mit  England,  Flandern  und 
dem  Niederrhein,  welche  den  Handel  über  die  schweizerischen  Alpen- 
pässe ganz  besonders  beeinflussen  mufste. 

Jedes  Gewerbe,  das  den  Einkauf  des  Rohmateriales  und  namentlich 
eines  so  kostbaren  wie  es  die  Wolle  ist,  den  Händen  des  Handwerken 
entzieht,  geht  in  kapitalistische  Hände  und  kapitalistische  Organisation 
über.  Wie  wollte  der  Wollspinner  englische  Wolle  mit  Vorteil  kaufen, 
wo  aus  der  eigenen  Stadt  kapitalkräftige  Bürger  selbst  nach  England 
gingen,  am  Erzeugungsorte  die  Wolle  erstanden  und  auf  dem  billigsten 
Wege  in  grofsen  Karawanen  das  Gut  in  die  Heimat  brachten,  um  es 
dort  durch  wirtschaftlich  abhängige  Weber  verarbeiten  zu  lassen?  Die 
grofse  Entfernung  des  Ankaufsplatzes  des  Rohstoffes  von  der  Stätte  der 
Verarbeitung  und  wiederum  die  dieser  von  der  Gegend  des  Verbrauches 
gab  den  italienischen  Arti  della  lana  einen  wesentlich  kapitalistischen 
kaufmännischen  Zug,  der  erheblich  stärker  ist,  als  das  bei  den  deutschen 
Weberzünften  der  Fall  ist.  Der  Handwerker  dieser  vornehmsten  für  den 
Export  arbeitenden  Industrie  kaufte  den  Rohstoff  nicht  ein,  wie  er  die 
fertige  Ware  nicht  vertrieb,  das  besorgte  wie  die  ganze  kaufmännische 
Thätigkeit  der  Kaufmann  —  ersterer  betrieb  nur  das  Handwerk  und  war 
vom  Kaufmann  völlig  abhängig. 


^  Nach  gütiger  Mitteilung  W.  v.  Heyds  hält  er  es  auch  für  möglich,  an  die 
afrikanische  Insel  Djerba  zu  denken,  die  sehr  kultiviert  war. 

Schult«,  GMoh.  d.  mittelaltorl.  Handels.    I.  9 


130  Zwölftes  Kapitel. 

Die  Zünfte  der  italienischen  Städte  hatten  Lehrmeister  und  Rivalen 
in  einem  Orden,  der  eigentlich  aus  dem  Weberhandwerke  hervorgewachsen 
war.  Es  war  der  Orden  der  Humiliaten,  den  man  einen  Orden  von 
Wollenwebern  nennen  könnte^.  Nach  der  alten  Tradition  des  Ordens 
soll  ein  deutscher  König  lombardische  Verbannte  nach  Norddeutschland 
geschickt  haben,  wo  sie  die  Kunst  des  WoUewebens  erlernt  hätten.  Sie 
bildeten  eine  Laien-Genossenschaft  und  lebten  nun  von  der  gemeinsamen 
Arbeit  und  behielten  auch  diesen  religiösen  Bund  bei,  als  sie  in  die 
Heimat  zurückkehren  durften.  Die  Tradition  ist  bezüglich  der  Zeit  sehr 
unsicher,  der  Geschichtschreiber  des  Ordens,  der  gelehrt^  Tiraboschi, 
entscheidet  sich  dafUr,  dafs  der  deutsche  Kaiser  Heinrich  IL  1014  die 
Lombarden  verbannt  habe.  Diese  Tradition  macht  die  Humiliaten  also 
zu  den  Vermittlem  des  Fortschritts,  den  die  Textilkunst  im  Norden 
bereits  gemacht  hatte,  und  dafs  die  Walkmühle  von  ihnen  nach  Italien 
verpflanzt  wurde,  wäre  denkbar.  Jedenfalls  ist  sie  in  Italien  aus  deut- 
schem Sprachgebiete  importiert,  denn  für  sie  übernahm  der  Italiener 
das  Wort  Walke,  er  nennt  sie  nicht  fulla,  sondern  gualcheria.  Die  Ge- 
schichte des  aufkommenden  Ordens  wird  erst  um  1200  klarer,  inzwischen 
waren  schon  Klöster  gegründet,  die  ältesten  die  Brera  in  Mailand  und 
in  Rondenajo  dicht  bei  Como.  Innocenz  HI.  bestätigte  1201  den  neuen 
Orden.  Die  Humiliaten  sollten  von  ihrer  Hände  Arbeit  leben  und  waren 
fast  ausschliefslich  Wollweber  und  Tuchmacher.  Männer  und  Frauen 
arbeiteten  mit,  doch  kam  auch  hier  der  Cölibat  zur  Geltung,  und  als 
dritte  Stufe  verband  sich  damit  eine  geistliche  Stufe.  Die  geistlichen 
Mitglieder  arbeiteten  nicht  selbst,  sondern  organisierten  als  mercatores 
die  Produktion  und  den  Vertrieb.  Der  Orden  blühte  empor,  und  von 
den  Händen  der  Wollarbeitermönche  ging  manche  Unterstützung  an  die 
Armen.  Die  Organisation  des  Ordens  war  so  vorzüglich,  sie  ver- 
standen so  viel  von  Buchführung,  dafs  ihnen  öfters  eine  Stadt  die  Kasse 
anvertraute,  oder  es  wurde  ihnen  die  Versorgung  eines  Heeres  über- 
tragen, anderswo  übernahmen  sie  Hospitäler^.  Es  war  die  Organisation 
der  Arbeit  zu  gemeinsamem  Lebensunterhalte  unter  kirchlichem  Gehor- 
sam, welche  sich  im  dreizehnten  Jahrhundert  glänzend  bewährte.  Die 
Lombardei  war  schnell  mit  einem  dichten  Netz  von  Häusern  überzogen. 
In  und  um  Mailand  gab  es  mehr  als  zwanzig  Häuser,  nach  Bonvesin, 
De  magnalibus  urbis  Mediolani,  1283  im  Erzbistum  gar  220^  —  und  so 
vortrefflich  waren  die  Tuche,    die  die  Humiliaten  erzeugten,    dafs  mehr 


^  TiraboBchi,  Vetera  Humiliatorum  Monumenta.    Mcdiol.  1766.    2  Bde. 
^  Tiraboschi  1,  168  fF.    In  Cremona  waren  sie  u.  a.  Zollbeamte  vgl.  Aste- 
giano  %  398  f. 

8  S.  81. 


Wollweberei.  131. 

als  eine  Stadt  die  Mönche  berief,  damit  sie  dort  die  Tuchfabrikation 
einführten,  so  Rimini  1261  und  Perugia  1279,  und  selbst  die  weit- 
entwickelte Kunst  in  Florenz  sah  in  den  Humiliaten  eine  treffliche  G^ 
werbe-  und  Handelsschule,  und  die  Stadt,  die  allen  Fortschritt  fiSrderte, 
berief  1239  die  Humiliaten,  und  1256  wurden  sie  in  das  Innere  der  Stadt 
gezogen.  Ihr  Einflufs  war  so  grofs,  dafs  wenig  später  der  Geschicht- 
schreiber Villani  die  Meinung  aussprechen  konnte,  durch  sie  sei  die  arte 
della  lana  nach  Florenz  gekommen,  was  nicht  richtig  ist 

Auch  die  Niederlande  und  Deutschland  haben  eine  Art  von  Humi-^ 
liaten  gehabt:  es  sind  die  im  dreizehnten  Jahrhundert  massenhaft  auf* 
tauchenden  Häuser  der  Beghinen  und  die  weit  weniger  zahlreichen 
Begharden;  jedoch  thaten  sich  die  Häuser  nicht  zu  einem  Orden  zu- 
sammen, sondern  traten  meist  unter  die  geistliche  Leitung  der  Bettel- 
orden; auch  ist  ihr  gewerblicher  und  technischer  Einflufs  weit  geringer, 
als  das  bei  den  italienischen  Webermönchen  der  Fall  war,  die  Schwestern 
haben  wohl  nicht  gewoben,  aber  die  Beghinenklöster  haben  dem  Über- 
flüsse weiblicher  Arbeitskräfte  Verwendung  im  Spinnen  gegeben. 

Bei  dieser  Stellung  des  Humiliatenordens  zum  T^tilgewerbe  giebt 
uns  das  Verzeichnis  ihrer  Konvente  auch  ein  Bild  der  Verbreitung  der 
Wollweberei.  Von  der  Lombardei  aus  erstreckte  sich  die  Wollindustrie 
nach  Venetien  und  in  die  Emilia  ^,  auch  Toskana  nahm  lebhaften  Anteil. 

Der  älteste  Hauptsitz  der  Wollweberei  ist  wohl  Mailand  gewesen, 
wenn  auch  das  dürftige  Quellenmaterial,  das  für  die  Geschichte  Mailands 
überhaupt  erhalten  ist,  den  Beweis  nicht  scharf  zu  fuhren  gestattet'. 
Der  dem  Anfang  des  vierzehnten  Jahrhunderts  angehörige  Mailänder 
Chronist  Galvano  Fiamma  erzählt  in  seinem  Chronicon  majus^,  1172  seien 
consules  mercatorum  in  Mailand  gewählt,  und  wie  er  nun  ihren  Amts- 
bereich beschreibt,  erwähnt  er  zuerst,  sie  hätten  Aufsicht  über  das  Mafs 
der  Tücher  und  das  Gewicht  der  Münzen  gehabt,  dann  erwähnt  er  auch 
ihre  Pflicht,  fUr  Strafsen  und  Brücken  zu  sorgen,  damit  die  Eaufleute 
sicher  über  die  Berge  gehen  könnten,  und  erwähnt  dann,  dafs  die  ersten 
Kauf  leute,  welche  über  das  Gebirge  gingen,  um  überbergische  Tuche  und 
feine  Wolle  zu  kaufen,  gewesen  seien :  Petrus  de  la  Blava  und  Jordanus 

^  In  der  Lombardei  war  das  Netz  am  allerdichtesten,  so  war  auch  der  Comer- 
see  von  Ansiedelungen  der  Humiliaten  eingeschlossen,  deren  nördlichster  Posten 
Chiavenna  war;  auch  Lugano  und  Locamo  fehlen  nicht.  Von  Novara  nach  Westen 
wird  das  Netz  minder  dicht,  stärker  ist  nur  Alessandria  und  Tortona  mit  ihrem  Be- 
zirk vertreten.  Nach  Osten  hin  ist  die  Abnahme  weit  geringer.  Die  Niederlassung 
in  Piacenza  ist  sehr  alt.  Tiraboschi  Bd.  2.  Selbstredend  decken  sich  Wollindustrie 
und  Humiliaten  nicht  absolut. 

«  Vgl.  Gaddi,  Per  la  storia  S.  Uff. 

'  £d.  Ceruti  in  Miscellanea  di  storia  italiana  7,  716.  Er  lebte  von  etwa 
1288  bis  etwa  1384. 

9* 


X32  Zwölftes  Kapitel. 

de  la  Flamma.  An  einer  andern  Stelle  seiner  ^Chronica  extravagans  de 
antiguiiatibus  Mediolanu  schildert  Galvano  die  Produkte,  welche  die  Eauf- 
leute  seiner  Heimatstadt  ausführen  können.  Zuerst  nennt  er  die  Waffen, 
dann  die  Streitrosse,  welche  nach  Frankreich  und  sonst  über  die  Berge 
ausgeführt  würden.  „Das  Dritte,  an  dem  wir  wegen  des  Gewerbefleifses 
unserer  Eaufleute  Überflufs  haben,  sind  die  Tuche.  Diese  Kaufleute 
durchstreifen  nämlich  Frankreich,  Flander;n  und  England,  um  feine  Wolle 
zu  kaufen,  aus  der  dann  hier  feine  und  edle  Tuche  in  grofser  Zahl  ge- 
woben werden,  die  in  aller  Weise  gefkrbt  und  dann  durch  ganz  Italien 
verbreitet  werden.  Es  bringen  auch  unsere  Kaufleute  von  jenseits  der 
Berge  Tücher  von  Scharlach  und  allerhand  Art,  Hermelin  und  anderes 
Pelzwerk,  eitern  gendalia  et  pannos  velutos  et  nachorutn  auro  purtssimo 
textorum,  ex  quibus  hahunde  refunditur  cunctis  civitatihas  Italie.^  Man 
macht  auch  gröbere  Wolltuche  und  das  glänzendste  Leinen,  das  auch 
bis  zu  den  Tartaren  ausgeführt  wird.  Ebenso  baumwollene,  seidene  Stoffe 
»credonum,  pellipariorum^^  deren  Zahl  unglaublich  ist."  Er  zählt  weiter 
die  Gewürze,  Weine,  Flüssigkeiten  etc.  auf,  die  von  Mailand  aus  ge- 
handelt werden*.  Galvano  flihrt  also  von  den  Gewerben  seiner  Stadt 
als  an  der  Ausfuhr  beteiligt  nur  die  Waffenschmiede,  Sattelmacher, 
Sporer  und  die  der  Textilgewerbe  an,  und  doch  war  Mailand  allen 
Städten  der  Lombardei  weit  an  Bedeutung  wie  an  Zahl  seiner  Einwohner 
überlegen  *. 

Monza  war  in  der  Wollweberei  das  Vorbild  von  Piacenza^  und  auch 
seine  Bewohner  werden  wir  dabei  finden,  wie  sie  Wollballen  über  die 
Alpen  nach  Italien  bringen.  Die  allerdings  erst  im  Jahre  1331  auf- 
gezeichneten Statuta  mercatorum   comunis  Modoetie  gewähren  einen  ge- 


*  Ed.  Ceriiti  ebda.  448  ff.  An  anderer  Stelle  sagt  der  mit  Vorliebe  Statistik 
treibende  Mönch :  »opifices  textorum  lane,  Ztni,  homhacis,  aericiy  cerdonum,  peUipariorum, 
sart&rum  sunt  in  numero  indicihüu  7,  491  f.  Der  Venetianer  Zolltarif  führt  weifse 
nnd  graue  Tuche  von  Mailand,  Lucca  und  Como  an,  aufserdem  »stanfortini  de  medio- 
lano,  de  moiza  (Monza)*  und  »Borgomasclis  (Bergamo)*.  Über  die  e'stanfort^  (stamen 
forte),  ein  feineres,  zur  Kleidung  verwendetes  Gewebe  s.  Bourquelot  1,  227 — 31. 
Eine  wichtige  Quelle  für  die  Handelsinteressen  der  Mailänder  sind  Verträge  mit  den 
Bischöfen  von  Chur  über  die  Simplonstrafse  (Gremaud  30,  421.  Vgl.  30,  255  zu 
1270).  An  der  Spitze  stehen  die  panni  draperie  de  Francia,  aufserdem  wird  auch 
lana  und  corduani  genannt. 

^  Nach  Calvi,  11  patriziato  milanese  (Archivio  storico  lombardo  1,  414)  waren 
in  dem  Register  der  arte  della  lana  alte  Patrizier  wie  die  Cotta,  Pozzobonelli, 
Airoldi,  Casati,  Crivelli,  Maraviglia,  auch  solcher  feudaler  Herkunft  wie  die  Imber- 
sago  und  Vimercato  eingetragen.  Bis  in  die  Zeit  der  spanischen  Herrschaft  nahm 
der  Adel  am  Handel  lebhaften  Anteil.  Die  Statuten  von^Brescia  (1813)  erwähnen 
§  242  Tücher  von  Mailand  und  aus  Frankreich.    Mon.  bist.  patr.  Bd.  16. 

*  Statut,  mercat.  c.  248  in  Statuta  yaria  civit.  Placentinae  (Bd.  I  der  Monum. 
historica  ad  prov.  Parmensem  et  Placentinam  pertinentia)  S.  67.  Bestimmung  von  1199. 


WoUwebereL  138 

Hauen  Einblick  in  das  Leben  der  Stadt,  die  ihre  Hauptnahrung  aus  der 
Wollindustrie  zog.  Selbst  in  diesem  verhältnismäfsig  kleinen  Orte  standen 
sich  die  völlig  unorganisierten  Lohnarbeiter,  die  hier  geradezu  laboratores 
genannt  werden,  und  die  Tuchhändler  und  Fabrikanten  gegenüber^. 
Tücher  von  Como  werden  im  Zolltarif  von  Venedig  besonders  auf- 
geführt*. Vercelli®,  Pavia*,  Novara*,  Lodi,  Bergamo^  und  Cremona^ 
haben  gleichfalls  bedeutende  Wollwebereien  gehabt,  wenn  auch  nicht  so 
grofse  wie  Mantua^  Auf  Venedig  •,  Brescia***  und  Padua*^  sei  nur 
kurz  hingewiesen.  Patavium  war  schon  in  römischer  Zeit  wegen  seiner 
Wollstoffe  hoch  bertlhmt  gewesen.  Sehr  alte  und  eingehende  Nachrichten 
haben  wir  von  der  jedenfalls  höchst  bedeutenden  Weberei  in  Piacenza,  sie 
gehen  bis  ins  zwölfte  Jahrhundert  zurück^',  auch  Bologna  hatte  viele 
Weber  in  seinen  Mauern  ^®.  Den  genauesten  Überblick  über  die  Weberei 
der  Po-Ebene  giebt  der  Zollkatalog  von  Cremona^*.    In  Piemont  dehnte 


1  Statuti  S.  50  u.  öfter.  138  ist  der  Umkreis,  der  Jurisdiktion  der  consules 
negotiatomm  aDgegeben,  er  umfafst:  »negociatio  .  .  kmarumj  pannorum,  hombacis, 
fustaneomrn,  aramifds^  ferri  et  cujuslibet  maneriei  metdUi,  spectarie,  pdlcttarie,  coraminis 
et  tinctorie,  sete  et  cujusUbet  aUerius  merchadantie*. 

>  Andere  Zeugnisse  in  den  Statuten  Spalte  153.  163.  1281  gehörten  die  draperii, 
testoreSi  tonditores  und  folatores  zu  den  mercatores,  so  sehr  trat  auch  hier  der  kauf- 
männische Charakter  dieser  Industrie  hervor.    Mon.  hist.  patr.  16,  §  25. 

«  Stat.  §§  207  u.  287.    Mon.  hist.  patr.  Bd.  16. 

^  Vgl.  Magenta,  I  Visconti  1,  20.    Auch  dort  Einflufs  der  Humiliaten. 

'^  Eine  Weberzunft  erwähnen  die  Statuten.  Ceruti,  Statuta  commonitatis 
Novariae  S.  108. 

*  Die  Statuten  von  Bergamo  aus  der  ersten  Hälfte  des  dreizehnten  Jahrhunderts 
(Mon.  hist.  patr.  Tom.  16)  belegen  das  Sp.  2001,  2011,  2022. 

"^  1305  wird  der  Zoll  auf  die  »soma  lanae  Franciae  vel  de  ultra  monUbuS'  auf 
5  sol.  imp.  herabgesetzt.    Astegiano  2,  154. 

8  Gaddi  S.  15  zu  1208. 

«  Marin  5,  246  flf. 

1®  Statut.  V.  1251  beweist  Tuchweberei,  ebenso  Stat.  v.  1313.  Mon.  hist.  patr. 
Bd.  16  Sp.  584  (139X  1684  Färber,  1824. 

iiStatutidiPadovaed.  Gloria  §§  821-825.  Die  Stadt  bemüht  sich  eifrigst, 
laborcttarea  lane  et  pignolatorum  dorthin  zu  ziehen,  §  1207  von  1273. 

^^  S.  oben«  Die  Statuten  sind  die  ältesten  erhaltenen  Kaufmannsstatuten. 
^*  Halbwollene  Tücher  von  Bologna,  Mantua,  Verona  und  Brescia,  neben  Tüchern 
von  Mailand  und  Como  erwähnt  im  Tarif  von  Modena  1306  Muratori,  Ant.  It.  2, 
897.  1222  luden  die  Bolognesen  die  factores  panm  Urne  sive  pignolatt  unter  Zu- 
sicherung zwanzigjähriger  Lastenfreiheit  ein,  sich  in  ihrer  Stadt  niedenulasseii« 
Statuti  di  Bologna  ed.  Frati  in  den  Mon.  istorici  pertinent.4alle  prov. 
della  Romagna  ser.  I,  tom.  1,  494. 

1^  Zoll  Vergünstigung  für  die  Venetianer  in  Cremona  vom  J.  1275  (Astegiano 
1,  358).  Leider  nur  ein  Regest,  aus  dem  ich  die  auf  die  Tücher  bezüglichen  Stücke 
aushebe:  »pecuis  panni  de  Franciae  pecias  panni  de  Mediolano ^  de  Cwno^  de  Papia, 
de  FlarenUa,  de  Toschatuij  pecicts  de  rosetia  de  Cummis,  de  BerghemOf  scheüs  et  pannis 


134  Zwölftes  Kapitel. 

sich  die  Wollweberei  erst  später  aus.  So  wurde  1334  in  Saluzzo  eine  ars 
lanae  eingerichtet,  1390  hatte  man  diese  Absicht  für  Turin,  und  in  Chieri 
geschah  es  1424  ^.  Bald  entstand  ein  gro&er  Handel,  auch  nach  Deutsch- 
land. In  Alessandria  und  Tortona  war  die  Wollindustrie  jedoch  viel 
älter.  Auch  in  Genua  waren  die  Wollweber  das  wichtigste  Handwerk*. 
In  Toscana  ist  neben  Pisa®  und  Siena*  Pistoja  zu  nennen,  das 
einen  sehr  lebhaften  Handel  mit  Spanien  betrieb  und  vor  allem  wohl 
spanische  Wolle  verbrauchte*.  Lucca  hatte  gleichfalls  eine  bedeutende 
Wollindustrie,  wenn  sie  auch  nicht  mit  der  von  Florenz  sich  vergleichen 
konnte  •.  In  Florenz  hat  die  italienische  Wollindustrie  die  höchste  Blüte 
erreicht^.  Hier  gab  es  eine  Zunft,  die  kein  Gegenstück  irgendwo  gehabt 
hat,  wenn  auch  in  Piacenza  dieselbe  Thätigkeit  aber  innerhalb  der  WoU- 
weberzunft  ausgeübt  wurde®.  Es  war  die  arte  di  callimala,  die  sich  mit 
der  Verbesserung  fremder,  vorwiegend  französischer  Tücher  befafste. 
Da  die  toscanische  Wolle  nur  für  schlechte  Stoffe  brauchbar  war,  die 
florentinische  Technik  aber  sehr  hoch  stand,  bildete  sich  die  Zunft, 
welche  fremde  Halbfabrikate  aus  feinem  Rohstoff  erwarb,  um  sie  zu 
scheren,  zu  appretieren  imd  zu  fkrben.  Die  Überlegenheit  im  Geschmack 
öflnete  den  so  verfeinerten  Tüchern  nicht  allein  den  Weg  nach  dem 
Orient,  sondern  auch  in  das  Ursprungsland  der  Halbfabrikate,  ja  schliefs- 
lich  wohl  gar  nach  England. 


grossis  de  Flacetitia,  pecioA  panni  de  Bergamo,  de  Verona  et  Mantua  et  l*anna  et 
Bononia  et  BegiOy  pecias  de  Brixianinis,  Al^nwieschis  et  drapis  parvi  raloris  de  Cre- 
mona,  pecias  panni  de  melioramento  de  Cremona  et  Brixia*.  Vgl.  auch  die  Bestimmung^ 
von  1307  über  die  »panni  de  Franda,  de  ultra  montibus,  de  Mediolavo  et  hdbentes 
aimüitudinem  cum  drapis  Mediolanornnm  et  de  ultra  montibus,*  sie  zahlen  jjro  Saum 
in  Zukunft  statt  6  /?  10  /?.  Astegiano  2,  155.  Vgl.  Astcgiano  h  360. 
^  Cibrario,  Storia  di  Chieri  1,  501. 

*  Serra,  Storia  della  antica  Liguria  4,  76. 

*  Schultz  1,  340  führt  eine  Dichterstelle  an.  Über  die  Ars  ianae  vgl.  Doren 
10,  sie  hatte  schon  im  dreizehnten  Jahrhundert  sich  durchaus  als  eine  Hausindustrie 
organisiert.  Die  Statuten  von  1305  bei  Bonain  i,  Statut!  della  cittädi  Pisa  3, 645—761. 

*  In  Siena  lebten  viele  von  der  Wollindustrie,  doch  war  sie  durch  Wasser- 
mangel behindert.  Zdekauer,  II  constituto  del  comune  di  Siena  dell'  anno  1262, 
Milano  1897  S.  330. 

^  Auch  Pistoja  verwandte  von  auswärts  aus  Verona  und  der  Lombardei  herbei- 
gezogene Wollarbeiter.  Als  Heimat  der  Wolle  wird  Garbo,  also  Algarve  genannt; 
Zdekauer,  Statutum  potestatis  comunis  Pistorii  1888  S.  239,  1  und  132,  20. 

*  Bongi,  Della  mercatura  dei  Lucchcsi  S.  13  (F.  Luccä  erscheint  auch  im 
Venetianer  Zolltarif. 

•^  Neben  Davidsohn,  Gesch.  v.  Florenz  ist  zu  vgl.  P.  Villari  1,  207  u.  273 
und  Doren,  Entwicklung  und  Organisation  der  Florentiner  Zünfte  im  dreizehnten 
und  vierzehnten  Jahrhundert.     Leipzig  1897. 

«  Es  wurden  Tücher  de  ultra  montes  gefilrbt.  Stat.  d.  Kaufl.  §  247  S.  67.  Ähn-^ 
lieh  wohl  in  Cremona  und  Brescia. 


Wollweberei.  135 

Das  Geschäft  der  callimala  lag  natürlich  von  vornherein  in  den  Händen 
von  kapitalkräftigen  Kaufleuten;  der  Handwerker,  der  Färber  u.  s.  w. 
war  in  diesem  kapitalistischen  Geschäftsbetriebe  ein  von  dem  Kaufmann 
abhängiger  Arbeiter,  wenn  auch  die  lokale  Vereinigung  der  Arbeiter  zu 
Fabrikbetrieben  noch  unbekannt  war. 

In  der  arte  della  lana  waren  die,  welche  sich  mit  der  Vollherstellung 
von  Tuchen  befafsten,  vereinigt.  Davidsohn  hat  in  seiner  vortrefflichen 
Qeschichte  von  Florenz  den  Nachweis  erbracht,  dafs  die  Webekunst  in 
Florenz  und  Umgebung  auf  ein  hohes  Alter  zurückblicken  kann  ^,  ihre 
Übung  in  den  Klöstern  ist  für  das  neunte  Jahrhundert  belegt,  schon 
1062  erscheint  ein  Walker*-*,  1096  ein  Färber,  1132  ein  calzajuolo,  d.  h. 
ein  Verfertiger  tricotartiger  Beinkleider.  Es  war  also  damals  bereits  die 
Berufsteilung  sehr  intensiv  geworden.  Und  diese  Leute  erwarben  Wohl- 
stand, die  Zunft  der  Strumpfwirker  konnte  ein  Spital  begründen!  Die 
arte  della  lana  umfafste  also  die  Vollproduktion  von  der  Wolle  bis  zum 
Tuche  und  ist  somit  eine  normale  Wollweberzunft,  während  die  Ver- 
besserungszunft der  callimala  ohne  Vergleich  dasteht.  Aber  auch  die 
arte  della  lana  nahm  eine  Sonderstellung  unter  den  Wollweberzünften 
der  Welt  ein.  Sehr  früh  wurde  sie  kaufmännisch,  und  vollberechtigte 
Mitglieder  waren  nur  die  Kaufleute,  während  die  Arbeiter  von  den 
Färbern  bis  zu  den  Ciompi  hinab  kaum  ein  Recht  in  der  Zunft  hatten. 
Die  Tuchweberei  arbeitete  hier  schon  im  dreizehnten  Jahrhundert  nicht 
iiUr  den  leicht  auch  von  einem  Kloinmeister  zu  übersehenden  lokalen 
Bedarf,  sondern  für  den  Weltmarkt.  Seine  Konjekturen  konnte  nur  der 
Kaufherr  überblicken,  seine  Überlegenheit  an  Umsicht  imd  Kapital  machte 
aus  dem  Kleinmeister  einen  abhängigen  Arbeiter.  Der  handwerksmäfsige 
Kleinbetrieb  wurde  in .  eine  von  einem  kapitalkräftigen  Kaufmann  ab- 
hängige Hausindustrie  kapitalarmer  Arbeiter  umgewandelt,  die  je  einzelne 
Teile  der  Arbeit  besorgten.  Bei  der  Tuchbereitung  wurde  die  Arbeit  also  zer- 
legt. Eine  solche  Zunft,  in  der  die  Kauf  leute  alles,  die  sottoposti  so  gut  wie 
nichts  bedeuten,  machte  die  ganze  Zunft  natürlich  zu  einer  kaufmännischen, 
und  so  erscheint  denn  auch  die  Zunft  unter  den  sieben  arti  maggiori  ^. 

Das  Textilgewerbe  von  Florenz  war  also  wesentlich  nach  kauf- 
männischen Gesichtspunkten  organisiert.  Und  so  kann  es  uns  nicht 
wunder  nehmen,  florentinische  Kauf  leute  schon  sehr  früh  im  Auslande 
zu  finden.  Unsere  deutschen  Könige  haben  freilich  Florenz  in  keiner 
Weise  gefördert,  vielmehr  wiederholt  ihrem  Handel   entgegengearbeitet*. 

*  1,  91  u.  738  und  Forschungen  z.  älter.  Gesch.  v.  Florenz  S.  152  ff. 

*  Die  gualchera  von  1113  ist  wohl  sicher  eine  Walkmühle.  Wie  weit  war  also 
schon  damals  Toscana  voran! 

»  Doren  S.  14.   59—61  u.  75  ff". 

*  Davidsohn  790  ff*. 


136  Dreizehntes  Kapitel. 

Nach  Deutschland  kann  ich  keine  Fäden  nachweisen ;  die  sehr  alten  Be- 
ziehungen nach  Frankreich  hat  aber  Davidsohn  dargelegt  Der  Gebrauch, 
Kinder,  die  während  der  Reise  des  Vaters  geboren  wurden,  nach  dem 
Aufenthaltsorte  desselben  zu  benennen,  wird  schon  1136  durch  einen 
Franciscus,  dann  durch  die  Namen  Proyincialis  und  Parisinus  belegt^. 
Bei  Angaben  über  Ausfuhr  von  weifsen,  himmelblauen  und  roten  tosca- 
nischen  Tuchen  nach  französischen  Märkten  (1152)  wird  speciell  nur 
Lucca  genannt,  die  Rivalin  Florenz  dürfte  aber  nicht  gefehlt  haben*. 
War  doch  hier  ein  intensiver  Handel  mit  Algarvien,  woher  das  feine 
Tuch  >f7  Garbo*  eingeführt  wurde,  und  Florentiner  und  Sienesen 
sicherten  sich  bei  einem  Vertrage  mit  dem  Markgrafen  von  Montferrat 
1178  ihren  Warentransport  nach  Frankreich,  indem  sie  sich  das  Recht 
erwirkten,  in  Chivasso  Repressalien  zu  üben.  Über  Chivasso  aber  ging 
der  Weg  von  Genua- Asti  nach  Ivrea,  also  zum  Grofsen  wie  Kleinen 
St  Bernhard®. 

Villani  erzählt  uns,  im  Jahre  1308  hätten  fast  300  Geschäfte  sich 
mit  der  Wollindustrie,  der  arte  della  lana,  beschäftigt,  es  seien  jährlich 
100000  Tuche  in  Florenz  hergestellt  worden.  Damals  habe  man  noch 
nicht  verstanden,  englische  Wolle  zu  bearbeiten.  Seitdem  sei  das  gelernt 
worden,  die  Tücher  erheblich  verfeinert;  wenn  auch  die  Zahl  der  Ge- 
schäfte bis  1338  auf  200  und  die  der  Tuche  auf  70—80000  gesunken 
sei,  so  sei  der  Wert  der  Tuche  aber  erheblich  gestiegen.  1338  zählt 
die  Callmala  zwanzig  Häuser,  die  jährlich  für  300000  Gulden  mehr  wie 
10  000  Stück  Tuch  zur  Verschönerung  kommen  liefsen.  Nicht  gerechnet 
seien  die  Stücke,  welche  von  Florenz  nach  auswärts  geschickt  seien  ^. 

Dreizehntes  KapiteL 

Bekleidnngsstoffe  (Schlufs).  Seidenweberei.  Baamwollweberei.  Farbstoffe. 
Oewflrze.   Wachs.  Metalle.  Lebensmittel.   Pferde.   Vieh.   Sklaven. 

Seidenweberei.  Erste  Anfänge.  Lucca ,  andere  italieniscJie  Orte.  Paris, 
Zürich.  Konstanz.  —  B  aumto  ollw  eher  ei.  In  Italien  verbreitet,  namentlich  in  der 
Lombardei.  Handel.  Herstellung  auch  in  Flandern.  —  Neue  Farbstoffe  in  grofser 
Zahl.  —  Gewürze.  Wachs.  Beeren  des  Lorbeers.  —  Metalle.  Verbreitung  des  Berg- 
baues. Waffenifidustrie.  —  Lebensmittel.  Getreide.  Wein.  Salz.  Fische.  Produkte 
der  Viehzudit.  —  Pferde  und  Vieh.    Häute.    Pelzwerk.  —  Sklaven. 

Wie  Florenz  die  Meisterschaft  in  der  italienischen  Wollweberei 
erworben,    so  besafs   sie  Lucca  im  Bereiche  der  Seidenweberei.     Bis  in 


1  Davidsohn  791  f. 
«  792. 

'  Davidsohn  551. 
*  Lib.  11  cap.  94. 


Seidenweberei.  137 

das  dreizehnte  Jahrhundert  blieben  neben  den  Byzantinern  die  Moslemen 
die  Produzenten  und  Exporteure  der  im  Abendlande  hochgeschätzten 
Seidenstoffe  y  die  massenhaft  für  die  liturgischen  Gewänder  gebraucht 
wurden.  Wie  oft  mögen  in  Italien  weilende  Prälaten  und  Grofse  solche 
kostbare  Stoffe  mit  in  ihre  Heimat  genommen  haben!  Welch  deutliche 
Sprache  redet  der  Halberstädter  Schatz  mit  den  Resten  dessen,  was 
Bischof  Eonrad  von  seiner  Pilgerfahrt  heimbrachte  ^ !  Neben  diese  Aus- 
länder traten  nun  die  Italiener,  allerdings  nur  weniger  Städte  in  die 
Reihe  der  Produzenten  ein  '.  In  Sizilien  hatten  die  normannischen  Filrsten, 
wie  es  bald  auch  die  spanischen  thaten,  die  Erbschaft  der  Araber  an- 
getreten, wenn  in  Palermo  1148  auch  griechische  Arbeiter  eingeführt 
wurden®.  Die  so  verjüngte  Anstalt  hatte  glänzende  Werke  geschaffen*. 
Die  Genuesen  und  Venetianer  hatten  die  Seide  zunächst  in  ihren  orien- 
talischen Niederlassungen  herstellen  lassen,  in  Venedig  selbst  findet  sich 
der  erste  sichere  Beleg  für  dort  betriebene  Seidenweberei  1248,  1265  gab 
sich  die  Zunft  ein  Statut*.  In  Florenz  ist  für  1187  schon  Seidenweberei 
wahrscheinlich  —  indem  damals  Heinrich  VI.  einen  Tribut  an  Sammet  der 
Stadt  auflegte^;  jedenfalls  waren  in  der  Zunft  der  Por  Sta.  Maria  zunächst 
die  Leute,  welche  den  Kleinhandel  mit  Tuch  etc.  betrieben,  weit  wichtiger, 
als  die  Seidenweber,  nach  denen  später  die  Zunft  benannt  wurde  ^.  Wenn 
also  auch  schon  im  dreizehnten  Jahrhundert  die  Seidenweberei  in  Florenz 
bekannt  war,  so  hat  doch  Villani  sie  in  seiner  Übersicht  über  die  ver- 
schiedenen Berufe  ganz  aufser  acht  gelassen.  Durch  Lucchesen  wurde 
die  Kunst  verfeinert,  sie  lehrten  die  Herstellung  des  Goldbrokates,  und 
seit  der  Mitte  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  hatte  die  Seidenweberei  die 
nachlassende  Tuchindustrie  auch  in  Florenz  überflügelt®,  und  Seiden- 
gewand wurde  nun  vor  allem  nach  dem  Norden  exportiert. 

Woher  die  Kunst  der  Lucchesen  gekommen  ist,  wissen  wir  nicht. 
Seit  dem  neunten  Jahrhundert  ist  sie  hier  nachzuweisen  ^  und  war  da  am 
höchsten  entwickelt.  Das  Gewerbe  wurde  durchaus  kaufmännisch  geführt, 
und  den  Rohstoff  bearbeitete   auch  hier  der  Heimarbeiter  filr  den  Kauf- 


^  Über  die  heute  noch  erhaltenen  Seidengewebe  Silbermann  1,  74  f.  u.  154  f. 

^  Graf  Broglio  d'Ajano,  Die  venetian.  Seidenweberzünfte  vom  dreizehnten 
bis  sechzehnten  Jahrhundert. 

*  Heyd  2,  684  f.  Nach  Silbermann  1,  53  (bez.  Marincola)  soll  schon  im 
neunten  Jahrhundert  der  Seidenbau  in  Kalabrien  betrieben  sein. 

^  Silbermann  1,  54.    60. 

''  Broglio  S.  7. 

«  Davidsohn  794. 

T  Deren  S.  62  ff.    Vgl.  auch  Villari  1,  283  ff. 

»  Doren  S.  74. 

^  Broglio  9.  Kiegl  in  Bucher,  Gesch.  d.  techn.  Künste  3,  370  denkt  an 
Einflufii  von  Pisa  als  einem  Hafenorte.    Mir  ist  das  wenig  wahrscheinlich. 


138  Dreizehntes  Kapitel. 

mann  *.  Luccheser  Seidenstoffe  wetteiferten  mit  den  feinsten  des  Orients* 
Das  päpstliche  Schatzverzeichnis  von  1295  zählt  eine  ganze  Serie  von 
grünen,  roten,  violetten  und  blauen,  zum  Teil  auch  mit  Gold  durch- 
wirkten Stoffen  auf.  Greifen,  Rosen,  Leoparden,  Vögel  u.  a.  waren 
hineingewoben,  und  auf  einzelnen  sah  man  die  Wappen  der  Gaetani  und 
Savelli.  Die  spanischen  Stoffe,  die  aus  Byzanz  und  dem  Orient,  standen 
diesen  zum  Teil  eigens  für  die  Päpste  hergestellten  vielleicht  nach^.  Dafa 
jene  feinen  Gold&den,  die  so  lange  einer  chemischen  Analyse  gespottet 
haben,  auch  in  die  Luccheser  Stoffe  verwebt  wurden,  ist  unzweifelhaft'. 
Später  wurde  in  Lucca,  Genua,  Mailand  und  Florenz  die  Kunst  sehr 
entwickelt,  in  feine  Drähte  gezogenes  Gold  (leonische  Gespinste)  zu  ver- 
weben *. 

Aber  diese  hohe  Kunst  blieb  nicht  lange  mehr  verborgen,  schon  im 
Laufe  des  dreizehnten  Jahrhunderts  kam  ein  ihr  Kundiger  nach  Bologna 
und  führte  das  Geheimnis  der  Lucchesen  mit  sich,  die  Seidenspinn- 
maschine*. 1307  wandten  sich  flüchtige  Lucchesen  nach  Venedig,  und  als 
1314  Uguccione  della  Faggiuola  die  Stadt  einnahm,  brachten  andere 
Seidenarbeiter  die  Geheimnisse  nach  Florenz,  Genua,  in  die  Lombardei, 
ja  sie  sollen  nach  Deutschland,  Frankreich  und  England  gekommen  sein®. 
Das  rauhe  Regiment  Castruccios  veranlafste  immer  erneut  solche  Aus- 
wanderungen^. Die  Mailänder  verhandelten  zum  mindesten  :drapi  de  auro 
et  syde^^,  ja  nach  Bonvesin  wurde  schon  1288  Seide  dort  verarbeitet**. 
Schon  1262  einigten  sich  zwei  Purpurweber  von  Genua,  Purpurtücher 
und  gülddurchwirkte  zu  weben,  und  zwar  auch  aus  Seide  ^^.  Das  wurde 
ja  Genuas  schönste  Kunst,  gesponnenes  Gold  und  Silber  in  Seide  zu  ver- 
weben! Auch  Genua  lieferte  nach  dem  Schatzverzeichnisse  der  Kurie 
bereits  den  Päpsten,  und  wenn  auf  den  Schiffen  der  Genuesen,  mit  denen 
sie  den  Sohn  ihrer  Stadt,  Papst  Innocenz  IV.,  sich  seidene  Segel  blähten, 


»  Hroglio  26  f. 

2  Molinier  in  Bibl.  de  T^cole  des  chartcs  47,  649  Nr.  1222  umfafst: 
»112  pannos  lucanos  et  veneticos  cum  auro  et  sive  auro  ad  äiversa  opera^  computatisi 
novis  d  veteribus*, 

8  Bock,  Gösch,  d.  liturg.  Gewänder  1,  48. 

*  Silbermann  1,  76  ff.  über  die  verschiedenen  Arten  dieser  Technik. 
»  Bongi  49  f. 

•  Tegrini  (Muratori,  Scr.  11,  1320)  übertreibt  da  wohl,  im  übrigen  ist  er 
ein  Zeitgenosse  Lodovico  Maria  Sforzas,  gehört  also  ins  Ende  des  fünfzehnten  Jahr- 
hunderts. Schultz  1,  339  führt  Dichterstellen  für pailes  de  Parte  an,  da  sie  jedoch  in 
Ungarn  gekauft  wurden,  ist  wohl  an  eine  orientalische  Herkunft  der  Stoffe  zu  denken. 

'  Muratori  SS.  rer.  it.  11,  1325. 

®  Verträge  über  die  Simplonstrafse  s.  unten. 

^  De  magnalib.  urbis  Mediolani  90. 

*®  Sieveking,  Seidenindustrie  102.    Broglio  10. 


Baumwollweberei.  139 

so  dürften  sie  in  ihrer  Stadt  oder  doch  in  ihren  Kolonien  hergestellt 
sein^     Die  Blüte  des  Genueser  Seidengewerbes   feilt   in  spätere  Zeiten. 

Doch  schon  vorher  gab  es  Seidenweberei  auch  in  Paris,  wo  bereits 
im  dreizehnten  Jahrhundert  sechs  Korporationen  von  dem  Verkauf  und 
der  Bearbeitung  der  Seide  lebten  ',  und  schon  hatten  sich  die  ersten  An- 
fänge der  Seidenweberei  in  Deutschland  gezeigt.  Ein  altes  Zeugnis  für 
Seidenspinnerei  ist  nicht  beweiskräftig.  Werner  läfst  in  seinem  Marien- 
leben die  hl.  Maria  Seide  spinnen,  wo  die  andern  mit  der  Wolle  sich  be- 
schäftigen ^.  Doch  geht  es  auf  den  Liber  de  infantia  Mariae  zurück  *  und 
weiter  auf  das  Protevangelium  Jacobi,  es  ist  also  der  Zug  nicht  in  Deutsch- 
land der  Legende  hinzugeftlgt.  Der  Züricher  Richtebrief  sieht  aber  den 
Diebstahl  von  Seidengarn,  das  ein  Kaufmann  dem  Heimarbeiter  anvertraut 
hat,  vor.  Es  war  jenes  Vergehen,  das  bei  dem  hohen  Werte  des  Rohstoffes 
und  der  Möglichkeit,  durch  Anfeuchten  der  Gewebe  selbst  die  Kontrolle 
durch  die  Wage  illusorisch  zu  machen,  überall  erscheint*.  —  Man  hat 
heute  ganz  vergessen,  wie  die  Redensart  vom  Seidespinnen  entstanden 
ist.  Sowohl  die  ältere  wie  die  jüngere  Fassung  des  Richtebriefes  ent- 
halten aufserdem  noch  weitere  Bestimmungen  über  die  Seidenindustrie, 
nicht  allein  über  den  Handel  mit  Rohseide,  der  schon  an  sich  ein  Seiden- 
gewerbe nördlich  der  Alpen  voraussetzt  •.  Auch  Konstanz  glaube  ich  zu 
den  Städten  rechnen  zu  müssen,  in  denen  die  Seidenweberei  geübt  wurde. 
Wie  hätte  man  sonst  auf  die  Idee  kommen  sollen,  den  Prozefs  der 
Weberei  in  einer  Reihe  von  Bildern  an  den  Wänden  eines  Hauses  dar- 
zustellen "^  ? 

Der  vierte  Faserstoff,  die  Baumwolle,  hat  schon  vor  1300  eine  Massen- 
verwendung gefunden,  Baumwollstoffe  waren  schon  damals  durchaus  nicht 
unbekannt.  Im  nächsten  Jahrhundert  sollte  sich  von  Italien  über  die 
Alpen  die  Verarbeitung  dieses  billigen  Rohstoffes  nach  Deutschland  aus- 
dehnen und  hier  in  der  Barchentweberei  eine  hohe  Blüte  erreichen.  Die 
Baumwollstaude  war  bis  nach  Süditalien  und  Spanien  verbreitet,  wenn  die 
besseren  Sorten   auch   der  Levante   angehörten**.    Die  Weberei  Spaniens 


*  Vgl.  auch  Serra  4,  76.  Über  genuesische  Stoffe  in  England  vgl.  Bock  1,  47 
Anm.  1. 

2  Hoyd  2,  699.     Fagniez,  Etudes  sur  l'industrie  etc.  k  Paris  217. 
8  Hoff  mann,  Fundgruben  2,  177,  35. 

*  Königsb.  Univ.-Schriften  z.  18.  Jan.  1869  S.  22. 

*  So  in  Paris.    Fagniez  222. 

*  Die  Fassung  von  1304  Arch.  f.  Schweiz.  Gesch.  5,  248  u.  263,  die  ältere 
in  der  Helvet  Bibliothek  2.  Stück  (Zürich  1735)  S.  62  f.,  74 f.,  82.  Vgl.  Bürkli- 
Meyer  7  u.  33  ff. 

^  S.  oben  S.  115.    Die  S.  116  Anm.  1   angeführten  paile  de  Costance  würden, 
wenn  sie  als  Seidenstoffe  zu  bezeichnen  wären,  hier  als  Beweis  anzuführen  sein. 
8  Heyd  2,  572  ff.    Fagniez  215. 


140  Dreizehntes  KapiteL* 

und  speciell  Barzelonas  hatte  schon  im  dreizehnten  Jahrhundert  einen 
bedeutenden  Umfang.  In  Italien  wurde  Baumwolle  schon  am  Ende  des 
zwölften  Jahrhunderts  in  Bologna  verwoben,  Rimini,  Venedig,  Bergamo 
folgten  nach  ^j  in  Padua  war  1265  diese  Industrie  heimisch  ^,  aber  keines- 
wegs machte  die  Baumwollweberei  dort  bereits  ernstlich  den  drei  anderen 
Textilzweigen  Konkurrenz.  Am  ältesten  und  entwickeltsten  dürfte  dieser 
Zweig  der  Textilindustrie  in  Piacenza,  Cremona,  Mailand  uod  Pavia  ge- 
wesen sein^,  namentlich  für  Piacenza  haben  wir  eben  so  alte  wie  ein- 
gehende Bestimmungen^.  Sehr  früh  erscheint  die  Baumwolle  in  Genua ^ 
Schon  in  dem  Tarife  des  Zolles  von  Lodi  von  1192  fehlt  die  soma  fusta- 
niorum  nicht  •,  und  in  einem  Vertrage  von  1193  steht  unter  den  Waren, 
die  von  Genua  nach  Lodi  gebracht  werden,  die  Baumwolle  voran  ^. 

Die  Baumwollstoffe  waren  auch  nördlich  der  Alpen  nicht  unbekannt, 
auf  den  Messen  der  Champagne  wurden  fustagni  (Barchent)  schon  im 
zwölften  Jahrhundert  verhandelt,  ebenso  in  England  schon  um  die  Mitte 
des  zwölften  Jahrhundert®,  ja  es  gab  eine  Abgabe  eigens  für  diesen  Stoff'. 
Der  Barchent  wird  in  Deutschland  schon  in  den  Liedern  Neidharts  von 
Reuental  genannt,  noch  öfter  der  Buckeram,  von  dem  es  jedoch  zweifel- 
haft ist,  ob  er  stets  aus  dieser  Faser  oder  von  Flachs  zubereitet  wurde  *®« 
Nübling  nimmt  an,  dafs  der  king  cotton  in  den  zwanziger  Jahren  des  vier- 
zehnten Jahrhunderts  seinen  Einzug  in  Deutschland,  speciell  in  Ulm  ge- 
halten habe.    Das  ist  möglich  ^^.     Erst  mufste  die  Baumwollweberei  vor 

1  Hüll  mann,  Städtewesen  1,  70  ff.  Statuten  von  Bergamo.  Mon.  bist, 
patr.  16,  2023. 

>  Statuti  di  Padova  ed.  Gloria  Nr.  823. 

'  Stat.  merc.  Piacent,  c  650  S.  169  erwähnt  bereits  fustanei  Mediolanenses, 
Cremonenses  und  Pontremolenses.  In  Pavia  gab  es  1868  eine  Zunft  der  fustiiqnari, 
Magenta  1,  150.  Zolltarif  von  Cremona  erwähnt  bambaxiutn.  Auch  Monza  er- 
zeugte 1331  fustagni  Statuti  S.  82,  136  n.  138.  In  den  Verträgen  über  die  Simplon- 
straTse  (s.  unten)  stellen  die  Mailänder  die  fustanei  an  die  Spitze  der  zweiten  Wert- 
klasse.   Über  Cremona  vgl.  Astegiano  2,  361. 

^  St.  merc.  PL  c.  169  ff.  242.  265.  Die  Baumwolle  scheint  zumeist  von  Genua 
bezogen  zu  sein. 

»  Die  Wiegetaxe  von  1140  Lib.  jur.  1,  71  f.  nennt  hambacium  de  Siälia, 
Alexandria  et  Antiochia.    Die  baUa  fustaneorum  1204  erwähnt  ebda.  1,  521. 

«  Vignati  3,  188. 

'  Vignati  3,  198. 

»  Hans.  Urkb.  3,  392  (Mitte  des  12.  Jahrh.)  und  3,  382  (mindestens  vor  1250). 
»  Bourquelot  1,  243. 

»»  Heyd  2,  692.  Schultz  1,  352.  Auch  beim  Barchent  schränkte  sich  nach 
Schmoll  er  S.  441  der  Begriff  erst  später  auf  ein  Gewebe  mit  leinener  Kette  und 
baumwollenem  Einschlag  ein. 

"  Nübling,  Ulms  Baum  Wollweberei  S.  141.  Was  er  von  dem  Verarbeiten  der 
Baumwolle  auf  dem  Reichenauer  Klosterhof  vermutet,  widerdpricht  ganz  den  G^e- 
pflogenheiten  der  tief  gesunkenen  Klosterherren  der  Reichenau  jener  Tage. 


Farbstoffe.  141 

allem  in  Mailand  ^  erstarken,  bis  sie  zunächst  Konstanz  und  Basel,  dann 
Ulm,  Augsburg  und  Biberach  ergriff.  Mir  wenigstens  scheint  es  nicht 
zulässig,  von  deutscher  Baum  Wollweberei  vor  1320  zu  reden.  In  den 
andern  Textilbranchen  waren  die  Alpen  keine  Scheidelinien  mehr,  am 
meisten  noch  in  der  Seidenindustrie,  hier  aber  war  das  Land  der  Produktion 
von  dem  der  Konsumtion  noch  völlig  getrennt.  Bei  jenen  war  diese  Unter- 
scheidung nur  für  die  feineren  Sorten  bestehen  geblieben.  Flandern  war 
auch  hier  am  weitesten  vorangeschritten  und  machte  eine  Ausnahme.  Die 
Maklerrolle  der  Gräfin  Margaretha  von  Flandern  von  1252'  und  die  Ver- 
ordnung der  Stadtbehörde  von  Brügge  fllr  den  Handel  der  fremden  Kauf- 
leute von  1304  erwähnen  Ballen  von  BaumwoUengam ,  aber  auch  von 
Baumwolle  selbst,  die  also  doch  im  Lande  versponnen  wurde  ^,  und  jenes 
Verzeichnis  der  Königreiche  und  deren  Produkte,  die  nach  Brügge  kamen, 
und  das  noch  dem  Ende  des  dreizehnten  Jahrhunderts  angehört,  führt 
Armenien  mit  seiner  Baumwolle  an^. 

Mit  der  zunehmenden  Blüte  der  Textilgewerbe  konnten  die  alten 
einheimischen  Farbwaren  nicht  mehr  genügen.  Eine  Konkurrenz  mit 
den  orientalischen  Stoffen  war  nur  denkbar,  wenn  auch  die  dortigen 
Färbemittel  verwendet  wurden.  Dieser  Umschwung  scheint  sich  nördlich 
der  Alpen  bis  zum  Ausgang  des  vierzehnten  Jahrhunderts  vollzogen  zu 
haben,  während  in  Italien  schon  früher  einige  der  selteneren  Farbstoffe 
gebraucht  wurden*. 

Ein  *gutes  Färbemittel  besafs  Deutschland  in  der  Waidpflanze  (Isatis 
tinctoria)  ^.  Ihre  Güte  hat  wohl  so  lange  den  besten  Farbstoff,  das  Indigo, 
vom  Norden  Europas  zurückgehalten.  Fast  gleich  alt  dürfte  die  Ver- 
wendung der  Färberröte  (rubia  tinctorum,  Krapp)  gewesen  sein,  da  sie 
schon  in  dem  Capitulare  de  villis  Karls  des  Grofsen  erscheint,  doch 
kamen  die  besten  Qualitäten  aus  dem  Orient^,  später  war  die  Pflanze 
in  Deutschland  viel  angebaut,  so  im  Elsafs^. 

Von  den  exotischen  Farbwaren  ist  am  ersten  im  Norden  nachzu- 
weisen die  Kermesschildlaus  (Coccus  Hicis),  die  man  im  getrockneten 
Zustande  für  Beeren  ansah  und  als  grana  oder  auch  nach  der  von  ihr 
bereiteten  Scharlachfarbe  grana  scarlati  bezeichnete.  Sie  war  auch  in 
Spanien  und  Südfrankreich  heimisch,  wurde  aber  ebenfalls  aus  dem  Orient 


^  Bei  Galvano  Fiamma  nur  nebenbei  erwähnt 
»  Hans.  Urkb.  1.  158. 
»  Ebda.  3,  421. 

*  Ebda.  3,  420. 

*  Aach  hier  ist  für  die  Forschung  noch  ein  weites  Feld  offen. 
«  Bourquelot  1,  221.    Geering  308.    Hans.  Urkb. 

'  Heyd  2,  590.    Im  Hans.  Urkb.  selten  erwähnt. 
«  Geering  308. 


142  Dreizehntes  Kapitel. 

bezogen^.  Wahrscheinlich  sind  auf  sie  die  vermiculi  des  Capitulare  de 
villis  und  des  Formelbuches  des  Bischofs  Salomo  von  Konstanz  zu  be- 
ziehen, den  nächsten  Nachweis  nördlich  der  Alpen  kann  ich  allerdings 
erst  zu  1252  geben*.  Sollte  also  dort  ein  Irrtum  vorliegen,  so  würde 
ein  anderer  Farbstoff  hinaufrücken,  das  Brasilienholz,  das  Holz  der  in 
Hinterindien  und  China  vorkommenden  Caesalpinia  Sappan^.  Schon  für 
das  zwölfte  Jahrhundert  hat  Heyd  das  Vorkommen  in  Flandern  belegt*; 
es  findet  sich  auch  in  dem  Zollkatalog  von  Lodi  von  1192  und  1252  in 
Flandern  *. 

Zum  GelbfUrben,  wenn  auch  nicht  der  Tuche,  wurde  der  Safran  (arab. 
asfar,  fem.  safra,  pers.  zaaferän®  =  gelb),  die  Blütennarbe  des  Crocus 
sativus  verwendet,  sie  fand  aber  auch  bei  den  Malern,  beim  Arzte  und 
vor  allem  in  der  Küche  reichliche  Verwendung.  Die  Pflanze  wurde  in 
Spanien  und  auch  in  Italien,  nachdem  sie  wohl  in  den  Kreuzzügen  auch 
dorthin  verpflanzt  war,  angebaut^,  ja  ihr  Anbau  wurde  später  auch  in 
Deutschland  versucht  und  gelang  z.  B.  in  Basel  auf  das  beste  ^.  Seine 
Verwendung  ist  für  Flandern  durch  das  Verzeichnis  der  Produkte  der 
Königreiche  belegt,  man  bezog  ihn  dort  aus  Aragonien^,  auf  den  Cham- 
pagner Messen  findet  er  sich  1265  als  wichtiger  Handelsartikel,  dessen 
Preise  die  Kauf leute  notierten  *®. 

Für  die  Herstellung  von  Grün  bediente  man  sich  einer  Mischung, 
wobei  Auripigmentum  (Opperment)  benutzt  wurde.  Auch  dieser  vor- 
wiegend von  Malern  benutzte  Farbstoff  kam  1304  in  Brügge  vor**,  er 
erscheint  übrigens  schon  im  zehnten  Jahrhundert*^.  Das  Indigo  hingegen 
läfst  sich  nördlich  der  Alpen  in  dieser  Periode  noch  nicht  nachweisen, 
obwohl  die  Genueser  Wiegetaxe  von  1140  diesen  Farbstoff  neben  dem 
Brasilholz   und  Alaun  anführt*^,   der  Zolltarif  von   1192  einen  Satz  für 


*  Heyd  2,  609  ff.  Über  Kermcs  zur  Bereitung  des  Purpurs  der  Phönizier  s. 
Silb ermann  S.  42  und  Karabacek  in  den  Mitteil,  des  k.  k.  Museums  für  Kunst 
u.  Industrie  1880  Nr.  177.  Nach  ihm  ist  grana  der  Stoff  europäischen  Ursprungs 
(Griechenland,  Spanien,  Languedoc,  Provence,  Dauphinö),  während  chermisi  auf 
orientalischen  Ursprung  hinweist. 

«  Hans.  Urkb.  1,  156.    Dann  1304  ebda.  3,  421. 
»  Heyd  1,  576  flf. 

*  1,  577. 

^  Vignati  a.  a.  0.  und  Hans.  Urkb.  1,  156. 
«  Flückiger  778. 

^  Heyd  2,  645.    Stieda,  Handelsbeziehungen  104. 
8  Geering  238. 
»  Hans.  Urkb.  3,  420. 

^0  Lettere  volgari  S.  56.    Schaube,  Kursbericht  280. 
"  Stieda  101  f. 
"  S.  oben  S.  73. 
'3  Lib.  jur.  1,  71  f. 


Gewürze.    Wachs.  143 

eine  Saumlast  Indigo  hat^  und  in  Marseille  aus  Bagdad  kommendes 
Indigo  in  der  Mitte  des  dreizehnten  Jahrhunderts  verhandelt  wurde'. 
In  der  Ordnung  der  Färber  von  Douai  wird  Indigo  nicht  erwähnt^. 
Dieser  Pflanzenfarbstoff,  der  schon  im  Altertume  bekannt  war  und  in 
der  purpurfarbigen,  aus  dem  neunten  Jahrhundert  stammenden  Totenhülle 
des  hl.  Ambrosius  neuerdings  nachgewiesen  wurde  ^^  trägt  seinen  Namen 
nach  der  indischen  Heimat,  doch  findet  sich  der  Anbau  auch  in  Ägypten, 
Spanien  und  Sizilien;  jedoch  wurde  er  erst  in  den  Tagen  der  Kreuzzüge 
lebhafter  vertrieben,  aus  England  führt  Heyd  einen  Beleg  ftlr  1274  an*. 

Andere  Farbstoffe,  wie  das  rote,  gelbe  und  weifse  Sandelholz,  die 
Orseille  (Raspa),  Grünspan  sind  mir  in  keinen  Belegen  vor  1300  bekannt 
geworden. 

Die  Färber  verwendeten  endlich  fast  stets  —  bei  Wollen-  wie  bei 
Seidenstoffen  als  Hilfsmittel  Alaun,  das  in  dem  Rufe  stand,  die  Farben 
leuchtender  zu  machen,  und  es  erscheint  nun  wirklich  auch  ganz  allein 
von  allen  Farbwaren  in  einem  Katalog  unseres  Gebietes,  in  dem  von 
Chur  (1290 — 98)*.  Die  Verwendung  des  Alaun  in  der  Gerberei  ist  noch 
viel  bedeutender,  mit  ihm  arbeiteten  alle  Weifsgerber,  somit  ist  aus  dem 
Vorkommen  der  Weifsgerber  auch  auf  die  Verbreitung  des  Alaun  zu 
schliefsen. 

Der  Verbrauch  an  fremdländischen  Produkten,  an  Gewürzen  für  die 
Küche,  an  Medikamenten,  an  Parfümen  und  an  den  für  den  gottesdienst- 
lichen Gebrauch  erforderlichen  Rauchstoffen  und  Gewürzen  hätte  schon 
infolge  der  Zunahme  der  Bevölkerung  und  ihres  Luxus,  wie  der  Steige- 
rung der  Lebensführung  zunehmen  müssen,  wenn  auch  nicht  die  Kreuz- 
züge Massen  von  West-  und  Nordeuropäern  in  die  Heimat  dieser  Waren 
oder  doch  zu  ihren  Stapelplätzen  geführt,  sie  dort  mit  dem  Gebrauch 
derselben  vertraut  gemacht  und  das  Bedürfnis  danach  in  ihnen  grofs  ge- 
zogen hätten.  Jetzt  begann  die  Zeit,  wo  auch  in  Deutschland  die  Krämer 
und  Apotheker  erscheinen  und  meist  eine  ehrenvolle  Stellung  neben  der 
reichsten  Zunft,   welche  die   der  Tuchhändler   zu  sein  pflegt,   gewannen. 


*  Vignati  a.  a.  0. 

^  Blancard,  Register.  Auch  in  Bologna  ist  1194  Indigo  bekannt  (Muratori, 
Ant.  Ital.  2,  894)  wie  um  die  gleiche  Zeit  in  Piacenza.  Stat.  merc  c.  237  8.  64  u. 
c.  265  S.  72.  Der  reichhaltige  Zolltarif  von  Cremona  führt  an  Färb  waren  an:  »soma 
Jtendeghi  (Indigo),  hraxüis,  aluminis  (s.  oben),  de  centenario  rocae  (Kermes),  guadi 
(Waid),  galetit. 

8  Fagniez  S.  209. 

^  Silbermann  42. 

^  2,  597  f.    In  hansischen  Quellen  findet  er  sich  nicht. 

•  Mohr  2,  110.  In  Lodi  1193.  Vignati  3,  198.  Cremoneser  Katalog  mit  ge- 
nauer Unterscheidung:  •aluminis  Cncharine  et  de  Castilia  et  de  Rozia,  de  miliario 
aluminis  de  Feca*,    Zur  Deutung  vgl.  Heyd  2,  550 — 557. 


144  Dreizehntes  Kapitel. 

Für  den  Gebrauch  der  Küche  erscheinen  neben  Pfeffer  \  Galgan, 
Gewürznelken,  Zimmt,  Ingwer ^^  Muskatnufs  etc.  der  damals  sehr  teure 
Safran^  und  Kardamomen,  die  1259  schon  in  Köln  recht  marktgängig 
waren  ^.  An  andern  Droguen  finde  ich,  ohne  meine  Streifzüge  weit  aus- 
zudehnen, Manna,  Aloä  und  Traganth  in  dem  Arzneibuche,  das  im 
zwölften  Jahrhundert  in  Schaffhausen  geschrieben  wurde '^.  Die  hl. 
Hildegard  kennt  Lakrizen  (Stlfsholz)  und  Kubeben  ^.  Aus  Hinterindien 
stammte  das  bei  Räucherungen,  aber  auch  als  materia  medica  verwandte 
sehr  theure  Aloäholz  ^,  aus  Persien  das  Manna,  der  Honigsaft  des  Alhagi 
Camelorum,  das  ein  Arzneimittel  war^,  wenn  das  Manna  von  der  Manna- 
esche gemeint  ist,  so  war  der  Weg  kürzer,  denn  sie  war  bis  nach  Süd- 
italien verbreitet  ®.  Noch  näher  lag  die  Heimat  des  Traganth,  Gummi  de» 
Astragalusstrauches,  dessen  Benutzung  eine  vielseitige  war  als  Heilmittel, 
bei  Bereitung  von  Azurblau  und  beim  Vergolden*®. 

Für  den  Gottesdienst  wurde  Balsam  und  Weihrauch  gebraucht. 

Ein  sehr  bedeutender  Handelsartikel,  der  heute  nicht  entfernt  mehr 
die  Bedeutung  hat  wie  damals,  war  das  Wachs.  Es  wurde  keineswegs 
nur  inländisches  Wachs  verwendet,  obwohl  mit  ihm  z.  B.  Nürnberg,  das 
für  die  Bienen  des  Nürnberger  Waldes  sogar  ein  Zeidleramt  hatte,  einen 
ausgedehnten  Handel  betrieb,  im  Gegenteil  kam  es  nach  Brügge  aus 
Rufsland,  Ungarn,  Böhmen,  Polen,  Castilien,  Andalusien,  Granada, 
Portugal  und  von  der  afrikanischen  Meeresküste.  Die  letztere  Provenienz 
käme  auch  fUr  den  Alpenhandel  in  Betracht.  Auf  den  Messen  der  Cham- 
pagne wurde  Wachs  aus  Venedig,  Tunis  und  Romanien  (byzant.  Reiche) 
in  so  grofsen  Quantitäten  gehandelt,  dafs  ein  Sienese  über  den  zeitigen 
Preis  nach  Haus  berichtete,  das  Venezianische  war  das  theuerste**.    Aller- 


1  Zahlreiche  Zeugnisse  über  die  Preise  des  Pfeffers  hat  Schaube,  Kursbericht 
S.  274 — 79  gesammelt.  Er  berechnet  den  Preis  von  100  kg  für  die  Champagner- 
messe von  1262  auf  602  Mark,  während  der  Hamburger  Durchschnittspreis  von 
1886-90  auf  140,  10  stand.  Dichterstellen,  die  Gewürze  erwähnen,  bei  Schultz  1,  393. 

*  Schaube  S.  280  berechnet  für  die  gleichen  Verhältnisse  einen  Preis  von 
488—560  Mark. 

^  S.  oben  8.  141.  Schaube  280.  Das  Kilogramm  kostete  den  enormen  Preis 
von  fast  60  Mark. 

*  Heyd  2,  608  f.    Flückiger,  Pharmakognosie  305. 

B  Pfeiffer,  Zwei  Deutsche  Arzneibücher.    Wien  1863.    S.  13. 

*  In  ihrer  Physica  bei  Migne,  Patrologiae  cursus  completus  ser.  lat.  Tom. 
197  1138  ff. 

•^  Heyd  2,  559  ff.    Flückiger  216  f. 

«  Heyd  2,  615  f. 

»  Flückiger  24  f.  28  ff. 
'0  Heyd  2,  653  f.    Flückiger  23  f. 

>i  Lettere   volgari   57.     Schaube  281  f.   berechnet   als  Preis   für   100  kg 
Champagnermesse  von  1265:   458  Mark,  Hamburger  Preis  1886—90:   142,86. 


Metalle.  145 

dings  ohne  Bezeichnung  der  Herkunft  findet  es  sich  auch  in  dem  Zoll- 
tarif von  Freiburg  i.  Br.  ^,  der  von  orientalischen  Waren  nur  Pfeffer  und 
Weihrauch,  von  italienischen  noch  Lorbeern  (laurei)  anführt.  Dieselben 
Waren  zeigen  sich  in  dem  um  ein  Jahrhundert  jüngeren  Zolltarif  von 
Chur,  der  daneben  noch  Alaun  und  Myrrhe  aufführt. 

Die  auf  den  ersten  Blick  rätselhafteste  Ware  sind  die  Beeren  des 
Lorbeerbaumes  (oribagae),  die  aufserdem  noch  in  dem  Zolltarif  von 
Vicosoprano  ^  erscheinen.  Sie  dienten  als  Volksmittel  zur  Magenstärkung 
und  als  Räuchermittel.  In  Mailand  wurden  Lorbeeren  mit  warmem  Wein 
gegen  Leibschmerzen  verwendet®.  Aus  ihnen  wurde  ein  öl  bereitet, 
das  gegen  Ungeziefer,  bei  Lähmungen  etc.  Verwendung  fand,  besonders 
aber  diente  es,  um  Fliegen  und  anderes  Ungeziefer  z.  B.  von  Metzger- 
läden fernzuhalten.  So  bestrich  man  die  Pferde  mit  diesem  Öle*.  Es 
wird  heute  noch  namentlich  am  Oardasee  hergestellt. 

Ein  wahrscheinlich  recht  erheblicher  Teil  der  Lasten,  die  über  die 
Alpen  gingen,  bestand  aus  Metall  und  Metallwaren.  Die  Quellen  sind 
leider  sehr  einsilbig.  Fast  niemals  wird  auch  in  späterer  Zeit  die  Pro- 
venienz angegeben,  während  man  in  Norddeutschland  sehr  gut  das 
schwedische  Osmundeisen  verfolgen  kann,  und  so  bleibt  für  uns  nichts 
als  das  weite  Gebiet  der  Hypothese.  Und  selbst  dafür  fehlt  eine  Grund- 
lage, da  wir  eine  Übersicht  über  den  Bergbau  diesseits  und  jenseits  der 
Alpen  heute  noch  nicht  sicher  gewinnen  können.  Selbst  der  Einflufs 
des  Silberbergbaues  ist  sehr  schwer  festzustellen.  Doch  hatte  das  Gebiet 
des  Oberrheins  damals  einen  grofsen  Anteil  an  der  Gewinnung  des  edlen 
Metalles.  Seit  1028  liegen  urkundliche  Nachrichten  vor.  Die  Erzgänge 
waren  vom  Rande  des  Schwarzwaldes  immer  tiefer  in  das  Gebirge 
hineingetrieben,  im  dreizehnten  Jahrhundert  hatte  dort  der  Bergbau 
wohl  seine  glänzendsten  Tage.  Die  Bergwerke  dehnten  sich  von  Sulz- 
burg aus  bis  an  den  Kamm  des  Gebirges,  im  Münsterthale  entstand  bei 
St.  Trudpert  das  Bergstädtchen  Münster,  hier  verschränkten  sie  sich 
mit  dem  Gebiete  der  Bergwerke,  die  den  Erzkasten  auf  allen  Seiten 
umgaben.  Die  hohe  Blüte  von  Freiburg  in  dieser  Zeit  hängt  vor  allem 
auch  mit  den  reichen  Erträgen  der  Bergmannsarbeit  zusammen,  sie  gab 
der  Stadt   die  Möglichkeit,   sich  eine  Pfarrkirche  zu  bauen  und  zu  voU- 


1  Schöpflin,  Hist.  Zar.  Bad.  5,  52. 

«  Mohr  2,  121. 

'  Bonvesin,  De  magnalibus  S.  95.  »lauri  hace  contra  solum  vefUris  dolorem 
cum  calido  vino  stimende.* 

*  Bertoloni,  Flora  italica  4,  400.  Rosen thal,  Synopsis  plant,  diaphori- 
carum  237.  Konrad  v.  Megenberg  ed.  Pfeiffer  327.  Flückiger,  Pharma- 
kognosie 931.  Zippe  1-Thom^,  Ausländische  Kulturpflanzen  in  farbigen  Wand- 
tafeln 4.  Aufl.  S.  142. 

Schulte,  Qesoh.  d.  mittelalterl.  Handels.    I.  10 


146  Dreizehntes  Kapitel. 

enden,  wie  sie  schöner  auf  der  Welt  von  einer  Pfarrgemeinde  nicht 
wieder  errichtet  werden  sollte.  Ein  Glasgemälde  des  Münsters,  eine 
Schenkung  der  Bergleute  des  „Disselmut",  stellt  uns  die  Arbeit  der 
Knappen  dar.  Weiter  nördlich  wurde  im  Suggenthal  eine  Grube  be- 
trieben. Im  Kinzigthale  erblühte  ein  heute  längst  verschwundenes  Berg- 
städtchen Brinsbach  ^,  und  die  gereimte  Geographie  des  dreizehnten  Jahr- 
hunderts konnte  von  diesen  Bergwerken  den  Namen  Argentina-Strafsburg 
ableiten.    Noch  weiter  nördlich  wurde  auf  Gold  geschürft. 

Über  den  Handel  mit  diesem  Silber  giebt  uns  kein  heimisches 
Schriftstück  Kunde,  wohl  aber  ein  Dokument  aus  dem  fernen  Siena. 
In  dem  ältesten  bekannten  Börsenbericht,  den  Andrea  de'  Tolomei  an 
seine  Geschäftsgenossen  und  Verwandten  von  der  Messe  von  Troyes  1265 
erstattete,  führt  er  neben  dem  momentanen  Werte  des  Sterling  nur  noch 
eine  Silbersorte  auf,  das  ungemünzte  Ariento  di  Friborgho*. 

Das  gegenüberliegende  Elsafs  hatte  von  seinen  Silberbergwerken 
damals  wohl  nur  kleine  Gänge  erschlossen^.  Der  Zug  des  Jura  bot  im 
Frickthale  sehr  alte  Erzgruben*,  weiter  westlich  die  von  Waidenburg. 
Im  Alpengürtel,  wo  die  östlich  anstofsenden  Silberadern  und  Erzgänge 
von  Südtirol  bereits  ausgebeutet  wurden,  gab  es  damab  Bergbau  auch 
im  Montafun  ^.  Am  Gonzen  (nördlich  von  Sargans)  war  der  Bergbau  auf 
Eisen  uralt,  auch  um  den  Julier  wurde  dasselbe  Material  im  zehnten 
Jahrhundert  gewonnen®.  Im  Unterengadin  wurden  die  reichen  Silber- 
adern von  Scharl  ausgebeutet^;  vor  allem  aber  schon  jenseits  des 
Scheitels  im  Puschlav  und  bei  Bormio  gab  es  alte  Silbergruben  ^ ,  die 
sich  in  den  Bergamasker  Alpen  bei  Ardesio  fortsetzten',  wie  überhaupt 
die  heutigen  Bezirke  Sondrio,  Bergamo  und  Brescia  damals  manche 
Bergwerke  besafsen  und  schon  hatte  der  Brescianer  Stahl  einen  Namen 
gewonnen*®.     Für  die  Waffenmanufaktur  Mailands   ist  diese  auf  Stab- 


1  Gothein  1,  583  ff . 

'  Lettere  volgari  S.  57.    Schaubc  hat  in  seinem  ausgezeichneten  Aufsatze: 
Ein  Kursbericht  unter  Friborgho  irrtümlich  Freiberg  in  Sachsen  verstanden. 
8  Reuss,  L*Alsace  1,  603. 

*  Über  den  Bergbau  bis  z.  Ende  des  zwölften  Jahrhunderts  vgl.  v.  Inama- 
Sternegg  2,  329,  Frickthal  schon  1050.  Vgl.  auch  Baseler  Urkb.  2  Nr.  625. 
Boos,  Urkb.  Basel  Land  1,  157.    Erzgruben  bei  Liestal. 

^  V.  Mohr  1,  287.    Eisen  wurde  dort  gefunden,  auch  Silber. 

•  Plattner,  Gesch.  d.  Bergbaues  1  ff. 
•^  Plattner  S.  5. 

8  V.  Mohr  1,  166  u.  181.  Genaue  Verträge  von  1200  und  1211.  Archiv  f. 
österr.  Gesch.  15,  342. 

®  Statuten  v.  Bergamo.  Mon.  bist.  patr.  16,  2053.  Die  Bergwerke  lieferten 
auch  Blei  und  Kupfer. 

^®  H^rondeVillefosse,  dtsch.  von  Hartmann,  Über  den  Mineralreichtum  4, 105. 


Metalle.  147 

eisen  und  Rohstahl  gerichtete  Förderung  wohl  die  Grundlage  gewesen. 
Im  Gebiete  des  Bistums  Novara  wurde  im  Anzascathale  Gold  berg- 
männisch gegraben^.  Überhaupt  dehnte  sich  der  Bergbau  in  diesen  Ge- 
bieten schon  ziemlich  aus,  er  war  gerichtet  auf  Kupfer,  Spateisenstein, 
besonders  aber  wurde  Gold  aus  den  Schwefelkiesen  gewonnen.  Im 
Bereiche  von  Vercelli  wurden  1230  Silberbergwerke  betrieben*.  Die 
Westalpen  enthielten  eine  Reihe  von  Silber-  und  Erzbergwerken*. 

In  den  Zolltarifen  ist  Eisen  fast  regelmäfsig  aufgeführt^.  Daneben 
erscheint  auch  Stahl  in  Augsburg  und  Freiburg  und  allein  in  Chur. 
Sicheln  werden  in  den  Tarifen  von  Augsburg  und  Vicosoprano  auf- 
geführt Blei  steht  in  den  Tarifen  von  Augsburg,  Freiburg,  Vicosoprano, 
Lodi,  Piacenza,  Cremona  und  Brescia.  Kupfer,  das  damals  namentlich 
im  Gebiete  der  Maas,  vor  allem  in  Dinant  und  Huy,  viel  verarbeitet 
wurde,  in  denen  von  Augsburg,  Freiburg,  Cremona  und  Brescia,  Zinn 
endlich  in  denen  von  Freiburg,  Genua,  Piacenza,  Cremona  und  Brescia, 
in  dem  zuletztgenannten  findet  sich  auch  Bronze  wie  in  Cremona. 
Messing  (aurichalcum)  fand  ich  nur  in  dem  reichhaltigen  Tarif  von 
Cremona,  Erz  (aramen)  in  Vicosoprano  und  Lodi. 

Eigentümlicherweise  scheint  das  Kupfer  auch  von  Süden  nach  Norden 
gewandert  zu  sein,  wenigstens  fuhrt  der  älteste  Zolltarif  von  St.  Simeon 
fUr  Koblenz  Kupfer  unter  den  Abgaben  auf,  die  diejenigen,  welche  von 
Konstanz  und  Zürich  kamen,  zu  entrichten  hatten^.  Damals  lieferten 
aber  vor  allem  Goslar,  Schweden  und  England  Kupfer. 

Das  Zinn  erscheint  also  doch  verhältnismäfsig  selten,  und  doch  war 
es  ein  Welthandelsartikel  ersten  Ranges.  Für  die  Bronze  und  die 
Glockenspeise  hatte  man  dieses  Metall  notwendig,  wie  im  späteren 
Mittelalter  für  das  Geschütz.  Das  reine  Metall  fand  immer  zunehmend 
Verwendung  zur  Herstellung  des  Efsgeschirres,   und  man  hatte  nur  eine 

»  Gremaud  30,  425. 

■  Mandelli  2.  12. 

^  Cibrario,  Economia  S.  40. 

*  Augsburg  an  der  Lechbrücke  (1156—1177)»  Freiburg  i.  B.  (Anf.  des  drei- 
zehnten Jahrh.)  vgl.  v.  Inama-Sternegg  2,  490 — 495.  Bei  Walenstad  hatten  die 
Fischer  auf  dem  Walensee  jährlich  dem  Bischöfe  von  Chur  40  €6  Wolle  und  60  i6 
Eisen  zu  geben,  die  sie  doch  wohl  von  Händlern  mit  Eisen  vom  Gonzen  erhielten 
(v.  Mohr  1,  288).  Aufserdem  Vicosoprano  (v.  Mohr  1,  121)  uud  in  den  zähriugischen 
Städten  Freiburg,  Burgdorf,  Büren,  die  einen  gleichartigen  Zolltarif  haben.  Font, 
rer.  Bern.  In  Italien  in  Genua:  ferrum  pisaneschum  (Lib.  jur.  1,  71  f.),  Lodi 
(Vignati  4,  556),  Piacenza  (Stat.  merc  §  265),  Cremona  (Astegiano  1,  358)  und 
Brescia  (sehr  eingehend  über  das  Eisen  gehandelt  Mon.  hist.  patr.  16,  1584  [108 f.]), 
Bergamo  (ebda.  2022),  Eisen  fehlt  nur  in  den  Tarifen  von  Chur  (sehr  mager  v.  Mohr 
1,  110  f.)  und  Vicosoprano. 

*  Lamprecht  2,  800  u.  330.  Dort  ist  aber  der  Bearbeitung  des  Kupfers  in 
Dinant  und  der  bezügl.  Kölner  Urkunden  nicht  gedacht 

10* 


148  Dreizehntes  Kapitel. 

ergiebige  Quelle:  England;  denn  Spanien  lieferte  damals  wenig.  Aus 
den  Zinnwäschen  von  Devon,  dann  aus  den  Bergwerken  von  Comwallisy 
die  im  dreizehnten  Jahrhundert  jene  besiegten,  kam  dies  Metall  fast  aus- 
schliefslich,  bis  in  Böhmen  zunächst  wohl  schon  im  zwölften  Jahrhundert 
die  Zinnwäschen  von  Graupen,  dann  auch  die  von  Schönfeld  ihren  Be- 
trieb eröffneten,  auf  deren  wachsender  Ausdehnung  die  Blüte  der  Metall- 
gewerbe Nürnbergs  sich  gründen  solltet  Selbst  nach  England  gelangte 
nun  deutsches  Zinn,  das  als  reiner  und  reichlicher  galt  als  das  englische  ^ 
Auch  Blei  kam  aus  England. 

Die  Fabrikate  der  Metallindustrie  erscheinen  mit  Ausnahme  der 
Sicheln  und  der  Waffen  in  Chur  (s.  oben)  nicht  in  den  Zolltarifen,  doch 
darf  man  glauben,  dafs  namentlich  die  Waffen  auf  gröfsere  Entfernungen 
verhandelt  wurden,  und  mehrere  hochrenommierte  Waffenschmiedestädte 
lagen  in  dem  hier  zu  behandelnden  Bereiche:  Mailand,  Pavia^,  Strafs- 
burg und  Mainz*,  auch  Venedig  darf  nicht  vergessen  werden.  Die  Metall- 
industrie der  Gegend  von  Lüttich  hat  auch  wohl  zum  Handel  nach  Italien 
von  ihren  Produkten  geliefert*.  Lüttich  selbst,  das  später  ausgezeichnete 
Waffenschmiede  besafs,  war  damals  ungleich  weniger  bedeutend  als  Dinant 
und  Huy.  Die  Ausbeutung  der  Kupfer-  und  Zinnadern  im  Hügelland  der 
Ardenncn  war  wohl  uralt,  namentlich  betrieb  Dinant  so  schwunghaft  die 
Bearbeitung  des  Kupfers,  das  in  Frankreich  die  Kupferschmiede  Dinantiers 
hiefsen.  Aus  der  Ferne,  aus  Goslar  und  England  wurde  der  Rohstoff  be- 
zogen, und  von  hier  ging  ein  bedeutender  Export  aus®. 

Die  Waffenindustrie  von  Solingen  läfst  sich  bis  ins  zwölfte  Jahrhundert 
verfolgen,  auch  Köln  war  renommiert.  An  die  antike  Ausbeutung  der 
Bergwerke  Noricums  schlofs  sich  die  hochberühmte  Kunst  der  Schmiede 
von  Passau  und  Regensburg  an,  die  lange  Zeit  alle  an  Ruhm  tibertrafen. 
Doch  ging  das  Übergewicht  in  den  Tagen  der  Kreuzzüge  an  die  Waffen- 
schmiede und  Sarwürcher  von  Mailand  über.  Die  kunstvolle  Aus- 
schmückung der  orientalischen  Schwerter  und  Rüstungen  wurde  von  ihnen 
nachgemacht,  und  wenn  sie  auch  stets  den  Markt  der  Gebrauchswaren  zu 
behaupten  suchten,  so  war  die  Verbindung  von  Handwerk  und  Kunst  hier 
erreicht,  auch  machten  sie  viele  Erfindungen,  im  vierzehnten  Jahrhundert 
den  Plattenharnisch.     Mailand  hat  schliefslich  den  ganzen  Kontinent  be- 

'  E.  Reycr,  Zinn.    Berlin  1881. 

*  Auffindung  des  »staffnum  in  Alamannia  primum  et  purissimum  et  copiosiuB 
quam  in  partifms  Anglie<,    M.G.  8S.  28,  220. 

'  Sehr  oft  von  Dichtern  erwähnt  Schultz  2,  1. 

*  Hanp.  ürkb.  3,  390.  Aus  der  wichtigen  Verordnung  über  die  Zulassung  von 
Kaufleuten  aus  dem  Reiche  in  London.    Mitte  des  zwölften  Jahrhunderts. 

»  Hüllmann  1,  267. 

*  Pircnne  1,  195  f.  und  314  f. 


Lebensmittel.  149 

herrscht  ^  Nach  Bonvesin,  dessen  Zahlen  freilich  mitunter  Bedenken 
erregen,  gab  es  dort  30  Meister,  welche  aus  Messing  Schellen  für  die 
Pferdegeschirre,  die  sonst  nirgendswo  hergestellt  wurden,  fabrizierten"; 
Panzer  lieferten  mehr  als  100  Meister,  daneben  gäbe  es  Fabrikanten  von 
Schildern^.  Auch  Galvano  Fiamma  stellt  die  Waffenschmiede  an  die 
Spitzq  der  Kaufleute,  welche  exportieren  ^,  und  zählt  genau  auf,  was  sie 
alles  schmiedeten^.  Die  Waffen  gingen,  sagte  er,  bis  zu  den  Saracenen 
und  Tartaren.  Schon  1232  berief  Vercelli  einen  Meister  aus  Mailand, 
eine  Waffenfabrik  zu  leiten  ^.  Die  Kunst  der  Schmiede  von  Brescia  geht 
bis  in  die  Zeiten  der  Etrusker  zurück,  und  sie  verstanden  vor  allem, 
Klingen  zu  schmieden^. 

Von  den  Lebensmitteln  wurden  die  Gewürze  schon  oben  besprochen, 
für  den  Handel  mit  Getreide  war  der  Alpenkamm  wohl  eine  Sperre, 
doch  mehr  noch  eine  künstliche.  In  den  italienischen  Statuten  sehen 
wir  deutlich  das  Bestreben  der  Städte,  sich  billige  Lebensmittel  zu 
sichern  durch  ein  Ausfuhrverbot  nach  Norden  hin,  und  die  Thäler  der 
italienischen  Seite  haben  sich  noch  lange  durch  besondere  Verträge  den 
Bedarf  an  Lebensmitteln,  die  das  Gebirge  nicht  liefern  konnte,  sichern 
müssen.  Den  Getreidemangel  Comos,  dem  Mailand  abhelfen  müsse,  hebt 
schon  Bonvesin  hervor  und  fligt  hinzu,  dafs  von  dem  für  Como  be- 
stimmten Getreide  auch  zu  den  Völkern  jenseits  der  Alpen  komme  ^. 
Vom  Norden  her  scheint  eine  Cerealieneinfuhr  über  die  Alpen  nicht 
stattgefunden  zu  haben. 

Ein  sehr  lebhafter  Handelsartikel  war  hingegen  der  Wein.  Zwar 
ist  der  Elsäfser  Wein,  der  stets  stark  Rhein  abwärts  verhandelt  wurde 
und  mit  dem  Moselwein  zusammen  nach  dem  Gedichte  Bataille  de  vins 
den  Kölnern  das  Geld  aus  der  Tasche  holte  ^,  wohl  niemals  über  die 
südlichen  Berge  verbracht  worden  *^.    Dafür  kamen  aber  Weine  aus  den 


^  Böheim,  Wend,  Die  Waffen  und  ihre  einstige  Bedeutung  im  Welthandel. 
Zeitschr.  f.  hist.  Waffenkunde  1,  172.  Vgl.  Jahns,  Entwicklung  der  alten  Trutz- 
waffen.   Berlin  1899. 

«  S.  89. 

»  S.  149. 

^  S.  448.  In  den  später  zu  behandelnden  Verträgen  über  die  Simplonstrafse 
erscheint  die  armatura,  wie  auch  ferrum,  azarium  et  quodlibet  metaUum  nicht  fehlt. 

*  »Loricas,  thoraces,  lamerias,  galeas^  gcUerias,  cerveUeraSy  collarias,  cyrothecas, 
tybicilia,  femoralia,  genuälia,  Icmceas^  pilla,  henses,  pugiones^  clavas  et  sunt  omnia  ex 
ferro  terso  et  polito.* 

•  Böheim  174. 
^  Böheim  176. 
«  S.  92  f. 

»  Schultz  1,  442. 
1®  Er  kam  allerdings  auf  die  Höfe  des  Klosters  Engelberg. 


150  Dreizehntes  Kapitel. 

Mittelmeergebieten  nach  Deutschland,  vor  allem  der  hochgeehrte  cyprische 
Wein,  der  Malvasier  aus  dem-Peloponnes^  und  von  den  italienischen 
Weinen  der  hochgeschätzte  Veltliner,  wie  durch  die  bayrischen  Pässe 
der  Südtiroler  Eingang  fand.  Schon  sehr  früh  haben  wir  in  Comasker 
Statuten  einen  Beleg  für  einen  lebhaften  Weinhandel  über  die  Bündner 
Pässe  ^.  Galvano  Fiamma  erwähnt  den  Mailänder  Handel  mit  Flüssig- 
keiten, besonders  mit  vinum  de  Vemaziaj  Malvasier  und  kretischen^. 
1288  kam  ein  Kaufmann  nach  Basel  mit  griechischem  Wein  von  Cypern^ 
der  zu  dem  damals  unerhörten  Preise  von  1  ^  ^  etwa  fünf  Liter  ver- 
kaufte^. Die  Zolltarife  von  Vicosoprano  und  Chur  haben  natürlich 
diesen  Artikel,  trotzdem  sie  so  dürftig  sind,  der  Züricher  erwähnt  den 
fremden  Wein  ebenfalls,  und  wie  beliebt  er  war,  folgt  daraus,  dafs  König 
Rudolf  sich  von  dem  auch  in  den  Dichtungen  ^  gepriesenen  Clevner  Wein 
durch  den  im  Rheinthal  begüterten  Grafen  Hugo  von  Werdenberg 
100  Saumlast  kommen  liefs^. 

Direkte  Beweise  fUr  einen  Handel  mit  Salz  über  die  Alpenpässe 
liegen  nur  an  einer  Stelle  vor.  Es  passierten  1286  in  213  Tagen  2568 
mit  Salz  beladene  Wagen  den  Zoll  von  Villeneuve  bei  Chillon^,  sie 
können  nicht  aus  den  Salinen  von  Bex  im  Unterwallis  stammen,  denn 
diese  waren  damals  noch  nicht  in  Betrieb. 

Bei  den  Fischen  fehlt  es  an  zwingenden  Belegen;  wenn  auch  in 
dem  Cremoneser  Zollkataloge  ^hestrume  de  Brugo^ ,  also  wohl  Häringe 
oder  Bückinge  von  Brügge  erwähnt  sind. 

Der  Handel  mit  den  Produkten  der  Viehzucht  namentlich  der 
Alpengegenden  ist  gewifs  schon  damals  sehr  bedeutend  gewesen,  aber 
Milch  und  Butter  war  nicht  weit  zu  transportieren,  und  der  Käse  ist 
erst  später  ein  Artikel  des  Grofshandels  geworden. 

Ebenso  dürftig  sind  die  Angaben  über  den  Vieh-  und  Pferd  ehandeL 
Pferde  stehen  in  fast  allen  Zollkatalogen,  und  der  Mailänder  Galvano 
Fiamma  führt  an  zweiter  Stelle  die  grofsen,  hoch  im  Preise  stehenden 
Streitrosse  an,  von  denen  eines  in  Paris  für  über  1000  fl.  verkauft 
werde.    Die  Ausfuhr  sei  namhaft  und  gehe  nach  Frankreich  und  anderen 


»  Schultz  1,  408. 

'  Leges  municip.  2,  1,  157. 

'Miscell.  d.  storia  ital.  7,  448.  Vemaccia  ist  ein  italienischer  Wein. 
S.  Schultz  1,  409.  Er  bespricht  eine  grofse  Zahl  von  Sorten,  anf  die  ich  hier 
nicht  eingehen  kann. 

^  Annal.  Colm.  maj.  M.G.  SS.  17,  215.  »ducens  secum  vinum  Chrecum  seu  Cypri 
dedüque  bicarium  iHfus  vini  pro  5  soh,  quartale  pro  libra,  quod  usque  ad  iUiid  tempus 
res  fuerat  inauddta.*    Die  Umrechnung  nach  Hanauer,  Etudes  ^com.  2,  19. 

^  Engelhard  8894.    Schultz  1,  405. 

•  Nur  als  Formel  erhalten  Böhmer-Redlich  Nr.  782. 

'  Cibrario  898. 


Pferde  und  Vieh.    Sklaven.  151 

Ländern  jenseits  der  Berge  ^.  Auf  den  Messen  der  Champagne  kamen 
selbst  apulische  Pferde  zum  Verkauf,  imd  ein  Graf  von  Geldern  kaufte 
acht  italienische  Rosse  zum  Preise  von  1040  ^  ^.  Ein  grofses  Aufsehen 
erregendes  Rofs  hatte  der  elsässische  Ritter  Conrad  Wemher  von  Had- 
stadt  in  der  Lombardei  erstanden'.  Das  Rindvieh,  die  Schafe  u.  s.  w. 
wurden  damals  wohl  kaum  auf  grOfsere  Entfernungen  verhandelt. 

Bei  den  Häuten  war  das  aber  der  Fall,  und  sie  wie  Lederwaren 
finden  sich  in  allen  Zolltarifen,  leider  ohne  Angabe  der  Herkunft  Die 
Zeit  der  Reiterheere  und  der  aufkommenden  Turniere  brauchte  auch 
die  feinsten  Luxuswaren  dieser  Gewerbe.  Sattler,  Schilderer,  Riemer, 
Handschuher  erscheinen  früh  in  den  deutschen  Städten.  In  allen  Zoll- 
tarifen erscheint  auch  das  Pelzwerk,  das  im  Mittelalter  bekanntlich  weit 
mehr  verwendet  wurde  als  heute,  und  wir  dürfen  annehmen,  dafs  der 
von  Nordosten  kommende  Import  von  feinerem  Pelzwerk  schwache  Aus- 
läufer auch  über  die  schweizerischen  Alpenpässe  vorschob.  Die  Strafs- 
burger  Kürschner  kauften  ihre  Pelzstoffe  in  Mainz  oder  Köln^.  Die 
Stadt  Pisa  leistete  in  Gerberei  und  Kürschnerei  vortreffliches '^. 

Als  letztes  Handelsobjekt,  das  über  die  Alpen  gebracht  wurde,  ist 
wohl  der  Mensch  anzufUhren.  Der  Sklavenhandel  ist  erst  langsam  durch 
den  Geist  des  Christentums  beseitigt  worden,  in  Italien  blieben  Reste 
infolge  der  Verbindung  mit  dem  Orient  bis  in  die  letzten  Tage  des 
Mittelalters  bestehen.  In  Deutschland  sind  wohl  die  letzten  Spuren  die 
beiden  Erwähnimgen  am  Zolle  von  Walenstaad  und  zu  Koblenz.  Walen- 
staad  war  geradezu  der  Ort,  wo  mit  Sklaven  gehandelt  wurde ^,  damit 
beschäftigten  sich  vorwiegend  die  Juden  ^. 


^  Miscell.  di  storia  italiana  7,  449. 

'Bourquelot  1,  303  f.  Nach  den  dort  angegebenen  Preisen  standen  die 
italienischen  Rosse  hoch  im  Preis. 

•  M.G.  SS.  17,  230. 

«  Recht  des  Bischofs  Urk.  d.  Stadt  Strafsburg  1,  474. 

»  C anale  178. 

^  »De  unoquoqae  tnancipio^  quod  ibi  venditur,  dtnarii  U.«  Elinkünfterodel  des 
Bistums  Chur  um  1050.  v.  Mohr  1,  288.  Zollrodel  von  Koblenz  von  1104:  »De 
sdavo  empticio  4  denarii*  Hans.  Urkb.  1,  3.  Auch  in  der  jüngeren  Rolle  von  1209 
(Mittelrh.  Urk.  2  Nr.  242)  steht  der  Posten  noch. 

"^  Eine  Aufzeichnung  aus  dem  elften  Jahrhundert,  welche  die  Koblenzer  Liste 
bereits  enthält,  sagt:  »Judei  pro  %moquaq%te  sclavo  emHcio  debent4  denarios.*  Hans. 
Urkb.  3,  388. 


152  Vierzehntes  Kapitel. 

Vierzehntes  Kapitel. 
Handelsorganisation.    Messen. 

Handelsorganisation,  Verschtcindeti  des  Fremdkau fmanns.  Die  Juden  zurück- 
gedrängt Handelseifersucht,  Äusschlufs  von  den  korporativen  Bildungen.  Gründung 
von  Städten,  Aussonderung  von  Produktionszweigen,  Der  Kaufmann  bedarf  der  Ge- 
nossefi,    Handelsgesellschaften.    licUien.    Deutschland, 

Messen.  Ursachen  ihrer  hohen  Bedeutung.  Die  Messen  der  Champagne.  Lage 
der  Champagne,  Organisation,  Termine,  Beamte  u.  s.  w.  Mefsbesucher  organisieren 
sichy  besonders  die  Italiener,  Handel  der  Deutschen,  Höhe  des  Verkehrs,  gemessen  an 
den  ZÖUen  von  Chiüon  wid  Bapaume  und  den  Erträgnissen,  Messen  in  Deutschlaiid 
und  Italien. 

War  der  Grofshandel  in  Deutschland  in  der  Hauptsache  vom  Fremd- 
kaufmann betrieben,  begegnen  wir  vor  allem  noch  bis  1100  neben  dem 
Juden  dem  Friesen,  so  war  um  1300  der  Friese  völlig  verschwunden, 
und  der  Jude  völlig  auf  die  Gebiete  gedrängt,  die  er  dann  Jahrhunderte 
lang  allein  betrieb.  Die  grofse  Masse  der  Handelsgeschäfte  wurde  jetzt 
zwischen  Christen  abgeschlossen,  und  der  deutsche  christliche  Eauimanns- 
stand  hatte  einen  Einflufs  gewonnen,  wie  es  bis  dahin  unbekannt  war, 
er  hatte  die  Handelsvormundschaft  abgestreift. 

Worin  liegt  die  Ursache  der  völligen  Zurückdrängung  der  Juden 
auf  den  Handel  mit  Geld,  alten  Sachen,  Pferden  und  Vieh,  den  Zwischen- 
handel mit  Waren  aller  Art?  Nicht  direkt  in  den  religiösen  Gegen- 
sätzen, selbst  in  den  Jahrhunderten,  in  denen  die  Juden  relativ  gut  be- 
handelt wurden  und  sich  vieler  Rechte  erfreuten,  haben  sie  den  Waren- 
handel durchaus  nicht  so  beherrscht,  wie  man  wohl  gemeint  hat,  sondern 
auch  damals  schon  trieb  sie  die  Veranlagung  zum  Geld-  und  Zwischen- 
handel^. Das  wurde  jetzt  noch  schärfer,  als  die  Verfolgungen  allerdings 
die  Juden  dazu  zwangen,  ihre  Werte  möglichst  mobil  zu  halten.  Viel 
wichtiger  war  es,  dafs  der  Jude  zum  Handwerk  nicht  in  das  Verhältnis 
getreten  war,  das  der  christliche  Kaufmann  hatte.  Der  deutsche  Kauf- 
mann war  selbst  Produzent  oder  er  nahm  regelmäföig  die  Arbeit  von 
den  ihm  näher  stehenden  Handwerkern  ab.  In  Italien  und  Flandern 
war  es  geradezu  die  Regel,  dafs  das  Produktionsgeschäft  von  dem  Ver- 
kaufsgeschäft abhängig  war.  Da  standen  bereits  die  Textilarbeiter  ihren 
Fabrikherren  gegenüber,  die  ihnen  Rohstoffe  und  Muster  lieferten.  Der 
handwerksmäfsige  Körper  hatte  einen  kaufmännischen  Kopf  erhalten. 

Die  Bildung  der  mittelalterlichen  Genossenschaften  verdrängte  die 
Juden  aus  ihrem  alten  Platze.  Die  Bürgergemeinden  schlössen  sie  der 
Regel  nach   aus,  die  Zünfte  stets  und  erst  recht  die  Gilden.     Und  da 


'  Roscher-Stieda,  Syst.  d.  Volkswirtsch.  3,  175  ff. 


HandelsorgaDisation.  153 

durch  sie  die  Warenproduktion  und  der  Warenhandel  geregelt  wurde, 
war  der  Jude  von  diesen  Gebieten  ausgeschlossen.  Die  Kraft  dieser 
Korporationen  drängte  sie  auf  die  Seite  und  liefs  nur  den  Geld-  und 
Zwischenhandel  frei^  Dieses  Gebiet  blieb  den  Juden  erhalten,  die 
Kawerschen  erscheinen  neu.  Die  eigentlich  „bürgerliche"  Nahrung  war 
den  Juden  entzogen,  und  so  waren  sie  durch  die  stets  drohende  Ver- 
treibung auf  Erwerb  und  Besitz  mobilsten  Kapitals  angewiesen,  und, 
wenn  einige  von  ihnen  im  Frühmittelalter  Grofskaufleute  des  Waren- 
handels gewesen  waren,  wurden  sie  in  den  Tagen  des  dreizehnten  Jahr- 
hunderts vagierende  Kleinhändler  mit  Waren,  Zinsleiher  und  Geld- 
händler ^.  Da  der  Jude  keinen  Anteil  an  der  Produktion  gewonnen 
hatte,  war  er  auf  den  Zwischen-  und  Geldhandel  angewiesen. 

Die  massenhafte  Gründung  von  Städten  —  deren  Zweck,  man  mag 
auch  noch  so  oft  auf  verkümmerte  Städtchen,  die  nie  etwas  anderes  ge- 
worden sind  als  ummauerte,  der  Landwirtschaft  dienende  Ortschaften, 
hinweisen,  eben  der  Handel  und  das  Gewerbe  war  —  das  Emporblühen 
derselben  sind  weniger  Ursachen  der  Zunahme  des  Handels  und  des 
Gewerbes  als  Folgeerscheinungen  derselben.  Die  Aussonderung  der 
städtischen  Bevölkerung  aus  dem  Lande  war  bedingt  durch  die  immer 
stärker  werdende  Aussonderung  von  Produktionszweigen  aus  der  ge- 
schlossenen Hauswirtschaft.  Diese  schränkte  sich  immer  mehr  auf  die 
Bodenkultur  ein  und  gab  die  meisten  anderen  Thätigkeiten  an  die  Ge- 
werbe der  Städte  ab,  und  da  die  Wirtschaft  einer  Stadt  —  die  Stadt- 
wirtschafti,  wie  sie  Bücher  definiert  hat  —  nicht  alle  Bedürfnisse  so  gut 
und  billig  decken  konnte,  wie  eine  andere,  so  führte  diese  Verteilung 
der  Produktion  auf  Stadt  und  Land  eine  wesentliche  Zunahme  des 
Handels  herbei.  Am  deutlichsten  tritt  uns  die  Umwälzung  auf  dem  Ge- 
biete der  Bekleidungsindustrie  entgegen.  Theoretisch  wäre  es  ja  denk- 
bar gewesen,  dafs  eine  jede  Stadt  mit  Einschlufs  ihres  Landbezirkes  alle 
Bedürfnisse  an  Leinen  und  Wollenwaren  selbst  erzeugte,  thatsäclilich 
aber  sehen  wir  einen  sehr  bedeutenden  Handel  über  grofse  Entfernungen 
hin.  Die  verschiedene  Qualität  der  Waren,  die  Sucht,  mit  fremden 
Stoffen  zu  glänzen,  die  Mode,  welche  auch  jenen  Tagen  nicht  fremd  war, 
waren  drei  gewaltig  wirkende  Ursachen,  um  die  „Stadtwirtschaft"  zu 
durchbrechen. 

So  pulsierte  ein  kräftiges  Leben  in  dem  jugendlichen  romanisch- 
germanischen Handel,  der  erstarkte  Kreis  einheimischer  Kauf  leute  hatte 


^  So  weit  ich  sehe^  hat  man  diesen  Punkt  niemals  herangezogen. 

*  Goldschmidt  HO  f.  Röscher  suchte  die  Ursache  wesentlich  in  der  Ab- 
schüttelung  einer  Handclsvormundschaft  (Ansichten  der  Volkswirtschaft  aus  dem 
geschichtlichen  Standpunkte  2  ^  321—854). 


154  Vierzehntes  Kapitel. 

die  ihm  unwillkommenen  Lehrmeister  nicht  mehr  nötig,  er  verdrängte 
sie,  bez.  schob  sie  auf  einzelne  Gebiete  zurück,  vor  allem  mit  Rücksicht 
auf  die  Anschauungen  der  Kirche  auf  den  Geldhandel.  Im  Norden 
Deutschlands  thaten  sich  die  Kaufleute  zu  Genossenschaften,  zu  Gilden 
zusammen,  im  Süden  sind  nur  schwache  Anläufe  nachzuweisen.  Doch 
wird  man  zweifeln  dürfen,  ob  deswegen  der  süddeutsche  Kaufmann  so 
sehr  viel  weniger  in  die  Fremde  gewandert  wäre,  als  der  Norddeutsch- 
lands, wenn  das  zu  einem  Teile  auch  sicher  der  Fall  ist. 

So  lange  der  Handel  im  wesentlichen  Eigenhandel  war,  der 
Kaufmann  mit  seiner  Ware  von  Ort  zu  Ort  zog  und  sie  nicht  etwa 
einem  Knechte  anvertraute,  mufste  er  das  Bedürfnis  nach  einem 
socius  empfinden.  Wie  wollte  ein  italienischer  Kaufmann,  der  in  Eng- 
land oder  auf  den  Messen  der  Champagne  Wolle  kaufte,  in  seiner 
Heimatstadt  die  Verarbeitung  des  im  Vorjahre  erworbenen  Rohstoffes 
überwachen  und  gar  im  Oriente  noch  den  Verkauf  der  fertigen  Ware 
leiten?  Jeder  Landtransport  erheischte  seine  Begleitung.  So  trat  an 
ihn  die  Forderung  heran,  zu  gleicher  Zeit  an  mehreren  Orten  selbst 
disponieren  zu  können,  und  das  wurde  durch  die  Gesellschaften  er- 
möglicht, deren  jedes  Mitglied  das  Recht  hatte,  die  Firma  rechtsver- 
bindlich zu  vertreten.  Glücklich  der  Kaufmann,  der  Söhne  im  Geschäft 
hatte.  Aus  der  Hausgemeinschaft  (nach  deutschem  Rechte  der  Ganerb- 
schaft) wuchs  die  offene  Handelsgesellschaft  hervor.  Wenn  auch  schon 
früh  in  Italien  nicht  durch  Verwandtschaft  und  Hausgemeinschaft  ver- 
bundene Händler  sich  freiwillig  zu  einer  Gesellschaft  zusammenschlössen, 
im  wesentlichen  blieb  doch  die  Familie  der  Kern  der  italienischen  Ge- 
sellschaften, nur  so  konnten  sie  ein  Alter  von  100  und  mehr  Jahren 
erreichen*.  Eine  solche  Gesellschaft  konnte  die  Lage  des  Weltmarktes 
überschauen,  der  Briefwechsel  zwischen  den  einzelnen  Genossen  war  sehr 
^^S^}  jft  aus  Siena  ist  schon  von  1265  ein  förmlicher  Kursbericht  er- 
halten, den  ein  Genosse  seiner  Firma  von  einer  Messe  in  der  Champagne 
heimsandte  *.  Die  italienischen  Gesellschaften  hatten  eine  geordnete  Buch- 
führung, Bruchstücke  von  Geschäftsbüchern  aus  Florenz  sind  schon  aus 
dem  dreizehnten  Jahrhundert  erhalten^.     In  Deutschland  sehen  wir  uns 


1  Für  Italien  vgl.  Goldschmidt  271—290.  Max  Weber,  Zur  Geschichte  der 
Handelsgesellschaften  im  Mittelalter  nach  südeuropäischcn  Quellen  1889. 

*  Lettere  volgari* 

^  Andere  jüngere  Stücke  sind  nicht  nur  Bruchstücke.  Vgl.  auch  die  Zusammen- 
stellungen von  Langlois  349  ff.  Caraballese,  Un  nuovo  libro  die  mercanti 
italiani  alle  fiere  di  Sciampagna.  Arch.  stör.  ital.  serie  V.  tomo  13,  357.  Von  einem 
aus  Prato  stammenden  Notar,  den  der  uns  bald  näher  bekannt  werdende  Finanz- 
mann Philipps  des  Schönen  Musciato  in  Burgund,  der  Auvergne  und  Troyes  ver- 
wendete, rühren  die  Rechnungen  her,  die  C.  Paoli  im  Giomale  storico  della  lettera- 


Handelsorganisation.  155 

in  dieser  Zeit  vergebens  nach  Belegen  für  eine  Buchführung  um.  Der 
italienische  Stadtadel  war  in  solchen  Gesellschaften  auch  aktiv  thätig, 
während  die  Söhne  deutscher  Kaufherren  nur  zu  oft  der  Versuchung 
erlagen^  lieber  den  Ritter  als  den  Kaufmann  zu  spielen.  So  empfingen 
schon  im  dreizehnten  Jahrhundert  zahlreiche  Strafsburger  den  Ritter- 
schlag, andere  freilich  widerstanden ,  wie  der  Orofskaufmann  Heinrich 
von  Mülnheim. 

Diese  vorgeschrittenste  Form  des  kaufmännischen  Geschäftsbetriebes 
jener  Tage  findet  sich  auch  im  Norden  Deutschlands  ^,  für  Köln  ist  eine 
solche  Gesellschaft  schon  für  1205  belegt,  für  die  Seestädte  sind  Belege  nicht 
selten,  imd  Stadtrechte  wie  die  allgemeinen  Rechtsquellen  jener  Gebiete  er- 
weisen die  Existenz  offener  Handelsgesellschaften.  Im  Süden  finden  sich, 
vom  Osten  abgesehen^.  Beweise  nur  seltener.  Das  Augsburger  Stadtbuch 
von  1276  kennt  sie,  und  auch  die  Ordnungen  über  den  Konstanzer  Lein- 
wandhandel setzen  voraus,  dafs  ein  Konstanzer  nicht  Volleigentümer  eines 
Linnenstückes,  sondern  Teilhaber  ist,  die  knappen  Angaben  lassen  es 
zweifelhaft,  ob  an  ein  Commendaverhältnis  oder  eine  offene  Handels- 
gesellschaft gedacht  ist^.  Wenn  die  süddeutschen  Quellen  also  auch  sehr 
wenig  ergiebig  sind,  so  beweist  das  nicht  viel.  Hier  fehlten  die  nord- 
deutschen Stadtbücher,  wie  z.  B.  in  Lübeck  von  1311 — 60  geradezu  Gesell- 
schaftsregister geführt  wurden  ^,  und  die  süddeutschen  Stadtrechte  berück- 
sichtigen den  Handel  weit  weniger  als  die  des  Hansagebietes.  Aber  das 
ist  wohl  anzunehmen,  dafs  der  Norden  Deutschlands  dem  Süden  hierin 
voran  war,  die  Zeit  der  grofsen  süddeutschen  Handelsgesellschaften  war 
noch  nicht  angebrochen,  und  auf  ihre  Entstehung  hat  wohl  noch  mehr 
das  Beispiel  der  italienischen  eingewirkt,  als  das  der  nordischen^. 

Eine  Zeit,  in  der  die  Verkehrseinrichtungen  noch  auf  der  primitivsten 
Stufe  standen,  in  der  die  Isolierung  von  Stadt  zu  Stadt  so  stark  war^ 
dafs  ein  jeder,  der  sie  durchbrechen  wollte  —  und  der  Kaufmann  mufste 
es  —  in  eigener  Person  einkaufen,  verkaufen,  sein  eigener  Transporteur 


tura  italiana  5,  329 — 69  veröffentlichte.  Es  ist  dieser  identisch  mit  dem  Ser  Ciappe- 
letto,  dem  Heiden  der  ersten  Erzählung  des  ersten  Tages  in  Boccaccios  Decamerone. 

1  Schmidt,  Handelsgesellschaften  S.  12  Deventer,  17  Köln,  19  Biga,  23  Weifsen- 
see  und  öfter. 

«  Schmidt  48. 

*  Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrheins  4,  48  »und  das  diu  Unwat  sin  aigen 
sif  und  nieman  an  der  Unwat  kain  gemainde  Jiäbe,  wan  der  aine  seshaft  burger  ze 
Kosteme  ist', 

^  Rehme,  Die  Lübecker  Handelsgesellschaften  in  der  ersten  Hälfte  des  vier- 
zehnten Jahrhunderts.  Zeitschr.  für  Handelsrecht  Bd.  42.  Doch  ist  es  auch  da  im 
Vergleiche  zu  Italien  selten,  dafs  die  Gesellschafter,  welche  Kapital  einschossen, 
sich  auch  sämtlich  dem  Handelsbetrieb  widmeten. 

B  So  auch  Schmidt  20. 


156  Vierzehntes  Kapitel. 

und  Briefbote  sein  mufste,  war  es  ein  dringendes  Bedürfnis,  die  Zahl 
solcher  Reisen  zu  vermindern,  die  Wege  zu  verkürzen  und  womöglich 
an  einem  Platze  zu  gleicher  Zeit  alle  Händler  zu  vereinigen,  mit  anderen 
Worten  den  Grofshandel  auf  einen  Ort  und  eine  Zeit,  d.  h.  auf  eine 
Messe  zu  konzentrieren.  Da  das  gröfste  Risiko  und  die  gröfste  Arbeits- 
leistung beim  Handel  des  Mittelalters  in  dem  Transport  beruhte,  war  die 
Bildung  von  Handelskarawanen  eine  Verminderung  des  Risikos,  die 
stärkste  aber  das  Zusammentreffen  aller  an  einem  Platze.  Ein  solches 
Rendez-vous  aller  abendländischen  Händler  und  aller  im  Abendlande  ge- 
brauchten  Waren  kam  wirklich  zustande,  es  wuchs  langsam  em])or,  um 
im  zwölften  und  dreizehnten  Jahrhundert  aus  dem  Gemeingefühle  aller 
hier  verkehrenden  Kaufleute  heraus  eine  Messe  zu  schaffen,  wie  sie  nie 
wieder  existiert  hat,  eine  Handelsorganisation  darzubieten,  die  in  recht- 
loser Zeit  Schutz  gegen  alle  Rechtsverletzung  erstrebte  und  meist  auch 
erlangte. 

Die  Messen  der  Champagne  sind  es  gewesen,  welche  seit  der  Mitte 
des  zwölften  Jahrhunderts  bis  in  den  Anfang  des  vierzehnten  den  Mittel- 
punkt des  Waren-  und  Geldverkehrs  bildeten.  Sie  waren  der  grofse 
internationale  Ort  für  die  Regelung  des  Welthandels  und  da  der  Verkehr 
zwischen  Deutschland  und  Italien  zu  einem  erheblichen  Teile  hier  erledigt 
wurde,  kann  ich  an  ihnen  nicht  vorbeigehen.  Alter  vielleicht  als  sie 
waren  die  Messen,  die  in  der  nächsten  Nähe  von  Paris  stattfanden  ^ ;  aber 
selbst  die  Messe  von  St.  Denis  hat  nicht  die  Bedeutung  jener  erreichen 
können.  1114  werden  zuerst  die  von  Bar  und  Troyes  genannt,  nachdem 
Troyes  schon  im  fünften  Jahrhundert  Mefsplatz  war^.  Gewöhnlich  be- 
gnügt man  sich  damit,  auseinanderzusetzen,  dafs  die  geographische  Lage 
der  Champagne  diese  Rolle  eines  Vermittlers  zwischen  der  abendländischen 
Welt  zugewiesen  habe.  Es  ist  richtig,  dafs  der  Weg  von  Italien  nach 
England,  wie  wir  sahen,  diese  Landschaft  durchschneidet;  auch  die 
Rhonestrafse  führt  vom  Mittelmeere  den  Händler  leicht  hierher,  wie  die 
Champagne  ja  das  obere  Becken  der  Seine  einschliefst.  Aber  nach  dem 
Osten  hin  bilden  der  Argonnenwald  und  das  Plateau  von  Langres  bez. 
die  Vogesen  doch  recht  bedeutende  Verkehrshindernisse.  Und  alle  in 
der  Gestalt  der  Erde  gegebenen  Vorteile  haben  später  zu  Gunsten  von 
dem  etwas  weiter  westlich  gelegenen  Paris  entschieden,  während  die 
Champagne  die  Bedeutung  verlor. 

Die  Champagne  war  damals  auch  politisch  sehr  bevorzugt.  Sie  lag 
unmittelbar  an  der  Grenze  des  Deutschen  Reiches,  hatte  nach  Süden 
durch   die  Landschaften  des  Arelats  und  nach  Nordwesten  durch  Ober- 


^  Pigeonneau  1,  207.    Fagniez,  Documcnts  1,  43.   47. 
'  Goldschmidt  227.    Huvelin,  Essai  histor.  245. 


Messen.  1 57 

lothringen  Verbindungen  mit  dem  Auslande,  welche  von  Frankreich  un- 
abhängig waren.  Eine  Champagne,  die  völlig  unter  der  Macht  des  fran- 
zösischen Königs  stand,  hätte  alle  die  Kämpfe  Frankreichs  mitmachen 
müssen,  die  Champagne  des  Hochmittelalters  war  aber  unabhängig  genug, 
um  diesen  Gefahren  zu  entgehen. 

Die  Namen  der  kleinen  Mefsstädte  sind  z.  T.  dem  deutschen  Ohre 
völlig  unbekannt  geworden :  Troyes  an  der  oberen  Seine  und  Bar  an  der 
Aube  waren  die  östlichen  Plätze,  die  westlichen  Provins  in  der  Land- 
schaft Brie  nördlich  der  Seine,  südlich  der  Marne  und  das  bis  dicht  an 
Paris  herangeschobene  Lagny  (an  der  Marne).  Auf  diese  vier  Orte  ver- 
teilten sich  sechs  Messen  in  der  Art,  dafs  sie  einander  ablösten  und 
fast  das  ganze  Jahr  umfafsten.  So  wurde  die  Champagne  die  Stätte  eines 
nur  durch  wenige  Wochen  unterbrochenen  Mefslebens*.  Vier  von  diesen 
Messen  folgten  ohne  jeden  Zwischenraum  aufeinander*.  Die  „warme 
Messe"  von  Troyes  (foire  chaude  oder  Johannismesse)  hub  an  am  Diens- 
tag, nachdem  mindestens  vierzehn  Tage  seit  Johanni  verflossen  waren. 
Der  erste  Termin  konnte  somit  der  9.  Juli  sein,  der  späteste  der  15. 
Die  Messe  hatte  einen  festen  Endtermin  mit  dem  14.  September  (Kreuz- 
Erhöhung),  am  gleichen  Tage  begann  die  Aigulfusmesse  in  der  Unter- 
stadt von  Provins,  die  diesen  Namen  nicht  etwa  nach  dem  Tage  dieses 
Heiligen  führte,  dessen  Fest  am  22.  Mai  gefeiert  wird,  sondern  nach 
dem  Kloster,  dem  die  Messe  offenbar  gehört  hatte ^.  Mit  Allerheiligen 
(1.  November)  schlofs  sie,  am  folgenden  Tage  begann  der  Marktbetrieb 
wieder  in  Troyes,  wo  die  Remigius- *  oder  kalte  Messe  nunmehr  bis  zum 
1.  Januar  dauerte.  Dieser  Termin  ist  freilich  nicht  zu  allen  Zeiten  gültig 
gewesen,  noch  im  dreizehnten  Jahrhundert  war  der  23.  Dezember  der 
Schlufstag,  später  aber  wurde  die  Messe  verlängert,  und  sofort  begann 
dann  mit  dem  2.  Januar  die  Messe  von  Lagny  ^. 

Die  beiden  letzten  Messen  hingen  von  dem  Kirchenjahre  ab  und 
konnten  also  sich  (gleichmäfsig)  stark  versciiieben.  Die  Messe  von  Bar 
sur  Aube  begann  Dienstag  vor  Mitfasten  (Laetare),  der  Anfang  konnte 
also  auf  alle   Tage   vom  24.  Februar    bis  30.  März  fallen,   und  dcment- 

*  Huvelin  S.  247  macht  mit  Recht  darauf  aufmerksam,  dafs  auch  die  Messen 
von  Frankfurt  a/M.  und  a/0.  und  Leipzig  im  siebzehnten  Jahrhundert  eine  zeitlich 
geschlossene  Gruppe  bildeten  und  als  solche  betrachtet  wurden. 

*  Vgl.  vor  allem  Goldschmidt,  Die  Geschäftsoperationen  der  Champagner 
Messen,  in  Zeitschr.  f.  Handelsrecht  40,  9  und  Huvelin  249.  Die  Termine  haben 
sich  mit  der  Zeit  freilich  etwas  verschoben. 

'  Noch  später  zum  Teil.  Vgl.  die  legendarische  Erzählung  über  die  Schenkung 
an  S.  Ayoul  Bourquelot  1,  70  f.    Gab  es  eine  translatio  sancti  Äigulfi? 

*  Auch  dieser  Name  hat  mit  dem  Remigiustage  (13.  Januar)  nichts  zu  thun. 

*  Nach  Bourquelot  1,  80  hätte  sie  sich  bis  Montag  vor  Laetare  erstreckt, 
hätte  also  eine  sehr  verschiedene  Dauer  gehabt.    Ein  Beweis  fehlt. 


158  Vierzehntes  Kapitel. 

sprechend  verschob  sich  der  Anfang  der  Maimesse  in  der  Oberstadt  von 
Provins,  wo  in  den  Gebäuden  wohl  noch  am  meisten  die  Erinnerung  an 
die  Mefsherrlichkeit  von  einst  sich  erhalten  hat,  (von  Dienstag  vor 
Himmelfahrt)  vom  28.  April  bis  zum  1.  Juni.  Da  die  Mai-  oder  Johannis- 
messe 46  Tage  dauerte,  blieb  stets  ein  kurzer,  mitunter  aber  sehr  be- 
trächtlicher Zwischenraum  zwischen  ihr  und  dem  Cyklus  der  vier  Messen. 
Im  umgekehrten  Mafse  wuchs  oder  verminderte  sich  die  kleine  Pause 
vor  der  Barer  Messe. 

Die  Zeiteinteilung  der  Messe  war  an  den  vier  Mefsplätzen  fast  die 
gleiche.     Nach  einer  Vorwoche  von  acht  Tagen,  in  der  die  Waren  noch 
ohne  Zoll  zurückgezogen  werden  konnten,   folgte  die  Tuchmesse,   deren 
Abschlufs  am  zehnten  Tage  mit  der  Ära  pannorum  (hare  de  dras),  d.  h. 
dem  Gerüfte  der   Mefsdiener  erfolgte.     Die  Zahlzeit   erreichte   vierzehn 
Tage  später  ihr  Ende  durch  das  rectum  pagamentum.    Noch  blieben  die 
Wechslerbuden   vierzehn  Tage  stehen,  und  dann  folgten  die  vier  letzten 
Tage,   in   denen   die  Mefsbehörde   ihre  Briefe  gegen  säumige  Schuldner 
ausstellte.    Daneben   lief  die  Messe   der  Gewichtswaren   25  Tage  lang^. 
Eine  Leder(Corduan)messe  hatte  gleichfalls  ihre  Termine.    Weniger  unter- 
richtet sind   wir   über  die  Formen   des  Handels  mit  Pferden  und  Vieh, 
.  mit   Wein    und   Getreide,    wie   mit  Salz.    Jedenfalls    kam  keine  Messe 
denen  der  Champagne  an  Ordnung  gleich.    In  den  Folgen  am  wichtigsten 
wurde  der  Geldhandel.    Die  Gläubiger  forderten  gewöhnlich  die  Bezahlung 
der  Schuld   einige  Tage  vor  Ära  pannorum   (z.  B.  quaiuor  diebtis  ante- 
quam  clametur  Hare ,  Hare) ,   natürlich   zu  dem  Zwecke ,  .  um  die  Gelder 
auf  der  Messe   selbst   noch   auch   im  Tuchhandel  verwenden  zu  können. 
Die  Blüte  der  Champagner  Messen  beruhte  vor  allem  auch  auf  der 
weisen  Politik  der  Grafen  von  der  Champagne,  die  sich  aller  Experimente 
enthielten  und  auf  jede  Weise  dafür  sorgten,  dafs  der  fremde  Kauftnann 
das  Vertrauen  behielt.    Dieses  stärkte  wiederum  die  Autorität  der  Messen 
und  die  Macht  des  Grafen.    Nicht  die  materielle  Macht  eines  gewaltigen 
Reiches,    das   den  Frieden  garantieren   und  jede  Störung   desselben   be- 
strafen konnte,  hat  den  Messen  eine  fast  unbestrittene  Autorität  gegeben, 
sondern  die  Klugheit  und  Weisheit  der  Verwaltung  der  Messen,  der  sich 
im  eigenen  Interesse  willig  weitentlegene  Städte  unterwarfen.    Die  Grafen 
von   der   Champagne   konnten   materiell   das   freie   Geleit   nur   in   ihrem 
Bezirke    verbürgen,    sie    schufen    dafür    die    Vorbilder    der    Verkehrs- 
privilegien,   sie    verzichteten    auf  das   Recht   der  Repressalien   und   des 
Arrestes  wegen  anderer  Vergehen  und  Schulden,    als  die  mit  der  Messe 


^  Ich  folge  hier  den  Schau  besehen  Berechnungen  des  Verlaufes  der  Kalten 
Messe  von  Trojes,  die  nach  ihm  am  23.  Dezember  schlofs.  Vgl.  im  übrigen  Gold- 
schmidt, Geschäftsoperationen. 


k 


Messen.  159 

zasammenhingen.  Was  sie  da  schufen,  konnten  auch  andere  Landes- 
herren nachahmen. 

Die  gewonnene  Autorität  schuf  aber  auch  auTserhalb  den  Messen 
ein  solches  Ansehen,  dafs  der  Graf,  bez.  seine  Vertreter  auf  den  Messen, 
die  custodes  nundinarum  (gardes  des  foires),  bis  nach  Italien  hinein  den 
verfolgten,  der  dort  Mefsbesucher  zu  stören  wagte ^.  Auf  der  Messe 
wurde  eine  fachmännische  und  schleunige  Gerichtsbarkeit  geübt,  die 
custodes  nundinarum  waren  keine  Beamte  von  Haus  aus,  sondern  wurden 
meist  den  Kaufleuten  entnommen^,  das  Mefsgericht  erkannte  den  Mefs- 
schulden  einen  Vorzug  zu,  und  die  Mandate  gegen  säumige  und  flüchtige 
Schuldner  blieben  nicht,  wie  so  viele  mittelalterliche  Urteile,  ohne 
Wirkung;  denn  es  gab  ein  Mittel,  um  die  Heimatsbehörden  sich  willig 
zu  machen.  Wenn  über  eine  Stadt  der  Mefsbann  ausgesprochen  wurde, 
so  war  ihr  Handel  auf  das  schwerste  geschädigt,  und  es  blieb  ihr  nichts 
anderes  übrig,  als  nachzugeben.  Der  Mefsbann  wurde  über  Städte  wie 
Florenz,  Lucca  und  Köln  und  über  Grafen  wie  den  von  Savoyen  ver- 
hängt^. Das  Interesse  der  Kaufleute  gebot  es  also,  eine  solche  kauf- 
männische Exkommunikation  zu  vermeiden^. 

Die  Leitung  der  Messe  war  den  gardes  des  foires  anvertraut,  welche 
die  Aufsicht,  die  Polizei,  das  Gericht  und  den  Strafvollzug  besorgten 
und  in  der  Handelswelt  Ordnung  hielten.  Sie  waren  einerseits  die  Ver- 
treter des  Grafen  auf  der  Messe,  wie  andererseits  die  Häupter  dieser 
Kaufinannswelt,  für  deren  Bestes  sie  arbeiteten.  Unter  ihrer  Aufsicht 
standen  die  einzelnen  nationalen  Korporationen. 

Zu  den  Messen  strömten  die  Menschen  aller  Länder  des  Abendlandes 


'  So  unterwarfen  sich  die  Piacentiner  dem  Willen  der  Custoden,  welche  frei- 
lich zur  Drohung  mit  dem  Mefsbanne  greifen  mufsten,  weil  1242  zwischen  Lodi 
und  Pavia  Kauf  leute  aus  Florenz,  Siena,  Pistoja,  Lucca  und  Pisa  von  Piacentinem 
beraubt  waren.    Bourquelot  1.  178. 

'  Das  ist  hervorzuheben.  Morel  (Les  juridictions  commerciales  au  moyen-äge. 
Paris  1897)  sieht  in  der  Einrichtung  der  1174  zuerst  erwähnten  custodes  nundinarum 
eine  Einwirkung  der  Organisation  der  italienischen  Kauf  leute  im  Auslande.  Danach 
müfste  die  später  zu  erwähnende  Genossenschaft  der  italienischen  Mefsbesucher 
älter  sein  als  1174,  was  sich  nicht  beweisen  läfst.  Beide  Organisationen  erstrebten 
eine  schnelle,  einfache,  fachmännische  Rechtsprechung. 

'  Goldschmidt  232  N.  164  betr.  Köln  siehe  unten.  Gegen  Gnif  Amadeus  V. 
von  Savoyen  wurde  die  »defcnsa*  ausgesprochen,  weil  er  zwei  Boten  des  capitaneus 
gefangen  gehalten  hatte.  1288  gab  der  Graf  nach.  Mon.  bist.  patr.  Chart.  1, 
1607.  Florenz  wurde  1298  mit  dem  Mefsbanne  bedroht  wegen  einer  Sache,  in  der 
es  sich  um  16  €6  kleiner  Tumosen  handelte.    Berti,  Documenti  S.  264. 

*  So  kamen  die  sehr  energischen  Bestimmungen  italienischer  Statuten  zustande, 
wie  das  Kap.  30  der  Statuti  di  Monza  über  den  Schuldner,  der  Kredit  ge- 
nommen: »tempore  nundmarum  Campanie  Briantie  vel  in  partibuif  de  idtramontihus 
vd  in  quacunque  parte  Ytalie," 


160  Vierzehntes  Kapitel. 

herbei,  selbst  der  Norden  Europas  war  nicht  unvertreten.  Vorzüglich 
traten  aber  hervor  die  Vlaemen  und  Italiener.  Jene  hatten  mit  andern 
nordfranzösischen  und  braban  tischen  Städten  den  Bund  der  17  Städte 
geschlossen,  die  „Hansa  von  London"  oder  die  vlaemische  Hansa,  welche 
ihre  Tuche  nach  der  Elle  der  Champagne  mafsen  und  sich  verpflichteten^ 
sie  zuerst  dort  zum  Verkauf  zu  stellen^. 

Noch  zahlreicher  pflegten  die  Italiener  zu  erscheinen.  Selbst  ein 
Mönch  wie  Salimbene,  der  Minorit  von  Parma,  hielt  sich  1247  vierzehn 
Tage  in  Troyes  auf,  ^ei  erant  ibi  multi  mercatores  lombardi  et  de  Tmcia, 
nam  ibi  fiunt  nundinae,  quae  dfMhus  mensibus  durant,  sicut  et  Pruvini':  ^. 
Weitere  Belege  über  den  Aufenthalt  von  Italienern  brauche  ich  nicht 
anzuführen^.  Sie  bildeten  sicher  seit.  1245  einen  Verband*.  Es  wider- 
sprach doch  durchaus  ihrem  Geiste,  dafs  sie  von  Fremden  gerichtet 
werden  sollten,  es  war  ein  überall  von  ihnen  zur  Geltung  gebrachtes 
Prinzip,  dafs  die  Bürger  einer  jeden  Stadt  auch  in  der  Fremde  mög- 
lichst nur  vor  heimischen  Richtern  sollten  gerichtet  werden.  Wo  nur 
eine  geringe  Zahl  von  Piacentinern  versammelt  war,  mufsten  sie  aus 
sich  einen  Konsul  erwählen  **.  Der  municipale  Geist  und  der  lebhafte 
Sinn  für  eine  legale  Form,  die  uns  in  aller  italienischen  Stadtgesetz- 
gebung entgegentritt,  stiefs  also  direkt  gegen  das  Fundament  der  Messen 
der  Champagne,  das  eine  prompte  Justiz  seitens  der  Mefsrichter  versah, 
deren  Sprüche  internationale  Gültigkeit  erstrebten.  Ein  Ausgleich  beider 
Prinzipien  wurde  darin  gefunden,  dafs  die  Konsuln  der  verschiedenen 
Städte  sich  einen  Capitaneus  universitatis  mercatorum  setzten,  der  zwischen 
den  Italienern  nach  dem  heimischen  Rechte  entschied,  der  aber  flir  seine 
Urteile  kein  Exekutionsrecht  besafs.  Er  vertrat  zugleich  alle  Interessen 
seiner  Landsleute.  Das  Muster  scheint  die  Organisation  der  Provenyalen 
gewesen  zu  sein.  1245  bestand  aber  bereits  eine  Vereinigung  der  römi- 
schen, toscauischen  und  lombardischen  Kaufleute  auf  den  Champagner- 
messen, der  Graf  Theobald  in  der  Unterstadt  von  Provins  ein  Haus 
überwies,    das    als    fondaco   während   der   Aigulfusmesse   dienen   sollte^. 


^  Zuerst  erwähnt  1240  Ashley  1,  125  Ann.  129.  Bourquelot  1,  134  f.  und 
sonstige  Litteratur. 

'  Mon.  hist.  ad  provinc  Parmens^em  et  Placentinam  pertineutia  3,  88. 

*  Doch  vgl.  den  Brief  der  gariles  des  foires  von  1299  über  die  Beraubung  des 
Anselmes  de  Novaires  citoiens  et  marcJhant  de  Milan.  Er  wurde  auf  dem  Wege  von 
Mailand  zur  Messe  von  Bar  von  Adligen  im  Orte  »Sechins*  in  der  Nähe  von  Besan^on 
angehalten.    Urk.  bei  Statuta  civitatis  Novariae  ed.  Ceruti  S.  404. 

*  Vgl.  Goldschmidt  195—200.  Bourquelot  1,  168  f.,  253  ff.  Pigeonneau 
1,  216  f.  Fi  ton,  Les  Lombards  1,  30.  32  f.  221.  227.  Die  Abgaben  der  Italiener, 
die  lomharderie  u.  s.  w.  lasse  ich  hier  ganz  aufser  Betracht. 

''»  Vgl.  Gold  Schmidt  182  Anm.  146.    Florenz  hatte  als  Mindestzahl  12. 

*  Layettes  du  tr^sor  des  chartes  2,  586. 


Messeo.  161 

Näher  sind  wir  unterrichtet  über  den  Verband  der  italienischen  Kauf- 
leute, welche  sich  bereit  erklärt,  den  Handel  nicht  mehr  von  Montpellier, 
sondern  von  Nimes  aus,  wo  zuerst  das  Königreich  Frankreich  am  Mittel- 
meer eine  Handelsstadt  gewann,  nach  Frankreich  hinein  zu  betreiben. 
König  Karl  der  Kühne  schlofs  Februar  1278  mit  ihnen  einen  Vertrag, 
einen  Merkstein  in  der  französischen  Handelsgeschichte*.  Später  war 
diese  Organisation  für  Nimes  mit  der  für  die  Champagnermessen,  die  aus- 
drücklich als  Vorbild  jener  schon  bei  der  Gründung  1278  bezeichnet 
wurde,  verschmolzen,  und  nun  führte  diese  dauernde  Vereinigung  flir 
den  Welthandel  den  Titel :  »universiias  mercaiorum  Italiae  nundinas  Com- 
paniae  ac  regnum  Fr  an  et  ae  frequentantiufnt^. 

Selbstredend  hatte  sie  ein  eigenes  Siegel®.  Es  war  kein  Bündnis 
der  Städte,  die  sich  in  der  Heimat  ja  vielleicht  befehdeten,  sondern  eine 
Organisation  der  Kaufleute,  eine  Schöpfung  der  Heimatsliebe  und  des 
politischen  Kalküls  zugleich. 

In  den  bezüglichen  Urkunden  werden  regelmäfsig  Genua,  Asti,  Alba, 
Mailand,  Venedig,  Bologna,  Lucca,  Pistoja,  Florenz  genannt,  selten  und 
wohl  nur  zuföllig  fehlen  Piacenza,  Siena  und  Rom.  Vereinzelt  erscheinen 
Como,  Parma,  Prato,  Urbino  und  Orvieto.  Die  Capitanei,  deren  Heimat 
wir  kennen,  entstammten  Piacenza,  Mailand  und  Florenz*. 

Die  engen  alten  Beziehungen  der  Italiener  zu  den  Messen  drückten 
sich  auch  darin  aus,  dafs  Bischof  Heinrich  von  Troyes  und  Graf  Hein- 
rich I.  von  der  Champagne  (vor  1158)  das  Hospital  auf  dem  Markte 
von  Troyes  dem  Kloster  auf  dem  Grofsen  St.  Bernhard  unterstellten*^. 
Derselbe  Graf  schenkte  den  Mönchen  später  noch  die  Hälfte  des  Zolles 
von  den  Leinenstücken,  die  zu  Provins  verkauft  wurden*. 

Die  italienischen  Städte  hatten  Boten,  die  die  Verbindung  zwischen 
Messe  und  Heimat  aufrecht   erhielten,    der   Dienst   war   wohl  organisiert, 

'  Goldschmidt  195  und  die  dort  nicht  erwähnten  Stücke  Fagniez  1,302  u. 
307  und  Donoaud,  Commercio  131  flP. 

'  So  1294,  daneben  auch  andere  Formen,  so  *Mwtwr«itox  et  sociäas  mercatorum 
et  cambitorum  Lombardorum^  Italicorum  et  nliranuyntan&nim  omnivm  nundmas  Cam^ 
panie,  cintatem  Nemausum  et  jtroi'htciam  I^arbofiensem  frequentantium.»  1298  waren 
in  der  Gesellschaft  auch  die  Provenzalen,  ob  nur  für  eine  kurze  Zeit,  ist  zweifelhaft. 

'  Nur  Bruchstück  von  dem  1277  gebräuchlichen  erhalten.  Abgebildet  bei 
Pigeonneau  1,  249.  Fi  ton  1,  123.  Ein  vollständiges,  aber  abweichendes  mit  der 
Umschrift:    *.s.  socidatis  mercatorum  lumbardorvm  in  Fnmciaf'  bei  Fi  ton  2,  103. 

*  Piacenza:  Fulco  Cacii  1278.  Lanzelotto  Cuccherla  1294.  Mailand:  Rogeriua 
de  Casace  jurisperitus  1288.  Albertus  Medicus  (de  Medicis)  1293  und  97.  Florenz: 
Jacques  du  Front  1299. 

^  Gremaud  29,  93.  94.     »hospitale  quod  Domus  Bei  rocatur,* 

<*  Gremaud  29,  512  zwischen  1159  u.  1177.  »medietatem  telmiei  de  teils  que 
Pruvini  renduntur.*  Bourquelot  1,  202.["  Die  Kette  der  Besitzungen  des  Hospizes 
beweist  überhaupt  für  den  regen  Verkehr  nach  der  Champagne.    S.  oben  S.  82. 

Schulte,  Gesoh.  d.  mittel alterl.  Handels.    I.  11 


\Q2  Vierzehntes  Kapitel. 

nach  dem  Termin  der  Reise  hiefsen  die  Boten :  Cursor  de  pagamento  oder 
Cursor  de  ara.  In  zwanzig  Tagen  legte  ein  Bote  die  Strecke  von  Lagny 
bis  Florenz  zurück^. 

Die  verschiedenen  Nationalitäten,  welche  regelmäfsig  die  Messen 
besuchten,  erwarben  wohl  ein  eigenes  Haus  oder  mieteten  es,  so  hatten 
die  Lucchesen  einen  solchen  fondaco  in  Provins^,  die  Lombarden 
ebenda^,  die  Piacentiner  in  Trojes^,  1188  gab  es  einen  vicus  Anglie 
in  Lagny  ^.  Selbst  kleinere  Städte  wie  Valencia  oder  Lerida  hatten  ihre 
Quartiere,  die  gröfseren  hatten  z.  T.  an  allen  vier  Orten  solche^. 

Die  deutschen  Kaufleute  besafsen  in  Troyes  ein  Heim,  die  mnisan 
aux  AlemanZj  wo  sie  ihre  Leinenzeuge  verkauften^.  In  Provins,  Unter- 
stadt, gab  es  eine  mit  Wohnräumen  und  Kellern  versehene  Gasse  der 
Deutschen^.  In  Bar  sur  Aube  gab  es  eine  court  aux  Allemands  und 
eine  deutsche  Gasse,  die  1265,  der  vicus  AUemannorum  schon  1261  er- 
wähnt werden®.  Eine  ^maison  de  Bcuilet  wird  in  Rechnungen  von 
1340 — 41  erwähnt,  doch  kann  sie  viel  älter  sein^®. 

Die  ältesten  Nachrichten,  welche  sich  auf  den  Verkehr  von  Deutschen 
auf  den  Champagnermessen  beziehen,  haben  wir  wohl  in  den  Urkunden 
Kölns  ftir  Verdun  von  1178  zu  suchen,  obwohl  direkt  nur  von  der  An- 
wesenheit von  Virtenern  in  Köln  die  Rede  ist**.  Zahlreich  sind  die 
Nachrichten,  worin  für  niederrheinische  Schuldner  als  Zahlungsplatz  eine 
der  Champagnermessen  bestimmt  wurde.  Würde  das  noch  nicht  das 
Erscheinen  der  Kölner  Kaufleute  auf  den  Messen  beweisen,  so  geht  das 
unzweifelhaft  aus  der  Bitte  der  Kölner  hervor,  dafs  der  tiber  ihre  Stadt 
verhängte  Mefsbann,  den  sie  wegen  der  Säumigkeit  des  Erzbischofs  zu 
tragen  hatten,  aufgehoben  werde  **.  Die  Geschichte  des  Geldhandels  wird 
uns  überhaupt  die  Champagnermesse  als  den  Mittelpunkt  des  Geldverr 
kehrs,  als  die  grofse  Börse  des  dreizehnten  Jahrhunderts  kennen  lehren. 


1  Huvelin,   Les  courriers  des   foires  de  Champagne   in  Annales   de   droit 
commercial  fran^ais,  Strang,  et  international.     1898. 
'  Bourquelot  2,  15. 
»  Ebda.  2,  15. 

*  Piton  1,  227. 

^  Bourquelot  2,  24. 

*  S.  über  die  zahlreichen  Häuser  in  Troyes  Bourquelot  2,  8.   10. 
•^  Bourquelot  2,  8  zu  1288.   1,  199  f.    Hans.  Urkb.  3,  15  Anm. 

8  Erwähnt  1211.    Bourquelot  1,  199.   2,  18.    Hans.  Urkb.  3,  15  Anm. 

^  Leider  ist  hier  Bourquelot  1,  199  und  2,  29  in  seinen  Angaben  zu  knapp. 
Hans.  Urkb.  3,  15. 

*•  Bourquelot  1,  202. 

"  Hans.  Urkb.  1,  17  u.  19. 

^'  S.  weiter  unter  dem  Geldhandel. 


Messen.  168 

*  Bei  den  Dichtern  findet  sich  bei  Schultz  nur  ein  einziger  Hinweis  auf 
den  yjärmarkt  zt  ProvU^  *. 

Genauere  Nachrichten  über  deutschen  Warenhandel  auf  diesen  Messen 
haben  wir  nur  aus  Strafsburg,  Augsburg,  Basel  und  Konstanz,  und  die 
Urkunden  der  Bodenseestadt  werfen  ein  helles  Licht  in  die  so  überaus 
dunkle  Geschichte  des  Handels  jener  Tage.  Was  wissen  wir  über  das 
Leben  auf  den  deutschen  Messen  und  Märkten? 

Die  Strafsburger  Urkunde  von  1229  nennt  freilich  nicht  ausdrück- 
lich die  Messen.  Es  heifst  in  ihr,  Herzog  Theobald  von  Lothringen 
habe  die  Bürger  von  Strafsburg  schwer  geschädigt,  daraus  seien  Streitig- 
keiten zwischen  Bürgern  von  Strafsburg  und  Saarburg  entstanden.  Der 
Ausgleich  soll  erfolgen,  indem  die  Strafsburger  auf  den  Messen  (in 
nundinis)  von  den  Saarburgern  eine  Umsatzsteuer  von  Vi  so,  die  Saar- 
burger umgekehrt  eine  solche  von  ^/24o  erheben,  bis  der  Schaden  beider- 
seits hergestellt  ist  Unter  den  Messen  sind  wohl  keine  andere  als  die 
der  Champagne  zu  verstehen  '^.  In  dem  Tarife  des  Zolls  auf  der  Wertacb- 
brücke  bei  Augsburg  handelt  ein  Absatz  von  dem  Kaufinann,  der  nicht 
nach  Venedig  fährt,  sondern  gen  Frankreich^. 

Der  Konstanzer  Rat  hat  1283  den  Leinwandhandel  in  der  Stadt  ge- 
ordnet, das  Ziel  war,  eine  einheitliche  gute  Ware  herzustellen,  welche  den 
Namen  der  Stadt  emporbringen  sollte.  Als  Käufer  am  Markte  wurde  der 
Grofshändler  begünstigt,  der  Zwischenhandel  war  untersagt,  der  Export 
sollte  gefördert  werden^.  Die  Interessen  des  Händlers  und  Exporteurs 
aind  auch  in  den  beiden  Ordnungen  von  1289  über  den  Leinwandhandel 
auf  den  Champagnermessen  gewahrt '^.  Es  galt  hier  die  Konkurrenz  der 
Konstanzer  Verkäufer  untereinander  aufzuheben  und  das  Ansehen  der 
Konstanzer  Kaufmannschaft  zu  stärken.  Die  Beschlüsse  wurden  nicht 
allein  vom  Rate,  sondern  auch  von  der  Kaufmannschaft  gefafst.  In  den 
vier  Mefsorten  hatten  die  Konstanzer  ihr  eigenes  Haus,  in  dem  nur 
Bürger  Leinwand  auslegen   durften®;  jede  Vermittlung   war  untersagt, 


^  Rupr.  V.  Wärzburg.    Schultz  1,  510. 

«  Strafsb.  ürkb.  1,  170. 

'  »Ein  ieglich  burger  von  sinem  wdeUchen  kau f schätze ^  der  ein  koufmmi  ist,  der 
8ol  gehen  von  sinem  wdeUchen  kauf  schätze  unde  swa^  er  darumhe  her  wider  bringet  ein 

halp  phunt  phoeff'ers  ze  jar zolle Ist  aber  em  ander  burger ,  der  gen  Venedic 

niht  vert  Wide  gen  Frankriclie  vert,  der  körn  gulte  hat  und  da^  her  in  füret  unde  hew 
v/nd  stcaz,  er  her  in  füret y  der  sol  auch  geben  ain  halp  phunt  pfoeffers  zejarzoUe.*  1282 
Monum.  BoicaSS^  161.  Ist  die  Bestimmung  so  zu  verstehen,  dafs  der  Augsburger 
nach  Frankreich  Waren  (wohl  Leinen)  bringt,  von  dort  aber  nichts  mit  heimschafft? 

«  Statut  vom   15.  April   1283.    Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrheins  9,  20  f. 
Vgl.  Gothein  458—61. 

*  Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrheins  9,  48  f. 

^  »In  unseren  kusem  ze  Pare,  ze  Treys,  ee  Prufi^  und  ze  Ldm.* 

11* 


164  Vierzehntes  Kapitel. 

der  Bürger  mufste  Eigentümer  der  Leinwand  sein  oder  Anteil  an  ihr 
haben.  Zu  gleicher  Zeit  sollen  alle  Konstanzer  den  Verkauf  beginnen 
und  ein  jeder  soll  den  Preis,  zu  dem  er  verkauft,  bekannt  geben.  Die 
Konstanzer  Handelsgenossen  sollten  etwa  notwendig  werdende  Gesandt- 
schafts- oder  Prozefskosten,  um  Waren,  die  auf  dem  Wege  angehalten 
waren,  wiederzuerhalten,  gemeinsam  tragen.  Eine  Umsatzsteuer  von 
einem  Pfennig  auf  die  Mark  sollte  dazu  dienen.  Diese  Organisation, 
welche  offenbar  andere  städtische  Verbände  auf  den  Messen  nachahmte^ 
wurde  zunächst  nur  auf  zehn  Jahre  geschaffen.  An  den  Strafen  sollte  ein 
Viertel  als  Anteil  an  den  Marktherren  fallen.  Auch  der  Brief  der  Baseler 
an  Konstanz  von  1272^  hängt  wohl  mit  dem  Handel  der  Konstanzer 
nach  den  Messen  zusammen,  ihr  Weg  fUhrte  über  Basel.  Und  dasselbe 
dürfte  der  Fall  sein  bei  dem  Überfall,  den  Konstanzer  1298  oder  99 
durch  den  Grafen  Theobald  von  Pfirt  erlitten^. 

Neben  den  tela,  den  Leinwandstücken,  werden  von  deutschen  Waren 
Eichhörnchenfelle,  graues  Wollentuch  und  das  Silber  von  Freiburg  als 
Mefswaren  bezeichnet®. 

Für  die  Höhe  des  Verkehrs  auf  den  Champagnermessen  haben  wir 
drei  verschiedene  Quellen.  Einmal  die  Angaben  über  den  Ertrag  von 
bestimmten  Mefseinkünften,  dann  solche  über  zwei  wichtige  Zölle,  welche 
von  der  Zufahrt  zu  den  Messen  gespeist  wurden.  Der  eine  ist  der  Zoll 
von  Bapaume,  wo  die  Eingangspforte  der  Waren  aus  dem  flandrisch- 
englischen Gebiete  war,  der  Ertrag  belief  sich  1285  auf  2400  livr.  Paris., 
1286  auf  2600,  1301  auf  3200;  infolge  des  ausbrechenden  Krieges  mit 
Flandern  sank  die  Ziffer  bedeutend,  1302  noch  3250,  1303:  1226,  1304: 
1554,  1305  (Friede):  1374,  1306:  1900,  1307:  8200,  1310:  3250.  Dann 
begann  wieder  der  Kampf*.  An  dem  Eingang  zum  Grofsen  St.  Bern- 
hard lag  der  Zoll  von  Villeneuve  bei  Chillon  am  Genfersee.  Vom  Januar 
1286  passierten  hier  in  213  Tagen  2211  V's  Ballen  von  französischen  und 
lombardischen  Tuchen,  1448  Ballen  Wolle  und  Felle  und  80  Lasten 
Tuche  und  Kramwaren  ^.  Die  Ziffern  beweisen  einen  sehr  lebhaften 
Handel  mit  Tuchen,  die  Ziffer  der  Wollballen  bleibt  insofern  zweifelhaft, 
als  die  Ergebnisse  der  Schuren  in  England  nicht  schon  vor  dem  10.  August 
am  Genfersee  eintreffen  konnten,  in  dieser  Zollrechnung  also  fehlen. 
Minder  hoch  sind  schon  die  Ziffern  für  1022  Tage  vom  30.  November 
1294  an,   es   wurden   verzollt   11858  Ballen  und  722  Lasten.     Für  den 


1  Baseler  Urkb.  2,  52. 
«  Unsere  Urkunden  Nr.  326. 

*  Bourquelot  1,  200  Wegnahme  in  Lothringen   1250.    Wegen  des  Silbers  s. 
oben  S.  146. 

^  Die  Zahlen  ergeben  sich  aus  Fi  not,  Etüde  bist. 

^  Cibrario  398.    Man  möchte  sehr  gern  eine  Specialisierung  kennen. 


Messen. 


165 


Verkehr  über  den  Grofsen  St.  Bernhard  ist  auch  von  Bedeutung  zu 
wissen,  dafs  1283  2225  gewöhnliche  und  99  englische  Pferde  Bard 
passierten  ^. 

Über  die  Erträgnisse  der  Messen  an  Gebühren,  welche  in  die  gräf- 
liche bez.  königliche  Kasse  flössen,  hat  Bourquelot  für  1275,  85,  87,  88, 
06,  98/99,  1310,  20,  23  und  40/41  ZiflFern  meist  aus  den  Rechnungsbüchem 
mitgeteilt  ^.  Es  hat  ja  seine  Bedenken,  diese  ZijBTem  ohne  die  Taxen  zu 
haben  und  die  Bedingungen  der  betreiSenden  Jahresmesse  zu  kenneUi 
piiteinander  zu  vergleichen.  Immerhin  geben  sie  aber  ein  Bild  von  der 
höchsten  Blüte,  die  wohl  in  die  beiden  letzten  Jahrzehnte  des  dreizehnten 
Jahrhunderts  fällt,  aber  auch  von  dem  rapiden  Niedergange,  den  wir  später 
zu  besprechen  haben. 


Lagnj 

Bar 

Provins 

Troyes 

Provins 

Troyes 
S.  Re- 
migius 

8.  Aube 

Mai 

f.  chaude 

Aigulf 

Eztenta  terrae  comi- 

tatus  Campanie  et 

Brie.    Um  1275     . 

2000 

800 

1800 

1000 

700 

Begister  der  Chambre 

des   comptes.    Um 

1296 

1813 

2140 

1925 

1375 

1554 

1386 

Alte  (  früher .    .    . 
Motiz  \  jetzt    .    .    . 

— 

1600-1800 

800    900 

800—900 

1000—1100 

160 

— 

700 

250 

300 

450 

60 

1340-1341    .... 

260 

280 

180 

155 

177 

Das  ergäbe  eine  Einnahme  von  fünf  Messen  (Lagny  aus- 
geschlossen)    um  1275  von  5800  livree 

ebenso       1296  von  8380  livres 

fünf  Messen  (Provins  Mai  ausgeschlossen) 1340/41  von  1152  livres 

Diese  Ziffern  reden  eine  deutliche  Sprache.  Bald  war  die  Zeit  ab- 
gelaufen, wo  hier  die  internationalen  Geschäfte  geregelt  wurden,  wo  die 
Champagne  der  ständige  Mefs-  und  Zahlungsplatz  der  abendländischen 
Welt  war,  insbesondere  verschwanden  die  Italiener,  und  damit  endete 
auch  der  Umweg,  den  ein  grofser  Teil  des  deutsch-italienischen  Handels 
genommen  hatte.  Hatte  das  Haus  der  Deutschen  in  Troyes  1285  der 
Herrschaft  zur  Johannismesse  188  it   10  ß  und  zur  Remigiusmesse  35  U 


J  Cibrario  397. 
«  2,  195-201. 


150  Vierzehntes  Kapitel. 

getragen,  im  folgenden  Jahre  gar  217  ^  10  /?  und  70  ^  17  jj,  so 
molBte  der  Rechner  auf  der  RemigiuBmesBe  von  1320  sieh  begnügen,  10  ß 
einzutragen,  Gewölbe  und  Keller  hatten  nicht  einen  Pfennig  Miete  ein* 
gebracht  ^ 

Es  mulste  naheliegen,  den  Verkehr  von  diesen  Messen  nach  Deutsch- 
land zu  ziehen,  und  wirklich  ist  er  in  den  Tagen  Friedrichs  II.  gemacht 
worden.  Ya  ist  eine  bewufste  Nachahmung  der  Messen  der  Champagne, 
wenn  der  Staufer  anordnete,  dafs  an  sieben  Orten  der  festländischen 
Teile  seines  sizilischen  Reiches,  in  Sulmona,  Capua,  Lucera,  Bari,  Tarent^ 
Cosenza  und  Reggio,  in  bestimmter  Folge  jährlich  allgemeine  Messen 
gehalten  werden  sollten*.  Seine  deutschen  Verfügungen  sind  nicht  so 
klar,  aber  sie  lassen  keinen  Zweifel  darüber,  dafs  er  am  Rheine  in 
mehreren  Städten  ähnliche  Messen  einrichten  wollte.  Bald  nach  der 
Begründung  von  Oppenheim,  jenem  Muster  einer  königlichen  Burgstadt 
mit  den  beiden  Centren:  einer  Burg  und  einer  Stadt,  verlieh  er  ihr  das 
Recht,  neun  Tage  vor  und  neun  Tage  nach  Martini  eine  Messe  (nundinae 
generales)  zu  halten^,  und  wenige  Jahre  später  kamen  die  Oppenheimer 
mit  der  Bitte,  von  der  Osteroktave  an  während  vierzehn  Tagen  eine 
Messe  (annuas  nundinas)  veranstalten  zu  dürfen,  was  ihnen  gewährt 
wurde*.  Einigen  Erfolg  müssen  die  Oppenheimer  gehabt  haben ^, 
wenigstens  bewarben  sich  die  lieben  Nachbarn  in  Worms  und  Speyer 
um  dasselbe  Recht,  und  der  Kaiser  gab  es  und  zwar  so,  dafs  die  Oppen- 
heimer Messen  zeitlich  zum  Teil  mit  den  neuen  zusammenfielen.  Die 
Wormser  Messe  sollte  vierzehn  Tage  nach  Ostern  beginnen  und  vierzehn 
Tage  dauern*.  Die  von  Speier  von  Simon  und  Juda  (28.  Oktober)  an 
aber  elf  Tage ''.  Der  Kaiser  forderte  alle  Kauf  leute  aus  der  Nähe  und 
Feme  auf,  diese  Messen  zu  besuchen.  Die  Speierer  wandten  sich  auch 
sofort  an  alle  im  Reiche  belegenen  Städte  und  Dörfer  und  an  die  übrigen 
Kaufleute,  welche  Messen  besuchten,  mit  der  Aufforderung,  zu  den  Messen 
zu  erscheinen.  Sie  verkündeten  das  freie  Geleit  des  Königs  und  dafs 
sie  die   Hälfte   des  Zolles   nachliefsen,    besonders   begünstigt  seien   nach 

^  Bourquelot  1,  199  f.  und  Hans.  Urkb.  3,  15  Anm. 

»  Böhmer-Ficker  2037.    1234  Januar. 

«  Böhmer-Ficker  1635.    Franck,  Gesch.  v.  Oppenheim  229.    1226  Juni. 

*  Böhmer-Ficker  2153.    Franck  231.     1236  Mai. 

•  In  der  Erneuerung  Karls  IV.  von  1378  heifst  es  allerdings,  dafs  sie  bisher  des 
Jahrmarkts  nicht  gebraucht  haben.  Franck,  Urkb.  Nr.  123.  Doch  kann  der  Jahr- 
markt sehr  wohl  an  Bedeutung  verloren  haben. 

«  Böhmer-Ficker  3373.    Wormser  Urkb.  1,  144.     1243  August. 

^  Böhmer-Ficker  3488.  Hilgard  54.  1245  Juli.  Die  neu  eingerichtete 
Bamberger  Messe  wurde  vom  1.  Mai  drei  Wochen  lang  abgehalten.  Böhmer- 
Ficker  8481.  Die  Urkunden  sind  nach  gleichem  Formular  gearbeitet,  auch  die 
Wormser. 


Messen.  167 

altem  Rechte  die  Städte  Utrecht,  Köln,  Trier  und  Worms  and  die  dazu 
gehörigen  Diöcesanen*. 

Friedrich  hatte  zwar  hinzugeftlgt,  dafs  diese  Messen  benachbarten 
gleichzeitigen  nicht  abträglich  sein  sollten,  aber  das  war  doch  undenkbar. 
Es  konnte  nicht  ausbleiben,  dafs  auf  solche  Weise  die  sämtlichen  neun 
Messen  nicht  zu  wirklichen  Handelsmessen  aufblühten,  sondern  hand- 
werkerliche und  bäuerliche  Zusammenkünfte  blieben,  die  den  Welthandel 
nicht  beeinflufsten.  Irgend  eine  andere  Nachricht  über  diese  Messen  ist 
mir  sonst  fUr  das  dreizehnte  Jahrhundert  nicht  bekannt  geworden. 

Von  allen  süddeutschen  Messen,  die  in  den  Tagen  Friedrichs  II. 
gegründet  oder  gefördert  wurden,  gewann  allein  eine  hohe  Blüte,  die 
Frankfurter  Messe.  Der  älteste  urkundliche  Beleg  flir  sie  ist  der 
Schutzbrief  des  Königs  von  1240*.  Ist  sie  nicht  vielleicht  von  ihm 
begründet? 

Die  Messen  von  Nördlingen  und  Zurzach,  welche  später  gleichfalls 
eine  internationale  Bedeutung  gewannen,  sind  für  diese  Zeit  noch  nicht 
belegt,  doch  dürfte  mindestens  die  Verenamesse  von  Zurzach  schon  be- 
standen haben  ^. 

Rudolf  hat  Heilbronn  eine  dreiwöchentliche  Michaelismesse*,  Albrecht 
dem  späteren  Könige  Heinrich  ^nundinas  general€S€y  welche  sechs  Wochen 
lang  in  Luxemburg  abgehalten  werden  sollten^,  dieser  endlich  Hagenau 
zwei  vierzehntägige  Messen*  gegeben. 

Eine  Messe  fand  übrigens  innerhalb  der  Alpen  statt  und  zwar  unter- 
halb der  Burg  von  Lags,  dem  Sitze  der  Grafschaft  für  Oberrhätien.  Das 
Habsburgische  Urbar  giebt  das  Recht  der  Messe,  aufser  Pferden  und 
Vieh  wurden  da  Tuche,  Schuhe,  Kram,  Salz,  Wein,  Stahl  und  Eisen 
verhandelt,  und   der  Markt  mufs  recht  beträchtlich  gewesen  sein;    denn 


>  Hilgard  55     1245  August  24. 

«  Böhmer-Ficker  3128.  Böhmer,  Cod.  d.  Moenofrancof.  68.  VgJ.  Bücher, 
Die  Bevölkerung  von  Frankfurt,  a.  M.  1,  504.  Auch  sie  werden  als  nundinae  be- 
zeichnet. Sie  fanden  wenigstens  im  folgenden  Jahrhundert  zwischen  Maria  Himmel- 
fahrt (15.  August)  und  Maria  Geburt  (8.  September)  statt. 

'  Friedrich  11.  ahmte  übrigens  das  Beispiel  seines  Grofsvaters  nach,  der  für 
die  flandrischen  Kaufleute  zwei  Messen  zu  Aachen  und  zwei  zu  Duisburg  so  ein- 
richtete, dafs  sie  je  vierzehn  Tage  dauerten  und  sich  nicht  berührten.  Hans, 
ürkb.  1,  ISflP.  1173Mai  29.  M.G.  Constitutiones  1  Nr.  289.  Die  alten  Kölner 
Messen  standen  schon  in  den  Tagen  Annos  in  hoher  Blüte,  waren  aber  eingegangen. 
Auf  die  grofsen  flandrischen  Messen  zu  Thourout,  Messines,  Lille  und  Ypem,  die 
damals  von  Franzosen  und  Italienern  eifrig  besucht  wurden,  ist  hier  nicht  einzu- 
gehen.   Vgl.  Pi  renne  1,  192. 

*  Böhmer-Redlich  2202  zu  1288. 

6  Winkelmann  2,  184. 

«  Böhmer,  Reg.  316. 


168  Vierzehntes  Kapitel 

die  Kaufleute  von  Lugano  muTsten  10  ü  Pfeffer  bezahlen ,  was  doch 
ursprünglich  gewifo  für  sie  ein  Vorrecht  gewesen  war*. 

Auch  die  italienischen  Messen  dürften  deutsche  Besucher  gesehen 
haben,  vor  allem  auf  die  vier  Mailänder  dürften  sie  gekommen  seiui 
Bonvesin  sagt,  sie  seien  von  unzähligen  Kauf  leuten  aufgesucht  worden '. 

Der  grofsen  Messen  von  Ferrara  Glanzzeit  war  vorüber,  auf  die 
Venetianer  kann  ich  nur  hinweisen.  Auch  die  zu  Piacenza,  Pavia  und 
Genua  waren  nicht  ohne  Bedeutung^. 


1  Das  habsb.  Urbar  1,  528. 

«  S.  113. 

s  Huvelin  280. 


Dritter  Teil. 

GESCHICHTE  DES  VERKEHRS  VON  DER  ERÖFFNUNG  DES 
GOTTHARDS  BIS  ZUR  DOPPELWAHL  VON  1314. 


Fünfzehntes  Kapitel. 
Der  St.  Ootthardpafs. 

Erste  Erwähnung,  Die  stäubende  Brücke  erster  Triumph  der  EisenUchnik,  Die 
Eröffnung  eine  Folge  des  Vordringens  der  Deutschen  in  die  Hochalpen,  Urseren  will 
lokale  Verbindung,  scfiafft  eine  internationale. 

Wann  er fdgte  die  Eröffnung?  Bedeutung  Bellimonas.  Kämpfe,  Reichsgut,  wieder 
verloren,  Triumph  Mailands.  Politik  des  Reiches  am  Nordfufs,  Uri  von  Habsburg  ans 
Reich.  Reichsgut  und  Hausgut,  Die  Habsburger  an  der  Strafse  nach  Ölten.  Neue 
Zölle :  Freudenau,  Reiden,  St,  Amarin,    Dieser  Vogesenpafs  ein  Korrelat  des  Gotthards, 

„Wenn  du  es  für  gut  findest,  über  den  Berg  Elvelinus,  den  die 
Lombarden  Ursare  nennen,  zurückzukehren,  so  gehe  von  Rom  .  .  .  nach 
Como.  Daselbst  wirst  du  an  den  Comersee  kommen.  Diejenigen,  welche 
aus  Schwaben  und  diesen  Gegenden  sind,  fahren  über  den  Comersee 
und  reisen  über  den  Sete  Munt  (Septimer)  in  ihre  Heimat.  Du  aber 
lasse  den  See  zur  Rechten  liegen  und  gehe  links  nach  Lowens  (Lugano) 
16  (italienische)  Meilen  mit  dem  See.  Da  fängt  der  Berg  an  und  läuft 
bis  Zonrage  (=  Zofingen?  Zumsteg,  Amsteg?).  Von  Lowens  bis  Beilenze 
(Bellinzona)  ist  es  eine  Tagesreise,  von  da  drei  Tagreisen  bis  nach  Luzem 
mit  dem  See.  Gehe  fünf  (deutsche)  Meilen  weiter  und  es  wird  dir  Tovinge 
(Zofingen)  begegnen ;  aber  es  sind  starke  Meilen.  Vier  Meilen  bis  Basel . . . 
Wenn  du  nach  Basel  gekommen  bist,  thue  deinen  Füfsen  gütlich,  steig' 
in  ein  SchiflF  und  fahre  nach  Cöln  hinunter."  Mit  diesen  Worten  be- 
schreibt Albert  Abt  von  Stade,  von  wo  aus  so  mancher  Isländer  seine 
Romfahrt  angetreten  hatte  *,  den  einen  Weg,  den  man  von  Rom  aus  ein- 
schlagen   könne*.      Der    nordische    Abt   hatte    überhaupt   ein    lebhaftes 


i  S.  oben  S.  99. 
«  M.G.  SS.  16,  339. 


1 

mn         fl 

eut     ^Äft 

es  ^^^^H 


170  Fünfzehntes  Kapitel. 

Interesse  für  Pfade,  und  so  enthält  seine  Chronik  eine  ganze  Zu^.i 
Stellung  der   damals   am   meisten   begangenen   Wege   Italiens,    Deut 
lands  und  Prankreichs.     Vielleicht  hatten  den  sehr  belesenen  Hönch^ 
Itinerare   der  Isländer  zu  diesen  bei  mittelalterlichen  Schriftstellei 
seltenen  Aufzeichnungen   angeregt    Er  selbst   hatte  1236  eine  Romfj 
gemacht,  und  da  hatte  er  wohl  seine  Kenntnisse  erworben'. 

Kichts  verrät  in  seinen  Worten,   die  so  klingen,   als  handle  es  i 
um  einen  altbekannten  Weg,  dafs  der  St.  Qotthard  —  das  ist  dei 
Elvelinus  —  erst  eben  war  benutzbar  gemacht  worden*. 

Wann  ist  aber  diese  That  geschehen?  wann  hat  ein  einfacher  Älpler 
den  kühnen  Gedanken  gehabt,  tlber  der  Reufskatarakte  an  den  steilen 
Fels  in  Ketten  eine  Brücke  festzuhängen,  welche  von  dem  weiten  Thale 
von  Urseren  längs  der  Felswand  in  den  Zug  der  Schöllenenschlucht 
hinüberführte?  wann  hat  ein  erfindungsreicher  Kopf  das  Mittel  gefunden, 
an  einer  der  schwierigsten  Stellen  der  Alpenwelt  die  Natur,  welche  ge- 
zwungen dem  Flusse  Raum  gab,  jeden  Pfad  aber  dem  Menschen  ver- 
weigerte, zu  meistern?  Wer  war  es,  der  das  Problem  löste,  an  dem 
sich  Menschenwitz  bis  dahin  vergeblich  abgemüht  hatte?  Wann  lebte 
er?  Ein  direktes  Zeugnis  liegt  nicht  vor,  aber  mit  indirekten  Gründen 
können  wir  beweisen,  dafs  1236  schon  mindestens  ein  Jahrzehnt  ins  Land 
gegangen  war,  seitdem  der  Pafs  benutzt  wurde.  Die  gewaltigen  welt- 
geschichtlichen Wirkungen  dieser  That,  die  dem  Welthandel  andere 
Bahnen  wies,  die  Gründung  der  Eidgenossenschaft  wie  die  Bildung  de» 
Kantons  Tessin  herbeiführte,  die  Folgen  der  Eröffnung  des  neuen  AJpen- 
passea  lassen  sich  doch  schon  vor  1236  leise  verspüren. 

Wie  dieser  Entdecker  hiefs,  der  würdig  eines  Denkmals  wäre,  wird 
freilich  immer  unbekannt  bleiben.  War  es  der  Schmied  von  Urseren? 
Das  Eisen  feierte  hier  seine  ersten  technischen  Triumphe.  Wo  Holz  und 
Stein,  die  einzigen  Baumaterialien  des  Mittelalters,  versagt  hatten,  bot 
das  Eisen  zum  erstenmal  seine  überlegene  Kraft.  Zwar  war  das  Werk 
keine  kühn  gespannte  Bogenbrücke,  sie  ruhte  auf  Ketten,  es  wurde 
das  Eisen  also  auf  Zug  beanspruclit,  viele  Jahrhunderte  später  begannen 
Kettenbrücken  die  Triumphe  des  Eisens  im  Brückenbau! 


'  Mit  <ler  Gesthichto  des  St.  Giotthard  bcet^häftigteD  sich  vor  allem:  Kopp, 
ReichsgeBchichtc ;  NÜBcheler,  A.  Hietor.  Notizen  über  den  Gotthardpafs.  Jahrb. 
d.  Schweiz.  Alpenkhibs  VII (1872);  Hermann  v.  Liebenau,  Urkunden  n.  Regeeten 
zur  GeHchichte  des  St.  Gottbardw<^es  von  dessen  Uroprnng  bis  z.  J.  1315.  Archiv 
f.  Schweiz.  Gesch.  Bd.  19  (1874);  Ohimann  (a.  a.  0.  1878);  Dierauer  (1867)  und 
öchsli  (1891),  endlich  gpitteler. 

*  öhlraanu  zieht  auch  die  Reise  des  Abtes  Emo  vom  Kloster  Floridas  hortus 
(1213)  hierher,  der  als  Stationen  Como  und  Basel  angiebt.  Diese  schliefsen  aber  den 
Septimer  nicht  aus. 


Der  St.  Gotthardpafs.  171 

Wir  können  weiter  sagen,  dafs  diese  That  die  Folge  einer  all- 
gemeineren Erscheinung  ist,  des  Vordringens  der  Deutschen  in  dem 
centralen  Teile  der  Alpen. 

Es  können  hier  nicht  die  Geschichte  der  Ansiedlung  der  Deutschen 
innerhalb  des  altromanischen  Sprachgebietes  und  die  vielen  damit  zu- 
sammenhängenden Streitfragen  behandelt  werden^.  Woher  die  Leute 
kamen,  ist  für  uns  auch  gleichgültig,  die  Hauptsache  steht  fest.  Die 
Deutschen  überstiegen  den  langen  Gürtel,  der  vom  Ealanda  bis  an  den 
Genfersee  flihrt,  und  gründeten  jenseits,  namentlich  in  den  höheren 
Gebirgsteilen,  Niederlassungen.  Am  genauesten  sind  wir  unterrichtet 
über  die  Kolonisten  des  Rheinwaldes,  die  1277  schon  angesiedelt  waren ' 
und  für  den  Verkehr  über  den  Splügen  und  Bernhardin  die  beste  Hilfe 
wurden.  Ihre  Nachbarn  im  St.  Petersthal,  in  Savien  und  Thusis  hielten 
über  das  Gebirge  weg  mit  ihnen  Fühlung.  Die  im  rauhen,  abgelegenen 
Averserthal  waren  zwischen  Romaunschen  und  Italienern  eingesprengt, 
ähnlich  liegt  Obersaxen  im  Vorderrheinthal.  Die  Kolonien  von  Daves 
und  Prättigau  leiten  zu  den  Kolonien  Vorarlbergs  hinüber.  Ob  diese 
„Walser "gemeinden  —  als  solche  bezeichnen  sich  wenigstens  die  meisten  — 
wirklich  alle  von  Oberwallisern  gegründet  sind,  mag  dahingestellt  bleiben. 
Oberwallis  selbst  war  sehr  wahrscheinlich  ein  Kolonistenland  ^,  und  von 
ihm  schoben  sich  über  die  Pässe  am  Monte  Rosa  jene  Kolonien,  die 
noch  heute  an  der  deutschen  Sprache  festhalten,  obwohl  sie  jetzt  zum 
Königreich  Italien  gehören*;  ebenso  wurde  das  obere  Tosathal  deutsch. 
Doch  davon  später. 

Die  Deutschen  besiedelten  durchweg  hochgelegene  Thäler,  in  denen 
ein  Ackerbau  nicht  mehr  möglich  war  —  das  gilt  von  Rheinwald,  Avers, 
dem  obersten  Wallis  und  Urseren  —  romanische  Ortsnamen  blieben  er- 
halten, so  dafs  anzunehmen  ist,  dafs  die  Deutschen  angesiedelt  wurden 
in  Thälern,  die  zwar  den  Romanen  bekannt,  aber  nicht  von  ihnen  recht 

1  Den  heutigen  Stand  der  Sprachverteilung  zeigt  Menghius,  Die  Sprach- 
grenzen in  Graubünden  und  Tessin,  Petermanns  Mitteilungen  44,  97 — 105  mit  Karte. 
Seit  dem  Mittelalter  sind  die  deutschen  Enclaven  unverändert  geblieben. 

*  Freiheitsbrief  des  Freiherrn  Walther  von  Vaz  für  die  oflPenbar  erst  eben  an- 
gesiedelten :  »homines  Tlieotunhos  residentiam  hahentes  in  Volle  Bheni  de  volle  Schoms 
usque  ad  montein,  qui  vulgariter  didtur  Vogel*,  Mohr  1,  425.  Die  Namen  v.  Simpeln 
und  V.  Formazza  (1301)  beweisen,  dafs  die  Kolonisten  wieder  Nachkommen  von 
Kolonisten  waren ,  die  von  Oberwallis  aus  auf  den  südlichen  Hang  der  Alpen  vor- 
gedrungen waren. 

'  Doch  fällt  die  Kolonisation  spätestens  in  die  ersten  Jahrzehnte  des  dreizehnten 
Jahrhunderts,  während  alle  bündnerischen  Kolonien  nach  1270  entstanden  sein 
können,  mit  Ausnahme  von  Urseren,  das  ja  durch  den  Furkapafs  sehr  bequem  mit 
Oberwallis. verbunden  ist 

^  Den  Umfang  giebt  Menghius  S.  104  an. 


172  Fünfzehntes  Kapitel. 

eigentlich  bewohnt  wurden;  also  auf  alten  Alpen  wurden  nun  auch 
Winterwohnsitze  eingerichtet.  Doch  wie  immerhin  diese  recht  bedeutende 
Ausdehnung  der  deutschen  Sprache  nach  Süden  sich  vollzogen  haben 
mag,  sie  ist  an  keiner  Stelle  dem  Verkehre  von  gröfserem  Nutzen  ge- 
wesen, als  in  Urseren,  wo  sie  wohl  zuerst  in  dem  östlichen  Gebiete  ein- 
setzte. Die  deutsche  Kolonisation  in  BUnden  hat  den  Pässen  über  den 
Splügen  und  Bernliardin  eigentlich  erst  Leben  gegeben;  wir  werden 
erst  von  jetzt  an  häufiger  von  ihnen  zu  reden  haben.  Die  Pässe  von 
OberwalHs  wurden  gleichfalls  erst  von  Deutschen  nutzbar  gemacht  — 
weit  bedeutender  aber  war  es  doch  noch,  dafs  die  Ansiedlung  von 
Urseren  mit  dem  Gotthard  den  centralsten  Alpenpafs  erschlofs.  Die  bis 
dahin  am  meisten  benutzten  Pässe:  Septimer,  Lukmanier  und  Grofser 
St.  Bernhard  blieben  bis  heute  rein  romanisch.  Schon  in  der  Sprache 
der  PaTsanwohner  dokumentiert  sich  die  Geschichte  des  Passes. 

Dafs  Urseren  im  dreizehnten  Jahrhundert  deutsch  war,  ist  freilich 
erst  noch  zu  beweisen.  Der  Name  selbst  ist  ja  ein  romanisches  Wort, 
wie  die  Ortsnamen  Kealp  und  Gaspis,  auch  gehörte  das  Thal  nach  dem 
in  romanischem  Gebiete  liegenden  Kloster  Disentis.  Aber  schon  1309 
Urkunden  seine  Bewohner  deutsch,  und  die  Namen,  welche  die  Einwohner 
führen,  sind  ebenfalls  durchweg  deutscht  Eine  Änderung  der  Sprache 
erfolgte  aber  in  diesen  ladinischen  Gebieten  fast  gar  nicht  Nicht  eine 
Gemeinde  hat  z.  B.  die  Kolonie  des  Rheinwaldthales  im  benachbarten 
Schams  gewonnen,  und  die  ladinische  Grenze  gegen  Urseren  ist  noch 
heute  dieselbe  wie  1308.  Warum  sollte  da  gerade  vorher  die  Sprache 
gewechselt  haben? 

Seitdem  Urseren  deutsch  wurde,  waren  der  Nord-  und  Südausgang 
der  Reufsklamm  im  Besitze  gleichen  Blutes.  Erwägen  wir  nun,  dafs  die 
Klamm  an  der  stiebenden  Brücke  auf  dem  Boden  von  Urseren  liegt, 
dafs  ihre  Unterhaltung  von  demselben  Thale  getragen  wurde  ^,  und  dafis 
die  Abgabe  von  dem  Verkehre,  die  „Teilballe"  gleichfalls  in  dieser 
Landschaft  erhoben  wurde  ^,  so  kann  kein  Zweifel  darüber  herrschen, 
dafs  diesen  Kolonisten  das  Verdienst  gebührt,  die  Verbindung  mit  Uri 
hergestellt  zu  haben;  die  Urner  hatten  in  der  SchöUenenschlucht  noch 
Arbeiten  genug  auszuführen,  um  auch  einen  Ehrenanteil  an  der  Öffnung 
der  Gotthardstrafse  zu  gewinnen. 

Es  war  wohl  nichts  als  eine  lokale  Verbindung,  die  die  Leute  von 
Urseren   erstrebt  hatten,    sie   hatten   eine  internationale  geschaffen.     Sie 


'  Öchsli  S.  9  Anm.  5. 

*  Die  Grenze  war  V2  Stunde    ob  Göschenen  bei  der  Mittel-  oder  Tanzcnbein- 
brücke.    Öehinz,  Beiträge  1,  29  f. 
8  Habsb.  Urbar  1,  286. 


Der  St.  Gotthardpafs.  173 

hatten  ihrem  Ländchen  und  dem  nördlich  wie  südlich  sich  anschliefsenden 
Gebiete  eine  ungeahnte  politische  Bedeutung  gegeben.  An  Stelle  eines 
Gebirgsklotzes,  den  jedermann  als  ungangbar  umging,  war  der  St.  Gott- 
hard  die  beste  und  bequemste  Verbindung  zwischen  Westdeutschland 
und  Italien  geworden.  Das  nach  Norden  flihrende  Thal  Uri  war  jetzt 
kein  abgelegenes  Alpenthal  mehr,  wie  man  sich  das  nur  zu  leicht  vor- 
stellt, sondern  es  war  die  Rampe  einer  Weltstrafse.  Die  Eidgenossen- 
schaft ist  nicht  aus  weltentlegenen  Gemeinden  gebildet,  sondern  es  haben 
sie  Leute  gegründet,  die  wufsten,  dafs  ihrem  Land  eine  Bedeutung  inne- 
wohne, die  mehr  von  der  Welt  Läufen  erfuhren,  als  manche  deutschen 
fruchtbaren  Landschaften.  Und  ebenso  wurde  aus  dem  abgeschiedenen 
Livinenthal  nun  eine  Gemeinde,  deren  Besitz  von  Wert  war.  Die  Welt- 
entlegenheit verwandelte  sich  in  das  volle  Gegenteil. 

Der  staufische  Kaiser  war  sich  des  Umschwunges  bewufst,  der  sich 
vollzogen  hatte.  Er  erkannte  sofort,  dafs  jetzt  hier  der  Schlüssel  Italiens 
liege,  und  er  griff  zu.  Die  ersten  Schritte  zum  Erwerb  dieser  Gebiete 
beweisen  uns,  dafs  der  Gotthard  gangbar  gemacht  war  und  einzuwirken 
begann. 

Am  Südabhange  der  Alpen  beherrscht,  wie  wir  wissen,  Bellinzona 
sowohl  den  Gotthard  wie  den  Lukmanier;  der  Herr  Bellinzonas  konnte 
im  Besitze  von  Biasca  sogar  das  Zusammenwirken  des  Livinen-  und 
Blegnothales  verhindern.  Bellinzona  aber  konnte  nicht  die  Herrin  dieses 
Gebietes  sein,  es  beherrschte  nicht  die  Ausgänge  am  Langensee  und 
am  Monte  Cenere,  und  so  wurde  die  Stadt  sehr  früh  abhängig  und 
mit  ihr  teilten  Blegno-  und  Livinenthal  das  Los.  Der  Einflufs  der 
beiden  nächsten  Städte  der  Ebene  Como  und  Mailand  stritt  hier,  und 
in  der  Geschichte  dieser  Thäler  spiegelt  sich  die  der  Städte  wieder, 
die  Parteiungen  von  Como  wurden  hier  ebenso  entscheidend  wie  später 
die  Erfolge  der  Visconti  und  Sforza.  Noch  ein  anderer  Rivale  war 
vorhanden :  der  Kaiser  wollte  die  Lande  dem  Reiche  gewinnen  und 
erhalten,  wie  einst  Chiavenna  zum  Reiche  gehört  hatte*,  und  diese 
Politik,  von  der  Höhe  des  Passes  aus  das  südliche  Vorland  zu  be- 
herrschen ,  nahmen  später  die  Eidgenossen  auf  und  errangen  den 
dauernden  Sieg.  Die  Städte  und  Fürsten  der  lombardischen  Ebene 
konnten  den  Südfufs  des  Gotthardpasses  nicht  behaupten,  deutsche  Vögte 
schalteten  am  Ausgange  des  Mittelalters  über  die  unterworfenen  italie- 
nischen Vogteien.  Da  bei  der  Entdeckung  weder  am  Nordfufse  noch  an 
der  Südseite  völlige  Klarheit  bestand,  erhoben  sich  sofort  Konflikte. 
Ein  Besitz,  der  bis  dahin  ziemlich  gleichgültig  gewesen  war,  hatte  nun 
eine  hohe  Bedeutung  errungen.    Zunächst  ist  der  Streit  ohne  deutlichen 

'  Darmstädter  S.  92  f. 


174  Fünfzehntes  Kapitel. 

Zusammenhang,  dann  greift  der  nördliche  Pafsherrscher  hinüber,  es  ent- 
steht ein  Pafsstaat  —  die  Schweiz,  deren  Vater  nicht  der  sagenhafte 
Teil  ist,  sondern  der  Mann,  der  die  stäubende  Brücke  ersann  und  aus- 
führte ! 

Como  war  in  seiner  Politik  vielfach  durch  den  Gegensatz  zu  Mai- 
land bestimmt,  es  hing  bei  den  ersten  Kämpfen  Friedrichs  U.  mit  den 
Lombarden  diesen  treu  an*,  fiel  jedoch  Dezember  1229  zu  den  Gegnern 
ab^,  und  Comasken  fochten  mit  bei  Cortenuova.  März  1239  wendete 
sich  die  ungetreue  Stadt  wieder  dem  Hause  seiner  Wohlthäter  zu,  im 
September  wurde  ein  kaiserlicher  Podestä  ernannt^.  Der  Kaiser  wufste 
den  Erfolg  auszubeuten.  Wie  er  den  Besitz  der  Mailänder  konfiszieren 
liefs,  so  folgte  1240  auch  das  Gut  der  Kirche  von  Mailand,  und  dazu 
gehörte  das  Livinenthal*.  Zum  Verwalter  wurde  Berthold  Markgraf 
von  Vohburg-Hohenburg  bestellt,  ein  Mann,  der  für  die  letzten  Staufer 
die  wichtigste  Stütze  wurde  und  im  sonnigen  Italien  deutsche  Lieder 
dichtete*.  Die  Burgen  auf  dem  Monte  Cenere  und  in  Bellinzona  unter- 
standen ihm  wie  die  tiniversUafes  et  communia  von  Leventina  und  Blegno. 
Zum  Unterhalte  der  Burgen  mufste  auch  Como  beitragen,  wo  Berthold 
Kapitän  war®.  Mailands  glücklicher  Erbe  war  also  das  Reich,  während 
Como  sich  mit  einigen  Thälern  am  Luganer-  und  Comersee  begnügen 
mufste''.  Der  Kaiser  stellte  den  Comasken  seine  Verfugungen  über 
Blegno  und  Livinen  als  vorläufige  hin,  aus  seinen  Briefen  geht  un- 
zweifelhaft hervor,  dafs  die  Comasken  eifersüchtig  geworden  waren.  Er 
ernannte  Februar  1241  ihren  Podestä  zum  Nachfolger  Bertholds  von 
Hohenburg**. 

Der  Kampf  gegen  die  Mailänder  war  für  Como  zu  schwer,  Mendrisio 
versagte  sich,  und  1242  fiel  Bellinzona  in  die  Hände  der  Ersteren.  Sie 
wufsten,  was  sie  gewonnen  hatten.  Der  Podestä  von  Mailand  schrieb 
an  den  päpstlichen  Legaten:  „Die  Hofihung,  die  Burg  Bellinzona,  die 
einst  das  Herz  des  Körpers  der  Stadt  Como  war  und  nun  das  in  ihrem 


»  Böhmer-Ficker  865  u.  1658. 

'  Zunächst  unter  Vorbehalt  der  Treue  gegen  den  Kaiser;  Rovelli,  Storia  di 
Como  2,  223. 

»  Böhmer-Ficker  2460.   2473.   2482.  2483. 

*  Böhmer-Ficker  2596.   2597.   3109. 

^  Vgl.  über  ihn  Döberl  in  Deutsche  Zeitschr.  f.  Geschichtsw.  12,  vor  allem 
S.  208  f. 

*  Die  wichtige  Entscheidung  ist  vor  Faenza  getroffen  in  der  gleichen  Zeit,  als 
die  Urkunde  für  die  Schweizer  ausgestellt  wurde.  B.-F.  3157  vom  21.  Dezember  1240. 
Den  Befehl  im  Reichsgute  wie  in  Lecco  hatte  Johann  de  Andito,  in  Como  lag  eine 
deutsche  Besatzung. 

■»  Böhmer-Ficker  3109.  3143.    Lob  ihrer  Treue. 
»  Böhmer-Ficker  3183.  3224. 


Der  St.  Gotthardpafs.  175 

Herzen  steckende  totbringende  Schwert  ist,  zu  gewinnen,  hat  sich  erfüllt 
Die  Bewohner  und  die  Besatzung  haben  die  durch  Natur  und  Kunst  bis 
zur  Unbezwinglichkeit  befestigte  Burg  den  Führern  unseres  Heeres 
übergeben.  Die  Wege  nach  Frankreich  und  Deutschland  sind  uns  nun 
offen  und  unseren  Feinden  verschlossen,  so  dafs  wir  von  dieser  Seite 
weder  den  Angriff  des  Nero  noch  die  Wut  der  Deutschen  zu  befiirchten 
haben"  *.  Es  war  keine  Übertreibung,  durch  die  Einnahme  von  Bellenz 
war  der  kaum  eröffnete  beste  deutsche  Pafs,  der  näher  als  irgend  ein 
anderer  dem  unmittelbaren  Reichsgut  und  dem  eigentlichen  Sitze  der 
staufischen  Macht  lag,  der  versprach,  der  eigentliche  Kaiserpafs  zu 
werden,  flir  die  deutschen  Streiter  wieder  verschlossen.  Es  nützte  dem 
Reiche  wenig,  dafs  Como  Mailand  in  der  Herrschaft  von  Bellinzona  ab- 
löste, als  es  1249  die  Sache  der  Staufer  verliefs  und  zu  den  Guelfen 
übertrat^.  Como  konnte  auf  die  Dauer  Mailand  ja  nicht  widerstehen, 
und  dies  gewann  die  Herrschaft  im  Thale  des  Tessin. 

Scheinbar  glücklicher,  im  Endergebnis  aber  gerade  so  unglücklich 
war  die  Reichspolitik  am  Nordfufs  des  Gotthardes.  Hier  durchkreuzen 
sich  nun  bis  in  die  Mitte  des  vierzehnten  Jahrhunderts  die  Bestrebungen 
des  Reichsoberhauptes,  den  nächsten  Zugang  zum  Gotthard  und  die 
Thäler,  welche  diesen  flankieren,  dem  Reiche  zu  gewinnen  und  zu  er- 
halten, und  die  der  Grafen  von  Habsburg  und  der  Herzöge  von  Öster- 
reich, womöglich  den  ganzen  Weg  von  Basel  bis  auf  die  Höhe  des 
Passes  in  ihre  Hand  zu  bringen.  Die  Thäler  halten  zu  der  königlichen 
Politik,  sie  wollen  sich  dem  Reiche  erhalten,  aber  gerade  dadurch  ent- 
fremden sie  sich  um  so  sicherer  dem  Reiche.  Indem  sie  darum  kämpften, 
nicht  österreichisch  zu  werden,  stritten  sie  unbewufst  für  die  Ablösung 
vom  Reiche.  In  der  Ebene  hatten  die  Habsburger  die  gröfsten  Erfolge^ 
auch  das  Gebirge  wäre  ihnen  unzweifelhaft  zugefallen,  wenn  noch  das 
alte  Recht  für  das  Gut  des  Reiches  gegolten  hätte.  In  der  staufischen 
Zeit  war  stets  wie  bei  den  früheren  Dynastien  das  Hausgut  der  neuen 
Dynastie  mit  dem  Erbe  der  alten  verwachsen,  die  Wahl  einer  reichen 
Familie  bedeutete  eine  Verstärkung  des  Hausgutes.  Unter  diesem  Rechte 
wäre  der  reiche  habsburgische  Besitz  auf  der  schweizerischen  Hochebene 
und  in  der  oberrheinischen  Tiefebene  mit  dem  Reichsgute  von  Neuen- 
burg, Basel,  Zürich,  Schaff  hausen,  Konstanz,  Bern  verschmolzen,  und 
dieser  Reichsbesitz  hätte  auch  die  Reichsthäler  von  Uri  und  Hasli  ohne 
Mühe  in  sich  aufgenommen.  Aber  bei  der  Königswahl  war  das  Recht 
geändert,    fortan   wollte  man   keine  Dynastien  mehr  erheben,    sondern 


1  Winkelmann,  Acta  imperii  1,  537. 

'  Rovelli2,  881.  Schon  vorher  war  es  notwendig  gewesen,  Comasken  gefangen 
2a  setzen.    Böhmer-Ficker-Winkelmann  13607. 


176  FüDfzehntes  Kapitel. 

keinen  Zweifel  mehr  belassen,  dafs  nur  dieser  eine  zum  König  erkoren 
sei ;  das  Wahlrecht  hatte  über  das  Erbrecht  den  endgültigen  Sieg  davon- 
getragen. Es  sollte  in  Zukunft  sorgfältigst  jedes  Verschmelzen  von 
Reichsgut  und  Hausgut  vermieden  werden.  Damit  hörte  die  Möglich- 
keit, das  Reichsgut  zu  mehren,  auf,  ihm  war  die  werbende  Kraft  ge- 
nommen. 

Der  König  verwaltete  also  zwei  Arten  von  Besitz:  als  König  das 
Reichsgut,  das  er  zu  vermehren  sich  nicht  bemühte,  das  von  vorn- 
herein bei  dem  Überwiegen  der  Städte  die  Tendenz  hatte,  sich  in  eine 
Unzahl  von  städtischen  Machtkreisen  aufzulösen,  in  denen  naturgemäfs 
die  Selbstverwaltung  wichtiger  werden  mufste,  als  das  königliche  Regiment 
Das  Gesamtstaatsgut  hat  also  von  vornherein  die  Tendenz,  sich  zu  ver- 
mindern; nur  dann  erwärmt  sich  ein  Herrscher  für  das  Reichsgut  und 
denkt  an  seine  Ausdehnung,  wenn  es  möglich  ist,  durch  dasselbe  eine 
rivalisierende  Familie  zu  schädigen.  Das  ist  gegenüber  der  sich  bildenden 
Eidgenossenschaft  die  Politik  der  Könige  aus  nicht  habsburgischcm 
Blute.  Daneben  verwaltet  der  König  sein  Hausgut,  und  ganz  selbst- 
redend wollte  er  dieses  mehren.  Er  war  ja  fast  sicher,  dafs  sein  Erbe 
nicht  wieder  zum  Könige  gewählt  werde,  es  blieb  also  nichts  übrig,  als 
die  alte  landesherrliche  Politik  auch  als  König  mit  aller  Macht  fort- 
zusetzen. Das  war  die  Politik  der  Habsburger.  In  dem  Ringen  dieser 
beiden  Tendenzen  entsteht  die  Eidgenossenschaft  ^ 

Dem  Weg  von  der  Höhe  des  Qotthards  nach  Basel  war  durch  die 
Natur  im  wesentlichen  seine  Richtung  gegeben.  Von  der  SchöUenen- 
schlucht  führt  der  Lauf  der  Reufs  durch  Uri  nach  Fluelen  an  das 
Haupt  des  Vierwaldstättersees,  das  Schiff  brachte  den  Wanderer  nach 
Luzern  am  Fufse  desselben.  Über  Rothenburg  erreichte  er  das  west- 
liche Ufer  des  Sempachersees  und  an  ihm  entlang  Sursee^.  Von  dort 
war  westlich  abzubiegen,  um  durch  eine  sumpfige  Einsenkung  das  Thal 
der  Wigger  zu  erreichen.  Hier  ist  der  Weg  durch  den  Lauf  des  von 
zwei  parallelen  Ketten  eingeschlossenen  Thaies  bestimmt  und  führt  an 
Reiden,  einer  wichtigen  Zollstelle,  Zofingen  und  Aarburg  vorbei  an  die 
Aare,  die  nur  sehr  kurz  begleitet  wird.  Bei  Ölten  wird  der  Flufs  über- 
schritten, um  über  den  unteren  Hauen  stein  Basel  zu  erreichen. 


*  Vgl.  Schulte,  Gesch.  der  Habsburger  141—147. 

2  Sursce  wird  in  dem  von  Mone,  Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrh.  4,  18  veröffent- 
lichten Wegweiser  von  Strafsburg  nach  Rom  (aus  dem  fünfzehnten  Jahrhundert) 
genannt.  Für  diese  Zeit  ist  also  der  Weg  das  ganze  Wiggerthal  aufwärts  über 
Willisau,  Wohlhausen,  dann  an  der  Kleinen  Emme  abwärts  über  Malters  und  Littau 
nach  Luzern  ausgeschlossen.  Der  Scheitel  dieses  Weges  (614  m)  ist  fast  100  m  höher 
als  der  des  über  Eothenburg.  Die  Benutzung  des  Weges  über  Wohlhauscn  ist  also 
auch  in  anderen  Zeiten  wohl  nur  eine  lokale  gewesen. 


Der  St  Gotthardpafs.  177 

An  diesem  Wege  hatten  die  Habsburger  1220  nur  an  zwei  Stellen 
Besitz:  von  Reiden  aufwärts  erstreckte  sich  das  ihnen  gehörige  Amt 
Willisau  im  Wiggerthale,  und  seit  1218  hatten  sie  die  Reichsvogtei  in 
Uri.  Das  dem  Frauenkloster  Zürich  gehörige  Land  hatte  bis  1218  unter 
der  Vogtei  der  Zähringer  gestanden,  nach  ihrem  Aussterben  hatte  sie 
Friedrich  II.  dem  Grafen  Rudolf  dem  Alten  gegeben. 

1231  aber  kaufte  der  junge  König  Heinrich  die  Vogtei  über  Uri 
zurück  und  versicherte  die  Gemeinde,  dafs  sie  weder  durch  Verleihung 
noch  durch  Verpfändung  jemals  dem  Reiche  wieder  entfremdet  werden 
sollte^.  Der  Habsburger  war  entschädigt*  und  hatte  zugestimmt;  die 
Position  am  Fufse  des  Passes  hatte  er  aufgegeben  und  war  offenbar  dem 
stärkeren  Konkurrenten  gewichen;  denn  wohl  nichts  anderes  hat  den 
jungen  König  zum  Rückkauf  der  Vogtei  veranlafst  als  die  Absicht,  den 
Pafs  in  seine  Hände  zu  bringen®.  Die  Bedeutung  desselben  wäre  folglich 
schon  1231  bekannt  gewesen. 

Den  gleichen  Termin  ergaben  andere  Zeugnisse,  die  zu  einer  Be- 
trachtung der  Zölle  führen.  Es  werden  folgende  neue  Zölle  in  dieser 
Zeit  zum  erstenmal  genannt:  1228  im  St  Amarinthal,  1240  Zoll  zu 
Reiden,  1251  zu  Freudenau.  Stehen  sie  in  einer  Verbindung  mit  dem 
Gotthardpasse?  Fangen  wir  mit  dem  jüngsten  an.  Der  1251  von  Kon- 
rad IV.  dem  späteren  Könige  Rudolf  verliehene  Zoll  zu  Freudenau  hat 
es  direkt  auf  italienischen  Handel  abgesehen;  von  jedem  welschen  Saum- 
tier sollten  drei  solidi  erhoben  werden*.  Am  nächsten  läge  es,  in  dem 
bei  der  Burg  Freudenau  auf  der  Aar  unmittelbar  unter  dem  Zusammen- 
flufs  von  Aare,  Reufs  und  Limmat  erhobenen  Zolle  einen  SchiflFszoll  für 
die  auf  der  schiffbaren  Reufs  vom  Gotthard  hcrabkommende  Waren  an- 
zusehen; allein  die  Form  der  Erhebung  ist  die  eines  Landzolles  (nach 
Saumlast  und  Wagen),  und  dann  wäre  der  Zoll  nicht  anders  zu  ver- 
stehen als  ein  Zoll  für  Waren,  die  von  Zürich,  Baden  herkommen,  bei 
Freudenau  vorbei  auf  Zurzach  oder  Waldshut  gehen,  deren  weiteres 
Ziel  dann  nicht  leicht  anzugeben  ist.  Jedenfalls  wird  hier  italienischer 
Warentransport  vorausgesetzt,  er  kann  sowohl  von  Bünden  wie  vom  Gott- 
hard kommen.    Non  liquet. 

Der  Zoll  von  Reiden  war  der  habsburgische  Gotthardzoll,  von  dem 
lokalen  Verkehr  zwischen  Luzern  und  Aarburg  hätte  er  nicht  leben 
können,    erst   der  Gotthardverkehr  gab   ihm  Bedeutung.     Er  wird  zum 


'  Böhmer-Ficker  4201.    Oft  gedruckt,  zuletzt  Öchsli  380. 

■  Sie  erwarben  höchstwahrscheinlich  dafür  damals  die  Grafschaft  im  Frickgau 
und  damit  die  Verbindung  ihrer  Besitzungen  an  der  Reufs  mit  denen  im  Elsafs. 
Schulte,  Gesch.  der  Habsburger  140. 

«  So  auch  Öchsli  247. 

*  Böhmer-Ficker  4557. 

Schulte,  Gesch.  d.  mittelalterl.  Haudels.    I.  12 


178  Fünfzehntes  Kapitel. 

erstenmal  genannt  in  dem  Vertrage  über  die  Naehteilung  des  Gutes 
zwischen  der  älteren,  späteren  königlichen  und  der  jüngeren  Laufen- 
burger Linie  der  Habsburger  von  1239^.  Der  Zoll  gehörte  der  jüngeren 
Linie,  die  auch  Willisau  und  den  Besitz  um  den  Vierwaldstättersee 
erhielt,  also  am  meisten  am  St.  Qotthard  interessiert  war. 

Den  Zoll  von  St.  Amarin  verlieh  1228  Friedrich  II.  einem  Begleiter 
auf  dem  Kreuzzuge,  dem  Abte  Hugo  von  Murbach,  und  zwar  nur  auf  so 
lange,  als  es  dem  Kaiser  gefalle  ^.  Bei  dem  Zolle  von  St.  Amarin  handelt 
es  sieh  um  einen  Vogesenpafs,  um  einen  Weg,  der  heute  gänzlich  ver- 
nachlässigt ist.  Vom  Boden  des  St.  Amarinthales  erreicht  man  über  den 
Col  de  Bussang  die  Quelle  der  Mosel,  von  da  geht  es  flufsabwärts  über 
St.  Maurice,  Remiremont,  Epinal  nach  Nancy,  wie  andererseits  das  da- 
mals recht  bedeutende  Neufchateau  zu  erreichen  ist,  von  wo  Wege  nach 
Bar  le  Duc  wie  nach  den  Mefsplätzen  der  Champagne  führen.  Lothringen 
war  schon  vorher  ein  Durchgangsland  in  der  Richtung  von  Westen  nach 
Osten  —  namentlich  die  Champagnermessen  riefen  einen  lebhaften  Ver- 
kehr hervor®  —  jetzt  wurde  auch  der  unwirtlichste  Teil,  das  waldreiche 
Gebiet  an  den  Flufsquellen,  von  Wanderern  durchzogen. 

Die  Richtung  des  Passes  vom  Col  de  Bussang  liegt  also  nach  Nord- 
westen, die  Fortsetzung  führt  über  Basel  ganz  notwendig  auf  den  St. 
Gotthard,  und  mir  wenigstens  ist  es  höchst  wahrscheinlich,  dafs  in  der 
Errichtung  eines  solchen  Zolles  die  erste  Wirkung  der  Eröffnung  des 
Gotthards  zu  spüren  ist,  die  Abte  von  Murbach  konnten  davon  sehr  bald 
Kenntnis  erhalten,  denn  ihnen  gehörte  Luzern,  wo  gleichfalls  ein  Zoll 
bestand.  Jedoch  darf  man  auch  nicht  übersehen,  dafs  schon  1216  sich 
in  St.  Amarin  ein  Spital  befand*,  der  Verkehr  war  schon  vorher  hier 
recht  lebhaft. 

Ich  glaube  somit,  dafs  man  die  Zeit  zwischen  1218  und  1225  am 
ehesten  für  die  Eröffnung  des  Gotthardweges  in  Anspruch  nehmen  darf. 


'  Kopp,  Geschichtsblätter  1,  54. 

2  Böhmer-Ficker  1733.  Ausgestellt  bei  Accon ;  Schöpflin,  Als.  dipl.  1,  362. 
Bestätigung  durch  Heinrich  VII.  von  1228  Dezember,  Böhmer-Ficker  4123. 
Zwischen  beide  Urkunden  ist  einzuschieben  das  von  Schöpflin,  Als.  dipl.  1,  297 
zu  1191  gesetzte  Weistum  elsässischer  Adliger  über  Murbachs  Rechte.  Insbesondere 
war  auch  über  die  Rechte  am  St.  Amarinthale  Auskunft  zu  geben,  »ubi  pedn^um 
CLccipithatur  ab  ahhate  yioviter  inMitutum.* 

^  Räubereien  z.  B.  1251  Digot,  Hist.  de  Lorraine  2,  155. 

*  Gatrio,  Die  Abtei  Murbach  im  Elsafs  1,  253.  In  der  »Benovatio  jxirinm 
abhatis  Murhcicensis  in  prapositum  et  can<ynico8  8.  Amanni*  von  1216  heifst  es:  »ecciesie 
hoftpitdle  habet,  quoä  tenet  dtdmas  in  vaUe  et  extra  vallem  sibi  statutos  cenaus  et  curiaa, 
de  quibus  pirqirinif  pauperes,  infirmi,  debiles  ab  hospitalatio  dehcnt  securari*  (Mit- 
teilung des  Archivdirektors  Dr.  Pfannenschmied).  Nach  Gatrio  wäre  die  Stiftung 
unter  Clemens  III.  (1187—1911)  erfolgt. 


Der  Gotthardpafs  bis  1298.  179 

Sechzehntes  Kapitel. 
Der  Gotthardpafs  bis  1298.    Unterer  Hauenstein.    Bfindener  PSsse. 

Der  Gotthardpafs  bis  1298.  Widerstand  von  ScJiicyz,  Erwerb  weiterer  Be- 
sitzungen am  Wege.  Rudolf  hat  den  Anfang  zu  einem  Pafsstaat  gelegt,  Wahl  Adolfs, 
Die  Reaktion  gegen  die  Habsburger.  Der  Bund  der  Eidgenossen,  Welcher  Geist  schuf 
ihn?  Kämpfe,  Erste  Nachrichten  über  Kaufleute  auf  dem  Passe.  —  Unterer  Hauen' 
stein,  Zölle,  Expansion  des  Bistums  Basel,  Das  Manifest  König  Rudolfs  an  die 
Kauf  leute  bezieht  sich  auf  den  Gotthnrd,    Sendung  des  Bischofs  von  Basel  nach  Italien, 

Bünden  er  Pässe.  Leben  auf  der  Septimerstrafse.  Zölle,  Verkehrseinrichtungen. 
St.  Bernhardinpafs.  Versuche,  die  Konkurrenz  des  Gotthards  abzuwehren,  Kämpfe  im 
Bergell,    Torriani  und  ViscotUi  in  Mailand.    Bildung  der  dortigen  Signorie. 

Der  Teil  der  habsburgisehen  Besitzungen,  der  am  Wege  vom  St.  Gott- 
hard  nach  Basel  gelegen  war,  war  bei  der  Teilung  an  die  jüngere 
Linie  des  Hauses,  an  die  Laufenburger  gekommen,  die  von  vornherein 
mit  den  gröfsten  Schwierigkeiten  zu  kämpfen  hatten.  Der  Widerstand 
ging  aus  von  der  Landschaft  Schwyz,  die  Dezember  1240  wirklich  von 
dem  Faenza  belagernden  Kaiser  eine  Urkunde  erwirkte,  wonach  sie  als 
freie  Reichslandschaft  fortan  bestehen  sollte^.  Der  Versuch  von  Schwyz, 
dieselbe  Stellung  wie  Uri  zu  erringen,  mifslang  freilich  noch,  aber  die 
Urkunde,  deren  rechtliche  Folgen  ja  bestritten  sind,  beweist,  dafs  auch 
in  dieser  Thalgemeinde  ein  Streben  nach  Reichsunmittelbarkeit  sich 
geltend  machte  und  der  Kaiser  das  beifkllig  aufnahm.  Die  am  Luzemer- 
see  fühlten  die  Bedeutung,  die  ihrem  Lande  in  einer  Verbindung  mit 
dem  Kaiser  zukam.  Die  Kämpfe  am  See,  wo  Schwyz  und  Obwalden 
treu  zur  Fahne  der  Ghibellinen  hielten,  Uri  jedoch  den  päpstlichen  Ge- 
boten sich  fügte ^,  hatten,  so  weit  wir  sehen  können,  nur  ein  Ergebnis: 
der  jüngeren  Linie  war  der  Besitz  verleidet,  und  das  Haupt  der  älteren 
Linie,  Graf  Rudolf,  der  spätere  König,  wandte  eine  sehr  bedeutende 
Summe  daran,  um  Mai  1273  den  Besitz  der  Laufenburger  zum  Teil  zu 
erwerben.  Darunter  waren  Leute  und  Gut  in  den  Waldstätten,  die  Amter 
WiUisau  und  Sempach,  Casteln  und  Sursee®.  Die  beiden  letzteren  waren 
Stücke,  die  durch  Erbfolge  von  den  Kyburgern  an  die  Laufenburger 
übergegangen  waren. 


»  Böhmer-Ficker  3155. 

^  Diese  Kämpfe  hat,  soweit  das  nach  Lage  der  Quellen  möglich  ist,  Brefslau 
in  seiner  voi*treff liehen  Arbeit:  Das  älteste  Bündnis  der  schweizer  Urkantone. 
Jahrb.  f.  Schweiz.  Gesch.  20,  1 — 36  aufgeklärt. 

*  Am  besten  orientiert  über  den  Umfang  und  die  (Jeschichte  der  einzelnen 
Amter  der  Kommentar  von  Maag  in  den  Anmerkungen  zu  dem  Habsburgisehen 
Urbar,  den  ich  statt  aller  weiteren  Litteratur  anziehe.  Bez.  dieser  Erbschaft  1,  130 
Anm.  2.    177.    179.   181.    187. 

12* 


180  Sechzehntes  Kapitel. 

Ein  erheblicher  Teil  des  Weges  war  damit  in  den  Besitz  der  späteren 
österreichischen  Linie  gekommen,  und  der  nunmehr  zum  König  erhobene 
Rudolf  setzte  alles  daran,  die  fehlenden  Glieder  hinzu  zu  erwerben,  wie  er 
ja  überhaupt  gleich  seinem  ihm  noch  überlegenen  Sohne  Albrecht  jede 
Gelegenheit  dazu  benutzte,  einen  verarmten  Freiherrn  oder  Grafen  oder 
ein  schlecht  wirtschaftendes  Kloster  auszukaufen.  Wohl  durch  Friedrich  II. 
war  die  Vogtei  Urseren  von  der  Reichsvogtei  über  das  Gebiet  des  Klosters 
Disentis  getrennt  und  an  die  Grafen  von  Rapperswil  gegeben  ^ ;  als  diese 
1283  ausstarben,  gab  sie  König  Rudolf  seinen  Söhnen  zu  Lehen^.  Am 
entgegengesetzten  Ende  auf  der  Abdachung  der  Hochebene  zur  Aare  liin 
wurde  wohl  1288  und  99  Zofingen  und  Aarburg  von  schlechten  Wirt- 
schaftern, den  Grafen  von  Froburg,  gewonnen^.  Die  in  der  Mitte  gelegene 
Burg  Rothenburg  wurde  mit  dem  zugehörigen  Amte  vor  1291  von  dem 
Geschlechte  gleichen  Namens  gekauft*,  und  in  diesem  Jahre  gelang  dann 
die  Erwerbung,  welche  bestimmt  zu  sein  schien,  auf  alle  Zeiten  den 
Gotthard  dem  Hause  Habsburg  zu  sichern;  es  wurde  die  Stadt  Luzern 
und  der  benachbarte  umfangreiche  murbachische  Besitz  erworben^.  In 
dieser  Stadt  war  die  Herrin  des  Sees  gewonnen,  im  gleichen  Jahre 
schlofs  König  Rudolf  die  Augen. 

Er  hatte  seinem  Hause  nicht  allein  im  fernen  Osten  eine  neue 
Heimat  erworben,  sondern  auch  in  der  alten  den  Besitz  mehr  als  ver- 
doppelt. Der  Erwerb  an  der  Gotthardstrafse  war  nur  eine  von  den  Ex- 
pansion srichtungen  seiner  Herrschaft,  die  hier  gewonnenen  Stücke  ver- 
banden zugleich  den  starken  nordöstlich  gelegenen  Besitz  mit  dem  Besitz 
in  Wohlhausen  und  näherte  sich  der  Exklave  Freiburg  im  Üehtland. 
Die  Gotthardstrafse  lief  am  südwestlichen  Rande  des  geschlossenen  Ge- 
bietes der  Habsburger  entlang.  Rudolf  hatte  den  Grund  zu  einem  öster- 
reichischen Pafsstaate  deutscher  Zunge  gelegt  und  den  Plan,  weiter 
westlich  einen  solchen  romanischen  Blutes  zu  begründen,  verhindert. 
Wir  werden  später  sehen,  wie  Peter  II.  von  Savoycn  den  gewaltigen 
Versuch  machte,  um  den  Genfersee  einen  Staat  zu  errichten,  einen  Eck- 
stein zwischen  Frankreich,  Deutschland  und  Italien,  die  Walliser  Pässe 
und  den  von  Jougne  beherrschend.  Der  Versuch  mifslang,  weil  Rudolf 
sich  ihm  entgegenwarf,  Freiburg  habsburgisch  wurde  und  Bern  seine 
Reichsunmittelbarkeit  behauptete.    Der  Savoycr  hat  sein  Haus  in  London 


1  1,  285. 

8  Böhmer-Redlich  1947». 

'  1,  488  u.  498.  Der  Beginn  des  Übergangs  fallt  schon  ins  Jahr  1274  ebda. 
Böhmer-Redlich  188»  u.  1893». 

*  1,  196. 

^  1,  215.  Die  Habsburger  hatten  schon  vorher  dort  als  Kastvögte  von  Mur- 
bach Rechte. 


Der  Gotthardpafs  bis  1298.  181 

dem  Hospiz  auf  dem  St.  Bernhard  vermacht,  als  wollte  er  zeigen,  dafs 
dieser  Pafs  der  Rückgrat  seiner  Pläne  gewesen.  Sein  Traum  war  zer- 
ronnen, aber  auch  die  Habsburger  waren  nicht  glücklicher. 

Wäre  die  deutsche  Königskrone  Rudolfs  Hause  verblieben,  so  würde 
unzweifelhaft  früher  oder  später  ein  Habsburger  auch  das  letzte  Glied  — 
Uri  —  seinem  Besitze  eingefügt  haben.  Nach  der  Wahl  Adolfs  von 
Nassau  fehlte  jedoch  den  Habsburgern  die  Möglichkeit,  hier  Reichsrechte 
zu  gewinnen,  und  ganz  richtig  und  instinktiv  fühlten  die  Bewohner  der 
Thäler  heraus,  dafs  diese  Stunde  für  sie  entscheidend  sei.  Hatten  sie 
früher  sich  zum  Schutze  des  Landfriedens  verbunden,  und  hatte  diesem 
Bunde  die  antihabsburgische  Tendenz  gefehlt  ^  so  war  das  neue  Bündnis, 
der  Bund  von  1291  zwischen  Uri,  Schwyz  und  Nid-  und  Obwalden,  ein 
Verein  gegen  das  Haus  Habsburg. 

König  Rudolf  hatte  den  Waldorten  gegenüber  keine  AngriflFspolitik 
betrieben^,  aber  sein  System,  alle  Kräfte  der  Unterthanen  anzuspannen, 
um  die  Mittel  für  seine  Landerwerbungen  zu  gewinnen,  sich  nicht  um 
die  Ansprüche  anderer  Familien  zu  kümmern,  hatte  eine  gewaltige  Miß- 
stimmung erzeugt,  welche  nun  spontan  an  vielen  Stellen  zugleich  zum 
Ausbruch  kam.  Da  waren  die  eigenen  Vettern  von  der  Laufenburger 
Linie,  die  alten  Rivalen  aus  dem  Hause  Savoyen,  ein  grofser  Teil  des 
dynastischen  Adels,  also  zumeist  die  Elemente,  welche  später  der  Ead- 
genossenschaft  weichen  sollten,  ferner  die  Reichsstädte  Bern  und  Zürich, 
das  eben  erworbene  Luzern. 

Am  folgenreichsten  war  aber  der  ewige  Bund,  den  nicht  drei 
Wochen  nach  Rudolfs  Tode  Uri,  Schwyz  und  Nidwaiden  abschlössen  ^. 
Das  Haus  Österreich  war  darin  nicht  genannt,  es  ist  der  wesentlichste 
Kern  des  Bundesbriefes  die  Erneuerung  des  älteren  Landfriedensbundes, 
nur  ein  einziger  Paragraph  enthält  die  politische  Spitze :  die  Thäler  werden 
keinen  Richter  mehr  nehmen,  der  sein  Amt  für  Geld  erworben  habe 
oder  nicht  ihr  Landsmann  sei.  Das  war  für  Uri  gegen  den  König,  für 
die  beiden  anderen  Länder  gegen  <lie  Habsburger  gerichtet,  und  es  war 
entsprungen  dem  Bestreben,  eine  energische  und  uneingeschränkte  Selbst- 

^  Brefslau  a.  a.  0.  S.  34.  Die  Zeit,  in  der  dieser  ältere  Bund  entstand,  läfst 
sich  nicht  sicher  feststeilen.  Man  kann  an  die  Zeiten  des  Interregnums  denken, 
aber  ebensogut  an  die  Tage  Rudolfs. 

*  Vgl.  die  Urkunden  für  Uri  und  Schwyz.  Böhmer-Redlich  84  u.  2422,  die 
Urkunde  der  erwählten  Königin  Ochsli,  Regest  221.  Besonders  beachtenswert  ist 
mir  immer  die  Nachricht  des  Matthias  von  Neuenburg  erschienen,  wie  König  Rudolf 
1289  des  Bergsteigens  gewohnte  Schwyzer  im  Kampfe  verwendete.  Wenn  sie  so 
sehr  mit  den  Habsburgern  verfeindet  waren,  wie  man  gewöhnlich  meint,  hätten  sie 
schwerlich  so  wichtige  Hilfe  gewährt. 

^  Öchsli  S.  381  abgedruckt,  vgl.  die  Auseinandersetzungen  Brefslau s  über 
die  Entstehung  der  einzelnen  Artikel  a.  a.  0.  S.  31  ff. 


]g2  Ty^hzehnt^ra  Kapitel. 

v#;rwaltufi^  zu  f>««itz':n.  AUo  auch  der  König  sollte  nicht  mehr  einen 
fr^nden  I^anilaniinann  setzen  können,  wie  die  Staufer  an  die  Spitze  der 
Outo-  und  Sta^ltrerwaltung  oft.  namentlich  in  Italien,  Ortsfremde  gesetzt 
4iattcn.  Eh  war  der  Geist  der  Lokalisierung,  der  in  der  Schweiz  so 
mAr:htig  ist  und  jr:den  Kanton  bis  heute  antreibt  womöglich  alle  Ämter 
und  alle  Thätigkeiten  durch  Eingeborene  versehen  zu  lassen.  Wir 
wiMH'jif  wie  sehr  die  ruhmvolle  Geschichte  der  Schweiz  darauf  beruht. 
Als  ein  Dokument  dieser  lokalen  Absonderung  ist  jener  Artikel  an- 
zuHfjhen.  iJie  Gefahr,  gegen  welche  man  sich  schützen  wollte,  war  die 
diM  Aufgehens  in  gröfsere  Verbände,  und  diese  drohte  am  stärksten, 
wenn  wieder  ein  Habsburger  König  wurde.  Der  Gegensatz  ist  der  mittel- 
alti;rliche  l^;amtenstaat  und  die  Selbstverwaltung  von  durch  die  Natur 
geschijtztisn  bäuerlichen  Gemeinden. 

Herzog  Albrecht  blieb  im  Kampfe  wider  seine  zahlreichen  Gegner 
im  wesentlichen  Sieger.  Die  Niederlage  der  Züricher  vor  Winterthur 
warf  seine  Feinde  nieder;  als  Albrecht  im  Lande  erschien,  ergab  sich 
ihm  Luzern  sofort.  Die  Kidgenossen  verharrten  zunächst  noch  im 
Kampfe,  und  als  nun  der  Herzog  sich  anschickte,  König  Adolf  nieder- 
zuwerfen, Serbien  ihnen  die  Stunde  gekommen  zu  sein.  Uri  und  Schwyz 
sandten  leiten  zum  Könige,  und  dieser  nahm  sich  ihrer  an  und  ver- 
Mpra<'li,  sie  niemals  aus  seiner  und  des  Keiches  Herrschaft  dahingehen 
zu  wollen  ^  Doch  auch  diesosmal  war  die  Stunde  der  Befreiung  noch 
nicht  gekomm(;ii.  Die  Schlacht  bei  Göllhcim  entschied  gegen  sie  und 
für  den  gefürchteten  Herzog  von  Österreich. 

In  den  Tagen  <liesor  Kämpfe  hatten  zwei  Kaufleute  von  Monz% 
BoltrammuH  von  Halorna  und  Payl  Harimannus  ihre  von  Norden  her 
konuuendttn  Wurenballen  durch  Uri  befbrdeni  lassen  wollen,  allein  das 
verbot  der  östernsichlsclK^  Landvogt  im  Aargau.  Die  Güter  wurden  in 
Luzern  nn't  Ht-schliig  belegt,  und  der  Arrest  erst  nach  geraumer  Zeit  auf- 
gehoben. Die  beiden  Gemafsregelten  versprachen,  sich  nicht  an  Luzernern 
oder  anden^n  Unterthanen  der  Habsl>urgor  rächen  zu  wollen  -.  Es  ist 
das  oTHiVi  Mal,  <lafs  wir  direkt  die  Namen  von  Kaufleuten  erfahren,  die 
<lon  (iotthardpafs  benutzen  wollten.  Trotz  der  Unruhen  hatten  sie  ihren 
Weg  dorthin  genommen,  ein  Beweis  daHlr,  dafs  der  Verkehr  ein  häufiger 
war.  Auch  aus  den  Streitigkeiten  zwischen  den  Städten  Basel  und 
Luzern  ersehen  wir,  dals  auch  deutsche  Kaufleute  mindestens  bis  Luzern 
kamen  °.     Einen   anderen  Beweis   für   die  Benutzung  des  Gotthardpassea 

«  ÖchKli.  Kop'Ht  4W  u.  410. 

■  Kopp,  Urkwiidoii  z.  (t«»Hoh.  d.  oidgon.  Hfindc  1  Nr.  26.  Besiegelt  wurde  die 
ITrkinidt*  iiirht  etwa  von  der  Stadt  Moiiza,  Hondern  von  Mailand. 

«  liaseler  Urkh.  M,  2^.  70.  225  (f.  2.V2.  Ks  safsen  1298  drei  Basler  in  Luzern 
gefangen. 


Unterer  HaueDstein.  183 

mag  man  darin  suchen,  dafs  König  Rudolf  bei  dem  Befehl,  den  Erz- 
bischof Siegfried  von  Köln  gefangen  zu  nehmen,  der  in  der  Maske  eines 
Kaufmanns  durchzureisen  versuchen  werde,  ihn  :> circa  Lozeriam^  ver- 
mutete ^ 

Ehe  wir  König  Albrechts  Stellung  zu  den  Urkantonen  besprechen 
können,  müssen  wir  die  Geschichte  der  nördlichen  Fortsetzung  der 
Gotthardstrafse  nachholen. 

Von  den  drei  grofsen  Jurapässen  war  der  südwestliche  der  über 
den  grofsen  Hauenstein,  ein  Pafs  der  Grafen  von  Froburg,  der  nord- 
westlichste seit  dem  Ende  des  zwölften  und  dem  Anfange  des  dreizehnten 
Jahrhunderts  ein  habsburgischer  Pafs^,  an  dem  beide  Linien  einen  Anteil 
hatten.  Hier  war  die  Verbindung  zwischen  Brugg — Windisch — Habsburg 
und  Basel.  Der  wichtigste  Pafs  wurde  nun  mit  der  Eröffnung  des  Gott- 
hards  der  mittlere,  der  über  den  unteren  Hauenstein.  Hier  wurden  die 
Grafen  von  (Neu-)Homberg  durch  den  Bischof  von  Basel  und  Baseler 
Bürger  ersetzt^. 

Von  Ölten  steigt  der  alte  Weg  in  mehreren  Kehren  zum  Passe 
empor,  gleich  jenseits  liegt  das  Dorf  (Horb)  Hauenstein,  dann  senkt  er 
sich  allmählich  in  das  Thal  der  Ergolz  und  fuhrt  über  Liestal,  wo  die 
Strafse  über  den  oberen  Hauenstein  einmündet,  und  Pratteln  an  die  Birs- 
brücke  oberhalb  Basel.  Auf  dieser  Strecke  lagen  drei  Zölle;  sie  wurden 
an  Stellen  erhoben,  die  nicht  leicht  umgangen  werden  konnten,  gesperrt 
wurde  die  Strafse  durch  die  Burg  Froburg  und  die  um  die  Mitte  des 
dreizehnten  Jahrhunderts  entstandene  Veste  Neu-Homberg  *. 

Der  erste  Zoll  wurde  am  Fufse  des  Passes  unterhalb  der  Burg 
Froburg  in  Trimbach,  dann  in  Horb  (Hauenstein)  erhoben.  Zum  ersten- 
male  erwähnt  wird  er  zwar  erst  1363^  und  erscheint  damals  als  ein 
Appendix  der  Landgrafschaft  im  Sifsgau  und  zwar  im  Besitze  der  Grafen 
Rudolf  von  Habsburg-Laufenburg,  Johann  von  Froburg  und  Sigmund  von 
Thierstein.  Er  wurde  damals  nach  Diepflingen  verlegt.  Es  ist  möglich, 
dafs  dieser  Zoll  im  dreizehnten  Jahrhundert  noch  nicht  bestand.  Für 
diese  Zeit  bezeugt  ist  aber  der  zu  Liestal  von  den  Grafen  von  Homberg 
erhobene  ®.  Dieser  Zoll  hat  für  uns  nach  mehreren  Seiten  hin  erhebliches 
Interesse.    Das  Haus  Neu-Honiberg  war  von  Graf  Hermann  von  Froburg 


'  Böhmer-Redlich  1432. 

*  Hauptsächlich  gründete  sich  das  auf  die  Vogtei  über  Säckingen,  doch  gehörte 
ihnen  auch  die  Landgrafschaft  im  Frickgau  u.  a.    Habsb.  Urbar  1,  56  u.  sonst. 

»  Vgl  Geering  S.  197—200  und  Freivogel,   Die  Landschaft  Basel  (Bemer 
Dissertation  1893)  S.  51  u.  134. 

*  Freivogel  S.  76  f.  121  u.  sonst. 

*  Boos,  Urkundenbuch  der  Landschaft  Basel. 

*  So  viel  ich  sehe,  älteste  Erwähnung  1266.    v.  Liebenau,  Regesten  S.  290. 


184  Sechzehntes  Kapitel. 

begründet  ^  Von  seinen  beiden  Söhnen  Friedrich  (Werner)  und  Ludwig 
hatte  der  letztere  Elisabeth  Gräfin  von  Rappers wil  geheiratet.  Als  1283 
der  männliche  Stamm  dieses  Grafenhauses  ausstarb,  räumte  König  Rudolf 
die  Reichslehen  —  darunter  das  Thal  Urseren  —  nicht  der  Erbin  der 
Allodien  ein,  sondern  übertrug  sie  seinen  Söhnen.  Ludwig  war  tief  ge- 
kränkt, aber  er  diente  doch  dem  Könige  und  fiel  in  seinem  Dienste  vor 
Bern.  Die  Witwe  zog  dem  Könige  nach,  endlich  erreichte  sie  einen 
Ausgleich;  unter  den  ihr  zugesprochenen  Gütern  befand  sich  aber  nicht 
die  Reichsvogtei  über  Urseren^.  Auf  andere,  den  Habsburgern  sehr 
schädliche  Weise  sollte  sich  aber  doch  ein  Sohn  der  Erbin  von  Rupperschwil 
auf  der  Gotthardstrafse  festsetzen.  Sie  hatte  drei  Söhne,  Werner,  Rudolf 
und  Ludwig,  während  der  andere  Zweig  nur  den  an  Jahren  weit  älteren 
Grafen  Hermann  zählte  und  aulserdem  Ita,  später  die  Gemahlin  des 
Grafen  Friedrich  von  Toggenburg.  1296  waren  die  Besitzungen  am 
Jurapasse  noch  nicht  zwischen  den  beiden  Linien  geteilt,  aber  die 
Homberger  standen  bereits  unter  dem  Drucke,  dem  sie  bald  weichen 
mufsten.  Bischof  Peter  Reich  von  Basel  hatte  den  Grafen  Hermann  be- 
siegt, er  mufste  sich  nur  verpflichten,  Liestal  oder  die  Burg  Homberg, 
welche  ihm  bei  der  Teilung  zufalle,  dem  Bistume  aufzugeben  und  von 
ihm  zu  Lehen  zu  nehmen^.  Die  Teilung  ist  dann  wirklich  erfolgt,  und 
Hermann  erhielt  sowohl  die  Stadt  Liestal  wie  die  Burg  Neu-Homberg,  seine 
Schwester  und  Erbin,  Gräfin  Ita  von  Toggenburg,  verkaufte  dann  beide 
mit  dem  Hofe  Ellenweilcr  für  2100  Mark  Silber  an  Bischof  Peter  Ais- 
palter  von  Basel,  den  wir  später  näher  kennen  lernen  werden*.  Die 
Stadt  Basel  erwarb  von  den  Hombergem  das  Recht  der  Birsfölire  und 
zugleich  das,  zwischen  Mönchenstein  und  dem  Rhein  über  die  Birs 
Brücken  zu  schlagen^.  Mit  Glück  haben  die  Bischöfe  von  Basel  in 
jener  Zeit  operiert,  nun  war  auch  der  wichtige  Pafs  wenigstens  zum  Teil 
in  ihren  Händen. 


Hermann 


Ludwig  t  1289  Wernher  (Friedrich) 

Gem.  Elisabeth  v.  Rappcrswii  f  1309 

Gem.  Gf.  Maria  _  Wemher     Rudolf     Ludwig      Hermann     Ita,  Gem.  Grf.  Friedrich 
vonöttingen    ~     f  1320  t  1303  von  Toggenburg 

WorniTt  1328. 

*  Kopp,  Roichsgeschiehte  II,  1  S.  3o3  ff. 

8  Urkunde  vom  17.  Februar  1296  Boos,  Urkundenbuch  der  Landsr.haft  Basel  1 
Nr.  184.  Schon  1255  hatte  das  Baseler  Bistum  vom  Grafen  Volmar  von  Froburg  sich 
ausbedungen,  dafs  er  seiner  Lehenspflicht  getreu  jederzeit  durch  Ölten  freien  Durch- 
zug gewähre,    v.  Lieben  au,  Regesten  S.  286. 

*  Boos  1  Nr.  217  u.  219. 

»  Baseler  Urkb.  3,  127  ff.     Boos  1  Nr.  183. 


Unterer  Ilaueustcin.  Ig5 

Der  zu  Liestal  erhobene  Zoll  war  freilich  nicht  mehr  darin  einbe- 
griflfen.  Schon  bei  Lebzeiten  des  Grafen  Hermann  war  derselbe  1302 
von  ihm  mit  Zustimmung  seines  Vetters  Graf  Volmar  von  Froburg  für 
die  Zahlung  von  80  Mark  Silber  an  zwei  Baseler,  Mathias  Rieh  und 
Hug  zer  Sunnen ,  zu  Lehen  gegeben  worden  ^  So  ging  dem  Hause 
Homberg  die  Nutzung  des  Passes  verloren.  Eine  Zustimmung  seines 
Vetters  erwähnt  die  Urkunde  nicht,  inzwischen  war  also  eine  wirkliche 
Teilung  erfolgt,  wenn  der  Vetter  Wernher  auch  noch  minorenn  war, 
^^'ernher  hatte  aber  in  seiner  Jugend  das  Leben  und  Treiben  auf  einer 
Handelsstrafse  beobachten  können,  vielleicht  war  er  auch  mit  welschen 
Kaufleuten  und  Reisenden  in  nähere  Berührung  gekommen.  In  späteren 
Jahren  sollte  Graf  Wernher  die  Weite  seines  Blickes  glänzend  be- 
währen, er  verstand  es  besser,  als  sein  Vetter  Hermann,  aus  dem 
Handelsverkehre  Nutzen  zu  ziehen.  Wir  werden  noch  von  ihm  näher 
zu  reden  haben. 

Ein  dritter  Zoll  lag  in  der  Nähe  von  Basel.  Leider  sind  wir 
darüber  nicht  näher  unterrichtet,  wir  wissen  nur,  dafs  ihn  das  Kloster 
St.  Georgen  in  Stein  1272  an  den  Grafen  Rudolf  von  Habsburg  ver- 
kaufte -. 

Überblicken  wir  also  die  ganze  Strecke  vom  St.  Gotthard  bis  Basel, 
wie  sich  die  Verhältnisse  bis  1298  gestaltet  hatten,  so  ist  festzustellen, 
dafs  zwei  Mächte  sich  auszudehnen  bemühen:  die  Habsburger  und  die 
Bischöfe  von  Basel,  die  kleineren  Geschlechter  und  Klöster  werden  aus- 
gekauft. Der  habsburgischen  Einwirkung  entzog  sich  Uri,  der  Einflufs 
des  Bischofs  von  Basel  war  noch  nicht  voll  entwickelt.  1298  kamen 
also  unterhalb  Aarburg  als  Geleits-  und  Zollherren  die  Grafen  von 
Homberg,  vielleicht  auch  noch  die  Grafen  von  Froburg  (Brücke  in 
Ölten,  Zoll  in  Hauenstein)  in  Frage,  die  Strafse  von  Aarburg  bis  zur 
Höhe  des  St.  Gotthard  war  mit  Ausnahme  von  Uri  eine  habsburgische 
Strafse  geworden. 

Von  diesen  Gesichtspunkten  aus  wird  nun  auch  das  Manifest  König 
Rudolfs  an  die  italienischen  Kaufleute  verständlich,  mit  dem  man  bisher 
nichts  Rechtes  anzufangen  wufste.  Von  dem  belagerten  Pruntrut  schrieb 
der  König  an  die  Kaufleute  Italiens,  der  Romagna,  Tuscien,  Sizilien, 
Apulien,  Calabrien,  Terra  di  Lavoro,  Sardinien  und  den  andern,  welche 
die  Messen  von  Frankreich,  der  Champagne  und  Flandern  besuchen,  dafs 
er  nun  an  die  Grenzen  von  Burgund  und  Schwaben  gekommen  sei  und 


*  Boos  1  Nr.  204  u.  209.  Schon  vorher  hatte  Matthias  eine  Rente  auf  dem 
Zoll  angewieHen  erhalten.  Boos  Nr.  199.  Die  Summe  von  80  Mark  drückt  also  nur 
den  Wert  eines  Teiles  des  Zollertragea  aus. 

2  Regest  Basel.  Urkb.  2  Nr.  86. 


Igg  Sechzehntes  Kapitel. 

er  den  Kaufleuten,  über  deren  Beraubung  er  Klagen  gehört,  nunmehr 
den  Weg  sicher  machen  wolle.  Er  habe  daher  alle  Edle,  welche  vom 
Reiche  das  Geleitsrecht  zu  Lehen  haben,  von  dem  Berge,  wo  das  Geleit 
Lothringens  beginnt,  bis  zu  den  Alpen  vor  sich  berufen  und  mit  ihnen 
angeordnet,  dafs  ein  jeder  von  ihnen  den  Kaufleuten  und  Wanderern 
nach  2iahlung  des  Zolles  ein  sicheres  Geleit  gewähren  und  dafs  der,  in 
dessen  Bezirk  ein  Überfall  stattgefunden  habe,  zur  völligen  Restitution 
des  Geraubten  gehalten  sei.  Er  habe  dafür  eine  sichere  Bürgschaft  erlangt 
und  wolle,  dafs  die  Strafse  (»fpsa  strata')  von  allen  öffentlich  benutzt 
werde  und  man  möge  auf  ihn  bezüglich  der  Innehaltung  dieser  Gebote 
volles  Vertrauen  liaben  ^ 

Was  hier  versprochen  war,  ging  über  das  sonst  in  den  Landfriedens- 
gesetzen Zugesagte  hinaus.  In  dem  Rudolfinischen  Landfrieden  von  1287 
erscheint  zum  erstcnmale  die  Pflicht  des  Gerichts  bez.  Geleitsherm,  den 
durch  seine  Beamten  oder  Dienstleute  gemachten  Schaden  zu  ersetzen  ^^ 
den  italienischen  Kaufleuten  hatte  Rudolf  viel  mehr  versprochen,  indem 
er  den  Herrn  pflichtig  machte  iiir  allen  innerhalb  des  Gebietes  zuge- 
fügten Schaden. 

Bezieht  sich  nun  diese  im  Stadtarchiv  von  Ypern  erhaltene  Urkunde 
wirklich  auf  den  St.  Gotthard?  Dafs  es  sich  um  eine  feste  Route 
handelt,  folgt  schon  daraus,  dafs  sie  direkt  als  tpsa  straia  bezeichnet  wird. 
Es  ist  kein  genereller  Geleitsbrief  für  alle  Wege,  die  die  Kaufleute 
nach  ihrem  Geschmacke  einschlagen  wollen,  sondern  für  einen  bestimmten. 
Dieser  beginnt  auf  einem  Berge,  wo  das  lothringische  Gebiet  seinen  An- 
fang nimmt..  Damit  sind  eigentlich  schon  alle  weiter  südwestlich  gelegenen 
Wege  ausgeschlossen,  und  schon  das  führt  auf  die  über  den  höchsten 
Teil  der  Vogesen  ins  Lothringische  führende  St.  Amarinstrafse.  Rudolf 
hatte  aber  ja  die  Beteiligten  vor  sich  geladen,  wer  ist  nun  unter  den 
Belagerern  der  Stadt  nachzuweisen?  Etwa  die  Geleitsherren  des  Weges 
vom  Grofsen  St  Bernhard  über  Jougne  ?  Dann  müfsten  anwesend  ge- 
wesen sein  vor  allem  der  Graf  von  Savoyen  und  der  Pfalzgraf  von 
Burgund.  Graf  Philipp  von  Savoyen  stand  mit  dem  König  auf  ge- 
spanntem Fufse,  und  gegen  einen  Sohn  des  Pfalzgrafen  ging  der  Kriegs- 
zug. Für  die  Gotthardlinie  kamen  als  Geleitsherren  in  Frage:  der  Abt 
von  Murbach,  der  Graf  von  Pfirt,  der  Bischof  von  Basel,  die  Grafen 
von  Homberg  und  Froburg  und  vielleicht  auch  die  Freiherrn  von  Rothen- 
burg und  König  Rudolf  selbst.  Und  in  der  That  sind  nun  vor  Pruntrut 
der  Bischof  und  Abt,    sowie   die  Grafen  von  Pfirt  und  Froburg  nachzu- 


>  Böhmer-Redlich  1774  1283  März  29.    Warnkönig,   Flandrische  Staats- 
und Rechtsgeschichte  2,  (176). 

'  Wyneken,  Die  Landfrieden  S.  11. 


Bündencr  Pässe.  J87 

weisend     Es   ist  also  jeder  Zweifel  ausgeschlossen.     Das  Manifest  gilt 
dem  Gotthardwege. 

König  Rudolf  begnügte  sich  aber  nicht  mit  diesem  Manifeste,  er 
sandte  sofort  nach  der  Einnahme  der  Stadt  einen  seiner  hervorragendsten 
Staatsmänner,  den  Bischof  Heinrich  von  Basel,  der  es  von  einem  ein- 
fachen Bürgerssohne  und  Minoritenmönch  zum  Erzbischofe  von  Mainz 
brachte,  nach  Como,  wo  er  in  der  That  von  der  Stadt  den  Treueid  er- 
hielt und  das  Versprechen,  dem  deutschen  Heere  Wege  und  Stege  oflFen 
zu  halten^.  Eine  zweite  Sendung  an  den  thatsächlichen  Herren  der 
Lombardei,  den  Erzbischof  von  Mailand,  Otto  Visconti,  den  Begründer 
der  Macht  seines  Hauses,  blieb  erfolglos®. 

Das  Aufblühen  des  Gotthardverkehres  war  fiir  die  Bündner  Pässe 
sehr  fühlbar  geworden.  Es  beginnt  die  Rivalität,  welche  dem  Verkehre 
zu  gute  kommen  sollte,  sich  zu  äufsem.  Der  Septimerpafs  war  noch 
keineswegs  verödet,  er  galt  noch  immer  so  sehr  als  der  wichtigste  der 
Bündnerpässe,  dafs,  als  Bischof  Konrad  H.  ein  Gesuch  an  das  Provinzial- 
kapitel  des  Predigerordens  richtete,  sie  möchten  doch  auch  in  seiner 
Stadt  ein  Kloster  errichten,  er  die  Lage  und  Bedeutung  seiner  Stadt  da- 
durch hervorhob,  dafs  er  schrieb,  sie  liege  am  Fufse  des  Septimer,  und 
das  Kloster  würde  für  die  Brüder,  welche  über  die  Alpen  gehen  wollten, 
nötig  sein,  damit  sie  dort  Trost  und  Stärkung  fänden*.  Der  Wunsch 
ging  in  Erfiillung.  Die  Zahl  der  Klöster  am  Wege  war  um  eins  ver- 
mehrt. Manchen  müden  Wandersmann,  der  von  der  Lenzer  Heide  kam, 
hat  auch  unzweifelhaft  das  damals  blühende  Kloster  Churwalden  auf- 
genommen*. Das  wichtigste  Asyl  für  den  Wanderer  war  das  Hospiz  auf 
der  Pafshöhe  selber,  es  erhielt  mannigfache  Schenkungen,  doch  darf  man 
sie  nicht  entfernt  mit  denen  vergleichen,  mit  denen  ein  Jahrhundert  vor- 
her das  des  Grofsen  St.  Bernhard  bewidmet  wurde®.  Die  Schenkgeber, 
die  uns  bekannt  sind,  stammen  aus  nächster  Nähe,  es  sind  Angehörige 
der  Geschlechter  Castelniur,  Juvalt  und  Bivio''.  Friedrich  H.  bestätigte 
als  der  letzte  der  deutschen  Könige  die  familia  montis  Septitni  dem  Bis- 


'  Böhmer-Redlich  1771  (die  Emondation  Horburg  statt  Froburg  ist  ab- 
zulehnen).   Der  Abt  von  Murbach  ist  nachgewiesen    Kopp  2,  2,  345. 

«  Böhmer-Redlich  1779  das  Kreditiv.  Der  Vertrag  mit  Como  vom  21.  Mai 
1283  bei  Rovelli  2,  385. 

»  Böhmer-Redlich  1799c. 

*  Mohr  1,  397. 

^  Dem  Kloster  wurden  damals  zahlreiche  Schenkungen  gemacht. 

*  Auf  die  Disciplin  im  Spital  wirft  kein  gutes  Licht,  dafs  »Otto,  qui  th'cttur 
Ractidrufiy  filius  quondam  Ändree  Bac\idn\  rectoris  seu  monachi  ivchsie  seu  hospitalis 
S.  Petri  montis  Septitni •  das  Kloster  nach  aufsen  vertritt.    Mohr  1,  389. 

'  V.  Mohr  2,  68. 


138  Sechzehntes  Kapitel. 

turne  Chur^  Neu  entstand  1233  das  Hospiz  zu  Silvaplana  am  Südfufs 
des  Julier  ^. 

Auch  die  Nachrichten  über  die  Burgen  am  Wege,  die  Zölle  und 
Verkehrseinrichtungen  sind  nicht  besonders  reichhaltig.  Besonderes 
Interesse  erregt  eine  Urkunde,  worin  den  Bewohnern  des  Innthales  von 
den  Freiherrn  von  Vaz  und  Belmont  sicheres  Geleit  zugesichert  wurde*. 
Da  diese  Herren  nur  Besitz  westlich  von  Chur,  der  Vazer  auch  südlich, 
hatten*,  ergiebt  sich,  dafs  die  Innthaler  auch  bis  ins  Vorderrheinthal 
Handel  trieben.  Wir  dürfen  uns  die  Alpen  auch  in  ihrer  Längsrichtung 
eben  nicht  verkehrlos  darstellen. 

Von  den  Zöllen  taucht  der  alte  Brückenzoll  von  Chiavenna  noch 
einmal  auf  und  zwar  im  Besitze  der  Freiherrn  von  Vaz  **.  Der  Zoll  von 
Castelraur,  der  am  Luver  erhoben  wurde,  war  dem  zwischen  1290  und 
1298  entstandenen  Einkünfterodel  des  Bistums  Chur  zufolge  an  Zöllner 
verpachtet®.  In  Vico  soprano  wurde  ein  Fürlaiti  erhoben,  und  zwar 
mufste  jede  Saumlast  mit  Ausnahme  des  Weines  zwölf  Imperialen  be- 
zahlen''; der  Zoll  von  Chur  unterschied  die  Provenienz  der  Waren,  ein- 
heitlich war  der  Satz  für  alle  W^aren  deutscher  Herkunft.  Was  von 
Feldkirch,  also  das  Bheinthal  hinauf  kam,  zahlte  vier  Imperialen  fUr  die 
Rubb,  der  Satz  für  das,  was  von  Zürich  her  gebracht  wurde,  war  halb 
so  hoch;  es  war  doch  wohl  diese  niedrigere  Taxe  ein  Mittel,  um  den 
Züricher  Verkehr  vom  Gotthard  abzulenken  ".  Bei  den  von  der  Lombardei 
kommenden  W^aren  gab  es  für  einzelne  Artikel  besondere  Sätze.  Die 
trockenen  mufsten  von  jeder  Saum  vier  Schilling  entrichten.  Der  Zoll 
am  Walensee  wird  als  ein  Zoll  von  Rompilgern  bezeichnet,  Waren 
werden  nicht  erwähnt,  doch  waren  Pilger  ja  sonst  grundsätzlich  zollfrei  ®. 

Der  Bischof  von  Chur  hatte  auf  dem  Septimerwege  zwei  Relais- 
stationen für  Saumtiere.  Die  bischöflichen  Höfe  von  Praden  bei  Alva- 
schein  und  Schweinigen  hatten  nach  achttägiger  Voransage  für  die  Fahrt 
nach  Chiavenna  oder  in  den  Vintschgau  dem  Bischöfe  fünf  und  vier,  zu- 
sammen  neun  Saumrosse   und  zwar  in  Praden  zu  stellen*^.     Die  zweite 


»  Böhmer-Ficker  697  1213  April.    Mohr  1,  251. 

*  Arch.  f.  österr.  Gesch.  15,  *M4. 
8  Unsere  Urkunden  Nr.  280. 

*  Die  Belmonter  nur  im  Vorderrheinthal.     Juvalt,  Forschungen  2,  214  ff. 

6  1284  Mohr  2,  29. 

«  Mohr  2,  120.     Auch  Zolltarif. 

7  Ebda. 

8  Mohr  2,  110. 

^  Mohr  2,  106.     "Item  ad  Ripam  tercia  pars  theolonei  de  Bomtis  pertinet  bände 
Marie  et  episcopo  Cariensi.a 
>«  Mohr  2,  119  u.  131. 


Bündener  Pässe.  189 

Relaisstation  war  Bivio,  die  allein  neun  Saumrosse  darbot  ^  Die  Ge- 
stellung in  Praden  legt  die  Vermutung  nahe,  als  habe  der  Bischof  bereits 
den  Albulapafs  benutzt,  es  ist  jedoch  das  durchaus  nicht  zwingend.  Die 
Strecke  Chur — Bivio  war  einfach  in  zwei  Teile  zerlegt,  und  das  ergiebt 
ungefähr  Praden.  Auch  in  Flums  am  Walensee  waren  fünf  Saumrosse 
zu  stellen*. 

Die  Ansiedlung  der  Deutschen  im  Rheinwald  kam  unzweifel- 
haft dem  Verkehr  über  den  St.  Bernhardin  zu  gute.  Ich  lasse  hier  mit 
Absicht  den  Simplen  aus.  Wir  haben  bisher  nicht  recht  ein  paar  Namen 
erklärt  erhalten,  die  das  habsburgische  Urbar  enthält^.  Die  Grenze  der 
Grafschaft  Lags  zieht  von  >Sepmen  ze  sant  Peters  nach  ^Platien-MesseUa^. 
Ein  Piz  Moäsola  liegt  westlich  am  St.  Bernhardinpafs,  und  der  kleine 
Pafssee  heifst  Lago  Moesola,  es  ist  also  gar  kein  Zweifel,  dafs  das  Urbar- 
buch unter  Blatten-Messella  den  Bernhardinpafs  versteht.  Da  das  Urbar- 
buch den  Spltigen  nicht  anftlhrt,  war  er  doch  wohl  weniger  benutzt*. 
Dafs  die  St.  Peterskirche  im  Rheinwald  nach  San  Vittore  in  Misox  ge- 
hörte, ist  schon  oben  erwähnt.  Bald  nach  Ansiedlung  der  Deutschen 
suchte  das  Kapitel  die  Kirche  wieder  zu  erwerben.  Die  Kirche  in  Hinter- 
rhein war  auch  Filiale  von  S.  Vittore*^. 

Dafs  der  Verkehr  tiber  die  Bündnerpässe  unter  der  Konkurrenz  des 
Gotthards  stark  litt,  lehrt  uns  der  Versuch,  die  Luzerner  dem  Gotthard- 
verkehre  zu  entziehen.  Die  drei,  welche  an  den  Zöllen  und  Geleiten 
beteiligt  waren,  der  Bischof  von  Chur,  der  Graf  Hugo  von  Werdenberg, 
der  in  der  Stadt  gleichen  Namens  wohl  schon  den  Zoll  hatte,  und  der 
Freiherr  Walther  von  Vaz,  dessen  Zoll  in  Chiavenna  oben  erwähnt  ist, 
der  aber  vielleicht  auch  schon  den  Zoll  bei  seiner  Burg  Strafsberg  unter- 
halb Churwalden  besafs,  versicherten  1278  allen  denen,  die  die  Strafse 
von  Churwalchen  fahren,  und  besonders  denen  von  Luzern,  gutes  Geleit 
und  guten  Frieden.  Mohr  hat  daraus  gefolgert,  dafs  überhaupt  für  die 
Luzerner  der  Handelsweg  durch  Graul)ünden  ging,  was  selbstredend  ab- 
zuweisen ist.  Ein  anderer  ähnlicher  Geleitsbrief  fällt  in  das  Jahr  1291, 
in  die  Zeit  grofser  Spannung.  Er  ist  am  4.  September  1291  vom  Bischof 
von  Chur,  Berthold  von  Werdenberg,  einem  Parteigänger  und  Verwandten 

»  Ebda.  2,  120. 

«  Ebda.  2,  106. 

»  1,  524. 

*  Das  Urbarbuch  bezeichnet  als  weitere  Grenzpunkte:  ze  Fürkel,  uf  Agi'en 
und  das  Kreuz  auf  dem  Lukmanier.  Da  Maag  Agren  ganz  richtig  mit  Greinapafs 
erklärt  hat,  bleibt  für  die  Fürkel,  ein  äufserst  verbreiteter  Pafsname,  nur  der 
Monterasciopafs  übrig,  der  eine  Variante  des  Greinapasses  ist.  Aufserdem  folgen 
noch  der  Oberalppafs  (Crispalt),  der  Panixerpais  (Wepch)  und  vielleicht  der  Kunkels- 
pafs  (Türkei). 

8  Mohr  2,  44  u.  2,  46.    Nüscheler,  Gotteshäuser  1,  88. 


190  Sechzehntes  Kapitel. 

der  Habsburger,  ausgestellt,  und  ich  trage  kein  Bedenken,  in  ihm  die 
erste  Wirkung  des  ewigen  Bündnisses  der  drei  Waldstätte  zu  sehen. 
Luzern  stand  noch  am  30.  August  auf  Seiten  der  Habsburger  * ,  der 
Verkehr  mit  Uri  war  also  in  Frage  gestellt.  Zürichs  Bündnis  mit  den 
Eidgenossen  datiert  erst  vom  16.  Oktober*,  es  nahm  bis  dahin  wohl 
keine  schroff  antihabsburgische  Stellung  ein.  So  hätten  wir  denn  in 
dem  Schritte  des  Bischofs  den  Versuch,  die  Züricher  wieder  zum  Sep- 
timer zu  ziehen.  Ich  glaube  damit  ist  der  viel  verbreiteten  Meinung, 
als  sei  der  Weg  über  Chur  für  die  Züricher  auch  nach  Eröffnung  de» 
Gotthards  der  normale  gewesen,  der  Boden  entzogen. 

Wenden  wir  uns  nach  der  italienischen  Seite.  Die  Nachrichten 
über  Kämpfe  zwischen  den  Bewohnern  des  Bergells  und  den  Bewohnern 
von  Chiavenna  und  Plurs  in  der  Zeit  von  1268  bis  nach  1277  gehen 
nicht  weiter  als  auf  Campell  zurück,  wir  wollen  sie  übergehen. 

Langsam  unter  unablässigen  Kämpfen,  welche  meist  einen  Teil  der 
Stadtbürger  aus  der  Stadt  verdrängten,  vollzog  sich  seit  der  Mitte  des 
dreizehnten  Jahrhunderts  der  Übergang  der  Stadtverwaltungen  der  lom- 
bardischen Städte  aus  den  Formen  der  Republik  in  die  der  Signorie,  und 
zugleich  wuchs  damit  die  Überlegenheit  Mailands  über  seine  Nachbarn, 
die,  innerlich  zerrüttet,  der  Herrschaft  der  Mailändischen  Signorie  erst 
auf  kurze  Fristen,  dann  für  immer  erlagen.  Seitdem  Como  es  aufgegeben 
hatte,  direkt  mit  Mailand  zu  rivalisieren,  wuchs  immer  mehr  die  Mög- 
lichkeit, dafs  diese  Stadt  das  gesamte  Vorland  der  mittleren  Alpenpässe 
unter  seinen  Einflufs  bringe.  Gestützt  auf  das  Volk  waren  die  guelfischen 
Della  Torre  in  Mailand  emporgekommen,  sie  hatten  es  an  die  (noch 
immer  maskierte)  Herrschaft  eines  Geschlechtes  gewöhnt,  als  ihre  bitter- 
sten Feinde  die  ghibellinischen  Visconti  nach  dem  Siege  von  Desio 
(Januar  1277)  sie  vertrieben  und  ersetzten.  Thatsächlich  war  der 
Herrscher  von  Mailand  jetzt  Ottone  Visconti,  der  Erzbischof  (f  1295), 
dem  sein  Neffe  und  Erbe  Matteo  als  CapUano  del  popolo  zur  Seite  stand. 

Como  hatte  in  seinen  Mauern  dieselben  Feindschaften,  die  Vitani 
und  ihre  Freunde  waren  Guelfen,  die  Ghibellinen  führten  die  Rusconi. 
Aber  die  Comasken  hatten  der  Sitte  folgend,  einen  Auswärtigen  zum 
Podestä  zu  machen,  die  Herrschaft  den  Torriani  vertraut,  wie  es  ähnlich 
andere  lombardische  Städte  gethan  hatten,  vor  der  Schlacht  von  Desio 
war  aber  Como  zu  den  Visconti  übergegangen.  Nach  mancherlei  Wand- 
lungen wurde  1292  Matteo  zum  Capitano  der  Stadt  gemacht,  auch  Ver- 
celli,  Novara  und  Casale  hatten  ihm  dieselbe  Würde  und  Macht  ver- 
liehen. 


1  Öchsli,  Regest  349. 
«  Öchsli,  Regest  352. 


König  Albrecht  und  die  schweizerischen  Alpen.  191 

Seine  Machtboten,  zwei  Bürger  von  Mailand,  schlössen  Oktober  1293 
zu  Vicosoprano  mit  dem  persönlich  erschienenen  Bischof  Berthold  von 
Chur  und  einer  Reihe  von  Adligen  einen  Freundschafts-  und  Bündnis- 
vertrag ab  ^  Wenn  auch  wohl  vorwiegend  der  Inhalt  politisch  sein  mag, 
so  entbehren  wir  doch  schmerzlich  in  Bezug  auf  Handel  und  Verkehr 
die  Kenntnis  des  Vertrages  selbst,  von  dem  bisher  nur  der  formelle 
Teil  veröffentlicht  ist. 

Matteos  Stellung  wurde  noch  immer  fester,  König  Adolf  legalisierte 
sie,  indem  er  ihn  zum  Reichsyikar  für  die  Lombardei  machte.  Unter 
den  Machtboten,  die  diese  Ernennung  überbrachten,  war  des  Königs 
Leibarzt,  Meister  Landolfo  Ravacocca  von  Galiano,  ein  Mailänder,  der 
einst  die  gleiche  Stellung  bei  König  Rudolf  eingenommen  hatte*.  Die 
Könige  Rudolf  und  Adolf  haben  ja  auch  sonst  politische  Verbindungen 
mit  der  lombardischen  Ebene  zu  unterhalten  gesucht,  aber  es  waren 
doch  nur  geringe  Erfolge,  wie  sie  z.  B.  Bischof  Heinrich  von  Basel  bei 
Como  errang*.  Mit  solchen  Pergamenten  konnte  die  Gefahr  nicht  ab- 
gewendet werden,  dafs  eine  oberitalienische  Signorie  die  Pässe  der 
Centralschweiz  ausnahmslos  von  sich  abhängig  mache. 

Siebzehntes  Kapitel. 
KSnig  Albrectat  und  die  schweizerischen  Alpen. 

Veränderung  der  Lage  diirch  die  Wcüd  Albrechts.  Privilegien  \für  die  Italiener 
fon  1299.  Ausführung  durch  defi  Bischof  van  Basel  U/nd  den  Grafen  von  Pfirt,  Ur- 
sprung und  Zujeck  der  Privilegien.  Die  Gotthardlinie  bevorzugt.  Verlegung  des  ZoUs 
von  Jougne  auf  den  Gotthard.  Geschichte  des  Zolls.  Johann  von  Chcdon-Arlay.  Kämpfe 
in  Burgu/nd.    Sperrung  des  Juraverkehrs, 

Mit  Albrechts  Wahl  waren  die  Dinge  am  Gotthard  in  dieselbe  recht- 
liche Lage  gebracht,  wie  sie  bei  Rudolfs  Tode  bestanden  hatte,  er  gebot 
hier  nun  zugleich  als  König  und  als  Landesherr,  die  Schwyzer  konnten 
den  Brief  König  Adolfs  nicht  ausnutzen.  Sie  mufsten  sich  in  die  Dinge 
fügen. 

Albrecht  erschien  im  März  1291  zum  ersten  Male  als  König  am 
Vierwaldstättersee  und  nahm  hier  nun  sofort  das  Werk  seines  Vaters 
auf.  Der  Gotthard  sollte  die  Haupthaudelsstrafse  zwischen  Italien  und 
Flandern  werden.  Auch  die  Urner  mufsten  sich  jetzt  in  seinen  Willen 
schicken,  und  der  Habsburger  hatte  bis  zur  Pafshöhe  alle  Gewalt  in 
seiner  Hand.     Es   bedurfte   nur  einer  Einigung  mit  Mailand  und  Como. 


>  Mohr  2.  79. 

2  Böhmer,  Reg.  Adolfs  189. 

»  Böhmer-Redlich  324.  330.  354.  355.  356. 


192  SiebzchntcB  Kapitel. 

Eine  höchst  willkommene  Quelle  für  die  Geschichte  dieses  Aufent- 
haltes bietet  nun  eine  Reihe  von  Urkunden,  die  sich  im  Archive  der 
Handelskammer  von  Mailand  erhalten  habend  Am  27.  März  1299 
richtete  Albrecht  an  den  Bischof  von  Basel,  den  Abt  von  Murbach, 
Herzog  Friedrich  von  Lothringen  und  seinen  Sohn  Theobald,  die  Grafen 
Heinrich  von  Bar,  Theobald  von  Pfirt  und  Hermann  von  Homberg  den 
Befehl,  sie  sollten,  gemäfs  dem  auf  dem  soeben  beendeten  Hoftage  zu 
Nürnberg  beschlossenen  allgemeinen  Frieden,  für  die  Kaufleute  nach 
Entrichtung  des  schuldigen  Zolles  sicheres  Geleit  verbürgen.  Andern- 
falls müfsten  sie  selbst  für  die  Verluste  und  Schäden  der  Kauf  leute  auf- 
kommen. 

Der  Befehl  fand  Gehorsam,  wie  zwei  weitere  Briefe  beweisen.  Der 
eine  ist  ein  höchst  umfangreicher  Schutzbrief  des  Grafen  Diebold  von 
Pfirt,  der  nur  vier  Tage  jünger  als  jener  Brief  ist.  Der  Aussteller  er- 
wähnt den  königlichen  Befehl  zwar  nicht,  er  nimmt  —  so  scheint  es  — 
von  sich  aus  alle  Kaufleute  aus  Norditalien  und  der  Provence  (irniver- 
S08  mercaiores  Romanos,  Tuchanos,  Lombardos,  Frovincidles)  in  seinen 
Schutz.  Wie.  aus  dem  Gebrauch  italienischer  oder  italienisch-lateinischer 
Worte,  Rechtsausdrücke  und  Formeln  folgt,  haben  Italiener  den  Text 
der  Bestimmungen,  die  für  Kaufleute  äufserst  günstig  sind,  ausgearbeitet 
vorgelegt;  er  gewährt  ihnen  alles,  was  sie  nur  wünschen  können.  Wenn 
ein  Kaufmann  auf  seinem  Gebiete  stirbt  oder  getötet  wird,  soll  sein  Gut 
den  Erben  ausgeliefert  werden ;  wird  einer  bestohlen,  soll  der  Graf  inner- 
halb 40  Tagen  nach  der  Requisition  den  Schaden  ersetzen.  Bei  Strafsen- 
raub  aufserhalb  des  pfirtischen  Gebietes  wird  der  Graf  für  die  Rückgabe 
des  Geraubten  auf  alle  Weise  eintreten.  Wenn  ein  Fuhrmann  Kauf- 
mannsware zu  Pfand  giebt,  so  soll  das  ungültig  sein  und  das  verpfändete 
Stück  dem  Kaufmann  ohne  jede  Zahlung  ausgefolgt  werden.  Auch  soll 
keine  jenseits  der  Berge  begangene  Ul)elthat  oder  Raub  an  den  Kauf- 
leuten gerächt  werden,  es  sei  denn,  dafs  sie  von  dem  Orte  oder  aus  dem 
Distrikte  sind,  aus  dem  die  oder  der  Thäter  jenes  Verbrechens  stamme. 
Ohne  neue  Abgaben  wird  der  Graf  für  die  Instandhaltimg  der  Strafse 
und  Brücken  sorgen.  Alle  etwa  aus  früherer  Zeit  bestehenden  Forde- 
rungen an  die  Kauf  leute  sollen  erledigt  sein.  Schuldforderungen  an  die 
durchziehenden  Kaufloute  will  der  Graf  nur  dann  zulassen,  wenn  der 
Kaufmann  Selbstschuldner  (debitor  principnlis)  ist.  Für  die  Innehaltung 
all  dieser  Versprechungen  setzt  der  Graf  die  Güter  seines  Landes  zu 
Pfand  und  erklärt,  dafs  dieser  Schutzbrief  auch  nocli  zwei  Monate  Gültig- 
keit haben  solle,  nachdem  er  ihn  den  Rektoren  der  Kauf  leute  aufge- 
kündigt habe. 


'  Unsere  Urkunden  Nr.  1  u.  2. 


König  Albrecht  und  die  schweizerischen  Alpen.  193 

Auch  der  Baseler  Bischof  Peter  von  Aspelt  folgte  dem  königlichen 
Gebote,  er  liefs  dasselbe  durch  Urkunde  vom  10.  Mai  in  seinen  Landen 
veröffentlichen,  und  befahl  an,  alle  durchziehenden  Kaufleute,  woher  sie 
auch  stammten,  zu  schützen. 

Der  Befehl  des  Königs  war  nur  an  bestimmte  Personen  gerichtet, 
es  sind  gerade  diejenigen ,  welche  auf  der  Verlängerung  der  Gotthard- 
strafse  über  den  unteren  Hauenstein  und  durch  das  St.  Amarinthal  und 
Lothringen  zu  den  Messen  der  Champagne  Geleitsrechte  ausübten:  von 
Norden  angefangen  Graf  Heinrich  von  Bar,  Theobald  von  Lothringen, 
dem  sein  Vater  Neufchäteau  abgetreten  hatte*,  sein  Vater,  der  Herzog, 
der  Abt  von  Murbach,  der  Graf  von  Pfirt,  der  Bischof  von  Basel,  der 
Graf  von  Homberg.  Bis  Ölten  fehlte  also  höchstens  der  Name  des 
Grafen  von  Froburg.  Der  weitere  Strafsenzug  stand  unter  dem  direkten 
Befehle  des  Königs,  seine  Befehle  an  die  Vögte  und  Amtleute  und  an 
den  Landammann  von  Uri  sind  nicht  erhalten,  vielleicht  ergingen  sie 
auch  mündlich. 

Ist  der  Befehl  der  Initiative  des  Königs  entsprungen?  Er  beruft 
sich  auf  den  wenige  Monate  vorher  (im  November  1298)  erlassenen  Land- 
frieden. Dort  waren  flandrische  Gesandte  gewesen,  sie  hatten  aber  wohl 
rein  politische  Gründe  dahin  geflihrt.  Die  Anwesenheit  italienischer  Ver- 
treter ist  nicht  bezeugt,  und  im  Landfrieden  selbst  fallen  keine  besonderen 
Bestimmungen  zu  Gunsten  der  Kaufleute  auf.  In  Luzern  waren  aber 
unzweifelhaft  Vertreter  der  Italiener  anwesend.  Die  Fassung  der  Pfirter 
Urkunde  ist  entscheidend,  und  wenn  die  reciores  dictorutn  mercatorum 
als  die  Oberleitung  der  Kaufleute  bezeugt  werden,  so  wissen  wir,  dafs 
damit  die  bez.  der  Leiter  der  ^universitas  mercatorum  Italiae  nundinas 
Campante  ac  regnum  Francie  frequentaniium^  gemeint  ist.  Die  Urkunden 
sind  ferner  schon  am  2.  Juli  in  Mailand  auf  Bitten  des  Richters  des 
Capitano  del  Popolo  von  einem  Notar  beglaubigt.  Es  ist  also  eine  Ge- 
sandtschaft italienischer  Kaufleute  im  März  1299  vor  dem  Könige  er- 
schienen, die  Initiative  liegt  bei  den  Welschen.  Da  die  Interessen  der 
Kaufleute  und  des  habsburgischen  Königs  zusammenfielen,  fanden  sie 
bereitwillig  Gehör,  und  Albrecht  ging  sofort  in  seiner  energischen  Art 
vor,  er  bewährte  sich  zum  erstenmal  als  ein  Freund  des  Bürgertums 
und  des  Handels. 

Die  scharfe  Art  des  Königs  liefs  ihn  nicht  dabei  Halt  machen.  Er 
wollte  den  Gotthard  zur  einzigen  Verkehrsstrafse ,  welche  durch  das 
heute  schweizerische  Alpensystem  nach  der  Champagne  und  dem  Nord- 
westen führen  sollte,  machen.  So  mufs  eine  bisher  völlig  unerklärt  ge- 
bliebene Urkimde  interpretiert  werden. 


»  Digot  2,  182. 

Schulte,  Qesch.  d.  mittolaltorl.  Handels.    I.  13 


194  Siebz(;hntes  Kapitel. 

Am  23.  August  1299  verlegte  Albrecht  zum  Besten  des  Landes  und 
vor  allem  zum  Nutzen  der  Kaufleute  unter  Zustimmung  Johanns  von 
Chalon,  Herrn  von  Arlay,  dessen  Zoll  von  Jougne  in  seine  und  seiner 
Söhne  Stadt  Luzem.  Alle,  die  dort  vorbeigehen,  sollen  Johannes  von 
ihren  Ballen,  Pferden,  Waren  und  Sachen  so  viel  geben,  als  bisher  in 
Jougne  zu  entrichten  war.  Johann  mufs  dafür  den  Erben  des  Königs 
jährlich  500  it  kleiner  Turnosen  oder  Heller  entrichten;  beide  Teile  be- 
halten sich  übrigens  das  Recht  vor,  nach  Verlauf  von  zwei  Jahren  dieses 
Verhältnis  aufzuheben,  dann  sollte  das  alte  Verhältnis  wieder  hergestellt 
werdend 

Um  die  Urkunde  zu  verstehen,  müssen  wir  feststellen,  was  bedeutete 
der  Zoll  von  Jougne  und  wer  war  Johann  von  Chalon. 

Jougne  beherrscht,  wie  uns  bekannt,  den  Jurapafs,  durch  den  die  von 
uns  vielerwähnte  Strafse  vom  Grofsen  St.  Bernhard — Lausanne — Orbe 
den  ersten  Kamm  durchbrach,  wie  den  zweiten  bei  Pontarlier.  Der  Zoll, 
der  hier  erhoben  wurde,  war  Eigentum  des  Pfalzgrafen  von  Burgund, 
war  aber  in  Stücken  weiter  verlehnt*,  wie  auch  der  Pfalzgraf  1282  den 
Zoll  von  König  Eduard  von  England  zu  Lehen  nahm^.  König  Rudolf 
gestattete  nun  in  den  Tagen,  in  denen  die  burgundischen  Wirren  seine 
Aufmerksamkeit  sehr  beanspruchten,  seinem  Verwandten,  Johann  von 
Chalon,  von  jedem  Ballen  Wolle,  Tuche,  Leinen,  Pfeffer,  Felle  u.  s.  w. 
bei  seiner  Burg  Jougne  \0  ß  Lausanner  Währung  als  Geleit  in  gleicher 
Weise  zu  erheben,  wie  es  an  der  Zollstelle  Les  Cl(5es  (Cletis)  gebräuch- 
lich war.  Der  bisher  in  Jougne  erhobene  Zoll  sei  so  niedrig  gewesen, 
dafs  er  die  Kosten  des  Geleites  nicht  gedeckt  habe.  Des  weiteren 
erhielt  der  ChaJoner  das  Recht,  von  einem  jeden  Warenballen,  der  die 
Erzbistümer  Besangon,  Lyon,  Vienne  und  das  Bistum  Valence  durch- 
zog, den  gleichen  Zoll  zu  erheben*.  Johann  war  ein  vorsichtiger 
Mann,  er  liefs  sich  nicht  allein  von  dem  Kurfürsten  Willebriefe  dazu 
geben  * ,  sondern  er  wandte  sich  auch  an  Papst  Nikolaus  IV.  um 
Bestätigung,  die  er  erhielt®,  wie  auch  König  Adolf  diese  Zollerhöhung 
billigtet 

Das  Ganze  stellt  sich  also  als  ein  Versuch  dar,  den  gesamten,  durch 


*  Böhmer,  Acta  imperii  400. 

*  Ein  Drittel  wurde  127G  zurückgekauit;  Matile,  1,  158. 
»  Böhmer-Redlich  2190. 

*  Urkunde  König  Rudolfs  vom  17.  September  1288  bei  Chevalier,  Mömoires 
historiques  sur  la  ville  et  seigneurie  de  Poligny  1,  372.    Böhme r-Ficker  2190. 

'*  Die  von  Mainz  und  Trier  sind  erhalten,  letzterer  ist  auch  gedruckt.    Görz, 
Mittelrhein.  Regelten  4  Nr.  2175. 

«  Langlois,  Registres  274  Nr.  1360  1289  September  16. 
'  Böhmer,  Acta  imperii  369. 


König  Albrecht  und  die  schweizerischen  Alpen.  195 

das  nördliche  Königreich  Arelat*  gehenden  Warenverkehr  zu  Gunsten 
Johanns  von  Chalon  zu  besteuern.  In  der  That  ein  kühner  Versuch 
und  ein  Entgegenkommen  seitens  der  deutschen  Könige,  welches  beweist, 
welche  Bedeutung  sie  der  Person  Johanns  von  Chalon  beimafsen.  Und 
nun  versuchte  König  Albrecht  gar,  den  gesamten  Verkehr  auf  den  Gott- 
hard  zu  vereinigen,  und  Johann  stimmte  ein,  und  er  mufste  doch  nach 
dem  alten  Satze  mindestens  1000  Saumlast  besteuern,  um  die  in  dem 
Vertrage  mit  König  Albrecht  festgesetzte  Summe  an  ihn  entrichten  zu 
können.     Erst  darüber  hinaus  begann  der  Vorteil  für  Johann. 

Wir  müssen  uns  mit  seiner  Person  und  den  Wirren  in  der  Freigraf- 
schaft (Franche  comtö)  etwas  näher  beschäftigen,  um  den  Hintergrund 
dieser  Mafsregeln  verstehen  zu  können^. 

In  denselben  standen  sich  der  Pfalzgraf  Otto  IV.,  der  von  Jugend 
auf  sich  an  Frankreich  angelehnt  hatte,  und  die  hohen  Geschlechter,  an 
der  Spitze  Johann  von  Chalon- Arlay,  das  Haupt  der  jüngeren  Linie  des 
pfalzgräflichen  Hauses  und  Schwager  König  Rudolfs,  gegenüber.  Otto 
war  ein  Abenteurer,  der  sehr  bald  in  die  Hände  der  französischen  Diplo- 
maten kam,  dazu  schwer  verschuldet  —  gerade  Lombarden  waren  seine 
Gläubiger  —  ihm  schien  das  Leben  am  Hofe  von  Paris  wertvoller  als 
die  Last  der  Verwaltung  seines  Hauses.  Er  war  so  französisch,  dafs  er 
das  Wappen  seines  Hauses,  in  dem  der  Reichsadler  schwebte,  aufgab. 
Schon  bei  dem  Kriegszuge  gegen  Bern  hatte  der  König  das  gefährliche 
Bündnis  dieser  Reichsstadt  mit  Savoyen  und  Burgund  brechen  wollen. 
Als  Otto  sich  weigerte,  seine  Lande  vom  Könige  zu  Lehen  zu  nehmen, 
rückte  1289  der  alte  Rudolf,  dem  die  Sympathien  der  Deutschen,  die 
zum  erstenmal  des  nationalen  Gegensatzes  bewufst  wurden,  folgten,  in 
das  Land.  Otto  unterwarf  sich,  Johann  von  Arlay,  der  von  seinem 
Schwager  reiche  Privilegien  erhalten  hatte  und  erhielt^,  bezwang  Besangen, 
das  von  da  ab  die  Stellung  einer  Reichsstadt  gewann. 

Aufserlich  erkannte  auch  Otto  dann  König  Adolf  an,  der  aber  seiner- 
seits   nicht   etwa   dafür  Johann   von   Chalon   opferte.     Ein   neuer  Streit 


*  Das  besonders  aufgeführte  Bistum  Valence  gehörte  zu  Vienne.  Ausgeschlossen 
sind  die  Kirchenprovinzen  Aix,  Arles  und  Embrun. 

2  Vgl.  de  Pi^pape,  Histoire  de  la  r^union  de  la  Franche-Comt^  k  la  France. 
I.  Paris  u.  Besannen  (1881).  Bergengrün,  Die  polit.  Beziehungen  Deutschlands 
zu  Frankreich  während  d.  Regierung  Adolfs  v.  Nassau.  1884.  Funck-Brentano, 
Philippe  le  Bei  et  la  noblesse  franc-comtoise.  Henne berg,  Die  politischen  Be- 
ziehungen zwischen  Deutschland  und  Frankreich  unter  König  Albrecht  I.  Strafs- 
burg 1891  (Strafsburger  Dissert).  Fournier,  Le  royaume  d' Arles.  Böhmer-Red- 
lich 2175».  2179».  22U^.  2237b.  2239.  2243.  2448  u.  ff. 

8  Böhmer-Redlich  2189.  2463.  2464.  Neuenburg  am  See,  Münzrecht  und 
Klostervogtei. 

13* 


196  Siebzcbntcä  Kapitel. 

erhob  sich  um  die  Zölle,  die  der  Pfalzgraf  zum  Nachteile  des  Chalons 
erhob'.  Ja  der  Pfalzgraf  machte  den  Versuch,  den  Pafs  von  Jougne 
überhaupt  zu  sperren.  Es  wurde  also  damals  von  freigräflicher  Seite 
unternommen,  was  1299  König  Albrecht  versuchte,  den  Jougnepafs  zu 
sperren  und  die  Kaufleute  zu  zwingen,  entweder  nördlich  —  das  war 
Albrechts  Absicht  —  tiber  den  Gotthard  und  durch  die  Vogesen  zu 
gehen,  oder  südlich  —  und  das  war  das  Ziel  der  Freigrafen  —  den  Jura 
zu  überschreiten. 

Hugo  von  Burgund,  der  Bruder  des  Pfalzgrafen  Otto,  wandte  sich 
im  Juni  1293  an  die  Gardes  des  foires  der  Champagne,  an  die  capitanei 
der  Lombarden  und  Proven9aIen  und  bat  sie,  ihre  zollpflichtigen  Waren 
nicht  durch  das  Land  Johann  von  Arlays,  besonders  nicht  über  Jougne 
zu  führen.  Diese  Mafsregel  widersprach  den  französischen  Interessen 
fast  ebenso  sehr,  wie  denen  des  Herrn  von  Arlay,  und  auf  die  Gegen- 
äufserung  Philipps  des  Schönen  hin  nahm  Hugo  das  Schreiben  zurück  ^. 
Es  scheint  bei  den  Kaufleuten  aber  doch  einen  lebhaften  Eindruck  ge- 
macht zu  haben. 

Sie  suchten  sich  einen  anderen  Ausweg,  und  zwar  schickte  die  Ge- 
meinde Mailand,  ftir  die  eine  Benutzung  des  Umweges  über  die  Rhone- 
mündung und  Genua  oder  auch  der  südlichen  Wesüilpenpässe  unmöglich 
war,  einen  Gesandten  an  den  Grafen  Amadeus  von  Genevois,  der  den 
aus  dem  Savoyischen  stammenden  Fuhrleuten  der  gesamten  italienischen 
und  proven9ali8chen  Kaufniannschaft  sicheres  Geleit  gewähren  sollte,  was 
er  that®.  Der  Weg,  der  hier  gemeint  ist,  geht  nicht  etwa  durch  die 
eigentliche  Grafschaft  Genevois,  wo  es  sich  nur  um  einen  Weg  von 
Genf,  Annecy,  die  Wasserscheide  von  Faverges,  Albertville-Conflans, 
Moutiers  en  Tarentaise  über  den  Kleinen  St.  Bernhard  handeln  könnte. 
Den  richtigen  Weg  giebt  die  Erwähnung  des  casirum  de  Varey  an  dio 
Hand,    worunter  die  von  den  Grafen  in  der  Mitte  des  dreizehnten  Jahr- 


*  Bergengrün  13. 

2  Funck-Brentano  S.  11.    Das  zweite  Schreiben  vom  6.  Juli  1298. 

^  Genannt  sind  dieselben  italieuiBchen  Städte  wie  in  der  8]>ater  zu  erwähnenden 
Urkunde  von  1295,  aufserdem  Siena,  Orvieto  und  Lodi.  Memoires  et  doc.  publica 
par  la  soc.  d'hist.  et  d'arch.  de  Gen^ve  14,  438.  1293  September  22.  Der  Vertrag 
drängt  die  savoyieclien  Fulirlcute  in  den  Vordergrund,  das  geschieht  keineswegs  in 
einem  anderen  Privileg  desselben  Grafen  für  ganz  dieselbe  Kaufmannschaft,  das 
leider  undatiert  ist.  Ebda.  467.  Die  Vertreter  der  Mailänder  sind  »ConraMus  de 
Coucorzezio  Ugum  profcssor  und  Jacolmn  Bassins  de  CanUirio'y  die  vielleicht  zeitlich 
zu  bestimmen  sind.  Die  Urkunde  enthält  einen  wertvollen  Zolltarif:  pro  qnnrga 
(Irciiiporum,  cere,  davere  de  peySy  rencciana  je  2  ^.,  pro  cquo  de  garda  2  ^,  pro  quarga 
lane,  fusintieonim^  ferramentorcm  je  12  ^.  Das  Stück  liegt  nur  in  einer  Vidimation 
von  1303  vor. 


König  Albrecht  und  die  schweizerischen  Alpen.  197 

hunderts  ererbte  Burg  Varey  en  Bugey  *  zu  verstehen  ist,  und  diese  liegt 
nahe  dem  Wege,  der  von  Mäcon  an  der  Saöne  in  südöstlicher  Richtung 
über  Bourg  d'Ain  in  die  Landschaft  Bugey  eintritt.  Hier  ist  man  im 
südlichsten  Teile  des  Jura,  dessen  Parallelketten  in  Windungen  umgangen 
werden,  zwischen  zweien  deutet  der  Name  les  H6pitaux,  dals  einst  ein 
Hospiz  der  langen,  tief  eingeschnittenen  Schlucht  ihre  Schrecken  nahm. 
Der  Weg  erreicht  Belley,  überschreitet  bei  La  Balme  den  Rhone,  gewinnt 
nach  Überwindung  eines  Passes  die  Ufer  des  Lac  du  Bourget  und  tritt 
jenseits  Chambery  bei  Montm^lian  in  das  Is^rethal.  Die  Landschaft 
Tarentaise  flihrt  zum  Kleinen  St.  Bernhard,  wie  weiter  südlich  die 
Maurienne  zum  Mont  Cenis  und  Col  de  Frdjus.  Die  Kaufleute  mieden 
also  die  Freigrafschaft,  die  durch  den  Friedensschlufs  zwischen  dem  Pfalz- 
grafen und  dem  Herrn  von  Arlay  1293  Dezember  20*  einen  Augenblick 
Ruhe  erhielt. 

In  dem  Vertrage  von  Vincennes  nun,  der  am  2.  März  1295  abge- 
schlossen wurde,  entäufserte  sich  der  Pfalzgraf  sowohl  der  Freigrafschaft 
wie  der  Herrschaft  Salins  und  übergab  sie  gegen  eine  gute  Jahrespension 
dem  französischen  Königshause«  Seine  einzige  Tochter  Johanna  sollte 
einem  französischen  Prinzen  vermählt  werden,  unwiderruflich  sollte  das 
die  Mitgift  der  Tochter  des  Grafen  sein,  der  sich  selbst  wie  sein  Land 
so  an  Frankreich  verkaufte. 

Johann  hatte  inzwischen  auch  bei  Adolf  besondere  Gunst  gefunden, 
welcher  ihn  1295  zum  Reichsstatthalter  in  Tuscien  machte.  Aber  er 
liefs  sich  durch  die  guelfischen  Städte  mit  50000  Florenen  bestechen, 
heimzukehren®.  Seine  Anwesenheit  in  der  Heimat  war  bitter  notwendig 
geworden. 

Das  Land  liefs  sich  nicht  so  leicht  verschachern,  wie  der  Pfalzgraf 
gemeint  hatte,  Johann  von  Chalon  trat  an  die  Spitze  des  Widerstandes, 
und  König  Adolf  unterstützte  wenigstens  mit  Worten  die  gegen  Philipp 
den  Schönen  sich  wehrenden  Adligen,  welche  vom  König  von  England 
Subsidien  erhielten.  Doch  Philipps  Vertreter  machten  Fortschritte  im 
Lande,  auch  der  Graf  von  Pfirt  fiel  vom  Adel  ab,  und  es  mag  sein,  dafs 
er  mit  deshalb  von  dem  neuen  Könige  Albrecht  sofort  nach  Adolfs  Tode 
angegriflfen  wurde. 

Albrecht  hatte  als  Herzog  mit  dem  Könige  von  Frankreich  ver- 
handelt, als  deutscher  König  mufste  er  zunächst  die  Dinge  sich  abklären 


*  Lövrier,  Chronol.  historique  des  comtes  de  Genevois  1,  145. 

'  S.  Funck-Brentano  15. 

^  Kopp3,  1.  182.  Vgl. Digon,Faucardu.  Thomas,  Registre  Boniface  VIII. 
Kr.  905.  939  u.  1597.  Juni  1296  waren  ihm  nur  noch  5500  fl.  zu  zahlen,  es  waren 
schöne  EinuahmcUi  die  er  machte. 


198  Siebzehntes  Kapitel. 

lassen.  Schon  am  26.  Februar  1299  finden  wir  Johann  von  Chalon  beim 
neuen  Könige,  er  hat  ihn  längere  Zeit  begleitet.  In  diese  Tage  fHIlt  der 
Aufenthalt  des  Königs  in  Luzern  und  die  Verhandlung  über  die  Ver- 
legung des  Zolles.  Der  Herr  von  Chalon  war  offenbar  wegen  der 
burgundischen  Wirren,  wo  er  der  Führer  der  Reichspartei  war,  seiner 
Zolleinnahmen  nicht  mehr  sicher,  so  bequemte  er  sich  zu  der  Verlegung 
des  Zolles.  Vielleicht  war  aber  auch  der  Zoll  von  Les  Cl^es  und  Jougne 
zusammen  so  hoch,  dafs  die  Kaufleute  den  Weg  mieden  und  Johann 
von  Chalon  den  Versuch  machte,  die  alten  Einnahmen  von  Jougne  sich 
durch  die  Verlegung  desselben  wieder  zu  verschaffen. 

Für  Albrecht  war  die  burgundische  Frage  nur  ein  kleiner  Teil  des 
Ausgleiches  mit  Frankreich,  das  seine  Grenzen  so  mächtig  nach  Osten 
vorschob.  Heute,  wo  wir  klarer  in  diese  Dinge  sehen,  ist  es  noch  kaum 
zu  bezweifeln,  dafs  er  seine  Freundschaft  mit  Frankreich  durch  die  Ab- 
gliederung  des  Arelats  zu  Gunsten  seines  Sohnes  Rudolf,  der  die  fran- 
zösische Königstochter  Blanka  heiratete,  oder  eines  französischen  Bräuti- 
gams einer  habsburgischen  Tochter  befestigen  wollte.  Er  wollte  dabei 
die  Wahlmonarchie  in  eine  Erbmonarchie  verwandeln  '.  Der  Widerspruch 
der  geistlichen  Kurfürsten  machte  es  unmöglich,  das  durchzuführen.  So 
wurde  auf  der  Zusammenkunft  zu  Vaucouleurs  die  burgundische  Frage 
ausdrücklich  offen  gelassen,  seitdem  hat  Albrecht  für  die  burgundischen 
Gegner  Philipps  die  Hand  nicht  mehr  gerührt  und  die  Annexion  der 
Freigraföchaft  durch  Philipp  den  Schönen  geschehen  lassen.  1301  mufsten 
sich  die  Edeln  Burgunds  unterwerfen,  auch  Johann  von  Chalon,  der  sich 
übrigens  1311  von  Heinrich  VII.  in  Mailand  mit  dem  Zolle  in  Jougne 
belehnen  liefs^.  Für  den  Augenblick  war  die  Freigrafschaft  verloren. 
Die  Gefahr  einer  Abtretung  des  gesamten  linken  Rheinufers  au  Frank- 
reich, wie  sie  in  Deutschland  wohl  befürchtet,  in  Frankreich  erhofft 
^  wurde,  hat  wohl  niemals  bestanden;  sie  würde  auch  seine  Ilandclsstrafse 
sofort  wieder  vernichtet  haben. 


*  Neuerdings  sind  au  Quellen  hinzugekommen  das  von  Weilaud  in  d.  Nachr. 
d.  Gesellsch.  d.  Wiss.  zu  Göttingen  1894  herausgegebene  Fragment  der  niederrhein. 
Papst-  und  Kaiserchronik  und  der  Protest  der  Erzbischöfe  von  Mainz  und  Köln  1299 
Dezember  5.     Neues  Archiv  213,  41. 

■  »Pedaffia  de  Joyni  et  alia  pedagiay  que  teuere  conmeüit  ah  imperio  sive  a  Borna* 
norum  regihtis.t    Dönniges,  Acta  Heinrici  VII.  1,  34  Nr.  60. 


König  Albrecht  und  die  schweizerischen  Alpen.  X99 

Achtzehntes  Kapitel. 
ESnig  Albrectat  nnd  die  sctaweizerisetaeii  Alpen  (Fortsetzung). 

Frankreich  und  die  Champa{)n€  und  Flandern.  Der  alte  Weg  Italien- Flandati 
genügt  nicht  mehr,  Verträge  der  Italiener  über  die  alte  Stra/se.  Vergleich  mit  denen 
üher  die  neue.   Albrechts  Zölle  und  der  Landfrieden.   Aufhebung  der  Bheinzolle.   Erfolge. 

Höhe  des  Verheiirs  über  den  Gotthard.  Zollertrag.  Vergleich  mit  Bapaume,  mit 
den  anderen  habsburgischen  Zöllen,  mit  den  habsburgi sehen  Städtesteuern. 

Strafsenräubereien.    Das  Muster  eines  Brigantenbriefs, 

Kehren  wir  zu  der  Geschichte  der  Gotthard-  und  Jougnestrafsen  und 
Zölle  zurück.  Was  wollten  die  iüilienischen  Kaufleute,  die  wir  als 
treibendes  Element  bei  der  Gotthardstrafse  gefunden  haben,  und  wie  ver- 
band sich  die  Politik  Albrechts  mit  seiner  übrigen? 

Die  Absicht  der  Kaufleute  war  unzweifelhaft  darauf  gerichtet,  sieh 
von  den  Folgen  der  Kämpfe,  welche  die  Ausdehnung  des  erstarkenden 
Frankreichs  herbeiführte,  möglichst  unabhängig  zu  machen  und  sich  mög- 
lichst viele  Wege  zu  sichern,  um  die  Verbindung  mit  den  Champagner- 
messen und  mit  dem  für  die  Italiener  wichtigsten  Hinterlande  derselben, 
Flandern  und  England  nicht  zu  verlieren. 

Die  Blüte  der  Champagnermessen  hatte  darauf  beruht,  dafs  sie  in 
einem  Zwischenstaat  zwischen  Frankreich  und  Deutschland  stattfanden. 
Seitdem  die  Erbin  des  letzten  Grafen  von  der  Champagne  aus  dem 
Hause  Blois,  Johanna,  sich  mit  Philipp  dem  Schönen,  König  von  Frank- 
reich, vermählt  hatte,  war,  trotzdem  die  Form  einer  halben  Selbständig- 
keit gewahrt  war^,  die  Champagne  ein  Teil  Frankreichs  geworden,  die 
Messen  mufsten  also  die  Folgen  der  Kriege  des  Königs  tragen.  Und 
nun  entbrannte  auf  der  ganzen  Linie,  durch  welche  die  bisher  am  meisten 
von  den  Italienern  benutzten  Wege  liefen,  ein  Streit,  der  den  Kaufleuten 
höchst  nachteilig  war.  An  die  burgundischen  Händel  schlössen  sich 
räumlich  an  die  Eingriffe  des  französischen  Königs  in  die  Rechte  der 
Grafschaft  Bar,  besonders  aber  kam  die  Stellung  Flanderns  und  Eng- 
lands in  Frage;  denn  das  Rückgrat  des  Handels  der  Italiener  in  diesen 
Gegenden  war  die  englische  Wolle.  Wie  durch  sie  die  flandrischen 
Städte  lebten,  so  war  auch  für  die  italienische  Industrie  dieses  Roh- 
material bereits  unentbehrlich.  Brügge  war  der  Haupthandels platz  aufser- 
halb  des  Mittelmeeres  geworden,  von  dem  sich  Italien  nicht  trennen 
konnte. 

In  Flandern  vertraten  die  Zünfte,  die  Tucher,  Weber,  Walker  und 
Scherer  die  Politik   einer  Anlehnung  an  England,  die  wirtschaftliche  Ab- 

*  Nach  dem  Tode  seiner  Mutter  wurde  Ludwig,  der  spätere  König,  1805  nominell 
der  Herr  des  Landes. 


200  Achtzehntes  Kapitel. 

faängigkcit  leitete  diese  Kreise  neben  den  nationalen  und  politischen 
Gesichtspunkten  ^.  Man  sagte  sich  dort,  das  Getreide,  das  Frankreich  uns 
liefert,  können  wir  uns  für  das  Geld  kaufen,  das  wir  aus  der  englischen 
Wolle  gewinnen  müssen.  So  hatte  Graf  Guido  in  dem  Kampfe  Eduards  I. 
wider  Philipp  auf  englischer  Seite  gestanden,  von  Januar  1297  bis  zum 
Schiedsspruch  Bonifaz'  VIII.  (27.  Juni  1298)  hatte  das  erste  Bündnis 
Dauer,  dann  war  Flandern  allein  gelassen,  im  Januar  1300  begann  der 
Krieg  von  neuem,  im  Mai  war  Flandern  französisch.  Doch  die  Leliaerts 
konnten  sich  nicht  halten,  ein  Weber,  Picter  de  Ooninc,  war  es,  der  den 
Mut  der  Clauwaerts  aufrichtete.  In  der  flandrischen  Vesper  (Mai  1302) 
erfolgte  die  Explosion  der  glühenden  Leidenschaft  der  Vlaemen;  in  der 
Schlacht  von  Kortryck  bewiesen  sie  die  militärische  Tüchtigkeit  eines 
städtischen  Heeres;  aber  im  Juni  1305  wurde  durch  den  Frieden  von 
Athies  das  Land  erneut  französischer  Herrschaft  unterworfen,  um  sich 
bald  wieder  zu  erheben. 

Es  ist  klar,  dafs  der  italienische  Kaufmann,  der  weder  die  Ver- 
bindung mit  Frankreich  noch  mit  Flandern  aufgeben  wollte,  sich  auf 
zw(.*i  Strafsen  einrichten  mufste:  auf  die  alte,  welche  durch  Burgund 
nach  der  Champagne  und  Paris  führte,  auf  eine  neue,  die  Burgund  um- 
ging und  entweder  doch  nach  Frankreich  hinein  führte  —  das  war  der 
Weg,  der  nach  Neufchäteau  abbog  —  oder  sie  mufsten  überhaupt  franzö- 
sisches Gebiet  vermeiden,  und  dann  ergab  sich  die  Fortsetzung  durch 
Lothringen.  Ja  es  mufste  die  Benutzung  des  Wegs  den  Rhein  hinab 
hierdurch  gewinnen. 

Wir  werden  später  die  eifrigsten  Bemühungen  italienischer  Städte 
um  liesserung  der  Alpen  passe  im  Wallis  zu  besprechen  haben ,  ich 
niöclite  die  Dinge  nicht  zorreifseu  und  hier  nur  an  der  Geschichte  des 
Jougnepasses  zeigen,  wie  eifrig  auch  hier  die  Italiener  für  die  Besserung 
und  Sicherung  des  Weges  thätig  waren. 

Im  JafiA'e  1295  verhandelten  Palmcrio  de  Roggo  von  Piacenza  und 
Marco  Bolano  aus  Venedig  im  Auftrage  der  italienisclien  Kaufmann- 
schaft auf  d(;n  Messen  mit  dem  Pfalzgrafen  Otto  von  Burgund,  Herrn 
zu  Salins,  und  seinem  Bruder  Hugo.  Diese  sicherten  allen  Kaufleuten 
aus  Rom,  Florenz,  Orvieto,  Pistoja,  Lucca,  Genua,  Piacenza,  Mailand, 
Venedig,  Asti,  Alba,  Como,  Parma,  Bologna  und  Prato,  wie  überhaupt 
all(Mi  aus  Italien  und  der  Provence  kommenden  Kaufleuten  ungestörten 
Handel  zu '-. 


*  DaH  (•rkoiuit  auch  Fuiick- Brentano,  Philippe  le  Hei  en  Flandre  (1896) 
S.  .S7  an.    Vgl.  auch  IM  renne. 

-  Chevalier  a.a.O.  IJ-Sl.  Fagniez,  Document»  1,  315.  Otto  stellte  die  Ur- 
kunde zu  PariH  auB,  die  Gegenurkunde  des  Capitaneua  et  rcctor  universitatis  inerca^ 


König  Albrecbt  und  die  schweizerischen  Alpen«  201 

Wir  haben,  wie  wir  sehen,  im  Jura  und  in  der  Freigrafschaft  zwei 
aneinander  stofsende  Zollherrschaften,  welche  übrigens  zwei  Feinden  ge- 
hörten, die  gerade  sich  auch  über  die  Zölle  gestritten  hatten.  Wir 
haben  früher  gesehen,  wie  schon  im  zehnten  Jahrhundert  von  Pontarlier 
zwei  Wege  nach  Frankreich  hineinführten,  der  eine  war  die  auf  Langres 
zu  führende  alte  Römerstrafse,  der  andere  lenkte  über  St.  Jean  de  Losne 
und  Dijon  nach  Burgund.  Dieser  Weg  mit  seinen  Zöllen  wird  uns  nun 
ganz  genau  aus  der  Urkunde  von  1295  bekannt  Es  werden  erwähnt 
(Mn  Zoll  apud  Pontem  Arliam  (34  ^  kleiner  Turnosen  von  dem  24  Rubb 
wiegenden  Ballen),  einer  apud  Calciamontem  (25  ^),  einer  ad  Salinas  (2  ß), 
der  höchste  (8  ß)  apud  Augerantem,  endlich  einer  von  4  h  aptid  Dolam, 
Statt  über  Dole  gehen  die  Kaufleute  auch  über  OeuHacum,  Erwähnt 
wird  noch  eine  sosia  apud  Laloam  (2  ^),  welche  aber  kein  Bannrecht 
haben  soll.  In  Salins  soll  das  alte  Warenhaus  (logia  pro  bdllis  deponendis) 
wiederhergestellt,  in  Augerant  eine  neue  gebaut  werden. 

Der  Weg  weicht  von  den  heutigen  an  manchen  Stellen  ab  und  ver- 
meidet, so  weit  ich  das  beurteilen  kann,  möglichst  die  grofsen  Wälder. 
Die  Strafse  führte  über  Salins,  stieg  in  das  Thal  der  La  Loue  herab, 
die  überschritten  wurde  ^  Mit  La  Loye  gabelt  sich  der  Weg,  der  eine 
umgeht  die  Spitze   der  weithin  zwischen  der  La  Loue  und  dem  unteren 


tornniy  Lanzaloctus  Ciwcherla  aus  Piacenza  ist  aber  am  gleichen  Tage  den  11.  Febr. 
1295  in  Lagny,  also  während  der  dortigen  Messe  ausgesteUt. 

^  Heute  verbinden  zwei  Strafsenzüge  Pontarlier  mit  Salins.  Sie  trennen  sich 
vor  Cliaffois,  der  südliche  Weg  geht  über  Dompierre  und  Andelot,  der  nördliche 
über  Levier;  jener  durchschneidet  mehrere  Kilometer  den  Foret  de  la  Hautc-Choux, 
dieser  ebenso  lange  den  For§t  royal  du  Jura.  Zwei  schmale  Waldgebiete  durch- 
setzt die  mittclalterliclie  zwischen  beiden  jenen  liegende  Strafse.  Ihre  Lage  ist 
durch  den  Ortsnamen  Villcrs-sous-Chalamont  gesichert.  Wer  zunächst  der  nördlichen 
Strafse  folgt,  stöfst  auf  ein  Haus,  le  magasin  vieux,  einige  tausend  Schritt  weiter 
liegt  das  magasin  neuf.  Bei  beiden  kann  man  abbiegen,  um  zunächst  Boujeailles  zu 
erreichen.  Dieser  auch  bei  der  Translation  der  hl.  Urban  und  Tiburtius  genannte  Ort 
(s.  oben  S.  58)  ist  von  dem  jenseits  gelegenen  Villers-sous-Chalamont  durch  einen 
schmalen  Jurazug  getrennt^  der  aber  eine  Pforte  läfst.  Durch  diese  führt  heute  ein 
in  Serpentinen  geführter  Weg.  Jenseits  Villers  scheint  sich  der  Weg  heute  —  den 
Kalten  nach  zu  urteilen  —  in  Wiesen  zu  verlaufen,  aber  nur  für  einen  Augenblick. 
Der  dann  wieder  auftauchende  Weg  erreicht  sehr  bald  die  nördliche  über  Levier 
führende  Strafse,  an  der  Einmündungsstelle  bezeichnet  die  Karte  ein  Haus  als 
TEntrepöt.  Von  dort  fällt  der  Weg  bedeutend  bis  Salins.  Zwischen  diesem  Orte 
und  Augerans,  wo  eine  Burg  die  Strafse  beherrscht,  ist  die  ßoute  nicht  so  ohne 
weiteres  festzulegen.  Es  mufs  die  La  Loue  überschritten  werden;  wie  es  scheint, 
geschah  es  kurz  vor  Augerans,  gemäfs  der  Translation  des  hl.  Urban  sicher  nicht 
oberhalb  Chamblay.  Mit  Augerans  hängt  fast  unmittelbar  La  Loye  zusammen,  man 
findet  es  also  begreiflich,  dafs  für  die  dort  bestehende  Sust  kein  Bannrecht  mehr 
bestehen  bleiben  konnte,  nachdem  auch  Augerans  eine  solche  erhielt. 


202  •  Achtzehntes  Kapitel. 

Doubs  sich  hiDziehenden  Foret  de  Chaux  und  erreicht  vor  Dole,  der 
einst  von  Barbarossa  so  sehr  begünstigten  Stadt,  den  Doubs.  In  dem 
Handelsvertrage  sind  die  Zollstätten  von  Dole  her  aufgeführt,  neben  und 
gleichwertig  mit  Döle  wird  aber  auch  Geuriacum  genannt.  Ich  glaube 
mich  nicht  zu  täuschen,  wenn  ich  darin  das  etwa  sieben  Kilometer  unter- 
halb Dole  am  Doubs  liegende  Gevry  sehe.  Da  der  Flufs  hier  mehrfach 
seinen  Lauf  gewechselt  hat,  ist  nur  zu  vermuten,  dafs  über  Parrecey 
La  Loye  erreicht  wurde.  Was  hat  aber  diese  Gabelung  zu  bedeuten? 
Meines  Erachtens  führte  der  Weg  über  Döle  weiter  über  Auxonne  nach 
Dijon,  der  andere  über  Givry,  Tavaux  und  St.  Aubin  aber  nach  St.  Jean 
de  Losne.  Dieser  Punkt,  ein  Grenzort  des  Deutschen  Reiches,  hat  aber 
eine  besondere  Bedeutung,  denn  hier  war  der  Endpunkt  der  regelmäfsigen 
Schiffahrt  auf  der  Saöne.  Wer  von  den  Messen  der  Champagne  hierher 
kam,  mufste  sich  also  entscheiden,  ob  er  zu  Schiffe  zum  Meere  hinab 
ziehen  oder  durch  Jura  und  Alpen  den  Landweg  nehmen  wolle.  Doch 
kehren  wir  zum  Passe  von  Jougne  zurück,  nachdem  wir  den  ganzen 
Weg  der  Champagnefahrer  vom  unteren  zum  oberen  Doubs  festgestellt 
haben ! 

Wenn  die  Strafse  über  die  Vogesen  und  durch  die  Freigrafschaft 
Konkurrenten  waren,  so  wird  es  sich  lohnen,  den  Text  der  Privilegien 
des  Grafen  von  Pfirt*  und  des  Pfalzgrafen  miteinander  zu  vergleichen. 
Die  letztere  Urkunde  ist  nicht  geradezu  wörtlich  benutzt,  aber  bei  den 
Verhandlungen  -wohl  zur  Hand  gewesen. 

Der  Graf  von  Pfirt  giebt  nun  zunächst  nicht  die  speciellen  Angaben 
über  die  zu  erhebenden  Zölle,  über  die  Münze,  in  welcher  die  Zahlungen 
entrichtet  werden  dürfen,  über  die  Susten  und  über  die  Zollfreiheit  der 
Reitpferde;  es  fehlt  auch  das  Versprechen,  keine  weiteren  neuen  Auf- 
lagen zu  machen.  Der  Graf  von  Pfirt  hat  ja  nur  eine  relativ  sehr  kurze 
Strecke  des  neuen  Handelsweges.  In  beiden  Privilegien  sind  die  Be- 
stimmungen gleich  oder  wenig  verschieden,  welche  sich  auf  den  Schutz 
des  Kaufmanns  und  seines  Gutes  beziehen.  Doch  beobachtet  man  auch 
hier,  dafs  die  besseren,  durch  Erfahrung  begründeten  Verfügungen  von 
dem  Pfalzgrafen  erlassen  werden;  da  ist  z.  B.  der  Diebstahl  im  Gast- 
hause vorgesehen  und  unter  das  gemeine  Recht  gestellt,  während  sonstige 
Diebstähle  am  Kaufmannsgute  beschleunigt  und  auf  den  Eid  des  Kauf- 
manns hin  durch  den  Landesherrn  ersetzt  werden  sollen.  Der  Pfirtischen 
Abmachung  eigentümlich  sind  die  Bestimmungen,  welche  das  Fehdewesen 
und  die  lebhaftere  politische  Verbindung  mit  Italien  nötig  machen.  Für 
das,  was  jenseits  der  Berge  geschah,  soll  der  Kaufmann  nur  dann  mit- 
verantwortlich  sein,    wenn  er  aus  derselben  Stadt  oder  Distrikt  stammt, 


*  Unsere  Urkunden  Nr.  2. 


König  Albreoht  und  die  schweizerischen  Alpen.  203 

wie  der  Thäter.  Kommt  es  aber  zu  einem  von  deutscher  Seite  ver- 
anlafsten  Konflikte,  so  sollen  die  Kaufleute  der  betreffenden  Stadt  noch 
40  Tage  freien  Verkehr  haben.  Die  Aufkündigung  des  Geleites  erzeugt 
bei  dem  Pfirter  eine  Frist  von  zwei  Monaten,  bei  dem  burgundischen  aber 
ein  halbes  Jahr.  Der  Pfalzgraf  verspricht  ^per  fidetn^ ,  der  Graf  unter 
Verpföndung  seiner  Lande,  die  gegebenen  Versprechungen  zu  halten. 

Wurden  die  Verträge  wirklich  gehalten,  so  konnten  die  italienischen 
Kaufleute  auf  dem  einen  wie  dem  anderen  Wege  ruhig  und  sicher  ziehen, 
es  kam  dann  auf  die  allgemein  politischen  Verhältnisse  an,  welchem 
Wege  die  Italiener  den  Vorzug  gaben. 

Die  zweite  Frage,  die  aufgestellt  wurde,  ist  die,  wie  fügen  sich  diese 
Strafsenprivilegien  der  gesamten  Politik  Albrechts  ein;  können  wir  bei 
ihm  gar  von  einer  Handelspolitik  reden?  Ich  glaube,  dafs  man  mit  Ja 
antworten  darf. 

Die  Geschichte  der  Zölle  und  Landfrieden,  so  sehr  sie  den  Handel 
mit  Italien  beeinflufsten ,  kann  ich  nur  streifen  \  Die  deutsche  Zoll- 
geschichte ist  ein  vergebliches  Ringen  der  Könige  gegen  die  Einführung 
neuer,  in  keiner  Weise  die  Interessen  des  Handels  fördernden  Zölle  seitens 
der  Landesherrn,  denen  in  Augenblicken  der  Not  die  Könige  nachge- 
geben hatten.  Das  Zollregal  hatte  Friedrich  IL  1220  einschränken 
müssen,  1234  wurde  das  Jahr  1190  als  Termin  festgesetzt,  alle  jüngeren 
nicht  rechtsgültig  errichteten  Zölle  sollten  abgeschafilt  werden,  im  folgenden 
Jahre  wurde  als  Normaljahr  1197  festgesetzt.  Das  Zollunwesen  wucherte 
trotzdem  üppig  weiter,  und  der  rheinische  Bund  von  1254  war  vor  allem 
gegen  diese  ungerechten  Zölle  errichtet,  denen  keine  Leistung  seitens 
der  Zollherren  entsprach,  sondern  die  lediglich  errichtet  waren,  damit 
die  Herren  sich  an  dem  aufblühenden  Handel  und  Verkehr  schadlos 
hielten.  Es  war  die  schlimmste  Ausbeutung  fremder  Taschen,  die  auch 
dieser  Bund  nicht  abstellen  konnte. 

Es  gab  damals  40  Zölle  auf  dem  Rheine,  und  ein  Engländer,  der 
im  Gefolge  des  Königs  Richard  nach  Deutschland  kam,  konnte  sich  nicht 
genug  über  die  furiosa  TetUonicorum  insania  wundem^.  Rudolf  trat 
gleich  zu  Beginn  seiner  Regierung  mit  hohem  Ernste  für  die  Abschaff'ung 
aller  ungerechten  Zölle  ein  ^,  er  legte  auch  seinen  habsburgischen  Zöllnern 
das   Handwerk*.     Er   stellte   sich   freilich   grundsätzlich   auf  den  Stand- 


'  Für  die  Rheinzölle  vgl.  Frey,  Die  Schicksale  des  königl.  Gutes  in  Deutsch- 
land 202—219.  Lamprecht  Bd.  2.  Wetzel,  Das  Zollrccht  der  deutschen  Könige 
V.  d.  ältesten  Zeiten  bis  zur  goldenen  Bulle.  Untersuchungen  Hera.  v.  Gierke 
Heft  43.    Sommerlad,  Rheinzölle. 

-  Böhmer,  Fontes  2,  455. 

3  Böhmer-Redlich  11. 

*  Böhmer-Redlich  150  u.  151.    Erzingen  und  Ensisheim. 


204  Achtzehntes  Kapitel. 

punkt,  dafs  für  Instandhaltung  sehr  schlechter  Strafsen  denjenigen,  welche 
sich  zum  Bau  verpflichteten,  etwas  von  den  dort  Verkehrenden  zu  zahlen 
sei  ^  Das  wurde  ja  auch  von  den  Handelsstädten,  wie  wir  sehen  werden, 
angeboten  ^  Für  die  Reichszölle  wurde  1287  das  Jahr  1250  als  Normal- 
jahr festgesetzt. 

Die  Erfolge,  welche  so  errungen  wurden,  hat  König  Adolf  wieder 
preisgegeben,  er  vermehrte  die  Zölle  wieder,  und  auch  Albrecht  hatte 
den  rheinischen  Kurfürsten  ihre  Stimme  mit  Zollprivilegien  bezahlen 
müssen.  In  der  Geschichte  des  deutschen  Zollwesens  regierte  der  Augen- 
blick, dem  momentanen  Vorteile  zuliebe  gab  selbst  ein  Albrecht  so 
weit  nach. 

Nicht  so  lange  dauerte  es,  bis  er  mit  den  vier  rheinischen  Kurfürsten 
gründlich  zerfallen  war.  Er  hoffte,  die  Erbschaft  des  ausgestorbenen 
Hauses  der  Grafen  von  Holland  zu  gewinnen,  also  das  Mündungsgebiet 
des  Rheines,  der  reiche  Besitz  war  dem  Reiche  und  ihm  durch  ein 
Fürstengericht  zugesprochen.  Er  erstrebte  also,  auch  das  andere  Ende 
der  grofsen  Weltstrafse,  die  dem  Strome  folgte,  zu  gewinnen,  auf  ihr 
die  überlästige  Herrschaft  der  Kurfürsten  zu  brechen  und  dem  Handel 
die  Fesseln  abzunehmen.  Die  Politik,  die  er  trieb,  war  die  der  sich 
bildenden  Nationalstaaten,  denen  es  gelang,  die  Teilbildungen  zu  über- 
winden. Er  hob  seine  eigenen  Zollverleihungen  wie  die  seines  Vaters 
auf  und  erklärte,  den  Zustand  der  Tage  des  „siegreichen"  Kaiser  Fried- 
richs IL  wiederherstellen  zu  wollen,  er  eröffnete  eine  Politik,  die  seine 
gewaltige  Kraft  uns  bekundet  In  einem  Manifeste  wandte  er  sich  an 
die  Bürger  der  rheinischen  Bischofstädte  von  Köln  bis  Basel  und  Kon- 
stanz und  forderte  sie  auf,  sich  den  Zollerhebern  der  Kurfürsten  zu 
widersetzen.  Er  selbst  erschien,  eifrig  durch  die  Städte  gefördert,  im 
Felde  und  warf  alle  Kurfürsten  nieder.  Die  neuen  Zölle  waren  und 
blieben,  so  lange  er  die  Krone  trug,  aufgehoben,  mochten  auch  die  Kur- 
fürsten von  Mainz  und  Köln  sich  vom  Papste  Klemens  V.  die  Zölle  be- 
stätigen lassen^.  Es  war  ein  Zeichen,  dafs  bei  der  nächsten  Wahl  sie 
ihre  Ansprüche  erneut  vorbringen  würden. 

In  dieser  Politik  Albrechts  äufsert  sich  ja  gewifs  auch  der  Egoismus, 
der  aber  dem  Reiche  zu  gute  kommen  mufste,  doch  zugleich  ist  er  der 
einzige  deutsche  König  gewesen,  der  des  Zollunfuges  wegen  zum  Schwerte 
griff.  Der  Erfolg  war  glänzend.  ^  Rhenus  apertus  est  et  naves  ascendere 
vel  (lescendere  libere  potiiertmt^    schrieb   der  Dominikaner  von  Kolmar, 


*  Böhmer-Redlich  1548,  nur  im  Formclbuch  erhalten. 

*  Vgl.  Geschichte  des  Simplons. 

»  Reg.  Clem.  papae  V  N.  2061  Mainz  für  Lahnstein   1307  Oktober  28.    2090 
KtUu  für  Bonn  und  Andernach  1306  Dezember  25. 


König  Albrecht  and  die  schweizerischen  Alpen.  205 

sehr  bald  aber  wurde  geschrieben:  ^^Ehenus,  quem  rex  Albertus  apperueratf 
ut  omnis  volens  ascendere  et  descendere  poterat,  hunc  milites  terre  clause- 
runt^  ut  nuUus  mercatorum  äusus  fuerit  in  Rheno  amplius  comparare^  ^ 
Das,  was  Albrecht  erstrebt  hatte,  wäre  in  einer  Monarchie,  die  auf  das 
Erbrecht  sich  stlitzte,  durchzufiihren  gewesen,  hier  waren  aber  gerade 
die  Wähler  diejenigen,  welche  von  dem  ZoUunfuge  den  meisten  Nutzen 
gehabt  hatten. 

Auch  in  seinem  Landfrieden  vom  April  1301,  dem  ersten  speciell 
elsäfsischen,  haben  wir  sein  Bemühen  zur  Förderung  des  Handels  zu  er- 
kennen. Er  folgte  darin  den  Spuren  seines  Vaters,  dessen  Bemühungen 
um  die  Sicherung  des  Landfriedens  die  Geschichte  nicht  vergessen  hat. 
Nicht  allein  in  Thüringen,  sondern  auch  im  Klettgau  brach  er  die 
Burgen  von  Raubrittern^.  Der  Sohn  begnügte  sich  nicht  aber  mit 
solchen  allgemein  gebotenen  Landfrieden,  er  schlofs  den  elsäfsischen  in 
Vertragsform  mit  den  Bischöfen  Friedrich  von  Strafsburg,  Peter  von 
Basel,  den  beiden  Landgrafen  im  Elsafs  —  der  im  Oberelsafs  war  er 
selbst  —  und  den  beiden  Städten  Basel  und  Strafsburg  ab®.  In  ihm 
heifst  es:  ^alle  geste  and  alle  frSmede  hHe,  sie  Stent  vamde  blibende  oder 
wesende,  die  si^llent  diesen  selben  friden  han.t  Und  noch  deutlicher 
w^ird  uns  die  Bedeutung  für  den  Handel,  wenn  wir  beachten,  dafs  die 
Grenzen  der  südlichen  Vorzone  angegeben  sind  mit  » Howensiein^i^  und 
iOoldenfeils^^.  Auf  dem  Hauenstein,  wo  das  habsburgische  Geleit  ge- 
endet, empfing  den  Reisenden  die  Sicherheit  des  elsässischen  Landfriedens. 
Und  auch  der  Augenblick  des  Abschlusses  ist  von  Bedeutung.  Er  fkUt 
in  den  Monat  April,  am  7.  Mai  1801  erliefs  der  König  sein  Manifest 
gegen  die  rheinischen  Kurfürsten.  Es  war  das  erste  Mal,  dafs  ein  König, 
um  den  Landfrieden  wirklich  durchzuführen,  sich  nicht  der  Form  eines 
Gesetzes  bediente,  es  war  auch  kein  Vollzugsvertrag  eines  allgemeinen 
Landfriedens,  sondern  ein  Bündnis  des  Königs  mit  den  tonangebenden 
Ständen  des  Landes '^. 

Welchen  Erfolg  hatten  die  Habsburger  nun  bei  ihren  Bemühungen 
um  Hebung  des  Handelsverkehrs?  Über  den  für  die  ganze  Strecke  von 
Hospenthal  bis  Reiden  in  Luzern  erhobenen  Zoll  giebt  uns  eine  sehr 
willkommene  Auskunft  das  habsburgische  Urbar  aus  dem  Anfange  des 
vierzehnten  Jahrhunderts.  Der  Höchstertrag  war  1108^5  und  6^  Basler 
Währung,   4  €6    13V'2  grofse   Tumosen   und   vier  Gulden,    der  Mindest- 


»  M.G.  SS.  17,  227.   228. 

«  Weifsenburg  1288  Böhmer-Redlich  2166». 
3  Strafsb.  Urkb.  2,  187. 

*  Roche  d'or.   Burg  an  der  schweiz.-franz.  Grenze  am  Doubsknie  bei  St.  ürsanne. 
«  Vgl.  Wynekcn   S.  92.     Heinrich   VII.    erneute   ihn    1310   auf  fünf   Jahre. 
Strafsb.  ürkb.  2,  229. 


206 


Achtzehntes  Kapitel. 


ertrag  460  €6  Basler*.  In  Luzern  waren  sicher  zwei  (die  Zölle  von 
Reiden  und  Hospenthal),  vielleicht  noch  mehr  zusammengelegt.  Man 
mufs  sich  das  vor  Augen  halten,  wenn  wir  die  Verkehrshöhe  berechnen 
wollen.  Wir  besitzen  zudem  keinen  Zolltarif.  Also  für  die  Wirtschafts- 
geschichte ergiebt  sich  kein  einwandfreier  Vergleich.  Aber  ich  meine, 
es  ist  doch  lehrreich,  die  Parallele  mit  Bapaume,  dem  Passe,  den  der 
Verkehr  von  Flandern  und  Frankreich  benutzt,  zu  ziehen.  Maximimi 
und  Minimum  sind  da  in  der  Zeit  von  1288—1307  3250  ü  Pariser  und 
1226  €6  ^.  Ganz  roh  verglichen  ist  das  Maximum  dreimal  so  hoch,  das 
Minimum  etwas  weniger. 

Die  Stellung  des  Luzerner  Zolles  unter  den  übrigen  habsburgischen 
erläutert  das  Urbarbuch.     Es  ergiebt  sich  folgende  Tabelle: 


Zoll  zu 


Höchster  Ertrag 


Niedrigster 
Ertrag 


Quelle 
Urbarbuch 


Ottmarsheim  Vi  des  Zolles    .   . 

Demnach  der  ganze  .... 
Erzingen 

Aufserdem  jährlich 

Hanenstein 

Waldshut  in  der  Stadt  .... 
Waldshut  auf  der  Rheinbrücke 

Dietikon 

Baden,  Zoll  auf  der  Brücke .    . 

Brugg  

Lenzburg     

Winterthur  Zoll 

Frei  bürg  im  Uchtland    .... 

Aarburg 

Zofingen  

Wesen 


15  «5 
60  ü 

16  «5 

4  a 

70  « 

10  ^ 

3  « 

3  iS 

35  ü 

160  ^ 


113  U 
61  fö 


Baseler 

Schaffliauser 

PfeflFer 

Schaffhauser 


5  yj  Züricher 
[Züricher] 
[Züricher] 

10  ii  [Züricher]* 
26  fS  Züricher» 

6  ß  Lausener 


10  fi 
40  « 

10  a 

31  Ä5 
4V2  ۧ 

1  « 

2  i6 
20  «8 

90^ 


^  a  6  ß 

40  ü 
Ohne  Angabe 


87 

68 

75 

76 
117 
129 
138 
158 
338/9 
486 
489 
496 
517 


Was  war  die  handelsgeographische  Funktion  dieser  Zölle?  Wer 
vom  Qotthard  auf  Basel  zog,  passierte  die  Zollstellen  von  Zofingen  und 
Aarburg  (die  nachher  noch  zu  erwähnen  sind),  wer  von  Basel  ab  weder 
durch   das  St.  Amarinthal  noch  auf  der   elsäfsischen  Bergstrafse  reisen. 


>  Habsb.  Urbar  1,  218  u.  286. 

«  S.  oben  S.  165. 

^  Bevor  die  Städte  Baden  und  Mellingen  diesen  Zoll  mitentrichten  mufsten, 
trug  er  10  oder  11  ü     Ebda. 

*  Fester  Ertrag. 

^  Der  Pachtertrag  des  Zolles  umfafste  auch  die  Einnahmen  aus  der  Münze, 
dem  Bankschilling  und  der  herrschaftlichen  Wage. 


König  Albrecht  und  die  schweizerischen  Alpen.  207 

noch  auf  dem  Rheine  fahren  wollte,  mufste  den  Zoll  zu  Ottmarsheim 
entrichten.  Die  Zölle  zu  Dietikon,  Baden  und  Winterthur  zeigen  weitere 
Fortsetzungen  des  Gotthardverkchrs.  Winterthur  liegt  auf  der  Strafee 
Zürich-Konstanz,  die  beiden  anderen  aber  an  der  von  Zürich-Limmat 
abwärts  führenden:  Dietikon  am  Eintritt  in  das  habsburgische  Gebiet. 
Auf  diesem  Wege  kam  man  zum  Bötzberg.  Damals  gab  es  bei  Walds- 
hut eine  Rheinbrücke,  der  Stadtzoll  von  Waldshut  enthält  aufser  dem 
Verkehre  vom  Gotthard  her  den,  der  am  rechten  Rheinufer  zwischen 
SchafFhausen  -  Konstanz  und  Basel  hin  und  her  ging.  Dieser  Weg 
wurde  auch  durch  den  ziemlich  ertragreichen  Zoll  von  Hauenstein  für 
die  Herrschaft  nutzbar  gemacht,  ebenso  durch  den  Zoll  von  Erzingen. 
Ein  anderer  Teil  des  von  Zürich  über  Basel  kommenden  Verkehres  über- 
schritt bei  Brugg  die  Aare,  passierte  den  Bötzberg  und  erreichte  so 
Basel.  Der  Zollertrag  kam  unmittelbar,  freilich  in  weitem  Abstände 
nach  dem  Gotthardzolle.  Wir  dürfen  den  Brugger  Zoll  aber  nicht  aus- 
schliefslich  unter  diesem  Gesichtspunkte  betrachten,  er  gehört  auch  der 
Reihe  der  Zollstätten  an  der  Aare:  Lenzburg,  Zofingen  und  Aarburg 
an,  die  beiden  letzten  sind  aber  auch  Teile  der  Gotthardreihe ,  wie 
der  Zoll  von  Baden  und  Winterthur  auch  an  diesem  westöstlichen  Ver- 
kehr interessiert  waren.  Der  Freiburger  Zoll  bietet  uns  ein  Bild  des 
internationalen  Verkehrs  nur  in  dem  Maximalertrag,  der  Zusatz:  *das 
meiste  nwcht  man  sit  dem  male  nie  genemen  von  defn  eolle  sit  das  mule 
und  ros  die  stra:^e  nihi  hant  gefieihei,^  Wie  weit  der  Verkehr  aus  dem 
Wallis  dabei  einwirkte,  ist  nicht  leicht  zu  sagen. 

Leider  sind  die  Angaben,  welche  der  Schreiber  bei  dem  Zolle  von 
Wesen  vorsah,  nicht  eingetragen.  Wir  würden  sonst  einen  Vergleich 
mit  dem  Verkehre  gewinnen,  der  damals  noch  dem  alten  Zuge  von 
Zürich  über  den  Züricher-  und  Walensee  zu  den  Büudner  Pässen 
folgtet 

Nach  dieser  Erläuterung  der  Tabelle,  welche  so  viele  Kreuzungs- 
punkte enthält,  ist  es  leider  nicht  möglich,  die  grofsen  Strafsenzüge  in 
Zahlen  zusammenzufassen.  Aber  es  ergiebt  sich  doch  das  Folgende.  Selbst 
ein  Drittel  der  in  Luzern  zusammengelegten  Zölle  (rund  370  U — 153  U) 
bleibt  hoch  über  den  nächsten  Zöllen:  Brugg  (160—90),  Freiburg 
(113—38),    Hauenstein  (70—31),   Ottmarsheim   (60—40).     Das    Gesamt- 

'  Eine  Übersicht  über  sämtliche  Zollstellen  des  Alpenlandes  wäre  sehr  er- 
wünscht. Die  meisten  Zolltarife  dieser  Gebiete  sind  noch  bis  1300  hinein  im  wesent- 
lichen auf  die  Erfassung  der  landwirtschaftlichen  Objekte  gerichtet,  so  der  einen 
Schwarz  Waldweg  sperrende  Zoll  von  Villingen.  Im  Zolltarif  von  1296  (Fürsten- 
berg. Urkb.  0,  237  f.)  ist  jedoch  auch  von  „Gästen"  die  Rede.  Die  Karte  giebt 
einen  ersten  Versuch  einer  solchen  Zollkarte.  Vollständigkeit  erstrebte  ich  jedoch 
nur  für  die  direkt  nach  Italien  führenden  Wege. 


208 


Achtzehntes  Kapitel. 


ergebnis  des  OotthardzoIIcs  (rund  1130  i6  im  Maximum,  460  im  Miniraum) 
übersteigt  sehr  erheblich  die  Gesamtsumme  der  anderen  in  ihren  Erträgen 
bekannten  habsburgisehen  Zölle  (rund  460  €ß  im  Maximum,  255  im 
Minimum). 

Die  Stellung,  welche  der  GotthardzoU  im  Haushalt  der  Habsburger 
einnahm,  ist  mit  mehr  Sicherheit  zu  erkennen,  als  die  innerhalb  des 
gesamten  Zollwesens  jener  Tage.  Das  Urbar  bietet  eine  Vergleichung 
mit  den  StÄdtesteuem.  In  der  nachfolgenden  Tabelle  habe  ich  die  Er- 
höhungen, welche  erfolgt  waren,  voraufgestellt,  dahinter  folgt  die  alte 
Taxe,  welche  auch  ftir  die  Posten  gilt,  wo  keine  Erhöhung  angegeben  ist. 


Höclißter  Ertrag  i  C^eringster 

Höchster 

Mindester 

Quelle 

^         Ertrag 

Ertrag 

Ertrag 

Baden    .... 

Ohne  Angabe 

Ohne  Angabe 

S.  130 

Mellingen    .    . 

- 

17  m.  a.     1    8  m.  a. 

S.  131 

Aarau   .... 

105  €6  [Züricher] 

50  «5 

30  /i 

S.  137 

Brugg  .... 

34  m.  a. 

16  m.  a. 

12  m.  a. 

s.  las  f. 

Zug  u.  Oberwil 

18  m.  a.          10  m.  a. 

S.  152 

Lenzburg.   .    . 

24  i6  LZüricher] 

12  fS 

10  «J 

S.  159 

Sursee  .... 

28  in.  a.                  2OV2  m.  a. 

10  m.  a. 

S.  177 

Sempach  .   .    . 

25' /a  m.  a. 

lOVa  m.  a. 

10  m.  a. 

S.  179 

Luzern .... 

— 

55  m.  a.         40  m.  a. 

S.  218 

Winterthur .    . 

150  m.  a.                   60  m.  a. 

100  ii  [Züricher] 

S.  339 

Diefsenhofcn  . 

■ 

40  m.  a.     ;    30  m.  a. 

S.  :^1 

Zofingen  .   .    . 

^■^" 

■"^^ 

30  m.  a. 

20  m.  a. 

S.  497 

Die  Städte  Frauenfeld,  Wesen,  Walenstad  im  Nordosten,  Interiaken 
und  Freiburg  im  Südwesten  mufs  ich  aufser  acht  lassen,  da  hier  das 
Urbarbuch  gar  keine  oder  keine  sichere  Auskunft  gewährt.  Die  Städte 
des  Kernes  des  habsburgisehen  Besitzes  auf  der  schweizerischen  Hoch- 
ebene —  mit  Ausnahme  von  Baden  —  ergaben  somit  vor  der  Steuer- 
erhöhung im  Maximum:  192  Mark  Silber  und  140  Ä5  ft  (und  letzteres 
ganz  roh  nach  der  Formel  2V2  ä5  ^  1  m.  umgerechnet),  insgesamt 
248  Mark  Silber,  im  Minimum  (140  m.  a  +  140  ^)  aber  196  M.  S. 
Nach  der  Erhöhung  stellen  sich  die  Summen  auf  (392  ^/2  m.  a  +  129  fS ) 
444^2  und  (266  m.  a  -+-  62  «)  289  Mark  Silber.  Es  hatten  manche 
Städte  oder  Bürger  ja  noch  besondere  Abgaben  an  die  Herrschaft,  im 
grofscn  und  ganzen  traten  sie  aber  neben  dieser  direkten  Steuer  völlig 
in  den  Hintergrund*. 


1  Ich  bemerke,  dafs  wir  noch  eine  andere  Quelle  für  die  Höhe  dieser  Stoiiem 
haben.   Im  Jahre  1315  haben,  offenbar  um  die  Kosten  des  Thronstreites  damit  docken 


König  Albrecht  und  die  schweizerischen  Alpen.  209 

Um  nun  einen  Vergleich  ziehen  zu  können,  müssen  wir  den  Nutzen 
der  Gotthardstrafse  gleichfalls  in  Mark  Silber  umrechnen.  Der  Nutzen 
setzt  sich  nur  aus  zwei  Teilen  zusammen,  aus  dem  oben  schon  näher 
besprochenen  Zollerträgnisse  von  Luzern  (Hospental -Reiden)  und  dem 
Erträgnisse  der  Fähre.  Im  Urbarbuche  heifst  es,  bei  Luzern  nämlich: 
»Da  ist  och  ein  vert  ee  Lucern^  das  der  herschaft  eigen  ist,  das  hat  ver- 
golten eines  jares  bi  deni  meisten  100  U,  hi  dem  minsien  .  .  .c  Der  Er- 
trag ist  so  hoch,  dafs  sich  die  *vert^  nicht  wohl  auf  die  Schiffahrt  Reuüs 
abwärts  beziehen  kann.  Ich  will  aber  hier  gar  nicht  auf  die  verwickelte 
Frage  der  Schiffahrtsorganisation  von  Luzern  und  auf  dem  Vierwald- 
stättersee  eingehen ,  man  wird  nicht  widerstreiten ,  wenn  ich  die  Blüte 
dieser  Fähre,  auch  wenn  sie  wirklich  die  Reufsfahrt  und  nicht  die  Schiff- 
fahrt auf  dem  See  bedeutet,  vom  Gotthardverkehr  abhängig  betrachte. 
Wir  müfsten  zu  dem  Maximum  von  rund  1130  Baseler  Pfund  noch  100 
hinzurechnen.  In  den  besten  Jahren  ertrug  der  Gotthardverkehr  der 
Herrschaft  also  1230  ^  §)  oder  —  nach  dem  von  Hanauer*  berechneten 
Satze  von  2V/'2  te  Baseler  =  1  Mark  Silber  —  492  Mark  Silber. 

Es  folgt  also,  dafs  in  guten  Jahreü  der  Ertrag  des  Gotthardverkehres 
fast  um  den  doppelten  Betrag  den  Meistertrag  aller  anderen  im  Urbar- 
buch genannten  Zölle  übertraf,  auch  den  Meistertrag  der  erhöhten  Steuern 
der  schweizerischen  Städte  (444  Va  M.  S.)  überstieg  und  nur  um  ^/e  tiefer 
stand,  als  die  Gesaniteinnahme  aus  den  habsburgischen  Besitzungen  im 
Elsafs,  die  auf  189,7  Mark  Silber  berechnet  wurden*.  Man  sieht  aus 
diesem  Vergleiche,  welches  enorme  Interesse  das  Haus  Habsburg  am 
Gotthardverkehre  hatte. 

Solche  Berechnungen  haben  unzweifelhaft  ihre  Fehler,  aber  wir  würden 
uns  nie  die  wirtschaftlichen  und  politischen  Vorgänge  klar  machen  können, 
wenn  man  nicht  den  Versuch  machte,  gutes  Ziffernmaterial  —  und  das  des 
Urbarbuches  ist  vortrefflich  —  auch  leibhaftig  sich  vor  Augen  zu  führen« 
Kleine  Fehler  mufs  man  dabei  in  den  Kauf  nehmen. 

Die  Sicherheit  der  Wege  war  selbst  in  Albrechts  Tagen  keine  grofse. 
So  wurden  1306  ftlnf  venetianische  Kaufleute  durch  zwei  Ritter  und 
drei    Knechte  niedergeworfen    und   ihrer  Sachen    in  einem  Werte  von 


zu  helfen,  die  Herzöge  von  Osterreich  an  den  Strafsburger  Bürger  Heinrich  von 
Mülnheim  folgende  Städtesteuem  verpföndet:  33  |Mark  Silber  auf  Aarau,  Sursee  25, 
Waldshut  17,  Sempach  14,  Meilingen  2,  Zofingen  45  und  Lenzburg  7  —  zusammen 
also  143  Mark  Silber.  Straf sb.  Urkb.  3  Nr.  795.  In  der  Anmerkung  dazu  habe  ich 
schon  nachgewiesen,  dafs  ein  Teil  nach  1462  nicht  abgelöst  war.  Verpfändet  waren 
auch  an  denselben  die  Steuern  von  Brugg  und  Winterthur  (ebda.  Nr.  779),  jedoch 
ist  die  Höhe  der  Steuern  nicht  einzeln  angegeben. 

^  £tudes  ^conomiques  1,  395  f. 

«  Schulte,  Geschichte  der  Habsburger  S.  68. 

Sehult«,  Gesch.  d.  mittelalterL  Handel«.    I.  14 


210  Achtzehntes  KapiteL 

67  Mark  Silber  beraubt  Es  seheint  im  Gebiete  der  Qrafen  Rudolf  von 
Werdenberg,  also  entweder  an  einer  Bündner  Route  oder  am  Wege  über 
den  Arlberg  gewesen  zu  sein.  In  Venedig  liefs  man  dafür  die  gesamten 
deutschen  Eaufleute  büfsen,  deren  Abgaben  erhöht  wurden,  wogegen 
König  Albrecht  Einsprache  erhob  und  zugleich  die  Stadt  Konstanz  und 
alle  Beamte  im  Bistume  anwies,  für  die  Rückgabe  des  Geraubten  Sorge 
zu  tragen  ^. 

Das  Muster  für  Räuberei  und  Erpressung  gaben  aber  doch  zwei 
andere  Angehörige  desselben  grofsen  Geschlechtes,  die  Grafen  Hugo  von 
Montfort,  wohl  der  am  Bodensee  wohnende  Graf  Hugo  von  Montfort- 
Tettnang^,  und  Hugo  von  Bregenz,  die  am  9.  Mai  1308  —  also  acht 
Tage  nach  der  Ermordung  des  Königs  Albrecht  —  an  den  Dogen  und 
die  Stadt  Venedig  schrieben:  sie  hätten  für  König  Rudolf  und  andere 
Könige  und  das  Reich  so  viele  Lasten  und  Kosten  getragen,  dafs  sie 
die  Not  und  der  Mangel,  nicht  etwa  Begehrlichkeit  oder  Raublust  an- 
getrieben habe,  hundert  Ballen  feiner  Tuche  mit  den  Kaufleuten  auf 
dem  Bodensee®  aufzuheben  und  in  ihren  Burgen  unterzubringen.  Nach 
der  Schätzung  kluger  Leute  seien  die  Waren  10000  Mark  und  mehr 
wert.  Sie  kämen  damit  noch  immer  nicht  auf  die  für  das  Reich  gehabten 
Kosten,  als  Pfand  des  Reiches  hätten  sie  die  Güter  vorläufig  beschlag- 
nahmt. Aber  Erbarmen  und  Frömmigkeit  habe  sie  ergriffen,  sie  wollten 
die  Ballen  ihnen  für  6000  Mark  Silber  ausliefern,  wenn  sie  dieselben 
auch  teurer  verkaufen  könnten.  In  einer  Stadt  Kärnthens  müsse  das 
Geld  niedergelegt  werden  und  dann  sollten  gleichfalls  in  Kärnthen  ihnen 
die  Waren  ausgeliefert  werden.  Die  Grafen  schickten  als  Auskunfts- 
person den  Venetianer  Philipp  mit  diesem  Briefe,  der  Arme  hatte  aber 
vorher  schwören   müssen,    innerhalb  Monatsfrist  sich  wieder  zu  stellen*. 

Dieses  Muster   eines  Brigantenbriefes    ist  im  schönsten  Latein  abge- 


*  Ich  verbinde  da  zwei  Urkunden:  das  Schreiben  König  Albrechts  vom 
29.  Mär«  1307  an  den  Dogen  (Kopp,  Reichsgeschichte  3,  2,  414),  wo  Graf  Rudolf 
und  die  Abgabenerhöhung  genannt  wird,  ferner  das  desselben  an  die  Stadt  Konstanz 
vom  5.  Mai  1307  (ebda.  3,  2,  415,  auch  Simonsfeld,  Fondaco  dei  Tedeschi  1,  7), 
wo  die  Namen  der  Beraubten  und  Räuber  genannt  sind.  Die  letzteren  »per  Fei<ntm 
de  Stranosburg  et  Pet(rwn)  de  Barlcar*  vermag  auch  ich  nicht  zu  erklären.  Dieser 
Brief  wurde  nach  Venedig  mitgeteilt,  wo  er  sich  erhalten  hat. 

"  Doch  kommt  auch  ein  Gr.  H.  v.  Montfort-Feldkirch  in  Frage. 

*  Die  Libri  commemoriali  haben  »super  lacum  Lemanium^j  das  ist  der  Boden- 
«ee.  Die  gereimte  Geographie  des  dreizehnten  Jahrhunderts  (ed.  Zingerle,  Wien 
1865  S.  33)  sagt  von  Schwaben: 

Daz  Älemdnid  hiez  e 

vdch  Alemän,  dem  Bodense. 

*  Ausgestellt  1308  Mai  9  a^ntd  sanctum  Petrum,  wohl  Werdenberg,  Kopp, 
Beichsgesch.  3,  2,  416. 


Die  Walliser  Pässe.  211 

fafst  und  trägt  die  unschuldigste  Miene.  Die  Einleitung  erinnert  an  die 
Gedanken  des  biederen  Werner  Rolevinck,  der  glaubte,  seine  lieben  west- 
fklischen  Landsleute  dürften  Wegelagerer  sein,  weil  das  Land  sie  nicht 
nähre.  Die  Waren  wurden  dann  wenigstens  zum  Teil  nach  Meran  ver- 
bracht, wo  die  Strafsenräuber  sie  verkaufen  wollten,  die  Venetianer 
wandten  sich  aber  an  den  Herzog  von  Kärnthen,  damit  er  ihnen  die 
Waren  ausliefere*. 

Einen  ähnlichen  Vorwand,  dafs  der  deutsche  König  ihm  Geld  schulde, 
schützte  ein  pßllzischer  Herr  vor,  Ludwig  von  Kirkel,  ein  Verwandter 
des  Stnvfsburger  Bischofs,  der  den  Mailänder  Kaufmann  Beltramus  de 
Vento  1303  niederwarf.  Es  ist  wichtig,  zum  erstenmal  einen  Welschen 
in  der  Nähe  der  Burg  Kirkel  und  in  einer  Gegend  zu  finden,  die  später 
regelmäfsig  von  ihnen  durchquert  wurde.  Die  Stadt  Mailand  gab  Beltram 
das  Recht,   sich  durch  Repressalien  an  Deutschen  schadlos  zu  machen'. 

Neunzehntes  Kapitel. 
Die  Walliser  Pässe. 

Aushau  der  Simplonstrafse.  Vertrag  Über  den  \Ndfieverkehr,  Einffreifen  der 
Mailänder  Kaufmannschaft.  Verträge,  ZöUe.  Brücken,  Susten.  Anteil  von  Novara. 
Auch  die  ErschUefsung  des  Simplons  eine  Folge  der  Ausdehnung  der  deutschen  Kolonien 
in  Piemofit.    Anteil  der  deutsche^i  Hirten  und  des  italiefiiscfien  Adels. 

Der  Graf  sc  St.  Bernhard.  Hof^piz,  Teter  IL  von  Savoyen.  ZöUe,  enorme  am 
Jura.  Benutzung  des  Val  Travers.  Verträge  der  Savoyer  mit  den  Kauf  leuten  (Piacema^ 
Gesellschaft  der  Markthesuclver,  Genua). 

Der  Versuch,  den  Pafs  von  Jougne  für  den  Handelsverkehr  zu  ver- 
nichten, war  ein  völlig  aussichtsloses  Unterfangen,  denn  die  ihm  dienenden 
Alpenpässe  hatten  sich  an  Zahl  vermehrt,  und  gerade  über  sie  ging  ein 
sehr  lebhafter  Handel.  Der  Einflufs  des  Königs  in  der  burgundischen 
Schweiz  war  immer  mehr  gesunken,  und  dem  Hause  Savoyen  konnte 
die  Stellung  rittlings  der  Alpen  nicht  mehr  genommen  werden,  jenseits 
Freiburg  endete  der  habsburgische  Einflufs.  Die  Stellung  der  Savoyer 
war  hier  längst  fest  begründet.  Seit  dem  elften  Jahrhundert  besafsen 
sie  die  Grafschaft  im  Chablais  und  beherrschten  damit  den  Ausgang 
aller  Walliser  Pässe;  ebenso  gehörte  ihnen  die  Vogtei  von  St.  Maurice, 
selbst  über  dessen  im  oberen  Wallis  gelegenen  Güter  (Naters  u.  s.  w.). 
Sie  versuchten  auch  immer  tiefer  in  das  Rhönethal  einzudringen,  und 
der  Kampf  zwischen  den  Savoyern   und   dem  Bistume   ist  fast   ununter- 


1  Simonsfeld  1  Nr.  28  u.  29. 

*  Unsere  Urkunden  Nr.  181.  »Lodoycus  de  Herchel  in  Castro  Bechel  districtut 
de  Transborg  sive  de  Argentina*  ist  unzweifelhaft  ein  Kirkel.  Ist  das  Datum  richtig 
überliefert? 

14* 


212  Neunzehntes  Kapitel. 

brochen.  Dieses  besafs  die  Grafschaft  durch  eine  Schenkung  des  Königs 
Rudolf  vom  Jahre  999;  das  war  der  Grundstein  der  bischöflichen  terri- 
torialen Gewalt  Zu  den  Grafschaftsrechten  gehörten  aber  die  Strafsen 
und  Märkte.  Diese  Rechte  empfing  der  Bischof  aber  nicht  direkt  vom 
Könige,  hier  war  vielmehr  lange  Zeit  Übung,  dafs  der  Bischof  die  Regalien 
vom  Grafen  von  Savoyen  erhielt.  Als  das  im  Anfang  des  vierzehnten 
Jahrhunderts  für  die  anderen  Regalien  bestritten  wurde,  blieb  die  Be- 
lehnung  für  die  Strafsen  von  Ottans  aufwärts  anerkannt. 

Aus  diesem  Rechte  folgerte  die  Pflicht  des  Bischofs,  die  Strafsen  in 
Stand  zu  halten  und  für  ihre  Sicherheit  zu  sorgen.  Diesen  Pflichten 
standen  als  Rechte  mannigfache  Einnahmen  gegenüber*.  Wie  in  Grau- 
bünden war  das  Strafsenregal  in  die  Hände  des  Bischofs  gegeben,  in 
Wallis  aber  hatte  ein  benachbarter  Alpengraf  einen  erheblichen  EinfluCs, 
der  im  Bistum  Chur  fehlt.  Im  Geleitswesen  hatten  die  Bischöfe  in  beiden 
Gebieten  aber  das  gleiche  Monopol^. 

Wie  oben  gezeigt  wurde,  war  im  Anfange  des  dreizehnten  Jahr- 
himderts  der  Antrona-  und  Simplonpafs  zugänglich  geworden.  Doch 
dürfte  der  Verkehr  zunächst  noch  immer  ein  recht  bescheidener  gewesen 
sein.  Aus  der  Zeit  um  1256  stammt  eine  Aufzeichnung  über  ein  bischöf- 
liches Lehen,  dessen  Inhaber  verpflichtet  war,  die  oberhalb  Sitten  bei  St. 
Leonhard  auf  dem  rechten  Rhoneufer  über  die  la  Rifere  führende  Brücke, 
sowie  den  Weg  bis  zur  Burg  von  Granges  (das  weiter  oberhalb,  aber 
auf  dem  linken  Ufer  liegt)  mit  Hilfe  der  Nachbarn  in  Stand  zu  halten. 
Dafür  durfte  er  von  jedem  auf-  oder  abwärts  gehenden  Ballen  3  ^  Maur. 
erheben,  auch  mufste  jeder  Fremde,  der  über  die  Brücke  ging,  wenn  er 
nicht  Ritter  öder  Kleriker  war,  einen  Obolus  zahlen.  Von  jedem  nach 
Deutschland  oder  der  Lombardei  gehenden  Stücke  Grofsvieh  wurde  1  S), 
von  100  Stück  Kleinvieh  12  3)  erhoben ». 

Auf  dem  Simplon,  dessen  Geschichte  zunächst  zu  behandeln  ist,  er- 
scheint seit  1235  ein  Johanniterhospiz,  es  erhält  in  dieser  Zeit  Schen- 
kungen, aber  keine  von  Wanderern  aus  weiter  Ferne,  die  Geber  gehören 
dem  Oberwallis  an  *.  Das  Dorf  Simpeln  selbst  war  im  Besitz  einer  edeln 
Familie  von  Naters,  dann  der  von  Moerel,  ging  dann  an  die  von  Castell 
über,  von  denen  Bischof  Bonifaz  die  Herrschaft  von  der  Brücke  Crevola 
aufwärts  über  den  Pafs  bis  Brig  erwarb,  was  1291  aber  von  den  Grafen 


^  Vgl.  aufser  Hoppeler  vor  allem  van  Berchem,  G-uichard  Tavel  im 
Jahrb.  f.  Schweiz.  Gesch.  24,  33—42,  121  ff.  und  die  Quellenbelege  S.  319—24. 

■  >>Strate  et  canductn  sunt  episcopi.«    van  Berchem  320. 

'  Gremaud  33,  429  f.  Später  wurde  der  Weg  von  Sitten  an  auf  das  linke 
Rhöneufer  verlegt. 

*  Naters  (1246)  29,  387  u.  29,  394.  (1252)  29,  478.  (1290)  30,  401  (Bewohner  des 
Dorfes  Simpeln).    (1255)  29,  498  Verkauf  eines  Weinbergs  an  das  Hospital. 


Die  Walliser  Pässe.  213 

von  Biandrate  als  nicht  rechtsgültig  bestritten  wurde  ^ ;  denen  von  Castell 
folgten  die  Freiherm  von  Raron,  1303  verzichtete  der  Erbe  Peter  Sene- 
Bchall   von  Sitten  auf  den   Besitz  zu  Gunsten   der  Kirche  von  Sitten'. 

Die  Kirche  von  Simpeln  erscheint  zuerst  1267,  sie  ist  noch  nicht 
alt,  man  weifs  noch,  wer  sich  um  ihre  Dotierung  verdient  gemacht.  Eine 
nach  dem  Orte  sich  nennende  Ministerialenfamilie  wird  zuerst  1257  ge- 
nannt, sie  safsen  auf  einem  erst  vor  wenigen  Jahren  eingestürzten  Turme. 
Die  Herrschaft  im  gesamten  Doveriathale  und  über  den  Pafs  bis  Brig 
gehörte  den  Herren  von  Castello  und  kam  nach  kurzem  Übergange  an 
das  Bistum  in  den  Besitz  der  Grafen  von  Biandrate  ^.  Alles  bezeugt  ein 
gewisses  Leben  in  dem  ins  Gebirge  eingesprengten  Dorfe.  Der  Kirchen- 
satz gehört  eine  Zeit  lang  einer  Familie  jenseits  der  Gondoschlucht,  einer 
Familie  von  Ornavasso.  Die  erste  bezeugte  Simplonfahrt  gehört  ins  Jahr 
1254.  Damals  wurde  er  von  dem  Erzbischof  Odo  von  Kouen  über- 
schritten, als  er  nach  Rom  reiste.  Er  nahm  seinen  Weg  von  Dijon  über 
D6le,  Salins  nach  Pontarlier,  überschritt  am  31.  Januar  den  Jougnepafs, 
dann  ging  es  über  Lausanne  nach  Sitten,  die  nächsten  Nachtquartiere 
waren  Leuk,  Brig,  Divegliapafs ,  am  8.  Februar  wurde  der  Simplen 
überschritten,  Domo  d'Ossola,  Pallanza,  Gallarate  und  Mailand^  waren 
die  nächsten  Stationen.  Den  Rückweg  nahm  er  über  den  Mont-Cenis. 
Die  Geschichte  des  Simplons  beginnt  dann  mit  einem  Vertrage,  der  den 
Naheverkehr  regelt,  klarer  zu  werden,  an  ihn  schliefst  sich  sofort  die 
Organisation  des  gesamten  Handelsweges  durch  Wallis  seitens  der  Kauf- 
mannschaft von  Mailand.  Bei  keinem  Alpenpasse  und  bei  keiner  Alpen- 
straTse  ist  die  erste  Einrichtung  so  deutlich  zu  übersehen,  wie  hier. 

Leider  liegt  der  Vertrag  von  1267  in  seinem  Wortlaute  noch  nicht 
vor^.  In  nächster  Nähe  von  Simpeln  kamen  Italiener  und  Oberwalliser, 
darunter  auch  Vertreter  der  wichtigsten  Herrengeschlechter,  zusammen 
und  verhandelten  über  die  Auirechterhaltung  des  Friedens ;  Brand,  Mord 
und  Verwundung  sollen  verhindert  werden.  Allem  Anschein  nach  ist 
dieser  Vertrag,  der  beiden  Seiten  Freiheit  des  Handels  verbürgte,  von 
lokalen  Interessen  diktiert  worden,  mochten  auch  die  Bischöfe  von  Sitten 
and  Novara,  deren  Sprengel  im  Passe  zusaikimenstiefsen  und  die  das 
StraTsenregal  besafsen,  bei  der  Verhandlung  vertreten  sein. 

Die  allgemeinen  Handelsrücksichten  brachte  aber  sofort,  nachdem 
durch  diesen  Vertrag  die  Ruhe  auf  dem  Passe  selbst  gesichert  war,  die 


1  Gremand  80,  424. 

*  Hoppe  1er,  Die  Meier  von  Simpeln.  Anzeiger!  Schweiz.  Gesch.  1893  Nr.  4. 

*  Gremaud  80, 424.    Schmid  in  d.  Blättern  aus  d.  Walliser  Geschichte 
2,  149—159.    Vgl.  van  Berchem  45. 

-*  Ludwig  S.  108. 

^  Nur  Auszug  bei  Scaciga,  Storia  di  Val  d'Ossola  80—88  und  Gremaud  80, 115. 


214  Neunzehntes  Kapitel. 

Kaufmannschaft  von  Mailand  zur  Geltung.  Sie  fanden  das  beste  Ent- 
gegenkommen bei  dem  bischöflichen  Seneschall  Wilhelm.  Es  müssen 
recht  beträchtliche  Wege  und  Brtickenverbesserungen  hergestellt  worden 
sein ;  denn  neben  den  unbedeutenden  alten  Zöllen  zu  Brig,  Sitten  und  an 
der  Brücke  von  Riddes  ^  gestand  die  Kaufmannschaft  dem  Bischöfe  Hein- 
rich von  Raron  (1243—71),  der,  aus  deutscher  Familie  stammend,  hart- 
näckig gegen  die  Savoyer  kämpfte,  einen  nach  dem  Werte  der  Waren 
abgestuften  Zoll  zu  Sitten*  zu,  und  ein  Sechstel  davon  wurde  weiter 
dem  bischöflichen  Seneschall  als  ein  unveräufserliches  Recht  bewilligt^ 
wofür  er  die  Verpflichtung  übernahm,  den  Kaufleuten  innerhalb  des  Bis- 
tums zu  helfen  und  sie  auch  aufserhalb  zu  unterstützen^. 

Wo  noch  trotz  der  vom  Bischof  eingegangenen  Verpflichtung,  Brücken 
und  Strafsen  wiederherzustellen,  der  Weg  nicht  gut  war  oder  neue  Ver- 
kehrseinrichtuDgen  geschafi^en  werden  mufsten,  ging  die  Mailänder  Kauf- 
mannschaft wieder  in  gleicher  Weise  vor,  gegen  eine  neue  Abgabe  wurde 
das  Erforderliche  eingerichtet.  So  gab  es  eine  böse  Stelle  unterhalb 
V^troz  (westlich  von  Sitten).  Eine  Mailänder  Gesandtschaft  gab  einem 
Sittener  Bürger  das  Recht,  von  einem  jeden  Ballen,  der  von  Frankreich 
kam  oder  nach  Frankreich  ging,  1  §  von  Vienne  zu  erheben,  dafür 
mufste  er  sich  und  seine  Erben  verpflichten,  Weg  und  Brücken  an  dieser 
Stelle  in  Stand  zu  halten*.  Dieselben  Gesandten,  welche  um  Neujahr 
1272  den  Simplon  überschritten  hatten,  bewilligten  dem  Bischof  einen 
Zoll  für  die  Instandhaltung  einer  Brücke  bei  Martigny,  einen  andern  für 
die   dortige  Sust,   ebenso   eine  Abgabe  für  die  Geleitspferde '^.    Für  die 


^  »Salvis  tribus  den.  Maur.  qui  solvebantur  apud  Sedunum  et  duobus  den,  qui 
sohelantur  apud  Brigatn  et  unutn  den.  ad  pontem  de  Eida  de  antiquis  pedagiist 
Gremaud  30,  205.  Auf  den  alten  Zoll  zn  Sitten  bezieht  sich  wohl  die  Urkunde 
von  1276  30,  245,  Wann  die  Wage  in  Sitten,  die  1295  vom  Bischof  an  die  Bürger 
kam,  eingerichtet  wurde  (30,  471),  ist  ungewifs. 

'  In  der  am  besten  erhaltenen  und  vollständigsten  Fassung  von  1291  heifst 
es :  »Inprimis  de  quodibet  balla  panni  draperie  de  Francia  et  drapi  de  auro  et  syde  et 
spedarie  duodecim  denarios  Maurisienses,  et  pro  quoUbet  equo  de  guarda  duodecim  den. 
Mtmr.f  de  baiUs  tero  /uftatteorum,  la/ne,  cere,  corduanorum,  accuum,  mercerie,  armatwrt 
et  aliis  balHs  equivalentibus  sex  den,  Maur,  pro  qucUibet  belUi,  De  ballis  vero  ferri^ 
azarii  et  cujuslibet  metaUi,  salvo  auro  vel  argento^  duo  den,  Maur,  pro  qualihet  baüa.^ 
Gremaud  30,  421.  Vorher  schon  1270  30,  155  u,  57.  Dafs  es  sich  um  einen  1270 
neugeschaffenen  Zoll  handelt,  ist  durch  30,  156  anfser  Zweifel  gestellt. 

»  Die  Verleihung  seitens  der  Mailänder  Vertreter  (Martinus  de  Lucha  et  RevelluB 
de  Feria)  1270  Juli  30,  156.  Es  heifst  ausdrücklich,  das  sei  gegpeben  »pro  lahoribus, 
qmoB  8U9tinuerat  pro  merontoribns  et  smdicis  predidis'.  Der  Bischof  gab  ihm  sofort 
das  zu  Lehen.    80,  155  f. 

*  Gremaud  30,  187  vom  14.  Januar  1272. 

^  1  ^  Maur.  für  die  Brücke,  ebenso  viel  für  das  Geleitspferd,  1  ^  Vieanenser 
für  die  Svist,  80,  205.   Von  der  Urkunde  ist  a«r  ein  Brnchstfick  erhalten,  das  Datum 


Die  WaUiser  PisM.  215 

Instandhaltang  des  W^es  von  Agaren  gegenüber  Leuk  bis  Visp  erhielt 
der  Bischof  1  ^  von  Vienne  vom  Ballend  Ein  Zoll  zu  Eng,  der  bei 
Gelegenheit  eines  Jahrmarktes  erhoben  wurde,  war  1291  von  den  Mai- 
ländern zurückgekauft '.  Endlich  wurde  noch  an  der  Brücke  von  Riddes 
ein  Brückengeld  erhoben'. 

Besondere  Sorgfalt  wandten  die  Mailänder  den  Susten  zu,  Lager- 
häusern, wo  die  Waren  am  Abend  des  Transporttages  niedergelegt  wurden. 
Zuerst  erwähnt  wird  die  Sust  in  Leuk,  das  Bistum  veräufserte  das  Recht 
auf  das  Sustgeld  ('s  h)  und  die  Wage  ('  s  »  an  einen  Mann  von  Leuk^, 
wo  damals  die  deutsch-französische  Sprachgrenze  lief  ^.  Die  von  Martigny 
erscheint  1272,  die  zu  Sitten  1275  bez.  1285,  hier  war  die  Abgabe  von 
1  S)  gleichfalls  in  Händen  von  Laien*,  1290  kaufte  die  Stadt  die  Sust^. 

Der  Vertrag  von  1291  schreibt  vor,  dafs  der  Bischof  dafilr  sorgen 
soll,  dafs  die  Ballen  durch  die  Führer  von  Sitten  aufwärts  nur  in  Agerten 
(Susten),  in  Brig  und  bei  der  Kirche  von  Simpeln  abgeladen  werden 
sollen.  Wir  können  also  hier  genau  sehen,  wie  grofs  die  Tagestouron  der 
Warentransporteure  waren,  von  Sitten  bis  Leuk  sind  etwa  25  km  (Höhen- 
differenz 102  m),  von  Leuk  bis  Brig  28  km  (HöhendiflFerenz  57  m),  bis 
Simpeln  ist  die  Entfernung  auf  der  heutigen  Heerstrafse  33,4  km,  doch 
deckt  sich  der  Weg  ja  keineswegs  mit  dem  kürzeren,  aber  weit  steileren 
Saumpfad®,  die  Höhendifferenz  bis  zur  Pafshöhe  beträgt  1329  m.  Der 
Lage  der  Susten  entspricht  weiter  ein  Transporttag  von  Martinach  bis 
Sitten  mit  28 — 30  km  (Höhenunterschied  45  m). 

Die  Kaufleute  deckten  sich  auf  alle  Weise  gegen  die  Eingriffe  der 
Walliser,  die  Fuhrleute  sollten  unter  sich  keine  den  Kaufleuten  abträg- 
liche Einungen  machen  dürfen,  es  wird  hier  also  scharf  gegen  die  Trans- 
portverbände eingetreten.  In  Brig  sollten  die  Ballen  nicht  aufgebunden 
werden  und  man  einen  vereidigten  Wagemeister  anstellen.  Die  genauesten 
Bestimmungen    enthält    der   sehr    weitläufige    Vertrag   von    1291.      Der 


fehlt,  doch  sind  die  Vertreter  von  Mailand  und  Pistoja  »Albertus  Liprandi  ei  Fugerius 
de  Arcuei*  identisch  mit  denen  der  Urkunde  vom  14.  Januar  1272  »Bt^erius  de  Aren 
ei  Albertus  Liprandus* ,  deren  Vollmacht  von  der  Stadt  vom  4.  Dezember  datiert 
war,  sie  hatten  auch  eine  von  der  Kaufmannschaft. 

»  30,  207. 

«  30,  422. 

»  30,  207. 

*>  1271  Juli  12.  30,  178.  Der  Name  der  Sust  hat  sich  in  dem  Örtchen  „Susten"' 
erhalten. 

*  Teilungsvertrag  über  den  Bezirk  der  Predigerbrüder  von  Lausanne  und  Bern 
1274  Februar.    30,  217. 

•  1285  April  6.    30,  328  ff.    Alle  drei  Susten  werden  1291  aufgeführt  30,  420. 
'  30,  390. 

«  S.  oben  S.  6. 


216  Neunzehntes  Kapitel. 

Bischof  garantierte  den  Kaufleuten  für  allen  Schaden,  den  sie  in  seinen 
Landen  erleiden  würden,  innerhalb  40  Tagen  aufzukommen,  ausgenommen 
waren  Unglücksfklle  und  Diebstahl,  den  die  Knechte  am  Oute  des  Herrn 
etwa  begingen.  Die  Kaufleute  sollten  nicht  durch  Verträge  von  Wallisern 
mit  Mailand  behindert  werden;  das  Repressalienrecht  wurde  nicht  völlig 
abgeschafft,  doch  war  der  Termin  bis  zum  Eintritt  der  Fehde  (40  Tage 
und  zwei  Monate)  so  weit  erstreckt,  dafs  alle  Warentransporte  längst  auf 
andere  Wege  gelenkt  sein  konnten.  Repressalien  durften  aber  unter 
keinen  Umständen  aus  Schuldklagen  hergeleitet  werden.  Gegen  die  Kauf- 
leute ist  die  Bestimmung  gerichtet,  dafs  Oold  und  Silber  nicht  in  Ballen 
versteckt  werden  dürfe.  Um  den  Transport  auf  dem  Simplonpasse 
stritten  sich  1307  die  Gemeinden  Naters  und  Brig  auf  der  einen,  Simpeln 
auf  der  andern  Seite.  Es  wurde  entschieden,  dafs  der  Transport  Woche 
für  Woche  umgehen  solle*. 

Die  Verträge  von  1272  und  1291  sollten  ausdrücklich  nur  für  die 
Regierungszeit  der  Aussteller  von  Seiten  der  Sittener  Kirche,  der  Bischöfe 
Rudolf  von  Valpelline  (1271—73)  und  Bonifaz  von  Challant  (1289—1308) 
gültig  sein',  schon  die  völlige  Erneuerung  aller  alten  Bestimmungen  in 
dem  neuen  Vertrage  beweist  aber,  dafs  diese  Verträge  auch  fiir  die  übrige 
Zeit  gegolten  haben.  Selbst  die  heifsen  Kämpfe  des  oberwallisischen 
Adels  gegen  den  Bischof  (1296—99)  dürften  an  der  Gültigkeit  der  Ver- 
träge nichts  geändert  haben. 

Aus  der  zwischenliegenden  Zeit  stammen  zwei  Geleitsbriefe  von  1274, 
die  während  einer  Sedisvakanz  der  Domdechant  und  der  Viztum  von 
Sitten  dem  Richter  im  Chablais  für  die  Kaufleute  ausstellten®.  In  dem 
ersten  ist  auch  auf  einen  Brief  aus  den  Tagen  Bischof  Heinrichs  von 
Raron  Bezug  genommen. 

Der  Walliser  Strafsenzug  verdankt  seine  Blüte  im  wesentlichen  also 
der  Mailänder  Kaufmannschaft,  die  bei  den  Bischöfen  und  ihrem  Sene- 
schall  Verständnis  fand.  Eigentümlicherweise  war  1272  auch  ein  Bevoll- 
mächtigter der  tuscischen  Stadt  Pistoja  unter  den  Vertragschliefsenden. 
Die  Zölle  werden  errichtet,  ohne  dafs  eine  Genehmigung  seitens  des 
Königs  erfolgt.  Das  beiderseits  Ausbedungene  erscheint  als  Leistung 
und  Gegenleistung,  die  königlichen  Zollprivilegien  haben  in  dieser  Zeit 
allzusehr  den  Beigeschmack  einer  durchaus  einseitigen  Begünstigung  des 
Zollinhabers. 

An  der  Einrichtung  der  Strafse  hatte  auch  die  Stadt  Novara  einen 
gewissen   Anteil.     Diese   Stadt  sorgte  für  die  Sicherheit  der  Reisenden 


»  31,  142. 

«  30,  206  u.  420. 

*  van  Berchem  325  f.  aus  dem  Bcchnungsarchiv  in  Turin. 


Die  Walliser  Pässe.  217 

auf  der  i^strata  francisca*^  sie  machte  jeden  Ort  für  die  in  seinem  Be- 
sirke  geschehenen  Schädigungen  haftpflichtig,  und  ebenso  sollten  die  der 
Elirche  gehörigen  Orte  handeln  bis  zu  dem  bei  Vergogna  gelegenen, 
heute  abgegangenen  Orte  Pietra  santa^,  wo  ein  Zoll  war*.  Der  Weg 
führte  über  Momo,  Gozzano  an  den  Ortasee  und  dann  über  Ornavasso 
und  Domo  d*Ossola  zum  Simplon.  Und  als  im  April  1285  bei  Suna  (in 
•der  Nähe  von  Momo)  aus  Frankreich  kommende  Kauf  leute  von  jenseits 
der  Berge  beraubt  wurden,  ward  beschlossen,  streng  nach  dem  Statute 
^u  verfahren*. 

Die  Eröffnung  des  Simplonverkehrs  ist  wie  die  des  Gotthards  eine 
Folge  der  Einwanderung  der  Deutschen,  und  gleichzeitig  mit  ihr  erfolgt 
nun  auch  ein  Überfluten  der  deutschen  Siedlung  in  Wallis  nach  dem 
Südhange  der  Alpen.  Im  dreizehnten  Jahrhundert  ist  die  Gründung  der 
deutschen  Kolonien  südlich  des  Monte  Rosa,  in  denen  ja  noch  heute  die 
deutsche  Sprache  lebt  oder  bis  vor  kurzem  lebte,  vor  sich  gegangen  und 
damit  zugleich  wurde  der  Monte  Moropafs  erschlossen*. 

An  der  Wanderung  sind  zwei  Elemente  beteiligt:  der  oberwallisische 

^  Statuta  comunitatis  Novariae  ed.  Ceruti  S.  331. 

>  Ceruti  §  399  u.  Anm.  S.  365.    Statut  von  1284. 

'  »In  Francigenas  et  ultramantanos  venienies  a  partibus  gaUicanis  in  Ytaliam* 
Ceruti  §  445  u.  Anm.  S.  374.  Auch  sonst  war  man  in  dieser  Zeit  eifrigst  besorgt, 
die  fremden  Raufleute  zu  schützen.  §  373  von  1278  Bestrafung  der  Mörder  von 
Eaufleuten. 

^  Die  Quellen  für  die  Geschichte  der  deutschen  Niederlassungen  in  Piemont 
liegen  vor  bei  6  rem  au  d  und  bei  Bianchetti,  L'Ossola  inferiore  Bd.  2.  Von  der 
Timfangreichen  Litteratur  über  diesen  Gegenstand  benutzte  ich  Schott,  Die  deutschen 
Kolonien  in  Piemont,  Stuttgart  1842.  Dann  Bianchetti  Bd.  1.  Brefslau,  Zur 
-Geschichte  der  deutschen  Gemeinden  im  Gebiet  des  Monte  Rosa  und  im  Ossolathal. 
Zeitsehr.  d.  Gesellschaft  f.  Erdkunde  zu  Berlin  (1881)  16,  173—194.  Favre,  Etüde 
8ur  Thist.  des  passages  italo-suisscs  du  Haut-Valais.  Galanti,  I  Tedeschi  sul  ver- 
saute meridionale  delle  Alpi.  Koma  1885.  Die  Kritiken  von  Dübi  im  Jahrbuch 
•des  schweizer.  Alpenklubs  27,  394—401.  Schmid  in  Blätter  z.  Walliser 
Gesch.  2,  168  ff.  Galanti  kommt  S.  107  zu  dem  sicher  falschen  Ergebnisse,  dafs, 
weil  die  Bevölkerung  deutsch  war,  sie  unter  die  Gewalt  von  Herren  gestellt  wurde, 
■die  in  deutschen  Gebieten  Besitzungen  hatten,  wenn  er  auch  nicht  ganz  eine  Ein- 
wanderung im  dreizehnten  Jahrhundert  leugnet  In  der  ganzen  Untersuchung  fehlt 
-noch  die  der  alten  kirchlichen  Zusammenhänge,  Galanti  setzt  Beziehungen  zum 
Bistum  Sitten  voraus,  ohne  sie  zu  beweisen.  Ich  habe  das  Lysthal  im  Text  aufser 
Betracht  gelassen,  mir  scheint,  dafs  die  übrigens  auch  von  anderen  bestrittene  An- 
sicht von  Brefslau  nicht  aufrecht  zu  halten  ist,  dafs  hierher  ein  Bischof  von  Sitten 
schon  im  zwölften,  vielleicht  im  elften  Jahrhundert  Deutsche  lenkte.  Woher  hätte 
•er  sie  damals  nehmen  sollen?  Auch  Gressonej  war  im  Besitz  eines  Geschlechtes 
(von  Challand),  das  in  Wallis  Rechte  hatte.  Hub  er,  Privatrecht  4,  104  Nr.  20  macht 
auf  eine  Stelle  aufmerksam,  wonach  1260  auch  am  Mont  Blanc  in  Valorsine  oberhalb 
Chamounix  Deutsche  angesiedelt  wurden.  Mem.  et  documents  .  .  .  de  Genöve 
14  Nr.  64. 


218  Neunzehntes  Kapitel. 

deutsche  Hirt,  der  für  seine  Herden  sich  Raum  suchte,  und  im  Unter- 
schiede zum  Italiener  seine  Wohnsitze  in  Regionen  verlegte,  wo  jeder 
Ackerbau  sein  Ende  hat.  Er  sehnte  sich  nach  entlegenen,  von  den 
Italienern  und  Romanen  höchstens  im  Sommer  benutzten  Alpen,  um  sich 
dort  niederzulassen.  Wie  in  den  früheren  Zeiten  in  der  Alpentierwelt 
über  der  Region  des  Steinbocks  die  der  Gemse  lag,  so  entwickelte  sich 
hier  um  den  Südfufs  des  Monte  Rosa  eine  Terassensiedelung.  Die 
deutsche  Hirtenschaft  setzte  sich  fest  in  den  obersten  Staffeln  des  Anzasca- 
thales,  in  den  obersten  Thälern  des  Systems,  das  sein  Wasser  zur  Sesia 
zusammenfafst',  und  endlich  in  dem  langen  Oberlaufe  des  Lysthales.  Die 
Verbindung  zwischen  den  Thälern  geht  über  die  trennenden  Joche,  vor 
allem  aber  blieb  ein  lebhafter  Verkehr  mit  dem  Saasthale  und  nach  Visp 
bestehen.  Das  deutsche  Element  dringt  also  in  dem  menschenleeren  Ge- 
biete vor,  von  einem  bewufsten  Gegensatze  der  Geburt  oder  Sprache 
kann  übrigens  keine  Rede  sein.  Es  gab  noch  keine  nationalen  Feind- 
schaften. Das  zweite  Element  ist  ein  ursprünglich  italienischer  Adel,  der 
auch  im  Oberwallis  Besitz  gewinnt,  hier  die  Ausnützung  der  obersten 
Thalstufen  durch  die  Deutschen  kennen  lernt  und  sich  entschliefst,  in  den 
ihm  gehörigen  oder  von  ihm  besetzten  Alpweiden  Deutsche  anzusiedeln. 
Nicht  in  den  Rahmen  dieser  Kolonisation  fkllt  die  von  Ornavasso 
und  Miggiandone,  da  diese  in  fruchtreicher  Gegend  am  Unterlaufe  der 
Tosa  in  der  Nähe  des  Langensees  liegen.  Wenn  auch  die  Deutschen 
dieser  Orte  erst  genannt  werden,  als  1397  über  die  Beschaffung  des  für 
den  Mailänder  Dom  erforderlichen  Materials  gehandelt  wurde  ^,  so  hat 
Brefölau  doch  wohl  Recht,  wenn  er  die  Einwanderung  in  die  Tage  setzt, 
als  die  Herren  von  Ornavasso  auch  das  Vitztumamt  in  Naters  in  Ober- 
wallis besafsen^,  hat  sich  doch  auch  die  Tradition  bei  den  Bewohnern 
erhalten,  dafs  sie  von  Naters  über  den  Simplon  wanderten*.  Die  Wan- 
derung der  Hirten  haben  in  ihre  Wege  geleitet  die  Grafen  von  Biandrate^ 
deren  Visper  Zweig  schliefslich  deutsch  wurde.  Das  Geschlecht  spielt 
in  den  Kämpfen  der  Lombardei  eine  grofse  Rolle,  im  Gegensatze  zu 
den  Städten  Novara  und  Vercelli  stehend,  wurde  es  in  das  Gebirge 
zurückgedrängt,  ja  schliefslich  fiel  auch  die  Val  Sesia  von  ihnen  ab.  Sie 
gewannen  dafltr  Besitz  in  Wallis,  so  Gottfried  von  Biandrate  Anteil  am 
Vitztumamte  Sitten^,  zwischen  1262  und  66^  erhielt  er  auch  das  Meier- 


^  Über  Kauf  leute  im  Sesiathal  handelt  auch  der  Vertrag  des  Thaies  mit  Novara. 
von  1275.    Statuta  com.  Novariae  ed.  Ceruti  142. 

*  Bianchetti  2,  375. 

*  Breffilau  185.    Nach  1275  und  vor  1307. 
«  Brefslau  S.  177. 

»  Gremaud  29,  417  zu  1249. 

*  Gremaud  30,  110. 


Die  WalUser  Pässe.  219 

tum  von  Visp  und  damit  das  St.  Nikiaus-  und  Saasthal  und  die  Zugänge 
zum  Monte  Moro  und  Antronapasse.  Zwischen  1261  und  91^  wurde  das 
ihm  von  seinem  Schwiegervater  Peter  Grafen  von  Castello  überlassene 
Anzascathaly  die  Alp  Macugnaga,  mit  Deutschen  besetzt,  durch  Gottfrieds 
Sohn  Joncelmo  Graf  von  Biandrate  und  Meyer  zu  Visp.  Im  Anzasca- 
thale  waren  übrigens  damals  Goldbergwerke  im  Betriebe*.  Die  Gemeinden 
des  Anzascathales  standen  übrigens  schon  vor  1291  im  Kampfe  mit  den 
Grafen. 

Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dafs  die  gewaltige  Expansionskraft  der 
Walliser,  welche  auch  zur  Besiedlung  der  Thäler  Grindelwald,  Lauter- 
brunnen und  Kandersteg  Menschen  abgeben  konnten,  schon  im  drei- 
zehnten Jahrhundert  zur  Besetzung  von  Formazzo  und  Bosco  führte®. 
Die  älteste  Urkunde  von  Bosco  ist  die  vom  Jahre  1253,  das  Gelöbnis 
der  Gemeinde  für  ihre  neu  errichtete  Pfarrkirche,  und  der  Vertreter  der 
Pfarrkinder  ist  ein  Heinrich  Burkard*,  also  ein  Deutscher.  Herren  des 
Gebietes  dürften  damals  als  Nachfolger  der  Herren  von  Rhodes,  die  1210 
Otto  IV.  belehnt  hatte*,  die  Grafen  von  Castello  gewesen  sein.  Es  wären 
dann  auch  der  Albrun  oder  der  Griespafs  für  den  Verkehr  nutzbar  ge- 
worden. 

Und  in  der  That  reden  die  Statuten  von  Sitten  von  1269  von  der 
^farcla  de  Conchest  wie  vom  Simplen  als  von  Stellen,  woher  die  Waren 
von  oben  her  ins  Wallis  kommen^.  Dafs  die  Furka  oflFen  war^  beweist 
der  lebhafte  Verkehr  von  Wallisern  und  Bündnem^,  und  endlich  waren 
die  Grimsel,  die  Gemmi  und  der  Sanetschpafs  (letzterer  bei  Sitten  ein- 
mündend) ^  begangen.  Das  Oberwallis  hatte  aufgehört,  ein  in  eine  ungang- 
bare Bergeswelt  eingeschnittenes  Thal  zu  sein,  es  besafs  nunmehr  Pforten 
genug,  für  den  Welthandelsverkehr  war  aber  nur  einer  der  Pässe  ein- 
gerichtet, der  Simplon.  Der  Grofse  St.  Bernhard  hatte  einen  bedeutenden 
Eonkurrenten  erhalten,  über  den  Simplon  und  seine  „getkhrlichen  Brücken** 
nahm  Papst  Gregor  X.,  als  er  von  Lyon  und  der  Zusammenkunft  mit 
König  Rudolf  in  Lausanne  heimkehrte,  seinen  Weg*,  während  Robert  von 


1  Gremaud  80,  425. 
>  Brefslau  182. 

*  Sicher  sind  diese  Thäler  1485  deutsch.    Bianchetti. 

^  Enrico  Burkard  schreibt  Janner  in  seinem  Artikel  n  Comone  di  Bosco  in 
Yallemaggia  in  Bolletino  storico  della  Svizsera  italiana  S,  267. 
^  Mit  Formazzaf  Foppiano,  Agare  u.  s.  w.  Scaciga  72. 

*  van  Berchem  123  f. 

7  Vgl.  das  Bündnis  von  1282.    Gremaud  30,  311. 

*  Gremaud  29,  470.    Bündnis  mit  Bern  von  1252.    van  Berchem  323  £ 

*  •Discriminosis  Montis  Brigiae  pontibas  se  exponens,*    Vita  Greg.  pafMe  X 
bei  Muratori,  Script  3,  1,  608. 


220  Neunzehntes  Kapitel. 

Bethune  Graf  von  Flandern  Karl  von  Anjou  als  Bundesgenosse  über  den 
Orofsen  St.  Bernhard  zuzog  ^ 

Das  Hospiz  auf  dem  Grofsen  St  Bernhard  war  noch  immer  in 
hohem  Ansehen,  zahlreiche  Schenkungen,  doch  aus  einem  nicht  zu  grofsen 
Umkreise,  fielen  ihm  noch  immer  zu.  Ihm  vermachte  sein  Haus  in  London 
1268  der  grofse  savoyische  Graf  Peter  H.  *,  der  in  der  englischen  Ge- 
schichte eine  nicht  geringe  Rolle  gespielt  hat,  den  Rest  seiner  einst  dort 
so  bedeutenden  Besitzungen  gab  er  dankbaren  Sinnes  dem  Hospiz. 

Mit  ihm  haben  wir  schon  die  bedeutendste  Figur  jenes  Hauses  ge- 
nannt, das  die  Herrscherin  der  Alpenpässe  des  Westens  wurde.  Von 
der  Maurienne  aus  vorgehend  hatten  die  Savoyer  in  Chablais  den  Zu- 
tritt zum  Genferseegebiete  und  Wallis  erlangt.  In  bitteren  Kämpfen  mit 
den  Bischöfen  schoben  sie  immer  weiter  in  das  Thal  ihre  Ansprüche  und 
Rechte,  und  indem  Thomas  I.  um  1210  auch  am  Nordufer  des  Genfer- 
sees  Fufs  zu  gewinnen  suchte,  war  auch  die  andere  Tendenz  gegeben, 
die  Waadt  zu  gewinnen  und  womöglich  auch  im  Aaregebiete  die  Herr- 
schaft an  sich  zu  reifsen.  Peter  IL,  ein  machtvoller  Fürst,  hatte  das 
schon  fast  erreicht,  als  ihm  der  Habsburger  Rudolf  seinen  Willen  auf- 
zwang. Der  Gegensatz  zwischen  beiden  Häusern  führte  auch  in  den 
Tagen  der  Königsherrschaft  wiederholt  zu  Kämpfen,  aber  soviel  konnten 
doch  die  schwächeren  Nachfolger  des  grofsen  Grafen  retten,  dafs  sie  den 
Anschlufs  an  den  Jura  nicht  aufzugeben  brauchten,  und  so  flihrte  ein 
erheblicher  Teil  der  Strafse  vom  Grofsen  St.  Bernhard  zum  Jougnepasse 
durch  savoyisches  Gebiet. 

Sie  besafsen  im  Rhönethale  Zölle  zu  St.  Maurice*  und  Villeneuve; 
von  dieser  Zollstätte  sind  einige  Rechnungen  erhalten.  Die  Zölle  von 
Iverdun,  Romont  und  Moudon  betreflFen  nach  den  in  der  Verleihungs- 
urkunde genannten  Waren  nur  landwirtschaftliche  Produkte^.  Auf  der 
Haupthandelsstrafse  dicht  am  Jougnepasse  lag  der  Zoll  von  Les  Clees, 
König  Adolf  genehmigte,  dafs  die  Grafen  von  Savoyen  hier  aufser  dem 
alten  Zolle  wegen  der  Kosten  und  Mühen  der  Sicherung  der  Strafse  in  die 
Lombardei  und  nach  Burgund  noch  einen  neuen  für  jedes  Pferd  und  jeden 
Warenballen  10  jS  erhöben.  Dafür  müsse  er  aber  die  Kaufleute  durch 
sein  ganzes  Gebiet  geleiten.     Würden  die  Kaufleute  aber  einen  andern 


»  M.G.  SS.  25,  852,  40. 

*  Greinaud30,  122.  Bei  ihm  zahlreiche  Urkunden  zur  Geschichte  des  Klosters. 
Wurstemberger  4,  437. 

*  Hoppeler  161.  Gremaud  30,82.  31,  65.  31,  98.  Danach  gab  es  dort  zwei 
Zölle,  das  eine  pedagium  Fusciniiici  (in  quacunque  balla  panni  seu  lane  duos  (leH,)^ 
das  andere  pedagium  qiiat%u>r  episcopatuum  (zuerst  genannt  balla  telarum  seu 
peUium). 

^  1286  Juli«    Kopp,  Archiv  f.  österr.  Geschichtsquellen  6,  122. 


Die  Walliser  Pässe.  221 

Weg  wählen,  so  dürfe  der  Graf  ihn  innerhalb  seines  Gebietes  verlegen  ^, 
Die  Taxe  war  aufserordentlich  hoch  bemessen,  und  da  nun  in  allernächster 
Nähe  zu  Jougne  noch  Johann  von  Chalon,  wie  wir  wissen,  gleichfalls 
10  ß  von  jeder  Saumlast  erlegt  werden  mufste  und  dieser  Zoll  so  hoch 
war,  wie  der  alte  Zoll  von  Les  Cl^es,  in  Jougne  auch  noch  der  Pfalz- 
graf von  Burgund  einen  Zoll  einnahm^,  und  somit  die  Kaufleute  am 
Jurapasse  fiir  Pferd  und  Saumlast  mindestens  je  1  ^'s  U  zu  zahlen  hatten, 
mag  den  Kaufleuten  die  Lust  zu  diesem  W^ege  vergangen  sein;  denn 
offenbar  ist  um  diese  Zeit  es  aufgekommen,  über  Neuenbürg  a.  S. 
durch  das  Val  Travers  nach  Pontarlier  zu  gehen,  also  Les  Cläes  wie 
Jougne  zu  umgehen^.  So  wissen  wir,  dafs  ein  Mailänder  Kaufmann  1299 
von  dem  Grafen  Rudolf  von  Neuenburg  gefangen  wurde*. 

Auch  die  Grafen  von  Savoyen  haben  eine  Reihe  von  Verträgen 
über  Handelswege  geschlossen,  leider  ist  ihr  Inhalt  meist  noch  nicht  näher 
bekannt.  Ein  Abkommen  mit  den  Piacentinern  von  1251  beschliefst, 
Schädigungen,  welche  die  Kaufleute  von  Piacenza  dem  Herrn  der  W^aadt, 
Peter  von  Savoyen,  zugefügt  haben,  dadurch  zu  tilgen,  dafs  die  Piacen- 
tiner  auf  ihre  Waren  aufser  den  gewöhnlichen  Zöllen  einen  Aufschlag 
übernehmen*.  Von  den  savoyischen  Verträgen  mit  Asti  lautet  der  von 
1265  ausgesprochen  auf  den  Weg  nach  Lyon®. 

Die  Grafen  von  Savoyen  begünstigten  mindestens,  seitdem  sie  Herren 
der  W^aadt  geworden  waren,  den  Grofsen  St.  Bernhard  gegenüber  dem 
Kleinen  St.  Bernhard  und  dem  Mont  Cenis,  deren  Fufs  doch  auf  beiden 
Seiten  ihnen  zustand,  und  gegenüber  dem  Mont  Gen^vre,  wo  wenigstens  der 
italienische  Hang  savoyisch  war.  Der  savoyische  Besitz  strich  von  Süd- 
ost nach  Nordwest,  von  der  Maurienne  auf  Mäcon,  wie  südlich  davon 
sich  der  Dauphine  in  ganz  gleicher  Richtung  lagerte.  W^er  von  den 
Pässen  nach  Lyon  wollte,  konnte  das  Gebiet  des  Dauphin^  nicht  ver- 
meiden, nur  wer  von  Chamböry  direkt  den  früher  bezeichneten  Weg 
auf  Mäcon  nahm,  betrat  nicht  die  Herrschaft  des  Dauphin,  in  die  auch 
die  Baronie  La  Tour  du  Pin  aufging.  Mit  den  Rivalen  in  der  Herr- 
schaft der  W^estalpen  standen  sich  dauernd  die  Savoyer  schlecht.  Die 
Eifersucht  zwischen  beiden  Häusern  zieht  sich  durch  die  Jahrhunderte 
hin,   sie  hielten  sich  gegenseitig  im  Schach^.     Das  Haus  Savoyen,  hoch- 


1  1297  Mai  11.    Wiukelmann,  Acta  imperii  2.  172. 
»  S.  oben  8.  194. 

*  Es  ist  zu  beachten,  dafs  1299  der  Zoll  von  Jougne  mit  dem  auf  dem  Grott- 
hard  vereinigt  wurde.    S.  oben  S.  194. 

^  Jacobufl  Milimeste  und  Sonco  de  Bussero  erklären,  dafs  der  gefangene  Sanco 
durch  den  Grafen  entschädigt  sei.     1299  Juli  31.    Matile  1,  263. 

*  Unsere  Urkunden  Nr.  250. 

*  Regest en  Wurstemberger  4,  373,  der  von  1255  ist  unbestimmt  4,  198. 
'  Vgl.  Fournier,  Le  royaume  d'Arles:   passim. 


222  Neunzehntes  Kapitel. 

strebend  y  seit  einem  Jahrhundert  in  engen  verwandtschaftlichen  Be- 
ziehungen zu  England  und  Flandern,  stets  antihabsburgisch,  hatte  sich 
seit  dem  Frieden,  den  Eduard  I.  unter  Preisgabe  König  Adolfs  mit 
Philipp  dem  Schönen  geschlossen  hatte,  dann  Frankreich  sehr  genähert, 
während  der  Dauphin  Humbert  nun  der  Anhänger  der  deutschen  Partei 
in  diesen  dem  Reiche  fast  entfremdeten  Gebieten  war  *.  Bald  gingen  die 
beiden  Rivalen  aber  entgegengesetzte  Wege,  der  Dauphin  schlofs  sich 
enger  an  Frankreich,  der  Graf  an  die  deutschen  Könige  an.  Es  sprachen 
also  politische  Gründe  beim  Savoyer  dafür,  die  südlichen  Pässe  seines 
Landes  zurückzusetzen  gegenüber  den  nördlichen.  Auf  den  südlichen 
blieben  die  Kaufleute  viel  weniger  lange  auf  savoyischem  Boden,  und 
wahrscheinlich  waren  auch  die  Zölle  minder  günstig  für  die  Savoyer,  als 
wenn  die  Fremden  durch  die  Waadt  nach  dem  Jurapasse  von  Orbe  oder 
vom  Westgestade  des  Genfersces  aus  durch  die  Landschaft  Bresse  ^  zogen, 
in  der  der  Hauptteil,  die  Herrschaft  Bägö,  1272  den  Savoyern  durch 
Erbschaft  zugefallen  war. 

Die  Grafen  wirkten  sehr  energisch  für  die  Wege  durch  das  Jura- 
gebiet nördlich  des  Rhönedurchbruehes ,  für  diese  beiden  Strafsen 
hatten  sie  der  Gesellschaft  der  italienischen  Mefsbesuchcr  und  den  Kauf- 
leuten von  Genua  Geleits-  und  Bürgschaftsbriefe  gegeben,  deren  Wort- 
laut mir  leider  nicht  bekannt  geworden  ist^.  Gleichwohl  zogen  die  Fuhr- 
leute die  Wege  durch  das  Viennois  und  die  Ile  Cr^mieu*  auf  Lyon. 
Das  zu  ändern  schickte  Graf  Amadeus  1302  einen  Familiären  nach  Lagny 
und  Troyes  mit  dem  Auftrage,  die  Benutzung  dieser  Wege  möglichst  zu 
widerraten,  jener  zu  empfehlen.  Wir  haben  noch  genaue  Nachricht,  wie 
er  seinem  Auftrage  bei  der  Gesellschaft  der  italienischen  Mefsbesuchcr, 
bei  den  Gardes  des  foires  und  den  Kaufleuten  von  Genua  nachkam'^ 
und  wie  er  dabei  des  Grafen  Ehrfurcht  vor  der  Person  des  französischen 
Königs,  der  ihn  mehr  und  mehr  in  seinen  Bannkreis  zog,  ausdrückte. 
Die  Kaufleute  waren  bereit,  ihre  Fuhrleute,  die  trotz  ihres  Verbotes 
jene  Wege  benutzten,  empfindlich  sogar  am  Leibe  zu  strafen.  Es  ist 
nicht  uninteressant,  zu  beobachten,  wie  wenigstens  auf  dieser  Strecke 
das  Transportgewerbe  bereits  von  der  speciellen  Leitung  und  Begleitung 
des  Wareneigentümers  sich  befreit  hatte. 


>  Fournier  57.  175  u.  326  ff. 

*  Im  Winkel  zwischen  Rhönc  und  Sadne. 

*  Erwähnt  in  unseren  Urkunden  Nr.  251  u.  252. 

*  »Insula  Der  Cime  9  »insula  de  Crime,*    Die  orographisch  noch  zum  Jura  gehörige 
südlich  des  Rhone,  östlich  der  Bourhre  gelegene  Landschaft. 

*  Unseren  Urkunden  Nr.  251  u.  252. 


Heinrich  VIL  und  der  St  Gotthard.  223 


Zwanzigstes  Kapitel. 
Heinrich  VII.  und  der  St.  Gotthard. 

Veränderte  Lage.  Er  stellt  die  RheinzöUe  wieder  her,  hilft  unbewufst  zur  Be- 
ffründung  einer  dauernden  Signorie  in  Mailand  mit  und  führt  keine  klare  Scheidung 
den  Beichsgutes  vom  österreichischen  ff  ausgute  durch.  Der  Name  St  Gotthard,  Ein- 
richtung des  Eeichsguts.  Graf  Wernher  von  ffomherg.  Baseler^  Luzemer  und  Mai- 
Jänder  Kaufleute,  Die  entscheidenden  Ereignisse:  Doppelwahl  und  Schlacht  bei  Mar- 
garten.  Ergebnis:  Am  St,  Gotthard  bildet  sicfi  ein  Pafsstaat,  der  Pafs  geht  dem 
Eeiche  verloren. 

Die  Regierung  des  ersten  luxemburgischen  Kaisers  hat  nach  drei 
Seiten  hin  den  Handel  und  Verkehr  zwischen  Italien  und  Deutschland 
beeinflufst. 

Heinrich  verdankte  seine  Wahl  dem  Gegensatze  der  rheinischen 
Kurfürsten  gegen  den  König  Albrecht  und  die  Habsburger  überhaupt 
Sein  Bruder  Balduin  von  Trier  hatte  den  Mainzer  und  Kölner  gewonnen, 
und  alle  drei  sorgten  dafür,  dafs  der  neue  König  sofort  die  von  seinem 
Vorgänger  aufgehobenen  Bheinzölle  den  Kurfürsten  erneut  verstattete*. 
Damit  war  der  Verkehr  auf  dem  Nieder-  und  Mittelrhein  wieder  schwer 
behindert  und  eingeschränkt  Abermals  wurde  dem  Rheine  seine  natür- 
liche Bedeutung  für  den  Handel  geschmälert,  und  wie  es  jetzt  war,  so 
blieb  es  die  folgenden  Jahrhunderte  hindurch.  Die  Kurfürsten  besteuerten 
die  Städte,  die  sich  von  ihnen  freigemacht  hatten,  durch  schwere  Zölle. 
Und  der  deutsche  König  richtete  seine  Verkehrspolitik  nach  den  Wünschen 
der  Kurfürsten  ein. 

Am  anderen  Ende  des  deutsch -italienischen  Handelsweges  half 
Heinrich  VII.  —  fast  wider  Willen  —  dazu  mit,  dafs  hier  der  die  Alpen- 
pässe an  ihrem  Südfufse  beherrschende  Staat  entstand.  Matteo  Visconti 
war  auch  von  Albrecht  als  Reichsvikar  bestätigt  worden,  seine  Herrschaft 
erstreckte  sich  über  eine  Reihe  von  Städten,  allein  im  Jahre  1302  wurde 
Matteo  von  der  guelfischen  Partei,  den  Torriani  und  ihren  zahlreichen 
Freunden,  ja  selbst  einer  grofsen  Zahl  von  Ghibellinen  vertrieben,  die 
della  Torre  lösten  ihn  in  der  Herrschaft  ab,  auf  so  lange,  wie  er  sagte, 
bis  das  Mafs  ihrer  Fehler  das  der  seinen  übertreffe.  Und  auch  nach  Como 
kehrten  die  Vitani  zurück.  Als  Heinrich  zum  Könige  erwählt  wurde, 
war  Guido  della  Torre  der  capitano  perpetuo  von  Mailand.  Die  entsetz- 
liche Zeit  der  Parteikämpfe  hatte  im  italienischen  Volke  die  Sehnsucht 
nach  einem  Friedensstifter  geweckt  und  die  brennende  Gier  nach  einem 


^  Vgl.  Erich  Wetzel,  Das  Zollrecht  der  deutschen  Könige  S.  118.    Sommer« 
lad  S.  146  f.  benrteUt  Albrecht  anders. 


224  Zwanzigstes  Kapitel. 

Kaiser,  wie  sie  uns  Dante  geschildert  hat.  Es  waren  die  Zeiten  der 
alten  Kämpfe  wider  die  Deutschen  vergessen,  und  man  sah  im  Augen- 
blicke nur  den  goldenen  Schimmer  des  Kaisertums.  Diesem  Enthusiasmus 
eines  friedebedürftigen  Volkes  kam  der  junge  König  entgegen.  Erbetrat 
Italien  nicht  als  Ghibelline,  sondern  als  Friedensstifter,  der  die  Parteien 
aussöhnen  und  so  vernichten  wollte;  er  kam  als  ein  Bote  der  Versöhnung, 
bis  die  Dinge  ihn  wieder  zum  Ghibellinen  machten.  Den  Italiener  be- 
seelte aufser  jenem  Sehnen  nach  dem  Frieden  auch  die  Furcht,  bei  diesem 
Werke  die  municipale  Freiheit  zu  verlieren,  und  in  dem  Widerspiel 
dieser  beiden  Tendenzen  liegt  das  Geheimnis  des  letzten  hochmittelalter- 
lichen Römerzuges. 

Als  Eingangspforte  hatte  sich  der  König  den  Mont  Cenis  gewählt^ 
den  ihm  sein  Schwager  Graf  Amadeus  von  Savoyen  oflFen  hielt.  Sein 
Weg  führte  ihn  über  Lausanne,  Genf,  Chamböry  durch  die  Maurienne, 
dann  nach  Susa,  Turin,  Chieri  und  Asti. 

Als  sich  der  König  Mailand  nahte,  beugte  sich  schweren  Herzens 
Guido  und  ging  waffenlos  dem  Könige  entgegen,  in  dessen  Begleitung 
Matteo  Visconti  weilte.  Die  Aussöhnung  zwischen  den  beiden  Geschlechtem 
und  Parteien  wurde  vollzogen;  aber  kaum  war  es  geschehen,  da  brach 
die  Sorge  um  die  municipale  Freiheit  mit  aller  Gewalt  hervor.  In 
schwerem  Strafsenkampfe  wurde  von  den  deutschen  Rittern  —  an  der 
Spitze  Herzog  Leopold  von  Österreich  —  der  Aufstand  niedergerungen 
und  Matteo  wuTste  sich  in  diesen  kritischen  Stunden  so  klug  zu  be- 
nehmen, dafs  von  ihm  der  Verdacht  fem  blieb,  als  sei  er  der  An- 
stifter, die  Schuld  fiel  auf  die  Torriani,  sein  Rivale  mufste  die  Stadt 
räumen;  ja  der  König  machte  nunmehr  den  Visconti  zu  seinem  Vikar 
in  Mailand.  Bald  vertrieb  der  König  auch  die  Vitani,  die  Freunde  der 
Torriani,  aus  Como  und  immer  deutlicher  vollzog  sich  die  Änderung 
in  seiner  politischen  Stellung:  der  Friedensbote  wurde  das  Haupt  der 
Ghibellinen. 

Er  brach  der  Guelfen  Macht  in  Mailand  und  Brescia,  er  hinterlieC» 
einen  starken  Bund  der  ghibellinischen  Städte  der  Lombardei,  denen  er 
als  militärischen  capitano  den  Grafen  Wemher  von  Homberg,  einen 
tapferen  Krieger,  gegeben  hatte,  während  die  politische  Leitung  Matteo 
zufiel;  sieht  man  aber  genauer  zu,  so  entdeckt  man,  dafs  unsere  deutschen 
Landsleute  in  den  Strafsen  Mailands  nicht  für  den  König  gestritten 
hatten,  sondern  für  die  Errichtung  einer  italienischen  Signoria.  Der 
Sieger  des  Tages  war  nicht  der  deutsche  König,  sondern  der  schlaue 
Matteo;  denn  dieser  Tag  brach  die  Macht  der  Torriani,  entwurzelte  die 
guelfische  Opposition  und  gab  dem  Visconti  die  Bahn  frei,  sich  in  Mai- 
land die  Signoria  einzurichten,  die  er  selbst  noch  auf  die  nächsten  Städte 
ausdehnen  konnte.    Auch  Heinrich  VH.  machte  Matteo  zum  Reichsvikar 


Heinrich  VIL  und  der  St.  Gotthard.  285 

für  Mailand.  Die  Deutschen  hatten  Matteo,  der  einst  mehr  durch  die 
Eifersucht  der  Seinen,  als  die  Kraft  der  Torriani  gestürzt  war*,  seiner 
Gegner  entledigt. 

Die  dritte  der  erwähnten  Folgen  Heinrichs  ist  die,  dafs  die  letzte 
Möglichkeit  verabsäumt  wurde,  zwischen  den  Waldstätten  und  den  Hab«- 
burgern  wirklich  rein  und  säuberlich  alle  Streitfragen  zu  erledigen. 
Heinrich  war  nicht  gleich  zu  Anfang  den  Habsburgem  feindlich  entgegen- 
getreten, auf  seiner  Reise  in  die  oberen  Lande  vom  Frühsommer  1309 
treten  uns  aber  deutliche  Anzeichen  einer  schweren  Spannung  entgegen. 
Und  wie  nun  in  Konstanz  vor  ihm  Boten  der  drei  Waldstätte  erschienen^ 
verbriefte  er  nicht  allein  das,  was  an  kaiserlichen  Privilegien  sie  schon 
bisher,  wenn  auch  von  den  Habsburgern  nicht  anerkannt,  erreicht  hatten^ 
sondern  er  griff  bei  Unterwaiden  darüber  hinaus,  direkt  in  die  Rechte 
der  Habsburger  ein,  und  er  gestand  allen  dreien  zu,  dafs  sie  in  Zukunft 
vor  keinem  Gerichte  aufserhalb  ihrer  Grenzen  erscheinen  sollten,  als 
vor  dem  königlichen  Hofgerichte.  '  Und  wenn  das  auch  nur  unter  Vor- 
behalt des  Widerrufs  gewährt  war*,  es  war  ein  starker  Sieg  des  munici- 
palen  Geistes  nicht  allein  über  die  Habsburger,  nicht  allein  über  diesen 
Territorialstaat,  sondern  auch  über  den  grofsen  Reichskörper. 

Wohl  zog  Heinrich  im  Interesse  des  Reiches  die  Konsequenz,  diesen 
Gebieten  nunmehr  eine  einheitliche  reichsrechtliche  Organisation  zu 
geben,  er  schuf  das  Amt  eines  Reichsvogtes,  des  „Pflegers  des  römischea 
Reiches  in  den  Waldstätten",  er  machte  dazu  den  Grafen  Wemher  von 
Homberg,  dessen  Mutter,  die  Gräfin  Elisabeth  von  Rapperswil,  die  besten 
Ansprüche  auf  Urseren  besafs  und  oft  schon  den  Widerstand  des  Adels 
gegen  die  österreichischen  Herzöge  geleitet  hatte,  und  als  dieser  aufser- 
ordentlich  tüchtige  Mann  offenbar  wegen  seiner  Vertrautheit  mit  dem 
italienischen  Dingen  dazu  bestimmt  wurde,  den  König  nach  Italien  zu 
begleiten,  erhielt  das  Amt  Wemhers  Stiefvater,  der  Graf  Rudolf  von  Habs- 
burg-Laufenburg ^.  Aber  diese  beiden  blieben  mit  dem  von  Ludwig  dem 
Bayern  ernannten  Aarberger  allein.  Die  Waldstätte  erwuchsen  nicht 
zu  einer  Reichslandvogtei,  nicht  zu  einem  Teilgebiete  einer  Monarchie^ 
sondern  sie  waren  Republiken  und  eliminierten  sofort  das  Element 
das  dem  hinderlich   entgegenstand.     Die  Klugheit,   Sicherheit  und  der 


1  Job.  V.  Cermenate  in  Fonti  per  la  storia  d'Itaiia  2,  80. 

*  Der  Zusatz  »praesentibus  usque  ad  volwntatis  nostrae  beneplacüum  tantummodo 
valituris*  fehlt  in  dem  Scbwyzer  Brief,  dieser  ist  aber  nur  in  Abschrift  erhalten. 

•  So  wenigstens  nach  Kopp  4,  1,  107.  v.  Wyfs  in  seiner  Biographie  de» 
tapferen  Minnesängers.  Ant.  Mitteilungen,  Zürich  Bd.  13,  Dierauer  und  Öchsli 
erwähnen  seine  Amtsführung  nicht,  sie  ist  auch  nur  far  Bezirke  aufserhalb  der  drei 
Waldstätte  belegt.  Ebenso  ist  das  bei  Eberhard  von  Bürgein  der  Fall,  den  Kopp 
als  Rudolfs  Nachfolger  ansieht. 

Schulte,  Oesch.  d.  mittelalterl.  Handels.    I.  15 


226  Zwanzigstes  Kapitel. 

Mut  dieser^  Waldleute  bedurfte  nicht  einen  von  einem  Könige  gesetzten 
Herren,  sie  waren  imstande,  sich  selbst  zu  behaupten. 

Diese  Mafsnahmen  des  Königs  hatten  die  Habsburger  begreiflicher- 
weise tief  verletzt  Doch  konnten  sie,  als  im  August  1309  in  Speier 
mit  dem  Könige  wirklich  eine  Einigung  zustande  kam,  keine  Änderung 
der  königlichen  Politik  gegenüber  den  Waldstätten  erwirken;  erst  als 
der  Herzog  Leopold  sich  in  Italien  als  treue  Stütze  erwiesen  hatte,  wurde 
zugestanden,  dafs  dem  Habsburger  in  diesen  Gegenden  das  gehören  solle, 
was  ihnen  kraft  Grafschaft,  Erbrecht  oder  Kauf  zustehe,  Vertrauens- 
männer sollten  über  alle  strittigen  Punkte  entscheiden  ^.  Wäre  das  prompt 
ausgeführt  worden,  so  würde  der  Kampf  fUr  die  Habsburger  vielleicht 
einen  anderen  Ausgang  gefunden  haben,  weil  dann  das  Gefühl,  fLtr  das 
Recht  zu  kämpfen,  schwerlich  die  Eidgenossen  so  beseelt  hätte,  wie  das 
bei  Morgarten  der  Fall  gewesen  ist.  Aber  des  Königs  Vertrauensmann, 
der  Freiherr  Eberhard  von  BtLrgeln,  blieb  noch  lange  in  Italien  beim 
Kaiser'.  Und  so  ward  der  letzte  Moment  einer  friedlichen  Einigung 
versäumt.  Der  GotthardpaTs  gewann  dadurch  eine  ganz  andere  Bedeutung : 
er  ward  nicht  allein  ein  wirtschaftlicher  Konkurrent  der  übrigen,  sondern 
er  hatte  eine  hochgespannte  politische  Bedeutung.  Die  politischen  Gegen- 
sätze der  aufblühenden  Eidgenossenschaft,  die  von  vornherein  ein  Pals- 
staat  war,  die  Stellung  zu  Mailand  und  Österreich :  das  sind  die  Momente, 
welche  nun  über  die  Geschichte  des  Pafshandels  entscheiden.  Die  poli- 
tische Geschichte  beeinflufst  am  St.  Gotthard  den  Verkehr  in  Zukunft 
noch  mehr,  als  das  bis  dahin  der  Fall  gewesen  war. 

Um  diese  Zeit  erscheint  der  Berg  unter  dem  heutigen  Namen,  er 
wird  so  zuerst  im  habsburgischen  Urbarbuch  genannt  und  offenbar  nach 
der  auf  dem  Berge  errichteten  Kapelle.  Wie  kommt  der  Name  des 
Hildesheimer  Bischofs  hierher,  dessen  Gebeine  1132  waren  erhoben 
worden?  Der  Gedanke  schweifte  gern  nach  dem  Norden  und  dachte  sich 
in  dem  Gründer  wohl  gar  einen  Niederdeutschen.  Ich  vermag  heute 
doch  einen  wichtigen  Umstand  zur  Erklärung  beizutragen.  Die  Mailänder 
bürgerlichen  Statuten  haben  in  dem  Verzeichnisse  der  Mailänder  Fest- 
tage, die  bürgerlich  zu  respektieren  sind,  auch  den  4.  Mai  (sandi  Gotardi) 
als  Festtag  rot  hervorgehoben®.     Wie  kamen   freilich  die  Mailänder  zur 


^  Urkunde  vom  15.  Juni  1311.    Kopp,  Urkunden  2,  186. 

*  Die  österreichischon  Herzöge  hatten  sich  vom  König  Johann  von  Böhmen 
die  Zusicherung  verschafft,  dafs  er  den  Vater  an  die  Erfüllung  des  Versprechens 
erinnern,  eventuell  selbst  ihnen  ihr  Recht  verschaffen  werde.  Von  irgend  welchen 
Mafsnahmen  Eberhards,  der  später  wieder  in  seiner  Heimat  war,  wissen  wir 
nichts. 

*  Statuta  Blatt  48.  An  diesen  Tagen  sollten  keine  Gerichtssitzungen  und 
Exekutionen  stattfinden.     Dafs  es  eine  St  Godehardkirche  in  Mailand  gab,   war 


Heinrich  YII.  und  der  St  Gotthard«  227 

besonderen  Verehrung  dieses  Heiligen?  Der  alte  von  den  Lepontinern 
herrührende  Name  wurde  jedoch  durch  den  Kapellennamen  erst  langsam 
verdrängt  Noch  1337  wurde  in  dem  ewigen  Bündnisse  der  Grafen  von 
Montfort  und  der  österreichischen  Herzöge  in  der  Beschreibung  der 
Grenze  der  Hilfspflicht  das  Schneegebirge:  »den  man  spricht  ElbeU 
zwischen  Interlaken  und  dem  Septimer  angeführt^. 

Die  „Verländerung^  des  Reichsbesitzes  am  Vierwaldstättersee  wurde 
auch  dadurch  begünstigt,  daüs  der  Kaiser  in  einer  für  Graf  Wemher 
aufserordentlich  wohlwollend  abgefafsten  Urkunde,  die  den  Empfilnger, 
was  selten  geschieht,  ständig  mit  „Du''  anredet,  am  21.  Januar  1313  ihm 
jährlich  100  Mark  Silber  auf  den  Reichszoll  zu  Fluelen  anwies,  die  nur 
durch  die  Zahlung  von  1000  Mark  Silber  sollten  abgelöst  werden  können. 
Den  Rest  der  Zolleinnahmen  behielt  der  Kaiser  dem  Reiche  vor.  Es  ist 
das  erste  Mal,  dafs  wir  von  diesem  Reichszoll  hören;  wann  mag  er 
errichtet  sein?  Leider  wissen  wir  über  die  Wirksamkeit  Wernhers, 
dessen  Amtsbereich  von  der  Lombardei  über  den  Pafs  hinübergrifi,  nur 
sehr  wenig.  So  erfahren  wir  aus  einer  jüngeren  Quelle,  dafs  er  mit  den 
Comasken  über  ihren  Zoll  verhandelte  ^ 

*  Im  übrigen  beunruhigte  die  Gegnerschaft  der  Waldstätte  und  der 
österreichischen  Herzöge  in  diesen  Tagen  den  Handelsverkehr  erheblich. 
Es  war  namentlich  Luzern,  das  schwer  darunter  litt,  und  eine  Vorahnung 
späterer  Zeiten  ist  es,  wenn  die  Waldstätte  und  Luzern  sich  zu  einigen 
versuchen,  ohne  direkt  mit  der  Herrschaft  zu  verhandeln.  Ek  waren, 
so  scheint  es,  eine  Reihe  von  Leuten  des  Thaies  Urseren  bei  Root  auf 
dem  Wege  von  Luzern  nach  Cham-Zürich  gefangen  gesetzt,  Konrad  der 
Moser  erhielt  als  Landmann  von  üri  zuerst  die  Freiheit^,  am  Tage  vor- 
her hatte  der  Reichspfleger  und  die  Gemeinde  von  Schwyz  den  Luzemem 
freie  Kaufmannsfahrt  auf  dem  See  bis  zur  Sust  in  Flüelen  verbürgt^. 
Die  Unterhandlungen  führten  aber  noch  lange  nicht  zu  einem  AbschluTs, 
erst  Ende  November  1309  versöhnten  sich  die  Leute  des  Thaies  Urseren, 
da  die  Gefangenen  entlassen  waren,  mit  der  Stadt  Luzern  und  indirekt 
auch  mit  den  Herzögen   von  Österreich  und  der  Stadt  Brugg'^,    und  so 


schon  bekannt.     Die  viel  jüngere  Erzählung,   der  hl.  GU>dehard   habe   bei    einem 
Übergang  über  den  Berg  ein  Wunder  gewirkt,  ist  wertlos.    Acta  SS.  Mai  1,  520. 
^  Thommen,  Urkunden  zur  Schweiz.  Geschichte  1,  240. 2  Durch  die  Reihen- 
folge ist  die  Albula  ausgeschlossen. 

*  So  ist  wohl  mit  v.  Liebenau  der  dominus  Guamerius  zu  erklären,  der  im 
2k)lltarif  von  Como  erwähnt  wird.  Vgl.  unsere  Urkunden  Nr.  190  S.  130,  30  und 
Periodico  der  Societä  storica  di  Como  19,  260. 

»  1309  Juni  23.    Kopp,  Urkunden  1,  108, 

*  1309  Juni  22.    Kopp,  Urkunden  1,  107.| 
B  Kopp,  Urkunden  1,  120. 

15* 


228  Zwanzigstes  Kapitel. 

grofs  war  die  Freude  der  Luzemer,  dafs  nun  der  Pafs  sich  wieder 
öfinete,  dafs  sie  eine  jährlicMe  Spende  von  10  #9  zu  zahlen  gelobten^. 
Man  hat  bisher  es  nicht  betont,  dafs  in  diesem  Pakt  auch  ein  sehr 
wichtiger  Handelsvertrag  steckt  Der  „Atzungs**vertrag  zwischen  Uri 
und  Luzem  ist  zwar  nicht  erhalten,  aber  wir  sehen  doch,  dafs  auch  am 
Nordfufse  der  Alpen  die  Thäler  sich  die  Zufuhr  an  Getreide,  Wein,  vor 
allem  auch  an  Salz  sichern  mufsten  und  sicherten.  Die  einzige  Waffe, 
die  Lande  zu  besiegen,  wäre  das  Aushungern  gewesen,  wie  ja  noch 
Zwingli  den  katholischen  Urkantonen  das  Salz  soll  haben  entziehen 
wollen. 

In  diesem  Konflikte  tritt  Urseren  hervor,  das  rechtlich  noch  eine 
durchaus  von  den  Habsburgem  abhängige  Landschaft  war,  es  fand  das 
Thal  aber  offenbar  Deckung  bei  den  Waldstätten'.  Im  ganzen  aber 
gewinnt  man  die  Vorstellung,  dafs  die  Leute  von  Urseren  auf  dem  Passe 
dominieren,  man  darf  auch  nicht  vergessen,  dafs  die  Transportgenossen- 
schaft auf  dem  St.  Gotthard  auch  die  Leute  aus  Urseren  umfafste,  und 
der  herrschaftliche  Anteil  aA  der  „Teilballe**  im  habsburgisohen  Urbar^ 
buch  unter  dem  Amte  Urseren  gebucht  wird®. 

Luzem  hatte  auch  Baseler^  und  Mailänder  gefangen  setzen  lassen, 
wie  die  Urfehdebriefe  lehren.  Die  Streitigkeiten  zwischen  Luzem  und 
Basel  wiederholten  sich  sehr  häufig^,  und  schon  spielte  ein  Baseler  Ge* 
schlecht  dabei  eine  bedenkliche  Rolle,  die  Münche,  die  wir  später  im 
Besitze  wichtiger  Burgen  finden  werden.  Es  war  ein  Geschlecht,  das 
uns  bald  in  allen  Ländem  begegnen  wird.  Schon  König  Albrecht  be- 
diente sich  eines  Münch  als  Boten  an  den  Papst  Bonifaz  VIII^. 

Den  Mailändern  waren  1309  Warenballen  festgehalten,  die  auf  die 
Intervention  Guido  della  Torrcs  der  Stadt  und  der  Kaufmannschaft  frei- 
gelassen wurden^.    Ein  zweiter  Fall  berührt  eine  mailändische  Handels« 


1  öchsli,  Regest  499. 

*  Es  macht  übrigens  mehr  den  Eindruck,  als  handle  es  sich  um  einen  Konflikt 
zwischen  Urseren  und  Luzem  bez.  Brugg,  als  zwischen  ersterem  und  der  Herr- 
schaft.   Die  bisherige  Auffassung  suchte  zuerst  immer  politische  Motive. 

*  »Da  ist  och  ein  recht,  heisset  teübaUe:  davon  git  man  10  U  Pfeffers  jerlich,* 

*  Kopp,  Urkunden  2,  177.  Baseler  Urkb.  4,  9,  15  ff.  Es  waren  vier  Personen 
von  Basel  arretiert.     1809  Januar  24. 

B  Zwei  Sühnen  von  1311  und  1312  behandelt  Kopp  4,  1,  260  f.  nach  den  in 
Luzem  erhaltenen  Urkunden,  die  jetzt  Baseler  Urkb.  4  Nr.  20,  21  u.  23  ge- 
druckt sind. 

«  Baseler  Urkb.  3,  224. 

■^  Vier  Urkunden :  Vollmacht  der  Stadt  für  die  drei  Gesandten,  Verzicht  Guidos 
als  dominus  perpetuus  namens  der  Stadt,  ebenso  der  universitns  mtrcatorum,  wie 
endlich  des  Gesandten  selbst,  alle  1309  September  und  Oktober.  Kopp,  Urkunden 
2,  193. 


Heinrich  YH  und  der  St.  Gotthard.  229 

geaellschafl;,  die  in  Luzem  einen  Sitz  hatte.  Der  dortige  Vertreter  Thomas 
de  Dugniano  wurde  wegen  einer  von  seinem  Compagnon  anerkannten 
Schuld  gefangen  gesetzt,  erhielt  ^uch  von  der  Stadt  Luzem  sein  einge- 
legtes Kapital  (323  i6  Imperialen)  zurück,  gleichwohl  sandte  die  Stadt 
Mailand  noch  einen  Gesandten ,  um  die  Freilassimg  auch  des  Thomas 
und  Petrus  de  Dugniano  zu  verlangen  ^.  Die  Spannung  zwischen  Luzem 
und  Mailand  äulsert  sich  auch  in  den  Forderungen  von  Luzerner  Handels- 
leuten. Wegen  ZoUuberforderungen  in  Mailand,  Como,  Bellinzona  und 
Locamo  forderten  21  Luzemer  Geschäftshäuser  in  Posten  von  800  tt 
Imperialen  bis  zu  10  i6  Imperialen  einen  Gesamtersatz  von  3370  i6j 
weiter  hatten  sich  vier  Geschäfte  über  Beraubungen  im  Werte  von  598  tt 
zu  beklagen'. 

Was  Heinrich  VII.  in  Italien  versucht  hatte,  wa,r  ein  phantastisches 
Uixtemehmen,  für  seinen  Buhm  war  es  ein  Glück,  dalÜs  der  Tod  ihn 
daihin  x^S^^y  ehe  die  nackte  Gewalt  der  realen  Kräfte  ihn  zu  erdrücken 
begaan.  Und  nun  folgten  schnell  aufeinander  die  Handlungen,  welche 
die  Eidgenossenschaft  schufen  und  dem  Reiche  jeden  Einflufs  auf  den 
GotÜuurdpals  entzogen.  In  der  Nacht  vom  6.  zum  7.  Januar  1314  über- 
fielen die  Schwyzer  das  hochadlige  Kloster  Einsiedeln,  ihren  alten  Streit 
mit  ihm  zu  erledigen.  Eine  solche  Gewaltthat  rief  die  Gegner  sofort 
auf  den  Plan.  Der  Bischof  von  Konstanz  verhängte  den  Bann,  aber  die 
staatliche  Hilfe  versagte. 

Nach  langen  Verhandlungen  wurden  am  19.  und  20.  Oktober  1314 
dem  Reiche  zwei  Könige  erkoren,  die  Waffen  mufsten  nunmehr  ent- 
scheiden. Friedrich  von  Österreich  war  der  Erbe  der  Gegnerschaft  gegen 
die  Waldstätte,  als  König  verhängte  er  über  die  Frevler  von  Einsiedeln 
die  Acht;  Ludwig  der  Bayer  aber  erbte  die  Politik  Adolfs  von  Nassau 
und  Heinrichs  VH.,  er  sprach  sie  von  der  Acht  frei.  Mit  dem  Kampfe 
um  das  Reich  war  so  der  der  Eidgenossen  und  des  Hauses  Österreich 
verbunden.  Die  Schlacht  von  Morgarten  (15.  November  1315)  entschied, 
das  war  die  That  der  Befreiung,  auf  dem  winterlichen  Schlachtfelde 
hatten  die  Bauemhaufen  bewiesen,  dafs  sie  Kraft,  Gemeinsinn  und  Selbst- 
zucht genug  besafsen,  um  dem  Ritteradel  zu  trotzen.  Wenige  Tage 
später,  am  9.  Dezember  1315,  erneuten  die  Eidgenossen  den  Bund  von 
1291.  Ein  neues  Staatsgebilde  war  damit  begründet,  ausgehend  von  der 
Vereinigung  dreier  Thalgenossenschaften,  blühte  ihm  eine  grofse  Zukunft, 
und  diese  verdankte  sie  vor  allem  der  geographischen  Lage.    Die  Eid- 

^  1302  März  14.  Urkunde  des  Petrus  de  Dezio  Bürgers  von  Mailand  (unter 
den  Zeugen  ein  Mailänder  Bürger  mit  dem  deutseben  Namen :  Johannes  didus  Sutzen) 
und  (1312)  Juni  1  Urkunde  des  Nicola  Buonsignore,  Vikars  für  Mailand  und  der 
Stadt,  Beglaubigung  des  Rugerius  Vineimara.    Kopp,  Urkunden  2,  192. 

*  V.  Liebenau,  Königin  Agnes  von  Ungarn  417—420/ 


280  Zwanzigstes  Kapitel. 

genossenschaft  war  Herrin  des  Gotthardpasses,  und  so  hingen  Lussem  . 
und  Zürich  von  ihnen  ab,  der  Pafs  gab  diesen  Thalleuten  die  werbende 
Kraft  und  politische  Bedeutung.  Die  Schweiz  ist  der  Pafsstaat  des  St. 
Qotthard  geworden,  und  in  ihm  erkennen  mit  Recht  noch  heute  die 
Schweizer  das  Centrum  des  Staatengebildes.  Die  Thalleute,  welche  die  • 
Eidgenossenschaft  begründeten,  waren  keine  gewöhnlichen  Bauern  eines 
weltentlegenen  Thaies,  sie  führten  die  Waren  des  Welthandels  über  die 
Berge  und  sprachen  mit  den  Kaufleuten,  den  Boten,  Pilgern,  Herren 
und  Fürsten,  die  durch  ihr  Land  zogen.  Daher  die  Weite  des  Blickes, 
welche  im  Kampfe  gegen  die  Habsburger  sofort  jede  Chance  ausnutzte, 
daher  die  Neigung  und  Fähigkeit,  jede  Schwankung  der  europäischen 
Lage  auszunutzen.  Der  Gtotthard  war  der  einzige  Alpenpafs,  an  dem 
Reichsgut  lag,  und  doch  hat  der  König  unter  den  Alpenpässen  niemals 
den  Fufs  eines  Königs  getragen,  keines  deutschen  und,  so  viel  ich  weifs, 
auch  nicht  den  eines  anderen!  Der  Pafs,  der  bjBstimmt  schien,  aufs 
innigste  das  Deutsche  Reich  mit  dem  Gebiete  der  alten  langobardischen 
Krone  zu  verbinden,  trennte  sie  noch  viel  mehr,  als  der  unwegsame 
Berg  es  viele  Jahrhunderte  gethan  hatte.  So  ist  die  Eidgenossenschaft 
entstanden. 


Viertes  Buch. 

GESCHICHTE  DES  GELDHANDELS. 


Erster  Teil. 

IN  ITALIEN  DOMIZILIERTE  GELDHÄNDLER  ALS  GLÄUBIGER 
DES  DEUTSCHEN  HOHEN  KLERUS  IM  DREIZEHNTEN  UND 

VIERZEHNTEN  JAHRHUNDERT. 

Einundzwanzigstes  Kapitel. 

Die  westdeotscheii  ErzbischSfe  als  Schuldner. 

Wiederauftreten  des  Fremdkaufmanns,  Anfätige  der  Geldwirtschaft  System  der 
päpsüichen  Einnahmeiu  Zwei  Klassen,  Höhe  der  Servitien.  Beihilfe  der  iUüiemschen 
Kauflexäe.  Erzbischöfe  von  Köln,  vor  aUem  Dietrich,  Engelbert,  Konrad,  spätere. 
Mainz,     Widerstand  des  Klerus.    Trier, 

Das  dreizehnte  Jahrhundert  sah  einen  selbständigen  Geldhandel  ent- 
stehen, so  dafs  es  nicht  allein  bequem,  sondern  sogar  notwendig  ist,  den 
Geldhandel  vom  Warenhandel  loszulösen  und  ihn  besonders  für  sich  zu 
behandeln.  Ich  werde  die  Behandlung  sofort  bis  an  das  Ende  des  Mittel- 
alters fuhren. 

Mit  dem  Geldhandel  lebte  für  Deutschland  der  Fremdkaufmann 
wieder  auf,  wir  werden  sehen,  in  welchem  Umfange  italienische  Geld- 
händler in  Deutschland  Einflufs  gewannen.  Der  Fremdkaufmann  brachte 
die  überlegenen  Formen  des  italienischen  Handels,  bis  diese  vom  deutschen 
Kaufmann  übernommen  waren,  und  der  deutsche  Bankier  den  fremden 
verdrängte. 

Diese  Entwickelung  hängt  auf  das  innigste  mit  der  Entstehung  des 
Kapitals  und  mit  dem  Aufkommen  der  Geldwirtschaft  zusammen.  Ehren- 
berg hat  in  der  Einleitung  zu  seinem  grofsen  Werke  über  das  Zeitalter 
der  Fugger  die  Entwickelung  eines  Bedürfnisses  nach  gröfseren  Summen 


232  Einundzwanzigstes  KapiteL 

baren  Geldes  durch  den  Satz  ausgedrückt:  Pecunia  nervus  beUi^.  Und 
gewifs  hat  die  Notwendigkeit  grofser  Barmittel  fUr  eine  Politik  sich  schon 
in  den  Kreuzzügen  deutlich  gezeigt,  die  grofsen  Ritterorden,  vorab  die 
Templer,  richteten  sich  auf  bankmäfsigen  Verkehr  ein.  Ich  meine  jedoch, 
dafs  eine  noch  viel  gröfsere  Bewegung  des  Geldes  als  durch  diese  kriege- 
rischen Zwecke,  durch  die  finanzielle  Stellung  des  heiligen  Stuhles  sich 
ergab,  die  freilich  zum  Teil  auf  Steuern  für  Kreuzzüge,  also  für  kriege- 
rische Zwecke  sich  gründete,  wobei  der  Begriff  der  Kreuzzüge  bekannt- 
lich sehr  weit  gespannt  wurde. 

Der  frühmittelalterlichen  Naturalwirtschaft  entsprach  die  Lehre  vom 
Zinsverbot,  wir  werden  nun  beobachten,  wie  die  Kirche  und  speciell  die 
Kurie  selbst  das  Aufkommen  der  Geldwirtschaft  fördert  und  so  den 
wunderbaren  Widerspruch  zwischen  Theorie  und  Praxis  herbeiführte, 
der  zu  den  eigentümlichsten  Verhältnissen  führte,  die  wir  später  dar- 
zustellen haben. 

Die  Entwickelung,  welche  das  System  der  päpstlichen  Einnahmen 
seit  dem  An&nge  des  dreizehnten  Jahrhunderts  nahm,  vor  allem  aber 
die  Einführung  von  Kreuzzugssteuem ,  hat  einen  aufserordentlich  regen 
Oeldverkehr  zwischen  Italien  und  Deutschland  hervorgerufen ,  den  ich 
selbstredend  hier  nur  streifen  und  in  seinen  für  den  Handel  bedeutsamen 
Folgen  besprechen  kann. 

Die  Abgaben  an  die  Kurie  zerfallen  in  zwei  Gruppen.  Die  einen 
werden  in  Rom  (bez.  an  dem  Sitze  der  Kurie)  selbst  erhoben,  der 
Zahlende  erscheint  dort  oder  liefert  den  Betrag  durch  einen  Abgesandten 
dort  ab.  Das  sind  die  serviiia  communiaf  welche  der  Bischof  oder  Abt 
bei  seiner  Ernennung  oder  Bestätigung  zu  entrichten  hatte,  die  Taxen 
für  die  Urkunden,  die  Palliengelder  und  die  freiwilligen  Geschenke, 
"welche  dem  päpstlichen  Stuhle  dargebracht  wurden^.  Die  betreffenden 
Gelder  wurden  der  Regel  nach  wohl  in  barem  mit  über  die  Alpen  ge- 
nommen. Mancher  Bischof,  der  eben  gewählt  war,  verfügte  jedoch  nicht 
über  die  ausreichenden  Mittel,  viele  von  ihnen  fanden  nun  jenseits  der 
Alpen  den  nötigen  Kredit.  Sie  nahmen  dort  eine  Schuld  auf,  welche 
-dann  entweder  an  dem  Sitze  der  Kurie  oder  in  der  Heimat  des  Schuldners 
oder  endlich,  was  geradezu  die  Regel  war,  auf  einem  der  Weltmärkte 
KU  tilgen   war.    Das  Geschäft  lag  natürlich  den   römischen   Kaufleuten 


*  Das  Zeitalter  der  Fugger  1,  5  ff. 

«  VgL  Kirsch,  Die  päpstlichen  KoUektorien  während  des  vierzehnten  Jahr- 
hunderts. Quellen  u.  Forsch,  aus  dem  Gebiete  der  Geschichte,  herausgeg.  v.  d. 
Qörres-Gesellschaft  UI.  Bd.  S.  XIU  ff .  Gelegentlich  auch  £.  Müntz,  L'argent  et 
le  luxe  &  la  cour  pontificale,  in  Revue  des  quest.  historiqucs  Bd.  66  und  jetzt  auch 
A.Gottlob,  Päpstliche  Darlehensschulden  des  dreizehnten  Jahrhunderts  im  Histor. 
Jahrbuch  20,  665—717. 


Die  westdeutschen  Erzbisehöfe  als  Schuldner.  233 

am  nächsten.  So  finden  wir  denn  auch  in  den  ältesten  Zeiten  vorwiegend, 
ja  fast  ausschliefslich  römische  Kaufleute  als  Gläubiger  von  Schulden, 
die  aus  solchem  Anlasse  entstanden  waren.  Sie  finden  jedoch  bald  über- 
legene Konkurrenten,  und  der  Vorsprung,  den  der  römische  Kaufmann 
-vor  allen  anderen  voraus  hatte,  hörte  auf,  als  die  Kurie  von  Rom  ver- 
legt wurde.  Den  natürlichen  Vorbedingungen  entspricht  die  Thätigkeit 
römischer  Kaufleute  sicherlich  nicht. 

Seitdem  Eubel   in  seiner  hochverdienstlichen  Hierarchia   auch   die 
Höhe  der  Servüia  communia  mitgeteilt  hat,  kann  man  übersehen,   welch 
-enorme  Summen  unter  diesem  Titel  an  die  Kurie  flössen.    Ich  gebe  eine 
Zusammenstellung  nach  der  Höhe: 

10000  fl.  Aquileja,  Köln,  Mainz,  Salzburg,  Trier  (alias  7000), 

7200  -  Lüttich, 

6000  -  Metz,  Passau, 

5000  -  Gnesen,  Tournay, 

4600  -  Utrecht, 

4400  -  Verdun, 

4000  -  Breslau,  Freising  (auch  Rheims), 

3500  -  Olmütz, 

3  000  -  Münster,  Bamberg,  Basel  (al  1000),  Brixen  (auch  Mailand), 

2800  -   Prag, 

2500  -  Magdeburg,  Strafsburg,  Konstanz, 

2400  -  Würzburg  (al  2300), 

2000  -   Sitten,  Trient, 

1400  -  Regensburg, 
^on  hier  ab  berücksichtige  ich  nur  die  westdeutschen  Sprengel: 

1200  (700)  fl.  Lausanne, 

1000  fl.  Hildesheim,  Minden  (al  500),  Worms, 
800  -  Eichstntt,  Augsburg, 
600  -   Genf,  Osnabrück,  Speier  (äl.  500), 
500  -   Chur,  Chiemsee, 
400  -  Verden, 

100  -  Paderborn,  Halberstadt 
Dafs  diese  Summen  nicht  genau  den  wirklichen  Einkünften  des  betreffenden 
'Sprengeis  entsprechen,   ist  mir   nicht  zweifelhaft     Wie  Freising  viel  zu 
hoch  steht,  ist  Paderborn  viel  zu  niedrig  eingeschätzt 

Die  andere  Gruppe  von  Abgaben  ermöglichte  Kaufleuten  nicht  allein 
derartige  Kreditgeschäfte,  sondern  sie  übernahmen  auch  den  Transport 
des  Geldes,  indem  sie  auch  den  Wechselverkehr  einführten.  Es  waren 
das  diejenigen  Abgaben,  welche  zum  Teil  anfangs  durch  die  Diöcesan- 
behörden  erhoben  wurden,  deren  Erhebung  aber  seit  der  Mitte  des  drei- 
zehnten Jahrhunderts  mehr  und  mehr  durch   von   der  Kurie  selbst  be- 


234  EinundxwanzigBtes  KapiteL 

stellte  Kollektoren  besorgt  wurde  ^.  Die  filteren  Abgaben,  die  grundherr- 
lichen Patrimoniengefklle  und  die  lehensreehtlichen  Census  —  die  census 
exempter  Kirchen ,  der  in  Deutschland  ja  nur  im  Deutschordensgebiete 
bekannte  Peterspfennig  —  machten  nur  kleine  Beträge  aus,  ganz  anders 
aber  stand  es  bei  den  vom  Papste  auf  die  kirchlichen  Einkommen  ge- 
legten Steuern,  vorwiegend  Kreuzzugssteuem,  welche  einen  sehr  kompli- 
zierten Erhebungsapparat  erforderten,  über  den  wir  jetzt  vortrefflich 
unterrichtet  sind.  Daneben  werden  von  den  Kollektoren  auch  die  frei- 
willigen Subsidien  der  Geistlichkeit,  sowie  die  Einnahmen  aus  den  Reser- 
vationen und  Annaten,  sowie  auch  Spoliengelder  eingezogen. 

Die  Übermittelung  der  gesammelten  Gelder  an  die  Kurie  wurda 
vielfach  von  den  Kollektoren  italienischen,  gelegentlich  auch  französischen 
Kaufleuten  übertragen.  Die  Päpste  haben  das  System  stark  -begünstigt 
Die  Voraussetzung  war,  dals  die  italienischen  Kauf  leute  den  Kollektoren 
folgten  oder  überhaupt  schon  in  dem  Gebiete  und  an  dem  betreffenden 
Orte,  an  dem  das  Geld  aus  den  Händen  des  Kollektors  in  die  ihren  über- 
ging, bekannt  waren.  Der  wesentlichste  Vorteil  der  Verschickung  des 
Geldes  durch  Kaufleute  war  doch  eben  der  Wechselverkehr.  •  Der  Trans- 
port des  baren  Geldes  durch  Geistliche,  von  denen  natürlich  bekannt 
war,  dafs  sie  Geld  gesammelt  hatten,  erforderte  bedeutende  Kosten  ftir 
das  Geleit.  Und  doch  wurden  die  Kollektoren  angefallen,  so  ereilte 
dieses  Geschick  den  mehrfach  in  diesen  Gebieten  thätig  gewesenen  Peter 
Durandi  im  Jahre  1322  zwischen  Konstanz  und  Basel  ^.  Der  Kaufmann 
vermochte  heimlich  zu  reisen,  er  brachte  das  Geld  aber  überhaupt'  nicht 
in  Gefahr  und  sparte  alle  Kosten  bis  auf  die  eines  Boten,  wenn  er  die, 
sagen  wir  in  Lüttich,  eingezahlte  Summe  durch  die  Vertreter  derselben 
Gesellschaft,  deren  Faktor  oder  Genosse  er  war,  in  Avignon  der  päpst* 
liehen  Kammer  auszahlen  liefs. 

Diese  Wechselgeschäfte  wurden  in  der  Regel  von  Gesellschaftenr 
besorgt,  wie  wir  sie  bald  näher  kennen  lernen  werden.  W^ir  werden 
sehen,  dafs  nacheinander  verschiedene  italienische  Städte  hervortreten^ 
bis  endlich  Florenz  so  gut  wie  völlig  den  Geldhandel  der  päpstlichen 
Kurie  an  sich  gebracht  hat.  Ich  sagte,  dafs  die  Thätigkeit  einer  Gesell- 
schaft an  einem  bestimmten  Orte  für  den  päpstlichen  Kollektor,  wenn 
nicht  ausdrücklich  erwähnt  ist,  dafs  der  betreffende  Vertreter  nachgereist 
ist,  die  Vermutung  begründet,  dafs  die  Gesellschaft  auch  sonst  an  dem 
Orte  arbeitet,  mindestens  der  Ort  ihr  nicht  fremd  ist.  Wir  werden  also 
dadurch,  dafs  wir  die  Orte  nachweisen,  in  denen  solche  Wechsel  ab- 
geschlossen wurden,    zugleich    die   Gegenden    unterscheiden    lernen,    in 


'  Gottlob,  Die  päpstlichen  Kreuzzugssteuem  8.  248. 
*  Regesten  d.  Bischöfe  v.  Konstanz  2  Nr.  3952. 


Die  westdeutschen  Erzbischöfe  als  Schuldner.  285 

denen  italienische  Kaufleute  nicht  verkehrten.  Eine  Herbeischaffung 
allen  Materiales  habe  ich  nicht  versuchen  können,  auch  werde  ich  mich 
im  wesentlichen  auf  das  Rheingebiet  einschränken,  die  Grundzüge  der 
Entwicklung  scheinen  mir  gleichwohl  sich  bereits  zu  eigeben. 

Ich  werde  zunächst  die  Verschuldung  der  drei  rheinischen  Erz- 
bistümer,  so  weit  Italiener  die  Gläubiger  waren,  besprechen,  um  die 
Ursachen  der  Verschuldung  besonders  hervortreten  zu  lassen.  Die 
Schulden  der  übrigen  westdeutschen  Prälaten  werde  ich  nach  der 
Heimat  der  Gläubiger  besprechen.  Durch  dieses  wechselnde  Hervor- 
kehren von  Gläubigern  und  Schuldnern  hoffe  ich  die  Dinge  deutlicher 
zu  machen,  als  es  sonst  möglich  wäre.  Dafs  mitunter  die  Zusammen- 
stellung eine  Regestensammlung  wird,  läfst  sich  nicht  vermeiden^. 

Die  älteste  Beziehung  eines  rheinischen  Kirchenfürsten  zu  einem 
römischen  Kaufmanne  hat  im  Mai  1218  der  Kardinal  Stephan  beurkundet. 
Er  giebt  an,  dafs  der  Kölner  Elekt  Dietrich  (von  Heinsberg  1208—1212) 
von  den  nachgenannten  Bürgern  und  Kaufleuten  von  Rom:  Johannes 
Romanus,  Petrus  de  Centio  de  Lavinia,  Johannes  de  Centio  und  Petrus 
Johannis  de  Romano  und  Genossen  so  viel  Geld  empfangen  habe,  da£s 
er  sich  schuldig  erklärte,  ihnen  625  Mark  Sterling  auf  der  nächsten 
St.  Aigulfmesse  zu  Provins  vier  Tage  bevor  der  Ruf:  Hare^  Haret 
erschalle,  zu  bezahlen^. 

Bei  denselben  Kaufleuten  kontrahierte  Erzbischof  Dietrich  noch 
eine  zweite  Schuld  und  zwar  im  Betrage  von  700  Mark  Sterling,  so 
dafs  sich  die  Schuld  nunmehr  auf  1325  Mark  Sterling  belief.    Es  scheint, 


^  Ich  kann  selbstredend  keine  Vollständigkeit  erstreben.  Die  Hauptgrandlage 
gewährten  mir  die  Veröffentlichungen  aus  den  päpstlichen  Registerbänden,  vor 
allem  die  der  Bibliothique  des  ^coles  d' Äthanes  et  de  Rome.  Bisher  erschienen 
Auvray,  Gregor  IX.  Bd.  1,  Berger,  Innocenz  IV.,  3  Bde,  Bourel  de  la  Ron- 
ci^re,  de  Loye  und  Coulon,  Alexander  IV.,  3  Hefte,  Dorez  und  Guiraud, 
Urban  IV.,  2  Hefte,  Jordan,  Clemens  IV.,  3  Hefte,  Guiraud  und  Cadier, 
Gregor  X.  und  Job ann  XXL,  3  Hefte,  Gay,  Nicolaus  III.,  1  Heft,  Prou,  HonoriusIV. 
(vollendet^  Langlois,  Nicolaus  IV.  (vollendet),  Di gard,  Faucon  und  Thomas, 
Bonifaz  VIIL,  5  Hefte  und  Grandjean,  Benedict  XI..  4  Hefte.  Femer  die  Register 
Honorius  III.  in  der  Ausgabe  von  Pressuti  und  Clemens  V.  in  der  der  Bene- 
diktiner. Für  die  Zeit  von  1198 — 1256  babe  ich  dazu  Potthasts  Regesten  durch- 
gesehen. Die  Papsturkunden  der  Zeit  von  da  bis  zum  Ende  des  Interregnums 
verfolgte  ich  auch  nach  Böhmer-Ficker- Winkelmann,  von  da  bis  1308  nach 
Kaltenbrunner,  Mitteilungen  aus  dem  vatikanischen  Archive  Bd.  I.  Selbst- 
redend zog  ich  auch  die  Sammlung  der  M.G.  heran:  Epistolae  s.  XIII  selectae  6 
regestis  pont.  Roman,  ed.  Rodenberg. 

'  Mitgeteilt  vonKorth  in  den  Annalen  des  bist  Vereins  für  den  Nieder- 
rhein 41,  93.  Bfirgschaftsbrief  von  vier  Kölner  Geistlichen,  die  an  der  Kurie 
weilten,  vom  Mai  1213  bei  Ennen  und  Ecker  tz.  Quellen  2,  45.  Johannes  Romanus 
heilst  hier  J.  R.  Denteguarde. 


23$  EinuDdzwanzigstes  Kapitel. 

dab  Theoderich  später  auch  noch  einen  Generalschuldbrief  ausstellte, 
der  auf  2000  Mark  lautete.  Diese  Schulden  hat  Dietrich  nicht  bezahlt, 
ala  abgesetzter  Erzbischof  war  er  natürlich  dazu  auch  nicht  in  der  Lage. 

Für  ihn  mufste  sein  Nachfolger  Engelbert  der  Heilige  (1216—1225) 
eintreten,  der  das  Bistum  schwer  verschuldet  übernahm.  Mit  den  eben 
erwälinten  Eaufleuten  kam  durch  einen  Kardinal  1218  ein  Schiedspruch 
imstande,  der  die  Schuldsumme  des  Erzbischofs  auf  1200  Mark  neuer 
Sterlinge  (Vi  ß  und  4  sterl.  auf  die  Mark)  festsetzte  und  die  Zahlung 
von  je  einem  Drittel  auf  die  nächste  St.  Aigulfmesse  in  Provins  und 
auf  die  nächsten  Messen  in  Bar  und  Troyes  festsetzte  ^ 

Es  war  das  nicht  die  einzige  Schuld,  welche  Dietrich  aufgenommen 
hatte.  Einem  römischen  Bürger  Johannes  Bobo^  schuldete  er  160  Mark 
Silber,  die  1221  Erzbischof  Engelbert  und  das  Domkapitel  bezahlten^. 
Bedeutender  waren  noc'i  zwei  weitere  Anleihen.  Die  erste  war  bei  den 
Römern  Mathias  Guidonis  Marronis,  Angelus  Johannes  Judei,  Jac^bus 
Scarsus  und  Genossen  gemacht,  sie  betrug  ursprünglich  260  Mark  Silber 
und  war  bei  früherer  Anwesenheit  des  Erzbischofs  in  Rom  aufgenommen, 
Februar  1214  wurde  sie  aber  auf  500  Mark  Sterling  erhöht  und  sollte 
auf  der  nächsten  Messe  zu  Provins  getilgt  werden.  Geschehe  das  nicht, 
80  war  von  Messe  zu  Messe  10 ^/o  Entschädigung  zu  bezahlen^.  Doch 
harrte  noch  1218  ein  weiterer,  vom  Kardinaldiakon  G.  von  St.  Theodor 
gelroffener  Vergleich  der  Ausführung,  obwohl  eine  Konventionalstrafe 
von  1000  Mark  angedroht  und  beschworen  war^. 

Nach  dem  Spruchbriefe  des  Kardinals  Johannes  tu,  5.  IVaxedis  vom 
5.  März  1238  hatte  Dietrich  ferner  von  den  beiden  römischen  Kauf- 
leuten Huguicio  Johannes  Icta  und  seinem  Bruder  Leo  983  Mark  guter 
Sterlinge  erhalten.  Der  Schuldbrief  lautete  freilich  auf  1150  Mark  und 
auch  diese  Schuld  sollte:  nn  praximis  nundinis  sancti  Aigülfi  quaiuar 
äiehus  antequam  clamaretur  Bare!  Hareh  entrichtet  werden.  Das  Ge- 
schäft wäre  nicht  schlecht  gewesen;  denn  das  wäre  ein  Jahreszins  von 
14V2  Prozent  gewesen.  Allein  Dietrich  bezahlte  nicht,  und  noch  im 
Jahre  1238,  also  26  Jahre  nach  seiner  Absetzung  harrten  die  Gläubiger 
d«r  Befriedigung.  Sie  stellten  die  Forderung,  dafs  Erzbischof  Heinrich 
fftr  seinen  Vorgänger  bezahle,  und  zwar  solle  er,  da  ausbedungen  war, 
dafs  nach  versäumter  Zahlung  von  Messe  zu  Messe  zehn  Prozent  Zins 
zu  zahlen  sei  (also  60  Prozent),  als  Schadenersatz  und  Kosten  noch 
jdazu  die  Summe  von  12000  Mark  Sterling  entrichten,  was  dem  Jahres- 

1  Urkunde  vom  7.  Mai  1218  bei  F  ick  er,  Engelbert  der  Heilige  S.  320. 

*  Vgl.  unsere  Urkunden  Nr.  422. 

»  Urkunde  vom  8.  April  1221  bei  Ficker  S.  830. 

*  Lacombletf  Urkundenbuch  2,  25. 

*  Vgl.  unsere  Urkunden  Nr.  423. 


Die  westdeutschen  Erzbischöfe  als  SchnldDer.  287 

zinse  von  18^/8  Jahren  gleich  kommt  Diese  unverschämte  Forderung 
wurde  aber  keineswegs  von  dem  Kardinal  anerkannt,  obwohl  der  Eifs- 
bischof  gar  keinen  Vertreter  gesandt  hatte.  Die  Kläger  beschworen, 
dafs  280  Mark  Sterl.  >in  advoccUarum  salariis  et  aliis  neeessarüs  pro  eoäem 
recuperando  debitot  darauf  gegangen  sei,  der  Schaden  belaufe  sich  auf 
37  Mark.  Wenn  nun  der  Kardinal  urteilt,  der  Erzbischof  sei  schuldig, 
den  Kaufleuten  1300  Mark  Sterling  zu  bezahlen,  so  ist  das  Urteil  fdr 
den  Erzbischof  gewifs  sehr  günstig ;  denn  mit  den  Advokatenkosten  und 
dem  Schadenersatz  ergiebt  sich  schon  eine  Forderung  von  1150  +  280  + 
37  =  1467  Mark  Sterling,  von  einer  Verzinsung  ist  gar  keine  Rede.  In 
diesem  Falle  ist  das  kirchliche  Zinsverbot  wirklich  innegehalten,  der 
Kardinal  hat  nämlich  nicht  die  Forderung,  sondern  das  thatsächlich  dar- 
geliehene Geld  angesetzt,  die  Rechnung  seines  Schiedsspruches  ist :  983  + 
280  +  37=1300  Mark  Sterling  ^ 

Diese  Entscheidung  ist  kaum  noch  in  die  Hände  des  Erzbischofs 
Heinrich  (von  Molenark  1225 — 1238)  gekommen,  er  starb  bereits  am 
26.  März  1238.  Sein  Nachfolger  war  Konrad  von  Hochstaden  (1238— 
1261)  von  dem  es  bisher  schon  bekannt  war,  dafs  er  das  Bistum  mit 
Schulden  beladen  antrat 

Doch  wir  müssen  zunächst  noch  auf  Heinrichs  Vorgänger  Engelbert 
den  Heiligen  zurückgreifen.  Auch  er  hat  zu  Anfang  seiner  Regierung 
schwere  Schulden,  vielfach  gewifs  auch  zur  Befriedigung  alter  Gläubiger 
des  Bistums,  aufnehmen  müssen.  An  italienischen  Gläubigem  kann  ich 
nachweisen : 

1.  die  römische  Gesellschaft  des  Petrus  Sarracenus,  Petrus  de  Paulo, 
Johannes  Pantaleonis  und  Angelus  Petri  de  Paulo,  welche  1218  eine 
vielleicht  übrigens  ältere  Schuld  von  850  Mark  Sterling  ansprechen^; 

2.  die  römischen  Bürger  Guillelmus  de  sancto  Antonio,  Benincasa 
mater  Johannis  Zache  und  Martina  uxor  quondam  Scarlacci,  deren 
Forderung  von  17  Mark  neuer  Sterlinge  den  Dechanten  von  Troyes 
1219  beschäftigte«; 

3.  die  römischen  Bürger  Lucas  Scarsus  und  Petrus  Judei,  deren 
Forderung  von  550  Mark  neuer  Sterling  der  Dechant  von  Troyes  1219 
anerkennt*; 

4.  die  römischen  Bürger  Matthias  Guidonis  Marconis,  Johannes 
Judei  und  Lucas  Marquisanus,   deren  Forderung  sich  nicht  aus  der  Ur- 


»  Abgedruckt  M.G.  Epist.  saec,  XIII  1,  621  f. 
a  Ficker  a.  a.  0.  S.  324. 
»  Ebda.  S.  328. 

*  Ebd  a.  S.  329.  Hierher  gehört  wohl  das  Regest  einer  Urkunde  vom  23.  Juli  1219, 
die  mir  im  Original  nicht  zugftnglich  war.   Mitt«  Stadtarchiv  Köln  Heft  20,  88. 


238  £inand2wanzig8tes  Kapitel. 

künde  feststellt ,    welche    sich  jedoch   mindestens   auf  235  Mark  neuer 
Sterlinge,  welche  zu  Bar  zu  bezahlen  waren,  belief  ^^ 

5.  sechs  Bürger  von  Bologna,  deren  Forderung  sich  auf  258  Mark 
Silber  belief,   wofür  35  Mark  Gold  in  Provins  bezahlt  werden  sollten*; 

6.  Johannes  de  Maroza,  civis  RomantiS,  dessen  Forderung  von 
100  Mark  Silber  1222  durch  den  Abt  von  St.  Genovefa  in  Paris  im 
Auftrage  des  Papstes  beigetrieben  wurde*.  Eine  Vollmacht  Engelberts, 
in  Provins  bei  genannten  römischen  Kaufleuten  bis  zu  300  Mark  Ster- 
ling aufzunehmen,  ist  leider  nicht  im  Original  zugänglich  ^  sie  läfst  sich 
also  nicht  einreihen. 

Ich  glaube  auch  folgende  beiden  aus  Bürgern  von  Siena  bestehenden 
Gläubigergruppen  unter  die  Gläubiger  des  Erzbischofs  rechnen  zu  dürfen, 
obwohl  sie  den  Empfang  des  Geldes  der  Stadt  Köln  quittieren.  Die 
erste  Gruppe  besteht  aus :  Hugo  Bientheviegne,  Piccolominus  Ultramontis 
und  Renerius  Orlandi,  sie  erhielten  auf  der  Messe  zu  Bar  312  Mark 
Sterling  ^.  Die  zweite  Gruppe :  Palmerius  {Donati,  Bononcontrus  Rogerii, 
Rogerus  Aringerii ,  Aldebrandinus  Galerani ,  Berengerus  Guadagnoli, 
Rainerius  Salimbene  und  Bernardinus  Alamanni  erhielt  auf  der  St.  Aigulf- 
messe  zu  Provins  300  Mark  Sterling,  und  zwar  war  die  Hälfte  schon 
auf  der  vorjährigen  Messe  von  Bar  fällig  gewesen*. 

Die  Kölner  bauten  für  die  Zukunft  solchen  Lasten  vor,  indem  sie 
sich  an  den  deutschen  König  wandten,  und  zu  Worms  wurde  1231  das 
Weistum  gefunden,  dafs  die  Bürger  von  Köln  für  die  Schulden  und 
Verpflichtungen  der  Erzbischöfe  nicht  haftbar  seien "'.  Der  Spruch  wurde 
später  mehrfach  bestätigt. 

In  Verfolg  desselben  war  es  mithin  ganz  ii;  Ordnung,  dafs,  als  die 
Konsuln  der  Messe  zu  Provins  die  Kölner  Bürger  nicht  weiter  zulassen 
wollten,  weil  der  Erzbischof  Konrad  einen  Pariser  Bürger  nicht  befriedigt 
hatte,  dieser  sich  an  den  Grafen  Theobald  V.  von  der  Champagne  wandte, 
er  möge  die  Bürger  nicht  weiter  belästigen  lassen,  da  sie  rechtlich  wegen 
erzbischöflicher  Schulden  nicht  belangt  werden  könnten®. 


1  Ficker  S.  331. 
■Ebda.  S.  339. 

*  Das  päpstl.  Mandat  1222  Juli  12.    Unsere  Urkunden  Nr.  424. 

*  Regest  Mitt.  Stadtarch.  Köln  Heft  20,  88.    1222  Sept.  11. 

^  1228  tnense  Aprili  anU  pascha^  das  ist  also  April  1229.  Ennen  u.  Eckerts 
2,  116. 

^  Ebenda. 

'  Ebda.  S.  127.  Kaiser  Friedrich  II.  bestätigte  das  1236  ebda.  8.  160.  Rudolf 
1273  Böhmer-Redlich  34.    Lau  S.  247  u.  330. 

»  Cardauns,  Ann.  des  Niederrh.  35,  60.  Höhlbaum,  Hans.  Urkunden- 
buch  3,  15  Anm.  Gedruckt  Mitt.  Stadtarchiv  Köln  9, 175.  Im  übrigen  forderte 
Innocenz  IV.  trotz  des  Spruches  yon  den  Kölnern  Unterstützung  ihres  Erzbischofes. 


Die  westdeutschen  Enbischöfe  als  Schuldner.  239 

Auch  Erzbischof  Heinrich  (1225 — 38)  hatte  mit  römischen  Geld- 
wechslern Verbindungen.  Aber  auch  er  bezahlte  seinen  Gläubiger  Juve- 
nalis  Manetti  nicht.  Papst  Gregor  DL  wies  nach  seinem  Tode  den  Erz- 
bischof von  Mainz  an,  die  Einkünfte  der  erzbischöflichen  Mensa  fUr  die 
Tilgung  der  Schuld  einzuziehen^. 

Nicht  in  Rom  oder  an  der  Kurie,  sondern  auf  der  Messe  von  Troyes, 
wohin  der  Erzbischof  Heinrich  November  1226  den  Kölner  Ritter  und 
Kaufmann  Gerhard  Scherfgin  gesandt  hatte,  nahm  er  bei  Sieneser  Kauf- 
leuten, unter  denen  Ugo  Bienchevieni  und  Piccolomo  Oltramontis  uns  auch 
anderweitig  begegnen,  so  viel  Geld  auf,  dafs  er  auf  der  nächsten  Messe 
650  Mark  neuer  Sterlinge  zu  zahlen  hatte  ^. 

In  den  Tagen  Heinrichs  von  Molenark  hat  übrigens  auch  das  Kölner 
Domkapitel  mit  Kaufleuten  mehrfach  in  Verbindung  gestanden.  Mai  1232 
forderte  Renerius  Petri  als  Vertreter  von  Sieneser  Kauf leuten,  dafs  das 
Domkapitel,  welches  seinen  Zahlungsverpflichtungen  auf  dem  letzten 
Markte  zu  Provins  nicht  nachgekommen  war,  nach  Troyes  vorgeladen 
werde  ^.  Es  hatte  bei  Kauf  leuten  von  Rom  und  Siena  durch  seinen 
Dechanten  Goswin,  als  er  an  der  Kurie  weilte,  350  Mark  Sterling  auf- 
nehmen lassen,  die  Zahlung  sollte  auf  der  Aigulfimesse  zu  Provins  er- 
folgen oder  von  Messe  zu  Messe  eine  Verzinsung  von  zehn  Prozent  ein- 
treten. Mehr  wie  vier  Jahre  wurde  aber  nichts  bezahlt,  so  dafs  die  Kauf- 
leute —  unter  denen  Bobo  Johannis  Bobonis  als  domini  pape  campsor  be- 
zeichnet wird,  —  die  Rückzahlung  des  Elapitals  mit  350  Mark,  als  Schaden- 
ersatz 800,  für  die  Kosten  200  Mark  verhmgten.  Worauf  gründet  sich  die 
Forderung  des  Schadenersatzes?  Der  Ausdruck  „von  Messe  zu  Messe^ 
ist  nicht  klar.  Heifst  es ,  dafs  zehn  Prozent  von  der  einen  Aigulfimesse 
zur  anderen  zu  entrichten  sind,  so  wären  in  vier  Jahren  140  Mark  Zins 
angelaufen,  soll  aber  darunter  eine  jede  der  sechs  Champagnermessen 
gemeint  sein,  waren  also  nicht  zehn,  sondern  60  Prozent  Verzugszinsen 
zu  berechnen,  so  ergiebt  das  840  Mark.  Letztere  Deutung  ist  wohl  die 
richtige*. 

Aus  einer  Urkunde,  die  sich  im  Staatsarchive  von  Siena  erhalten 
hat,  erfahren  wir  nun  Näheres  über  die  finanziellen  Schwierigkeiten, 
welche  der  neue  Erzbischof  Konrad  zu  überwinden  hatte.  Auch  dieses 
Mal  ist  es  der  Spruch  eines  Kardinals,  der  uns  über  die  Verhältnisse 
aufklärt.     Der  eben   erwählte  Konrad  von  Hochstaden  hatte  Kredit  bei 


1244  Dez.  22  Berger  1,  142.    Das  Domkapitel  hatte  sich  schon  1232  durch  den 
Papst  gedeckt,  Lacomblet  2,  92. 

1  Potthast  Nr.  10146. 

'  Diese  ganz  typische  Urkunde  s.  unter  unseren  Urkunden  Nr.  425. 

s  Regest  Mitt.  Stadtarchiv  Köln  4,  49. 

*  1238  November.    Unsere  Urkunden  Nr.  426. 


240  Einundzwanzigstes  Kapitel. 

Kaufleuten,  die  aus  Siena  stammten,  gefunden.  4600  Mark  Sterling  hatte 
er  bei  der  Gesellschaft  des  Bartolomeo  Ugonis  Piccolomini,  des  Bona- 
ventura Lupelli  und  Genossen  aufgenommen,  weitere  100  Mark  bei  den* 
selben,  während  er  an  der  Kurie  weilte,  endlich  hatte  Bonaventura  noch 
40  Mark  Silber  an  Dietrich,  den  Prokurator  seines  Vorgängers  —  es  ist 
der  Name  nicht  genannt  —  vorgestreckt,  so  dafs  die  Gesamtschuld  des 
Erzbischofs  gegenüber  der  Seneser  Gesellschaft  sich  auf  4740  Mark  Ster- 
ling belief  ^.  Aber  auch  Konrad  zahlte  im  Verlaufe  von  achtzehn  Jahren 
nicht  einen  Pfennig  ab,  und  so  klagte  denn  die  Gesellschaft,  bei  der 
übrigens  Bonaventura  und  Bartolomeo  nicht  mehr  genannt  werden,  beim 
päpstlichen  Stuhle,  sie  verlangten  für  den  Schaden,  die  Ausgaben  und 
das  >interes3€€  weiter  10000  Mark  Silber.  Das  wäre,  wenn  wir  von 
den  Kosten  u.  s.  w.  absehen  und  diese  10000  Mark  nur  als  Zinsen  auf- 
fassen, eine  Verzinsung  von  11,8  Prozent,  wobei  die  in  der  Schuldsumme 
unzweifelhaft  schon  versteckte  Verzinsung  aufser  Ansatz  bleiben  mufs. 
Die  Entscheidung  war  vom  Papste  in  die  Hände  eines  Mannes  ge- 
legt, der  mit  Konrad  von  Hochstaden  vielfache  Beziehung  gehabt  hatte. 
In  den  Tagen  der  Wahl  König  Wilhelms  waren  der  päpstliche  Legat 
für  Deutschland  Kardinal  Pietro  Capocci  und  Konrad,  bald  auch  Legat, 
die  eigentlichen  Führer  der  antistaufischen  Partei.  Später  scheint  firei- 
lich  ein  Zwiespalt  zwischen  beiden  eingetreten  zu  sein.  Unter  den  Hand- 
salben, welche  Richard  von  Comwallis  bei  seiner  Königswahl  entrichten 
mufste,  erscheinen  auch  2000  Mark,  welche  fUr  die  Beilegung  dieses 
Streites  vielleicht  erforderlich  seien  ^.  Genug,  1258  war  Pietro  Schieds- 
richter, ungleich  seinem  Vorgänger  hatte  Konrad  einen  Vertreter  geschickt^ 
den  Deutschordensritter  Wolfhard.  Es  kam  nun  zu  einem  Vergleich,  in 
welchem  die  Senesen^  sich  zufrieden  erklären,  wenn  ihnen  innerhalb 
zehn  Jahre  das  Kapital  zurückgezahlt  wird  (je  230  Mark  jährlich  zu 
der  Maimesse  in  Provins  und,  so  scheint  es,  zur  Novembermesse  in 
Troyes).  Sie  erhalten  also  nicht  einmal  die  gesamte  Schuld  zurück, 
sondern  verlieren  noch  140  Mark  Sterling,  so  dafs  auch  in  der  Anlehens- 
summe  unzweifelhaft  bereits  Zinsen  verdeckt  sind.    Sehr  schroff  sind  die 


^  Auf  diese  Gesellschaft  bezieht  sich  vielleicht  auch  die  Quittung,  welche 
Arminius  Bentivegni,  Turchius  Chiannontesi  und  andere  Kaufleute  am  28.  März  1239 
ausstellten.  Im  Auftrage  Konrads  von  Köln  waren  ihnen  110  Mark  Sterling  zurück- 
bezahlt. Das  Original  nicht  zugänglich,  Regest  Mitteil.  Stadtarchiv  K5ln 
Heft  20,  88. 

>  Cardauns,  Konrad  von  Hostaden  S.  44. 

'  Hugo  Clarmontesi,  Ranerio  Rendldi  pro  se  et  Johanne  Twrchii  et  Bartholameo 
GuiUermi  et  Tholomeo  Rustichmi  ei  Bistiahino  Clannontesey  Banaldo  fiUo  dicti  Bdmerii 
Banaldi,  Erminio  Bentivenni  et  Erminuccio  ^us  filio  <ic  Piccolomini  Ulftramontis?]» 
Unsere  Urkunden  Nr.  278. 


Die  westdeutschen  Erzbischöfe  als  Schuldner.  241 

Bedingungen   für  den  Fall,   dafs  die  Zahlungstermine  nicht  eingehalten 
werden.     Es  werden  60  Prozent  Jahreszinsen  angesetzt. 

Die  Schuld  war  also  achtzehn  Jahre  unverzinst  geblieben,  das  führt 
uns  in  eine  Zeit  vor  April  1240  zurück.  April  1239  weilte  Konrad  in 
Rom  und  erhielt  dort  seine  Konfirmation,  das  dafbr  zu  bezahlende 
Servitium  belief  sich  auf  10000  fl.,  zugleich  aber  gestattete  ihm  Papst 
Gregor,  zur  Erleichterung  der  Schuldenlast  seiner  Kirche,  8000  Mark 
Silber  von  allen  kirchlichen  Einkünften  seiner  Diöcese  auf  sechs  Jahre 
zu  erheben*.  Entstanden  war  also  die  Schuld  wohl  durch  die  Konfir- 
mationsgelder, vielleicht  auch  durch  die  teilweise  Befriedigung  der 
Schulden  seiner  Vorgänger.  Sie  zu  decken,  erhielt  er  das  Recht,  eine 
sehr  erhebliche  Besteuerung  des  Klerus  durchzuführen.  Die  Schulden- 
last wurde  aber  nicht  behoben;  denn  Papst  Innocenz  IV.  mufste  1244 
dem  Mainzer  Erzbischof  Anweisung  geben,  die  Exkommunikation,  die 
einige  judices  a  sede  apostoUca  delegati  wegen  der  Schulden  seines  Vor- 
gängers über  ihn  verhängt  hatten,  aufzuheben,  der  Erzbischof  sollte 
aber  jährlich  1000  Mark  abbezahlen^.  Im  Mai  1244  erfolgte  dann  eine 
gründliche  Besteuerung  des  gesamten  Klerus,  um  die  Schulden  zu 
decken,  es  handelte  sich  um  den  fünften  Teil  der  Einkünfte^,  auch  die 
benachbarte  Diöcese  Lüttich  sollte  so  viel  dem  Erzbischof  geben.  Auf 
die  Weigerung  hatte  dieser  den  Bann  verhängt,  Papst  Innocenz  IV.  hob 
das  auf,  immerhin  wurden  dem  Lütticher  Klerus  3000  Mark  Silber  auf- 
erlegt*. 

Für  die  Gläubiger  recht  ungünstig  war  dann  aber  die  Entscheidung 
Innocenz'  IV.  vom  September  1246,  welche  Erzbischof,  Kapitel,  Klerus, 
Stadt  und  Erzbistum  Köln  zur  Zahlung  von  Schulden  nur  dann  ge* 
bunden  erklärte,  wenn  nachgewiesen  wurde,  dafs  das  betreffende  Geld 
zum  Besten  der  Kirche,  des  Kapitels  und  des  Klerus  verwendet  sei^. 

Durch  das  Testament  Konrads  lernen  wir  endlich  eine  letzte  Schuld 
kennen,  die  er  gegen  italienische  Kaufleute  eingegangen  war.  Sein 
Kaplan  und  Pönitentiar  Wolfhard  aus  dem  deutschen  Ritterorden  hatte 
in  seinem  Namen  von  den  Senesen  Bonaventura  Bernardini,  Bartolomäo 
Guidi  und  ihren  Genossen  eine  Summe  von  1500  Mark  Sterling  ent- 
liehen, welche  aber  vom  Erzbischof  nicht  ersetzt  worden  war.  An  der 
Bezahlung  der  Summe  war  auch  die  päpstliche  Kammer  beteiligt®.    Papst 


1  M.G.  Ep.  8.  XIII  1,  644. 
«  Ebda.  2,  38  f. 

'  Das  folgt  aus  Innocenz  IV.  1247  Oktober  17.    Berger  1,  512. 
*  Berger  1,  160. 
»i  Berger  1,  312. 

«  Wie,  ist  nicht  recht  klar.    Dem  Wortlaute  nach  hätte  Wolfhard  1500  Mark 
empfangen,  diese  Summe  hätte  der  Erzbischof  bez.  die  Kölner  Kirche  zu  ersetzen 

Schill te,  Gesch.  d.  mitteUlterl.  Handels.    I.  16 


242  EinundzwaDzigstes  Kapitel. 

Urban  IV.  beauftragte  nun  den  Bischof  von  Ltittich,  die  von  den  städtischen 
Behörden  wöchentlich  an  den  Erzbischof  abzuführenden  Bierpfennige 
(welche  in  den  Tagen  Konrads  wiederholt  Gegenstand  von  Verträgen  ge- 
wesen waren)  im  Betrage  von  18  Mark  Kölner  so  lange  an  die  Genossen 
jener  Senesen,  Andreas  Jacobi,  Bonsignore  Rayneri  und  Tolomeo  Manentis 
abzuführen,  bis  die  Schuld  abgetragen  sei  ^. 

Die  ganze  Kette  dieser  Schulden  der  Kölner  Kirche  dürfte  im 
Grunde  eine  grofse  Bewucherung  derselben  gewesen  sein,  wenn  wir  das 
freilich  im  einzelnen  nicht  mehr  nachzuweisen  imstande  sind.  Sie  wider- 
sprach dem  Verbote  des  Zinsnehmens.  Die  päpstliche  Kurie  brachte 
diesen  Gedanken  noch  einmal  nach  dem  Tode  Konrads  von  Hochstaden 
sehr  lebhaft  zum  Ausdrucke.  Urban  IV.  ermächtigt  den  neuen  Erz- 
bischof, da  viele  Laien  verschiedener  Städte,  Diöcesen  und  Provinzen 
von  ihm  und  seinen  Vorgängern  vieles  *per  usurariam  pravitatetn*  er- 
prefst  hätten,  das  an  Zinsen  bereits  Gezahlte  vom  Kapital  abzuziehen. 
Alle  irgendwie  denkbaren  Gegenreden  sollten  dagegen  nichts  gelten, 
selbst  ein  eventuell  abgegebener  Eid^.  Das  hiefs  in  der  That  das  Zins- 
verbot wirklich  durchführen ;  aber  zwischen  dem  Befehle  der  Kurie  und 
der  konsequenten  Ausführung  desselben  dürfte  auch  hier  ein  Unterschied 
gewesen  sein. 

Aus  der  Zeit  Engelberts  von  Falkenburg  (1262 — 1274)  habe  ich  nur 
eine  Nachricht  über  Schulden.  Er  hat  gleich  mehreren  seiner  Suifragane 
von  *  Andreas,  Bartholomaeus  et  Jacobtis  Crescentn  Nicolatii  fraires,  dves 
et  mercatores  Rotnanit  Geld  geliehen.  Sie  wandten  sich  an  Urban  IV., 
der  an  zwei  in  Paris  weilende  Geistliche  den  Auftrag  gab,  die  Schuldner 
zur  Zahlung  ^usuris  omnino  cessantiitis*  anzuhalten^.  Im  übrigen  waren 
die  Schulden  des  Bistums  derartig  angewachsen,  dafs  der  Papst  die  Er- 
hebung des  Zwanzigsten  von  den  kirchlichen  Einkünften  auf  zwei  Jahre 
anordnete  *. 

Sein  Nachfolger  Siegfried  von  Westerburg  (1274 — 97)  hatte  sich  an 
eine  Florentiner  Gesellschaft  gewendet,  deren  Haupt  Manettus  Raynaldi 
de  Pulcis  war*.  Er  hatte  von  ihnen  2000  Mark  Sterling  erhalten,  und 
König  Rudolf  hatte  einen  Bürgschaftsbrief  darüber  ausgestellt.    In  Brügge 


gehabt,  nach  der  Rückzahlung  mufsten  dann  die  Senesen  der  Kammer  des  Papstes 
Alexander  1000  Mark  entrichten. 

»  M.G.  Epist.  8.  XIII  3,  520.    Urkunde  1263  Juni  17. 

*  1263  Januar  8.    Lacomblet  2,  296. 

»  1264  März  28.    Posse,  Analecta  Vatic.  138. 

^  Westfäl.  Urkundenbuch  5.    Die  Papsturkunden  herausgeg.  von  Finke 
Nr.  624. 

*  Die  Namen   der  socü  gebe   ich   mit  der  Interpunktion  Ennens:    »videlicet 
übertij  Ouelfij  Beinaldi,  fratntm,  Bote,  Amanati,  Bonansegne,  Bonacursi,  G^ialterotti, 


Die  westdeutschen  Erzbischöfe  als  Schuldner.  243 

wurden  dem  Vertreter  der  Gesellschaft,  Lambertus  Jacobi,  1470  Mark 
zurückbezahlt,  weitere  196  wurden  an  nicht  bezeichnetem  Orte  ent- 
richtet. 

Zu  Kaufleuten,  welche  aus  einer  ganz  anderen  Gegend  Italiens 
stammten,  führt  uns  endlich  die  Regierungszeit  Heinrichs  II.  von  Virne- 
burg  (1304—22).  Er  hatte  6000  Goldgulden  bei  Wilhelm  Stromenati, 
Pauli nus  Rufini  und  Johann,  genannt  Tristan  von  Troja,  den  Teilhabern 
der  Gesellschaft  de  Troja,  Bürgern  und  Kaufleuten  von  Asti  entliehen. 
Astigianen  wohnten  aber  damals  bereits  am  Niederrhein,  und  so  mag 
diese  Schuld  nicht  an  der  Kurie,  sondern  in  Köln  selbst  auigenommen 
sein  ^.  Er  mufste  ihnen  dafür  die  Hälfte  des  Zolls  zu  Andernach  ver- 
pfUnden*.  Von  Heinrich  sind  eine  ganze  Reihe  von  Schuldbriefen  bei 
einer  Gesellschaft  von  Kölnern  und  Astigianen,  auch  bei  einzelnen  Lom- 
barden erhalten,  er  deckte  ein  Loch  zu,  indem  er  das  andere  öffnete*. 
Er  hatte  als  Pfand  Zölle  setzen  müssen.  Die  Gesellschaft  bestand  aus 
dem  Ritter  Johann  Hardevust,  dem  Vicegrafen  Gottfried  und  den 
Astigianen:  Andreas  Ras  teil  us,  Opicinus  Gresverdus  genannt  Petrus, 
Georg  Asinarius  und  seinem  Sohn  Manuel,  daneben  erscheint  einzeln  der 
Kölner  Bürger  Mascharus  dictus  Thomas  de  Rupe  Lombardus  Astensis 
dyocesis  und  Petrus  dictus  de  Wesalia  Lombardus. 

Die  Kölner  Erzbischöfe  sind  auch  in  späteren  Zeiten  oft  tief  ver- 
schuldet gewesen.  Erzbischof  Friedrich  von  Saarwerden  schuldete  1378 
der  Kurie  allein  nicht  weniger  wie  120000  Goldflorin*.  Das  Geld  nahm 
man  aber  jetzt  bei  den  Juden  oder  den  in  Deutschland  dauernd  an- 
gesiedelten Lombarden,  wenigstens  sind  mir  keine  Dokumente  bekannt 
geworden,   welche   die  alten  Beziehungen  zu  den  Florentinern  belegten. 

Ich  habe  die  Beziehungen  der  Kölner  Erzbischöfe  zu  italienischen 
Gcldhändlem  etwas  eingehender  dargestellt,  weil  das  ziemlich  reiche 
Urkundenmaterial  uns  hier  einmal  eine  deutliche  Vorstellung  gestattet. 
Was  wir  darstellten,  ist  wohl  ein  etwas  krasser  Fall;  doch  bei  näherem 
Zusehen  tauchen  überall  auf  deutschem  Boden  Schulden  gegenüber 
Italienet*n  auf. 

Sehen  wir  uns  zunächst  die  beiden  anderen  rheinischen  Erzstifte  an. 
In  Mainz  folgten  sich  zwei  Siegfried  von  Eppenstein  auf  dem  erzbischöf- 


ßtoldi  oc   aliorum  omniuni'.     Drei   undatierte   Urkunden    eines   Kopialbuches    bei 
Ennen,  Quellen  3,  319  ff. 

^  Regestum  Clementis  V.  papae  Nr.  866.  1306  März  21.  Befehl  an  drei 
Prälaten f  den  Erzbiachof  zur  Zahlung  anzuhalten.  Erlaubnis  zur  Aufnahme  bis 
6000  Goldguldeu.    Mitteilungen  1  Nr.  668. 

•  Unsere  Urkunden  Nr.  429. 

»  Unsere  Urkunden  Nr.  430-37. 

*  Lacomblet  3,  718. 

16* 


244  Einundzwanzigstes  Kapitel. 

liehen  Stuhle  (1200  bez.  1208—30,  1230-49).  In  beiden  Fällen  wurden 
bei  der  Erhebung  Schulden  gemacht.  In  geringerem  Mafse  1208.  Nach 
einem  Dokument  des  Kardinals  von  Albano  hatte  der  Agent  des  Mainzers 
von  ^Gerardo  Johannis  de  Nicoiao  mercaion'  Romano  et  Jacobo  de  Drudal^ 
mercatore  BononiensU  „so  viel  Geld  erhalten"  —  wie  der  vorsichtige 
Ausdruck  lautet  — ,  dafs  er  150  Mark  Silber  Kölner  Gewicht  auf  der 
nächsten  Messe  zu  Bar  zu  entrichten  habe'*.  Mit  diesem  Geschäfte  dürfte 
auch  das  folgende  in  Verbindung  stehen.  Eine  Geldschuld  bei  den 
römischen  Kaufleuten  Gcrardo,  Andrea  und  Niccolo  war  nicht  berichtigt 
worden,  diese  wandten  sich  an  den  Papst,  der  Geistliche  von  Troye» 
als  Kichter  bestellte.  Diese  stellten  die  Schuldsumme  (pro  sorie,  dawpnis^ 
penis,  lahorihus  et  expensis)  auf  490  Mark  Silber  fest.  Davon  wurden 
334  auf  der  Maimesse  zu  Provins  bezahlt,  der  Rest  sollte  innerhalb  eines 
sehr  kurzen  Termines  entrichtet  werden^. 

Um  erheblich  gröfsere  Summen  handelte  es  sich  bei  Siegfried  IIL 
von  Eppenstein.  Auch  damals  war  von  den  Gläubigem  die  Kurie  an- 
gerufen, und  ein  Geistlicher  des  Sprengeis  von  Troyos  war  zum  Richter 
bestellt.  Gläubiger  waren  ^Saxon  Johannis  Alherici  Anglers  et  Johannes 
fraires  ,  der  Erzbischof  sandte  zwei  Vertreter  nach  Troyes.  Hier  kam 
nun  ein  Ausgleich  zu  stände.  Es  sollten  auf  der  nächsten  Messe  zu 
Lagny  1000  Mark  Sterling  bezahlt  werden,  geschehe  das  nicht,  so  sei 
von  Messe  zu  Messe  zehn  Prozent  zu  bezahlen.  Der  Erzbischof  mufste 
aufserdem  dann  die  Kosten  ftlr  zwei  Kaufleute  mit  zwei  Dienern  und 
zwei  Rossen,  sowie  alle  anderen  Kosten  tragen.  Für  die  Zahlung  wurde 
(las  Erzbistum  zum  Pfände  gesetzt,  und  wenn  man  dann  die  Verzichte 
auf  Einreden  und  Rechtsmittel  sieht,  so  sollte  man  glauben,  dafs  dem 
Schuldner  keine  Möglichkeit  geblieben  wäre,  sich  der  Zahlung  zu  ent- 
ziehen. Er  verzichtete  vor  allem  auch  auf  die  Ausnutzung  von  etwaigen 
päpstlichen  Indulten  und  erkannte  ausdrücklich  die  Gerichtsbarkeit  des 
Dechanten  von  Troyes  in  dieser  Sache  an*. 

Dieser  Vergleich  war  in  Aussicht  auf  den  Ertrag  der  fünfprozentigen 
Steuer  auf  die  Einkünfte  aller  Pfründen  der  Mainzer  Kirche  eingegangen, 
welche  das  im  Juni  stattgehabte  Diöcesankonzil  beschlossen  hatte.  Dazu 
hatte  sich  der  Klerus  aber  erst  bereit  finden  lassen,  nachdem  der  Erz- 
bischof geschworen  hatte,  ohne  Genehmigung  des  Domkapitels  keine 
Schulden  mehr  in  Italien   oder  überhaupt  jenseits  der  Berge  zu  machen 


'  Der  Name  dürfte  sicher  verlesen  sein,  auch  sonst  sind  die  italienischen  Namen, 
verderbt. 

-  Urkunde  von  1209  bei  Schunck,  Beyträge  z.  Mainz.  Gesch.  S.  101. 
^  Urkunde  vom  29.  Mai  1220  bei  Schunck  S.  104. 
*  1238  Juli.    Schunck  106. 


Die  westdeutschen  Erzbischöfe  als  Schuldner.  245 

und  keine  weitere  Steuer  zu  verlangen.  Jeder  künftige  Erzbischof  solle 
dieses  Versprechen  beschwören  ^ 

Wenn  nun  auch  dieser  kräftige  Beschlufs,  der  sofort  im  Bistum 
Worms  Nachahmung  fand*,  ähnliche  Dinge,  wie  sie  sich  in  Köln  ab- 
spielten, für  lange  Zeit  unmöglich  gemacht  zu  haben  scheint,  so  waren 
doch  die  alten  Schulden  nicht  zur  rechten  Zeit  getilgt. 

Dafs  nun  zwei  Sienesen  —  Renero  Orlandi  und  Bernardino  Pro- 
«perini  —  und  nicht  die  Römer  als  Gläubiger  erscheinen,  dafs  die  Schuld- 
summe von  1000  auf  1150  Mark  Sterling  angelaufen  war,  hat  wohl  nichts 
zu  bedeuten.  Der  Zahlungstermin  in  Lagny  war  versäumt  worden,  nun 
schickte  der  Schuldner  seine  alten  Vertreter  nach  Provins,  einen  Teil 
abzuzahlen,  für  den  Rest  aber  sollten  sie  einen  neuen  Vergleich  erzielen  *. 

Auch  bei  Römern  —  Älexius  et  Andreas  fratres  filii  Petri  Chintii 
<le  Lavinia  und  ihr  Neffe  Petrus  —  hatte  der  Erzbischof  1236  noch 
Schulden;  denn  das  Original  eines  Prokuratoriums  dieser  Geschäftsleute 
für  einen  Vertreter,  der  die  Ausstände  in  Frankreich,  Deutschland  und 
England  eintreiben  sollte,  kam  im  Original  ins  Mainzer  Archiv*. 

Aus  späterer  Zeit  gehört  noch  hierher  eine  Schuld  des  Erzbischofs 
Heinrich  von  Virneburg  (1328  bez.  1337—1346  bez.  1353),  der  an  Lapo, 
Andrea  und  Filippo  Bianchi  von  Florenz  2000  fl.  auri  zu  zahlen  schuldig 
war*,  und  wegen  einer  Schuld  von  10000  fl.  auri  bei  Gherardo  und 
Francesco  Davizi  (oder  Danzi),  von  der  nur  6000  zurückbezahlt  waren, 
wurde  1331  der  Erzbischof  und  seine  Bürgen  exkommuniziert^. 

Reichlicher  sind  die  Nachrichten  für  Trier.  Unter  den  Beschuldi- 
gungen, welche  gegenüber  dem  Elekten  Heinrich  von  Vinstingen  (1260 — 
1286),  der  seitens  der  Kurie  ernannt  worden  war,  vorgebracht  wurden, 
steht  auch  die,  er  habe  bei  Kaufleuten  von  Siena  eine  Schuld  auf- 
genommen. Der  Rechtfertigungsurkunde  Papst  Gregors  X.  nach  hat  es 
sich  aber  offenbar  um  folgendes  gehandelt:  Ein  Sienese  —  offenbar  ist 
ein  solcher  gemeint  —  hatte  sich  erboten  zu  erwirken,  dafs  König  Richard 
die  20000  Mark,  welche  er  Heinriclis  Vorgänger,  Arnold  von  Isenburg 
(1242 — 59),  zu  geben  versprochen  hatte,  nun  ihm  entrichte;  für  den 
Fall,  dafs  das  geschehe,  sicherte  Heinrich  dem  Vermittler  eine  Prämie 
von   600  Mark  zu.     Der  Einflufs   von  Siena   blieb   ohne  Wirkung,   der 


1  Will,  Regesten  2,  226.  Annales  Erphordenses  M.G.  SS.  16,  28.  Vgl. 
Gudenus,  Cod  dipl.  1,  525.  Will  sind  leider  die  bei  Schunck  gedruckten  Stücke 
entgangen. 

a  Urkundenbuch  von  Worms  (Boos)  1,  128  1234  (Sept.). 

8  123.5  Mai.    Schunck  110. 

*  1236  Juni  23.     Schunck  114. 

^  Citation  der  Bürgen  nach  Avignon  1330  Sept.  17.    Schunck  126. 

«  1331  April  8.    Schunck  200. 


246  Einundzwanzigstes  Kapitel. 

Engländer  zahlte  nicht,  und  so  war  es  gewifs  ein  starkes  Stück,  wenn 
die  Senesen  mit  Hilfe  der  Kirche  diese  Prämie  von  dem  Trierer  zu  er- 
pressen versuchten.     Gregor  X.  wies  sie  zurück  ^ 

Über  den  langwierigen  Streit  Heinrichs  mit  seinen  Gläubigem  unter- 
richten eingehender  die  Gesta  Treverorum^  aus  dem  für  Heinrich  aufser- 
ordentlich  ungünstigen  Bericht  interessiert  uns  hier  vor  allem,  dafs  im 
Verlaufe  desselben  von  Trier  aus  das  Gerücht  verbreitet  wurde,  Heinrich 
wolle  die  ganze  Schuld  durch  römische  Kaufleute,  welche  bei  ihm  in 
Trier  weilten,  abtragen,  was  sich  aber  bald  als  eine  Finte  herausstellte '. 
Dem  Anfang  der  Regierung  Heinrichs  gehört  eine  andere  Papsturkunde 
an,  nach  welcher  Heinrich  bei  Petrus  Bcnencasa  und  Dinus  Perini  von 
Florenz  2000  Mark  Sterling  für  eine  Zahlung  an  die  päpstliche  Kammer 
erhoben  hatte,  er  sollte  die  Summe  an  die  in  Frankreich  sich  auf- 
haltenden Gesellschafter  von  Bonaventura  Bemardini  und  Orlando  Buon- 
signori  aus  Siena  entrichten^. 

Erzbischof  Boemund  von  Warnsberg  (1286  bez.  89 — 99)  verdankte 
seine  Ernennung  Papst  Nikolaus  IV.,  an  dessen  Kurie  er  wie  sein  aus 
der  zwiespaltigen  Wahl  hervorgegangener  Gegner  sich  begeben  hatte*. 
Die  Kosten  des  Prozefsverfahrens  dürften  vor  allem  durch  eine  Schuld 
gedeckt  worden  sein,  welche  er  bei  der  Gesellschaft  der  Chiarenti 
von  Pistoja  aufnahm.  Die  Höhe  der  Schuld  erfahren  wir  leider  nicht. 
Dieses  Mal  nahm  die  Angelegenheit  einen  eigentümlichen  Gang.  Der 
Erzbischof  zahlte  nicht  und  wurde  durch  die  den  Kaufleuten  gegebenen 
Exekutoren  exkommuniziert.  Der  Erzbischof,  nach  Rom  vorgeladen, 
erschien  nicht,  Kardinälen  antwortete  er,  er  komme,  aber  drei  Jahre 
verstrichen.  Dieselbe  Gesellschaft  hatte  aber  in  Deutschland  unter  Erz- 
bischöfen,  Bischöfen,  Abten,  Prioren,  Pröpsten,  Dechanten,  Erzdiakonen 
und  anderen  Dignitären  Schuldner,  es  erschien  ihr  auch  bei  den 
schwierigen  Wegen  und  dem  verschiedenen  Wohnsitz  ihrer  Schuldner 
sehr  schwer,  dort  ihr  Recht  zu  verfolgen,  sie  bat  den  Papst,  er  möchte 
ihnen  einen  geeigneteren  Ort  vorschlagen,  wo  sie  ihr  Recht  suchen 
könnten.  Wirklich  bestimmte  Bonifaz  VIII.  dazu  Mailand,  der  dortige 
Erzbischof  erhielt  den  Auftrag,  über  diese  Schuldklagen:  j^usuris  onmmo 
eessantibuS'^  zu  entscheiden.  Auch  der  Citation  des  Mailänders  folgte 
Boemund  nicht,    er  wurde   dafür  exkommuniziert.     Da  baten  die  Kauf- 


1  Guiraud  Nr.  90  1272  Oktober  25  und  die  Angaben  zu  Kaltenbrunner, 
Mitteilungen  aus  dem  vatik.  Archive  1  Nr.  21  u.  22.  Weiteres  Material  er- 
giebt  sich  aus  Böhmer-Ficker-Winkelmann. 

«  M.G.  SS.  24,  427,  30. 

>  Sbaralea,  Bullarium  Franciscanum  2,  436.    Potthast  18  250  u.  18520. 

*  Mitteilungen  1  Nr.  335  Ernennung  vom  29.  März  1289.  Sein  Gegner 
wurde  am  gleichen  Tage  zum  Erzbischof  von  Mainz  ernannt. 


IK  Italiener  als  Gläubiger  deutecher  Pr&lateu.  247 

Hte:  icwm  nuUus  ad  partes  illas  propier  viarum  discrimina  gravia  et 
^mdem  archiepiscopi  Treverensis  potentiam  secure  valeat  se  confetra,  der 
^nt  möge  eingreifen,  und  Bonifaz  citierte  nun  den  Erzbischof  vor  sich, 
^■rhalb  drei  Monaten  solle  er  erscheinen*. 
^H  Seinem  Nachfolger,  dem  zehn  Monate  später  vom  Papste  ernannten 
K>ischofe  Dietrich  von  Nassau  (1300—1307)  gestattete  Bonifaz  VHI., 
B^  Schuld  bis  zur  Hohe  von  2000  Mark  Silber  {=  10000  päpstlichen 
IfSimmergulden)  aufzunehmen.  Wer  den  Löwenanteil  davon  erhielt,  geht 
aus  einer  pJIpstlichen  Kameralnotiz  hervor;  denn  die  Vertreter  des  Erz- 
biäcLfifa  muJäten  sich  verpflichten,  das  Servitium  commune  mit  1400  Mark 
Silber  {=  7000  Kammergulden)  und  die  beiden  servitia  minufa  mit  86  Mark 
Silber  (;=  430  Kamm'ergulden)  für  die  Kammer  an  das  Bankhaus  der 
Chiarenti  von  Pistoja  zu  zahlen,  was  geschaht  Diesem  Erzbischofe 
folgte  Balduin  von  Luxemburg  (1307—54),  ihm  gestattete  Clemens  V. 
1308  die  Aufnahme  von  10000  Pfund  Turnosen». 

Zweiundzwanzigates  Kapitel. 
Italiener  als  Olftnbiger  deutscher  PrSlaten. 

Römer:  Utrecht,  Ch«r,  SL  GaUen,  Worms,  Magdeburg,  Strafsbvrg,  Metn  hmiJ 
UtrecM.  Stnesen:  Metier  Klöatef,  Siüzhurg,  Pasiau,  Bamberg,  Segensburg,  Lausanne, 
Murbach.  Bankfirmen.  I^ge  und  Geschichte  von  Siena  in  der  Zeit  engster  Verbindung 
mit  iler  Kurie.  Ghibellinen  utul  Gueiftn.  Bäclgang  seit  J3?0-  Florenz.  Einzelne 
Schultlner.     Tabelle  der  Schiddenerlaubtiisse.    Pina,  Pistoja,  Piacema,  Mailand. 

Die  Nachrichten,  welche  ich  fUr  Bistümer  und  Klöster  gesanomelt 
habe,  mögen  nach  der  Heimat  der  Gläubiger  geordnet  folgen.  Bisher 
lernten  wir  Römer,  Senesen,  Florentiner  und  Pistojesen  kennen. 

Rom.  Zuerst  im  Jahre  1204  kommen  meines  Wissens  rOmische 
Kaufleute  als  Gläubiger  eines  deutschen  Bischofs  vor.  Bischof  Dietrich 
von  Utrecht  (gest.  1199)  hatte  zu  Zeiten  des  Papstes  Cöleatin  lU. 
(1191 — 98)  oder  auch  schon  Clemens'  HL  eine  Summe  von  1250  Mark 
Silber  geliehen.  Seine  Gläubiger  waren:  iParentiua,  Ja.  de  Tosto,  J. 
Petrinius,  et  Belushomo  Romani  cives,  Alexius  VincecasM  et  Qamelottus 
mercatores  Senenses  et  eontm  socii^.  Innocenz  III.  hatte  den  Nachfolger 
des  Schuldners,  Bischof  Dietrich  von  Are  (1199 — 1210)  öfters  gemahnt, 
die  Gläubiger  hatten  neue  Termine  gestellt,  ein  päpstlicher  Legat  hatte 
den  Bischof  exkommuniziert.  Alles  fruchtete  nichts.  Der  Papst  wandte 
sich  endlich  an  den  Bisehof  von  Lattich;  er  solle  den  säumigen  Schuldner, 

'  Digard,  Faucon  et  ThomaB  Nr.  2989.    1299  M&rz  15. 
3  Vgl.  Sauerland  in  den  Anualen  d.  bist  Vereius  f.  d.  Niederrhein  68,  21 
und  (He  Beilagen  Nr.  9  u.  10  S.  42f    Mitteilungen  1  Nr.  492. 
'  Mitteilungen  1  Nr.  777. 


248  Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 

wenn  er  nicht  bis  Jahresfrist  in  Ypern  seine  Schuld  i^usuris  omnino 
cessaniibusr  bezahle,  exkommunizieren ,  und  die  Gläubigen  sollten  ihm 
nicht  mehr  gehorchen*. 

Der  uns  als  Gläubiger  des  Erzbischofs  Dietrich  von  Köln  vom 
Jahre  1213  bereits  bekannte  römische  Kaufmann  Johannes  de  Romano 
Deuteguarde  hat  —  was  wir  bei  römischen  Kaufleuten  von  vornherein 
als  eine  Seltenheit  ansehen  dtirfen  —  auch  einmal  die  Alpen  tiber- 
schritten, er  hatte  dem  Beamten  des  Bischofs  von  Chur  seinen  Zoll 
bezahlt,  gleichwohl  wurde  er  ausgeplündert  und  erlitt  einen  Schaden  von 
1 40  W  ^  [Proveniensiuw]  de  senaiu.  Papst  Honorius  III.  erhielt  von  dem 
Bischöfe  von  Chur  das  Versprechen,  dafs,  wenn  nicht  der  Kaiser  selbst  den 
Schaden  ersetzen  werde,  er  oder  seine  Kirche  das  thun  werde ^. 

Rudolf  von  Güttingen,  von  1219—1226  Abt  von  St.  Gallen,  von 
1222 — 26  auch  Bischof  von  Chur,  hatte,  als  er  als  Abt  in  Italien  weilte 
(ako  zwischen  1219  und  22),  in  der  Lombardei  bei  Kaufleuten  von  Rom 
und  Siena  270  Mark  Silber,  dann  in  Rom  selbst  noch  280  Mark  Silber 
aufgenommen  oder  wenigstens  tiber  eine  solche  Summe  einen  Schuld- 
brief ausgestellt.  Die  Bezahlung  blieb  aus,  die  Kaufleute  wandten  sich 
an  den  päpstlichen  Stuhl,  der  den  Bischof  Heinrich  von  Bologna  mit 
der  Erledigung  des  Streitfalls  betraute.  Am  1.  Mai  1230  kam  es  auf 
deutschem  Boden  (wohl  in  St.  Gallen  selbst)  zu  einem  Vergleiche  zwischen 
Konrad  von  Bufsnang^,  dem  neuen  Abte  von  St.  Gallen,  und  dem  Kon- 
vente einerseits  und  Ubberto  Guidonis  Bachi  von  Siena,  der  als  Bevoll- 
mächtigter der  Kaufleute  auftrat.  Das  Kloster  verpflichtete  sich,  die 
Hälfte  der  Summe  drei  Wochen  vor  Weihnachten  —  also  zur  Winters- 
zeit —  in  Como,  die  andere  Hälfte  zu  Martini  tiber  ein  Jahr  zu  be- 
zahlen. Vor  dem  Bischöfe  von  Bologna,  zu  dem  der  Kaufmann  und 
Wemher  als  Vertreter  des  Klosters  sofort  reisten,  wurde  der  Ausgleich 
am  25.  Mai  bestätigt^. 

Aber  auch  er  wurde  nicht  gehalten.  Mir  ist  es  wenigstens  nicht 
zweifelhaft,  dafs  die  Quittung,  welche  der  römische  Bürger  Paulus 
Soguatarius  erst  Ende  September  1239  zu  Troyes  als  Vertreter  »Bobonis 
Johannis  Boboniss  römischen  Bürgers,  dem  Domherr  Rudolf  von  Basel 
und  Rudolf  dem  Spender  vom  Kloster  St.  Gallen  für  dieses  ausstellte*, 
den  Absehlufs  des  Streites  bedeutet.  Die  Summe  war  von  dem  Kardinal- 
diakon Richard   von  S.  Angelo   im  Januar  1239   auf  284  Mark  Sterling 


'  Br^quigny,  Diplomata  2,  1,  413. 
2  Hernoulli,  Acta  jioiitif.  Helv.  1,  98. 

^  Sein  Vorgänger  war  au  der  Kurie  gestorben  und  im  Lateran  begraben. 
*  AVartmann  3,  81.    Vgl.  auch  Conradus  de  Fabaria  in  den  Mitteil.  z. 
Gesch.  des  histor.  Vereins  St.  Gallen  17,  196  u.  229. 
«^  Ebda.  3,  94. 


Italicner  als  Gläubiger  deutscher  Prälaten.  249 

gesetzt  worden.  Unter  der  Voraussetzung,  dafs  die  zweite  Zahlung  zu 
Como  unterblieben  wäre,  würde  die  Summe  von  284  —  250  =  34  Mark 
die  Erhöhung  flir  die  Kosten  bedeuten,  welche  die  Eaufleute  für  das 
Mahnen  u.  s.  w.  gehabt  hätten.  Diese  waren  ausdrücklich  seiner  Zeit 
den  Schuldnern  vorbehalten,  der  Kardinal  hätte  aber  nicht  die  Verzugs- 
zinsen anerkannt,  welche,  wie  bei  diesen  Geldhändlern  es  üblich  war, 
zehn  Prozent  für  den  Monat  betrugen.  Von  Martini  1231  bis  Januar 
1239  waren  85  Monate  verstrichen,  die  Verzugszinsen  hätten  sich  dem- 
nach auf  2125  Mark  belaufen  dürfen. 

Ein  Wormser  Bischof,  wohl  Heinrich  II,  Graf  von  Saarbrücken, 
war  bei  dem  Römer  Matheus  Widonis  Marroni  und  Genossen  eine 
Summe  von  mindestens  1620  Mark  Silber  schuldig  geworden.  Da  die- 
selbe nicht  beglichen  wurde,  erhielt  der  Erzbischof  Siegfried  von  Mainz 
von  Papst  Honorius  III.  den  Auftrag,  alle  Einkünfte  der  Kirche  von 
Worms  nach  Troyes  abzuführen ;  nachdem  aber  bekannt  wurde,  dafs  das 
bei  der  Kargheit  der  Einkünfte  viele  Jahre  dauern  müsse,  wurde  dem- 
selben der  Befehl  zugeschickt,  die  Schuldsumme  bei  der  Geistlichkeit 
wie  beim  Volke  von  Stadt  und  Diöcese  Worms  zu  erheben,  unter  An- 
drohung der  Exkommunikation  sollte  er  erwirken,  dafs  innerhalb  drei- 
viertel Jahr  die  Summe,  in  die  430  bereits  gesammelte  Mark  ein- 
zurechnen seien,  an  sicherem  Orte  den  römischen  Kaufleuten  zur  Ver- 
fügung stehet  Es  kam  zur  Exkommunikation,  welche  aber  Klerus 
und  Laien  verachteten.  Ein  neuer  Befehl  erging,  die  Exkommunikation 
streng  durchzuführen^.  Ob  es  gelang,  und  ob  der  Römer  wieder  zu 
seinem  Gelde  kam?  Jedenfalls  war  nach  diesen  Wirren  es  dem  Kapitel 
nicht  zu  verdenken,  wenn  es  nach  dem  Vorbilde,  das  kUrz  vorher  Mainz 
gegeben  hatte,  beschlofs,  keinen  zum  Bischof  zu  wählen,  der  nicht  er- 
kläre, dafs  er  niemals  ein  Darlehen  von  römischen  oder  italienischen 
Gläubigern  nehmen  werde,  welche  auf  Urkunden  Geld  zu  leihen 
pflegten^.  Gleichwohl  hat  Bischof  Landulf  seinem  Boten  an  die  Kurie 
eine  Vollmacht  mitgegeben,  auf  seinen  und  der  Wormser  Kirche  Namen 
eine  Schuld,  allerdings  nur  bis  zur  Höhe  von  30  Mark  Silber  auf- 
zunehmen*. 

Aus  welchem  Grunde  die  Stadt  Magdeburg  durch  ihren  Pro- 
kurator den  Propst  von  Lüttich  bei  Bonamra,  Jacobus  et  Paulus  Subectarii 


'  Boos,  Quellen  z.  Gesch.  d.  Stadt  Worms  1,  101.    Urkunde  vom  8.  Juli  1225. 

2  Ebda.  102  vom  4.  Juni  1226. 

3  Ebda.  S.  128  z.  J.  12;^. 

*  Bibl.  des  litter.  Vereins  16.  Höfler,  Albert  v.  Beliam  S.  117  o.  D.  Der 
Bischof  verpflichtet  sich  in  rerbo  reritaU's  sacerdocii  ac  jurnwenti ,  er  will  auch  für 
die  damna,  expensae  und  intercsse  aufkommen. 


250  Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 

cives  Romani  eine  Schuld  aufgenommen  hatten,  ist  nicht  so  gleich  er- 
sichtlich *. 

Auf  Kosten  der  Bestätigung  dürfte  aber  wiederum  die  Schuld  von 
600  Mark  zurückzuführen  sein,  welche  der  Bischof  Heinrich  (von  Stahleck) 
und  das  Domkapitel  zu  Strafsburg  dem  römischen  Bürger  Saxo 
Johannis  Alberici  schuldeten  und  deren  Rest  sie  bis  auf  eine  winzige 
Summe  in  Sens  zahlten.  Die  Urkunde  trägt  neben  den  Siegeln  zweier 
geistlichen  Würdenträger  noch  heute  das  Siegel  des  römischen  Kauf- 
manns ^. 

Über  60  Jahre  lang  können  wir  in  den  Papstregesten  die  Schulden 
der  Bischöfe  von  Metz  bei  römischen  Kaufleuten  verfolgen,  ohne  dafs 
wir  freilich  die  Entstehung  der  Schuld,  wie  das  Zusammenlegen  der- 
selben genau  klarlegen  können,  die  Spruchbriefe  der  Kardinäle  fehlen 
eben  und  sind  nur  durch  kurze  Auszüge  uns  überliefert.  Wie  es  scheint, 
ist  die  erste  Schuld  schon  vor  1221  entstanden,  weitere,  als  1224  Johann 
von  Aspremont  von  Verdun  nach  Metz  transferiert  wurde  und  sich  im 
neuen  Bistum  einrichtete.  Die  Metzer  Kaufleute  hatten  übrigens  viel 
mehr  zu  beanspruchen,  als  die  Römer  und  Sienesen.  Als  die  Bistums- 
einkünfte den  Gläubigern  zugewiesen  wurden,  erhielten  die  Italiener 
ein  Drittel,  die  Metzer  zwei  Drittel.  In  den  Tagen  des  Bischofs  Jakob 
von  Lothringen  (1239—60)  wurde  die  Schuld  auf  13000  Mark  Sterling 
festgestellt,  von  denen  jährlich  1000  Mark  abgetragen  werden  sollten; 
doch  das  geschah  nur  dreimal ,  nach  vier  Jahren  starb  Bischof  Jakob. 
Über  die  Schuld  wurde  nun  viel  verhandelt,  bis  endlich  1286  Papst 
Honorius  IV.  im  Interesse  der  arg  verschuldeten  Metzer  Kirche,  der  er 
drei  Jahre  zuvor  Burchard  Graf  von  Hennegau  zum  Oberhaupte  gesetzt 
hatte,  eine  Abzahlung  in  Raten  von  500  Mark  Sterling,  welche  sich  also 
auf  zwanzig  Jahre  ausdehnen  mufste,  festsetzte.  Aus  diesem  Entscheide 
können  wir  erkennen,  dafs  von  1253  bis  1286  keinerlei  Zinsen  zur  Be- 
rechnung kamen.  Ob  in  der  Summe  von  13000  Mark  solche  versteckt 
sind,  läfst  sich  nicht  ermitteln*. 


1  Mon.  Germ.  Ep.  s.  XIII  1,  636  1239  März  1. 

a  Strafsb.  Urkb.  1,  237.  14.  Juni  1247.  Die  Strafsburger  Bischöfe  kannten 
die  Champagner  Messen  genau.  In  Troyes  oder  Paris  sollte  König  Richard  dem 
Bischof  Walther  Zahlung  leisten.    Schöpflin,  Als.  dipl.  1,  431. 

•  Vgl.  Wieg  and,  Vatikanische  Regesten  z.  Gesch.  d.  Metzer  Kirche  im  JahrK 
d.  G.  f.  lothring.  Gesch.  4.  Bd.  Nr.  22  (1221  ungen.  Senesen  geben  140  M.),  31  (1227), 
32  (1229,  Schuldenlast  7500  M.  S.),  33,  35,  42  (1237,  Angelm  Romani  de  Sposa  und 
andere  Römer,  Summe:  3891  M.  Silber),  43  (1237,  Jurenalis  Manndti  civ.  Boviu 
2800  M.  St.),  44 — 48  (Exkommunikation  des  Bischofs),  49 — 51.  Vgl.  vor  allem  auch 
Prou  Nr.  462.  Nebenbei  erwähne  ich,  dafs  das  Kloster  Gorze  einen  Metzer  Dom* 
herm  beschuldigte,  ohne  Auftrag  in  ihrem  Namen  und  für  sich  bei  Kaufleutcn  von 
Siena  Geld  entliehen  zu  haben  (es  scheint  1400  U\    Wiegan d  Nr.  41.    AVeitorhin 


Italiener  als  Gläubiger  deutscher  Prälaten.  251 

Spätlinge  unter  den  römischen  Geldhändlem  begegnen  uns  unter 
Bonifaz  Vni.  Bischof  Wilhelm  von  Utrecht  fand  Kredit  bei  Octavian 
Callicobonus  (Callicboconi)  für  1500  Goldgulden  und  bei  Petrus  Julian!  Por- 
carii  und  Petrutius  Andree  VezoH  für  100  €6  kleiner  Tumosen.  Callicobonus 
wurde,  wie  gewöhnlich,  nicht  rechtzeitig  befriedigt  *.  Die  Hauptgläubiger 
des  Bischofs  Wilhelm  waren  für  3000  €ß  kleiner  Tumosen  die  Gesell- 
schaft der  Alfani  von  Florenz  geworden,  daneben  zwei  Pisaner 
Francesco  Donati  und  Baccimeo  Cavalosari  für  500  Goldgulden  ^. 

Siena.  Schon  unter  den  Kölner  Urkunden  hatte  ich  mehrere 
Sieneser  aufzuführen.  Zu  den  ältesten  Sieneser  Geschäftsurkunden  dürfte 
eine  jüngst  von  Sauerland  veröflFentlichte  gehören,  worin  ein  Vertreter 
von  neun  Benediktinerklöstem  des  Metzer  Sprengeis  zur  Bezahlung 
des  Zwanzigsten  an  die  päpstliche  Kammer  von  Altavilla  Boncompagno 
Aldemaris  und  Guido  Picolinus  und  ihren  Genossen  von  Siena  so  viel 
Geld  aufnimmt,  dafs  die  Klöster  auf  der  nächsten  Maimesse  von  Provins 
323  Mark  neuer  Sterlinge  zu  entrichten  haben*. 

Auch  der  vierte  der  ältesten  deutschen  Erzbischofsitze  fehlt  unter 
den  Schuldnern  italienischer  Kaufleute  nicht.  1266  schuldete  der  Erz- 
bischof von  Salzburg  dem  von  uns  schon  häufiger  erwähnten  Seneser 
Bankhause  des  Bonaventura  Bernardini  4000  Mark  Silber*. 

Eine  Vereinigung  von  Römern  und  Senesen  —  genannt  werden 
Jacobo  Scarso,  Radulfo  Alexii,  Cinthio  Stephani  Philippi,  Angelo  Johanne 
Elperini,   Massario,   Bonaventura  Lupelli,  Capo  Nigro,   Turdo  Clarmon- 


will  ich  die  Schulden  der  Metzer  Kirche  nicht  verfolgen.  Ich  erwähne  Jordan, 
Reg.  Clem.  IV.  Nr.  796  (1266  Dez.  2.  Anweisung  an  den  Offizial  von  Troyes,  er 
solle  sorgen,  dafs  der  Bischof  von  Metz  seine  Schuld  von  5000  ü  Tumosen  bei 
Bonaventura  Bcmardini  und  Genossen  von  Siena  bezahle).  Digard,  Faucon  u. 
Thomas,  Reg.  Bonifaz  VIII.  Nr.  447^  {Licentia  cantrahendi  1600  fl.  auri,  die  nach 
502  bei  der  societas  Canisianorum  von  Florenz  erhoben  wurden),  Nr.  559  1295 
Okt.  21,  1997  1297  (bei  römischen  Kaufleuten).  Mitteil.  1  Nr.  515  (Licentia  contra- 
hendi  8000  //.  nuri  1302  Dez.  28). 

»  Digard,  Faucon  u.  Thomas,  Registres  Bonifaz'  VIII.  Nr.  951  {Licentia 
contraheitdi  für  4000  U  kl.  Tumosen),  992  (Schuld  bei  Petrus  und  Petmtius),  Mitteil. 
1  Nr.  491  [Licentia  5000  Goldgulden),  509,  565  u.  648  (Streit  mit  Callicobonus).  Calli- 
cobonus war  1306  auch  Gläubiger  des  Bischofs  von  Cambray.  Mitteil.  Nr.  663, 
ebenso  des  Bischofs  von  Lüttich,  Reg.  Clementis  papae  V.  Nr.  378. 

2  Reg.  Bon.  VIII.  Nr.  1062  u.  1063.  Nebenbei  erwähnt  hat  auch  Friedrich  II. 
bei  römischen  Kaufleuten  Darlehen   erhalten.     Böhme r-Ficker  Nr.  2515,   2533, 

2561  u.  2731. 

*  Sauerland,  Eine  Urkunde  der  Camera  apostoUca  vom  Jahre  1218  in  der 
Festschrift  zum  Jubiläum  des  dtschen  Campo  Santo  in  Rom  S.  150.  1218 
April  7.  1222  lieh  Alice  Herzogin  v.  Bourbon  bei  Sienesen  eine  bedeutende  Summe. 
Petit  4,  201. 

*  Jordan  Nr.  794. 


252  Zweiundzwauzigstcs  Kapitel. 

tensi  (die  beiden  letzten  sicher  Senesen)  —  hatte  dem  Bischof  Gebhard 
von  Pas  sau  und  seinem  Kapitel  Geld  vorgestreckt,  das  zu  Bologna 
zurückzuzahlen  war.  Auch  in  diesem  Falle  blieb  die  Schuld  unbeglichen 
und  das  veranlafste  Papst  Gregor  IX.  einzugreifen;  der  Zahlungsbefehl 
an  den  eben  erwählten  Nachfolger  enthält  die  bemerkenswerte  Klausel, 
zu  zahlen  sei  das  geliehene  Geld:  *cum  justis  et  nwderaUs  expensis  ac 
debita  restauratione  damnorwnj  usuris  omnino  cessantibus^  ^.  Die 
Notlage  der  Passauer  Kirche  zwang  1237  -den  Bischof  Rüdiger,  wichtige 
Besitzungen  derselben  an  Kaiser  Friedrich  als  Pfand  abzutreten,  welcher 
1400  Mark  Silber  bar  vorschofs^. 

Auch  ein  anderer  dem  Südosten  Deutschlands  angehöriger  Biscliof, 
der  von  Bamberg,  hatte  bei  Seneser  Kaufleuten  Schulden*,  der  von 
Kegensburg  wurde  gar  wegen  einer  solchen  Schuld  gebannt*. 

In  den  Westen  ftihren  uns  wieder  zwei  andere  Urkunden.  Ein 
kleines  Darlehen  von  30  Mark  Silber  hatte  ein  Prokurator  des  Bischofs 
von  Lausanne  bei  Rolandus  Bonsignoris,  Bonaventura  Bernardini  und 
ihren  Genossen  erhalten'*. 

Weit  erheblicher  war  die  Schuld  des  Abtes  von  Murbach  gegen- 
über den  Tolomei  von  Siena,  und  während  fast  alle  bisherigen  Nach- 
richten auf  das  Eingreifen  des  Papstes  in  die  Regelung  des  Schuld- 
verhältnisses zurückgehen,  haben  wir  hier  nun  einmal  eine  ganz  andere 
Quelle.  Aus  den  Jahren  12G2,  1265  und  1269  sind  uns  drei  von  den 
Messen  der  Champagne  her  an  die  anderen  Glieder  der  Gesellschaft  der 
Tolomei  gerichtete,  in  italienischer  Sprache  geschriebene  Berichte  des 
Andrea  de'  Tolomei  erhalten,  welche  einen  vortreflFlichen  Einblick  in  die 
Geschäftsthätigkeit  des  Hauses  gestatten®.  Sie  handelten  mit  Pfeffer, 
Wachs,  Wolle  und  Tuchen,  machten  aber  auch  erhebliche  Geldgeschäfte, 
Kirchen  und  Klöster  von  Langres,    Soissons,   Troyes,   Dijon  werden  uns 


1  Auvray  1,  814  f.    Zwei  Urkunden  vom  11.  Juli  123:3. 
"  Böhmer-Ficker  Nr.  2274. 
«  M.G.  Ep.  8.  XIII  1,  510. 

*  Die  Gläubiger  heifsen  in  dem  Notizenbuche  des  Passauer  Declianten  Albert 
Beham:  ^Rainerii,  Orlandi,  Bartholi,  Leonis,  Theoderid,  Calqx(ernii\  Urnii,  cirium  et 
niercatonim  Senensium».  Der  Papst  hatte,  wie  so  oft,  einen  in  der  Champagne 
wohnenden  Geistlichen,  einen  Domherrn  von  Troyes  mit  dem  Verfolg  der  Angelegen- 
heit betraut,  der  drei  Äbte  wirklich  nach  Troyes  vorlud,  ßiblioth.  des  liter. 
Vereins  16.  Höfler,  Albert  von  Beham  S.S.  Ich  habe  eine  Keihe  von  Urkunden 
gefunden,  wo  in  gleicher  Weise  Geistliche  der  Champagne  beauftragt  wurden ;  offen- 
bar sollte  auch  in  diesen  Fällen  die  Abwicklung  der  Angelegenheit  auf  einer  der 
Champagner  Messen  erfolgen. 

»  Bernoulli,  Acta  pont.  helv.  1,  357.     Päpstl.  Mandat  1253  März  31. 

•  Lettcre  volgari  del  secolo  XIII  scritti  da  Senesi,  publicate  da  Cesare 
Paoli  e  £uea  Piccolomini  in  Scelta  di  curiositu  letterarie.  dispensa  116. 


Italiener  als  Gläubiger  deutscher  Prälaten.  253 

als  Schuldner  genannt.    Im  Jahre  1263   war   die  Lage   der  Senesen   auf 
den  Märkten  recht  gefkhrdet. 

Wegen  der  ghibellinischen  Haltung  war  über  Siena  die  Exkommuni- 
kation verhängt,  und  nun  wollten  die  Schuldner  natürlich  nicht  bezahlen, 
ja  noch  mehr,  der  Faktor  befürchtete,  dafs  der  Papst  ein  Mandat  erlassen 
werde,  man  solle  die  Senesen  an  Habe  und  Gut  fassen,  wo  man  sie  finde, 
was  willig  in  der  Champagne  werde  befolgt  werden.  In  Voraussicht 
solcher  Dinge  hatten  sich  die  klugen  Tolomei  übrigens  mit  Kaufleuten 
von  Parma  verbunden,  unter  deren  Namen  die  Waren  von  Siena  gingen. 

Wenn  Andreas  Bericht  so  viel  Unangenehmes  enthielt,  so  war  der 
Schlufs  erfreulich.  Er  handelte  von  den  Schulden  des  Klosters  Murbach, 
worüber  eine  neue  Abmachung  getroflFen  war.  Die  Schuldsumme,  von 
der  übrigens  die  Tolomei  nur  einen  Teil  besafsen,  belief  sich  nunmehr 
auf  1700  Mark  Sterling,  sie  sollte  in  Zukunft  durch  kleine  Ratenzahlungen 
auf  den  Messen  zu  Bar-sur-Aube  und  Troyes  abgetragen  werden.  Ein 
neuer  Brief  war  seitens  des  Klosters  abgefafst  worden  und  eine  Rate 
auch  an  den  Mandatar  der  Schuldner  bezahlt*.  Weiteres  wissen  wir  aus 
italienischen  Quellen  nicht,  die  deutschen  ergänzen  sie.  Die  reiche 
elsässische  Abtei  Murbach  war  schon  längere  Zeit  sehr  verschuldet^,  als 
einen  Verschwender  bezeichnen  die  Kolmarer  Dominikaner  aber  gerade- 
zu den  Abt  Berthold  von  Steinbronn  (12üO— 1285),  eben  den,  auf  den 
unsere  Stelle  sich  bezieht®.  Die  Schuldenlast,  welche  auf  dem  Kloster 
ruhte,  gab  endlich  die  Veranlassung  zu  dem  Verkaufe  von  Luzern  an 
die  Habsburger  (1291),  von  dem  an  anderer  Stelle  gehandelt  ist*. 

Es  wäre  nun  nicht  ohne  Interesse,  zu  wissen,  wie  die  Geldgeschäfte 
sich  auf  die  grofsen  Bank-  und  Geschäftshäuser  von  Siena  verteilen. 
Allein  wir  sind  über  diese  vorläufig  noch  viel  zu  wenig  unterrichtet. 
In  den  vorgehenden  Erörterungen  sind  uns  auch  die  Namen  der  Tolomei, 
Piccolomini   und   Salimbene  vorgekommen,    welche   mit  den  Cacciaconti 


*  Die  Stelle  lautet:  La  dtta  di  Morbadio  de  Ja  Magnia  si  find  in  setecie^ito  mar, 
di  sitrlino,  a  pagarne  vinti  mar,  ne  la  fiera  di  Bari  sessanta  e  due,  e  vinti  mar,  ne  la 
fiera  di  Treseto  aircso;  e  in  ogvie  Bari  e  in  ogni  Treseto  tHnti  mar.,  infino  que  saremo 
paghati.  E  dei  deti  mar.  dovemo  servire  trenta  e  quatro  mar,  de  le  primaie  tre  paghe^ 
fVognie  pagha  il  terzo.  Et  avenne  letare  nuove  choi  loro  sugitli  ed  äle  ser  Buonadota 
a  teuere  e  letera  di  richonoscienza  chol  swjielo  del  diano  di  Sä*  Stefano  di  Tresi  nostro 
giudide;  e  le  letare  vechie  si  ä  a  tenere  Andrea  Ispinegli  per  li  Picholuomini,  E  sapiat^ 
que'l  deto  ser  Buonadota  si  richolse  la  j)rima  pagha  que  si  fecie  in  Bari  pasato,  ed 
ano  sodisfato  le  dispese.  E  rimanente  si  ritiene  infino  a  Treseto  presente,  perciö  que 
se  la  pagha  del  deto  Treseto  no  si  faiese,  qued  eli  vi  posa  dispendare  di  quela  muneta 
se  misticre  fuse^.    S.  47  f. 

2  Schöpflin,  Als.  dipl.  1,  392. 

8  Vgl.  Gatrio,  Die  Abtei  Murbach  1,  309  ff. 

*  S.  oben  S.  180. 


254  Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 

und  Malavolti  die  vornehmsten  Geschlechter  der  Bergstadt  waren.  Ein 
Andrea  de'Tolomei  weilte  als  Prokurist  seiner  Gesellschaft  in  der  Cham- 
pagne und  machte  von  dort  Reisen  nach  Flandern  und  England.  Man 
siehtf  dafs  hier  auch  die  vornehmsten  Geschlechter  am  Handel  beteiligt 
waren. 

Die  Namen  und  Gesellschaften,  welche  wir  zu  erwähnen  hatten,  sind 
nur  ein  kleiner  Bruchteil  von  denen,  die  im  Auslande  Handel  trieben. 
Als  1262  die  Exkommunikation  auf  Siena  ruhte  und  den  Handel  der 
Senesen  im  Auslande  bedrohte,  söhnten  sich  einzelne  Handelshäuser  mit 
der  Kurie  aus.  Die  Listen  *  sind  doch  für  uns  von  Wert.  In  den  Notizen 
sind  diejenigen  Gesellschaftsmitglieder,  welche  in  oder  bei  Siena  weilten, 
von  denen  getrennt  aufgeführt,  welche  in  Francia  oder  überhaupt  im 
Auslande  den  Geschäften  nachgingen.  Die  Zahl  jener  beläuft  sich  auf 
85,  dieser  sind  23! 

Siena  lag  vom  Meere  entfernt  im  Gebirge,  gleichwohl  sah  die  hoch- 
gelegene Stadt,  deren  gotische  Paläste  uns  noch  ihre  Blütezeit  lebhaft 
vor  Augen  führen,  manche  Warenzüge,  noch  mehr  aber  Reisende  und 
Pilger.  Führte  doch  eine  vielbegangene  Strafse  auch  oft  unsere  Kaiser 
und  Heere  hierher,  wenn  sie  von  Lucca  über  die  Arnobrücke  bei 
Fucecchia,  Castel  Fiorentino,  Poggibonsi,  Siena,  San  Quirico  durch  die 
Engen  von  Radicofani,  Acqua  pendente,  Bolsena,  Viterbo  und  Sutri  nach 
Rom  zogen  oder  wenn  sie  von  Bologna  her  über  Florenz  und  Poggibonsi 
diese  Strafse  gekommen  waren.  Aber  weder  die  Lage,  noch  eine  alte 
Tradition  begründet  allein  die  Blüte  der  Stadt,  sondern  die  Kühnheit, 
Thatkraft  und  der  weite  Blick  seiner  Bürger  des  dreizehnten  Jahr- 
hunderts ,  welche ,  durch  die  Bedürfnisse  und  den  Export  der  eigenen 
Wollenindustrie  veranlafst,  ins  Ausland  gingen  und  dort  einen  schwung- 
haften Warenzwischenhandel  —  wie  es  scheint  —  vor  allem  auf  der  Linie 
Italien -Champagne -London  und  daneben  Geldgeschäfte  aufserordentlich 
grofsen  Umfanges  betrieben. 

Zuerst  die  Konkurrenten  der  römischen  Kaufleute,  waren  sie  ihnen 
bald  überlegen  und  schoben  sie  auf  die  Seite,  freilich  geschah  auch  ihnen 
bald  dasselbe  und  zwar  von  ihren  Nachbarn  von  Florenz.  Den  Grund 
dieses  Übergangs  glaube  ich  in  den  politischen  Geschicken  beider  Städte 
sehen  zu  müssen.  Es  ist  hier  freilich  nicht  der  Ort,  die  Kämpfe  der 
Ghibellinen  und  Guelfen  in  Tuscien,  das  Eingreifen  König  Manfreds, 
KatIb  von  Anjou  und  Konradins  zu  schildern.  Doch  mufs  ich  einige 
Punkte  ausführen. 

Wir  werden  später  sehen,  dafs  die  Geschäftsverbindung  der  italie- 
nischen Bankiers  mit  der  deutschen  Geistlichkeit  darauf  beruht,  dafs  die 


»  Vgl  Dorez  et  Guiraud  S.  69—71.    1262  Dezember. 


Italiener  als  Gläubiger  deutscher  Prälaten.  255 

Kurie  durch  ihre  Censuren  den  Darleihern  das  Kapital  verbürgte.  Die 
Bankiers,  welche  diese  Art  von  Geschäften  betreiben  wollten,  mufsten 
Anhänger  der  Kurie  sein  und  der  wechselnden  Politik  derselben  folgen. 
Wenn  einmal  die  Regesten  der  Päpste  völlig  vorliegen,  wird  mit  voller 
Klarheit  hervortreten,  welch  ungeheuren  Einflufs  sie  auf  diese  Weise 
auszuüben  imstande  waren.  Jede  Exkommunikation  einer  Stadt  bedrohte 
am  stärksten  die  Bankiers,  sie  mufsten,  wenn  sie  die  Herrschaft  nicht 
gewinnen  konnten,  aus  der  Stadt  sich  entfernen.  Die  Bankiers  waren 
von  der  Kurie  weit  abhängiger,  als  irgend  eine  andere  Schicht  der 
städtischen  Bevölkerungen. 

In  Siena  stützte  sich  die  ghibellinische  Partei  im  wesentlichen  auf 
den  Popolo  der  Arti,  die  Guelfen  hatten  ihre  Anhänger  vor  allem  unter 
dem  Adel  und  unter  den  reicheren  Bürgern,  den  Bankiers.  In  Florenz 
war  umgekehrt  der  Adel  ghibellinisch ,  das  Volk,  dessen  Macht  immer 
zunahm,  guelfisch.  Durch  die  Schlacht  von  Montaperto  (4.  September  1260) 
wurden  die  Guelfen  aus  Florenz  vertrieben,  es  begann  die  siebenjährige 
Herrschaft  der  Ghibellinen.  Die  Guelfen  Toscanas  wurden  im  wesent- 
lichen auf  Lucca  beschränkt.  Die  Guelfen  Sienas  waren  bis  dahin  in  der 
Stadt  verblieben,  trotzdem  die  Herrschaft  in  den  Händen  der  Ghibellinen 
lag.  Die  Lage  der  weliischen  Bankiers  wurde  aber  eine  ganz  andere, 
als  am  18.  November  1260  Alexander  IV.  über  Siena  das  Interdikt  ver- 
hängtet Jetzt  war  das  Gut  der  Sienesen,  das  auf  dem  Transport  aufser- 
halb  war,  aufserordentlich  gefährdet,  wir  haben  schon  oben  gesehen,  wie 
die  weifischen  Tolomei  ihre  Waren  als  Parmesaner  deklarierten.  Die 
Auswanderung  der  Guelfen  aus  Siena  begann,  sie  wurde  stärker,  als 
Papst  Urban  IV.  am  5.  Januar  1263  den  Auftrag  gab,  den  Bann  in 
Frankreich,  Deutschland  und  sonst  zu  verkündigen  und  den  Schuldnern 
zu  verbieten,  ihre  Schulden  zu  zahlen,  bevor  die  Gläubiger  sich  der 
Kirche  unterworfen  hätten^.  Die  Kaufleute  begannen  sofort  zu  stutzen 
und  unterhandelten  mit  dem  heiligen  Stuhle,  bei  einem  guelfischen  Auf- 
stand waren  die  Kaufleute  beteiligt,  und  auch  viele,  die  bis  dahin  der 
ghibellinischen  Partei  angehört  hatten,  verliefsen  nun  die  Stadt  Nicht 
die  Überzeugung  entschied,  sondern  das  Interesse*. 

Schon  oben  habe  ich  der  Urkunden  gedacht,  worin  Papst  Urban  IV. 
einzelne  ausgewanderte  Senesen  von  den  gegen  die  Stadt  ausgesprochenen 


^  Die  Sententia  excommunicationis  in  Bulletino  senese  di  storiapatria  4, 105. 
Die  Censuren,  welche  am  23.  März  1259  verhängt  worden  waren  (Posse  Nr.  164), 
scheinen  nicht  besonders  gewirkt  zu  haben. 

*  M.G.  Epist.  saec.  XIII,  494.  Vgl.  auch  Patetta,  Bulletino  senese 
4,  340  f. 

'  Jordan  in  Compte  rcndu  du  quatriöme  congrös  scientifique  international  des 
catholiques.  Sciences  historiques  250.  Vgl.  jetzt  auch  Gottlob,  Darlehenschulden  681. 


256  Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 

Censuron  betreito.  Unter  ihnen  waren  Petrus  et  Andreas  Chrisiofori^ 
Guillelmus  d  Meus  Raynaldi,  eorum  nepotes,  sowie  die  im  Auslände 
weilenden  Teilhaber  ihrer  Gesellschaft  Minus  Christofori,  Frulericus 
Doni^  Tebaldus  Alteville  et  Andreas  Cristofori^\  es  sind  unzweifelhaft 
die  Glieder  der  Gesellschaft  der  Tolomei  ^.  Pietro,  der  Sohn  Cristofahos, 
Meo,  der  Sohn  Ranaldos,  sowie  Meo,  der  Sohn  Incontratos  und  ein  wohl 
nicht  den  Tolomei  angehöriger  Ranerio,  Sohn  des  Turchio,  wurden  aber 
in  Siena  festgehalten  und  erst  aus  dem  Geftlngnisse  entlassen,  nachdem 
sie  der  Stadt  und  König  Manfred  den  Treueid  geleistet,  sowie  drei  junge 
Glieder  der  Familien  als  Bürgen  gestellt  hatten^.  Selbst  die  stolzesten 
und  reichsten  der  Ghibellinen,  die  Salimbene,  die  übrigens  damals  einen 
Faktor  hatten,  der  auch  für  Deutschland  Vollmacht  besafs*,  unterwarfen 
sich  der  Kurie  und  verliefsen  die  Stadt*. 

Die  sienesischen  Guelfen  zogen  sich  nach  Castello  della  Pievc,  einem 
zwischen  Chiusi  und  Orvieto  gelegenen  Orte  zurück.  Pietro  de  Tolomei, 
der  also  schwerlich  seinen  Eid  gehalten  hat,  und  Notto,  ein  Salimbene, 
waren  1265  ihre  Capitanei,  sie  wollten  damals  sich  aber  ein  einziges 
Haupt  geben*.  Die  glänzende  Stellung  der  Ghibellinen  in  Tuscien  wurde 
durch  die  Niederlage  Manfreds  bei  Benevent  (26.  Februar  1266)  und 
seinen  Tod  gebrochen.  Der  von  Papst  Urban  herbeigerufene  Karl  von 
Anjou,  nunmehr  Herr  des  Königreichs  Sizilien,  gab  den  Guelfen  einen 
starken  Rückhalt. 

Siena  beugte  sich  dem  Papste,  am  17.  Mai  1266  nahm  Clemens  IV. 
die  Sentenzen  zurück,  aber  die  Versöhnung  war  nur  eine  halbe:  die 
Guelfen  blieben  draufsen,  die  intrinseci  stürzten  die  Behörden  und  setzten 
sich   scharf  ghibellinische,    die   die  Einhaltung   des   päpstlichen  Schieds- 


*  Es  handelt  sich  um  vierzehn  Kanfmannsgesellschaften.  1263  Jan.  5.  Dorez 
u.  Guiraud  S.  69 — 71.  Die  Geaellschaft  der  Buonsignori  und  ßernardini  hatte 
Urban  IV.  von  der  Exkommunikation  ausgenommen,  Clemens  IV.  erneute  das  am 
28.  Febr.  1265.    Potthast  19040.    Martine  2,  102. 

ä  Paoli  u  Piccolomini  haben  in  den  Lettere  volgari  drei  Briefe  dieser 
Firma  veröffentlicht:  Brief  Andreas  vom  4.  Sept.  1262  von  Troyes,  Brief  desselben 
vom  29.  Nov.  1265  von  Troyes,  Brief  desselben  vom  März  1269  von  Bar-sur-Anbe 
an  die  in  Castello  della  Pieve  weilenden  Genossen.  Die  beiden  letzten  Briefe  trafen 
ihre  Adressaten  also  im  Exil.  Von  den  in  der  Papsturkunde  genannten  erscheinen 
in  dem  ersten  Briefe  z.  B.  Mino  ilomini  Cnstofam\  Froderigho  Doni,  Tebaldo  AUa" 
ville,  80  dafs  die  Identität  zweifellos  ist. 

'  Vielleicht  waren  sie  auch  in  den  Kämpfen  bei  Radicofani,  in  denen  Guccio 
Tolomei  die  Guelfen  führte,  gefangen.  Malavolti,  flistoria  de*  fatti  e  guerre  de' 
Senesi  2,  28.  Die  Urkunde  vom  23.  Sept.  1263  bei  Freidhof,  Die  Städte  Tusciens 
zur  Zeit  Manfreds  2,  28  f.    . 

♦  Patetta  a.  a.  ().  ;^^2. 

^  Patetta  a.  a.  O.  341  nach  dem  Sienei?er  Archiv. 
«  Urkunde  vom  24.  Juni  1265  bei  Freidhof  2,  37. 


Italiener  als  Gläubiger  deutscher  Prälaten.  257 

Spruches  verweigerten  und  von  dem  nach  Tuscien  als  Friedensstifter  ge- 
sandten König  Karl  nichts  wissen  wollten  ^  Am  18.  November  1267 
wurde  das  Interdikt  erneut^.  Inzwischen  war  in  Florenz  die  Entscheidung 
zu  Ungunsten  der  Ghibellinen  gefallen,  im  April  1267  verliefsen  sie  für 
immer  die  Vaterstadt.  Lucca  und  Florenz  standen  nun  auf  Seiten  des 
Papstes  und  der  Angiovinen,  während  Pisa  und  Siena  den  letzten  Sprofs 
des  staufischen  Hauses  Konradin  herbeiriefen. 

Die  neuen  Censuren  gestatteten,  dafs  jeder  die  beweglichen  Güter 
der  Sienesen,  seien  sie  in  Frankreich  oder  England  oder  sonst  wo,  in 
Beschlag  nehmen  dürfe,  die  ausgewanderte  Guelfenpartei  wurde  dabei 
ausgenommen.  Neue  schärfere  Strafen  folgten  noch,  nachdem  Konradin 
wirklich  in  Toscana  erschienen  war.  Auch  nach  seinem  Untergange 
hielt  Siena  zunächst  an  der  Sache  der  Ghibellinen  fest,  nach  Malavolti* 
kehrten  am  15.  August  1270  die  Guelfen  in  die  Stadt  zurück  und  ver- 
trieben 1272  die  Ghibellinen.  Die  Stellung  zur  Kurie  schwankte  noch 
so,  dafs  noch  1272  die  Exkommunikation  erneut  wurde.  Erst  am  13.  Juli 
1273   vollzog   sich   die  definitive  Aussöhnung  der  Stadt  mit  der  Kirche. 

Fast  dreizehn  Jahre  hatte  der  Streit  gegen  die  Kurie  gedauert  und 
neun  Jahre  hindurch  hatten  die  Guelfen  das  Brot  der  Verbannung  essen 
müssen.  In  dieser  Zeit  haben  die  Geldmänner  Sienas  den  miteinander 
ringenden  Gewalten  die  Geldmittel  dargeboten,  welche  den  Kampf  erst 
ermöglichten.  Nach  Ablauf  derselben  hatten  sich  die  Florentiner  in  der 
Gunst  der  Kurie  festgesetzt,  die  glänzendste  Zeit  der  Finanzgeschäfte 
war  für  Siena  vorbei. 

Schon  für  den  Zug  König  Konrads  hatten  damals  in  Neapel  weilende 
Sienesen  Geldmittel  gewährt*,  Konradin  erhielt  dann  von  der  Stadt 
5000  Goldunzen  und  eine  Zeitlang  auch  den  Sold  seiner  Mannschaften, 
Es  waren  das  Geschenke  wie  die  Gaben  von  Pavia  und  Pisa*^.  Noch 
erheblicher  waren  aber  vielleicht  die  Leistungen  der  guelfischen  Bankiers 
aus  Siena,  mit  denen  sie  1266  die  Eroberung  des  sizilischen  Königreichs 
durch  Karl  von  Anjou  ermöglichten.  Wiederholt  haben  wir  schon  der 
Gesellschaft  der  Orlando  Buonsignore  und  Bonaventura  Bernardini  ge- 
denken müssen,  man  kann  sie  als  die  vornehmste  der  im  päpstlichen 
Interesse  wirkenden  Banken  bezeichnen,  und  es  ist  kein  Zufall,  dafs 
schon   1252   Bonifatio   Buonsignore   von  Innocenz  IV.  als  familiaris  be- 


'  Hampe,  Gesch.  Kooradins  S.  77  ff.  126.  Böhmer-Ficker-Winkelmann 
9695.   9720.    9721. 

■  Die  Guelfen  wurden  von  der  Sentenz  ausgenommen.  Böhmer-Ficker- 
Winkelmann  9874. 

»  2,  39.  44. 

*  Malavolti  2,  12  giebt  die  Namen  an. 

»  Hampe  S.  217.   243  u.  262  f. 

Schulte,  Gesch.  d.  mittelalterl.  Handels.    I.  17 


258  Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 

zeiclinet  wurde.  Zu  sehr  umfangreichen  Geldgeschäften  bot  das  Unter- 
nehmen Karls  von  Anjou  Anlafs,  die  Kurie  brachte  das  Geld,  das  der 
Empfänger  übrigens  nicht  zu  hüten  verstand,  bei  ihren  Banken  auf. 
Die  Senesen  weilten  damals  in  der  Verbannung.  Die  Gesellschaft  Buon- 
signore  und  Bernardini,  welche  nach  den  Regesten  Papst  Clemens'  IV. 
unter  seinem  Pontifikate  die  Kurie  überhaupt  beherrschte*,  lieferte  im 
ganzen  60500  €6  Turnosen.  Daneben  treten  die  von  verschiedenen 
Florentiner  Bankiers  dargeliehenen  Summen  weit  zurück^.  Und  auch 
diese  weilten  in  der  Verbannung.  Es  mag  ja  sein ,  dafs  auf  staufischer 
bez.  ghibellinischer  Seite  die  Quellen  viel  schlechter  erhalten  sind,  ich 
glaube  aber  doch  nicht  zu  irren,  wenn  ich  sage,  dafs  neben  der  Kurie 
und  den  Angiovinen  ein  dritter  Faktor  auf  Seiten  der  Sieger  steht,  die 
Geldaristokratie. 

Jordan  hat  aus  den  Quellen  die  pikante  Thatsache  festgestellt,  dafs 
dieses  guelfische  Bankhaus  der  Buonsignori,  welches  so  gut  wie  aus- 
schliefslich  die  Geldgeschäfte  der  Kurie  besorgte,  auch  für  die  Gegner 
derselben  Geld  hatte.  Als  am  1.  Dezember  1267  Pisa  und  Siena  mit 
Heinrich  von  Kastilien,  dem  Senator  von  Rom,  gegen  Karl  von  Anjou 
abschlofs,  wurde  ein  Teil  der  festgestellten  Summe  von  Orlando  di  Buon- 
signore  in  Rom  bezahlt,  der  das  Geld  von  dem  Kämmerer  der  ghibelli- 
nischen  Stadt  empfangen  hatte,  und  auch  in  den  beiden  folgenden  Jahren 
erscheint  der  Name  Orlandos  in  den  Rechnungen  Sienas.  Das  Bankhaus 
spielte  also  doppeltes  Spiel;  denn  in  demselben  Augenblicke  erhielt  Karl 
von  Anjou  mindestens  25000  Pfund  Turnosen^.  Orlando  Buonsignore 
hatte   zwar   dafür  gesorgt,    dafs    er  von    der   Exkommunikation   befreit 


^  Vgl.  jetzt  auch  Schneider,  Die  finanziellen  Beziehungen  der  iiorentinischcn 
Bankiers  zur  Kirche  5  und  Gottlob,  Darlehensschulden  694. 

«  Martine,  Thesaur.  nov.  anecd.  2,  262  u.  269.  Vgl.  S.  125,  139,  248  u.  258. 
Nach  den  dort  veröffentlichten  Briefen  Papst  Clemens'  IV.  streckten  aufserdem  für 
die  Eroberung  des  sizilischen  Reiches  Geld  vor  die  Gesellschaften  Frescobaldi  (123, 
802  und  844,  zus.  11000  ÄJ  Turnosen),  Mazzi  und  Cerchi  (129),  Bonaguida  (152X 
Tommaso  Spiglati  (168),  Peregrini  Sussinii  (177),  alle  von  Florenz  und  ein  Römer 
(844),  endlich  auch  ein  Bankhaus  von  Montpellier.  Diese  Urkunden  beziehen  sich 
auf  1265,  1266.  Auch  später  wandte  sich  Karl  an  Sienesen.  Noch  nach  der  Ent- 
scheidung gegen  Konradin  mufste  Karl  am  28.  Sept.  1268  gegen  Verpfandung  einer 
goldenen  Krone  bei  Niccolö  Orlandini  und  Genossen  von  Siena  1040  Goldunzen  er- 
heben.  Del  Giudice,  Codice  dipl.  2,  212.  Über  die  Geldnot  der  Kurie  vgl.  Gott- 
lob, Kreuzzugssteuern  S.  91  ff.,  die  Geldnot  Karls  1268  Hampe  S.  227  ff. 

■  Jordan,  Le  saint  ni^ga  et  les  banquiers  italiens  in  Compte  rendu  du  troi- 
si^me  congr^s  scientifique  international  des  catholiques.  5«  section.  S.  301.  Er 
beruft  sich  auf  die  Aufzeichnungen  im  Staatsarchiv  von  Siena:  Bicchema  XXXV 
fol.  103  und  im  Staatsarchiv  von  Neapel :  Reg.  Ang.  II  fol.  14  u.  20.  Die  Abhandlung 
erweist  das  Bankhaus  Bemardini-Buonsiguori  als  das  absolut  in  diesem  Pontifikat 
dominierende. 


Italiener  als  Gläubiger  deutscher  Prälaten.  259 

blieb,  von  da  ab  vertrat  er  aber  die  ghibellinischen  Interessen  der  Firma, 
in  den  den  Guelfen  dienenden  Urkunden  sind  Bonaventura  di  Bernardino 
und  Franzesco  di  Guido  die  Vertreter  desselben  Bankhauses.  Ein  seltenes 
Beispiel  von  Doppelzügigkeit ! 

Vor  1260  dehnen  die  Senosen  ihre  Thätigkeit  aus,  nach  1270  ver- 
schwinden sie  fast  völlig  aus  den  päpstlichen  Urkunden.  In  der  Liste 
der  Schulden,  welche  in  den  fünf  ersten  Jahren  Bonifaz'  VIII.  mit  Zu- 
stimmung desselben  seitens  der  Bischöfe  u.  s.  w.  aufgenommen  wurden, 
erscheint  von  Siena  nur  einmal  noch  das  Haus  Buonsignore  &  Bernardini, 
ihre  Stelle  haben  die  Bankiers  von  Florenz  und  Pistoja  eingenommen. 

Damit  ist  für  den  übrigen  Handel  Sienas  nichts  gesagt,  uns  be- 
schäftigt hier  aber  nur  der  durch  die  Kurie  gestützte  Geldhandel,  dieser 
hat  unzweifelhaft  durch  das  Exil  der  Guelfen  von  1262  bis  1270  erheb- 
lich gelitten  *.  Die  Herrlichkeit  des  Bankhauses  der  Buonsignori,  welches 
auch  den  Namen  Gran  Tavola  führte,  oflFenbar  weil  schon  äufserlich  sich 
die  grofse  Ladenbank  dieser  Senesen  von  den  Bänken  der  anderen  Geld- 
händler unterschied,  ging  übrigens  bald  zu  Ende.  Schon  1298  begann 
das  Haus  zu  wanken,  und  es  endete  1308  mit  dem  Bankerott,  der  übrigens 
in  Frankreich  ausbrach^. 

Florenz.  Die  Herrscherin  am  Arno  hat  endlich  den  gesamten  von 
der  Kurie  abhängigen  Geldhandel  an  sich  gebracht.  Erst  langsam  hat 
sie  die  Rivalin  Siena  auf  die  Seite  geschoben,  ihre  andere  Feindin  Pisa 
verwendete  ihre  Geldkräfte  auf  dem  Meere,  dessen  Herrschaft  freilich 
durch  die  unglückliche  Schlacht  von  Melloria  an  Genua  überging. 

Die  Beziehungen  zu  Deutschland  waren  zunächst  sehr  gering  *.  Das 
älteste  Zeugnis  betriflFt  eine  Schuld,  welche  das  holländische  Kloster 
Middelborg  (Präm.-Ordens-Diöcese  Utrecht)  1246  bei  Mainectus  Alberti 
und  Tmessus  Acconcii  hatte*.  Es  kommen  hinzu  eine  Schuld  von 
2000  Goldgulden,  die  1296  der  Bischof  Landulf  von  Brixen  von  der 
Gesellschaft  der  Alfani  erhoben  hatte  ^  ein  Darlehen  von  1380  (L  kleiner 


^  Den  Rückgang  des  Scneser  Handels  auf  den  Champagnermessen  seit  1800 
stellt  auch  Zdekauer,  Documenti  senesi  S.  8  fest. 

■  Piton  bringt  S.  88—90  über  diese  Zeiten  viele  Nachrichten  bei,  von  denen 
freilich  die  über  die  grofsen  Tafeln,  welche  Philipp  der  Schöne  1805  feiern  liefs,  zu 
streichen  sind.  Es  handelt  sich  um  die  Artusfeste  oder,  wie  man  in  Deutschland 
sagte,  Rundtafeln.    Malavolti  2,  63  und  Del  Lungo,  Dino  Campagni  2,  600  ff. 

'  Wir  haben  schon  die  Schulden  des  Kölner  Erzbischofs  Siegfried  (1274—97) 
bei  den  Pulci,  Heinrichs  (1328—53)  bei  den  Bianchi  und  Davizzi,  des  Trierer  Erz- 
bischofs Heinrich  von  Vinstingen  (1260 — 86)  bei  Benincasa  und  Perini,  eines  Metzer 
Bischofs  bei  den  Canigiani  und  des  Bischofs  Wilhelm  von  Utrecht  bei  den  Alfani 
erwähnt. 

*  Berger  1.  255. 

^  Digard,  Faucon  u.  Thomas  Nr.  1061. 

17* 


260  Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 

Turnosen,  das  die  Gesellschaft  Abbati  und  Bacherelli  dem  Bischof  Guido 
von  Bamberg  gewährt  hatte  ^,  ein  gleiches  von  2000  fl.,  welches  das 
Kl.  Gorze  bei  Metz  von  den  Mozzi  erhoben  hattet  Das  Bistum  Kon- 
stanz hat  —  wie  es  scheint  —  erst  am  Anfang  des  vierzehnten  Jahr- 
hunderts es  erlebt,  dafs  ein  Bischof  eine  Schuld  bei  Italienern  aufnahm. 
Es  war  übrigens  ein  Franzose,  der  an  der  Kurie  sein  Bistum  aus  der 
Hand  Papst  Clemens'  V.  erhielt.  Der  Papst  gestattete  ihm  8000  Gold- 
gulden aufzunehmen  y  von  denen  er  2500  als  commune  servitium  an  die 
päpstliche  Kammer  und  die  Kardinäle  abzuführen  hatte.  6000  fi.  erhielt 
er  von  der  Gesellschaft  der  Avogardi.  Mit  der  Bezahlung  scheint  es 
auch  diesmal  übel  gestanden  zu  haben.  Wenn  Bischof  Nikolaus  keinen 
Beleg,  keine  Quittung  über  erfolgte  Zahlungen  in  Händen  hatte,  so  war 
schwerlich  überhaupt  etwas  bezahlt".  Die  Avogardi  hatten  auch  10000  fl. 
dem  Bischof  von  L  ü  1 1  i  c  h  geliehen  *.  Gläubiger  des  Abts  von  S  t.  A  r  n  u  1  f 
bei  Metz  wurden  1310  die  Canigiani  von  Florenz ^ 

Den  Übergang  zu  einer  später  zu  behandelnden  Gruppe  von  Ur- 
kunden bildet  die  Zahlungsanweisung,  nach  welcher  Bischof  Iring  von 
Würzburg  eine  der  päpstlichen  Kammer  geschuldete  Summe  an  Jacobus 
Giberti  und  Raynerius  Bellindotis  bezahlen  sollte^. 

Diese  Urkunden  geben  nun  aber  nicht  entfernt  einen  Einblick  in 
die  zahlreichen  Beziehungen,  welche  die  Florentiner  schon  am  Ende  des 
dreizehnten  Jahrhunderts  bei  der  hohen  Geistlichkeit  Europas  gewonnen 
hatten.  Eine  andere  Urkundenserie  verhilft  uns  eher  dazu.  Ich  kann 
mich  im  folgenden  auf  die  treffliche  Studie  Schneiders  stützen,  den  ich 
auf  sein  Thema  gelenkt  habe.  Schon  unter  Innocenz  IV.  kommt  es  vor, 
dafs  der  Papst  ausdrücklich  dem  Bischof  Erlaubnis  giebt,  eine  bestimmte 
Summe  aufzunehmen'.  Das  wurde  —  nicht  in  allen  Pontifikaten  gleich 
stark  —  Regel,  und  die  Regesten  aus  der  Zeit  Bonifaz'  VIH.  und  Bene- 
dikts XI.  ermöglichten  es  Schneider,  eine  vollständige  Tabelle  zu  ent- 
werfen®. Von  den  87  Anlehensgenehmigungen  entfallen  47  auf  Banken 
von  Florenz,  fünf  auf  Pisa,  29  auf  Pistoja,  vier  auf  Rom,  zwei  auf  Siena. 
Genauer  verteilt  sich  das  auf  folgende  Banken :  Florenz :  Abbati  drei- 
zehn, Alfani  zwei,   Antelesi  ein,    Bardi  ein,    Canigiani  zwei,   Cerchi  ein, 


'  Digard,  Faucon  u.  Thomas  Nr.  1716. 

»  Ebda.  Nr.  3002. 

«  Cartellieri  Nr.  3461.    Vgl.  Nr.  8459  f.    3464.   68—71.   3748. 

*  Reg.  Clem.  pap.  V.  9773  f. 
«^  Ebda.  Nr.  5229. 

•  M.G.  Ep.  8.  XIII,  3,  477,  29  ff. 

■^  So  gab  Innocenz  IV.  dem  Elekt  von  Minden  Erlaubnis,  200  Mark  Silber  auf- 
zunehmen.   Berg  er  7050. 

»  S.  50—53.    Oben  auf  S.  52  fehlt  der  Kopf:    Ammanati. 


Italiener  als  Gläubiger  deutscher  Prälaten. 


261 


Francesi  drei,  Mozzi  vier,  Pulci  ein,  Spini  neunzehn;  Pisa:  Benedetti  zwei, 
Cavalosari  zwei,  Gaetani  ein;  Pistoja:  Ammanati  dreizehn,  Chiarenti  sech- 
zehn ;  Rom :  ungenannte  zwei,  Calicoboni  zwei ;  Siena  endlich  Buonsignori 
zwei.  Die  höchsten  Beträge  der  Anleihen  sind  20  000  Goldfloren  (Bischof 
von  Toulouse  und  Erzbischof  von  Rheims),  die  niedrigsten  500  Goldfloren. 
Schneider  hat  für  die  am  meisten  beteiligten  Firmen  die  Summen  um- 
gerechnet und  berechnet,  danach  streckten  vor  die 


=     282460  Mark  Metallwert 

=     525868      - 

=     700  280      - 

=     942274      - 

=  1629465      - 

Unter  den  Schuldnern  steht  Frankreich  voran,  Italien,  Spanien,  Eng- 
land, Portugal  folgen,  vereinzelt  erscheint  Griechenland,  Irland,  Malta. 
Neben  Bischöfen  erscheinen  auch  zahlreiche  Äbte,  namentlich  die  grofsen 
Orden.     Von  deutschen  sind  beteiligt: 


Mozzi    . 
Abbati  . 
Chiarenti 
Ammanati 
Spini     . 


Beleg 

Zeit 

Schuldner 

Gläubiger 

Summe 

956 

16/1.  1296 

Landulf  B.  v.  Brixen 

Alfani  Florenz 

2000  Goldfloren 

1062 

8/5.  1296 

Wilhelm  B,  v.  Utrecht 

- 

3000  i6  kl.  Tumosen 

447 

28/10.1295 

Burkhard  B.  v.  Metz 

Cauigiani  Florenz 

1600  Goldfloren 

811 

21/5.  1304 

Wulfing  B.  V.  Bamberg 

Cerchi  Florenz 

250  Mark  Silber 

1062 

8/5.  1296    Wilhelm  B.  v.  Utrecht 

Cavalo'sari  Pisa 

500  Goldfloren 

2630 

Juli  1298    Roderich  B.  v.  Minden 

Chiarenti  Pistoja 

3000  Goldfloren 

950 

7/3.  1296 

Wilhelm  B.  v.  Utrecht 

unbekannt  Rom 

4000  ü  kl.  Tumosen 

1997 

19/8    1297 

Peter  Abt  v.  Gorze 

- 

2000  Mark  Süber 

153 

2/1.  1304 

Guido  B.  V.  Utrecht 

Calicoboni     - 

1500  Goldfloren 

Aufser  dieser  Liste  erwähne  ich  weitere  Schuldenerlaubnisse  aus 
der  Zeit  Alexanders  IV.:  Bischof  von  Würzburg:  1255  September  22: 
215  Mark  Silber  Sterl.  Nr.  977;  aus  der  Zeit  Bonifaz'  VIII:  Bischof 
Hugo  von  Lüttich:  1296  Februar  1:  6000  fi  kleiner  Tumosen  Nr.  940; 
der  Erwählte  von  Cambray:  1296  Oktober  25:  10000  «  kleiner  Tur- 
nosen  Nr.  1375.  Auf  die  Entwicklung  des  Florentiner  Geldhandels  ist 
im  übrigen  erst  später  einzugehen. 

Von  Pisa  sind  vorhin  zwei  Fälle  besprochen,  Pistoja  ist  uns  auch 
nur  zweimal  begegnet,  obwohl  das  der  damaligen  Bedeutung  dieser  Stadt 
nicht  entspricht.  Es  handelte  sich  um  die  Gesellschaft  der  Chiarenti  ^, 
dafs   aber  auch  die  Ammanati  in  Deutschland  Schuldner  hatten,   besagt 


1  Oben  S.  246  u.  oben. 


262  Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 

ein  Brief  Papst  Clemens'  V.  von  1306*.  Der  Trierer  Domherr  Boemund 
von  Saarbrücken  schuldete  1323  60  fl.  dem  Fardellus  Banducii,  päpst- 
lichem Wechsler^. 

Von  Bologna  lernten  wir  einige  kleine  Darlehen  für  die  Kölner 
Kirche  kennen*. 

Mailand  erscheint  nur  ein  einziges  Mal  und  zwar  in  einem  eigen- 
tümlichen Falle,  Als  Erzbischof  Balduin  von  Trier  seitien  Bruder  König 
Heinrich  VII.  1313  in  Pisa  verliefs,  begab  er  sich  über  Genua,  Piacenza 
nach  Mailand  —  oflFenbar  benutzte  er  demnach  den  St.  Gotthard  —  hier 
entlieh  er  sich  am  17.  April  2000  Goldgulden  von  Seiten  der  Mailänder 
Kaufmannschaft^.  In  der  soliden  Handelsstadt,  welche  ausschliefslich 
den  Warenhandel  betrieb,  hatte  der  grofse  deutsche  Prälat,  einer  der 
wenigen  Finanzgenies  jener  Tage,  sich  also  an  die  Kaufmannschaft  ge- 
wendet. Nach  den  jüngeren  Statuten  von  1396  wurde  der  „Wucherer" 
von  jedem  Amte  und  jeder  Korporation,  ja  aus  der  Kaufmannschaft 
ausgeschlossen*.  Doch  waren  im  Falle  von  Nichtzahlung:  damna  und 
interesscj  höchstens  jedoch  zu  zehn  Prozent  fürs  Jahr  vorgesehen®. 

Piacenza  ist  mit  einem  einzigen,  aber  sehr  alten  Fall,  der  eigent- 
lich aufserhalb  des  Rahmens  dieser  Arbeit  liegt,  beteiligt.  Der  Patriarch 
Piligrim  von  Aquileja  hatte  bei  einer  Piacentiner  Gesellschaft  geborgt, 
aus  der  stark  beschädigten  Urkunde  läfst  sich  mit  Sicherheit  entnehmen, 
dafs  Papst  Coelestin  lU.  von  einer  Zinszahlung  (septem  marcas  pro  reiomo 
de  feria  in  feriam  vobis  exolvei)  Kenntnis  hatte  und  sie  billigte^.  Eine 
sorgfältige  Untersuchung  würde  vermutlich  bei  fast  jedem  deutschen  Bis- 
tum solche  Schuld  Verhältnisse  gegenüber  Italienern  erweisen.  Doch  ich 
fürchte  schon  jetzt  die  Geduld  des  Lesers  mehr  als  stark  angespannt  zu 
haben.  Jedenfalls  ist  erwiesen,  dafs  an  der  starken  Verschuldung 
deutscher  Bistümer  im  dreizehnten  Jahrhundert  die  Entrichtung  der 
Servitien  und  die  daraus  hervorgegangene  Bewucherung  stark  beteiligt 
ist,  was  Michael  freilich  völlig  übersehen  hat®. 


*  Mitt.  aus  dem  vatik.  Archiv  1  Nr.  672. 
'  Mitteilungen  Stadtarchiv  Köln  5,  55. 

8  S.  238. 

*  Vollmacht  zum  Einkassieren  der  Schuld.    Unsere  Urkunden  Nr.  410. 
^  LatteSf  II  diritto  commerciale  32.    Statuta  merc.  Blatt  206. 

*  Ebda.  Blatt  208.  Nach  den  Statuta  cirUia  Blatt  36  war  in  den  Fällen,  in 
denen  das  kanonische  Recht,  damnum  et  interesse  zuliefs,  6V2  Prozent  zu  nehmen 
erlaubt,  das  jedoch  zu  beschwören. 

■^  1196  April  26.  Kehr-Schiaparelli.  Papsturkunden  in  Friaul.  Nach- 
richten d.  königl.  Ges.  d.  Wissenschaften  in  Göttingen  phii.-hist.  Klasse 
1809  S.  280  f. 

®  Gesch.  d.  deutschen  Volkes  2,  19. 


Die  Grundlagen  dieses  Kredits.  263 

Dreiundzwanzigstes  Kapitel. 

Die  Grundlagen  dieses  Kredits. 

Die  Kurie  garafUiert  durch  ihre  Strafen  da,«?  Hauptgut,  nicht  die  Zinsefi.  Stellung 
zum  Zinsverhot.  Begelung  des  Verfahrens  durch  Nikolaus  IV.  Wucherer.  TficUsdch- 
liehe  Behandlung  derselben  durch  die  Kirche. 

Es  sind  also  nur  vier  bez.  fünf  der  italienischen  Städte,  welche 
Geldhändler  in  ihren  Mauern  bargen,  an  den  Geldgeschäften  deutscher 
Bischöfe  beteiligt,  nicht  allein  Lucca  und  Asti  fehlen,  welche  auf  dem 
englischen  Markte  im  dreizehnten  Jahrhundert  erscheinen,  sondern  auch 
Piacenza,  dessen  Anteil  am  Geldverkehr  in  Frankreich  sehr  bedeutend 
war^,  tritt  ganz  zurück,  doch  das  erklärt  sich  sehr  leicht.  Der  Ort,  wo 
das  Geldbedürfnis  der  deutschen  Bischöfe  am  grollten  war,  wo  sich  die 
Höhe  des  Bedürfnisses  aus  den  verschiedenen  zu  zahlenden  Gebühren 
erst  sicher  feststellen  liefs,  war  Rom.  Die  dortigen  Kaufleute  hatten 
den  Vorsprung,  dann  ihre  nächsten  Nachbarn,  und  das  waren  die  von 
Siena  und  das  etwas  weiter  entfernte  Florenz. 

Die  Schuld  wurde  aufgenommen  in  Rom,  in  dem  Mittelpunkte  des 
gesamten  kirchlichen  und  kirchenpolitischen  Lebens,  getilgt  sollte  sie 
werden  auf  den  Messen  der  Champagne,  welche  den  Mittelpunkt  des 
Handelslebens  ausmachten.  In  allen  Fällen,  in  denen  sich  überhaupt 
etwas  über  den  Ort  der  Zahlung  bez.  der  Zahlungspflicht  erweisen  läfet, 
führen  uns  die  Angaben  in  die  Champagne.  Selbst  für  den  Bischof  von 
Regensburg  galt  das.  Der  italienische  Gläubiger  kam  also  gar  nicht  in 
die  Notwendigkeit,  deutschen  Boden  aufzusuchen,  wenn  wirklich  die  Ver- 
pflichtung erfüllt  wurde.  Erst  im  Falle  der  Zahlungsunterlassung  hat  er 
wohl  deutschen  Boden  betreten,  wenn  die  Briefe  nicht  mehr  genügten. 
Der  Römer  Guido  Marronis  ist  der  einzige,  der  auf  dem  Wege  nach 
oder  von  Deutschland  nachzuweisen  ist;  andererseits  begegneten  uns 
einmal  Römer  in  Trier,  aber  sie  machten  vielleicht  nur  einen  Abstecher 
von  der  Champagne  oder  Flandern  aus. 

Es  ist  auf  den  ersten  Augenblick  überraschend,  dafs  der  Gläubiger 
einem  viele  Tagereisen  entfernt  wohnenden  Manne  Geld  leiht,  dessen 
persönliche  Verhältnisse  ihm  gar  nicht  näher  bekannt  sein  konnten. 
Und  diese  Anlehcn  sind  gewifs  sehr  viel  zahlreicher  gewesen,  als  wir 
das  nachweisen  können.  Wir  verdanken  unsere  Kenntnis  dieser  Schuld- 
verhältnisse vielfach  dem  Umstände,  dafs  es  über  die  Zahlung  zu  einem 
Streite  kam.     Die  Fälle,   in   denen   die   Schuld   beglichen,    die   Schuld- 


*  Vgl.  auch  Schaube,    Die  Wechselbriefe  Ludwigs  des  Heiligen,  in  Jahr- 
bücher f.  Nationalökonomie,  3.  Folge,  18,  152  ff. 


264  Dreiundzwanzigstes  Kapitel. 

Urkunden  zurückgegeben  und  vernichtet  wurden,  haben  nur,  seitdem  es 
aufgekommen  war,  dafs  der  Papst  eine  licentia  contrdhendi  mutuum  gab, 
Spuren  hinterlassen,  und  solche  einfache  Fälle  müssen  die  Regel  gewesen 
sein;  wir  werden  sehen,  dafs  die  kirchliche  Judikatur  nicht  gerade  im 
Sinne  der  Gläubiger  entschied,  aus  diesen  StreitfilUen  war  der  Nutzen 
mitunter  jedenfalls  gering.  Für  die  Fülle  dieser  Geldgeschäfte  geben 
uns  die  Briefe  des  Andrea  de'  Tolomei  an  seine  Mitgesellschafter  einen 
Anhalt.  Er  zählt  eine  grofse  Reihe  von  Kirchen  und  Klöstern  auf,  denen 
das  Haus  Gelder  dargeliehen  hatte,  aber  nicht  ein  einziges  dieser  Geld- 
geschäfte ist  mir  in  den  Papstregesten  begegnet.  Weil  sie  glatt  ab- 
gewickelt wurden  und  zu  keinem  richterlichen  Urteile  führten,  ver- 
schwand mit  der  Schuld  auch  der  Schuldbrief. 

Worauf  beruhte  nun  aber  der  Kredit  dieser  deutschen  Schuldner  bei 
italienischen  Gläubigern,  denen  die  persönlichen  Verhältnisse  jener  ziem- 
lich unbekannt  sein  mufsten?  Da  ist  nun  zu  beachten,  dafs  sämtliche 
Schulden  von  deutschen  Kirchenfürsten  gemacht  sind  und  weiter  wohl 
sicher  von  den  meisten  beim  Antritt  des  Amtes,  wo  die  Kosten  der 
päpstlichen  Bestätigung  und  die  eventuelle  Regelung  der  Schulden  des 
Vorgängers  ein  bedeutendes  Geldbedürfnis  erzeugen  mufsten.  Die 
deutschen  Kirchen  waren  nicht  so  organisiert,  solche  Bedürfnisse  schnell 
befriedigen  zu  können.  Das  Bedürfnis  nach  Geld  war  unabweislich, 
aber  es  fand  sich  auch.  Ich  glaube,  wenn  man  den  Dingen  auf  den 
innersten  Grund  geht,  so  wird  man  sagen  müssen,  dafs  der  deutsche 
Kirchenfürst  seinen  Kredit  nicht  als  Herr  und  Fürst  eines  reichen 
Sprengeis  fand,  nicht  als  ein  gewissenhafter,  solider  Prälat,  ihm  wurde 
kreditiert,  weil  die  römische  Kurie  durch  ihre  Autorität  den  Gläubiger 
gegenüber  dem  Kirchenfürsten  deckte.  Im  Vertrauen  auf  die  kirchlichen 
Ermahnungen  und  Strafen,  welche  nötigenfalls  die  Kurie  über  den 
Schuldner  verhängte,  öffnete  der  römische,  senesische  und  florentinische 
Kaufmann  seinen  Geldbeutel.  Dieses  System  ist  wohl  schon  um  1200 
ausgebildet  gewesen.  Schon  unter  Innocenz  IV.  wird  die  Exkommuni- 
kation zu  Gunsten  von  Seneser  Kauf  leuten  verwendet  ^,  und  schon  längst 
gab  die  Kurie  den  Gläubigern  sofort  Exekutoren,  die  das  gerichtliche 
Verfahren  einzuleiten  hatten,  und  einer  von  ihnen  war  vielfach  aus 
der  Geistlichkeit  der  Mefsplätze  genommen^.  Wir  verdanken  die  meiste 
Kenntnis  dieser  Geldgeschäfte  überhaupt  diesem  Eingreifen  der  Kurie, 
und  wir  sahen,  dafs  in  Lüttich,  Utrecht,  Worms  und  Regensburg  die 
Exkommunikation  verhängt  wurde. 

Es  sind  unzweifelhaft  sehr  drastische  Mittel,   welche  die  Kurie  ver- 


1  Z.  B.  Berg  er  7980.  8034.    Andere  Beispiele  s.  oben. 
■  Schneider  57. 


Die  Giniudlagen  dieses  Kredits.  265 

wandte.  Sie  übte  damit  eine  Sorge  für  die  Sicherheit  des  Handels  aus, 
und  in  der  That  waren  diese  geistliehen  Waflfen  die  einzigen,  welche  die 
Kaufleute  besafsen.  Einen  Erzbischof  von  Köln  hätte  schwerlich  irgend 
jemand  zur  Zahlung  angehalten,  wenn  es  nicht  eben  der  Papst  that. 
Ohne  die  Aussicht  auf  die  Hilfe  der  Kurie  hätte  der  Kaufmann  dieselbe 
Gefahr  gelaufen,  welche  die  Peruzzi  und  Bardi  am  englischen  Königs- 
hofe hatten:  die  Gefahr,  dafs  eines  Tages  die  Schuldzahlung  tiberhaupt 
verweigert  werde.  Sehr  deutlich  kommt  das  auch  in  den  Briefen  der 
Senesen  zum  Ausdruck.  Jacomo  Cacciaconti  hatte  tiber  eine  Schuld  des 
Erzbischofs  von  Lyon  in  Troyes  zu  verhandeln,  aber  es  kam  zu  keiner 
Einigung;  der  Senese  meinte,  es  bleibe  nichts  übrig,  als  ihm  päpstliche 
Briefe  auf  den  Hals  zu  schicken^. 

Vergebens  habe  ich  mich  nach  Anleihen  weltlicher  Herren  Deutsch- 
lands umgesehen.  Ich  kann  solche  nur  für  die  nächste  Umgebung  der 
Champagne  nachweisen,  also  für  Gebiete,  die  die  Italiener  durchzogen, 
und  in  denen  sie  einen  regelmäfsigen  Handel  betrieben^.  Das  Geld- 
bedürfnis entstand  bei  den  Fürsten  nicht  an  der  Kurie,  und  die  kirch- 
lichen Censuren  waren  bei  ihnen,  wenn  überhaupt  anwendbar,  gewifs 
noch  viel  weniger  wirksam,  als  bei  den  Geistlichen.  Die  Gesellschaft 
der  Spini  und  Mozzi  von  Florenz,  die  Chiarenti  von  Pistoja,  die  Kauf- 
leute der  päpstlichen  Kammer,  haben  von  Papst  Bonifaz  VUI.  in  einem 
Kardinaldiakon  einen  Schützer  erhalten,  der  ihre  Ausstände  aus  Deutsch- 
land, Frankreich,  Spanien,  England,  Schottland,  Aragonien,  Navarra 
und  Italien  beitreiben  helfen  solle  —  es  ist  aber  in  der  betreffenden  Ur- 
kunde nur  von  geistlichen  Personen  und  Körperschaften  die  Rede,  denen 
sie  an  der  Kurie  Geld  geliehen  hätten^.  Es  ist  kein  Zweifel  darüber, 
dafs  diese  Italiener  deutschen  Fürsten  oder  Städten  nur  ausnahmsweise 
kreditierten.  Der  Geistliche  wandte  sich  an  die  Italiener,  die  Fürsten 
und  der  Adel  an  die  Juden  und  an  die  „Lombarden",  die  wir  später 
kennen  lernen  werden. 

Wenn,  wie  Ehrenberg  geistreich  ausführt*,  die  drei  Grund- 
bedingungen jeden  Kredites  sind:  das  zahlen -können,  das  zahlen- 
wollen und  das  zahlen -müssen,    so  bestand  diese  letztere  Bedingung 


*  »Ne  no'  potevate  trare,  se  noi  no  vi  mandasimo  letiara  da  chorte  dt  papa  so2>ra 
a  Uui.m     Lettere  volgari  a.  a.  O.  S.  17. 

2  So  hatte  Herzog  Johann  von  Lothringen  Schulden  bei  Kanf  leuten  von  Lucca. 
Mitteil,  vatik.  Archiv  1  Nr.  647.  Papst  Clemens  V.  entband  ihn  der  in  seiner 
Jugend  80  eingegangenen  Schulden,  ßeg.  Clementis  Nr.  1967.  Eine  Klage  von 
Kaufleuten  aus  b^iena  gegen  die  Gräfin  von  Namur  \i^rde  1231  an  den  Prior  von 
St.  Aigulf  zu  Provins  verwiesen.    Auvray  S.  401. 

'  Digard,  Faucon  u.  Thomas  Nr.  1296. 

*  S.  18. 


266  Dreiundzwanzigstes  Kapitel. 

für  den  internationalen  Verkehr  und  den  öffentlichen  Kredit  damals  nur 
bei  der  hohen  Geistlichkeit.  Derjenige,  der  zwingen  konnte,  war  der 
Papst.  Die  Kurie  erweist  sich  somit  auch  hier  als  eine  Schützerin  des 
öffentlichen,  internationalen  Verkehrslebens.  Sie  hat  freilich  gerade 
dadurch  dem  Übergange  von  der  Naturalwirtschaft  zur  Geldwirtschaft 
und  damit  dem  Untergange  des  eigenen  Zinsverbotes  mächtig  vor- 
gearbeitet. 

Die  Italiener  haben  unzweifelhaft  bei  diesen  Anleihen  bedeutende 
Zinsen  erhoben.  Wie  hoch  der  Betrag  sich  im  einzelnen  Falle  belief, 
ist  bisher  eigentlich  nie  festzustellen  gelungen.  In  den  Schuldurkunden 
selbst  ist  meist  eine  Form  gewählt,  welche  nicht  etwa  erklärt:  die  und 
die  Summe  haben  wir  bar  erhalten,  sondern  es  heifst,  man  sei  schuldig 
geworden,  so  und  so  viel  zu  bezahlen.  Schon  das  legt  die  Vermutung 
nahe,  dafs  der  Zins  gleich  zur  Schuldsumme  geschlagen  und  so  verdeckt 
wurde.  Mit  Sicherheit  konnten  wir  das  oben  bei  einem  Kölner  Falle 
nachweisen,  wo  die  wahre  Darlehenssumme  von  983  Mark  in  eine  Schuld- 
summe von  1150  verwandelt,  also  um  etwa  14^/2  Prozent  erhöht  wurde*. 
Ein  anderer  Fall  erwies  gleichfalls  eine  Erhöhung^. 

Für  die  Verzugszinsen  gab  es,  soweit  die  Summen  auf  den 
Champagnermessen  zur  Zahlung  kamen,  eine  feste  Regel,  welche  durch 
Philipp  den  Schönen  auch  statutarisch  festgelegt  wurde®.  Eis  mufste^von 
jeder  Messe  zur  nächsten  von  zehn  Mark  eine  Mark,  also  zehn  Prozent, 
jährlich  also  60  Prozent  entrichtet  werden,  manchmal  ist  das  auch  so  aus- 
gedrückt, dafs  der  Zins  als  Zweimonatszins  angegeben  wird.  Wir  haben 
ihn  in  einzelnen  Fällen  wenigstens  fordern  sehen.  Der  Zinsfufs  ist  er- 
schreckend hoch,  aber  man  darf  auch  nicht  übersehen,  es  ist  ein  Zins- 
fufs für  Verzugszinsen,  nicht  für  regelmäfsige  Geldanlage.  Die  Höhe 
dieses  hing  wohl  vom  Einzelfalle  ab  und  wurde  grundsätzlich  derselbe 
verdeckt,  wie  solche  Wucherverträge  zu  allen  Zeiten  vorgekommen  sein 
werden,  ohne  dafs  wir  heute  strikt  den  Beweis  führen  können.  Dieses 
Bestreben,  die  sofortige  Zinszahlung  zu  vermeiden,  sie  mindestens  zu 
verschleiern,  die  Verzugszinsen  aber  um  so  kräftiger  zu  fordern,  standen 
mit  den  kirchlichen  Anschauungen  in  Verbindung.  Das  Zinsverbot,  das 
aus  der  Bibel  abgeleitet  wurde,  wurde  also  beachtet,  indem  man  den 
Verzugszins  unter  den   Fall   des   damnum  emergens  bez.  lucrum  cessans 


*  Schon  eine  Urkunde  von  1209  hat  diese  vorsichtige  Form:    »confessus  eM  se 

recepisse  tnutuo  .  .  .  tantani  pectmie  quantitatem  a (juod  idem  .  .  .  tefietur  ipsis 

reddere  .  .  .  centum  quinquarfinta  marcas  boni  et  puri  argenti  ...»  SchunckB,  102. 
Ich  bemerke,  dafs  für  diese  Schuldbriefe,  zahlbar  auf  den  Champagnermessen, 
damals  schon  ein  ganz  bestimmtes  Formular  gebraucht  wurde. 

2  Oben  S.  240. 

'  Ehrenberg  1,  54. 


Die  Grundlagen  dieses  Kredits.  267 

unterbrachte.  Dafs  in  diesen  Fällen  der  Gläubiger  eine  Entschädigung 
beanspruchen  durfte,  wurde  ganz  allgemein,  auch  von  Thomas  von  Aquino 
als  Recht  angesehen.  Die  Lehre  vom  Zinsverbot  kann  ich  hier  nur 
streifen,  so  wichtig  sie  für  das  gesamte  mittelalterliche  Geldleben  war^ 
Das  Gesamtergebnis  der  mittelalterlichen  Denkweise  hat  Ashley  zusammen- 
gefafst  in  den  Worten :  „Jeder  Kaufmann,  ja  überhaupt  jeder,  der  in  einem 
Mittelpunkte  des  Handels  lebte,  wo  sich  ihm  zur  Anlage  seines  Kapitales  in 
Geschäften  (auch  zum  Verleihen  des  Geldes  nach  aufserhalb)  Gelegenheit 
bot,  konnte  mit  ruhigem  Gewissen  und  ohne  jede  Furcht,  dafs  ihm  etwa 
Ungelegen h ei ten  erwüchsen,  einen  Vertrag  abschliefsen ,  wonach  er  von 
jemandem,  dem  er  Geld  geliehen,  zu  bestimmten  Zeiten  Zins  zu  erhalten 
hatte;  nur  das  Eine  wurde  hierbei  vorausgesetzt,  dafs  er  das  Darlehn, 
wenn  auch  nur  für  kurze  Zeit,  zunächst  umsonst  auslieh,  so  dafs  die 
Zinszahlung  genau  genommen,  keine  Vergütung  fiir  den  Gebrauch,  sondern 
eine  Entschädigung  für  die  nicht  rechtzeitige  Rückgabe  des  Geldes  war"  *. 

Wenn  sich  so  das  Gewissen  der  Bankiers  auch  vielleicht  beruhigte, 
so  war  die  wahre  Natur  des  Geschäftes  doch  auf  das  Zinsennehmen  be- 
gründet. Die  Zinslehre,  durchführbar  in  der  Zeit  der  Naturalwirtschaft, 
war  jetzt  ein  Anachronismus  und  eine  Generalisierung  einseitiger  Gesichts- 
punkte zugleich. 

Die  allgemeine  Stimmung  bezeichnete  diese  Geldhändler  richtig 
geradezu  als  Wucherer  und  die  Erzählungen  des  englischen  Mönches 
Matthäus  von  Paris  finden  auch  auf  deutschem  Boden  ihr  Gegenstück. 
Albert  Beham,  der  so  genau  den  Boden  der  Kurie,  bei  der  er  gerade 
damals  1246  weilte,  und  wo  er  einst  Sachwalter  gewesen  war,  kannte, 
riet  dem  Erzbischofe  Eberhard  von  Salzburg,  er  solle  aufser  dem  Herrn 
von  Leibniz  auch  den  Abt  von  Raitenhaslach  nach  Rom  schicken,  damit 
dieser  mit  dem  Abte  von  Salem  ein  Darlehen  bei  Kaufleuten  von  Rom 
oder  Siena  erwirke.  Diesen  beiden  Äbten  aus  dem  Cistercienserorden 
würden  sie  eher  20000  Mark  Silber  an  der  Kurie  geben,  als  einem 
andern  2000,  und  an  jedem  Hundert  würden  auch  30  Mark  gespart 
werden,  wenn  sie  die  Schuld  vermittelten®.  Die  Cistercienser ,  deren 
Klöster  damals  Muster  wirtschaftlicher  Ordnung  waren,  besafsen  also 
einen  erheblich  gröfseren  Kredit  als  die  deutschen  Erzbischöfe! 

Nicht  allein  der  Wucher  war  aber  durch  die  kirchliche  Gesetz- 
gebung jener  Tage  verboten,  sie  untersagte  auch  vom  Kapitale  Zinsen 
zu  nehmen.  In  dem  Eifer  für  den  Schutz  der  produktiven  Arbeit,  welche 
ja    in   der  That   in   der   ersten   Hälfte  des   Mittelalters   in   der   Zeit   der 

^  Vgl.  vor  allem  die  Kapitel  bei  Ashley,   weiter  die  Arbeiten  von  Ende- 
mann, Neumann,  Funk,  Ratzinger  u.  s.  w. 
2  Ashley  2,  432. 
»  Höfler,  Albert  v.  Beham  S.  115 


268  Dreiundzwanzigstes  Kapitel. 

Naturalwirtschaft  die  fast  ausschliefsliche  Quelle  des  Besitzes  sein  konnte^ 
geriet  die  Kirche  seit  dem  Ende  des  zwölften  Jahrhunderts  in  Italien, 
seit  dem  dreizehnten  Jahrhundert  auch  in  Deutschland  mit  der  natür- 
lichen Entwicklung  der  wirtschaftlichen  Dinge  in  einen  Widerstreit. 
Geld  erzeugte  nun  wirklich  wieder  Geld. 

Am  allerdeutlichsten  tritt  der  Widerstreit  gerade  bei  diesen  von  der 
Kirche  geschützten  Geldhändlern  hervor.  Die  Grundlage  ihres  Geld- 
handels war  wenigstens  zum  Teil  das  Bedürfnis  der  kirchlichen  Kreise, 
er  wurde  femer  ermöglicht  durch  die  Censuren  der  Kurie.  Die  Kirche 
kam  also  in  die  Gefahr,  theoretisch  Wucher  und  Zins  zu  verurteilen, 
praktisch  aber  denselben  zu  fördern,  am  schlimmsten  wäre  es  gewesen, 
wenn  in  der  Judikatur  die  Kirche  das  Zinsnehmen  anerkannt  hätte. 
Die  Untersuchungen  Gottlobs  haben  zunächst  festgestellt,  dafs  unzweifel- 
haft die  Päpste  des  dreizehnten  Jahrhunderts  bcwufst  und  mit  Absicht 
in  verschiedenen  Formen  ihren  Gläubigern  Zins  bezahlt  haben  ^.  Zu 
seinen  Beweisen  kommt  noch  der  folgende:  1253  erhielt  ein  Legat  den 
Befehl  aufzunehmen:  ^muiuumy  etiam,  si  oporiuerit,  sub  gravibus  uswris^ 
quaniumcunque  et  a  quibuseunque  poteris  invenire^  ^.  Nur  Urban  IV. 
(1261 — 64)  hat  eine  Ausnahme  gemacht,  ein  zeitgenössisches  Lobgedicht 
schildert  es,  wie  er  nur  die  T^sors  legüima*^  nichts  darüber  hinaus  an- 
erkannte®. Die  Päpste  mufsten  sich  ebenso  wie  alle  anderen  Menschen 
dem  Machtgebot  der  Umstände  beugen.  Ohne  Zinsen  waren  eben  Geld- 
mittel nicht  zu  beschaffen.  Sie  mochte  auch  der  Umstand  beruhigen, 
dafs  in  der  kirchlichen  Lehre  die  subtile  Unterscheidung  versucht  wurde, 
dafs  nicht  der  Darlehensnehmer,  sondern  nur  der  Darlehensgeber  bei 
Zinsennahme  sündige,  und  jener  nur  dann  sich  der  fremden  Sünde  teilhaftig 
mache,   wenn  dieser  nicht  von  vornherein  zur  Wuchersünde  bereit  war. 

Dafs  die  Päpste  von  den  Zinszahlungen  seitens  der  Prälaten  Kenntnis 
hatten,  ist  ebenfalls  nicht  zu  bezweifeln ;  die  Urkunde  Cölestins  III.  läfst 
keinen  Zweifel  darüber,  dafs  er  von  der  Zinszahlung  Kenntnis  hatte  und 
sie  billigte*.  Ganz  besonders  wichtig  ist  es  aber,  die  Stellung  der  Kirche 
als  Judikaturbehörde  gegenüber  den  Gläubigern  kennen  zu  lernen.  Meine 
Sammlung  von  Fällen  ist  klein,  und  das  Ergebnis  kann  noch  nicht  eine 
feste  Spruchpraxis  erweisen,  jede  Ergänzung  wird  von  Wert  sein.  Unsere 
Beispiele  zeigen,  dafs  die  Kirche  hier  an  dem  Zinsverbote  festhielt.  Das 
beweist  der  Spruch  des  Kardinals  Johann  vom  5.  März  1238.  Er  ver- 
urteilt den  Schuldner  zur  Zahlung  des  Kapitals,  der  Kosten  der  Bei- 
treibung und  des  auf  3,8  Prozent  des  Kapitals  sich  belaufenden  Schadens, 

'  Gottlob,  Darlehensschulden  712—717. 

2  Vgl.  Schau be  in  Jahrb.  f.  Nationalökonomie,  3.  Folge,  15,  743. 

»  Gottlob  680. 

<  S.  oben  S.  262. 


Die  Grundlagen  dieses  Kredits.  269 

abgewiesen  werden  die  Gläubiger  mit  ihrer  Zinsforderung,  obwohl  die 
Zahlungsfrist  etwa  24  Jahre  bereits  verstrichen  war.  Dieses  Urteil  erfolgte 
in  Abwesenheit  des  Schuldners,  der  sich  überhaupt  nicht  hatte  vertreten 
lassen.  Der  Spruch  des  Kardinals  Pietro  Capoccio  enthüllt  die  wirklich 
bar  vorgestreckte  Summe  nicht  so  deutlich,  aber  da  die  Rückzahlung  so 
geregelt  wurde,  dafs  nicht  einmal  die  im  Schuldbriefe  stehende  Summe 
ersetzt  werden  mufste,  ist  auch  in  diesem  Falle  wohl  keinerlei  Zins  ge- 
zahlt worden,  und  auch  in  dem  Metzer  Falle  sahen  wir,  dafs  von  1253 
bis  1286  keinerlei  Zins  zur  Berechnung  kam.  Die  Kirche  machte  also 
wirklich  Ernst  mit  dem  Zinsverbote,  und  die  Formel  ^usuris  omnino 
cessantibtis*  war  keine  Redensart^. 

Eine  Regelung  des  Verfahrens  traf  Nikolaus  IV.,  indem  er  am 
25.  Oktober  1288  ein  für  alle  Zukunft  geltendes  Formular  anordnete*. 
Der  Schuldner  durfte  sich,  seine  Nachfolger  und  seine  Kirche,  ihren 
beweglichen  und  unbeweglichen  Besitz  binden,  auf  eine  Reihe  von  Ex- 
ceptionen  wurde  verzichtet.  Zinsen  waren  verboten  (usuris  omnino  cessan- 
tibt4s),  jedoch  sollte  er  Auslagen  und  Unkosten,  besonders  solche,  die 
durch  nicht  rechtzeitige  Zahlung  entständen,  ersetzen.  Der  Gläubiger 
wurde  durch  diese  Bestimmungen  für  das  Kapital  völlig  gedeckt,  wenn 
der  Schuldner  einen  Erlaubnisschein  des  Papstes  besafs.  Für  den  Zins 
existierte  diese  Bürgschaft  jedoch  nicht,  und  hier  blieb  es  eigentlich 
beim  alten,  da  der  Gläubiger  vor  wie  nach  auf  die  Verzugszinsen  sich 
steifte,  und  hierfür  eine  Grenze  nicht  festgesetzt  war.  Bezüglich  der 
Exekutoren  und  des  weiteren  Verfahrens  traf  der  Papst  weitere  Be- 
stimmungen, die  eine  gleichmäfsige  langsame  Steigerung  der  Exekutions- 
mittel vorsahen,  bei  deren  Anwendung  das  kirchliche  Leben  möglichst 
wenig  gestört  werden  solle.  Die  Exekutoren  sollten  nicht  durch  Bann 
oder  Suspension  das  Ziel  erreichen,  sondern  durch  Entziehung  der  Ein- 
künfte und  Verwendung  von  Dreiviertel  zur  Schuldentilgung.  Also  nicht 
durch  den  kirchlichen  Zwang,  sondern  durch  den  weldichen,  nur  war 
es  sehr  fraglich,  ob  die  Exekutoren  so  leicht  die  Verwaltung  des  Bis- 
tums in  die  Hände  bekamen.  Der  Säumige  war  nach  Rom  vorzuladen. 
Für  den  Fall  der  Widerspenstigkeit  wurde  den  Exekutoren  das  Recht 
der  Entziehung  der  Obedienz  eingeräumt. 

Die  italienischen  Geldhändler  fanden  also  bei  der  Kurie  nur  inso- 
weit festen  Schutz,  als  es  sich  um  das  Hauptgut  handelte.  Dieses  wurde 
ihnen  durch  jene  verbürgt,  sie  liefen  aber  Gefahr,  wenn  sie  die  Hilfe  der 
Kurie  anriefen,  auf  die  Zinsen  verzichten  zu  müssen.    Das  ist  die  eigen- 


^  Nicolaus  III.  befahl  zu  zahlen:   cum  justis   et  moderatis   expensis  ac  debita 
restauratione  damnorum  et  inUresse^  usuris  omnino  cessantibus,    Gay  107. 

"  Langlois  7202.    Erläuterung  und  Übersetzung  bei  Schneider  54—60  und 

75-78. 


270  Dreiundzwanzigstes  Kapitel. 

ttimliche  Lage,  in  welcher  sich  der  Geldhandel  jener  Tage,  soweit  er  die 
Kreise  der  Geistlichkeit  berührte,  befand.  Der  Kaufmann  suchte  Zinsen 
durchzuschmuggeln,  der  Schuldner  mufste  ihm  der  liebste  sein,  der  nicht 
sofort  zahlte,  aber  auch  die  Sache  nicht  zu  weit  trieb. 

Nach  der  strengen  Lehre  waren  die  meisten  jener  Kaufleute  un- 
zweifelhaft als  Wucherer  anzusehen.  Mir  sind  keine  Dokumente  bekannt 
geworden,  in  denen  die  Kurie  direkt  einen  solchen  angriff,  doch  war 
das  ja  zunächst  die  Sache  des  Pfarrers  und  des  Bischofs.  Die  öffent- 
liche Meinung  stellte  sie  den  „Lombarden"  und  „Gawerschen"  an  die 
Seite,  die  sie  für  unehrliche  Leute  taxierte.  Statt  aller  Beispiele  führe 
ich  eine  Stelle  aus  der  Chronik  der  Kolmarer  Dominikaner  an:  „1278. 
In  der  Stadt  Basel  begruben  die  Minderbrüder  einen  Gawerschen  zum 
grofsen  Ärgernis  ihrer  Nachbarn^."  Das  Verbot  des  kirchlichen  Begräb- 
nisses für  Wucherer  wurde  hier  also  im  allgemeinen  aufrecht  erhalten. 
Der  Hafs,  den  diese  Lombarden  sich  aufluden,  führte  in  England  und 
Frankreich  zur  Vertreibung  derselben.  Der  englische  Geschichtschreiber 
Mattäus  von  Paris  hat  seine  Stimmung  und  die  des  Volkes  mit  Leiden- 
schaft ausgesprochen. 

Sie  galten  in  der  Fremde  als  Wucherer,  aber  auch  in  der  Heimat. 
Vorzüglich  hat  uns  Boccaccio  im  Decamerone  die  gegen  die  Wucherer 
gerichtete  Stimmung  geschildert^.  Manchem  schlug  zwar  das  Gewissen, 
und  wenn  Innocenz  IV.  der  Brüderschaft  della  Misericordia  zu  Siena, 
welche  für  Waisen,  Witwen  und  Armen  sorgte,  die  Erlaubnis  gab,  durch 
Wucher  erworbenes  Gut,  wenn  dessen  Eigentümer  nicht  aufzufinden 
war,  anzunehmen,  so  ist  gewifs  auch  mancher  deutsche  Schilling  in  den 
Stock  der  Brüderschaft  gewandert ^  Auf  dem  Todesbette  hat  m^ancher 
von  diesen  Wucherern  den  Zins  gewifs  wieder  herauszugeben  befohlen, 
wie  es  der  Sienese  Federico  Rimpretto  1238  that,  der  seinen  Schuldnern 
in  der  Champagne  die  Zinsen,  die  er  bei  acht  derselben  auf  1045  U 
Provisini  anschlug,  zurückzuzahlen  Anweisung  gab*. 


>  Ann.  Colm.  maj.  M.G.  SS.  17,  204. 

2  Erster  Tag  erste  Erzählung.  Ser  Ciaj^jH'Ueto  ist  nachgewiesen  im  Giorn. 
storic.  della  litter.  italiana  5,  329  ff. 

'  Berger  3,  29.  Ein  anderes  Beispiel  für  Siena:  Baldistricto  ein  Senensij 
cujus  parentes  non  modicam  quantiMein  bonorum  per  pravitatem  usurarium  acquisi- 
verant,  indulget  papa,  ut  hotiis  ilUcite  a4:qxiisüis  cofisiUo  Asaisinatis  episcopi  liciie  vero 
acquisitis  ipse  ejusque  heredes  lihere  uti  possint.  Ebda.  3,  228.  Ahnlich  erhielten 
1304  die  Predigermönche  in  Strafsburg,  Speier,  Trier  und  Köln  Erlaubnis,  Gelder 
aus  Wucher,  liaub  und  schlechtem  Erwerb  bis  zu  500  Mark  Silber  anzunehmen. 
Grandjean  601. 

*  Auch  für  Vater  und  Brüder  sollte  das  Wuchergeld  zurückgegeben  werden. 
Unter  den  Schuldnern  ist  der  Graf  von  der  Champagne,  der  Bischof  von  Toul,  Abt 
von  Flavigny  und  die  Gemeinden  Provins  und  Bar.    Bulletino  sencsc  di  storia 


Die  Grundlagen  dieses  Kredits.  271 

Direkt  an  eine  Kaufmannsgesellschaft  gerichtet  ist  eine  Urkunde 
Nikolaus'  IV.  Die  Chiarcnti  von  Pistoja,  welche  Wucherei  getrieben, 
wollen  das  in  Zukunft  nicht  mehr  thun,  sie  haben  einigen  das  Geld 
zurückgegeben.  Für  die  Entlastung  des  übrigen,  das  sie  dann  ruhig  be- 
sitzen sollen,  haben  sie  1000  Goldunzen  zu  den  Wiederherstellungsarbeiten 
an  Sa.  Maria  Maggiore  zu  Rom  zu  zahlen^.  Am  eigentümlichsten  be- 
rührt unser  Gefühl  eine  Urkunde  Bonifaz'  VIII.  Er  läfst  den  Francesi 
von  Florenz  das  »per  usuras  et  alias  per  contr actus  pravos  et  illicitost 
erworbene  Gut,  da  sie  in  freiwilliger  und  demütiger  Beichte  ihre  Schuld 
eingestanden^.  Zu  den  Francesi  gehörte  aber  neben  Biccio  di  Guido  dei 
Francesi  auch  Musciatto,  der  die  rechte  Hand  Philipps  des  Schönen,  wie 
Karls  von  Valois  war,  den  letzteren  begleitete  er  auf  seinem  Zuge  nach 
Italien.  In  Florenz  war  er  nach  Dante  der  Urheber  der  Morde  vom 
11.  April  1302  und  auf  seiner  Burg  sammelten  sich  die  Verschwörer, 
welche  in  Anagni  Papst  Bonifaz  VIII.  überfielen®.  Es  ist  kein  Zweifel, 
Musciatto  war  es,  der  zum  erstenmal  Franzosen  auf  die  italienische  Halb- 
insel führte  und  dem  Bruder  des  Königs  wie  seinem  ersten  Staatsmann 
auf  italienischem  Boden  die  Hand  leitete*.  Ein  Emporkömmling,  der 
Sohn  des  kleinen  Fighine,  den  Dante  im  Auge  hatte,  als  er  die  neue 
Bürgerschaft  von  Florenz  der  alten  entgegensetzte  .  .  . 

la  cittadinama,  ch^e  or  mista 
Di  Campi,  di  Cerialdo  e  di  Fighina 
Pura  vedcasi  nelV  ultimo  artista.    Paradiso  16,  49 — 51** 

war  der  Spiritus  rector  des  Attentates  von  Anagni.    Man  meint  ein  Straf- 
gericht durchzufühlen! 

Ehrenberg  ist  es  vortrefflich  gelungen  nachzuweisen,  dafs  das  Be- 
dürfnis der  Fürsten,   Krieg  zu   führen   und   dazu   schnell   Geldmittel   zu 


patria  4,  115 — 128.  Viele  ähnliche  Testamente  haben  sich  in  Siena  erhalten. 
Ebda.  327. 

>  Langlois  Nr.  6926. 

a  1297  Februar  5.  Digard,  Faucon  u.  Thomas  Nr.  1661.  »Büectis  filiis 
BayaeriOf  Albizo  et  Sinibaldo  milüibufij  Biccio,  Musacto  et  Nicolutio  fratrihus  de  Fran- 
cesis  ac  Ciono  Marzoli  civibus  Florentini.<i.^ 

8  Piton  92  f.,  102—114.  Übrigens  hatte  Bonifaz  VIII.  bald  Grund,  an  Biccios, 
Musciattos  Bruders,  Verhalten  Anstofs  zu  nehmen.  Ihm  wurde  die  Besorgung  der 
Geldgeschäfte  entzogen  und  an  die  Spiui  und  Chiarenti  überwiesen.  1297  Okt.  28. 
Digard  Nr.  2091.  Gegen  die  Abbati  und  Bacherelli  von  Florenz  ging  Bonifaz  noch 
schärfer  vor,  indem  er  ein  Verbot  erliefs,  ihnen  die  Schulden  zu  zahlen.  Sic  unter- 
warfen sich  aber  bald.    Digard  Nr.  2425. 

*  Langlois  in  seinen  vortrefflichen  Ausfuhrungen  in  der  Revue  historique 
60,  323. 

*  Allein  das  Bürgertum,  das  jetzt  gemischt  ist 
Aus  Campi,  aus  Certald  und  aus  Figghine, 

War  rein  zu  schaun  im  letzten  Handwerksmann.         (Philalethes.) 


272  Dreiundzwanzigstes  Kapitel. 

beschaffen,  zu  ausgedehnten  Anleihen,  zum  Kreditnehmen,  zum  vollen 
Widerstreite  gegen  die  scholastische  Wucherlehre  geführt  hat^  Der 
Spruch  >pecunia  nervus  hellU  machte  den  älteren  ^Fecunia  pecuniam  non 
purere  potesU  zu  Schanden.  Auch  wir  haben  gesehen,  dafs  die  Aktion 
zu  Gunsten  der  Anjous,  der  Kampf  wider  die  letzten  Staufer  nur  durch 
die  Inanspruchnahme  des  gewaltigen  Kredits  der  Kurie  durchführbar 
war.  Aber  der  Krieg,  die  auswärtige  Politik  hat  nicht  allein  das  inter- 
national gewordene  Geldgeschäft  geschaffen,  in  vielleicht  umfangreichem 
Mafse  wandte  es  sich  zunächst  einem  anderen,  wesentlich  friedlicheren 
Bedürfnisse  zu.  Die  seit  dem  dreizehnten  Jahrhundert  hochentwickelten 
Abgaben,  welche  der  Prälat  bei  seinem  Amtsantritt  zu  entrichten  hatte, 
erzeugten  ein  Geldbedürfnis,  das  in  der  Heimat  nicht  befriedigt  werden 
konnte,  sondern  nur  von  Bankiers,  die  mit  der  Kurie  Fühlung  hatten. 
Dieser  Kredit  erstreckte  sich  aber  nur  auf  die  Geistlichkeit  und  sehr 
wohl  ist  zu  beachten,  dafs  von  den  drei  oben  erwähnten  Voraussetzungen 
die  erste,  das  zahlen-können,  keine  Bedenken  bot,  die  zweite,  das  zahlen- 
wollen, oft  genug  bei  den  Schuldnern  fehlte,  die  dritte  aber,  das  zahlen- 
müssen durch  die  Kurie  verbürgt  war,  aber  nur  für  das  Kapital  konnte 
die  Hilfe  der  Kurie   in  Anspruch  genommen  werden. 

Der  Zwang  zum  Zahlen  bestand  für  die  deutschen  Fürsten  nicht, 
hier  griff  die  Kurie  nicht  ein.  So  kam  es,  dafs  diese  ihr  Geldbedürfnis 
innerhalb  des  Landes  bei  Juden  und  bei  den  dort  angesiedelten  Lombarden 
oder  auf  andere  Weise  decken  mufsten ;  für  sie  waren  die  grofsen  Geld- 
händler nicht  zu  haben.  Diese  haben  mehr  Vertrauen  auf  die  Könige 
von  England  und  Frankreich  gesetzt,  in  deren  Reichen  um  1300  sie 
geradezu  dominierten;  aber  es  fehlte  das  zahlen  -  müssen ,  die  Könige 
brachen  ungestraft  ihr  Wort  und  ein  grofser,  allgemeiner  Bruch  der 
Banken  von  Florenz  folgte.  Geleitet  durch  die  Interessen  des  Waren- 
handels hatten  sie  sich  dort  zur  leichtsinnigen  Gewährung  von  Kredit 
an  die  öffentliche  Gewalt  bestimmen  lassen.  Der  Zusammenbruch  war 
das  Ergebnis,  mit  ihm  schliefst  die  erste  Blütezeit  der  Florentiner  Banken  *. 


1  S.  1  flF.: 

'  Vgl.  das  nächste  Kapitel. 


Zweiter  Teil. 

ITALIENER  BEI  ERHEBUNG  PÄPSTLICHER  STEUERN 

IN  DEUTSCHLAND. 


Vierundzwanzigstes  Kapitel. 
Italiener  bei  Erhebung  kirchlicher  Steuern  in  der  voravignonesischen  Zeit. 

Organisation  der  Steuern  in  Deutschland.  Zutoeisung  a/n  bestimmte  Banken. 
Charakteristik  derselben.  An  Stelle  Sienas  tritt  Florenz,  Entwicklung  des  Florentifier 
Handels  in  Verbindung  mit  der  politischen  Geschichte,  Pisti^a,  Sturz  der  Ämmanati, 
die  Chiarenti  und  das  Kardinalskollegium, 

Die  Oeschichte  der  päpstlichen  Kreuzzugssteuem  ist  für  das 
dreizehnte  Jahrhundert  bereits  von  Gottlob  ^  geschrieben.  Es  soll  hier 
ein  von  diesem  gründlichen  Kenner  des  päpstlichen  Finanzwesens  nur 
flüchtig  gestreiftes  Kapitel  behandelt  werden,  das  zum  Teil  inzwischen 
von  Schneider  in  anderem  Zusammenhange  erledigt  wurde.  Es  ist  das 
der  Anteil,  den  italienische  Kaufleute  an  der  Erhebung  der  Steuern 
hatten.  Ya  ist  längst  beobachtet,  dafs  der  Transport  und  zum  Teil  auch 
die  Aufbewahrung  der  Steuererträgnisse  seit  Mitte  des  dreizehnten  Jahr- 
hunderts in  die  Hände  italienischer  Kaufleute  gelegt  wurde.  Das  gilt  — 
täusche  ich  mich  nicht  —  für  Deutschland  doch  nur  in  eingeschränktem 
Sinne.  Hier  wurde  der  Transport  über  die  Reichsgrenze  mehrfach  von 
den  Sammlern  selbst  besorgt.  Nach  Avignon  namentlich  werden  wir 
eine  ganze  Reihe  solcher  Transporte  verfolgen  können.  Diese  Beob- 
achtung legte  mir  den  Gedanken  nahe,  zu  untersuchen,  ob  überhaupt  die 
Italiener,  welche  sonst  erscheinen,  nur  ad  hoc  deutschen  Boden  betreten 
hatten  oder  ob  das  Geld  an  fest  domizilierte  Agenten  der  italienischen 
Gesellschaften  gegeben  wurde,  wie  sie  deren  in  Frankreich,  Flandern 
und  England  hatten.  Können  wir  eine  gröfsere  Zahl  von  Fällen  nach- 
weisen, in  denen  der  Agent  fest  domiziliert  war,  so  werden  wir  auch 
für   Deutschland    solche    Kommanditen   annehmen    dürfen;    mit  anderen 


^  Die  päpstlichen  Kreuzzugssteuem. 

Schulte,  Geseh.  d.  mittel alterl.  Handels.    I.  18 


274  Vierundzwanzigstes  Kapitel. 

Worten,  es  handelt  sich  darum  nachzuweisen,  ob  tiberhaupt  auf  deutschem 
Boden  die  italienischen  Geldfirmen  persönlich  zu  erscheinen  und  Handel 
zu  treiben  gewohnt  waren. 

Die  erste  päpstliche  Steuererhebung,  welche  in  gröfseren  Teilen 
Deutschlands  zum  Vollzug  kam,  war  der  Kreuzzugszehnte,  der  1274  von 
dem  zweiten  Konzil  zu  Lyon  auf  den  gesamten  Klerus  der  katholischen 
Welt  gelegt  wurde.  Der  Vollzug  nahm  eine  Reihe  von  Jahren,  ja  von 
Jahrzehnten  in  Anspruch,  noch  1289/90  wurde  ein  neuer  Kollektor  an- 
gestellt. Deutschland  wurde  zunächst  nach  den  Erzspreugeln  zerlegt. 
Im  Norden  war  für  die  von  Köln,  Bremen  und  Magdeburg  Raynerius  de 
Orio,  seit  1285  Theoderich  Abt  zu  Orvieto  thätig.  Im  Süden,  wo  die 
Erhebung  weniger  schwierig  wurde,  arbeitete  erst  Rogerius  de  Merlo- 
monte.  1285  wurde  aber  eine  neue  Einteilung  durchgeführt,  welche 
Rücksichten  auf  die  Handels-  und  Verkehrsverhältnisse  vermuten  läfst. 
Zum  Erzbistum  Salzburg  wurden  die  Diöcesen  Prag,  Olmütz,  Eichstätt 
und  Bamberg  Aliro  de  Ricardis,  einem  Kanonikus  von  S.  Marco  zu 
Venedig,  gegeben.  Es  sind  also  die  Diöcesen,  deren  Verkehrsmittel- 
punkt nach  Italien  hin  unbestritten  Venedig  war.  Das  übrige  Reichs- 
deutschland wurde  Theoderich  zugewiesen,  der  1289/90  das  ganze  Gebiet 
übernahm. 

Seitens  der  Kurie  erhielten  die  Kollektoren  Instruktionen,  an  be- 
stimmt bezeichnete  Kaufmannsgesellschaften  das  Geld  abzuliefern.  Grund- 
sätzlich trat  sie  für  diese  Art  des  Transportes  ein,  auf  die  die  Kollektoren 
selbst  nur  zögernd  eingingen.  Gregor  X.  wies  nun  zunächst  den  Ober- 
kollektor für  ganz  Deutschland  an,  die  gesammelten  Gelder  an  die  Gesell- 
schaft des  Bernardo  Scotti  von  Piacenza,  speciell  an  die  als  familiäres 
des  Papstes  bezeichneten  Opizo  de  Farignano  und  Rolando  di  Ripalta, 
auszuzahlen  ^.  Da  der  Papst  selbst  aus  Piacenza  stammte,  wird  die  Ver- 
wendung seiner  Landsleute  und  ihr  Titel  Familiären  erklärlich.  Bei  den 
Scotti  handelt  es  sich  zudem  um  ein  Haus,  das  mit  den  Anguissola, 
Guadagni'Bene,  Borrini  und  den  Rustigazzi  den  damals  sehr  ausgedehnten 
Handel  von  Piacenza  betrieb,  sie  hatten  Niederlassungen  von  Famagusta 
auf  Cypern  bis  nach  England^. 

In  der  That  können  wir  Orlando  di  Ripalta  in  Basel  und  Konstanz 
bei  seinem  Geschäfte  nachweisen.  Ende  November  1275  erhob  er  die 
Gelder  in  Basel  ^,  fast  ein  Jahr  später  empfing  er  in  Konstanz  1770  Mark 
Silber*.     Bei  der  Abrechnung   in   Trier   (1278   Januar   7)   ist   seine  An- 


*  Mitteilungen  a.  d.  vat.  Archiv  1,  109. 
«  Piton. 

'  Urkundenbuch  von  Basel  2,  98. 

*  Liber  dccimationis  im  Freib.  Diöcesan-Archiv  1,  167  f. 


Italiener  bei  Erhebung  kirchlicher  Steuern  in  voravignonesischer  Zeit.     275 

Wesenheit  nicht  recht  klar  bezeugt,  genannt  wird  er  auch  do^t^  Nur 
noch  einmal  ist  mir  sonst  in  den  päpstlichen  Urkunden  die  Firma  der 
Scotti  begegnet,  Papst  Nikolaus  IV.  nahm  sie  in  seinen  Schutz*.  Es 
mag  also  sein,  dafs  die  Scotti  auch  wegen  ihrer  Verbindungen,  die  sie 
in  Deutschland  besafsen,  den  sonst  so  sehr  begünstigten  Florentinern 
und  Pistojesen  vorgezogen  wurden.  Piacenza  mufste  ja,  wie  wir  gesehen 
haben,  der  Handel  über  die  Alpen  näher  liegen,  als  den  Toskanern. 

Sie  haben  aber  ihre  Stellung  bei  der  Kurie  nicht  behauptet:  die 
Florentiner  liefen  ihnen  den  Rang  ab,  Johann  XXI.  und  Nikolaus  III. 
wiesen  Merlomonte  an  die  Frescobaldi,  Kainerio  de  Orio  an  dieselben 
und  die  Alfani».  Martin  IV.  (1281—85),  der  die  gröfste  Zahl  von 
Banken,  mindestens  sieben,  bei  der  Erhebung  des  Zehnten  verwendete, 
befahl  Theoderich,  der  damals  Trier  und  den  gröfsten  Teil  von  Mainz 
hatte,  da  das  Geld  in  Deutschland  nicht  sicher  sei,  es  an  Kaufleute  von 
Florenz,  Siena,  Lucca  oder  Pistoja  zu  übergeben*,  sehr  bald  wurde  das 
eingeschränkt  auf  die  Oesellschaft  des  Thomasius  Spillati  und  des  Lapus 
Hugonis  Spine  —  oder  wie  sie  zu  bezeichnen  ist  die  Gesellschaft  der 
Spiglati-Spini*.  Honorius  IV.  (1285 — 87)  bezeichnete  neben  den  Spiglati 
wieder  die  Frescobaldi  und  neben  ihnen  die  Ammanati  von  Pistoja  und 
die  Abbati  &  Bacherelli  von  Florenz®.  Nikolaus  IV.  bestätigte  das^, 
da  der  Zehnteinnehmer  den  Befehl  des  Papstes  nicht  ausgeführt  hatte, 
zunächst,  hob  aber  noch  im  gleichen  Jahre  diese  Verfügung  auf  und 
wies  den  Kollektor  an,  den  gesamten  Betrag  nunmehr  an  die  von  diesem 
Papste  bevorzugten  Chiarenti  von  Pistoja  abzuliefern®.  Vom  Jahre  1289 
haben  wir  eine  Art  Abrechnung,  die  Chiarenti  von  Pistoja  übernahmen 
von  den  Gesellschaften  die  bei  ihnen  deponierten  deutschen  Zehntgelder®. 
Es  waren  das  bei  den 

Alfani 550    M.  Sterl. 

Frescobaldi  .     .     .  565^/2  -  -                    und  266  it  kl.  Turnosen 

Ammanati     ...  537      -  -      ISiilOß  gvAGl  fi    - 

Abbati  &  Bacherelli  538      -        14  ^  6 /g  8  ^  kl.  Turnosen 

2190V/2  M.  Sterl.  13  «5  10^  gr.  441  W  6j(?  8  ^  kl.  Turnosen 


'  Lamprecht  3,  69. 

«  Langlois  Nr.  3682. 

«  Mitteilungen  1,  120  u.  121.     Schneider  S.  7. 

*  Mitteilungen  1,  284. 

^  Mitteilungen  1,  280,  290,  316. 

*  Prou  Nr.  155,  156  u.  640.    Das  Regest,  Mitteilungen  1,  338,  ungenügend. 
'  Langlois  Nr.  151. 

8  Langlois  Nr.  7158. 
»  Langlois  Nr.  7226—29. 

18  ♦ 


276  Vienindzwanzigstes  Kapitel. 

Raynerius  de  Orio  hatte  den  Ertrag  der  Diöcesen  Lübeck  und  Ratze- 
burg mit  1500  Mark  Lübisch  dem  Rate  von  Lübeck  übergeben,  der  ver- 
sprach dem  Inhaber  der  von  ihm  ausgestellten  und  Rayner  übergebenen 
Urkunde  in  Brügge  die  Valuta  mit  128  ü  guter  Turnosen  Groschen  zu 
überreichen.  Es  ist  das  der  älteste  (Eigen-)wechsel,  der  bisher  in  Deutsch- 
land nachgewiesen  ist,  die  Lübecker  lernten  offenbar  diese  Bezahlungsform 
von  den  Italienern  kennen  ^. 

Bonifaz  VIII.  wies  1295  den  Erzbischof  von  Trier  und  seinen  Ge- 
nossen, die  Sammler  des  deutschen  Kreuzzugszehnten,  an,  die  ein- 
kommenden Gelder  bei  den  Gesellschaften  der  Spini  und  Mozzi,  die  sich 
finanziell  getrennt  hatten,  politisch  aber  Hand  in  Hand  gingen,  und  den 
Chiarenti  von  Pistoja  niederzulegen*.  Es  waren  das  die  damals  hervor- 
ragendsten Banken  von  Florenz  und  Pistoja^.  Später  war  an  deutschen 
Zehnten  in  bescheidenem  Mafse  auch  der  Ritter  Giacomo  Gaetani  aus 
Pisa,  ein  Verwandter  des  Papstes,  beteiligt*.  Benedikt  XI.  wies  den 
Zehnten  aus  den  Erzsprengeln  Mainz  und  Trier  den  Corchi  zu^. 

Werfen  wir  einen  Blick  auf  den  Wechsel  der  Bankiers  der  Kurie®. 
Fast  jedes  Pontifikat  bevorzugte  andere  Geschäfte.  Honorius  IV.  behielt 
für  das  Depositgeschäft  die  Spiglati- Spini  aus  Florenz  und  die  Ammanati 
aus  Pistoja,  auch  die  Buonsignori  von  Siena  und  die  Ricciardi  von  Pistoja 
bei  und  verwendete  neu  die  Alfani  von  Florenz,  deren  Agenten  bis  nach 
Norwegen  gingen,  die  Abbati,  florentinische  Ghibellinen,  die  schon  früher 
verwendeten  Frescobaldi,  die  mit  den  Anjous  eng  verbunden  waren. 
Nikolaus  IV.  arbeitete  mit  weniger  Banken,  neu  beschäftigte  er  die 
Chiarenti  von  Pistoja.  Als  1291  Philipp  der  Schöne  die  in  Frankreich 
weilenden  Lombarden  gefangen  nehmen  und  auf  ihre  Güter  Beschlag 
legen  liefs,  nahm  sich  der  Papst  als  der  hauptsächlichsten  Kaufleute  der 
päpstlichen  Kammer,  der  Buonsignori  aus  Siena,  der  Pulci,  Spiglati- 
Spini  und  Frescobaldi  aus  Florenz,  der  Ricciardi  und  der  Chiarenti, 
an^.  Seine  besondere  Gunst  gehörte  den  Chiarenti.  Die  Regierung  von 
Bonifaz  VIII.  bezeichnet  den  Höhepunkt  des  Einflusses  von  Florenz 
auf  die  päpstliche  Kammer.     Vor  allem    waren   mächtig   die  Spini,   von 

«  Lübecker  Urkb.  1  Nr. 450.   Stobbe  in  Zeitschr.  f.  Handelsrecht  8,  33  f. 
«  Digard  Nr.  826. 
»  Schneider  19  f. 

*  Reg.  Clem.  papae  V.    Abrechnung  der  Spini  Nr.  1152. 
»  Grandjean  Nr.  1273.    Schneider  27. 

*  Vgl.  die  sorgfältige  Untersuchung  von  Schneider  11 — 28,  der  die  Banken 
auch  nach  ihrer  politischen  Seite  hin  charakterisiert,  und  Gottlob,  Darlehens- 
schulden. 

'^  Langlois  Nr.  7326  u.  7384.  Schon  Nikolaus  III.  hatte  in  einem  gleichen 
Falle,  als  der  König  von  Frankreich  die  Italiener  gefangen  setzen  liefs,  sich  für 
die  Scali,  Spiglati-Spini  und  die  Pulci-Rimbertini  verwendet.    Gay  Nr.  64,  66  u.  68. 


Italiener  bei  Erhebung  kirchlicher  Steuern  in  voravignonesischer  Zeit.     277 

denen  sieh  die  Spiglati  di  Mozzi  getrennt  hatten.  Die  Spini,  Mozzi  und 
Chiarenti  bekamen  fast  ein  Monopol^  Die  politischen  Verhältnisse 
führten  die  Mozzi  aber  zu  den  Gegnern  des  Papstes,  der  um  so  enger 
sich  an  die  Spini  hielt;  dann  verwandte  er  wieder  alle  drei  Banken  und 
dazu  die  Bardi,  Benedikt  XI.  ersetzte  die  zu  den  Neri  haltenden  Spini 
durch  Vertreter  der  Bianchi,  durch  die  Cerchi.  Cerchi,  Bardi  und  Chiarenti 
waren  nun  die  Freunde  der  Kurie,  wie  unter  dem  ersten  avignonesischen 
Papste  die  Bardi  und  Peruzzi. 

Schon  aus  diesen  Angaben  folgt,  dafs  Siena  seine  alte  Bedeutung 
für  die  Wirtschaft  der  Kurie  an  Florenz  und  das  kleinere  nachbarliche 
Pistoja  eingebüfst  hatte.  Die  Guelfen  von  Siena  verloren,  als  sie  aus 
der  Stadt  vertrieben  waren,  ihren  Einflufs,  um  ihn  an  die  in  gleicher 
Lage  befindlichen  Guelfen  von  Florenz  abzugeben. 

Nach  dem  Zeugnisse  Villanis*  sollen  die  guelfischen  Händler,  welche 
1260  nach  der  Schlacht  bei  Montaperti  die  Stadt  hatten  räumen  müssen, 
über  die  Berge  nach  Frankreich,  wo  sie  bis  dahin  nicht  gewesen  seien, 
gezogen  sein,  grofser  Reichtum  sei  dadurch  nach  Florenz  gekommen. 
Thatsächlich  war  lange  vorher  den  Florentinern  der  Weg  nach  Frank- 
reich wohlbekannt,  ja  schon  waren  sie  nach  Fngland  gekommen,  schon 
vorher  hatten  sie  auch  Beziehungen  zur  Kurie,  allein  von  1260  an  zeigt 
sich  ein  stetiges  Anwachsen  des  Florentiner  Handels.  An  der  Kurie 
führt  er  zum  Monopol.  Als  April  1267  die  Ghibellinen  für  immer  Florenz 
verlassen  hatten,  war  diese  Stadt  der  Mittelpunkt  des  Geldhandels  der 
Welt.  Die  Florentiner  Kaufleute  wanderten  nun  in  der  Welt  umher, 
der  Charakter  der  Stadt  w^ar  verändert,  daheim  blieben  die  Frauen  und 
Kinder,  wenn  nicht  die  Familie  mit  in  das  Ausland  zog,  und  Dante 
konnte,  die  alten  Zeiten  preisend,  Cacciaguida  die  Worte  in  den  Mund 
legen : 

0  fortunate!  e  dasctina  era  certa 

DeUa  8ua  sepoUura^  ed  ancor  nulla 

Era  2)er  Francia  nel  letto  deserta.  Paradiso  15,  118  ff.*. 

Die  Erscheinung  bedarf  einer  Erklärung.  Schon  in  anderem 
Zusammenhange  ist  gezeigt,  dafs  die  Blüte  von  Florenz  auf  der  Woll- 
industrie beruhte,  welche  feine  Wolle  bearbeitete  oder  Wollwaren  ver- 
feinerte. Das  führte  sie  nach  England  wie  nach  Flandern*.  Der  Geld- 
handel ergab  sich  von  selbst.     Die  Florentiner  Guelfen  brachten  in  ihm 


»  Digard  Nr.  1096.    1225.    Theiner,  Cod.  dipl.  sedis  sanctae  1,  360. 

«  Villani  Hb.  VI  cap.  85. 

'  0  Glückliche!  und  ihrer  Grabesst&tte 

War  jegliche  gewifs,  und  noch  war  keine 

Im  Ehebett  verwaist  um  Frankreichs  willen.  (Philalethes.) 

*  Davidsohn  790  f.  u.  öfter. 


278  Vierundzwanzigstes  Kapitel. 

aber  eine  folgenreiche  Neuerung  zur  Geltung,  eine  neue  Münze,  welche 
von  vornherein  geeignet  war,  die  internationale  Münze  zu  werden.  Seit 
1252  prägten  die  Florentiner  ihren  Gulden,  und  sie  haben  daran  fest- 
gehalten, diese  Münze  durchaus  gut  und  rein  zu  erhalten  ^.  Nicht  sofort 
vollzog  sich  der  Sieg  des  Guldens,  aber  er  war  um  so  sicherer,  als  die 
neuen  Konkurrenten,  die  Turnosen  und  Groschen,  beim  Silber  verblieben 
waren,  die  alten,  die  Provesinen  und  Sterlinge,  dieser  dreifachen  Kon- 
kurrenz nicht  gewachsen  waren  ^. 

Die  Bankiers  von  Siena  gehörten  zumeist  dem  Adel  an,  die  Floren- 
tiner entstammten  meist  dem  popolo,  ja  einige  der  angesehensten,  die 
Bardi,  Cerchi,  Francesi,  Gherardi  und  die  adligen  Frescobaldi  und  Mozzi, 
waren  vom  Lande  nach  Florenz  eingewandert®,  und  Dante  schiebt  ihnen 
die  Schuld  zu,  dafs  die  Geldgier  das  alte  gute  Volk  seiner  Vaterstadt 
verdarb.  Die  neuen  Bankiersfamilien  und  die  neuen  nach  der  Kurie 
schauenden  Familien  sind  die,  gegen  welche  sich  der  Dichter  besonders 
auflehnt^.  Zu  den  Ghibellinen  hielten  sich  von  den  uns  bekannten 
Bankiers  wohl  nur  die  Abbati.  Die  tiefe  Kluft,  welche  sich  aber  am  Ende 
des  dreizehnten  Jahrhunderts  innerhalb  der  Guelfen  bildete  und  die  Neri 
von  den  Bianchi  trennt,  teilte  auch  die  Bankierswelt,  welche  wir  kennen 
gelernt  haben. 

Die  Schwarzen  hatten  in  den  Tagen  Bonifaz'  VIII.  die  engste  Be- 
ziehung zur  Kurie.  Die  Spini  standen  ja  neben  Corso  Donati  an  der 
Spitze  dieser  Partei,  welcher  der  Sieg  zufiel,  und  ihre  Bank,  deren  Haupt 
Gheri  Spina  war,  hatte  in  Simone  Gherardi  und  Simone  Cambio  di  Sesto 
Vertreter  bei  der  Kurie,  welche  wie  eine  ständige  Gesandtschaft  wirkten*. 
Zu  ihnen  gehörten  auch  die  Frescobaldi,  die  Pazzi,  ebenso  ein  Teil  der 
Bardi.  Bei  den  Bianchi  stand  an  der  Spitze  das  Haus  der  Cerchi,  ihnen 
folgten  die  ghibellinischen  Abbati,  die  Mozzi,  Scali,  Alfani  und  Pulci 
und  ein  Teil  der  Bardi®,  In  den  entscheid ungs vollen  Monaten  des 
Jahres  1301  wohnte  Karl  von  Valois  im  Palast  des  Berto  Frescobaldi, 
seine  Ritter  bei  den  Spini,  den  Führern  der  Neri,  so  dafs  sie  den  ponte 
di  S,  Triniid,  den  ein  Frescobaldi  erbaut  hatte,  wie  durch  zwei  Brücken- 
köpfe beherrschten^.  Mit  den  Weifsen  wurde  auch  Dante  verbannt. 
Doch  ich  darf  mich  nicht  auf  die  Florentiner  Geschichte  einlassen. 


*  Villari  1,  288.    Hartwig,  Ein  Menschenalter  Florentiner  Geschichte  1,  19. 

*  Die  Münze  von  Provins  war  in  ßom  nachgeahmt  worden  als  provesini  de  sefiatu. 
'  H  a  r  t  w  i  g  If  20.  Vgl.  zu  diesem  Abschnitt  auch  Schneiders  genaue  Angaben. 
^  Hartwig  1,  20. 

6  Del  Lungo  1,  204.    2,  94  f. 

«  Villani  8,  39;   die  Stellung  einiger  Familien  durch  Del  Lungo  bestimmt. 
Vgl.  auch  Schneider. 

■^  Viliani  8,  49.   Perrens  3,  44.    Gregor  X.  hatte  1273  bei  Tommaso  Spiglati 


Italiener  bei  Erhebung  kirchlicher  Steuern  in  voravignonesischer  Zeit.     279 

Die  innige  Verbindung  der  Florentiner  Geldmächte  mit  der  Kurie 
war  nun  dauernd  begründet.  Das  ist  das  Ergebnis  der  Kämpfe  zwischen 
den  Schwarzen  und  den  Weifsen  gewesen,  Florenz  hatte  das  Monopol 
bei  der  Kurie  erstritten  und  auf  die  Geschichte  der  Päpste  und  der 
Kirche  einen  Einflufs  gewonnen,  wie  ihn  keine  andere  Stadt  —  Rom 
ausgenommen  —  je  wieder  besessen  hat.  Und  wenn  Bonifaz  VIII. 
wirklich,  die  aus  Horenz  stammenden  Vertreter  fremder  Fürsten  be- 
grüfsend,  gesagt  hat:  die  Florentiner  seien  das  fünfte  Element,  so  hatte 
er  damit  nicht  so  Unrecht.  Wann  haben  je  wieder  Bankiers  sich  als 
Vertreter  von  Fürsten  der  verschiedensten  Kulturländer  bezeichnen 
können?  Der  Wollhandel  hatte  die  Florentiner  in  den  Geldhandel  ge- 
bracht, die  Kurie  verstärkte  diese  Tendenz,  ja  gab  ihnen  schliefslich  das 
Monopol.  Was  Dante  bekämpft  hatte,  war  eingetreten,  das  alte  patriar- 
chalische Florenz  war  dahin,  die  Söhne  der  Herrscherin  des  Geldmarktes 
waren  überall  in  die  Politik  verwickelt  und  mufsten  nun  an  ihrem  Geld 
die  schweren  Erschütterungen  der  Geschichte  spüren. 

Von  den  bitteren  Kämpfen,  welche  im  Hause  der  Cancellieri  aus- 
gebrochen waren  und  die  Stadt  Pistoja  in  zwei  heftig  sich  befehdende 
Parteien  gespalten  hatte,  waren  die  Namen  Bianchi  und  Neri  auf  die 
Florentiner  Parteien  übergegangen.  Das  eine  der  grofsen  Bankhäuser 
von  Pistoja  sollte  in  diesen  Kämpfen  untergehen.  Es  war  das  Haus  der 
Ammanati.  Die  Pistojesen  hatten  sich  nach  Florenz  zur  Ordnung  ihrer 
Angelegenheiten  gewandt,  sie  wurde  vorgenommen  im  Interesse  der 
Weifsen,  die  Schwarzen  mufsten  die  Stadt  räumen  und  weder  Karl  von 
Valois,  noch  der  Kardinal  von  Acquaspaii»  konnten  eine  Änderung 
herbeiführen.  Der  Kardinal  verhängte  über  Pistoja  Sentenzen,  welche, 
wie  einst  in  Siena,  die  Kaufleute  schwer  schädigen  mufsten  ^  Die 
Chiarenti  nahm  Bonifaz  VHI.  von  den  Sentenzen  aus^;  die  Bank  der 
Ammanati  brach  aber  zusammen.  Ihre  Vertreter  verschwanden  plötzlich 
und  insgeheim  von  der  Kurie,  unter  Mitnahme  von  Geldern,  welche  den 
Kurialen  gehörten;  die  Gesellschaft  stellte  ihre  Zahlungen  ein.  Bene- 
dikt XI.  bemühte  sich  auch  hier,  die  Härten  seines  Vorgängers  wieder 
gut  zu  machen.  Schon  im  November  1303  lud  er  Lante  Agolantis  ein, 
an  die  Kurie  zu  kommen,  damit  die  Angelegenheiten  der  Gesellschaft 
geregelt  würden.    Sie  bat  nun  den  Papst,  einen  Kardinal  mit  der  Durch- 


di  Mozzi  gewohnt.  Villani  7,  42.  Bei  den  Spini  wohnte  nach  Dino  Compagni(Del 
Lunge  2,  99)  der  von  Bonifaz  VIII.  gesandte  Kardinal  Matteo  d' Acquasparta. 

1  Salvi,  Historie  di  Pistoja  1,  272  ff. 

*  Salvi  1,  272.  Vgl.  Grandjean  Nr.  378.  »Bdldus  Bayfierii  de  Floravantis, 
mercator  catnere  nostre«  gehörte  zu  den  Chiarenti,  die  Pistojesen  sollen  ihn  nicht 
zwingen  wollen,  sich  von  der  Kurie  zu  entfernen.  Über  die  politische  Stellung  der 
Chiarenti  als  Ghibcllinen  s.  Schneider  17. 


280  Fünfundzwanzigstes  Kapitel. 

sieht  der  Bücher  zu  beauftragen,  Benedikt  möge  die  Schuldner  zur 
Zahlung  zwingen,  namentlich  in  Frankreich  hätte  sie  viel  Geld  ausstehen, 
und  König  Eduard  von  England  schulde  ihr  150000  fl.  ^  Der  Papst 
gab  nun  Mandate,  die  Gläubiger  in  Italien,  Frankreich,  Kastilien,  Eng- 
land und  Portugal  zur  Zahlung  zu  zwingen,  die  Geschäfte  des  Hauses, 
das  übrigens  eine  Überschuldung  leugnete,  sollten  die  Cerchi  von  Florenz 
und  die  Chiarenti  von  Pistoja  abwickeln*.  Nach  Deutschland  ging  an 
die  Schuldner  eine  päpstliche  Mahnung  erst  unter  Clemens  V.  ®,  zugleich 
wurde  eine  solche  für  die  anderen  Weltgegenden  erneuert.  Die  Schuldner 
sollten  zahlen  und  zwar  auch  ^de  datnpnis,  expensis  et  tnter  esse*  y  abzuliefern 
war  an  die  Gesellschaften  der  Scali  und  Peruzzi*. 

Die  Blüte  des  Pistojeser  Bankgeschäfts  war  nur  von  kurzer  Dauer. 
Am  längsten  hielten  sich  die  Chiarenti  in  Verbindung  mit  der  Kurie. 
Dieses  Bankhaus  besorgte  auch  fast  alle  Geldgeschäfte  des  Kardinal- 
kollegiums ^. 

Fünfundzwanzigstes  Kapitel. 

Italiener  bei  Erhebung  der  päpstlichen  Steuern  im  vierzehnten  Jahrhundert. 

Quellen.  Verschiedene  Verfahren  des  Geldtransportes ,  nach  Gegenden  verschieden, 
SüdirestdeutscMand.  Ostdeutschland.  Norden,  Nordwesten,  Wechselbriefe,  Beteiligte 
Banken,    Bankerotte  in  Florenz.    Neue  Bankhäuser, 

In  welcher  Weise  die  italienischen  Kaufleute  im  vierzehnten  Jahr- 
hundert an  der  Erhebung  der  päpstlichen  Abgaben  beteiligt  waren,  läfst 
sich  mit  voller  Klarheit  aus  den  Veröffentlichungen  von  Kirsch®  ent- 
nehmen. Weniger  aus  den  Erhebungsregistern  selbst,  als  aus  den  Aus- 
zügen, welche  Kirsch  aus  der  langen  Serie  der  »Introitus  et  exitus  camerae 
apostolicae*  darbot''. 

Es  fällt  sofort  auf,  dafs  in  vielen  Fällen  der  päpstliche  Kollektor 
das  Geld  selbst  oder  durch  einen  im  Range  gleichen  oder  niederen 
Kleriker   oder  durch  einen  Familiären   oder   seltener   durch  einen  Ritter 


*  Salvi  1,  285.    Der  Kardinal  soll  »saldare  i  suoi  conti*. 

8  Grandjean  Nr.  1109.  1151.  882.  883  u.  886.  Unter  den  Schuldnern  ist  auch 
der  Bischof  von  Cambray. 

'  Mitteilungen  a.  d.  vat.  Archiv  1  Nr.  672. 

*  Reg.  Clementis  p.  V.  Nr.  737.    1306  Mai  18. 

^  In  dem  von  Kirsch  (Die  Finanz  Verwaltung  des  Kardinalkollegiums  im  drei- 
zehnten und  vierzehnten  Jahrh.  Kirchengeschichtl.  Studien  Bd.  2  Heft  4.  Münster 
1895)  veröffentlichten  Verteilungsregister  für  1295—98  erscheinen  am  meisten  die 
Chiarenti,  dann  die  Spini,  Franzesi,  Ammanati  und  endlich  die  Scali  S.  96 — 127. 
VgL  Baumgarten,  Die  Rammer  des  Kardinalkollegs,  und  Schneider  S.  45—47. 

*  Die  päpstlichen  Kollektorien. 

■^  Vgl.  auch  die  Einleitung  S.  LIX-LXIII. 


Italiener  bei  Erhebung  päpstlicher  Steuern  im  vierzehnten  Jahrhundert.     281 

nach  Avignon  bringen  liefs.  Die  Gefahr  des  Verlustes  wurde  also  in 
diesen  Fällen  vom  Kollektor  getragen ,  das  ganze  Geschäft  spielte  sich 
innerhalb  des  bureaukratischen  Rahmens  ab.  In  nicht  ganz  so  zahl- 
reichen Fällen  wurde  der  Geldtransport  aber  Kaufleuten  tibertragen  und 
zwar,  von  wenigen  Ausnahmen  abgesehen,  durchaus  Italienern.  Wenn 
man  oberflächlich  zusieht,  könnte  man  meinen,  der  Kollektor  habe  tiberall 
die  Gelegenheit  gehabt,  sich  der  Hilfe  der  Italiener  zu  bedienen,  überall 
hätten  diese  ihre  Vertreter  gehabt.  Wenn  man  die  einzelnen  Geschäfte 
aber  nach  den  Gegenden  und  Orten  ordnet,  in  denen  und  an  denen  der 
Kollektor  das  Bargeld  dem  Kaufmann  übergiebt,  wird  sich  ein  ganz 
anderes  Bild  ergeben.  Und  dann  wird  man  auch  zwischen  Kollektoren 
deutscher  oder  romanischer  Abstammung  unterscheiden  müssen.  Fran- 
zosen, welche  in  den  Avignoser  Tagen  an  der  Kurie  viel  zahlreicher 
waren  als  vorher  oder  nachher,  waren  wie  die  Italiener  an  die  Benutzung 
des  Geldwechsels  gewöhnt.  Er  war  hier  altüblich;  anders  war  das  in 
Deutschland.  Der  älteste  Wechsel,  der  von  deutschen  Kauf  leuten  gezogen 
wurde  und  uns  bisher  bekannt  geworden  ist,  stammt  vom  Jahre  1323. 
Die  deutschen  Prälaten  verstanden  also  gewifs  nur  selten  mit  Wechseln 
umzugehen.  Der  Nutzen  derselben  mulste  aber  einleuchten.  Wenn  der 
Prälat  selbst  oder  durch  einen  Familiären  den  Barbetrag  durch  die  ver- 
schiedenen deutschen,  dann  französischen  Landschaften  bringen,  sich 
Geleitsritter  mieten  mufste  und  doch  nicht  eine  Stunde  ruhig  seines 
Weges  reiten  konnte,  ohne  befürchten  zu  müssen,  gefangen  oder  beraubt 
zu  werden,  so  war  das  nicht  allein  eine  Probe  auf  den  Mut  und  die 
Energie,  sondern  auch  sehr  teuer.  Wer  jene  Eigenschaften  nicht  besafs 
oder  dem  sie  ausgingen,  wie  jenem  Kollektor,  der  sein  Geld  glücklich 
aus  Polen  und  Böhmen  bis  Mainz  gebracht  hatte,  dort  aber  vierzehn 
W^ochen  liegen  blieb,  weil  ihm  niemand  ordentliches  Geleit  geben  wollte, 
oder  wer  die  Kosten  scheute,  hatte  an  diesen  italienischen  Kauf  leuten 
gute  Hilfe.  Sie  waren  von  der  Kurie  empfohlen,  der  eine  Socius  über- 
nahm den  Transport  zu  jedenfalls  nicht  allzu  hohen  Kosten,  deren  Höhe 
wir  leider  nicht  genau  kennen,  sandte  an  seinen  anderen  Socius  in 
Avignon  einen  Wechselbrief,  dort  fand  die  Auszahlung  statt,  ohne  dafs 
das  Geld  in  natura  die  weite  gefährliche  Wanderung  hätte  machen 
müssen.  Es  handelt  sich  durchweg  um  Eigenwechsel.  Die  italienischen 
Gesellschaften  besorgten  für  sich  in  sehr  hohen  Beträgen  das  Geschäft, 
das  im  kleinen  im  Weltpostverkehr  die  staatlichen  Postanstalten  von 
heute  betreiben.  Noch  besser  kann  man  den  Giro-  und  Clearingverkehr 
zum  Vergleiche  heranziehen.  Statt  der  Barsendung  fand  Abrechnung  statt. 
Bleiben  wir  zunächst  am  Oberrhein.  In  Basel  lieferte  der  Sub- 
kollektor  —  ein  Deutscher  —  das  Geld  an  die  Kaufleute  des  Papstes 
ab;   genannt  werden   Guillermus  Lanfredi  von  Florenz   und  Guillermus 


282  Fünfundzwanzigstes  Kapitel. 

de  Condamina,  und  nach  guter  deutscher  Sitte  schlofs  die  Übergabe  mit 
einem  Mahle ^  das  den  Fremden  und  dem  Dorapropst  gegeben  wurde*. 
Von  Strafsburg  aus  brachte  der  deutsche  Kollektor  das  Geld  persönlich 
fort^,  wahrscheinlich  ist  das  auch  bei  dem  Wormser^.  Von  Konstanz 
liefs  ein  Italien  wie  die  Kurie  genau  kennender  Prälat,  wie  es  der 
Geschichtschreiber  Heinrich  Truchsefs  von  Diessenhofen  war,  das  Geld 
durch  einen  deutschen  Geistlichen  transportieren,  der  Bischof  that  das 
Gleiche  oder  bediente  sich  seines  Küchenmeisters,  nur  einmal  wurde  das 
Geld  von  zwei  Familiären  des  Bischofs  (darunter  der  Küchenmeister)  an 
unbekanntem  Orte  dem  Kaufmann  Giorgio  Tigrini  von  Lucca  tiber- 
antwortet*; durch  einen  Ritter  wurde  1319  das  Geld  nach  Strafsburg 
gebracht  zu  Händen  der  Kollektoren^. 

Von  Eichstädt  erfolgte  die  Übergabe  seitens  der  deutschen  Kollek- 
toren zweimal  persönlich,  einmal  durch  einen  Ritter®,  von  Würzburg  aus 
wurde  ebensowenig  ein  Italiener  verwendet^. 

In  den  südostdeutschen  Bistümern  werden  wir  den  Einflufs  von 
Venedig  vermuten.  Die  Gelder  von  Brixen  und  Freising  wurden  dort- 
hin in  das  Predigerkloster  in  Depositum  gegeben,  die  Scali,  Peruzzi  und 
Bardi  übernahmen  die  Übersendung®. 

Der  deutsche  Kollektor  in  der  Kirchenprovinz  Salzburg  brachte  ein- 
mal das  Geld  selbst  nach  Avignon,  das  andere  Mal  schickte  er  es  durch 
einen  italienischen  Prälaten  nach  Venedig,  dort  wurde  ein  Wechsel  auf 
das  Haus  der  Alberti  vecchi  von  Florenz  gekauft.  Der  Erzbischof  be- 
diente sich  mehrfach  auch  eines  Prokurators,  Johann  von  Konstanz,  der 
ein  Kaufmann  gewesen  sein  könnte  ® ;  der  Bischof  von  Gurk  eines  Pfarrers 
seines  Sprengeis  ^^ 

Gehen  wir  nun  weiter  an  der  Ostgrenze,  so  finden  wir  in  Böhmen 
mehrfach  Italiener.  In  den  Tagen  Clemens'  V.  lieferten  die  Spini,  Cerchi 
und  Bardi  von  Florenz,  die  societas  Benedicta  von  Pisa  und  die  Chiarenti 
von  Pistoja  die  Erträgnisse  des  böhmischen  Zehnten  an  die  Kurie**. 
Der    Kollektor    von    Böhmen,    der    Dechant   von   Wissehrad    Johannes 


»  Kirsch  S.  32.    Vgl.  S.  31. 
«  Sicher  1360  S.  387,  wahrscheinlich  1362  S.  390. 
»  1362.   390  u.  391. 

*  1374  S.  407  u.  411.    1360  S.  386.   1375  S.  413.   1375  S.  411. 
»  S.  58. 

«  1361  bez.  63.    S.  389.   392. 
'  1362  S.  390.    1374  S.  410. 
«  1322  S.  382. 

ö  1364  S.  392.    1367  S.  399.    1372  S.  403  f. 
J»  1372  S.  403. 
"  ßeg.  Clem.  papae  V.    Appendices  I  Nr.  449. 


Italiener  bei  Erhebung  päpstlicher  Steuern  im  vierzehnten  Jahrhundert.      283 

Paduanus,  wohl  ein  Italiener,  zahlte  1356  sehr  bedeutende  Beträge  durch 
Anton  und  Quido  Malabayla,  Bürger  von  Asti.  Ihre  Anwesenheit  in 
Böhmen  ist  damit  aber  nicht  bewiesen;  denn  1358  tibergab  derselbe 
Kollektor  das  Geld  an  Peter  und  Johann  von  Köln,  Bürger  von  Prag, 
diese  tibermittelten  (offenbar  durch  einen  Wechsel)  die  Summe  an  einen 
Geschäftsfreund  in  Brügge,  dort  wurde  nun  die  weitere  Besorgung  an 
solche  des  Antonio  Malabayla  ^mercator  Estensis  curiam  Bomanam 
sequenst  übergeben.  Gelegentlich  bediente  sich  dieser  Kollektor  aber  auch 
eines  Standesgenossen  ^.  Deutsche  Kollektoren  bez.  Prälaten  haben  ein- 
mal die  Gardi  von  Florenz  benutzt  ^  Von  Krakau  und  Breslau  ging  das 
Geld  viermal  durch  die  Bardi,  sonst  direkt  oder  durch  Boten,  einmal 
auch  durch  einen  Johanniter®. 

Wir  sind  damit  schon  fast  in  das  Gebiet  der  Hansa  gekommen.  Wir 
haben  da  Nachrichten  über  Riga*,  Magdeburg  und  Bremen**,  ohne  dafs 
wir  von  einer  Thätigkeit  von  Italienern  hören.  Anders  lauten  die  Nach- 
richten aus  Ratzeburg,  Schwerin,  Kammin  und  Lübek.  Zwar  kann  man 
aucli  da  nicht  nachweisen,  dafs  das  Geld  den  Italienern  sofort  an  Ort 
und  Stelle  übergeben  wurde,  vielmehr  ging  es  in  zwei  Fällen  erst  in 
Brügge  an  die  Alberti  vecchi,  zwei  weitere  bleiben  unklar,  in  Avignon 
wurde  die  Valuta  durch  die  Alberti  vecchi  ausgezahlt®. 

Also  auch  für  den  Osten  wie  das  Hansagebiet  können  wir  die 
Existenz  von  Filialen  italienischer  Banken  nicht  erweisen,  wenn  hier 
auch  offenbar  der  Wechsel  und  die  Bedeutung  der  Italiener  genauer 
bekannt  ist,  wie  im  mittleren  Deutschland^.  Ganz  anders  sieht  es  nun 
in  den  Gebieten  aus,  welche  mit  den  Niederlanden  und  Frankreich  in 
der  lebhaftesten  Berührung  standen,  näherhin  erweist  sich  Flandern  und 
Brabant  als  der  Sitz  des  rührigsten  Geldgeschäftes. 

Von  Köln  aus  ging  das  Geld  einmal  durch  einen  Prokurator ;  Florenz 
von  Wevelinghofen ,  Bischof  von  Münster  tiberbrachte  es  selbst®,  nur 
einmal  verwendete  er  die  Alberti  vecchi  von  Florenz®;  dahingegen  be- 
diente  sich   Petrus   Begonis,    Kanzler  der   Breslauer  Kirche,    stets   der 


»  1356.    Kirsch  S.  384.    1358  S.  385. 

*  1371,  402.    Sonst  persönlich  oder  durch  Standesgenossen  S.  402  u.  407. 

'  Theiner  1,   286.     Ein   Deutschritter    wurde    von    Polen    aus    verwendet. 
Kirsch  S.  383  (1330). 
^  1364  S.  394. 
^  1361  S.  389.    1362  S.  391.    1363  S.  391  f. 

•  1374  S.  408  u.  405. 

"^  Zu  den  älteren  Belegen  über  die  Bekanntschaft  des  Wechsels  in  dem  Hansa- 
gebiet noch  die  Zeugnisse  des  Handelsbuchs  Vickos  von  Gelderscn,  herausgegeben 
von  Dr.  Hans  Nirrnheim,  Hamburg  1895,  S.  XXXIX  f. 

«  1356  S.  384.    1364  S.  392  f.   S.  334. 

»  S.  334. 


284  Fünfundzwanzigstes  Kapitel. 

Hilfe  italienischer  Kaufleute:  dreimal  der  Gesellschaft  der  Alberti  vecchi, 
je  einmal  der  Alberti  nuovi  und  der  Soderini  und  Altoviti  von  Florenz*. 
Dreimal  ist  sicher  der  Wechsel  in  Köln  gezogen,  und  wenn  es  in  einem 
Falle  heifst,  der  Faktor  der  Alberti  vecchi  weile  in  Köln*,  so  hat 
wenigstens  diese  Gesellschaft  mindestens  zeitweise  einen  Faktor  in  Köln 
gehabt.  Aus  Utrecht  und  Lüttich  haben  wir  Nachrichten,  dafs  ein- 
heimische Kollektoren  das  Geld  persönlich  überbrachten^.  Die  im 
Trierschen  (und  Baseischen)  wirkenden  französischen  Kollektoren, 
Johannes  Ogerii  und  Gerardus  de  Arbenco,  thaten  dasselbe  oder  be- 
dienten sich  Prokuratoren*,  ebenso  der  deutsche  Kollektor**.  Der  aus 
Frankfurt  stammende  Kollektor  für  Mainz  hat  das  Geld  durch  Guido 
Malabayla  abgeliefert,  aber  es  war  dabei  ein  Kleriker  des  Kollektors 
anwesend  ®. 

Aber  auch  aus  den  französisch  sprechenden  Gebieten  ging  das  Geld, 
wenn  es  der  Kollektor  nicht  selbst  ablieferte,  meist  durch  Prokuratoren  ''j 
seltener  durch  Kaufleute  der  eigenen  Gegend:  so  ging  von  Toul  das 
Geld  durch  Kaufleute  von  Epinal  nach  Brügge,  wo  sie  das  Geld  zur 
Zahlung  in  Avignon  an  die  Alberti  vecchi  gaben  ®.  Ein  Generalkollektor 
für  Metz,  Toul  und  Verdun  liefs  das  Geld  nach  Paris  bringen,  wo  es  an 
die  Alberti  vecchi  überging®,  ein  anderes  Mal  überlieferte  er  persönlich**^. 

Die  Generalkollektoren  und  diejenigen,  welchen  eine  grofse  Zahl  von 
Diöcesen  zur  Besteuerung  zugewiesen  war,  waren  ohne  Ausnahme  Italiener 
oder  Franzosen.  Petrus  Durandi  liefs  in  Worms  einen  Wechselvertrag 
abschliefsen ,  um  das  Geld  so  heimlich  nach  Mainz  zu  bringen**,  schon 
vorher  hatte  er  durch  Vermittlung  des  Erzbischofs  von  Salzburg  Geld- 
summen bei  den  Predigermönchen  zu  Venedig  deponiert,  von  dort 
wanderten  sie  durch  die  Bardi  nach  Avignon  **.  Sonst  haben  auch  diese 
das  gewöhnliche  Verfahren  angewendet.  Ich  fand  folgende  Ausnahmen. 
Der  Bischof  von  Cavaillon  (in  der  Provence)  gab  an  den  von  der  Kurie 
zur  Einsammlung  der  Gelder  ausgesandten  Astigianen  Raphael  Damiani 
eine  bedeutende  Geldsumme,  welche  er  durch  seinen  Landsmann  Antonio 


»  1364  f.    Kirsch  S.  393-96. 

'  »Cum  Barthölomeo  Johannis  de  Florentia  ihiäeni  commorante.* 

»  1864  S.  392  u.  1362  S.  391. 

*  S.  155  f.,  251  ff. 

^  1360  S.  388  f. 

«  1361  S.  390. 

■^  Metz  1374  f.  S.  409  ff.,  415,    Toul  1374  S.  409  f.    S.  318  f. 

«  1368  S.  400  f.    Vgl.  auch  S.  143  f. 

»  1374  S.  409. 
1«  1375  S.  411. 
"  1319  S.  75. 
"  1317  S.  81. 


Italiener  bei  Erhebung  päpstlicher  Steuern  im  vierzehnten  Jahrhundert.      285 

Malabayla  in  Avignon  ausbezahlen  Hefa  *,  letzterer  war  noch  ein  zweites 
Mal  der  Vermitder  ^ ;  ein  drittes  Mal  kaufte  er  zu  Ltittich  einen  Wechsel 
der  Alberti  vecchi®.  Sehr  genaue  Nachrichten  haben  wir  tiber  den 
Kollektor  aus  dem  Dominikanerorden,  Johannes  Schadland,  nacheinander 
Bischof  von  Kulm,  Hildesheim,  Worms  und  Augsburg,  der  fast  stets 
folgendes  Verfahren  einschlug.  Er  liefs  das  Geld  (in  bar  oder  in 
Wechsel  ist  nicht  gesagt)  durch  deutsche  Kaufleute  bez.  Prokuratoren 
nach  Brügge  bringen,  dort  wurde  es  den  Alberti  vecchi,  einmal  auch 
den  Gardi  übergeben*.  Die  Deutschen  waren  die  Strafsburger  Johannes 
Merswin,  Hugo  Spanner  und  Nicolaus  Ventris.  Johann  Merswin  war 
der  bedeutendste  Bankier,  den  in  jenen  Tagen  Strafsburg  besafs,  das 
Vermögen  des  bekannten  Mystikers  Rulmann  Merswin  war  durch  Geld- 
geschäfte gewonnen,  sein  Verwandter  Johann  hatte  auch  sonst  Geld- 
geschäfte mit  der  Kurie**.  Hugo  Spanner  wird  als  Kleriker  und  Sub- 
koUektor®  bezeichnet,  er  war  dabei  der  Diener  Merswins^.  Nicolaus 
Ventris  und  Tilmann  Lamberg  sind  nicht  näher  zu  bestimmen.  Der 
Titularbischof  von  Limisso  verwendet  keine  Kaufleute,  doch  ist  ihm  das 
Geld  aus  der  Eichstädter  Diöcese  durch  Ulrich  Stromer  von  Nürnberg 
zugekommen®.  Das  Gleiche  gilt  von  Heinrich  Rand,  Domdekan  in 
Bamberg,  der  sehr  bedeutende  Summen  ablieferte. 

Der  italienischen  Kaufleute  bedienen  sich  dann  drei  wesentlich  am 
Niederrhein  und  in  den  Niederlanden  thätige  Kollektoren :  Bernhard  von 
Berne,  Kanoniker  der  Kreuzkirche  in  Lüttich,  stand  mit  Matheus  Caren- 
soni  von  Lucca,  den  Gardi  und  den  Alberti  vecchi  in  Verbindung,  die 
Wechsel  wurden  in  Mecheln  abgeschlossen  *.  Johannes  Vastini  de  Casleto, 
Domherr  in  Lüttich,  leistete  von  zehn  Zahlungen  nur  eine  durch  Jakob 
Malabayla*®,  am  meisten  bediente  sich  des  Wechsels  Sigerus  de  Novola- 
pide,  Dechant  von  St.  Servatius  in  Maastricht.  Auf  die  Zeit  von  1363 
bis  1875  verteilen  sich  zwanzig  Zahlungen,  siebzehn  bez.  achtzehn  er- 
folgten durch  Wechsel,   von  ihnen  entfallen  auf  die  Alberti  vecchi  neun 


1  1360.    Kirsch  S.  386. 

«  1360  S.  388. 

»  1360  8.  886  f. 

^  Nur  einmal  geht  ein  Subkollektor  direkt,  ihm  hilft  aber  ein  Faktor  der 
Alberti  vecchi.  In  den  zwölf  anderen  Fällen  wird  stets  ein  Wechselvertrag  Brügge- 
Avignon  benutzt.    Die  Urkunden  verteilen  sich  auf  die  Jahre  1364 — 1372.   S.  393 — 404. 

»  Strafsburger  Urkundenbuch  5  Nr.  1141.  1253.  1278  u.  1314.  7  Nr.  689. 
938.  1100.  1254.  1468  u.  öfter. 

•  Kirsch  S.  398  u.  Strafsb.  ürkb.  5,  844. 

"*  Strafsb.  ürkb.  7  Nr.  1262.    Er  machte  Geschäfte  zu  Frankfurt  und  Löwen. 

«  1375  S.  415,  sonst  S.  401.  412  ff. 

»  1372.  404.    1374.  409  f. 

»0  1345  S.  292. 


286  Fünfundzwauzigstes  Kapitel. 

bez.  zeho,  auf  die  Alberti  iiuovi  vier,  auf  die  Soderini  drei,  auf  Kauf- 
leute aus  Montpellier  einer.  Die  Übergabe  des  Geldes  erfolgte  sieben- 
mal in  Lüttich,  je  zweimal  in  Mecheln  und  Maastricht,  sonst  ist  der  Ort 
nicht  bekannt.  Es  wird  wiederholt  ausdrücklich  erwähnt,  dafs  der  Agent 
an  dem  betreffenden  Orte  weile.  Nur  einmal  bediente  sich  der  Dechant 
eines  Geistlichen,  die  Schlufszahlung  leistete  er  persönlich  ^ 

Überblicken  wir  das  Ganze,  so  ergiebt  sich,  dafs  mit  Sicherheit  sich 
keine  italienische  Filiale  in  Deutschland,  abgesehen  vom  heutigen  Belgien 
und  Holland,  nachweisen  läfst.  Die  Italiener  und  ihre  Geschäftsart  ist 
bekannt  in  Basel  und  Köln,  also  am  Rhein  entlang  und  von  Venedig 
aus  im  Südosten  und  Osten.  Das  durch  die  Kaufleute  vermittelte  Geld 
wurde  nach  Brabant,  namentlich  aber  nach  Flandern,  speciell  Brügge 
gebracht,  von  dort  aus  gelangte  es  nach  Avignon.  Es  machte  dabei 
fast  stets  sehr  erhebliche  Umwege.  Brügge  darf  als  der  Hauptplatz  für 
den  Wechselverkehr  gelten.  Eine  intensive  Verbreitung  des  Wechsels 
ist  demnach  in  Deutschland  nicht  anzunehmen,  doch  dürfte,  von  den 
hansischen  abgesehen,  Merswin  von  Strafsburg  und  Stromer  von  Nürn- 
berg ihn  benutzt  haben.  Mit  diesen  Ergebnissen  stimmt  vollständig 
überein,  dafs  der  Tarif  der  Genueser  Umsatzsteuer  wohl  W^echsel  auf 
Avignon,  Montpellier,  Paris,  Brügge  und  England  kennt,  aber  keine 
deutschen,  und  dafs  andererseits  ein  Wechselgeschäft  zwischen  Strafs- 
burg und  Metz  uns  urkundlich  aus  dem  Jahre  1328  vorliegt^. 

Die  italienischen  Gesellschaften  sind  andere,  als  wir  sie  im  drei- 
zehnten Jahrhundert  kennen  gelernt  haben.  Einige  der  allerangesehensten, 
ja  vielleicht  gerade  die  mächtigsten  machten  Bankerott:  die  erste  all- 
gemeine Erschütterung  erfolgte,  so  scheint  es,  in  der  letzten  Zeit  Papst 
Bonifaz'  VHI.  Von  ihr  giebt  auch  Villani  keine  Nachricht.  Von  Florenz 
waren  dabei  betroffen  die  Pulci,  Mozzi  und  Frescobaldi,  welche  mit 
Geldern  des  Templerordens  \erschwunden  waren,  von  Lucca  die  Ricciardi, 
Betti  und  Cardelini,  von  Siena  die  ^magna  tabula^  der  Buonsignori  ®, 
von  Pistoja,  wie  schon  erwähnt,  die  Ammanati  und  auch  eine  Firma  von 
Montpellier  (^Grozellorum*)  gehörte  zu  denen,  ^qtie  nunc  sunt  coUapse*. 
All  diese  Häuser  hatten  früher  für  die  Kurie  Geld  eingenommen.  Um 
die  bei  ihnen  ausstehenden  Summen  zu  retten,  befahl  Clemens  V.,  das 
Geld,  das  sie  in  Frankreich,  bei  den  Herzögen  von  Brabant  und 
Lothringen,  bei  Grafen,  bei  Städten  —  wie  Douai  —  für  die  Kurie  mit 


1  Kirsch  S.  367—377  u.  346. 

2  Strafsb.  Urkb.  3  Nr.  1199. 

8  Auf  ihren  Bankbruch  wirft  helles  Licht  der  Brief  Philipps  des  Schönen  an 
Siena  bei  Langlois,  Revue  hist.  60,  317  und  die  dort  mitgeteilten  Stücke.  Sie 
schuldeten  ihm  54  000  ^  kleiner  Turnosen,  er  hielt  sich  an  den  anderen  Sienesen 
schadlos. 


Italiener  bei  Erhebung  päpstlicher  Steuern  im  vierzehnten  Jahrhundert.     287 

Beschlag  zu  belegen*.  Um  1310  stürzte  auch  das  Haus  der  Franzesi, 
das  in  Frankreich  eine  aufserordentliche  Rolle  gespielt  hatte,  man  kann 
sich  das  Regiment  Philipps  des  Schönen  nicht  ohne  Biccio  und  Musciato 
Franzesi,  diese  findigen  Geldkünstler,  vorstellen.  Was  die  Gründe  dieser 
ersten  bisher  gar  nicht  beobachteten  grofsen  Katastrophe  sind,  ist  nicht 
angegeben.  Spielte  das  Verbot  der  Lombarden  in  Frankreich,  der  flan- 
drische Krieg,  der  Streit  Bonifaz'  VIII.  mit  Philipp  dem  Schönen  mit 
hinein?  1326  folgte  das  Fallissement  der  Scali  und  Amieri,  deren  Bank 
über  120  Jahre  bestanden  hatte*.  Dieser  Schlag  brachte  auch  die 
anderen  Häuser  in  Verdacht,  war  aber  nicht  entfernt  mit  der  Katastrophe 
zu  vergleichen,  welche  1339  ausbrach  und  1346  den  Bankerott  der  Bardi, 
Peruzzi,  AcciajuoH,  Bonacorsi,  Cochi,  Antellesi,  Corsini,  da  Uzzano, 
Perendoli,  von  denen  sich  ja  manche  wieder  erhoben,  und  die  Vernichtung 
einer  grofsen  Zahl  weiterer  Geschäfte  und  Existenzen  herbeiführte.  Als 
Teilhaber  der  Bonacorsi  und  durch  ihren  Bankerott  ruiniert,  mufste  der 
Geschichtschreiber  Giovanni  Villani,  der  vorher  bei  den  Peruzzi  Teil- 
haber gewesen  war,  in  den  Schuldturm  wandern. 

Die  Bardi  und  Peruzzi  hatten  in  England  eine  Art  von  Monopol 
ausgeübt,  sie  hatten  die  Wollausfuhr  wie  die  Zölle  unter  sich  und  hatten 
den  Königen,  zuletzt  noch  Eduard  IH.  für  seinen  Kampf  gegen  Frank- 
reich stets  Geldmittel  vorgestreckt,  so  dafs  beide  Firmen  315  000  Mark 
Sterling  oder  1355000  Goldgulden,  „was  den  Wert  eines  Königreichs 
ausmacht,"  vom  Könige  zu  fordern  hatten,  als  er  1339  jede  Zahlung  an 
die  Florentiner  einstellte.  Die  beiden  Häuser  hatten  vielfach  mit  ge- 
liehenem Gelde,  ja  mit  dem,  das  kleine  Leute  des  Gewinnes  halber  bei 
ihnen  angelegt  hatten,  gearbeitet.  Um  so  weiter  mufste  die  Wirkung 
greifen,  Handel  und  Gewerbe  stockte,  und  in  Frankreich  wurden  Kauf- 
leute und  Waren  angehalten,  um  an  ihnen  Bürgen  zu  haben.  Giovanni 
Villani  sah  den  Grund  in  der  Geldgier,  welche  schliefslich  blind  auf 
einen  einzigen  Fürsten  die  Spekulation  baue^.  Die  Florentiner  waren 
als  Bankiers  grofs  geworden  mit  Hilfe  der  Kirche,  diese  konnte  —  auch 
wenn  sie  es  gewollt  hätte  —  einen  Eduard  III.  zur  Zahlung  nicht 
zwingen. 

Von  1350  an  erschienen  neue  Gesellschaften  in  Verbindung  mit  der 
Kurie.  Die  erste  Stellung  nahm  Niccolo  di  messer  Jacopo  Alberti  und 
die  von  ihm  geleitete  Gesellschaft  der  Alberti  antiqui  ein,   die  sich  1322 


1  Reg.  Clementis  papae  V.  Nr.  7700  vom  27.  Febr.  1312.  Vgl.  2294.  2296. 
4367.  4369.  9510.  Peruzzi,  Storia  del  commercio  e  dei  banchieri  di  Firenze  153.  178. 
Schneider  72. 

2  Villani  10,  4. 

»  G.  Villani  11,  83  u.  12,  55.    v.  Rcumont,  Lorenzo  91  ff. 


288  FünfiindzwaDzigstes  Kapitel. 

neu  konstituiert  hatten*.  Als  er  1377  starb,  galt  er  als  der  reichste 
Bürger  von  Florenz*.  Die  Alberti  vecchi  waren  um  die  Mitte  des  vier- 
zehnten Jahrhunderts  die  erste  Bank  der  Kurie  und  auch  in  ihren  Be- 
ziehungen zu  Deutschland.  Papst  Innocenz  VI.  wies  1355  die  Erzbischöfe 
von  Trier  und  Köln  an,  alle  Zehnten  an  diese  Gesellschaft  zu  entrichten*. 
Sehr  zu  beachten  ist  das  Auftreten  von  Astigianen,  auf  die  in  den  nächsten 
Kapiteln  näher  einzugehen  ist.  Langsam  mufste  sich  Florenz  aus  der 
durch  die  Pest  von  1348  noch  verschärften  Krisis  wieder  emporheben. 
Die  alten  Gegensätze  der  Guelfen  und  Ghibellinen  waren  verschwunden, 
seitdem  die  Kurie  nach  Avignon  verlegt  war,  drohte  der  Arnostadt  keine 
päpstliche  Oberherrschaft  mehr.  Die  intime  politische  Berührung  der  Kurie 
mit  der  Welt  der  Bankiers  hörte  auf,  bis  die  Medici  sie  erneuerten*. 


^  Passerini,  Gli  Alberti  di  Firenze  2,  14. 

«  Peruzzi  147. 

•  Böhmer-Hub  er,  Papstregesten  286. 

^  Die  päpstlichen  Registerbände  enthalten  unzweifelhaft  viele  Aufschlüsse  über 
die  Florentiner  Banken,  noch  mehr  wohl  die  Akten  der  Camera.  Erst  später  wird 
dieses  Bild  sich  völlig  klären. 


Dritter  Teü. 

IN  DEUTSCHLAND  ANGESIEDELTE  ITALIENISCHE  KAUF- 
LEUTE, ZOLLPÄCHTER  UND  MÜNZER. 


Sechsundzwanzigstes  Kapitel. 
Zasammenstellnng  der  Nachrichten  nach  Orten. 

Wallis,  Veveyj  Lattsanne,  Genf,  Yverdtm,  Freiburg  i.  Ü.,  Peterlingen,  Murten, 
Thun,  Bern,  Bid,  Solothurn,  Luzem,  Zürich  y  AaraUj  Basel.  —  Lindau,  Überlingen^ 
Kofisianz,  Freiburg  i.  Br.,  Oberelsa fs,  Oebweüer,  Kolmary  Bappoltsweiler,  ScMettstadi, 
Strafsburgy  Lothringeny  Oppenheinty  Nördlingen,  Efslingen,  Frank furty  Mainz,  —  Bingen^ 
Bacharach,  Oberwesel,  Koblenz,  Triery  Luxemburg,  Schöneck,  Beulandy  Linz,  Simich, 
Ahrweiler y  Bemagen,  Siegburg y  Kölny  im  Kölnischen.  —  MiUlheim,  Werden,  Duis- 
burg, Soest,  Osnabrück.  —  Gladbach,  Aachen.  —  Arnhem,  Boermonde,  Maastricht, 
LütUch,  Mecheln,  Belgien. 

Wir  haben  gesehen,  dafs  jene  grofsen  italienischen  Banken  wohl 
Filialen  in  Brügge,  Brüssel,  auch  Mecheln  und  Lüttich  hatten,  wie  zu  Paris 
und  Avignon,  nicht  aber  auf  innerdeutschem  Boden.  Auch  andere  Quellen 
bestätigen  uns  das  direkt:  die  Peruzzi  hatten  ihre  Vertreter  in  London, 
Paris,  Avignon  und  Brügge^,  die  Alberti  1348  in  Paris,  Brügge  und 
Brüssel*.  Die  Bardi  bestellten  1314  fünf  Prokuratoren  für  England, 
sechs  für  Flandern,  vier  fllr  Frankreich,  die  Champagne  und  Paris®. 
Das  grofse,  namentlich  in  Seide,  aber  auch  in  Geld  arbeitende  Handels- 
haus der  Guinigi  in  Lucca  hatte  1371  einen  Vertreter  in  Pisa,  zwei  in 
Neapel,  drei  in  Brügge,  1372  ist  die  Zahl  der  auswärtigen  Vertreter 
dreizehn,    davon    aufser  Italien    nur    vier    und    zwar   alle    in   Brügge*. 


1  Peruzzi  251. 

'  Perrens  3,  258.    Es  fehlt  auffallenderweisc  Avignon. 

*  Staatsarchiv  Florenz,  Notariatsbuch  des  Boccadibue  Biego,  1311,  1314,  Fol.  150. 
Für  die  Handelsgeschichte  Englands  und  Frankreichs  enthält  der  Band  auch  sonst 
vieles. 

^  Lucca ,  Staatsarchiv  Liber  magistrorum  et  eorum  factorum  et  puerorum  anmi 
n.  d.  1371  und  1372.    1381  hat  auch  die  Firma  Boccelle   einen   in  Paris,    zwei  in 

Schulte,  Oesoh.  d.  mitteUlterl.  Handels.    I.  19 


290  Sechsundzwanzigstes  Kapitel. 

Nirgends  werden  eigentlich  deutsche  Plätze  genannt.  Florentiner  und 
Toskaner  überhaupt  waren  also  wohl  schwerlich  in  irgend  erheblicher 
Zahl  in  Deutschland  angesiedelt,   um   so  zahlreicher  aber  „Lombarden". 

Zunächst  möge  eine  Zusammenstellung  der  Nachrichten,  welche  sich 
auf  in  Deutschland  und  der  deutschen  Schweiz  als  Kaufleute  angesiedelte 
Lombarden  und  Kawerschen  beziehen,  folgen.  Der  Name  Caorsiner, 
Cawirschin,  Kawerschen  und  wie  er  sonst  noch  lautet,  ist  schwer  zu 
deuten.  Es  sind  alle  möglichen  Erklärungen  versucht  worden,  am  meisten 
ist  aber  doch  die  Ableitung  von  Cahors  angenommen,  wenn  sich  auch 
bisher  die  korrekte  lateinische  Form  Cadurcenses  nicht  hat  nachweisen 
lassen.  Schon  Dante  hat  so  oflfenbar  den  Namen  abgeleitet,  wenn  er  im 
Inferno  bei  Beschreibung  des  Kreises,  wo  die  Wucherer  weilen,  Caorsa 
nennt*,  und  sein  Kommentator  Benvenuto  da  Imola  erklärt  Caorsa  mit 
Caturgium  in  Frankreich,  und  wirklich  sind  uns  Nachrichten  erhalten, 
welche  den  Wucher  der  Einwohner  von  Cahors  belegen^. 

Ich  verwende  hier  das  Wort  Kawerschen  in  der  Einschränkung  auf 
die  im  Ausland  angesiedelten  Italiener,  ich  weifs  sehr  wohl,  dafs  mit- 
unter, in  England  sogar  fast  regelmäfsig,  darunter  auch  die  wandernden 
Sienesen  u.  s.  w.  mitverstanden  wurden,  die  wir  oben  näher  kennen 
gelernt  haben. 

W^alliB. 

1291.  Verzeichnis  der  Schulden  des  Bistums  Sitten.  »Caorsinis  sancti  MauriUi 
26  €ß  Maur.  cum  tisuris.*  »Caorsinis  de  Viviaco  77  ü  Laus,  stib  usuris  pro  bcumlo 
pastoraii  et  aliis  ornamevdis  argenteis  pro  capella,  quas  res  ohligavit  Petrus  de  Orons»* 
Der  Bischof  hatte  also  seinen  Bischofstab  versetzt.  —  Gremaud  83,  445.  447. 

1302.  In  den  Freiheiten  von  Conthey  wird  das  Recht  zu  testieren  den  usurarii 
zugesprochen.  —  Gremaud  31,  40. 

1304.  Schuldbrief  über  entliehenes  Geld.  Geschuldet  wird  » Manuell j  Thomt, 
Humberto  Layoli,  Francisco  et  Jaquemino  de  Antegfi  .  .  .  Lombardis,  merceriis  Asten- 
sibus  et  eorum  sociis  apud  Contegium  morantibus*.  —  Gremaud  31,  97. 

1314.  Schuldbrief  gegen  Jaquemynus  et  Franciscua  de  Äntagnon  et  Manu£llum 
Thome  Lumbardos,  mercatores  Astenses,  et  nuncium  ipsornm  apud  Contegium  commo- 
rantem,  —  Gremaud  31,  246. 

1317.  In  den  Freiheiten  für  St.  Maurice  wird  das  Erbrecht  auch  anerkannt, 
falls  der  Erblasser  ein  usurarius  manifestus  ist.  Jedoch  werden  von  allen  Freiheiten 
ausgeschlossen  die  mutuatores  tenentts  casa/nam  mutui.  —  Gremaud  31,  283.  286. 

Brügge,  Lazzari  drei  in  Brügge,  zwei  in  London,  Cenani  in  Brügge,  sonst  nur  in 
Italien.    Es  waren  Seidenhändler. 

1  Inferno  11,  50. 

■  Vgl.  Ehrenberg  1,  65  und  Pigeonneau.  Amietl,200f.  Nübling,  Juden- 
gemeinden 1,  106  f.  Betreffs  der  Ableitung  des  Namens  vgl.  Bourquelot  2,  140  ff; 
Neumann368;  Ami e 1 1, 188— 204;  2,273;  Goldschmidt219;  Pigeonneau  1,  244. 
Das  Wort  ist  auch  aus  dem  Hebräischen,  von  Caorsa,  Cavour  (bei  PignerolX  von  der 
Familie  der  Corsiui,  von  einer  Verderbnis  des  Wortes  »campsor*'  u.  s.  w.  abgeleitet 
worden. 


Lombarden  in  Wallis,  Vevey,  Lausanne,  Genf,  Yverdon.  291 

1324.  Eine  Sittener  Handschuherfamilie  hatte  von  Uiomassinus  Lombardus  Geld 
und  Waren  geliehen,  da  sie  die  Schuld  nicht  decken  können,  übergeben  sie  ihm 
ihren  genau  aufgezählten  Hausrat  und  Handwerksgerät.  Sie  erhalten  ihn  zum  Ge- 
brauche zurück,  der  Lombarde  erhält  dafür  einen  Anteil  an  ihrem  Gewinne  und 
zwar  »ad  misericordiam  ipsorum  Lombardorum*.  —  Gremaud  31,  461.  Über  Thomas- 
sinus und  seine  Nachkommenschaft  zahlreiche  Urkunden  bei  Gremaud. 

1330.  Aimo  Graf  von  Savoyen  erläfst  für  Chablais  u.  s.  w.  eine  Verordnung 
gegen  die  Mifsbräuche,  welche  die  Lomhardi  casanas  tenentes  verüben.  Eingehendes 
Bild  ihrer  Praxis.  —  Gremaud  31,  558. 

1330.  Der  Graf  von  Savoyen  erläfst  eingehende  Vorschriften  gegen  die  Lombardi 
casanas  tenentes  in  den  Castellanien  St.  Maurice  und  Saillon.  —  Gremaud  33,  475. 

1334.  1348.  Lombardische  Geldleiher  safsen  auch  in  Conthey  und  Saillon.  — 
Gremaud  32,  70.    512. 

1337.  Ebenso  in  St.  Maurice.  -  Gremaud  32,  122. 

1338.  Unter  dem  Bischöfe  Aimo  von  Thum  erscheint  neben  seinem  Siegel- 
träger Thomassinus  Lombardus  cixHs  Sedun.  als  der  Vertraute  des  Bischofs  in  Geld- 
sachen. —  Gremaud  32,  134. 

1338.  Freiheiten  der  Stadt  Sitten.  Der  Bischof  darf  gegen  Wucherer  nur  vor- 
gehen, wenn  sie  als  solche  notorisch  bekannt  sind.  Und  nur  solchen  Erblassem 
gegenüber  hat  der  Bischof  Anspruch  auf  die  Mobilien,  die  Immobilien  bleiben  den 
Erben.  —  Gremaud  32,  160. 

1349  bez.  1348.  »Lumbardos  casanam  tenentes  Palmerii  Turqui  in  civitate  Sedu^ 
nensü*  Dieser  Turchi,  Bürger  von  Asti,  war  kurz  vorher  im  Gebiete  von  Wallis 
von  Unterthanen  des  Bischofs  festgesetzt  und  festgehalten.  —  Gremaud  32,  518. 
478.   33,  497.  499.    van  Berchem  130  ff. 

1351.   Facinus  de  Saliceto  Lombardus  Zeuge  in  Martigny.  —  Gremaud. 

1361.  Pahneronus  Turqui  de  Castettario  Lombardus  und  savoyischer  burgensis  de 
Thonon  war  in  Wallis  gefangen.  —  Gremaud  33,  197. 

Vevey. 

1287.  Viats  Caorsinorum.  —  Ami  et  2,  265  nach  Möm.  et  Do  cum.  de  la  Suisse 
Romande  XVHI,  21.   22.   40. 

Die  Vorstadt  am  östlichen,  also  nach  dem  Grofsen  St.  Bernhard  zu  ge- 
legenen Ende  hiefs  „Vorstadt  der  Caorsiner".  —  Ami  et  2,  265. 

Lausanne. 

1369.  Aymo  Bischof  von  Lausanne  nimmt  auf  zehn  Jahre  zu  Bürgern  seiner 
Stadt  auf  Oddonino  Raschieri  und  Bartolommeo  Bertone  de  Balbi,  lombardi  e  merca- 
tanti  Chieresi,  Aus  dem  Archiv  des  Grafen  Balbi-Bertoni.  —  Cibrario,  Delle  storie 
di  Chieri  1,  494. 

Genf. 

1317.    »A  Lombardis  [nicht  weiter  genannt]  tenentibus  casanam.*  —  Ami  et  2,  264. 

1358.  »Aymon  Asinerii»  [s.  Freiburg  1353]  und  »Fram  von  Medici*  betreiben 
eine  Bank.  —  Ebda.  Zahlreiche  andere  Nachrichten  bei  Sella,  Borel  134  und  in 
schweizerischen  Quellen. 

Yverdon. 

1287.  Zwei  Geldhändler:  »dictorum  Corsinorum,  scüicet  Bardi  et  Manni*.  Ob 
angesessen,  fraglich.  —  Ami  et  2,  265  f. 

19* 


292  Sechsundzwanzigstes  Kapitel. 

Freibupfir  im  Üolitland« 

1249.   Verbot,  dafs  der  Bürger  offen  Wucher  treibe.  —  Ami  et  2,  213. 

1295.  Zwei  Bürger  von  Bern  haben  87  ^/s  ü  entliehen  von  *Maw*el€  ThanUf 
Georgia  Asinaria  et  Nicoiao  Alpherio,  civibus  Astensibus  et  eorum  sociis,  apud  Frihur- 
gum  Oechtlandie  comtnorantibus*.  —  Fontes  rer.  Bern.  3,  622. 

1803.  Aufnahme  des  Mannellus  Thome,  Georgtus  Asinarit  socii  cives  et  fMrclia- 
totes  Astenses,  sowie  des  Aubertinus  Thöme,  treiben  ein  bedeutendes  Bankgeschäft 
Sie  zahlten  jährlich  15  ü  Laus,  und  liehen  ihr  100  U ,  also  verdeckte  Vorauch 
bezahlung.  —  Amiet  2,  217  f.    Recueil  diplom.  du  canton  de  Fribourg  2,  22. 

1310.  Das  Bankgeschäft  erweiterte  sich.  Teilhaber:  Manuel  Thome ,  Albertus 
Thomef  Georgius  Asinarius  et  Menfriodus  Alferius  eitles  et  mercatores  Astenses  stUque 
collegae  in  dicto  Friburgo  commorantes,  —  Amiet  2,  219. 

1388.  Die  Herrschaft  Spiez  schuldet  in  tisura  an  Aubertinus  Tome,  civis  et  mer- 
cator  AstensiSy  burgensis  de  Friburgo^  68  ü  10  JJ.  —  Font.  rer.  Bern.  6,  489. 

1841.   Lombardi  casanam  tenentes  Friburgi.  —  Amiet  2,  221. 

1858.  Der  Lombarde  Aymonetus  Asinarius  wird  in  das  Bürgerrecht  auf- 
genommen. —  Amiet  2,  221.   298. 

1856—59.  Eine  oder  mehrere  Banken  werden  gehalten  von:  Ayinonetus  Asi- 
narius, Franciscus  de  Medicis,  Jaquiminus  de  Salliseto,  welche  einer  Bank  angehören, 
dann  von  Petrus  Asinarius,  Andelotus  Thome  und  dessen  Sohn  Mermetus  Thome.  Aus 
einem  Notariatsprotokollbuche  erhalten  wir  über  ihre  Geschäfte  die  genaueste  Aus- 
kunft. —  Amiet  2,  222 — 245.  (Die  Familien  Asinari  und  de  Saliceto  erhielten  auch 
Beamtungen  und  gingen  Ehen  mit  Leuten  aus  der  Gegend  ein.    Amiet  2,  245  f.). 

1898,  Jacob  Barguein,  Kaufmann  und  Bürger  von  Freiburg,  leiht  Geld  aus. 
Wohl  aus  der  Familie  Bergognini.  —  Amiet  2,  248. 

1899.  NobiUs  atque  potens  vir  Aymonetus  Ruer  de  civitate  Astensi,  dominus 
Padiovarinus  kauft  von  den  Grafen  von  Greyerz  die  Herrschaften  Oron  und  Pale- 
sieux.  Unter  den  Zeugen:  Dominitus  Testa  dt  Avülian,  mercator,  vielleicht  Lom- 
barde. —  Amiet  2,  248. 

1899.  Der  Lombarde  Ottolin  von  Saliseto  zu  Freiburg  Geldgeschäfte.  — 
Amiet  2,  249. 

1402.  1408.  Junker  Percivall  Rueri,  ßius  Aymonti  Ruarii  domini  de  Podiovarino, 
civis  Astensis  verkauft  die  beiden  Herrschaften.  —  Amiet  2,  249.   251. 

1408 — 1411.  Oddoninus  Asinerii,  domiceUus,  Gläubiger  des  Grafen  von  Greyerz, 
wird  sein  Kastellan  in  den  Herrschaften  Aubonne  und  Coppet.  Streitigkeiten.  — 
Amiet  2,  251  ff. 

1407—1418.  Rolet  Bargueyn,  Otto  von  Saliceto  und  andere  Gläubiger  der 
Greyerz.  —  Amiet  2,  254  f. 

1418.    Otto  von  Saliceto,  Gläubiger  derselben.  —  Amiet  2,  256. 

1445 — 60.  Anton  von  Saliceto,  ein  reicher  Zinsherr  (versteuert  1445  20000  Pfund). 
Führer  der  savoyischen  Partei,  1460  hingerichtet.  —  Büchi,  Freiburgs  Bruch  mit 
Osterreich  an  vielen  Stellen. 

Peterlingren  (Payerne). 

1804.  Die  Gemeinde  Biel  hatte  einen  WilUermus  Lomhardus  gefangen  gesetzt. 
Die  von  Peterlingen  erklären,  er  sei  ihr  Bürger.  WiUiermetus  et  Dominicus  Lom- 
bardi, burgenses  Patemiaci  et  in  Patemiaco  residentes  beschwören,  dafs  alles  Geld 
und  alle  Waren,  die  W.  bei  sich  hatte,  ihr  oder  Peterlinger  Bürger  Eigentum 
sei.  —  Font.  rer.  Bern.  4,  201. 


Lombarden  in  Murten,  Thun,  Bern.  293 

Murten. 

1309.  Wühelmus  Lomhardus,  burgefisis  de  Mureto,  Zeuge  in  zwei  Urkunden.  — 
Font.  rer.  Bern.  4,  378  f. 

Um  1400.  Wohnte  hier  (1897  als  Kastellan)  Ottonino  Asineri  s.  sonst  Frei- 
burg i.  Ü.  —  Ami  et  2,  252.    2,  315.   1,  255. 

Thun. 

1328.  In  einem  Zahlungsregister  des  Kl.  Interlaken  erwähnt:  •Lomhardu 
ohne  Angabe  des  Wohnortes,  zunächst  ist  wohl  an  Thun  zu  denken.  —  Font, 
rer.  Bern.  5,  625. 

1337.  Aufnahme  von  Franco,  Otto,  Bernhard,  Secundus  uud  Wilhelm  Gutweri 
von  dem  Kastell,  Bürger  zu  Asti,  Andres  und  Peter,  ihre  Vettern,  ihre  Gesellen 
und  ihr  Gesinde  auf  zwanzig  Jahre  (Filiale  der  Bank  in  Bern).  —  Ami  et  1,  24S. 
2,  290.    Font.  rer.  Bern.  6,  376. 

1469.   Hiefs  noch  ein  Thor  Lamparterthor.  —  Ami  et  1,  249. 


1269.  Graf  Philipp  von  Savojen  erhielt  als  Vertreter  des  Reiches  *a  OionifUB 
Bemam  adtuntibus  et  ibidem  negoUa  sua  aduris*  60  i/  Viennenses.  Deutet  auf  längere 
Ansiedlung.  —  Amict  1,  230.    Cibrario,  Operette  83. 

1282.  Ein  Schuldner  verpflichtet  sich  zur  Bezahlung  einer  Schuld  eventuell  Geld 
aufzunehmen  a  Judeis  vel  Caviwercinis.  —  Font.  rer.  Bern.  3,  336. 

1312.  Kaiser  Heinrich  VII.  verpfändet  an  die  Grafen  von  Bucheck  neben  dem 
Zoll  die  Catverschin,  von  den  Bucheckern  1815  verpfändet.  —  Amiet  1,232.  Font, 
rer.  Bern.  4,  639  ff. 

132 . .  Otho  Guttverii  de  Bemo  genannt  in  einer  Urkunde  des  Bischofs  von  Sitten 
welche  nicht  Geldgeschäfte  betrifft.  —  Font.  rer.  Bern.  5,  645. 

Vor  1324 — 1334.  Otto  und  Stephan  Gutverius  oder  Gutweri  von  dem  Kastell, 
Bürger  zu  Asti,  lassen  sich  nieder;  tief  bei  ihnen  verschuldet  waren  die  Freiherm 
von  Weifsenburg  und  Peter  von  Turn  von  Gestelen,  die  Lombarden  waren  viel- 
leicht mit  zwei  Bernem  associicrt,  einer  heiratete  eine  Bemerin.  —  Amiet  1,  235—9. 
Font.  rer.  Bern.  6,  147.    150.    158. 

1335—41.  Weitere  Nachrichten  über  Verschuldungen  bei  den  Herren  von 
Weifsenburg.  —  Font.  rer.  Bern.  6,  163.  193.   6.  7.  573. 

1330.  Der  Lombarde  Stephan  (nach  dem  Siegel  GuUuerit),  Bürger  zu  Bern, 
bevollmächtigt  zwei  Bemer  Bürger,  sein  Burgrecht  zu  Freiburg  L  Br.  aufzusagen.  -^ 
Font.  rer.  Bern.  5,  741. 

1331.  Graf  Hugo  von  Bucheck  verkauft  das  Pfandrecht  an  den  Gauwerschen 
an  die  Stadt,  1348  von  Karl  IV.  bestätigt.  —  Amiet  1,  233. 

1336.  Otto  Lombardus . .  .  Wernhems  Cauwersi  Zeugen.  —  Fo n  t.  r er.  B ern.  6, 262. 

1337.  Otto  der  Lamparte  besitzt  aufser  seinem  Sefshause  ein  halbes  Haus  in 
Hormannsgassen.    Nach  dem  Siegel:    Otto  Guttveri.  —  Font  rer.  Bern.  6,  346. 

1338.  Otto  Lombardus  Zeuge.  —  Font.  rer.  Bern.  6,  399. 

1338.   Stephan  Gutweri  und  Bernhard.  —  Amiet  1, 293.  Font. rer.  Bern.  6,405. 

1350.  Cünrat  von  Schamachthal  ist  verschuldet  bei  Bernhard  dem  Lamparter.  — 
Font.  rer.  Bern.  6,  540. 

1357.  BefiedicttM  ac  Julianus  et  Symon  Lombardi  residentes  in  JBemo,  schwerlich 
Gauwerschen.  —  Amiet  2,  235. 

1376.  »Vincencijen  Lamparten  zalt  von  wegen  des  burgrechts  5  gttldin,*  Stadt- 
rechnung  von  Bern.  —  Arch.  d.  bist.  V.  Bern  14,  440. 


294  Sechsundzwanzigstes  Kapitel. 

1376.  »V(yn  dien  Lamparten  ze  zins  von  dem  bangk  150  phunU.  —  Arch.  d. 
bist.  V.  Bern.  14,  440.  Ferner  genannt  Clemn  Lampart.  —  Ebda.  472 f.  495.  Stephan 
Lampart  zur  Kundschaft  verwendet.  —  Ebda.  498. 

1380.  Stephan  CrutvaHus,  Bürger,  Leon,  sein  Bruder,  Hantzman,  Sohn  des  ver- 
storbenen Clewi  G.  —  Ami  et  1,  240. 

1386.  Statut,  dafs  Juden  und  Lampartcn  ihre  Forderungen,  die  auf  Liegen- 
schaften festgelegt  sind,  innerhalb  Jahresfrist  einziehen  sollen.  —  Amiet  1, 243.  2, 306. 

1391.  Erwähnt,  dafs  die  Lombarden  einen  Freiheitsbrief  auf  Zeit  hatten.  — 
Amiet  1,  244.   2,  306. 

1395.  Nach  dem  Tode  des  Lombarden  Anton  von  Septimis  war  sein  Nachlafb 
eingezogen,  sein  Sohn  Hensli  erhält  ihn  z.  T.  zurück.  —  Amiet  1,  244.   2,  307. 

Anf.  s.  XV.  In  Bern  Vinzenz  von  Troya,  von  Asti  und  Odyn  Gambarii. 
Ersterer  war  hier  associiert  mit  Friedrich  von  Koche  (s.  Zürich  und  Luzem).  — 
Amiet  1,  245.  2,  280  f. 

1405.  Drei  Lombarden  angesiedelt,  welche  mit  Schiefspulver  handeln.  — 
Amiet  1,  245. 

Vor  1417.  In  Bern  angesiedelt  Jakob  von  Madiis,  auch  Jakob  Squacini  oder 
Jakob  von  Mündris  (Mendisio)  genannt ;  derselbe  bleibt  trotz  der  Bestimmung  wohnen 
und  wurde  der  Begründer  der  in  Bern  und  Augsburg  blühenden  Familie  von  Mai, 
deren  später  mehrfach  zu  gedenken  ist.  —  Amiet  1,  247  ft". 

1427.  Christus  und  Maria  zu  Lieb  sollen  auf  ewig  keine  Juden,  Lombarden 
und  heimliche  Wucherer  mehr  aufgenommen  werden.  —  Amiet  1,  246.  2,  322. 
Hub  er,  Privatrecht  4,  307  N.  10. 

1466  April  24.  Jacohus  de  Madiis  dictus  Scatzinus.  —  Unsere  Urkunden  Nr.  296. 

1480  Juli  10  bis  1508.  Die  Stadt  Bern  empfiehlt  an  die  Beamten  des  Herzogs 
von  Mailand  Criato forum  de  Pandiano  urhis  nostre  ivvol4im  et  civem.  Sein  Sohn 
Thomaxinus  erscheint  seit  1481.  Der  italienische  Name  heifst  de  Pangiatis.  Es  er- 
scheinen auch  ein  Jacohus  de  F.,  Sohn  des  verstorbenen  Dominicus  und  ein  Antonius, 
später  ein  Johannes  Baptista  und  Marcus  de  1\  Sie  betreiben  wie  die  Mai  Handel 
nach  Italien.  Weitere  Nachrichten  zu  1485  März  10,  1497  Juni  19,  1501  April  8, 
Juli  12,  1503  Juni  23,  1508  März  27.  —  Staatsarchiv  Bern. 

1482/3.  Akten  einer  Erbschaftssache,  die  sich  zwischen  Chieri  und  Bern  ab- 
spielt. —  Staatsarchiv  Bern. 

BleL 

1305.  Gelegentlich  einer  Aufnahme  von  Juden  behält  sich  die  Stadt  vor,  auch 
einen  Kawerschen  aufzunehmen.  —  Amiet  1,  249.  2,  284.    Font,  r er.  Bern.  4,  218. 

1397.  Aufnahme  des  Lombarden  Otto  genannt  von  Berris  von  Ponzano  (einem 
Dorfe  nordöstlich  von  Asti)  samt  Gesinde  auf  zehn  Jahre.  Jährliche  Steuer  20  fl. 
Sehr  genaue  Bestimmungen,  auch  über  den  Zinsfufs.  —  Amiet  1,  251.  2,  310. 

Solothurn. 

1288 — 1342.    Eine  Familie  genannt  Lampart.  —  Amiet  2.  165. 

1359.    Ungen.  Lombarde  (Gläubiger  der  von  Kienberg.  —  Amiet  2»  166. 

1361.  Kaiser  Karl  IV.  giebt  u.  a.  an  seinen  Vogt,  Ritter  Burkard  Mönch  von 
Landeskron  den  Alteren,  die  „Rechtunge",  d.  h.  die  Abgabe  der  Lombarden  von  S., 
später  1405 — 1407  hatten  sie  die  Sickingen.  —  Amiet  2,  185. 

1364.  Ungen.  Lombarde  Gläubiger  der  Grafen  von  Habsburg -Laufenburg.  — 
Amiet  2,  167. 

Vor  1372.   Ungen.  Lombarde  Gläubiger  der  Grafen  von  Kyburg.  —  Amiet  2, 168. 

Vor  1372.    Mafe,  Gläubiger  des  Cuno  von  Nyeus.  —  Amiet  2,  172. 


Lombarden  in  Solotkurn  und  Luzem.  295 

1375.  »Mapheus  Merlo  von  Sant  Salvart,  damals  zu  Asti,  Gläubiger  des  Grafen 
von  Neuenburg.  Dieser  Maffeo  nannte  sich  von  St.  Salvator  (bei  Alessandria).  — 
Amiet  2,  173. 

1377.  Mapheus  Merlo  und  Petermann  auf  zehn  Jahre  als  Bürger  aufgenommen. 
Gesamtsteuer  für  die  ganze  Zeit  400  fl.  Genaue  Bedingungen,  auch  Zinsfufs.  — 
Amiet  2,  171. 

1382.  Mapheus  und  Petermann  Merlo,  Gläubiger  von  Adligen.  —  Amiet  2,  181. 
1384.    Dieselben  leihen  der  Stadt  Bern  2060  fl.  —  Amiet  2,  183.   302. 

1396.  Wurde  Anton  Pavon  von  Guaschis,  Bruder  eines  Merlo,  Notars  in 
S.  Salvatore,  in  Solothurn  gefangen  gesetzt.  —  Amiet  2,  187.   308. 

1404.    Vinzenz  von  Troya  von  Asti.    Zeuge  Albrecht  Merlo.  —  Amiet  2,  188. 

1408.  Albrecht  Merlo,  Bürger  von  Solothurn,  Anton  und  Franz,  seine  Brüder, 
im  Bürgerbuche.    Sie  zahlen  10  fl.  —  Amiet  2,  189. 

1421.  Albrechts  Tochter  Elisabeth  heiratet  den  Lombarden  Facin  Roba,  wohn- 
haft zu  S.    Auch  Albrecht  wohl  Inhaber  einer  Bank.  —  Amiet  2,  195.   319. 

1433.  1436.  »Fatzin  Eoba  ein  Lamparter*,  Bürger  und  angesessen  zu  S.,  nicht 
festzustellen,  ob  Gcldhändler.  —  Amiet  2,  285. 

Luzern. 

1296.  Eine  Kaufmannsgesellschaft,  bestehend  aus  JReymunt  Vollin,  Leona  Schef' 
fanin,  fratres  de  Valetis,  et  Gahcdn  de  Layolis  und  den  Brüdern  Thomas  und  Sjmonin 
von  Bruama,  war  mit  der  Stadt  in  Streit  geraten  und  zahlt  240  ft  Münze  an  den 
Bau  derselben.  —  Geschichtsfreund  20,  311,  Amiet  2,  144  und  v.  Liebenau, 
Regesten  19,  317. 

1298.  Ein  Streit,  der  zwischen  Basel  und  Luzem,  zunächst  zwischen  einzelnen 
Bürgern  (unter  denen  von  Luzern  Galwan  der  gauwerschin) ,  ausgebrochen  war  und 
sehr  hart  geworden  war,    wird  beigelegt.  —  Amiet  2,  145.     Basel.  Urkb.  3,  225. 

1308.  Die  Stadt  Luzem  versöhnt  sich  mit  Zürich  wegen  der  Gefangenschaft 
Gelwans  von  Aste  und  zweier  mit  deutschen  Namen.  —  Amiet  1,  145.  Kopp, 
Urk.  2,  176. 

1333.  Die  Herzöge  von  Osterreich  verleihen  Pfänder  weiter,  die  ihnen  durch 
den  Tod  Gelwans  des  »Kaurschin*  frei  geworden  sind,  der  ihnen  Geld  geliehen 
hatte.  —  Amiet  1,  145. 

1347.  Meilun  von  Manta,  Herrn  Brandan  Pelettes  Diener,  schwört  Urfehde.  — 
Amiet  1,  146.   2,  291. 

1349 — 1393.  Etabliert  sich  eine  Bank:  Teilhaber  Thoman  von  Troya,  Manfred 
von  Berge  (v.  Rocha)  und  Friedrich  sein  Sohn  „Lamparter  von  Ast^.  Rocca  d*Arazzo 
liegt  bei  Asti.  Die  Aufnahme  erfolgt  auf  fünfzehn  Jahre.  1361  erscheinen  die  beiden 
ersten  nicht  mehr,  dagegen  neu  Vinzenz  von  Tum,  1363  neben  Friedrich  von  Rocca: 
Jakob,  Thoman,  Albrecht  und  wieder  Manfred,  1393  Franz,  Sohn  des  Jakob.  Zum 
Gesinde  gehört  1365  Anton  Penenghi.  —  Amiet  1,  147.   2,  292. 

1361.  Diese  Bank  streckt  Johann  von  Rudenz,  Landammann  von  Uri  und 
seinen  Verwandten  Geld  vor.  Die  als  üblich  bezeichneten  Verzugszinsen  (wöchent- 
lich 2  ^  vom  it)  ==  43,3%  jährlich  finden  sicli  auch  in  den  meisten  folgenden  Ur- 
kunden. —  Amiet  1,  149. 

1363.  Gläubiger  der  Grafen  von  Kiburg  über  bedeutende  Beträge.  —  Ami  et  1, 150. 

1371.  Gläubiger  des  Luzerner  Bürgers  Ulrich  Wagen.  —  Amiet  1,  154.  2,  297. 

1374.  Gläubiger  des  Freiherrn  Franz  von  Sax  zu  Misoz.  —  Amiet  1,  154. 

1383.  Die  Stadt  stellt  einen  Beamten  zur  Besorgung  des  Geldwechsels  auf,  Stand 
im  Hause  der  Kauwerschen.  —  Amiet  2,  161.    v.  Liebenau,  Das  alte  Luzem  250. 


296  Sechsundzwanzigätes  Kapitel. 

1385.  Thomas  Pelletha  der  Lamparter  von  Ast,  Bürger  von  Zürich,  verpflichtet 
sich,  in  Luzem  kein  Geld  mehr  auszuleihen,  so  lange  das  Luzemer  Burgrecht  Jakobs 
von  Berg  und  seines  Bruders  »uteer  Lamparter*  währet.  —  Ami  et  2,  156. 

Ca.  1387.  Thomas  et  Manfreäus  de  La  Bocha  waren  durch  den  Sempacher  Krieg 
schwer  geschädigt.  Thomas  war  im  Gebiete  von  Luzem  gefangen  gesetzt,  ihren 
Schaden  berechnen  sie  auf  mehr  als  10  000  fl.  Der  Herzog  Joh.  Galeazzo  von  Mai- 
land nimmt  sich  ihrer  an.  —  Ami  et  2,  157.    v.  Liebenau,  Regesten  20,  144  ff. 

Vor  1388.  Heinrich  von  Afoos,  Kaufmann  von  Luzem,  bediente  sich  bei  seinen 
bedeutenden  Spekulationen  des  Geldes  des  »CauioeraMn*  —  Amiet  1,  156. 

1893.  Das  Bankhaus  de  la  Rocca  ist  in  einen  Prozefs  verwickelt  und  ver- 
pflichtet sich  in  Luzem  Recht  zu  nehmen.  Das  Haus,  in  dem  die  Gauwerschen 
wohnten,  ist  genau  bekannt  (seit  1505  Apotheke).  —  Amiet  2,  158. 

1395.  Notiz  über  eine  Urkunde,  dafs  die  Luzemer  die  Lamparter  von  Frazinello 
und  Salizetto  in  ihr  Bürgerrecht  aufnahmen.  —  Amiet  2,  285. 

Zürich. 

1304.  »Cavertsclien*  erwähnt  im  Züricher  Richtebrief.  Verbot,  auf  kleine  Quanti- 
täten Seide  oder  auf  Kirchengüter  zu  leihen.  —  Amiet  1,  223.  Richtebrief, 
Archiv  f.  Schweiz.  Gesch.  5,  263. 

Vor  1304.  »Cawrtschin*  dürfen  nicht  höher  Geld  ausleihen,  als  zu  43,3  ^/o  jähr- 
lich (wöchentlich  2  ^.  vom  Pfund).  —  Amiet  1,  224.    Richtebrief  5,  263. 

1324.  1340.  1343.  1351.  1364.  Weitere  Statuten  betreffs  Geldhandel  und  Geld- 
wechsel. „Gauwertschin"  erwähnt.  —  Amiet  1,  226.  Stadtbücher  S.33,  66,  136,  208. 

1349.  Brandan  Paletta  von  Asti  (s.  Luzem  1347)  wird  aufgenommen,  darf 
43,3®/o  nehmen.  —  Amiet  1,  227.    Schinz  89. 

1349.  Zwei  Schuldverschreibungen  eines  Ritters  aus  Zürich  gegen  Brandan 
Belletta.    Verzugszins  43,3  ®/o  jährlich.  —  Amiet  2,  275.   291. 

1357.  Benedüius  niger  (magister?)  Mussus  Lomhardus  residens  in  Thurego  schwer- 
lich Gauwerschim,  da  er  Leder  gekauft  hat.  —  Amiet  2,  235. 

1358.  Kaiser  Karl  IV.,  sollen  dem  Rudolf  von  Wart  die  Kawerschen  und  Juden 
als  des  Reiches  Kammerknechte  überlassen.  —  Böhmer-Huber  2855. 

1359.  Kaiser  Karl  IV.  an  Zürich  wegen  der  Kawerzin,  die  wie  die  Juden  der 
Kammer  zu  dienen  haben.  —  Amiet  2,  276. 

[1362].  Absage  von  zwölf  Leuten  »von,  der  Caicerschin  icegen*  —  Stadt- 
bücher  S.  205. 

1363.  Aufgenommen  Friedrich  und  Jakob  von  Berg,  die  Lamparter  von  Rocha 
mit  ihren  Brüdern  Thomas,  Albrecht  und  Manfred  auf  zehn  Jahre.  Müssen  einmal 
1000  fl.  zahlen.  —  Amiet  1,  227  f.   2,  277. 

1363.  Friedrich  von  Berg  von  Rocka  und  seine  vier  Brüder  kaufen  das  Haus 
des  verstorbenen  Bürgermeisters  Rudolf  Brun,  das  sie  1383  wieder  verkauften.  Unter 
den  Zeugen:   Franciscus  von  Rocka.  —  Amiet  1,  228.   2,  279  f. 

1364.  Graf  Johans  von  Neuenburg  Schuldner  »Brankartz  genempt  Peleta  von  Ast 
in  Lamparten  Burger  ze  Zürich«.  —  Amiet  2,  281  und  295. 

1366.  »Brantass  Pellet  der  Lamparter*  war  von  den  Zürichern  gefangen  gesetzt, 
seiner  nahm  sich  der  Freiherr  Heinrich  von  Rüssegg  an,  der  Züricher  angriff.  Sühne 
des  Streithandels.  —  Amiet  2,  281  und  296. 

1369.  Die  fünf  Gebrüder  von  Berg  (de  Berg  de  Bocha)  werden  ins  Bürgerrecht 
aufgenommen,  ebenso  schon  vorher  Frandscus  de  Bocha  Lomhardus.  —  Amiet  2,  279. 

1376.  Austreibung  der  Cauvertschen  angedroht,  ob  so  richtig?  —  Amiet  1,  228. 

1380.  An  ThomanPellet  den  Lamparter,  Bürger  von  Zürich,  hatte  der  Bürgermeister 
Ritter  Rüdiger  Manesse  die  Fischenz  in  der  Stadt  verpfändet  —  Stadtbücher  264. 


Lombarden  in  Zürich,  Aarau,  Basel.  297 

1381.  •Matheus  Feilet  von  Ast  der  Lamparter*  wird  als  Bürger  aufgenommen.  — 
Amiet  2,  281. 

1383.  Die  Stadt  verlangte  von  den  •  Lamparten  von  lAitzem*  als  ihren  Bürgern, 
dafs  sie  in  der  Stadt  ein  Haus  besafsen  und  behielt  deshalb  den  Kaufpreis  des  von 
ihnen  verkauften  Hauses  ein.  —  Stadtbücher  269. 

1385.  1388.  1412.  Das  Bürgerbuch  von  Zürich  enthält  noch  folgende  Einträge, 
welche  jedoch  wohl  mit  einer  Ausnahme  sich  auf  Warenhändler  beziehen:  1385 
Michahel  von  Fungnano  der  Lamparter  von  Meilan,  1385  Fhilippus  de  Fufignano 
Lo7nhardus  de  Mediölano,  1388  Johannes  de  Cavete  von  Chum  (Como),  1412  Hans  von 
Mente  genannt  Gawersch.  —  Amiet  2   282. 

1385.    Thomas  Pelletta,  Bürger  von  Zürich,  s.  Luzem.  —  Amiet  1,  228. 

1390.  Jacob,  Thoman,  Manfred  von  Berg,  die  Lamparter  von  Rocha  waren 
der  Stadt  Zürich  ungehorsame  Bürger  geworden  und  kamen  deshalb  auch  in  Luzem 
in  Acht.  —  Amiet  2,  283. 

1397.  Wilhelm  von  Tongo,  der  Gawersch,  soll  zum  Unterhalt  seines  aufser- 
eheljchen  Kindes  angehalten  werden.  —  Stadtbücher  321. 

1404.  Ludwig  Gawersch,  Zeuge  in  einer  Urkunde.  —  Amiet  1,  230. 

1405.  »Mathe  Belett  der  Lamparter  v.  Ast,  hurger  Zürich^  kauft  ein  Pfand,  das 
die  Herrschaft  von  Hohenklingen  hat  versetzen  müssen,  und  veräufsert  es  wieder 
(Ankauf  121  fl.,  Verkauf  141  fl.).  Amiet  2,  281  f.  und  316  ff. 

1409.  Aufnahme  von  »Antonius  Marchio  Feletten^  Tfiomans  P.  seligen  sun*  und 
Erben  auf  24  Jahre  mit  ganz  eingehenden  Bestimmungen.  Die  Stadt  empfängt  als 
einmalige  Entschädigung  sofort  2800  fl.  —  Amiet  2,  282.  Zeitschrift  f.  Schweiz. 
Recht  4,  2.  32. 

1424.  Vorgehen  gegen  die  Kawerschen,  sollen  ihre  Geschäfte  abwickeln.  — 
Amiet  1,  228  f. 

1432.  Der  „Gawersch"  soll  nicht  mehr  nehmen  als  1  ^  vom  Pfund  in  der  Woche, 
das  sind  21,6  «/o  für  das  Jahr.  —  Amiet  1,  229.    2,  323. 

1433.  Thomas  Pelleta  aufgenommen  auf  zwanzig  Jahre,  zahlt  einmal  1000  fl. 
Scheint  aber  sofort  nach  Überlingen  haben  übersiedeln  zu  wollen  und  wird  ihm  die 
Hälfte  —  wohl  an  der  Zeit  —  erlassen.  —  Amiet  1,  229.   2,  323. 

O.  J.  Parzifalis  gen.  Kawerschi  von  Asti  und  seine  Frau  Balsama  im  Jahr- 
zeitbuch der  Propstei  Zürich.  —  Amiet  1,  230. 

AaraiL 

1312.    Johans  der  Gautcerschif  Zeuge  in  einer  Urkunde.  —  Boos,  Aarau  25. 

1319.  Ebenso  derselbe  mit  seinen  Söhnen  Wemher  und  Budolf.  —  Boos, 
Aarau  32. 

1322.  Derselbe  »Johans  der  Gauwerschi  von  Aroice* ,  Zeuge.  —  Boos  35. 
Amiet  2,  269. 

Basel. 

1253.  HeinriiMs  Lumhardtm  ....  mile.^  unter  den  Zeugen  einer  Urkunde,  durch 
die  das  Kloster  Murbach  Güter  an  einen  Ritter  von  Basel  verkauft.  Also  vielleicht 
nicht  nach  Basel  gehörig,  vielleicht  auch  nicht  Lombarde.  —  Bas.  Urkb.  1,  193. 

1278.  In  civitate  BasiUensi  se2ielierunt  fratres  Minores  cauirircinum  , . ,  in  magnum 
9uorum  scandalum  vicinorum,  —  Ann.  Co  Im.  M.G.  17,  203. 

1293.    Hugo  dictus  Lanparten  in  Basel  wohnend.  —  Bas.  Urkb.  3,  73. 

1290.  Bertschin,  der  Sohn  eines  reichen  Lombarden  AlberÜinus,  der  mehrere 
Häuser  besafs,  flndet  sich  im  Baseler  Urkunden  buch  nicht.  Amiet  führt  femer  an 
1305  Hugo  dictus  Lamparter,  um  1300  Alexander  Lonibardus  und  Cofiradus  Lamparte, 


298  Sechsundzwanzigstes  Kapitel. 

Auch  erinnert  er  an  die  Lampartergasse  und  zwei  darin  stehende  Häuser  Mai- 
land. —  Amiet  2,  201. 

1359.  Leonardus  Rotarius  civis  Astefisis  und  ahhas  Warinus  de  Monte  Ferrato 
hatten  bei  dem  Baseler  Zunftmeister  in  der  Judenschule  Sachen  in  einem  grofsen 
Ballen,  der  vier  kleine  Ballen  umschlofs,  hinterstellt  und  empfingen  sie  zurück. 
Quittung.  —  Baseler  Urkb.  4,  229  f. 

1374/5.  Ein  italienischer  Cauwertsche,  Ceccopieri,  der  seit  1371  als  Bürger  vorkommt, 
war  städtischer  Münzmeister.    Stammvater  der  Zsscheckenpurlin.  —  Geering  174. 

1392.  1395.  Heinrich Zscheggnbürlin,  Wechsler.  —  Baseler  Urkb.  5,  200  u.  220. 

1449.    Lamprecht  von  Lamperteschys,  Bürgern  von  Basel.  —  Ebda.  7,  400. 

Lindau. 

1294.  Graf  Hugo  von  Bregenz  hatte  bei  »Jacobus  Kortcerzinus  de  Lindow  ge- 
liehen 50  Mark  Silber;  Abrechnung  nach  zwei  Jahren:  Zinsenzuwachs:  80,  Schuld- 
summe: 166  Mark  (sie !) ,  Abrechnung  nach  weiteren  zwei  Jahren  (6  Jahr!):  Zinsen- 
zuwachs: 160,  Schuldsumme:  226  Mark,  Abrechnung  nach  weiteren  zwei  Jahren 
(8  Jahr!):  Zinsenzuwachs:  320,  Schuldsumme:  64G  Mark.  Diese  Summe  bezahlt  Graf 
Hugo,  er  hat  also  in  acht  Jahren  1192  ^/o  Zins  oder  für  das  Jahr  (gleiehmäfsig  ver- 
teilt) 149  ^/o  entrichtet.  Bei  Annahme  von  sechs  Jahren  Dauer  der  Schuld  53,18  */o, 
bei  acht  Jahren  37,6 ®/o  Zinseszins.  —    Mohr,  Cod.  dipl.  2,  193. 

Übeplingren. 

1433.  Thomas  PeUeta  scheint  1433  seinen  Wohnsitz  von  Zürich  hierher  verlegt 
zu  haben,  jedenfalls  hatte  er  die  Absicht.  —  Amiet  1,  229. 

Konstanz. 

« 

1282  November  18.  Die  Stadt  siedelt  mit  Zustimmung  des  Bischofs  und  des 
Domkapitels  Francesco  Sharata  de  Aste  und  drei  Genossen  als  Mitbürger  bei  sich 
an.  —  Unsere  Urkunden  Nr.  325. 

S.  a.  Die  Stadt  Konstanz  an  die  Stadt  Asti.  Sie  hat  wider  ihren  Wunsch  auf 
das  Andrängen  ihrer  strengen  Herrschaft  den  bei  ihnen  angesiedelten  Astigianen 
das  Bürgerrecht  aufkündigen  müssen.  Die  Datierung  Beyerles,  der  die  Urkunde  in 
die  Zeit  des  Bischofs  Heinrich  von  Brandis  (1357 — 83)  verlegt,  halte  ich  nicht  für 
zwingend.    Sollte  die  Urkunde  nicht  vorher  anzusetzen  sein?  —  Beyerle  24. 

1354.  »  Vro  Ur stillen,  Hainrichs  sälgtn  Munthratz  de?  l'awerz  (an  dem  Worte  ist 
radiert,  k  und  erz  sind  ganz  deutlich,  das  a  ist  ebenfalls  erkennbar,  nur  das  w  ist 
völlig  erloschen,  jedoch  genügt  der  freibleibende  Platz  gerade  für  ein  kleines  w), 
ains  burgers  ze  Costencz  elicher  toirten*  wird  eine  Gülte  verkauft.  —  Konstanz.  Stadt- 
archiv, Original,  mitgeteilt  von  Bejerle. 

Freibupgr  im  Breisgrau. 

1304.  „Franciscus  von  Asti,  ein  lombardischer  Handelsmann,  Bürger  in  Frei- 
burg, schenkt  der  Stadt  die  ihm  schuldigen  350  Mark  Silber."  —  Kindler  v.  Knob- 
loch, Oberb.  Geschichtsbl.  23. 

1314.  Andreas  von  Ast,  ein  Lamparter  des  Hauses  zu  Freiburg,  erklärt,  von 
Markgraf  Rudolf  sei.  von  Hachberg  eine  Schuld  bis  auf  einen  kleinen  Rest  getilgt 
erhalten  zu  haben.  —  Fester,  Reg.  h  591.  Dieser  Familie  rechnet  Kindler  v.  Kn. 
noch  andere  bis  1343  vorkommende  von  Ast  zu,  die  aber  nicht  weiter  in  Handels- 
sachen erscheinen. 

Bis  1330.  Besafs  dort  Burgrecht  der  Lombarde  Stephan  Guttuerii,  der  damals 
nach  Bern  verzog.     S.  dort.  —  Font.  rer.  Bern.  5,  741. 


LombardeD  in  Freiburg  i.  Br.,  Oberelsafs,  Gebweiler,  Kolmar  u.  s.  w.      299 

1336.  Auf  Bitten  des  Grafen  Conrad  von  Freiburg  nimmt  die  Stadt  » Wient 
Isnart  Toman  Isnartz  sun  von  Warfener  und  Wilhelmen  Cornelia  t^on  Winfinar  Lam- 
pariere*  als  Seidner  auf  zwanzig  Jahre  auf.  —  Schreiber,  Urkb.  1,  323. 

Oberelsafs. 

1331.  In  der  Satzung  über  den  freien  Zug  im  Elsafs  —  an  der  sich  die  Herr- 
schaften von  Österreich,  Pfirt,  Strafsburg  (Rufach)  beteiligen  —  wird  bestimmt,  dafs 
an  einer  Schuld  einer  Stadt  oder  eines  Dorfes  bei  Juden,  Kawertschen  oder  Christen 
der  abgezogene  nicht  beteiligt  sei.  —  Baseler  Urkb.  4,  89,  37. 

Gebweilep. 

1293.  •Cauwvrctni  in  Gehiwilre  turpiter  capiuntur  ab  ahbate  Morhachcensi,"  Über 
die  Schulden  desselben  bei  italienischen  Kauf  Leuten  s.  oben.  —  Ann.  Co  Im.  M.G. 
SS.  17,  220. 

Kolmar. 

1337.  Die  Gebrüder  Petrus^  Matthatus^  Nicolinus  und  Fraficiscus  de  Caprüio  aus 
dem  Montferrat  in  Kolmar  angesiedelt.  —  Unsere  Urkunden  Nr.  317. 

1364.    Lamparter.  —  Ami  et  1,  211,  ohne  Quelle. 

Rapoltsweller. 

1342.  Murrin  der  Lampertcr  kauft  mit  den  Herren  von  Rapoltstein  ein  Haus, 
„die  Trinkstube«.  —  ßapoltst.  Urkb.  1,  401  f. 

Schlettstadt 

1360.  Karl  IV.  verleiht  die  6  Mark  Silber,  die  er  auf  »den  Katvirschin,  die  sich 
Lamparter  nennent*,  in  seiner  Stadt  Sehlettstadt  hat.  —  Ami  et  1,  211.    B.-H.  3117. 

Strafsburgf. 

1340.  1341.  Johannes  Kauwerscher^  Schiffer  in  Strafsburg.  —  Strafsb.  Urkb. 
7  Nr.  265  und  292. 

Lothringren. 

Auch  dort  Lombarden  angesiedelt.  Vgl.  die  höchst  •  wertvolle  Urkunde  bei 
Calmet  2,  799.    Digot  2,  370. 

Oppenheim. 

1291.  Henricus  dictus  Lumhardus  civis  Oppetiheimensis. —  Stobbe,  Zeitschr.  f. 
Handelsr.  8,  47. 

1360.  Karl  IV.  erlaubt  dem  Schultheifsen  zu  O.,  Kauwerschen  in  die  Stadt  auf- 
zunehmen und  ihnen  Bürgerrecht  zu  geben.  —  Böhmer-Huber  3375.  N  e  u  m  a  n  n  368, 
Glafey  408. 

1434.   Ein  Hof  zum  Lamparten.  —  Ami  et  1,  210. 

Nördlingren. 

1322  November  29.  König  Ludwig  IV.  gestattet  »Bainero  Berotzo  et  Chaldoni 
fratrihus  de  Macis  et  Scolari  ßio  quondam  Vanni  de  Zedenellis  civibus  et  mercatoribtis 
de  Florenda  et  sociis',  sich  zwei  Jahre  in  N.  aufzuhalten  und  ein  drittes  »ad  exigendum 
debita  sua*,  Sie  sollen  dieselben  Freiheiten  haben  wie  die  Bürger  und  zwar:  sine 
exadione.  —  Oefele,  Script,  rer.  1,  742.    Böhmer,  Reg.  Ludw.  Nr.  497. 

Efslingren. 

1334.  In  einer  Erbteilung  genannt  Hof  Hermann  »Kawertzins*  in  anderer  Aus- 
fertigung Hermann  »Kaurtzea*.  —  Efsl.  Urkb.  322,  16. 


300  Sechsundzwanzigstes  Kapitel. 

Frankfurt  a.  M. 

1339.  1346.    Eberhardus  dicttis  Kauwerzan.  —  Bürgerbuch  I  und  Bedebach. 

1359—1376.  Juttt  Kauwerzenen,  Steuer  17  jff  4  h  und  3  jff  4  h  für  Pfaffengülte.  — 
Bedb.  IIb.    Erscheint  auch  1361,  62,  64,  68,  71,  72  u.  76. 

1371—1405.  Ihr  Sohn:  WerUzel,  der  1398  Bürger  wird,  höchste  Steuer  1389: 
4  «  2  jff  8  h. 

1385—1389.    Katherine  Kauwer/inen:   33  sol.     1389:    ist  äot 

Nach  den  Mitteilungen  von  Professor  Bücher  in  Leipzig. 

Mainz. 

1332.  Der  zu  diesem  Jahre  genannte  »Eberhard  Cautcerzin*  ist  wohl  ein  Nach- 
komme eines  Kauwerschen.  —  Städtechroniken  Bd.  17.  21, 1.  359,33.  361,34.  362,3. 

Bingren. 

1353.  Schuldbrief  eines  Kitters  gegen  Lewe  Ottin,  Kaufmann  von  Asti,  •oppi- 
danvs  Pingwensis*  über  400  Goldgulden.  —  Schunck  1,  74. 

1356  August  18.  Erzbischof  Gcrlach  gestattet  Bernhard  v.  Pomario,  Jakob  und 
Martin  von  Broglio,  sich  zehn  Jahre  in  Bingen  anzusiedeln.  Zahlen  jährlich  150  fl.  — 
Bhein.  Antiquarius  2,  20,  762.    Reg.  Boica  8,  357. 

1363.  Erzbischof  Gerlach  nimmt  mit  Zustimmung  des  Kapitels:  düectos  famüiartB 
Richardum  de  Montemagno^  Georgiutn  de  Pomario  et  Martinum  de  Brolio  Latnbardos 
mercatores  Astensefm  mit  ihren  Brüdern,  Erben  und  Genossen  zu  Bürgern  von  Bingen 
auf,  so  jedoch,  dafs  Reinhardus  Ottinus,  Johannes  dt  Montesia  senior  et  Leo  Ottinus 
filius  quondam  Leofiis  Ottini y  die  bereits  dort  augesiedelt  sind,  wohnen  bleiben 
können.  Der  Brief,  welcher  sehr  eingehende  Bestimmungen  enthält,  gilt  auf  fünf- 
zehn Jahre.  Andere  italienische  Kaufleute  sollen  in  Bingen  nicht  angesiedelt 
werden.  Wenn  einer  zum  Sterben  kommt,  soll  ihm  nach  vorhergegangener  Reue 
die  Beichte,  der  Leib  des  Herrn,  die  hl.  Ölung  und  auch  das  Begräbnis  nicht  ver- 
weigert werden.  Sie  zahlen  jährlich  150  kl.  fl.  von  Florenz.  In  der  Form  ist  diese 
Urkunde  aufserordentlich  ähnlich  der  des  Herzogs  Wilh.  von  Jülich  von  1361.  — 
Schunck  1,  71. 

1364.  Richard,  Jakob  und  Martin  von  dem  grofsen  Berge,  Gesellen  »Lampartirm^ 
gesessen  zu  Bingen,  erlaubt  Erzbischof  Gerlach  sechs  weitere  Jahre  zu  sitzen.  Sie 
zahlen  dafür  jährlich  150  fl.  —  Bodmann,  Rheingauische  Altertümer  716. 

1371.  Erzbischof  Johann  bestätigt  den  drei  genannten  diese  Urkunde.  — 
Schunck  1,  74. 

Zw.  1373 — 79.  Erzbischof  Adolf  bittet  Lewin  Ottini  um  Ausstand  für  eine 
Zahlung  von  300  fl.  —  Ebda.  1,  89. 

1375.  Der  Rentmeister  des  Erzbischofs  von  Köln  giebt  Lewen  Ottin  und  seinem 
Gesinde  freies  Geleit  durch  seines  Herren  Land.  —  Schunck  1,  97. 

1375.  Geschäftsbrief  des  Johannes  de  Motttesia  und  Symondus  an  LeoneUus 
Ottinus  zu  Bingen.  Es  handelt  sich  um  den  Erzbischof  von  Köln,  einen  Herren  von 
Saffenberg  und  Joh.  vomme  Stejne  und  von  ihnen  gegebene  Briefe,  offenbar  Geld- 
geschäfte.   Schunck  hatte  noch  viele  Geschäftsbriefe  zu  Händen.  —  Schunck  1,98. 

1377.  Erzbischof  Adolf  erneuert  den  Brief  Erzbischofs  Gerlach  von  1363  für 
Georgius  de  Pomario  y  Egidius  et  Martinus  filii  quondam  Martini  de  Brolio.  Neben 
ihnen  sind  angesiedelt  Johannes  et  Albertus  de  Montesia  fratres,  Godfridus  dictus 
Quombart  eorum  nepos,  Leo  Ottinus,  Gerliardus  et  Burchardus  dicti  Leonis  fiUi.  Zeit : 
15  Jahre.  —  Ebda  1,  74. 

1380.  Kurfürst  Adolf  von  Mainz  giebt  Lewen  Ottjn,  »unserm  Lamparter  zu 
Bingen*  2  Tumose  auf  den  Zoll  zu  Gernsheim.  —  Schunck  1,  90. 


Lombarden  in  Bingen,  Bacharach,  Oberwesel.  301 

1380/81.  Drei  Briefe:  Bernardus  de  Pigwea^' ^  Studenten  zu  Paris,  an  seinen 
Vater  »Leani  Ottino  Seniori  moranii  in  Pigttia*.  Auch  Namen  von  Deutscheu  kommen 
darin  vor,  z.  B.  »patrwas  meus  Nicolaus  Liebenson«,  so  dafs  man  sieht,  wie  stark  sich 
die  Familien  eingelebt  hatten.  —  Schunck  1,  91. 

1385.  Mattheus  Lamparter  zu  B.  hatte  an  Erzbischof  Adolf  150  Goldgulden  zu 
zahlen.  —  Bodmann  716. 

1398.  Buhard,  Sohn  Lcwins  des  Lamperters  zu  Bingen,  Karthäuser,  schenkte 
dem  Rate  zu  B.  zur  Erweiterung  des  Friedhofes  das  Haus  seines  Vaters:  »zur  er? 
gatzunge  und  karunge  soliches  wuchergeües,  da^  eUcan  Leice  der  Lamparter,  sin  vater^ 
uffgehohen*  u.  s.  w.  Offenbar  ist  Buhard  mit  dem  Pariser  Studenten  Bernardus  und 
dem  Burchard  von  1377  identisch.  —  Bodmann  716. 

Mitte  s.  XV.  Die  Lombarden  von  dort  vertrieben,  das  Domkapitel  gelobt,  keinem 
mehr  Aufnahme  zu  gewähren.  —  Ami  et  2,  271.    Auf  Grund  Bodmann  716. 

Bacharach. 

1367.  „Pfalzgraf  Ruprecht  I.  giebt  Johann  von  Montafje  und  Matheus  Turell(?), 
Lombarden,  das  frühere  Zollhaus  in  Bacharach  gegen  jährlich  45  Gulden  auf  neun 
Jahre  in  Nutzniefsung.^  Ob  Zollverpachtung  oder  Niederlassungskonzession?  Wohl 
letzteres.  —  Koch  u.  Wille  Nr.  3737. 

1373.  Ruprecht  L  spricht  »Monfrulus  de  Montafia,  Johannes  senior  filius  quofid, 
Godofridi  de  M.,  Mamiel  ei  Matheus  fratres  de  Turell  (. ,)  cives  Astenses^  Lomhardos 
mercatores,  von  allen  weiteren  Zahlungen,  wie  auch  von  allen  etwaigen  Vergehen 
seit  ihrer  Niederlassung  in  Boppard  frei.  —  Koch  u.  Wille  Nr.  4017. 

1338.  Die  Pfalzgrafen  Ruprecht  der  ältere  und  der  jüngere  treffen  mit  Johann, 
ihrem  »Lamparten* ^  Vereinbarung  wegen  Rückzahlung  einer  Schuld.  —  Koch  u. 
Wille  Nr.  4762. 

ObepweseL 

1357  Mai  2.  Schuldbrief  von  rheinischen  Rittern  und  Adligen  bei  Konrad  Asi- 
narius  und  Folkard  Paliidus,  lombardischen  Kauf  leuten  und  Genossen  zu  Oberwesel. 
Die  Schuldner  müssen  für  180  Goldgulden  Verzugszinsen  von  2  Gulden  und  5  Schilling 
Heller  für  die  Woche  bezahlen,  also  65 ^/o.  —  Rhein.  Antiquarius  II,  20,  770. 

1366  Januar  5.  Die  Witwe  eines  Ritters  von  Schmidtburg  und  andere  Schuldner 
des  in  Oberwesel  wohnenden  Konrad  Asinari  von  Asti.  Die  Zinsberechnung  ergiebt 
für  Verzugszinsen  43,3*/o.  —  Rhein.  Antiquarius  II,  8,  45.    Urkunden  Nr.  416. 

1368  Juli  11.  Dieselben  Schuldner  erklären  sich  zu  einer  um  die  Verzugszinsen 
erhöhten  Schuld.  —  Urkunden  Nr.  417. 

1368  Juli  11.  Zwei  weitere  Schuldbriefe  bei  demselben  Lombarden,  an  denen 
fast  dieselben  Aussteller  beteiligt  sind.  —  Urkunden  Nr.  418,  419. 

1372  [1376  Fehler  bei  Hontheim]  Dezember  27.  Erzbischof  Cuno  von  Falken- 
stein nimmt  Thomam  et  Michadcm  fratres  et  Manuelem  de  Asinariis  et  Ahertinum  de 
Montefia  Lomhardos  mercatores  cives  Astenses  auf  neun  Jahre  in  Oberwesel  auf.  Die 
Bedingungen  denen  unter  Aachen  1361  sehr  ähnlich.  Sie  zahlen  jährlich  900  Gold- 
gulden von  Florenz.  —  Hontheim  2,  276.  Die  Namen  und  Ziffern  nach  einem 
Regest,  das  das  Koblenzer  Staatsarchiv  anfertigte. 

1372  Dezember  29.  Verpflichtung  zweier  Bürgengruppeu  für  die  Zahlung  von 
zusammen  11000  Goldgulden  Mainzer  Währung,  welche  sich  als  die  Summe  der 
durch  die  genannten,  in  Oberwesel  angesiedelten  Lombarden  zu  zahlenden  Schutz- 
gelder herausstellen.  Unter  jeder  Bürgengruppe  Italiener  und  Einwohner  von  Ober- 
wesel. —  Urkunden  N.  421. 


302  SechsundzwaDzigstes  Kapitel. 

Koblenz. 

1327,  Im  Besitze  von  Nichtlorabarden  die  curia  dicta  der  Kauwerzin  hoff,  — 
Urkunden  Nr.  410. 

Trier. 

1227.  Das  Trier  Provinzialkonzil  verbietet  Geld  des  Gewinnes  halber  anzu- 
legen: »ne  pecuniam  suam  ad  cauwercinoft  vel  Judaeos  ponant  propter  lucrum*,  — 
Aronius  Nr.  439. 

1262.  Aufnahme  der  Lombarden  JManueüus  de-Troya  und  dessen  Neffen  Beyner, 
Ogenis  Carena  und  dessen  Neffen  Bvfinus  mit  ihren  Familien.  —  Görz,  Mittelrh. 
Reg.  3  Nr.  1832.    Abdruck  Urkunden  Nr.  407. 

1279.  Erzbischof  Heinrich  verleiht  dem  Lombarden  Facinus,  Bürger  in  Trier, 
auf  Lebenszeit  das  Almosenhaus.  —  Görz,  Mittelrh.  Regesten  4  Nr.  615. 

1294.  Der  campsor  Frider,  Systappi,  Bürger  zu  Trier,  hat  zur  Erbleihe  ein 
Haus  in  Trier.  —  Ebda.  4  Nr.  2270. 

1334.  Paidinus  Test  Lomhardus  Asteims  verpflichtet  sich,  nur  mit  Zustimmung 
des  Erzbischofes  Wucher  zu  treiben.  Zahlt  jährlich  50^  kleiner  Tumosen.  —  Ur- 
kunden Nr.  412. 

1335.  In  einem  Schuldbrief  formelhaft  der  Juden  und  »Kauwerzinen*  gedacht.  — 
Urkunden  Nr.  413. 

1349.  Ebenso  in  einem  Schuldbriefe  des  Erzbischofs  Balduin  gegen  Kölner 
Bürger.  —  Urkunden  Nr.  414. 

Luxemburgflsches  Gebiet. 

1300  Februar  18.  George  de  Sibone  Joinbard,  citain  et  marchant  d'Ass,  —  Public, 
de  r Institut.  1861.    17,  91. 

1371.  Frandscus  Isnardi  u.  s.  w.  de  Castel  Lombars  marchands  et  citains  cTAiat 
demetirani  a  Mannlle  et  a  Arency.  —  Ebda.  1869.   24,  2,  123. 

Scixöneck  in  den  Ardennen. 

1290.  Johann  Herr  v.  Malberg  verspricht,  den  Herrn  v.  Blankenheim  für  eine 
Bürgschaft  über  50  Köln.  Mark  bei  Bai  au  dem  Lombarden  von  Schoneckin  in  den 
Ardennen  schadlos  zu  halten.  —  Görz,  Mittelrh.  Regesteu  4,  409. 

Reuland  (Kreis  Malmedy). 

1341.  Schuldbrief  zu  Gunsten  des  Lanzeroto  Gardyn  und  Johannes  Candera, 
lombardi  in  Buylant,  —  Urkunden  Nr.  415. 

Linz. 

1372.  Wohnt  dort  ein  Lampart  er  '»Brache*  nach  dem  Siegel  fDBAC]ONI\ 
AL10N1S\  s.  Ahrweiler.  —  Urkunden  Nr.  418. 

Sinzlch. 

1381.  Ein  Kölner  Dominikaner  und  Wilh,  Tharamantinus,  Lombarde,  civis  Astensis, 
opidanus  in  Syntzghey  Testamentsvollstrecker  des  verstorbenen  Lombarden  Joh.  Obber^ 
tini,  opidanus  in  Syntzghe,  —  Mit  teil.  St.  Köln  24,  49. 

Ahrweiler. 

Vor  1395.  Auf  Bewilligung  des  Erzbischofes  von  Köln  safsen  hier  lange  vor 
1395  „Lumbarder".  —  Amiet  1,  213.    Rhein.  Antiqu.  3,  9,  649. 


Lombarden  in  Ahrweiler,  Remagen,  Siegburg,  Köln.  303 

1372.  Verdeckte  Ansiedlung  des  Andrees  Falliäus^  burger  van  Ast,  Bürgen:  sein 
Oheim  Volkard  Pallidus,  Drache,  wolmliaft  zu  Linz,  Lombarden  und  der  Koblenzer 
Mfinzmeister  Meister  Alhart  (nach  dem  Siegel  Aleramo  Alfieri).  —  Ur kund en  Nr. 420. 

Remagren. 

1371.    Haus  zu  Remagen,  in  dem  die  Lombarden  wohnen.  —  U  rkunden  Nr.  442. 

Siegrburgr. 

1308.  Bychardus  (Garreti)  Lombardufi  (aus  Asti),  opidanus  in  Syberg,  Quittungen.  — 
Urkunden  Nr.  427,  428.    Lacomblet  3  Nr.  61. 

Köln. 

S. XII  ex.,  8. XIII  ine.  In  den  Schreinsurkunden  Bd.  1  und  2  begegnet  mehr- 
fach ein  Petrus  Longobardus,  daneben  häufiger  eine  Gruppe  Romanus.  —  Es  gab  in 
Köln  ein  Haus  *af?  Lomhardum*,  —  Mitteil.  Stadtarchiv  Köln  26,  134. 

1266.  Erzbischof  erklärt  in  einem  Privileg  für  die  Juden :  Nullt  etiam  Cauuer' 
cini  rel  cristianiy  qui  manifeste  prestent  ad  usuraSj  cum  ipsis  (seil.  Judeis)  per  hoc 
fiat  prijudicum,  in  avitate  Coloniensi  residere  nullatenus  permittentur,  —  Ennen  u. 
Eckertz  2  Nr.  495. 

1296  September  18.  Opicius  qui  vocor  Albertus  de  Bocka  et  Hennekinus  Botarius, 
Lombardi  verpflichten  sich,  der  Stadt  Köln  die  Briefe  zurück  zu  verschaffen,  welche 
sie  einst  Odino  et  Manuell  Lombardis  mercatoribus  Aslensibus  gegeben  hat  betr.  den 
Aufenthalt  in  Köln.  —  Ennen  u.  Eckertz  3  Nr.  430. 

1296  September  27.  Dieselben,  welche  als  Bürger  von  Köln  auf  25  Jahre  auf- 
genommen sind,  verpflichten  sich,  von  einem  Kölner  Bürger  »nomine^  custuum*  nicht 
mehr  zu  nehmen,    als  von  jeder  Mark  3  obuli  für  die  Woche.  —  Ebda.  3  Nr.  431. 

1309.  'Opicius  dictus  Albertus  Lombardus«  übergiebt  »Mascharo  dicto  Thomas, 
Dullino  dicto  Henricus  de  Rüpe  fratribus  suis  Lombardis*  alles,  was  er  in  Köln  hatte; 
ein  Drittel  des  Hauses  ad  Hircum,  seinen  Anteil  an  zwei  Hofstätten  und  einen  An- 
teil an  einem  Zinse.  —  Ebda.  3  Nr.  570. 

1309  August  11.  Mascharus  dictus  Thomas  de  Rupe  Lomb.  Astensis  civ.  Colon, 
famulutt  und  Gläubiger  des  Erzbischofs  Heinrich.  —  Urkunden  Nr.  433,  434. 

1310  Juni  18.    Ebenso.  —  Urkunden  Nr.  435. 

1311.  Erzbischof  Heinrich  II.  verpfändet  »Opidyw  Grasverdi  dicto  Petrus  et 
Hennekino  nato  ^usdem  ac  Rolando  dicto  CassinOf  Lombardis,  civibus  Ostiensibus«  den 
Zoll  u.  s.  w.  zu  Rheinberg,  bis  die  Schuldsumme  davon  eingenommen  ist.  Von  einer 
alten  Schuld,  welche  bei  Errichtung  des  Zolls  zu  Leutesdorf  durch  König  Heinrich 
und  dessen  Verlegung  nach  Bonn  u.  s.  w.  entstanden  war  und  sich  auf  1540  M.  8  ^ 
Brabanter  belief,  sind  noch  zu  entrichten  711  M.  6  /?,  dazu  kommen  neu  829  M. 
Wenn  sie  von  Rheinberg  weichen  müfsten,  soll  der  Rest  »ad  usuram  judeorum  vel 
Cfistos  cairercinoj'um,  ita  quod  super  quamlibet  marcam  unus  denarius  ascendnt  qualibet 
septimana'^.  Der  Kurfürst  stellt  viele  Bürgen.  Statt  civibus  Ostiensihus  ist  offenbar 
Astiensibus  zu  lesen,  wohin  auch  die  Namen  weisen.  Siehe  oben  die  Urkunden  zu 
1296.  —  Ennen  u.  Eckertz  4  Nr.  2. 

1311.  Stristram  Lombardus  gründet  mit  zwei  anderen  Kölner  Bürgern  für  be- 
kehrte Juden  und  für  Arme  und  Knaben  ein  Hospital.  —  Ennen  u.  Eckertz4  Nr.  3. 

1317.  Der  Graf  von  Jülich,  Schuldner  des  »Maese  des  caH'€rzyn<t.  —  Lacom- 
blet 3,  124. 

1321.  Der  Graf  von  Jülich,  Schuldner  ungenannter  Kawerschen.  —  Lacom- 
blet 3,  158. 


304  Sechsundzwanzigstes  Kapitel. 

1321.  Im  Eidbuche  von  1321:  Schutz  der  »Lambardar^y  die  im  Hanse  bei  sent 
marien  Malzhuchü  wohnen,  sie  müssen  jährlich  150  Mark  Kölner  Pagamentes  zahlen. 
Ebenso  für  die,  denen  das  Haus  zum  Bock  gehört,  sie  zahlen  100  Mark.  —  Ennen 
u.  Eckertz  I,  2. 

1328  Die  Stadt  nimmt  Johannem  de  Bergoginnis,  Älisiam  uxoreni  (jus,  Thomam^ 
Jdhannem  et  Anthonium  y  filios  eorundem  auf  zehn  Jahre  als  Bürger  auf,  sie  dürfen 
alles  betreiben,  nur  nicht:  camhire  denan'os,  pecuniam,  aurum  vel  argentum,  ebenso- 
wenig Weinhandel.  Wenn  sie  von  dem  Erzbischofe  erreichen  können  »tenendi  Mmlam 
unam  in  domo  sua  ad  exponendum  et  mutuandum  pecumntn  suam  pro  hicro  secundum 
consuetudifiem  Lumbardorum  haxienus  Colonie  servatam*,  so  ist  die  Stadt  damit  ein- 
verstanden, will  dadurch  aber  in  keine  kirchlichen  Strafen  geraten.  Die  Familie 
hat  jährlich  150  Mark  Silber  der  Stadt  zu  zahlen.  —  Ennen  u.  Eckertz  4  Nr.  139. 

1332  Juni  24.  Erzbischof  Walram  gestattet  gegen  mo  ü.  jährlich,  sich  in  Köln 
auf  elf  Jahre  anzusiedeln :  Rophinus  Nokarius  und  Matthias  genannt  Cjnet,  Gabriel 
und  Walram  de  Montemagno,  Leo  und  Daniel  Ottini,  Bichardo  und  Pirzivallo  de 
Montemagno,  Dominicus  und  Leo  genannt  Stoil  aus  Asti.  Andere  Italiener,  welche 
Geldgeschäfte  betreiben  wollen,  dürfen  sich  neben  ihnen  nicht  ansiedeln.  —  Ami  et 

1,  212.     Mitteil.  Stadtarchiv  Köln  6,  16. 

1335.  Eine  kleine  Summe  ist  ad  usuras  Lombardorum  ausgeliehen.  —  La  Com- 
bi et  3,  239. 

1346  Juni  6.  Daniel  Oitinus  und  Bonefacius  Gardinus  Lumbardi  mercatores  er- 
klären, sie  wollen  gegen  die  Stadt  Köln  auf  etwaige  Briefe,  die  sich  von  ihr  noch 
finden  sollten,  keine  Ansprüche  mehr  erheben.  Die  Herausgeber  verstehen  unter 
diesen  Briefen  „Schuldbriefe'^,  mir  ist  es  wahrscheinlicher,  dafs  die  Niederlassungs- 
briefe gemeint  sind.  —  Ennen  u.  Eckertz  4  Nr.  287. 

1358.  Bürgerannahme  1358:  Leo  Oitinus,  Leo  Johans  eydutn  van  der  Kul^n  ein 
Lombarde.  —  Hans.  Urkb.  3,  470  Anm.  1. 

1360  Juli  2.  Ritter  Amt  v.  Krieckenbeck  ersucht  einen  anderen  Ritter  um  Bürg- 
schaft für  472  alte  Goldgulden  bei  genannten  Lombarden.  —  Mitteil.  Stadtarchiv 
Köln  7,  28. 

1372  Januar  13.  Brüder  Laurenz  und  Wilhelm  de  AsinariiSy  Lombarden  von 
Asti,  quittieren  über  225  Roesginsmutoneu,  die  ihr  Bruder  Peter  der  Stadt  Köln  ge- 
liehen. —  Mitteil.  Stadtarchiv  Köln  7,  61. 

1375—90.  In  Kölner  Stadtrechnungen:  1375  Jacobus  Stvartze  Lumbardus,  1378 
Jdkiiz  LumbarduSf  1.387,  89  und  92  hatte  Ambrosius  de  Busti  einen  Teil  der  städtischen 
Accisen  gepachtet.  1388  zahlt  Bonimcerta  Lumbardiis  100  fl.  1390  Yda  Lumbartz 
und  Obertinus  de  Monte fia  et  Anthoniuft  fUiiis,  Leo  OUijn.  —  Knipping  1,  25.  2,  209. 

2,  319.   1,  48  f.    1,  53.    1,  58,  1,  50  und  1,  55. 

1382.  Bürgerauf  nähme :  Thomas  dictus  hermelin  de  Svane,  Johannes^  Frenciscus, 
JasperoilSj  fratres  dicti  Tliome,  Lumbardi,  —  Ennen  u.  Eckertz  1.  175. 

11382.  "Beceptum  a  4  civibus  Lumbar dis  patre  et  fdiis  136  fl,  =  459  marc.^  — 
Knipping  1,  ilS. 

1383.  Vielleicht  gehört  nach  Köln,  sonst  doch  an  den  Niederrhein.  Quittung 
des  »Gerart  Otiyn,  Francke  Asyni^  und  Johan  Asynier  Lumbarder^^  für  H.  Wilhelm 
von  Jülich.  —  Urkunden  Nr.  443. 

1386.    *De  uno  Lnmhardo  cive  100  fl,  =  353  m.  4  ä.«  —  Knipping  1,  44. 

1450.  Die  Stadt  Köln  hatte  das  Vermögen  eines  beim  Predigerkloster  ermordeten 
Lombarden  Bartholomäus  zum  Teil  konfisziert,  Bartholomäus  hatte  einen  Wechsel 
zur  Zahlung  in  Rom  in  Händen.  —  Mitteil.  27,  315. 

S.  d.    Notizen.    Mitteil.  Stadtarchiv  Köln  26,  20  Nr.  182,  auch  26,  99  Nr.  996. 


Lombarden  im  Kölnischen,  Müllheim,  Werden,  Duisburg,  Soest  u.  s.  w.     805 

Im  Kölnischen. 

1:^09  April  27.  Mit  zwei  Kölnern  haben  Andreas  Ba^tellus  et  Opicinus  Gres- 
werdus  dictus  Petrus  zum  Schuldner  Erzbischof  Heinrich.  —  Urkunden  Nr.  430. 

Juni  1.  Georgius  Asinarius  et  Manufl  fil,  Andreas  et  Tfiomas  dicH  BastelU  et 
Opicinus  Grasverdus  dict.  Petrus  ebenso.  —  Urkunden  Nr.  431. 

August  4.    Ebenso.  —  Urkunden  Nr.  432. 

1310  Juli  18.  Petrus  r.  Wesely  Gläubiger  Erzbischofs  Heinrich.  —  Urkunden 
Nr.  436. 

Oktober  12.  Petrus  dictus  de  Wesalin  Lomhardus  famulus  et  officiatus  in  Bhein- 
berg  ebenso.  —  Urkunden  Nr.  437. 

1308  um  Dezember  13.  Tristramnus  de  Troya  und  Genossen  haben  die  Hälfte 
des  Zolles  zu  Andernach  inne.  —  Urkunden  Nr.  429. 

Müllhelm. 

1360.    Volkard  der  Lombarde  in  Mulnheym.  —  Urkunden  Nr.  440. 

\V  erden. 

1317.  Bei  der  Erhebung  von  Werden  zur  Stadt  wird  festgesetzt,  dafs  die 
Bürger  keine  Juden  oder  Kawerschen  aufnehmen  dürfen  ohne  Zustimmmung  des 
Abtes.  —  Lacomblet  3  Nr.  162. 

Duisburg:. 

1279.  Graf  Reinald  von  Geldern,  Herzog  von  Limburg,  gelobt:  omnes  conditionea 
fadas  Lumbardis  etjudeis  Dusburg  commorantibus  anzuerkennen.  —  Lacomblet  2, 437. 

1334.  Beinakus  de  Ferrariis  und  seine  Brüder  erklären  sich  von  der  Stadt  D. 
befriedigt.  —  Averdunk,  Heinr.,  Gesch.  der  Stadt  Duisburg  21.  386. 

1349.  Der  Lombarde  Bartholomaeus  Abel  erklärt,  dafs  er  keinen  Bürger  wegen 
dort  festliegender  Gelder  aufserhalb  vor  Gericht  belästigen  wird.  —  Aver- 
dunk 278.   386. 

1362.  Karl  IV.  giebt  der  Stadt  das  Privileg,  dafs  ohne  Zustimmung  der  Bürger 
keine  Juden  und  Kawerschen  zugelassen  werden  dürfen.  —  Averdunk  282.  386. 

1375 — 77.  Nach  den  Stadtrechnungen  waren  Lombarden  gegen  einen  Zins  von 
30  fl.  angesiedelt.  —  Averdunk  387. 

Soest. 

1348.    Joh.  Caversint  Bürger  von  Soest,  erwähnt.  —  Hans.  Urkb.  3,  434. 

Osnabrück. 

1291.  Konrad  Graf  v.  Rietberg,  Bischof  von  Osnabrück,  verpflichtet  sich,  die 
Cawercinos  seu  Lombardos  innerhalb  zwei  Jahren  abzuschaffen  und  niemals  mehr  in 
Stadt  oder  Bistum  einzuführen.  —  Gesch.  d.  Stadt  Osnabrück  1816  1,  184. 

Gladbach. 

1:350.    Schuld  bei  nicht  genannten  Lombarden  in  Gladbach  und  Rocrmonde.  — 
Urkunden  Nr.  439. 

Aachen  bez.  Düren,  Aldenhoven  und  Jülich, 

1291.  Die  Stadt  hatte  von  den  hotiestis  inris,  qui  nobis  multa  bona  fecerunt, 
Petro  de  Aquis  {Aatia  ?)  dicto  Viventio  et  Gawitio  Lumbardis  et  eorum  sociis  300  Mark 
Aachener  Pfennige  bar  entliehen  und  so  drei  Acciscn  vorweg  genommen,    welche 

Schulte,  Gesch.  d.  mittel alterl.  Haudels.    I.  20 


806  Sechsundzwanzigstes  Kapitel. 

nach  sechs  Jahren  zurückzuzahlen  sind.    Als  Bürgen  werden  gestellt  Johann  Herzog 
von  Brabant  und  Walram  Herr  von  Valkenburg.  —  Q  u  i  x ,  Cod.  2, 163  und  G  e  s  c  h.  2, 55. 

1301.  Gerhard  Graf  von  Jülich  weist  die  Stadt  Aachen  an,  ihrem  Mitbürger 
»Cavradus  Lumbardus* ,  dem  er  eine  bestimmte  Geldsumme  schuldet,  100  Mark 
Aachener  Pagamentcs  zu  zahlen.  —  Quix,  Cod.  2,  176.  Diese  Rechte  übte  der  Graf 
von  Jülich  als  Vogt  der  Stadt  aus.  Vgl.  Werminghoff,  Die  Verpfändungen  der 
mittel-  und  niederrheinischen  Reichsstädte  (Untersuchungen  z.  deutschen  Staats-  u. 
Rechtsgesch.  Heft  45)  S.  118  u.  ff. 

1309.  Bertelinus  Jjombardus  civ,  Aquensis  hat  den  Zoll  zu  Leutesdorf  inne.  — 
Urkunden  Nr.  430. 

1315.  Ger.  Graf  von  Jülich  und  Wilhelm,  sein  ältester  Sohn  werden  die  Stadt 
Aachen,  welche  sich  unter  einer  Strafe  von  5000  Mark  Aachener  Pagamentes  für 
ihn  gegen  Tliomam  NijclwUnum,  Andream  fratres,  Obertinum  suum  rognatum,  Baudua- 
h'nunij  Euffinettum  fratreSf  Dominicum  Fetrinum  fratres,  Rijgaudinum,  Anthoninum 
Botarios,  Comminganum  et  Fatschinum  de  Comminganis  Lumbardos  et  eorum  socios 
mercatores  Astenses  verbürgt  hat,  schadlos  halten.  Die  Strafe  von  5000  Mark  findet 
sich  auch  in  der  Urkunde  von  1361  und  soll  an  die  Lombarden  entrichtet  werden, 
wenn  der  Herzog  von  Jülich  die  in  der  Konzession  angegebenen  Bedingungen  bricht. 
Das  Gleiche  ist  also  hier  anzunehmen.  —  Qu  ix,  Cod.  2,  181. 

1326.  Gerhard  Graf  von  Jülich  verjiflichtet  sich  der  Stadt  gegenüber ,  welche 
sich  »apud  nostros  Lombardos  mercatores,  Aquis  commorantesM  zu  einer  Strafe  bis  zu 
5000  Mark  Aachener  Pagamentes  und  zu  einer  solchen  von  50  Groschen  Tumosen 
verpflichtet  hat,  die  genannten  Kaufleute  in  Aachen  nicht  zu  belästigen  und  der 
Stadt  etwaigen  Schaden,  den  sie  deshalb  hat,  zu  ersetzen.  Die  Strafe  der  50  ü 
wird  bezeichnet  als  »dtra  antiquas  conditiones  quas  lAimbardi  mercatores  Aquis  habere 
consueverant* .  —  Qu  ix,  Cod.  2,  205. 

1334.  Wayhvanus  et  Gabriel  fratres  de  Brolio  de  Montt  Magno ,  Leo  et  Daniel 
fratres  de  Octini,  Dominicus  et  Leo  didi  Fijoh,  Pijrchevallus  de  Brolio  de  Monte 
Magno,  Bahlrakijnus  et  Bufinetus  Botarit  fratres,  Lumhardi  mercatores  et  corum  socü 
erklären  sich  mit  der  Ausfühning  der  Versprechungen  der  Stadt  Aachen  und  des 
von  ihr  ihnen  gegebenen  Briefes  bis  auf  diesen  Tag  völlig  befriedigt  und  verzichten 
auf  jeden  Anspruch.  —  Q  u  i  x ,  Cod.  2,  219. 

1334.  In  der. Stadtrechnung  erwähnt  *j)ro  Liimbardis  captivatis*,  es  scheint  in 
Nidecken  »de  littera  Ltimhardorum* .  —  Laurent  105,  112. 

1338.  Wilhelm  Markgraf  von  Jülich  erklärt  die  Stadt  Aachen  für  den  Brief, 
den  sie  Gabriel  de  Monte  Magno,  Leo  Ottinus  und  ihren  Genossen,  lombardischen 
Kaufieuten,  gewährt  hat  und  die  darin  enthalteneu  Bedingungen  und  etwa  daraus 
entstehende  Verwicklungen  schadlos  halten  zu  wollen.  —  Qu  ix.  Cod.  2,  224. 

1338.  Die  Stadtrechnung  enthält  unter  den  Ausgaben:  »de  captivitatt  Ltimbar- 
dorum*  eine  ganze  Reihe  von  Posten  für  Ritte  zum  Markgrafen  von  Jülich  zu  den 
Lombarden  nach  Mecheln.  —  Laurent  124.  128. 

1338.  »Waldrdkinus  et  Menfredus  didun  Thijnet  fratres  dicti  Botarii^  Wailwanus 
et  Gabrid  de  Brolio  de  Montemagno,  Parchei'alhis  et  Bichardus  de  Brolio  de  Monte- 
magno,  Leo  et  Daniel  fratres  didi  Othini,  Dominicus  et  Leo  dilti  Fijole  Lumbardi 
mercatores^  erklären  die  Stadt  Aachen  von  aller  Verpflichtung  und  Schuld  ledig, 
»et  specialiter  de  captivitate  seu  ddendone  familie  nostre  seu  nunciorum  nostrontm, 
rerum  ac  bonorum  nostrorum  in  urbe  Aquensi  facta  per  •  .  W.  marchionem  Julia- 
censem*,  —  Qu  ix,  Cod.  2,  227. 

1343.  Wilhelm  Markgraf  von  Jülich  verpflichtet  sich,  die  Stadt  Aachen  für  jede 
Unannehmlichkeit  schadlos  zu  halten,  welche  daraus  erwachsen  könnte,  dafs  sie  auf 


Lombarden  in  Aachen,  Arnheim,  Roermonde,  Maastricht,  Lüttich,  Mecheln.    307 

seine  Bitte:  •GahrieU  de  MontemagnOj  Danüli  Oiioni^  Leoni  Fijole  et  Baffaeli  Rotario 
ac  eorum  sociis  Lumbardts  niercatoribus*  einen  (offenbar  Niederlassungs-)Brief  ge- 
währt haben;  er  will  auch,  dafs,  wenn  von  jülichischer  Seite  etwas  gegen  die  Lom- 
barden oder  ihre  Güter  unternommen  werden  sollte,  sich  die  Aachener  dagegen 
wehren  dürfen.  —  Quix,  Cod.  2,  233. 

1346.  Als  Arnold  Herr  zu  Frankenberg  einen  Aachener  Lombarden  auf  seinem 
Schlosse  gefangen  hielt,  liefs  die  Stadt  die  Burg  belagern.  Beruht  wohl  auf  den 
Stadtrechnungen.  —  Quix,  Gesch.  2,  91. 

1349.  In  der  Ausgabcrechnuug  der  Stadt,  Posten  für  neue  Ketten,  die  Strafsen 
zu  sperren,  darunter  »prope  ....  lAimbardorum* .  —  Laurent  223. 

1361.  Niederlassungserlaubnis  für  einige  der  Familien  de  BoUinis  und  de  Mon- 
Ufia  auf  zwanzig  Jahrn.  —  Urkunden  Nr.  441. 

1376.  Ausgaberechnung.  Unter  den  Verehrungen  an  Wein  erscheint  zweimal : 
»Johan  deine  Jjumharder  van  Diiren",  —  Laurent  251,  260. 

1385.  Ausgaberechnung.  Unter  den  Verehrungen  »den  Lumharden  van  Düren, 
Johann  van  Düren  den  Lumbarden,  Feter  deme  Lumbarder,  vreymde  Lutnbarden  waren 
hie,  den  Lumbarden  van  Buyrmunde^,  Unter  den  Leibzüchtern:  »It.  Heinricfi  Vdgletus 
vanAyst  der  Lumbarder  120  gidd',  —  L9,ureiit  300,  302,  315,  316,  320,  329,  344,  353. 

1386.  Schuldbrief  der  Herrschaft  Heinsberg  gegen  Johann  von  Monteüa  u.  a. 
Zins  7,7  V  —  Urkunden  Nr.  444. 

1394.  Weitere  Niederlassungserlaubnis  des  Herzogs  Wilhelm  von  Jülich  für 
die  von  Botaris  und  die  de  Montefia  auf  zwanzig  Jahre  für  Aachen,  bez.  Düren, 
Aldenhoven,  Jülich  oder  Bergheim.  —  Urkunden  Nr.  448. 

1425.  Bartholomeus  hat  dem  Herz,  von  Jülich  100  rh.  fl.  jährlich  für  seinen 
Aufenthalt  zu  zahlen.  —  Urkunden  Nr.  450. 

Arnheim. 

Um  1393.  Bestand  hier  ein  Lombardenhaus,  Teilhaber:  Johan  und  Abertyn 
van  Montefy,  Brüder,  Symon  van  Montefia  und  Gadert,  ihr  Verwandter.  —  Ur- 
kunden Nr.  446. 

Roermonde. 

1350.  S.  Gladbach.  —  Urkunden  Nr.  439. 

1393.  Schuld  bei  den  Lombarden  zu  R.  „Johan  van  Montefia  und  Albertyn" 
seinem  Bruder.  —  Urkunden  Nr.  445. 

Um  1393.  Abertyn  van  Montefy  und  Gadert  van  Montefy.  —  Urkunden 
Nr.  446,  447. 

Maastriclit. 

1384—1387.  Schulden  rheinischer  Leute  bei  dem  Maastrichter  Lombarden 
Johann  von  Montefva.  —  Mitteil.  Stadtarchiv  Köln  9,  35. 

Lüttleb. 

1301.    Die  Stadt  begünstigte  die  lombardischen  usurarii,  —  Ami  et  1,  209. 

1320.  Die  Kawerschen  von  Lüttich  vermittelten  das  Geld  für  den  Boten  der 
Stadt  Köln  nach  Avigiion,  sie  hatten  dort  ihre  Agenten  (die  Kölner  also  wohl 
nicht).  —  Ennen  u.  Ecker tz  4  Nr.  80. 

Mecheln. 

1324.  Zahlreiche  Astigianen,  aus  den  verderbten  Namen  sind  sicher  oder  wahr- 
scheinlich die  Kocca,  Alfieri,  Antignano,  Scarampi  und  Turchio  zu  erkennen.  Das 
geistliche  Gericht  beansprucht  sie  als  Wucherer  für  sich.  —  Urkunden  Nr.  488. 

20* 


308  Siebenundzwanzigstes  Kapitel. 

Den  Aufenthalt  von  Lombarden  im  Bereiche  der  heutigen  König- 
reiche Niederlande  und  Belgien,  sowie  der  zum  heutigen  Frankreich  ge- 
hörigen Teile  festzustellen,  gehört  nicht  hierher,  jedoch  will  ich  ein 
Dokument  nicht  verabsäumen,  kurz  zu  erwähnen,  da  es  uns  einen 
statistischen  Überblick  gewährt.  Es  ist  das  die  Aufzeichnung  über  die 
Vorladung  von  Lombarden  aus  dem  Gebiete  der  beiden  Königreiche  und 
der  Diöcese  Cambray,  die  November  1309  erfolgte^.  Es  werden  im 
ganzen  46  verschiedene  Personen  vorgeladen,  von  denen  29  als  Astigianen 
bezeichnet  werden,  bei  allen  anderen  fehlt  die  Bezeichnung  der  Heimat. 
Aufserdem  erfolgt  die  Vorladung  noch  an  41  Banken  (tahle's)  oder 
Lombarden.  Von  den  gröfseren  Orten  sind  Antwerpen,  Breda,  Brügge, 
s'Herthogenbosch  und  Löwen  genannt,  doch  finde  ich  hier  jedesmal  nur 
einen  Lombarden,  so  dafs  man  zu  der  Vermutung  kommt,  dafs  diese 
Geldhändler  die  Konkurrenz  am  Orte  vermieden.  So  erklärt  sich,  dala 
auch  in  kleinen  Orten  solche  Banken  waren.  Unter  den  Vorgeladenen 
befinden  sich  auch  Münzer  und  Einnehmer.  Der  Zweck  einer  so  all- 
gemeinen Vorladung  ist  nicht  angegeben,  aber  da  alle  in  Köln  vor  dem 
Neujahrstag  erscheinen  sollten,  wo  ein  Hoftag  stattfand,  an  dem  der  König 
zahlreiche  Belehnungen  vornahm,  so  ist  wohl  kein  Zweifel,  dafs  der  König 
über  diese  Kawerschcn  ein  Regal  beanspruchte^. 

Siebenundzwanzigstes  Kapitel. 
Die  Thätigkeit  der  Kawerschen. 

FestsUllung  der  Heimat:  Asti,  Astis  Handel.  Übergang  zum  Geldhmulel  im  Aus- 
latid.  Ans  der  Geschichte  Astis.  Heue  über  den  M'ucher.  Vergleich  mit  den  Juden. 
Geringer  Anteil  am  Warenhandel,  auch  am  interlolcden  Wechsel,  Lombarddarlehen.  Aus 
Geschäftsbüchern.  Frist  der  Darlehen.  Höhe  des  Zinsfufses.  Zwei  Typen.  Organisation 
und  Ansicdlung  der  Casanen,  sie  bleiben  nomadenhaft.  Anteil  der  Landesherren  an  der 
Ausunicherung.  Die  Kawerschen  ah  Regal  beansprucht.  Frivilegiin  und  Lombarden- 
recht.  Vergleich  mit  dem  der  Juden.  Mobiliarpfandrecht.  Baceisrecht.  Strafrecht  u.  s.  w. 
Bedeutung  der  Lombarden  in  der  Geschichte  des  Kredites.  Rückgang  im  fünfzehnten  Jcüir- 
hwndert  mit  Besserung  der  Kreditbedingungen.    Bedeutung  für  das  Geistesleben. 

Die  Übersicht  über  die  Verbreitung  der  Geldhändler  bedarf  aber  noch 
einer  Erweiterung.  Bei  einer  flüchtigen  Vergleichung  ergiebt  sich  ja 
schon,  dafs  dieselbe  Familie  nicht  allein  nacheinander  an  mehreren  Orten 


^  Nach  der  Vorlage  im  Archive  Roncioni  in  Piaa  veröffentlicht  von  Bouaini 
in  den  Acta  Henrici  VII.  Romanoruin  imperatoris  1,  279 — 286. 

^  Ein  gerichtliches  Vorgehen  halte  ich  für  ausgeschlossen.  Im  Gegenteil  stand 
der  König  mit  den  Astigianen  später  in  mannigfacher  Berührung,  war  doch  einer 
seiner  nach  Italien  geschickten  Machtboten  ein  Astigiane.  In  Jen  Rechnungen  des 
Königs,  die  näher  zu  untersuchen  wären,  finde  ich  als  Gläubiger  die  Mazzi  (15  000  fl.) 
(S.  287)  und  Scali  (2500  fi.  u.  1020),  also  Florentiner. 


Die  Thätigkeit  der  Kawerschen. 


309 


erscheint,  sondern  mitunter  auch  gleichzeitig.  Die  Bankhalter  verwuchsen 
also  nicht  etwa  tief  mit  ihrer  neuen  Heimat,  sondern  hatten  den  grofsen 
Markt  im  Auge,  sie  gingen  der  günstigen  Konjunktur  nach  und  waren 
ebenso  wanderlustig,  wie  das  bei  einem  erheblichen  Teile  der  jüdischen 
Bevölkerung  noch  heute  zu  beobachten  ist.  Die  Quellennachweise,  welche 
Quintino  Sella  beigebracht  hat,  berücksichtigen  vielleicht  stärker  die 
Niederlande  und  die  südwestlichen  Gebiete  Frankreichs,  allein  ich  glaube 
doch,  dafs  das  nicht  ein  Zufall  ist,  die  hier  erwähnten  Personen  finden 
sich  inmitten  von  Frankreich,  z.  B.  um  1300  in  Paris  nicht,  auch  in  eng- 
lischen Quellen  sind  mir  diese  Namen  nicht  begegnet*. 

Stellen  wir  die  Familien  nach  ihren  Ansiedlungen  aufserhalb  Frank- 
reichs (A  bedeutet  Aufnahme,  die  dahinter  eingeklammerte  Ziflfer  die  Zeit, 
für  welche  die  Aufnahme  erfolgte)  zusammen: 


Deutschland  und  Schweiz 


Ausland  * 


Alfieri 


Antignano    .    .    . 


Asinari     .    .    .    . 


Bergognini  . 
Broglio     .    . 

Gardine   .    . 
Garetti     .    . 


Guttuario 

(de  Castello) 


Freiburg  (Üchtland)  1295,  1310. 

Conthey  1:304,  14. 

Freiburg  Ü.  1295, 1303  A,  1310,53, 
1356-59, 1408-11,  Oberwesel 
1357,  66,  72  A  (9),  Köln  1372. 


Köln  1328  A (10),  Freiburg  Ü. 
1398,  1407. 

Aachen  1334  mit  dem  Zusatz  de 
Monte  Magno  38,  43  A,  Bingen 
1357  A  (10),  1363,  73A(15), 

Köln  1346,  Reuland  1341. 

Siegburg  1308. 


Bern  vor  1324, 30. 37, 38, 80,  Frei- 
burg Br.  vor  1330,  Thun  1337. 


Genf  1300  Münze,  Brüssel  1304, 
Löwen  1452ff.,  Mecheln  1324». 

Nösles  1258,  in  savoy sehen  Orten 
1344-48. 

Genf  1346— 59,  Annecy  1349—51, 
Chamb^ry  1358  u.  a.  kleineren 
Orten,  im  Hennegau  1365,  Ant- 
werpen 1416—52,  s'Hertoghen- 
bosch  1418—33  u.  a.  a.  0.  Heren- 
tals 1444-55,  Nivelles  1432-54. 

An  zahlreichen  Orten  inSavojen 
1310—1351. 

Conflans-Montmeillan-St.  Pietro 
d'Albigny  1362,  RossiUon  1362, 
alles  Savojen. 

Bavay  (Hennegau)  1365,  (Sella 
S.  231). 

Thonon  1310,  Sembrancher, 
Sitten,  Martigny  1337,  Yenna 
1345,  Sembrancher  1367. 

Brüssel  1304. 


*  Nur  für  die  in  Deutschland  nicht  erwähnten,  sonst  aber  mit  diesen  Lombarden 
in  Verbindung  stehenden  Scarampi  finden  sich  Nachrichten,  dafs  sie  von  den  fran- 
zösischen Königen  sehr  begünstigt,  in  diesem  Reiche  weilten.  Sella  im  Codex 
Astensis  248.    Piton  206  u.  224. 

«  Für  die  hier  gegebenen  Notizen  vgl.  Sella  S.  228—257. 

^  Für  die  auf  Mecheln  1324  bezüglichen  Angaben  vgl.  Urkunden  Nr.  488. 


310 


XLJ[^*Ur* 


:*»- 


tPfuUf:hMt»d  nad  r*<ikV4Kz 


f/rrj4irdj 


IjkyAo 


J'AllifJ/;      .     .     . 


J'#!lI#rtU    .     .     . 


della  HoccH .    ,    , 


HofTo  (KotarÜM)   . 
Hffmm  V.  I'oiriiio 


IVimii 


Tiirchi     .    .    .    • 


Fnnhur^  Bt,  V'i'A  A  20k  Lazem- 

!;/>;.  '«,    w#»n   rtatt  Fijole 
f^joli  zu  le^i^rD,  aach  Aachen 

ii;:M,  '5^,  4:5  A. 

Frciburj:  C.  1^^56-9. 

Aa<?hen  ü«!  Ar20',  i:^94A  20=, 
Jlacharach  V'Sl  A,  Oberwesel 
i:{72Ar9;,  KoermoDde  iad3, 
Amhf'im  l'JOci 

OberweHel  li^>7,  Ahrweiler 
1:572  A. 

Luzern  1-'M7— 8.J,  Zürich  1:M9A, 
\mi,  m.HhHT,,  14fJi>,  1409  Af24», 
14:»Ar20^  Überlingen  14:^3. 

Köln  1296  A  (25),  ].'i09,  Luzern 
i:i49A(l.'i|,  61,  6.%  71,  74,  ca. 
i:W7,  9i{,  Zürich  136:iA(10), 
69  A,  90.    Bern  Anf.  ».  XV. 

Köln  1296  A  (25),  Aachen  1315, 
IM,  :i8,  42  A,  ir^l  A  (20),  1394 
A(20),  Freiburg  Ü.  1399-1408. 

Conthey  1:504,  1314,  Freiburg  0. 

1295,  i:iO:j,  10,  :58, 56-59,  Köln 

1:K)9,  1382  A. 
Kitten  1:548/9,  Thonon  1361. 


I2^'j  Ltod.  IdSß  Mvmpelgaid 
.k«x*h«t  eingehender  Vertrag 
b^i  Matfle  1.  4iS?. 

Chambery  l$fc,  Yenne  laio— ^, 
SaroTen. 


AnnecT  1:07-49,  Genf  1350-59 

m 

u.  son.^t  in  Savojen. 
Maartricht  vor  1369.   1384— J«7, 
1 4*>'?— 1468 ,    s*Heitogenbo8ch 
141'?-4>J. 

Chambenr  1340. 

Xe?lei«  (Frankr.)  1258,  von  1295— 
1456  zahlr.  Nachw.  f.  SaToyen 
n.  Thal  von  Aosta,  Cambray 
137:^,  Löwen  1452. 

Mecheln  1324. 


Geldhändler  von  gr.  Bedeutung, 
Kreditoren  d.  Gr.  von  Savoyen 
1347_79, 1:563  Beziehungen  zu 
Brügge  u.  Frankreich. 

Genf  u.  Wallis  1:500—1304,  Ant- 
werpen 1:^09». 

Um  die  gleiche  Zeit  an  vielen 
walÜRer  Orten  u.  im  Chablais. 


Dio  nactifolgo.ndon  Familien  sind  bisher  nur  als  auf  dem  Boden  des 
houtigen  DeutHelion  Keiolies  oder  der  Schweiz  thtttig  nachgewiesen:  Abel 
(DuiMburg  l:i49),  Aleoni  (1:572  Linz),  Bruama  (Luzern  J296),  Candera 
(|{«;uland  l:i41),  CuHsono  (Köln  1311),  Cynet  (Köln  1332 A),  Ferrarius 
(Duisburg  13:W),  Frnxineto  (Luzern  l:W5  A),  Gambarii  (Bern  Anf.  s.  XV), 
(JrftHverdi  (Köln  i:Ul),  Mcrlo  von  S.  Salvatore  (Solothurn  1375,  77A(10), 
82,  84,  1408,  1421),  d<»  Montemagno  (Köln  1332  A  (11),  Aachen  [auch  de 
Hrolio  genannt!  i:m,  :i8A,  43 A,  Bingen  1363A(15),  1371),  de  Montesia 
(wonn  nicht  mit  di  MonUifia  identisch,  Bingen  1363,  75,  77),  Ottini  (Köln 


*  Acta  lleinr.  VII.  od.  Honaini  1,  280. 


Die  Thätigkeit  der  Kawerschen.  311 

1296,  1332  A  (11),  46,  58  A,  Aachen  1334,  38  A,  43  A,  Bingen  1353,  63, 
75,  77,  80,  80/1,  98),  Pomario  (Bingen  1363A(15),  1365A(10),  KasteUi 
(im  Kölnischen  1309),  Roba  (Solothurn  1421,  33,  36),  di  Saliceto  (Martigny 
1351,  Freiburg,  Üchtl.,  1356—9,  99,  1418—60,  Luzern  1395  A),  Sbarrata 
(Konstanz  1282  A),  de  Septimis  (Settimi  oder  Schettino?)  (Zürich  1395), 
Sibone  (im  Luxemb.  1300),  Stoil  (Köln  1332  A),  Taramontino  (Sinzig  1381), 
Testa  (Trier  1334),  Tongo  (Zürich  1397),  de  Troja  (Trier  1262  A,  im 
Kölnischen  1308,  Luzern  1349—93,  Solothurn  1404,  Bern  Anf.  s.  XV), 
Vaglati  (=  Valete)  (Luzern  1296,  Aachen  1385). 

Von  den  sonst  noch  erwähnten  Lombarden  ist  der  Familienname 
kaum  zu  bestimmen,  nur  bei  den  beiden  in  Nördlingen  angesiedelten 
Florentinern  dürfte  das  möglich  sein.  Sehen  wir  von  diesen  ab  und 
von  der  aus  Chieri  stammenden  Familie  der  Medici  und  den  in  Lausanne 
angesiedelten  Chieresen  Balbi  und  Raschieri  —  schliefsen  wir  endlich  vor- 
läufig noch  die  Konstanzer  Muntprat  aus  —  so  gehören  nachweislich 
alle  die  im  vorstehenden  aufgeführten  Geldhändler  der 
Stadt  Asti  an\ 

Die  Kawerschen  Deutschlands  trugen  also  ihren  Namen 
nach  der  Stadt  Cahors,  sie  stammten  aber  fast  ausnahms- 
losausAsti,  sie  waren  keine  Franzosen,  sondern  Italiener. 
Neben  Asti  ist  nur  noch  das  benachbarte  Chieri  zu  nennen  ^.  Die  Heimat 
Cavours  und  der  Balbi  hat  in  den  Broglie,  den  Ahnen  der  französischen 
Herzöge,  auch  Kawerschen  erzeugt.  Möglich  ist,  dafs  dieser  Zeit  der 
Astigianen  (und  Chieresen)  eine  andere  voraufging,  wo  wirkliche  Cahorsins 
in  deutschen  Städten  wohnten®. 

1  Ich  will  den  Beweis  nicht  im  einzelneu  führen.  £r  ergiebt  sich  grofsenteils 
schon  aus  unseren  Urkunden  bei  den  Antignano,  Bergognini,  Isnardi,  Lajoli,  Turchi 
aus  den  von  Sella  angeführten  Urkunden  aus  aufserdeutschen  Gebieten.  Bei  den 
Casseno,  Rastelli,  Saliceto,  Septimis,  Vaglati  ist  der  Ursprung  aus  Asti  sonst  nach- 
zuweisen, als  zweifelhaft  erscheinen  allein  die  Abel,  Bruama,  Candera,  Ferrarius, 
Gambarii  und  Montesia,  die  meisten  sind  mit  Astigianen  Teilhaber  derselben  Bank. 
Antignano,  Capriglio,  Dusino,  Frassinello  Frassineto,  Masio,  Montemagno,  Montafia, 
Ponzano,  Settime,  Rocca  d'Arazzo,  Saliceto,  San  Salvatore  und  Tonco  sind  Orts- 
namen aus  der  Gegend  von  Asti.  Bei  Avillian  ist  wohl  an  Aviglione,  bei  Wingnar 
an  Yigliano  zu  denken.  Die  Aachener  von  1321,  deren  Namen  korrumpiert  sind, 
werden  als  Astigianen  bezeichnet,  bei  den  übrigen  Aachenern  ist  die  Heimat  Asti 
sicher,  wenn  die  Konjektur  Lajoli  statt  Fijoli  richtig  ist. 

*  Übrigens  verkaufte  1308  die  Stadt  Chieri  das  Recht,  eine  Pfandleihbank  dort 
zu  halten,  auf  acht  Jahre  an  Raimondo  Fallctto  und  Antonino  und  PoUino  di  Troya, 
Bürger  von  Asti.  Diese  zahlen  der  vorschuldeten  Stadt  sofort  1200  ft  kl.  Astigianen. 
Der  gestattete  Zinsfufs  belief  sich  hier  auf  25  ^/o  pro  Jahr.  Die  Bestimmungen  des 
Vertrages  sind  höchst  eingehend,  in  Chieri  kannte  man  ja  den  Betrieb.  Vgl. 
Cibrario,  Delle  storie  di  Chieri  2,  135. 

'  Völlig  irrig  ist  die  Darstellung  bei  Roscher-Stieda  3,  178  f. 


312  Siebenundzwanzigstes  Kapitel. 

Man  darf  die  damalige  Bedeutung  von  Asti  nicht  mit  der  heutigen 
vergleichen.  Heute  hat  Turin  der  älteren  Stadt  den  Rang  abgelaufen. 
Auf  Asti  liefen  die  Pässe  der  Westalpen  zu,  auch  vom  Grofsen  St.  Bern- 
hard aus  liefs  sich  die  Stadt  leicht  erreichen.  In  schweren  Kämpfen  mit 
den  benachbarten  Städten,  wie  mit  den  Grafen  von  Montferrat  und  Savoyen 
hatte  die  Stadt  bis  zum  Ende  des  dreizehnten  Jahrhunderts  ein  recht 
beträchtliches  Gebiet  gewonnen  ^  Der  Handel  der  Stadt  war  alt.  Schon 
in  einer  Urkunde  Ottos  lU.  ^,  wie  namentlich  in  einer  Konrads  H.  von 
1037®  wird  desselben  gedacht,  man  sieht  namentlich  aus  letzterer,  dafs 
den  Astigianen  die  Schrecknisse  der  Alpen-  und  Apenninpässe  nicht 
zurückhielten.  Sie  haben  wohl  die  Waren  der  Genuesen  nach  Norden 
und  Westen  vertrieben  5  ja  sie  waren  im  Auslande  angesehener  als  die 
Genuesen.  Der  Herzog  Hugo  von  Burgund  verpflichtete  sich  1190,  wenn 
er  den  Astigianen  mehr  Rechte  einräume,  solche  auch  den  Genuesen  zu 
gewähren*.  Die  Stadt  soll  eine  starke  WoUeniadustrie  gehabt  haben ^. 
Sehr  früh  findet  sich  bei  ihnen  auch  die  Bank,  in  den  Urkunden  die 
Berechnung  des  Zinses  und  im  benachbarten  Genua  hatten  sie  ihre 
Banken  ®. 

Nach  dem  ältesten  Geschichtschreiber,  den  Asti  hervorbrachte,  Ogerio 
Alfieri,  sollen  die  Bewohner  seiner  Vaterstadt  im  Jahre  1226  begonnen 
haben,  in  Frankreich  und  sonst  jenseits  der  Berge  ihr  Geld  gegen  Zinsen 
auszuleihen  und  hätten  viel  damit  verdient^.  Alfieri  schrieb  das  mehr 
als  ein  Menschenalter  später,  und  so  mag  die  Jahreszahl  nicht  genau 
sein,  wir  würden  sonst  betonen  müssen,  dafs  die  Astigianen  im  Jahre  1225 
von  den  Bewohnern  des  benachbarten  Alessandria  zweimal  sehr  empfind- 
lich geschlagen  waren,  bei  Quattordio  und  Calamandrana.  Jedenfalls 
waren  Astigianen  schon  1256  sehr  zahlreich  in  Frankreich,  sie  wurden 
im  ganzen  Reiche  von  König  Ludwig  dem  Heiligen  zum  Entgelt  dafür, 
dafs  in  Asti  Graf  Thomas  von  Savoyen  in  Gefangenschaft  lag,  gefangen 
gesetzt  und  ihrer  Güter  beraubt.  Nach  Alfieri  waren  es  150  Personen, 
die  sechs   und   mehr  Jahre   im    Gefängnis   safsen®,    nach   dem   Schieds- 


^  Vgl.  die  Karte  bei  Sella. 

«  M.G.  Dipl.  Otto  III.  99. 

»Stumpf  2098.    Vgl.  ßrefslau,  Die  Jahrbücher  Kön.  Konrads  IL  2,  474. 

*  Mon.  Hist.  Patr.    Lib  jur.  Januensis  355. 
»  Sella  237. 

*  Es  wurde  1251  abgemacht  »quod  dicta  hanca  teneatit  in  modum  et  formain  quo 
et  q%ia  solehant  innere  Astenses  in  Janua*,    Lib.  jur.  reip.  Genuensis  I,  1082 — 86. 

'  Muratori,  Scr.  rer.  Ital.  11,  142.  Codex  Malabayla  S.  60.  »Anno  domint 
1226  cires  Astenses  cei}erunt  prestare  et  facere  casanas  in  Francia  et  in  ultramontanis 
partilyus  uhi  muliam  pecuniam  Jucrati  sunt,  tarnen  ibi  multa  mala  passi  sunt  in  per- 
sona et  rebus  <i, 

»  Codex  Malabayla  8.  60. 


Die  Thätigkeit  der  Kawerschen.  313 

Spruche  waren  den  Wechslern  30000  Pfund  genommen  worden^.  Die 
Astigianen  treten  fortan  in  Frankreich  gegenüber  ihren  anderen  Lands- 
leuten mehr  zurück,  um  so  bedeutender  war  ihre  Thätigkeit  nun  in  den 
Alpenthälem  von  Piemont  und  Savoyen;  eine  dünne  Kette  von  Stationen 
führte  dann  durch  Deutschland  nach  den  flandrischen  Gebieten,  wo  sie 
namentlich  im  fünfzehnten  Jahrhundert  hervortreten.  Doch  ist  das  von 
Sella  aus  Gachard  geschöpfte  Material  wohl  gerade  für  diese  Zeit  ein- 
gehender und  umfassender,  als  für  die  frühere*. 

Dafs  sie  und  ihre  Nachbarn  Wucher  trieben,  war  in  Italien  genau 
bekannt.     Ein  Astigiane  brachte  (um  1450)   die  Worte  Alfieris   zu  1226 

in  Verse: 

Frigida  tum  primum  coepit  Geitnania  numos 
Astenses  et  eis  foenera  magna  dedif^y 

und  Benvenuto  da  Imola  schrieb  in  seinem  Dantekommentar:  *AsiensibuSy 
qui  sunt  pecuniosiores  omnibus  italicis,  ceteris  paribus,  quid  sunt  maximi 
ttöurariU  *. 

1342  mufste  sich  Asti  unter  die  Signorie  der  Visconti  von  Mailand 
beugen.  Dafs  es  die  Freiheit  verlor,  war  die  Folge  des  Streites  unter 
den  Geschlechtern  der  Stadt.  Er  begann  um  die  Mitte  des  dreizehnten 
Jahrhunderts  und  erreichte  zu  Anfang  des  folgenden  eine  auch  in  Italien 
seltene  Erbitterung.  Abwechselnd  waren  die  guelfischen  Solari  *  oder  die 
in  drei  Zweige:  Guttuari,  Isnardi  und  Turchi  gespaltenen  ghibellinischen 
de  Castello  und  ihr  Anhang®  aus  der  Heimat  vertrieben.  Man  darf  sich 
also  unter  diesen  Kawerschen  nicht  Leute  vorstellen,  die  auch  in  ihrer 
Heimat  keine  Achtung  genossen,  es  waren  die  reichsten  und  angesehensten 
einer  gröfseren  italienischen  Stadt,  welche  in  der  Fremde  herumsuchten, 
wo  es  ihnen  gestattet  werde,  eine  casana  aufzuthun,  und  dann  begannen 
sie  ihr  Wuchergeschäft. 

Es  war  ein  fortgesetztes  Vergehen  nicht  allein  gegen  das  kirchliche 
Zinsverbot,  gegen  ein  Verbot,  das  im  Zinse  den  Wucher  treflfen  wollte, 
aber  nur  mit  Mühe  aufrecht  erhalten  wurde,  sondern  gegen  den  Geist 
des  Christentums,  was  sie  betrieben,   war  die  praktische  Leugnung  der 


1  Böhmer-Fickcr-Winkelmann  14244.  Schiedspruch  von  1265,  also  nach 
neun  Jahren! 

^  Gachard,  Inventaire  des  archivcs  de  la  Belgique. 
3  Sella  2:^2. 

*  Muratori,  Antiquitatcs  Italicac  1,  1178.    Sella  228. 

^  Zu  ihnen  hielten  nach  Gabotto,  Le  guerre  civili  astigiane  e  la  ristorazione 
angioina  in  der  Rivista  storica  italiana  11,  26  die  Malabayla,  Troya,  Falletti,  einige 
von  den  Lajoli,  Asinari,  Pelletta  und  Roeri. 

*  Die  Mehrzahl  der  Layoli,  Asinari,  Pelletta  und  Roeri,  dann  die  Alfieri,  Sca- 
rampi,  Voglietti,  Pallidi,  Bergognini  u.  a.  folgten  ihnen. 


314  Siebenundzwanzigstes  Kapitel 

Nächstenliebe.  Der  Kontrast  zwischen  dem  äufseren  Bekenntnisse  zur 
Kirche  und  dem  fortgesetzten  Handeln  gegen  den  Geist  derselben  wurde 
lebhaft  gefühlt,  das  sehen  wir  an  verschiedenen  Kundgebungen.  Es  sind 
uns  drei  Testamente  von  Astigianen  erhalten,  welche  Wucher  getrieben 
hatten.  Leonardo  Solaro  gab  1304  dem  Bischöfe  von  Asti  selbst  300  ÄJ 
Lire  zurück,  5000  €6  gab  er  zur  Rückzahlung  der  Wucherzinsen  an 
andere  und  für  fromme  Zwecke.  Ähnlich  ist  das  Testament  des  Beneto 
de  Solaro  von  1321.  Albertino  Solaro  starb  im  Auslande,  auch  er  liefs  — 
allerdings  bedeutend  geringere  Summen  —  den  ehemaligen  Schuldnern 
zurückgeben,  zugleich  aber  setzte  er  dem  Erzbischof  von  Be8an9on  und 
zahlreichen  Geistlichen  Legate  aus,  man  kann  nicht  umhin  zu  vermuten, 
dafs  der  schlaue  Wucherer  sich  so  ein  Begräbnis  auf  dem  Friedhofe,  das 
die  Kirche  den  Wucherern  ja  verweigerte,  sichern  wollte.  Die  Witwe 
eines  Giacomo  di  Antignano  trat  1258  in  ein  Kloster,  und  der  Anteil  an 
einer  Bank  wurde  flüssig  gemacht  und  dem  Kloster  gegeben  als  Restitution : 
^male  acquisiiorum  incertorumt  ^  Der  Sohn  eines  Bingener  Kawerschen, 
der  in  Paris  studiert  hatte,  dann  Karthäuser  geworden  war,  empfand  den 
Druck  des  sündig  erworbenen  Geldes  so  sehr,  dafs  er  sein  elterliches 
Haus  der  Stadt  zur  Erweiterung  des  Friedhofes  schenkte^. 

Das  Wuchergewerbe  stellte  diese  Lombarden  den  unehrlichen  Leuten 
und  den  Juden  gleich.  Die  Situation  der  Juden  und  Lombarden  war  fast 
dieselbe,  nur  fehlte  bei  diesen  der  religiöse  Gegensatz  zwischen  Schuldner 
und  Gläubiger.  Das  Jahr  des  Judenmordes  ist,  trotzdem  an  ihm  wirt- 
schaftliche Gründe  einen  erheblichen  Anteil  hatten,  der  Besitz  der  vielen 
Schuldbriefe  den  Juden  äufserst  verderblieh  wurde,  und  man  mit  Recht 
in  der  Judenschlacht  auch  eine  Geldkrise  barbarischester  Art,  eine  sociale 
Revolution  gesehen  hat,  an  den  Lombarden  vorbeigegangen,  ohne  sie  zu 
schädigen.  Ja,  da  in  den  nächsten  Jahren  besonders  zahlreiche  Nach- 
richten über  ihre  Niederlassungen  vorliegen,  darf  man  annehmen,  dafs 
ihnen  der  Judenmord  eine  lästige  Konkurrenz  aus  dem  Wege  schaflFte. 
Das  Volk  sah  in  ihnen  „sündige  Christen",  nicht  diejenigen,  welche  den 
Herrn  ans  Kreuz  geschlagen  hatten.  Hie  und  da  kam  ein  Lombarde  auch 
zu  einer  Beamtenstellung,  so  die  Salicetti  und  Asinari  in  Freiburg  im 
Üchtlande,  auch  wurde  wohl  eine  Ehe  mit  einer  deutschen  Christin  ge- 
schlossen. Und  dann  hatten  diese  Lombarden  doch  immer  noch  eine 
Heimat,  mit  Stolz  nennen  sie  sich  cives  AsienseSj  während  der  Jude 
heimatlos  war. 

Im  übrigen  ist  die  rechtliche  wie  die  wirtschaftliche  Existenz  dieselbe 
wie  die  der  Juden.    Diesen  wie  jenen  kann  man  eine  erhebliche  Bedeutung 


'  Sella  S.  250  ff.,  243. 
3  S.  oben  S.  i300. 


Die  Thätigkeit  der  Kawerschen.  315 

für  den  Warenhandel  nicht  oder  wenigstens  nicht  mehr  zusprechen.  In 
dem  grofsen  Züricher  Lombardenprivileg  von  1409*  heifst  es,  dafs  sie 
wollen  Gewand  verkaufen  dürfen,  aber  es  folgt  sofort  der  Zusatz,  nur  in 
ganzen  Tuchen,  nicht  nach  der  Elle,  Schürlitz  sollen  sie  nur  in  Fardeln, 
nicht  in  Stück  verkaufen,  PfeflFer  und  Spezereien  nach  Ballen,  aber  nicht 
nach  der  Wage.  Der  Kornhandel  wird  ihnen  freigestellt.  Diese,  soweit 
ich  sehe,  weiteste  Ausdehnung,  die  ihrem  Handel  auf  dem  Gebiete  des 
Warenhandels  verstattet  wurde,  stellt  sie  somit  den  Kaufleuten  an  die 
Seite.  Aber  auch  in  diesem  Privileg  stehen  die  Bestimmungen  durchaus 
nicht  zu  Anfang  der  Urkunde.  Eine  Unterstützung  des  Warenhandels, 
die  uns  aus  Luzem  direkt  überliefert  ist,  kann  man  daraus  folgern,  dafs 
viele  von  den  Ansiedlungen  an  den  Wegen  des  Verkehrs  liegen,  aber  sie 
haben  sich  auch  in  kleinen  entlegenen  Ortschaften  angesiedelt.  Von  einer 
ernsten  Konkurrenz,  die  sie  Deutschen  und  Italienern  auf  dem  Gebiete 
des  Warenhandels  machten,  kann  bei  den  Astigianen  wie  bei  den  Juden 
keine  Rede  sein.  Nur  die  Muntprats  schufen  ein  grofses  Warengeschäft. 
Sie  haben  auch  mit  den  Florentinern  im  Wechselverkehr  nicht  kon- 
kurriert, obschon  das  sehr  nahe  gelegen  hätte,  da  an  vielen  Orten  Asti- 
gianen angesiedelt  waren,  sie  betrieben  den  Handwechsel  und  mehr  noch 
das  Gelddarlehen  in  kleinen  Beträgen  auf  Brief  oder  Pfand.  Nur  die 
Häuser  der  Scarampi  und  vor  allem  der  Malabayla  mufs  man  ausnehmen, 
sie  haben  dieselben  Geschäftsusancen  wie  die  florentiner  Bankiers  jener 
Tage  gehabt.  Der  Warenhandel  war  in  den  Konzessionen  in  der  Regel 
verboten,  so  schon  in  Konstanz  1282;  aber  auch  der  Handwechsel,  das 
Eintauschen  von  Münzsorten  war  ihnen  mitunter  untersagt,  so  1328  in 
Köln.  Sie  kamen  hier  mit  den  Münzerhausgenossen  in  Konkurrenz,  die 
Rhein  abwärts  in  Basel,  Strafsburg,  Weifsenburg,  Speier,  Worms,  Frank- 
furt und  Köln  safsen*.  In  keiner  dieser  Städte,  abgesehen  von  Köln, 
haben  die  Lombarden  eine  bedeutende  Rolle  gespielt,  wohl  allerdings 
zumeist  die  dort  angesiedelten  Judengemeinden.  In  anderen  Städten 
sorgte  der  Rat  selbst  für  Geldwechsel ,  so  safsen  in  Luzern  seit  1383 
städtische  Beamte  hinter  der  Wechslerbank,  welche  im  alten  Heim  der 
Kawerschen  errichtet  war,  ebenso  gab  es  in  Strafsburg  einen  städtischen 
Wechsel^.  Der  eigentliche  Schwerpunkt  der  Geschäfte  der  „Lombarden" 
liegt  im  Gewähren  von  Kredit.  Unser  Lombarddarlehen  ist  aus  dieser 
Geschäftspraxis  hervorgegangen.  Die  Schuldner  waren  meist  kleine  Leute. 
In   einzelnen  Fällen   wurden   ihnen   auch  Zölle   und   andere   Einnahmen 


^  Zeitschrift  f.  Schweiz.  Recht  4,  2,  38. 

2  Ehrenberg,  Über  das  ältere  deutsche  Müiizwesen  und  die  Hausgenossen- 
schaften, in  Staats-  und  socialwissenschaftliche  Forschungen  2  (1880). 

*  Cahn,  Der  Strafsburger  Stadtwechsel.  Zeitschrift  f.  d.  Gesch.  des  Obev- 
rheins  N.  F.  U,  44  ff. 


316  Siebenundzwanzigstes  Kapitel. 

verpfändet  An  manchen  Orten  durften  sie  Liegenschaften  nicht  be- 
leihen ^.  Auch  für  das  Pfandgeschäft  gab  es  hie  und  dort  Einschränkungen, 
so  wurde  ihnen  1304  in  Zürich  untersagt,  Kirchengeräte  oder  kleine 
Quantitäten  Seide  als  Pfand  anzunehmen ;  der  Zweck  dieser  Bestimmung 
war  oflFenbar  der,  die  Herren,  welche  Seide  an  Weber  zur  Bearbeitung 
gaben,  vor  Verlusten  zu  schützen.  Es  fehlt  ja  nicht  an  Zeugnissen  auch 
über  wirkliche  „Anleihen"  von  geistlichen  oder  weltlichen  Fürsten  und 
Herren,  aber  wie  die  erhaltenen  Akten  solcher  Casanen  uns  lehren,  ist 
das  Darlehen  auf  oder  ohne  Pfand,  das  kleinen  Leuten  gewährt  wurde, 
der  Mittelpunkt  des  Qeschäftslebens. 

Aus  einem  Freiburger  Notariatsregister  sind  uns  119  Posten  bekannt 
(1356 — 59),  der  höchste  Betrag  einer  Schuld  ist  133  fl.  und  daneben 
144  U ,  der  niedrigste  36  ß ,  die  meisten  liegen  dieser  unteren  Grenze 
näher ^.  Unter  den  Schuldnern  sind  Adlige  und  Geistliche,  aber  vor- 
wiegend doch  wohl  Handwerker,  ein  Apotheker  mufs  seinen  ganzen 
Laden  zum  Pfände  einsetzen.  In  einem  Büchlein,  das  ein  Inventar  der 
casana,  welche  die  Turchi  in  Sembrancher  am  Grofsen  St.  Bernhard 
hielten,  sind  719  Posten  aufgeführt,  von  2  sol.  an  bis  101  it,  der  Durch- 
schnittsbetrag eines  Darlehens  war  nur  2  U  \\ß  8  ^,  also  erheblich 
niedriger  als  in  Bern.  Frauen,  Gemeinden,  Pfarrer  fehlen  unter  den 
Schuldnern  nicht.  Ausgeliehen  waren  2037  U  \&  ß  \  h\  der  Wert  der 
Immobilien  belief  sich  auf  68  ÄJ,  der  der  Mobilien  —  darunter  auch  die 
Pfänder  —  auf  29,  16,  10.  Nur  ein  kleiner  Teil  der  Schulden  war  also 
durch  Pfänder  gedeckt,  falls  diese  nicht  an  einen  anderen  Ort  verbracht 
waren  ®. 

Die  Frist  zur  Bezahlung  war  in  der  Regel  aufserordentlich  kurz  be- 
messen. Der  Zinsfufs  für  solche  kurzfristige  Darlehen  wird  zu  allen 
Zeiten  ein  höherer  sein,  als  für  Rentendarleihen,  die  Herrschaft  Heinsberg 
mufste  7  ®/o  für  ein  solches  den  Lombarden  entrichten.  Über  die  Höhe 
des  Zinsfufses  im  Mittelalter  ist  sehr  viel  geschrieben  worden.  Es  kommt 
aber  nicht  darauf  an,  einige  extreme  Fälle  anzugeben,  sondern  man  mufs 


1  So  Bern  1386. 

«  Amiet  2,  226—240. 

*  Sella  254  f.  Da  es  kein  vom  Geschäft  selbst  aufgestelltes  Inventar  ist, 
bleibt  manches  dunkel.  Es  wäre  sehr  nützlich,  diese  Verzeichnisse  mit  denen  von 
jüdischen  Geschäften  vergleichen  zu  können.  Bücher  hat  Frankfurt  1,  574 — 583  dio 
Verzeichnisse  von  Schulden,  welche  Frankfurter  Juden  1891  geschuldet  wurden, 
höclist  scharfsinnig  bearbeitet.  Die  Beträge  der  einzelnen  Schulden  sind  hier  erheb- 
licher, 5/b  der  Forderungen  blieb  freilich  unter  50  fl.,  immerhin  überstieg  aber  Ve  die 
Stufe  von  100  fl.  52<>/o  ergaben  sich  Bücher  als  Pfandschulden,  48<^/o  als  Brief- 
schulden. Da  es  sich  in  Frankfurt  aber  um  eine  reiche  Stadt  mit  reicher  Umgebung 
handelt,  wäre  es  gewagt,  den  Vergleich  mit  Sembrancher  oder  mit  dem  ganz  anders 
gearteten  Material  von  Freiburg  durchzuführen. 


Die  Thätigkeit  der  Kawerschen.  317 

das  Normale  kennen  lernen.  Und  dafür  bieten  die  Konzessionen  für  die 
Lombarden  Slaterial  genug.  Auf  deutschem  Boden  wurde  in  der  Regel 
nicht,  wie  meistens  in  Italien  geschah,  Monats-,  sondern  Wochenzins  be- 
rechnet, und  bei  der  Einteilung  des  Münzsystems  ergab  sich  da  1  oder 
2  9)  für  das  Pfund  pro  Woche  als  eine  bequem  zu  handhabende  Einheit. 
1  S)  für  Pfund  und  Woche  hätte  im  Jahre  21,67  ®/o  ergeben.  Das  wäre 
schon  ein  Wucherzins  gewesen,  wenn  man  aber  die  Höhe  des  Zinsfufses 
für  hypothekarischen  Kredit,  der  bis  1350  sich  auf  6 — lO^/o  stellte,  dann 
aber  in  der  Regel  auf  5%  sank",  bedenkt,  wenn  man  die  Verluste  bei 
jenen  Wuchergeschäften  in  Betracht  zieht,  wenn  man  endlich  das  lucrum 
cessans  anschlägt,  das  sich  daraus  ergiebt,  dafs  solche  Banken  immer 
starke  Geldvorräte  haben  mufsten,  wenn  man  erwägt,  dafs  die  Gewinne 
im  Warenhandel  viel  bedeutender  waren  als  heute,  so  würde  ein  solcher 
Zinsfufs  nicht  so  exorbitant  erscheinen.  Aber  er  war  auch  nicht  die 
Regel,  diese  war  2  §)  pro  Woche  und  Pfund,  mithin  im  Jahre  43,33 ®/o 
zu  erheben.  Man  hat  bisher  inehr  die  Divergenzen  gesehen,  als  diese 
Regel  beobachtet*.  Neumann  belegt  diesen  Zinssatz  als  Maximum  für 
Darlehen  an  den  ortseingesessenen  Bürger  bei  Judenschulden  für  Mainz 
1255,  Nürnberg  1310,  München  und  Ingolstadt  1340,  Schwäbisch  Hall  1342, 
Zürich  1354,  Thüringen  1368,  Strafsburg  1375  (auch  schon  1338,  jedoch 
halb  so  hoch  in  der  Judenordnung  von  1383®),  Regensburg  1392,  Frei- 
burg i.  Br.  1394,  SchaflFhausen  1435,  Frankfurt  hatte  1338  einen  Satz, 
der  um  ein  Viertel  niedriger  war,  1390  war  er  wieder  dem  gewöhnlichen 
gleich,  in  Württemberg  (ob  durchgehends?)  stand  er  um  die  Hälfte 
niedriger,  in  Würzburg  1444  auf  2P/8®/o,  in  Augsburg  betrug  er  1276 
das  Doppelte,  86,67,  noch  höher  stand  er  in  Österreich*.  Auch  für 
unsere  Lombarden  kann  ich  den  Zinssatz  von  43,33 *^/o  belegen:  für 
Konstanz,  Bern,  Solothurn,  Zürich,  Oberwesel,  in  Luzern  wird  das  zu 
diesem  Zinsfufse  ausgeliehene  Geld  als  »jsfc  gewonlichem  gesuche^  gegeben 
bezeichnet.  In  zwei  Städten  der  Schweiz,  in  Freiburg  und  Biel,  durften 
die  Lombarden  nur  IVa  auf  Pfund  und  Woche  nehmen*^,  das  ergab  somit 
immerhin  noch  32,5  ®/o  auf  das  Jahr.  Als  aber  in  Zürich  der  Versuch 
gemacht  wurde,  den  Zinsfufs  auf  1  S)  herabzudrücken,  verliefs  der 
Kawersche  Bern  und  verlegte  seinen  Wohnsitz  nach  Überlingen®. 


^  Vgl.  die  Tabellen  über  die  Rentenkaufzinse  bei  Neumann  S.  266—273. 

^  Stobbe  macht  eine  Ausnahme. 

8  Strafsb.  Urkb.  6  Nr.  147. 

*  Die  Belege  bei  Stobbe  S.  llOf.  u.  234  f..  bei  Neumann  S.  321  f.  Vgl.  auch 
Hanauer  1,  524  ff.,  Bücher,  Frankfurt  1,  580  f.  In  Zürich  übrigens  schon  vor 
1304:  Amiet  1,  224. 

^  S.  oben  bez.  Amiet  1,  230.   241.   251.   2,  149.    174.    181. 

«  S.  oben  S.  297. 


318  Siebenundzwanzigstes  Kapitel. 

Dieser  Zinsfufs  von  43,33  ®/o  geht  sehr  weit  zurück,   er  ist  geradezu 
der  älteste  uns  belegte  für  Judenschulden.    Zuerst  finde  ich  ihn  in  Frank- 
reich, wo  ihn  Philipp  August  1218  als  Maximum  erklärte;  dort  blieb  er 
jedoch  nicht  erhalten.    Philipp  der  Schöne  erneuerte  den  Satz  wieder  *.    In 
Deutschland  wird  er  als  Maximum  angenommen  in  dem  bayerischen  Land- 
frieden von  1244  und  in  dem  von  1256  ^.    Der  Tag  des  grofsen  rheinischen 
Städtebundes  von   1255  nahm  in  Anwesenheit  des  Reichshofsrichters  ihn 
gleichfalls  an  für  die  nach  Wochen  zu  berechnenden  Schulden,   bei  den 
nach  Jahren  sollten  vier  Unzen  vom  Pfund  das  Maximum  sein,  mit  anderen 
Worten  33,3  *^/o.    Für  die  Münzen  von  Köln,  Strafsburg  und  Hall  sollten 
für   den  Wochenzins   ähnliche   Sätze  gelten^.     Bis   ins    fünfzehnte  Jahr- 
hundert blieb  der  Zinsfufs  von  43,33  ®/o  in  Südwestdeutschland  und  dem 
Rhein  entlang  mit  Ausschlufs   des  Niederrheins  in  Kraft.     Man  darf  ihn 
geradezu    voraussetzen,    wenn    uns   bei   einem    von   einem  Juden    oder 
Lombarden  gewährten  Darlehen   der  Zinsfufs   nicht  angegeben   ist.     Bei 
einem  Lindauer  Kawerschen  ergiebt  sich  ein  Zinsfufs  von  zum  mindesten 
37,6^/0.    Es  ist  das  der  einzige  Fall,  wo  wir  eine  rechnungsmäfsige  Mit- 
teilung haben,  die  leider  nicht  ganz  klar  ist. 

In  dem  Bereiche  der  Kölner  Münze  begegnet  uns  ein  anderer  Satz, 
es  wurde  dort  gerechnet  nach  der  marca  denariorum,  und  diese  Münz- 
(nicht  Gewichts-)mark  umfafste  12  solidi  und  also  144  ^  oder  288  obuli*. 
Wenn  also  die  Kölner  Lombarden  1296  infiomine  cusiuum*^  3  obuli  für  die 
Woche  nehmen  dürfen,  so  sind  das  54,2  *^/o.  1311  wird  aber  als  stehender 
Gebrauch  ^ad  usuram  Judeorum  vel  cusios  Catoerctnonim^  bezeichnet,  von 
einer  Mark  einen  Pfennig  zu  nehmen ,  also  36,1  ®/o.  Früher  (1258  ujid 
1272)  waren  in  Köln  3  ft  von  der  Mark  berechnet,  d.  h.  also  108 ®/o. 
Aber  es  ist  1258  das  ein  Maximalsatz  für  eine  Entschädigung,  man  hofft, 
das  Geld  billiger  zu  erhalten  *.  In  Oberwesel  begegnet  uns  ein  Zins  von 
65®/'o®  neben  dem  oberländischen  von  43,3  ^'o. 

Im  allgemeinen  sieht  man,  wie  der  Zinsfufs  sich  möglichst  eng  an 
die  Münzeinteilung  anschliefst,  beide  Teile  suchen  eine  möglichst  einfache 
Rechnung  zu  behalten  und  vermeiden  es  möglichst,  mit  Brüchen  rechnen 
zu  müssen,  „in  die  Brüche  zu  kommen".  Ich  glaube,  dafs  wesentlich 
dadurch  der  relativ  billigere  Zinsfufs  von  Köln  gegenüber  Oberdeutschland 


^  Seila  215.    Ehrenberg,  Zeitalter  der  Fugger  1,  54. 

'-  M.G.  Legum  sectio  IV.  2,  578  und  601,5.  Das  auf  altere  Vorlage  zurück- 
gehende Judenedikt  Friedrichs  I.  von  1157  giebt  keine  Grenze  des  Zinses  an.    1,  227. 

«  Ebda.  2,  b^\  ^5. 

■*  Kruse,  Kölnische  Geldgeschichte,  in  Westdeutsche  Zeitschrift,  Ergänzungs- 
heft 4  S.  11  ff. 

"  Ennen  u.  Eckertz  2,  403. 

«  S.  oben  S.  801. 


Die  Thätigkeit  der  Kawerschen.  319 

zu  erklären  ist,  nicht  aus  einer  so  viel  gröfseren  Geldflüssigkeit,  die  ja 
übrigens  auch  bestanden  haben  mag.  Häufiger  wurde  der  Zinsfufs  für 
Darlehen  an  Leute,  welche  nicht  in  der  betreflFenden  Stadt  wohnten,  höher 
fixiert  oder  überhaupt  unbegrenzt  gelassen.  In  Zürich  dürfen  sie  diesen 
ihr  Geld  leihisn  *als  iür  si  tvellenU  *. 

Die  Höhe  des  Zinsfufses  mag  auch  zum  Teil  dadurch  zu  erklären 
sein,  dafs  die  Lombarden  wenigstens  an  einigen  Orten  das  Darleihen  den 
Ortsbürgern  gewähren  mufsten,  so  war  es  in  Luzern  und  Zürich,  in  Biel 
und  Solothurn  war  dieser  Zwang  aber  ausgeschlossen^.  Der  Zins  von 
43,3*^/0,  den  Juden  und  Astigianen  in  Deutschland  erhielten,  war  gegen- 
über dem,  der  auf  den  Champagnermessen  als  Verzugszinsen  erhoben 
wurde  —  60®/o  —  noch  niedrig  zu  nennen.  Den  grofsen  sienesischen 
und  florentiner  Geldleuten  gegenüber  erscheinen  die  Kawerschen  nicht 
gewachsen,  jene  hatten  die  Juden  aus  den  grofsen  Geldgeschäften  ver- 
drängt, diese  machten  ihnen  scharfe  Konkurrenz  in  der  Pfandleihe. 
Aus  diesem  Vergleiche  ersehen  wir  aber,  dafs  die  deutschen  geld- 
bedürftigen Kreise  nicht  so  sehr  Veranlassung  hatten,  sich  von  den 
Senesen  und  Florentinern  das  nötige  Geld  zu  borgen,  sie  erhielten  es 
billiger  im  eigenen  Lande  bei  Juden  und  Kawerschen. 

Ein  einzelner  Lombarde  erscheint  in  den  seltensten  Fällen  als  Inhaber 
des  Geschäftes,  in  der  Regel  haben  sich  mehrere  Kaufleute  zu  einer 
Gesellschaft  zusammengethan ,  und  derselbe  Kauirnann  scheint  mitunter 
an  mehreren  Firmen  beteiligt  gewesen  zu  sein.  Das  Streben  der  einzelnen 
Firma  geht  darauf  hinaus,  ein  Monopol  innerhalb  der  betreflFenden  Stadt 
zu  gewinnen,  sie  sucht  die  Aufnahme  von  weiteren  Lombarden  oder 
Juden  zu  verhindern.  Da  schon  die  Gleichheit  des  Wucherzinsfufses 
einen  weiten  Markt  auiserhalb  der  Stadt  und  Herrschaft  von  selbst  aus- 
schliefst, will  jede  Gesellschaft  den  Ort  selbst  gründlich  ausnützen  und 
die  Konkurrenten  fernhalten^.  In  gröfseren  Plätzen  liefs  die  Behörde 
aber  wohl  zwei  Banken,  so  auch  in  Freiburg  i.  Ü.  und  in  Bingen,  und 
daneben  auch  Juden  zu,  in  Köln  scheint  es  mehr  als  zwei  Häuser  neben- 
einander gegeben  zu  haben.  In  Luzern  z.  B.  mufste  eine  zweite  Gesell- 
schaft weichen.  Die  Ansiedlung  wurde  stets  nur  auf  eine  beschränkte 
Frist  gewährt,  wie  das  auch  vielfach  bei  den  Juden  geschah.  Die  kürzeste 
ist  die  den  Florentinern  in  Nördlingen  gewährte  von  zwei  Jahren,  die 
längsten  sind  die  Erlaubnisse  für  die  Pelletta  in  Zürich  (1409)  auf 
24  Jahre   und   für   die  della  Rocca    in  Köln  (1296)   auf  25  Jahre.     Der 

^  Pelletta,  s.  oben  S.  297. 

«  Amiet  2,  160  f.  174.  1,  251  u.  174.  Ähnlich  bei  den  Juden  Neumann  368 f. 
Nübling,  Judengemeinden  93. 

*  So  Pelletta  in  Zürich,  aufser  ihm  darf  kein  Geldleiher  aus  Lamparten 
oder  Tuschgan  aufgenommen  werden. 


320  Siebemmdzwanzigstes  Kapitel. 

Regel  nach  sind  15 — 20  Jahre  festgestellt.  Eine  Formel  aus  der  Kanzlei 
König  Albrechts  sieht  drei  Jahre  vor^.  Da  aber  dann  häufig  das  Privileg 
verlängert  wurde,  verwuchs  eine  lombardische  Familie  nicht  selten  mit 
der  neuen  Heimat,  so  ist  es  vor  allem  in  Aachen  mit  den  Ruero,  in 
Freiburg  i.  Ü.  zu  beobachten,  wo  die  Asinari,  Ruero  und  Salicetto 
Beamte  benachbarter  Geschlechter  oder  Besitzer  adliger  Herrschaften 
wurden.  Auch  die  Ottini  in  Bingen  verwuchsen  mit  dem  neuen  Heim, 
der  Sohn  wurde  in  deutschen  Landen  Karmeliter,  und  der  deutschen 
Sprache  haben  sich  die  Lombarden  in  ihren  Urkunden  mehrfach  bedient. 
Am  festesten  schlugen  die  Muntprat  in  Konstanz  Wurzel,  die  in  den 
Patriziat  eintraten  und  das  mächtigste  und  kühnste  Handelshaus  bildeten. 
Das  Nomadenhafte  ihres  Daseins  geht  aber  nicht  verloren,  eine  alte  Firma 
verschwindet  plötzlich,  um  dann  am  anderen,  weit  entlegenen  Orte  wieder 
aufzutauchen.  Der  Zusammenhang  mit  der  alten  Heimat  blieb  erhalten. 
Da  Malavolta  in  seiner  Chronik  von  Asti  von  der  Hungersnot  und  der 
Pest,  welche  1315  »m  regionihus  Alamanniae,  Olandiae^  Flandriae^  Hanno- 
niaey  Lovaniae^  Brabantiae  ei  Franciae*  herrschte,  genauen  Bericht  giebt, 
fügt  er  hinzu:  >£<  hoc  verum  estj  quia  mulii  Asienses  habitantes  in  Ulis 
partibfis  venienies  Ast  et  fugientes  famem  ülam  ei  peatem^  approbabant  et 
dicebanij  omnia  siipradicia  esse  vera^  ^. 

Die  Auswucherung  erfolgte  nun  aber  nicht  ausschliefslich  im  Interesse 
der  Lombarden,  auch  die  Herren  und  Städte,  welche  sie  zuliefsen,  hatten 
einen  Nutzen  davon®.  Gerade  wie  die  Juden  mufsten  die  Lombarden 
dem  Herrn  bez.  dem  Rate  ein  Schutzgeld  zahlen,  es  steigt  von  20  fl. 
heran  bis  zu  150  fl. ,  jenes  kommt  in  Biel  und  Konstanz  vor,  dieses  ist 
viel  häufiger.  In  Aachen  sind  1361  gar  300  Goldgulden  an  den  Herzog 
von  Jülich  zu  entrichten.  In  dem  Konstanzer  Stcuerbuche  von  1422  er- 
scheint nicht  ein  einziger  Bürger  mit  einer  Steuer  von  150  ^,  die  reichsten 
Lütfried  und  Hans  Muntprat  —  die  längst  nicht  mehr  als  Kawerschen 
angesehen  wurden  —  zahlten  131  ^  und  besafsen  dabei  ein  Vermögen 
von  62000  i6  ^.  Der  nächst  Höchstbesteuerte  hat  48  fi  als  Steuer  ent- 
richtet, und  da  handelt  es  sich  um  eine  blühende  Handelsstadt!  Es  ist 
ja  richtig,  dafs  die  Lombarden  wie  die  Juden  eine  Reihe  von  schweren 
Pflichten  mit  den  anderen  Bürgern  nicht  teilten,  dafs  in  diesem  Schutz- 
geld so  ziemlich  alles  zusammen gefafst  ist,  was  sie  dem  Staate  bez.  der 
Gemeinde  zu  leisten  hatten;  immerhin  wird  man  diese  Steuer  nicht  allein 


'  Summa  CuriacRegis.    Arch.  f.  Kunde  österr.  Geschichtsquellen  14,  373. 

'^  Muratori,  SS.  rer.  It.  11,  227. 

'  Unter  ganz  eigentümlichen,  nicht  sofort  klaren  Formen  vollzog  sich  die  An- 
siedlung  der  Lombarden  in  Aachen.  Sie  erfolgte  z.  T.  durch  den  Herzog  von  Jülich, 
z.  T.  durch  die  Stadt  auf  Wunsch  des  Herzogs.  Vgl.  die  Bemerkung  oben  S.  J306  zu 
1301.    Das  Nähere  gehört  in  eine  Verfassungsgeschichte  von  Aachen. 


Die  Thätigkeit  der  Kawerschen.  321 

als  einen  billigen  Ersatz  für  die  aufserordentliche  Stellung  der  Lombarden 
anzusehen  haben,  sondern  als  eine  indirekte  Bewucherung  der  eigenen 
Unterthanen  bezeichnen  müssen.  Um  so  schlimmer  erscheint  uns  die- 
selbe, wenn  sie  von  Städten,  die  man  schlichtweg  als  Republiken  charakteri- 
sieren kann,  oder  von  geistlichen  Fürsten  betrieben  wurde.  Beide  haben 
sich  davon  nicht  freigehalten:  Luzern,  Zürich,  Konstanz  unter  Beihilfe 
des  Bischofs,  Freiburg  i.  Ü.,  Bern,  Solothurn,  dann  Köln  sind  zu  nennen, 
andererseits  die  Erzbischöfe  von  Mainz,  Trier  und  Köln.  Gerade  in  dem 
Gebiete,  wo  diese  drei  Erzbistümer  aneinander  stiefsen,  machten  sich  auch 
ihre  Lombarden  Konkurrenz :  in  Bingen,  wo  es  auch  eine  starke  Juden- 
schaft gab,  safsen  die  Mainzer  Lombarden,  in  Oberwesel,  Koblenz  und 
Ahrweiler  die  Trierer,  in  Linz,  Sinzig  und  Remagen  begannen  die  Kölner. 
Die  Erzbischöfe  durften  den  Wucher  der  Christen  den  Kirchengesetzen 
nach  nicht  dulden,  sie  thaten  es  gleichwohl.  Ja  der  Mainzer  Erzbischof 
Gerlach  von  Nassau  sicherte  Bingener  Lombarden  zu,  dafs,  wenn  einer 
zum  Sterben  komme  und  Reue  empfinde,  ihm  die  Bufse,  der  Leib  des 
Herrn,  die  hl.  Ölung  und  ein  christliches  Begräbnis  nicht  verweigert 
werden  sollte. 

Am  allerschlimmsten  trieben  es  die  Trierer  Erzbischöfe.  Der  älteste 
Niederlassungsbrief,  der  uns  überhaupt  erhalten  ist,  führt  uns  gerade 
nach  Trier.  Das  Schutzgeld  war  noch  niedrig,  es  hat  die  Gesellschaft 
jährlich  20  U  Trierer  Pfennige  zu  zahlen.  Der  Erzbischof  Heinrich 
verpflichtete  sich,  sie  wegen  des  von  ihnen  betriebenen  Geldhandels  nicht 
zu  bestrafen,  und  erklärte  auch,  früher  gegen  diese  also  oflFenbar  schon 
länger  im  Erzstift  weilenden  Lombarden  ausgesprochene  Anschuldigungen 
nicht  weiter  verfolgen  zu  wollen,  er  überlasse  das  alles  ihrem  Ge- 
wissen. Gegen  den  selbst  tief  verschuldeten  Erzbischof  deckten  sie 
sich  durch  die  Zusicherung,  dafs  er  von  ihnen  kein  Darlehen  erpressen 
werde;  im  übrigen  hatte  sich  der  Erzbischof  gleich  für  sechs  Jahre  im 
voraus  das  Schutzgeld  zahlen  lassen  \  wie  auch  Zürich  von  den  Pelleta 
sofort  für  die  Niederlassung  auf  24  Jahre  2800  fl.  nahm.  Diese  Be- 
stimmungen liegen  also  noch  im  Bereiche  der  übrigen  Lombardenkon- 
zessionen. Später  hielt  man  es  für  notwendig,  das  ganze  Verhältnis  zu 
verdecken.  Erzbischof  Balduin,  Kaiser  Heinrichs  VH.  Bruder,  der  sonst 
die  Juden  protegierte,  liefs  einen  Lombarden  schwören,  dafs  er  ohne 
seine  Zustimmung  nicht  Wucher  treiben  wolle,  und  zugleich  nimmt  er 
ihm  ein  jährliches  Schutzgeld  von  50  it  kleiner  Turnosen  ab,  das  selbst- 
redend nur  durch  Wucher  aufzubringen  war*.  Bei  Andrea  Pallidos 
Konzession  durch  den  in    Geldsachen   sehr   erfahrenen  Erzbischof  Kuno 


1  S.  oben  S.  :302  und  Urkunden  Nr.  408. 

2  Urkunden  Nr.  412. 

Schulte,  Oesob.  d.  mittelalt«rl.  Handels.    I.  21 


322  Siebenundzwanzig.stes  Kapitel. 

ging  man  noch  vor.siclitiger  zu  Werke.  Der  Lombarde  mufste  sich  zu 
einem  Schuldscheine  bereit  finden,  in  welchem  er  erklärte,  der  Erzbischof 
habe  ihm  3000  Mainzer  Goldgulden  geliehen.  Man  würde  fast  geneigt 
sein  zu  glauben,  der  Lombarde  sage  die  Wahrheit.  Allein  von  irgend 
welcher  Verzinsung  ist  nicht  die  Rede  und  die  Rückzahlung  hat  in 
Raten  zu  erfolgen.  Ich  meine,  es  ist  eine  Obligation  zur  Zahlung  des 
allerdings  enormen  »Schutzgeldes  im  Betrage  von  1500  Goldgulden  jähr- 
lich, und  man  fragt  sich  allerdings,  wie  in  Ahrweiler  ein  Wucherer  so 
viel  auftreiben  konnte.  Die  Bürgschaft  ist  darum  auch  recht  kompliziert. 
Es  genügt  nicht  ein  übergebener  Pfandbrief,  auch  zwei  andere  Lom- 
barden —  von  Oberwesel  und  Linz  —  und  der  aus  Italien  stammende 
Münzmeister  in  Koblenz  mufsten  sich  als  Selbstschuldner  erklären  ^ 

Die  Summe  von  1500  fl.  wurde  nicht  erreicht  in  der  Konzession 
für  Oberwesel.  Zwei  Urkunden  ergänzen  sich.  Die  eine  giebt  als  jähr- 
liche Abgabe  900  fl.  an,  das  macht  für  neun  Jahre  8100  fl.  Die  andere 
aber  sieht  wieder  aus  wie  ein  Schuldschein  der  Lombarden.  Es  werden 
zwei  verschiedene  Obligationen  darin  zusammengefafst,  in  der  That  sind 
es  die  Obligationen  von  zwei  Bürgengruppen.  In  der  ersten  bürgen 
sechs  Italiener  mit  einem  Bewohner  von  Oberwesel  für  30u0  fl ,  in  der 
zweiten  vier  von  diesen  Italienern  und  vier  Schöfi^en  von  Oberwesel  für 
8000  fl.  Das  ganze  Verhältnis  wird  aber  klar  durch  die  Bestimmung, 
dafs  die  ratenweise  Abzahlung  dieser  angeblichen  „Schuld"  von  1 1  000  fl. 
sofort  aufliören  soll,  wenn  der  Nachfolger  des  Erzbischofs  die  den  Lom- 
barden auf  neun  Jahre  gewährte  Konzession  nicht  anerkennen  sollte. 
Interessant  ist  die  Zusammensetzung  der  Bürgengruppen :  neben  Leuten 
aus  Oberwesel  erscheinen  Lombarden,  die  zum  Teil  sich  als  in  Nachbar- 
orten angesiedelt  nachweisen  lassen,  so  wohnte  der  Astigiane  Dracho 
Aleonis  in  Linz^. 

In  den  Reichsstädten  war  wie  der  Judenschutz,  so  auch  der  Lom- 
bardenschutz ursj)rünglich  Sache  des  Stadtherren  gewesen.  In  Köln  wird 
di';  Errichtung  der  W^ucherbank  noch  1328  von  der  Genehmigung  des 
Erzbischofes  abhängig  gemacht,  so  will  die  Stadt  der  ausdrücklich  er- 
wähnten Gefahr  entgehen,  exkommuniziert  zu  werden.  In  einem  solchen 
Falle  will  die  Stadt  mit  ihren  Lombarden  nichts  zu  thun  haben.  In  den 
Reichsstädten  taucht  auch  bei  den  Lombarden  wie  bei  den  Juden  der 
Anspruch  des  Königs  auf,  dafs  sie  der  Kammer  zu  dienen  hätten.  Am 
bezeichnendsten  ist  wohl  das  Vorgehen  Heinrichs  VII.,  der  einfach  alle 
„Lombarden"  als  Regalpflichtige  ansah,  wenigstens  in  Nicderlothringen^. 


1  S.  Urkunden  Nr.  420. 
-•  Urkunden  Nr.  421. 
'•'  S.  oben  S.  :W. 


Die  Thätigkeit  der  Kawcrscben.  323 

In  Bern  werden  die  Kawerschen  vom  Könige  zum  Pfände  eingesetzt,  die 
Lombardensteuer  von  Solothurn  und  Schlettstadt  verlieh  Karl  IV.,  dieser 
Kaiser  sprach  1359  Zürich  gegenüber  aus,  dafs  »crZfe  Jcatverzifi^  tvuocher 
und  Juden  unser  und  des  richs  kamer  dienen  und  gehöm<i.  So  kam  es 
denn,  dafs  endlich  am  Anfang  des  sechzehnten  Jahrhunderts  der  Eise- 
nacher  Stadtschreiber  Purgoldt  schreiben  konnte:  ^Die  Kawermner  seint 
der  fursten  Jcamerknechte  gleich  also  dy  Juden,  dyweil  sy  das  wucher  antriben, 
an  das  sy  mit  den  lybenn  nicht  eygen  sintt  ^  So  hatten  die  Herren  einer 
freien  Stadt  Italiens  sich  in  Deutschland  erniedrigt!  Freilich  König 
Siegmund  machte  viele  Astigianen  zu  seinen  Familiären! 

Wie  die  Juden  „privilegiert"  wurden,  so  war  auch  die  Stellung  der 
Lombarden  durch  die  einzelnen  Konzessionen  aufserordentlich  günstig 
geworden.  Aus  diesen  Dokumenten  des  späteren  vierzehnten  Jahrhunderts, 
die  zum  Teil  wörtlich  übereinstimmen,  könnte  man  ein  Kawerschen  recht 
zusammenstellen.  Die  Urkunden  verraten  schon  durch  die  Gleichheit  der 
Form  *,  dafs  sie  nicht  von  der  Kanzlei  des  Ausstellers  entworfen  wurden, 
sondern  dafs  die  Lombarden  den  Entwurf  vorlegten.  Die  beiden  ältesten 
Konzessionen,  die  von  Trier  1262  und  Konstanz  1282®,  enthalten  erst 
einzelne  Momente  des  später  gemeinen  Kawerschenrechtes.  Das  Trierer 
sichert  die  Ansiedler  im  Straf-  wie  im  Erbrecht,  das  Konstanzer  hat  be- 
reits einzelne  Begünstigungen  im  Beweisrechte.  In  beiden  Fällen  werden 
die  Lombarden  auch  noch  als  rechte  Bürger  aufgenommen,  später  ge- 
schah das  nicht  mehr. 

Das  Recht  der  Kawerschen  ist  ein  Gegenstück  des  Rechtes,  das 
den  Juden  zugestanden  war*.  In  dieses  bereits  ausgebildete  traten  die 
Kawerschen  hinein,  es  in  einzelnen  Punkten  fortbildend,  in  anderen 
nicht  erreichend.  Zu  einer  selbständigen,  wenn  auch  beschränkten  Ge- 
richtsbarkeit konnten  es  die  Lombarden  schon  wegen  ihrer  geringen 
Zahl  nicht  bringen.  Doch  ist  in  Aachen  das  fast  erreicht.  Bei  Streitig- 
keiten zwischen  den  Italienern  sollte  jede  Partei  zwei  rechtschaffene 
Leute  aus  der  Heimat  aufstellen,  wenn  diese  sich  nicht  einigen  können, 
wird  ihnen  ein  Obmann  gegeben,  aber  auch  dieser  soll  Lombarde  sein. 
Grofse  Verwandtschaft  zeigen  mit  dem  Rechte  der  Juden  die  Bestim- 
mungen des  Mobiliarpfandrechtes:  entgegen  dem  römischen  und  deut- 
schen Rechte  wurde  dem  Lombarden,  wie  meistens  dem  Juden  zugebil- 
ligt,  dafs  das  von  ihnen  bona  fide  gekaufte,   aber  gestohlene  Gut  nicht 


1  Neiimann  H87. 

2  Es  sind  voneinander  abhängig:    Aachen  1361,  Bingen  1863,  Oberwesel  1376, 
Solothurn  1377  und  Biel  1397. 

'  Beide  abgedruckt  im  Urkundenbande  Nr.  325  und  408. 
*  Vgl.  vor  allem  Stobbe  und  Neu  mann. 

21* 


324  SiebenundzwaDzigstes  Kapitel. 

dem  Eigentümer  zufallen  solle,  sondern  dafs  dieser  dem  Pfandinhaber 
zuvor  die  dargeliehene  Summe  samt  Zins,  „Hauptgut  und  Gesuch"  zu 
ersetzen  habe  ^  Das  Pfandgut  darf  ferner  nach  Jahr  und  Tag  verkauft 
werden,  der  Mehrerlös  verbleibt  den  Lombarden^.  Auch  bei  dem  Ver- 
derben oder  Verlust  eines  Pfandes  steht  der  Rechtsvorteil  durchaus  auf 
Seite  der  Lombarden®.  Am  weitesten  geht  auch  sonst  wieder  die 
Aachener  Konzession:  Der  Landesherr  verpflichtete  sich  da  jeder  casana 
einen  Mann  zu  geben,  der  unter  dem  grofsen  herzoglichen  Siegel  auto- 
risiert sein  werde,  den  Lombarden  bei  Eintreibung  der  Schulden  zu 
helfen.  Im  Beweisrecht  wird  der  Eid  der  Lombarden  aufserordentlich 
bevorzugt,  in  der  Konstanzer  Konzession  von  1282  heifst  es:  ^Standum 
est  ectam  sacramenio  predictorutn  Lombardorum  pro  spacio  temporis  ohli- 
gacionis  pignoris  cujuscunque  et  pro  quantitate  pecunie  mutuaie,'^  Ähnlich 
sind  die  Bestimmungen  an  anderen  Orten*.  In  Italien  und  auch  in 
Freiburg  im  Ü.  wandte  man  sich  an  einen  Notar,  eine  Person  öffent- 
lichen Glaubens,  bei  Abschlufs  des  Darlehensvertrages,  hier  war  der  Eid 
der  einen  Partei  zum  siegreichen  Beweismittel  erhoben.  Mit  den  Juden- 
verträgen stimmt  es,  dafs  die  Lombarden  von  dem  Zwang  zum  Zwei- 
kampf befreit  wurden*^. 

Auch  im  Strafrecht  sind  bemerkenswerte  Bestimmungen  vorgesehen. 
Nur  der  Thäter,  nicht  seine  Genossen  der  Gesellschaft  sind  haftbar, 
eine  Ausnahme  macht  der  Mord,  aber  da  ist  sofort  die  Strafe  auf  25  ÄJ 
Turnosen  limitiert®.  Ein  Arrest  auf  ihren  Besitz  aufserhalb  des  Gebiets 
des  Konzessionierenden  verpflichtet  diesen  in  Aachen  zu  Repressalien  an 
den  Gütern  oder  der  Person  des  Arrestierenden.  Auf  Repressalien  für 
das,  was  in  Italien  geschieht,  verzichtet  aber  der  Herr''.  Mehrfach  wird 
den  Lombarden  ein  beschleunigtes  Gerichtsverfahren,  stets  aber  ein 
Gnadenjahr  zur  Erledigung  ihrer  Geschäfte  über  die  Konzessionsdauer 
zugesichert**.  Besonders  zu  bemerken  ist,  dafs  einzelne  Städte  die 
Schutzpflicht  auch  ausdehnen  gegen  alle  Mandate  vom  Papst,  Kaiser 
und    allen    geistlichen    und   weltlichen   Behörden**,    oder  auch  auf  eine 


^  Aachen,  Biel,  Solothum,  Bingen,  Oberwesel.  In  Zürich  (Pelletta)  nur  das 
Haiiptgut. 

-  Konstanz,  Biel,  Solothürn,  Bingen,  Oberwesel.  In  Zürich  (Pelletta)  gehörte 
der  M  obrer  lös  dem,  dessen  Eigentum  das  Pfand  gewesen  war. 

^  Biel,  Solothiirn. 

^  Aachen,  Biel,  Solothum,  Bingen,  Oberwesel,  Zürich  bes.  eingehend. 

''*  Aachen,  Biel. 

^  Aachen,  Bingen,  Oberwesel  50  fl. 

■^  Biel.    Ersteres  auch  in  Bingen. 

**  Pelletta  in  Zürich  zwei  Jahre,  im  ersten  müssen  sie  100  fl.  zu  Steuer  geben. 

^  8o  Aachen,  Biel,  Solothum. 


Die  Thätigkeit  der  Kawerschen.  325 

Anrufung  des  geistlichen  Gerichtes  verzichtend  Der  Mainzer  Erzbischof 
will  sie  schützen  gegen  alle  Herzoge,  Prälaten  und  was  niedriger  im 
Range  ist,  als  er  selbst^.  Dafs  nach  dem  Tode  eines  Wucherers  dessen 
Gut  an  den  Herrn  fallen  sollte,  wie  es  für  Wallis  bezeugt  ist^,  habe  ich 
weiter  nördlich  in  keiner  Urkunde  gefunden,  im  Gegenteil  wird  das 
Erbrecht  der  Heimat  überall  anerkannt. 

Welchen  Einflufs  haben  die  Lombarden  auf  das  deutsche  Geschäfts- 
leben gehabt?  Der  Warenhandel  war  ihnen  im  allgemeinen  verschlossen. 
Darf  man  sie  aber  etwa  als  die  Lehrmeister  der  deutschen  Bankhäuser, 
welche  im  fünfzehnten  Jahrhundert  anfangend  im  sechzehnten  den  Welt- 
handel beherrschten,  bezeichnen?  Keineswegs,  diese  sind  in  dem  inter- 
nationalen Warenhandel  grofs  geworden,  nicht  in  dem  lokalen  Geldwucher. 
W^enn  der  gründlichste  Kenner  der  Handelsrechtsgeschichte  von  den 
Juden  sagt,  dafs  sie  in  der  Geschichte  des  Handelsrechts  keine  erheb- 
liche Spur  hinterlassen  haben*,  so  gilt  das  auch  von  ihren  christlichen 
Konkurrenten. 

Im  wesentlichen  war  ihre  Thätigkeit  auf  das  Gewähren  von  zins- 
baren Darlehen  beschränkt,  welche  durch  Pfänder  oder  Bürgen  gesichert 
waren.  In  dem  Darleihen  auf  Pfand,  in  dem  Lombarddarlehen  hat  sich 
die  Erinnerung  an  diese  Zeiten  festgehalten,  das  ist  das  Geschäft,  wel- 
ches sie  und  die  Juden  ausgebildet  und  dem  Verbote  der  Kirche  zum 
Trotz  aufrecht  erhalten  haben.  Diese  hatte  das  Kapital  in  eine  andere 
Richtung  geführt,  in  dem  Rentenkauf  schuf  sie  eine  für  jene  Zeiten 
unzweifelhaft  überaus  segensreiche  Einrichtung.  Das  Lombarddarlehen 
kam  anderen  Bedürfnissen  entgegen,  die  Ursachen,  welche  es  nötig 
machten,  verschwanden  nicht,  sondern  traten  noch  stärker  hervor.  Der 
Rentenkauf  gewährte  nur  dem  Besitzer  von  Grund  und  Boden  Kredit, 
wer  nur  Mobilien  besafs,  wer  nicht  ein  christlich  denkendes  mildes  Herz 
fand,  war  auf  die  Lombarden  und  Juden  angewiesen.  Und  unzweifel- 
haft sind  viele,  welche  den  Kredit  benutzten,  um  wirtschaftlich  vorwärts 
zu  kommen,  dabei  gut  gefahren.  Der  Gewinn  des  Darleihers  verband 
sich  da  mit  der  Stärkung  des  Entleihers.  Nicht  alle  Geschäfte,  welche 
hinter  der  Wechselbank  abgeschlossen  wurden,  waren  Wuchergeschäfte. 
Mancher  Kaufmann  mag  dort  Geld  sich  geholt  haben  gegen  Zins,  um 
höheren  Ertrag  zu  gewinnen,  mancher  Handwerker  sich  das  Geld  für 
sein  Handwerkszeug  erborgt  haben,  er  gewann  dort  die  Mittel  für  einen 


^  Biel.    Die  Pelletta  in  Zürich  müssen   sich   gegen   die   geistlichen  Gerichte 
selbst  wehren. 
^  Bingen. 

3  Hub  er,  Privatrecht  4,  554  N.  25. 
*  Goldschmidt  111  f. 


326  Sicbenundzwanzigste»  Kapitel. 

erhöhten  Produktionsgewinn.  Aber  in  vielen  Fällen  bedeutete  der  Ge- 
winn des  Darleihers  den  Sehaden  des  Entleihers.  Unter  die  Begriff<> 
von  Produktiv-  und  Konsumtivkredit  hat  man  das  meist  zusammenge- 
fafst,  obwohl  das  sich  nicht  ganz  deckte  Gewifs  hat  bei  diesen  Lom- 
barden auch  mancher  leichtsinnige  Sohn  reicher  Eltern,  mancher  Mann, 
der  besser  lebte,  als  er  sollte,  mancher  Handwerker  aus  Leichtsinn  sich 
Geld  geholt.  Wenn  heute  so  schwer  nachzuweisen  ist,  ob  nach  diesen 
Begriffen  Wucher  oder  vernünftiger  Kredit  vorliegt,  ist  selbstverständlich 
für  das  Mittelalter  bei  den  Lombarden  das  im  einzelneu  nicht  zu  unter- 
scheiden. Selbst  die  beiden  Fälle,  wo  wir  den  Betrieb  näher  verfolgen 
können,  lösen  nicht  die  Zweifel;  man  kann  aus  ihnen  keine  zwingenden 
Beweise  führen.  Der  Eindruck,  den  man  aber  gewinnt,  ist  doch  der, 
dafs  man  es  mit  Leuten  zu  thun  hat,  welche  vorwiegend  Wucher 
betrieben. 

Das  Quellenmaterial  ist  für  das  fünfzehnte  Jahrhundert  nicht  so  er- 
schlossen, wie  für  das  frühere.  Aber  es  ist  doch  wohl  keine  Täuschung: 
Nach  1400  beginnt  eine  mächtige  Strömung  auf  die  Fürsten  und  Magi- 
strate einzuwirken;  hie  und  da  wird  versucht  den  Zinsfufs  herunter- 
zusetzen, der  Geldumlauf  ist  stärker,  der  Zinsfufs  weicht,  an  anderen 
Orten  schafft  die  Stadt  selbst  einen  Ersatz  für  einen  Teil  ihrer  Geschäfte, 
es  entstehen  städtische  Wechselbanken,  Leihhäuser  und  Leibrenten- 
banken —  in  Italien  die  montes  pietatiSy  welche  ohne  Zinsen  durch- 
zukommen versuchen  und  das  Ideal  christlicher  Nächstenliebe  auch  auf 
diesem  innersten  Felde  des  Egoismus  durchzuführen  versuchten,  was  sich 
aber  als  unmöglich  erwies.  Am  drastischesten  äufsert  sich  das  alles 
gegenüber  dem  Judenwucher.  In  den  meisten  Orten  verschwindet,  so 
weit  wir  bis  jetzt  die  Lombarden  verfolgen  können,  im  Laufe  des  fünf- 
zehnten Jahrhunderts  ihre  Spur,  gelegentlich  erfahren  wir,  dafs  sie  ver- 
trieben wurden  oder  fortzogen. 

Die  christlichen  Konkurrenten  der  Juden  haben  im  allgemeinen  also 
dieselbe  rechtliche  und  wirtschaftliche  Stellung  eingenommen  wie  diese, 
zwei  fremde  Nomaden  haben  das  wirtschaftliche  Leben  gerade  der  niederen 
Stände  Deutschlands  tief  beeinflufst.  Sie  boten  dem  Glauben  jener  Tage 
Trotz,  welcher  in  jedem  Zinse  Wucher  sah,  sie  sündigten  wider  das  Ge- 
fühl des  Volkes,  wider  das,  was  ihm  als  Recht  galt,  und  so  heftig  die 
Ausbrüche  des  Hasses  waren,  wenn  es  einmal  gegen  die  Juden  ging,  der 
Einzelne  kehrte  doch  wieder  bei  ihm  oder  dem  Lombarden  ein  —  drückte 
ihn  die  Not,  so  ging  er  zum  Wucherer,    und  gab  es  keinen  im  Orte,    so 


1  Auf  die  Erörterungen  von  Neumann,  Nübling,  Endemann,  Stein, 
Funk,  Ratzinger,  Ashley  u.  a.  ist  hier  nicht  näher  einzugehen.  Vgl.  die 
Ldtteratur  bei  Ashley  1,  127  f. 


Die  Thätigkeit  der  Kawerscheii.  327 

berief  der  Rat  einen,  als  handle  es  sieh  um  eine  Person,  die  fUr  den  Ort 
notwendig  war.  Als  es  nur  erst  hie  und  da  Stadtärzte  gab,  gab  es 
Wucherer  und  zwar  Wucherer  fremden  Blutes.  In  den  älteren  Urkunden 
schlagen  selbst  Städte  einen  Ton  an,  als  wenn  mit  der  Ansiedlung  von 
Lombarden  Glück  und  Segen  einziehe.  Das  beweist  uns,  wie  stark  das 
Bedürfnis  nach  diesen  Geldhändlern  war,  dafs  sie  oft  auch  heilsam 
wirkten.  Sie  fanden  Vertrauen,  und  warum?  Ist  es  nicht  ein  eigentüm- 
liches Geheimnis  der  menschlichen  Natur,  dafs  sie  —  aufser  in  religiöser, 
tief  ergriffener  Stimmung  in  der  Beichte  einem  Vertreter  Gottes  —  Dinge, 
die  ihr  unangenehm  und  mifslich  erscheinen,  am  liebsten  einem  Helfer 
offenbart,  der  ihr  fremd  ist,  den  sie  für  sittlich  inferiorer  hält,  von  dem  sie 
vor  allem  eine  Eigenschaft,  welche  den  Stammesgenossen  oft  fehlt,  voraus- 
setzt, die  Verschwiegenheit.     Ich  wenigstens  möchte  das  glauben. 

Dafs  die  Juden  von  den  Christen  Zins  nahmen,  widersprach  nicht 
ihrem  Gesetze,  sie  belasteten  damit  ihr  Gewissen  nichts  Anders  bei 
den  Astigianen :  wir  haben  gesehen,  dafs  gegen  die  Sündhaftigkeit  dieses 
W^uchers  das  Herz  doch  nicht  völlig  verhärtet  war,  Reue  quälte  sie  viel- 
fach. Die  Juden  waren  trotz  der  grofsen  Privilegien  der  Fürsten  recht- 
los, sie  waren  nur  sicher  vor  der  Kirche;  die  Lombarden  hatten  mehr 
diese  zu  fürchten,  seltener  brach  der  Herr  ihnen  sein  Wort  und  aus  dem 
Volke  heraus,  das  wirtschaftlich  natürlich  mehr  litt,  als  die  Grofsen,  läfst 
sich  keine  gegen  sie  gerichtete  Bewegung  nachweisen.  Die  Juden  hatten 
die  äufseren  Qualen,  die  Verfolgungen;  der  Judenmord  verschonte  aber 
die  Lombarden,  ihnen  wurden  die  inneren  Gewissensqualen  zu  teil  und 
die  Reichtümer,  welche  sie  aufhäuften,  haben  für  die  Kultur  nichts  er- 
tragen. Ohne  die  reichen  Kauf  leute  wäre  die  Kunst  von  Venedig,  Florenz 
und  Mailand  undenkbar,  und  auch  Genua  übertriffst  an  Bedeutung 
für  das  Geistesleben  manche  nordische  Schwester:  in  Asti  aber  wurde 
der  Reichtum  nicht  der  fruchtbare  Boden,  auf  dem  Kunst  und  Wissen- 
schaft aufblühten.  Die  Geschichte  beider  geht  so  gut  wie  völlig  an 
Asti  vorüber,  nur  ein  Spätling,  Vittorio  Alfieri,  ward  eine  Zierde  der 
italienischen  Litteratur,  aber  eigentümlich  genug,  die  Wandernatur  des 
Astigianen  kam  auch  bei  ihm  zur  Geltung.  Kein  italienischer  Dichter 
der  Neuzeit  hat  so  viel  im  Ausland  gelebt,  wie  Aliieri,  auch  dem  deutschen 
Boden  hat  er  sich  vertraut  gemacht. 

^  N  cum  an  11  29: J.     Stobbc  106. 


328  Achtundzwanzigstes  Kapitel. 

Achtundzwanzigstes  Kapitel. 
Italiener  an  deutschen  ZSllen  nnd  Münzstätten. 

2jölk.  Erste  Goldprägung  in  Florenz.  Netierungen  bei  den  Silhermünzen:  Turnosefiy 
höhmische  Groschen y  Heller,  Italiener  bei  anderen  Münzen,  Italiener  bei  Herstellung  der 
deutschen  Goldmünzeti;  Böhmen,  Lübeck,  rheinische  Gulden.    Florenz  und  Asti. 

Die  gründliche  Kenntnis  des  Geldwesens,  die  Erfahrung  in  der  Hand- 
habung des  Geldwechsels,  die  Gewöhnung  an  eine  Buchführung,  die  Kunst, 
mit  dem  Kapitale  arbeiten  zu  können,  mit  einem  Worte  die  technische 
Überlegenheit  des  Italieners  und  des  Juden  über  den  deutschen  Kauf- 
mann auf  dem  Gebiete  des  Geldhandels  brachte  sie  nach  zwei  Richtungen 
auch  in  die  Staatsverwaltung. 

Die  wichtigsten  Verkehrsabgaben  waren  die  Zölle,  nach  dem  Reichs- 
zolle von  Kaiserswerth  waren  aber  wohl  keine  einträglicher,  als  die 
grofsen  Rheinzölle,  welche  die  drei  rheinischen  Kurfürsten  eingeführt 
hatten.  Der  damaligen  Verwaltung  mufste  das  Verpachten  des  Zolls 
vorteilhaft  erscheinen :  man  vermied,  indem  man  den  Finanzpjtchter  auch 
zum  Finanzbeamten  machte,  die  Bestechlichkeit  des  Beamten,  die  Gefahr, 
dafs  das  ein  Lehen  wurde,  und  war  dazu  in  der  Lage,  vom  Pächter  Vor- 
schüsse zu  erhalten,  bei  ihm  Anleihen  zu  machen,  ohne  diese  Einkünfte 
geradezu  verpfänden  zu  müssen  ^  Neben  und  vor  dem  deutschen  Kauf- 
mann kam  dann  der  Jude  und  der  Lombarde  in  Frage.  Die  Nachrichten 
über  die  Bestellung  von  Zollbeamten  sind,  wie  erklärlich,  sehr  spärlich. 
Der  Zoll  zu  Leutesdorf  wurde  1310  vom  Lombarden  Bartholomäus  von 
Aachen  verwaltet^,  1312  waren  dort  Zöllner  Brunefus  et  Pucio  de  Luca, 
Thomasiiin  de  Florentia  und  Pusinus  de  Lueizclnhurg^ ^  der  ja  vielleicht 
kein  Lombarde  war,  aber  es  ebensogut  wie  der  Bartholomaeus  von  Aachen 
sein  kann.  In  den  Tagen  Erzbischofs  Heinrich  von  Virneburg  waren 
die  Zölle  zu  Leutesdorf,  Bonn,  Andernach,  Rheinberg  an  Lombarden 
verpfändet  und  wohl  auch  durchweg  in  Verwaltung  gegeben  *.  Karl  IV. 
überwies  für  eine  Schuld  von  29450  Goldgulden  einen  Teil  des  Zolls 
zu  Kaiserswerth   an    Thomas   von  Suane  genannt  Hermelin    und   seinen 

^  Ehrcnbcrg  1,  25  f. 

-  Böhmer-Fickor,  Acta  imp.  418.  Lamprecht,  Wirtschaftsleben  2,  28o. 
In  Koblenz  hatten  von  1332  bis  1349  Juden  den  Zoll  in  Pacht  zu  ganz  erheblichen 
Summen.  Die  erzbischöfliche  Finanzverwaltung  war  so  gut  wie  völlig  in  Händen 
der  Juden.  La mp recht  1,  2,  1472  fF.  1229  war  der  Zoll  zu  Geisenheim  an  einen 
Juden  verpfändet  (oft'enbar  Schuldpfandschaft),  dasselbe  war  zu  Anfang  s.  XIV  in 
Köln  der  Fall.    Stobbe  116.     Selbst  in  Ulm  Nübling,  Judengemeinden  LXXIV. 

^  Dronke,  Cod.  dipl.  Fuld.  8.  429.  Dem  Abte  von  Fulda  weist  Kaiser  Hein- 
rich 3000  U  Hallenses  auf  dem  Zolle  an. 

*  Urkunden  Nr.  429,  430,  431,  432,  433,  434,  435  und  437. 


Italiener  an  deutschen  Zöllen  und  Münzstätten.  329 

Bruder  Jacob,  Kaufleute  von  Conio,  wie  an  Franz  und  Ambrosius  von 
Busti,  Kaufleute  von  Mailand,  ob  aber  zur  eigenen  Verwaltung,  ist 
zweifelhaft  ^ 

Wichtiger  war  der  Einflufs  der  Italiener  auf  die  Münze,  wo  sie  mit- 
unter den  Juden  folgten^.  Die  romanisch-germanische  Welt  jener  Tage 
besafs  nur  Silbermünzen  mit  Ausnahme  Siziliens,  was  auch  hierin  auf  den 
Orient  hinwies,  wo  das  Gold  noch  immer  das  übliche  Zahlungsmittel 
war.  Florenz  hatte,  als  es  den  Gulden  schuf,  mit  einem  Schlage  sich  an 
die  Spitze  des  Fortschrittes  auf  dem  Gebiete  des  Münzwesens  gesetzt. 
Der  Gulden  (fl.)  ist  fast  sofort  die  internationale  Münze  geworden,  wir 
haben  ihn  schon  sehr  früh  auch  in  den  Geldgeschäften  der  hohen  deutschen 
Geistlichkeit  vorgefunden.  Dem  gewaltigen  Fortschritt,  den  Florenz 
machte,  konnte  man  diesseits  der  Alpen  nicht  folgen,  schon  aus  dem  ein- 
fachen Grunde,  weil  Deutschland  selbst  kein  Gold  produzierte  und  an 
dem  eigentlichen  Welthandel  noch  viel  zu  geringen  Anteil  hatte.  Erst 
1325  verliefsen  die  ersten  Goldmünzen  eine  deutsche  Münze  ^.  Der  Über- 
gang von  der  Barrenwährung,  wo  das  Silber  in  Barrenform  gewogen 
wurde,  zu  einer  freilich  nicht  allein  bestimmenden  Goldwährung  vollzog 
sich  zunächst  durch  Neuerungen  innerhalb  des  Gebietes  der  Ausmünzung 
des  Silbers.  Bis  dahin  war  ausschliefölich  der  denarius  (Pfennig)  aus- 
geprägt worden,  der  solidus  (Schilling  zu  12  den.)  war  nur  eine  Rechnungs- 
einheit, kein  Münzstück.  Es  war  das  ausgeprägte  Geldstück  also  Scheide- 
münze, und  wer  die  damals  in  Oberschwaben  und  der  Schweiz  geprägten 
Brakteaten  (Schüsselpfennige)  oder  Halbbrakteaten  sich  ansieht,  wird  sich 
ohne  lange  Prüfung  davon  überzeugen,  dafs  solche  Münzen  einer  Zeit  leb- 
hafteren Handels  nicht  genügen  konnte». 

Frankreich  ging  mit  der  Reform  vorauf,  bei  den  in  Tours  geprägten 
Groschen  (Dickpfennige,  Turnosen)  war  auch  der  solidus  ausgemünzt 
worden.  Jetzt  war  eine  bequeme  Münze  vorhanden,  welche  als  Handels- 
münze auch  aufserhalb  Frankreichs  Kredit  gewinnen  konnte.  Die  Tur- 
nosen, deren  Ausprägung  unter  Ludwig  dem  Heiligen  begann  und  bis 
zum  Ende  des  dreizehnten  Jahrhunderts  völlig  konstant  blieb,  verdrängten 
die  wichtigsten  internationalen  Münzen,  die  Provinsins,  die  auf  den 
Messen  der  Champagne  gebräuchliche  Landesmünze,  und  die  englischen 
Steriinge  aus   weiten    Räumen,   die    Sterlinge  waren   übrigens    in  Ober- 


'  1871  Februar  24.     Koch  u.  Wille  Nr.  5074. 

*-*  Die  hebräischen  Buchstaben  ähnelnden  Zeichen  eines  Löwcnbrakteaten  Her- 
zog Bernhards  I.  von  Sachsen  (1180 — 1212)  lassen  Menadier  an  einen  jüdischen  Münz- 
meister  denken.    Aronius  Nr.  389. 

3  1325  Prag,  1340  Lübeck,  vor  1349  Köln  (Kruse  43),  1354  Mainz  (Lam- 
precht 2,  463). 


330  Achtundzwaiizigstes  Kapitel. 

deutschland  so  gut  wie  unbekannt  ^  Ein  Anteil  von  Italienern  läfst 
sich  nun  an  der  Schaffung  dieser  Münze  nicht  nachweisen,  wohl  aber 
an  der  Verschlechterung  derselben.  Philipp  der  Schöne  folgte  da  1302 
dem  Rate  von  Biccio  und  Musciatto  Francesi  von  Florenz,  welche  den 
eigenen  Landsleuten  dadurch  schweren  Schaden  zufügten.  Sie  zuerst 
unter  den  lombardischen  Abenteurern  gewannen  einen  leitenden  Einflufs 
auf  die  Geschichte  Frankreichs^. 

Eine  Nachahmung  der  Turnosen  war  der  Prager  böhmische  Groschen. 
Der  Plan  zu  dieser  Reform  ging  aus  von  Florentinern  und  die  Initiative 
von  einem  Könige,  der  ebenso  stark  unter  dem  Einflüsse  der  Legisten 
stand,  wie  sein  Zeitgenosse  Philipp  der  Schöne.  Dieser  hatte  in  Frank- 
reich Kenner  des  römischen  Rechtes  zur  Hand,  Wenzel  IL  berief  sie  aus 
Italien,  ein  italienischer  Rechtsgelehrter  Gozzo  von  Orvieto  schuf  das 
Bergrecht  von  Kuttenberg,  dem  grofsen  böhmischen  Silberbergwerk.  Der 
Chronist  von  Königsaal  schildert  uns  die  vor  1300  in  Böhmen  infolge 
allzu  häufiger  Änderungen  herrschende  Münznot.  König  Wenzel  II. 
schickte  nun  nach  Florenz  und  berief  »viros  indusiriosos  Reinhardum 
scilicet  Alphardum  et  Cynoneni  Lomharduntj  qui  in  talibus  negotiis  tantam 
habebant  experientiamj  quod  utiliter  dirigere  poterant  rem  tarn  tnagnam^  *. 
Der  Ruhm  des  „Böhm",  der  in  Schlesien  noch  in  jedes  Mannes  Munde 
lebt,  geht  also  in  letzter  Linie  auf  Florenz  zurück. 

Aber  auch  bei  der  böhmischen  Münze  fehlte  die  Versuchung,  das 
Geld  zu  verschlechtern,  nicht.  König  Johann,  der  Luxemburger  berief: 
T^quosdam  de  Florentia  Lombardos  in  scieniia  hicrandi  pecunias  vaJde  gnaros, 
ad  horum  consilium  parvos  denarios  rex  permisit  in  moneta  publica  mone- 
iari*.  Diese  Münzverschlechterung  von  1327  rief  natürlioh  nicht  geringe 
Erregung  hervor*. 

Auch  Heinrich  VII.  hatte  sich  bei  der  italienischen  Münzprägung, 
die  er  reformieren  wollte,  und  wo  es  sowohl  auf  Groschen  wie  auf  Gold- 
münzen abgesehen  war,  italienischer  Münzer  bedient.  In  dem  einen 
Bestallungsbrief  erscheint  ein  Habiczo  fiJim  dytani  Hugueti  civis  Fhreniie; 
der  Vertrag  vom  13.  Januar  1312  nennt   als  Münzer  Philippus  de  Nigro 


^  Aus  der  Litterätur  über  die  Turnosen  erwähne  ich  S  c  h  a  u  b  e,  Kurs- 
bericht  259  f.,  wo  die  weitere  Litterätur  angegeben  ist.  Über  den  Sterling  vgl. 
Schaube  283  ff. 

-  S.  oben  S.  271.  Auch  Betin  Cassinel,  des  Königs  Münzmeister,  war  ein 
Italiener,  er  stammte  aus  Lucca  und  begründete  in  Frankreich  ein  sehr  angesehenes 
Geschlecht.    Piton  114  ff. 

3  Chron.  aulae  regiae.  ,  Fontes  rer.  Austriac.  I,  8,  161.  Schon  kurz 
vorher  waren  übrigens  in  Schlesien  Dickpfenninge  geprägt  worden. 

*  Ebenda  S.  448.  Auf  die  böhmische  Goldmünze  bezieht  sich  diese  Nachricht 
wohl  nicht. 


Italiener  an  deutschen  Zöllen  und  Münzstätten.  331 

civts  Jnniie  und  Georgius  Älyon  civis  Asicnsis,  beide  Familiären  des 
Königs  ^ 

Neben  den  Turnosen  und  den  Prager  Groschen  gewann  eine  dritte 
Münze  seit  dem  Ende  des  dreizehnten  Jahrhunderts  eine  grofse  Beliebt- 
heit. Es  ist  die  Münze  von  Hall.  Sie  verdankte  das  nun  nicht  dem 
Übergange  zur  Groschenprägung  —  sie  hielt  vielmehr  an  der  Ausmünzung 
der  charakteristischen  Händlein-Pfennige  fest  —  sondern  allem  Anscheine 
nach  der  grofsen  Geschicklichkeit,  sich  dem  Münzfufse  benachbarter 
Münzsysteme  zu  accomodieren ,  und  dem  konsequenteren  Festhalten  an 
dem  einmal  gewählten  Brand  und  Korn,  das  gegenüber  der  allgemeinen 
Münzvcrschlechterung  das  Zutrauen  des  Volkes  gewann  ^.  Oberschwaben 
gegenüber,  das  Hohlpfennige  prägte,  hatte  Hall  an  den  zweiseitigen 
Denaren  festgehalten. 

Die  Münze  war  ferner  so  niedrig  angesetzt,  dafs  der  Heller  die 
kleinste  Courantmünze  wurde ;  während  der  Groschen  sich  also  über  den 
Pfennig  einschob,  trat  der  Heller  unter  ihn.  So  wurde  Hall  die  numis- 
matische Hauptstadt  des  südlichen  und  westlichen  Deutschlands®.  Sie 
eroberte  sich  mit  der  kleinsten  Scheidemünze  den  Markt,  indem  sich  im 
Laufe  des  vierzehnten  Jahrhunderts  das  Pfund  Heller  in  der  Wertgleich- 
heit zum  Florentiner  Goldgulden  hielt,  wurden  die  Heller  von  selbst  im 
Verkehrsleben  die  Unterabteilungen  des  Gulden  von  Florenz  wie  später 
des  rheinischen  Guldens*. 

Die  Geschichte  der  Münze  von  Schwäbisch  Hall,  deren  Akten  unter- 
gegangen sind,  ist  trotz  der  Arbeiten  von  Grote  und  Lamprecht,  wie  mir 
scheinen  will,  noch  nicht  so  gründlich  untersucht,  dafs  man  konkludent 
auf  ein  Jahr  die  Wandlungen  innerhalb  derselben  bestimmen  kann.  Das 
Vertrauen  wurde  von  ihr  auch  nicht  auf  einmal  errungen,  erst  langsam 
wird  dasselbe  erworben.  Nach  Pfund  Haller  Pfennig  wird  zudem  schon 
seit  sicher  1219  gerechnet,  die  Verbreitung  über  das  nächste  Gebiet  be- 
ginnt schon  im  letzten  Viertel  des  dreizehnten  Jahrhunderts^. 


^  Dönniges,  Acta  2,  96  und  31  u.  32  Anm.  1. 

2  Nach  Lamprecht  2,  453  hatte  der  Heller  1245—65  0,338  Gr.  SUber,  1326 
noch  0,326. 

^  Grote,  Schwäbisch-Alemannische  Geld-  und  Münzgeschichte  des  Mittelalters, 
in  seinen  Munzstudien  Bd.  6  1865  S.  100. 

"*  Lamprecht  a.  a.  0. 

'»  Wir  haben  noch  nicht  genug  Wertrelationen  gesammelt.  Die  Angaben  von 
Grote  S.  32,  102,  Lamprecht  433,  Gottlob  S.  270  ff.,  Kirsch  LXXV,  Kruse 
S.  33  genügen  noch  nicht  Uns  interessiert,  welche  Relationen  von  1298  bis  1308 
und  kurz  vorher  bestanden.  Kruse  weist  S.  32  f.  nach,  dafs  der  Silberwert  der 
Heller  um  1300  keineswegs  stabil  war,  sondern  erheblich  sank.  Von  1308 — 28  ist 
eine  stabile  Relation  mit  dem  Kölner  Pagamentsdenar.  Es  stehen  z.  B.  1317  sich 
gleich  eine  Kölner  Pagaments-Mark  (zu  144  <))  und   18  Schilling  Heller  (=  216  ^). 


332  Achtundzwanzigstes  Kapitel. 

Es  läfst  sich  also  nicht  bestimmen,  welchen  Anteil  die  Florentiner 
in  den  Tagen  König  Albrechts  an  dem  Aufblühen  dieser  Münze  hatten. 
Dieser  König  hatte  nämlich  diese  Münze  an  eine  Florentiner  Gesellschaft 
verpachtet,  von  der  wir  vier  Glieder  kennen:  zunächst  Tommaso  und 
Ugolotto,  die  Söhne  des  Agio  degli  Agli,  und  Alberto  den  Sühn  des 
Gottolo  dei  Nerli.  Diese  sandten  nach  Schwäbisch  Hall  mehrere  Faktoren, 
von  ihnen  hatte  der  Teilhaber  der  Gesellschaft  Neri  di  Ghinuccio  Buon- 
fantini  mit  dem  Faktor  Bartolo  di  Lapo  Morelli  das  Haupt-  und  die 
Rechnungsbücher  zu  führen.  Beide  aber  waren  ungetreue  Verwalter, 
sie  rechneten  nicht  ab  und  hielten  sich  von  Florenz  fern.  Der  Faktor 
wurde  beschuldigt,  seine  Prinzipale  um  800  Goldgulden  und  mehr,  der 
Teilhaber  aber  die  beiden  Agli  um  5565  fl.  und  den  Erben  und  Bruder 
des  Alberto  dei  Nerli  um  2848  fl.  geschädigt  zu  haben.  Beide  wurden 
von  den  Florentiner  Behörden  am  5.  Dezember  1308  vor  den  Capitano 
dei  Popolo  geladen  ^ 

Diese  beiden  lehrreichen  Dokumente  lassen  uns  freilich  keinen  vollen 
Einblick  thun.  Die  Summen,  welche  da  aufgeführt  werden,  sind  nicht 
sicher  zu  zerlegen.  Wir  wissen  nicht,  ob  es  nur  der  Gewinn  oder  was 
wahrscheinlicher  ist,  Betriebskapital  und  Gewinn,  ob  damit  die  Forderung 
aller  übrigen  Teilhaber  (was  annehmbarer  ist)  oder  nur  einer  Gruppe 
ausgedrückt  ist,  jedenfalls  war  das  in  der  Münze  von  Schwäbisch  Hall 
thätige  italienische  Kapital  recht  bedeutend.  Weiteres  wissen  wir  über 
die  Sache  nicht. 


Kirsch  LXXV.  Es  ist  also  das  von  Kruse  auch  anderweitig  belebte  Verhältnis 
von  2:3.  Von  1296—1308  geben  die  Urkunden  oft  die  Relation:  3  hl.  auf  den 
Kölner  Pagamentspfenuig,  also  1 : 3,  jedoch  wird  in  einer  solchen  Urkunde  zugleich 
gesagt,  dafs  13  Heller  =  6  Denaren  sind.  Kruse  :33.  Das  beweist  uns  aber  deut- 
lich, wie  der  Heller  als  Unterabteilung  des  Denars  behandelt  wurde.  Besonders 
wertvoll  wäre  es  festzustellen,  wann  die  Relation  1  Goldgulden  =  1  ü  hl,  ein- 
getreten ist,  und  wie  lange  sie  festgehalten  wurde.  Kirsch  weist  für  die  Jahre 
1318/9  Relationen  von  1  fl.  =  15  ß  hl.  3  hl.  bis  16  ß  hl.  10  hl.  nach  S.  LXXV  f. 
Nach  Lamp recht  2,  447  ist  die  Relation  von  1  (kleinen)  Gulden  =  1  ^  hl.  von 
1337 — 1344  konstant,  ich  kann  sie  auch  aus  Schuldbriefen  von  1366  und  68  ableiten. 
Diese  Relation  wurde  also  zwischen  1319  und  1337  erreicht.  Die  weitere  Unter- 
suchung mufs  ich  der  Geldgeschichte  überlassen. 

1  Aus  einem  Florentiner  Brief  buch  von  1308.  Ar  eh.  stör.  ital.  ser.  2  tomo 
620  ff.  »Florcntie^  die  V  mensis  decemhris,  VlI^  indictionU.  Quod  ipsi  Tlwmasus  et 
Ugolottus  et  Albertus  fecerunt  et  contraxerunt  inier  se  ad  invicem  sotietatem  in  partibus 
Alamanie  in  civitate  AUensi^  maxime  in  facienda  et  super  faaendo  fieri  et  fahricari 
movetam  que  appellatur  moneta  AllensiSy  tt  ipsam  nuynetam  et  redditum  ipsius  monete 
€7nerunt  ab  ilhistrissimo  viro  domino  Alberto  olim  rege  Bomanorum  ....  Tenuisti  et 
habuisti  ♦  .  publicum  librum  et  libros  rationum,  in  quo  et  in  quibus  scribebantur 
negotia  et  rationes  dicte  sotietatis  et  soliorum ,  et  cui  et  quibus  dabatur  plena  fides  in 
acceptis  et  datis.*    An  beide  geht  derselbe  Bote. 


Italiener  an  deutschen  Zöllen  und  Münzstätten.  333 

Noch  an  zwei  anderen  Münzen,  welche  noch  an  der  Silberprägung 
festhielten ,  kann  ich  einen  Lombarden  nachweisen.  Es  ist  freilich  ein 
heikles  Ding,  das  Wort  monetarius  zu  übersetzen,  es  kann  ein  Familien- 
name sein  und  alle  möglichen  Beamtungen  der  Münze  bedeuten.  Wenn 
uns  nun  aber  ein  :» Johannes  de  Asi  moneiarius<i^  erscheint,  so  kann  es 
sich  nicht  wohl  um  einen  Familiennamen  handeln,  und  da  der  Name 
auf  Asti  zu  deuten  ist,  kann  auch  wohl  nur  der  kaufmännische  Leiter, 
nicht  etwa  der  Münzschneider  gemeint  sein.  Dieser  Berner  Johann 
von  Asti  erfreute  sich  übrigens  hohen  Ansehens,  er  hatte  die  Tochter 
des  Edelknechts  Johann  von  Münsingen  geheiratet  und  sein  Schwager 
war  ein  Bubenberg,  er  war  also  mit  den  ersten  Familien  Berns  in  Ver- 
wandtschaft getreten  ^  1283  stellt  Graf  Guido  von  Flandern  und  Mark- 
graf von  Namur,  Hubert  Adion,  Bürger  von  Asti  und  Genossen  an, 
für  ihn  in  Namur  Münzen  zu  prägend 

Dafs  die  Etschkrcuzer,  welche  in  Trient  seit  dem  Ende  des  zwölften 
Jahrhunderts,  später  auch  in  Meran  hergestellt  wurden  und  die  Reform- 
münze der  Ostalpen  waren,  von  Italienern  hergestellt  wurden,  kann  nicht 
wunder  nehmen.  Aber  auch  in  Schlesien  sind  in  Liegnitz  unter  Herzog 
Wenzel  L  (1348-64)  und  in  der  Münzstätte  Freiberg,  wo  der  meifs- 
nische  Groschen  geprägt  wurde,  in  der  Zeit  von  1364—68  Italiener 
nachzuweisen.  Wahrscheinlich  hatte  auch  der  Breslauer  Bischof  Heinrich 
Italiener  im  Dienste  seiner  Münze  ^. 

Auch  Ludwig  der  Bayer  hat  Italiener  bei  der  Münze  verwendet: 
Jacobinus  de  Capite  und  Ranicius  de  Bognariis,  beide  aus  Como.  Da 
er  sie  aber  zu  Münzern  innerhalb  des  ganzen  Reiches  macht,  ist  diese 
Notiz  weiterhin  unfruchtbar:  man  weifs  ja  nicht  einmal,  ob  sie  in  Deutsch- 
land dann  thätig  waren  oder  in  Italien*.  Und  das  gilt  noch  mehr  von 
den  von  Karl  IV.  zu  öffentlichen  Münzern  ernannten  Personen^. 


*  Urkunde  vom  29.  November  1334.  Font.  rer.  Bern.  6,  158.  Leider  ist  das 
Siegel  schwer  beschädigt.  Ich  bemerke,  dafs  in  der  Berner  Familie  „Münzer"  Vor- 
namen begegnen,  weiche  italienischen  Ursprung  verraten. 

2  Wauters,  Tables  chronologiques  des  chartes  et  diplomes  imprimös  6,  96 
und  6,  112. 

'  Die  Belege  bei  A  l  e  x  i ,  Die  Münzmeister  der  Galimala  und  Wechslerzunft  in 
Florenz  in  Zeit  sehr.  f.  Numismatik  17,  267;  Friedensburg,  Schlesiens  Münz- 
geschichte im  Mittelalter  Teil  II  S.  40;  (Codex  dipl.  Silesiae  XIII)  Nicolaus  u. 
Augustin  von  Florenz  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  Teil  2  Bd.  13  S.  24. 

*  »Nota  quod  Dominus  co^istitiiit  Jacobinum  de  Capite  filintn  quondam  Bainerii 
de  Cnmifi  uhilibet  in  toto  Romano  imperio  moneiarium  et  monete  fahricatorem,  Datum 
%it  supra,  Simili  modo  constituit  Ranicium  filium  quondam  Marci  de  Bognariis  de 
Cumis  in  monetarium.«    Zeit  und  Ort  vorher:    Kolmar  September  8.    Oefele  1,  774. 

'^  Jatobus  natus  quondam  Gerhardi  Sabolim  de  Lucca  Glafey  S.  20.  Jacobiins 
et  Anthonius  frntns  filii  Jordani  de  Monetario  ebda.  509.  Direkt  auf  Genua  geht 
die  Ernennung  des  Petrus  de  Luna.    Glafey  251. 


334  AchtuDdzwanzigstes  Kapitel. 

Das  Beispiel  der  florentiner  Goldprägung  war  zuerst  1254  in  Frank- 
reich, 1257  in  England  nachgeahmt  worden,  also  in  jenen  Gebieten, 
welche  am  lebhaftesten  Handel  mit  Italien  trieben  ^  1325  erfolgte  die 
erste  Ausprägung  in  Deutschland,  und  dafs  hier  überall  die  Goldmünze 
von  Florenz  das  Vorbild  war,  ergiebt  die  Gleichheit  des  Fufses  und  des 
Bildes,  der  hl.  Johannes  war  noch  lange  das  Kennzeichen  jeder  Gold- 
münze. König  Johann  von  Br)hmen  benutzte  eine  Zeit,  in  der  das  Wert- 
verhältnis des  Goldes  zum  Silber  sich  zu  Gunsten  des  ersteren  beträcht- 
lich verschoben  hatte  ^,  um  die  ersten  Goldstücke  innerhalb  des  deutschen 
Reiches  zu  prägen.  Auch  dieses  Mal  berief  er  dazu  „Lombarden"  und, 
wenn  er  nach  zweimonatlicher  Anwesenheit  in  seinem  Reiche  95  000  Mark 
Silber  mit  in  sein  Heimatland  Luxemburg  nehmen  konnte,  so  war 
darin  auch  wohl  ein  Teil  des  Münzgewinnes  eingeschlossen®. 

Wer  die  schwache  Ausprägung  von  Goldmünzen  der  österreichischen 
Herzoge  Albrechts  H.  und  Rudolfs  IV.  geleitet  hat,  ist  ebenso  unbekannt, 
wie  die  des  Kaisers  Ludwigs  des  Bayern,  wenn  man  nicht  an  jene  Co- 
masken  denken  will.  Dafür  wissen  wir  aber  wieder,  dafs  die  Gold- 
münzen der  ersten  deutschen  Stadt,  welche  dieses  Recht  erwarb,  von 
Italienern  hergestellt  wurden.  Aus  den  Münzbüchern  von  Lübeck  folgt, 
dafs  von  1341 — 64  die  Familie  Salimbene,  Nicolaus,  Lucas  und  Petrus 
die  städtische  Münze  leiteten.  Alexi  nimmt  sie  für  Florenz  in  An- 
spruch, es  gab  aber  auch  eine  Familie  dieses  nicht  seltenen  Namens  in 
Siena,  und  wenn  in  den  interessanten  französischen  Briefen  davon  die 
Rede  ist,  dafs  Johann  Salimbene  nach  Florenz  gereist  sei,  so  ist  damit 
die  Heimat  nicht  erwiesen. 

NHn  folgten  die  Privilegien  für  die  Goldprägung  der  Kurfürsten 
von  Trier  1346,  Köln  1347,  Mainz  1354,  Geldern  schon  1339,  und  auch 
die  thatsächliche  Ausmünzung  begann  sich  zu  verbreiten.  Noch  immer 
war  die  Goldmünze  von  dem  Silbergeide  durchaus  unabhängig;  erst 
1372  tauchte  der  Gedanke  auf,  den  Goldgulden  nicht  mehr  auschliefs- 
lich  als  Handelsmünze  zu  behandeln,  sondern  ihn  zu  einem  organischen 
Bestandteil  des  Münzsystems  zu  machen,  ihn  durch  eine  feste  Relation 
zum  gebräuchlichen  Silbergeide  den  Landesmünzen  einzufügend  Diese 
Münzpolitik  ging  vom  Kurfürsten  von  Trier  aus.  Bei  seiner  Münzstätte 
zu  Koblenz,  die  das  Trierer  Niederstift  versorgte,  war  1372  aber  Münz- 


'  v.  luama,  Die  Goldwährung  S.  15. 

'^  V.  Inama  führt  das  näher  aus.  Die  Relation  der  beiden  Edelmetalle  stieg 
von  1 :  10  bis  zu  1 :  16. 

'  »Inslituit  tttnc  q^wque  rex  Pragae  per  quosdam  Lomhardos  monetam  nuream, 
de  qua  denarn  quatuor  ralere  deheant  plus  quam  marcaui.*  Chron.  Aul.  Reg.  a. 
a.  0.  430. 

"*  V.  Inama,  Goldwährung  J31. 


Italiener  an  deutschen  Zöllen  und  Münzstätten.  335 

raeister  ein  »mefster  Alhart«,  der  sich  durch  sein  Siegel  als  ein  Aleramo 
Alferi  erweist  und  nach  dem  Wappen  (einem  Adler)  ^  der  Astigianer 
Famile  Alfieri  angehörte,  welche  im  Jahre  1300  schon  die  Münze  in 
Genf  gehabt  hatte  ^.  Diese  erste  wirkliche  rheinische  Münzvereinigung 
wurde  geschlossen  zwischen  dem  Trierer  Erzbischofe  Kuno  von  Falken- 
stein von  Trier,  seinem  Neffen,  dem  Kölner  Kurfürsten  Friedrich  von 
Saarwerden  und  der  Stadt  Köln.  Die  darin  festgesetzte  Vereinsgold- 
münze wurde  nun  wirklich  ausgeprägt  und  zwar,  wie  sich  das  auch  aus 
der  Entwicklung  der  Ausmünzung  des  Goldes  am  Rheine  ergab,  nach 
dem  Fufse  des  kleinen  schweren  Gulden  von  Florenz.  Die  Vereinigung 
nahm  weiter  eine  neue  Silbermünze,  den  Albus  oder  Weifspfennig  auf, 
an  der  sicherlich  eins:  der  Name,  völlig  neu  war®.  Aus  diesem  Ver- 
trage entwickelte  sich  durch  Zutritt  von  Mainz  und  Kurpfalz  der  rhei- 
nische Münzverein  von  1386.  Wir  sehen  also  abermals,  wie  in  einem 
wichtigen  Momente  der  Münz-  und  Geldgeschichte  Deutschlands  italie- 
nische Hände  thätig  waren.  Der  Münzverein  von  1386  schuf  ein  grofses 
zusammenhängendes  Münzgebiet,  aus  dem  das  fremde  Geld  bald  ver- 
schwand, dafür  überschritt  der  rheinische  Gulden  bald  die  Grenzen 
seiner  Heimat.  Alfieri  hat  mit  dazu  beigetragen ,  das  Geldgeschäft 
Deutschlands  vom  Auslande  zu  befreien. 

Florenz  und  Asti  stellten  Deutschland  die  Kräfte,  das  verrottete 
karolingische  System,  das  schliefslich  nur  lokalen  Zwecken  mehr  dienen 
konnte,  durch  die  Errungenschaften  italienischer  Münzpolitik  zu  einer 
wirklichen  Handelsmünze  umzugestalten*. 

^  Vgl.  Tettoni  e  Saladini,  Toatro  araldico.  Tomo  V.  Lucca  1846.  Auch 
der  Name  Aleramo  begegnet  in  der  Stammtafel  der  Alfieri  bei  Sella  S.  41.  Er  war 
der  Sohn  des  Geschichtschreibers  Ogerio  Alfieri. 

-  Urkunden  Nr.  420  und  oben  S.  309. 

»  Vgl.  Kruse  S.  68-73.    Lamprecht  2,  467. 

^  Wenn  Alexi  schliefst:  „dafs  im  vierzehnten  Jahrhundert  die  in  Deutschland 
gangbarsten  Geldsorten:  der  Prager  und  Meifsn er  Groschen,  der  Etsch-Kreuzer,  der 
schwäbische  Heller  und  lübische  Floren  von  Florentinern  geprägt  wurden,"  so  ist 
die  Liste  der  Münzen  noch  erheblich  zu  erweitem,  andererseits  aber  zu  den  Namen 
der  Florentiner  der  der  Astigianen  hinzuzufügen. 


Vierter  Teil. 

ITALIENISCHE  BANKEN  IN  BEZIEHUNGEN  ZU  DEUTSCHLAND 

IM  FÜNFZEHNTEN  JAHRHUNDERT. 


Neunundzwanzigstes  Kapitel. 

Mangelhafte  Quellefi.  Banken  während  des  Konstamer  Konzils,  Das  St  Johannes- 
fest.  Medicäer.  Geschäft  bei  der  Freilassung  Cossas.  Das  Baseler  Konzil  und  die 
Bankiers.    Italienische  Kaufmannsbücher.    Sonstige  Nachrichten. 

Für  das  fünfzehnte  Jahrhundert  fehlt  es  leider  noch  so  gut  wie  an 
allen  Vorarbeiten  zu  einer  Geschichte  des  italienischen  Bankwesens. 
Selbst  die  überraschendste  Thatsache  dieses  Jahrhunderts  innerhalb  der 
italienischen  Geschichte  ist  auf  ihre  wirtschaftlichen  Ursachen  noch  nicht 
untersucht:  es  ist  der  Übergang  der  Herrschaft  in  Florenz  an  die  Dik- 
tatur eines  Kaufmanns,  der  durch  sein  Bankgeschäft,  durch  die  Monopo- 
lisierung des  Kredites  alle  Gegner  in  seiner  Vaterstadt  niederzuhalten 
wufste.  Die  Geschäftspapiere  der  Medicäer  aus  der  Zeit  vor  ihrer  Herr- 
schaft sind  zwar  nur  in  bescheidenen  Bruchstücken  uns  überliefert,  aber 
auch  diese  hat  noch  niemand  näher  geprüft.  Für  das  dreizehnte  Jahr- 
hundert waren  die  päpstlichen  Regesten,  für  das  folgende  die  Akten  der 
Kammer  eine  reiche  Quelle,  um  die  Beziehungen  deutscher  Schuldner 
zu  italienischen  Gläubigern  darzustellen;  was  aus  den  Finanzakten  der 
päpstlichen  Kammer  bisher  bekannt  geworden  ist,  beschränkt  sich  auf 
wenig  und  erträgt  für  die  Handelsgeschichte  fast  nichts. 

Auch  das  übrige  urkundliche  Material  der  deutschen  und  italieni- 
schen Archive  ist  weit  weniger  benutzt,  als  das  der  früheren  Jahrhun- 
derte. So  entsinkt  einem  fast  der  Mut,  die  spärlichen  Angaben  über- 
haupt zu  verwerten. 

Für  zwei  Orte  und  auch  da  nur  für  ein  paar  Jahre  erhalten  wir 
einen  deutlichen  Einblick,  und  der  kann  uns  nur  in  der  Ansicht  be- 
stärken, dafs  die  grofsen  italienischen  Bankhäuser,  —  von  den  in 
Deutschland    angesiedelten    Astigianen    abgesehen     —    in    Deutschland 


Italienische  Banken  in  Beziehungen  zu  Deutschland  im  15.  Jahrhundert.    337 

überhaupt  keinen  nennenswerten  Handel  trieben.  Die  italienischen 
Bankiers  und  Wechsler  erschienen  in  den  beiden  Konzilsorten  Konstanz 
und  Basel,  aber  sie  verstärkten  nicht  etwa  dort  vorhandene  Comptoirs, 
sondern  sie  gründeten  ganz  neue  Ansiedelungen,  die  von  vornherein  nur 
für  die  Konzilszeit  berechnet  waren. 

Die  Verlegung  der  Kurie  nach  Avignon  hatte  viele  italienische  Ge- 
schäftshäuser veranlafst,  dorthin  einzelne  Genossen  oder  doch  Faktoren 
zu  senden,  um  an  den  Finanzgeschäften  der  Kurie  oder  der  dorthin 
zusammenströmenden  Geistlichen  und  Laien  sich  zu  beteiligen.  Der 
Ausbruch  des  Schismas  brachte  die  Kurie  nun  aber  in  eine  ganz  andere 
Lage.  Wo  mehrere  Observanzen  um  die  Leitung  der  Kirche  rangen, 
ergab  es  sich  von  selbst,  dafs  die  bisher  geübte  Besteuerung  der  Pfrün- 
den nicht  so  scharf  mehr  durchgeführt  werden  konnte,  wie  früher. 

Dem  Schisma,  diesem  üblen  Leiden,  ein  Ende  zu  bereiten,  trat  das 
Konzil  in  Konstanz  zusammen.  Es  waren  vier  deutsche  Städte  in  Vor- 
schlag gewesen,  die  alle  mit  Rücksicht  darauf  gewählt  waren,  dafs  dort 
Italiener  schon  verkehrten.  Es  waren  Basel  und  Strafsburg,  dann 
Kempten  und  Konstanz.  Die  Schwaben  in  der  Umgebung  Siegmunds,  — 
so  schrieb  ein  Strafsburger  nach  Hause  —  sollen  es  zuwege  gebracht 
haben,  dafs  der  Bodenseestadt  der  Vorzug  gegeben  wurdet  Und  auf 
seiner  Fahrt  nach  Lodi  begleiteten  den  König  in  der  That  nicht  wenige 
Schwaben ,  Graf  Hans  von  Lupfen  und  Graf  Eberhard  von  Nellenburg 
voran,  und  auch  ein  Konstanzer  Geistlicher,  Albrecht  Blarer,  ist  damals 
in  seiner  Nähe  nachzuweisen*. 

Nach  Konstanz  strömte  nun  die  ganze  Christenheit  zusammen,  ge- 
tragen von  dem  Eifer,  die  Einheit  unter  sich  wieder  herzustellen^.  Um 
den  kirchlichen  und  laikalen  Kreis  der  Konzilsgenossen  entwickelte  sich 
das  Treiben  eines  gewaltigen  Jahrmarktes.  Es  ist  ein  Glück,  dafs  ein 
Bürger  und  Kaufmann  von  Konstanz,  der  selbst  schon  in  der  Welt  sich 
umgesehen  hatte,  ein  feiner  Beobachter,  ein  Mann,  der  das  Zeug  zu 
einem  trefflichen  modernen  Zeitungsreporter  in  sich  hatte,  inmitten  des 
Trubels  besonnen  genug  war,  sich  all  die  Einzelheiten  dieses  wunder- 
baren Schauspiels  festzuhalten  und  sie  dann  späteren  Geschlechtern  nicht 
allein  aufzuzeichnen,  sondern  sie  auch  durch  Illustrationen  erläutern  zu 
lassen.  Ulrich  Richental  hatte,  als  Kaufmann,  auch  einen  Sinn  für  die 
Zahl,  und  so  zerlegte  er  sich  die  ungeheuere  Menschenmenge,  welche  in 
seiner  Vaterstadt  zusammengekommen  war,  ganz  verständig  in  ihre  Be- 
standtteile,  und  schätzte  sie  ab.     Auch  in  diesem  Sinne  für  Statistik  er- 


*  Finke,  Acta  concilii  Constantiensis  1,  173  f. 

«  Altmann  888». 

3  Über  die  wirtschaftliche  Seite  des  Konzils  vgl.  Gothein  1,  482—489. 

Schulte,  Qesoh.  d.  mitteUIterl.  HandelB.    I.  22 


338  Neunuudz wanzigstes  Kapitel. 

kennen  wir  einen  modernen  Zug.  Er  scheint  aber  die  verschiedenen 
nacheinander  kommenden  und  wieder  gehenden  Personen  derselben 
Gruppe  mit  ihren  Angehörigen  zusammengezählt  zu  haben,  sonst  wären 
seine  Ziffern  kaum  erklärlich. 

Die  fremden  hohen  Prälaten  und  Herren  wollten  in  der  fremden 
Stadt  doch  nicht  alle  Gewohnheiten  der  Heimat  entbehren  und  so 
brachten  sie  aufser  der  Dienerschaft  auch  ihre  Hofhandwerker  mit,  und 
auf  ihre  eigene  Gefahr  erschienen  Kaufleute  und  Handwerker  in  grofser 
Zahl.  Die  Stadt  hatte  für  die  Kriegszeit  Handels-  und  Gewerbefreiheit 
verkündet,  und  nur  den  eigenen  Bürgern  durch  eine  Mietstaxe  einen 
Zaum  angelegt.  Von  allen  den  fremden  Kaufleutcn  war  jedoch  keiner 
notwendiger  als  der  Geldwechsler,  und  selbstredend  war  die  Königin  der 
Wechslerstädte,  Florenz,  vertreten.  Die  Banken  drängte  es  natürlich 
ebenso  dorthin,  wie  etwa  beim  Aachener  Kongrefs  1818  die  Nachkommen 
der  Italiener,  die  Rothschild  und  Baring,  sich  einstellten. 

Richental  unterscheidet  nun :  altern  es  warend  och  zu  CosienU  tcechfs- 
1er,  die  da  lillain  dem  baupst,  den  cardinaln  und  irem  gesind  wechfslotend 
und  hinder  sy  ir  gfd  leitend,  von  Florentz  und  andern  landen  mit  iren 
dienern  73.*-  ^^Item  wech^sler,  oun  Florentzer,  die  mit  zft  dem  hof  ge- 
hörtend,  von  allen  landen  mit  iren  dienern  60.*^. 

Das  Konstanzer  Ratsbuch  enthält  nun  genaue  Angaben  über  die 
Florentiner  und  andere  Wechsler,  nach  denen  man  Richentals  Zahlen 
aber  heruntersetzen  mufs.  Zuerst  —  es  war  am  8.  Juni  1415  —  schlofs 
der  Florentiner  Karolus  Geori  mit  dem  Rate  einen  Vertrag.  Die  Kon- 
stanzer Behörde  war  für  einen  sicheren,  ruhigen  Geldwechsel  sehr  be- 
sorgt, und  untersagte  alle  Münzspekulationen.  Für  die  Erlaubnis  eine 
Bank  zu  halten,  mufste  er  G  rh.  fl.  monatlich  entrichten,  dieselbe  Summe 
hatte  Aldigerius  Francisct  zu  zahlen,  1  fl.  weniger  die  Bank  des  Bartho- 
lomäus de  Bardis  und  Johannes  Amerisi,  sjDäter  wurden  alle  Banken 
gleichgestellt  und  dann  ihre  monatliche  Zahlung  auf  4  fl.  13  alte  Plappart 
festgesetzt,  so  dafs  die  drei  der  Stadtkasse  monatlich  14  fl.  zusammen 
zu  entrichten  hatten.  Später  kamen  noch  zwei  andere  Banken  hinzu: 
Andreas  de  Bardis  et  Lucas  socii  waren  unzweifelhaft  auch  Florentiner, 
der  Wechsler  in  Joh.  Widen  Hause  ist  seiner  Heimat  nach  nicht  zu  be- 
stimmen. Die  Stadt  hatte  natürlich  nur  mit  den  am  Orte  befindlichen 
Faktoren  zu  thun,  so  erfahren  wir  leider  aus  den  Konstanzer  Quellen 
nicht,  welche  Bankfirmen  unter  dem  Namen  dieser  Faktoren  sich  ver- 
stecken. 

Auch  deutsche  Bankiers  fanden  sich  ein.  Einmal  liefs  sich  ein  sehr 
bekannter,    reicher,    politisch  hervorragender  Baseler  nieder,    Ilenmann 


^  Riclicntal   l'^'i. 


Italienische  Banken  in  Beziehungen  zu  Deutsehland  im  15.  Jahrhundert.    339 

OfFenburg;  er  zahlte  monatlich  5  fl.  Er,  der  Vertraute  Siegmunds,  der 
in  Konstanz  einen  Monat  lang  der  Ziramergenosse  des  Königs,  vor  dessen 
Bett  er  des  Nachts  lag,  war,  der  unzählige  Reisen,  sei  es  in  eigenen 
Angelegenheiten ,  sei  es  in  Sachen  der  Fürsten,  die  sich  des  welterfah- 
renen Mannes  bedienen  wollten,  ja  selbst  in  Angelegenheiten  des  (Baseler) 
Konzils  machte,  hat  in  seinen  Lebensnachrichten  seiner  Bank  in  den 
Konstanzer  Tagen  nicht  gedacht,  er  war  aber  wohl  der  Bankier  der 
deutschen  Bischöfe,  Fürsten  und  Herren,  obwohl  er  in  Basel  „Apotheker" 
war^     Ein  „Vögelli  von  Freiburg  im  Üchtland"  zahlte  dieselbe  Summe. 

Die  Konstanzer  wollten  sich  doch  den  Verdienst  nicht  völlig  weg- 
schnappen lassen,  gewifs  waren  die  alten  Geldwechsler  auch  in  den  Kon- 
zilstagen thätig,  aufserdem  stellten  noch  Peter  Babenberg,  Ulrich  Schatz, 
Jakob  Volger,  Hans  Bolczhuser,  ein  Goldschmied^,  dann  Ulrich  Sattler 
und  Peter  Bader  eine  Bank  auf.  Der  erste  zahlte  3  fl.,  die  drei  folgen- 
den 2  fl.,  der  vorletzte  1  fl,  und  der  letzte  nur  V'2  fl.  monatlich.  Die 
Leute  hatten  jedoch  keine  grofsen  Mittel  und  konnten  wohl  nicht  viel 
anders  als  den  Hand  Wechsel  betreiben®. 

Die  Wohnung  der  Florentiner  ist  auch  noch  zu  bestimmen :  Aldi- 
gerus  und  Karolus  wohnten  in  der  Nähe  Richentals  in  und  bei  der 
heutigen  Wessenbergstrafse ,  die  Bank,  die  uns  aber  am  meisten  inter- 
essieren wird,  die  des  Bartholomäus  de'  Bardi  war  in  einem  einfachen 
Hause  ^der  thonnen'^^  untergebracht  und  lag  schon  in  der  alten  Vorstadt 
nach  Stadelhofen  hin,  also  sehr  weit  vom  Dome,  wo  das  Konzil  seine 
Sitzungen  abhielt. 

Richental  berichtet  sehr  anschaulich,  wie  nach  der  Flucht  des 
Papstes  König  Siegmund  die  Geistesgegenwart  hatte,  zu  allen  Wechslern, 
sie  wären  lialici  oder  andere,  zu  allen  Apothekern,  Krämern  u.  s.  w.  zu 
reiten,  damit  niemand  hinwegfahre.  Die  Fremden  waren  des  froh,  denn, 
meinten  sie,  wäre  das  in  ihren  Landen  geschehen,  so  wären  sie  um  ihre 
Habe  gekommen,  und  schlössen  ihre  Läden  wieder  auf*. 

Die  Florentiner  wollten  auch  das  heimatliche  gröfste  kirchliche  und 
bürgerliche  Fest,  das  des  hl.  Johannes  d.  Täufers,  nicht  entbehren.  Und 
aus  der  Schilderung  Richentals  entsteht  uns  das  auf  deutschem  Boden 
acht  italienisch  gefeierte  Fest.  Sie  hatten  die  St.  Johanneskirche  mit  den 
schönsten  Tüchern  und  mit  Maien  und  Tannreis  geschmückt,  und  von 
den  Bäumen  hingen  ^oflatcn,^  also  Gebackenes,  herab.  Und  am  Morgen 
besteckten  sie  auch  die  Strafse  mit  Maien  und  bestreuten  die  Strafsen  mit 

'  S.  Chronik  in  d.  Baseler  Chroniken  5,  201—299.    Vgl.  die  Einleitung  dazu. 
-  Rupport,  Chroniken  169. 

^  Babenherg  hatte  nai'li  der  Steuerliste  1050  U  liegende  und  4000  U  fahrende 
Habe,  Volger  1100  und  :3000,  Sattler  lOoO  it  fahrende  und  ebenso  Bader  900  iL 
*  Richental  S.  63. 

22* 


340  Neuuundzwanzigstes  Kapitel. 

frischem  Gras  und  darüber  ging  die  Prozession  der  Bischöfe  und  Ge- 
lehrten aus  Italien  und  auch  der  Pfalzgraf  und  die  andern  Fürsten 
nahmen  an  dem  kirchlichen  Feste,  das  die  Bankiers  veranstiilteten,  teil. 
Jeder  trug  eine  brennende  Kerze  und  ihrer  540  zählte  der  biedere 
Riehen tal,  der  sich  natürlich  am  Wege  aufgestellt  hatte.  In  der  über 
und  über  mit  Kerzen  erleuchteten  Kirche  hing  der  Schild  von  Florenz 
mit  der  roten  Blume.  So  ehrten  die  stolzen  Florentiner  auch  in  der 
Ferne  ihren  heimatlichen  Schutzpatron,  und  manche  Züge  erinnern 
direkt  an  die  Art  der  Feier  in  Florenz  selbst,  freilich  war  die  Kon- 
stanzer nur  ein  schwaches  Abbild  von  dem,  was  schon  in  Dantes  Tagen 
die  Erinnerung  und  Hoffnung  des  Jahres  für  alle  Florentiner  war,  wo 
sich  der  Luxus  und  Reichtum  der  Stadt,  jeder  Korporation  und  jedes 
einzelnen  zur  Ehre  des  Stadtpatrons  vereinte'.  Es  war  wohl  das  erste 
Mal,  dafs  der  Schmuck  der  Maien,  Blumen  und  Tücher,  der  uns  heute 
als  ein  für  eine  Prozession  notwendiger  erscheint,  den  ernsten  alten  deut- 
schen  kirchlichen  Umzug  verschönte. 

An  dem  Konstanzer  Feste  nahm  sehr  wahrscheinlich  ein  Mann  teil, 
der  höher  als  irgend  ein  Kaufmann  der  Welt  stieg:  Cosimo  Medici. 
Unter  jenen  vier  Banken  war  nämlich  die  eine  die  der  Mediceer.  Doch 
welche  ? 

Wir  können  das  mit  Sicherheit  sagen.  Papst  Johann  XXIII.  hatte 
während  seines  Pontifikates  sich  besonders  der  Mediceer  bedient,  und 
Giovanni  war  ihm  gern  an  die  Hand  gegangen,  wie  das  dankbare  Bank- 
haus ihm  auch  nach  seinem  Tode  das  Denkmal  im  Battistero  errichten 
liefs.  Nach  seiner  Absetzung  war  Balthasar  Cossa  in  Heidelberg  ein  Ge- 
fangener des  Pfalzgrafen  Ludwig,  der  für  die  Freilassung  eine  Summe 
von  35000  Kammergulden  (=  38  500  rh.  fl.)  beanspruchte.  Der  ehe- 
malige Papst  wandte  sich  durch  die  Vermittelung  eines  RicasoH  begreif- 
licherweise an  die  Mediceer  und  verhandelte  mit  Bartolomeo  d' Andrea 
de'  Bardi,  —  den  wir  vorhin  als  den  Bankhalter  in  der  Thonne  zu  Kon- 
stanz kennen  lernten  —  und  übergab  ihm  am  8.  Dezember  1418  einen 
Schuldbrief  über  diese  Summe  ^.  Wie  sollte  diese  namhafte  Summe  von 
Florenz  nach  Heidelberg  verbracht  werden?  Am  19.  Februar  1419  ver- 
handelte das  Haupt  des  Hauses,  Giovanni  (f  1429)  zu  Venedig  mit  dem, 
wie  es  scheint,  damals  gröfsten  in  Venedig  vertretenen  deutschen  Hause 
und  fertigte  einen  Wechsel  aus.  Der  Faktor  der  Firma  Wilhelm  Rummel 
von  Nürnberg  benachrichtigte  seinen  Chef,  und  nun  traten  am  16.  April 
zu  Heidelberg  ein  Haupt  der  Firma  Rummel,  W^ilhelm  Rummel  der  junge. 


^  Riehen  tal  93  f.    Vgl.  die  Schilderung  des  Festes   in  Florenz  bei  Perrens 
6,  200  ff.  nach  der  (ioro  Dati's. 

•-  Abgedruckt  Archiv,  storico  italiano  4,  1,  433. 


Italienische  Banken  in  Beziehungen  zu  Deutschland  im  15.  Jahrhundert.    341 

mit  dem  von  Giovanni  de  Medici  und  Niccolo  da  Uzzano,  der  politisch 
als  der  Rivale  des  Medieeers  galt,  bevollmächtigten  Bartolomeo  zusammen 
und  regelten  nun  die  Auszahlung  und  Freilassung^.  Die  Rummel  über- 
nahmen also  die  Auszahlung  in  Heidelberg,  wie  ihnen  die  Valuta  oflFenbar 
in  Venedig  übergeben  wurde. 

Die  Regelung  dieser  Angelegenheit  beweist,  dafs  die  Mediceer  eine 
Filiale  auf  südwestdeutschem  Boden  nicht  hatten,  zugleich  aber  auch, 
dafs  in  Florenz  kein  deutscher  Grofskaufmann  erschien  oder  bei  den 
Mediceern  Vertrauen  genug  hatte.  Auf  Venedig  wurde  das  Geschäft 
begründet. 

Nach  der  zuverlässigen  Lebensbeschreibung  des  Cosimo  von  Fabro- 
nius  war  der  einstige  thatsächliche  Herr  von  Florenz  im  Auftrage  seines 
Vaters  und  auf  Bitten  Johanns  XXHI.  diesem  nach  Konstanz  gefolgt^;  ob 
die  Angabe  richtig  ist,  dafs  er  erkrankte,  vermag  ich  nicht  festzustellen®, 
nach  anderen  verliefs  Cosimo  nach  der  Flucht  seines  Gönners  verkleidet 
die  Stadt,  hielt  sich  aber  noch  längere  Zeit  in  Deutschland  und  Frank- 
reich auf*.  Giovanni  hatte  seinem  kleinen  Geschäfte  eine  grofse  Aus- 
dehnung zu  geben  gewufst,  ihm  zunächst  Zulassung  an  der  Kurie  ver- 
schafft, dann  die  Sache  Johanns  XXUI.  finanziell  gehalten  und  doch  die 
Verbindung  mit  der  Kurie  behauptet ;  als  Martin  V.  von  Konstanz  kom- 
mend nach  Rom  zog,  war  Giovanni  von  Florenz  an  sein  Begleiter.  Es 
ist  wohl  ein  wahres  Wort,  dafs  er  die  Tage  des  Konstanzer  Konzils  dazu 
benutzt  habe,  um  nach  allen  Seiten  hin  Verbindungen  anzuknüpfen.  Er 
hatte  ehrenvoll  den  abgesetzten  Papst  gedeckt,  zugleich  aber  sich  in  der 
Gunst  der  Päpste  und  ihrer  Kammer  behauptet,  und  Giovanni  brachte 
so  die  Bank  seines  Hauses  an  die  Spitze  der  Florentiner.  Durch  die 
Monopolisierung  des  Kredites  kam  das  Haus  der  Mediceer  zur  Herr- 
schaft.    1422  gab  es  noch  72  Banken  in  Florenz,  1472  nur  noch  32*. 

Das  Baseler  Konzil  rief  in  dieser  Stadt  ein  ähnliches  Leben  hervor, 
wie  es  Konstanz  eben  gesehen  hatte*.  Die  heimische  Wirtschaft  erhielt 
mehrere  Jahre  hindurch  eine  ungeheuere  Steigerung,  und  wie  in  Kon- 
stanz, blühte  das  Gemeinwesen  unter  der  Gunst  der  Umstände  auf.  Doch 
mufste  dieser  künstlichen  Blüte  der  Rückschlag  folgen.  Auch  hier  er- 
schienen   fremde    italienische   Wechsler,    leider    können   wir   die  Namen 


*  Archiv,  storico  italiano  4,  1,  435  ff. 
«  Fahronius  1,  6  f. 

^  Ich  finde  die  Nachricht  zuerst  in  der  Histoire  des  hommes  illustres.    Paris 
1564.    Blatt  58  V. 

♦  V.  Reumont,  Lorenzo  de*  Medici  1  108. 
•^  Perrens  8,  257. 

®  Vgl.  das  Kapitel:   die  wirtschaftliche  Bedeutung  des  Konzils  hei  Geering 
266—295.   Thommen,  Basel  und  das  Basler  Konzil  in  Basler  Jahrh.  1895  S.  188—225. 


342  Neunundzwanzigstes  Kapitel. 

„Degon  Alberchtus,"  „Antonius  de  Valencia,"  die  Filiale  des  Lübecker 
„Gherardo"  nicht  mit  den  Namen  der  grofsen  italienischen  Bankhäuser 
in  Verbindung  bringen.  Es  sind  aber  wohl  auch  hier  im  wesentlichen 
Florentiner  Firmen  gewesen,  die  den  Geldverkehr  handhabten  ^.  Den 
Dego  de  Albertis ,  der  mit  dem  gleichfalls  in  Basel  etablierten  Antonius 
de  Janfigliatis  dem  Konzil  Geld  geliehen  hatte,  möchte  man  den  Alberti 
zurechnen^.  Und  ein  indossiertes  Inhaberpapier  des  Cosimo  von  Medici 
auf  den  Münzmeister ^  Peter  Gatz  in  Basel  lautend,  der  während  des 
Konstanzer  Konzils  der  Faktor  Henman  OfFenburgs  gewesen  war,  zeigt 
auch  den  Anteil  der  Mediceer.  Und  wenn  Johann  v.  Ragusa  von  Kon- 
stantinopel aus  an  das  Baseler  Konzil  schrieb,  so  wufste  er  keine  Ver- 
mittelung,  als  die  der  Bank  der  Mediceer*. 

In  Basel  blieb  nach  dem  Konzil  nur  eine  der  Bankfilialen  bestehen. 
In  dem  Briefe  Heinrichs  von  Hunwil  an  die  Stadt  Luzem  von  1456 
sagt  er  ausdrücklich,  dafs  er  zu  einem  »Floreni^er^  gegangen  sei,  ^dann 
in  aller  statt  Basel  nit  mer  dann  ein  wechseler  ist,  der  gen  Rom  gelt  oder 
Wechsel  brieff  gebe^  *.  Der  regelmäfsige  Geldverkehr  war  zu  gering,  er 
ertrug  nicht  die  Kosten  solcher  Filialen. 

Es  ist  somit  keineswegs  ein  Zufall,  dafs  die  beiden  hochwichtigen 
Florentiner  Handelsbücher,  die  die  Usancen  aller  möglichen  Plätze  an- 
führen, den  Namen  von  Basel,  Köln,  Konstanz  und  Frankfurt  gar  nicht 
kennen ;  weder  Francesco  Pegolotti  (am  1340)  noch  Giovanni  da  Uzzano 
(1442)  berücksichtigen  den  Geld-  und  Warenhandel  mit  Deutschland®, 
und  auch  der  Chronist  Benedetto  Dei  (1470)*^  übergeht  bei  der  Auf- 
zählung der  Florentiner  Bankfilialen  Deutschland.  Er  führt  die  sieben 
in  Lyon  etablierten  Banken  an,  wie  die  sechs,  welche  noch  in  Avignon 
bestanden.  Von  dort  war  längst  die  Kurie  nach  Rom  zurückgekehrt,  als 
noch  immer  die  Banken  daselbst  Niederlassungen  hielten,  an  den  beiden 
deutschen  Konzilsorten  verschwanden  sie  sofort  wieder.  In  Genf  bestand 
eine  Niederlassung  der  Bank  Medici  -  Sassetti ,  sie  dürfte  auch  für  die 
Schwaben  nicht  unwichtig  gewesen  sein®. 

Abgesehen  von  diesen  Konzilszeiten  haben  die  nicht  zu  den  Asti- 
gianen    zu    rechnenden    italienischen    Geldhändler    in    Deutschland    nur 


^  »Lantparter  und  Florenczer*  werden  die  Wechsler  schlichtweg  in  dem  Akten- 
stück bei  Ami  et  2,  208  Anm.  2  genannt. 

2  Mitteil.  Stadtarchiv  Köln  19,  33  Nr.  11283.    Vgl.  auch  24,  155. 

8  S.  Thommen  S.  208. 

*  H aller,  Concilium  Basiliense  1,374.  Vgl.  wegen  der  campsorea  auch  2,  350. 
35ü    3.58.   360. 

«^  Ami  et  2,  324. 

«  (Pagniüi)  Della  Decima  Bd.  3  u.  4. 

■^  Mann.'jknpt  der  Hof-  und  Staatsbibliothek  in  München.     Cod    ital.  160. 

«  Bore  1  S.  106,  108,  134  f.    Lionä  de  Medici,    1477. 


Italienische  Baukeu  in  Beziehungen  zu  Deutsciiland  im  15.  Jahrhundert.    343 

wenig  gearbeitet.  Die  Nachrichten  sind  äufserst  dürftig.  So  hatte  1417 
die  Stadt  Köln  eine  Schuld  von  3000  fl.  gegenüber  Bartholomäus  Do- 
minici  von  Florenz  und  die  durch  ihn  vertretene  Gesellschaft  der  Al- 
berti^  und  ebenso  1415  eine  Schuld  von  über  30000  fl.  gegenüber  Simon 
de  Sassolinis  und  Gesellschaft^.  Die  Sassolini  standen  mit  den  Medi- 
ceern  —  wenigstens  später  —  in  Fühlung.  Die  beiden  hervorragendsten 
der  Florentiner  Banken  um  1400  hatten  also  in  Köln  eine  Vertretung.  1 
In  Mainz  war  i>Zino  lomhardus  de  Florencia<^  Bürger,  der  mit  König 
Johann  von  Böhmen  über  dessen  Schulden  abzurechnen  hatte  ^.  Als 
Strafsburg  seiner  König  Ruprecht  in  Italien  begleitenden  Mannschaft 
Geld  schicken  wollte,  suchte  man  vergebens  zu  Nürnberg  oder  bei  den 
Lamparten  zu  Strafsburg  einen  Wechsel  zu  bekommen*. 

In  einzelnen  Fällen  vermittelten  italienische  Banken  Zahlungen  an 
die  Kurie  —  gerade  hier  werden  dereinst  die  Kammerrechnungen  viel 
Licht  verbreiten.  Der  Verkehr  ging  im  fünfzehnten  Jahrhundert  durch  ■ 
Wechsel^.  So  hatten  schon  1378  zwei  Kölner  an  der  Kurie  bei  Jaquet 
Totti  aus  Lucca  einen  Wechsel  auf  die  Stadt  Köln  gezogen,  dessen  Betrag 
in  Brügge  an  Franz  Totti  ausgezahlt  wurde®.  Vielleicht  geht  auch  die 
Schuld  Johann  von  Monheims  an  Jak.  Francisgini  von  Lucca  auf  ein 
Anlehen  an  der  Kurie  zurück.  Und  1394  vermittelten  abermals  Lucchesen 
dem  Kölner  Gesandten  an  der  Kurie  Geld,  einerseits  Paulus  Pagani  de 
Lucca,  der  in  Köln  wohnte,  und  Johannes  Cristofori  an  der  Kurie  ^. 
Mitunter  übernahmen  das  auch  deutsche  Handelsgesellschaften.  So  erbat 
sich  Bern  für  den  Stadtschreiber  Meister  Thüring  Frickart,  der  1473  nach 
Rom  gesandt  wurde,  bei  der  grofsen  Gesellschaft  zu  Ravensburg,  dem 
Meister  bei  ihren  römischen  Geschäftsfreunden  einen  Kredit  zu  ver- 
schaffen ®. 


'  Mitteil.  Stadtarchiv  Köln  7,  91  f.  Das  stimmt  mit  der  Augabe  Passe- 
rini, Gli  Alberti  1,  16  überein,  dafs  die  Alberti  in  Köln  eine  ihrer  Filialen  hatten. 

2  Ebda.  16,  59.     Vgl.  auch  10,  57. 

^  1330.    Publications  de  l'inst.  Luxembourgeois  44,  258. 

*  Reichstagsakten  5,  261. 

'^  Mit  teil.  Stadtarchiv  Köln  27,  238  Nr.  7164,  65. 

®  Ennen  u.  Eckertz  5,  210. 

'  Mitteil.  Stadtarchiv  Köln  9,  66.  Die  Namen  der  Familien  lauten  in  Lucca 
Franceschini  und  Dati.    Ebda.  12,  70  und  12,  88. 

**  Urkunden  Nr.  299.    Im  Brief  buch  C  noch  eine  weitere  Urkunde. 


Fünftes  Buch. 

GRUNDLEGENDE  ERSCHEINUNGEN  DES 
HANDELSLEBENS  DER  NACHBARSCHAFT. 


Dreifsigstes  Kapitel. 
Der  Niedergang;  der  Messen  der  Champagne. 

ürsnch^i  handehpolUischer  und  rein  politischer  Natur.  Versuche  zur  ErhMung. 
Folgen  des  Verfalls  für  Deutschland,  für  Flandern.  Hochblüte  von  Brügge.  Klagen 
in  der  Champagne.    Die  Deutschen  auf  den  Messen. 

Wenn  wir  zwei  Thatsaehen ,  welche  die  weitere  Entwiekelung  des 
Handels  zwischen  Deutschland  und  Italien  von  Grund  aus  beeinflufsten, 
vorab  erörtern  müssen,  so  sind  das  der  Niedergang  der  Messen  der 
Champagne  und  das   Übergewicht  des  Handels  von   Venedig  in   Italien. 

Schon  in  den  letzten  Tagen  der  Champagner  Grafen  war  der  An- 
fang gemacht,  die  alten  weisen  Grundsätze  der  Behandlung  der  Messen 
zu  verlassen;  bis  dahin  hatte  die  Rücksicht  auf  die  Blüte  des  Handels 
die  Mefsabgaben  und  was  sonst  damit  zusammenhing,  niedrig  gehalten, 
das  fiskalische  Interesse  machte  sich  nun  aber  geltend,  und  ganz  beson- 
ders seitdem  Philipp  der  Schöne  und  seine  Legisten  für  die  Erbin  das 
reiche  Land  verwalteten.  Die  Erhöhung  betraf  besonders  die  Italiener, 
von  denen  die  Lombarderie  erhoben  wurde  ^.  Weit  schlimmer  für  die 
Messe  aber  war  es  wohl,  dafs  die  Politik  des  Königs  den  Lombarden 
gegenüber  nicht  gleichmäfsig  war.  Wiederholt  wurden  sie  als  Wucherer 
vertrieben  oder  doch  belästigt,  so  schon  1291  und,  als  1306  der  erste 
grofse  Bankerott  unter  den  italienischen  Banken  ausbrach,  machte  der 
König  sich  durch  das  Gut  ihrer  Landsleute  schadlos,  1311  erfolgte 
wieder  eine  Einschränkung.  Die  Ordonnanz  von  1315  gestattete  ihnen 
nur  vier  Städte  (darunter  Paris  und   Nimes)   als   Aufenthaltsorte*.     Die 


'  Lehugeur,  Phil.  Ic  Long.  J^9. 

2  Lehugeur  ;^9.    Bourquelot  1,  804. 


Der  Niedergang  der  Messen  der  Champagne.  345 

Grafen  hatten  einst  natürlich  nur  die  vier  Mefsorte  begünstigt,  die  fran- 
zösischen Könige  konnten  nicht  so  einseitig  sein;  sie  hatten  zudem  ein 
besonderes  Interesse  für  den  Hafen  Aigues-Mortes  und  die  Stadt  Nimes, 
da  sie  durch  sie  den  ersten  Zutritt  zum  Mittelmeer  gewonnen  hatten. 
Wie  konnten  sie  auch  dem  allgemeinen  Andringen  zahlreicher  Städte, 
die  um  Mefsprivilegien  baten,  sich  entziehen?  ^  Wenn  auch  keine  sofort 
eine  Bedeutung  für  den  Welthandel  erreichte,  so  nahm  jedoch  jede  den 
Champagner  Messen  einen  kleinen  Teil  fort.  1351  wurde  für  die  Vene- 
tianer  der  Mefszwang  aufgehoben,  sie  brauchten  nun  ihre  Waren  nicht 
mehr  zuerst  in  der  Champagne  auszubieten  ^.  Daneben  wirkte  die  Kon- 
kurrenz der  flandrischen  Messen,  zu  ihnen  kam  die  1415  begründete  von 
Antwerpen,  und  ebenso  blühten  die  deutschen  auf.  Doch  nur  an  einem 
Orte  konnte  der  Welthandel  konzentriert  werden,  in  der  Fülle  der 
Handelsgelegenheiten  lag  die  Zersplitterung  begründet.  Der  Verkehr 
war  nicht  mehr  an  diesem  einen  Platze  zusammenzuhalten,  die  Messen 
beherrschten  die  Welt  gar  nicht  mehr,  seitdem  der  Kaufmann  mehr 
wanderte.  Es  mufs  auch  die  Verlegung  der  Kurie  nach  Avignon  schäd- 
lich eingewirkt  haben,  wo  die  Bankhäuser  ihre  Filialen  hatten.  Als 
Karl  VII.  1443  in  Lyon  drei  Messen  zum  lebhaftesten  Arger  der  Be- 
wohner der  alten  Mefsplätze  einrichtete,  war  die  Weltstellung  jener  der 
Champagne  längst  dahin,  sie  konnten  durch  die  von  Lyon  nicht  mehr 
weiter  geschädigt  werden. 

Auf  den  früheren  Messen  hatte  die  Eigenproduktion,  vor  allem  von 
Provins  und  Troyes,  eine  erhebliche  Bedeutung  gehabt.  In  Provins 
brach  infolge  der  Erhöhung  der  Abgaben  von  den  Wollstoffen  1279  ein 
Weberaufstand  aus,  von  dem  sich  auch  die  Dominikaner  von  Kolmar 
erzählten^.  Die  Wollindustrie  ging  seitdem  rapide  zurück,  statt  3200 
zählte  man  1399  noch  einige  30  Meister  der  Wollweber,  und  diese  nagten 
am  Hungertuchc.  Und  zu  allem  Überflusse  suchten  die  Gastwirte  von 
Provins  Thal  die  auf  dem  Berge  stattfindende  Maimesse  zu  schädigen*. 
War  einst  der  Provisinus  die  Welthandelsmünze  gewesen,  so  war  er 
jetzt  gegenüber  dem  Gulden  von  Florenz,  den  Turnosen,  Hellern  und 
Groschen  vergessen. 

Neben  diesen  handelsijolitischen  Gründen  kamen  vielleicht  noch 
schwerere,  die  rein  politischen  zur  Geltung.  Die  Grafschaft  war  ein  fast 
neutraler  Staat  zwischen  Deutschland  und  Frankreich  gewesen,  jetzt  war 
sie  eine  Grenzprovinz  einer  sich  zum  Nationalstaat  entwickelnden  Mon- 

'  Vgl.  die  roichen  Angaben  bei  Huveiin  S.  269  ff.,    der  aber  auf  eine  Auf- 
zählung aller  Messen  verzichtet. 
2  Bourquelot  1,  191. 
«  M.G.  SS.  17,  208. 
*  Bourquelot  2,  818  u.  805. 


346  Dreifsigstcs  Kapitel. 

archie  geworden,  die  dazu  in  schwere  dynastische  Kämpfe  verwickelt 
wurde.  Wenn  später  auch  die  engh'schen  Kriege  eingriffen,  so  schadeten 
dem  Handel  doch  wohl  weit  mehr  die  Kämpfe  mit  Flandern.  Der  Ver- 
kehr war  den  Italienern  nun  gerade  mit  jenen  abgeschnitten,  mit  denen 
zu  handeln  ihnen  am  wichtigsten  war.  Die  Vlaemen  und  Engländer 
fehlten  nun  wenigstens  zeitweise  auf  den  Messen  völlig.  Aber  auch  den 
anderen  Teilnehmern  war  der  Weg  erschwert.  Der  Herzog  von  Lo- 
thringen hatte  1315  einem  in.  seinem  Gebiete  gefangenen  Florentiner 
nicht  Schutz  gewährt,  darüber  brach  ein  höchst  erbitterter  Streit  ^us,  in 
dem  die  gardes  de  fotres  den  Mefsbann  über  die  Lothringer  verhängten, 
erst  1334  legte  der  junge  Herzog  Rudolf  den  Streit  bei  ^.  Das  Herzog- 
tum Lothringen  war  aber  für  einen  grofsen  Teil  der  Deutschen  das 
Durchgangsland,  sollten  sie  in  dieser  Zeit  den  Weg  durch  Lothringen 
haben  nehmen  können? 

Wohl  haben  die  französischen  Könige  dem  Niedergange  durch  ihre 
Mafsregeln  entgegengearbeitet,  es  wurden  in  der  That  die  Abgaben  her- 
abgesetzt^, die  Justiz  gebessert,  die  „alten  guten  Gewohnheiten"  der 
Messen  immer  wieder  proklamiert.  Wir  haben  noch  die  zwischen  1315 
und  22  von  Beamten  und  Kaufleuten  ausgearbeiteten  Vorschläge^  und 
können  auch  sehen,  dafs  sie  in  manchen  Punkten  Gehör  fanden.  Aber 
selbst  in  diesen  Vorschlägen  stand  das  in  der  That  auch  eingeführte 
Verbot  der  Ausfuhr  der  Wolle*.  Man  wollte  den  eigenen  Tuchhandel 
heben  und  verbot  den  Export  des  Rohstoffes,  und  dieser  Rohstoff  war 
ja  neben  dem  Geldverkehr  die  Angel  des  gesamten  Mefshandels.  Das 
erste  handelspolitische  Experiment  der  echt  legistischen  Regierung 
Philipps  des  Schönen  war  es,  1303  den  drei  Brüdern  Musciato,  Biccio 
und  Nicoiao,  die  uns  bekannt  sind,  den  Wollexport  als  Monopol  zu 
überlassen*.  Später  begegneten  sich  die  Schutzzollbestrebungen  der 
Industrieorte  mit  den  fiskalischen  Interessen  der  Regierung.  Hier  gab 
es  nun  eine  staatliche  Handelspolitik,  und  die  Träger  des  mittelalterlichen 
Handels  waren  die  Städte,  sie  wichen  dem  Staate  aus.  Wenn  die  Ita- 
liener die  ihnen  unentbehrliche  englische  Wolle  nicht  mehr  in  Provins 
und  Troyes  kaufen  sollten,  so  mufsten  sie  dieselbe  auf  anderen  Wegen 
und  an  anderen  Plätzen  holen.  Die  Mailänder  schlössen  besondere  Ver- 
träge für  die  Ausfuhr  ab,  die  sich  seit  1316  finden®.  Das  hiefs  die 
Weltmärkte  zu  Gunsten  der  lokalen  Industrie  vernichten,  und  dafs  diese 

'  Der  Streit  ist  eingehend  geschildert  von  Bourquelot  1,  180 — 182. 

2  Zum  Teil  für  einzelne  Städte,  z.  B.  Genua.    Bourquelot  1,  190. 

3  Bourquelot  2,  306  flP. 

*  Bourquelot  2,  309.    Das  Verbot  datiert  von  1320.    Pigeonneau  1,  311. 

*  Pigeonneau  1,  309. 

«  Gaddi,  Regest  zu  1316.  1319,  1342,  1343,  1357,  1358. 


Der  Niedergang  der  Messen  der  Champagne.  347 

selbst  mit  zu  Grunde  ging,  sahen  wir  schon.  Alle  Ordonnanzen  halfen 
nichts,  zwischen  1287  und  1353  sind  nicht  weniger  als  neunzehn  er- 
lassen worden^;  je  öfter  eine  Verordnung  wiederholt  werden  mufs,  um 
so  weniger  Erfolg  hat  sie  gehabt.  So  war  es  auch  hier.  Andere  schöne 
Projekte,  wie  das  Philipps  des  Schönen,  die  Soine  bis  Troyes  und  die 
Voulzie  bis  Provins  schiffbar  zu  machen,  blieben  unausgeführt ^  Kein 
König  konnte  den  Messen  mehr  helfen,  weil  das  Interesse  der  Handels- 
nationen ein  anderes  geworden  war,  wie  im  dreizehnten  Jahrhundert. 

Schon  bald  nach  1262  hatten  die  flandrischen  Kaufleute  gedroht, 
sie  würden  wegen  der  Zollplackereien  in  Bapaurae  die  Messen  der  Cham- 
pagne nicht  mehr  besuchen,  sie  würden  die  im  Reiche  frequentierend 
Und  1286  wollten  sich  die  Kaufleute  von  Ypern  fernhalten,  da  einem 
von  ihnen  Unrecht  geschehen  sei.  Philipp  der  Schöne  gab  ihnen  die 
besten  Versicherungen'*.  Dann  begann  die  Zeit  des  heldenmütigen 
Kampfes  der  flandrischen  Städte  mit  den  französischen  Königen  und  für 
lange  Zeiten  war  dann  der  Verkehr  unterbrochen.  Das  Fortbleiben  der 
Vlaemen  war  eine  schwere  Schädigung  der  Messen,  denn  mit  ihnen 
blieben  auch  die  Deutschen  und  Italiener  fort. 

Bis  dahin  hatte  die  centraleuropäische  Vermittelungszone  zwischen 
dem  Gebiete  des  Mittelmeers  und  der  Nord-  und  Ostsee  einen  kontinen- 
talen Austauschplatz  ganz  einseitig  hervorgehoben.  Ihn  beerbten  zwei 
andere  Gegenden,  in  bescheidenem  Mafse  Südwestdeutschland,  in  um- 
fangreichster Weise  aber  Flandern.  Dieses  maritime  Stück  der  Ver- 
mittelungszone rifs  den  meisten  alten  Besitz  der  Champagne  an  sich. 

Die  Kaufleute  schlugen  jetzt  für  ihre  Waren  den  direktesten  Weg 
ein.  Zunächst  die  deutschen.  Sie  haben  ja  wohl  mit  Ausnahme  viel- 
leicht der  schwäbischen  und  schweizerischen  Städte  den  Handel  mit 
Flandern  nie  auf  den  sechs  Messen  betrieben,  der  ging  wohl  sonst 
direkt.  Aber  mit  Italien  war  das  unzweifelhaft  viel  mehr  der  Fall.  Das 
hörte  nun  auf,  der  deutsche  trat  mit  dem  italienischen  Händler  am  Orte 
der  einen  Partei  in  Fühlung,  sei  es  in  Italien  oder  Deutschland,  und 
damit  mufste  sich  der  Verkehr  zwischen  beiden  Ländern  bedeutend 
steigern.  Bei  dem  Italiener  trat  dasselbe  ein  gegenüber  Deutschland, 
aber  auch  gegenüber  Flandern  und  England.  Die  Waren  machten  nun 
nicht  mehr  den  Weg  durch  die  Champagne,  sie  waren  von  dieser  Route 
unabhängig  geworden,  sie  mufste  in  Kriegszeiten  sogar  gänzlich  gemieden 
werden.     Diese  Veränderung  kam  einmal  dem  Rheine  zu  gute,    wo  das 


»  Huvelin  S.  255  f. 

2  Bourquelot  1,  304. 

3  Finot  179  ff. 

*  Diegerick,    Inventaire  des  chartes   et  documents  apparten.  aux    archivcs 
dTpre  1,  129. 


348  Dreifsigstes  Kapitel. 

Verkehrsleben  nachweislich  bedeutend  stieg.  Der  Weg  durch  Deutsch- 
land wird  für  die  Genuesen  ausdrücklich  bezeugt  durch  die  Couiumes 
des  foires^.     Wir  werden  das  ja  näher  zu  besprechen  haben. 

Der  andere  Weg,  der  jetzt  in  Nutzung  genommen  wurde,  war  der 
Seeweg.  Die  Mittelraeerschiffahrt  hatte  sich  an  der  Küste  der  Inseln 
entlang  tastend  durchgeholfen,  sie  beruhte  im  wesentlichen  auf  dem  Ru- 
der, nicht  auf  dem  Segel.  Nun  aber  wagten  es  die  erfahrenen  Seeleute 
von  Genua,  denen  die  von  Venedig  nicht  viel  nachstanden,  mit  ihren 
Galeeren  den  Stürmen  des  Ozeans  Trotz  zu  bieten.  Genua  und  Venedig 
richteten  einen  regelmäfsigen  jährlichen  Galeerendienst  ein.  Der  genue- 
sische bestand  sicher  1324,  PrivatschiflFe  hatten  die  Fahrt  schon  früher 
unternommen.  Herzog  Johann  von  Brabant  hatte  1315  für  die  Genuesen 
einen  Tarif  festgesetzt,  er  wollte  sie  in  Antwerpen  festhalten,  was  nicht 
gelangt.  Der  regelmäfsige  SchifFsdienst  zwischen  Venedig  und  Flandern 
begann  sehr  wahrscheinlich  1317,  vielleicht  schon  etwas  früher.  Anfangs 
behagte  es  den  Venetianern  in  Brügge  nicht,  1318  liefen  ihre  Schiffe  des- 
halb in  den  Hafen  von  Antwerpen.  Das  hatte  die  Wirkung,  dafs  beide 
Städte  und  ihre  Herren  sich  nun  in  ihren  Vergünstigungen  zu  übertreffen 
suchten,  entscheidend  war,  dafs  der  Graf  von  Flandern  sich  mit  einer 
jährlichen  malatoUa  von  100  fl.  begnügte,  Brügge  lief  der  Rivalin  den  Rang 
ab^.  Genua  und  Florenz  erhielten  von  flandrischen  Städten  gleichfalls 
günstige  Verträge*,  und  namentlich  gingen  zahlreiche  Schiffe  von  Genua 
nach  den  Niederlanden,  wo  stets  eine  starke  Kolonie  vorhanden  war. 
In  Damme  und  Sluys  war  nun  auch  Italien  reichlich  vertreten,  und  von 
dort  fuhren  die  Schiffe  durch  einen  natürlichen  Kanal  nach  Brügge, 
dessen  höchste  Blüte  in  den  Anfang  des  vierzehnten  Jahrhunderts  filllt. 
Aber  auch  die  Mefsplätze  Lille,  Yperen  und  Thourout  waren  durch 
Kanäle  mit  dem  Meere  verbunden.  Die  Champagner  Messen  verödeten 
immer  mehr.  Am  längsten  blieben  ihnen  treu  die  Mailänder  und  Piacen- 
tiner,  denen  mit  der  Eröffnung  des  Seeweges  nicht  viel  gedient  war,  und 
die  am  längsten  an  der  alten  Verbindungsstrafse  durch  Wallis  festhielten  *. 


'  Bourquelot  1,  817  f.  Es  ist  offenbar  zu  lesen:  •{{€  t'enir  par  mer  eyi  Flanäre 
ou  par  Aleinaiffne", 

2  Heyd  2,  708.     Desimoni  e  Belgrano  (373).    Vgl.  (520). 

^  Vgl.  auch  die  Auszüge  aus  dem  verlorenen  Bande  der  Misti  im  Archiv! o 
veneto  Bd.  19,  bes.  95,  97,  98  und  Perret  1,  22  f. 

*  Heyd  2,  708  f.  Pigeonneau  1,  226.  Ober  die  Fahrt  vgl.  auch  Pinchart, 
Essai  sur  les  relations  commerciales  des  Beiges  avec  le  nord  de  l'Italie  et  particu- 
li^rement  avec  les  Vönetiens.     In  Messager  des  sciences  historiques  1851,  16  f. 

^*  Vgl.  die  Regesten  bei  Gaddi  zu  1316,  1323  (Vorgehen  der  gardes  des  foires 
im  Interesse  von  Piacentinem  gegen  Mailand),  1324,  1327  (Vorgehen  im  Interesse 
der  Anguissola  von  Piacenza),  1344  (Vorgehen  gegen  die  Mailänder  und  Lodigianen 
im  Interesse  der  Scarampi  [von  Asti?]). 


Der  Niedergang  der  Messen  der  Champagne.  349 

Es  war  statt  der  vier  Mefsplätze,  die  thatsäehlich  einen  einzigen 
Markt  ausmachten,  in  denen  die  Geschäftsfornien  aber  die  eines  Mefs- 
verkehrs  bleiben  muisten,  nun  Brügge  der  ständige  Mittelpunkt  des  Welt- 
handels geworden,  der  sich  von  den  Formen  des  Mefsverkehrs  zu  den 
freies ten  Gestaltungen  wenden  konnte.  Die  Kaufmannschaft  richtete  sich 
gern  darauf  ein,  jetzt  besafsen  alle  gröfseren  italienischen  Häuser  ihre 
ständigen  Vertretungen  in  Brtigge.  So  hatte  das  Haus  Guinigi  von 
Lucca  dreizehn  auswärtige  Vertreter,  die  aufserhalb  Italiens  domizilierten, 
vier  wohnten  sämtlich  in  Brügge  ^  Und  ebenso  waren  alle  anderen 
Völker  Europas  vertreten.  Hier  entstand  die  erste  wirkliche  Börse. 
Flandern  wurde  immer  mehr  der  Mittelpunkt  allen  Handels  zwischen 
Gibraltar  und  dem  hohen  Norden  und  dem  Gebiet  der  Ostsee,  zwischen 
Italien  und  England.  Hier  kreuzten  sich  die  Landroute  vom  Rheine 
nach  England  und  die  Seeroute  vom  Armelmeere  nach  der  Nordsee. 
Brügge  war  die  Vereinigung  der  germanischen  und  romanischen  Welt, 
es  war  so  kosmopolitisch,  wie  höchstens  im  Bereiche  der  Christenheit 
noch  Venedig.  Es  war  die  Zeit  seiner  höchsten  Blüte,  und  in  seinen 
Häfen  lagen  Schiffe  aller  Nationen,  es  war  der  erste  Handelsplatz  aufser- 
halb  der  romanischen  Welt.  Ja  der  spanische  Ritter  Peter  Tafur  gab 
Brügge  als  Handelsplatz  den  Vorzug  vor  Venedig.  Der  Handel  dort  sei 
viel  umfangreicher^.  Auf  der  Messe  zu  Antwerpen  sah  er  Italiener  aus 
allen  Teilen  des  Landes;  Venedig,  Florenz  und  Genua  standen  in  direkter 
Schiffsverbindung,  auch  sehr  viele  Spanier,  besonders  Kastilianer  fand 
er  dort,  und  das  Leben  auf  dieser  Messe  sei  grofsartiger,  wie  auf  denen 
zu  Genf,  zu  Frankfurt  und  zu  Medina  del  Campo  (in  Kastilien). 

Freilich  begann  Brügges  Stern  schon  im  fünfzehnten  Jahrhundert  zu 
erbleichen,  seine  Industrie  nahm  ab,  het  Zwiju  und  die  Kanäle  versandeten 
und  konnten  von  den  immer  gröfser  gebauten  Seeschiffen  nicht  mehr 
bequem  benutzt  werden,  und  mehr  und  mehr  kam  Antwerpen  in  Auf- 
nahme, das  durch  die  fast  unveränderliche  Fahrrinne  der  Scheide  zum 
Meere  einen  sicheren  Zugang  hatte.  Die  Eifersucht  auf  Antwerpen  führte 
in  Brügge  zu  unklugen  Schritten,  und  so  siedelten  um  die  Wende  des 
fünfzehnten  und  sechzehnten  Jahrhunderts  nach  und  nach  alle  fremden 
Geschäfte  und  Vertreter  nach  Antwerpen  über,  das  von  seiner  Herrschaft 
auf  alle  Weise  gefördert  wurde. 

Der  Niedergang  der  Champagner  Messen  spricht  sich  in  den  Klagen 
der  Bewohner  der  Mefsorte  aus.  Die  Keller,  Hallen  und  Lagerräume, 
die  einst  sich  schnell  gefüllt  hatten,    blieben  leer®,   und    nach  und  nach 


1  S.  oben  S.  289. 

•-'  Tafur  '^ol.    Häbler  512. 

3  Bourquelot  2,  311. 


350  Dreifsigstes  Kapitel. 

fanden  die  Gebäude  eine  andere  Verwendung.  Die  Einkünfte  aus  den 
Messen  gingen  sehr  stark  zurück.  Wir  haben  schon  oben  die  Ziffern 
von  1340/41  mit  denen  der  Blüteperiode  verglichen  ^.  Noch  besseren 
Einblick  gewähren  die  Ziffern  über  den  Zoll  von  Bapaume,  der,  wie  be- 
kannt, den  Verkehr  zwischen  Frankreich  und  Flandern  beherrschte,  neben 
dem  Mefsverkehr  auch  den  regelmäfsigen.  Der  höchste  Ertrag  wurde 
hier  1302  und  1310  geliefert:  3250  d  Pariser,  in  den  Zeiten  völligen 
Friedens  erreichte  der  Zoll  1325:  2600//,  1328:  2800  //,  1386  trug  er 
nur  371  W  Pariser,  1391  sank  er  noch  tiefer,  1423/24  ertrug  er  288  €6, 
um  1425/6  das  Maximum  von  1042  (t  zu  bieten.  Von  1453  an  erfolgt 
eine  langsame  Steigerung,  die  natürlich  durch  die  Kriegszeiten  immer 
wieder  unterbrochen  wird^.  Bapaume  hatte  seine  alte  Stellung  ebenso 
verloren,  wie  die  Messen  der  Champagne  die  ihrige.  Die  Seeschiffahrt 
und  der  direkte  Landweg  hatten  gesiegt  über  den  Mefsplatz. 

Während  in  dem  bewunderungswürdigen,  vor  1343  geschriebenen 
Handelsbuche  des  Florentiners  Pegolotti  die  Gebräuche  der  Messen  noch 
sorgfältigst  notiert  sind,  nimmt  Uzzano  in  seiner  Pratica  della  Mercaiura, 
die  1442  geschrieben  wurde,  auf  die  Messen  keinerlei  Rücksicht^. 

Dafs  auch  die  Deutschen  auf  den  Messen  seit  1300  ausblieben,  folgt 
schon  daraus,  dafs  die  Nachrichten  über  den  Verkehr  dorthin  ganz  auf- 
hören. Die  Kaufleute  von  Aachen  wollen  zwar  1313  den  Marktbesuch 
erneuem,  die  gardes  des  foires  versichern  ihnen  gern,  dafs  alte  Dinge 
vergessen  sein  sollten*.  Das  Haus  von  Basel  erscheint  gar  um  diese 
Zeit,  obwohl  es  unzweifelhaft  älter  ist,  zum  erstenmal*. 

Die  Champagner  Messen  haben  schon  um  1350  ihre  Weltstellung  ein- 
gebüfst,  ihre  weltgeschichtliche  Mission  ist  beendet,  aber  sie  war  grofs 
genug,  sie  hatten  die  romanische  und  germanische  Welt  miteinander  ver- 
bunden, sie  hatten  ein  internationales  Handelsrecht  geschaffen,  auf  dem 
unser  heutiges  Recht  noch  fufst.  Der  Fremdkaufmann  verschwand  nun- 
mehr aus  dem  französischen  Gebiete,  es  gab  jetzt  einen  ebenbürtigen 
französischen  Kauf  man  nss  tan  d,  er  tritt  mit  der  Person  Jacques  Coeurs 
machtvoll  genug  in  die  französische  Geschichte  ein. 


1  Vgl.  S.  165.. 
^  Die  Ziffern  nach  Fi  not. 
»  Gedruckt  (Pagnini)  Bd.  3  u.  4. 

*  Urkunden  der  gardes  des  foires  und  des  Königs  Ludwig  bei  Quix,  Lirkunden- 
buch S.  180  u.  183. 

^  ßourquelot  1,  202. 


Venedig.  351 

Einunddreifsigstes  Kapitel. 

Venedig. 

Der  FofuJaco  der  Deutschen.  Handelsgrundsätze  von  Venedig.  Verkauf  nur  an 
Venetianer,  nur  Waren  deutscher  Herkunft j  Erlös  in  Waren  wieder  anzulegen,  Venedig 
kauft  in  DetUschland  nicht  selbst  ein.  Venedig  Endpunkt  der  deuiscJteti  Initiative, 
anders  Genua.     Umfang  des  deutschen  Handels.    AnttU  der  einzelnen  Gegenden. 

In  keinem  Mittelmeerhafenplatze  ist  der  deutsche  Verkehr  so  umfang- 
reich gewesen  als  in  dem  von  Venedig  ^,  ich  sage  Hafenplatz  nicht  Hafen ; 
denn  bis  an  die  Schiffe  kam  der  deutsche  Kaufmann  gar  nicht  heran. 
In  keiner  Stadt  Italiens  gab  es  einen  deutschen  Kauf-  und  Herbergshof, 
wie  es  der  Fondaco  dei  Tedeschi  von  Venedig  war,  aber  auch  gegen  ihn  ) 
wurden  Einreden  erhoben.  Er  war  von  seiten  der  Stadt  in  vorzüglicher 
Lage  an  der  Rialtobrücke  vor  1228  errichtet  und  blieb  ihr  Eigentum. 
Nur  hier  durfte  der  deutsche  Kaufmann  absteigen.  Die  Barcarolen 
durften  einen  deutschen  Ankömmling  nur  hierher  bringen,  56  Wohn- 
gelasse standen  zur  Verfügung,  nur  hier  wurden  die  deutschen  Waren 
gelagert  und  zum  Verkaufe  ausgeboten.  Diese  örtliche  Zusammenfassung 
des  gesamten  deutschen  Handels  erleichterte  die  Verzollung  im  höchsten 
Mafse.  Der  deutsche  Kaufmann  mufste  sich  zudem  beim  Verkauf  wie 
Ankauf  der  Sensale  bedienen,  und  selbst  wenn  die  Ballenbinder  des 
Fondaco,  Deutsche  von  Geburt,  dem  Kaufherren  die  Warenballen 
schnürten,  fehlte  der  Sensal  nicht-.  Die  Organisation,  welche  einen 
stattlichen  Beamtenapparat  von  den  Visdomini  bis  zu  den  Dienern  herab 
umfafste  und  all  die  Vorzüge  italienischer  Institutionen  dieser  Art  zeigt, 
gestattete  den  Venetianern  die  strengste  Überwachung,  sicherte  die  Ein- 
nahme aller  Abgaben  und  verhinderte  jede  nicht  gewünschte  Handels- 
thätigkeit  der  Deutschen,  gab  denselben  aber  zugleich  die  Kraft  einer 
gemeinsam  auftretenden  Kaufmannschaft,  wenn  sie  sich  auch  sehr  spät 
zu  einer  regelrechten  Genossenschaft  ausbildete  und  sich  Beamte  wählte. 
Welche  Vorteile  mufste  es  gewähren,  hier  sich  gegenseitig  die  Erfahrungen 
und  Nachrichten  austauschen  und  einen  gemeinsamen  Botendienst  zur 
Heimat  organisieren  zu  können. 

Es  kann  hier  nicht  die  Geschichte  des  venetianischen  Handels 
besprochen  >verden,   so  reizvoll  es  ist,    die  Vorherrschaft  der  Venetianer 

'  Vgl.  Simonsfeld,  Fondaco  Tafel.  Capitolan?  dei  Visdomini.  Heyd, 
Levantehandel.  Hcyd,  Das  linus  der  (hnitsclieii  Kauflcute.  Stieda,  Ilansisch- 
venetianische  Handelsbeziehungen.  Traite  du  Gouvernement  de  Venise  bei  Perret 
Bd.  2.  Freiherr  v.  Krefs,  Die  Stiftung  der  Nürnberger  Kauf  leute  für  den  St.  Sebald- 
altar  in  der  St.  Bartholomäuskirche  zu  Venedig.  Mitteil.  d.  Vereins  f.  Gesch.  d. 
Stadt  Nürnberg  11,  201  ff. 

2  Simonsfeld  2,  80  ff.   2,  20.   23-28. 


0^ 


352  Einunddrei fsigstes  Kapitel. 

im  Rhomäerreiche ,  die  Errichtung  ihrer  Kolonien,  die  geschickte  Be- 
handlung Ägyptens,  dieses  wichtigen  Durchgangslandes  zu  behandeln,  ich 
mufs  da  auf  das  klassische  Werk  von  Heyd  verweisen.  Der  deutsche 
Handel  hätte  sich  Venedig  zuwenden  müssen,  auch  wenn  nicht  die 
Pässe  das  östliche  Deutschland  von  Augsburg  ab  auf  diesen  nächsten 
Mecreshafen  hingewiesen  hätte.  Auch  ein  sehr  erheblicher  Teil  von 
dem  in  diesem  Werke  behandelten  Verkehr  über  die  Schweizer  Pässe 
lief  dorthin. 

Venedig  war  nun  nichts  weniger  als  etwa  ein  Freihafen,  die  hohe 
Regierungskunst  der  Venetianer,  die  allein  von  allen  mittelalterlichen 
Städten ,  die  es  versucht  haben ,  eine  Feintechnik  wirklich  dauernd  vor 
verräterischem  Auswandern  bewahrt  hat,  nämlich  die  feinere  Glas- 
fabrikation, hat  nicht  allein  die  Gewerbe  der  Stadt  entwickelt  und  ge- 
schützt, sie  verwendete  auch  eine  Menge  von  Mitteln  um  den  ganzen 
enormen  Handelsverkehr  von  Venedig  abhängig  und  für  Venedig  nutz- 
bar zu  machen.  Den  Handel  selbst  zu  dirigieren,  war  der  Regierung 
vornehmstes  Ziel.  Die  Stadt  versuchte  den  gesamten  Verkehr  zwischen 
Abend-  und  Morgenland  zu  monopolisieren.  Der  Fremde  erhielt  nur  die 
Rechte,  welche  Venedig  den  gröfsten  Vorteil  verbürgten.  Deutschland 
gegenüber  bekundete  die  Markusrepublik  übrigens  eine  kluge  Genügsam- 
keit, nachdem  in  den  Tagen  Heinrichs  IV.  die  Stadt  dem  Deutschen 
Reiche  gegenüber  das  Stapelrecht  gewonnen  hatte  ^  Es  gelten  folgende 
Principien.  Der  Deutsche  darf  nur  dem  Venetianer  verkaufen  und  nur 
von  ihm  kaufen^.  Es  ist  das  ein  von  allen  kräftigen  mittelalterlichen 
Städten  durchgeführter  Grundsatz,  dem  Bürger  den  Handel  zu  wahren 
und  die  Stadt  nicht  zur  Rolle  eines  Hauses  herabsinken  zu  lassen,  in 
dem  zwei  Fremde  einkehren,  um  ihre  Geschäfte  zu  erledigen.  Untersagt 
war  also  jeder  direkte  Handel  mit  den  Orientalen,  der  venetianische 
Zwischenhandel  war  nicht  zu  vermeiden  und  zu  umgehen.  Wie  bitter 
das  drückte,  sehen  wir  aus  den  Klagen  der  Nürnberger  Kaufmannschaft 
(vierzehntes  Jahrhundert):  „das  müssen  die  deutschen  Kaufleute  denen 
von  Venedig  verkaufen  und  dürfen  es  keinen  Gast  schauen  lassen  bei 
100  Pfund  Strafe"  ^.  Die  totale  Absperrung  der  Gästegruppen  voneinander 
ist  für  Venedig  besonders  charakteristisch.  Mitten  im  Meere  war  der 
deutsche  Kaufmann  doch  nicht  imstande,  seine  Waren  auf  dasselbe  hinaus 
fahren  zu  lassen*.     Die  venetianische  Handelsflotte  war  staatlich  organi- 


'  Lenel  S.  4.    Vgl.  Simonsfeld  in  Historische  Zeitschrift  84,  482. 

'^  Capit.  c.  198.  Der  Fremde  darf  mit  dem  Fremden  nicht  handeln.  Simons- 
feld 2,  81. 

3  Flegler  880. 

*  Vgl.  auch  Dekret :  f'orenses  yion  possint  ah'quam  mercantiam  Lecantis  conducere 
Venetias.    Marin  8,  148. 


Venedig.  353 

siert,  der  Schiffsraum  wurde  versteigert,  die  Handelsfahrzeuge  zu  Flotten, 
die  durch  Kriegsschiffe  gedeckt  wurden,  zusammengefafst.  Dieser  Betrieb 
sollte  aber  nur  dem  Bürger  dienen,  niemand  sonst. 

Der  Deutsche  durfte  seine  Waren  auch  nicht  im  kleinen,  speciell 
nicht  im  Ausschnitt  verkaufen,  er  mufste  sie  im  Fondaco  zum  Verkauf 
stellen.  Und  kein  Geschäft  durfte  ohne  den  Sensal  abgeschlossen  werden. 
Auch  das  war  ein  fast  allgemeiner  Grundsatz  der  städtischen  Handels- 
politik. Anders  lag  es  aber,  indem  dem  Deutschen  untersagt  war,  andere 
als  deutsche  Produkte  zu  verkaufen.  Geschieht  es,  dafs  er  fremde,  vor 
allem  flandrische  Tuche  veräufsert,  so  mufs  den  Kapitänen  der  Flandern- 
fahrer eine  Entschädigung  gezahlt  werden.  Der  deutsche  Kaufmann  soll 
dem  venetianischen  Kapitän  keine  Konkurrenz  machen.  Und  ebenso  war 
es  untersagt,  dafs  der  deutsche  Kaufmann  aus  Toskana  oder  der  Lom- 
bardei Seide  oder  seidenes  Gewand  nach  Venedig  bringe  ^  Es  galt  als 
Grundsatz,  dafs  der  deutsche  Kaufmann  den  Erlös  seiner  mitgebrachten 
Waren  wieder  in  venetianischen  Waren  anzulegen  hatte.  Eine  hoch- 
interessante Auseinandersetzung  der  Vorteile,  die  Genua  dem  deutschen 
Kaufmann  bietet,  hebt  das  als  venetianisches  Gesetz  hervor;  auch  andere 
Quellen  lassen  dasselbe  erschliefsen  ^.  Das  mufste  also  ergeben,  dafs  der 
Deutsche  niemals  aus  Venedig  Geld  heimbrachte,  dafs  Einfuhr  und  Aus- 
fuhr höchstens  zu  Gunsten  der  Venetianer  sich  stellen  konnte.  Ein  solches 
Gesetz  wird  aber  —  das  kann  man  auch  ohne  Beweise  sagen  —  oft  um- 
gangen worden  sein. 

Gegenüber  diesen  Einschränkungen,  die  Venedig  den  Deutschen  auf- 
legte, leistet  die  Herrscherin  der  Adria  Verzicht  auf  den  Ankauf  in 
Deutschland,  ja  Venetianer  durften  nicht  einmal  im  Gebiet  von  Padua 
und  Treviso  deutsche  Waren  einkaufen.  Schon  1279  bestand  für  die 
Venetianer  das  Gesetz,  dafs  sie  in  Deutschland  keine  deutschen  Waren 
aufkaufen  durften,  wie  auch  kein  Venetianer  nach  Deutschland  Waren 
verbringen  und  sie  dort  verkaufen  durfte,  man  wollte  die  Deutschen 
nach  Venedig  ziehen  und  ihnen  nicht  im  eigenen  Hause  Konkurrenz 
machen.  Verstattet  war,  dafs  der  Venetianer  durch  Deutschland  nach 
Ungarn  ging  wie  nach  Frankreich  ^.  Als  Venetianer  in  Deutschland  wirk- 
lich Handel  zu  treiben  begannen,  wandte  sich  Nürnberg  sofort  an  Regens- 
burg, um  mit  Hilfe  des  Kaisers  die  „Fahrt"  abzustellen,  und  1358  ver- 
fügte der  Senat  auf  den  Wunsch  Kaiser  Karls  IV.,  dafs  die  Venetianer 
auf  der   Reise  durch  Deutschland   ihre   Warenballen   nur   in   Köln   auf- 


'  Ileyd,  Haus  d.  Kaufl.  215  f.    Simonsfeld  2,  82.    Flegler  330  f. 

2  Urkunden  Nr.  382.    Siinonsfeld  2,  31  Anm.  7.   Vgl.  Marin  5,  295.   Dekret 
von  1272  für  die  Kaufleute  von  Venedig  selbst  nach  ähnlichen  Gesichtspunkten. 

"  Capit.  XXI  u.  XXIV,  beide  von  1279  aus  den  Lib.  commem.   Ferner  Cap.  147 
und  S.  226  (von  1475).    Simonsfeld  2,  31. 

Schulte,  Ocsch.  d.  mittolaltorl.  Handels.    I.  23 


354  Einunddreifrtigßtes  Kapitel. 

binden  und  zum  Verkauf  auslegen  sollten  \  Ausgenommen  von  diesem 
Ankaufsverbote  waren  Waffen,  Pferde  und  Lebensmittel^,  man  wollte 
den  Handel  mit  diesen,  man  möchte  sagen,  politischen  Artikeln  nicht 
aus  der  Hand  geben.  Im  übrigen  aber  war  Deutschland  den  Venetianem 
nur  ein  Pnssageland.  Wir  werden  Fälle  anfuhren  können,  wo  sie  auf 
deutschem  Boden  beraubt  wurden,  aber  wir  finden  keinen  Venetianer 
angesiedelt,  keine  Faktoreien  derselben,  keinen  Kaufvertrag.  Selbst  die 
reichen  Erzeugnisse  des  venetianischen  Gewerbefleifses :  die  feinen  Stoffe 
und  Glaswaren  wurden  nicht  von  Venetianem  auf  westdeutschem  Boden 
angeboten. 

Von  diesen  Grundsätzen  wich  die  Republik  nach  Lage  der  Dinge 
wohl  ab,  die  Politik  der  Handelsherrscherin  war  klug,  elastisch,  sie  ver- 
stand es,  die  Käufer  und  Verkäufer  bei  guter  Laune  zu  erhalten.  So 
finden  wir  manche  Ausnahmen  von  den  starren  Gesetzen,  namentlich  für 
die  Deutschen.  Aber  auch  mit  ihnen  konnte  der  Grundzug  der  venetia- 
nischen Handelspolitik  nicht  verwischt  werden.  Und  der  liegt  darin,  dafs 
diese  Stadt,  deren  Strafsen  Teile  des  Meeres  sind,  die  mehr  als  irgend 
eine  andere  Stadt  der  Welt  sich  das  Wasser  unterthänig  gemacht  hat, 
sich  zwischen  Land  und  Meer  einzuschieben  wufste;  für  den  Händler, 
der  vom  Oriente  her  kam  und  im  Fondaco  dei  Turchi  abstieg,  ergab 
sich  keine  Möglichkeit,  in  das  Innere  vorzudringen,  und  für  den  vom 
Lande  gekommenen  war  der  Zutritt  zu  den  Schiffen  verschlossen.  Die 
Klagen  der  Nürnberger  Kaufleute  richten  sich  besonders  gegen  diesen 
Punkt.  „Auch  lassen  die  von  Venedig  keinen  deutschen  Kaufmann 
irgend  welche  Kaufmannschaft  von  dort  führen  über  Meer  oder  zu  sich 
heran,  er  mufs  sie  einem  Bürger  von  Venedig  zu  verkaufen  geben,  und 
wenn  er  dabei  verderben  müfste.  Wer  die  Waren  gleichwohl  zu  Schiffe 
bringt,  wird  mit  Konfiskation  bestraft"  ^. 

Das  war  das  grofse  Geheimnis  der  venetianischen  Politik  gewesen, 
dafs  sie  es  verstanden  hatte,  allen  Verkehr  auf  dem  Po  und  der  Adria 
unter  ihre  Kontrolle  zu  bringen.  Seitdem  Ferrara  1234  sich  hatte  beugen 
müssen,  und  das  Kastell  von  Marehamo  den  Eingang  in  den  Po  bewachte, 
war  der  Sieg  errungen.  Die  italienischen  Städte  durften  nicht  mehr  direkt 
Waren  aus  den  Produktionsländern  einführen  und,  wo  Venedig  Einflufs 
gewann ,  war  es  das  erste  zu  bewirken ,  dafs  die  Fremden  nicht  mehr 
zugelassen  wurden.  Jede  der  kostbaren  Waren,  die  der  Orient  mit  dem 
Occident  austauschte,  sollte  durch  Venedig  gehen,  das  die  zuerst  littera- 
risch  vorgebrachte  Theorie  von  der  Alleinherrschaft  auf  der  Adriü  auch 

'  Simonsfeld  1  Nr.  125  u.  171,  172. 

'•^  Cap.  c.  147  von  136»i.   Der  Besuch  der  deutsehen  Messen  war  den  Venetianem 
nur  von  1475—1494  gestattet. 
»  Flegler  mo. 


Venedig.  355 

zu  einer  Wirklichkeit  machte.  Der  deutsche  Kaufmann  befand  sich  in 
Venedig  mitten  im  Meere,  er  schwamm  auf  den  Barken  über  der  Salz- 
flut, aber  hinaus  auf  das  Meer  konnte  er  trotzdem  nicht  kommen.  Hier 
fand  er  eine  Schranke  für  seine  Initiative,  hier  war  das  Ende  seinem 
Unternehmungsgeiste  gesetzt.  Er  konnte  in  das  Handelsmonopol,  das 
die  Republik  auf  der  Adria  in  so  unendlich  kluger  und  zäher  Weise 
gewonnen  hatte,  nicht  eingreifen. 

Venedigs  Geschichte  gründet  sich  ja  auf  zwei  Wurzeln,  zwei  Grund- 
bedingungen, auf  der  alten  historischen  Beziehung  zu  Byzanz,  die  zu  der 
Stellung  im  Orient  geführt  hatte,  und  auf  der  Stellung  zum  Festlande  und 
zu  dem  Festlandsstaate,  dem  deutschen  Kaiserreiche.  Auch  in  ihrer 
Handelspolitik  hält  die  Republik  von  San  Marco  an  diesen  doppelten 
Existenzbedingungen  fest,  sie  weifs  sich  wie  politisch  so  auch  im  Handels- 
leben unabhängig  zwischen  beiden  zu  behaupten.  Diese  winzigen  Inseln 
sind  in  der  That  ein  fünftes  Element,  sie  sind  nicht  das  Meer,  aber  auch 
nicht  das  Festland.  So  konnte  Venedig  der  deutschen  Kaufmannschaft 
als  hohe  Schule  dienen,  wie  ja  die  meisten  Söhne  der  grofsen  süd- 
deutschen Kaufmannsgeschlechter  hier  die  Handlung  erlernten*.  Es 
konnte  unter  den  fremden  Hafenplätzen  für  Deutschland  der  wichtigste 
sein,  aber  dem  Kaufmannsstande,  der  sich  auf  das  Meer  hinauswagen 
wollte,  lag  hier  die  Schranke.  Über  die  Reede  von  Venedig  hinaus 
läuft  keine  Spur  eines  deutschen  Handels,  aber  Genua  war  der  Platz, 
wo  die  grofsen  oberdeutschen  Handelsgesellschaften  die  Brücke  be- 
safsen,  die  nach  Spanien,  Portugal,  ja  schliefslich  über  den  Ocean  in 
die  neue  Welt  hinüber  führte.  Die  Handelsbeziehungen  mit  Venedig 
zeigen  eine  dauernde  Blüte,  die  nach  Genua  bekunden  aber  vielmehr 
den  Wagemut  der  süddeutschen  Kaufmannschaft.  Jene  entbehren  der 
lebhaften  Erregungen,  diese  des  satten  Glanzes,  der  auf  dem  Namen 
Venedigs,  wenn  wir  an  das  Mittelalter  denken,  überhaupt  ruht. 

Die  Blüte  des  deutsch-venetianischen  Handels  lag  wohl  um  die  Wende 
des  vierzehnten  und  fünfzehnten  Jahrhunderts,  und  wir  dürfen  ihn  uns 
nicht  klein  vorstellen.  Im  Fondaco  kaufte  1358  ein  Venetianer  1045  Stück 
Leinen^,  ein  Nürnberger  verschwand  1432  unter  Hinterlassung  einer 
Schuldenmasse  von  25000  Dukaten.  Wenn  das  den  Grofshandel  einzelner 
charakterisiert^,  so  haben  wir  auch  Angaben,  die  den  Gesamtumfang 
leidlich  bezeichnen.  Den  Umsatz  der  deutschen  Kaufleute  in  Venedig 
schätzte  der  Venetianer  Paolo  Morosini  in  einem  Briefe  an  Gregor  von 
Heimburg  (gestorben  1472)  auf  eine  Million  Dukaten  jährlich.    Der  Ritter 

^  Simonsfeld  2,  39  f.    Schon  für  1308  ist  das  erwiesen. 

2  Nicht  45  000  Stück  Leinen,  wie  Simons feld  2,  3S  und  Stieda  S.  5  schreiben. 
Die  Quelle  Simons  feld  1  Nr.  168. 

«  Simonsfeld  1  Xr.  :\S1.    Weitere  Beispiele  ebda.  2,  33.    Stieda  5. 

23* 


356  Einuiiddreiföigstes  Kapitel. 

Arnold  von  HarfF  erfuhr  auf  seiner  Pilgerfahrt  1497  von  den  Kaufleuten 
des  Fondaco,  dafs  die  Abgaben,  die  der  Herrschaft  zuflössen,  sich  allein 
auf  täglich  100  Dukaten  beliefen,  nicht  ganz  so  hoch  ist  die  Schätzung 
des  weltkundigen  Felix  Fabri,  der  als  jährlichen  Zollertrag  20  000  Dukaten 
angiebt*.  Die  Signoria  hatten  wohl  Grund,  den  Fondaco  als  das  ^opiifno 
membro  dt  questa  eita^  zu  bezeichnen^. 

Die  ältesten  der  deutschen  Gäste  waren  wohl  die  Regensburger,  mit 
ihnen  bildeten  die  Schwaben  die  eine  Tafel,  und  darunter  haben  wir  nicht 
allein  die  Augsburger,  Ulmer,  Kavensburger  und  Konstanzer  zu  verstehen, 
es  gehörten  zu  dieser  Gruppe  auch  wohl  die  Österreicher.  An  der  anderen 
Tafel  galten  die  Nürnberger  am  höchsten,  und  mit  ihnen  dürften  die  vom 
Rheine  von  Basel  ab  bis  Köln  und  die  Vertreter  des  Nordens  sich  zu 
Tisch  gesetzt  haben  ^. 


^  Diese  und  weitere  Angaben  Heyd,  Kaufhaus  217. 
2  He  yd,  Haus  der  Kaufleute  218.    Thomas,  Capitolare  277. 
'  Vgl.  die  reichhaltigen  Zusammenstellungen  Simons felds  über  den  Anteil 
der  verschiedenen  deutschen  Städte  2,  41 — 90. 


Sechstes  Buch. 

GESCHICHTE  DES  VERKEHRS  IM 
SPÄTMITTELALTER. 


Erster  Teil. 

DIE  BÜNDENEß  PÄSSE  UND  IHEE  ZUGÄNGE. 

Zweiunddreifsigstes  Kapitel. 

Septimer. 

Hospiz,  Vit^tumatnt  Verfall  der  Straf se,  Verbot  eine  andere  zu  fahren  1358, 
Mailäiider  Gesandtschaft  1386.  EntscJieidung  für  den  Septimer,  Bau  der  Strafse  durch 
die  Castelmur.  Zeitumstände,  Die  Portal,  ihre  Ordnungen.  Zölle,  Weggclder.  Streit 
um  den  Zoll  zu  Sirafsherg. 

Die  Bündener  Pässe  bieten  in  den  beiden  letzten  Jahrhunderten  das 
reizvolle  Bild,  wie  die  Bergbewohner  von  sich  aus  versuchen,  die  Pässe 
gangbar  zu  machen,  um  den  Verkehr,  der  sich  mehr  und  mehr  dem 
Gotthard  zugewendet  hat,  womöglich  den  Bündener  Alpen  zurück- 
zugewinnen. Einem  glänzenden  Zeugnisse  für  die  Unternehmungslust  der 
Bevölkerung  reiht  sich  als  ein  nicht  minder  ruhmvoller  Titel  der  an, 
dafs  wir  von  Strafsenraub  so  gut  wie  nichts  hören. 

Mit  altem  Ruhme  tritt  der  Septimer  in  die  beiden  Jahrhunderte  ein. 
Er  wird  sehr  oft  in  den  Urkunden  über  Friedekreise,  Dienstpflicht  u.  s.  w. 
als  Grenze  genannt,  so  heifst  er  1330  ^Setenie  der  perg^  der  Lamparten 
und  Dutscheland  scheideU  ^  Es  war  der  einzige  Bündener  Pafs,  der  ein 
Hospiz  auf  seiner  Höhe  trug.  Die  etwas  armselige  Stiftung  kam  nicht 
in  Blüte.     Wir   hören   noch   wohl   von   einer   bescheidenen  Stiftung  von 


1  Thommen,  Urkunden  1,  209.  In  einem  Bunde  von  1338  Schreiber  1,  288, 
von  1350  1,  402.  Als  Grenze  eines  Jagdbezirks  der  Herren  v.  Marmels  in  Z.  Gesch. 
Oberrh.  20,  163. 


358  Zweiunddreifsigstes  Kapitel. 

Butter  für  ein  ewiges  Licht  *,  aber  auch  jetzt  stammt  der  Spender  aus  der 
Nachbarschaft,  und  das  Urbar  führt  keine  weit  entlegenen  Besitzungen 
auf.  Oben  war  auch  keine  zahlreiche  Schar  von  Mönchen,  ein  von  den 
Bewohnern  von  Bivio  und  dem  Vitztum  erwählter  Mann,  dem  man  den 
Titel  Mönch  gab,  lebte  dort,  verpflichtet,  alle,  welche  durchwanderten 
und  nicht  weiter  konnten,  zu  speisen  und  zu  tränken,  die  Armen  auch 
ohne  Entgelt.  Für  sein  Vieh  hatte  er  in  der  Nähe  Weide  ^.  Eine  Kaplanei 
bestand  auch,  da  aber  1399  ihr  Inhaber  zugleich  Domherr  in  Chur  war, 
dürfen  wir  uns  ihn  nicht  auf  dem  Passe  residieren  denken.  Der  adlige 
Inhaber  war  Eglolf  von  Rorschach,  der  mit  seinem  Bruder  diese 
Kaplanei  gegen  die  Pfarrei  Rorschach  eintauschte,  die  Pfründe  mag  also 
nicht  schlecht  gewesen  sein,  aber  sie  nützte  dem  Passe  nichts^.  Es  mufs 
ein  dürftiges  Hospiz  gewesen  sein,  und  als  es  1513  bautHllig  geworden 
war,  sandten  die  Kirchenvögte  einen  Boten  hinaus,  Gaben  zu  heischen*. 
Über  dem  Hospize  stand  ein  Vitztumamt,  das  auch  die  einst  zum  Trans- 
port des  Bischofs  verpflichteten  Höfe  Schweiningen  und  Praden  umfafste. 
Von  den  Planta  ging  es  1386  an  die  von  Marmels  über,  die  vor  wie 
nach  den  gröfsten  Einflufs  auf  die  Strafse  hatten  und  im  Besitze  des 
Amtes  bis  an  das  Ende  des  Mittelalters  blieben*. 

Die  Strafse  war  aber  so  schlecht  im  Stande,  dafs  der  Versuch  nahe 
genug  lag,  einen  der  anderen  Pässe,  auf  die  der  Bischof  von  Chur  keinen 
Einflufs  hatte,  zur  Verkehrsstrafse  zu  machen.  Die  Gefahr  war  1358  so 
drohend,  dafs  der  Bischof  Peter  von  Chur,  der  Karls  IV.  Kanzler  war, 
sich  von  seinem  kaiserlichen  Herrn  den  Befehl  an  alle  Reichsstädte  er- 
wirkte, sie  sollten  die  bischöfliche  Strafse  und  keine  andere  fahren,  dem 
Bischöfe  solle  es  freistehen,  andere  ungewohnte  Wege  zu  sperren,  und 
des  Schadens  würde  sich  der  Kaiser  in  keiner  Weise  annehmen*.  Von 
wem  die  Gefahr  drohte,  lehrt  ein  vom  gleichen  Tage  datierter  Befehl 
des  Kaisers  an  den  Grafen  Rudolf  (IV.)  von  Sargans.  Er  dürfe  im  Bis- 
tum Chur  keine  neue  Strafse,  Zölle  oder  Geleite  aufbringen,  sondern 
müsse  als  Lehensmann  des  Bistums  auch  die  Versuche  anderer  abwehren  ^. 
In  seinen  von  Vater  Seiten  ererbten  Landen  konnte  Rudolf  nicht  wohl 
an  eine  neue  Strafse  denken,  da  der  Weg  bis  Chur  festlag;  aber  in  Ober- 


1  Mohr  2,  325.    Vgl.  auch  Berger  S.  96  zu  1350,    Urkunde  aus  Vicosoprano, 
ferner  Nüscheler,  Gotteshäuser  Heft  1  8.  113.    114. 

2  Mohr  2,  325  Anm.    Berger  99.    Planta,  Herrschaften  60. 
«  St.  Galler  Urkb.  4,  578. 

*  Urkunden  Nr.  290. 

•*  Mohr  4,  116.    1417,  1419,  1477.     Berger  S.  100  ff.     Aufserdem  Lehenbricfe 
von  1460  und  1470  im  bischöfl.  Archiv  in  Chur. 
«  Mohr  2,  430  d.  d.  Breslau  25.  Januar  1359. 
'Mohr  3,  116. 


Septimer.  359 

rhUtien  war  ihm  durch  seine  Gemahlin  Ursula,  die  Tochter  des  grofsen 
Freiherrn  Donat  von  Vaz,  die  bedeutende  Erbschaft  dieses  Geschlechtes 
zugefallen  und  damit  das  rechtsrheinische  Domleschg,  auch  Rechte  auf 
dem  linken  Ufer,  die  Landschaften  Schams  und  Rheinwald  ^,  also  genau 
das  Gebiet,  das,  freilich  von  anderen  kleineren  Herrschaften  unterbrochen, 
von  Chur  zum  Passe  von  Splügen  und  St.  Bernhardin  führt.  Und  um 
die  Ausnutzung  dieser  Pässe  handelte  es  sich^. 

Wenn  diese  Konkurrenz  nun  auch  vielleicht  noch  einmal  abgewendet 
war,  so  war  der  Zustiind  der  Septimerstrafso  doch  derartig,  dafs  die 
Kaufleute  Sorge  haben  mufsten,  auf  ihr  Leben  und  Gut  zu  verlieren. 
Einige  benutzten  den  Malojapafs,  das  glaube  ich  wenigstens  daraus 
schliefsen  zu  dürfen,  dafs  1846  Hans  Stromer  von  Nürnberg  „auf  dem 
Maloon"  —  das  man  bisher  als  Mailand  deutete  —  ermordet  und  zu 
Como  begraben  wurde ^.  Zürcher,  die  1365  zu  Vicosoprano  am  Zoll 
Händel  hatten,  waren,  wo  nicht  den  Septimer,  so  doch  den  Maloja- 
Julier  gegangen^.  Die  Mailänder  hatten  die  Strafsc  völlig  verlassen 
und,  als  nun  Anfang  1386  die  Luzerner  mit  ihrem  Überftill  von  Rothen- 
burg den  Streit  der  Eidgenossenschaft  mit  den  österreichischen  Herzögen 
wieder  in  offenen  Kampf  überleiteten  und  damit  der  Gotthard  für  die 
fremden  Kaufleute,  namentlich  jedoch  für  die  Unterthanen  Galeazzo 
Viscontis,  des  Schwagers  Herzogs  Leopolds  III.  von  Osterreich,  ungang- 
bar wurde,  suchten  sie  einen  Ersatz  wohl  in  den  Bündner  Pässen,  sie 
lenkten  ihren  Blick  auf  den  St.  Bernhardin.  Ihre  beiden  Gesandten 
Johannes  Cerlini  und  Petrus  Buscha,  die  nach  der  Schlacht  von  Sempach 
(0.  Juli),  an  der  auch  300  Mailänder  auf  österreichischer  Seite  Anteil 
nahmen  ^,  im  oberen  Rheinthal  erschienen,  bericliteten  aber  aus  Konstanz 
(27.  August  1386),  dafs  der  Weg  durch  das  Misox  nicht  angängig  sei^, 
dafür  aber  konnten  sie  melden,  dafs  drei  Leute,  ^Visperani^  genannt, 
den  Berg  Sept  so  einrichten  wollten,  dafs  man  von  Tinzen  bis  Cläven 
auf  Wagen  Lasten  bis  zu  30  Rubb  fortbewegen  könne,  freilich  wollten 
sie  dann  von  jedem  Ballen  und  jedem  Fardel  4  ß  Imperialen  erheben. 
In  der  Antwort  der  Mailänder  Kaufmannschaft  kam  sie  auf  den  St. 
Bernhardin  nicht  mehr  zurück,  und  erklärte  sich  mit  jener  Abgabe  ein- 

1  Krüger  S.  379-85.    Anders  Muotli  72. 

2  Kind  S.  2S:3  u.  a.  vermuteten,  dafs  es  sich  um  den  Pafs  von  Kuukels  handelte; 
allein  ich  kann  nicht  glauben,  dafs  dieser  heillose  Pafs,  der  zudem  nur  Chur  um- 
ging, gemeint  ist. 

^  Chroniken  deutsclier  Städte  1,  68.  27. 

*  Der  PodestA  hielt  Peter  Lutzer'n  (Uit  an,  zwei  andere  Züricher  waren  zugegen. 
Stadtbücher  1-^3. 

^  BoU.  stör,  dclla  Svizzera  italiana  7,  155. 

^  Leider  fehlt  der  erste  ausführliche  Bericht  über  die  Mifjoxer  Angelegenheit. 
Der  zweite  s.  U r  kund o u  Xr.  24,  die  Autwort  der  Mailander  Kaufmannschaft  ebda.  25. 


360  ZwciuDddmfsigßtes  Kapitel. 

verstanden,     die    Gesandten    möchten    dieselbe    aber    möglichst    herab- 
drücken. 

Die  Mailänder  hatten  nächst  dem  jungen  Sohne  des  bei  Sempach 
gefallenen  Leopolds  III. ,  Herzog  Leopold  IV.  von  Osterreich ,  den  sie 
auch  persönlich  aufsuchten,  ihre  Hoffnung  auf  den  Grafen  „de  öancto 
Petro"  gesetzt,  der  sei  der  HeiT  tiber  das  ganze  Gebiet  von  Konstanz 
bis  zu  der  Herrschaft  ihres  Gebieters  Galeazzo.  Darunter  ist  der  Graf 
Johann  1.  von  Werdenberg-Sargans  (t  1400)  zu  verstehen,  die  Über- 
setzung >'(le  sancio  Monier  mit  Werden  Berg,  findet  sich  auch  sonst. 
Der  Graf  hatte  wohl  tüchtig  übertrieben  und  sich  als  den  Grafen  in  der 
Grafschaft  Laax,  die  vor  Jahrhunderten  ja  freilich  die  Grafschaft  Ober- 
rhätien  gewesen  war,  aufgespielt ^  Immerhin  besafs  er  an  der  denkbaren 
Route  über  den  Splügen :  Rheinwald,  Schams,  das  rechtsrheinische  Dom- 
leschg,  er  hatte  Hoffnung,  dereinst  in  Unterrhätien  Vaduz  zu  erben ^. 
Das  aber  war  auch  alles.  Aber  er  war  doch  wohl  der  vornehmste  der 
rhätischen  Gr(»fsen,  seit  1380  stand  er  mit  Galeazzo  Visconti  in  einem 
Bündnisse  und  erhielt  von  diesem  eine  jährliche  Pension  von  300  fl.,  wie 
131)4  auch  der  Bischof  von  Chur  eine  solche  Pension  zugesprochen  er- 
hielt^, und  da  die  Mailänder  in  dem  ausbrechenden  Kampfe  durchaus 
auf  Seite  der  Österreicher  standen,  ja  geradezu  von  den  Eidgenossen 
sich  Feindschaften  versahen,  war  es  von  Bedeutung,  dafs  dieser  Johann 
damals  ein  eifriger  Parteigänger  des  Herzogs  Leopold  war.  Johann  ver- 
langte aber  von  den  Mailändern  eine  Verpflichtung  auf  lange  Zeit.  Es 
warm  diese  aber  durchaus  nicht  geneigt,  sich  für  längere  Zeit  zu  binden, 
sie  wunderten  sich  darüber,  dafs  er  solche  Versicherungen  von  ihnen 
verlange,  wo  doch  die  deutschen  Kaufleute  derartige  Verpflichtungen 
nicht  eingegangen  seien.  Sie  könnten  solche  Versicherungen  nicht  selbst 
geben,  verlange  sie  der  Graf,  so  müsse  er  sich  an  ihren  Herren,  Ga- 
leazzo wenden.  Wenn  er  ohne  eine  solche  den  Pafs  nicht  freigeben 
wolle,  so  möchten  sie  wenigstens  erwirken,  dafs  die  Waren,  die  jetzt  in 
Strafsburg  lägen,  diesen  Weg  gebracht  würden.  Der  Weg,  über  den 
hier  geredet  wird,  war  also  in  der  Macht  des  Grafen,  andererseits  heifst 
er  ^iter  per  Clavamanu,  es  ist  also  gar  kein  Zweifel,  dafs  deutsche  Kauf- 
leute den  Splügen  bereits  wandelten,  wenn  der  Weg  für  die  Italiener 
auch  völlig  neu  war.  Die  Verhandlungen  scheinen  schliefslich  zu  einem 
Schutzbrief  für  die  Kaufleute  von  Mailand  und  Como  geführt  zu  haben. 
Verschiedene  Herren  hatten  mit  ihm,    wie  Graf  Donat  von  Toggenburg, 

^  Über  die  Grafschaft  vgl.  Juvalt,  Forschungen  99 — 102.  Planta,  Herr- 
schaften 447.     Krüger  397  f. 

2  Krüger  S.  822. 

^  Boll.  stör.  d.  Svizz.  it.  9,  185.  Quittung  von  1392.  Ar  eh.  stör.  lomb.  21, 
2,  48  und  21,  2,  72.     Ahnlich  öfter  im  fünfzehnten  Jahrhundert. 


Septimer.  361 

1388  erklärte,  alle  Kaufleute  aus  dem  Gebiete  des  Herren  von  Mailand 
in  ihren  Schutz  genommen.  Graf  Donat  gab  ihnen  1388  eine  genaue 
Versicherung  über  die  Abgaben,  die  sie  zu  Mayenfeld  zu  erlegen  hatten*. 

Das  andere  Projekt  wurde  durchgeführt.  Wir  haben  noch  die  Ver- 
träge beider  Teile-.  Der  Bischof  von  Chur,  Johann  von  Singen,  öster- 
reichischer Kanzler,  hatte  wie  der  Pfleger  des  Bistums,  Graf  Rudolf  von 
Montfort,  die  Ideen  der  Bergeller  warm  aufgenommen.  Jakob  von 
Castelmur  verpflichtete  sicl^,  den  Weg  zu  bauen,  so  dafs  Wagen  mit  36 
Kubb  Last  von  Tinzen  bis  Plurs  verkehren  könnten.  Dafür  gestand  der 
Bischof  seinem  Dienstmanne  eine  an  ihm  gefälligen  Orte  zu  erhebende 
„Weglösi"  zu,  die  so  normiert  wurde,  wie  von  den  Mailändern  verlangt 
war.  Der  englische  Wollsack  sollte  4^  Mailändisch  (Büian)  entiichten, 
der  deutsche  3,  das  grofse  Fardel  4,  das  kleine  3.  Eine  Saumlast  mufste 
&ß  tragen,  das  Gleiche  dürfe  von  jedem  Rosse  erhoben  werden,  doch 
solle  das  Reitpferd  des  Käufers  wie  des  Säumers  frei  bleiben.  War  dieses 
auch  nur  auf  zehn  Jahre  zugestanden,  so  war  doch  zugleich  vorgesehen, 
dafs  Jakob  und  seine  Erben  die  Strafse  unterhalten  und  dafiir  die  Weg- 
lösi  weiter  beziehen  sollten,  und  er  hatte  sich  ausbedungen,  dafs  er  drei- 
mal müsse,  wenn  die  Strafse  zu  bessern  sei,  ermahnt  werden  und  ein 
Jahr  sei  ihm  von  da  ab  Zeit  zur  Herstellung  der  Strafse  zu  lassen. 

So  war  die  handelspolitische  Wirkung  des  Kampfes  von  Luzern 
gegen  die  österreichische  Herrschaft,  die  möglicherweise  auf  die  Nicht- 
bestätigung  der  Zollfreiheit  am  habsburgischen  Gotthardzoll  zurückzu- 
führen, die,  dafs  ein  alter  Rivale  dem  Gotthard  neue  schwere  Konkurrenz 
begann.  Jakob  von  Castelmur  hatte  seine  Verpflichtungen  erfüllt,  und 
es  gab  nun  die  erste  fahrbare  Strafse  über  die  Alpen.  Jetzt  war  nicht 
mehr  der  Gotthard  der  von  den  Österreichern  begünstigte  Pafs,  ihr  In- 
teresse wandte  sich  den  Bündnern  zu  und  so  weit  wir  es  direkt  nach- 
weisen können,  hatten  zum  erstonmale  die  Btlndener  Pässe  als  Notaus- 
gänge gedient. 

Mit  dem  Bau  einer  Strafse  war  sie  aber  noch  längst  nicht  verkehrs- 
fähig, es  mufste,  w^enn  sie  den  grofsen  Verkehr  auf  sich  ziehen  wollte, 
für  den  Transport  der  Waren  die  Organisation  geschaffen  werden,  welche 
die  täglich  entstehenden  Schwierigkeiten  den  Fremden  besiegen  half. 
Wenn  anderswo  sich  der  Transport  unabhängig  macheu  konnte  von  den 
Einheimischen,  hier  im  Gebirge  war  es  nicht  zu  umgehen,  einem  Orts- 
eingesessenen, der  mit  Weg  und  Steg,  mit  allen  Naturverhältnissen  vertraut 
war,  den  Waren transport  zu  übergeben.   Überall  bildete  dementsprechend 


^  Urkunden  Nr.  26.    S.  auch  weiter  unten. 

-  Verpflichtung  Jakobs  von  Castelmur  vom  5.  März  1387  Mohr  4,  139.    Die  des 
Bischofs  und  des  Pflegers  des  Gotteshauses  vom  31.  Januar  ebda.  4,  135. 


362  Zweiunddreifsigstes  Kapitel. 

die  Gemeinde  der  Hochthäler  die  Grundlage  der  Transportorganisationen, 
der  Porten,  wie  die  italienische  Bezeichnung  lautet,  der  Roden  ( eigen t- 
lieh  Rotten)  oder  Teile,  wie  die  deutschen  Alpler  sie  benannten^.  Die 
Fuhrleute  waren  also  eingesessene  Bewohner  der  am  Wege  liegenden 
Ortschaften,  welche  den  Transport  neben  ihrer  bäuerlichen  Thätigkeit  be- 
sorgten. Ein  regelloser  Betrieb  hätte  zu  ewigen  Streitigkeiten  unter  den 
Fuhrleuten  geführt,  und  so  ergab  sich  die  Notwendigkeit,  einen  Teiler, 
^pariitor  ballarnnn  an  die  Spitze  der  Genossen  zu  stellen,  der  jedem  der 
Reihe  nach  seinen  Anteil,  seinen  Teil,  seine  Rotte  zuwies.  Das  führte 
natürlich  zu  einem  Monopol  für  den  Warentransport  innerhalb  des  Be- 
reichs der  Dorfmark  und  der  ihr  benachbarten  Alpen,  und  indem  sich 
mehrere  Porten  zusammen thaten,  entstand  ein  ganzes  Transportsystem, 
dem  sich  der  Kaufmann  anvertrauen  mufste.  Die  Einrichtung  war  für 
die  Kaufleute  äufserst  wertvoll,  ruhte  doch  auf  diesen  Porten  sogar  eine 
Transportpflicht,  sie  mufsten  dem  Kaufmann  seine  Waren  sofort  in 
Bewegung  setzen,  nur  „echte  Not"  und  „Gottes  Gewalt,"^  die  hier  ja 
öfter  als  irgendwo  sonst  eingriffen,  entschuldigten. 

Die  ersten  Nachrichten  über  die  Transporteinrichtungen  auf  dem 
Septimer  gehen  nicht  über  den  Ausbau  der  Strafse  durch  Jakob  von 
Castelmur  zurück.  1391  verpfändete  ein  Bewohner  von  Vicosoprano 
eine  Rod,  ^^quae  sauma  una  de  vectura  seit  roda  dicitur,^  von  Plurs  bis 
Vicosoprano  und  von  dort  auf  den  Septimer  einem  andern^,  es  war  hier 
also  der  Anteil  an  der  Genossenschaft  ein  Recht,  das  veräufsert  werden 
konnte,  die  Anzahl  der  Anteile  mufs  demnach  beschränkt  gewesen  sein. 
Es  wurden  sehr  häufig  solche  Rodrechte  verkauft,  und  so  erklärt  es  sich, 
dafs  allmählich  an  die  Spitze  der  einzelnen  Porten  Adlige  traten®,  wie 
überhaupt  der  bündnerische  Adel  sich  nicht  so  scheu  von  den  Gewerben 
fern  hielt,  wie  etwa  der  deutsche.  Es  ist  wohl  kaum  denkbar,  dafs  die 
Porten  erst  1389  nach  Fertigstellung  der  Strafse  eingerichtet  seien,  wenn 
das  auf  dieselben  auch  eingewirkt  haben  mag. 

Es  gab  im  fünfzehnten  Jahrhundert  auf  dem  Soptimerwege  vier 
Porten:  Vicosoprano,  Bivio  (Stalla),  Tinzen  und  Lenz.  Als  Grenzen  des 
ganzen  Transportzuges  im  weitesten  Sinne  werden  erwähnt  Plurs  und 
Chur.  Als  Susten  für  die  Waren,  als  Nachtquartiere  für  die  Reisenden 
dürfen  wir  ohne  Zweifel  die  Sitze  der  vier  Porten  annehmen.  Die  von 
Vicosoprano  trafen  mit  denen  von  Stalla  um  die  Mittagszeit  auf  dem 
Septimer  zusammen,  wo  sie  sich   die  Waren  übergaben.    Unter  Einrech- 


^  Börliu,  Die  Transportverbände  und  das  Transportrecht  der  Schweiz  im 
Mittelaitor.    Züricli  1896. 

-  Mohr  4,  199.  Der  Vorkauf  findet  statt  vor  dem  Hause  mr  Jncohi  de  Castro- 
muro*.     Über  weitere  Verkäufe  von  Rodrechten  vgl.  ßerger  142. 

=^  Urkunden  Nr.  291  von  1467. 


Septimer.  363 

iiung  der  letzten  Strecken  Chiavenna-Plurs  und  Lenz  -  Chur  ergiebt  sieh 
somit  eine  Transportdauer  von  sechs  Tagend 

Die  Organisation  der  Septimer  Porten  lehrt  uns  die  Ordnung  kennen, 
die  in  zwei  Fassungen  uns  überliefert  ist^.  Die  von  1498  ist  um  vier 
Artikel  kürzer  als  die  genau  ein  Jahr  jüngere,  und  diese  berühren  den 
Transport  der  Leute  von  Tiefenkasten  und  Flurs  und  die  I'flicht,  die 
Strafsen  in  Ordnung  zu  halten.  Durch  zwei  Paragraphen  wird  die 
jüngere  Fassung  übrigens  besonders  wertvoll :  es  ist  einmal  die  Ver- 
pflichtung der  Kaufmannschaft,  für  den  Transport  nach  Mailand  nur  den 
Septimer  zu  benutzen,  dann  aber  die  Bestimmung,  dafs  den  Gesell- 
schaften, „die  in  diesem  Vertrage  mit  den  Porten  verbunden  sind",  ihre 
Waren  vor  allen  andern  abgefertigt  werden  sollen.  Während  die  Ord- 
nung von  1498  nach  Form  und  Inhalt  ein  Statut  der  Porten  unter  sich 
ist,  ist  die  von  1499  zugleich  (dem  Inhalte  nach)  ein  Vertrag,  der  Porten 
mit  den  grofsen  oberdeutschen  Handelsgesellschaften,  die  den  deutschen 
Handel  leiteten.  Aber  warum  waren  sie  1499  nun  so  sehr  für  den  Sep- 
timer eingenommen? 

Auch  dieser  Vertrag  war  durch  politische  Verhältnisse  bestimmt. 
In  dem  „Schwabenkriege"  von  1499  war  eine  scharfe  Verbitterung 
zwischen  den  „Schweizern"  und  den  „Schwaben"  zu  leidenschaftlichem 
Ausdruck  gekommen.  Zwar  hatten  auch  die  Bünde  zu  den  Eidgenossen 
gehalten,  und  auf  der  Luziensteig,  zu  Triesen,  bei  Hard,  Konstanz,  an 
der  Calven  war  auch  rhätisches  Blut  geflossen,  allein  der  Friede  von 
Basel  (22.  September)  liefs  hier  Österreich  seine  Gewalt  und  seine  Rechte. 
Gegen  die  Eidgenossen  war  der  Zorn  der  Schwaben,  vorab  der  Kon- 
stanzer, zu  tief,  um  nicht  den  Handelsverkehr  über  den  Septimer  dem 
über  den  Gotthard  vorzuziehen.  So  erkläre  ich  mir  die  Entstehung  der 
zweiten  Fassung. 

Auch  die  erste  war  auf  die  Deutschen  berechnet.  Das  Stück  ist  in 
deutscher  Sprache  geschrieben,  und  keine  Spur  könnte  die  Vermutung 
rechtfertigen ,  dafs  es  sich  um  eine  Übersetzung  handle.  Die  Teiler 
gaben  sich  die  Ordnung  in  deutscher  Sprache,  weil  sie  auf  dem  Passe 
die  bekannteste  war,  mochte  der  ganze  Portenbezirk  auch  romanisch  sein. 

Unter  den  Bestimmungen  möchte  ich  noch  die  eine  hervorheben, 
welche  den  eiligen  Transport  der  Waren  regelt.  So  viel  wir  wissen, 
war  nur  auf  diesem  Passe  dem  Kaufmann  die  Möglichkeit  gegeben, 
gegen    Überlohn    seine    Waren    Tag  und    Nacht   fortbewegen   zu    lassen. 


^  Es  ergiebt  sich  nach  dem  Laufe  der  jetzigen  Strafse  für  die  Strecke  Chia- 
venna-Vicosoprano  19,3  km,  Stalla-Tinzeu  13,00,  Tinzen-Lenz  19,  Lenz-Chur  22,6. 
Dazwischen  schiebt  sieh  der  Übergang  über  den  Septimer  ein. 

-  Die  von  1498  bei  Börlin  79—^2.  Die  von  1499  Urkunden  Nr.  287.  VAne 
von  1471  sah  noch  J.  U.  von  Salis-Seewis.    Berger  143  zu  1471. 


364  Zweiunddreifsigates  Kapitel. 

Nur  allzu  grofse  Dunkelheit  und  ein  Ungewitter  entband  die  Leute  von 
der  Transportpflicht;  selbstredend  ruhte  diese  Pflicht  an  allen  Tagen, 
die  das  Mittelalter  kirchlich  besonders  feierte  ^ 

Der  Transport  erfolgte  auf  Wagen;  denn  es  werden  „Ochsen"  von 
dem  Teiler  auf  den  Septimer  zum  Transport  entboten.  Die  Transport- 
genossenschaften erfüllten  auch  die  Pflicht,  die  Strafse  von  Vicosoprano 
über  den  Berg  bis  an  die  untere  Grenze  von  Oberhalbstein  so  in  Ord- 
nung zu  halten,  dafs  man  mit  Wagen  fahren  möchte^. 

Durch  die  Einrichtung  der  Porten  war,  da  jede  ein  Weggeld  neben 
den  Transportkosten  erhob,  die  Zahl  der  Zölle  vermehrt.  Es  gab  nun- 
mehr, abgesehen  vom  Zolle  zu  Cleven,  der  1284  vazisch  war^,  Weggeld 
zu  Stampa,  wo  eine  Port  bestand,  die,  wie  es  scheint,  mit  der  von  Vi- 
cosoprano konkurrierte,  zu  Vicosoprano,  zu  Stalla  und  zu  Tinzen*.  Da- 
neben bestand  noch  der  alte  Zoll  von  Vicosoprano  fort,  der  1372  auf  31 
Jahre  an  die  Planta  gegeben  wurde  ^,  ferner  wurde  daneben  noch  von 
der  Gemeinde  ein  niedrigerer  Zoll  als  Weggeld  erhoben®.  Das  Bistum 
Chur  glaubte  alleiniger  Zoll-  und  Geleitsherr  zu  sein.  Noch  1421  wurde 
auf  Grund  königlicher  Briefe  und  auf  Grund  des  Satzes,  dafs  dem  Bis- 
tum Chur  von  der  Landquart  bis  Castelmur  im  Bergeil,  also  in  dem 
Verlaufe  des  gesamten  Septimerweges  in  Oberrhätien  und  Bergell,  alle 
^»Fürhiie^  und  Zölle  zuständen,  von  dem  Bischöfe  Johann  von  Chur  der 
Versuch  gemacht,  die  von  dem  Grafen  Friedrich  von  Toggenburg  zu 
Strafsberg  und  zu  Lenz  (also  auf  der  Strecke  Chur-Tiefenkasten)  er- 
hobenen Zölle  zu  beseitigen.  Der  Graf  berief  sich  auf  den  alten  Ge- 
brauch, der  Zoll  sei  seinen  Vordem  von  den  Königen  versetzt.  Der 
Schiedspruch  der  Stadt  Zürich  lautete  dahin,  beide  Teile  sollten  mit 
ihren  königlichen  Briefen  vor  den  König  gehen  '^,  In  der  That  hatte 
Karl  IV.  1348  dem  Grafen  Friedrich  von  Toggenburg  einen  Zoll  unter 
dem  Hause  zu  Strafsberg  verliehen  (von  dem  Saume  trockener  Kauf- 
mannschaft 6  ?),  von  der  nassen  3  ^)  und  zwar  als  Pfand  für  500  Mark 
Silber®.     Ende  1349  hob   das  Karl    wieder  auf,    weil   verschwiegen   sei, 


'  Aufzählung  in  Art.  6. 

^  Art.  4  u.  7,  z.  T.  nur  in  der  Fassung  von  1499. 

«  Mohr  2,  29. 

*  Vfrl.  Urkunden  Nr.  288. 

■^  Mohr  3,  254.    Weitere  Geschichte  Berger  155. 

^  Urkunden  Nr.  288.  Das  ist  wohl  das  theoJoneum parvxim^  qvod  rulgo  diciiür 
fürlaiUj  das  1814  die  Castromuro  auf  fünf  Jahre  erhielten.    Mohr  2,  237. 

■^  Urkunden  Nr.  282.  Der  Toggenburger  war  in  Strafsberg  der  Erbe  der 
Freiherren  von  Vaz,  diese  aber  nicht  die  eines  Herrengeschlechtes  von  Strafsberg, 
wie  Planta,  Herrschaften  S.  343 f.  will;  denn  die  Strafsberger  waren  Dienstmannen 
Mohr  1,  358.    2,  229.     Richtiger  Juvalt  2,  205. 

^  Lütisburger  Kopialbuch  137. 


Lukmanier.  365 

dafö  Gebiet  und  Herrschaft  dort  dem  Gotteshaus  Chur  gehöre,  aber 
Öiegiiiund  bestätigte  1413  wieder  die  erste  Urkunde,  und  damit  bestand 
der  Zoll  wohl  zu  Rechte  Der  bischöfliche  Zoll  von  Chur  wurde  von 
Karl  IV.  seinem  lieben  Bischöfe  Peter  bis  zur  Aufbringung  einer  Summe 
von  6000  fl.  verdoppelt  ^,  weil  Peter  in  des  Kaisers  Dienst  gefangen  war. 
Die  Abgaben,  welche  nunmehr  von  den  Kaufleuten  erhoben  wurden, 
veranlafsten  diese,  wie  wir  sehen  werden,  sich  mehr  und  mehr  dem 
Splügen  und  St.  Bernhardin  zuzuwenden  und  die  teure  Septimers trafse  ' 
zu  meiden.  Andererseits  war  die  Bevölkerung  für  die  Sicherheit  des 
Verkehrs  eingenommen.  Als  1450  der  Gotteshausbund  und  der  der  zehn 
Gerichte  ein  Btindnis  schlofs,  war  der  erste  Paragraph  der  Sicherung 
der  Strafsen  gewidmet,  damit  Kaufleute  und  andere  ehrbare  Leute  da 
sicher  und  unbeschwert  wandeln  möchten®.  Nach  der  Lage  der  Gebiete 
der  beiden  Bünde  kann  es  sich  nur  um  die  Septimerstrafse  gehandelt 
haben. 

Zu  Zügen  der  Könige  und  Kaiser  ist  der  Septimer  nicht  mehr 
benutzt  worden*. 

Dreiunddreifsigstes  Kapitel. 
Die  Übrigen  Pässe. 

Lukmanier.  Nachbarlicher  Verkehr,  Hospize  Die  Maüiinder  erwirken  Zoll- 
erleichterung  1391.  Verhandlungen  mit  Konstanz.  Zwei  Tarife  für  die  Eout^  Biasca- 
Konstanz.     Verteilung  der  Abgaben.    Zölle.    Susten.    Kaiser  Siegmu^d  und  der  Pafs. 

Splügen  und  St.  Bernhardin.  Benutzung  der  unausgebauten  Via  mala.  Nürn- 
berger Beschwerden.  Versuche,  den  Verkehr  zu  verhindern.  Bau  der  Strafse.  Transport- 
genossenscJiaften.  Italienische  Nachrichten.  Der  hl.  Bemhardin.  Thal  Misox.  —  Susi 
am  Comersee. 

Der  politische  Hi  nt  er  grün  d.  Emancipation  und  Bünde  der  Thäler.  Geicinn 
der  südlichen  Thäler.     Verträge  mit  Mailand.    Auch  Graubünden  ein  Pafsstaat. 

Die  Geschichte  des  Lukmanicrs,  die  aus  dem  durch  Feuer  wieder- 
holt zerstörten  Archive  des  Klosters  Disentis  keine  Quellen  mehr  haben 
kann,  wird  sehr  erfreulich  beleuchtet  durch  drei  Stücke  des  Archivs  der 


'  Mohr  3,  56  und  Lütisburger  Kopialbuch  137. 

2  Mohr  3,  117  zu  1359,  Vgl.  Urkunden  Nr.  281.  Mohr  2,  178  zu  1303  und 
Muoth  30,  178. 

^  J  e  c  kli  u  S.42.  Diese.be  Fassung  auch  in  dem  Entwurf  eines  Bündnisses  zwischen 
dem  grauen  Bund  (im  Vorderrheinthal)  und  Ober-  und  Unterengadin.    Ebda.  S.  48. 

*  Als  Karl  fV.  von  seiner  Kaiserkrönung  heimkehrte,  ging  er,  das  Gebiet  der 
Visconti  möglichst  vermeidend,  von  Cremona  durch  Val  Camonica  und  Veltlin  »versus 
Surgh  et  Sueviain".  Böhmer-Hub  er  2166».  Zuerst  erscheint  er  in  Augsburg.  Ist 
Surgh  wirklich  Zürich,  so  ergäbe  sich  als  direkteste,  damit  aber  noch  nicht  als 
wahrscheinlichsio  Route:  Bernina  und  Julierpafs.  Der  Kaiser  mufste  wegen  des 
Markgrafen  Ludwig  von  Brandenburg  den  Boden  von  Tirol  vermeiden. 


366  Dreiunddreifsigstes  K&pitel. 

Mailänder  Handelskammer,  welche  uns  zeigen,  wie  ernsthaft  der  Ver- 
such gemacht  wurde,  den  grofsen  Handelsverkehr  auf  diesen  Pafs  zu 
verlegen. 

Dafs  er  dem  Verkehre  der  Nachbarn  gedient  hat,  ist  in  keiner 
Weise  zu  bezweifeln.  Um  1300  stand  auf  der  Pafshöhe  ein  Kreuz.  Das 
Kloster  Disentis  besafs  ja  auch  Güter  im  Blegnothale,  und  wenn  der 
Verkehr  am  stärksten  natürlich  nach  Urseren  und  Wallis  über  Oberalp 
und  Furka  sich  wandte,  so  konnte  der  Lukmanier  doch  kein  Hindernis 
sein:  mufsten  doch  1344  sogar  Händel  zwischen  Formazza  und  Eschen- 
thal einerseits  und  den  Thälern  von  Disentis  geschlichtet  werden,  und  da 
handelte  es  sich  um  Räubereien  und  Diebstähle  ^  Den  Leuten  waren 
die  schwierigen  Pässe  um  den  Gotthard  kein  Hindernis.  Seit  der  Mitte 
des  vierzehnten  Jahrhunderts  waren  die  Silbergruben  im  Medelser  Thale, 
also  am  nördlichen  Zugange  zum  Passe  im  Betrieb^.  Der  Lukmanier 
trennte  so  wenig  die  Thäler,  dafs  1371  der  Abt  von  Disentis  die  Alpen 
am  Lukmanier  nach  Formazza  verpfänden  konnte^.  Drei  Jahre  später 
schlössen  die  Gemeinden  von  La  Ca  De  (Gotteshaus,  Disentis)  und 
Blegno  durch  den  Abt  und  den  Vikar  der  Brüder  Pepoli,  der  Pfand- 
herren des  Blegnothales,  einen  Freund  schaf tsver  trag  ab,  worin  sie  sich 
gegenseitig  freien  Durchzug  mit  ihren  Waren  zusicherten*. 

Von  Kaufleuten  ist  nicht  die  Rede  und  doch  hatte,  wie  eine  wohl 
zuverlässige  Überlieferung  berichtet,  schon  1374  Abt  Johann  (Venner 
von  Freudenberg)  das  oberste  der  drei  Hospize  des  Medelser  Thaies,  St. 
Maria  benannt,  errichtet,  dotiert  und  mit  einem  Bruder  aus  dem  Blegno- 
thale besetzt*.  Wann  das  Hospiz  St.  Johann  von  den  Medelsern,  wann 
St.  Gallus  von  Disentis  aus  errichtet  wurde,  ist  nicht  überliefert '*.  Auf 
italienischer  Seite  lagen  drei  Hospize:  das  hospiialc  ss.  Sepulchri  et 
Barnabe  de  Ca^jcatiay  zu  Casaccia,  das  hospitale  s.  Defenäentis  in  Cam- 
perio  und  ein  weiteres  in  Olivone.  Die  drei  waren  eng  mit  einander 
verbunden,  und  das  wichtigste  unter  ihnen  war  das  Spital  von  Camperio, 
das  noch  heute  seinem  Zwecke  dient.  An  der  Spitze  desselben  stand 
1389  ein  Prior,  genauer  sind  wir  unterrichtet  über  die  Zustände  von 
1466 — 14S5,  die  höchst  unerfreulich  waren.  Die  Prioren,  die  einander 
folgen,  sind  um  den  eigentlichen  Zweck  der  Stiftung  wenig  oder  gar 
nicht  bekümmert,    das  Geld  wird  nicht  zu  Spenden    verwendet,   es  wird 


1  Mohr  2,  876.    Es  wurde  also  offenbar  auch  der  Weg  vom  IIo5i)iz  Sa.  Maria 
durch  Val  Piora  nach  Airolo  benutzt. 

2  Plattner  12. 

3  Mohr,  Regesten  von  Disentis  Nr.  132. 
*  Mohr  .S,  294  zu  1876  Juli  13. 

5  Mohr,  Reg.  v.  Disentis  Nr.  183. 

«  Vgl.  auch  Nüscheler,  Die  Gotteshäuser  Heft  1,  78. 


Lukmanier.  367 

vielmehr  1485  der  Prior  bezichtigt,  die  Einkünfte  beim  Spiel,  im  Wirts- 
haus und  mit  Weibern  zu  verthun^ 

Im  Jahre  1B91  erschien  nun  ein  Kaufmann,  Remedius  de  Chumis, 
bei  Abt  Johann  IV.  und  erwirkte  einen  Brief,  worin  der  Abt  von  den 
von  wälschen  oder  deutschen  Kaufleuten  durchzuführenden  Waren  einen 
Blaphart  von  der  Saumlast  weniger  als  bisher  zu  nehmen  erklärte.  Die 
Urkunde  wurde  der  Mailänder  Kaufmannschaft  zugesandt^.  Täusche  ich 
mich  nicht,  so  geht  der  Plan,  den  Lukmanier  zum  Handel  einzurichten, 
nicht  von  Mailand  oder  Como,  sondern  von  Konstanz  aus,  und  ist  diese 
Urkunde  die  Nachwirkung  einer  Gesandtschaft  von  Mailand,  welche  1390 
dorthin  ging,  über  die  an  anderer  Stelle  näher  zu  handeln  ist.  Von  den 
Gesandten  sind  vermutlich  nach  Mailand  zwei  höchst  merkwürdige  Auf- 
zeichnungen geschickt  worden,  die  in  den  Quellen  der  Handelsgeschichte 
wohl  wenige  Gegenstücke  haben.  Es  sind  ganz  genaue  Angaben  über 
sämtliche  Abgaben,  welche  von  der  Saumlast  auf  dem  Wege  von  Kon- 
stanz bis  nach  Biasca  und  umgekehrt  zu  entrichten  sind^.  Und  diese 
Dokumente  beweisen  uns,  worüber  sonst  keine  Quelle  redet,  dafs  auch 
diese  StraCse  ihre  Susten  und  ihre  besonderen  Zölle  besafs ,  dafs  also  auch  j 
durch  das  Vorderrheinthal  ein  nicht  unbedeutender  Handelsverkehr  seinen 
Weg  nahm. 

Die  iPacta  pro  conduciu  a  Leventina  usque  Costaniiam^  geben  die 
Abmachungen  für  die  ganze  Route  Biasca-Konstanz,  für  die  Ausfuhr 
also  und  für  das  Fardel,  die  yPada  pro  itinere  Constanzie  et  Coyre^  be- 
treffen die  Einfuhr,  geben  die  Posten  für  den  Wollenballen  und  die  Ein- 
fuhr nach  Italien  an.  Wir  haben  also  dieselbe  Reiseroute  für  hin  und  zu- 
rück, aber  für  zwei  verschiedene  Transportobjekte.  Es  ergiebt  sich 
daraus  die  Tabelle  auf  S.  368. 

Die  kleinen  Differenzen  zwischen  den  wirklich  aus  den  Einzelposten 
berechneten  Summen  und  den  angegebenen  Gesamtsummen  ist  man  bei 
mittelalterlichen  Rechnungen  gewöhnt,  wir  wollen  sie  vernachlässigen. 

Der  Transport  nach  Konstanz  war  demnach  nicht  unwesentlich 
billiger,  als  der  von  dort  ausgehende.  Dieser  Unterschied  beruht  wohl 
vorwiegend  darauf,  dafs  in  diesem  Falle  es  sich  um  schwere  Wollen- 
ballen handelt,  in  jenem  um  Fardel,  die  auch  in  Zolltarifen  verschieden 
behandelt  zu  werden  pflegen.  Auffallend  ist,  dafs  der  FardelzoU  in 
Werdenberg  und  Vaduz  höher  ist  als  der  Wollballen  zoll ,  in  Rheineck, 
Mayenfeld,  Chur  und  Trins  ist  das  Umgekehrte  der  Fall.  Der  Zoll 
von  Balzers  wird  nur  von  der  Wolle  erhoben,  in  vier  Fällen  ist  der  Zoll 

»  Motta  in  Bollet.  stör,  della  Svizz.  ital.  13,  23-30.  Vgl.  auch  2,  33.  24:^. 
3,  280  u.  11,  55. 

-  Urkunden  Nr.  37. 

^  Urkunden  Nr.  33  u.  34. 


DrcianddreifBigstes  Kapitel. 


Richtung 
Konstanz-Bellinzona 

Wollballen 

Riehtuna 

Fardel 

Zoll    '     ^^^^-    '    S,.«t 

z."  >a-   s,,.. 

Konetanz 

Kon  stanz -lUicinock  . 

Rlieineck 

Ehemook-THatten.  . 
Blatten           .   .  .   . 
Blatten -Wcnleuberg 
Werdeiiterg          -    ■ 
"Werdeuberg-Scliaaii 

ßchaan     

Schaan-BalzerB.   .    . 
Vaduz 

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lirBlllbi. 

Balzera-Mayeufold  . 

Mayenfeld 

Mayenfeld-Zizers  .    . 

Zizers 

Ziiers-Chur    .   .   .  . 

Chur 

Chur-Triaa 

Trins 

Trins-Laai 

Lasi 

Laax-Kuis 

An  einer  Brücke .  . 

- 

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3 

1 

2 

- 

- 

1 
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1 

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6 

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3 
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6 

6 

- 

- 
I 

Ruis 

RuiB-Tmna 

TninB-CaEavcia.    .   . 
Drei  Susten   .... 
Oasaccia-Bioeca  .  . 
Drei  Suaten  .... 
Biftsca-BeUinzoiiK  . 
Blasca-Claro  .   .    .  . 

: 

^1 

6     — 

i 

1511 

1 

HS 

1 

3 

iDmiTuhi. 

t  SulM. 

510 

-^ 

3 

4 

5 

„L, 

BiuM. 

Angegebene  Summe 

l7  10 
1  710 

5','» 

8    , 

1 

6 
6 

Sl  3    ' 
7JI0'/.. 

1 
1 

Differenz 

- 

2'/» 

+ 

4'» 

1 

Lukmanier.  3g9 

für  beide  Gattungen  gleich.  Im  ganzen  waren  am  Wege  also  elf  Zoll- 
stätten. Von  den  Gesamttransportkosten  entfielen  auf  den  Zoll  beim 
Wollenballen  23,88^/0,  beim  Fardel  aber  29,82.  In  beiden  Fällen  eine 
gewifs  überraschend  niedrige  Ziffer,  besonders  wenn  man  bedenkt,  dafs 
fast  ein  Drittel  auf  den  Zoll  in  Konstanz  kommt.  Die  eigentlichen 
Transportkosten  bestehen  aus  den  Fuhrlöhnen  und  den  Sustgeldern.  j 
Letztere  sind  fast  gleich,  es  Hegt  nur  eine  Differenz  von  einem  halben 
Pfennig  vor.  Beim  Wollenballen  nehmen  die  19  Susten  2,72  ®/o  der  Ge- 
samtkosten weg,  beim  Fardel  3,13  ®/o.  Der  gröfste  Anteil  fällt  auf  die 
Transportkosten  mit  73,40  bez.  67,05  <^/o.  Die  Differenz  der  Fuhrlöhne 
erstreckt  sich  auf  die  Strecke  Rheineck  bis  Trins  und  Truns-Casaccia. 
Das  zwischenliegende  Stück  wie  die  Schiffahrtsstrecke  auf  dem  Bodensee 
hatte  völlig  gleiche  Ansätze,  sonst  wurde  das  Fardel  stets  billiger  be- 
fördert als  der  Wollenballen.  Aus  dem  Ganzen  geht  hervor,  dafs  die 
Fuhrkosten  sehr  viel  mehr  den  Beutel  der  Kaufleute  beanspruchten,  als 
die  Zölle,  dafs  also  übertriebene  Forderungen  der  Porten,*  wie  sie  auf 
dem  Septimer  vorkamen,  die  Kaufleute  noch  viel  sicherer  von  einer 
Strafse  vertrieben,  als  hohe  Zollforderungen. 

Betrachten  wir  nun  den  Teil  des  Weges  näher,  der  ausschliefslich 
vom  Lukmanier  abhing  (bez.  Oberalppasse).  Auf  dieser  Strecke  von 
Chur  bis  Biasca  lagen  vier  Zölle.  Den  Zoll  von  Trins  finde  ich  1434 
erwähnt  in  der  interessanten  Urkunde,  in  der  sich  die  freien  von  Laax 
dem  Bischöfe  als  Gotteshausleute  ergeben*,  ebenso  erscheint  1423  ein 
solcher  zu  Reichenau,  »rfer  da  zu  Drunse  gehörte^  *.  Und  es  ist  diese 
Stätte  auf  der  „Zollbrücke"  wohl  auch  in  unsem  Pacta  gemeint,  es  war 
also  ein  Zoll,  der  den  Grafen  von  Werdenberg- Heiligen berg  von  der 
Herrschaft  wegen  zu  Hohentrins  gehörte.  Dann  trat  die  Strafse  in  den 
Bereich  der  Herrschaft  Laax,  der  zu  Laax  erhobene  Zoll  ist  sonst  nicht 
erwähnt,  er  kam  den  Pfandbesitzem  dieser  „Grafschaft",  den  Grafen  von 
Werdenberg-Sargans  zu  gute.  Das  ^pedagium  ad  quendam  pontem^  lag 
nach  den  Pacta  zwischen  Laax  und  Ilanz,  es  kann  wohl  nur  bei  der 
Brücke  von  Schleuis  unterhalb  der  Löwenburg  erhoben  worden  sein.  Diese 
Herrschaft  war  um  1365  von  den  Rhäzüns  an  dieselben  Grafen  über- 
gegangen. Der  letzte  Zoll  wurde  bei  der  obersten  Stadt  am  Rheine  bei 
Ilanz  für  eine  Herrin  erhoben.  Unter  ihr  ist  offenbar  Elisabeth  von 
Rhäzüns  gemeint,  die  mit  Kaspar  von  Sax  zu  Mosax  vermählt  war  und  die 
aus  der  Erbschaft  der  ausgestorbenen  Belmont  eine  besondere  Herrschaft 
gebildet  hatte*.   Die  Pacta  bezeichnen  ganz  mit  Recht  sie  als  die  Herrin 


1  Jecklin  S.  26. 

«  Krüger,  Regest  799.    Muoth  78. 

•  Juvalt  2,  217. 

Sehulte,  Qetoh.  d.  mittelalterl.  HuidelB.    I.  24 


370  Dreiuuddreifsigstes  Kapitel. 

des  Zolles^.     Es   hatten   somit   ziemlich   alle  am   Wege   wohnenden  Dy- 
nasten in  ihrem  Gebiete  Zollstätten  errichtet. 

Den  alten  regelmäfsigen  Verkehr  beweisen  vor  allem  die  Susten, 
von  Chur  bis  Bellinzona  gab  es  deren  elf.  Die  Lage  ist  angegeben  von 
denen  in  Trins,  Laax^  Ruis  und  denen  zu  Biasca  und  Claro.  Zwischen 
beiden  Gruppen  lagen  sechs  weitere.  Nun  sind  von  Ruis  bis  Disentis 
37  Kilometer,  hier  lagen  gewifs  zwei,  wenn  nicht  drei  Susten.  Der  Rest 
von  drei  bez.  vier  Susten  würde  sich  dann  auf  die  eigentliche  Pafsstrecke 
von  Disentis  bis  zum  Ausgang  des  Blegnothales  verteilen,  es  sind  dar- 
unter wohl  auch  einige  der  Hospize  zu  verstehen.  Im  ganzen  ist  die 
Zahl  der  Susten  so  grofs,  dafs  unmöglich  alle  einem  Bedürfnisse  ent- 
sprachen. Es  hätte  dann  der  Transport  von  Chur  bis  Bellinzona  zwölf 
Tage  gedauert,  bei  dem  36.  Kilometer  (moderne  Chaussee,  aber  dieselbe 
Richtung)  wären  die  Kaufleute  schon  zum  dritten  Nachtlager  gezwungen 
gewesen. 

Der  Lukmanier  hat  dann  auch  noch  die  Züge  oder  besser  gesagt 
die  Reisen  eines  römischen  Kaisers  gesehen.  Die  Fahrt  von  1413,  wo 
Siogmund  sich  nach  Italien  begab,  um  die  Verhandlungen  wegen  eines 
Konzils  mit  Papst  Johann  XXIll.  zum  Abschlufs  zu  bringen,  und  seinen 
Zug  zur  Krönung  (1431)  nimmt  Öhlmann^  freilich  für  den  Bernhardin  in 
Anspruch,  allein  Motta  hat  das  Zeugnis  eines  Mailänder  Gesandten  von 
1457  beigebracht^  der  direkt  sagt,  Siegmund  habe  zweimal  den  Lukmanier 
benutzt^,  und  auch  eine  Urkunde  Siegmunds  ist  1413  im  Blegnothale 
ausgestellt '*.  Auch  1431  ist  der  Aufenthalt  in  Disentis  durch  eine  Ur- 
kunde direkt  bezeugt^,  und  ebenso  seine  Ankunft  im  Blegnothale,  wo 
er  sehr  schlecht  untergebracht  war,  da  er  nicht  einmal  ein  ordentliches 
Bett  hatte«. 

In  der  Geschichte  der  beiden  Pässe  Splügen  und  St.  Bernhardin 
ragt  die  grofse  technische  Leistung  der  Eröffnung  der  Via  mala,  zu  der 
sich  einfache  Landleute  in  kühner  Entschlossenheit  vereinten,  hervor. 
Wenn  aber  die  That  der  Ursener  einen  bis  dahin  nicht  vorhandenen  Weg 
öffnete,  so  haben  die  Leute  von  Thusis  einem  schon  bestehenden  Ver- 
kehr, der  diesen  gefährlichen  Pfad  benutzte,  Erleichterung  verschafft. 
Es  ist  mir  doch  gelungen,   eine  ganze  Reihe  von  Zeugnissen  zusammen- 


'  Der  Zoll  war  1483  von  den  Sax-Mosax  verpfändet.    Urkunden  Nr.  285. 

2  2,  315. 

«  ßoU.  ötor.  d.  Svizz.  it.  4,  125  Anm.  u.  11,  54..; 

*  Finke,  Forschungen  u.  Quellen  z.  Gesch.  d.  Konstanzer  Konzils  311  ff. 

^  Altmann,  Reg.  8954.  Das  Blegnothal  war  damals  in  den  Händen  der  Frei- 
herrn von  Sax,  die  Siegmund  offenbar  zum  Dank  zu  Grafen  von  Mosax  erhob. 
V.  Liebeuau,  I  Sax. 

«  Osio  3,  35  f. 


Die  übrigen  Pässe.  371 

zubringen,  welche  beweisen,  dafs  schon  vorher  der  Kaufmann  hier,  wo 
es  weder  eine  regelrechte  Strafse  noch  Transportgenossenschaften,  aber 
auch  keine  Abgaben  gab,  wandelte.  Die  Kaufleute  folgten  den  Bewoh-  / 
nern  der  Thäler.  Schon  1219  war  der  Krieg  zwischen  den  Bündnern 
und  den  Leuten  von  Cleven  auch  über  den  Splügen  geführt  worden  und 
1428  war  abermals  ein  Friedensschlufs  zwischen  den  Leuten  von  Schams 
und  dem  St.  Jakob sthal  abgeschlossen  ^  Der  lokale  Verkehr  war  un- 
zweifelhaft längst  ein  reger,  er  zog  auch  die  ferner  abwohnenden  Kauf- 
leute an.  Oberhalb  der  Via  mala  stand  wohl  damals  schon  die  »Stein-  \ 
brücke  über  dem  Rheine^.  ' 

Es  war  ein  Schleichweg,  den  der  fremde  Kaufmann  benutzte,  freilich 
ganz  entging  er  den  Zöllnern  nicht,  denn  oben  im  Rhein wald  bestand 
schon  ein  werdenberg-sargansischer  Zoll^,  dessen  Ertrag  nicht  so  klein 
war.  Aber  noch  1439  gab  es  auf  der  Strafse  keine  „Rott"  und  keine 
„Fürleite",  der  Kaufmann  begnügte  sich  mit  dem  Pfade,  den  der  Alpler 
und  sein  Vieh  benutzte,  und  sorgte  selbst  für  das  Fortkommen  seiner 
Waren.  Gegen  die  Erhebung  einer  Fürleite  protestierte  in  dem  ge- 
nannten Jahre  der  Rat  der  Stadt  Nürnberg  in  einem  Schreiben  an  die  . 
Stadt  Chur,  als  wenn  diese  für  die  Erhebung  verantwortlich  wäre*.  Das 
Treiben  in  dem  einsamen  Thale  von  Splügen  wurde  so  lebhaft,  dafs  als 
1443  Graf  Heinrich  diesem  Orte  einen  Wochenmarkt  und  einen  Jahr- 
markt verlieh,  er  hoffte,  dafs  sich  dort  ein  Tuchhandel  entwickeln 
würde:  wohl  gar  eine  Messe  im  Angesichte  der  Gletscher,  die  die  Quelle 
des  Rheins  umgeben*^.  Der  Verkehr  wurde  immer  stärker,  immer  unan- 
genehmer für  die  Porten  am  Septimer.  ' 

Sie  glaubten  den  Verkehr  als  ungesetzlich  verbieten  lassen  zu 
können  und  die  Häupter  der  vier  Porten  —  es  sind  zum  Teil  hoch  an- 
gesehene Adlige:  Rudolf  von  Castelmur  zu  Vicosoprano,  Hans  von  Sal 
zu  Stalla,  Conradin  von  Marmels  zu  Tinzen  und  Jakob  Mett  zu  Lenz 
—  führten  vor  dem  Bischöfe  Ortlieb  den  Prozefs  der  Porten  gegen  die 
Stadt  Chur,  sie  solle  verurteilt  werden,  fremde  Kaufleute  nur  auf  die 
alte  (Septimer)stra!*se  zu  fertigen.  Es  sei  noch  bei  des  Bischofs  Antritt 
Gebrauch  gewesen,  dafs  jeder,  der  Kaufmannsgut  nach  Welschland  habe 


»  Mohr  1,  259,  Crollalaiiza  98  und  v.  Salis-Seewis  48.  Über  Viehraub 
von  Mailändern  auf  Gebiet  des  Grafen  Johann  v.  Werdenberg -Sargans,  also  wohl 
im  Klieinwald  1394  s.  Arch.  stör,  lonib.  21,  2,  54. 

2  Muoth  94. 

«  Krüger,  Regest  576.  Es  wurden  damals  (1396)  12  ft  ^  jährlich  davon  für  eine 
Altarstiftung  bestimmt.  Auf  dem  Zolle  zu  „Rhein"  verschrieb  1482  Graf  Georg  von 
Werdenberg  seiner   unehelichen  Tochter  Anna  100  fl.    Rätische  Urkunden  437. 

*  Urkunden  Nr.  386. 

^  Abschrift  im  Staatsarchiv  Graubünden. 

24* 


372  Dreiunddreifsigstes  Kapitel. 

fertigen  wollen,  habe  geloben  müssen,  sie  diesen  Weg  führen  zu  lassen, 
es  sei  denn,  dafs  es  sich  um  Transport  nach  Locarno  gehandelt  h<ibe. 
Ihr  fester  Rechtsboden  war  jener  Befehl  Karls  IV.,  der  alle  andern 
Strafscn  untersagte.  Die  von  Chur  entgegneten  mit  Recht,  sie  könnten 
den  Kaufleuten  nichts  befehlen,  ein  Teil  der  Kauf  leute  wolle  die  „untere 
Strafse",  also  den  Weg  durch  die  Via  mala,  benutzen;  da  hätten  alle 
Bitten  der  Churer  nicht  geholfen,  ja  einer  von  der  Ravensburger  Ge- 
sellschaft, Hans  Lienhart,  der  seine  Waren  zu  Mayenfeld  habe  liegen  ge- 
habt, habe  erklärt,  er  würde  Heber  über  den  Kunkelspafs  gehen,  um  den 
Zugang  zur  unteren  Strafse  zu  benutzen,  als  die  alte  fahren.  Die  Kauf- 
Icute  klagten  über  neue  Zölle,  Fürleiten  und  Schätzungen,  nicht  die  Stadt 
Chur,  sondern  die  Porten  hätten  die  Strafse  niedergelegt.  Gegen  diese 
Gründe  hätten  die  vier  von  den  Porten  schwer  aufkommen  können,  sie 
bestritten  die  Erhöhung,  für  die  Zölle  sei  der  Landesherr  kompetent, 
und  wenn  je  etwas  Unbilliges  geschehen,  wollten  sie  sich  fleifsen  in  Zu- 
kunft nach  alter  Billigkeit  zu  handeln.  Der  königliche  Befehl  Karls  IV. 
gab  die  Entscheidung  und  die  vier  mochten  heimreiten  in  dem  Glauben, 
nun  sei  die  Konkurrenz  erledigt  ^ 

Es  war  eine  Täuschung.  1471  waren  neue  Klagen  von  Ulm  laut- 
bar geworden  und  den  vier  Portgenossenschaften  gab  nun  Bischof  Ort- 
lieb mit  Rat  der  Portensboten  neue  Statuten,  worin  zugesichert  wurde, 
dafs  die  Kaufleute  von  St.  Gallen  in  der  Port  Bivio,  das  Gut  Konrad 
Ruhings  aber  in  der  Port  Bergell  gemäfs  alter  Bewilligung  vor  andern 
gefertigt  werden  solle  ^. 

Die  Konkurrenten  nützten  die  Stimmung  der  Kaufleute  aus.  Leute 
aus  den  Orten  Thusis,  Katzis  und  Mazein  thaten  sich  zusammen,  um 
den  weg  enzwischend  Tt4sis  und  SchamSj  so  man  nempi  Fya  mala  zu  hauen, 
aufzurichten  und  zu  machen,  sie  erhielten  Hilfe  von  denen  von  Schams, 
Rheinwald,  Clevner  Thal  und  Misoxer  Thal,  also  auch  von  jenseits  des 
Splügens  und  St.  Bernhardins,  und  nachdem  die  Strafse  fertig  war,  bil- 
deten die  am  Unternehmen  Beteiligten  1473  eine  Portgenossenschaft, 
die  also  nicht  aus  der  Gemeinde,  sondern  aus  einer  Unternehmungs- 
gesellschaft hervorgingt.  Es  waren  im  ganzen  fünfzig  Rodanteile  vor- 
handen*. Jährlich,  an  St.  Georgen,  setzte  sich  die  Gesellschaft  ihren 
Teiler.  Zu  beachten  ist,  dafs  auch  hier  von  Ochsen  die  Rede  ist,  also 
auch  in  den  schauerlichen  Klüften  der  Via  mala  hatte  man  eine  wagen- 
breite Strafse  angelegt.     Jeder  Teilhaber  haftete   dem   Fremden,   dessen 

1  Urkunden  Nr.  291. 

3  V.  Salis-Seewis,  Gesammelte  Schriften  77  Anm. 

'  Wrtgner,  R.,  Der  Via  mala-Hrief,  in  Zeitschrift  f.  d.  gesamte  Handelsrecht 
30,  60-68. 

*  Thusis:    2s,  Mazein:    14  und  Katzis:   8.    Die  Namen  sind  aufgezählt. 


Die  übrigen  Pässe.  373 

Waren  Schaden  nahmen,   bis   zu   50  fl.     Graf  Georg  von   Werdenberg- 
Sargans,  mit  dem  sein  Haus  aussterben  sollte,  bestätigte  die  Genossenschaft. 

Die  neue  Strafse  zog  die  Kaufleute  so  stark  an,  dafs  der  Biscliof 
Ortlieb  sich  an  die  Gemeinde  Plurs  wandte,  sie  möge  die  Klagen  der 
Kaufleute,  welche  sich  mehr  und  mehr  anderen  Wegen  zuwendeten,  ab- 
stellen, geschehe  das  nicht,  so  müsse  er  sich  an  den  Herzog  von  Mai- 
land wenden ^  Das  Gebot  des  Bischofs,  dafs  alles  Kaufmannsgut  tiber 
Lenz  und  den  Septiraer  gehen  sollte,  mifsachteten  einzelne  Bürger  von 
Chur  und  fuhren  über  Vaz*,  und  daraus  ergiebt  sich,  dafs  mit  dem 
Ausbau  der  Via  mala  auch  der  romantische  Schynpafs  benutzt  wurde. 
Diese  schwierige  Schlucht  hat  aber  wohl  kaum  vor  Ausbau  einer  ordent- 
lichen Strafse  einen  grofsen  Verkehr  gesehen.  1475  verkaufte  übrigens 
der  Werdenberger  seine  Besitzungen  auf  dem  Heinzenberg  und  Thusis  an 
den  Bischof  von  Chur*,  bis  1493  blieb  hingegen  die  Landschaft  Rhein- 
wald beim  Hause  Werdenberg. 

Dem  Beispiele  von  Thusis  folgten  die  Gemeinden  von  Schams, 
Rheinwald ,  St.  Jakobsthal  und  Misox  und  begründeten  Porten ,  doch 
geht  das  Quellenmaterial  nicht  bis  in  das  Mittelalter  zurück.  Auch 
entstand  eine  weitere  am  Fufs  des  Heinzenberg  in  Rhäzüns,  so  dafs 
fünf  Porten  den  Verkehr  über  den  Splügen  und  ebenso  viele  über  den 
St.  Bernhardin  vermittelten*. 

Einiges  ist  auch  'aus  italienischen  Quellen  zu  gewinnen.  So  folgt 
daraus,  dafs  die  Rheinwälder  zahlreiche  Zoll  Privilegien  von  den  mailän- 
disehen  Herzögen  seit  1442  hatten,  dafs  der  Verkehr  über  den  Splügen 
auch  seitens  der  Thalbewohner  nicht  gering  war®.  Die  Beschreibung 
der  von  Bellinzona  aus  führenden  Strafsen  nennt  auch  den  Bernhardin, 
aber  während  es  hier  knapp  heifst:  „der  Weg  führt  über  den  Vogelberg 
(monte  uheUo)  ins  Rheinthal  nach  Chur  und  in  viele  andere  Teile  Deutsch- 
lands," sagt  Ermaimo  Zono,  dem  wir  diesen  Bericht  verdanken,  vom 
Gotthard,  der  Weg  führe  nach  Ober-  und  Niederdeutschland,  nach  Frank- 
reich, England,  Burgund  und  in  das  ganze  Uferland  des  Rheines*.  Im 
Anfange  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  predigte  auch  in  den  gebirgigen 
Teilen  der  Lombardei  der  hl.  Bernhardin  von  Siena  (f  1444).  Ihm  zu 
Ehren   wurde  (wohl   erst  nach    seiner   Heiligsprechung   1450)  auf  dem 


1  Urkunden  Nr.  284. 

2  Urkunde  vom  25.  September  1475  des  Stadtarchivars  Chur,   mitgeteilt  von 
Fr.  V.  Jccklin. 

^  Krüger,  Regest  1013. 

*  Berlin  15.   Der  Vortrag  von  Tagliabue  über  die  Porten  von  Misox  im  Bündner 
Tagblatt  1892  Nr.  36—39  konnte  von  mir  nicht  eingesehen  werden. 
'*  Wagner,  Zeitschr.  f.  Schweiz.  Recht  Bd.  25  S.  261  Anm.  1. 
^  Boll.  stör.  d.  Svizz.  it.  11,  55. 


374  Dreiunddreifsigstes  Kapitel. 

Vogelberge  eine  Kapelle  errichtet,  welche  bald  den  alten  Namen  des 
Passes  verdrängtet 

Das  Misoxer  Thal  war  ein  nach  Süden  vorgeschobenes  Dynasten- 
gebiet. Wenn  schon  die  Rusconi  und  Sanseverino  die  gröfste  Mühe 
hatten,  sich  zu  behaupten,  obwohl  ihnen  Städte  gehörten,  war  der  Besitz 
der  Freiherren  von  Sax  nur  auf  die  Verteidigung  der  vortrefflichen  Burg 
Mosax  begründet,  deren  herrliche  Ruinen  zu  dem  schönen  Thale  ge- 
stimmt sind.  Zwischen  den  Bünden  Churrhätiens,  deren  Mitglieder  die 
Mosax  waren,  den  Eidgenossen  und  den  Herzögen  von  Mailand  ein- 
gekeilt, schädigte  sich  diese  Familie  noch  durch  innere  Streitigkeiten  und 
unkluge  Politik,  vor  allem  auch  ihren  Unterthanen  gegenüber.  Der  Ge- 
gensatz zu  der  aufstrebenden  Kraft  der  sich  selbst  verwaltenden  Thäler 
ist  höchst  beachtenswert.  Die  Getreidesperre,  die  1480  vom  Herzog  von 
Mailand  gegen  das  Thal  verhängt  wurde  ^,  bezwang  den  Grafen  Johann 
Peter,  er  verkaufte  seinen  Besitz  an  den  aus  der  Geschichte  sehr  be- 
kannten späteren  französischen  Marschall  Trivulzio,  das  war  eine  schlecht 
verhüllte  Abhängigkeit  von  Mailand. 

Die  Pässe  des  Septimer  und  Splügen  liefen  auf  den  Comersee  zu, 
und  an  seinem  Ufer  gab  es  an  der  Landungsstelle  keine  Sust,  bis  1502 
einige  deutsche  Kaufleute  —  deren  Namen  leider  von  Crollalanza,  dem 
wir  die  Nachricht  verdanken,  nicht  genannt  sind  —  mit  den  Pestalozza 
von  Chiavenna  über  die  Errichtung  einer  Sust  sich  einigten,  gegen  die 
Entrichtung  einer  Abgabe  von  jeder  Saumlast  errichteten  die  letzteren 
den  Bau,  1577  wurde  auf  neue  Bitten  der  fremden  Kaufleute  ein  neues 
Gebäude  statt  des  inzwischen  verfallenen  aufgeführt®.  ^ 

Mit  wenigen  Strichen  mufs  ich  den  Hintergrund  zeichnen,  auf  dem 
sich  das  Verkehrsleben  abhob,  die  Geschichte  Graubündens  im  vier- 
zehnten und  fünfzehnten  Jahrhundert.  Es  ist  die  Zeit  des  Verfalles  der 
alten  feudalen  Gewalten,  des  Emporkoramens  der  Thalgemeinden  und 
des  Zusammenfassens  zu  Bünden.  Der  Adel,  unter  dem  der  Tod  ge- 
waltig aufräumte ,  verlor  Thal  auf  Thal ,  der  Bischof  sah  seine  Gewalt 
von  unten  her  immer  mehr  eingeschränkt,  und  er  mufste  1367  den 
Gotteshausbund  entstehen  sehen,  der  gegen  ihn  selbst  wegen  seiner 
Freundschaft  mit  Österreich  gerichtet  war.  Die  Lebenskraft,  welche  die 
ürkantone  in  einem  viel  härteren  Kampfe  bewährt  hatten,  äufserte  sich 
auch  in  den  bündnerischen  Thalgemeinden,  unter  denen  ja  die  Walser- 
kolonien schon  von   vornherein  eine  grofse  Freiheit  besessen  hatten.     In 

^  Sali  8  S.  263.  Nach  v.  Lieben  au,  I  Sax  11,  59  predigte  St.  Bemhardin 
1432  im  Vcltlin  und  in  Como,  1436  im  Gebiet  von  Lugano.  Der  Name  findet  sich 
meines  Wissens  zuerst  bei  Tschudi  in  der  Gallia  comata. 

2  V.  Liebenau  11,  178. 

'  Crollalanza  187. 


Die  übrigen  Pässe.  375 

der  Regel  vollzog  sich  der  Sieg  über  den  Feudalismus  auf  legalem  Wege, 
wenn  es  an  bitteren  Fehden  auch  keineswegs  gefehlt  hat.  An  allen 
Bünden  waren  Thalgemeinden  als  Paktanten  beteiligt,  am  wenigsten  im 
oberen  grauen  Bunde  von  1395,  der  ein  Bund  einer  fest  geschlossenen 
geographischen  Landschaft  ist,  er  umfafst  Vorderrhein  und  Hinterrhein. 
Der  Bund  der  zehn  Gerichte  umfafste  nur  Gemeinden,  welche  nach  dem 
Aussterben  des  Hauses  der  Toggenburger  fürchteten,  durch  die  Zer- 
splitterung des  Erbes  auseinander  zu  kommen.  Der  Schwabenkrieg  von 
1498  gab  den  Bünden  ihre  Unabhängigkeit,  und  schon  schlofs  sich  auch 
die  Verbindung  mit  der  Eidgenossenschaft  ^ 

Die  Bünde  besafsen  eine  werbende  Kraft,  was  im  Mittelalter  den 
deutschen  Königen  und  den  Bischöfen  voi^  Chur  nicht  geglückt  war, 
die  Südhänge  der  Pässe  erwerben  und  dauernd  zu  behaupten,  gelang 
den  Bünden.  Das  Bergell  war  stets  erhalten  geblieben,  Chiavenna  haben 
die  Kaiser  Ludwig  und  Karl  dem  Bistume  Chur  wieder  verschaffen 
wollen,  allein  die  Pergamente  hatten  keine  Wirkung.  Und  ebensowenig 
die  Schenkung  eines  flüchtigen  Visconti^.  Aber  1512  eroberten  die  drei 
Bünde  das  Thal  und  behaupteten  es  bis  1797  als  Unterthanenland.  Der 
Südhang  des  St.  Bernhardin,  die  Landschaft  Misox  wurde  1480  bez. 
1496  ein  Glied  des  grauen  Bundes. 

Schon  vorher  war  es  den  Bündnern  geglückt,  die  Zollfreiheit  im 
Mailändischen  in  gleicher  Weise  wie  die  Eidgenossen  zu  erringen.  Mit 
den  Bewohnern  von  Rheinwald  hatte  schon  Herzog  Filippo  Maria  einen 
Vertrag  über  die  Weinzufuhr ^,  es  scheint  jedoch,  dafs  erst  die  Witwe 
des  ersten  Sforza  die  Versorgung  auch  anderer  Thäler  mit  bestimmten 
zollfrei  auszuführenden  Quantitäten  im  Jahre  1467  zugestand*.  Die 
Streitigkeiten,  die  mit  dem  Vormunde  Giovanni  Galeazzos  ausbrachen, 
führten  den  Angriff  der  Bündner  auf  Chiavenna  und  Bormio  herbei*, 
und  dabei  erkämpften  die  drei  Bünde  sich  die  ZoUfreiheit ,  wie  sie  den 
Eidgenossen  schon  zustand*. 

So  ist  auch  Qraubünden  ein  Pafsstaat  gewesen,  der  freilich  weder 
im  Norden  noch  im  Süden  bis  zur  Ebene  sich  auszudehnen  vermochte. 
Namentlich  im  Norden  war  ein  grofser  Teil  Unterrhätiens  verloren  ge- 
gangen. Schon  sehen  wir,  wie  dieser  Pafsstaat  in  den  des  Gotthards 
aufzugehen  beginnt.     Die  Eidgenossen   forderten   1479   den   Bischof  von 


*  Vgl.  Juvalt,  Wagner,  Dierauer;  die  Urkunden  bei  Jecklin  u.  s.  w. 
2  Vgl.  Plaijta,  Herrschaften  77  f. 

»  CroUalanza  63,  76  u.  123. 

*  Vgl.  Incantus  datiorum  des  Comasker  Stadtarchivs  T.  IV  Fol.  134.  —  Cam- 
pell  2,  548. 

*  Kind,  Der  Wonnserzug,  Arch.  f.  Schweiz.  Gesch.  17,  25  ff. 
«  Viglevano  1487  April  10,  Stadtarchiv  Chur. 


376  Yierunddreifsigstcs  Kapitel. 

Chur  und  den  Grafen  Georg  von  Sargans  auf,  die  Strafsen  ins  Mailän- 
dische zu  sperren,  damit  die  Eidgenossen  eine  bessere  Richtung  erhielten  ^ 
Die  Konkurrenzpässe  sollten  für  den  Hauptpafs  eintreten! 

Wenden  wir  uns  nun  der  Strafse  Chur  -  Rheineck  zu,  welche  alle 
Bündener  Pafsstrafsen  dem  Bodensee  zuführte. 

Vierunddreifsigstes  Kapitel. 
Die  Fortsetzungen  der  Pässe  bis  znm  Bodensee. 

Allgemeines,  Die  römische  Grundlage.  Organisation,  Die  acht  Herrschaften, 
Streit  ZizerS'Mayenfeld,  Geschichte  and  Bedeutung  Bheinecl's,  Strafse  Schaan-Bregetiz, 
Arlberg.  Bau  der  ScholJberg strafse.  Weg  über  den  Walensee,  Verkehrsstörungen^ 
Raubritter,  » 

Rückblick  auf  die  Geschichte  der  Bündner  Pässe. 

Reisebeschreibung  der  Gesandten  von  Venedig  1492,  Brüderschaft  der  fremden 
Kaufleute  in  Chur,  Angaben  über  die  Verkehrshöhe,  Krefssches  Briefbüchlein,  Dauer 
des  Transportes  Nürnberg-Mailand. 

Der  Verlauf  des  Weges  von  Chur  bis  zum  Bodensee  ist  durch  die 
Facta  von  1390  bis  in  fast  alle  Einzelheiten  festgelegt  und  stimmt  völlig 
mit  dem  Zuge  überein,  der  früher  schon  für  die  Römerstrafse  festgestellt 
wurde,  in  allen  Teilen  bewegte  sich  hier  der  mittelalterliche  Verkehr 
auf  einer  römischen  Strafse.  Die  Luziensteige  war  der  Pafs,  bei  Schaan 
lag  die  uralte  Fähre. 

Die  Susten  liegen  relativ  sehr  nahe  bei  einander,  nur  die  beiden 
ersten  Strecken  von  Rheineck  aufwärts  sind  je  22  Kilometer  lang,  zwei 
andere  sinken  auf  9  Kilometer  herab,  und  da  kann  es  wohl  kein  Zweifel 
sein,  dafs  der  Kaufmann  direkt  zwei  durchfuhr.  Von  Schaan  aufwärts 
folgen  auf  etwa  38  Kilometer  vier  Susten! 

Der  Weg  durchschnitt  nicht  weniger  als  acht  Herrschaften,  bei 
Rheineck  landete  das  Schiff  auf  altem  Reichsbodeu,  die  Stadt  aber  war, 
wie  die  folgende  Herrschaft,  das  gleichfalls  zum  Reiche  gehörige  Rhein- 
thal, in  den  Pfandbesitz  der  Grafen  von  Werdenberg- Heiligenberg  ge- 
kommen, während  der  Reichshof  Kriefsern  1274  an  die  Ramsch  wag  ver- 
pfändet worden  war.  Unter  ihrer  Burg  Blatten,  die  einst  der  kühne 
St.  Galler  Abt  Berthold  von  Falkenstein  erbaut  hatte,  lag  die  erste  Sust  *. 
Am  folgenden  Tage  ging  es  durch  das  dem  Reiche  gehörige  Gebiet  des 
oberen  Rheinthaies,  das  ebenfalls  an  die  Werdenberger  verpfändet  war, 
die  Herrschaft  der  Freiherrn  von  Sax,  und  am  Abend  wurde  in  Werden- 
berg geruht  unter  der  Stammburg  der  Grafen  von  Werdenberg,  deren 
Heiligenberger   Zweig  die   Burg   besafs.     Die   Fähre,    werdenbergischer 


'  Eidg.  Abschiede  3,  1,  33. 

8  Über  Blatten  vgl.  Hardegger  u.  Wartmann,  Der  Hof  Kriefsern  passim, 
auch  die  Karte  S.  360. 


Die  Fortsetzungen  der  Pässe  bis  zum  Bodensee.  377 

Besitz  ^,  brachte  die  Kauf leute  dann  auf  das  rechte  Rheinufer  in  die 
Herrschaft  Vaduz,  die  dem  Sarganser  Zweige  gehörte,  1309  an  die 
Brandis  verp&ndet  wurde  und  sich  in  dem  heutigen  Fürstentume  Liech- 
tenstein als  die  letzten  Trümmer  alter  rhätischer  Dynastenherrlichkeit 
erhalten  hat.  In  Mayenfeld  war  man  auf  dem  Boden  der  Grafen  von 
Toggenburg,  um  endlich  jenseits  der  Landquart  zu  dem  alten  Königs- 
hofe Zizers  und  damit  in  das  Gebiet  der  vier  dem  Bischöfe  von  Chur 
gehörigen  Dörfer  und  in  seine  Bischofsstadt  selbst  zu  kommen. 

Ein  Zoll  von  Zizers  bestand  1390  noch  nicht,  aber  1511  verklagten 
die  Leute  von  Zizers  die  drei  Kaufmannsgesellscliaften  Welser  -  Vöhlin, 
Humpifs  und  Besserer,  deren  Leute,  die  Baumwolle  führten,  sie  mit 
Recht  niedergeworfen  zu  haben  meinten,  weil  sie  keine  „Fürleite"  zahlen 
wollten.  Die  Leute  beriefen  sich  darauf,  dafs  sie  Weg  und  Steg  bessern 
müfsten.  Das  wolllten  die  Vertreter  der  Gesellschaft  aber  durchaus 
nicht  einräumen,  die  Porten  im  Gebirge  hätten  Arbeit  an  der  Strafse, 
nicht  aber  die  von  Zizers,  die  in  der  Ebene  lägen.  Die  Fürleite  von  Tuch 
und  Papier  sei  neuerdings  durch  den  Teiler  erhöht.  Diese  Erhöhung 
wurde  vom  Gericht  bestätigt,  nicht  aber  der  Zoll  auf  Baumwolle  *. 

Die  Sust  zu  Zizers  war  unzweifelhaft  älter  als  die  von  Mayenfeld, 
und  es  macht  auch  den  Eindruck,  als  sei  hier  ursprünglich  der  Sitz  der 
Transportgenossenschaft  gewesen.  Es  liegt  sehr  nahe,  sich  des  alten 
Königshofes  zu  Zizers  dabei  zu  erinnern.  Die  Leute  von  Zizers  wollten 
aber  den  Mayenfeldem  die  Sust  ganz  abreden  und  ebenso  den  Zoll. 
Die  Aussagen  der  Sachverständigen,  die  in  diesem  Streite  1459  vernom- 
men, sind  von  ganz  besonderem  Interesse.  Sie  zeigen,  daCs  die  Toggen- 
burger  Zölle  noch  immer  nicht  für  Recht  galten.  Sie  beriefen  sich  auf 
die  Urkunde  Karls  IV.,  die  jene  Zölle  widerrief.  Das  konnte  für  den 
Strafsberger  Zoll  beweisen,  nicht  aber  für  den  Mayenfelder,  denn  dieser 
war  1415  durch  König  Siegmund  bestätigt,  ja  sein  Betrag  auf  die  Höhe 
des  Zolles  von  Vaduz  und  Sargans,  also  von  l  ß  S)  auf  3  ß,  erhöht*. 
Einer  von  den  Sachverständigen  sagt  richtig  aus,  dafs  der  Zoll  von  einer 
königlichen  Verleihung  herrühre,  und  fügt  hinzu,  er  sei  genehmigt  für 
den  Bau  einer  Brücke  über  die  Landquart,  damit  die  Pilger,  die  Kauf- 
leute und  andere  sicher  darüber  wandeln  möchten.  Bestanden  hat  der 
Zoll  schon  1388.  Damals  gab  Graf  Donat  von  Toggenburg  den  Kauf- 
leuten von  Mailand  und  Como  ganz  genaue  Angaben  über  alles,  was 
zwischen  Chur  und  Balzers  zu  zahlen  war.  Diese  Ziffern  stimmen  nicht 
mit  denen  überein,  die  wir  bei  der  Lukmanierroute  kennen  lernten.   Die 


1  Thommcn,  Urkunden  1,  338. 

2  Urkunden  Nr.  289.    Eine  Taverne  zu  Zizers  Muoth  185. 

«  Urkunden  Nr.  283.  Vgl.  oben  die  Tabelle  S.  368   Urkunde  vom  23.  März  1415. 
Lütisburger  Kopialbuch  S.  148.    Altmann  1517. 


378  Vierunddreifsigstes  Kapitel. 

Angaben  des  Toggenburgers  sind  in  Konstanzer  Pfennigen,  die  in  der 
Tabelle  nicht  bestimmt  bezeichnet,  setzt  man  aber  die  Relation  1  Kon- 
stanzer =  2^/2  ?)  der  Tabelle  ein,  so  stimmen  fast  alle  Angaben  tiberein  ^ 
Der  Zoll  zu  Mayenfeld  war  1447  an  den  Konstanzer  Bürger  Heinrich 
Harzer  verpfändet,  und  zwar  deckte  er  den  Zinsbetrag  von  125  rh.  fl., 
der  von  einer  Schuld  von  2000  fl.  zu  entrichten  war^.  Bei  der  Un- 
sicherheit des  Tarifes  wage  ich  nicht,  daraus  die  Verkehrshöhe  zu  be- 
rechnen. 

Der  Zoll  zu  Vaduz  wird  1360  als  werdenbergisch  erwähnt®,  der- 
selben Herrschaft  dürfte  der  zu  Balzers  gehört  haben.  Mit  der  Ver- 
pfändung der  Herrschaft  gingen  sie  1399  an  die  Freiherren  von  Brandts 
über.     Über  den  Zoll  zu  Werdenberg   fehlt  es  an  weiteren  Nachrichten. 

Der  wichtigste  Platz  an  der  ganzen  Route  unterhalb  Chur  war 
Rheineck,  wo  die  Waren  auf  die  Schiffe  verladen  wurden.  Heute  ist 
die  Stadt,  da  der  Rhein  seine  Ablagerungen  viel  weiter  in  den  Bodensee 
vorgeschoben  hat,  keine  Bodenseestadt  mehr,  als  welche  sie  damals  noch 
gelten  konnte.  Um  sie  war  1208  ein  heftiger  Kampf  zwischen  dem 
Bistum  Konstanz  und  der  Abtei  St.  Gallen  entbrannt,  König  Otto  IV. 
nahm  den  Ort  ans  Reich*.  Doch  sollte  Burg  und  Stadt  die  Reichsun- 
mittelbarkeit  nicht  behaupten,  noch  König  Rudolf  sicherte  der  Stadt  zwar 
zu,  dafs  sie  niemals  solle  verpfändet  werden.  Doch  wurde  1309  auch 
die  Burg  verpftlndet.  Der  neue  Besitz  lockte  die  Blicke  der  Habsburger, 
die,  seit  sie  Tirol  gewonnen,  bestrebt  waren,  eine  Verbindung  zwischen 
ihren  östlichen  und  westlichen  Ländern  herzustellen,  1375  war  Feldkirch 
gewonnen,  und  1379  liefs  sich  Herzog  Leopold  HI.  von  Wenzel  das 
Recht  geben,  die  Reichspfandschaften  in  Churwalchen^  Thurgau  und 
Rheinthal,  namentlich  auch  Burg  und  Stadt  Rheineck,  einzulöseh.  Unter 
Verachtung  allen  Rechtes  nahm  1395  Herzog  Leopold  den  Werdenber- 
gern  Rheineck  fort,  nach  der  Schlacht  am  Stofs  brachen  die  Appenzeller 
die  Burg,  die  Stadt  würde  von  den  Österreichern  wieder  genommen. 
Der  ungerechte  Besitz  sollte  ihnen  nicht  lange  verbleiben.  Als  wegen 
der  Flucht  Johanns  XXIII.  vom  Konstanzer  Konzil  die  Acht  über  den 
Herzog  Friedrich  verhängt  wurde,  verpfändete  Siegmund  die  Stadt,    die 


*  Urkunden  Nr.  26.  Die  Wertrelation  trifft  für  die  Susten  genau  zu.  Der 
Zoll  müfste  in  der  Tabelle  stehen  mit  1  /?  8  ^  statt  1  ß  3.  Die  Fiihrlöhne  Mayen- 
feld-Zizers  und  Mayenfeld-Balzers  \ß  10 V2^  statt  1  jj  9  ^,  der  Zizers-Chur  1  yj  8 
statt  \  ß  1  d^    Die  Relation  ist  also  offenbar  etwa  1 : 2,4  gewesen. 

^  Zösmair,    Urkundenauszüge    Hohcnems   im   21.  Rechen  Schaftsbericht    des 
Vorarlberger  Museumsvereins  81. 
8  Krüger,  Regest  377. 

*  Zur  Gesch.  von  Rheineck  vgl.  vor  allem  Krüger  S.  245—64,  392—4.  Butler, 
Der  letzte  Toggenburg  2,  54—58.     St.  Galler  Urkundenbuch. 


Die  Fortsetzungen  der  Pässe  bis  zum  Bodensee.  379 

dann  an  den  letzten  Toggenburger  überging,  um  von  ihm  in  den  Besitz 
der  Peyer  zu  kommen,  die  1460  die  Stadt  an  die  Appenzeller  verkauften. 
Für  eine  Hafenstadt  eine  üble  Entwiekelung.  Wie  anders  hätte  der 
Handel  durch  Graubünden  sich  entwickeln  können,  wenn  den  Reichs- 
städten Konstanz  und  Lindau  ein  freies  sich  selbst  bestimmendes  Rheineck 
entsprochen  hätte! 

Der  Zoll,  in  alter  Zeit  ^verschcus^  genannt,  ist  schon  recht  alt.  Er 
wurde  aber  ausschliefslich  von  dem  erhoben,  was  über  die  Berge  kam 
oder  über  sie  gehen  sollte,  gleichgültig,  ob  es  trockenes  oder  gebundenes 
Gut  war.  Der  Versuch,  den  Zoll  auch  auf  den  übrigen  Handelsverkehr 
auszudehnen,  wurde  auf  die  Klagen  von  St.  Gallen  und  Lindau  1291 
und  1311  zurückgewiesen  ^  Der  Ertrag  des  Zolles  wird  in  dem  öster- 
reichischen Urbar  von  1404  auf  gewöhnlich  50  ^  ^  angegeben  *. 

Der  Weg  von  Mayenfeld  über  die  Luziensteige  nach  Rheineck  war 
aber  nicht  mehr  die  einzige  Fortsetzung  der  Bündner  Alpenpässe  im 
Rheinthale.  Die  Strafse,  welche  von  Schaan  ab  auf  dem  rechten  Rhein- 
ufer verharrte,  über  Feldkirch  nach  Bregenz  ging,  war  im  Gegenteil 
mindestens  bis  Feldkirch  sehr  belebt,  Bregenz  tritt  allerdings,  so  viel  ich 
das  urkundliche  Material  und  die  Litteratur  kenne,  nicht  besonders 
hervor.  Doch  fehlen  auch  nicht  Momente,  welche  für  einen  alten  leb- 
haften Verkehr  mit  dem  einst  in  römischen  Zeiten  so  bedeutenden  Brigan- 
tium  sprechen®. 

Seit  1372  bestand  zwischen  dem  Bischöfe  von  Chur  und  den  Grafen 
von  Montfort  für  ihre  Städte  Chur  und  Feldkirch  zu  Recht,  dafs  der 
Churer  in  Feldkirch  nur  Wein,  offenbar  also  Cleyner,  der  Feldkircher 
in  Chur  nur  Salz  versteuern  solle*.  1459  führten  die  Leute  von  Feld- 
kirch, der  Alten  Stadt  bei  Feldkirch  und  „Thysis"  nach  Chur  besonders 
Kupfer,  und  das  war  geradezu  die  wichtigste  Ware,  die  damals  den  Weg 
über  Mayenfeld  nahm^.  1400  wurde  in  Feldkirch  ein  ^eugsch*,  eine  Sust 
angelegt*.  Der  Zoll  wurde  1409  von  Herzog  Friedrich  IV.  um  1500  ü 
Heller  verpfändet  ^.    Jedoch  erst  1517  wurde  eine  Brücke  über  die  Bre- 


^  Die  Urteile  des  Landgerichts  zu  Fischerhausen  von  1291  und  1311  hat  Schwalm 
in  Neuen  Archiv  f.  ältere  deutsche  Geschichtskunde  28,  37  und  48  veröffentlicht. 
Ersteres  auch  StGallerUrkb.  3, 269.  Verkauf  eines  Anteils  vom  Zoll  1379.  Krüger, 
Regest  445.  Verpfandung  seitens  der  Herrschaft  an  einen  Konstanzer  1392.  Regest  352, 

2  St.  Galler  Urkb.  4,  695. 

'  Der  Brakteatenfund  von  Lauterach  enthält  keine  italienischen  Münzen. 
21.  Bericht  d.  Vorarlb.  Museumsvereins  S.  12. 

*  Mohr  3,  253.  Eine  weitere  Urkunde  über  den  Salzhandel  von  1371  im 
bisch öfl.  Archiv  zu  Chur. 

*  Urkunden  Nr.  283. 

*  Urkunde  Stadtarchiv  Bregenz. 

'  Lütisburger  Kopialbuch  2,  134  f. 


380  Yierunddreifsigstes  Kapitel. 

genzer  Aach  gebaut^.  Im  Anfange  des  sechzehnten  Jahrhunderts  be- 
nutzten die  Gesellschaften  Welser- Vöhlin,  Humpifs  und  Besserer  den  Weg 
über  Feldkirch*,  und  schon  1458  war  Gut  Mailändischer  Kaufleute  in 
Feldkirch  angehalten*.  Neben  die  Relation  Lindau  -  Rheineck  war  die 
von  Lindau- Bregenz  getreten.  Bei  der  Armut  der  Stadtarchive  von 
Bregenz  und  Lindau  läfst  sich  leider  nichts  Näheres  darüber  feststellen. 

Durch  Feldkirch  ging  aber  auch  der  Verkehr  über  den  Arlberg, 
dessen  Geschichte  ich  hier  nur  streifen  kann.  Verhältnismäfsig  spät  tritt 
er  in  dieselbe  ein:  erst  1218  kommt  er  als  begangener  Pafs  vor,  damals 
wurde  am  westlichen  Fufse  eine  vorhandene  Kapelle  den  Johannitern  in 
Feldkirch  gegeben,  und  die  machten  daraus  ein  „Klösterle."  Der  Handels- 
verkehr ward  im  vierzehnten  Jahrhundert  lebhafter,  das  Salz  von  Hall 
schlug  diesen  Weg  ein,  aber  auch  der  sonstige  Kaufmann  —  so  1326  ein 
Konstanzer  Bürger  Ulrich  Aimpuom  —  ging  ihn.  Der  Pafs  war  von 
grofser  politischer  Bedeutung,  wurde  er  doch  die  bequemste  Verbindung 
der  beiden  habsburgischen  Machtbereiche*.  Der  Weg  über  den  Arlberg 
wurde  1326  den  Konstanzern  gefreit  ^ 

Auf  der  Pafshöhe  war  keine  Hilfe  vorhanden,  und  da  war  es  der 
Knecht  eines  am  Passe  wohnenden  Burgherren,  das  Findelkind  Heinrich, 
das  1385  aus  Menschenliebe  auf  der  Höhe  ein  Spital  errichtete  und  schon 
im  ersten  Winter  sieben  Menschen  das  Leben  rettete.  Dieser  Menschen- 
freund im  Kittel  wufste  die  Mittel  zusammenzubringen,  er  errichtete  eine 
Bruderschaft,  und  mit  Bruderschaftsbüchern  zogen  seine  Genossen  im 
Lande  umher,  um  Brüder  zu  werben,  und  diese  Bücher  sind  ein  Zeug- 
nis dafür,  wie  viel  milde  Herzen  sie  fanden.  Kam  das  zunächst  den 
zahlreichen  Pilgern,  die  diesen  Weg  nach  Venedig  einschlugen  ®,  zu  gute, 
so  doch  auch  den  Kaufleuten.  Und  wenn  wir  auch  noch  keine  voll- 
ständige Geschichte  dieses  Passes  besitzen,  so  kann  ich  doch  nach  meiner 
Quellenkenntnis  schon  sagen,  dafs  die  Benutzung  des  Arlberges  keine 
geringe  war'.  Ein  Teil  des  Verkehrs  vom  Arlberg  und  aus  Bünden 
ging  nach  Rheineck  weiter,  wie  die  Verhandlungen  über  das  Geleite  be- 


^  Genehmigung  Maximilians  und  Verleihung  eines  Brückenzolles.  31.  Rechen- 
schaftsbericht d.  Vorarlb.  Museumsvereins  27  ff. 

2  1511.    Urkunden  Nr.  289. 

'  Urkunden  Nr.  45. 

*  Ludwig  d.  Bayer  für  die  österr.  Herzöge  1335.  Böhmer-Ficker,  Acta 
imperii  Nr.  763. 

•»  Urkunden  Nr.  327. 

®  Röhricht  u.  Meisner  146.    Auch  der  Konstanzer  Konrad  Grünenberg. 

'  Vgl.  Zösmair,  Gesch.  d.  Arlbergs  von  1218  bis  1418,  der  die,  Zeitschr.  £ 
Gesch.  d.  Oberrheins  4,  17  ff.,  veröffentlichten  beiden  Wegweiser  von  Strafsburg  nach 
Bom  nicht  benutzt  hat.  Vgl.  auch  die  Bitte  des  Biscliofs  von  Chur  um  Beisteuern 
für  die  am  Fufse  des  Arlbergs  gelegene  St.  Johanneskapelle.    Mohr  4,  113. 


Die  Fortsetzungen  der  Pässe  bis  zum  Bodensee.  381 

weisen  ^     Auch  schlug  ja  Papst  Johann  XXIII.  diesen   Weg  ein,    als  er 
sich,  über  den  Arlberg  kommend,  zum  Konstanzer  Konzil  begab. 

Ein  Teil  des  Verkehres  über  den  Arlberg  strebte  wohl  dem  Walen- 
see zu,  und  da  mufste  zunächst  der  Umweg  über  Mayenfeld  genommen 
werden;  zwar  ist  der  Engpafs,  den  der  Schollberg  auf  der  Grenze  der 
Herrschaften  Sargans  und  Werdenberg  mit  dem  Rheine  bildet,  schon 
zu  der  Zeit,  als  im  Rheinthale  auch  auf  dem  linken  Ufer  noch  dyna- 
stische Verwaltungen  waren,  benutzt  worden,  es  gab  dort  schon  einen 
Zoll.  Die  Strafse  mufs  aber  äufserst  schlecht  gewesen  sein*.  Sofort, 
nachdem  1483  die  sieben  alten  Orte  die  Herrschaft  Sargans  gekauft 
hatten,  leuchtete  ihnen  ein,  dafs  sie  auf  das  untere  Rheinthal  nur  dann 
einen  Einflufs  ausüben  könnten,  wenn  sie  ihre  Verbindung  damit  von 
den  Herrschaften  auf  dem  rechten  Rheinufer  unabhängig  machten.  Um 
von  der  Luziensteige  frei  zu  werden,  beschlossen  die  sieben  Orte  (mit 
Ausschlufs  von  Bern)  1490  den  Bau  einer  Strafse,  August  1492  war  sie 
fast  fertig,  der  Meister  Michael  Preutel  aus  dem  Etschthal  hatte  sie  ge- 
baut. Militärischen  Zwecken,  für  die  sie  in  erster  Linie  gebaut  war, 
mochte  sie  genügen,  für  die  Wollenballen  der  Kaufleute  wurde  be- 
schlossen, sie  zu  erweitern,  aber  noch  später  klagte  die  Stadt  Rheineck, 
dafs  die  Kaufleute  die  Strafse,  die  sie  gerne  benutzen  würden,  nicht 
verwenden  könnten,  weil  sie  zu  schlecht  sei^.  W^enn  auch  in  unserer 
Periode  dieselbe  also  keine  Handelsbedeutung  gewann,  so  haben  sie 
gleichwohl  die  Eidgenossen  nicht  umsonst  gebaut,  sie  haben  dem  Ver- 
kehr den  Weg  gewiesen,  den  er  heute  fast  allein  noch  benutzt.  Und  wie 
modern  mutet  uns  das  ganze  Vorgehen  an,  bei  dem  staatliche  und  militä- 
rische Interessen  entscheiden,  das  Verdingen  der  Arbeit,  die  Abnahme 
nach  einer  Revision,  vor  allem  aber  ward  hier  der  Strafsenbau  als  eine 
Staatsaufgabe  angesehen*.  So  war  der  Weg  von  Chur  her  durch  die  Fähre 
von  Mayenfeld,  der  von  Arlberg  und  Rheineck  durch  die  SchoUbergstrafse 
zum  Walensee  gelenkt  und  von  dort  ging  es  über  den  Zürichersee  nach 
Zürich.  Der  Geschichte  dieses  Weges  fliefsen  wohl  reichere  Quellen  in  den 
Archiven  von  Glarus,  St.  Gallen  und  Züricli.  Ich  habe  nur  gelegentlich 
Notizen  gefunden®,  und  die  genaue  Beschreibung  einer  Fahrt  über  den 
Walensee    ist   mir  erst   aus   dem   sechzehnten   Jahrhundert   bekannt  ge- 

^  Krüger,  Regest  547  zu  1394.  Das  Geleit  in  der  Gegend  zwischen  Rlieineck, 
Bludcnz,  Werdenberg  gehörte  den  verschiedenen  Werdenberger  bez.  Montfoi*ter 
Grafen.    Vgl.  Urkunden  von  1355  und  1361  bei  Thommen  1,  338  u.  431. 

2  Eidg.  Abschiede  3,  1,  351. 

«  Eidg.  Abschiede  3,  1,  245.  Erstes  Anbringen  1486.  354.  364.  370.  373.  418. 
428.  457.  517  Überlegung,  ob  nicht  zum  Unterhalt  ein  Weggeld  zu  erheben.  647 
Rheineck.    Vgl.  Bavier  S.  33. 

*  Vgl.  aucli  Gasner  S.  110. 

*  Z.  B.  Beraubung  von  Venetianern  bei  Wesen  durcli  Schwyzerund  Glamer  1488. 


382  Vierunddrciföigstes  Kapitel. 

worden,  sie  gehört  niemand  anders  an  als  dem  Meister  der  Goldschmiede : 
Benvenuto  Cellini. 

An  Fähren  gab  es  auf  dem  Rheine  eine  gröfsere  Zahl.  Die  bei 
Blatten  ^  stellte  die  Verbindung  mit  Rankweil-Feldkirch  und  dem  Arl- 
berge  her,  die  von  Rugell  und  Haag^  dienten  dem  Verkehr,  der  ins 
Toggenburgische  führte.  Die  Fähre  von  Mayenfeld  finde  ich  nicht  er- 
wähnt, doch  bestand  sie  offenbar  weiter,  und  vermittelte  den  Verkehr 
nach  Sargans,  Walenstad  und  Zürich. 

Eine  nicht  zu  verachtende  Quelle  für  den  Verkehrshistoriker  sind 
die  Nachrichten  über  Verkehrsstörungen.  Etwas  über  die  hier  zu  be- 
handelnde Strecke  von  Chiavenna  bis  Rheineck  hinaus  greift  die  Nachricht, 
dafs  die  Stadt  Lindau  1309  Gut  von  venetianischen  Kaufleuten  in  Arrest 
behielt,  weil  Gut  von  Lindauern  in  Mailand  festgehalten  wurde.  Gegen 
diese  Anwendung  von  Repressalien  erhob  Venedig,  das  ja  in  der  That 
keinerlei  Einflufs  auf  Mailand  besafs,  Einspruch^.  1314  wurde  ein  Sigelo 
Huhn  aus  Speier  von  dem  Meyer  von  Altstätten  beraubt*. 

Ob  eine  Beraubung,  was  doch  wohl  sehr  wahrscheinlich  ist,  den 
Anlafs  zu  einem  Streite  zwischen  der  Stadt  Konstanz  und  den  Brüdern 
Graf  Heinrich  I.  und  Hartmann  III.  von  Werdenberg -Sargans  gegeben 
hat,  mag  dahingestellt  bleiben^,  sie  gaben  1326  den  Konstanzern  auf  fünf 
Jahre  Schutz  und  Geleit  durch  ihr  Gebiet:  durch  das  Walgäu  zum  Arl- 
berg  und  durch  Churwalchen,  sowie  auf  der  Strafse  nach  Ulm*.  Wir  sehen 
also  die  Konstanzer  sowohl  auf  dem  Wege  nach  Venedig  wie  nach  Mai- 
land. Graf  Hartmann  besafs  in  der  That  die  Herrschaft  zu  Vaduz  bis 
zur  Landquart  und  im  Walgau,  während  Graf  Heinrich  jenseits  Ulm 
Alpeck  und  Langenau  sein  eigen  nannte.  Den  andern  Zweig  der  Wer- 
denberger  betrifft  wohl  ein  Brief  von  Venedig  von  1349,  demzufolge  ein 
Graf  »Albertus  de  Vandeborg^  venetianisches  aus  Flandern  kommendes 
Gut  aufgehalten  habe.  Es  ist  wohl  Graf  Albrecht  I.  von  Werdenberg- 
Heiligenberg,  der  auch  im  Rheinthale  und  in  Graubünden  ausgedehnten 
Besitz  hatte  ^. 

Die  Konstanzer  waren  1354  offenbar  wegen  eines  Raubanfalles  in 
Stöfse  geraten  mit  den  Brüdern  von  Haldenstcin,  die  dicht  unterhalb 
Chur  am  Fufs  des  Calanda  eine  Herrschaft  besafsen.    Der  Schiedsprucli 


*  Krüger,  Regest  330.    Vgl.  auch  Hardegger  u.  Wart  mann  S.  801. 
2  Krüger,  Regest  554. 

»  Simonsfeld  1  Nr.  31. 

*  Marmor-Reg.  S.  19.    Schrift  d.  Ver.  f.  Bodensee  Heft  4. 

^  Die  beiden  Brüder  standen  zu  verschiedenen  Parteien,    Heinrich  zu  Ludwig 
dem  Bayer,  Hartmaun  zu  Friedricli  dem  Schönen. 
«  Urkunden  Nr.  327. 
7  Krüger  S.  165—195. 


Die  Fortsetzungen  der  Pässe  bis  zum  Bodensee.  383 

zwischen  den  drei  Brüdern,  von  denen  der  eine  nach  einer  Burg  den 
Vornamen  „Liechtestain"  führt,  erwähnt  eine  solche  Ursache  allerdings 
nicht  ausdrücklich,  da  aber  auf  der  Rückseite  bemerkt  ist,  dafs  auch  St. 
Gallen  an  der  Sühne  beteiligt  ist,  bleibt  nicht  viel  Zweifel^. 

Die  schlimmste  That,  von  der  wir  Kenntnis  haben,  hat  vielleicht 
einen  politischen  Hintergrund.  Graf  Rudolf  IV.  von  Werdenberg- Sar- 
gans wurde  1361  von  Räubern  —  so  will  die  Überlieferung  —  bei  Plurs 
im  Bergeil  angefallen  und  ermordet^.  Galeazo  Visconti,  den  der  Er- 
mordete besucht  hatte,  strafte  für  diese  That  schwer  die  Bewohner  von 
Plurs  ^.  Dafs  1402  auf  österreichischem  Gebiete  durch  die  Herren  von 
Ems  Unterthanen  des  Herzogs  von  Lothringen  und  der  Grafen  von  Sa- 
voyen  angehalten  wurden,  erklärt  sich  wohl  durch  die  Appenzeller 
Wirren.  Auch  ist  zweifelhaft,  ob  diese  Leute  Bündner  Strafsen  benutzten*. 
Bei  der  Beraubung  von  Nürnberger  und  Luzerner  Bürgern,  die  im  Jahre 
1407  erfolgte,  war  Wilhelm  v.  End  mit  Adligen  aus  der  Nachbarschaft 
(Hohenlandenberg ,  Gachnang,  Rümlang,  Erzingen  und  Münchwil)  ge- 
wesen, doch  dürfte  sich  dieser  Raub,  der  unter  dem  Titel  als  seien  sie 
Diener  des  Herzogs  von  Mailand,  und  also  Feinde  Ruprechts,  ausgeführt 
war,  in  der  Gegend  von  Schaff  hausen  abgespielt  haben  *^. 

Einer  der  übelsten  Strafsen-  bez.  Seeräuber  war  der  Sprosse  einer 
tirolischen  Freiherrenfamilie,  Jörg  von  End,  der  seine  Burg  Grimmen- 
stein oberhalb  Rheineck  dazu  benutzte,  um  im  Rheinthale  und  auf  dem 
See  Räubereien  zu  treiben.  Einen  Augsburger  Metzger,  der  von  St.  Gallen 
fortritt,  nahm  er  gefangen,  brachte  ihn  nach  Grimmenstein  und  erleich- 
terte ihn  um  95  ü  hl.^.  Die  zum  Konzil  nach  Konstanz  wandernden 
Prälaten  hatte  Jörg  von  der  im  Appenzeller  Kriege  zerstörten  aber  sofort 
wieder  aufgebauten  Festung  aus  „gejagt";  er  trieb  die  Frechheit  soweit, 
dafs  ein  Schiff  mit  Gut  von  Konstanzer  und  Feldkircher  Bürgern  von 
seinen  Dienern  angehalten  wurde,  während  er  selbst  in  Konstanz  weilte. 
Er  wurde  gefangen  gesetzt,  der  Todesstrafe  entging  er,  aber  seine  Veste 
wurde  verbrannt  und  drei  Wochen  waren  500  Mann  beschäftigt,  sie 
völlig  niederzulegen ''. 


^  Anzeiger  f.  Schweiz.  Gesch.  7,  290. 

'^  Campell,  Historia  Raetica  (Quellen  z.  schweis.  Gesch.  8,  359  f.).  Zum  Datum 
Krüger  310. 

^  Die  Mörder  wurden  jedoch  nicht  ausfindig  gemacht.  Vgl.  Boll.  stör.  d. 
Svizzera  italiana  9,  183. 

*  Korrespondenz  der  Stadt  Konstanz  mit  den  Landesherren  zur  Deckung  ihrer 
Bürger.    Z.  Gesch.  Ober rh.  4,  50—58. 

5  Urkunden  Nr.  378  u.  379. 

"  Augsburger  Stadtarchiv.    Kopialbuch  105  I^  Nr.  301  u.  später. 

■^  Kichental  90  f.  Ruppert,  Chroniken  S.  120  und  die  Anm.  Der  v.  End 
wurde  nun  erst  recht  ein  Strafsenräuber.    Chroniken  128. 


384  Vierunddreifsigstes  Kapitel. 

Vor  1417  hatte  einer  der  Sarganser  Grafen  zwei  Bürger  von  Lindau 
gefangen  ^.  Ein  interessantes  Dokument  ist  das  deutsche  Schreiben  eines 
Bürgers  von  Chiavenna  an  die  Stadt  Chur  von  1469.  Der  Clevner 
hatte  in  Feldkirch  gehandelt  und  wollte  weiter  gen  Lindau  fahren,  allein 
auf  dem  Schlosse  Hohenems  waren  Gesellen,  die  auf  Leute  von  Chur 
oder  aus  ihren  Bünden  lauerten.  Der  Clevner  hielt  es  für  seine  Pflicht, 
die  von  Chur  zu  warnen^. 

Auch  der  letzte  der  Werdenberg- Sarganser  Grafen,  dessen  Besitz 
sehr  zusammengeschrumpft  war,  steht  auf  der  Liste  derjenigen,  welche 
sich  an  Kauf  leuten  schadlos  hielten.  Georg  (völlig  verarmt,  f  1504), 
schützte  allerdings  die  Fehde  seines  Schwagers  Hans  von  Rechberg  gegen 
die  Reichsstädte  vor,  und  durch  den  Schiedspruch  wurden  ihm  wirklich 
200  rh.  Gulden  zugesprochen.  Die  Beraubten:  ein  Kaufmann  von  Mai- 
land, drei  von  Nürnberg  und  einer  von  Nördlingen  gaben  sich  wie  auch 
Wolfhard  von  Brandis,  der  behauptete,  in  seinem  Geleite  (also  in  der 
Herrschaft  Vaduz)  sei  die  Wegnahme  geschehen,  zufrieden®. 

Die  letzte  Erwähnung  einer  Beraubung  finde  ich  zu  1479,  wo  ein 
Nürnberger  zu  Feldkirch  Waren  von  Landsleuten  aufgreifen  und  nach 
Werdenberg  auf  die  Burg  des  Grafen  Wilhelm  von  Montfort  bringen 
liefs.  Die  Güter  gehörten  vor  allem  Michel  und  Stephan  Lochner  und 
Hans  Roth  von  Nürnberg*.  Aus  politischer  Feindschaft  der  Churer  gegen 
die  Lombarden  wurden  1482  acht  Ballen  mit  flandrischen  Tuchen,  die 
ein  Genuese  von  Brügge  an  zwei  Mailänder  sandte,  in  Mayenfeld  be- 
schlagnahmt. Genua  forderte  das  Gut  als  Eigentum  eines  Genuesen 
zurück  *. 

Überblicken  wir  diese  Nachrichten,  so  wird  man  zugeben  müssen, 
dafs  abgesehen  von  Kriegszeiten,  die  Bündner  Pässe  und  ihre  nächsten 
Fortsetzungen  ziemlich  sicher  waren.  Die  Bewohner  der  Pafszugänge 
hatten  das  gröfste  Interesse  an  der  Aufrechterhaltung  eines  sicheren  Ver- 
kehres, da  ja  die  Beförderung  der  Waren  ihnen  grofse  Einkünfte 
sicherte.  Dadurch,  dafs  sie  die  leitenden  Faktoren  der  Bünde  waren, 
sicherten  sie  nicht  allein  den  Verkehr  in  ihrem  Gebiete,  sondern  auch 
darüber  hinaus.     In  den  Tagen,   in  denen   die  harten  Gegensätze  in  der 


'  Der  Sühnebrief  Krüger,  Reg.  1150. 

*  Anzeiger  f.  Schweiz.  Gesch.  7,  290. 

^  Schiedsspruch  vom  19.  Dez.  1453.  Ratischc  Urkunden  394  ff.  Die  Kauf- 
leute waren  Paulus  Hoffmann,  der  dem  Markgrafen  von  Brandenburg  gehörte. 
Andres  de  Pusti,  dem  Herrn  von  Mailand  gehörig,  Martin  Nithart,  dem  deutschen 
Haus  in  Nürnberg  gehörig,  Hainrich  Ruch  von  Nürnberg  und  Martin  Suren  von 
Nördlingen. 

*  Roth  1,  247. 

ß  Der  Genuese  war  Gio.  Benedetto  di  Moneglia,  die  Mailänder  Gcrvasio  e 
Protasio  de'  Busti.    Atti  della  societd  ligure  di  storia  patria  7,  451. 


Die  Fortsetzungen  der  Pässe  bis  zum  Bodensec.  385 

Wildheit,  die  die  Geschichte  Rhätiens  öfter  zeigt,  aufeinander  platzten, 
war  freilich  der  Verkehr  auch  im  fünfzehnten  Jahrhundert  unterbrochen*. 

Die  Pässe  Graubündens  haben  nacheinander  ihre  Glanzzeiten  gehabt. 
Der  Rückgang  des  Septimerverkehrs  gegenüber  dem  Gotthard  führte 
zu  seinem  Verfall,  die  bisher  ganz  vernachlässigten  Pässe:  Splügen  und 
Lukmanier  traten  mehr  hervor.  Der  Bischof  von  Chur  erreichte  1359  von 
Karl  IV.  ein  Verbot  aller  andern  Wege  aufser  dem  Septimer.  In  den 
Kriegswirren  von  1386  versuchte  Mailand  den  St.  Bernhardin  zu  er- 
schliefsen,  sie  erfuhren,  dafs  sich  die  von  Castelmur  dazu  entschliefsen 
würden,  über  den  Septimer  eine  Strafse  zu  bauen,  was  in  der  That  aus- 
geführt wurde.  Ein  allgemeiner  Vertrag  der  Geleitsherren,  wohl  vom 
Bodensee  an,  sicherte  den  Verkehr.  Gleichwohl  brachten  die  Konstanzer 
1390  den  Lukmanier  in  Vorschlag,  der  stets  einem  Lokalverkehr  gedient 
und  1374  auch  ein  Hospiz  nahe  der  Pafshöhe  erhalten  hatte.  Das  mufs 
nun  längere  Zeit  der  beste  Weg  gewesen  sein;  denn  ihn  wählte  zweimal 
Kaiser  Sigmund.  Die  Konkurrenz  des  Splügen  machte  sich  aber  bereits 
bedeutend  fühlbar,  obwohl  die  Via  mala  noch  im  übelsten  Zustande  war. 
Dafs  es  hier  keine  Zölle  und  teuren  Transporteinrichtungen  gab,  zog  die 
Kaufleute  an.  Vergebens  suchten  die  Interessenten  am  Septimer  diese 
Konkurrenz  zu  bekämpfen,  1473  wurde  die  Via  mala  gebaut,  und  es 
bildeten  sich  nun  auch  hier  Transportgenossenschaften.  Neues  Leben 
scheinen  die  Transportordnungen  von  1498  und  99  dem  Septimer  ge- 
bracht zu  haben,  dessen  natürliche  Vorzüge  ihn  noch  nicht  antiquieren 
liefsen. 

An  der  Ausgestaltung  des  Verkehrslebens  haben  Anteil  die  kühnen 
Männer  von  Vicosoprano  und  Thusis,  die  Wegebauten  von  niemals  bis 
dahin  erreichter  Kühnheit  schufen,  Anteil  hatten  die  Geleitsherren  doch 
fast  mehr  durch  die  Einrichtung  von  Zöllen  und  Abgaben,  als  durch  die 
Errichtung  von  Zufluchten,  Anteil  endlich  die  beiden  Städte  Mailand 
und  Konstanz,  beziehungsweise  ihre  Kaufmannschaft.  Es  ist  ein  weclisel- 
voUes  Bild,  das  sich  so  ergiebt,  der  Grundzug  ist  der  Mangel  staatlicher 
Fürsorge,  den  private  oder  korporative  Initiative  ausfüllen  mufste. 

Ein  sehr  anziehendes  Bild  des  Lebens  auf  der  Septimerstrafse  giebt 
uns  der  Reisebericht  der  venetianischen  Gesandten  von  1492  ^.  Sie  kamen 
von  Konstanz,  in  Lindau  weilten  sie  in  dem  noch  heute  kaum  in  seiner 
Gestalt  veränderten  Gasthof  zur  Krone.     Von  dort   ritten    sie   bis  Feld- 


^  Doch  auch  dann  wurden  wohl  Geleitsbriefe  ausgestellt,  so  1499  vom  Stift 
Chur  für  Dietrich  Bawurt  von  Nürnberg.  Jecklin,  Die  Kanzlciakten  d.  Regent- 
schaft.   Chur  1899.    S.  11. 

2  Ich  kann  nur  das  auf  die  Etappen  und  Wege  Bezügliche  anführen.  Vgl.  den 
deutschen  Auszug  von  Simons feld,  der  diesen  Bericht  aufgefunden  hat,  in  Zeit- 
schrift f.  Kulturgesch.  4.  Folge  2,  272  ff. 

Sehalte,  Gesch.  d.  mittelalt erl.  Handels.    I.  25 


386  Vierunddreifsigstcs  Kapitel. 

kirch,  dessen  Umgebung  von  ihnen  mit  Recht  gepriesen  wird,  wie  ihnen 
auch  das  Städtlein  ausnehmend  gut  gefiel.  Mayenfeld,  das  nächste  Nacht- 
quartier, kam  ihnen  dagegen  recht  öde  vor,  von  der  Luziensteige  ist 
keine  Rede.  Am  folgenden  Tage  machten  die  Gesandten  dem  Bischöfe 
von  Chur  ihre  Reverenz,  der  ihnen  eine  von  ihm  eben  erlegte  Gemse 
verehrte.  Mit  zwei  Führern  versehen,  kamen  sie  am  Nachmittage  des 
folgenden  Tages  nach  Parpan,  wo  sie  zur  Nacht,  ohne  dafs  es  einen  Gast- 
hof gab,  blieben.  Am  13.  September  fanden  sie  hier  zu  ihrem  grofsen 
Erstaunen  Veilchen.  Am  folgenden  Tage  speisten  sie  beim  Kuratus  zu 
Tinzen  Mittag,  alles  in  der  Gegend  spreche  italienisch  und  deutsch  — 
entweder  beweist  das,  wie  stark  die  romanische  Bevölkerung  mit  dem 
Verkehre  auf  der  Strafse  verwachsen  war  oder  die  Venetianer  hielten 
das  Ladinische  der  Leute  für  deutsch.  Am  Abend  kamen  sie  nach  Bivio, 
die  Leute  sprachen  auch  italienisch,  „obwohl  ihre  Sprache  eigentlich  die 
deutsche"  ist.  Nach  einem  Nachtlager  im  „Sternen"  passierten  sie  am 
14.  den  Septimer,  beim  Herabsteigen  führten  sie  die  Pferde  an  der  Hand, 
nur  einer  von  ihnen  blieb  auf  seinem  Maultier  sitzen.  Am  Abend  kamen 
die  Leute  nach  Vicosoprano,  auch  hier  meinten  sie,  die  Leute  sprächen 
deutsch,  zugleich  aber  auch  italienisch.  Mit  einem  Gott  Dank  über- 
schritten sie  den  Luver  und  kamen  am  Abend  nach  Chiavenna.  Das 
nächste  Quartier  war  Sorico,  nachdem  sie  schon  von  Castel  di  Mezzola 
an  das  Schiff  benutzt  hatten.  Für  die  ganze  Strecke  von  Lindau  bis 
Como  brauchten  die  Venetianer  also  neun  Tage,  von  Como  bis  Mailand 
nur  einen  Tag. 

Der  Verkehr  fremder  Kaufleute,  denen  zehn  bischöfliche  Tabernen 
dienten^,  war  in  Chur  so  grofs  geworden,  dafs  sich  hier  in  Anlehnung 
an  das  Predigerkloster  1483  eine  Brüderschaft  der  Kaufleute  aus  den 
verschiedenen  Teilen  der  Welt  bildete  2..  Abgesehen  von  der  Stiftungs- 
urkunde ist  mir  kein  w^eiteres  Dokument  bekannt  geworden,  namentlich 
blieb  die  Nachforschung  nach  dem  liher  vitae,  in  dem  die  Namen  der 
Mitglieder  eingetragen  waren,  erfolglos. 

Über  die  Verkehrsstärke  Angaben  zu  machen,  fehlt  es  für  die  älteren 
Zeiten  an  allen  Hilfsmitteln.  Die  Archivalien  von  Lindau  und  Chur 
sind  leider  sehr  schlecht  erhalten,  und  specifisch  Kaufmännisches  fehlt 
darin  völlig. 

Der  Einblick,  den  das  Numera-  und  Brief büchlein  der  Nürnberger- 
Mailänder  Firma  Koler,  Krefs  &  Saronno  liefern,  beweist  aber  für  den 
Anfang  des  sechzehnten  Jahrhunderts  eine  enorme  Höhe  des  Verkehrs. 
Die  Firma  betrieb  nur  Handel  an  den  Orten  Nürnberg,  Mailand  und  auf 

*  Muoth  176.    Sehr  interessant  für  die  Geschichte  des  Gasthofs wesens. 
3  Urkunden  Nr.  286. 


Die  Fortsetzungen  der  Pässe  bis  zum  Bodensee.  387 

der  Messe  zu  Crema,  erhalten  ist  uns  das  Numerabüchlein ,  in  das  alle 
Warensendungen  in  der  Richtung  von  Nürnberg  nach  Mailand  für  die 
Zeit  vom  I.Januar  1507  bis  März  1511  eingetragen  sind.  Es  wurden  in 
dieser  Zeit  im  ganzen  269  Ballen  bez.  Fässer  nach  Mailand  geschickt, 
mitunter  waren  die  Sendungen  sehr  grofs,  bis  zu  35  Stück,  die  auf  ein- 
mal befördert  wurden,  kleinere  als  vier  Stück  sind  sehr  selten. 

Das  Brief büchlein  giebt  auch  über  den  Weg,  den  die  Briefe  und 
unzweifelhaft  auch  die  Waren  nahmen,  Auskunft.  Der  Weg  über  Venedig 
ist  öfters  im  Jahre  1507  gebraucht,  später  aber  fast  niemals  mehr.  Dafs 
sonst  die  Bündner  Pässe  gewählt  wurden,  beweisen  die  Korrespondenten, 
niemand  wird,  abgesehen  von  Gliedern  der  Gesellschaft,  so  viel  mit 
Briefen  bedacht  als  der  Gredmeister  von  Lindau  (1510  heifst  er  Marti 
Gogell),  doch  gehen  auch  sonst  viele  Briefe  nach  Lindau  an  Jeronimus 
Oller,  Clement  Porter,  Hans  Fladung  und  Balthasar  Haslach,  in  Feld- 
kirch sind  Korrespondenten:  das  Haslach,  der  auch  nach  Nürnberg 
kommt,  und  Caspar  Landescher.  Daneben  erscheinen  auch  vereinzelt 
die  Spechler  von  Fussach,  Veit  Metzger  von  Biberach.  Die  Wirte,  bei 
denen  die  Gesellschafter  in  Chiavenna  zu  wohnen  pflegten,  waren  Johanne, 
Pedro  und  Francesco  Pestalazzo.  Jörg  Krefs  reiste  1508  nach  Mailand 
über  Chur,  er  ging  zwischen  dem  5.  und  10.  Januar  1509  über  die  Alpen. 
Dafs  aber  der  Septjmer,  nicht  der  Splügen  benutzt  wurde,  beweist,  dafs 
eines  Tages  von  Herrn  Thomas,   Pfarrer  zu  Tintze[n] ,    ein  Brief  eintraf. 

Das  Briefbüchlein  giebt  über  die  Transporteure  der  Briefe  jedesmal 
Auskunft,  und  da  sehen  wir  nun,  was  alles  zwischen  Nürnberg  und  Mai- 
land hin  und  her  ging :  zahlreiche  Nürnberger :  die  Imhof,  Holzschuher, 
Rummel  u.  s,  w. ,  sie  besorgen  die  meisten  Briefe;  daneben  auch  Boten 
von  St.  Gallen,  ein  Ulrich  Aman  von  Chur,  Knechte  und  Fuhrleute  von 
Lindau,  Biberach  und  Buchhorn,  dann  aber  auch  italienische  Kaufleute, 
vor  allem  die  beiden  Florentiner  Jacobe  Bethono  und  Raphaele  Turegano, 
der  auch  in  Leipzig  handelte  und  viel  auf  der  Wanderschaft  war,  auch 
andere  von  Florenz,  Genua  u.  s.  w.  Aus  alledem  geht  hervor,  dafs  auf 
der  Septimerstrafse  sehr  viel  Leben  war. 

Auch  über  die  Transportdauer  giebt  uns  das  Brief  büchlein  Auskunft; 

es  ist  zwar  nur  das  Datum  des  Briefes  angegeben  und  nicht  der  Abgang 

des  Briefboten  u.  s.  w.,   aber  bei  manchen  Sendungen  ist  der  Brief  wohl 

sofort  abgegangen.    Rechnen  wir  den  Tag  des  Datums  und  der  Ankunft 

mit  ein,   so  ergiebt  sich  bei  75  Briefen,   die  in  dieser  Zeit  von  Mailand 

nach  Nürnberg  gingen,  dafs  in  zehn  Tagen   einer  den  Weg  zurücklegte, 

in  11:1,   12:5,   13:6,    14:10,  15:14,  16:4,    17:2  u.  s.  w.     Der  Brief, 

der  nur  zehn  Tage  brauchte,  kam  noch  dazu  im  Winter  über  die  Alpen. 

Die  schnellsten  Botenleistungen,  die  ich  fand,  sind  zwölf  Tage,  und  ein  von 

den  nach  Mailand   handelnden  Nürnberger  Kaiifleuten   abgesandter  Bote 

25* 


/  ■• 


388  Ffinfunddreifsigstes  Kapitel. 

brauchte  für  Hin-  und  Rückweg  nur  27  Tage.  Nach  allem  machte  eine 
Nachricht  unter  normalen  Umständen  mit  Sicherheit  diesen  weiten  Weg 
in  fünfzehn  Tagen.  Ja  es  kam  vor,  dafs  ein  Reisender  mit  >ligainra^<, 
also  Gepäck,  den  Weg  in  sechzehn  Tagen  durchmafs.  Die  Briefe  über 
Venedig  brauchten  selir  viel  mehr  Zeit,  es  waren  wohl  Gelegenheiten, 
die  benutzt  wurden.  So  wurde  nur  einmal  ein  Brief  in  neunzehn  Tagen 
befördert.  Für  die  gröfseren  Sendungen  fehlen  leider  Angaben  über  die 
Dauer  des  Transportes.  Auch  für  sie  gilt  wie  für  die  Briefe  die  Bcob- 
,  achtung,  dafs  die  Jahreszeiten  keinen  Unterschied  machten,  der  Septimer 
wurde  also  auch  in  der  strengsten  Jahreszeit  frequentiert. 

Fünfunddreifsigstes  Kapitel. 

Die  Fortsetzungen  nördlich  des  Bodeusees. 

Wege  nach  Augsburg  und  Ulm,  von  dort  niich  Frankfurt.  Wege  t'on  Konstanz 
aus.  Der  zum  Kinzigthal.  Bau  der  Strafse  über  den  Höhlest  Graben,  der  „alte  Weg** 
im  JSölltnthal.  Einrichtung  und  Geschichte  beider,  GeleitsgeseUschaft  von  1302,  Bruch 
der  Burg  Falkenstcin. 

Der  Raub  von  Hohcnstoffeln.  Mailändische  Gesandtschaft,  Sidierung  der  Italiener 
durch  Geleitsbriefe  t'Oti  1424,    Luzerner  Überfall  auf  dem  Bodensee, 

Florenz  und  der  Landiceg.  Gründe  für  ihn,  Gesandtschaft  nach  Konstanz  1409, 
Geleitsbrief, 

Am  Bodensee  gabelten  sich  die  Wege  der  von  Italien  Heimkehrenden. 
Die  deutschen  Kaufleute  von  Nürnberg  und  Ulm  berührten  natürlich  nur 
Lindau  oder  Buchhorn  (Friedrichshafen),  und  das  waren  auch  die  Häfen, 
in  denen  die  Italiener  sich  ausschifften,  die  nach  diesen  Städten  wollten. 

Das  Nordufer  des  Bodensees  zwischen  Buchhorn  und  Lindau  ist  so 
flach,  dafs  nach  Oberschwaben  hinein  in  das  Gebiet  der  vielen  kleinen 
Reichsstädte  mehrere  Strafsen  möglich  waren.  Es  fehlt  bis  heute  auch 
eine  Untersuchung  über  die  von  den  Kaufleuten  benutzten  Wege,  doch 
gehe  ich  wohl  nicht  irre,  wenn  ich  für  die  Ulmer  die  Strafse  Tettnang, 
Ravensburg^  Waldsee,  Biberach,  Laupheim  als  den  benutzten  Weg  an- 
nehme, und  ebenso  für  die  Augsburger  Wangen,  Leutkirch,  Memmingen, 
Mindelheim.  Da  hier  keine  Gesellschaften  der  Geleitsherren  bestanden 
haben,  ist  erst  das  Material  einzeln  zu  sammeln.  Für  den  Anfang  des 
sechzehnten  Jahrhunderts  giebt  ()rtcl  als  Stationen  des  regelmäfsigen 
Weges  von  Ulm  nach  Genf  die  folgenden  Ortschaften  an:  Friedrichs- 
hafen (Buchhorn),  Ravensburg,  Weingarten,  Waldsee,  Essendorf,  Biberach, 
Baltringen,  (über  Laupheim  nach)  Stetten,  Ulm  ^  Die  Fortsetzung  nach 
Nördlingen  ging  nach  Örtel  nicht  über  Heidenheim  und  Neresheim, 
sondern   umging   diese   beiden  Orte  südlich.     Als  Stationen  führt   er  an 

'  Mit  teil,  aufl  d.  gcrm.  Nationalmuseum  Jahrgang  1896  S.  28. 


*    * 


^ 


•••    .  . 


Die  Fortsetzungen  nördlich  des  Bodensees.  389 

Langenau,  Giengen,  Ballmertshofen  und  Kösingen.  Für  die  Strecke  Nord- 
lingen-Nürnberg  sind  angegeben  Ottingen,  Westheim,  Ostheim,  Gnotzheim, 
Gunzenhausen,  Wasserraungnau  und  Schwabach  ^. 

Nürnberg,  Augsburg  und  Ulm  waren  die  wichtigsten  Handelsplätze, 
welche  Italiener  aufsuchten.  Ihre  Verbindungen  mit  Frankfurt  sind 
damals  wichtige  Strafsen  gewesen,  und  über  sie  möchte  ich  in  aller  Kürze 
ein  paar  Sätze  einfügen. 

Aus  der  Zeit  von  1353 — 71  stammt  ein  Geleitsbrief,  den  die  Augs- 
burger von  einer  Reihe  von  Herren  erhielten.  Die  Strafse  führt  um  die 
Nordostecke  des  Königreichs  Württemberg  herum  und  ist  heute  völlig 
von  allem  Verkehre  entblöfst.  In  öttingischem  Gebiete  ging  der  Weg 
von  Donauwörth  an  den  Reichsstädten  Horburg,  Nördlingen,  Dinkelsbühl 
vorbei  auf  Feuchtwangen.  Im  bischöflich  würzburgischen  Gebiet  werden 
Wörnitz  und  Ostheim  genannt,  zwischen  denen  die  Wasserscheide  der 
Frankenhöhe  liegt.  Es  folgen  die  in  hohenlohischem  Gebiete  gelegenen 
Orte  Gebsattel  und  Reichardtsroth ,  zwischen  denen  die  Reichsstadt 
Rothenburg  liegt.  Es  folgt  das  breuneggische  Aub  und  das  hohenlohische 
Gelchsheim.  Die  Richtung  der  Strafse  biegt  nun  stark  nach  Westen  ab. 
Rineckisches  Gebiet  führt  über  Simmringen  und  Grünsfeld.  Die  weitere 
Strecke  ist  in  mainzischem  Gebiete  und  geht  von  Tauberbischofsheim, 
Külsheim,  bei  Miltenberg  an  den  Main,  dort  erfolgt  eine  Teilung:  der 
Weg  nach  Mainz  berührt  Obernburg,  Babenhausen  und  Langen,  während 
der  nach  Worms  von  Miltenberg  aus  bei  Gernsheim  den  Rhein  erreicht*. 
Die  älteste  mir  bekannte  Nachricht  über  diese  Handelsstrafse  ist  eine 
Urkunde  Ludwigs  des  Bayern  von  1340,  worin  er  der  Stadt  Rothenburg 
gestattet,  die  Handelsstrafse  zwischen  Augsburg  und  W^ürzburg-Frankfurt  i 
durch  ihre  Stadt  zu  legen®.  * 

Alter  war  der  augsburgische  Weg  zum  Neckarthaie,  und  dafür  liefsen 
sich  die  Augsburger  Geleitsbriefe  geben ,  welche  zugleich  auch  für  alle 
Kauf  leute  galten,    Ihre  Reihe  beginnt  mit  1322*. 


*  Die  Route  ülm-Nurnberg  habe  ich  in  die  Übersichtskarte  nicht  eingetragen. 
Da  Ortel  jedoch  sie  als  Kaufmannsron te  genau  bezeichnet,  schwinden  meine  Zweifel; 
denn  es  wurden  sonst  auch  andere  Wege  benutzt. 

2  Augsburger  Stadtarchiv.    Kopialbuch  105  lA  Nr.  198. 
«  Böhmer,  Reg.  Nr.  2085. 

*  Geleitsbrief  der  Markgrafen  von  Baden,  Grafen  von  Württemberg,  Helfen- 
stein und  Vaihingen.  Augsb.  Urkb.  1,  228  f.  (Efsl.  Urkb.  1,  243  Nr.  505),  dann 
württemb.-helfensteinscher  Geleitsbrief  von  1349,  auch  für  den  Weg  über  Aalen 
(A  u  g  8  b.  U  r  k  b.  2, 26).  Auf  diesen  letzteren  bezieht  sich  ausschliefslich  der  öttingensch'e 
Geleitsbrief  von  1349  (ebda.  2,  33  f),  wie  der  helfensteinsche  von  1351  auf  die  Ge- 
leite von  Dilliiigen  und  Ulm  her  (ebda.  2,39).  Zu  den  Urkunden  kommt  jetzt  auch 
die  Zollherabsetzunfj  seitens  der  Grafen  von  Helfenstein  und  Württemberg  von  1272, 
welche  sich  also  auf  den  Weg  über  Geislingen  bezieht.  Württemb.  Urkb.  7  Nr.  2293. 


(, 


390  Füiifiiuddreifsigstes  Kapitel. 

Wenn  nicht  der  vorhin  angegebene  Weg  bis  Nördlingen  benutzt  und 
dann  der  Weg  über  Aalen,  Gmünd  nach  Cannstadt  genommen  wurde, 
kam  auch  für  die  Augsburger  die  Ulmerstrafse  in  Betracht,  die  noch 
heute  eine  der  lebhaftesten  Deutschlands  ist:  Geislingen,  Göppingen,  Efs- 
lingen,  Cannstadt.  Von  dort  sind  verschiedene  Wege  benutzt  worden. 
Es  kann  hier  nicht  näher  darauf  eingegangen  werden  ^  Ich  möchte  jedoch 
hervorheben,  dafs  diejenigen,  welche  möglichst  lange  den  Rhein  benutzen 
wollten,  über  Schwieberdingen,  Vaihingen,  Schmie,  Maulbronn,  Bretten, 
Bruchsal  nach  Rheinhausen  gingen,  wo  die  Fähre  sie  über  den  Rhein 
nach  Speier  brachte*. 

Diese  beiden  Routen  von  Ulm  und  Augsburg  nach  dem  Mittelrhein 
.  sind  übrigens  weit  mehr  als  die  Fortsetzungen  des  Fernpasses  und  des 
Brenners  anzusehen,  als  der  schweizerischen  Pässe ^.  Die  Pilger  zogen 
von  Ulm  über  Gerlenhofen,  Illertissen,  Memmingen,  Kempten,  Nessel- 
wang,  Pfronten,  Vils,  Reutte,  Pafs  Ehrenberg,  Leernioos  zum  Fernpafs* 
und  von  da  entweder  über  den  Brenner  oder  durch  das  Vintschgau  nach 
Venedig.  Und  denselben  Weg  schlugen  auch  die  Kauf leute  ein ;  war 
doch  der  Ritter  von  Harff  in  der  Gesellschaft  zweier  Kölner  Geschäfts- 
leute, die  nach  Venedig  zogen. 

Der  gröfste  Teil  des  italienischen  Verkehrs  war  ein  Durchgangs- 
verkehr, und  insofern  Flandern  das  Ziel  war,  mufste  der  Rhein  über- 
schritten werden.  Es  gab  nun  die  Möglichkeit,  vom  Bodensee  aus  süd- 
lich den  Schwarzwald  oder  ihn  nördlich  zu  umgehen.  In  letzterem  Falle 
kam  der  Weg  über  Ulm  in  Frage,  Für  die  südliche  Umgehung  ergab 
sich  die  Richtung  über  Schaffhausen,  Waldshut.  Den  Konstanzem,  die 
r     sich  für  den  Verkehr  der  Italiener  sehr  interessierten,  konnte  weder  jener. 


^  Meiu  in  Karlsruhe  und  Stuttgart  gesammeltes  Material  über  diese  verwickelten 
Ausmündungen  des  Kraichgaus  und  Bruhrains  reicht  doch  nicht  aus,  um  hier  volle 
Klarheit  zu  schaffen. 

^  Diese  Orte  mit  Ausnahme  von  Maulbronn  nennt  der  Pilger  Arnold  v.  Harff. 
Die  Pilgerfahrt  des  Ritters  A.  v.  Harff,  herausgeg.  von  Groote,  Köln  1860  S.  5, 
und  dieselbe  Route  giebt  auch  der  Mainzer  Domdechant  von  Breitenbach  bei 
Röhricht  u.  Meisner,  Deutsche  Pilgerreisen  nach  dem  hl.  Lande  125  an.  Ebenso 
passen  der  Wegweiser  des  Johann  v.  Zeibbeke  1499  und  des  Georg  Languerrand 
1486  auf  diese  Route.    Anzeiger  f.  Kunde  der  teutschen  Vorzeit  4,  275  f. 

*  Übrigens  benutzten  auch  Konstanzer  Kaufleute  auf  dem  Wege  zur  Frank- 
furter Messe  den  Weg  durch  das  Neckarthal.  So  wurden  1428  Leute  von  ihnen, 
wie  von  Augsburg,  Ulm  und  anderen  schwäbischen  Städten  von  Konrad  von  Weins- 
berg in  Sinsheim  angehalten.  Die  Kauf  leute  dachten  daran,  nun  die  Frankfurter 
Messe  zu  boycotten,  um  den  Adel  zu  beugen.  Ruppert,  Chroniken  133.  Alt- 
mann 7364 f.,  7582  und  andere  Quellen.  Chroniken  d.  deutsch.  Städte  22,  70  u.  481. 
Geleitsbrief  von  1425,  Schriften  d.  Ver.  f  Bodensee  5,  59. 

*  V.  Harff  S.  3.  Breitenbach  S.  126.  Fabri,  Evagatorium.  Bibl.  d.  litter. 
Vereins  2,  66  ff.  und  4,  461  ff.  und  viele  andere  Quellen. 


Die  Fortsetzungen  nördlich  des  Bodensees.  391 

noch  dieser  Weg  passen.  Jener  berührte  ihre  Stadt  überhaupt  nicht,  und 
dieser  war  ein  Umweg  im  Vergleich  zu  den  direkten  Verbindungen,  die 
zwischen  Chur  und  Basel  möglich  waren.  Nach  Konstanz  konnte  der 
italienische  Verkehr  nur  gezogen  werden,  wenn  die  Verbindung  durch 
den  Schwarzwald  selbst  hergestellt  wurde. 

Eine  kunstgemäfs  ausgebaute  „Strafse" ,  welche  den  Kamm  des 
Schwarzwaldes  in  der  Richtung  des  Zuges  der  Schwarzwaldbahn,  also 
zwischen  Villingen  und  Hornberg  überwand,  hat  es  im  Mittelalter  nicht 
gegeben.  Gleichwohl  wurde  der  Weg  benutzt.  Schon  1298  zog  der  Abt 
von  St,  Gallen  dem  Könige  Adolf  in  das  Kinzigthal  zu*,  und  es  ist  sehr 
wahrscheinlich,  dafs  der  König  selbst  von  Ulm  aus  diesen  Weg  nahm, 
um  sich  seinem  Rivalen  Albrecht  am  Rhein  vorzulegen  ^  Auf  Benutzung 
durch  Kaufleute  deuten  die  Briefe,  welche  Nürnberg  und  Strafsburg  1384 
wechselten,  um  die  Veste  Hornberg  mit  einem  Hause  zu  bezimmern.  Wie 
kämen  diese  beiden  so  weit  entlegenen  Städte  darauf,  wenn  sie  nicht  den 
Verkehr  hätten  schützen  wollen?  Von  Hornberg  aus  trennten  sich  die 
beiden  Wege,  welche  wir  später  als  „Frankfurter  Strafsen"  bezeichnet 
finden^.  Die  venetianischen  Gesandten  von  1492  schlugen,  als  sie  von 
Strafsburg  schnell  nach  Konstanz  gelangen  wollten,  diese  Richtung  ein. 
Ihre  Stationen  waren  Offenburg  (Mittag),  Haslach  (Nacht),  Hornberg 
(Mittag),  Villingen  (Nacht),  Geisingen  (M.)  und  Engen  (N.),  Radolfzell 
(M.)  und  Konstanz.  Bei  Villingen  notierten  sie :  „auf  dem  Wege  hierher 
fanden  sich  viele  Höhen  und  Wälder  und  sehr  schlechte  Wege"  —  und 
doch  war  es  der  3.  September^.  Denselben  Zug  giebt  ein  Wallfahrts- 
büchlein, das  sich  auf  der  Strafsburger  Stadtbibliothek  befand,  an*. 

So  viel  wir  sehen  können,  haben  die  Konstanzer  an  dem  Bau  der 
ersten  Kunststrafse  des  Schwarz waldes  keinen  Anteil  gehabt,  aber  sie 
haben  dieselbe  den  Italienern  empfohlen,  und  diese  haben  von  ihr  längere 
Zeit  hindurch  Gebrauch  gemacht. 

Der  Bau  dieser  Kunststrafse  geht  auf  die  beiden  Städte  zurück, 
welche  den  Handel  hüben  und  drüben  des  südlichen  Schwarzwaldes  zu 
beherrschen  suchten,  auf  die  zähringischen  Gründungen  Villingen  und 
Freiburg*.  Es  war  im  Jahre  1310,  als  zwischen  den  beiden  Städten 
Freiburg  und  Villingen,  das  offenbar  die  Anregung  gegeben  hat,  der  Bau 


*  Vgl.  Busson,  Wiener  Sitzungsberichte  Bd.  117  S.  53. 

*  Der  eine  östliche  Weg  ging  von  Hornberg  über  Reichenbach,  die  Benzebene, 
Krummen  Schiltach,  den  Schoren,  Mönchweiler  nach  Villingen,  der  andere  berührte 
Niederwasser,  Nufsbach,  St.  Georgen  und  Stockburg.  Mitteil,  von  Prof.  Dr.  Roder 
in  Überlingen. 

'  Simonsfeld,  Reisebericht  S.  270  f. 

*  Archiv  f.  Post  u.  Telegr.  14,  428. 

^  Vgl.  Roder,  Die  Verkehrswege  zwischen  Villingen  und  dem  Breisgau. 


392  Fünfunddreifsigstes  Kapitel. 

dieser  Strafse  verhandelt  wurde  und  auch  mit  dem  Landesherrn  Villingens, 
dem  Grafen  Egon  von  Fürstenberg  wurde  alles  geregelt.  Noch  war  es 
zweifelhaft,  welcher  Strafsenzug  gewählt  werden  sollet  Die  südlichere 
Linie,  nicht  die  über  Vöhrenbach,  wurde  gebaut,  und  zwar  ging  der 
Weg  über  Herzogenweiler  auf  Bregenbach  zu,  hier  schon  ganz  in  den 
unermefslichen  Wäldern,  welche  den  östlichen  Hang  des  Schwarzwaldes 
bedecken.  Am  Wege  erstand  bald  als  Sperre  die  Burg  Neufürstenberg. 
Durch  das  Thal  Urach  wurde  dann  die  Höhe  des  Hohlen  Graben  ge- 
wonnen, eine  Stelle,  die  in  der  Kriegsgeschichte  namentlich  des  siebzehnten 
und  achtzehnten  Jahrhunderts  eine  aufserordentlich  grofse  Rolle  spielt. 
Es  war  der  für  das  Militär  wichtigste  Pafs.  Vom  Hohlen  Graben  hätte 
es  am  nächsten  gelegen,  durch  das  Wildgutachthal  das  Simonswälder-  und 
Elzthal,  somit  Waldkirch  zu  gewinnen.  Allein  dann  wäre  der  Verkehr 
eben  von  Freiburg  abgelenkt  worden,  und  das  zu  verhindern,  war  die 
Stadt  äufserst  bemüht:  sie  brachte  1316  den  kurzsichtigen  Freiherrn 
von  Schwarzenberg  zu  der  Verpflichtung,  dafs  durcli  das  Simonswälder- 
thal nie  eine  Strafse  gebaut  werden  dürfe-.  Die  neue  Strafse  hielt  sich 
also  bis  St.  Märgen  auf  der  Hochfläche.  Bei  diesem  Kloster  behielt  sie 
nun  nicht  die  natürliche  Richtung  bei,  die  durch  das  Glotterthal  auf 
Denzlingen  führte,  sondern  abermals  Freiburg  zuliebe,  lenkte  sie  zur 
Linken  und  führte  durch  das  „ Wagens teigthal"  ^  unterhalb  der  Burg 
Wisneck  vorbei  in  das  breite  fruchtbare  „Himmelreich"  am  oberen  Ende 
des  Dreisamthals  und  von  dort  nach  Freiburg. 

Der  Zolltarif  von  1310  erwähnt  ebensowenig  wie  der  von  1381*  den 
Durchpafs  von  italienischen  Waren,  er  begünstigt  natürlich  die  Erbauer 
der  Strafse  Villingen  und  der  von  1381  auch  Freiburg.  Italiener  kann 
ich  in  dieser  Zeit  auf  dem  Wege  nicht  nachweisen,  aber  wie  wenig  wissen 
wir  überhaupt  von  dem,  was  auf  den  mittelalterlichen  Strafsen  vorging! 

Die  neue  Strafse  konnte  den  älteren  Weg  nicht  völlig  niederlegen. 
1302  hatten  Konstanz  und  drei  mit  ihnen  verbundene  Städte  von  dem 
Grafen  Egen  von  Freiburg  und  seinem  Vetter  Heinrich  von  Fürstenberg 
erreicht,  dafs  beide  sich  bereit  erklärten,  für  diese  Strafse  einen  (leider 
nicht  erhaltenen)  Geleitsbrief  zu  besiegeln*,  ja  der  alte  leerte  sie  sogar 
wieder.  Dieser  Weg  führte  von  der  südlichen  Baar  über  Löffingen  und 
Neustadt,  zwei  Städtegründungen  des  dreizehnten  Jahrhunderts  nach  der 


»  Fürstenb.  Urkb.  2  Nr.  51.    Roder  510  f. 

2  Roder  S.  521. 

8  Der  Name  hiefs  ursprünglich  »Wagcnatat* ,  so  schon  1125.  St.  Galler 
Urkb.  3,  1125. 

*  Fürstenb.  Urkb.  2  Nr.  496. 

'^  Zeitschr.  Gesch.  Obcrrh.  4,  57  u.  4,55.  Die  Datierung  ist  immerhin  un- 
sicher.   Triflft  sie  zu,  so  kann  es  sich  nur  um  den  alten  Weg  handeln. 


Die  Fortsetzungen  nördlich  des  Bodensees.  393 

Wasserscheide  des  „Altenweg"  ^  am  Titisee  und  trat  dann  in  das  wegen 
seiner  Schönheit  weltbekannte  Höllenthal.  Wer  dieses  Thal  einmal  nach 
Hochwasserverwtistungen  gesehen  hat,  weifs,  wie  übel  der  dort  liegende 
Weg  im  Mittelalter  sein  mufste^.  Beherrscht  wurde  die  Strafse  durch 
die  Burg  der  Ritter  von  Falkenstein  fast  am  Ausgange  zum  Himmelreich. 
Von  da  ab  war  der  Weg  mit  dem  von  der  Wagensteige  kommenden 
vereint.  Der  Zoll,  den  die  Grafen  von  Fürstenberg  auf  dieser  Strafse 
erhoben,  lag  in  Neustadt. 

Die  Strafse  über  den  Hohlen  Graben  wurde  Ende  der  siebziger  Jahre 
des  vierzehnten  Jahrhunderts  erneut,  nachdem  beide  Städte  ihre  Herren 
gewechselt  hatten,  Villingen  hatte  sich  den  Grafen  von  Fürstenberg, 
Freiburg  deren  Vettern,  den  Grafen  von  Freiburg,  entzogen  und  sich 
der  österreichischen  Herrschaft  unterworfen.  Beide  Städte  fanden  auch 
in  ihren  Strafseninteressen  Förderung  durch  die  österreichischen  Herzöge. 
Leopold  HI.  liefs  sich  um  1379  von  König  Wenzel  mit  der  Strafse  be- 
lehnen^, und  zwischen  den  beiden  Städten  wurde  1379  nun  abgemacht, 
dafs  sie  auf  immer  die  Strafse  unterhalten  und  alle  Abwege  abschneiden 
wollten*.  Daran  haben  die  Städte  mehr  als  200  Jahre  festgehalten. 
Auch  mit  Graf  Heinrich  von  Fürstenberg  wurde  alles  geregelt^.  Der 
Zoll  von  Urach,  der  den  Grafen  von  Fürstenberg  gehörte,  wurde  zwei 
Jahre  später  neu  reguliert,  und  es  wurde  der  Tarif  nun  ganz  bedeutend, 
mitunter  um  das  Sechs-,  ja  das  Achtfache  herabgesetzt®.  Die  Ermäfsigung 
für  die  Villinger  wurde  auch  auf  die  Freiburger  ausgedehnt. 

Daneben  blieb  auch  die  Strafse  von  Neustadt  bestehen,  die  auch  von 
Villingen  noch  benutzt  wurde'';  um  sie  sicherer  zu  machen,  wurde  am 
5.  Dezember  1388  von  den  Freiburgern  das  Raubnest  Falkenstein  ge- 
brochen.    Ihre  Nähe  mufste  auch  die  Wagensteige  beunruhigen. 

So  war  eine  Saumstrafse  durch  das  Höllenthal  den  Italienern  offen  — 
der  Verkehr  über  dieselbe  wurde  1381  ausdrücklich  offen  gelassen  — , 
weiter,  aber  viel  bequemer  und  sicherer  war  die  Strafse  über  den  Hohlen 
Graben,  auf  der  nach  dem  Vertrage  von  1381  zwei  Wagen  aneinander 
vorbei  fahren  konnten.  Auf  ihr  dürften  die  Italiener  gezogen  sein,  die 
uns   aus  den  Verhandlungen   mit  Konstanz   nun   bekannt  werden,    doch 

*  Nach  Krieger,  Typogr.  Wörterbuch  v.  Baden  erscheint  dieser  Name 
zuerst  1316. 

•-*  Vgl.  auch  Bär,  Chronik  217  f. 
3  Roder  515. 

*  Fürstenb.  Urkb.  6  Nr.  78,  1.    Roder  515. 

^  Regest  Fürstenb.  Urkb.  6  Nr.  78  und  genauer  Roder  515. 

«  Fürstenb.  Urkb.  2  Nr. 496.   Abdruck  (falsch  zu  1380)  bei  Schreiber  2,  25. 

■^  Roder  514  zeigt,  dafs  die  Zollsätze,  die  1840  die  Villinger  für  Neustadt  an- 
erkannten, wesentlich  höher  waren  als  die  auf  dem  neuen  Wege  von  1310.  Dieser 
Weg  mufs  also  von  ihnen  nicht  mehr  benutzt  sein. 


394  Fünfunddrcifsigstes  Kapitel. 

sah  auch  das  Höllenthal  Lombarden.  Wernher  von  Falkenstein  stand  in 
dem  grofsen  Städtekriege  von  1388  auf  Seiten  der  Herren,  er  hielt  sich 
nun  für  berechtigt,  auch  Bürger,  die  mit  dem  Städtebund  nichts  zu  thuii 
hatten,  von  der  Burg,  an  der  er  übrigens  nur  einen  kleinen  Teil  hatte,  zu 
berauben,  er  vergriff  sich  auch  an  Leuten  aus  Lamparten  und  Flandern ; 
dem  Boten  Peters  von  Mailand  nahm  er  über  70  fl.  Wert,  Georius  von 
Pala  von  Flandern  140  fl.,  Künigkin  dem  Lamparter  ftlr  60  fl.  Gold- 
und  Silberfeden.  Ein  Knecht,  der  von  Köln  nach  Como  gesponnene 
Goldfaden  brachte,  wurde  gleichfalls  beraubt,  auch  der  Pilger  schonte  er 
nicht.  So  waren  acht  Pilger:  zwei  aus  Holland,  zwei  aus  Flandern  und 
vier  aus  England  beraubt.  Schliefslich  ging  den  Freiburgern  die  Geduld 
aus,  unerwartet  zogen  sie  vor  die  Burg  und  zerstörten  sie  (1388)  ^  Die 
Wege  über  Triberg  und  Schramberg  zum  Kinzigthale  haben,  so  viel  ich 
sehen  kann,  einem  grofsen  internationalen  Verkehre  nicht  gedient  Diese 
Waren  berührten  auf  dem  Wege  von  Konstanz  nach  Strafsburg  wohl  fast 
stets  Freiburg  und  zumeist  auch  Villingen. 

Der  Zustand,  wie  er  1388  eingerichtet  war,  wurde  1429,  soweit 
Rechte  der  Grafen  von  Fürstenberg  in  Frage  kamen,  nochmals  von  der 
Stadt  Villingen  beurkundet^.  Ein  anderer  Raubritter  brachte  die  Mai- 
länder noch  weit  mehr  auf,  als  der  Falkensteiner.  Es  war  der  Junker  von 
Stoffeln,  der  dicht  bei  Radolfzell  Waren  —  46  Ballen  und  zwei  Packe  -r- 
englischer  Wolle  und  aufserdem  ein  Fardel  wegnahm,  die  Mailänder  und 
Comasker  Kaufleuten  gehörten.  Der  Fall  ist  für  uns  von  grofser  Be- 
deutung, weil  wir  aus  dem  Briefwechsel  nun  ersehen,  dafs  die  Konstanzer 
und  auch  einige  der  Geleitsherren  den  Mailändern  schriftliche  Zu- 
sicherungen gemacht  hatten. 

Die  That  war  innerhalb  des  Geleites®  des  Grafen  von  Nellenburg 
wohl  dicht  bei  der  Burg  Hohenstoffeln,  die  auf  einem  der  Porphyrkegel 
des  Hegaus  sich  erhob,  geschehen.  Der  Thäter,  ein  Glied  der  Familie 
von  Stoffeln,  die  1356  auch  die  Mörder  des  Bischofs  Johann  Windlock 
von  Konstanz  gestellt  hatte*,  deckte  sich  gerade  wie  der  Falkensteiner 
durch  das  Recht  der  Fehde,  er  erklärte  sich  fl\r  einen  Diener  des  Grafen 
Eberhards  des  Greiners  von  Württenlberg.  Der  von  Stoffeln  hatte  aber 
noch  weniger  Recht;  war  doch  durch  den  Egerer  Landfrieden  der  Friede 
zwischen  den  Herren  und  Städten  wieder  hergestellt.  Er  erklärte,  er 
halte  das  Gut  für  Gut  des  Bundes  von  Konstanz,  also  wohl  des  Bundes 
der   Städte   am   See.     Der   Graf  von    Nellenburg    hatte,    wie   aus   dem 


*  Die  Belege  Schreiber,  Urkunden  buch  von  Freiburg  2,  59 — 83. 

2  Fürstenb.  Urkb.  3  Nr.  202  und   1  u.  2.     Weitere   Nachrichten    über  die 
JStrafse  bei  Köder. 

'  £s  wurde  ein  Geleitsgeld  dafür  erhoben.    S.  Urkunden  Nr.  334. 

*  Ruppert,  Chroniken  S.  63. 


Die  Fortsetzungen  nördlich  des  Bodensees.  395 

ichreiben  der  Kaufraannschaft  an  den  Grafen  hervorgeht  *  den  Italienern 
ahriftliche  Zusicherungen  gemacht.  Aber  er  war  ebensowenig  zu  einem 
nergischen  Vorgehen  bereit,  wie  die  Stadt  Konstanz. 

Dürfen  wir  nach  den  einseitigen  Mailänder  Nachrichten  urteilen,  so 
lefs  es  allerdings  Konstanz  an  aller  Energie  fehlen.  Dem  auf  Hohen- 
toflfeln  war  freilich  schwerer  beizukommen  als  den  Leuten  auf  Falken- 
tein.  Die  Konstanzer  verweigerten  den  Eid,  dafs  das  Gut  nicht  ihrem 
iunde  gehöre,  einem  Feinde  wollten  sie  keinen  Eid  leisten.  Alle  Briefe 
jiovan  Galeazzo  Viscontis  *  fruchteten  so  wenig,  dafs  schliefslich  den  Mai- 
ändern die  Geduld  ausging. 

Während  des  Krieges  zwischen  den  Eidgenossen  und  den  Öster- 
•eichern  war  der  St.  Gotthard  für  sie  gesperrt  gewesen,  sie  hatten  sich 
luf  die  3ündner  Pässe,  auf  Konstanz  und  die  Schwarzwaldstrafse  ein- 
gerichtet. Seitdem  aber  im  April  1389  wenigstens  ein  Friede  auf  sieben 
Jahre  geschlossen  war,  konnte  der  Gotthard  wieder  benutzt  werden. 
Die  natürlichen  Vorzüge  des  Gotthards  machten  sich  geltend,  und  Kon- 
stanz konnte  sein  Strafsensystem  nur  behaupten,  wenn  es  sich  energisch 
der  italienischen  Freunde  annahm.  Sollte  das  nicht  der  Fall  sein,  so 
sollten  die  Gesandten,  die  Mailand  jetzt,  nachdem  durch  Korrespondenz 
nichts  erreicht  war,  abschickte,  Konstanz  verlassen  und  mit  den  Eid- 
genossen abschliefsen. 

Die  Instruktion  derselben  ißt  uns  erhalten®.  Zuerst  sollten  die  Ge- 
sandten den  Versuch  machen,  in  Konstanz  Ersatz  für  den  erlittenen 
Schaden  zu  erhalten  und  ferner  für  die  Zukunft  eine  bindende  Zusicherung 
für  die  Sicherheit  des  Weges.  Die  weiteren  Paragraphen  beweisen,  dafs 
bei  den  Mailändern  weder  die  Hoffnung,  das  von  Konstanz  zu  erhalten, 
noch  der  Wunsch  danach  sehr  grofs  war.  Für  die  Gotthardlinie  sind  eine 
Menge  von  Punkten  angegeben,  die  geregelt  werden  sollten. 

Am  23.  Mai  1391  trafen  von  Luzem  her  die  beiden  Gesandten, 
Komerius  de  Suane  und  Paginus  de  Alzate,  in  Konstanz  ein^.  Da  der 
Graf  von  Nellenburg  auf  einem  Ritt  nach  Prag  abwesend  war,  mufsten 
die  Gesandten  bis  zur  Rückkehr  warten,  obwohl  sie  erklärten,  sie  wollten 
Sicherheit  von  Konstanz,  mit  dem  Grafen  von  Nellenburg  wollten  sie 
nichts  zu  thun  haben,  auch  wenn  er  ihnen  hundert  Briefe  gäbe.    Als  er 


^  Urkunden  Nr.  28.  Vom  gleichen  Tage  Briefe  an  die  Stadt  Konstanz  und 
den  von  Stoffeln.    Urkunden  Nr.  29  u.  80. 

2  An  die  Stadt  und  den  Grafen  von  Neuenbürg  vom  12.  Dezember  1390.  Ur- 
kunden Nr.  31  u.  32. 

'  Urkunden  Nr.  35.    Undatiert. 

*  Vgl.  ihren  Bericht  vom  4.  Juni.  Urkunden  Nr.  36.  Nach  der  Instruktion 
war  ein  Franciscus  de  Alzate  gefangen,  wo  ist  nicht  angegeben.  Die  Gesandten 
sollten  sich  um  seine  Freilassung  bemühen. 


396  Fünfunddreifsigstes  Kapitel. 

zurückgekehrt  war,  wollte  der  Rat  mit  einem  Boten  die  Mailänder  zu 
dem  Nellenburger  und  dem  Grafen  Heinrich  IV.  von  Fürstenberg  schicken, 
der  bis  dahin  keinen  Sicherheitsbrief  und  namentlich  keinen  in  Verbin- 
dung mit  dem  Nellenburger  hatte  geben  wollen.  Damit  waren  die  Ge- 
sandten aber  keineswegs  einverstanden;  sie  wollten  mit  ihnen  durchaus 
nicht  verhandeln,  das  sei  Sache  der  Konstanzer;  wenn  diese  ihnen 
Sicherheit  gäben,  seien  sie  es  zufrieden.  Der  Rat  trat  erneut  zusammen. 
Er  kam  zu  dem  Schlüsse,  den  Mailändern  gegenüber  nicht  die  Garantie 
für  die  Schäden  zu  übernehmen.  Thäten  sie  das,  so  würde  der  Strafsen- 
raub  sich  steigern,  weil  sie  und  nicht  die  Mailänder  den  Schaden  hätten. 
Mit  dem  Vorschlage,  dafs  Konstanz  mit  den  beiden  Geleitsherren  ver- 
handele und  von  ihnen  Garantie  für  alle  zukünftigen  Schäden  erwirke, 
waren  die  Boten  einverstanden,  und  die  Konstanzer  schickten  aus  ihrer 
Mitte  nun  Gesandte  an  die  beiden  Herren  des  Hegaus  und  der  Baar. 
Die  Mailänder  hofften,  dafs  es  gelingen  werde,  aber  doch  nicht,  um  an 
diesem  Wege  immer  festzuhalten.  Sie  waren  insbesondere  besorgt  für 
die  im  Augenblick  in  Strafsburg  liegenden  Ballen.  Das  Motiv  ist  nicht 
ganz  klar.  Bei  den  Ballen  seien  keine  starken  Pferde,  auf  einem  andern 
Wege  würden  sie  vielleicht  zusammenbrechen,  also  müfsten  sie  über  den 
Schwarzwald. 

Konstanz  hatte  sich  also  nicht  zu  jener  generellen  Garantie  bereit 
erklärt,  nur  auf  dem  See  von  Radolfzell  bis  Rheineck  wollte  die  Stadt 
Bürgschaft  gegen  die  Räubereien  übernehmen,  nicht  aber  war  sie  bereit, 
auch  die  Gefahren  des  Wassers  zu  tragen. 

Was  weiter  erfolgt  ist,  wissen  wir  nicht.  Die  Quellen  schweigen 
darüber.  Dafs  zwei  Mailänder  Kaufleute  sich  1392  vom  Herzoge  Leo- 
pold von  Österreich  einen  besonderen  Pafs  für  den  Transport  von  Strafs- 
burg durch  sein  Gebiet  erbaten,  erklärt  sich  wohl  durch  die  Masse  der 
Waren.  Nicht  weniger  als  1000  Ballen  Wolle  und  Tuche  wollten  sie  in 
verschiedenen  Zügen  fortbewegen^.  Vierunddreifsig  Jahre  vergehen,  bis 
wieder  ein  Zeugnis  über  Verhandlungen  zwischen  Italien  und  Konstanz 
sich  findet,  die  bestimmt  diese  Strafse  betrafen.  Aber  gewifs  war  sie 
darum  nicht  völlig  verlassen,  zumal  in  den  Tagen  des  Konzils.  Dann 
allerdings  mufs  es  auf  ihr  still  geworden  sein;  denn,  nachdem  die 
Strafse:  »eite  wie  vil  jere  uxfisie  gelegen^,  hatte  die  Stadt  Konstanz  im 
Jahre  1424  mit  den  Grafen  und  Herren  ihrer  Nachbarschaft  abgemacht, 
dafs  sie  die  Kaufleute  und  ihr  Gut  sicher  geleiteten,  damit  die  Strafse 


*  Urkunde  vom  22.  Juni  1392.  Das  Datum  ist  Freiburg,  spricht  schon  das 
für  den  Weg  Freiburg-Ronstauz ,  so  noch  mehr,  dafs  der  Brief  in  dem  Konstanzer 
Formelbuch  erhalten  ist.  Z.  Gesch.  Oberrh.  4,  32  f. —  Andere  „Nahmen",  welche 
den  Verkehr  in  Oberschwaben  hinderten,  übergehe  ich.  Ein  Pappenheimer  unterbrach 
z.  B.  1405  den  Verkehr  zwischen  Köbi  und  Venedig.  Pick,  Monatsschrift  1,  114. 


Die  Fortsetzungen  nördlich  des  Bodeusecs.  397 

wieder  aufgehe  und  geübt  und  gehalten  werde.  Dieses  Mal  hatten  die 
Grafen  und  Herren  Briefe  ausgestellt,  die  trotz  eifriger  Nachforschungen 
aufzufinden  mir  nicht  gelungen  ist.  Auch  Strafsburg  hatte  sich  an  den 
Verhandlungen  beteiligt.  Abermals  war  der  Gotthardpafs  für  den  Ver- 
kehr gesperrt,  eben  waren  bei  Arbedo  die  Eidgenossen  vom  Grafen  von 
Carmagnola,  dem  Feldhauptmann  Filippo  Maria  Viscontis  aufs  Haupt 
geschlagen. 

Auf  dem  See  hatte  Konstanz  die  Bürgschaft  gegen  Räubereien  über- 
nommen. Das  führte  zu  ernsten  Ungelegen h ei ten.  Als  1425  ein  Kauf- 
mann von  Mailand  von  Norden  her  nach  Konstanz  kam,  und  er  dann 
seine  Waren  zu  Schiff  See  aufwärts  gehen  liefs,  erfuhren  die  Konstanzer, 
dafs  einige  von  Luzern,  wo  die  Bürger  über  ihre  Niederlage  gegen  den 
Herzog  von  Mailand  aufs  höchste  aufgebracht  waren,  auf  die  Kaufleute 
warteten  ^  Es  drohte  eben  ein  Krieg  der  Eidgenossen  gegen  Mailand. 
Auf  die  Warnung  hin  wurde  das  Schiff  eingeholt,  gewendet,  und  es  ent- 
kam so  den  Räubern.  Luzern  aber  war  unzufrieden ,  die  Konstanzer 
hätten  die  Güter  aufserhalb  ihrer  Gerichte  zurückgenommen,  und  da 
hätten  die  von  Luzern  nach  Kriegsrecht  darauf  Anspruch  gehabt.  Fünf- 
zehn von  Luzern  kündigten  den  Konstanzern  Fehde  an,  und  erst  nach 
langer  Verhandlung  ward  der  Handel  beigelegt.  Behauptete  Konstanz 
sein  Schutzrecht? 

Auch  für  Florenz  hatte  Konstanz  die  Garantie  für  den  Verkehr  auf 
dem  See  übernommen.  Wie  kam  es,  dafs  die  Stadt,  die  eben  erst  (1406) 
mit  Pisa  den  besten  toskanischen  Zugang  zum  Meere  gewonnen  hatte  und 
sich  auch  anschickte,  die  Verbindungen  zur  See  auszunützen,  sich  nun 
auf  einmal  wieder  dem  Landhandel,  durch  den  es  grofs  geworden  war, 
zuwenden  wollte? 

Im  Mai  des  Jahres  1409  war  ein  Schiff,  die  Nottona,  die  für  Florenz 
Wolle  und  Tücher  im  Werte  von  130000,  nach  anderer  Nachricht  gar 
von  mehr  als  200000  Goldgulden,  Eigentum  von  Florentiner  auch  Ge- 
nueser  Händlern,  an  Bord  hatte,  von  der  Flotte  des  Königs  von  Neapel, 
Ladislaus  von  Durazzo,  die  Elba  weggenommen  hatte,  angehalten  und 
nach  Gaöta  verbracht,  auch  ein  mit  Getreide  beladenes  Schiff  wurde 
gekapert.  Bei  jener  Wegnahme  hatten  sich  auch  Genueser  Schiffe  be- 
teiligt,   da   diese  Stadt  Zoll   verlangte-.     Es   war   also   eine  Erneuerung 

^  Die  Korrespondenz  mit  Strafsburg  und  Luzern  s.  Urkunden  Nr.  819—323 
und  Ruppert,  Chroniken  124,  jedoch  zum  Jahre  1423.  Notiz  im  Ratsbucli  ebda. 
S.  892.  Weitere  Aktenstücke  Samml.  eidgen.  Abschiede  2,  48  f.  Nürnberg  Kreis- 
archiv Brief b.  7  Fol.  64. 

-  Nach  den  Lettere  ad  ambasciatori ,  der  Chronik  des  Morel li  S.  358,  Ser- 
cam bi  (ed.  Bor^i  in  Fonti  per  la  storia  d'Italia  21,  150)  und  den  Annales  Estenses 
des  Jakob  de  Delayto  (Muratori  SS.  rer.  Ital.  18,  1090).  Auf  einzelne  dieser 
Quellen  hatte  Morpurgo  die  Güte,  mich  aufmerksam  zu  machen, 


398  Ffinfünddreifsigstes  Kapitel. 

des  Falles  von  1404,  wo  der  französische  Marschall  Boucicault,  der 
Statthalter  König  Karls  VI.  in  Genua,  ein  mit  Wolle  beladenes  Schiff 
der  Florentiner  im  Werte  von  200000  Goldgulden  hatte  wegnehmen 
lassen.  Damals  war  Pisa  noch  nicht  in  die  Hände  der  Florentiner  gefallen, 
und  der  Marschall  verbot  ihnen  die  Benutzung  des  Hafens  von  Tela- 
mone^  In  dem  Gefühle,  trotz  des  Besitzes  von  Pisa  gegen  Neapel, 
Genua  und  Frankreich  nicht  aufkommen  zu  können,  da  zugleich  der 
Landweg  über  Frankreich  nach  England  verschlossen  war,  suchte  Flo- 
renz einen  „Notausgang"  und  entschlofs  sich,  Gesandte  nach  Venedig 
und  Deutschland  zur  Sicherung  dieses  Weges  zu  entsenden.  Piero  Cam- 
bini  und  ser  Bartolomeo  del  Bambo  Ciai  sollten  mit  allen  Herren  und 
Städten,  die  wichtige  Strafsen  beherrschten,  verhandeln,  sie  sollten  die 
Abgaben  möglichst  herabdrücken  und  die  Stadt  nicht  in  irgend  einem 
Punkte  binden  2.  Die  Gesandten,  deren  Relationen  leider  in  Florenz, 
wo  ich  sie  eifrigst  suchte,  nicht  mehr  erhalten  sind,  kamen  auch  nach 
Konstanz,  und  die  Stadt  bewilligte  ihnen  sicheres  Geleite  auf  dem  See 
von  Lindau  bis  Konstanz,  eine  besondere  Herabsetzung  der  Abgaben 
erreichten  die  beiden  Florentiner  nicht.  Im  übrigen  wurden  schon  im 
September  1409  die  Franzosen  aus  Genua  vertrieben. 

Natürlich   haben    auch   Venetianer    Konstanz   auf  ihren   Reisen   be- 
rührt^, doch  war  da  wohl  der  Arlberg  der  Weg. 


»  Perrens  6,  136. 

2  Instruktion  vom  14.  September  1409.  Urkunden  Nr.  275.  Das  Beglaubigungs- 
schreiben an  Konstanz  vom  20.  September  und  die  Zusicherungen  von  Konstanz  vom 
11.  Dezember  Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrheins  4,  41.  Letztere  auch  Ruppert, 
Chroniken  S.  ^5.  Eine  andere  Fassung,  die  gleichfalls  aus  dem  Formelbuch  des 
Konstanzer  Stadtschreibers  Schultheifs  herrührt,  Urkunden  Nr.  832.  Dafs  die 
Handschrift  zwei  Formeln  enthält,  macht  es  immerhin  zweifelhaft,  ob  die  Sammlung 
unter  der  grofsen  Zahl  ihrer  wertvollen  Stücke  nicht  noch  mehr  solche  Entwürfe 
enthält. 

'  So  meldet  Karl  IV.  denen  von  Konstanz,  dafs  er  die  Venetianer  wieder  in 
Schutz  genommen  und  giebt  den  Befehl,  sie  zu  schützen.  Gleicher  Befehl  nach 
Nürnberg  und  Augsburg.    Böhmer,  Acta  imperii  Nr.  861. 


Zweiter  Teil. 

DER  STi  GOTTHARD  UND  SEINE  ZUGÄNGE. 


Sechsunddreifsigstes  Kapitel. 

Die  Nordseite  des  Ootthards  von  Urseren  bis  Lnzern  vor  allem 

im  vierzehnten  Jahrhundert. 

Politischer  Hintergrund ,  Kampf  der  Eidgenossen  tcider  Österreich  bis  zur  Weg^ 
nähme  des  Aargaus  1415.  Verkehrseinrichtungen.  Zölle  zu  Fluelen,  Luzem,  Eoihen» 
hurg.  Organisation  der  Säumerei,  Instandhaltung  der  Strafse^  Hospiz.  Verhandlungen 
von  Mailand  und  Venedig.  Mailänder  Gesandtschaft  van  1314.  Vetiedig.  Karl  IV, 
und  die  Sperre  gegen  die  Viscontis.  Der  Streit  Burkhards  Münch  von  Laiidskron  mit 
Mailand  und  Venedig.  Der  Baseler  Diplomat  und  Wirt  Sintze,  Der  Streitfall  des 
Galwan  Scherer  von  Luzern, 

In  durchaus  friedlichen  Tagen  hätte  der  St.  Gotthard  allen  anderen 
Pässen  der  Nachbarschaft  die  schwerste  Konkurrenz  bereitet,  für  diese 
traten  nur  dann  glänzende  Zeiten  ein,  wenn  wieder  wie  einst  Krieg 
den  Gotthard  sperrte.  Das  aber  war  bis  zum  zwanzigjährigen  Frieden 
▼on  1394  sehr  oft  der  Fall,  noch  mancher  schwere  Kampf  kam  über  die 
junge  Eidgenossenschaft,  bis  sie  sich  ihre  Unabhängigkeit  von  Österreich 
erkämpft  hatte. 

Die  Schlacht  am  Morgarten  war  auch  für  König  Ludwig  ein  Sieg 
gewesen,  er  lenkte  naturgemäfs  in  die  Bahnen  seiner  Vorgänger  Adolf 
und  Heinrich  wieder  ein;  er  entzog  die  drei  Thäler  den  Habsburgem, 
stellte  sie  unter  das  Reich  and  gab  ihnen  ganz  gleiche  Privilegien,  als 
ob  ihre  Entwickelung  nicht  von  ganz  verschiedenen  Momenten  ausge- 
gangen wäre.  Dafs  er  ihnen  1323  noch  einmal  einen  Reichsvogt  be- 
stellte, war  nur  zum  Schein,  Graf  Johann  von  Aarberg  mufste  erst  die 
gröfsten  Einschränkungen  anerkennen,  ehe  ihm  gehuldigt  wurde.  Ein 
solcher  Vogt  hatte  in  diesen  unabhängigen  Republiken  nichts  zu  sagen. 
Nicht  allein  das  Haus  Habsburg,  sondern  auch  das  Reich  hatte  nunmehr 
in  den  Thälern  keine  Gewalt  mehr,    wenn  es  auch    durchaus  richtig  ist, 


400  Sechsunddreifsigstes  Kapitel. 

dafs  die  Eidgenossen  sieh  noch  immer  als  zum  Reiche  gehörig  be- 
trachteten. 

Der  Kampf  um  den  deutschen  Königsthron  hatte  die  Habsburger 
nach  der  Niederlage  am  Morgarten  von  den  Eidgenossen  abgezogen,  hier 
wurde  ein  Waffenstillstand  geschlossen,  der  wiederholt  verlängert  wurde. 
Schon  in  diesen  Verträgen  tritt  die  Rücksicht  auf  den  St.  Gotthardver- 
kehr  hervor,  einerseits  suchen  die  Eidgenossen  sich  die  Wege  zu  den 
nächsten  Märkten  Luzern,  Zug  und  Interlaken  zu  sichern,  andei:erseit8 
wurde  bestimmt,  dafs  männiglich  die  alte  und  rechte  Strafse  fahren  und 
die  Zölle  nach  alter  Gewohnheit  geben  solle  ^.  Inzwischen  waren  die 
Luzerner  mit  ihren  Waren  durch  GraubUnden  gegangen,  wo  sie  von 
Jakob  von  Marmels  1317  ftir  die  österreichische  Herrschaft  gepfändet 
wurden,  was  jedoch  als  Unrecht  erkannt  wurde  ^.  Die  Interessen  für  den 
Pafsverkehr  haben  wohl  mit  dabei  gewirkt,  als  1327  und  29  die  drei  Thal- 
Bchaften  einem  Bündnisse  beitraten,  das  die  wichtigsten  rheinischen  Städte 
oberhalb  Mainz,  Überlingen  und  Konstanz  eingeschlossen,  mit  Zürich  und 
Bern  verband^. 

Die  österreichische  Macht  wurde  gegen  die  Urkantone  wieder  frei,  als 
die  Herzöge  mit  dem  Kaiser  Ludwig  ihren  definitiven  Frieden  schlössen. 
Diese  ernste  Gefahr  wurde  aber  dadurch  gemildert,  dafs  Luzern  unter 
Vorbehalt  aller  seiner  Pflichten  gegen  das  Haus  Österreich  November  1334 
mit  den  drei  Waldorten  einen  ewigen  Bund  einging.  Dieselben  wirt- 
schaftlichen Interessen  und  politischen  Tendenzen  hatten  Luzern  be- 
stimmt, wie  einst  die  drei  Waldstätte:  Loslösung  von  der  Beamten- 
gewalt des  Vogtes  von  Rothenburg,  Selbstverwaltung  und  Beherrschung 
des  Verkehrs  mit  den  Waldstätten,  d.  h.  mit  dem  St.  Gotthard.  Der 
Bund  führte  zu  Kämpfen,  die  Unruhen  im  Sommer  1334,  wie  Winter 
1336  wurden  jedoch  durch  einen  Vergleich  bald  beigelegt. 

Ein  wirklich  ernster  Kampf,  der  den  St.  Gotthard  mindestens  für 
ein  Jahr  sperrte,  rief  das  Bündnis,  das  Zürich  Mai  1351  abschlofs,  her- 
vor. Der  Bürgermeister  Brun,  das  Abbild  der  Viscontis  auf  schweize- 
rischem Boden,  suchte  einen  Rückhalt  für  die  von  ihm  beherrschte  Stadt 
an  den  gleichfalls  von  Österreich  bedrohten  Eidgenossen.  Auch  in  diesem 
Bündnisse  begegnen  uns  die  Verkehrsstrafsen;  der  Plattifer  an  der  Gott- 
hardsirafse  ist  der  südlichste  Punkt,  im  Norden  bildet  von  der  Grimsel 
die  Aare,  dann  die  Thur  die  Grenze.  Zürich  und  Uri  sicherten  ihre 
Verkehrsinteressen  ^. 


^  Eidgen.  Abschiede  1,  245. 
2  Urkunde  bei  Kopp  4,  2,  467. 
'  Eidgen.  Abschiede  1,  253  u.  55. 
*  Dierauer  1,  192. 


Die  Nordscite  des  Gotthards  von  Urseren  bis  Luzem  u.  s.  w.  401 

Der  Kampf  1)egann  im  Spätsommer  1351,  der  sogenannte  Branden- 
burger Friede  (September  1352)  eröflFnete  eine  kurze  Friedenszeit,  in  der 
auch  Bern  mit  den  Waldstätten  seinen  Bund  abschlofs,  ohne  den  mit  Öster- 
reich aufzugeben.  Das  Jahr  1354  sah  dann  die  wunderbare  Verbindung 
eines  deutschen  Königs  mit  den  Habsburgern  in  der  Bekämpfung  der 
Eidgenossen,  aber  Karl  IV.  hielt  nicht  lange  aus;  als  Zürich  die  Reichs- 
fahne aufzog,  war  für  ihn  der  Streit  beendet.  Auch  die  Habsburger 
schlössen  August  1355  den  Regensburger  Frieden  ab. 

In  dieser  Periode  hatte  die  Eidgenossenschaft  ihre  werbende  Kraft 
bewährt,  die  beiden  wichtigsten  Reichsstädte  der  schweizerischen  Hoch- 
ebene, Zürich  und  Bern,  hatten  sich  ihrem  Bunde  angeschlossen.  Bür- 
gerliche hatten  sich  mit  bäuerlichen  Gemeinwesen  zu  einem  sehr  lockeren, 
aber  innerlich  kräftigen  Bunde  vereinigt.  Die  Kraft  strömte  ihm  zu  von 
den  Urkantonen,  und  sie  waren  und  blieben  noch  die  Träger  der  Ideen, 
die  die  Eidgenossenschaft  grofs  gemacht  hatte:  der  Selbstverwaltung. 
Auch  die  Habsburger  haben  ihre  Macht  noch  ausgedehnt,  und  Karls  IV. 
Schwiegersohn,  der  phantasiereiche,  äufserst  ehrgeizige  Rudolf  IV.,  hat 
seinem  Schwiegervater  gar  zugemutet,  ihn  zum  König  der  Lombardei  zu 
machen. 

Dem  friedlichen  Verkehr  kam  unzweifelhaft  sehr  zu  gute  der  Bund, 
den  Zürich  1356  auf  fünf  Jahre  mit  dem  österreichischen  Landvogt 
schlofs.  Der  Regensburger  Friede  und  diese  Schwenkung  Zürichs  hatten 
die  Kraft  der  Eidgenossen  gefesselt,  die  Gunst,  welche  Karl  IV.,  der  mit 
seinem  Schwiegersohne  Rudolf  IV.  sich  verfeindete,  der  Eidgenossen- 
schaft zu  teil  werden  liefs,  löste  sie  wieder,  und  so  wurde  die  Wegnahme 
von  Zug  (Juni  1364)  der  Anlafs  zu  neuen  Beunruhigungen,  doch  stillte 
der  sogenannte  Torbergische  Friede  1368  den  drohenden  Kampf.  Zur 
Sicherung  des  Landfriedens  schlofs  die  nun,  von  Bern  abgesehen,  sechs 
Kantone  umfassende  Eidgenossenschaft  die  Übereinkunft,  welche  den 
Namen  „PfaflFenbrief*  trägt.  In  ihm  steht  auch  die  Bestimmung,  dafs  alle, 
die  die  Strafse  von  der  stiebenden  Brücke  bis  Zürich  fahren,  sie  seien 
fremd  oder  heimisch,  sicher  sein  sollen.  Geschehe  dagegen  etwas,  so 
sollen  alle  Eidgenossen  beholfen  sein,  die  Sache  zu  begleichen^. 

Zu  dem  bedeutendsten  Zusammenstofs  kam  es  in  den  Tagen  Leo- 
polds UI.,  dessen  glänzende  Eigenschaften  ein  Konstanzer  Chronist  ge- 
priesen hat^.  Seine  Macht  dehnte  er  immer  weiter  aus  und  bemtLhte 
sich  eifrig,  die  doppelte  Gegnerschaft,  der  schwäbischen  Städte  und 
der  Eidgenossenschaft,  zu  teilen,  als  die  Stadt  Luzem  den  Stein  ins 
Rollen  brachte.     In   den  allgemeinen  Tendenzen,    die  diese  noch  immer 


»  Eidgen.  Abschiede  1,  302. 
2  Kuppert,  ChroDikeu  94  f. 
Schulte,  Gesch.  d.  mittelalterl.  Handels.    I.  26 


402  Sechsunddrei fsigstes  Kapitel. 

österreichische  Stadt  bestimmte,  spielt  sehr  wahrscheinlich  die  Behandlung 
der  Luzerner  auf  der  Gotthardstrafse  eine  Rolle.  Herzog  Rudolf  IV. 
hatte  1361  der  Stadt  für  alle  Zeiten  Zollfreiheit  vom  St.  Gotthard  über 
Land  bis  an  die  Fluh  von  Reiden  und  über  Wasser  bis  gen  Windisch 
gewährt  Wenn  damit  die  Zölle  von  Brugg  und  Reiden  vielleicht  auch 
nicht  betroffen  waren,  so  konnte  von  ihnen  jedoch  kein  solcher  mehr  in 
Rothenburg  erhoben  werden,  wo  eben  ein  habsburgischer  Zoll  begründet 
war,  und  gerade  diesen  Ort  befestigte  der  Herzog  Leopold,  und  möglich 
ist  es  auch,  dafs  das  Zollprivileg  Rudolfs  IV.  von  dem  dort  residierenden 
Vogt  nicht  anerkannt  wurde  ^.  Der  einzige  leider  undatierte  Rothen- 
burger Zolltarif  gesteht  den  Luzernem  wohl  niedrige  Zollsätze,  aber  keine 
Zollfreiheit  zu,  steht  also  mit  dem  Privileg  von  1361  in  Widerspruch. 
Der  Entscheidungskampf  flackerte  an  der  Verkehrsfrage  auf.  Am 
28.  Dezember  1385  wurde  Rothenburg  von  den  Luzernern  erstürmt  Die 
Schlachten  von  Sempach  und  Näfels  entschieden  gegen  Österreich.  April 
1889  wurde  ein  siebenjähriger  Friede  geschlossen,  dem  Juli  1894  ein 
zwanzigjähriger  folgte. 

Die  österreichische  Herrschaft  war  jetzt  definitiv  abgewiesen,  nicht 
allein  die  Urkantone  waren  ausgeschieden,  nicht  allein  gehörten  jetzt  auch 
Glarus  und  Zug  zur  Eidgenossenschaft,  das  freie  Luzern  hatte  auch  von  dem 
Landbesitze  der  Österreicher  viel  weggenommen.  Mit  dem  Amte  Rothen- 
burg und  Sempach  hatte  es  die  Fortsetzung  der  St  Gotthardlinie  bis  fast 
zum  Eintritt  in  das  Wiggerthal  gewonnen.  Auch  diese  Frieden  enthielten 
wieder  Bestimmungen  über  die  Öffnung  der  Strafsen  für  beide  Teile. 

Während  dieses  zwanzigjährigen  Friedens  reckte  sich  die  Eid- 
genossenschaft auf  friedlichem  Wege.  Durch  Land-  und  Burgrechts- 
und andere  Verträge  schlössen  sich  die  nächsten  Herrschaften  an  die  Eid- 
genossenschaft oder  einzelne  Glieder  an,  durch  Kauf  wuchs  der  Bereich 
von  Zürich  und  Bern,  und  schon  kamen  die  ersten  Verträge  mit  Walli- 
sern und  Bündnern  zustande,  welche  auch  die  Systeme  der  anderen 
Pässe  zu  beeinflussen  begannen.  Besonders  wichtig  war  das  Burgrecht 
zwischen  Uri  und  Urseren  von  1410^,  wodurch  auf  dem  Gotthard  selbst 
Uri  die  Gewalt  gewann.  Der  Kampf  um  Appenzell  schuf  ein  zweites 
Centrum  demokratischer  Art,  doch  mufste  sich  dieser  Ort  wie  St  Gallen 
mit  einer  abhängigen  Stellung  begnügen.  Man  wollte  sich  nicht  durch 
das  Ungestüm  der  Appenzeller  in  lästige  Konflikte  verwickeln  lassen. 
Das  Entscheidende  war  doch,  dafs  gerade  an  der  Stelle,  wo  die  Brücke 
zwischen  dem  nunmehr  österreichischen  Tirol  und  den  Vorlanden  ge- 
schlagen werden  mufste,  eine  Filiale  der  Eidgenossenschaft  entstanden  war. 


*  Dierauer  1, 811.  Die  Klagen  derLuzenier,  Archiv  f.  Schweiz.  Gesch.  17,  2,  93. 
2  Gcschichtsfreiind  11,  187. 


Die  Nordseite  des  Gotthards  von  Urseren  bis  Luzem  u.  s.  w.  403 

Aber  noch  immer  war  die  Sache  der  Habsburger  nicht  hoffnungslos, 
noch  immer  besafsen  sie  die  beherrschende  Stellung  an  dem  hydrogra- 
phischen Thore  der  Schweiz;  dicht  mit  wehrhaften  Städten  und  Burgen 
bedeckt,  bedrohte  die  Herrschaft  im  Aargau  die  Pforte  von  Luzem  und 
flankierte  Zürich.  Das  Gebiet  der  acht  Orte  war  noch  weit  davon  ent- 
fernt geschlossen  zu  sein.  Bis  dahin  hatten  die  Eidgenossen  in  harten, 
heroischen  Kämpfen  ihre  Unabhängigkeit  gewonnen  und  verteidigt,  ihrer 
Vaterlandsliebe,  militärischen  Tüchtigkeit,  ihrem  Mute  hatten  sie  die  Siege 
zu  verdanken,  nicht  dem  Glücke.  Ein  Glücksfall  aber  trug  ihnen  die 
Eroberung  des  Aargaus  ein.  Herzog  Friedrich  hatte  sich  mit  Papst 
Johann  XXHI.  verbunden,  das  Konzil  zu  Konstanz  zu  sprengen.  König 
Siegmund  erwies  sich  der  Lage  gewachsen,  er  hielt  das  Konzil  zusammen ; 
gegen  Friedrich,  seinen  alten  Gegner,  ging  er  aber  viel  zu  scharf  vor. 
Er  gab  der  Acht,  der  so  oft  deutsche  Fürsten  sonst  gespottet,  ernsthafte 
Exekutoren,  indem  er  die  Eidgenossen  aufrief;  er  weckte  Geister,  die  er 
sehr  bald  nicht  mehr  bannen  konnte.  Die  Eidgenossen  zögerten,  sie 
hatten  eben  noch  mit  Österreich  einen  Frieden  auf  ftinfzig  Jahre  ge- 
schlossen, aber  der  Kaiser  gebot  bei  der  Pflicht  gegenüber  dem  Reiche. 
Auch  er  meinte,  die  Eidgenossen  wider  das  Haus  Habsburg  verwenden 
zu  können,  ohne  sie  dem  Reichskörper  zu  entfremden.  Fast  ohne 
Schwertstreich  wurde  der  Aargau  überwunden:  der  tolle  Streich  des 
Herzogs  hatte  das  Vertrauen  in  die  Herrschaft  erschüttert,  die  Feinde 
kamen  von  allen  Seiten,  so  fehlte  der  Glaube  für  eine  rechte  Sache  zu 
kämpfen,  und  nur  auf  dem  Stein  von  Baden  und  in  dieser  Stadt  kam 
es  zu  einem  Widerstände,  der  der  Tapferkeit  der  Eidgenossen  entsprach. 
Als  sich  dann  aber  Friedrich  unterwarf,  meinte  Siegmund  die  den  Eid- 
genossen zugesicherte  Beute  zurückgewinnen  zu  können.  Es  war  eine 
Täuschung,  dem  Kaiser  versagten  die  Eidgenossen  den  Gehorsam, 
schliefslich  wurde  in  der  Form  von  Pfandschaften  die  Abtretung  des 
Aargaus  verhüllt;  die  Welt  konnte  glauben,  dafs  sich  nicht  viel  ver- 
ändert hatte.  Aber  die  Lage  war  völlig  umgestaltet,  die  Herrschaft  der 
Eidgenossen  hatte  quer  über  die  schweizerische  Hochebene  einen  Riegel 
gelegt  und  hatte  im  Juradurchbruche  das  Ufer  des  Rheins  erreicht.  Die 
gewonnenen  Gebiete  wurden  nicht  als  gleichberechtigte  Orte  angegliedert, 
sondern  es  waren  Herrschaften,  die  von  den  Eroberern  zum  Teil  ge- 
meinsam, zum  Teil  getrennt  regiert  wurden.  Und  damit  war  die  Rege- 
lung des  Verkehrs  auf  den  Wegen,  die  zum  Gotthard  führten,  in  die 
Hände  mehrerer  Orte  gegeben.  Die  Geschichte  dieser  Wege  ist  von 
1415  ab  zum  grofsen  Teil  in  den  Abschieden  der  Eidgenossenschaft  zu 
lesen.     Machen  wir  hier  zunächst  Halt! 

Wenden  wir  nun  unsere  Blicke  zunächst  der  Geschichte  der  älteren 
Verkehrseinrichtungen  auf  dem  St.  Gotthard  zu. 

26* 


404  Sechsunddrei fsigstes  Kapitel. 

Von  den  Zöllen  ging  der  ReichszoU  von  Flüelen  langsam  in  den 
Besitz  der  Thalgemeinde  über.  Sein  Pfandherr,  Graf  Wernher  von 
Homberg,  der  Reichsvogt  Heinrichs  VII.,  hatte  sich  auf  die  Seite  der 
Habsburger  gestellt,  und  so  konnte  Ludwig  der  Bayer  nach  dem  Tode 
Wemhers  den  Reichszoll  von  Fltielen  für  ein  heimgefallenes  Lehen  er- 
klären, obwohl  die  Habsburg -Laufenburger  sich  als  Erben  betrachteten 
und  Friedrich  der  Schöne  das  Erbrecht  anerkannt  hatte,  und  ihn  zunächst 
seinem  Marschall,  dann  dem  Landammann  von  üri,  dem  Freiherrn  von 
Attinghausen,  verpfänden;  der  Besitz  wanderte  dann  in  kleinen  Losen 
in  den  Besitz  seiner  Nachkommen,  die  Namen  Simpeln,  Silenen,  Mos 
beweisen  uns  seine  Verwandtschaften.  Die  kleinen  Anteile  erwarb  nach 
und  nach  der  Stand  Uri.  Daneben  erscheinen  noch  immer  die  Grafen 
von  Habsburg- Laufen  bürg  mit  Rechten  und  Rechtsansprüchen,  sie  hofften 
noch  immer  auf  den  Wiedererwerb  des  Zolles^. 

Der  Zoll  von  Luzern  wurde  1341  zugleich  mit  der  Fahrt  um  783*/* 
Mark  Silber  Baseler  Gewichtes  an  die  Herren  von  Hallwyl  verpfändet*. 
Der  Zolltarif,  den  v.  Liebenau  aus  dem  Hallwylschen  Archive  mitteilte, 
gehört  der  Hallwylschen  Zeit  an^,  er  ist  auf  den  internationalen  Ver- 
kehr zugeschnitten.  Die  Habsburger  entschädigten  sich  für  den  Verlust 
durch  einen  neuen  Zoll  zu  Rothenburg.  Es  heifst  zwar  in  der  Bestäti- 
gung Karls  IV.,  sein  Eidam  Rudolf  IV.  von  Österreich  habe  ihm  „vor- 
gelegt", dafs  der  Zoll  zu  Rothenburg  alt  sei,  den  er  nun  (1358)  bestä- 
tigte*. Aber  dieser  Behauptung  entspricht  es  wenig,  dafs  derselbe 
Herzog  im  nächsten  Jahre  zwei  Rittern  Dienstgeld  anwies  auf  dem 
„neuen  Zolle  zu  Rothenburg"®.  Auch  von  dieser  Position  mufsten  die 
Habsburger  weichen,  als  ihnen  dieses  Amt  in  dem  Sempachkriege  ver- 
loren ging. 

Der  St.  Gotthard  besafs  schon  früh  eine  feste  Transportorganisation, 
die  auf  die  Grundherrschaft  zurückgeht,  wenn  sie  später  auch  als  An- 
gelegenheit der  Gemeinde  erscheint*.  In  Luzern  regelte  ein  Schiffmeister 
den  Verkehr  auf  den  Schiffen  —  auf  diese   sehr   verwickelte   Frage   ist 


^  Das  reiche,  aber  nicht  lückenlose  Material  Geschichtsfreund  Bd.  I.  Dazu 
v.  Liebenau,  Regesten  für  den  habsburgischen  Anteil.  Thommen,  Urkunden  z. 
Schweiz.  Gesch.  1,  433.  (Habsburger  sehr  unsicher  über  die  Zukunft  ihrer  Kechte). 
Alt  mann  Nr.  7741  und  Cbmel,  Friedrich  IV.,  Hegest  Nr.  1135:  Die  Grafen  von 
Sulz  als  Erben  der  Habsburger  mit  dem  Zoll  belehnt. 

2  V.  Liebenau,  Regesten  20,  51.    Habsb.  Urbar  2,  616  u.  670. 

8  Ebda.  20,  49. 

*  Ebda.  20,  79.     1358  Januar  15.    Druck  Archiv  f.  Schweiz.  Gesch.  17,  2,  16. 
'*  Ebda.  20,  86.    Das  habsburgische  Urbar  kennt  den  Zoll  ebenfalls  nicht. 

*  Vgl.  öchsli,  ßörlin,  die  Regesten  v.  Liebenaus.  Für  den  Zustand  im 
vorigen  Jahrhundort  bes.  Schinz,  Beytr.  zur  näheren  Kenntnis  des  Schweizer- 
landes.    Zürich  1783  ff. 


Die  Nordseite  des  Gotthards  von  Urseren  bis  Luzern  u.  s.  w.  405 

hier  nicht  näher  einzugehen  —  doch  behaupteten  auch  die  SchifFleute 
von  Flüelen  grofse  Rechte;  sie  beanspruchten  (wohl  mit  den  Luzemern) 
zusammen  ein  Monopol  für  die  Fremden,  ja  auch  die  Luzerner  sollten 
in  Flüelen  nicht  mit  Schiffen  von  Brunnen,  Küfsnach  oder  Alpnach 
fahren  dürfen,  doch  gelang  es  den  Städtern  ihre  gute  Gewohnheit  1357 
siegreich  zu  verteidigen^. 

In  Uri  bestanden  drei  Transportgenossenschaften,  zu  Flüelen,  Sile- 
nen  und  Wasen,  welche  ähnlich  wie  die  Porten  organisiert  waren.  Die 
1309  zuerst  erwähnte  Sust  in  Flüelen  ^  steht  heute  noch,  die  von  Silenen 
(1354)^  ist  in  Resten  noch  heute  kenntlich,  und  ob  der  Sust  von  Urseren 
versammelten  sich  die  Thalleute  zur  Beratung*. 

Schon  das  österreichische  Urbar  erwähnt  die  „Teilballe"  als  eine 
herrschaftliche  Einnahme,  die  Säumer- Ordnung  von  Urseren  von  1363 
bezieht  sich  auf  den  regelrechten  „Teil"betrieb^.  Mit  dem  Nachbarthale 
Livinen  bestand  schon  seit  1315  ein  Vertrag,  der  es  den  Kaufleuten  er- 
möglichte, gegen  eine  „Fürleiti"  durchzusäumen ,  so  dafs  Fuhrleute  von 
Livinen  und  Urseren,  italienische  und  deutsche,  denselben  Weg  durch- 
mafsen®.  Es  mufs  das  aber  zu  sehr  ernsthaften  Reibereien  geführt 
haben  ^.  Der  Schiedspruch  von  1331  schlofs  eine  Reihe  von  Fuhrleuten 
von  diesem  Vorrechte  aus,  im  übrigen  wurde  das  Verfahren  beibehalten. 
Die  Säumerordnung  von  1383  ist  eine  „Eilgutordnung",  bei  der  vom 
See  bis  Bellinzona  durchgesäumt  wurde®.  Der  Fremde  mufste  dafür, 
dafs  seine  Waren  nicht  zu  „Teil"  gingen,  die  „Fürleite"  bezahlen.  Ein 
Übergang  von  einem  zum  andern  war  in  der  Ordnung  verboten.  Der 
Transport  und  die  Susten  galten  als  königliches  Lehen. 

Von  der  Verpflichtung  diese  Monopolanstalten  zu  benutzen,  waren 
die  Leute  von  Schwyz  und  Unterwaiden  entbunden,  Luzern  suchte  im 
Anfang  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  vergebens  dieses  Vorrecht  zu  ge- 
winnen •.  Zu  erneutem  Streite  kam  es  1480  wegen  der  Fürleite,  die, 
wie  Luzern,  Schwyz  und  Unterwaiden  behaupteten,  zu  Unrecht  von  Uri 


»  Öchsli,  Regest  727.    v.  Liebenau  20,  76 

2  Öchsli,  Reg.  718. 

»Öchsli,  Reg.  489.  S.  auch  Reg.  763.  Die  Sust  in  Bruiioen  wurde  1894  ab- 
gebrochen. 

*  Öchsli,  Regest  798. 

^  Geschichtsfreund  7,  135.    Öchsli,  Regest  743. 

«  Erwähnt  in  dem  Schied  von  1381  Geschichtsfr.41,  63.    Öchsli,  Regest  671. 

'  An  ihnen  hatten  auch  Leute  von  Ossola,  wohin  auch  von  Airolo  aus  über 
den  Giacomopafs  (Öchsli,  Regest  772,  1)  gesäumt  wurde,  Teil,  femer  solche  von 
üri,  Schwyz,  Unterwaiden  und  Zürich. 

«  Öchsli,  Regest  772.   v.  Liebenau  20,  181.   Abdruck  Geschichtsfr.  11,  188. 

»  Öchsli,  Regest  803.    Vgl.  S.  227. 


406  Sechsunddreifsigstes  Kapitel. 

erhoben  werde.  Der  Schiedspruch  von  1491  entschied  zu  Gunsten 
Uris  \ 

Welche  Unternehmungslust  dieser  Warentransport  in  die  Alpenthäler 
trug,  beweist  die  Familie  von  Mos.  Heinrich  von  Mos,  der  bei  Sem- 
pach  fiel,  hatte  mit  Waren,  die  unterwegs  waren,  spekuliert  und  Termin- 
geschäfte —  so  scheint  es  wenigstens  —  abgeschlossen,  wobei  er  die 
Hilfe  der  Kawerschen  in  Anspruch  nahm^. 

Die  Instandhaltung  der  Strafsen  war  innerhalb  der  betreffenden  Qe- 
meindegrenzen  Sache  der  Thalgenossenschaften  Uri^  Urseren  und  Livinen. 
Den  Anteil,  den  Uri  an  dieser  schweren  Last  hatte,  kennen  wir  aus 
Zeugenaussagen.  Im  Pfarrbezirke  Wasen  befanden  sich  zwölf  hölzerne 
Brücken,  die  im  Durchschnitt  alle  sieben  Jahre  erneuert  werden  mufsten. 
Abgesehen  von  den  Frohnarbeiten  beliefen  sich  die  jährlichen  Kosten 
auf  100  i6.  Und  für  den  Fall  einer  schweren  StraCäenzerstörung  waren 
die  Kosten  gar  nicht  zu  bemessen®.  In  Uri  hatte  jeder  Pfarrgenosse 
jährlich  ein  Tagewerk  an  der  Strafse  zu  verrichten,  während  nur  die 
drei  Orte  das  Transportmonopol  hatten,  alle  anderen  Urner  waren  aber 
frei  von  der  Fürleite.  Als  1480  die  Wege  auf  dem  Gotthard  durch 
Wasser  beschädigt  waren,  baten  die  von  Urseren  die  Eidgenossen  um 
Unterstützung,  die  auch  bewilligt  worden  zu  sein  scheint ^ 

Eine  sehr  erhebliche  Besserung  des  Gotthardweges  ist  am  Anfang 
des  sechzehnten  Jahrhunderts  durchgeführt  worden.  Bis  dahin  war 
unterhalb  Airolo  der  Abstieg  in  die  tiefere  Thalstufe  über  den  Rücken  des 
Plattifers  gegangen,  es  war  aber  „ein  harter  und  böser  Weg".  Die  Kaufleute 
waren  bereit,  einen  Zoll  zu  entrichten,  wenn  ein  neuer  Weg  am  Wasser 
entlang  erstellt  würde,  die  Urner  gingen  mit  Freuden  darauf  ein,  mufsten 
aber  mit  den  Eidgenossen  von  1493  bis  1515  verhandeln ,' ehe  diese  die 
Genehmigung  zur  Errichtung  eines  Zolles  —  der  den  Anlafs  zum  Namen 
Dazio  grande  bot  —  gaben.  Die  Ausfuhrung  des  Baues  gehört  nicht 
mehr  dem  Mittelalter  an.  So  wurde  die  herrliche  Schlucht  des  Tessin 
erschlossen  ^. 

Für  die  Sicherheit  auf  der  Strafse  von  der  stiebenden  Brücke  an 
bis  Zürich  verbanden  sich  1370  die  sechs  Orte  Zürich,  Luzem,  Zug,  Uri, 
Schwyz  und  Unterwaiden,  vor  allem  schlössen  sie  die  Ausübung  von  Re- 


»  Eidgen.  Abschiede  8,  1,  90.   180.   199.  210.  u.  379. 

2  V.  Li  eben  au  20,  150.    Vgl.  oben  8.  296. 

3  Öchsli,  Regest  803. 

«  Eidgen.  Abschiede  3,  1,  78  u.  81. 

R  Eidgen.  Abschiede  8,  1,  429  u.  431.  3,  2,  311,  716,  719,  866  u.  871.  Der 
Zolltnrif  in  Nr.  866  giebt  nur  den  Zoll  nach  den  Transportmitteln  an,  wie  es  einem 
Weggeld  entspricht. 


Die  Nordseite  des  Gotthards  von  Urscreu  bis  Luzern  u.  s.  w.  407 

pressalien  aus,  diese  sollten  nur  mit  Zustimmung  der  Behörden  genom- 
men werdend 

In  der  Abmachung  von  1331  wird  zum  ersten  Male  ausdrücklieh 
der  Kirche  und  der  Sust  auf  der  Höhe  des  Passes  gedacht^,  das  Gottes- 
haus ist  aber  unzweifelhaft  älter ;  denn  der  Berg  wird  schon  früher  nach 
dem  Namen  des  Patrons  genannt^.  Wer  Kapelle  und  Hospiz  erbaute, 
bleibt  ungewifs.  Bei  der  Sage  von  der  Begründung  des  Hospizes  durch 
den  gichtkranken  Azzo  Visconti  liegt  offenbar  eine  Verwechslung  vor, 
und  wenn  ein  Mönch  von  Disentis,  der  bekannte  Naturforscher  Placidus 
a  Spescha  sagt,  1374  habe  der  Abt  seines  Klosters  als  Besitzer  der  nächst- 
gelegenen Alpen  ein  Hospiz  und  eine  Kapelle  erbauen  lassen*,  so  kann 
die  Nachricht  nur  halb  wahr  sein,  wenn  ihr  überhaupt  Glauben  beizu- 
messen. Dem  Fleifse  Mottas  verdanken  wir  einige  Nachrichten,  die 
zeigen,  dafs  das  Hospiz  schon  damals  nach  Airolo  gehörte.  In  einem 
Beglaubigungsbrief  für  den  Bettelboten  heifst  das  Hospiz:  hospitale  sancti 
Goieardi  de  la  montanea  disiridus  vallis  Leventine  (1390—1410),  und  in 
einem  Ablafsbriefe,  worin  der  Generalvikar  des  Erzbischofs  von  Mailand 
1364  den  Wohlthätern  des  Hospizes  vierzig  Tage  Ablafs  gewährte,  wird 
es  bezeichnet  als:  ^hospitale  sancti  Gottardi  de  Tremiola  disiridus  vici- 
nantie  de  Oriolo  vallis  Leventine  Mediolanensis  diocesis€  ^.  Wie  für  so 
viele  wohlthätige  Werke,  deren  Mittel  nicht  ausreichten,  zogen  auch  für 
das  Hospiz  Boten  in  den  Landen  umher,  die  Gaben  annahmen.  Die  Gefahr, 
mit  unlauteren  Mitteln  zu  arbeiten,  wurde  auch  hier  eine  Klippe.  Der 
Generalvikar  mufste  verbieten,  einen  plipstlicherseits  gewährten  Ablafs 
anzuführen,  da  ein  solcher  nicht  beglaubigt  sei^.  1457  und  59  war  oben 
ein  italienischer  Bruder,  der  von  1457  öffnete  mit  „teuflischer"  Kunst 
die  Opferkästen  ^. 

Auf  die  Gestaltung  der  Verkehrsverhältnisse  auf  der  nördlichen  Ab- 
dachung haben  Mailand  und  auch  Venedig  wiederholt  Einflufs  auszuüben 
versucht.  Am  meisten  würde  uns  das  Ergebnis  einer  Mailänder  Gesandt- 
schaft, welche  in  den  ersten  Monaten  des  Jahres  1315  in  Luzern  war, 
interessieren,  denn  noch  war  der  Kampf  zwischen  den  Waldstätten  und 


»  V.  Liebenau  20,  112. 

'-^  »Non  transeatit  ecclesiam  sive  sostam  aut  summitcUem  montis  sancti  Gothardi,* 

8  S.  oben  S.  226. 

*  Liebenau  20,  118.  Motta,  Boll.  stör.  d.  Svizz.  ital.  4,  147.  Nach  Francis- 
cini  hätte  der  Abt  die  Alpen  an  Airolo  überlassen  gegen  die  Pflicht,  das  Hospiz 
zu  unterhalten.  In  der  That  geht  die  Grenze  des  Tessin  über  die  Pafshöhe  hinaus, 
so  weit  sich  diese  Alpen  erstrecken. 

^  Motta,  Boll.  storico  12,  32. 

«  Ebda. 

^  Motta,  Boll.  storic.  4,  148. 


408  Sechsunddreifsigstes  Kapitel. 

der  österreichischen  Herrschaft  nicht  ausgebrochen.  Leider  ist  nur  das 
Kreditiv  des  Gesandten,  Beroldus  de  Oldradis,  erhalten  ^,  jedoch  ist  auch 
aus  ihm  zu  ersehen^  dafs  die  Stadt  Mailand  noch  immer  hoffte,  den  Ver- 
kehr über  den  St  Gotthard  offen  zu  halten  ■,  ja  aus  dem  ganzen  Akten- 
stück kann  man  nichts  herauslesen,  was  auf  die  Befürchtung  eines  nahen 
Krieges  zu  deuten  wäre.  Uris  wird  mit  keinem  Worte  gedacht,  man 
nahm  in  Mailand  wohl  an,  dafs  Friedrich  der  König  leicht  über  Ludwig 
den  Bayern  siegen  werde  und  somit  die  Urkantone  sich  dem  Willen  auch 
dieses  Königs  würden  beugen  müssen.  Der  Gesandte  sollte  die  Span- 
nung, die  mit  Luzem  bestanden  hatte,  beilegen,  die  gegenseitigen  Räu- 
bereien bei  Luzem  sollten  vergessen  sein,  und  vor  allem  sollte  der  Ge- 
sandte fiir  die  Route  alle  Zölle  und  Abgaben  feststellen,  es  sollten  Wächter 
und  Susthalter  angestellt  werden^.  Der  Gesandte  soll  nach  Como,  zum 
Herzog  Leopold  von  Österreich  und  nach  Luzem  gehen,  ferner  zu  allen 
Herren,  die  über  den  Weg  zu  befinden  haben;  da  das  Kreditiv  An- 
fang März  1315  in  Neuenburg  am  See  beglaubigt  wird,  so  hat  der  Ge- 
sandte seine  Richtung  wohl  nach  der  Champagner  Messe  weiter  verfolgt. 
Es  war  ja  die  Strafse  von  Luzern  durch  das  Entlebuch,  Bern,  Neuen- 
burg, durch  Val  Travers  auf  die  Höhe  von  Pontarlier,  die  Verbindung 
zwischen  der  Gotthardstrafse  und  der  Strafse  aus  dem  Wallis  über  Jougne 
nach  den  Champagner  Messen ;  auch  konnte  man  vom  Vierwaldstättersee 
über  den  Brünig  und  Thun  Bern  erreichen.  Diese  Verbindungsstrafsen 
scheinen  nun  beliebt  geworden  zu  sein*. 

Auch  die  von  Venedig  nach  Flandern  bestimmten  Waren  nahmen 
vielfach  ihren  Weg  über  den  Gotthard  nach  Basel  und  umgekehrt,  hier 
hiefs  der  Gotthardweg  überhaupt  der  :^caminus  Basier.  1348  ging  dort- 
hin ein  Gesandter,  um  die  aufgehaltenen  Waren  freizumachen,  den  Weg 
wieder  zu  öffnen,  und  wenn  das  unmöglich  sei,  einen  anderen  Weg  zu 
suchen  *.  Drei  Jahre  später  waren  wieder  34  Ballen  geraubt,  wegen  der 
vielen  Geleitherrschaften  erschien  der  Weg  zu  unsicher,  durch  Frank- 
reich wollte  man  nicht  fahren,  da  der  König  wie  der  Graf  von  Savoyen 
zu  hohe  Abgaben  erhöben,  so  entschlofs  sich  die  Signorie,  sich  den  Weg 
über  Nürnberg,  der  nicht  im  Stande  war,  wieder  durch  eine  Gesandtschaft 


1  Unsere  Urkunden  Nr.  314     1314  Dezember  20. 

^  Luzem  erklärte  erst  am  13.  Juli  1315,  dafs  der  Kaufmann  nun  auf  eigene 
Gefahr  handeln  müsse,    v.  Liebenau,  Reg.  19,  342. 

^  So  ist  wohl  die  Stelle  von  den  custodes  und  tensatores  zu  verstehen.  Tensa  «= 
tentorium  Zoll. 

^  Auch  Luzern  hatte  damals  erhebliche  Kosten  für  Gesandtschaften,  die  Mittel 
dafär  und  für  Söldner  u.  s.  w.  im  Betrage  von  1100  ü  Imperialen  streckten  zwei 
Mailänder  vor.    v.  Li  eben  au,  Regesten  20,  11—15. 

^  Simonsfeld  1,  133. 


Die  Nordseite  des  Gotthards  von  Urseren  bis  Luzem  u.  s.  w.  409 

au  den  Markgrafen  von  Brandenburg,  den  Witteisbacher  Ludwig,  der  als 
Gemahl  der  Margarethe  Maultaseh  Herr  von  Tirol  war,  zu  öflFnen.  Zu- 
gleich ging  eine  Botschaft  an  den  Bischof  von  Sitten  und  den  König 
von  Frankreich*.  Die  Beraubung  mag  im  Zusammenhang  mit  dem 
eben  um  diese  Zeit  ausgebrochenen  Kriege  zwischen  den  Eidgenossen 
und  Österreich  gestanden  haben.  Doch  wurde  von  Venedig  aus  auch 
noch  der  Pafs  von  Jougne  benutzt.  1337  erneuerte  Venedig  mit  Johann 
von  Chalon,  Herrn  von  Arlay,  einen  alten  Begtinstigungsvertrag  für 
den  Zoll  bei  Jougne  ^. 

Besondere  Behandlung  verlangt  der  Streit  eines  mächtigen  Baseler 
Ritters,  Burkhards  Münch  von  Landskron,  mit  Mailand  und  Venedig, 
der  sich  in  eigentümlicher  Weise  mit  der  Politik  Karls  IV.  gegenüber 
Italien  verschlingt. 

Giovanni  Visconti,  der  Erzbischof  von  Mailand,  der  hervorragendste 
unter  den  Tyrannen  des  vierzehnten  Jahrhunderts,  hatte  den  Versuch 
gemacht,  den  Norden  Italiens  seiner  Herrschaft  zu  unterwerfen.  Die  stolze 
Grabesinschrift  zählt  die  Städte  auf,  die  sich  ihm  gebeugt  hatten,  von 
dem  „guten"  Bologna  bis  nach  Novara,  von  Brescia  bis  Genua,  Asti  und 
Savona,  von  Como  bis  zum  Lande  von  Bobbio.  Gegen  ihn  kämpften  die 
guelfischen  Städte  Tusciens,  und  Venedig  bildete  einen  Bund  der  Sig- 
noren,  die  sich  gegen  den  klügsten  der  italienischen  Politiker  behauptet 
hatten.  Die  Herrin  der  Adria  meinte  den  König  Karl  IV.  ausnützen  zu 
können,  und  wirklich  entschlofs  sich  der  Meister  der  Diplomatie  gegen 
die  Viscontis  vorzugehen.  Bisher  wufste  man  nur  von  einem  Befehle, 
den  er  im  September  1354  an  den  Grafen  Johann  von  Neuenburg  und 
seinen  Sohn  richtete,  sie  sollten  des  Erzbischofs  Diener,  Kaufleute  und 
Unterthanen  gefangen  nehmen,  und  auf  ihre  Güter  Beschlag  legen*. 
Durch  die  gleich  zu  erwähnende  Bitte  der  Mailänder  Kaufmannschaft 
ergiebt  sich  aber,  dafs  derselbe  Befehl  an  die  Münche  von  Basel,  wor- 
unter wohl  vor  allem  Burkhard  Münch  von  Landskron  zu  verstehen  ist, 
und  an  den  Grafen  von  Öttingen  ging.  Der  Münch  war  aber  der  von 
Karl  IV.  den  Oberwallisern,  welche  sich  gegen  den  Bischof  von  Sitten 
erhoben    hatten,    gegebene   Vogt*,    zugleich    war    er    Schultheifs    von 

1  Mone,  Zeitschrift  5,  20  f. 

^  Documenta  in^dits  sur  Thist.  de  France.  M^langes  2  s^rie  tome  3.  Mas- 
Lattrie,  Commerce  et  exp^ditions  mil.  de  la  France  et  de  Venice  109 — 112.  Zoll 
für  Ballen  Wolle,  mercerie  et  picolerie  (16—17  Rubb)  für  den  Ballen  franz.  Tücher 
(25  Va  Rubb). 

«  Matile  741  Nr.  561.    Böhmer-Huber  6790. 

*  Vgl.  Böhmer- Huber  1971,  6777,  6787  u.  6793.  Später  mit  Graf  Peter  von 
Aarberg  zusammen.  Die  Münch  v.  Müuchenstein  hatten  den  Zoll  zu  Äugst  und 
Liestal.  Freivogel  40  u.  134.  Die  Burgen  des  zahlreichen  Geschlechtes  lagen  um 
Basel  herum. 


410  Secbsunddreifsigstes  Kapitel. 

Kolmar^  und  besafs  die  Vogtei  in  Basel ^.  Des  Grafen  von  Öttingen  Gut 
lag  auf  dem  Wege  nach  Nürnberg,  auch  hatte  er  die  Landgrafschaft  im 
Elsafs.  Ein  solcher  Befehl  fügte  sofort  dem  Handel  der  Mailänder  nach 
dem  Norden  den  schwersten  Schaden  zu,  in  Burgund  wie  in  Deutschland 
wurden  mailändisehe  Kaufleute  ihrer  Waren  beraubt. 

Doch  es  kam  anders,  als  die  Gegner  der  Viscontis  gehofft  hatten. 
Kaum  hatte  Karl,  übrigens  fast  ohne  Begleitung,  den  Boden  Italiens 
betreten,  als  ein  plötzlicher  Tod  den  gefährlichsten  Gegner  dahinraffte. 
An  die  Stelle  der  strammen  einheitlichen  Macht  trat  die  Herrschaft  der 
drei  Neffen:  Matteo,  Galeazzo  und  Bernabö.  Ihnen  mufste  daran  liegen, 
einen  möglichst  guten  Rechtstitel  für  ihre  von  allen  Seiten  bestrittene 
Herrschaft  zu  gewinnen,  und  den  konnte  nur  der  König  Karl  geben. 
Schnell  war  die  Einigung  mit  dem  friedliche  Mittel  liebenden  König  er- 
reicht: Karl  erhielt  die  Huldigung  der  Viscontis,  wurde  in  die  Stadt 
Mailand  eingelassen  und  empfing  in  S.  Ambrogio  die  eiserne  Krone ;  die 
Viscontis  erhielten  gegen  grofse  Geldspenden  das  Reichsvikariat  auf 
Lebenszeit.  Sehr  ruhmvoll  war  es  nicht,  wie  nun  Karl  IV.  in  ritter- 
licher Gefangenschaft  gekrönt  wurde.  Das  Viscontische  Archiv  ist  durch 
Brand  vernichtet,  um  so  willkommener  sind  nun  zwei  Dokumente,  welche 
die  Mailänder  Handelskammer  in  ihrem  Archive  besitzt.  Das  eine  ist 
die  Eingabe  der  Mailänder  Kaufmannschaft  an  den  König,  er  möge  den 
oben  erwähnten  Befehl  und  die  allgemeine  Aufforderung,  gegen  die 
Mailänder  Kaufleute  vorzugehen,  zurücknehmen  und  ihnen  sein  Geleit 
gewähren^.  Auch  bitten  sie  um  Rückgabe  oder  Ersatz  der  geraubten 
W^aren  und  Aufhebung  des  dem  Grafen  von  Neuenburg  gewährten  Zolles 
zu  Bellaigues.  Diese  Bitten  —  mit  Ausnahme  des  Zolles  —  gewährte 
der  König  am  Tage  seines  Einrittes  in  die  lombardische  Hauptstadt^ 
die  Ausfertigung  für  den  Grafen  von  Neuenburg  hat  sich  erhalten*, 

Burkhard  Münch  hatte  so  gelernt,  wie  man  den  Italienern  Schaden 
zufügen  könne.  Der  Anlafs,  dieses  Mittel  zu  verwenden,  bot  sich,  als  er 
an  dem  Revolutionstage  von  Pisa  bestohlen  wurde  und  das  Gericht  über 
den  Räuber  ihm  in  Venedig  verweigert  wurde.  Es  ist  hier  nicht  zu  er- 
zählen, wie  es  kam,  dafs  die  Gambacorta  von  Pisa  gegen  Karl  IV.  sich 
verschworen,  der  die  Gegenpartei,  die  Raspanti,  wieder  zur  Geltung  ge- 
bracht hatte  und  Lucca  der  Herrschaft  der  Pisaner  entziehen  zu  wollen 
schien*.    In  der  Nacht  vom  19.  zum  20.  Mai  brannte  der  Anzianenpalast 


»  1347  ihm  verpfändet.    Böhmer-Huber  5962.    Vgl.  6150. 

2  Er  erscheint  als  Vogt  1359.    Böhmer- Huber  7004. 

'  Unsere  Urkunden  Nr.  8. 

*  Unsere  Urkunden  Nr.  9. 

^  Vgl.  Werunsky,  Der  erste  Römerzug  Kaiser  Karls  IV.  S.  221  ff. 


Die  Nordseite  des  Gotthards  von  Urseren  bis  Luzem  u.  s.  w.  411 

nieder,  das  Logis  des  Kaisers  und  der  Kaiserin,  und  am  folgenden  Tage 
brach  nachmittags  3  Uhr  der  Kampf  aus.  Die  Deutschen,  welche  auf 
dem  linken  Ufer  des  Arno  im  Stadtteil  Chinzica  in  Quartier  lagen, 
wollten  zum  Kaiser  auf  den  Domplatz,  wurden  aber  auf  der  neuen 
Brücke  von  einer  wütenden  Menge,  Männer  und  Frauen,  angefallen.  Es 
war  ein  harter  Streit,  bei  dem  vierzig  deutsche  Krieger  teils  erschlagen, 
teils  in  den  Arno  geworfen  wurden.  Auch  die  Strafsburger  Ritter  waren 
dabei,  und  unter  denen,  die  von  ihren  Rossen  herabgerissen  wurden  oder 
fielen,  war  auch  Burkhard  Münch^.  Entschieden  wurde  die  Niederlage 
der  Revolution  durch  den  Übertritt  der  Raspanti  zu  den  Kaiserlichen. 
An  diesem  Tage  war  es  wohl,  dafs  Bartholomäus  Baniol,  ein  Mailänder, 
mit  Burkhards  Sachen  davon  ging  und  sich  nach  Venedig  flüchtete. 
Burkhard  schickte  mit  einem  kaiserlichen  Brief  den  Johann  Meyer  von 
Hüningen  nach  Venedig,  um  die  Festnahme  des  Diebes  zu  bewirken. 
Aber  der  Doge  schickte  ihn  an  den  Rat  und  dieser  zu  den  drei  Richtern; 
diese  liefsen,  auf  die  Formen  des  Rechtes  sich  stützend,  den  Schuldigen 
entkommen,  obwohl  Meyer  das  alles  vorausgesagt  hatte.  So  hatte  der 
biedere  Baseler  den  schlauen  Italiener  am  Rialto  wohl  an  seinem  Rock 
halten  und  ihm  grobe  Wahrheiten  sagen  können,  aber  er  hatte  das  Nach- 
sehen, und  über  diese  Thatsachen  nahmen  drei  in  Venedig  weilende 
Strafsburger,  die  Ritter  Walther  von  Mülnheim  und  Nicolaus  von  Grostein 
und  Johannes  Twinger,  ein  Protokoll  auf  ^. 

Burkhard  Münch  hatte  nun  nicht  die  mindeste  Lust,  sich  diese  Rechts- 
verweigerung gefallen  zu  lassen,  und  es  hatten  die  Venetianer  auch  wohl 
keine  Ahnung  davon,  welches  Ansehen  der  deutsche  Ritter  bei  seinem 
Kaiser  besafs  und  welche  Mittel  er  spielen  lassen  konnte.  Die  Münche, 
damals  wohl  das  mächtigste  Basler  Geschlecht,  hatten  zu  den  Luxem- 
burgern gehalten,  als  Karls  IV.  Herrschaft  noch  gar  nicht  feststand. 
Ja,  Heinrich  Münch  von  Landskron  war  der  kluge  und  tapfere  Ritter, 
der  dem  blinden  Böhmenkönig  von  der  Schlacht  abgeraten,  dann  aber, 
als  seine  Voraussage  sich  erfüllt  hatte,  den  König  auf  seine  Bitten  in 
das  Schlachtgetümmel  führte.  Am  Abend  deckten  beide  das  Schlacht- 
feld von  Cröcy^.  Unser  Burkhard  wurde  schon  1354  von  Karl  als  sein 
Rat,  Hausgenosse  und  Heimlicher  bezeichnet^,  auch  später  erhielt  er 
noch  viele  Gunstbezeugungen  und  erscheint  häufiger  in  des  Kaisers  Um- 


^  Zeugnis  eines  Strafsburger  Söldners  Strafsb.  Urkb.  5,  904. 

2  In  Karls  IV.  Brief  vom  22.  August  1360  eingerückt.  Winkelmann,  Acta 
imperii  548  f.    Die  Strafsburger  Namen  sehr  entstellt. 

'  Vgl.  Münch,  der  »Monne  de  Basele*  in  der  Schlacht  bei  Cr^cy.  Anzeiger 
für  Schweiz.  Gesch.  6,  211. 

*  Böhmer-Huber  6774. 


412  Sechsunddreifsigstes  Kapitel. 

gebung  ^.  Und  dieser  mächtige  Mann  hatte  noch  dazu  den  Zoll  von 
Liestal  als  Lehen  mit  dem  Schalern  von  Zürich  in  Besitz.  Der  obere 
wie  der  untere  Hauenstein  konnte  durch  ihn  gesperrt  werden^. 

Da  der  Räuber  aus  Mailand  war,  hatte  es  der  Münch,  von  Venedig 
abgesehen,  mit  dieser  Stadt  zu  thun.  In  freundschaftlicher  Gesinnung 
warnte  die  Stadt  Basel  die  Mailänder  Kaufmannschaft,  der  Ritter  wolle 
sich  nun  an  den  Kaufleuten  schadlos  halten  und  habe  dazu  die  Zu- 
stimmung des  Kaisers,  der  Ritter  habe  auch  keine  geringe  Macht  und 
könne  auch  auswärts  Schwierigkeiten  erheben,  sie  möchten  die  Klagen 
des  Ritters  beseitigen^,  und  sie  schickten  ihnen  gar  einen  Abgesandten, 
Konrad  Sintze,  der  nun  in  der  doppelten  Eigenschaft  als  Diplomat  und 
Wirt  den  Handelsverkehr  der  Italiener  in  Gang  zu  bringen  sich  be- 
mühte. Die  diplomatische  Korrespondenz  des  Gastgebers*  ist  unter  den 
Urkunden  der  Mailänder  Handelskammer  nicht  die  wenigst  interessante, 
und  sein  Latein  kann  sich  neben  dem  der  Mailänder  Kaufleute  sehr 
wohl  sehen  lassen. 

Konrad  Sintze  wufste  sehr  wohl,  dafs  ein  Unterhändler,  der  private 
Vorteile  erreichen  will,  nicht  auf  später  sich  darf  vertrösten  lassen.  Er 
wünschte  für  seinen  Gasthof  ein  Monopol,  die  Mailänder  sollten  stets  bei 
ihm  absteigen,  wie  es  offenbar  schon  bisher  vielfach  geschehen  war.  Die 
Italiener  antworteten  liebenswürdig,  sie  gingen  auf  das  Monopol  ein, 
aber  doch  so,  dafs  sie  nicht  für  immer  gebunden  waren*. 

Die  Lage  der  Mailänder  Kaufleute  war  um  so  unangenehmer,  da 
neben  der  Feindschaft  des  kaiserlichen  Vertrauten  auch  der  Hafs  der 
Kurie  gegen  die  Tyrannen  von  Mailand  sie  traf,  die  kein  Bedenken 
trug,  den  Grafen  von  Thierstein  den  Befehl  zu  geben,  Mailänder  Kauf- 
leute und  Waren  anzuhalten,    und  als  Basel  sich  gegen  diesen  Strafsen- 


1  Böhmer-Huber  3741,  4192  (Solothurn  Amt,  Schultheifs),  6225  (Kolmar  Un- 
geld,  wo  seine  Verdienste  beim  Krönungszuge  besonders  hervorgehoben  sind). 
Weiter  6874,  319,  711,  2634. 

2  Boos,  Urkundenbuch  Basel  Bd.  1,  367  f.  1363  Juli  30.  Es  war  dieser  An- 
teil ein  froburgidches  Lehen. 

'  Unsere  Urkunden  Nr.  10. 

*  Es  sind  mehrere  Sintze  in  Basel  zu  unterscheiden.  Nach  Mitteilungen  Wacker- 
nagels erscheint  der  Wirt  Cunzman  Sintze  in  den  Jahren  1335—1344  als  Eigentümer 
des  Hofes  und  Gesesses  auf  dem  Nadelberg,  der  später  Sinzenhof  hiefs  und  heute 
Rofshof  genannt  wird  (Nadelberg  20/22).  Als  spätere  Eigentümer  erscheinen  1374 
Burchard  Sinz,  1417  Konrad  Sinz.  Ein  Burkhard  Sinze,  der  eine  Tochter  Hartmann 
Münchs  von  Münchenstein  zur  Frau  hatte  und  später  als  Junker  erscheint,  erhielt 
1396  als  Träger  seiner  Frau  das  Fahr  zu  Berlikon  und  die  Hälfte  des  Zolls  zu 
Äugst  zu  Lehen.  Boos,  Urkb.  Landsch.  Basel  2,  547.  550.  Die  Geschichte  des 
Zolls  an  der  Brücke  von  Äugst  bei  Freivogel  40. 

^  Unsere  Urkunden  Nr.  11. 


Die  Nordseite  dss  Gotthards  von  Urseren  bis  Luzem  u.  s.  w.  413 

raub  erklärte,  auch  dieser  Stadt  den  Befehl  zu  geben,  das  nicht  zu 
hindern '. 

Die  Kaufleute  von  Mailand  und  Como  hielten  es  für  das  Rätlichste, 
den  Baseler  Ritter  zu  beruhigen,  und  es  kam  durch  ihre  Boten  und  die 
Bürgschaft,  welche  der  Wirt  für  sie  leistete,  rasch  zu  einer  Abmachung, 
wonach  die  Kaufleute  dem  Ritter  250  fl.  zu  zahlen  versprachen,  die  er 
zurückzuerstatten  habe,  wenn  Venedig  ihn  befriedigt  habe.  Mailand  und 
Como  mufsten  sich  in  Venedig  für  die  Entschädigung  des  Ritters  be- 
mühen; dieser  aber  versprach,  die  Kaufleute  zu  schützen*.  Die  Mai- 
länder hielten  Wort,  ihr  Gesandter  traf  richtig  ein,  überlieferte  Sintzen 
das  Geld  und  noch  30  fl.  darüber,  von  denen  der  Wirt  20  fl.  an  zwei 
von  ihm  geheimnisvoll  angedeutete  Personen  weitergab,  10  fl.  aber  strich 
er  mit  Dank  als  Verehrung  der  Mailänder  ein.  Mit  der  Quittung  Burk- 
hards trat  Bassinus  von  Bergamo  den  Heimweg  an.  Konrad  Sintzes  Auf- 
gabe war  noch  nicht  beendet,  denn  es  handelte  sich  jetzt  darum,  eine 
sichere  Fortsetzung  des  Weges  durch  Verträge  festzustellen.  Doch  davon 
später^. 

Nicht  so  schnell  war  Venedig  dem  Ritter  zu  Willen.  Durch  die 
Mailänder  liefsen  sich  die  Venetianer  nicht  bestimmen*.  Hier  kam  selbst 
der  Kaiser  nur  mit  vieler  Mühe  zum  Ziele.  Er  schrieb  Briefe  auf  Briefe, 
er  stellte  vor,  dafs  er  Burkhard  längst  Vollmacht  zu  Repressalien  ge- 
geben habe,  ihn  aber  bis  jetzt  zu  Rücksichtnahme  angehalten*;  er  be- 
gnügte sich  mit  dem  Versprechen  des  Gesandten  des  Dogen,  dafs  dem 
Ritter  sein  Recht  gegen  den  Richter  werden  solle®  und  bestimmte  den 
Ritter,  das  Gut,  das  er  auf  dem  Wege  von  Nürnberg  nach  Frankfurt, 
den  die  Venetianer  jetzt  vorzogen,  bei  Babenhausen  seinen  Feinden  weg- 
genommen hatte  "^ ,  ihnen  zurückzuerstatten ,  er  legte  dem  Dogen  jenes 
Protokoll  der  Strafsburger  vor  und  forderte  3000  fl.®.  Es  dauerte  noch 
mehr  als  drei  Jahre,  bis  die  Sache  zum  Abschlufs  kam  ®.  Noch  über  die 
Summe    wurde    mehrere    Monate    verhandelt,     und    schliefslich    wurden 


'  1356  März  23.    Baseler  Urkb.  4,  205. 

*  Unsere  Urkunden  Nr.  12. 
^  Unsere  Urkunden  Nr.  13. 

*  Vgl.  unsere  Urkunden  Nr.  14.  An  Bernabö  Visconti  war  von  Basel  Konrad 
Sintze  geschickt  worden. 

6  Böhmer-Huber  6208.    Winkelmann,  Acta  imperii  2,  544.    1359  Juni  23. 

^  Winkelmann,  Acta  imperii  2,  861. 

•^  Simonsfeld  Nr.  182. 

8  Winkelmann  2,  548.    Böhmer-Huber  6213. 

»  Weitere  Schreiben  Karls  IV.  von  1361  Mai  3  Winkelmann  2, 558.  Böhmer- 
Hub  er  6221.  August  30  an  den  neuen  Dogen  Lorenzo  Celsi,  der  früher  in  der 
Angelegenheit   Gesandter  gewesen,   ebda.  2,  562.     Böhmer-Huber  6227.     1361 


414  Siebenunddreifdigstes  Kapitel. 

1500  Dukaten  bewilligt,  damit  der  Weg  über  Basel  wieder  frei  werde*. 
Die  Kosten  für  die  Öffnung  dieses  und  des  Augsburger  Weges  sollten 
durch  eine  Abgabe  von  ^'2  ^'0  von  den  Waren,  die  diese  Wege  benutzten, 
aufgebrac'ht  werden  und  zwar  von  allen  Waren,  die  überhaupt  bis  über 
die  Alpen,  wenn  auch  nicht  bis  Venedig  kämen.  Dafs  für  Venedig 
Deutschland  nur  ein  Transitland  war,  wird  dadurch  deutlich,  dafs  nur 
Flandern  als  Ziel  bez.  Ausgangsort  der  Waren  angegeben  ist^.  Burk- 
hard war  befriedigt,  er  interessierte  sich  jetzt  sogar  für  den  Verkehr 
der  Venetianer. 

In  ähnlicher  Weise  liefs  sich  ein  Luzerner  Bürger,  der  ein  Nach- 
komme der  dort  angesiedelten  Astigianen  gewesen  sein  dürfte,  durch 
eine  Abfindung  von  40  fl.  von  der  Anwendung  von  Repressalien,  mit 
denen  er  die  in  der  Lombardei  erlittene  Gefangenschaft  und  ihm  zu- 
gefügten Schäden  vergelten  wollte,  abbringen^. 

Siebenunddrei fsigstes  Kapitel. 
Die  Wege  vom  Vierwaldstättersee  bis  Basel. 

Der  Weg  über  den  unteren  Hauenstein.  Zölle.  Sdiiffdhrt  auf  der  Reu/s.  Land- 
toeg  über  Brugg  und  Bötzberg.  Die  Verhatidlungen  Mailands  mit  Herzog  Rudolf  IV. 
Die  Geleitsbriefe  anderer  österreichischer  Herzöge  und  des  Grafen  von  Habsburg-Laufen* 
bürg,  Mailänder  Gesandtschaften  von  1391  und  1398,  VerJcehrshöhe  nach  deti  Gdeitsgelderfi 
von  Mellinge^u    Verkehr  auf  dem  unteren  Hauenstein,    Thiersteinsches  Geleitsprivileg, 

Auch  auf  der  Strafse  Luzern,  Beiden,  Hauenstein  mehrten  sich  die 
Zölle,  1374  erlaubte  Herzog  Leopold  denen  von  Sursee  einen  Zoll,  und 
da  er  nach  Fardeln  und  Wollballen  tarifiert  ist,  dient  auch  er  zum  Be- 
weis für  den  deutsch-italienischen  Verkehr*,  ebenso  wurde  einer  in  Sem- 
pach  erhoben^.  In  Zofingen  erscheinen  Zoll  und  Geleit  unterschieden®. 
Habsburgisch   war   nun  auch  der  Zoll  zu  Aarburg''   und  der  zu  Ölten®. 


Dezember  18  (Burkhard  soll  nochmals  verhört  werden)  2,  564.  Böhmer-Huber  6228. 
1363  Januar  10  2,  566.    Böhmer-Huber  6237. 

^  Simons feld  Nr.  197  u.  200.  Dieser  Beschlufs  vom  9.  Januar  1364.  Aus- 
drücklich hervorgehoben:    »pro  aptando  Camino  Basilee<. 

8  Simonsfeld  Nr.  204.     1364  April  6. 

'  Unsere  Urkunden  Nr.  15.  1359  November  20.  Der  Name  Gelwanus  ist 
identisch  mit  dem  des  Astigianen  von  1288 — 33.  Das  Abstandsgeld  wurde  über- 
geben durch  denselben  Mailänder  Beauftragten,  der  mit  Burkhard  Münch  ver- 
handelte, Passino  von  Bergamo. 

*  Segesser  1,  756  f. 

^  Segesser  2,  766. 

«  Jener  trug  11  U,  dieses  80  ü  Stäbler.    Habsb.  Urbar  2,  748  f. 

^  Habsb.  Urbar  1,  489  und  2,  631.     Tarif  2,  752. 

^  Habsb.  Urbar  2,  754.    Der  Zoll  ertrug  mindestens  50  fl.  jährlich. 


Die  Wege  vom  Vierwaldstättersee  bis  Basel.  415 

Der  Zoll  (oder  wohl  besser  gesagt)  das  Geleite  am  unteren  Hauenstein 
wurde  von  der  Süd-  auf  die  Nordseite  nach  Diepflingen  verlegt^.  Zoll 
und  Geleit  zu  Liestal  kam  am  Anfang  des  vierzehnten  Jahrhunderts  in 
den  Besitz  eines  Baseler  Geschlechtes,  am  Anfang  des  folgenden  in  den 
der  Stadt  bez.  des  Spitals  in  Basel  ^.  Ein  Brückenzoll  wurde  an  der 
Brücke  über  die  Ergolz  bei  Basel-Augst  erhoben,  von  seinen  Eigentümern, 
den  Grafen  von  Habsburg  -  Laufenburg ,  wurde  er  an  die  Münch  und 
Bärenfels  gegeben  und  erbte  sich  bei  ihren  Besitzern  fort^.  Die  Stadt 
Basel  erhob  endlich  dafür,  dafs  sie  bei  dem  durch  den  Heldenkarapf  be- 
kannten Siechenhaus  St.  Jakob  zwischen  1295  und  1302  eine  Brücke 
über  die  Birs  gebaut  hatte,  einen  Brückenzoll,  dessen  Tarif  erhalten  ist*. 

Neben  dieser  Hauptlandfortsetzung  des  Gotthardweges  spielte  für  den 
Verkehr  flufsabwärts  die  Schiffahrt  auf  der  Reufs,  Aare  und  dem  Rhein 
eine  grofse  Rolle.  1278  wettete  ein  Luzemer  Schiffer,  er  werde  in  einem 
Tage  trotz  des  Laufens  bei  Laufenburg  sein  Schiff  bis  Strafsburg  bringen, 
er  verlor  freilich  die  Wette*.  Ganz  besonders  dienten  die  Schiffe  auch 
dem  Transporte  von  Pilgern,  sei  es  solchen,  die  Rom  besucht  hatten,  oder 
solchen,  die  nach  Einsiedeln  gewallfahrtet  waren.  Auch  die  Badegäste 
des  damaligen  vornehmsten  Bades  Baden  im  Aargau  benutzten  gern  die 
Schiffe.  So  erzählt  Vitoduran,  wie  bei  Rheinfelden  ein  Schiff  mit  Bade- 
gästen und  Pilgern  zu  Grunde  ging®.  In  den  Urkunden  über  die  Schiff- 
fahrt, die  ich  hier  grundsätzlich  ausschliefse,  begegnen  uns  sehr  oft  die 
Pilger,  und  so  wurde  z.  B.  1466  von  Pilgern,  die  am  Zürichersee  ins 
Schiff  gestiegen  waren,  in  Zürich  dasselbe  wechselten,  am  Abend  Strafs- 
burg erreicht  —  es  ist  das  Vorbild  der  Reise  des  Züricher  Breitopfes  ^. 
Kaufmannsware  zog  natürlich  auch  diesen  Weg,  so  ging  1462  zu  Rhein- 
felden ein  Schiff  unter,  in  dem  köstliche  Ware,  viel  Spezerei  von  Venedig 
und  Baumwolle,  auch  30  Centner  Stahl  verladen  waren®. 

Dieselbe  Richtung  Reufs  abwärts  schlug  nicht  selten  auch  der  Land- 
verkehr ein,  und  dieser  benutzte  dann  von  Brugg  an  die  alte  Bötzberg- 
route.  Diese  Linie  lag  bis  kurz  vor  Basel  vollständig  auf  habsburgischem 
Boden  —  ein  Stück  davon  gehörte  der  gräflichen  Linie.  Der  Weg,  welcher, 
datiere  ich  den  Bericht  Passinos  von  Bergamo  richtig,  schon  früher  be- 
nutzt war,   und   für  den   es   einen   Geleitsbrief  Herzog  Leopolds  I.  gab, 


*  Freivogel  51. 

2  Freivogel  S.  134. 

»  Freivogel  S.  40  u.  156. 

*  Freivogel  S.  158  f. 
5  M.G.  SS.  17,  203. 

ö  Vitoduran  US  ed.  v.  Wyfs. 
'  Ruppert,  Chroniken  260  f. 
**  Baseler  Chroniken  4,  340. 


416  Siebenunddrei fsigstes  Kapitel. 

ging  von  Luzern,  bei  Gislikon  die  Reufs  erreichend,  an  diesem  Flusse 
abwärts  an  Bremgarten  und  Meilingen  vorbei  nach  Brugg,  dann  über 
den  Bötzberg  nach  Basel.  Privilegiert  wurde  dieser  Weg  von  Herzog 
Rudolf  IV.  von  Österreich  in  dem  gleichen  Augenblicke,  als  er  den 
Bürgern  von  Luzern  die  Zollfreiheit  bis  Reiden  und  Windisch  zusicherte  \ 
veranlafst  aber  war  er  von  den  mailändischen  Kaufleuten ;  denn  derselbe 
Gesandte,  der  wegen  Burkhard  Münch  verhandelt  hatte,  berichtet  auch 
ttber  diese  Angelegenheit  nach  Hause*.  Am  25.  Oktober  1360  traf  er 
mit  dem  für  kurze  Zeit  aus  dem  Osten  in  seinen  Stammlanden  er- 
schienenen Herzog  zusammen,  ein  Baseler  BUrger  hatte  ihn  begleitet.  Er 
versprach  sofort  einen  Geleitsbrief,  wenn  die  Kaufleute  über  Brugg 
gehen  wollten.  Der  Mailänder  war  so  gewifs,  dafs  er  seine  Landsleute 
sofort  einlud,  ihre  Waren  zu  schicken,  und  der  Baseler  Johann  von  Walt- 
bach ging  sofort  nach  Strafsburg,  um  auch  dort  einen  gleichen  Sicherungs- 
brief zu  erwirken. 

Das  war  freilich  vorschnell,  denn  der  Herzog  liefs  gleichwohl  Ballen 
und  Waren  anhalten  und  nach  Brugg  bringen,  auch  wurden  Kaufleute 
und  Diener  in  Gewahrsam  behalten.  Die  Mailänder  verzweifelten  daran, 
ob  es  möglich  sein  werde,  durch  diese  Teile  Deutschlands  eine  Strafse 
zu  legen,  sie  sandten  am  17.  November  —  in  so  kurzer  Zeit  hatten  sich 
die  Ereignisse  abgespielt  —  nach  Strafsburg  die  Bitte,  sie  möchten  an 
den  Herzog  Rudolf  einen  Boten  senden,  damit  abgeholfen  werde ^. 


*  S.  oben  S.  402.  Am  1.  Februar  erteilte  er  auch  dem  Kloster  Engelberg  Zoll- 
freiheit von  Luzern  bis  Brugg.  Huber,  Gesch.  d.  Herzogs  Rudolfs  IV.  193.  Reg. 
268.  Die  Zollfreiheit  von  Luzern  wurde  1405  vom  Grafen  Hans  von  Habsburg- 
Laufenburg,  Landvogt  der  Herrschaft  Österreich,  bestätigt.    Segesser  1,  265. 

^  Unsere  Urkunden  Nr.  16.  Der  Brief  des  Passino  von  Bergamo  bietet  keine 
Jahreszahl,  sondern  nur  die  Angaben  „Basel  Oktober  25^.  Als  Ort  der  Zusammen- 
kunft wird  das  noch  nicht  erklärte  tanna  oder  tai^e^'na  Luchutis  genannt.  Nun  ist 
Herzog  Rudolf  nach  den  Regesten  bei  Huber,  Rudolfs  IV.  von  Osterreich,  vom 
4.  Oktober  bis  5.  November  1360  in  Brugg  gewesen,  am  27.  November  war  er  in 
Nürnberg.  Am  22.  Januar  1361  war  er  wieder  in  den  Vor  landen,  vom  13.  März  ist 
sein  gleich  zu  erwähnender  Geleitsbrief  datiert.  Der  Baseler  Bürger  Johann  von 
Waltbach  stand  als  Pfandinhaber  der  Herrschaft  Wehr  und  sonst  in  lebhaften  Be- 
ziehungen zu  Rudolf  rV.  (vgl.  z.  B.  Lichnowskj,  Regesten  4  Nr.  36  von  1359, 
406  von  1362,  auch  Nr.  795).  Meine  Datierung  des  Briefes  wird  aber  zur  G^wifs- 
heit  durch  den  gleich  zu  erwähnenden  Brief  der  Mailänder  Kaufmannschaft  an  Strafs- 
burg, wo  Pasinus  ausdrücklich  genannt  ist.  Passino  redet  in  unserem  Schreiben  von 
mehreren  österreichischen  Herzögen  und  spricht  am  Ende  von  einem  Briefe,  der  ähn- 
lich sein  soll  dem  Briefe  des  Herzogs  Leopold.  Wer  ist  damit  gemeint?  Leopold  IFI., 
der  jüngere  Bruder  Rudolfs  IV.,  hat  erst  später  einen  solchen  Brief,  wie  wir  sehen 
werden,  ausgestellt;  Leopold  II.  war  nie  aus  der  Vormundschaft  entlassen,  es  ist 
also  der  1326  gestorbene  tapfere  Sohn  König  Albrechts  gemeint. 

8  Gedruckt  Strafsb.  Urkb.  5,  439  f.  und  Zeitschrift  f.  Gesch.  d.  Oberrheins 
N.  F.  6,  321. 


Die  Wege  vom  Vierwaldstättersee  bis  Basel.  417 

Doch  die  Wünsche  der  Mailänder  gingen  in  Erfüllung.  Der  Geleits- 
brief Rudolfs  IV.  datiert  vom  13.  März  1361  ^  und  bestimmt,  dafs  alle 
Eaufleute  von  Mailand,  Venedig,  Florenz  und  allen  anderen  lombar- 
dischen Städten  auf  folgendem  Wege  von  ihm  vollen  Schutz  und  Garantie 
gegen  allen  Schaden  durch  Raub  haben  sollen:  von  Ottmarsheim  nach 
Basel ;  dann  aus  dem  Grenzgebiet  dieser  Stadt  im  Geleite  des  Rheinfelder 
Vogtes  bis  nach  Brugg  und  von  da  nach  Luzern^.  Die  Kauf  Leute 
sollten  von  Ottmarsheim  bis  Rheinfelden  nur  diese  Strafse  benutzen ,  ja, 
wer  dawider  handle,  sollte  geradezu  als  Geleitsbrecher  gelten.  Es  war 
damit  den  Italienern  also  der  untere  wie  der  obere  Hauenstein  verboten. 
Jedes  Pferd,  das  verkauft  werden  sollte  oder  Wolle  oder  Tuche  trug, 
sollte  als  Geleitsgeld  in  Ottmarsheim  und  in  Rheinfelden  je  2  ß  Strafs- 
burger  geben.  Wenn  der  Herzog  wegen  Fehden  keine  Bürgschaft  leisten 
konnte,  so  war  er  verpflichtet,  in  das  Gasthaus  zu  Luzern,  wo  die 
Lombarden  einkehrten,  Nachricht  zu  schicken  und  auch  dann  war  er 
noch  einen  Monat  zum  Schadenersatz  verbunden.  Bei  einer  vollständigen 
Aufkündigung  erstreckte  sich  der  Termin  auf  drei  Monate®. 

Mit  Mailand  hatte  die  engsten  Beziehungen  der  jüngste  Bruder 
Rudolfs  IV.  und  sein  Erbe  in  den  vorderen  Landen  Leopold  IH.  Am 
23.  Februar  13ü5  hatte  er  Viridis,  die  Tochter  Bernabo  Viscontis,  als 
seine  Gemahlin  heimgeführt.  So  kann  es  nicht  auffallen,  dafs  er  mit 
seinem  Bruder  Albrecht  HI.  den  Geleitsbrief  ihres  Landvogtes  Rudolf 
von  Waise,  den  dieser  den  Kaufleuten  Mailands  und  Italiens  für  den 
Weg  Breisach,  Rheinfelden  und  Brugg  ausgestellt  hatte,  bestätigte*.  Als 
Leopold  im  April  1370  *  in  Mailand  weilte,  traten  die  Mailänder  Kaufleute 
mit  Klagen  über  die  Bürger  von  Basel  und  Luzern  vor  ihn.  Sie  nähmen 
neuerdings  von  den  Waren  lombardischer  Kaufleute  grofse  Abgaben; 
im  Gebiete  der  Herzöge  würden  sie  beraubt  und  belästigt.  Der  Herzog 
erklärte  sich  bereit  abzuhelfen  und  schickte  den  Befehl,  Graf  Rudolf 
von  Nidau,  sein  Landvogt  in  Schwaben,  Aargau  und  Thurgau,  solle  auf 
Luzern    und   Basel,    der  Markgraf  Rudolf  von   Baden,   sein   Landvogt 


*  Unsere  Urkunden  Nr.  17. 

2  Ich  will  nicht  unterlassen,  darauf  hinzuweisen,  dafs  nach  dem  Wortlaute  von 
Ottmarsheim  bis  Luzern  der  Lauf  des  Rheins,  der  Aare  und  Heufs  als  die  strata 
betrachtet  werden  kann,  allein  es  ist  die  Aufzählung  nach  der  Bergfahrt  gegeben, 
die  äuiserst  schwierig  ist.    Das  Geleit  wird  demnach  auch  nach  Pferden  berechnet. 

'  Auch  dieses  Dokument  trägt  die  Sonderbarkeiten  vieler  Urkunden  des  eigen- 
artig prunkliebendeu  Fürsten :  eigene  Unterschrift,  Datierung  nach  Lebensalter  und 
Regierungsjahren. 

*  Die  Bnichstücke  der  Urkunde  vom  17.  August  1366  bei  Kurz,  Österreich 
unter  Herzog  Albrecht  IIL  1,  202. 

^  Nach  den  Regesten  bei  Lichnowsky  handelte  es  sich  um  einen  kurzen  Ab- 
stecher von  Meran. 

Schulte,  Gesch.  d.  mittelalterl.  Handels.    I.  27 


418  Siebcnunddreifsigstes  Kapitel. 

im  Breisgau,  auf  Basel  einwirken,  damit  sie  die  neuen  Abgaben  auf- 
höben, auch  sollten  sie  scharf  für  die  Sicherheit  des  Verkehrs  sorgen, 
damit  er  sich  wieder  seinen  Landen  zuwende*. 

Auf  diese  Bötzbergroute  und  auf  den  Verkehr  auf  dem  Rheine  bei 
Laufenburg  bezieht  sich  ein  etwas  langatmiger  und  ängstlicher  Geleits- 
brief  des  Grafen  Rudolf  IV.  von  Habsburg -Laufenburg  ftlr  die  aus  dem 
Gebiete  der  Visconti  stammenden  Kaufleute*.  Es  soll  der  Vertrag  nur 
zwei  Jahre  gelten  und  schon  für  das  zweite  ist  die  Möglichkeit  einer 
Aufkündigung  beiden  Seiten  gewahrt.  Der  Graf  hat  sie  nach  Basel  in 
den  Ballhof  oder  nach  Luzem  in  ein  bestimmtes  Gasthaus  zu  melden. 
Der  Vertrag  ist  am  meisten  dadurch  interessant,  dafs  die  Garantie  auf 
dem  Wasser  beweist,  dafs  auch  die  italienischen  Waren  mitunter  den 
gefkhrlichen  Weg  durch  die  Stromschnellen  von  Laufenburg  nahmen, 
wie  auch  derselbe  Graf  1376  einen  ähnlichen  kurzfristigen  Brief  den 
Luzernern  für  den  Verkehr  „zu  Wasser"  und  zu  Lande  ausstellte '.  Auch 
die  Instruktion  jener  Mailänder  Gesandten,  die  im  Jahre  1891  zunächst 
in  Konstanz  über  einen  Bündner  Pafs  und  den  Weg  über  den  hohlen 
Graben  verhandeln  sollten,  nimmt  auf  die  Bötzbergroute  Rücksicht.  Es 
wird  nämlich  vorgesehen,  dafs  die  Gesandten  aufser  in  Luzem,  Basel 
und  Strafsburg  auch  mit  dem  Landvogt  des  Herzogs  von  Österreich 
verhandeln  sollten.  Freilich  kann  ja  darunter  auch  der  Landvogt  im 
Breisgau  und  Elsafs  verstanden  werden*.  Auf  die  Luzerner  Punkte 
ist  später  einzugehen.  Und  1898  sandte  abermals  die  Mailänder  Kauf- 
mannschaft einen  Gesandten  nach  Strafsburg,  den  Kaufmann  Francesco 
da  Conago,  um  über  die  Wiederherstellung  der  Strafse  zwischen  Deutsch- 
land und  Italien  zu  verhandeln.  Leider  ist  nur  die  Instruktion  er- 
halten * ;  wenn  wir  aber  erfahren,  dafs  im  gleichen  Jahre  Hans  Segesser, 
der  Schultheifs  von  Mellingen,  in  Sachen  des  Mellinger  Geleites  Ritte 
nach  Thann,   Ensisheim,  Luzem  und  Airolo  machte,   wofür   er  1397/98 

*  Beide  Befehle  erhalten  Urkunden  Nr.  19  u.  20.  Sie  sind  mitunterfertigt 
von  Peter  von  Thorberg,  dem  bekannten  österreichischen  Landvogt,  dessen  Stelle 
nun  der  Qraf  von  Neuenburg-Nidau  einnahm,  Johann  von  Liechtenstein  von  Nikols- 
bürg  und  Reinhard  Wehinger,  zwei  sehr  angesehenen  Beamten,  die  bald  für  die 
Herzöge  die  Finanzverwaltung  übernahmen.  Bemerkt  sei,  dafs  am  23.  November  1370 
die  beiden  Herzöge  Albrecht  und  Leopold  auch  den  venetianischen  Kaufleuten  freies 
Geleit  in  allen  ihren  Ländern  gewährten.    Lichnowskj  4  Regest  1013. 

«  Unsere  Urkunden  Nr.  21  von  1372  Juni  30. 

*  Th.  V.  Liebcnau,  Archiv  f.  Schweiz.  Gesch.  17,  2,  52. 

*  Unsere  Urkunden  Nr.  35. 

»  1398  Mai  3L   Strafsb.Urkb.  6  Nr.  1385  und  Z.  Gesch.  Oberrh.  N.  F.  6,  320. 
Er  reist  »causa  proairandi  de  reparationihus  itineris  Allamanie.  .....    Et  placeat  sie 

agendo,   quod  mercatores  et  eontm  liuncii  et  factores  cum  eorum  mercantiis  halfcani 
causam  comode  per  partes  restras  hinc  inde  visitandi.t 


Die  Wege  vom  Vierwaldstättersee  bis  Basel. 


419 


56  fl.  ausgab,  und  im  nächsten  Jahre  ^die  Sache  der  Kaufleute  von 
Mailand  trieb  und  auf  und  ab  ritt"  ^ ,  so  wissen  wir ,  dafs  es  sich  um 
die  Gotthardstrafse  und  um   deren  Fortsetzung  auf  der  Reufs   handelte. 

Der  Verkehr  auf  dieser  Bötzbergroute  beziehungsweise  auf  der  Reufs 
spiegelt  sich  in  den  Ziffern,  die  Thommen  und  Welti  über  die  Einnahme  des 
Geleits  in  Hellingen  veröffentlicht  haben  ^.  Hellingen  besafs  aber  nicht  allein 
Verkehr  nach  dieser  einen  nord-südlichen  Richtung,  sondern  es  nahm  auch 
an  dem  Verkehre  Teil,  der  vom  Genfersee  an  den  unteren  Bodensee  ging. 
Zwar  tiberschritt  ein  Teil  davon  die  Reufs  bei  Brugg,  ein  anderer  wohl  bei 
Bremgarten  (Richtung  Zürich,  Bremgarten,  Wohlen,  Lenzburg,  Aarau),  ein 
erheblicher  Teil  fiel  aber  Hellingen  zu,  der  sich  von  Aarau  auf  I^enzburg, 
Hellingen,  Baden,  Dietikon,  Zürich  bez.  Baden-Kaiserstuhl-Schaff  hausen 
bewegte.  Vollständig  kam  dieser  westöstlichen  Richtung  der  Brückenzoll 
zu  gut,  dessen  Ertrag  um  1394  zwischen  27  und  20 /iS  schwankte^. 

Die  Rechnungen  des  Hellinger  Geleits  stehen  mit  denen  von  Baden 
im  Aargau  und  Waldshut  zusammen ,  weil  diese  Einkünfte  zusammen  die 
Bürgschaft  für  eine  Schuld  bildeten^.  Baden,  das  übrigens  ein  sehr 
besuchter  Badeort  war,  diente  auch  noch  der  Richtung:  Zürich -Brugg. 
Oberrheinthal.  Waldshut  hing,  wie  wir  gesehen  haben,  vom  Verkehre 
längs  des  Südhanges  des  Schwarzwaldes  ab ,  nahm  aber  auch  einen  Teil 
des  Verkehrs  aus  dem  Reufs-  und  Limmatgebiete  auf. 

Die  folgende  Tabelle  giebt  den  Jahresertrag  von  Hartini  zu  Hartini 
in  Gulden  an. 


Meilingen 

Baden 

Waldshut 

Zusammen 

1397/8 

304 

176V« 

217 

697V« 

1398/9 

398 

180 

278 

856 

1399/1400«^ 

283»/4 

188 

137»/4 

609V« 

1400/P 

283«/4 

188 

137«/* 

609V« 

1401/2 

231 

187 

116 

534 

1500V2 

919V« 

886V« 

1  S.  unten  S.  423. 

3  Anzeiger  f.  Schweiz.  Gesch.  7,  186  u.  502.  Auch  wegen  des  Geleites  von 
Meilingen  erhoben  die  Luzerner  vor  Ausbruch  des  Sempacherkrieges  Klagen.  Archiv 
f.  Schweiz.  Gesch.  7,  2,  89. 

8  Habsb.  Urbar  2,  741.   Beim  Geleite  S.  742  ist  die  Ziffer  nicht  ausgefuUt. 

*  Die  Geleite  waren  1379  auf  Abzahlung  an  die  Edlen  von  Bamstein  und  dann 
1402  an  die  Stadt  Aarau  verpfändet.  Th.  v.  Liebenau,  Regesten  zur  Gesch.  von 
Meilingen  Nr.  97  u.  145.    Arge  via  Bd.  14.    Dort  auch  weitere  Angaben. 

^  Die  Rechnung  erstreckt  sich  auf  zwei  Jahre ,  es  blieb  mir  also  nichts  übrig 
als  den  Betrag  zu  teilen. 

27* 


420  Achtunddreifsigstes  KapiteL 

Die  Bedeutung  des  Mellinger  Verkehrs  tritt  deutlich  zu  Tage, 
selbstredend  ist  vorausgesetzt,  dafs  an  allen  drei  Orten  gleiche  oder  doch 
fast  gleiche  Beträge  erhoben  wurden. 

Die   Ausgaben    für   Geleitszwecke   sind    minimal,    jede    Stadt    gab 
jährlich  ihren  Geleitsleuten  8  fl.,   kleine  Beträge  kamen  für  Rechnungs- 
bücher  etc.   der   Kanzlei   zu.     Hans   Segessers   oben    erwähnten   Reisen 
kosten  1397^98  56  fl.;  im  nächsten  Jahre  schickte  er  einen  eigenen  Boten 
nach  Mailand,  daran  zahlten  die  Städte  7  fl.    Der  ganze  Rest  stand  der 
Herrschaft  zur  Verfügung.     Nun  mufs  man  das  Geleitsgeld  freilich  auch 
als   eine  Versicherungsprämie  gegen  Unfall  betrachten,    im   Falle   einer 
Beraubung  war  ja  die  Herrschaft  ersatzpflichtig.     Aber  selbst  wenn  man 
das  reichlich  in  Anschlag  setzt,  war  das  Geleit  eine  wertvolle  Einnahme- 
quelle der  Herrschaft     Da  der  Satz,  nach  dem  dasselbe  erhoben  wurde, 
unbekannt  ist,  kann  man  die  Höhe  des  Verkehrs  leider  nicht  berechnen. 
Inzwischen  war  der  Wunsch  Herzog  Rudolfs  IV.  keineswegs  in  Er- 
füllung gegangen,  der  da  meinte,   der  Strafse  über  den  unteren  Hauen- 
stein den  Verkehr  entziehen  zu  können.     Wie   so   viele  seiner   wirklich 
grofsen  Ideen  blieb  dieses   gegen  die  Bedingungen  der  Natur  gerichtete 
Projekt    unerfüllt.     Drei    Jahre   nach    seinem   Tode    erhielt   der  untere 
Hauenstein   wieder   einen   Geleitsbrief  und    zwar   stellte   ihn    Graf  Sieg- 
mund von  Thierstein   aus,   der   eben   die  Grafschaftsrechte   im   Sissgau 
gewonnen  hatte  ^,    vor  allem   hatte  er   die  Kauf leute   der    „königlichen" 
Städte  Mailand,    Venedig,    Florenz   und  Como   im  Auge ^.     Zum  Unter- 
schiede  von   anderen  Geleitsbriefen    enthält  dieser  nicht   die  Bürgschaft 
für  Schadenersatz,   der  Graf  verpflichtete  sich  nur  zu  helfen,    als  wenn 
es  seine  eigenen  Sachen  wären. 

Achtunddreifsigstes  Kapitel. 
Die  nSrdlichen  Fortsetzungen. 

Die  Strafse  St.  Amarin-LoUrnngen.  Briefe  von  Neufchäteati  und  Lothringen.  Be- 
nrnhungen  Sintzes,  Der  GeleiUhrief  der  Herren  von  Faucogney.  Montaigne,  —  Weg 
Luzern'Netienburg-ValTraverS'Pantarlier,  Zölle.  Gegenbemühungen  Mailands,  Ausfuhr- 
vertrage  Mailands  mit  dem  K&nige  vo7i  Frankreich  für  Wolle,  Ausfuhrort  St,  Jean  de 
Losne,  Instruktion  der  Gesandten,  —  Die  „Krumme  Meile^^  Strafsburg -Saarbrücken- 
Luxemburg,  Geleitsgesellschaft,  ihre  Briefe.  Privilegien  für  die  Fortsetzungen,  —  Ver- 
kehr auf  dem  Btieine,  Zoüstätten  von  Laufenburg  bis  Mainz,  Überlastung,  Wer  ist 
schuldigt  Auch  die  Städte,  Schwache  Be formen,  —  Die  Landwege  auf  dem  rechten 
Bheinufer,    Privilegien  für  Italiener. 

Auch  für  diese  Periode  fehlt  es  nicht  an  überraschenden  Aufschlüssen 
über  die  von  den  Italienern  benutzten  Fortsetzungen  der  Gotthardstrafse 
jenseits  von  Basel. 


1  S.  Freivogel  13  f.  «  Unsere  Urkunden  Nr.  18. 


Die  nördlichen  Fortsetzungen.  421 

Die  von  uns  früher  festgestellte  Route  durch  das  St.  Amarinthal 
zur  Moselquelle  und  durch  Lothringen  blieb  auch  dann  noch,  wenn 
auch  nicht  in  regelmäfsiger  Benutzung,  als  die  Champagner  Mefsen  ihre 
Bedeutung  verloren  hatten.  Das  war  freilich  1321  noch  nicht  der  Fall; 
die  damals  neu  eingerichtete  Strafse  bog  aus  politischen  Gründen  von 
der  früheren  ab.  Die  alte  hatte  durch  Bar-le-Duc  den  Anschlufs  zu  den 
Mefsplätzen  gesucht,  um  1320  war  aber  der  Graf  von  Bar  mit 
Herzog  Friedrich  IV.  von  Lothringen  verfeindet,  der  deutsche  Königs- 
streit trennte  auch  hier  die  Gemüter^.  Es  mufste  daher  der  Anschlufs 
auf  lothringischem  Boden  weiter  oberhalb  im  Gebirge  gesucht  werden 
und  als  Übergangsplatz  wurde  das  im  obersten  Maasgebiet  gelegene 
Neufchäteau,  das  ein  von  der  Champagne  an  Lothringen  gegebenes 
Lehen  war,  also  nicht  mehr  zum  deutschen  Reiche  gehörte,  ausersehen. 
Der  Weg  mufste  also  wohl  in  l^^pinal  aus  dem  Moselthale  abbiegen.  Die 
Bewohner  von  Neufchäteau  stellten  dem  capiianeus  soctetaiis  mercaiorum 
Lombardie,  also  wohl  der  Gesellschaft  der  Mefsbesucher,  gern  die  ge- 
wünschte Erlaubnis  aus,  bemerkten  jedoch,  dafs  ihnen  das  Geleitsrecht 
nicht  zustehe*. 

Schon  einige  Wochen  vorher  hatte  ihr  Herzog  die  Eaufleute  von 
Mailand  auf  dem  Wege  vom  Berge  „First"  bis  nach  Neufchäteau  in  sein 
Geleit  genommen  und  ihnen  ein  sehr  weitgehendes  Privileg  zugestellt*; 
es  fehlt  nicht  die  Garantie  gegen  Repressalien.  Die  Bestimmungen  er- 
innern mannigfach  an  die  des  Privilegs  des  Grafen  von  Pfirt*.  Be- 
sonders wertvoll  ist  die  Festsetzung  des  Zolles  auf  Wolle,  die  von 
Frankreich  nach  der  Lombardei  verführt  wird,  sie  soll  denselben  Zoll 
tragen  wie  die  fertigen  Tuchstoffe,  und  nicht  mehr  als  auf  dem  Wege, 
der  durch  Burgund,  Savoyen  und  Wallis  —  also  über  den  Simplon  — 
zu  zahlen  war.  Daraus  ergiebt  sich,  dafs  dieser  Weg,  der  wegen  der 
Unruhen  am  Gotthard  seit  1315  verlassen  worden  war,  gerade  wie  1299 
die  Strafse  durch  Burgund  ersetzen  sollte.  Auch  diese  Urkunde,  die  in 
Säckingen  ausgestellt  wurde,  verrät  italienischen  Einflufs  und  somit  sehen 
wir,  dafs  die  Mailänder  sich  erneut  diesem  Wege  anvertrauen  wollten, 
der  für  deutsche  Zustände  wenige  Geleitsherm  hatte.     Im  wesentlichen 


1  Digot  2,  217  f. 

«  Unsere  Urkunden  Nr.  4.    1322  Juli  22. 

«  Unsere  Urkunden  Nr.  8.    1821  Juni  29. 

*  S.  oben  S.  202  f.  Bei  den  Bestimmungen  über  die  Repressalien  ist  jetzt  auch 
der  Fall  vorgesehen,  dafs  sich  ein  alter  Mailänder  Söldner  an  den  Kaufleuten 
schadlos  halten  wollte.  Fast  gleich  sind  die  Bestimmungen  über  Verpfändungen  der 
Fuhrleute,  Schadenersatz  innerhalb  40  Tagen,  Tod  eines  Kaufmanns,  Instandhaltung 
der  Strafse  ohne  neue  Abgaben.  Doch  fehlt  auch  manches,  neu  ist  die  Bestimmung, 
dafs  für  Erhöhung  der  italienischen  Zölle  keine  Repressalie  gestattet  ist 


422  Achtunddreif8ig8tes  Kapitel.^ 

war  man  im  Gebiete  der  Habsburger  und  des  Lothringers,  der  tapfer 
für  die  Sache  seines  Schwagers  König  Friedrich  focht. 

In  den  Kämpfen,  welche  dem  Regensburger  Frieden  (1355)  voran- 
gingen, war  mit  dem  Gotthard  auch  diese  lothringische  Route  verödet. 
Cunzmann  Sintze,  der  Basler  Wirt  und  Diplomat,  bemühte  sich  den  Ver- 
kehr wieder  in  Gang  zu  bringen  *.  Er  hatte  die  besten  Hoffnungen 
und  berichtete  sehr  selbstbewufst ,  dafs  Graf  Eberhard  von  Württemberg 
bei  ihm  in  seinem  Hause  gewesen  sei,  auch  mit  Burkhard  von  Vinstingen 
und  Theobald  von  Faucogney  hatte  er  in  dieser  Sache  verhandelt.  Des 
österreichischen  Landvogtes  glaubte  der  Wirt  ganz  sicher  zu  sein,  beim 
Grafen  von  Bar  hatte  er  bereits  erreicht,  dafs  er  einen  sicheren  Weg 
durch  sein  Land  verstatten  wolle.  Er  getraute  sich  mit  300  fl.  und  den 
Geldern  für  die  Briefe  und  seinen  Reisespesen  für  die  Ritte,  die  in 
dieser  Sache  nötig  seien,  die  Sache  ins  Reine  zu  bringen.  Auf  den 
ersten  Augenblick  verwirren  die  Namen  Württemberg  und  Vinstingen, 
aber  mit  Unrecht:  für  den  ganz  jugendlichen  Herzog  Johann  I.  von 
Lothringen  (1846 — 90)  führte  mit  der  Witwe  des  verstorbenen  Herzogs 
Rudolf,  Graf  Eberhard  IL  der  Greiner  von  Württemberg,  die  Vor- 
mundschaft und  sein  Delegierter  war  Burkhard  von  Vinstingen ,  der  den 
Titel  eines  lieuienant  giniral  fiihrte*. 

Theobald  von  Faucogney  hatte  aber  schon  1347  mit  seinem  Bruder 
Heinrich  den  Kaufleuten  der  Lombardei,  Toskana,  von  Venedig  und 
Genua  und  allen  Kauf leuten  der  universitds  mercatorum  einen  für  diese 
sehr  günstigen  Geleitsbrief  gegeben^.  Seine  Besitzungen  lagen  an  dem 
südlichen  Rande  der  Vogesen,  nach  dem  Briefe  Sintzes  müssen  sie  sich 
bis  an  die  Moselstrafse  erstreckt  haben,  der  Kern  lag  jedenfalls  jenseits 
der  Wasserscheide  im  Stromgebiete  des  Rhone. 

Es  ist  fast  nicht  zu  zweifeln,  dafs  Sintze  seine  Absicht  erreichte, 
vielleicht  schädigte  aber  die  Vertreibung  der  lombardischen  Geldhändler 
aus  Lothringen,  die  1358  stattfand*,  auch  den  Verkehr  dieser  Waren- 
händler. Die  Belehnung  des  Herzogs  mit  dem  Geleit  innerhalb  seines 
Gebietes*  beweist  nichts;    denn   mit  dem  Geleite  auf  den   vielen   durch 


*  Unsere  Urkunden  Nr.  18. 

2  Digot  2,  261. 

8  Unsere  Urkunden  Nr.  6.  Der  Brief  zeigt  manche  Ähnlichkeit  mit  dem 
Geleitsbrief  des  Grafen  von  Pfirt.  Urkunden  Nr.  2.  Jedoch  ist  in  den  jüngeren 
die  Haftung  des  Kaufmanns  für  seine  Heimatstadt  aufgegeben,  auch  giebt  es  kein 
Recht  einer  Aufkündigung  mehr.  Der  Brief  von  Faucogney  ist  überhaupt  weiter 
entwickelt  als  der  von  Pfirt.  Ich  habe  die  entlehnten  Stellen  unter  dem  Texte  an- 
gegeben. 

•*  Digot  2,  277. 

»  ßöhmer-Huber  3629. 


Die  nördlichen  Fortsetzungen.  423 

das  Herzogtum  führenden  Strafsen  wurde  er  längst  in  feierlicher  Weise 
mit  einer  besonderen  Fahne  belehnt  ^  Viel  mehr  beweist  für  den  Ver- 
kehr, dafs  1399  der  Schultheifs  von  Mellingen  im  Interesse  des  Gotthards- 
verkehr  nach  Thann  an  die  Mündung  des  St.  Amarinthales  wiederholt 
Ritte  machte^.  Und  doch  war  ja  Lothringen  inzwischen  vielfach  in 
Fehden  durch  herumstreifende  Banden  verheert  worden,  und  hatten  die 
Champagner  Messen  ihre  internationale  Bedeutung  völlig  eingebüfst. 

Auch  später  wurde  der  Weg  über  den  Col  de  Bussang,  den  Geering, 
der  sonst  so  vorzüglich  über  die  Wege  in  der  Umgegend  von  Basel  orien- 
tiert ist,  gar  nicht  kennt,  noch  benutzt.  So  reiste  Montaigne  1581  von  Bar 
le  Duo  über  Donremy ,  Neufchäteau ,  £pinal  nach  Plombieres ,  dann  von 
dort  über  Remiremont  nach  Bussang ,  einem  schlechten  Neste ,  in  dessen 
Umgebung  Silber  gefördert  wurde,  Thann  und  Basel ^.  Die  Benutzung 
der  weiter  nördlich  bis  zu  den  Nordvogesen  hin  gelegenen  Vogesenpässe 
durch  Italiener  kann  ich  nicht  belegen*. 

Schon  oben  habe  ich  bemerkt,  dafs  vom  St.  Gotthard  jetzt  auch 
weiter  westlich  eine  Fortsetzung  des  Gotthardweges  bestand,  die  auf  der 
Höhe  des  Jura  bei  Pontarlier  sich  mit  der  Strafse  von  Jougne  verband. 
Es  war  der  Weg  durch  das  Entlebuch,  Bern,  Neuenburg  und  Val 
Travers,  der,  wie  oben  gezeigt,  schon  1315  benutzt  wurde.  Er  kam 
jedoch  nicht  so  in  Aufnahme,  wie  es  die  Grafen  von  Neuenburg 
wünschten,  und  so  beschlossen  sie  denn,  auch  in  Bellaigues,  das  heifst 
an  jener  anderen  Route,  zwischen  Les  Clöes  und  Jougne,  Zoll  zu  er- 
heben, sie  wollten  auch  von  dem  Verkehr  durch  das  Wallis  nach 
Burgund  ihren  Anteil  haben.  Ein  solcher  neuer  dritter  Zoll  am  Jura- 
pafse  mufste  den  Italienern  sehr  lästig  fallen.  In  den  Bitten  der  Mai- 
länder Kaufmannschaft,  die  sie  Anfang  1355  an  den  König  Karl  IV. 
richteten,  fanden  wir  auch  die  um  Aufhebung  des  Zolls  und  Zurück- 
nahme der  ausgestellten  Urkunde*.  Damit  hatten  sie  keineswegs  Er- 
folg;  Graf  Ludwig   von   Neuenburg   stellte   es   so   dar,    dafs   die  Leute 


*  So  gab  Alfons  mit  der  vierten  von  fünf  Fahnen  das  Geleit.    Vgl.  E.  Majer 
Zoll,  Kaufmannschaft  und  Markt  zwischen  Khein  und  Loire  (Festschr.  f.  Maurer)  S.46d. 

*  Anzeiger  f.  Schweiz.  Gesch.  7,  188. 

'  D'Ancona,  L*Italia  alla  üne  del  secolo  XVI.  Giomale  del  viaggio  dl 
Michele  de  Montaigne.    Cittä  di  Castello  1889. 

*  Es  kommt  zunächst  in  Frage  der  Pafs,  der  vom  Kayserbergcir  Thal  westlich 
von  Diedolshausen  über  den  Kamm  in  das  Thal  der  Meurthe  führt.  Bei  Diedols- 
hausen  gab  es  einen  Zoll  (Hapoltsteinisches  Urkb.  Bd.  I),  und  die  Gründung 
von  S.  Di6  wird  mit  dem  Verkehr  motiviert.  Bei  dieser  Stadt  mündete  auch  der 
Weg,  der  von  Markirch  über  den  Kamm  ging,  ebenso  die  Verbindung  von  Strafs- 
burg über  Schirmeck.  Im  Handel  und  Verkehr  zwischen  dem  Elsasse  und  Lothringen 
spielen  diese  Wege  selbstredend  eine  grofse  Rolle,  wie  der  Weg  über  Zabem. 

^  Unsere  Urkunden  Nr.  8. 


424  Achtunddreiröigstes  Kapitel. 

seinen  Zoll  in  Neuenburg  über  Jougne  umgingen,  wo  doch  thatsächlich, 
um  die  Jougnezölle  zu  umgehen,  der  Weg  über  Neuenburg  in  Auf- 
nahme gekommen  war.  So  billigte  Karl  IV.  die  Erhebung  eines  Zolles 
in  Bellaigues  neben  dem  in  Neuenbürg^,  ja  er  genehmigte,  dafs  ebenso- 
viel wie  in  Les  Clöes  erhoben  werde*.  Kurz  vorher  war  auch  der  Zoll 
von  Jougne  bestätigt^.  Die  aus  Wallis  kommenden  Lombarden  hatten 
also  nunmehr  drei  schwere  Zölle  am  Jura  zu  bezahlen. 

Sie  mufsten  sehr  einträglich  sein,  denn  noch  immer  war  der  Bezug 
der  Wollen  seitens  der  Mailänder  sehr  bedeutend.  Seit  mindestens  1316 
gab  es  einen  besonderen  Handelsvertrag  der  Mailänder  Kaufniannschaft 
mit  den  Königen  von  Frankreich  über  die  Ausfuhr  von  Wolle.  Die 
Verträge  wurden  stets  auf  eine  längere  Reihe  von  Jahren  abgeschlossen 
und  dabei  die  jährlich  an  den  König  zu  zahlende  Entschädigung  festge- 
setzt. Es  handelte  sich  im  wesentlichen  um  die  Durchfuhr  englischer 
Wolle  und  dafür  gab  es  bestimmte  Ein-  beziehungsweise  Ausfuhrhäfen. 
Eine  vorläufig  noch  nicht  sicher  zu  datierende  Instruktion  giebt  darüber 
Auskunft*.  Als  Haupteinfuhrhafen  galt  Honfleur  oder  Harfleur  (Ahflore), 
dann  gingen  die  Waren  Seine  aufwärts  bis  Paris  und  auf  der  Yonne  bis 
Sens.  Als  Ausgangsort  wird  ein  porius  sancii  Johannis  angegeben,  die 
direkte  Fortsetzung  jenes  Weges  führt  von  Sens  über  Dijon  aber  nach 
St.  Jean  de  Losne  an  der  Saöne,  das  ist  der  portus  sancii  Johannis  und 
uns  aus  früheren  Zeiten  schon  als  Grenzplatz  Frankreichs  bekannt. 
Eben  als  solcher  und  als  Ausgangsort  galt  St.  Jean  auch  in  der  vor- 
läufig nur  in  einem  sehr  ungenügenden  Regest  vorliegenden  Vertrag 
Philipps  des  Schönen  mit  der  Stadt  Mailand,  der  wohl  der  älteste  der 
Ausfuhrverträge  ist^  In  der  Instruktion  ist  nicht  weiter  von  der 
Schiffahrt  auf  der  Saone  und  Rhone  die  Rede.  Die  Namen  Johann  von 
Chalon,  Grafen  von  Savoyen  und  der  Ortsname  La  Loye  zeigen,  dafs 
es  sich  um  die  uns  wohlbekannte  Strafse  von  St.  Jean  über  Salins, 
Pontarlier,  Jougne  ins  Wallis  handelt.  Auf  ihr  gingen  also  auch  in 
dieser  Zeit  noch  grofse  Mengen  englischer  und  französischer  Wolle  nach 
Mailand;  denn  die  feste  Abgabe  war  zeitweise  auf  2400  Lire  festgesetzt. 

1  Böhmer-Huber  6958.    1358  Juni  30. 

2  Böhmer-Huber  7013.  Bald  wurde  der  Zoll  ein  Lehen  der  Habsburger, 
deren  Lehensleute  wieder  die  Grafen  von  Neuenburg  waren.  1369.  Thommen, 
Urkunden  aus  Schweiz.  Archiv  1,  402. 

8  Böhmer- Hub  er  2806.    1358  Juni  30. 

*  Unsere  Urkunden  Nr.  39.  Zu  beachten  ist,  dafs  diese  Wünsche  einen 
Handelsvertrag  mit  einem  Speciaiansatz  für  einen  jeden  wirklich  exportierten  Ballen 
englischer  oder  französischer  Wolle  erstreben,  während  alle  bekannten  Verträge 
eine  Pauschalsumme  haben. 

^'  (Planche r)  Histoire  g^n.  et  part.  de  Bourgogne  2,  99  (Dijon  1741).  Vgl.  auch 
Pigeonneau  1,  309.    Die  Abgabe  war  auf  sechs  Jahre  fixiert. 


Die  nördlichen  Fortsetzungen.  425 

Die  grofsen   französisch-engliBchen  Kriege   mursten  aber  diesen  Handel 
Bthwer  trefFen,  wenn  auch  der  Krieg  diese  Strafee  nicht  völlig  lahmlegte '. 


'  Für  diese 
Regesten  von  Gi 


zu  skizzierende  Route  aud  die  Eiportf  ertiäge  vgl.  die 
1  1316,  1319,  1342,  1343.  1357,  1358.   Aue  den  Urkunden  habe 


426  Achtunddreifsigstes  Kapitel. 

Die  wichtigste  Fortsetzung  des  Gotthardweges  nach  Flandern  wurde 
aber  von  der  Mitte  des  vierzehnten  Jahrhunderts  an  eine  Strafse,  die 
bisher  kaum  je  beachtet  ist,  und  doch  fliefsen  für  sie  die  Quellen  sehr 
reichlich.  Den  Anfang  macht  Strafsburg,  bei  Rothenkirchen  vor  dem 
alten  Steinthore  begann  das  Geleit  der  alten  Vögte  der  Strafsburger 
Kirche,  der  Herren  von  Lichtenberg,  das  sich  bis  zum  Breitenstein 
nördlich  von  Ingweiler  erstreckte.  Der  Weg  ging  wohl  ohne  Zweifel 
über  Brumath,  Hochfelden,  Buchsweiler  und  Ingweiler.  Nördlich  von 
diesem  Orte  trat  er  in  die  Vogesen,  rechts  thronte  die  Burg  Lichten- 
berg, links  Lützelstein.  Von  Breitenstein  führt  der  Weg  zunächst  in 
der  Richtung  auf  Bitsch,  biegt  aber  schon  vor  Leraberg  ab,  um  über 
Enchenberg  Rohrbach  zu  erreichen.  Da  Rimlingen  als  Station  be- 
zeichnet ward ,  ging  der  alte  Weg  nördlich  des  heutigen  auf  Saargemünd 
zu,  verblieb  dann  aber  auf  dem  rechten  Ufer  der  Saar,  um  diese  bei 
Saarbrücken  zu  überschreiten.  Das  linke  Ufer  der  Saar  begleitete  der 
Weg  bis  Wallerfangen,  nordwestlich  des  heutigen  Saarlouis,  dann  wurde 
die  Verbindung  zur  Mosel  erstrebt,  die  wohl  bei  Sierk  überschritten  wurde, 
von  da  führte  die  Fortsetzung  unmittelbar  auf  Luxemburg.  Dieser  Weg 
ist  fast  gerade,  von  der  Luftlinie  weicht  er  nur  ein  wenig  nach  Nord- 
osten ab.  Heute  ist  der  lange  Strafsenzug  durch  das  Waldgebirge 
der  Nordvogesen  völlig  verödet,  nur  die  Strecke  von  Saarlouis  bis  Saar- 
gemünd und  von  da  bis  Bitsch  hat  eine  Eisenbahn,  die  Wasserscheide 
am  Breitenstein  ist  jedoch  ohne  eine  solche. 

Für  den  mittelalterlichen  Verkehr  war  es  weiter  äufserst  nachteilig, 
dafs  von  Ingweiler  bis  Luxemburg  fünf  Herrschaften  durchschnitten 
wurden,  die  Geleitsrechte  besafsen:  das  Herzogtum  Lothringen,  die  Ge- 
biete der  Grafen  von  Luxemburg,  Saarbrücken,  Zweibrücken  (bez.  Bitsch) 
und  der  Herren  von  Lichtenberg.  Die  Gefahr  lag  sehr  nahe,  dafs  die 
Herren  mit  Abgaben  die  Strafse  belegen  und  den  Verkehr  töten  würden. 
Das  haben  sie  jedoch  klüglich  vermieden,  sie  haben  sich  vielmehr  zu 
einem  Bunde  zusammengethan ,  wodurch  eine  einseitige  Ausbeutung  der 
Strafse  unmöglich  wurde. 

Das  älteste  für  Italiener  ausgestellte  Geleitsprivilegium ,  das  mir  be- 
kannt ist,  ist  noch  von  einem  Einzelnen  gegeben.  Graf  Walram  von 
Zweibrücken  nahm  die  Kaufleute  von  Mailand  1350  in  sein  Geleite  auf  ^ 
In  dem  kurzen  Privileg  fehlt  die  Bestimmung  über  ehemalige  deutsche 
Söldner,   die  von  den  Eaufleuten  Sold  zu  verlangen  hätten,   nicht.     Es 


cü  mir  s.  Z.  einige  im  vorstehenden  verwertete  Notizen  gemacht.  Vgl.  auch  Schutz- 
brief des  Herzogs  Otto  von  Burgund  1339.  Gaddi,  Regest.  Schutzbrief  des  Grafen 
Amadeas  von  Savojen  1356  ebda.  Brief  des  Herzogs  von  Burgund  1359  ebda 
Dijon  1360. 

*  Unsere  Urkunden  Nr.  7. 


Die  nördlichen  Fortsetzungen.  427 

ist  aber  mit  diesem  Geleitsbriefe  nicht  etwa  der  Verkehr  tlber  diese 
Strafse  erst  eröffnet  worden,  ich  habe  schon  darauf  hingewiesen,  dafs 
der  Kirkelsche  Baubanfall  von  1303  sich  auf  diese  Strafse  beziehen 
wird^.  Und  das  Geleitsrecht  der  Herren  von  Lichtenberg  von  Rothen- 
kirchen  bis  zur  Pafshöhe  des  Breitenstein  wurde  schon  1347  von  Karl  IV. 
bestätigt '^  und  zwei  Jahre  später  durch  das  Verbot,  dieses  Geleit  zu  um- 
fahren oder  neue  Zölle  zu  errichten,  gesichert^.  Eine  genauere  Er- 
forschung der  Archivallen  wird  wohl  noch  eine  Reihe  von  Belegen  ftir 
die  Benutzung  dieses  Weges  ergeben  und  ich  glaube,  der  Strafse  darf 
man  ein  höheres  Alter  zuschreiben.  Sie  wird  schon  lange  vorher  den 
berühmten  elsässischen  Wein  nach  Brabant  und  umgekehrt  die  Waren  der 
Niederlande  an  den  Oberrhein  verbracht  haben*. 

Die  erste  Einigung  erfolgte  1352*  zu  dem  Zwecke,  dafs  die  Eauf- 
leute  um  so  friedlicher  wandeln  möchten  auf  den  Strafsen,  die  die 
Herren  haben  zwischen  dem  lombardischen  Gebirge  und  Flandern, 
nämlich  vor  Saarbrücken,  Gmünd,  Rimlingen  und  Ingweiler.  Die 
Heimat  der  Kaufleute  ist  nur  durch  das  lampartische  Gebirge  und 
Flandern  angedeutet,  in  der  Erneuerung  von  1393  sind  die  Kaufleute 
von  Mailand  und  Como  und  aus  dem  Bezirk  der  Herren  von  Mailand 
genannt,  1415  aber  die  von  Mailand ,  Como,  Lucca,  Venedig,  Toskana, 
Lombardei  und  Thomas  SafFeron  von  Como ,  vielleicht  der  Unterhändler 
dieser  Erneuerung.  1456  ist  das  Gesuch,  die  Strafse  wieder  in  Benutzung 
zu  nehmen,  an  die  Stadt  Mecheln,  an  alle  Kauf-  und  Fuhrleute  aus 
Frankreich,  England,  Flandern,  Brabant  und  den  Niederlanden  über- 
haupt, dann  an  die  von  Venedig,  Mailand,  Toskana,  Burgund,  Genf 
und  dem  Oberlande  gerichtet.  Der  Brief  von  1466  ist  für  die  Kauf- 
leute von  Mailand,  Como,  Lucca,  Venedig,  Toskana,  Lombardei,  Brügge, 
Mecheln,  Antwerpen,  Köln,  Strafsburg,  Basel  und  Nürnberg  bestimmt®. 

Die  Strafse  ist  ziemlich  genau  beschrieben,  sie  umfafst  die  Strecke 
von  der  Mosel  bis  Strafsburg.  Die  Fortsetzung  führte  über  Martelingen 
(Martelange  nw.  Arlon  in  Belgien),  von  dort  berichtet  1370  der  Wirt 
nach  Strafsburg,  dafs  der  Knecht  eines  lombardischen  Kaufmanns  unter 


1  S.  oben  S.  211.    Unsere  Urkunden  Nr.  181. 

^  Böhmer-Huber  492.  Winkelmann,  Acta  imperii  2  Nr.  692.  Geleit  zu 
Ingweiler  erneuert  von  Ruprecht  Chmel  Nr.  2056. 

«  Böhmer-Huber  886.  Erneuert  Böhmer-Huber  1646.  Winkelmann, 
Acta  2  Nr.  724  u.  778. 

*  Über  den  Zoll  zu  Ingweiler,  der  besonders  vom  Weine  erhoben  wurde,  s.  die 
Urkunden  Winkelmann,  Acta  imp.  2  Nr.  728  u.  979. 

^  Im  gleichen  Jahre  (1352  Februar  22)  wurde  ein  Landfriede  zwischen  Maas 
und  Mosel  errichtet,  an  dem  Trier,  Luxemburg,  Pfalz,  Jülich  u.  s.  w.  beteiligt  waren. 
Görtz,  Regesten  von  Trier.    Sollte  dieser  von  Eiuflufs  gewesen  sein? 

«  Unsere  Urkunden  Nr.  400,  402,  403,  407  u.  324. 


428  Achtunddreifsigstes  Kapitel. 

den  Wagen  gekommen  war*.  Seit  1393  erscheint  in  den  Urkunden  die 
Freiung  von  zwei  Herbergen  in  Rimlingen  und  zwei  in  Enehenberg. 
Es  sind  die  Stationen  im  Gebirge.  Susten  oder  Kaufhäuser  werden 
nicht  erwähnt.  Die  Abgaben  auf  der  Strafse  sollten,  so  wurde  schon 
1353  zugesagt;  nicht  erhöht  werden,  und  es  scheint  auch  thatsächlich 
keine  Steigerung  derselben  vorgekommen  zu  sein.  1393  wurde  in  jedem 
der  vier  Geleite  vom  Wagen  oder  Karren  4  ß  Strafsburger  Pfennige 
gegeben. 

Die  Briefe  galten  nur  für  bestimmte  Termine.  Mir  bekannt  sind 
folgende  y  es  mögen  immerhin  dazwischen  noch  einige  Erneuerungen 
fehlen : 

Der  Brief  von  1352  galt  auf  10  Jahre  bis  1362  August  15  - 

-  1361     -       -    10       -       -    1371« 

-  1371     -       -    10       -       -    1381  November  11* 

-  1394     .       -    15       -        -    1408  Februar  2» 

-  1415     -       -    30       -        -    1445  Juni  24» 

-  1466     -       -    30       -        -    1497  Juni  24  ^ 

Seit  dem  Vertrage  von  1393  findet  sich  die  Bestimmung,  dafs  den 
Herren  die  Aufkündigung  des  Geleites  freistehe,  jedoch  habe  nach  der 
Aufsage  das  Geleit  noch  drei  Monate  Gültigkeit.  Die  Aufsage  mufste 
nach  Strafsburg  in  das  Kaufhaus  erfolgen  oder  in  die  Herberge  Erhart 
Nesselbachs ,  des  Wirtes  der  Lombarden.  Sein  Gasthaus  lag  dem  Kauf- 
hause schräg  gegenüber,  jenseits  der  Breusch,  am  Eingang  zum  damals 
auch  zur  Schiffahrt  benutzten  Goldgiefsen ,  der  die  Verbindung  mit  dem 
Rheine  herstellte^.  Auch  daraus  sehen  wir,  dafs  die  lombardischen 
Kauf  leute  der  Regel  nach  auf  dem  Rheine  nach  Strafsburg  kamen. 

Im  Vertrage  von  1352  findet  sich  die  Bestimmung,  dafs  die  ver- 
bündeten  Herren    verhindern   wollen,    dafs   die   Kauf  leute   eine    andere 


*  Strafsb.  Urkb.  5,  674. 

*  Urkunden  Nr.  400.    Vgl.  Lehmann,  Hanau-Lichtenberg  1,  124. 
'  Lehmann  1,  132. 

*  Urkunden  Nr.  401.    Vgl.  Lehmann  1.  139. 
»  Urkunden  Nr.  402. 

«  Urkunden  Nr.  403. 

7  Urkunden  Nr.  324. 

«  Nach  Seyboth,  Das  alte  Strafsburg  183.  St.  Nicolaus  Staden  Nr.  18.  1501 
wohnte  hier  Sebastian  Brant.  Erhart  Nesselbach  hatte  offenbar  sehr  viele  Be- 
ziehungen, so  forderte  der  Hofschreiber  König  Wenzels,  ihm  solle  die  Stadt  Strafs- 
burg 200  fl.  einzahlen,  die  er  zu  fordern  hätte.  Strafsb.  Urkb.  6  Nr.  1100.  Sein 
Wirtshaus  wurde  als  Reichslehen  angesprochen  und  Siegmund  verlieh  es  an  seinen 
bekannten  Kanzleibeamten  Kaspar  Schlick.  Altmann  Nr.  7620.  Vgl.  2204,  3032, 
7843,  10  113.  Chmel,  Fr.  IV.  1058.  Vgl.  über  den  Nesselbach  auch  Strafsb.  Urkb.  7 
Nr.  1191  u.  1571.  In  Strafsburg  wohnten  1492  die  venetianischen  Gesandten  im  Gast- 
hof zum  Fisch.    Simons feld,  Reisebericht  S.  265. 


Die  nördlichen  Fortsetzungen.  429 

Strafse  fahren.  Das  geschah  jedoch  häufiger.  So  war  Pereival  von 
Fraxinello,  ein  Bürger  von  Luzern,  zugleich  aber  auch  Unterthan  des 
Herzogs  von  Savoyen,  mit  seinen  Genossen,  die  vielleicht  aus  Brescia 
und  Acqui  stammten,  dem  Zolle  von  Saarbrücken  ausgewichen*.  Und 
im  Jahre  1454  oder  1455  hatte  Kurftirst  Friedrich  I.  von  der  Pfalz  zu 
Moramenheim  im  Elsafs,  also  im  Bereiche  der  ihm  damals  zustehenden 
Reichsvogtei  in  Hagenau  die  Führer  der  Weinfuhren  beredet,  zu  den 
kurfürstlichen  Zöllen  zu  fahren,  also  die  Richtung  an  das  Rheinufer 
einzuschlagen.  Das  war  geschehen  und  die  Strafse  war  verödet  und  leer 
geworden,  so  dafs  die  beteiligten  Fürsten  und  Herren  sich  in  mehreren 
Schreiben  an  alle  ehemaligen  Benutzer  der  Strafse  wandten,  sie  sollten  doch 
des  hl.  Reiches  freie  Geleitsstrafse  wieder  befahren,  gleiche  und  bessere 
Briefe  wie  früher  sollten  ihnen  gegeben  werden.  Die  Geleitsstrafse  sei  um 
so  mehr  zu  empfehlen,  da  der  Herzog  von  Burgund  nun  auch  Herr  von 
Luxemburg  sei  ^.  Doch  ist  der  Verkehr  wieder  in  Gang  gekommen, 
wie   die  Erneuerung  von  1466  beweist^. 

Nähere  Nachforschungen  dürften  eine  starke  Benutzung  des  früher 
gar  nicht  beachteten  Passes  auch  durch  andere  ergeben,  so  hat  wohl 
unzweifelhaft  König  Siegmund  1417  auf  seiner  eiligen  Konzilsreise  diesen 
Pafs  benutzt.  Am  21.  Januar  war  er  in  Luxemburg,  am  25.  in  Strafs- 
burg, am  27.  in  Konstanz*.    Der  Konstanzer  Bürger  Konrad  Koler,  der 

*  Urkunden  Nr.  404 — 406.  Parceval  von  Fraxinel  war  1418  in  Luzcm  Bürger 
geworden.    Liebenau  in  Archiv  f.  Schweiz.  Gesch.  18,  293. 

2  Unsere  Urkunden  Nr.  407. 

'  In  der  heutigen  Rheinpfaiz,  die  damals  mehr  als  heute  ein  Durchgangsland 
war,  gab  es  übrigens  noch  einen  zweiten  solchen  Verein,  der  sich  1386  zusanunen- 
setzte  aus  dem  Kurfürsten  von  der  Pfalz,  den  Grafen  zu  Spanheim,  Leiningen, 
Nassau-Saarbrücken,  Zweibrücken  und  Veldenz  und  dem  Herrn  von  Kirkel  (Wiesbad. 
Staatsarchiv  Kopialb.  17  Fol.  306.  Koch  u.  Wille  4642.  Eine  Erneuerung  von  1396 
Wiesbaden  an  gleicher  Stelle.  Für  die  leiningischen  Geleite  vgl.  Koch  u.  Wille 
Nr.  5925,  für  das  spanheimische  Winkelmann,  Acta  imperii  2  Nr.  861.  Am  Nieder- 
rhein waren  Geleitsbündnisse  sehr  häufig.  Vgl.  Schwalm  25.  L am p recht  2,  294.) 
Dieser  Bund  erstreckte  seinen  Schutz  der  Strafse  Oppenheim-Metz  auf  die  Linie  von 
Oppenheim  bis  Saarbrücken,  das  damals  ein  wichtiger  Strafsenknoten  war,  und  Metz, 
sowie  auf  die  darin  einmündende  Strafse  Speier-Dürkheim-Kaiserslautern,  die  die 
Verbindung  Speier-Metz  darstellt,  sich  aber  auch  dem  Strafsenzuge  Ulm-Efslingen- 
Speier-Saarbrücken-Brabant  einfügt.  Der  Weg  von  Oppenheim  nach  Metz  ging  über 
Gauersheim,  Enkenbach  nach  Kaiserslautem,  von  da  über  Landstuhl,  Vogelbach, 
Limbach,  St.  Ingbart,  Saarbrücken.  Ein  älterer  Geleitsbrief  von  1344  bez.  1354  um- 
fafst  auch  das  Luxemburgische,  es  war  die  Strafse,  welche  die  Augsburger  benutzten. 
Beteiligt  sind  1354  der  Herzog  von  Luxemburg,  die  Grafen  von  Saarbrücken,  Zwei- 
brücken, Leiningen,  Spanheim  und  der  Ritter  von  Hohenegg.  Das  luxemburgische 
Geleit  begann  zu  Sierk  oder  der  Metzer  Stadtmauer  und  führte  bis  Oschhaim  bei 
Huy.    Augsburger  Stadtarchiv  Kopialb.  105  lA  Nr.  195.     1344  Nr.  197. 

*  Altmann  2037»,  ^  u.  d. 


430  Achtunddreifsigstes  Kapitel. 

aus  Flandern  heimkehrte,  wurde  1398  von  Strafsburger  Leuten  zwischen 
Rimlingen  und  Enchenberg  angehalten  und  ihm  ein  Pferd,  ein  Tuch, 
14  Paar  Hosen,  10  Hüte,  feines  Gürtelgewand  und  2  fl.  baren  Geldes 
genommen  *. 

Dieser  Handelsweg,  für  den  ich  auf  einer  Karte  der  Geleitsstrafsen 
um  Saarbrücken,  die  sich  im  Archive  zu  Wiesbaden  befindet,  den  Namen : 
„Krumme  Meil"  fand,  war  auch  in  seiner  Fortsetzung  privilegiert.  Zwar 
habe  ich  in  den  Regesten  Würth  -  Paquets  nur  einen  Geleitsbrief  von 
1393  gefunden,  den  im  Namen  seines  Herrn  der  Seneschall  ausgestellt 
hat^.  Hier  im  Norden  waren  solche  Geleitsbriefe  auch  nicht  so  not- 
wendig, hier  kamen  die  Italiener  ja  überhaupt  in  gröfsere  Staatsgebiete, 
in  denen  viele  ihrer  Landsleute  waren.  Anders  aber  nach  Süden  hin. 
Als  nach  1393  zwei  Kaufleute  von  Como  und  Mailand  auf  dem  Wege 
von  Flandern  nach  der  Lombardei  Waren  brachten  und  sie  im  Luxem- 
burgischen durch  Arnold  von  Bolanden  gefangen  und  nach  der  Burg 
Stolzberg*  gebracht  wurden,  wandten  sich  die  Kaufleute  an  ihren  Herzog, 
und  dieser  liefs  nicht  allein  an  die  sämtlichen  Aussteller  des  Geleitbriefes 
von  1393,  sondern  auch  „an  den  Bischof  von  Strafsburg  und  Administrator 
von  Basel"  schreiben.  Auch  Friedrich  von  Blankenstein  hatte  als  Herr 
von  Strafsburg  und  Basel,  wie  ausdrücklich  gesagt  wird,  einen  Brief  aus- 
gestellt*. Mir  ist  es  daher  nicht  zweifelhaft,  dafs  die  Privilegien  von 
1393  auf  die  Bemühungen  der  mailändischen  Gesandtschaft  zurückzufuhren 
sind,  die  1391  nach  Konstanz,  Luzern,  Basel  und  Strafsburg  ging^.  Auch 
1456,  als  es  sich  um  die  Neueinrichtung  der  Strafse  handelte,  wurde 
hervorgehoben,  dafs  auch  die  oberländischen  Herren  die  Strafse  behüten 
wollten  ®. 

Die  wichtigste  Verkehrsader,  die  jedoch  selten  auch  zur  Bergfahrt 
benutzt  wurde,  war  der  Rhein  ^.  Namentlich  für  den  Transport  zu  den 
beiden  Frankfurter  Messen,  für  die  Wallfahrten  nach  Aachen  und  die 
Heimkehr  von  Rom  und  Einsiedeln  wurden  die  Schiffer  von  Basel,  Brei- 
sach  und   Strafsburg  stark   in  Anspruch  genommen.     Doch   war   dieser 


1  Strafsb.  Urkb.  6  Nr.  1430  u.  1445. 

*  Auskunft  dürfte  ein  »Droit  du  tonli^u  et  de  haut  conduit  lev^  ä  Luxetribourg^ 
gewähren,  von  dem  ein  für  unsere  Zwecke  ungenügendes  Regest  in  Public,  de 
r  inst  it.  de  Luxembourg  1869/70  S.  150. 

'  1398  war  Herr  zu  8tolzberg  Friedrich  von  Brandenburg.  Public,  de 
Pinstit.  de  Luxembourg  1869/70  S.  87. 

*  Unsere  Urkunden  Nr.  38. 

^  Die  Instruktion  unsere  Urkunden  Nr.  85. 

®  Unsere  Urkunden  Nr.  407. 

'  Vgl.  auch  Lüper,  Die  Rheinschiffahrt  Strafsburgs.  Strafsburg  1877.  Eckert, 
Das  Mainzer  Schiffergewerbe,  Bettgen  häuser,  Markt  Schiffahrt.  Wichtige  Urkunden 
im  Baseler  Urkb.  u.  s.  w. 


Die  nördlichen  Fortsetzungen.  431 

Strom,  dessen  Schiffahrtsgeschichte  hier  nicht  zu  schreiben  ist,  mit  Zöllen 
völlig  überlastet,  und  bis  ins  fünfzehnte  Jahrhundert  hinein  stieg  ihre 
Zahl  immer  noch.  Es  ist  zwar  sehr  schwer  zu  sagen,  ob  einzelne  der- 
selben immer  im  Gange  blieben,  wie  überhaupt  eine  ganz  vollständige 
Liste  aller  Zollstätten  nicht  leicht  herzustellen  ist.  Nicht  immer  ist 
auf  den  ersten  Blick  klar,  ob  es  sich  um  einen  Flufs-  oder  Landzoll 
handelt.  Ich  will,  was  die  Quellen  und  Bearbeitungen  mir  boten,  mit 
der  Liste,  die  sich  aus  Sommerlad  ergiebt,  verbinden,  fürchte  aber  noch 
Lücken  zu  lassen.  Auch  hier  habe  ich  nicht  den  Ehrgeiz,  der  Lokal- 
forschung die  Arbeit  wegzunehmen.  Ich  gebe  die  Stationen  nach  der 
geographischen  Anordnung : 

Laufenburg^  Säckingen^,  Rheinf elden*,  Basel*,  Istein*, 
Kems®,  Neuenbürg^,  Breisach®,  Biesheim®,  Limburg*®, 
Weisweil",  Strafsburg**,   Lichtenau-Grauelsbaum*^ 


^  Gehörte  den  Grafen  von  Habsburg-Laufenburg,  1347 — 1408  erwähnt.  Z.  Gesch. 
Oberrh.  9,  894.  Zahlreiche  Dokumente  bei  Thommen,  Urkunden  aus  Österreich. 
Archiven.    Vgl.  Geering  184  f. 

>  Fünfzehntes  Jahrhundert.    Geering  291.    Geleite  Habsb.  Urbar  2,  131. 

^  Fünfzehntes  Jahrhundert.    Geering  186. 

^  Der  Stadt  seit  1367  durch  Karl  IV.  verliehen.  Ausdrücklich  erwähnt :  „varde]l, 
ballen  und  wollsak"".  Dann  1384  erhöht  (Baseler  Urkb.  5,  45).  Geering  148  f. 
Auch  der  ältere  bischöfliche  Zoll  wird  städtisch.    Vgl.  Baseler  Chroniken  5,  229. 

B  Bischöflich  baselscher  Zoll.  Ob  auf  dem  Lande?  1377.  Strafsb.  Urkb.  5 
Nr.  1281. 

®  1394  von  Wenzel  den  Münch  v.  Landskron  verliehen,  1396  vom  Reiche  ver- 
pföndet,  1421  Eigentum  der  Stadt  Basel.  Vgl.  BaselerChroniken5,  228.  Fester 
h  1048.    Baseler  Urkb.  5,  235  u.  242.    Altmann  4571.   5076.    Geering  188. 

"^  Fünfzehntes  Jahrhundert.  Der  Stadt  wegen  der  Kosten  des  Rheinbaus  zum 
Schutze  der  Stadt  von  Friedrich  III.  (IV.)  gegeben  vor  1443.  Chmel,  Reg.  Nr.  1406. 
Geering  291  f.    Vgl.  auch  Baseler  Urkb.  7,  879  u.  ö. 

8  Städtisch.  Karl  IV.  verbietet  1370  eine  Erhöhung.  Böhmer-Huber  4876. 
1396  Baseler  Urkb.  5,  234  u.  ö.    1442  Baseler  Urkb.  1,  16  u.  ö.    Geering  189. 

^  Errichtung  eines  neuen  Zolls,  erwähnt  in  den  Beschwerden  der  Strafsburger 
Kaufmannschaft.    Ungedruckt.    Strafsb.  Stadtarchiv. 

*®  Karl  IV.  hat  1376  das  Recht  eines  Zolles  gegeben  an  Stislav  v.  d.  Weiten- 
Mühlen.  Strafsb.  Urkb.  5  Nr.  1259,  1260  u.  62;  6  Nr.  741,  Nr.  18;  später  im  Besitz 
von  Caspar  Schlick.  Wenzel  gab  1392  einen  Zoll  von  Limburg  bis  an  die  Vogesen 
an  die  Herren  v.  Rapoltstcin.    Rapolt  Urkb.  2,  283. 

"  Hachbergisch,  später  badisch.  1397  von  Wenzel  gewährt.  Fester,  Reg.  h  428. 
Fester,  Bernhard  I.  93. 

^*  Am  alten  Rhein  erhoben,  schon  karoiingisch. 

^^  Vor  1395  ist  der  Rheinzoll  ganz  im  Besitze  der  Herren  von  Lichtenberg,  seit- 
dem halb  pfalzisch.  Koch  u.  Wille  5613  u.  5614.  1397.  Der  Zoll  wieder  lichten- 
bergisch 1442  Chmel,  Friedr.  IV.  1034.  Vgl.  auch  1431  Altmann  8331.  Fester 
1661,  1801.    Der  Herr  v.  Lichtenberg  macht  zu  Graueisbaum  die  Strafsburger  zoll- 


432  Achtunddreifäigstes  Kapitel. 

SölHngen^,  Beinheim^,  Selz®,  Merfeld*  (abgegangen  zwischen 
Au  und  Illingen),  Lauterburg,  Neuburg*^,  Stülen®  bei  Mühl- 
burg, Schreck^  (heute  Leopoldshafen),  Germersheim®, 
Udenheim*  (jetzt  Philippsburg),  Speier^*^,  Hausen^^  (auf- 
gegangen in  Mannheim),  Mannheim*^  Worms'^   Gernsheim^*, 

frei.  Strafsb.  Urkb.  6  Nr.  1230.  Einen  Kinzigzoll  zu  Willstett  gewährte  ihnen 
König  Ruprecht.    Chmel  Nr.  1719. 

1  Badißch  1322  zuerst  Fester,  Regest  770.  1361  Böhmer-Huber  7065. 
Fester,  Bernhard  I.  vermutet,  dafs  er  nur  bei  der  Thalfahrt  erhoben  wurde. 

2  Rheinzoll  zu  1415.    Fester  2880. 

'  Sehr  oft  seit  1315  erwähnt,  verwickelte  Geschichte.  Sommer  lad  56.  Böhmer- 
Huber  3210,  3257,  3942.    Fester,  Regesten  öfters.   Ein  sehr  beträchtlicher  Zoll. 

*  Badisch  1333.    Fester,  Reg.  915,  1077.    Verlegt  nach  Stülen  bei  Mühlburg. 

*  1347  den  Herren  von  Lichtenberg  bestätigt.  Böhm  er -Huber  487.  1370  ver- 
leiht dort  Karl  IV.  der  Stndt  Strafsburg  4  Turnosen  von  jedem  Fuder  Wein.  Trotz 
der  Demonstrationen  des  Erzbischofs  Gerlach  von  Mainz,  der  bat,  den  Zoll  nicht  zu 
erheben  und  dann  auch  seinen  Zoll  erhöhte,  hielt  die  Stadt  Strafsburg  an  dem  ihren 
fest  Ein  Jahr  tobte  hier  ein  Zollkrieg.  Strafsb.  Urkb.  5  Nr.  851,  888,  912  u.  952. 
Wenzel  gestattet  1381  der  Stadt  Strafsburg,  den  Zoll  nach  Strafsburg  zu  verlegen. 
Strafsb.  Urkb.  6  Nr.  13.  Doch  verbleibt  in  Neuburg  ein  nunmehr  kurpfälzischer 
Zoll.    Ebda.  Nr.  157.    Koch  u.  Wille,  Regesten  Nr.  6713. 

^  Der  Zoll  von  Merfeld  für  kurze  Zeit  hierher  verlegt.  Fester,  Bernhard  I.  29. 
Böhmer-Huber  4061.  Dort  Fester  1048,  1200,  1212,  1237.  Bald  nach  1366  und 
vor  1373  verlegt  nach  Schreck. 

■^  Dort  blieb  er  bestehen.  Vgl.  z.  B.  1373:  Fester  1297,  1356  und  an  vielen 
anderen  Stellen.    1399  Strafsb.  Urkb.  6  Nr.  1522.    Chmel,  Ruprecht  2159. 

^  Schon  1269  aufgehoben,  1321  bischöfl.  speirischer  Anteil.  Sommerlad  51  u.  56. 
Strafsb.  Urkb.  2  Nr.  407.  Pfälzisch.  Böhmer-Huber  2524.  Zahlreiche  Nach- 
richten von  1350  ab  bei  Koch  u.  Wille. 

^  1269  aufgehoben.  Sommer  lad  S.  51.  Dann  wieder  vorhanden  und  verpfändet. 
8.  84  f.  Bischöfl.  speirisch  Böhmer-Huber  4769.  Chmel,  Ruprecht  199.  Pfalz. 
Anrechte  Winkelmann,  Acta  imp.  Nr.  831.    Koch  u.  Wille  4987. 

»ö  Schon  erwähnt  1003.  1208  städtisch.  Sommerlad  S.  49.  Mit  königl.  Ge- 
nehmigung errichtete  1382  die  Stadt  Speier  einen  neuen  Zoll,  gegen  den  sich  eine 
lebhafte  Opposition  erhob.  Strafsb.  Urkb.  6  Nr.  100,  129,  134,  136,  137,  138,  158, 
173  und  Janfsen,  Frankf.  Reichskorresp.  I  Nr.  21 — 27  u.  s.  w.  und  zahlreiche  andere 
Quellen. 

"  1265  pfölz.  ZoU.  Koch  u.  Wille  772.  Vgl.  1324.  Wohl  mit  dem  nächsten 
identisch. 

J2  1265  pfälzisch.  Sommerlad  S.  54.  1356  pfälzisch,  Böhmer-Huber  2523. 
Landfriedenszoll  1384  Sommer  lad  161  f  Zahlreiche  Nachrichten  bei  Koch  u.  Wille. 
Auch  Strafsb.  Urkb.  6  Nr.  173  u.  265. 

''  Karolingisch  schon  erwiesen.  Boos,  Städtekultur  1,  365.  Auch  die  Stadt 
Worms  errichtete  1382  einen  neuen  Zoll,  der  lebhaft  von  den  Nachbarn  angefochten 
wurde;  s.  unter  Speier.  Strafsb.  Urkb.  6  Nr.  434.  Auch  1397  wieder  angefochten 
ebda.  Nr.  1253. 

^^  Allerhand  Anteile:  Nassau,  Hohenlohe,  Mainz,  später  ganz  mainzisch. 
Sommerlad  S.  56,  91  f.    Böhmer-Huber  2976,  5010,  6206. 


Die  nördlichen  Fortsetzungen.  433 

Oppenheim^,  Mainz^  —  Zum  Segen  der  Schiffer  haben  nicht  alle 
diese  Zölle  gleichzeitig  bestanden.  In  dem  Vertrage  über  den  Tarif  der 
Rheinzölle  zwischen  Strafsburg  und  Mainz  vom  Jahre  1393  werden  nament- 
lich aufgeführt  die  von  Strafsburg,  SöUingen,  Selz,  Neuburg,  Schreck, 
Germersheim,  üdenheim,  Mannheim,  Gernsheim  und  Oppenheim.  Aus- 
drücklich ist  gesagt,  dafs  das  die  zehn  Zölle  seien,  so  folgt,  dafs  damals 
die  anderen  Zölle  auf  dieser  Strecke  nicht  anerkannt  wurden^. 

Um  1450  dürfte  demnach  auf  der  Strecke  von  Laufenburg  bis  Mainz  . 
der  Rheinschiffer  mehr  als  zwanzigmal  haben  beidrehen  müssen,  um  Zoll 
zu  bezahlen.  Eine  Berechnung  der  wirklichen  Höhe  dieser  Zölle  ist 
sehr  schwierig.  Lamprecht  hat  für  1350  für  die  Strecke  von  Bingen 
bis  Koblenz  allein  eine  Zollbelastung  von  66,72%  des  Warenwertes  be- 
rechnet*. Wie  immer  das  Ergebnis  ausfallen  mag,  so  viel  steht  fest, 
dafs  eine  solche  Belästigung  des  Verkehrs  dem  stolzen  Flusse  unerträg- 
liche Fesseln  auflegte,  dafs  er  nicht  das  wurde,  was  er  hätte  sein 
können,  die  alles  beherrschende  Verkehrsader.  Durch  dieses  Übermafs 
wurden  die  natürlichen  Vorteile  des  Flufsverkehrs :  billige  Transport- 
kosten und  Schnelligkeit  der  Thalfahrt  aufgehoben. 

Es  war  das  alte  Prinzip  verlassen,  der  Zoll  war  kein  Entgelt  mehr 
für  die  Besserung  der  Fahrstrafse  und  die  Sicherung  des  Verkehrs, 
sondern  eine  rücksichtslose  Besteuerung  des  Flufsverkehrs  seitens  der 
Herren  des  Ufers.  Und  rücksichtslos  waren  in  gleichem  Mafse:  der 
König,  die  Fürsten  und  die  Städte.  Die  Könige  gaben  die  Zölle  wie 
auf  dem  Lande  ohne  jede  Rücksicht  auf  die  Handelsinteressen  als 
Belohnungen ,  die  Reichszölle  wurden  verpßlndet  und  damit  viel 
fester  begründet;  momentaner  politischer  Vorteile  willen  wurden  sie 
geschaffen. 

Die  Härte  der  Fürsten  ist  am  ehesten  zu  erklären,  aber  auch  die 
Städte  waren  nicht  minder  schuldig.  Basel  hat  den  Zoll  von  Kems 
nicht  aufgehoben,  wie  Strafsburg  den  Zoll  von  Neuburg  gegen  die 
Fürsten  durchsetzte ,  wie  Speier  und  Worms  sich  eine  gleiche  Einnahme- 
quelle verschaffen  w^ollten.  Es  steht  in  diesen  Dingen  einfach  Territorium 
wider  Territorium,  auch  die  Städter  wollten  ihren  Anteil  an  dem  Segen 
der  Wasserader.  Erschwert  wurde  der  Verkehr  noch  durch  die  gerade 
von  den  Städten  erstrebten  Stapelgerechtigkeiten :  Strafsburg,  Mainz  und 


'  Schon  1018,  seit  1375  pfälzisch.  Sommerlad  S.  68.  Daneben  für  kurze  Zeit 
ein  Landfriedenszoll  seit  1322.  S.  158.  Strafsb.  Urkb.  2  Nr.  427.  Vgl.  Hegel  in 
Chroniken  d.  dentachen  Städte  18,  2,  97. 

'^  Erzbischöflich.  So  mm  er  lad  S.  88.  Daneben  seit  1325  für  einige  Zeit  ein 
Landfriedenszoll.    S.  159.    über  das  Stapelrecht  vgl.  Eckert  43. 

3  Strafsb.  Urkb.  6  Nr.  758. 

*  Lamprecht  2,  307  f. 

Schulte,  Oesch.  d.  mittelalterl.  Handels.    I.  28 


434  Achtunddreifsigstes  Kapitel. 

Köln  haben  das  Ziel  erreicht  und  damit  zum  mindesten  die  Schnelligkeit 
des  Verkehrs  herabgesetzt. 

Der  Zustand  wäre  völlig  unerträglich  gewesen,  wenn  nicht  einzelne 
Städte  von  diesen  oder  jenen  Zöllen  befreit  gewesen  wären.  Vor  allem 
besafsen  solche  Vergünstigungen  Nürnberg  und  Köln*,  in  etwa  auch 
Strafsburg,  Speier,  Worms  und  Mainz.  Doch  das  kam  den  Fremden 
nicht  zu  gute.  So  weit  auch  der  Italiener  auf  den  Landwegen  sich 
durch  Privilegien  zu  sichern  versuchte,  so  sind  Privilegien  für  dem 
Rhein  sehr  selten.  Ich  kenne  nur  den  Geleitsbrief,  den  1469  die  vier 
rheinischen  Kurfürsten  den  Kauf leuten  von  Genf,  Venedig  und  Mailand 
ausstellten,  nachdem  sie  wegen  Unsicherheit  und  anderer  Beschwerungen 
den  Rheinstrom  gemieden  hatten-. 

Die  deutsche  Bürgerschaft  hatte  sich  1254  mit  der  gröfsten  Energie 
gegen  diesen  Zollunfug  im  rheinischen  Bunde  geeint,  wir  kennen  auch 
das  Vorgehen  König  Albrechts.  Eine  gleiche  Energie  wurde  später 
weder  von  oben  noch  von  unten  entfaltet.  Die  gröfste  That  war  die 
Strafsburgs,  das,  um  einen  von  Karl  IV.  neu  gewährten  pfälzischen 
Zoll  zu  vernichten,  den  Rhein  durch  Pfähle  und  Ketten  sperrte*.  Die 
Zollplätze  Hagenbach  und  Selz  wurden  1357  mit  königlicher  Genehmi- 
gung zerstört ,  freilich  bald  wieder  aufgebaut  *.  Sonst  kam  es  über  Ver- 
handlungen und  Edikte  von  kürzester  Geltung  nur  selten  hinaus,  so  hat 
Karl  IV.  1378  die  neuen  Zölle  im  Elsasse,  am  Rheine  und  Main  wieder 
aufgehoben*,  um  aber  im  selben  Jahre  wenigstens  dem  Bischof  von 
Strafsburg  die  seinen  wieder  zu  gestatten®.  Von  einer  ♦ernsten  Rück- 
sicht auf  den  Handel  war  keine  Rede.  Die  vier  rheinischen  Kurfürsten 
schlössen  allerdings  1506  einen  Verein  zur  Hebung  des  Rheinverkehrs, 
der  auch  die  Zölle  ermäfsigte ''^.  Es  wurde  nur  langsam  eine  Rück- 
bildung erzielt;  in  der  Mitte  des  sechzehnten  Jahrhunderts  zählte  aber 
noch  Thomas  RyfF  zwischen  Basel  und  Köln  31  Zollstätten®.  Die  Zer- 
splitterung der  deutschen  Staatsgewalt  zeigte  auch  hier  ihre  schädlichste 
Wirkung,  beklagt,  bejammert  wurde  der  Zustand  oft  genug,  niemals 
vielleicht  schärfer  als  vom  Verfasser  der  Reformation  Siegmunds,  der 
alle  zehn  Jahre   eine  Revision   aller  Zölle  verlangte,    ob  sie   noch  einer 


1  Sommerlad  131  u.  133. 

■  Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrlieins  9,  34  f.    Aufkündefrist  ein  Jahr. 

^  Königshofen  in  Chroniken  deutscher  Städte  9,  481. 

*  Böhmer-Huber  2646.    Strafsb.  Urkb.  5  Nr.  415. 

'''  4.  Februar  1378.     Böhmer-Huber  5865.    Vgl.  auch  3452,  5918,  7473. 

0  Strafsb.  Urkb.  5  Nr.  1:330.    Vgl.  ebendort  Nr.  175,  316,  544,  683. 

^  Boos,  Städtokultur  3,  110. 

«  Geering  S.  190. 


Die  nördlichen  Fortsetzungen.  435 

wirklichen  Leistung  des  Zollinhabers  entsprächen  ^ ,  aber  frei  wurde  der 
Rhein  erst  im  neunzehnten  Jahrhundert. 

Ganz  naturgeraäfs  drängte  diese  Belastung  auf  dem  Flufse  die  Kauf- 
leute auf  die  Landwege.  Es  ist  nun  nicht  meine  Aufgabe,  hier  die 
Strafsen,  welche  rechts  und  links  vom  Rhein  den  Flufs  begleiteten  und 
die  auf  ihnen  erhobenen  Zölle  darzulegen.  Im  allgemeinen  dürfen  wir 
auch  ihre  Bedeutung  für  den  Handel  nicht  überschätzen.  Für  den  Ver- 
kehr war  es  von  grofsem  Nutzen ,  dafs  die  Strafsburger  1388  eine  Schiff- 
brücke über  den  Rhein  bauten,  doch  wehrten  sich  die  alten  Theilhaber 
der  Fähren  und  dieses  Beispiel  zeigt  uns,  wie  schwer  es  damals  war, 
einen  Fortschritt  durchzuführen^.  Die  rechtsrheinische  Strafse,  die, 
wie  der  Münzfund  von  Oos  beweist,  schon  am  Ende  des  dreizehnten 
Jahrhunderts  von  Kaufleuten  benutzt  wurde,  die  Geld  von  Venedig  und 
Genua  wie  von  Lothringen  und  England  bei  sich  führten,  erhielt  mehr 
Leben,  seitdem  die  Frankfurter  Messe  aufblühte.  Und  auch  hier 
kommen  Kaufmannsprivilegien  vor.  Als  1376  Graf  Egon  von  Freiburg 
den  Baselern  einen  Geleitsbrief  für  ihre  Kaufleute  und  Waren  aus- 
stellte, erklärte  er,  diese  bei  den  ahen  Zöllen  und  Geleite  lassen  zu 
wollen,  sie  sollten  jedoch  die  ^gedinge^  geniefsen,  die  die  „Walche  und 
die  das  grofse  Geleit  und  Zölle  geben"  haben*.  Also  auch  hier  war 
ein  schriftlicher  Geleitsbrief  für  die  Welschen  vorhanden.  Unterhalb  der 
Strafsburger  Rheingrenze  betrat  der  Weg  bei  Leutesheim  das  Gebiet 
der  Herren  von  Lichtenberg,  deren  Geleit  sich  bis  oberhalb  Stollhofen 
erstreckte,  dort  begann  das  der  Markgrafen  von  Baden.  Für  beide 
wurden  1369  Geleitsbriefe  ausgestellt*  und  bald  darauf  wurde  das 
Lichtenberger  Geleit  mit  seinen  Zöllen  von  dem  Reichsverweser  und 
später  von  Karl  IV.  selbst  bestätigt*. 


*  W,  Böhm,  Friedrich  Reisers  Reformation  des  K.  Sigmund  212 — 215. 

2  Strafsb.  Urkb.  Bd.  6,  namentlich  Nr.  773  u.  1212.    S.  Register  unter  Rhein. 
^  Baseler  Urkb.  4  Nr.  401.   Über  das  Geleit  im  Breisgau  vgl.  Rapoltstein. 
Urkb.  5,  154. 

*  Strafsb.  Urkb.  5  Nr.  829  u.  837.  Der  badische  galt  auf  zehn  Jahre.  Für 
die  Kurgäste  von  Baden  gab  es  schon  vorher  Geleitsbriefe.  Nr.  756  u.  1256.  Fester, 
Bernhard  I.  27. 

^  Winkelmann,  Acta  imp.  2  Nr.  1217  u.  933. 


28 


436  NeaDunddreifsigstes  Kapitel. 

Neununddreifsigstes  Kapitel. 
Die  Sfidseite  des  St  Ootthards. 

Charakter  der  Geschichte,  ürseren  und  Livinen  minder  glütkh'ch  ah  üri.  Die 
Eusconi  in  Como,  BeUenz,  Die  Visconti  dringen  bis  zum  Gotthard  vor.  Ihre  Verwaltung. 
Freibriefe  und  Vergünstigungen.  Die  Visconti  Herzöge.  Krisis  von  1402.  Erste  BC' 
Setzung  von  Livinen,  von  Bellenz.  Schlacht  bei  Arbedo.  Eutgegenkommcfi  in  Handels^ 
fragen.  Die  Kapitulate.  Iniiser  Krieg.  Die  Schweizer  zollfrei.  Die  Eidgenossenschaft 
ein  HandeJsgebiet.  Eidgenössischer  Zott  in  Göschenen.  Die  Erwerbung  des  Tessin,  ähn- 
liche Ausdehnung  Graubündens.  Die  Schweiz  ein  Pafsstaat.  —  Die  südlichen  Fort- 
setzungen: Monte  Cenere  sehr  unsicher.  Wege  nach  Varese,  Magadino  und  Locamo. 
Verträge. 

Die  stidlichen  Zugänge  zum  St.  Gotthard,  den.  die  Mailänder  noch 
im  fünfzehnten  Jahrhundert  wohl  einmal  als  straia  francisca  bezeichneten  *, 
bieten  eine  ganz  ähnliche  Geschichte  wie  die  nördlichen.  Es  ist  hier  wie 
dort  das  Vordringen  eines  grofsen,  machtvollen  Staatswesens  der  Ebene 
zur  Höhe  des  Passes  und  der  Widerstand  kleiner  Thalgemeinden,  die  sich 
in  schweren  Kämpfen  als  überlegen  erweisen.  Doch  waltet  der  Unter- 
schied ob,  dafs  im  Süden  der  Kampf  nicht  getragen  wird  von  den  dort 
gelegenen  Thalgemeinden;  diese  sind  zu  schwach,  von  vornherein  ab- 
hängig von  Nachbargemeinden,  über  den  Pais  greift  die  Landschaft  Uri 
mit  Kühnheit  und  Energie  hinüber.  Sie  findet  keine  Bundesgenossen 
in  benachbarten  Reichsstädten  und  so  wird  denn  das  südliche  Vorland 
ein  unterthäniges  Gebiet  Beherrscht  von  den  Pafsrepubliken  Uri  und 
den  anderen  Kantonen  blieb  das  Land  Tessin  unfrei  bis  zur  Helvetischen 
Republik  von  1798.  In  heifsem  Ringen  hatten  die  Urkantone  sich  das 
erstritten  und  den  Herren  und  Herzögen  von  Mailand  das  Gebiet  ab- 
genommen. 

Auch  hier  im  Süden  und  auf  der  Pafshöhe  gab  es  zwei  Thal- 
gemeinden, die  dem  Reiche  gehörten  und  scheinbar  geeignet  waren,  die 
Krystallisationspunkte  für  eine  italienische  Eidgenossenschaft  abzugeben: 
Urseren  und  Livinen.  Da  ist  es  aber  von  entscheidender  Bedeutung 
geworden,  dafs  diesen  beiden  Thälern  gerade  das  nicht  zu  Teil  wurde, 
was  wir  als  den  Kern  der  ganzen  eidgenössischen  Bewegung  bezeichneten ; 
sie  erlangten  nicht  das  Recht,  dafs  der  Vogt  aus  ihrer  Mitte  genommen 
werden  müsse,  beide  wurden  vielmehr  der  Vogtei  eines  Urners  unter- 
stellt und  darin  lag  für  das  fremdsprachige  Livinenthal  die  dauernde 
Abhängigkeit,  das  deutsche  Urseren  ging  in  Uri  auf. 

Urseren  streifte  langsam  jede  Oberhoheit  von  Disentis  ab,  wenn 
auch   noch    1425   die  Bestätigung   des  Ammanns   und  die  Erhebung  der 


*  Boll.  8tor.  d.  Svizz.  italiana   2,  254.    Die  »straia  francisca*   war  zwischen 
Belleuz  und  Biasca  durch  herabgestürzte  Felsen  zerstört  1478. 


Die  Südseite  des  St.  Grotthards,  437 

Steuer  dem  Abte  zustand  ^.  Urseren  hat  sich  —  dürfen  wir  hier  dem 
Berichte  Tschudis  folgen  —  1332  mit  dem  Abte  von  Disentis  gar  im 
Kampf  gemessen  und  den  Sieg  errungen^.  Jedenfalls  war  1339  eine 
Fehde  zwischen  dem  Abte  von  Disentis,  den  angesehensten  Herren  des 
Oberlandes  und  dem  Vogt  von  Bellinzona  einerseits,  den  Ländern  Uri, 
Schwyz  und  Uuterwalden  anderseits  entbrannt  und  wurde  gesühnt, 
Urserens  Stellung  darin  ist  nicht  klar  zu  ersehen*. 

Ludwig  der  Bayer  entsetzte  1317  den  Vogt  von  Urseren,  Heinrich 
von  Hospendal  und  gab  das  Thal  Konrad  von  Mos ,  wobei  der  Titel 
eines  Vogtes  vermieden  wurde*.  Das  war  aber  nun  nicht  etwa  ein 
Lehen.  Karl  IV.  wahrte  sich  ausdrücklieh  das  Recht,  die  Vogtei  über 
die  Thalleute  zu  bestellen*^.  Ein  weiterer  erheblicher  Schritt  zur  Frei- 
heit war  das  Privileg  König  Wenzels,  der  die  von  Urseren  mit  dem 
Rechte  begabte,  aus  ihrer  Mitte  einen  Ammann  zu  wählen®.  Damit 
hatte  Urseren  die  Rechte  gewonnen,  die  Uri  seit  einem  Jahrhundert  be- 
safs.  Es  war  zu  spät,  Urseren  wurde  zwar  kein  Unterthanenland,  aber 
es  rettete  seine  Freiheit  nur  dadurch,  dafs  es  1410,  als  bereits  Uri  jen- 
seits im  Livinenthal  festen  Fufs  gefafst  hatte,  mit  diesem  ein  ewiges  Land- 
recht einging  ^.  Seitdem  nahm  Uri  sich  der  Sicherung  der  Gotthardstrafse 
auch  in  diesem  Teile  an ;  Urseren  hatte  wiederholt  gegen  Räubereien  von 
Wallisern,  wie  gegen  Bündner  Herren  kämpfen  müssen®. 

Minder  glücklich  war  Livinen.  Auch  hier  hatte  das  Geschlecht  von  Mos 
die  Vogtei  errungen,  und  zwar  mit  Einschlufs  der  Susten  und  der  Teilballe, 
unter  Ausschlufs  jedoch  der  Zölle*.  In  derselben  Familie  ist  das  Thal  oder 
doch  das  oberste  Stück  bis  zum  Plattifer  1329, 1838  und  1353  nachzuweisen  *^. 
Urseren  und  Livinen  verschmolzen  aber  nicht,  ja  1331  kam  es  zu  erbitterten 
Streitigkeiten  zwischen  den  beiderseitigen  Fuhrleuten.  Nach  dem  Privileg 
Karls  IV.  hätte  sich  hier  eine  erbliche  Reichsvogtei  entwickeln  können**, 

1  Ochsli,  Regest  807. 

2  Tscbudi,  Chron.  1,  327.  v.  Liebenau,  Regesten  Nr.  124.  Jecklin  im 
20.  Jahresbericht  d.  hist.  ant.  Gesellschaft  v.  Graubünden  S.  8. 

»  Urkunde  bei  Mohr  2,  842  u.  346. 

*  Eb  heifst:    »officium  di8tH<:tu8  in  ürserre:    Geschichtsfreund  20,  312. 

^  Böhmer-Huber  6114.    1354  September  1. 

«  Gedruckt  Liebenau  20,  125.  Vom  3.  Juni  1382.  Eigentümlicherweise  ist 
dieses  Dokument  von  Dierauer  und  Ochsli  ganz  beiseite  gelassen. 

^  Gedruckt  Geschichtsfreund  8,  187  f. 

8  Walliser  Knechte  hatten  1346  aufdes  Reiches  Strafse  geplündert.  Geschichts- 
freund 1,  74  f.  Urfehdebrief.  Walliser  Streitigkeiten  mit  den  Waldstätten  und  Ur- 
seren 1386,  V.  Liebenau,  Regesten  Nr.  186. 

»  Geschichtsfreund  20,  312. 

10  Ebda.  20,  315.   316.   319  u.  320. 

>i  Böhmer -Huber  1631.  Johann  v.  Mos  erhielt  das  Recht,  die  Vogtei  zu 
vermachen  und  zu  verpfänden,  wenn  er  will.    1353  Oktober  16. 


438  Neununddreifsigstes  Kapitel. 

aber  es  starb  das  Haus  aus  und  seinen  Erben,  den  Hunwyl,  gelang  es  trotz 
kaiserlicher  Mandate  ^  nicht,  die  Herrschaft  in  ihren  Händen  zu  behalten, 
das  Gebiet  kam  an  die  Viscontis.  Die  Kirche  in  Mailand  spielte  sich 
wieder  als  Herrin  des  Thaies  auf  und  wie  sie  1356  das  Blegnothal  an 
die  Viscontis  gab^,  so  dürfte  —  die  Geschichte  des  Livinenthals  enthält 
manche  Rätsel  —  eine  ähnliche  Verleihung  bei  Livinen  erfolgt  sein. 
1873,  ja  1391  war  es  noch  in  Verbindung  mit  Uri^.  1377  aber  galt  die 
Gemahlin  Bernabo  Viscontis  als  die  Herrin  des  Landes*.  Und  da  seit 
lange  die  Bewohner  des  Livinenthales  für  den  eigenen  Bedarf,  nicht  für 
die  Handelswaren,  zu  Biasca  von  dem  Zolle,  der  hier  erhoben  wurde, 
befreit  waren,  treten  seit  1352  Viscontis  als  ihre  Schützer  auf^.  Die 
immer  erneuten  Streitigkeiten  um  diese  Zollbefreiung  sind  fast  das  einzige, 
was  wir  aus  dem  Thale  erfahren®.  Jedenfalls  hatte  um  diese  Zeit  die 
Herrschaft  der  Viscontis  die  gröfste  Ausdehnung  erreicht. 

In  den  schwierigsten  Lagen  während  des  Aufenthalts  Ludwigs  des 
Bayern  in  Italien  und,  als  König  Johann  von  Böhmen  dort  kämpfte, 
hatten  die  Visconti  ihre  Macht  mit  aufserordentlichem  Geschicke  be- 
hauptet, indem  sie  zur  rechten  Zeit  ihren  Frieden  mit  der  Kurie  schlössen. 
Es  erlag  aber  in  dieser  wildbewegten  Zeit  das  benachbarte  Haus  der 
Rusconi,  der  Herren  von  Como.  Franchino  hatte  nicht  allein  die  Rivalen 
gegen  sich,  auch  das  Volk,  vor  allem  aber  den  Bischof^.  Er  scheint 
seine  Hilfe  bei  den  Eidgenossen  haben  suchen  wollen ;  denn  er  verordnete, 
dafs  keiner  von  Luzern,  Uri,  Urseren,  Unterwaiden  und  Schwyz  das 
^pedagium  comitis  Vemovensis<-  zahlen  solle,  das  in  Como  und  Bellinzona 
erhoben  wurde.  Jedoch  solle  das  nur  für  ihre  eigenen  Waren  gelten®. 
Und  weiter  gestand  er  auf  die  Anregung  des  Landammanns  Johanns  von 
Attinghausen  und  auf  Bitten  von  Leuten  aus  Livinen,  Unterwaiden, 
Uri  und  Mesolcina  eine  Herabsetzung  des  Zolls  in  Como  für  Waren, 
welche  über  Bellinzona  kamen,  zu*.  Doch  es  war  zu  spät;  Franchino  blieb 


1  Karl  rV.  1356.  Böhmer-Huber  4224.  Geschichtsfreund  1,  330  und 
Wenzel  1389,  v.  Liebenau  20,  154. 

^  Oslo  If  119.  Meine  folgenden  Ausführungen  gebe  ich  nur  mit  Vorbehalt. 
Vgl.  auch  Anzeiger  f.  Schweiz.  Gresch.  1883,  145. 

*  Unsere  Urkunden  Nr.  22  u.  Nr.  35. 

*  V.  Liebenau  20,  122  f. 
^  V.  Liebenau  20,  60. 

«  Vgl.  Liebenau,  Regest  198  zu  1377.  211  zu  1386.  216.  217  zu  1388.  231  zu 
1392.   232  zu  1394.   234  zu  1395. 

■^  Vgl.  Lütolf,  Rusconi  327  ff.  Von  Franchino  Rusca  liegt  eine  Bestätigung 
eines  Schiedsspruches  zwischen  einem  Oomasken  und  einem  Bürger  von  Bremgarton 
vor.    1320.    V.  Liebenau  20,  17. 

®  1335  Januar  30.   Tschudi,  Chronic  Helvetic  1,  336  aus  dem  Urn er  Archiv. 

»  Unsere  Urkunden  S.  127  ff.  und  das  Stück  Urkunden  S.  130,  15  ff. 


Die  Südseite  des  St.  Gotthards.  439 

nichts  anderes  übrig,  als  sich  dem  Herrn  von  Mailand,  Azzo  Visconti,  in 
die  Arme  zu  werfen.  Für  die  Hingabe  von  Como  (1335)  hoffte  er 
Bellenz,  das  Pietro  1307  den  Comasken  verkauft  hatte  ^,  und  die  „Graf- 
schaften" Lugano,  Locarno,  Mendrisio,  die  Thäler  Maienthal  und  Bellenz 
zu  behaupten  '^.  Die  Eidgenossen  fanden  sich  mit  den  Ereignissen  leicht 
ab  und  Azzo  sicherte  ihnen  zu,  sie  sollten  auf  der  Reichsstrafse  frei  und 
ungehindert  verkehren^. 

Die  Rusconi  konnten  den  Verlust  von  Como  nicht  verschmerzen. 
Nach  Azzos  Tode  erregten  sie  Unruhen,  die  Herren  von  Mailand  aber, 
der  Erzbischof  Giovanni  und  Luchino  nahmen  Bellenz  ein  ;  zum 
zweitenmal  hatte  die  Rusconi  die  Hoffnung,  die  sie  nach  Galvano 
Fiamma  auf  die  Hilfe  der  Deutschen  setzten,  getäuscht.  In  Bellenz  zog 
eine  mailändische  Besatzung  ein.  Im  selbea  Jahre  warfen  die  Visconti 
auch  Locarno  nieder  und  bändigten  es  durch  ein  neuerbautes  Kastell, 
auch  unterwarfen  sie  sich  das  Blegnothal. 

Um  1390  ging  die  Herrschaft  der  Visconti  bis  auf  den  Gotthard, 
Lukmanier,  Splügen  und  bis  an  den  Grenzbach  des  Bergell-,  der  Austritt 
aus  den  Tessiner  und  Bündner  Alpenpässen  war  durchaus  in  ihrer  Ge- 
walt, wenn  auch  nicht  in  unmittelbarer  Herrschaft. 

Der  Verkehr  über  den  Gotthard  war  also  von  den  Visconti  abhängig 
geworden  und  da  trat  nun  ein  moderner  Staat,  der  eine  Wirtschafts- 
politik kannte  und  eine  fein  gegliederte  Verwaltung  besafs,  mit  den 
Alpenkantonen  in  Fühlung.  Die  ältesten  Zollbegünstigungen,  die  die 
Schweizerkantone  und  ihre  Nachbarn  sich  verschafften,  kamen  allen  Kauf- 
leuten zu  gute,  welche  den  Weg  benutzten.  Diese  Thäler  trieben  noch 
eine  Handelspolitik  von  Transporteuren,  möglichste  Steigerung  des  Ver- 
kehrs war  ihr  Ziel;  sie  handelten  nicht  als  Kaufleute  und  nur  in  der 
Rücksicht  auf  ihren  Konsum  kann  man  andere  Gesichtspunkte  finden, 
als  die  des  Durchgangsverkehrs.  Die  Viscontis  benutzten  den  Handel 
auch  zum  politischen  Kampfe.  Durch  das  Ausfuhrverbot,  das  Giovan 
Galeazzo  Juli  1386  erliefs,  wollte  er  offenbar  die  Sache  der  österreichi- 
schen Herzöge  fördern*.  Die  Herrschaft  von  Mailand  sorgte  in  aus- 
gedehnter Weise  für  die  Strafsen,  es  wurde  die  Pflicht  des  Strafsenbaus 
auf  die   Gemeinden    verteilt^,   es  wurde   ein   für  allemal   befohlen,   die 


'  Motta  in  Boll.  stör,  della  Svizz.  ital.  17,  3  in  der  gehaltreichen  Abhandlung: 
I  Rusconi  signori  di  Locarno,  di  Luino,  di  Val  Intelvi  ece.  (1439—1512). 

-  In  der  Übergabsurkiinde  behielt  sich  das  Franchino  vor.    Lütolf  S.  355. 

*  Liebenau,  Eegest  119  stellt  das  undatierte  Stuck  zu  1329.  Lütolf  a.  a.  0. 
S.'333  giebt  die  richtige  Datierung.  In  diese  Verhandlungen  gehörte  auch  wohl  das 
Stück  unserer  Urkunden  S.  130,  15  ff.    Es  enthält  die  Wünsche  von  Como. 

*  Liebenau  20,  140. 

^  1382  zwischen  Bellenz  und  der  Grafschaft.    Liebenau  20,  127. 


440  Neununddreifsigstes  Kapitel. 

Strafsen  bis  zum  I.Mai  in  Stand  zu  setzen*.  Aus  diesen  Verordnungen 
und  den  Statuten  für  die  Strafsen  und  Wasserläufe  von  1346^  leuchtet 
der  Geist  eines  modernen  Staates  hervor. 

Auch  für  die  Sicherheit  kam  das  stramme  Regiment  der  Visconti 
auf.  Gröfsere  Streitigkeiten  sind  nur  von  Uri  bekannt,  die  so  anwuchsen, 
dafs  1373  die  Kaufleute  von  Mailand  einen  Gesandten  in  das  Thal 
schickten,  der  gegen  eine  Zahlung  von  126  fl.  für  seine  Landsleute  freien 
Durchpafs  erwirkte.  Aber  auch  da  wurden  einige  Thalleute  ausgenommen, 
ein  Rudenz,  der  Unrecht  erlitten  hatte,  bevor  er  ins  Thal  zog,  und  zwei 
andere,  die  bei  dem  Mefsbesuch  zu  Unrecht  hatten  Zoll  bezahlen  müssen. 
Auch  die  Leute  des  Livinenthals  wurden  ausgenommen".  In  einzelnen 
Tessiner  Gemeinden  sorgten  die  Ortssatzuugen  für  die  Fremden  und 
garantierten  den  Durchziehenden  den  Ersatz  alles  Schadens,  den  sie  in 
ihrem  Gebiete  erlitten*. 

Schon  oben  ist  von  der  Gesandtschaft  der  Mailänder,  die  1391  nach 
Konstanz,  Basel,  Strafsburg  und  Luzern  ging,  wiederholt  die  Rede  ge- 
wesen. Sie  sollten  von  Luzern,  Uri,  Schwyz,  Zürich  und  Unterwaiden 
einen  Geleitsbrief  erwirken,  worin  auf  Repressalien  Verzicht  geleistet 
werde.  Luzern  müsse  seine  Zölle  auf  die  Hälfte  herabsetzen,  in  Fluelen 
BoUe  die  Wage  nach  der  von  Bellinzona  gerichtet  werden  und  ein  Nach- 
wiegen in  keiner  Richtung  erfolgen,  auch  im  Livinenthal  solle  dieselbe 
Wage  gelten.  Wieviel  von  diesen  und  andern  Artikeln  durchgesetzt 
wurde,  wissen  wir  nicht. 

Ein  älterer  Freibrief  von  Luzern  von  1376  enthält  bereits  das  Verbot 
eines  Angriffes  eines  fremden  Kaufmanns,  wegen  angeblicher  Soldforde- 
rungen, wegen  Schulden  Dritter,  wegen  Verweigerung  der  Zollzahlung 
seitens  eines  Dritten,  oder  Angriff  eines  Dritten  auf  den  Luzerner,  aller- 
dings nur  auf  die  Zeit  von  zehn  Jahren  \  Die  Forderungen  von  1391  gehen 
darüber  weit  hinaus.  Namentlich  sollten  päpstliche  und  kaiserliche  Mandate, 
welche  gegen  die  Kauf leute  gerichtet  seien,  überhaupt  oder  doch  erst  sechs 
Monate  nach  erfolgter  Kündigung  Gültigkeit  haben;  und  allerdings  war 
dies  Mittel  wiederholt  von  selten  der  Kaiser  gegen  die  Viscontis  verwendet 
worden.  So  war  1374,  als  Karl  IV.  Bernabo  und  GaleazÄo  in  die  Acht 
gethan  hatte,  nach  Strafsburg  der  Befehl  geschickt,  alle  Kauf  leute  an- 
zuhalten,   so   oft   sie  von  einem  bestimmten  Luzerner  gemahnt  würden®. 


^  1889  für  Bellinzona.     Li  eben  au,  Hegesten  20,  151. 
■  Veröffentlicht  in  den  Miscellanea  di  storia  italiana  Bd.  7. 
'  Unsere  Urkunden  Nr.  22. 

*  Statuten  von  Lavizzara,  Val  Maggia,   Bellinzona  und  Lugano  angefüiirt  bei 
Hub  er,  Privatrecht  4,  265  N.  4. 
^  Unsere  Urkunden  Nr.  23. 
«  Böhmer-Huber  5433. 


Die  Südseite  des  St.  Gotthards.  441 

Der  fertige  Vertrag,  das  Ergebnis  dieser  Verhandlungen  ist  nicht  bekannt. 
1399  wurde  wiederum  über  ein  solches  Kapitulat  mit  den  Eidgenossen 
verhandelt  ^ 

Die  Herrschaft  der  Visconti  hatte  Giovan  Galeazzo  immer  weiter 
ausgedehnt  und  aus  der  Stadtsignorie  einen  ausgedehnten  Staat  gemacht, 
dem  die  äufsere  Legitimation  von  König  Wenzel  gegeben  wurde,  indem 
er  ihn  am  11.  Mai  1395  zum  Herzoge  von  Mailand  erhob.  Wie  dieser 
Schritt  dem  König  von  den  Kurfürsten  als  ein  Verbrechen  angerechnet 
wurde,  wie  Ruprecht  und  Siegmund  sich  verpflichten  mufsten,  gegen  diese 
Minderung  des  Reiches  zu  kämpfen,  ist  hier  nicht  näher  zu  erzählen. 
Der  Zug  Ruprechts  war  ja  von  Florenz  herbeigeführt,  nachdem  Pisa, 
Siena,  Perugia,  Assisi,  Spoleto  und  Bologna  sich  der  Herrschaft  der 
Visconti  gebeugt  hatten.  Mitten  im  Siegeslaufe  nahm  am  4.  September 
1402  der  Tod  den  ersten  Herzog  von  Mailand  dahin,  für  seine  unmündigen 
Kinder  übernahm  eine  schwache  Regentschaft  die  Verwaltung.  Eine 
schwere  Krisis  brach  über  das  Herzogtum  herein ,  viele  Städte  rissen 
sich  los,  benachbarte  Herrscher  nahmen  andere  weg,  die  inneren  Fehden 
zerrütteten  den  Rest,  das  Gebäude,  das  die  Visconti  errichtet  hatten,  wich 
aus  allen  Fugen.  Auch  im  nördlichen  Gelände  am  Fufs  der  Alpen  zeigte 
sich  das.  Dafs  der  flüchtige  Mastino  Visconti  Veltlin,  Bormio,  Puschlav, 
Chiavenna  und  Plurs  an  das  Bistum  Chur  schenkte,  hatte  wenig  zu  be- 
deuten, mehr  dafs  die  Rusconi  in  Como  wieder  die  Gewalt  erlangten  und 
damit  Lugano  und  Locarno  vereinten.  Hier  konnte  freilich  Filippo 
Maria  die  Rusconi,  die  von  Siegmund  zum  Reichsverweser  in  Como  er- 
nannt waren  ^,  wieder  zurückdrängen ;  sie  traten,  von  Siegmund,  dem  der 
Visconti  Februar  1415  gehuldigt  hatte,  verlassen,  zu  den  Gegnern  über*. 
Als  Herren  der  Grafschaft  Lugano  und  von  weiteren  Besitzungen,  von 
denen  vor  allem  das  Thal  von  Chiavenna  zu  erwähnen  ist,  für  die  sie 
Como  hingaben,  waren  sie  fortan  Lehensleute  des  Herzogs,  jedoch  noch 
immer  eine  politische  Macht  ^. 

Am  schwersten  ward  dem  Herzog  Filippo  Maria,  der  die  Macht 
der  Visconti  neu  begründete,  die  Herrschaft  am  Fufse  des  Gotthard 
wiederzugewinnen  und  zu  behaupten.  Nach  jüngeren  Quellen  waren 
Streitigkeiten  auf  dem  Viehmarkt  von  Varese  der  Anlafs,  der  Uri  zum 


»  y.  Liebenau  20,  170. 

*  V.  Liebenau,  Arbedo  199.    Motta  S.  4. 

*  V.  Liebenau,  Arbedo  20L 

*  Die  Herrschaft  Lugano  war  dann  von  1434—66  im  Besitze  der  Sanseverini, 
wie  das  Blegnothal  ein  Lclien  der  Pepoli,  dann  bis  1457  der  Bentivoglio  war,  wo 
das  Thal  sich  auskaufte.  1422  kam  Chiavenna  wieder  in  den  Besitz  der  Visconti. 
1439  erhielten  die  Rusconi  Locarno  und  die  anliegenden  Thäler,  dafür  ging  Arona 
an  die  Borromei  über. 


442  Neununddreifsigstes  Kapitel. 

Kampfe  trieb  —  und  ein  eigentümliches  Zusammentreffen  ist  es,  dafs  in 
dem  Ausgleich  zwischen  Uri  und  Mailand  von  1373  ausdrücklich  ein 
Fall  solcher  Marktstreitigkeiten  vorbehalten  wurde  ^  Genug,  im  Sommer 
1403  besetzten  die  von  Uri  und  Obwalden  das  Thal  Livinen,  sie  gliederten 
es  sich  nicht  an ,  wie  kurz  darauf  es  Urseren  geschah ,  sondern  über- 
nahmen einfach  die  Rechte  des  Herzogs  und  behandelten  das  Thal  als 
eine  gemeinsame  Herrschaft.  Die  Streitigkeiten  „der  Giblingen**  und 
„Gelfen"  wurden  verboten^. 

Das  Livinenthal  war  schwer  zu  behaupten,  solange  nicht  mit  Bellenz 
die  Thalsperre,  welche  zugleich  Bernhardin,  Lukmanier  und  Gotthard 
deckte,  gewonnen  war.  Seitdem  König  Wenzel  Stadt  und  Bistum  Como 
den  Visconti  als  besondere  Bestandteile  ihres  Herzogtums  erblich  ver- 
liejien  hatte,  besafs  ihre  Herrschaft  über  Bellenz  einen  rechtlichen  Grund*. 
Und  auch  diese  den  Herren  Mailands  wegzunehmen,  gelang  den  Umern. 
Es  waren  Soldansprüche,  welche  dem  Freiherrn  Albrecht  von  Sax,  Herren 
zu  Mosax,  den  Titel  gaben,  im  Bunde  mit  den  Resten  der  ghibellini sehen 
Partei  sich  1403  inmitten  der  Krisis  der  Viscontischen  Herrschaft  der 
Feste  zu  bemächtigen.  Der  Freiherr  schlofs  1407  mit  den  Ständen  Uri 
und  Obwalden  ein  Landrecht  ab,  das  den  beiden  Thälern  die  freie  Ö^nung 
des  Schlosses  zu  Bellenz  und  Zollfreiheit  für  ihre  eigenen  Waren  zu- 
sicherte. Selbstredend  suchte  Filippo  Maria,  der  1412  seinem  als  Wüte- 
rich und  Tyrann  in  der  Geschichte  schlecht  beleumundeten  Bruder 
Giovanni  Maria  gefolgt  war,  diesen  Schlüssel  der  Gotthardstrafse  wieder 
zu  gewinnen,  es  gelang  aber  den  Thälern,  die  schwankend  gewordenen 
Freiherrn  zum  Verkauf  der  Stadt  und  Herrschaft  (September  1419)  zu 
bewegen.  Nur  kurze  Zeit  sollte  das  Zeichen  des  Stieres  von  Uri  und 
das  Banner  von  Obwalden  hier  wehen;  Ankaufsangebote  des  Herzogs 
wurden  abgelehnt;  durch  einen  Handstreich  bemächtigte  sich  jedoch 
Carmagnola,  der  es  durch  seine  Tüchtigkeit  vom  Bauemsohn  zum  ^eld* 
herm  gebracht  hatte,  am  4.  April  1422  des  Platzes.  Die  ürner  fürch- 
teten, der  Herzog  wolle  sein  Gebiet  noch  weiter  ausdehnen,  das 
Livinenthal  wegnehmen  und  an  der  stäubenden  Brücke  ein  Zollkastell 
errichten;  doch  folgten  die  Eidgenossen  dem  Rufe  nur  zum  Teil  und 
die  wirklich  eintreffenden  Streitkräfte  wurden  zersplittert,  der  Rest  in 
der  blutigen  Schlacht  von  Arbedo  (30.  Juni  1422)  geschlagen,  und 
damit  waren  alle  ennetbergischen  Besitzungen  für  die  Eidgenossen  ver- 
loren. Uri  hatte  mit  seiner  nach  Italien  gerichteten  Politik  Schiffbruch 
gelitten. 


*  Unsere  Urkunden  Nr.  22. 
ä  V.  Liebenau,  Arbedo  197. 
'  V.  Lieben  au,  Arbedo  192. 


Die  Südseite  des  St.  Gotthards.  443 

Wer  aber  auf  den  Grund  der  natürlichen  Kräfte  sieht^  wird  in  der 
Schlacht  von  Arbedo  und  dem  Frieden  von  Sitten  keine  definitive  Ent- 
scheidung erblicken.  „Uri  hatte  schon  zuviel  von  der  Wonne  Italiens 
gekostet"  ^.  Die  Visconti  wufsten ,  welchen  Wert  dieser  Besitz  hatte ; 
sie  bauten  jene  gewaltige,  mit  Luxustürmen  gekrönte  Thalsperre,  die 
der  Landschaft  von  Bellinzona  das  mittelalterliche  Gepräge  giebt. 

Trotz  dieser  erregten  Zeit  treten  doch  die  Handelsbeziehungen  kräftig 
hervor.  Die  Urkantone  hatten  ein  Interesse  daran,  sich  Zollfreiheit  für 
ihren  sehr  beträchtlichen  Viehhandel  nach  Oberitalien  zu  verschaffen.  Den 
Mailändern  lag  ebenfalls  an  möglichster  Sicherung  und  Verbilligung  des 
Verkehrs.  So  begegnen  uns  1410  die  Forderungen  beider  Parteien^. 
Die  Eidgenossen  verlangen  Milderung  der  neuen  Zölle  zu  Mailand,  Como, 
Arona  (Veron  ?)  und  Lugano ;  sehr  viel  detaillierter  ist  der  Vertragsentwurf, 
den  die  Mailänder  Kaufleute  vorlegen ;  es  ist  wohl  das  weiteste  Ausmafs, 
das  sie  je  gefordert  haben:  sicheren  Verkehr  auf  allen  Strafsen  der 
Eidgenossen,  die  nach  Deutschland  führen,  Errichtung  von  trockenen, 
guten  Susten,  keinerlei  Repressalien,  Nichtachtung  etwaiger  päpstlicher 
oder  kaiserlicher  Mandate  stehen  da  voran.  Die  Anerkennung  solcher 
Mandate  solle  sechs  Monate  vorher  angekündigt  werden  und  das  dann  noch 
nicht  in  Sicherheit  gebrachte  Gut  ruhig  lagern.  Die  Kauf leute  erbaten 
«ich  einen  Tarif  der  Abgaben  auf  den  Wegen.  Sie  verlangten,  dafs  ihre 
Waren  innerhalb  zwei  Tagen  gefertigt  würden;  die  Häute,  die  vom 
Walde  kommen,  sollen  noch  schneller  expediert  werden.  Bei  Raub  und 
Diebstahl  hat  der  betreffende  Kanton  innerhalb  40  Tagen  den  Schaden 
zu  ersetzen ;  jeder  Stand  soll  seine  Strafsen  in  Stand  halten.  Besonders 
wertvoll  sind  die  Angaben,  welche  bekunden,  dafs  manche  Waren  schon 
damals  ohne  Begleitung  eines  Dieners  des  Eigentümers  gingen. 

Von  diesen  weitgehenden  Forderungen  gestanden  Luzern,  Uri,  Schwyz 
und  Unterwaiden  den  Kaufleuten  von  Malland  und  Como  nur  ein  zehn 
Jahre  gültiges  Geleit  und  Ersatzpflicht  im  Falle  der  Beraubung  inner- 
halb Monatsfrist  zu^. 

Die  Interessen  der  Schweizer  fanden  in  den  Friedensverträgen  nach 
der  Schlacht  bei  Arbedo  ihren  Ausdruck.  Soviel  ich  sehe,  ist  bisher 
nicht  beachtet  worden,  dafs  der  Friede  in  Handelssachen  die  Eidgenossen- 
schaft zerlegt.  Der  Friedensschlufs  mit  Zürich,  Schwyz,  Zug  und  Glarus 
gab  diesen  Ständen  auf  zehn  Jahre  Zollfreiheit  an  allen  Zöllen  mit  Aus- 
nahme zu  Mailand   (und  der  Rusconischen  Zölle  in  Lugano)*,   der  mit 


^  Heusler,  Kechtsquellen  33,  191. 
2  V.  Liebenau  18,  242  u.  244. 

'  1415.    Abdruck  bei  v.  Liebenau,  Regesten  18,  255. 

*  1426  Juli  12.    Abdruck  des  latein.  Orignals  bei  Lünig,  Codex  Italiae  diplo- 
maticus  1,  447  ff. 


444  Neununddrcifsigstes  Kapitel. 

Luzern,  Uri  und  Nidwalden  stellte  ähnliche  Ausnahmen  auf  (für  Lugano, 
Locarno  und  die  Seitenlinie  der  Visconti)  gab  im  übrigen  aber  keine 
Zeitgrenze  an  ^  Für  Zürich  wurde  diese  Zollbefreiung  1435  auf  zehn 
Jahre  verlängert^.  Und  die  der  Urkantone  wuchs  sich  zu  den  grofsen 
Eapitulaten  aus,  die  der  Eidgenossenschaft  im  Mailändischen  die  aus- 
gedehntesten Rechte  gewährten.  Und  das  geschah,  trotzdem  Uri  erneut 
das  Livinenthal  fortnahm  (1440). 

1447  starb  der  Mannesstamm  der  Visconti  aus  und  nach  den  Tagen 
der  Ambrosianischen  Republik  trat  Francesco  Sforza,  der  geniale  Kriegs- 
hauptmann, die  Erbschaft  seines  Schwiegervaters  an.  Er  wollte  nach 
dem  Gebirge  hin  Frieden  haben  und  befreite  die  von  Bern,  Luzern,  Uri, 
Schwyz  und  Unterwaiden  von  allen  Zöllen  und  Auflagen  in  Bellinzona, 
Das  freundschaftliche  Verhältnis  wurde  nach  seinem  Tode  durch  seine 
Witwe  und  seinen  Sohn  Galeazzo  Maria  in  dem  Kapitulat  vom  26.  Januar 
1407  verbrieft,  worin  allen  Eidgenossen  —  Bern  ausgeschlossen  —  Zoll- 
freiheit bis  an  den  Stadtgraben  von  Mailand  zugesichert  wurde®.  Zehn 
Jahre  später  wurde  das  Kapitulat  auch  auf  Bern  und  St.  Gallen  aus- 
gedehnt*. Gleichwohl  brach  bald  unter  dem  Einflüsse  von  Uri  und  der 
allgemeinen  Weltpolitik  der  Irniser  Krieg  (1478)  aus;  Bellinzona  zu 
nehmen  gelang  nicht,  bei  Giornico  rächten  die  Schweizer  aber  die  Nieder- 
lage von  Arbedo.  Der  Friede  stellte  das  alte  Verhältnis  her  und  be- 
stätigte den  Eidgenossen  die  alte  Zollfreiheit  für  schweizerische  Waren  ^ 

So  hatte  sich  die  Eidgenossenschaft  die  Zollfreiheit  erworben,  ohne  sie 
seinerseits  den  Mailändern  zuzugestehen.  Der  Rofstäuscher  von  Uri  konnte 
sein  Vieh  ohne  Zoll  auf  die  Märkte  der  Lombardei  treiben,  der  Mailänder 
Kaufmann  mufste  seinen  Zoll  entrichten.  Auch  in  dieser  Stellung  im 
Handelsleben  dokumentiert  sich  die  Überlegenheit  der  Alpenkantone  über 
das  Herzogtum  der  Ebene.  Die  Eidgenossenschaft  schob  sich  als  ein 
geschlossenes  Handelsgebiet  zwischen  Deutschland  und  Italien  ein,  sonst 
war  die  Rechtsstellung  der  einzelnen  Orte  verschieden,  fast  zuerst  wird 
auf  dem  Gebiete  des  Handels  die  unitarische  Richtung  eingeschlagen, 
die  heute  mit  der  kantonalen  so  mannigfach  zusammenstöfst.  Auch  die 
älteren  Kapitulate  mit  Mailand  unterscheiden  noch  die  einzelnen  Stände, 
so  bleibt  noch  1467  Bern  ausgeschlossen,  aber  weil  es  selbst  will;   1477 


1  1426  Juli  21.  Eidgen.  Abschiede  2,753.  Wie  aus  den  Kapiteln  für  Bellenz 
von  1466  hervorgeht,  hätten  die  Bellenzer  sehr  gern  die  Fürleite  wieder  erhoben. 
Heusler  33,  270. 

2  Liebenau,  Regesten  18,  376. 
»  Abschiede  2,  893—99. 

^  Abschiede  2,  930 ff.   Einer  der  mailändischen  Gesandten  war  Georius  Stein- 
huser,  ob  ein  Konstanzer? 
^  Dierauer  2,  262. 


Die  Südseite  des  St.  Grotthards.  445 

drängt  aber  auch  die  Stadt  St.  Gallen  eifrigst  darauf,  in  die  Kapitulate, 
der  Zölle  wegen,  eingeschlossen  zu  werdend  Auch  bei  Frankreich  ge- 
wannen die  Eidgenossen  ähnliche  Privilegien^. 

Im  Innern  blieben  freilich  die  kantonalen  Zölle,  Geleite  und  Für- 
leiten bestehen.  Von  einer  Reform  des  Zollwesens  war  keine  Rede.  Doch 
ist  es  wohl  zu  beachten,  dafs  auch  schon  eidgenössische  Zölle  auftauchen. 
Der  Zoll  zu  Göschenen  —  so  weit  ich  sehe,  ist  seine  Geschichte  bisher 
viel  zu  wenig  beachtet  —  war  ein  solcher.  Schon  1429  geben  nach  altem 
Herkommen  die  von  Uri,  Schwyz,  Ob-  und  Nidwaiden  und  Luzern  dem 
Zöllner  auf,  nur  für  sich  und  für  den  Spital  wöchentlich  ein  bestimmtes 
Mafs  an  Getreide  durchzulassen®,  sonst  war  der  Gotthard  für  alle 
Cerealienausfuhr  nach  Italien  gesperrt.  Dieses  Gebot  wurde  gemildert 
und  verschärft,  immer  aber  leuchtet  die  Absicht  durch,  den  Gotthard  dem 
Getreideexport  zu  sperren  und  so  den  Thälern  billiges  Korn  zu  er- 
halten *.  Es  ist  die  direkte  Fortsetzung  jener  Atzungsverträge  und  dafs 
hier  der  erste  gemeinsame  Beamte  auftritt,  beweist  wieder,  dafs  der 
St.  Gotthard  das  Herz  der  Eidgenossenschaift  war. 

An  diesen  Handelsverträgen  haben  die  grofsen  schweizerischen 
Kämpfe  in  den  Tagen  der  Mailänder  Kriege  nichts  geändert;  die  Kapi- 
tulate  wurden  immer  wieder  bestätigt  von  Lodovico  Moro,  im  Vertrage 
von  Arona,  von  Massimiliano  Sforza*,  selbst  im  Vertrage  von  Gallarate 
und  sie  bilden  endlich  auch  die  Grundlage  der  ewigen  Richtung  mit 
Frankreich  von  1516*.  Das  Princip  der  Steuerfreiheit  der  Eidgenossen 
für  die  von  ihnen  selbst  produzierten  Waren  wurde  anerkannt,  mitunter 
hatten  sich  die  Mailänder  freilich  dagegen  zu  wehren,  dafs  die  Schweizer 
Kaufleute  fremde  Waren  als  ihre  eigenen  ausgaben '. 

Die  Kämpfe  haben  aber  ein  anderes  Ergebnis  gebracht,  sie  haben 
die  Schweiz  erst  in  des  Wortes  voller  Bedeutung  zu  einem  Pafsstaate 
gemacht.  Das  Drängen  der  Urner  nach  dem  Besitz  der  Südausgänge 
hatte  nun  dauernden  Erfolg.  Als  Beute  aus  dem  grofsen  weltgeschicht- 
lichen Ringen  um  die  Herrschaft  auf  dem  Festlandsfufse  Italiens  ge- 
wannen die  Kantone  Schwyz,  Uri  und  Nidwaiden,  die  Grafschaft  Bellinzona 
und  mit  ihr  das  Blegnothal,  im  Jahre  1500  hatten  sie  diese  Thalschaften 


>  Abschiede  2,  645. 

2  Eidgen.  Abschiede  3,  1,  100.  694  f.    Zuerst  1481  von  Ludwig  XI.,  erneuert 
1483  und  1498. 

3  Abschiede  2,  77. 

*  Abschiede  2,  96.    139.    149.   581. 

»  1498  Oktober  1  Abschiede  3,  1,  747.    1503  April  11  ebda.  3,  2,  1305.    Be- 
schworen Januar  1513  ebda.  3,  2,  1352. 
6  Abschiede  3,  2,  1406. 
^  Unsere  Urkunden  Nr.  133.    1498  Mailand. 


446  Ncuniinddreirsigstos  Kapitel. 

besetzt.  Den  zwölf  Orten  gehörten  die  1512  weggenommenen  übrigen 
Vogteien,  welche  mit  dem  urnerischen  Livinen  und  den  obengenannten 
Vogteien  den  heutigen  Kanton  Tessin  ausmachen.  Das  Mündungsgebiet 
der  Oberwalliser  Pässe :  Eschenthal  und  Pommat  war  gewonnen  worden, 
mufate  aber  geräumt  werden  und  so  dringt  hier  Italien  heute  zwischen 
Wallis  und  Tessin  fast  bis  zum  Massive  des  Gotthards  vor.  Und  1512 
gewannen  auch  die  Bündner  ihre  ennetbirgischen  Landschaften  Bormio, 
Veltlin  und  Chiavenna.  Es  war  nun  wirklich  der  Weg  von  der  Ebene 
des  Po  bis  zur  oberrheinischen  Tiefebene  einem  Staatswesen  einverleibt, 
von  Basel  bis  zum  Sottocenere  und  dem  Nordende  des  Langen  Sees 
wandelte  der  Kaufmann  fortan  im  Schutze  der  Eidgenossen.  Ihr  Staats- 
gebilde war  ein  Pafsstaat  eigentümlichster  Art,  er  trug  und  trägt  die 
Erinnerungen  seines  Entstehens  an  sich,  er  umfafste  südlich  nur  ab- 
hängige Landschaften,  die  regiert  wurden.  Heute  ist  ja  das  Prinzip  der 
demokratischen  Gleichheit  durchgeführt,  die  Urkantone  treten  zurück, 
dafs  aber  in  ihnen  der  Kern  der  Eidgenossenschaft  liegt,  ist  auch  heute 
nicht  zu  verkennen.  Das  eidgenössische  Militärdepartement  hat  die  Be- 
festigung des  Gotthards  beantragt  aus  dem  Geftihle  heraus,  dafs,  wenn 
auch  alles  verloren  sei,  von  der  Höhe  des  Gotthards  aus  doch  alles 
wiedergewonnen  werden  könne.  Und  die  einzigen  Wohnstätten,  die  diese 
Forts  umschliefsen,  gehören  nach  Uri,  das  der  Keim  zur  Schweiz  war, 
es  sind  die  Wohnstätten  Urserens,  das  dem  Gotthard  seine  Bedeutung 
verschafft  hat. 

Über  die  Fortsetzungen   des  Gotthard weges   stehen   mir  nur  wenige 
Notizen  zur  Verfügung. 

Die  beliebteste  unter  ihnen  scheint  die  auf  Coino  und  Mailand  ge- 
wesen  zu  sein.  Sie  wird  wenigstens  in  den  Pilgerbüchern  allein  erwähnt. 
Ganz  sicher  war  sie  aber  nicht.  Die  reichen  Angaben,  die  Motta  für 
die  Zeit  von  1481  bis  1497  hat  sammeln  können^,  lassen  den  Pafs  im 
Gegenteil  fast  alle  Jahre  von  Strafsenräubern  und  Raubmördern  unsicher 
machen  und  beweisen,  dafs  der  üble  Ruf  des  Monte  Cenere  auch  für 
diese  Zeiten  schon  berechtigt  war.  Bald  wurde  eine  Zollstelle  improvi- 
siert, bald  ging  es  ohne  diesen  Schein  der  Fiskalität  ab  und  wurden  die 
Reisenden  einfach  angefallen,  einmal  wurden  40  Pferde  weggenommen, 
ein  anderes  Mal  zwei  Menschen  erschlagen.  Da  die  Schweizer  mehrfach 
geschädigt  waren  und  man  sie  und  ihre  Repressalien  fürchtete,  griff 
die  Regierung  öfters  scharf  ein,  ohne  dem  offenbar  von  den  benachbarten 
Orten  unterstützten  Unwesen  ein  Ende  machen  zu  können.  Noch  im 
Jahre  1864  hat  eine  Bande  sich  der  Gunst  dieser  Gegend  bedient,  um 
einen  schweizerischen  Postwagen  anzufallen.     Die  Wege  im  Gebiete  von 

>  Bollet.  storico  16,  120-123.    Vgl  4,  30. 


Die  Nordseite  des  St.  Ootthards  im  fünfzehnten  Jahrhundert.  447 

Lugano  geben    den    deutschen   Kaufleuten  wegen   ihres   schlechten   Zu- 
standes  mitunter  zu  Klagen  Anlafs^ 

Die  schweizerischen  Pferde-  und  Viehhändler  zogen  vielfach  vom 
Monte  Cenere  über  Ponte  Tresa  nach  Varese,  wo  grofse  Viehmärktc 
stattfanden,  die  in  den  Abschieden  fast  Jahr  für  Jahr  erwähnt  werden. 
Ebensolche,  verbunden  mit  einer  Messe,  werden  in  Arona,  am  Südende 
des  Lago  Maggiore  abgehalten. 

Wer  übrigens  zum  Langen  See  wollte,  wandte  sich  in  Bellinzona 
entweder  nach  Locarno  oder,  was  die  Regel  gewesen  zu  sein  scheint, 
nach  Magadino.  Im  Jahre  1346  schlofs  die  Kauftnannschaft  von  Mailand 
mit  der  Gemeinde  von  Bellenz  einen  Vertrag  über  die  von  dieser  zu  be- 
sorgende, ihr  geradezu  privilegierte  Beförderung  der  Waren  von  Bellin- 
zona nach  Magadino^.  Magadino  behauptete  seine  Stellung  als  Haupt- 
hafen am  Nordende  des  Langen  Sees  bis  ins  sechzehnte  Jahrhundert^. 

Für  die  Verbindung  mit  Locarno  war  von  grofsem  Wert  eine  als 
die  schönste  der  Lombardei  gepriesene  befestigte  Brücke,  die  Lodovico 
Moro  bei  Bellinzona  bauen  liefs,  die  jedoch  1515  durch  den  Ausbruch 
eines  1514  im  Blegnothale  durch  einen  Bergsturz  entstandenen  Stausees 
vernichtet  wurde*. 

Vierzigstes  Kapitel. 
Die  Nordseite  des  St.  Gotthards  im  ffinfzehnten  Jahrhundert.  Allgemeines. 

Ausdehnung  der  Eidgenossenschaft,  Reste  der  alten  Herrschaften  vor  den  drei 
Pafssystenien.  Die  alten  EinricJUungen  aufrecht  erhalten.  Erträgnisse  des  Mellinger 
und  des  Diepflinger  Geleits  hez,  Zdüs.  Verbifidung  Küfsnach- Zug -Horgen- Zürich. 
Eidgenössische  und  Luzerner  Geleitshriefe  für  fremde  Kauf  leute.  SicJierheit  Bäubereien» 
Schutz  über  das  eigene  Gebiet  hinaus. 

Hervorragende  Passanten  des  Gotthards.  Genauere  Beschreibungen:  Walther , 
Mülinen,  Tafur,  Eptingen.    Nachrichten  über  Kaufleute  und  Waren. 

•  _ 

Auf  der  Nordseite  des  Gotthards,  der  wir  noch  eine  kurze  Be- 
trachtung zu  widmen  haben ,  war  im  Laufe  des  fünfzehnten  Jahrhunderts 
das  Gebiet  der  Eidgenossenschaft  immer  weiter  nach  dem  Norden,  nach 
Westen  und  Osten  vorgedrungen ,  bis  sie  1501  durch  den  Zutritt  von 
Basel  auch  die  Herrschaft  über  die  nach  Basel  führenden  Jurapässe  und 


1  Motta  in  Bollet.  stör.  3,  169. 

'•^  Unsere  Urkunden  Nr.  5.  Im  Texte  der  Urkunde  steht  statt  Magadino  stets 
Magino,  einen  solchen  Ort  finde  ich  überhaupt  nicht,  ich  zweifle  daher  kaum,  dafs 
es  sich  um  Magadino  handelt. 

'  Vgl.  die  Klagen  der  Kaufleutc,  die  von  Magadino  bis  Klösterli  (Poleggio) 
Waren  fuhren,  über  die  erhöhten  Forderungen  an  Fuhrlohn  und  Fürleite.  Eidgen. 
Abschiede  3,  2,  1036. 

*  Muraltus  186. 


448  Vierzigstes  Kapitel. 

den  Schlüssel  zum  eigenen  Hause  gewann.  Überwunden  wurden  die 
Reste  des  habsburgischen  Besitzes:  1460  eroberten  die  Eidgenossen  den 
1  Thurgau,  damit  gewann  die  Schweiz  die  Brückenstadt  Diessenhofen, 
nachdem  durch  den  Zutritt  von  Schaffhausen  und  Stein  schon  vorher 
zwei  Übergänge  über  den  Rhein  der  Schweiz  sich  angegliedert  hatten. 
Den  Österreichern  verblieb  von  den  Jurapässen  nur  der  Bötzberg, 
aiä  winziger  Rest  des  einst  so  gewaltigen  Besitzes  südlich  des  Rheins. 
Mit  Basel,  das  1400  die  Herrschaften  Liestal,  Waidenburg  und  Hom- 
berg  gewonnen  hatte,  wurde  der  weiter  südwestlich  liegende  Teil  der 
Eidgenossenschaft  angegliedert  Solothurns,  Berns  und  Freiburgs  Besitz 
war  in  den  Burgunderkriegen  und  durch  andere  Erwerbungen  gewachsen, 
schon  gehörte  ein  Teil  der  Waadt  zur  Schweiz. 

Die  Ausdehnung  nach  Nordosten  zum  Bodensee  hin  hat  auf  das 
schwerste  eine  Stadt  geschädigt,  die  bis  dahin  in  der  Geschichte  des 
Handels  eine  führende  Stellung  eingenommen  hatte.  '  Konstanz  hat  im 
Thurgau  sein  natürliches  Hinterland,  ihm  gehörte  die  Landgrafschaft 
dort  und  es  wollte  dieselbe  nicht  abtreten,  nachdem  die  österreichische 
Landvogtei  schweizerisch  geworden  war.  Die  alte  Reichsstadt  hat  ge- 
schwankt, ob  sie  sich  nicht  den  Eidgenossen  anschliefsen  solle.  Sie  hielt 
zum  Reiche  und  wurde  1498  ein  Glied  des  schwäbischen  Bundes.  Doch 
dadurch  rettete  sie  ihren  Besitz  nicht,  durch  den  Schwabenkrieg  verlor 
sie  den  Thurgau  und  fortan  begann  an  der  Konter-Eskarpe  ihrer  Festungs- 
werke die  schweizerische  Herrschaft.  Während  Basel  in  den  folgenden 
Jahrhunderten  als  neutrale  Stadt  der  Zufluchtsort  für  viele,  die  den 
schweren  Kriegszeiten  entflohen,  war  und  auf  Kosten  ihrer  alten  Freunde 
immer  mehr  an  Wohlstand  zunahm,  hat  Konstanz  unter  diesen  Kriegs- 
wirren schwer  gelitten. 

Um  1510  war  somit  auch  in  dem  Zuge  der  Strafsen,  welche  von 
den  Bündner  Pässen  nach  Norden  liefen,  ein  grofser  Teil  eidgenössisch 
geworden ,  aber  daneben  hatte  sich  habsburgischer  Besitz ,  wie  die  letzte 
Erinnerung  dynastischer  Herrschaften  (Vaduz)  erhalten,  auf  dem  Zuge, 
der  von  den  Walliser  Pässen  zum  Jura  führte,  stand  noch  ein  Rest  des 
einst  so  bedeutenden  savoyischen  Besitzes,  im  Zuge  der  Wege  zum 
Gotthard  war  aber  nur  noch  der  Bötzberg  eine  Erinnerung  an  die 
Tage,  wo  die  Habsburger  sich  mit  dem  Gedanken  beschäftigen  konnten, 
den  Pafs  selbst  zu  gewinnen.  Diese  Ausdehnung  des  Bundes  der  Eid- 
genossen hatte  sich  unter  starkem  Widerspruche  der  bäuerlichen  Ur- 
kantone  vollzogen,  die  ganz  deutlich  herausfühlten,  dafs  je  mehr  Städte 
dem  Bunde  beiträten,  um  so  mehr  die  Bedeutung  der  bäuerlichen  Thal- 
gemeinden sinken  müsse.  Sie  hatten  ein  Vorgefühl  davon,  dafs  einst 
das  Gewicht  des  politischen  Lebens  sich  in  die  Stadtkantone  verlegen 
würde. 


Die  Nordseite  des  St.  Gotthards  im  fünfzehnten  Jahrhundert.  449 

Die  Geschichte  der  einzelnen  Fortsetzungen  des  Gotthardes  auf  der 
Nordseite  ist  im  fünfzehnten  Jahrhundert  sehr  viel  ärmer  als  im  vierzehnten. 
Die  Zeiten  sind  vorbei,  wo  die  Kaufmannschaft  einer  italienischen  Stadt 
mit  den  Dynasten  über  die  Regelung  des  Verkehrs  verhandelt.  An 
Stelle  jener  ist  das  Haus  der  Visconti  und  Sforza  getreten.  Der  Staat 
hat  seine  Thätigkeit  auch  auf  dieses  Gebiet  ausgedehnt.  Auf  der  andern 
Seite  sind  die  Dynasten  verschwunden  und  durch  Republiken  ersetzt, 
die  aber  in  diesen  Fragen  meist  nicht  selbst  vorgehen,  sondern  das  der 
Tagsatzung  überlassen.  Soweit  meine  Kenntnis  der  Quellen  reicht,  sind 
weder  auf  dem  Hauensteine  noch  auf  dem  Bötzberg  oder  dem  Rheine 
grundsätzliche  Neuerungen  durchgeführt,  auch  hier  war  die  neue  Herr- 
schaft äufserst  konservativ  und  mufste  es  auch  sein,  denn  zwei  von  den 
Wegen  führten  durch  „gemeine  Herrschaften"  und  da  war  es  viel 
schwerer,  Änderungen  durchzuführen  als  in  einem  eigenen  Staatswesen. 
Der  obere  Hauenstein  wurde  1499  von  Basel  und  Solothurn  trotz  des 
Einspruches  Kaiser  Maximilians  gemeinsam  in  Stand  gesetzt  ^ 

Auf  der  Reufs  blieb  es  beim  alten.  Die  Einrichtung  einer  Schiff- 
fahrt flufsaufwärts  oberhalb.  Breisachs  ist  mir  nirgends  begegnet.  Ein 
so  weit  gereister  Mann  wie  Peter  Tafur  bemerkt  für  Basel  ausdrücklich, 
dafs  kein  Schiff  den  Flufs  wieder  hinaufkomme  *.  Die  Luzerner  Schiffer 
klagten  über  einige  Mühlanlagen  und  es  wurde  darüber  vielfach  in  den 
Tagsatzungen  verhandelt.  Die  Schiffahrt  blühte  noch,  erst  im  folgenden 
Jahrhundert  kam  sie  mehr  und  mehr  in  Abgang.  Auch  der  Land- 
verkehr über  MelHngen  blieb  bestehen.  Aus  den  Abschieden  läfst  sich 
das  Schwanken  der  Zollerträge  verfolgen.  Unter  Fortlassung  aller  An- 
gaben, deren  Umrechnung  schwierig  ist,  ergiebt  sich,  dafs  an  die  acht 
Orte  nach  Abzug  der  Erhebungskosten  verteilt  wurden: 


1430: 

72« 

1483: 

48« 

1499 

:  120« 

1454: 

48«^ 

1487: 

62  « 

1500 

:   92« 

1460: 

40« 

1489: 

70« 

1502 

:  144« 

3y/ 

1472: 

64« 

1490: 

70« 

1504 

:  136« 

1473: 

64  « 

1491: 

62  a 

1505: 

104  « 

1475: 

56  « 

1493: 

58  « 

1507; 

144  « 

1476: 

56  « 

1494: 

36  « 

1509: 

120  U 

1477: 

48  U 

1495: 

169  «  12  j(? 

1511: 

121  « 

12^:? 

1479: 

32  n 

1496: 

136  n 

1512: 

176« 

1480: 

40  U 

1497: 

148  « 

1513: 

161  « 

2y^ 

1481: 

64  n 

1498: 

248  « 

1514: 

149  « 

4^8 

'  Bavier  45.     Geering  198. 

*^  Häbler  504.     Tafur  232:   e  la  harca  que  ra,  Jamds  nwicn  ioma,   que  wote         /    * 
podria  prohejar  contra  el  agua  tan  corriente. 

'  Die  Tabelle  beruht  auf  den  Angaben  in  den  Eidgen.  Abschieden.  Ich  be- 
merke, dafs  es  sich  nicht  um  den  Rohertrag  handelt,  sondern  um, das,  was  auf  die 
Herren  des  Geleites  verteilt  wurde. 

Sohulte,  Gesch.  d.  mittelalterl.  Handels.    I.  29 


450  Vierzigstes  Kapitel. 

Die  Tabelle  zerftlllt  in  zwei  Teile,  da  wohl  schon  1494  ein  neuer 
Tarif,  der  allerdings  erst  für  1496  bezeugt  ist,  in  Anwendung  kam. 
In  der  ersten  Periode  ist  der  höchste  Ertrag :  72  ^  (eingenommen  1429), 
der  niedrigste  36  ^  (1493),  in  der  zweiten  föllt  das  Maximum  248  ^ 
(1497),  das  Minimum  92  (1499).  Die  Kriegsjahre  gegen  Mailand  1478, 
1479  treten  deutlich  hervor,  noch  stärker  der  Schwabenkrieg  von  1499. 

Eine  nähere  Untersuchung  des  MelHnger  Geleits  wird  vielleicht  in 
einem  Tarife,  wie  in  Abrechnungen,  wie  wir  solche  oben  für  die  Zeit 
von  1397  bis  1402  benutzen  konnten,  den  Schlüssel  geben,  um  aus 
diesen  Ziffern  —  die  recht  niedrig  sind  —  exakt  die  Verkehrshöhe,  die 
sich  übrigens  auf  zwei  Verkehrsrichtungen  verteilt,  zu  berechnen.  Luzern 
suchte  sich  seine  Befreiung  von  dem  Mellinger  „Geleite"  zu   behaupten. 

Auf  dem  unteren  Hauenstein  dominierte  nun  die  Stadt  Basel. 
1402  ff.  löste  Basel  den  Zoll  zu  Liestal  an  sich,  1447—49  gewann  es 
auch,  nach  kurzem  Besitze  von  1404 — 1408,  den  Zoll  zu  Diepflingen, 
der  nun  definitiv  nach  Bückten  verlegt  wurde,  und  das  Geleit.  Aus 
den  Frohnfastenrechnungen  der  Stadt  Basel  wird  sich  die  Verkehrshöhe 
berechnen  lassen,  da  hier  der  Tarif  bekannt  ist.  Nach  der  Mitteilung 
Geerings^  ertrug  der  Zoll  1425  148  W  18^,  das  würde,  da  vom  Saum- 
rofs  4  S)  erhoben  wurden,  8928  Saumlasten  bezw.  in  Wagen  umgerechnet 
(ä  2  ß):  1482  Wagen  darstellen.  Sehr  wahrscheinlich  liegt  aber  ein 
Irrtum  Geerings  vor.  Eine  solche  Höhe  hat  das  Geleitsgeld  nie  wieder 
erreicht.  Die  Mitteilungen  aus  einzelnen  Frohnfastenrechnungen  der 
Stadt  Basel,  die  ich  der  Güte  Wackernagels  verdanke^,  sind  leider  nicht 


*  S.  200.  Das  Geleit  von  Diepflingen  wurde  1447  bez.  1450  um  200  resp. 
300  rhein.  fl.  der  Stadt  verkauft.  Das  zu  5®/o  gerechnet,  gäbe  einen  festen  Ertrag 
von  15  rhein.  fl.  Doch  wage  ich  hier  nicht  weiter  zu  rechnen,  da  das  Geleit  be- 
deutende Pfandlasten  getragen  haben  kann.    Boos,  Urkb.  Basel  Land  2,  866  u.  881. 

2  Ablieferungen  des  Zolls  zu  Diepflingen: 


Zahlungs- 
termin 

1405  2  ang.: 

1406  2     - 

Summe 

ü     JS     h 
22           — 

22      3    — 

aufs  Jahr 
gerechnet 

In  Wagenlasten 
umgerechnet 

1407       2     - 

44 

— 

— 

jährl.  i.  Durchschn. 

14089    3     - 

46 

— 

140910  3     - 

27 

— 

16 

32      3     16 

161 

3 

16 

822 

1449  2  ang.: 

1450  8     - 
—         4     - 

:    39 
13 
33 

9 
3 

8 

}        46     12      >< 

406 

14:)6      2     - 

12 

9 

1457       4     - 

y 

— 

1400       2      - 

22 

__ 

_ 

Die  Nordseite  des  St.  Gotthards  im  fünfzehnten  Jahrhundert.  461 

so  schlichtweg  als  Jahresergebnis  zu  verrechnen,  da  nicht  jedes  Jahr  zu 
einem  bestimmten  Termine  der  Zins  abgeliefert  wurde.  Für  die  Jahre 
1405 — 1409  läfst  sich  der  Durchschnitt  berechnen,  für  die  folgenden 
Jahre  sind  die  wechselnden  Termine  sehr  peinlich.  Doch  ergeben  sich  mit 
Sicherheit  schwache  Einnahmen  in  der  Mitte  des  Jahrhunderts,  starke 
Erträgnisse  am  Ende,  die  doppelt  so  hoch  sind  als  am  Anfang  des  Jahr- 
hunderts'. Aber  auch  hier  wieder  ist  zu  konstatieren,  wie  gering  der 
Verkehr  zu  dem  heutigen  war.  Die  verlassenste  Chaussee  hat  heute 
mehr  Verkehr  als  ein  Pafs,  über  den  alle  Tage  ein  oder  höchstens  zwei 
Wagenladungen  kamen. 

Auf  eine  Fortsetzung  der  Gotthardstrafse  bin  ich  bisher  nicht  zu 
sprechen  gekommen,  obwohl  sie  grofse  Bedeutung  gehabt  hat;  aber  ge- 
rade sie  ist  nach  dem  bisher  bekannten  Materiale  nicht  gut  zu  verfolgen. 
InKüfsnach,  wo  1357  der  Bau  einer  Sust  erörtert  wurde ^,  verliefs  diese 
Route  den  Vierwaldstättersee,  um  durch  die  Hohle  Gafse  Immensee  zu 
erreichen,  wo  die  Schiffleute  die  Waren  in  ihre  Nachen  aufnahmen 
und  über  den  See  von  Zug,  wo  schon  1399  eine  Sust  erwähnt  wird®, 
fuhren.  Von  dort  ging  der  Weg  entweder  über  Sihlbrugg  nach  Horgen, 
wo  abermals  die  Waren  verschifft  wurden,  oder  über  den  Albisrücken 
nach  Kilchberg  und  Zürich.  Der  Transport  auf  jener  Linie  wurde  durch 
eine  1452  errichtete  Ordnung  geregelt.  Selbstredend  kam  diese  Richtung 
nur  für  den  Verkehr  in  Frage,  der  nach  dem  Bodensee  und  darüber 
hinaus  wollte.  Der  Weg  wurde  auch  mit  Massengütern,  wie  Eisen, 
Stahl  und  Salz  befahren*. 

Die  Eidgenossenschaft  war  ein  Pafsstaat  geworden  —  nicht  allein 
in  Bezug  auf  den  Gotthard,   sondern    auch   mit  Rücksicht   auf  den  Zu- 


Zahlungs- 

Summe 

aufs  Jahr 

In  Wagenlasten 

termin 

it     ß     h 

gerechnet 

umgerechnet 

1466       4  ang.: 

25     12    — 

1475       1      - 

28    -    — 

1476       3     - 
1476       4      - 

32 

17     12    — 

l 
J 

49    12 

496 

1485/6    2     - 
14856    4     - 

85    —    — 

26    18      4 

) 

61     18      4 

619 

1495'6    2     - 
1495/6    4      - 

33     18    — 
37      2    — 

1 

71    — 

710 

Die  Zählung  der  vier  Angarien   beginnt  mit  dem  Amtsjahr  nach  Joh.  Bapt.    Die 
erste  geht  bis  Ende  September,  die  zweite  bis  Ende  Dezember  u.  s.  w. 

*  Unsere  Urkunden  Nr.  315.  Ein  Irrtum  Geerings  ist  offenbar  der  Schluf?, 
den  er  aus  den  Jahresrechjanngen  gezogen  hat,  dafs  der  Verkehr  über  den  Hauen- 
stein im  Winter  völlig  stockte. 

*  Börlin  S.  45  Anm.  4. 

8  Eidgen.  Abschiede  1,  96  Nr.  225. 

*  Eidgen.  Abschiede  3,  2,  326  zu  1505.    Die  Ordnung  bei  Börlin  88. 

29* 


452  Vierzigstes  Kapitel. 

gang  zu  den  Genfer  Messen.  Die  Kaufmannschaft  hatte  allen  Grund, 
sich  ihre  Gunst  zu  erhalten ,  wie  umgekehrt  die  Eidgenossen  ein  Interesse 
an  der  Steigerung  des  Verkehrs  hatten.  In  beiderseitigem  Interesse 
lagen  die  Geleitsbriefe,  welche  die  Eidgenossenschaft  entweder  der  Kauf- 
mannschaft ganz  allgemein,  oder  einzelnen  Städten  oder  endlich  einzelnen 
Firmen  ausgestellt  hat.  Soweit  die  Materialien  der  „Abschiede"  die  Dinge 
überschauen  lassen,  ist  ein  allgemeines  Geleit  1473  mit  dreimonat- 
licher Kündigung,  vielleicht  1483,  sicher  1494  und  1511  —  in  diesen 
beiden  Fällen  stellte  Luzern  die  Urkunde  aus  —  gegeben  worden*. 
Den  Kaufleuten,  die  nach  Genua  handelten,  wurde  diese  Gunst  1490 
zu  Teil*.  Die  italienischen  Kaufleute,  speciell  die  von  Mailand,  er- 
hielten 1487  die  Erneuerung  eines  älteren  Geleits^.  Ein  Geleitsbrief  für 
alle  Italiener  mufs  auch  1507  ausgestellt  sein*.  Bitten  um  solche,  zum 
Teil  auch  die  Gewährung,  sind  bezeugt  für  Kaufleute  aus  Nürnberg, 
München,  Augsburg,  Ulm,  für  die  Gesellschaft  Welser -Vöhlin,  fllr 
einzelne  Kaufleute  aus  Mecheln,  den  Niederlanden  und  Lucca**.  Mit- 
unter trugen  die  Eidgenossen  auch  Bedenken,  so  1497,  wo  St.  Galler 
Kaufleute  im  Auslande  beraubt  waren*.  In  Kriegszeiten  schlug  die 
Förderung  des  Kaufmanns  wohl  gar  in  das  Gegenteil  um,  in  den 
Tagen  des  Schwabenkrieges  forderten  sie  den  französischen  König  aiif, 
die  schwäbischen  Kaufleute  auch  aus  seinen  Landen  zu  vertreiben.  Im 
eigenen  Lande  duldeten  sie  nur  die  neutralen''. 

Luzern  erscheint  als  Vorort  und  so  kann  gewissermafsen  als  ein 
Vorläufer  der  gemein  eidgenössischen  Geleitsbriefe  ein  Luzerner  Geleits- 
brief von  1429  gelten,  der  für  alle  Kaufleute  und  Pilger  von  Hitschen 
von  lamperten  und  von  welschen  landen ^  wannen,  wohar  und  wie  die  ge- 
nannt sint  gültig  sein  sollte.  Sicheres  Geleit  gegen  die  Erlegung  der  bisr 
her  erhobenen  Zölle  wird  versprochen,  innerhalb  vier  Wochen  wird  die 
Stadt  den  Schaden  ersetzen,  wenn  jemand  innerhalb  des  Gebietes  be- 
raubt und  der  Schaden  nicht  von  den  Thätern  ersetzt  ist.  Für  die  Ver- 
gehen einer  fremden  Person  haftet  nicht  das  von  ihnen  geführte  Kauf- 
mannsgut,   der    Fremde    haftet    nur    für    seine    persönlichen   Schulden. 

1  Abschiede  2,  443.  3,  l,  154.  470.  3,  2,  351  f.  Bei  der  Art  der  knappen 
Notizen  der  Abschiede,  die  durch  mündlichen  Bericht  ergänzt  wurden,  ist  nicht  stets 
die  ganze  Angelegenheit  klar. 

2  Abschiede  3,  1,  360. 
8  Abschiede  3,  268  f. 

*  Vgl.  unsere  Urkunden  Nr.  293. 

«^  Abschiede  2,  464.   486.   488.   3,  2,  42,  64  f.    125.    165.    182.   619.   933. 

«  Abschiede  3,  1,  532. 

■^  Abschiede  3,  1,  609  und  3,  1,  592  ff.  Den  Kaufleuten  von  Lucca  und  Mai- 
land war  Geleit  gegeben,  gleichwohl  nahm  Solothurn  ihnen  zu  Liestal  und  Ölten 
Waren  weg.    Mitteil.  d.  bad.  bist.  Kommiss.  Nr.  22  S.  m  81. 


Die  Nordseite  des  St.  Gotthards  im  fünfzehnten  Jahrhundert.  453 

Luzern  kann  das  Geleit  abkündigen ,  es  mufs  das  geschehen  bei  Meister 
und  Rat  von  Strafsburg,  und  nach  dieser  Aufkündigung  gilt  das  Geleit 
noch  sechs  Monate.  Wie  Luzern  später  auf  eidgenössischer  Seite  als 
Vorort  gilt,  so  steht  Strafsburg  als  solcher  an  der  Spitze  der  Deutschend 

Im  allgemeinen  ist  die  Sicherheit  in  dem  Gebiete  der  Eidgenossen- 
schaft eine  sehr  grofse  gewesen.  Aufser  schon  berührten  Fällen  stelle 
ich  hier  noch  einige  zusammen,  andere  werde  ich  im  Zusammenhange 
mit  den  Genfer  Messen  berühren  müssen.  Auf  dem  Gottharde  selbst 
spielten  sich  mitunter  doch  noch  Räubereien  ab.  So  hatten  1346  sechs 
Knechte  aus  Wallis,  die  in  Urseren  auf  freier  Reichsstrafse  Raub  be- 
gangen hatten,  Urfehde  zu  schwören  und  auch  die  Gemeinden  von 
Oberwallis  sicherten  Ruhe  zu-.  1352  waren  drei  Strafsburger  in  Uri 
gefangen  gesetzt,  jedoch  war  das  eine  Repressalie  für  Urner  Gut,  das  in 
Strafsburg  beschlagnahmt  worden  war  und  zwar  in  der  Zeit  des  Krieges 
der  Eidgenossen  und  Osterreich  ^.  Auch  die  Gefangennahme  des  Ritters 
Johann  von  Hornstein  war  eine  Repressalie*,  ähnlich  wohl  die  1387  er- 
folgte Beschlagnahme  des  Gutes  Göswins  von  Konstanz  und  die  Ge- 
fangennahme des  Klaus  Schaub  von  Strafsburg  in  Luzern^.  1390  fingen 
etliche  von  Schwyz  einen  Herrn  von  Köln  und  einen  Kaufmann  von 
Aachen  auf  dem  See,  die  Luzerner  sorgten  aber  für  ihre  Freilassung. 
1397  wurden  abermals  Kölner  im  Gebiet  von  Uri  beraubt*. 

Von  zwei  Kauf  leuten  aus  Bellinzona,  die  im  Gebiete  von  Zürich 
gefangen  worden  waren,  haben  wir  eine  Versicherung,  dafs  die  Züricher 
im  Bistum  Como  vor  ihnen  sicher  verkehren  könnten''.  Wir  über- 
schreiten schon  die  Grenzen  der  damaligen  Eidgenossenschaft,  wenn 
Basler  Chronisten  zu  1881  notieren,  dafs  zwischen  dem  Bötzberg  und 
dem  Elsafs  viele  Räuber  seien,  auch  1450  war  es  dort  gar  nicht  sicher®. 
In  Rheinfelden  wurden  genuesische  Waren  1508  festgehalten,  doch  hatte 
der  Ritter  auch  hier  eine  Ausrede*. 

Der  Schutz  der  Eidgenossen  ging  weit  über  ihr  eigenes  Gebiet 
hinaus.     Die  Klagen  lombardischer  und  anderer  Kauf  leute  tiber  die  Un- 


^  Geschieht 8 fr eund  22,  294.  Urkunde  vom  24.  Juni  1429.  Die  Strafsburger 
erschienen  sehr  häufig  in  Luzern,  sie  verkauften  dort  Tuch  und  Gewand.  1457  wurden 
Waren  von  Strafsburgem  in  Luzern  beschlagnahmt.    Eidgen.  Abschiede  2,  287. 

-  Geschichtsfreund  1,  74.    Eidgen.  Abschiede  1,  25, 

^  V.  Liebenau  20,  61.  Geschichtsfreund  1,  80.  Waren  scheinen  die  drei 
nicht  geführt  zu  haben. 

*  V.  Liebenau  20,  75. 

"  Eidgen.  Abschiede  1,  77  Anm.  zu  Nr.  184.    Ar  eh.  f.  Schweiz.  Gesch.  17,  2, 197. 

®  Geschichtsfreund  22, 157  aus  Ratsbüchern.   Mitteil.  Stadtarch.  Köln  4,  62. 

^  V.  Liebenau  20,  78. 

^  Baseler  Chroniken  5,  32.    Unsere  Urkunden  Nr.  294. 

»  Unsere  Urkunden  Nr.  293. 


454  Vierzigstes  Kapitel. 

Sicherheit  der  Strafsen  in  Lothringen,  Elsafs  u.  s.  w.  gaben  ihnen  Anlafs, 
dorthin  zu  schreibend  Als  1490  ein  Diener  des  Pfalzgrafen,  der  mit 
Mailand  auf  Kriegsfuls  zu  leben  erklärte,  auf  dem  Rheine  welsche 
Kaufleute  gefangen  nahm,  legten  die  Eidgenossen  ihre  Fürsprache 
ein,  und  wirklich  wurden  auf  des  Pfalzgrafen  Geheifs  die  Kaufleute  ihrer 
Gefangenschaft  ledig-.  Ihren  eigenen  Kaufleuten,  die  zur  Frankfurter 
Messe  zogen,  begegnete  man  mit  grofsem  Respekt  und  als  Franr  von 
Sickingen  den  Räubereien,  die  der  Adel  für  sein  Privileg  hielt,  durch 
den  bekannten  Überfall  die  Krone  aufsetzte^,  konnten  die  Boten  auf 
der  Tagsatzung  erzählen,  Franz  von  Sickingen  werfe  alle  Kaufleute 
nieder  aufser  eidgenössischen,  gegen  diese  verhalte  er  sich  ehrlich; 
aber  auch  so  genierte  sie  dieser  kühne  Ritter,  er  hemme  den  Handel 
zwischen  Italien  und  Deutschland ;  und  so  wandten  sie  sich,  da  Sickingen 
pensionarius  und  famulus  des  König  Franz  I.  von  Frankreich  war,  an 
diesen*.  Sie  nahmen  sich  sehr  kräftig  der  Mailänder  Kaufleute  und 
des  Fatzmann,  eines  Bürgers  von  Bellinzona,  an,  deren  Gut  mit  weg- 
genommen worden  war*^. 

Alle  die,  welche  über  den  Gotthard  nach  Italien  zogen,  aufzu- 
zählen, wäre  unmöglich*.  Nächst  den  Pässen  der  Ostalpen  war  der  St. 
Gotthard  die  eigentliche  Verbindung  zwischen  Deutschland  und  Italien 
geworden.  Gesandtschaften  deutscher  und  italienischer  Fürsten,  Kauf- 
leute und  Händler,  Söldner  und  Musikanten,  Geistliche  und  Mönche^ 
Ritter  und  Pilger,  Professoren  und  Studenten  wanderten  diese  Strafse. 
Ich  will  nur  mit  einigen  Namen,  die  besonders  hervorleuchten,  dem  Bilde 
auch  das  persönliche  Kolorit  geben.  Da  ward  ein  Bischof  von  Lissabon, 
den  1389  die  Berner  gefangen  genommen  hatten,  über  den  Berg  ge- 
ftlhrt,  den  Trierer  Erzbischof  Jakob  von  Sierk  geleitete  1450  auf  seiner 
Jubiläumsfahrt  der  Geschichtsschreiber  Melchior  Rufs  ^,  da  wanderten  die 
Prälaten  zum  Konzile  von  Konstanz  und  Basel,  wie  umgekehrt  1423  eng- 
lische Prälaten  auf  diesem  Wege  sich  zum  Konzil  von  Pisa  begaben®  — 


»  Eidgen.  Abschiede  3,  1,  189. 

2  Abschiede  3,  1,  367  f.   382. 

'  Vgl.  Ulmann,  Franz  v.  Sickingen  S.  67.  Boos,  Franz  v.  Sickingen  und 
die  Stadt  Worms  in  Z.  Gesch.  Oberrheins  N.  F.  3,  409.  Augsb.  Städtechroniken 
5,  71  (Wilhelm  Rem  erwähnt  das  Gut  der  Mailänder).  Nach  Boo8  416  nahm  er  erst 
später  für  25  000  fl.  Mailänder  Waren  weg 

*  Abschiede  3,  2,  1051.    1059. 

•*  V.  Lieben  au,  Franz  v.  Sickingen  und  die  Eidgenossen.  Anz.  f.  Schweiz. 
Gesch.  6,  152. 

■^  Vgl.  die  umfangreichen  Angaben  von  Motta  in  Boll.  storico  dolla  Svizzera 
ituliauii  Tomo  8  u.  14:    »Personngyl  cdehri  attraver/iü  ü  Gottardo''. 

«  Boll.  ^*to^.  :\  146.   219. 

»  Boll.  stör.  14,  2. 


Die  Nordseite  des  St.  Gotthards  im  fünfzehnten  Jahrhundert.  455 

zweihundert  Jahre  früher  hätte  sie  ihr  Weg  über  den  Grofsen  St.  Bern- 
hard geführt. 

Und  wie  die  Stadt  Basel  ihre  Hochschule  begründete  und  aus 
Italien  Gelehrte  berief,  bat  sie  bei  Luzern  für  die  Ankömmlinge  aus 
„Lombarden  und  Bemund"  um  Geleit  und  1467  gingen  Bücherkisten 
des  nach  Mailand  heimgekehrten  Professors  Agostino  Vimercati  über  den 
Berg^  Die  Zahl  der  Geschichtsschreiber,  die  über  denselben  zogen,  ist 
nicht  gering,  so  ging  Eberhard  Windecke  im  Auftrage  König  Siegmunds 
1418  mit  einer  Botschaft  an  die  Visconti  von  Basel  aus  über  den  Pafs*. 
Von  Marino  Sanuto  d.  ä.  ist  es  möglich.  Der  Florentiner  Chronist  Bene- 
detto  Dei  erwarb  seine  genaue  Kenntnis  der  Florentiner  Niederlassungen 
in  Nordeuropa  auf  einer  Reise  durch  Frankreich,  Flandern  und  Deutsch- 
land. Er  kehrte  über  den  Gotthard  nach  Mailand  zurück,  wo  er  in  der 
mediceischen  Bankfiliale,  die  ein  Portinari  hielt,  beschäftigt  war. 
Accerito  Portinari  hatte  ihn  begleitet^.  Und  auch  der  englische 
Chronist  und  Kirchenrechtslehrer  an  der  Universität  zu  Oxford 
Adam  von  Usk  hat  März  1401  auf  einer  Reise  nach  Rom  (über 
Diest,  Aachen,  Köln  rheinaufwärts ,  Basel,  Luzern)  den  Gotthard 
überschritten,  er  fuhr  in  einem  von  einem  Ochsen  gezogenen  Wagen 
mit  verbundenen  Augen,  damit  er  die  Gefahren  nicht  erkenne*.  Auch 
die  Dichter  und  Humanisten  fehlten  nicht.  Als  Petrarca  1356  Karl  IV. 
in  Basel  aufsuchen  wollte,  um  ihm  einen  Auftrag  der  Visconti  auszu- 
richten, ging  er  wohl  über  den  Gotthard.  Enea  Silvio,  der  spätere 
Papst  Pius  IL,  hat  1432  den  Kardinal  Capranica  nach  Basel  begleitet 
und  auch  in  den  späteren  Zeiten  seines  wechselreichen  Lebens  ist  er 
noch  mehrmals  über  den  Berg  gekommen^.  Auch  einer  der  ersten 
deutschen  Humanisten,  Albrecht  von  Bonstetten,  der  1471  fF.  in  Pavia 
studierte,  beweist  in  seiner  „Beschreibung  der  Schweiz"  (1479)  sich  als 
ein  Kenner  des  Gotthards,  wenn  er  auch  die  Farben  seiner  Schilderung 
zum  Teil  Vergil  entlehnt  hat^.  Doch  hatte  schon  vor  ihm  der  Gotthard 
seinen  ersten  litterarischen  Freund  gefunden.  Der  jugendliche  Mai- 
länder Dichter  Piattino  Piatti  begleitete  im  Winter  1408  9  seinen 
Bruder  Teodoro  auf  einer  Gesandtschaft  nach  Luzern,  wo  er  sich  in 
Dorothea  Hunwyl,  die  Tochter  des  Schultheifsen  von  Luzern  verliebte. 
Als   echter  Humanist    versäumte    er   es   nicht,    seine   Reiseeindrücke   in 


>  Boü.  stör.  3,  174  u.  14,  3. 

2  Altinann,  Eberhard  Windeoko3  Denkwürdigkcitou  S.  102. 
8  B.  8t.  12,  117.    14,  4. 

*  »In  ceruca  per  bovenitracius  viris  frifforibns  (luasi  iHriinptuSj  oculis  vehtis,  ne 
loci  discrimina  conspicerct."     Forschungen  z.  deutschen  Gesch.  17,  614. 
•5  Voigt,  Enea  Silvio  1,  21  u.  oft. 
«  Quellen  z.  Schweiz.  Gesch.  1:3,  237. 


•^i 


456  Vierzigstes  Kapitel. 

poetische  Form  zu  giefsen.  So  schuf  er  eine  Siipplicatio  ad  divtan 
Goiardum  : 

Jam  pietate  tua  freti  nos  credere  hohus 

Coepimufi  et  higis  per  jiiga  aumma  irahi. 

Natürlich  fehlt  das  Daukesgedicht  an  den  hl.  Gotthard  nicht,  ebensowenig 
jenes  an  den  Phittifer  {mons  Plattnus)j  dessen  Name  der  Dichter  mit  dem 
eigenen  in  Verbindung  bringt ;  auch  dieses  humanistische  Spiel  war  dem 
Poeten  geläufig  ^ 

Eigentümlicherweise  haben  die  Pilger,  wenigstens  diejenigen,  die 
ins  hl.  Land  wollten,  die  Tiroler  Pässe  vorgezogen,  um  nach  Venedig, 
dem  regelmäfsigen  EinschifFungsplatze  zu  gelangen.  Selbst  wenn  Baseler 
ihre  Wallfahrt  mit  einem  Pilgergange  nach  Einsiedeln  begannen,  gingen 
sie  nicht  immer  über  den  Gotthard,  sondern  wandten  sich  über  den 
Walensee  dem  Arlberg  zu,  wie  Hans  Rot  (1440)  und  Peter  Rot  (1453)^. 
Gleichwohl  sind  uns  einige  Pilger,  die  sich  am  hl.  Grabe  die  Ritter- 
würde holen  wollten  und  über  den  Gotthard  gingen,  bekannt:  Kaspar 
von  Mülinen,  ein  Berner  (1506)  und  der  Glarner  Ludwig  Tschudi  (1519). 
Die  Reisebeschreibungen ,  die  sie  und  einige  Reiselustige  uns  hinterlassen 
haben,  geben  zuerst  genauere  Kunde  über  das  Leben  auf  dem  Passe. 

So  die  Erzählung  eines  Franziskaners ,  Paul  Walther  von  Güglingen, 
der  1481  von  Heidelberg  nach  Venedig  und  dem  hl.  Lande  pilgerte. 
Zur  Fahrt  über  den  See  brauchte  er  einen  ganzen  Tag,  die  Nacht 
waren  sie  in  >^Ure*.  Der  Geistliche  eines  am  Wege  liegenden  (Jrtleins 
—  wohl  Wasen  —  hatte  den  armen ,  seiner  strengen  Regel  gemäfs  ohne 
jedes  Geld  reisenden  Mönch,  schon  für  den  folgenden  Tag  zum  Imbifs 
eingeladen,  zu  ihm  gingen  sie  in  der  Morgenfrühe,  celebrierten  in  seiner 
Kirche  und  nahmen  den  Imbifs,  dann  eilte  der  Pfarrer  wieder  vorauf 
und  so  wurden  die  Wanderer  —  wohl  in  Hospenthal  —  wo  sich  viele 
versammelt  hatten,  um  am  folgenden  Morgen  den  Berg  zu  ersteigen,  gut 
aufgenommen.  Mitten  in  der  Nacht  standen  sie  auf,  er  celebrierte  dort 
und  dann  ging  es  auf  den  Berg^.  Die  Wanderer  erreichten  am  Abend 
Airolo,  wo  sie  bei  dem  Wirte  Gabriel,  der  einst  Knecht  des  Baseler 
Grofskauftnanns  Johannes  Irmi  gewesen  war,  nächtigten.  Überall  hatte 
der  Pater  die  milde  Hand  der  Gläubigen,  die  ihn  förderte,  gespttrt. 
Die  nächsten  Nachtquartiere  waren  Irnis  (vermutlich),  Bellinzona,  Lugano 


*  Vgl.  die  Auszüge  und  Gedichte  Bollet.  storico  17,  16  ff. 

2  Baseler  Beiträge  N.  F.  1,  SU  u.  398.  Ebenso  auf  der  Rückkehr  von 
Venedig  Haus  Porner  aus  Braunschweig  1419  u.  1424.  Röhricht  S.  118  f.  Er  ging 
von  Venedig  durch  das  Ampezzothal  über  Brenner  und  Arlberg,  Feldkirch,  Vaduz, 
Walenstad,  Wesen,  Einsiedeln,  Zürich,  Baden,  Rheinfeldeu  nach  Basel.  Zeitschr. 
d.  bist.  Vereins  f.  Niedersachsen  1875  S.  148  f. 

^  Das  Hospiz  wird  nicht  genannt. 


Die  Nordseite  des  St.  Gotthards  im  fünfzehnten  Jahrhundert.      .      457 

und  Como  ^  Caspar  von  Mlilinen  nahm  auf  seiner  Pilgerfahrt  den  Weg 
über  Interhiken  und  Sarnen,  also  über  den  Brünigpafs,  blieb  einen  Tag 
«les  Ungewitters  wegen  in  Urseren,  ging  dann  über  Faido,  Beilenz, 
Lowenz,  Chiasso  nach  Mailand^. 

Ein  ausgezeichneter  Beobachter  war  der  andalusische  Ritter  Peter 
Tafur,  der  1436  seine  Heimatstadt  Sevilla  verliefs,  um  eine  Weltreise  zu 
machen,  über  die  er  ganz  ausgezeichnete  Aufzeichnungen  hinterlassen 
hat.  Mit  „Wechseln"  hatte  er  sich  versehen  und  so  konnte  er  nach 
Genua,  Florenz,  Rom,  Venedig,  Jerusalem,  Cypern,  Kairo,  Sinai,  Kon- 
stantinopel, das  schwarze  Meer  umschiffend,  dann  wieder  nach  Venedig, 
Mailand  wandern,  ohne  befürchten  zu  müssen,  sein  Hab  und  Gut  zu 
verlieren.  Von  Mailand  ging  er  über  den  Gotthard ,  er  beobachtete  sehr 
gut,  wie  die  Wasser  —  es  war  Ende  August  1438  —  von  der  Schnee- 
schmelze stiegen.  Auch  er  mufste  sich  dem  Ochsenschlitten  anvertrauen 
—  dessen  Bau  ihm  so  verwunderlich  erschien,  dafs  er  ihn  mit  einer 
kastilianischen  Dreschmaschine  verglich.  Das  Tier  zog  an  langem  Seile, 
„wenn  irgendwo  etwas  nicht  richtig,  so  nimmt  der  Ochse  die  Gefahr 
auf  sich."  Und  schon  damals  feuerten  die  Führer  Schüsse  ab,  um  die 
Läuinen  zu  lösen.  Mit  den  Mönchen  des  Hospiz'  unterhielt  er  sich  über 
die  Höhe  der  benachbarten  Gipfel,  dann  erreichte  er  Luzern,  dessen 
vortreffliche  Gasthöfe  er  rühmt.  Auch  die  Schilderung  von  Basel,  dem 
Leben  in  Baden,  das  ihm  sehr  merkwürdig  vorkam,  von  Strafsburg 
zeigen,  wie  dieser  wahrhaft  ritterliche  Spanier  offenen  Auges  durch  das 
Land  reiste,  die  Goldwäsche,  die  Schiffahrt  im  Laufen  von  Laufenburg 
schildert  er  ebenso  anschaulich  wie  richtig^.  Eigentümlicherweise  ist 
ihm  die  Schilderung  von  Luzern  an  die  unrichtige  Stelle  geraten  *.  Seine 
weiteren  Reisen  führten  ihn  nach  Flandern,  noch  einmal  nach  Basel, 
Konstanz,  Nürnberg,  dann  nach  Breslau,  Wien,  Ofen,  Oberitalien  in 
seine  Heimat  zurück. 

Die  sorgfUltigste  Nachricht  ist  die,  die  der  Baseler  Ritter  Hans  von 
Eptingen  von  seiner  1460  unternommenen  Pilgerfahrt  giebt,  insofern  wir 
dort  alle  Stationen  zu  Imbifs  und  Nachtlager  erfahren*^.  Von  Venedig 
hatte  er  den  Weg  nach  Mailand  eingeschlagen:  von  Padua  aus  wurde 
abends  Montebello  erreicht,  Imbifsstation  war  Montebello;  am  nächsten 
Tage  bis  Verona,  am  folgenden  Imbifs  zu  Cavalcaselle  (Wageselle)  dicht 
bei  Peschiera,  Nachtquartier  in  Lonato  (Luna,  auch  Bona  im  Text  ge- 
nannt),   am  folgenden  Imbifs   zu  Brescia,   Nachtquartier   zu  Martinengo 

*  Fratris  Pauli  Waltheri  Itiuerarium  S.  16—19. 

2  Zeitschr.  d.  deutschen  Palästinavereins  11,  185. 
«  Tafur  237.    Häbler  506. 

♦  Tafur  230.   Häbler  503.    Nämlich  vor  den  Übergang  über  den  St.  Gotthar.l. 
"^  Schweizer  Geschichtsforscher  7,  400  ff. 


458 


Vierzigstes  Kapitel. 


(Martholnigo  oder  Marthona).  Der  Reiter  hatte  also  nicht  die  jetzige 
Heerstrafse  benutzt,  sondern  oberhalb  derselben  bei  Pontoglio  den  Oglio 
tiberschritten  *.  Am  letzten  Tage  Imbifs  zu  Cassano  (Kaspan),  abends  in 
Mailand.     Die  folgende  Route  giebt  sich  am  besten  in  Tabellenform. 


Abreise 

Pässe 

Imbifs    '     p^^^    :       Nacht 

Entfernung  in 

von 

ZU 

zu 

Meilen 

^lontag 

Mailand 

^^ 

Mailand 

.^_ 

Como 

0  +  25  Meil.  it 

Dienstag 

Como 

Lugano 
(Lugers) 

Bironico  a.  d. 
M.  Cenere 
(Werone) 

16+  8     -      - 

Mittwoch 

Bironico 

M.  Cenere 

Bei  lenz 

— 

Giomico 
(Imefs) 

8  +  16     -      - 

Donnerst. 

Giomico 

Plattifer       Airolo     StGotth. 

Hospenthal 

1   (Orgis)    , 

(Ospenthal) 

16it.+3d.MeU. 

Freitag 

Hospenthal 

Schöllenen 

Wasen   '        — 

Fluelen 

(Wassen) 

(Pfluegen) 

3  gr.  d.  Meil. 

Samstag 

Fluelen 

fib.  d.  See 

Schwyz 

weiter  nach 
Einsiedeln 

89itn.6d.Meil. 

Nachrichten  über  den  Handel ,  bei  denen  ausdrücklich  der  Gotthard 
erwähnt  wird ,  sind  durchaus  nicht  zahlreich  zur  Hand ,  eine  genauere 
Durchforschung  von  namentlich  Baseler  Familienpapieren  wird  wohl 
wichtige  Ergänzungen  bringen.  Ein  Verzeichnis  von  1453  zählt  22 
Schweizer  und  lombardische  Händler  auf,  die  360  Pferde  über  den  Berg 
brachten  ^  Genauere  Angaben  haben  wir  über  die  Handelszüge  der 
Morosini,  Giorgio  fuhr  1494  fünfmal,  1495  viermal  mit  Tuch,  Bernardo 
Morosini  1496  sechsmal  mit  Tuch  und  Wollballen,  im  ganzen  mit  64 
Saumlast  Tuch  und  39  Wollenballen  über  den  Berg,  auch  im  Winter. 
Der  Pafs  wurde  also  selbst  von  Warenzügen,  nicht  allein  von  Boten  in 
dieser  Jahreszeit  benutzt®. 

In  Kriegszeiten  hatte  der  Gotthard  auch  noch  in  späterer  Zeit  be- 
sonders reges  Leben,  weil  die  von  der  kriegerischen  Front  bisher  bezogenen 
Lebensmittel  dann  von  der  friedlichen  her  beschafft  werden  mufsten.  So 
berichtet  Fründ,  dafs  im  Züricher  Kriege  (1443—46)  Wein  aus  Italien 
gebracht  wurde  und  in  den  Tagen  des  Sieges  von  Giomico  wurde  der 
Handel  und  Transport  von  Bückingen  über  den  Gotthard  frei  gehalten  *. 

^  Eine  Reisebeschreibung  von  1442  giebt  dieselben  Stationen  an :  Mailand,  Lam- 
brate,  Pozzuolo,  Martesana,  Cassano,  Trcviglio,  Marengo,  Martinengo,  Pontoglio, 
Coccaglio, Brescia  u. s. w.  R e c u ei  1  des  voyages  etc.  pour  servir  a  l'hist.  de  la  g^ogr, II, 9. 

8  BoU.  stör.  3,  172  u.  4,  59.  Auch  ein  Strafsburger  »Adam  de  Transhorg*  war 
mit  zwei  Pferden  dabei. 

8  Boll.  stör.  14,  5. 

*  Boll.  stör.  3,  172  und  Eidgen.  Abschiede  3,  1,  25. 


Dritter  Teil. 

DIE  WALLISER  PÄSSE. 


Einundvierzigstes  Kapitel. 
Simplon  und  der  Grofse  St.  Bernhard. 

Susten.  Tranaportordnungen,  Brücken  und  Nebenwege.  Zölle,  Hospize,  Die 
Bedeutung  von  ObencäUis.  Sicherheitsbriefe  und  Beraubungen  in  Verbindung  mit  der 
politischen  Geschichte.  Einflufs  der  Urkantone.  Papst  Gregor  XI.  und  der  Kampf  wider 
die  Visconti.    Anschlufs  an  die  Schweiz.    Die  Pässe  im  fünfzehnten  Jahrhundert, 

Die  Geschichte  der  beiden  grofsen  Walliser  Pässe  seit  1300  läfst 
sich  zunächst  einheitlich  betrachten. 

Die  Zahl  der  Susten,  denen  die  Mailänder  wie  die  Walliser  fort- 
gesetzt ihr  Interesse  zuwandten,  wurde  um  eine  vermehrt,  es  wurde  eine 
solche  zu  Visp,  zwischen  denen  zu  Leuk  und  Brig  eingeschoben.  Der 
Antrag  ging  von  Mailand  aus  und  der  Gesandte  hatte  sowohl  eine  Voll- 
macht vom  Stadtherrn,  Giovanni  Visconti,  wie  von  der  Communittis  merca" 
forum.  Er  schlofs  mit  einem  angesehenen  Bewohner  von  Visp,  dem 
Edelknecht  Johannes  in  Platea  ab,  er  solle  sie  geräumig  und  gut  ver- 
schliefsbar  an  einem  bestimmten  Orte  errichten.  Für  alle  Waren,  die 
thalaufwärts  von  Frankreich  und  sonst  woher  kämen,  versprach  der 
Mailänder  die  Zahlung  von  1  S)  Maurienser  Münze  für  den  Ballen,  bei 
den  Waren,  die  von  der  Lombardei  abwärts  gingen,  war  Sustgeld  nur 
zu  entrichten,  wenn  sie  in  der  Sust  wirklich  gelagert  wurden.  Der  Er- 
bauer verpflichtete  sich,  einen  zuverlässigen  Mann  an  die  Wage  zu  stellen. 
Dieser  Vertrag  von  hibl  *  dürfte  sofort  ausgeführt  sein.  Es  ist  das  letzte 
Mal,  dafs  Mailand,  und  zwar  jetzt  auch  der  Stadtherr,  auf  die  Ausgestal- 
tung der  Simplonstrafse ,  die  ihrer  Initiative  die  Einrichtung  verdankte, 
Einflufs  ausübte.  In  Verträgen  mit  Mailand  waren  nach  und  nach  die 
Transporteinrichtungen    erstanden.     Auch  diese  Sust  und  das  Wagerecht 


'  Oremaud  33,  12. 


4C0  EinundWerzigstes  Kapitel. 

wurde  als  ein  bischöfliches  Lehen  behandelt.  So  erscheint  es  1378  als 
solches  derer  von  Silenen,  genannt  de  Platea;  einer  von  ihnen  wird  be- 
schuldigt, in  der  Zeit  einer  Fehde  Kaufleute  auf  der  Strafse  ohne  Grund 
gefangen  zu  haben.  Im  nächsten  Jahre  erscheint  die  Sust  als  bischöf- 
liches Lehen  der  Herren  von  Raron,  1449  als  der  von  Silenen'. 

Die  Sust  von  B  r  i  g  wird  im  Jahr  131 1  beiläufig  genannt,  1335  erscheint 
auch  sie  als  eine  bischöfliche  Verleihung-.  Die  von  Leuk  wurde  auf 
Grund  eines  wiederum  von  der  Mailänder  Kaufmannschaft  abgeschlossenen 
Vertrages  1336  neu  gebaut.  Sie  war  offenbar  niedergebrannt,  die  neue 
sollte  einen  bedeutenden  Abstand  von  allen  andern  Gebäuden  haben, 
aus  Stein  gebaut  und  mit  Steinen  gedeckt  werden  und  200  Ballen  Wolle 
aufnehmen  können.  Der  Erbauer,  der  für  allen  Schaden,  der  den  Waren 
im  Gebäude  geschieht,  aufzukommen  hat,  soll  nach  Fertigstellung  des 
Baues  V2  ft  Maur.  von  jedem  Ballen  erheben  dürfen;  der  alte  Betrag  von 
1^2  ^  für  Sust,  ^'2  h  für  die  Wage  bleibt  dabei  bestehen  und  auch  diese 
neue  Abgabe  wird  ein  von  der  bischöflichen  Tafel  relevierendes  Lehen*. 

Es  war  diese  Sust  mit  einer  Herberge,  die  1338  mindestens  sechs 
Betten  hatte,  und  einer  Küche  verbunden.  Die  Erbauer  verpachteten  sie 
damals  mit  den  anliegenden  Häusern  und  den  zugehörigen  Wiesen,  auf 
denen  offenbar  das  benötigte  Heu  gewonnen  wurde,  mit  den  Betten  und 
der  Küche,  mit  der  Wasserleitung  und  mit  dem  Zoll  (3  obol.  Maur.  von 
jedem  Ballen  auf-  oder  abwärts,  1  ^  von  jedem  Säumer)  für  40  €ß  Maur. 
jährlich  auf  die  Zeit  von  vier  Jahren  an  einen  Mailänder  Bürger*.  1398 
vermietete  Petrus  von  Raron,  Herr  des  Eifischthales,  die  Suste  und  die 
Herberge  auf  fünf  Jahre  an  einen  Schneider  von  Sitten  für  12  Ä5 
Maurienner  jährlich ;  den  Warenzoll  hatte  sich  der  Herr  vorbehalten  und 
ebenso  bestimmt,  dafs,  wenn  in  der  Pachtzeit  eine  Rompilgerfahrt,  also 
ein  Jubiläum,  wie  es  zu  1400  bevorstehe,  einfalle  und  die  Wirtsleute  dann 
viel  zu  thun  hätten,  nach  dem  Urteil  eines  Lenker  Bürgers  der  Herr 
einen  Anteil  haben  sollte®.  Auch  diese  Sust  war  ein  bischöfliches  Lehen 
und  aus  den  bezüglichen  Urkunden  von  1339  ersieht  man,  dafs  die  oben 
erwähnten  Abgaben  wirklich  erhoben  wurden ;  der  Lehensmann  hatte  der 
bischöflichen  Tafel  einige  übrigens  unbedeutende  Abgaben  zu  entrichten  •. 
Die  Sust  war  an  die  Freiherrn  von  Raron  übergegangen  und  zwar  durch 
die  Schenkung   einer   Tochter   des  Hauses,   das   den  Neubau  aufgeführt 


»  Gremaud  27,  123  u.  156.    39,  421. 

*  Gremaud  82,  25  u.  32,  98.    Im  Besitze  eines  Edelknechts  Stephan  de  Prez. 
'  1336  August  10.    32,  110.    Bevollmächtigter  der  Kaufmannschaft  der  Graf- 
schaft und  Gemeinde  Mailand  ist  Bartolomeus  de  Salario. 

*  Gremaud  32,  144. 
»^  Gremaud  37,  465. 

ö  Gremaud  32,  217  u.  218. 


Simplon  und  der  Grofse  öt.  Bernhard.  461 

hatte,  an  den  Bischof  Wilhelm  von  Raron,  der  dann  seinen  Verwandten 
die  Rechte  gegeben  hatte.     Guichard  wurde  1421  damit  belehnt  ^ 

Die  Sust  zu  Sitten  wird  nur  beiläufig  erwähnt^. 

Auf  italienischer  Seite  wird  an  der  Simplonstrafse  ein  Sustgeld  in 
Domo  d'Ossola  genannt^. 

Auf  die  Transportordnung  hat  Mailand  ebenfalls  einen  bedeutenden 
Einflufs  ausgeübt.  Schon  früher  wurde  erwähnt,  dafs  1307  entschieden 
wurde,  dafs  auf  dem  Simplonpasse  der  Transport  wochenweise  zwischen 
den  Gemeinden  Naters  und  Brig  einerseits  und  Simpeln  umgehen  sollte*. 
Der  „Teiler"  spielte  am  Simplon  eine  grofse  Rolle,  das  Amt  mufs  erblich 
gewesen  sein,  denn  es  wurde  ein  Familienname*,  wie  auch  die  Ingressori 
de  sousta  und  die  Sostioni  zu  solchen  sich  umbildeten  •.  Von  Leuk  be- 
sitzen wir  die  älteste  Transportordnung  unseres  Alpengebietes,  die  im 
Jahre  1310  aufgezeichnet  wurde.  Hier  bestellten  die  Fuhrleute  aus  der 
umfangreichen  Pfarrei  Leuk  einen  Teiler,  der  durch  Boten  Nachricht 
den  einzelnen  Leuten,  wenn  sie  eine  Fuhre  zu  stellen  halten,  zuzuschicken 
hatte,  die  dafür  1  J)  Maur.  Botenlohn  für  den  Ballen  zu  entrichten  hatten. 
Der  Transport  wurde  von  Sust  zu  Sust  ausgeführt ,  drei  Ballen  zu  je 
15  Rubb  wurden  durch  zwei  Tiere,  zwei  durch  eins  gezogen.  Der  Fuhr- 
mann, der  nicht  zur  Primzeit  zur  Stelle  war,  verlor  seinen  Transport, 
auch  durfte  niemand  ohne  Geheifs  des  Teilers  aufladen.  Der  Fuhrmann 
durfte  seinen  Wagen  nach  oben  oder  unten  nur  so  weit  verleihen,  dafs 
er  am  folgenden  Morgen  zur  Primzeit  wieder  an  der  Sust  stand  ^.  Das 
Teileramt  zu  Sitten  wurde  von  der  Gemeinde  vergeben,  aber  die  Be- 
lehnten gaben  es  in  Pacht  und  Aftermiete  weiter®. 

Die  Transportordnung  von  St.  Maurice  ist  von  1320;  sie  richtet  sich 
vor  allem  gegen  den  Mifsbrauch,  dafs  die  Fuhrleute  mit  fremdem  Gespann 
fahren  oder  schwache  und  kranke  Tiere  verwenden  oder  zu  spät  kommen 
und  nicht  vor  der  Mittagszeit  aufbrechen.    Einige  besondere  Bestimmungen 


*  Gremaud  88,  519.  Verzicht  des  Domherrn  Wilhelm  von  Raron  von  1427. 
Gremaud  37,  335;  vgl.  375. 

«  Gremaud  32,  64. 

»  Amodini,  Statuti  §  100. 

*  S.  oben  S.  216. 

^  AnVionius  Partitoris  de  Semplono  junior :  1384.  G  r e m a u d  37, 290.  Auch  1395 : 
37,  432  u.  öfter,  er  war  zugleich  castellanus  de  SmplonOy  s.  Register.  1361 :  NicoHtio 
Partitore  de  Simplmio  33,  204.    1407:   Thomas  Partitoris  de  Simplono  38,  37  u.  öfter. 

ö  Giiigins-la-Sarraz  2,  23. 

"^  Gremaud  31,  191.  Auch  jüngere  von  1372  und  1458  sind  nach  Heus  1er 
S.  236  im  Archiv  von  Leuk  erhalten,  aber  noch  nicht  veröffentlicht. 

®  1330.  Gremaud  31,  568.  1382  Verpachtung  der  »ohventiones  divisionis  seu 
de  hl  partison  haUarum  bolonum  (!)  et  aliaritm  mercimoniarum  transeuntium  per  Sedu- 
num*  für  7  Äf  Maur.    Gremaud  32.  41. 


462  Einuiidvierzigötes  Kapitel. 

betreffen  die  Gastwirte,  die  einen  einzigen  Ballen  eines  Kaufmannes 
aufser  der  Tour  fahren  dürfen.  Über  die  Wahl  des  Teilers  enthält  die 
Ordnung  keine  Bestimmungen  ^ 

Auch  auf  Italienischer  Seite  kenne  ich  wenigstens  eine  Transport- 
ordnung, sie  ist  in  den  Statuten  von  Domo  d'Ossola  von  1425  bezw.  1429 
erhalten  Hier  war  der  Dienst  ganz  wie  in  Wallis  organisiert.  An  der 
Spitze  stand  der  Partitor  ^  der  die  Fahrten  unter  den  Vecturales  und 
Buhulci  verteilte.  Die  Gemeinde  ist  der  Träger  der  Einrichtung  und 
giebt  ihr  ein  Monopol,  auch  die  Ballenbinder  waren  von  der  Gemeinde 
organisiert.  Teiler  gab  es  auch  im  Val  di  Vedro  (Diverio)  und  in  Valle 
Antigorio,  also  fUr  beide  Pafsrichtungen,  die  bei  Domo  d'Ossola  zusammen- 
trafen, jedoch  fuhren  die  Leute  von  Ossola  auch  bis  zum  Spital  von 
Gondo  {hospitdle  de  Condono)^  also  bis  an  den  Anfang  der  Schlucht, 
unterhalb  aber  bis  zum  Ponte  Maleo,  den  ich  nicht  nachweisen  kann. 
Die  umfangreichen  Bestimmungen  sprechen  für  eine  starke  Benutzung 
der  Strafse  ^.  Von  jedem  Fardel  waren  sieben  Imperialen  zu  entrichten, 
wovon  der  Teiler  drei  für  den  Fuhrmann  zurückbehielt,  vier  an  die 
Gemeinde  abzuliefern  hatte®.  Auch  in  Vogogna  gab  es  eine  Transport- 
gesellschaft (roata),  und  eine  Sust*. 

Die  Strafse  überschritt  den  Rhone  bei  Sitten  und  Riddes.  Die  letztere 
Brücke  wurde  mehrfach  umgangen,  etwas  unterhalb  Riddes,  oberhalb 
der  burggekrönten  Saxon  führte  eine  Brücke  über  den  Rhone  nach 
Saillon  und  gewann  dann  bald  oberhalb  Saillon  wieder  die  Strafse  nach 
Sitten.  Ein  Bürger  von  Saillon,  der  zu  St.  Maurice  wohnte,  benutzte 
den  Weg  zum  Warentransport  durch  seine  Heimat*.  Und  auch  von 
andern  Kaufleuten  wurde  der  Weg  gebraucht,  so  dafs,  als  der  Rhone 
Winter  1324/25  die  Brücke  brach  und  nun  über  die  neuentstandenen 
Flufsläufe  neue  Übergänge  errichtet  werden  sollten,  der  savoyische  Richter 
in  Chablais  und  Wallis  die  Bedeutung  für  die  Kaufleute  hervorhob,  um 
den  schnellen  Bau  guter  Brücken  herbeizuführen®.  Die  Brücke  von 
Riddes  verlor  übrigens  keineswegs  allen  Handel,  die  Erheber  des  Brücken- 
zolles erscheinen  mehrfach  in  den  Urkunden '.  Auch  dieses  Brückengeld 
galt  als  ein  bischöfliches  Lehen®. 


1  Gremaud  »3,  461  ff. 

2  Amodini  §§52, 53, 62, 65, 66, 69, 73, 84  (mit  mehreren  Ortsangaben),  99—101  u.  105. 
^  Amodini  §  99. 

♦  Stadtrecht  von  1374  bei  Bianchetti  2,  523. 
»^  1322.    Gremaud  31,  355. 
«  1325.    Gremaud  31,  485. 
-  ^  Gremaud  31,  487. 

8  Gremaud  32,  206.    Belehnunc:  von  1339.     Über  die  Brücken  bei  Brig  vgl. 
die  Urkunde  von  1457  bei  Gremaud  39,  545. 


Simplon  und  der  Grofse  St.  Bernhard.  468 

Für  die  Zölle  liegen  wertvolle  Nachrichten  aus  dem  vierzehnten  und 
fünfzehnten  Jahrhundert  vor.  Ein  Zoll  zu  Domo  d'Ossola  scheint  ursprüng- 
lich dem  Bistum  Novara  gehört  zu  haben  ^.  Der  erste  Zoll  auf  Walliser 
Boden  war  der  zu  Simpeln,  dort  nahm  der  Meyer  von  Simpeln  von  jedem 
Pferde  3  ^  Maurienn.  oder  12  Imperialen  und  Antonius  Richardi  nahm 
sie  auch  von  40  Pferden,  die  von  Familiären  Papst  Johannes'  XXII.  ge- 
ritten wurden,  und  schimpfte  recht  kräftig  über  den  Papst,  den  er  nicht 
anerkennen  würde,  bevor  er  nicht  nach  Rom  ziehe.  Wenn  der  Papst  und 
seine  Kardinäle  kämen,  würde  er  sie  gerade  so  behandeln,  die  Familiären 
müfsten  zahlen,  ob  sie  wollten  oder  nicht ^.  Zu  oberst  im  Rhonethal 
wurde  ein  Zoll  in  Brig  erhoben. 

Die  einzelnen  Angaben  über  diesen  Zoll  lassen  mich  vermuten,  dafs 
es  sich  um  zwei  Abgaben  handelt:  um  ein  niedriges  Sustgeld  und  einen 
rechten,  namentlich  auch  vom  Vieh  erhobenen  Zoll.  Für  ersteres  sind 
wohl  die  Nachrichten  in  Anspruch  zu  nehmen,  welche  eich  auf  den  Zoll 
der  Herren  von  Thurn  und  Gestelen  beziehen.  1333  hatte  ihn  Peter 
von  Thurn  an  einen  Lombarden  verpachtet^,  1338  erwähnt  der  aus 
diesem  Hause  stammende  Bischof  Aymo  seinen  Zöllner  zu  Brig*.  Sicher 
ist  ein  Sustgeld  der  halbe  Zoll,  den  Johannes  Esperlin  1362  erhob  und 
seiner  Tochter  übergab :  *unum  denarium  Maurienscm  cum  pogesia  pro 
gualibet  balla  et  magno  equo^;  den  Jahresertrag  giebt  er  auf  25  ü  Maur. 
jährlich  an,  wir  erhalten  dadurch  eine  sehr  willkommene  Mitteilung  über 
die  Verkehrshöhe  ^  1398  war  eine  Rente  von  100  >S  Maur.  darauf  ver- 
pftlndet*.  Ein  richtiger  Zoll  ist  dagegen  derjenige,  dessen  Höhe  1394 
als  altgebräuchlich  durch  Zeugen  festgestellt  wurde:  von  jedem  Ballen 
Wolle  vom  Simplon  her  3  ^,  Ballen  Tuch  4  ?),  von  jedem  Ballen  vom 
oder  zum  Berge  3  ^,  von  jedem  grofsen  Pferde  6^/2  J),  vom  roncinas  3, 
vom  Fufsgänger  1,  einem  belasteten  Träger  2  ^,  von  jedem  gröfseren 
Stück  Vieh  2  h,  von  Hammeln,  Schafen,  Schweinen:  ^unarn  poysam 
seu  oriuncium«.     Von  einer  »Zßcftin«  mit  Falken  und  Habichten  2  ^,  jeder 


'  Vgl.  Amodini  S.  22. 

-  Gremaud  31,  444.  Die  Klagen  der  Familiären  fanden  bei  der  Kirche  von 
Sitten  natürlich  Gehör. 

^  Gremaud  32,  57.  Die  Angabe  »videUcet  unum  flor,  pro  q^talibet  balla  et 
qnolibei  magno  equo«  ist  natürlich  unrichtig,  wahrscheinlich  ist  statt  flortnum  ein- 
fach denarium  zu  lesen. 

^  Gremaud  32,  136. 

^  Gremaud  33,  228.  »Frimojus  suum,  viJeh'cet  medieiatem pedagii  et  emölumenti, 
quod  percipit  dktus  Johannas  cum  AnHionio  ntpote  suo,  qui  percipiunt  apud  Briga,  de 
quo  pedagio  percipit  dictns  JoJuinnes  unum  den,  Mauriensem  cum  pogesia  pro  qualihet 
balla  et  magno  equo  et  omnibus  aliis  dicto  Johanni  in  dicto  pedagio  competentibus ^  et 
hoc  pro  precio  viginti  quinque  €t  Maur.  redditus  ««nt«'.« 

«  Gremaud  37,  459. 


464  Ei nundvi orzigstes  Kapitel. 

Saumlast  Unefsbarem  1  ^,  jeder  Saumlast  Efsbarem  2  ^.  Zollfrei  waren 
von  den  letzten  beiden  Abgaben  die  Walliser  *.  Zu  Leuk  wurde  nur 
ein  Sustgeld  erhoben,  kein  eigentlicher  Zoll-,  dahingegen  hatte  der 
bischöfliche  saltertis  (sautier)  von  jedem  neunten  Ballen  einen  halben 
Pfennig  als  Wägelohn  zu  beanspruchen®.  In  Oranges,  das  damals  noch 
auf  doTTi  rechten  Rhoneufer  lag,  erscheint  1389  die  ganze  Castellanie 
dieses  Xauiens  im  Besitze  eines  Zolles,  der  ein  bischöfliches  Lehen  war: 
von  jedem  Ballen  2  ^  Maur.  und  von  jedem  Pferde  ^de  pryes<!^  —  ein 
Ausdruck,  den  auch  Gremaud  nicht  erklärt  hat  —  so  viel  wie  in  Sitten 
bezahlt  wurde.  1383  erstritt  die  Witwe  des  Edelknechts  Jakob  Tavelli 
vom  Bischof  von  Sitten,  dafs  ihr  der  bisherige  Anteil  an  dem  Zolle  zu- 
stehen solle*. 

Die  Angaben  über  die  verschiedenen  Zölle  von  Sitten  sind  mit  denen 
der  früheren  Periode  nicht  leicht  in  Einklang  zu  bringen.  Soviel  man 
erkennen  kann,  waren  bis  zum  Ende  des  vierzehnten  Jahrhunderts  alle 
Zölle  noch  bischöflich,  jedoch  waren  sie  zum  Teil  verpfändet.  So  1331 
der  Ertrag  bis  zu  10  ft  Maur.  schon  seit  den  Tagen  des  Bischofs  Bonifaz. 
Anderes  war  zu  Lehen  gegeben,  so  1  S)  von  jedem  Ballen  und  jedem 
grofsen  Pferde,  2  c>)  von  jedem  belasteten  Wagen  an  einen  Bürger  von 
Sitten,  ein  anderer  durfte  bis  zum  Ertrage  von  15  ÄJ  vom  alten  Zoll 
von  jedem  Ballen  mit  Ausnahme  Eisens  1  ft,  und  von  deni  Eisenzolle 
auch  je  1  ^  erheben  und  hatte  dafür  einen  Teil  der  öffentlichen  Strafse 
in  Stand  zu  halten^. 

Davon  verschieden  ist  das  :>jus  quod  habentus  in  charragiiSj  turnis 
ei  dmtihus  sortarum,  ballarum  et  fardellorumty  das  der  Bischof  1378  für 
4  ii  Maur.  der  Stadt  Sitten,  1382  aber  für  je  15  fl.  an  einen  Bewohner 
von  Sitten  verpachtete.  Verstehe  ich  diese  letzte  Nachricht  richtig,  so 
dürfte  es  sich  um  ein  altes  bischöfliches  Privileg  handeln,  nach  welchem 
er  ein  Monopol  für .  den  Transport  aller  Waren  durch  seine  Wagen 
besafs*. 


>  Gremaud  37,  427.  In  derselben  Urkunde  werden  weitere  Viehzölle  be- 
sprochen, ebenso  87,  261  u.  89,  265.  Da  der  Viehhandel  damals  aber  nur  für  kurze  Ent- 
fernungen Bedeutung  hatte,  übergehe  ich  ihn  hier. 

2  Nach  Furrer  1,  199  kaufte  Leuk  1486  um  5000  Pfund  den  Zoll. 

»  Gremaud  32,  221  u.  37,  12  (1839  u.  76).  Aufserdem  wurde  für  den  Weg 
der  von  Leuk  seitwärts  zum  Lenker  Bade  führte,  ein  Weggeld  erhoben.  Gremaud 
37,  585  zu  1402. 

*  Gremaud  32,  206.   37,  271. 

B  Gremaud  32,  20.    178.    179. 

ö  Gremaud  37,  145  u.  260.  »Quas  bcüJas  et  fardellos  ducere  per  noatros  atrrus 
vel  alium  nomine  nostro  d^hemus,  nos  videnUs  quod,  quantum  ad  praesens ^  in  hiis 
vacare  non  2)ossu7nuS9.  Vielleicht  handelt  es  sich  um  einen  Anteil  an  jeder  Rod. 
1878  überläfst  der  Bischof  für  10  Goldgulden  das  Recht  der  mensa  episcopalis  »pro 


Simplon  und  der  Grofse  St.  Bernhard.  465 

Vom  Zoll  zu  Martigny  war  mindestens  ein  Teil  (^/2  9)  von  jedem 
Ballen)  bischöfliches  Lehen  ^.  In  St  Maurice  erwarb  Graf  Amadeus  V. 
von  Savoyen  im  Anfang  des  vierzehnten  Jahrhunderts  von  dem  Herrn 
von  CoUombey  die  verschiedenen  Zölle;  zunächst  1303  10  ü  Maurienner 
jährlich  und  aus  den  Angaben  des  Verkäufers,  dafs  der  für  die  dos  fest- 
gelegte Teil  des  Ertrages  des  Zolles  sich  auf  80  €6  Maurienner  belief, 
sehen  wir,  dafs  das  nur  ein  geringer  Teil  des  Gesamtertrages  von  240  ü 
Maurienner  war.  Der  Verkauf  des  Restes  erfolgte  im  nächsten  Jahre.  Der 
Preis  ist  allerdings  nur  140  ü  Maur.,  was  einem  Ertrage  von  14  ^  etwa 
entsprechen  würde,  es  sind  aber  vielleicht  weitere  Urkunden  verloren,  so 
dafs  die  oben  angegebene  Gesamtsumme  doch  richtig  sein  könnte.  Der 
Herr  von  CoUombey  veräufserte  für  diese  Summe  den  zu  St.  Maurice 
erhobenen  Zoll,  der  genannt  wurde:  ^pedagium  FasciniacU,  von  jedem 
Tuch-  oder  Wollenballen  2  o^,  und  das  ^pedagium  quaiuor  episcopatuumt^ 
von  jedem  Ballen  mit  Leinenstücken  oder  Fellen  oder  sonstigen  Sachen  1  3>  *. 

Die  savoyischen  Zölle  am  Genfersee,  im  Waadtlande  und  im  Ge- 
biete des  südlichen  Jura  verfolge  ich  nicht  weiter. 

An  Hospitälern  erscheint  neu  zum  erstenmal  1425  das  zu  Gondo 
am  Eingang  der  schaurigen  Schlucht^.  Bisher  hielt  man  die  Gründung 
für  jünger,  was  für  den  finsteren  vielstöckigen  Bau  zutreffen  mag. 

Das  Johanniterhospiz  jenseits  der  Pafshöhe,  das  Hospitale  8.  Jacobi 
de  Collibus  montis  de  Briga  erscheint  1322,  als  Johann  von  der  Sust  zu 
Brig,  der  mit  dem  Gedanken  umging,  in  den  Orden  einzutreten,  ihm 
eine  Schenkung  machte*.  Das  Johanniterhaus  zu  Salquenen  blieb  be- 
stehen, während  die  Ritter  vom  Simplon  verschwanden.  In  einer  Urkunde 
von  1437  wird  die  Pflicht  des  ^hospüalarius  hospitalts  sancti  Jacobi  vocati 
moniis  de  Halsent,  nicht  etwa  des  Johanniterkonvents  erwähnt,  den  Bischof 
bei  seiner  Durchreise  mit  drei  Personen  und  drei  Pferden  aufzunehmen  *. 
Das  Haus  auf  der  Pafshöhe  zerfiel,  die  Güter  blieben  jedoch  mit  ihm 
verbunden,  auch  wurde  immer  noch  den  Wanderern  Gutes  gethan.  1621 
übergab  der  Besitzer  die  Güter  an  das  Spital  St.  Anton  in  Brig,  das 
1655  dieselben  an  die  Familie  Stockalper  verkaufte,  denen  die  Pflicht 
zufiel,  die  armen  Pilger  und  Durchreisenden  zu  beherbergen*.  Das  Ge- 
bäude steht  noch  heute  und  wird  noch  wohl  von  Hirten  bewohnt. 


qtialibet  aosta  baUam  chariare  in  quolibet  turno  charHagii  et  tumi  hallarum  et  fardd- 
lorum  unum  tumum.*    Gremaud  87,  149. 

1  1339.    Gremaud  32,  192. 

«  Gremaud  81,  65  u.  98. 

'  Amodini  §  84. 

*  Gremaud  31,  360.   Nach  Gingins-la-Sarraz  3,  157  wird  das  Hospiz  noch 
1470  genannt,  jedenfalls  war  es  tief  herabgekommen. 

^  Gremaud  39,  140.   Handelt  auch  über  das  Patronat  der  Kirche  von  Simpeln. 

«  Jolier  in  Blättern  aus  d.  Walliser  Gesch.  2,  116  ff. 
Schulte,  Oeseh.  d.  mittelaltarl.  Handels.    I.  80 


466  Einundvierzigstes  Kapitel. 

In  der  Zwischenzeit  hat  vermutlich  der  Turm  in  Simpeln  den  Wanderern 
als  Unterkunft  gedient,  1380  befahl  der  Bischof,  der  das  Meiertum  nach 
und  nach  wieder  erworben  hatte,  dem  neu  eingesetzten  Kastellan,  den- 
selben wieder  herzustellen.  Das  Geschlecht  der  Meyer  von  Simpeln  war 
inzwischen  ausgewandert.  Die  niedere  Gerichtsbarkeit  „im  Walde"  von 
Simpeln  war  noch  1395  im  Besitze  der  Familie  von  Ornavasso,  die  auch 
das  Patronat  der  Kirche  hatte.  Die  Reihe  der  Pfarrer  an  der  nicht  eben 
einträglichen  Kirche  läfst  sich  gut  verfolgen  ^ 

Das  Johanniterhospiz  wurde  zum  Teil  auch  ersetzt  durch  das  filir 
arme  Pilger  und  Durchreisende  bestimmte  St.  Antonienspital  zu  Brig, 
das  1304  der  Sittener  Bischof  Bonifaz  von  Challant  begründete.  Dieser 
Bau  wurde  auch  durch  die  Bischöfe  von  Grenoble,  Belley,  Aosta  und 
Genf  unterstützt,  und  es  dürfte  das  Spital  St.  Antoine  im  Viennois 
das  Muster  gewesen  sein*.  Später  nahmen  sich  die  deutschen  oberen 
Zehnten  von  Wallis  der  Stiftung  sehr  lebhaft  an  und  erklärten,  dafs  sie 
die  bisher  dem  grofsen  Spital  von  St.  Antoine  zugewiesenen  Opfer- 
spenden in  Zukunft  dem  Briger  zuwenden  wollten.  Dem  Antoniter 
Orden,  der  bis  dahin  Boten  in  diese  Gegenden  gesandt  hatte,  wurden 
also  die  Gaben  entzogen  und  der  lokalen  Anstalt  zugewendet®.  Die 
Verleihung  des  Spitals  stand  dem  Bischof  zu,  1360  hatte  es  ein  Nepote 
des  Bischofs,  der  es  einem  Kleriker  auf  acht  Jahre  gegen  einen  Zins 
von  18  fl.  verpachtete*. 

In  Sitten  gab  es  drei  Spitäler;  das  älteste,  das  St.  Johanneshospital, 
wurde  durch  den  Hebdomedar  des  Domstifts  besetzt,  das  St.  Georgs- 
spital wurde  1316  durch  einen  Sittener  Bürger  begründet  und  stand 
unter  dem  Patronate  der  Stadt;  das  unbedeutendste  war  wohl  das  schon 
1294  genannte  Marienspital,  dessen  Patron  der  Bischof  war.  Da  die 
Verwaltung  der  drei  Hospitäler  lange  Zeit  einem  einzigen  Rektor  an- 
vertraut wurde,  entstand  ein  Übergewicht  des  domkapitulari sehen  Hospi- 
tales,  das  die  beiden  andern  in  sich  aufgenommen  zu  haben  schien^. 
Daneben  gab  es  noch  das  ^hospitdle  Montis  Jovis  Seduni ^  *.  In  Plan 
Conthey  wurde  1412  ein  Hospital  begründet,  bei  Martigny  gab  es  eben- 
falls ein  solches^. 


^  Gremaud  87,  211.  Vgl.  32,  66  Erwerb  eines  Drittels  von  Meyeramt  und 
Turm.    37,  433.   33,  209.  83,  262.  32,  268.  33,  209.  37,  483  u.  öfter. 

°  Gremaud  31,  85  u.  99  und  Joller,  Spital  d.  Stadt  Brig  in  Blätter  aus 
der  Walliser  Gesch.  2,  111—127  mit  Urkundenbeilagen. 

^  Je  11  er  S.  121.  Das  Ordenshaus  lag  in  der  Gemeinde  S.  Didier  de  la  Mothe 
im  Viennois. 

*  Gremaud  83,  182. 

^  Gremaud  31,  584.  80,  462.   87,  338  ff.  u.  38,  466. 

ö  Gremaud  38,  164. 

'  Gremaud  88,  99.  38,  51.. 


Simplon  und  der  Grofse  St.  Bernhard«  467 

Weiter  unterhalb  folgten  die  Spitäler  von  Aigle,  welches  gegen  Ende 
des  vierzehnten  Jahrhunderts  gestiftet  wurde,  und  das  schon  weit  ältere 
und  sehr  reiche  von  Villeneuve^ 

Die  Geschichte  des  Hospizes  auf  dem  Grofsen  St.  Bernhard  ist 
in  dieser  Periode  arm  an  interessanten  Momenten.  Die  Zeit  der  grofsen 
Schenkungen  ist  vorüber,  das  Hospiz  ist  in  den  Zustand  der  Sättigung 
eingetreten,  der  bei  vielen  andern  Klöstern  dem  Verfalle  voraufgeht. 
Klagen  über  das  Leben  im  Hospizkloster  treten  aber  nicht  auf  und 
so  mag  die  Blüte  desselben  ohne  Unterbrechung  fortgedauert  haben. 
Schenkungen  sind  mir  keine  bekannt  geworden,  wohl  aber  viele  Be- 
mühungen, den  alten  weitzerstreuten  Besitz  zu  verteidigen  *.  Das  Hospiz 
koUektierte  auch  im  fünfzehnten  Jahrhundert  noch  durch  ausgesendete 
Boten,  die  aber  manche  Bischöfe  nur  gegen  einen  Anteil  an  dem  Er- 
trage zulassen  wollten.  In  der  Waadt  brachte  die  Kollekte  noch  immer 
eine  hübsche  Summe,  sie  wurde  einmal  um  80  fl.  jährlich  verpachtet®. 
Die  Reihe  der  päpstlichen  Privilegien  und  Privilegienbestätigungen  ist 
weit  länger  als  die  der  landesherrlichen*;  aber  auch  die  Grafen  von 
Savoyen  haben  wiederholt  in  Liebe  des  Hospizes  gedacht*. 

Für  den  internationalen  Handel  haben  die  Märkte  an  der  St.  Bernhard- 
strafse,  die  zu  Orsi^res  1379,  zu  Sembrancher  neben  einer  älteren  1324 
und  zu  Martigny  1392  errichtet  wurden  •,  wohl  ebensowenig  Bedeutung 
gehabt,  wie  der  1431  zu  Conthey  begründete^. 

Der  Schwerpunkt  der  Geschichte  von  Wallis  verlegte  sich  im 
späteren  Mittelalter  in  die  deutschen  Gemeinden  von  Oberwallis  und  das 
beruht  unzweifelhaft  auf  der  beherrschenden  geographischen  Stellung 
der  oberen  Zehnten,  die  im  Besitze  von  Pässen  nach  der  Bemer  Seite, 
nach  Urseren  und  nach  Italien  unendlich  viel  mehr  Aktionsfreiheit  hatten 
als  Unterwallis,  das  fast  überall  an  das  savoyische  Gebiet  stiefs  und 
dessen  Herrscherhaus  energisch  dem  Ziele  zustrebte,  das  Wallis  dem 
eigenen  Staate  einzuverleiben.  In  den  oberen  Gemeinden  wirkte  das 
Beispiel  der  Urkantone  und  auch  hier  war  die  Wurzel  der  Entwicklung 
dieselbe:  die  Selbstverwaltung,  die  politische  Emancipation  der  Ge- 
meinden ,   die   durch  ihren  Anteil  am  Weltverkehr  Kraft  und  Umblick 


1  Gremaud  37,  441.   29,  470. 

2  Gremaud  37,  59ff.   569  ff.    Auch  32,  73  u.  öfter. 

'  Gremaud  33,  331,   33,  456.    Eine  Erlaubnis  zum  Betteln  im  Bist.  Konstanz 
1455  Arch.  f.  Schweiz.  Gesch.  2,  124.    Gremaud  38,  142. 

*  Gremaud  32,  333.    466.    33,  327  f.    412.    458  f.  464.    468.   479.    37,  15.    159. 
409.   38,  12.   91.    130.  356.   39,  43.    Besonders  interessant  38,  253-55. 

»  Gremaud  31,  26.   33,  470.   37,  460. 

^  Orsi^res  Gremaud  37, 187.  Ueu8ler29,260.  Sembrancher  Gremaud  31,  603. 
Martignj  Gremaud  37,  392. 

"^  Heusler  in  Zeitschr.  f.  Schweiz.  Recht  29,  270. 

80* 


468  Einundvierzigstes  KapiteL 

gewannen.  Der  Kampf  vollzieht  sich  vor  allem  im  Gegensatz  zu  Savoyen 
und  der  erste  Bisehof,  der  sich  energisch  gegen  sie  stellte,  war  ein  Ober- 
walliser,  Aimo  von  Thurn-Gestelen ;  er  vollzieht  sich  mitunter  im  Wider- 
streit mit  dem  Adel  —  in  den  beiden  grofsen  Katastrophen  der  Thurn 
von  Gestelen  und  der  Freiherm  von  Raron  wurde  er  zerrieben.  Mit- 
unter söhnte  sich  der  Gegensatz  zum  Bistimi  aus,  auf  dessen  Kosten 
schliefslich  das  Wallis  sich  begründete. 

Es  ist  nicht  meine  Aufgabe,  diese  Entwicklung  im  einzelnen  zu 
charakterisieren;  ich  will  nur  das  genauer  behandeln,  wo  der  Einflufs 
auf  den  Handel  und  Verkehr  besonders  deutlich  hervortritt.  In  Wit- 
schard Tavel  gelangte  1343  der  ehemalige  Kanzler  von  Savoyen  auf  den 
bischöflichen  Stuhl,  der  sich  zunächst  an  Savoyen  anlehnte  und  es  er- 
neut zuliefs,  dafs  die  Grafen  auf  die  inneren  Angelegenheiten  des  Landes 
einen  grofsen  Einflufs  gewannen.  Diese  hatten  auch  in  dieser  Periode 
ein  lebhaftes  Interesse  für  den  Verkehr  durch  Wallis.  Graf  Aimo  stellte 
1336  der  Kaufmannschaft  von  Mailand  einen  Sicherheitsbrief  von  dem 
Morgebache,  der  Grenze  von  Ober-  und  Unterwallis,  an  über  den 
Genfersee  oder  an  seinem  Südufer  entlang  nach  Genf  und  weiter  nach 
Seyssel  und  bis  zur  Saöne.  Die  Bestimmungen  waren  sehr  günstig  und 
das  Privileg  wurde  auch  auf  die  Kaufleute  von  Venedig  und  Italien  aus- 
gedehnt^. Zwei  Jahre  später  mufste  der  Zöllner  von  S.  Maurice  zum 
Bischof  von  Novara  und  Azzo  Visconti  reisen,  damit  die  Einrichtung 
der  Simplonroute  sich  nach  den  Abmachungen  Ludwigs  von  Savoyen 
vollziehe  ^, 

Der  schwere  fünfzehnjährige  Walliser  innere  Kampf  knüpfte  sich 
an  die  Gefangennahme  eines  italienischen  Kaufmanns,  allerdings  war  das 
kein  Warenhändler,  sondern  einer  der  uns  wohlbekannten  Kawerschen. 
Palmerio  Turchi  di  Castello,  Besitzer  einer  casana  in  Thonon  und  einer 
solchen  in  Sitten  wurde  in  Oberwallis  von  Johann  von  Mund  und  Ge- 
nossen gefangen  gesetzt.  Sofort  stockte  nun  der  Verkehr,  die  Kaufleute 
blieben  fort  und,  um  sie  wieder  zu  gewinnen,  wurde  zwischen  Savoyen 
und  dem  Bischöfe  abgemacht,  dafs  Palmerio  4000  fl.  für  sein  Genommenes 
erhalten  sollte.  Das  Statut  von  Naters  setzte  feierlich  fest,  dafs  niemand 
Kauf  leute  oder  andere  Wanderer  schädigen  solle ;  bis  in  die  vierte  Gene- 
ration sollten  die  Thäter  gestraft  werden.  Jeder  müfste  dem  Angefallenen 
Schutz   gewähren   und   den   Thäter  dem  bischöflichen   Hofe   ausliefern. 


1  Vgl.  das  Regest  bei  Cibrario,  Operette  98  ff.  van  Berchem  128.  In  der 
Erneuerung,  die  mir  in  Turin  vorlag,  heifst  es  »ab  aqua  de  Morgia,  que  est  ifUer 
Contegium  et  Sedinum  vcniendo  per  terram  vel  per  aquam  per  Agmannum  et  dvitatem 
Gtbenarum  versus  SayHUum  et  ultra  usque  ad  flumen  Schone;  Erneuert  wurde  das 
PrivUeg  1347,  1399,  1445,  1457,  1465,  1470  u.  1473. 

'  van  Berchem  128. 


Simplon  und  der  Grofse  St  Bernhard.  4g9 

Das  Statut  wurde  von  zahlreichen  Personen  feierlich  beschworen,  allein 
nicht  von   allen*.     Dem  widersetzten   sich  die  obersten  Zehnten,   dieser 
Ausgleich  war   nicht  durchzuführen  und  so  gab  Graf  Amadeus  VI.  den 
Mailänder  Kaufleuten   aufser  dem  alten  Geleitsbrief  von  1347  auch  die- 
selben Privilegien  für  die  Route  über  dcB  >Mont  Cenis.     Sehr  bald  kam 
es  aber  zum  Bruch  zwischen  Luchino  Visconti   und  den  Savoyem  und 
diese  liefsen  nun  die  Mailänder  Kaufleute  ausplündern,  so  dafs  der  Ver- 
kehr durch  Wallis  völlig  unterbrochen   wurde.     In  den  Verhandlungen 
wies  Graf  Amadeus  darauf  hin,  dafs  er  mit  Mailand  im  Kriege  lebe.    Er 
war  ganz  damit  einverstanden,  dafs  die  Walliser  mit  den  Mailänder  Kauf- 
leuten verhandelten,   diese   sollten   sich   verpflichten,   durch  Wallis   und 
Savoyen  ihren  Weg  zu  nehmen.     Das  war  ihm  das  Hauptziel,  wenn  sie 
sich  in  genügender  Weise  bänden,   wolle  er  die  Ballen  ganz  frei  geben, 
wollten  sie  das   nicht,   so   sollten   sie  ihm  10000  fl.  leihweise  geben  und 
die  Waren   der   Mailänder   sollten    solange    zollfrei    bleiben,    bis    diese 
10000  fl.   an  Zoll   erreicht  seien;   wenn  die  Kaufleute  dann  nicht  regel- 
mäfsig  diesen  Weg  einschlügen,  solle  das  Geld  dem  Grafen  verfallen  sein. 
Die  WalHser  vereinbarten  mit  dem  Grafen  weiter,   dafs,   wenn  die  Mai- 
länder andere  Wege  mit  ihren  Waren  fahren  sollten,  die,  welche  zuerst 
davon   erfahren,   solange  dieser  Krieg   des  Grafen   mit  Mailand  dauere, 
zufahren   und  diese  Wege  zerstören  sollen.    In   der  feierlichsten   Form 
wurde  das  von  den  zahlreichen  Vertretern  der  Gemeinden  mit  den  Herren 
beschworen  und  gelobt". 

Der  baldige  Friedenschlufs  zwischen  Savoyen  und  Mailand  stellte 
den  Verkehr  der  Kaufleute  wieder  her.  Da  die  Sache  des  Astigianen 
ausgeschieden  war,  fanden  sich  nun  auch  alle  Zehnten  bereit,  das  Statut 
von  Naters  zu  beschwören ;  der.Bischof  reiste  deshalb  selbst  umher,  und 
wieder  erschienen  Mailänder  und  im  Oktober  1351  schlössen  sie  über 
den  Bau  einer  Sust  in  Visp  ab.  Es  mag  sein,  dafs  sie  nicht  auf  den 
Simplonverkehr  berechnet  war,  sondern  für  einen  solchen  über  den  An- 
trona-  und  Monte  Moropafs. 

Wallis  genofs  nur  kurze  Zeit  der  Ruhe.  Der  Streit  der  Thum  mit 
dem  Bischöfe  rief  erneuten  Kampf  hervor  und  viel  zu  oft  hatte  dieser 
sich  den  demokratischen  Gelüsten  entgegengeworfen,  viel  zu  sehr  ver- 
trat'er  savoyische  Interessen,  er  machte  durch  diese  Politik  den 
Konflikt  mit  den  Oberwallisem ,  die  ihm  den  Gehorsam  versagten,  nur 
schlimmer.  Der  zweimalige  Eroberungszug  der  Savoyer  (1352)  hatte 
das  Geschick  der  Astigianen  zum  Vorwand,  die  Eroberung  von  Wallis 
zum  Ziele.   Der  Bischof,  ohnmächtig  wie  er  war,  warf  sich  den  Savoyern 


1  Heusler  in  Zeitschr.  f.  Schweiz.  Becht  29,  176  und  van  Berchem  829  £ 
•  Gremaud  32,  477. 


470  Einundvi erzigstes  Kapitel. 

in  die  Arme  und  übergab  die  Verwaltung  der  Temporalien  dem  Grafen; 
Amadeus  VI.  schien  einen  Augenblick  ohne  Rechtsverletzung  Hen*  in 
Wallis  zu  werden  und  dem  Savoyer  schien  zu  gelingen,  was  den  Habs- 
burgem  mifsglückt  war,  die  Gemeindefreiheit  auch  in  den  entlegensten 
Thälem  niederzuwerfen.  Aber  der  demokratische  Geist  von  Uri  und 
Urseren  hatte  jenseits  der  Furka  fruchtbaren  Boden  gefunden  und  es 
ist  eins  der  schönsten  Ergebnisse  der  feinen  Untersuchungen  van  Berchems, 
dafs  er  zeigte,  wie  sich  die  drei  Parteien  bekämpften.  Die  eine,  des 
obersten  Zehnten,  ward  beherrscht  von  den  Selbstverwaltungsideen  der 
Urkantone,  hier  ist  die  Freiheit  von  Savoyen,  wie  vom  Bischöfe  das  Ziel. 
Von  Uri  her  hatten  die  Familien  Silenen  und  Attinghausen  Besitz  in 
dem  Zehnten  Goms  erhalten  und  schon  1346  hatten  die  obersten  Zehnten, 
ohne  des  Bischofs  zu  erwähnen,  sich  mit  Urseren  verbunden,  um  in  Zu- 
kunft alle  Räubereien  von  Wallisem  auf  der  Gotthardroute  zu  ver- 
hindern ^.  Sie  gaben  sich  nun  als  Haupt  einen  Mann,  der  bei  ihnen 
Besitzungen  hatte  und  der  in  allen  Verhandlungen  über  die  Ausnützung 
des  Gotthards  stets  voranstand,  den  Landammann  von  Uri,  Freiherrn 
Johann  von  Attinghausen.  Nicht  dem  Bischöfe,  nicht  dem  Kaiser, 
sondern  dem  Volke  verdankte  er  das  Amt  eines  Rektors  des  Landes 
über  dem  Deischberg.  In  der  Mitte  des  Thaies  gab  es  eine  Partei, 
die  für  die  Einheit  und  für  die  Freiheit  des  Landes  eintrat.  Gegen 
den  Savoyer  wandte  sie  sich  an  Karl  IV.  und  dieser,  der  einst  selbst 
über  den  Simplon  gefahren  war*,  schickte  zunächst  den  uns  wohlbe- 
kannten Ritter  Burkhard  Münch  und,  als  dieser  nach  Italien  abging, 
trat  Graf  Peter  von  Aarberg  an  seine  Stelle,  der  reiche  Erfolge  hatte. 
Aber  da  Karl  IV.  sich  mit  dem  Savoyer  aussöhnte,  wurde  dies  Walliser 
Unternehmen  von  ihm  aufgegeben,  der  Aarberger  wurde  machtloser  und 
wich  schliefslich  vor  dem  Savoyer  zurück.  Die  obersten  Zehnten  hatten 
höchst  wahrscheinlich  eine  nahe  Verbindung  mit  den  Eidgenossen  ein- 
gegangen. Wenigstens  beriefen  sich  die  Bewohner  des  Ernenthales  auf 
ihr  Bündnis  mit  Zürich  und  Bern  und  den  Kampf  dieser  Gemeinden 
mit  Österreich,  als  sie  1855  einem  französischen  Kaufmann  in  ihrem 
Thale  elf  Barchentballen  im  Werte  von  2000  fl.  niederwarfen®.  Nach 
dem  Abzüge  des  Aarbergers  verbanden  sich  alle  Oberwalliser,  schliefslich 
räumte  der  Savoyer  durch  den  Vertrag  von  fivian  1361  seine  Positronen 
oberhalb  Monthey,  die  Sache  der  Walliser  Gemeinden  hatte  triumphiert 
und  das  hatten  sie  nicht  dem  Reiche  zu  verdanken,  sondern  nur  sich  selbst. 
Die  Eidgenossenschaft  hatte  einmal  schon  über  die  Furka  hinübergegriffen, 

^  Geschichtsfreund  1,  74.    van  Berchem  133  u.  207. 

•  Autobiographie  bei  Böhmer,  Fontes,  1,  236:   »Transivi  montes  3rige  et  veni 
in  territorium  Novariense*.    Es  war  1331. 

•  van  Berchem  229. 


Simplou  und  der  Grofse  St.  Bernhard.  471 

wenn  sich  jetzt  diese  Verbindung  auch  wieder  vollständig  löste,  so  war 
der  Weg  doch  gewiesen.  Zunächst  kam  es  zu  Konflikten,  deren  Ursachen 
uns  unbekannt  sind,  bei  denen  man  aber  an  Störungen  des  Verkehrs 
denkt;  der  Rat  von  Luzern  versöhnte  1368  die  Parteien  ^ 

Die  Ruhe  des  Wandels  wurde,  kaum  hergestellt,  wieder  unterbrochen. 
In  dem  Kampfe  gegen  die  beiden  Visconti,  Bernabö  und  Galeazzo  bildete 
der  Papst  Gregor  XL  eine  Liga  aller  Nachbarn  und  warb  für  sie  auch  bei 
den  Wallisern.  Wie  er  sich  an  die  Bischöfe  der  Alpen  wendete,  damit  sie 
den  Zuzug  der  Söldner  sperrten,  wie  er  den  Grafen  von  Nidau,  Kiburg 
und  Thierstein  den  Auftrag  gab,  die  Kaufleute  aus  der  Herrschaft  der 
Visconti  anzuhalten  ^,  so  wandte  er  sich  auch  an  den  Bischof  von  Sitten, 
ja  an  die  einzelnen  Gemeinden,  um  sie  in  den  Kampf  hineinzuziehen. 
Während  diese  sich  zurückhielten,  gab  der  Bischof  Witschard  halb  nach.  Es 
scheint,  dafs  er  dem  Mailänder  Kaufmann  Antonio  Grassi  die  Erlaubnis 
gegeben  hatte,  200  Ballen  Wolle  von  Flandern  nach  der  Lombardei  zu 
verbringen,  50  davon,  die  ein  Mann  von  Salquenen  transportierte,  liefs 
er  anhalten,  er  befahl  sie  in  Leuk  zu  deponieren.  Der  Papst  war  da- 
mit nicht  befriedigt,  er  drohte  dem  Bischöfe  mit  Exkommunikation  und 
wollte  die  Ballen  nach  Avignon  ausgeliefert  haben.  Nach  dem  Friedens- 
schlufs  zwischen  dem  Papste  und  den  Visconti  wurden  die  Ballen  dem 
Eigentümer  zurückgegeben^. 

1403  gingen  der  mit  dem  Volke  gegen  Savoyen  fühlende  Bischof 
Wilhelm  von  Raron  und  die  Landgemeinden  oberhalb  der  Morge  ein 
ewiges  Burg-  und  Landrecht  mit  Uri,  Unterwaiden  und  Luzern  ein.  Der 
Pafsstaat  des  Gotthards  nahm  also  die  im  Westen  sich  anschliefsenden 
verwickelten  Pafssysteme  in  sich  auf  und  deckte  sich  gegen  die  Be- 
drohung seitens  des  Furkapasses. 

Aus  dem  fünfzehnten  Jahrhundert  ist  nur  weniges  zu  erwähnen.  In 
den  Walliser  Urkunden  begegnen  uns  Kaufleute  seltener  als  um  1300; 
aber  der  Verkehr  war  keineswegs  erstorben.  So  erfahren  wir,  wie  ein 
Berner  Pferdehändler  Peter  Baumgarten  mit  vier  Genossen  den  Mailänder 
Ambrogio  dei  Grassi  bei  Conthey  in  der  Morgenfrühe  überfiel,  ihm  140rh.fl. 
und  Wechsel  im  Betrage  von  fast  12000  fl.  abnahm.  Sogar  den  Sohn  des 
Mailänders  nahm  der  Strafsenräuber  mit  in  die  Waldungen.  Zwei  der 
Übelthäter,  mit  deutschem  Namen,  wurden  gefafst*.  So  prompt  hier 
savoyische  und  bischöfliche  Beamte  eingriffen,  ebenso  energisch  war  das 


^  van  Berchem  285  f. 

2  van  Berchem  302  Anm.  2  aus  den  Registern  des  Papstes.  Aus  gleicher 
Veranlassung  erliefs  Karl  IV.  an  Strafsburg  den  Befehl,  Mailänder  Waren  weg- 
zunehmen.   Böhm  er- Hu  her  5438. 

»  van  Berchem  304  ff.  u.  391.    Gremaud  31,  386.   398.   401  u.  421. 

♦  Gremaud  39,  169.  176  u.  180  f.    Der  Raub  war  am  12.  April  1439  geschehen. 


472  Einundvierzigstes  Kapitel. 

Vorgehen  gegen  einen  Sittener  Kleriker,  der  eine«  Abends  in  Sitten  zwei 
lombardische  Eaufleute,  den  Johannes  Barbaz  und  den  Jacohus  Pachini 
de  Candlis  schwer  verwundete.  Der  Schutz  der  Fremden  wurde  vom 
Bischof  Wilhelm  von  Raron  ganz  besonders  betont  ^,  Canalis  war  freilich 
in  Sitten  angesiedelt  und,  was  ja  in  romanischen  Landschaften  nicht  so 
verwunderlich  ist,  Kleriker.  Nützte  doch  auch  jetzt  dem  Halbkleriker 
seine  kirchliche  Stellung. 

Pilger  waren  in  Wallis  nicht  selten.  Die  Verehrung  der  Reliquien, 
deren  sich  St.  Maurice  rühmte,  war  auch  im  fünfzehnten  Jahrhundert 
noch  recht  lebhaft.  Ganz  anschaulich  hat  uns  der  Nürnberger  Rieter 
seine  Reise  geschildert.  Er  war  (1462)  von  Einsiedeln  nach  Mailand  ge- 
zogen, dann  ging  es  über  den  perck  den  Priger  nach  St.  Maurice,  wo  er 
seine  Andacht  verrichtete,  die  Wallfahrtsreise  führte  ihn  weiter  über  Genf 
nach  St.  Antoine  im  Viennois,  wo  der  Leichnam  des  hl.  Antonius  verehrt 
wurde,  nach  Avignon  und  St.  Jago  di  Compostella *.  Eine  verspätete 
Königsreise  sah  der  Qrofse  St.  Bernhard  noch  unter  König  Siegmund,  der 
1414  von  Turin  über  Ivrea  den  Pafs  erreichte  und  dann  in  Romont,  Frei- 
burg und  Bern  nachzuweisen  ist®.  Die  Wahl  war  dadurch  begründet,  dafs 
der  König  nicht  wohl  durch  das  Machtgebiet  der  Visconti  reisen  konnte. 

Ernste  Kämpfe  zwischen  den  Pafsanwohnern  haben  sich  auch  im  fünf- 
zehnten Jahrhundert  auf  dem  Simplon  abgespielt.  Mehr  lokaler  Natur 
waren  die  Händel,  die  1456  beglichen  wurden ;  weit  umfassender  der  Streit, 
der  1448  durch  die  Eidgenossenschaft  beigelegt  wurde.  In  diesem  Spruche 
wurde  bestimmt,  dafs  alle  Waren  auf  die  Susten  gegeben  wurden  und 
nach  dem  Gebrauch  den  gewöhnlichen  W^eg  gehen  sollten,  jeder  Teil 
müsse  Brücken,  Strafsen  und  Wege  im  Stand  halten,  neue  Zölle  dürfe 
keiner  zu  Ungunsten  des  andern  einführen.  Leider  erfahren  wir  nichts 
näheres  über  den  Anspruch  des  Bischofs  von  Sitten  auf  mehr  als  100  Leute 
im  Diveriothale,  die  Patrisoni  genannt  werden  *.  Die  Walliser  Gemeinden 
schlössen  1454  und  1473  Verträge  mit  den  Herzögen  von  Mailand,  in 
denen  ausdrücklich  die  Sicherung  der  Kaufleute  hervorgehoben  wird*^. 
Im  allgemeinen  war  der  Simplon  eine  viel  zu  wichtige  politische  Pforte 
geworden,  als  dafs  auf  ihm,  wie  einst,  der  Kaufmann  hätte  entscheidenden 
Einflufs  ausüben  können. 


1  Gremaud  :^9,  233.   235. 
»  Bibliothek  des  litter.  Vereins  168  S.  11  f. 
»  Altmann  993». 

*  Der  Abschied  von  1456  Gremaud  39,  529-535.    Die  Sprüche  von  1448  ebda. 
376  u.  380.    Im  Nahhandcl  war  Eisen  und  Tuch  weggenommen  worden. 
»  Gremaud  39,  510  und  Gingins-la-Sarraz  3,  112. 


Die  anderen  Pässe.    Yerk^hrshöhe.  473 

Zweiundvierzigstes  Kapitel. 
Die  anderen  Pässe.    VerkehrshShe. 

Südseite:  Alhrun,  Anirwia  und  Monte  Moro,  Die  Kämpfe  um  das  Esdienthdl, 
Ausdehnung  Bhone  abwärts.  Fasse  zwischen  Wallis  und  dem  Bemer  Oberland,  benutzt , 
für  den  Handel  ohne  Bedeutung,  Afiders  Grimsel-  und  Griespafs,  Einriefdung  1397. 
Spital.  Vieh'j  Warenhandel.  Warentransport.  Der  Wollebsche  Streit  Angaben  über 
die  Verkehrshöhe  aus  dem  Wallis,  Chillon,  Jougne^  Les  CUes.    Vergleich  mit  heute. 

Was  ist  nun  die  Geschichte  der  übrigen  Pässe  von  Oberwallis,  ab- 
gesehen vom  Simplen?  Beginnen  wir  mit  denen  der  Südseite.  Ihre 
Benützung  für  den  Nahverkehr  ist  am  besten  durch  die  schon  früher 
besprochene  Kolonisation  belegt,  und  wenn  1340  die  Leute  von  Uri  und 
Ossola  sich  über  freie  Ausfuhr  von  Getreide  und  Wein  einigten,  wenn 
Streitigkeiten  zwischen  den  Leuten  des  Eschenthals  und  aus  Pommat 
und  denen  von  Discntis  entstehen  konnten,  so  spricht  das  deutlich  dafUr, 
wie  wenig  die  Alpenpässe  den  nächsten  Anwohnern  als  Hindernisse 
galten  ^  Hier  interessiert  uns  nur  der  Fernverkehr  und  der  Waren- 
transport. 

Die  älteste  Nachricht  über  die  Benutzung  des  AI brun passes  ist 
soeben  angeführt,  sie  gehört  ins  Jahr  1855.  Einem  Bürger  von  Chaumont 
>m€rcator  lanarum  et  aliarum  m€rcaturarum€,  der  von  Mailand  nach  Frank- 
reich 13  Fardel  Barchent  im  Werte  von  2000  fl.  bringen  liefs,  wurden  sie 
als  Gut  eines  habsburgischen  Unterthanen  im  Ernenthal  weggenommen. 
König  Jobann  IL  von  Frankreich  nahm  sich  seines  Unterthanen  bei 
Bern  an*. 

Reicheres  Material  zur  Geschichte  dieses  Passes  verdanken  wir  dem 
Archive  der  Pfarre  zu  Ernen  im  Binnenthal.  Im  Jahre  1379  wurde  zu 
Bundolero,  was  nach  späteren  Urkunden  nur  Binn  sein  kann,  über 
Streitigkeiten  zwischen  den  Gemeinden  Grengiols  und  von  Münster  auf- 
wärts und  denen,  die  zum  Hofe  Matarella  gehören,  also  das  Ossolathal 
ausmachen,  entschieden.  Es  sind  die  Streitigkeiten,  wie  sie  auf  den 
Hochalpen  so  oft  auftreten,  über  Viehtrieb,  Diebstähle  u.  s.  w.,  aber  ge- 
sichert wird  doch  auch  der  Mann  cum  sua  mercandia,  einzelne  Händler 
gingen  also  schon  damals  diesen  Weg®.  Der  Hof  Matarella  gab  zwei 
Jahre  später  den  Leuten  aus  Wallis  oberhalb  der  Massa,  des  bei  Natcrs 
einmündenden  Abflusses  des  Aletschgletschers,  einen  Geleitsbrief,  frei  und 


1  Geschichtsfreund  41,  84.    Mohr  2,  876  zu  1844. 

■  S.  oben  S.  470.  Anzeiger  f.  Schweiz.  Gesch.  u.  Altertumskunde  1859,  21  f. 
Das  Thal  Ernen  heifst  hier  rallis  daraignesy  die  regelmftfsige  Form  in  Walliser 
Urkunden:  Aragnoti  ohne  Vallis,  so  mag  doch  an  den  lateinischen  Namen  von  Uri: 
Urania  erinnert  werden.    Handelt  es  sich  nicht  vielleicht  um  Uri? 

»  Gremaud  17,  169. 


474  Zweiundvierzigstes  Kapitel. 

ungehindert  mit  ihren  Waren  durch  das  Eschenthal  ziehen  zu  können  *. 
1403  wurde  erneut  über  einen  Vertrag  mit  den  Leuten  oberhalb  jenes 
Wassers  verhandelt*,  dann  aber  hatten  die  Walliser  den  Leuten  des 
Antigoriothales  Pferde  und  Vieh  geraubt,  es  wurde  darüber  wieder  ein 
Friede  gemacht®  und  jedesmal  ist  von  freiem  Verkehr  mit  den  Waren 
die  Rede,  fremde  Kaufleute  werden  freilich  niemals  genannt.  In  dem 
Frieden  zwischen  den  Zehnten  von  Wallis  und  dem  Antigoriothal  von 
1448  finden  sich  Bestimmungen  über  den  Warenverkehr;  allein  diese 
Stelle  ist  einmal  genau  der  in  dem  andern  Schlüsse  von  diesem  Jahre 
gleich,  also  wenig  beweiskräftig,  es  bleibt  auch  zweifelhaft,  ob  es  sich 
um  Albrun-  oder  Griespafs  handelt  oder  um  beide*.  Sehr  stark  wurde 
der  Verkehr  nicht,  denn  das  Alprecht  der  Gemeinde  Binn  von  1447 
sagt  ausdrücklich,  dafs  keine  grofse  Warenstrafse  durch  das  Thal  gehe  *. 
Für  den  Griespafs  mufs  ich  auf  seinen  Korrespondenten,  den  Grimsel- 
pafs  verweisen. 

Für  die  Benutzung  des  An tron apasses  habe  ich  aus  den  beiden 
letzten  Jahrhunderten  des  Mittelalters  nur  einen  Vertrag  zwischen  den 
Leuten  des  Antrona-  und  des  Saasthales  von  1415  gefunden,  worin  über 
die  Wiederherstellung  und  die  Unterhaltung  des  Antronaweges  entschieden 
wurde®.  Als  1403  der  Weg  über  den  Monte  Moro  schlecht  geworden 
war,  traten  29  Vertreter  von  Val  Anzasca  und  fünf  vom  Saasthale  zu- 
sammen und  beschlossen,  dafs  die  Strafse  für  immer  in  Stand  gehalten 
werden  solle.  Zum  Unterhalten  wurde  alles  verpflichtet,  was  an  der 
Strafse  von  Visp  bis  Piö  di  Mulera  wohnt '^. 

Die  Eroberung  des  Livinenthals  rief  eine  Expansion  der  Eidgenossen- 
schaft auch  in  dem  südlichen  Vorlande  von  Wallis  hervor,  wodurch  die 
Interessenten  der  Gotthardstrafse  auch  das  Vorland  des  Simplon  auf  der 
Südseite  wenigstens  für  kurze  Zeit  in  ihre  Macht  bekamen.  Wie  Walliser 
schon  1303  einen  Zug  ins  Eschenthal  gemacht  hatten,  so  bestanden  schon 
längst  sehr  lebhafte  Beziehungen  zwischen  den  Bewohnern  von  Uri, 
Urseren,  Livinen  und  den  Leuten  jenseits  des  S.  Giacomopasses  ®.  So 
redet  die  Säumerordnung  von  Uri  (1383)  auch  von  einem  Warentransport 
über   den  Gotthard   und  Airolo   ins  Eschenthal,    also   über   diesen  Pafs, 

1  Gremaud  37,  221. 

2  Gremaud  38, 5 u,  6.  Die  Verhandlungen  fanden  zu  Binn,  Crodo  und  Baceno 
statt,  also  kann  es  sich  nur  um  den  Albrunpafs  handeln. 

3  1406.    Gremaud  ii8,  18  ff.  und  1407  ebda.  34  ff. 

*  Gremaud  39,  391.    Zu  der  Stelle  vgl.  39,  384  und  oben  S.  472. 
^  Heusler  in  Zeitschr.  f.  Schweiz.  Recht  29,  250. 

®  van  Berchem  323.    Vgl.  oben  S.  469.    Die  Angaben  von  Schott  sind  nicht 
recht  klar.    1440  sei  die  Antronastrafse  hergestellt,  sie  sei  häufig  befahren  worden. 
^  Bianchetti  1,  193. 
®  van  Berchem  66. 


Die  anderen  Pässe.    Verkehrshöhe.  475 

der  heute  verlassen  ist;  es  mag  auch  erwähnt  sein,  dafs  an  seinem  Fufse 
ein  Ospizio  liegt.  Zu  den  entscheidenden  Schritten  der  Eidgenossen 
gaben  Viehdiebstähle  auf  den  Alpen  Anlafs.  Leute  von  Faido  waren 
auf  den  höchsten  Alpen  des  Bedrettothales  von  Leuten  des  Eschenthaies 
geschädigt  worden.  Der  Leventiner  nahmen  sich  die  ürner  an  und,  als 
diese  abgewiesen  wurden,  riefen  sie  eidgenössische  Hilfe  herbei.  Ehe 
jedoch  diese  kam,  hatte  eine  Freischar  von  Uri  und  ünterwalden  die 
Letzi,  die  am  Oberlauf  der  Tosa  die  Landschaft  Pommat  (Formazza)  und 
Eschen thal  (Ossola)  trennt,  weggenommen,  ja  auch  Domo  selbst.  Der 
neue  Besitz,  der  durch  einen  zweiten  Zug  1411  gesichert  werden  mufste, 
wurde  als  gemeine  Herrschaft  der  an  dem  Erwerb  durch  Truppen  be- 
teiligten Landschaften  eingerichtet.  Die  Verbindung  ging  über  den  Gia- 
comopafs  und  den  Gotthard;  eine  Verbindung  bestand  auch  über  den 
Gries-,  Albrun-  und  Simplonpafs  mit  den  Gemeinden  des  oberen  Wallis, 
die  der  Politik  der  Eidgenossen  zustimmten.  Die  Interessen  der  An- 
wohner der  Simplonstrafse  waren  durch  diese  Besetzung  des  südlichen 
Ausgangs  berührt  und  die  adligen  Herren  wollten  hier  eine  eigene  Herr- 
schaft herstellen.  Graf  Amadeus  VIU.  von  Savoyen  schickte  Frühjahr 
1414,  unterstützt  von  dem  Bischöfe  von  Sitten  und  dessen  Oheim,  dem 
Freiherrn  von  Raron,  Truppen  durch  Wallis  auf  der  gewöhnlichen 
Simplonroute  und  über  diesen  Berg  den  Eidgenossen  in  den  Rücken.  Die 
neue  ennetbergische  Herrschaft  war  verloren. 

Die  oberwalHsischen  Gemeinden  ob  des  Simplons  zogen  nun  aber 
auch  die  unterhalb  Brigs  gelegenen  mit  und  schlössen  sich  noch  enger 
an  Uri,  Unter walden  und  Luzern  an,  und  sie  wurden  bei  der  zweiten 
Eroberung  (September  1416)  als  Mitbesitzer  mit  anerkannt  und  1418  be- 
stätigte König  Siegmund  Eschenthal,  Pommat,  Falzask  (Val  Anzasca)  und 
Mayenthal  (Val  Maggia)  den  neuen  Herren;  alle  Kaufleute  sollten  frei 
durch  die  Thäler  ziehen  dürfen.  Aber  auch  dieses  Mal  dauerte  der  Besitz 
nicht  lange;  durch  die  Schlacht  von  Arbedo  (1422)  war  nicht  allein  das 
Geschick  des  Tessin-,  sondern  auch  des  Tosagebietes  entschieden. 

Das  Bedürfnis,  den  Handel  über  den  Pafs  wieder  in  Gang  zu 
bringen,  hatte  grofsen  Anteil  an  dem  Vertrage  zwischen  dem  Herzoge 
von  Mailand  und  den  Gemeinden  von  Wallis.  Der  freie  Verkehr  hatte 
nicht  allein  infolge  der  Kriege  gestockt,  sondern  eine  andere  Ursache 
hatte  mitgewirkt.  In  dem  bischöflichen  Turme  zu  Simpeln  hatten  drei 
Leute  aus  dem  Fardel  eines  Lucchesen  seidene  Gewänder  und  eine 
grofse  Anzahl  von  Mützen  gestohlen,  waren  aber  von  dem  durch  sie  be- 
stochenen Landesverwalter  Witschard  von  Raron  unbestraft  gelassen, 
worauf  die  Kauf leute  überhaupt  ausblieben  ^.    Witschard  sollte  auch  ver- 


'  So  nach  den  Klagen  der  Gemeinden  gegen  Witschard,  Gremaud  38,  265. 


476  Zweiundvienigstes  Kapitel. 

antwortlich  dafür  sein,  dafs  Mailänder  Händler  auf  der  Strafse  aus- 
geplündert worden  waren  ^  Jetzt  wurde  der  freie  Verkehr  derselben 
gegen  Entrichtung  der  alten  Zölle  und  Abgaben  zugesichert,  dagegen 
sollten  die  Pässe  fUr  feindliche  Absichten  geschlossen  bleiben,  wobei 
wegen  der  Verträge  der  drei  oberen  Zehnten  mit  den  Waldstätten  an 
das  Rechtsgeflihl  der  Walliser  Gemeinden  appelliert  wurde*. 

Der  Verlust  der  ennetbergischen  Landschaft  schmerzte  am  tiefsten 
in  Unterwaiden  und  Uri,  Ein  neuer  Zug  von  Freiwilligen  verschaffte 
ihnen  1425  noch  einmal  Domo,  dort  aber  wurde  die  Freischar  ein- 
geschlossen und  nun  liefs  auch  Bern,  das  durchaus  diese  Politik  ver- 
urteilte, seine  Mannschaft  ausrücken,  in  Hast  eilte  sie  über  Grimsel, 
durch  „Bünn  und  Betsch^,  d.  h.  durch  Binn  und  ßaceno,  also  über  den 
Albrunpafs,  der  bei  der  winterlichen  Jahreszeit  zugänglicher  sein  mochte 
als  der  höhere  Griespafs,  zur  Hilfe  herbei.  Doch  zum  drittenmal  muÜBte 
das  Eschenthal  durch  den  Friedensschlufs  von  1426  aufgegeben  werden. 

Die  Sehnsucht  nach  seinem  Besitze  blieb  bestehen  bei  den  Wallisem 
wie  bei  den  Eidgenossen.  In  dem  Zuge  der  Walliser  von  1487  waren 
Luzerner ;  die  Schlacht  von  Crevola  warf  erstere  aus  dem  Lande  heraus, 
auch  ein  neuer  Zug  brachte  den  Sieg  nicht  In  den  grofsen  weltgeschicht- 
lichen Kämpfen  um  die  Herrschaft  in  Mailand  wurde  das  Eschenthal  1512 
noch  einmal  eine  eidgenössische  Herrschaft,  die  Schlacht  von  Marignano 
vernichtete  sie  aber  wieder  und  im  Frieden  von  1516  verzichtete  die  Eid- 
genossenschaft auf  die  Eroberung  des  Vorlandes  dieser  Oberwalliser  Pässe. 

Wiederholt  war  es  erobert,  aber  jedesmal  verloren.  Wallis  hatte 
nicht  die  Kraft  der  Eidgenossen  und  nicht  das  Glück  von  Graubündon 
gehabt,  um  sich  des  Abstieges  seiner  Pässe  versichern  zu  können  und 
so  liegt  die  Staatsgrenze  ja  noch  heute  hier  allein  auf  dem  Scheitel  der 
Alpengipfel  und  durch  die  Vorbauchung  des  Monte  Rosa  klemmt  sich 
das  Gebiet  der  Tosa  wie  ein  Keil  in  das  Gebiet  der  Eidgenossenschaft 
ein.  Wallis  wurde  kein  Pafsstaat,  es  blieb  ein  Thalgebilde;  nur  den 
Pafsabstieg  vom  Simplen  hat  es  sich,  soweit  er  Hochgebirgscharakter 
trägt,  wahren  können. 

Glücklicher  war  das  Thal  in  seiner  Expansion  in  der  Thalsrichtung. 
Die  Kraft  ruhte  ja  in  den  Gemeinden  von  Oberwallis,  und  in  der  glück- 
lichen Verbindung  mit  Bern  gewannen  sie  in  den  Burgunderkriegen  das 
ünterwallis  bis  über  den  Thalschlufs  von  St.  Maurice  hinaus,  wie  auch 
die  Berner  und  Freiburger  in  der  Waadt  sich  festsetzten  und  mit  Orbe 
den  Zugang  zum  Jougnepasse  gewannen.     So  kam  auch  der  Grofse  St 


1  Grcmaud  38,  268. 

s  Die  Verträge  bei  Gremaud  38,  360  u.  371   und  Gingins-la-Sarraz   2, 
210  u.  217. 


Die  anderen  Pässe.    Verkehrshöhe.  477 

Bernhard  auf  seiner  Nordseitc  in  den  Besitz  eines  demokratischen  Staats- 
gebildeS;  wie  die  Fortsetzung  der  beiden  Walliser  Hauptpässe  nach  Bur- 
gund  bereits  von  den  beiden  grofsen  Stadtrepubliken  zum  Teil  in  Besitz 
genommen  war.  Abgeschlossen  wurde  die  Entwicklung  durch  die  Er- 
oberung der  Waadt  durch  Bern  im  Jahre  1536.  Das  savoyische  Regi- 
ment am  Nordausgang  des  Grofsen  St.  Bernhard  war  damit  zu  Ende. 

In  den  Kriegszügen  haben  sämtliche  wichtigeren  Pässe  Truppenztige 
gesehen:  St.  Giacomo,  Gries^,  Albrun,  Simplon  und  Grofser  St.  Bernhard. 

Von  den  Pässen  der  Südseite  habe  ich  noch  den  Griespafs  in  seiner 
interessanten  Geschichte  zu  verfolgen.  Sie  hängt  aufs  innigste  mit  der 
Geschichte  des  Grimselpasses  zusammen  und  so  mufs  ich  mich  nun  zu- 
nächst den  Pässen  zuwenden,  die  Wallis  mit  dem  Gebiete  der  oberen 
Aare  verbinden.  Der  ältesten  Benutzung  des  Grimselpasses  ist  schon 
oben  gedacht.  Ich  mufs  hier  jedoch  auf  die  älteren  Zeiten  zurück- 
greifen und  die  zahlreichen  Beweise  vorbringen,  welche  eine  Benutzung 
der  Alpenpässe  zum  Bemer  Oberlande  beweisen. 

Die  Berührungen  der  beiderseitigen  Bevölkerungen  beschränkten 
sich  nicht  auf  das  Zusammentreffen  der  Hirten  auf  den  höchsten  Alpen- 
weiden. Derselbe  Adel  findet  sich  hüben  und  drüben,  die  Unterthanen 
ziehen  hinüber  und  herüber.  Das  Geschlecht  der  Walliser  Freiherrn 
von  Raron  war  ein  Zweig  der  Brienzer  und  Ringgenberger,  die  auch  in 
Uri  Besitz  hatten.  Undenkbar  wäre  das,  wenn  nicht  die  Pässe  wenigstens 
zu  Zeiten  benutzt  worden  wären;  schon  1146  tauchen  die  Raron  als  Ver- 
wandte der  Brienzer  auf*;  ähnlich  haben  die  von  Thurn  zu  Gestelen 
Besitzungen  im  Berner  Oberlande,  wie  umgekehrt  die  von  Kien  in 
Wallis®.  Der  Weg  über  die  Grimsel  tritt  deutlich  auch  hervor  durch 
die  grofse  Bedeutung,  welche  dem  Reichsthaie  Hasli  im  dreizehnten  Jahr- 
hundert beigemessen  wird.  Bern  besafs  alte  Bündnisse  mit  Hasli  ^  und 
das  Bündnis  Berns  mit  dem  Bischöfe  von  Sitten  1252  spricht  auch  für 
die  Möglichkeit  der  direkten  Verbindung  zwischen  beiden,  und  aus- 
drücklich wird  bestimmt,  dafs  im  Falle  von  Meinungsverschiedenheiten 
>m  piano  de  Curmiljs  sive  in  Senenzt  —  also  auf  der  Pafshöhe  der  Gemmi 
oder  des  Sanetsch  entschieden  werden  solle  ^.     Seit  dieser  Zeit  datieren 


*  1515  zogen  die  Bemer  über  Grimsel  und  Gries. 
2  Dürr  er.  Die  Herren  von  Ringgenberg  199. 

»  Durrer  301.  307. 

*  Durrer  228.  Bundesbrief  von  1275  Font.  rer.  Bern.  3,  120.  Hoppeler, 
Berns  Bündnis,  hält  ein  Bündnis  schon  1245  für  denkbar.  Vielfach  erwähnen  Kaiser- 
Urkunden  das  Haslithal.  Vgl.  auch  die  allerdings  mangelhafte  Arbeit  von  Muhle- 
mann,  Studien  z.  Gesch.  der  Landschaft  Hasli. 

^  Gremaud  29,  474  bez.  Hoppeler  311.  Der  Vertrag  wurde  zu  Leuk  am 
Fufse  der  Gemmi  abgeschlossen. 


478  Zweiundvierzigstes  Kapitel. 

zahlreiche  Verhandlungen  zwischen  Bern  und  Wallis  ^  Der  Gemmipafs 
war  1318  bereits  mit  einem  Hospiz  versorgt^.  Ja  selbst  weit  schwierigere 
Pässe  müssen  begangen  worden  sein ;  denn  das  Lauterbrunnenthal  bezog 
seine  Bewohner,  ünterthanen  des  Herrn  von  Thurn,  aus  dem  Lötschen- 
thal  und,  welchen  Weg  die  Leute  gewandert  sein  mögen,  er  ftlUt  immer 
in  die  Regionen  der  Gletscher®. 

Es  trifft  also  auch  für  die  Nordseite  von  Wallis  dasselbe  zu  wie  für 
die  südliche  Gebirgswand.  Das  Leben,  die  Ansiedlungen  stiegen  höher 
empor  und  besetzten  mit  Winterwohnungen  Gegenden,  die  sonst  nur 
im  Sommer  Menschen  gesehen  hatten.  Das  Hochgebirge  bevölkerte  sich. 
So  sehr  das  die  Vorbedingung  für  einen  Handelsverkehr  ist,  so  war  es 
aber  keineswegs  nötig,  dafs  aus  diesen  Pafswegen  Handelstrafsen  wurden 
und  mit  Ausnahme  der  Grimsel  ist  das  auch  —  sehen  wir  von  Hausierern 
ab  —  nicht  geschehen. 

In  den  Urkunden  des  vierzehnten  und  fünfzehnten  Jahrhunderts  habe 
ich,  abgesehen  vom  Viehhandel,  für  einen  Handel  über  diese  Pässe  keine 
Belege  gefunden.  Vieh  kam  aus  dem  Berner  Oberland  über  den  Sanetsch- 
pafs  und  die  Gemmi  *.  Die  Wege,  welche  ein  Berner  ging,  der  dem  Bischöfe 
von  Sitten  für  seine  Sicherung  auf  den  Strafsen  jährlich  1  it  Ingwer  ver- 
sprach, sind  nicht  angegeben*^.  Die  Pässe  standen  aber  offen,  zwischen 
Leuk  und  Frutigen  bestand  ein  Bündnis,  was  jedoch  einen  grofsen  Raub 
nicht  verhinderte,  der  zwischen  Wallis  und  Frutigen  1391  geschlichtet 
wurde®.  Die  Nordseite  galt  als  so  offen,  dafs  Leuk  in  seinem  Bündnisse 
mit  dem  Lötschenthale  1866  die  Inwohner  desselben  bis  zum  Alter  von 
vierzehn  Jahren  herab  verpflichtete,  alle  Berge  und  Pässe  ^videlicet  de 
Bassya  de  Champilz  usque  an  daz  Bdlenhom^.  also  die  Gemmi  und  den 
Lötschenpafs  zu  bewachen'^.  Und  die  Furcht  war  nicht  umsonst,  im  Raron- 
krieg  überstiegen  die  Bernerhaufen  drei  Pässe,  Oktober  1418  drangen 
Freiwillige  über  den  Sanetschpafs  und  zerstörten  zum  grofsen  Teile  Sitten, 
August  1418  ging  ein  Gewalthaufe  auf  den  Lötschenpafs  los  und  erzwang 
sich  den  Zugang,  die  Hauptarmee  öffnete  sich  Ende  September  den  Grimsel- 
pafs,  verbrannte  einige  Ortschaften  im  Oberen  Wallis,  bestand  einen  Kampf 
mit  den  Wallisern,  kehrte  dann  aber  zurück  —  der  Herbst  war  schon  sehr 


1  Gingins-la-Sarraz  2,  14  ff. 

«  Gremaud  Bd.  31  Nr.  1408. 

'  Entweder  direkt  über  Petersgrat  oder  Wetterlücke  oder  über  Lötschpafs, 
Dündengrat  und  Furka.  Meyer  v.  Knonau  im  Anzeiger  f.  Schweiz.  G^sch.  6, 
870  f.  u.  445  ff. 

*  Gremaud  39,  265  zu  1394  bez.  1444. 

»  Gremaud  32,  225. 

«  Gremaud  33,  133  zu  1355.    37,  377. 

'  Gremaud  37,  537. 


Die  anderen  Pässe.    Verkehrshöhe.  479 

weit  vorgerückt  —  und  schlug  sich  noch  einmal  in  einem  Rückzugsgefecht 
am  „Spittel." 

Wenden  wir  uns  nun  zum  Grimselpasse  und  seiner  Bedeutung  für 
die  Handelsgeschichte.  Das  älteste  direkte  Zeugnis  finde  ich  in  einem 
Schiedsspruch  zwischen  den  vier  Teilen  der  Pfarrei  Münster  von  1325, 
wo  festgesetzt  wird,  dafs  der  Transport  der  Waren,  die  aus  Frankreich 
und  der  Lombardei  durch  Goms  kommen,  wie  in  Brig,  durch  einen 
Ballen teiler  soll  geregelt  werdend  Die  früheren  Beziehungen  des  Hasli- 
thales  zu  Bern^,  das  mit  seinem  allgemeinen  Vordringen  zu  den  Pässen 
in  Einklang  steht,  geben  die  Vermutung  an  die  Hand,  dafs  Berns 
Bürger  schon  damals  diesen  Weg  benutzten,  das  alte  Reichsthal  kam 
1334  als  Pfandschaft  in  den  Besitz  der  Stadt,  die  schon  vorher  in  Thun 
die  wichtigste  Etappe  auf  der  Verbindung  gewonnen  hatte.  Die  Vieh- 
räubereien fehlten  hier  um  so  weniger,  da  die  obersten  Alpen  nach  Wallis 
gehörten^.  Im  Jahre  1397  gab  es  bereits  oben  einen  „Spittel",  er  lag 
auf  diesen  Alpen,  war  aber  von  der  Thalgemeinde  Hasli  aus  gegründet, 
wenigstens  wurde  er  von  ihr  unterhalten*. 

Längst  war  der  Handelsverkehr  im  Gange,  als  im  Jahre  1397  die 
sämtlichen  Anwohner  des  Weges  sich  zu  einem  Ausbau  desselben  ent- 
schlossen. Es  traten  in  Münster  in  Wallis  folgende  Vertreter  zusammen: 
Boten  der  Stadt  Bern  mit  solchen  von  Thun,  Unterseen,  des  Gotteshauses 
Interlaken  und  des  Landes  Hasle,  Boten  der  sämtlichen  Ortschaften  -^ober- 
halb Doys  in  der  Kirchhöre  Münstert ,  weiter  Boten  von  Pommat  und 
Eschenthal.  Sie  beschlossen,  die  Strafse  der  Eaufleute  von  Lamparten 
und  anderer ,  wo  sie  herkommen ,  mit  ihrem  Kaufmannschatze  durch  ihr 
Gebiet  zu  legen,  d.  h.  also  den  Verkehr  auf  den  Grimsel-  und  Griespafa 
zu  verlegen'^.  Bern  hat  die  Bereitung  des  Weges  bis  zum  Spital  ^an 
Orymslen^f  Münster  bis  zur  Grenze  von  Pommat,  endlich  Pommat  und 
Eschenthal  weiter  bis  zum  Austritt  aus  dem  Gebirge  zu  besorgen.  Es 
wurde  bestimmt,  dafs  an  allen  Niederlagen  oder  Susten  das  Gewicht 
gleich  sein  solle  und  wurde  auch  hier  eine  Transportorganisation  festge- 
setzt ;  auch  hier  gab  es  Teiler.  Der  Lohn  sollte  für  die  Normallast  von 
18  Rubb  nicht  erhöht,  auch  sollten  die  Kaufleute  im  Winter  nicht  über- 

^  van  Berchem  822  nach  Urkunde  aus  dem  Gemeindearcliiv  Obergestelen. 

^  S.  oben.  Dafs  die  Lazariten  das  Patronat  von  Meiringen  erhielten,  beweist 
ebensowenig  wie  ihre  Ansiedlung  in  Seedorf  in  Uri,  dafs  sie  mit  den  Pässen  in 
Beziehung  standen,  denn  es  fehlt  jeder  Beweis  dafür,  dafs  sich  die  Lazariten  mit 
der  Pflege  der  Wanderer  beschäftigten. 

8  So  Mühlemann  247.  Über  Verträge  mit  Wallis  vgl.  349.  Die  „Führung** 
gehörte  den  Wallisem  bis  zum  Spittel.    Eidgen.  Abschiede  1,  216. 

^  An  eine  Gründung  von  Interlaken  aus,  wie  Bäh  1er  S.  10  will,  ist  natürlich 
nicht  zu  denken. 

^  Mühlemann  S.  364  deutet  die  Urkunde  auf  den  Albrunpafs. 


480  Zweiundyierzigstes  Kapitel. 

nommen  werden.  Für  Verlust  von  Waren  hatte  der  Transporteur,  im  Falle 
er  unvermögend  war,  seine  Gemeinde  aufzukommen.  Den  Pafs  wollten 
die  Parteien  während  der  zehn  Jahre,  wofür  diese  Sicherheit  ausgestellt 
wurde,  ganz  dem  Handelsleben  überlassen,  Wallis  und  Bern  verzichteten 
ausdrücklieh  darauf,  eine  „Reise"  über  den  Grimselpafs  zu  machen*. 

Zahlreiche  Nachrichten  über  den  Verkehr  auf  dieser  Route  habe 
ich  im  Berner  Staatsarchiv  gefunden,  die  ich  mit  anderen  verbinde. 
Den  Spittel,  »rfer  dann  in  grosser  ijcilde  ligt  und  mangen  manschen  eu 
irost  und  uff  enthalt  Ups  und  guts  erschüssU^  betreffen  eine  Reihe  von 
Bettelbriefen,  mit  denen  die  Stadt  Bern  des  Spitals  Boten,  das  weder 
an  Bau  noch  sonst  mit  der  Notdurft  versehen  sei,  beglaubigte.  Solche 
Schreiben  sind  uns  von  1479,  1481,  1483  und  1503  erhalten  ^  Und  noch 
viel  später  wanderten  die  KoUektanten  des  Wirts  auf  der  Grimsel  im 
Lande  umher.  Der  Pafs  scheint  in  erster  Linie  dem  Vieh-  und  Pferdehandel 
gedient  zu  haben.  So  hatte  der  Berner  Burkhard  Roggwyl  1484  die  Absicht, 
viele  Pferde  nach  Ligurien  zu  transportieren,  er  kam  bis  ins  Eschenthal, 
dort  aber  wurden  seine  Pferde  beschlagnahmt,  weil  er  Zoll  zu  zahlen  sich 
weigerte,  und  dazu  hatte  er  volles  Recht,  denn  seit  den  Kapitulaten  von 
1477  war  auch  Bern  zollfrei^.  Insbesondere  waren  die  Oberhasler,  bei 
denen  Vieh-  und  Pferdezucht  damals  blühte,  bei  diesem  Handel  beteiligt*. 

Für  den  Briefverkehr  spricht  schon  eine  Urkunde  von  1334.  Ein 
Berner  Brief,  der  für  einen  Thurn  in  Oberwallis  bestimmt,  wurde  in 
Interlaken  deponiert^.  Doch  auch  Waren  wurden  hindurchgeführt  Später 
gab  es  eine  Sust  in  Obergestelen  bez.  Ulrichen,  wie  ein  Kaufhaus  in  Unter- 
seen und  den  „Freienhof*  in  Thun ;  wann  sie  errichtet  sind,  weifs  ich  nicht*. 
Das  lateinische  Statut  des  Thaies  Pommat  (Formazza)  von  1487  redet 
mehrfach  von  der  Durchfuhr  von  Waren  durch  dieses  heute  weltentlegene 
AlpenthaF.  Und  als  im  Jahre  1479  nach  Abschlufs  des  Waffenstillstandes 
mailändische  Kaufleute  durch   Hasli   zogen,    wurden   sie    gefangen  ge* 

^  Ohne  den  äufseren  Rahmen  veröffentlicht  Eidgen.  Abschiede  1,  454. 

«  Der  älteste  von  1479.  Deutsches  Briefbueh  D,  216.  402.  E,  130.  K,  42L 
1507  hatten  Luzemer  Unterthanen  auf  dem  Grimselhospiz  Unfug  getrieben.  Nach 
Bäh  1er  S.  14  stritten  1492  Hasler  und  Walliser  über  die  Besetzung  des  Spittels. 

3  Der  Handel  zieht  sich  von  1484 — 88  hin.  Bern,  Lat.  Missivenbuch  C  Fol.  122, 
131,  132,  159,  264,  311.    D  Fol.  62,  177,  196  u.  201. 

*>  Die  Zöllner  von  Vogogna  hielten  den  Ammann  von  Oberhasli,  Johann  Michel, 
mit  Ochsen  an,  wie  es  seinem  Vorgänger  Ülin  Hümli  mit  Pferden  geschehen  war. 
Es  war  abermals  Zoll  gefordert  worden.    1493.    Lat.  Briefbuch  D  Fol.  428  a.  481. 

»  Gremaud  32,  79.  80. 

«  Angeführt  von  Bähler  8.  15  und  Schmid  in  Blättern  z.  Walliser  Gesch.  2» 
144,  der  auch  für  den  Albrunpafs  Susten  in  Baceno  und  Emen  und  für  den  Monte 
Moro  solche  zu  Banio  und  Macugnaga  in  Val  Anzasca  und  zu  Visp  anführt. 

7  Vgl.  die  Ausgabe  von  Burckhardt  im  Archive  f.  Schweiz.  Gesch.  8,  270 
u.  286.    Für  eine  lebhafte  Verbindung  spricht  auch  der  Umstand,  dafis  der  Bemer 


Die  anderen  Pässe.    Verkehrshöhe.  4gl 

Dommen  *.  Den  Florentinern  hatten  die  Bemer  freies  Geleit  durch  ihr 
Gebiet  zugesichert  und  im  Jahre  1466  kamen  solche  wirklich,  die  Bitten 
Berns  bei  dem  Markgrafen  von  Rötteln,  die  Fremden  gut  zu  behandeln, 
waren  umsonst,  sie  mufsten  für  ihre  drei  Maultiere  schweren  Zoll  ent- 
richten*. Nicht  besser  ging  es  Kaufleuten  von  Lucca,  die  1468  über 
die  Alpen  kamen,  nachdem  die  von  Bern  ihnen  Brief  und  Siegel  ge- 
geben hatten^.  Sie  wurden  in  der  Herrschaft  Erlach  angehalten  und 
nach  Murten  abgeführt  und  ein  Herr  von  Ferney  hätte  sie  gar  gern 
noch  weiter  fortgeführt*.  1480  hatten  die  Herren  von  Froberg  einen 
Mailänder  Faktor  ins  Geftlngnis  geworfen.  Bern  bemühte  sich  eifrigst 
um  seine  Befreiung  und  wx>llte  selbst  20  oder  30  fl.  opfern.  Die  Stadt 
konnte  wohl  auf  dem  Griraselpasse  Ordnung  halten,  die  Fortsetzung  im 
Jura  aber  ergab,  wie  man  sieht,  fortwährend  Schwierigkeiten*. 

Zu  sehr  grofsen  Weiterungen  führt  ein  Streit  des  Urner  Ammanns 
Wolleb  mit  den  Florentinern.  Heini  Wolleb,  der  Sohn  jenes  Heiniich 
Wolleb,  der  durch  seine  Streitigkeiten  auf  dem  Markte  zu  Varese  den 
Irniser  Krieg  herbeigeführt  hatte ,  war  um  1490  in  Piemont  von  Floren- 
tinern angehalten  worden.  Dafür  wollte  er  sich  an  ihnen  schadlos  halten 
und  die  Tagsatzung  gab  ihm  die  Erlaubnis  dazu.  Im  Frühling  1492  nahm 
er  ihnen  zwischen  Feldkirch  und  Blatten  Gut  weg,  mufste  aber  1494 
sich  verpflichten,  keine  Florentiner  mehr  zu  jagen®.  Gegenüber  dieser 
offiziellen  schweizerischen  Politik  ist  es  nicht  uninteressant,  die  Berner  zu 
beobachten.  Die  Herren  Lamparten  wandten  sich  an  Bern,  hier  war  man 
froh,  dafs  sie  sich  des  Weges  durch  das  Land  der  Eidgenossen  von  Uri 
müfsigen  wollten  und  forderte  die  von  Thun,  Interlaken  und  Hasli  Sommer 
1491  auf,  die  Wege  herzustellen''.  Dann  kam  noch  eine  schriftliche  Bitte 
von  Florenz,  die  der  in  Bern  angesiedelte  Bartholomäus  Mai  unter- 
stützte, und  Bern  wollte  —  nicht  ohne  Heimlichkeit  gegen  seine  Eid- 
genossen —  den  Zug  auch  durch  Leute  schützen^. 


Glasmaler  Lucas  den  Franziskanern  von  Domo  d^Ossola  eine  Wappenscheibe  ge- 
liefert hat    1511.    Lat.  Brief  buch  G  Fol.  280. 

1  Eidgen.  Abschiede  3,  1,  45. 

>  Bern,  Deutsches  Brief  buch  B  200  u.  202. 

'  Zwei  Empfehlungsschreiben  far  ungenannte  Lucchesen,  die  erste  Gruppe  war 
schon  vor  Georgi  (23.  April)  über  die  Alpen  gekommen.  Deutsches  Briefbuch  B 
Fol.  335  u.  337. 

^  1468  August  Es  war  eine  Abmachung  zwischen  dem  Herrn  der  Herrschaft 
Erlach  und  dem  Besitzer  der  Grafschaft  Neuenburg  seitens  Bern  getroffen,  die  allen 
Kauf  leuten  freien  Verkehr  sicherte.  Bern,  Deutsches  Brief  buch  B  Fol.  407.  409  u.  öfter. 

•  Unsere  Urkunden  Nr.  302. 

•  Ochsli,  Allg.  Deutsche  Biogr.  44,  142  ff.  u.  Anz.  f.  Schweiz.  Gesch.  1899  Nr.  3. 
'  Bern,  Deutsches  Briefbuch  ü  353  u.  423. 

«  Bern,  Lat  Briefbuch  D  Fol.  366,    1492  Juni  7. 

Schulte,  Getoh.  d.  mittel alterl.  Handels.    1.  31 


482  Zweiundvierzigstes  Kapitel. 

Über  diö  Verkehrshöhe  liegen  aus  keinem  Teile  des  von  uns  be- 
handelten Alpengebietes  so  gute  Nachrichten  vor  wie  für  das  Walliser 
Gebiet^.  Wir  verdanken  sie  vor  allem  dem  Umstände,  dafs  die  Turiner 
Rechnungskammer  eine  Reihe  von  alten  Zollrechnungen  besitzt,  die  ich 
allerdings  nur  nach  den  Auszügen  von  Borel  und  Cibrario  benutzen 
kann. 

Von  den  Zollstellen  am  Grofsen  St.  Bernhard  (Bard,  St.  R^my)  ist 
nur  eine  Rechnung  von  1283  bez.  1284  erhalten,  nach  welcher  2225  ge- 
wöhnliche und  99  englische  Pferde,  von  welchen  der  Zoll  in  S)  Sterling 
zu  zahlen  war,  durchgeführt  wurden^.  Von  den  Simplonzöllen  hat  sich 
keine  Rechnung  erhalten,  immerhin  aber  eine  Angabe  über  den  Ertrag 
des  Zolles  zu  Brig ,  dessen  Taxe  uns  bekannt  ist.  Hier  war  für  jedes 
grofse  Pferd  und  jeden  Ballen  je  1  ^  Maur.  zu  erlegen  und  der  Ertrag 
wurde  1362  auf  25  it  Maur.  angegeben,  das  würde  der  Erlös  von  6000 
Ballen  sein.  Auf  den  Tag  würden  16,4  Ballen  entfallen.  1388  notierte 
der  Zöllner  von  Sitten:  1884  Ballen  und  für  die  Jahre  1379  bis  1384 
ergiebt  sich  eine  durchschnittliche  Durchfuhr  von  1700  Ballen,  für  den 
Tag  4,7  Ballen«. 

Zum  Glück  haben  wir  eine  Kontrolle  über  diese  Ziffern  durch  die 
Zollrechnungen  von  Chillon,  die  ich  leider  nicht  selbst  durchgearbeitet 
habe.  Wir  haben  Rechnungen  von  1284,  1286,  1294  und  folgende,  dann 
zahlreiche  aus  dem  fünfzehnten  Jahrhundert.  1284/5  passierten  in  604 
Tagen ,  abgesehen  von  auf  Wagen  verpackten  'Waren ,  6306  Ballen  den 
Zoll,  darunter  4067 Va  Ballen  französischer  und  lombardischer  Tuche. 
1286  gingen  in  213  Tagen  durch  den  Zoll:  2211  Va  Ballen  französischer 
und  Italienischer  Tuche,  1448  Ballen  Wolle  und  Felle  (peUe),  2568 
Karren  Salz,  80  Karren  Tuche  und  ^merceriet.  Das  Salzlager  von  Bex 
wurde  erst  im  sechzehnten  Jahrhundert  erschlossen,  es  handelt  sich 
also  um  fremdes  Salz  und  diese  Masse  ist  für  den  Walliser  Verbrauch 
viel  zu  grofs.  Es  gingen  also  17,2  Ballen  und  12,4  Wagen  täglich  an 
der  Zollstelle  vorüber*.  An  derselben  Zollstelle  wurden  verzollt  in  1022 
Tagen  nach  dem  30.  November  1294:  11858  Ballen  und  722  Wagen, 
das  macht  11,6  Ballen  und  0,7  Wagen  täglich*^,  es  ist  diese  Minderung 
wohl  durch  die  oben  besprochenen  Unruhen  in  Burgund  erklärlich. 


*  rQuia  in  dicta  villa  s.  Mauricii  pitcs  qiiam  alihi  transeant  continue  homines 
extranei  hospitantes  ibidem  y  ex  diversis  nwndi  partihus  venienten'  wehrte  sich  1340 
St.  Maurice  gegen  eine  savoyische  Verfugung,  die  allerdings  in  einem  solclien  Orte 
undurchführbar  war.    Gremaud  32,  272. 

2  Cibrario,  Economia  politica  397. 
^  van  Berchem  128  Anm.  1. 

*  Cibrario  398. 
»^  Cibrario  398. 


Die  anderen  Pässe.    Verkehrshöhe. 


483 


Die  Boreischen  Auszüge  aus  den  Rechnungen  des  fünfzehnten 
Jahrhunderts  beschränken  sich  auf  die  Posten  ^  welche  zu  und  von  den 
Genfer  Messen  geführt  wurden^.  Man  kann  also  den  nicht  nach  Genf 
gerichteten  Verkehr  nicht  übersehen,  die  alte  Richtung  auf  Orbe  und 
Jougne  wie  die  nach  dem  Norden  auf  Freiburg  abbiegende  bleibt  also 
ganz  aufser  Betracht.  Ausgeschlossen  habe  ich  den  gesamten  Verkehr 
mit  dem  Thale,  wie  auch  die  nicht  zahlreichen  Posten,  wo  Leute  aus 
Aosta,  das  am  meisten  genannt  wird  ^,  Ivrea,  Bergamo  und  Domo  d'Ossola 
in  Genf  gehandelt  haben,  sondern  stelle  im  folgenden  nur  den  Ver- 
kehr der  Mailänder  Kauf  leute  zusammen;  Florentiner,  Piacentiner,  Vene- 
tianer  u.  s.  w.  erscheinen  niemals. 

Es  gehen  in  der  Richtung  von  Mailand  nach  Genf: 


boUiones       fardelli 


balle 


barrales 


fagotini 


1423/4 

1430/1 

1432/3 

1433/4 

1434/5 

1442/3 

Summe 
Jahresdurchschnitt , 


1730 
1949 
1983 
1320 
1904 
2  092 


88 


10978 


95 


24 


17 


24 


17 


1828 


11119 
16  4 


■N/* 


1851  oder  täglich  5  Stück. 


Es  gehen  in  ( 

ier  Richtung  Genf  nach  Mailanc 

boUio- 
nes 

bosse-  barri- 
tis    1    leti 

liassa 

tona 

pecia 

balla 

currus  fagoti 

far- 
delli 

calata 

cassia 

1423/4 
1430/1 
1432/3 
1433/4 
1434/5 
1442/3 

112 
84 
318 
1068 
809 
661 

i 
5 

4 

16 

6 

20 
13 

2 

15 
62 

12 

320 
24 

2 

4 

1 

3052 

5 

4 

16 

6 

33 

2 

77 

12 

344 

6 

1 

unter  Anrechnung  von  5  fardelli  =  1  currus  ergiebt  das : 


3866 
Jahresdurchschnitt 644 


1  Borel  2,  18—63. 

'  Sie  transportieren  auch  einmal  eine  3^/9  Quintale  schwere  Glocke. 

81» 


484  Zweiundvierzigstes  Kapitel. 

Die  Verpackung  ist  bei  dem  Transport  von  Genf  nach  Mailand  noch 
verschiedenartiger,  so  dafs  es  da  sehr  gewagt  ist,  die  einzelnen  Stücke 
einfach  zusammenzuzählen ,  wobei  ich  wenigstens  die  Wagen  nach  einem 
in  den  Rechnungen  selbst  gegebenen  annähernden  Ansatz  (zu  fünf 
Fardeln)  umrechne. 

Der  Jahresdurchschnitt  der  gesamten  von  der  Mailänder  Kaufmann- 
schaft in  Villeneuve  verzollten,  fUr  Genf  bestimmten  bez.  von  dort 
kommenden  Waren  belief  sich  somit  auf  2495  Stück,  auf  den  Tag  ent- 
fallen somit:  6,8  Stück.  Was  davon  über  den  Simplen  oder  den  Grofsen 
St.  Bernhard  ging,  ist  nicht  zu  bestimmen. 

Auch  über  den  Verkehr  auf  dem  Pafs  von  Jougne  teilt  Borel  einige 
Ziffern  mit,  sie  leiden  aber  an  dem  Mangel,  dafs  die  Route  unter  dem 
Gesichtswinkel  der  Genfer  Messen  betrachtet  wird  und  zu  betrachten  ist. 
Von  1400  bis  1428  gingen  hier  jährlich  zwischen  100  und  350  Ballen 
französischer  Tuche  durch,  noch  höher  war  der  Betrag  der  Wolle. 
Der  Zollertrag  von  Les  Cl^es  stieg  fortwährend,  er  war  verpachtet:  1480 
zu  700  fl.,  1434:767«/8  fl.,  1439:1187  fl.,  1449:2100  fl.,  1464  bis  1466 
jährlich  4000  fl.  ^.  Es  mufs,  da  die  Messen  von  Genf  damals  schon  ab- 
nahmen, der  Handel  nach  Italien  an  diesem  Zolle  also  erheblichen  An- 
teil haben.  Aber  da  gingen  gewifs  keine  nach  Deutschland  bestimmten 
Waren  mehr,  denn  die  Champagner  Messen  hatten  alle  Bedeutung  einge- 
büfst.  An  ihrer  Stelle  waren  die  Messen  zu  Genf  und  Lyon  die  Stätte 
einer  lebhaften  Vermittlung  zwischen  Italien  und  Deutschland  ge- 
worden. 

Das  höchste  Ergebnis  ist  vom  Zolle  zu  Chillon  1286,  da  gingen 
täglich  17,2  Ballen  und  12,4  Karren  durch.  Aber  wie  verschwindend 
klein  ist  diese  Summe.  Rechnen  wir  auf  den  Karren  fünf  Ballen  und 
auf  den  Ballen  vier  Centner  (&  50  Kilo)  —  also  beides  sehr  reichlich 
—  so  käme  man  auf  einen  täglichen  Transport  von  300  Centnern.  Der 
Warenverkehr  am  Zoll  von  Sitten  betrug  1388  nur  7536  Centner. 

1  Borel  1,  211  f. 


Vierter  Teil. 

MESSEN.    VERKEHB  VON  DER  MONEMÜNDUNG  ZUM 

BODENSEE.    POSTEN. 


Dreiundvierzigstes  Kapitel. 

Messen  von  Genf  nnd  Lyon.  Verkehr  von  der  Rhonemfindnng  znm  Bodensee. 

Deutsche  nnd  italienische  Messen. 

Die  Messen  von  Genf,  BedeiUung,  vernichtet  durch  die  von  Lyon,  Deutsche  Kolonie 
in  Lyon,-  Deutsche  Interessen  weiter  südlich.  Weg  der  deutschen  Pilger,  Händler  und 
Fürsten.  Die  Deutschen  in  Ävignon,  im  Dauphin^,  in  Savoyen.  Weg  von  Genf  zum 
Bodensee,  Zölle,  Die  Geleitstraf se  Genf- Ulm.  —  Strafsenraub  am  Bodensee,  Oherrhein: 
Itaiiener,  Aragonesen.  —  Messen  su  Zurzach,  Nördlingen,  Strafsburg,  Frankfurt,  kleinere. 
Italienische  zu  Crema  und  Arona. 

Die  Messen  von  Oenf,  auf  die  ich  hier  noch  ganz  kurz  eingehen 
mufs  *,  waren  der  Ersatz  der  Champagner  Messen  geworden ,  wenn  sie 
auch  nicht  so  bedeutend  waren.  Es  erschienen  auch  hier,  nicht  weit 
von  der  Stelle,  wo  drei  Nationen  aneinander  stieCsen',  Kaufleute  aus 
Spanien ,  der  Normandie  und  Flandern ,  Deutschland  war  bis  nach  Nürn- 
berg und  Italien  bis  Venedig ,  Florenz  und  Lucca  vertreten.  Die  Hansi- 
schen, die  Nordländer  und  Engländer  fehlten  allerdings. 

Die  Messen  von  Genf  werden  zuerst  1262  genannt,  im  vierzehnten 
Jahrhundert  sind  die  Nachrichten  noch  spärlich,  die  Blüte  derselben 
lag  in  der  ersten  Hälfte  des  fünfzehnten  Jahrhunderts,  bis  sie  in  den 
Jahren  1462/3  jäh  geknickt  wurde.  Wie  die  Champagne  ein  Mittelstaat 
zwischen  Frankreich  und  Deutschland  gewesen  war,  so  hatte  Genf  eine 
ähnliche  Stellung,  es  war  in  gewissem  Sinne  ein  neutraler  Boden.  Dort 
war  das  Handelscentrum  für  Italien,  Frankreich  und  Oberdeutschland, 
ein  kleines  Gegenstück  zu  Brügge. 

^  Vgl.  Borel,  Les  foires  de  Grenöve,  fleyd,  Schwaben  auf  den  Messen  von 
Genf  und  Lyon,  Ehrenberg,  Das  Zeitalter  der  Fugger  2,  69flF.  " 

2  Der  Punkt  lag  westlich  des  Monte  Rosa,  wenn  wir  den  Dialekt  des  Aosta- 
thals  für  französbch  in  Anspruch  nehmen. 


486  Dreiondvierzigstes  Kapitel. 

Das  französische  Königshaus  begünstigte  nun  Lyon  ^  dessen  Lage  ja 
ebenfalls  eine  ausgezeichnete  war.  1419  wurden  dort  zwei  Messen  errichtet 
1443  eine  weitere,  seit  1463  waren  es  vier  und  absichtlich  legte 
Ludwig  XL,  als  Politiker  Merkantilist,  die  Messen  auf  die  gleichen 
Termine  wie  die  von  Genf,  so  dafs  ein  Besuch  beider  Mefsplätze  den 
Kaufleuten  unmöglich  wurde.  Die  Genfer  Messen  wurden  von  den 
Herzögen  von  Savoyen  gehegt  und  gepflegt,  jeder  Gunstbezeugung  der 
französischen  Könige  für  Lyon  folgt  eine  solche  Savoyens  für  Genf,  nur 
gerade  in  den  entscheidenden  Augenblicken  nicht.  Die  Kosten  des  Streites 
zwischen  dem  Herzoge  Ludwig  und  seinem  Sohne,  dem  Grafen  von 
Bresse,  hat  schliefslich  Genf  zahlen  müssen.  Schon  1445  hatte  Karl  VlL 
die  Verbringung  von  Waren  nach  Genf  verboten.  Als  1462  den  fremden 
wie  den  französischen  Kauf leuten  von  König  Ludwig  XI.  untersagt 
wurde ,  durch  französisches  Gebiet  Waren  zu  den  Genfer  Messen  schaffen 
zu  lassen,  wehrte  sich  zwar  die  Stadt  gegen  die  beiden  Dekrete  von 
1462  und  1463,  das  Herzogshaus  schlofs  sich,  seinen  Fehler  erkennend, 
dem  an.  Die  Eidgenossen,  die  gerade  wie  Savoyen  für  ihre  Zölle  und 
Geleitsgelder  besorgt  waren,  fürchteten,  dafs  fortan  die  Niederländer 
und  Deutschen  ihr  Gebiet  nicht  mehr  durchziehen  würden,  sie  sandten 
zu  Ludwig  nach  Abbeville  eine  Botschaft.  Der  Versuch,  durch  eine 
Teilung  der  Messen  zwischen  Genf  und  Lyon  die  Eintracht  wiederher- 
zustellen, mifslang;  an  den  Konferenzen  hatten  Kauf  leute  von  Florenz, 
Genua,  Mailand,  Venedig,  Lucca,  Troyes,  Ronen,  aber  auch  ein  Vertreter 
der  grofsen  deutschen  Gesellschaft  teilgenommen^.  Die  französischen 
Verbote  wurden  erneut  Der  Kampf  zwischen  den  beiden  Mefsplätzen 
wurde  mit  Energie  weitergeführt,  als  Siegerin  ging  Lyon  fast  unmittel- 
bar daraus  hervor*.  Genf  und  Savoyen  machten  zwar  alle  Versuche, 
die  Kaufmannschaft  an  sich  zu  fesseln,  allein  es  war  umsonst  Lyon 
wurde  namentlich  der  Hauptsitz  der  Wechselgeschäfte ,  das  internationale 
Geldgeschäft  verlegte  sich  dorthin. 

Der  Genfer  Mefsplatz  hatte  für  die  Deutschen  eine  ähnliche  Be- 
deutung wie  sie  einst  die  Champagner  Messen  gehabt  hatten.  Sie  kauften 
dort  nicht  die  Produkte  Genfer  Gewerbefleifses ,  sondern  erwarben  von 
Italienern  und  Südfranzosen  die  Produkte  entlegener  Länder,  wie  sie 
diesen  ihre  Waren  verkauften.  Der  Besuch  der  Italiener  war  sehr  stark, 
am  deutlichsten  überblicken  wir  aus  den  Zolllisten  den  Mailänder  Handel 
und  da  sehen  wir,  wie  sie  ihre  Barchente,  Waffen,  die  Spezereiwaren 
und  Kleinwaren,  gelegentlich  auch  Tuche,  Bogen,  Pelzwerk,  Papier, 
Lorbeeröl,  Terpentin,  Harz,   Wetzsteine  u.  a.  nach   Genf  beförderten, 


^  Borel  piöc.  jnstif.  168. 

«  Vgl.  auch  HuviBlin  286—289. 


Messen  von  Genf  und  Lyon.  4g7 

wie  sie  von  dort  die  Produkte  des  Nordens  mitbrachten:  vor  allem  Pelz- 
werk, Wolle,  Federn,  Heringe,  Häute,  Tuche,  gefütterte  und  unge- 
fütterte, namentlich  Freiburger,  Leinen,  Wachs,  aber  auch  gelegent- 
lieh südliche  Produkte,  wie  Olivenöl,  Metalle,  wie  Zinn,  Blei,  Kupfer, 
Alaun,  Erz,  geringhaltiges  Silber  u.  a.  m.  Florenz  war  durch  Bankhäuser 
vertreten ,  so  hielten  die  Saxetti  eine  Filiale  der  Bank  der  Mediceer, 
Genua  stellte  ebenfalls  viele  Kauf  leute. 

Für  die  deutschen  Kaufleute  haben  Borel  und  Heyd  zahlreiche 
Zeugnisse  beigebracht,  die  sich  im  folgenden  um  weitere  vermehren. 
Die  älteste  Angabe  über  deutschen  Handel  in  Genf  dürfte  die  Nachricht 
sein,  die  wir  im  ältesten  Konstanzer  Ratsbuche  finden*.  Die  Gefahr, 
dafs  die  deutschen  Kaufleute  seit  1462/3  Lyon  vorziehen  würden,  war 
sehr  grofs.  Die  Eidgenossenschaft,  vorab  Bern,  trat  für  die  Interessen 
derselben  ein.  Genf  und  Savoyen  hatten  der  französischen  Sperre  durch 
eine  von  ihrer  Seite  geantwortet.  Die  Stadt  Bern  erwirkte  den  deutschen 
Kaufleuten  jedoch  freien  Durchpafs  zur  Lyoner  Messe*.  Diese  fanden 
aber  Bedenken  und  wollten  durch  das  Gebiet  des  Abts  von  St.  Claude 
fahren,  die  Stadt  Bern  forderte  den  Abt  zur  selben  Zeit  auf,  die 
Strafsen  in  Stand  zu  setzen.  Sie  hatten  also  die  Absicht,  die  west- 
liche französische  Seite  des  Juragebirges  (über  Neuenburg- Pontarlier 
oder  weiter  südlich)  zu  gewinnen  und  so  Genf  zu  umgehen®.  Dieser 
Weg  wurde  wohl  kaum  viel  befahren*.  Verschiedene  Zolldifferenzen 
an  den  Zollstätten  von  Seyssel  und  Pont  d'Arve  beweisen  es,  dafs  die 
deutschen  Kauf  leute  über  Genf  gingen.  Bei  einem  1467  entstandenen 
Konflikte  werden  die  Städte  Ulm,  Konstanz,  Nürnberg,  Ravensburg 
und  St.  Gallen  als  am  Verkehr  nach  Lyon  beteiligt  bezeichnet*.  Auch 
dieses  Mal  behaupteten  die  deutschen  Kaufleute  freien  Durchpafs  tür 
ihre  eigenen  Waren.  Doch  wurde  1467  der  Kemptner  Bürger  Heinrich 
Stüdlin  angehalten  und  eine  Ladung  Silber  konfisziert^.  1471  wurde 
dem  Hans  Müller  und  seiner  Gesellschaft,  die  in  Savoyen  ein  Silber-  und 
Erzbergwerk  angefangen  hatte,  am  Zoll  von  Seyssel  Silber  genommen^. 
Kaufleute  von  Memmingen  wurden  1475  von  den  Savoyern  gar  gefangen 


'  Unsere  Urkunden  Nr.  345. 

^  Heyd  377.    Mitteilungen  Berns  vom  5.  tr  13.  Juli  und  17.  September  1364. 
Vgl.  unsere  Urkunden  Nr.  373. 

*  Unsere  Urkunden  Nr.  295. 

*  Immerhin  bat  Bern  den  Markgrafen  von  Neuenburg  um  Milderung  des  Zolles 
und  Geleites  für  den  Handel  mit  Lyon.    Deutsch.  Brief  buch  B  S.  14. 

»  Heyd  S.  377  f.  und  Bern,  Deutsch.  Briefbuch  B  255.    Eidgen.  Abschiede 
2,  369  u.  415. 

6  Heyd  S.  379. 

■^  Unsere  Urkunden  Nr.  298. 


488  Dreinndyierzigstes  Kapitel. 

gesetzt  ^    1473  erlitten  Ambrosius  Roth  (von  Ulm?)  und  Hans  Lamparter 
zu  Seyssel  EinbuTse. 

Nach  der  Störung  des  Handels  durch  die  Burgunderkriege,  durch 
die  den  deutschen  Eaufleuten  mancherlei  Widerlichkeiten  bereitet 
wurden^,  wurde  im  Friedensschlüsse  der  freie  Paus  ohne  jede  Erhöhung 
der  Zölle  ausbedungen,  und  dann  bestimmt,  dafs  die  oberdeutschen  und 
schwäbischen  Kaufleute  bei  der  Reichsstrafse ,  d.  b.  faktisch  bei  dem 
Wege  durch  die  Eidgenossenschaft  verharren  sollten,  während  die  von 
Köln  wie  bisher  ihren  Weg  nach  Genf  und  Lyon  durch  die  Preigraf- 
Schaft  einschlagen  dürften ',  dieser  Abmachung  zwischen  den  Eidgenossen 
und  Frankreich  trat  Maria,  die  Erbin  von  Burgund  und  später  auch 
Maximilian  bei^. 

Sehr  ärgerlich  waren  für  die  Kaufleute  die  Privatfehden  einzelner 
Bemer  Bürger  (Konrad  von  Laufen  gegen  Kempten  1472,  Heimbrand 
Trüb  gegen  Biberach  1479  und  Wemher  Löubli  gegen  Ulm  1484—97). 
Namentlich  die  Löublifehde  gewann  einen  höchst  peinlichen ,  den  Bemern 
sehr  unerwünschten  Umfang  und  die  Ulmer  waren  auf  den  Strafsen 
keineswegs  sicher,  wenn  auch  Bern  einzelnen  Bürgern  Geleit  gab.  Vier 
Ulmer  Kaufleute  wurden  von  Löublis  Erben  1495  in  Savoyen  niederge- 
worfen *. 

Das  Haus  Savoyen  suchte  1485  den  Besuch  der  Genfer  Messe  durch 
Zölle  auf  die  von  Genf  ausgeführten  Waren  zu  steigern,  ob  mit  Er- 
folg? Herzog  Philibert  HL  schickte  1498  ein  Rundschreiben,  in  dem  er 
den  Deutschen  den  Markt  von  Genf  empfahl.  Ravensburg,  Biberach, 
Ulm,  Strafsburg,  Basel,  Konstanz,  Memmingen,  Augsburg  und  Nürn- 
berg sagten  das  Erscheinen  ihrer  Kaufleute  zu*.  Wir  wissen,  dafs  im 
Winter  von  1491  bei  grofser  Kälte  die  Nürnberger,  die  früher  als  die 
hauptsächlichsten  deutschen  Gröfsen  auf  den  Genfer  Messen  bezeichnet 
wurden,  auf  Schlitten  bis  Genf  fuhren^.  Schliefslich  siegte  Lyon,  das 
im  sechzehnten  Jahrhundert  durch  die  feste  Ansiedelung  von  Italienern 
und  den  umfangreichen  Mefsbesuch  der  Börsenplatz  Westeuropas  wurde. 
Schon  1475  war  die  Bank  Cosimo  da'  Medicis  in  Lyon  mit  einer  Filiale 
vertreten®.  Auch  Deutsche  liefsen  sich  nun  in  Lyon  nieder,  begründeten 
eine   deutsche   Bruderschaft;    um   1525   erscheint  hier  der   berühmteste 


1  Eidgen.  Abschiede  2,  586. 

«  Heyd  381. 

»  Eidgen.  Abschiede  2,  928.     Heyd  382. 

*  Heyd  383. 

«  Heyd  383  f. 

«  Heyd  385.    Borel  51.    102. 

'  Borel  103.    Roth  4,  249. 

8  Bern,  Staatsarchiv.     Lat.  Brief  buch  A  Fol.  420. 


Messen  von  Genf  und  Lyon.  4g9 

unter  ihnen  Hans  Kleberg,  der  „gute  Deutsche,^  zunächst  freilich  als 
ein  Bürger  von  Bern.  Aber  auch  andere  Nürnberger,  wie  die  Tucher, 
verkehrten  um  diese  Zeit  in  Lyon*,  1506  finde  ich  einen  Daniel  Gundel- 
finger  mercator  Lugdunensis^  und  Geiler  von  Kaisersberg  sagt  von  den 
grofsen  Gesellschaften,  dafs  sie  zu  Venedig,  Lyon  und  Antwerpen  ihre 
Verweser  hätten '.  Als  die  gewöhnliche  Route  der  Nürnberger  von  Genf 
nach  Lyon  giebt  Örtel  1521  die  über  Nantua  an  mit  folgenden  Stationen : 
Collonges,  St.  Germain  de  Joux,  Cerdon,  St.  Jean  le  Vieux,  St.  Denis  le 
Chosson  und  Montluel.  Der  Nürnberger  Pilger  traf  in  Lyon  seinen 
Bruder  Florentius,  Sebald  Schürstab,  Schlüsselberger,  Hans  Schäufelin, 
Hans  Schwab  und  des  Dürers  Diener.  Seine  Fahrt  nach  St.  Jago  setzte 
er  über  Rodez  fort*.  Der  Höhepunkt  der  Lyoner  Mefsen  ruhte  weniger 
auf  dem  Warenhandel,  als  auf  dem  Geldhandel  *  und  das  war  der  franzö- 
sischen Krone  von  einem  geradezu  unschätzbaren  Nutzen.  Lyon  ward 
die  zweite  Hauptstadt  des  Landes. 

Aber  nicht  allein  dieser  Messen  halber  kamen  Deutsche  in  das  Ge- 
biet des  Rhone.  Noch  unterhalb  Lyon  und  östlich  davon  in  Savoyen 
und  im  Dauphin^  tauchen  deutsche  Kauf  leute  auf.  Wir  dürfen  da  wohl 
als  Ziel  Marseille  und  die  anderen  Mittelmeerhäfen  annehmen,  wie  auch 
der  schon  damals  starke  oberdeutsche  Handel  nach  Spanien  zum  Teil 
diesen  Weg  einschlug.  Er  ist  wohl  genau  identisch  mit  dem,  den  die 
Pilger,  die  nach  St.  Jago  di  Compostella  wollten,  einschlugen  und  über 
den  ein  gereimter  „Baedeker"  von  1495  die  allerbeste  Auskunft  ge- 
währt*. Ich  gebe  hier  in  aller  Kürze  die  Stationen,  beginne  jedoch  erst 
bei  Genf,  wo  der  Dichter  bei  einem  deutschen  Wirt,  Peter  von  Frei- 
burg, wo  vorwiegend  Jakobsbrüder  verkehrten,  nächtigte.  Es  folgen 
Rumilly,  Aix-les-Bains ,  Chamb^ry,  Los  Ekihelles  (gu  der  Leitern)^  Voiron 
(Feronis),  TAlbenc  (Albon)j  Vinay  (Fynit),  St.  Marcellin  (Marcellyn). 
Dann  erwähnt  er  an  der  Stelle  100  Meilen  von  Einsiedeln  die  ^stat  sant 
Anihonio^y  nun  geht  der  Weg  von  St.  Marcellin  bis  Romans  an  der  Is^re 


^  Ehrenberg,  Hans  Kleberg,  der   „gute  Deutsche'',  in  Mitteilungen  des 
Vereins  f.  Gesch.  d.  Stadt  Nürnberg  10,  1 — 51. 
«  Bern,  Lat  Brief  buch  F  Fol.  254. 
»  Von  den  Kauf  leuten  Fol.  90*. 

^  Mitteilungen  a.  d.  germ.  Nationalmuseum  1896  S.  73  u.  82. 
^  S.  auch  über  die  Wechsel  von  Genf  und  Lyon  in  Genua  unsere  Urkunden 

S.  169,  86. 

«  HSibler,  Das  Wallfahrtsbuch  des  Hermannus  Künig  von  Vach  und  die 
Pilgerreisen  der  Deutschen  nach  Santiago  di  Compostella.  Strafsburg  1899.  In  der 
Deutung  mufs  ich  an  einigen  Stellen  von  Häbler  abweichen,  leider  habe  ich  dieses 
Buch  erst  so  spät  kennen  gelernt,  dafs  ich  dasr  fehlende  Stück  derEoute  nicht  mehr 
in  die  Übersichtskarte  eintragen  kann,  es  handelt  sich  jedoch  nur  um  die  Verbindung 
Valeüce-Chamb^ry. 


490  Dreinnd vierzigstes  Kapitel. 

entlang,  während  ein  St  Antoine  mehrere  Stunden  seitwärts  nördlich  im 
Gebirge  liegt.  Dafs  die  Jakobsbrüder  hier  von  dem  nächsten  Wege  ab- 
bogen, hatte  seinen  guten  Grund.  Sie  wollten  den  Leichnam  des  hl. 
Antonius  sehen,  von  dessen  Wundem  uns  ein  anderer  Pilgrim  erzählt, 
Arnold  von  Harff,  der  von  Susa  über  den  Mont  Genevre  und  Grenoble 
kommend,  bei  TAlbenc,  wo  auch  er  der  dortigen  Kammmacher  gedenkt, 
in  den  gewöhnlichen  Weg  nach  St.  Jago  einbogt.  In  St.  Antoine  hielt 
ein  Deutscher  ein  Wirtshaus,  das  das  Pilgerbüchlein  rühmt  und  für  das 
Wechseln  des  Geldes  empfiehlt.  Dann  folgt  Romans,  Valence  und  dann 
geht  es  über  Loriol,  Montelimar,  Chateauneuf,  Donzfere,  Pierrelatte,  La 
Palude  zu  dem  Rhoneübergang  von  Pont  St.  Esprit.  Die  Jakobsbrüder  bogen 
hier  nach  Nimes  und  Spanien  ab,  die  andern  aber  blieben  bei  la  Palude 
auf  der  alten  Strafse:  denn  da  ging  es  nach  Avignon  und  Arles,  nach 
St  Gilles  und  Aigues-Mortes  wie  nach  Marseille. 

Ich  habe  für  diese  Route  nicht  gesammelt,  aber  kann  sofort  nach- 
weisen, dafs  Karl  IV.  nach  seiner  Krönung  in  Arles  diesen  Weg  ein- 
schlug. £r  war  unterwegs  in  Moirans  (Morentum)  und  das  liegt  zwischen 
Voiron  und  TAlbenc^. 

Den  deutlichsten  Beweis  für  diese  Handelsstrafse  giebt  Ulmann 
Stromer,  der  die  Kosten  des  Transports  eines  Safran ballens  von  Barce- 
lona bis  Konstanz  mitteilt.  Der  Transport  über  Aigues-Mortes  bis 
Avignon  kostete  pro  Centner  2  fl.,  von  Avignon  bis  Genf  2V4,  bis  Bern 
^U  und  von  Bern  bis  Konstanz  1  fl.,  für  die  ganze  Strecke  von  Barcelona 
bis  Konstanz  also  6  fl.  Zölle  führt  der  biedere  Nürnberger  Kaufmann 
nur  für  Barcelona  und  Aigues-Mortes  an,  ein  Beweis,  dafs  die  Zollfreiheit 
der  Nürnberger  wirklich  anerkannt  wurde®. 

Schon  von  1410  haben  wir  einen  für  einen  Konstanzer  Kaufmann, 
der  seine  Schritte  nach  Katalonien  und  Italien  lenken  wollte,  ausgestellten 
Pafs,  dessen  Adresse  an  den  Grafen  Amadeus  von  Savoyen  gerichtet  ist*. 
Der  unternehmungslustige  Händler,  dessen  Name  uns  leider  unbekannt 
ist,  ging  doch  wohl  über  Genf.  Intimere  Handelsbeziehungen  bestanden 
zwischen  Konstanz  und  Avignon.  Der  Konstanzer  Johannes  Seiler 
machte  1402  dort  Einkäufe  von  bedeutendem  Umfange,  die  einen  längeren 
Verkehr  voraussetzen*.     Jakob  von  Ulm,  ein  anderer  Konstanzer  Bürger, 


'  V.  Groote,  Die  Pilgerfahrt  Arnolds  von  Harff  S.  220.  Von  Pont  St.  Esprit 
bis  Nimes  ging  er  den  Weg  über  Eemoulins,  das  PUgerbüchlein  hat  den  über  Uzös. 

«  Böhmer-Huber  7165. 

'  Chroniken  d.  deutschen  Städte  1,  102  f.  Andere  Zeugnisse  über  Nürn- 
berger in  Lyon  s.  unter  Nürnberg. 

*  Mone,  Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrh.  4,  42. 

^  Der  Konstanzer  schuldete  885  Goldgulden,  aufserdem  48 Va  d  sind  crudi 
(Rohseide)  et  in  uno  chtppelleto  perUnnmi  grossarum  et  una  btirsa  perlarum  /»ttorum. 


k 


Verkehr  von  der  Rhonemündung  zum  Bodensee.  491 

hatte  dort  sehr  bedeutende  Ausstände  und  dieselbe  Familie  hatte  1404 
dort  Wechselschulden  einzutreiben  ^  In  Avignon  gab  es  einen  deutschen 
Wirt,  und  auch  dieser  war  ein  Schuldner  desselben  Geschlechtes  ^  Noch 
in  der  Mitte  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  hatte  die  grofse  Ravensburger 
Gesellschaft  hier  eine  Faktorei.  Der  Handelsverkehr  in  Avignon  mochte 
der  Rest  von  Beziehungen  aus  der  Zeit,  wo  die  Päpste  dort  residierten, 
sein.  Damals  gab  es  dort  auch  eine  confratria  Alcmannorum ;  der  mit 
der  römischen  Kurie  wandernde  Arzt  Albert  von  Würzburg  vermachte 
ihr  eine  Gabe,  gedenkt  in  seinem  Testamente  auch  sonst  Deutscher  und 
des  deutschen  Ordens,  ohne  jedoch  gerade  Kaufleute  zu  nennen.  Eine 
Strafse  trug  den  Namen  rtte  de  Allemands^  doch  soll  dieser  Name  von 
einer  Familie  herrühren®. 

Auch  sonst  finden  wir  südlich  von  Lyon  deutsche  Kaufleute.  Die 
Klagen  des  Kosmas  Speiser,  Bürgers  von  Konstanz,  seit  1360  auch 
Familiären  des  Königs*,  dem  in  diesem  Jahre  Güter  im  Werte  von 
1500  Goldnobel  genommen  bezw.  angehalten  waren,  richteten  sich  gegen 
Unterthanen  des  französischen  Kronprinzen,  des  späteren  Königs  Karl  V., 
der  seit  1344  der  Souverän  des  Dauphin^  war.  Der  Arrest  kann  also  nur 
im  Dauphin^  geschehen  sein.  Freilich  scheint  der  Konstanzer  den  Kaiser 
getäuscht  zu  haben ;  denn  später  widerrief  Karl  IV.  die  erschlichenen 
Repressalien,  die  Speiser  gegen  die  französischen  Kaufleute  und  vor 
allem  die  von  Montpellier,  Toulouse  und  Ronen  erwirkt  und  denen  zu- 
folge der  Graf  Rudolf  von  Nidau  französische  Kaufleute  niedergelegt 
hatte*.  Die  Nürnberger  Handelsgesellschaft  des  Franz  Ortolf  hatte  1442 
in  Orten  des  Dauphin^  Mandeln,  Rosen  und  Oliven  angekauft,  die 
W^aren  wurden  aber  dem  Diener  der  Gesellschaft  arrestiert,  weil  die  Be- 
amten des  Dauphin^  glaubten,  sie  sollten  in  Savoyen  verhandelt  werden, 
wo  es  doch  die  Absicht  der  Gesellschaft  war,  sie  nach  Nürnberg  zu 
verbringen,  nur  nach  Hinterlegung  einer  Geldsumme  wurde  das  ge- 
stattet •. 

1515  wurde  im  Hafen  von  Marseille  ein  spanischen  Kaufleuten  ge- 
höriges Schiff  von  französischen  Unterthanen  weggenommen,  das  auch 
116  Lasten  Wolle  der  Gesellschaft  des  Anton  Welser  und  des  Bartholo- 


Z ei t sehr.  f.  Gesch.  d.  Oberrh.  4,  44  und  die  dieselben  Dinge  behandelnde  Formel 
unsere  Urkunden  Nr.  330. 

*  Mone  4,  45. 

'  Ebda.  4,  47.    Zum  Vertreter  der  Firma  in  Avignon  wurde  Konrad  Sünder 
bestellt.    Der  Wirt  schuldete  noch  70  fl. 

"  Vgl.  Pogatscher,  Deutsche  in  Avignon  in  Römische  Quartalschrift  13,  59  ff. 

*  Glafey  494. 

^  Böhmer-Huber  3197.  3472  n.  3605. 

*  Unsere  Urkunden  Nr.  387. 


492  Drei  und  vierzigstes  Kapitel. 

maus  Mai  von  Bern  trug.  Auf  die  Vermittelung  des  mächtigen  Bern 
wurden  die  Waren  sofort  ausgelieferte 

In  die  Nähe  von  Genf  ftihrt  uns  ein  Dankschreiben  der  Stadt  Nürn- 
berg an  Herzog  Amadeus  von  Savoyen  für  die  vortreffliche  Behandlung 
der  Nürnberger  Kaufleute,  von  denen  einer  einen  Schuldner  in  Mäcon 
hatte  ^.  Zum  Danke  nahmen  sich  die  Städte  der  savoyischen  Gesandten 
an,  die  ins  Reich  gingen®.  Auch  Konstanz  stand  mit  Savoyen  in  leb- 
hafter Beziehung.  So  gewährte  1402  Graf  Amadeus  den  Bürgern  dieser 
Stadt  sicheres  Geleit,  obwohl  in  der  Nähe  von  Konstanz  savoyische  Unter- 
thanen  gefangen  worden  waren*.  1403  ward  ein  Konstanzer,  Johannes 
Kaiser  bei  Genf,  aber  nicht  im  Bereiche  dieser  Stadt,  geplündert.  Er 
hatte  sich  zuerst  Hilfe  bei  Bern  verschafft,  doch  erhielt  er  von  den 
Genfern  sein  Gut  nicht  und  drohte  sein  Bürgerrecht  aufzugeben,  um  an 
den  Genfern  Rache  zu  nehmen,  doch  diese  erklärten  sich  für  nicht  im 
mindesten  verantwortlich  *. 

Der  Weg,  den  die  schwäbischen  Kaufleute  nach  und  von  Genf  und 
Lyon  nahmen ,  läfst  sich  nach  Berner  und  Nürnberger  Archivalien  genau 
feststellen,  zum  Teil  ftlllt  er  auch  mit  der  Route  der  Jakobsbrüder  zu- 
sammen. Es  wurde  zunächst  vom  Genfersee  aus  die  Wasserscheide  ge- 
wonnen und  dann  zogen  sie  am  Gebirgsrande  der  Alpenwelt  entlang  der 
hydrographischen  Pforte  der  Eidgenossenschaft  zu.  In  manchen  Fällen 
mochte  zu  dieser  Thalfahrt  auch  wohl  ein  Schiff  benutzt  werden,  die 
Aare  trug  damals  solche  von  Thun  an*.  Andere  zogen  am  Murtener 
See  entlang  auf  Solothurn  zu  und  erreichten  über  den  oberen  Hauen- 
stein BaseP. 

Am  Ufer  des  Genfersees  lagen  die  Zollstätten  zu  Nyon,  zu  Aubonne® 


J  Bern,  Lat.  Briefbuch  H  Fol.  127  u.  139.  In  den  Brief büchem  G  Fol.  114 
u.  115  und  H  289  finden  sich  Briefe  über  eine  Beraubung  derselben  Gesellschaft 
durch  Jean  Chaperon  de  Britania. 

«  Unsere  Urkunden  Nr.  383. 

8  Urkunden  Nr.  329  u.  Nr.  383  Anm.  1.  Der  Nördlinger  Schambach  hatte 
allerdings  savoyische  Gesandte  gefangen  genommen,  so  trieben  auch  wohl  Nörd- 
linger Kaufleute  in  Savojen  Handel. 

*  Mone,  Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrh.  4,  51  ff. 

1^  Mone  53  ff.  Gerade  diese  Briefe  des  Schultheifsschen  Formelbuches  machen 
den  Eindruck  von  Stiliibungen,  aber  doch  sind  sie  wohl  im  Anschlufs  an  Thats&ch- 
liches  geschrieben. 

•  Geering  182. 

"^  Geering  201  gicbt  als  Stationen  an:  Morges,  Lausanne,  Montpreveyres  auf 
dem  Jorat,  Moudon,  Pajerne,  Avenches,  Murten,  Aarberg,  Büren,  Solothurn,  oberer 
Hauenstein,  Basel. 

®  Über  den  den  Herren  von  Grandson  bewilligten  Zoll  s.  Böhmer-ETuber 
4457.  4560  u.  7446. 


Verkehr  von  der  Ehonemündung  zum  Bodensee.  493 

und  Morges  ^  Dann  kam  man  nach  Lausanne  ^,  nach  Freiburg  und  Bern. 
An  der  Fortsetzung  nach  Aarburg  wurden  beim  Überschreiten  der  Emme 
zu  Kirchberg  und  Burgdorf  Zölle  erhoben  ^.  In  Aarburg  kreuzte  sich 
der  Weg  mit  der  zum  Gotthard  führenden  Strafse  über  den  unteren 
Hauenstein  wie  bei  Brugg  mit  der  andern  Gotthard  -  Zugangslinie  über 
den  Bötzberg.  Die  Nürnberger  waren  hier  überall  zollfrei;  welch  einen 
Vorsprung  hatten  sie  vor  den  schwäbischen  Reichsstädten  voraus,  dafs 
sie  in  Bern,  Solothurn,  Murten,  Besan9on  und  im  Königreich  Arelat 
zollfrei  waren  !  Freilich  mufsten  sie  sich  ihrer  Zollfreiheit  sehr  oft  er- 
wehren, konnten  sie  auch  nicht  immer  behaupten*.  Bern  suchte  be- 
greiflicherweise den  ganzen  Verkehr  an  sich  zu  ziehen*.  Die  Nürn- 
berger schlugen  jedoch  oft  andere  Wege  ein®. 

In  der  Pforte  von  Brugg  vermied  der  Weg  der  Bemer  die  Über- 
schreitung der  Reufs  und  Limmat,  man  wechselte  auf  der  Brücke  von 
Brugg  vielmehr  das  Aareufer  um,  unterhalb  der  Vereinigung  der  drei 
Flüsse  vermittelst  der  Fähre  von  Stilli  das  rechte  Ufer  der  Aare  wieder 
zu  gewinnen.  Bei  Koblenz  trat  der  Weg,  der  in  der  Pforte  eine  nörd- 
liche Richtung  gehabt  hatte ,  in  eine  östliche  über,  um  zunächst  Zurzach 
zu  gewinnen.  Im  Mittelalter  hatte  es  viel  besuchte  Märkte,  hier  gingen 
die  Wege  auseinander.  Eine  alte  Römerstrafse  führte  nordöstlich  über 
Donaueschingen  nach  dem  oberen  Neckar,  also  an  den  Nordfufs  der 
rauhen  Alb.  Der  andere  Weg  wechselte  hier  oder  zu  Kaiserstuhl  das 
Rheinufer  und  führte  über  Schaffhausen  durch  das  Hegau  nach  Ulm  bez. 
auf  Konstanz  zu.  Diese  Strafse  war  in  der  Mitte  des  fünfzehnten  Jahr- 
hunderts gegenüber  einer  andern  vernachlässigt,  die  von  Stein  am  Rheine 
dicht   unterhalb    des    Sees    abbog   und    zum    Zolle    von    Kloten    führte. 


'  Vgl.  Bor  ei  211  f.  und  pi^ces  justificatives  73  ff. 

*  1486  wurden  vom  Bischof  von  Lausanne  Nürnberger  Kauf  leute,  welche  Zoll 
zu  zahlen  sich  weigerten,  angehalten.    Bern,  Lat.  Briefbuch  D  Fol.  65. 

'  Auf  der  Fortsetzung  des  Burgdorfer  Weges  auch  in  Bleienbach.  Nürn- 
berg, Kreisarchiv.    Brief  buch  3  Fol.  13.     1409. 

*  So  behaupteten  sie  1425  für  den  Zoll  in  Burgdorf  Zollfreiheit,  Bechtold  Kegler 
hatte  Zoll  zahlen  müssen.  Nürnberg,  Kreisarchiv.  Brief  buch  7  Fol.  20.  Sie  ver- 
hörten darauf  zuverlässige  Kauf  leute,  die  z.  T.  schon  50  Jahre  dort  wandelten. 
Alle  sagen,  erst  seit  den  letzten  Jahren  sei  Zoll  dort  erhoben.  Ebda.  Fol.  43.  In 
späterer  Zeit  war  von  einem  Wagen  wohl  l  ß  ^.  gegeben,  wofür  er  das  ganze  Jahr 
zollfrei  war.  Verhört  waren  sieben  Leute  über  den  Zoll  zu  Burgdorf  und  Kirch- 
berg. Ebda.  Fol.  88.  1433  entschied  Bern  den  Streit  zwischen  Nürnberg  und  Nörd- 
lingen  und  Burgdorf.  Urkunden  Nr.  384.  1479  schickte  Bern  seinem  Schultheifsen 
zu  Burgdorf  den  Befehl,  die  bresthaften  Strafsen  in  Stand  zu  setzen.  Bern,  Deutsch. 
Brief  buch  D  S.  209. 

*  So  1490,  wo  sie  die  Fuhrleute  der  nach  Genf  und  Lyon  handelnden  Kauf- 
leute von  Aarberg  nach  Bern  zogen.    Bern,  Deutsches  Brief  buch  G  S.  111  u.  114. 

«  Urkunden  Nr.  304. 


494  Dreiundvierzigstes  Kapitel. 

Dieser  Weg  war  für  Zürich  von  Vorteil,  der  „alte"  aber  für  fast  die 
gesamte  Eidgenossenschaft,  da  sie  ja  seit  1415  die  Herrin  der  Grafschaft 
Baden  war.  Auf  den  Tagsatztingen  von  1479  bis  zum  Ende  des  Jahr- 
hunderts steht  fast  stets  der  Streit  um  den  Klotener  Zoll  auf  der  Ordnung. 
Und  Zürich  kämpfte  um  so  hartnäckiger,  da  die  deutschen  Städte,  Nürn- 
berg voran,  die  benachbarten  Grafen  und  Herren,  wie  die  österreichischen 
Vögte  sich  für  eine  Geleitslinie  erwärmten,  die  zu  Stande  kam. 

Dieser  Weg,  der  besonders  für  das  Gut,  das  gen  Genf  und  in  das 
Welschland  geführt  wird,  bestimmt  war,  begann  bei  Gögglingen  an  der 
Donau,  dicht  oberhalb  Ulm  und  führte  im  Geleite  der  Landvogtei 
Oberschwaben  über  Biberach ,  Buchau ,  Saulgau  nach  Ostrach.  Dort  be- 
gann das  gräflich  werdenbergische  Geleite.  Von  Pfullendorf  bis  Schaff- 
hausen  führte  der  Weg  im  Geleit  der  Grafschaft  Nellenburg  über  Stockach, 
am  Fufse  des  Hohentwiel  vorbei.  Im  Geleite  der  Grafen  von  Sulz  end- 
lich stand  die  Strecke  SchafFhausen-Kaiserstuhl.  Dort  begann  das  Geleit 
der  Eidgenossenschaft.  Die  Städte  hatten  das  lebhafteste  Interesse  für 
diese  Strafse  an  den  Tag  gelegt,  vor  allem  Nürnberg ^ 

Von  dieser  Route  weicht  nicht  unerheblich  diejenige  ab,  die  Ürtel 
1521  als  die  gewöhnliche  zwischen  Nürnberg  und  Genf  bezeichnet.  Das 
Stück  bis  Buchhorn  (Friedrichshafen)  ist  schon  oben  besprochen.  Die 
nächsten  Stationen  Meersburg,  Konstanz,  Steckborn,  Stein,  Schaffhausen 
folgen  dem  Rheine;  von  Schaffhausen  ab  wird  über  Lottstetten,  Rafzer- 
feld  bis  Kaiseratuhl  jene  Linie  verfolgt.  Dann  nennt  Örtel  „zum  Neuen- 
haus", ich  kann  das  nicht  identifizieren,  da  aber  unmittelbar  Baden  folgt, 
nehme  ich  an,  dafs  nicht  die  Strafse  durch  die  Jurapforte  gewählt  wurde, 
sondern  der  Jura  direkt  über  Ehrendingen  überstiegen  wurde.  Es  folgen 
Hellingen,  Lenzburg,  Aarau,  Aarburg  und  Murgenthal;  dann  ist  die  süd- 
lichere Linie  über  Burgdorf  festgelegt  durch  die  Ortschaften :  Langenthai, 
Riedwyl,  Wynigen  und  Burgdorf^. 

Während  das  Schweizer  Gebiet  sicher  war,  ist  die  Fortsetzung 
aufserhalb  des  Gebietes  der  Eidgenossenschaft  wiederholt  durch  Räubereien 
unsicher  gemacht  worden.     Ein  Überfall  von  1407   an  Nürnbergern  und 

>  Vgl.  Eidgen.  Abschiede  3,  1,  39.  135.  218.  305.  471.  477  (der  Vertrag  vom 
2.  April  1495).  533.  Aufserdcm  sah  ich  in  Luzern  den.  Abschied  eines  Konstanzer 
Tages  von  1489  und  andere  darauf  bezügliche  Schriftstücke.  Auf  dem  Konstanzer 
Tage  standen  noch  die  Forderungen  der  Geleitsherren  dem,  was  die  Kauf leute  ge- 
währen wollten,  entgegen.  Femer  Nürnberg,  Kreisarchiv,  Brief  b.  41  Fol.  164  (1490), 
43  Fol.  147.  Bern,  Deutsches  Brief  buch  A,  479  (Ulmer  Kauf  leute,  die  ihrer  alten 
Grewohnhcit  nach,  nach  Genf  auf  die  Messe  gingen,  wurden  in  Kloten  belästigt  1464). 
Vgl.  Geering  S.  196.     Herzog,  Zurzacher  Messen  25  ff. 

^  Mitteil.  a.  d.  germ.  Nationalmuseum  1896  S.  82.  Auch  diese  Strecken  Konstanz- 
Schaff  hausen-Kaiser&tuhl-Baden,  Langenthal-Burgdorf-Bern  und  Genf-Nantua-Lyon 
konnte  ich  auf  der  Karte  nicht  mehr  eintragen. 


Verkehr  von  der  Rhonemündung  zum  Bodensee.  495 

Luzernern  ist  schon  oben  berichtet.  1409  wurden  abermals  mehrere 
Fässer  mit  Sensen,  Eigentum  Nürnberger  Kaufleute,  bei  Schaff  hausen 
angehalten*.  Der  gröfste  Überfall  geschah  1441,  als  am  30.  Mai  Ulmer, 
Nürnberger  und  andere  Kaufleute  von  der  Genfer  Pfingstmesse  heim- 
kehrten. In  der  Nähe  von  Stein  und  unterhalb  war  der  Rhein  längst 
nicht  sicher;  dieses  Mal  griff  eine  Schar  von  Adligen  zu,  sie  bedienten 
sich  schneller  Schiffe  und  nahmen  den  Kauf  leuten  so  viel  ab ,  dafs  sie 
50  Pferde  brauchten,  um  die  Waren,  die  Konstanzer  Chronisten  auf 
20000  fl.  schätzten,  auf  einige  nicht  allzu  entlegene  Burgen  zu  bringen. 
Waren  im  Werte  von  100000  fl.  hatten  die  Kaufleute  glücklicherweise 
noch  in  Stein  liegen.  Diese  That  führte  22  Städte  zu  einem  Bündnisse 
zusammen.  In  einem  Kriegszuge  in  das  Hegau  wurde  Rache  an  den 
Räubern  genommen  und  zwei  ihrer  Burgen  gebrochen-. 

Ein  freches  Stücklein  führte  Rudolf  von  Ems  1461  an  einem  Kaufmann 
Gienger  (ob  Ulmer  oder  Münchner?)  aus,  der  seine  „Genfer  Kaufmann- 
schaft" von  Fufsach  aus  durch  einen  Schiffmann  nach  Lindau  bringen 
liefs.  Rudolf  hatte  sich  in  Lindau  ein  Schiff  geben  lassen,  auf  dem  See 
griffen  seine  Knechte  zu  den  Rudern  und  fuhren  dem  Kaufmann  nach, 
den  sie  ereilten,  sie  zwangen  die  Schiffleute  ans  Land  zu  fahren  und  ver- 
eidigten sie,  nicht  von  dem  Raube  und  der  ünthat  zu  reden.  Schliefs- 
lich  hatten  sie  aber  dem  Kaufmann  nur  4  fl.  genommen^. 

1463  wurden  Nürnberger,  die  vielleicht  von  Genf  kamen,  auf  dem 
oberen  See  bei  Hagnau  beraubt  und  das  Gut  auf  den  Hohentwiel  geführt*. 
Die  Nürnberger  drohten,  sehr  zum  Leidwesen  von  Konstanz,  diesen  Weg 
ganz  zu  meiden.  Eine  nicht  geringe  Aufregung  riefen  unter  den  Eid- 
genossen Einige  von  Schwyz  und  Glarus  hervor,  als  sie,  um  einer  Ansprache 
wider  Herzog  Albrecht  von  Bayern  willen  drei  Bürger  von  München 
gefangen  nahmen,  die  von  Lyon  zurückkamen,  und  noch  ärgerlicher 
wurde  ihre  Stimmung,  als  im  nächsten  Jahre  1502  an  der  gleichen 
Stelle  im  Bereiche  des  Thurgaus,  also  auf  eidgenössischem  Boden  (bei 
Berlingen-Mannenbach  am  üntersee),  ein  Vetter  des  Münchner  Kaufmanns 
Andreas  Gienger  festgenommen  wurde  und  dieser  Gienger  versorgte  doch 
die  Eidgenossenschaft  mit  Salz  und  Stahl*. 

'  Urkunden  Nr.  380. 

«  Das  Quellenmaterial  Fürstenb.  Urkb.  6,  355  und  362—381.  Ruppert, 
Chroniken  210  u.  217.  Darstellung  bei  Albert,  Gesch.  v.  Radolfzell  157  fr.  Nach 
Baader,  Nürnbergs  Handel  8.  111  waren  Conz  Ruprecht  6  kl.  Ballen  mit  Papier, 
Fritz  Krefs  5  kl.  Ballen  und  1  Truhe  mit  Buchsbaumkämmen,  900Künlein,  360  Kröpf- 
und  Geisfellen  und  4  Luchs,  Lorenz  Fleischmann  9  kl.  Ballen  Papier  und  ein  Läd- 
lein mit  einer  halben  Mark  Geldes  genommen. 

'  Mitteilung  Heyds  aus  den  Konstanzer  Missivbüchem. 

*  Aus  gleicher  Quelle. 

•^  Eidgen.  Abschiede  3,  2,  125.   128.   129.   193.   211.  230.  234.  243  u.  246. 


496  Dreiundyierzigstes  Kapitel. 

Alle  Räubereien  am  Oberrhein  zusammenzustellen,  wäre  nicht  so 
leicht.  Ich  wähle  einige  mir  bekannt  gewordene  Fälle  aus^  wo  Italiener 
die  Opfer  waren. 

Die  Beraubung  eines  Genuesen,  der  ein  regelmäfsiges  Transport- 
geschäft von  Flandern  bis  Strafsburg  betrieb,  wird  uns  aus  der  Mitte 
des  fünfzehnten  Jahrhunderts  gemeldet  ^  Eine  weitere  betrifft  zwei  vor- 
nehme Genuesen  aus  den  Häusern  Spinola  und  Doria,  die  vielfach  zu 
Land  nach  den  Niederlanden  reisten,  wo  es  eine  starke  niederländische 
Kolonie  gab^.  An  Francesco  Doria  und  Cristoforo  Spinola  hatte  sich 
auf  ihrer  Heimreise  von  London  und  Brügge  auch  ein  Bürger  von 
Alessandria  angeschlossen.  Als  sie  in  der  Grafschaft  Pfirt  ritten,  wurden 
sie  von  dem  Vogt  zu  Landser,  einem  Rate  des  Erzherzogs  Sigmund  von 
Österreich  auf  Veranlassung  des  österreichischen  Landvogtes  Wilhelm 
von  Rapoltstein  in  Ottmarsheim  gefangen  gesetzt,  und  trotz  aller  Ver- 
handlungen blieben  sie  in  Haft,  bis  es  ihnen  gelang,  während  der  Krank- 
heit des  Schultheifsen  von  Landser  sich  in  den  Graben  hinabzulassen 
und  zu  entfliehen^.  1425  wurde  ein  deutscher  Läufer,  der  von  Genua 
nach  Brügge  vier  Bündel  Silber-  und  ein  Bündel  Golddrath  im  Werte 
von  525  a,  Eigentum  des  Simone  Giustiniani,  Paolo  Spinola  und  Battista 
Stella  und  nach  Brügge  und  London  bestimmt,  brachte,  im  Gebiete  des 
Herzogs  von  Jülich  und  Berg,  angehalten  und  seine  Packete  als  Waren 
von  Venedig  und  England,  gegen  die  Repressalien  erlaubt  seien,  weg- 
genommen^. Auch  auf  dem  rechten  Rheinufer  begegnen  uns  Genuesen. 
Zwei  ungenannte  Genuesen  wurden  1438  von  Walther  Riffe  auf  des 
Reiches  Strafse  niedergelegt  und  auf  die  Schauenburg  geführt^. 

Mailänder  und  Comasken,  die  mit  ihren  Waren  auf  dem  Rheine 
fuhren,  wurden  1490  auf  badischem  oder  speierischem  Gebiete  von  Jakob 
von  Windeck,  einem  Diener  des  Kurfürsten  Philipp  von  der  Pfalz  an- 
gehalten und  festgenommen.  Der  KurfUrst  wie  der  Markgraf  Christoph 
von  Baden  beriefen  sich  auf  kaiserlichen  Befehl,  der  auf  Grund  der 
Klagen  eines  Engländers  gegen  Mailänder  Kaufleute  Repressalien  an- 
geordnet habe.  So  hatte  Heinrich  VU.  von  England  Veranlassung,  die 
Frage  aufzuklären,  der  englische  König  selbst  hatte  ein  Jahr  vorher  alle 
mailändischen  Kaufleute  in  seinen  Schutz  genommen^. 

Ein  sehr   interessantes   Dokument   hat    uns    der   Konstanzer  Stadt- 


'  Unsere  Urkunden  Nr.  262. 
«  Vgl.  Urkunden  Nr.  303. 

>  Urkunden  Nr.  292  und  weitere  Nachrichten  aus  dem  Luzemer  Kantonsarchiv. 
Urkunden  Nr.  113.    Rapoltstein.  Urkb.  5  Nr.  688.  692.   693.   697  u.  720. 
*  Unsere  Urkunden  Nr.  449. 
»  Unsere  Urkunden  Nr.  333. 
«  Vgl.  unsere  Urkunden  Nr.  118  u.  119. 


Verkehr  von  der  Rhonemündung  zum  Bodensee.  497 

Schreiber  Schultheifs  in  seinem  Formelbuche  erhalten,  aus  dem  hervor- 
geht, dafs  die  Mailänder  Kaufmannschaft  1391  einen  Geleitsbrief  des 
Burggrafen  von  Nürnberg  besafs;  freilich  wurde  ein  mailändischer  Waren- 
führer gefangen  und  beraubt,    Konstanz  sollte  sich  dafür  interessieren*. 

Dem  Comasken  Jakob  von  Miindriz  (wohl  Mendrisio)  wurden  1353 
dreizehn  Fardel  in  Strafsburg  vom  Meister  und  Rat  beschlagnahmt*. 

Auch  Lucca  kann  in  dieser  Zusammenstellung  nicht  fehlen.  1393 
wurde  im  Elsafs  Gut  zweier  Lucchesen  zu  unrechter  Weise  zugleich  mit 
Florentiner  Gut  niedergeworfen^.  Ein  Überfall  von  Florentinern  ist  mir 
nicht  bekannt  geworden,  obwohl  doch  auch  sie  den  Landweg  benutzten*. 

Auch  Venetianer  erscheinen  in  der  Liste  der  Beraubten.  So  wurde 
1479  ein  Giustiniani  unmittelbar  bei  Aachen  angefallen '^. 

Auch  Kaufleute  von  Aragonien  (wohl  aus  Barcelona)  kamen 
an  den  Oberrhein.  Der  Brief  Kaiser  Friedrichs  an  die  Stadt  Konstanz 
von  1449  giebt  freilich  nicht  den  Ort  an,  wo  diese  Kaufleute  unter 
Beihilfe  von  Konstanzern  beraubt  sein  sollen;  da  Konstanzer  vielfach  in 
Spanien  handelten,  kann  sich  das  auch  dort  abgespielt  haben  ^. 

Unter  den  Messen  nehmen  die  Pfingst-  und  St.  Verenamesse  (1.  Sep- 
tember) von  Zur  zach  einen  eigentümlichen  Platz  ein.  Sie  fanden  nicht 
in  einer  Stadt  statt,  sondern  in  einem  offenen  Flecken,  sie  erinnern  so- 
mit an  die  Jahrmärkte  des  Frühmittelalters  und  die  Verenamesse  macht 
uns  sofort  den  Ursprung  aus  dem  Zusammenströmen  an  dem  Heiligen- 
feste einer  angesehenen  Kirche  und  des  damit  verbundenen  Klosters 
klar.  Sie  werden  zwar  erst  1363  erwähnt  und  ihre  Dauer  wurde  erst 
1408  auf  je  drei  Tage  verlängert,  gleichwohl  hatten  sie  wohl  schon  um 
1400  eine  hohe  Handelsbedeutung.  Die  Anwesenheit  von  Italienern  ist 
für  das  Mittelalter  zwar  nicht  zu  belegen,  aber  wohl  die  italienischer 
Waren.  Ich  zweifle  aber  nicht,  dafs  auch  fremde  Kaufleute  auf  den 
von  der  Eidgenossenschaft  sorgfältig  gepflegten  Messen  ihren  Handel  be- 
trieben, und  dafs  die  Worte  Andreas  Riffs,  dafs  eine  „stattliche  Summa 
Waren  aus  England,  Niederland,  Frankreich,  Lothringen,  Burgund,  Italien 
und  ganz  Deutschland  hingeführt  und  verhandelt  werde",  auch  für  das 
ausgehende  Mittelalter  zutreffen.     Der  Verkehr  wuchs  so,   dafs  das  alte 


'  Mone,  Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrh.  4,  32. 

2  Urfehde  Strafsb.  Urkb.  5,  254.  Der  Ritter  Wengelin  v.  Wangen  nahm 
1355  einem  Bürger  aus  Rheims  Waren  im  Werte  von  165  Schildgoldfl.  fort.  Ebda. 
5, 808.  1364  wurden  Lausanner  Bürger  mit  Gänsefedern  (8  Centner)  im  Strafsburgischen 
beraubt.    Ebda.  5,  486. 

^  Unsere  Urkunden  Nr.  318. 

*  So  1517.    Eidgeu.  Abschiede  3,  2,  1089. 

"^  Unsere  Urkunden  Nr.  451. 

<*  Ruppert,  Chroniken  373. 
Schulte,  Gesch.  d.  mittelalterl.  Handels.    I.  32 


498  Dreiundvierzigstes  Kapitel. 

einer  Familie  von  Klingnau  gehörige  Kaufhaus  nicht  mehr  genügte, 
sondern  1479/80  ein  eigenes  Kaufhaus  gebaut  wurde.  Hauptsächlich 
wurde  mit  Leder  (auch  Pergament),  Tuch  und  Pferden  gehandelt,  doch 
fehlten  gewifs  auch  Spezereien ,  Pelzwerk ,  Eisenwaren  und  die  andern 
im  sechzehnten  Jahrhundert  genannten  Waren  nicht  ^. 

Einen  Teil  dieses  lebendigen  Verkehrs  suchten  benachbarte  Orte  wie 
Baden,  Zürich,  Klingnau  und  Waldshut  für  sich  abzufangen,  indem  sie 
sich  Jahrmärkte  erwirkten,  die  sich  an  einen  der  Zurzacher  anschlössen. 
Einen  Schuldzahlungstermin,  der  auf  einen  dieser  Jahrmärkte  gestellt 
wurde,  habe  ich  nicht  gefunden. 

Über  die  einfachen  Jahrmärkte  erhoben  sich  auch  die  von  Konstanz  ^ 
und  Ulm®  nicht,  wohl  aber  die  Nördlinger  Messe,  die  in  Schwaben  und 
Bayern  eine  grofse  Qeltung  hatte  ^.  Italiener  kann  ich  nicht  nachweisen, 
doch  fehlt  es  auch  an  einer  Specialuntersuchung.  Auf  dem  Nördlinger 
Archive  habe  ich  nicht  gesucht. 

Die  Strafsburger  Messen,  die  Ludwig  von  Bayern  1336  verlieh, 
hatten  eine  grofse  Bedeutung;  der  Zudrang  zu  ihnen  mufs  nach  allen 
Zeugnissen  sehr  erheblich  gewesen  sein  und  es  ist  wohl  nur  ein  Zufall, 
dafs  wir  auf  ihnen  Italiener  nicht  nachweisen  können.  Ursprünglich 
wurde  sie  vierzehn  Tage  vor  und  vierzehn  Tage  nach  Martini  abgehalten, 
also  vom  28.  Oktober  bis  25.  November^,  sie  kollidierte  aber  mit  der 
Genfer  Simon-  und  Juda-Messe,  die  am  28.  Oktober  begann  und  acht 
bis  zehn  Tage  dauerte.  Vielleicht  hat  das  die  1414  erfolgte  Verlegung 
auf  die  entsprechende  Zeit  vor  und  nach  Johanni  herbeigeführt®;  die 
Stadt  Strafsburg  liefs  die  Messe  als  eine  freie  und  zolllose  durch  Bürger 
auf  den  andern  Messen  von  Halle  zu  Halle  verkünden  ^. 

An  Bedeutung  überragte  alle  süddeutschen  Messen  die  von  Frank- 
furt. Die  alte  Messe  wurde  1349  zwischen  Maria  Himmelfahrt  (15.  August) 
und  Maria  Geburt  (8.  September)  gehalten,  1384  wurde  sie  bis  15.  Sep- 
tember ausgedehnt,  seit  1406  wieder  verkürzt,  wie  überhaupt  die  Ter- 
mine vielfach  sich  verschoben.     Die  jüngere  1330  verliehene  Messe  war 


^  Vgl.  Hans  Herzog,  Die  Zurzacher  Messen,  Separatabzug  aus  dem  Taschen- 
buch der  historischen  Gesellschaft  1898. 

'^  1417  von  Siegmund  aus  Dank  für  die  Haltung  der  Stadt  in  der  Ronzilszeit 
von  einem  Jahrmarkt  zu  einer  Messe  erhoben.    Alt  mann  2639. 

•  1429  eine  zweite  verliehen:  8  Tage  vor  und  8  Tage  nach  Christi  Himmelfahrt. 

*  Mit  den  ntmdinis  in  Werde  (Donauwörth)  zuerst  1219  erwähnt,  wo  der  Handel 
schon  bedeutend  gewesen  sein  mufs.  Urkunde  F.  II  6  1219  November  8.  Böhmer- 
Ficker  Nr.  1069. 

»  Strafsb.  Urkb.  5,  73  u.  993. 

«  Altmann,  Reg.  974. 

"^  Urkunde  von  1415  März  17  bei  B rucker,  Zunft  u.  Polizeiverordnungen  S.842. 


Deutsche  und  italienische  Messen.  499 

mit  den  betreffenden  Festen  des  Kirchenjahres  beweglich,  sie  fiel  in  die 
Fastenzeit  von  Oculi  bis  Judica  und  auch  sie  erlebte  Änderungen,  ins- 
besondere näherte  sich  ihr  Endtermin  mehr  Ostern  *. 

In  den  Rechenbüchern  der  Stadt  erscheint  eine  Ausgabe  von  Geleit 
für  Venedig  zuerst  1367,  für  Mailand  zuerst  1389^,  aber  damit  ist  der 
Anfang  des  Handelsverkehrs  nicht  erwiesen.  Von  Waren  wird  Mailänder 
Barchent^  ausdrücklich  genannt. 

£s  ist  hier  nicht  der  Ort,  die  Bedeutung  dieser  Messen  zu  schildern, 
es  waren  die  ersten  Messen  internationaler  Bedeutung,  die  in  einer 
deutsch  redenden  Stadt  abgehalten  wurden.  Der  Spanier  Tafur  bezeichnet 
sie  als  ganz  gut,  wenn  sie  auch  nicht  mit  der  Antwerpener  verglichen 
werden  könne  ^.  Ganz  Südwestdeutschland  regulierte  seinen  Handel  nach 
Frankfurt  und  aus  allen  Städten  zogen  Karawanen  zu  den  Messen,  die 
der  Termin  für  vielfache  Geldzahlungen  waren.  Vor  und  nach  der  Messe 
waren  die  Strafsen  von  den  Reisenden  gefüllt.  Auch  nach  Norden  hin 
dehnte  sich  das  Gebiet  mehr  und  mehr  aus,  bis  im  sechzehnten  Jahr- 
hundert die  Frankfurter  Messen  ihre  höchste  Blüte  erlebten*.  Dem  Ver- 
such, den  die  süddeutschen  Städte  machten,  die  Messen  von  Frankfurt 
nach  Mainz  zu  ziehen,  trat  Kaiser  Siegmund  entgegen^. 

Natürlich  suchten  andere  Reichsstädte  Frankfurt,  Strafsburg  und 
Nördlingen  den  Rang  abzulaufen:  1310  wurde  Hagenau  privilegiert, 
Wetzlar  1318,  Heilbronn  gar  mit  einer  dreiwöchentlichen,  Neustadt  a.  d. 
Hardt"^;  es  kamen  hinzu  Nürnberg,  EfsHngen,  Rotenburg,  Ulm,  Kon- 
stanz u.  s.  w.  Aber  das  Liebesmühen  war  für  den  internationalen  Ver- 
kehr umsonst,  selbst  die  von  Nürnberg  kam  trotz  der  Vorzeigung  der 
Heiltümer  des  Reiches  über  eine  nationale  Messe  nicht  hinaus^. 

Von  den  italienischen  Messen  sind  hier  zwei  zu  nennen.  In  der 
Lombardei  hatte  die  gröfste  Bedeutung  die  in  Crema  vom  25.  Sep- 
tember ab  fünfzehn  Tage  an  dauernde  Messe.  Nur  sie  führt  darum  auch 
DaPHerba  an.  Jedoch  auch  die  Messe  von  Arona,  welche  am  1.  Juni 
stattfand,  hat  nach  den  Mailänder  Statuten  einen  lebhaften  Handel  ge- 
sehen, und  ausdrücklich  wird  dabei  gesagt,  dafs  Waren  *de  Älamannia 
seu  Francia  seu  Birineona^  über  den  Lago  Maggiore  nach  Arona  gingen 


^  Vgl.  das  Nähere  bei  Krieg k,  Frankfurter  Bürgerzwiste  u.  Zustände  298—801. 
«  Kriegk  526. 
8  Kriegk  315. 

*  Tafur  261.    Häbler  517. 

6  Bücher  1,  502— 506.    Geering  190  ff. 

•  Altmann  8324.   8648  zu  1431. 

'  Schöpflin,  Als.  dipl.  2  Nr.  853.    Reg.  Lud.  d.  B.  Nr.  333.  1548.   Winkel- 
mann, Acta  imp.  2  Nr.  653. 

8  Roth  4,  362—70.    Vgl.  auch  Gengier,  Stadtrechtsaltertümer  182. 

32* 


500  Vierundvierzigstes  Kapitel 

und   für  die   Mefszeit  siedelte  der  Zoll   von  Angera  nach  Arona  über*. 
Andere  Märkte  sind  an  anderer  Stelle  erwähnt. 

Vierundvierzigstes  Kapitel. 
Die  EinfDhmng  der  Posten. 

Technische  und  tcirtschafüiche  Vorbedingungen,  Mailänder  Posten.  Erste  Encähmmg 
eines  Taxis.  Stafetten^ug  über  den  St  Gotthard,  Änderungen,  Niederländisch -tiroler 
Baute.  Verträge  mit  Franz  von  Taxis,  andere  Nachrichten.  Einrichtung.  Wann  wurden 
diese  Stafettenzüge  unrkliche  Posten?  Erste  Benutzung  durch  das  Publikum.  Linien  in 
der  Eidgenossenschaft,  Zustände  1608.  Die  Schiceiz  umgangen.  Cluirakteristik  der  Baute 
von  1500.    Bedeutung  von  BlieinJiausen. 

Die  schweizerischen  Alpen  passe  haben  endlich  in  der  von  uns  be- 
handelten Periode  noch  die  wichtigste  Vorstufe  der  Posten  gesehen,  wenn 
sie  auch  weder  diese  noch  die  Posten  selbst  dort  einbürgern  konnten. 
Ich  mufs  hier  das  schwierige  Kapitel  der  Entstehungsgeschichte  dieser 
Verkehrsorganisation  streifen  *. 

Die  entscheidende  Wendung  in  der  Entstehung  des  Postwesens  liegt 
meines  Erachtens  in  der  Verbindung  einer  technischen  Verbesserung  des 
Briefbestellungswesens  mit  einer  wirtschaftlichen  Mafsnahme,  die  den 
Zweck  der  Einrichtung  veränderte.  Schon  die  Einführung  von  Relais 
für  den  Pferdewechsel  der  reitenden  Boten  eines  Herren,  einer  Stadt 
oder  einer  Körperschaft  war  eine  erhebliche  Beschleunigung  des  Verkehrs. 
Aber  noch  immer  blieb,  wie  bei  den  heutigen  Feldjägern  und  Kabinetts- 
kurieren, der  Vertrauensmann  mit  seinem  Transportobjekte  vom  Ab- 
sender bis  zum  Empfänger  zusammen,  vom  Aufgabeorte  bis  zum  Ziele 
ist  der  Begleiter  des  Felleisens  dieselbe  Person,  noch  ist  sie  imstande, 
auch  mündliche  Bestellungen  zu  machen.  Technisch  entscheidend  war 
die  Einführung  des  Wechsels  auch  bei  den  Boten.  Der  Parforceritt 
eines  einzigen  Boten  war  auch  beim  Pferdewechsel  für  lange  Strecken 
unausführbar.  Die  physische  Erschöpfung,  die  den  Reiter  ergreifen 
mufste,  war  die  Grenze  der  Schnelligkeit.  Solche  Parforceritte  blieben 
auch  später  eine  Auskunft  für  die  Not,  für  alle  Fälle,  wo  das  Wort  er- 
gänzend zum  Briefe  hinzutreten  sollte,  ein  Sport  für  die  Söhne  der  Kauf- 


1  Statuta  Blatt  154  u.  155. 

'  Zur  Entstehungsgeschichte  der  deutsch-niederländischen  Posten  vgl.  vor  allem 
Rübsam,  Joh.  Bapt.  von  Taxis,  und  ders.,  Zur  Gesch.  des  Intern.  Postwesens. 
Hist.  Jahrb.  13,  15—79.  Hub  er,  Gesch.  Entwicklung  des  modernen  Verkehrs  u. 
Besprechung  von  Rübsam.  Hist.  Jahrb.  15,  823—885.  Postgeschichtliches  aus  der 
Zeit  Maximilians  I.  A  rc h i  v  f.  Post  u.  Tclegraphie  23,  46  ff.  (1895).  Ferner  meine  Aus- 
fuhrungen: Zur  Entstehung  des  deutschen  Postwesens  in  Beil.  zur  Allgem.  Zeitung 
(München)  1900  Nr.  85.  Während  des  Druckes  geht  mir  auch  noch  Rübsam,  Aus 
der  Urzeit  der  modernen  Post  (1425—1562)  Histor.  Jahrb.  21,  22-57  zu. 


Die  Einführung  der  Posten.  501 

herreD,  wie  etwa  Jakob  Krawfs  1494  für  Herzog  Albrecht  von  Sachsen  in 
vier  Tagen  lO^/i  Stunden  von  Nürnberg  bis  Venedig  ritt  *.  Ein  weiterer 
Fortschritt  wurde  erreicht  und  die  Schnelligkeit  auf  das  höchste  Mafs 
gesteigert,  wenn  jeder  Knecht  nur  soweit  ritt,  als  er  in  voller  Frische 
war.  Der  Wechsel  der  Reiter  war  die  technische  Vorbedingung  der 
Post.  Jetzt  wurden  nicht  allein  Pferderelais,  sondern  auch  Menschenrelais 
geschaffen.  Bei  dem  neuen  System  erfolgte  ein  Wechsel  von  Pferd  und 
Boten,  das  Felleisen  wanderte  von  Hand  zu  Hand.  Statt  einer  Ver- 
trauensperson entstand  eine  Kette  von  solchen.  Der  Absender  mufs  auf  • 
mündliche  Mitteilungen  verzichten,  er  kennt  nicht  mehr  alle  Träger  seiner 
Botschaft.  Er  mufs  sich  auf  den  Unternehmer  verlassen.  Die  Boten 
sinken  in  ihrer  Qualität,  aber  der  Unternehmer  wird  wichtiger,  als  je  es 
früher  ein  Briefträger  hat  sein  können,  und  auch  jetzt  durften  die  Boten 
keine  Analphabeten  sein. 

Das  Mittelalter  besafs  längst  Botenanstalten.  Klöster,  Universitäten, 
Kaufmannschaften  und  Städte  hatten  solche.  Und  wenn  auch  der  Fufs- 
bote  am  Ende  des  Mittelalters  vielleicht  dem  Reitenden  Platz  gemacht 
hatte,  die  Einrichtung  von  Relais  ist  für  diese  Anstalten  nicht  erwiesen  ^. 
Doch  halte  ich  für  die  Verbindung  von  Nürnberg  bezw.  Augsburg  mit 
Venedig  und  für  die  von  St.  Gallen  mit  Lyon  und  Nürnberg,  beides 
höchst  achtenswerte  Leistungen,  das  Vorhandensein  von  Pferdewechseln 
für  sehr  wahrscheinlich®.  Der  Ritt  des  Jakob  Krawfs  ist  ohne  unterlegte 
Pferde  nicht  denkbar.  Die  Entfernung  beträgt  in  der  Luftlinie  mehr  als 
450  km.  Bis  zum  Beweis  des  Gegenteils  halte  ich  aber  den  Wechsel 
der  Reiter,  mindestens  die  regelmäfsige  Organisation  des  Wechsels  für 
unwahrscheinlich. 

Die  Botenanstalten  der  Städte  und  Körperschaften  haben  nicht  die 
technischen  Vorbedingungen  des  Postwesens  geschaffen,  aber  auf  sie  geht 
die  zweite  Bedingung  zurück. 

Ihre  Boten  nahmen  nicht  allein  die  Briefe  desjenigen  mit,  der  sie 
angestellt  hatte,  der  städtische  Bote  also  nicht  allein  die  Briefe  des  Rates, 


*  Er  wollte  es  in  vier  Tagen  erreichen  und  erhielt  für  jede  weitere  Stunde 
einen  Abzug.  Archiv  f.  Post  u.  Telegraphie  15,  26.  Auch  Mit  teil.  a.  d.  germ. 
Nationalmuscum  1.  255.    Dort  steht  Kress,  hier  Krawfs. 

"  Vgl.  Strafsburger  Botenordnung  im  Strafsb.  Stadtarchiv,  Ordnungen  Bd.  17. 
Lop  er,  Das  Boten  wesen  und  die  Anfänge  der  Posteinrichtungen  im  Elsafs.  Archiv 
f.  Post  u.  Telegr.  4,  197—204.  231—241.  Fuchs,  Zum  Nachrichten-  und  Verkehrs- 
wesen am  Oberrhein  und  Bodensee.  Ebda.  14,  417 — 29.  Urkunden  über  Botendienst 
und  Postwesen  im  Elsafs.  Ebda.  14,  673—686.  Urkunden  zur  Gesch.  d.  Postwesens 
im  Elsafs.    Ebda.  16,  756. 

•  Die  Botcnaustalten  von  St.  Gallen  (nach  Nürnberg  über  Lindau,  Eavensburg, 
Ulm,  nach  Lyon  über  Zürich,  Aarberg,  Murten  und  Genf)  verdienten  eine  nähere 
Untersuchung.    Ich  kenne  nur  abgeleitete  Darstellungen  wie  Bavier  130. 


502  Vierundvierzigstes  Kapitel. 

sondern  auch  die  der  Bürger  und  der  gemeinnützige  Zweck  dieser  An- 
stalten tritt  darin  deutlich  hervor.  Diese  Besorgung  von  Privatbriefen 
erfolgte  nicht  unter  Garantie  des  Herren,  sondern  war  ein  Privatabkommen 
zwischen  dem  Briefschreiber  und  Boten.  Die  Herren  setzten  dann  freilich 
Taxen  fest.  Diese  Ausdehnung  der  Thätigkeit  der  Boten  reduzierte  ihre 
Zahl,  füllte  dafür  die  Felleisen. 

Die  Posten  kamen  zu  stände  in  dem  Augenblicke,  als  die  Stafetten- 
reiter auf  den  organisierten  Routen  auch  andere  als  Briefe  des  Herren 
der  Route  annehmen  oder  die  für  die  Stafettenreiter  vorgesehenen  Relais- 
pferde auch  anderen  Personen  zur  Reise  gestellt  wurden.  Aus  dem 
ersteren  erwuchs  die  Briefpost,  aus  dem  zweiten  die  Personenpost  In 
dem  Stafettenwesen  war  zunächst  eine  Verbindung  zweier  weit  getrennter 
Personen  erstrebt.  Die  Reiter  trugen  einen  verschlossenen  Sack,  der 
nicht  geöffnet  wurde.  In  der  wirklichen  Post  aber  wurde  der  Sack  auf 
wichtigen  Stationen  geöffiiet  und  neue  Briefe  hineingelegt,  andere,  die  ihr 
Ziel  erreicht  hatten,  herausgenommen ;  zu  den  Staatsbriefen  gesellten  sich 
die  von  besonders  begünstigten  Privaten.  Sobald  das  geschah,  kann  man 
von  einer  Post  reden,  die  Fixierung  der  Abgangs-  und  Anfangszeiten, 
der  Tarife,  die  Gröfse  des  Betriebes  u.  a.  sind  meines  Erachtens  neben- 
sächlich. 

Dynastische  Stafettenrouten  sind  in  Spanien,  Italien  und  Frankreich 
zuerst  erwiesen.  Die  französische  Ordnung  von  1464  verbietet  den 
Kurieren  die  Mitnahme  eines  fremden  Briefes  bei  Todesstrafe.  Stärker 
als  das  Gebot  war  das  Bedürfnis;  in  der  Ordnung  von  1495  findet  sich 
das  Verbot  nicht  mehr. 

Auch  in  Italien  fand  das  spanische  Beispiel  Nachahmung.  Schon 
1425  war  im  Mailändischen  eine  Kette  von  herzoglichen  Relaisstationen 
vorhanden.  Am  Schlüsse  eines  Briefes  des  Herzogs  Filippo  Maria 
Viscontis  heisst  es:  ^Porteniur  die  noctugue  celeriier  per  cavaUarium 
pobiarum  sub  pena  fiircarum^.  Die  Entfernung,  die  der  Brief  zu  durch- 
laufen hatte,  war  nur  eine  kurze  von  Bereguardo  bis  Piacenza^,  aber 
schon  das  Formelhafte  der  Meldung,  die  gewohnheitsmäfsige  Androhung 
der  Galgenstrafe,  die  sich  auch  in  den  deutschen  Postakten  ältester  Zeit 
findet,  beweist,  dafs  es  eine  regclmäüsige  Institution  war.  Noch  eiliger 
hatte  es  der  Herzog  1427,  da  lautet  der  „Leitvermerk** :  i^Porteniur  die 
noctugue,  non  celeriier,  sed  fulminantissime  per  cavaUarium  postarum  sub 
pena  mille  furcarum*.    Sieben  Gtos  sollen  noch  weiter  zur  Eile  treiben*. 

Die  Reiterkette  trug  nicht  allein  die  Briefe  von  und  an  den  Herzog, 
auch    die    Briefschaften    der   Höflinge.      So    schrieb    der   Bruder   eines 


1  Osio  2,  163.    Luftlinie  57  km. 
«  Oslo  2,  342. 


Die  Einführung  der  Posten.  503 

Familiären  an  diesen  von  Perugia  aus  und  fügt  hinzu:  T^Consignentur 
officiali  bulletarum  Parme^  qui  eas  det  Galeaz  (dem  Adressaten)  in  tnanibiis 
propriis  aui  mittat  eas  ad  Franciscum  Barhavariam  per  caballarios 
postarumy  qwa  important  etc.<'  ^  Pertile  schliefst  daraus,  dafs  diese  Posten 
bereits  vom  Publikum  benutzt  werden  konnten;  mir  scheint  dieser  Schlufs 
zu  weit  zu  gehen,  es  handelt  sich  noch  immer  nur  um  den  Hof^.  Die 
Posten  in  diesem  Sinne  waren  also  schon  unter  den  Visconti  vorhanden 
und  sind  nicht  etwa  eine  Einrichtung  Francesco  Sforzas.  Nicht  in  den 
italienischen  Stadtrepubliken  erstand  die  Post,  sie  erwuchs  auf  dem  Boden 
der  dynastischen  Staaten,  die  mächtigste  Signorie  ging  voran,  und  dieses 
italienische,  nicht  das  spanische  Vorbild  fand  Nachahmung,  wir  haben 
keine  CorreoSy  sondern  Poste. 

Wann  tiberschritten  sie  aber  die  Grenzen  des  Gebietes  von  Mailand? 
Das  war  schon  1491  der  Fall,  denn  in  diesem  Jahre  erscheint  Jan 
von  Taxis  bereits  als  Postmeister  in  Innsbruck®.  Man  kann  also  ver- 
muten, dafs  damals  schon  eine  Relaiskette  über  den  Brenner  ging 
und  vielleicht  hat  jener  Krawfs  ihre  Pferde  benutzt.  Durch  ein  neues 
Aktenstück  wird  die  Anstellung  Zanettos  bis  1488  zurückgerückt*  und 
zu  1490  erzählt  eine  Memminger  Chronik  ihre  Einführung*.  Deutlicher 
ist  die  Einrichtung  der  ältesten  Gotthardlinie  zu  erkennen.  Als  König 
Maximilian  am  9.  März  1494  sein  Beilager  mit  Bianca  Sforza,  der 
Schwester  Johann  Galeazzos,  gefeiert  hatte,  beschlofs  dieser,  nach 
dem  Muster  seiner  andern  Posten,  deren  Geschicke  leider  noch  nicht 
aufgeklärt  sind,  eine  Stafettenverbindung  mit  dem  Hofe  Maximilians 
herzustellen  und  gab  am  20.  Juni  1494  an  den  Capitaneo  von  Lugano 
den  Befehl,   für   eine  Relaisstation   zu  Tavernelle,   also   auf  dem  Monte 


^  Oeio  2,  357. 
2  2,  1,  501. 

•  Redlich,  Vier  Poststundenpässe  499. 

^  Rübsam,  Hist.  Jahrb.  21,  26  nach  Figini,  I  Tassi  ed  i  feudi  di  Rachel. 

*  Nach  Dr.  Miedel  in  Memmingen,  dem  ich  die  Kenntnis  dieser  Quelle  verdanke, 
beruht  die  Handschrift  des  siebzehnten  Jahrhunderts  auf  älterer  Grundlage.  Der 
Bericht  hat  auch  innere  Glaubwürdigkeit  und  hebt  so  vorzüglich  das  Neue  in  der 
Technik  hervor,  dafs  ich  die  Stelle  hierher  setze:  »1490.  In  diesem  Jahr  fiengen  die 
Posten  an  bestellet  zu  werden  aus  Befelch  Maximtliani  L  defs  Römischen  Königs,  von 
Österreich  bifs  in  Niderland,  in  Frafücreich  und  hifs  n acher  Born,  Es  lag  älltveg  5  Meü 
uregs  ein  Post  von  der  andtm.  Einer  war  zu  Kempten^  einer  zu  Blefs,  eitler  an  der 
Brück  zu  Elchingen  und  also  fortan  imerdar  5  meil  wegs  von  einander  und  must  alweg 
ein  Pot  des  andern  warten  fmd  so  bald  der  ander  zu  ihm  ritt,  so  bliefs  er  ein  hörvMn^ 
das  hört  ein  bott  der  in  der  Herberg  lag  und  must  gleich  auf  sein.  Einer  muste  aJie 
Stund  eine  Meil^  das  ist  2  Stund  weit  reiten ^  oder  es  war  Htm  am  Lohn  abzogen,  vnd 
musten  sie  reiten  Tag  und  Nacht.  Also  kam  offt  in  5  Tagen  ein  Brieff  von  hier  bifs 
nacher  Rom,*  1500  waren  die  Postwechsel  in  Söflingen,  also  nicht  ö.,  sondern  w.  von 
Ulm,  in  Plefs,  an  einem  unbekannten  Orte  und  dann  zu  Leermoos. 


504  Yierundvierzigstes  KapiteL 

Cenere,  ein  Haus  einzurichten^.  Die  Einrichtung  ist  also  ausgesprochen 
dynastischen  Interessen  entsprungen,  sie  will  eine  Verbindung  zwischen 
zwei  Höfen  herstellen.  Maximilian  weilte  im  Juni  in  Köln  und  brach 
am  2.  Juli  nach  Brabant  auf,  es  ist  also  begreiflich,  dafs  der  Stafetten- 
zug über  den  St  Gotthard  gelegt  wurde. 

Der  Hof  Maximilians  wechselte  aber  seinen  Aufenthalt,  es  ergab  sich 
somit  von  dem  Augenblicke,  da  Maximilian  mehr  Innsbruck  bevorzugte, 
dafs  die  Gotthardlinie  ein  Umweg  war.  Und  in  der  That  finden  wir  1496, 
wo  Jan  von  Taxis  abermals  als  Postmeister  erscheint^,  Innsbruck  als  den 
Endpunkt  der  mailändischen  Linie.  Die  in  Betrieb  befindliche  Eoute 
ging  über  das  Wormser  Joch,  wurde  aber  aufgehoben,  wie  schon  vorher 
ihre  Fortsetzung  über  Augsburg  und  Worms  aufgelöst  war*.  Nach  der 
neuen  Bestimmung  sollte  sie  von  Mailand  auf  Chur  und  Feldkirch  gehen 
und  dann  einmal  nach  Innsbruck  sich  wenden,  das  andere  Mal  über 
Lindau  nach  Worms  *.  Jene  Route  war  unzweifelhaft  dynastischer  Inter- 
essen halber  da,  auch  wohl  diese.  Aber  die  Bestimmung,  dafs  der  Lauf 
regelmäfsig  und  nicht  nach  Bedürfnis  wechseln  soll,  ist  doch  zu  beachten, 
wie  überhaupt  hier  bereits  feste  Termine  sich  finden. 

Die  grofse  niederländisch-tirolisch-italienische  Route  ist  zuerst  1496 
wenigstens  in  einem  Stücke  erwiesen,  in  dem  Teile  von  Augsburg  nach 
dem  königlichen  Hofe  in  Nauders  im  OberinnthaH.  Ganz  klar  erscheint 
die  grofse  Route  in  dem  Poststundenpafs  von  1500,  mit  dem  Oswald  Redlich 
die  Quellen  zur  Geschichte  des  Postwesens  um  ein  hochinteressantes  Stück 
bereichert  hat^.  Am  25.  März  1500  4  Uhr  nachmittags  ging  das  Felleisen 
von  Mecheln  ab  und  wurde  am  31.  März  3  Uhr  früh  in  Innsbruck  ab- 
geliefert, in  fünf  Tagen  und  elf  Stunden  hatte  es  den  Weg  von  764,1  km^, 
also  durchschnittlich  in  der  Stunde  5,83  km  gemacht.  Es  fanden  dabei 
siebzehn  bis  achtzehn  Wechsel  der  Postboten  statt. 

Von  1505  datiert  das  Abkommen,  das  Philipp  der  Schöne  mit  Franz 
von  Taxis,  der  seit  1500  sein  Hauptmann  und  Meister  der  Posten  war, 
über  die  Errichtung  einer  Stafettenverbindung  zwischen  den  Niederlanden 


^  »Hauendo  noi  deliberato  mettere  1e  poste  tlei  nostri  cauallari  per  la  via  de  Ala» 
magnia  da  qui  dlla  Corte  de  serenissimo  S.  Be  Maximüinno  nostro  cofjnato  hofiorando 

consueto  farsi  alli  cauallari  dele  aitre  nostre  Toste*.    Motta  in  Bell.  stör. 

della  Sviz.  it.  5,  79. 

■  Redlich,  Vier  Poststundenpässe  499. 

3  Rübsam  5.  Huber  S.  197.  F.  T.  (Graf  Taxis)  in  Neuen  Tiroler  Stimmen. 
1891  Nr.  295  u.  296. 

^  Rübsam  o. 

»^  Redlich  495  f 

ö  A.  a.  O.  S.  497  ff.  u.  502  ff. 

'  So  die  Berechnung  von  Redlich  via  Pforzheim,  statt  ihrer  wäre  eine  Berechnung 
via  Enzweihingen  zu  setzen,  eine  nennenswerte  Abweichung  würde  sich  kaum  ergeben. 


Ik 


Die  Einführung  der  Posten.  505 

(Brüssel  oder  Mecheln)  mit  dem  Hoflager  seines  königlichen  Vaters 
Maximilian  traf.  Daneben  wurden  Linien  festgelegt,  die  die  Verbindung 
mit  dem  französischen  und  spanischen  Hofe  bilden  sollten,  der  Weg  nach 
Innsbruck  sollte  in  5^'2,  im  Winter  in  6V2  Tagen  zurückgelegt  werdend 
1507  waren  auf  der  Route  von  Mecheln  bis  zum  königlichen  Hoflager  in 
Innsbruck  oder  Konstanz  45  Personen  als  »postes^  beschäftigt^. 

Dieser  Vertrag  bekundet  uns  den  Zweck  der  Posten,  es  ist  eine 
Einrichtung  für  den  Herrscher,  den  Hof,  seine  Minister,  seine  Räte.  Die 
Posten  sollen  dem  Könige  schneller  Nachrichten  bringen  und  schneller 
seine  Briefe  befördern.  Die  Endpunkte  der  Linien  sind  keine  Städte, 
sondern  das  wandernde  Hoflager.  Die  weitzerstreuten  Besitzungen,  die 
Philipp  und  sein  Vater  besafsen,  sollten  verbunden  werden  und  es  war 
die  erste  Forderung  der  Staatsraison ,  eine  solche  Verbindung  zwischen 
den  so  grundverschiedenen  Bestandteilen  des  habsburgischen  Reiches  zu 
schaffen.  Es  ist  noch  eine  Post  für  den  Binnenverkehr  innerhalb  des 
habsburgischen  Hauses,  die  Verbindung  mit  dem  französischen  Hofe 
führt  darüber  hinaus  und  auch  die  Verbindung  mit  Spanien  ging  durch 
fremde  Staatsgebiete. 

Die  Internationalität  des  Unternehmens  tritt  in  dem  neuen  Vertrage, 
den  Karl  I.  (V.)  1516  schlofs,  noch  deutlicher  hervor®.  Es  wurden  nun- 
mehr auch  Rom  und  die  spanischen  Besitzungen  in  Italien  herangezogen. 

Graf  Taxis  hat  aus  den  Raitbüchern  der  Tiroler  Kammer  eine  Fülle 
von  Nachrichten  gesammelt,  die  zeigen,  wie  oft  die  Kurse  verlegt  wurden. 
Der  Hauptzweck  war  und  blieb  die  Verbindung  zwischen  Kammer  und 
Hof.  Es  erscheinen  Stafettenlinien  Hagenau-Innsbruck-Wien  1505,  Inns- 
bruck-Strafsburg, Innsbruck- Augsburg,  Innsbruck-Breisgau,  möglicher- 
weise stets  dieselbe  Route  (1507),  Kaufbeuren,  Öttingen,  Augsburg  und 
Freiburg  i.  Br.  sind  1511  Stationen  oder  Endpunkte.  Eine  Linie  bestand 
1506  zwischen  Konstanz  und  Mecheln*.  Das  momentane  Bedürfnis  rief 
eine  Relaislinie  hervor,  die  ebenso  schnell  wieder  verschwand.  Und  Klar- 
heit ist  in  diese  älteste  Postgeschichte  so  schwer  zu  bringen,  weil  die 
Verwandtschaft  der  Herrscher  wie  der  Postmeister  ein  unentwirrbares 
Knäuel  von  Angaben  schafft.  Einigermafsen  konstant  ist  nur  die  Linie 
Niederlande-Innsbruck  mit  einer  Fortsetzung  nach  Italien. 

Die  Einrichtung  dieser  Stafettenlinien  hätte  eine  militärische  und 
eine  staatliche  sein  können,  die  Stationen  hätten  sich  mit  Soldaten  be- 
setzen lassen.  Das  aber  war  nur  für  den  geschlossenen  Bereich  der 
habsburgischen  Monarchien  denkbar.     Die  Wege  durchschnitten  vielfach 

>  R üb 8 am  6  f.,  175  f.      Der  Abdruck  S.  188—197. 

a  Ar  eh.  f.  Post  u.  Telegr.  23,  47. 

»  Rübsam  7  f.   201  ff.    Abdruck  215—227. 

*  Rübsam  im  Hist.  Jahrb.  21,  25. 


506  VierundvierzigBtes  Kapitel. 

fremde  Reiche  und  Gebiete  und  so  kam  die  Anstalt  in  die  Hände  eines 
Unternehmers,  einer  Familie,  die  neben  den  Rücksichten  auf  den  Staat 
doch  auch  die  auf  den  Verkehr  des  kaufmännischen  Publikums  kannte. 
Ich  weifs  nicht,  ob  die  Tassis  von  ihrer  Heimat  Bergamo  her,  das  ein 
ziemliches  Verkehrsleben  kannte,  mit  der  Kaufmannschaft  in  Fühlung 
standen,  genauer  ist  ihre  Heimat  wohl  das  völlig  weltentlegene  Valle 
Brembana.  Wie  dem  sei,  sie  waren  nicht  engherzige  Beamte,  sondern  sie 
hatten  einen  Sinn  für  die  Bedürfnisse  weiterer  Kreise.  Sie  waren  halb 
Beamte,  halb  Unternehmer.  Und,  indem  nun  die  Brüder  und  Vettern  an 
mehreren  Höfen  je  das  Amt  des  Postmeisters  erlangten  —  und  die  Familie 
mit  dem  Glücke  des  Hauses  Habsburg  wuchs  und  ihren  Einflufs  ebenso 
weit  ausdehnte,  indem  an  fast  allen  Knotenpunkten  des  Verkehrs  Taxis 
Postmeister  waren,  bildete  sie  den  ersten  Weltpostverein,  den  Bund  von 
Postmeistern,  die  sämtlich  dem  selben  Hause  angehörten.  Sehen  wir  die 
Post  als  Grofsuntemehmen  an,  so  war  sie  um  1520  ein  Ring  von  Unter- 
nehmungen, die  sich  die  Arbeit  und  das  Geschäft  lokal  teilen  und  die 
sich  bei  den  Anschlüssen  zu  helfen,  das  gröfste  Interesse  haben. 

Die  Taxis  haben  die  Post  nicht  erfunden,  aber  immer  wird  man  es 
als  eine  hervorragende  organisatorische  Leistung  ansehen  müssen,  wie 
diese  Italiener  die  Wirte  aus  allen  möglichen  Gebieten  zu  einer  einheit- 
lichen Organisation  zusammenzubringen  wufsten.  Dem  kaiserlichen  Willen 
hätten  sich  tausend  Schwierigkeiten  entgegengestellt,  den  geschmeidigen 
Italienern,  die  ein  Mischmasch  von  italienisch,  französisch  und  deutsch 
sprachen,  gelang  das  Werk. 

Doch  wann  sind  diese  Stafettenzüge  der  Habsburger  und  Sforza 
Posten  in  unserem  Sinne  geworden,  d.  h.  wann  nahmen  Postmeister  Briefe 
von  Privatpersonen  zur  Bestellung  an  und  wann  stellten  sie  ihre  Relais- 
pferde auch  Privatpersonen  zur  Verfügung?  Ich  glaube,  man  braucht 
da  nicht  den  Moment  einzusetzen,  wo  sie  das  thun  durften,  mithin 
rechtlich  eine  Post  wurden,  ich  würde  vielmehr  in  die  Zeit  die  Entstehung 
unserer  Posten  versetzen,  wo  das  ohne  viele  Bedenken  thatsächlich  ge- 
schah. Dem  heutigen  Postbeamten  mag  es  bedenkh'ch  erscheinen,  gewisser- 
mafsen  den  Mifsbrauch  anzuerkennen,  die  Geschichte  wird  sich  um  die 
Thatsache  kümmern  müssen,  dafs  die  Post  sehr  wahrscheinlich  eher  vor- 
handen war,  als  die  Bestimmungen  es  gestatteten.  Nicht  die  Verträge 
der  Herrscher  mit  den  Taxis  dürfen  entscheiden,  sondern  der  Gebrauch. 

Die  Verträge  von  1505  und  1516  schweigen  sich  darüber  aus,  ent- 
halten  also   mindestens   kein  Verbot  ^     Die  Instruktion  für  den  Tiroler 


'  Im  §  9  des  Vertrags  von  1516  ist  die  Post  gegen  (kostenlose)  Inanspruch- 
nahme  seitens  der  königl.  Agenten  für  nicht  königliche  Angelegenheiten  gedeckt; 
dies  schliefst  nicht  aus,  dafs  die  Posten  auf  Bestellung  und  Bezahlung  auch  für 
Private  laufen  durften.    Vgl.  auch  Räbsam  185  f.  206  f.  213. 


Die  Einführung  der  Posten.  507 

Hofpostmeister  Gabriel  von  Taxis  von  1513  enthält  die  Bestimmung,  dafs 
„Parteiensachen"  nur  mit  Genehmigung  und  Wissen  der  Kammer  mit- 
genommen werden  dürfen.  1515  heifst  es  für  die  Linie  Innsbruck- Verona, 
dafs  weder  Kontrabande  noch  Parteiensachen  angenommen  werden  dürften. 
Der  Staat  hütete  noch  die  Post,  aber  was  verschlug  ein  Handelsbrief? 

Erfahren  wir  mehr  über  den  thatsächlichen  Gebrauch  als  uns  diese 
wortkargen  Instruktionen  über  den  Willen  der  Herren  sagen?  Aller- 
dings. Schon  für  1500  läfst  sich  nachweisen,  dafs  ein  Privatpacket  mit 
der  Post  ging.  Der  Bote  von  Rheinhausen  schreibt  in  dem  Poststunden- 
passe an  den  von  ihm  mit  dem  richtigen  Namen  angeredeten  Boten  zu 
Söflingen  bei  Ulm,  es  sei  in  dem  Sack  ein  Päcklcin  für  Anton  Welser, 
ein  Brief  und  zwölf  Plappart,  damit  solle  er  einen  Boten  sofort  nach 
Augsburg  senden,  während  die  übrigen  Briefe  nach  Innsbruck  gehen. 
Wenn  Anton  Welser  mit  Philipp  dem  Schönen  selbst  in  Korrespondenz 
stand  und  das  Packet  in  diesen  Briefverkehr  gehört,  ist  allerdings  eine 
Benutzung  der  Post  von  Privaten  nicht  erwiesen. 

Jan  von  Taxis  erklärte  1508  der  Republik  Venedig,  er  habe  den 
Verkehr  der  Signorie  mit  ihren  Gesandten  in  Deutschland  und  den  Nieder- 
landen treu  und  gewissenhaft  besorgt  und  zählt  fünf  Gesandte  auf  ^  Sollte 
dieser  lange  Verkehr  auf  einem  besonderen  Abkommen  beruht  haben  oder 
war  es  nicht  vielmehr  Gefälligkeit  von  Fall  zu  Fall? 

Seit  1515  waren  aber  sicherlich  die  Postpferde  auch  andern  Leuten 
zugänglich,  Lukas  Rem  ritt  September  1515  „auf  der  Post"  in  sechs 
Tagen  von  Antwerpen  nach  Augsburg,  im  Dezember  machte  er  mit  der 
Post  den  umgekehrten  Weg  *.  Beide  Male  ist  die  Zahl  der  von  ihm  ge- 
rittenen „Posten"  23. 

Das  Geheimnis  des  Gewinnes  der  Taxis  lag  wohl  sehr  bald  darin, 
dafs  sie  eine  staatliche  Anstalt  hatten,  für  die  der  Staat  aufkam,  in  der 
nebenbei  gestatteten ,  langsam  aufkommenden  Benutzung  für  Private  lag 
der  Gewinn.  Stillschweigend  wurde  der  Zweck  der  Posten  verallge- 
meinert. Ich  glaube,  man  darf  ruhig  seit  1500  die  taxisschen  Posten 
als  Posten  in  dem  von  mir  ausgeführten  Sinne  bezeichnen. 

Sehen  wir  uns  die  für  uns  in  Betracht  kommenden  Routen  an,  so 
weit  sie  sich  bis  jetzt  nachweisen  lassen.  Der  Gotthard  hat  wohl  eine 
mailändische,  aber  keine  taxissche  Post  gesehen.  Die  Post  von  Mailand 
nach  Chur-Lindau  erscheint  nur  1497,  eine  Fortsetzung  ist  mir  nicht 
bekannt  geworden.  Auch  die  die  Alpen  quer  durchsetzenden  Ver- 
bindungen von  Mailand  und  Innsbruck  waren  nur  ephemer.  Der 
Schwabenkrieg  hat  sie    natürlich  vernichtet  und  es  entwickelte  sich  von 


^  Rübsam  in  Hist  Jahrb.  21.  26  nach  Figini. 
«  Greiff  18  u.  21. 


508  Vierund\'ierzig8te8  Kapitel. 

selbst,  dafs  die  Eidgenossenschaft  von  der  Post  umgangen  wurde.  Der 
politische  Mittelpunkt  der  deutschen  habsburgischen  Lande  war  Inns- 
bruck, das  begünstigte  den  Brenner  und  die  Eidgenossenschaft  verlor 
aus  politischen  Motiven  den  Postverkehr. 

Zwar  ist  1512  über  die  Errichtung  von  kaiserlichen  Postkursen  auf  den 
Tagsatzungen  der  Eidgenossenschaft  verhandelt  worden ;  die  Eidgenossen 
wollten  Maximilian  freie  Hand  lassen  * ,  doch  ging  der  Kurs  Innsbruck- 
Zürich  1515  wieder  ein^.  Die  Schweizer  waren  mit  ihren  lokalen  Boten- 
anstalten zufrieden  und  interessierten  sich  nicht  für  ein  Unternehmen, 
das  centralistisch  und  monarchisch  schien.  Im  Gütertransport  hatten  sie 
neue  Formen  entwickelt,  im  Brief-  und  Personenverkehr  versagten  sie 
sich  der  neuen  Idee.     Sie  hielten  an  ihren  alten  Botenanstalten  fest. 

Erst  seit  1693  trug  der  Gotthard  wieder  eine  Post,  die  der  Berner 
Postregalpächter  Beatus  Fischer  und  die  Züricher  von  Muralt  ein- 
richteten^. Über  den  Zustand  der  Verbindungen  unterrichtet  der 
spanische  Postmeister  in  Mailand,  Ottavio  Codogno  in  seinem  Nuovo 
itinerario,  das  mir  in  der  Ausgabe  von  1608  vorliegt.  Er  kennt  einen 
einmal  wöchentlich  gehenden  Ordinariboten  von  Mailand  nach  Lindau, 
der  über  den  Splügen  ging  und  dann  über  Chur  und  Werdenberg  den 
Bodensee  erreichte*.  Von  diesem  Wege  ein  wenig  abbiegend  ging  auch 
ein  Fufsbote  bis  Plurs  im  Bergell.  1627  war  die  Postverbindung  Sache 
der  Stadt  Lindau,  die  vier  Bürger  zu  Ordinariboten  verordnet  hatte,  von 
denen  alle  Woche  einer  nach  Mailand  ritt,  der  die  Briefe,  aber  auch  die 
Passagiere  beförderte;  wie  umgekehrt  wöchentlich  ein  Mailänder  in 
Lindau  eintraft.  Selbst  diese  Post  ist  noch  keine  volle  Post  in  unsenn 
Sinne.  Codogno  führt  weiter  eine  ganze  Reihe  von  poste<  auf,  allein 
der  Ausdruck  bezeichnet  zunächst  nur  Relais  für  Pferdewechsel  und  mit 
diesen  waren  die  Wege  versehen,  die  er  aufzählt.  Da  erscheint  eine 
Route  über  Como  oder  Varese  nach  Bellinzona,  über  den  Gotthard  nach 
Luzern^.  In  Luzern  führt  das  Handbuch  den  Anschlufs  nach  Basel- 
St.  Di^-Nancy  an ,  wonach  der  alte  St.  Amariner  Weg  nicht  benutzt 
wurde,  dann  zweigte  in  Altorf  die  Verbindung  Brunnen,  Zug,  Zürich, 
Konstanz  ab''.  Von  den  Graubündner  Pässen  führt  Codogno,  vom 
Maloja  und  der  Splügenstrafse  abgesehen,  auch  noch  eine  Verbindung 
von  Brescia  mit  Chur  über  Bernina  und  Albula  an®. 


>  Eidgen.  Abschiede  3,  2,  620.  «  Graf  Taxis  a.  a.  O. 

8  Vgl.  Archiv  f.  Post  u.  Telegraphie  10,  166.  Die  von  Zürich  zweimal  wöchent- 
lich abgefertigte  Post  traf  nach  3*/2  Tagen  in  Mailand  ein. 

*  Codogno  S.  233.   382.  «^  Hub  er  79  nach  Fürttenbach. 

®  S.  169.  382.  Auch  dal'Herba,  Itinerario  delle  poste  Roma  1563  giebt  schon 
diese  Route  durch  das  Kaisersberger  Thal  nach  Plainfaing  an.    S.  81. 

•»  S.  162,  169,  173.  8  S.  300. 


Die  Einführung  der  Posten.  509 

Der  Weg  durch  Graubünden  empfehle  sich  aber  für  einen,  der 
schnell  reisen  wolle,  nicht,  diesem  lobt  Codogno  den  Umweg  über  den 
Brenner  und  Innsbruck,  selbst  wenn  er  von  Mailand  nach  Köln  wolle. 
Der  Weg  über  den  Simplon  ist  ein  Teil  der  Route  Mailand-Lyon*,  der 
Pafs  von  Jougne  wird  in  dem  Itinerario  überhaupt  nicht  erwähnt. 

Der  Brenner  hatte  den  schleunigen  und  fernen  Verkehr  ganz  an 
sich  gezogen,  die  natürlichen  Vorzüge  der  schweizerischen  Pässe  traten 
zurück  gegenüber  den  politischen  Interessen.  Die  monarchisch  geleiteten 
Staaten  umgingen  mit  ihren  Staatsposten  das  Gebiet  der  Eidgenossen. 
Die  Verbindung  zwischen  Italien  und  Deutschland  war  also  mehr  als  je 
auf  den  Brenner  abgelenkt  und  die  Hauptpoststrafse  schnitt  nun  die 
natürliche  Verkehrslinie  fast  in  einem  halben  rechten  Winkel.  Nicht 
Basel  oder  Konstanz  hatten  den  Vorteil,  sondern  Augsburg. 

Die  Route  des  Poststundenpasses  von  1500  ist  nicht  unverändert 
erhalten  geblieben,  soweit  ich  das  aber  jetzt  beurteilen  kann,  haben  die 
Taxis  doch  sofort  auch  einige  Anordnungen  getroffen ,  die  nicht  geändert 
wurden,  so  lange  die  Post  in  erster  Linie  eine  dem  habsburgischen 
Hause  dienende  Verbindung  zwischen  den  Niederlanden  und  Tirol  war. 
Der  Weg  von  1500  ging  über  Memmingen-Ulm,  später  wurde  Ulm  um- 
gangen. Die  grofse  Bedeutung  von  Augsburg,  die  Stadt  der  kühnsten 
und  reichsten  Geschäftsleute,  liefs  es  natürlich  erscheinen,  den  Umwog 
von  dem  Fernpasse  aus  über  Augsburg  zu  machen^.  Dafür  umritt  die 
Post  Ulm  (Günzburg,  Elchingen,  Westerstetten)  ^.  Im  übrigen  folgte  von 
Westerstetten  abwärts  die  Post  schon  1500,  wie  nun  Jahrhunderte  lang 
dem  Laufe  der  alten  Strafse  Ulm-Cannstatt,  auch  dann  benutzte  sie  den 
uralten  Weg  auf  Bruchsal. 

Der  Rheinübergang  erfolgte  bei  Rheinhausen-Speier.  Rheinhausen 
war  schon  1500  ein  wichtiges  Postamt,  dort  mündeten  die  Briefe  ein, 
die  vom  oberen  oder  unteren  Rhein  kamen*.  Rheinhausen  war  so 
wichtig,  dafs  hier  wie  in  Augsburg  meistens  ein  Glied  des  Hauses  Taxis 
selbst  das  Postamt  versah*. 

Die  Route  folgte  nun  nicht  etwa  dem  Laufe  des  Rheins,  obwohl 
sie  den  Strom  wieder  oberhalb  Bonn  erreichte,  um  dann  nach  Mecheln 
westlich  abzubiegen.  Der  Weg  dem  Flufslaufe  folgend  gefiel  nicht, 
sondern   die  Route   wurde    ziemlich    direkt    gelegt,    sie    ging    bergauf. 


1  S.  232  u.  158. 

'  Schon  vor  1514  dürfte  Augsburg  ein  Postamt  erhalten  haben.   Rübsam  201. 

»  Codogno  178. 

*  S.  meinen  Nachweis  über  die  Bedeutung  Rheinbausens  in  dem  Poststunden- 
pafs  in  Mitteilungen  des  Inst.  f.  österr.  Gesch.  20,  284—287. 

^  Die  Abrechnung  eines  Postmeisters  zu  Kheinhausen  von  1597  ist  erhalten  und 
gewährt  einen  vorzüglichen  Einblick.    Vgl.  Rübsam  im  Hist.  Jahrb.  13,  45. 


510  Yienmdyjerzigstes  Kapitel. 

bergab,  über  den  Soonwald,  den  Himdsrück  und  die  Eifel,  die  Nahe 
wurde  unterhalb  oder  bei  Kreuznach  überschritten,  die  Mosel  bei 
Hatzenport,  das  Rheinufer  wurde  bei  Breisig  erreicht 

Die  Strecke  vermied  nicht  nur  die  Windungen  des  Rheinlaufes 
zwischen  Speier  und  Koblenz,  sondern  —  täusche  ich  mich  nicht  — 
ging  sie  den  Städten  überhaupt  aus  dem  Wege.  Nicht  ein  einziger 
Botenwechsel  erfolgte  in  einer  Stadt  Rheinhausen ,  wo  sich  schon  1500 
die  Boten  kreuzten ,  war  ein  Dorf,  die  Post  von  Ulm  war  in  dem  nahen 
Dorfe  Söflingen  und  auf  dem  meilenlangen  Ritte  von  Breisig  bis  Speier 
kam  der  Reiter  kaum  durch  eine  einzige  Stadt  Ich  glaube,  diese 
Städtescheu  hatte  einen  guten  Grund.  Die  Städte  waren  nachts  ver- 
schlossen und  da  das  Geheimnis  der  Post  der  Nachtdienst  war,  muliste 
die  Route  so  gelegt  werden,  dafs  möglichst  wenige  Städte  bei  Nachtzeit 
zu  umreiten  waren  oder  an  ihren  Pforten  lange  um  den  Durchlafs  ge- 
beten werden  mufste.  In  dieser  Städtescheu  offenbart  sich  auch  der 
ursprünglich  rein  dynastische  Zweck  der  Posten,  die  ausschliefsliche 
Betonung  der  Endpunkte,  die  Vernachlässigung  des  zwischenliegenden 
Landes;  es  kommt  ihnen  auf  die  Verbindung  der  Höfe  an,  nicht  auf  die 
der  Städte,  sie  sollen  Staatsdepeschen  befördern,  keine  Kaufmannsbriefe. 

Die  Route  hat  an  Rheinhausen  stets  festgehalten,  nördlich  von 
Rheinhausen  bezw.  Kreuznach  wurde  der  Transportweg  aber  verlegt,  denn 
später  wurde  bei  Namur  die  Maas  überschritten,  also  weit  südlicher 
als  einst.  Die  Stationen  —  deren  Namen  bei  Codogno*  entsetzlich  ver- 
stümmelt sind  —  lagen  also  mehr  nach  Südwesten  hin,  als  jene  von 
1500.  Der  alte  Weg  erhielt  sich  als  Verbindung  von  Rheinhausen  mit 
Remagen  und  Köln^. 

So  wirkten  also  die  politischen  Ursachen  auch  hier  ein.  Die  Eid- 
genossenschaft wurde  von  den  Strafsen  des  habsburgisch-bourbonischen 
Machtbereiches  umgangen  und  das  Handbuch  des  mailändischen  Post- 
meisters Codogno  kennt  kaum  noch  Basel  und  Konstanz.  Strafsburg 
nennt  es  überhaupt  nicht.  Doch  daneben  ging  der  Verkehr  noch  immer 
über  die  schweizerischen  Pässe,  jedoch  in  den  alten  Formen  und  für 
den  Warenverkehr  kamen  diese  taxisschen  Posten  überhaupt  noch  nicht 
in  Frage.  Die  politischen  Neuigkeiten  aus  Italien  und  den  Niederlanden 
verbreiteten  aber  nicht  mehr  die  Wirte  der  von  den  Fremden  besuchten 
Gasthäuser,  dem  Wirte  war  als  Faktor  in  der  öffentlichen  Meinung  der 
Postmeister  als  Konkurrent  entstanden. 


^  S.  166.    Auch  in  den  jüngeren  Ausgaben. 

■  Quetsch  läfst  ihn  1580  eingeführt  werden.    S.  130. 


Siebentes  Buch. 

GESCHICHTE  DES  HANDELS  IM  SPÄT 

MITTELALTER. 


Erster  Teil. 

HANDELSPOLITISCHES. 

Ftinfundvierzigstes  Kapitel. 
Versuche  einer  Beichshaiidelspolitik. 

Vereinzelte  Eepressalien:  Ludwig  der  Bayer,  Karl  IV.,  Buprechi.  Die  grofse 
Hanäthsperre  Siegmunds  gegen  Venedig,  Politische  Orütide,  Weg  nach  dem  Schivarzen 
Meere,  Genua  statt  Venedig,  Zwei  AJctenstiicke,  Verhandhingen  und  Verbote.  BeichS' 
tag  in  Breslau,    Neue  Kapereien, 

Von  einer  Handelspolitik  deutscher  Könige  ist  auch  in  den  beiden 
letzten  Jahrhunderten  des  Mittelalters  nicht  zu  reden,  wo  in  den  be- 
nachbarten Reichen ,  vor  allem  in  Frankreich ,  aber  auch  in  den  Fürsten- 
tümern Norditaliens  der  Staat  seine  Aufgabe  auf  dieses  Gebiet  ausdehnte 
und  namentlich  auch  in  England  der  grofse,  für  die  Welthandelsge- 
schichte entscheidende  Umschwung  begann. 

Die  deutsche  Zollpolitik  haben  wir  schon  öfters  zu  besprechen  ge- 
habt, sie  kennt  seit  König  Albrechts  Tode  keine  Rücksichten  auf  den 
Handel  des  gesamten  Landes,  höchstens  auf  lokale  Interessen.  Von 
einer  Verkehrspolitik  ist  erst  recht  nicht  zu  reden  und  wenn  wir  uns 
nun  dem  Handel  zuwenden,  so  ist  auch  dort  dasselbe  Bild.  Das  König- 
tum tritt  gelegentlich  für  den  Schutz  des  Kaufmanns  ein,  zumeist  übcr- 
läfst  das  Reich  aber  die  Kaufleute  ihrem  Geschicke.  Es  gab  keinen 
Kaiser,  der  den  Interessen  der  Städte  wachsamen  Auges  gefolgt  wäre. 
Mitunter  greifen  Könige  ein,  um  durch  eine  Handelssperre  eine  der 
italienischen  Handelsstädte  zu  politischer  Abhängigkeit  zu  zwingen.  Der 
Handelskrieg  bez.  das  Handelsverbot  ist  eine  Waffe,   die  Interessen  des 


512  Fünfund vierzigstes  Kapitel. 

deutAchen  Handels  sind  dabei  dem  Reiche  fast  gleichgültig.  Sehr  erheb- 
lich ist  bereits  der  Anteil  der  Territorialstaaten  y  die  allmählich  eine 
Handelspolitik  zu  betreiben  beginnen ,  ftir  eine  ernsthafte  und  glückliche 
aber  viel  zu  kleine  Gebiete  besafsen. 

Vereinzelte  Fälle  königlichen  Eingreifens  in  der  einen  oder  anderen 
Art  seien   aus    dem   vierzehnten  Jahrhundert  angeführt.      Als   Venedig 
1346  auf  deutsche  Waren  eine   neue  Auflage   machte,   gestattete  Kaiser 
Ludwig  der  Bayer,   dafs  die  Deutschen  ebenso   nun   die   venetianischen 
Waren  behandelten.     Das  Verfahren  hatte  eine   sofortige  Wirkung,    der 
Doge   nahm   das   Gebot   zurück  ^      In    einem    anderen   Falle  gestattete 
Karl  IV.  den  Ntirnbergem  gegen  Florenz ,  weil  es  in  einer  gerichtlichen 
Angelegenheit  sich  dem  Willen  des  Kaisers   nicht  fügte,   Thätlichkeiten 
zu  begehen,   Kauflcute   und  Waren  anzuhalten*.     Das  Verfahren  g^en 
Mailand  und  Venedig  wegen  Burkhard  Münchs  von  Landskron  ist  oben 
ausführlich  besprochen  *.    Das  erste  Verkehrsverbot,  das  ich  kenne,  erliefs 
derselbe  Kaiser,  Nürnberg  solle  nicht  mit  Bemabo  Visconti  verkehren*. 
Fast    lückenlos    liegt    uns    eine  Korrespondenz    aus   den   Tagen  König 
Ruprechts  vor,  der  Ende  1401  dem  Kölner  unter  dem  Erzbischof  stehen- 
den   Greven    Konstanz   von    Lysenkirchen    den    Befehl   gegeben    hatte, 
Kaufleute  von  Aachen  und  Mailand  zu    „bekümmern."     Aachen  war  in 
der  Reichsacht  und  des  Königs  Feindschaft  gegen  Johann  Galeazzo  von 
Mailand    ist  ja   der   Grundton   seiner  italienischen  Politik.     Der  Kölner 
Greve  verhaftete  nun  den  Malländer  Johann  de  Sicheriis,   der  dreizehn 
Fardel  Barchent  bei   sich   hatte.     Sie   gehörten   Francesco  Fossati   von 
Mailand,    der   sie   durch   seinen  Knecht  an  seinen  Landsmann  Antonius 
Alchirius  gelangen  lassen  wollte.     Der  Mailänder  Herzog  blieb  die  Ant- 
wort aber  keinen  Augenblick  schuldig,  er  liefs  zwei  Ravensburgem,  die 
von  Venedig  mit  ihren  Waren  kamen,    die  Waren  wegnehmen  und  den 
einen,  Konrad  Füllsag,   auch  festhalten.     Die  Stadt  Ravensburg  wandte 
sich   an    ihren   Bund  der   sieben    Boden  Seestädte   und   in   ihrem  Namen 
trug  Konstanz  die  Sache  dem  Herzoge  wie  der  Stadt  Köln  vor.  Ruprecht 
suchte  die  Freilassung  zu  verhindern,    er   stellte   seinen  Schritt  als  eine 
Repressalie   dar  gegenüber   dem  Mailänder,    der  gegen    Schwaben    und 
Nürnberger  vorgegangen    sei.     Doch   ging  Köln  voran   und  der  Herzog 
blieb  auch  nicht  zurück,  er  gab  zum  Schlufs  ausdrücklich  den  Kölnern 
einen  Geleitsbrief  zum  freien  Verkehr.     Der  Versuch  eines  so  schwachen 


1  Böhmer-Ficker,  Acta  imperii  Nr.  818  u.  820  und  dazwischen  einzureihen 
Simonsfeld  1  Nr.  119. 

-  Bnhmor-IIuber  3578. 

»  S.  S.  409  ff. 

*  Böhmor-Huber  3963. 


Versuche  einer  Reichshandelspolitik.  513 

Königs  wie  Ruprecht  durch  Handelsstörungen  den  verhafsten  Visconti 
zu  schädigen,  war  gescheitert  *  und  König  Ruprecht  gab  nun  auch  seiner- 
seits trotz  der  Feindseh'gkeiten  allen  Lombarden  für  die  Reise  durch 
Deutschland  freies  Geleit  bis  auf  Widerruf,  der  zu  Strafsburg  erfolgen 
sollte^.  Und  Strafsburg  bemühte  sich  nun  auch  auf  Bitten  des  Kauf- 
manns Paulus  von  Camercio  wie  beim  König,  so  auch  beim  Bischof  von 
Strafsburg  und  dem  elsässischen  Landvogt  Sicherungsbriefe  zu  erreichen, 
wobei  es  guten  Erfolg  hatte®. 

Der  umfassendste  Versuch,  eine  Handelssperre  im  politischen  Inte- 
resse durchzuführen,  geht  auf  Siegmund  zurück  und  dabei  verfolgte  er 
auch  die  Absicht,  dauernd  einer  anderen  Stadt  und  ihrem  Hafen  den 
Verkehr  zuzuführen,  es  handelte  sich  um  die  Erhöhung  Genuas  auf 
Kosten  Venedigs.  Siegmund  hoffte  durch  den  Boykott  von  Venedig  die 
verhafste  Signoria  zu  demütigen  und  zu  bezwingen.  Was  Napoleon 
später  gegen  England  vergebens  versucht  hat,  unternahm  hier  ein 
mittelalterlicher  Herrscher.  Rein  politische  Motive  haben  in  beiden 
Fällen  den  Herrscher  zu  einem  Handelskriege  gebracht.  Mit  Venedig 
lag  König  Siegmund  seit  Anfang  1412  in  offenem  Kriege,  die  Motive 
lagen  in  der  Beeinträchtigung  seines  ungarischen  Reiches,  in  der  Fest- 
setzung der  Venetianer  in  Zara  und  anderen  dalmatinischen  Orten,  die 
der  ungarische  Kronprätendent  König  Ladislaus  von  Neapel  der  Signoria 
eingeräumt  hatte,  nebenbei  auch  in  der  Expansion  der  Markus- 
republik in  Friaul  und  nach  der  Lombardei  hin.  Im  wesentlichen  ver- 
folgte Siegmund  ungarische  Interessen  und  diesen  sollten  sich  die  der 
deutschen  Handelsstädte  unterordnen. 

Nun  hatte  Siegmund  aber  doch  so  vielen  Sinn  fUr  das  Thatsächliche, 
so  viel  Umblick  in  der  allgemeinen  Weltlage,  dafs  er  nicht  allein  die 
Vernichtung  des  venetianischen  Handels  erstrebte,  sondern  den  kühnen 
Plan  einer  gründlichen  Umgestaltung  der  gesamten  Handelsbeziehungen 
zwischen  der  Levante  und  dem  Abendlande  fafste.    Diese  Versuche  ziehen 


^  Die  bezügl.  Korrespondenzen  sind  in  Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrheins 
Bd.  4  und  Mitteilungen  Stadtarchiv  Köln  Heft  14  veröffentlicht.  Es  sind: 
1)  Januar  11:  Konstanz  an  den  Herzog  4,  33;  2)  Februar  10:  Herzog  an  Köln  14, 
88;  3)  Februar  11:  Mailand  Sekretär  an  Konstanz  4,  34;  4)  Februar  18:  Kaufimann- 
schaft  Mailand  an  Köln  14,  90;  5)  März  8:  König  Ruprecht  an  Köln  14,  90; 
6)  März  12:  Konstanz  an  Köln  14,  91  u.  4,  35;  7)  März  21:  Ruprecht  an  Köln  14, 
92  und  Reichstagsakten  5,  5;  8)  Mai  5:  Köln  Garantie  für  den  Greven  Mitteil.  27, 
231;  9)  Mai  7:  Greve  gelobt  Genugthuung  14,  91  Anm.  und  Mitteil.  24,  111; 
10)  Mai  16:  Köln  an  Konstanz  4,  86;  11)  Mai  24:  Konstanz  an  Köln  14,  14  Nr.  6920; 
12)  Juni  29:  Konstanz  an  den  Sekretär  4,  37;  13)  Juli  13:  Herzog  Geleit  für  Köln 
14,  95.    Vgl.  Reichstagsakten  5,  5  und  Hans.  Urkb.  5  Nr.  508. 

^  Reichstagsakten  5  Nr.  301. 

8  Ebda.  Nr.  363. 

Schulte,  Gesoh.  d.  mittel alterl.  Haudels.    1.  33 


514  Fünfundvierzigstes  Kapitel. 

Sich  durch  fast  zwanzig  Jahre  hin*.  Süd  Ostdeutschland  wollte  er  durch 
die  Donau,  Südwestdeutschland  aber  durch  Genua  mit  der  Levante  in 
Verbindung  bringen. 

In  diesen  Bestrebungen  fand  er  nicht  allein  den  Widerstand  Vene- 
digs, sondern  den  sehr  fühlbaren  fast  aller  oberdeutschen  Städte,  die 
mit  der  Herrin  der  Adria  in  Handelsbeziehungen  standen.  Thatsäehlich 
ist  daher  die  Handelssperre  nur  für  ganz  kurze  Frist  durchgeführt 
worden.  Und  gerade  dieser  Streit  rückt  die  Bedeutung  von  Venedig 
heller  ins  Licht  als  alle  anderen  Thatsachen. 

Der  Kaiser  suchte  die  eine,  die  unfraglich  wichtigste  Pforte,  aus 
der  die  Schätze  des  Orientes  zu  uns  gelangten ,  zu  versperren ,  er  mufste 
eine  andere  öffnen  und  kühnen  Sinnes  wie  er  war,  dachte  er  daran,  den 
Handel  wieder  auf  den  alten  Pfad  zu  legen.  Er  gab  Januar  1418 
zwei  Brüdern ,  Johann  und  Konrad  Fischer,  deren  Heimat  leider  nicht 
bekannt  ist,  den  Auftrag,  von  der  Donaumündung  und  Pera  auf  der 
Donau  nach  Ungarn  und  Deutschland  eine  Handelsstrafse  zu  legen.  Die 
Urkunde  giebt  als  Ziel  Kilja  an  der  Donaumündung  und  Kaffa  (d.  h. 
Feodosia),  den  Vorort  unter  den  genuesischen  Kolonien  am  Nordge- 
stade des  Schwarzen  Meeres  und  Pera,  die  genuesische  Kolonie  von 
Konstantinopel  an^;  es  sollte  also  der  Verkehr  den  Umweg  über  Italien 
ganz  vermeiden.  Ein  kühnes  Projekt,  aber  ein  Projekt,  das  nicht  aus- 
zuführen war.  Der  Sieg  Timurs  über  Bajazed  in  der  Schlacht  von 
Angora  hatte  den  Todeskampf  des  byzantinischen  Reiches  um  50  Jahre 
verlängert,  auf  der  Route,  die  gewählt  werden  mufste,  waren  also 
Griechen  und  Türken  scharf  rivalisierende  Herren,  der  Sultan  Mohamed  I. 
hatte  eben  auch  einige  wallachische  Städte  an  der  Donaumündung  besetzt. 
Ich  sehe  ganz  davon  ab,  dafs  die  Privilegien  der  Stadt  Wien,  die  seit 
1198  jeden  westländischen  Kaufmann  vom  Handel  nach  dem  Orient  aus- 
schlössen, diesen  Weg  nur  den  Wienern  geöffnet  hätten.  Die  Süddeut- 
schen, welche  Wiens  Stapel  nur  zu  genau  kannten,  konnten  einer  solchen 
Strafse,  die  fast  notwendig  über  Wien  gehen  mufste,  kein  Vertrauen 
entgegenbringen.  Wiederholt  ist  Siegmund  auf  den  ungarischen  Handels- 


'  Die  Quellen  sind  veröffentlicht  in  den  Reichstagsaktcn  Bd.  7,  8u.  9,  bei 
Simons  feld  Nr.  313.  19.  34.  35  f.  50.  52.  59  und  hei  Alt  mann  n,  aufserdem  unsere 
Urkunden  Nr.  353,  381  u.  382.  Eine  eingehende  Darstellung  giebt  Simons  feld 
2,  44  ff.  und  vor  allem  Stieda,  Hausisch -venetiani sehe  Handelsbeziehungen.  Seit- 
dem haben  die  Altmannschen  Regesten  neues  Material  geliefert,  auch  weiche  ich  in 
der  Datierung  der  beiden  bald  zu  besprechenden  Aktenstücke  von  Stieda  ab.  Vgl. 
auch  Eneas  Sylvius,  De  viris  illustribus  S.  65. 

2  Altmann  2857:  »c/e  partihus  transmarinis  de  Kyla,  Kaffa  et  Pera  ac  oZii« 
civitatibus  et  terris  in  flumine  Danubio  versus  Hungariam  et  deinde  versxis  partes  AI- 
manie'.    Über  die  Kolonien  vgl.  Heyd,  Levantehandel. 


Versuche  einer  Reichshandelspolitik.  515 

weg  zurückgekommen,  Belege  für  wirklichen  Verkehr  auf  diesem  Wege 
sind  mir  nicht  bekannt  geworden. 

Das  erste  Handelsverbot  richtete  Siegmund  an  eine  eigentümliche 
Adresse,  an  die  Hansestädte^  und  wenn  er  auch  Brügge  zu  ihnen 
rechnen  mochte ,  so  hatte  dieses  Gebot  wohl  keinerlei  Wirkung  ausge- 
übt. Der  Kaufmann  hatte  kein  Interesse,  das  Gebot  zu  beobachten  und 
welche  Macht  und  welche  Autorität  besafs  Siegmund  im  Bereich  der 
Hansa  ?  Direkte  Beziehungen  zwischen  der  Hansa  und  Venedig  gab  es 
zwar,  aber  doch  nur  in  bescheidenem  Umfange.  Sollte  die  Mafsregel 
Ernst  bedeuten,  so  mufste  das  Verbot  an  die  oberdeutschen  Städte  er- 
lassen werden.  Sie  hatten  sich  um  ein  allgemeines  Schreiben,  worin  er 
zur  Bekämpfung  von  Venedig  aufforderte,  natürlich  nicht  gekümmert 
und  der  Waffenstillstand  vom  April  1413,  der  später  bis  zum  April  1418 
erstreckt  wurde,  hatte  ja  auch  die  Ruhe  wieder  hergestellt. 

Schon  vor  Ablauf  des  Waffenstillstandes  war  der  Kaiser  gewillt, 
dieses  Mal  die  Handelssperre  allgemein  zu  machen  und  er  proponierte 
den  Städten  einen  neuen  Weg.  Damals  war  es,  dafs  er  den  Weg  nach 
dem  Schwarzen  Meere  vorschlug  und  zugleich  lenkte  er  die  Blicke  auf 
Genua  und  er  bediente  sich  bei  den  Verhandlungen  derjenigen  Stadt, 
die  unter  allen  deutschen  am  meisten  Interesse  am  Handel  mit  Genua 
hatte,  Konstanz.  Und  so  tritt  nun  in  den  nächsten  Jahren  Konstanz  für 
Siegmund  ein,  ohne  jedoch  den  Widerstand  der  anderen  Reichsstädte, 
vorab  Nürnbergs,  besiegen  zu  können. 

Aus  dem  Verlaufe  des  Streites  sind  für  die  Handelsgeschichte  zwei 
undatierte  Aktenstücke  besonders  wichtig,  die  vorab  zu  besprechen  sind. 
Ein  Konstanzer  Bürger  wurde  von  seiner  Stadt  und  ihren  Nachbaren* 
an  den  Dogen  von  Genua  Tommaso  da  Campofregoso  (1416 — 22)  und 
den  Herzog  von  Mailand  gesendet,  um  dort  Stimmung  zu  machen.  Er 
veranlafste  ein  höchst  interessantes  Schriftstück,  das  die  Vorzüge  von 
Genua  vor  Venedig  schildert®.  Es  ist  ein  von  den  von  Mailand  und 
Genua  gesandten  Boten  vorzulegendes  Promemoria,  das  in  anschaulicher 
Weise  den  Deutschen  die  Handelsprinzipien  von  Genua  und  Venedig 
gegenüberstellt. 

Die  politische  Treue  der  Herzöge  von  Mailand  und  der  Dogen  von 
Genua  gegen  das  Reich  wird  zunächst  —  freilich  mit  wenig  Recht  — 
angerühmt,    eher  läfst    man   sich   das   Lob    der  Ehrlichkeit   der   Kauf- 


1  Alt  mann  192.    1412  Februar  12. 

^  Stieda  redet  S.  16  irrig  von  einem  Auftrage  des  Königs. 

*  Wegen  seiner  Wichtigkeit  gebe  ich  das  schon  in  den  Reichstagsakten  ge- 
druckte Stück  nochmals  in  den  Urkunden  Nr.  881.  Die  Briefe  des  Herzogs  wie  des 
Dogen  an  den  Kaiser  sind  leider  nicht  erhalten.  Wie  nachher  zu  erweisen  ist,  gehört 
das  Stück  zum  Ende  des  Jahres  1419  bez.  Anfang  1420  vor  den  Breslauer  Reichstag. 

33* 


516  Fünfundvierzigstes  Kapitel. 

leute  beider  Städte  gefallen.  Der  Thatsache,  dafs  Venedig  ftir  einen 
Teil  der  deutschen  Städte  näher  sei  als  Genua,  wurde  der  billigere  Ein- 
kauf aus  erster  Hand  entg^engesetzt.  Interessant  sind  die  Angaben, 
dafs  Genua  100  grofse  Schiffe  von  ein  bis  drei  Deck  fiihre,  während 
Venedig  nur  kleine  Schiffe  habe.  Genua  spare  also  an  Transportkosten 
und  das  äufsere  sich  im  Marktpreise.  Die  Abgaben  seien  niedriger  als 
die  jetzt  zu  Venedig  erhobenen  und  wenn  die  Deutschen  wieder  die 
Freiheiten,  die  sie  vor  45  und  50  Jahren  genossen,  erhalten,  werden  ihre 
Abgaben  zu  Genua  nur  *  s  der  zu  Venedig  sein.  Dann  wiesen  die 
Genuesen  auf  den  Zwang  von  Venedig  hin,  das  die  Kauf  leute  wie  das 
liebe  Vieh  nachts  in  dem  Fondaco  einsperre.  Und  nicht  minder  un- 
günstig für  die  Deutschen  sei  das  venetianische  Gebot,  dafs  die  deut- 
schen ELaufleute  ihre  Waren  nach  einer  bestimmten  Frist  zu  einem  von 
Venetianern  taxierten  Preise  veräufseren  müfsten.  Weiter  heben  die 
Genuesen  rühmend  hervor,  dafs  die  Deutschen  den  Erlös  des  Verkauften 
in  barer  Münze  aus  ihrer  Stadt  abführen  könnten  und  nicht  gezwungen 
seien,  ihn  wieder  zum  Ankaufe  von  Waren  zu  verwenden,  wie  das  in 
Venedig  gefordert  werde.  Der  Schlufs  dieser  geschickten  Lobrede  auf 
Genua  hebt  mit  vollem  Rechte  einen  wichtigen  Unterschied  zwischen  den 
beiden  Mittelraeerhäfen  hervor.  In  Venedig  konnte  der  Deutsehe  kein  Schiff 
chartern,  wohl  aber  konnten  sie  von  Genua  aus  zu  Schiff  Handel  nach 
Osten  und  Westen  treiben.  Es  war  diese  Thatsache  richtig.  In  Venedig 
fand  der  deutsche  Kaufmann  die  Grenze,  Genua  aber  war  seine  Pforte 
für  den  Handel  nach  Spanien,  wie  nach  dem  Oriente^. 

Ein  weiterer  Schritt  zu  einem  Vertrage  Hegt  in  einem  undatierten 
deutschen  Aktenstücke  vor,  das  von  deutschen  Anschauungen  ausgeht 
und  angiebt,  wie  weit  die  Genuesen  denen  entgegenkommen  wollten*. 
Sicherheit  der  Strafse  im  Gebiete  von  Mailand  und  Genua,  Ersatz 
etwaigen  Schadens,  Fixierung  aller  Arten  von  Abgaben,  Ordnung  von 
Mafs  und  Gewicht ,  der  Ballenbinder  u.  s.  w.,  kein  Zwang  zum  Wohnen 
wurden  gefordert.  Wichtiger  noch  als  diese  in  den  meisten  Sicherungs- 
briefen vorkommenden  Punkte  ist  die  Forderung,  dafs  der  Deutsche  in 
Genua  mit  jedermann,  er  sei  Gast  oder  Bürger  von  Genua,  handeln 
dürfe.  Das  war  ein  Kardinalunterschied  von  Venedig.  Die  Forderungen, 
dafs  die  Deutschen  nicht  solidarisch  für  sich  oder  ihre  Fuhrleute  haftbar 
sein   sollten,   gehört   —   wie  wir  wissen   —    zu   dem   eisernen  Bestände 


*  Aus  dem  ßahmen  des  Aktenstückes  erfahren  wir  weiter,  dafs  auf  die  An- 
regung von  Konstanz  der  Doge  von  Genua  sich  an  den  Herzog  Filippo  Maria 
Visconti  gewandt  hatte,  und  diese  beiden  nun  eine  Botschaft  ins  Reich  entsandten. 
Die  Gesandten  wurden  beglaubigt  bei  Bern,  Basel,  Freiburg  i.  C,  Konstanz,  Ulm, 
Kegensburg,  Passau,  Wien,  Nürnberg,  München  und  Augsburg. 

•  Abdruck  in  den  Urkunden  Nr.  382. 


Versuche  einer  Reichshandelspolitik.  517 

aller  Sicherungsbriefe,  ebenso  eine  Frist  nach  Ausbruch  eines  Krieges, 
hier  wurden  drei  Monate  gefordert  Nach  Friedensschlufs  sollten  diese 
Bestimmungen  sofort  wieder  in  Kraft  treten. 

Dieser  „Ratschlag"  war  unzweifelhaft  von  einer  Seite,  die  für  Genua 
wohlgesinnt  war,  ausgegangen,  ich  zweifle  nicht,  dafs  es  Konstanz  oder 
Ravensburg  ist,  heute  liegt  das  Stück  in  Nürnberg,  das  eher  Venedig  günstig 
war.    Das  Stück  steht  mit  dem  eben  besprochenen  wohl  in  Zusammenhang. 

Ob  den  Genueser  und  Mailänder  Boten,  die  Sommer  1417  zu  Kon- 
stanz Siegmund  aufsuchten*,  dieser  Ratschlag  bereits  vorgelegt  wurde, 
ist  mir  sehr  zweifelhaft,  sie  versprachen  freilich,  jedoch  in  allgemeinen 
Ausdrücken,  den  Kaufleuten  keine  hohen  Auflagen  zu  machen  und  sie 
besser  als  in  Venedig  zu  behandeln.  Das  machte  der  König  auch  den 
Städten  bekannt,  als  er  am  1.  Oktober  1417  den  Städten  den  Handel 
mit  Venedig  verbot  und  verkündete,  er  werde  nach  Ablauf  des  Waffen- 
stillstandes (5.  April  1418)  den  Krieg  beginnen^. 

Über  die  Einrichtung  des  Handels  mit  Genua  sollte  in  Konstanz 
mit  den  lombardischen  Gesandten,  die  der  König  zurückhalten  wollte, 
verhandelt  werden  und  des  Handels  verständige  Boten  sollten  die  Städte 
Regensburg,  Köln,  Mainz,  Strafsburg,  Worms,  Speier,  Basel,  Augsburg, 
Konstanz,  Nürnberg,  Frankfurt  und  Ulm  zu  diesem  ersten  deutschen 
Handelstage,  den  ein  deutscher  König  ausschrieb ,  entsenden.  Die  Kauf- 
leute waren  davon  wenig  erbaut,  selbst  Ulm  und  Augsburg  waren  da- 
gegen^. Erst  im  März  rief  Nürnberg ,  dem  Vorgehen  Augsburgs  folgend, 
seine  Kaufleute  von  Venedig  zurück.  Ob  der  Tag  in  Konstanz  überhaupt 
stattgefunden  hat? 

Nach  Ausbruch  des  Krieges  erneute  der  König  am  2.  Juli,  26.  Juli 
und  18.  August  1418  das  Handelsverbot  und  verkündete,  dafs  er  vielen 
Getreuen  Auftrag  gegeben  habe,  Gut,  das  fürbafs  nach  Venedig  gehe, 
niederzulegen,  in  dem  letzten  Briefe  verkündete  er,  dafs  er  den  Weg 
durch  Ungarn  sichere*. 

Die  Städte  gaben  die  Hoffnung  nicht  auf,  den  Handel  mit  Venedig 
wieder  eröffnen  zu  können.  Auf  einem  Ulmer  Tage  scheint  beschlossen 
zu  sein ,  zu  versuchen ,  den  König  mit  Venedig  zu  versöhnen.  Es  kamen 
venetianische  Gesandte  nach  Deutschland*.  Doch  die  Verhandlungen 
zerschlugen  sich  und  der  König  stellte  wirklich  Kaperbriefe  aus  und 
verbot  erneut  den  Handelsverkehr®. 


1  Reichstagsakten  7  Nr.  239  Art.  8. 

2  Reichstagsakten  7  Nr.  239. 
8  Stieda  S.  20. 

*  Reichstagsakten  7  Nr.  240  u.  241.  Das  Stück  vom  26.  Juli  bei  AI tmamn  8386. 
B  Vgl.  auch  Altmann  8659  u.  3719. 
«  Altmann  3684.   3754  u.  3881. 


518  Fünfundvierzigstes  Kapitel. 

Das  Projekt  der  Verbindung  mit  Genua  schwebte  noch  immer  in 
der  Luft,  da  erschien  nun  auf  dem  Reichstage,  der  im  Januar  1420  in 
Breslau  stattfand,  der  Erzbischof  Bartliolomäus  de  la  Capra  von  Mai- 
land. Er  war  der  Träger  des  Promomeria,  das  wir  oben  ausführlich 
behandelt  habend  Der  König  gab  es  bekannt  und  forderte  am 
20.  Januar  die  Städte,  namentlich  Strafsburg,  Mainz,  Worms,  Speier 
und  Nürnberg  auf,  zu  einem  auf  den  23.  April  1420  nach  Ulm  zu  be- 
rufenden Städtetage  Boten  zu  senden,  damit  dort  die  Angelegenheiten 
der  Genueser  Strafse  wohl  versorgt  und  verbrieft  würden^.  Und  als 
Konstanzer  oder  Ravensburger  Vorschlag  für  diese  Verhandlung  mufs 
wohl  der  oben  schon  besprochene  deutsche  „Ratschlagt  gesetzt  werden. 
Dieser  Ulmer  Tag  verlief  ergebnislos,  da  ein  bedeutender  Teil  der 
wichtigsten  Städte  sich  fernhielt^.  Die  Venedig  freundlichen  Städte 
setzten  beim  Könige  neu  an  und  wirklich  erreichten  wenigstens  Ntim- 
berg  und  Breslau,  dals  der  Handel  mit  Venedig  ihnen  frei  gegeben 
wurdet 

Es  erfolgte  aber  noch  ein  schwerer  Rückschlag  gegen  die  Wünsche 
dieser  Städte.  Die  Genuesen  hatten  den  Wünschen  von  Konstanz  und 
Ravensburg  —  so  dürfen  wir  wohl  sagen  —  nachgebend,  neue  Kon- 
ventionen zu  Gunsten  der  Deutschen  erlassen,  ja  noch  mehr,  die  Stadt^ 
nunmehr  unter  der  Herrschaft  der  Visconti ,  sandte  den  Thomas  Sophias 
nach  Konstanz,  wo  er  am  3.  Juli  1423  erscheint,  die  Bodenseestadt  teilte 
die  Konventionen  frohlockend  den  Bundesgenossen  mit^.  Wahrscheinlich 
brachte  derselbe  Bote  den  von  Filippo  Maria  am  28.  August  1422  für 
die  Deutschen  bestimmten  aufserordentlich  günstigen  Vertrag  über  ihren 
Verkehr  in  Mailand  mit,  dessen  Inhalt  später  zu  besprechen  ist®.  Von 
Konstanz  reiste  Sophias  zu  dem  damals  in  Ungarn  weilenden  Siegmand. 
Der  König  fand  die  Zusicherungen  für  ausreichend  und  erliefs  nunmehr 


^  Am  Schlüsse  des  Rahmens  des  oben  erwähnten  Promemoria  redet  der  eine 
Gesandte  den  andern  an  als  »patermtas  vestrat,  also  als  hohen  Geistlichen  an,  nnd 
darunter  ist  der  Erzbischof  zu  verstehen,  und  auf  dieselbe  lateinische  Schrift  nimmt 
der  König  in  seinem  Schreiben  vom  20.  Januar  Bezug.  Das  Leben  des  Erzbischofs 
behandelt  Eneas  Sylvius,  De  viris  illustribus  S.  29f.  Vgl.  auch  Archivio  stör, 
lombardo  24,  886  ff. 

8  »Daselbs  gemeinlich  zu  ueherkomen  czweier  oder  drier  redlicJier  manne,  die  zu 
dem  von  Meylan  und  von  Janow  herczogen  riten  und  die  vorgeschrieben  ding  von  der 
Strasse,  czolle  sicherhaüe  und  aller  ander  handelutige  wegen  nach  inJtalde  der  vorgenanten 
czedel  wol  versorget  und  verbrieft  nemen,  uff  das  die  koufluete  redlich  und  wol  versorget 
und  die  vorgenanten  Strassen  gen  Janotc  wider  uf bracht  werdefu* 

>  Reichstagsakten  7  Nr.  287—294. 

*  Für  Breslau  25.  April  1421. 

^  Unsere  Urkunden  Nr.  323. 

•  Urkunden  Nr.  182. 


Versuche  einer  Reichshandelspolitik.  519 

an  alle  seine  Unterthanen  in  Deutschland,  Italien  und  Tuscien  eine 
Erneuerung  des  Handelsverbotes;  mit  Genua,  nicht  mit  Venedig*,  solle 
mau  verkehren*. 

Doch  Nürnberg  liefs  nicht  nach ,  es  schickte  Sobald  Pfinzing  an  den 
König,  dem  er  ein  leider  nicht  auf  uns  gekommenes  Verzeichnis  merk- 
licher und  grofser  Gebrechen,  die  sich  bei  der  Handelssperre  gezeigt, 
vorlegen  sollte.  Der  Erfolg  blieb  nicht  aus,  schon  am  24.  November 
1423  konnte  Nürnberg  an  Ulm  und  Konstanz  melden,  dafs  der  Handel 
mit  Venedig  wieder  freigegeben  sei. 

Der  König  gab  den  Lieblingsgedanken  darum  doch  nicht  auf,  er 
stellte  immer  noch  förmliche  Landkaperbriefe  aus,  wobei  er  es  beson- 
ders auf  die  Sperrung  des  Fernpasses  abgesehen  hatte  ^,  und  als  er  1426 
mit  dem  Herzoge  Filippo  Maria  nähere  Fühlung  gewann  und  glauben 
konnte,  nun  Venedig  wirksam  den  Handel  zu  sperren,  erneute  er  den 
Oktober  1426  die  Handelssperre^,  dieses  Mal  auch  die  Eidgenossen 
mahnend,  den  Handel  mit  Venedig  aufzugeben*;  und  in  der  That  ver- 
hinderte z.  B.  Herzog  Wilhelm   von  Bayern   den  Handel   mit  Venedig^. 

Als  Juli  1428  der  Kaiser  mit  Venedig  einen  zweijährigen  Waffen- 
stillstand abschlofs,  wurde  das  Handelsverbot  aufgehoben*.  Siegmund 
scheint  aber  die  Geister,  die  er  gerufen  hatte,  nicht  wieder  haben  bannen 
können,  er  erklärte  noch  im  April  1429  formell  den  Städten  Konstanz, 
Augsburg  und  Ulm,  dafs  sie  wieder  mit  Venedig  handeln  dürften,  und 
mufste  noch  im  August  desselben  Jahres  befehlen,  Konstanz  und  die  ver- 
bündeten Städte  im  Handel  mit  Venedig  zu  schützen^. 

Und  als  Anfang  1431  der  Kampf  wider  Venedig  und  Florenzjneu 
entbrannte,  soll  von  Siegmund  abermals  die  Handelssperre  verhängt 
worden  sein®.  Mit  dem  ganzen  Sinne  seiner  Politik  stimmt  es  denn 
auch  überein,  dafs  er  dem  Konstanzer  Konrad  Winterberg  Repressalien 
verstattete  und  seinem  Diener  Hermann  von  Stoffeln  und  seinem 
Sekretär  Hecht  die  Erlaubnis  gab,  den  venetiani sehen  Kaufleuten  als 
Reichsfeinden  aufzulauern  und  wirklich  nahmen  sie  zwischen  Kempten 
und  Memmingen  ihnen  sieben  Wagen  weg®.  Sie  gehörten  nicht  allein 
Venetianern,    sondern   auch  Kaufleuten   von   Siena  und  Lucca,   die   in 


1  1423  August  16  Gran.    Altmann  5604. 
^  Altmann  6095.    Januar  1425. 
»  Stieda  S.  30.    Kagelmacher  S.  56. 
*  V.  Liebenau  t8,  346. 
6  Alt  mann  7010.    Vgl.  6903. 
«  Kagelmacher  S.  97. 

'Altmann  7239.   7240.   7241  u.  7362,  auch  7435. 

8  Stieda    stützt    sich    auf  A seh b ach,    Gesch.    Siegmunds  4,  53,   dieser  auf 
Engel,  Gesch.  v.  Ungarn  2,  333. 
«  Altmann  8389  u.  9293. 


520  Sechsundvierzigstes  Kapitel. 

Venedig  wohnten.  Der  Wagenführer  war  Gerhard  von  Köln,  aufge- 
hoben wurden  die  Waren  durch  Heinrich  von  Stoffeln  und  Ulm  nahm 
sie  zunächst  an  sich^  Auch  gegen  die  Florentiner  gab  der  Kaiser  solche 
Erlaubnisse^. 

Mit  dem  definitiven  Frieden  vom  7.  April  1433  wurde  die  Ruhe 
im  Handelsleben  wieder  hergestellt.  Das  Übergewicht  Venedigs  über  die 
westitalienischen  Städte  tritt  deutlich  hervor,  es  waren  die  Interessen  so 
sehr  an  die  Herrscherin  der  Adria  gebunden,  dafs  wohl  niemals  alle 
Nürnberger  Venedig  verlassen  haben*. 

Der  Versuch,  Venedigs  Handel  zu  vernichten,  war  gescheitert,  aber 
eine  gute  Folge  hatte  der  Versuch  denn  doch,  Genua  hatte  sich  durch 
Konzessionen  bemüht,  den  Handel  an  seinen  Hafen  zu  fesseln.  Ganz 
eigentümlich  motiviert  Eneas  Sylvius  das  endliche  Scheitern  der  Sperre 
gegen  Venedig.  Filippo  Maria  trage  die  Schuld,  er  habe  den  Deutschen 
in  Genua  mifstraut,  die  die  Stadt  dem  Kaiser  übergeben  könnten.  Er 
habe  lieber  eine  arme  Stadt  haben  wollen,  als  eine  reiche  verlieren*. 
Mit  den  Thatsachen  ist  das  schwer  zu  vereinigen. 

Repressalien  sind  auch  später  noch  ergriffen  ^,  eine  Handelssperre  ist 
während  des  Mittelalters  nicht  wieder  versucht  worden.  Ja  am  Ausgang 
desselben  hat  Maximilian  den  deutschen  Kaufleuten  Geleit  nach  Venedig 
gegeben,  obwohl  die  Stadt  in  der  Acht  war®. 

Sechsundvierzigstes  Kapitel. 

Eanfhäüser. 

Ztceck  und  Bedeutung  für  den  int^nationdlen  Handel.  Das  älteste  in  Mains, 
andere.  Basel ,  Strafsl/iirg,  Konstanz,  Gredhäuser  am  Bodensee,  Kaufhäuser  in  der 
Schweiz.  Innere  Einrichtung,  In  Konstanz  und  Basel  Zusammaiftatig  mit  deti 
städtischen  Zöllen, 

In  der  Geschichte  des  Handels  zwischen  Deutschland  und  Italien 
haben  eine  bedeutende,    bisher  jedoch  niemals  recht  erkannte  Rolle  die 


'  Urkunden  Reichsarchiv  München,  Reichsstadt  Memmingen  Nr.  245.  247  u.  250 
und  die  Urkunden,  die  Thomas,  Beiträge  aus  dem  Uhnar  Archiv  288—296  ver- 
öffentlichte. 

°  An  die  beiden,  seinen  Rat  Kaspar  Schlick  und  Ulrich  von  Königseck.  Alt- 
mann 9304. 

«  Stieda  35. 

*  De  viris  illustribus  65. 

•*  So  dehnte  Friedrich  III.  (IV.)  den  Repressalien bricf,  den  er  zunächst  für  seine 
Lande  gegen  die  Bologneser  erlassen  hatte,  die  einen  Wiener  Kaufmann,  der  von 
der  Königin  Elisabeth  von  Ungarn  zum  Einkauf  von  golddurchwirkten  und  seidenen 
Tüchern  geschickt  war,  beraubt  hatten,  auch  auf  das  Reich  aus.    Chmel  Nr.  1642. 

«  Fischer  2,  612  f. 


Kaufhäuser.  521 

Kaufhäuser  gespielt,  von  denen  einige  geradezu  auf  italienische  An- 
regung überhaupt  errichtet  wurden.  Sie  sind  nicht  zu  verwechseln  mit 
den  Kauffahrerhöfen  und  Fondacht\  wie  der  deutsche  Fondaco  zu  Venedig, 
der  Hof  zu  Nowgorod,  der  Stahlhof  zu  London,  denn  das  waren  nicht 
allein  Lagerräume,  Verkaufslokale  und  Zollstätten,  sondern  auch  Her- 
bergen, ja  Zwangsherbergen. 

Es  ist  irrig,  wenn  man  glaubt,  die  Kaufhäuser  seien  vorwiegend  für 
den  lokalen  Kleinhandel  gewesen  *,  das  mag  für  einen  Teil  zutreffen,  für 
die  gröfseren  Kaufhäuser  Südwestdeutschlands  ist  aber  diese  Auffassung 
abzulehnen.  Man  mufs  sich  auch  von  den  uralten  gemeinschaftlichen 
Verkaufsständen  trennen,  so  war  die  Tuchlaube  das  Haus  der  mit  Tuchen 
en  detail  handelnden,  in  der  Stadt  ansässigen  Tuchhändler.  Die  Kauf- 
häuser sollen  in  erster  Linie  dem  Ortsfremden  dienen,  der  dabei  aber 
vom  Kleinhandel  wie  vom  Tuchausschnitt  ausgeschlossen  blieb.  Erst  in 
zweiter  Linie  sind  sie  auch  Verkaufslokale  für  den  Bürger. 

Das  älteste  mir  in  Südwestdeutschland  bekannt  gewordene  Kaufhaus 
ist  das  unmittelbar  vor  1317  zu  Mainz  erbaute,  das  1813  wegen  Baufällig- 
keit abgebrochen  wurde.  Es  wurde  auch  in  baulicher  Hinsicht  das  Vor- 
bild. Nach  den  erhaltenen  Plänen  enthielt  es  zwei  als  grofse  Hallen 
gewölbte  Stockwerke,  es  war  ein  durchaus  feuersicherer  Bau.  Die  weiten 
Hallen,  die  eine  Grundfläche  von  je  8400  Quadratfufs  rheinisch  (annähernd 
886  qm)  enthielten,  konnten  durch  Bretterverschläge  leicht  in  „Gadem" 
eingeteilt  werden.  Der  äufsere  Schmuck  war  an  dem  Bau  nicht  ver- 
nachlässigt; namentlich  die  eine  Schmalseite  war  reich  geschmückt  und 
ein  mit  den  Bildern  des  Kaisers  und  den  sieben  Kurfürsten  geschmückter 
Zinnenkranz  schlofs  den  Bau  oben  ab  ^.  Über  dem  Einfahrtsthor  befand 
sich  ein  kleiner  feuersicherer  Raum:  das  Archiv  und  die  Kasse.  Der 
Erbauer  war  der  Mainzer  Kurfürst  Peter  Aichspalter,  der  vielleicht  ein 
böhmisches  Vorbild  nachahmte. 

Die  Städte  der  Wetterau  folgten  dem  Beispiele:  1830  Gelnhausen, 
1357  Friedberg  ^,  das  zu  Frankfurt  bestand  1361*,  weiter  abwärts  er- 
wähne  ich   das  Kölner  Kaufhaus,   das  1355  auftaucht,  wo  später  noch 

^  Gengier,  Deutsche  Stadtrechtsaltertümer  in  dem  sonst  sehr  lehrreichen  Ab- 
schnitte über  das  Kaufhaus  330—346.  Aufser  der  Litteratur  (vor  allem  Schmoller 
[Tucher-  u.  Weberzunft,  Strafsburg  z.  Zeit  d.  Zunftkämpfe],  Geering,  Gothein, 
Kübling)  lagen  mir  Konstanzer,  Strafsburger  und  Baseler  Kauf hausordnungen  vor^ 
die  von  Konstanz  gedruckt  Urkunden  Nr.  347. 

*  Abbildungen  bei  Schultz,  Dreizehntes  und  vierzehntes  Jahrhundert  53  ff. 
Quetsch  281  ff.  Vgl.  Hegel  in  den  Chroniken  deutscher  Städte  18,  2,  95. 
Böhmer,  Ludw.  d.  Bayer  255. 

*  Privileg  Ludw.  d.  Bayern  f.  Gelnhausen  Böhmer  1117  und  Hess.  ürkb. 
Abt  2  Bd.  2  Nr.  353.    Karl  IV.  für  Friedberg  (Mefsbesucher)  Böhmer-Huber  2656. 

*  Böhmer-Huber  3532. 


522  Sechsundvierzigstes  Kapitel. 

eine  Reihe  anderer,  bestimmten  Zweigen   des  Handels  dienender  Häuser 
entstand  ^ 

Wenn  ich  zu  den  oberrheinischen  Städten  übergehe,  so  ist  das  schöne 
Kaufhaus  von  Freiburg  vorab  zu  nennen  ,  der  heutige  Bau  entstammt 
der  Wende  des  Mittelalters,  ein  Kaufhaus  gab  es  aber  schon  um  1390^. 
Das  Wormser  wird  1403  zuerst  genannt^.  In  Schwaben  finde  ich  zuerst 
(1336)  das  Nördlinger  Kaufhaus  erwähnt*. 

In  Basel  ist  der  Ursprung  des  alten  bischöflichen  Ballhofes  nicht 
festzustellen,  geht  aber  jedenfalls  in  sehr  frühe  Zeiten  zurück.  Neben 
ihm  bestand  schon  1359  ein  zweites  Haus*;  die  Stadt  errichtete  1376 — 78 
ein  geräumiges  Kaufhaus^. 

Die  Rücksicht  auf  die  Italiener  tritt  zum  erstenmal  mit  voller 
Deutlichkeit  bei  dem  Bau  des  Strafsburger  Kaufhauses  im  Jahre  1358 
hervor.  Königshofen  erzählt,  dafs  früher  jeder  Kaufmann  mit  seinen 
Waren  in  sein  Wirtshaus  fuhr,  wo  ihm  durch  Diebstähle  und  auf  andere 
Weise  viel  Schaden  geschah^.  Und  als  bei  der  Einrichtung  des  Hauses 
sich  Strafsburg  an  Basel  wandte,  um  die  Höhe  des  dort  üblichen  Lager- 
lohnes vertraulich  zu  erfahren,  gab  die  Stadt  ihren  Tarif  bekannt.  Sie 
nahm  in  den  Häusern,  da  die  .  .  Lamparter  und  ander  geste  ir  vardel 
und  ander  gut  entladen*,  ein  Lagergeld  und  bei  bestimmten  Waren  einen 
Verkaufszoll.  Und  da  erscheinen  nun  Tuch,  Gewand,  Leder,  Häringe, 
Bückinge,  Spezereien,  Eisen,  Zinn,  Kupfer,  Stahl,  Butter,  Ol,  Buchs^ 
Mandeln,  Feigen,  '^merirüheln^,  ^stner^  und  Unschlitt  und  Wachs.  Die 
Wagen  und  Karren,  welche  nicht  abgeladen  wurden,  hatten  eine  besondere 
Abgabe  zu  zahlen,  die  Wollenballen  werden  besonders  erwähnt  Und 
als  Transitgut  erscheinen  neben  den  Wollenballen  vor  allem  die  Gewand- 
ballen, die  die  Lamparter  aus  Flandern  und  Brabant  durch  die  Stadt 
führen®.  Die  Lage  des  Strafsburger  Gebäudes  war  vorzüglich  gewählt^ 
es  stiefs  mit  der  Langseite  an  die  „Breusch",  d.  h.  die  111,  zu  der  auf 
verschiedenen   Kanälen   der  Zugang   auch   vom   Oberrhein    her  möglich 


^  Lau  S.  292. 

2  Schreiber,  ürkb.  Freiburg  2,  84. 

»  Boos,  Städtekultur  3,  120. 

*  Böhmer,  Regesten  Ludw.  d.  Bayern  1803. 

^  Strafsb.  Urkb.  5,  402. 

®  Geeriug  149.  159  ff.  Dafs  es  dabei  nicht  ohne  Streit  zwischen  der  Stadt 
und  dem  Bischof  abging,  beweist  die  Urkunde  Nr.  393,  Baseler  Urkb.  Bd.  4  von 
1375,  der  Bischof  wollte  offenbar  den  Bau  nicht  zulassen.  1439  baute  Basel  ein 
Kornbaus,  Baseler  Chroniken  4,  48;  1471/91  ein  Tuchhaus,  daneben  gab  es  ein 
Salzhaus,  Geering  172.    Vgl.  auch  Fechter,  Topogr.  59. 

'^  Königshofen,  Chron.  d.  Städte  9,  744  fügt  diese  Motive  zu  Closener 
8,  132  hinzu. 

«  Strafsb.  Urkb.  5,  402. 


Kaufhäuser.  523 

war.     Am    andern    Ufer    in   Nesselbachs   Hause    war    das   Quartier   der 
Italiener. 

Bezüglich  des  Konstanzer  Kaufhauses,  dieser  herrlichen  Zierde  des 
Hafens,  war  man  des  Glaubens,  dafs  es  für  den  Verkauf  der  Konstanzer 
Bürger  bestimmt  gewesen  sei  und  der  Beschlufs  des  Rates,  der  sich  im 
Katsbuch  befindet,  sich  auf  ein  kleineres,  nun  verschwundenes  beziehe. 

Der  Irrtum  beruht  darauf,  dafs  der  Eintrag  als  zu  1391  gehörig  an- 
gesehen wurde,  und  dann  allerdings  müfste  man  an  ein  zweites  Kauf- 
haus denken.  Der  wichtige  Eintrag  besagt,  dafs  am  Dienstag  vor  Licht- 
mefs  1387  der  grofse  Rat  beschlofs,  ein  Haus  zu  bauen,  darin  man  den 
Welschen  von  Mailand  und  anderen  fremden  Leuten  ihre  Güter  besorge 
und  behaltet  Eine  Inschrift  an  dem  Kauf  hause  giebt  1388  als  den 
Beginn  des  Baues  an^. 

Das  Gebäude  ist  weit  weniger  feuersicher,  als  das  Mainzer  es  war,  ist 
aber  bis  heute,  wo  wenigstens  das  untere  Geschofs  noch  denselben  Zwecken 
dient,  ftir  die  es  errichtet  wurde,  vom  Feuer  verschont  geblieben. 
Mächtige  Eichenpfeiler  tragen  die  Decke  der  unteren  Halle,  wie  die  der 
oberen,  die  durch  das  Konklave  von  1417  ein  welthistorisches  Interesse 
gewann.  Ein  hohes  Dach  mit  drei  Böden  erhebt  sich  über  dem  Ganzen, 
nach  der  Seeseite  ist  es  durch  vorgekragte  Brustwehren  und  Erker  zur 
Verteidigung  eingerichtet.  Es  bot  in  seiner  früheren  Gestalt  in  den 
beiden  Hallen  eine  Lageriläche  von  2110  qm,  ist  also  geräumiger  als  das 
Mainzer  es  war,  und  in  den  Dachböden,  die  mit  Aufzug  versehen  sind, 
noch  weitere  2980  qm  dar*.  Hier  ist  also  deutlich  gesagt,  wem  das  Ge- 
bäude dienen  soll,  und  man  wird  auch  wohl  nicht  fehlgehen,  wenn  man 
sich  der  Mailänder  Gesandtschaft  von  1386  und  des  Ausbaues  der  Septimer- 
strafse  erinnert.  Die  erste  grofse  Verkaufsstelle  für  die  nach  Deutschland 
kommenden  Lombarden,  wie  eine  grofse  Sust  für  ihre  über  die  Alpen 
bestimmten  Waren  wurde  damit  eingerichtet. 

Die  gleichzeitige  Überschrift  nennt  das  Kaufhaus:  ^äni  gredt,  es 
war  also  damals  der  Ausdruck  „Gredhaus^  in  Konstanz  schon  bekannt 
und  solche  Gredhäuser  finden  sich  gerade  am  Bodensee. 

Das  Wort  ist  wohl  von  gradus  abzuleiten,  den  Staflfeln,  wie  sich  das 
Wort  auch  in  Strafsburg  für  das  auf  Stufen  zu  erreichende  Südportal 
des  Münsters  angewendet  findet.  Und  da  möchte  man  doch  wohl  zu- 
nächst an  Kaufhäuser  am  See  denken?  Und  ist  nicht  auf  Grado,  den 
Hafen  von  Aquileja,  hinzuweisen  gestattet?  Das  Gredhaus  von  Lindau 
habe  ich  zwar  erst  sehr  spät  erwähnt  gefunden,  1419  wurde  es  erweitert*. 

^  Urkunden  Nr.  343. 

'  Kraus,  Kunstdenkmäler  1,  268. 

*  Mitteilung  des  Herrn  Leiner  in  Konstanz. 

^  Lindau,  Stadtarchiv,  Chroniken.    Mitteilung  des  Pfarrers  Reinwald. 


524  SechsuDdvierzigstes  Kapitel. 

Es  war  eins  der  bedeutendsten   und   1485  auf  zwei  Jahr  um  715  ^  ^ 
verpachtet,  das  Komhaus  um  350  ^ 

Der  Bau  des  jetzigen  Gredhauses  von  Meersburg  stammt  von  1505, 
es  gab  aber  schon  vorher  ein  solches  -,  auch  Radolfzell  hatte  am  See  sein 
Qredhaus,  worin  fremde  vom  See  kommende  Güter  aufbewahrt  wurden  ®, 
wie  Überlingen*.  Gredhäuser  finden  sich  auch  in  Ravensburg  und  Ulm, 
hier  erscheint  das  Kaufhaus  zuerst  1369^.  Aarau  erhielt  1391  von 
seinem  Stadtherren  Herzog  Leopold  die  Erlaubnis,  ein  Kaufhaus  zu 
bauen*;  Diessenhofen  hatte  seins  1426  fertig';  fast  alle  bedeutenderen 
Städte  der  schweizerischen  Hochebene  hatten  um  die  Mitte  des  fünf- 
zehnten Jahrhunderts  solche.  Eine  Konstanzer  Aufzeichnung  aus  dem 
Ende  des  Jahrhunderts  führt  St.  Gallen,  Wyl,  Stein,  Diessenhofen  und 
Baden  an®.  St.  Gallen  erhielt  1466  das  Recht,  in  seinen  Gerichten,  wo 
es  gut  schien,  Stadel,  Greden  und  Kaufhäuser  zu  errichten  ®.  Das  Bemer 
Kaufhaus  gehört  zu  den  ältesten,  es  stand  schon  1373**^.  Das  Züricher 
stammt  aber  erst  aus  dem  Anfang  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  ^^ 

In  Chur  wollte  die  Stadt  schon  unter  Bischof  Johann  I.  (1325 — 31) 
ein  Kaufhaus  errichten  und  konnte  dafür  einen  kaiserlichen  Freibrief 
aufweisen**.  König  Siegmund  gab  der  Stadt  1413  auf  Bitten  des  Bischofs 
Hartmann  das  Recht,  nach  dem  Muster  von  Konstanz  ein  Kaufhaus  zu 
erbauen*®.  1422  bestand  jedenfalls  ein  solches,  wenn  der  Bischof  auch 
bis  dahin  dagegen  gekämpft  hatte**.  Und  1464  erhielt  die  Stadt  nach 
dem  grofsen  Brande  von  Kaiser  Friedrich  erneut  das  Recht,  ein  solches 
Haus  zu  erbauen*'^. 


*  Schriften  d.  Ver.  f.  Gesch.  d.  Bodensees  3,  Regesten  S.  80. 

>  Kraus,  Kunstdenkmälor  1,  542.  Mitteil.  d.  bad.  hist.  Kommission  8  (1887) 
Nr.  82  und  Nr.  89. 

»Albert  278.  577. 

*  Ordnung  ca.  1480—90  Uberlinger  Stadtarchiv.  Nübling  belegt  den  Namen 
GredhauS;  Gredzoll  u.  s.  w.  ftir  Ingolstadt,  Weifsenhom,  Geislingen,  Kaufbeuren, 
Kempten,  Memmingen,  Schongau,  S.  89. 

»  Nübling  91. 

®  W.  Merz,  Rechtsquellen  des  Kantons  Aargau  S.  30.  Boos,  ürkb.  von 
Aarau  S.  140.    Vgl.  283. 

'  Abmachung  mit  den  Kauf leuten  und  Salzfertigern  von  Memmingen.  Reichs- 
archiv München.    Archiv  Memmingen. 

8  Urkunden  Nr.  364. 

»  Chmel,  Friedr.  Nr.  4611. 
10  Welti  674. 

"  Vögel  in.  Das  alte  Zürich,  1.  Aufl.  169. 
«  Kind,  Die  Vogtei  229. 
'»  Altmann  750. 

1*  Eichhorn,  Episcop.  Curiensis  Cod.  probat.  142  ff. 
16  Stadtarchiv  Chur. 


Kaufhäuser.  525 

An  manchen  Orten  gab  es  neben  dem  Kaufhaus  auch  noch  ein  Ge- 
wandhaus, Leinwandhaus,  Kornhaus,  Salzhaus,  Schuhhaus  u.  s.  w.,  doch 
scheint  Süddeutschland  mehr  die  Waren  zusammengehalten  zu  haben. 
Doch  gab  es  Kornhäuser  zu  Lindau  (1485  erwähnt). 

Ich  habe  wohl  nicht  der  Ansicht  entgegenzutreten,  dafs  diese  Kauf- 
häuser ausschliefslich  den  Fremden  gedient  hätten,  in  den  kleinen  Städten 
werden  Italiener  nur  selten  erschienen  sein.  Die  Vermehrung  der  Zahl 
beweist  aber  eine  allgemeine  Zunahme  des  Verkehrs. 

Die  Organisation  des  Kaufhauslebens  ist  neuerdings  von  Schmoller 
für  Strafsburg,  von  Geering  für  Basel,  von  Gothein  für  Konstanz  und 
Freiburg  und  von  Nübling  für  Ulm  eingehend  untersucht  und  dargestellt 
worden.  Diese  Arbeiten  überheben  mich  der  Pflicht,  näher  auf  diesen 
Gegenstand  einzugehen,  ich  kann  mich  mit  Andeutungen  der  für  den 
Fremden  wichtigsten  Momente  begnügen  ^ 

Das  Kaufhaus  war  zugleich  Lagerhaus  und  Verkaufshalle,  Zollstelle 
und  gewerbepolizeiliches  Revisionslokal.  Der  fremde  E^aufmann  durfte 
nur  in  diesem  Hause  seine  Waren  haben,  und  der  Amtmann  des  Kauf- 
hauses durfte  keinerlei  Verkauf  aufserhalb  des  Gebäudes  zulassen.  Die 
Wirte  waren  verpflichtet,  von  etwaigen  Abweichungen  Anzeige  zu  machen 
und  nur  in  Konstanz  durfte  der  Hausherr  eine  Ausnahme  gestatten.  Es 
war  damit  eine  kaum  zu  umgehende  Kontrolle  des  Handels  der  Fremden 
ermöglicht  Die  Konstanzer  Praxis  führte  zu  argen  Mifsständen,  wie  sie 
deutlich  eine  Enquete  schildert*.  1445  muCste  den  Wirten  verboten 
werden,  irgend  welche  Kaufmannschaft  aufzunehmen*.  In  Strafsburg 
machte  die  Mefszeit  wenigstens  zeitweise  eine  Ausnahme  von  diesem 
Lagerzwang  im  Kauf  hause*. 

Den  Gästen  war  —  den  mittelalterlichen  Handelsprinzipien  fast  aller 
Städte  entsprechend  —  jedweder  Handel  unter  sich  verboten,  nur  in 
den  Mefszeiten  war  eine  Ausnahme  gestattet.  Der  Verkauf  an  die  Bürger 
durfte  nur  in  grofsen  Quantitäten  erfolgen  und  ganz  genau  wurden  die 
Grenzen  festgesetzt,  bis  zu  denen  herab  der  Fremde  verkaufen  durfte. 

Die  Tendenz,  den  en  ^rros- Verkauf  auch  der  städtischen  Bürger  auf 
das  Kaufhaus  zu  verlegen,  war  in  Basel  siegreich  und  auch  da  wurden 
die  Gewichtsgrenzen  fixiert^.  Die  Gewerbepolizei  war  im  Kauf  hause 
viel  einfacher  zu  handhaben  und  naturgemäfs  verband  sich  damit  die 
öffentliche  Wage,  die  in  Konstanz  aber  unglaublich  primitiv  war.  Da 
gab   es   nur  Gewichte  bis  zum  Betrage  von  5 — 7  Centnern   und  um  bei 

^  An  Quellen  vgl.  für  Strafsburg  Strafsb.  Urkb.  5,  1041.    Vgl.  S.  521  Anm.  1. 

a  Urkunden  Nr.  364. 

«  Urkunden  Nr.  ^59. 

*  Schmoller,  Tucher-  und  Weberzunft  429. 

^  Geering  157  flF. 


526  Sechsund  vierzigstes  Kapitel. 

schwereren  Waren  die  Differenz  herauszubekommen ,  legte  man  andere 
Sachen  auf  die  Schale,  die  nachher  dann  untereinander  verglichen  wurden. 
Wenn  man  Bretter,  Stahlballen,  Kieselsteine  auflegen  mufste  und  der 
Gast  also  keinerlei  Garantie  für  richtiges  Wägen  besafs,  so  konnte  man 
es  den  Gästen  nicht  verdenken,  wenn  sie  andere  Wege  fuhren  *.  Frank- 
furt und  Nürnberg  wurden  wegen  ihrer  Wage  gepriesen.  Einzelne  Kauf- 
leute hatten  auf  dem  Kauf  hause  wohl  besondere  Verschlage  (gadem)  inne, 
was  doch  nicht  ohne  Bedenken  war.     Sie  zahlten  dafür  eine  Miete. 

An  der  Spitze  der  Verwaltung  stand ,  abgesehen  von  den  jährlich 
wechselnden  Vertretern  des  Rats,  den  beiden  Kauf  hausherren  *,  in  allen 
drei  Städten  ein  Hausherr  oder  Amtmann,  der  für  die  Ordnung  im  Kauf- 
hause verantwortlich  war  und  mit  dem  die  Fremden  am  meisten  zu  thun 
hatten.  Er  hatte  seine  feste  Einnahme,  an  Geschenken  durfte  er  nur 
Kleinigkeiten  annehmen,  in  Strafsburg  unter  1  ß  Wert:  einen  Kamm, 
ein  Messer,  zwei  Handschuhe,  einen  Säckel  oder  derartiges®.  Der  Kauf- 
hausherr hatte  viele  Briefe  zu  schreiben  und  da  war  dem  Strafsburger 
verstattet,  wenn  es  sich  um  Kaufhaussachen  handelte,  6  ^  zu  nehmen; 
wenn  es  aber  fremde  Sachen  waren,  so  durfte  er  nehmen,  was  er  Recht 
zu  sein  glaubte.  Eigentümlicherweise  war  dem  Amtmann  in  Strafsburg 
verstattet,  Waren  —  mit  Ausnahme  von  Spezerei  und  gefilrbten 
Tüchern  —  auf  „Mehrschätzen"  zu  kaufen,  also  die  Kenntnis  des  Marktes 
für  sich  auszubeuten*. 

Ein  Kaufhausschreiber  war  in  Strafsburg  und  Basel  thätig.  Auch 
die  Kaufhausknechte  und  Ballenbinder  waren  vereidigt,  sie  hatten  zum 
Teil  Kautionen  zu  stellen.  Die  Organisation  ist  am  entwickeltsten  und 
am  deutlichsten  zu  erkennen  in  Basel,  Geering  giebt  davon  ein  anschau- 
liches Bild.  Das  für  kaufmännische  Rechtsgeschäfte  wichtige  Kaufhaus- 
buch, in  das  solche  eingetragen  wurden,  ist  an  keinem  der  drei  Plätze 
erhalten.  Dafs  es  in  Strafsburg  und  Basel  geführt  wurde,  ist  nachzuweisen. 
Es  mufste  in  Strafsburg  jede  ankommende  Ware  aufgezeichnet  werden. 
Für  das  Heben  von  schweren  Lasten  gab  es  in  Basel  seit  1451  einen 
Krahn,  in  Konstanz  finde  ich  ihn  schon  1431  erwähnt  und  in  Strafs- 
burg schon  1885^.  Als  Vermittler  von  Geschäften  mufsten  sich  an  allen 
drei  Orten  die  Gäste  der  „Unterkäufer"  bedienen. 

In  Konstanz  und  Basel  hat  bei  der  Errichtung  des  Kaufhauses  un- 
zweifelhaft die  Absicht  mitgewirkt,  den  städtischen  Zoll  wirksamer  zu 
handhaben.     Beide  Mal  folgt  die  Errichtung  dem  Erwerbe  eines  Zolles. 


1  Urkunden  Nr.  364. 

^  Finden  sich  in  Basel. 

»  Strafsb.  Stadtarchiv.    Ordnungen  Bd.  20  Fol.  118. 

*  Ebda.    Doch  war  das  nur  eine  persönliche  Vergünstigung. 

*  Geering  161.    Königshofen  745. 


Kaufhäuser.  527 

Karl  rV.  hatte  1375  der  Stadt  das  Recht  verliehen,  auf  alle  Kaufmann- 
schaft, die  man  nach  und  von  Konstanz  führe,  einen  Zoll  zu  legen  und 
nach  eigenem  Gutdünken  abzumessend 

Den  Baselern  hatte  1368  der  Kaiser  einen  Zoll  von  nicht  weniger 
als  einem  halben  Gulden  auf  alle  Fardel,  Ballen  und  Wollsäcke  ver- 
liehen ^  und  der  Ertrag  dieser  Steuer  war  mitunter  fast  doppelt  so  hoch 
als  die  Pfandsumme  (2000  fl.),  wofür  der  König  sich  den  Rückkauf  vor- 
behalten hatte®.  1373  erwarb  der  Rat  auch  die  bischöflichen  Zölle  und 
die  Fronwage*,  da  jedoch  dieser  Erwerb  nur  in  der  Form  einer  Ver- 
pfändung stattfand,  wobei  die  Rückkaufsumme  auf  12500  fl.  festgesetzt 
wurde,  mufste  die  gesonderte  Erhebung  dieses  Zolles  beibehalten  werden. 
Karl  IV.  fand  sich  1377  bereit,  den  Stadtzoll  noch  zu  verdoppeln*,  so 
dafs  er  jetzt  einen  Gulden  betrug.  Die  beiden  Städte  Basel  und  Kon- 
stanz kamen  Zug  um  Zug  mit  Zollerhöhungen  heraus,  bis  1377  er  in 
beiden  Städten  gleichmäfsig  \6  /}  für  den  Wollsack  betrug.  Die  fremden 
Gäste  mufsten  der  Stadt  die  Kasse  füllen,  die  Zollerträgnisse  gehörten  in 
Basel  mit  zu  den  bedeutendsten  Einnahmen*.  In  den  nächsten  Jahren 
sank  das  Erträgnis  bedeutend,  leider  kennen  wir  nicht  die  parallelen 
Einnahmen  von  Konstanz.  Das  Erträgnis  in  Basel  fiel  von  2000  i6 
1387/88  auf  426  «J,  um  dann  bis  1393/94  wieder  die  Höhe  von  1300  « 
zu  erreichen''. 

Der  Zoll  von  Basel  war  so  hoch,  dafs  er  einer  Transitsperre  ähnlich 
sah.  Er  blieb  aber  100  Jahre  in  Kraft.  Die  Stadt  mufste  dafür  sorgen, 
dafs  die  Kaufleute  sie  nicht  umgingen.  Sie  suchte  bei  italienischen 
Firmen  einen  Strafsenzwang  durchzusetzen,  dafür  gewährten  sie  ihnen 
einen  Transitzoll  von  nur  Vi  fl.  für  die  Saumlast  Und  da  wurden  von 
1510 — 33  eine  grofse  Zahl  von  Firmen  (26)  mit  diesen  Vorrechten  in 
das  Kaufhausbuch  eingetragen.  Sie  verteilen  sich  auf  Como,  Torno, 
Mailand,  Genua,  Lucca,  Bergamo,  Chur,  Luzern,  Zürich,  Genf,  Konstanz, 
Augsburg,  Nürnberg  und  Lüttich  **. 

Bei  Strafsburg  hängt  der  Beschlufs,  ein  Kaufhaus  zu  erbauen,  mit 
dem  Erwerb  eines  Zolles  nicht  zusammen,  wenigstens  soviel  sich  ohne 
eindringliche  Forschung  ersehen  läfst.  Der  uralte  bischöfliche  Zoll  wurde 
im   „Zollkeller"  erhoben.    Dieser  Zoll  ist  jedoch  nicht  zum  Kaufhauszoll 


1  Gothein  1,  463.    Böhmer-Huber  7413. 

a  Böhmer-Huber  4642.    Baseler  ürkb.  4  N.  322. 

*  Geering  149. 

*  Baseler  Urkb.  4  Nr.  359. 

»  Böhmer-Huber  5798.    Baseler  ürkb.  4  Nr.  423. 

*  Geering  149. 
■^  Geering  150. 

»  Urkunden  Nr.  316. 


528  Sechsundvierzigstes  KapiteL 

umgewandelt,  sondern  blieb  bestehen,  er  war  noch  am  Ende  des  sech- 
zehnten Jahrhunderts  in  Kraft.  Es  war  das  im  wesentlichen  ein  Pfund- 
zoll, eine  Verkaufsgebtihr  von  4  ^  auf  das  Pfund,  also  von  1,66  ®/o*.  Ein 
Zoll,  dessen  Eigentümer  die  Stadt,  war  der  zu  Neuburg  1370  ver- 
liehene, den  Wenzel  1381  nach  Strafsburg  zu  verlegen  gestattete^;  dieser 
Zoll  ist  wohl  der,  der  nun  auf  dem  Kaufhaus  erhoben  wurde,  von  1358 
bis  1381  dürfte  sich  die  Stadt  mit  einem  Hausgelde  begnügt  haben.  In 
Strafsburg  haben  wohl  auch  die  Mifsstände  im  Zollkeller,  über  die  sehr 
lebhafte  Ellagen  gefUhrt  wurden^,  die  Erbauung  eines  städtischen  Kauf- 
hauses veranlassen  helfen. 


*  Vgl.  unten  unter  Zöllen. 

«  S.  oben  S.  432. 

«  Strafsb.  Urkb.  5,  383. 


Zweiter  Teil. 

DER  ANTEIL  ITALIENS. 


Siebenundvierzigstes  Kapitel. 
Allgemeines.    Oenna:   Privilegien  und  Organisation  der  Fremden. 

Die  Stellung  der  Fremden  im  Rechte,  Prinzip  der  Gegenseitigkeit.  Bepressdlien. 
Hecht  der  Fuhrleute. 

Genuas  Bedeutung,  verdrängt  Pisa^  Rivalität  mit  Venedig,  Innere  Kämpfe.  Fremd- 
herrschaften, Privilegien  für  die  Deutschen,  Verhandlungen  von  1398,  Angaben  von 
Ulmann  Stromer,  Nicht  erhaltene  Privilegien,  VerhandJwngen  und  Primkgien  von 
1424/25,  Konrad  Her  vofi  Konstanz,  Fondaco,  Tarifermäfsigungen.  Conventiones 
von  1466,  Heinrich  Frey  von  Konstanz,  Befreiung  der  Genuesen  im  Reiche,  Über- 
blick über  die  Privilegien,  Die  Konsuln  der  Deutschen,  Reihenfolge,  Befugnisse.  Kleine 
deutsche  Leute,    Die  Brüderschaft  der  Fremden, 

Wer  wcifs,  wie  stark  der  Municipalgeist  die  Italiener  des  Mittelalters 
beherrschte,  wie  die  rechtliche  Lage  des  Bewohners  einer  Gemeinde  in 
einer  andern  desselben  Staates  die  eines  minderwertigen  war,  wird  sich 
nicht  darüber  wundern,  dafs  die  Fremdlinge  in  dem  Lande,  das  von 
allen  christlichen  Landschaften  den  stärksten  Fremdenverkehr  hatte,  noch 
viel  schlechter  gestellt  waren.  Stellt  man  Einzelzeugnisse  zusammen, 
nach  denen  der  Fremde  vor  Gericht  kein  Zeugnis  geben,  kein  Eigentum 
erwerben  konnte,  höhere  Abgaben  und  schwerere  Strafen  als  der  Bürger 
zu  tragen  hatte,  sieht  man,  dafs  es  so  weit  ging,  dafs  das  Gut  eines  auf 
der  Wanderung  gestorbenen  Fremdlings  nicht  seinen  Erben,  sondern  dem 
jtts  albinagii  entsprechend,  der  Gemeinde,  in  der  er  gestorben  war,  zufiel, 
dafs  der  Fremdling  in  später  Abendstunde  bei  der  Sakristei  abseits  der 
Gläubigen  beigesetzt  wurde  —  so  kann  man  die  Wanderfahrten  der 
fremden  Kaufleute  erst  recht  als  kühne  Wagnisse  ansehen  ^ 

Allein  alle  diese  Bestimmungen  vereinte  wohl  kein  Stadtrecht,  ja  die 
meisten  Städte  hatten  selbst  ein  Interesse  daran,  dafs  der  Fremde  nicht 
allzu   schlecht  behandelt   werde,    weil   die   eigenen  Bürger  in  der  Ferne 


»  Vgl.  über  das  Recht  der  Fremden  Pertile  3,  187—203.    Lattes  91—101. 

Schulte,  Qesoh.  d.  mittelalterl.  Handels.    I.  34 


530  Siebenundvierzigstes  Kapitel. 

auf  gute  Behandlung  hofften  und  rechneten.  Der  Grundsatz  der  Gegen- 
ßeitigkeit  war  der  Weg,  die  Lage  der  Fremden  zu  bessern,  wie  in 
Chieri  das  Statut  sagt:  einem  Auswärtigen  soll  kein  Recht  gesprochen 
werden,  wenn  in  seiner  Heimat  der  eigene  Bürger  kein  Recht  findet*. 
Und  gerade  die  Handelsorte  sind  es,  die  sich  in  ihren  Statuten  auf  diesen 
Standpunkt  stellen  2,  ja  Mailand  hat  schon  1396  die  volle  Gleichstellung 
im  Rechte :  Mercaioribus  et  iranseuntibus  fiat  bonum  et  expeditum  jus  ui 
nostratibus^.  Dieses  liberale  Prinzip  fand  freilich  erst  im  neunzehnten 
Jahrhundert  die  volle  Anerkennung,  so  viel  früher  hat  in  Mailand  die 
ßittigende  Kraft,  welche  das  Handelslcben  in  sich  birgt,  Geltung  ge- 
wonnen. Städte  wie  Piacenza  und  Mailand  gaben  den  Fremden  auch 
das  Recht,  gewerblich  thätig  zu  sein*. 

Das  Handelsleben  des  mittelalterlichen  Italiens  wurde  tief  beeinflufst 
durch  die  Handhabung  der  Repressalien,  in  denen  das  Mittelalter  mit 
Gewalt  das  Recht  zu  erreichen  erstrebte.  Es  war  das  Prinzip,  für  einen 
erlittenen  Schaden  nicht  allein  die  Schuldigen ,  sondern  auch  dessen 
Landsleute  so  lange  haftbar  zu  machen,  bis  der  Schaden  völlig  ersetzt 
war.  Wer  sich  geschädigt  glaubte,  wandte  sich  an  seine  Stadt,  diese 
suchte  von  der  Heimat  des  Schuldigen  Ersatz  und  gab,  wenn  sie  keinen 
Erfolg  gehabt  hatte,  dem  Beschädigten  die  schriftliche  Erlaubnis,  sich 
bis  zum  vollen  Ersatz  des  Schadens  an  den  Bürgern  der  Stadt  des 
Schädigers  schadlos  zu  halten.  In  Bologna  und  Venedig  gab  es  für  die 
Handhabung  der  Repressalien,  cambiay  laudeSj  lausa,  eigene  Behörden. 
Selbstredend  erfolgten  in  vielen  Fällen  Gegenrepressalien.  Dieses  barbarische 
Rechtsverfahren  wurde  schon  im  Laufe  des  Mittelalters  langsam  ein- 
geschränkt ^. 

Die  Fuhrleute  waren  in  dem  verkehrsreichen  Norditalien  an  strenge 
Vorschriften  gebunden.  Sie  waren  dem  Kaufmannsgerichte  unterworfen, 
und  galten  als  ein  Hilfsgewerbe,  sie  mufsten  sich  eidlich  verpflichten, 
die  Vorschriften  zu  halten.  Einzelne  Statuten  schrieben  bereits  eine 
Registerführung  vor.  Anderswo  waren  genau  Routen  und  Preise  fest- 
gesetzt. Ganz  allgemein  wurde  der  Fuhrmann  für  jeden  von  ihm  an- 
gerichteten Schaden  haftbar  gemacht.  Die  hohe  Entwicklung  des 
Transportwesens   in   den  Alpen   fand   auch   in  der  lombardischen  Ebene 


1  Pertiie  3,  190  N.  18. 

2  Pertiie  3,  197  N.  48.  Mailand,  Nizza,  Como,  Ivrea,  Florenz,  Brescia,  Turin, 
Bologna,  Modena,  Brescia,  Crema  u.  a. 

«  Pertiie  3,  198.    Vgl.  Lattes  98  Anm.  12-14. 

*  Lattes  96  Anm.  6. 

»  Über  die  Repressalien  vgl.  Pertiie  2,  1,  289—295  und  A.  del  Vecchio  ed 
C.  Casanova,  Le  rappresaglie  nei  comuni  medievali  e  spccialmente  in  Firenze. 
Firenze-Bologna  1894. 


Privilegien  und  Organisation  der  Fremden.  531 

ein  Abbild,  wenn  auch  hier  dem  Fremden  viel  mehr  Freiheit  gelassen 
war,  sich  seinen  Fuhrmann  zu  wählend  Für  Italien  galt  wie  für  die 
Alpen  und  Deutschland  der  Strafsenzwang.  Ganz  beliebige  Wege  durfte 
der  Kaufmann  nicht  einschlagen,  sondern  er  mufste  sich  den  Anweisungen 
des  Geleitsherrn  fügen. 

Der  oberschwäbische  Kaufmann  und  der  des  oberrheinischen  Thaies 
hatte  als  den  nächsten  Hafen  Genua  zu  betrachten.  Und  dieser  Hafen 
bot  viele  schon  früher  gestreifte  Vorteile  gegenüber  Venedig.  Genua 
hatte  die  alte  ghibellinische  Herrscherin  des  tyrrhenischen  Meeres  Pisa 
in  schweren  Kämpfen  niedergerungen,  seit  der  Schlacht  von  Meloria 
(1284)  war  Pisas  Stern  im  Sinken,  Corsika,  Elba  wurden  Eigentum  der 
Rivalin;  der  doppelten  Feindschaft  von  Florenz  und  Genua  konnte  Pisa 
nicht  widerstehen,  es  verlor  seinen  Handel  und  die  Freiheit,  und  öde 
wurde  es  an  dem  Gestade  des  Arno,  der  Hafen  war  versandet.  Minder 
glücklich  war  Genua  gegenüber  Venedig,  die  Interessen  beider  kreuzten 
sich  tagtäglich  in'  der  Levante.  Genua  besafs  aufser  Pera  im  Schwarzen 
Meere  mächtige  Kolonien,  ja  es  schickte  sich  an,  hier  die  ausschliefsliche 
Handelsherrschaft  zu  gewinnen  und  schlofs  sich  der  grofsen  Koalition 
der  Feinde  an  (1379 — 81).  Die  Genuesen  wollten  Venedig  vernichten, 
sie  setzten  sich  in  Chioggia  fest,  aber  die  äufserste  Not  veranlafste  die 
Venetianer  zu  den  gröfsten  Anstrengungen.  Schliefslich  mufsten  die 
Genuesen  auf  Chioggia  die  Waffen  strecken  und  32  Galeeren  den  Händen 
der  Sieger  überliefern  (21.  Juni  1380). 

An  diesem  Tage  hatte  sich  das  Zünglein  der  Wage  zu  Gunsten 
Venedigs  gestellt.  In  Venedig  eine  Verfassung,  die  die  Ruhe,  die  Voraus- 
setzung des  Handels  verbürgt,  die  straffe  Zusammenfassung  aller  Kräfte  ; 
in  Genua  endlose  Parteikämpfe  und  Umwälzungen.  Dafs  sie  die  äufsere 
Bedeutung  Genuas  nicht  brachen,  zeigt,  wie  kräftig  der  Genueser  Handel 
war.  Wiederholt  mufste  sich  die  Stadt,  müde  der  inneren  Kämpfe,  einer 
Fremdherrschaft  beugen,  bald  einer  französischen,  wie  von  1396 — 1409, 
1458 — 1461  und  mit  Unterbrechungen  von  1499—1528,  bald  einer  mai- 
ländischen.  wie  von  1354—56,  1421—35,  1464—78  und  1489—99,  1409 
bis  1413  war  es  montferratisch.  Dazwischen  lagen  die  Tage  von  Dogen, 
die  von  den  Popolaren  emporgebracht  wurden.  Dabei  war  die  Stadt, 
finanziell  so  erschöpft,  dafs  sie  mehr  und  mehr  von  der  Organisation  der 
Staatsgläubiger,  der  Casa  di  Giorgio  abhängig  wurde  ^.  In  diesen  wilden 
inneren  Kämpfen  war  das  W^achstum  der  Stadt  nicht  vernichtet,  aber  der 
Handel  hatte  zum  mindesten  nicht  den  Umfang  gewonnen,  den  er  hätte 
erzielen  können. 


1  Lattes  235. 

2  Vgl.  Sieveking  vor  allem  2,  77  u.  111  ff. 

34 


532  SiebenimdTierzigstes  KapiteL 

Für  den  deutschen  Kaufinann  hat  Genua  ein  dreifaches  Interesse: 
Ankauf  der  Erzeugnisse  von  Genua,  vor  allem  der  feinen  Groldf^den^, 
Ankauf  von  Produkten  der  Levante,  endlich  den  ersehnten  Zutritt  zum 
Meere.     Namentlich  spanische  Häfen  sahen  vielfach  Deutsche. 

Welche   Stellung   nahmen    die  Genuesen  gegenüber  den   deutschen 
Elaufleuten  ein?    Die  älteste  Nachricht  über  handelspolitische  Verhand- 
lungen zwischen  Deutschen  und  Genuesen  £eü1cii  in  das  Jahr  1398.     Es 
ist  ein  in  dem  Konstanzer  Formelbuche  enthaltener  Brief  der  Herrschaft 
von  Genua  an  die  verbündeten  Städte  Schwabens,  Frankens  und  Bayerns, 
welcher  die  Antwort  auf  die  durch  den  Vertreter  der  Deutschen  Johann 
Breitfeld   vorgebrachten  Bitten   enthält.     Es   war  eine  Beschwerde  über 
die  übermäfsigen  und  ungewohnten  Zölle.   Die  Antwort  leugnet,  dalis  die 
Ziölle   erhöht   seien,    um  aber  den  Wünschen  der  Deutschen,   welche  in 
Zukunft  nach  Genua  Handel  treiben  wollen,   entgegenzukommen,   ver- 
sichert die  Stadt,  dals  die  Deutschen  vor  allen  andern  Nationen  gut  ge- 
stellt werden  sollen  und  geben  in  einem  leider  dem  Texte  nach  verderbten 
Satze  den  Deutschen  für  ihre  eigenen  Waren,  die  aus  dem  Gebiete  von 
Genua  ausgeführt  werden,  Freiheit  von  der  Abgabe  pro  exitu  ripae^.   Die 
Stadt  hat  sich  weiter  an  den  Herrn  von  Mailand^  den  Grafen  von  Vertus 
gewandt,  damit  auch  dieser  den  ELaufleuten  die  Zölle  mindere,   wozu  er 
sich  bereit  erklärt  hat. 

Nach  Heyd  wäre  der  Brief  das  einzige  Dokument  für  eine  weit- 
sichtige handelspolitische  Thätigkeit  des  grofsen  rheinischen  Städtebundes, 
der  in  seiner  Blütezeit  fast  alle  oberdeutschen  Reichsstädte  umfafste. 
Allein  das  ist  ein  Irrtum,  denn  dieser  Bund  war  den  Fürsten  längst  er- 
legen, er  hatte  sich  1388  auflösen  müssen.  Erhalten  blieb  nur  der 
Bund  der  sieben  Bodenseestädte:  Konstanz,  Lindau,  St.  Gallen,  Buch- 
hom,  Ravensburg,  Überlingen  und  Wangen.  Wenn  sich  auch  Ulm  seit 
1390  mit  vierzehn  Städten  erneut  verbündete,  so  pafste  selbst  für  sie  die 
Bezeichnung  der  Adresse:  ^civitates  confederaie  colligate  ac  conjurate  tarn 
sacri  imperidlis  quam  libere  lige  Swevie,  Francie  ei  Bavarie^  nicht,  ein 
Titel ,   der  einigermafsen   dem   alten  Bunde   entsprach.    Neue  Bedenken 


^ 


*  In  Genua  blühte  neben  der  Herstellung  des  für  die  Brokate  notwendigen 
gesponnenen  Goldes  und  Silbers  die  Wollweberei,  die  Seidenweberei  und  die  Her- 
stellung von  Armbrüsten  Serra  4,  78  u.  205  fF.  Genuesische  Armbrustschützen  waren 
sehr  berühmt,  1388  bei  den  Österreichern  s.  Ruppert,  Chroniken  108,  in  Köln  Lau  258. 

■  »Statuimus,  qiiod  omnes  .  .  Tlieutonici  possint  de  cetera,  qiiandotunque  de  civüaU 
Janaensi  et  districiu  nostris  exlrahere  seu  ptr  alios  etniUere  quoscunqne  roluerint  quas- 
Übet  mercanciaSy  res  et  bona  verc  sua,  absque  aliqua  solucione  seu  prestacioiie  pro  exitu 
ripe  (hier  erwartet  man:  easdem  extrahere,  statt  dessen  folgt  grosso:^),  a  qua  {scüicet 
solucione,  nicht  wie  Mone  las:  aqua)  ipnos  vestrates  Uberacimus  jam  ex  nunc*  Mone, 
Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrh.  4,  39  f. 


Privilegien  und  Organisation  der  Fremden.  533 

ergeben  sich  bei  der  Bestimmung  des  Absenders.  Der  Satz:  ^Jam  misi- 
MUS  unum  domesitcum  ex  nosiris  ad  illtistrem  et  magnificum  dominum 
comitem  Virtuium  —  wie  statt  vesiratum  zu  lesen  ist  —  nosirum  frairem 
nostrum,  per  ctijus  u.  s.  w.c  klingt  wenig  städtisch,  weist  auf  einen 
Fürsten  im  Range  des  Grafen  von  Vertus.  1398  stand  Genua  unter  der 
Herrschaft  des  französischen  Königs  Karls  VI.  und  dessen  Gouverneur, 
der  Graf  von  St  Paul  mufs  der  Aussteller  sein.  Aber  dann  ist  es 
wieder  auffallend,  dafs  Giovan  Galeazzo  nicht  als  Herzog  von  Mailand 
bezeichnet  wird,  dafür  aber  als  *frater  nostert  angeredet  wird  und  der 
Graf  von  St.  Paul  konnte  doch  nicht  von  „unserer"  Stadt  Genua  reden. 
Oder  sollte  Karl  VI.  der  Aussteller  sein?  Will  man  wegen  des  Mailänder 
Titels  den  Brief  vor  1395  setzen,  so  kommt  man  in  die  Zeit  einer 
Dogenherrschaft  und  auch  damit  ist  die  Anrede  »frater  noster€  nicht 
erklärt. 

Bedenken  genug,  doch  der  Kern  des  Briefes  mag  echt  sein. 

Gar  zu  gern  hätte  man  die  Persönlichkeit  und  die  Heimat  des 
Johann  Breitfeld  festgestellt,  um  die  Stadt  zu  wissen,  welche  in  Genua 
als  Führerin  galt.  Nach  unseren  Auseinandersetzungen  ist  —  da  weiter 
der  Brief  uns  in  der  Ravensburg-Konstanzer  Briefsammlung  erhalten  ist  — 
nur  an  Ravensburg  oder  Konstanz  zu  denken.  Aber  in  beiden  Städten 
ist  dieser  Name  unbekannt.  Breitenbach  hingegen  kommt  in  Ravens- 
burg vor^ 

Ist  der  Brief  echt,  so  war  die  Befreiung  der  Deutschen  ein  Gegen- 
stück zu  den  Ermäfsigungen ,  die  die  Waren,  welche  von  England  und 
Flandern  aus  zu  Land  durch  Frankreich  kamen,  genossen^.  Ob  die 
Konstanzer,  Ravensburger  und  Nürnberger  Kauf leute ,  welche  wir  später 
als  um  diese  Zeit  in  Genua  verkehrend  nachweisen  werden ,  durch  diese 
Befreiung  angelockt  sind ,  mag  dahin  gestellt  bleiben.  Der  Verkehr  war 
jedenfalls  recht  lebhaft  und  das  interessante  Kapitel  34  im  Büchlein  des 
Ulman  Stromer  von  Nürnberg  giebt  uns  einen  genauen  Tarif  über  die 
Abgaben  der  Deutschen  in  Genua. 

Danach  betrug  der  Ausfuhrzoll  nach  entlegenen  Häfen  wie  Neapel 
und  Brügge  von  100  ^  Wert  4  ÄJ  10^,  nach  näheren  nur  Ib  Jj,  Bei 
der  Einfuhr  nach  Genua  vom  gleichen  Werte  Ib  ß  und  an  Thorzoll  von 
der  Saumlast  =  4  welschen  Centnern:  5  J3  und  weiter  nichts;  diejenigen 
die  es  kaufen  ^müssen  do  von  reyff  gehend.  Der  ^exiius  ripe^  wurde  also 
von  den  Deutschen  thatsächlich  nicht  erhoben®. 


1  St.  Galler  Urkb.  4,  1147  zu  1392  »Conraäus  Braitenhach: 

8  Pegolloti  220. 

•  Chroniken  deutscher  Städte  1,  100.  Für  die  früheren  Zeiten  vgl.  G. 
Caro,  Die  Verf.  Genuas  S.  62,  die  Angaben  bei  Pegolotti,  vor  allem  jedoch 
Sieveking  1,  so  über  die  ripa  S.  67  f.    143 f. 


534  Siebenundvierzigstes  Kapitel. 

Die  Privilegien,  welche  den  Deutschen  während  und  infolge  der 
Siegmundschen  Handelssperre  gegen  Venedig  in  Genua  eingeräumt 
wurden ,  sind  nicht  erhalten.  Sie  müssen  wohl  dem  Anfang  des  Jahres 
1423  angehören  ^  Direkt  bezeugt  sind  auch  Privilegien  vom  September 
1421,  aber  auch  sie  sind  weder  in  Genua  noch  in  Paris,  wo  danach  ge- 
sucht wurde,  gefunden^.  Dahingegen  haben  wir  drei  höchst  merk- 
würdige Urkunden  über  Verhandlungen  vom  Winter  1424  25.  Als  Ver- 
treter der  deutschen  Kaufleute  gemeinhin  erscheint  dieses  Mal  ein 
Conradus  Her,  civis  Constantiensis.  Ob  die  Initiative  aber  ausschliefslich 
auf  Deutschland  zurückzuführen  ist ,  erscheint  zweifelhaft ;  denn  die  erste 
Nachricht,  die  wir  in  der  Sache  haben,  ist  ein  Eintrag  über  eine  von 
Genua  für  diese  Angelegenheit  geleistete  Zahlung.  Es  heifst:  »JVo  Con- 
rado  de  Alawannia,  et  sunt  quas  ei  date  fuerttnt  pro  suis  expensis  fiendis^ 
qiuindo  ivit  Mediolanutn  et  Alamaniam  pro  agendis  mercatorum  ieoionicorum 
requirencium  venire  Januatn  et  habere  fondicum  libre  XXXV,  soh  V.<  *. 

Mindestens  —  und  das  ist  wohl  das  Richtige  —  fand  der  deutsche 
Vorschlag  in  Genua  sofort  Beifall,  und  in  der  That  wurde  vom  Gouver- 
neur und  den  Anzianen  im  Beisein  von  je  vier  Vertretern  des  Officium 
s.  Georgii  und  der  Proteciores  Capituli  am  5.  Dezember  1424  beschlossen, 
in  Anerkennung,  dafs  der  Stadt  grofser  Nutzen  aus  dem  Verkehre  der 
deutschen  Kaufleute  zuwachse,  auf  ihren  Wunsch  nach  einer  ruhigen  Be- 
hausung, wo  sie  und  ihre  Sachen  fem  von  allem  Geräusch  untergebracht 
wären  und  wo  die  Kaufleute  ruhig  ihren  Geschäften  nachgehen  könnten, 
die  als  die  passendsten  erscheinenden  Häuser  in  dem  fundicus  sancii  Siri 
für  die  deutschen  Kaufleute  zu  mieten  und  dazu  bis  zu  80  U  jährlich 
zu  verwenden,  die  von  dem  Massario  der  Dogana  jährlich,  wie  andere 
Lasten,  gleichmäfsig  auf  die  einzelnen  Zölle  zu  verteilen  seien.  Der 
Mehrertrag  werde  den  Aufwand  decken.  Das  ^officium  m^m^/e«  gab 
diesem  Beschlüsse  einstimmig  seine  Zustimmung*. 

Der  fundicus  sancti  Siri  ist  vielleicht  mit  der  Via  S.  Siro  identisch, 
die  allerdings  heute  die  lebhafte  Verbindung  der  oberen  zum  Wagen- 
verkehr benutzten  Via  Cairoli  mit  dem  Hafengebiete  bildet^  vor  dem 
Bau  der  Nuova  strada  war  es  aber  ein  abgelegener  Stadtteil.  Die  Deut- 
schen hatten  ihr  Quartier  also  wohl  ganz  nahe  dem  Hafen  und  zugleich 
bei  dem  Eingange  der  Stadt,  den  sie  zu  benutzen  hatten. 


1  S.  oben  S.  518. 

2  In  Genua  hatte  Sieveking  die  Güte,  noch  einmal  nachzusehen.  Aus  Sieve- 
king  1,  139  Anm.  6  darf  man  nicht  schliefsen,  dafs  an  der  bezeichneten  Stelle  die 
Privilegien  erhalten  sind,  sie  werden  dort  nur  erwähnt. 

^  Belgrano  81.  Aus  den  Akten  der  Banca  8.  Giorgio.  Cartularium  ofificii  s. 
Georgii  a.  1424  Fol.  9. 

*  Unsere  Urkunden  Nr.  258. 


Privilegien  und  Organisation  der  Fremden.  535 

Der  Fondaco  erscheint  später  niemals,  so  dafs  es  zweifelhaft  er- 
seheint, ob  der  Plan  ausgeführt  wurde.  Jedenfalls  war  der  Fondaco 
von  Genua  etwas  anderes  als  der  zu  Venedig,  das  Gebäude  war  nicht 
Staatseigentum  und  es  war  keine  staatliche  Anstalt,  wir  erfahren  nichts 
von  der  Einsetzung  von  genuesischen  Behörden.  Gegen  das  venetianische 
Kaufhaus  konnten  die  Deutschen  allerhand  Bedenken  haben,  hier  fehlte 
der  Zwang. 

Zweiundzwanzig  Tage  später  entschieden  dieselben  Behörden  tiber 
eine  weitere  von  Konrad  Her  vorgetragene  Bitte,  worin  eine  Herab- 
setzung der  Abgaben  für  die  deutschen  Kaufleute  gefordert  wurde.  Es 
wurde  für  den  Durchgangsverkehr  eine  wesentliche  Erleichterung  zu- 
gestanden; für  Waren,  die  von  Katalonien  oder  der  Provence  nach 
Deutschland  bestimmt  waren ,  wurde  der  Wertzoll  auf  ^/2  ® /o  herab- 
gesetzt, für  Safran  sollte  er  1  ®/o  betragen.  Der  erste  Satz  sollte  auch 
für  Handelsartikel,  die  in  umgekehrter  Richtung  gingen,  gelten.  Länger 
wie  sechs  Monate  durften  die  Waren  bei  Strafe  der  Konfiskation  und 
weiteren  schwereren  Bufsen  in  Genua  nicht  gelagert  werden.  Auch 
für  die  deutsche  Einfuhr  von  Leinen,  Kanevas  und  Barchent,  die  in 
Genua  ini  Stück  und  im  Ausschnitt  verkauft  werden  sollten,  wurde  der 
Zoll  auf  9  ^  vom  ۧ  Werte  festgesetzt  und  solle  das  die  einzige  Ab- 
gabe sein^ 

Als  unmittelbar  darauf  eine  Erhöhung  der  Zölle  und  Abgaben  in 
Genua  erfolgte,  erklärten  der  Gubernator  und  die  Anzianen,  dafs  da- 
durch in  keiner  Weise  die  Privilegien,  Immunitäten  und  Exceptionen  der 
deutschen  Kaufleute  berührt  sein  sollten^.  Ein  Mifstrauen  gegen  die 
Deutschen  kann  man  gewifs  darin  nicht  finden.  Enea  Sylvios  Angaben 
sind  wohl  kaum  richtig. 

Der  Vertreter  der  Deutschen  bezeichnet  sich  als  Konstanzer  Bürger, 
in  der  Steuerliste  von  1425  findet  er  sich  nicht,  in  der  von  1422  steht 
ein  C.  Herer,  ist  aber  offenbar  nur  ein  armer  Bürger,  er  giebt  4  J3  zur 
Steuer®.  Vielleicht  ist  er  der  Faktor  einer  Handelsgesellschaft  gewesen 
und  dazu  würde  es  stimmen,  dafs  AHzeri  einen  deutschen  Konrad  fand, 
der  in  der  Herstellung  von  Tischtüchern  und  Leinengeweben  sehr  er- 
fahren war*. 

Eine  weitere  Abmachung  über  die  Abgaben  der  deutschen  Kauf- 
leute  in   Genua   hat   im   Jahre  1431    stattgefunden.     Auf  diese  wie   auf 


^  Urkunden  Nr.  254. 

2  Urkunden  Nr.  255.    Zum  folgenden  vgl.  oben  S.  520. 
'  Mitteilung  von  Herrn  Apotheker  Leiner  in  Konstanz.  Bei  den  „Geschlechtem" 
Harzer  und  Härdler  finde  ich  den  Namen  Konrad  nicht. 
*  Angeführt  bei  Belgrano  86. 


536  8iebenandvierzig8tes  Kapitel. 

die  von  1421  beruft  sieh  nämlich  ein  Faktor  der  grolsen  Ravensburger 
Gesellschaft,  der  sich  weigerte,  einen  Zuschlag  zum  Ausfuhrzoll  auf  ge- 
sponnenes Gold  zu  zahlen  und  wirklich  sprachen  ihn  die  Constdes  edle- 
garum  frei  *.  Aus  Verhandlungen  von  1447  kennen  wir  nur  die  Petition 
der  Deutschen,  an  deren  Spitze  Ottmar  Schleipfer,  der  Faktor  der 
Humpirsgesellsehaft  stand.  Sie  ging  dahin,  dafs  jene  Zollermäfsigang 
für  den  Verkehr  mit  der  Provence  und  Katalonien  auf  die  andern 
Länder  ausgedehnt  werde,  die  Antwort  fehlt  leider '. 

Einen  klaren  Einblick  in  die  Wünsche  und  Lage  der  deutschen  Kaufmann- 
schaft zu  Genua  geben  die  Conveniiones  Alamannomm  von  1466,  weil  in 
ihnen  zuerst  die  Wünsche,  dann  die  Entscheidungen  mit  Angabe  der 
Gründe  mitgeteilt  werden^.  Die  Deutschen  hatten  Genua  mehrere  Jahre 
wegen  der  inneren  Unruhen  gemieden  —  es  war  die  Zeit,  wo  Paolo 
Fregoso,  der  Erzbischof  von  Genua,  sein  Schreckensregiment  über  der 
Stadt  geführt  hatte,  wo  die  friedlichen  Bürger  sich  nach  Savona  ge- 
flüchtet hatten,  wo  der  Handel,  der  durch  die  Verluste  von  Pera  und 
Kaffa  schon  schwer  genug  gelitten  hatte,  völlig  zurückging  und  die 
Aktien  der  Bank  von  San  Giorgio  auf  */'4  ihres  Wertes  sanken.  Dann 
hatten  sich  Francesco  Sforza ,  der  die  französischen  Anrechte  auf  Genua 
erworben  hatte ,  die  Thore  der  Stadt  geöfifnet  und  mit  ihm  zog  zwar  ein 
strengeres  Regiment,  aber  auch  Ordnung  in  die  Stadt  ein  und  bei  seinem 
Tode  (1466)  ging  auch  Genua  an  seinen  Sohn  Galeazzo  über. 

Der  Wortführer  der  deutschen  Kaufmannschaft  war  abermals  ein 
Konstanzer,  Enrictis  Franchus  de  Canstaniia^  Heinrich  Fry,  ein  sehr  her- 
vorragender Mann,  der  Vertreter  der  grofsen  Ravensburger  Gesellschaft, 
der  als  solcher  uns  noch  oft  begegnen  wird.  Er  handelte  aber  in  dem 
Auftrage  der  im  August  1466  in  Ulm  versammelten  Reichsstädte  des 
schwäbischen  Bundes  und  noch-  ist  uns  das  von  dem  Ulmer  Stadtschreiber 
Peter  Neidhart  aufgesetzte  Schreiben  der  Bundesversammlung  an  Genua 
erhalten,  worin  der  üblen  früheren  Zustände  in  Genua  und  des  jetzigen 
Friedens  unter  der  Herrschaft  des  Galeazzo  gedacht  und  der  Überbringer 
empfohlen  wird*. 

Fry  wies  auf  die  Existenz  der  alten  Privilegien  hin,  dieselben  seien 
aber  in  Zweifel  gezogen  und  von  den  Erhebern  der  städtischen  Einkünfte 
nicht  innegehalten,  er  bat  daher  um  eine  Erneuerung  und  Einschärfung 
derselben.  Die  Anträge  wurden  in  gleicher  Weise  von  dem  Viceguber- 
nator,   den  Anzianen,   dem  Officium  S.  Georgii  beraten   und   schliefslich 


1  Urkunden  Nr.  263. 
«  Urkunden  Nr.  264. 
«  Urkunden  Nr.  272. 
*  1466  August  11.    Abgctl ruckt  bei  Heyd  in  den  Forschungen  24,  222. 


Privilegien  und  Organisation  der  Fremden.  537 

vom  Officium  Mottete  mit    einer   kleinen  Abänderung   gebilligt.     Lange 
nicht  alle  deutschen  Wünsche  fanden  Berücksichtigung. 

Die  Forderung,  die  Abgabe  pro  introitu  ripe,  die  über  die  den 
Deutschen  früher  gewährte  Höhe  von  3  i;  pro  it  Wert  vom  Verkaufe 
oder  Ankaufe  hinaufgesetzt  war,  auf  diese  Grenze  zu  ermäfsigen,  wurde 
gewährt,  jedoch  erst  vom  Ablauf  der  Pachtzeit  des  damaligen  Pächters. 
Die  Forderung  bezüglich  der  pedagia  aber  wurde  abgelehnt;  hier  hatte 
Fry  die  Ausdehnung  des  Satzes  von  5  ^  3  c^  auf  die  Saumlast,  den 
wir  annährend  gleich  schon  bei  Stromer  fanden,  von  der  Einfuhr  aus 
Deutschland  auf  Einfuhr  aus  allen  Ländern  beantragt  (Artikel  1,  4). 
Und  ebensowenig  wollten  die  Genuesen  die  Meistbegünstigungsklausel 
zugestehen,  wonach  die  Deutschen  keinerlei  höhere  Abgaben  als  andere 
Völker  oder  die  Genuesen  selbst  bezahlen  sollten,  das  würde  ein 
grofser  Verlust  für  die  Republik  sein,  und  die  Deutschen  mufsten  sich 
mit  den  bisherigen  Abmachungen  begnügen  (Art.  2).  Dahingegen  wurde 
der  deutsche  Detailverkauf  am  Gestade  von  Genua  und  in  den  Bezirken 
Voltri,  Polcevera  und  Bisagno  von  der  gabella  ripae  befreit,  jedoch  solle 
der  Deutsche  auf  einer  solchen  Reise  nur  bis  zum  Preise  von  100  ۧ 
verkaufen  dürfen  (Art.  7). 

Sehr  interessant  ist,  dafs  die  Befreiung  der  Wechselbriefe  von  Ab- 
gaben, die  in  einer  ^2^0  Steuer  bestand^,  nicht  allein  auf  den  Verkehr 
mit  Deutschland  beschränkt  blieb,  sondern,  wenn  auch  nicht  auf  alle,  so 
doch  auf  die  Mefswechsel  von  Genf  und  Lyon ,  jedoch  nur  für  deutsches 
Geld  und  unter  dem  Beding,  dafs  das  Geld  zum  Warenankauf  verwendet 
werde  (Art.  3).  Das  Bestreben  der  Deutschen,  ihre  Waren  möglichst 
sofort  in  ihre  Wohnungen  zu  bringen  und  dorthin  die  Zollbehandlung 
zu  verlegen,  fand  begreiflich  wenig-  Gegenliebe.  Nur  für  die  Klein- 
waren wurde  das  unter  allerhand  Klauseln  zugestanden  (Art.  5.  u.  6). 
Auch  die  Forderung,  dafs  Waren  bei  DiflFerenzen  mit  den  Zollerhebern, 
wenn  die  Deutschen  von  ihrem  Konsul  Sicherheit  für  den  Fall  eines 
Urteils  geleistet  hätten,  nicht  angehalten  werden  dürften,  wurde  abge- 
lehnt (Art.  8).  Die  Forderung,  dafs  die  Erheber  der  Einkünfte  die 
Häuser  der  Deutschen  nicht  betreten  und  dort  Nachforschungen  halten 
dürften  ohne  Genehmigung  des  Konsuls,  wurde  als  ein  beispielloses 
Privileg  abgelehnt  (Art.  10). 

Aus  dem  neunten  Artikel  erfahren  wir,  dafs  —  so  behauptet  Fry 
—  nach  den  älteren  Verträgen  die  deutschen  Kaufleute  bei  ihren  Meer- 
fahrten keine  höheren  Abgaben  bezahlten  wie  die  Genuesen  selbst.  Die 
neuen  Statuten  bestätigten  lediglich  die  alten  und  liefsen  sich  nicht  auf 
den  Einzelfall  ein,   in  dem  Fry  bei  einem  Alaun  trän  sport  zur  See   nach 

1  Pertile  2,  1,  439  Anm.  71. 


538  Siebenandvierzigstes  Kapitel. 

Genua  weit   mehr  hatte  entrichten   müssen,   als   die   Genuesen.     Leider 
wird  aus  diesem  Abschnitte  der  thatsächliche  Zustand  nicht  klar. 

Im  letzten  Artikel  forderte  Fry,  dafs  die  Genuesen  für  den  in  der 
älteren  Konvention  verbürgten  Schadenersatz  für  allen  Raub  oder  Schaden, 
den  die  deutschen  Kaufleute  auf  dem  Gebiete  von  Genua  erlitten,  in 
Mailand  oder  einer  andern  Stadt  aufserhalb  Genua  Bürgschaft  hinter- 
legen sollten.  Das,  meinten  die  Genuesen,  würde  die  Lust  zum  Strafsen- 
raube  nur  steigern. 

Dafs  die  Deutschen  in  Genua  ohne  Aufenthaltskarten  bei  Bürgern 
und  Wirten  aufgenommen  werden  durften  ,  wurde  mit  der  Ausnahme, 
dafs  Pestverdacht  vorliege,  bewilligt  (Art.  11).  Schliefslich  wurden  für  die 
Deutschen,  die  Genuesinnen  heirateten,  dieselben  Freiheiten  erbeten, 
wie  sie  die  Lombarden  in  gleicher  Lage  hätten  (Art.  12).  Hier  wurde 
für  die  Zukunft  auf  zehn  Jahre  für  Deutsche,  die  bis  zum  Ende 
wohnen  bleiben,  Freiheiten  von  allen  direkten  Steuern^  nicht  aber  von 
den  indirekten  gewährt,  das  Officium  monete  schränkte  das  auf  die 
zukünftigen  Fälle  einer  Ehe  zwischen  einem  Deutschen  und  einer 
Genuesin  ein. 

Wann  den  Deutschen  eine  Ermäfsigung  der  Abgabe  der  Hauptwage, 
wie  die  Leute  aus  der  Nachbarschaft  und  aus  dem  Mailändischen  er- 
hielten, vermag  ich  nicht  zu  sagen,  im  sechzehnten  Jahrhundert  be- 
stand sie  nichts 

Es  ist  bisher  nicht  beachtet  worden ,  dafs  Kaiser  Friedrich  HL  kurz 
vor  Erlafs  dieser  neuen  Conventiones  den  Genuesen  wie  den  Bewohnern 
ihrer  Kolonie  Kaffa  eine  weit  gröfsere  Konzession  wenigstens  auf  zwölf 
Jahre  gemacht  hatte.  Am  1.  Juli  1466  befreite  er  sie  von  allen  Handels- 
und Verkehrsabgaben  im  ganzen  römischen  Reiche;  ganz  besonders 
werden  die  verkäuflichen  Sklaven  als  zollfrei  erklärt^. 

Überblicken  wir  die  Privilegien,  so  ergiebt  sich,  dafs  die  Perioden, 
in  denen  Genua  mit  Mailand  unter  der  Herrschaft  der  Visconti  oder 
Sforza  vereinigt  war,  eine  Bestätigung  oder  Erweiterung  der  Privilegien 
der  deutschen  Kaufleute  darbieten.  So  fallen  die  Verträge  von  1421, 
1424,  1431  und  1466  in  mailändische  Perioden,  1398  in  die  Zeit  einer 
französischen  Herrschaft  und  nur  die  Verhandlungen  während  der  venetia- 
nischen  Handelssperre  wurden  eine  Zeit  lang  von  einer  unabhängigen 
Republik  geführt.  Genua  war  der  natürliche  Hafen  von  Mailand,  wie 
Mailand  die  Exportpforte  Deutschlands.  Waren  diese  beiden  Orte  unter 
einem    Staate   vereint,    so    hatten   die    Deutschen    davon    Vorteil.      Die 


»  Sieveking  2,  137  f. 

*  Abgedruckt  Chmel  Nr.  4542   »ahsqiie  nUa   sohitione   mute,   theolonei,  daciiy 
pedagiif  poniinegiif  tribute,  gahellat  u.  s.  w. 


Privilegien  und  Organisation  der  Fremden.  539 

Bildung   eines  grofsen  Territoriums   in  Oberitalien  war   ihnen   nützlicher 
als  die  gesonderte  Existenz  der  Handelsrepubliken. 

In  Genua  hatten  die  Deutschen  einen  Konsul,  wie  auch  die  katala- 
nischen Kaufleute  und  die  lombardischen  sich  einen  Genuesen  zu  ihrem 
Konsul  erkoren  ^.  Auch  der  deutsche  wurde  aus  der  Zahl  der  Genuesen 
von  den  in  Genua  weilenden  deutschen  Kaufleuten  gewählt  und  dann 
von  der  Stadt  bestätigt,  er  war  also  im  gewissen  Sinne  ein  conml  hospes. 
Die  Bestätigungsurkunde  des  am  12.  Januar  1463  erwählten  Paolo 
Basadonne  liegt  noch  vor^. 

Mir  sind  den  Studien  Belgranos  folgend  nachstehende  Konsuln  be- 
kannt geworden:  1441  März  17  Julianus  de  Fini  consul  Theutoni- 
corum^.  —  vor  1462  Bartolommeo  Basadonne,  Onkel  des  1463  Januar  17 
bestätigten  Paolo  Basadonne,  Dr,  uiriusque  juris^^  derselbe  ist  1466 
Juni*^  und  1474  Juli  4  im  Amte®,  wurde  1489  Konsul  der  Katalanen.  — 
1479  Onofrio  Paris.  —  1485'  Dezember  14  Giovanni  Doria.  —  1488 
Dezember  10  sein  Nachfolger  Jacopo  Doria,  Bestätigung  der  Wahl.  — 
1491  November  7  Dominicus  de  Marino,  consul  Älamannorum^.  —  1495 
Mai  25  Giovanni  Francesco  Spinola,  Konsul.  —  1495  Juni  5  Domenico 
De  Marini,  Vicekonsul.  —  1496  Niccold  Doria,  —  1499.  1500  Agostino 
Lomellino.  —  1532  Antonio  Bagarotto. 

Wir  haben  hier  also  den  Beweis,  wie  auch  die  deutschen  Kaufleute 
das  der  griechischen  Proxenie  sehr  ähnliche,  wenn  auch  keineswegs  mit 
ihr  gleiche  Institut  von  consules  nachahmten.  Aus  der  Wahl  der  Orts- 
fremden ging  ein  ortsangehöriger  Vorsteher  hervor.  Die  Wahl  fand  die 
Zustimmung  der  Aufenthaltsstadt,  aber  nicht  die  der  Heimatsgemeinden 
oder  des  fremden  Staatshauptes.  Auch  tritt  bei  dem  deutschen  Konsul 
die  Pflicht  als  hospes,  als  Wirt,  zu  fungieren,  ganz  zurück,  er  ist  ihr 
defensor^  er  schützt  ihre  Privilegien  wie  die  einzelnen  Personen,  und  er 
ist  ihr  judex.  Über  das  Honorar  des  Konsuls  erfahren  wir  nichts ,  und 
dafs  das  Amt  auch  nicht  lebenslänglich  war,  folgt  daraus,  dafs  Paul 
Basadonne  bei  Lebzeiten  ersetzt  wurde  • 

Die  Thätigkeit  des  Konsuls  als  Richter  unter  den  Deutschen  und 
Vertreter   derselben   andern   gegenüber  können  wir  mehrfach  verfolgen. 


^  Akten  im  Genueser  Staatsarchiv. 
«  Urkunden  Nr.  270. 
8  Urkunden  Nr.  258. 

*  Urkunden  Nr.  270. 
»  Urkunden  Nr.  271. 

®  Wo  von  jetzt  an  nichts  bemerkt  ist,  stütze  ich  mich  auf  Belgrano  87  ff. 
■^  Belgrano:    1489,  die  Mitteilung  Desimonis  an  Heyd  giebt  1485,  was  un- 
zweifelhaft richtig  ist. 

®  Mitteilung  Desimonis  an  Heyd.    Decretum  pro  D.  d.  M. 

*  Vgl.  Schaube,    Proxenie  im  Mittelalter,     Bericht  d.  Gymn.  in  Brieg  1899. 


540  Siebenundvierzigstes  Kapitel. 

So  sollte  er  einem  Genuesen  helfen,  der  sich  durch  einen  Deutschen  bei 
Lieferung  von  Waren  betrogen  glaubte',  bald  vertrat  er  einen  Deutschen, 
der  Carmoisin  zu  dem  Satze  eingeführt  hatte,  der  in  den  Konventionen 
für  die  aus  Deutschland  eingeführten  Waren  galt*,  bald  mufste  er  den 
Kindern  einer  mit  einem  Deutschen  verheiratet  gewesenen  Witwe  einen 
Vormund  bestellen^,  bald  mufste  er  die  Einräumung  einer  den  Deutschen 
zugesagten  Halle  betreiben*. 

Auch  in  Genua  wurden  einzelnen  Kaufleuten  besondere  auf  Zeit 
gültige  Pässe  ausgestellt,  so  hat  sich  ein  solcher  für  einen  Peter  Lope- 
tach  ausgestellter  erhalten^. 

An  urkundlichen  Beweisen  für  kleine  deutsche  Leute  in  Genua  fehlt 
es  nicht,  wobei  ich  ganz  von  Söldnern  absehe.  So  erscheint  1426  ein 
armer  Schneidergeselle,  der  um  Aufenthaltserlaubnis  bittet®;  es  scheint, 
dafs  für  diese  Leute  eine  bestimmte  Abgabe  bestand ,  von  der  ein  anderer 
armer  Teufel,  ein  deutscher  Flüchtling,  der  sich  als  ioagiaritis  bezeichnet, 
befreit  wurde'. 

Die  Fremden  thaten  sich  in  Italien  mitunter  zu  Brüderschaften  zu- 
sammen. Vieles  wissen  wir  über  das  kirchliche  Leben  der  Deutschen 
in  Venedig®.  Fast  so  genau  ist  die  Brüderschaft  der  Fremden  von 
Genua  bekannt,  sie  vereinte  alle  christlichen  Ausländer,  jedoch  waren 
besonders  die  Deutschen  darin  stark  vertreten. 

Die  Brüderschaft  wurde  in  der  Kirche  der  Serviten  errichtet,  in 
der  noch  heute  bestehenden  Kirche  St.  Maria  dei  Servi  in  dem  Borgo 
de  Lanari  (Lanajolij  in  dem  sestiere  della  Portaria  gelegen  (nördlich  von 
St.  Maria  in  Carignano),  sie  bestand  schon  1393  als  »Consortia  de  Madonna 
dt  Misericordia  de'  Forestierh  ®,   dort  wurde  im  Jahre  1414  ein  St  Bar- 


»  Urkunden  Nr.  258. 

«  Urkunden  Nr.  271. 

^  »Margaritina  filia  quofulam  nobilis  Geonfii  de  Cohimnis  et  uxor  qxiondam  Georgii 
Sur  Alamanni  hahitatoris  Janiie  1474.    Belgrano  88. 

♦  1492.    Belgrano  89. 

»  Urkunden  Nr.  268. 

«  Urkunden  Nr.  256. 

'  Urkunden  Nr.  260.  Weiter:  1451  Januar  10.  Decretum  ad  instantiam  Nicolai 
Egra  Älemanni  suo  et  nomine  fratris  et  iieyotum  pro  prorogando  conventionem  pro  eorum 
hahitatione  in  Janua.    Mitteilung  Desimonis  an  Hcyd. 

^  Simons  Feld  passim  und  die  interessanten  Mitteilungen  des  Itinerarium 
fratris  Pauli  Waltheri  S.  33-87. 

®  Inschrift  erhalten  bei  Piaggio,  Monumenta  Genucnsia  (Bibliotheca  Civica), 
der  auch  von  benachbarten ,  der  Brüderschaft  gehörigen  Häusern  Inschriften  von 
1567  und  1582,  aus  der  Kirche  von  1562,  1572,  1573,  1582  u.  s.  w.  bietet.  Nach  einer 
Handschrift  in  Paris  (Archives  des  äff.  Strang,  fond.  G^nois.)  Cod.  Nr.  11  habe  die 
compagnia  di  S.  Barbara  1458  begonnen,  1485  wurde  sie  bestätigt.  Mitteilungen 
von  Desimoni  an  Heyd. 


Privilegien  und  Organisation  der  Fremden.  541 

baraal tar  eingeweiht  und  1509  der  Bau  einer  noch  heute  erhaltenen 
Kapelle  vollendet;  auf  dem  Gedenkstein  las  ich  auch  die  Namen:  T^Maieo 
de  San  Gallon  und  :* Joanne  Tabulimo  de  Liukiech^.  Ein  anderes  Denk- 
mal, ein  Basrelief,  die  Mutter  Gottes  mit  dem  Kinde  darstellend,  ist 
die  Schenkung  eines  Frankfurters  und  der  Bruderschaft.  Die  Unter- 
schrift lautet:  ^^ Dominus  Curadus  de  Forte  Francho  et  consortia  forestio- 
rum  fecerunt  fieri  hanc  figuram^.  Diesem  Konrad  und  seinem  Verwandten 
Konrad  von  Ortenburg  bin  ich  zum  Jahre  1450  im  Genueser  Staats- 
archiv begegnet^,  wie  ich  in  einigen  Testamenten  von  Fremden  von 
1452  das  »monunientum  novum  consorde  forensium^  bedacht  fand^. 

Aufgenommen  wurden,  von  Frauen  abgesehen,  nur  Fremde,  auch 
waren  Sklaven  ausgeschlossen.  Auch  beteiligten  sich  nicht  alle  Fremden. 
Die  Lombarden  hatten  seit  1449  eine  Kapelle  bei  den  Dominikanern  von 
Sta  Maria  di  Castello®.  Der  Zweck  der  Bruderschaft  war  vor  allem  ge- 
meinsamer Gottesdienst,  Hilfe  in  der  Not  und  Sorge  für  ein  ehrliches 
Begräbnis.  Jeden  Sonntag  war  obligatorischer  Gottesdienst  für  die  Mit- 
glieder, den  der  Guardian  der  Serviten  anzuordnen  hatte.  Das  kirch- 
liche Uauptfest  war  Maria  Lichtmefs,  monatlich  fanden  auch  Seelen- 
messen statt  und  mancher  stiftete  sich  eine  eigene ,  so  Simon  de  Cologna 
(1452),  Gasparo  d^Alamanniay  der  der  Bruderschaft  eine  Aktie  (luogo) 
der  St.  Georgsbank  vermacht  hatte  und  Federico  Colonia  ditto  Todeschin 
(1461).  Zur  Pflege  der  Kranken  und  Armen  hatte  die  Brüderschaft 
Betten  in  ihren  Häusern,  doch  sollten  sie  dort  erst  im  Notfalle  auf 
Kosten  der  Bruderschaft  verpflegt  werden.  Das  Gut  des  erbenlos 
Sterbenden  sollte  der  Bruderschaft  zufallen.  Die  Verwaltung  war  die 
der  italienischen  Bruderschaften  mit  Priori,  Consiglieri,  Sindichi,  Massa- 
rio  u.  s.  w.,  von  den  beiden  Sindichi  sollte  in  einem  Jahre  der  eine  ein 
Lombarde,  der  andere  ein  Deutscher  sein,  im  zweiten  ein  romano  und 
ein  ultramontano  des  Amtes  walten.  Spezilisch  deutsche  Charakterzüge 
darf  man  bei  dieser  Bruderschaft  nicht  vermuten. 

Soldaten  und  Handwerksleute  werden  wohl  die  meisten  Mitglieder 
gewesen  sein,  bei  einer  Supplik  vertritt  wenigstens  das  deutsche  Element 
ein  Francesco  de  Argentina  caporale  et  soUato^. 


1  Urkunde  Nr.  267. 

2  Akten  des  Notars  Christoforo  Sisti. 
8  Gaddi  81. 

*  Quellen:  Ilossi,  Capitoli  della  consortia  delli  forestieri  dcUa  cliiesa  delli 
Servi  in  Genova  delP  anno  1393  in  Miscellanea  di  storia  italiana  11,  329—344. 
Das  Statut  liegt  nicht  in  der  ursprünglichen  Gestalt  vor,  sondern  in  einer  auch  mit 
noch  jüngeren  Statuten  durchsetzten  Erneuerung  von  14>*.5.  Einige  Notizen  bei 
Belgrano  89. 


542  Achtundvierzigates  Kapitel. 


Achtundvierzigstes  Kapitel. 

Handel  in  Oenna.    tienna  als  Hafen.    Handel  mit  Spanien,  Neapel,  Asti. 

Acqni  nnd  Alessandria. 

Genueser  Seideninäustrie^  Goldfäden.  Handel  am  Platz,  Wichtiger  der  Export- 
handel. Konstamer  und  Eavenshurger  auf  dem  Meere,  im  Handel  mit  Spanietu 
Spanische  Häfen,  Deutsche  in  Sj)anien.  Andere  Wege  nach  Spanien,  Deutscher  See- 
ItamJel  quer  durch  das  Mittelmeer^  Handel  von  Genua  aus  mit  Neapel,  Pera.  Genuesen 
in  Deutschland.   DurchgangsverJcehr.   Transportgesellschaften,   Asti,  Acqui,  Alessandria. 

Genua  war  nicht  der  Endpunkt  des  deutschen  Handels^  es  war  vielmehr 
für  ihn  vorwiegend  ein  Durchgangsort.  Venedig  konnte  das  Monopol  der 
Seefahrt  auf  der  Adria  behaupten,  Genua  kämpfte  im  toskanischen  Meere 
mit  den  Städten  der  französischen  Küste,  mit  den  immer  mehr  auf- 
blühenden der  aragonesischen  Krone  und  schliefslich  mit  Pisa  und 
Florenz,  mühselig  die  Vormacht  in  der  Ponente  behauptend,  nachdem 
das  Kolonialreich  in  der  Levante  verloren  war.  Venedig  betrieb  im 
wesentlichen  Staatsschi ffahrt ,  in  Genua  besafsen  fast  nur  die  Privaten 
Schifife.  Ein  Monopol  nach  venetianischer  Art  verbot  sich  in  Genua  von 
selbst.  Dabei  war  der  Genueser  Schiffsbau  dem  venetianischen  aller- 
dings wesentlich  überlegen. 

Die  Nachrichten  über  den  Handel  am  Platze  sind  spärlicher  als  die 
Angaben,  die  auf  das  Meer  fuhren.  In  Genua  nahm  die  anfangs  nur 
von  wenigen  Meistern  geübte  Seidenindustrie,  seitdem  am  Anfange 
des  fünfzehnten  Jahrhunderts  von  Lucca  Musterzeichner  herzangezogen 
wurden,  einen  grofsen  Aufschwung.  Schon  vorher  blühte  dort  die  Kunst, 
feine  Gold-  und  Silberfäden  herzustellen;  aus  diesen  beiden  Elementen 
erwuchs  jene  hohe  Ausbildung  der  Genueser  .Seidenindustrie,  die  im 
Anfang  des  sechzehnten  Jahrhunderts  auf  dem  Gipfel  stand,  wo  sie  das 
Leben  und  der  Atem  der  Stadt  war^  Im  Jahre  1432  wurde  die  Zunft 
der  Seidenhändler  eingerichtet,  welche  sowohl  die  Arbeiter,  als  die  Spinner 
von  Seide  und  Gold,  durchaus  in  Abhängigkeit  hielt.  Auch  hier  bestand 
ein  hausindustrielles  Verlagssystem.  Man  stellte  feine  Sammetstoffe,  Damas- 
chinos,  Brokate,  Atlas  und  glatte  Taffete  (onnesino)  her^.  Die  gröfste 
Bedeutung  hatte  für  Genua  die  Herstellung  der  leonischen  Goldfkden,  es 
waren  das  Seidenfäden,  die  mit  gezogenen  Golddrähten  umsponnen  waren. 
Im  vierzehnten  Jahrhundert  hatte  Lucca  damit  geglänzt,  im  fünfzehnten 
florierte  diese  Kunst  in  Genua,  um  im  sechzehnten  an  Mailand  und  Florenz 


*  Vgl.  die  gleichzeitige  AufseruDg  bei  Sieveking,  Seidenindustrie  120. 
■  Vgl.  Sievekings  Untersuchung  a.  a.  0. 


Handel  in  Genua.  543 

tiberzugehen  ^  Neben  diesen  Gewerben  sind  besonders  die  Armbrust- 
macher, die  Goldschmiede  und  Wollenweber  zu  nennen. 

Stellen  wir  zunächst  die  Nachrichten  über  den  Handel  am  Platze 
zusammen.  Aus  dem  Jahre  1466  haben  wir  die  Kunde,  dafs  ein  Georg 
von  Lenemburg  (Nürnberg?)  in  Genua  Carmoisin  einführte  und  ihm  da- 
für der  Zoll  abgefordert  wurde,  der  verlangt  wurde,  wenn  es  sich  um 
Waren  nicht  deutschen  Ursprungs  handelte;  die  Färber  von  Genua  er- 
klärten aber,  das  Carmoisin  sei  deutschen  Ursprungs.  Aus  dem  folgenden 
Jahre  haben  wir  eine  Nachricht,  dafs  Tibald  Stromer  von  Nürnberg  einem 
Grafen  von  Lavagna  Alaun  und  Pelzwerk  verkaufte^.  Die  Gesellschaft 
des  Friedrich  Humpifs  hatte  1467  in  Andreas  Sattler  aus  Konstanz  dort 
einen  Vertreter,  der  Genueser  Tuch  kaufte^. 

Ulman  Stromer  erwähnt  in  seinem  ^püchlein^  viele  Waren,  die  sich 
auf  Ein-  und  Verkauf  wohl  so  verteilen.  Einkauf:  Spezereien,  Pfeffer, 
Ingwer,  Kanneel,  Weihrauch,  Nägel,  Muskatblumen,  Galgan,  Cybeben, 
>zymidplud,  paneysJcomj  aitwar/^  Perlen,  Safran,  »unoBgoU,  seideym  gewant 
und  silberein  getvanU.  Verkauf  aber:  Kupfer  (Nürnberger  Gewichtes), 
Leinwand  (Konstanzer  Elle),  Pelzwerke  (wechs  tcerks  oder  warnen),  bra- 
bantisches  Tuch.  Das  Verzeichnis  ist  aber  gewifs  keineswegs  vollständig. 
Ein  vorsichtiger  Forscher  (Serra)  nennt  noch  weiter  als  deutsche  Einfuhr 
Stahl,  Salpeter,  Nürnberger  Kleineisenwaren  u.  a.*. 

Der  deutsche  Kaufmann  hatte  hier  den  Zugang  zum  Meere  und  ihn 
haben  die  Kaufleute  von  Konstanz  und  Ravensburg  auf  das  fleifsigste 
benutzt.  Andere  Städte  sind  —  so  weit  sich  jetzt  nachweisen  läfst  — 
anfangs  nur  schwach  beteiligt,  erst  später  folgen  Augsburger  und  Nürn- 
berger den  Spuren  der  Oberschwaben  und  in  erster  Linie  steht  bis  zu 
Ende  die  grofse  Ravensburger  Gesellschaft. 

Stellen  wir  zunächst  nur  die  Nachrichten  zusammen,  welche  sich  auf 
einen  Seeverkehr  zwischen  Genua  und  der  spanischen  Küste  beziehen, 
Ln  Jahre  1408  beschwerte  sich  Konstanz  für  Liutfried  Muntprat,  dafs  in 
den  Streitigkeiten  zwischen  Genua  und  Barcelona  von  Genuesen  Liut- 
frieds  auf  einem  SchiflFe  befindlichen  Waren  (zwei  grofse  Ballen  unge- 
bleichter Leinwand  und  zwei  Ballen  Kattun  [panno  vastanico])  beschlag- 
nahmt seien*.    Dieser  selbe  uns  später  als  vielleicht  der  reichste  schwä- 


1  Silbermann  1,  77. 

a  Urkunden  Nr.  271  und  Nr.  273.  Vgl.  auch  Nr.  258.  Dem  General  Asseretto, 
dem  eifrigen  Durch  forscher  des  Genueser  Archivs,  sind  Notariatsurkunden  bekannt, 
in  denen  Deutsche  besonders  Metall  und  Kurzwaren  verkaufen  und  besonders 
Korallen  kauten.    Mitteilung  Sievekings. 

3  Mitteilung  Sievekings. 

«  Danach  Canale  S.  252. 

^  Mone,  Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrh.  4,  42. 


544  Achtundvierzigstes  Kapitel. 

bische  Kaufmann  näher  bekannt  werdende  Kau^ann  wurde  mit  Johann 
Muntprat  und  dem  Frankfurter  Paul  Fetzbrey  1417  oder  1418  von 
korsischen  SchiflFern  gefangen,  sie  wurden  ihrer  Güter  beraubt  und  erat 
nach  längerer  Zeit  freigelassen.  König  Siegmund  gab  ihnen  das  Recht, 
sich  an  den  Gütern  der  Herren  von  Korsika,  den  Genuesen,  schadlos 
zu  halten,  er  mochte  sich  dazu  um  so  mehr  berechtigt  halten,  als  er  den 
beiden  Konstanzern  gerade  vor  Antritt  dieser  Reise  im  März  1417  einen 
Geleitsbrief  für  ihre  Person  und  ihre  Waren  gegeben  hattet 

Das  erste  Mal,  dais  uns  unzweifelhaft  die  grofse  Ravensburger  Gesell- 
schaft in  genuesisch-spanischem  Handel  begegnet,  ist  1436,  wo  Heinrich 
Fry,  ein  deutscher,  in  Genua  sich  aufhaltender  Kaufmann,  —  es  ist  der 
thätigste  unter  den  Faktoren  der  Humpifsgesellschaft  —  Messing,  Kupfer 
und  wertvolle  Brügger  Tuche  in  einem  Gesamtwerte  von  2988  genues. 
Pfund  nach  Valencia  an  „Rodol  Mesvang**  und  nach  Barcelona  an  Johannes 
Fry  abgefertigt  hatte,  die  Güter  aber  von  einem  genuesischen  Kriegs- 
schiflF  gekapert  wurden.  Ein  anderer  Faktor  derselben  Gesellschaft  war 
Ottmar  Schleipfer  von  St.  Gallen,  der  1449  Wolle  und  andere  Waren 
nach  Genua  fUhren  liefs.  Die  Güter  wurden  jedoch  von  Seeräubern  aus 
der  Provence  weggenommen  und  an  einen  Genuesen  verkauft*. 

Ganz  deutlich  liegen  die  Verhältnisse  bei  einem  andern  Falle  von 
Seeraub.  Die  Gesellschaft  des  Friedrich  Huntpifs  habe  von  Konstanz 
aus  8  Ballen  nach  Mailand  gefertigt,  dort  habe  ihr  Faktor  30  Ballen 
hinzugekauft  und  dieses  Gut  habe  ihr  ^RespondenU  in  Genua,  Ludwig 
Zentrioni,  einem  Genueser  SchiflFsherrn  zum  Transport  nach  Valencia 
empfohlen,  es  wurde  das  Schiff  aber  von  der  katalanischen  Armada  „an- 
gefahren", gefangen  und  nach  Barcelona  gebracht,  jedoch  hofften  die 
Konstanzer,  das  Gut  werde  von  der  aragonesischen  Regierung  entledigt 
und  an  ihre  dortigen  Faktoren  Paulin  Spick  und  Philipp  Wifsland 
gegeben  werden®.  In  den  Conveniiones  Älamannorum  von  1466  wird  er- 
wähnt, dafs  Heinrich  Fry  nach  Genua  Alaun  einführte,  und  1492  wurde 
des  Gut  Onofrius  Huntpifs  und  Konrad  Ankenreute,  beide  von  Ravens- 
burg, auf  der  Fahrt  nach  Genua  vor  dem  Hafen  von  Nizza  von  einem 
Nizzarden  weggenommen  *. 

Von  den  spanischen  Häfen  kam  vor  allem  die  Herrscherin  der  kata- 
lanischen Küste  und  des  Binnenlandes,  Barcelona,  in  Betracht.  Im  Delta- 
gebiet  des   Ljobregat,   in  fruchtbarer,  wasserreicher  Ebene  gelegen  und 


1  Altmann  Nr.  3299  und  2125. 

2  Urkunden  Nr.  257  u.  265. 

^  Urkunde  vom  2.  Dez.  1466  gedruckt  bei  Heyd,  Ravensb.  51  und  Ruppert, 
Chroniken  375. 
*  Heyd  73  f. 


Genua  als  Hafen,  Handel  mit  Spanien,  Neapel,  Asti,  Acqui  und  Alessandria.    545 

mit  dem  Innern  vortrefflich  verbunden,  im  Besitze  einer  vorzüglichen 
Hafenbucht  hat  Barcelona  im  Mittelalter  sich  früh  am  Welthandel  be- 
teiligen können  und  als  fast  autonome  Stadt  sich  zu  hoher  Blüte  entr 
wickelt.  Seeschiffe  gingen  auf  dem  Ebro  bis  Tortosa  aufwärts,  das  an 
dem  Austritt  aus  dem  Durchbruchsthale  liegt  und  der  Meereshafen  der 
aragonesischen  Königsstadt  Saragossa  war. 

Auch  Valencia  war  ein  wichtiger  Hafen,  der  einzige,  den  die  Natur 
zwischen  der  Ebromündung  und  Cartagena  bot.  Inmitten  einer  reichen 
Huerta  gelegen,  wie  von  einem  lachenden  Garten  umgeben,  hielt  sie  fest, 
was  von  arabischer  Kultur  vererbt  war,  und  die  Könige  pflegten  die 
Stadt,  die  eine  hohe  Glanzzeit  erlebte.  Von  den  weiter  südlich  gelegenen 
Häfen  ist  vor  allem  Alicante  zu  nennen,  doch  mufste  hier  die  Kunst  der 
Natur  nachhelfen.  Von  dem  besten  Hafen  der  Küste,  Cartagena,  sind 
Verbindungen  mit  deutschen  Kaufleuten  bisher  nicht  bekannt  geworden. 
Damals  griff  die  Grenze  von  Katalonien  noch  weit  nach  Norden  hinüber 
und  in  Perpignan  kann  ich  sowohl  die  Humpifs  wie  einen  Kaufmann 
aus  Fraustadt  in  Posen  nachweisend 

Ich  kann  im  folgenden  das,  was  wir  heute  wissen,  nur  kurz  skizzieren. 
Eine  Geschichte  des  Handels  der  Deutschen  mit  Spanien  haben  wir  wohl 
in  Verbindung  mit  der  Veröffentlichung  der  Einträge  des  Zollbuchs  von 
Barcelona  von  dem  besten  deutschen  Kenner  spanischer  Geschichte, 
Konrad  Häbler,  zu  erwarten.  Man  darf  ihre  Zahl  nicht  als  gering  an- 
sehen; denn  schon  1420  bestellte  König  Alfons  V.  den  deutschen  Kauf- 
leuten und  Gewerbetreibenden  zu  ihrem  consol  ^  proiector  seinen  religiös 
^  amat  Coftseller,  frare  Garcia  de  Torres,  Dr.  en  leys^.  Ein  aus  Überlingen 
stammender  Korallen händler  T^Jacobus  de  Ubrelmg^  und  ein  ^Ermantis  de 
Nomberg*  tauchen  1383  als  Kaufleute  in  Barcelona  auf,  und  da  die  bezüg- 
liche Urkunde  in  das  Strafsburger  Stadtarchiv  kam,  ist  es  wohl  möglich, 
dafs  auch  Strafsburger  dort  handelten®.  Die  Konstanzer  Bürger  im  Stein- 
hause hatten  1410  einen  Verwandten,  der  ihr  Vertreter  in  Barcelona  war, 
durch  den  Tod  verloren  und  bestellten  sofort  einen  neuen  Bevoll- 
mächtigten. Einen  Monat  vorher  hatte  die  Stadt  Konstanz  ungenannten 
Bürgern  einen  Pafs  zur  Reise  durch  das  Gebiet  des  Grafen  von  Savoyen 


*  1448  Dienstag  nach  Trinitatis.  Meister  Hannus  Tyle  von  der  FrawenstcuU  hat 
bekannt,  von  Leumhard  Retvthemer  und  8.  Gesellschaft  120  fl.  ungr.  und  von  Hannos 
Garthener  und  seiner  Gesellschaft  149  fi.  ungr,  zu  Breslau  empfangen  zu  haben,  Kelches 
Geld  er  vormals  zu  Perpyan  in  Cathelanien  dem  Jost  Ital  Humpiss  von  Ravensburg 
und  ihrer  Gesellschaft  in  tine^i  Wechsel  gegeben  und  zu  ihm  in  das  Wechsel  eingelegt 
habe.  Breslau  Stadtarchiv  Lib.  sign.  f.  83»  mitgeteilt  von  Herrn  Stadtarchivar  Prof. 
Dr.  Markgraf. 

■  Schaube,  Proxenie  im  Mittelalter  21. 

»  Abdruck  Z.  Gesch.  Oberrheins  N.  F.  1,  113  flF. 

Schulte,  Gesch.  d.  mittelalterl.  Handels.    I.  35 


546  Achtundvierzigstes  KapiteL 

ausgestellt '.  Besonders  reichen  Einblick  gewähren  die  für  die  Deutschen 
und  Savoyarden  geführten  ZoUregister  von  Barcelona,  die  für  1425^-45 
und  1472—73  erhalten  sind.  In  ihnen  erscheint  seit  1426  die  Gesellschaft 
des  Joshompis  de  Cosianza;  wenn  sich  die  Humpis  hier  als  Konstanzer 
ausgeben,  so  waren  diese  offenbar  hier  am  meisten  bekannt;  aus  ihrer 
Gesellschaft  schied,  um  eine  neue  zu  begründen,  Kaspar  de  Wai 
(Nai?  Wac?)  aus.  Erheblicher  als  diese,  aber  geringer  als  der  Anteil 
der  Humpis,  war  der  Zollbetrag  der  Gesellschaft  des  Johannes  v.  Köln. 
Die  Humpis-Gesellschaft  blieb  nicht  geschlossen,  die  Mötteli  schieden  vor 
1469  aus  ihr  aus  und  begannen  ein  besonderes  Gewerbe  zu  Valencia, 
Saragossa  und  an  anderen  Enden*.  Doch  erscheint  daneben  in  Valencia 
auch  die  Gesellschaft  des  Friedrich  Humpifs  1466  thätig;  dafe  dies  eine 
Zweiggesellschaft  der  grofsen  war  und  in  Valencia  ihren  Sitz  hatte, 
scheint  mir  nicht  sicher  bewiesen  zu  sein*.  Die  grofse  Gesellschaft 
handelte  1466,  1474  und  1515  in  Tortosa  bezw.  Saragossa. 

Sehr  interessante  Nachrichten  über  ein  aus  Thun  am  Thunersee 
stammendes,  aber  doch  wohl  eigentlich  St.  Galler  Geschäftshaus  verdanke 
ich  Staatsarchivar  Türler  in  Bern.  Es  sind  Briefe  eines  Peter  Schopfer, 
der  an  seinen  Vater  nach  Hause  schreibt.  Die  Geschäfte  besorgte  neben 
dem  jungen  Herrn  noch  ein  gewisser  Polay  Zwick,  sie  waren  mit  dem 
Erfolge  recht  zufrieden  und  Peter  wollte  nach  Romans  oder  Genf  reiten, 
um  die  dort  aus  St.  Gallen  angekommenen  Waren  —  ausdrücklich  wird 
Leinwand  genannt  —  abzuholen.  In  die  Heimat  sandte  er  Safran.  Die 
Gesellschaft  hatte  auch  in  Avignon  einen  Vertreter. 

Den  wertvollsten  Einblick  in  den  Umfang  der  Handelsbeziehungen 
jgewährt  dann  der  Reisebericht  des  Nürnberger  Arztes  Hieronymus  Münzer, 
der  1494  in  Spanien  reiste.  In  Barcelona  traf  er  deutsche  Kaufleute, 
die  sich  offenbar  in  der  besten  wirtschaftlichen  Lage  befanden.  Ob  aber 
diese  Georgius  Raesp  ex  Augusta^  Erhartus  Wigand  Franck  dicius  ex 
Mergeten  und  Wolfgangus  Ferher  ex  Ulma  der  Gesellschaft  angehörten 
oder  nicht,  ist  zweifelhaft.  In  Valencia  fand  er  zwei  Ravensburger: 
Heinrich  Sporer  und  Konrad  Humpifs,  die  ihn  bewirteten  und  mit  schönen 
Kleidern  beschenkten.  Noch  lebte  auch  die  Einnerung  eines  ^Jodocus 
Koler  suprenius  tunc  familiär is  soctetatis  magne  ex  Ravenspurgt^  von  dem 
man  ihm  erzählte,  dafs  er  in  der  Nähe  der  Stadt  ein  Franziskanerkloster 
begründet  habe.  Wie  tief  hatten  sich  die  Ravensburger  in  das  Leben 
der  Spanier  eingelebt,  dafs  ^Philip  vizlant  mercäder  de  la  vila  de  jsne  de 
alta  Alemanga^  —  also  der  1406  genannte  Vertreter  der  Humpifsgesell- 


*  ZcitBchr.  f.  Gesch.  d.  Oberrheins  4,  42  u.  43. 

*  Vgl.  die  Mitteilungen  bei  Heyd  34. 
^  Heyd  34  nimmt  das  an. 


Handel  mit  Spanien,  Neapel,  Asti,  Acqui  und  Alessandria.  547 

Schaft  —  die  Kosten  der  Drucklegung  der  Übersetzung  der  Bibel  ins 
Valencianische,  die  ein  Spanier  und  ein  Deutscher  in  Valencia  1477/78 
druckten,  trug^ 

In  Alicante  wurde  er  wieder  von  einem  Vertreter  der  Gesellschaft, 
Jodokus  Schedler  aus  Kempten,  bestens  aufgenommen,  Jost  war  schon 
seit  langer  Zeit  dort.  Weiter  traf  er  in  Almeria  Andreas  ex  Fulden  in 
Hassia  und  Johannes  ex  Argentina  und  auch  in  Granada  fand  er  im 
Fondaco  der  Genuesen  deutsche  Wappenschilde. 

Wir  sind  damit  bereits  in  die  Periode  eingetreten,  wo  die  grofsen 
welthistorischen  Entdeckungen  den  Handel  der  iberischen  Halbinsel  um- 
zugestalten begannen. 

Der  Markt  Venedigs  für  den  Gewürzhandel  war  schon  wiederholt 
durch  die  Kriege  zwischen  dem  Sultan  und  der  Markusrepublik  so  gut 
wie  geschlossen  gewesen.  Schon  1501  überlegten  sich  die  Fugger,  ob  sie 
nicht  von  Genua  aus  selbst  SchiiSfe  in  die  Levante  gehen  lassen  wollten, 
um  Kupfer  zu  verschiffen  und  Gewürze  einzukaufen,  drei  andere  Gesell- 
schaften hatten  sich  gleich  ihnen  in  Genua  niedergelassen  ^  Dann  kam 
die  grofse  folgenschwere  Entdeckung  des  Seewegs  um  das  Kap  der  guten 
Hoffnung,  Mai  1498  warf  Vasco  da  Gama  in  Kalikut  die  Anker  aus  und 
von  diesem  Augenblicke  an  wurde  Lissabon  der  Hauptstapelplatz  für  die 
Gewürze  Indiens.  Zunächst  hatte  auch  Genua  davon  seinen  Vorteil;  denn 
ein  Teil  der  Waren,  die  bisher  in  Venedig  gelandet  waren,  wurde  nun 
von  Lissabon  zu  Schiff  nach  Genua  gebracht.  Gerade  für  die  Fugger 
haben  wir  einen  Beweis,  wie  sie  50  Sack  Pfeffer  diesen  Weg  gehen 
liefsen^. 

Aber  nicht  immer  nahmen  die  Deutschen  den  Weg  über  Genua,  um 
nach  Spanien  zu  gelangen.  So  ging  1474  nach  Saragossa  bestimmtes  Gut 
westlich  um  die  Pyrenäen  herum  und  wurde  an  der  Bidassoa  angehalten  *. 

Eine  andere  Route  ging  von  Barcelona  zu  den  Häfen  der  Provence 
oder  auch  auf  dem  Landwege  nach  Nimes  und  dann  nach  Genf  weiter. 
Bei  Besprechung  dieses  Weges  habe  ich  wiederholt  darauf  hingewiesen, 
dafs  ein  Teil  des  Verkehrs  zu  der  Verbindung  zwischen  Spanien  und 
Deutschland  zu  rechnen  ist. 

Besonders  instruktiv  sind  zwei  Fälle  von  Seeräubereien.  1435  wurde 
ein  nizzardisches  Schiff,  das  in  Barcelona  der  Humpifsgesellschaft  ge« 
höriges  Gut  an  Bord  genommen  hatte,  von  Mallorkanem  gekapert*.  Ein 
anderes  Mal  wurde  ein  florentinisches  Schiff,  das  von  Tortosa  nach  Nizza 

1  Heyd  S.  36  u.  63  Anm. 

3  Sanuto,  Marino  Diarii  4^  28. 

»  Urkunden  Nr.  177. 

*  Heyd  S.  36. 

»  fleyd  33  u.  49. 

35* 


548  Achtundvierzigstes  Kapitel. 

oder  ViUafranca  segeln  wollte,  von  Benedetto  Doria  und  Qiuliano  Corso 
mit  ihren  genuesischen  Schiffen  weggenommen.  Es  war  darauf  aufgegeben 
von  einem  deutschen  Faktor,  und  begleitet  von  einem  deutschen  Fuhr- 
mann eine  Partie  Wolle  und  ceria  quantüas  agninorum  et  datiloruni. 
Giuliano  Corso  hatte  die  Prise  nach  Savona  geführt  und  der  uns  be- 
kannte Faktor  Heinrich  Fry  bemühte  sich  eifr'gst  die  Ware  zurückzu- 
erhalten ^. 

Der  deutsche  Handel  zog  aber  noch  andere  Vorteile  aus  dem  Ver^ 
kehre  an  der  spanischen  Küste  und  aus  seiner  günstigen  Stellung  in 
Genua:  von  dort  aus  verschifften  sie  ihre  Waren  auch  quer  über  das 
Mittelmeer  und  drangen  so  in  das  ihnen  von  Venedig  aus  verschlossene 
Adriatische  Meer  ein.  So  gingen  1441  120  Sack  Wolle  auf  einem  cata- 
lanischen  Schiffe,  sie  gehörten  dem  Gaspar  von  Vach,  in  dein  wir  wohl 
den  Faktor,  späteren  Rivalen  der  Humpifs  in  Barcelona  zu  erkennen 
haben.  Das  Schiff  aber  wurde  in  den  Gewässern  von  Ragusa  von  einem 
Genuesen  gekapert.  Die  Beute  war  dann  nach  Genua  verbracht,  wurde 
dort  aber  in  ein  Depot  gelegt  und  der  Streit  entschieden*.  Und  ebenso 
hatte  ein  Schiff,  das  1449  von  Ottmar  von  St.  Gallen  dem  Faktor  der 
grofsen  Gesellschaft  für  den  Transport  von  Wolle  aus  Catalonien,  Valencia, 
Tortosa  gechartert  wurde,  Ragusa  und  Parenzo  im  Golfe  von  Venedig 
als  Ziel®. 

Dafs  die  ravensburgische  Gesellschaft  in  das  Königreich  Neapel  ge- 
handelt habe,  berichtet  Ladislaus  Suntheim.  Heyd  hat  es  wahrscheinlich 
gemacht,  dafs  der  Seeraub  auf  dem  Meere  in  der  Nähe  des  Königreichs 
Neapel,  von  dem  zwei  1474  und  1475  geschriebene  Briefe  der  Stadt 
Bern  an  König  Ludwig  XI.  von  Frankreich  reden,  eher  sich  auf  dem 
Atlantischen  Ocean  abspielte  und  zwar  genauer  an  der  galicischen  Küste, 
wo  zwei  napolitanische  Galeassen  von  einem  sehr  bekannten  Seemanne 
weggenommen  wurden*.    Eine   Urkunde  von   1441   erwähnt  wenigstens 


»  Heyd  83  u.  62.    Ohne  Jahr. 

2  Urkunden  Nr.  259  u.  261. 

»  Urkunden  Nr.  266. 

^  Heyd  S.  27  ff.  Zur  Sache  schreibt  mir  Heyd  weiter  folgendes:  „Die  Raub- 
züge der  in  Honfleur  stationierten  Flotte,  welche  unter  dem  Befehl  des  Yiceadmirals 
von  Frankreich  Guillaume  de  Cazanova  (Coullon,  Colomb)  stand,  sind  neuerdings 
durch  Perret,  Relations  (1,  506.  525.  530.  532  f.  2,  17.  18.  47.  84.  110  n.  234)  um 
einige  bisher  unbekannte  vermehrt  worden.  Sie  nahmen  hauptsächlich  die  venetia* 
nischen  Galeeren  aufs  Korn,  welche  nach  Flandern  gehend  oder  von  da  kommend, 
das  Atlantische  und  Mittelländische  Meer  durchfuhren.  Für  den  grofsen  Schaden, 
den  sie  anrichteten,  machte  die  Republik  Venedig  mit  Recht  König  Ludwig  XL 
verantwortlich,  da  Colomb  nichts  ohne  den  Befehl  desselben  thue.  Von  diesem  ver- 
langte auch  der  Rat  von  Bern  wiederholt  (6.  Dez.  1474;  8.  März  1475)  die  Heraus- 
gabe der  den  Ravensburgem  geraubten  Waren.    Welche  Flagge  die  Schiffe  führten» 


Handel  mit  Spanien,  Neapel,  Asti,  Aequi  und  Alessandria.  549 

von  einem  deutschen  Kaufmann  verkaufte  Waren,  die  nach  Neapel  be- 
stimmt waren  ^. 

Und  auch  nach  Pera  folgten  Deutsche  den  Genuesen.  Der  aus  der 
Gegend  von  Bamberg  stammende  Johannes  Tilmann,  der  in  Pera  ver- 
starb, war  doch  wohl  ein  Kaufmann,  der  Vogt  der  Witwe  war  wenigstens 
ein  Nürnberger  Kaufmann  und  er  bestellte  als  seinen  Vertreter  in  Genua 
den  Faktor  der  grofsen  Gesellschaft 'Ottmar  Schleipfer  von  St.  Gallen*. 
Sollte  diese  Gesellschaft  bis  Konstantinopel  Handel  getrieben  haben? 
Vereinzelte  Deutsche  finden  sich  sogar  in  Kaffa^. 

Für  Genua  war  Deutschland  ein  Durchgangsland,  das  Ziel  war 
Flandern,  wo  sich  in  Brügge  eine  festorganisierte  genuesische  Ansied- 
lung  befand ,  die  im  Anfange  des  sechzehnten  Jahrhunderts  mit  den 
andern  Fremden  nach  dem  mächtig  aufblühenden  Antwerpen  über- 
siedelte *.  Von  dort  aus  gingen  die  Kaufleute  auch  nach  England  hinüber. 


welchen  die  Ravensburger  ihr  Kaufmannsgut  anvertraut  hatten,  sagen  die  Bemer 
Briefe  nicht.  Als  Ort  der  Beraubung  bezeichnen  sie  recht  unbestimmt  die  Grewässer 
in  der  Nähe  des  Königreichs  Neapel;  zur  Bezeichnung  der  Zeit  müssen  uns  die 
Worte:  nunc  nuper  genügen.  Wir  kommen  weiter,  wenn  wir  anderweitige  Daten 
vergleichen.  Der  venetianische  Kapitän,  welcher  im  Sommer  1474  die  Flandern- 
Galeeren  zu  befehligen  hatte,  Antonio  Maliziaro  berichtete  nach  Hause  (27.  Juni) 
von  neuen  Rüstungen  des  Colomb;  die  Republik  sah  sich  dadurch  veranlafst,  nicht 
blofs  zwei  Galeeren  von  gröfserem  Typus  nach  Flandern  zu  senden,  sondern  auch 
die  Mitwirkung  neapolitanischer  Schiffe  bei  dieser  Expedition  zu  veranstalten ;  denn 
auch  neapolitanische  Galeeren  hatte  in  demselben  Jahre  Colomb  zum  Gegenstand 
seiner  Angriffe  gemacht  (Bus er.  Die  Beziehungen  der  Medicäer  u.  s.  w.  S.  451). 
Während  nun  die  Galeeren  Maliziaros,  wie  es  scheint,  unversehrt  von  der  flandrischen 
Fahrt  heimkehrten,  wurden  die  zwei  Galeassen  des  Königs  Ferrante  von  Neapel  am 
1.  Oktober  1474  in  dem  Hafen  Yivero  an  der  Nordküste  Galiciens  von  Colomb  an- 
gegriffen und  gekapert.  Es  war  darauf  neapolitanisches,  genuesisches  und  florenti- 
nisches  Kaufmannsgut.  König  Ludwig  XI.  fand  es  in  seinem  Interesse,  die  Ge- 
schädigten durch  Herausgabe  bez.  Ersatz  des  Geraubten  zufrieden  zu  stellen.  Die 
Verhandlungen  finden  sich  in  Lettres  de  Louis  XI.  ed.  Vacsen  5,  300f.  309 — 314 
und  bei  B  u  s  e  r  S.  452.  Die  Daten  der  gewechselten  Briefe  fallen  in  eine  und  die- 
selbe Zeit  mit  den  Briefen  der  Stadt  Bern  zu  Gunsten  der  Ravensburger  (Dez.  1474 
bis  April  1475).  Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dafs  auch  die  cistae  pannis  refertae  der 
Ravensburger,  welche  in  Colombs  Hände  fielen,  am  1.  Oktober  1474  bei  Vivero  auf 
den  gal^sses  ferrandines  gekapert  wurden.  Dann  täuschte  sich  freilich  der  Bemer 
Rat  über  den  Ort,  indem  er  neapolitanische  Schiffe  und  neapolitanisches  Gewässer 
verwechselte.  Wie  kamen,  möchte  man  femer  fragen,  diese  oberschwäbischen  Tücher 
auf  neapolitanische  Schiffe?  Versuchten  etwa  die  Händler  eine  in  Flandern  nicht 
verkaufte  Ware  in  Neapel  anzubringen?    Oder  waren  es  flandrische  Stoffe? 

1  Urkunden  Nr.  258. 

a  Urkunden  Nr.  269. 

'  Jorga  in  Revue  de  TOrient  latin  4,  29. 

^  Über  die  Ansiedlung  vgl.  Desimoni  e  Belgrano  in  Atti  della  societä 
Ligure  Vol.  5. 


550  Achtundvierzigstes  Kapitel. 

Nun  bestand  seit  1318  ein  direkter  Schiffsverkehr,  dem  für  friedliche 
Zeiten  naturgemäfs  die  Massengüter  zufielen.  Den  Landweg  zog  der 
Kaufmann  für  seine  Person,  für  die  feinen  und  teuren  Waren  und  im  Falle 
einer  schleunigen  Reise  vor.  Bei  den  Beraubungen  u.  s.  w.  erscheint  in 
genuesischem  Besitze  gesponnenes  Gold  und  Silber  ^,  Seidenfkden,  Perlen, 
seidene  und  golddurchwirkte  Stoffe.  Die  einzelnen  Beraubungen  sind 
schon  früher  behandelt.  Einen  politischen  Hintergrund  hatte  es,  als  1508 
der  Bemer  und  Solothurner  Bürger  Dietrich  von  Hallwyl  in  Rheinfelden 
16  Pack  Sammete  (velutorum),  genueser  Eigentum,  beschlagnahmte.  Die 
Genuesen  wandten  sich  an  Luzem  und  hoben  mit  Recht  hervor,  dafs  sie 
die  deutschen  Kauf leute  behandelten ,  als  seien  sie  ihre  Bürger  und  aus 
genuesischem  Blute  entsprossen^.  Der  Hallwyler  meinte,  er  wolle  so  zu 
seinem  Rechte  gegen  den  König  von  Frankreich  kommen,  der  ja  damals 
Herr  von  Genua  war,  und  das  Geleit  der  Eidgenossen  sei  ja  durch  die 
Streifzüge  nach  Locarno  und  Genua  erloschen.  Doch  die  Tagsatzung 
war  für  die  Wünsche  der  Genuesen®. 

Der  Warenverkehr  Genua-Brügge  war  so  beträchtlich,  dafs  ein  Ge- 
schäftshaus von  Mecheln  »exercebat  artem  et  minisierium  conducendi  cum 
corum  eum'cülis  merces  mercatorum  de  Frandria  in  Italiam  sattem  usqtAe 
ad  partes  AJamaniet .  Sie  waren  gewöhnt  durch  das  Bistum  Strafsburg, 
also  offenbar  durch  den  Pafs  von  Ingweiler,  ihren  Weg  zu  nehmen,  wo 
wir  Genua  erwähnt  fanden.  Im  Bistum  Strafsburg  wurden  einmal  Waren 
im  Betrage  von  7000  fl.  geraubt*.  Und  später  (1512)  erscheint  abermals 
eine  ähnliche  Transportgesellschaft,  die  des  Franciscus  und  Melchior 
de  Insula,  welche  für  den  Durchgangsverkehr  über  Basel  sich  einen 
besonderen  Satz  erwirkt  hatte ^.  Doch  auch  nach  Nürnberg  kamen 
Genuesen  ®. 

Unter  den  genuesischen  Namen,  die  uns  in  Deutschland  begegnen, 
sind  die  Grofshandelshäuser  Spinola,  Doria  und  andere  vertreten. 

Die  Bedeutung  Astis  für  Deutschland  ist  in  einem  andern  Kapitel 
behandelt.  Dorthin  scheinen  nur  selten  Deutsche  gekommen  zu  sein.  Der 
Konstanzer  Konrad  Sünder  hat  in  dieser  Gegend  freilich  viel  verkehrt^ 
wenn  auch  die  Briefe,  die  darüber  handeln,  vielleicht  nur  Stilübungen 
sind,  da  die  Jahreszahlen  1402,  1408  und  1405  nicht  recht  zusammen- 
stimmen.   Ihm  wurde   im  Bistum  Tortona  in  Montepursario  bei  Asti  — 


^  Vgl.  namentlich  Urkunden  Nr.  449. 
«  Urkunden  Nr.  293. 
'  Eidgen.  Abschiede  3,  2,  436  f. 

^  Urkunden  Nr.  262  bez.  eine  vollständige  mir  vorliegende  Abschrift. 
»  Urkunden  Nr.  316. 

^  Anfang  des  sechzehnten  Jahrhunderts  Pelegrino  Permentorio.    Papiere  der 
Gesellschaft  Koler-Rrefs-Saronno. 


Mailand.    Verkehrspolitik.  551 

das  ist  Mombercelli  südwestlich  von  Asti  —  vom  Markgrafen  von  Mont- 
ferrat  seine  Waren  weggenommen^.  Konrad  Sünder  war  sehr  wahr- 
scheinlich ein  Faktor  derer  von  Ulm*. 

Ein  savoyischer  Unterthan,  der  zugleich  Luzerner  Bürger  war,  wurde 
1419  mit  zwei  Leuten,  die  aus  Acqui  und  Brescia  stammen  dürften,  im 
Saarbrückenschen  gefangen  gesetzt  ^ 

Auch  Alessandria  stellte  Händler,  die  Deutschland  durchzogen, 
einer,  der  von  London  und  Brügge  kam,  wurde  1 484  im  Elsafs  gefangen 
genommen  *. 

Neunundvierzigstes  Kapitel. 

Mailand.    Yerkehrspolitik.    Mailänder  in  Deutschland.    Privilegien  für 
den  Handel  nach  Deutschland  und  die  Deutschen. 

Die  Kaufmannschaft  von  Mailand  betreibt  hervorragend  eine  Verl'ehrspolitikj  später 
an  ihrer  Stella  mehr  die  herzogliche  Regierung.  Hauptgedanken.  Der  Seeweg,  Mailänder 
in  Deutschland,  besonders  die  Alzate,  Suane  und  Busti.  Ebenso  Comasken.  —  Handels- 
politik gegen  Deutschland.  Die  ProiHsiofies  Januae  von  1346,  Andere  Verträge.  Er- 
neuerungen. Privilegien  für  die  Deutschen  vofi  1422.  Fondaco.  Neue  Verhandlungen 
1472'  Erweiterung  der  alten  Privilegien  1469  und  Bestätigungen  bis  1522.  Tabelle  der 
Tarife.    Der  Zollstreit  der  Bavensburger  GesdUchaft. 

In  den  Beziehungen  Mailands  zu  den  deutschen  Verkehrswegen,  die 
oben  schon  eingehend  dargestellt  sind,  spiegelt  sich  die  Verfassungs- 
entwicklung von  Mailand  wieder.  Zunächst  tritt  nur  die  Kaufmannschaft 
hervor,  also  eine  Körperschaft  innerhalb  der  grofsen  Gemeinde,  sie  hat 
die  Verhandlungen  über  die  Organisierung  des  Simplonverkehrs  ab- 
geschlossen und  auf  diese  Strafse  war  ja  keine  Stadt  mehr  als  Mai- 
land angewiesen.  Seine  Kaufmannschaft  übernahm  dafür  aber  auch  die 
Wahrung  der  Interessen,  die  bis  dahin  die  allgemeine  italienische  Gesell- 
schaft der  Besucher  der  Messen  der  Champagne  gepflegt  hatte,  sodafs 
das  heutige  Archiv  der  Mailänder  Handelskammer,  der  Rechtsnachfolgerin 
der  Mailänder  Kaufmannschaft,  eine  ganze  Reihe  von  Urkunden  enthält, 
die  ursprünglich  jener  Gesellschaft  gehörten  und  von  ihr  veranlafst  waren. 
Die  Einrichtung  des  Weges  durch  Lothringen  (1291),  wie  die  neuen  Be- 
stätigungen  von   1321  (Neufchäteau  und  Herzog  von  Lothringen)  gehen 


»  27.  Oktober  1403  und  1.  Mai  1405.  Z.  Gesch.  Oberrh.  4,  38  f.  und  24.  JuU 
1402  Urkunden  Nr.  331.  Alle  drei  entstammen  dem  Formelbuch  des  Nikolaus 
Schultheiss.  Immerhin  wäre  es  denkbar,  dafs  Sünder  diesen  Weg  regelmäfsig  be- 
fuhr und  zweimal  „nieder  gelegt*'  wurde.  Mombercelli  gehörte  kaum  ins  Bistum 
Tortona, 

2  Z.  Gesch.  Oberrh.  4,  47.    Vollmacht  der  Ulm  für  ihn. 

8  Urkunden  Nr.  404. 

*  Urkunden  Nr.  113. 


552  Neunundvierzigstes  Kapitel. 

auf  sie  zurück.  Schon  aber  hatte  die  Kaufmannschaft  auch  aufserhalb 
der  Simplonstrafse  für  sich  vorzugehen  angefangen.  Der  Gesandte  von 
1314,  der  mit  den  Herzögen  von  Österreich,  Como,  Luzern  u.  s.  w.  ver- 
handelte, hatte  seine  Gewalt  sogar  schon  von  der  Stadt  erhalten.  Es 
folgten  die  Gesandtschaften  von  1356,  1360,  1386,  1391  und  1398,  die 
alle  im  Auftrag  der  Kaufmannschaft  thätig  waren.  Wer  den  reichen 
Bestand  des  Archivs  der  Handelskammer  überblickt,  von  dem  unser 
Buch  ja  nur  den  kleineren  Teil  veröffentlicht,  bemerkt  sofort,  dafs  die 
Wahrung  der  Mailänder  Handelsinteressen  während  des  vierzehnten  Jahr- 
hunderts Sache  der  communiias  mercatorum  war.  Nach  dieser  Fülle  von 
Urkunden  bietet  das  Archiv  für  das  fünfzehnte  Jahrhundert  so  gut  wie 
nichts.  Es  sind  wohl  kaum  die  Archivalien  dieser  Zeit  besonders  schlecht 
erhalten,  meines  Erachtens  liegt  ein  anderer  Grund  vor.  Die  Gewalt 
der  Visconti  hatte  sich  inzwischen  gefestigt  und  das  neue  Fürstentum 
dehnte  seine  Aufgaben  immer  weiter  aus,  auch  die  Angelegenheiten  der 
Kaufleute  waren  Sache  der  Herzöge  geworden  und  weder  die  Viscontis 
noch  die  Sforzas  liefsen  sich  viel  in  ihre  Angelegenheiten  hereinreden. 
Schon  im  vierzehnten  Jahrhundert  hatten  die  Visconti  gelegentlich  die 
Kaufleute  unterstützt,  in  den  Urkunden  über  den  Simplon verkehr  er- 
scheint schon  1351  zum  erstenmal  der  Stadtherr.  Doch  erst  1386  decken 
sich  die  Gesandten  mit  dem  Herzoge.  Da  der  Graf  von  Werdenberg 
verlangte,  dafs  sich  die  Mailänder  auf  die  Benutzung  des  Bündner  Weges 
verpflichten  sollen,  erklärten  sie,  sie  könnten  ohne  den  Herzog  eine 
solche  Firma  nicht  geben. 

Es  läfst  sich  sehr  wohl  damit  vereinen,  dafs  noch  die  Statuta  merca- 
torum Medtolani  von  1390  durchaus  die  Regelung  des  Verkehrswesens 
als  Sache  der  Kaufmannschaft  behandeln,  die  sich  12  -consules  Straten 
jährlich  erkort  Wir  sehen,  dafs  jeder  Weg  die  Kosten  selbst  auf- 
zubringen hatte,  wie  aus  dem  Warenverkehr  auch  der  Schaden  des  be- 
raubten Kaufmanns  durch  eine  Zollabgabe  gedeckt  wurde  ^,  ja  geradezu 
bezeichnete  die  Kaufmannschaft  als  ihren  Zweck,  den  Handel  zu  heben, 
Strafsen  zu  schaffen,  zu  erhalten  und  zu  verteidigen,  fiir  die  Sicherheit 
zu  sorgen,  die  Strafsen  zu  bewachen  und  alle  dafür  nötigen  Kosten  auf- 
zubringen®. Für  den  Verkehr  wurden  die  Wege  genau  bestimmt;  nach 
Mailand  hinein  kamen  die  Waren  nur  durch  die  Porta  Vercellina 
und  Porta  Romana,  was  über  die  Alpen  und  von  Como  kam,  mufste  an 
jenes  Thor  gefahren  werden  *.    Den  Fremden  gegenüber  wurde  durchaus 


1  Blatt  199. 

«  Blatt  212  V,  213. 

8  Blatt  215  V. 

*  Blatt  216.    Jene  Corso  Porta  Magenta,  diese  am  Carso  Porta  Roniana, 


.  Mailand,    Verkehrspolitik.  553 

das  Prinzip  der  Gleichheit  proklamiert*  und  auch  für  den  inter- 
nationalen Kredit  wurde  gesorgt,  wobei  ausdrücklich  auf  die  Messen 
der  Champagne  und  Brie  hingewiesen  wird*.  An  den  Zollstellen  sollte 
der,  der  zuerst  komme,  auch  zuerst  abgefertigt  werden  und  niemand 
durfte  allein  mehr  wie  30  Ballen  transportieren  lassen,  hatte  er  einen 
Diener,  nicht  über  50^. 

Die  Mailänder  Kauf  leute  haben  bei  ihrer  Verkehrspolitik  bestimmte 
Grundsätze  verfolgt.  Man  kann  das  Bemühen  sehen,  sich  nicht  auf 
einen  einzigen  Pafs  zu  verpflichten,  sondern  zwei  gegeneinander  auszu- 
spielen. Den  Mittelpunkt  ihres  Interesses  bildete  natürlich  der  Gotthard 
und  neben  ihm  der  Simplon,  das  waren  für  den  Verkehr  nach  den 
Champagner  Messen  Rivalen  und  wir  haben  gesehen ,  wie  sie  den  Loth- 
ringer Weg  als  einen  Konkurrenten  des  Weges  über  Jougne  aufspielten. 
Mit  dem  Niedergange  jener  Messen  erkaltete  das  Interesse  Mailands  für 
den  Simplon  und  Jougnepafs  nicht  sofort,  um  so  weniger,  da  in  den 
Genfer  und  Lyoner  Messen  sich  ein  Ersatz  fand,  aber  stärker  tritt  unter 
dem  Einflüsse  des  Kampfes  zwischen  den  Habsburgern  und  den  Eidgenossen, 
der  häufig  den  Gotthardverkehr  beeinträchtigte  und  schliefslich  zu  dem 
Streite  zwischen  den  Eidgenossen  und  Mailand  selbst  hinüberlenkte,  das 
Interesse  für  die  Bündner  Pässe  hervor,  wo  sich  die  Mailänder  mit  den 
Konstanzer  Wünschen  begegneten.  Der  Wegebau  empfing  mitunter  seine 
Impulse  geradezu  von  Mailand  —  am  stärksten  ist  es  beim  Simplon  der 
Fall  —  immer  waren  die  Mailänder  jedoch  bereit,  bei  jeder  Wegebesserung 
einen  Teil  der  Kosten  zu  tragen ,  in  den  Verhandlungen  um  den  Neubau 
am  Septimer  tritt  das  zur  Genüge  hervor. 

Für  Mailands  Handel  nach  Flandern  und  England  kam  der  Seeweg 
gar  nicht  oder  doch  nur  als  Ausnahme  in  Betracht.  Sehr  erheblich 
scheint  die  Differenz  der  Transportkosten  nach  der  nicht  ganz  durch- 
sichtigen Angabe  von  Uzzano  freilich  nicht  gewesen  zu  sein,  jedenfalls 
waren  die  Versicherungskosten  zur  See  (12 — 15^/o)  viel  höher  als  zu 
Lande  (6 — 8  ^/o)  *.  Die  Höhe  der  Transportkosten  werden  sich  vielleicht 
einmal  aus  italienischen  Geschäftsbüchern  genauer  feststellen  und  Ver- 
gleiche mit  denen  auf  dem  Seewege  anstellen  lassen.  Der  Transport  von 
11  Sack  Wolle  von  Mecheln  bis  Mailand  kostete  143  fl.*.  Leider  sind  die 
Einzelposten  nicht  mitgeteilt. 


*  Blatt  216v.   Vgl.  auch  in  den  Statuta  extraordinaria  die  Rubrik  de  represalm 
Blatt  135  f.  u.  205. 

«  Blatt  213  V.    Vgl.  auch  Blatt  205. 

'  Blatt  216 V.    Es  ist  vom  conductor  ballarum,  nicht  vom  Kaufmann  die  Rede, 
das  Transportgewerbe  war  also  bereits  1390  entwickelt, 

*  Uzzano  128. 
»  Uzzano  187. 


554  Neunund vierzigstes  Kapitel. 

Es  würde  ermtiden,  wenn  ich  die  Angaben  über  das  Erscheinen 
von  Mailänder  Kaufleuten  hier  wiederholen  wollte.  Wir  haben  sie  im 
Wallis,  auf  der  Grimsel,  auf  dem  Gotthard,  Lukmanier,  Bernhardin  und 
dem  Septimer  gefunden  und  weiter  in  Jougne,  am  Neuenburger  See,  auf 
der  Lothringer  Strafse,  auf  dem  Rhein,  im  Schwarzwald  und  nördlich 
des  Bodensees,  schon  1391  hatten  sie  einen  Geleitsbrief  bis  Nürnberg. 

Unter  den  mit  Deutschland  handelnden  Firmen  der  Städte  Mailand 
und  Como  ragt  besonders  das  Haus  Alzate  hervor.  Wenn  man  liest, 
dafs  Philipp  von  Alzate  1345  von  Erzbischof  Walram  von  Köln  wegen 
Wucher  gefangen  gesetzt  wurde,  auf  Verwendung  von  Köln  aber  frei- 
gelassen wurde  ^,  könnte  man  des  Glaubens  sein,  dafs  sich  dieses  Haus 
von  der  soliden  Art  der  anderen  Mailänder  Kaufleute  entfernt  habe,  die 
sich  nur  dem  Warenhandel  widmeten.  Aus  den  Akten  des  Comasker 
Notars  Cermenate  habe  ich  aber  gesehen,  dafs  dieses  Haus  massenhaft 
deutsche  Wolle  verkaufte  und,  als  1391  Ballen  mit  Wolle  in  der  Nähe 
von  Konstanz  weggenommen  waren,  schickte  Mailand  als  Boten  neben 
Romerius  de  Suane  auch  Paginus  de  Alzate.  Wir  haben  sie  in  ihrer 
Thätigkeit  kennen  gelernt*.  Dyonisius  von  Alzate  erhielt  1428  von 
Konstanz  einen  Geleitsbrief ^.  Auch  diese  Suane,  die  bald  als  Mai- 
länder, bald  als  Comasken  erscheinen,  waren  an  dem  Verkehr  durch 
Deutschland  interessiert.  So  schuldete  Kurfürst  Ruprecht  H.  von  der 
Pfalz  1371  an  Thomas  von  Suane,  Jakob  seinen  Bruder,  Kaufleute 
von  Como,  und  Franz  und  Ambrosius  von  Busti,  Kaufleute  von  Mai- 
land, 29450  fl.,  wofür  er  ihnen  Anteil  an  dem  Zolle  zu  Kaiserswerth 
gewährte  *. 

Mit  den  Busti  ist  wiederum  ein  Geschlecht  erwähnt,  von  dem  wir 
schon  Andreas,  Gervasius  und  Protasius  früher  kennen  gelernt  haben**. 
Auch  sie  hatten  in  Köln  ein  Glied  sitzen,  Ambrosio  war  dort  Bürger, 
während  Johann  und  Joeris  von  Mailand  aus  in  deutscher  Sprache  einen 
Vollmachtbrief  sandten  ®.  Kauf leute  dieses  Namens  begegnen  noch  im 
sechzehnten  Jahrhundert  in  Deutschland:  Protasio  da  Busto  besuchte 
Nürnberg  und  Frankfurt''.  Namentlich  mit  Köln  stand  Mailand  also  in 
regem  Austausche®. 


1  Ennen  u.  Eckertz  4,  283. 

2  S.  oben  S.  395. 

8  Urkunden  Nr.  354. 
*  Koch  u.  Wille  Nr.  5074.    Vgl.  5053. 
»  S.  oben  S.  304,  329  u.  384. 
^  Ennen  u.  Eckertz  5,  363. 
"^  Papiere  d.  Gesellschaft  Koler-Krefs-Saronno. 

®  Weitere  Nachrichten  über  Mailänder  in  Köln.  Anton  von  Conquerecio  schuldet 
dem  Kölner  Gerhard  von  Benassis.    Mitteil.  Stadtarchiv  Köln  7,  72  u.  73  und 


k 


Mailänder  in  Deutschland.  555 

Aus  einzelnen  Urkunden  sehen  wir,  wie  kräftig  die  Kaufmannschaft 
und  später  die  Herzöge  sich  ihrer  Kauflcute  annahmen.  So  bemühte 
sich  jene  für  Aliprando  de'  Grassi  gegenüber  dem  Konstanzer  Stadt- 
ammann Ulrich  Habk  ^.  Die  Herzöge  traten  mitunter  auch  gegen  die 
Eidgenossen  auf,  so  gegen  die  Stadt  Wyl  im  St.  G  allen  sehen  ^. 

Ansiedlungen  von  Mailändern  aufserhalb  Italiens  haben  sich  manch- 
mal durch  Häusernamen  erhalten,  so  dürfte  das  Haus  „in  dem  Mailand^ 
in  Ulm,  das  Haus  Meilain  in  Köln,  die  beiden  gleichen  Namens  in  der 
Lampartengasse  in  Basel  zu  erklären  sein®.  In  Brügge  und  London, 
wo  stets  gröfsere  Ansiedlungen  von  Mailändern  waren,  wie  in  Venedig 
war  1434  das  berühmte  Haus  der  Borromei  vertreten,  das  trotz  seines 
Adels  sich  lebhaft  am  Handel  beteiligte*.  In  der  späteren  Zeit  scheinen 
die  Morosini  einen  besonders  starken  Handel  nach  Basel  getrieben  zu 
haben. 

Speciell  der  Comasken  gedenken  viele  Nachrichten.  Ein  Gabriel 
de  Reimondis  hatte  1372  einen  Streit  über  Tuchballen  vor  dem  Strafs- 
burger  Rate  mit  dem  dortigen  Bürger  Mafiolo  de  Subripa.  Jacob  von 
Mündriz  waren  ebenda  dreizehn  Fardel  weggenommen*.  Johannes  de 
Via  genannt  Kümy  mit  dem  Mailänder  Bounstetter  (!)  lernen  wir  in  der 
Gegend  von  Luzern  in  rechten  Sorgen  vor  Nachstellungen  kennen*^,  wie 
uns  ja  eine  Reihe  von  Beraubungen,  die  Comasken  erlitten,  bekannt 
wurden'.     In  Lindau  wohnte  1497  ein  Comaske®. 

Die  Geschichte  der  Mailänder  Handelspolitik  gegenüber  Deutschland 
beginnt  mit  den  Provisiones  Janue  von  1346,  die  den  Durchgangshandel 
durch  das  mailändische  Gebiet  zu  heben  beabsichtigten^.  Zu  dem 
Zwecke  wird  allen  Menschen  der  Handelsverkehr  zwischen  dem  Gebiete 
jenseits  der  Alpen  und  Genua  und  umgekehrt  freigestellt  und  für  die 
durch  das  Gebiet  der  Herren  von  Mailand  durchgeführten  Waren  wird 
ein  niedriger  nach  den  verschiedenen  Warengattungen  angesetzter  Zoll- 
tarif eingeführt,  wobei  eigentümlicherweise  neben  den  im  richtigen  Zuge 


Ennen  u.  Eckertz  5,  53  u.  59.  Aus  der  einen  Urkunde  geht  hervor,  dafs  Erz- 
bischof Friedrich  dem  Germanus  von  Blasonia  34  600  fl.  schuldete.  —  1312  Bürger 
Peter  von  Merlan  und  Kono  von  Luzern.    Ennen  u.  Eckertz  4,  6. 

1  Urkunden  Nr.  27.  Die  Grassi  hatten  auch  Beziehungen  zu  Köln.  Q  u  e  1 1  en  5, 61. 

2  Urkunden  Nr.  109  u.  117. 

«  Ulmer  Urkb.  2.    Ennen  u.  Eckertz  4  Nr.  377  zu  1355.   Fechter,  Topo- 
graphie 36.    Ein  anderes  Haus  hiefs  Mons  Jop  ^=  Moni  Jovis.    Geering  214. 
^  Doneaud  5. 

»  Strafsb.  Urkb.  5  Nr.  1023  und  Nr.  263. 
«  Amiet  2,  298.   299. 
■^  S.  oben  S.  496  u.  497. 
8  Urkunden  Nr.  130. 
»  Urkunden  Nr.  191. 


556  Neunundvierzigstes  Kapitel. 

des  Verkehrs  liegenden  Zollstätten  von  Mailand  und  Como,  auch  die 
von  Lodi,  Creniona  und  Pizzighetone  aufgeführt  sind.  Werden  die 
Waren  innerhalb  des  Mailäjidischen  verkauft,  so  ist  der  gewöhnliche  Zoll 
zu  entrichten.  Das  Statut  verbietet  auch  alle  Repressalien  gegenüber  den 
Durchziehenden,  er  sei  denn  der  eigentliche  Schuldner. 

Wer  diese  Ordnung  veranlafst  hat,  ist  in  keiner  Weise  zu  ersehen, 
weder  eine  italienische  noch  eine  deutsche  Kaufmannschaft  tritt  hervor 
und  auch  das  ist  nicht  zu  sagen,  ob  mehr  die  Städte  Mailand,  Como  u.  s.  w. 
oder  ihre  Herren  der  Erzbischof  Giovanni  und  sein  Bruder  Luchino 
Visconti  besonderen  Anteil  an  den  Beschlüssen  genommen  haben. 

Mailand  besafs  schon  mit  Venedig,  seinem  zweiten  Hafen,  seit  1317 
einen  Handelsvertrag,  wo  gegenseitig  die  Zollabgaben  festgestellt  waren ', 
auch  Como  war,  als  es  sich  der  Herrschaft  der  Visconti  noch  nicht  ge- 
beugt hatte,  mit  Venedig  in  Verhandlung  getreten,  die  1328  zu  den 
Trovixiones  Veneziarum  führten*.  Auch  hier  wurde  ein  allerdings  weit 
weniger  umfangreicher  Ausnahmezolltarif  aufgestellt,  der  jedoch  nur  für 
die  Venetianer  galt.  Er  setzte  für  Baumwolle  und  Wolle  die  Abgabe 
für  den  Ballen  von  20  Rubb  auf  1  Gulden,  von  Tuchballen  aber  und 
anderen  Waren  auf  2  Gulden  fest.  Die  Comasken  hatten  in  Venedig 
keine  Zollbegünstigungen,  aber  sie  durften  ihre  Waren  auslegen,  wo  es 
ihnen  gefiel  und  sie  konnten  ihre  Wohnung  wählen,  wo  sie  wollten. 
Diese  beiden  Durchgangsbegünstigungen  spiegeln  sich  in  den  Zolltarifen 
von  Como  deutlich  wieder,  die  später  näher  zu  behandeln  sind. 

Mailand  hatte  auch  einen  Vertrag  über  den  Verkehr  von  Como  nach 
Florenz,  Bologna  und  der  Romagna.  Die  Kaufleute  dieser  Gebiete  pflegten 
in  Como  T^pannos  CumanoSj  de  Tumo  et  ParaloRcha^j  also  von  Como, 
Torno  und  Parlasco,  östlich  von  Bellano,  einzukaufen  und  sie  dann,  um 
den  hohen  Mailänder  Zoll  zu  umgehen,  über  Verona  und  Mantua  zu 
führen.  Dieses  zu  vermeiden,  setzten  1350  die  Mailänder  den  Zoll  für 
diese  Tücher  auf  \A  fi  Imperialen  per  Stück  herab®. 

Die  Provisiones  Janue  wurden  schon  1347  erneut*.  Die  ungeheure 
Ausdehnung,  welche  die  Herrschaft  der  Visconti  in  jenen  Tagen  gewann, 
verschaffte  ihnen  auf  dem  Wege  nach  Genua  auch  Tortona  und  Alessandria, 
endlich  suchte  auch  Genua  1353  den  Schutz  des  klugen  und  mächtigen 
Erzbischofs   auf.     Es   entsprach  also  der  Sache,    dafs  1347  die  Zollsätze 


^  Gaddi  S.  25.  Ich  habe  in  dem  umfangreichen  Aktenstücke  für  Deutschland 
keine  direkten  Angaben  gefunden.    Über  ältere  Verträge  vgl.  Marin  6,  293  f. 

*  Gedruckt  v.  Liebenau  im  Periodico  della  societ4  storica  Como  19,  272 — 77 
und  vorher  in  vollständiger  Gestalt  ebda.  2,  52—75.  Vorher  war  eine  schwere 
Schädigung  von  Venetianem  im  Veltlin  geschehen. 

"  Statut  Arch.  stör.  lomb.  7,  131. 

*  Urkunden  Nr.  191  Schlufs. 


L 


Privilegien  für  den  Handel  nach  Deutschland  und  die  Deutschen.         557 

von  Tortona  und  Alessandria  aufgenommen,  die  von  Lodi,  Cremona  und 
Pizzighetone  jedoch  gestriehen  wurden. 

Nach  dem  Tode  des  Erzbischofs  übernahmen  seine  Neffen  die  Herr- 
schaft, die  sie  jedoch  in  ihrem  ganzen  Umfange  nicht  zu  behaupten  ver- 
mochten. Galeazzo  II.  residierte  in  Pavia,  Bernabo  in  Mailand,  jedoch 
bezog  sich  die  Erneuerung  der  Provisiones  Janue,  die  Galeazzo  mit  Zu- 
stimmung seines  Bruders  vornahm,  auf  das  gesamte  Gebiet^.  Es  wurden 
dabei  die  Transitscheine  eingeführt,  die  dem  Kaufmann  bei  Eintritt  des 
Gebietes  gegeben  und  später  abgefordert  wurden  und  eine  Kontrolle  der 
Verzollung  ermöglichten.  Galeazzo  dehnte  dann  die  Gültigkeit  der  Ord- 
nung auf  jeden  Transitverkehr  aus,  Piacenza  und  alle  anderen  Städte 
wurden  in  dem  Zolltarife  gleich  Cremona  gesetzt.  Es  war  diese  Ordnung 
nunmehr  ein  genereller  Transittarif,  der  nicht  mehr  auf  die  Interessen 
Genuas  zugeschnitten  war.  Das  letzte  mir  bekannte  Zeugnis  über  seine 
Gültigkeit  stammt  aus  dem  Jahre  1389,  wo  Giovan  Galeazzo  der  Stadt 
Pavia  den  Inhalt  einschärfte^. 

Sehr  wertvoll  sind  die  1422  von  Herzog  Filippo  Maria  den  deutschen 
Kaufleuten  gewährten  Privilegien  für  sie  gewesen.  Sie  sind  im  Ver- 
laufe der  Siegmundischen  Handelsperre  gegen  Venedig®  erlassen  und  Äwar 
traten  die  Genuesen  für  die  Deutschen  ein,  welche  die  in  acht  Ab- 
schnitten eingeteilten  Wünsche  derselben  —  die  uns  im  vollen  Wort- 
laute noch  vorliegen  —  auch  ihrerseits  vertraten*.  Gegentiber  der  ab- 
fälligen Kritik,  die  die  Deutschen  am  Kaufhaus  von  Venedig  übten,  ist 
es  aufßlllig,  dafs  sie  hier  die  Errichtung  eines  Fondaco  erbaten,  frei- 
lich dachten  sie  sich  den  Mailänder  wohl  mehr  als  eine  bequeme  Her- 
berge, denn  als  Zollanstalt  und  Zwangsherberge.  Kein  Gerichtsbeamter 
solle,  um  einen  Deutschen  gefangen  zu  setzen,  denselben  betreten  dürfen. 
Sie  wünschten  frei  von  Steuern  und  Abgaben  für  alle  Lebensbedürfnisse 
zu  sein  und  der  Herzog  gewährte  die  Bitten;  nur  den  einen  Fall  aus- 
schliefsend, wenn  ein  Deutscher  ein  mit  Blut  zu  bestrafendes  Verbrechen 
begangen  habe  und  auch  dann  sollte  das  Asylrecht  gewahrt  bleiben, 
wenn  das  Verbrechen  sich  zwischen  Deutschen  abgespielt  habe. 

Für  den  Verkauf  und  Einkauf  verlangten  sie  den  alten  Zoll,  der 
Herzog  setzte  sie  den  Bürgern  Mailands  und  seiner  andern  Städte  gleich. 
Beim  Durchgangsverkehr  von  Deutschland  nach  Toskana  und  Genua 
wurde  der  alte  Zoll  zwar  nicht  auf  die  Hälfte,  jedoch  auf  zwei  Drittel 
herabgesetzt   und   den  Zollbeamten   wurde  das  Durchstechen   der  Ballen 


1  Urkunden  Nr.  248. 

2  Urkunden  Nr.  249. 
8  S.  oben  S.  518. 

^  Urkunden  Nr.  182.    Der  Anteil  der  Genuesen  folgt  unzweifeliiaft  aus  dem 
Schlüsse :    in  quibus  .  .  capituUs  et  concessia  per  Januenses. 


558  Neunundvierzigstes  Kapitel. 

verboten,  jedoch  sollten  diese  die  Ballen  aufbinden  dürfen ,  mufsten 
freilich,  wenn  sie  kein  Zollvergehen  fanden,  sie  auf  ihre  Kosten  wieder 
zubinden. 

Der  erste  Entscheid  auf  die  Bitte,  dafs  die  Kaufleute  an  den  Thoren 
und  auf  dem  Markte  nicht  durchsucht  werden  dürften,  lautete,  dafs  die 
Kaufleute  betreffs  ihrer  zollpflichtigen  Sachen  schwören  müfsten,  als  sie 
aber  dagegen  remonstrierten,  verzichtete  der  Herzog  im  Einverständnis 
mit  seinen  Einkünftemeistern  auf  den  Eid,  sie  sollten  für  das,  was  sie 
an  sich  und  in  ihren  Felleisen  trügen,  zollfrei  sein.  Das  Tragen  von 
Schatz-  und  Trutzwaffen  wurde  gestattet.  Der  Herzog  sicherte  ihnen 
friedliche  Fahrt  für  sein  ganzes  Gebiet  zu.  Für  den  Fall  des  Ausbruches 
einer  ansteckenden  Krankheit  wollten  die  Deutschen  die  Erlaubnis  ge- 
winnen, an  der  Stadt  vorbeifahren  zu  dürfen,  hier  leistete  die  Gesund- 
heitspolizei doch  Widerstand:  es  wurde  untersagt,  aus  verseuchten  Ge- 
bieten zu  kommen  oder  solche  zu  durchziehen.  Ausgeschlossen  hatte 
der  Herzog  bis  zu  einem  Friedensschlufs  die  Kaufleute  aus  dem  schweize- 
rischen Bund,  wenige  Monate  vorher  hatten  die  Truppen  des  Visconti 
die  Schweizer  bei  Arbedo  besiegt 

Übersieht  man  das  Ganze,  so  kann  man  nur  gestehen,  dafs  der 
Herzog  in  allen  billigen  Sachen  den  Wünschen  der  Deutschen  willfahrt 
hatte  und  die  Handelsprivilegien  wurden  nicht  etwa  bald  zurückgenommen, 
sondern  wiederholt  bestätigt.  Mit  Filippo  Marias  Tode  (1447)  war  das 
Haus  der  Visconti  im  Mannesstamme  ausgestorben,  die  Stadt  richtete 
sich  als  Republik  ein,  um  bald  die  Erfahrung  zu  machen,  dafs  eine 
Republik  Mailand  die  andern  Städte  nicht  unter  ihrer  Herrschaft  be- 
halten könne.  In  der  kurzen  Periode  der  Ambrosianischen  Republik 
bestätigten  die  Kapitäne  und  Schutzherren  der  Freiheit  am  20.  Januar 
1448  die  Privilegien  der  deutschen  Kaufleute  und  schon  sechs  Tage, 
nachdem  der  geniale  Condottiere  Francesco  Sforza  am  25.  März  1450 
seinen  Einzug  in  das  tief  gebeugte  Mailand  gehalten  hatte,  verbriefte  er 
als  neuer  Herzog  sie  in  gleicher  Weise.  Durch  diese  Verbriefung  sind 
sie  uns  erhalten  ^ 

Die  Absicht,  durch  diesen  Vertrag  den  Handel  der  Deutschen  von 
Venedig  nach  Genua  abzulenken,  wird  ganz  deutlich  in  einem  Briefe  des 
Maestro  delle  en träte  an  den  Referendar  von  Como  von  1424  Dezember  14 
ausgesprochen,  der  aber  auch  beweist,  dafs  ein  Teil  der  Waren  schon 
wieder  von  und  nach  Venedig  ging^ 

Ein  Teil  der  Bestimmungen  ist  aber  wohl  nicht  ausgeführt  worden, 
von   einem  Fondaco  liegen  keinerlei  Nachrichten  vor,   es   kam  die  gute 


*  Urkunden  Nr.  182  Anm. 
«  Urkunden  Nr.  195. 


Privilegien  für  den  Handel  nach  Deutschland  und  die  Deutschon.         559 

Absicht  schwerlich  zur  Ausführung.  Der  Versuch,  ein  behagliches  Heim 
zu  gewinnen,  wurde  von  den  Deutschen  jedoch  Ende  1471  oder  Anfang 
1472  erneut  ^  Dieses  Mal  schoben  die  Deutschen  einem  Mailänder  Kauf- 
mann vor,  der  mit  Deutschen  in  naher  Beziehung  stand,  Taddeo  de'Busti  *. 
Unter  den  acht  Kaufleuten,  die  den  Antrag  später  vertraten,  sind 
Matthäus  und  Lukas  Fugger  als  Augsburger,  Heinrich  und  Georg  Fütterer 
als  Nürnberger  zu  erkennen.  Unter  dem  France  könnte  man  einen 
Konstanzer  Fry  suchen.  Und  in  der  That  war  ein  Henrico  France 
gerade  in  dieser  Zeit  in  Mailand,  dessen  Wünschen  entgegenzukommen, 
dem  Herzog  nötig  schient 

Die  Bitte ,  eine  siantia  lihera  zu  haben ,  woflUr  sie  keinen  Miet- 
zins zu  zahlen  hätten  und  von  den  Abgaben  ftlr  Wein,  Brot  und 
Fleisch  frei  seien,  begründete  sie  mit  einem  Hinweise  auf  die  be- 
sprochenen Privilegien  von  Filippo  Maria  und  Francesco  Sforza,  sie 
wurde  von  Francescos  Sohn  Galeazzo  Maria  sehr  wohlwollend  auf- 
genommen. Es  vergingen  jedoch  mehrere  Monate,  bis  am  14.  No- 
vember 1472  der  Herzog  seinem  geheimen  Rate  den  Auftrag  geben 
konnte,  das  von  den  acht  Deutschen  eingereichte  Gesuch  zu  beraten*. 
Er  berief  die  Fremden  vor  sich  und  stattete  schon  am  4.  Dezember  sein 
Gutachten  ab,  das  die  Wünsche  völlig  befriedigte*^.  Der  Geheime  Rat 
meinte,  es  sei  das  beste,  der  Herzog  miete  kein  Haus,  sondern  kaufe 
ein  solches ;  die  Deutschen  liebten  eine  behagliche  Behausung  und  würden, 
wenn  sie  sich  dauernd  einrichten  könnten,  das  Gebäude  erheblich  ver- 
schönem. Sie  brachten  ein  Wirtshaus  —  das  Haus  zum  Hute  —  oder 
das  Haus  des  Grafen  da'  Verme  in  Vorschlag.  Der  Fondaco  würde  dem 
Herzoge  und  seinen  Einkünften  vom  gröfsten  Nutzen  sein.  Der  in 
Venedig  sei  die  wichtigste  Einnahmequelle  der  Stadt,  unter  dem  Mai- 
länder werde  der  Venetianer  schwer  leiden.  Bei  der  heftigen  Feind- 
schaft des  Herzogs  gegen  Venedig  mochte  ein  solcher  Grund  doppelt 
wirksam  sein.  Allein  damit  hören  alle  Nachrichten  auf  und  es  scheint, 
dafs  das  Projekt  auch  dieses  Mal  doch  nicht  ausgeführt  wurde.  Wenig- 
stens ist  bisher  keine  weitere  Angabe  aus  dem  für  diese  Zeit  ja  aus- 
gezeichnet erhaltenen  Archiv  der  Mailänder  Herzöge  bekannt  geworden. 
Nur  soviel  sehen  wir,  dafs  man  mit  grofser  Aufmerksamkeit  die  Deutschen 
in  Venedig  beobachtete  •. 


^  Vgl.  Heyd.    Über  den  Plan  der  Errichtung  eines  Fondaco  dei  Tedeschi  in 
Mailand  Deutsche  Zeitschr.  f.  Geschichtswissenschaft  1,  454  ff. 
'^  Urkunden  Nr.  101. 
8  Urkunden  Nr.  80.    Litt.  debü. 
*  Urkunden  Nr.  103. 
^  Urkunden  Nr.  104. 
«  Urkunden  Nr.  108. 


560 


Neunundvierzigstes  KapiteL 


Die  letzte  Bestätigung  der  alten  Privilegien  dürfte  durch  die  Her- 
zogin Bianca  Maria  und  ihren  Sohn  Oaleazzo  Maria  am  4.  Juli  1466  er- 
folgt sein  *,  seitdem  wurden  sie  jedoch  erweitert  und  dann  von  den  folgen- 
den Herrschern  nachweislich  bis  1522  bestätigt.  Die  Erweiterung  nahm 
Oaleazzo  Maria  am  18.  Mai  1469  vor',  indem  er  einen  Zolltarif  für  die 
Durchfuhr  dem  Privileg  anhängte.  Er  griff  also  auf  die  Transitordnung 
von  1346  zurück  und  gerade  wie  in  jener  wurde  bestimmt,  dads  von 
jedem  Centner  10  üy  also  10  ^  o,  als  Tara  abzurechnen  sei.  Auch  findet 
sich  die  alte  Bestimmung  wieder,  dafs  die  Waren  zwei  Monate  im  Herzog- 
tume  lagern  durften,  ehe  sie  aus  der  Reihe  der  Transitwaren  ausschieden, 
und  dafs  der  Tarif  nur  für  echtes  Eigentum  der  Deutschen  gelte. 

Die  Sätze  von  1469  sind  wie  die  von  1346  nach  Gattungen  ab- 
gestuft, die  Zahl  der  Zollstellen  ist  entsprechend  der  weit  gröfseren  Aus- 
dehnung der  mailändischen  Herrschaft  bedeutend  gestiegen. 

Zunächst  mögen  die  Zollsätze  von  1469  und  1346  folgen: 


Pro  sauma  mbborum  20 

Tansitzölle  von  1469 
Zollstelle 

I 

res  subtiles 

aurum,  argen- 

tum,  drapi  sirici 

«        ß 

n 

spedemm, 
grane  et 
cremisilis 

^        ß 

nie 

drapomm  lane, 

lanarum, 

peleteriarum 

&        ß 

IV 

mercantie 

grosse  et  cnjus- 

libet  merc 

Como 

Mailand 

Lodi 

Pizzighetone  .... 

Cremona 

Piacenza 

Borgo  San  Donino  . 

Parma 

Pavia 

Tortona 

Novara 

Alessandria    .... 

Sesto 

Arona 

Vogogna 

Locamo 

Lugano    

2       10 
5      — 
1       10 
5 
1       10 
1       10 

—  10 

1  10 

2  10 

6 

1      — 

6 

3 

—  8 

—  8 

—  8 

—  8 

—  17 
1       16* 

—  6 

—  1 

—  6 

—  6 

—  6 

—  6 
1        5 

—  6 
6 

—  6 

—  3 

—  3 

—  8 

—  8 
8 

—  12 
1       10 

—  8 

—  1 

—  8 

—  8 

—  6 

—  15 
1       - 

—  6 

—  15 

—  6 

—  3 

—  3 

—  8 
8 

—  8 

—  7 

—  15 

—  3 

—  1 

—  3 

—  3 
3 

—  3 

—  12 

—  3 

—  3 

—  1 

—  3 

—  3 

—  4 

—  4 

—  4 

a  B:    10. 

c  In  B  fehlt  die  ganze  Rubrik. 


'  Urkunden  Nr.  189  Anm. 
2  Urkunden  Nr.  99. 


Privilegien  für  den  Handel  nach  Deutschland  und  die  Deutschen.         5g X 


Transitzölle 
von  1346 

Zollstelle 


panni 
Franci- 

geni 
gentiles 

U  ß  ^ 


VI 

VII 

VIII 

IX 

X 

drapi 
Floren- 
tini 

lana 
Anglie 

Sita, 

drapi 

Site,  aur. 

speciaria, 
grana 

pelizaria 

U  ß  h 

U   ß  ^ 

U  ß  ^ 

U  ß  ^ 

ii    ü  i 

XI 

mercad. 
grossa 

«   ß  ^ 


Mailand  . 
Como  .   . 
Lodi 
Cremona    .    . 
Pizzighetone 


•    •   •   • 


5  — 
1  17 

—  18 

—  18 

—  1 


2 

-  16    8 

8    2    6 

1  16  - 

2 

12 

13 

4    1    3 

—  17  — 

—  12  — 

—    8 

-34 

1  12    6 

—    6  — 

-    8  — 

-    8  — 

-34 

1  12    6 

6 

-    8  - 

—    1 

1 

-   .4    6 

—    2  — 

—    1  — 

—  15 

—  7 

—  3 

—  3 

—  1 


In  den  beiden  Tarifen  finden  sich  gleiche  Warenrubriken  I  und  VIII, 
II  und  IX,  IV  und  XL  Der  ältere  Tarif  unterscheidet  viel  mehr  die 
Waren  und  hat  demnach  mehr  Ansätze.  Vergleichen  wir  jene  mit  diesen, 
so  ergiebt  sich,  dafs  die  Sätze  von  Mailand  und  Como  seit  1846  um 
70 — 100  ®,  0  bei  den  feinen  Waren  (Seide,  Gold  u.  s.  w.)  zurtickgegangen 
sind,  in  den  beiden  andern  vergleichbaren  Rubriken  aber  sich  vollständig 
erhalten  haben.  Daraus  dürfte  sich  ergeben,  dafs  zwischen  1389  und 
1422  eine  Erhöhung  der  deutschen  Transitzölle  stattgefunden  hat;  denn 
sonst  hätten  sie  im  letzteren  Jahre  nicht  auf  */a  herabgesetzt  werden 
können. 

Diese  Neuordnung  von  1469  wurde  wiederholt  bestätigt,  wobei  jedoch 
der  Zolltarif  vereinfacht  zu  sein  scheint,  doch  kann  das  Fehlen  einer 
Rubrik  auch  auf  Nachlässigkeit  in  der  Abschrift  zurückzuführen  sein. 
Nach  der  Ermordung  des  tyrannischen  Galeazzo  Maria  (26.  Dezember 
1476)  bestätigte  die  Herzogin  Bona  und  ihr  unmündiger  Sohn  Giovan 
Galeazzo  am  26.  Februar  1477  die  Privilegien,  nach  des  letzteren  Tode 
(20.  Oktober  1491)  ebenso  Lodovico  Moro  am  20.  Juni  1495. 

In  der  französischen  Zeit  (1499  —  1512)  (1515—1521)  und  der  da- 
zwischenliegenden Zeit  des  Scheinregiments  Massimiliano  Sforza' s  hat 
eine  Erneuerung  der  Capitula  doch  wohl  stattgefunden,  wenn  auch 
Francesco  II.  Sforza  in  seiner  vom  4.  November  1522  datierten  solche 
nicht  erwähnt^.  Von  Massimiliano  fand  ich  nämlich  im  Archivio  civico 
von  Mailand  eine  sehr  schlecht  abgeschriebene  Verfügung  von  1514, 
worin  er  seinen  Beamten  schleunige  Justiz  zu  Gunsten  der  deutschen 
Kaufleute  verfügt  und  dabei  sich  auf  die  Capitula  beruft,  die  sie  mit 
ihm  hätten. 

Im  allgemeinen  war  jedem  Fremden  gestattet,  in  Mailand  zu  wohnen, 


>  Urkunden  Nr.  99. 

Schulte,  Gesch.  d.  mittel alterl.  Handels.    I. 


36 


502  Neunundvierzigstes  Kapitel. 

ja  er  war  drei  Jahre  lang  frei  von  allen  Abgaben  mit  Ausnahme  der 
Zölle,  Gabellen  und  anderen  indirekten  Lastend 

Zusammenstöfse  der  Deutschen  mit  den  Zollbeamten  waren  unaus- 
bleiblich; das  allgemeine  System,  die  einzelnen  Abgaben  zu  verpachten, 
führte  natürlich  zu  einer  scharfen  Handhabung  der  Zollbestimmungen*. 
Der  übelste  Schrauggelversuch  wurde  von  einer  Gesellschaft  begangen, 
die  die  denkbarsten  Gnadenerweise  von  den  mailändischen  Herzögen 
erhalten  hatte. 

Anfang  Mai  1497  erschienen  am  Zolle  von  Mailand  zwei  Wagen  mit 
zwei  Saumlasten  Zinn,  die  als  nach  Genua  bestimmte  roba  grossa  namens 
der  grofsen  Ravensburger  Gesellschaft  deklariert  und  verzollt  wurden. 
Schon  waren  die  Wagen  abgefertigt,  als  der  Verdacht  entstand,  dafs 
unter  dem  Zinn  Silber  sei.  Bei  der  Osteria  di  San  Georgio  wurden  die 
Wagen  angehalten  und  zunächst  nach  dem  Agenten  der  Gesellschaft  ge- 
schickt, da  er  sich  weigerte  zu  erscheinen,  wurde  sein  Hauswirt  Branda 
von  Saronno,  der  in  enger  Fühlung  mit  den  deutschen  Kaufleuten  stand, 
herbeigeholt  und  nun  die  Ballen  geöffnet.  Inmitten  des  Zinns  fanden 
sich  vier  Platten  Silber  in  einem  Werte  von  12654  ft  2  J3  und  6  ft 
Imperialen  (oder  3834V2  Rh.  fl.  h  JS  6  h)  vor.  Für  die  beiden  Saum- 
lasten Zinn  betrug  nach  dem  oben®  angegebenen  Satz  der  Zoll  für  die 
Saumlast  15  J3j  für  das  Silber  jedoch  5  W,  die  Gesellschaft  konnte  also 
an  dieser  Zollstelle  8V'2  ü  Imp.  durch  Schmuggel  profitieren.  Es  mag 
also  der  Grund  glaubhaft  sein,  dafs  sie  wegen  der  Unsicherheit  solch 
wertvoller  Ware  die  Angaben  unrichtig  gemacht  hätten.  Doch  wie  dem 
sei,  die  Gesellschaft  mufste  die  sehr  ernsten  Folgen  fürchten.  Es  verfiel 
nicht  allein  das  Silber,  das  Zugvieh,  es  mufste  auch  noch  eine  sehr  er- 
hebliche Strafe  erwartet  werden,  und  da  von  dem  Silber  ein  Drittel  dem 
Entdecker,  ein  Drittel  der  Münze,  deren  Meister  Giovanni  Antonio 
de  Castellono  sich  bei  der  Eröffnung  der  Waren  sehr  eifrig  beteiligt 
hatte,  zufiel,  war  die  Hoffnung  auf  die  Nachgiebigkeit  des  Herzogs  Lodovico 
Moro  sehr  gering. 

Nur  politische  Rücksichten  konnten  den  Herzog  bestimmen,  dem 
Laufe  des  Gesetzes  entgegenzutreten.  Die  Gesellschaft  schickte  Nicolaus 
im  Steinhuse,  eines  ihrer  angesehensten  Mitglieder,  vielleicht  hoffend, 
man  werde  gegen  einen  Verwandten  des  Thomas  im  Steinhause,  des 
alten  Familiären,  Rücksichten  nehmen ;  er  erhielt  die  besten  Empfehlungen 


1  Statuta  Blatt  131. 

2  Vgl.  auch  Urkunden  Nr.  120,  121. 

2  Vgl.  S.  560.  Doch  war  nach  dem  Statut  des  Datiums  Blatt  161  v  Pflicht,  Gold 
und  Silber  innerhalb  drei  Tage  nach  der  Einfuhr  dem  Meister  der  Münze  anzuzeigen 
und  ist  ihnen  die  Hälfte  für  den  festgesetzten  Preis  zu  überlassen.  Im  übrigen  ist 
kein  Zoll  zu  zahlen.    Die  Strafe  ist  nicht  angegeben. 


Privilegien  für  den  Handel  nach  Deutschland  und  die  Deutschen.  533 

auch  vom  Bischöfe  von  Chur  und  in  Bittschriften  verwandten  sich  die 
Städte  Ravensburg  und  Konstanz,  die  >confederati  de  Suevia^y  d.  h.  die 
Bodenseestädte,  und  die  ^confederati  de  Alamannia  dlta^,  die  Eidgenossen. 
Ravensburg  wies  auf  die  Geschäftsverbindungen  hin,  die  die  Gesellschaft 
über  100  Jahre  mit  Mailand  verbänden.  Da  Bitten  nicht  verfingen, 
drohte  die  Gesellschaft,  sie  werde  die  Sache  vor  den  Kaiser  bringen; 
Lodovico  konnte  mit  vollem  Rechte  das  scharf  zurückweisen. 

.  Wirksam  war  allein  die  Fürsprache  der  Eidgenossen :  ein  Geschäfts- 
anteil der  Humpifsgesellschaft  war  durch  Erbgang  von  den  Muntprat  in 
den  Besitz  eines  angesehenen  schweizerischen  Politikers  übergegangen, 
des  Altschultheifsen  von  Luzern  Jakob  von  Hertenstein ;  der  Ritter  Ulrich 
Muntprat,  gleichfalls  Teilhaber,  war  eben  von  Konstanz  nach  Zürich 
übergesiedelt,  ein  anderer  Konstanzer  Moritz  Hürus  rechnete  sich  auch 
zu  den  Eidgenossen  und  endlich  war  der  Bürger  Dominik  Frauenfeld 
von  Zürich  an  der  Gesellschaft  beteiligt.  Die  politische  Stellung  dieser 
Mitglieder  deckte  die  Gesellschaft.  Die  Eidgenossen  schickten  durch 
sie  bestimmt  einen  Boten  nach  Mailand  und  schliefslich  entsandte  der 
Herzog  seinen  Kanzler  Francesco  Litta  zu  den  vieren  nach  Luzern  zu 
der  Tagsatzung,  wo  am  24.  März  1498  ein  Vertrag  abgeschlossen  wurde, 
der  der  vollständigste  Erfolg  der  Gesellschaft  war.  Den  Eidgenossen  zu- 
liebe erklärte  sich  der  Herzog  zur  Auszahlung  des  gesamten  Silbers  bis 
zum  1.  März  des  folgenden  Jahres  bereit,  in  Mailand  sollte  die  Gesell- 
schaft das  Geld  in  Empfang  nehmen.  Würde  die  Summe  später  aus- 
gezahlt, müsse  es  in  Luzern  geschehen  und  der  Herzog  habe  dann  den 
Schaden  zu  tragen^. 

So  schwer  die  Gesellschaft  durch  diese  leidigen  Angelegenheiten  im 
Ansehen  geschädigt  sein  mochte,  so  hat  sie  doch  nicht  etwa  das  Gebiet 
von  Mailand  aufgegeben.  Sie  hatte  noch  1520  einen  Faktor  dort,  Paul 
Hinderofen  aus  Wangen^,  auch  ihn  deckte  die  Gesellschaft  durch  ihre 
eidgenössischen  Beziehungen;  als  er  von  französischen  Behörden  fest- 
gesetzt wurde,  wirkte  Luzern  für  seine  Freilassung  und  ebenso  hatte 
1518  Jakob   von  Hertenstein   die  Schuldner  im  Herzogtum  Mailand  und 


»  Vgl.  Heyd,  Ravensb.  Gesellschaft  S.  19—22  und  Beil.  XV.  Mailändische 
Darstellung,  XVI  Empfehlung  von  Konstanz,  XVII  Abweisung  der  Denkschrift  der 
Gesellschaft  und  XVIII  Schlufsvertrag.  Aufserdem  sah  ich  ein  Sommario  anderer 
Briefe,  von  denen  das  des  Ravensburger  Briefes  in  Urkunden  Nr.  131. 

*  Dieser  erscheint  später  als  ;Haupt  einer  in  der  oberschwäbischen  Reichsstadt 

VTangen  bestehenden  Kaufmannsgesellschaft    mit  einer  Bitte  vor  Kaiser  Kari  V. 

Dessen   Statthalter  in  Mailand  hatte  den  Kaufleuten  der  deutschen  Reichsstädte 

insgemein  die  fides  publica  und  das  freie  Geleit  aufgesagt.    Hinderofen  möchte  diese 

Verfugung  auf  seine  gewifs  reichstreue  Stadt  nicht  angewendet  wissen  und  erlangt 

vom  Kaiser  willföhrigen  Bescheid  d.  d.  Sontheim  1546  Oktober  18.    Transsumpt  im 

Stuttgarter  Archiv.    Mitteilung  Heyds. 

86» 


gg^  Fünfzigstes  Kapitel. 

Umgebung  übernommen.    Hinter  Luzern  stand  eben  mehr  Autorität  als 
hinter  den  deutschen  Reichsstädten^. 

Fünfzigstes  Kapitel. 

Mailand  (Fortsetzung).  Begfinstignng  einzelner.  Mailänder  Gewerbe.  Die 
Deutschen  in  Mailand  nnd  Como  nach  ihrer  Heimat. 

Litterae  passus  et  familiaritatis.  Fry,  Steinhus,  Irmiy  Weher.  Litterae  contra 
debitores.  —  Handelspolitik.  Schutz  der  WoUtceberei,  Blüte  der  Barchtnttceherei,  Ein- 
führung der  Seidenweberei,  Goldfäden,  die  Bede  des  Dogen  Mocenigo,  Kritik,  Metall- 
getcerbe,  Waffenschmiede ,  freies  Gewerbe.  —  Deutsche  in  Mailand  und  Como,  Angaben 
aus  dem  vierzehnten  Jahrhundert,  aus  dem  fünfzehnten:  Augsburg,  Nürnberg,  fränkische 
Städte,  (rmünd,  Ulm,  Konstanz,  Bavensburg,  Kempten,  St.  Gallen,  vom  Bhein,  Frei- 
bürg  i.  Ü.,  Bern  (Mai  und  Pangiant),  sonstige. 

Die  Herzöge  von  Mailand  gewährten  den  deutschen  Kaufleuten  auch 
über  diese  Privilegien  hinaus  noch  Rechte.  Da  giebt  es  zunächst  die 
litterae  passus  und  salvi  conductuSy  die  einzelnen  auf  eine  bestimmte 
Frist  —  zwei,  drei  Jahre  —  oder  auch  auf  Widerruf  gegeben  wurden, 
für  ihre  Person  allein  oder  auch  für  eine  bestimmte  Zahl  von  Dienern^. 
Sie  wurden  besonders  in  Kriegszeiten  nachgesucht  und  so  ist  mitunter 
ausdrücklich  hervorgehoben,  dafs  die  Kaufleute  nicht  den  Schweizern 
zuzuzählen  sind.  Von  den  grofsen  Handelshäusern  erscheinen  so  die 
Fugger  von  Augsburg,  die  Gienger  von  Ulm,  die  Compagnie  der  Vöhlin 
und  Welser,  daneben  wieder  aber  auch  Familiären  von  deutschen  Fürsten 
mit  solchen  Geleitsbriefen  versehen  und  auch  ein  Orgelmachermeister, 
wie  endlich  auch  ein  Nürnberger  einen  solchen  erhielt,  der  zum  Betriebe 
von  Silberbergwerken  angeworben  war. 

Vielfach  waren  die  Pässe  nur  für  einen  bestimmten  Transport  vor- 
gesehen, so  brachte  1460  ein  Ulmer  Waflten  des  herzoglich  mailändischen 
Kämmerers  Bernhard  von  Westernach  seinem  Vater®.  So  erhalten  einen 
Reisepafs  Pferdehändler  für  den  Markt  zu  Arona;  einem  andern  wurde 
Erlaubnis  gegeben,  die  nach  Mailand  verbrachten  Pferde,  die  er  nicht 
hat  verkaufen  können,  weiter  zu  führen.  Ein  anderer  darf  Salpeter  ein- 
führen oder  nach  Bologna  Silbertuch  verbringen.  In  einem  Falle  wurde 
die  Zahl  der  Warenballen  bestimmt*.  Besonders  interessant  ist  die  auf 
des  Papstes  Wunsch  gewährte  freie  Durchfuhr  bezw.  Ausfuhr  von 
6000  Mark  Silber,  die  *Hemicus  Fucatus  mercator  Alamanus<  nach  Rom 
zu  bringen  hatte*. 


1  Vgl.  fleyd  22  und  Beil.  XX  u.  XXI. 
«  Vgl.  Urkunden  Nr.  46-77. 
»  Urkunden  Nr.  46. 
*  Urkunden  Nr.  49.  51. 
»  Urkunden  Nr.  115. 


Begünstigung  einzelner.  565 

Noch  einen  Schritt  weiter  gingen  die  Herzöge,  wenn  sie  einen  Kauf- 
mann unter  die  Zahl  ihrer  Familiären  aufnahmen  und  ihnen  damit  das 
Recht  eines  freien  Verkehrs,  Freiheit  von  Zöllen  und  SchifFsabgaben  ein- 
räumten. 

Vor  allem  erreichten  das  neben  politisch  wichtigen  Persönlichkeiten 
der  Nachbarschaft  ^  die  bedeutendsten  Faktoren  und  Vertreter  der  grofsen 
ßavensburger  Gesellschaft.  Heinrich  Fry  von  Konstanz  wurde  von  dem 
tyrannischen  letzten  Visconti  mit  aufserordentlich  anerkennenden  Worten 
über  seine  Sitten,  seinen  Ruf,  seine  erprobte  Anhänglichkeit  zum  Familiären 
erhoben^.  Francesco  Sforza  konnte  November  1447  —  also  in  den 
Tagen  der  ambrosianischen  Republik  —  ihm  nicht  die  Würde  und  Rechte 
eines  Familiären  erneuern,  aber  er  gab  ihm  als  dem  Faktor  des  edlen 
Josumpis  einen  einjährigen  Pafs,  mit  vier  Personen  frei  zu  reisen,  ins- 
besondere auch  in  und  bei  Pavia,  Cremona,  Parma  und  Casal  maggiore 
und  vier  Saumlasten  mit  sich  zu  führen®.  1451  gab  der  inzwischen 
Herzog  gewordene  dem  Ulrich  Fry  die  Rechte  eines  Familiären*. 

Für  dessen  Nachfolger  in  der  Mailänder  Vertretung  der  grofsen  Ge- 
sellschaft, den  Konstanzer  Thomas  im  Steinhause  liegen  aus  den  Jahren 
1463—65  drei  verschiedene  Pafs-  und  Familiaritätsbriefe  vor.  Der  erste 
von  1463  sollte  vier  Jahre  Gültigkeit  haben,  der  letzte  war  für  eine 
Reise  nach  Sizilien  ausgestellt,  der  mittlere  aber  war  die  Ernennung 
ohne  Zeitgrenze  und  in  ihm  bezeichnet  der  Herzog  den  Thomas  als  einen 
hervorragenden  Mann,  der  sich  durch  Bescheidenheit,  unbescholtenen  Ruf, 
Mäfsigung  und  andere  Tugenden  bewährt  habe*. 

Besonders  interessant  sind  die  Nachrichten  über  die  intimen  Be- 
ziehungen Baseler  Kaufleute.  Schon  1436  hatte  ein  Nikolaus  von  Basel 
(wie  auch  Antoninus  de  Coyate)  eine  Befreiung  von  den  Zöllen,  welche 
den  Zollpächtern  gar  nicht  gefiel.  Sie  machten  erst  den  Versuch,  die 
Befreiung  auf  100  Ballen  einzuschränken,  aber  die  mailändische  Re- 
gierung liefs  das  nicht  zu  und  noch  ein  zweiter  Versuch,  der  1450  ge- 
macht wurde,  war  vergebens.  Nikolaus  war  1453  gestorben,  das  Privileg 
wurde  auf  seinen  Sohn  übertragen  ®.    Dann  verschwindet  der  Name,  man 

*  Für  Bergeller  und  Oberhalbsteiner  Grofsen  Urkunden  Nr.  196. 

*  Urkunden  Nr.  41. 
■  Urkunden  Nr.  42. 

*  Urkunden  Nr.  43. 

6  Urkunden  Nr.  94—96. 

«  Einträge  in  der  Serie :  Incantus  daUorum  et  vectigdlium  Cume  im  Stadtarchiv 
von  Como  Vol.  I  (1486—1439)  Fol.  63.  Danach  scheint  Nikolaus  mit  Antoninus  eine 
Gesellschaft  gebildet  zu  haben.  Fol.  165.  Beschränkung  auf  100  Ballen  und  nur 
für  den  Transport  nach  und  von  Deutschland.  Fol.  18a  Vol.  III  Fol.  21.  1450 
Beschlagnahme  von  Wollballen,  die  Nikolaus  von  Mailand  nach  Como  hatte  bringen 
lassen.    Fol.  122  Tod  des  Nikolaus. 


566  Fünfzigstes  Kapitel. 

möchte  geneigt  sein,  die  Irmi  als  Erben  des  Nikolaus  anzusehen,  aber 
es  wird  von  den  Irmi  niemals  auf  die  Zeit  vor  1464  zurückgegriffen. 

Die  Irmi  von  Basel  waren  ein  sehr  angesehenes  Handelshaus,  Hans 
Irmi  war  Zunftherr  von  den  Krämern  (zum  Safran)  und  wurde  1474  in 
dem  Prozesse  gegen  den  Landvogt  Peter  von  Hagenbach  diesem  als  Für- 
sprech bestellt,  sein  Sohn  Balthasar  war  1497  Zunftmeister  der  Safran- 
zunft ^.  Den  grofsen  Diamanten,  den  die  Schweizer  in  der  Schlacht  von 
Grandson  gewannen,  und  den  kostbaren  Degen  Karls  des  Kühnen  über- 
nahm er  für  20  000  fl.  zu  veräufsern,  was  ihm  jedoch  nicht  gelang  ^.  An 
seiner  Stelle  versuchte  es  dann  der  in  Bern  angesiedelte  Lombarde  Barto- 
lomäus  Mai^.  Von  1464  datiert  die  Ernennung  des  Hans  zum  Familiären, 
wobei  er  auch  die  Vorrechte,  welche  den  Schweizern  in  den  Kapitulaten 
eingeräumt  waren,  zugestanden  erhielt^.  Diese  Ernennung,  die  nur  auf 
zehn  Jahre  Gültigkeit  haben  sollte,  wurde  wiederholt  erneut  und  ging 
auf  seinen  Sohn  Balthasar  über.  Zuletzt  finde  ich  eine  Bestätigung  aus 
dem  Jahre  1522^.  Balthasar  handelte  vor  allem  mit  Reis®,  dessen  Anbau 
eben  in  der  Lombardei  begonnen  hatte.  1511  wurde  Gut  von  Felix 
Irmi  in  Como  beschlagnahmt,  wofür  Basel  sofort  an  Lombarden  Re- 
pressalien ausübte^.  Das  Geschlecht  hat  den  Mailänder  Herzögen  auch 
wirkliche  Dienste  geleistet.  1475  schickte  Hans  während  des  Krieges 
gegen  Karl  den  Kühnen  von  Basel  vertrauliche  Briefe  an  den  Herzog 
Galeazzo  Maria  mit  wichtigen  Nachrichten  über  die  deutsche  Politik® 
und  sein  Sohn  hat  1493  eine  erhebliche  Summe  auf  die  Zölle  von  Mai- 
land vorgeschossen^. 

Auch  Lukas  Welser  wurde  1475  von  der  Herzogin- Witwe  Bona  zu 
ihrem  Familiären  erhoben  ^^,  Lukas  und  Matthäus  Fugger  werden  nur  als 
„unsere  Kaufleute"  bezeichnete^.  Die  Vöhlin  bedurften  hingegen  1493 
einer  Empfehlung  des  Dogen  von  Venedig*^.     Gelegentlich  wurde  die 


1  Baseler  Chroniken  1,  330.  2,  84.  152.  157.  Vgl.  auch  4,  73.  75  u.  77* 
Geering  164  Anm.  6. 

a  Eidgen.  Abschiede  2,  643  u.  651. 
>  Eidgen.  Abschiede  3,  1,  200. 

*  Urkunden  Nr.  199. 

^  Vgl.  Urkunden  Nr.  105,  123  und  die  Anmerkungen  dazu.  Die  Urkunden 
von  1467,  1477,  1482,  1493  und  1495  sind  nicht  aufgefunden. 

^  Motta,  Boilet.  stör.  d.  Svizz.  it.  14,  5. 

^  Eidgen.  Abschiede  3,  2,  592. 

^  Gingins  laSarra,  D^pdches  des  ambassadeurs  Milanais  sur  les  campagnes 
de  Charles  le  Hardi  1,  42  ff.    128  ff. 

•  Anm.  zu  Urkunden  Nr.  123. 
10  Urkunden  Nr.  107. 

"  Urkunden  Nr.  62  u.  66. 
"  Urkunden  Nr.  124. 


Begünstigung  einzelner.  5(37 

Zollbefreiung  auch  an  sehr  entlegen  beheimatete  Kaufleute  gegeben,   so 
war  1453  Ehrhaldus  Stueimbergh  civis  Brugensis  zollfrei  ^ 

Ein  anderes  Mittel  die  Kaufleute  zu  fördern,  war  es,  wenn  der 
Herzog  seiner  Regierung  gebot,  gegen  die  Schuldner  des  Betreffenden 
scharf  vorzugehen.  Solche  »litterae  contra  debitores^  sind  nicht  wenige 
erhalten,  so  für  die  Irmi,  die  grofse  Ravensburger  Gesellschaft,  für  ver- 
schiedene Memminger  Häuser  und  andere^.  Auch  auf  specielle  Be- 
schwerden gegen  Schulden  gingen  die  Herzöge  gern  ein.  Es  lag  ihnen 
sehr  viel  daran,  den  Zug  der  deutschen  Kaufleute  festzuhalten.  Über 
das  Ende  unserer  Periode  hinaus  liegt  ein  Brief,  der  für  eine  Reihe  von 
deutschen  Gesellschaften  bestimmt  war,  unter  ihnen  die  Welser,  Forten- 
bach,  Humpifs,  Koler  u.  a.^. 

Da  versucht  wurde,  die  Zollstiltten  zu  umgehen,  wurden  1457  ge- 
nau die  Zollämter  bezeichnet,  wo  die  Waren  einzuliefern  waren.  Alles 
was  von  jenseits  der  Berge  kam,  mufste  in  Novara,  Arona  oder  Como 
verzollt  werden,  für  den  Verkehr  von  Genua  erfolgte  der  Eintritt  in 
Alessandria,  Tortona  oder  Piacenza,  für  den  aus  Toscana  in  Pontremoli 
und  Parma.  Was  zu  Lande  aus  der  Romagna  und  den  Marken  kam, 
wurde  in  Parma,  was  zu  Wasser  ging,  in  Casal  maggiore  verzollt.  Gegen 
die  Vorschrift,  dafs  die  Waren  von  Venedig  auf  dem  Po  reisen  sollten, 
erhob  Como  Einspruch,  welches  das  Interesse  von  Lecco  und  des  Land- 
weges vertrat*. 

Der  Schutz  der  inländischen  Industrie  hat  verschiedentlich  die  Her- 
zöge bestimmt,  den  fremden  Handel  und  den  fremden  Import  der  be- 
treffenden Waren  zu  verbieten.  Die  Interessen  der  einzelnen  Landesteile 
waren   dabei  verschieden.     Hier  ist  zunächst  nur  Mailand  zu  behandeln. 

Francesco  Sforza  verbot  am  3.  Oktober  1454  die  Einfuhr  aller 
fremden  Tuche,  ausgeschlossen  waren  davon  die  billigsten  Stoffe  und 
diese  Mafsregel  —  im  einzelnen  geändert  —  wurde  von  den  nachfolgen- 
den Regierungen  für  Mailand  aufrecht  erhalten'*.  Der  Mailänder  Fabri- 
kation feiner  Stoffe  kam  das  zu  gute,  wie  auch  dem  Wollengewerbe  in 
Como  und  auf  dem  Lande,  das  sich  mit  der  Erzeugung  billiger  Sorten 
begnügte. 

Die  Beschaffung  feiner  Wolle  trieb  vor  allem  den  Mailänder  Kauf- 
mann in  die  Ferne,  so  die  reiche  und  angesehene  Familie  der  Segazoni, 
welche  französische  und  englische  Wolle  einkauften.     Als  in  den  Tagen 


*  Incanius  daiiorxim  et  vedigalium  Cwne  (Stadtarchiv  Como)  Vol.  III  Fol.  120. 

*  Vgl.  die  Lüterae  contra  debitores  Nr.  78—93. 
8  Urkunden  Nr.  93. 

*  Urkunden  Nr.  197.  Como.  Vgl.  Morbio,  Storia  dei  municipj.  italiani  6,  466. 
5  Reiche  Angaben  bei  Gaddi  S.  107  ff;  auch  Pavesi  20,  23ff.   P^lissier  32 

(1500)  u.  233  (1510).    Auch  Registro  ducale  Nr.  60  Fol.  27  Dekret  von  1490. 


568  Fünfzigstes  Kapitel. 

Heinrichs  VII.  der  Aufstand  der  Tonriani  tobte,  erlitten  sie  in  ihren  Ge- 
wölben an  den  Tuchen  schweren  Schaden^. 

Die  Barchentweberei  blühte  fort,  wir  haben  gesehen,  wieviel  Barchent 
nach  Deutschland  ging^. 

Unter  Filippo  Maria  wurde  1442  die  Seidenweberei  in  Mailand  durch 
einen  Florentiner  eingeführt  und  zwar  unter  grofsen  Privilegien  seitens 
des  Herzogs.  Der  Versuch  glückte  in  der  glänzendsten  Weise  —  be- 
kanntlich ist  Mailand  heute  einer  der  wichtigsten  Plätze  der  Seiden- 
industrie —  und  schon  1460  verbot  Francesco  Sforza  die  Einfuhr  von 
Stoffen  aus  Seide,  Gold  uijd  Silber®.  Die  Produktion  stieg  so  gewaltig, 
dafs,  als  1474  die  Stadt  Pavia  die  Sammetweberei  einführen  wollte  und 
die  Stadt  die  Herabsetzung  des  Seidenzolles  erbat,  die  Steuerbehörde 
Mailand,  wo  15000  Menschen  von  diesem  Handwerk  lebten,  dagegen 
schützen  zu  müssen  glaubte^.  Neben  Sammet  wurde  in  Mailand  nament- 
lich ^jsendado^j  ein  leichtes  taffetähnliches  Seidengewebe,  hergestellt*. 

Dieser  Schutzzoll  wurde  auch  den  Deutschen  gegenüber  aufrecht 
erhalten®.  Die  Regierung  hielt  auf  die  Feinheit  der  Waren  und  liefs 
keine  golddurchwirkten  Gewebe  durch,  in  welchen  der  Goldstoff  nicht 
echt  war^;  sie  war  für  den  guten  Ruf  der  Stadt  besorgt  und  auch  die 
Verfertiger  von  Gold-  und  Silberdraht  wie  die  Goldschmiede  wollten 
nicht  dulden,  dafs  Erz  auf  beiden  Seiten  vergoldet  werde;  es  würden 
sonst  die  Käufer  getäuscht  und  vor  allem  die  von  jenseits  der  Berge, 
welche  sich  auf  solche  Dinge  nicht  verständen®. 

Der  Doge  Tommaso  Mocenigo  hat  im  Jahre  1421  einer  florentinischen 
Gesandtschaft  gegenüber  eine  genaue  Übersicht  über  den  Handel  Venedigs 
mit  Italien  gegeben,  deren  Ziffern  grofse  Beachtung  gefunden  haben. 
Man  wird  dabei  den  Zweck  der  Rede  nicht  vergessen  dürfen  und  sich 
erinnern,  dafs  die  Verkündigung  des  Ruhmes  selten  bei  der  Wahrheit 
bleibt.  Aber  für  die  Statistik  der  Produktion  der  Städte  sind  die  An- 
gaben doch  von  hohem  Werte: 


^  »Dives  et  popularis  familia  de  SegazonibuSj  qui  conductores  ac  studiosi  GalUcae 
et  Britannicae  lanae  erant  negotiafores «.  Cermenate  ed.  Ferrai  in  den  F o n t i  per 
la  storia  dltalia  60. 

*  Vgl.  auch  £.  Motta,  Per  la  storia  deir  arte  dei  fustagni  im  Archivio 
storico  lombardo  17,  140—145. 

^  Morbio,  Storia  dei  muncipj.  italiani  6,  307  u.  310.  Gaddi  104  ff.  Pavesi 
soft.    P^lissier  123— 127.  199.  286.  318.  320  u.  353.    Formentini  5S4  fl*. 

*  Boll.  stör.  d.  Svizz.  it.  9,  88. 

*  Silbermann  1,  72. 

«  Vgl.  Urkunden  Nr.  98.  1465  Januar  7  Mailand. 
■^  Selbst  gegenüber  dem  Kaiser  Urkunden  Nr.  122. 
8  P^lissier  199  ft'. 


k 


Mailänder  Gewerbe.  569 

Danach  führten  nach  Venedig  ein: 

Stück         Zum  Preise  von  Summa 

Alessandria,  Tortona,  Novara      6  000  Tuche  k  15  Dukaten  90  000  Dukaten 

Pavia 3000        -  4  15         -        45000 

Como 12000        -  ä  15         -  180000 

Monza 6000        -  &  15  -         90000 

Brescia 5000        -  i  15  -         75000 

Parma 4000        -  ä  15  -         60000 

Mailand •  .    .   .      4000  feine  Tuche  &  30  -  120000 

Bergamo 10000  Tuche  k    7  -  70000 

Cremona 40  000  Barchent       k    4V4'    -  170000 

90000  900000 

Gegen  die  Ziffern  wird  man  auch  einwenden  müssen,  dafs  weder 
Mailand  noch  Pavia  Barchent  liefert.  Die  Ausfuhr  von  Venedig  an 
Baumwolle  schätzte  Mocenigo  auf  250000  Dukaten,  von  catalanischer 
Wolle  40000  Centner  zu  6  Dukaten  auf  240000  Dukaten,  französische 
Wolle   ebensoviel   zu  3  Dukaten  auf  120000  Dukaten «. 

Auch  Mailands  Leineweberei  machte  nach  Uzzano  einen  Teil  der  Aus- 
fuhr aus.  Vor  allem  aber  führte  es,  wie  sich  Uzzano  ausdrückt,  unzählige 
Mengen  von  »mercerie^y  Kram  waren  aus®  und  namentlich  lieferte  Mailands 
Metallindustrie  dieselben.  Es  ist  hier  nicht  Raum,  die  Entwicklung  der 
Waffenschmiedekunst  Mailands  im  einzelnen  zu  besprechen,  doch  mufs 
ich  wenigstens  auseinandersetzen,  dafs,  wenn  die  Klingen  von  Brescia, 
Toledo  oder  Passau  die  von  Mailand  vielleicht  übertrafen,  seine 
Harnischfabrikation  unbestritten  die  vollkommenste  war,  sie  hat  vor 
allem  den  Plattenharnisch  ausgebildet,  der  wahrscheinlich  eine  Erfindung 
Petrajolo  da  Missaglias  aus  der  Familie  der  berühmtesten  aller  Waffen- 
schmiede der  Negroni.  Auch  Harff  hebt  in  seiner  Reisebeschreibung 
die  ^hameschmacheTj  sedehnacher^  gebismacher  und  schwertmacher^  her- 
vor. Ebenso  wie  man  der  Massenerzeugung  gerecht  wurde,  hat  auch 
die  Verfertigung  von  Prunkwaffen,  woran  sich  neben  den  Waffen- 
auch  Goldschmiede  beteiligten,  in  Mailand  ihre  höchste  Blüte  auf 
italienischem  Boden  erreicht.  Mailand  hatte  in  Frankreich,  Spanien 
und  England  geradezu  ein  Monopol  und  es  wird  uns  verständlich,  warum 
König  Karl  VI.  von  Frankreich  Mailänder  Meister  in  Lyon,  Karl  VIH. 
1490  in  Bordeaux  ansiedelte  und  Max  sie  nach  Burgund  berief*.  1481 
gab  es  in  Mailand  auch  Waffenschmiede,  die  more  iheutonico  arbeiteten, 
wie  umgekehrt  Pfalzgraf  Ludwig  einen  Mann  nach  Mailand  sandte,  dem 


'  Die  Vorlage  giebt  40  Vi  an,  was  mit  der  Summe  nicht  stimmt. 

^  Sanutus,  Vitae  ducum,  bei  Muratori,  SS.  22,  953  und  modernisiert  und 
korrigiert  bei  Cantü,  Storia  degii  Italiani  4,  427. 

8  Uzzano  295. 

*  Vgl.  Bö  heim,  Die  WaflFe  u.  ihre  einst.  Bedeutung  im  Welthandel.  Jahns, 
Entwicklung  d.  alten  Trutzwaffen  S.  96.    Harff  S.  217. 


570  Fünfzigstes  Kapitel. 

er   ausnahmsweise   zu  verstatten  bat,   dafs  die  dortigen  Meister  aus  ihm 
einen  Klingenschmied  machten*. 

Und  Mailand  erreichte  eine  solche  Höhe  seiner  Industrie  nicht  durch 
ängstliche  Bestimmungen  über  Zünfte,  sondern  durch  eine  Politik,  welche 
der  Gewerbefreiheit  ziemh'ch  nahe  kam. 

Für  den  Aufenthalt  Deutscher  in  Mailand  und  Como,  das  ich  hier 
gleich  mitbehandeln  möchte,  mufs  ich  darauf  verzichten,  alle  Notizen 
zusammenzustellen,  so  lehrreich  einzelne  sind,  wie  das  Auftreten  von 
Baselern  und  Freiburgern  aus  dem  Breisgau  in  Como  ist^.  Alle  Samm- 
lung würde  hier  nie  ein  Ende  finden  können.  Das  Notariatsarchiv  in 
Mailand  mit  seinen  Tausenden  von  Fascikeln  und  Millionen  von  Notizen 
konnte  schon  für  das  vierzehnte  Jahrhundert  nicht  systematisch  be- 
nutzt werden,  angesichts  einer  solchen  Fülle  von  Material  ist  jeder 
Versuch  undurchführbar.  Doch  hatte  eine  von  Motta  vorgenommene 
Durchsicht  der  Serie  der  ältesten  Notare  uns  für  die  Jahre  1375  und 
1376  einen  überraschenden  Einblick  verschafft,  da  bei  dem  Notar  Gio- 
vanolo  Oraboni  die  Deutschen  offenbar  mit  Vorliebe  ihre  Schuldurkunden 
aufnehmen  liefsen.  Was  die  deutschen  Kaufleute  gegen  bar  einkauften, 
wurde  natürlich  nicht  beurkundet,  es  liegen  aber  doch  22  Schuldbriefe 
vor,  worin  sich  Deutsche  zur  Zahlung  des  Preises  für  meist  angeführte 
Waren  innerhalb  bestimmter  Frist  (8  Tage  bis  7  Monate,  meist  6  Monate) 
verpflichten^.  Sie  kauften  fast  ausschliefslich  weifsen  Barchent,  einmal 
erscheint  auch  geförbter  Barchent  und  zweimal  wird  Baumwolle  gekauft^ 
einmal  von  einem  Ulmer,  das  andere  Mal  von  einem  Baseler  Händler, 
offenbar  für  die  heimische  Produktion  der  Schürlitze.  Die  Schuldsumme 
ist  am  höchsten  bei  den  Luzernern,  die,  wenn  man  die  Compagnie- 
geschäfte  unter  die  Genossen  verteilt,  sich  auf  6771  ü  l  jß  Imp.  beläuft, 
aber  unmittelbar  darauf  folgt  Nürnberg  mit  6535  U  9  ß  —  S).  In  weitem 
Abstände  folgen  Basel  (796  U  15^),  Zürich  (441  fl.),  St.  Gallen  (rund 
430  U\  Ulm  (325  U)  und  Konstanz.  Der  einzige  Konstanzer  Cosmas 
Speiser  hatte  132  fl.  seinem  Mailänder  Wirte,  übrigens  einem  Deutschen 
aus  St.  Gallen,  für  Herberge  und  Speise  und  Trank  zu  zahlen.  Von  den 
Nürnbergern  gehören  Konrad  und  Ulrich  EisvogeH,  wie  Konrad  Stromer 
bekannten  Geschlechtern  an,  Konrad  und  Berthold  Bernold  führen  sich 
neu  ein,  wie  der  1393  in  den  Akten  des  Notars  Francescolo  Oldoni  er- 
scheinende Johannes  Gep,  Konrad  Bernold  hatte  seinen  Wohnsitz  in 
Mailand. 


'  Arch.  stör,  lombardo  19,  998. 

a  Baseler  Urkb.  3,  145  Nr.  267.  Schreiber  1,  143.  Ob  es  sich  aber  um 
Kaufleute  handelt,  ist  unsicher. 

■  Die  Frist,  welche  die  Statuta  mercatorum  unter  bestimmten  Umständen  vor- 
schrieben, belief  sich  auf  nur  drei  Monate.    Fol.  214. 

^  Nach  Hoth  1,  54  betrieb  derselbe  auch  Handel  nach  Ungarn. 


Die  Deutschen  iu  Mailand  und  Como  nach  ihrer  Heimat.  571 

Von  den  Ulmern  gehört  nicht  einer  einem  bekannteren  Geschlechte 
an,  ein  Johannes  Tierlin  wohnte  1376  wie  1393  in  Mailand,  1376  als 
Vertreter  des  Luzerner  Kaufmanns  Maynolus  Mantellus.  Von  den 
Luzernern  erscheinen  fünf  Personen.  Aus  Basel:  Conradus  Cioffer  und 
Gabardus  de  Olde,  aus  St.  Gallen  Rudolf  Libgut  und  Konrad  Werder, 
Rudolf  wohnte  in  Mailand,  aus  Zürich  neben  Ulrich  Lez,  einer  aus  dem 
Geschlechte  der  Brun:    Johannes  Bruno'. 

Angesehene  Bürger  von  Zürich ,  von  denen  bald  darauf  Hartmann 
Rordorf  der  Höchstbesteuerte  war,  hatten  im  Vereine  mit  dem  Strafs- 
burger  Bürger  Johann  Acht  Üntz  Seide  im  Mailändischen,  die  ihnen  be- 
schlagnahmt wurde  ^.  Dafs  auch  Augsburger  damals  in  Mailand  handelten, 
beweist  ein  Mahnbrief  der  Kaufmannschaft  von  Mailand  an  die  Stadt 
Augsburg,  da  Jodokus  Jost  einen  ähnlichen  Schuldbrief  zum  Termin  aus- 
zulösen versäumt  hatte  ^. 

Jener  Konrad  Stromer  war  der  Neffe  des  Verfassers  des  köstlichen 
Stromerbüchleins,  Ulmann  Stromers,  und  der  Sohn  eines  anderen  Konrad, 
der  Ulmann  an  Jahren  weit  voraus  war.  Der  Vater  starb  nach  seinem 
Sohne  Hans,  der  1348  ^uf  dem  Maloon^  (wohl  schwerlich  zu  Mailand, 
sondern  auf  dem  Malojapafs)  ermordet  war  und  zu  Como  bei  den  Predi- 
gern begraben  lag*.  Auch  ein  jüngerer  Bruder  Ulmanns  hiefs  Konrad 
und  wurde  zu  Mailand  bei  den  Barfüfsern  (oder  den  Predigern,  hier  wider- 
spricht sich  Ulmann)  zuvorderst  im  Chor  begraben;  er  war  von  einem 
„Sterben"  1357  dahingerafft^  Ulrichs  Tochter  Anna  hatte  den  oben  er- 
wähnten Ulrich  Eisvogel  zur  Ehe  ^.  Der  fleifsige  Chronist  notierte  auch  die 
von  den  Geschlechtern  ihm  bei  Lebzeiten  bekannt  gewordenen  und  giebt 
die  Stätte  ihres  Todes  an.  Und  da  erwähnt  er,  dafs  Peter  Falzner  zu 
Pawe,  also  zu  Pavia,  September  1398  starb  '^.  Von  Pignot  Pfinczing  sagt 
Stromer,  er  sei  viel  in  Lamparten  gewesen®. 

Noch  weit  zahlreicher  sind  Angaben  über  den  Aufenthalt  von 
Deutschen  aus  dem  fünfzehnten  Jahrhundert  erhalten.  1405  wurde  Gut 
des  reichen  Augsburger  Hauses  der  Ilsung  und  des  Lupoid  Karg  bei 
Angera,   also   auf  dem   Lago  Maggiore   von  einem  Familiären  des  Her- 

^  Über  eine  Erbschaft,  die  Züricher  1315  in  Mailand  zu  regeln  hatten,  Stadt- 
bücher S.  9. 

2  Stadtbücher  S.  158 — 160.  Der  Beglaubigungsbrief  für  die  nach  Mailand 
gehenden  Bevollmächtigten  datiert  von  1849. 

»  Urkunden  Nr.  374. 

^  Chroniken  d.  deutschen  Städte  S.  63,  27. 

6  Ebda  62,  17  u.  64,  19. 

«  Ebda  66,  10. 

'^  Ein  weiterer  Stromer  starb  in  Ungarn,  ein  anderer  auf  einem  Zuge  gegen  die 
Türken.  Bei  den  Geschlechtem  führt  er  fünf  Todesfälle  zu  Wien,  drei  zu  Venedig, 
zwei  zu  Prag  und  je  einen  zu  Köln,  Ungarn  und  Krakau  an. 

8  Ebda  85,  21. 


572  Fünfzigstes  KapiteL 

zogs  angehalten  ^.  Die  Form  des  Briefes  verrät  freilich  durchaus  nicht 
die  Kenntnis  der  Verfassung  von  Mailand,  wie  sie  damals  z.  B.  in 
Konstanz  verbreitet  war,  auch  1440  schrieben  di^  Augsburger  an  einen 
Podesta  von  Mailand,  um  sich  über  die  Ermordung  ihres  Mitbürgers  Hans 
Stölzlin  zu  beschweren'. 

Dafs  Lukas  und  Matthäus  Fugger  seit  1470  eine  grofse  Rolle  im 
Mailändischen  spielten ,  folgt  aus  der  Bezeichnung  fnercaiores  nosiri,  wie 
aus  ihrem  Anteil  an  der  Petition  um  die  Errichtung  eines  Kaufhauses'. 
Matthäus  hatte  auf  einem  Ritte  nach  Mailand  das  Unglück,  in  den  See 
zu  stürzen,  wo  er  ertrank*.  Seine  Vermögensverhältnisse  waren  zer- 
rüttet, wie  überhaupt  dieser  Zweig  des  Fuggerschen  Hauses  —  die 
Fugger  vom  Reh  kein  Glück   hatten.     Lukas   stürzte   in  Folge   von 

Schwierigkeiten,  die  er  in  Löwen  und  Venedig  fand*.  Dafs  sein  Handel 
aufser  Venedig,  Leipzig,  Antwerpen  auch  Mailand  im  Auge  hatte,  zeigt 
eine  Vollmacht,  die  er  1474  für  Andrea  de'  Bnonsignori  de'  Busii  aus- 
stellte'*'. In  ihr  wird  er  als  in  Mailand  wohnhaft  bezeichnet;  und  sollte 
der  Fugger  gar  an  der  Pacht  der  Silbergrubeu  beteiligt  gewesen  sein, 
die  sein  Vertreter,  ein  auch  sonst  oft  vorkommender  Kaufmann,  1475 
übernahm^?  Glied  dieses  Zweiges  war  auch  wohl  Anton,  der  1492  erscheint. 
Anton,  der  als  Sohn  des  Andreas  bezeichnet  wird,  war  ein  Faktor  der 
Vöhlin-Gesellschaft  und  hatte  als  solcher  die  Vorsteher  der  herzoglichen 
Münze  zur  Zahlung  einer  Schuld  für  verkaufte  Silberbarren  anzumahnen  ®. 
Auf  die  andere  glücklichere  Linie  dieses  Geschlechtes,  die  Fugger  von 
der  Lilie,  ist  in  anderem  Zusammenhange  einzugehen.  Die  Welser 
waren  mit  dem  Vöhlin  von  Memmingen  verbunden,  die  später  im  Zu- 
sammenhang zu  besprechen  sind^. 

Viel  reichhaltiger  sind  die  Angaben  über  Nürnberger  Kaufleute. 
In  ihnen  tritt  das  Übergewicht  der  fränkischen  Reichsstadt  auf  dem 
Gebiete  der  Metallgewerbe  hervor,  sie  brachten  nach  Mailand  und 
Como  vor  allem  Waren  ihrer  Kleinmetallindustrie,  auch  deutsche 
Wolle  und  Wolltuche,  Erz  und  nahmen  dafür  einfache  und  ge- 
färbte Barchente,   Messing,   Safran  u.  a.  mit     Auffallenderweise   fehlen 

>  Urkunden  Nr.  375. 

a  Urkunden  Nr.  877. 

»  S.  oben  S.  559. 

*  Geiger,  Jakob  Pugger  S.  3. 

'^Geiger  4.  Schulte,  Anfänge  der  Fugger.  Beilage  zur  AUgem.  Zeitung 
1900.    Nr.  118. 

ö  Urkunden  Nr.  169. 

'  Morbio  6,  468. 

«  Urkunden  Nr.  172. 

^  Einzelne  Augsburger  erscheinen  auch  sonst:  so  Georg  Mülich  1511.  Ur- 
kunden Nr.  177.    Konrad  Meuting  s.  unten  unter  Augsburg. 


Die  Deutschen  in  Mailand  und  Como  nach  ihrer  Heimat.  573 

die  Namen  der  grofsen  Nürnberger  Geschlechter,  die  doch  damals 
so  überaus  lebhaft  nach  Venedig  handelten.  Man  darf  aber  nie  ver- 
gessen ,  dafs  unsere  Nachrichten  nur  zufkllige  sind.  Und  wenn  auch  für 
Mailand  für  das  fünfzehnte  Jahrhundert  noch  kein  Notarsregister  ge- 
funden ist,  das  zahlreiche  Urkunden  deutscher  Kauf leute  enthält,  so  ist 
das  doch  für  Como  der  Fall,  wo  das  Register  des  Notars  Francesco 
Cermenate  vom  höchsten  Werte  ist.  Da  begegnet  auch  das  Geschlecht 
der  Schürstab ,  wie  ein  Tucher  eine  litiera  contra  debitores  erhalten  hatte 
und  in  Mailand  ein  Stromer  erscheint^.  Im  übrigen  sind  die  Namen 
Zenner,  Eamperger,  Hans  Müller,  Paul  Hoffmann,  Jakob  Wislant,  Streber, 
Frigmann,  Flittmann,  Machold  ^  überliefert  und  gerade  dieses  Hervor- 
treten kleiner  Familien  hat  ein  ganz  besonderes  Interesse.  Nach  den 
Geschäftsbüchern  der  Gesellschaft  Koler-Kress-Saronno  handelten  im 
Anfang  des  sechzehnten  Jahrhunderts  in  Mailand  die  Im  Hoff,  die 
Rummel,  Fütterer  und  Holzschuher  ®. 

Nürnberger  waren  auch  an  Bergwerken  beteiligt,  schon  vorhin 
nannte  ich  den  zum  Leiter  von  Silberbergwerken  berufenen  Georg  Un- 
anguener^.  Vielfach  verkauften  Nürnberger  MetalP.  In  dem  einen 
Falle  veräufsert  Johann  Ramberger  aus  Nürnberg  im  Namen  der  Gesell- 
schaft des  Hans  Müller  Erz,  die,  wie  wir  wissen,  in  Savoyen  auf  Silber 
und  Erz  grub  ^.  Auch  fand  sich  dort  ein  Nürnberger,  der  mit  Bau- 
materialien handelte,  er  wohnte  natürlich  in  Mailand  und  eigentüm- 
licherweise tauschte  der  Nürnberger  Baumwollstoffe  gegen  seine  Dach- 
ziegel, Ziegelsteine  u.  s.  w.  ein''.  Derselbe  lieferte  aber  auch  Schellen 
in  verschiedenen  Gattungen  und  Messinglöffel,  wofür  er  andere  Waren 
eintauschte®.  So  hatte  er  1477  eine  sehr  erhebliche  Summe  Messing- 
löffel zu  liefern  und  erhielt  den  Preis  in  Lederwaren,  Baumwolle, 
Messing  und  WoUentüchem^  und  zog  auf  den  Messen  umher,  wie  er  in 
Crema  60  Dutzend  weifser  soaiiarum  erhandelte*^.  Nach  Motta  war 
dieser  Bernhard  von  Nürnberg  auch  Gastwirt.     Vor  1481    besafs  er  den 


*  TJiebalfJns  Stromer  de  Alemannia  fil,  quondam  Henrici  ist  Gläubiger  eines  Mai- 
länders für  100  ü  aus  Warenverkauf.    Cod.  Trivulz.  1820  Fol.  478. 

*  Vgl.  Register. 

3  Vgl.  unten  S.  587  f. 

*  Urkunden  Nr.  69.     1466  schlofs  ein  Passauer  Tommaso  de'Cantarini  einen 
Vertrag  über  Ausbeutung  von  Bergwerken  ab.   Arch.  stör.  lomb.  19,  996.   M.S.  432. 

^  Verkauf  von  aramen  oder  aramen  batutum  vgl.  Urkunden  Nr.  223,  245,  163 
u.  246. 

«  S.  oben  S.  487. 
"^  Urkunden  Nr.  170. 
«  Urkunden  Nr.  171. 
®  Urkunden  Nr.  185. 
'0  Urkunden  Nr.  184. 


574  Fünfeigstes  Kapitel. 

Gasthof  zu  den  hl.  drei  Königen  an  der  Porta  Romana,  wo  1492  auch  die 
aus  Deutschland  heimkehrenden  Gesandten  von  Venedig  abstiegen^. 

Von  fränkischen  Städten  tauchen  in  Como  Vertreter  von  Hall, 
Windsheim  und  Rothenburg  auf.  Sie  alle  verkaufen  im  wesent- 
lichen nur  deutsche  Wolle.  Es  erscheinen  t* Maiheus  Turbrech  de  Alla-, 
der  mindestens  zehn  Ballen  verkaufte,  von  Windsheim  (Vinzen),  Heinrieh 
Plattner,  der  den  Erlös  von  drei  Ballen  ausstehen  hatte.  Am  stärksten 
ist  Rothenburg  vertreten  durch  Filipp  und  Michael  Fulbricher,  Konrad 
und  Johann  Royn  und  Johannes  Plan.  Der  ihnen  noch  nicht  bezahlten 
Wollenballen  waren  es  6,  2,  10  und  2*. 

Aus  Schwaben  ist  zunächst  Gmünd  zu  nennen,  wo  Heinrich  Lind  ein- 
mal flir  Peter  Geist  Wolltuche  verschiedener  Farben  in  Como  verkaufte, 
sonst  aber  auch  Wolle  scheinbar  für  eigene  Rechnung  veräufsert.  Der  Name 
^Henricus  Lind  de  Muntperiin  Alatnanie  mercaior  filius  Olderici^  erweckt 
den  Verdacht,    als   sei  er  Faktor  der  Muntprat  von  Konstanz  gewesen*. 

Der  Handel  der  Ulm  er  nach  Mailand  war  so  beträchtlich,  dafs  ein 
Zweig  des  Patriziergeschlechtes  der  Ehinger  den  Beinamen  ivon  Meylant* 
führte,  wie  der  andere  wegen  seines  östlichen  Handels  den  der  „Öster- 
reicher" *.  Auch  andere  Patrizier  erschienen ,  so  Gabriel  Gienger,  der 
mit  Wolle  handelt*,  ein  Harscher  stand  mit  dem  gi'ofsen  Mailänder 
Handelshaus  der  Caimi  in  Verbindung®  und  eine  Ungelterin  war  1510 
in  Mailand  verheiratet^.  Dietrich  Hirlewagen  wird  in  den  Papieren 
der  Gesellschaft  Koler-Kress-Saronno  genannt,  ebenso  Mathias  Gienger. 
Die  Beziehungen  der  Gienger  und  Scheler  zu  Como  sind  nachher  zu  be- 
sprechen. Nicht  den  edlen  Familien  gehörte  Leonhard  Hei  an,  der  für  die 
Mailänder  Caymo  einen  Verlag  von  Papieren  führte®  und  wohl  kaum  auch 
ein  Herandus  Roinus  ^,  ein  Balthasar  Fusinger  war  dem  Herzoge  angenehm  ^®. 

Konstanz  und  Ravensburg  sind  zunächst  durch  die  Ravensburgi- 
sche Gesellschaft  vertreten.  Sie  hatte  wohl  einen  permanenten  Vertreter  in 
der  lombardischen  Handelsstadt  und  das  waren  meist  Konstanzer.  Von 
welchem  Einflüsse  Heinrich  Fry  war,  haben  wir  gesehen ,  ihm  folgte  ein 
Ulrich,   der  1451  ebenfalls   einen  Pafsbrief  erhielt.     Doch  war  Heinrich 


*  Arch.  ßtor.  lombardo  25,  374. 

«  S.  Register  und  Urkunden  Nr.  200—245. 
'  Ebenso. 

*  So  hcifst  Hans  Ehinger  1377  »voti  MaylanU,  Keichsarchiv  München,  Archiv 
Reichsstadt,  Memmingen;  schon  vorher  1354 (Ulmer  Urkb.  2,413)  und  1366  (Verh. 
Ulm  3  1871  S.  49).    Johannes  didus  de  Maiant  1355  Oktober  17  ebda. 

6  Urkunden  Nr.  102. 
«  Urkunden  Nr.  110  u.  116. 
'  Urkunden  Nr.  176. 
«  Urkunden  Nr.  110. 
»  Urkunden  Nr.  116. 
»•  Urkunden  Nr.  55. 


Die  Deutschen  in  Mailand  und  Como  nach  ihrer  Heimat.  575 

Fry  auch  noch  1473  im  Mailändischen  ^.  1461  erscheint  aber  als  Ver- 
treter des  *Yosonipis€  Thomaxius  de  Constantia  teutoniois  filius  quondam 
domini  Apolon^.  Dieser  in  Mailand  ständig  wohnende  Vertreter  erweist 
sich  schon  durch  den  wunderbar  verunstalteten  Namen  seines  Vaters 
Polay  als  einen  Angehörigen  der  Familie  „im  Steinhause"  *.  In  den 
nächsten  Jahren  wurde  er  durch  den  Herzog  mehrfach  ausgezeichnet®. 
Dann  erscheint  Nikolaus  im  Steinhuse,  der  auch  der  Vertrauensmann 
des  Bischofs  Heinrich  von  Chur  war,  für  den  er  beim  Herzoge  von 
Mailand  die  Pension  erhob  *.  Zwei  Jahre  später  bei  dem  unglücklichen 
Schmuggelversuche  war  Nikolaus  in  Mailand. 

Wohl  keine  Handelsgesellschaft  erfreute  sich  solcher  Gunst  der 
Herzöge  wie  diese.  Ihre  Faktoren  waren  Familiären  und  gern  gewährte 
der  Herzog  ihre  Bitte.  So  war  der  1475  der  Gesellschaft  ausgestellte 
Pafsbrief  der  liberalste,  der  mir  bekannt  ist,  schon  äufserlich  tritt  das 
hervor,  wird  doch  Jos  Humpis  als  nobilis  vir  bezeichnet  und  wurde  dem 
Pafsbrief  noch  Gültigkeit  von  einem  Jahre  zugesprochen  nach  seiner 
Abkündigung*.  Und  als  1486  die  Bündner  im  Wormser  Zuge  von  den 
Berg'^n  herabstiegen  und  Bormio  und  Chiavenna  wegnahmen,  erklärte 
der  Herzog  auf  ihren  Wunsch  sie  für  sicher  und  1490  wurde  noch  der 
Gesellschaft  ein  Pafsbrief  auf  ein  Jahr  gegeben®. 

Aber  auch  andere  Konstanzer,  von  denen  es  nicht  sicher  ist,  dafs 
sie  zu  der  grofsen  Gesellschaft  gehörten,  handelten  in  Mailand,  so  1497 
ein  Tettikoven^.  Sehr  interessant  ist  der  Bericht,  den  Konrad  Mefsner 
aus  Mailand  an  Herzog  Francesco  Sforza  erstattete,  er  habe  aus  Vene- 
dig von  seinen  Compagnons  Briefe,  wie  ihnen  von  Wien  über  das 
blutige  Gericht  geschrieben  sei,  das  König  Ladislaus  von  Ungarn  am 
16.  März  1457  an  Ladislaus  Hunyad,  der  den  ruchlosen  Ulrich  Cilly 
niedergestofsen  hatte,  veranstaltet  hatte®.  Vom  16.  April  ist  sein  Brief 
datiert  und  wir  sehen,  wie  diese  Kaufleute  sich  mit  politischen  Nach- 
richten versorgten  und  sie  auch  mitunter  dem  Landesherren  zugänglich 
machten.     Das  sind  die  Anfänge  des  Zeitungswesens. 

Dafs  der  einem  Kemptener,  durch  Handel  zu  grofeem  Reichtum  ge- 
langten Geschlechte  angehörige  Heinrich  Vogt,  der  sich  1462  bei  einem 
Mailänder    Waffenschmied    Rüstungen     bestellte ,     noch     selbst    Handel 


1  Heyd  S.  18. 

'  Urkunden  Nr.  164. 

»  S.  oben  S.  565. 

*  Urkunden  Nr.  127. 

^  Vgl.  die  Urkunden  von  1475  März  18  u.  22  bei  Heyd  S.  69  ff. 

«  Die  Urkunden  von  1486  JuU  29  und  1490  Oktober  2  bei  Heyd  S.  72  u.  73. 

'  Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrh.  5,  48. 

8  Urkunden  Nr.  44. 


576  Fünfzigstes  KapiteL 

trieb,    will    ich   nicht  behaupten,    nach   dem  Zahlungsmodus  sollte   man 
▼ielmehr  glauben,  er  lebe  in  Mailand  vielleicht  als  Soldner  ^     Ein  deut- 
scher Kaufmann  aus  Salzburg  begegnet  1461  in  Como'.     Auch  Züricher 
und  Lindauer  sind  nachzuweisen'.     Doch  darf  man  nie  vergessen,    dafs 
alle  diese  Angaben    nur  schwache  Spuren   des   einstigen  Verkehrs   sind. 
Besonders  wertvoll  ist  eine  Urkunde,  die  uns  die  Rechtsunsicherheit  seigt, 
welcher  der  Kaufmann  ausgesetzt  war.    Michael  Mark  von  Lindau  hatte 
einen  gröfseren  Posten  von  Waflfen  (126  cancroSy  100  miiras  parvas^  16  ma^ 
nas)  in  Mailand  gekauft   und  einem  Manne   zum  Transport  nach  Como 
verdungen.     Dieser    brachte   die   Ware   z.  Th.  ohne    Rücksicht  auf  die 
Bestimmungen  dorthin  und  lieferte   sie  völlig  verdorben    ab,    wie  zahl- 
reiche   deutsche   Söldner    sofort    bestätigten.      Von    Como    wurde    der 
Deutsche,    sein   Recht    verlangend,    nach   Mailand    gewiesen    und    um- 
gekehrt,  bis   er   heimkehrte    und  von  dort  eine  Supplik  an  den  Herzog 
richtete  *. 

Sehr  lebhaft  war  der  Verkehr  mit  dem  mächtig  aufblühenden  St 
Gallen.  Der  Leinwandhandel  hatte  hier  einen  bedeutenden  Umfang  und 
St.  Galler  Händler  erschienen  sehr  oft  in  Mailand  oder  Como.  Konrad 
Werder  und  Rudolf  Libgut  kauften  Mailänder  Barchent  *.  Daniel  Kapf- 
mann  gingen  in  Como  zwei  Ballen  Leinwand  auf  dem  grofsen  Zolle 
verloren  *. 

Vom  Rheine  her  war  der  Verkehr  gewifs  recht  lebhaft,  jedoch 
kann  ich  nur  Leute  aus  Köln,  Speier  und  Strafsburg  nachweisen. 
Ein  Antonius  de  Colognia  hatte  Schmelztiegel  gekauft^,  er  wohnte  übrigens 
in  Mailand.  Ein  Speierer  Bürger,  Martin  Apotheker,  kauft  1434  in  Como 
acht  Stück  feine  Wolltuche  und  im  gleichen  Jahre  löste  sich  die  Gesell- 
schaft, die  Johannes  Säckinger  von  Strafsburg,  der  im  Kaufhaus  angestellt 
war,  mit  zwei  Kaufleuten  von  Como  hatte,  auf®.  Vielleicht  war  jener 
Fridel  von  Säckingen  aus  Strafsburg  sein  Vater,  der  1424  das  Unglück 
hatte,  mit  seinem  Schiff,  das  mailändische  Barchente  und  geschlagen 
Messing,  die  er  in  Mailand  eingekauft  hatte,  trug,  bei  der  Rheinbrücke 
von  Breisach  auf  einen  Pfahl  zu  stofsen,  so  dafs  das  Schiff  auf  eine 
Sandbank  fahren  mufste,   dort   aber  kraft  des  Grund  ruhrrechtes   in  An- 


'  Urkunden  Nr.  167. 
2  Urkunden  Nr.  198. 
»  Urkunden  Nr.  193  u.  126. 

*  Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrh.  5,  412  f.     1497  Mai  31. 
»i  Urkunden  Nr.  138,  139. 

ö  Urkunde  vom  27.  Dezember  1496  Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrh.  5,  411. 
^  Urkunden  Nr.  161. 

8  Urkunden  Nr.  233  u.  235.    1479  war  Hans  von  Säckingen  Ritter  und  Kon- 
stafler.    Eheberg  Nr.  112. 


Die  Deutschen  in  Mailand  und  Como  nach  ihrer  Heimat.  577 

Spruch  genommen  wurde.  Der  Verunglückte  behauptete,  fünf,  sechs- 
oder  zehnmal  soviel  Gut  sei  auf  dem  Schiffe  gewesen  als  die  Abrechnung 
über  2030  fl.  besaget 

Auch  von  dem  umfangreichen  Handel  der  Berner  und  Freiburger 
haben  sich  Nachrichten  erhalten.  Die  Freiburger,  deren  Tuchhandel 
damals  sehr  erheblich  war,  sandten  nach  Ausweis  zweier  Urkunden  auch 
Häute  nach  Mailand^.  Eine  politisch  so  mächtige  Stadt,  wie  das  da- 
malige Bern,  konnte  seine  Bürger  auch  im  Auslande  kräftig  schützen, 
doch  waren  die  eigentlichen  alten  Berner  weniger  die  Träger  des  Handels 
mit  Italien,  als  vielmehr  die  Glieder  zweier  aus  dem  Mailändischen 
stammenden  Familien,  Pangiani  und  Mai,  von  denen  die  letztere  noch 
heute  blüht.  Sie  hatten  noch  Besitzungen  im  Herzogtume ,  beanspruchten 
aber  auch  die  Rechte,  die  infolge  der  Kapitulate  die  Bürger  von  Bern 
besassen.  Nur  zögernd  gaben  die  Mailänder  nach.  Die  Mai,  die  seit 
1434  in  Bern  nachzuweisen  sind®,  trieben  neben  dem  Warenhandel 
und  dem  Handel  mit  dem  burgundischen  Salz  auch  den  Pferdehandel 
und  zwar  bis  ins  Montferratische ,  derselbe  Johannes  kam  aber  auch  bis 
nach  Rom;  und  die  Mais  suchten  den  grofsen  Diamanten  von  Grandson 
zu  verkaufen,  nachdem  es  den  Irmi  von  Basel  nicht  gelungen  war, 
schliefslich  erwarben  ihn  1492  Genuesen*.  Bartholomäus  Mai,  der  Ratsherr 
wurde,  war  wohl  der  bedeutendste  Kaufmann  des  damaligen  Bern '^,  auch 
in  der  Politik  spielte  der  Mann,  der  viele  Sprachen  beherrschte,  in 
Burgund,  Paris,  Lyon,  Mailand,  Venedig,  Rom  und  am  kaiserlichen  Hofe 
bekannt  war,  eine  bedeutende  Rolle.  Er  war  bei  der  Gesellschaft  der 
Vöhlin  beteiligt  und  wufste  wiederholt  für  sie  die  Stadt  Bern  zu  inter- 
essieren ®. 

Aus  demselben  mailändischen  Distrikte  stammten  die  Pangiani,   die 
schon  1480  vorgaben,  70  Jahre  in  Bern  zu  wohnend     Sie  handelten  mit 


1  Fester  3709,  3885  f. 

2  Urkunden  Nr.  183  u.  184. 

'  Vgl.  die  sehr  sorgfaltige  Studie  von  Mays  S.  2,  der  ganz  eingehend  die  Ver- 
hältnisse der  Familie  auf  Grund  der  Berner  Quellen  schildert. 

*  Vgl.  Urkunden  Nr.  296.  Einen  Geleitsbrief  far  Bariholomacus  de  Madiis  de 
monte  Introüi  von  1479  auf  20  Tage.  Bell.  st.  d.  Svizz.  italiana  11,  77.  Aufenthalt 
in  Rom  1491  Bern,  Deutsches  Briefbuch  G  Fol.  272.  1500  Sendung  von  Gut  ange- 
halten durch  Kardinal  Schinner  ebda.  K  Fol.  100.  Ebenso  wurde  Gut,  das  er  1513 
von  Venedig  nach  Mailand  fertigte,  auf  diesem  Wege  angehalten,  ebda.  N  F.  243. 
Pferdehandel  nach  Montferrat  Lat.  Briefb.  F  Fol.  205.    Im  übrigen  vgl  May  S.  11  ft. 

^  1494  war  er  schon  der  viertreichste  Bemer.    May  48. 

*  Davon  später. 

'  Zollfreiheit  für  Cristoforus  de  Pandiano  beansprucht  1480.  Lat.  Briefb.  B 
Fol  374,  437,  456,  490.  D  Fol.  200.  201.  Empfehlung  Berns  für  Jacobus  de  P.,  Sohn 
des  Domifiicus  de  P.  an  Mailand  und  Venedig  1497.    E  Fol.  236.    Sie  beanspruchen 

Schulte,  Gesoh.  d.  mittelalterl.  Handels.    I.  37 


578  Fünfzigstes  KapiteL 

Reis,  noch  aber  machte  die  mailändische  Regierung  Schwierigkeit  bei 
der  Ausfuhr  des  eben  angebauten  Nahrungsmittels^.  Thomas  Pangiani 
besorgte  auch  die  Einkassierungen  der  von  Venedig  an  Bern  zu  zahlen- 
den Pensionen  ^.  Da  ihn  die  Überschriften  der  Bemer  Brief  bücher  oft 
iBulfermann^  nennen,  war  er  Gewtirzhändler,  er  trieb  aber  auch  Vieh- 
handel *. 

Direkte  Beziehungen  zwischen  Ronstantinopel  und  Bern  vermittelte 
jener  Nikolaus  Graecus,  der  1484  April  einen  Pafsbrief  erhielt,  elf 
Monate  später  aber  mit  Geschenken  des  Sultans  für  den  Schultheifsen 
Wilhelm  von  Diesbach  (an  Balsam  u.  s.  w.)  heimkehrte,  nachdem  er  in 
Mailand  den  herzoglichen  Zöllnern  in  die  Hände  gefallen  war,  die  ihn 
nicht  nach  dem  Wunsche  der  Berner  behandelten*. 

Auch  alte  Berner  Familien  fehlen  jedoch  nicht  völlig,  einem  Johannes 
Rietmann,  der  aus  seinem  Vieh  eine  hübsche  Summe  gelöst  hatte,  wurde 
in  Mailand  in  dem  Gasthause  Heinrich  Pfyffers  seine  Barschaft  ge- 
stohlen ^. 

Nicht  leicht  unterzubringen  ist  ein  ^Andulfus  de  Essa  de  Alaman" 
nia  filius  quondam  d.  Johannis  habitans  in  terra  de  CastilUme  Valis 
Auguste  diocesis  Auguste*,  der  für  1200  U  Imperialen  Gold  und  Silber 
an  einen  Mailänder  verkauft  hatte*.  War  er  ein  Bergmann  oder  nicht 
vielleicht  einer  aus  den  deutschen  Thälern  am  Südfufse  des  Monte 
Rosa?  Ein  Deutscher,  den  man  nur  Pritsche  nannte,  war  schon  1434  in 
Mailand  angesiedelt,  er  handelte  mit  Pelzwerk ^,  sein  Sohn  war  der  Erbe 
eines  Mailänders^. 


sogar  für  die  Güter  der  Pandiano  in  territorio  de  Suelio  MotUis  Introtü  Steuerfrei- 
heit, weil  sie  Berner  Bürger  seien.  £  Fol.  305.  Das  ist  Sueglio  bei  Introzzo  am 
nordöstlichen  Ufer  des  Comersees.  Antonius  von  Pandiano  bestellt  1501  für  seine 
Gesohäfte  in  der  Lombardei  einen  Prokurator.  E  463,  472.  Empfehlung  für  Thomas, 
der  nach  Mailand  in  Geschäften  reist  F  Fol,  13.  Pafs  für  Handel  ins  Mailändische 
G  Fol.  49.  Empfehlung  des  Christoph,  der  nach  Mailand  will,  an  l]ri  Deutsches 
Brief b.  D,  230.  Nach  y.  May  S.  6  starb  die  Familie  schon  Anfang  des  sechzehnten 
Jahrhunderts  aus. 

»  Urkunden  Nr.  307. 

«  1501.    Lat.  Brief b.  F.  Fol.  14.  72. 

«  1503.    Lat.  Brief b.  F  Fol.  120.    Ordnung  der  Pulverlut  erwähnt  May  47. 

*  Pafs  Brief b.  C  Fol.  109.    Beschwerde  ib.  Fol.  202  u.  203.    Vgl.  May  25flF. 

R  Urkunden  Nr.  306. 

«  Urkunden  Nr.  162. 

^  Urkunden  Nr.  158  u.  159. 

»  Urkunden  Nr.  165. 


Como,  Torno,  auch  Mailand.  579 

Einundfünfzigstes  Kapitel. 
Como,  Torno,  auch  Mailand. 

Innige  Verbindung,  Gedicht  des  Bettino  del  Trezzo,  Wollweberei  in  Como  und 
Torno.  Deutsche  Verleger,  namentlich  aus  Ulm,  Belästigung  und  Verlegung  der 
Fabriken.  Niedergang  van  Torno.  Gesellschaften  am  Zoü  von  Basel,  —  Andere  Deutsche 
in  Como  und  Mailand :  Soldaten,  Wirte,  Steinmetzen  u.  s.  «?.,  Handwerker,  —  Gemischte 
Gesellschaften.    Säckingen- Mtigiasca.    Koler-Krefs-Saronno. 

Alles  das,  was  ich  im  vorigen  Kapitel  aufführte,  sind  aber  Zeug- 
nisse, die  nur  ein  glücklicher  Zufall  uns  gerettet  hat,  und  nichts  wäre 
verkehrter,  sie  als  lückenlos  anzusehen.  Wir  müssen  uns  Mailand  wie 
Como  in  einem  ständigen  Verkehre  mit  Deutschland  denken  und  nament- 
lich auf  den  Messen  war  die  deutsche  Sprache  zu  hören  gewifs  keine 
Seltenheit  Ja,  es  stellte  sich  hier  ein  so  starkes  Bedürfnis  nach  einem 
deutsch  -  italienischen  Wörterbuche  heraus ,  dafs  ein  solches ,  das  1498  | 
zum  erstenmal  in  Mailand  erschien ,  1501  schon  neu  aufgelegt  werden 
muTste  und  in  ihm  ist  auf  die  Kaufleute  ganz  besonders  Rücksicht  ge- 
nommen ^.  So  sehr  gehörten  deutsche  Kaufleute  zum  Städtebilde  von 
Como,  dafs  Bettino  da  Trezzo  in  seiner  Schilderung  der  Pest,  die  1485 
Mailand,  Como,  Lodi  und  Pavia  heimsuchte,  bei  Como  die  Lage  der 
deutschen  Kaufleute  schildert,  die  von  der  Pest  in  Como  überrascht 
wurden  und  ihrem  Handel  nicht  weiter  nachgehen  konnten.  Der  Dichter 
führt  sie  mit  ihrem  Deutsch  ein: 

Verflucht  sy  das  gluk,  das  utiser  hat  verborghen 
Dtn  rechten  weg  zu  kumen  user  diser  sorghen^. 


^  »Questo  sie  uno  libro  utilissimo  a  chi  se  dilecta«  u.  b.w.  Die  erste  Aus« 
gäbe  ohne  Jahr  und  Ort  auf  der  Stadtbibliothek  zu  Breslau,  die  zweite  Mediolani, 
Pilizoni  auf  der  Trivulziana  in  Mailand. 

"LetilogiadelTrez  {Mediolani  Zarotto,  1488  4«)  nach  Mitteilung  von  Mo tta : 
Bestati  eran  Thodeschi  in  su  Ihospicio 
Cum  merce  di  valor:   et  cum  speranza 
De  dargli  spazo:  ma  nhebber  fcUlanza 
Perciö  che  repentino  fö  el  smaricio. 
Qual  dette  da  pensar  ala  brigcUa 
De  Star  remissa:   senza  mercantare 
Senza  far  facti:  et  senza  tripeUare 
Cum  girsen  fuor  o  dentro  star  serata, 
Non  era  chi  sapesse  provedere 
Ä  tal  exterminata  lesione 
SicM  Thodeschi  in  gran  desperatione 
Essendo  de  pcrsone:  et  de  Ihavere: 
Tra  lor  cosi  dicevan  thodescando. 
Verflucht  sy  das  gluk  das  unser  hat  verhorghen 
Den  rechten  weg  zu  humer^  user  diser  sorghen 

87* 


580  Eioondfünfzigstes  Kapitel. 

Como  hatte  in  der  That  fiir  die  Deutschen  nicht  allein  eine  Be- 
deutung, weil  es  der  nächste  Markt  in  Italien  war  und  zum  übrigen 
Italien  den  bequemsten  Zutritt  gewährte,  weil  die  St  Abondiusmesse  (An- 
fang April)  über  einen  gewöhnlichen  Jahrmarkt  hinausging,  nur  hier 
allein  —  von  den  Bergwerken  abgesehen  —  blieb  der  Deutsche  nicht 
allein  Kaufmann ,  sondern  er  wurde  Unternehmer,  er  organisierte  hier 
Verlagssysteme.  Ja,  sie  haben  hier  eine  Zeitlang  den  Markt  beherrscht 
und  ich  mufs  deshalb  auf  die  Geschichte  der  Wollweberei  in  Como  und 
Umgebung  etwas  näher  eingehen. 

Die  altberühmte  Comasker  Wollweberei  hatte  durch  die  Unruhen 
nach  dem  Tode  Giovan  Galeazzos  eine  schwere  Einbulse  erlitten.  Es 
war  aber  wohl  ebenso  eine  Übertreibung,  wenn  die  Comasken  1426  fiir 
einen  ihrer  Bürger  eintraten,  weil  er  einer  der  wenigen  übrig  gebliebenen 
Wollenweber  sei^,  wie  der  Venetianer  Doge  Tommaso  Mocenigo  auch 
wohl  nicht  bei  der  Wahrheit  blieb,  als  er  1423  erklärte,  allein  nach 
Venedig  würden  jährlich  von  Como  12000  Stück  Tuch,  das  Stück  fünf- 
zehn Dukaten  wert,  eingeführt*.  An  dieser  Einfuhr  beteiligten  sich 
übrigens  auch  deutsche  Kaufleute*.  Die  Fabrikation  war  damals  jeden- 
falls sehr  bedeutend,  begünstigt  wurde  sie  durch  die  1433  gewährte  zoll- 
freie Ausfuhr  nach  Genua*.  Ein  vortreflFliches  Bild  geben  die  von  mir 
eingesehenen  Akten  des  Notars  Francesco  Cermenate*.  Es  wurde  nicht 
allein  lombardische  Wolle  versponnen,  sehr  viel  deutsche,  mit  der  auch 
Italiener  —  wie  selbst  die  Borromei  —  handelten^,  doch  auch  recht  er- 
hebliche Quantitäten  englischer  Wolle  sind  mir  begegnet  Bei  26  An- 
gaben für  deutsche  Wolle  betrug  der  Preis  zwischen  144  W  9  jff  Imp. 
und  266  €6  6  jS  im  Durchschnitt  221  €6  6  JS,  während  die  Preise  in 
englischer  Wolle,  die  ich  mir  notierte,  für  den  gleich  grofsen  Ballen 
zwischen  626  und  720  €S  schwanken.  Um  die  Preise  herabzusetzen^ 
baten  die  Comasken  1424  den  Herzog,  ihnen  zu  verstatten,  den  Woll- 
händlem  bestimmte  Eisensorten  zum  Eintausch  zu  geben,  was  der  Herzog 


3Ial  nhaggia  la  fortutia  che  ne  preme 

Chen  tien  dussir  daffani  senza  spetne 

Perche  nondar  cd  mal  mültiplieando, 
Poi  biastemando  givan  versol  la  che 

Turbati  non  sapendo  altro  que  fare 

Et  erano  per  darsi  dl  desperate.    (Arch.  stör.  lomb.  25,  376.) 
1  Kovelli  3,  1,  75. 
«  S.  oben  S.  569. 
»  Thomas,  Capitolare  S.  272. 
*  Rovelli  3,  1,  104. 
»  Vgl.  Urkunden  Nr.  200—245. 

«  So  hielt  sich  1429  Johannes  Bonromey  mercator  Mediolani  mit  deutscher  Wolle 
längere  Zeit  in  Como  auf.    Akten  des  Notars  Francesco  Cermenate. 


Como,  Torno,  auch  Mailand.  531 

unter  Aufrechterhaltung  der  Sperre  gegenüber  Toskana  gestattete*.  Es 
ist  im  einzelnen  nicht  festzustellen,  ob  diese  Wolle  nur  als  Transitware 
verkauft,  oder  in  Como  versponnen  und  verwebt  wur4e.  Nach  den  Nach- 
richten Rovellis  scheint  man  dort  namentlich  sich  auf  das  Spinnen  ver- 
legt zu  haben. 

Einen  sehr  erheblichen  Anteil  an  der  Industrie  hatte  das  Land,  vor 
allem  der  Flecken  Torno,  der  am  Gestade  des  Sees  einige  Wegstunden 
weit  von  Como  Hegt,  wo  seit  1404  die  Leute  von  Torno  auch  das 
Bürgerrecht  hatten*^.  Heute  sieht  man  es  dem  Flecken  nicht  mehr  an, 
wie  fleifsig  hier  einst  die  Spindel  und  der  Webstuhl  benutzt  wurde. 
Das  Gebiet  von  Como  war  auf  die  Industrie  angewiesen,  schon  damals 
vermochte  die  gebirgige  Landschaft  sich  nicht  zu  ernähren,  es  bedurfte 
einer  behördlich  geregelten  Zufuhr  von  Lebensmitteln.  Die  gewerbliche 
Arbeit  hat  das  auch  im  Mittelalter  ausgeglichen ,  denn ,  wenn  Händler 
aus  Cernobbio,  Perlasco  und  Nesso,  neben  solchen  aus  Saronno,  Bergamo, 
Padua  und  Casale  im  Montferrat  Wollballen  und  gelegentlich  auch 
anderes  von  deutschen  Händlern  kreditiert  erhielten,  so  spricht  das  für 
altgewohnte  intensive  Handelsbeziehungen,  gerade  in  Torno  herrschte 
der  deutsche  Kaufmann  ®.  Ganz  von  selbst  entwickelte  sich  das  Verlags- 
system, das  vielleicht  schon  in  diesen  Schuldbriefen  Cermenates  sich 
verbirgt.  Wenn  die  Leute  von  Torno  statt  mit  Geld  die  Wolle  mit 
dem  daraus  gefertigten  Tuche  bezahlten  oder  überhaupt  der  Schein 
eines  doppelten  Verkaufes  erhalten  wurde,  haben  wir  den  Übergang 
zum  Verlagssystem,  in  dem  der  ehemalige  Handwerker  nur  noch 
einem  Händler  produziert  oder  die  Bauernfamilie  in  diese  Abhängig- 
keit tritt. 

Schon  für  1480  ist  uns  bezeugt,  dafs  dieses  System  dominierte*. 
Um  herzogliche  Auflagen  abzulehnen,  wiesen  die  Comasken  auf  den  ge- 
ringen Umfang  ihres  Handels  hin,  der  zum  gröfseren  Teile  mit  dem 
Gelde  und  den  Waren  deutscher  und  fremder  Kauf  leute  betrieben  werde. 
Ich  glaube,  man  wird  nach  den  jüngeren  Angaben  rückwärts  so  inter- 
pretieren dürfen.  Das  Wollgewerbe  war  damals  übrigens  dadurch  bedroht, 
dafs  die  Ausfuhr  nach  Mailand  und  anderen  Orten  untersagt  war*,  das 
aber  mufste  der  Ausfuhr  nach  Deutschland  zu  gute  kommen.  Als  der 
älteste  deutsche  Händler,  der  jahrelang  in  Como  safs,    ist  ein  Christian 


»  Urkunden  Nr.  194. 
3  Rovelli  3,  1,  76. 

8  Urkunden  Nr.  215,  221,  223,  224,  225,  229,  232  u.  241.   Tome  betreffen  unter 
den  46  nicht  weniger  als  20  Stück.    Vgl.  Urkunden  Nr.  102. 
*  Rovelli  3,  1,  348. 
5  Dekret  von  1357.    Rovelli  3,  1,  317. 


582  Einondfuiifzigstes  KapiteL 

von  Ulm  anzusehen  y  der  1475  indirekt  dem  Herzoge  von  Mailand  Nach- 
richten  über  den  Gang  der  politischen  Ereignisse  zukommen  liefs^. 

Am  Ende  des  Jahrhunderts  war  das  Wollgewerbe  namentlich  in 
Tomo  in  den  Händen  der  Deutschen,  der  fast  gleichzeitige  Francesco 
MurpJto  ^  schreibt  es  in  seiner  Chronik  gerade  heraus,  die  grolsen  deutschen 
Geselbchaften  hätten  ursprünglich  nach  Como  Faktoren  geschickt,  um 
Tücher  zur  Ausfuhr  nach  Deutschland  zu  kaufen ,  dann  hätten  sie  ge- 
wagt, selbst  die  Wolle  zu  kaufen  und  auf  ihre  Kosten  Tücher  verfertigen 
zu  lassen.  Der  Herzog  Lodovico  Moro  hatte  alles  Interesse  für  die 
Hebung  der  Industrie,  er  erliefs  am  17.  Juli  1493  ein  Dekret,  dafc  dem, 
der  eine  Wollen warenfabrik  anlegen  wolle,  der  Nachbar,  der  ein  dafUr 
geeignetes  Haus  besitze,  dasselbe  einzuräumen  habe'.  Aber  fremde 
Raufleute  wollte  er  nicht  dulden,  und  als  sich  die  Comasker  Ronkurrenten 
über  die  Deutschen  beschwerten,  erfolgte  ein  Befehl,  der  besonders  auf  eine 
Ulmer  Firma  gemünzt  gewesen  zu  sein  scheint  Wenigstens  lälst  die  zweite 
Supplik  der  Gesellschaft  Martin  Scheler  und  Johann  Gienger  von  Ulm 
das  vermuten*.  Die  erste*  ist  unmittelbar  nach  dem  Verbot  aufgesetzt  und 
besagt,  die  jetzige  Praxis  sei  seit  unvordenklichen  Zeiten  geübt  worden, 
vorwiegend  in  Como  aber  auch  sonst  hätten  sie  unendliche  Quantitäten 
Wolle  verkauft  und  die  daraus  gefertigten  Tuche  wieder  gekauft,  die 
zweite  macht  den  Eindruck,  als  sei  das  Verbot  ein  eingeschränkteres 
gewesen.     Leider  ist  das  betreflFende  Statut  von  mir  nicht  gefunden. 

Die  Chronik  des  Muraltus  berichtet  den  Streit  zum  Jahre  1498.  Er 
habe  sich  zwischen  den  Comasker  Raufleuten  und  den  deutschen  er- 
hoben, die  letzteren  bezeichnet  er  als  Oermanos  inferioris  Oallae  helgicae. 
Muralt  hatte  Deutsehland  nicht  gesehen,  er  verwechselte  die  Heimat  der 
Ware  mit  der  der  Händler-,  denn  er  selbst  redet  von  der  Gesellschaft 
der  Vöhlin  und  Fugger®.  Der  Herzog  Lodovico  habe  den  Raufleuten 
das  Verlagssystem  generell  verboten  und  1510  habe  Rönig  Ludwig  XTT, 
von  Frankreich,  damals  Herr  des  Mailändischen,  den  Deutschen  die 
Fabrikation  von  Wolltüchern  verboten,  was  den  Comaskem  grofsen 
Schaden   gebracht  habe^.     Auch   in  der   Zwischenzeit  hatten   die   deut- 

^  Ging  ins  1,  173.     »Gia  molti  anni  fa  in  qiiesta  terra  sta  uno  ChrisHano  o/o- 
mano  da  Ohno  *     Vgl.  auch  Urkunden  Nr.  79. 
8  S.  56. 
»  Pavesi  26. 

*  Urkunden  Nr.  129.  Der  Chronist  Muraltus  läfst  eine  wunderbare  Natur- 
erscheinung sich  vor  allem  in  den  Gebieten  von  Ulm,  Konstanz  und  Köln  abspielen. 
Diese  Kaufleute  kamen  also  nach  Como,  denn  auf  ihr  Zeugnis  beruft  er  sich,  S.  79. 

»  Urkunden  Nr.  128. 

•  Muraltus  105  »titi  est  societas  nia^na  Fekhin,  Focanorum,  Fucher  et  altere 
permultae  societates*. 

"^  Muraltus  56. 


Como,  Tomo,  auch  Mailand.  5g3 

sehen  Eauflente  den  Markt  von  Como  beherrscht,  denn  sie  brachten  die 
Wolle  und  zwar  nicht  etwa  ausschliefslich  über  die  Alpen ,  sondern  auch 
aus  anderen  Gebieten.  Muraltus  erzählt  von  den  grofsen  deutschen 
Handelsgesellschaften,  welche  tiberall  Handel  trieben  vor  allem  mit 
Tuchen  und  in  mercibus.  Sie  hätten  in  Como  ihre  Faktoren  gehabt,  die 
Wolle  aus  der  Provence,  von  Spanien,  England  brachten  und  über  Mantua 
die  veronesische  bez.  deutsche  Wolle,  deren  Ausfuhr  Venedig  verboten, 
einschmuggelten,  der  direkten  Einfuhr  deutscher  Wolle  gedenkt  er  nicht. 
Für  die  Wolle  lösten  sie  Tuche  von  verschiedener  Farbe  und  bester 
Qualität  ein,  um  sie  nach  Deutschland  zu  verbringen.  Der  Handel  sei 
so  bedeutend,  dafs  er  sich  auf  mehr  als  50000  Dukaten  belaufe. 

Als  1507  Maximilian  auf  dem  Konstanzer  Reichstag  sich  bemühte, 
die  Eidgenossenschaft  zu  einem  Bündnis  zu  gewinnen,  das  die  franzö- 
sische Herrschaft  im  Mailändischen  bedrohte,  flüchteten  die  deutschen 
Kauf  leute  aus  dem  Herzogtum  Mailand  fort,  das  Geschäft  in  Como  stockte 
und  Muralt  brach  in  die  Worte  aus:  Gott  helfe  uns,  wir  müssen  die 
Stadt  noch  verlassen,  wenn  der  Kriegslärm  kein  Ende  nimmt.  Der 
Chronist  beklagt  vor  allem  den  Tod  des  Faktors  der  Vöhlin  Michael, 
der  bei  dem  Färbermeister  Bernardino  Galli  gewohnt  habe  und  bei 
dieser  Flucht  ums  Leben  kam.  Er  habe  grofsen  Handel  in  Como  ge- 
trieben, sei  von  unverbrüchlicher  RechtschaflFenheit  gewesen,  freigebig 
und  gegen  die  Kauf  leute  gütig  ^ 

Und  auch  1510  bei  Gelegenheit  der  Einführung  der  Seiden industrie 
in  Como  hebt  Muralt  wieder  hervor,  dafs  die  Glanzzeit  Comos  und  Tornos 
von  der  Wollmanufaktur  und  diese  von  den  deutschen  Kaufleuten  ab- 
hänge*. Tornos  Niedergang  stand  unmittelbar  bevor,  1515  wurde  der 
Ort  von  den  Schweizern  und  den  Feinden  der  Franzosen  furchtbar  ge- 
plündert*, und  konnte  sich  nicht  mehr  völlig  erholen.  Zwar  gingen  auch 
jetzt  noch  die  Kauf  leute  ^  von  Torno  mit  ihren  Tuchen  auf  die  deutschen 
Messen  —  1518  wurden  sie  auf  dem  Comersee  ausgeplündert*.  Und 
in  den  Nachrichten  über  Baseler  Zollermäfsigungen  erscheint  Torno  auch 
später  noch*. 

.  Das  Wollgewerbe  erhielt  sich  in  Como  noch  im  sechzehnten  Jahr- 
hundert in  Flor  —  1580  wurden  1313  Ballen  span.  Wolle  und  789  deut- 
scher Herkunft  eingeführt*  —  immer  mehr  wich  dieser  Textilzweig  dem 


1  Muraltus  104  f. 

2  130  f. 

3  Muraltus  192  f. 
^  Muraltus  215. 

^  S.  unten  S.  584  f. 
«  ßovelli  3,  2,  107. 


584  Einundfünfzigstes  Kapitel. 

lohnenderen,  der  heute  Como  beherrscht,  der  Seidenspinnerei  und 
-Weberei,  die  1510  in  Como  eingeführt  bez.  wiedereingeführt  wurdet 

Die  deutschen  Kaufleute  scheinen  schon  seit  1500  zurückzuweichen. 
Jedenfalls  haben  die  Ulmer  nicht  ihre  alte  Stellung  wieder  erlangt. 
Martin  Scheler  hatte  bis  dahin  die  Überlegenheit  der  italienischen  Technik 
und  vielleicht  auch  die  billigeren  Löhne  ausgenützt,  jetzt  wollte  er  sie 
in  seine  Heimat  tibertragen.     Er  hatte  —  so  erzählt  Marchthalers  Chronik 

—  am  Coraersee  die  Sammetfabrikation,  die  in  Deutschland  damals  noch 
nicht  bekannt  war,  kennen  gelernt.  1515  errichtete  er  unter  dem  Schutze 
des  Rates  von  Ulm  eine  Sarametfabrik  ^,  nach  den  Angaben  der  Chronik 
handelte  es  sich  um  Wollenplüsch  und  es  wäre  also  wohl  denkbar,  dafs 
auch  schon  am  Comersee  die  Gesellschaft  diesen  Stoff  produziert   hatte. 

Martin  Scheler  brachte  nach  dem  Zeugnisse  Wilhelm  Rems  aus 
Italien  Leute  mit,  die  spinnen,  wirken  und  färben  mufsten  und  die  er 
dann  allmählich  durch  eingelernte  Arbeitskräfte  ersetzte,  und  weiter  be- 
richtet er,  dafs  das  Geschäft  der  Statneii-erzeixgixng  grofsen  Nutzen  brachte 
und  sich  viele  Leute  mit  ihm  ernährten^. 

Como  und  Torno  sind  begreiflicherweise  vor  allem  unter  den  Gesell- 
schaften vertreten,  die  zwischen,  1510  und  1533  mit  der  Stadt  Basel  über 
besondere  Zollsätze  für  den  Durchgangsverkehr  sich  einigten*.  Nur  bei 
einzelnen  ist  angegeben,  dafs  es  sich  um  „Fertigung  von  fremden  Waren" 
handelt,  doch  dürfte  das  auch  bei  andern  der  Fall  gewesen  sein.  Die  Stadt 
Como  ist  —  die  Gesellschaften  setzen  sich  zum  Teil  aus  verschiedenen 
Orten  zusammen,  wie  dieselben  Familien  an  mehreren  Orten  vertreten  waren 

—  durch  sieben  Familien  vertreten,  darunter  die  Mugiasca,  die  schon 
80  Jahre  vorher  eine  Gesellschaft  mit  einem  Strafsburger  hatten,  die 
bereits  eine  Transportgesellschaft  gewesen  sein  könnte^,  wie  es  ausge- 
sprochen die  von  1510  war,  die  auch  zu  Genua  und  Mailand  Güter 
aufnahm.  Von  einem  dieser  Mugiasca  giebt  Muralt  ein  Bild.  Aloysius 
Mugiasca  sei  der  gröfste  Wollentuchhändler  von  Como  gewesen,  der 
seinen  Handel  in  Rom  und  Ober-  und  Niederdeutschland,  vor  allem  in 
Frankfurt  betrieben  habe.  Er  habe  bei  seinem  Tode  (1510)  einen  Be- 
sitz von  70000  Dukaten  hinterlassen,  sei  aber  so  sparsam  gewesen,  dafs 
er  kaum  habe  etwas  essen  wollen®.  Die  andern  Gesellschaften  vom 
Baseler  Zoll   betreffen  Torno   mit   vier,    Mailand    mit   drei,   Genua   und 


1  Muraltus  130.    Rovelli  3,  1,  397. 

2  Nübling,  Ulms  Baum  Wollweberei  161;  Ulms  Kaufhaus  162  f. 

^  Chroniken  der  deutschen  Städte  25»  24.    Die  Leseart  „Rom"  ist  wohl 
nichts  als  ein  Lesefehler  für  „Kom". 
*  Urkunden  Nr.  316. 
^  Urkunden  Nr.  235. 
ö  Muraltus  131. 


Cotno,  Torno,  auch  Mailand.  585 

Lucca  mit  je  einer,  Bergamo  mit  vier,  Chur  und  Luzern  mit  je  zwei 
Familien.  Die  de  Sala  wohnten  in  Torno  und  Luzern,  auch  die  andere 
Luzemer  Firma  war  von  Torno,  die  Gall  von  Como  hatten  einen  Vertreter 
in  Konstanz  wohnen,  von  dem  später  zu  reden  ist^ 

Como  hat  in  älterer  Zeit  ja  auch  eine  selbständige  Handelspolitik 
treiben  können,  in  der  Regel  ging  jedoch  die  Stadt  mit  der  mächtigen 
Nachbarin  Mailand,  wenn  sie  auch  wohl  eigene  Gesandten  denen  Mai- 
lands beigiebt.  Nur  einmal  warb  sie,  soweit  sich  sehen  läfst,  allein:  1415  als 
Thomas  Saflferon  für  die  Erneuerung  des  Saarbrückener  Weges  wirkte  ^. 

Neben  den  Kaufleuten  gab  es  in  Mailand  eine  ständige  deutsche  Be- 
völkerung, die  an  Zahl  nicht  unterschätzt  werden  darf.  Ich  sehe  hier 
ganz  ab  von  den  zahlreichen  deutschen  Söldnern  und  Landsknechten,  die 
hier  im  Dienste  der  Visconti  und  Sforza  standen.  Mir  sind  recht  häufig 
deutsche  Namen  in  den  Akten  begegnet.  Schon  sehr  früh  nehmen  die 
den  Mailändern  gewährten  Privilegien  darauf  Rücksicht,  dafs  nicht  ein 
ehemaliger  Söldner  sich  für  Soldrückstände  an  den  Kaufleuten  schadlos 
halten  dürfe.  Und  schon  Vitoduran  konnte  erzählen,  dafs  die  leicht- 
sinnige männliche  Jugend  der  Bodenseestädte,  die  ihr  Geld  durchgebracht 
hatte,  nach  Lindau  kam,  um  von  dort  nach  der  Lombardei  in  Kriegs- 
dienste zu  gehen®.  Auch  Pfeifer  und  Musiker  waren  nicht  selten  deutscher 
Herkunft,  wie  ebenfalls  zahlreiche  Stallknechte. 

Es  gab  in  Mailand  manch  deutschen  Wirt,  so  wohnte  Ulrich  von 
Ensingen,  der  bekannte  Strafsburger  Münsterbaumeister,  als  er  nach 
Mailand  zum  Bau  des  Münsters  berufen  wurde,  zuerst  bei  Johannes  ieu- 
tonicus  hospes  ad  spaiam,  „Zum  Breitschwert"  war  ein  guter  Wirtsschild 
für  eine  Herberge  und  Kneipe  deutscher  Ritter  und  Landsknechte*. 
1490  hielt  der  Luzemer  Heinrich  PfifFer  in  Mailand  ein  Gasthaus  **. 

Mit  Stolz  erfüllt  es  uns,  dafs  eine  Reihe  deutscher  Meister  den  Bau 
des  Domes  von  Mailand  geleitet  oder  an  ihm  gearbeitet  hat. 

Auf  die  Buchdrucker  und  Buchhändler,  welche  wie  überall,  auch  in 
Mailand  zunächst  Deutsche  waren,  gehe  ich  grundsätzlich  nicht  ein®. 
Das  Gleiche  gilt  von  den  Studenten,  die  auf  dem  Wege  nach  Pavia  oder 
Bologna  Mailand  berührten. 

Wie   es   in   Deutschland   italienische  Ärzte  gab,   fehlten   doch   auch 


^  »Capüula  mercatores  (!)  conducentis  a  partibus  oUramontanis  et  aliis  partibus* 
von  1454  erwähnt  Gaddi  84.    Leider  habe  ich  mir  daraus  keine  Notizen  gemacht. 

2  S.  oben  S.  427. 

8  Joh.  Vitoduranu8  ed.  v.  Wyfs  199. 

*  Annali  della  fabbrica  del  Duomo.    9  Voll.    Milano  1877—81. 

^  Urkunden  Nr.  306.    Bernhard  v.  Nürnberg  s.  oben  S.  573  f. 

®  Nebenbei  erwähnt  steht  in  Reg.  Panigarola  H  Fol.  249  das  Testament  des 
Buchdruckers  Petrus  Ugleymer  de  Franckfordia. 


586  Einondfonfzigstes  Kapitel. 

deutsche  in  Italien  nicht     1504  starb   in  Mailand  ^laboriosus  ei  praiicus 
vir  magisier  de  Lorenbergo,  qui  pro  civiiate  peruiilis  hinc  reiro  fuiU  *. 

Eine  Korporation  deutscher  Handwerker  ist  bisher  in  Mailand  nicht 
nachgewiesen.  An  solchen  Leuten  war  gewifs  kein  Mangel.  Ich  kann 
da  einen  Wollkratzer  und  WoUscheerer  Nikolaus  von  Brügge  nachweisen, 
wie  für  einen  ^Wollweber  gar  zwei  Arbeitsverträge  sich  erhalten  haben  ^. 

Deutsche  Uhrmacher  waren  hoch  angesehen,  so  ward  1451  ein 
deutscher  Bruder  Kaspar  als  Wächter  der  Uhr  della  Corte  delV  Arengo 
angestellt  und  1461  wurde  der  Uhrmacher  Meister  Johann  zum  Fami- 
liären erhoben.  80  Jahre  früher  hatte  die  Gräfin  von  Vertus  den  maesiro 
Bono  di  Alemagna  cdllegaro  (Schuster?)  in  gleicher  Weise  ausgezeichnet 
Zahlreicher  waren  auch  deutsche  Goldschmiede,  und  1466  wurde  der 
Goldschläger  Peter  von  Köln  Bürger  von  Mailand^. 

Die  mailändischen  bez.  Comasker  Kaufleute  haben  sich  in  vielen 
Fällen  mit  Fremden  zu  Handelsgesellschaften  verbunden.  Die  Vorteile 
liegen  auf  der  Hand;  jeder  vertrat  in  seiner  Heimat  die  Interessen  der 
Gesellschaft  und  die  Kosten  der  Reisen  wurden  erspart.  Ausführbar  war 
das  aber  nur  dann,  wenn  beide  Teile  den  ernsten  Willen  hatten,  den 
Vertrag  auszuführen,  denn  noch  gab  es  ja  keine  Möglichkeit,  die  andere 
Partei  durch  das  Gericht  zu  zwingen.  Diese  Gesellschaften  liefern  also 
den  Beweis,  wie  stark  die  Ehrlichkeit  und  Treue  im  Geschäftsverkehr 
war.  Das  älteste  Beispiel  einer  so  gemischten  Handelsgesellschaft  geht 
schon  in  das  Jahr  134B  zurück,  die  Beteiligten  wohnen  auch  alle  in 
Sitten,  zwei  von  ihnen  stammten  jedoch  aus  der  Lombardei.  Die  Gesell- 
schaft, die  mit  einem  Kapital  von  600  fl.  arbeiten  wollte,  hatte  vor,  be- 
sonders Tuchhandel  zu  treiben,  die  Dauer  war  nur  auf  ein  Jahr  festgesetzt*. 
Jene  Gesellschaft,  welche  der  Strafsburger  Johann  Säckinger  mit  dem  sehr 
bekannten  Hause  der  Mugiasca  von  Como  hatte,  wurde  1434  aufgelöst. 
Dabei  blieb  den  Comasken  das  Gut,  während  der  Strafsburger  9280  (t 
erhielt  ^, 

Diese  Handelsgesellschaft  glaube  ich  mit  einem  Stücke  der  Strafs- 
burger Kaufhausordnung  in  Zusammenhang  bringen  zu  müssen.  Es 
heifst  da:  ^Lampparier  gät  vardel.  Item  Meyelon,  Kume,  Florencie^  Luckej 
Hohetiseen^  Bise^  Dielherichs  Bern,  Venedie,  Yennow,  Asidesan,  item  alles 
Bemünt,  —  Item  die  vorgeschribene  stett  gent  alle  ganczen  zolle  für  ee 
f/irend  über  das  gebirge.   —   Item  von  dem  selben  zolle  gehört  Friderich 


1  Ar  eh.  stör.  lomb.   18,  256.     Er   wird   auch   Dionigi  da   Noritnberga   detto 
CasteUano  genannt. 

«  Urkunden  Nr.  160,  187  u.  180. 

^  Motta  in  Archivio  stör,  lombardo  19,  996 f. 

*  Gremaud  32,  364  f. 

*  Urkunden  Nr.  235. 


Como,  Torno,  auch  Mailand.  5g7 

von  Seckingen  und  Hanns  Fridel  sin  sün  und  Claus  Bdschewilre  und  Vischer 
Hans  seligen  kinden  der  vierd  Pfennige  ^röc 

Was  ist  der  Sinn  dieser  Zollvergütung  von  25  ^/o  gegenüber  Leuten, 
die  in  der  Geschichte  Strafsburgs  keinerlei  Rolle  spielen?  Waren  das 
vielleicht  Fuhrleute,  welche  vorwiegend  den  Verkehr  mit  diesen  Städten 
—  Hohenseen  ist  Siena,  wie  Bise  Pisa  —  vermittelten?  Erhielten  sie 
dafür  eine  Prämie,  dafs  sie  diesen  internationalen  Verkehr  möglichst 
förderten  und  war  also  die  Gesellschaft  Säckinger-Mugiasca  ein  Transport- 
unternehmen? Jede  Bestätigung  oder  Abweisung  wäre  von  höchstem 
Werte. 

An  einer  mailändischen  Gesellschaft,  die  mit  englischer  Wolle 
handelte,  war  ein  Deutscher  Konrad  Misner  beteiligt  ^  Eine  andere  Ge- 
sellschaft, deren  Gründungsvertrag  sich  erhalten  hat,  setzte  sich  aus 
einem  Martin  Penni  von  Ofen  und  drei  Mailändern  zusammen,  sie  wollten 
in  Ungarn  Handel  treiben^. 

Am  allerbesten  kennen  wir  eine  solche  internationale  Gesellschaft 
aus  dem  Anfange  des  sechzehnten  Jahrhunderts,  da  sich  nicht  allein 
mehrere  ihrer  Geschäftsbücher  erhalten  haben,  sondern  auch  der  Gesell- 
schaftsvertrag selber*.  Sie  bestand  aus  Jörg  Koler  dem  älteren,  der  als 
ihr  Regierer  die  oberste  Leitung  hatte,  Jörg  Krefs  —  dessen  Bücher 
zum  Teil  erhalten  sind  —  und  Ambrosius  von  Saronno,  der  das  Lager 
in  Mailand  hielt,  doch  finden  sich  auch  andere  Glieder  der  Nürnberger 
Familie,  namentlich  Christofi'el  Koler,  in  den  Büchern  erwähnt,  offenbar 
als  Lehrlinge  u.  s.  w. ;  Wolf  Löffelholz  hatte  bei  ihr  eine  Einlage.  Die 
Höhe  des  Kapitals  ist  weder  in  dem  Vertrage  noch  in  den  Büchern  an- 
gegeben, läfst  sich  auch,  da  das  „Gemeinbuch^  fehlt,  nicht  berechnen. 
Die  Rechnung  zwischen  den  Beteiligten  sollte  jährlich  stattfinden,  doch 
fand  1507  die  dritte,  1509  die  vierte  und  1511  die  fünfte  Abrechnung 
statt;  am  23.  Oktober  1511  ritt  Ambrosius  nach  erfolgter  *zertailung^  der 
Gesellschaft  heimwärts*.   Zu  den  Abrechnungen  kam  Ambrosio  nach  Nüm- 


»  Urkunden  Nr.  244. 

8  Urkunden  Nr.  174. 

*  Der  Gesellschafts  vertrag  Urkunden  Nr.  399.  Weiter  hatte  Justizrat  Frei- 
herr von  Krefs  die  grofse  Güte,  mir  folgende  Stücke  längere  Zeit  zugänglich  zu 
machen:  1)  Rechnung  gehalten  von  Jörg  Krefs  in  Mailand  in  Form  einer  Bilanz 
seines  Kontos;  2)  Numerabüchlein  geführt  von  Jörg  Krefs,  in  seiner  Abwesenheit 
von  anderen,  1.  Januar  1507  bis  März  1511,  Aufzählung  aller  Ballen  u.  s.  w.,  die 
nach  Mailand  abgingen,  mit  Angabe  der  Transporteure;  3)  Brief büchlein,  ebenso 
für  die  Briefe,  bis  Oktober  1511  gehend;  4)  Manuale,  geführt  als  Journal  von  Jörg 
Krefs  1507—1511.  Die  Bücher  sind  aufserordentlich  peinlich  gefahrt  und  legen  schon 
in  ihrem  Aufsem  den  Beweis  für  die  kaufmännische  Ordnungsliebe  des  Jörg  Krefs 
ab.  Eine  genauere  Bearbeitung  würde  für  einen  Nürnberger  eine  schöne  Aufgabe  sein. 

^  Schlufs  des  Briefbüchleins. 


588  Einundfunfzigätes  Kapitel. 

berg  geritten,  wie  auch  die  andern  Gesellschafter  öfter  nach  Italien  reisten, 
einmal  hatten  Jörg  Krefs  und  Ambrosius  eine  Zusammenkunft  in  Fisch- 
prunn  (Vicosoprano?).  Ks  will  mir  scheinen,  dafs  die  Gesellschaft  1500 
gegründet  wurde,  statt  der  jährlichen  Abrechnung  aber  eine  zweijährige 
persönliche  Abrechnung  einführte,  wobei  die  Bücher  aber  für  das  Jahr 
geführt  wurden.  Es  hätte  alsdann  im  Jahre  1507  die  Gesellschaft  eine 
neue,  verlängerte  Periode  begonnen  und  dazu  stimmt  es  auch,  dafs 
JVMwera-Büchlein,  Briefbüchlein  und  Manuale  nur  die  Zeit  vom  1.  Januar 
1507  bi«  ins  Jahr  1511  umfassen.  Der  Vertrag  hätte  demnach,  da  er 
auf  vier  Jahre  lautet,  die  zweite  Periode  beherrscht 

Wie  weit  der  Vertrag  als  typisch  zu  gelten  hat,  ist  nicht  leicht  zu 
entscheideil,  da  die  Zahl  bisher  bekannter  süddeutscher  Gesellschafts- 
verträge sehr  gering  ist  und  auch  die  weitere  Frage,  ob  und  inwieweit 
deutsches,  römisches  und  mittelalterlich  italienisches  Recht  ihn  beein- 
flufsten,  mufs  ich  Juristen  von  Fach  überlassen.  Einzelne  Momente  sind 
gewifs  typisch,  dafs  bei  Auszahlung  des  Kapitals  beim  Ausscheiden  eines 
Teilhabers  die  Frankfurter  Messe  dafür  Zahlungsort  war  und  die  Zahlung 
auf  mehrere  Termine  verteilt  wurde,  findet  sich  auch  bei  der  grofsen 
Ravensburger  wie  der  Gesellschaft  der  Fugger*.  Der  „Regierer"  be- 
gegnet ebenso  in  Ravensburg.  Die  Bestimmungen  regeln  sehr  genau  die 
Verhältnisse;  insbesondere  ist  klar  bestimmt,  was  auf  Kosten  der  Gesell- 
schaft geht  (Reisekosten,  dabei  von  der  Kleidung  nur  Schuhe,  Scher- 
und  Badegeld,  Kurkosten  bei  auswärtiger  Erkrankung,  Stellung  von 
Pferden)  und  was  nicht.  Dem  Einzelnen  wird  gestattet,  7  ^/o  jährlich  in 
vier  Vierteln  aus  der  Gesellschaft  zu  erheben,  das  übrige  arbeitet  weiter. 
Die  Bestimmungen  über  Einlage,  über  Verlängerung  und  Auflösung  der 
Gesellschaft  sind  sehr  vorsichtig  und  das  Ganze  macht  einen  guten  Ein- 
druck, der  auch  nicht  verloren  geht,  wenn  man  die  Bücher  durchstudiert. 

Aus  ihnen  geht  hervor,  dafs  die  Gesellschaft  im  wesentlichen  sich 
in  dem  Export  der  Nürnberger  Metallwaren  nach  Mailand,  wie  auf  der 
Messe  von  Crema,  bcthätigte.  Der  Einkauf  in  Italien  ist  geringer,  von 
dort  kommen  namentlich  weifser,  auch  schwarzer  Mailänder  Barchent, 
Mailänder  schwarzer  Sammet,  Tuch  von  Como,  scharlachene  Brusttücher, 
gezogenes  Gold,  Seife,  Seide,  Reis,  Goldschmiedarbeiten  (pectorali),  aber 
von  keinem  Artikel  kann  man  einen  bedeutenden  Absatz  nachweisen. 
Die  Bilanz  lautet  durchaus  zu  Gunsten  von  Nürnberg,  das  Gold  aus 
Italien  erhält.  Einige  Male  findet  man  auch  Rom  genannt,  niemals 
Genua.  Auf  der  deutschen  Seite  besuchte  die  Gesellschaft  auch  die 
Frankfurter  Messe  und  hatte  Schuldner  in  Aachen,  Dresden,  Leipzig, 
Würzburg  und  Strafsburg.    Grundstock  ist  aber  der  mailändische  Handel. 


>  Ich  sah  das  Original  des  Vertrags  von  1494  im  Fuggerschen  Archiv  ein. 


Das  übrige  Italien.  589 

Die  Regelung  des  Verkehrs  mit  Italien  ist  schon  früher  besprochen. 
Geldzahlungen  erfolgten  mehrfach  durch  Wechsel,  doch  läfst  sich  die 
Geldgebahrung  nicht  übersehen.  Die  Zöllner  zu  Mailand  und  Como 
gaben  der  Gesellschaft  Kredit,  mit  dem  Gredmeister  von  Lindau  stand 
man  in  Abrechnung.  Der  Waren transport  auf  der  Strecke  Nürnberg- 
Lindau  wurde  von  Nürnberg  aus  verrechnet  und  gab  es  da  einen  fast 
ständig  wiederkehrenden  Satz:  je  9  Centner  kosteten  4  fl.  Die  weitere 
Strecke  wurde  in  Mailand  verrechnet,  meist  aber  in  zwei  durch  Como 
getrennte  Posten.  Die  meisten  Waren  gingen  durch  professionsmäfsige 
Fuhrleute  und  wurden  nicht  von  Boten  der  Firma  begleitet,  doch  ist  ja 
nicht  zu  sehen,  wie  oft  etwa  andere  Firmen  einen  Faktor  mitschickten, 
der  auch  für  die  anderen  Beteiligten  der  Karawane  die  Kosten  der  Ver- 
zollung u.  8.  w.  entrichtete. 


Zweiundfünfzigstes  Kapitel. 
Das  fibrige  Italien. 

Ber(jamo,  Schiffahrt  auf  dem  Po.  Pavia,  Residenz- und  UniversiUitsstcult  Crema. 
Piacenza.  Cremona,  Pannigianen  in  Strafshurg.  Mirandola,  Bologna.  —  Florenz^ 
nach  dem  Warenhandel  hin,  eruirlt  Häfen.  Zurückgehen  der  Wollen-,  Aufbliüien  der 
Seidenweberei.  Deutsche  Wöüweher,  Färber,  Bruderschaft  der  deutscfien  Schuhmacher, 
KaufleutCy  Florentiner  auf  dem  Landweg^  in  Deutschlamly  namentlich  in  Nürnberg.  — 
Pisa,  Lucca,  Niedergang  der  Seidenweberei,  in  Deutschland,  Bruderschaft  der  deutschen 
Schuhmacher.  Siena.  Arezzo.  Macerata.  —  Aquila,  Safranmärkte,  Konkurrenz  von 
Venedig,  Deutsche.  Das  übrige  Königreich  Neapel.  —  Bom.  Sonderstellung,  kein  Waren- 
handel, deutsche  Wirte,  zahlreiche  Handwerker.  —  Deutsche  in  den  Bergwerken. 

Die  Fortsetzungen  des  Verkehrs,  der  von  Como  und  Mailand  aus 
nach  Osten  auf  Venedig  führt,  zu  verfolgen  ist  nicht  die  Aufgabe  des 
Buches  ^  Auch  Bergamo  habe  ich  ausgeschlossen,  gerade  inmitten  dieser 
energischen  Bevölkerung  dürfte  es  aber  nicht  an  Leuten  gefehlt  haben, 
die  über  die  Alpen  auch  nach  Deutschland  kamen.  Keine  gröfsere  Stadt 
des  Pogebietes,  von  Aosta  und  Ivrea  abgesehen,  ist  so  alpin  wie  Bergamo ; 
für  den  Handel  stellte  sie  Metalle  und  die  einfachen  Gewebe  Berga- 
masker  Tuche. 

Eine  besondere  Beachtung  \  erdiente  die  Schiffahrt  auf  dem  Po,  doch 
geht  auch  das  über  den  Rahmen  unseres  Werkes  hinaus.  Der  natür- 
liche Wert  dieser  vielbenutzten  Wasserstrafse  wurde  freilich  durch  viele 


^  Nur  möchte  ich  die  Nachrichten  über  den  Raubmord,  der  1315  von  sechs 
Wegelagem  an  zwei  Konstanzer  Bürgern  begangen  wurde,  nicht  übergehen.  Sie 
kamen  offenbar  von  Venedig  mit  wertvollen  Stoffen  und  Südfrüchten  beladen, 
wurden  zwischen  Padua  und  Vicenza  angefallen  und  erschlagen.  Das  Urteil  ist  er- 
halten.   Urkunden  Nr.  337  u.  338. 


590  Zweiondfunfzigstes  KapiteL 

und  erhebliche  Zölle  verringert  Auf  der  Strecke  von  (Mantua)  Borgo- 
forte  bis  Pavia  gab  es  schon  1319  elf  Zölle*. 

Die  Bedeutung  Pavia s  lag  in  der  Barchent-,  Woll-  und  Leinen- 
weberei, auch  die  Glasindustrie  war  nicht  unerheblich;  der  Schiffsbau 
der  Stadt  wird  gleichfalls  gerühmt  und  die  Waffenfabriken  müssen  nicht 
unbedeutend  gewesen  sein*. 

Seit  dem  Anfange  des  vierzehnten  Jahrhunderts  treten  die  übrigen 
Städte  der  Lombardei,  die  doch  noch  viele  Raufleute  zu  den  Cham- 
pagner Messen  entsendet  hatten,  in  der  Oeschichte  des  Handels  ganz 
gegenüber  Mailand  zurück.  Dieses  war  das  Herz  des  Staates  der  Visconti 
und  Sforza,  mochte  auch  die  Fürstenlaune  Galeazzos  II.  den  Sitz  der 
Herrschaft,  zunächst  seiner  Teilherrschaft,  in  den  von  ihm  errichteten 
Prachtbau  des  Schlosses  von  Pavia  verlegen,  viel  wichtiger  ward  das 
Kastell  von  Mailand,  wodurch  derselbe  Visconti  und  dann  nach  der  Zer- 
störung in  den  Tagen  der  ambrosianischen  Republik  Francesco  Sforza 
der  Stadt  die  republikanischen  Strebungen  verdarb.  Gegenüber  Mailand 
waren  die  anderen  Städte  ungewisse  Elemente,  bald  waren  sie  unter  der 
Herrschaft  der  Visconti,  bald  frei  oder  unter  eigenen  Stadtherren.  Mochte 
auch  das  innere  rege  Leben  dabei  erhalten  bleiben  können,  der  Handel 
aufserhalb  Italiens  verbot  sich  den  Kauf  leuten  solcher  Städte  von  selbst. 
Am  auffallendsten  ist  der  Umschlag  bei  Piacenza.  Doch  auch  bei  Pavia, 
das  ja  fest  mit  Mailand  verbunden  blieb.  Das  Kastell,  der  fast  ununter- 
brochene Sitz  des  Erbauers  und  seines  Sohnes,  doch  auch  von  den 
späteren  Herzögen  oft  bewohnt,  die  Nähe  des  Parkes,  den  der  jagdfrohe 
Galeazzo  II.  anlegte,  das  Kunstwerk  der  Certosa,  der  Gründung  seines 
Sohnes  machten  aus  Pavia  wieder  eine  Residenz,  wie  es  einst  die  der 
langobardischen  Könige  gewesen  war  und  von  diesen  Stätten  eines 
prunkvollen  Hoflebens  ging  der  Glanz  auch  auf  die  Stadt  über,  deren 
Bürger  aber  die  alte  Kraft  verloren,  so  dafs  sie  nach  dem  Aussterben 
der  Herzöge  versank.  Nur  die  Universität  behielt  noch  lange  ihre  Be- 
deutung und  an  ihr  war  die  Zahl  der  deutschen  Studenten  so  grofs,  dafs 
fast  beständig  mehrere  Deutsche  als  besondere  Professoren  des  Rechts, 
der  Medizin  u.  s.  w.  pro  ultramotUanis  wirkten '. 

Pavesen  aufserhalb  Italiens  habe  ich  nur  einmal  gefunden.  Johannes 
de  Brunis  war  in  Nürnberg  gestorben,  jedenfalls  hatte  er  dort  Hinter- 
lassenschaft und  sein  Sohn  reiste  1483  mit  herzoglicher  Empfehlung  nach 
Nürnberg*.  Andererseits  finden  wir  auch  in  der  alten  langobardischen 
Königsstadt  die  grofse  Ravensburger  Gesellschaft,  deren  Faktoren  Johannes 


1  Pertile  2,  1,  244. 

'  Magenta  1,  27.   Anonymas  Ticinensis  bei  Muratori,  Scriptores  11,  22. 

*  Burckhardt,  Kultur  der  Renaissance  2^  160. 

*  Urkunden  Nr.  111. 


Das  übrige  Italien.  591 

Burlin  und  Jacob  Fry  sich  beklagten,  dafs  ihre  Waren  auf  Antrag  eines 
Mannes  beschlagnahmt  seien,  der  der  Gläubiger  eines  gewissen  Deutschen 
namens  Heinrich  sei,  mit  dem  die  Faktoren  nichts  zu  thun  zu  haben  er- 
klärten ^     Ja  auch  hier  hatten  sich  Deutsche  angesiedelt^. 

Nach  Crema  zog,  wie  wir  gesehen  haben,  zur  Messe  die  Gesell- 
schaft Koler- Krefs-Saronno. 

Die  einst  so  kühnen  Kaufleute  von  Piacenza  sind  von  den  inter- 
nationalen Messen  verschwunden  und  fast  jeder  direkte  Handel  mit 
Deutschland  hatte  —  so  scheint  es  wenigstens  —  aufgehört,  doch  finden 
sie  sich  in  Brügge*.  Das  Quellenmaterial  zur  Handelsgeschichte  dieser 
Stadt  ist,  wie  ich  mich  selbst  überzeugte  und  der  gelehrte  Canonico 
Tononi  mir  bestätigte,  leider  sehr  dürftig. 

Auch  das  Cremona*  des  Spätmittelalters  bllöite,  es  war  die  Heimat 
einer  sehr  eifrigen  Textilindustrie  und  auch  hier  waren  hochberühmte 
Waffenschmiede.  Der  Cremoneser  Kaufmann  kam  aber  nicht  mehr 
hinaus  über  die  Alpen.  Einst  hatte  Cremona  Schiffe  unter  eigener  Flagge 
auf  dem  Mittelmeere  gehabt  und  Handelsverträge  bis  nach  Montpellier; 
seit  1334  viscontisch,  gab  es  diesen  Aufsenhandel  auf.  Ein  Kaufmann 
von  St.  Gallen  lag  1498  in  Streit  mit  den  Zöllnern  von  Cremona*. 

Ein  Parmigiane  war  in  Strafsburg  angesiedelt  Seit  1336  er- 
scheinen dort  als  Kanoniker  u.  s.  w.  Männer  mit  dem  Beinamen  von 
Parme®,  man  könnte  sie  für  durch  päpstliche  Provisionen  hierher  ver- 
pflanzte Geistliche  ohne  Anhang  halten,  wie  sie  im  vierzehnten  Jahrhundert 
ja  nicht  selten  sind.  Aber  der  Kanonikus  von  St.  Thomas,  Albert  von 
Parma,  zog  seinem  Bruder  Konrad  nach''^.  Sie  behielten  Beziehungen 
mit  Italien.  Wilhelm  von  Parme  von  Strafsburg  hatte  mit  Johans  und 
Philipp  Kaufleuten  von  Mailand  1368  gegen  die  Stadt  Basel  geklagt 
und  an  Stelle  König  Karls  IV.  sitzend,  verurteilte  Graf  Eberhard  von 
Wertheim   die  Stadt   dazu,    den  Klägern  8000  Mark  Silber   zu  zahlen®. 


>  Urkunden  Nr.  114. 

■  1392  Oktober  3.  »Torobecco  del  fu  Ermanno  di  Alemannia*  erwirkt  vom 
Grafen  von  Virtü  für  100  fl.  die  ungeteilte  Hälfte  eines  Hauses  in  Pavia  in  porta 
8.  Pietro  al  Muro.    Register  des  Notars  Cristiani.   Archiv  stör.  lomb.  21,  2,  47. 

^  1498  bei  der  Statutenerneuerung  der  Luccheser  Genossenschaft.  Lucca, 
Staatsarchiv. 

*  Vgl.  auch  Robolotti,  Industria  e  commercio  in  Cremona  nel  secolo  XV. 
Archivio  stör,  lombardo  7,  318  E  Über  die  Verbreitung  der  Cremoneser  Bar- 
chente und  hucaschini  vgl.  Pasi  Bl.  197  f.,  auch  44. 

^  Urkunden  Nr.  132. 

«  Strafsb.  Urkb.  5.    Kindler  v.  Knobloch,  Das  Goldene  Buch  243. 

^  Strafsb.  Urkb.  7  Nr.  769  u.  1178. 

8  Mehrere  Urkunden  Rapolstein.  Urkb.  2,  31  f.  Baseler  Urkb.  4,  297  ff. 
Vgl.  auch  Strafsb.  Urkb.  6  Nr.  784.    Wilhelm  Strafsburger  Bürger  1393. 


592  Zweiundfünfzigstes  Kapitel. 

Die  Ursache  ist  nicht  deutlich;  da  Basel  gar  nicht  vor  dem  Gericht  er- 
schienen war,  wurde  die  Reichsacht  über  die  Stadt  verhängt. 

Ein  sehr  interessantes  Dokument  bezieht  sich  auf  Mirandola,  den 
Sitz  der  Pico;  allein  es  ist  zweifelhaft,  ob  dieser  Heinrich  Ehinger  von 
Konstanz  als  Pilger  dorthin  sterbenskrank  gekommen  war  oder  als  Kauf- 
mann. Wahrscheinlicher  ist  das  erste;  er  war  im  Jubeljahr  in  Rom  ge- 
wesen, dort  aber  war  ihm  in  der  Beichte  die  Absolution  verweigert 
worden,  weil  er  unrechtmäfsigen  Besitz  nicht  herausgeben  wollte.  Jetzt 
hatte  er  in  Rom  gebeichtet,  das  fremde  Gut  herausgegeben  und  kam  nun 
schwer  leidend  nach  Mirandola,  wo  ihn  der  Kaplan  des  Spitals,  ein  aus 
Strafsburg  stammender  Priester  zum  Tode  vorbereitete.  Am  dritten  Tage 
verschied  er;  wahrscheinlich  war  er  der  Grofsvater  des  berühmten  Ver- 
walters von  Venezuela  ^ 

Mirandola  lag  an  der  viel  begangenen  Strafse,  die  von  Bologna  nach 
Verona  führte  und  den  Po  bei  Ostiglia  schnitt 

Für  die  Verbindung  von  Toscana  und  den  Brenner  diente  auch  ein 
Weg,  der  1106  in  einer  Papsturkunde  geradezu  als  strata  Teuionica  be- 
zeichnet wird  und  der  nach  dieser  Urkunde  bei  Bresciello  den  Po  über- 
schritt''*. Es  ergiebt  sich  von  selbst  die  Route  Parma-Mantua- Verona, 
also  eine  Fortsetzung  des  Weges  aus  der  Lunigiana  über  Pontremoli 
und  den  La  Cisa-Pafs  nach  Parma. 

über  Bolognas  Beziehungen  zu  Deutschland,  die  doch  bedeutend 
gröfser  gewesen  sein  dürften,  habe  ich  nur  eine  ergiebige  Nachricht  ge- 
funden. Im  Jahre  1478  hatte  Jörg  Studiin  von  Kempten  als  Gläubiger 
eines  Hans  Mang,  der  sich  in  Bologna  niedergelassen  hatte,  den  Bolog- 
neser Bürger  Hannibal  Malvezzi  (Malvici),  als  er  nach  Deutschland  reiste, 
auf  freier  Strafse  aufgehalten  und  nach  der  Burg  Hohenthann  abgeführt. 
Die  Bolognesen  hielten  dafür  Albrecht  Nieser  auf  und  fünf  Ballen  Safran 
Bartholome  Welsers  und  seiner  Brüder,  an  denen  die  Martelli  von  Venedig 
und  die  Corsini  (Ceorschini)  von  Florenz,  die  mit  den  Welsern  viel 
handelten,  beteiligt  waren®.  Sollten  nicht  die  deutschen  Studenten  auch 
deutsche  Handwerker  hingezogen  haben?  Des  Nürnberger  Kaufmanns 
und  Studentenhausvaters  Johannes  Schafhuser  gedenkt  wiederholt  dank- 
baren Sinnes  der  ihm  verwandte  Christoph  Scheurl*. 

Florenz,  dessen  Geldhandel  ja  schon  in  anderem  Zusammenhange 
behandelt  ist,  hatte  die  schweren  Krisen  der  Mitte  des  vierzehnten  Jahr- 
hunderts, den  Zusammenbruch  einer  grofsen  Zahl  von  Banken  verwunden 

»  Urkunden  Nr.  361. 

2  Kehr,  Papsturkunden  in  Panna  u.  Piacenza  26.  Nachrichten  d.  Kön.  Ges. 
d.  Wiss.  zu  Göttingen  1900. 

3  Koi)ialbuch  105  VII  Nr.  223  ff.    Stadtarchiv  Augsburg. 

*  1497—1513.    Knod,  Deutsche  Studenten  in  Bologna  S.  705. 


Das  übrige  ItalieD.  593 

und  hob  sich  seit  dem  Aufstande  der  Ciompi  unter  der  Herrschaft  der 
Optimaten.  In  den  Kämpfen  gegen  die  Viscontis  hatte  es  zwar  nicht 
gesiegt,  aber  doch  die  Bildung  eines  italienischen  Königtiuns  verhindert 
und  die  eigene  politische  Stellung  fester  begründet,  bis  die  hohe  Staats- 
kunst der  Mediceer  Florenz  zum  Mittelpunkte  Italiens  machte.  Hatte 
es  früher  mit  Neid  auf  Lucca,  Siena  und  vor  allem  Pisa  sehen  müssen, 
die,  wenn  auch  schlechte  Häfen  zur  Benutzung  hatten,  so  gewann  das 
bisher  vom  Meere  ausgeschlossene  Florenz  1406  Pisa.  Das  Ziel  alter 
Wünsche  war  erreicht;  1421  wurde  Livorno  von  den  Genuesen  gekauft, 
ein  Hafen,  der  dem  immer  mehr  versandenden  Porto  Pisano  bald  den 
Verkehr  entzog.  Jetzt  brauchte  man  sich  nicht  mehr  mit  Auskunfts- 
mitteln zu  begnügen  und  begann  nun  den  Bau  von  Staatsschiffen  und 
meinte  zur  See  dieselbe  Geltung  zu  gewinnen,  wie  Genua  oder  Venedig. 
Der  Versuch  einer  Monopolisierung  von  Reederei  und  Frachtschiffahrt 
mifslang  aber  und  niemals  wurde  Florenz  eine  Grofsmacht  auf  dem  Meere. 
Aber  der  Fortschritt  war  doch  gewaltig. 

Die  Politik  der  Mediceer,  ihre  Stellung  zu  Venedig  und  Mailand  ist 
hier  nicht  näher  zu  schildern. 

Der  Warenhandel  von  Florenz  hatte  einst  auf  der  Arte  della  lana 
und  der  CdlUmdla  beruht,  den  beiden  Zünften  der  Wollmanufaktur.  Der 
Vorrang  liefs  sich  nicht  behaupten;  überall  entstanden  Konkurrenten,  in 
fast  allen  italienischen  Städten  wurden  Tuche  hergestellt,  der  Handel 
schränkte  sich  ein,  schon  Benedetto  Dei  ist  Zeuge,  dafs  der  Markt  im 
Norden  und  Westen  für  die  Florentiner  Tuche  verloren  war*.  Schlimmer 
konnte  aber  Florenz  nichts  treffen,  als  die  Sperre  der  Zufuhr  englischer 
Wolle.  Je  mehr  Flandern-Brabant  emporblühte,  je  mehr  seit  Heinrich  VII. 
England  selbst  die  Verarbeitung  des  eigenen  Produktes  in  die  Hand 
nahm,  um  so  schwerer  war  es  Florenz,  diese  feinste  Wolle  zu  erhalten ; 
die  überlegene  Technik  der  Florentiner  half  da  nichts  mehr  und  auch 
sie  wurde  nachgeahmt.  Demzufolge  verlegten  manche  Florentiner  ihre 
Manufakturen  für  die  vorbereitenden  Teile  der  Fabrikation  nach  Flandern, 
Brabant,  England;  Deutschland  wird  dabei  nicht  genannt^.  Die  Verbote, 
englische  Wolle  auszuführen,  ja  durch  das  Land  zu  bringen,  das  Monopol 
der  Stadt  auf  Verarbeitung  dieses  edlen  Stoffes*  konnten  nichts  helfen, 
der  Verfall  der  sich  aufs  äufserste  wehrenden  Florentiner  Tuchindustrie 
war  unabwendbar. 

Die  Märkte,  die  die  Wollindustrie  verlor,  gewann  aber  die  Floren- 
tiner Seidenindustrie  reichlich    zurück,   die   alte  Feindin   Lucca   wurde 


1  Villari  1,  285. 

2  Pöhlmann  S.  74. 
»  Pöhlmann  75. 

Schulte,  Oeaeh.  d.  mittelalterl.  Handels.    I.  88 


594  ZweiiiDdfänfdgstes  KapiteL 

gründlich  ül^rbolt  und  ebenso  Genua  und  Venedig  und  der  Konsum  von 
Florentiner  Seidenstoffen  war  für  die  Stadt  gevrifs  ebenso  ertragreich,  wie  es 
ein  Jahrhundert  zuvor  mit  der  Wollmanufaktur  der  Fall  gewesen  war. 
Besonders  blühte  auch  die  Brokatindustrie,  1423  kam  das  Gewerbe  des 
oro  filaio  auf*. 

Das  Wirtschaftsleben  von  Florenz  in  den  Tagen  der  Renaissance, 
wie  es  Pöhlmann  uns  so  trefflich  zerlegt  hat,  schwankt  zwischen  ent- 
gegen j^trebenden  Tendenzen  hin  und  her:  bald  Freiheit  des  Individuums, 
bald  Zwang  des  Staates.  In  der  Verkehrspolitik  äufsert  sich  dasselbe. 
Es  gab  Zeiten,  in  denen  die  Fuhrleute  der  Zölle  halber  das  floren- 
tinische  Gebiet  ängstlich  mieden^,  und  nichts  zeugt  dafür,  dafs  jemals 
Florenz  für  fremde,  etwa  deutsche  Händler  eine  Etappe  war,  wie  z.  B. 
Genua. 

An  diesem  Gewerbsleben  haben  sich  —  wie  ich  kurz  ausftLhren 
möchte  —  auch  deutsche  Kräfte  beteiligt.  Doren  hat  neuerdings  die 
Statuten  einer  Bruderschaft  deutscher  Weber  in  Florenz  aufgefunden, 
eingericlitet  nach  dem  Vorbilde  deutscher  Gesellenbruderschaften,  aber 
im  Begriffe,  sich  in  eine  Zwangsgemeinschaft  umzubilden,  als  die  Arte 
della  lana  sich  ins  Mittel  legte  und  sie  einer  strengen  Kontrolle  unter- 
warf®. Leider  sind  die  Statuten  noch  nicht  veröffentlicht  Auch  ohne 
sie  kann  ich  zahlreiche  deutsche  Weber  nachweisen.  In  einer  Quittung 
sind  nicht  weniger  wie  sieben  aufgezählt,  deren  Namen  Nicholao  Dtvi- 
nantis,  Jacoho  Jacobi,  Federigo  Arrigi  de  Franchoforte,  Nicholaus  olim 
Corradi  de  Alamannia,  Piero  Johannis  de  Lutri  de  Alamania^  Nidiolao 
Arrigi  de  Loro  und  Paulo  .  .  de  Ghombolt  nur  die  Ortsnamen  Frankfiirt 
und  etwa  Lautem  und  Lehr  erkennen  lassen.  Sie  gehörten  grofsenteils 
zu  der  von  armen  Leuten  bewohnten  Pfarrei  S.  Frediano  am  linken 
Amoufer  flufsabwärts,  andere  freilich  zu  der  Pfarrei  S.  Lorenzo*.  Das 
Oltrarno  war  einer  der  vier  „Konvente",  worauf  die  Ausübung  der  ars 
lanae  eingeschränkt  war^.  Auch  die  Heiratsabrede  einer  Tochter  eines 
ehemals  in  Siena  wohnenden,  dann  nach  Florenz  verzogenen  deutschen 
Wollwebers  hat  sich  erhalten,  sie  heiratete  einen  Sienesen*. 

Und  auch  deutsche  Färbermeister  gab  es  in  Florenz.  1442  wandte 
sich  Nürnberg  an  drei  solche,  um  die  Hinterlassenschaft  eines  dort  ver- 
storbenen Sohnes   für  die  in  Nürnberg  wohnenden  Eltern   zu   erhalten'. 


'  Die  Chronik  des  Cerretani  bei  Fabronius  2,  68. 

a  Pöhlmaiin  118. 

«  Doron  S.  102. 

*  Urkunden  Nr.  276. 

'^  Pohl  mann  55. 

ö  Urkunden  Nr.  279. 

7  Urkunden  Nr.  388. 


Das  übrige  Italien.  595 

Eine  andere  Erbsehaftssache  bezieht  sich  auch  auf  einen  Augsburger 
Ulrich  Weifs,  der  aber  in  Florenz  den  Namen  ^^magus  Suevus-^  trug  und 
Diener  ^famüiaris*  der  Stadt  war^ 

Sehr  genaue  Nachrichten  haben  wir  über  eine  Innung  bezw.  Bruder- 
schaft der  deutschen  Schuhmacher.  Eine  regelmäfsige  Zunft  war  das 
keineswegs ,  sondern  eine  landschaftliche  und  religiöse  Vereinigung  zu 
gegenseitiger  Unterstützung  durch  Werke  der  Charitas  und  Gebet.  Wie 
auch  im  Heimatlande  wurde  von  den  Deutschen  die  Gottesmutter  als  die 
beste  FUrsprecherin  bei  ihrem  Kinde  besonders  verehrt,  daneben  die 
hl.  Katharina,  und  die  Bruderschaft  hiefs  *Socieias  Virginis  Marie  et  sande 
Kaierine  Teutonicorum  chdUolariorum  Alamannie  dlte< .  Um  die  Mitte  des 
fünfzehnten  Jahrhunderts  —  die  Nachrichten  setzen  mit  1446  ein  —  war 
sie  stark  und  ihre  Mittel  so  reich,  dafs  die  Bruderschaft  1454  ein  Haus 
in  der  Via  di  S.  Gallo,  also  in  der  Nähe  von  S.  Lorenzo,  wo  die 
Gott^dienste  derselben  stattfanden,  zur  Einrichtung  eines  Spitales  für 
kranke  Mitglieder  erwerben  und  vier  Jahre  später  auf  dem  Grund- 
stücke auch  eine  Kapelle  erbauen  konnte.  Doch,  so  glänzend  die  Geld- 
lage der  Bruderschaft  blieb ,  so  sehr  sank  die  Zahl  der  Mitglieder.  1502 
waren  noch  drei  vorhanden;  im  letzten  Augenblicke  tauchten  noch  drei 
andere  auf,  die  Ansprüche  erhoben,  als  jene  ersten  unter  besonderen 
Bedingungen  das  Gut  der  Bruderschaft  der  florentinischen  Bruderschaft 
S.  Crespino  und  S.  Crespiniano  übergeben  wollten.  Die  besonderen 
Bestimmungen  (darunter  auch  die  in  Italien  so  beliebten  Doten  fiir  die 
Töchter)  sollten  die  Deutschen  schützen.  Trotz  dieser  Verschmelzung 
hat  die  Bruderschaft  der  Deutschen  wenigstens  in  den  kirchlichen  Funk- 
tionen bis  mindestens  1629  bestanden*. 

Von  deutschen  Kaufleuten  war  gewifs  Wilhelm  Rem  nicht  der 
einzige,  der  nach  Florenz  kam®. 

Dafs  die  Florentiner  den  Seeweg  bevorzugten,  um  nach  Antwerpen 
zu  gelangen,  habe  ich  schon  früher  ausgeführt.  Ich  habe  auch  gezeigt, 
dafs  die  Florentiner  Bankiers  nur  in  den  Tagen  von  Konzilien  Filialen 
an  deutschen  Orten  einrichteten.  Es  kann  uns  also  auch  nicht  wunder 
nehmen ,  dafs  der  Chronist  Benedetto  Dei,  wo  er  die  Banken  aufzählt, 
Deutschland  übergeht,  und  wo  er  die  Mercanii  fiorentini  in  Ponenie  a.  d. 
1470  aufführt,  da  sagt  er,  dafs  sie  viermal  im  Jahre  hinaus  auf  die 
Messen  von  Antwerpen  und  Lyon  zögen,  von  dort  brächten  sie  alte 
Goldschilde  und  anderes  altes  Gold  in   unendlicher  Menge,   die  würden 


'  Urkunden  Nr.  376. 

^  Cesare  Paoli,  Urkunden  z.  Gesch.  d.  deutschen  Schusterinnung  in  Florenz. 
Mitteil.  d.  Inst.  f.  österr.  Geschichtsforsch.  8,  455—476. 

8  Chroniken  deutscher  Städte  25,  79.    Es  war  1478.    A.  del  Vecchio  ed 
E.  Casanova,  Le  rapi)re»aglie  erwähnen  Deutsche  nicht. 

3S* 


596  Zweiundfünfzigstes  Kapitel. 

in  der  Münze  umgeschmolzen,  für  dieses  Geld  kaufe  man  Seide  und 
mache  Tücher  und  namentlich  die  Wollstoffe  gingen  nach  der  Levante. 
Deutschland  wird  nicht  genannt. 

Der  Seeweg  war  aber  nicht  immer  benutzbar  und  nicht  immer 
sicher  und  wir  sahen,  wie  sich  die  Florentiner  in  solchen  Fällen  der 
Landverbindung  erinnerten.  Die  Gesandtschaft  von  1407  nach  Konstanz 
wurde  uns  so  verständlich.  Freilich  hatte  Buonaccorso  Pitti  auf  seinen 
Gesandtschaftsreisen  bei  König  Ruprecht  niemals  einen  Pafs  der  mittleren 
Alpen  benutzt,  doch  lag  das  an  der  Lage  der  Politik.  Der  Unter- 
händler zwischen  Florenz  und  König  Ruprecht  mied  natürlich  Mailand  ^. 
Auch  die  normalen  Wechseltermine  beweisen  die  Benutzung  des  Land- 
weges: die  Frist  betrug  für  Neapel  20,  für  die  Provence  und  Frank- 
reich 60,  Flandern  70,  England  75  Tage,  Spanien  drei  Monate^. 

Ich  verzichte  darauf,  hier  noch  einmal  die  Nachrichten  über 
Florentiner,  die  wir  in  Deutschland  trafen,  zusammenzustellen.  Nur  be- 
züglich  Nürnberg  möchte  ich  eine  Ausnahme  machen,  da  sich  hier 
solche  niederliefsen.  Die  Empfehlung  des  Donatus  a  Comu  durch  die 
Behörden  seiner  Vaterstadt  hat  sich  erhalten*,  Heinrich  Deichsler  er- 
zählt 1505  von  eines  reichen  Florentiners  Sohn,  den  zu  verwunden  sein 
Vater  jemanden  dang*.  Die  Namen  Jacob  Bethonus,  Johann  Mario, 
Raphael  Tureganus,  der  auch  die  Leipziger  Messe  aufsuchte,  Lorenzo 
Villano,  Mariotto  de  la  Balla,  Bernhardo  della  Balla  figurieren  in  den 
Geschäftsbüchern  Koler-Kress-Saronno  ^  Einige  kehren  davon  in  andern 
Nachrichten  wieder.  Die  La  Balla  waren  in  Geschäftsverbindungen  mit 
dem  Nürnberger  Wolfgang  Sauermann,  der  1521  aber  auf  ihr  Gut  in 
Nürnberg  Beschlag  legen  mufste®.  Die  Toresani  aber  sind  auch  1530 
in  Nürnberg  nachzuweisen,  sie  handelten  nach  Danzig  ^Damaskat  und 
Schamlot*  ^,  in  ihrem  Nürnberger  Hause  lernten  auch  junge  Florentiner 
die  Kaufmannschaft^.  Im  späteren  sechzehnten  Jahrhundert  fanden  sich 
noch  mehr  italienische  Häuser  neben  den  Toresani  ein. 

Von  Pisa  erwartet  man  kaum,  dafs  es  seit  seinem  Niedergange 
noch  Beziehungen  mit  Deutschland  unterhielt.  Aber  nicht  umsonst  steht 
der  Name  von  Pisa  in  der  Strafsburger  Kaufhausordnung.   Noch  in  der 


*  Cronica  Firenze  1720. 
2  Pegolotti. 

8  Urkunden  Nr.  392.. 

*  Chroniken  deutscher  Städte  11,  676. 
^  Vgl.  oben  S.  387. 

ö  Urkunden  Nr.  277. 

'  1530.  Johann  Oliveri  von  Florenz  im  Namen  von  Raphael  und  Rudolf  Dori- 
sani-Gesellschaft  von  Florenz.  Lochner,  Arch.  Norimb.  VI  113  und  VIII  24.  Auch 
Urkunden  Nr.  277. 

8  Urkunden  Nr.  .398. 


k. 


Das  übrige  Italien.  597 

Zeit  Giovannis  da  Uzzano  (1442)  wurden  in  Pisa  für  die  Lombardei  und 
Deutsehland  bestimmte  Waren  ausgeschifft  und  um  den  Verkehr  zu 
heben,  liefsen  die  Florentiner  hier  jeden  Ausfuhrzoll  fallend  Dafs  der 
Handel  der  Pisaner  um  1500  bis  Brügge  ging,  habe  ich  auch  im  Staats- 
archiv von  Pisa  feststellen  können,  ohne  direkt  deutsche  Sachen  anzu- 
treffen. Und  wenn  auch  sonst  weder  Pisaner  in  Deutschland,  noch 
Deutsche  in  Pisa  nachgewiesen  sind,  so  haben  doch  Pisaner  Nürnberg 
besucht  und  mit  den  Behaims  Kontrakte  eingegangen,  wie  1454  Sobald 
Behaim  nach  Pisa  fuhr,  um  dort  Schulden  beizutreiben ^. 

Auch  Lucca  war  von  der  alten  Höhe  herabgesunken,  es  erlebte 
eine  ähnliche  Katastrophe  wie  Florenz  70  Jahre  vorher,  ohne  sie  völlig 
überwinden  zu  können.  Nicht  etwa  Kriege  in  der  toskanischen  Heimat, 
nicht  die  Rivalität  von  Florenz,  die  allerdings  1429  zu  einem  schweren 
Kampfe  führte,  nicht  der  Verlust  der  Freiheit  an  das  Kaufherren- 
geschlecht  der  Guinigi,  deren  Herrschaft  jedoch  schon  1433  zu  Ende 
ging,  sondern  die  Kämpfe  zwischen  Frankreich  und  England  riefen  die 
Krisis  hervor,  wie  einst  der  englische  Staatsbankrott  Florenz  erschüttert 
hatte.  Sercambi  berichtet  von  der  furchtbaren  Wirkung,  die  die  Er- 
mordung des  Herzogs  von  Orleans  und  die  Siege  König  Heinrichs  V. 
von  England  1419  hervorriefen.  Der  Kapitalverlust  belief  sich  auf 
150000  fl.,  aber  schlimmer  als  das  war,  dafs  das  Vertrauen  geraubt  war. 
Ein  Teil  der  Handwerker  mufste  feiern,  gerade  die,  welche  vom  Export 
lebten,  die  Gold  und  Silberarbeiter  und  die  Seidenweber  und  manche 
wandten  der  Stadt  den  Rücken  und  zogen  nach  Venedig,  Bologna, 
Florenz  oder  Genua*.  Indem  dieLucchesen  gerade  auf  die  Märkte  von 
Avignon,  Paris,  Brügge  und  London*  sich  stützten,  mufsten  sich  die 
Erschütterungen  im  heutigen  Frankreich  und  England  besonders  fühlbar 
machen.  Diesen  Gegenden  wendet  der  Chronist  Sercambi  ein  besonderes 
Interesse  zu,  von  Deutschland  schweigt  er.  Und  dem  entsprechen  die 
Angaben  über  die  im  Ausland  beschäftigten  Faktoren.  In  den  libri 
magistrorum  et  eorum  factorum  et  puerorum  von  1371,  1372  und  1381 
habe  ich  einen  in  Deutschland  stationierten  Faktor  nicht  gefunden '^.  In 
Brügge  bildeten  die  Lucchesen  eine  Genossenschaft  mit  Konsul  und 
Räten,   sie  hatten  hier   auch   eine   eigene  Kapelle;    bei   der  Erneuerung 


*  »Mercantia  condoüa  in  Pisa  o  per  mare  o  per  terra,  la  quäle  si  fraesse  di 
Pisa  .  .  per  canducierla  in  Lonbardia,  owero  che  per  transito  avesse  a  passare  per 
Lmibardia  per  conduciersi  in  dtUa  Magna  o  in  altre  jxxrti  del  mondo,  non  si  dehbia 
pagare  alcuna  cosa  di  gabella  per  Vuscita,*    Pagnini  4,  67. 

2  Urkunden  Nr.  390. 
8  Sercambi  3,  251  f. 

*  Diese  erwähnt  Sercambi. 
«^  Vgl.  oben  S.  289. 


598  Zweiundfunfzigstes  Kapitel. 

der  älteren   Statuten  von   1369   im  Jahre  1498   waren  zwölf  Lucchesen 
anwesend  ^. 

Dafs  Lucchesen  Deutschland  durchquerten,  haben  wir  mehrfach  ge- 
sehen^, doch  kann  man  sie  direkt  im  Handel  nur  in  Köln  nachweisen^. 
So  mag  auch  Papst  Bonifaz  IX.  zur  Erhebung  des  römischen  Anteils 
am  Jubeljahr  in  Köln  neben  einem  Abte  auch  den  Bartolomeo  Turchi 
von  Lucca  deshalb  beauftragt  haben*. 

Lucca  suchte  noch  spät  seinen  Markt  auszudehnen,  doch  liegt  die 
hamburgische  Niederlassung  schon  in  der  zweiten  Hälfte  des  sechzehnten 
Jahrhunderts.  Damals  waren,  wie  aus  dem  ältesten  in  Lucca  erhaltenen 
Handelsfcuche  einer  Firma,  dem  der  Bernardina  von  1569,  hervorgeht, 
mehrere  Bernardini  in  Deutschland,  genannt  werden  die  Orte  Mainz  und 
Ntlmberg.     Sie  handelten  dort  ausschliefslich  mit  Seide*. 

Auch  in  Lucca  gab  es  eine  Bruderschaft  deutscher  Schuhmacher,  sie 
war  aber  im  Vergleich  zu  der  Florentiner  sehr  arm  und  wandte  sich  wieder- 
holt mit  Bitten  an  ihre  Genossen  in  Florenz.  Sie  hatte  bessere  Tage 
erlebt;  da  hatten  sie  zu  Ehren  U.  L.  F.  in  Pisa  eine  grofse  Stiftung  ge- 
macht, von  Schuhmachern  gab  es  in  Pisa  niemanden  mehr  und  ein  alter 
Schneidermeister  Adam  wartete  des  Dienstes,  so  weit  das  Wachs  währte. 
Auch  in  Lucca  waren  noch  fünf  Personen ,  sie  wollten  aber  die  Not- 
helferin nicht  verlassen  und  wahrhaft  rührend  ist  die  Bitte,  welche  an 
die  Florentiner  appellierte,  die  alte  fromme  Stiftung  zu  retten,  damit  sie 
in  den  Händen  der  deutschen  Bruderschaft  bleibe.  Es  ist  einer  der 
schönsten  Briefe,  die  im  Mittelalter  geschrieben  wurden®. 

Sienas  Bedeutung  lag  stets  auf  dem  Gebiete  des  Geldhandels ^. 
Hierhin  wurde  jedoch  1438  auch  die  Seidenindustrie  gebracht,  die  mit 
der  Florentiner  wetteiferte  ®.  Vielleicht  ist  dem  Warenhandel  zuzurechnen, 
wenn  zeitliche  von  Seynis*  der  Humpifsgesellschaft  Schuldner  waren, 
die  der  Faktor  Ulrich  Fry  von  Konstanz  vor  das  päpstliche  Gericht 
lud  und  auch  die  Stadt  Konstanz  wandte  sich  an  Papst  Pius  U.,  selbst 
einen  Sienesen®.    Auch  in  Siena  hatten  die  deutschen  Schuhmacher  eine 


*  Staatsarchiv  Lucca. 

«  Vgl.  oben  S.  427,  452,  475,  481,  497,  519  ii.  527. 

^  Die  Urkunde  des  Busticus  Romagnoli  (Quittung  von  1281)  beweist  für  einen 
Handel  in  Deutsehland  selbst  nichts.  Baseler  Urkb.  2,  208.  Die  Kölner  Nach- 
richten betreffen  den  Geidhandel  vgl.  oben  S.  343. 

*  Ennen  u.  Eckertz  6,  142. 

^  Gütige  Mitteilungen  des  Herrn  Giuseppe  Martini  in  Lucca. 
^  Paoli  463,  vorher  schon  Bonaini,  Statuti  inediti  della  citt4  di  Pisa  3,  1050  f. 
und  Beil.  zur  (Augsb.)  Allgem.  Zeitung  1858  Juni  27  Nr.  178. 
'  S.  oben  S.  251—259. 
®  Silbermann  1,  83. 
»  Heyd,  Ravensburg  28. 


Das  übrige  Italien.  599 

Bruderschaft,  in  St.  Martino  besafsen  sie  eine  Kapelle,  die  sie  der  hl. 
Gottesmutter  —  gerade  ihre  Verehrung  war  ja  den  deutschen  Hand- 
werkern ans  Herz  gewachsen  —  gewidmet  hatten.  Sie  erwarben  1461 
ein  unmittelbar  anstofsendes  Häuschen,  um  dort  ein  kleines  Lazarett 
zu  errichtend 

Weiter  südöstlich  haben  wir  nur  ganz  gelegentliche  Erwähnungen 
und  Angaben.  So  wohnte  1431  ein  flandrischer  Handelsmann  in  Arezzo*, 
1398  taucht  in  Macerata  (Mark  Ankona)  ein  deutscher  Meister  Wilhelm 
als  Schullehrer  auf,  der  vorher  Kanzler  des  Städtchens  Accumuli  in  der 
Nähe  von  Aquila  war®. 

In  der  Stadt  »jerum  Adlern,  wie  sie  die  Deutschen  nannten,  in 
Aquila  in  den  Abruzzen,  fanden  die  grofsen  Safranmessen,  von  denen 
uns  z.  B.  Lorenz  Meder  berichtet,  statt.  Sie  müssen  recht  zahlreich  von 
Deutschland  besucht  gewesen  sein.  Der  Name  „Adler"  ist  schon  dessen 
ein  Beweis  und  er  war  in  Deutschland  recht  wohl  bekannt*. 

Früher  hatten  die  deutschen  Kaufleute  den  Safran,  von  dem  für 
100000  Dukaten  aus  Aquila,  Apulien,  Calabrien,  den  Abruzzen  und 
Marken  nach  Venedig  gelangte,  dort  gekauft,  allein  schon  vor  1479 
hatten,  so  besagt  ein  venetianisches  Dekret,  die  Deutschen  sich  dem 
Markte  von  Mailand  zugewandt,  ja,  hatten  die  Ursprungsländer  selbst 
aufgesucht.  Der  ganze  Weg  des  Safranhandels  wurde  dadurch  verlegt, 
es  half  auch  nichts,  dafs  Venedig  den  Satz  für  den  Transit  sehr  niedrig 
ansetzte,  1481  und  1482  jede  Iraportabgabe  aufhob.  Venedig  war  um 
so  empfindlicher  berührt,  da  die  Deutschen  nicht  allein  den  Safran  aus- 
führten, sondern  auch  Silber  und  anderes  einführten,  dafür  aber  ge- 
sponnenes Gold  und  feine  Seidenstoffe  einkauften.  Die  Konkurrenz  mit 
Mailand  und  der  Handel  am  Ursprungsorte  war  den  Venetianern  so 
empfindlich,  dafs  sie  1492  den  Exportzoll  für  Safran  ganz  aufhoben 
und  den  Transitsatz  auf  ^U  von  dem  von  1479  erniedrigten*.  Ob  die 
Hoffnung  sich  erfüllte,  dafs  der  Safranhandel  wieder  den  Weg  über  das 
Meer  und  Venedig  einschlagen  werde,   ist  nicht  festzustellen. 

Nach  Aquila  versetzt  uns  dann  auch  eine  interessante  Urkunde  von 
1471.  Hier  hatte  30  Jahre  lang  ein  Nürnberger  Arnold  von  Seeland 
mit  aus  Verona  stammenden  Bürgern  von  Aquila  eine  Handelsgesell- 
schaft betrieben,    wobei    der  Deutsche  wohl    in  Nürnberg  die  Interessen 


'  Urkunde  mitgeteilt  vonPiccolomini  iu  Miscellanea  storica  Senese  1,215 ff. 

2  »Leo  Henrki  de  Flavdriaj  hahitator  civitatis  Aretine*  Geleitsbrief  zum  Eintritt 
mit  Waren  inEom.  Repertor.  Germ ani cum,  Pontifikat  Eugens  IV.  Bd.  I  Nr.  1276. 

^  Colin i-Baldeschi  in  Historische  Vierteljahrschrift  Jahrgang  2,  518 — 522. 

*  Z.  B.  Erzählung  von  Capistrans  Predigt  dort.  Chroniken  deutscher 
Städte  10,  193. 

•^  Statut  von  1479  bei  Thomas  235,  von  1492  ebda.  277.  Vgl.  Simonsfeld  2,  85. 


\ 


gOO  Zweiundfünfzigstes  Kapitel. 

vertrat.  Als  er  seine  Abrechnung  forderte,  wurde  er  nach  Aquila  auf 
die  Burg  Offignano  in  das  Haus  seiner  Genossen  geladen  und  dort  er- 
schlagen, sein  Sohn  Jakob  entging  dem  Tode  nur  dadurch,  dafs  er 
sich  in  eine  unter  der  Burg  gelegene  Mühle  flüchtete.  Ob  die  Be- 
schwerde Kaiser  Friedrichs  bei  König  Ferrante  Erfolg  hatte,  erfahren 
wir  nichts  In  Aquila  haben  übrigens  auch  die  Imhoff  von  Nürnberg 
im  Anfang  des  sechzehnten  Jahrhunderts  Geschäfte  betrieben ,  sie  hatten 
dort  wie  in  Bari  Faktoreien^. 

Auch  in  andern  Teilen  des  Königreichs  Neapel  finden  sich 
Deutsche.  Ein  wunderbares  Geschick  hatte  einen  Nürnberger  Johann 
Teufel  dorthin  verschlagen,  er  war  auf  Wanderung  bei  verschiedenen 
Völkern  gewesen,  dann  Seeräubern  in  die  Hände  gefallen  und  von  diesen 
ins  Königreich  Neapel  verkauft  worden®. 

Auf  den  apulischen  Messen  zu  Bari,  Barletta,  Trani  und  Otranto 
erschienen  wenigstens  im  sechzehntenten  Jahrhundert  oft  Nürnberger 
Händler,  um  Safran,  Ol,  Mandeln  und  Galläpfel  einzukaufen*. 

Rom  endlich  nimmt  naturgemäfs  in  der  Reihe  der  italienischen  Städte 
eine  Ausnahmestellung  ein.  Nachrichten  über  Warenhandel  zwischen  Rom 
und  Deutschland  habe  ich  keine  gefunden,  auch  die  über  den  Geldhamlel 
sind  vorläufig  nur  dürftig.  Von  den  Fuggern  ist  in  anderm  Zusammen- 
hange die  Rede;  ein  banchus  et  societas  Wtlhelmi  Petri  erscheint  1509^. 

Zahlreicher  sind  die  Angaben  über  in  Rom  angesiedelte  Hand- 
werker®. Die  Schuster,  deren  Statuten  1439  bestätigt  wurden,  hatten 
ein  eigenes  Gildehaus  ^,  die  Bäcker  hatten  sogar  ein  Spital  und  eine 
eigene  Kirche  neben  der  schola^  auch  die  Leineweber  waren  organisiert®. 
Aufser  ihnen  zog  die  Stadt  mit  ihrem  Fremdenverkehr  manche  andere 
Elemente  an,  namentlich  gab  es  eine  grofse  Zahl  deutscher  Wirte. 
1447  schrieb  Aeneas  Sylvius:  die  Deutschen  machen  überall  die  Wirts- 
leute. Ihr  Verdienst  ist  es,  dafs  man  ziemlich  allenthalben  in  Italien 
ein  Gasthaus  findet;  wo  es  aber  keine  Deutschen  giebt,  da  giebt  es  auch 
keine  Herberge  ®.     Die  ersten  Buchdrucker  waren  auch  hier  meist  Deut- 


»  Urkunden  Nr.  100. 

-  Mitteil.  Verein  Nürnberg  1,  lÖl. 

3  Urkunden  Nr.  389. 

*  Meder  19. 

^  Nagl  u.  Lang,  Nationalhospiz  S.  73. 

6  Vgl.  Pastor,  Geschichte  der  Päpste  1  2,  202— 203  u.  3,  34.  Rodocanachi, 
Les  corporations  ouvri^res  ä  Roine.    Paris  1894.     1,  LXXXFV,  1,  87,  1  92  f. 

'  Die  calcelarii  curtesani  Bomanam  cttriam  sequentes  unterstanden  der  Gerichts- 
barkeit der  curia  des  päpstlichen  Marschalls,  nicht  der  der  ars  calcelarie,  Reper- 
torium  Germanicum  I  2727. 

8  de  Waal  42.  77. 

^   Vitae  paparum  bei  Muratori  3,  2,  880. 


Das  übrige  Italien.  gOl 

sehe;  Spezereihändler,  die  der  Kurie  folgten,  werden  auch  erwähnt^. 
Aber  das  waren  alles  Elemente,  die  kaum  Waren  aus  Deutschland  be- 
zogen oder  dorthin  versandten. 

In  dem  Bruderschaftsbuche  und  in  andern  Dokumenten  der  Anima 
begegnen  uns  alle  diese  Gattungen  neben  den  Prälaten  und  den  frommen 
Pilgern,  auch  Müller,  Goldschmiede,  Kürschner,  Sattler,  Bader,  Barbiere 
finden  sich  da  aufgezählt  *.  Und  ähnlich  wird  auch  die  Bruderschaft  des 
Friedhofs  der  Deutschen  diese  Elemente  vereinigt  haben ;  doch  beginnen 
die  Register  derselben  erst  mit  1501.  Die  deutsche  Kolonie  in  Rom 
mufs  damals  eher  nach  Tausenden,  als  nach  Hunderten  gezählt  haben. 
Ihnen  und  den  Pilgern  dienten  zahlreiche  fromme  Stiftungen  und 
Bruderschaften. 

Nicht  allein  in  Rom,  auch  im  übrigen  Italien  finden  sich  Deutsche 
in  den  Bergwerken  und  bei  der  Münze.  Doch  liegt  das  zu  verfolgen 
nicht  in  unserer  Aufgabe®,  wie  ich  auch  den  Spuren  der  Künstler  nicht 
nachgehe. 


»  de  Waal  78. 

-Liber  confraternitatis  B.  Marie  de  Anima  Teutonicorum  de  Urbe. 
Komac  1875  und  Nagl  u.  Lang  passim. 

'  Ich  notiere  einiges:  1479  Anlage  von  Berg^^erken  im  Kirchenstaate  durch 
Johann  Klug  von  Freiberg  und  50  deutsche  Bergknappen,  1513  Johann  Zink  Vor- 
stand der  päpstlichen  Münze,    de  Waal  77  f. 


Dritter  Teil. 

DER  ANTEIL  DEUTSCHLANDS. 


Dreiundfünfzigstes  Kapitel. 
Allgemeines.    Konstanz. 

Träger  des  Handels  nicht  Landstädte,  sondern  Eeichsstädte.  Entscheidend  für  den 
Anteil  am  Handel:  die  Lage  des  Gewerbes  mid  die  Stellung  des  Patriziates  zum  Handel,  — 
Das  Schultheifssche  Brief  buch.  Leinwandhandely  Produktion  in  den  Händen  der  Kauf- 
leute.  Anteil  der  Geschlechter.  Austritt  der  Beichen  aus  den  Zünften.  Die  Zunft- 
revoltäionen  auch  gegen  die  Handelsgesellschaften.  Die  Reichsteti  der  Stetterlisteyi  von 
1418  und  1422.  Die  Muntprats.  Stammbaum.  Ihr  Vermögen.  Vergleich  mit  den 
Reichsten  in  benachbarten  Städten.  Tabellen  über  Ravensburg^  Ulm.  Die  reichen  Linien 
gehen  zum  Landadel  über.  Die  Fry^  im  Steinhus.  Die  verschiedenen  Riehtungen  des 
Handels.  Umfang  desselben.  Tabellen  über  Zoll  im  Kaufhause  und  Steuer.  Gründe 
des  Niedergangs.    Geographische  Kenntnisse  in  Konstanz. 

Nicht  die  zunächst  dem  Fufse  der  Alpen  oder  gar  im  Gtebirgs- 
bereiche  gelegenen  Städte,  etwa  Chur,  Luzern,  Sitten  oder  Freiburg, 
Bern,  Zürich,  St.  Gallen  haben  den  Handel  nach  Italien  konzentriert, 
ihren  Handel  hat  an  Bedeutung  der  der  schwäbischen,  fränkischen  und 
rheinischen  Städte  übertroffen.  Die  Beziehungen  jener  heute  zur  Schweiz 
gehörigen  Städte  habe  ich  beiläufig  so  eingehend  besprechen  müssen, 
dafs  ich,  um  Wiederholungen  zu  vermeiden,  nur  noch  St.  Gallen  und 
('  Basel  einmal  berühren  möchte,  das  sich  ja  erst  am  Ende  unserer  Periode 
der  Eidgenossenschaft  anschlofs.  Von  den  schweizerischen  Städten  wären 
aufserdem  anzuführen  Wyl,  Werdenberg,  Zürich,  dessen  Seiden- 
industrie wieder  eingegangen  war,  Luzern,  das  einen  sehr  erheblichen 
Handel  betrieb,  mehr  Bedeutung  aber  noch  für  den  Transitverkehr  hatte, 
dann  Bern  und  Freiburg,  beide  mit  grofser  Wollweberei  und  Leder- 
gewerbe ^ 

Die  deutschen  Städte  haben  sich  nun  keineswegs  in  gleicher  Weise 
an  dem  Handel  beteiligt.     Zunächst  sind  ausschliefslich  die  Reichsstädte 


^  Zum  einzelnen  vgl.  das  Register. 


Konstanz.  603 

Träger  desselben.  Es  ist  ja  richtig,  dafs  fast  alle  namhaften  Städte  des 
Oberrheins,  Schwabens  und  Frankens  Reichsstädte  waren,  aber  es  gab 
doch  dazwischen  auch  bedeutende  landesherrliche  Städte:  Rheinfelden, 
Breisach,  namentlich  das  reiche  Freiburg  i.  Br.,  Zabem,  Heidelberg, 
dann  Stuttgart,  Cannstadt,  WUrzburg.  Die  Namen  dieser  Orte  sucht 
man  völlig  vergeblich,  nur  Freiburg  erscheint  ganz  beiläufig.  Und  wenn 
diese  damals  für  die  Silberproduktion  wichtige  Stadt  nicht  selbst  auf 
grofse  Entfernungen  Handel  trieb,  so  kann  das  wohl  nur  darin  seinen 
Grund  haben,  dafs  die  Btlrger  der  Territorialstädte  keinen  genügenden 
Schutz  von  Seiten  ihrer  Herren  erwarteten.  Die  Reichsstädte  vertraten 
selbst  und  mit  Nachdruck  ihre  Interessen,  sie  hatten  den  Namen  des 
Kaisers  und  der  gab  auch  dann  noch  ein  Relief,  als  seine  Macht  schon 
sehr  tief  gesunken  war. 

Entscheidend  ist  fUr  den  Anteil  nur  zu  einem  Teile  die  geographische 
Lage   gewesen.      Man    würde    in    Italien    massenhaft    Strafsburger   und 
Mainzer  vermuten,   aber   man  findet  sie  nicht,   dafür   erscheinen  Leute  i 
aus  Rothenburg  a.  Tauber,  vor  allem  aus  dem  kleinen  Ravensburg.     Es    > 
spielen  da  ganz  andere  Gründe  mit  herein.  Zwei  derselben  scheinen  mir 
die  wichtigsten. 

Der  eigene  Gewerbebetrieb  einer  Stadt  und  ihrer  Umgebung   giebt 
dem   Handel   Anstofs    und   Richtung.     Also   Ankauf  der  Rohstoffe  und 
Absatz  der  Produkte.     Ganz  deutlich  sehen  wir  das   bei  Eonstanz  und 
Ravensburg.  Der  Bezug  der  Rohstoffe  für  die  den  Handel  beherrschende 
Leineweberei   erfolgte   in   der  Nachbarschaft,   der  Absatz   aber  weniger 
nach   Norden,   als   in   der  Richtung   nach   Süden   und  Südwesten,    nach 
Italien  und  Spanien  hin,  wo  die  Linnenerzeugung  zurückgeblieben  war. 
Ulm  und  Basel  waren  durch  den  Bezug  des  Rohstoffes  ihrer  Barchente,  t 
der   Baumwolle,   an  Italien   gebunden.     Diejenigen   Städte   also,   welche  l 
durch  die  einseitige  Hervorkehrung  einer  Seite  der  Produktion  zum  Ex- 
port gezwungen  sind  und  somit  den  Rahmen  der  mittelalterlichen  Stadt-  ( 
Wirtschaft  nach  dieser  Seite  hin  sprengen   müssen,  werden   am   meisten  i 
Träger  des  Handels.     Eine  Stadt  wie  Strafsburg,  in  der  alle  Handwerke 
vertreten  waren  und  die  die  Bedürfnisse  aller  Bewohner  des  Wirtschafts- 
gebietes   zu   decken   im   stände  war,    drängte   viel   weniger  hinaus,   als 
einseitig  entwickelte   Städte  wie  die  Leinenstädte  Konstanz  und  Ravens- 
burg, die  Barchentindustrie  von  Ulm,  die  Metallgewerbe  von  Nürnberg 
u.  s.  w.     Für   die  schwäbischen  und   fränkischen   Handelsstädte   ist   im 
Gegensatz  zum  Beispiel  zu  den   hansischen   die  Verbindung  von  Handel 
und  Gewerbefleifs  charakteristisch. 

Den  Handel  beeinfiufste  auch  die  Standesanschauung  der  Geschlechter.  ! 
Die  Geschlechter  der  Reichsstädte  waren  im  wesentlichen  aus  den  Kauf-  ^ 
leuten,    aus   den  wirklich   Handel   treibenden  Kreisen  hervorgegangen, 


g04  DreioDdfün&igstes  KapiteL 

doch  stammten  an  einzelnen  Orten ,  z.  B.  Nürnberg  sehr  viele  auch  aus 
dem  Stande  der  Ministerialen.  Wie  wir  nan  Nachkommen  solcher 
Dienstmannen  auf  Handelsfahrten  nachweisen  werden,  schlielsen  sich 
umgekehrt  massenhaft  Söhne  von  Kaufmannsfamilien  aus.  Je  nachdem 
die  fuhrenden  Geschlechter  einer  Stadt  es  für  ehrenhaft  hielten,  selbst 
Handel  zu  treiben  oder  nicht,  je  nachdem  sie  der  thörichten,  wesentlich 
deutschen  Anschauung  folgten,  wonach  der  Handel  sich  einem  Ritter 
nicht  zieme,  oder  gleich  den  meisten  Italienern  es  für  keine  Schande 
hielten,  sondern  sich  nach  dem  Beispiele  der  Yenetianer,  Florentiner 
und  Genuesen  richteten,  wo  kein  noch  so  reiches  Haus  sich  vom  Handel 
ausschlofs ,  war  der  Anteil  an  dem  Welthandel  verschieden  ^  Die  deut- 
sche Anschauung  hat,  wenn  wir  von  Basel  absehen ,  ja  schliefslich  über- 
all gesiegt.  Am  längsten  hielt  sie  sich  in  Nürnberg,  im  Mittelalter  war 
es  noch  völlig  von  den  Anschauungen,  die  die  jungen  Leute  in  Italien 
gewannen,  geleitet,  dals  Arbeit  und  Adel  nicht  schände.  In  Ulm, 
Ravensburg,  Konstanz  begann  die  „Veradligung"  des  Patriziates  bereits 
und  höchst  amüsant  ist  der  Briefwechsel,  den  Bilgerin  von  Reischach, 
Vogt  zu  Bregenz,  mit  Hans  Besserer,  Bürger  zu  Ravensburg  führte. 
Bilgerin  hatte  den  Bürger  geduzt  und  dieser  erwiderte  das,  der  Bürger 
setzte  seinen  Namen  der  Adresse  voran,  wie  es  der  Adlige  gethan  hatte 
und  der  Hegauer  Adel  geriet  über  eine  solche  Unverschämtheit  in  Auf- 
regung; ein  Nachkomme  von  Bürgern  und  Kauf  leuten  wollte  sich  denen 
gleichsetzen,  die  von  edlen  Leuten,  Rittern  und  Knechten  abstammten? 
Reischach  meinte,  sein  Gegner  solle  auf  die  Trinkstuben  gehen  und 
nachforschen,  wie  es  mit  dem  Pfeffer  stehe,  der  von  Alexandrien  und 
Barzelona  nach  Venedig  komme,  und  wie  die  Barchenttücher  gewechselt 
würden  ^ 

Am  frühesten  hatte  der  Ausschluß  der  Geschlechter  vom  Handel 
sich  in  Strafsburg  vollzogen.  Da  wurde  1472  festgesetzt,  dafs,  wer 
Konstafler  werden  wolle,  schwören  müsse,  hinftirder  keinerlei  Kaufmann- 
schaft oder  Handwerk  zu  treiben,  doch  ^mögen  sie  wol  gemeinschafl 
haben  oder  Verleihung  iunt  d.  h.  sie  dürfen  ihr  Geld  ausleihen  und  in 
Gesellschaft  arbeiten  lassen,  aber  selbst  mit  dem  Handel  dürfen  sie  sich 
nicht  mehr  befassen,  mindestens  nicht  mehr  einen  offenen  Laden  haben  ^. 
Schliefslich  drohte  jedem  durch  den  Handel  reich  gewordenen  Geschlechte 
dieses  Los.  Zuerst  wurden  die  Töchter  der  reichen  Kaufherrn  vom 
Landadel  umworben,  dann  wurde  ein  Kaufherr  selbst  Ritter.  Ein  Teil 
des  Geldes   wurde   im  Besitze    von   Burgen   und   Herrschaften   angelegt, 


1  In  Mailand  war  ein  Nobile  als  Kaufmann  selten.  Burckhardt  2^  90  Anm.  4. 
-  Steinhausen,  Deutsche  Privatbriefe  des  Mittelalters  1,  370—377  spec  1,  374. 
3  Chroniken  d.  deutschen  Städte  9,  965.    Vgl.  Eheberg  S.  391  u.  520. 


Konstanz.  605 

während  die  persönliche  Arbeit  im  Geschäfte  eingestellt  wurde.  Sehr 
deutlich  sehen  wir  diese  Umwandlung  selbst  bei  einem  strammen  Ge- 
schäftsmann, dem  Nürnberger  Balthasar  Baumgartner  sich  vollziehen, 
der  schliefslich  aus  dem  aufregenden  Handelsleben  sich  auf  das  Land 
flüchtet  ^  Aus  dem  Kaufherrn  der  Stadt  wurde  ein  Adliger  des 
Landes. 

Da  der  Grofshandel  im  wesentlichen  in  den  Händen  der  Geschlechter 
lag  —  der  Handwerksmeister  konnte  sich  nur  sehr  schlecht  empor- 
schwingen —  ergiebt  sich  ganz  von  selbst,  dafs  in  den  Orten,  wo  die 
Veradligung  des  Kaufmannstandes  sehr  weit  fortgeschritten  ist,  der  An- 
teil am  internationalen  Handel  verdorrt.  Beide  Prozesse  stehen  in 
inniger  Verbindung.  Und  so  werden  wir  uns  auch  durchaus  nicht 
wundem  können  über  den  Unterschied  zwischen  Strafsburg  und  Ktirn- 
berg,  zwei  gleich  reichen  und  gleich  mächtigen  Städte^  In  Strafsburg 
werden  die  Geschlechter,  die  aus  de»  Kaufleuten  hervorgegangen  sind,  ein 
Landadel,  in  Nürnberg  wird  und  bleibt  trotz  der  engen  lehensrechtlichen 
Verbindung  mit  dem  königlichen  Hofe  der  z.  T.  aus  der  Ministeriali  tat 
hervorgegangene  Geschlechterkreis  ein  kaufmännischer. 

Für  die  Geschichte  des  Konstanzer  Handels^  haben  wir  eine  Reihe 
von  vorzüglichen  Quellen.  Vorab  ist  da  das  schon  wiederholt  erwähnte 
Formelbuch  des  Nikolaus  Schultheifs  zu  nennen;  da  sein  Zusammen- 
steller, bevor  er  Stadtschreiber  von  Konstanz  wurde,  in  Ravensburg 
gewesen  war  und  auch  von  dort  Briefe  mitbrachte,  ist  seine  Sammlung 
auch  für  Ravensburg  von  Wert.  Nicht  zu  übersehen  ist,  dafs  einige 
seiner  Briefe  Stilübungen  sind.  Es  ist  eine  ganz  hervorragend  wichtige 
Quelle®.  Gerade  durch  sie  erfahren  wir  auch  die  ältesten  Nachrichten 
über  den  Handel  der  Muntprat,  wie  auch  der  Name  der  Ravensburger 
Hundbifs  (Humpiss)  nicht  fehlt. 

Die  Grundlage  des  Konstanzer  Exporthandels  blieb  auch  im  vier- 
zehnten und  fünfzehnten  Jahrhundert  die  Leinwand.  Das  Garn  wurde 
aus  dem  Bregenzer  Walde,  dem  Rhein-  und  Thurgau  gebracht;  wie 
weit  eine  Weberei  auf  dem  Lande  noch  statt  fand ,  bleibt  zweifelhaft. 
Jedenfalls   deckte  die  nie  sehr  starke  Leinweberzunft  von  Konstanz  den 


( 


^  Steinhausen,  Der  Kaufmann  96  f. 

2  Vgl.  Mona  in  Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrheins  4.    Gothein,   Wirtschafts-      y^ 
geschichte  und  Ruppert,  Der  Konstanzer  Handel  im  Mittelalter    in  Konstanzer 
geschichtliche  Beiträge  Heft  4.    Konstanz  1895. 

*  Nach  seinem  Formelbuch  war  er  1399  noch  prothonotarius  oppidi  Ravensburg, 
1400 — 1414  aber  ist  er  im  gleichen  Amte  in  Konstanz  zu  erweisen,  nach  den  Chroniken 
versah  er  sechzehn  Jahr  das  Amt  (Ruppert  76),  1418  war  er  nicht  mehr  im  Dienste, 
lebte  aber  noch. 


506  Dreiundfüufzigstes  Kapitel. 

Bedarf  nicht  allein.  Die  Geschichte  der  Industrie  ist  namentlich  von 
Gothein  genau  dargestellt  worden,  auf  den  ich  hier  verweise.  Die  Pro- 
duktion unterstand  einer  scharfen  öffentlichen  Kontrolle,  da  gab  es 
Leinwandschauer,  Leinwand messer,  Färber,  Ballenbinder,  Bleicher  und 
Gamfeilträger.  Und  es  ist  nicht  ohne  Interesse  zu  sehen,  dafs  die  Lein- 
wandschauer vielfach  den  Geschlechtern  entnommen  waren  ^.  Der  Ver- 
kauf mufste  seit  1391  durch  die  Vermittlung  von  Unterkäufem  er- 
folgen. Die  Tuchmacher  von  Konstanz  kamen  fiir  den  Export  nicht  in 
Betracht. 

Auch  mit  der  Baum  Wollweberei,  der  Herstellung  von  Barchent  hat 
Konstanz  Versuche  gemacht,  seit  1376  finden  sich  Baumwollschauer, 
doch  war  das  Gewerbe,  über  dessen  Zugehörigkeit  1409  Leinen-  und 
Wollen weber  mit  einander  stritten,  wohl  nie  kräftig,  1431  war  die 
Barchentweberei  aber  ganz  abgegangen,  so  dafs  die  Stadt  einem  Krämer 
ein  Haus  zur  Errichtung  eines  ^Buchhuses*  billig  verkaufte^. 

Dafs  die  Konstanzer  Produktion  von  Kauf leuten  abhängig  war,  ist 
von  Gothein  deutlich  bewiesen.  Welchen  Kreisen  gehörten  aber  diese 
Kaufleute  an?  Gothein  nimmt  an,  dafs  in  den  ältesten  Zeiten  die  Ge- 
schlechter den  Handel  geleitet  hätten,  dann  aber  durch  ein  Statut  von 
1386  von  jedem  Gewerbe  und  jeder  Zunft  ausgeschlossen  seien  und  erst 
1495  seien  sie  wieder  zum  Grofshandel  zugelassen  worden.  Für  die  Zeit 
also,  in  die  Konstanz'  gröfste  Handelsblüte  Mit,  wäre  demnach  der  Kreis 
der  Geschlechter  vom  Handel  ausgeschlossen  gewesen.  Diese  Auffassung 
ist  irrig.  Das  Statut  von  1386^  besagt  nur,  dafs  die  Zünfte  den  poli- 
tischen Einflufs  der  Geschlechter  von  sich  fern  halten  wollten,  die 
Spannung,  welche  zum  Aufstand  von  1389  führte,  drückt  sich  darin  aus. 
Den  Wortlaut  des  Beschlusses  von  1495*  habe  ich  nicht  gesehen,  ist  kein 
Irrtum  untergelaufen,  so  kann  er  nur  eine  kurze  Unterbrechung  eines 
alten  Gebrauches  beendet  haben ;  denn  dafs  die  Geschlechter  am  Handel 
beteiligt  waren ,  läfst  sich  ausdrücklich  nachweisen.  Die  Tugwas  waren 
mindestens  seit  1274  unter  den  Geschlechtern  und  waren  auch  später 
nicht  zünftisch  geworden;  Bärtelli  Tugwas  stand  aber  1404  in  Frank- 
furt am  Todesbette  des  Johann  von  Ulm,  der  offenbar  zur  Messe  hier 
war*^.  Und  von  den  Ulm  (zu  den  Geschlechtern  seit  mindestens  1360) 
y  haben  wir  viele  Nachrichten  über  ihren  Handel  in  Avignon*  und  auch 
der  dort  Handel  treibende  Johannes  Seiler  gehörte  einem  „Geschlechte" 


1 


So  fand  ich  1454  Lütfried  im  Steinhaus,  Hartmanu  Hürus,  1460  Jörg  Engeliii. 
2  Beschlufs  von  1431  gedruckt  Ruppert,  Chroniken  394. 
«  Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrh.  15,  43.    Dazu  Gothein  343. 
*  Erwähnt  Gothein  358. 

^  Urkunden  Nr.  348  und  Beyerle,  Ratslisten. 
«  Zeitschr.  f.  Gesch.  Oberrh.  4,  45—48. 


Konstanz.  g07 

(mindestens  seit  1376)  an^,  wie  Walther  Lind  in  Genf*.  In  Spanien 
begegneten  wir  den  „im  Steinhause „  ®  und  auch  sie  vertraten  seit 
mindestens  1368  im  Rate  die  Geschlechter.  Und  wie  diese  dem  Kauf- 
mannstande das  ganze  fünfzehnte  Jahrhundert  hindurch  treu  blieben,  so 
war  es  auch  bei  den  Fry  der  Fall,  die  schon  in  den  ältesten  Ratsur- 
kunden auftauchen.  Auch  die  weiter  unten  zu  erwähnenden  Appenteger, 
Bettminger,  Blarer,  Engelli,  Hürus  gehören  unbestritten  zu  den  Ge- 
schlechtern. Auch  den  Speiser,  den  wir  in  Mailand  fanden,  wie  den 
Burkhard  Wiener,  der  nach  Venedig  handelte,  müssen  wir  den  Ge- 
schlechtern zuzählen*. 

Diese  ergänzten  sich  dann  weiter  aus  den  durch  den  Handel  reich 
gewordenen  Zünftischen.  Dieser  Vorgang  läfst  sich  auf  Grund  der  Rats- 
listen ganz  deutlich  beobachten  und  er  ist  für  die  Zeit  von  1380  bis 
1420  geradezu  charakteristisch.  Die  Kirchherr,  die  1407  nach  Venedig 
handelten,  waren  1388  und  1390  noch  zünftig,  wanderten  aber  schon 
1427  mit  den  Geschlechtem  aus'^,  ebenso  wurden  die  Winterberg,  die 
später  Handel  mit  Venedig  trieben  •,  1385  in  die  Geschlechter  aufge- 
nommen. Die  Ehinger,  zünftischer  Abstammung,  erwarben  zuerst  die 
Stadtammannswürde,  seit  1431  erscheinen  auch  sie  unter  den  Ge- 
schlechtern. 

Vor  allem  aber  kam  aus  den  Zünften  in  die  Geschlechter  hinüber 
die  Familie,  die  für  den  Aufsenhandel  von  Konstanz  die  gröfste  Be- 
deutung hatte,  es  sind  die  Muntprat.  Von  den  drei  Brüdern  vertraten 
Lütfried  und  Hans  im  Rate  Geschlechter,  während  Konrad  erst  1390  aus 
den  Zünften  hinübergenommen  wurde  und  noch  lange  ein  armer  Zweig 
dieser  Familie  in  den  Steuerbüchern  erscheint  Die  Zunftrevolutionen 
von  1370  an  hängen  fast  alle  mit  diesen  Verschiebungen  innerhalb  der 
Geschlechter  zusammen.  Die  von  1420  und  1429  gehen  geradezu  daraus 
hervor.  Es  ist  uns  ausdrücklich  bezeugt,  wie  ungern  die  Zünfte  es 
sahen,  dafs  die  angesehensten  der  eigenen  Mitglieder  danach  strebten, 
in  die  Zahl  der  Geschlechter  und  in  ihre  Gesellschaft  zur  Katze  aufge- 
nommen zu  werden '^.  Die  Katze  hatte  plutokratische  Tendenzen,  die 
Zünfte  standen  für  das  Geburtsrecht,  1420  erfolgte  das  Verbot  des  Über-  ( 
tritts   aus  der   Zunft,    doch    die  Geschlechter   und    die  neuen  Freunde    ' 


'  Zeitschr.  f.  Gesch.  Oberrh.  4,  44. 

2  Urkunden  Nr.  345. 

»  Zeitschr.  f.  Gesch.  Oberrh.  4,  43. 

*  Speiser  seit  1368,  Wiener  seit  1376  nachzuweisen. 

*  Zeitschr.  f.  Gesch.  Oberrh.  4,  29  f.    Ruppert  147. 
«  Vgl.  oben  S.  519. 

■^  Vgl.  vor  allem  den  Spruch  bei  Ruppert  345  u.  349.   Die  Chronik  des  Zunft- 
meisters der  Wollenweber  in  Rupperts  Konstanzer  geschichtl.  Beiträgen  4,  118. 


ß08  Dreiundfünfzigstes  Kapitel. 

kümmerten  siph  nicht  darum  und  so  brach  1429  die  schwerste  aller 
Konstanzer  Zunftrevolutionen  aus,  bei  der  fast  die  gesamten  Geschlechter 
auswanderten.  Bisher  hat  man  diesen  Aufstand  nur  unter  politischen 
Gesichtspunkten  betrachtet,  man  hat  auch  gesellschaftliche  erkannt,  doch 
auch  wirtschaftliche  fehlten  nicht.  In  die  Periode  dieser  Streitigkeiten 
mufs  nämlich  der  Beschlufs  fallen,  die  Handelsgesellschaften  abzuschaffen; 
in  der  Hoffnung,  dafs  auch  andere  Städte  ebenso  vorgehen  würden,  war 
er  gefafst  worden.  Die  Angabe  des  Ratsbuches  zum  16.  Juli  1425,  dafs 
Ltitfried  Muntprat,  Ulrich  Ehinger,  K.  Winterberg,  Jakob  und  Hans 
Appentegger,  Dietrich  Schilter,  Ulrich  Steinstrafs,  Philipp  Nätei',  Antoni 
Geisberg,  Heinrich  Kraft  und  Ulrich  im  Holz  schwuren,  innerhalb  andert- 
halb Jahren  „von  der  Gemeinde  zu  lassen"  *,  bezieht  sich  unzweifelhaft 
auf  dieses  Verbot.  Darf  man  die  Vermutung  aussprechen,  dafs  in  diesen 
Personen  die  Glieder  der  Muntpratschen  Gesellschaft  zu  sehen  sind,  da 
später  einige  in  der  mit  der  Muntpratschen  Gesellschaft  verschmolzenen 
grofsen  Ravensburger  Gesellschaft  wieder  auftauchen?  Bei  der  Gesell- 
schaft des  Konrad  Winterberg,  Ulrich  im  Holz  und  Ulrich  Steinstrafs 
hatte  Christoffel  GrUnenberg  1426  eine  Einlage  von  1300  rh.  Gulden. 
Die  Urkunde  spricht  in  etwa,  aber  nicht  entscheidend  gegen  die  Ver- 
mutung^. Wäre  sie  richtig,  so  hätte  die  Gesellschaft  Geschlechter  und 
Ztinftische  vereint;  wie  jener  Spekulant  Ulrich  im  Holz,  seines  Zeichens 
ein  Färber,  ein  Zünftischer  war,  der  1435  entwich®.  Fast  alle  diese 
Leute  erscheinen  in  den  nächsten  Steuerlisten  mit  stets  z.  T.  schnell 
wachsendem  Vermögen. 

Allein  Konstanz  blieb  mit  dem  Experiment  allein,  die  Gewerbe 
wurden  von  Konstanz  fortgezogen  und  die  Einnahmen  aus  dem  Kauf- 
haus gingen  zurück,  so  dafs  dem  Rate  und  der  Gemeinde  nichts  anderes 
übrig  blieb,  als  1429  den  Kauf  leuten  die  Gesellschaften  unter  sich  und  mit 
Fremden  wiederum  zu  gestatten*.  Das  geschah  schon,  bevor  jener  Auf- 
stand ausbrach.  Auf  dasselbe  Ziel,  den  Reichen  entgegen  zu  treten,  lief 
der  Beschlufs  hinaus,  dafs  in  Zukunft  nicht  mehr  die  Stadt,  sondern  die 
Kaufleute  die  Kosten  des  Mefsgeleites  tragen  sollten. 

Es  trieb  zu  dem  Aufstande  —  so  scheint  mir  —  doch  auch  ein 
Gegensatz  zwischen  den  Arbeitern  —  deswegen  beteiligten  sich  die  Leine- 
weber so  stark  —  und  den  Händlern.  Doch  das  Eingreifen  König  Sieg- 
munds   nahm   den   Zünften    den   Sieg.      Die   Arbeitnehmer  hatten   den 


*  Ruppert,  Chroniken  393. 

■  ZinBbrief  von  1426  Oktober  29,  mitgeteilt  von  Leiner.   Die  drei  handehi :   für 
sich  und  ihre  gemeine  Gesellschaft,  die  also  noch  mehr  Teilhaber  enthalten  haben  kann. 

*  Gothein  523. 

*  Urkunden  Nr.  356. 


Konstanz. 


609 


Kürzeren   gezogen   und    die   Aufhebung    der  Leineweberzunft  war  die 
Rache  der  Geschlechter. 

Die  plutokratischen  Tendenzen,  die  die  Reichen  mit  den  Geschlechtem 
zusammenführten,  erweisen  auch  die  Steuerlisten;  aus  den  ältesten  von 
1418  und  1422  gebe  ich  nachstehend  ein  Verzeichnis  derjenigen,  welche 
über  6  500  ^  hl.  versteuerten.  Man  sieht ,  dafs  zu  dieser  Höhe  nur 
wenige  von  den  alten  Geschlechtern  heraufragen  ^  recht  viele  der  Empor- 
gekommenen sind  bereits  aufgenommen^,  unter  den  reichsten  sind  aber 
auch  solche,  die  zu  den  Zünften  gehören^.  Dem  Gegenstand  der  Ver- 
mögensverteilung müfste  eine  Specialuntersuchung  gewidmet  werden. 


1418 


AUe  über  6500  U  Besitz 


liegend 
«  hl. 


fahrend 


Zusammen 


^  h\.  \     U  hl. 


Steuer 
U    ß  \A, 


•Lütfr.Muutprat  u.  s.  Brud. 
fHan»  V.  Schwarzach.    .    . 

fCünrat  v.  Hoff 

♦Heinrich   Muntprat   .    .   . 
die  V.  Heudorf  (Landadel). 

♦Cönrat  Stickel 

Heinr.  Ehinger,  Ammann  . 
Ulr.  11.  Hoiur.  Grünenberg  . 

*  Peter  Sonnentag  .... 

sStoffel  Zipp 

'Ulrich  Schatz,  Vogt  .    .    . 

*Jakob  Schwarz 

Hflrufs 

*  Kirchherren.    .       .   .    .   . 

Berth.  Ehinger 

fDrei  Stofacker  u.  i.  Mutter 
♦Anna  u.  Hans  Cünr.  Egli  . 

+Mangolt 

fJakok  V.  Ulm 

♦Ludwig  Muntprat .... 

fHeinr.  Schilter 

t Heinrich  v.  Ulm 

fBalth.  Engelli 

♦Felixin 

Walherin  u.  ihre  Tochter. 
Schultheifs 


7  500 
7  600 
8000 
4000 

3  700 
1000 
6  700 
6  000 
5  200 
1600 
2  700 

4000 
2  700 
4000 
1200 
2  900 

4  000 
4  400 
6300 
3200 
2  360 
1360 
1700 
2  750 
1300 
2100 


37  500 
10900 
10400 
12  000 

9800 
12000 

5  500 

4  500 
5050 
8400 
7  300 

5  600 
6500 
5160 
7  780 

6  000 

4  800 
4300 
2200 

5  000 
5  060 
5  740 
5  300 
4200 
5  500 
4600 


45  000 
18  500 
18400 
16  000 
13  500 
13000 
12  200 
10  500 
10  250 
10000 
10000 


102  — 
40  — 
24  — 
:^  10 
45  — 
34*  10 

24  — 

20  10 

21  — 

25  — 
23  — 


9  600 
9200 
9160 
8  980 
8  900 
8800 
8  700 
8  500 
8200 
7420 
7100 
7000 
6950 
6800 
6  700 


21  — 
25  — 

19  12 
23  — 

20  10 
18  10 
18  — 
12  6 

18  — 

19  8 
34  — 

16  16 
15  — 

17  - 
15  — 


177  350 


112410 


289  760  26  Parteien 


^  Mit  einem  t  bezeichnet;  *  bezeichnet:   *;  '  bezeichnet: 

Schulte,  Geseh.  d.  mittelalterl.  Handels.    I. 


89 


610 


Dreiundfunfzigstes  Kapitel. 


1422 


Alle  über  6500  ü  Besitz 


liegend  fahrend 


«  hl. 


a  hl. 


Zusammen 
«  hl. 


*Lütfrid  u.  Hans  Muntprat 
fJo.  V.  Schwarzach.   .   .   . 

♦Stickel 

f  H.  V.  Ulm 

<^Schatz  [Cftnrat] 

fBnin  V.  Tettikofen   .   .   . 
Heinrich  Ehinger,  Ammann 

fPfefferhartin 

fHürufs 

Grünenberg 

*H.  Muntprat 

«^ipp 

*P.  Sunnentag 

tdie  V.  Hoff 

Grünenbergin 

«"Hans  C.  Stoffacher    .   .   . 

tC.  Mangolt 

Reinbolt  Stark 

*Han8  Cäurat  Egli .... 

tH.  Schiltar 

fSchultheifs 

«^Stockrümcl 

tUlr.  Schilter 

♦Cänr.  Egli 

♦Felix 


9000 
8  000 
1000 

13400 
4  600 
7  600 
7  600 

13  000 
3130 
2690 
4000 
3000 
6300 
6050 

1300 
3200 
4400 
700 
3000 
2400 
2  750 
2000 
3200 
2000 
2  750 


53000 

10  700 

17  000 

2  700 

9  400 


5  750 

5500 

8200 

8400 

I 


7000 
8000 
4500 
4300 

7  800 
5  700 

4  300 
7  300 
5000 
5200 
4800 

5  500 
4000 
5000 
4200 


62  000 
18  700 
18  000 
16100 
14000 
13  350 
13100 
13  000 
11330 
11090 
11000 
11000 
10800 
10350 


Steuer 
U    ß   ^ 


9100 
8900 
8  700 
8  000 
8000 
7  600 
7  550 
7500 
7200 
7000 
6950 


131 
40 
48 
26 
32 
26 
25 
19 
27 
26 
24 
26 
19 
20 


10  — 


10  — 


10  - 

10  — 

7  6 

10  — 


23 
20 

18 
21 
18 
16 
17 
17 
15 
16 
14 


10  — 

16  — 
10  — 


233820 


86  500 


320320 


25  Parteien 


Bei  der  grofsen  Bedeutung  des  muntpratischeii  Geschlechtes  für  die 
Handelsgeschichte  war  es  mein  Wunsch,  auf  der  Stammtafel  zu  zeigen, 
wie  sich  ihr  Blut  verzweigte  und  wie  durch  Erbgang  von  ihnen  Anteile 
an  der  grofsen  Ravensburger  Gesellschaft  sich  vererbten.  Allein  ich 
mufs  den  Versuch  aufgeben,  da  das  Material,  so  umfangreich  es  ist,  doch 
nicht  überall  die  Lücken  ausfüllt.  Glücklicherweise  können  wir  den 
Stammbaum  für  die  Zeiten,  in  denen  die  Muntprat  ihr  Vermögen  er- 
warben,  mit  ausreichender  Sicherheit  angebend     Der  Name,   der   auf 

^  Vgl.  beifolgende  Tafel.  Sie  beruht  auf  den  KoUektaneen  Kindler  v.  Knob- 
lochS)  den  Notizen  Leiners^  den  eigenen  Sammlungen  aus  den  Archiven  in  Konstanz 
und  Karlsruhe,  wie  der  Litteratur. 


i 
i 


Das  Cursive  nach  den  Steuerlisten. 


i 

t 

l. 


Johannes, 

1365.  1388.  1404;  seit  1377  im  Rat. 
Starb  1417?    Ratsliste. 


Bintporterthor, 

Einziger  Sohn: 

Heinrieh, 

1404,  stirbt  1432, 
wandert  1429  nach  SchafFhausen. 
Seine  Witwe  verschwindet  1436. 


EifUporterihar. 

Hans, 

Bürger  1449^1457^ 
Verstellen  dann  nur 
noch  liegendes  Gut, 


? 
Ulrich. 


Conrad  zer  Sonnet^ 

1365.  1388.  1404. 

1380-1389  unter  den  Zünfte 

seit  1390  unter  den  GeschL 

I 
SnetztJior. 

? 

Ludwig  zer  Sonm 

1417  Stiftung,  1431  U 

In   den   Listest    sehr  unregt 
offenbar  früh  von  Konstai 


Zahlen  zunächst  nur  vom  Ha\ 
1447 y  dann  gar  nicht. 

Alber. 

Conrad  d.  j.  z«  Steinbock, 

1431,  t  1478.  sti 

ux.:?  von  Roggwil. 
? 
ob  Salenstein. 


»rf, 


? 


Heinrich         Ludwig 
z.  Spiegel-     z.  Spiegel- 
berg, berg, 

lebt  1485.  1465, 

tot  1485. 


Jakob, 

ux.:  Marg. 

V.  Ulm, 

1465. 


Tochter,         Snetzthor 
mar.:  Ludwig         Bad. 
Nithart,  Rudolf, 

t  1479. 


1465. 


Ruland,   Jos, 
1485.   1485. 


at. 

^akob 
tenstein. 


\ 


Konstanz.  gH 

romanische  Abstammung  oder  Aufenthalt  deutet,  taucht  zum  ersten- 
mal urkundlich  1354  auf.  Von  ganz  hervorragender  Bedeutung  ist  es 
nun,  dafs  in  dieser  Urkunde  Heinrich  Muntbrat  als  KavoerBe  bezeichnet 
wird.  Da  die  Gawerschen,  wie  oben  gezeigt,  so  gut  wie  ausnahmslos 
aus  Asti  oder  Chieri  stammten,  so  dürfen  wir  dort  auch  wohl  die  Heimat 
der  Muntprat  suchen.  Freilich  kann  ich  weder  den  Familiennamen  noch 
das  Wappen  noch  endlich  einen  Ortsnamen  in  der  Gegend  von  Asti 
nachweisen.  Die  Untersuchung  italienischer  Lokalforscher  mufs  da  ein- 
setzen ^  Diesem  Heinrich  dürfen  wir  wohl  als  Söhne  die  drei  Brüder 
Johannes,  Konrad  und  Lütfrid  zuschreiben.  Johannes  war  seitens  des 
Rates  zum  Kauf  hausbau  verordnet  ^.  Johannes  und  Lütfried  hielten  sich 
zusammen,  beide  vertraten  seit  mindestens  1377  im  Rate  die  Gruppe 
der  Geschlechter,  während  Konrad  zer  Sonnen  anfänglich  noch  Zünftler 
war.  Das  Testament  von  Hans  spricht  klar  die  Absicht  aus,  dafs  das 
Vermögen  beim  Mannesstamme  verbleibt®.  Auf  Lütfrids  Söhne,  Lütfirid 
und  Hans  ging  der  Handelsgeist  ihres  Vaters  über  und  obwohl  Hans 
schon  zwischen  1422  und  25  starb,  blieb  das  Gut  bis  1433  ungeteilt. 
Erst  1447  starb  Lütfrid  als  einer  der  reichsten  Kaufherrn  Deutschlands^. 

Dafs  Johann  (ob  der  ältere  oder  jüngere,  ist  fraglich)  1404  in 
Venedig  Wechsel  einkassierte,  die  Johann  Slatter  und  Lütfrid  Bettminger 
in  Brügge  gekauft  hatten,  wissen  wir  aus  dem  Schultheissischen  Formel- 
buch'^.  Dieser  Bettminger,  dessen  Vorname  ja  in  der  Familie  Muntprat 
wiederkehrt,  war  ein  Faktor  des  Johannes  Muntprat,  er  hatte  in  Venedig 
einen  andern  Wechsel  gekauft^.  Im  Handel  nach  Katalonien  haben  wir 
Lütfried  schon  früher  gesehen  und  wir  wissen  bereits,  dafs  er  mit  seinem 
Bruder  Johann  1408  von  Korsikanern  gefangen  wurde''. 

Wenn  wir  also  einen  Handelsbetrieb  in  Flandern,  Spanien  und 
Venedig  nachweisen  können ,  so  dürfen  wir  die  Muntprat  wohl  als  Grofs- 
kaufleute  ansprechen.  Und  das  waren  sie  in  der  That«  In  der  ältesten 
Konstanzer  Steuerliste  von  1418  erscheinen  als  weitaus  die  reichsten 
die  Brüder  Lütfried  und  Hans,  deren  fahrende  Habe  sich  allein  auf 
37500  U  belief  —  ein  Mobiliar-  und  Geldbesitz  von  enormen  Umfange 
für  die  damalige  Zeit. 


^  Der  Name :  Muntprat,  Montprat,  Momprat  u.  s.  w.  ist  in  den  Ortslexiken  nicht 
zu  finden. 

2  Mit  Albrecht  Blarer  und  Bretzeli  Sayler.    Konst.  Ratsbuch  S.  351. 

3  Urkunden  Nr.  349. 

*  Er  war  Familiäre  König  Ruprechts,  s.  oben  S.  544.  Auch  war  er  1424  Bau- 
meister der  adligen  Gesellschaft  zur  Katze.  1443  war  er  Bürgermeister,  1418  zweiter 
und  1444  Vogt,  im  Rat  safs  er  so  gut  wie  ununterbrochen. 

"*  Zeitschr.  f.  Gesch.  Oberrh.  4,  29. 

«  Ebda.  4,  30. 

•^  S.  oben  S.  544. 

39* 


612  Dreiund fünfzigstes  Kapitel. 

Mir  liegen  Auszüge  über  die  sämtlichen  muntpratisehen  in  Konstanz 
versteuerten  Vermögen  bis  1499  vor,  die  ich  der  Güte  des  Herrn  Stadt- 
archivar Leiner  verdanket  Das  eben  erwähnte  Vermögen  stieg  von 
1418  bis  1433  —  so  lange  blieb  es  ungeteilt  —  von  45000  auf 
95000  W  hl.,  diese  Ziffer  wurde  schon  1431  erreicht,  die  beiden  Munt- 
prats,  Oheim  und  NeflFe,  verfügten  über  79000  ii  Mobiliarbesitz.  Seit 
der  Teilung  1433  stieg  die  Summe  beider  Vermögen  bis  1447  auf  132464. 
In  der  Zwischenzeit  liegen  starke,  meist  auf  beide  Vermögen  sich  er- 
streckende Schwankungen,  die  uns  beweisen,  dafs  beide  noch  im  Handel 
thätig  waren.  Lütfrid  hinterliefs  71 400  «  (davon  61 740  Fahrhabe). 
Das  Vermögen  schwoll  also  enorm  in  der  Zeit  von  1418 — 1431  und 
33 — 35  an,  ein  Rückschlag  &llt  in  das  Jahr  1436,  es  ist  das  Steuerjahr 
nach  jenem,  in  welchem  Ulrich  im  Holz  mit  Hinterlassung  einer  Schulden- 
last von  80  000  fl.  entwich.  Dieser  Bankerott  traf  Konstanz  sehr  schwer, 
von  da  ab  steigt  das  Vermögen  wieder  langsam. 

Um  dieser  Ziffer  ihre  Bedeutung  zu  geben,  lohnt  es  sich  wohl  ein- 
mal nach  den  reichsten  Leuten  anderer  Städte  Umschau  zu  halten.  Aus 
dem  benachbarten  Ravensburg  liegen  Steuerlisten  von  1473,  1482  und 
1497  vor^.  Nur  ein  einziges  Mal  erreicht  das  versteuerte  Vermögen  die 
Summe  von  10500  ^  ^  =  21000  «  hl.  Es  war  Jos.  Huntbis  alt,  der 
so  viel  entrichtete.  Also  die  Häupter  der  grofsen  Ravensburger  Ge- 
sellschaft konnten  auch  in  ihrer  Blütezeit  sich  mit  den  Muntprats  nicht 
messen.  Der  reichste  Bürger  Berns  versteuerte  1389  nur  8000  W  ^*. 
In  Basel  zahlte  1446  der  Höchstbesteuerte  von  einem  Vermögen  von 
14400  fl. ,  es  folgte  ein  zweiter  aus  den  Geschlechtern  mit  14000  fl. 
und  dann  einer  aus  der  Zunft  der  Schmiede  mit  13000  fl.*.  Die  ülmer 
Steuerlisten  von  1427  und  1499^  enthalten  keine  Fasionen,  sondern  nur 
den  Steuerbetrag.  Da  aber  nach  KöUe*  in  Ulm  als  Steuerfufs  ein  Heller 
von  €6  Wertes  der  Immobilien,  zwei  von  der  Mobilien  galt  und  das 
einen  Vergleich  mit  der  Konstanzer  Steuer  aushält,  die  eben  so  teilte, 
freilich  1435  z.  B.  zu  einem  dreimal  so  niedrigen  Satz  (1  hell,  von  liegend. 
Mark  =  Q  €6  hl.  =  3  W.  ^,    2  hl.  v.  d.  fahrenden  in  Konstanz,    *.2  hl. 


1  Die  Steucrlisten  beginnen  erst  mit  diesem  Jahre,  haben  anfangs  auch  noch 
einige  Lücken.  Die  richtige  Ordnung  habe  ich  bei  der  Benutzung  hergestellt,  früher 
machten  Listen  aus  dem  Anfang  des  sechzehnten  Jahhunderts  den  Beginn. 

2  Vgl.  Tabellen  II,  III,  IV. 

3  Vgl.  Welti,  Die  Teilbücher  der  Stadt  Bern  aus  d.  Jahre  1389.  Archiv 
des  bist.  Vereins  Bern  14,  700. 

*  Schönberg  S.  287.  In  Konstanz  galt  der  rhein.  fl.  damals  lAß^,  es  waren 
also  14  400  fl.  =  10  080  ÄJ  ^  =  20  160  ^  hl. 

''  Vgl.  Tabellen  V,  VI,  VII. 

*  Ursprung  u.  Entwicklung  der  Vermögenssteuer  in  Ulm.  Württemb.  Viertel- 
jahrshefto  N.  F.  7,  16  f. 


Konstanz. 


613 


vom  a  liegend,  1  hl.  vom  ü  fahrenden  in  Ulm),  so  hätte  Ltltfrid  dem- 
nach in  Ulm  257  «J  5  /  -f-  20  «J  2  Jj  6  »)=  277  ^  7  jS  6  h  hl  zahlen 
mtlssen.  Die  reichsten  Ulmer,  Peter  Stöbenhaber  und  die  Witwe  Hansen 
Stöbenhabers  zahlten  1427  nur  102  ü  hl.  ^ 

IL   Ravensburg  1478. 


Zusammen 


Steuer 


Jos  Huntbiss  alt  .  . 
Clementz  Ankenrüte 
Conrad  Huntbiss  .  . 
Jakob  Huntbiss  .  . 
Wilbalm  V.  Nidegg. 
Hans  Huntbiss  .  .  . 
Frick  Huntbiss  jung 
Jos  Huntbiss  jung    . 


3000 
1473 
307 
2  720 
1748 
1754 
2068 
1668 


7500 
4  283 
4987, 
2  414 
3:S40 
3200 
2  630 
2  733 


10500 
5  756 
5294 
51:34 
5088 
4  954 
4  698 
4391 


37  11  6 

20  19  10 

21  9  11 

15  16  - 
17  12  8 

16  6  3 
15  6  10 
14  18  9 


I 

Alle  über  4000  ü ,  ohne  Einträge  Noferus  Huntpis,  pueri  Fricken  Huntpis  und 
R&dolf  M/^ttelin,  der  für  vergangene  Steuern  120  fl.  zahlt. 

IIL   Ravensburg  1482. 


Zusammen 


Steuer 


Wilhelm  v.  Nydegg    .    . 
relicta  Conrat  Huntpiss  . 

Jacob  Humpis 

Clementz  Ankeruti  .    .   . 
Honoffer  Humpis  .... 


2422 
561 
3150 
1371 
2894 


4  560 

5  923 
2108 
3816 
2195 


6  982 
6484 
5  2.58 
5187 
5089 


24  2 

25  18 
15  8 
18  16 
15  5 


5 

8 
5 

8 


Alle  über  4000  ^.  Es  sind  keine  Fasionen  angegeben  bei  Hans  Humpis  (Steuer 
28  Gulden),  Frick  Humpis  (20  Gulden  nicht  mehr).  Elfs  Humpissin  und  relicta  Wil- 
halm  Hompis.    Steuern  schuldeten:   Pueri  Jos  Hompis  70  Guldin. 

IV.   Ravensburg  1497. 


liegend 


fahrend 


Zusammen 


Steuer 
ü    ^ 


relicta  Wilhalm  v.  Nidegg 
relicta  Cünrat  Humppis. 
C  anrät  Gäldrich  .... 
Hans  Humppis  jung  .  . 
pueri  Onoffrius  Humppis 
Jacob  Humppis  alt  .   .    . 


620 
2  556 
2000 
2800 
3156 
3000 


6  948 
6  908 
3200 
1581 
1043 
1160 


7  568 
9464 
5200 
4  381 
4199 
4160 


30  6  4 

34  3  8 

17  11  2 

12  10  1 

10  19  11 

11  3  2 


Alle  über  4000  il.    Ohne  Eintrag  Hansen  Besserers  erben. 


^  Die  Voraussetzung,  die  ich  hier  nicht  prüfen  kann,  ist  die,  dafs  1427  in  der 
That  nach  dem  von  Kölle  angegebenen  Satze  erhoben  wurde.    In  Augsburg  steht 


614 


Dreiundfünfzigstes  Kapitel. 


V.   Ulm  1427. 

n    hl. 
Peter  St/^benhaber  und  Hansen 

St.  Witwe 102 

H.  V.  Güutzburg,  sin  muter  .  62    7  — 

Claus  Üngelter,  Bürgermstr. .  46    9  — 

Peter  Leo  v.  Giengen.   ...  44  12  — 

Alt  Hartmann  Ehinger  ...  43  10  — 

Peter  Ungelter 40  12  — 

Hanz  RIntz  alt 40  12  — 

Hans  R§ntz  alt 39    5  — 

Jos  Stammler 37  19  — 

Hannsen  Heidens  Kind  ...  35  14    8 

Lutz  Kraft 34  10  — 

C.  Karg ;33    7  — 

Die  V.  Haspurg 31  18  ~ 

Chuntz  Kraft 29  19  — 

Jörg  Bessrer 29    7  — 

Jos  Bitterlin 29 

Chünrat  Schlieher 27  11  — 

Peter  Ehingerin  Witwe ...  27  11  — 

Ytal  V.  Werdnaw 26  16    6 

Peter  Wis 26    5  — 

Alle  über  25  U  Steuer. 


VI.   Ulm  1499. 

U    hl. 

Giengerin 122 

Vier  Lebzeller 120  15  — 

Lutz  Rott 116  12    9 

Mattheus  Lupjn 113  15  — 

Hannzelerin  Witib 102  12  — 

Rourin  Witib,  Marx  Wech,  .1 

Hanns  Rorer }  ^^    ^  ^" 

Ulrich  Scherman 93    9  — 

Lieberin  Witib 80    5  10 

Herwartin  Wittib 75    6    9 

Ulrich  Ehinger 73    5    5 

Walther  Ehinger 70  19    3 

Brosy  Rotten  Wittib  ....  70    7    6 

Wilhelm  Ort 67    4  — 

Vitt  Rädolff 57  15  — 

Danie  Schlicher 57  15  — 


U     hl. 

Sigmund  Stainler  u.  s.  Bruder  55     1    9 

Hainrich  Nithart 52     5    6 

Jörg  KöUy 50  10  — 

Lienhart  und  Ludwig  Brem.  49    5  10 

Bartholome  Rott 47     8    8 

Weybrecht  Ehinger 47     6    4 

Wirkmanne 47     2  — 

Matheus  Gienger 45  10  — 

Hanns  Mefslin 44  12    6 

Gunczburgerin 44    2  — 

Caspar  Rennbolt 42  12  — 

Bernhart  Ram 42    5  10 

Jacob  Gienger  alt 42 

Danel  Bessrer 41    2    6 

Koboltin  Wittib 40  19    - 

Koboltin  Wittib 89  13  — 

Jeronimus  Gienger 38  10  — 

KraflFte  Wittib 37    3    9 

Hai.  Krafft 36  16    6 

Doctor  Mathias  Nithart ...  36  15  — 

Kranig  Secken(?) 35  17    8 

Jacob  Gregk 35  11    1 

Hans  Lew 35    5  — 

Cles  Gregk 35 

Jakob  Ehinger 35 

Hans  Ehinger,  Bürgerm.   .    .  32  16    3 

Hans  Rem 32    9  — 

Marx  Herwart 32     1    8 

Huzze  Wittib 30  18  10 

Wilhalm  Bessrer 30  12    6 

Jacob  Ehinger,  Burgerm.  .   .  30  10    8 

Kiene  Wittib 28    7  — 

Hanns  Bück 28    5  — 

Hainr.  Gunczburger 28 

Heinrich  Besserer 27    8    I 

Wilhalm  Krafft 27    5  — 

Jörg  Bessrer 26  19    7 

Matheus  Lupin  jung  ....  26  17    3 

Anthonius  Ungelter 26    7  10 

Bessingerin  Wittib 26    3    2 

Enly  Krafft 26     1    6 

Jacob  Beunlin 25  10  — 

Doctor  Wespach 25    4    5 

Martin  Scheler 24  10  — 


1428  mit  62  fl.  1  Ort  Peter  jung  Egen  an  der  Spitze.  Doch  kenne  ich  auch  da  den 
Satz  nicht  mit  Sicherheit.  Vgl.  Schulte,  Wer  war  um  1430  der  reichste  Bürger 
in  Schwaben  und  in  der  Schweiz  (Deutsche  Geschichtsblätter  1900  Heft  9). 


Koustanz. 


615 


Das  Vermögen  des  reichen,  in  St.  Gallen  steuernden  Lütfrid  Mötteli, 
von  dem  wir  noch  sprechen  werden,  betrug  1480  :  13300  €6  ^  = 
26600  ÄJ  hl.,  der  Schultheifs  Hasfurter  von  Luzem  versteuerte  1461: 
12  000  fl.  und  in  Zürich  betrug  1467  das  gröfste  Steuervermögen 
19 199  (t  (^  oder  hl.).  Auch  das  kam,  selbst  wenn  es  sich  um  Pfennige 
handelt,  nicht  entfernt  an  das  Ltitfridsche  Vermögen  heran*. 

Florenz  hatte  freilich  noch  viel  reichere  Leute  in  seinen  Mauern ;  Palla 
Strozzi,  der  steuerkräftigste  Mann  der  Stadt,  besafs  1427  101  400  florentiner 
Gulden  und  zahlte  507  Gulden  Steuer^. 

Das  in  Konstanz  versteuerte  Vermögen  der  verschiedenen  Muntprats 
veranschaulicht  folgende  VII.  Tabelle. 


Parteien, 
zahl 

liegendes 

fahrendes 

Zusammen 

Bemerkungen 

3 

1418 

14  700 

+    54  500 

—  69  200 

2(3) 

1422 

13  000 

+    60000 

=   73000 

ein  Vermögen  nicht  angegeben. 

2(3) 

1427 

20000 

+    62800 

—   82  800 

ein  Vermögen  nicht  angegeben« 

3 

1431 

21100 

+    85  400 

=-106  500 

4 

1435 

28400 

+  108  300 

==  136  700 

4 

1440 

23402 

+  105  907 

— 129  309 

2(3) 

1444 

20  860 

+  111  604 

—  132  464 

ein  Vermögen  nicht  angegeben« 

2 

1448 

20300 

+  114764 

==135  064 

3 

1452 

27  404 

4-  129  827 

— 157  231 

6 

1457 

41395 

+  128154 

— 169  549 

6(7) 

1462 

31728 

+    69  283 

—  101011 

ein  Vermögen  nicht  angegeben. 

5(7) 

1467 

32  674 

+    51992 

—  84  666 

zwei  Vermögen  nicht  angegeben. 

6 

1472 

33809 

+    58  736 

=   92  545 

7 

1477 

37  496 

+    69494 

-106  990 

7 

1482 

44  873 

+    73  922 

—  118795 

6 

1487 

35  454 

+    48  250 

=   83704 

7 

1492 

4;3  950 

+    63  652 

=  107  602 

3(5) 

1499 

1800 

+    29  000 

=   30800 

u.  feste  Steuern  V.  Grundstücken. 

Aus  ihr  wird  sofort  deutlich ,  dafs  trotz  kleiner  Gegenschläge  der 
Immobiliarbesitz  der  Familie  wächst,  der  Mobiliarbesitz  steigt  rapide  bis 
1452,  um  dann  mit  kleinen  Schwankungen  bedeutend  zu  sinken.  Ein 
eingehender  Stammbaum  würde  uns  die  Gründe  enthüllen. 

Schon  1429  verschwindet  Heinrich  Muntprat  aus  der  Stadt  und  es 
ist  mir  zweifelhaft,  ob  je  Nachkommen  von  ihm  wieder  dahin  zogen. 

Das  Beispiel  wiederholt  sich,  es  entstehen  die  grofsen  landadligen 
Linien  der  Muntprats  zu  Spiegelberg,  Lommis,  Zuckenried,  Rosenberg 
und  Weinfelden,   sie  entfremden  sich  der  Heimatstadt  wie  dem  Handel. 


*  Diese  Angaben  nach  Durrer,  Geschichtsfreund  48,  140. 
'^  V.  Reumont,  Lorenzo  1,  42. 


QIQ  Drciundfunfzigstes  Kapitel. 

Das  Geld  wird  mehr  und  mehr  in  Grundbesitz  angelegt^  und  immer 
mehr  verschwindet  der  persönliche  Anteil  an  dem  Geschäftsleben.  Aus 
den  Steuerlisten  ist  auch  bei  den  einzelnen  Mitgliedern  der  Familie  nicht 
mehr  ein  Wachsen  oder  Vermindern  aus  Geschäftsgewinn  zu  ersehen, 
einzelne  einigen  sich  mit  der  Stadt  auf  eine  feste  Steuer.  Die  stolzen 
Zeiten  des  Kaufmannshauses  sind  vorbei,  es  haben  jene  begonnen ^  wo 
sich  die  Muntprats  als  Adlige  fühlen.  Als  solche  haben  sie  keine 
Rolle  gespielt,  im  Jahre  1653  wurde  der  letzte  seines  Stammes  in  der 
St.  Paulskirche  beigesetzt,  wo  die  Familie  1417  eine  Altarpfrtlnde  er- 
richtet hatte  ^. 

Ein  Denkmal  würdiger  Art  hat  Johannes  Muntprat  zum  Kameel  er- 
halten; das  Domkapitel  hatte  ganz  gegen  den  Gebrauch®  Hansen  ver- 
stattet, erst  im  Schiffe  des  Domes  selbst,  dann  in  einer  Seitenkapelle 
neben  seiner  Gemahlin  Osanna  von  Helmsdorf  die  letzte  Ruhestätte  zu 
suchen*.  Eine  Bronzeplatte  von  hoher  künstlerischer  Vollendung  ziert 
sie  noch  heute  —  ein  Beweis,  dafs  auch  dieses  Kaufmannsgeschlecht 
Sinn  für  das  Schöne  besafs^. 

Selbstredend  hatte  der  benachbarte  Adel  kein  Bedenken,  sich  Töchter 
aus  diesem  Hause  zu  holen,  wichtiger  aber  sind  die  Angaben  über  Ver- 
schwUgerungen  mit  den  Kaufherrenfamilien  von  Ravensburg,  doch  ist 
davon  erst  im  Zusammenhange  mit  der  grofsen  Ravensburger  Gesell- 
schaft zu  reden,  in  die  das  Muntpratische  Geschäft  aufgegangen  zu  sein 
scheint. 

Nächst  den  Muntprats  interessieren  besonders  die  Fry,  die  als 
Faktoren  der  grofsen  Gesellschaft  in  Mailand  und  Genua  eine  grofse 
Rolle  gespielt  haben.  Die  Namen  Heinrich,  Ulrich  und  Jakob  habeq 
wir  oft  zu  nennen  gehabt.  Auch  sie  gehörten  einem  Konstanzer  Patrizier- 
geschlechte  an,  das  zeitweise  in  Lindau  seinen  Wohnsitz  aufschlug*^. 
Im  vierzehnten  Jahrhundert  waren  die  Fry  sehr  wohlhabend  ^,  im  folgen- 


*  Schon  1365  wurde  Sandegg  gewonnen,  1419  die  Burg  und  Herrschaft  Alten- 
klingen (bis  1440),  1464  die  Herrschaft  Spiegelberg. 

-  Andere  Stiftungen  daselbst,   im  Münster  und  bei  den  Predigern  sind  jünger. 
^  Selbst  adligen  Laien  wurde  dasHegräbnis  dort  nur  ganz  ausnahmsweise  gestattet. 

*  Urkunde  von  1474  Stadtarchiv  Konstanz.  Hans  errichtete  dort  zugleich  eine 
Pfründe. 

'^  Der  obere  Teil  der  Platte  mit  Namen  und  Wappen  war  völlig  zerstört,  als 
1881  eine  Erneuerung  erfolgte.  Ein  Zweifel  an  der  Zugehörigkeit  ist  durch  die  er- 
haltenen Wappen  Muntprat  und  Helmsdorf  ausgeschlossen.  Vgl.  auch  Kraus,  Kunst- 
denkmäler 1.  178. 

®  Vgl.  Kindler  v.  Knobloch,  Gesclilechterbuch  Art.  Frei.  Es  gab  in  Kon- 
stanz auch  eine  Metzgerfamilie  Fry. 

'  Urkunde  Nr.  340.  Hans,  Claus  und  Frick  hatten  nach  der  Liste  der  Rosse 
1388  sieben  Pferde  im  Werte  von  240  fl.  zu  stellen,  die  v.  Ulm  stellten  vier  Pferde 


Konstanz.  (}17 

den  Jahrhundert  erscheinen  sie  stets  nur  mit  minimalen  Steuerbeträgen  in 
den  Listen,  der  Kredit,  den  sie  wie  so  viele  andere  Konstanzer  König 
Siegmund  gewährt  hatten,  wird  auch  wohl  ihnen  teuer  zu  stehen  ge- 
kommen sein  ^  Grundbesitz  haben  sie  später  keinen  mehr^,  und  ich 
kann  mir  dafür  keine  andere  Erklärung  verschaffen,  als  dafs  sie  fast  ständig 
in  Italien  bez.  Spanien  lebten  und  zu  Hause  nur  so  viel  versteuerten,  um 
das  Bürgerrecht  aufrecht  zu  erhalten.  Hans  Fry  wurde  1441  Bürger  in 
Ravensburg. 

Am  Handel  hatte  früh  grofsen  Anteil  die  Familie  im  Steinhaus*. 
Sie  betrieben  1410  ein  Geschäft  in  Barcelona  und  schon  1381  waren  sie 
viel  in  der  Fremde,  sie  scheinen  mit  Goschman  Schalapri  zu  einer 
Gesellschaft  verbunden  gewesen  zu  sein*.  Sehr  vermögend  war  diese 
gleichfalls  zu  den  Geschlechtern  gehörige  Familie  nicht,  auch  hier  be- 
gegnet, wie  bei  den  Frys  gelegentlich  in  den  Steuerbüchern  die  Notiz 
dedit  oder  dedit  uff  rechnuug,  ohne  Fasion  des  Vermögens ,  die  wohl  auf 
Abwesenheit  aufser  Landes  deuten*.  Seit  1461  ist  Thomas  als  Faktor 
der  grofsen  Ravensburger  Gesellschaft  nachzuweisen,  1480  wurde  er  in 
Ravensburg  auf  fünf  Jahre  als  Bürger  aufgenommen ;  noch  einflufsreicher 
war  Klaus,  dessen  Vermögen  bedeutend  anwuchs  und  der  in  Konstanz  das 
Haus  der  Humpiss  bewohnte*.  Wir  werden  später  sehen,  dafs  noch  eine 
Reihe  von  andern  Konstanzern  Anteil  an  der  Ravensburger  Gesellschaft 
hatten. 

Zu  den  Konstanzern,  welche  Simonsfeld  im  Handel  nach  Venedig 
nachgewiesen  haf,  sind  zunächst  die  1314  bei  Padua  ermordeten  hinzu- 
für 200  fi.,  dann  folgen  die  drei  Miintprat  mit  vier  zu  150  fl.,  Albrecht  Blarer  und 
Raiscr  mit  je  drei  Rossen  zu  120  fl.,  die  im  Steinhaus  stellten  zwei  zu  70.  Ältestes 
Ratsbuch. 

»  Konrad  Fry  hatte  für  2312  rh.  fl.  Bürgschaft  geleistet.  Altmann  3455.  3711. 
8238  u.  9082.  Seine  Weinlieferanten  waren  Ulrich  Lind,  Ulrich  im  Steinhaus  und 
Heinrich  von  Ulm.     Waren  es  Südweine  V    Altmann  2070  f.  2347.  2835. 

'^  1418:  Claus  Frig  2500+  1900  =  4400  W  h.:  Hans  Fryg  3200+  1200  =  4400-, 
1422:  erstcrer  2500+  1200  =  3700;  1427:  2500  +  300  =  2800;  Hans  Fr.  2050  +  800  = 
2850;  1465:  Jacob  900  +  900  =  1800;  1466:  840  +  900;  Hans  F.  140;  Hain.  100;  1474: 
Hainr.  Fryen  wib  60.  Es  ist  äufserst  schwer,  die  verschiedenen  Familien  Fry  aus- 
einanderzuhalten. 

^  Auch  für  sie  standen  mir  die  Kindler  v.  Knoblochschen  Sammlungen  zur 
Verfügung. 

*  Urkunden  Nr.  342. 

«^  Ulrich  1418:  3000;  Polay  1422:    2000+  1500;  1466:    Steinhusleri  1800. 

6  1474:  1000  /? ;  1484:  1418;  1500:  5716;  1504:  7707;  1508:  8028  in  „des 
Humpifs  Haus" ;  1520:    1825  +  8707  =  10  532. 

'  2,  64.  1341  Thomas  und  Matthäus,  1366  Konrad  Bader  und  Johannes  6um- 
post,  1368  Heinrich  Flauer  (Blarer)  und  Walter  Aufert,  1410  Johann  Wagenmann 
und  die  oben  angebenen. 


618  Dreiundfünfzigstes  Kapitel. 

zufügen.  Auch  führte  schon  1269  ein  Konstanzer  den  Namen  Ounradus 
de  Venetiis^  der  Name  Hugo  der  Venedier  kommt  bis  1296  vor*.  Der 
einzige  Rest  eines  Konstanzer  Geschäftsbuches  aus  dem  Mittelalter  be- 
zieht sich  ebenfalls  auf  Venedig.  Der  Konstanzer  Kaufmann  schickte 
1320  100  Leinentlicher  in  fünf  Fardeln  nach  Venedig,  nach  einem 
unbenannten  Orte  Tuche  von  Löwen,  Mecheln  und  Ypern.  Der  Name 
des  Bruders  des  Kaufmanns  war  Werner,  er  findet  sich  sowohl  bei  der 
Familie  Appenteger  wie  Underschopf^.  Zwischen  einem  in  Venedig 
wohnenden  C.  von  Pfullendorf  und  dem  Konstanzer  Stlnder  spielt  sich 
ein  Streit  ab®,  von  besonderem  Interesse  ist,  dafs  sich  um  die  gleiche 
Zeit  in  Konstanz  ein  Färber  aus  Venedig  befand,  der  von  einem  Kon- 
stanzer Färber  in  Dienst  genommen  war,  diesen  drei  Farben  zu  lehren. 
Der  ungetreue  Venetianer  hatte  aber  seine  Kunst  auch  andere  Konstanzer 
Meister  gelehrt^.  Den  interessanten  Bericht  Konrad  Messners  an  den 
Herzog  von  Mailand  habe  ich  schon  früher  erwähnt ,  wie  die  Erlaubnis, 
die  Konrad  Winterberg  erhielt,  an  den  Venetianem  Repressalien  zu 
tiben*^.  Noch  um  1500  waren  ^tele  tinte  dt  ogni  sorta  di  Constanea*  in 
Venedig  beliebte  Artikel,  sie  gingen  damit  auf  die  unteritalischen. 
Messen  ®. 

Der  Schwerpunkt  des  Konstanzer  Handels  lag  in  der  Richtung  nach 
Mailand  und  weiter  nach  Genua  und  Spanien.  Ich  will  die  Beweise 
hier  nicht  wiederholen "'.  Ein  >Hänslt  von  Mailant,  der  1382  in  Kon- 
stanz lebte,  war  auch  mehrfach  im  Rate. 

Von  Como  siedelte  das  Geschlecht  der  Gall  mit  Bemhardin  1501 
nach  Konstanz  über,  Bernhardin  behielt  dabei  sein  Bürgerrecht  in  Mai- 
land®. Ein  anderer  Zweig  blieb  in  Como  wohnen.  Beide  betrieben 
gemeinsam  Geschäfte,  der  Konstanzer  Zweig  trat  aber  bald  in  den  Land- 
adel über®.     Auch  die  Croaria  stammten  aus  Italien. 

Noch  andere  Welsche  lebten  in  Konstanz,  mitunter  bedenkliche  Leute  ^^ 


*  Kindler  v.  Knobloch  1,  346.  Schriften  d.  Vereins  f.  Gesch.  d.  Boden- 
sees 4,  Regesten  S.  10.    Siegel  bei  v,  Weech,  Abbildungen  Heft  2. 

3  Urkunden  Nr.  339.    Beyerle  zum  Jahre  1347. 
«  Urkunden  Nr.  341. 

*  Urkunden  Nr.  346. 
6  S.  oben  S.  519. 

«  Pasi  Bl.  108. 

"^  Vgl.  Genua,  Spanien,  Mailand,  Mirandola,  Rom. 

^  Staatsarchiv  Mailand  B.eg.  Panigarola  K  Fol.  158  zu  1511.  Mitteilung  von  Motta. 

^  Kindler  v.  Knobbloch  1,  419—423.  Ein  Kreditiv  von  Konstanz  für 
Sebastian  Geisberg  in  Sachen  des  Niclas  Gall  an  Herzog  Franz  IL  von  Mailand  im 
Mailänder  Staatsarchiv. 

^^  Über  die  Astigianen  s.  oben  und  Urkunden  Nr.  358.  Vgl.  auch  Ruppert,. 
Chroniken  388.    Hinrichtung  des  Walchen  Jacob  Perit. 


M 


Koustanz.  Q\Q 

Die  Richtung  Genf,  Lyon,  Avignon  wurde  von  den  Konstanzern  ebenfalls    1 
eifrig  befahren  ^  ' 

Auch  Lothringen,  Flandern  und  die  Niederlande  fehlen  nicht,  so 
liefs  die  Witwe  Kaiserin  in  Antwerpen  filrben*,  und  unter  den  Gnaden, 
die  sich  die  Stadt  von  König  Siegmund  nach  dem  Konzil  ausbat,  fehlt 
auch  nicht  die,  dafs  sie  in  Flandern  dieselben  Rechte  hätten,  wie  die 
Kölner  und  Nürnberger.  Von  Köln  und  aus  den  Niederlanden  kamen 
Wollhändler  nach  Konstanz^.  Auf  der  Frankfurter  Messe  waren  Kon- 
stanzer regelmäfsige  Gäste*,  auch  den  Osten  suchten  sie  auf,  wie  ein 
Konstanzer  selbst  in  Krakau  Handel  trieb '^. 

Einzelne  Nachrichten  lassen  die  Richtung  der  Reisen  nicht  genau 
erkennen;  so  kamen  1388  Henni  Engelli,  Frick  Barlafs  und  Ltitfrid 
Muntprat  aus  welschen  Landen  heim®.  Auch  bei  Jakob  Wetzel,  Bürger 
von  Konstanz,  und  Johann  Pfenner,  Bürger  von  Wangen,  ist  nicht  recht 
zu  erkennen,  wo  sie  eigentlich  beraubt  wurden'.  Hans  Minner,  ein 
Kaufmann  >fnt^  speeüj  der  sich  1438  erhängte,  war  nach  den  Chroniken 
T^vil  stund  ennet  meres  gewesen^  **. 

Über  die  Blüte  des  Konstanzer  Handels  giebt  die  nachfolgende 
Tabelle  Auskunft.  Sie  enthält  erstens  die  Angaben  über  den  Ertrag 
der  Abgaben  im  Kauf  hause ;  die  Ziffern  lassen  sich  vergleichen ,  da 
nichts  darauf  deutet,  dafs  der  Tarif  geändert  wurde.  Die  zweite  Kolumne 
bietet  die  Summe  der  in  einem  Jahre  bezahlten  Steuern  ohne  die  Nach- 
zahlungen. Ich  habe  in  diese  Liste  nur  die  Jahre  aufgenommen,  in 
denen  die  Steuer  zu  demselben  Satze  erhoben  wurde.     In  den  fehlenden 


1  Vgl.  S.  487—492.  Das  Schultheifsische  Formelbuch  enthält  auch  einen  Geburts- 
brief für  Johannes  Wieczingtr  in  arte  pictoria  instrudus  in  dyocesi  Nannectensi  (Nantes) 
commorans.    Der  Vater  war  Goldschmied  in  Konstanz. 

^  Vgl.  Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrh.  4,  50.  61—67.  In  Brügge  verkehrten 
die  Konstanzer  nach  einem  Briefe  von  1404  ganz  regelmäfsig.  Die  Konstanzer  ver- 
mittelten auch  wohl  den  Warentransport  von  Flandern  nach  Italien.  So  fuhr  Hans 
Schlattcr  von  Konstanz  für  Wilhelm  Rummel  und  C.  Pirkheimer  von  Nürnberg  1410 
46  Sack  englischer  Wolle  durch.    Nürnberg,  Kreisarchiv,  Briefbuch  3  Fol.  60. 

3  Vgl.  Urkunden  Nr.  351. 

^  1428  wurden  bei  Sinsheim  ausgeplündert  Hug  im  Holz  und  sein  Weib,  Cunrat 
im  Holz,  Cunrat  Schatz  und  sein  Weib  und  seine  Mutter  (Vermögen  nach  der  Steuer- 
liste von  1429  2080  +  3600  =  5680),  Hug  Thifer,  Berchtoid  Vogt  und  sein  Weib  (4500 
+  1500  =  6000),  Hans  vom  Feld  und  sein  Weib,  Keinbolt  Stark  (1427:  700+7300), 
Caspar  von  Laupheim  (1429:  400+1100),  Banthleon  zu  Flandern.  Kuppert, 
Chroniken  133. 

^  Geleitsbrief  im  Formelbuch  des  Schultheifs  Fol.  5. 

«  Urkunden  Nr.  344. 

■^  Zeitschr.  f.  Gesch.  Oberrh.  4,  63  spricht  für  Flandern.  Die  Formel  Nr.  25 
des  Formelbuches  aber  für  Italien. 

*  Ruppert,  Chroniken  201. 


620 


Dreinndfunfzigstes  Kapitel. 


Ertrag   des   Zolles  im   Kaufhaus   und    der   Steuer 

in   Eonstanz. 


Zoll 

Steuer 

Zoll 

Steuer 

Zoll 

Steuer 

im  Kauf- 

der 

im  Kauf- 

der 

im  Kauf- 

der 

haus 

vier  Viertel 

haus 

vier  Viertel 

haus 

vier  Viertel 

U  ß  ^ 

U    ß    h 

U   ß   h 

U     ß    ^ 

U    ß  ^ 

U     ß    ^ 

1418 

1414  3  6 

1454 

624  3 

1556  1  11 

1486 

637  3  — 

1234  12 

1420 

. —  —  — 

1156  1  4 

1455 

579  18  — 

1549  19  2V2 

1487 

642 

1266  10  — 

1422 

—  —  — 

1292  17  3 

1456 

514  5  — 

1548  7  4V2 

1488 

672  12  — 

1259  19  8 

1425 

r)32  2- 

1199  7  8 

1457 

520  14  - 

1529  8  11 

1489 

670  8  — 

1284  —  1 

1426 

520  16  — 

—  —  — 

1458 

620  10  — 

—  —  — 

1490 

613  5  — 

1242  19  3 

1427 

471  18  6 

—  .^  — 

1459 

618  2- 

1422  6  ir/a 

1491 

504 

1210  10  5 

1428 

524  16  — 

— 

1460 

491  16  — 

1375  —   »/s 

1492 

576  12  - 

1188  15  8 

1429 

528  1  — 

-i_  —  -— 

1461 

596  3- 

— 

1493 

655  12  9 

123«  -  5 

1430 

571  6  — 

— 

1462 

686  16- 

1338  8  — 

1494 

669  2- 

1203  10  — 

1431 

631  14  — 

1202  9   V« 

14(J3 

687  7  6  1318  16  7 

1495 

775  6  — 

1203  14  6 

1432 

599  13  - 

1285  14  6 

1464 

726  2  — 

1316  7  2V2 

1496 

789  2  — 

1193  14  9 

14;33 

492  7  — 

1259  11  4 

1465 

707  4  — 

1300  5  9 

1497 

651  8- 

—  —  — 

1434 

747  7  — 

— 

1466 

691  16  — 

1271  8  7 

1498 

— 

1146  3  1 

1435 

675  3  — 

— 

1467 

605  18  — 

1220—  10 

1499 

— 

1125  9  6 

1436 

508  2  — 

—  -^  — 

1468 

78:^  13  — 

1227  19  9 

1500 

1437 

526  13  - 

— 

1469 

893  12  — 

1233  5  10V'2 

Mai 

— 

1052  16  6 

1438 

530  9- 

1357  15  9 

1470 

836 

1317  8  5 

No?. 

— 

1073  9  10 

1439 

497  17  — 

1265  10  1 ' 

1471 

782  6  — 

13:38  9  — 

1501 

— 

1074  5  3 

1440 

553  9  — 

— 

1472 

7:«  15  — 

1294  18  7'/2 

1502 

1061  18  — 

1441 

()41  18  — 

1297  2  9V2 

1473 

642  4  — 

1279  14  IIV2 

1504 

— 

1029  8  8 

1442 

645  13- 

1324  18  4V2 

1474 

761  6  — 

1282  Ö  8'/2 

1505 

— 

1043  16  3 

1443 

553  1  — 

1316  2  10'/2 

1475 

685  15 

1317  6IOV2 

1510 

— 

1092  6  5 

1444 

471  8  — 

—  — 

1476 

518  13  — 

1269  16  9V2 

1215 

— 

1093  2  2 

1445 

517  2 

— 

1477 

576 

1273  11  5 

1520 

— 

1152  9  4« 

1446 

513  3  — 

1392  4  6V2 

1478 

577  2  — 

1269  2  IV2 

1525 

— 

1232  —  2 

1447 

574  6 

1421  5  8V/2 

1479 

660  7  — 

1249  12  10 

1530 

— 

1337  15  2 

1448 

582  16- 

1487  19  4 

1480 

611  13  — 

1215  3 

15:35 

— 

1498  3  2 

1449 

602  5  — 

1575  15  5V2 

1481 

496  10  — 

1214  1  - 

1540 

— 

1624  1  10 

1450 

709  10  — 

1565  7  3 

1482 

453 

1183  14  5 

1545 

— 

2032  1  9 

1451 

732  15 

1556  10  5V2 

1483 

578  3  — 

1209  2  11 

1550 

— 

1716  5  10 

1452 

587  15  — 

1561  15  — 

1484 

687  6  — 

1232  4  6 

1555 

— 

1963  15  — 

1453 

579  17  — 

1 

1551  10  4 

1485 

584  11  — 

12:U  4  4 

1  Bis  hierher  sind  die  Summen  in  U  <)  aus  Ü  hl.  umgerechnet,  zu  dem  Satze 
l  ü  ^  =2ii  hl. 

-  Von  hier  ab  mufste  statt  der  Summo  der  vier  Viertel  die  stets  etwas  höhere 
Summe  aller  Steuereinnahmen,  einschliefslich  der  Rückstände,  eingesetzt  werden. 


k 


Konstanz.  621 

Jahren  war  der  Steuerfufs  höher,  selten  niedriger.  In  Konstanz  war, 
wie  schon  gesagt,  die  Steuer  von  der  liegenden  Habe  um  50  ®/o  niedriger, 
als  die  der  Fahrhabe,  der  Satz  derselben  wurde  nach  der  Mark  Ver- 
mögenswert berechnet  und  die  Mark  =  S  fiß  §)  =  6  ^  hl.  gesetzt  ^ 
Die  normale  Belastung  war  von  der  fahrenden  Mark  2  ^,  von  der 
liegenden  1  ^. 

In  den  Jahren  von  1425 — 1450  schwankt  der  Ertrag  des  Zolles  im 
Kauf  hause  zwischen  471  ^  §  (1444)  bez.  (1427)  und  747  fS  (1434)  bez. 
709  fi  (1450).  Der  Durchschnitt  beträgt  jährlich  566  /JJ  §  =  1132  (^  hl. 
Das  Maximum  der  Periode  von  1451—1475  erhebt  sich  auf  893  f6  (1463), 
das  Minimum  geht  bis  491  ۧ  (1460)  hinab.  Der  Durchschnitt  stieg  auf 
652  /J5.  Die  dritte  Periode  1476 — 1497  zeigt  eine  durchschnittliche  Ab- 
nahme, der  Durchschnitt  beträgt  nur  mehr  616  /J5  ^,  das  Maximum  (1496) 
ist  789  /JJ,  das  Minimum  (1482)  453  fi.  Der  gesamte  Durchschnitt  der 
Erträge  von  1425—97  ist  610  ^,  das  Maximum  ist  893  ii  (1469),  das 
Minimum  453  (1482).  Auf  diese  Ziflfern  mufsten  vor  allem  Kriege,  auch 
ansteckende  Krankheiten  einen  Einflufs  ausüben,  doch  mufs  die  Unter- 
suchung der  Lokalgeschichte  überlassen  bleiben^. 

In  der  Steuersumme  spricht  sich  der  Wohlstand  der  Konstanzer  aus. 
Die  Ziflfern  sind  natürlich  viel  konstanter,  als  die  der  Kauf  hauserträg- 
nisse.  Im  allgemeinen  charakterisiert  sich  der  Gang  wie  folgt:  die 
Summen  schwanken  bis  1440,  steigen  dann  bis  1449  zum  erstem  Maxi- 
mum (1575  fi)  erhalten  sich  auf  fast  gleicher  Höhe  bis  1457,  dann  sinken 
sie  unter  kleinen  Schwankungen  fortwährend  bis  zum  Minimum  von 
1504  (1029),  von  1520  bis  1545  steigen  sie  erheblich  bis  auf  2032 /JJ, 
dann  folgen  wieder  Schwankungen.  Das  Verhältnis  von  Maximum  (1449) 
und  Minimum  (1504)  ist  wie  100  :  65,3. 


^  Aufzeichnung  in  Stadtrechts -Handschriften  A  III  7;  auch  Ruppert  S.  402 
und  Notizen  in  den  von  mir  durchgesehenen  Steuerlistcn  und  Kechuungen.  Aus 
ihnen  notiere  ich  noch  folgende  Relationen  von  fl.  rh.:  1431  ==  15  yi  ^,  1434=  16  ß  ^, 
1437  =  14  yi  <J.  Diese  bleibt  lange  in  Geltung.  Die  Angaben  über  den  Ertrag  des 
Komzolles,  des  Salzmafses,  der  Wage,  des  Krahns,  der  Leinwandschau  sind  nicht 
so  gleichmäfsig  überliefert  und  nicht  unbedenklich  zu  verwenden,  so  habe  ich  auf 
ihre  Benutzung  schliefslich  verzichtet.  Doch  gebe  ich  hier  einige  Beispiele: 
in  ÄJ  <J  Kaufhaus  Wagstock         Kornzoll  Ungeld  Steuer 

1457  520  14  —  4  18  —  64    4  —        1039    5    4        1648  6  V2 

1481  496  10  —  29    2  -  40  18  —         928  18    7        1279  6  — 

1496  789    2  —  123    6  —  12  12  10         660    9    8        1243  7    8 

2  Die  grofse  Pest  von  1439  (Ruppert,  Chroniken  S.  205)  fällt  nicht  sehr  auf! 
Wegen  Pest  wurden  zu  Mailand  folgende  Sperren  verhängt,  so  weit  sie  mir  bekannt 
geworden  sind :  1464  gegen  Basel,  1483  gegen  Gotthard  und  Lukmanier,  1494  gegen 
Nürnberg,  Ulm  und  Ravensburg.    Boll.  stör.  d.  Svizz.  ital.  6,  141.   269.  272. 


522  DreiaDdfanfzigstes  Kapitel. 

Die  bedeutendste  2^it  des  Konstanzer  Handels  fällt  wohl  in  die  Jahre 
von  1350  bis  1460.  Das  Konzil  hatte  wohl  eine  Krisis  nach  sich  gezogen, 
aber  im  wesentlichen  wurde  sie  überwunden  und  ein  so  kluger  Beobachter 
wie  Peter  Tafur^  der  in  Konstanz  die  schönste  Frau  in  seinem  Leben 
sah,  meinte,  dafs  Konstanz  seinen  Aufschwung  dem  Konzil  zu  verdanken 
habe,  wenn  es  auch  schon  vorher  recht  ansehnlich  gewesen  sein  möge^ 
Dann  begann  langsam  der  Niedergang,  infolge  des  mifslungenen  Zunft- 
aufstandes verschwanden  die  Leineweber,  ein  grofser  Teil  des  reicheren 
Bürgerstandes  gab  allen  Handel  auf  und  zog  auf  die  Burgen.  Der  Unter- 
nehmungsgeist erlosch;  der  Leinwandhandel  zog  nach  St  Gallen,  auch 
Isny  und  Wangen.  Die  Fuhrleute  imigingen  das  Konstanzer  Kaufhaus, 
wo  man  nicht  einmal  ordentliche  Gewichte  hatte  ^  und  mit  dem  Verluste 
des  Thurgaus  bufste  Konstanz  sein  natürliches  Hinterland  ein,  was  es 
bis  heute  nicht  verwinden  konnte. 

In  Konstanz  besafs  man  bedeutende  geographische  Kenntnisse; 
wiederholt  wurden  Konstanzer  auf  Wallfahrten  ins  heilige  Land  als 
Reisebegleiter  mitgenommen ;  so  ging  1372  Ulrich  Harzer  mit  dem  Grafen 
Rudolf  von  Montfort,  1380  Diethelm  der  junge  Schilter  mit  Hans  von 
Bodman  und  1429  begleitete  Albrecht  Steinstrafse,  der  Sohn  eines 
Associ^  von  Lütfried  Muntprat,  einen  Grafen  Ulrich  in  weite  Lande*. 
Andere  gingen  auf  eigene  Kosten:  1366  Ulrich  Schwarz,  1486  Konrad 
Grünenberg,  der  Verfasser  des  kostbaren  Wappenbuches,  mit  Kaspar 
Geisberg,  dann  1521  Bastian  und  Rochus  Muntprat^. 

So  kann  es  uns  auch  nicht  wundernehmen,  dafs  1448  der  Benediktiner 
Andreas  Walsperger  aus  Salzburg  in  Konstanz  das  Material  fand,  um 
seine  Weltkarte  zu  zeichnen,  die  viel  von  den  Entdeckungen  des  vier- 
zehnten und  fünfzehnten  Jahrhunderts  darbietet,  wenn  sie  auch  von 
Fehlern  wimmelt^.  Hat  Walsperger  vielleicht  bei  einem  Kaufmann  die 
Vorlage  seiner  mappa  mundi  gesehen?  In  einer  Stadt,  deren  Bürger- 
schaft Werke  wie  die  Richentalsche  Konzilschronik  und  das  Grünen- 
bergische  Wappenbuch  schuf,  würde  die  Herstellung  oder  Erwerbung 
einer  mappa  mundi  nichts  Auffallendes  haben. 

1  Tafur  267.    lläbler  520. 

''^  Vgl.  die  ZcugcnauHBagen  in  Urkunden  Nr.  364. 

'  Röhricht  107.    108.    Ruppert,  Chroniken  199. 

*  Ebda.  70.   80.    Röhricht  182.    Röhricht  u.  Meisner  S.  360. 

^  Zeitachr.  d.  Gesch.  f.  Erdkunde  in  Berlin  Bd.  26,  371— i06  Tafel  10. 


Ravensburg.  g23 

Vierundfünfzigstes  Kapitel. 

Ravensbarg. 

LeinenwebereL  Papierfabrikation.    Verbindungen  mit  Konstanz,  mit  dem  Ausland.  »/ 

Die  j^große  Gesellschaft^.  Die  Humpifs,  Stammbaum.  Gesellschaft  des  Fricl'  Hum^nfs, 
Die  Mötteli,  ihre  Abzweigung.  Anteil  der  Muntprat.  Andere  Teilhaber:  in  Eavetis- 
hirg,  Konstaiiz,  Ulm  und  sonst.  Die  Diener,  die  Ordnwng  der  GesellscMft,  GeseUschafts- 
kapital.  Richtung  der  Hapidelsverhindungen.  Schlesischer  Goldbergbau,  Ersuchen  um 
päpstliche  Privilegien. 

Die  alte  Weifenstadt  Ravensburg,  die  noch  heute  ein  mittelalterliches 
Antlitz  trägt,  hat  sich  im  Spätmittelalter  in  ganz  hervorragender  Weise  am 
Handel,  aber  auch  am  Gewerbe  beteiligt.  Auch  hier  war  wie  in  Konstanz 
die  Leinen  Weberei,  die  in  der  Stadt  sehr  lebhaft  betrieben  wurde  und 
auch  die  Nachbarschaft  heranzog,  die  gewerbliche  Grundlage.  Die  Leinen- 
und  Barchentweber  von  Ravensburg  verbanden  sich  1476  mit  denen  von 
Lindau,  Memmingen,  Kempten,  Leutkirch,  Isny,  Wangen  und  Waldsee  zu 
einer  gemeinsamen  Ordnung.  Doch  wurde  in  Ravensburg  auch  welsche 
Leinwand  lebhaft  gehandelt.  In  Ravensburg  trat  ein  Nebengewerbe  der 
Leinenverarbeitung  hinzu,  die  Papierfabrikation.  Früher  weit  überschätzt, 
da  man  ihr  all  das  Papier,  was  einen  Ochsenkopf  trägt,  zuschrieb,  ist  man 
heute ,  wie  mir  scheinen  will ,  in  das  andere  Extrem  verfallen.  Ich  habe 
in  den  erhaltenen  Steuerlisten  doch  manche,  wenn  auch  gar  nicht 
reiche  » Papierer ^  gesehen  und  möchte  glauben,  dafs  eine  starke  Leinen-  ' 
Industrie  in  einer  mühlenreichen  Gegend  für  die  Papierfabrikation  die  1 
besten  Aussichten  bot^.  Ein  Leipziger  Spezereihändler  hatte  1503  vier  i 
Sorten  Papier  auf  Lager,  am  meisten  hatte  er  vom  Ravensburger  vor- 
rätig ^.  Auch  Baumwolle  wurde  verarbeitet,  wie  es  auch  Wollenweber  gab*. 

Wie  die  Konstanzer  ihre  Erzeugnisse  weithin  verftihrten ,  so  sind 
auch  die  Ravensburger  den  Nachbarn  gefolgt,  mit  denen  während  des 
vierzehnten  und  fünfzehnten  Jahrhunderts  sehr  intime  Beziehungen  be- 
standen. Der  Bund  der  Städte  am  See  brachte  beide  zu  politischer  ge- 
meinsamer Arbeit,  noch  lebhafter  wurden  die  Beziehungen  zwischen  den 
Bürgern  beider  Städte.  Das  Formelbuch  des  Schultheifs  hat  uns  eine 
Reihe  Briefe  erhalten,  welche  einen  lebhaften  Handel  der  beiden  Fami- 

*  Mit  Sicherheit  sind  Papierer  erst  seit  1407  durch  Gutermann,  Die  älteste    , 
Gesch.  d.  Fabrikation  d.  Linnen-Papiers  erwiesen,  was  er  über  den  Anteil  der  Hol- 
bein sagt,  steht  auf  sehr  schwachen  Füfsen.    1498  hatten  die  Humpifs  drei  Papier- 
häuser;  Hafuer  428.    Übrigens  ist,   wie  schon  Wattenbach,   Schriftwesen  145, 
hervorgehoben  hat,  zu  beachten,  dafs  Valencia,  einer  der  ältesten  Sitze  europäischer   .  . 
Papierfubrikation,  sehr  viel  von  Ravensb^rgern  besucht  wurde.  \ 

2  Anzeiger  f  Kunde  d.  deutschen  Vorzeit  1881  8.  302.  X 

^  Vgl.  namentlich  die  Angaben  des  Stadtrechts  Hafner,  Geschichte  d.  Stadt 
Ravensburg  laS  ff. 


624  Vierundfünfzigstes  Kapitel. 

lien  Wirt  und  Segelbach  nach  Venedig  beweisen ,  die  ersteren  hielten  in 
der  Lagunenstadt  einen  Geschäftsführer;  einem  minder  angesehenen  Ge- 
öchlechte  gehörte  der  dorthin  Leinwand  verhandelnde  Heinrich  Manz  an, 
die  auf  dem  Heimwege  von  dort  beraubten  Johann  Wegeli  und  Konrad 
Füllsack  stehen  auf  gleicher  Stufe  ^  Auch  Mailand  ward  schon  im  vier- 
zehnten Jahrhundert  von  Ravensburg  aus  aufgesucht,  wenn  Nikolaus 
Sattler  auch  möglicherweise  in  den  Diensten  Giovan  Galeazzo  Viscontis 
war  ^.  Auch  nach  Norden  weisen  Angaben ;  1394  wurde  ein  Diener  des 
Konrad  Wirt  vom  Herzog  von  Geldern  gefangen  ^,  und  nach  Westen 
hin  führt  die  Mitteilung,  dafs  1418  Jost  Süfser  von  dem  Marschall  des 
Herzogs  Johann  von  Burgund  seiner  Kaufmanns  waren  und  seines  Geldes 
beraubt  ward*,  nach  Osten  endlich  die,  dafs  Hermann  Seiler  mit  einem 
Bürger  von  Bischofszell  die  Wassermaut  zu  Wien  in  Pfandschaft  hatte  ^. 
Der    Handel    von   Ravensburg   wurde    im   fünfzehnten   Jahrhundert 

J^--  vorwiegend  getragen  von  der  magna  societas  Alamannoruniy  wie  sie  von 
Italienern  und  Spaniern  meist  unter  Hinzufügung  des  Namens  des 
„regierenden"  Kaufmanns  genannt  wird.  Schon  dieser  Name  drückt  ihre 
Bedeutung  für  die  Handelsgeschichte  aus.  Ein  Gesellschaftsvertrag  liegt 
nicht  mehr  vor,  zwar  hat  einer  der  hervorragendsten  Leiter  ein  Kopial- 
buch  hinterlassen®,  dasselbe  schweigt  sich  aber  über  das  Geschäft  aus 
und  enthält  fast  nur  die  Urkunden  über  den  Grundbesitz.  Man  ist  also 
in  der  üblen  Lage,  von  anderen  Quellen  aus  in  die  Geschichte  ein- 
dringen zu  müssen  und  der  Meister  der  Handelsgeschichte  Heyd  hat  die 
Thätigkeit  der  Gesellschaft  in  den  wichtigsten  Zügen  klargelegt,  immerhin 
wird  eine  Nachlese  manches  deutlicher  machen*^. 

Ein  RaVensburger  Kind,  Ladislaus  Suntheim,  erzählt  in  seiner 
Chronik  von  einer  Handelsgesellschaft,  die  die  Vorläuferin  der  Fugger 
und  Welser  gewesen,  sie  sei  als  die  erste  deutsche  Handelsgesellschaft 
von  den  Mötteli  begründet.    >  Und  in  dieselben  Geselschafft  sind  nachmalen 

I  khomen  die  Humpis,  Pessererj  Täschler,  Geldrich,  Montjyratn,  Neydeckhenn, 
Anchareyte  und  ander,  und  ist  die  gros  Geselschafft  ujordenn  und  liahen 
gehannttirt  in  das  Kunigreich  von  Appels^  in  Lamppartin,  in  die  Kunig- 

^  Sämmtliche  Stücke  Zeitschr.  f.  Gesch.  Oberrh.  Bd.  4  aus  der  Zeit  von 
1390—1402. 

2  Ruppert,  Chroniken  415  zu  1387. 

*  Zeitschr.  f.  Gesch.  Oberrh.  4,  61. 

^  Altmann  3589.    Siegmund  gestattet  Repressalien. 

^  Thommen,  Urkunden  z.  Schweiz.  Gesch.  1,  296.  Bezieht  sich  die  Notiz,  dafs 
1437  Caspar  Wirt  einem  Clemens  Kreydler  von  Lublin  in  Polen  schuldete  (Breslau, 
Stadtarchiv,  Signaturbücher)  vielleicht  auf  einen  Ravensburger? 

^  Baumann,  Ein  humpissisches  Kopialbuch,  Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrh.  32, 
76—160.    Leider  ist  von  zwei  Bänden  nur  der  eine  erhalten. 

"^  Hcyd,  Die  grofse  Ravensburger  Gesellschaft.    Vgl.  auch  Hafner. 


i 


? 

Ital, 
oder  einfach  Humpis  oder  der  Lange. 

1365.  1371  Bürgermeister. 
1380  Ammann. 


Jos, 

als  alleiniger  Erbe  seines  Vaters 
1^8  bezeichnet. 


? 

Hans. 

ux.:  Anna. 


? 

Hans, 
1461. 


Ital  der  Jüngere, 

1437.  1461.  Stiftung. 


Anna, 

Cüirat, 

OnofHusy 

1498.  1500. 
mar.: 

V.  Nidegg. 

1408. 
1500. 

1479-1497. 
1484  Ammann, 
1495  Bürger- 
meister. 
.     tot  1497  ?, 
sicher  1500. 
1 
Enndli, 

1500. 

Aufserdem 

pueri. 

Appolonia,     Dorothea,     Margaretha,    Heintz.    Michel.    Peter.    Hs 

mar.:  Carl    mar.:  Jörg    mar.:  Hans 
Brisacher.        v.  Hoff.  v.  Ulm, 

1499  tot.  Stadt- 

ammann zu 
Constanz. 


Fürstenb.  ürkb.  6,  325.  140 


Ravensburg.  625 

reich  von  Arragon,  Valens^  in  Kasiilia  und  in  Kaidlonia  etc.t  ^  Diese 
Angaben  verdienen  Vertrauen,  je  näher  sie  den  Zeiten  des  Schreibers 
liegen,  um  so  mehr;  am  meisten  Zweifeln  ausgesetzt  ist  natürlich  die 
Angabe  tlber  die  Gründung. 

Als  im  Jahre  1461  die  Gesellschaft  an  der  Karmeliterkirche  von 
Ravensburg  eine  Kapelle  baute  —  sie  steht  noch  heute  und  ist  ein  ein- 
schiffiger zwischen  Chor  und  Kloster  eingeschobener  mit  einem  Netz- 
gewölbe gedeckter  Raum  —  und  in  dieser  „Gesellschaftskapelle"  eine 
tägliche  Messe  fundierte,  bezeichnete  sie  deutlich  Ravensburg  als  ihren 
Sitz,  während  die  Gesellschaft  im  Süden  mitunter  nach  dem  gröfseren 
und  bekannteren  Konstanz  genannt  wurde,  und  indem  sie  sagt:  ^die  ge- 
Seilschaft  zu  Ravensburg  der  HunipisSj  Muntpraien  und  Möitelin  auch  alle 
ander  ir  mitgesellen  als  sy  dann  unczher  vil  jaur  und  zite  gesellschaft  und 
kouffmanschaft  miteinander  gehalten  haben !^  giebt  sie  uns  selbst  ein 
wichtiges  Zeugnis  über  ihre  Geschichte. 

Waren  die  Mötteli,  die  Muntprat  oder  die  Humpifs  ihre  eigentlichen 
Gründer  und  Leiter?  Zunächst  müssen  wir  die  Humpifs  näher  kennen 
lernen.  Die  Muntprats  haben  in  Konstanz  weder  politischen  Ehrgeiz 
noch  patriotischen  Opfersinn  bewährt,  die  ältere  Generation  waren  reine 
Kaufleute,  die  jüngere  hielt  sich  zum  Adel,  und  niemals  hat  sich  die 
Familie  in  die  Beamtungen  der  Stadt  gedrängt.  Ganz  anders  die 
Ravensburger  Humpifs^.  Die  Familie  kommt  schon  im  dreizehnten 
Jahrhundert  vor,  stellte  in  den  Tagen  Ludwig  des  Bayern  in  Frick  einen 
Reichslandvogt  in  Oberschwaben  und  fast  alle  ihre  Glieder  wurden  ent- 
weder Bürgermeister  oder  Ammänner,  und  im  Rate  dürften  sie,  wie  ja 
auch  die  Muntprats,  ständig  gesessen  haben.  Das  erste  Zeugnis  für  die 
Handelsthätigkeit  finde  ich  in  einem  Geburtsbriefe  für  Jos  Humpifs  von 
1388®;  denn  solche  Briefe  wurden  nur  ausgestellt,  wenn  es  auswärts 
verlangt  wurde,  und  dieses  Dokument  ist  mitten  unter  den  Handels- 
briefen des  Schultheifsischen  Kopialbuches  eingereiht.  Über  die  weitere 
Verbreitung  des  Geschlechts  giebt  Auskunft  der  Stammbaum,  der  wenig- 
stens einige   Sicherheit  gewährt*.     Leider   läfst  sich   ein   Konrad   nicht 

1  Heyd  S.  7. 

^  Hafner  98  ff.  giebt  namentlich  auch  den  Grundbesitz  an. 

»  Urkunden  Nr.  828. 

^  Die  Quellen  des  Stammbaums  sind  vor  allem  Archivalien  des  Ravensburger 
Archivs,  auch  die  Steuerlisten.  Die  Angaben  von  Hafner,  Baumann,  Gesch.  d. 
Allgäues,  die  Kollektaneeu  Kindlers  v.  Knobloch,  ferner  Böhmer,  Reg.  Ludw. 
d.  Bayern  2431.  2516.  Chmel,  Reg.  Rupr.  1294.  1295.  Chmel,  Reg.  Friedr.  IV. 
970.  2337.  2930.  3062.  6270.  6656  u.  8644.  Ruppert,  Chroniken  412.  St  G aller 
Urkb.  4,  349  (sehr  wichtig),  881  u.  öfter.  Urkunden  des  germ.  Museums  von  1373, 
1397,1414,1457.  Urkunden  Nr.  328.  Konstanz  Gemächtebuch  2,  :345.  408.  Karls- 
ruhe, Generallandesarchiv  5163. 

Schulte,  Gesch.  d.  mittelalterl.  Handels.    I.  40 


626  VierundfÜnfcigstes  Kapitel. 

einfügen y  dessen  Vermögen  rasch  wuchs*.  In  Verbindung  mit  der 
grofsen  Gesellschaft  erscheinen  die  Humpifs  nicht  zuerst  1419^  die  be- 
treffende Urkunde  gehört  vielmehr  zu  1437*,  sondern  erst  1426  erscheint 
in  ZoUregistem  von  Barcelona  die  Gesellschaft  unter  dem  Namen 
Josumpis^,  und  diese  Bezeichnung  bürgerte  sich  namentlich  in  Spanien 
ein;  man  vergafs  dabei,  dafs  die  Gesellschaft  von  mehreren  Leuten 
„regiert"  wurde.  „Regierer"  oder  „Statthalter"  gab  es  aber  wohl  stets 
zwei,  gelegentlich  auch  drei.  So,  glaube  ich,  ist  es  auch  aufzufassen, 
wenn  1434  Jos  Huntpifs  der  ältere,  Ital  Huntpifs  und  Liutfried  Muntprat 
im  Namen  ihrer  gemeinen  Gesellschaft  dem  Spital  zu  Ravensburg  eine 
Stiftung  machten^.  Jos  der  alte  war  der  Sohn  Hengin  Humpis'  und  der 
Begründer  der  weifsen  Linie,  die  später  den  Namen  von  Ratzenried  an- 
nahm. Bürgermeister  war  Jos  (Jodocus),  der  den  Namen  des  Patrons  der 
einen  Ravensburger  Kirche  trug,  im  Jahre  1431.  1421  kam  dieser  Jos  vor 
den  Rat  von  Konstanz  seines  Bürgerrechts  wegen*,  wie  Liutfried  Muntprat 
1411  in  Ravensburg  Bürger  wurde  unter  Bürgschaft  von  Rudolf  Mötteli  •. 
Sein  Bruder  Frick,  der  Begründer  der  schwarzen  Linie,  die  noch 
existiert,  war  1434  nicht  mehr  am  Leben ^  der  einzige  Sohn  von  Frick, 
Ital,  dessen  Leben  uns  durch  das  von  ihm  angelegte  Kopialbuch  näher 
bekannt  ist,  war  also  der  zweite  Regierer,  seine  Schwester  Agathe  war 
mit  Hans  Muntprat,  dem  Bruder  Liutfrieds,  vermählt,  wie  auch  der  alte 
Jos  als  Schwiegertochter  eine  Muntprat  hatte.  Itals  Interesse  geht  schon 
stark  auf  den  Grundbesitz;  nach  seinem  Testamente  war  er  ein  sehr 
reicher  Mann  und  auf  Erwerb  von  Grundbesitz,  Renten,  Hörige  hatte  er 
allein  nach  Ausweis  des  nur  zur  Hälfte  erhaltenen  Kopialbuches  in  der 
Zeit  von  U22— 42  4680  rh.  fl.  und  11247  «  verwendet  ^  Keiner  seiner 
vier  Söhne  wurde  Regierer,  sie  begründeten  adlige  Linien.  So  schnell 
löste  sich  also  dieser  Zweig  von  dem  Handelsbetriebe  ab.  In  der  wei&en 
Linie  trat  an  die  Stelle  Jos  des  alten  sein  Sohn  Jos  der  junge,  so  dafs  der 
Gesellschaftsname  Joshumpis  sich  bis  1475  erhalten  konnte^.  Dann  ging 
auch  dieser  Zweig  zum  Landadel  über  und  begründete  die  Herrschaften 

»  Steuerliste  1473:  307  +  4987  =  5294  «J  ^,  seine  Witwe  1483:  531  +5923  —  6454, 
1497 :   620  +  6948  —  7568  ü, 

*  Urkunden  Nr.  368.    Der  Irrtum  geht  auf  Hafner  zurück. 
8  Heyd  30. 

*  Hafner  314. 

ß  Ratsbuch  1419—1425  S.  137. 

*  Bürgerbuch  Ravensburg.  Ebenso  wurden  aufgenommen  1441  Hans  Muntprat 
auf  fünf  Jahre,  Bürgen  Ital  der  ältere,  Jos  der  jüngere,  1446  Rudolf  Muntprat 
fünf  Jahre,  Bürgen  Jos  der  jüngere  und  Walther  Möttelin. 

'^  Bau  mann  80. 

"  »Nobilis  viri  Jos  Hundpis  de  Ravaspurgo  et  sociorum  ^'us  de  societaU  magna.' 
Heyd  70. 


Ravensburg.  ß27 

Wetzeisried  und  Ratzenried;  die  Töchter  heirateten  Leute  vom  Landadel, 
aber  auch  noch  Bürger,  freilich  Glieder  hervorragender  Geschlechter. 
Von  den  Nachkommen  beider  Linien  ist,  so  weit  wir  wissen,  keiner  mehr 
Regierer  geworden;  diese  wurden  jetzt  aus  anderen  Zweigen  des  Hauses 
genommen,  welche  noch  nicht  so  reich  geworden  waren,  um  aus  dem 
Kaufmannstande  ausscheiden  zu  können.  Nach  dem  Tode  Itals  des 
älteren  ging  seine  Stelle  auf  Ital  den  jüngeren  über;  möglicherweise  ge- 
hört er  zur  Kachkommenschaft  von  Jos  und  stammt  also  von  Ital  Humpifs 
dem  Langen  ab.  Seit  1483,  ja  seit  1479  erscheint  als  Leiter  Onofrius 
Humpis*,  dessen  Name  meist  entstellt  wurde;  noch  wären  die  fremd- 
ländischen Heiligennamen  dem  Munde  und  der  Feder  nicht  geläufig; 
auch  er  mufs  wohl  dieser  selben  Nebenlinie  angehört  haben.  Seine  Ge- 
schwister sind  uns  genau  bekannt,  nicht  seine  Eltern.  Zum  letztenmal 
wird  sein  Name  in  der  Mailänder  SchmuggelafFaire  genannt,  doch  ver- 
steuern bei  der  Steuerliste  von  1497  bereits  die  ptieri  Onoffrius  Humppis, 
Ihn  ersetzte  dann  Hans,  den  ich  einer  Linie  nicht  zuweisen  möchte;  er 
ist  1497  und  1510  nachzuweisen*. 

Neben  ihm  erscheint  Clemens  von  Ankenreute  als  Regierer  der  Gesell- 
schaft seit  1488,  als  deren  Statthalter  er  sich  selbst  bezeichnet^,  und 
man  könnte  in  ihm  ein  Glied  einer  andern  Familie  sehen,  da  der  Name 
auch  schon  im  vierzehnten  Jahrhundert  in  Ravensburg  vorkommt*.  Allein 
in  einer  Urkunde  von  König  Ruprecht  von  1402  wird  Heinrich  von 
Ankenreute  als  Bruder  des  Hengi  Humpifs  bezeichnet*  und  —  trotz  der 
Verschiedenheit  der  Namen  und  Wappen  —  wird  man  wohl  auch  Clemens 
als  Hundbifs  ansehen  müssen;  dann  haben  wir  die  Thatsache,  dafs  alle 
heute  bekannten  Statthalter  der  grofsen  Gesellschaft  dieser  Familie  an- 
gehörten, denn  wenn  1511  die  Gesellschaft  nach  Hans  Hundbifs,  1525 
und  1530  nach  Conrad  Hundbifs®  bezeichnet  wird,  so  waren  diese  doch 
wohl  die  Statthalter.  Welchen  Linien  diese  beiden  zuzuweisen  sind, 
vermag  ich  nicht  zu  sagen;  die  einzige  Ausnahme  in  der  Reihe  der 
Regierer  aus  dem  Blute  der  Humpifs  macht  Liutfried  Muntprat. 

Beruhte  der  Zusammenschlufs  der  Gesellschaft  auf  dem  Erbrechte, 


^  Heyd  72.  1483  erwiesen  durch  Urkunden  Nr.  393.  Eine  verstümmelte  Ur- 
kunde von  1479  erwähnt  OnofFer  Hundbifs  und  seine  Gesellschaft.  Der  unbekannte 
Aussteller  der  Urkunde,  weicher  ein  „Haupt^t"  bei  der  Gesellschaft  stehen  hat, 
erklärt  sich  durch  eine  an  ihn  geleistete  Zahlung  befriedigt.  Ravensburger  Privat- 
besitz, mitgeteilt  von  Heyd. 

8  Urkunden  Nr.  131  u.  396. 

»  Urkunden  Nr.  370. 

*  Hafner  182. 

«^  Chmel  1294. 

^  Urkunden  Nr.  289  u.  93.  Zu  1525  nach  dem  unten  zu  erwähnenden  Briefe 
des  schwäbischen  Bundes. 

40* 


628  *  Vierunüfunfzigstes  Kapit^rl. 

HO  muCs  man  bis  in  die  Mitte  des  vierzehnten  Jahrhunderts  zurückgehen 
um  einen  gemeinsamen  »Stammvater  der  verschiedenen  Linien  zu  ge 
winnen.  Auf  alle  Fälle  kommt  man  in  die  Zeit  um  1410 — 1420.  Di« 
Kapelle  der  Gesellschaft  schmückt  noch  heute  ein  Grabstein,  der  schoi 
deshalb  von  Interesse  ist,  weil  auf  ihm  einmal  ein  deutscher  Bürger  siel 
als  Kaufmann  giebt,  nicht  sich  als  Ritter  maskiert.  Den  Kopf  bedeck 
ein  Wollhut,  das  Gewand,  ein  bequemer  Talar,  fällt  bis  auf  die  Knii 
herab,  von  der  linken  Schulter  zur  rechten  Hüfte  geht  ein  breitei 
Gürtel,  an  dem  unten  die  Brieftasche  befestigt  ist;  unter  derselben  häng 
ein  langes  Messer.  So  haben  wir  uns  also  die  Kaufleute  auf  ihren  Reiser 
vorzustellen.  Nach  der  Inschrift  *  war  es  der  1429  gestorbene  alte  Hengg 
Huntpis.  Seine  Beisetzung  an  dieser  Stelle  ist  nur  verständlich,  wenr 
er  ein  Glied  der  Gesellschaft  war,  die  freilich  schon  bei  seinen  Lebzeiter 
nach  dem  Namen  eines  seiner  Söhne  die  Gesellschaft  des  Josumpis  ge- 
nannt wurde. 

Stets  einig  ist  der  Anteil  der  Humpifs  an  der  Gesellschaft  vielleicht 
nicht  gewesen,  wenigstens  nennt  sich  eine  Gesellschaft,  die  in  Spanier 
Handel  trieb,  nach  Friedrich  Huntpifs;  welcher  Frick  darunter  zu  ver- 
stehen ist,  bleibt  zweifelhaft^.     Auch   in  Genua   trieb  sie  Handelschaft'. 

Bei  den  Humpifs  vollzieht  sich  der  Übergang  zum  Landadel  in 
glatter  Weise;  sie  sind  nicht  excentriseh  und  erst  in  den  späterer 
Generationen  kommen  die  wunderlichen  Leute  vor,  so  einer,  der  meinte, 
durch  Schatzgraben  dem  sinkenden  Wohlstand  aufhelfen  zu  können; 
allerdings  war  schon  im  Bauernkriege  ein  Humpifs  der  Führer  des  See- 
haufens. 

Weit  excentrischer  sind  die  Mötteli,  und  in  der  kurzen  Frist  von 
drei  Generationen  spielt  sich  Aufblühen  und  Verfall  ab,  und  gerade  über 
sie  sind  wir  ausgezeichnet  unterrichtet*.  Sie  galten  vor  den  Humpifs 
und  den  Muntprat  dem  gemeinen  Volke  als  die  Repräsentanten  eines 
durch  Handel  erworbenen  überschwenglichen  Reichtums,  und  noch  heute 
redet  das  Sprichwort  am  See  von  Möttelis  Gut.  Für  ihren  Anteil  an 
der  Begründung  und  Leitung  der  grofsen  Gesellschaft  spricht  nicht  allein 
die  Angabe  des  Ladislaus  Suntheim,  nicht  allein  eine  Angabe  der  Lin- 
dauer anonymen  Geschlechtsregister,  nach  denen  im  Jahre  1420  ein 
Lindauer  bei  Rudolf  Mötteli  und  seiner  Gesellschaft  eine  Hypothek  auf- 

'  Sie  lautet :  anno  dm  M('CC('XXIX  in  die  ckophe  ätiqtcs  heckin  huntpis  hie  sepuUus. 

•^  Heyd  51. 

^  Andreas  SatJer  quondam  IJdaWin  de  Costama  procurator  Friderici  de  Josumpis 
de  Rarenshurgo  de  socieiate  mercatorum  Alamannie  de  Barenshurgo  erscheint  in  den 
Akten  dva  (renueser  Notars  Ob.  P^'oglietta  jun.  22  Fol.  189  als  Käufer  von  Genueser 
Tuch  (Mitteilung  Sievekinps'. 

*  Durrer,  Die  Fainilie  vom  Happeiistein,  im  (ireschichtsfreund  Bd.  48u.49. 


Ravensburg.  629 

nahm^  Vor  allem  eine  Urkunde,  wonach  der  1410  verstorbene  Frick 
Holbain,  der  reiche  Stifter  des  Ravensburger  Siechen-  und  Seelhauses, 
seinem  guten  Freunde  „Rudolf  Möttelin  dem  alten  und  andern  seinen 
Gesellen  all  sein  Out  in  die  Gesellschaft  empfahl,  das  mit  ihrem  andern 
Gute  anzulegen  und  damit  zu  werben^  ^.  Und  auch  das  würde  dazu 
stimmen,  dals  die  Mötteli-  und  die  Gesellschaftskapelle  an  der  Karmeliter- 
kirche identisch  zu  sein  scheinen^.  Über  Rudolf  Möttelis  Handel  fehlt 
es  nicht  an  Nachriohten.  So  nahm  ihm  Basel  1407  3(i  Fardel  weg  als 
Repressalie  gegen  die  Beraubung  durch  Marquard  von  Ems,  der  Bürger 
zu  Lindau  war*.  Schon  er  erwarb  Grundbesitz,  1422  die  bischöfliche 
Herrschaft  Arbon,  die  jedoch  schon  1440  wieder  zurückgenommen  wurde. 

Stammbaum  der  Mötteli. 

Rudolf  Mötelli. 
t  nach  1426 


Hans  Kudolf  Klaus  unehelich 

t  1453  t  1482  wTlth^; '       Lütfried 

, \ ux.  Walpurg  Muntprat     „,.  Magdalena  Nater  ^  ^^^ 

Jörg         Hans      Rudolf  Jakob  v.  Konstanz 

t  1483    ca.  1504    f  1508  f  1521  U^^oS ' 

m.  Hans  v.  Benzenau 
Hans,  Rudolf  und  Klaus  als  Brüder  erwiesen  durch  Altmann  8030. 

Da  Rudolf  seinen  Sohn  Hans  als  Vogt  dort  zurückliefs,  konnte  er  sich 
selbst  wohl  noch  dem  Handel  widmen.  Gewifs  war  das  bei  seinen  Söhnen 
Rudolf  dem  älteren  und  dem  aufserehelichen  Liutfried  der  Fall.  Der 
erstere  erlernte  die  Kaufmannschaft  in  Avignon  bei  der  grofsen  Gesell- 
schaft, in  deren  Hause  er  wohnte,  und  auch  Liutfried  diente  dort  zehn 
Jahre.  So  stark  lebte  sich  Rudolf  in  welsche  Art  ein,  dafs  er  die  deutsche 
Sprache  schrieb,  als  wäre  er  ein  Franzose  und  hätte  nie  den  Unterschied 
der  Buchstaben  w  und  v  kennen  gelernt.  1448  kam  er  nach  Ravens- 
burg zurück.  Schon  war  aber  Rudolf  nicht  mehr  Bürger  seiner  Vater- 
stadt, sondern  von  Buchhorn,  erst  1448  wurde  er  wieder  unter  Bürg- 
schaft von  Jos  und  Ital  Humpifs  dem  jüngeren  mit  einem  Steuersatz 
von  h  U  /^  Bürger.  Auch  er  trat  also  nicht  in  den  Kreis  der  eigentlichen 
Bürger  ein,  sondern  blieb  in  dem  Verhältnisse  eines  Mannes,  der  mit 
der  Stadt  über  seine  Steuern  paktiert.    Rudolf  und  sein  Bruder  schieden. 


^  Darr  er  48,  90.  Das  Jahr  braucht  nicht  irrig  zu  eein,  nicht  1419,  sondern 
erst  1426  erscheinen  die  Humpifs  als  Leiter. 

«  Hafner  277.    Durrer  48,  89. 

^  1471  bezeichnet  sie  Waltlier  Möttelin  in  seiner  Jahrtagstiftung  als  seines 
Vaters  sei.  Kapelle.  Danach  müfste  Nikolaus  ihr  Gründer  gewesen  sein.  Stadt- 
archiv Ravensburg. 

*  Baseler  Urkb.  5  Nr.  336  u.  369. 


030  ViennMlfö]i£rigBt€s  KapiteL 

wie  e«  »cheinty  im  Jahre  1454  atu  der  Gesellschaft  ans  und  begründeten 
nun   »elbtt  ein   Haiu^   da«  im  weaendichen   in  Spanien   arbeitete.     Die 
chronologii»chen  Schwierigkeiten  sind  za  groOs,  am  sicher  sagen  zu  können, 
dafs  die  Ansiedlangen  in  ÄTignon,  Barcelona,  Valenzia,  dem  damals  noch 
maurischen  Oranada,  in  Barcelona  and  Saragossa,  wo  die  Firma  eigene 
Häaser  hatte,  wirklich  alle  dem  neaen  Konkarrenzgeschäfte  oder  der  alten 
grofsen  Stammgesellschaft  gehörten.    Wir  erfiüiren  Ton  all  diesen  Plätzen 
mancherlei  aus  dem  Streite  des  Oheims  mit  seinen  Neffen,  die  die  Kauf- 
mannschaft an   diesen  Orten   zunächst   bei   der  groben  Gesellschaft   er- 
lernten.    Sehr   viel  Dank  wuTsten   die  Neffen  nicht,  Hans  und   Rudolf 
die  Söhne  jenes  Vogtes  von  Arbon  und  einer  Truchsessin  von  Diessen- 
hofen,  vertrugen  das  Experiment  nicht,  aus  Söhnen  eines  in  adlige  Sitten 
und  Lebensumstände  eingelebten  Herrn  und  einer  Matter  von  altem  Adel 
nun   rechtschaffene   wirkliche  Kaufleute  gemacht  zu  werden.     1453  war 
ihr  Vater  gestorben  und  da  nahmen  die  beiden  Onkel  die  beiden  jüngeren 
von  den  drei  Neffen  als  Lehrlinge  in  die  grofse  und  dann  in  ihre  eigene 
Gesellschaft    Hans   diente  etwa   acht,  Rudolf  sechs  Jahre.     Hans  war 
meist  in  Saragossa,  aber  auch  in  Avignon,  Rudolf  häufiger  in  Valencia. 
Nach  der  Versicherung  der  Oheime  wurden  sie  besonders  gut  gehalten, 
sie  hätten  gelebt  wie  die  obersten  und  besten  Diener,  die  sie  gehabt  hätten, 
aber  wenigstens  Hans  that  nicht  immer  gut    Er  machte  einmal  auf  Kosten 
der  Gesellschaft  mit  einer  silbernen  Schale  ein  Hochzeitsgeschenk,  dann 
gab  er  ein  Üppiges  Mahl,  angeblich  wollte  er  sich  bei  dieser  Gelegenheit 
eine  reiche  Frau  verschaffen.   Jedenfalls  behagte  ihnen  der  Kaufmannstand 
nicht,   und  1462   tauchen   sie  wieder   in  Deutschland  auf.     Der  jüngere 
wurde  in  der  Schlacht  von  Seckenheim  mit  gefangen;  von  einem  Anteil 
am  Handel  ist  bei  beiden  keine  Rede  mehr.     Die  Onkel  verlangten  nun 
nachträglich   eine  Begleichung  von   allerhand  Forderungen;   sie   wollten 
ein  Lehrgeld,   während  die  Neffen  Lohn   forderten.     Onkel  Rudolf   war 
ein  prozefssUchtiger  Mann,   er   stritt  nun  Jahre  lang  höchst  erbittert   in 
lebhaften  Schriftsätzen,  die  den  Geist  der  damaligen  Kaufmannschaft  uns 
lebhaft  vor  die  Seele  treten  lassen,   wider  seine  Neffen   um  die  Summe 
von  1172  rh.  fl. 

Die  Einzelheiten  des  Streites  interessieren  uns  nicht  weiter,  dieser 
Zweig  der  Mötteli  war  dem  Handel  entfremdet,  und  bald  genierte  sie 
auch  der  Name  Mötteli.  Sie  nannten  sich  vielleicht  nach  ihrem  Hause  in 
Ravensburg — jedenfalls  in  Anlehnung  an  ihr  Wappen,  einen  Raben  auf 
einem  Steine  —  von  Rappenstein,  und  wirklich  wurden  sie  auf  diesem 
damals  noch  ungewöhnlichen  Wege  vom  niederen  Adel  als  gleichberechtigt 
angesehen.  Rudolf,  der  Oheim,  hatte  inzwischen  die  Verbindung  mit  der 
Heimat  völlig  gelöst;  er  wurde  Bürger  zu  Buchhom,  1458—66  zu  Zürich, 
zugleich  Herr  zu  Alt- Regensberg,   dann  1463—71  Bürger  zu  Luzem, 


Ravensburg.  g3X 

1465  Landmann  zu  Unterwalden ,  1471  liefs  er  sich  zu  Stein  am  Rhein 
nieder,  seit  1475  endlich  zu  Lindau,  wo  er  durch  den  „Möttelihandel"  das 
Bodenseegebiet,  die  Eidgenossenschaft  und  den  Kaiser  in  nicht  geringe 
Bewegung  versetzte.  Da  kaufmännische  Dinge  nicht  hineinspielen,  über- 
gehe ich  ihn.  Sein  Bruder  Liutfrid  safs  indessen  seit  1454  als  Bürger 
in  St.  Gallen,  das  schon  damals  durch  seine  Leinwandindustrie  und  seinen 
Handel  den  Wettkampf  mit  den  oberschwäbischen  Städten  begonnen  hatte, 
in  dem  es  siegreich  bleiben  sollte. 

In  den  Prozefsschriften  hatte  Rudolf  erklärt,  ihre  Gesellschaft  brauche 
die  Hilfe  der  beiden  Neffen  nicht.  Das  Geschäft  gehe  so  gut  wie  vorher 
und  sie  fänden  genug  frommer  Leute  Kinder,  die  bei  ihnen  in  die  Lehre 
gingen,  und  auch  unter  den  Welschen  seien  viele,  die  ihnen  grofse  Liebe 
und  Dienst  thäten.  Das  aber  blieb  wohl  nicht  immer  so ;  Rudolf  hatte 
sich  in  ganz  andere  Dinge  verbissen  und  mit  Liutfrieds  Vermögen  ging 
es  zurück.  Man  kann  die  Entwicklung  in  den  St.  Galler  Steuerbüchern 
verfolgen.  Liutfrid  hatte  als  unehelicher  Sohn  schwerlich  eine  grofse 
Abfindung  erhalten;  wie  so  viele  uneheliche  Söhne  der  Renaissancezeit 
brachte  er  sich  durch  eigene  Tüchtigkeit  empor.  Schon  1454,  als  er  Bürger 
wurde,  versteuerte  er  ein  Kapital  von  2520  ü  /^y  1460:  6660,  1470:  7000, 
1474:  8000,  1480:  13300,  1481:  8000  fi .  Rudolf  hielt  es  für  notwendig, 
dafs  Liutfrids  Handel  und  Haushalten  mit  einer  Vogtei  versehen  werde. 
Er  starb  in  diesem  Jahre,  ohne  Kinder  zu  hinterlassen,  im  nächsten  auch 
Rudolf.  Der  Erbe  Rudolfs  war  Jakob,  den  man  vor  allem  als  den 
„reichen"  Mötteli  bezeichnete.  Dafs  er  selbst  noch  Kaufmannschaft  be- 
trieben habe,  ist  nicht  erwiesen,  ja  geradezu  unwahrscheinlich,  und 
Durrer  hat  die  Vermutung  ausgesprochen,  dafs  die  ZoUikofer  von  St.  Gallen 
das  Geschäft  der  Mötteli  erwarben.  Es  ist  festgestellt,  dafs  schon  vor 
1500  Kaspar  ZoUikofer  nach  Saragossa  reistet  In  Jakob  kulminierte 
die  Rechthaberei  und  Prozefssucht  seines  Vaters;  auch  er  schämte  sich 
seiner  Herkunft  und  nannte  sich  Junker  Jakob  von  Rappenstein,  genannt 
Mötteli;  von  da  an  geht  es  mit  dem  Reichtum  und  dem  Glanz  der 
Familie  bergab.  Schon  mit  seiner  Enkelin  endete  das  sagenumwobene 
Geschlecht  der  reichen  Grofskaufleute  und  verarmenden,  prozefssüchtigen 
Ritter.  In  Ravensburg  safs  noch  immer  ein  Zweig  der  Mötteli,  wenn 
auch  mit  einer  festen  Steuer,  und  sie  haben  wohl  an  dem  Anteil  der 
grofsen  Gesellschaft  festgehalten.  Bei  der  Bürgeraufnahme  des  Ellaus 
1428  waren  Bürgen:  Jos  und  Ital  Humpis",  bei  der  Walthers  1443  Ital 


»  Durrer  48,  204  f. 

2  Hafner  163.  Er  war  1420  auf  fünf  Jahre  Bürger  von  Memmingen  geworden, 
Steuer  10  rh.  fl.  Bürgen:  Jos  Stiüdlin  und  Jak.  Ratz.  Memminger  Bürgerbuch, 
Reichsarchiv  München. 


632  Vienii»dfQii&%«t«9  KafHteL 

HuiDpis  der  ältere  and  Jakob  SchellaDg:  mit  seiner  Tochter  endet  der 
Stamm  ehelicher  Mötteli  in  Ravensburg;  sie  heiratete  den  Ritter  Hans 
von  Benzenau. 

Aach  die  MOtteli  standen  in  naber  Verwandtschaft  za  den  Mantprat». 
Die  Fraa  Radolfs  des  älteren  war  eine  Mantprat  wie  aach  eine  Möttelin 
an  einen  Mantprat  verheiratet  war.  Näher  lassen  sich  diese  Glieder  den 
Ktammliäamen  nicht  einfügen. 

Die  Stiftungsarkunde  der  täglichen  Messe  bezeichnet  also  ganz 
richtig  die  Gesellschaft  als  die  der  Humpifs,  Mantprat  und  MOtteli. 
Begründet  mag  sie  von  den  Mötteli  sein,  aber  diese  hafteten  zu  wenig 
am  Boden  der  Heimat,  sie  waren  zu  eigenwillig  und  schieden  zum  Teil 
schon  früh  aus,  um  ein  Konkurrenzgeschäft  zu  b^pründen.  Die  Mantprat 
brachten  enorme  Geldmittel  und  reiche  Erfahrung  mit,  sie  vertraten  die 
zweite  Wurzel  der  Gesellschaft:  die  Stadt  Konstanz;  unter  dem  Kamen 
der  HumpÜs  endlich  ging  die  Gesellschaft,  weil  sie  ihr  die  meisten 
R^enten  gab,  und  durch  die  Humpifs  wurde  die  Gesellschaft  an  Ravens- 
t>urg  gebunden. 

Mit  diesen  Namen  ist  der  Kreis  derer  aber  nicht  erschöpft,  die  in 
der  Gesellschaft  Geld  li^en  hatten  oder  selbst  mitarbeiteten.  Von  den 
Ravensburgem  ist  Frick  Holbein  schon  genannt,  Hans  Lienhart  ver- 
kaufte 1438  an  einen  Humpifs  eine  feste  Rente  auf  seine  Einlage  bei  der 
Gesellschaft^,  1492  erscheinen  Liutft*ied  Besserer  und  KsütI  Brisacher  mit 
Onophrius  Huntbifs  in  solcher  Verbindung,  dafs  man  fast  glauben  möchte, 
sie  seien  mit  an  der  Spitze  der  Gesellschaft  gewesen'.  Karls  Mutter 
oder  Stiefmutter  war  die  Tochter  Liudried  Muntprats ;  auch  seine  Witwe 
hatte  1504  eine  Einlage  bei  der  Gesellschaft,  sie  war  eine  Humpifs ^ 
Während  dieser  Brisacher  nach  Konstanz  weist,  wird  man  durch  Liutfried 
Besserer  auf  eine  Familie  geführt,  die  sonst  in  Ulm  und  Überlingen  safcs, 
seit  1436  auch  in  Ravensburg  vorkommt^.  Der  Vorname  Lütft*ied  weist 
auf  die  Muntprats,  und  Lütfried  Muntprat  war  1432  auf  ftlnf  Jahre  Bürger 
von  Überlingen  geworden*. 

Nach  Jäger  hätten  142o  Johann  Besserer  und  Nikolaus  Ungelter  von 
Ulm  mit  den  gleichfalls  den  Geschlechtern  angehörigen  Eberhart  Becht 
und  Eberhart  Teufel  aus  Reutlingen,  mit  Jodokus  Hundbifs  und  Ulrich 

^  Baumann  143. 

-  Urkunden  Nr.  363. 

^  Brisacher  steuerte  1482  in  Ravensburg,  1497  aber  nur  Immobiliarbesitz,  1500 
versteuerte  seine  Witwe  in  Konstanz  7000  ü  hl.  Mobiliarbesitz,  915  ^  Immobilien. 
Er  war  in  Ravensburg  1482  Bürger  geworden  unter  Bürgschaft  von  Onophrius 
Humpifs  und  Lütfrid  Besserer. 

♦  Hafner  S.  164. 

^  Bürg(»rbuch  Stadtarchiv  Überlingen. 


Ravensburg.  633 

Brück  von  Ravensburg,  femer  Bürgern  von  Biberach,  Efslingen  und 
Weil  in  Gesellschaft  gestanden  ^  Jedenfalls  waren  1458  Jörg  Ehinger, 
Rudolf  und  Hans  Besserer  Mitglieder  der  Gesellschaft,  und  haben,  scheint 
es,  diese  ihre  Stellung  dem  Bürgerrechte  von  Ulm  vorgezogen*. 

Suntheim  rechnet  weiter  zu  der  Gesellschaft  aufser  den  Besserern 
die  Täschler,  Geldreich  und  Nidegg,  drei  hervorragende,  zum  Teil  sehr 
reiche  patrizische  Geschlechter  der  Stadt®;  Gutermann*  endlich  fügte  noch 
die  Croaria,  Haber  von  Randegg,  Roth  von  Schreckenstein  und  Sürgen 
von  Sürgenstein  hinzu,  aber  auf  Gutermann  ist  kein  Verlafs. 

In  Konstanz  haben  wir  zunächst  die  Genossen  Liutfrid  Muntprats 
von  1425*;  von  ihnen  erscheinen  die  Familien  Näter  und  Geisberg 
später  als  Teilhaber  der  grofsen  Gesellschaft.  Georg  und  Kaspar  Geis- 
berg sind  1486  Teilhaber  •;  die  Näterin,  eine  geborene  von  Roggwil,  ver- 
fügte 1468  über  ihre  Einlage  zum  Teil  zu  Gunsten  des  Ravensburger 
Seihauses ^.  Ob  Jakob  Schwarz,  der  von  einer  Humpifs  abzustammen 
scheint^,  1438  Teilhaber  der  grofsen  oder  einer  anderen  Gesellschaft 
war,  bleibt  zweifelhaft*;  sicher  ist  es  bei  Wilhelm  Richenbach  1467*®. 
Auf  die  späteren  Muntprats  beziehen  sich  drei  Angaben.  Rudolf  Munt- 
prat  hinterliefs  1485  seinen  Erben  eine  Einlage  von  2300  rh.  fl.  *\  Bridli 
Muntprat  hatte  1499  in  der  Gesellschaft  mindestens  200  fl.  liegen,  Ruland 
Muntprat  hatte  eine  Einlage  von  100  fl.  von  seiner  Grofsmutter  geschenkt 
erhalten**. 

Die  Zweiggesellschaft  Friedrich  Hundbifs  hatte  1466  als  Teilhaber 
in  Konstanz  Hans  Blarer,  Konrad  Muntprat  den  älteren,  Ludwig  Munt- 
prat, Hartmann  Hürus  und  Andreas  Sattler*^,  und  bei  der  allgemeinen 
Gesellschaft  erscheinen  1498  Ulrich  Muntprat,  Ritter,  Bürger  von  Zürich 
und  Moriz  Hürus**. 

Aus  dem  benachbarten  Memmingen  wissen  wir,  dafs  der  Vater  von 


»  Jäger  673. 
^  Jäger  674.    Heyd  40. 
«  S.  oben  S.  624. 
*  264. 

'^  S.  oben  S   608. 
«  Heyd  S.  86. 

'  Urkunden  Nr.  362.    Sie  versteuerte  1466:   2120  «. 
^  S.  Stammtafel. 
«  Urkunden  Nr.  357. 

'«  Heyd  85.    Versteuerte  1466:    280  +  2380  // 
"  Heyd  86. 

12  Urkunden  Nr.  365  u.  367. 

'«  Heyd  51.    Hans  Blarer  versteuerte  1466  5400  +  2400,  Hartmann  Hürus  1466 
3070  -\-  2300,  Andreas  Sattler  1400  +  2800  ^. 

"*  Heyd  80.    Versteuerte  1500  in  Konstanz  3850  ^,  1504:   3060  +  4690  fi. 


634  yierandfimfzigstes  Kapitel. 

Jörg  Rl^tz  1494  1004  fl.  bei  der  Gesellschaft  eingel^  hatte,  die  sich  die 
Erben  damals  auszahlen  lie^sen^ 

Für  kurze  Zeit  lehnte  sich  auch  ein  Fugger  an  die  grodse  Gesell- 
schaft; es  ist  Georg,  der  Stammvater  aller  heute  lebenden  Fugger,  der 
1486  mit  Nofrius  Humpis,  Petrus  Vacus  und  Johannes  Burlinus  beim 
Herzog  von  Mailand  fär  die  Gesellschaft  eintrat  Doch  ist  mir  zweifel- 
haft, ob  das  wirklich  eine  feste  Organisation  war.  Onofrius  erscheint, 
obwohl  er  Statthalter  der  Gesellschaft  war,  an  vierter  Stelle.  Es  macht 
mir  den  Eindruck,  als  ob  sich  die  mächtigsten,  in  Mailand  thätigen 
Firmen  zusammengethan ,  um  unter  dem  best  eingeführten  Namen  der 
grofsen  Gesellschaft   in  kritischer  Zeit   sich  freien  Verkehr  zu  sichern^. 

Mit  Johannes  Burlinus,  Johann  Breunlin  haben  wir  bereits  Nürn- 
berg genannt,  jedoch  war  hier  schon  1437  Hans  Albrecht  Teilhaber  der 
Humpifsgesellschaft  ^.  Nach  Luzem  führt  uns  endlich  die  Person  des 
Altschultheifsen  Jakob  von  Hertenstein,  dessen  Name  in  der  Kunst- 
geschichte so  bekannt  ist,  weil  er  1517 — 19  sein  Haus  in  Luzern  von 
Hans  Holbein  dem  jüngeren  bemalen  liefs^.  Er  hat,  wie  wir  gesehen 
haben,  der  Gesellschaft  grolsen  Nutzen  gebracht,  als  sie  in  den  üblen 
Schmuggelhandel  in  Mailand  verwickelt  war;  durch  ihn  hatte  die  Gesell- 
schaft Einflufs  auf  die  politischen  Kreise,  die  die  Eidgenossenschaft 
leiteten.  Es  berührt  nun  sehr  eigentümlich,  zu  erfahren,  dafs  vorher 
Jakob,  zugleich  im  Namen  seiner  Frau,  seiner  Schwiegermutter,  einer  ge- 
borenen Muntprat,  ihre  Einlage  von  1800  fl.  verkauft  hatte  ^;  besafs  er 
1490  überhaupt  noch  eine  Einlage?  Wer  1475  in  Bern  Mitglied  der  Ge- 
sellschaft war,  ist  nicht  zu  sagen,  es  gab  aber  da  solche^. 

Wenn  wir  nun  zu  den  Dienern  übergehen,  so  sind  auch  gewifs  unter 
ihnen  solche  gewesen,  die  eine  Einlage  hatten.  Vorab  von  den  Konstanzern 
wohl  die  Fry  und  im  Steinhaus.  1441  wurde  Hans  Fry  Bürger  in 
Ravensburg;  seine  Bürgen  waren  Ital  der  ältere  und  Jos  Humpis.  Sein 
Bürgerrecht  in  Kempten  konnte  er  beibehalten,  und  auch  Thomas  Stein- 
hüsler  wurde  1480  Ravensburger  Bürger  unter  der  Beihilfe  von  Heinrich 
Humpifs  und  Lütfried  Besserer.  Weiter  erscheinen:  1426  Joh.  Folch 
und  Christoph  Spadeli  in  Barcelona,  der  ein  naher  Verwandter  der 
Mutter  Ital  Humpifs'  des  altern  war,  dieser  bedachte  Stoffels  Sohn  in 
seinem  Testamente  ^.    1428  Gaspar  de  Vat  (wohl  identisch  mit  den  Vacus 


»  Urkunden  Nr.  371. 

2  Heyd  72. 

»  Urkunden  Nr.  SSb. 

*  V.  Li  eben  au,  Das  alte  Luzern  134. 
»  Urkunden  Nr.  336. 

•  Heyd  13.  66-68. 
'  Hafner  331. 


Ravensburg.  535 

und  vielleicht  ein  Watt,  Vadian  von  St.  Gallen)  (Barcelona),  1436  Rudolf 
Mesnang  aus  Kempten  (Valencia)  \  1437  Jörg  von  Chur  (aus  Isny)  und 
Burkhard  Geltwilr«,  1447—58  Ottmar  Schleipfer  von  St. Gallen  (Genua)», 
1457  Conrad  Messner  von  Konstanz^  (Mailand)^,  1467  Hans  Lienhart 
(Chur)«,  1477/78  Philipp  Wislant  aus  Uny\  Peter  de  Rat  und  Georg 
Fütterer  (aus  Nürnberg),  die,  wenn  wirklich  innerhalb  der  Gesellschaft, 
sicher  Teilhaber  waren®,  1494  Heinrich  Sporer  und  Konrad  Hundbifs, 
Jodokus  Schedler  (Alicante),  Jodokus  Koler  (Valencia)*,  1502  Oswald  JKrell 
und  Jörg  Bader  (Nürnberg)*®,  1511  Rudolf  Lienhart  von  Lindau"  und 
1520  Paul  Hinderofen  von  Wangen*^. 

Für  die  Gesellschaft  des  Frick  Humpifs  waren  die  Faktoren  Paulin 
Spick  und  Philipp  Wislant  in  Italien  thätig;  aus  den  Prozefsschriften 
Rudolf  Möttelis  kennen  wir  als  ihre  Diener  in  Spanien  um  1458 :  Konrad 
Vissach,  Ulrich  und  Heinrich  Lemann,  Hans  Manz,  Oswald  Holzmüller, 
Ludwig  Hab  und  Ulrich  Zähender^^ 

Die  Ordnung  der  Gesellschaft  ist  leider  nicht  erhalten.  Jedenfalls 
kann  man  ersehen,  dafs  die  Einlagen  bei  einem  Ausscheiden  nicht  sofort 
bar  bezahlt  wurden,  sondern  die  Auszahlung  auf  die  sieben  nächsten 
Frankfurter  Messen  verteilt  wurde  ^*.  Wie  das  Verhältnis  derjenigen  ge- 
regelt war,  die  aufser  dem  Gelde  auch  ihre  eigene  Arbeit  und  ihre 
kaufmännischen  Kenntnisse  einsetzten,  ist  leider  nicht  überliefert.  Über- 
wog in  späterer  Zeit  der  Besitz  dieser  wirklichen  Kaufleute  oder  der  der 
stillen  Teilhaber?     Fast  möchte  man  letzteres  vermuten. 

Über  die  Höhe  des  Gesellschaftskapitals  haben  die  Lindauer  anonymen 
Geschlechtsregister  (späterer  Zeit)  uns  Nachrichten  überliefert;  danach 
hätte  um  das  Jahr  1450  ein  Gesamtkapital  von  300000  fl.  gearbeitet, 
und  die  regelmäfsig  alle  drei  Jahre  stattfindende  Abrechnung  habe  einen 
Gewinn  von  100000  fl.  ergeben.    Dafs  die  Ziffern  so  rund  wie  bei  einer 

'  Urkunden  Nr.  257. 
2  Urkunden  Nr.  368. 
^  Vgl.  Register. 

^  Baumaun  154.    Er  war  mit  den  Späteli  verwandt 
^  Doch  nicht  sicher.    Urkunden  Nr.  44. 
«  Urkunden  Nr.  291. 
'  Heyd  86.    M.S.  511. 
8  Heyd  78. 
•  S.  oben  S.  546. 

^0  Urkunden  Nr.  895.    Letzterer  auch  1510  Urkunden  Nr.  396. 
'«  Urkunden  Nr.  289. 

^2  Heyd  84.  Onophrius  Hinderofen  hatte  1582  eine  Gesellschaft  in  Ravensburg. 
Hafner  264.  In  der  alten  Karmeliterkirche  zu  1^  findet  sich  ein  Epitaph  des  1527 
gestorbenen  Hans  Hinderofen. 

^^  D  u  r  r  e  r  49, 24  ff.  Heinrich  Lemann  versteuerte  in  Konstanz  1466  2400  +  4600  it 
1*  Urkunden  Nr.  871. 


536  Vierundfunfzigstes  Kapitel. 

modernen  Aktiengesellschaft  sind,  macht  mich  bedenklich  ^  Die  Mötteli 
seien  mit  16 — ISOOOfl.  beteiligt  gewesen.  Walter  Mötteli  habe  1444  eine 
Einlage  von  7000  fl.  gehabt*.  Jedenfalls  sind  aber  die  ZiflFern,  die  Quter- 
mann^  über  das  Vermögen  der  beteiligten  Geschlechter  beigebracht  hat, 
in  Zukunft  einfach  zu  ignorieren.  Er  läfst  eidlich  in  der  Steuerveranlagung 
gegen  Ende  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  angeben: 

Jos,  Frick,  OnophriuB  Hundbifs 131 000  fl. 

Hans  und  Rudolf  Besserer  und  ihre  Schwester  54  000  fl. 

Teschler 20000  fl. 

Geldrich 36000  fl. 

Neidegg 12000  fl. 

Der  reiche  Mattelin  mit  Bruder  und  Schwester  150000  fl. 

Croaria 20000  fl. 

Haber  v.  Randegg 40000  fl. 

Roth  V.  Schreckenstein 100000  fl. 

Sürg  V.  Sürgenstein 24000  fl. 

587  000  fl. 

Nicht  eine  einzige  von  diesen  Ziffern  kann  mit  der  Wahrheit 
stimmen,  da  die  reichen  Mötteli  überhaupt  damals  nicht  mehr  in  Ravens- 
burg steuerten,  die  Roth  safsen  in  Ulm,  1497  heifsen  die  Steuerzahler 
unter  den  Besserern  Lütfried  und  Erben  des  Hans.  Die  reichsten  Geldrich 
zahlten  damals  Steuer  von  120  +  1014,  2000  +  3200  ^  4.  Kurzum, 
die  Liste  ist  einfach  erfunden. 

Ich  habe  schon  oben  die  reichsten  Steuerzahler  der  drei  erhaltenen 
Rechnungen  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  aufgeführt;  ich  will  noch  ein 
Übriges  thun  und  die  Summen  aller  Humpifssteuern  berechnen.  1473 
zahlten  sie  von  zwölf  Vermögen  in  einer  Gesamthöhe  von  14815  iS 
Immobiliar  und  26073  ^  Mobiliar,  also  zusammen  von  40888  ^  ^i^ ; 
es  fehlten  dabei  Onofrius  und  die  Söhne  des  Frick.  1482  waren  es  acht 
Posten:  10087  +  14957  =  25  044;  hier  fehlen  allerdings  eine  Reihe  von 
Fasionen,  andere  Personen  zahlen  feste  Steuern ;  derartige  Posten  fehlen 
1497,  und  da  ergeben  achtzehn  Posten:  17199  + 19184  =  36383  «J  >^, 
also  etwa  40000  rh.  fl. 

Die  Richtungen  der  Handelsverbindungen  der  Ravensburger  Gesell- 
schaft sind  im  Voraufgehenden  vielfach  besprochen.  Wir  sahen  sie  vor 
allem  in  der  Richtung  Mailand — Genua— Spanien  thätig,  aber  auch  in 
Avignon  wie  im  Königreich  Neapel,  auch  in  Rom  und  Siena,  wie  in 
Venedig  fanden  sich  Spuren.  Doch  auch  nach  Norden  war  der  Handel 
gerichtet.    Heyd  hat  nachgewiesen,  dafs  sie  1488  in  Antwerpen  vertreten 


»  Durrer  48,  104. 
'^  Durrer  48,  267. 
3  S.  263. 


Ravensburg.  ß37 

waren  ^,  und  dort  wurde  doch  auch  wohl  jene  Schuld  von  einem  Lübecker 
Kaufmann  bei  der  Gesellschaft  gemacht,  derenthalben  die  Stadt  Ravens- 
burg 1437  sich  bei  Lübeck  verwandte*.  Die  Leinwand  der  Gesellschaft 
wurde  auch  nach  Norden  geführt;  so  nahm  Wolfli  von  Stein  zum 
Klingenstein  und  Konrad  Rüofs,  ein  Bürger  von  Ulm,  ihr  im  Burg- 
frieden von  Ulm  1457  drei  Ballen  Leinwand  weg*.  Ja  bis  nach  Schlesien 
können  wir  sie  verfolgen,  wie  wir  sehen  werden.  Für  die  Geldvermittlung 
wurde  die  Hilfe  der  Gesellschaft  öfter  in  Anspruch  genommen;  so  liefs 
Bern  Kapital  und  Zins  an  Gläubiger  in  Nürnberg  durch  die  Gesellschaft 
bezahlen*.  Andere  Fälle  haben  wir  schon  bei  Rom  und  Siena  be- 
sprochen. 

Die  Humpifsgesellschaft  hat  gleich  den  andern  Gesellschaften  von 
Augsburg  und  Nürnberg  nicht  der  Versuchung  widerstanden,  sich  aus 
dem  Bergbau  Gewinn  zu  suchen.  Wir  können  sie  aber  nur  bei  einem 
Unternehmen  nachweisen,  das  für  die  ersten  Gläubiger  Schaden  brachte, 
um  später  für  die  Fugger  gewinnbringend  zu  werden.  In  Schlesien  be- 
trieben Hans  Starzedel  und  Otto  Rufswurm  im  Gebiete  des  Herzogs 
Karl  von  Münsterberg  die  Anlage  eines  Goldbergwerks  zu  Reichenstein. 
Die  Geldmittel  lieferten  folgende  Gesellschaften:  Welser -Vöhlin  und 
Grander  in  Augsburg,  Hirsch vogel.  Im  HoflF  und  Paufler  in  Nürnberg 
und  die  des  Hans  Humpifs  von  Ravensburg.  Ehe  überhaupt  das  Berg- 
werk „gebaut"  war,  kam  es  zum  Zusammenbruch  und  zu  einem  ver- 
wickelten Streite  zwischen  den  Schuldnern,  den  Gläubigern  und  dem 
Herzog.  Durch  den  Schiedsspruch  von  1510  übergaben  die  Gläubiger 
die  Schuldrechte  dem  Herzog,  der  noch  dazu  mit  Geld  und  14  Ellen 
Sammet  gewonnen  werden  mufste.  Der  Herzog  nahm  auf  zehn  Jahre 
die  Kaufleute  in  seinen  Schutz,  die  also  dort  noch  verkehren  wollten,  und 
dieser  schlofs  schon  1511  mit  den  Thurzo  und  Fuggern  ab,  die  bald  den 
gröfsten  Teil  der  Bergteile  von  Reichenstein  in  Händen  hatten*.  Den 
Humpifs  war  in  dem  Schiedssprüche  vorbehalten  worden,  ob  sie  sich  fügen 
wollten  oder  nicht. 

»  S.  38. 

2  Urkunden  Nr.  368. 

=*  » YtcU  und  Jos  die  Humppis  und  vil  von  der  gesdlschaß  der  kofflit  von  Ravens- 
burff'  verklagten  ihn  beim  Kaiser,  der  Notar  brachte  die  Vorladung  mit  den  Worten, 
er  käme  in  des  Kaisers  Geleit,  worauf  Wolf  äufserst  derb  antwortet.  Urkunde  Nr.  9179 
des  germ.  Museums.  Über  den  Fortgang  des  Handels  Heyd  S.  40.  Oberamts- 
beschreibung  Ulm  2,  196.  * 

*  1479  Januar  6.    Deutsches  Briefbuch  D  8.  187. 

•^  Vgl.  Urkunden  Nr.  396  und  im  Codex  diplomaticus  Silesiae  20 
Nr.  328-331  u.  333.  Vgl.  Faulhaber,  Beitrag  z.  Gesch.  d.  Reichensteiner  Gold- 
produktion in  Zeitschr.  d.  Vereins  f.  Gesch.  u.  Altertum  Schlesiens  31,  200  f.  Vgl. 
ebda.  26,  23. 


538  Vierondfunfzigstes  Kapitel. 

Wann  hat  die  Humpifsgesellschaft  sich  aufgelöst?  Ich  wage  darauf 
keine  Antwort  zu  geben.  Es  ist  die  Zeit  des  sechzehnten  Jahrhunderts 
so  wenig  erforscht,  dafs  man  da  noch  Überraschungen  zu  erwarten  hat 
Ich  gebe  gern  zu,  dafs  die  Blütezeit  der  Gesellschaft  um  1500  längst 
vorbei  war,  die  neuen  Gesellschaften  hatten  sie  überflügelt;  aus  der  ma^na 
societas  Alamatmarum  wurde  bescheidendich  die  Humpifsgesellschaft 
Aber  man  geht  doch  zu  weit,  wenn  man  aus  den  Hertensteinschen  Ur- 
kunden allzuviel  herausliest  Aus  dem  Wortlaute  der  Urkunde  von  1527 
ergiebt  sich  nur,  dafs  man  in  Luzern  nicht  wufste,  was  der  Gewinn  der 
1400  fl.  Einlage  war,  aber  es  ist  nicht  zu  folgern,  dafs  die  Einlage  keinen 
Zins  trug^  Es  gab  eben  nicht  alljährlich  eine  Gewinnverteilung,  und 
so  mufste  diese  Ungewifsheit  bestehen,  auch  wenn  die  Geschäfte  gut 
gingen.  Immerhin,  die  Zeiten  eines  Liutfrid  Muntprat,  Jos  und  Ital 
Humpifs  und  Rudolf  Mötteli  waren  vorbei,  die  grofse  Gesellschaft  hatte 
keinen  Jakob  Fugger  unter  sich.  Schon  1525  wurde  tiberlegt,  ob  man 
die  Gesellschaft  nicht  auflösen  solle.  Der  schwäbische  Bund  wandte  sich 
damals  an  die  vornehmsten  Gesellschaften  zu  Augsburg  und  Nürnberg 
und  auch  an  Konrad  Humpifs  und  seine  Gesellschaft  in  Ravensburg, 
damit  sie  ihnen  Geldmittel  vorstreckten.  Konrad  aber  antwortete,  sie 
seien  in  ihrer  Endrechnung  begriffen  und  es  sei  Eweifelhaft,  ob  sie  bei 
einander  bleiben  würden.  Viele  ihrer  Mitgesellen  gehörten  anderen 
Städten  an  und  seien  mit  gemeinem  Bunde  nicht  verwandt*.  Und  so 
wenig  war  man  in  Ravensburg  mit  der  Gesellschaft  noch  einverstanden, 
dafs  auf  einem  dort  stattfindenden  Städtetage  die  Reichsstädte  um  den  See 
und  im  AUgäu  beschlossen,  darauf  zu  dringen,  dafs  den  Kaufmanns- 
gesellschaften als  Maximum  ihres  Kapitals  die  Summe  von  100000  fl. 
gesetzt  werde,  damit  die  Käufe  sich  auf  verschiedene  Hände  verteilten  •. 
Oder  hatte  die  Gesellschaft  nur  ein  so  hohes  Kapital  und  wollte  sich  der 
gröfseren  erwehren? 

Eis  ist  bisher  nicht  bekannt  gewesen,  dafs  Ravensburg  sich  auch  an 
den  päpstlichen  Stuhl  gewendet  hat,  um  kirchliche  Rechte  auf  dem  Ge- 
biete des  Handelslebens  zu  gewinnen.  Seines  grofsen  Verkehrs  wegen 
kamen  auch  Exkommunizierte  dorthin,  da  wurden  die  Kirchen  oft  ge- 
schlossen; es  solle  ihnen  freier  Gottesdienst  auch  in  solchen  Fällen  zu- 
stehen. Das  zweite  war  eine  Einschränkimg  der  Exkommunikation  in 
Sachen,  die  bei  dem  päpstlichen  Gerichte  anhängig  waren.  Den  geist- 
lichen Gerichten  sollten  vorbehalten  bleiben:  ^sdlvis  tarnen  cansis  matH- 
monialibiLS  y   decimdlibus,   super  perjuriis  et  usuriSj   ita  tarnen  quod  judex 


^  Heyd  45.    Die  Urkunde  ist  gedruckt  Geschichtsfreund  20,  328. 
'  In  der  Korrespondenz  Ulrich  Arzts.    Zeit  sehr.  d.  hist.  Vereins  f.  Schwaben 
und  Neuburg  10  (1883),  37  u.  54. 
»  Hafner  448. 


St.  Gallen,  Schwaben,  vor  allem  Memmingen  und  Ulm.  639 

ecclesiasticus  d£  lisuris  tunc  demutn  cognoscere  habeat,  quando  extorsio 
usurarum  coram  conscilio  sive  consulibus  oppidi  R.  sepefati  probata  fu€rit€. 
Dieser  letzte  Wunsch  wurde  aber  von  Bonifaz  IX.    1400  nicht  erfüllt*. 

Fünfundfünfzigstes  Kapitel. 
St.  Gallen,  Schwaben,  vor  allem  Memmingen  nnd  Ulm. 

St  Gallen^  Leineweberei ^  Richtungen  des  Handels.  —  Memmingen,  Gesellschaft 
VöMin-Welser,  Mitglieder.   Getcinn,  Die  Gesellschaft  in  Lissabon,    Teilung  von  1617. 
Spätere  Geschicke.  Die  Ehinger,   Thätigkeit  in  ItdUen.  Ändere  Memminger  Häuser.  — 
Kempten,  Isny,  Lindau,  Wangen,  Überlingen,  Biberach,  —  Ulm,  Barchentweberei,  Ge-      / 
schlechter,    Richtungen,    Schtcnbisch-Gmünd,    Nördlingen,  ' 

Dafs  die  Leinwandweberei  nicht  erst,  wie  man  lange  geglaubt  hat,  in 
der  Folge  des  Konstanzer  Konzils  von  Konstanz  nach  St.  Gallen  ihren 
Hauptsitz  verlegte,  sondern  viel  länger  dort  heimisch  ist,  wissen  wir*. 
Aber  richtig  ist  daran,  dafs  die  Handelsherrschaft  auf  diesem  Felde  im 
fünfzehnten  Jahrhundert  von  Konstanz  an  St.  Qallen  überging.  Die  Höhe 
der  Produktion  läfst  sich  aus  der  Benutzung  der  Bleichen  für  die  Zeit 
nach  1392  genau  feststellen;  die  höchste  Beschickung  waren  1983,  die 
geringste  1463  Tuche  im  Jahr®.  Die  Leineweberei  nahm  so  zu,  dafs  um 
1530  schon  jährlich  mehr  als  10000  Tuche  erstellt  wurden  und  350  Meister 
thätig  waren.  Die  Ordnung  der  Leineweber  fufste  ursprünglich  auf  der 
Konstanzer,  war  dann  aber  selbständig  weiter  entwickelt,  und  um  1450 
war  die  St.  Galler  Marke  schon  so  allgemein  beliebt,  dafs  selbst  Konstanz 
sich  beugte  und  bat,  die  St.  Galler  Marke  als  Schauzeichen  benutzen 
zu  dürfen.  Aufser  weifser  Leinwand  wurde  Zwillich  (blauer  und 
schwarzer)  hergestellt.  Die  Stadt  hatte  allmählich  alle  Rechte  des  Abtes 
auf  das  Gewerbe  beseitigt  und  dieser  fing  nun  seit  1460  an ,  von  dem  - 
Städtchen  Wyl  aus  eine  Konkurrenz  zu  betreiben. 

Die  St.  Galler  Leinwand  wanderte  weit  hinaus  in  die  Lande. 
Vadian  zählt  uns  die  Sprachen  auf,  die  man  in  St.  Gallen  wegen  des 
Handels  verstehe:  spanisch,  französisch,  lombardisch,  auch  ungarisch, 
böhmisch  und  polnisch^.  Die  spanische  Verbindung  steht  nicht  umsonst 
voran,  ich  erinnere  an  die  Mötteli.  In  Frankreich  genossen  die  St.  Galler 
die  Vorteile,  welche  der  König  den  Eidgenossen  eingeräumt  hatte  —  ich 
erinnere  an  ihre  Thätigkeit  in  Lyon,  wohin  um  1500  eine  regelmäfsige 
Botenpost  führte.     In  Italien  sind  wir,  wenn  auch  nicht  oft,  St.  Gallern 

J  Schultheifs  Formelbuch  Fol.  38  Nr.  131. 

^  S.  oben  S.  116.  Vgl.  zum  folgenden  Häne,  Leinwandindustrie,  und  Häne, 
Der  Auflauf  zu  St.  Gallen  im  Jahre  1491  (Mitteil.  z.  vaterl.  Gesch.  Bd.  26)  S.292f. 

'  Häne,  Leinwandindustrie  11. 

^  Häne,  Leinwandindustrie  15.  Vgl.  im  übrigen  unser  Register.  Vgl.  auch 
Simonsfeld. 


g40  Fünfandfünfzigstes  Kapitel. 

begegnet  Nach  Norden  hin  bildet  eine  hauptsächliche  Etappe  Nürnbei^, 
mit  dem  seit  1387  eine  Zolleinigung  bestand,  und  noch  weiter  nördlich  bei 
Wittenberg  wurden  einmal  St.  Galler  beraubt*. 

Von  den  übrigen  schwäbischen  Städten  ist  zuerst  Memmiiigen  zu 
nennen,  das  auch  Sitz  einer  Kauimannsgesellschaft  war,  die  ebenso  kühn 
wie  erfolgreich  in  den  Handel  eingriff.  Auch  sie  umschlofs  späterBürger 
mehrerer  Städte.  Schon  1479  war  sie  so  blühend,  dafs  Erhard  Hans 
und  Erhard  Vöhlin  zugleich  im  Namen  ihrer  Handelsgesellschaft  eine 
Prädikatur  an  der  St.  Martinskirche  stifteten^.  Die  Vöhlin  waren  ur- 
sprünglich aus  St.  Qallen  eingewandert^,  waren  aber  bald  die  angesehenste 
Familie  in  ihrer  neuen  Heimat,  und  schon  um  1500  begann  der  Prozels, 
dafs  einzelne  Glieder  sich  zum  Adel  zu  rechnen  begannen  und  nicht  mehr 
persönlich  die  Geschäfte  leiteten.  Von  den  Vöhlin  standen  nacheinander 
Hans  (1490,  1493  wohl  der  Bürgermeister  seiner  Vaterstadt)  und  Konrad 
(1495)  an  der  Spitze;  dieser  starb  1511  gleichfalls  als  Bürgermeister^; 
später  war  noch  ein  Hans  in  der  Gesellschaft,  er  starb  zu  Saragossa, 
wo  er  bei  den  Franziskanern  begraben  wurde*. 

Mit  ihnen  verband  sich  ein  höchst  angesehenes  Haus  von  Augsburg, 
die  Welser,  die  schon  im  Anfang  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  recht 
reich  waren  ^.  Obwohl  schon  längst  im  Handel  thätig,  sind  sie  in  Venedig 
jedoch  erst  seit  1441  nachgewiesen  ^.  Im  übrigen  Italien  finde  ich  zuerst 
1475  Lukas  Welser  genannt;  da  er  aber  als  edler  Mann  bezeichnet  wird 
und  zum  Familiären  des  Herzogs  von  Mailand  angenommen  wurde '^,  ist 
er  wohl  längst  dort  heimisch  gewesen.  Lukas  Weiser  gehörte  der  1473 
gegründeten  Handelsgesellschaft  der  vier  Welserschen  Brüder  an,  sein 
Sohn  Anton  heiratete  1479  Katharina  Vöhlin*.  Vielleicht  war  damals 
schon  die  Fusion  vollzogen,  sicher  ist  das  1495  der  FalP®,  und  seitdem 
wurde  Antonius  Welser,  der  übrigens  eine  Zeit  lang  Bürger  und  Stadt- 
hauptmann in  Memmingen  war  und  1496  nach  Augsburg  zurückkehrte**, 
meist  an  erster  Stelle  genannt;  1498  erneuerte  er  mit  seinem  Schwager 
Eonrad  Vöhlin  den  Gesellschaftsvertrag  *^. 


1  Eidgen.  Abschiede  2,  473. 

^  Baumann  2,  456. 

^  Baumann  2,  605. 

^  Lukas  Rem  war  auf  seiner  »Besingnis^,    Greiff  S.  16. 

^  Greiff  S.  19  u.  91. 

«  1418  zahlte  Bartholomäus  Welser  53  V2  fl.  Steuer. 

'  Simonsfeld  2,  59. 

8  Urkunden  Nr.  107. 

»  Ehrenberg  1,  194. 
10  Urkunden  Nr.  107. 

"  Baumann  2,  671  f.  und  Ehrenberg  1,  194. 
J2  Ehrenberg  1,  194. 


St.  Gallen,  Schwaben,  vor  allem  Memmingen  und  Ulm.  641 

Die  Gesellschaft  umfafste  nach  dem  Gesellschaftsvertrage  von  1508 
nicht  weniger  als  achtzehn  Personen :  Anton  Welser  den  alten,  Jakob  und 
Bartholomäus,  Konrad  Vöhlin,  Ludwig  Reyhing,  Wolf,  Marx  und  Hans 
Pfister,  Konrad  Imhof,  Anton,  Hans  und  Narcifs  Lauginger,  Peter,  Hans 
und  Wilhelm  Heintzel,  Ulrich  Hanold,  Simon  Seitz  und  Andreas  Rem. 
Lukas  Rem,  der  seit  1498  im  Dienste  der  Gesellschaft  stand,  wird  nicht 
genannt,  er  ist  erst  später  stimmberechtigtes  Mitglied  geworden  ^  Vor- 
her und  nachher  gehörten  noch  andere  der  Gesellschaft  an.  So  1488  die 
Söhne  des  Ulmer  Bürgermeisters  Wilhelm  Besserer,  des  Schwagers  von 
Hans  Vöhlin^.  Ob  Antonius  Fonger  (Fonges  oder  Fungus),  der  Sohn 
eines  verstorbenen  Andreas,  der  1492  Faktor  der  Gesellschaft  in  Mailand 
war®,  ein  Fugger  war,  ist  zweifelhaft;  dann  müfste  er  ein  unehelicher 
Sohn  des  Andreas  —  des  Stammvaters  der  Fugger  vom  Reh  —  gewesen 
sein.  Wurde  die  Gjesellschaft  also  immer  stärker  augsburgisch,  so  hat  sie 
doch  gleich  der  Humpifsischen  die  Zugehörigkeit  von  Bürgern  eidgenös- 
sischer Städte  sehr  zu  schätzen  gewufst. 

Bartholomäus  Mai  hatte  schon  vorher  mit  Bemern  Gesellschaften 
gebildet*.  1487  war  er  Haupt  einer  solchen,  an  der  hervorragende 
Bemer  beteiligt  waren  ^.  Mit  Anton  Welser  und  Konrad  Vöhlin  dürfte 
er  schon  1495  associiert  gewesen  sein*;  es  erwies  sich  für  die  Gesell- 
schaft als  äufserst  vorteilhaft,  einen  Bürger  einer  so  mächtigen  Stadt 
zum  Gesellschafter  zu  haben.  Bern  trat  wiederholt  für  den  Bürger  und 
damit  für  die  ganze  Gesellschaft  ein,  so  1505  bei  dem  französischen 
Gouverneur  des  Herzogtums  Mailand  wegen  der  Schuldner  im  Mai- 
ländischen ^,  und  1510  legte  es  für  die  Gesellschaft  ein  Wort  ein,  damit 
ihr  der  Warentransport  nach  Venedig  trotz  der  Kriegszeiten  ermöglicht 
werde®.  Und  wiederum  wurde  Gesellschaftsgut,  das  von  französischer 
Seite  auf  einem  spanischen  Kaufleuten  gehörigen  Schiff  im  Hafen  von 
Marseille  mit  Beschlag  belegt  war  und  das  in  116  Ballen  Wolle  bestand, 
als  Gut   eines  Mitbürgers   reklamiert,    auf   das    die   den  Schweizern  ge- 


'  Vgl.  Greiff. 

^  Oberamtsbeschreibung  Ulm  2,  197  f.  mit  weiteren  Angaben  über  die 
Gesellschaft. 

»  Urkunden  Nr.  172. 

«  Das  Einzelne  May  35  ff. 

^  Aus  den  Familien  von  Laupen,  Schamachthal  und  Diesbach. 

^  Die  Vöhlin  sollten  die  Pensionen  der  Bemer  Politiker  in  Mailand  und  Venedig 
einnehmen  und  an  Bartholomäus  übermitteln.  May  88  f.  und  Lat.  Brief  buch  E 
Fol.  182,  wo  die  drei  zusammen  genannt  sind. 

"i  Urkunden  Nr.  308  und  ähnlich  Nr.  313.  Über  die  Schulden  der  Grafen 
Borromei  von  Arona  s.  May  24. 

«  Urkunden  Nr.  309. 
Sehulte,  Gesch.  d.  mittelalterl.  Handels.    I.  41 


Q42  Fünfundfunfzigstes  Kapitel. 

währten  Vorzüge  Anwendung  finden  müfsten  *.  Auch  der  Briefschaften 
der  Qesellschafty  die  in  Toulouse  durchsucht  wurden,  nahm  sich  die  mäch- 
tige eidgenössische  Stadt  an  '.  Ebenso  hat  an  der  päpstlichen  Kurie  Bern 
für  die  Welser  wiederholt  interveniert®. 

Die  Gesellschaft,  deren  Kapital  sehr  erheblich  gewesen  sein  mufs^, 
konnte  für  die  Jahre  1502  bis  1517  Dividenden  in  der  Gesamthöhe  von 
142  ®/o,  das  ist  8,88  ®/o  für  das  Jahr,  verteilen.  Der  Gewinn  ist  nicht 
allzu  grofs.  Doch  beschuldigt  sowohl  Lukas  Rem  wie  der  einst  gleich- 
falls als  Faktor  bei  den  Welsern  thätige  Christof  Scheurl  die  Leiter,  dafs 
sie  bei  den  Abrechnungen  den  Gewinn  zu  niedrig  ansetzten  und  nicht 
so  viel  verteilten,  als  wirklich  vorhanden  war.  Es  flihrte  das  zu  wieder- 
holten Streitigkeiten  und  1517  schieden  mindestens  vier  Teilhaber  aus, 
vor  allem  Jakob  Welser,  der  in  Nürnberg  ein  neues  Geschäft  begründete. 

Der  Gegensatz  zu  den  Fuggem  wird  uns  später  deutlich  werden.  Diese 
sind  ein  Familiengeschäft,  die  Welser  ein  Konsortium  von  heterogenen  Ele- 
menten, die  als  Faktoren  einen  halben  Einblick  in  die  Geschäfte  gewannen 
und  daher  des  öfteren  unzufrieden  waren;  bei  den  Fuggem  herrscht 
eine  stramme,  monarchische  Direktion  über  die  besoldeten  Faktoren,  hier 
der  Widerstreit  der  Gesellschafter;  die  Fugger  verlassen  seit  Jakob  II. 
den  Warenhandel,  die  Welser  bilden  ihn  bis  1517  immer  mehr  aus  und 
haben  dafür  eine  kolossale  Organisation  geschaffen ;  sie  hatten  Faktoreien 
in  Antwerpen,  Danzig,  Nürnberg,  Venedig,  Mailand,  Rom,  Zürich,  Bern, 
Freiburg,  Genf,  Lyon,  Saragossa  und  Lissabon,  und  ihr  gröfster  Ruhm 
ist  es,  der  Änderung  der  Handelswege  sofort  Rechnung  getragen  zu 
haben.  Nicht  mehr  durch  Vorderasien  kamen  ausschliefslich  die  Schätze 
des  fernen  Indiens,  sondern  mit  der  Eröffnung  des  Seeweges  um  das 
Kap  der  guten  Hoffnung  war  Lissabon  der  wichtigste  Stapelplatz  ge- 
worden. Nach  Lukas  Rem  kann  kein  Zweifel  sein,  dafs  das  Haupt- 
gebiet der  Gesellschaft  bereits  der  Markt  in  Lissabon  und  Antwerpen 
war,  dafs  dem  gegenüber  Italien  zurückstand.  Sie  beutete  mutig  die 
grofsen  Entdeckungen  der  Seefahrer  aus.  Gerade  ihre  Gesellschaft  ver- 
anlafste  den  König  Emanuel  von  Portugal,   zu  Gunsten   der  Deutschen 


1  Bern  Staatsarchiv.  Lat.  Briefbuch  H  Fol.  127  u.  139.  Ebda.  Fol.  239  wegen 
Räubereien  eines  Chapperon  aus  der  Bretagne. 

«  »Societas  Weher  et  Wechlhu.    Lat.  Briefbuch  K  137. 

»  Urkunden  Nr.  310.  Urkunde  von  1523.  May  S.  40.  Schuld  der  Kurie, 
entstanden  während  der  Sedisvakanz.    Urkunden  Nr.  312. 

^  26801  fl.  hatten  Erhard  und  Sibylle,  die  Kinder  Bernhards  Vöhlin,  1505  bei 
der  Gesellschaft  liegen.  Brunn  er,  Die  Vöhlin  von  Frickenhausen,  Zeitschr.  d.  hist. 
Vereins  f.  Schwaben  2,  267.  Lukas  Rem,  der  ursprünglich  2000  fl.  Einlage  besafs^ 
hatte  1517:  9440  fl.  Greiff  30f.  Ein  Sohn  des  Bürgermeisters  Wilhelm  Besserer 
von  Ulm  zog  1492  seine  Einlage  von  3000  fl.  aus  der  Gesellschaft  zurück.  Ulmer 
Oberamtsbeschreibung  2,  198.    J&ger,  Ulm  674. 


St.  Gallen,  Schwaben,  vor  allem  Memmingen  und  Ulm.  g43 

einen  Handelsvertrag  abzuschliefsen  ^.  Am  25.  März  1505  stachen  die 
ersten  von  Deutschen  gecharterten  Schiffe  in  die  See,  deren  Ziel  das 
ferne  portugiesische  Indien  war.  An  den  mitgesandten  Waren  und  Qeld 
waren  Florentiner  und  Genueser  Kauf leute  mit  29  400  Dukaten  beteiligt, 
die  Welser  und  Vöhlin  mit  20000,  die  Fugger  und  Höchstetter  mit  je 
4000,  die  Gossembrot  von  Augsburg  imd  die  Imhoff  von  Nürnberg  mit 
je  3000  und  endlich  die  Hirschvogel  von  dort  mit  2000  Dukaten^. 

Lukas  Rem,  dessen  Tagebuch  wir  diese  und  viele  andere  Nach- 
richten über  die  Gesellschaft  verdanken  ^j  hat  leider  mit  dem  italienischen 
Handel  der  Gesellschaft  nichts  zu  thun  gehabt,  er  wurde  vor  allem  auf 
den  Hauptfaktoreien  zu  Lyon,  Lissabon  und  Antwerpen  verwendet, 
revidierte  auch  die  Faktoreien  in  Genf,  Freiburg  und  Bern,  war  auch  in 
Saragossa,  Valencia  auf  den  Stationen  und  hatte  namentlich  in  Madeira 
und  auf  diesen  vorgeschobensten  Posten  der  Welserschen  Besitzungen  zu 
thun,  so  ungern  er  in  diesen  Landschaften  war.  In  Venedig  hatte  er 
gelernt,  das  übrige  Italien  streifte  er  nur  auf  zwei  Reisen;  als  Lehrling 
war  er  1498  in  der  Compagnie  Haus  zu  Mailand  bei  dem  Faktor  Anton 
Lauginger  ^,  „der  sich  in  seiner  Rechnung  vterirrt  hatte **  und  an  dem  zum 
erstenmal  der  Siebzehnjährige  seine  Kunst  erprobte,  in  die  Handlungs- 
bücher Ordnung  zu  bringen. 

In  Italien  ist  die  Gesellschaft  seit  1478  thätig  nachzuweisen.  Bar- 
tholomäus Welser  und  Brüder  standen  damals  schon  in  regelmäfsiger 
Verbindung  mit  den  Corsini  von  Florenz  und  hatten  Safran  bei  Bologna 
unterwegs^.  Obwohl  in  Mailand  längst  bekannt,  empfahl  doch  1493  der 
Doge  von  Venedig  die  Vöhlinsche  Gesellschaft  an  den  Herzog*.  Viel- 
leicht hängt  das  mit  der  Saumseligkeit  der  Vorsteher  der  herzoglichen 
Münze,  die  der  Gesellschaft  die  Restzahlung  auf  geliefertes  Silbererz 
nicht  leisteten^,  zusammen.  Ihr  Handel  betraf  alles,  was  einen  Nutzen 
abzuwerfen  versprach.  Wie  aus  Lukas  Rems  Tagebuch  hervorgeht, 
hat  dieser  mit  Safran,  Wolle,  Kupfer,  Blei,  Zinnober,  Quecksilber, 
Korn,  flämischem  Gewand,  Spezereien,  Öl,  Wein,  Elfenbein,  Baumwolle, 
Feigen,  Zucker,  Pfeffer  und  den  andern  aus  Indien  eingeführten  Waren 
gehandelt.     Ahnlich   mag   auch    ihr  Handel    in   Venedig,   Mailand   und 

»  Häbler,  Fugger  21. 

'  Städtechroniken  25,  278.  Chronik  des  Wilhelm  Rem.  Lukas  Rem,  der 
die  Annazion  selbst  besorgte,  giebt  den  Anteil  etwas  höher  an.  Greiff  S.  8  und 
Anm.  51  u.  52.  Der  Nutzen  war  nach  Lukas  Rem  150 ^/o,  nach  Gassarus  175 ^/o. 
Vgl.  auch  Hantzsch  S.  7.  Uff.    Heyd  2,  522  ff. 

«  Vgl.  Greiff,  Hantzsch  S.  10  f. 

^  Wohl  identisch  mit  Antonius  Longhus.    Urkunden  Nr.  174. 

»  S.  oben  S.  592. 

«  Urkunden  Nr.  71,  74  u.  124. 

'  Urkunden  Nr.  172. 

41* 


g44  Fänfundfunfzigstes  Kapitel. 

Genua  gewesen  sein.  Auf  dem  Po  bei  Piacenza  wurden  1527  vier  Kisten 
mit  Seide  und  22  Säcke  mit  Wolle  von  Soldaten  weggenommen  ^  Von 
Freiburg  im  Üchtlande  brachten  sie  nach  Venedig  weifse  Wolltücher  *,  in 
Bern,  Solothurn  und  Biel  beschwerten  sich  die  Leute  bitter  darüber, 
dafs  die  Vöhlin  das  ganze  Ledergewerbe  an  sich  zögen  und  die  besten 
Erzeugnisse  nach  der  Lombardei  schickten^.  Woher  das  Zinn  kam,  das 
die  Doria  von  ihrem  Mailänder  Faktor,  Bernardus  Meuting  (Mayetinus), 
einem  Augsburger,  kauften,  ist  nicht  angegeben^.  Mehrere  Nachrichten 
liegen  über  die  Geldgeschäfte  vor*.  Wohl  zu  beachten  ist,  dafs  auch  sie 
zu  den  Campsores  Homanam  curiam  sequentes  gerechnet  werden^. 

Nach  der  Spaltung  von  1517  begründete  Jakob  Welser  in  Nürnberg, 
wo  er  schon  1493  Faktor  gewesen  war,  ein  selbständiges  Geschäft,  das 
an  dem  soliden  Warenhandel  festhielt  und  Comptoirs  in  Genua,  Mailand, 
Venedig  und  Aquila  —  mit  Rücksicht  auf  den  Safranhandel  —  besafs. 
Dann  ging  das  Geschäft  mehr  und  mehr  zum  Geldhandel  über,  um  in 
ihm  bedeutende  Verluste  zu  erleiden^. 

Die  Augsburger  Firma  hat  bis  zu  dem  Bankerott  von  1614  be- 
standen, der  gleichfalls  durch  den  Anteil  an  dem  Geldhandel  bedingt 
war.  Eine  Zeit  lang  hatten  sich  die  Welser  an  erster  Stelle  neben  den 
Fuggern  behauptet.  Die  aufserord entlich  engen  Beziehungen  zu  Karl  V. 
und  den  spanischen  Kreisen  haben  dem  Hause  und  den  mit  ihnen  ver- 
bundenen Ehingem  von  Konstanz  die  Erwerbung  Venezuelas  ermöglicht 
Die  Untersuchung  Häblers®  hat  gezeigt,    dafs   gerade  den  Ehingem  ein 


»  Urkunden  Nr.  311. 

«  Urkunden  Nr.  309. 

>  Eidgen.  Abschiede  8,  2,  446. 

^  Urkunden  Nr.  179.  Dieser  Meuting  lebte  auch  in  Mailand.  Chroniken 
deutscher  Städte  25,  82. 

*  S.  oben  und  Urkunden  Nr.  174. 

«  Ehrenberg  1,  98. 

'  Vgl.  über  die  Welser  von  1517  an  Ehrenberg  1,  197—211. 

^  Weiser  und  Ehinger  in  Venezuela,  Zeitschr.  d.  bist.  Vereins  f.  Schwaben  und 
Neuburg  21  (1894).  Der  Welser-Codex  des  britt.  Museums  zu  London,  Beil.  d.  Allg. 
Zeitung  1894  Nr.  285/6.  Die  Welser  in  Venezuela  ebda.  1898  Nr.  285/6.  Dalfinger 
ebda.  1895  Nr.  50.  Hantzsch  16^49.  Über  die  Ehinger  kann  ich  einige  neue  Mit- 
teilungen machen.  Die  meisten  Quellen  nennen  sie  von  Ulm,  Heinrich  Ehinger  hat 
sich  aber  1521,  wie  Ulrich  Ehinger  etwas  später  als  Konstanzer  bezeichnet.  Als 
ihr  Bruder  wird  auch  Ambrosius  genannt,  der  meist  den  Namen  Dalfinger  trfigt.  In 
der  Steuerliste  von  Konstanz  1520  steht  Jerg  und  Margreth  Ehinger  mit  8000  U  hl., 
Ulrich  mit  1000  it  hl.  versteuert,  wobei  Grundbesitz  und  Fahrhabe  nicht  geschieden 
ist  Nach  Mitteilungen  Leiroers  erscheinen  in  den  Stenerlisten  u.  a.  Ulrich  Ehinger, 
Hansen  Sohn,  1514—1537  (1528—81  sicher  aufser  Landes),  Jörg  1524—41,  1542—48 
sind  Beiträge  versteuert  für  seinen  »ledig  geporenen  «tm«.  Herr  Heinrich  Ehinger 
erscheint  1525—1586,  seit  1537  seine  Witwe.    1519  war  er  Faktor  der  Welser  in 


St.  Gallen,  Schwaben,  vor  allem  Memmingen  und  Ulm.  645 

grofser  Anteil  an  dem  Unternehmen  zukommt,  das  sich  durch  Kühnheit, 
durch  Weite  des  Blickes  auszeichnet;  aber  vom  geschäftlichen  Stand- 
punkte aus  beurteilt  blieb  es  ein  Abenteuer.  Die  I^hinger  und  Welser 
haben  keinen  Gewinn  davon  gehabt.  Erst  die  Nachwelt  hat  ihren  Namen 
zu  Ehren  gebracht,  weil  sie  die  ersten  überseeischen  Kolonisatoren 
deutschen  Blutes  waren. 

Von  anderen  Geschlechtern  Memmingens  linden  wir  einen  Antonius 
Besserer,  aus  der  in  Ulm,  Memmingen,  Ravensburg,  Leutkirch,  auch  in 
Konstanz  verbreiteten  Familie,  der  vielleicht  mit  Peter  Stüdlin  eine  Ge- 
sellschaft hattet  1511  hatte  Jörg  Besserer  von  Memmingen  eine  Gesell- 
schaft-. Die  eigentlich  Leutkircher  Familie  Stüdlin  war  durch  Handel 
sehr  emporgekommen,  bereits  in  den  Landadel  übergetreten,  um  erneut 
zum  Handel  zu  greifen^.  Peter  Stüdlin  trieb  lebhafte  Geschäfte  nach 
Italien,  doch  war  er  1511  Faktor  der  Welser- Vöhlin*.  Auch  die  Familie 
Stebenhaber  begegnet  in  Italien^. 

Neben  Memmingen  erscheint  auch  noch  eine  andere  allgäuischc  Stadt, 
nämlich  Kempten.  Und  zwar  ist  es  ein  Zweig  der  Familie  Stüdlin,  den 
wir  in  Lyon  und  Bologna  thätig  linden  ®.  Ein  Jodokus  Schedler  aus 
Kempten    war  Faktor    der    Humpifsgesellschaft,    wie   Philipp    Wiesland 


Saragossa.  Reichst agsakteu  Jüngere  Keihc  1,  220.  Sie  waren  also  Konstanzer 
Bürger )  ohne  dort  wohl  ein  Hausgesäfs  zu  haben.  Der  Stammbaum  bei  Bucelin, 
Oonstantia  Hhenana  Anh.  S.  41  fuhrt  als  Kinder  dos  Jobann  Ehinger  zu  Güttingen 
neben  drei  Töchtern  sechs  Söhne  an:  einen  natürlichen  Sebastian,  Chorherren  zu 
St.  Stephan  in  Konstanz,  dann  Heinrich  ff  1585),  Ulrich,  der  als  Rittor  des  Ordens 
von  St.  Jago  und  Rat  Karls  V.  bezeichnet  wird,  den  1501  gestorbenen  Gotthard, 
den  zweimal  vermählten  Johann,  und  endlieh  Georg,  den  Kämmerer  Karls  V.,  der 
bei  seiner  zweiten  Reise  nach  Indien  1537  von  einem  Spanier  ermordet  sei.  Die 
Angaben  sind  wohl  nicht  alle  gleich  gut.  Sie  hat  Kiudler  v.  Knobloch  1,  287 
übernommen.  Die  Schulthefssche  Familienchronik  in  Konstanz  (S.  101)  läfst  Gebhard 
und  Sebastian  beiseite,  bezeichnet  Heinrich  als  einen  Geistlichen,  stimmt  aber  im 
übrigen  mit  Bucelin  überein.  Die  Angaben  beweisen  aber,  dafs  die  Ehinger  zu 
dem  Konstanzer  Geschlechte  gehörten  und  nicht  zum  ITlmer,  dafs  ihr  Vermögen 
aber  nicht  grofs  genug  war,  um  die  Kolonisation  von  Venezuela  durchzuführen. 
Von  den  an  dem  Unternehmen  in  Veneziiela  Beteiligten  ist  somit  Georg  und  Hein- 
rich als  Konstanzer  erwiesen,  Ulrich  stand  indirekt  damit  in  Verbindung,  der  rätsel- 
hafte Ambrosius  Dalfinger  ist  nicht  unterzubringen.  Auch  die  anderen  Führer  der 
venezolanischen  Unternehmung  gehören  meist  unserem  Gebiete  an:  die  Ulmer 
Nikolaus  Federmann  und  Sebastian  Renz,  Georg  Hohermuth  von  Memmingen. 

'  Urkunden  Nr.  75.    90  Anm.  1. 

2  Urkunden  Nr.  289. 

"  Baumann  2,  606. 

*  Urkunden  Nr.  ö9.   289. 

^  Urkunden  Nr.  71.  Einen  Bernardus  Meier  mit  Gesellschaft  kann  ich  im 
Allgäu  nicht  identifizieren.    Urkunden  Nr.  90. 

«  Oben  S.  487  u.  592. 


/ 


g46  Fünfundfünfzigstes  Kapitel. 

von  Isny  und  später  die  Hinderofen  von  Wangen.     Kempten   und  Isny 
erzeugten  Leinwand,  die  wie  die  St.  Galler  bis  Wien  ging*. 

Auffallend  selten  begegnen  uns  Kaufleute  aus  Lindau  *.  Der  Verlust 
des  dortigen  Stadtarchivs  ist  sehr  zu  beklagen.  So  haben  wir  ein  paar 
dürftige  Angaben  bei  Vitoduran  aus  seiner  Lindauer  Zeit,  in  der  er  aller- 
hand über  Venedig  und  Venetianer  reden  hörte.  Damals  blühte  Lindau 
auf.  1402  finden  wir  Kaufleute  von  Lindau  und  Wangen  in  Burgund 
Handel  treibend^.  Jedenfalls  liegt  der  Höhepunkt  des  Handels  der 
Lindauer  Bürger  erst  später. 

Auch  die  andern  Reichsstädte  des  Bodensees  gewannen  keine  Be- 
deutung. Einen  Bürger  von  Buchhorn  habe  ich  überhaupt  in  der  Fremde 
nicht  gefunden,  und  von  dem  reichen  mächtigen  Überlingen  begegnet  luis 
nur  in  Barcelona  ein  Händler  Jakob,  der  Korallen  von  hohem  Werte  besafs*. 

Trotz  seiner  gewerblichen  Betriebsamkeit,  vor  allem  in  der  Barchent- 
weberei, tritt  auch  Biberach  zurück,  das  am  Handel  mit  Venedig  sehwach 
beteiligt*,  mir  sonst  in  Italien  überhaupt  nicht  begegnet  ist,  während  es 
nach  Lyon  handelte^. 

Die  grofse  Reichsstadt  Ulm  hat  im  fünfzehnten  Jahrhundert  die  Zeit 
ihrer  Blüte  gehabt.  Die  Wollweberei  war  freilich  mehr  zurückgegangen, 
dafür  hatte  die  Barchentweberei  eine  Bedeutung  gewonnen  wie  in  keiner 
anderen  deutschen  Stadt:  Ulm  war  das  deutsche  Mailand^.  Die  Ver- 
fertigung von  Golschen  aus  rohem,  ungesottenem  Leinengarn  beschäftigte 
ebenfalls  viele  Webstühle.  Und  nicht  allein  die  Stadt  arbeitete,  sondern 
auch  auf  dem  Lande  waren  zahlreiche  Gäuweber  thätig,  welche  in 
schlechten  Jahren  sich  ganz  dem  Landbau  widmeten.  Die  Gäuweberei 
wurde  deshalb  von  der  Stadt  begünstigt,  während  die  Stadtweber  ihre  j 
Genossen  vom  Lande  von  der  Ulmer  Schau  verdrängen  wollten. 

Der   grofse    Konsum   von    Baumwolle  rief  einen   lebhaften  Handel 

hervor.     Die   Baumwolle   wurde,    da   Ulm   vor   allem    cyprische   Baum- 

I  wolle  von  Famagusta  verwendete,  zumeist  in  Venedig  gekauft,  wo  auch 

1469  die  Ulmer  Weberzunft  selbst  einkaufte,  jedoch  habe  ich  1375  auch 

einen  Ulmer  in  Mailand  beim  Baumwolleinkauf  gefunden®. 


'  Archiv  f.  österr.  Gesch.  14,  279. 

2  Urkunden  Nr.  126  und  1497.  Zeit8chr.f.Ge8ch.Oberrh.5,412ff.  Als  Faktoren 
finden  wir  Lindaucr  bei  den  Hundbifs  und  Besserem,  vgl.  Ur  kund  en  Nr. 289,  wie  über- 
haupt die  kleinen  Städte  Oberschwabens  ziemlich  viele  Kaufmannsgehilfen  stellten. 

8  Baseler  Urkb.  5,  316. 

*  Oben  S.  545. 

»  Simonsfeld  2,  63. 

«  Oben  S.  488. 

^  Nach  Fabri  S.  47  wurden  jährlich  9000  Stück  erzeugt,  nach  S.  48  aber  gar 
60000  gebleicht 

8  Urkunden  Nr.  13 


St.  Gallen,  Schwaben,  vor  allem  Memmingen  und  Ulm.  g47 

Die  Barchentweberei  bot  der  Spekulation  die  besten  Aussichten. 
Der  Weber  erhielt  Rohstoff  gegen  die  Ablieferung  von  Rohbarchent, 
trug  also  das  Risiko  der  Wertschwankung  des  Rohstoffes.  Diesen  Roh- 
barchent kauften  nicht  allein  Kaufleute  auf,  sondern  auch  Edle,  Geist- 
liche, Patrizier,  die  sich  sonst  zu  vornehm  dünkten;  nach  der  Bleiche 
und  Fertigstellung  veräufserten  sie  den  Barchent  wieder  ^  Es  entstand 
eine  vollständige  Bleichspekulation  und  ein  Barchentwechselgeschäft  Die 
Händler  fanden  für  die  Ware  einen  grofsen  Markt:  Ulmer  Barchent  ist 
in  Lübeck,  Antwerpen  und  Calais  als  marktgängige  Ware  bekannt  ge- 
wesen ',  und  als  der  andalusische  Ritter  Peter  Tafur  nach  Ulm  kam,  das 
in  seiner  Heimat  „Oli^s"  genannt  wurde,  war  er  froh,  den  Ursprungsort 
der  „Barchente"  zu  sehen;  die  venetianischen  Gesandten  von  1492  sahen 
in  der  Güte  der  Bleichen  an  der  Blau  den  Vorzug  der  Ulmer  ^pigno- 
latU  ^.  Auch  andere  Gewerbe  blühten  in  Ulm.  Nach  Fabri  waren  dort 
so  viele  Kartenmaler,  dafs  ihre  Karten  in  Fässern  nach  Italien,  Sizilien 
und  zu  den  fernsten  Inseln  gingen^.  Die  Handelsbeziehungen  von  Ulm 
waren  sehr  ausgedehnt;  so  finden  sich  schon  1405  zwei  Ulmer  in  Breslau^. 

Von  den  vornehmen  Geschlechtern  waren  die  Ehinger  und  Besserer 
bei  der  Humpifsgesellschaft  beteiligt,  die  Besserer  bei  den  Vöhlin  und 
Welsern®.  Die  Hauptrichtung  des  Ulmer  Handels  über  die  Alpen  ging 
auf  Venedig  ^,  doch  war  auch  der  Handel  mit  Mailand  nicht  unbeträcht- 
lich. Dafs  ein  Zweig  der  Ehinger  sich  von  Mailand  nannte,  ist  schon 
oben  gesagt®,  wo  auch  bereits  einige  der  Namen  genannt  sind,  die  in 
Mailand  erscheinen.  Ein  Hans  der  Lam parter  war  1398  Bürger  in 
Ulm**.  Von  den  Geschlechtern  hatten  auch  die  Strölin  und  Nithart  nach 
dem  Steuerverzeichnis  von  1427  bezw.  1497  Fardel  bei  sich  liegen.  Es 
ist  also  auch  in  Ulm  noch  wohl  von  den  Geschlechtem  Anteil  am  Handel 
genommen. 

Am  meisten  werden  in  Mailand  die  Gienger  und  Scheler  genannt, 
die  am  Ende  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  offenbar  zu  den  aufblühenden 
Familien  gehörten*^;  Martin  Scheler  führte  aus  Como  die  Sammetweberei 


»  Nübling,  Baum  Wollweberei  S.  186  ff.     Fabri  S.  75.    121. 

-  Nübling  in  Oberamtsbeschreibung  Ulm  2,  193.  Vgl.  auch  Fabri  8. 146. 

3  Tafur  268.    Häbler  S.  520.    Simonsfeld,  Gesandtenreise  S.  260. 

*  Fabri  146. 

^  Stadtarchiv  Breslau  Lib.  sign.  29. 

«  S.  oben  S.  638  u.  641. 

"^  Die  Angaben  bei  Simonsfeld  sind  keineswegs  vollständig. 

^  Oben  S.  574.    Fabri  läfst  die  Ehinger  von  Mailand  einwandern  S.  84. 

^  Verhandl.  d  Ver.  f.  Kunst  u.  Altert,  in  Ulm  und  Oberschwaben  3,  64. 

^^  Nach  Fabri  S.  120  waren  die  Gienger  ursprünglich  Müller,  zu  seiner  Zeit 
gehörten  sie  zur  Zunft  der  Kaufleute  S.  135.  1427  zahlte  jedoch  schon  Peter  Leo 
V.  Giengen  eine  Steuer  von  AA  U  \2  ß,  1497  die  wittib  122  U,  Matheus  45.  10  — , 


548  Sechsundfunfzigstes  Kapitel. 

in  Deutschland  ein^  Eine  Reihe  von  Namen  anderer  Ulmer  gehören 
wenig  oder  gar  nicht  bekannten  Familien  an^.  TSa  scheinen  also  auch 
kleine  Leute  nach  Mailand  Handel  getrieben  zu  haben.  Der  Verkehr 
nach  der  Lyoner  Messe  war,  wie  wir  sahen,  sehr  lebhaft^. 

Wenn  ich  nun  noch  zwei  aus  Schwäbisch -Gmünd  stammende 
Händler,  die  in  Como  Wolle  verkauften,  Heinrich  Lind  und  Peter  Geist, 
nenne  und  erwähne,  dafs  aus  Nördlingen  Handel  nach  Genf  getrieben 
wurde,  ein  Martin  Suren  auch  auf  dem  Wege  nach  Italien  erscheint*,  ist 
mit  Ausnahme  von  Augsburg  Schwaben  erschöpft.  Das  gesamte  Nieder- 
schwaben aufser  Gmünd  fehlt  somit  ^.  Die  gleiche  Lücke  weist  auch  die 
Liste  Simonsfeld  für  Venedig  auf. 

Sechsundfünfzigstes  Kapitel. 

Augsburg. 

CJtarakter  des  Augsburger  Hatideh.  Die  Fugger,  Stammbaum,  Die  beiden  Ltnün, 
Handel  mit  Italien,    Die  Fugger  in  Lissabon,    Andere  Augsburger, 

Augsburgs  Blüte  beruhte  nicht  allein  auf  der  ausgezeichneten  Lage, 
auf  dem  regen  Handel  seiner  Bewohner,  sondern  wiederum  auf  der  innigen 

(  Verbindung  von  Handel  und  Gewerbe.  In  Augsburg  war  die  Barchent- 
weberei sehr  entwickelt,  daneben  auch  die  Metallgewerbe,  wie  es  über- 
haupt sich,  was  die  Geschicklichkeit  seiner  Handwerker  anbetrifft,  allein 

1  mit  Nürnberg  vergleichen  läfst.  Für  Augsburg  ist  besonders  charakte- 
ristisch die  Tendenz  zur  Bildung  von  grofsen  Vermögen,  die  zu  Speku- 
lationen verwendet  werden.     Hier  zuerst  ging  man   zur  kapitalistischen 

/  Ausbeutung  der  Bergwerke  über  und  wenn  man  sagt,  Augsburg  war  die 
Beherrscherin  des  Bergbaus  nicht  allein  in  der  Alpenwelt,  so  charakteri- 
siert man  am  besten  —  meine  ich  —  seine  Eigenart.  Die  riesigen  Er- 
folge des  Bergbaus  jener  Tage  schwellten  die  Vermögen  der  Augsburger 
Handelsherren. 

Während  wir  bisher  nur  Gesellschaften  kennen  lernten,  deren  Leiter 
den  Geschlechtern  der  betreflFenden  Städte  entstammten,  zumeist  auch  die 


Jakob  alt  42 ,   Jeronimus  88.  10.  — ,   Jakob  jung  17.  10.  — .    Martin  Scheler 

zahlte  1497  2\  U  10  j^?  Steuer. 

>  S.  oben  S.  582.  584. 

«  Val.  Urkunden  Nr.  136;  Bertholdus  Nr.  140;  Tierlin  151.  156;  Stadler  46; 
Royuus  116;  Hei  110.  Nur  die  Familie  des  Balthasar  Fusinger  Nr.  55  u.  79  ist  aus 
der  Steuerliste  mir  bekannt  (1427:  AU  Fusingerin,  irm  Kind  5,4,6).  Nach  Bazing 
u.  Veesenmeyer,  Urkunden  z  Gesch.  d.  Pfarrkirche  in  Ulm  S.  12  waren  1377  und 
1379  die  Fusinger  angesehene  Krämer. 

«  Oben  8.  487  f.   433. 

*  Vgl.  oben  S.  574  u.  384. 

'*  Ich  sehe  hier  wie  stets  von  den  Faktoren  ab,  die  z.  T.  aus  kleinen  Städten 
stammten,  z.  B.  Urach,  Mergentheim  u.  s.  w. 


9 

u 


Fugger. 


Steiger. 


Tochter. 


Hartmann  Steiger, 
1379  erschlagen. 


Claus, 
1394. 


ütz,  Uli  (Ulrich)  Fugger, 

1394  ermordet, 
ux.:  Agnes. 


i  (seit  1473), 
EIS  getrennt. 


isinger, 
)5. 


Chunrat, 

1394. 

Mehrere  Söhne. 

pueri  Fugger,  bis  1411. 


Hans  C. 


Ulrich, 

1441-_1510. 

ux.:  Yeronica 

Lauginger. 


Marcus,  Peter, 

1 1478  in  Rom      f  1473 
als  vom  oder 

Kapitel  nicht        1479. 

zugelassener 
Domherr 

in  Augsburg. 


Greorg, 

geb.  1453, 

t  1506. 

ux.:  Regina 

Imhof. 


Jacob, 

geb.  1459, 

t  1525. 

ux.:  1498 

Sibylla  Arzt. 

Ohne 

Kinder. 


Barbara,        Anna,       Walburgj 


mar.: 

Conrad 

Meuting. 


mar.: 
Hector 
Mülich. 


mar.: 

Wilhelm 

Rem. 


Susanne, 

mar.:  1516 

Jörg 
von  Stetten. 


Marcus,  Raimund, 

Probtet  vieler  ux.:  Katharina 

Kirchen,  Thurzo, 

geb.  1488,  1489—1535. 
t  1511 
zu  Rom. 


Regina, 

mar.:  1512 

Hans  Baum. 

gartner. 


Anton, 

ux.:  Anna 
Rehlinger, 
1493—1560. 


Augsburg.  649 

höchsten  Ämter  derselben  bekleideten ,  sind  die  Augsburger  Fugger  aus 
den  niederen  Schichten  emporgestiegen,  ohne  je  am  Stadtregimente  einen 
nennenswerten  Anteil  gehabt  zu  haben.  Ausgehend  vom  Handwerk,  ver- 
lassen sie  zuerst  und  am  stärksten  den  Warenhandel,  um  das  erste  Bank- 
haus der  damaligen  Welt  zu  werden. 

Im  Jahre  1368  wanderte  aus  dem  Dorfe  Graben  auf  dem  Lechfelde 
ein  Barchentweber  Fucker  nach  Augsburg  ein,  elf  Jahre  später  erscheint 
sein  Bruder.  Jener  erste  war  Ulrich,  dieser  zweite  Hans  ^  Ulrich  wurde 
1394  durch  einen  Bleicher  ermordet  und  seine  Linie  verschwindet  bald  ^. 
Hans  Fugger  starb  1409  und  da  er  schon  eine  ganz  ansehnliche  Steuer 
bezahlte,  hat  er  gewifs  nicht  mehr  das  SchifFlein  geworfen,  sondern  war 
wohl  eher  ein  Händler^.  Der  Barchenthandel  führte  aber  diejenigen, 
welche  den  Rohstoff  und  die  Ware  mit  dem  gröfsten  Nutzen  erwerben 
bez.  veräufsern  wollten,  weit  hinaus.  Dafs  ein  Handelsgeschäft  bestand, 
folgt  auch  daraus,  dafs  noch  1434  die  Mutter  versteuerte,  noch  1448  sich 
die  beiden  Brüder  nicht  getrennt  hatten*.  1455  aber  zahlten  sie  ihre 
Steuern  gesondert*.  Ich  zweifle  nicht,  dafs  bis  dahin  eine  Oeschäftsteilung 
nicht  erfolgt  war.  Und  von  vornherein  erscheinen  die  Fugger  mit  so 
hohen  Beträgen,  dafs  sie  z.  B.  schon  damals  mit  den  Weisem  gleich 
standen.  Der  Reichtum  der  Fugger  ist  älter  begründet,  als  man  bisher 
glaubte.  Von  da  ab  gingen  die  Linien  dauernd  auseinander.  Die  ältere 
Linie  erhielt  1462  vom  Kaiser  das  Wappen,  nach  dem  sie  die  Fugger 
vom  Reh  genannt  wurden.  Der  jüngeren  Linie  ist  die  Tradition  der 
älteren  wenig  günstig.  Vielleicht  sind  übrigens  die  Fugger  von  der  Lilie 
die  ältere  Linie,  wenigstens  blieben  sie  im  Besitze  des  Stammhauses. 
Andreas  vom  Reh,  so  sagt  die  Chronik,  sei  ein  hoff^rtiger,  übermütiger 
Mensch  gewesen,  der  sich  durch  glücklichen  Handel  ein  bedeutendes  Ver- 
mögen erworben  habe,  so  dafs  man  ihn  im  Gegensatze  zu  seinem  Bruder 
Jakob  den  „reichen  Fugger"  genannt  habe.  Die  Erinnerung  war  gewifs 
nicht  getreu;   denn    1455   versteuerte  Andreas   weniger  wie   Jakob    und 

^  Vgl.  meine  Angabeu  in  dem  Artikel :  Neues  über  die  Anfange  der  Fugger  in 
Beil.  z.  AUgem.  Zeitung  1900  Nr.  118.  Ich  stütze  mich  vor  allem  auf  die  früher  nicht 
benutzten  Steuerbücher,  das  beste  und  solideste  Material.  Ich  habe  im  folgenden 
von  allen  Nachrichten  der  Familienüberlieferung,  wie  sie  durch  die  Chronik  des  Hans 
Jakob  Fugger  begründet  wurde,  Umgang  genommen,  wenn  sie  sich  nicht  fest  und 
sicher  dem  sonst  Gewonnenen  einfügen  lassen. 

^  Das  ergiebt  sich  —  abweichend  von  dem  bisher  Bekannten  —  aus  dem  Acht- 
buche 1894  S.  35<^     Danach  auch  die  Angaben  des  Stammbaumes. 

^  Man  hat  bisher  die  Steuerbücher  heranzuziehen  versäumt.  Hans  Fucker  zahlt 
1398:   88V2  fl.,  1403:    13  fl.  11  ^  1  ^,  1408:    16  fl.  2  «. 

*  Fuckerin  1418:  27  fl.,  1428:  17  »/s  fl.,  1434:  20  fl.  15  gr.  Andreas  Fugger  et 
frater  1441:   30  fl.  1  ort.  1448:   45  fl.  8V9  gr. 

^  Andreas  18V'a  fl.,  Jakob  23  fl.  17  gr  6  ^,  1448:   48  fl. 


350  Sechsundfunfzigstes  Kapitel. 

ebenso  1462  seine  Witwe  ^  Seit  1472  erscheint  selbständig  neben  der 
Mutter  Lukas,  1479  auch  Jakob,  1480  Matthäus.  Johannes,  der  nach  der 
Familienchronik  „valiert  hat  und  auf  St.  Annaberg  wohnen  müssen,"  war 
nach  Nürnberg  gezogen,  wo  er  1495  Safranschauer  wurde;  den  seiner 
Augsburger  Vettern  sollte  er  jedoch  nicht  schauen,  1499  gab  er  sein 
Bürgerrecht  in  Augsburg  auf,  wo  sich  seine  Familie  nicht  länger  ver- 
folgen läfst^. 

Lukas  und  Matthäus  Fugger  vom  Reh  waren  in  Mailand  um  1470 
sehr  angesehene  Kaufleute,  es  sind  schon  früher  die  italienischen  Be- 
ziehungen der  Fugger  vom  Reh  ausreichend  besprochen.  Lukas  war 
1 487  in  seiner  Heimat  noch  so  angesehen,  dafs,  als  die  Stadt  ihre  Kauf- 
leute wegen  der  gefährlichen  Läufe  von  der  Frankfurter  Messe  abberief, 
sie  den  Befehl  an  Hieronymus  Welser  und  Lukas  schickte^.  Den  Zu- 
sammenbruch knüpft  die  Chronik  an  die  Weigerung  der  Schuldzahlung 
der  Stadt  Löwen.  Diese  Angaben  sind  mindestens  unvollständig.  Der 
Bankerott  brach  im  Jahre  1494  in  Venedig  aus,  wo  Lukas  seinen  Kredit 
aufs  äufserste  angespannt  hatte.  Er  und  sein  Sohn  Markus  und  ein  be- 
teiligter Sensal  flohen  und  erst  1499  kam  ein  Vergleich  zu  Stande*. 
Dieser  Sturz  rifs  die  ganze  Linie  der  Fugger  vom  Reh  mit  ins  Ver- 
derben, sie  haben  offenbar  eine  Gesellschaft  für  sich  gebildet.  Im  Jahre 
1491  zahlten  die  Fugger  vom  Reh  an  Steuern  zusanmien  164  fl.  17  gr. 
34  /^ ,  der  gröfste  Betrag  93  fl.  fiel  auf  Lukas ,  41  auf  seinen  Bruder 
Jakob.  Im  gleichen  Jahre  zahlte  aber  die  andere  Linie  schon  335  fl. 
Von  1493  an  haben  die  Glieder  dieser  Linie  ihre  geringen  Steuern  nur 
sehr  unregelmäfsig  bezahlt.     Ihr  Ruin  war  ein  definitiver. 

Der  Stammvater  der  anderen  Linie,  Jakob,  starb  schon  1468,  seine 
Frau,  die  Tochter  des  Münzmeisters  Franz  Basinger,  lebte  aber  noch 
1495.  Der  Schwiegervater  hatte  zwar  1444  seine  Zahlungen  einstellen 
müssen',  doch  wurde  er  wieder  Münzmeister  in  Hall  in  Tirol  und  er  ist 
es  wohl  gewesen,  der  dem  Fuggerschen  Handel  die  entscheidende  Richtung 
gab;  denn  im  Jahre  1448  erscheinen  die  Fugger  als  Gewerken  bei  dem 
Bergbaue  von  Schwaz®,  —  also  in  einer  Zeit,  da  sich  die  Brüder  noch 
nicht  getrennt   hatten.     Wenn    bis    dahin    der    solide  Warenhandel    das 

'  1462  Jakob:    122 Va  fl.,  Andreas  Fuckerin:   81  fl.  32  gr. 

-  Anzeiger  f.  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  N.  F.  10  (1863)  S.  47  ff. 

^  Stadtarchiv  Augsburg  Missivbücher. 

^  Simons  feld  1  Nr.  594.  603.  604  u.  606.  Auch  sei  daraufhingewiesen,  dafs 
unmittelbar  vorher  der  mit  Lukas  verwandte  Heinrich  Stammler  Bankerott  gemacht 
hatte.    Nr.  591.   592. 

^  Nach  B.  Zink  (Chroniken  deutscher  Städte  5,  99)  und  der  anonymen 
Chronik  (Chroniken  deutscher  Städte  22,  491),  vgl.  auch  die  Anm.  zu  B.  Zink 
a.  a.  O.,  war  er  Goldschmied,  aber  zugleich  auch  Spekulant. 

*  V.  Isser-Gaudenthurm  in  der  Zeitschr.  des  Ferdinandeums  37,  147. 


Augsburg.  651 

einzige  Ziel  deutscher  Geschäfte  gewesen  war,  begann  um  diese  Zeit  die 
Verbindung  mit  dem  Bergbau  auf  Edelmetalle ,  daraus  erwuchs  der 
Lieferungsverkehr  mit  den  Münzen,  der  Abschlufs  von  Anleihen  und 
damit  das  Bankgeschäft  überhaupt.  Wir  wissen,  dafs  auch  andere  Augs- 
burger Häuser  sich  damals  energisch  auf  den  Bergbau  verlegten.  Über 
den  Anteil  der  Fugger  vom  Reh  am  Bergbau  im  Mailändischen  ist  schon 
oben  gesprochen^;  noch  mehr  wandten  sich  die  Fugger  von  der  Lilie,  } 
wie  man  sie  nach  dem  1473  verliehenen  Wappen  nennt,  diesem  Geschäfte  v 
zu.  Im  Jahre  1487  machte  Jakob  (U)  Fugger  mit  dem  Genuesen  Antonio 
de  Carallis  dem  Erzherzoge  Sigmund  von  Tirol  eine  bedeutende  durch 
die  Silberausbeute  verbürgte  Anleihe.  Sie  begannen  bald  in  Tirol  und 
Kärnten  einen  ausgedehnten  Bergbau  ^,  ebenso  hatten  sie  seit  1489  Anteil 
an  den  Bergwerken  zu  Rauris,  Gastein  u.  s.  w.  in  den  Tauren  ^.  1495 
wurde  von  ihnen  in  Gemeinschaft  mit  der  ungarischen  Familie  der 
Thurzo  der  Bau  der  Kupferbergwerke  in  Neusohl  übernommen,  die 
sich  zu  grofser  Ausdehnung  entwickelten.  Schon  1498,  1499  konnten 
die  Fugger  mit  andern  Augsburgern  Syndikate  zur  Beherrschung  des 
Kupfermarktes  bilden.  Die  Geschichte  der  Fugger  ist  nun  besonders 
dadurch  charakterisiert,  dafs  die  Gesellschaft,  welche  sie  bildeten,  un- 
zerteilt  zusammen  blieb  und  nicht  wie  die  andern  Gesellschaften  auch 
fremdes  Blut  in  sich  aufnahm.  Es  wurde  so  die  Absicht  erreicht,  dafs 
der  Fuggersche  Handel  bedingungslos  nur  ein  solcher  blieb*.  Die 
andern  Gesellschaften  haben  ferner  nicht  allein  sehr  bald  Ritter,  die 
Männer  der  reichen  Töchter,  als  Mitteilhaber  gehabt,  sie  konnten  auch 
nicht  verhindern,  dafs  den  reichsten  Gliedern  der  Handel  mifsfiel  und 
sie  sich  auf  das  Land  zurückzogen.  Dieser  Gefahr  wufsten  die  Fugger 
zu  begegnen,  sie  liefsen  solche  Elemente  in  der  Gesellschaft  nicht  auf- 
kommen. Bei  den  Geschlechtern  war  die  Versuchung  grofs,  sich  dem 
Turniere  zu  widmen.  Die  Fugger  aber  waren  durch  ihre  Zugehörigkeit  ' 
zu  den  Zünften  ausgeschlossen.  Für  sie  war  diese  Welt  verschlossen. 
Trotz  ihres  Reichtums  hat  niemals  ein  Fugger  von  der  Gilgen  vor  den 
Söhnen  Georgs  die  Hand  einer  Patriziertochter  begehrt*.  Sie  hielten 
auch  nach  ihrer  Erhebung  in  den  Grafenstand  an  dem  bürgerlich- 
kaufmännischen  Gewerbe    fest    und   erkoren    den  Fähigsten    unter    sich    \ 


>  S.  oben  S.  572.  ^ 

^  Dobel,  Über  den  Bergbau  und  Handel  des  Jacob  und  Auton  Fugger  in 
Kärnten  und  Tirol  (1495—1560).  Zeitschr.  d.  bist.  Vereins  f.  Schwaben  und  Neu- 
burg 9,  198—213. 

'  Dobel,  Der  Fugger  Bergbau  und  Handel  in  Ungarn,  ebda.  6,  85  Anm.  2. 

*  Ehrenberg  1,  88. 

^  Ehrenberg  irrt,  wenn  er  die  Stammmutter  derer  vom  Reh  für  eine  Patri- 
zierin hält. 


652 


Secbsundfunfzigstes  Kapitel. 


zum  Regierer   der   Gesellschaft;   erst  Jakob  11,    dann  Anton.      Ganz    ist 
das  Prinzip  des  Ausschlusses  fremden  Blutes  nicht  inne  gehalten ;  es  war 
bisher  nicht  bekannt,  dafs  Ulrich,  Jörg  und  Jakob  Fugger  bis  1486  mit 
einem  Nürnberger  Bürger  Hans  Kramer  eine  Gesellschaft  bildeten,  deren 
Kapital  übrigens  nicht  ganz  5000  fl.  umfafste*    und   Georg  Fugger  war 
1487  mit  dem  Nürnberger  Kilian  Awer  associiert*.    Georg  war  1488  und 
selbst  noch  1492  in  Nürnberg  wohnhaft,  in  den  Augsburger  Steuerlisten 
erscheint   er  seit  1488.     Die  Gesellschaftsverträge   von    1494®   und   1502 
geben   als   Teilhaber    nur    die    drei   Brüder    an    und    seitdem    blieb    die 
Gesellschaft  streng  eine  Familiengesellschaft.     Jakob  Fuggers  Witwe  be- 
hielt  das  Vermögen  —  den  Steuerlisten   nach  zu  urteilen  —  sehr  lange 
zusammen.     Ihr  Sohn  Ulrich   wurde  39  Jahre  alt,  ehe  er  (1480)  in  den 
Steuerlisten  erscheint.    Die  drei  Brüder  hatten  glänzende  Erfolge  in  dem 
Geschäfte   ihrer  Mutter.     Um   das  zu  überblicken,   habe   ich   nach   den 
von   BufF  mitgeteilten   schwankenden  Steuersätzen  alle  Steuern  auf  den- 
selben  Fufs   umgerechnet  und   teile   in    der   nachstehenden   Tabelle   aUe 
Änderungen   in   der  Höhe   derselben  mit.     Nach  dem  Normalsatze   hätte 
sie  also  betragen: 


Mutter 

Ulrich 

Jörg 

Jakob 

Zusammen 

1475 

80 

— 

— 

80 

1480 

100 

51 

151 

1486 

100 

93 

— 

— 

193 

1488 

132 

93 

8 

40 

273 

1489 

132 

93 

60 

40 

325 

1490 

132 

93 

70 

40 

335 

1492 

132 

100 

75 

40 

347 

1493 

160 

170 

75 

120 

525 

1495 

160 

170 

140 

120 

590 

1497 

160 

142Va 

140 

120 

562V, 

1499 

? 

142»/8 

140 

160 

? 

1500 

230 

228 

190 

182 

830 

1501 

230 

225 

190 

182 

827 

1504 

251 

1000 

1251 

1513 

2062 

2062 

1516 

2400 

2400 

Diese   letzte  Steuer  beruhte   auf  einem   festen  Vertrage.     Das  Ver- 
mögen stieg  diesen  Steuerbeträgen  nach  von  1475  bis  1500  um  1037  ®/o, 


'  Urkunden  Nr.  394.  Ich  erinnere  übrigens  daran,  dafs  Burkhard  Zink  1419 
bei  einem  reichen  Händler  Faktor  wurde,  namens  Jos  Kramer,  der  vor  allem  mit 
Barchent  nach  Venedig,  Frankfurt  und  Nürnberg  handelte.  Chroniken  deutscher 
Städte  5,  128.  Dieser  Jos  Kramer  zahlte  1428  16  fl.  10  gr.,  der  Münzmeister 
Basinger  17  fl.  10  gr.,  die  alte  Fuggerin  aber  auch  schon  17  Vi  fl.  Steuer. 

2  Mitteil.  Vereins  Nürnberg  8,  2:38. 

*  Fürstl.  Fuggersches  Archiv. 


Augsburg.  663 

also  jährlich  um  39,9 <>o,  von  1500  bis  1513  um  248  ^'o,  also  jährlich  um 
19,1  ^0.  Den  ausgezeichneten  Forschungen  Ehrenbergs  verdanken  wir 
auch  für  das  Geschäftskapital  sichere  Angaben.  Von  196  791  fl.  im  Jahre 
1511  stieg  es  bis  1527  auf  2021202  fl.,  es  lag  also  ein  Gewinn  von 
927^,0  oder  durchschnittlich  54*/2'^/o  für  das  Jahr  vor^ 

Wie  die  Fugger  mit  dem  Hause  Habsburg  zu  einer  Weltmacht 
heranwuchsen,  wie  sie  die  Bankiers  Maximilians  wiCren  und  seine  Kriege 
ermöglichten,  wie  er  bei  dem  Versuche,  Papst  zu  werden,  sich  auf  sie 
stützen  wollte,  wie  sie  durch  ihr  Geld  Karls  V.  Kaiserwahl  er- 
möglichten und  durch  die  Pachtung  der  Maestrazgos  auch  die  Haupt- 
gläubiger der  spanischen  Krone  wurdlen,  gehört  nicht  hierher.  Diese 
Aufgabe  ist  von  Ehrenberg  und  Häbler^  bereits  gelöst.  Ich  habe  nur 
kurz  ihrer  italienischen  Faktoreien  zu  gedenken. 

In  Rom  bestand  eine  solche  schon  mindestens  1499;  1509  zahlte  der 
Faktor  der  Fugger  200  Dukaten  flir  den  Neubau  des  deutschen  Hospizes 
B.  M.  V.  de  Anima^,  aber  schon  1490  wandte  sich  die  Stadt  Nürnberg 
an  Georg  Fugger,  er  möge  in  Rom  ihre  Bitte  um  einen  Ablafs  für  das 
neue  Spital  zum  hl.  Geiste  unterstützen,  und  schon  1487  vermittelte  der- 
selbe Ablafögelder  von  Breslau  nach  Rom  *.  Mit  der  Kurie  selbst  wie  mit 
den  einzelnen  KirchenfUrsten  machten  sie  grofse  Geldgeschäfte.  Und  sie 
rückten  zusammen  mit  den  Welsern  in  die  Stellung  ein,  welche  200  Jahre 
vorher  die  Florentiner  Bankiers  an  der  Kurie  fast  allein  behauptet  hatten. 
Bei  ihnen  deponierten  und  von  ihnen  entliehen  die  Päpste  Gelder,  sie 
pachteten  päpstliche  Einnahmen  und  lieferten  die  von  auswärts  ein- 
gehenden Gelder  der  cathera  ein.  Dem  Konklave  zur  Wahl  Pius'  UI. 
liehen  ^Heinricus  Fucher  ei  frairest  2570  Golddukaten  gegen  Verpfandung 
von  silbernen  Gefäfsen,  sie  waren  auch  die  Bankiers  vieler  Kardinäle '^.  ) 
Auch  darin  glichen  sie  den  Florentiner  Bankiers,  dafs  sie  den  Prälaten 
die  Mittel    vorschössen,   um   in  Rom   die   hohen   Abgaben    bei    der  Be- 


»  Ehrenberg  1,  119. 

^  Die  Fuggersche  Handlung. 

*  »Banchxis  ülrici  Fuggeri  et  fratrum  mercatorum  Romanam  curiam  sequentiuni' 
JohanniB  Burchardi  Diarium  ed.  Thuasne  2,  574.    Nagl  u.  Lang  71. 

*  Nürnberg,  Stadtarchiv,  Briefbuch  41  Fol.  183.  Die  Urkunde  Nr.  115  ist  viel- 
leicht hierher  zu  beziehen.  Sie  redet  von  Hernico  Fucato  mercatori  Alamanno.  Fucatns 
ist  vielleicht  eher  Vogt,  Henricus  heifst  Ulrich  Fugger  aber  merkwürdigerweise  auch 
in  den  venetianischen  Urkunden  Nr.  562  u.  568  bei  Simonsfeld.  Zu  1487  vgl. 
Mitteil.  Ver.  Nürnberg  8,  288. 

^  Einzelne  Angaben  bei  Ehrenberg  1,  98.  Häbler,  Die  Stellung  der  Fugger 
lum  Kirchenstreite  des  sechzehnten  Jahrhunderts  (Hist.  Vierte Ijahrsschrift  1, 
477)  und  was  Gottlob  im  Hist.  Jahrbuch  19,  117  aus  seinen  römischen  Samm- 
lungen mitgeteilt  hat.  Aus  den  römischen  Quellen  wird  einst  das  alles  viel  deut- 
licher werden. 


g54  Sechsundfunfeigstes  Kapitel. 

stätigung  entrichten  zu  können.  So  erhielt  der  Erzbischof  Albrecht  von 
Mainz  von  den  Fuggern  21000  Dukaten  vorgestreckt,  und  um  diese 
Summe  ersetzen  zu  können ,  bewarb  er  sich  bei  Papst  Leo  X.  um  das 
General-Kommissariat  für  den  vom  Papste  ausgeschriebenen  Ablafs,  er 
erhielt  es  gegen  die  Zahlung  von  weiteren  10000  Dukaten  und  so  reiste 
ein  Vertreter  der  Fugger  mit  dem  Ablafsprediger  Tetzel  umher,  der  den 
einen  Schlüssel  des  Kastens  hattet  Von  dem  Ertrag  ging  durch  den 
Andreas  Mattstedt,  den  Faktor  der  Fugger  in  Leipzig,  die  Hälfte  nach 
Rom  an  den  dortigen  Faktor  Engelbert  Schauer,  der  sie  der  Kurie  aus- 
händigte, wie  die  römische  Faktorei  auch  die  Hälfte  der  Ablafsgelder 
des  Konsttinzer  Domablasses  und  des  für  die  Dominikanerkirche  in 
Augsburg  abgeliefert  hatte*.  Die  andere  Hälfte  wurde  von  den  Fuggern 
zur  Amortisation  der  Schuld  des  Erzbischofs  behalten.  Es  war  ein  Geld- 
geschäft sehr  ähnlich  dem,  das  einst  die  Florentiner  gemacht  hatten  und 
doch  mit  einem  sehr  deutlichen  Unterschiede.  Damals  handelte  es  sich 
um  eine  Besteuerung  des  Klerus,  um  ein  rechtlich  klares  und  deutliches 
Vorgehen,  hier  aber  waren  Geldgeschäfte  mit  einer  geistlichen  Amts- 
handlung verbunden  und  man  wandte  sich  an  das  Volk  und  die  breiten 
Massen,  die  von  dem  Zusammenhange  zunächst  keine  Ahnung  hatten. 
Den  Fuggern  darf  man  keinen  Vorwurf  machen,  sie  handelten  so  wie 
alle  andern  Kaufleute  in  gleicher  Lage  auch  vorgegangen  wären.  Der 
Ablafs  von  1517  gab  den  Anstofs  zur  Reformation. 

Die  Faktorei  in  Venedig,  auf  der  auch  Jakob  die  Kaufmannschaft 
lernte,  nachdem  zwei  seiner  Brüder  dort  schon  gestorben  waren,  ist  uns 
genauer  bekannt.  Sie  verfügte  seit  1489  über  eine  für  inmier  eingeräumte 
Kammer  im  Fondaco  und,  wenn  hier  der  Bankerott  von  Lukas  (1494) 
den  Fuggerschen  Namen  auch  tief  herabsetzte,  so  war  die  andere  Linie 
bald  unzweifelhaft  die  erste  führende  Firma.  Dorthin  verbrachten  sie 
grofse  Quantitäten  Kupfer  und  der  Venetianer  Marino  Sanuto  nennt  keine 
Firma  in  seinen  Diarien  annähernd  so  oft^.  Die  Fuggersche  Familie 
besitzt  heute  noch  ein  Kästchen  von  1507,  das  zum  Einordnen  der  Briefe 
diente.  Aufser  schwäbischen  Städten  und  Antwerpen  tragen  die  Laden 
die  Aufschrift:  Bolantzia  docet,  Fhrenfsa  bella,  Vönetia  ricca.  Auffallender- 
weise hatten  nach  der  Bilanz  von  1527  die  Fugger  in  Italien  nur 
Faktoreien  in  Rom  und  Venedig;  Mailand  und  Genua,  auch  Lyon  —  auf 
französischem  Boden  fühlten  sich  die  Fugger  nicht  sicher  —  fehlten. 
Es  ist  das  jedoch  nicht  immer  so  gewesen,  wenn  auch  die  Fugger  von 
der  Gilgen  dieses  Gebiet  weniger  kultivierten,    wie   es  einst  die  Fugger 


»  Ehrenberg  1,  98  f. 

«  Vgl.  Paulus,  Johann  Tetzel  S.  28  Anm.  1. 

'  Vgl.  Simonsfeld  2,  61  und  Ehrenberg. 


Augsburg.  655 

vom  Reh  gethan  hatten.  1490  erhielt  Enricus  (also  wohl  Ulrich) 
Fugger  einen  Pafsbrief  auf  ein  Jahr  *,  eine  Prokura  für  Amand  Klingler 
von  Urach,  Mai  1502  ausgestellt,  hat  sich  in  Mailand  erhalten'.  Wir 
erfahren  auch,  dafs  die  Fugger  der  Münze  von  Mailand  namhafte  Summen 
von  Silbererz  zugeführt  haben®. 

Jakob  Fugger  hatte  den  altüblichen  Handel  mit  „Spezerei,  Wolle, 
Seide  und  den  daraus  gemachten  Stoffen",  wie  uns  Hans  Jakob  Fugger 
in  seinem  1546  verfafsten  Geheimen  Ehrenbuch  berichtet,  mehr  und 
mehr  verlassen  und  sich  auf  den  Geldhandel  und  die  Bergwerke  verlegt. 
Fir  hat  aber  keineswegs  den  alten  Handel  völlig  aufgegeben.  Wir  wissen, 
dafs  die  Faktorei  in  Antwerpen  zunächst  wesentlich  dem  Handel  mit  den 
Gewürzen  diente,  die  durch  die  Portugiesen  von  Indien  nach  Lissabon 
gebracht  wurden*.  Den  Einkauf  von  Spezereien  und  den  Verkauf  von 
Kupfer  nach  dem  Orient  verfolgte  die  Faktorei,  welche  die  Fiigger  1501 
in  Genua  errichteten.  Da  Venedig  mit  den  Türken  im  Kriege  lag,  war 
dies  der  bequemste  Hafen.  Vier  deutsche  Gesellschaften  richteten  sich 
dort  ein  und  die  Venetianer  befürchteten,  dals  sie  zu  Schiff  von  dort 
in  die  Levante  fahren  würden,  und  so  stark  war  der  Umsatz,  dafs  Genua 
dabei  in  zwei  Jahren  300  000  Dukaten  gewann  •.  Die  Konkurrenz  Genuas 
wurde  den  Venetianern  nachgerade  fühlbar. 

Doch  auch  in  Lissabon  erschienen  die  Fugger  auf  dem  Markte,  an 
dem  Schiffsunternehmen  von  1505  hatten  sie  zwar  nur  einen  kleineren 
Anteil,  als  die  Welser- Vöhlin.  Aber  auch  sonst  erwarben  sie  dort  bei 
den  grofsen  Verkäufen,  die  die  portugiesische  Krone  veranstaltete,  er- 
hebliche Quantitäten  Pfeffer.  50  Sack  wurden  ihnen  1511  auf  dem 
Mittelmeere  weggenommen®  und  später  konnte  der  kaiserliche  Agent  den 
Vorschlag  machen,  der  König  solle  die  Aussteuer  der  Prinzessin  Isa- 
bella, die  Karl  V.  bestimmt  war,  in  Pfeffer  an  die  Fugger  bezahlen^. 
An  dem  Unternehmen  der  spanischen  Krone  auf  dem  Wege,  den  Magel- 
haes  gefunden  hatte,  um  das  Südkap  Amerikas  herum  Gewürze  aus 
Indien  zu  holen,  beteiligten  sich  die  Fugger  mit  10000  Dukaten®.  In 
dieser  Zeit  war   ein  Faktor  in  Mailand   wohl    unentbehrlich,    wenn  ich 

'  Urkunden  Nr.  74.  Die  Verwechslung  Henricus  statt  Ulricus  findet  sich 
auch  in  den  römischen  Quellen,  die  Gottlob  benutzt,  und  in  den  Venetianern. 

•-«  Urkunden  Nr.  186. 

^  Urkunden  Nr.  178. 

*  Ehrenberg  1,  96. 

'^  Marino  Sanuto,  Diarii  4,  28. 

«  Urkunden  Nr.  177. 

^  Häbler,  Gewürzhandel  S.  34  f.  Vgl.  eine  genaue  Darstellung  des  ganzen 
Handels  auf  der  pjrenäischen  Halbinsel  bei  Häbler,  Fuggersche  Handlung  in 
Spanien. 

8Häbler36.    Hantzsch  S.  7  f. 


656  Siebenundfünfzigstes  Kapitel. 

auch  nur  den  aus  Burghausen  stammenden  Wolfgang  Moringer  nachweisen 
kann  \ 

Wir  nehmen  damit  Abschied  von  den  Fuggern,  dem  gröfsten  Kauf- 
hause jener  Zeit,  das  eine  Macht  besafs,  wie  es  bis  in  das  neunzehnte 
Jahrhundert  hinein  kein  anderes  Geschäft  wieder  hat  erringen  können. 
Man  kann  ihre  Stellung  nicht  als  ein  Geschenk  des  Glückes  bezeichnen, 
sie  war  erarbeitet  von  einer  Familie,  die  alle  nicht  kaufmännisch  ver- 
anlagten Elemente  viel  länger  niederzuhalten  vermochte,  als  die  meisten 
Geschlechter,  die  Wohlstand  und  Reichtum  erwarben. 

Die  Namen  anderer  Äugsburger,  die  im  Handel  mit  Westitalien 
standen,  sind  schon  früher  genannt^.  Ist  ihre  Zahl  auch  nicht  grofs,  so 
darf  doch  kein  Zweifel  sein,  dafs  bei  der  Vielseitigkeit  des  Augsburger 
Handels  auch  die  andern  grofsen  Gesellschaften  in  Italien  arbeiteten: 
die  Adler,  Baumgartner,  Höchstetter,  Herwart,  Gossembrot.  Bei  jener 
portugiesischen  Unternehmung  waren  aufser  den  Fuggern  und  Weisem 
die  Höchstetter  mit  4000  und  die  Gossembrot  mit  3000  Dukaten  be- 
teiligt^. Die  Hauptverbindung  von  Augsburg  war  im  Mittelalter  jedoch 
die  mit  Venedig. 

Siebenundfünfzigstes  Kapitel. 
Nfimber^,  fränkische  Städte. 

Gründe  der  Handehblüie :  Lage^  Getcerhefleifs,  besonders  MeUülgetcerbe  ^  ZoU- 
freiheiten,  Eichiimgen  des  Handels.  Genf- Lyon- Spanien -Italien,  Fremde  in  NUm- 
bery.  Die  Geschlechter  verharren  in  der  Kaufmannschaß,  —  Boihenburg-Windsheimj 
Schtcäbisch'HaU, 

Die  grofse  ostfränkische  Handelsstadt  Nürnberg  verdankt  drei 
Gründen  ihre  Blüte,  zunächst  der  ausgezeichneten  Lage  an  der  Stelle, 
wo  der  Verkehr  vom  Mittelrheine  zur  Donau  sich  mit  dem  aus  der 
Pforte  zwischen  Böhmen  und  dem  Thüringer  Walde  kommenden  kreuzte. 
In  unfruchtbarer  Gegend  gelegen  hat  Nürnberg  sich  schon  früh  zu  einem 
wichtigen  Handelsplatze  erhoben. 

Doch  mehr  noch  nützte  ihm  der  hochentwickelte  Gewerbefleils.  In 
seinen  Mauern  war  die  Differenzierung  der  Handwerke,  die  Berufsteilung 
¥^ohl  am  allerwei testen  auf  deutschem  Boden  durchgeführt  und  unbedingt 
waren  die  Angehörigen  der  Metallgewerbe  in  ihren  Leistungen  allen 
andern  deutschen  Städten  überlegen,  da  gab  es  nicht  allein  die  Einteilung 
nach  den  zu  verarbeitenden  Metallen,  sondern  auch  nach  dem  Einzelobjekte : 


»  Urkunden  Nr.  177. 

2  Vgl.  Register  und  besonders  oben  S.  571  f. 

3  Chroniken  deutscher  Städte  25,  278. 


Nürnberg,  fränkische  Städte.  657 

hier    gab    es   Scherm esserer ,    Sensenschmiede,    Gabelschmiede,    Zirkel- 
schmiede,  Kettenschmiedc.    Dann  unter  den  Waffenschmieden :  Hamisch- 
macher,  Panzerhemdmacher,  Haubenschmiede,  Klingenschmiede,  Schwert- 
feger  u.  s.  w.     Der  Erfindungsgeist  der   Nürnberger    machte  sich   früh 
geltend   und   man   kann   geradezu  sagen,    dafs   die  grofsen  Fortschritte, 
die  wir  Nürnberg  verdanken,    fast   ohne  Ausnahme  auf  diese  technische 
Überlegenheit  seiner  Metallarbeiter  zurückgehen.    In  Nürnberg  ist  wahr- 
scheinlich  die   Drahtzieherei  erfunden^   und   Tausende   von    technischen 
Entdeckungen  wurden  hier  gemacht.     Die  Geschicklichkeit  seiner  Metall- 
arbeiter gipfelte  in  den  Erzgiefsern  wie  Vischer  und  Lawenwolf.    In  der 
Zunftrevolution  von   1348   waren   die  WaflFenschmiede  die  Führer^;    sie 
vertraten   hier   die  Stelle,   die   anderswo  die  Weber  einnahmen.    Nieder- 
geworfen zogen  sie  zum  Teil  in  die  Fremde,    so  lebte  in  Strafsburg  und 
Freiburg  i.  Br.  der  Nürnberger  Helmschmied  Cunzo^.      Die  Nürnberger 
Panzerhemden  waren  so  berühmt,  dafs  der  andalusische  Ritter  Peter  Tafur 
sie  als  das  auch  in  Spanien  bekannte  Produkt  des  Nürnberger  Gewerbe- 
fleifses   anführt*.      Seit   dem  vierzehnten   Jahrhundert    sammelt   sich   in 
Nürnberg  die  Harnischerzeugung,  wenn  sie  auch  erst  seit  1480  eine  über- 
mächtige Konkurrenz  macht.    Es  rang  mit  der  hohen  künstlerischen  Aus- 
schmückung von  Augsburg  und   der   seit  1460  von   Erzherzog  Sigmund 
geförderten   Innsbrucker  WafFenindustrie.      Neben   den  Waffenschmieden 
arbeiteten  für  die  Ausfuhr  vor  allem  die  Beckschmiede,    die  Verfertiger 
von  Messingbecken,  die  einen  wichtigen  Ausfuhrartikel  ausmachten.    Und 
dann   gab   es  äufserst  thätige  Zinngiefser  und  geschickte  Kupfertreiber, 
daneben  eine  Schaar  von  Kunstschmieden  und  Schlossern.  Am  deutlichsten 
tritt  uns  die  Bedeutung  der  Waffenschmiede  und  Metallarbeiter  aus  dem 
Handwerkerverzeichnis   von  1363    entgegen.      Da   zähle    ich    an   Metall- 
arbeitsmeistern 318  imter   1217  Handwerksmeistern  überhaupt^.     Nürn- 
bergs Metallgewerbe  deckte   nicht   allein    den  Bedarf  des   Stadtbezirkes, 
sondern  konnte  eben  infolge  der  Berufsteilung  und  der  technischen  Über- 
legenheit weithin  Konkurrenz  machen.     Der  Nürnberger  wurde  mit  jeder 
Zunahme  des  Metallgewerbes  noch  mehr  gezwungen,  sich  an  das  Ausland 
zu  wenden.     Zinn,   Blei,   Kupfer,    Eisen   waren   aus   der   Ferne  zu  be- 
schaflFen,   da  die  kleinen  Eisengruben  der  Nachbarschaft  und  der  Ober- 
pfalz,  wo  Amberg   vortreffliche  Bleche   erzeugte,   den   Bedarf  an  Eisen 
nicht  deckten.     Es  fand   sich   da  auch  Kupfer,    Gold   und  Silber,    aber 


'  Beck)  Geschichte  des  Eisens  1,  889. 

^  Chroniken  deutscher  Städte  3,  321. 

3  Strafsb.  Urkb.  7  Nr.  709.   1096  u.  1216. 

*  Tafur  269.    Häbler  S.  521. 

^  Chroniken  deutscher  Städte  2,  507  f. 

Schult«,  Gesch.  d.  mitUUlterl.  Hand«!«.    I«  42 


g58  Siebenundfünfzigstes  Kapitel. 

(loch  nicht  in  reichem  Mafse.     Die  Rohstoffe  mufsten  importiert  und  die 
Waren  exportiert  werden. 

Zu  der  Ausdehnung  des  Nürnberger  Handels  trug  aber  noch  ein 
dritter  Grund  bei.  Wohl  h<iben  auch  andere  Städte  von  den  deutschen 
Königen  Zollbefreiungen  in  bestimmten  Orten  erhalten,  aber  sie  be- 
schränken sich  meist  auf  einzelne  Zollstätten,  gerieten  nicht  selten  in 
.  Vergessenheit  oder  wurden,  wenn  sie  allgemein  waren,  nicht  beachtet. 
So  haben  weder  Hagenau  noch  Gelnhausen  ihre  allgemeine  Zollfreiheit 
durchsetzen  können^.  Die  Stadt  Nürnberg  hat  das  zu  einem  förmlichen 
System  ausgebaut.  Wir  haben  eine  ganze  Reihe  von  Urkunden,  wo  das 
Gebiet  der  Befreiungen  sich  erweitert,  und  durch  kleine  jährliche  Ab- 
gaben sorgte  die  Stadt  dafür,  dafs  das  Recht  nicht  in  Vergessenheit  kam. 
Die  älteste  Angabe  über  eine  solche  Befreiung  geht  bereits  ins  Jahr 
1112^  zurück  und  das  Verzeichnis  von  1332®  zählt  nicht  weniger  als 
69  Orte  auf  und  dazu  das  ganze  Königreich  Arelat.  Stellt  man  sich 
nun  die  Orte  nach  Landschaften  zusammen,  so  findet  man,  dafs  Schwaben 
fast  völlig  fehlt.  Im  Norden  desselben  beginnt  die  Grenzkette  der  zollfreien 
Orte  mit  Strafsburg,  Hagenau,  Wimpfen,  Heilbronn,  Würzburg,  München. 
Nördlich  dieser  Kette  sind  namentlich  eine  Menge  niederrheinischer,  loth- 
ringischer, brabantischer  und  flandrischer  Zölle  aufgeführt*.  Eigen- 
tümlicherweise ist  die  Zollfreiheit  sehr  ausgedehnt  im  Gebiete  des  alten 
Burgund:  Bern,  Murten,  Solothurn  sind  die  östlichsten  Plätze.  Das 
weite  Schwabenland  und  die  nächst  anstofsenden  Gebiete  kannten  demnach 
1332  die  Zollfreiheit  der  Nürnberger  nicht:  nur  Schwyz  wird  eigen- 
tümlicherweise aufgezählt.  Die  Vorrechte  auf  den  Messen  zu  Nörd- 
lingen  und  Donauwörth  sind  schon  von  Friedrich  II.  1219  gegeben  ^ 
wurden  aber  1332  nicht  erwähnt.  Zollfreiheit  hatte  aber  auch  Friedrich  IL 
nicht  gewährt.  Im  weseatlichen  gehen  diese  Zollbefreiungen  auf  könig- 
liche Privilegien  zurück,  schon  1163  mufs  Nürnberg  aber  an  vielen  Orten 
dieses  Recht  besessen  haben®.  Da  die  Zollbefreiung  der  Nürnberger  in 
einer  Stadt  stets  auch  den  Bürgern  dieser  dasselbe  Recht  zugestand,  war 
es  rechtlich  möghch,  das  Verhältnis  auch  durch  Verträge  zu  begründen 
und   solche   wurden    mit   Bern,    Schwäbisch-Gmünd   und   St.  Gallen  ab- 


'  1164  für  Hagenau,  1170  für  Gelnhausen.   Hess.  ürkb.  Abt.  II  Bd.  II  Nr.  35:1 

^  Stumpf  3091.    Boos,  Wormser  Urkb.  1,  52. 

^  Chroniken  deutscher  Städte  1,  222 f.  Andere  Verzeichnisse  ebda.  1,93. 
Vgl.  über  Nürnbergs  Zollfreiheit  vor  allem  Roth  4,  9flP.;  v.  Murr,  Urkunden  d.  vor- 
nehmsten Orte  und  Mummenhoff,  Altnürnberg  S.  37 — 45. 

*  Für  die  Niederlande  vgl.  die  wichtige  Urkunde  von  1311.  Hans.  Urkb.  3,  585. 
Vgl.  auch  M  u  m  m  e  n  h  o  ff  40  f. 

^  V.  Murr  9. 

ö  Vgl.  die  Urkunde  Friedrichs  I.  1163  März  10.    Stumpf  3977.    v.  Murr  6. 


Nürnberg,  fränkische  Städte.  359 

geschlossen^.  Überall  aber  wachten  die  Nürnberger  eifersüchtig,  dafs 
ihr  Privileg  nicht  in  Abgang  komme.  Und  auch  sonst  erfreute  sich 
Nürnberg  der  Wahrung  seiner  Zollinteressen ;  so  wurden  die  Nürnberger 
von  neuen  Zöllen  ausgenommen,  so  in  Basel  ^.  Auch  einzelne  schwäbische 
Städte  haben  ähnliche  Zollbefreiungen  errungen  —  so  befreite  Karl  FV. 
1349  Augsburg  in  den  oberdeutschen  Reichsstädten  und  umgekehrt^  und 
Nördlingen  erhielt  die  Erlaubnis  Verträge  abzuschliefsen  *  —  aber  wohl 
keine  deutsche  Stadt  hat  ein  so  ausgedehntes  Recht  nicht  allein  besessen, 
sondern  behauptet.  Die  landesherrlichen  Zölle  waren  freilich  zu  ent- 
richten, aber  sehr  stark  war  durch  das  Sydtem  des  Freihandels  die  Zoll- 
ausbeutung zu  Gunsten  von  Nürnberg  und  Augsburg  durchbrochen. 
Lombardische  Waren  hatten  in  Nürnberg  aber  nicht  etwa  Zollfreiheit, 
der  Zoll  auf  sie  wird  geradezu  als  ein  besonderer  Teil  des  Pfundzolles 
aufgeführt*. 

Wenn  ich  hier  nun  noch  einmal  alle  schon  früher  erwähnten  Nürn- 
berger Kaufleute  und  Händler,  die  in  dem  von  uns  behandelten  Gebiete 
auftauchen,  aufführen  wollte,  so  würde  das  Verzeichnis  freilich  nicht  ent- 
fernt den  Umfang  dessen  erreichen,  das  Simonsfeld  für  Venedig  auf- 
stellen konnte,  wo  ja  die  Nürnberger  wohl  die  am  stärksten  vertretene 
Stadt  waren.  Der  Nürnberger  Handel  dehnte  sich  allseitig,  wenn  auch 
nicht  gleichmäfsig  aus.  Schon  in  den  Tagen  Ulmann  Stromers  erreichte 
er  Krakau,  das  Schwarze  Meer,  Genua,  Katalonien  und  Brügge.  Ein 
Ausmafs  der  Frequenz  giebt  in  etwa  die  Zusammenstellung  der  Orte,  an 
denen  reisende  Kaufleute  nach  Stromer  starben,  in  erster  Linie  steht 
darunter  Venedig®.  Regiomontan,  der  Begründer  der  Erdkunde,  suchte 
Nürnberg  nicht  wegen  seiner  Gelehrten  auf,  sondern  weil  es  wegen  der 
Fahrten  seiner  Kaufleute  gleichsam  als  das  Centrum  Europas  angesehen 
werden  konnte ''.  Auch  fand  er  nur  hier  Feinmechaniker  für  astronomische 
Instrumente.  Die  Richtung  nach  Katalonien®  wurde  später  noch  weiter 
geführt,  es  ist  ja  bekannt,  wie  die  Behaims  nach  Portugal  handelten  und 
Martin  Behaim  seine  geographischen  Kenntnisse   im   Dienste   der   portu- 


'  In  Bern  ist  die  Zollbefreiung  1314  eingeführt,  v.  Murr  88.  Fontes  rer. 
Berneusium  4,  578.  Mit  Schwäbisch-Gmünd  1384,  Roth  1,  47  und  4,  23,  mit  St. 
Gallen  1887,  v.  Murr  47,  Roth  4,  22,  St.  Galler  Urkb.  4,  334  ff. 

■J  Vfrl.  z.B.  Böhmer-Huber  2029.  4437.  Baseler  Urkb.  4  Nr.  438.  Böhmer- 
Huber  5932.  Eidgen.  Abschiede  1,  448  Nr.  327.  Vgl.  Baseler  Urkb.  5  Nr.  40  u.  50. 

^  Böhmer-Huber  900,  auch  Augsburger  Urkb.  2,  2o.  Wie  Augsburg  auf 
die  Durchfuhrung  bestand  s.  Strafsb.  Urkb.  5  N.  1316. 

*  Böhmer-Huber  901. 

^  Urkunde  von  1868  in  Zeit  sehr,  für  Bayern,  2.  Jahrg.,  8.  Bd.  S.  375. 
♦*  S.  oben  S.  571.    Eine  Zusammenstellung  giebt  Baader  S.  98 — 107. 

•  Roscher-Stieda  8,  S'S. 
«  Vgl.  oben  S.  547. 

42* 


g(3Q  Siebenundfüufzigstes  Kapitel. 

giesischen  Krone   verwandte.     An    der   oft  erwähnten   Expedition    nach 
Indien  nahmen  auch  die  ImhofF  und  die  Hirschvogel  teiP. 

Bei  einem  solchen  Umfange  ist  es  klar,  dafs  die  einzelnen  Häuser 
einzelne  Routen  und  auch  einzelne  Artikel  bevorzugen  mufsten,  wie  wir 
es  am  deutlichsten  bei  der  Gesellschaft  Koler- Krefs-Saronno  kennen  ge- 
lernt haben.  So  handelten  nach  Lyon  vor  allem  die  Tuclier,  so  Axiton 
(1457 — 1524)^,  aber  auch  die  Ebner  ^  Und  mancher  Nürnberger  erlernte 
in  diesen  südwestlichen  Gegenden  die  Kaufmannschaft,  wie  Friedrich 
Behaim  in  Lyon*.  Weiter  haben  wir  Nürnberger  im  Dauphin^  gefunden^ 
und  wenn  Ulmann  Stromer  dann  weiter  die  Route  bis  Barcelona  für  den 
Safranhandel  mitteilt,  so  dürfen  wir  wohl  schliefsen,  dafs  die  Stromer 
über  Genua  und  Aigues - Mortes  nicht  selten  nach  Katalonien  kamen*. 
In  Genua  und  Mailand  trieben  nach  Holzschuher  besonders  die  Fütterer 
Handel  —  die,  in  Abweichung  von  den  andern  bisher  genannten  Familien, 
wie  die  Hirsch vogel,  nicht  zu  den  ältesten  Geschlechtem  gehörten^. 
Heinrich  und  Georg  gehörten  1472  zu  denen,  welche  die  Einrichtung 
eines  Fondaco  in  Mailand  anregten®.  Ganz  besonders  oft  erscheint  in 
Genua  ein  Johannes  Breunlin,  der  aber  dort  Angelinus  Borlinus  genannt 
wurde®.  Er  war  wohl  ein  Mitglied  der  Ravensburger  Gesellschaft^*^. 
Der  Handel  mit  Genua  wurde  so  bedeutend,  dafs  die  Furtenbach  schliefs- 
lieh  dorthin  ihr  Hauptgeschäft  verlegten  ^^ 

Das  thaten  auch  die  ImhofFs,  deren  Hauptgeschäft  nach  Venedig  und 
den  Niederlanden  ging,  die  aber  daneben  Faktoreien  in  Bari  und  Aquila, 
in  Lyon  und  in  Katalonien  besafsen  ^^ ;  die  Rummel,  Holzschuher,  Schür- 
stab, Zenner  u.  a.  erscheinen  in  Mailand  und  schwerlich  hat  eins  der  Ge- 
schlechter nicht  früher  oder  später  dorthin  Handel  getrieben.  Die  Fülle 
der  Namen  der  kleineren  Leute  will  ich  nicht  noch  einmal  wiederholen^®, 

1  Oben  S.  643. 

*  Vgl.  oben  S. 489.  Lorenz  Holzsckahcr,  Chroniken  deutscher  Städte  1,218. 
Anton  Tuchcrs  Haushaltbuch  (Bibl.  d.  litt.  Ver.  Stuttgart  Bd.  134).  Ehrenberg 
1,  236.    1509  war  dort  ihr  Faktor  Wolf  Rieter,  IlaushaltbuchS.  71. 

8  Roth  1,  122  u.  315. 

*  Reicke  650.    Schultz,  Deutsches  Leben  S.  220  f. 
»  Vgl.  oben  S.  490  f. 

«  Vgl.  oben  S.  490  f.  biiS  f. 

'  Chroniken  deutscher  Städte  1,  216.  217.  Urkunden  Nr.  92.  Vgl. 
Nr.  78  Aum.  1. 

8  Urkunden  Nr.  103. 

®  Simons feld  1,  327:    Civia  nosier  ei  mercatar  Johannes  Prewfüin^  qui  Janue 
AngeUnvs  BorUnus  nunaipari  solet."    Vgl.  Urkunden  Nr.  64.  274. 
*®  Urkunden  Nr.  51  Anin.  2. 
"  Ehrenberg  1,  246.    Vgl.  Urkunden  Nr.  93. 
»8  Mitteil.  d.  Ver.  Nürnberg  1,  101. 
1"  Oben  S.  570-4. 


Nürnberg,  fränkische  Städte.  661 

nur  die  häufig  vorkommende  Gesellschaft  erwähnen,  an  der  die  Familie 
HofFmann  beteiligt  war^  Sie  hatte  1499  einen  ständigen  Vertreter  in 
Mailand  und  bestand  damals  aus  Johann  Fladung,  Cyriak  HofFmann  und 
Peter  von  Watt,  und  gerade  sie  wurde  gern  von  den  in  Italien  studierenden 
Deutschen  in  Anspruch  genommen.  1504  entzweiten  sich  die  Teilhaber  ^. 
Für  den  Besuch  der  Safranmärkte  zu  Aquila  haben  wir  ein  recht  beredtes 
Zeugnis  ®. 

Der  Handel  erstreckte  sich  auf  alle  Warengattungen;  dem  Geld- 
handel und  seinen  Gefährnissen  versagten  sich  die  Nürnberger  und  nur 
wenige  erlagen  der  Versuchung  in  der  Blütezeit  der  deutschen  Bankiers*. 

Die  technische  Geschicklichkeit  der  Nürnberger  hat  sich  auch  darin 
bewährt,  dafa  sie  neue  Erfindungen  bei  sich  einbürgerten.  Ulmann 
Stromer  richtete  die  erste  Papiermühle  ein  und  zog  zunächst  italienische 
Papierer  heran,  wie  er  selbst  ausführlich  erzählt '^.  Eine  eigentliche 
Kolonie  von  Fremden  entstand  in  Nürnberg  wohl  erst  später,  die  Anfänge 
sind  schon  früher  berührt®,  jedoch  sah  erst  das  sechzehnte  Jahrhundert 
neben  den  Torisani  die  Odescalchi  aus  Como  und  die  Viati  aus  Venedig 
sich  häuslich  niederlassen^. 

Mit  Stolz  schauen  wir  heute  auf  das  mittelalterliche  Nürnberg. 
Worauf  ruht  seine  Bedeutung  in  letzter  Linie?  Wenn  ich  mich  nicht 
täusche,  hat  Nürnberg  mit  Augsburg  allein  seine  Geschlechter  in  dena 
wahren  Handelsleben  weit  länger  erhalten,  als  etwa  Strafsburg,  Basel, 
und  andererseits  verfiel  die  Stadt  nicht  dem  Regimente  der  Zünfte.  Die 
Geschlechter  sorgten  mit  ihrem  weiten  Blicke  für  den  Absatz  der  Waren, 
die  die  kleinen  Leute  wohl  erzeugen,  aber  nicht  auf  dem  Weltmarkt  ver- 
werten konnten. 

Von  den  kleineren  fränkischen  Reichsstädten  wird  man  Vertreter 
nicht  gerade  in  Italien  suchen.  Gleichwohl  beweisen  die  Notizen  des 
Comasker  Notars  Cermenate,  dafs  mehrere  Rothenburger  Händler 
regelmäfsig  nach  Como  kamen,  um  dort  meist  deutsche  Wolle  auf  Kredit 
zu  verkaufen.  Das  wirtschaftliche  Leben  der  reizvollen  alten  Reichsstadt 
hat  man  sich  bisher  niemals  in  einer  so  starken  Verbindung  mit  dem 
Auslande  gedacht®.     Auch  aus  dem  kleinen  Winds  heim  führt  dieselbe 

1  Zu  1453.    S.  oben  S.  384  u.  573.    Urkunden  Nr.  166.  78  u.  N.  1. 

2  Mitteil.  d.  Vereins  f.  Gesch.  d.  Stadt  Nürnberg  1,  74  ff. 
8  Urkunden  Nr.  100. 

^  Das  Nähere  bei  Ehrenberg. 

»  Chroniken  deutscher  Städte  1,  77  ff.  y 

®  8.  oben  S.  596.  Auch  Ulmann  Stromer  erwähnt  unter  den  Apothekern  einen 
Welschen.    Chroniken  deutscher  Städte  1,  96. 

'  Roth  1,  349.   386  u.  388. 

^  S.  oben  S.  574.  Die  Namen  Rojn,  Plan  und  Fulbricher  gehören  nicht  den 
Geschlechtern  an. 


662  Athtciriattti^eä  K^piKL 

Quelle  einen  Häcdler  an  <IIenriciu  Plattner  i.  Der  Vertreter  des  groben 
Scfa wäbiiich-Hall  ('Matthäus  Tarbrechj  war  aber  wohl  der  Nach- 
komme eineü  alten  ans  Nürnberg  infolge  des  Zunttau&tandes  ausgewiesenen 
Geschlechtes  ^ 


Achtundfßnfzigstes  KapiteL 

Rheinlaide. 

B^Uiligung  auffallend  9dkttadi.  Baseh  TraH*itrtrk€kr.  S^üriiti,  IrmL  Papitr^ 
fnhriken,  —  Straf$burg,  Weinitandel,  TuMurndd.  Tran^iL  —  Speyer.  Freilmrp,  Bofiatty 
Fravükfurt  am  Main^  Aadun,  Köln. 

Wenn  wir  uns  nun  den  rheinischen  Städten  zuwenden,  so  ist  es  kein 
Zufall,  dafs  wir  sie  in  dem  Handelsverkehr  sehr  riel  lauer  finden^  als 
die  eben  behandelten  schwäbischen  und  fränkischen  Städte.  Mit  unserer 
Beobachtung  stimmt  es  ganz  überein,  dafs  auch  Simonsfeld  für  den  Ver- 
kehr mit  Venedig  nur  schwache  Spuren  nachweisen  konnte. 

Vor  allem  von  Basel  sollte  man  auf  den  ersten  Blick  erwarten,  dals 
die  ausgezeichnete  Lage  dieser  Stadt  ihre  Bewohner  in  groGsen  Scharen 
über  die  Alpen  geführt  hätte.  Das  ist  jedoch  nicht  der  Fall.  Im  Rate 
von  Basel  hatten  seit  1337  die  Handwerker  die  Mehrheit,  seit  1382  war 
die  Stadtverwaltung  ausgesprochen  demokratisch.  Die  Zunftdemokratie 
duldete  aber  ein  solches  Überwiegen  des  Handels  und  des  Exportes  über 
die  heimische  Produktion  nicht  Wie  Geering,  auf  dessen  reichhaltiges 
Werk  ich  hier  ganz  besonders  hinweise,  überzeugend  klar  gel^t  hat, 
war  das  Basel  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  der  Typus  einer  vollendeten 
ausgestalteten  Handwerksstadt,  die  nur  dem  Interesse  der  eigenen  Pro- 
duktion und  der  Förderung  des  Transitverkehrs  sich  günstig  erwies,  den 
freien  Handel  der  eigenen  Bürger  jedoch  hinderte.  So  mag  geradezu 
ein  Rückgang  des  Export-  und  ImporthandeLs  Baseler  Elaufleute  seit  1300 
erfolgt  sein.  Demokratisch  war  auch  die  Verfassung  von  Augsburg,  aber 
Augsburg  und  Ulm  duldeten  die  Ausdehnung  des  Exporthandwerkes  auf 
das  Land,  die  Baseler  dachten  anders  und  verhinderten  jede  Ausbreitung 
der  Gewerbe  aufserhalb  der  Stadtmauern.  Die  billigere  Landarbeit  sollte 
den  städtischen  Handwerkern  nicht  nachteilig  werden.  Alle  unzünftige 
Arbeit  wurde  verpönt. 

Basel  besafs  seine  Grautücherzunft ,  deren  Bedeutung  jedoch  schon 
seit  1350  zurückging,  dafür  gewann  die  Erzeugung  von  Schürlitz  (Halb- 
leinen) eine  wachsende  Bedeutung.  Das  Schauzeichen  war  den  Baum- 
woUstofifen    von   Biberach   und   Mailand   entnommen   und    so   mag    das 


1  Beicke  219.    In  den  Württemb.  Geschichtsquellen  Bd.  I  kommt  der 
Name  nicht  vor. 


Rheinlande.  (5(}3 

Baseler  Gewerbe  von  dorther  beeinflufst  sein^  Schürlitz  wurde  exportiert, 
aber' auch  dieses  Gewerbe  trat  nicht  in  den  Dienst  des  kaufmännischen 
Exportkapitals,  das  Ravensburg,  Memmingen,  Konstanz,  Ulm  und  Augs- 
burg beherrschte.  Der  kaufmännische  Zwischenhandel  wird  möglichst 
gehindert.  Färber  zog  die  Stadt  von  Horb  unter  namhaften  Ver- 
günstigungen heran  ^. 

So  treffen  wir  auch  im  Auslande  sehr  wenig  Baseler.  Lebhafter 
tritt  vor  unser  Auge  nur  das  Bild  einer  einzigen  Baseler  Exporthandels- 
ürma,  der  Irmi;  denn  die  Exportfirma  eines  Nikolaus  von  Basel  ist 
leider  nicht  näher  zu  fassen®  und  ob  die  Halbisen  nach  Italien  gehandelt 
haben,  ist  nicht  erwiesen,  wenn  auch  wahrscheinlich*.  Von  den  Irmi 
haben  wir  oben  für  die  Zeit  von  1464 — 1522  sehr  nahe  Beziehungen  zu 
den  Herzögen  von  Mailand  nachgewiesen  *.  Sie  gehörten  mit  zu  den 
reichsten  Baselern^,  und  wir  wissen  auch  aus  Baseler  Quellen,  dafs  sie 
Baseler  Tuche  zum  Export  aufkauften'. 

Den  Baseler  Pulverleuten  (Spezereihändlern)  scheint  man  in  Italien 
grofses  Vertrauen  entgegengebracht  zu  haben®,  in  italienischen  Quellen 
sind  sie  mir  nicht  vorgekommen. 

Die  Gewerbegeschichte  Basels  erhielt  aus  Italien  neuen  Antrieb,  als, 
wie  Ulmann  Stromer  in  Nürnberg  es  gethan  hatte,  hier  der  Kaufmann 
Heinrich  Halbisen  eine  Papiermühle  errichtete  und  darin  Italiener  ver- 
wandte*, das  neue  Gewerbe  blühte  aber  dann  ganz  besonders  auf,  als 
Italiener  selbst  eine  Konkurrenz  begannen,  die  Galliziani  aus  Piemont^®. 
Erst  später  folgt  dann  die  grofse  für  die  Handels-  wie  Industriegeschichte 


1  Geering  S.  260. 

«  Baseler  ürkb.  7,  529  zu  1454. 

^  S.  oben  S.  565.  Mau  köunte  an  den  Kaufmann  Klaus  Schmidlin  denken,  der 
1446  9500  fl.  besafs  (Schönberg  S.  582)  und  der  in  der  Liste  von  1453,  wo  er  ge- 
storben war,  auch  thatsächlich  fehlt  (S.  646).  Vielleicht  ist  der  Nikolaus  aber  auch 
Klaus  Murer. 

*  Geering  S.  219.  Üllin  Eberhard  handelte  mindestens  nach  der  Provence. 
Ebda. 

»  S.  oben  S.  566. 

*  1446  steht  Hans  Irmy  und  sin  wip  ohne  Eintrag  der  Steuer  (Schönberg  S.  585), 
1453/4  hat  er  ein  Vermögen  von  5100  Gulden,  daneben  Hans  Irme  der  Junge  29(X)  fl« 
(S.  608).  Ein  Vermögen  von  über  5000  fl.  versteuerten  damals  nur  26  Personen  (S.  882). 
1475  versteuerten  Hans  Irmy,  Paltasar  Irmy  und  Rigart  von  Andlo  min  vogt  tochter: 
12  600,  daneben  Heinrich  Irmy  900  fl.  (S.  768).  Vermögen  über  12  000  fl.  wurden  damals 
nur  sechs  versteuert  (S.  476). 

'  Balthasar  Irmy  1492.    Geering  S.  310.  318. 
«  Geering  S.  844  f.  878  f. 

*  Geering  287  f.  Ein  Ballen  Papier  geht  1445  von  Halbisen  an  Heinrich  von 
Lübeck  auf  die  Frankfurter  Messe.   Baseler  ürkb.  7,  125  f.   Vgl.  auch  7,  120,  43. 

«0  Vor  1451  Geering  S.  818  ff. 


364  Achtundfünfzigstes  Kapitel. 

wichtige  Einwanderung  von  Italienern  und  anderen  Ausländem^  die  den 
Charakter  des  Baseler  Geschäftslebens  völlig  umgestaltete.  Doch  liegt 
dieser  Umschwung  in  erheblich  jüngerer  Zeit,  so  dafs  hier  nicht  darauf 
einzugehen  ist. 

Strafsburg  ist  das  Gegenstück  zu  Basel.  Es  gleicht  ihm  in  der  Be- 
deutung des  Transitverkehrs^,  für  den  Strafsburg  vergebens  nach  dem 
Stapelrechte  strebte*,  und  in  dem  starken  Hervortreten  der  für  die  Stadt 
und  ihre  überaus  reiche  Umgebung  arbeitenden  Zünfte.  Der  Stralsburger 
Aktivhandel  des  vierzehnten  und  fünfzehnten  Jahrhunderts  war  vor  allem 
Weinhandel,  der  elsässische  Wein  galt  als  und  war  vielleicht  auch  noch 
der  beste,  er  ging  rheinabwärts ,  ja  weit  darüber  hinaus.  Karl  IV. 
schickte  z.  B.  auf  diesem  Wege  Wein  in  die  Mark  Brandenburg®. 

Dieser  Handel  führte  die  Strafsburger  aber  nicht  nach  Süden.  Das 
war  aber  bei  dem  Spezereihandel  der  Fall.  Eine  um  1400  abgefafste 
Beschwerdeschrift  sagt,  dafs  Spezerei,  seidene  Tücher  u.  a.  nicht  allein 
von  Venedig  geholt  werde.  Also  Venedig  war  der  Ort,  der  ihnen  in 
Italien  am  besten  bekannt  war^.  Anlafs  zum  Export  gab  die  in  Strafs- 
burg, wie  im  Niederelsafs,  namentlich  in  Hagenau,  sehr  entwickelte  Tuch- 
industrie, die  freilich  niemals  feinere  Stoffe  erzeugt  hat,  im  wesentlichen 
auch  dem  Konsum  der  nächsten  Nachbarschaft  diente. 

Sehr  gern  gingen  die  Strafsburger  mit  ihren  Tuchen  nach  Luzern. 
Dafür  haben  wir  manigfache  Zeugnisse,  auf  den  Messen  scheinen  sie 
ziemlich  viel  Raum  beansprucht  zu  haben  *.  Auf  dem  Wege  nach  Italien 
oder  von  dort  kann  ich  nur  einmal  Strafsburger  nachweisen  und  da  bleibt 
es  fraglich,  ob  es  sich  um  Kaufleute  oder  gewöhnliche  Reisende  handelt*. 
Immerhin  galt  Strafsburg  in  Luzern,  als  Vorort  der  durchpassierenden 
Deutschen,  wenn  diesen  das  Geleit  abgekündigt  werden  soll  *'.  In  Italien 
selbst  taucht  nur  die  mit  einem  Comasken  bestehende  Gesellschaft  des 
Johann  Säckinger  auf®. 


*  Zahlreiche  Zeugnisse  bringt  z.  B.  Strafsburger  Urkb.  5  Nr.  523  Horb, 
589  Lausanne,  771  Duisburg. 

2  Schmoller,  Tuchcrzunft  505.  Verbot,  dafs  Gast  vom  Gaste  kauft.  Strafs- 
burger Urkb.  6,  411  unten. 

^  Leider  fehlt  eine  Arbeit  über  den  elsässischen  Weinhandel.  Bes.  wichtig 
Strafsb.  Urkb.  5  Nr.  890.  1308.  Böhmer-Huber  5345  u.  554L  Vgl.  auch  Alt- 
mann 3010.  3012.  3444. 

^  Strafsb.  Stadtarchiv,  Original  ohne  Datum.  S.  auch  die  Kaufhausordnung  bei 
Eheberg  S.  267  §  38. 

*  Segesser,  Rechtsgesch.  von  Luzern  2,  388.  Liebenau,  Gasthofwesen  47. 
Umgekehrt  Luzemer  in  Strafsburg.    Strafsb.  Urkb.  6  Nr.  586. 

*  Peter  v.  Hundsfeld,  Klaus  Zorn,  Hans  Walter  von  Butenheim. 
'  Oben  8.  453. 

«  Oben  S.  576  u.  586  f. 


k 


Rheinlande.  665 

Auch  der  Weg  nach  Genf  und  Spanien  war  nicht  ganz  unbekannt, 
ja  schon  früh  begegnet  ein  Strafsburger  in  Portugal  ^ 

Aber  das  sind  doch  alles  seltene  Fälle.  Wir  kennen  heute  nicht 
ein  einziges  grofses  Exportgeschäft  jener  Zeit  —  von  dem  Säckinger 
abgesehen  —  und  auch  die  Strafsburger  Quellen  tragen  nicht  den  aus- 
gesprochen kaufmännischen  Charakter  der  Augsburger  und  Ulmer.  In 
Strafsburg  ist  mir  wenigstens  niemals  der  Gebrauch  begegnet,  dafs  der 
Kaufmann  giungo  oder  luljo  schreibt,  wie  dem  Augsburger  Chronisten  das  in 
die  Feder  lief.  Anstatt  in  die  Fremde  zu  ziehen,  erfreute  sich  der  Strafs- 
burger Kaufmann  daran,  in  prächtigen  Läden  seine  Tücher  auszubreiten  ". 
Der  grofse  Predigtcyklus ,  den  Geiler  von  Kaisersberg  über  die  Kauf- 
leute und  den  Kauf  hielt,  enttäuscht  daher  auch.  Er  redet  zwar  auch 
von  den  grofsen  Gesellschaften,  die  zu  Venedig,  Lyon,  Antwerpen  und 
überall  ihre  Verweser  haben,  von  dem  Streben,  möglichst  Teilhaber  einer 
solchen  Gesellschaft  zu  werden,  aber  ein  wirkliches  Bild  von  regem  Fem- 
handel kann  man  bei  ihm  nicht  gewinnen^. 

Das  nachbarliche  Speier,  das  von  den  mittelrheinischen  Bischof- 
sitzen allein  in  Venedig  nachweisbar  vertreten  war,  übertrifft  auch  im 
übrigen  Italien  die  Handelsbeziehungen  von  Worms  und  Mainz*. 

Auf  dem  rechten  Rheinufer  erscheinen  zwei  landesherrliche  Städte, 
Freiburg  in  Handelsbeziehungen  mit  Como*,  dann  Rastatt^,  endlich 
mit  einem  kühnen  Kaufmann,  der  mit  Liutfrid  Muntprat  von  Genua  nach 
Barcelona  fuhr,  Frankfurt  a/M. ^  Dieser  Paul  Fetzbrey  ist  auch  der 
erste  Frankfurter,  der  in  Venedig  sicher  nachzuweisen  ist,  wo  er  Baum- 
wolle kaufte  und  nach  Ulm  und  Augsburg  verbringen  liefs®. 

Von  den  niederrheinischen  Städten  sind  Aachen  und  Köln  ver- 
treten *. 

Und  mit  Köln  erreichen  wir  das  Gebiet,  wo  auch  von  Flandern  her 
die  Italiener  auftauchen.  Köln  war  die  Eingangspforte  für  die  Waren, 
die  von  den  Rhein mündungshäfen  in  das  Innere  vordrangen.  Das  war 
eine  Handelsstadt  von  hoher  Bedeutung,  sehr  früh  hatte  es  seinen  Stapel 
ausgebildet  und  war  nun  ein  Riegel  für  den  Rheinverkehr.  Köln  fafste 
80    ziemlich    den    ganzen    Handel,     der    vom    Mittelrhein    herkam,    zu- 

'  Oben  S.  488,  545  und  eine  Urkunde  in  der  Beil.  zur  Gemeindezeitang,  Strafs- 
burg Jahrgang  1880. 

2  Simonsfeld,  Gesandtenreise  S.  270. 

'  Brösamlin,  Ausgabe  von  1517.    Schultz,  Deutsches  Leben  129  f. 

*  Oben  S.  576.     Urkunden  Nr.  238. 
»  Oben  S.  570, 

*  Urkunden  Nr.  54. 

'  Oben  S.  544.    Vgl.  Urkunden  Nr.  267. 
»  Simonsfeld  2,  68. 

*  S.  oben  S.  453  und  auch  Urkunden  Nr.  404. 


>  1 


QQQ  AchtuDdfuufzigstes  Kapitel. 

sammen.  Von  da  strahlte  der  Verkehr,  den  Rhein  verlassend,  west- 
lich nach  Brabant  und  Flandern  und  östlich  nach  Westfalen.  In 
keiner  deutschen  Stadt  sind  so  viele  Italiener  nachzuweisen  als  im 
heiligen  Köln,  sie  hielten  dort  Lager  und  schon  1335  wurde  ihnen  der 
Detailverkauf  verboten  ysy  5yn  van  Noerenbergy  van  Lamparden^  van 
Venedyen  ind  van  anderen  sieden^ ^,  Die  Kölner  wanderten  auch  weit  in 
die  Feme,  durch  mehrere  Jahrhunderte  sind  sie  in  der  Richtung  von 
Wien  nachzuweisen,  und  auf  diese  östlichen  Gebiete,  nicht  auf  die  Vor- 
lande, bezieht  sich  wohl  der  Befehl  Herzog  Rudolfs  FV.,  dafs  bei  dem 
Handel  der  Kölner  mit  seinen  Unterthanen  sechzehn  Stück  Kölner  Tuche 
für  eine  Saum  gerechnet  werden  sollen*.  In  Venedig  sind  Kölner  sehr 
häufig  zu  finden^.  In  Mailand  habe  ich  nur  schwache  Belege  gefunden, 
doch  begegneten  uns  dieselben  auch  in  Uri. 

Die  nicht  gerade  zahlreichen  Reisenden,  welche  am  Ausgang  des 
Mittelalters  Deutschland  besucht  haben,  sind  einstimmig  in  der  Be- 
wunderung seiner  Städte.  Enea  Sylvio,  der  selbst  so  lange  inmitten  der 
Deutschen  gelebt  hatte,  giebt  seiner  Schilderung  einen  fast  überschweng- 
lichen Ausdruck.  Er  stellte  die  deutsche  Nation  höher  als  die  andern. 
Wo  wolle  man  in  Europa  eine  prächtigere  Stadt  finden  als  Köln?  An 
dem  vielbewunderten  Mainz  tadelt  er  nur  die  engen  Gassen^  Strafsbui^g 
vergleicht  er  mit  Venedig,  nur  habe  die  deutsche  Kanalstadt  weniger 
unter  den  übeln  Düften  zu  leiden.  In  vielen  Häusern  würde  ein  König 
sich  heimisch  fühlen,  Augsburg  übertreffe  an  Reichtum  alle  Städte  der 
Welt,  fast  am  glänzendsten  ist  Nürnberg  geschildert.  In  Wahrheit 
—  schliefst  der  Humanist  seine  Charakteristik  —  die  Könige  von  Schott- 
land würden  glücklich  sein  so  gut  zu  wohnen,  wie  ein  wenig  be- 
güterter Nürnberger^.  Und  nicht  anders  atmen  dieselbe  Gesinnung  die 
Worte  des  Spaniers  Tafur,  wie  der  venetianischen  Gesandten,  auch  der 
Florentiner  Vettori,  der  freilich  viel  mehr  Sinn  für  Anekdoten  als  far 
eine  feine  Beobachtung  hat,  lobt  doch  Strafsburg,  Ulm  und  Konstanz *| 
und  ein  französischer  Reisender,  Pierre  de  Froissard  schrieb  1497:  „Es 
ist  ein  wunderbares  Ding  um  die  Kühnheit  und  den  Unternehmungs- 
geist der  deutschen  Kaufleute.  Sie  haben  einen  hervorragenden  Sinn 
dafUr,  ihre  Reichtümer  zu  vervielfältigen.  Der  blühende  Zustand  ihrer 
Städte,  die  Pracht  ihrer  öfi^entlichen  Gebäude  und  ihrer  Wohnungen, 
die  wertvollen  Dinge,    mit  denen  sie  das  Innere  derselben  schmücken. 


»  Ennen  u.  Eckertz  4  Nr.  213. 
2  Ennen  u.  Eckertz  4  Nr.  426. 
s  Simonsfeld  2,  69  ff. 

^  Eneas  Sylvias,  De  rito,  situ,  moribus  et  conditione  Germaniae,  in  Baseler 
Ausgabe  der  Opera  omnia  1052 — 55. 

^  Viaggio  in  Alemagna  Parigi-Firenze  1837. 


Die  Handelsgesellschaften.  667 

thun  es  in  beredter  Weise  kund.  Es  ist  eine  Freude  unter  ihnen  zu 
weilen  und  an  den  öffentlichen  Vergnügungen  der  Bürger  Teil  zu 
nehmen  ^ 

Neunundfünfzigstes  Kapitel. 

'  Die  Handelsgesellschaften. 

•Qmber 

Die    Schtcierigkeiten    des    mittelalterlichen    Handels.     Die  Handelsgesellschaften. 

'•e  Gefahren  derselben.  Neigung  zu  Monopolien,  Die  Feindschaft  der  öffentlichen 
ung.  Gründe  der  Preissteigerung.  Die  Versuche  eitler  Beicfisgesetzgehung  ver- 
•n  im  Sande. 

Die  gröfste  Leistung  des  mittelalterlichen  Handels ,  die  gröfste 
iwierigkeit,  die  er  besiegt  hat,  lag  im  Transport  der  Waren.  Freilich 
I  es  am  Ausgange  des  Mittelalters  Transportunternehmungen,  die  die 
rtbewegung  auf  bestimmten  Strecken  unternahmen.  Aber  doch  war 
:  Handel  und  das  Speditionsgeschäft  nicht  völlig  getrennt.  Die  meisten 
r  mittelalterlichen  Gefahren,  die  dem  Transporte  drohten,  sind  heute 
rschwunden.  Die  Strafsen  waren  in  Deutschland  weit  unsicherer,  als 
Italien ;  der  Kaufmann  mufste  noch  immer  fürchten,  seine  Waren  dem 
örichtesten  aller  Rechte  anheimfallen  zu  sehen,  dem  Rechte  der 
rundruhr  oder  dem  Strandrechte;  er  konnte  sich  dem  Strafsenzwange 
icht  entziehen  und  mufste  seine  Waren  an  einer  endlosen  Reihe  von 
teilen  verzollen.  Wir  haben  die  unsinnige  Zollpolitik  des  Spätmittel- 
Jters  kennen  gelernt.  Er  mufste  die  Stapelrechte  einzelner  Städte  um- 
gehen und  hatte  schliefslich  mit  so  verschiedenen  und  wechselnden 
Sorten  Geldes  zu  thun,  dafs  ein  Vergleich  mit  heute  ausgeschlossen  ist. 
Der  mittelalterliche  Femhandel  hatte  bei  seinen  Kalkulationen  viel  mehr 
Faktoren  einzustellen,  als  das  heute  der  Fall  ist.  Mit  voller  Hochachtung 
mufs  uns  daher  die  Thätigkeit  der  grofsen  Handelsherren  jener  Tage 
erfüllen  ^ 

Der  deutsch-italienische  Handel  wurde  auf  deutscher  wie  auch  wohl 
auf  italienischer  Seite  mehr  und  mehr  von  den  Handelsgesellschaften 
getragen.     Solange  sich  der  Vertrieb  sämtlicher  Waren  auf  einem  Welt- 


*  Lettres  de  Pierre  de  Froissard  17. 

*  Vgl.  zum  folgenden:  Schmoller,  Zar  Geschichte  der  national-ökonomischen 
Ansichten  in  Deutschland  während  der  Reformationsperiode,  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Staats- 
wissenschaft 16,  496—512;  Janssen,  Oeschichte  des  deutschen  Volkes  1,  886 — 896, 
2,  417—428;  Kluckhohn,  Zur  Geschichte  der  Handelsgesellschaften  und  Monopole 
im  Zeitalter  der  Reformation,  in  Hist.  Aufsätze,  dem  Andenken  von  G.  Waitz  ge« 
widmet,  666—708;  Ulmann  2,  616—626;  y.  Bezold,  Geschichte  der  deutschen 
Reformation  S.  84.  294  u.  405 ff.;  Lamprecht  5,  60ff.  95 ff.;  £hrenherg  1,  880— 885; 
Castelot,  £.,  Les  attaques  contre  le  capitalisme  au  XVI  siöcle  en  Allemagne. 
Journal  des  äconomistes  Bd.  54,  887—856. 


ggg  NeunundfÜDfzigstes  Kapitel. 

markte  reguliert  —  wie  es  auf  den  Champagner  Messen  der  Fall  war  — 
oder   der  Haupteinkaufs-  oder  Verkaufsplatz  nicht  allzuweit  entfernt  ist, 
konnte  auch   ein   kleiner  isolierter  Geschäftsmann    sich   an  dem  Handel 
beteiligen,  im  Vorteil  war  aber  immer  die  Handelsgesellschaft,    die  über 
mehrere  Disponenten,   die  auf  Reisen  sein  konnten,   verfügte,    oder  gar 
in   den    Faktoren    dauernd    detachierte    Disponenten    besafs.      War    der 
Einzelkaufmann  beim  Spezereihandel,  so  lange  er  in  Venedig  und  Genua 
konzentriert  war,  noch  imstande,  selbst  einzukaufen,  so  hörte  diese  Mög- 
lichkeit auf,  als   der  Markt  dafür  nach   Lissabon   und  Antwerpen   ver- 
legt war.     War  schon   vorher  die   Handelsgesellschaft  dem    Einzelkauf- 
mann überlegen,  so  wurde  sie  —  mindestens  im  Spezereihandel  —  dieser 
Konkurrenz  jetzt  vollends   entledigt.     Die  kapitalistische  Form   des  Ge- 
schäftsbetriebes   war    auch    für    die  Textil-    und   Metall  waren    eine  Not- 
wendigkeit.    Wir  haben  gesehen,  wie  alt  das  Verlegersystem  da  war;  es 
war  eben   undenkbar,   dafs   der  Kleinproduzent   seine  Waren   selbst  auf 
dem  Weltmarkte  absetzte.     Gab   sich   der  Handwerksmaun   ganz   in  die 
Abhängigkeit   eines  einzigen  Händlers,  eines  Verlegers,  so  war  das  eine 
kapitalistische    Organisation.      Mit    der    Ausdehnung    des    Rayons    eines 
Handels   mufs   notwendig  die  Zahl   der  kleinen  Leute,   die  an  ihm  Teil 
nehmen,    abnehmen.     Nur  die  kapitalkräftigen  Firmen  können  die  Lage 
ausnützen    und    all   die    Hemmungen    und    Gefahren    überwinden.      Das 
ganze   System   des  Transportwesens   drängte   zur  Centralisierung.     Was 
für   eine  ungeheure   Kenntnis  gehörte   dazu,    damals  den  Transport  von 
Waren    zu    leiten.     Die    Kaufmannsbücher   jeuer    Tage    geben    uns   die 
Usancen,  aber  darüber  hinaus  mufste  der  Geschäftsmann  alle  Zölle,  alle 
Tarife    kennen.     Ein    einzelner   Kaufmann    mochte   sich    auf   die    Linie 
Nürnberg — Venedig  oder  Nürnberg — Lyon  einrichten  können.    Wie  ganz 
anders  ging  der  Handel   bei  den   Gesellschaften,   die  an   vielen   Stellen 
ihre  Faktoren  hatten  und  durch  sie  den  Transport  überwachen  konnten. 
Der   kleine  Mann,  der  der  Welt  Läufe  nicht  an   vielen  Orten   zugleich 
beobachten  konnte,  war  der  Schwächere,  er  hatte  seine  zwei  Augen,  die 
Fugger  mehr   als   vierzig.     Den  kleinen  Kaufmann  mufste  im  Falle  der 
Not  seine  Heimatstadt  decken,   aber  viel   stärker  als  die  Autorität  von 
Nördlingen   oder  Ravensburg  war  die   Kapitalkraft  der  grofsen  Gesell- 
schaften, die  eine  politische  Macht  besafsen,  da  die  Staaten  diese  Gesell- 
schaften   für    ihre   Anleihen    brauchten.     Die   Zeit    besafs    keine    öffent- 
lichen Handelsnachrichten,  um  so  schwerer  wog  die  Übermacht  derjenigen 
Häuser,   die  viele  zuverlässige   Korrespondenten   hatten.     Die   Handels- 
gesellschaft war  eine  Notwendigkeit,  wenn  der  oberdeutsche  Kaufmanns- 
stand überhaupt  im  Fernhandel  verbleiben  wollte. 

Die  Handelsgesellschaften  haben  für  die  Blüte  des  Handels  und  des 
Gewerbes    der  oberdeutschen  Städte  wohl   noch  mehr  geleistet,    als  der 


Die  Handelsgesellschaften.  609 

Einzelkaufmann.  Doch  trugen  auch  sie  selbst  ernste  Gefahren  in  sich. 
Wir  haben  den  Niedergang  der  Muntprat,  Mötteli  und  Humpifs  gesehen 
und  da  spielten  unzweifelhaft  mehrere  Momente  zusammen.  Die  ältesten 
Gesellschaften  waren  wohl  Familiengesellschaften,  Vereinigungen,  die 
ausschliefslich  wirklich  thätige  Kaufleute  umfafsten;  aber  die  Töchter 
der  reichen  Kaufherren  heirateten  Adlige,  das  Heiratsgut  blieb  vielfach 
bei  der  Gesellschaft,  es  bildete  sich  ein  nicht  kaufmännisch  gebildeter 
Anhang  —  der,  wahrscheinlich  zumeist,  doch  durchaus  nicht  immer ^, 
mit  festem  Zins  sich  begnügen  mufste.  Die  Söhne  der  gefährlichen 
dritten  Generation  schieden  vielfach  aus;  es  war  damals  wie  heute  — 
der  Vater  arbeitet  sich  von  mühseligen  Anßlngen  empor,  der  Sohn  geniefst 
die  Früchte  der  Thätigkeit  seines  Vaters,  wirkt  selbst  noch  mit  voller 
Kraft,  dem  Enkel  geht  der  Segen  der  Arbeit  nicht  mehr  ein,  er  will  den 
Genufs.  Manche  alte  Gesellschaften  verloren  so  die  alten  Inhaber;  unter 
den  Verwandten  mufste  ein  Regierer  gesucht  werden,  auf  dessen  persön- 
liche Tüchtigkeit  es  vor  allem  ankam.  Sie  fehlte  naturgemäfs  oft,  und 
so  traten  andere  aufblühende  Gesellschaften  an  die  erste  Stelle,  die  die 
absterbenden  einräumen  mufsten.  Zu  inneren  Streitigkeiten  führte 
zweifellos  öfters  die  Gewinnberechnung,  die  die  eigentlich  leitenden 
Kreise  zu  Ungunsten  der  andern  aufstellten,  oder  doch  verdächtigt 
wurden  aufzustellen.  Die  Vorgänge  bei  der  Welser-  und  der  Höchstetter- 
schen  Gesellschaft  sind  ja  deutlich  genügt.  Das  führte  zum  Abspringen 
oft  sehr  tüchtiger  Faktoren  und  Teilhaber  und  zur  Diskreditierung  der 
Gesellschaft.  Niemand  hat  so  wirksam  gegen  die  Gesellschaften  geschürt 
als  solche  unbefriedigte  Teilhaber  und  Faktoren,  die  einen  Einblick  in 
das  innere  Getriebe  ermöglichten.  Diese  innere  Schwäche  jeder  Handels- 
gesellschaft, die  die  Fugger  so  meisterlich  überwunden  haben,  war  völlig 
unabhängig  vom  Weltmarkt,  und  wir  können  keinen  anderen  Grund  für 
den  Rückgang  der  Ravensburg-Konstanz-St.  Galler  Gesellschaften  finden, 
als  diesen  in  ihnen  selbst  liegenden. 

Eine  andere  Gefahr  lag  in  der  Neigung  zu  riskanten  Geschäften. 
Die  Gesellschaften  verfügten  ja  nicht  allein  über  die  eigenen  Mittel,  sie 
fanden  leicht  Teilhaber,  wir  wissen,  wie  zu  den  Höchstettern  Knechte 
und  Mägde  ihre  Ersparnisse  trugen,  um  mit  ihnen  schnell  reich  zu 
werden.  Bei  so  umfangreichen  Geschäften,  wie  sie  nun  abgeschlossen 
wurden,  war  das  Risiko,  der  Kapitalbedarf  so  grofs,  die  Kalkulation  so 


*  Vgl.  die  Verfügung  Friedrichs  III.  (IV.)  von  1464  bei  Wölckern,  Histor. 
Norimbergensis  diplomatica  682. 

'  Rem  rechnete  bei  Ambrosi  Höchstetter  mit  900  fl.  Einlage  in  sechs  Jahren 
88000  fl.  gewonnen  zu  haben,  vor  allem  durch  Silber  und  Kupfer.  Höchstetter 
räumte  28000  fl.  als  Gewinn  ein.  Vgl.  Chroniken  deutscher  Städte  28,  146  f. 
25,  116  ff.    Greiff  18. 


670  Neuuundfünfzigstes  Kapitel. 

schwierig,    dafs  die  Händler  grofsen  Gewinn  erstreben  mufsten  und  von 
selbst    stellte    sich    die    Versuchung    ein,    durch   Ringe    die    Preise  fest- 
zulegen.    Je  gröfser  die  verfügbaren  Mittel  waren,  um  so  näher  lag  die 
Gefahr,  den  Versuch  zu  wagen,  ein  Monopol  zu  erringen,  ein  Syndikat 
zu  errichten.     Auf  dem  Gebiete  des  Handels  der  Bergwerksprodukte  sind 
sie  zuerst  nachzuweisen.  Ehrenberg  hat  dem  Kupfersyndikate  der  Fugger, 
Herwart   u.  s.  w.   von    1498   eine   besondere   Beachtung   gewidmet  ^ ,    auf 
diesem  Gebiete    lag    auch   der  Versuch,   das  Quecksilbermonopol   zu  ge- 
winnen,   das   einen  in   lokalen  Monopolbildungen    erprobten    verwegenen 
Spekulanten,  einen  der  gröfsten  Kaufleute  Augsburgs,  Ambrosius  Höch- 
stetter   1529   ins  Verderben  rifs.     Die  Ringbildung  erfolgte  vor  allem  in 
den  Produkten  des  Bergbaus.     Der  Warenhandel  hat  im  gleichen  Mafse 
Monopolien     nicht     gekannt.      Das     folgenreichste     war     das    bei    dem 
Lissaboner  Pfeflferhandel ,  das  der  König  von  Portugal  besafs;    in  Augs- 
burg hat  ein  Chronist  genau  aufgezeichnet,  wie  die  Könige  von  Portugal 
die  Preise  willkürlich  festsetzten  ^.    In  diesem  Falle  handelt  es  sich  viel- 
mehr um  ein  Regal  als  um  ein  Monopol. 

Wenn  auch  ein  so  gründlicher  Kenner  wie  Ehrenberg  keine  Waren- 
Syndikate  sonst  nachweisen  kann,  so  haben  doch  unzweifelhaft  die  Ge- 
sellschaften den  „Fürkauf"  ausgebildet  und  ausgenützt.  Seit  der  Ent- 
deckung der  Umfahrt  um  Afrika  war  im  Spezereihandel  eine  viel 
stärkere  Spekulation  eingetreten.  Bis  dahin  waren  die  Gewtirze  aus  der 
mohammedanischen  Welt  gekommen,  ohne  dafs  die  Kaufleute  die  Lage 
des  Angebotes  übersehen  konnten;  jetzt  hatte  man  in  Lissabon  genaue 
Kenntnis  der  Ernten  und  des  Angebotes  überhaupt.  Je  spekulativer 
das  Geschäft  wurde,  umsomehr  mufste  es  in  die  Hände  der  Plutokraten 
kommen.  Im  einzelnen  sind  zwingende  Beweise  heute  nicht  mehr  zu 
führen;  aber  kapitalistische  Auswüchse  sind  nicht  zu  leugnen  und  die 
Gesellschaften  haben  es  selbst  beklagt,  dafs  zu  Lissabon  seit  wenigen 
Jahren  in  Spezereien  Käufe  geschähen,  die  sich  wenig  oder  gar  nicht 
von  Monopolien  unterschieden,  sie  selbst  seien  unschuldig  und  könnten 
das  auch  nicht  abstellen^. 

Die  Zeit  war  üppig,  luxuriös.  Aus  dem  Laden  des  Kaufmanns  ver- 
breitete sich  die  Neigung  zur  Pracht  und  zum  Wohlleben.  Die  Preise 
gingen  rapide  in  die  Höhe  und  schwankten  viel  stärker  als  bisher. 

Gewifs,  der  Handel  hatte  zum  Teil  diese  Umbildung  herbeigeführt, 
zum  Teil  waren  auch  die  Gesellschaften  schuld  an  der  Teuerung.  Aber 
die  öffentliche  Meinung  übertrieb.     Es  war  das  erste  Mal,    dafs  sich  die 


'  h  396. 

2  Wilhelm  Rem  in  Chroniken  deutscher  Städte  25,  181. 

»  Kluckhohn  S.  681.    Denkschrift  der  Roichsstfulte  von  1-522. 


Die  Handelsgesellschaften.  671 

Kraft  des  Kapitalismus  den  Deutschen  zeigte  und  alle  Stände,  welche 
auf  der  Naturalwirtschaft  begründet  waren  oder  doch  sich  mit  diesem 
Wirtschaftssystem  eingerichtet  hatten,  waren  einig  in  ihrem  Urteil.  Die 
Gesellschaften  waren  allgemein  gehafst,  gehafst  von  den  Bauern,  vom 
Adel,  der  wirtschaftlich  immer  mehr  zurückging,  von  den  Handwerkern 
und  von  den  kleinen  Kaufleuten,  die  unter  dem  Drucke  ihrer  gröfseren 
Standesgenossen  litten.  Die  schweren  Schäden,  die  jeder  Grofshandels- 
betrieb  hervorruft,  wurden  zum  erstenmal  heftig,  ja  mit  Leidenschaft 
empfunden.  Die  allgemeine  Anschauung  verurteilte  den  auftretenden 
Kapitalismus  als  unsittlich.  Die  alten,  naturalwirtschaftlich  fundierten 
Stände  meinten  wohl  gar,  diese  Kaufleute  verdienten  durch  Faulenzen 
und  Zuhauseliegen,  während  ihre  Faktoren  die  Gefahren  der  Reise  auf 
sich  nehmen  müfsten,  sie  sahen  die  Preissteigerung  als  eine  durch  und 
durch  künstliche  und  das  ganze  Wirken  der  Handelsgesellschaften  als 
eine  Bewucherung  an. 

Schon  1508  erhob  Kuppener  seine  Stimme  gegen  die  Handelsgesell- 
schaften, obwohl  er  selbst  einmal  Teilhaber  einer  solchen  gewesen  war, 
und  katholische  wie  protestantische  Reformatoren  und  Politiker  haben 
der  Anklage  zugestinmit:  Geiler  von  Kaisersberg,  Wimpheling,  Kilian 
Leib,  Erasmus  wie  Luther,  Zwingli,  Hütten  und  Hans  Sachs.  Adel, 
Bauern,  Handwerker,  die  kleinen  Kaufleute  waren  mit  den  Vertretern 
der  kanonistischen  Wucherlehre  wie  den  Reformatoren  einig  in  dieser 
antikapitalistischen  Strömung.  Jedermann  war  durch  die  Steigerung  der 
Preise  beteiligt.  Sie  sahen  die  Ursache  allein  in  dem  Fürkauf,  der 
schon  in  der  ganzen  mittelalterlichen  Zeit  bekämpft  wurde.  Schon  Rul- 
mann  Merswin  und  die  Reformation  Kaiser  Siegmunds  hatten  die  Gesell- 
schaften angegriffen.  Dieser  hatte  den  Kaufleuten  nur  den  Ersatz  der 
Reise-  und  Transportkosten  gestatten  und  jeden  Unternehmergewinn 
verbieten  wollen.  Die  Erbitterung  über  die  Gesellschaften,  die  man  als 
öffentliche  Wucherer  und  Räuber  bezeichnete,  war  allgemein.  Und 
eigentlich  nur  Eck  schwamm  wider  den  Strom,  wenn  er  im  Auftrage 
der  Fugger  in  einer  Disputation  zu  Bologna  die  Ansicht  verfocht,  dafs 
diese  Geschäfte  den  kanonischen  Wucherbestimmungen  nicht  entgegen 
seiend  Die  Zeit  der  angehenden  Reformation  urteilte  aus  sittlichen 
Motiven  heraus  und  nicht  aus  wirtschaftlicher  Erkenntnis.  Die  wahrsten 
und  kräftigsten  Ursachen  der  Preissteigerung  zu  finden  war  auch  durch- 
aus nicht  leicht  und  niemand  wird  Erasmus  und  Kaisersberg,  Luther 
und  Hans  Sachs  tadeln  dürfen,  wenn  ihr  Herz  sie  zu  Übertreibungen 
veranlalste.  Wirkliche  Sachkenntnis  verraten  nur  die  Gutachten  der 
Gegenpartei. 


1  Häbler,  Reformation  S.  478.    Geiger  62  flF. 


672  Neuuundfünfzigstes  Kapitel. 

Der  stärkste  Grund  der  Erhöhung  der  Preise  lag  in  der  rapiden 
Zunahme  des  Silberumlaufes,  den  die  Ausbeute  der  Bergwerke  herbei- 
führte. Das  Edelmetall  wurde  weit  weniger  um  Werte  zu  haben  auf- 
gespeichert, das  Geld  wurde  flüssiger,  der  Kredit  gröfser  und  durch  ihn 
wurde  dies  thatsächlich  anwachsende  Geldmaterial  zum  Teil  erspart 
Alles  diente  dazu,  den  Preis  des  Geldes  zu  senken,  den  der  Waren  zu 
heben.  Bei  den  Spezereien  mochten  die  Gesellschaften  auf  den  Preia- 
aufschlag  einwirken,  beim  Getreide  ist  ihr  Einflufs  ausgeschlossen,  und 
auch  da  schnellten  sie  empor. 

Es    ist   nicht  meine   Aufgabe,    die  ersten    Anläufe   einer    deutschen 
Handelspolitik   hier   zu   schildern,    sie   knüpfen  eben  an  die  Monopolien 
und  Gesellschaften  an.     In  der  städtischen  Gesetzgebung  sind  die  ersten 
Spuren    der  Bekämpfung    der   Gesellschaften    zu   finden.     So    wurde  in 
Köln  1505   beschlossen,    gegen   die  Vertreter  und    Knechte   der  grolsen 
Gesellschaft     vorzugehen.      Die    Gesellschaften     wurden    nicht    im    all- 
gemeinen verboten ,  aber  jene  Ausdehnung  über  die  Stadt  hinaus  wurde 
untersagt,  der  Kölner  solle  nur  an  rein  Kölner  Gesellschaften  teilnehmen* 
Die    „grofse  Gesellschaft",   von   der  man  leider  nicht  weifs,   ob  man  sie 
mit  der  Ravensburger  identifizieren  darf,  hatte  versucht,  Kölner  zu  Mit- 
gliedern  zu  gewinnen   und   damit  hätte   sie   den  Kölner  Stapel  für  sich 
wirkungslos  gemacht*.     Auch  der  Kölner  Reichstag  von  1512  erliefs  kein 
Verbot    der   Gesellschaften,   ja   er  gestattete  sie  ausdrücklich,    nur  die 
Monopolien    wurden   unter  Hinweis   auf  das   römische   Recht    untersagt; 
niemand    dürfe    sich  unterstehen,  die  Waren   in    eine  Hand  zu    bringen 
und   der  Ware   einen    willkürlichen  Wert   zu   geben.     Die    Preisbildung 
sollte  nicht  ein  Monopol  einzelner  Grofshändler  werden. 

Dieses  Verbot  blieb  vollständig  erfolglos,  die  Teuerung  nahm  nicht 
ab,  sondern  stieg,  und  die  weitesten  Kreise  schoben  alle  Schuld  den 
Kaufleuten  und  speciell  den  grofsen  Gesellschaften  zu.  Der  Ausschafs 
der  österreichischen  zu  Innsbruck  1508  versammelten  Landstände  konnte 
die  Gesellschaften  nicht  verbieten,  weil  sie  ja  aufserhalb  der  öster- 
reichischen Lande  existierten,  aber  sie  konnten  sehr  wohl  versuchen, 
ihre  Monopolbestrebungen  im  eigenen  Lande  zu  bekämpfen.  Es  heilst: 
Die  grofsen  Handelsgesellschaften  haben  alle  Waren,  die  den  Menschen 
unentbehrlich  sind,  Silber,  Kupfer,  Stahl,  £isen,  Leinen,  Zucker, 
Spezerei,  Getreide,  Ochsen,  Wein,  Fleisch,  Schmalz,  Unschlitt,  Leder  in 
ihre  alleinige  Macht  gebracht.  Den  Gesellschaften  wurde  mit  Ausnahme 
der  Märkte  das  Einlagern  ihrer  Waren  mit  täglichem  Verkaufe  verboten« 
niemand  durfte  ihnen  als  Teilhaber  beitreten,  der  Masseneinkauf  wurde 
ihnen  ebenfalls  untersagt.     Vielleicht  konnten  diese  Verbote  für   die  im 


1  Ennen,  Geschichte  Kölns  3,  724. 


^ 


Die  Handelsgesellschaften.  673. 

Lande   selbst    erzeugten    Waren    Erfolg    haben.      Die    Preisbildung    der 
Spezereien  konnte  damit  nicht  getroffen  werden. 

Die  Strömung  ging  immer  energischer  gegen  die  Handelsgesell- 
schaften selbst;  Karl  V.,  der  seine  Wahl  der  Geldhilfe  der  Fugger  zu 
danken  hatte,  war  durch  seine  Wahlkapitulation  zur  AbschaflFung  der 
Handelsgesellschaften  und  Handelsmonopole  verpflichtet  worden  ^  Die 
öffentliche  Meinung  —  in  der  die  agrarischen  Gedanken  sich  mit  Keimen 
merkantilistischer  verbanden  —  hatte  die  Fürsten  auf  ihrer  Seite  und 
kam  auf  dem  Wormser  Reichstag  von  1521  zum  oflfenen  Ausdruck. 
Zur  Bestreitung  der  Kosten  des  Reichsregiments  wurde  ein  Reichsgrenz- 
zoli  vorgeschlagen  und  bei  der  Beratung  der  Reichspolizeiordnung  wurde 
die  vollständige  Abschaffung  aller  Gesellschaften  in  Vorschlag  gebracht. 
Dem  Widerstände  der  Städte,  an  deren  Spitze  begreiflicherweise  Augs- 
burg stand,  gelang  es,  die  Vertagung  zu  erreichen,  das  Reichsregiment 
solle  die  Sache  weiter  behandeln.  Der  Ausschufs  des  Nürnberger  ersten 
Reichstags  meinte  die  Gesellschaften  ganz  zu  zertrennen  und  das  Reichs- 
regiment ging  in  der  gleichen  Richtung  versuchsweise  vor,  und  es  hat 
nicht  viel  gefehlt,  dafs  ein  Verbot  der  Gesellschaft  erreicht  worden  wäre. 
Der  kleine  Ausschufs  war  für  die  Einschränkung  des  Kapitals  einer  Ge- 
sellschaft auf  50000  fl,  jede  Gesellschaft  solle  nur  drei  Lager  aufserhalb 
ihres  Sitzes  halten  dürfen  und  jedweder  direkte  Handel  mit  Portugal 
solle  mit  Rücksicht  auf  die  schweren  in  den  letzten  Jahren  erlittenen 
Verluste  verboten  werden,  man  solle  die  Portugiesen  einladen,  selbst  ihre 
Waren  nach  Antwerpen  zu  verbringen.  Sogar  die  Städte,  und  darunter 
Nürnberg  waren  gegen  die  Gesellschaften ;  darin  stimmten  sie  den  Fürsten 
zu,  wenn  sie  in  der  Zollfrage  sich  auch  eben  so  scharf  von  ihnen 
schieden.  Die  Reichsstädte  traten  in  Speyer  zu  einem  Städtetage  zu- 
sammen, und  dort  wurde  beschlossen,  eine  Gesandtschaft  nach  Spanien 
zum  Kaiser  zu  entsenden,  auf  dafs  der  Zoll  abgewendet  werde.  Die 
List  der  Augsburger,  die  vor  dem  Mittel  der  Fälschung  nicht  zurück- 
scheuten, nützte  die  Gesandtschaft  auch  zur  Deckung  der  Gesellschaften 
aus.  Aber  hätte  Karl  V.  daran  denken  können,  die  Fugger,  Welser  und 
andere  zu  kleinen  Geschäften  zu  zerlegen?  War  er  in  der  Lage,  den 
Kampf  mit  der  Grofsfinanz  aufzunehmen?  So  bestimmten  die  Augsburger 
Gesellschaften  die  Politik  ihrer  Vaterstadt;  Augsburg  überwand  die  Reichs- 
städte und  diese  besiegten  in  den  handelspolitischen  Fragen  die  Fürsten. 
Das  Geld  war  eine  Grofsmacht  geworden. 

Die  Gesellschaften,  die  sich  immer  mehr  vom  Waren-  zum  Geld- 
handel wandten,  haben  diesen  Ansturm  also  bestanden;  die  Macht  des 
Grofskapitals    blieb    bestehen   und   mit  der  Zunahme  des  thatsächlichen 


^  Vgl.  Reichstagsakten,  Jüngere  Reihe  1,  872. 

Schulte,  Gesch.  d.  mitteUlterl.  Handelt.    I.  43 


574  Sechzigstes  Kapitel. 

Umlaufs  der  Barmittel  war  der  Kredit  enorm  gestiegen.  Die  Organisation 
des  Geldverkehrs  war  gebessert  und  das  Kapital  wirkte  durch  die  ganze 
Christenheit  hin.  Die  Übermacht  der  Finanzmächte  war  vorhanden  und 
vielfach  verflochten  sie  sich  immer  tiefer  mit  den  fiskalischen  Interessen, 
bis  sie  sich  damit  überladen  hatten  und  die  Erschütterungen  des  Kredites 
einzelner  Staaten  auch  sie  selbst  traf. 

Die  Gesellschaften  waren  notwendig,  wenn  sich  Deutschland  nicht 
aus  dem  Handel  zweiter  Hand  in  den  dritter  Hand  zurückdrängen  lassen 
wollte.  Sie  waren  eine  notwendige  Folge  und  zugleich  Ursache  der  Zu- 
nahme der  Macht  des  Grofskapitals.  In  Lissabon  oder  Antwerpen 
konnte  kein  Ulmer  Krämer  seinen  Kundenbedarf  an  PfeflFer  mehr  persön- 
lich einkaufen,  es  war  hier  der  Faktor  einer  grofsen  Handelsgesellschaft 
allein  am  Platze.  Wer  sich  an  dem  stolzen  Städtebild,  das  noch  heute 
Augsburg  und  Nürnberg  gewähren,  erfreut,  darf  nicht  vergessen,  dafs 
die  satte  Blüte  dieser  Städte  und  die  Fortdauer  derselben,  wo  der  nord- 
deutsche Handel  schon  niederging,  eben  auf  jenen  Gesellschaften  be- 
ruhte. Das  Gewerbe  war  an  beiden  Orten  gesund  und  kräftig,  doch 
Gewerbe  und  Grofshandel  ergänzten  sich,  und  der  Grofshandel  wurde 
geführt  von  den  Gesellschaften. 

Sechzigstes  Kapitel. 
Inderaugeu  im  Handelsleben. 

Revolution  im  Spezereihandel  durch  die  Entdeckung  des  Seeweges  nach  Indien. 
Schädigtmg  Venedigs,  Blüte  von  Lissabon  uwi  Antwerpen,  Der  Handel  an  den  Ocean 
verlegt  Wollhandel.  Vollständiger  Umschwung  in  England,  Seidenmanufakturen  txufser- 
halb  Italiens.  —  Das  mittelalterliche  Handelsleben  städtisch,  nun  staaüich.  Mitteleuropa 
verhan-t  im  mittelalterlichen  Zustand,  politisch  wie  wirtschaftlich.  Erkranken  der  (bewerbe. 
Der  Bückgang  nur  langsam,     Venedig  und  Oberdeutschland, 

Die  Bedingungen,  auf  denen  der  deutsch -italienische  Warenhandel 
beruhte,  wurden  vom  Ausgange  des  Mittelalters  an  von  Grund  aus 
umgestaltet  ^  Der  Spezereihandel  war  das  Fundament  des  Handels- 
verkehrs von  Venedig,  und  einen  Anteil  an  diesem  Monopol  hatte  sich 
auch  Genua  bewahren  können.  Die  italienischen  Häfen  besafsen  ein 
Monopol,  und  wenn  auch  der  Spezereihandel  schwieriger  geworden  war, 
seitdem  Konstantinopel  sich  in  den  Händen  der  Türken  befand  und  die 
Mamelukendynastie  in  Ägypten  den  Handel  schwer  belastete,  bis  sich  die 

1  Vgl.  Heyd,  Simonsfeld,  Scbanz,  Englische  Handelspolitik  gegen  Ende 
des  Mittelalters,  Ashley,  Mayr,  Ehrenberg,  Fugger  und  ders.,  Hamburg  und 
England  im  Zeitalter  der  Königin  Elisabeth  1896,  D.  Schäfer,  Das  Zeitalter  der 
Entdeckungen  und  die  Hanse,  in  Hansische  Geschichtsblätter  1897,  vgl.  auch  Preufs. 
Jahrb.  88,  268—281,  Schulte,  Deutschland  und  das  Meer,  Beil.  d.  Allgem.  Zeitung 
(München)  1900  Nr.  23. 


Änderungen  im  Handelsleben.  g75 

Macht  der  Osmanen  von  Konstantinopel  völlig  vor  den  gesamten  Verkehr 
mit  Indien  wie  ein  Riegel  legte  (1516),  bis  alle  Strafsen  nach  Indien  im 
Besitze  der  Türken  waren,  der  Grundzug  bestand  noch:  der  Spezerei- 
handel  war  wesentlich  in  den  Händen  der  Venetianer,  und  für  einen  Teil 
der  Welt  waren  die  oberdeutschen  Eaufleute  die  weiteren  Vermittler. 
Die  Genuesen  hatten  zuerst  nach  der  Heimat  der  Spezereien,  nach  der 
afrikanischen  Westküste  getastet,  die  Portugiesen  nahmen  ihre  Fährten 
auf  und  ihnen  gelang  die  grofse  weltgeschichtliche  Entdeckung;  zur  See 
erreichten  sie  um  das  Kap  der  guten  HojQTnung  herum  die  Küste  von 
Ostindien.  Für  den  Umschwung  im  Handelsleben  war  diese  That  zu- 
nächst viel  wichtiger,  als  die  Entdeckung  des  Genuesen  Columbus.  Seit- 
dem zum  erstenmal  im  Jahre  1499  portugiesische  SchijQTe  Pfeffer  nach 
Lissabon  heimbrachten,  war  das  Monopol  Venedigs  vernichtet.  Die  portu- 
giesische Regierung  getraute  sich  aber  zu,  das  eigene  an  die  Stelle  zu 
setzen. 

Auf  ihren  Fahrten  zerstörten  die  Portugiesen  möglichst  alle  Schiffe, 
die  den  Handel  zwischen  Indien  und  Arabien  vermittelten.  Die  Fahrt 
wurde  flir  die  arabischen  Schiffer  so  gefährlich,  dafs  auf  den  alten 
Märkten  von  Alexandrien  und  Kairo  die  Warenzufuhr  sich  bedeutend 
einschränkte.  Die  Preissteigerung  der  Gewürze,  die  das  deutsche  Volk 
80  heftig  erregte,  war  zum  Teil  eine  Folge  davon,  dafs  die  Lager  in 
Alexandrien  und  Venedig  sehr  knapp  wurden  und  die  von  Lissabon  noch 
nicht  ausreichten^.  Dann  ging  man  in  Lissabon  an  eine  Regelung  der 
Zufuhr,  wobei  überschüssige  Waren  verbrannt  wurden.  Die  Gewinne 
der  Portugiesen  waren  geradezu  enorm;  denn  sie  allein  nahmen  den 
ganzen  Nutzen,  der  sich  bis  dahin  auf  viele  Zwischenhändler  verteilt 
hatte. 

Nur  eine  Hilfe  hätte  Venedig  retten  können,  wenn  es  gelungen  wäre, 
die  Landenge  von  Suez  zu  durchstechen.  Es  ist  daran  sehr  wohl  ge- 
dacht worden,  allein  erst  350  Jahre  später  wurde  der  kühne  Gedanke 
ausgeführt.  Venedig  hat  nicht  ernsthaft  den  Versuch  gemacht,  den  neuen 
Thatsachen  Rechnung  zu  tragen.  Während  es  fortan  aus  zweitem  Kaufe 
einzelne  Spezereien  erhielt,  hatten  die  Portugiesen  den  Handel  und  zwar 
ersten  Kaufes  an  sich  gebracht.  Lissabon  war  der  Brennpunkt  des 
europäisch-indischen  Handels  geworden  und  die  Könige  regulierten  dort 
die  Preise.  Es  gelang  nur  selten  oberdeutschen  und  italienischen  Kauf- 
leuten, an  diesem  primären  direkten  Handel  mit  Indien  oder  Amerika  selbst 
teilzunehmen.  Lukas  Rem  war  persönlich  bis  zu  den  Kanarischen  und 
Kapverdischen  Inseln  gekommen.  Bald  schlössen  die  Portugiesen  alle 
Fremden  vom   indischen  Handel   aus.     Sevilla,   der  Marktplatz  für  die 


»  Hejd  2,  531.   5:38. 

43 


676  Sechzigstes  Kapitel. 

Amerikafahrer,  kam  erst  langsam  zur  Geltung.  Wohl  hob  sich  momentan 
auch  noch  Genua  als  Zwischenhafen  zwischen  Lissabon  und  den  ober- 
deutschen  Gebieten. 

Lissabon  wurde  bald  von  Antwerpen  überflügelt;  denn  die  Spezereien 
machten  nun  von  Lissabon  auch  noch  die  Meerfahrt  bis  zum  Brennpunkt 
der  mitteleuropäischen  Vermittel ungszone.  Der  Austausch  der  Waren  von 
Nord-  und  Südeuropa  blieb  an  diese  Stelle  gebunden,  nur  dafs  jetzt  das 
Mittelmeergebiet  nicht  mehr  die  Spezereien  spendete,  sondern  Lissabon. 
In  Antwerpen  regulierte  sich  der  grofse  Welthandel.  Die  grofsen  Handels- 
gesellschaften Oberdeutschlands  sandten  ihre  besten  Faktoren  dorthin,  wo 
sie  doch  nun  einen  Teil  ihrer  Spezereien  kauften.  Diese  wanderten  jetzt 
nicht  mehr  Rhein  abwärts,  sondern  kamen  den  Strom  herauf. 

Aus  dem  Bereiche  des  Mittelmeeres  hatte  sich  der  Sitz  dieses  Handels 
an  die  Küste  des  Atlantischen  Oceans  verlegt,  der  Seeverkehr  hatte  sich 
erweitert,  und  wenn  Europa  bisher  das  nördliche  Vorland  des  Mittel- 
meeres gewesen  war,  wurde  es  jetzt  die  Westspitze  der  in  das  \Veltmeer 
vorragenden  Festlandsmasse.  Das  Mittelmeer  hatte  wie  die  Ost-  und 
Nordsee  an  Handelsbedeutung  verloren,  die  Schwerlinie  des  Handels 
war  aus  Mitteleuropa  an  den  Atlantischen  Ocean  verlegt,  die  Zeit  des 
Handels  der  Binnenmeere  war  zu  Ende,  die  des  oceanischen  brach 
langsam  an. 

Während  des  Mittelalters  stand  dem  Spezereihandel  der  Handel  mit 
Wolle  und  W^oUstoffen  durchaus  ebenbürtig  zur  Seite.  Die  englische 
Wolle  hatte  ihre  Überlegenheit  behauptet,  noch  war  die  Merinowolle  nicht 
weit  verbreitet.  Die  spanische  Wolle  —  einst  von  den  Arabern  ge- 
pflegt —  ist  wahrscheinlich  durch  englische  Wolle  aufgebessert  worden 
(1437  durch  Einführung  von  Gloucester-Schafen  ^) ,  zunehmend  hob  sich 
die  spanische  Wollproduktion  und  die  Herden  von  Leon  und  Kastilien 
zogen  zur  kühleren  Jahreszeit  die  uralten  Wege  nach  dem  Süden ;  dieser 
Wechsel  des  Klimas  liefs  sie  gedeihen.  So  sehr  sich  das  Ansehen  der 
spanischen  Cavannen  hob,  so  waren  sie  doch  nicht  imstande,  die  Eng- 
lands zu  ersetzen.  Die  Zeit,  wo  der  Ruhm  der  Merinoherden  den  der 
englischen  vergessen  liefs,  war  noch  nicht  gekommen.  Die  italienische 
Weberei  produzierte  feine  Sorten,  sie  brauchte  dazu  den  besten  Stoff. 
Bis  dahin  hatte  England  ihn  geliefert.  Die  Handelsbilanz  dieser  Insel 
war  um  1300  sehr  einfach:  sie  führte  Wolle  aus  und  Tuche  ein.  Das 
änderte  sich  langsam,  aber  fast  ohne  jeden  Rückschlag.  Zur  Hebung  der 
Wollweberei  waren  schon  im  vierzehnten  Jahrhundert  flandrische  Weber 
in  das  Land  gezogen,  mit  dem  Anwachsen  des  Wollgewerbes,  der  auch 
an  dieser  Stelle  erfolgten  Einführung  eines  Verlagssystems,  die  eine  Aus- 


Jan  ke,  Wollproduktion  S.  49  ff. 


Änderungen  im  Handelsleben.  677 

fuhr  von  Tuchen  und  Kammgarnstoffen  ermöglichte,  während  die  Einfuhr 
fremder  Tuche  durch  Zölle  möglichst  verhindert  wurde,  schritt  das  Be- 
mühen der  Könige  fort,  die  Wollausfuhr  zu  verhindern  und  in  England 
selbst  immer  bessere  Fabrikate  herzustellen.  Dabei  stieg  die  englische 
Wollproduktion  noch  immer,  da  die  Bildung  von  Latifundien  zur  Ein- 
schränkung des  Ackerbaues  und  Vermehrung  der  Viehzucht  führte. 
„Das  Schaf  verdrängte  den  Menschen,  weil  die  Wolle  sich  besser  rentierte 
als  das  Getreide**  *.  Nachdem  England  1496  die  freie  Durchfuhr  seiner 
Tuche  nach  den  Niederlanden  erreicht  hatte,  stand  ihm  der  Weltmarkt 
offen,  und  schon  veränderte  sich  die  Handelsbilanz  dahin,  dafs  bei  den 
Ausfuhrzöllen  die  Tuche  den  ersten  Platz  statt  der  Wolle  einnahmen. 
Schon  hatte  eine  erhebliche  Erschwerung  der  Wollausfuhr  Platz  gegriffen, 
der  Zoll  stieg  auf  33,  ja  70  ®/o  des  Wertes^,  bis  unter  der  Königin 
Elisabeth,  die  des  klugen  Heinrichs  VH.  Handelspolitik  bis  zu  ihren 
Konsequenzen  führte,  die  Wollausfuhr  ganz  untersagt  wurde.  Indem  sie 
die  technisch  besten  Arbeiter,  die  Vlaemen,  in  ihr  Land  als  Flüchtlinge 
aufnahm,  erreichte  die  englische  Tuchindustrie  den  Vorsprung  nach  Stoff 
und  Arbeit.  Schon  seit  1500  verödeten  die  alten  Weberstädte  Flanderns, 
weil  ihnen  der  Rohstoff  entzogen  war.  So  gründlich  verschoben  sich 
von  1300  bis  1600  die  Dinge. 

Die  Wirkung  auf  das  Ausland  war  offenbar  viel  tiefer  als  man  bisher 
annahm.  Die  italienische  Textilindustrie  verdorrte  und  damit  fielen  die 
langen  Transporte  englischer  Wolle,  die  Oberdeutschland  passiert  hatten, 
fort.  Auch  der  Handelsvertrag,  der  1490  auf  sechs  Jahre  zwischen  Eng- 
land und  Florenz  geschlossen  wurde,  mufste  einwirken,  wenn  er  auch 
kaum  ganz  in  dem  buchstäblichen  Sinne  ausgeführt  wurde;  denn  dann 
hätte  alle  nach  Italien  bestimmte  englische  Wolle  mit  Ausnahme  einer 
kleinen  für  Venedig  bestimmten  Quantität  durch  englische  Händler  in 
Pisa  ausgeschifft  werden  müssen,  um  von  dort  aus  weiter  auf  Italien 
verteilt  zu  werden®. 

Ähnlich  nachteilig  wirkte  auf  die  italienische  Seidenindustrie  die 
Ansiedlung  von  Seidenwebern  in  anderen  Ländern,  die  in  Frankreich 
direkt  von  der  Krone  ausging,  welche  1466  Seidenarbeiter  nach  Lyon  zog. 

Das  Handelsleben  war  im  Mittelalter  die  Sache  von  Städten  und 
Stadtrepubliken  gewesen.  Die  nationalen  Staaten,  welche  sich  am  Saume 
des  Atlantischen  Oceans  gebildet  hatten,  zogen  nun  auch  dieses  Feld  in 
den  Bereich  der  Staatsaufgaben  und  damit  war  es  aus  mit  der  Epoche, 
in  der  Handelsherrschaft   und  Seegewalt  den  Städten  gehört  hatte.     Die 


'  Meyer,  Handelsgeschichte  140. 

2  Ashley  2,  288. 

3  (Pagnini)  2,  288  ff. 


g78  Sechzigstes  Kapitel. 

Dynasten  liefsen  sich  jetzt  auch  durch  die  wirtschaftlichen  Interessen  be- 
stimmen, während  das  früher  auf  die  Städte  beschränkt  gewesen  war.  E* 
begann  die  Zeit,  in  der  Tarife  sehr  wuchtige  Waffen  waren.  Die 
dynastische  Politik  wurde  der  städtischen  ähnlicher  und  durch  ihre 
gröfseren  Machtmittel  überlegen.  Die  englische  Krone  erzielte  durch  die 
Konsequenz  ihrer  nationalen  Wirtschaftspolitik  die  glänzendsten  und 
dauerndsten  Erfolge.  Die  siegreiche  Handelspolitik  der  Tudors  hat  erst 
die  Vormachtstellung  der  Fremdkaufleute,  der  Deutschen  und  Italiener, 
vernichtet,  den  Wettbewerb  der  Ausländer  auf  die  Seite  geschoben  und 
Englands  heutiger  Welthandelsstellung  vorgearbeitet. 

Unser  Vaterland  hatte  die  mittelalterlichen  staatlichen  Formen  nicht 
überwunden;  in  zahllose  Territorien  zerrissen,  die  Zölle  besafsen,  war 
eine  nationale  Handels-  oder  Gewerbepolitik  einfach  unmöglich.  Die  Ver- 
suche, wie  der  Vorschlag  des  grofsen  GrenzzoUes  von  1 522,  waren  ebenso 
plump  wie  erfolglos.  Hier  fehlte  die  Hand,  die  den  deutschen  Elaufmann 
decken  und  leiten  konnte.  Das  Reich  war  einer  Handelspolitik  übe^ 
haupt  nicht  fähig.  Man  darf  auch  nicht  vergessen,  daüs  Deutschland 
keine  wirtschaftliche  Einheit  war.  Das  mitteldeutsche  Bergland  schied 
den  Norden,  das  Hansagebiet  von  Oberdeutschland  und  als  drittes 
Element  stand  daneben  das  Gebiet  des  Niederrheins  und  die  Landschafiten, 
deren  Ablösung  sich  langsam  vorbereitete,  das  heutige  Belgien  und  die 
Niederlande.  Die  Gebiete  waren  voneinander  fast  unabhängig  und  in 
Oberdeutschland  merkte  man  kaum,  dafs  der  Niedergang  des  hansischen 
Handels  schon  im  fünfzehnten  Jahrhundert  begann.  Auch  die  greisen 
Territorialstaaten  gewährten  den  eigentlich  Handeltreibenden  nicht  mehr 
Deckung  als  die  schwache  Centralgewalt.  In  Oberdeutschland  lag  er  in 
den  Händen  der  Reichsstädte,  weder  Bayern  noch  Österreich  haben  sich 
ihrer  angenommen.  Die  wirtschaftliche  Gliederung  in  Handelstädte  und 
wesentlich  von  der  Urproduktion  lebende  Halbstaaten  blieb  in  Deutsch- 
land bestehen,  es  wölbte  sich  darüber  nicht  der  feste  Bau  eines  einheit- 
liehen  Staates.  In  dieser  neu  anbrechenden  Zeit  vermochte  selbst  die 
gröfste  Genossenschaft,  die  der  deutsche  Handel  sich  geschaffen  hatte, 
obwohl  sie  ja  fast  einen  Staat  darstellte,  die  Hansa,  sich  nicht  zu  behaupten. 
Auch  ihr  fehlte  die  lebendige  Deckung  der  Interessen  der  WaterkaDte 
durch  das  Binnenland,  des  Handelsgebietes  durch  das  der  Urproduktion. 
Deutschland  blieb  in  der  mittelalterlichen  Handelsverfassung  stecken, 
während  die  nationalen  Staaten,  vorab  England,  Land  und  Leute  zu  einer 
handelspolitischen  Einheit  zusammenschweifsten;  hier  fand  der  Kaufinann 
Rückhalt  und  Deckung  an  seinem  ganzen  Volke.  In  Deutschland  fehlte 
das,  was  jene  Völker  im  Handels-  und  Gewerbsleben  emporhob,  eine 
Handelspolitik.  Diese  Staatenlosigkeit  unseres  Vaterlandes,  seine  poU- 
tische  und  militärische  Schwäche,  der  Mangel  einer  nationalen  Wirtschafts- 


Anderuugen  im  Handelslebeu.  ()79 

politik  sind  für  Oberdeutschland  allerdings  weit  weniger  schädlich  ge- 
wesen y  als  für  die  Landschaften  an  der  Meeresküste.  Italien  hatte  ja 
ähnliche  Verhältnisse  wie  sie  Deutschland  besafs.  Mitteleuropa  ver- 
harrte eben  politisch  wie  wirtschaftlich  in  dem  mittelalterlichen  Zustande. 

War  um  1300  das  Schwergewicht  aller  Länder  wesentlich  agrarisch 
gewesen  mit  Ausnahme  von  Flandern,  Ober-  und  Mittelitalien,  hatte 
Deutschland  damals  die  Verbindung  dieser  beiden  Gebiete  gebildet,  so 
war  um  1500  das  Gewerbe,  das  für  den  grofsen  Markt  arbeitete,  viel 
weiter  verbreitet,  und  wenn  um  1300  Handelsstädte  und  Gewerbecentren, 
sehen  wir  von  den  Hansastädten  ab,  identisch  gewesen  waren,  so  traf 
auch  das  nicht  mehr  zu.  Lissabon  war  ein  Handelsplatz,  nichts  sonst, 
und  später  traten  die  Niederlande  in  den  Bereich  als  ein  Gebiet  von 
Handelshäfen,  ohne  dafs  das  Gewerbe  überwiegende  Kraft  gewonnen  hätte. 

Auch  das  Gewerbe  begann  zu  kranken.  Indem  immer  mehr  die 
Tendenz  hervortrat,  die  Zahl  der  Meister  und  die  ihrer  Gesellen  zu 
fixieren,  ihnen  eine  sichere, '  altgewohnte,  aber  nicht  ausdehnungsfkhige 
„Nahrung*^  zu  gewähren,  das  Zunftrecht  erblich  zu  machen  und  neben 
das  Patriziat  der  Grofskaufleute  einen  Stand  erblicher  Zunftgenossen  zu 
setzen,  erlahmte  auch  die  Kraft  der  Gewerbe. 

Das  Bild  des  europäischen  Handels  verschob  sich  gerade  in  den 
Zügen,  die  für  die  Beziehungen  zwischen  Italien  und  Deutschland  mafs- 
gebend  waren.  Aber  durchaus  nicht  sofort  traten  diese  Konsequenzen 
zu  Tage.  Venedig  ist  sehr  langsam  von  der  alten  Höhe  herabgesunken. 
Italien  war  im  Spezereihandel  erheblich  geschwächt,  in  seiner  Textil- 
kunst  energisch  geschädigt,  aber  zunächst  verblieb  ihm,  dem  Lande 
der  Renaissance,  die  Überlegenheit  in  Kunst  und  Geschmack.  Und 
von  der  deutschen  Ausfuhr  nach  Italien  war  nur  die  englische  Wolle 
fortgenommen;  gerade  das,  worauf  sich  die  höchste  Blüte  Augsburgs 
gründete,  der  Bergbau,  florierte  noch.  Die  gröfsten  oberdeutschen 
Handelsstädte  Augsburg  und  Nürnberg  behaupteten  ihre  technische  Über- 
legenheit in  vielen  Gewerben.  Die  Handelsherren  dieser  Städte  erwiesen 
sich  als  weit  schmiegsamer  als  die  hansischen.  Ohne  Venedig  oder 
Genua  aufzugeben,  erschienen  sie  nun  auch  in  Sevilla,  Lissabon  und 
Antwerpen;  sie  besuchten  die  Messen  von  Lyon  und  Frankfurt,  deren 
Bedeutung  immer  noch  stieg.  Augsburg  behauptete  sich  trotz  schwerer 
Krisen  noch  das  ganze  sechzehnte  Jahrhundert  hindurch  an. der  Spitze 
der  europäischen  Geldmächte.  Härtung  hat  aus  den  Augsburger  Steuer- 
listen nachgewiesen,  dafs  der  Wohlstand  dieser  Stadt  und  ihre  Kapital- 
kraft noch  bis  zum  dreifsigjährigen  Kriege  zunahm  ^  Doch  verlangsamte 
sich  die  Steigerung  des  Besitzes  und  auch  ohne  das  Elend  jenes  Krieges 


^  In  Schmollers  Jahrbuch  Bd.  22. 


ggO  Sechzigstes  Kapitel. 

hätten  schliefslich  Augsburg  und  Nürnberg  von  ihrer  stolzen  Höhe  herab- 
steigen   müssen.     Kleine  Orte   wie   Ravensburg  verschwanden    im    sech- 
zehnten Jahrhundert  aus  dem  Welthandel,  aber  auch  Konstanz  und  Ulm 
sanken  unaufhaltsam.     Im  äufseren  Leben,  in  der  Pracht  der  Bauten,  in 
dem  Luxus  jener  Tage  zeigt  sich    der  Rückgang  noch  nicht  offen,    aber 
es  ist  wohl  ein  historisches  Qesetz,  dafs  die  ästhetische  Blüte  die  finanzielle        . 
um  eine  oder  mehrere  Generationen  überlebt.     Die  Denkmäler   erweisen        i 
als  das  fast  plötzliche  Ende  einer  satten  Blüte  den  dreifsigjährigen  Krieg, 
sie   fHllt  aber   thatsächlich    wohl   sechzig    Jahre   früher.     Wo    politische 
und  wirtschaftliche  Ursachen  zusammenkamen,   konnte  auch  der  Unter- 
nehmungsgeist älter,    wohlerfahrener  Kaufmannsgeschlechter   sich   nicht 
mehr  behaupten.    Die  Zeit  einer  genossenschaftlichen  und  stadtwirtschaft- 
lichen   Handelspolitik    war    abgelaufen,    eine    auf  dem    Gedanken    des 
nationalen   Staates   gegi'ündete    hat  unserem   Vaterlande   erst   das   neun- 
zehnte Jahrhundert  gebracht. 


Achtes  Buch. 

DIE  WAREN  AUF  GRUND  DER  TARIFE 

DES  VIERZEHNTEN  UND  FÜNFZEHNTEN  JAHRHUNDERTS. 


Erster  Teil. 

DIE  ZOLLTABIFE. 

Einundsechzigstes  Kapitel. 
Italienische  Tarife. 

Como.  Linfjcschohene  Stücke  (Chiavenna,  BelUnzonaf  Lhnneti),  Provismies  Vcnetiarum 
et  Januae,  Umarbeitungen.  Art  der  Verzollung.  Genueser  Umsatzsteuer.  Mailänder  Datium. 
Tessiner  Tarife. 

Die  Waren  des  Alpenverkehrs  genau  kennen  zu  lernen,  bieten  ein- 
gehendere Zolltarife  die  beste  Gelegenheit.  Und  solche  sind  zum  Glück 
in  gröfserer  Zahl  vorhanden,  kleinere  Tarife  werden  als  Ergänzung  dienen 
können. 

Der  umfangreichste  aller  für  die  mittleren  Alpen  in  Betracht  kom- 
menden Tarife  ist  nächst  dem  von  Mailand  der  von  Como,  welcher  auch  in 
seiner  Geschichte  höchst  lehrreich  ist  und  gründliche  Auskunft  auch  über 
die  Interessen  der  Nachbarn  gewährt.  Ich  habe  ihn  deshalb  in  den  Ur- 
kunden abgedruckt,  obwohl  von  Liebenau  ihn  bereits  an  allerdings  sehr 
entlegener  Stelle  veröffentlicht  hat;  ich  mufste  in  meiner  Ausgabe  die 
höchst  interessante  Umgestaltung  mit  berücksichtigen  und  habe  diese 
junge  Form  unter  dem  Texte  geboten  ^  Dieses  Dazio  della  mercaneia 
oder  pedaggio  maggiore  wurde  zwar  von  der  Stadt  Como  erhoben,  monat- 
lich hatte  sie  jedoch  für  diesen  Zoll  und  die  andern  Abgaben  4000  fl, 
an  die  Mailänder  Regierung  abzuliefern^. 


'  Urkunden  Nr.  189  u.  190. 
«  Rovelli  3,  1,  26. 


i. 


682  Eiimndsechzigstes  Kapitel. 

Der  älteste  Tarif  ist  mindestens  vor  1328  entstanden,  da  die  gleich 
zu  erwähnenden  Provisiones  Venetiarum  nicht  erwähnt  sind ;  die  Abände- 
rungen und  Ergänzungen  zu  den  einzelnen  Paragraphen,  welche  in  unsern 
Text  schon  aufgenommen  sind,  stammen  aus  den  Jahren  1849 — 1365. 
Die  Anordnung  der  einzelnen  Posten  ist  weder  eine  streng  sachliche, 
noch  eine  alphabetische.  Das  erstere  Princip  ist  wenigstens  hie  und  da 
durchgeführt.  An  den  Comasker  Zolltarif  schliefst  sich  in  der  uns  er- 
haltenen Fassung  ein  knapper  Tarif  über  den  uralten,  zu  Chiavenna  er- 
hobenen Brückenzoll  an,  der  im  wesentlichen  nach  den  Transportmitteln 
erhoben  wurde  (Saumlast,  Traglast,  Fässern,  Häuptern)  ^  Wie  dieser  war 
ein  Zuschlag  zu  dem  Comasker  Zoll  das  ^^pedagium  vettts  BerinBonet^ 
das  sich  auf  die  Bedürfnisse  eines  Alpenthales  bezieht^.  Dieser  Zoll 
wird  von  den  Lebensmitteln  erhoben,  daneben  erscheint  nur  die  Sichel; 
der  Zoll  pafst  also  in  die  Zeit  vor  dem  Aufblühen  des  Gotthardverkehrs  ^. 
Es  folgen  in  der  grofsen  Sammlung  der  Bestimmungen,  unter  denen  der 
Zoll  verpachtet  wurde,  zahlreiche  über  die  Art  der  Erhebung.  Innerhalb 
derselben  sind  drei  Stücke  besonders  wertvoll.  Zunächst  erwartet  man 
viel  von  den  Pacta  hominum  de  Leventina  et  comunis  Oumarum;  dieser 
Titel  enttäuscht,  denn  thatsächlich  sind  es  die  allgemeinen  Zollgesetze 
mit  einer  Reihe  von  Abänderungen  von  1342  an.  Neben  Bellinzona 
werden  als  zulässig  für  den  Alpenverkehr  die  Strafsen  von  Ossola,  Chia- 
venna und  Bormio  bezeichnet,  namentlich  wurde  der  Verkehr  durch  die 
Val  Maggia  verboten*;  andere  Bestimmungen  betreffen  die  Schiffahrt  auf 
dem  Comersee,  ihr  Zweck  ist,  zu  verhindern,  dafs  ihn  keine  Güter  ohne 
die  Zahlung  des  Comasker  Zolles  befahren.  Die  wirklichen  Abmachungen 
zwischen  dem  Livinenthale  und  Como  sind  zunächst  in  der  Diminuito 
facta  Ulis  de  Leventina,  Ondergtialdo ^  Orogera  et  MezoUsina  enthalten, 
einem  Vertrage  von  1335,  der  von  den  Leuten  von  Livinen,  Unterwaiden, 
Uri  und  Misox  angeregt  wurde,  um  die  Kaufleute  auf  dem  bisher  ge- 
bräuchlichen Wege  zu  erhalten*.  Es  war  eine  Herabsetzung  des  Zolls 
auf  die  wichtigsten  Handelsartikel,  um  den  Verkehr  auf  der  einen  Alpen- 
strafse  zu  heben.  Es  werden  aufgeführt  an  Metallen:  Erz,  Stahl,  Zinn 
und  Eisen,    an   Textilwaren    und   Rohstoffen:    boldinellarum j   Barchent, 

»  Vgl.  Bd.  II  S.  125,  14—29. 

«  Ebda.  8.  125,  30—126,  19. 

^  Selbstredend  fehlt  ein  Tarif  der  Fürleite  zu  Biasca,  da  diese  zu  erheben  erst 
1467  genehmigt  wurde.    Heusler  33,  255. 

*  In  einer  Handschrift  des  Archivs  von  Como  fand  ich  aach  ein  Verbot  der 
Strafsen,  welche  »capitant  in  plebibM  Grabedone  et  Dongi*,  das  ist  also  der  S.  Jorio- 
pafs,  der  den  obersten  Teil  des  Comersees  mit  Biasca  verbindet.  1469  verhandelte 
Como  aber  mit  dem  Herzog  darüber,  hier  eine  Strafse  zu  bauen.  Vgl.  die  betr. 
Urk.  Boll.  stör.  d.  Svizz.  ital.  11,  282;  Rovelli  3,  1,  318. 

»  Abdruck  Urkunden  8.  127,  13—130.  14. 


Italienische  Tarife.  683 

Baumwolle,  Wolle,  Tücher,  Grautticher  von  üri,  Zendal,  Felle  und  Pelz- 
werk: bacillorum,  Lösch,  Corduanleder,  balzanorumy  Felle;  Spezerei- 
waren  und  FarbstoflFe:  Krapp,  Indigo,  Lorbeerbeeren;  Streitrosse,  Wein 
und  aufserdem  tlie  Lebensmittel,  wie  sie  in  den  Alpen  genossen  oder  er- 
zeugt werden. 

Es  war  aber  dieses  nicht  die  einzige  diminutio^  sondern  kurz  vorher 
war  der  Zollaufschlag,  den  Graf  Wemher  von  Homberg  bei  den  Zöllen 
von  Como  und  Bellinzona  in  einem  Drittel  ihres  Betrages  erreicht 
hatte,  für  die  von  Luzem,  Uri,  Urseren,  Unterwaiden  und  Schwyz  auf- 
gehoben*. 

Die  Venetianer  erreichten  1328  einen  Special  vertrag,  der  für  ver- 
schiedene Waren  eine  ganz  bedeutende  Erleichterung  des  Transits  be- 
deutete. Der  Ballen  Baumwolle  und  Wolle  sollte  1  fl.  zahlen,  für  Woll- 
tücher und  alle  andere  Waren  wurde  der  Satz  auf  2  fl.  bemessen*. 
Diesem  den  Transporteuren  einer  bestimmten  Stadt  gewährten  Schutze 
tritt  das  Privileg  für  eine  bestimmte  Transportrichtung  in  den  wichtigen, 
schon  oben  besprochenen  Provisiones  Januae  gegenüber".  Die  Bestim- 
mungen sind  im  einzelnen  schon  oben  berührt  An  Warengattungen  er- 
schienen französische  Tücher,  solche  von  Florenz  und  Provins,  englische 
Wolle,  Seide,  seidene  Tücher  u,  s.  w.,  Pelzwerk,  Spezereien  und  Farb- 
waren, endlich  grobe  Waren.  Auch  diese  Sätze  beziehen  sich  auf  den 
Transithandel. 

Diese  verschiedenen  Specialtarife  haben  neben  dem  Haupttarif  Gültig- 
keit gehabt,  an  der  Zollstelle  von  Como  mochten  jedoch  manche  Zweifel 
bestehen  und  das  Bedtlrfnis  sich  geltend  machen,  einen  einzigen  Tarif  an 
die  Stelle  zu  setzen  und  ihn  alphabetisch  zu  ordnen.  Dieser  Arbeit 
unterzogen  sich  1379  Leute,  welche  den  Zoll  erhoben  hatten,  aber  noch 
1381  wurde  die  alte  Form  erneuert;  den  umfangreichen  Text  dieses 
neuen  Tarifes  neben  dem  alten  abzudrucken,  konnte  ich  mich  nicht  ent- 
schliefsen,  ich  habe  die  Bestimmungen  des  neuen  Tarifes  unter  den  be- 
treffenden des  alten  abgedruckt  bezw.  kurz  mitgeteilt.  Der  Vergleich 
ergiebt  das  folgende:  Neue  Posten  sind  nur  wenige  hinzugekommen,  der 
ursprüngliche  Zolltarif  war  ja  schon  so  eingehend,  wie  kein  Zolltarif 
nördlich  der  Alpen.  Völlig  geändert  scheinen  auf  den  ersten  Blick  die 
Sätze  zu  sein,  doch  ergiebt  die  nähere  Prüfung,  dafs  sie  im  Verhältnis 
von  2  zu  3  regelmäfsig  erhöht  sind.    Nach  der  Darstellung  von  Rovelli  * 


»  S.  oben  S.  227  u.  438. 

>  Abdruck  V.  Liebe  nau  im  Periodico  272—277;  auch  angeführt  Marin  6,  272. 

«  Urkunden  Nr.  191  u.  248. 

^  3,  28  f.  Ich  kann  hier  die  Untersuchong  nicht  zu  Ende  fuhren,  da  die  ent- 
scheidenden Bde.  rV  u.  y  der  Statuten  des  JDaiium  pedcigii  während  meines  Aufent- 
haltes in  Como  verliehen  waren. 


gg4  Eiuundsechzigstcs  Kapitel. 

wurde  das  ^dazio  della  mercantia^  von  Como  1372  um  ein  Drittel  er- 
erhöht und  bestand  ursprünglich  in  einem  Wertzoll  von  12  %  auf  das 
Pfund,  also  von  5  ®/o.  Des  weiteren  sind  aufgenommen  die  Sätze  der 
drei  Begünstigungsverträge,  und  zwar  erscheinen  die  der  Frovisiones  Januae 
in  dem  dreifachen  Betrage  und  die  der  Provisianes  Venetiarum  zu  dem  Satze 
1  fl.  =  2  ^  8  ^  umgerechnet  und  die  der  Livinenthäler  und  Schweizer 
wiederum  von  2  auf  3  gehoben. 

In  diesem  Zustande  hat  sich  der  Tarif  bis  in  die  Neuzeit  erhalten; 
der  älteste  Druck,  den  ich  in  der  Ambrosiana  zu  Mailand  fand,  stimmt 
mit  den  Sätzen  von  1381  noch  fast  immer  überein  ^  Bei  Erhöhungen 
diente  der  Tarif  weiter  als  Grundtaxe.  Die  Tarife  waren  also  aufser- 
ordentlich  konservativ ;  in  einer  Zeit,  in  der  kein  Metzer  mehr  wufste,  dals 
er  in  Como  Vergünstigungen  genofs,  als  die  Wollenmanufaktur  von  Provins 
längst  verschwunden  war,  schrieb  man  noch  immer  geduldig  die  Formeln 
ab.  Gerade  an  diesen  Stellen  wirken  auch ,  noch  andere  Verträge  nach. 
So  erinnert  bei  den  Bestimmungen  über  die  Wolle  die  Erwähnung  von 
Novum  Castrum  an  die  Verhandlungen  mit  Neufchäteau  von  1321,  und 
wenn  daneben  Metz  genannt  wird,  so  dürfen  wir  wohl  schliefsen,  dafs 
auch  mit  dieser  Stadt  einst  ein  Vertrag  abgeschlossen  wurde.  Wolle  von 
Tunes  und  Buzca  (Buzea)  oder  von  Tesino  (Tinexio)  und  Bussola  ist 
afrikanischen  Ursprunges,  es  ist  die  aus  Tunis  und  Bugia  in  Algerien. 
Die  Wollausfuhr  von  Tunis  erwähnt  Pegolotti  ausdrücklich  und  Bugia 
^  kennt  auch  aus  anderer  Quelle  Canale^.  Selbstredend  kann  es  sich  da 
um  keinen  Vertrag  handeln.  Bei  den  Tüchern  wird  besonders  Provins, 
Bergamo  und  Val  Maggia  erwähnt,  was  nahe  legt,  an  bestimmte  Verträge 
zu  denken. 

Der  Zoll  von  Como  verzollt  grundsätzlich  fast  alles,  es  dürfte  nicht 
viele  Gegenstände  geben,  die  nicht  der  Verzollung  unterlegen  hätten. 
Die  Berechnung  nach  Transportmitteln  ist  gänzlich  verschwunden,  in  den 
meisten  Fällen  wird  nach  dem  Gewichte  bezw.  bei  Flüssigkeiten  nach 
dem  Raummafs  erhoben  und  handelt  es  sich  um  einen  Wertzoll.  Einmal 
führt  der  verschiedene  Ansatz  für  die  verschiedenen  Waren,  dann  die 
Einteilung  in  verschiedene  Provenienzen  derselben  Ware  auf  eine 
Differenz  dem  Werte  nach.  So  bei  der  Wolle  und  den  Tüchern.  Ganz 
ausgesprochen  ist  der  Wertzoll  bei  den  Streitrossen®,  wo  die  Angaben 
des  Hufschmiedes  zu  Grunde  zu  legen  sind.  Ursprünglich  war,  wie  ge- 
sagt, nach  Rovelli    der  ganze  Zoll   ein  Wertzoll  von   12  ^   auf  das   it, 


^  Dato  del  Datio  della  Mercantia  di  Milano.  Biblioteca  Ambrosiana  in  Mai- 
land 8.  1.  e.  a.  enthaltend  die  Tarife  von  Mailand,  Pavia,  Como,  Novara,  Lodi  und 
Vigevano,    Die  späteste  Jahreszahl,  die  ich  fand,  1573. 

2  122.    Canale  S.  177. 

3  S.  unsere  Ausgabe  [32.  33]. 


k 


Italienische  Tarife.  685 

also  von  5  **  o  ^  Doch  trifft  das  nur  für  den  ursprünglichen  Tarif  zu. 
Einfuhr  und  Ausfuhr  sind  in  den  meisten  Fällen  verschieden  behandelt, 
ja  innerhalb  derselben  ist  der  Unterschied  noch  verfeinert.  Einfuhr  und 
Ausfuhr  werden  meist  von  der  Durchfuhr  deutlich  unterschieden,  bei  der 
Einfuhr  bezw.  Ausfuhr  wird  mitunter  eingeteilt,  ob  die  Ware  nur  den 
Gerichtsbezirk  von  Como  betritt  oder  auch  die  confinia^.  Der  Satz  ist  für 
die  verschiedenen  Strafsen,  wie  schon  oben  erwähnt  ist,  nicht  der  gleiche. 
Auch  der  Weg  über  Magadino  wird  von  dem  über  den  Monte  Cenere 
unterschieden^.  Durchweg  sind  die  Zollsätze  für  Waren,  die  die  Alpen  über- 
schreiten, höher  als  die  für  den  Verkehr  im  Pogebiete  selbst  Die  Be- 
günstigung des  Transits  von  Venedig  und  Genua  ist  vorhin  näher  aus- 
auseiiiandergelegt.  Das  System  von  Como  vereinigt  somit  die  ver- 
schiedensten Gesichtspunkte;  eine  nähere  Prüfung  würde  hier  zu  weit 
führen. 

Die  Kenntnis  des  Tarifes  der  Genueser  Umsatzsteuer  verdanke  ich 
Sieveking,  der  mir  seine  Abschrift  zugänglich  machte.  Die  Anordnung 
der  etwa  350  Posten  ist,  wie  beim  jüngeren  Comasker  Tarife,  alphabetisch. 
Die  Deutung  der  Warennamen  und  der  Herkunftsorte  ist  nicht  leicht, 
da  sich  viele  unbekannte  Worte  finden  und  die  Ortsnamen  sehr  entstellt 
sind.  Als  deutsch  werden  nur  die  baldinelle  aufgeführt.  Bei  der  Auf- 
zählung der  Orte,  worauf  ausgestellte  Wechsel  gehandelt  werden,  finden 
sich  wohl  Avignon,  Paris,  Montpellier,  Brügge  und  England,  nicht  aber 
Deutschland.  Auch  unter  den  Tuchen  finden  sich  nur  Provenienzen  aus 
dem  heutigen  Belgien,  keine  deutschen.  Ganz  besonderes  Interesse  ver- 
dient der  Tarif,  weil  er  auch  die  Geldgeschäfte  mit  einschliefst:  asse- 
curamenta,  coniracti  stve  usure,  loca,  naulizamenta. 

Vor  allen  anderen  Tarifen  hat  der  des  Mailänder  Datium  den  Vorzug, 
sachlich  geordnet  zu  sein.  Er  umfafst  im  Foliodruck  von  1480*  15  Seiten 
und  ist  noch  vollständiger  als  der  Comasker  oder  der  Genueser.  Er 
kennt  keine  Abstufungen  nach  Wegen  und  unterscheidet  höchst  selten 
Ausfuhr  oder  Einfuhr,  ist  vielmehr  ein  nicht  differenzierter  Wertzoll  und 
zwar  von  5  ®/o ;  der  Zoll  heifst  deshalb  auch  datium  denariorum  XII  pro 
libra.  Da  es  sich  also  um  einen  Wertzoll  handelt,  erfahren  wir  durch 
die  Ansätze  des  Tarifes  auch  den  Durchschnittspreis  und  fUr  den  Zweck 
der  Preisgeschichte  ist  er  besonders  wertvoll.  Er  verdiente  nach  dieser 
Richtung  eine  besondere  Bearbeitung.  Beginnend  mit  den  Bekleidungs- 
materialien, folgen  die  merzarie^  die  Lebensmittel,  Eisen,  Erz  und  Bronze, 


>  Rovelli  3,  1,  28. 

«  L43.  44.  65]. 

»  [8.  25.  20.  27.  44;  vgl.  7]. 

^  «Statuta  Datiorum«  in  den  Statuta  Mediolani. 


ggg  Zweiundsechzigstes  Kapitel. 

Seide  und  Seidenwerk,  Farbstoffe,  Pelzwerk,  verschiedene  Dinge  und  ein 
Spezereitarif  von  215  Sorten. 

Ein  anderer  kleiner  Tarif  der  in  den  Statuta  mercatorum  Mediolani 
sich  findet,  giebt  die  Waren  an,  welche  bei  Beraubungen  den  Schaden- 
ersatz aufbringen  sollten.  Es  sind  Wollballen,  überbergische  Ttlcher, 
Barchent,  Wachs,  Streitrosse  und  von  Genua  kommende  Saumlasten  ^. 

Von  den  übrigen  Tarifen  der  italienischen  Alpenseite  ist  keiner  von 
grofser  Bedeutung.  Die  zu  Bellinzona  erhobene  Fürleite  wurde  für  den 
Verkehr  über  den  Monte  Cenere,  nach  Magadino  und  Biasca  meist  nach 
dem  Transportmittel  erhoben.  Nur  genossen  ürner  Tuche,  Wein  und 
die  Saumlast  corvorum  besondere  Begünstigungen*.  Der  Zolltarif  von 
Locamo  bez.  Magadino  berücksichtigt  nur  den  ländlichen  Verkehr,  Holz, 
Vieh  u,  s.  w.®,  etwas  weniger  ist  das  der  Fall  bei  dem  von  Biasca,  der 
138&  aufgestellt  wurde.  Wenn  man  da  den  Zoll  von  Habicht  und 
Falken,  vom  grofsen  und  kleinen  Vieh,  von  Getreide  und  Wein  findet, 
so  würde  man  nicht  an  eine  Welthandelsstrafse  denken.  Für  seine 
Artikel  gab  es  einen  generellen  Satz,  daneben  werden  nur  Barchent  und 
Wein  genannt*. 

Zweiundsechzigstes  Kapitel. 
Deutsche  Tarife. 

Luzern,  die  sonstige  Schweiz.  Konstanz,  Basel.  Strafsburg ^  der  alte  PfundzoU. 
ZoUkeüer.  Pflichtezoll.  Kaufhauszoll  JEnttcicklung  der  Transitahgaben.  Herabsetzung. 
Zc^lbefrnungen.     Worms:  KaufhauszoU.    Handelsbuch  des  Pasi. 

Ein  durchaus  kaufmännisches  Gepräge  hat  der  Zoll  von  Luzem, 
der  1341  von  den  Habsburgern  an  die  Hallwyler  verpfändet  wurde. 
Der  Tarif,  der  in  die  Zeit  von  1341  bis  1386  fällt»,  hat  den  höchsten 
Satz  (5  jS)  für  ein  grofses  Rols,  der  nächsthöchste  Satz  (von  2  Jf  8  d.) 
ruht  auf  jedem  Gewandballen,  der  folgende  (von  2  ^  3  d.)  auf  WoII- 
ballen,  Saumlast  Bückinge,  Öl,  nach  Norden  gehende  Fardel,  ein  Satz 
von  23  d.  auf  aller  Märscherey,  JSnfer  gut^  Stahl,  Waid  und  Röte  und 
Centner-Gut.  Andere  kleinere  Posten  übergehe  ich.  In  dem  keineswegs 
vollständigen  Tarife  treten  die  Hauptartikel  des  Handels  deutlich  heraus. 

Denselben  Charakter,  wiewohl  die  aufgeführten  Waren  vielfach 
andere  sind,  trägt  der  Tarif  für  den  Zoll  im  Kauf  hause  von  1390*,  bei 

^  Statuta  Mercatorum  in  den  Statuta  Mediolani  Fol.  213. 
2  Urkunden  Nr.  192. 

*  Abgedruckt  bei  v.  Liebenau,  Arch.  f.  Schweiz.  Gesch.  20,  80  ff. 

^  Ebda.  20,  155  ff.  Fustanei  ist  statt  stustanci,  in  ultra  montana  statt  in 
crualia  zu  lesen. 

^  Gedruckt  bei  v.  Liebenau,  Arch.  f.  Schweiz.  Gesch.  20,  49  f. 

•  Ebda.  20,  160.    Vgl.  auch  161  f. 


Deutsche  Tarife.  687 

dem  Zoll,  den  der  Schiffmeister  von  Luzern  erhob,  tritt  in  den  Waren 
jedoch  mehr  das  bäuerliche  Leben  hervor*.  Der  Tarif  des  von  den 
Habsburgern  neu  eingerichteten  Zolles  zu  Rothenburg  ähnelt  in  etwa, 
jedoch  mit  weit  niedrigeren  Sätzen  dem  Hallwyler  Zoll  von  Luzern, 
während  der  Zoll  an  der  neuen  Fahrbrticke  über  die  Emme  ein  einfaches 
nach  dem  Transportmittel  berechnetes  Brückengeld  ist  ^.  Von  den  übrigen 
innerschweizerischen  Zolltarifen  sind  die  von  Bern  aus  dem  Anfang  des 
fünfzehnten  Jahrhunderts  und  der  aus  gleicher  Zeit  stammende  von  Aarau 
recht  eingehend  und  brauchbar®. 

In  dem  Zolltarife  von  Konstanz  haben  wir  den  ältesten  eingehenderen 
Tarif  Oberschwabens,  wenn  Gothein  und  ich  ihn  richtig  ansetzen,  d.  h. 
bald  nach  Begründung  des  Kaufhauses.  In  ihm  ist  vereinigt  das  Lager- 
geld im  Kauf  hause  mit  der  Wägegebühr  einerseits  und  ein  Zoll  (Brücken- 
geld) andererseits.  Die  Ansätze  richten  sich  nach  dem  Werte  der  Waren, 
der  höchste  Betrag  entfallt  auf  einen  Venediger  Ballen,  d.  h.  auf  einen 
Ballen  Spezerei;  die  Ansätze  sind  im  allgemeinen  niedrig.  E^  wird  der 
Bürger  bei  vielen  Artikeln  erheblich  besser  gestellt  als  der  Fremde*, 
bei  der  englischen  Wolle  wird  von  den  Ortsfremden  der  Deutsche  noch 
gegenüber  dem  Welschen  begünstigt'^.  Der  Transitverkehr  wird  wenigstens 
bei  den  meisten  Wollstoffen  ausdrücklich  bevorzugt.  Der  Zolltarif  wird 
durch  eine  jüngere  Spezereiordnung  gerade  nach  einer  Seite  hin  ergänzt, 
die  dort  nur  allgemein  behandelt  war^. 

Die  Baseler  Kauf  hausordnung,  welche  Getreide  und  Salz  ausschliefst  ^ 
ist  noch  specialisierter  als  die  Konstanzer,  kommt  aber  der  grofsen  Strafs- 
burger  Ordnung  nicht  von  ferne  gleich.  Sie  ist  jüngst  von  Eheberg, 
nachdem  bisher  nur  kleine  Stücke  bekannt  waren,  veröffentlicht  worden. 
Durch  diesen  Abdruck  und  das,  was  das  Strafsburger  Urkundenbuch 
brachte,   ist  man  in  den  Stand  gesetzt,   die  verwickelte  Geschichte  des 

*  V.  Lieben  au,  Ar  eh.  f.  Schweiz.  Gesch.  20,  178. 

•  Jener  ebda.  20,  143.  Vgl.  18,  306.  Dieser  ebda.  18,  349.  —  Die  Tarife  von 
Zürich  (Mitteil.  Zürich  8,  39),  Freiburg  i.  Ü.  u.  s.  w.  zählen  nur  wenige  Waren- 
gattungen auf. 

'  Welti  666  ff.  mit  Erläuterungen.  Das  Aarauer  „Geleite*':  Rechtsqnellen 
des  Kantons  Aargan  1.  Teil  Bd.  1  S.  49—51,  B ab  1er  in  Zeitschr.  f.  Gesch.  d. 
Oberrh.  37,  118  ff.  und  Habsb.  Urbar  2,  745  f.  Den  Aaraner  Tarif  ziehe  ich  nur 
gelegentlich  heran.  Der  Tarif  von  Aarbarg  ist  nicht  besonders  eingehend  Habsb. 
Urbarb.  2,  752  f. 

^  Indigo,  Barchent,  Papier,  rheinisch  Gewand,  deutscher  und  italienischer 
Wein.  Mühlsteine,  Schleifsteine,  Blechwaren,  Öl,  Honig,  verschiedene  Sorten  Pelz- 
werk, Leder,  Eisen,  Kupfer,  Stahl,  Salz,  Spezerei  und  Safran« 

»  Urkunden  Nr.  347. 

«  Urkunden  Nr.  360. 

'  Von  einem  Abdruck  habe  ich  abgesehen,  sie  ist  eingehend  von  Geering 
benutzt. 


gg3  Zweiundsechzigstes  Kapitel. 

Strafsburger  Zollwesens  im  einzelnen  aufzuhellen.    Doch  haben  wir  hier 
es  nur  mit  dem  zu  thun,  was  den  internationalen  Handel  betrifft. 

Die  älteste  Verfassung  teilte  dem  Burggrafen  den  unwichtigen  Zoll 
von  dem  zu,  was  auf  dem  Naschmarkte  ausgeboten  wurde  und  für  den 
Fernhandel  gar  nicht  in  Betracht  kam.  Obst,  Trauben,  Knoblauch, 
Zwiebeln,  Käse,  Eier  und  daneben  Schüsseln,  Häfen.  Die  Stellung  zu 
bestimmten  Zünften  führte  auch  den  Zoll  von  Mühlsteinen,  Ol,  von 
Speerschäften  und  in  früherer  Zeit  auch  von  Schwertern  in  seine  Hand  ^. 
Der  eigentliche  bischöfliche  Zöllner  trug  diesen  Namen  von  dem  grofseu 
Zolle.  Das  älteste  Recht  der  bischöflichen  Beamtungen  läfst  uns  erkennen, 
dafs  der  Zoll  ein  Wertzoll  von  ^lao  (1,66  ^/o)  war^  und  nach  dem  Satze, 
vom  Pfunde  4  d.  wurde  er  „Pfundzoll"  benannt.  Dieser  Zoll  verblieb  mit 
seinem  uralten,  unbeholfenen  Tarif,  nach  dem  auch  noch  im  fünfzehnten 
Jahrhundert  zum  Teil  in  natura,  so  von  Tellern  oder  Schüsseln  der  Zoll 
erhoben  wurde,  als  ein  bischöfliches  Institut  bestehen^  und  den  Mittel- 
punkt dieser  Verzollung  bildete  der  am  Wasser  im  ältesten  Stadtteile 
belegene  vielleicht  uralte  Zollkeller.  Der  älteste  Zolltarif  Hefs  den  Kauf- 
mann, der  mit  seinen  Saumlasten  durch  die  Stadt  zog,  von  jedem  Zolle 
frei.  Nur,  wer  seine  Waren  aus  einem  Schiffe  in  ein  anderes  umlud, 
hatte  eine  feste  Gebühr  von  4  d.  zu  bezahlen  *.  Es  gab  also  noch  keinen 
Durchgangszoll  in  Strafsburg. 

Dieser  wurde  als  „Pflichtezoll"  aus  der  Uniladegebühr  entwickelt. 
Man  hielt  sich  nicht  mehr  an  das  Umladen,  sondern  jedes  Schiff  und  jeder 
Wagen,  der  mit  Kaufmannschaft  in  die  Stadt  kam,  zahlte  die  Gebühr 
von  4  d.  und  ebenso  viel  beim  Verlassen,  beim  Karren  und  beim  Pferde 
betrug  die  Gebühr  die  Hälfte.  Hätte  sich  das  zu  einer  sehr  rohen 
Transportmittelsteuer  entwickeln  können,  so  haftete  doch  die  Erinnerung 
an  die  Erhebung  von   dem  Eigentümer   der  Waren   zu  fest  und  es  war 


'  Vgl.  das  sogen,  erste  Stadtrecht  Strafsb.  Urkb.  1,  470  §  47.  48  und  die  Auf- 
zeichnung über  das  Recht  des  Burggrafen  ebda.  4,  2,  200 — 216,  namentlich  209—212. 

2  Strafsb.  Urkb.  1,  470  §  49-58. 

»  Ebda.  4,  2,  216—240,  namentlich  219—221.  Bei  Eheberg  manche  wichtige 
Stücke  Nr.  50  (Einnahmen  und  Ausgaben.  Die  Einnahmen  beliefen  sich  in  nicht 
ganz  Jahresfrist  auf  378  ÄJ  3  jff  10  <^  Wäre  der  Satz  [V«o  vom  Verkaufe]  that- 
sächlich  allgemein  gültig  gewesen,  was  nicht  der  Fall  ist,  so  wäre  im  Zollkeller 
ein  Umsatz  von  24080  €6  verzollt  worden),  68  (Verhör  der  bischöflichen  Zoller), 
80  (Ofihung  der  Zollkiste),  118  (Ordnung  des  Zolles  von  1479),  129  (Ordnung  des 
Zolles  am  Wighuslin),  292  u.  sonst.  Der  Zoll  war  an  den  bekannten  Strafsburger 
Bankier  Heinrich  v.  Mülnheim  verpfändet  und  ging  von  seinen  Kindern  1888  bez. 
1343  an  die  Stadt  über  (Strafsb.  Urkb.  5,  88  f.  u.  125).  Es  erwarb  ihn  dann  aber 
der  Bischof  zurück,  doch  ruhten  auf  ihm  schwere  Rentenabgaben.  Zu  dem  Zolle 
gehörte  auch  die  Fronwage. 

*  Sogen,  erstes  Stadtrecht  §  50  u.  51.     Strafsb.  Urkb.  1,  470. 


Deutsche  Tarife.  689 

normiert,  dafs  jeder  Eigen ttlm er  von  Waren,  so  viele  ihrer  es  sein  mochten, 
der  auf  das  Transportmittel  geladen  hatte,  die  Gebühr  zu  entrichten  habe  ^ 
Dieser  älteren  Stufe  entspricht  es  auch,  dafs  der  Zoller  noch  am  Ende  des 
vierzehnten  Jahrhunderts  das  Gericht  über  die  Gäste  über  Kaufmannschaft 
und  Fuhrlohn  besafs,  wenn  auch  bereits  mit  einigen  Einschränkungen^. 

Ein  höchst  fein  differenzierter  Zoll  entwickelte  sich  aus  dem  Neu- 
burger, den  1381  Wenzel  der  Stadt  von  dort  in  den  Bereich  derselben  zu 
verlegen  gestattete®,  und  der  Mittelpunkt  der  Erhebung  wurde  das  Kauf- 
haus, der  glückliehe  Rivale  des  alten  bischöflichen  Zollkellers.  Wir 
sehen,  wie  die  Stadt  das  Gebot  durchführte,  dafs  alle  Kaufmannschaft 
sofort  ins  Kaufhaus  verbracht  werden  mufste  und  nur  dort  verkauft 
werden  durfte.  Zahlreiche  Ordnungen,  Ratschläge,  Schriftstücke  be- 
weisen es,  wie  sehr  das  Kaufhaus  der  Mittelpunkt  des  städtischen  Handels 
geworden  war.  W^ir  haben  drei  Fassungen  des  Zolltarifes.  Der  älteste 
ist  von  1401*,  ein  mittlerer  ist  noch  nicht  veröffentlicht*,  der  dritte 
wird  in  die  Zeit  von  1450—1477  gesetzt*.  Die  Abweichungen  im 
einzelnen  sind  sehr  mannigfach,  für  uns  ist  besonders  wichtig,  dafs  sich 
allmählich  ein  Transitzoll  aus  dem  übrigen  Zolltarife  ausscheidet,  der 
»fürgande«,  der  fortgehende  Zoll  stellt  sich  neben  den  Verkaufszoll. 

Der  erste  Tarif  kennt  nur  eine  Bestimmung  für  den  Durchgangs- 
verkehr, die  Lamparter  müssen  für  ihre  Wollsäcke,  Baumwollfardel  und 
Gewandballen  fiir  das  Stück  10  ß  zahlen^.  Im  übrigen  ist  es  durchaus 
die  Tendenz  des  Tarifes,  Strafsburg  zu  einem  Stapel  zu  machen,  die 
einfache  Durchfuhr  zu  erschweren  ®.  Zu  einem  solchen  Versuche,  der  in 
Köln  gelingen  konnte,  reichte  die  Bedeutung  Strafsburgs  nicht  aus.  Der 
zweite  fixiert  die  Summe  auf  1  fl.  und  bringt  zuerst  das  Verzeichnis  italieni- 
scher Städte,  von  denen  Lamparter  gut  vardel  kommen.  Es  sind :  Meyelon, 
Kum€y  Florencie^  Lücke,  Hohenseen,  Bise,  Dietherichs  Bern,  VenediCj  Tennotve, 
Asidesan  und  alles  Bemfmt.  Ihnen  gleichgestellt  ist  das  Gut  von  Katalonien, 
Montpellier  und  Avignon ;  ebenso  folgen  genaue  Bestimmungen  über  Genfer 
Gut,    das   auch    zu   den  Messen   (wohl   den   Frankfurtern)   herabkommt. 


1  Strafsb.  Urkb.  4,  2,  221,  19—222,  11.  Dafs  Schiff  und  Wagen  gleichgesetzt 
wurde,  spricht  für  die  geringe  Fassungsfähigkeit  der  damaligen  Schiffe. 

«  Ebda.  4,  2,  222,  30—37. 

»  S.  oben  S.  482. 

*  Abgedruckt  bei  Eheberg  Nr.  7  S.  4 — 10;  zum  Teil  bei  Schmoll  er, 
Tucherzunft. 

^  Erhalten  in  Bd.  17  der  Stadtordnuugen  im  Strafsburger  Stadtarchiv,  jedoch 
völlig  anseinandergerissen  und  falsch  gebunden,  auch  nicht  ganz  vollständig.  Stücke 
davon  hat  Eheberg  als  Nr.  160,  185  und  186  veröffentlicht. 

«  Abgedruckt  bei  Eheberg  Nr.  103  S.  261— 297.    Bruchstücke  bei  Schmoll  er. 

^  Eheberg  S.  5. 

«  Schmoller  428  f.  505. 
Schulte,  Oesch.  d.  mittelaUerl.  Handels.    I.  44 


690  Zweiundsechzigstes  Kapitel. 

Auch  bei  einer  Menge  von  Artikeln  findet  sich  der  Durchfuhrzoll  an- 
gemerkt, bei  den  meisten  TextilstofFen ,  der  Spezerei  im  allgemeinen, 
Papier,  Eisen  und  andern  Artikeln.  Bei  den  Ballen  Tuch  und  WoUen- 
gewand,  den  Spezereifardeln ,  Eisen  und  auch  bei  dem  sogenannten 
Toulouser  Gut  —  von  Lombarden  in  Laden  verpackte  Gold-,  Silber-  oder 
Seidentücher  —  ist  der  Zoll  gleichmäfsig  auf  1  fl.  oder  10  ß  bemessen. 
Der  Amtmann  auf  dem  Kaufhause  durfte  aber  von  diesem  Gelde  den 
Durchreisenden  etwas  zurückgeben,  damit  die  Strafse  desto  minder  ge- 
mieden werde.  Besonders  drückend  mufste  es  den  Kauf  leuten  erscheinen, 
dafs  sie  die  Ballen  nicht  öffiien  und  zum  Verkaufe  aussetzen  durften, 
wenn  sie  auf  den  Durchgangszoll  Anspruch  machen  wollten,  doch  bestand 
schon  die  Bestimmung,  dafs  von  aufgebundenem  aber  unverkauftem  Gute 
nur  der  halbe  Verkaufszoll  zu  entrichten  war. 

Die  Höhe  dieses  fürgehenden  Zolles  —  der  gleichmäfsig  10  jff  für 
die  Saumlast  betragen  zu  haben  scheint  —  schadete  aber  noch  immer 
dem  Durchgangsverkehr.  Die  Eisenhändler  suchten  andere  Wege  und 
lagerten  namentlich  in  Rastatt  und  ebenso  gingen  die  anderen  Elauf- 
mannswaren  vom  Wege  ab  und  suchten  am  Fufse  des  Schwarzwaldes 
oder  der  Vogesen,  bei  OfFenburg  oder  Molsheim  dem  Strafsburger  Zoll 
zu  entweichen  und  auch  beim  Tuchhandel  hatte  die  Bestimmung  über 
den  halben  Zoll  bei  aufgeschlagenen  aber  nicht  verkauften  Waren  die 
Händler  verscheucht.  Es  brach  sich  bald  immer  mehr  die  Überzeugung 
Bahn,  dafs  Strafsburg  den  Transitverkehr  begünstigen  müsse,  nicht 
erschweren  dürfe.  So  entschlofs  sich  die  Stadt  1461  einmal,  den  halben 
Zoll  für  die  Tuche  herabzusetzen,  wie  auch  den  fürgehenden  Zoll  zu 
mindernd  Jedoch  wurde  nicht  an  einem  festen  Betrage  festgehalten, 
sondern  die  Erwägung  wirkte,  dafs  ein  Wagen  mit  Wachs  im  Werte 
von  200  fl.  und  ein  solcher  mit  ^fleschenvasst  und  leichtem  Pfennwert 
im  Werte  von  50  fl.  nicht  demselben  Betrage  unterworfen  werden  könnten. 
Es  wurden  die  vorhandenen  Ansätze  zu  einem  nach  dem  Werte  der 
Waren  völlig  verschiedenen  Tarif  durchgeführt  und  dieser  meist  auf  die 
Hälfte  und  weniger  des  früheren  Betrages  fixiert. 

Die  neue  Kaufhausordnung,  die  Eheberg  zwischen  1450  und  1477 
ansetzt,  die  aber  erst  nach  1461  erlassen  ist,  gewährt  nun  den  vollen 
Einblick  in  den  Strafsburger  Markthandel,  wie  in  den  Durchgangs- 
verkehr, da  für  beide  gleich  eingehende  Tarife  vorliegen,  zu  denen  noch 
ein  Tarif  für  die  auf  dem  Rhein  an  Strafsburg  vorbei  fahrenden  Waren 
kommt.  An  Präcision  kommt  diesem  Tarife  kein  anderer  unseres 
Gebietes  gleich.  Ganz  besonders  eingehend  sind  die  Angaben  über  die 
Gewebe  und  sie  waren  Schmoller  besonders  wertvoll.   Minder  reichhaltig 


»  Eheberg  Nr.  63  S.  184—187. 


Deutsche  Tarife.  691 

sind  die  Tarife  für  die  Spezereien.  Der  fürgehende  Zoll  erschien  noch 
immer  zu  hoch,  so  wurde  1477  der  Zoll  auf  die  von  den  Lombarden 
durchgeführte  englische  Wolle  auf  die  Hälfte  herabgesetzt*  und  1479 
erfolgte  eine  weitere  Reduktion  für  viele  Artikel  —  darunter  alle  Spezerei, 
lombardische  Tuche  und  seidene  Gold-  und  Silbergewänder  ^ :  zugleich 
wurde  der  Verkaufszoll  ermäfsigt. 

Auch  in  Strafsburg  gab  es  Zollbefreiungen.  Sie  waren  zunächst 
für  den  bischöflichen  Zoll  vorhanden,  dehnten  sich  aber  auch  auf  den 
städtischen  Zoll  aus.  Zollfrei  waren  beim  bischöflichen  Zoll  die  Be- 
wohner der  bischöflichen  alten  Stadt  in  Zabem,  die  Reichsstädte  Annweiler, 
Oppenheim,  Frankfurt,  Boppard,  Niederwesel,  Aachen,  zum  Teil  Köln 
und  endlich  Nürnberg,  so  wie  die  trierische  Stadt  Koblenz.  Mit  Hagenau 
bestand  ein  besonderes  Abkommen®.  Bei  der  Stadt  genossen  dieses 
Vorrecht  die  Altstadt  Zabem,  Hagenau,  Annweiler,  Frankfurt,  Köln, 
Aachen,  Duisburg,  Nürnberg,  Eger  und  das  kleine  Rheinau^. 

Von  den  Zolltarifen  ist  Getreide  und  Wein  ausgeschlossen,  weil 
dafür  besondere  Zölle  bestanden.  Das  Elsafs  war  aber  damals  nicht  nur 
eine  Kornkammer,  sondern  elsäfsischer  Wein  wurde  weithin  geholt.  Für 
die  Händler  von  Nürnberg,  Bayern,  Brabant  und  Schwaben,  die  Wein 
holten  und  dafür  namentlich  Salz  brachten,  gab  es  eine  besondere  Be- 
stimmung im  Zolltarif^. 

Es  entspricht  ganz  der  Bedeutung  des  Handels  von  Worms,  wenn  der 
Tarif  des  Hausgeldes  und  Unterkauf lohnes,  der  im  dortigen  Kaufhaus  zu 
entrichten  war,  dem  Strafsburger  Tarife  gegenüber  als  dürftig  erscheint®. 

Ein  Handelsbuch  für  Mailand  oder  Genua  giebt  es  leider  nicht, 
ebenso  wenig  für  Deutschland,  ich  möchte  aber  doch  auch  die  An- 
gaben des  Venetianers  Pasi  heranziehen,  er  giebt  recht  genau  an,  was 
zwischen  Venedig  und  Oberdeutschland  gehandelt  wurde.  Er  geht  in 
manchen  Richtungen  viel  mehr  in  das  Einzelne,  als  die  Zolltarife.  Für 
die  folgende  Darstellung  habe  ich  aber  diese  zur  Grundlage  genommen, 
jedoch  den  Mailänder  und  Genueser  nur  gelegentlich  herangezogen. 

»  Eheberg  S.  279. 

»  Eheberg  Nr.  114  S.  307  f. 

*  Die  ZollbefreiuDgen  erscheinen  zuerst  in  dem  Weistum  über  die  Rechte  des 
Zolls,  Strafsb.  Urkb.  4,  2,  226. 

*  So  der  zweite  und  dritte  Tarif,  letzteres  Eheberg  S.  267.  Sie  zahlten  nur 
Hausgeld.    Das  Abkommen  mit  Hagenau  S.  293—297. 

8  Zweiter  Zolltarif  und  Eheberg  266. 

«  Boos,  Quellen  z.  Gesch.  d.  Stadt  Worms  3,  644-48  um  1450. 


44 


Zweiter  Teil. 

DIE  WAREN. 


Dreiundsechzigstes  Kapitel. 
Produkte  des  Erdreichs.    Textilwaren  n.  a. 

Mineralien  u,  8.  w,  Ausdehnung  der  Bergteer ke,  Süberfieber.  Die  Metalle  in  den 
Tarifen,  Fabrikate.  SalZj  Kreide^  Wetz-  und  Lavezsteine,  Schwefel,  Alaun,  Lapis  lazvli, 
Glaswaren.  —  Textilwaren.  Rohstoffe :  Wollsorten,  BaumuH>lJe,  Seide,  Hanf  und  Fladis. 
Gewebe:  Seidenstoffe^  Zendel  u.  s.  w.  Wollstoffe.  Baumwollstoffe:  Barchent,  SckMüz. 
Leinenstoffe.  Halbfabrikate.  Fertige  KleidwngsstiAcke.  Papier.  Perlen,  KoraUen  und 
Bernstein. 

Heute  ist  die  Handelsbilanz  Italiens  im  Bereiche  der  Metalle  und 
der  aus  ihnen  gefertigten  Fabrikate  äufserat  ungünstig.  Das  metallarme 
Land  führt  enorme  Quantitäten  ein.  Im  Mittelalter  war  die  Lage  Italiens 
nicht  so  schlimm,  da  der  Gewerbefleifs  einiger  oberitalienischer  Städte, 
vor  allem  Mailands,  noch  siegreich  die  Konkurrenz  aushielt  und  nament- 
lich in  der  Waffenindustrie  stand  Italien  noch  an  der  Spitze,  um  dann 
überholt  zu  werden. 

Der  Bergbau  in  den  Alpen  hatte  seit  1300  einen  gewaltigen  Auf- 
schwung genommen.  Die  reiche  Ausbeute,  welche  die  Silberbergwerke 
Nordtirols  damals  lieferten,  trieb  die  Bergleute  zu  einer  fast  fieberhaften 
Entdeckungssucht.  Das  privatim  geführte  Mutungsbuch  aus  dem  Ober- 
engadin  von  1481  ist  der  beste  Beweis  ^  Die  alten  Bergwerke  auf  Silber 
und  Eisen  im  Montafun,  auf  Eisen  am  Gonzen  waren  in  Betrieb  ge- 
blieben, ja  weiter  ausgedehnt.  Das  Revier  der  Tiroler  Bergwerke  reichte 
weit  über  die  Grenze,  im  Oberengadin  und  um  die  Bemina  gab  es  nun 
zahlreiche  Gruben.  Aber  auch  im  Vorderrheinthal  wurde  bei  Trans 
Eisen  gegraben,  wie  es  hier  auch  weitere  Bergwerke  gab,  schon  früher 
erwähnte  ich   die  Silbergruben  von  Medels.     In  Tschappina  bei  Thusis 


^  Plattner  S.  9.    Vgl.  ihn  auch  für  das  Folgende. 


Produkte  des  Erdreichs.  698 

wurde  auf  Bleierz  gegraben  und  seit  dem  Anfang  des  vierzehnten  Jahr- 
hunderts werden  auch  Eisenwerke  und  der  Eisenberg  von  Tinzen  er- 
wähnt, der  im  Besitze  der  Familie  von  Marmels  war'.  Im  Wallis  wurde 
bei  Bagnes  auf  Silber  gegraben^. 

Auf  italienischer  Seite  war  der  Gürtel  der  Bergwerke  wohl  noch 
weiter  ausgedehnt,  es  blieb  aber  die  Gruppe  der  Bergamasker  und  Bres- 
cianer  Alpen  der  Mittelpunkt.  Das  ganze  Alpengebiet  zwischen  dem 
Comersee  und  dem  Gardasee  enthielt  Bergwerke  auf  Spateisenstein  und 
besonders  berühmt  war  der  Stahl  der  Val  Camonica*.  Die  Brescian- 
schmiede  und  die  Bergamaskschmiede  bezeichnen  das  hier  übliche  Ver- 
fahren; im  Anfange  des  sechzehnten  Jahrhunderts  gab  es  auch  Hoch- 
öfen*. Brescia,  Bergamo,  Lecco,  Como,  Sondrio  und  wohl  auch  Bormio 
verarbeiteten  die  Früchte  des  Bergbaues,  vorab  Brescia.  Auch  nach 
Mailand  kam  davon,  das  Roheisen  von  Rancio  und  Brincio  nördlich 
von  Varese^,  aber  auch  von  Omegna  am  Nordende  des  Lago  d'Orta 
bezog*.  In  den  Seiten thälern  von  Domo  d'Ossola  hielt  sich  der  Bergbau, 
wenn  auch  keins  dem  Revier  der  Blei-  und  Silberbergwerke  von  Pesey 
in  Savoyen  an  Ergiebigkeit  gleich  kam.  Neu  erschlossen  wurden  im 
fünfzehnten  Jahrhundert  Erzgruben  in  Val  Marobbia  am  See  von  Orta 
u.  s.  w.,  die  jedoch  wenig  ertragreich  waren  '.  An  der  Sesia  und  im  Thale 
von  Aosta  wurde  auf  Spateisenstein  gegraben^.  Mailand  deckte  seinen 
enormen  Bedarf  an  gutem  Eisen  und  Stahl  auch  aus  den  Bergwerken 
am  Comersee  (Val  Sassina),  dann  aus  denen  der  eben  erwähnten  Val 
Sesia,  auch  aus  dem  Thal  von  Maccagno  am  Lago  Maggiore  erhielt  es 
Erze^  Die  Erze  von  Elba  und  die  toskanischen  kamen  wohl  nur  in 
fertiger  Ware  über  die  Berge  *®,  auch  Pietra-Santa  (zwischen  Spezia  und 
Pisa)  lieferte  Eisen  ^^. 

Der  Abbau  geschah  vielfach  durch  Deutsche.  Schon  1253  waren 
bei  den  Bergwerken  von  Villas  Iglesias  auf  Sardinien  zwei  Deutsche  die 
Leiter"  und  auch  im  Kirchenstaat,  wo  1462  zu  Tolfa  die  reichen  Alaun- 


^  Mohr  2,  394. 

8  Furrer  1.  235. 

3  Beck  2,  251  u.  858. 

*  Beck  2,  252  u.  859. 
»  Statuta  Blatt  159^ 

®  Statuta  Blatt  158.  159.    Es  ging  über  Luino. 
•^  Bell.  stör.  d.  Svizz.  ital  5,  88. 
8  Beck  2,  860. 

•  Bö  he  im,  Werke  Mailänder  WaflPenschmiede. 
^0  Beck  2,  856  ff. 

1»  Uzzano  168. 

12  Pertile  2,  1,  499  Anm.  341.    Nach  Lattes  163  hätte  sich  im  Bergrecht  von 
Sardinien  sogar  ein  deutscher  Ausdruck  erhalten. 


594  DreiuDdsechzigstes  Kapitel. 

gruben  entdeckt  waren,  war  1479  ein  Deutscher  aus  Meifsen  Bergwerks- 
direktor ^.  Ein  Jahr  zuvor  hatte  der  deutsche  Benediktiner  Nikolaus 
Bleymit  die  Erlaubnis  erhalten,  im  Herzogtum  Mailand  nach  Alaun  zu 
graben^.  Auch  wir  fanden  deutsche  Gesellschaften  oder  Deutsche  in 
Italien  und  Savoyen  beim  Bergbau®. 

In  dem  deutschen  Alpenvorland  mehrte  sich  der  Bereich  des  Berg- 
baues ebenfalls  bedeutend,  wenn  auch  der  Silberbergbau  des  Breis- 
gaues bereits  nachliefs.  Doch  dehnten  sich  diese  Oruben  sogar  bis 
Laufenburg  aus  *  und  trafen  dort  mit  den  Erzgruben  des  Frickgaues  zu- 
sammen, die  in  der  Gegend  von  Waidenburg  ihre  Fortsetzung  fanden. 
Auch  wurde  Eisen  bei  Rändern,  Waldkirch  und  im  Kinzigthale  ge- 
wonnen^. Im  Elsafs  waren  die  alten  Silbergruben  des  Leberthaies  im 
dreizehnten  Jahrhundert  verlassen  worden,  sie  wurden  im  fünfzehnten 
Jahrhundert  wieder  in  Betrieb  genommen  und  erlebten  eine  bedeutende 
Blüte.  Bei  Masmünster  und  Giromagny  wurde  gleichfalls  auf  Silber  mit 
Erfolg  mindestens  seit  dem  vierzehnten  Jahrhundert  geschürft*. 

Die  entscheidendste  Umgestaltung  der  Metallproduktion,  vor  allem 
der  Edelmetallgewinnung  ging  aber  von  Tirol,  wo  1409  bei  Schwaz 
Silber  gefunden  wurde,  von  Ungarn,  Böhmen  und  Sachsen  aus,  worauf 
hier  nicht  näher  eingegangen  werden  kann.  Wir  sahen  früher,  wie  die 
grofsen  Handelshäuser  das  sich  zu  nutze  zu  machen  verstanden.  Auch 
am  Niederrhein  wurden  die  Schätze  der  Erde  ans  Tageslicht  gefördert 
und  von  dem  Blei  der  Eifel,  von  den  Stahlwaren  Westfalens  ging  gewifs 
auch  manches  über  die  Alpen. 

Gold  und  Silber''  erscheint  in  den  Zollkatalogen  nicht,  weil  sie  als 
Wertmesser  zollfrei  waren,  auch  Quecksilber  habe  ich  nicht  gefunden. 
Wohl  aber  begegnen  regelmäfsig:  Kupfer  (Strafsburg,  Konstanz,  Basel, 
Bern,  Luzern,  nicht  Como);  dieses  verbrachten  schon  am  Ende  des 
vierzehnten  Jahrhunderts  Nürnberger  nach  Genua®.  Auf  der  Grau- 
bündner  Route  gingen  grofse  Quantitäten  davon®  und  auch  von  den 
Genfer  Messen  brachten  die  Mailänder  Kaufleute  Kupfer,  Blei,  Zinn 
und  Silber  mit^^ 


>  Pertile  2,  1,  499  Anm.  341.    Oben  S.  601. 
«  Archiv io  stör,  lombardo  19,  997. 
8  S.  oben  S.  487  und  Urkunden  Nr.  69,  163  u.  298. 
^  Baseler  Chroniken  5,  241. 
»  Beck  2,  693  ff. 

«  Hanauer  1,  177  ff.  196  f.    Reufs  1,  603—608. 
^  Strafsburger  Silber  erwähnt  Pegolotti  293. 
8  S.  oben  S.  543  und  Urkunden  Nr.  257  für  1436. 
»  Urkunden  Nr.  283. 
1®  Register  von  Chillon  bei  Borel. 


Produkte  des  Erdreichs.  605 

Zinn  (ebenso,  auch  Como  und  Worms),  das  einen  erheblichen  Teil 
des  italienisch-englischen  Handels  ausmachte; 

Blei  (nicht  Eonstanz,  wohl  Como  und  Worms); 

Bleiglätte  (Basel,  Luzern,  Strafsburg). 
Von  den  Mischungen: 

Glockenspeise  (Basel,  Strafsburg,  Aarau); 

Messing  (Basel,  Strafsburg,  Bern,  Como). 
Am  meisten  begegnet  natürlich  das  Eisen: 

Roheisen  (Konstanz,  Basel,  Luzern,  Strafsburg,  Bern,  Como :  ferruim 
crudum  ^), 

Stabeisen  (Basel,  Strafsburg), 

Stahl  (Konstanz,  Basel,  Luzern,  Bern,  Rothenburg,  Strafsburg, 
Worms,  Como), 
wobei  in  Konstanz  Kärnten  als  Heimat  bezeichnet  wird,  während  in 
Basel  der  lombardische  besonders  hoch  gewertet  wird.  (Daneben  noch 
Kemstahl^).  Ein  Tarif  von  Freiburg  i.  Br.  nennt  neben  Stahl  aus  dem 
benachbarten  Falkenstein  nur  lombardischen®,  der  von  Zürich  unter- 
scheidet den  höher  verzollten  Stahl  von  Como  (8  /^),  von  dem  von  Chur 
(6  /^)  und  dem  von  Kärnten  (4  /^)*.  In  der  That  war  lombardischer 
Stahl  sehr  angesehen,  nur  war  er  zum  gröfsten  Teile  aus  Rohstahl  ge- 
wonnen, der  aus  Kärnten,  Krain  und  Steiermark  stammte.  In  Brescia 
und  Mailand  geschah  die  Umwandlung  und  Mailänder  Stahl  ging  bis  nach 
Flandern  *,  wie  auch  Uzzano,  ein  Florentiner,  die  Preise  der  verschiedenen 
Sorten  von  Eisen  aus  Brescia  und  den  Thälern  Camonica  und  Trompia 
(Ropia)  in  seinem  Handbuch  für  Kaufleute  aufzählt^.  Die  Lombardei 
beherrschte  mit  Deutschland  den  Handel  in  Stahl.  Guter  Stahl  wurde 
auch  aus  den  Erzen  vom  Gonzen  zu  Flums  hergestellt ''; 

Schmiedeeisen  (Basel). 
Die  Sorten  des  Comasker  ZoUtarifes:  vereellaruni  regionarum  (oder 
ragionorum)  de  Burmio  und  de  Vallesaxina  vermag  ich  nur  zum  Teil  zu 
erklären®.  Es  handelt  sich  um  Eisen  von  Bormio  und  aus  dem  bei 
Bellano  in  den  Comersee  mündenden  Thale  Sassina.  Das  ferrum  sbavatuniy 
das  von  Gufsfehlern  befreite  und  das  noch  unerklärte  a  scartcufiis  wurde 
von  Flandern  und  Deutschland  eingeführt*. 

^  Aufserdem  in  dem  RbeinzoUtarife.    Strirfsb.  Urkb.  6  Nr.  758. 

-^  Als  Massenartikel  über  den  St.  Gotthard  erwiesen,  s.  oben  S.  451. 

»  Zolltarif  von  1369.    Schreiber  1,  550. 

*  Züricher  Stadtbücher  S.  261. 

»*  Beck  1,  8:31. 

«  S.  105. 

'  Beck  2,  708. 

»  Urkunden  S.  124[92]  und  Anm. 

»  In  Urkunden  Nr.  193. 


g96  Dreiundsechzigstes  Kapitel. 

Sehr  zahlreich  begegnen,  wenn  auch  nicht  in  allen  Katalogen,  die 
Fabrikate.  Panzer,  die  sowohl  von  Nürnberg  wie  von  Mailand,  auch 
wohl  von  Augsburg  in  Handel  kamen,  erscheinen  nur  im  Zollkatalog 
von  Basel,  Schwertklingen  nur  in  dem  von  Strafsburg.  Und  doch  gingen 
von  Mailand  ganze  Wagenladungen  über  die  Alpen  nach  Ausweis  der 
Chilloner  Zollregister;  nächst  dem  Barchent  waren  Waflten,  speciell 
Harnische  die  Hauptausfuhr  Mailands.  Die  Mittelpunkte  der  Waffen- 
industrie Italiens  überhaupt  waren  ja  Mailand  und  Brescia,  das  den  Bei- 
namen Vamiata  führte.  Es  hatte  in  den  berühmten  Familien  der  Nigroli, 
Missaglia  —  von  Tomaso  Missaglia  ist  der  jetzt  in  Wien  befindliche 
Feldharnisch  des  Kurfürsten  Friedrich  des  Siegreichen  von  der  Pfalz  *  — 
und  Figino  hochberühmte  Plattner,  Hauben-  und  Klingenschmiede,  wahre 
Künstler,  mit  denen  sich  in  Deutschland  die  Nürnberger,  Augsburger 
und  Kölner  Meister  mafsen  und  später  auch  die  Innsbrucker  wetteiferten. 
Brescia  stand  Mailand  wenig  nach  und  besafs  berühmte  Laufschmiede; 
von  dort  bezogen  die  Schweizer  ihre  Waffen !  Auch  die  Herstellung  der 
Geschütze  wurde  an  den  genannten  Orten  mit  Auszeichnung  betrieben. 
Pavia  scheint  besonders  Schilde  geliefert  zu  haben  ^.  Die  lombardischen 
Städte  waren  auch  auf  Massenproduktion  eingerichtet.  Der  Mailänder 
Zolltarif  führt  eine  Reihe  von  Waffenstücken  auf.  Die  Saumlast  neuer 
Waffen  wurde  auf  100  ^  angeschlagen. 

Sensen  und  Sicheln  fehlten  dagegen  selbst  im  Comasker  Tarife  nicht 
(genannt  Konstanz,  Bern,  Basel,  Strafsburg,  Worms),  Pflugscharen  finde 
ich  nur  im  Wormser.  Unter  dem  Geschmiede  (Ringlein,  Bastnägel  in 
Basel,  Pfannen,  Stegreife,  Gebisse,  Armbrustschlüssel,  Nägel,  Schellen  u.  a. 
in  Strafsburg)  ist  hervorzuheben,  dafs  der  Baseler  Katalog  besonders  „Mai- 
länder Pfennwerte,  als  Schellen  und  anderes^  hervorhebt,  während  wir 
von  der  Firma  Koler-Krefs-Saronno  und  aus  Mailänder  Quellen®  wissen, 
dafs  gerade  Nürnberg  die  Hauptstadt  der  Lombardei  mit  den  Produkten 
des  Kleinmetallgewerbes  versorgte.  Besonders  waren  dabei  auch  Messing- 
waren. Bern  hat  einen  Posten  für  „Kupfer,  Zinn,  Messingdraht  und 
sonst  Nürnberger  Geschmied^.  Die  Mailänder  und  Brescianer  Schlosser, 
die  Messerer  dieser  Städte  und  von  Como,  die  Nadler  von  Mailand  waren 
weit  berühmt*.  Blechwaren  (Fässer:  Konstanz,  Basel,  Strafsburg,  Stürze: 
Konstanz  und  Strafsburg)  fehlten  nicht  neben  Messing-  und  Eisendraht 
(Basel  und  Strafsburg).  Zinngeschirr  erwähnt  nur  der  Baseler  Tarif, 
doch  waren  auch  die  Flaschen  des  Strafsburger  Tarifes  wohl  von  Zinn*. 

^  Böheim,  Werke  Mailänder  Waffenschmiede. 

8  Doneaud  63. 

«  Urkunden  Nr.  171.     Vgl.  oben  S.  588. 

*  Beck  2,  861. 

•^  Pasi  Bl.  188  hebt  die  deutsche  Einfuhr  von  Metallwaren  nach  Venedig  hervor. 


Produkte  des  Erdreichs.  697 

Vom  äalze  sehe  ich  hier  ab,  doch  ging  Salz  von  Hall  bis  Bellinzona  ^. 
Elreide  erwähnt  der  Baseler,  Strafsburger  und  Wormser  Tarif.  Wetz- 
steine werden  im  Baseler,  Berner,  Luzerner  (Schiffmeister)  und  Strafs- 
burger erwähnt,  der  Baseler  bezeichnet  sie  als  lombardische.  Von  den 
Lavezsteinen  des  Comasker  Tarifes,  die  in  Mitteleuropa  nur  die  Gegend 
von  Chiavenna  und  die  Val  Lavizzara  (oberes  Maienthal)  lieferte,  und  aus 
denen  wegen  ihrer  Weichheit  und  Feuerbeständigkeit  Töpfe  hergestellt 
wurden,  kam  wohl  nicht  allzu  viel  über  die  Alpen.  Doch  wurden  von 
Mailand  nach  Nürnberg  buntglasierte  Thonwaren  geliefert^.  Die  Mühl- 
steine der  Zolltarife  dürften  schwerlich  über  die  Alpen  gekommen  sein. 
Eher  vielleicht  einzelne  Marmorstücke  und  Puzzulanerde*. 

Schwefel  steht  in  den  Tarifen  von  Konstanz,  Bern,  Basel  und  Luzern. 
Alaun  auch  in  dem  von  Strafsburg,  der  Tarif  von  Como  unterscheidet 
allume  di  ghiaccio,  die  feinste  feste  Qualität,  die  der  Tarif  wunderbarer- 
weise nach  Como  über  die  Alpen  kommen  läfst,  und  lutnen  feaieiy  eine 
billigere  Sorte  ^.  Gallizenstein ,  das  ist  das  zu  Firnissen  und  zur  Zeug- 
filrberei  verwendete  Zinkvitriol,  begegnet  in  dem  ältesten  Strafsburger 
Tarife.  Um  gleich  hier  das  dem  Mineralreich  angehörende  Farbmittel 
zu  erwähnen,  bemerke  ich,  dafs  der  Lapislazulistein ,  der  sehr  selten  in 
Europa  gefunden  wird,  häutiger  in  Turan,  China,  Sibirien,  in  den  Zoll- 
tarifen von  Pisa  und  Siena  als  cuseurro  aus  Deutschland  erscheint'^,  es 
war  damals  das  einzige  Mittel  um  Ultramarin  herzustellen.  Schon  Jahr- 
hunderte früher  hatte  ein  Konstanzer  Bischof  sich  im  Besitz  dieser 
„griechischen  Farbe"  befunden,  aber  so  hoch  ward  das  Geschenk  des 
Bischofs  von  Venedig  geehrt,  dafs  die  Klosterchronik  von  Petershausen 
davon  erzählt*.  Und  gerade  umgekehrt  war  es  nun,  dafs  z.  B.  den 
Sieneser  Malern  für  die  Herstellung  des  »agzuro  oltramarino^  anderer  als 
deutscher  Azzur  verboten  war^. 

Glaswaren  erscheinen  näher  in  den  Tarifen  von  Basel  und  Strafs- 
burg. Basel  unterscheidet  Fensterglas,  Tafelglas,  Scheibenglas  und  Trink- 
glas, Strafsburg  Spiegelglas,  Fensterglas,  Fensterscheibenglas,  Trinkglas 
und  Brillen,  die  in  Laden  verpackt  waren,  zum  Verkaufe  kamen  dort 
auch  Venediger  Scheiben. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  den  Gewebe-  und  Rohstoffen,  aus  denen 
sie  hergestellt  wurden.    Wiederholt  habe  ich  darauf  hingewiesen,  dafs  der 


>  Kapitel  von  1422.    Heusler  33,  259.    Von  1466  33,  271. 
^  Tu  eher,  Haushaltungsbach  S.  119. 
»  Como  [60J. 

*  Vgl.  über  Alaun  Heyd  2,  550-557. 
^  Uzzano  48,  74. 

*  »Modium  2)l€num  de  Graico  colore,  qui  vocatur  lazur^ .  C  a  s  u  s  P  e  t  r i  s  h.  m.  1. 1  c.  22. 
'Gay,  Glossaire  1,  24. 


g98  Dreiundsecbzigstes  Kapitel. 

Ankauf  von  feiner  Wolle  viele  Italiener  nach  Flandern  und  England  zog  und 
dafs  die  Wolle  überhaupt  allen  andern  Produkten  insofern  voransteht,  als 
sie  die  Haupteinfuhr  nach  Italien  ausmachte  ^.  Für  das  Ende  der  Periode 
trifift  das  aber  nicht  mehr  zu ,  der  Export  Englands  verringerte  sich,  die 
Wollverarbeitung  nahm  in  Italien  ab,  wie  sie  in  Südfrankreich  und  auch  im 
Norden  und  in  Flandern  zurückging.  Von  deutscher  Wolle,  deren  Züchtung 
sich  gelegentlich  sogar  der  Kaufmann  annahm  und  die  der  Schafzucht  eine 
aufserordentliche  Ausdehnung  gab,  hatten  wir  öfter  zu  sprechen*. 

Den  Beweis  für  die  Bedeutung  der  Wolle  habe  ich  also  nicht  zu 
erbringen.  Sie  erscheint  selbstredend  in  allen  Zolltarifen®.  Die  Prove- 
nienz unterscheidet  fein  der  von  Como,  wo  die  Wolle  aus  Tunis  und 
Bugia  in  Algerien  —  wenn  auch  unverstanden  —  aufgeführt  ist,  wie  die, 
welche  Leute  von  Metz  und  Neufchäteau  einführten,  daneben  ist  die 
heimische  Wolle  gestellt*.  An  anderer  Stelle  werden  die  Wollen  aus 
Burgund,  Lothringen,  England  und  Deutschland  unterschieden*.  Wie 
erheblich  die  Einfuhr  deutscher  Wolle  war,  ersahen  wir  aus  den  Registern 
eines  Notars*'.  Auch  spanische  Wolle  —  eben  war  das  Interesse  für 
dieselbe  erwacht  —  fanden  wir  auf  dem  Mittelländischen  Meere  in  Händen 
von  Deutschen'.  Noch  aber  war  die  englische  Wolle  die  erste  der 
damaligen  Welt,  sie  kam  bis  nach  Siena®;  das  Ausfuhrverbot  sollte  die 
italienische  Weberei  dann  tief  treffen. 

Der  Tarif  von  Mailand  lehrt  uns  auch  die  Preise  näher  kennen. 
Die  französische,  englische,  deutsche  und  lothringische  Wolle  wurde  auf 
50  fi  die  Saumlast  angeschlagen,  die  aus  der  Berberei  und  Tunis  auf  25, 
die  einheimische  auf  13V2  und  die  aus  der  Provence  auf  9  i6.  Der 
Genueser  führt  lana  sancti  Matheif  aus  Flandern,  Burgund  und  Narbonne 
mit  gleichem  Satze  an,  die  aus  der  Berberei  zu  ^/s,  die  englische  Wolle 
wird  endlich  in  anderer  Weise  berechnet. 

Nahm  die  Wolle  ihren  Weg  über  die  Alpen  nach  Süden,  so  ging 
die  Baumwolle,  deren  bessere  Sorten  aus  der  Levante  stammten  •,  ihren 
Weg  über  Venedig  und  Genua  nordwärts,  um  die  bedeutende  Barchent- 
weberei Schwabens  zu  befriedigen.     Die  Zolltarife  unterscheiden  im  all- 


^  Auch  der  Tarif  des  Zolls  und  Geleitsgeldes  in  Brabant  hat  als  Posten  die 
Wolle,  die  nach  der  Lombardei  fuhrt.    Hans.  Urkb.  5,  229. 

'^  Inama-Sternegg  3,  1,  355. 

^  Auch  in  dem  von  Vogogna  und  dem  für  Rheinzölle  Strafsb.  Urkb.  6  Nr.  758. 
Der  Bemer  Tarif  redet  von  vlaemischer  Wolle. 

*  [22]— [25].    S.  oben  S.  684. 

»  Urkunden  S.  181. 

«  Urkunden  Nr.  200—245. 

'  Urkunden  Nr.  259,  261,  265  u.  266. 

^  Tarif  von  Siena  bei  Uzzano  S.  80. 

®  Vgl.  Heyd  2,572—575  und  Stieda,  Hansisch- venet.  Handelsbeziehungen  95. 


Textilwaren.  699 

gemeinen  keine  Sorten,  in  Mailand  ist  Sizilianer  genannt,  nur  in  Luzem 
ist  die  Spinn-  von  der  Wammswolle  getrennt,  worunter  wir  wohl  eine  Art 
Watte  zu  denken  haben.  In  Como  hatten  die  Venetianer  für  den  Trans- 
port besondere  Bedingungen.  In  Köln  wurde  ^Oenettfsche  und  Fenetifsche 
boymunillent  unterschieden;  ob  diese  nach  Genua  und  Venedig  benannte 
Ware  wirklich,  wie  Geering*  annimmt,  ausschliefslich  den  Seeweg  über 
Antwerpen  gemacht  hatte? 

Bei  der  Seide  mufs  das  Interesse  besonders  grofs  sein,  da  die  Fort- 
dauer der  Seidenweberei  nördlich  der  Alpen  in  Frage  kommt  Die  Zucht 
der  Seidenraupen  war  in  Italien  schon  seit  dem  neunten  Jahrhundert 
heimisch,  wenn  sie  auch  erst  seit  1300  eine  gröfsere  Ausdehnung  gewann. 
Im  fünfzehnten  Jahrhundert  wurde  von  der  Obrigkeit  bereits  die  An- 
pflanzung von  Maulbeerbäumen  angeordnet*.  Auch  in  der  Provence 
wurden  schon  im  dreizehnten  Jahrhundert  Cocons  geerntet®.  Kohe  und 
gekochte  Seide  führt  der  Tarif  von  Como  an,  eigentümlicherweise  er- 
wähnt er  aber  nicht  allein  die  Ausfuhr  über  die  Alpen,  sondern  auch 
die  Einfuhr.  Die  Konstanzer  Spezereiordnung  und  die  Luzemer  Ordnung 
allein  erwähnen  die  Seide.  Wenn  auch  in  Zürich  und  Konstanz  die 
Seidenweberei  zerfiel  *,  in  Basel  noch  keinen  Boden  zu  fassen  vermochte, 
besser  schon  in  Augsburg*^,  so  blühte  doch  Köln  und  die  flandrische 
Seidenindustrie  empor®.  Selbstredend  sind  die  Seidensticker  von  den 
Seidenwebern  zu  trennen.  Paris  war  längst  der  Sitz  eines  vielgeteilten 
Gewerbes  geworden,  ja  in  England  fehlen  nicht  die  ersten  Anfllnge''. 
So  führt  denn  auch  der  Strafsburger  Tarif  in  allen  drei  Fassungen  Seide 
auf  (Pariser,  Kölnische,  Bastseide,  Schleier-  bez.  Florseide).  Welche 
enorme  Quantitäten  damals  Köln  verarbeitete,  hat  Geering  gezeigt®.  Am 
genauesten  sind  wir  über  die  Seidenweberei  in  Zürich  unterrichtet  Dort 
wurden  jedoch  nur  sogenannte  rohseidene  Stoffe,  d.  h.  Flor  und  Gaze, 
aus  ungezwirnter,  ungefärbter  Seide  erstellt,  Schleier  und  Bänder,  die 
vielleicht  nachträglich  im  Stoffe  gefUrbt  wurden.  Die  politischen  Un- 
ruhen schädigten  wie  den  Züricher  Kaufmannstand,  so  auch  die  Weberei, 
bis  1443  bestand  der  äufsere  Rahmen  des  Seidenhandwerks,  obwohl  schon 


^  Kolonialwarenhandel  52. 

^  Reiche  Angaben  bei  Silbermann  1,  223  f. 

^  Silbermann  1,  228. 

^  In  Konstanz  bestand  wohl  noch  1396  Seidenweberei.  Ein  Johannes  von 
Konstanz  hatte  in  Venedig  Seide  gekauft,  als  er  dann  in  ein  Kloster  treten  wollte, 
ergaben  sich  Schwierigkeiten.    Zeitschr.  f.  Gesch.  Oberrh.  5,  24. 

•i  Bürkli-Meyer  S.  20. 

^  Silbermann  1,  91.  Die  Angaben  S.  92  sind  nicht  alle  gleich  gut  Betr. 
Köln  vgl.  Stieda  S.  106. 

^  Silbermann  1,  91.    Fischer  1,  22. 

^  Kölns  Kolonialwarenhandel  S.  49  ff. 


700  Dreiundseclizigstes  Kapitel. 

vor  1400  Seiden weber  anderswo  ihre  Nahrung  suchten.  So  ging  um 
1450  das  Gewerbe  ganz  unter,  um  ein  Jahrhundert  später  neu  eingeführt 
zu  werden,  und  doch  hatten  einst  die  Schleier  ihren  Weg  bis  nach  Polen 
und  Ungarn  genommen*. 

Von  der  Seidenindustrie  Luccas,  Genuas  und  Mailands  ist  schon 
früher  gehandelt  worden,  ich  will  nur  noch  darauf  hinweisen,  dafs  im 
fünfzehnten  Jahrhundert  auch  Lyon,  Tours  und  Nimes  Seiden  weber  in 
ihren  Mauern  hatten^.  Ludwig  XL  zog  planmäfsig  italienische  Ar- 
beiter heran  und  gab  den  bescheidenen  Anfängen  erst  das  rechte  Leben. 

Die  letzte  Gruppe  der  Gespinstpflanzen,  Hanf  und  Flachs,  wurde 
im  Rohzustande  schwerlich  damals  weit  verhandelt.  Ich  finde  Hanf  nur 
in  den  Tarifen  von  Konstanz,  Basel  und  Worms,  Flachs  nur  in  denen 
von  Basel  und  Worms,  Werg  nur  in  denen  von  Konstanz  und  Worms. 
Der  Tarif  von  Genua  kennt  linum  de  Alexandria  und  linum  Lombardum, 

Die  Fabrikate  sind  besonders  eingehend  in  den  Tarifen  von  Como 
und  Strafsburg  behandelt.  ' 

Wie  wir  mehrfach  sahen,  war  einer  der  hervorragendsten  Ausfuhr- 
artikel Italiens  Seiden-  und  namentlich  gold-  und  silberdurchwobene 
Stoffe  (Brokate);  auch  das  gesponnene  Gold  und  Silber  gehörte  dazu, 
das  namentlich  von  Genua  in  den  Handel  gebracht  wurde.  So  enthielten 
auch  die  Provisiones  Januae  besondere  Sätze  für  die  Ausfuhr  site,  draporum 
Site,  velarum  site  ei  velutorum  et  auri  filati^.  Es  war  die  höchstbesteuerte 
der  Gruppen.  Auch  die  Venetianer  hatten  für  den  Transport  ihrer 
Seidentücher  besondere  Vergünstigungen  in  Como.  Neben  diesen  pdllia 
Site,  aus  denen  das  Hochmittelalter  „Pfellel**  machte,  erwähnt  der  Comasker 
Zolltarif  auch  den  Zendal  (Zendado),  ein  leichter  taffetähnlicher,  ursprüng- 
lich in  der  fernen  Levante,  später  namentlich  in  Granada,  Lucca  und 
Mailand  erzeugter  Seidenstoff*.  Die  Aus-  bez.  Einfuhr  über  die  Alpen 
ist  in  beiden  Fällen  vorgesehen.  Nach  den  Stellen,  die  Du  Gange  an- 
führt, müfsten  wir  auch  in  den  baldineUae  (boldineUe)  des  Tarifs  feine 
Seidenstoffe  sehen,  doch  stimmt  damit  der  Zollansatz  nicht  recht  überein 
und  entscheidend  sind  die  Stellen  des  Mailänder  und  Genueser  Tarifes: 
dieser   redet  von  teile  hadinelle  seu  de  Alamannia  und  jener  eröffnet  mit 


^  Die  »continentie  de  sita  todesche*  des  Mailänder  Tarifs,  die  um  ein  Dritteil 
niedrig  stehen  als  andere,  vermag  ich  nicht  zu  deuten.  Für  Zürich  vgl.  Stadt- 
bücher  S.  39,  84,  116,  118,  226  u.  359  und  Bürkli-Meyer,  Gesch.  d.  Züricher 
Seidenindustrie.  Ol  aasen,  Schweizer  Bauernpolitik  im  Zeitalter  Ulrich  Zwingiis  in 
den  Ergänzungsheften  z.  Zeitschr.  f.  Social-  u.  Wirtschaftsgeschichte  4,  31. 

2  Bock  1,  74ff.  Pigeonneau  u.s.w.  Silbermann l,88ff.  Acta  Borussica, 
Seidenindustrie  Bd.  3,  10—27. 

8  Urkunden  Nr.  191. 

*Heyd2,  690f.    Weinhold  2,  239. 


Textilwaren.  701 

den  boldinelle  das  capitulum  Uni  et  canepi^.  Von  dem  Handel  mit  den 
boldinelle  handeln  mehrere  Statuten  der  Mailänder  Kaufmannschaft^. 
Seiden  und  gülden  Gewand  führen  die  Tarife  von  Konstanz  (Spezerei- 
ordnung),  Basel  und  Rothenburg  an.  Der  Strafsburger  dritte  Tarif  führt 
(allerdings  nicht  als  Durchgangs  wäre)  eine  Reihe  von  Sorten  auf:  Tuch, 
Sammet,  Damast  (nach  Damaskus  benannt),  TafFet,  ein  ursprünglich  persi- 
sches Seidenzeug,  das  namentlich  in  Bologna  hergestellt  wurde,  ^BirigelP, 
Atlas,  dessen  Name  auf  das  arabische  ailas  „glatt^  zurückgeht,  und 
^segaU,  dann  eine  Spille  Goldes  und  Silbers;  aufserdem  findet  sich  jene 
Bestimmung  über  die  Laden,  in  denen  Lombarden  goldene  oder  silberne 
oder  seidene  Tuche  führten®.  Deutsche  Seiden  waren  kann  ich  in  Italien 
nicht  nachweisen,  wohl  aber  begegnen  uns  Hauben  aus  deutscher  Seide 
und  deutsche  seidene  Schleier  in  den  Rechnungsbüchem  der  Gebrüder 
Bonis,  Kaufleute  in  Montauban  (südlich  von  Toulouse  1339  ff.)  und  zwar 
als  häufig  gebändelte  Artikel  ^ 

Unter  den  Wollstoffen  macht  der  Comasker  Tarif*  eine  für  diese 
Periode  bereits  antiquierte  Unterscheidung.  Er  hat  eine  besondere  Be- 
stimmung für  die  Tuche  von  Provins,  das  um  1400  im  Gewandhandel 
nichts  mehr  bedeutete.  Daneben  stehen  die  Grautuche,  die  im  wesent- 
lichen über  die  Alpen  eingeführt  wurden  und  besonders  werden  die  in 
Uri  erzeugten  erwähnt.  Wesentlich  teurer  als  diese  billigen  Erzeugnisse 
waren  die  übrigen  drapi  ultramoniani ,  deren  Import  in  den  Venetianer 
und  Genueser  Provisionen  vorgesehen  war.  Letztere  bezeichnen  diese 
Tuche  als  Francigeni  gentiles  im  Gegensatz  zu  den  drapi  Florentinorum 
[de  Toloxa]  et  Frovini  minoris  pretiu  Die  Wareneinteilung  entsprach 
auch  hier  mehr  dem  Jahre  1300  wie  1400.  Dafs  solche  Tuche  von 
jenseits  der  Berge  in  Mailand  erst  geschoren  wurden,  beweisen  die 
Statuten®.  Von  italienischen  Tuchen  erwähnt  der  Zolltarif  erst  die  von 
Como,  die  über  die  Alpen  und  nach  Bormio  ausgeführt  wurden,  dann 
die  von  Bergamo  und  aus  dem  Val  Maggia.  Bei  den  Posten  für  gefärbte 
und  gestreifte  Tücher  ist  der  Erzeugungsort  nicht  zu  bestimmen,  die 
drapi  fraxoni  kann  ich  überhaupt  nicht  erklären,  sie  scheinen  Comasker 

^  Doch  sagen  die  Statuta  mercatorum  lane:  »nullus  debeat  facere  aliquatn 
tellam,  si  non  fuerit  tota  lana  aut  tota  de  Uno  vd  de  stoppa*  Blatt  230^.  Vgl.  über 
häldindlae  das  Glossar. 

^  Blatt  214  ▼.  Bei  den  deutschen  Wirten  wurde  damit  ein  grofser  Handel 
getrieben. 

«  Eheberg  278. 

*  Vgl.  Foresti^,  Les  livres  des  comptes  des  fr^res  Bonis  LVII,  LXXVI,  XC, 
CLXin  und  zahlreiche  Stellen  des  Textes  fasc  20,  23  u.  26;  z.  B.:  velet  de  seda 
d^Älamatüia,  rezol  am  lo  cuehricap  (=  couvre-chef)  d'Alamanka. 

»  Vgl.  [26] -[30],  [421  181]— [83]  u.  S.  127. 

«  Blatt  144  ^ 


702  Dreiondsechzigstes  KapiteL 

Ursprunges  zu  sein.  Der  Genueser  Tarif  stellt  u.  a.  auf  eine  Stufe  die 
Tuche  von  Genua,  Lyon,  Catalonien,  Languedoe,  Cadix  und  Perpignan 
(2  ß\  höher  die  von  Mailand,  Como,  Mecheln,  Brüssel,  Courtray  und 
London  (3  fi\  am  höchsten  die  von  Florenz.  Der  Mailänder  Tarif  hat 
folgende  Skala:  Scharlach  in  Kermes  geftürbt  (100  U\  weifse  Tücher  von 
Ypem  und  Gent  (40  ÄJ),  geftlrbte  von  Chalons  und  Provins,  :^mi$chii< 
von  Mecheln  und  Douai  (32  (^  ),  gestreifte  von  Gent  u.  a.  (22  i6  ),  bestimmte 
Sorten  von  Ypem,  Provins,  Paris,  Tournay,  St  Denis  und  Popelinghen 
(18  ^),  Mailand  und  Como  (14  ^),  Florenz  und  die  Berwer  (12  ÄJ), 
Monza  (11  ÄJ),  Torno  und  Prelasca  (10  ÄJ),  Valmaggia  und  Lecco  (7^  «  ÜX 
*saie  de  Irlandat  (7  ü).    Diese  kennt  auch  der  Genueser  Tarif. 

Auf  deutscher  Seite  ist  der  weitaus  eingehendste  Tarif  der  Strafs- 
burger,  leider  läfst  er  nicht  stets  erkennen,  welche  Sorten  über  die  Alpen 
wirklich  kamen  ^.  Als  die  wertvollsten  Tuche  erscheinen  die  Scharlach- 
stoffe von  Gent,  Brüssel  und  Löwen,  „Bellehart**,  dann  folgen  die  lom- 
bardischen Tücher,  die  von  Brügge,  Brüssel,  Löwen  und  Ypem,  solche 
von  Mecheln  und  Leyden,  es  folgen  Tuche  von  London  (Lund),  Herentals, 
Brabant  und  England,  Amsterdam  und  andere  holländische  Tuche,  auch 
Orsgat,  St.  Trond  und  Tienen  werden  aufgeführt  *.  Daran  schliefst  sich 
eine  lange  Aufzählung  von  „rheinischen"  Tuchen,  die  ich  geographisch 
ordne:  Diest,  Tirlemont,  Maastricht,  Aachen,  Düren,  Köln,  Mayen, 
Luxemburg,  Trier,  Lorch,  St.  Goarshausen,  Wesel,  Magdeburg,  Usingen, 
Wetzlar,  Friedberg,  Ursel,  Homburg,  Montabaur,  Limburg,  Königstein, 
Mainz,  Worms,  Speier,  Rastatt,  dann  die  schwäbischen  Tücher®,  wobei 
die  Tücher  des  Niederrheins  die  besserer  Qualität  gewesen  zu  sein  scheinen. 
Es  folgen  noch  Weifsenburg,  Aschaffenburg,  Kaiserslautern.  Dann  folgen 
die  leichten  ungewalkten  Stoffe,  die  nach  Arras  später  „Rasch"  genannt 
wurden  und  deren  Einfuhr  nach  Italien  durch  die  Lombarden  selbst  eine 
Strafsburger  Quelle  bezeugt*.  Der  Bemer  Tarif  erwähnt  lombardische 
Tuche.  Der  Konstanzer  Tarif  unterscheidet  brabantisches,  lombardisches, 
französisches  und  rheinisches  Tuch.  Der  Baseler  nennt  Tuch  von  Mecheln, 
Löwen,  Lund,  Brügge,  Herentals,  Astett  (?),  Maastricht,  sowie  rheinisches 
dann  von  Hagenau,  Strafsburg  und  Kolmar.  Auch  die  Strafsburger 
Tarife  nennen  die  offenbar  nicht  sehr  feinen  Produkte  der  elsässischen 


^  Ich  habe  in  der  folgenden,  nach  der  Höhe  des  ZoUs  geordneten  Zusammen- 
stellung die  mitunter  abweichenden  drei  Tarife  verbunden,  ohne  das  näher  anzu- 
geben. Auch  wurde  Eheberg  Nr.  114  herangezogen.  Ich  bemerke,  dafs  die  Orts- 
namen in  den  Tarifen  vielfach  verderbt  sind. 

^  Der  Zoll  von  Masmünster  kennt  nur  Tücher  von  Brügge,  Mecheln  und 
Linisch".    Rapoltst.  Urkb.  5,  277. 

»  Eheberg  S.  288  genannt  Calw,  Weil,  Horb  und  Efslingen. 

*  Eheberg  S.  279. 


n 


k 


Textilwaren.  703 

Wollweberei,  die  in  Strafsburg  nach  dem  Urteile  Schmollers  mehr  ein 
blühendes  Ortsgewerbe  war,  als  für  den  Export  arbeitete.  Namentlich 
Hagenau,  Pfaffenhofen,  Zabern  und  Oberehnheim  schlössen  sich  an.  In 
dem  Berwer  des  Strafsburger  Tarifes,  dessen  billige  Sorte  von  Lautern 
stammte,  haben  wir  den  berbtcinuSy  der  seinen  Namen  nach  der  Berberei 
trug,  einen  zottigen  Wollenstoff ^  Als  barvalde  erscheinen  die  Berwer 
auch  im  Tarife  von  Como  ^,  sie  fehlen  auch  nicht  in  Eonstanz  und  Basel 
(Speierer).  Ein  hervorragender  Durchgangsartikel  war  in  Strafsburg 
das  für  die  Mühlen  notwendige  Beuteltuch  von  Clermont  und  Rheims, 
für  dessen  Durchfuhr  Bestimmungen  getroffen  waren.  Beutel tuch  all- 
gemein steht  auch  im  Baseler  und  Berner  Tarif.  Stamigne  heifst  im 
heutigen  Italienisch  Beuteltuch,  jedenfalls  war  es  ein  leichter  und  billiger 
Stoff,  in  Pistoja  durfte  man  den  Toten  nicht  in  Wolle  oder  Seide 
kleiden,  sondern  nur  in  weifse  siamigna^  und  nach  Ausweis  italienischer 
Inventare  diente  dieses  Beuteltuch  auch  in  vornehmen  Häusern  an  Stelle 
des  Glases  zum  Verschlufs  der  Fenster*. 

Der  Überblick  hat  eine  Reihe  deutscher  Städte  aufgeführt,  die  Woll- 
weberei betrieben*,  aber  wir  dürfen  ihre  Ausfuhr  nach  Italien  nicht  zu 
hoch  anschlagen.  Pegolotti,  der  die  flandrischen,  brabantischen  und 
französischen  Stoffe  bis  auf  die  weitesten  ihm  näher  bekannten  Märkte 
des  Orients  verfolgt,  nennt  deutsche  Wollstoffe  niemals. 

Nach  Schmoller  war  der  Buckeram  ein  steifes  aus  Ziegen-  und 
Bockshaaren  gefertigtes  Zeug,  nach  Heyd®  ist  der  feine  orientalische 
Stoff,  der  wohl  nach  Bochara  genannt  wurde,  von  dem  rohen  Stoffe  des 
späteren  Mittelalters  zu  scheiden.  Der  Mailänder  Tarif  stellt  ihn  zu  den 
Baumwollstoffen.  Da  der  bayrische  Landfriede  von  1244  den  Bauern  in 
demselben  Paragraphen  verbietet,  Waffen  und  juppas  de  hükramo  zu 
tragen,  mufs  es  ein  schwerer  gegen  den  Hieb  Schutz  gewährender  Stoff 
gewesen  sein^.  So  war  er  doch  gewifs  recht  verbreitet®.  Er  findet  sich 
in  den  Tarifen  von  Como  und  Strafsburg. 

Die  Baumwollstoffe  spielten  im  deutsch-italienischen  Handel  eine 
grofse  Rolle.     Ich   brauche   hier  weder  auf  die  Rohbaumwolle  noch  auf 

'  Weinhold  2,  232. 

*  [41]  barvalde  et  stumigie.    Ebenso  Mailand. 

*  Zdekauer,  Statutum  potestatis  comunis  Pistorii  126,  sie  durfte  auch  nur 
überdeckt  sein  mit  >ctiltra  dt  zendado  vel  de  hucheramo  sive  de  Uno*,  Es  wird  als 
Heimat  der  stamegnie  des  Mailänder  Tarifs:    »relchare*  und  »spoUri*  genannt. 

^  Verga,  Le  leggi  suntuarie  Milanesi  19. 

^  Aber   längst  nicht  alle,   nicht   einmal  Frankfurt   ist   genannt,   über  dessen 
Weberei  vgl.  Fromm. 
«  2,  692. 

'  M.G.  Constit.  imperatorum  2,  577. 
8  Vgl.  auch  Weinhold  2,  230. 


704  Dreiundneehzigstes  Kapitel. 

den  Barchent  von  Mailand,  Ulm,  Äugsbarg,  (den  Schilrlitz)  von 
wieder  einzugeben.  In  der  Richtung  nach  Norden  bewegt  er  k 
Tarife  von  Conio'.  Barchent  allgemein  nennt  der  Tarif  von  Koi 
Schürlitz  findet  sich  in  denen  von  Basel,  Bern,  Lozem  und  Rothe 
AI»  hervorragende  Durchgangs  wäre  erscheint  in  den  Strafsburger 
(las  Baumwolltueh ,  von  dem  *rippleehi*  gerippte  Tuche  aus  Prai 
Köln  oder  Mailand  und  'gehörte*  (gehaarte)  unterschieden  werden 
Nürnberger  Ordnung  Über  den  Handel  der  Gaste  verbietet  den  I 
verkauf  der  Barchentfardel,  sie  seien  schwarz  oder  weifs.  In  der 
mufste  das  ganze  Fardel  veräufsert  werden  ^ 

Die  Bearbeitung  des  Leinens  blieb  hauptsäcMich  noch  die  j 
der  landwirtschaftlichen  Bevölkerung.  Der  bedeutenden  deul 
Leinenausfuhr  nach  Italien  Zeugen  sind  auch  die  Zolltarife.  Dii 
fache  Leinwand  oder  Leinentuch  steht  in  den  Tarifen  von  Basel, 
stanz,  Luzem,  Strafsburg,  als  drapi  lim  in  dem  von  Como,  der 
eine  Ausfuhr  nach  Deutschland  kennt'.  Der  Aarauer  nennt  die 
wand  von  Eonstanz,  Ravensburg  und  St  Gallen.  Der  Eonstanzer' 
führt  auch  den  Gugler  und  „gefärbte  und  gestürzte  Leinwand"  —  tei 
Sorten  —  an.  Den  Zwillich  kennen  Konstanz,  Basel,  StraTsborg 
Worms  und  werden  als  Heimat  Masmünster,  St.  Gallen,  Solothum,  I 
Münster  und  Lindau  genannt,  f\tr  den  Drillich  des  Baseler  Tarifes  i 
thum,  der  Strafaburger  nennt  keine  Heimat,  nennt  aber  als  TJrspruni 
der  ZiechentUcher  t   Erfurt  und  Köln. 

In  Como  wurden  auch  Stücke:  »eanevaeÜ  aUti  seu  sachi  et  p 
Zi'ni'  verkauft,  wohl  aus  Hanf  hergestellte  Sackleinwand*,  welche 
deutschen  Händler  in  Genua  selbst  zum  Ausschnitt  brachten', 
gleich  darauf  folgenden  söge  (oder  sogaria)  teUie  seu  canipis  mochte 
als  Segeltuch  (sagum)  ansehen,  vielleicht  handelt  es  sich  um  ein  II 
fabrikat  oder  Tauwerk".  Deutscher  Leinenstoffe  gedenkt  auch  Pego) 
Als  in  Genua  verkauft  fUhrt  er  >Tela  dt  Goatiuieot,  also  von  Konsl 
neben  solchen  aus  Navaira,  der  Lunigiana,  von  Cremona  und  Mu 
an '.  Der  Mailänder  Tarif  erwähnt  bei  seinen  zahlreichen  Linnenso 
nur  einmal  eine  Heimat:  Venedig,  Der  Genueser  kennt  teile  aus 
Lombardei,  Rheims,  Toulouse,  Perpignan,  Champagne  und  die  oben  et 

'  ['].  [9]. 

*  Baader,  PoliieioTdnnDgen  129. 
■  [61]. 
•[81). 

»  Urkunden  157,  27. 
M85J. 

'  S.  219.  Bei  Pisa  nennt  er  Leinen  rub  Burgund  nnd  Rheims.  Im  secliMh 
Jahrhundert^kamen  Iieinen  aus  Münster  nnd  OsnabrOck  bis  Sevilla.   Hed  er  Bist 


Produkte  des  Erdreichs.  705 

besprochenen  deutschen  baldinelle.  Aus  den  Inventaren  vornehmer 
Familien  Oberitaliens  geht  hervor,  dafs  als  feinstes  Leinen  dort  das  von 
Cambrai  galt,  aber  auch  Leinen  von  Sangilio  wurde  künstlerisch  aus- 
geschmückt und  gestickt  zu  den  feinsten  Betttüchem  verwendet  *.  Waren 
diese  Sangilio  von  St.  Gallen?  Sonst  wird  auch  rheinisches  Leinen  ge- 
nannt, ohne  dafs  man  es  immer  sicher  von  den  Leinen  von  Rheims 
scheiden  könnte.  In  dem  Inventar  eines  Ladens  von  Bologna  von  1509 
fehlt  auch  tella  iodesca,  azurra  (blaue)  und  negra  (schwarze)  nicht  ^. 

Mischstoffe  waren  die  Tiretaine  des  Comasker  Tarifes*,  grobe  halb 
wollene,  halb  leinene  Zeuge  von  weifser  Farbe,  mit  ihnen  zusammen 
stehen  die  pdlioti  und  steleiiy  pallioti  waren  nicht  allein  aus  Seide,  sondern 
auch  aus  Wolle*.  Der  Mailänder  Tarif  rechnet  die  sielete  zu  den  Baum- 
wollstoffen,  die  tiriniane  bezeichnet  er  als  faite  de  garzatura  bambacis. 

Die  im  Strafsburger  Tarife  erwähnten:  Schetter,  Mitteler  (oder 
Nütteler)  und  Buckaschin  —  leichte  und  biUige  Stoffe  —  vermag  ich 
nicht  alle  sicher  zu  erklären.  Schetter  ist  eine  feine,  auch  in  St.  Gallen 
hergestellte  Steifleinwand*,  auch  bogJceschin  ist  nach  der  Leipziger 
Kramerordnung  von  1484  wohl  ein  Linnenstoff*,  wie  auch  der  Wormser 
Tarif  schechter  und  bockschin  zusammenstellt.  Weiter  sind  noch  Schleier 
zu  nennen,  die  namentlich  in  Strafsburg  hergestellt  wurden^.  Ich  finde 
sie  auch  im  Baseler  Tarife.  An  Bändern  nennt  derselbe  solche  von 
Bern,  der  Strafsburger  von  Rheims. 

Von  Halbfabrikaten  erwähnt  der  Baseler:  Zwirn,  rohes,  weifses 
Garn  und  Baumwollgarn,  der  Strafsburger  mehrere  Sorten,  besonders 
von  Rheims  {Renserin)  kölnisches  und  erfurtisches  Garn,  dann  weifses, 
senwin  Garn^^  weifses  Waldgam  und  zwar  als  Durchfuhrartikel;  auch 
auf  dem  Rheine  wurde  Garn  centnerweise  vorbeigeführt.  Aus  Como 
wurde  stamen  filatum,   das  ist  der  Zettel,  ausgeführt^.     Der  Mailänder 


»  Verga  27  t. 

'^  Frati,  La  vita  privata  di  Bologna  242. 

»  [901- 

*  Bourquelot  1,  262. 

»  Schmoller  8.  587. 

^  Schultz,  Deutsches  Leben  S.  393.  Dazu  teilt  mir  v.  He  yd  mit:  „Pucken- 
Bchin'^  in  Nazareth  fabriziert.  Reise  nach  Jerusalem  vom  J.  1444,  mitgeteilt  von 
Birlinger  in  Herrigs  Archiv  Bd.  40  S.  305.  —  Schwarzer  Boucassin  als  Leichen- 
tuch benützt.  Coli,  des  docum.  in^d.,  m^l.  hist.  8,  298.  —  Juppo  cooperto  de  finissitno 
boucaasino  ib.  326.  Vgl.  darüber  Schultz,  Höfisches  Leben  1,  268  Aum.  1.  Gay, 
GloBsaire  p.  181  f.,  welcher  behauptet,  bis  £nde  des  sechzehnten  Jahrhunderts  sei  unter 
boucassin  verstanden  worden  une  ioile  de  coton  a  poüe  feuM  du  genre  des  futaines, 

'  Schmoller  S.  423. 

«  Eheberg  S.  308. 

»[40]. 

Schult«,  Gesch.  d.  mitteUlterl.  Handels.    I.  45 


706  VierundaechzigstcB  Kapitel. 

Tarif  kennt  als  hocli  bewertete  Ware:  stamen  lane  franeische  et 
et  lane  ultramontane,  ein  Viertel  davon  war  der  Wert  des  siam 
l^misi  und  de  Sicilia.  Die  tgarMatura*  von  Wolle  und  Baumwo! 
wohl  die  beim  Karten  sich  ergebende  Abfallwolle  *.  Die  Weber 
selbst  findet  sich  in  dem  Comasker  Tarife*. 

An  fertigen  Kleid  ungestucken  führten  die  Lombarden  durch  f 
bürg  in  ihre  Heimat  Barette  (Jbirrdtel),  die  auch  im  Florentiner  Zo 
stehen"  und  Hosen,  worunter  offenbar  die  Wadenstrümpfe  aus  samii 
Leder  zu  verstehen  sind,  die  auch  damals  von  Lübeck  nach  Venedij 
handelt  wurden*. 

Ein  sehr  wichtiger  Handelsartikel,  der  aus  den  Gespinst! 
des  Flachses  bezw.  aus  Hadern  hergestellt  wurde,  war  das  Papier 
weit  mehr,  als  man  bisher  annahm,  Gegenstand  der  Einfuhr  aus  I 
war.  Im  Comasker  Zolltarif  fehlt  ea  freilich,  findet  eich  aber  in 
Tarifen  von  Ronstanz,  Bern,  Basel,  Luzem,  Worms  und  im  Strafsbi 
auch  bei  den  Angaben  für  den  Transitzoll  auf  dem  Rheine.  Unc 
oft  sind  wir  dem  Handel  mit  Papier  begebet'! 

Dem    Schmucke   der  Kleidung   dienten  Perlen   und  Korallen, 
diese  lassen  sich  im  deutsch- italienischen  Handel  nachweisen".    Ben 
ist   vielleicht    unter  der   ambra  des  Comasker  Tarifes  zu  verstehec 
bedenklich  es  ist,    dafs  der  Satz   sich  auf  einen  Rubb,    also  ein  gi 
Quantum  bezieht'. 

Yierundsechzigstea  Kapitel. 
Prodnkte  des  Pflanzenreielis. 

Farbwaren,  die  alten,  neu  auftretende.  Kampf  der  WaidkvJtur  gegen  den  Indi 
Spezereien,  die  seUenereti  nur  in  dm  ApotMerliiten,  die  marktgängigen.  Die  alte 
neu  auftretenden.  Safran.  Zucker.  Die  ifürten.  Wethraud».  —  Südfhidtte  und  „Fi 
gpeisen".  Eeis.   Kümmel.  Loröl.    Öie.    Wein*.  —  Getreide.  —  HöUer:  Buch»,  EA 

Venedig,  das  einst  in  der  Färberei  unerreicht  war,  mufste  st 
Ruhm  gemindert  sehen,  da  andere  Stttdte  seine  Technik  erlernten*. 

'  Urkunden  S.  127  uDten. 
■  flOl]. 

*  IjEsano  6. 

*  Stieda  S.  111. 

*  Namentlich  Urkunden  Nr.  289.    Vgl.  noch  Meder  Blatt  50  u.  Sfter. 

*  Perlen,  Urkunden  Nr.  333.  Ein  Konstanter  Handelt  damit  in  Avi 
Korallen  im  Tarif  von  Basel,  der  Überlinger  Hftndler  in  Barcelona  a.  S.  543. 
Über  den  Perlenluxua  in  Italien  vgl.  Verga  9. 

''  S.  127.    An  die  Ambra  genannte  Parfibnerie  und  Armei,    die  im  Leib 
Pottwals  gefunden  wurde,  ist  bei  der  Einfuhr  ans  dem  Norden  her  nicht  au  de 
»  Vgl.  Urkunden  Nr.  346. 


Produkte  des  Pflanzenreichs.  707 

Den  schon  früher  nachgewiesenen  Farbwaren,  die  auch  jetzt 
in  den  Tarifen  erscheinen,  nämlich:  der  Fttrberröte  (ruhia,  Krapp,  in 
den  Tarifen  Como:  Ausfuhr  über  die  Alpen,  Basel,  Strafsburg);  der 
Waidpflanze  (guadum,  in  den  Tarifen  Como:  Einfuhr  über  die  Alpen, 
Basel,  Strafsburg,  Worms);  dem  Brasilienholz  {braxilej  in  den  Tarifen 
Como:  Ausfuhr  über  die  Alpen,  Basel,  Strafsburg);  der  Keimesschild- 
laus  (granüy  in  den  Tarifen  Como:  Ausfuhr  über  die  Alpen);  Safran 
(croctis^  vgl.  unter  den  Gewürzen) ;  Opperment  {auripigmenium,  im  Strafs- 
burger  Tarife);  Indigo  (endegunij  in  den  Tarifen  von  Como:  Ausfuhr 
über  die  Alpen,  Basel  und  Strafsburg,  auch  Aarau)  gesellten  sich  andere. 
Der  Mailänder  Tarif  giebt  auch  die  Wertstufen.  Von  der  Kermes- 
schildlaus  galt  der  Centner  80  Ä ,  Indigo  von  Bagdad,  Brasilienholz  20  Ä , 
Grünspan  6  €6.  Orseille  und  Lackmus,  in  der  deutschen  Bezeichnung 
Violfarbe,  ein  aus  Flechten  des  Mittelmeergebietes  gewonnener  Farb- 
stoff findet  sich  in  den  Tarifen  von  Strafsburg,  Basel  und  Konstanz,  auch 
dem  von  Como*.  Grünspan  (Verderamus) y  der  zuerst  in  den  wein- 
bautreibenden Gegenden  Südostfrankreichs  aus  in  Essiggärung  befind- 
lichen Trebem  und  Kupfer  hergestellt  wurde,  im  Baseler,  Aarauer  und 
Strafsburger,  der  Rötelstein  im  Strafsburger  und  zwar,  wie  Brasilien- 
holz, Opperment,  Safran,  Röte,  Lackmus,  Grünspan,  Waid,  Drusenasche, 
Waidasche  und  kölnische  Erde  als  Durchfuhrartikel. 

Unter  dem  „Trisanderholz"  der  Strafsburger  Tarife  stecken  wohl 
die  drei  Sorten  Sandelholz,  das  rote  farbstoffhaltende  Holz  von  PterocarptiS 
Santalinus,  und  das  gelbe  und  weifse  wohlriechende  Holz  von  Santalum 
album  *.    Sie  stammen  vom  ostindischen  Festland,  von  Ceylon  und  Timor. 

Drusenasche  (Frankfurter  Schwarz),  deren  Herstellung  in  Strafsburg 
verboten,  später  doch  erschwert  war,  machte  man  durch  Verkohlen  von 
Weinhefe.  Kölnische  Erde  ist  wohl  erdige  Braunkohle,  kölnische  umbra, 
eine  braune  Farbe.  Unter  Waidasche  ist  wohl  die  gebrauchsfähige  ver- 
gorene Masse  der  Blätter  des  Waid  zu  verstehen.  Galläpfel  führt  der 
Tarif  von  Como  auf",   ihre  besseren  Qualitäten  kamen  aus  Kleinasien*. 

Das  Zinnober  der  Konstanzer  Spezereiliste  stammte  wohl  aus  den 
spanischen  Quecksilbergruben,  denn  die  Gruben  von  Idria  in  Krain 
kamen  erst  am  Ausgange  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  in  Aufnahme^. 
Über  von  Deutschen  eingeführtes  cremixium^  das  ist  Karmoisin,  also  ein 
tierisches  rotes  Farbmittel,  stritten  sich  die  Zollbeamten  von  Genua  mit 
den   Händlern,    ob    es  aus  Deutschland    komme   oder   nicht.     Genueser 


'  [59]. 

2  Heyd  2,  646  f. 

»  [78]. 

*  Heyd  2,  593. 

»  Stieda  103.  106. 

45 


706  Vierundsechzigstes  Kapitel. 

Färber  bezeichneten  die  Ware  als  in  Deutschland  erzeugte  und  so  kann 
da  nur  von  der  polnischen  Cochenille  (Forphyrophora  Frischi  Brandt) 
die  Rede  sein*. 

Einen  schweren  und  hartnäckigen  Kampf  führte  die  alte  deutsche 
Waidkultur  ^  gegen  den  Indigo.  Erfurt  und  Köln,  wo  Waid  massenhaft 
gebaut  und  von  den  Blauftrbem  gekauft  wurde,  wehrten  sich  gegen  die 
„Teufelsfarbe",  die  schliefslich  trotz  der  Polizeiordnungen  des  Reiches  sieg- 
reich blieb.  Köln  hielt  am  Waid  fest  und  schädigte  sich  schwer".  Ähn- 
lich hatte  Florenz  1428  seinen  Blau-Färbern  jedes  andere  Farbmittel  als 
Waid  verboten*.  Weinstein,  das  oft  in  Tarifen  erscheinende  Farbmittel, 
wurde  kaum  aus  Italien  bezogen.  Die  zu  Freiburg  gesottene  Siegelfarbe 
erwähnt  der  Bemer  Tarif.     Der  Wormser  Tarif  redet  von  ^hintfarwe^. 

Eine  eingehende  Übersicht  über  die  Spezereien,  die  einen  sehr 
erheblichen  Teil  der  italienischen  Ausfuhr  ausmachten,  ist  aus  den 
deutschen  Zolltarifen  nicht  zu  gewinnen.  Der  Comasker  begnügt  sich 
mit  zwei  allgemeinen  Paragraphen,  und  auch  der  Strafsburger  fafst  die 
meisten  Artikel  zusammen.  Wer  wissen  will,  was  damals  in  Süd- 
deutschland in  den  Apotheken  an  Spezereien  und  Droguen  des  Orients, 
die  also  ihren  Weg  über  die  Alpen  nehmen  mufsten,  vorhanden  war, 
raufs  sich  an  die  von  Flückiger  veröffentlichten  und  erläuterten  Listen 
von  Frankfurt  (um  1450)  und  Nördlingen  (um  1480)  und  an  die  Heidel- 
berger Apothekenordnung  von  1473  halten  *.  Wer  aber  erfahren  möchte, 
was  in  Italien  verkauft  wurde,  mufs  die  köstlichen  Listen  von  Mailand* 
und  das  Handelsbuch  von  Pasi  heranziehen"^. 


1  Urkunden  Nr.  271.    Vgl.  Heyd  2,  610. 

^  Auch  in  Italien,  namentlich  um  Alessandria  wurde  Waid  gebaut  und  von 
dort  ausgeführt.    Uzzano  95. 

3  Geering,  Kolonialwarenhandel  8.  54,  Basel  808.    Stieda  98. 

*  Pöhlmann  60. 

^  Die  Frankfurter  Liste.  Halle  1873.  Auch  Archiv  d.  Pharmacie  Bd.  201  (darin 
die  Heidelb.  Ordnung).  Das  Nördlinger  Register  in  Archiv  d.  Pharmacie  Bd.  211, 
Dokumente  zur  Gesch.  d.  Pharmacie  Bd.  207  u.  208.  Reicher  als  unsere  Mitteilungen 
sind  auch  die,  welche  Stieda,  Handelsbeziehungen  aus  den  Papieren  des  Lübecker' 
Grofskaufmanns  Hildebrand  Veckinchusen,  machen  konnte.  Ich  benutze  im  folgenden 
wesentlich  nur  die  Tarife  und  gebe  also  nur  die  im  Handel  häufigen  Droguen  und  Waren. 

^  Sie  ist  für  die  Preise  so  wichtig.  Bei  den  nach  Pfund  verkauften  steht  hal- 
zamum  mit  einem  Durchschnittswert  von  72  ^  voran,  es  folgt  spongia  mit  9,  ambra 
fina  mit  8,  folium  garofororum  mit  5,  os  cordis  de  cervo  mit  3V«,  retibarbarum  und 
Safran  mit  IVs,  canfora^  ficus  sied,  reoponiicum  und  acamonea  mit  1  it,  Kubeben 
und  Zucker  galten  das  Pfund  15  ßj  Turbit,  garofani,  Macis,  Opoponaz  10  ß,  stmguis 
draconis,  Spicanarde,  Muskatnüsse  5  y?  u.  s.  w.  Nach  Centner  verkauft  wurde  als 
teuerstes  garingalis  angeschlagen  zu  25  ^,  Indigo  von  Bagdad  und  Pfeffer  mit  20, 
Zimmet  mit  18,  Weihrauch  und  Zucker  mit  15  it.  An  der  Spitze  der  in  Saumlast 
verhandelten  steht  »garabe*  mit  30  ü,  es  folgt  Alaun  ile  ghiaccio  mit  20  #& 

^  S.  188.    Er  zählt  44  Sorten  von  Spezereien  und  13  wohlriechende  Stoffe  auf. 


Produkte  des  Pflanzenreichs.  709 

Die  Zolltarife  bieten  nur  die  Waren,  die  nicht  allein  von  den 
Apotheken  ftir  Krankheitsfälle  geführt  wurden,  sondern  diejenigen,  welche 
in  den  Hausgebrauch  übergegangen  waren  und  das  Mittelalter  liebte  es 
ja  sehr,  seine  Speise  und  seinen  Trank  zu  würzen.  Man  konnte  sich 
kein  Wochenbett  ohne  Ingwer  denken  und  Safran  war  in  jeder  Küche 
zu  finden,  wo  sich  heute  der  Gebrauch  des  Mittelalters  fast  nur  im 
Bern  er  Oberland  erhalten  hat. 

Der  Safran  erscheint  im  Handel  der  Deutschen  aufserord entlich  oft, 
wir  sahen,  dafs  in  Genua  in  dem  deutschen  Ausnahmezoll  für  Safran 
allein  ein  besonderer  Satz  bestimmt  war.  Der  Safran  wurde  übrigens 
in  dieser  Periode  auch  bei  Basel  gebaut  ^  Es  war  einer  der  Haupt- 
handelsartikel jener  Zeit,  an  dem  uns  so  recht  die  Veränderung  des 
Geschmackes  und  der  Technik  klar  wird.  Der  Tarif  von  Basel  nennt 
die  Sorten  von  Tuschgan  und  Mumpherer,  Der  beste  entstammte  Toskana, 
doch  hatten  auch  andere  Landschaften,  besonders  Katalonien,  die  Marken 
und  die  Abruzzen  gute  Sorten^.  In  Strafsburg  und  Worms  schätzte 
man  den  von  Orta  bei  Tortosa  am  höchsten^.  In  Nürnberg,  wo  1441 
eine  besondere  Safranschau  eingerichtet  wurde,  um  den  sehr  leicht  aus- 
führbaren Fälschungen  vorzubeugen,  mufste  nach  den  Sorten  verkauft 
werden,  nämlich  ort  (von  Orta),  lyonisch  (Lyon),  eynian  (Zimat  gehandelt 
in  Aquila),  iuschan  (Toskana),  marck  (Marken),  pulnisch  (Apulien), 
spaniolisch  (spanisch),  pronigeller  und  bellcgier  (aus  Katalonien)^.  In* 
Strafsburg  unterschied  man  nur  drei  Sorten*.  Wir  haben  Deutsche  im 
Safranhandel  in  Spanien,  Südfrankreich,  Ligurien  und  Lombardei®  ge- 
troffen, auch  auf  den  grofsen  Safranmärkten  von  Aquila  in  den  Abruzzen 
fanden  wir  sie.  Der  Safran  wurde  vielfach  verfälscht,  die  Nilrnberger 
waren  aber  so  gründliche  Kenner  des  Safrans,  dafs,  als  in  Bormio 
Verdacht  gegen  die  Echtheit  und  Unverftllschtheit  bestinmiter  Formen 
entstand,  man  sich  nach  Nürnberg  wandte*^,  wo  auf  Safranfklschung  die 
Todesstrafe  stand®. 


'  Inama-Sternegg  3,  S  337  läfst  ihn  auch  in  Steiermark  angebaut  werden, 
doch  beweist  die  angeführte  Stelle  das  nicht  zwingend. 

2  Vgl  Stieda  104  f. 

»  Flückiger,  Pharmakognosie  779.  Wormser  Tarif. 

*  Baader,  Polizeiordnungen  136  f.  Zimat  und  Pelinger  führt  auch  Lorenz 
Med  er  auf.  »Fruniget*  und  »Felinger*  scheinen  da  als  Sorten  aus  dem  Albig^ois 
angeführt  zu  werden.    Blatt  54. 

»  Brucker  S.  311. 

^  Nach  L.  M  e  d  e  r  wurde  er  auch  in  Parma  und  Casalmaggiore  aufgekauft.  Blatt  45. 
Vgl.  die  Übersicht  über  den  Safranhandel  der  Venetianer  bei  Pasi  194  ff. 

■»  Urkunden  Nr.  391. 

»  Flückiger  a.  a.  O.  S.  781. 


710  Vierundsechzigstes  Kapitel. 

Eine  Reihe  schon  früher  erwähnter  Spezereien  findet  sich  in  den 
Tarifen  auch  dieser  beiden  Jahrhunderte  wieder:  Die  Galangawarzel 
(Konstanz  und  Strafsburg),  die  Gewürznelke  (Konstanz^  Basel,  Strafs- 
burg)*, der  Ingwer  (Basel,  Luzem,  Strafsburg),  die  Kardamomen  (Kon- 
stanz), Muskatnüsse  (Konstanz,  Strafsburg),  Pfeffer  (Konstanz,  Basel, 
Luzern,  Strafsburg),  daneben  Lang  Pfeffer  (Konstanz,  Strafsburg,  irrig 
im  Drucke  als  Landpfeffer)  und  Zimmt  (Konstanz,  Basel,  Luzern  und 
Strafsburg). 

Alle  diese  mit  Ausnahme  der  Kardamomen  zählt  auch  Stromer  auf 
als  die  Artikel,  welche  der  Nürnberger  gern  in  Genua  einkaufte.  Er 
nennt  aber  auch  weiter:  Weihrauch,  Muskatblumen,  Kubeben,  Zimmt- 
blüte,  Paradieskörner  und  Zedoar.  Ein  Verzeichnis  von  Waren  aus 
Freiburg  im  Br.  von  1480  nennt  die  Preise  von  Ingwer,  Zimmt,  Nelken, 
Muskatnufs,  Kubeben,  Safran  und  Zucker^. 

Kubeben,  die  auch  als  Chaböblin  in  den  Strafsburger  Tarifen  er- 
scheinen ,  waren  die  Früchte  des  in  Ostindien  und  auf  den  Sundainseln 
heimischen  Kubebenpfeffers.  Den  bitteren  Geschmack  des  Heilmittels 
wegzuschaffen,  überzog  man  die  Früchte  mit  Zucker®.  Auch  wurden 
die  Kubeben  als  Luxusgewürz  verwendet 

Unter    dem  Mantzis   der   Konstanzer,    dem  Motis  der  Strafsburger 

Liste   ist   wohl  nicht  Mastix,    das  bekannte  Räuchermittel  von  Chics  zu 

*  verstehen,    sondern  Macis,   gewöhnlich  Muskatblüte  genannt,   die  teurer 

als  die  Muskatnufs  war  und  nicht  allein  zur  Würze  der  Speise,  sondern 

namentlich  zu  der  des  Weines  verwendet  wurde*. 

Die  Zedoar-  (Zitwar-)Wurzel  findet  sich  auch  im  Baseler  Tarife. 
Die  Wurzel  der  in  Turkestan  wachsenden  Artemisia  maritima  lieferte 
den  Zitwersamen  {Semeti  eedoariae)^  der  als  Wurmsamen  sehr  bekannt 
war  (Konstanz)^.  Das  Süfsholz  (Luzern)  ist  die  Wurzel  der  in  Spanien 
und  Italien  angebauten,  seit  dem  fünfzehnten  Jahrhundert  auch  bei  Bam- 
berg angepflanzten  Glycyrrhiza  glabra,  deren  Wurzel  ausgekocht  und  ver- 
dampft die  Lakrizen  lieferte  (Strafsburg)®. 

Der  Meckin  der  Strafsburger  Quellen  ist  die  Sorte  Ingwer,  die,  so  nimmt 
man  an,  nach  dem  Haupthandelsplatz  Mekka  den  Namen  trug,  während 
sie  aus  ganz  Arabien,  vielleicht  auch  Zanzibar  und  Madagaskar  kam^.  Jeden- 
falls war  sie  schlechter  als  die  anderen  Sorten  des  hochbeliebten  Gewürzes. 


^  OrdnuDg  über  Handel  mit  den  'fusti*  bei  Baader,  Polizeiordnungeu  8.  139. 

*  Flückiger,  Dokumente. 

3  Stieda  97.    Flückiger,  Pharmakognosie  927. 

*  Hejd  2,  626  f.    Stieda  101.    Flückiger  1041. 
6  Stieda  107.    Flückiger,  Pharmak.  823  f. 

^  Flückiger,  Pharmakognosie  382  ff. 
'  Heyd  2,  602  f.    Stieda  98. 


Produkte  des  Pflanzenreichs.  711 

Die  im  Strafsburger  Tarif  erwähnte  ostindische  Thurbitwurzel 
(Ipomoea  Turpeihum)  gehört  mehr  in  den  Bereich  der  Heilpflanzen^. 
Unter  Zimmtblüten  (Strafsburg)  sind  die  Blüten  des  Zimmtbaumes  zu 
verstehen.  Die  Schgamonea  der  Konstanzer  Spezereiordnung  ist  das 
namentlich  als  Purgiermittel  benutzte  Harz  der  in  Kleinasien  wachsenden 
Convolvulus  scammonia^.  Terpentin,  das  Harz  der  Pisiacia  TerebifUhus, 
die  in  Kleinasien,  Syrien  und  Palästina  heimisch  ist,  findet  sich  nur 
im  Baseler  Tarif,  der  „Strafsburger  Terpenthin",  aus  der  Edeltanne  be- 
reitet, war  übrigens  damals  weit  bekannt". 

Die  Luzerner  Krämereiordnung  führt  „Elms"  an,  ich  finde  da  nur 
das  noch  nicht  völlig  aufgeklärte  Elenii^  einen  Harzsaft,  der  blutstillend 
wirkte  und  1430  schon  an  einem  Heidelberger  Studenten  erprobt  wurde*. 
Dafs  der  Zucker  erst  in  diesen  beiden  Jahrhunderten  sich  in  den 
Tarifen  nachweisen  läfst,  ist  wohl  nur  ein  Zufall.  Er  war  durch  die  Ejreuz- 
fahrer  längst  genau  bekannt  geworden  und  wenn  auch  ein  Süfsungsmittel 
neben  dem  Honig  nicht  so  nötig  war,  als  nach  Einführung  von  Thee 
und  Kaffee,  so  mufs  der  Zucker  doch  auch  aufserhalb  der  Arzneipraxis 
Freunde  gefunden  haben.  Er  erscheint  in  den  Listen  von  Konstanz, 
Bern  und  Strafsburg  und  wird  unterschieden  zwischen  dem  Hutzucker 
und  dem  Zuckermehl ,  das  ist  der  polvere  di  zucchero ,  der  auseinander 
bröckelnde,  namentlich  in  Cypern  hergestellte  und  weniger  dick  ein- 
gekochte*. Ob  unter  dem  Chandict  der  Konstanzer  Liste  der  Kandis- 
zucker (fein  krystallisiert)  zu  verstehen  ist,  wage  ich  nicht  zu  behaupten, 
ist  aber  wahrscheinlich®.  Im  Laufe  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  stieg 
der  Zuckerkonsum  rapide  und  in  Köln  wurden  grofse  Quantitäten  ver- 
handelt*^. 

Der  Küste  des  tropischen  Westafrika  am  Atlantischen  Ocean  ent- 
stammen die  Paradieskörner  (Samen  von  Amomum  Melegtieta),  die  ein 
beliebtes  Gewürz  waren  (Konstanz,  Basel,  Strafsburg)*'. 

Aus  den  Akazienarten  des  Sudans  und  anderen  Gegenden  Afrikas 
flofs  das  Gummi,  das  im  Mittelalter  vorwiegend  als  Heilmittel  gebraucht 
wurde  und  dem  wir  auch  im  Baseler  Tarife  begegnen*^. 


^  Flückiger,  Frankfurter  Liste  46;  Pharmakognosie  437. 
«  Stieda  105.    Flückiger  438. 
^  Flückiger,  Pharmakognosie  82. 
^  Flückiger,  Pharmakognosie  89. 

''*  Man  kann  auch  an  Melasse  denken,  das  französische  meil  euere. 
*  Vgl.  Codex  Cumanus  92. 

^  Geering,    Kölns  Kolonialwarenhandel  S.  47  ff.     Über  Zuckergebrauch   im 
Elsafs  vgl.  Hanauer  2,  259,  in  Basel  Geering  345  f. 
«  Stieda  S.  102. 
^  Zur  Geschichte  des  Gummis  vgl.  Flückiger  und  Hanbury  1,  420  ff. 


712  Vierundsechzigstes  Kapitel. 

Die  Strafsburger  Krämerordnung  teilt  die  Zusammensetzung  der  vier 
von  den  Krämern  verfertigten  Wtirzen  so  genau  mit,  dafs  einer  prak- 
tischen Erprobung  der  „stifsen  Würze",  „Speisewürze",  „Krämerwürze" 
und  „Krämerspeisewürze"  nichts  im  Wege  steht.  Sie  wurden  aus  Zinimet, 
weifsem  Ingwer,  Nägellein,  Paradieskörnern,  langem  Pfeffer,  Muskat- 
nüssen, Galgan,  Meckin  und  Safran  zusammengesetzt,  auch  that  wohl 
der  Krämer  noch  Muskatblüte,  „Kaböbel"  und  Kardamomen  hinein  ^ 
Andere  Rezepte  aus  dem  Elsafs,  die  jedoch  keine  weiteren  Spezereien 
anführen,  hat  Hanauer  mitgeteilt*. 

Eigentümlicherweise  findet  sich  der  in  jeder  Dorfkirche  ge- 
brauchte Weihrauch,  der  vorwiegend  aus  Arabien  bezogen  wurde,  nur 
in  dem  Strafsburger  Tarife  und  dem  von  Brem garten",  wiederum  ein 
Zeichen  dafür,  wie  unvollständig  das  Bild  ist,  das  die  Tarife  allein 
gewähren. 

Dem  christlichen  Mittelmeergebiete  gehören  eine  Reihe  von  anderen 
„Südfrüchten"  an,  die  wir  aus  Tarifen  kennen  lernen. 

Als  Fastenspeise  führt  der  Strafsburger  Tarif  Feigen  und  „Träubel", 
Rosinen,  Reis  und  Mandeln  auf.  Feigen,  Trauben  und  Mandeln  er- 
scheinen in  allen  vier  Tarifen,  Rosinen  nur  im  Strafsburger  und  Reis 
auch  im  Konstanzer  und  Baseler.  Die  Reiskultur  dehnte  sich  im  Laufe 
des  fünfzehnten  Jahrhunderts  in  Italien  beträchtlich  aus  und  erst  von  da 
an  wurde  die  Frucht  nördlich  der  Alpen  heimisch ;  in  rasch  steigendem 
Mafse  wurde  sie  ein  Exportartikel  Italiens.  Wir  sahen ,  dafs  einzelne 
italienische  Händler  erhebliche  Quantitäten  über  die  Alpen  beförderten  *, 
doch  fehlt  in  dem  Comasker  Tarife  noch  jeder  Hinweis  auf  dieses 
Nahrungsmittel.  Er  kennt  dafür  die  Mandeln  *,  wovon  die  besten  aus  der 
Provence  bezogen  wurden,  im  Handel  dorthin  sehen  wir  auch  manche 
deutschen  Händler.  Für  Datteln  hat  der  Strafsburger  Tarif  einen  Ansatz 
nach  Centnern. 

An  der  Ausfuhr  war  auch  italienischer  Kümmich  beteiligt,  ausdrück- 
lich   bemerkt    das    der  Cosmasker   Tarif*,    er   findet  sich   auch   in  den 


1  Brücket  S.  310. 

^  2,  247  ff.  Der  Wein  wurde  mit  Zitwar,  Nägellein,  Zimmt,  Galgan,  Karda- 
momen und  Paradieskömem  gewürzt. 

'  Kurz  u.  Weisseubach  242.    Über  Weihrauchpreise  vgl  Hanauer  2,  254. 

^  Hirmi  von  Basel  und  Morosini  von  Mailand,  letztere  transportierten  1490 
80  Saumlasten  Reis.  Vgl.  auch  Urkunden  Nr.  307.  Nach  dem  Mailänder  Tarif 
wurde  der  Centner  auf  2Ü  IQß  geschätzt.  Reis  finde  ich  zuerst  von  Genuesen  in 
Antwerpen  eingeführt  1315.    Desimoni  u.  Belgrano  (375). 

"  [71]. 

•  [21]. 


Produkte  des  Pflanzenreichs.  713 

Tarifen  von  Luzern  und  Strafsburg  ^  Von  Anis  nahm  Flückiger*  an, 
dab  er  damals  in  Deutschland  wenig  gebraucht  sei,  er  findet  sich  aber 
in  dem  Strafsburger  Tarife. 

Die  Blätter  des  Lorbeers  meinen  offenbar  die  Tarife  von  Basel, 
Konstanz  und  Strafsburg.  Das  früher  schon  besprochene  Lorbeer-Lor-Öl, 
beziehungsweise  die  Beeren,  aus  denen  das  öl  bereitet  wurde,  finde  ich 
in  den  Tarifen  von  Strafsburg  und  Como,  und  so  rätselhaft  es  ist,  die 
oribagha  erhält  sich  auch  in  den  magersten  Tarifen  des  Alpengebietes  ^. 
Der  südeuropäische  Rosmarin  (Basel)  lieferte  ein  für  Parfümerien  ge- 
schätztes Öl.  Der  Aarauer  Tarif  erwähnt  nach  Centnem  berechnet: 
sirmandafASy  nach  Flückiger  ist  das  das  französische  sermontain,  die 
Früchte  von  Laserpitium  Siler  Linnö,  der  weifse  Enzian  der  Schweizer, 
dessen  Same  in  der  Schweiz  zur  Bereitung  eines  Öles  verwendet  wurde, 
wie  die  Wurzel  als  Mittel  gegen  Zahnschmerzen*.  Ob  Senf  (Basel 
und  Como)  Gegenstand  des  deutsch-italienischen  Verkehrs  war,  bleibt 
zweifelhaft. 

Öl  ganz  allgemein  erscheint  in  den  Tarifen  von  Basel,  Bern,  Rothen- 
burg und  Strafsburg,  davon  unterscheiden  die  von  Basel  und  Strafsburg 
das  Baumöl,  auch  der  Comasker  Tarif  [46]  bezeugt  die  Ausfuhr. 

Die  Angaben  über  Weine  in  den  Zolltarifen  sind  deswegen  besonders 
unvollständig,  weil  hier  der  Strafsburger  Tarif  völlig  versagt,  da  die 
Weine  einer  andern  Verzollung  unterlagen,  auch  der  Comasker  Tarif 
läfst  uns  im  Stich*.  So  gewähren  die  Notizen  über  Klevner  Wein 
(Konstanz)  und  Malvasier  (Basel)  nur  ein  sehr  ungenügendes  Bild  von 
der  Vorliebe  der  Deutschen  für  südeuropäische  Weine  ®1  Wie  kaufte 
König  Sigmund  z.  B.  in  Konstanz  Weine   auf,   gewifs   keine  Seeweine! 

Getreide  war  für  die  Versorgung  der  Alpenthäler  wichtig,  überschritt 
aber  wohl  niemals  die  Zone  des  Alpengebietes,  in  den  Ostalpen  war 
das  anders. 


1  Nürnberg  holte  sich  im  sechzehnten  Jahrhundert  Kümmel,  der  aus  Apulien 
und  Negroponte  stammte.    Meder  Blatt  1  u.  6. 

-  Pharmakognosie  947. 

^  Como  [6].  Soma  dt  urbaghe  im  Dazio  von  Misocco  1608.  Boll.  stör,  della 
Svizzera  ital.  12,  257.  Orihaghe  im  Zolltarif  von  Lugano  1759  ebda.  10,  211.  Auch 
auf  der  Bozener  Messe  wurde  Loröl  gehandelt.  Meder  44.  Ebenso  Schürt z, 
Material kammer  66,  der  es  besonders  von  Mailand  kommen  läfst. 

^  Vgl.  Krünitz,  ökonomisch-technol.  Encyklopädie  Bd.  65,  122. 

^  Allgemeine  Angaben  Tarif  von  Chiavenna  [109],  BeUinzona  [118].  Fürleite 
von  BeUinzona  Urkunden  Nr.  192. 

<»  Vgl.  Schultz,  Deutsches  Leben  S.  507  f  Boos,  Städtekultur  3,  66.  Die 
Mailänder  Statuten  des  Datium  kennen:  »vinum  vemacie,  mdlvasie,  creti,  romanie^ 
grechum,  rehule  et  de  marcha"  Fol.  155  ▼,  auch  »vinum  moschaUlum,  papiense,  voltru 
naschum^  de  romagnano<  u.  s.  w.  Fol.  156. 


714  Fünfundsechzigstes  Kapitel. 

Von  gewöhnlichen  Hölzern  fand  bei  der  Schlechtigkeit  der  Wege 
kaum  irgend  ein  Verkehr  zwischen  den  beiden  Ländern  statt,  anders 
verhält  es  sich  mit  den  feihen  Holzarten,  die  als  Werkholz  bei  der 
Drechslerei  und  in  anderen  Gewerben  z.  B.  zu  Heften  von  Messern  u.  s.  w, 
Verwendung  fanden.  Eibenholz  (Taxus  haccata)  war  auch  in  unsern 
Wäldern  verbreitet,  für  Schnitzereien  und  Geräte,  namentlich  Armbrüste 
vortrefflich  geeignet,  es  findet  sich  wie  das  Buchsholz,  als  dessen  beste 
Bezugsquelle  der  Baseler  Tarif  die  Provence  nennt,  in  den  Tarifen  von 
Basel,  Bern  und  Strafsburg.  Vielleicht  wurde  dieses  für  Kunstwerke 
besonders  geeignete  Holz  auch  aus  Kleinasien  und  Persien  eingeführt 
Lohrinde  findet  sich  im  Strafsburger  Tarif.  Harz,  Pech,  Holzkohle  und 
Asche  begegnet  vielfach  in  den  Tarifen,  ohne  dafs  man  einen  Handel 
zwischen  Italien  und  Deutschland  annehmen  könnte. 


Fünfundsechzigstes  Kapitel. 
Produkte  des  Tierreichs.    Fabrikate. 

Pferde,  Vieh,  —  Gesalzene  Fische,  gesalzenes  Fleisch.  —  Käse,  Butter  u.  s.  tc. 
Seife,  —  Häute,  Boläroni.  —  PelzwerJc,  Sorten,  —  Leder,  Sorten,  —  Hornkämme^  Federn,  — 
Pfennwerte  oder  Merceriewaren.    Gedru<:kte  Büclier,  Paternoster, 

Wenn  die  Pflanzenwelt  fast  ausnahmslos  die  Austauschbilanz  zu 
Gunsten  von  Italien  stellte,  so  verhält  sich  das  mit  dem  Tierreich  — 
wenn   auch   nicht  ohne  erhebliche  Ausnahmen  —  doch  eher  umgekehrt 

Die  Ausfuhr  von  schweren  Pferden  aus  der  Lombardei  war,  wie  wir 
sahen,  sehr  bedeutend  und  der  Comasker  Tarif  hat  da  ganz  eingehende 
Bestimmungen,  da  der  Verkehr  von  Reisetieren  von  den  Handelstieren  zu 
scheiden  war  und  auch  der  Wert  dabei  in  Anrechnung  gebracht  wurde. 
Auch  an  manchen  Stellen  der  Mailänder  Statuten  wird  des  Pferdehandels 
gedacht*.  Doch  kamen  auch  Pferde  von  Norden  her  zum  Verkaufe^, 
wir  können  deutsche  Pferde  neben  solchen  aus  Gorsica,  der  Berberei, 
Sizilien,  Apulien  und  Sardinien  sogar  im  Zolltarif  von  Pisa  nachweisen®. 
Wie  sehr  die  Vieh-  und  Pferdemärkte  von  schweizerischen  und  auch 
deutschen  Händlern  besucht  wurden,  haben  wir  früher  gesehen*.  Doch 
blieb  mit  Ausnahme  der  Pferde  das  wohl  ein  Nahhandel,  ftir  Rindvieh, 
Schafe,  Ziegen  u.  s.  w.  ist  ein  Export  auf  grofse  Entfernungen  nicht 
anzunehmen. 


»  Z.  B.  Blatt  170  ▼,  213,  216. 

2  [32]-[37]. 

^  Uzzano  51. 

^  Ich  habe  keineswegs  alle  Notizen,  die  sich  darauf  bezogen,  verwendet. 


Produkte  des  Tierreichs.    Fabrikate.  715 

Für  gesalzene  Fische  aus  Deutschland  hat  der  Comasker  Tarif 
einen  Posten  ^,  ebenso  der  Mailänder  ^.  Im  einzelnen  finden  sich  Häringe 
und  Bückinge  im  Baseler,  Berner,  Luzerner  und  Strafsburger,  Stock- 
fische im  Baseler  und  Strafsburger  Tarife,  Heringe  auch  in  dem  von 
Bremgarten^.  Der  Handel  mit  ihnen  mufs  nach  einzelnen  Nachrichten 
recht  lebhaft  gewesen  sein  ^.  Bolchen,  das  ist  Kabeljau,  bin  ich  mehrfach 
in  deutschen  Tarifen  begegnet. 

Gesalzenes  Fleisch  findet  sich  im  Baseler  und  Comasker  Tarif,  die 
letztere  Stelle  redet  auch  von  Ausfuhr  über  die  Alpen  *  und  wirklich 
waren  gesalzene  Würste  wie  ^Fysseniiner  kefs€  —  Käse  von  Piacenza  — 
den  Sendungen,  die  die  Koler-Krefs  in  Nürnberg  erhielten,  mitunter 
beigepackt.  Der  Käse  von  Piacenza  war  damals  in  Italien  sehr  an- 
gesehen und  wanderte  in  grofsen  Quantitäten  z.  B.  nach  Venedig *. 

Speck,  Butter,  Käse,  Zieger,  Honig  wurde  wohl  nur  ausnahmsweise 
—  wie  eben  schon  vom  Käse  erwähnt  wurde  —  über  die  Alpen  gebracht. 
Dahingegen  war  Wachs  ein  ebenso  wertvoller  wie  marktgängiger  ArtikeF. 
InComo  galten  für  Wachs  dieselben  Bestimmungen  wie  für  feine  Spezereien®. 

Auch  Seife,  vor  allem  feine  Toilettenseifen  lieferte  Italien,  besonders 
Venedig  und  Genua.  In  sämtlichen  gröfseren  Tarifen  finden  sich  daher 
auch  dafür  Sätze. 

Bei  den  Sorten  von  Leder  und  Pelzwerk  bleibt  nach  dem  heutigen 
Stande  der  Forschung,  die  noch  lange  nicht  alle  vorkommenden  mittel- 
alterlichen Namen  erklärt  hat,  manches  unklar. 

Der  Comasker  Tarif  sieht  bei  den  Häuten  fast  regelmäfsig  einen 
Satz  für  Einfuhr  nach  Italien,  weit  seltener  für  Ausfuhr  vor,  und  wenn 
auch  die  Alpen  selbst  einen  erheblichen  Teil  der  Häute  lieferten,  so 
erweist  schon  das  allein,  dafs  hier  eine  starke  deutsche  Ausfuhr  vorliegt. 
Mitunter  unterscheidet  der  Tarif  die  grüne  Haut  von  der  bearbeiteten, 
meist  ist  aber  für  beide  der  Satz  gleich  und  da  finden  sich  solche  für 
Ochsen-  und  Rindshäute,  für  Kalbsfelle,  für  Schafs-,  Widder-  und  X<amm- 
felle,  für  Ziegenfelle,  Katzen-,  Hasen-  und  Fuchsbälge,  bei  denen  sich 
nur  ein  Satz  für  die  Ausfuhr  findet,  dann  endlich  für  zwei  Sorten,  die 
der  Besprechung  bedürfen.    Die  pelles  avultronorum  —  wie  wohl  richtig 

U64]. 

'^  »Fisces  saht  tenche,  lucii^  arengi  et  omnes  alii  pisces  scUati*. 

^  Kurz  u.  Weissenbach  243. 

*  Urkunden  Nr.  816  Anm.  1.  Urkunden  S.  206,  4.  Chilloner  Register. 
Einem  Luzemer  Händler  werden  seine  Fische  als  faul  in  Mailand  verbrannt. 
Liebenau,  Regesten  20,  168. 

•*  [44]. 

«  Pasi  95. 

7  Vgl   oben  S.  144. 

"  [69].    Sonst  findet  es  sich  in  Strafsburg  und  Basel. 


716  Fünfundsechzigstes  Kapitel. 

zu  lesen  ist  —  waren  ein  bedeutender  Ausfuhrartikel  aus  Deutschland 
und  begegnen  als  solche  ausdrücklich  erwähnt.  Nun  heifst  boldrone  das 
mit  der  Wolle  bedeckte  FelP.  Der  gewöhnliche  Satz  für  den  Zoll  ist 
freilich  in  beiden  Fällen,  auf  den  Centner  berechnet,  halb  so  niedrig,  als 
bei  den  bereiteten  oder  nicht  bearbeiteten  Schaffellen,  die  unmittelbar 
vorangehen.  Das  wird  aber  verständlich,  wenn  ich  bemerke,  dafs  der 
betreflfende  Satz  bei  Wolle  ebenfalls  sehr  niedrig  war.  Diese  boldroni 
waren,  wie  auch  Uzzano  beweist,  ein  wichtiger  Handelsartikel.  Sie 
kamen  aus  England  bis  nach  Siena^. 

Die  andere  Stelle  handelt  von  den  pelles  cuxarum  seu  schurolorum. 
Letztere  sind  Eichhörnchen,  cuxae  eine  Art  davon.  Der  Mailänder  Tarif 
kennt  pelles  Cfisetarum,  die  etwas  billiger  wie  Eichhörnchenfelle  waren. 
Die  im  zweiten  Tarif  vorkommende  Sorte  der  salbonorum  vermag  ich 
nicht  zu  erklären. 

Für  Pelzwerk  hat  der  Comasker  Tarif  aufser  diesem  Posten  nur 
die  Angabe  über  niantellum  oder  socha  vayri,  worunter  variuSy  das  franz. 
vaire  =  Veh  zu  verstehen  ist.  Dafs  aber  Italien  Veh  auch  aus  Bulgarien 
bezog,  geht  aus  Pegolotti  hervor".  Deutsche  Einfuhr  von  Zobel-  und 
Hausmarderfellen  nach  Genua  ist  uns  belegt*. 

Die  deutschen  Tarife  sind  unendlich  viel  reicher,  namentlich  der 
Strafsburger.  Er  hat  gleichen  Satz  für:  veh  und  jnmmerharm^ ;  für  Wolf, 
Marder,  Lebari,  Luchs,  Iltis,  Fuchs,  Otter  und  Biber.  Es  folgen: 
:»eichoriny  kröpf,  eichin  feil,  moschen^  knSbeling,  sUrbeling^  schürling,  lamp- 
vely  Jcünigel,  hasenbelg^.  Davon  sind  Eichhorn,  Zicke,  Lamm,  Kaninchen 
(=  cunicültAs)  und  Hase  verständlich*,  die  »fnoschen€  sind  vielleicht 
»scAmoscÄen«  die  feingekräuselten  Felle  junger,  etwa  acht  Tage  alter 
Lämmer^,  die  anderen  Namen  aber  finde  ich  nirgends  erklärt®.  Der 
Zobel,  das  wertvollste  mittelalterliche  Pelzwerk  erscheint  für  sich. 


1  Pegolotti  379. 

3  Uzzano  49.  Mich  macht  doch  auch  wieder  der  Mailänder  Tarif  stutzig,  der 
unter  Leder:  avoltroni  ponaniur  pro  quoUbet  centenario  ad  numerum  iS  oeto*  ansetzt, 
also  100  Stück ! 

"  212.  Der  Mailänder  Tarif  stellt  das  1000  von  vairi  non  loharaU  auf  80  fö, 
ebenso  acorvini  50,  scoiroU  85,  c^isete  80. 

^  Urkunden  Nr.  278  hoynaH  von  Mustella  foina,  franz.:  Ja  fouine^  mail&ndisch : 
/bi«,  ital.:  /atVia,  Codex  Cumanus  98  u.  872:  foynty  mail.  Tarif:  peües  de  foinis.  Vgl. 
auch  Verga  18. 

^  Ich  korrigiere  die  Lesungen  des  Druckes  stillschweigend  und  ziehe  alle  drei 
Tarife  heran. 

^  »Koninghe*  sind  nach  Stieda  CXXXTV  aber  die  fliegenden  Eichhörnchen. 
Der  Wormser  Tarif  stellt  bant  eychom  und  koniglin  feile  zusammen. 

■»  Stieda,  Zollbücher  CXXXVI. 

^  Ob  Knöblivg  mit  dem  niederdeutschen  KUppingh,  geschorenes  LammfeU, 
identisch?    (Stieda,  Zollquittungen  CXXXIII). 


Produkte  des  Tierreichs.    Fabrikate.  717 

Der  Ausdruck  ^veh<  ist  noch  heute  im  Pelzhandel  gebräuchlich 
und  ist  es  das  „Grauwerk",  die  grauen  Winterfelle  der  Eichhörnchen, 
die  sie  in  den  nordischen  Gegenden  erhalten,  am  meisten  sind  die 
dunkelsten  Stücke,  die  aus  Ostsibirien  kommen,  geschätzt  und  wurden 
die  Bälge  in  die  dunkle  Oberseite  (Vehrticken)  und  die  weifse  Unter- 
seite (Vehwamme)  zerschnitten  und  diese  getrennt  in  den  Handel  ge- 
bracht. Auf  dieses  Veh  ist  der  Ausdruck  varius  zu  beziehen,  nach 
andern  auf  das  „Buntwerk"  der  osteuropäischen  Zieselmäuse.  Der  Aus- 
druck ^ssimmerhann*  führt  leicht  irre,  zimmer  (niederdeutsch  iimmer) 
war^  ein  im  Pelzhandel  gebräuchliches  Mafs  von  40  Stück,  härm  ist 
Hermelin.  Mit  Leopardenfell  bezeichnete  der  Pelzhandel  lange  die 
meisten  Fälle  der  Gattung  FeliSj  immerhin  ist  es  der  einzige  dem  Süden 
angehörige  Pelz,  der  im  Strafsburger  Tarif  erscheint. 

Der  Konstanzer  Tarif  bereichert  unsere  Kenntnis  noch  um  die  gleich- 
falls bisher  nicht  erklärten:  stichwerk  und  schönwerJc^,  die  himülin  sind 
vielleicht  Kaninchenfelle,  doch  kommt  der  Ausdruck  hmy  und  koninghe 
auch  im  Pelzhandel  für  Marder  vor.  Der  Wormser  Tarif  nennt  auch: 
hemsch  masschin  (ob  zusammengehörig?),  sireuffling  und  knyeling^. 

Wie  stark  die  Pelzwareneinfuhr  nach  Italien  war,  belegten  nicht  allein 
die  einzelnen  Angaben,  die  unser  Werk  brachte*,  nicht  allein  das,  was 
wir  über  den  Handel  von  Venedig  wissen,  vor  allem  sehen  wir  aus  den 
Zolllisten  von  Chillon,  wie  viele  Saumlasten  Pelzwerk  allein  auf  dem 
Umwege  über  die  Genfer  Messen  nach  Italien  gelangten,  es  ist  die  Haupt- 
einfuhr der  Mailänder  Kaufleute  von  der  Genfer  Messe.  Und  Pegolotti, 
der  sonst  so  schweigsam  über  deutsche  Waren  ist,  nennt  doch  VoJpi 
deUa  Magna  und  dt  Norvea  auch  Lepri  die  Norvea  und  zählt  eine  Reihe 
von  nordischen  Pelzsorten  auf  ^. 

Das  Mittelalter  kannte  neben  der  mit  pflanzlichen  Gerbstoffen 
arbeitenden  Loh-  oder  Rotgerberei  in  einer  viel  gröfseren  Thätigkeit 
als  heute  die  des  Alauns,  also  eines  mineralischen  Stoffes  sich  bedienende 
Weifsgerberei,  auch  war  die  Sämischgerberei,  die  Tieröle  bez.  Thran  als 
Gerbmittel   verwendete,   in   lebhafter  Arbeit     Auf  allen   drei   Gebieten 


*  Schmeller.    Stieda,  Zollquittungen  CXXV. 

«  Über  Schönwerk  vgl.  Stieda  CXXIX.    Schönwerk  wohl  gleich  Buntwerk. 
'  Quell  en  z.  Wormser  Gesch.  3,647  Anm.  1  steht  ein  Inventar  eines  Kürschners 
mit  vielen  Warennamen. 

*  Vgl.  namentlich  S.  506.  ülmann  Stromer  erwähnt  als  deutsche  Haupteinfuhr 
in  Grenua  Veh-werk  oder  wammen.  Femer  Urkunden  Nr.  158 (Eichhörnchen),  159 
(c\ixetaram\  278  (ein  Nürnberger  vorkauft  120  Stück  Zobel  und  118  hoynari).  In  den 
Provisiones  Janue  stehen  die  vayri  auf  einer  Stufe  mit  der  Seide,  die  übrige 
pelizaria  niedriger. 

^  Pegolotti  S.  299  (dort  weder  cmeta  noch  hoynari). 


718  Fünfundsechzigstes  Kapitel. 

nahm  es  Italien  mit  Deutschland  nicht  auf,  Italien  verbrauchte  deutsches 
Leder. 

Die  Lohgerberei  erzeugte  das  Lösch,  das  im  Strafsburger  Tarif  erscheint, 
die  Weifsgerberei:  ^tvis  gealant  ledert  oder  ^yrch*  ^  das  übrigens  auch 
rot  vorkommt.  Der  Konstanzer  Tarif  trennt  als  eine  bessere  Art  davon 
noch  die  »ftöÄwi5CÄew  j/rcA«.  Diese  ursprtiglich  saracenische  Kunst  des 
Gerbens  mit  Alaun  hatte  in  Ungarn  eine  besondere  Ausbildung  erhalten 
und  böhmische  Irch  waren  wohl  nach  dieser  Art  hergestellt.  Die  Weifs- 
gerberei verarbeitete  vor  allem  Schaf-  und  Ziegenfelle  und  zwar  für  den 
Säckler.  Diese  beiden  Arten  finden  sich  auch  im  Comasker  Tarife 
wieder.  Es  ist  dort  von  einer  sama  particorum  (part€Xorum),  cordoanorum 
(i.  e.  trcorum  et  caprarum)  und  bahanorum  die  Rede.  Nach  den  Nach- 
weisen Schmellers  ist  particum  =  rubra  peUis  =  lösch ' ;  bahamis  ist 
aber  schimmelfarben ,  und  vielleicht  auf  weifsgares  alaungares  Leder  zu 
deuten,  oder  ist  an  ital.  baaaana,  ein  braun  zubereitetes  Schaf leder  zu 
denken?  Korduanleder  ist  nun  aber  nur  eine  Abart  des  lohgaren  Leders, 
das  mit  Somach  aus  Ziegenleder  hergestellt  wurde*.  Die  Überlegenheit 
des  deutschen  Ledergewerbes  zeigt  der  Comasker  Tarif  darin,  dafs  für 
diese  drei  Sorten  nur  Einfuhr  aus  dem  Norden  vorgesehen  ist.  Eine 
ganz  bedeutende  Lederindustrie  besafsen  namentlich  Bern  und  Freiburg  i.  Ü., 
ihrer  gedenkt  auch  der  Baseler  Tarif.  Bernisch  Leder  wird  auch  im 
Wormser  genannt. 

Hornkämme  (tstrele*)  finden  sich  in  den  Tarifen  von  Basel  und 
Strafsburg. 

Mit  den  Federn  und  Flaumfedern,  die  nach  Ausweis  der  Chilloner 
Rechnungen  vielfach  nach  Italien  eingeftlhrt  wurden,  und  in  den  Tarifen 
von  Strafsburg  und  Como"  aufgezählt  sind,  verlassen  wir  die  Produkte 
des  Tierreichs. 

Die  mittelalterlichen  Zolltarife  wagen  sich  niemals  daran,  auch  die 
kleineren  Fabrikate  im  einzelnen  zu  behandeln,  das  wurde  einfach  unter 
dem  Namen  merceria  oder  Pfennwert  oder  Kramerei  zusammengefafst. 
Nur  der  Mailänder  Tarif  macht  eine  Ausnahme.  Aber  welche  Schwierig- 
keiten bieten  die  lateinischen  Namen.  Hier  versagt  mir  die  Geduld  und 
ich  begnüge  mich,  zwei  deutsche  Posten  hervorzuheben:  Hüte  {capelli 
gut  veniuni  de  Alemannia)  und  Sättel  (seile  bravinie  que  veniunt  de  Äla" 
manniä).  Aus  den  deutschen  Tarifen  kann  man  also  nichts  gewinnen 
und  nur  die  Benutzung  der  Handlungsbücher  mehrerer  Gesellschaften 
kann   mit  der  Zeit  ein  richtiges  Bild  von  der  Cirkulation  dieser  Waren 


»  S.  1521. 

°  Vgl.  auch  Stieda,  Handelsbeziehungen  US. 

»  L80]. 


Produkte  des  Tierreichs.    Fabrikate.  719 

gewähren.  Mir  lagen  nun  die  Papiere  einer  einzigen  Gesellschaft  vor 
und  aus  ihnen  folgt  ganz  unzweifelhaft  die  Überlegenheit  der  Nürnberger 
Kleinmetallgewerbe  über  das  doch  auch  hochberühmte  Mailänder,  von 
dem  ja  das,  was  wir  heute  Quincaillerie  nennen,  damals  den  Namen:  Mai- 
länder Pfennwert  trug.  Und  nicht  allein  diese  kleinsten  Sachen  lieferte 
Nürnberg,  auch  Altarleuchter,  Schreibleuchter,  Hängelampen,  Messing- 
schusseln ,  Wagen ,  Klystierspritzen ,  Kompasse ,  dann  Wasserkännel, 
Scherbecken,  Schermesser,  Zirkel,  Malerborsten,  Schusterborsten,  Spiegel- 
glas u.  s.  w.  u.  s.  w.  konnte  die  fränkische  Handelsstadt  der  lombardi- 
schen besser  und  billiger  bieten. 

Vor  allem  auch  lieferten  die  Nürnberger  Teilhaber  Kölnsches  Gold* 
und  Kölnsches  Silber,  auch  Ulmer  nach  Mailand  und  so  war  selbst  in  der 
Gold  Schlägerei  eine  deutsche  Konkurrenz  rege  geworden. 

Das  Schweigen  über  diese  Fabrikate  brechen  die  Tarife  nur  selten. 
Der  Baseler  Tarif  führt  gedruckte  Bücher  auf  und  der  Strafsburger,  wie 
der  Rheinzolltarif  ^  beschäftigt  sich  mit  den  Paternostern.  Ganze  Tonnen 
voll  Paternoster  aus  gelbem  und  schwarzem  Stein  oder  Glas  wurden 
durch  Strafsburg  geführt,  und  nach  den  Papieren  der  Krefsschen  Gesell-  . 
Schaft  schickte  Nürnberg,  das  mit  Lübeck  m~dieser  Fabrikation  wett- 
eiferte®, nach  Mailand  auch  Paternosterkörnlein  aus  Messing,  ja  Rosen- 
kränze aus  Krystall.  Den  Handel  mit  deutschen  Bildern  nach  Italien, 
wie  den  Kunsthandel  überhaupt,  kann  ich  hier  nur  streifen^. 

So  treffen  gedruckte  Bücher  und  Paternoster  zusammen,  die  alte  ^ 
Zeit  und  die  neue  begegnen  sich  auch  in  diesen  scheinbar  so  öden  j 
Zolltarifen. 


^  Über  Kolzgolt  handelt,   wenn  auch  nicht  abschliefsend  Stieda,  Handels- 
beziehungen 110. 

«  Strafsb.  ürkb.  6  Nr.  758. 

'  Stieda,  Handelsbeziehungen  111  ff. 

^  Ersteren  erwähnt  Wimpheling,  Epithoma Germanorum  cap. 68  ausdrücklich. 


SCHLUSS. 


Sechsundsechzigstes  Kapitel. 
VerkehrshShe. 

Ertrag  der  Zölle  von  (Jotno,  Andere  Ziffern.  Vergleich  mit  dem  Verkehr  der 
Gotihardbahn  1889.  Ein  Ztcerg  und  ein  Biese,  Vergleich  mit  dem  Anfang  des  neun- 
zehnten Jahrhwiderts.    Damalige  Verkefirshöhe,    Die  Alpentransiteisenbahnen, 

Hoch  wertvoll  sind  die  Angaben,  die  wir  über  den  Ertrag  der  Zölle 
von  Como  besitzen.  Wir  haben  diese  schon  früher  genauer  kennen  ge- 
lernt. Ich  hebe  hier  nur  hervor,  dafs  dieser  Zoll  den  Wein  und  das 
Salz  nicht  mit  besteuerte.  Wie  fast  stets  wurden  diese  Zölle  jährlich 
verpachtet  und  zwar  wurde  im  Aufstrich  verfahren,  das  Ausgebot  erfolgte 
in  ü ,  gesteigert  wurde  mit  fl.  Setzen  wir  nun  den  Mailänder  Goldgulden 
=  53  sol.,  was  jedenfalls  sehr  reichlich  bemessen  ist,  so  ergiebt  sich  aus 
der  gegenüberstehenden  Tabelle  die  Verpachtungssumme.  Sehe  ich  von 
den  Ziffern  für  1435 — 39  und  1449—51  ab,  da  mir  die  Zuschlagsziffem 
nicht  sicher  genug  erscheinen,  so  war  das  pedagmn  majus  am  niedrigsten 
1452  zu  9433  Uj  am  höchsten  1468^69  zu  15560  U  verpachtet;  schlagen 
wir  ^/s  an  Verwaltungskosten  und  Gewinn  der  Unternehmer  hinzu,  so 
ergeben  sich  12577  U  resp.  20747  U.  Einen  mittleren  Zollsatz  kann 
man  aus  dem  Zolltarife  nicht  gewinnen,  nimmt  man  einen  solchen  von 
2  U  für  die  Saumlast  an,  so  hätte  der  Verkehr  zwischen  6300  und 
10400  Saumlasten  geschwankt  oder,  da  die  Saum  in  Como  in  den  meisten 
Fällen  gleich  4^/2  Centner  gerechnet  wurde,  hätte  sich  der  gesamte 
Warenverkehr  mit  Ausschlufs  von  Wein  und  Salz  auf*  28350  bis  46800 
Centner  Comasker  Gewichtes  belaufen.  Ursprünglich  war  der  Comasker 
Zoll  ein  fünfprozentiger.  Dieses  Wertverhältnis  war  aber  verändert  und 
man  darf  ruhig  nur  4  ^/o  setzen.  Der  Warenwert  hätte  demnach  zwischen 
320000  und  518000  «  geschwankt  ^ 

^  Lamprecht,  Deutsches  Wirtschaftsleben  2,  345  berechnet  för  den  Ober- 
lahnsteiner Zoll  am  Mittelrhein  für  die  Mitte  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  einen 
Verkehr  von  6—700  000  fl.  Wertes. 


Verkehrshöhe. 


721 


Aus  Incantus  datiorum  et  vectigdlium  Oume. 


peda^ium 
majus 

datium 
ballarum  lane 

ü        fi.      ß 

datium 
bulletamm  forensium 

ü          fl. 

^     ß     i 

fl.  ß 

1400   •••••• 

9  300  195 

1040  20    8 

8   —  — 

-   24 

1436  .  . 

9  300  190 

1090  16 

12 

—   12 

1437  .  . 

8  800  125 

980  12   — 

3   —  — 

13 

1438  .  . 

8  450  100 

860  12   — 

5 

—   24 

1439  . 

8  650   20 

875  10 

6»/9  —  — 

—   1/, 

1449  .  . 

8  500  100 

?     ?   ? 

?   — -  — 

—   — 

1450  . 

7  280   6 

850  37 

11   18  — 

-   3 

1451  .  . 

10000  150 

1380  91   — 

30   - 

4 

von 

hier  ab  auch  die  fl 

.-Ziffern  korrekt: 

1452  .  . 

8  850  220 

1050  38   — 

22      — 

2   - 

1453  . 

10  200  195 

1180  44   - 

30    9  — 

—   — 

1454  .  . 

11200  160 

1285  47   - 

30 

1   8 

1455  . 

13  600  330 

1200  42 

16   20  — 

—  — 

1556  .  . 

14100  320 

1170  39 

13    5  — 

_   — 

1457  . 

13150  310 

1055  26 

16   -  - 

1   24 

1458  . 

11800  120 

1000  58   — 

28 

3   8 

1459  . 

13  800  270 

1300  35   — 

20   -  — 

1   — 

1460  .  . 

13400  180 

1250  25   — 

20   -  — 

1   — 

1461  .  . 

14  050  280 

1320  34 

25      — 

1   16 

1462  . 

13  200  220 

1075  45   — 

25      — 

IV2  — 

1463  .  . 

14  000  250 

1200  40   — 

25   —  — 

IV2  - 

1464  . 

14  000  500 

1150  52   16 

32   -  — 

6   - 

1465  ..  . 

14  000  300 

1400  70   — 

35   —  — 

5V«  — 

1467/  ^®  ' 

14  250  350 

1450  110   — 
1650  87V9  — 

25   —  — 
23   14   8 

1   — 

^^«n  je 
1469  J  •' 

>    • 

14  500  400 

1700  50 
1500  60   — 

25   —  — 
22   -  - 

1  — 

2  10 

Sicherer  ist  mit  dem  Datium  lanae  zu  rechnen,  dieses  wurde  von 
aller  fremden  aufserhalb  des  Gerichtsbezirkes  von  Como  erzeugten  WoUe 
neben  dem  Datium  pedagii  erhoben  und  zwar  1  Goldgulden  von  jedem 
Ballen  zu  5  Centnem  ^.  Das  ergiebt  zu  dem  gleichen  Satze  (1  fl.  =  53  sol.) 
als  Minimum  424  Ballen  in  1457,  als  Maximum  692  in  1468,  mit  dem 
Zuschlag  von  ^/a  für  Gewinn  und  Kosten:  565  bez.  923  Ballen,  also  im 
besten  Falle  noch  nicht  5000  Centner,  und  doch  war  die  ausländische 
Wolle  der  Hauptgegenstand  der  Einfuhr  von  Norden  nach  Italien. 

Auch  die  Angaben  über  die  bulletae  sind  nicht  wertlos.  Es  heilst 
von  diesem  Datium:  von  jeder  Person  zu  Fufs,  die  nicht  aus  dem  Distrikt 
von  Como,   werden  6  /^,   von  jeder  zu  Pferde  1  J3  erhoben.    Der  Satz 

^  Datium  ballarum  lanae,  Statut  von  1375  ff.  in  StattUa  dntiorum  Vol.  II  letztes 
Stück.  Stadtarchiv  Como.  »Lane  ültramontafie  et  forenses  nate  extra  jurisdicHonem 
poteatatis  Cumartim^.    Vgl  Rovelli  3,  1,  29. 

Schulte,  Geaoh.  d.  mittolalterl.  Handels.    I.  46 


722  Sechsundsechzigstes  Kapitel. 

von  1456  würde  also  von  265  Personen  zu  Pferde  au%ebraeht  werden  — 
wiederum  ohne  Erhebungskosten  und  Gewinn  —  das  Maximum  von 
1465  von  981  Personen,  oder  schlagen  wir  wieder  */8  hinzu:  so  würde 
die  Minimalziffer  auf  353,  das  Maximum  auf  1308  Personen  steigen. 

Vergleichen  wir  andere  Ziffern  mit  diesen  Ergebnissen,  die  wir  ge- 
wonnen haben.  Die  Angaben  für  den  St.  Gotthardzoll  und  das  Qeleite 
in  Mellingen  sind  vorläufig  noch  nicht  zu  verwenden,  wohl  aber  der 
Ertrag  des  Zolles  auf  dem  Unteren  Hauenstein  ^  Wenn  die  Ziffer  für 
1425  von  8928  Saumlasten  oder  —  in  Comasker  Gewicht,  das  ich  hier 
beibehalten  will,  umgerechnet  —  38 176  Centner  nicht  stimmt,  so  ist  das 
Maximum  von  1495^6  4260  Saumlast  oder  19170  Centner  doch  eine  gut 
brauchbare  Ziffer.  Mehr  mit  Zollbefreiungen  wird  man  zu  rechnen  haben 
bei  dem  Baseler  Transitzoll,  von  dem  Geering  eine  lange  Reihe  von 
Ziffern  mitteilt^.  Die  meisten  textilen  Ballen  oder  Saumlasten  Spezerei 
erscheinen  als  Durchschnitt  in  der  Zeit  von  1420—25,  nämlich  1600 
oder  7200  Centner  Comasker  Gewichtes.  Einzelne  Ziffern  liegen  er- 
heblich niedriger,  bis  zu  320  Ballen  oder  Saum  für  das  Jahr  herab. 

Für  den  Verkehr  über  die  Graubündner  Pässe  habe  ich  keine  einzige 
brauchbare  Angabe  und  die  Konstanzer  Ziffern  sind  auch  nicht  zu  ver- 
wenden, da  sich  dort  viel  zu  viele  Linien  kreuzten®. 

In  Brig  fanden  wir  1362  einen  Verkehr  von  6000  Ballen  jährlich, 
während  in  Sitten  1379—84  nur  1700  Ballen  passierten.  Für  den  Zoll 
von  Chillon  ergiebt  sich  für  die  beiden  nächsten  Jahre  nach  1294  ein 
durchschnittlicher  jährlicher  Verkehr  von  4234  Ballen  und  257  Wagen, 
demnach  diese  zu  fünf  Saumlast  gerechnet  ein  Gesamtverkehr  von  4234 
-H  1285  =  5519  Ballen  oder  (1  Ballen  =  4V2  Comasker  Centner)  von 
24835  Centnern.  Später  führten  die  Mailänder  Kaufleute  jährlich  hier 
2495  Ballen  durch*. 

Man  erschrickt  ordentlich  ob  solch  wahrhaft  minimaler  Summen; 
aber  man  darf  nicht  vergessen,  in  jener  Zeit  schwellten  noch  nicht  billige 
Rohstoffe  die  Ziffern  der  Verkehrsstatistiken  an,  der  weitaus  gröfste  Teil 
des  Transitgutes  bestand  aus  hochbewerteten  Waren. 

Wenn  man  somit  den  Gotthardverkehr  für  das  Mittelalter  auf  25  000 
Centner  =  12500  Metercentner  jährlich  ansetzen  darf,  so  können  wir 
einen  Vergleich  mit  dem  heutigen  Zustand  suchen.  Die  Gotthardbahn 
hat  aber  schon  im  Jahre  1889  bei  einem  Gesamtgüterverkehr  von  rund 
459000  Tonnen  einen  reinen  Transitverkehr  zwischen  aulserschweize- 
rischen    Ländern   und   Italien   von   296491    Tonnen  =  2964910   Meter- 


»  S.  oben  S.  195,  205  f.,  449  u.  450  f. 

2  Geering  S.  143. 

«  S.  oben  S.  378  u.  620. 

*  S.  oben  die  Angaben  und  Berechnungen  S.  463  f. 


k 


Verkehrshöhe.  723 

centner  vermittelt*.  Die  mittelalterliche  Summe  mit  dieser  verglichen 
ergiebt  ein  Verhältnis  von  1  :  237,2.  Ein  zwerghafter  Verkehr  steht 
einem  riesigen  gegenüber. 

Aber  ist  denn  überhaupt  ein  Vergleich  des  Mittelalters  mit  dem  Ver- 
kehr von  heute  berechtigt?  War  denn  vom  Beginn  der  Neuzeit  an  das 
Aufsteigen  des  Handelsverkehrs  so  enorm?  Durchaus  nicht.  Die  Ein- 
führung der  Kohle  als  Transportkraft  hat  erst  die  kolossale  Steigerung  des 
Transports  herbeigeführt  und  erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  neunzehnten 
Jahrhunderts  liegt  die  rapide  Zunahme  des  Verkehrs  über  die  Alpen. 
Das  Bild  des  Mittelalters  mufs  man  mit  dem  vergleichen,  das  man  ge- 
winnt, wenn  man  die  Zustände  unmittelbar  vor  dem  Einflufs  der  Eisen- 
bahnen betrachtet,  und  zwar  darf  man  da  nicht  die  Zeit  unmittelbar  vor 
Eröffnung  der  Gotthardbahn  heranziehen,  sondern  mufs  auf  die  Zeiten 
zurückgehen,  wo  weder  der  Mont-Cenis  noch  der  Brenner,  noch  der 
Semmering  einen  Teil  des  naturgemäfs  den  Schweizer  Alpenpässen  zu- 
fallenden Transportes  auf  ihre  Eisenbahnlinien  zogen. 

Für  den  St.  Gotthard  haben  wir  ausgezeichnete  Angaben  über  die 
Waren,  welche  Dazio  grande  am  Plattifer  passierten.  Franscini  giebt 
davon  folgendes  Bild:  In  den  drei  Jahren  1831 — 38  gingen  im  Durch- 
schnitt durch  den  Zoll:  4389  Saumlasten  siocchi  (hauptsächlich  Baum- 
wolle, Seide,  Manufakturwaren),  42  Kalb-  und  Ziegenfelle,  48  Leder, 
34  Obst,  4549  Reis,  Öl,  Honig,  Eisen,  Pulver  u.  s.w.,  813  Korn,  8490 
Käse  imd  3195  Wein  und  Branntwein,  im  ganzen  21568  Saumlast.  Der 
erste  Posten  hatte  sich  seit  dem  Ende  des  achtzehnten  Jahrhunderts  stets 
verringert,  nach  Bonstetten  betrug  er  1797  noch  11 800  Saumlasten,  ging 
bis  1824  auf  8324,  bis  1828  gar  auf  5030  Saumlasten  zurück.  Ent- 
sprechend war  der  Transit  von  Reis  von  42450  Sack  (1795/6  Durch- 
schnitt) auf  16 — 17  000  zurückgegangen,  minder  war  das  Sinken  bei  dem 
schweizerischen  Export  des  Käses,  sehr  bedeutend  aber  beim  Wein. 
Bonstetten  spricht  von  13000  Saumlasten^.  Die  21568  Saumlasten  der 
Jahre  1831 — 33  entsprechen  nach  Franscini  etwa  einer  Summe  von 
40000  Metercentnern  jährlich.  Der  Verkehr  hob  sich  bis  1840  auf 
80975  Centner«. 


*  Diese  Ziffer  Dach  Ilüegg,  Die  Wirkungen  der  St.  Gotthardbahn.  Leipzig  1891. 
S.  56.  Nach  Mitteilung  der  Direktion  der  Gotthardbahn  hatte  der  Güter^'erkeh^ 
durch  den  Gotthardtunncl  im  Jahre  1899  folgende  Ziffern  aufzuweisen:  Richtung 
Nord -Süd  (rund)  265  000  Tonnen,  Süd -Nord  (ebenso)  463400  Tonnen,  zusammen 
728  400  Tonnen.  In  diesen  Ziffern  ist  das  Gewicht  des  Reisegepäcks,  der  lebenden 
Tiere  und  der  Bahnbaumaterialien  nicht  einbegriffen. 

-  Vgl.  Franse  ini,  Der  Kanton  Tessin;  Gemälde  d.  Schweiz,  Heft  18;  St.  Gallen 
1835  S.  175  ff. 

'  Franscini,  Neue  Statistik  der  Schweiz.  Bern  1848.  1,  219.  Vgl.  ihn  auch 
zum  folgenden. 

46* 


724  Sechsundsechzigstes  Kapitel. 

Dieser  Zustand  der  dreifsiger  Jahre  war  allerdings  durch  besondere 
Umstände  bedingt.  Die  österreichische  Regierung  begünstigte  den  Splügen 
und  das  Stilfser  Joch,  die  Strafsen  der  Westalpen  wurden  von  Frankreich 
gefördert,  während  die  Schweiz  noch  in  dem  alten  Wirtschaftszustand 
des  Mittelalters  verharrte.  Der  Transport  von  Mailand  nach  Frankfurt 
war  über  die  Splügenstrafse  damals  biUiger  als  über  den  Gotthard  \ 
Erst  nach  dem  Sonderbundskriege  erhielt  die  Schweiz  ein  einheitliches 
Zollsystem,  bis  dahin  bestanden  all  die  Zölle,  Fürleiten,  Weg-  und 
Brückengelder  fort*. 

Wie  der  Gotthard  seit  1830  eine  gut  fahrbare  Bahn  besafs,  so  war 
auch  der  Simplen  mit  dem  herrlichen  napoleonischen  Bau  (vollendet  1805), 
versehen,  aber  der  Verkehr  an  Waren  war  so  gering,  dafs  Franscini 
meinte,  ohne  den  Personenverkehr  lohne  es  sich  kaum  der  Mühe,  die 
Strafse  offen  zu  erhalten.  Ebenso  wirkungslos  blieb  der  Bau  der  Strafse 
über  den  St.  Bernhardin  (1818 — 23),  dort  bestanden  die  alten  Roden  und 
Porten  fort,  völlig  erstarrt  lähmten  sie  den  Verkehr,  den  sie  einst  be- 
lebt hatten,  nur  für  den  Pferdehandel  war  die  Strafse  von  Bedeutung, 
die  Transportrichtung  war  aber  umgekehrt;  nun  kamen  die  Pferde  von 
Mecklenburg  und  aus  anderen  Teilen  Deutschlands.  Einen  wirklich 
namhaften  Verkehr  trug  die  1823  voUendete  Kunststrafse  auf  dem 
Splügen.  Franscini  schätzte  1848  den  jährlichen  Transit  auf  90—100000 
Centner. 

Betrug  der  Verkehr  auf  dem  St.  Gotthard  in  den  Jahren  1831 — 33 
also  rund  40000  metrische  Centner,  1840  jedoch  schon  80975  Centner, 
so  ist  das  gegen  das  Mittelalter  eine  Steigerung  von  1 : 3,2  und  1 :  6,4. 
Von  1840  bis  1889  liegt  dann  die  enorme  Steigerung  von  1 :  36,85  gegen- 
über 1889  von  1 :  89,9.  Den  Gotthardtunnel  passieren  also  sicherlich 
heute  in  einer  Woche  so  viele  Gütermassen,  wie  1840  in  einem  Jahre 
und  vermutlich  würden  heute  zwei  Güterzüge  fast  die  ganze  Summe  des 
mittelalterlichen  Jahresverkehrs  dieses  Passes  befördern  können^. 

Es  ergiebt  sich  zur  Evidenz,  dafs  in  dem  Alpen  verkehr  nicht  eine 
Periode  mit  dem  Beginn  der  Neuzeit  zu  setzen  ist,  auch  nicht  mit  dem 
Ausbau  der  Kunststrafsen ,  sondern  mit  der  Mitte  des  neunzehnten 
Jahrhunderts,  seit  die  Schweiz  1848  zu  einer  Zolleinheit  wurde  und  vor 


^  Franscini,  Kanton  Tessin  S.  188. 

2  Vgl.  Furrer,  Volkswirtschaftslexikon  der  Schweiz  1,  824.  Welche  Zölle 
noch  1840  galten,  ist  am  besten  aus  Albert  Hub  er,  Die  Entwicklung  des  eid- 
genössischen Zollwesens  (Bemer  Dissertation  1890)  S.  122 — 155  zu  ersehen.  Speciell 
Uri  und  Graubünden  boten  das  Bild  des  Mittelalters. 

^  Die  Maximal-Bruttobelastung  eines  Güterzuges  auf  der  Gotthardtunnelstrecke 
(Göschenen-Airolo)  beträgt  für  die  Richtung  Nord -Süd  640,  Süd -Nord  800  Tonnen, 
also  12  800  resp.  16  000  Centner,  6400  bez.  8000  metrische  Centner. 


k 


Verkchrshöhe.  725 

allem  sich  nun  der  Einflufs  der  Verwendung  der  Kohle  geltend  machte. 
Zuerst  erhöhte  der  Konsum  der  von  Dampfmaschinen  getriebenen  Fabriken 
den  Verkehr,  der  sich  noch  allein  der  Tiere  bediente,  dann  ersetzte  er 
diese  durch  die  Kraft  des  schwarzen  Minerals.  Und  da  wurde  nicht,  wie 
schon  1845  die  beteiligten  Regierungen  wollten,  der  Lukmanier  der 
Träger  des  alles  beherrschenden  Schienenwegs,  sondern  der  St.  Gotthard, 
Es  wiederholten  sich  beim  Bau  der  Eisenbahnen  die  Hauptmomente  der 
Geschichte  der  Alpenstrafsen.  Wie  im  Altertum  zuerst  die  beiden  Flügel 
der  Alpenwelt  erschlossen  wurden,  so  waren  die  ersten  Alpenbahnen  die 
über  den  Semmering,  Mont  Cenis  und  Brenner.  Dann  aber  folgte  nicht 
eine  Analogie  zum  Frühmittelalter.  Nicht  die  Rhein-  oder  Rhonepässe 
erhielten  zuerst  Eisenbahnen,  sie  erhielten  nicht  den  Vorsprung  vor  dem 
Berge  von  Urseren.  Dem  Neuling  des  Mittelalters  gab  die  moderne  Zeit 
sofort  den  gebührenden  Vorzug  und  wenn  auch  jetzt  andere  Bahnlinien 
folgen,  so  wird  doch  der  König  unter  den  Alpenpässen  auch  der  König 
unter  den  Alpenbahnen  bleiben. 


VEßBESSEßraGEN  UND  NACHTßiGE. 


S.  5  Z,  12  von  oben  h  Grofser  St.  Bernhard  statt  St.  Gotthard. 

S.  14  Z,  19  unten  und  öfter  l.  Vogogna  statt  Vergogna. 

S.  30  Z.  17  von  unten  l,  Vierwaldstättersee  statt  Vierwaldstädtersee,  ebenso  sonst 

S.  54  Z,  12  von  unten  L  Grimsel  statt  Gemmi. 

S,  57  Z,  2  von  oben  ergänze:  Von  Rompilgem,  die  den  Grofsen  St  Bernhard 
benutzten,  ist  der  hl.  Bonitus,  Bischof  von  Clermont,  zu  nennen,  der  um  701  von 
Lyon  zu  den  Reliquien  in  St.  Maurice  pilgerte  und  von  dort  reichlich  beschenkt, 
nach  Pavia  weiterzog,  wo  er  vom  Langobardenkönig  Aripert  U.  gut  aufgenommen 
wurde  \  Der  Abt  Austrulph  von  St.  Wandrille  starb  762  auf  der  Heimkehr  von  Rom 
in  St  Maurice'. 

S.  65  Anm.  1  ergänze:  Vgl.  zur  Geschichte  des  Klosters  Massino  auch  v.  Liebenau 
in  Anzeiger  für  Schweiz.  Geschichte  1883,  121 — 128.  ' 

S.  66  Z,  16  von  unten  1.  Grofser  St  Bernhard  statt  St.  Gotthard. 

S.  109  Z,  4  von  unten  L  accipitrem  statt  aecipitrem. 

Zu  S.  114,  Die  Verbreitung  des  deutschen  Linnens  beweist  ein  Wort,  das  bei 
uns  nur  dialektisch  vorkommt,  in  die  meisten  romanischen  Sprachen  aber  übergegangen 
ist,  das  althochdeutsche  duahiUcij  mittelhochdeutsch  tweheUf  heute  dialektisch  zwehle 
=  Handtuch  ist  mittellateinisch  tohdlea,  italienisch  tovaglia  Tischtuch,  spanisch  toalloy 
portugiesisch  und  provenzalisch  toalha,  französisch  touaitle.  Immerhin  bleibt  es 
zweifelhaft,  ob  das  Wort  mit  der  germanischen  Einwanderung  heimisch  ward  oder 
erst  später  aufgenommen  wurde. 

S,  132  Z.  11  von  tmten  L  Sitten  statt  Chur. 

S.  136  Z.  18  von  unten  h  Callimala  statt  Callmala. 

S,  167  Z.  5  von  oben  l,  neuen  statt  neun. 

S,  170  Anm.  1  ergänze:  Berlepsch,  Die  Gotthardbahn,  in  Ergänzungsheften 
der  Petermannschen  Mitteilungen  Nr.  65. 

S,  189  Z.  9  von  oben  h  Splügen  statt  Simplon. 

S.  209  Z,  5  von  unten  l  noch  1462  statt  nach  1462. 

S.  219  Z.  12  von  oben  L  Formazza  statt  Formazzo. 

S.  225  Anm,  3  ergänze:  Über  die  Vögte  in  den  Waldstätten  vgl.  auch  Dieterich 
in  den  Mitteilungen  a.  d.  german.  Nationalmuseum  3,  72  f. 

S,  286  Z,  6  von  oben  ergänze:  Aus  dem  interessanten  Bericht  des  Bemardo  Marchesi 
vom  Jahre  1370,  den  Karl  Müller^  Zeitschrift  für  Kirchengeschichte  2,  592 — 622  ver- 


^  Zettinger,  Berichte  über  Rompilger  aus  dem  Frankenreiche  bis  800.  Römische 
Quartalschrift.    Elftes  Supplementheft  S.  71. 
2  Zettinger  ebda.  83. 


VerbesseruDgen  und  Nachträge.  727 

Öffentlicht  hat,  ergiebt  sich  noch  einiges  über  das  Verhalten  der  Alberti.  Sie  hatten 
einen  festen  Vertrag  mit  der  Kurie,  der  sie  zur  Geldannahme  zwang,  gleichwohl 
waren  sie  nicht  immer  bereit.  Als  der  Trierer  Erzbischof  Kuno  von  Falkenstein 
gegenüber  päpstlichen  Anforderungen  an  die  von  ihm  verwaltete  Kölner  Kirche 
10000  fl.  aus  seinem  Eigenen  gab,  wurde  diese  Summe  schon  von  den  Kollektoren 
mit  Bedenken  angenommen.  Bernhard  von  Beme  verhandelte  mit  den  Alberti  in 
Brüssel  und  Lüttich,  brachte  das  Geld  nach  Brügge.  Allein  hier  verweigerten  die 
Alberti  die  Annahme,  weil  es  nicht  böhmische  oder  ungarische  Gulden,  sondern 
Mainzer  und  Trierer  waren.  Das  Geld  blieb  also  zunächst  in  Brügge  liegen.  Die 
Kollektoren  betrachteten  die  Alberti  als  unentbehrlich.  Als  ihr  Vertrag  abgelaufen 
war,  verlangte  der  Bericht  dringend  die  Erneuerung.  Andere  Geschäftshäuser  seien 
nicht  zuverlässig  und  kräftig  genug,  auch  verlangten  sie  ein  Diskonto  von  lO^/o.  Ohne 
die  Alberti  könne  man  das  Geld  nicht  sicher  aus  Deutschland  an  die  Kurie  bringen. 

S,  298  Z,  10  von  oben  lies  Bürger  statt  Bürgern. 

Zu  S.  365.  Der  Güte  des  Herrn  Prof.  Dr.  Schiefs  in  Chur  verdanke  ich  einen 
Aushängebogen  aus  seiner  Einleitung  zu  seiner  Ausgabe  des  lU.  und  IV.  Anhangs 
von  Campells  Topographia  Rhaetica  (Jahresbericht  der  Churer  naturforschenden 
Gesellschaft).  Es  werden  dort  die  Angaben  Campells  zusammengestellt,  die  sich 
allerdings  auf  die  zweite  Hälfte  des  sechzehnten  Jahrhunderts  beziehen.  S.  LVII: 
Splügen,  Septimer  und  Julier,  S.  LX :  Schynpafs,  wonach  der  Weg  auf  dem  rechten 
Ufer  des  Halbsteiner  Rheins  gegangen  und  Tiefenkasten  mit  Fürstenau  verbunden 
zu  haben  scheint. 

Zu  S,  455,  Durch  Besprechungen  mit  meinem  Kollegen  G.  Kawerau,  dem  ich 
die  Kenntnis  des  Materials  verdanke,  bin  ich  zur  Überzeugung  gekonmieu,  dafs  zu 
den  Gotthardpassanten  möglichei'weise  auch  Luther  gehört.  Für  die  Hinreise  stehen 
(trotz  Hausrath  und  Elze)  Innsbruck  und  Padua,  somit  der  Brennerpafs  fest.  Für 
die  Rückreise  Mailand,  man  hat  also  vom  Wormser  Joch  an  westlich  die  Auswahl. 
Diese  wird  jedoch  dadurch  eingeschränkt,  dafs  Luther  von  den  Bergen  der  Schweizer 
aus  der  Anschauung  redet.  Nach  dem  Schwabenkrieg  mag  hie  und  da  auch  Grau- 
bünden zur  Schweiz  gerechnet  worden  sein,  aber  der  nächste  Sinn  weist  auf  die 
Schweiz  im  damaligen  politischen  Sinn  hin.  Wenn  Graubünden  also  ausscheiden 
sollte,  bleibt  nur  der  St  Gotthard.  Aber  freilich  kennt,  wie  Kawerau  mich  ver- 
sichert, Luther  Zürich  nicht  oder  erwähnt  doch  nie  seine  Kenntnis. 

Zu  IS.  663.  Über  die  Irmi  vgl.  jetzt  Hol  zach,  das  Geschlecht  der  Irmy,  der 
namentlich  die  politische  Thätigkeit  des  Hans  behandelt,  der  ein  Freund  der  Medi- 
ceer,  speciell  Lorenzos  war.  Holzach  teilt  näheres  über  seine  diplomatischen  Reisen 
nach  Italien  mit.    Baseler  Biographien  1,  39  ff. 


INHALT. 


Seite 

Vorwort I 

Verzeichnis  der  mehrmals  citierten  Bücher  und  Abhandlungen XVII 

Erstes  Buch:    Einleitung:. 
Erster  Teil:   OeocpcaphiBche  Vorbedingungen. 

Erstes  Kapitel :   Geographische  Bedingungen  der  Verkehrs  in  der  Zeit  vor  Ent- 
deckung des  Gotthardweges 1 

Die  pafslose  Nordkette  war  an  beiden  Seiten  zu  umgehen.  Dadurch 
entstehen  zwei  Pafssysteme  mit  ihren  Städten.  Vergleich  der  Systeme 
der  Rhone-  und  Rheinpässe.  Beschreibung  der  einzelnen:  Grofser 
St  Bemhardf  Theodulpafs,  Monte  Moro,  Antronapafs,  Simplon.  Ebenso 
die  des  Rheinsystems :  Lukmauier,  Greinapafs,  Bemhardin  und  Splügen, 
Septimer  und  Julier.  Strafsenknoten  im  Süden:  Aosta-lvrea,  Vogogna, 
Bellinzona.  Weg  zum  Lago  Maggiore,  der  See  selbst,  Arona,  Monte 
Cenere.  Chiavenna.  Veltlin.  Comersee.  Die  Pässe  konvergieren  nach 
dem  Mittelpunkt  der  Po-Ebene. 
Zweites  Kapitel:   Fortsetzung 17 

Ziele  des  Verkehrs  im  Süden.  G^nua  oder  Piacenza.  Lage  von 
Genua*  Pässe.  Schwierigkeiten  im  Apennin.  Piacenza,  die  letzte 
Brückenstadt  am  Po.  Unterhalb  Meer  und  Land  nicht  definitiv  ge- 
schieden. Mittelalterliche  Brückenschläge  unterhalb.  Lage  von  Ron- 
caglia.  Mailand,  die  Stadt  der  Mitte.  Gunst  der  Lage.  Die  fehlende 
Verbindung  mit  den  schiffbaren  Gewässern  schuf  es  selbst. 

Divergenz  des  Verkehrs  im  Norden.  Gründe.  Die  Fortsetzungen : 
Kunkelpafs,  das  Rheinthal,  Rheineck.  Lücke  des  Walensees,  Zürich. 
Die  Pforte  an  der  Rhdne.  Ziele  des  Verkehrs.  Hindernis:  Jura. 
Pässe  von  Pontarlier,  von  Äugst.  Oberer  und  unterer  Hauenstein, 
Bötzberg.  Verkehr  in  der  Längsrichtung  der  Hochebene.  Hydro- 
graphische Pforte  der  Schweiz.  Bodensee.  Konstanz.  Basel.  Strafsburg. 
Drittes  Kapitel:  Änderung  der  geographischen  Bedingungen  durch  die  Ein- 
richtung des  Gotthardweges 32 

Centrale  Lage  des  Gotthardquerschnittes.  Der  Anstieg  im  Norden. 
Die  Hauptschwierigkeit  im  Umer  Loch.  Urseren.  Pafshöhe.  Der 
Abstieg  im  Livinenthal.  Verstärkte  Bedeutung  von  Mailand.  Neue 
Wege  nach  Zürich,  Basel  und  Windisch. 


Inhalt.  729 

Seite 
•  Erschliefsung  des  Grimselpasses.   Fortsetzungen  über  die  südliche 
Kette:  Nufenen-,  Gries-  und  Albrunpafs.   Seit  Eintreten  des  Gotthards 
scharfe  Konkurrenz  der  Pässe. 

Tabelle:   Zusammenstellung  der  Pafshöhen. 


Zweiter  Teil:   Die  Alpenpässe  im  Altertum. 

Viertes  Kapitel 89 

Die  Alpenfront  von  Massalia  und  der  Donau  aus  umgangen.  So 
auch  zunächst  die  Römer.  Grofser  St.  Bernhard.  Strafsenbau.  Die 
lokalen  Rhouepässe.  Simplon  zweifelhaft.  Büudeuer  Pässe.  Julier. 
Splügen.  Fehler  der  Itinerarien.  Funde.  Pflasterungen.  Ortsunter- 
suchungen nötig.  Spätrömisch  Lukmanier  oder  Bernhardin  benutzt. 
Zollstätten.  Organisation  unter  dem  Einflufs  der  Erwerbsgeschichte. 
Spätere  Änderungen.  Nachwirkungen  im  Mittelalter.  Das  Strafsen- 
System  als  Einheit  betrachtet.  Verteilung  der  römischen  Funde. 
Warenhandel.  Was  überlieferte  das  Altertum  dem  Mittelalter? 
Strafsenbau,  geänderte  Organisation.  Was  ging  verloren?  Be- 
dingungen des  Handels  verändert. 


Zweites  Buch :  Verkehr  und  Handel  im  Frühmittelaltep 

(bis  1032). 

Fünftes  Kapitel :   Verkehr  bis  zur  Bildung  des  hochburgundischen  Reiches  (888)      54 
Der  St.  Gotthard   als  Grenzpfeiler  von  fünf  Bistümern.     Dieser 
Pafs  unbenutzt.    Die  Alpen  in  der  merowingischen  Zeit.    Züge  der 
Karolinger.    Grofser  St.  Bernhard.    Septimer.    Reliquientranslationen. 
Divisio  regnorum.    Begründung  des  Königreichs  Hochburgund. 

Sechstes  Kapitel :  Verkehr  bis  zur  Vereinigung  von  Burgund  mit  dem  Deutschen 

Reiche  (1032) 59 

Die  Saracenen  in  den  Alpen.  Älteste  Hospize:  am  Grofsen 
St.  Bernhard,  auf  dem  Septimer  und  sonst.  —  Bündener  Pässe.  Die 
Züge  der  Ottonen.  Andere  Reisende.  Begünstigung  von  Chur.  Er- 
haltene römische  Verkehrseinrichtungen:  Schiffmeisterei  am  Walen- 
see, Fähren.  Besitz  deutscher  Klöster  jenseits  der  Alpen.  —  Burgun- 
dische Pässe:  Verkehr  über  den  Grofsen  St.  Bernhard.  Normannen. 
Engländer.    Itinerar  Sigerichs.    Verhandlungen  Knuds  des  Grofsen. 

Siebentes  Kapitel:   Der  Handel 68 

Spärliche  Nachrichten.  Altester  Zolltarif:  Aosta.  Art  der  Zoll- 
erhebung. Allgemeine  Handelsverhältnisse.  Gewebe.  Nahrungs- 
mittel. Gewürze.  Weihrauch.  Parfiimeriestoffe.  W^ein.  Andere 
Waren.  Passive  Handelsbilanz  des  Nordens.  Auch  Italien  noch  in 
sekundärer  Stellung  im  Welthandel.  Deutsche  Kaufleute.  Fremde 
Kaufleute:  Syrer,  Juden,  Araber,  Friesen,  Italiener.  Warenhandel. 
Märkte. 


780  Inhalt. 


Drittes  Buch:   Verkehr  und  AVarenhandel  im  Hoch- 
mittelalter. 

Erster  Teil :  Geschichte  des  Verkehrs  von  der  Vereinigung  des  burgundisohen 
mit  dem  Deutschen  Reiche  bis  zur  öffhung  des  St.  Gotthards  (1082  bis  um  1280). 

Seite 

Achtes  Kapitel:   Hospize 80 

Das  auf  dem  St.  Bernhard.  Filialen  und  Besitzungen  bis  Apulien 
und  England,  in  Deutschland.  Hospiz  auf  dem  Septimer.  Ritter- 
orden, andere  Spitäler. 

Politische  Geschichte.    Römerzüge 85 

Chiavenna  eine  schwäbische  GrafschafL  Römerzüge  der  Salier. 
Staufer:  Friedrich  I.  und  der  Septimer.  Schlacht  bei  Legnano. 
Lukmanier.    Kloster  Disentis.    Heinrich  VI.  und  seine  Nachfolger. 

Septimer  und  Bemhardin 92 

Reisende.  Der  Septimer  bei  den  Dichtern,  bes.  Gottfried  von 
Strafsburg.  Berhardiu.  Verkehrseinrichtungen:  Wirtshäuser,  Fähren« 
Burgen.    Bergell. 

Neuntes  Kapitel :   Walliser  Pässe 96 

Grofser  St.  Bernhard.  Reisen  der  Kaiser,  Päpste,  Vornehmer. 
Isländisches  Itinerar.  Der  Iliansweg  nicht  der  Lukmanier.  Erstes 
Hervortreten  des  Grimselpasses,  des  Antronapasses  und  des  Simplons. 

Nördliche  Zugänge 102 

Die  Wege  des  hl.  Bernhard. 

Ergebnisse 102 

Die  inneren  Pässe  der  beiden  Systeme  kommen  mehr  in  Auf- 
nahme. 

Politische  Lage  am  Südfufse  der  Alpen 103 

Ringen  von  Mailand,  der  Freiherren  v.  Sax  und  Como.  Hein- 
richs VI.  Vertrauen  auf  Como.  Die  Mailänder  an  den  Zollstellen. 
Grafen  von  Biandrate  u.  a. 


Zweiter  Teil:   Geschichte  des  Handels  bis  som  Ende  des  dreiaehnten 

Jahrhunderts. 

Zehntes  Kapitel:   Deutsche  Kaufleute  in  Italien.   • 105 

Der  Chanson  sur  TAir  de  TAmour.  In  Genua  schon  1128.  Ferrara 
1228.    Messen.    Der  Fondaco  in  Venedig.    Überfälle. 

Italienische  Kauf  leute  in  Deutschland 108 

Aus  Lodi,  Mailand,  Piacenza.  Koblenzer  Zolltarif.  Italienische 
Steinmetzen  und  Maurer. 

Veränderungen  im  Welthandel 110 

Konstantinopel  nicht  mehr  Monopol  als  Vermittler.  Das  Abend- 
land handelt  direkt.  Die  Kreuzzüge  steigern  den  Luxus.  Italien 
übernimmt  die  Vermittelung.    Amalfi,  Pisa,  Genua,  Venedig. 

Elftes  Kapitel:   Bekleidungstoffe 112 

Änderungen  in  der  gewerblichen  Organisation,  im  Verbrauch. 
Zunahme  desselben. 


Inhalt.  731 

Seite 

Die  Leinen-  und  Hanfstoffweberei 113 

Bleibt  vorwiegend  Gegenstand  des  Hausfleifses.  Technisches. 
Gleichwohl  bedeutender  Handel.  Konstanz,  Basel,  St.  Gallen, 
Augsburg.  Deutsches  Leinen  im  päpstlichen  Schatze.  Erzeugung 
des  Auslandes. 

Zwölftes  Kapitel:    Bekleidungsstoffe  (Fortsetzung).    Wollweberei 117 

Produktionsteilung.  Walken.  Färberei.  Örtliche  Teilung.  Die 
Wollweberei  städtisches  Gewerbe.  Reste  auf  dem  Lande.  Einflufs 
der  Klöster.  Alteste  deutsche  Weber  als  Handwerker.  Südwest- 
deutsche Grau  tucher,  Loderer  im  Südosten.  Rheinische  Weber, 
Köln.  Flandern.  Weltlage.  Die  englische  Wolle  die  beste. 
Weberei  in  England,  in  Flandern,  Frankreich,  Champagne,  auf  der 
schweizerischen  Hochebene,  Lothringen. 

Italien.  Vorbedingungen.  Alte  Traditionen.  Bezug  der  Wolle. 
Kapitalistischer  Charakter.  Die  Humiiiaten.  Überblick:  Mailand, 
Lombardei,  Venetien,  Piemont,  Toskana,  bes.  Florenz.  Callimaia 
und  Arte  della  lana. 

Dreizehntes  Kapitel :   Bekleidungsstoffe  (Schlufs).    Seidenweberei 136 

Erste  Anfänge.  Lucca,  andere  italienische  Orte.  Paris.  Zürich. 
Konstanz. 

Baumwollweberei 139 

In  Italien  verbreitet,  namentlich  in  der  Lombardei.  HandeL 
Herstellung  auch  in  Flandern. 

Farbstoffe 141 

Neue  Farbstoffe  in  grofser  Zahl. 

Gewürze.    Wachs.    Beeren  des  Lorbeers 143 

Metalle 145 

Verbreitung  des  Bergbaues.    Waffenindustrie. 

Lebensmittel 149 

Getreide.    Wein.    Salz.    Fische.    Produkte  der  Viehzucht 

Perde.    Vieh 150 

Häute.    Pelzwerk. 

Sklaven 151 

Vierzehntes  Kapitel:   Handelsorganisation 152 

Verschwinden  des  Fremdkaufmanns.  Die  Juden  zurückgedrängt. 
Handelseifersucht,  Ausschlufs  von  den  korporativen  Bildungen. 
Gründung  von  Städten.  Aussonderung  von  Produktionszweigen. 
Der  Kaufmann  bedarf  der  Genossen.  Handelsgesellschaften.  Italien. 
Deutschland. 

Messen 156 

Ursachen  ihrer  hohen  Bedeutung.  Die  Messen  der  Champagne. 
Lage  der  Champagne.  Organisation,  Termine,  Beamte  u.  s.  w.  Mefs- 
besucher  organisieren  sich,  besonders  die  Italiener.  Handel  der 
Deutschen.  Höhe  des  Verkehrs,  gemessen  an  den  Zöllen  von  Chillon 
und  Bapaume  und  den  Erträgnissen.  Messen  in  Deutschland  und 
Italien. 


732  Inhalt. 

Dritter  Teil:   Geschichte  des  Verkehrs  von  der  Eröfibiung  des  Gotthards 

bis  sur  Doppelwahl  von  1814. 

Seite 
Fünfzehntes  Kapitel:   Der  St.  Gotthardpafs 169 

Erste  Erwähnung.  Die  stäubende  Brücke  erster  Triumph  der 
Eisentechnik.  Die  Eröfiiiung  eine  Folge  des  Vordringens  der 
Deutschen  in  die  Hochalpen.  Urseren  will  lokale  Verbindung,  schafft 
eine  internationale. 

VTann  erfolgte  die  ErÖflfhung?*  Bedeutung  Bellinzonas.  Kämpfe, 
Reichsgut,  wieder  verloren.  Triumph  Mailands.  Politik  des  Reiches 
am  Nordfufs.  Uri  von  Habsburg  ans  Reich.  Reichsgut  und  Haus- 
gut. Die  Habsburger  an  der  Strafse  nach  Ölten.  Neue  Zölle: 
Freudenau,  Reiden,  St.  Amarin.  Dieser  Vogesenpafs  eiu  Korrelat 
des  Gotthards. 
Sechzehntes  Kapitel:    Der  Gotthardpafs  bis  1298 179 

Widerstand  von  Schwyz.  Erwerb  weiterer  Besitzungen  am  Wege. 
Rudolf  hat  den  Anfang  zu  einem  Pafsstaat  gelegt.  Wahl  Adolfs. 
Die  Reaktion  gegen  die  Habsburger.  Der  Bund  der  Eidgenossen. 
Welcher  Geist  schuf  ihn?  Kämpfe.  Erste  Nachrichten  über  Kauf- 
leute auf  dem  Passe. 
Unterer  Haucnstein 183 

Zölle.      Expansion    des    Bistums    Basel.      Das    Manifest    König 
Rudolfs  an  die  Kaufleute  bezieht  sich  auf  den  Gotthard.    Sendung 
des  Bischofs  von  Basel  nach  Italien. 
Büfadener  Pässe 187 

Leben    auf   der   Septimerstrafse.     Zölle.     Verkehrseinrichtungen. 
St.  Bemhardinpafs.     Versuche,   die   Konkurrenz   des  Gotthards   ab- 
zuwehren.   Kämpfe  im  Bergeil.    Torriani  und  Visconti  in  Mailand. 
Bildung  der  dortigen  Signorie. 
Siebzehntes  Kapitel:   König  Albrecht  und  die  schweizerischen  Alpen    ....     191 

Veränderung  der  Lage  durch  die  Wahl  Albrechts.  Privilegien 
für  die  Italiener  von  1299.  Ausfuhrung  durch  den  Bischof  von  Basel 
und  den  Grafen  von  Pfirt.  Ursprung  und  Zweck  der  Privilegien. 
Die  Gotthardlinie  bevorzugt.  Verlegung  des  Zolls  von  Jougne  auf 
den  Grotthard.  Geschichte  des  Zolls.  Johann  von  Chalon-Arlay. 
Kämpfe  in  Burgund.  Sperrung  des  Juraverkehrs. 
Achtzehntes  Kapitel:  König  Albrecht  und  die  schweizerischen  Alpen  (Fort- 
setzung)   199 

Frankreich  und  die  Champagne  und  Flandern.  Der  alte  Weg 
Italien-Flandern  genügt  nicht  mehr.  Verträge  der  Italiener  über  die 
alte  Strafse.  Vergleich  mit  denen  über  die  neue.  Albrechts  Zölle 
und  der  Landfrieden.    Aufhebung  der  Rheinzölle.    Erfolge. 

flöhe  des  Verkehrs  über  den  Gotthard.  Zollertrag.  Vergleich 
mit  Bapaume,  mit  den  anderen  habsburgischen  Zöllen,  mit  den  habs- 
burgischcn  Städtesteuem. 

Strafsenräubereien :   Das  Muster  eines  Brigantenbriefs. 
Neunzehntes  Kapitel:   Die  Walliser  Pässe 211 

Ausbau  der  Simplonstrafse.  Vertrag  über  den  Naheverkehr.  Ein- 
greifen der  Mailänder  Kaufmannschaft.  Verträge.  Zölle.  Brücken. 
Susten.    Anteil  von  Novara.    Auch  die  Erschliefsung  des  Simplons 


k 


Inhalt.  783 

Seite 
eine   Folge    der   Ausdehnung   der    deutschen   Kolonien    in   Piemont. 
Anteil  der  deutschen  Hirten  und  des  italienischen  Adels. 

Der    Grofse    St.   Bernhard.      Hospiz.     Peter    IL    von    Savoyen. 
Zölle,  enorme  am  Jura.    Benutzung  des  Val  Travers.    Verträge  der 
Savoyer    mit    den  Kaufleuten   (Piacenza,    Gesellschaft    der    Markt- 
besucher, Genua). 
Zwanzigstes  Kapitel:   Heinrich  VII.  und  der  St.  Gotthard 223 

Veränderte  Lage.  Er  stellt  die  Rheinzölle  wieder  her,  hilft  un- 
bewufst  zur  Begründung  einer  dauernden  Signorie  in  Mailand  mit 
und  führt  keine  klare  Scheidung  des  Reichsgutss  vom  österreichischen 
Hausgute  durch.  Der  Name  St.  Gotthard.  Einrichtung  des  Reichs- 
gutes. Graf  Wernher  von  Homberg.  Baseler,  Luzemer  und  Mai- 
länder Kaufleute.  Die  entscheidenden  Ereignisse:  Doppelwahl  und 
Schlacht  bei  Morgarten.  Ergebnis:  Am  St.  Gotthard  bildet  sich  ein 
Pafsstaat,  der  Pafs  geht  dem  Reiche  verloren. 

Viertes  Buch:    Geschichte  des  Geldhandels. 

Srster  Teil:   In  Italien  domizilierte  Qeldhändler  als  Gläubiger  des 
deutsohen  hohen  Klerus  im  dreizehnten  und  vierzehnten  Jahrhundert. 

Einundzwanzigstes  Kapitel:  Die  westdeutschen  Erzbisehöfe  als  Schuldner  .   .    231 
Wiederauftreten    des    Fremdkaufmanns.     Anfange   der   Geldwirt- 
schaft.    System  der  päpstlichen  Einnahmen.     Zwei  Klassen.     Höhe 
der  Servitien.    Beihilfe  der  italienischen  Kaufleute.    Erzbischöfe  von 
Köln,  vor  allem  Dietrich,  Engelbert,  Konrad,  spätere.    Mainz.    Wider-      ^ 
stand  des  Klerus.    Trier. 

Zweiundzwanzigstes  Kapitel:  Italicner  als  Gläubiger  deutscher  Prälaten  .  .  .  247 
Römer:  Utrecht,  Chur,  St.  Gallen,  Worms,  Magdeburg,  Strafsburg, 
Metz  und  Utrecht.  Senesen:  Metzer  Klöster,  Salzburg,  Passau, 
Bamberg,  Regensburg,  Lausanne,  Murbach.  Bankfirmen.  Lage  und 
Geschichte  von  Siena  in  der  Zeit  engster  Verbindung  mit  der  Kurie. 
Ghibellinen  und  Guelfen.  Rückgang  seit  1270.  Florenz.  Einzelne 
Schuldner.  Tabelle  der  Schuldcnerlaubnisse.  Pisa,  Pistoja,  Piacenza, 
Mailand. 

Dreiundzwanzigstes  Kapitel:   Die  Grundlagen  dieses  Kredits 263 

Die  Kurie  garantiert  durch  ihre  Strafen  das  Hauptgut,  nicht  die 
Zinsen.  Stellung  zum  Zinsverbot.  Regelung  des  Verfahrens  durch 
Nikolaus  IV.  Wucherer.  Thatsächliche  Behandlung  derselben  durch 
die  Kirche. 

Zweiter  Teil:  Italiener  bei  Erhebung  päpstlicher  Steuern  in 

Deutschland. 

Yierundzwanzigstes  Kapitel :   Italiener  bei  Erhebung  kirchlicher  Steuern  in  der 

Yoravignonesischen  Zeit 273 

Organisation  der  Steuern  in  Deutschland.  Zuweisung  an  be- 
stimmte Banken.  Charakteristik  derselben.  An  Stelle  Sienas  tritt 
Florenz.  Entwicklung  des  Florentiner  Handels  in  Verbindung  mit 
der  politischen  Geschichte.  Pistoja.  Sturz  der  Ammanati,  die  Chia- 
renti  und  das  Kardinalskollegium. 


734  Inlialt. 

Seite 

Fünfundzwanzigstes  Kapitel:   Italiener  bei  Erhebung  der  päpstlichen  Steuern 

im  vierzehnten  Jahrhundert 280 

Quellen.  Verschiedene  Verfahren  des  Geldtransportes,  nach 
Gegenden  verschieden.  Südwestdeutschlaud.  Ostdeutschland.  Norden. 
Nordwesten.  Wechselbriefe.  Beteiligte  Banken.  Bankerotte  in 
Florenz.    Neue  Bankhäuser. 

Dritter  Teil:   In  Deutschland  angesiedelte  italienische  Kauf  laute, 

Zollpächter  und  Miinzer. 

SechQundzwanzigstes  Kapitel:  Zusammenstellung  der  Nachrichten  nach  Orten  289 
Wallis  290,  Vevey  291,  Lausanne  291,  Genf  291,  Yverdon  291, 
Freiburg  im  Üchtland  292,  Peterlingen  (Payeme)  292,  Murten  293, 
Thun  293,  Bern  293,  Biel  294,  Solothurn  294,  Luzem  295,  Zürich  296, 
Aarau  297,  Basel  297,  Lindau  298,  Überlingen  298,  Konstanz  298, 
Freiburg  im  Breisgau  298,  Oberelsafs  299,  Gebweiler  299,  Kolmar  299, 
Rapoltsweiler  299,  Schlettstadt  299,  Strafsburg  299,  Lothringen  299, 
Oppenheim  299,  Nördlingen  299,  Efslingen  299,  Frankfurt  a.  M.  300, 
Mainz  300,  Bingen  300,  Bacharach  301,  Oberwesel  301,  Koblenz  302, 
Trier  302,  luxemburgisches  Gebiet  302,  Schöneck  in  den  Ardennen  302, 
Reuland  (Kreis  Malmedy)  802,  Linz  302,  Sinzich  302,  Ahrweiler  302, 
Remagen  303,  Siegburg  303,  Köln  303,  im  Kölnischen  305,  Müll- 
heim  305,  Werden  305,  Duisburg  305,  Soest  305,  Osnabrück  305,  Glad- 
bach 305,  Aachen  bez.  Düren,  Aldenhoven  und  Jülich  305,  Am- 
heim  307,  Roermonde  307,  Maastricht  307,  Lüttich  307,  Mecheln  307. 

Siebenundzwanzigstes  Kapitel:  Die  Thätigkeit  der  Kawerschen  ....•,,  308 
Feststellung  der  Heimat:  Asti,  Astis  Handel.  Übergang  zum 
Geldhandel  im  Ausland.  Aus  der  Geschichte  Astis.  Reue  über  den 
Wucher.  Vergleich  mit  den  Juden.  Geringer  Anteil  am  Waren- 
handel, auch  am  interlokalen  Wechsel,  Lombarddarlehen.  Aus 
Geschäftsbüchern.  Frist  der  Darlehen.  Höhe  des  Zinsfufses.  Zwei 
Typen.  Organisation  und  Ansiedlung  der  Casanen,  sie  bleiben 
nomadenhaft.  Anteil  der  Landesherren  an  der  Auswucherung.  Die 
Kawerschen  als  Regal  beansprucht.  Privilegien  und  Lombarden- 
recht. Vergleich  mit  dem  der  Juden.  Mobiliarpfandrecht.  Beweis- 
recht. Strafrecht  u.  s.  w.  Bedeutung  der  Lombarden  in  der  Geschieht« 
des  Kredits.  Rückgang  im  fünfzehnten  Jahrhundert  mit  Besserung 
der  Kreditbedingungen.    Bedeutung  für  das  Geistesleben. 

Achtundzwanzigstes  Kapitel:   Italiener  an  deutschen  Zöllen  und  Münzstätten    828 
Zölle.      Erste    Goldprägung    in    Florenz.     Neuerungen    bei    den 
Silbermünzen:   Turnosen,  böhmische  Groschen,  Heller.    Italiener  bei 
anderen   Münzen.     Italiener    bei    Herstellung   der   deutschen    Gold- 
münzen; Böhmen,  Lübeck,  rheinische  Gulden.    Florenz  und  Asti. 

Vierter  Teil:   ItalieniBohe  Banken  in  Beziehungen  au  Deutsohland 

im  fiinfäelmten  Jahrhundert. 

Neunundzwanzigstes  Kapitel 336 

Mangelhafte  Quellen.  Banken  während  des  Konstanzer  Konzils. 
Das   St.   Johannesfest.      Mediceer.     Geschäft    bei    der    Freilassung 


i 


Inhalt.  735 

Seite 
Cossas.     Das  Baseler  Konzil  und  die  Bankiers.    Italienische  Kauf- 
mannsbücher.   Sonstige  Nachrichten. 


Fünftes  Buch :  Grundlegrende  Erschelnungren  des  Handels- 

lebens  der  Nachbarschaft. 

Dreifsigstes  Kapitel:  Der  Niedergang  der  Messen  der  Champagne 844 

Ursachen  handelspolitischer  und  rein  politischer  Natur.  Versuche 
zur  Erhaltung.  Folgen  des  Verfalls  für  Deutschland,  für  Flandern. 
Hochblüte  von  Brügge.  Klagen  in  der  Champagne.  Die  Deutschen 
auf  den  Messen.! 

Einunddreifsigstes  Kapitel:   Venedig 851 

Der  Fondaco  der  Deutschen.  Handelsgrundsätze  von  Venedig. 
Verkauf  nur  an  Venetianer,  nur  Waren  deutscher  Herkunft,  Erlös  in 
Waren  wieder  anzulegen.  Venedig  kauft  in  Deutschland  nicht  selbst 
ein.  Venedig  Endpunkt  der  deutschen  Initiative,  anders  Genua.  Um- 
fang des  deutschen  Handels.    Anteil  der  einzelnen  Gegenden. 


Sechstes  Buch:   Geschichte  des  Verkehrs  im  SpAt- 

mittelalter. 

Erster  Teil:   Die  Bündener  Fasse  und  ihre  Zagänge. 

Zweiunddreifsigst€s  Kapitel:   Septimer • • 857 

Hospiz,  Vitztumamt.  Verfall  der  Strafse«  Verbot  eine  andere  zu 
fahren  1358.  Mailänder  Gesandtschaft  1386.  Entscheidung  für  den 
Septimer.  Bau  der  Strafse  durch  die  Castelmur.  Zeitumstände.  Die 
Porten,  ihre  Ordnungen.  Zölle,  Weggelder.  Streit  um  den  Zoll  zu 
Strafsberg. 
Dreiunddrcifsigstes  Kapitel:   Die  übrigen  Pässe.    Lukmanier.   •   •   • 865 

Nachbarlicher  Verkehr.     Hospize.    Die  Mailänder  erwirken  Zoll- 
erleichterung 1391.    Verhandlungen  mit  Konstanz.    Zwei  Tarife  für 
die  ßoute  Biasca-Konstanz.    Verteilung  der  Abgaben.    Zölle.   Susten. 
Kaiser  Siegmund  und  der  Pafs. 
Splügen  und  St.  Bernhardin 870 

Benutzung  der  unausgebauten  Via  mala.    Nürnberger  Beschwerden. 
Versuche,  den  Verkehr  zu  verhindern.    Bau  der  Strafse,    Transport- 
genossenschaften.     Italienische    Nachrichten.     Der   hl.    Bemhardin. 
Thal  Misox.  —  Sust  am  Comersec. 
Der  politische  Hintergrund «...     874 

Emancipation    und    Bünde    der   Thäler.     Gewinn    der   südlichen 
Thäler.    Verträge  mit  Mailand.    Auch  Graubünden  ein  Pafsstaat. 
Vierunddreifsigstes  Kapitel :  Die  Fortsetzungen  der  Pässe  bis  zum  Bodensee  i    876 

Allgemeines.  Die  römische  Grundlage.  Organisation.  Die  acht 
Herrschaften.  Streit  Zizers-Mayenfeld.  Geschichte  und  Bedeutung 
Rheinecks.  Strafse  Schaan-Bregenz.  Arlberg.  Bau  der  Schollberg- 
strafse.    Weg  über  den  Walensee.    Verkehrsstörungen.    Raubritter. 

Rückblick  auf  die  Geschichte  der  Bündner  Pässe. 


736  Inhalt. 

Soite 

Reisebeschreibung  der  Gesandten  von  Venedig  1492.    Brüderschaft 
der  fremden  Kaufleute  in  Chur.    Angaben  über  die  Verkehrshöhe. 
Krefssches   Brief  büchlein.     Dauer    des    Transportes   Nürnberg -Mai- 
land. 
Fünfiinddreifsigstcs  Kapitel:   Die  Fortsetzungen  nördlich  des  Bodensees    .    .    .     388 

Wege  nach  Augsburg  und  Ulm,  von  dort  nach  Frankfurt.  Wege 
von  Konstanz  aus.  Der  zum  Kinzigthal.  Bau  der  Strafse  über  den 
Hohlen  Graben,  der  „alte  Weg^  im  Höllenthal.  £inrichtung  und 
Geschichte  beider.  Geleitsgesellschaft  von  1302.  Bruch  der  Burg 
Falkenstein. 

Der  Raub  von  Hohenstoffelu.  Mailändische  Gesandtschaft.  Siche- 
rung der  Italiener  durch  Geleitsbriefe  von  1424.  Luzemer  Oberfall 
auf  dem  Bodeneee. 

Florenz  und  der  Landweg.  Griinde  für  ihn.  Gesandtschaft  nach 
Konstanz  1409.    Geleitsbrief. 


Zweiter  Teil:   Der  8t.  Qotthard  und  seine  Zugänge. 

Sechsunddreifsigstes  Kapitel:    Die  Nordseite  des  Gotthards   von  Urseren  bis 

Luzem  vor  allem  im  vierzehnten  Jahrhundert 399 

Politischer  Hintergrund,  Kampf  der  Eidgenossen  wider  Osterreich 
bis  zur  Wegnahme  des  Aargaus  1415.  Verkehrseinrichtungen.  Zölle 
zu  Fluelen,  Luzern,  Rothenburg.  Organisation  der  Säumerei.  Instand- 
.  haltung  der  Strafse.  Hospiz.  Verhandlungen  von  Mailand  und 
Venedig.  Mailänder  Gesandtschaft  von  1314.  Venedig.  Karl  IV. 
und  die  Sperre  gegen  die  Viscontis.  Der  Streit  Burkhards  Münch 
von  Landskron  mit  Mailand  und  Venedig.  Der  Baseler  Diplomat 
und  Wirt  Sintze.    Der  Streitfall  des  Galwan  Scherer  von  Luzem. 

Siebenunddreifsigstes  Kapitel :  Die  Wege  vom  Vierwaldstättersee  bis  Basel.  .  414 
Der  Weg  über  den  unteren  Hauenstein.  Zölle.  SchiflFahrt  auf  der 
Reufs.  Landweg  über  Brugg  und  Bötzberg.  Die  Verhandlungen 
Mailands  mit  Herzog  Rudolf  IV.  Die  Geleitsbriefo  anderer  öster- 
reichischer Herzöge  und  des  Grafen  von  Habsburg-Laufen  bürg.  Mai- 
länder Gesandtschaften  von  1391  und  1398.  Verkehrshöhe  nach  den 
Geleitsgelderu  von  Mellingen.  Verkehr  auf  dem  unteren  Hauenstein. 
Thiersteinsches  Geleitsprivileg. 

Achtunddreifsigstes  Kapitel:   Die  nördlichen  Fortsetzungen 420 

Die  Strafse  St.  Amarin -Lothringen.  Briefe  von  Neufchäteau  und 
Lothringen.  Bemühungen  Sintzes.  Der  Geleitsbrief  der  Herren  von 
Faueogney.  Montaigne.  —  Weg  Luzem- Neuenburg -Val  Travers- 
Pontarlier.  Zölle.  Gegenbemühungen  Mailands.  Ausfuhrverträge 
Mailands  mit  dem  Könige  von  Frankreich  für  Wolle.  Ausfuhrort 
St.  Jean  de  Losne.  Listruktion  der  Gesandten.  —  Die  „Krumme 
Meile'^,  Strafsburg-Saarbrücken-Luxemburg.  Geleitsgesellschaft,  ihre 
Briefe.  Privilegien  für  die  Fortsetzungen.  —  Verkehr  auf  dem 
Rheine.  Zollstätten  von  Laufenburg  bis  Mainz.  Überlastung.  Wer 
ist  schuldig?  Auch  die  Städte.  Schwache  Reformen.  —  Die  Land- 
wege auf  dem  rechten  Rheinufer.    Privilegien  für  Italiener. 


Inhalt.  737 

S«iU 

NeununddreifBigstes  Kapitel.    Die  Südseite  des  St.  Gk)tthards 436 

Charakter  der  Geschichte.  Urseren  und  Livinen  minder  glück- 
lich als  Uri.  Die  Kusconi  in  Como,  Bellenz.  Die  Visconti  dringen 
bis  zum  Gotthard  vor.  Ihre  Verwaltung.  Freibriefe  und  Ver- 
günstigungen. Die  Visconti  Herzöge.  Krisis  von  1402.  Erste  Be- 
setzung von  Livinen,  von  Bellenz.  Schlacht  bei  Arbedo.  Entgegen- 
kommen in  Handelsfragen.  Die  Kapitulate.  Imiser  Krieg.  Die 
Schweizer  zollfrei.  Die  Eidgenossenschaft  ein  Handelsgebiet  Eid- 
genössischer Zoll  in  Göschenen.  Die  Erwerbung  des  Tessin,  ähn- 
liche Ausdehnung  Graubündens.  Die  Schweiz  ein  Pafsstaat.  —  Die 
südlichen  Fortsetzungen:  Monte  Cenere  sehr  unsicher.  Wege  nach 
Varese,  Magadino  und  Locamo.  Verträge. 
Vierzigstes  Kapitel:  Die  Nordseite  des  St.  Gotthards  im  fünfzehnten  Jahr- 
hundert.   Allgemeines 447 

Ausdehnung  der  Eidgenossenschaft.  Reste  der  alten  Herrschaften 
vor  den  drei  Pafssystemen.  Die  alten  Einrichtungen  aufrecht  er- 
halten. Erträgnisse  des  Mellinger  und  des  Diepflinger  Geleits  bez. 
Zolls.  Verbindung  Küfsnach- Zug -Horgen- Zürich.  Eidgenössische 
und  Luzemer  Geleitsbriefe  für  fremde  Kaufleute.  Sicherheit. 
Räubereien.    Schutz  über  das  eigene  Gebiet  hinaus. 

Hervorragende  Passanten  des  Gotthards.  Genauere  Beschreibungen: 
Walther,  Mülinen,  Tafur,  Eptingen.  Nachrichten  über  Kaufleute 
und  Waren. 

Dritter  Teil:  Die  Walliser  Pässe. 

Einundvierzigstes  Kapitel:   Simplon  und  der  Grofse  St.  Bernhard 459 

Susten. ,  Transportordnungen.  Brücken  und  Nebenwege.  Zölle. 
Hospize.  Die  Bedeutung  von  Oberwallis.  Sicherheitsbriefe  und  Be- 
raubungen in  Verbindung  mit  der  politischen  Geschichte.  Einflufs 
der  Urkantone.  Papst  Gregor  XI.  und  der  Kampf  wider  die 
Visconti.  Anschlufs  an  die  Schweiz.  Die  Pässe  im  fünfzehnten 
Jahrhundert. 

Zweiundvierzigstes  Kapitel:   Die  anderen  Pässe.   Verkehrshöhe 473 

Südseite:  Albrun,  Antrona  und  Monte  Moro.  Die  Kämpfe  um 
das  Eschenthal.  Ausdehnung  Rhone  abwärts.  Pässe  zwischen  Wallis 
und  dem  Berner  Oberland,  benutzt,  für  den  Handel  ohne  Bedeutung. 
Anders  Grimsel-  und  Griefspafs»  Einrichtung  1397.  Spital.  Vieh-, 
Warienhandel.  Warentransport.  Der  Wollebsche  Streit.  Angaben 
über  die  Verkehrshöhe  aus  dem  Wallis,  Chillon,  Jougne,  Les  C16es. 
Vergleich  mit  heute. 

Vierter  Teil;  Messen.  Verkehr  von  der  Bhonemündang  aum  Bodensee. 

Posten. 

Dreiundvierzigstes  Kapitel :   Messen  von  Genf  und  Lyon 485 

Die  Messen  von  Genf,  Bedeutung,  vernichtet  durch  die  von  Lyon. 
Deutsche  Kolonie  in  Lyon. 

Verkehr  von  der  Rhonemündung  zum  Bodensee. •  #    489 

Deutsche  Interessen  weiter  südlich.     Weg  der  deutschen  Pilger, 
Händler  und   Fürsten.    Die  Deutschen    in  Avignon,  im   Dauphin^, 
S e hui t •,  Oetoh.  d.  mittelalt^rl.  Handels.    I.  47 


•    .    •. 


738  Inhalt. 

Seite 

m   Savoyen.     Weg   von   Genf  zum   Bodensee.     Zölle.     Die    Geleit- 
strafse  Genf- Ulm.    Strafsenraub  am  Bodensee,  Oberrhein:   Italiener, 
Aragonesen. 
Deutsche  und  italienische  Messen 499 

Messen  zu  Zurzach,   Nördlingen,  Strafsburg,  Frankfurt,  kleinere. 
Italienische  zu  Crema  und  Arona. 
Vierundvierzigstes  Kapitel:   Die  Einführung  der  Posten 500 

Technische  und  wirtschaftliche  Vorbedingungen.  Mailänder  Posten. 
Erste  Erwähnung  eines  Taxis.  Stafettenzug  über  den  St.  Gotthard. 
Änderungen.  Niederländisch- tiroler  Route.  Verträge  mit  Franz  von 
Taxis,  andere  Nachrichten.  Einrichtung.  Wann  wurden  diese 
Stafettenzüge  wirkliche  Posten?  Erste  Benutzung  durch  das  Publi- 
kum. Linien  in  der  Eidgenossenschaft,  Zustände  1608.  Die  Schweiz 
umgangen.  Charakteristik  der  ßoute  von  1500.  Bedeutung  von 
Rheinhansen. 

Siebentes  Buch:   Geschichte  des  Handels  im  SpAt- 

mittelalter. 

Erster  Teil:  HandelspolitUiohes. 

Fünfandvierzigstes  Kapitel:    Versuche  einer  Reichshandelspolitik 511 

Vereinzelte  Repressalien:  Ludwig  der  Bayer,  Karl  IV.,  Ruprecht. 
Die  grofse  Handelssperre  Siegmunds  gegen  Venedig.  Politische 
Gründe«  Weg  nach  dem  Schwarzen  Meere.  Genua  statt  Venedig. 
Zwei  Aktenstücke.  Verhandlungen  und  Verbote.  Reichstag  in 
Breslau.    Neue  Kapereien. 

Sechsundvierzigstes  Kapitel:   Kaufhäuser 520 

Zweck  und  Bedeutung  für  den  internationalen  Handel.  Das 
älteste  in  Mainz,  andere.  Basel,  Strafsburg,  Konstanz.  Gredhäuser 
am  Bodensee,  Kaufhäuser  in  der  Schweiz.  Innere  Einrichtung.  In 
Konstanz  und  Basel  Zusammenhang  mit  den  städtischen  Zöllen. 

Zweiter  Teil:  Der  Anteil  Italiens. 

Siebenundvierzigstes  Kapitel:   Allgemeines 529 

Die  Stellung  der  Fremden  im  Rechte.  Prinzip  der  Gegenseitig- 
keit   Repressalien.    Recht  der  Fuhrleute. 

Genua:   Privilegien  und  Organisation'  der  Fremden 531 

Genuas  Bedeutung,  verdi[ängt  Pisa,  Rivalität  mit  Venedig.  Innere 
Kämpfe.  Fremdherrschaften.  Privilegien  für  die  Deutschen.  Ver> 
handlungen  von  1398.  Angaben  von  Ulmann  Stromer.  Nicht  er* 
haltene  Privilegien.  Verhandlungen  und  Privilegien  von  1424/25. 
Konrad  Her  von  Konstanz.  Fondaco.  Tariferm&fsigungen.  Gon- 
ventiones  von  1466.  Heinrich  Fry  von  Konstanz.  Befreiung  der 
Genuesen  im  Reiche.  Überblick  über  die  Privilegien«  Die  Konsuln 
der  Deutschen.  Reihenfolge.  Beüignisse.  Kleine  deutsche  Leute. 
Die  Brüderschaft  der  Fremden. 

Achtund  vi  erzigstes  Kapitel:  Handel  in  Genua.   Genua  als  Hafen •  •    542 

Genueser  Seidenindustrie,  Goldföden.  Handel  am  Platx,  Wich- 
tiger der  Exporthandel. 


Ik 


Inhalt.  789 

Seite 
Handel  mit  Spanien,  Neapel.    Asti,  Acqui  und  Alessandria 543 

Konstanzer  und  Ravensburger  auf  dem  Meere,  im  Handel  mit 
Spanien.  Spanische  Häfen.  Deutsche  in  Spanien.  Andere  Wege 
nach  Spanien.  Deutscher  Seehandel  quer  durch  das  Mittelmeer, 
Handel  von  Genua  aus  mit  Neapel,  Pera.  Genuesen  in  Deutsch- 
land. Durchgangsverkehr.  Transportgesellschaften.  Asti,  Acqui, 
Alessandria. 
iunundvierzigstes  Kapitel:   Mailand.    Verkehrspolitik 551 

Die    Kaufmannschaft    von    Mailand    betreibt    hervorragend    eine 
Verkehrspolitik,    npäter   an   ihrer   Stelle   mehr    die   herzogliche  Re- 
gierung.   Hauptgedanken.    Der  Seeweg. 
Mailänder  in  Deutschland i 554 

Mailänder  in  Deutschland,  besonders  die  Alzate,  Suane  und  Busti. 
Ebenso  Comasken. 
Privilegien  für  den  Handel  nach  Deutschland  und  die  Deutschen *  555 

Handelspolitik  gegen  Deutschland.  Die  Provisiones  Januae  von 
1346.  Andere  Verträge.  Erneuerungen.  Privilegien  für  die  Deutschen 
von  1422.  Fondaco.  Neue  Verhandlungen  1472.  Erweiterung  der 
alt^n  Privilegien  1469  und  Bestätigungen  bis  1522.  Tabelle  der  Tarife. 
Der  Zollstreit  der  Ravensburger  Gesellschaft, 
nfzigstes  Kapitel:   Mailand  (Fortsetzung).    Begünstigung  einzelner 564 

Litterae  passus  et  familiaritatis.     Fry,   Steinhus,   Irmi,   Welser. 
Litterae  contra  debitores. 
Mailänder  Gewerbe • 567 

Handelspolitik.     Schatz   der  Wollweberei,   Blüte   der   Barchent- 
weberei,  Einführung  der  Seidenweberei,  Goldfäden,  die   Rede  des 
Dogen   Mocenigo,    Kritik,   Metallgewerbe,   Waffenschmiede,    freies 
Grewerbe. 
Die  Deutschen  in  Mailand  und  Como  nach  ihrer  Heimat t  .  •     570 

Deutsche  in  Mailand  und  Como,   Angaben  aus  dem  vierzehnten 
Jahrhundert,  aus  dem  fünfzehnten:  Augsburg,  Nürnberg,  fränkische 
Städte,  Gmünd,  Ulm,  Konstanz,  Ravensburg,  Kempten,  St.  Gallen, 
vom  Rhein,  Freiburg  i.  Ü.,  Bern  (&Iai  und  Pangiani),  sonstige, 
lundfunfzigstes  Kapitel:   Como,  Tomo,  auch  Mailand •  •  •    579 

Innige  Verbindung.  Gedicht  des  Bettino  da  Trezzo.  Woll- 
weberei In  Como  und  Tomo.  Deutsche  Verleger,  namentlich  aus 
Ulm.  Belästigung  und  Verlegung  der  Fabriken.  Niedergang  von 
Tomo.  Gesellschaften  am  SiOll  von  Basel.  —  Andere  Deutsche  in 
Como  und  Mailand:  Soldaten,  Wirte,  Steinmetzen  u.  s.  w.,  Hand- 
werker. —  Gemischte  Gesellschaften«  Säckingen- Mugiasca.  Koler- 
Krefs-Saronno. 
'eiondfun&igstes  Kapitel :   Das  übrige  Italien • 589 

Bergamo.  Schiffahrt  auf  dem  Po.  Pavia,  Residenz*  und  Universitäts- 
stadt. Crema.  Piacenza.  Cremona.  Parmigianen  in  Strafeburg. 
Mirandola.  Bologna.  —  Florenz,  nach  dem  Warenhandel  hin,  er- 
wirbt Häfen.  Zurückgehen  der  Wollen-,  Aufblühen  der  Seiden- 
weberei. Deutsche  Wollweber,  Färber,  Bruderschaft  der  deutschen 
Schuhmacher,  Kauf leute,  Florentiner  auf  dem  Landweg,  in  Deutsch- 
land,   namentlich    in   Nürnberg.   —   Pisa,    Lucca,   Niedergang   der 

47* 


740  Inhalt. 

Sei 

Seidenweberei,  in  Deutschland,  Bruderschaft  der  deutschen  Schuh- 
macher. Siena.  Arezzo.  Macerata.  —  Aquila,  Safiranmärkte ,  Kon- 
kurrenz von  Venedig,  Deutsche.  Das  übrige  Königreich  Neapel.  — 
Rom.  Sonderstellung,  kein  Warenhandel,  deutsche  Wirte,  zahlreiche 
Handwerker.  —  Deutsche  in  den  Bergwerken. 

Dritter  Teil:  Der  Anteil  Deutiohlands. 

Dreiundfunfzigstes  Kapitel:   Allgemeines.    Konstanz 6( 

Träger  des  Handels  nicht  Landstädte,  sondern  Reichsstädte.   Ent- 
i  scheidend  für  den  Anteil  am  Handel:   die  Lage  des  Gewerbes  und 

i  die  Stellung  des  Patriziates  zum  Handel.  —  Das  Schultheifssche  Brief- 

buch.   Leinwandhandel,  Produktion  in  den  Händen  der  Kaufleute. 
Anteil  der  Geschlechter.   Austritt  der  Reichen  aus  den  Zünften.    Die 
Zunftrevolutionen  auch  gegen  die  Handelsgesellschaften.  Die  Reichsten 
■  der  Steuerlisten  von  1418  und  1422.    Die  Muntprats.    Stammbaum. 

I  Ihr  Vermögen.   Vergleich  mit  den  Reichsten  in  benachbarten  Städten. 

I  Tabellen  über  Ravensburg,   Ulm.     Die  reichen  Linien  gehen  zum 

'  Landadel  über.     Die  Fry,   im  Steinhus.     Die  verschiedenen  Rich- 

tungen des  Handels.  Umfang  desselben.  Tabellen  über  Zoll  im 
KAufhause  und  Steuer.  Gründe  des  Niedergangs.  Geographische 
Kenntnisse  in  Konstanz. 

Vierundfunfzigstes  Kapitel:   Ravensburg    • 6! 

Leinenweberei.    Papi&rfabriktftiön.    Verbihdungen  mit  Konstanz, 
mit  dem  Ausland.    Die  „grofse  Gesellschaft".    Die  Humpifs,  Stamm- 
baum. Gesellschaft  des  Frick  Humpifs.   Die  Mötteli,  ihre  Abzweigung. 
J  Anteil  der  Muntprat.    Andere  Teilhaber:    in  Ravensburg,  Konstanz, 

Ulm  und  sonst.    Die  Diener,  die  Ordnung  der  Gesellschaft    Gesell- 
schaftskapital.      Richtung    der    Handelsverbindungen.      Schlesischer 
I  Goldbergbau.    Ersuchen  um  päpstliche  Privilegien. 

Fünftindfunfzigstes   Kapitel:    St.  Gallen,   Schwaben,  vor  allem  Memmingeu 

j  und  Ulm 6i 

;'  St  Gallen,  Leineweberei,  Richtungen  des  Handels.  —  Memmingen, 

Gesöllscbaft  Vöhlin- Welser.  Mitglieder.  Gewinn.  Die  Gesellschaft 
in  Lissabon.  Teilung  von  1517.  Spätere  Geschicke.  Die  Ehinger. 
Thätigkeit  in  Italien.  Andere  Memminger  Häuser.  —  Kempten, 
Isny,  Lindau,  Wangen,  Überlingen,  Biberach.  —  Ulm,  Bärchen t- 
weberei,  Geschlechter.  Richtungen.  Schwäbisch -Gmünd.  Nörd- 
iingen. 

Secbsnndfunfzigstes  Kapitel :   Augsburg 6^ 

Charakter  des  Augsburger  Handels.  Die  Fugger.  Stammbaum. 
DhB  beiden  Linien.  Haddel  mit  Italien.  Die  Fugger  in  Lissabon. 
Andere  AugsBurger. 

Siebenundfünfzigstes  Kapitel:   Nürnberg,  fränkische  Städte 61 

Gründe  der  Handelsblüte:  Lage,  Gewerbefleifs,  besonders  Metall- 
gewerbe. Zollfreiheiten.  Richtungen  des  Handels.  Genf-Ljon- 
Spanien- Italien.  Fremde  in  Nürnberg.  Die  .Geschlechter  verharren 
in  der  Kaufmannschaft.  —  Rothenbütg- Windsheim.  Schwäbisch- 
Hall.  . 


Inhalt.  )  741 

Seite 

Achtundfunfzigstes  Kapitel:   Rheinlande 662 

Beteiligung  auffallend  schwach.  Basel.  Transitverkehr.  Schür- 
litz.  Irmi.  Papierfabriken.  —  Strafsburg,  Weinhandel,  Tuchhandel. 
Transit.  —  Speyer,  Freiburg,  Rastatt,  Frankfurt  am  Main,  Aachen, 
Köln. 

NeunundfQnfzigstes  Kapitel:   Die  Handelsgesellschaften 668 

Die  Schwierigkeiten  des  mittelalterlichen  Handels.  Die  Handels- 
gesellschaften. Innere  Gefahren  derselben.  Neigung  zu  Monopolien. 
Die  Feindschaft  der  öffentlichen  Meinung.  Gründe  der  Preis- 
steigerung. Die  Versuche  einer  Reichsgesetzgebung  verlaufen  im 
Sande. 

Sechzigstes  Kapitel:   Änderungen  im  Handelsleben 674 

Revolution  im  Spezereihandel  durch  die  Entdeckung  des  Seewegs 
nach  Indien.  Sch&digung  Venedigs,  Blüte  von  Lissabon  und  Ant- 
werpen. Der  Handel  an  den  Ocean  verlegt  Wollhandel.  Voll- 
ständiger Umschwung  in  England.  Seidenmanufakturen  aufserhalb 
Italiens.  —  Das  mittelalterliche  Handelsleben  städtisch,  nun  staat- 
lich. Mitteleuropa  verharrt  im  mittelalterlichen  Zustand,  politisch 
wie  wirtschaftlich.  Erkranken  der  Gewerbe.  Der  Rückgang  nur 
langsam.    Venedig  und  Oberdeutschland. 

Achtes  Buch :  Die  V/aren  auf  Grund  der  Tarife  des  vier- 
zehnten und  ftLnftBehnten  Jahrhunderts. 

Eantev  Teil:  Die  ZoUtarife. 

Einundsechzigstes  Kapitel:  Italienische  Tarife 681 

Como.  Eingeschobene  Stücke  (Chiavenna,  Bellinzona,  Livinen). 
Provisiones  Venetiarum  et  Januae.  Umarbeitungen.  Art  der  Ver- 
zollung. Genueser  Umsatzsteuer.  Mailänder  Datium.  Tessiner  Tarife. 

Zweiundsechzigstes  Kapitel:  Deutsche  Tarife 686 

Luzem,  die  sonstige  Schweiz.  Konstanz.  BaseL  Strafsburg,  der 
alte  PfundzolL  Zollkeller.  Pflichtezoll.  Kaufhauszoll.  Entwicklung 
der  Tansitabgaben.  Herabsetzung.  Zollbefreiungen.  Worms:  Kauf- 
hauszoll.   Handelsbuch  des  Pasi. 

Zweiter  Teil:  Die  Waren. 

Dreiundsechzigstes  Kapitel:   Produkte  des  Erdreichs 692 

Mineralien  u.  s.  w.  Ausdehnung  der  Bergwerke.  Silberfieber.  Die 
Metalle  in  den  Tarifen.  Fabrikate.  Salz,  Kreide,  Wetz-  und  Lavez- 
steine,  Schwefel,  Alaun,  Lapis  lazuli,  Glaswaren. 

Textilwaren  u.  a. 697 

Textilwaren.  Rohstoffe:  Wollsorten,  Baumwolle,  Seide,  Hanfund 
Flachs.  Gewebe:  Seidenstoffe,  Zendel  u.  s.  w.  Wollstoffe,  Baum- 
wollstoffe: Barchent,  Schürlitz.  Leinenstoffe.  Halbfabrikate.  Fertige 
Kleidungsstücke.    Papier.    Perlen,  Korallen  und  Bernstein. 

Vierundseehzigstes  Kapitel:   Produkte  des  Pflanzenreichs 706 

Farbwaren,  die  alten,  neu  auftretende.  Kampf  der  Waidkultur 
gegen  den  Indigo.  —  Spezereien,  die  selteneren  nur  in  den  Apotheker- 


742  Inhalt. 

Seit« 
listen,  die  marktgängigen.     Die  alten,  die  neu  auftretenden.    Safran. 
Zucker.      Die    Würzen.     Weihrauch.    —    Südfrüchte    und    „Fasten- 
speisen".    Keis.     Kümmel.     Loröl.     öle.     Weine.    —   Getreide.   — 

ji                                               Hölzer:    Buchs,  Eiben. 
,!i!  Fünfundsechzigstes  Kapitel:   Produkte  des  Tierreichs.    Fabrikate 714 

j  Pferde,  Vieh.  —  Gesalzene  Fische,   gesalzenes  Fleisch.  —   Käse, 

Butter  u.  s.  w.    Seife.  —  Häute,  Boldroni.  —  Pelzwerk,  Sorten.  — 
Leder,  Sorten.  —  Hornkämme,  Federn.  —  Pfennwerte  oder  Mercerie- 

.',  waren.    Gedruckte  Bücher,  Paternoster. 

'  Schlurs. 

! 

\  Sechsundsechzigstes  Kapitel:   Verkehrshöhe  .   .   .* 720 

Ertrag  der  Zölle  von  Como.    Andere  Ziffern.    Vergleich  mit  dem 
Verkehr  der  Gotthardbahn   1889.    Ein  Zwerg  und  ein  Riese.     Ver- 
'  gleich   mit   dem  Anfang   des   neunzehnten  Jahrhunderts.     Damalige 

'  Verkehrshöhe.    Die  Alpentransiteisenbahnen. 

i  Verbesserungen  und  Nachträge 726 

Inhalt 728 


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Pierer*sche  Hofbuchdrotikerei  Stephan  Q«ibel  k  Co.  in  Alt«nbiirg. 


Geschieh  l,e 
felalterliclien  Handels  und  Verkehrs 

"Westdeutschland  und  Italien  mit 
Augschlurü  von  Venedig. 


itaili&L-hcii    lliftturiscliua  KouiunA^iun. 
l)«iirinttM  V-M1 

Dr.  Aloys  Schulte, 

1.  Unna. 
Ilai'stclliiii!!. 


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Verla«  von  OUNCKER  &  HOHBLOT  In  LEIPZIG. 

Urkunden  und  Aktenstücke 

Geschichte  der  innem  Politik  des  Kurfürsten 

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Friüdrich  Wilhelm  von  Brandenburg. 

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Kr.1...    li-ll;  GeschlcbW  der  tfrandenburRlsrlien  Finanzen   In 

Her  Zelt  von  1640  bis  16B7. 

F.mli'«  IU»it:  Di»  CbtitTul>ti-U.'n  <lc-  KAmmfrv^^ttUunc.    I>l?  Ain(-k»iT>m'>f.  •)■* 

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Kji««><t>w.-aMi  unj  iliu  Uamna Ur  R<in»«r]i:    Vmd  K»tt  nri^x^lir.    IM«- 

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l-r^p.  II  M. 

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Statuten  und  Reformationen 

Uiiiversiläl  Heidelberg  vom  16.  bis  18.  Jahrhundert, 

HutHi|*^|'^l>uii  ntii  ilür  ll^'ilBvlicn  Eliitni-biüicii  tConimbaiiin. 

RvirMiH  VII»  Au^uet  Thorbeek». 

11^1.    l>rfi<  le  u. 

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Invcntare  Hansischer  Archive  des 

XVI.  Jahrhunderts. 

IkmiitgpgttbcH  vom  Vd""ii  i"ur  U*ii[iim;(ie  QcitliiehtB.                   . 

Ki>t>-r  ISm.lT  Kölner  Invenuir  lfiS]~IG7l.     Roubinl«!  Toa  B.  U&l.l  ■  mM 

l.«iitii  UI..I   Fl.  Kttuii.ou.     IKttfi.     IkniH  S-i  H.                                     ^H 

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Hansisches  Urkundenbuch.-              fl 

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Füntler  Bund.     itiOi  hi>  I4U.    Jk'ArV.itoi  t-u  Karl  KnniR.         H 

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IM-O.    IVi>  Ül  M.  N)  l't                                                      !■! 

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Achter  Band.    14&1  hi*  U6».     Ha^tlMHWvon  Wolllxir  Htehi.        ' 

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Hanserecesse. 

Erste  AhlhellUllK.     lUrtn.r.rf.i„'t.  d.iTOli  .lio  lliMnriKlui  KommiHlon  bei 

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