Google
This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct
to make the world's books discoverablc online.
It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover.
Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying.
We also ask that you:
+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for
personal, non-commercial purposes.
+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe.
Äbout Google Book Search
Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web
at|http: //books. google .com/l
Google
IJber dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Uiheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nu tzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche Tür Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials fürdieseZwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|http: //books . google .coiril durchsuchen.
I
Schulte,
Geschichte des mittelalterlichen Handels und
Verkehrs zwischen Westdeutschland
und Italien.
I. Band.
Greschichte
des
mittelalterlichen Handels und Verkehri
zwischen
Westdeutschland und Italien mit
Ausschlufs von Venedig.
Herausgegeben von der
Badischen Historischen Kommission.
Bearbeitet von
Dr. Aloys Schulte,
onl.Dtl. ProtauDr dar OMchidite Tu dar ÜDivartltit BraU.a.
I. Band.
Darstellnng.
Leipzig,
Verlag von Duncker & Humblot.
1900.
VORWORT.
•>
>
Das vorliegende Werk ist aus kleinen Anfingen hervorgegangen.
Als in dem Archiv der Handelskammer jene wertvollen Urkunden auf-
gefunden worden waren-, die den zweiten Band einleiten, regte der Alt-
meister der Handelsgeschichte, Wilhelm von Heyd, ihre Herausgabe an
und im Herbst 1890 stellte der damalige Vorstand der Badischen Histo-
A rischen Kommission, der nunmehr verewigte Eduard Winkelmann, bei
dieser den Antrag, in Mailand, Genua und an andern Orten vorhandene
Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte des Handelsverkehrs der ober-
italienischen Städte mit denen des Oberrheins während des Mittelalters
zu sammeln. Mit dieser Aufgabe betraute die Historische Kommission
mich; sie zu lösen verhinderten mich zunächst andere Arbeiten, dann
der Übergang vom Archivdienst zum akademischen Lehramt. Im Herbst
1894 kam ich zum erstenmal über dici Alpen; zwei weitere Reisen dorthin
(März/ April und August 1896) schlössen sich an, während die deutschen
und schweizerischen Archive, soweit sie nicht gelegentlich jener italie-
nischen Route besucht worden waren, auf zwei weiteren Fahrten (Herbst
1895 und 1897) durchforscht wurden.
War schon bei den späteren Reisen der Rahmen der ursprünglichen
Aufgabe weiter gespannt worden, so erwies es sich sehr bald als un-
möglich, sich mit dem blofsen Abdrucke von hie und da gefundenen, in
ihrem Zusammenhang unverständlichen Urkunden zu begnügen. Es
schien mir unabweislich, sie auch zu erläutern, und daraus entstand der
Plan, Quellen und Forschungen zur Geschichte des Handels zwischen
Oberitalien und Südwestdeutschland darzubieten. Ich begann nun in aus-
gedehntem Mafse die Quellen heranzuziehen, und das vielgestaltige
Material der Urkunden führte mich nach allen Seiten vor Probleme und
Rätsel. Es hat mir manchmal die Versuchung vorgeschwebt, solchen
Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen; aber schliefslich siegte doch
VI Vorwort.
immer wieder die Lust, zu erproben, solch schwierige Nüsse zu knacken,
wenn es zur Aufklärung der Hauptfragen notwendig war. So wurden
aus den Quellen und Forschungen : Forschungen und Quellen und endlich
vorliegendes Werk, das schon in seiner äufseren Gestalt verrät, dafs das
Schwergewicht aus der Publikation in die Darstellung verlegt wurde.
Dafs die Badische Historische Kommission ihrem ehemaligen Mitgliede,
das ausschied, als es in den Osten Deutschlands berufen wurde, alle
diese Wandlungen verstattet hat, dafür bin ich aufs herzlichste dankbar.
Die Sammlung des Materials hat mich persönlich auf das Archiv der
Handelskammer, das Staatsarchiv, das Notariatsarchiv und Stadtarchiv
in Mailand, das Staatsarchiv in Genua, die in Florenz, Siena, Pisa und
Lucca, das Archiv der Familie Roncioni in Pisa, das Notariatsarchiv
in Siena, die Stadtarchive von Alessandria und Asti, das Staatsarchiv
in Turin, das Archiv des Museo civico in Pavia, die Stadtarchive von
Piacenza, Cremona und Como, das Notariatsarchiv und die Stadt-
bibliothek in Como geführt. In der Schweiz arbeitete ich auf den Staats-
archiven von Bern, Neuenburg und Chur, ein paar Stunden auch auf dem
von Luzern, auf dem Stadt- und dem bischöflichen Archive in Chur; im
Deutschen Reiche auf den Stadtarchiven von Lindau, Konstanz, Über-
lingen, Ravensburg, Ulm, Augsburg, Nürnberg, dem Reichsarchive zu
München, dem Staatsarchiv zu Stuttgart und dem Kreisarchiv von
Nürnberg.
Aber diese Benutzung hat das Material vielleicht nirgends erschöpft,
nirgends auch erschöpfen können. Namentlich in Italien verbot die
Fülle der Archivalien eine extensive Arbeit. Ich kam mit dem Ge-
danken auf das Mailänder Notariatsarchiv, von etwa 50 zu 50 Jahren
die sämtlichen Akten der Notare eines Jahres durchzufliegen, ob mir nicht
deutsche Namen begegneten. Aber der erste Versuch mufste erlahmen.
In einem Archive, in dem für die Zeit von 1290 bis 1516 die oft höchst
umfangreichen Akten von mehr als 1700 Notaren erhalten sind, ist ein
solches Beginnen undurchführbar. Da beschleicht einen das Gefühl, dafs
man versucht habe, das Meer auf einige Perlen hin zu durchsuchen. Wir
Deutschen werden wohl immer darauf angewiesen bleiben, in diesen
Notariatsarchiven den gütigen Fingerzeigen jener emsigen Forscher zu
folgen, die Teile dieser schwer lesbaren Konzeptbücher für andere Zwecke
durchsuchen. Ein systematisches Auslesen würde einen enormen Auf-
wand an Zeit erheischen. Auch in andern Archiven verbot die Rück-
sicht auf Mittel und Zeit — ich habe nicht mehr als ein Vierteljahr
unter italienischem Himmel zugebracht — ein Fischen mit feinmaschigen
Vorwort. Vn
Netzen. Am gründlichsten waren meine Untersuchungen in Mailand und
Como, und auch da habe ich nicht alles erschöpfen können. Wenn man
in solcher Hast, in fieberhafter Erregung Band auf Band, Heft auf Heft
durchjagt, um etwas zu finden, kommt schliefslich doch das Verzagen
und man hört yielleicht gerade dort auf zu pürschen, wo das Wild zum
Schusse steht.
Wenn ich daran erinnere, dafs die hansische Geschichtsforschung
einer ähnlichen, allerdings weit gröfseren Aufgabe die Kräfte einer grofsen
Zahl hervorragender Männer mehrere Jahrzehnte hindurch widmete,
wird meine Quellenforschung nicht mit jener verglichen werden dürfen,
aber ich glaube doch überall die zu Tage liegenden Gänge abgeschürft
zu haben.
In höchst dankenswerter Weise haben sich mehrere Archive selbst
der Mühe unterzogen, mir das Material aufzusuchen und zum Teil in
Breslau oder Freiburg zugänglich zu machen, zum Teil wurden sogar
Regesten und Abschriften gefertigt. Ich nenne das General-Landesarchiv
zu Karlsruhe, das Staatsarchiv zu Basel, das Stadtarchiv in Colmar,
Stadt- und Bezirksarchiv in Strafsburg, die Staatsarchive in Wiesbaden,
Koblenz und Düsseldorf. Vor allen andern habe ich Harlefs in Düssel-
dorf zu danken. Andere Forscher haben mir ihr mühselig gesammeltes
Material zur Verfügung gestellt; so spendete Herr Oberbibliothekar a. D.
Direktor Wilh. v. Heyd, der während dieser Jahre in lebhaftem Aus-
tausche sich als ein treuer Gönner des Werkes erwies, Stücke aus Mai-
land und Genua, die auf die beiden nun verstorbenen Desimoni, Ghinzoni
und auf Schellhafs zurückgehen; Professor Simonsfeld in München
schenkte Urkunden aus Nürnberg und Augsburg, Privatdozent Sieveking
Mitteilungen aus Genua, die er bei seinen Studien zur Finanzgeschichte
dieser Stadt gewonnen hatte, Privatdozent Beyerle überwies mir mehrere
umfangreiche Stücke aus Konstanz, Stadtarchivar Leiner in Konstanz
erledigte für mich manche Anfragen und Emilio Motta bearbeitete die
deutschen Stücke einiger Handschriften der von ihm verwalteten Trivul-
ziana in Mailand und forschte nach den Vorlagen im Notariatsarchiv,
von ihnen Abschriften liefernd. Professor Conte Carlo Cipolla in Turin
hatte die Güte, mehrere Stücke für mich abzuschreiben. Eine Reihe von
kleineren Nachforschungen will ich nicht einzeln anführen, aber auch für
sie danke ich herzlichst.
Von dem von mir gesammelten archivalischen Stoffe habe ich den
wichtigeren im zweiten Bande in Regesten oder in Abdrücken, die durch
ein Kreuz vor der laufenden Nummer bezeichnet sind, veröffentlicht.
Yin Vorwort.
Diesen Band als ein Urkundenbuch zu bezeichnen, ging nicht an; denn
einmal blieben die schon anderweitig gedruckten Stücke ausgeschlossen,
nur solche, die entweder besonders wichtig waren oder deren Druck in
Deutschland kaum zu beschaffen ist, habe ich zum zweiten Male ge-
boten; zum andern ist die Sammlung des Stoffes doch zu wenig ab-
geschlossen. Ein chronologisch geordnetes Urkundenbuch hätte diesen
unfertigen Stand der archivalischen Forschung, die doch von der Hoffnung
nicht lassen kann, dafs noch in den Tiefen weitere Quellen ruhen, ver-
wischt. Die wahre Sachlage tritt in der von mir gewählten Anordnung
nach Fundstätten deutlich hervor, die zu weiterem Sammeln anreizen soll.
Ein Ordnen nach der Zeitfolge hätte Stücke von Siena bis vom Nieder-
rhein durcheinander gewürfelt, um den chronologischen Faden darzubieten.
Das sachlich und räumlich Zusammengehörige findet sich viel eher in
meiner Anordnung bei einander. Namentlich in den italienischen Archi-
vajien überwiegt das, was ich aus Konzeptbüchern bieten konnte. Bei
der gewählten Anordnung war es möglich, Gruppen von gleichartigen
Urkunden zu ganz knappen Regesten zusammenzudrängen, die in einer
chronologisch geordneten Sammlung weit mehr Raum beansprucht hätten.
Ein ursprünglich beabsichtigtes chronologisches Verzeichnis der Stücke
habe ich schliefslich , um den Umfang des Werkes nicht allzu sehr an-
schwellen zu lassen, fortgelassen.
Die Herstellung der Texte hat mir mitunter grofse Schwierigkeiten
bereitet. Ein deutscher Kenner mittelalterlicher Schrift mufs sich doch
noch in italienische Handschriften erst hinarbeiten und die Konzepte sind
meist aufserordentlich abgekürzt. Ich war oft froh, gütige Nachhilfe zu
erhalten. Weit glücklicher ist ein Archivbeamter, der zur Abschrift,
Kollation und Revision verschiedene, oft durch weite Zeiträume getrennte
Stunden wählen kann. Ich mufste das alles in Hast und Gier nach
neuem Stoffe in der gleichen Stunde erledigen. In meiner Edition habe
ich den überlieferten Text möglichst wenig umgestaltet, ich habe im all-
gemeinen die Grundsätze beobachtet, die beim Strafsburger Urkunden-
buch innegehalten wurden.
Die Sammlung der gedruckten Nachrichten hat mir kaum weniger
Mühe gekostet. Die Lektüre des Buches wird zeigen, wie ungemein zer-
streut das Material ist. Ich gebe mich gar nicht der Hoffnung hin, die
Litteratur vollständig herangezogen zu haben. Eine Arbeit wie die vor-
liegende mufs eine so umfangreiche Lokalgeschichtschreibung benutzen,
dafs jenes Ziel zu erreichen schon heute ausgeschlossen ist. Ich will
jedoch wünschen, dafs mir grofse grundlegende Arbeiten nicht ent-
Vorwort. IX
gangen sind. Weder die Freiburger noch die Breslauer Bibliotheken
reichten aus, ich habe sehr viele Bücher von auswärts heranziehen
müssen, Yor allem yon Berlin, aber auch von München, Stuttgart, Stras-
burg, Luzem (Bürgerbibliothek), Göttingen, Dresden und Leipzig
(Bibliothek des Reichsgerichts), wie ich jenseits der Alpen die Riccar-
diana in Florenz, die Ambrosiana und Brera in Mailand benutzte. Dazu
wurde mir manches durch Freundeshand zugänglich. Keiner Bibliothek
schulde ich aber mehr Dank als der königl. und Universitätsbibliothek
zu Breslau und demnächst der dortigen Stadtbibliothek.
Das ursprüngliche Thema war auf die Geschichte des Handels ein-
geschränkt; das erwies sich aber sofort als unhaltbar; diese Fessel
mufste gleich gesprengt werden. Die gröfste Schwierigkeit, die der
mittelalterliche Handel zu überwinden hatte, war eben der Transport.
Man kann schlechterdings keine mittelalterliche Handelsgeschichte treiben,
wenn man nicht damit die Geschichte der Handelswege verbindet, und
schon das Archiv der Mailänder Handelskammer, die Erbin der alten
Cammunitas mercatorum nundinas Campaniae freqtientantium , zeigte den
kaum geahnten Einflufs der Kaufmannschaft auf die Gestaltung und Be-
nutzung der Strafsen.
Diese Erweiterung des Themas hatte erhebliche Konsequenzen. Wer
die Verkehrsstrafsen behandelt, kann die geographische Grundlage nicht
entbehren, er mufs die natürlichen Voraussetzungen darstellen, um die
Wandlungen begreiflich zu machen. Im vorliegenden Falle mufste ich
dem Umstände Rechnung tragen, dafs in dem Bereiche der von mir be-
handelten Alpen die folgenschwere Erschliefsung des St. Gotthards die
natürlichen Voraussetzungen umgestaltete. Vorher und nachher war das
Pafssystem ein anderes und es mufs deshalb die geographische Einleitung
eine doppelte sein.
Das Verkehrsleben war in einem gar nicht geahnten Umfange im
Mittelalter von politischen Verhältnissen abhängig und damit ergab sich
die Notwendigkeit, sehr weit auch diese zu berücksichtigen. Wenn wirk-
lich die Schweiz ein Pafsstaat ist, so konnte ich die Geschichte ihrer
Entstehung nicht umgehen. Diese Erörterungen werden manchem zu-
nächst überflüssig erscheinen; aber ich meine nicht unrecht gethan zu
haben, den gewaltigen Einflufs der Natur auf den Verkehr und des Ver-
kehrs auf die politische Geschichte zu verfolgen. Ich glaube, meine Auf-,
fassung von den Anfängen des Bundes bringt Momente zur Geltung, die
mit Unrecht bisher vernachlässigt wurden. Wenn die Verkehrsgeschichte
mich tief in die historische Entwicklung der schweizerischen Thäler und
X Vorwort.
Gebirge einführte, so zwang mich die Geldgeschichte, den Geschicken
von Florenz, Siena und Asti nachzugehen und mich mit ihnen zu be-
fassen; ebensowenig konnte ich die Einzelgeschichte der Städte, die am
Warenhandel sich beteiligten, umgehen. Dieselbe aber von den Abruzzen
bis nach Osnabrück, von Tirol bis zur Champagne allüberall sicher zu
beherrschen, ist mir gewifs nicht gelungen. Nicht allein bin ich gewärtig,
auf Lücken aufinerksam gemacht zu werden, auch Fehler und Irrtümer
sind unausbleiblich.
Wie die Entwicklung des Handels einmal von der des Verkehrs ab-
hängt, so andererseits von der der Gewerbe. Es ist mir im Laufe meiner
Studien erschreckend klar geworden, wie weit wir trotz aller vortreff-
lichen Einzeluntersuchungen von einer Geschichte des Gewerbes in
Deutschland, namentlich aber in Italien entfernt sind. Und doch auch
an diesen Dingen konnte ich mich nicht vorbeiwinden. So habe ich
denn versucht, den Städten ihre Stellung in den wichtigsten Gewerben
und dadurch im Handel auch dann nachzuweisen, wenn sich mir die
bisherige Forschung versagte und ich an die Quellen selbst gehen mufste.
Selbst auf dem Gebiete der Textilindustrie war ich öfter dazu gezwungen.
Nach einer Seite habe ich jedoch eine Ausdehnung abgelehnt. Als
ideales Ziel wäre es mir vorgeschwebt, wenn ich alle Geldwerte auf den
Edelmetallgehalt reduziert hätte. Erst dadurch werden die Werte
mathematisch klar und dem Bereiche der Phantasie entzogen. Eine
Geldgeschichte Deutschlands und Italiens existiert nicht, sie ist das
erste Erfordernis unserer Wirtschaftsgeschichte. Schon mein Studien-
gang untersagte es mir, diesen Boden zu betreten. Immer und immer
wieder aber mufs diese Forderung ausgesprochen werden, bis sich eine
Kraft findet, die diese riesige und doch ebenso lohnende Aufgabe löst.
Auch noch auf anderen Gebieten mufs sich der Geschichtschreiber
des Handels zurecht finden. Goldschmidts grofses Werk über die Ge-
schichte des Handelsrechtes blieb in den Anfängen stecken, die
germanistische Seite fehlt. Die Geschichte des Geldhandels brachte mich
mit Fragen des kanonischen Rechtes in Beziehung.
Die Geschichte der hervorragendsten Geschäftshäuser liefs sich nur
verfolgen, wenn ich auch die Mühe nicht scheute, Stammtafeln auf-
zustellen. Für die Muntprat, Mötteli und Humpifs, sowie ein paar
weitere Konstanzer Familien hatte Herr Kindler von Knobloch die Güte,
mir seine Sammlungen zur Verfügung zu stellen. Die zeitraubende Be-
arbeitung einzelner Steuerlisten hat sich für die Untersuchung recht
fruchtbar erwiesen.
Vorwort. XI
Erhebliche Schwierigkeiten bereitete mir das Qlossar. Je mehr
Du Cange veraltet, je dringlicher das Bedürfnis nach einem Lexikon des
mittelalterlichen Lateins wird, umsomehr halte ich die Herausgeber von
Quellenveröffentlichungen für gezwungen, Material zu Tage zu legen.
Bei mir handelte es sich auch um italienisch, deutsch und altfranzösisch.
In allen Fällen wird ein Sprachforscher das Glossar besser machen als
der Historiker. Meine Gabe bitte ich nur als das anzusehen, was es ist,
als ein Hinweis auf seltene und in den Kreisen der Historiker nicht
geläufige Wörter und schwache Versuche, ihren Sinn zu erklären. In
einigen Fällen konnte ich mich des Rates meines Kollegen Appel er-
freuen, der auch die Güte hatte , mir bei der Herausgabe der fran-
zösischen Urkunde Nr. 6 zu helfen.
Die nähere Behandlung der Waren schien mir ganz besonders not-
wendig. Es ist keine Frage, dafs unsere Darstellungen der mittelalter-
lichen materiellen Kultur viel zu sehr von der Litteratur des Mittelalters
und der Renaissance beherrscht werden. Man vergleiche den Abschnitt
liber die mittelalterlichen Textilstoffe im höfischen Leben von Alwin
Schultz mit dem, was uns die Zolltarife bieten. Bei jenen überwiegt
die teure prunkvolle Ware; es gilt, ihr gegenüber die wirkliche Markt-
ware zur Geltung zu bringen, den höheren Ständen gegenüber die
Masse des Volkes.
Ich führe das alles an, um Irrtümer und Mängel zu entschuldigen.
Das Arbeiten auf den Grenzgebieten hat die gröfsten Reize, man bezahlt
sie aber mit einem Gefühle der Unsicherheit. Ich habe diese Schwierig-
keiten nicht umgehen wollen und weifs sehr wohl, wie wahr das fran-
zösische Sprichwort ist: Qui trop embrasse mal itreint Aber es schien
mir hier notwendig zu sein, nicht auszuweichen. Und schliefslich schreibt
man ja doch ein jedes Buch nicht als Abschlufs des Wissens auf diesem
Gebiete, sondern um die Forschung zu fördern und eine Etappe zu schaffen.
Mein Quellenmaterial waren unzählige kleine Mosaiksteinchen. Sie
zusammenzufügen war sehr mühselig. Wer musivische Bilder schafft,
mufs stets mit doppeltem Mafsstabe arbeiten. Er mufs sich sorgen und
mühen, jedes Steinchen richtig und fest einzufügen, mufs also das
Auge dicht am Material haben und doch noch viel mehr darauf aus
sein, die grofsen Grundlinien energisch zur Geltung zu bringen, um auf
die weite Entfernung zu wirken. Viel glücklicher ist der daran, der von
einem breiten Aktenstrom getragen eine einheitliche Entwicklung dar-
stellen soll. Die mittelalterliche Handelsgeschichte zwingt dazu, dürftigen
Notizen Leben einzuhauchen.
Xn Vorwort.
Das Werk hat keinen scharfen zeitlichen Abschlufs. Die Geschichte
des oberdeutschen Handels tritt mit dem Ausgang des Mittelalters in
keine ganz neue Periode; es endet mitten in der Zeit seiner Blüte. Aber
allerdings sind die im sechzigsten Kapitel dargestellten Gründe doch so
tief, um, wenn nicht einen Hauptabschnitt, so doch einen Unterabschnitt
zu begründen und die allgemeine Handelsgeschichte setzt hier mit Recht
den Anfang einer Periode : das Ende der Vorherrschaft Italiens und der
Hansa und den Beginn der oceanischen Periode.
Wenn schon die Geschichte des Grofsen St. Bernhards und seiner
Zufahrtswege mich dazu drängte, mitunter die Fäden weit nach Frank-
reich hinein zu verfolgen, so brachte die Bedeutung der Messen der
Champagne, von Genf und Lyon es mit sich, dafs ich auch für das
Hoch- und Spätmittelalter diese verfolgte und knapp darstellte. Der
deutsch-italienische Handel wurde eben zu einem grofsen Teile auf diesem
seitwärts gelegenen Boden betrieben. Der deutsche Handel in Genua
zwang mich auch auf den nach Spanien einzugehen. Es war für mich
eben viel leichter, nach Osten hin eine Grenze zu finden, als im Westen.
Wie ich schon den Fernpafs ausschlofs, so ist doch Augsburg und Nürn-
berg, wenn auch knapp, mitbehandelt. In diesen beiden Orten liegt das
Hauptinteresse schon auf der Verbindung mit Venedig, dessen Bedeutung
mich zwang, seiner nicht selten zu gedenken, ja ihm ein Kapitel zu
widmen.
Die Badische Historische Kommission hat auch meine Bitte gewährt,
die wegen der vielen Ortsnamen schwierige Lektüre meines Buches durch
zwei Karten zu erleichtern. Auf ihnen treten die Ergebnisse der verkehrs-
geschichtlichen Untersuchung ziemlich scharf hervor. Dank dem Ent-
gegenkommen der Wagner & Debes'schen geographischen Anstalt in
Leipzig konnten die Platten zweier Karten des vorzüglichen Debes'schen
Atlasses benutzt werden, so dafs wenigstens auf dem Specialblatt auch
der Einflufs der Gebirge plastisch hervortritt.
Die beiden Blätter: Der Verkehr auf den Alpenstrafsen und ihren
Zugängen im Mittelalter (im Mafsstab 1 : 1 000 000) und Übersichtskarte
der nordsüdlichen Handelswege des Alpengebietes im Mittelalter (im
Mafsstab 1 : 3 500 000) bedürfen einer Erläuterung. Man darf auf ihnen
keine nur dem örtlichen Verkehr dienende Wege suchen, ebensowenig
solche, welche in oder aufserhalb der Alpenwelt den Osten mit dem
Westen verbinden. Es handelt sich nur um die nordsüdlichen Alpen-
wege und ihre Zufahrtslinien. In der Darstellung habe ich nur eine
Ausnahme gemacht. Die Wichtigkeit der Genfer und Lyoner Messen
Vorwort. XIII
zwang mich auch, die Wege, die zu ihnen führen, näher zu studieren.
Manches ist die Frucht der Studien der letzten Monate. Wer auf den
Sjurten auch die Ergebnisse dieser Untersuchungen eintragen will, findet
auf S. 388 f. die Angaben über die Linie Nürnberg — Nördlingen— Ulm,
auf S. 494 Konstanz — Schaffhausen, Kaiserstuhl — Baden und Aarburg —
Bern über Burgdorf und endlich auf S. 489 Genf— Lyon. Auf S. 489 f,
ist die für die Deutschen wichtigste Route von Genf zur Rhonemündung
und nach Spanien für die Strecke Chamb^ry — Valence und weiter bis
Nimes angegeben. Auf Seite 429 habe ich auch Mitteilungen über
pftlzische Geleitstrafsen gemacht, wie S. 592 über die Wege von Bologna
und Parma nach Verona.
Meine Studien waren allseitig und möglichst tief nur für die im
Texte dargestellten schweizerischen Alpenpässe. Ich hielt es doch für gut,
auch die wichtigsten Wege über die französischen und österreichischen
Alpen anzugeben, die im Texte zum Teil gar nicht erwähnt sind.
Die beiden Karten liefern hoffentlich eine brauchbare Grundlage
f&r eine Verkehrskarte des Mittelalters in den von ihnen genauer dar-
gestellten Gebieten. Wenn man bedenkt, welche Liebe, Zeit und Arbeit
den Römerstrafsen gewidmet wurde und wird, so erscheint die mittel-
alterliche Verkehrsgeschichte noch wie ein fast ungebrochenes Feld,
trotz der Verdienste von Öhlmann, Berger, Ludwig, Roder — um nur
die Arbeiten zu nennen, die ich zu erwähnen habe. Eine Verkehrskarte
darf sich aber nicht mit den Strafsen begnügen, so wenig wie eine
Eisenbahnkarte nur die Geleise angiebt. Ich habe mehrere Zeichen ver-
wendet, uni andere Momente hervorzuheben, und bin zum Teil auf die-
selben gekommen, die jüngst Kötzschke in den Deutschen Geschichts-
blättem (Bd. I Heft 5) empfahl.
Ein Warenballen bedeutet, dafs dort eine Sust oder ein Kaufhaus
den Waren als regelmäfsige Unterkunft diente oder dafs an dem be-
treffenden Orte eine Transportorganisation bestand. Im allgemeinen sind
damit die Stätten angeben, in denen nachts die Waren ruhten. Elin
Schlagbaum zeigt die Stelle an, wo Zölle oder Weggelder, Brückengelder,
Fürleiten, also Transportabgaben erhoben wurden. Wenn der Satz gilt:
Wo ein Zoll, da ist Verkehr, so wird es gerade für die Ebenen Deutsch-
lands notwendig sein, durch eine Karte der Zollstellen die Verkehrskarte
zu begründen. Noch viel mehr deuten die Spitäler für die Fremden auf
•
einen Verkehr, aber freilich sind sie sehr schwer von den Spitälern für
Ortskranke und Alte zu unterscheiden. Jene Spitäler sind namentlich in
romanischen Landschaften sehr verbreitet und ihre Sammlung wäre an
XIV Vorwort.
sich schon verdicDStlich. Auf den Karten sind die meisten der im
Buche erwähnten Orte verzeichnet, doch nicht alle. Zwei Nebenkarten
und die Skizze auf S. 425 geben Stellen, wo eine noch genauere Dar-
stellung notwendig war.
Bei meinen archivalischen Forschungen in Mailand schulde ich ganz
besonderen Dank dem Bibliothekar der Trivulziana Emilio Motta und dem
damaligen Vizesekretär der Handelskammer Dr. Luigi Gaddi, jetzt Advokat
in Lugano. Gaddi, der durch seine Entdeckung der Urkunden der Handels-
kammer die Veranlassung zu diesem Werke gegeben, war ein nimmer-
müder Freund des Werkes. Qhinzonis und Mottas gedachte ich schon oben.
Auf dem Notariatsarchive war mir der Conservatore Dr. Pietro Arganini
behilflich. In Como habe ich dem Professore Francesco Fossati, dem
Avvocato Nobile Vittorio Rovelli, der mich auf die Akten des Cermenate
verwies, und dem Segretario Capo al Municipio Dottr Luigi Biotti zu
danken. In Cremona verpflichtete mich der Sac. Professore Berenzi, in
Piacenza der gelehrte Arciprete della chiesa di S. Antonino A. Qaetano
Tononi, in Pavia der Conservatore del Civico Museo : Sac. Prof. Rodolfo
Majocchi, in Alessandria der Professor Abbate Oasparolo. In Genua
waren aufser den Beamten des Archivs die Herren Arturo Ferretto und
der Marchese Staglieno so freundlich, mich auf Material hinzuweisen.
In Florenz habe ich vor allem Alceste Giorgetti auf dem Staatsarchiv und
Morpurgo auf der Riccardiana zu danken, in Siena neben dem Archiv-
direktor Lisini, dem Universitätsprofessor Dr. L. Zdekauer, jetzt in
Macerata, in Lucca dem gelehrten Kenner der Handelsgeschichte Archiv-
direktor Salvatore Bongi, in Turin endlich aufser dem schon oben er-
wähnten Carlo Cipolla dem Archivista Carlo Emanuele d'Agliano. Aber
damit habe ich längst nicht alle angeführt, die dem Fremden die alt-
erprobte Liebenswürdigkeit der italienischen Archivare und Gelehrten
zukommen liefsen.
In Chur haben mich die Herren Stadtarchivar von Jecklin, Professor
und Kanonikus G. Mayer, Kanonikus Tuor und Kanzler Schmid von
Grünack, in Luzern der Staatsarchivar Dr. Th. von Liebenau, in Bern
Staatsarchivar Dr. Türler und Privatdozent Dr. Geiser, in Basel endlich
Staatsarchivar Dr. Wackernagel zu lebhaftem Danke verpflichtet. Von
deutschen Archivbeamten schulde ich das Gleiche — wenn ich von oben
schon genannten Herren absehe — vor allem Archivdirektor Archivrat
Dr. Pfannenschmidt uud Stadtarchivar Dr. Waldner in Kolmar, Stadt-
archivar Dr. Winkelmann und Archivdirektor Professor Dr. Wiegand in
Strafsburg, Archivdirektor Dr. Wolfram in Metz, Archivdirektor Geheimen
Vorwort. XV
Rat Dr. von Weech und Archivrat Dr. Obser in Karlsruhe, Geheimen
Archivrat Dr. von Stalin in Stuttgart, Reichsarchivrat Dr. Baumann in
München, Stadtarchivar Dr. Buff, Archivar Hirschmann und Domänen-
direktor Schum in Augsburg, Kreisarchivar Dr. Bauch und Archivrat
Dr. Mummenhoff in Nürnberg. Herr Justizrat Freiherr von Krefs hatte
die grofse Güte, im Archiv seiner Familie Materialien aufzuspüren und
mir nach Breslau zu übersenden; es waren und blieben die einzigen
Geschäftspapiere gröfseren Umfanges, die mir vorgelegen haben; gerade
ein Krefs war aber mit einem Mailänder zu einer Gesellschaft ver-
bunden. In Koblenz hat Herr Archivdirektor Dr. Becker, in Wiesbaden
ebenso Wagner und in Düsseldorf Harlefs mich unterstützt, wie Archiv-
direktor Professor Dr. Hansen in Köln.
Bei der Bearbeitung habe ich mir oft Rat bei liebenswürdigen Kollegen
holen dürfen. Ich danke auch vor allem meinem Kollegen Jos. Partsch
für seine stets bereitwilligst und liebenswürdigst geleistete Hilfe; er
machte mir die Aufzeichnungen Carl Neumanns über die Alpenpässe
zugänglich, die mir um so wertvoller waren, da ich nur wenige selbst
kenne. Ebenso danke ich den Nationalökonomen Bücher in Leipzig,
Sombart und Wolf in Breslau, den Germanisten Kluge in Freiburg und
Vogt in Breslau, dem Botaniker Pax und dem chemischen Pharmazeuten
Polleck ebenfalls in Breslau.
Schliefslich mufs ich auch noch derer gedenken, die mich auf Ur-
kunden und Nachrichten aufmerksam machten, vor allem die Kollegen
Cartellieri in Heidelberg und Redlich in Wien wie Professor Dr. Roder
in Überlingen u. s. w. Mancher Freundlichkeit kann ich hier nicht
weiter Erwähnung thun. Ich habe kaum je an eine Thüre geklopft, die
verschlossen blieb.
Mit einiger Resignation nehme ich von dem Buche Abschied. Es
wird mir genügen, wenn es der Forschung auf diesem weiten Felde der
Handelsgeschichte einen neuen Impuls giebt.
Breslau, Pfingsten 1900.
Aloys Schulte.
VERZEICMIS DER MEHRMALS CITIERTEN WERKE UND
ABHANDLUNGEN.
A.
Abschiede, Amtliche Sammlung der älteren eidgenössischen Abschiede.
Bd. 1, 2. Aufl. Bd. 2 ff. Luzem 1839 ff. — Acta sanctorum, notis illustravit
Joannes Bollandus etc. etc. Bd. 1. Antwerpen 1643 und die folgende Serie, citicrt
nach Monaten. — Aeneas Sylvius Piccolomineus , De viris illustribus in Biblio-
thek des litter. Vereins. Bd.,1. Stuttgart 1842. — Albert, P., Geschichte der
Stadt Radolfzell am Bodensee. Radolfzell 1896. — Alezi, S., Die Münzmeister
der Kalimala- und Wechslerzunft. Zeitschr. f. Numismatik. Bd. 17. 1890. —
Altmann, Die Urkunden Kaiser Sigmunds^ verzeichnet, a. u. d. Tit.: Regesta im-
perii XL 2 Bde. Innsbruck 1897 ff. — Ami et, J. J., Die französischen und lom-
bardischen Geldwucherer des Mittelalters, namentlich in der Schweiz, im Jahrb.
f. Schweiz. Gesch. Bd. 1 u. 2. Zürich 1876 f. — Amodini, Conte G. Vitale. Gli
Statut! antichi di Domo d'Ossola. Parma 1898. — Angiolini, Francesco. Voca-
bolario milanese-italiano. Torino 1897. — Annalen des hist Vereins f. den Nieder-
rhein Bd. 35, 41. Köln. — Antiquarius, Rheinischer, Teil 2, Bd. 8 u. 28. Kob-
lenz. — Anzeiger für Schweiz. Altertumskunde Bd. 1 ff. 1869 ff. — Anzeiger für
Schweiz. Gesch. Bd. 1 ff., seit 1870. — Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit.
Bd. 1—30. Nürnberg 1853—83. — Archiv für Schweiz. Gesch. Bd. 1-20. 1843
bis 1876. — Archiv für Kunde österr. Geschichtsquellen (bez. für österr. Gesch.).
Bd. 1 ff. Wien seit 1848. — Archiv für Post und Telegraphie Bd. 4 ff. (Bd. 1—8
deutsches Postarchiv). Berlin 1873 ff. — Archiv des hist. Vereins Bern 3 — 14.
1855 ff. — Archivio storico italiano, mehrere Serien. Firenze 1842 ff. — Archi-
vio storico lombardo. Anno 1 — 25. Milano 1874—98. — Aronius, Julius, Regesten
zur Geschichte der Juden im fränkischen und deutschen Reiche bis 1273. Berlin
1887 ff. — W. J. Ashlej, Englische Wirtschaftsgeschichte, deutsche Übersetzung
in Brentano und Leser: Sammlung älterer und neuerer staatswissenschaftlicher
Schriften. Nr. 7 u. 8. Leipzig 1896. — Astegiano, Lorenzo, Codice diplomatico
Cremonese 715—734; in Historiae patriae Monumenta edita jussu regis Caroli
Alberti. Series II. Tomus 21 u. 22. Augustae Taurinorum. 1895 u. 98. Bezeichnet
als 1 u. 2. — Atti della societ4 Ligure di storia patria. Volume 5, 7. Genova
1867 ff. — Auvray, L. RÄgistres de Gr^goire IX. Tome 1. Paris 1896 ff.
Baader, J., Nürnbergs Handel im Mittelalter. 38. Jahresbericht des
historischen Vereins für Mittelfranken 1871 und 1872. Ansbach 1872. S. 94-113. —
Sohttlte, Gesch. d. mittelAlterl. HAndels. I. II
XVin VerzeichDiß der mehrmals citierten Werke und Abhandlungen.
Baader, Joseph, Nürnbergs Polizeiordnungen aus dem 13. bis 15. Jahrhundert.
Bibliothek des litter. Vereins in Stuttgart. Bd. 63. Stuttgart 1861. — Bähler, A.,
Mitteilungen über den Grimselpafs und das Grimselhospiz. Biel 1895. — Ba-
luze, St., Innocentii III. epistolarum libri 11. 2 Bde. Paris 1682. — Baer, P. J.,
Chronik über Strafsenbau und Strafsenverkehr in dem Grofsherzogtum Baden.
Berlin 1878. — Baer, Max, Urkunden und Akten z. Geschichte der Verfassung und
Verwaltung der Stadt Koblenz. Bonn 1898. — Baumann, F. L., Geschichte des
Allgäus. 3 Bde. Kempten o. J. — Ders., Ein humpissisches Kopialbuch. Zeit-
schrift f. d. Gesch. des Oberrheins 32, 76—160. — Bavier, 8., Die Strafsen der
Schweiz. Zürich 1878. — Beck, Ludwig, Geschichte des Eisens. 1, 2. Braun-
schweig 1884 ff. — Beer, Adolf, Allgemeine Geschichte des Welthandels 1. 2. Wien
1860 u. 1862. — Belgrano, L. T. , A proposito deir articolo di G. Heyd in Gior-
nale ligustico di archeologia, storia e letteratura, 12, 81—90. Genova 1885. —
V. Below, Die Entstehung des Handwerks in Deutschland. Zeitschr. f. Social-
und Wirtschaftsgeschichte. Bd. 5. — van Berchera, Guichard Tavel, 6vöque de
Sion 1342 — 75 im Jahrb. f. Schweiz. Gesch. 24, 27 — 395. — Bergengrün, Die
politischen Beziehungen Deutschlands zu Frankreich während der Regierung Adolfs
von Nassau. Strafsburg 1884. — Berger, Elie, Les registres dlnnocent IV. 1. bis
3. Bd. Paris 1884 ff. — Berger, Friedrich, Die Septimerstrafse. Kritische Unter-
suchungen über „die Reste alter Römerstrafsen" im Jahrb. f Schweiz. Gesch. 15,
1 — 180. Zürich 1890. — Berlan, Franciscus, Liber consuetudinum Medio lani anni
MCCXVI ed. Mediolani 1868. — Berlepsch, H. A., Die Gotthardbahn. Be-
schreibendes und Geschichtliches. Ergänzungsheft Nr. 65 zu „Petermanns Mit-
teilungen**. Gotha 1881. — Bernoulli, J., Acta pontificum Helvetica. Bd. 1.
Basel 1891. — Berti, Documenti riguardanti il commcrcio dei Fiorentini in Francia
nei secoli XIII. e. XIV. im Giornale storico degli archivi toscani. 1857. —
Beyerle, Konrad, Die Konstanzer Ratslisten des Mittelalters, herausg. v. d. bad.
bist. Kommission. Heidelberg 1898. — Bianchetti, E., L*Ossola inferiore. 2 Bde.
Torino 1878. — Bibliothek, Helvetische. Zürich 1735—36. — Blancard, Docu-
ments inMits sur le commerce de Marseille. 2 Bde. 1884 f. — Blätter aus der
Walliser Geschichte, herausg. vom geschichtsforschenden Verein von Ober- Wallis.
1. u. 2. Jahrgang. Sitten 1889, 1890. — Bock, Fr., Geschichte der liturgischen
Gewänder des Mittelalters. 2 Bde. Bonn 1859. — Bodmann, Franz Joseph,
Rheingauische Altertümer. Mainz 1819. — Böheim, Wendelin, Die Waffe und ihre
einstige Bedeutung im Welthandjßl. Zeitschr. f. bist. Waffenkunde 1, 171 ff. —
Ders., Werke Mailänder Waffenschmiede in den kaiserlichen Sammlungen. Jahr-
buch der kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses. Bd. 9. —
Böhmer, Codex diplomaljcus Mri^nofrancofurtanus. Th. 1. Frankfurt 1836. —
Ders., Regesta imperii inde ab a. 1246 — 1313. Stuttgart 1844 mit den Additamen-
ta. — Ders., Regesta imperii inde ab a. 1314—1347 (Ludwig der Bayer) Frankfurt
1889 mit den Addidamenta. — Böhmer-Ficker, Acta imperii selecta. Gesammelt
von Böhmer, herausg. von J. Ficker. Innsbruck 1870. — Böhmer-Ficker bez.
B. F. Winkelmann, Böhmer Regesta imperii V. Die Regesten des Kaiserreichs
der späteren staufischen Periode, neu herausg. v. J. Ficker u. Ed. Winkelmann.
1—4 Abteil. 1881—94. — Böhmer-Huber, Böhmer: Regesta imperii VIII. Die
Represten des Kaiserreichs unter Kaiser Karl IV. 1346—78. Innsbruck 1877 und
Additamentum primum ebenda 1889. — Böhmer- Mühlbacher, Regesta imperii I :
Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern, neu bearbeitet von Mühl-
bacher. 1. Bd. 1880— 89, 2. Aufl., Heft 1. 1899. — Böhmer-Redlich, Böhmer: Reg.
imperii VI. 1273—1313. Neubearbeitung v. 0. Redlich. 1 Abteil. Innsbruck 1898. —
YerzeichniB der mehrmals citierten Werke und Abhandlungen. XIX
Bolletino storico della Svizzera italiana. Redazione: Emilio Motta. Anno 1
bis 18. Bellinzona 1879 ff. — Bonaini, Acta Henrici VIL Romanorum imperatoris.
2 P. Flor. 1877. — Ders., Statuti inediti della citti di Pisa dal XII. al XIV. se-
colo. 3 Vol. Firenze 1854 — 69. — Bongi, Salvatore. Della mercatura dei Luc-
chesi nei secoli XIII. e. XIV. sec. ediz. Lucca 1884. (Estratto dal Vol. 23 degli
Atti della R. Accademia Lucchese). — Bonvesin (Bonyicinus): De magnalibus
urbis Mediolani in Bulletino deir Istituto storico italiano. no. 20. Roma 1898. —
Boo8| Heinrich, Geschichte der rheinischen Städtekultur, mit besonderer Berück-
sichtigung der Stadt Worms. 1.— 3. Teil. Berlin 1897 ff. — Ders., Quellen zur Ge-
schichte der Stadt Worms. 3 Bde (1. u. 2. auch u. d. T.: Urkundenbuch). Berlin
1886—93. — Ders., Urkundenbuch der Stadt Aarau. Aarau 1880 («= Argovia
Bd. 10). — Ders., Urkundenbuch der Landschaft Basel. 1. u. 2. Teil. Basel 1881
u. 1883. — Borel, FrM^ric, Les foires de Gen^ve au quinzi^me siöcle. Genöye
1892. — Börlin, Die Transportverbände und das Transportrecht der Schweiz im
Mittelalter. Zürich 1896. — Bourel de la Uonci^re, de Loye et Coulon, Les
registres d' Alexandre IV. Fase 1 — 3. Paris 1894. — Bourquelot, F61ix, Etudes
8ur les foires de Champagne in M^moires pr^sent^s par divers savants k Tacade-
mie des inscriptions et belies lettres. 2« s6rie. Antiquit^s de la France. Tome 5.
1« et 2« partie, citiert als 1 u. 2. Paris 1865. — Brandi, Karl, Quellen und
Forschungen z. Gesch. der Abtei Reichenau, herausg. v. d. bad. histor. Kommission.
1. Bd. Die Reichenauer Urkundenfälschungen. Heidelberg 1890. 2. Bd. Die
Chronik des Gallus öhem. 1893. — Brefslau, Harry, Das älteste Bündnis der
schweizerischen Urkantone. Jahrb. f. Schweiz. Gesch. 20, 1 — 36. — Ders., Zur
Geschichte der deutschen Gemeinden im Gebiet des Monte Rosa und im Ossolathalc.
Zeit sehr, der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin (1881) 16, 173—194. — Broglio
d'Ajano, Graf, Die venetianischen Seidenweberzünfte vom 13. bis 16. Jahrhundert.
Stuttgart 1893. — Brück er, J., Strafsburger Zunft- und Polizeiverordnungen des
14. u. 15. Jahrhunderts. Strafsburg 1889. — Bucher, Bruno, Geschichte der tech-
nischen Künste. 3. Bd. Stuttgart 1893. — Bücher, Karl, Die Bevölkerung von
Frankfurt a. M. im 14. u. 15. Jahrhundert. 1. Bd. Tübingen 1886. — Ders., Die
Entstehung der Volkswirtschaft. Tübingen 1893. — Bulletino del Istituto storico
italiano. Fase. 1 ff. Roma 1886 ff. — Bulletino senese di storia patria. anno 4.
Siena 1897. — Burckhardt, Jakob, Die Kultur der Renaissance in Italien. 2 Bde.
4. Aufl. 1885. — Bürkli-Meyer, Adolf, Geschichte der zürcherischen Seiden-
industrie vom Schlüsse des XIII. Jahrhunderts an bis in die neuere Zeit. Zürich
1884. — Bus er, B., Die Beziehungen der Mediceer zu Frankreich 1484—94. Leipzig
1879. — Butler, Placid, Friedrich VIL der letzte Graf von Toggenburg. Mit-
teilungen zur vaterl. Gesch. (St. Galleu) 22, 1—108 u. 25,'l— 102. St. Gallen 1891 ff.
C.
C anale, Michel-Giuseppe, Storia del commercio, dei viaggi, delle »coperte e
carte nautiche degl' Italiani. Genova 1866. — Capitolare dei Visdomini del fon-
tego dei Todeschi in Venezia. Kapitular des deutschen Hauses in Venedig, herausg.
•v. Georg Martin Thomas. Berlin 1874. — Cardauns, Konrad von Hostaden, Erz-
bischof von Köln. Köln 1880. — Caro, Georg, Die Verfassung Genuas zur Zeit
des Podestats. Strafsburg 1891. — Cartellieri s. Regesten zur Geschichte der
Bischöfe von Konstanz. — Castelfranco Gran San Bemardo, Noticie degli scavi
1891. 75—81. — Chevalier, Fr. F^l., M^moires historiques sur la ville et seig-
neurie de Poligny. Lons-le-Saunier. 1767. — Chmel, Jos^h, Regesta chronologico-
II*
XX' VerzeichDis der mehrmals citierten Werke und Abhandlungen.
diplomatica Rupert! regia Romanorum. Frankfurt 1834. — Ders., Regesta chrono-
logico-diplomatica Friderici IV. Romanorum regia (imperatoris III). Wien 1838 — 40.
2. Bde. — Baaler Chroniken, herauag. v. d. hiat. Gesellach. in Basel. 5 Bde. Baael
1872 ff. — Die Chroniken der deutachen Städte vom 14. bia ina 16. Jahrhundert,
herauag. d. d. hiat. Kommiaaion. 25 Bde. Leipzig 1862 ff. — Cibrario, Luigi,
Della economia politica del medio evo. 4» edizione. Torino 1854. — Dera., Ope-
rette varie. Torino 1860. — Dera., Delle atorie di Chieri libri 4. Torino 1827. —
Codex Curaanua bibliothecae ad templum diyi Marci Venetiarum, edidit comea
G^za Kuun. Budapeatini 1880. — Codex Malabajla, Codex Astenaia qui de Mala-
bayla communiter nuncupatur. Vol. 2. ed. Quintinua Sella a. u. d. T. Atti della
reale Accademia dei Lincei. 1875. Serie II Volume 5. Roma 1880. — Codogno,
Ottavio, Nuovo itinerario delle poate per tutto il mondo. Milano 1608. -— Con-
flictua ovia et lini. Zeitachr. f. deutsches Altertum. Bd. 11. — Das Lütisburger
Copialbuch in Stuttgart. Mitteilungen zur vaterl. Gesch. (St. Gallen) 25, 103
bis 190. St. Gallen 1891. — Crollalanza, G. B., Storia del Contado di Chiayenna.
Milano 1870.
Dahn, Felix, Die Könige der Germanen. Nach den Quellen dargestellt.
8. Bd. 2.-4. Abtoil. Leipzig 1899. — Darmatädter, Paul, Daa Reichagut in der
Lombardei und Piemont. Strafaburg 1896. — Davidaohn, Robert, Geachichte von
Florenz. 1. Bd. Berlin 1896. — Dera., Forachungen zur älteren Geachichte von
Florenz. 1. Berlin 1896. — Del Giudice, Giuaeppe, Codice diplomatico del regiio
di Carlo I e II d'Angiö. 1, 2, 1. 1863 — 69. — Del Lungo, laidoro, Dino Compagni
e la aua cronica. Bd. 1—3. Firenze 1879 — 87. — Deaimoni, C. e Belgrano, L. T.,
Documenti ed eatratti riguardanto la atoria del commercio e della marina ligure.
Atti della aocietd ligure di atoria patria, 5 (1867), 357—547. — Diener, Carl, Der
Gebirgabau der Westalpen. Wien 1891. — Di er au er, Johannca, Geachichte der
achweizeriachen Eidgenoaaenachaft. Bd. 1, 2. Gotha 1887 u. 92 (Teil der Geach,
der europ. Staaten, herauag. von Heeren, Ukert u. Gieaebrecht). — Digard,
Georges, Faucon & Thomas, R^gistres de Boniface VIII. 4 Fase Paris 1884 ff. —
Digot, A., Hiatoire de Lorraine. 2« Edition. Nancy 1880. — Diöcesan-Archiv,
Freiburger, Bd. 1. Freiburg 1866. — D ob 1 hoff, J., Der Lukmanier und das Kloater
Disentia, in Mitteilungen d. k. k. geograph. Geaellach. in Wien. (1882) 25, 210ff.
u. 343 ff. — Doneaud, Giovanni, II commercio e la navigazione dei Genoveai nel
Medio -Evo. Oneglia 1883. — Dönnigea, Acta Heinrici VII. imperatoris. 2 P.
Berol. 1839. — Doren, Alfred, Entwicklung und Organisation der Florentiner
Zünfte im 13. u. 14. Jahrhundert. Leipzig 1897. Staats- u. socialw. Forachungen
V. Schmoller. Bd. 15, Heft 3. — Ders., Untersuchungen zur Geschichte der
Kaufmannsgilden im Mittelalter. (Schmoll er, Staats- und social wissenschaftliche
Forschungen Bd. 12 Heft 2.) Leipzig 1893. — Dorez etGuiraud, Les registres
d'Urbain IV. 2 Fase. Paria 1892. — Duc, Joaeph Auguate, ä quelle date eat mort
St.-Bemard de Menthon? in Miacellanea di atoria italiana 31, 341 — 368. — v. Duhn,
F., Die Benutzung der Alpenpäaae im Altertum. Neue Heidelberger Jahrbücher
2 (1892), 55—92. — Dümg^, Regeata Badenaia. Karlaruhe 1836. — Dümmler,
Emat, Daa Formelbuch Biachof Salomoa 111. von Konstanz. 1857. — Dürr er,
Robert, Die Familie vom Rappenatein gen. Mötteli und ihre Beziehungen zur Schweiz.
Geachichta freund 48, 81 — 276, 49, 1—74. — Dera., Die Freiher m von Ringgen-
berg, im Jahrbuch f. achweiz. Geach. Bd. 21.
Verzeichnis der mehrmals citierten Werke und Abhandlungen. XXI
Eckert, Christian^ Das Mainzer Schiffergewerbe in den letzten drei Jahrhund,
des Kurstaates. Staats- und social wissenschaftliche Forschungen. Bd. 16, Heft 3.
Leipzig 1898. — Eheberg, K. Th., Yerfassungs-, Verwaltungs- und Wirtschafts-
geschichte der Stadt Strafsburg bis 1681. 1. Urkunden und Akten. Strafsburg 1899. —
Ehrenberg, Richard, Das Zeitalter der Fugger. Geldkapital und Kreditverkehr
im 16. Jahrhundert 2 Bde. Jena 1896. — Eichhorn, A., Episcopatus Curiensis.
1797. — Endemann, W., Studien in der romanisch-kanonistischen Wirtschafts- und
Bechtslehre. 2 Bde. Berlin 1874, 1883. — Ennen, L. u. Eckertz, G., Quellen
zur Geschichte der Stadt Köln. Bd. 1—6. Köln. 1860-79. — Erdmannsdörffer,
Bemhardus, De commercio, quod inter Venetos et Germaniae civitates aevo medio
intercessit Jenenser Dissertation. Leipzig 1858. —
Fabri, Felix, Evagatorium in terrae sanctae peregrinationem. Bibl. des litter.
Vereins. Bd. 2 u. 4. 1843, 49. — Fratris Felicis Fabri tractatus de civitate
Ulmensi. Herausg. von Gustav Vcesenmeyer. Bibliothek des litter. Vereins
in Stuttgart. Bd. 186. Tübingen 1889. — Fabronius, Angelus, Magni Cosmi
liedicaei vita. 1. 2. Pisis 1789. — Fagniez, G., Documents r^latifs k Thistoire de
rindustrie et du commerce en France. I. Paris 1898, in der Collection de textes
pour servir a T^tude et ä Tenseignement. — Ders., Etudes sur Tindustrie et la classe
industrielle k Paris au XIII "»♦? et au XIV <» si^cle a. u. d. T.: Bibliothöque de
r^cole des hautes etudes. 33« fascicule. Paris 1877. — Falke, Joh., Die G^e-
schichte des deutschen Handels. 2 Tle. Leipzig 1859, 60. — Favre. Camille, Etüde
sur rhisloire des passages italo-suisses du Haut-Valais entre Simplen et Mont.-Rose.
Jahrbuch f. Schweiz. Gesch. Bd. 8. — Fechter, Daniel Albert, Topographie
von Basel in: Basel im 14. Jahrhundert. Basel 1856. — Ferrero, Gran San
Bemardo. Notizie degU scavi 1890, 273, 294-306. 1892, 63-77, 440—50. 1894,
88 — 47. — Fester, Richard, Markgraf Bernhard I. und die Anfänge des badischen
Territorialstaates. (Badische Neujahrsblätter 6.) Karlsruhe 1896. — Ders.,
Begesten der Markgrafen von Baden und Hachberg. 1. Bd. Innsbruck 1892—1900. —
Finot, Jules, Etüde historique sur les relations commerciales entre la France et
la Flandre an moyen ftge. Paris 1894. — Fischer, Friedr. Christoph Jonathan, Ge-
schichte des teutschen Handels 1 — 4. Hannover 1785. — Ficker, Julius, Engelbert
der Heilige. Köln 1853. — Ders., Reinald von Dassel, Reichskanzler und Erz-
bischof von Köln. Köln 1850. — Flegler, Die Beziehungen Nürnbergs zu Venedig.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. 1867. S. 289 ff., 329 ff., 361 ff. —
Flnckiger, F. A., Die Frankfurter Liste. Halle 1873, auch Archiv d. Pharmacie,
Bd. 201. — Ders., Pharmakognosie des Pflanzenreiches. 3. Aufl. Berlin
1891. — Ders. et Hanbury, Histoire des drogues d'origine v^g^tale; traduction
de Lanessan. 2 Tomes. Paris 1878. — Fontes rerum Bemensium. Bd. 1—7.
Bern 1877 ff. — Fonti per la storia d'Italia pubblicati dair Istituto storico italiano
Tom. 1 ff. Roma 1887 ff. — Foresti^, Les livres de compte des fr^res Bonis, in
Archives historiques de la Gascogiie fasc. 20. 1890. — Formentini, Marco, II
ducato di Milano. Studj storici documentati. Milano 1877. — Fournier, Paul,
Le royaume d'Arles et de Vienne (1138—1378). Paris 1891. — Franck, W., Ge-
schichte der ehem. Reichsstadt Oppenheim. Darmstadt 1859. — Freidhof, Die
Städte Tusciens zur Zeit Manfreds (Jahr.-Ber. des Lyceum in Metz 1879 und
1880). — Freivogel, Die Landschaft Basel. Bemer DisserUtion 1893. — Frey,
XXH Verzeichnis der mehrmals citierten Werke und Abhandlungen.
Carl, Die Schicksale des königl. Gutes in Deutschland unter den letzten Staufern.
Berlin 1881. — Fromm, E., Frankfurts Textilgewerbe im Mittelalter. Archiv
für Frankfurts Geschichte und Kunst. 3. Folge, 6. Bd. — F. T. (Franz Graf von
Thurn und Taxis): „Die Anfänge des habsburgischen Postwesens (1460 — 1519) in
„Neue Tiroler Stimmen 1891" Nr. 295 u. 296. — Funck-Brentano, Philippe le
Bei en Flandre. Paris 1896. — Funck-Brentano, Frantz, Philippe le Bei et la
noblesse franc-comtoise. Biblioth^que de T^cole des chartes. Tome 49. Annöe
1888. — Für r er, Sigismund, Geschichte, Statistik und Urkunden -Sammlung über
Wallis. 3 Bde. Sitten 1850.
O.
Gaddi, Luigi, Per la storia della legislazione e delle istuzioni mercantili lom-
barde, ricerche d'archivio. Milano, Bortolotti 1893. Abgedruckt aus dem Archivio
storico lombardo. Anno 20. — Galant i, I Tedeschi sul versaute meridionale
delle Alpi. Roma 1885. — Gasner, Ernst, Zum deutschen Strafsenwesen von der
ältesten Zeit bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts. Leipzig 1889. — Gatrio, Die
Abtei Murbach. 2 Bde. Strafsburg 1895. — Gay, Jules, Les registres de Nico-
laus ni. 1 fasC. Paris 1898. — Geering, Traugott, Kölns Kolonialwarenhandel
vor 400 Jahren. Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln, Heft 11. 41 bis
65. — Der s., Handel und Industrie der Stadt Basel. Basel 1886. — Geiger, Aloys,
Jakob Fugger (1459—1525). Regensburg 1895. — Gengier, Heinrich Gottfried,
Deutsche Stadtrechts -Altertümer. Erlangen 1882. — Geschichtsforscher, Der
schweizerische. Bd. 1—13. 1812 — 52. — Geschichtsfreund, Der, Mitteilungen des
historischen Vereins der fünf Orte. Einsiedeln 1844 ff. — Geschichtsquellen der
Stadt Wien. I.Abteil. Wien 1877. — Württembergische Geschichtsquellen,
Urkundenbuch der Stadt Efslingen. — Giesebrecht, W. v., Geschichte der deut-
schen Kaiserzeit. 6. Bd. Herausg. und fortgesetzt von B. von Simson. Leipzig
1895. — Gingins-Ia-Sarraz, D^veloppement de Tind^pendance du Haut-Yallais
et conqu^te du Bas-Vallais. Im Archiv f. Schweiz. Gesch. Bd. 2 u. 3. — Gingins
la Sarra, D6p@ches des ambassadeurs Milanais sur les campagnes de Charles le
Hardi duc de Bourgogne de 1474 k 1477. Paris ÄGen^ve 1858. — Giornale storico
della litteratura italiana 5. — Giulini, Giorgio, Memorie spettanti alla storia, al
governo ed alla descrizione della cittä e della campagna d| Milano ( — 1311). Mi-
lano 1760 ff. T. 1—9. — Ders., Continuazione delle Memorie etc. (1311—1447).
T. 1 — 3. — Glafey, Adam Fridericus, Anecdotorum S. R. J. historiam ac jus publi-
cum illustrantium collectio. Dresdae & Lipsiae 1734. — Goldschmidt, L., Die
Geschäftoperationen der Champagner Messen, in Zeitschrift für Handelsrecht.
Bd. 40. — Ders., Universalgeschichte des Handelsrechts. Erste Lieferung. Stutt-
gart 1891. (Handb. d. Handelsrechts, 3. Aufl., I, 1, 1.) — Görz, Mittelrheinische
Regesten 4 Tle. 1876 — 86. — Gothein, A., Zur Geschichte der Rheinschiffahrt, in
Westde.itsch. Zeitschrift für Geschichte und Kunst. Jahrgang 14. Trier 1895.
S. 231—256. — Ders., Wirtschaftsgeschichte des Schwarz waldes und der angrenzen-
den Landschaften. 1. Bd. Strafsburg 1892. — Gottlob, Adolf, Die päpstlichen
Kreuzzugssteuem des 13. Jahrhunderts. Heiligenstadt 1892. — Ders., Die päpst-
lichen Darlehnsschulden des 13. Jahrhunderts. Historisches Jahrbuch 20, 665 bis
717. — Grandjean, Ch., Les registres de Benoit XI. 4 fasc. Paris 1883 ff. —
Greiff, B., Tagebuch des Lucas Rem 1494—1541. 26. Jahresbericht d. hist
Kreis-Vereins im Regierungsbezirk Schwaben u. Neuburg. Augsburg 1861. S. 1
bis 110. — Gremaud, Jean, Documents relatifs k Thistoire du Yallais, in M^moires
et documents publi^s par la soci^t^ d*histoire de la Suisse romande. Bd. 29 — 33,
Verzeichnis der mehrmals citierten Werke und Abhandlungen. ItXTTT
37__89. — V. Groote, Die Pilgerfahrt des Ritters Arnold von HarflF. Köln 1860. —
de Gudenus, Codex diplomaticus anecdotorum res Moguntinas iilustr. 5 Bde.
1743—58. — Guiraud, J. et Cadier, L., Les registres de Gr^goire X. et de
Jean XXI. 3 fasc. Paris 1892 ff. — Gutermann, Fr., Die älteste Geschichte der
Fabrikation des Linnen-Papiers, im Serapeum 6, 256—265 u. 273 — 286.
Häbler, Konrad, Die Fugger und der spanische Gewürzhandel. Zeit sehr,
des bist. Vereins f. Schwaben und Neuburg. 1892. 19. Bd. 25—44. — Ders.,
Die Geschichte der Fuggerschen Handlung in Spanien, in socialgeschichtlichen
Forschungen. Ergänzungshefte zur Zeitschrift f. Social- und Wirtschafts-
geschichte. Heft 1. Weimar 1897. — Ders., Peter Tafurs Reisen im Deutschen
Beiche in den Jahren 1438 — 39, in Zeitschrift f. allgemeine Geschichte 4, 502
bis 529. Stuttgart 1887. — Hafner, T., Geschichte der Stadt Ravensburg. Ravens-
burg 1887. — Hagel Stange, Alfr., S&ddeutsches Bauernleben im Mittelalter.
Leipzig 1898. — Hampe, Karl, Geschichte Konradins von Hohenstaufen. Inns-
bruck 1894. — Häne, Johannes, Leinwandindustrie und Leinwandhandel im alten
St. Gallen. Zürich, Neue Züricher Zeitung 1899. — Hanauer, Etudes ^conomiques
sur TAlsace ancienne et moderne. 2 Bde. Paria & Strasbourg 1876, 8. — Hantzsch,
Victor, Deutsche Reisende des 16. Jahrhunderts. Leipziger Studien aus d. Ge-
biete d. Geschichte. 1. Bd., 4. Heft. Leipzig 1895. — Hardegger, J. u. Wart-
mann, H., Der Hof Kriefsern. St. Gallische Gemeindearchive. St. Gallen 1878. —
Hartwig, Otto, Ein Menschenalter Florentiner Geschichte, in Deutsche Zeit-
schrift für Geschichtswissenschaft 1, 10—48 und 2, 38—96. — Heierli, J. und
Öchsli, W., Urgeschichte des Wallis. Mitteilungen der antiqu. Gesellschaft in
Zürich. Bd. 24, Heft 3. Zürich 1896. — Hellwig, Handel und Gewerbe der deut-
schen Städte während der sächsischen Kaiserzeit. Göttinger Programm 1882. —
daTHerba, Itinerario delle poste. Roma 1563. — Herzog, Hans, Die Zurzacher
Messen. Separatabdruck aus dem Taschenbuch der historischen Gesellschaft des
Kantons Argau. Aarau 1898. — Heusler, Adreas, Rechtsquellen des Kantons
Tessin, in Zeitschrift f Schweiz. Recht. 33. Bd. Basel 1892. — Ders., Rechts-
quellen des Kantons Wallin. Zeitschrift f. Schweiz. Recht. Bd. 29 und 31. —
Heyck, Eduard, Geschichte der Herzöge von Zähringen. Freiburg 1891. —
Heyd, W., Die Alpenstrafsen im Mittelalter, im Ausland. 55. Jahrg. 1882. S. 461
bis 467. — Ders., Geschichte des Levantehandels im Mittelalter. 2 Bde. Stutt-
gart 1879. (Die franz. Ausgabe von Rejnaud 1885 nur benutzt). — Ders., Die
grofse Ravensburger Gesellschaft. Beiträge zur Geschichte des deutschen Handels I.
Stuttgart 1890. — Ders., Das Haus der deutschen Kaufleute in Venedig, (v. SybelX
Historische Zeitschrift 32, 193—220. — Ders., Schwaben auf den Messen von
Genf und Lyon. Württemb. Vierteljahrshefte. Neue Folge 1, 373—385. —
Ders., Der Verkehr süddeutscher Städte mit Genua während des Mittelalters.
Forschungen zur deutschen Geschichte Bd. 24 (1884), 213—230. — Hidber, B.,
Schweizerischer Urkundenregister. Herausg. v. der allgem. geschichtsforschenden
Gesellschaft der Schweiz. 2 Bde. Bern 1863—77. — Hilgard, Urkunden zur Ge-
schichte der Stadt Speyer. Strafsburg 1885. — Höfler, Albert Beham, Registrum
epistolarum. Bibliothek des litterarischen Vereins 16. Stuttgart 1847. — Hont-
heim, Historia Trevirensis diplomatica et pragmatica. Tom. 2. Aug. et Herbipoli
1750. — Hoppeler, Robert, Berns Bündnis mit dem Bischof von Sitten vom
17. Juli 1252, im Jahrbuch f. Schweiz. Geschichte. Bd. 22. — Ders., Das Unter-
XXIV Verzeichnis der mehrmals citierten Werke und Abhandlnngen.
Wallis und dessen Beziehungen zum Hochstift Sitten während des 13. Jahrhunderts.
Zürich 1897. — Hub er, Alfons, Geschichte des Herzogs Rudolf IV. von Österreich.
Innsbruck 1865. — Huber, Eugen, System und Geschichte des Schweizerischon
Privatrechtes. Bd. 4. Basel 1893. — Hub er, F. C, Die geschichtliche Entwick-
lung des modernen Verkehrs. Tübingen 1893. — Hüllmann, Karl Dietrich, Städte-
wesen des Mittelalters 1. Bonn 1826. — Huvelin, P., Essai historique sur le
droit des march^ et des foires. Paris, Rousseau 1897.
J.
Jacob, G., Ein arabischer Berichterstatter aus dem 10. oder 11. Jahrhundert
über Fulda. 2. Aufl. Berlin 1891. — Ders., Der nordisch-baltische Handel der
Araber im Mittelalter. Leipziger Dissertation 1887. — Jäger, Carl, Ulms Ver-
fassung, bürgerliches und kommerzielles Leben im Mittelalter. Stuttgart und Heil-
bronn 1831 (a. u. d. T. Schwäbisches Städte wesen im Mittelalter 1). — Jahns, Ma.x,
Entwicklung der alten Trutz wafFen. Berlin 1899. — Jahrbuch des schweizer.
Alpenklubs seit 1864. Bern. — Janssen, Joh., PVankfurts Reichs korrespondenz
von 1376—1519. 2 Bde. Freiburg 1863—72. — Jastrow u. Winter, Deutsche
Geschichte im Zeitalter der Hohenstaufen 1. Stuttgart 1897. — Jecklin, Constanz,
Urkunden zur Verfassungsgeschichte Graubündens, im 12. Jahresbericht der hist.-
antiqu. Gesellschaft von Graubünden. 1882. — v. Inama-Sternegg, Karl
Theodor, Die Goldwährung im Deutschen Reiche während des Mittelalters. Zeit-
schrift für Social- und Wirtschaftsgeschichte 3, 1 — 60. 1895. — Ders., Deutsche
Wirtschaftsgeschichte 1—3, 1. Leipzig 1879 — 99. — Jordan, Edouard, R^gistres
de Clement IV. 3 fasc. Paris 1893 f. — Juvalt, Wolfgang von, Forschungen
über die Feudalzeit im kurischen Rätien 1 u. 2. Zürich 1871.
Kagelmacher, Ernst, Filippo Maria Visconti und König Sigismund 1413—1431.
Greifswalder Dissertation 1885. — Kaltenbrunner s. Mitteilungen aus dem
Vatik. Archive. — Keller, Ferd., Statistik der römischen Ansiedlungen in der
Ostschweiz. Mitteilung der antiqu. Gesellschaft in Zürich. Bd. 15, Heft 3.
Zürich 1864. — Kind, Chr., Beiträge zur rätischen Geschichte, im Jahrbuch für
Schweiz. Gesch. 14, 211—260. — Kindler v. Knobloch, Das goldene Buch von
Strafsburg. Wien 1885, 86. — Ders., Oberbadisches Greschlechterbuch. 1. Bd. u.
2. Bd., 1. u. 2. Lief. Heidelberg 1894r-1900. — Kirsch, Die päpstlichen Kollek-
torien in Deutschland während des 14. Jahrhunderts. Quellen und Forschungen
aus dem Gebiete der Geschichte, herausg. v. d. Görres-Gesellschaft Bd. 3. Pader-
born 1894. — Klumker, Chr. Jasper, Der friesische Tuchhandel zur Zeit Karls
des Grofsen und sein Verhältnis zur Weberei jener Zeit. Leipz. Dissert. 1899. —
Knipping, Kölner Stadtrechnungen des Mittelalters, 1, 2. Bonn 1897, 98. —
Koch n. Wille, Regesten der Pfalzgrafen am Rhein 1214—1400. Innsbruck 1894. —
Köhler, Die Entwicklung des Kriegswesens und der Kriegführung. 3 Bde. Breslau
1886—89. — Kopp, J. E., Geschichten von der Wiederherstellung und dem Verfall
des Heiligen Römischen Reiches. Bd. 1-5, 2, 1. 1845—82. — Ders., Geschichts-
blätter der Schweiz. 2 Bde. Luzem 1854 — 56. — Ders., Urkunden zur Geschichte
der eidgenössischen Bünde. Luzem 1835, citiert als Urkunden 1. — Ders., Ur-
kunden zur Geschichte der eidgenössischen Bünde, im Archiv für Kunde öster-
reichischer Geschichtsquellen. Bd. 6. 1851, citiert als Urkunden 2. — Kraus, F. X.,
Verzeichnis der mehrmals citierten Werke und Abhandlungen. XXV
Geschichte der christlichen Kunst. Bd. 1, 2, 1. Freiburg 1896 f. — Ders., Die
Kunstdenkmäler des Grofsherzogtums Baden. 1. Bd.: Kreis Konstanz. Freiburg
1887. — Kriegk, Georg Ludwig, Frankfurter Bürgerzwiste und Zustände im Mittel-
alter. Frankfurt 1862. — Krüger, Emil, Die Grafen von Werdenberg-Heiligenberg
und von Werdenberg-Sargans. Mitteilungen zur vaterl. Gesch. (St Güllen) 22,
103-393 U.I-CLIII. — Kruse, Ernst, Kölnische Geldgeschichte bis 1386, in West-
deutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst. Ergänzungsheft 4. 1888. —
Kunze, Karl, Hanseakten aus England 1275—1412. Hansische Geschichts-
quellen Bd. 6. Halle 1891. — Kurz u. Weifsenbach, Beiträge zur Geschichte
und Litteratur 1 Bd. Aarau 1846.
Lacomblet, Urkuudenbuch für die Geschichte des Niederrheins. 4 Bde.
1840—58. — Lamprecht, Karl, Deutsche Geschichte. Bd. 1—5. Berlin 1891 ff. —
Ders., Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter. Untersuchungen über die Ent-
wicklung der materiellen Kultur des platten Landes auf Grund der Quellen zu-
nächst des Mosellandes. Bd. 1 — 3. Leipzig 1885. — Langlois, Oh. V., Notices
et documents relatifs k Thistoire de France aux temps de Philippe le Bei. Revue
historique (1896) 60, 307—28. — Langlois, Emest, Rögistres de Nicolas IV. (1288
bis 1292). 9 fasc. Paris 1886 ff. — Lattes, Alessandro, II diritto commerciale uella
legislazione statuaria delle cittä italiane. Milano 1884. — Lau, Friedrich, Entwicklung
der kommunalen Verfassung und Verwaltung der Stadt Köln. Bonn 1898. —
Xtaurent, J., Aachener Stadtrechnungen aus dem 14. Jahrhundert. Aachen 1866. —
Layettes du tr^sor des chartes. T. 2. Paris 1866. — Leg es municipales, in Monu-
menta historiae patriae. 2 Bde. Augusta Taurinorum 1838 ff. — Lehmann, J. G.,
Urkundliche Geschichte der Grafschaft Hanau - Lichtenberg. 2 Bde. Mannheim
1862 f. — Lehugeur, Histoire de Philippe le Long. T. 1. Paris 1897. — Lenel,
W., Die Entstehung der Vorherrschaft Venedigs an der Adria. Strafsburg 1897. —
Lettere volgari del secolo XIII. scritti da Sanesi, pubblicate da Cesare Paoli e
Enea Piccolomini, in: Scelta di curiositä letterarie, dispensa 116. Bologna 1871. —
Liber jurium Januensium in: Liber jurium republicae Genuensis. Historiae patriae
Monumenta. 1854, 1856. — v. Liebenau, Hermann, Lebensgeschichte der
Königin Agnes von Ungarn. Regensburg 1868. — Ders., Urkunden und Regesten
zur Geschichte des St. Gottbard. Vom Ursprung bis 1450. Im Archiv f. Schweiz.
Gesch. Bd. 18, 19 u. 20. — Liebenau, Theodor v.. Das Gasthof- und Wirtshaus-
wesen der Schweiz in älterer Zeit. Zürich 1891. — Ders., Das alte Luzem. Luzern
1881. — Ders., I Sax signori e conti di Mesocco, im Bolletino storico della Sviz-
zera italiana. 10. 11. u. 12. Bd. Bcllinzona 1880 — 90. Auszug auch in der Beilage
zum Jahresbericht der hist-antiqu. Gesellschaft von Graubünden pro 1889. —
Ders., Dio Schlacht von Arbedo nach Geschichte und Sage. Geschichtsfreund
Bd. 41 S. 187 — 220. — Lichnowsky, E. M. Fürst v., Geschichte des Hauses Habs-
burg (mit den Regesten von E. Birk). 8 T. Wien 1836—44. — Longuon, Auguste,
Atlas historique de la France. Paris 1885 f. — Ludwig, Friedrich, Untersuchungen
über die Reise- und Marschgeschwindigkeit im XII. u. XIII. Jahrhundert. Berlin
1897. — Lütolf, A., Die Regesten und Urkunden des Familienarchivs Rusconi in
Luzem. Gesc hieb ts freund 33, 319 — 502.
XXVI Verzeichnis der mehrmals citierten Werke und Abhandlungen.
Magenta, C^rlo, I Visconti e gli Sforza nel castello di Pavia 1. 2. Milano
1883. — Malavolti, Orlando, Historia de^fatti e guerre de'Sanesi. Venetia 1599.
2 Bde. — Man dein, Vittorio, II comune di Vercelli nel medio evo 1—3. Vercelli
1857 — 58. — Mansi, Collectio Conciliorura uova. Lucca 1748 ff. — Marin, Carlo
Antonio, Storia civile e politica del commercio de'Veneziani 1 — 8. Vinegia 1798 bis
1808. — Martine et Durand, Thesaurus anecdotorum novus. 5 Voll. Paris
1717 f. — Martin, Grofsbetrieb und Handwerk vor 600 Jahren. Proufs. Jahrbücher
Bd. 91. — Matile, Monuments de l'histoire de Neuchätel. 2 Bde. Neuch&tel
1844 — 48. — May, A. von, Bartholomäus May und seine Familie. Berner Taschen-
buch auf das Jahr 1874. 1 — 178. — Mayr, Richard, Lehrbuch der Handela-
geschichte auf Grundlage der Wirtschafts- und Socialgeschichte. Wien 1894. —
(Med er , Loren tz), Handel Buch. Darin angezeigt wird, welclier gestalt inn denfümemb-
sten Handclstetten Europa allerley Wahren etc. Nürnberg 1558. — Mediolanum
1 — 4. Milano 1881. — Megenberg, Konrad von, Das Buch der Natur, herausg.
von Franz Pfeiffer. Stuttgart 1862. — M^moires et documents publi^s par la
soci^t^ d^histoire et d'arch^ologie de Genöve. Vol. 14. — Meyer, H., Die römischen
Alpenstrafsen in der Schweiz. Mitteilungen d. antiqu. Gesellschaft in Zürich.
Bd. 13. Zürich 1861. — Meyer von Knonau, G., Eine verlorene schweizerische
Eroberung, im Jahrbuch des Schweizer Alpenklub. 10. Jahrg. 1875, S. 518—58. —
Michael, Emil, Geschichte des deutschen Volkes. Bd. 1, 2. Freiburg 1897-99. —
Miller, Konrad, Die ältesten Weltkarten. Heft 8. Stuttgart 1895. — Miscel-
lanea di storia italiana edita per cura della R. Deputazione di storia patria.
Vol. 1 ff. Torino 1862 ff*. — Mitteilungen aus dem vatikanischen Archive. Her-
ausg. V. d. kais. Akad. d. Wissensch. Bd. 1 Aktenstücke u. s. w. Herausg. von
Kaltenbrunner. Wien 1889. — Mitteilungen der bad. bist. Kommission, an-
gehängt der Zeitschrift f. Gesch. des Oberrheins. — Mitteilungen zur vater-
ländischen Geschichte. Herausg. vom bist. Vereine des Kantons St. Gallen. Bd. 1 ff.
St. Gallen 1861 ff. — Mitteilungen der antiquarischen Gesellschaft iu Zürich.
Bd. 1 ff. 1841 ff. — Mitteilungen aus dem germanischen Nationalmuseum.
Jahrg. 1 ff. Leipzig 1884 ff. — Mitteilungen aus dem Stadtarchive Köln. Heft
1 ff. Köln 1882 ff. — Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürn-
berg 1 ff. Nürnberg 1879 ff. — Mohr, Th. v., Codex diplomaticus ad historiam
Raeticam. (Archiv f. d. G. der Republik Graubünden Bd. 1, 2, Bd. 3, 4, bearbeitet
von C. V. Moor.) Cur 1848 — 64. — Mohr, Th., Regesten von Disentis, in Regesten
der schweizerischen Eidgenossenschaft Bd. 2. 1853. — Mol inier, luven taire du
tr^sor du saint si^ge sous Boniface VIIL (1295). Bibl. de T^cole des chartes 46 u.
47. — Mommsen, Theodor, Römische Geschichte. Bd. 5, 3. Aufl. Berlin 1886. —
Ders., Die Schweiz in römischer Zeit. Mitteilungen d. autiquar. Gesellschaft in
Zürich. Bd. 9. Zürich. 1858 — 56. — Mone, Zur Handelsgeschichte der Städte am
Bodensee vom 13. bis 16. Jahrhundert. Zeitschrift f. d. Gesch. d. Oberrheins, 4,
8—66. — Monti, Pietro, Vocabolario dei dialetti della cittä e diocesi di Como.
Milano 1845. — Monumenta Boica ed. academia scientiarum Maximil. Boica. VoL
1 — 44. Monachi 1763 ff. — M.G. = Monumenta Germaniae historica. Hannover
seit 1826. SS. = Scriptores. Ep. = Epistolae. Necr. = Necrologia u. s. w. —
Monumenta, Historiae patriae — edita jussu regis Caroli Alberti. Augustae Taurinorum
1836 ff. — Monumenta historica ad provincias Parmensem et Placentinam pertinen-
tia. Vol. 1 ff. Parma 1856 ff. — Monumenti istorici pertinenti alle provincie della
Romagna. Serie 1. Tomo 1. Bologna 1869. — Morbio, Carlo, Storie dei Municipj
Verzeichnis der mehrmals citierten Werke und Abhandlungen. XXVU
italiani. Vol. 6. Milano 1846. — Morel, Les jurisdictions commerciales au moyen-
&ge. Paris 1897. — Motta, Emilio, Personaggi celebri attraverso il Gottardo, in
Bolletino storico della Svizzera italiana. Tomo 3 u. 14. — Mühlemann, Adolf,
Studien zur Geschichte der Landschaft Hasli im Archiv des hist. Vereins des
Kantons Bern. Bd. 14. Bern 1896,245—388. ~ Mummenhoff, Ernst, Altnümberg.
Schilderungen aus der älteren reichsstadtischen Zeit bis zum Jahre 1350. Ba3nr]sche
Bibliothek. Bd. 22. Bamberg 1890. — Muoth, J. C, Zwei sogenannte Ämter-
bücher des Bistums Chur aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts im27. Jahresbericht
der hist-antiqu. Gesellschaft von Graubünden. Chur 1898,8. 1—254. — Muralti,
Francisi J. U. D. patricii Comensis Annalia edita a Petro Aloisio D o n i n i o ,
Mediolani 1861. — Muratori, Antiquitates Italicae medii aevi. 6 Vol. Mediolani
1738—42. — Ders., Renim Italicarum scriptores. T. 1 — 25. Mediolani 1723—51. —
Murr, C. G. von, Urkunden der vornehmsten Orte, mit welchen die Reichsstadt
Nürnberg Zollfreyheiten errichtet hat. Nürnberg 1806.
Nagl, Franz u. Lang, Alois, Mitteilungen aus dem Archiv des deutschen
Nationalhospizes S. Maria delFAnima in Rom, in römische Quartalschrift.
Supplementheft 12. 1899. — Neumann, Max, Geschichte des Wuchers in Deutsch-
land bis 1654. Halle 1865. — Neugart, Tr., Codex diplomaticus Alemanniae. 2 T.
1791, 5. — Nissen, Heinrich, Italische Landeskunde Bd. 1. Berlin 1883. — Noel,
Octave, Histoire du commerce du monde depuis les temps les plus recul^s. 2 Vol.
Paris 1891 f. — Nübling, Eugen, Ulms Baum Wollweberei im Mittelalter. Staats-
und social wissenschaftliche Forschungen von Sc hm oller. Bd. 9, Heft 5. Leip-
zig 1890. — D.ers., Die Judengemeinden des Mittelalters, insbesondere die der Reichs-
stadt Ulm. Ulm 1896. — Ders., Ulms Kaufhaus im Mittelalter. Rostocker Disser-
tation 1895. — Nüscheler, Die Gotteshäuser der Schweiz. 3 Hefte. Zürich 1864
bis 1873 (Fortsetzungen in d. Argovia und im Geschichtsfreund). — Ders.,
Historische Notizen über den St. Gotthardpafs, im Jahrbuch des Schweizer Alpen -
klub, 7, 55—84. Bern 1872.
O.
Oberamtsbeschreibung Ulm = Beschreibung des Oberamts Ulm, her-
ansg. von dem Königl. Statistischen Landesamt. 2. Bd. 1897. — öchsli, W., Die
Anfänge der schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern 1891. — Öfele, A. F., Rerum
Boicarum scriptores. 2 T. Aug. Vind. 1763 f. — Öhlmann, Ernst, Die Alpenpässe
im Mittelalter. Im Jahrbuch f. schweizer. Gesch. Bd. 3, 165—289 u. 4, 163-321.
Zürich 1878 u. 1879. — Osio, Luigi, Documenti diplomatici tratti dagli archivj
Milanesi. 1—3. Milano 1864—72.
P,
(Pagnini) Della decima e di varie altre gravezze imposte dal comune di
Firenze. 4 Vol. Lisbona, Lucca 1765. — Paoli, Cesare, Urkunden zur Geschichte
der deutschen Schusterinnung in Florenz. Mitteilungen d. Instituts f. österr.
Geschichtsforschung 8, 455—476. — Pasi, Bartholomeo di. Tariffa dei pesi e misure,
corrispondenti dal Levante al Ponente e da una terra e luogo alFaltro quasi per tutte
le parti del mondo. Citiert in der Ausgabe von 1557. Vinegia Paolo Gherardo
(erster Druck 1503j. — (Passerini) Gli Alberti di Firenze. 2 Voll. — Pavesi,
XXVin Verzeichnis der mehrmals citicrteu Werke und Abhandlungen.
AngelOf Memorie per servire alla storia del commercio dello stato di Milano e di
quello della cittä e provincia di Como. Como 1778. — Pegolotti, Francesco Bal-
duccif La pratica della Mercatura bildet den 3. Bd. von (Pagnini) Della Decima.
Lisbona & Lucca 1766. — P Plissier, L^on G., Documenta pour Phistoire de la
domination fran^aise dans le Milanais (1499 — 1513). Biblioth^que m^ridionale
2 s^rie tome 1. Toulouse 1891. — Periodico della societä sforica per la provincia
e antica diocesi di Como. Vol. 1 seg. Como 1877 ff. — Perret, Hist. des relations
de la France avec Venise. Paris 1896. 2 Bde. — Perrens, F. T., Histoire de
Florence jusqu' k la chute de la r^publique. Vol. 1—9. Paris 1877 — 90. — Pertilc,
Antonio, Storia del diritto italiano dalla caduta dellMmpero Romano alla codificazione
1 — 5. 2 edizione. Torino 1896 ff. — Peruzzi, S. L., Storia del commercio e dei
banchieri di Pirenze dal 1200 al 1345. Firenze 1868 und Appendice 1868. -- P^tit,
Emest, Histoire des Ducs de Bourgogne. Tome 4. Dijon 1894. — Pigeonneau, H.,
Histoire du commerce de la France. 2 vol. Paris 1885 u. 89. — Pi renne, Henri,
Geschichte Belgiens I. (Gesch. d. europäischen Staaten, herausg. v. Heeren
u. s. w.) Gotha 1899. — Piton, C, Les Lombards en France et ä Paris. 2 Hefte
Paris 1892 u. 1893. — Planta, P. C, Die currätischen Herrschaften in der Feudal-
zeit. Bern 1881. — Ders., Das alte Ratien. Berlin 1872. — Plattner, Placidus,
Geschichte des Bergbaus der östlichen Schweiz. Chur 1878. — Pöhlmann, Robert,
Die Wirtschaftspolitik der Florentiner Renaissance und das Princip der Verkehrs-
freiheit. Preisschriften der fürstlich Jablonowskischen Gesellschaft zu Leipzig,
Nr. 13 der historisch-nationalökonomischen Sektion. Leipzig 1878. — Posse, Ana-
lecta Vaticana (1254 — 1372). Oeniponti 1878. — Pott hast, Regesta pontificum
Romanorum inde ab anno 1198 ad a. 1304. 2 Bde. 1874 f. — Pressutti, Regesta
Honorii papae HL Vol. 1 — 2. Romae 1888 — 95. — Prou, Maurice, Les registres
d'Honorius IV. Fase. 1 ff. Paris 1888 ff. — Publications de la section historique
de rinstitut Luxembourgeois. Luxembourg.
9
Quellen zur Geschichte der Stadt Worms s. Boos. — Quellen z. Schweiz.
Geschichte. Bd. 1 ff. Basel 1877 ff. — Quetsch, Franz H., Geschichte des Ver-
kehrswesens am Mittelrhein von den ältesten Zeiten bis zum Ausgang des acht-
zehnten Jahrhunderts. Freiburg i. B. 1891. — Quix, Christian, Geschichte der
Stadt Aachen. 2 Bde. Aachen 1840 u. 1841 mit Codex diplomaticus Aquensis.
Aachen 1839.
R.
Rahn, Statistik schweizerischer Kunstdenkmale, Kauton Tessin. Beigabe
des Anzeigers f. Schweiz. Altertumskunde. — Ratzinger, G., Forschungen zur
bayrischen Geschichte. Kempten 1898. — Ders., Die Volkswirtschaft in ihren sitt-
lichen Grundlagen. 2. Aufl. Freiburg 1895. — Rechenschafts- (später Jahres-)
bericht des Ausschusses des Vorarlberger Museumsvereins, 20 ff. Bregenz 1880 ff. —
Redlich, Oswald, Vier Post-Stundenpässe aus den Jahren 1496 — 1500. In Mit-
teilungen des Instituts f. österr. Geschichtsforschung 12, 494—504. — Regesta
Boica, Regesta sive rerum Boicarum autographa. 13 Bde. Monaci 1822 — 54. —
Regesten zur Geschichte der Bischöfe von Konstanz. Bd. 1 u. 2, Lieferung 1 — 3,
bearbeitet von Ladewig, Müller und Cartellieri. Innsbruck 1885—1896. — -
Regestum Clementis papae V, editum cura monachorum ord. s. Benedicts T. 1 — 9
u. Append. Romae 1885 ff. — Reichstagsakten, Deutsche — Bd. 1—9, 11.
Verzeichnis der mehrmals citierten Werke und Abhandlungen. XXTX
München bez. Gotha 1867 ff. — Jüngere Reihe: 1, 2. 1893, 1896. — Reicke,
Emil, Geschichte der Reichsstadt Nürnberg. Nürnberg 1896. — Repertorium
Germanicum, Regesten aus d. päpstl. Archiven z. Gesch. d. deutschen Reiches.
Pontificat Eugens IV. Bd. 1. Berlin 1897. — v. Reumont, Lorenzo de'Medici il
Magnifico. 2 Bde. Leipzig 1874. — Reufs, Rodolphe, L^Alsace au dix-septi^me
si^cle. Tome 1. Paris 1897. (Bibl. de T^coie des hautes ^tudes. Fase. 116.) —
Der Rheinstrom und seine wichtigsten Nebenflüsse, herausg. von dem Central-
bureau für Meteorologie und Hydrographie im Grofsherzogtum Baden. Berlin 1889. —
Riant, Paul, Expeditions et pelerinages des Scandinaves en Terre Sainte au temps
de croisades. Paris 1865. — Richental, Ulrich von, Chronik des Konstanzer
Concils, herausg. von M. R. Bück. Bibliothek des litter. Vereins. Bd. 159.
Tübingen 1882. — Rietschel, Siegfr., Markt und Stadt in ihrem rechtlichen Ver-
hältnis. Leipzig 1897. — Roder, Christian, Die Verkehrswege zwischen Villingen
und dem Breisgau, hauptsächlich Freiburg, seit dem Mittelalter. Zeitschrift für
d. Gesch. d. Oberrheins. N. F. 9, 505—533. — Röhricht, Reinhold, Deutsche
Pilgerreisen nach dem heiligen Lande. Gotha 1889. — Röhricht und Meisner,
Deutsche Pilgerreisen nach dem heiligen Lande. Berlin 1880. — Rom an in, Storia
documentata di Venezia. 10 Voll. Venezia 1853—69. — Roscher-Stieda.
Röscher, Wilhelm, System der Volkswirtschaft. Bd. 3. Nationalökonomik des
Handels und Gewerbefleifses. 7. Aufl., bearbeitet von W. Stieda. Stuttgart 1899. —
Roth, Johann Ferdinand, Geschichte des Nümbergischen Handels. 1—4. Nürnberg
1800—02. — Rovelli, Giuseppe, Storia di Como, descritta dal Marchese — . Parte
II, III. Tome 1, 2, 3. Milano 1794—1802. — Rübsam, Joseph, Johann Baptista
von Taxis, ein Staatsmann und Militär unter Philipp II. und Philipp III. 1530 bis
1610. Freiburg 1889. — Ruppert, Ph., Die Chroniken der Stadt Konstanz. Kon-
stanz 1891. — Der 8., Der Konstanzer Handel im Mittelalter, in Konstanzer geschicht-
liche Beiträge, Heft 4. Konstanz 1895.
Sackur, E., Die Cluniacenser in ihrer kirchlichen und allgemein geschicht-
lichen Wirksamkeit. 2 Bde. Halle 1892 f. — v. Salis, L. R., Die Rechtsquellen
des Kantons Graubünden. Zeitschrift für schweizerisches Recht. Bd. 27, 28 u.
33. — V. Salis- See wis, J. U., Gesammelte Schriften. Chur 1858. — Salvi,
MichePAngelo, Historie di Pistoja e dei fazioni d'Italia. 3 Bde. Roma 1656 ff. —
Sanuto, Marino, Diarii. Vol. 1 ff. Venezia 1879 ff. — Sbaralea, Bullarium
Franciscanum. Tomus 1 ff. Romae 1759 ff. — Scaciga, Storia di Val d'Ossola.
Vigevano 1842. — Schaube, Adolf, Ein Kursbericht von den Champagner Messen
in Zeitschrift für Social- und Wirtschaftsgeschichte. Bd. 5. Weimar 1897. — Ders.,
Proxenie im Mittelalter. Ein Beitrag zur Geschichte des Konsularwesens. Bericht
des Gymnasiums zu Brieg 1899. — Scheffer-Boichorst, Paul, Chiavenna als
Grafschaft des Herzogtums Schwaben in seinem Buche: Zur Geschichte des XII.
und XIII. Jahrhunderts. Diplomatische Forschungen. Berlin 1897, S. 102 — 122. —
Schinz, Hß. Rudolf, Beyträge zur nähern Kenntnifs des Schweizerbundes. 1. bis
4. Heft. Zürich 1783. — (Schinz) Versuch einer Geschichte der Handelschaft der
Stadt und Landschaft Zürich. Zürich 1763. — Schmoller, Gustav, Die Strafsburger
Tucher- und Weberzunft. Urkunden und Darstellung, nebst Regesten und Glossar.
Strafsburg 1879. — Schmidt, F. G. A,, Handelsgesellschaften in den deutschen
Stadtsrechtsquellen des Mittelalters. Untersuchungen zur deutschen Staats- u.
Rechtsgesch. Heft 15. Breslau 1883. — Schneider, Georg, Die finanziellen Be-
XXX Verzeichnis der mehrmab citierten Werke und Abhandlungen.
Ziehungen der florentinischen Bankiers zur Kirche, a. u. d. T. : Schmoll er: Staats-
und socialwissenschaftliche Forschungen. Bd. 17, Heft 1. Leipzig 1899. —
Schöpflin, J. D., Alsatia diplomatica. 2 T. Manhem. 1772—75. — Ders., His-
toria Zaringo -Badensis. T. 5. Carolsnihae 1764. — Schönberg, Gustav, Finanz-
verhältnisse der Stadt Basel. Tübingen 1879. — Schott, Albert, Die deutschen
Kolonien in Piemont. Stuttgart 1842. — Schreiber, Urkundenbuch der Stadt
Freiburg im Breisgau. Bd. 1, 2. Freiburg 1828 f. — Schriften des Vereins für
die Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. Heft 1 ff. Lindau 1869 ff. —
Schulte, Aloys, Geschichte der Habsburger in den ersten drei Jahrhunderten.
Innsbruck 1887. — Schultz, Alwin, Deutsches Leben im XIV. u. XV. Jahrhundert.
Grofse Ausgabe. Wien 1892. — Ders., Das höfische Leben zur Zeit der Minne-
singer. 2. Aufl. 1889. — Seh unk, Joh. Peter, Beyträge zur Mainzer Geschichte
mit Urkunden. 1. — 3. Bd. Mainz 1788 — 90. — Schurtz, Neu eingerichtete Material-
Kammer. Nürnberg 1673. — Schwalm, Jakob., Die Landfrieden in Deutschland
unter Ludwig dem Bayern. Göttingen 1889. — Schwarz, Adolf, Mailands Lage
und Bedeutung als Handelsstadt. Progr. d. höheren Bürgerschule der Stadt Köln.
1890 und 1891. — Scriptores remm Britannicarum. Bd. 68. London 1874. —
Segesser, Anton Philipp v., Rechtsgeschichte der Stadt und Republik Luzern.
Luzem 1850 ff. — Sella, Quintino, Del codice d*Asti detto de Malabayla. Vol. 1
des Codex Astensis. Atti d. r. Acc. dei Lincei 1875/6. Serie II. Vol. 4. Roma
1887. — Sercambi, Le chroniche de Giovanni — pubblicati a cura di Salvatore
Bongi, in Fonti per la storia dltalia. Bd. 19—21. Roma 1892. — Serra, Mar-
chese Girolamo, La storia della antica Liguria e di Genova. Tomo 4. Torino
1884. — Sieveking, Heinrich, Genueser Finanzwesen mit besonderer Berück-
sichtigung der Casa di S. Giorgio. 1. Genueser Finanzwesen vom 12. bis 14. Jahr-
hundert. 2. Die Casa di S. Giorgio, in volkswirtschaftlichen Abhandlungen der
badischen Hochschulen. Bd. 1, Heft 3 u. Bd. 3, Heft 3. Freiburg 1898 u. 99. —
Ders., Die Genueser Seidenindustrie im 15. und 16. Jahrhundert. Ein Beitrag zur
Geschichte des Verlagssystems, in Schmoll ers Jahrbuch f. Gesetzgebung, Ver-
waltung u, Volkswirtschaft, 21, 101—133. — Silbermann, Henri, Die Seide, ihre
Geschichte, Gewinnung und Verarbeitung. 1. Bd. Dresden 1897. — Simons fei d,
Henry, Der Fondaco dei Tedeschi in Venedig und die deutsch-venetianischen
Handelsbeziehungen. 2 Bde. Stuttgart 1887. — Ders., Ein venetianischer Reise-
bericht über Süddeutschland, die Ostschweiz und Oberitalien aus dem Jahre 1492.
Zeitschriftf. Kulturgeschichte Bd. 2, 241- 283. — Sommerlad, Theo, Die Rhein-.
Zölle im Mittelalter. Halle 1894. — Spitteler, Carl, Der Gotthard. Frauenfeld 1897.—
Stadtbuch, Augsburger von 1276, herausg. v. Chr. Meyer. Augsburg 1872. —
Die Züricher Stadtbücher des XIV. und XV. Jahrhunderts, herausg. v. H. Zeller-
Werdmüller, 1. Bd. Leipzig 1899. — Statuta Mediolani, so citiert der titel-
lose Inkunabeldruck des Liber statutorum inclite civitatis Mediolani . . . im-
pressus opera et impensa egregii magistri Pauli de suardis 1480. Ich citiere nach
der Blattzählung des Exemplars der Reichsgerichtsbibliothek in Leipzig. Statuta
criminalia 1—30, St. civilia 31—100, extraordinaria 102—148, datiorum 149—174,
victualiam 175—198, mercatorum 199—222 und mercatorum lane 228—235. Über
andere Exemplare des sehr seltenen Werkes vgl. Gaddi60f. — Statuti della
societä dei mercanti di Monza, per cura studio e a spese di cittadini monzesi»
Monza 1891. — Statuta communitatis Novariae anno 1277 lata collegit et notis
auxit Antonius Ceruti. Novariae 1879. — Statuti dei comune di Padova ed.
Gloria. Padova 1873. — Statuta.mercatorumJPlacentinorum, in Monumenta
historica ad provincias Parmensem et Placeutinem pertinentia. Tomus 1. Parma
Verzeichnis der mehrmals citierten Werke und Abhandlungen. ICXXT
1856. — Stein hausen, G., Der Kaufmann in der deutschen Vergangenheit. Leip-
zig 1899. — Ders., Deutsche Privatbriefe des Mittelalters 1. Berlin 1898. —
Stieda, Wilh., Hansisch -veneian tische Handelsbeziehungen im 15. Jahrhundert
Festschrift der Landesuniversität Ro'ttock. Rostock 1894. — Ders., Revaler Zoll-
bücher und -quittungen des 14. Jahrhunderts. Hansische Geschichtsquellen,
herausg. vom Verein für hansische Geschichte. Bd. 5. Halle 1887. — Stobbe,
Otto, Die Juden in Deutschland während des Mittelalters. Braunschweig 1866. —
Ders., Miszellen zur Geschichte des deutschen Handelsrechts, in Zeitschrift f.
d. ges. Handelsrecht 8. 1865. — Stumpf, K. Fr., Die Raiserurkunden des 10., 11.
und 12. Jahrhunderts chronologisch verzeichnet. (Die Reichskanzler Bd. 3.) Inns-
bruck 1865—83.
Tafur, Andan^as 6 viajes inColeccion de libros espaüoles raros o curiosos.
T. 8. Madrid 1874. — Theiner, A., Codex diplomaticus domiuii temporalis sedis
sanctae. Bd. 1. Romae 1861. — Thomas, G. M., s. Capitolare d ei Visdomini. —
Thomm en, Rudolf, Basel und das Basler Konzil, im Basler Jahrbuch 1895 S. 188— 225.
— Ders., Urkunden zur Schweizer Geschichte aus österreichischen Archiven. Bd. 1.
Basel 1899. — Tiraboschi, Hieronymus, Vetera Humiliatorum monumenta. Medio-
lani 1766 — 68. 2 Voll. — Toniolo, Giuseppe, Dei remoti fattori della potenza
economica di Firenze nel Medio Evo. Milano 1882. — Trog, Hans, Rudolf I. und
Rudolf II- von Hochburgund. Basel 1887. — Tschudi, Ägidius, Chronicon Helve-
ticum 1, 2. Basel 1734/86. — Anton Tuch ers Haushaltbuch (1507 bis 1517), herausg.
von Wilhelm Loose.Bibliothck des litterar. Vereins Stuttgart Bd. 134. Tübingen 1877.
V.
Ullmann, H., Kaiser Maximilian I. 2 Bde. 1884, 91. — Urbar, Das Habs-
burgische, herausg. von Rudolf Maag, Quellen zur Schweizer Geschichte. Bd. 14
u. 15, 1. Basel 1894 u. 99. — Urkunden« Rätische, aus dem Gentralarchiv des
fürstlichen Hauses Thnrn und Taxis in Regensburg. Quellen z. schweizer. Ge-
schichte. Bd. 10. Basel 1891. — Urkunden buch der Stadt Augsburg von
Chr. Meyer. 2 Bde. Augsburg 1874, 8. — Urkundenbuch der Landschaft
Basel s. Boos. — Urkundenbuch der Stadt Basel, herausg. v. Wacker-
nagel, Thommen, Haller, 1.— 5. u. 7. Bd, Basel 1890 ff. — Urkundenbuch
der Stadt Efslingen, bearb. v. Diehl u. Pfaff. 1 Bd. Württemberg. Ge-
Bchichtsquellen Bd. 4. Stuttgart 1899. — Urkundenbuch, Fürsten-
bergisches. 7 Bde. Tübingen 1877—91. — Urkundenbuch, Hansisches,
bearb. v. Höhlbaum, Kunze u. Stein. Bd. 1—5, 8. 1876—99. — Urkunden-
buch, Rapoltsteinisches, bearb. v. K. Albrecht. Bd. 1—5. Kolmar 1890 bis
1898. — Urkundenbuch, St. Galler, s. Wartmann. — Urkundenbuch der
Stadt Strafsburg. 7 Bde, bearb. v. Wiegand, Schulte, Wolfram, Fritz
und Witte. Strafsburg 1879—1900. — Urkundenbuch, Ulmisches, 1 Bd.,
herausg. v. F. Pres sei. Stuttgart 1873. 2. Bd., herausg. v. Veesenmayer und
Bazing. Ulm 1898. — Urkundenbuch der Stadt Worms, s. Boos. — Ur-
kundenbuch, Württembergisches, Bd. 1—7. Stuttgart 1849—1900. — Ur-
kundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, von J. Escher u. P. Schwei-
zer. Bd. 1 — 4. Zürich 1888 — 1898. — Uzzano, Giovanni da, La pratica della
Mercatura bildet den 4. Bd. von (Paguini). Della Decima. Lisbona & Lucca 1766.
XXXTT Verzeichnis der mehrmals, citierten Werke und Abhandlungen.
del Vecchio, A. ed E. Casanova, Le rappresaglie nei comuni medievali e
specialmente in Firenze. Firenze-Bologna 1894. — Vignati, Cesare, Codice diplo-
matico Laudense inBibliotheca historica Italica. Tomus 2, 3, 4. Milano 1873 — 85. —
Villani, Chronik des Giovanni, citiert nach Büchern und Kapiteln. Ausgabe Triest
1857. — Villari, Pasquale, I primi due secoli della storia di Firenze. 2 Bde.
Firenze 1893 f. — Vitoduranus, Joh., Chronicon ed. G. von Wyss. Archiv
f. Schweiz. Gesch. 11. Zürich 1856. — Voigt, Enea Silvio de' Piccolomini. 3 Bde.
BerUn 1856—63.
W.
de Waal, Anton, Der Campo Santo der Deutschen zu Rom. Freiburg 1896. —
Wackernagel, s. Urkundenbuch Basel. — Wagner, R., die Rechtsquellen des
Kantons Graubünden. Zeitschrift für schweizerisches Recht Bd. 25, 27 u. 30. —
Waitz, G., Deutsche Verfassungsgeschichte. Bd. 4, 2. Aufl. — Fratris Pauli
Waltheri Guglingensis Itinerarium in terram sanctam et ad sanctam Catha-
rinam, herausg. v. M. Sollweck. Bibliothek des litterarischen Vereins in Stutt-
gart Bd. 192. Tübingen 1892. — Warnkönig, Flandrische Staats- und Rechts-
geschichte 3 Bde« Tübingen 1835 — 39. — Wart mann, Hermann, Urkundenbuch
d. Abtei St. Gallen. Teil 1—4. Zürich bez. St. Gallen 1863—99. — Wattenbach,
Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts.
6. Aufl. 2 Bde. Berlin 1893, 94. — Watterich, J. M., Pontificum Romanorum . .
vitae. 2 T. Lips. 1862. — Weber, Max, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften
im Mittelalter, nach südeuropäischen Quellen. 1889. — Weinhold, Karl, Die
deutschen Frauen in dem Mittelalter. 3. Aufl., 2 Bde. Wien 1897. — Welti,
Friedrich Emil, Die Tellbücher der Stadt Bern aus dem Jahre 1389, im Archiv
des bist. Vereins des Kantons Bern. Bd. 14. Bern 1896, 505—704. — Wer lauf,
Ericus Gh., Symbolae ad geographiam medii aevi ex monumentis Islandicis. Hav-
niae 1821. — Wetzel, Erich, Das Zollrecht der deutschen Könige bif* zur goldenen
Bulle (Untersuchungen zur deutschen Staats- u. Bechtsgeschichte Heft 43.
Breslau). — Will, Regesten zur Geschichte der Mainzer Erzbischöfe. Bd. 1 u. 2.
Innsbruck 1877 — 1886. — Winkelmann, Eduard, Acta imperii inedita 1. 2. Inns-
bruck 1880, 1885. — Wurstemberger, L., Peter IL, Graf von Savoyen. 4 Teile.
1856 — 58. — Wyneken, Wilhelm, Der Landfrieden in Deutschland von Rudolf
von Habsburg bis Heinrich VIL (Grötting. Dissertation). Naumburg. 1886.
Zdekauer, Lodovico, U constituto del comune di Siena deir anno 1262.
Milano 1897. — Ders., Documenti Senesi riguardanti le iiere di Champagne (1294).
Estratto dagli Studi Senesi 12, 4—5. Torino 1896. — Ders., Statutum potestatis
Comunis PistoriL Volum. 1. Milano 1888. — Zeitschrift für die Geschichte des
Oberrheins. Bd. 1—39. Neue Folge 1—14. Karlsruhe 1850 ff. — Zeitschrift
für das gesamte Handelsrecht. Erlangen 1859. — Zeitschrift für schweize-
risches Recht. Bd. 1 ff. 1852 ff. — Zeitschrift des historischen Vereins für
Schwaben und Neuburg. Augsburg. — Zösmair, J. , Geschichte des Arlbergs
von 1218 — 1418, im 28. Jahresbericht des Vorarlberger Museums- Vereins über
das Jahr 1889. Bregenz. S. 23—41.
Erstes Buch.
EINLEITUNG.
Erster Teil.
GEOGKAPfflSCHE VORBEDINGUNGEN.
Erstes Kapitel.
Oeograpbiscbe Bedingungen des Verkehrs in der Zeit vor Entdeckung
des Oottbardweges.
Die pafslose Nordkette war an beiden Seiten zu umgehen. Dadurch entstehen zwei
Pafssysteme mit ihren Städten. Vergleich der Systeme der Ehöne- Mid Bheinpässe.
Beschreibung der eineeinen: Chrofser St, Bernhard, TheodulpafSy Monte Moro, Antrona-
pafSf Simplon, Ebenso die des Bhfinsyste^ns : Lukmanier ^ Greinapa fs, Bertihardin
und Splügen, Septimer und Julier. Strafseiiknoten im Südeti: Äosta-Irrea, Vergogna,
Bellinzona. Weg zum Logo Maggiore, der See selbst, Arona, Monte Cenere. Chiavenna,
VeUlin. Comersee. Die Pässe konvergieren nach dem Mittelpunkt der Po-Ebene.
Wohl niemals wieder im Laufe der Weltgeschichte waren zwei
Länder, die nach Bevölkerung, Weltlage, Klima und Interessen so tief
verschieden waren, doch in ihren Geschicken so eng verbunden, als das
bei Deutschland und Italien der Fall ist. Sie trennt das gröfste Gebirge
Europas, eine Mauer, welche jedem, der vom lombardisch - adriatischen
Senkungsfelde aus den Blick nach Norden wendet, den natürlichen Ab-
schnitt und die natüi*liche Grenze italienischen Lebens und italienischer
Interessen ankündigt.
Es ist nicht der Zweck dieser Arbeit zu zeigen, wie im Verlaufe
des ganzen Alpenzuges die Verbindung zwischen Deutschland und Italien
im Laufe des Mittelalters sich gestaltete ; eine solche Aufgabe kann heute
noch nicht gelöst werden. Mein Werk beschränkt sich auf den Teil des
Gebirges, der die nächste Verbindung zwischen Italien und dem west-
lichen Deutschland ermöglicht. Es scheidet also, wenn man die Alpen
in drei Teile zerlegt, die West- und die Ostalpen aus, also gerade jene
Sehvlt«, Oeioh. d. mitt«l«lt«rl. Handels. I. 1
2 £rstes Kapitel. -
Züge, die zuerst von Händlern, von wandernden Völkern und den Heeren
überschritten wurden, deren Geschichte am weitesten zurückgeht. Über
die Westalpen gelangt man in das Flulssystem des unteren Rhone und
damit in ein Gebiet, das im Mittelalter politisch mit Deutschland eng
verbunden war, ohne aber seiner Gesittung wie seiner Sprache nach zu
ihm zu gehören. Die Ostalpen treten in der deutschen Geschichte noch
weit mehr hervor, über sie sind die meisten der Römerzüge unserer
Könige gegangen und, wenn wir die Summe der Waren nehmen, welche
im Mittelalter von Italien nach Deutschland gingen, so hat der gröfsere
Teil derselben wohl seinen Weg über die Ostalpen genommen. Doch
führen diese Strafsen zunächst nach Venedig, dessen Handel mit Deutsch-
land am besten erforscht ist, und im Norden führen sie in das Land
der Donau. Eine Betrachtung des Handels und Verkehrs dieser Gegenden
liegt ebenfalls völlig aufser dem Rahmen dieser Untersuchungen.
So schränkt sich die Aufgabe auf den Handel und Verkehr ein, der
die Alpen auf der Strecke vom Grofsen St. Bernhard bis zum Julier
überschritt, der im Norden also auf den Bodensee und die schweizerische
Hochebene, im Süden aber auf die piemontesische und lombardische
Ebene mündete.
Welche Wege hatte die Natur diesem Verkehre gewiesen ? Und wie
weit waren dieselben erkannt?
Für die Verkehrsgeschichte des Mittelalters bis zu den Erfolgen der
Seefahrer hin ist keine Entdeckung so bedeutsam geworden, als die des
St. Gotthardes. Die Anlegung der stiebenden Brücke ist eine technische
Leistung, die uns ebenso winzig scheinen will, wie dem Jahrhundert des
Tunnelbaus das einst so viel gepriesene „Umer Loch**, das jenes Wunder-
werk des Mittelalters im Anfang des achtzehnten Jahrhunderts ersetzte,
auch keinen Eindruck mehr macht; aber dieser schwankende Steg führte
in der Geschichte des Alpenverkehrs eine neue Epoche herbei. Erst jetzt
war der Pafs entdeckt, der die direkte Verbindung der oberrheinischen
Tiefebene mit dem Mittelpunkte der Poebene herstellte. Vorher muCste
der Verkehr ganz andere Wege wählen. Für die Zeiten vor der Ent-
deckung des Gotthardes war die pafsreiche südlichere Kette des mittleren
Alpenteiles nach Norden hin durch die pafslose nördlichere eingedeckt.
Die kleineren Pässe — Grimsel, Gemmi, Sanetsch — liefsen wohl in den
Sommermonaten einen lokalen Verkehr zu, nicht aber einen regelmäfsigen,
sie konnten von dem Wanderer, der aus weiter Ferne herkam, gar nicht
in Betracht gezogen werden ; auch lagen sie weit von irgend dichter be-
siedelten Gebirgen ab. So war diese nördliche Kette der Centralmassive
von den Diablerets angefangen bis an den Kalanda, von dem Ostfufse
des Genfersees bis zu der Stelle, wo der Rhein das Längsthal am Süd-
fufse dieser nördlichen Kette verläfst, um am äufsersten Ende derselben
Geogr. Vorbedingungen vor Entdeckung des Ootthardweges. 3
vor den Zügen der Ostalpen nach Norden umzubiegen, eine unübersteig-
liche Mauer, die der Wanderer umgehen mufste« Er konnte zum Genfer-
see gelangen oder an diese östliche Stelle, in der die neuere geologische
Forschung die Grenze der West- und Ostalpen verlaufen läfst In diesen
Jahrhunderten sahen die nordwärts streichenden Thäler von Glarus, der
Urkantone und des Berner Oberlandes wohl niemals einen Wandersmann,
sie waren weltentlegen und unbekannt. Die beiden Pforten zu den
schweizerischen Pässen waren also weit voneinander getrennt. Von
Villeneuve am Genfersee bis zur Mündung der Landquart in den Rhein
beträgt die Entfernung in der Luftlinie 211 km, so viel wie von Nürn-
berg nach Landau.
Jede dieser Pforten erschliefst ein ganzes System, und diese haben
unter sich eine frappante Ähnlichkeit Beide fUhren in eins der beiden
grofsen Längsthäler, welche diesen nördlichen Zug begleiten : das Rhöne-
thal ist ja die durch das Urserenthal hergestellte Fortsetzung des Vorder-
rheinthales. Bei beiden liegt die beherrschende Stadt an der Stelle, wo
die Wege über den südlichen Zug sich ausbreiten. Besonders charakte-
ristisch ist die Lage Churs, des alten römischen Curia und des Bischof-
sitzes fUr das obere Rheingebiet. Wer vom Lukmanier an bis zum Julier
die Alpen überschreitet, kann Chur nicht umgehen. Das Gleiche trifft
bei dem Verkehre über den Grofsen St. Bernhard bis zum Simplon für
Martigny zu, jedoch hat neben dem alten Octodurus das etwas weiter
Rhdne abwärts, jenseits des eigentlichen Durchbruches dieses Flusses
durch den nördlichen Alpenzug gelegene, altehrwürdige St. Maurice, das
Agaunum der Römer, der Sitz der Könige von Hochburgund, dieselben
Vorteile der Lage. Martigny ist mehr der Fufspunkt einer Pafs-
wanderung, St. Maurice die Herrin des Gebietes. Die wichtigste Stadt
des grofsen Rhönethales, das alte Sedunum der Römer, Sitten, thront in-
mitten des Langthaies. Hier verteilt sich also auf drei Orte, was Chur
in sich vereint.
Das System der Rhdnepässe, wie man sie nennen sollte, ist weit ein-
facher als das der Rheinpässe. Jene gehören ganz und gar den West-
alpen an und hängen von dem viel einfacheren Baue derselben ab. Die
äufsere nördliche Kette der Centralmassive wird von dem Rhone ober-
halb des Genfersees durchbrochen, die Diablerets und der Dent du Midi
sind die Pfeiler, welche stehen geblieben sind. Die südliche innere
Kette ist viel besser erhalten, sie erreicht im Monte Rosa ihre
höchste Erhebung. Nach Westen hin schlägt der Pafs des Grofsen
St. Bernhard eine Brücke, wie im Gotthardgebiet die beiden Züge sich
so nahe rücken, dafs der für die Pafsbildung so wichtige zwischen
beiden Centralmassiven eingelagerte Bündener Schiefer, der im Rhöne-
thale meist die Thalsohle und die Südhänge bildet, hier auf den
4 (Erstes Kapitel.
schmalen Streifen des Urserenthaies eingeschränkt ist. Die Pässe des
Rhonesystems haben nur diese südliche Kette zu übersteigen. Die Rhein-
pässe dagegen gehören bereits zu einem grofsen Teile den Ostalpen an,
deren Bau ungleich verwickelter ist. Der Weg über den Julier geht
sogar über zwei Pafshöhen und zwischen beiden durch das Stromgebiet
der Donau. Der westlichste unter den Rheinpässen: der Lukmanier
fuhrt noch durch die letzten Ausläufer der Westalpen. Dieser Pafs liegt
in der langen Zone des Bündener Schiefers, dessen steile Schichten-
stellung der Pafsbildung so günstig ist, wie am Nordhang des Grofsen
St. Bernhard, des Simplen, am Nufenen- wie an den beiden Hinterrhein-
pässen zu sehen ist In dem Zuge einer Linie, welche vom Vorderrhein-
thal über den Greinapafs, Val Blegno, Tessinthal und Lage Maggiore
streift, verläuft die Grenzlinie, welche die West- von den Ostalpen vom
Standpunkte der Erdgeschichte aus trennt ^
Betrachten wir zunächst die einzelnen Pässe des Rhein- und Rhone-
systems mit Ausschlufs derjenigen, die über das centrale Gebiet des
St. Gotthardes führen. Wir lernen damit die Vorbedingungen des Ver-
kehrs in der Zeit kennen, in denen dieses centrale System eine terra
mcognita war. Eine spätere Betrachtung seiner Verhältnisse wird uns
den Umschwung vor Augen fuhren, den die Entdeckung des St. Gotthard-
passes herbeiführen mufste.
1. Der Zugang zum Grofsen St. Bernhard, dem höchsten aller
regelmäfsigem Verkehre dienenden Alpenpässe (2491 m)^ wird wenigstens
auf der Nordseite dadurch erleichtert, dafs die NiveaudifFerenz sich ziem-
lich gleichmäfsig auf den Anstieg, der von Martigny elf Stunden er-
fordert, verteilt. Der Weg führt in einem schmalen Thal (Val Entremont)
empor, das in ziemlich festes Gestein eingeschnitten ist. So wurde es
möglich, schon früh einen Fahrweg bis nach Bourg St. Pierre (1633 m)
emporzufuhren. Der alte Weg, der von dem neuen namentlich in den
unteren Lagen vielfach abweicht, war steil an den Hängen emporgeführt,
meist hoch über der Drance ; mehrere sehr gefährliche Stellen sind heute
durch Sprengungen u. s. w. gebessert. Der Abstieg führt sehr steil in
das enge, fast schluchtähnliche Thal von St. R^my, wo der Fahrweg
wieder beginnt. Erst bei Gignod (994 m) erweitert sich das Thal und
verliert seinen Hochgebirgscharakter und zwischen Weinbergen, Maulbeer-
und Mandelbäumen gelangt der Wanderer nach Aosta. Auch hier hindern
eingeschaltete festere Gesteinsschichten allzu starke Lockerung des Gestein-
gefUges, welche in älteren Zeiten der Wegführung ernste Hindernisse hätte
bereiten können.
* So Diener, Der Gebirgsbau der Westalpen. Wien 1891.
" Der Verkehr auf dem Stiifser Joche (2757 m) wird im Winter wenigstens zeit-
weise völlig unterbrochen.
Greogr. Vorbedingungen vor Entdeckung des Gotthardweges. 5
Der Pafs besitzt unter allen Alpenpässen die meisten Denkmale seiner
Geschichte, vor allem auch eine Reihe von Befestigungen, ja oberhalb
St. Römy war das Thal durch eine Mauer abgeschlossen. Der recht
beschwerliche Pafs trägt auf seinem Kamme das bekannte Hospiz, lange
Jahrhunderte hindurch das höchste, ständig bewohnte Gebäude Europas.
Die dort gemachten Beobachtungen ergaben, dafs das Klima so rauh ist
wie in einer Binnenstation des nördlichsten Schweden. Aus dem Ver-
gleiche der Ziffern (Gr. St. Bernhard mittlere Jahrestemperatur — 1,3 ®,
Januar — 8,3, Juli 7,3, Unterschied der Extreme 15,6®) und Jockmock
(19 « 51' ö. L. V. Gr. 66 *> 36' Br. und 265 m ti. d. M,: Jährest. —1,3,
Januar — 14,4, Juli +14,2, Unterschied 28,6®) ergiebt sich, dafs der
Sommer auf dem St. Gotthard erheblich unwirtlicher und der Winter
erheblich milder ist als in der nordschwedischen Ortschaft. Alpen- und
Polarklima läfst sich nicht so glatt miteinander vergleichen.
2. Der Theodulpafs (oder Matterjoch, 3322 m) liegt weit höher
als der Grofse St. Bernhard, ist für den Winter völlig unbenutzbar und
kann auch nicht von Saumtieren begangen werden, da er auf der Nord-
seite, auf dem Scheitel und auf der Südseite über Gletscher flihrt Er
verbindet das Zermatterthal mit dem Val Tomanche, also weiterhin das
Wallis mit dem Thal der Dora Baltea. Reste von Befestigungen am
Fufse des nach Italien hin hängenden Gletschers beweisen, dafs der Pafs
doch nicht völlig bedeutungslos war.
8. Wie der Theodulpafs westlich vom Monte Rosa, führt der Pafs
vom Monte Moro (2862 m) östlich von ihm über den Zug, der Wallis
und Italien, hier das Saasthal von Val Anzasca trennt. Der W^eg führt
nicht über Gletscher, wohl über Schneefelder, die namentlich an der
Südseite sehr steil sind, und an furchtbaren Abgründen abwärts nach
Macugnaga. Reste eines gepflasterten Pfades haben sich erhaltend
4. Aus dem Saasthale zweigt sich bei Almagel der Weg zum An trona-
passe ab, der über dem Rande eines Gletschers über die Pafshöhe (2841 m)
in das Antronathal führt, das sich, wie Valle Anzasca, in das Tosathal
Offnet. Auch auf diesem Wege sind Reste eines mit Platten belegten
Saumpfades erhalten'. An Höhe übertreffen diese Pässe alle ihre Nach-
barn, von selbst ergiebt sich daraus, dafs auf sie ein regelmäfsiger Ver-
kehr nicht begründet werden konnte. Es waren lediglich Sommerpässe.
5. Der Simplonpafs ist zwar sehr niedrig (2009 m, Brig am
Nordfufse 708 m. Domo d'Ossola 277 m), bietet aber namentlich an seinem
Südfufse die gröfsten Schwierigkeiten, so dafs er die Wanderer nicht
besonders anlocken konnte. Durch den grofsartigen Bau, den Napoleon
' Vgl. Albert Schott, Die deutschen Kolonien in Piemont 62 ff.
^ Vgl. Favre, Etüde snr Thist« des passages italo-suisses S. 182 f.
g Erstes Kapitel.
von 1800 bis 1805 aufftihren liefs, sind diese Schwierigkeiten besiegt.
Doch waren dazu auf der vierzehnstündigen Strecke von Brig bis Domo
d'Ossola 613 gröfsere und kleinere Brilcken, acht Galerien bez« Tunnels
und zwanzig Schutzhäuser erforderlich. Auf der Nordseite weicht der
Zug der modernen Strafse von dem alten Saumpfade dadurch erheblich
ab, dafs sie, um jedes GegengefkUe und den Anstieg sanft zu gestalten,
das Ganterthal umzieht. Der Saumpfad mufste aber gleichfalls die wilde
Saltinenschlucht an ihrem oberen Hange umgehen, senkte sich dann
jedoch in den Grund der Saltine herab, dabei den Ganterbach vor
seiner Mündung überschreitend \ In einer Höhe von etwas unter
1000 m liegt diese Brücke. Der Weg mufs nun enorm steil die Pafs-
höhe erklettern, er führt völlig gerade aus am Hange des Saltinen-
einschnittes empor, die er bei 1731 m überschreitet. Kurz vorher
liegen „Tavernen", Erinnerungen an die Zeiten, wo sich hier der
Wanderer zum letzten Anstieg stärkte. Der Weg entzieht sich dem
gefährlichen Bereiche unterhalb des Kaltwassergletschers und steigt in
vielen kurzen Wendungen zur Pafshöhe empor. Der Pfad dürfte Lauinen-
gefahren ziemlich entzogen gewesen sein. Jenseits der Pafshöhe empfUngt
uns heute das Hospiz, das alte Hospiz liegt etwas weiter und rechts seit-
wärts der modernen Strafse.
Die Hauptschwierigkeit beim Abstieg bietet aber die Schlucht von
Gondo, eine ^der wildesten Felsenspalten, welche das Alpengebiet auf-
zuweisen hat, sie ist eingerissen in Gneis und Granit. Die fast senk-
rechten, ja mitunter überhängenden Felsen erreichen eine Höhe bis zu
2000 Fufs, sie gefährden im Sommer den Wanderer namentlich bei
Regenwetter durch Steinschlag, in der ungünstigen Jahreszeit durch
Lauinen. Es ist ganz begreiflich, dafs ein solcher Engpafs bewirkte,
dafs der Grenzzug für Sprache und Staat von der Pafshöhe an diese
Stelle herabgezogen wurde. So reicht hier die deutsche Sprache bis
über den Kanmi der Alpen hinüber. Der Weg von der Pafshöhe bis
zum Eintritt in die Schlucht von Gondo bietet keine erheblichen Schwierig-
keiten, er ist jedoch an manchen Stellen Lauinen ausgesetzt. In der
Schlucht der Doveria sind die Reste des alten Weges noch mehrfach zu
erkennen, und wer sie gesehen hat, gedenkt mit Schrecken der Zeiten,
wo der Kaufmann auf diesem Steige dieses wilde und doch so wunderbar
schöne Felsenthal zu passieren gezwungen war, in dem die Natur fast
nirgends mehr Raum gelassen hat, als der wild tosende Bach ihr ab-
gerungen. Der Weg hatte den rechten Thalhang wählen müssen, da
eine Überbrückung der Katarakte des von der linken Seite einmündenden
Alpienbaches der damaligen Zeit unmöglich war. Die Schlucht erweitert
1 Vgl. die Siegfriedkarte Blatt 497 u. 601.
Geogr. Vorbedingungen vor Entdeckung des Gk>tthardwege8. ^
sich unterhalb Gondo, ein offenes Thal — das Thal von Ossola oder Eschen-
thal — wird jedoch erst bei Crevola erreicht.
Die Pässe über den Centralstock der Alpen sind erst später zu be-
handeln.
6. Der westlichste der Rheinpässe, der 'Lukmanier (Pafshöhe
1917 m); hat eine auffallende Verwandtschaft mit dem Simplon. Gleich
ihm geht er von der hohen Stufe eines langen Seitenthals aus, er ist
noch niedriger, und auch bei ihm liegen die Schwierigkeiten nicht in der
Höhe, sondern am Eingange. Der ganze Anstieg von Norden hat, da
Disentis (jenseits des Rheins) 1150 m hoch liegt, nur 870 m zu tiber-
winden, er durchbricht dabei den Zug der Centralmassive, während der
Pafs seitlich an den Zug des Bündner Schiefers stöüst, der vom Nufenen-
pafs nach Graubünden führt und hier im Scopi emporragt Wie bei
allen Querthälern im Bündener Oberlande ist auch der Eingang des
Medelserthales schluchtartig. Erst in neuester Zeit wurde hier der Strafse
bequemer Platz erzwungen, früher ging nur ein böser Pfad durch die
Schlucht; ungleich der Schlucht vor Gondo liefs sich diese Felsenspalte
umgehen. Der alte Saumpfad ging am linken Ufer des Medelserrheines
in steilem Anstiege nach Mompe Medels (1275 m) empor, um sich dann
dem Rheine oberhalb der Schlucht zu nähern. Schon von dieser Höhe
läfst sich der Charakter des Thals erkennen. Es ist ziemlich hoch hinauf
noch angebaut und ist an seinen Hängen vor Lauinen durch eine Wald-
zone gedeckt, welche trotz aller Waldverwüstung noch einen starken
Holzbestand einschliefst. Noch ist auch der Bär in diesen Gebieten
nicht ganz verschwunden. Und wenn der Name Lukmanier zu deuten
ist, so werden wir doch wohl eher an den lucus magnm, den greisen
Wald, als an das keinen Sinn gebende locus magnus zu denken haben.
Der Saumweg ersteigt nun auf dem rechten Ufer die verschiedenen Thal-
stufen, die der junge Mittelrhein in Fällen herunterhüpft. Bei Perdatsch
an der Einmündung der Val Cristallina hört die Waldzone auf und das
Hochthal verändert bald seinen Charakter, es wird immer wilder und
einsamer, die Vegetation, die immer dürftiger wird, folgt aber fast bis
zur Pafshöhe. Steinschutt bedeckt die Thalsohle, schliefslich wird daraus
eine kahle Steinwüste am Fufse des Scopi, dessen Flanken von Schluchten
und Lauinenzügen zerrissen sind. Ihnen auszuweichen, geht der Saum-
pfad auf das linke Ufer hinüber. In dieser Einöde folgen sich die drei
Hospize St. Gion (Johann), St. Gall und St. Maria. Vom letzten hat
man noch eine halbe Stunde Weges über Schiefer und blendend weifse
Gipshalden zur Pafshöhe.
Der Abstieg im Val St. Maria ist sehr steil. Von der Pafshöhe bis
Olivone, wo das Thal in das Blegnothal einmündet, ist in horizontaler
Projektion des Weges kaum zwei Meilen, und dabei beträgt der Unter-
8 Erstes Kapitel.
schied der Höhenlagen 1025 m. Der Saumpfad hält sich zunächst am
linken Ufer des Baches und führt unter Lauinenbetten und Rufen vor-
bei, die in schlimmen Tagen auch die neue Kunststrafse bedrohen. Auch
hier liegen zwei Hospize: Casaccia und Camperio. Der Wechsel der
Vegetation ist enorm, Olivone ist schon von Kastanien umgeben, und
wenn der Wanderer bei Biasca in das Thal des Tessin eintrat, hatte er
schon die ersten Reize italienischer Natur reichlich genossen, schon um-
gaben ihn Weingärten.
Der Zugang zum Lukmanier ist auf der deutschen Seite noch ein-
mal gesperrt. Es ist im Vorderrheinthale zwischen Reichenau und Ilanz
unmöglich, den Weg dem Laufe des Vorderrheins folgen zu lassen, da
der Flufs sich unterhalb der Landschaft Gruob eine Schlucht durch das
entgegenstehende Gestein, durch die 700 m mächtige Geröllmasse des von
den Geologen in die Eiszeit verlegten Flimser Bergsturzes, des gewaltigsten,
den die Alpen weit kennt, gegraben hat. Ein Weg am Flusse war und
ist unmöglich. Die Strafse sucht von Reichenau (586 m) das sonnigere
rechte Rheinufer auf, steigt hier durch den Flimser Wald über die
Trümmer bis über ein Niveau von 1100 m empor, um sich dann über
Laax dem Rheine wieder zu nähern, der bei Ilanz in einer Höhe von
691 m wieder erreicht wird.
7. Der Greinapa fs hat wohl niemals dem Handelsverkehr gedient,
obwohl er nicht viel schwieriger sein konnte als der Lukmanier. Er geht
durch das Somvixthal empor, das aufserordentlich waldreich war und
noch ist. Wir werden sehen, dafs aber gerade Wälder den Verkehr noch
mehr abhielten, als Lauinen und Steinschlag. Der Eingang in das Thal
wird ähnlich wie beim Lukmanier gewonnen. Die gröfste Steigung ist
in der Frondscha zu überwinden, wo der Thalbach in schäumenden
Kaskaden das granitische Gestein durchbricht. Jenseits dieses Anstiegs
entdeckt man, dafs man nicht einen Grat erstiegen hat, sondern eine
Hochfläche. Erst nach langer Wanderung erreicht man die Pafshöhe
(2360 m). Der Abstieg in das Thal Camadra, das gleich dem Lukmanier
nach Olivone führt, ist sehr steil. Bauten zum Schutze der Reisenden
sind nicht vorhanden. Von der Hochfläche führt auch der Monterascio-
pafs (2260 m) nach Olivone.
8. und 9. Den beiden Pässen des Hinterrheins setzt sich ein gemein-
sames Hindernis am Nordfufse entgegen. Dasselbe Gestein, das den
Pässen selbst von Vorteil war, war auch ihr Feind. Zwischen die
Centralmassive der Adula- und Surettagruppe schieben sich vom Rhein-
waldthale her zwei Zungen dieses leicht zerstörbaren Schiefergesteines,
und in ihnen oder vielmehr an ihnen liegt der St. Bernhardin pafs und
der Splügen. Das Gestein erstreckt sich bis Thusis, und in dasselbe ist
die dort ausmündende Via mala eingeschnitten, während in der weiter
Geogr. Vorbediogungen vor Entdeckung des Gotthardweges. Q
oberhalb gelegenen Rofhaschlucht der Rhein sich durch den Granit einen
Weg bahnen mufste.
Wandern wir einmal mit den mittelalterlichen Eaufleuten. In
Reichenau, an dem Zusammenflüsse von Vorder- und Hinterrhein, bog
der Weg aus dem langen Vorderrheinthal in das Querthal, das sich
nach dem Engpasse von Juvalta zu einem freundlichen und fruchtbaren
Thale erweitert, dem Domleschg. Zahlreiche Burgen krönen hervor-
springende Felsen, der Anbau geht hoch bis an die Hänge, ja auf dem
linken Ufer, dem sogenannten Heinzenberg bis zur Höhe des Kammes
hinauf. Es ist der Garten Graubündens, auf den der Weg am Fufse
des Heinzenbergs freien Ausblick gestattet. Bei Thusis verändert sich
aber völlig der Charakter der Gegend. Die wildschäumenden Wogen
des Hinterrheins treten aus schauerlichen Gründen heraus, durch die
niemand sich wagte. Erst unser Jahrhundert hat den ersten Abschnitt
der herrlichen und schrecklichen Via mala bezwungen, nachdem schon
vorher ein sehr schlechter Pfad bestanden. Bis dahin mufste der
Wanderer gleich oberhalb Thusis am Ufer der Nolla emporsteigen, die
erst seit der Entholzung sich aus einem unschädlichen Gebirgsbach in
ein berüchtigtes Wildwasser umgewandelt hat, um dann die Eingangs-
spalte der Via mala zu umgehen und sich zu dem Wiesengehänge von
Rongella zu senken. Dann betrat der Wanderer den zweiten Teil der
Schlucht und den Weg, der nicht umsonst Via mala hiefs. Die zwischen
den oft senkrecht, stets aber äusserst steil ansteigenden Felswänden ein-
geklemmte, von Lauinen- und Felsstürzen nicht freie dämmrige Schlucht
hat noch heute an mehreren Stellen erhebliche Stücke des alten Weges
erhalten. Sie war unzweifelhaft eine kühne Anlage und machte denen,
die sie im fünfzehnten Jahrhundert geschaffen, alle Ehre. Dann erfreut
sich das an den Schrecken gewöhnte Auge an dem sonnigen Anblicke
der Landschaft Schams. Sie ist der Thalboden eines alten Sees, der be-
stand, bis der Rhein sieh durch das zerfressene Gestein der Via mala
einen Ausweg geschaffen hatte. Nach oben hin wiederholt sich das noch
einmal. Auch das Thal Rheinwald ist ein alter Seeboden und die Rofna-
schlucht, durch die man diese obere Thallandschaft erreicht, ist das Gegen-
stück der Via mala, wenn auch in etwas milderen Formen sich dar-
bietend.
So lange nicht die Via mala erbaut war, also bis zum 15. Jahrhundert,
war die Verbindung der Landschaft Schams und Rheinwald und unserer
beiden Pässe mit Thusis, wenn man sich nicht dem Pfade, der den Namen
Via mala schuf, anvertrauen wollte, nur auf einem höchst beschwerlichen
Umwege möglich, der westlich den Felsenschlund der Via mala und der
Rofna umging. „Ein 6' breiter gepflasterter Weg, angeblich ein Römer-
werk, von dem hier und da noch Überbleibsel vorhanden sind, führte
\Q £rBtes Kapitel.
vom Heinzenberg über die NoUa bei Thusis, durch den sogenannten dilrren
Wald oberhalb der Dörfer Lon, Mathon und Wergenstein, über die Alpen^
Arosa und Sufers nach dem Dorfe Splügen ^/ Ohne selbst diese Höhen
aufgesucht zu haben, kann man aus den Karten doch wenigstens einige
Sicherheit gewinnen. Von der südnördlichen Kette, die sich dann im
Heinzenbergrücken fortsetzt, zweigen sich zwei nach Osten streifende
Ketten ab. Die vom Piz Beverin wird von der Via mala durchsägt.
Giebt es einen Weg, der über sie der Richtung der Via mala parallel
hin wegführt? Die Siegfried-Karte verzeichnet Strafsenstücke im Dürren-
wald, welche in einer Höhe von 2204 m eine Lücke des Kammes über-
schreiten. Das ist offenbar der Weg, den Bavier*, Neumann u. a. im
Auge haben. Es würde dann der Weg entweder von Thusis (746 m)
am linken Ufer der NoUa steil hinaufgeführt, den Bach „im Loch*' über-
schritten und dann sehr steil die Pafshöhe, die fast 100 m höher als der
Splügen selbst ist, erklommen, oder den Thalboden des Heinzenberges
und Thusis gar nicht berührt haben. In der That ist eine fast stets gleich-
hochlaufende Verbindung zwischen der Stelle „Im Loch" mit dem Ein-
gang ins Domleschg über Rhäzuns vorhanden. So haben Meyer ^ u. a.
sich den Lauf der Strafse von Rhäzuns (648 m) gedacht, dafs sie sofort
emporstieg, um den Engpafs von Juvalta zu umgehen. Bei Praz
(1186 m) wäre dann die Höhe erreicht gewesen, die über Partein und
Urmein (1273 m) bis im Loch beibehalten wäre. Der Übergang über
die zur Rofna-Schlucht führende Kette liegt einigermafsen sicher fest.
Von Sufers am Hinterrhein führt der Weg bis zur Pafshöhe von 2079 m,
von dort setzt er sich senkend nach Donath in der Landschaft Schams
herunter. Das Verbindungsglied ist aber auf der Karte nicht verzeichnet,
alle heutigen Pfade führen von den Höhen ins Thal von Schams hinab,
und hier handelte es sich doch um einen Weg, der möglichst wenig von
der Steigung einbüfsen durfte, also jedenfalls hoch über Donath abbog.
Das aber liefs sich nur erreichen, wenn er die z.T. tief eingeschnittenen
Wasserläufe in ihren obersten Teilen, also auf der weitläufigen Alp
Annarosa umging. Absolute Hindernisse sind da nicht vorhanden. Dieser
Weg war also eine aufserordentlich lange Umgehun|; der Via mala in
der Alpenregion hoch über allen bewohnten Orten und oberhalb des
Baumwuchses, wobei die höchste Stelle sich noch über den Splügen erhob.
Unter solchen Umständen war ein regelmäfsiger auch den Winter über-
dauernder Verkehr kaum möglich.
* Worte Karl Neumanns in seinen mir vorliegenden Aufzeichnungen über
die Alpenpässe. Vergleiche die Nebenkarte.
« S. 12.
» S. 138. Ba vi er, Die Strafsen der Schweiz S. 12.
Geogr. VorbedinguDgen vor Entdeckung des Gk)tthardwege8. H
Vom Dorfe Splügen ab trennen sich die beiden Pafswege. Der zum
St Bernhardin oder Vogelsberge (2063 m) durchzieht noch, soweit
menschliche Wohnungen reichen, das Rheinwaldthal, dessen alte Waldungen
erheblich gelichtet sind. Das Dorf Hinterrhein (1624 m) liegt der Quelle
des Rheins am allemächsten , es ist ein gegen die Gletscherwelt des
Rhein Waldhorns vorgeschobener Vorposten. Die Strafse verläfst oberhalb
des Dorfes den Thalboden und erklettert die Alpenterrasse der Thäli-Alp,
von wo dann in sanfterem Anstiege die Pafshöhe (2063 m) erreicht wird.
Auf ihr liegt der Lago Moesola, und * Platten- Messela* war ein alter Name
des Passes. Von hier fkUt das schöne Misox in vier grofsen Thalstufen
steil abwärts. In scharfem Abstiege wird die erste erreicht, auf der das
Dorf San Bernardino (162G m) liegt, wie auf der nächsten S. Giacomo
(1146 m), auf der dritten leuchten uns unterhalb des Dorfes Mesocco (777 m)
die prächtigen Ruinen der stolzen Burg der Freiherm von Sax entgegen,
auf der vierten beginnt der Weinbau und bei Cama (384 m) begegnet der
erste im Freien ausdauernde Feigenbaum. Erhebliche Hindemisse sind auf
der ganzen Strecke nicht vorhanden, wenn der Pafs auch nicht gerade
als bequem und gefahrlos bezeichnet werden kann.
Dasselbe gilt nicht vom Splügen (Pafshöhe 2117 m)^ Schon auf
der Nordseite ist der Weg durch Lauinen und Schneestürme gefährdet,
ganz besonders gilt das aber von der Südseite. Ob man den östlichen
oder westlichen Hang des St Jakobsthaies wählte, man geriet im Thal
des Liro in den Bereich zahlreicher Lauinenzüge, die steilen Bergwände
sind von kolossalen Rufen durchzogen und selbst nicht wetterfest. Die
Schlucht des Cardinello ist am berüchtigtsten. Auch die heutige Chaussee
mufste mehrmals ihre Richtung verlegen. Bei dem Dorfe Isola ist man
bereits bis auf 1277 m gesunken und bei Chiavenira (317 m) ist man
ganz inmitten oberitalienischer Flora.
10. und 11. Dem System dieser Hinterrheinpässe läuft parallel das der
beiden, welche nach Norden zum Hinterhalbsteiner Rhein ihr Wasser ent-
senden: Septimer und Juli er.
Dem fruchtbaren lieblichen Domleschg hat freilich das Zwillingspaar
der Hinterhalbsteiner Pässe kein Paradies an die Seite zu stellen. Die
Wanderung an der Plessur, dann der Rabiosa aufwärts zeigt weit ernstere
Bilder und jenseits der Pafshöhe von Parpan (1551 m) tritt der Weg auf
das alte Flufsgeröll der Lenzer Heide, um sich dann recht steil zu dem
tiefliegenden Schlüssel von Oberhalbstein, nach Tiefenkasten (850 m) zu
senken. Bis dahin machte sich der Weg einen alten Thallauf des Ober-
halbsteiner Rheins zu nutze. Die Durchsägung des Schynpasses entleerte
dann das Flufsgebiet nach dem Domleschg und so entstand die übrigens
^ Vgl. Berger, Die Septimerstrafse S. 43.
12 Erstes Kapitel.
erst seit Erbauung der neuen Strafse recht nutzbar gewordene Ablenkung
eines Teils des Verkehrs nach dem westlichen Parallelthale.
Der Name „Tiefenkasten*' charakterisiert den Ort ausreichend — es
ist das tiefgelegene Kastell. Der Weg nach Oberhalbstein geht an dem
rechten Ufer der Julia aufwärts und hat sehr bald eine ernste Schwierig-
keit zu überwinden. Vom Piz St. Michel drängt eine Bergnase an den
Flufs, der in tiefer Schlucht sich an ihm entlang windet. Hier mufste
der Pfad sich an den Absturz anschmiegen. Fast eine Stunde dauert
das Defilö. Das war der Stein ^ nach dem das Thal seinen Namen
erhielt : Oberhalbstein (lat. Supra saxum, rom. Sur seisa). Man tritt nun
in den ersten der terrassenft3rmig hintereinander aufsteigenden Thalkessel.
In ihm liegt als bedeutendster Ort Tinzen (1240 m), von dem wir mehr-
mals werden zu reden haben. Aus diesem noch Ackerbau treibenden Thale
führt durch eine von Tannenwäldern verdüsterte Schlucht der Weg in den
Kessel von Roffna, dessen Thalsohle sumpfig ist. Der nächste von Molins
(1461 m) ist der kleinste, in ihn münden eine Reihe von Alpenschluchten.
Der Aufstieg zur nächsten Thalmulde wird durch die Ruine Splüdatsch
bewacht. In diesem Kessel hat der Feldbau sein Ende gefunden, noch
aber steigt der Wald an den Lehnen empor. Vor Marmorera (Marmels)
liegt ein starkes Felsennest, die Burg gleichen Namens, an deren Fufs
einst der Weg entlang führte. Dann gelangt man in die oberste Thal-
stufe, die baumlose Wiesenmulde von Stalvedro und Bivio ; früher trugen
die sumpfigen Hänge noch Wald. Inmitten dieser schutzlos den Nord-
winden preisgegebenen Öde liegt Bivio oder Stalla. Die Namen sind
schon bezeichnend: Stalla der Stall und Bivio der Zwieweg, die Weg-
scheide. Hier ist in der That die Stelle, wo sich der Septimer und
Julier gabeln.
Von Bivio geht der Septimerweg durch Wiesen eine breite allmählich
ansteigende Fläche aufwärts, wohl sind sie manchmal sumpfig, sonst
bieten sie aber kaum eine Schwierigkeit dem Reisenden dar. Die Pafs-
höhe (2311 m) enthält auch die Ruinen des Hospizes. Von dieser Stelle
an verändert sich der Charakter des Weges völlig; denn er hat nun bis
Casaccia (1460 m), das (in der Projektion) nicht halb so weit liegt als
Bivio, von wo der Anstieg eine NiveaudifFerenz von nur 535 m ergab,
eine Differenz von 851 m auszugleichen. Zum Abstieg mufs das Defil^
des Septimerbaches benutzt werden, und dessen Gefäll ist so beträchtlich,
dafs hier zahlreiche Kehren angelegt werden mufsten, um überhaupt den
Pfad benutzen zu können. Wegeanlagen waren durch Wasser und
Rufen bedroht. Zickzackanlagen mufsten auch noch beim Austritt aus
der Val Marozzo oberhalb Casaccia angewendet werden. Im übrigen
erfolgt der schwierige Abstieg an der Sonnenseite und hat Lauinenzüge
vermieden. So bot dieser Pafs einem rüstigen Fufsgänger keine Schwierig-
Geogr. VorbediDgUDgen vor Entdeckung des Grotthardweges. 13
keit. Er yerband am direktesten die Einlafspforte Chur mit der lombar-
dischen Tiefebene, er bot nur an den Felsen oberhalb Tiefenkasten ernst-
liche GefahrcD, so war er flir seinen Verkehr in gleicher Weise begünstigt,
wie der Grofse St Bernhard.
Der Septimer ist aber ein Zwillingspafs und der Juli er bietet
manche andere Vorteile dar. Der An- und Abstieg ist nicht sehr
bedeutend, da Bivio 1776 m, Silva Plana 1816 m, der Scheitel aber nur
2287 m hoch liegt. Der Pafs ist vor allen andern schneefrei und Lauinen
kaum ausgesetzt. Er würde also unfraglich den Septimer völlig in den
Schatten gestellt haben, wenn er nicht in die verkehrte Richtung führte.
Unmittelbar am Septimer, am Piz Lunghino liegt die Wasserscheide
zwischen Nordsee, Mittelmeer und Schwarzem Meer. Der Septimer führt
aus dem Gebiete des Rheins in das des Po, der Julier aber in das der
Donau, näherhin des Inn. Durch einen zweiten Pafs mufs also das Ge-
biet des Pos erreicht werden, und das geschieht durch den Maloja-Pafs,
den niedrigsten der Alpenpässe (1817 m). Der Weg führt an den Seen
von Silvaplana und Sils zur Felsenschwelle des Engadin hinauf, wo
gegen Italien zu sich ein plötzlicher Felsenabsturz (von 300 m) aufthut.
Im Schatten herrlicher Fichten vollzieht sich der Abstieg. In Casaccia
treffen sich Septimer und Julier. Wer von Bivio aus den Julier benutzte,
hatte die beiden Seiten eines spitzwinkligen Dreiecks abgegangen, der
Wanderer über den Septimer aber nur die Grundlinie.
Ein letztes mehr militärisches Hindernis stellt sich der Strafse, welche
von den beiden Pässen des Bergell hinabführt, in der Mitte desselben
vor Promontogno entgegen. Ein scharfer Bergesgrat tritt von der Höhe
hier bis an die Mera heran, mit seiner Klippe ein natürliches Hindernis
darbietend. Es lag nahe, diese schmälste Stelle des Thaies durch eine
Mauer abzuschliefsen und nur eine Porta offen zu lassen. Die Burg
Castelmur sperrte den Eingang *. Unterhalb wird Vegetation und Kultur
immer südlicher, bis man in Chiavenna die erste italienische Stadt
begrüfsen kann.
Auch im Süden werden die Pafsstrafsen an mehreren Stellen zu
Bündeln zusammengefafst, doch nicht wie im Norden an zwei weit von
einander getrennten Stellen. Hier fehlt die lange Parallelkette des
Nordens, der Abstieg, der auf italienischer Seite weit steiler ist, führt
nicht wieder in Längsthäler, sondern in die Lücken, welche zwischen
den Gruppen des arg zerrissenen Gebirgslandes sich gebildet hatten.
Schon innerhalb desselben vereinigen sich mehrere Strafsen. Die so
entstehenden Strafsensysteme sind jedoch mehrfach miteinander durch
bequeme Zwischenpässe verbunden, und so bildet sich ein weit ver-
^ Sitnationsplan bei Bavier, Die Strafsen der Schweiz Tafel IV.
14 Erstes Kapitel.
wickelteres Netz, das aber schliefslich auf einen Punkt alle Vorteile
vereint.
Die westlichste Gruppe wird noch innerhalb eines Hochgebirgsthales :
in Aosta zusammengefafst. Zwei Pässe des Wallisersystemes vereinigen
sich mit einem Passe des Savoyischen Berglandes. Dieses ist der kleine
St. Bernhard, der das Thal der Dora Baltea mit dem der Isire, also mit
Vienne und Lyon verbindet. In das erstere Thal münden dann bei Aosta
selbst die Wege über den Grofsen St. Bernhard und den Theodulpafs ein.
Es ist begreiflich, dafs Augustus an dieser Stelle, um die räuberischen
Salasser endlich zur Ruhe zu bringen, eine Kolonie anlegte, Augusta
Praetoria Salassorum, die noch heute durch den Kranz der antiken Stadt-
mauer eingefafst wird. Augustus sicherte durch ihre Anlage die Benutzung
der Pässe. Eine höhere Bedeutung als Handelsstadt hat aber Aosta
niemals erreichen können, war es doch nicht etwa am Ausgange eines
Thaies belegen, vielmehr von dem Flachlande noch durch einen Engpafs
abgeschnitten, den heute das Fort Bard sperrt, das Napoleon, als er 1800
mit seiner Reservearmee vom Grofsen St Bernhard herabstieg, die ernsteste
Verlegenheit bereitete. Diesen Engpafs konnte auf leidlichen Wegen der
Verkehr nicht umgehen, erst unterhalb von Ivrea, dem römischen Eporedia,
öffnet sich das Land zu Füfsen der Berge: Piemont. In ihm vereinigen
sich die Strafsen vom Apennin, von den See- und den Savoyischen Alpen,
sowie die, welche aus dem Thale von Aosta kommen.
Ein zweiter Vereinigungspunkt von erheblich geringerer Bedeutung
ist Vergogna im Thale der Tosa, wo die in diesem vom Simplonpasse
herabkommende Strafse die aus dem Anzascathale und vom Monte Moro
aufnimmt. Der Weg führt den Flufs abwärts zum Lago Maggiore oder
am Orta-See entlang auf Novara.
Erheblich deutlicher bezeichnet ist der dritte Punkt. Es ist der Ort,
der das Tessinthal beherrscht: Bellinzona. In der letzten Thalenge des
Tessin gelegen dokumentiert es sich dem, der vom Gotthardpasse herunter-
kommt und in ihr die erste Stadt italienischen Charakters begrüfst, durch
die drei mittelalterlichen Burgen als die natürliche Deckung der Gott-
hardstrafse. Doch schon vor der Eröffnung dieses Weges war es ein
Schlüssel zu mehreren Alpenpässen. In das Livinenthal tritt bei Biasca
die Strafse, welche über den Lukmanier nach Disentis an den Vorderrhein
führt, und mit ihr verbunden der Weg vom Greinapasse. Dicht oberhalb
Bellinzona mündet die Strafse von S. Bemhardin ein. Also schon im
Frühmittelalter sah dieser Ort manchen Wanderer, während das heute
so belebte obere Livinenthal damals so still und weltentlegen war, wie
noch heute das nachbarliche Val Maggia.
Von Beilenz, dem römischen Bilitio, gabelt sich der Weg, der zur Po-
ebene fuhrt. Der Lauf des Tessin führt die einen zum Lago Maggiore, die
Geogr. Vorbedingungen vor Entdeckung des Qotthardweges. 15
andern übersteigen den Monte Cenere, um nach Como zu gelangen.
Jene Richtung tritt in Verbindung mit der Strafse, die von Vergogna
kommt, diese mit den Wegen, die sich bei Chiavenna vereinigt haben.
Jene strebt möglichst schnell dem Wasser zu. Wer ihr folgte, muGste
das Schiff besteigen, denn weder am westlichen Ufer des Lago Maggiore,
noch am östlichen, wo die Strafse ja noch heute fehlt, gab es eine durch-
laufende Verbindung. Der Langensee trug auf seinem Rücken allen
Verkehr. Wie bei allen Alpenseen hat sich die Gestalt auch dieses Sees
selbst in historischer Zeit beträchtlich verändert Der Tessin bringt
erhebliche Massen von Geröll in den See, ihn langsam mit den Senk-
stoifcn füllend. Die Verlandung des Tessin hat heute Magadino erreicht,
das nur deshalb von den Schiffen noch besucht werden kann, weil hier
der Flufs selbst einmündet und genügende Fahrtiefe darbietet. Magadino
war für den Alpenwanderer der natürliche Hafenplatz, er kam hier sofort
auf das linke Ufer des Tessin, den sein Weg nicht verläfst. Heute —
und schon im späteren Mittelalter — hat bekanntlich Locarno den Ver-
kehr an sich gezogen. Die westlich von dieser Stadt einmündende
Maggia würde, wenn sie geröllreicher wäre, längst mit ihrem Delta den
obersten Teil des Sees abgeschnitten haben. Da das aber nicht der Fall ist,
bietet Locarno den besten Hafenplatz am Kopf des Sees. Wer aber von
Bellinzona nach Locarno wollte, mufste zuvor das breite, veränderliche
Geröllbett des Tessin überwinden.
Am Strande von Magadino oder Locarno nahm der Kaufmann, der
von den Alpen herabstieg, die Warenballen vom Rücken seines Lasttieres,
und in sicherer Fahrt trug die Barke des Fremden Gut nach Arona
an das südlichste Gestade des Sees oder vielleicht gar weiter den Tessin
und Po abwärts. Bei der Fahrt über den herrlichen See mochte der
Wanderer der Schrecknisse, welche die Alpenwelt ihm gezeigt hatte, ver-
gessen, denn ihrer Schönheit wurde er, umgeben von Fährlichkeit, Not
und Tod, kaum gewahr. Die Furcht hat den Genufs der Gebirgsnatur
lange verhindert.
Aber nur ein Teil der Kaufleute hat die Fahrt auf dem Wasser der
Landreise vorgezogen. Diese führte über die Depression des das linke
Ufer des Tessin begleitenden Gebirges über den Monte Cenere (553 m),
dann im Agnothal zum Luganersee und wiederum einen niedrigen Sattel
überschreitend nach Como. Hier am Südfufse des anderen grofsen lom-
bardischen Fjords treffen wir den vierten Vereinigungspunkt der Strafsen,
dessen Bedeutung jedoch erst klar werden kann, wenn wir die Schlüssel-
stadt Chiavenna besprochen haben.
Hier lenken von Norden die Splügenstrafse und von Osten das
Bündel der Bergellerpässe zusammen, d. h. der Septimer und über den
Maloja auch der Julier. Keiner der Pässe führt noch zum Gotthard
\Q Erstes Kapitel.
oder Vorderrhein hinüber, sie dienen zur Verbindung mit dem Gebiete
des Hinterrheins, der Malojapafs erschliefst aber auch das Längsthal des
Inns, des Engadin, und führt also mitten in den Zug der Ostalpen
hinein. In den Zeiten des früheren Mittelalters war dieses heute stark
besuchte Thal aber aufserhalb des Verkehrs; man darf nicht vergessen,
dafs der mittelalterliche Kaufmann möglichst schnell das Alpengebiet
durchqueren und möglichst bald aus den Regionen fortkommen wollte,
die heute — allerdings nur in wenigen Sommermonaten — die Freude
Tausender geworden sind.
Chiavenna liegt noch ebenso tief im Gebirge wie Aosta, dem Wanderer
steht nur die eine Strafse zum Comersee offen. Noch in historischer Zeit
war das Haupt des Sees von Chiavenna nur 7 km entfernt, der Name von
Samolaco — summus lacus — beweist das. Heute hat die Mera mit ihrem
Gerolle erhebliche Strecken zugefullt, und von der Seite aus ist das
Delta der aus dem Veltlin fliefsenden Adda so angewachsen, dafs es vom
Comersee den Lago di Mezzola abschnürte. So ist heute Samolaco 16 km
von dem Haupte des Comersees entfernt, und als Ort der EinschiflFiing
dient jetzt Colico. Hier mündete auch das reiche Veltlin ein, und das
Wormserjoch war ein viel begangener Pafs. Trotz seiner Höhe (2512 m),
trotzdem es noch die Überschreitung der Reschen - Scheideck (1494 m),
die Überwindung des Finstermünzpasses und endlich noch des Fern-
passes (1210 m) erforderte, hat es manchen Kaufmann angezogen.
Der Gletscher, der einst das Felsenbecken des Comersees füllte, war
in seinem unteren Teile in zwei Zipfel gespalten. Der westliche läuft gegen
Como blind aus, das von den Gipfeln der Endmoräne umgeben ist. Como
hat also nicht den Vorteil, durch eine natürliche Wassers trafse mit der Po-
ebene verbunden zu sein. Aber auch dem anderen Arme fehlte in älterer
Zeit dieser Vorteil : wohl entfliefst ihm bei Lecco die wasserreiche Adda,
diese bildet aber bei Merate Stromschnellen. Auf 2V2 km verteilt sich
ungleich das Gefälle von 27 m, sie machten jede Schiffahrt unmöglich und
forderten die Anlage eines Seitenkanales.
Die Reihe der inneren Konzentrationspunkte: Aosta, Vergogna,
Bellinzona und Chiavenna hat noch eine Ausdehnung von 178 km, immer-
hin schon 33 km weniger als die Front vom Haupt des Genfersees bis
nach der Mündung der Landquart; die Austrittspunkte der Pässe in die
Ebene Ivrea, Arona, Como und Lecco nehmen eine Front von nur 126 km,
wenn wir von Lecco absehen, gar nur von 97 km ein. Diese Ziffern
zeigen, in wie hohem Mafse die Pässe nach dem Mittelpunkte der Poebene
konvergieren.
Geogr. Vorbedingangen vor Entdeckung des Gotthardweges. 17
Zweites Kapitel.
Fortsetzung.
ZMe des Verkehrs im Süden. Genua oder Piacema. Lage von Genua. Pässe.
Schwierigkeiten im Apennin. Piacema, die letzte Brückenstadt am Po, Unterhalb Meer
und Land nicid definitiv geschieden. MittelaUerlidie Brückenschlage unterhalb. Lage von
Boncaglia. Mailandy die Stadt der Mitte. Gunst der Lage. Die fehlende VerbindtMg
mit den schiffbaren Gewässern schuf es selbst.
Divergent des Verkehrs im Norden. Gründe. Die Fortseteungcfi: KunkdspafSy das
Bheinihal, Bheineck. Lücke des Walensees, Zürich. Die Pforte an der Rfiöne. Ziele
des Verkehrs. Hindernis ; Jura. Pässe von Poniarliery von Äugst : Oberer und unterer
Hauenstein, Bötzberg. Verkehr in der Längsrichtung der Hochebene. Hydrographische
Pforte der Schweiz. Bodensee. Konstanz. Basel. Strafslmrg.
Der Verkehr, der von Deutschland nach Italien über diese Pässe
ging, hatte noch weitere Ziele, als die Poebene zu erreichen. Erst
wenn man über diese sich klar geworden ist und auch den anderen
Gebirgsrand der Poebene gewürdigt hat, kann man sich von den Voraus-
setzungen des Handels und des Verkehrs auf der weiten Fläche selbst
eine richtige Vorstellung machen.
Das Ziel des Wanderers, der von Norden kommt, treibt ihn ent-
weder zur Küste des ligurischen oder adriatischen Meeres, nach Genua
oder Venedig oder er sucht auf dem Landwege die südlicheren Land-
schaften der Halbinsel zu erreichen.
Die Gestaltung des Apennins hat die eigentümliche Folge, dafs von
der Lombardei aus kein Pafs über seinen Rücken an die ligurische
Küste führt, der in den Zeiten des früheren Mittelalters und auch des
späteren einem regeren Verkehre gedient hätte. Es ist ganz dieselbe
Erscheinung, wie sie bis zur Entdeckung des St. Gotthardes auf der
Alpenfront zu Tage trat. So konzentriert sich der nordsüdliche Verkehr
auf zwei Stellen. Im Westen auf das Gebiet, wo der ligurische Meer-
busen am tiefsten in das kontinentale Italien eingreift, und zugleich am
meisten diesem Meere die Poebene sich nähert; hier, bei Genua, sind die
meisten und besten Übergänge über den Apennin; im Osten vereint sich
der Verkehr auf den letzten sicheren Poübergang, auf die Stadt, mit der
der Strafsenzug längs des Apennin, die Via Emilia, anhebt, von ihr
gehen dann alle weiteren südlicheren Apenninpässe aus.
Die Lage von Genua vereinigt seltene Vorzüge. Hier am innersten
Punkte des ligurischen Meerbusens bot sich ein kleiner natürlicher Hafen;
wie das Meer möglichst tief vordrängt, so schiebt sich von der Poebene
aus zwischen das Bergland von Montferrat und in das Gefüge des
Apennin die Bucht von Alessandria ein, zugleich senkt sich der Kamm
des Gebirges so sehr herab, dafs eine gröfsere Anzahl von Pässen die
Verbindung zwischen der Küste und der Poebene vermittelt.
Schalte, Oesoh. d. mittelalterl. Handels. I. 2
lg Zweites Kapitel.
Ah genuesische Pässe sind zu beanspruchen der Passo del Turchino
(Pafshöhe 532 m), der Passo la Bocchetta (722 m), der Passo i Giovi
(472 m) und der über den Col de la ScofFera (678 m) ^ Der erste ver-
läfst die Küste bei Voltri mehrere Stunden westlich von Genua und
führt nach Ovada und weiter nach Alessandria und Acqui. Diese StraTse
vermittelte wohl vor allem den Verkehr, der nach Piemont weiter ging,
es war also auch die Route derer, die von Ivrea aus direkt über Chivasso
durch das Bergland von Montferrat nach Acqui und Genua wanderten.
Die wichtigste Strafse des Mittelalters für den Verkehr nach der
Lombardei war die Bocchetta, welche bei Ponte Decimo das Thal ver-
läfst und jenseits der Pafshöhe das Lemmethal erreicht. Die Strafse war
gesperrt durch das Städtchen Gavi, von dort geht der Weg weiter auf
Alessandria oder nach Tortona. Alessandria ist fast die einzige Stadt
Italiens, welche das Mittelalter ohne jede Anlehnung an einen antiken
Ort und zwar als eine Festung gegründet hat. Sie sperrt die Übergänge
nach Ligurien, wie den östlichen Zugang zu dem Passe von Stradella,
der in der italienischen Kriegsgeschichte eine hervorragende Rolle spielt
und von dem bald näher zu reden ist.
Die andere von Pontedecimo ausgehende Strafse berührt nicht
Alessandria, die römische Via Postumia, welche dem heutigen Zuge zu
Grunde liegt, führt vielmehr vom Thal der Polcevera hinüber ins Thal
der Scrivia nach dem heute verlassenen Libarna, dann durch den Eng-
pafs von Seravalle nach Tortona (Dertona). Die Römerstrafse überschritt
nicht den Po, sondern begleitete sein rechtes Ufer, durchzog die Stelle, wo
der von der lombardischen Ebene durch ihre Neigung abgelenkte Strom
hart an den Fufs des Apennin tritt, — eben den Pafs von Stradella und
erreichte in Piacenza die AniUnge der zum adriatischen Meere gewandten
Seite Italiens.
Eine ganz andere Seite des Gebirges durchbricht die letzte der vier
Strafsen, die über den Col de la Scoffera. Sie steigt östlich von Genua
über die Wasserscheide zu den Quellen der Scrivia, wendet sich aber
wieder zum Kamme (855 m), um sich dann in das Thal der Trebbia zu
senken. Die Richtung dieses Flusses führt nach Piacenza hinüber, aber
der Weg ist weit und höchst unbequem. Diese nördlichste Ausbiegung
des Apennin besteht aus Thonarten, welche der Erosion sehr ausgesetzt
sind, das Thal des Wildbaches birgt nur an einzelnen Stellen den Weg,
das Gestein ist für Wegebau viel zu nachgiebig, so sucht der Weg oft
die Höhe auf, und da die Trebbia sich durch eine Reihe von quer,
streichenden Zügen hindurcharbeitet, mufs der Saumpfad öfters steigen
^ Von den Pässen von Savona sehe ich hier ab. Über ihre Geschichte vgl.
Bulietino deiia societä storica Savonese I (1898) S. 11 ff.
Geogr. Vorbedingangen vor Entdeckung des Gotthardweges. 19
und fallen^. Einen lebhaften Verkehr konnte er nicht in die armen,
menschenleeren und unfruchtbaren Apenninlandschaften bringen.
In die nach Norden sich hinziehenden Abhänge dieses Gebirges sind
mehrere Torrenten eingeschnitten, welche meist wasserleer sind, nach
einem starken Regen aber zu wütenden Wassern anschwellen. Nur an
der Staffora führt von Voghera aus ein Saumpfad zur Höhe hinauf,
welche bei Bobbio von Norden her senkrecht in den eben besprochenen
Saumpfad von Genua und Torriglia nach Piacenza einmündet.
Piacenza ist einer der wichtigsten Brennpunkte Italiens. Die Lage der
Via Emilia, welche bei Rimini die Meeresküste verläfst, ist nicht allein
durch den Apennin bestimmt, an dessen Fufse sie bis Piacenza entlang
zieht, eine Reihe von wichtigen Randstädten verbindend. Es war auch
das Bedürfnis der Römer, diese vielleicht wichtigste aller Römerstrafsen,
welche sich der Achse der Halbinsel möglichst anschmiegt, nicht aus dem
Bereiche geschützter trockener Striche zu bringen. Weiter nach Nord-
osten begann das Land amphibischer Art, wo Wasser und Erde mit-
einander ringen oder doch rangen, das Gebiet der Verlandungen und
Überschwemmungen, das Terrain, das noch unfertig war. Bei Piacenza
erreicht die Emilia den Po. Weiter unterhalb könnte die Strafse
höchstens noch bei Cremona einmünden, dann aber beginnen die fort-
laufenden Deiche, deren Zug den Flufs, seine Arme und die Kanäle
nun bis zum Meere geleitet^.
Piacenza am rechten, Cremona am linken Ufer sind die letzten echten
auf altgefestigtem Boden entstandenen Städte, dann beginnt das weite Delta
und Lagunengebiet mit seinen eingelandeten oder noch kämpfenden Haff-
städten, mit jenen Meeresherrscherinnen kurzer Dauer wie Adria, Ravenna
und auch Venedig, ein Gebiet, in dem das Netz von Wasseradern, Flufs-
armen, künstlichen Kanälen nicht allein aus einem Strom seine Wasser-
massen erhält, sondern auch von der Etsch und Brenta gespeist wird.
Das Schiff ist in diesem Gebiete das Bewegungsmittel. In diesem weiten
Bereiche ist der Schiffer der Herr. Ein solches Land setzt jedem Truppen-
durchzuge die gröfsten Hindernisse entgegen, und so mufste die römische
Militärstrafse es umgehen. Die letzte Brückenstadt ist Piacenza und
Cremona, obwohl hier sehr spät, erst in unserem Jahrhundert, eine Brücke
gebaut wurde, unterhalb hat erst die neueste Zeit Brücken errichtet, vor-
her waren nur Fähren vorhanden. Eine stehende Brücke hat auch bei
^ Für den Anteil von Parma verglich ich die Karte des österr. Generalstabs
von 1828.
^ So viel ich auf der Carta topografica dei ducati di Parma, Piacenza e
Guastalla 1828 Blatt II ersehen kann, beginnen die Deiche des rechten Ufers sogar
schon unterhalb Roncaglia, oberhalb sind oder waren sie nur streckenweise vor-
handen.
2*
20 Zweites Kapitel.
Piacenza erst der Bau der Eisenbahn veranlafst, für den übrigen Verkehr
dient eine Schiffsbrücke.
Im Hochmittelalter trug der Strom nur selten von Piacenza ab eine
Brücke. So berannte Friedrich II. die neue Brücke, welche die Piacentiner
oberhalb ihrer Stadt an der Mündung des Lambro erbaut hatten, und
liefs durch die Paresen den Versuch machen, unterhalb eine Brücke über
den Flufs zu schlagen*. Noch kühner war wohl der Bau der Kriegs-
brücke bei Bugno, die Enzio im Winter 1247/8 mit den Bewohnern von
Cremona und Ferrara errichtete, um der Stadt Parma die Verbindung nach
Norden abzuschneiden. Sie stand zwischen den heutigen Mündungen der
Parma und Enza^.
Der Po ist kein Freund der Städte, diese scheuen den gewaltthätigen
Strom. So ist Piacenza eine Ausnahme, es ist seine Brückenstadt xor^
i^ox^y. Sie deckt zugleich nach Osten hin den Pafs von Stradella.
Bei Piacenza lag ein Ort, berühmt in der deutschen und italienischen
Geschichte. Es ist Roncaglia. Auf die Ehre, die Stätte wichtiger Ver-
handlungen und das regelmäfsige Rendezvous der deutschen Mannschaften,
die zu einem Zuge über die Alpen entboten waren, gewesen zu sein,
macht zunächst der fünf Kilometer unterhalb Piacenza am rechten Poufer
gelegene Ort Roncaglia Anspruch. Der Platz wäre nicht ungünstig ge-
wählt. Den regelmäfsigen Ort der Versammlung soweit nach Süden ver-
legen, hiefs den Einzelnen bez. den Gruppen die Wahl des Alpenpasses
überlassen, ja ihnen den Ort, wo sie den Po überschreiten wollten, frei-
stellen. Roncaglia lag denen, welche über die Tiroler Pässe kamen, be-
quem, weiter unterhalb als Cremona war der Übergang für fremde Krieger
schwierig ; fUr die, welche Schweizer Pässe benutzten, war Roncaglia nur
dann ein Umweg, wenn der Zug nach Ligurien oder nach Piemont gehen
sollte. Das waren aber gewifs seltene Fälle. Es versammelten sich die
deutschen Streiter an der Stelle, wo die centrale Strafse der Halbinsel
beginnt, also unter der Annahme, dafs in dem kontinentalen Italien, im
Pogebiet, kein Widerstand zu besorgen sei.
Roncaglia liegt etwa fünf Kilometer von Piacenza an der Strafse nach
Cremona. Das Feld zur linken ist zum Teil den Überschwemmungen bez.
dem Druckwasser des Po ausgesetzt, es tritt hier ein alter Poarm bis
nahe an die Strafse heran, der jedoch vor Roncaglia wieder zurückbiegt.
Das sehr fruchtbare Ackerfeld rechts der Strafse hingegen ist völlig
inundationsfrei, und dort dürften die Beiwachten bezogen sein. Mir fiel
auf, dafs diese Gegend weit weniger Bäume inmitten der Ackerfelder
hat, wie das in der Lombardei der Fall ist. Wer diese mit ihren vielen
» Böhmer-Ficker 2529».
« Böhmer-Ficker 3663».
Geogr. VorbediDgangen vor Entdeckung* des Gotthardweges. 21
Wasserläufen y ihren Baum- und Strauchreihen kennt , weifs, wie wenig
die Reiterei heute in dem nicht htlgeligen Gebiete wirken kann. Es hat
la ohne Zweifel die Zahl der Bewässerungsgräben und auch wohl der
Bäume sehr erheblich zugenommen, aber schon im Mittelalter mufs
zwischen dem durchschnittenen Gelände der Lombardei und dem relativ
offeneren um Piacenza ein Unterschied bestanden haben. Weingärten
wechseln bei Roncaglia mit Ackerfeldern und Wiesen. Ein Lager bei
Roncaglia hatte also leidlich freien Ausblick, es war im Rücken durch
den Po geschützt, nach Cremona zu einigermafsen auch durch das Bett
der Nure, eines bösen Wildwassers vom Apennin, über dessen bei Ron-
caglia tief eingefurchtes Bett, das nicht wie die nächsten Torrenti Riglio
imd Chiavenna, Dämme zum Schutze der Gemarkung benötigt, eine dem
ersten Blicke nach zu urteilen, ziemlich alte Brücke führt.
Neuere Forschung hat gegen diese in Deutschland ganz allgemein
geltende Bestimmung schwere Gründe vorgebracht, die der Beachtung
sehr würdig sind^ Es wird in den Berichten über die Reichstage
niemals erwähnt, dafs die von Deutschland kommenden Herrscher oder
Mannschaften vorher den Po überschritten, vielmehr sind alle Angaben
der Quellen mit einem auf dem linken Poufer liegenden Roncaglia ver-
einbar, ja in einer Quelle ist ausdrücklich der Poübergang nach dem
Reichstage erwähnt^. Das bisher angenommene Roncaglia lag im Bis-
tume Piacenza, also Erzbistum Ravenna, und gehörte nicht mehr zur
Lombardei im engeren Sinne. Eine Curtis Roncallia gab es aber auch
auf dem linken Ufer des Po und an recht beachtenswerter Stelle, unmittel-
bar vor dem Poübergang nach Piacenza, an der Stelle, wo der grofse Alpen-
weg über den Grofsen St. Bernhard von dem höher liegenden inundations-
freien Ufer in das dem Hochwasser ausgesetzte Gebiet einbog. Der
kleine Ort Castelnuovo dicht südlich von Somaglia trug einst den Namen
di Roncaglia, und in seiner Umgebung sucht Agnelli die Stätte der
berühmten Reichstage. Kirchlich gehörte das Gebiet damals zu Lodi,
politisch schon früh wohl zu Piacenza. Die Ansicht hat sehr viel fUr
sich ^, und dann wäre also der Sammelpunkt vor den grofsen Flufsüber-
gang gelegt, an eine Stelle, wo auch noch nach Pavia abgebogen und
ein Marsch nach Ligurien angetreten werden konnte. Doch wie dem
1 Agnelli, Roncaglia, in Archivio storico lombardo anno 18. 505 — 561 mit einer
Kartenskizze.
2 Eckehard, M. G. SS. 6, 244.
* Besonders frappierend ist die Thatsache, dafs Cotrebbia, wo während des
grofsen Reichstages von 1158 eine Besprechung stattfand, gerade unmittelbar gegen-
über von Castelnuovo di Roncaglia liegt. Bedenken erregt aber wieder, dafs der
Kaiser seine Zelte aufgeschlagen hatte, »in comitatu Placentie, in loco qui Medianuft
iniquitatis dicitur*. M. G, SS. 18| 412. Dieser Ort ist leider nicht erklärt.
22 Zweites Kapitel.
auch sei; die Bedeutung von Piacenza leuchtet in beiden Fällen
hervor.
Ich glaube, es ist auch nicht zu übersehen, dafs der andere Ort,
an dem groCse italienische Reichsversammlungen gehalten wurden, nörd-
lich des Po lag. Auf der königlichen Pfalz in Corte Olona hielten sich
wiederholt karolingische Herrscher auf, es fanden in dieser Zeit dort
auch mehrere Reichsversammlungen statt. Mit dem Übergange des
Hofes an das Kloster S. Salvatore in Pavia, um die Mitte des zehnten
Jahrhunderts, hörten diese Besuche auf, und auch die Versammlungen
fielen fort und wurden mehr Po abwärts verlegt ^ Den Ort Koncaglia
weiter von Piacenza zu verlegen, wie es neuerdings Majochi versucht
hat, der ihn im Gebiete von Pavia sucht ^, verbietet die ausdrückliche
Angabe mehrerer Quellen, dafs er juxta Placentiam liege.
Verbindet man von den vier wichtigsten Eingangspforten, die aus
dem Gebirge in die mittlere Poebene führen, die sich diagonal gegenüber-
liegenden: Arona mit Piacenza, Como mit Tortona, so liegt der Schnitt-
punkt dicht westlich von Mailand.
Die Natur hat diese Stadt zur Stadt der Mitte, zur Herrscherin des
gewaltigen ehemaligen Meerbusens der Adria gemacht, den die Alpen
und Apenninflüsse mit der Zeit ausgefüllt haben. Die Vorherrschaft
beschränkt sich nicht auf dieses Gebiet zwischen den wichtigsten Aus-
gängen des Süd-Nordverkehres; auch in anderem Sinne ist die Poebene
ein Durchgangsland: der Verkehr, der aus den ostdeutsch - slavischen
Ländern nach Venetien eintritt und den Pässen in den Westalpen zustrebt,
nimmt seinen Zug durch die Ebene, und auch er führt über Mailand.
Die Lage dieser west-östlichen Strafse ist durch die Schichtung der Po-
ebene bedingt^. Ihre Abdachung geht nach Südosten hin, auf dieser
schiefen Ebene folgt von Norden nach Süden, dem Gebiete der Moränen,
welche amphitheatralisch den Endpunkt der alten Gletscher umgeben,
eine zweite Zone groben diluvialen Schuttes. Der steinige und trockene
Boden ist schwer zu bearbeiten, so dafs gelegentlich noch Haiden auf-
treten, trotzdem die höchste Kunst auf die Befruchtung des Bodens ver-
wendet wird. Ein äufserst fruchtbarer Gürtel fein geschlämmter Diluvial-
^ Darmstädter, Das Hcichsgut in d. Lombardei 190, der leider Dicht die dort
gehaltenen Versammlungen zusammenstellt.
* In der mir unzugänglichen Scuola cattolica (Nov. 1896). Jahresber. f.
Gesch. Wiss. 1896 III, 279.
" Taramelli, Cart« geologica delia Lombardia und danach Th. Fischer in
der Länderkunde von Europa II, 2 S. 358. Vgl. auch Adolf Schwarz, Mailands
Lage und Bedeutung als Handelsstadt. Progr. der höheren Bürgerschule der Stadt
Köln 1890 u. 1891.
Geogr. Vorbedingungen vor Entdeckung des Gotthardweges. 23
ablagerungen schlieCst sich an, der in wasserführenden Schichten zwischen
dem Thone eine Unzahl von Quellen (Fontanili) führt, die zur Bewässe-
rung schon im grauen Altertum verwendet wurden. Die weitere Zone
des alluvialen Gerölles bildet die letzte höchst fruchtbare Übergangsstufe
zu dem Flufs selbst, der mit seinen QeröUablagerungen, den Hochwasser-
gefahren, seinen Uferstauungen die Menschen verscheucht. In dem
Gebiete der Fontanili liegt Mailand, der grobe Schotter tritt nur bis
Magen ta-Monza-Treviglio heran, und so liegt diese westöstliche Strafse
am Tessin in dem Gebiet des groben Schotters, diese widerstandsfesteren
Schichten zwängen den Flufs noch ein und geben die Gelegenheit zu
einem sicheren Übergange. Von dem Übergange bei Boffalora an ver-
breitert sich die Zone der toten Arme und des Inundationsgebietes des
Tessin. Mehr noch ist die Adda (bei dem Übergange von Cassano)
zusammengehalten, wiewohl der Übergang schon in den Bereich der
Fontanili, wenn auch in die äufserste Spitze desselben fällt. Weiter
nördlich würde Mailand in eine unfruchtbare Region fallen, weiter süd-
lich unter den Unbequemlichkeiten leiden, welche die Übergänge über
die zerrissenen Flufsläufe der Niederlandsflüsse an ihren Mündungen
darbieten. Die Nebenflüsse sind gleich dem Po dem Menschen feindlich,
er meidet sie, und so liegt auch Mailand fast im gleichen Abstände vom
Tessin wie von der Adda. Die beiden gewaltigsten der Alpennebenflüsse
bilden Abschnitte, die in der Kriegsgeschichte oft hohe Bedeutung gehabt
haben: die Seen, denen sie entströmen, sind ihre Regulatoren, und sie
führen beide fast stets so viel Wasser, dafs sie nicht durchf artet werden
können. Der Tessinabschnitt bildet auf dem linken Poufer die Fort-
setzung des Passes von Stradella, wie die Adda in ein ähnliches Verhält-
nis zu Piacenza tritt.
Scheinbar ist Mailand durch die Natur von der Schiffahrt ausge-
schlossen, ihre Bewohner haben aber schon früh verstanden, das Wasser
der Flüsse wie zur Bewässerung der Felder, so auch zur Schiffahrt zu
verwenden. In den Tagen der staufischen Kaiser wurde der Lanibro, der
zum Po führt, zur Schiffahrt benutzt^ Es können dort jedoch nur kleine
Schiffe verkehrt haben. Schon 1179 war aber vom Tessin Wasser ab-
geleitet, das zur Bewässerung dienen sollte, der Kanal ging zunächst
nur von Tomavento bis Abbiategrasso dem Tessin fast parallel, 1223
(oder 1253) wurde er als Schiffahrtskanal nach Osten hin auf Mailand
zu bis Trezzano geftlhrt, 1271 erreichte der Naviglio grande die Stadt,
welche nun eine Verbindung mit dem Lago Maggiore (ohne Schleusen)
' Vgl. Urk. Friedrichs IL Böhmer-Ficker 410. In den Tagen Galvano
Fiammas war der Verkehr mit Venedig eingegangen. Mise, di stör. ital. 7, 448
u. 726.
24 Zweites Kapitel.
besafs ^ In den Statuta jurisdictionum Mediolani werden die Oberen ver-
pflichtet, das Projekt, den Luganersee durch die Tresa mit dem Langen-
see und diesen mit Mailand in Verbindung zu setzen, nicht aus dem
Auge zu lassen; man versicherte, das sei mit geringen Kosten ausführ-
bar. Auch sollten sie für die Herstellung der Schiffahrt nach Venedig
sorgen^. In Mailand wurde der Mangel eine« Meereshafens sehr lebhaft
empfunden, und sein Lobredner Bonvesin, der nur zwei Fehler Mailands
kennt, bezeichnet als den einen, dafs bis zu ihm die Meeresschiffahrt
nicht reiche; er hofft aber doch, dafs die Herren des Landes dem noch
abhelfen®. Der Naviglio di Bereguardo wurde 1457 — 70 angelegt, um
den Tessin auch von Abbiategrasso bis Bereguardo zu vermeiden. Die
östliche Fortsetzung des Naviglio grande, der Naviglio della Martesana,
der dann dem Addalaufe nach Norden sich entgegenwendet, wurde
1457 — 1500 gebaut. Wann der Naviglio di Pavia erstand, ist nicht
sicher, schon 1359 genannt, war er unter Francesco Sforza schiffbar,
verlor dann aber seine Bedeutung, bis Napoleon I. den Bau eines Kanals
zwischen Mailand und Pavia befahl*. Wenn so Mailand ein ausgedehntes
Kanalsystem besafs, das die Stadt mit Brennholz, Lebensmitteln, Bau-
materialien, überhaupt den aus der Nähe stammenden Massenartikeln,
versorgte*^, so darf die Bedeutung der Kanäle für den internationalen
Handel nicht überschätzt werden. Teure Waren, die der Händler selbst
begleitete, kamen unzweifelhaft auf dem Landwege von den Alpen her
schneller fort. Doch wir sind fast schon in die Verkehrsgeschichte selbst
eingetreten.
So war Mailand der von der Natur begünstigte Mittelpunkt nicht
allein der Lombardei im engeren Sinne, sondern sogar des gesamten Po-
tieflandes in seiner weiten Ausdehnung von Cuneo-Turin bis zum Gestade
der Adria, schon in einer Zeit, da der Gotthardpafs, der centralste Pafs
der Alpenwelt, noch nicht erschlossen war, noch nicht die Kunst des
Wasserbaues Mailand mit Tessin, Adda und Po verbunden und es noch
nicht an den Vorteilen der Wasserstrafsen teilnahm. Das alte Mediolanum
war in den letzten Jahrhunderten des römischen Imperiums der Mittel-
punkt des Staates geworden und hatte Rom fast in die zweite Linie zu-
rückgedrängt, und diese Vorortsstellung konnte ihm die grofse Brücken-
' Vgl. Ghinzoni im Arch. stör, lombardo 20, 200 ff. Giulini, Memorie 8, 144.
488. Novati in Bullet, del' Istituto storico italiano 20, 109 Anm. Mediolanum 1, 51.
" In welcher Zeit diese Beschlüsse gefafst wurden, ist nicht leicht zu sagen.
Leges municipales 2, 1070.
' De magnalibus urbis Mediolani 170 f.
^ Mediolanum 1, 55.
* Galvano Flamma (Miscell. di stör. ital. 7, 448) nennt nur »vinum, Ugna
et hnjusmodif.
Geogr. Vorbedingungen vor Entdeckung des GrOtthardweges. 25
Stadt des Tessin, Pavia, nur für wenige Jahrhunderte rauben. Mailand
war zu einer Grofsstadt durch seine Lage geschaffen.
Wenn die Alpenpässe somit im Süden konvergiren, ist im. Norden
die Divergenz gegeben, aber sie ist doch wesentlich eingeschränkt. Sehen
wir uns die Dienerschen Leitlinien der Westalpen an ^, so erkennen wir,
dafs die westliche Pafspforte am Genfersee im Scheitelpunkte des
gewaltigen Bogens, den die Westalpen um die obere Poebene ziehen,
liegt. Hier wäre eine völlig freie Entwicklung nach allen Seiten denk-
bar, wenn sich nicht im Jurazuge sofort ein Hindernis entgegenstellte.
Die andere Pforte liegt gerade auf der Scheide der West- und Ostalpen.
Der Rhein hat sich seinen Weg durch die nordöstlichsten Züge der West-
alpen gebrochen, dafs er aber nicht weiter nach Osten zog, ergab sich
durch die Leitlinien der Silvretta - Gruppe und der ihr vorliegenden
Rhätikon-Gruppe. So wurde Bregenz die äufserste Warte nach Osten,
erst jenseits des Bodensees konnte sich der Verkehr ausbreiten, bis dahin
gab es nur Verbindungen nach Westen, welche auf die schweizerische
Hochebene führen und sich dort mit den Strafsen, die aus dem Rhone-
munde herauskamen, verbanden oder kreuzten.
Die grofse Pforte von Chur hat einen Nebeneinlafs in dem K u n k e 1 s -
passe, den aber wohl nur dann jemand benutzte, wenn er Grund hatte,
Chur zu vermeiden. Mit gutem Gewissen sind ihn wohl selten Kaufleute
gefahren. Der gewaltige Calanda, der Eckpfeiler am Rheinknie von Chur,
steht mit der westlichen Kette nur durch ein 1351 m hohes Joch in Ver-
bindung. Zu diesem Kunkelspasse mufs man von Reichenau und Tamins
(684 m) ungemein steil zwischen den Felstrüramern hinaufklettern. Von
dort zieht sich nach Norden am Steilabfall des Calanda ein breites sanft-
abfallendes Wiesenthal, das von Vättis (951 m) ab die Richtung des
Thals der Taraina bestimmt. Es ist eine düstere, von Lauinenztigen
vielfach bedrohte Felsenschlucht, in der sich der Bach tief eingegraben
hat, um im „Beschlufs" , wo die berühmte Quelle von Pftlfers liegt,
ganz in den Felsen zu verschwinden. Bei Ragatz tritt der Weg, der in
den obersten Teilen immer ein Saumpfad blieb, in die Rheinebene.
Jedenfalls hat ihn von dort aus nur jemand benutzt, der die Zollstellen
unterhalb von Chur umfahren und einen der Hinterrheinpässe benutzen
wollte.
Die normale Pforte war natürlich das Rheinthal selbst. Häufiger
wird Chur als Anfang der rheinischen Schiffahrt bezeichnet, es können
aber hier nur kleine Kähne benutzt werden ^. Auch im Rheinthal sind die
Wege durch die Natur vorgezeichnet. Unterhalb Sargans hat der Rhein
' Diener, Gebirgsbau der Westalpen,
s Der Rheinstrom S. 227.
26 Zweites Kapitel.
sich in einem Felsenriegel zwischen dem Schollberg und dem EUhom
einen Weg bahnen müssen. Die Stelle ist jedoch nicht so eng, dafs nicht
dort am linken Ufer ernste Arbeit einen Verkehr hätte ermöglichen
können.
Dieser wird aber durch das rechte Ufer mehr begünstigt. Von Chur
ab zieht sich nur durch das versandete Mündungsgebiet der Landquart,
eines bösen Wassers, unterbrochen eine höchst fruchtbare, weinreiche
Gegend bis zum Städtchen Mayenfeld. Hier ist allerdings ein kleiner
Pafs zu überwinden: die bekannte Luziensteige. Die Steilhänge des
Falknis sind durch ein flaches, plateauartiges Joch von dem Fläscher
Berg getrennt, der zum Rhein in senkrechten Wänden abfällt. Die
Steigung von Mayenfeld beträgt nur 166 m, der Abstieg nach Balzers
ist etwas bedeutender.
Unterhalb des Engpasses (Schollberg-Luziensteige) verteilen sich die
Vorteile auf beide Rheinufer. Der Weg auf dem rechten Rheinufer ist
naturgemäfs eine Strafse am Fufse des Gebirges, zumal das Rheinthal
durch die Verhältnisse des Stromes schon wohl sehr früh recht unwirtlich
war, und berührt Feldkirch, Altenstadt, um bei Bregenz den Bodensee
zu erreichen. Besondere Schwierigkeit bietet aber der Übergang über
die Bregenzer Aache. Auf dem linken Ufer kommen von den Höhen
unterhalb des Trübbaches nur kleine Bäche. Dieser Weg führt aber
nach Rheineck zu der alten Mündungsstadt des Flusses, der inzwischen
sein Delta schon weit vorgeschoben hat. In Bregenz und Rheineck
haben wir die bayrisch-schweizerische Hochebene erreicht.
Doch wir müssen noch einmal in das Rheinthal oberhalb Sargans
zurückkehren. Es hat eine Zeit gegeben, wo der Rhein gar nicht durch
den Bodensee flofs, sondern die andere Richtung des alten Rheingletschers
verfolgte, die sich zwischen den Ausläufern der Tödikette und den Kur-
rirsten hinzog. Die NiveaudiflFerenz ist hier so gering, dafs noch heute
die Gefahr vorhanden ist, dafs der Rhein bei aufserordentlichen Umständen
ausbreche und seinen Weg über den Walen- und Zürchersee nehme ^
Dieser Zug war auch für den Verkehr gegeben. Er besteht von Walen-
staad an aus einer grofsen Wasserverbindung; es ist freilich fraglich, ob
die Verbindung zwischen dem Walensee und dem Ztirichersee immer
schifibar war. Es geht nur am Südufer des Walensees auch ein Weg,
der ziemlich tief in das Glarner Thal einbiegt, um die Thalsohle zu
erreichen. Der Zürichersee ist natürlich hüben und drüben von Wegen
eingefafst. Als Austrittspunkt aus dem Alpengebiete repräsentiert sich
Zürich, es hat in diesem Sinne die Bedeutung von Bregenz-Rheineck.
Die Rhonepforte ist fast unmittelbar an den Genfersee gerückt, das
1 Der Kheinstrom S. 46 f.
G«ogr. VorbedinguDgen vor Entdeckung des Gotthardweges. 27
Gegenstück des Bodensees. Doch begleiten jenen auf beiden Ufern
noch die Alpenketten. Auf dem rechten Ufer werden sie erst bei
Vevey so niedrig , dafs von hier eine Strafse nach Norden geführt
werden kann.
Die Nordseite besafs also, solange die Pässe ilber das Centralsjstem
noch nicht nutzbar gemacht waren, drei Austrittspforten : das obere Stück
des Genfersees, Zürich und Rheineck-Bregenz. Vevey und Bregenz sind
in der Luftlinie 235 km von einander entfernt.
Auch hier erhebt sich die Frage, welchen Zielen der Verkehr zu-
strebte, der in diesen drei Pforten die Hochebene betrat. Erst dann
werden wir die Verhältnisse auf derselben zu beurteilen im Stande sein.
Ich mufs da in gewisser Weise voraufgreifen und Dinge berühren,
die dem Wandel unterworfen waren. Als Hauptziel des Verkehrs kommt
zunächst das Gebiet der oberen Seine in Betracht, wo im Mittelalter die
grofsen westeuropäischen Messen stattfanden. In derselben Richtung
liegt auch die schmälste Stelle des Eanales, sowie das früh hochkultivierte
Gebiet von Flandern. Das zweite Ziel war das Gebiet des Mittelrheins,
der eigentliche Sitz des Deutschen Reiches und die am meisten von der
Kultur gesättigte Gegend des mittelalterlichen Deutschland. Von ihm
fllhrten übrigens auch Wege nach Flandern und nach der Champagne
hinüber. Ein drittes Ziel war das Gebiet, bis wohin der slavische
Handel sich erstreckte. Für den Alpenverkehr kam mehr als Leipzig
Nürnberg in Betracht. Der Verkehr nach Augsburg, auf die bayrische
Hochebene, führte dann schon in das Gebiet, dem die Ostalpenpässe be-
quemer lagen. Das sind aber nur die Hauptziele, der Verkehr zerteilte
sich in dem weiten, durch Gebirgszüge nur unwesentlich erschwerten
Gebiete nach allen Richtungen.
Der gröfste Teil dieses Gebietes war aber von den Alpen noch durch
einen andern Gebirgszug abgetrennt, der zu den • unwegsamsten Mittel-
europas zu zählen ist, und daher liegt vor der Reihe der Alpenpässe
noch eine andere von Juraübergängen. Nur der Ausgang des Rheins
auf den Bodensee stöfst nicht unmittelbar wider diesen Wall.
Der Jura ist in seinem südwestlichen Abschnitte bis fast in die
Gegend des Aaredurchbruches ein Faltengebirge von sehr regelmäfsiger
Gestalt. Eine steile Mauer erhebt sich an dem Rande der schweizerischen
Hochebene. Die einzelnen hoch emporstehenden Falten streifen auf dem
Kamme parallel nebeneinander sehr weit hin. Die Thäler des wasser-
armen Gebietes ziehen sich also in der Richtung der Kette und verhindern
den Verkehr. Die Entwässerung erfolgt dann in schluchtartig einge-
schnittenen Querthälem, welche dem Verkehr öfters nicht Platz genug
lassen, jedenfalls einen steilen Anstieg erfordern. Nach der französischen
Seite hin werden die Ketten allmählich niedriger. Der Zug erreicht so in
28 Zweites Kapitel.
seinen mittleren Teilen eine erhebliche Breite. Das Klima ist rauh, die
Gegend arm und auf den Höhen ziehen sich grofse Waldungen hin.
Auf dem weiten Zuge von Genf bis zum Nordende des Bielersees ist
nur ein einziger Pafs leidlich zugänglich: es ist die Klause, welche sich
bei Pontarlier nach Frankreich hin öffnet und weiter nach Besannen bez.
Dijon und zum oberen Seinebecken führt. Zu der Klause führen zwei
A\'ege, der eine von Neuenburg durch Val Travers kam für den Italien-
wanderer erst nach Entdeckung des Gotthardes in Frage, der andere führt
vom Genfersee, von Lausanne um das Sumpfgebiet, das am oberen Ende
den Neuenburger See umgiebt, nach Orbe (445 m), wo der Flufs gleichen
Namens den Jurahang, in den er sich tief eingeschnitten hat, verläfst.
Oberhalb der ungangbaren Schlucht mufste der Weg sich hinziehen, um
dann im Thale der Jougnenaz die feste Stellung von Jougne und unmittel-
bar darauf die Wasserscheide (1100 m) zu erreichen. Durch ein ödes
Längsthal nähert sich der Wanderer der Klause von Pontarlier.
Der Pafs von Biel nach Basel, den heute die Eisenbahn benutzt,
konnte in früheren Zeiten keine Bedeutung gewinnen. Er enthält nicht
weniger als fünf schwierige Durchbrüche durch die Ketten des Jura,
gleich oberhalb Biel, den Pierre Pertuis, den Durchbruch unterhalb Court,
den unterhalb Moutiers und schliefslich den von Delsberg bis Lauffen.
In der Nähe von Basel vereinigt sich dann eine gröfsere Zahl von
Strafsen, denen die Natur ihre Wege wies. Der obere Hauenstein liegt
so glücklich, dafs in höheren Lagen nur eine einzige Kette zu überwinden
ist. Nordöstlich von Solothum öffnet sich in der Klus, auf die die Burgen
Bechburg und Falkenstein hinabschauen, die vorderste Kette des Jura.
Der Weg kann dann ein Längsthal benutzen, um dann den niederen
Sattel in einer Höhe von 718 m zu überschreiten. Jenseits der Höhe
mahnt uns der Name Spital vielleicht an eine fromme Stiftung für die
Wanderer. Mit dem Fränkenbache und dem Ergolz durchsetzt der Weg
die weiteren Ketten des Jura, um bei Äugst den Rhein zu erreichen.
In diesen Weg mündet auch der zweite, der vom unteren Hauenstein
ein. Er steigt aus der Aareniederung von Ölten aus steil zur Pafshöhe
(695 m) empor und war bis zum Bau der neuen Strafse nur ein Saum-
pfad; jenseits der Pafshöhe, die fast in der vordersten Kette liegt, benutzt
der Weg ein nach Nordwesten streifendes Thal, um oberhalb Sissach
gleichfalls die Ergolz und mit ihr den Rhein zu gewinnen. Der Ketten-
charakter tritt, je mehr sich der Jura nun dem Rheine nähert, zurück,
und der nächste Pafs hat eine eigentliche Kette nicht mehr zu über-
winden. Es ist der Bötzberg. Er geht von der grofsen schweizerischen
Flufspforte aus (Windisch 366 m), erhebt sich an dem Steilhange des
Juraabfalls und erreicht sehr bald die weite Fläche der Höhe, die nur
bis 574 m ansteigt. Dem Laufe eines Baches folgend und sich langsam
Geogr. VorbedingaDgen vor Entdeckung des Gotthardweges. 29
senkend wird der Rhein bei Stein (302 m) gewonnen, und über Rhein
felden führt der Weg gleichfalls nach Äugst
Pontarlier und Äugst sind demnach die natürlichen Thore zum Jura.
Äugst hat an Basel die Vorortsstellung abtreten müssen und mit gutem
Rechte. Äugst war der Hafenplatz fUr diese drei Pässe, war aber ihnen
so nahe gerückt, dafs der Verkehr aus dem Birsgebiete unterhalb des
Ortes den Rhein traf. Vollends Hefs sich in Äugst nicht der Verkehr
auffangen, der von Burgund her den Westabhang des Jura umging und
durch die Pforte von Beifort in die oberrheinische Tiefebene eintrat.
Die betreffende Römerstrafse hat auch gar nicht den Versuch gemacht,
Äugst zu erreichen. Nachdem einmal Basel entstanden war, mufste
Äugst verdorren. Das Glück ist überhaupt den römischen Städten auf
der schweizerischen Hochfläche nicht günstig gewesen.
Sie bildet die Mulde zwischen dem Alpenabhange und dem Jurawall
und ist nach Süden hin vom Genfersee geschlossen, während der Boden-
see, dessen Haupt in den Alpen ruht, dessen Fufs aber fast bis zum
Jura reicht, die natürliche Fortsetzung in der schwäbisch - bayrischen
Hochebene abtrennt. Dieses Hochland legt sich wie ein Glacis vor die
Alpenfront, das sanft- wellige Hügelland, dessen Entwässerungsrinnen
meist bis in die Alpen selbst zurückgehen, drängt die Tiefenlinie an den
Fufs des Jura, hier liegt erst die Zone der Seen, dann die Aare, welche
fast alle Gewässer des Gebietes in sich aufnimmt
Folgte der Verkehr diesem Wasserlaufe? Es ist der Versuch von
den Römern gemacht worden, das durchzuftihren. Er mifslang. Eburo-
dum (Yverdun), Minodunum (Moudon), Aventicum (Avenches) und Vin-
donissa (Windisch) sind heute unbedeutende Orte wie Äugst, nur Solo-
thum hat sich behauptet. Der Verkehr, welcher vom Genfer- zum
Bodensee ging, hat diese Linie nicht festgehalten, sondern hat sich
möglichst den Alpen genähert und nicht den äufseren, sondern den
inneren Bogen bevorzugt. So begründete sich die Blüte von Freiburg i. U.,
Bern, Willisau, Luzem, Zürich, St. Gallen.
Vor allem täuschten sicji die Römer in der Bedeutung der Flufs-
pforte von Windisch. Noch innerhalb des Juradurchbruches fliefsen der
Aare die schiffbaren Nebenflüsse Reufs und Limmat zu. Vor dieser
Pforte, welche die schweizerische Hochebene erschliefsen könnte, liegt
eine Mauer. Sie öffnet sich ja gegen das Massiv des südlichen Schwarz-
waldes, der auch den Jurazug aufgestaut hat. Gerade dieser Teil des
Schwarzwaldes ist am unwegsamsten, und nach Westen oder Osten mufs
der Wanderer ihn umgehen, die Fortsetzung seiner Wege liegt bei Basel
oder Schaffhausen. Wäre die Mündung dieses grofsen Wassersystems
nach Basel oder nach Eonstanz verlegt, so würde sie hier in das offene
Land den Verkehr entlassen, und nie und nimmer würde sich dann die
30 Zweites Kapitel.
Schweiz vom Deutschen Reiche haben loslösen können. Nun aber ist
selbst der Flufslauf tot; denn abwärts hindert der Laufen bei Laufen-
burg wenigstens eine regelmäfsige Schiffahrt. Zu Berg ist sie bei dem
starken Gefälle des Rheins so wie so nicht möglich, für die Thalfahrt
fanden sich kühne Schiffer, die sich wohl getrauten, ein kleines Schiff
an Seilen über den Strudel zu bringen, aber auch das nur in einzelnen
Jahreszeiten, die Flöfse wurden von der Mannschaft verlassen, und wenn
sie brachen, unterhalb wieder zusammengebunden^. Aufwärts ist der
Rheinfall von Schaffhausen ein absolutes Hindernis. Auch der Verkehr
am Rhein ist nicht besonders begünstigt, es giebt in der Flufspforte keine
Brückenstadt So mufste der Wanderer über die Höhen des Jura steigen.
Bequem war der Weg nach Basel über den Bötzberg, den die alte Römer-
strafse benutzte. Vergessen aber wurde der Strafsenzug, auf dem die
römischen Legionen über das Gebiet der Donauquellen nach dem oberen
Neckar marschierten. So konnte die alte Römerstadt, der erste Bischofs-
sitz des Gebietes, Vindonissa, sich nicht behaupten, und wenn auch dann
von hier die Herrschaft der Grafen von Baden und der von Habsburg
ausging, so hat das Gebiet keine Stadt wieder gebildet, die die Bedeutung
von Basel oder Konstanz hätte erreichen können.
Der Verkehr von der schweizerischen Hochfläche nach Konstanz
und dem Südufer des Bodensees ist so wenig erschwert, dafs man nicht
eigentlich von Pässen mehr reden kann.
Der Bodensee, der meistbegünstigte See unseres Kontinentes, das
Gebiet uralter Kultur, kann keine ausschliefsliche Herrin haben, wie der
Züricher- oder Vierwaldstädtersee; die einzelnen Städte sind Endpunkte
von Linien und zu gleicher Zeit Hafenstädte. Für den Alpenverkehr
kommen besonders drei in Betracht: Lindau als der Ausgangspunkt für
den Verkehr nach Bayern, Franken und dem nächstgelegenen Gebiete
von Schwaben, Friedrichshafen (Buchhorn) als die direkteste Verbindung
nach Ulm und den Wegen, die zum mittleren und unteren Neckar führen,
und endlich Konstanz, eine Stadt, die für die Geschichte des Alpen-
verkehrs eine gröfsere Bedeutung hatte, als man bisher annahm. Sie
vereint die Vorzüge einer Brücken- und Hafenstadt, sie liegt inmitten
einer schiffbaren Fläche, die von Schaffhausen bis Bregenz reicht, und
sie ist (mit Stein und Schaffhausen) die einzige Brückenstadt auf dem
Rheine in dem Gebiete zwischen Jura und den Alpen. Heute, wo
politische Grenzen Konstanz von seinem natürlichen Hinterlande, dem
Thurgau, abschneiden, ist die Bedeutung der Stadt nicht so deutlich zu
erkennen, wie im Mittelalter.
Für den Reisenden, der von Chur nach Schwaben oder Franken
1 Der Rheinstrom S. 227.
Geogr. VorbedinguDgen vor Entdeckung des Gotthardweges. 31
wollte, wäre Konstanz ein Umweg gewesen. Es war aber der Zug zum
Rheinthale, nach Strasburg hin, mehr oder weniger an Eonstanz ge-
bunden. Und das war ihr ein wesentlicher Vorteil. Vom Rheine her
greift ein einziges Thal tief und energisch in den Schwarzwald ein,
dessen waldbedeckter Kücken, so lange nicht Klöster und Bauern in ihm
rodeten, schwer passierbar war. Dem Zug der Kinzig entgegen führt ein
völlig sicherer Weg bis nach Schiltach. Der natürliche Weg zog von
dort auf Schramberg, um von hier aus in bequemem Anstieg die Wasser-
scheide zwischen Rhein und Donau zu überwinden und in Villingen das
obere Donaubecken zu erreichen. Die heutige Eisenbahn wählte aus
ganz anderen Gründen die schwierige Passage von Triberg — man kann
sagen, dafs sie eben hierher verlegt wurde, weil die alte Richtung zu
wenig romantisch gewesen wäre. Immerhin war auch das ein Engpafs.
Aus dem oberen Donaugebiete erhebt sich der Zug noch einmal und
erreichte, ohne grofse Schwierigkeiten die Juraformationen an ihrer
schmälsten Stelle überschreitend, bei Engen die fruchtbare Landschaft
des Hegau, dessen Verkehr auf Konstanz mündet. So war diese Stadt
direkt mit Strafsburg, der Herrin der oberrheinischen Tiefebene, ver-
bunden. Eine solche diagonale Verbindung über den Schwarzwald besafs
Basel nicht, so viel die Natur für diesen Ort auch sonst gethan hat
Basel hat eine Stelle eingenommen, wie sie so markant selten an
einem Flufslauf wiederkehrt. Aus dem Alpenflusse wird hier der Strom
der Tiefebene, der Flufs tritt ein in eine lange breite, von der. Natur
gesegnete Spalte, und wenige Meilen davon öffnet sich eine breite Pforte,
welche nach Burgund und zum Mittelmeere führt. Der Versuch, über
den Schwarzwald den Alpenverkehr weiter zu leiten, ist nicht gemacht
worden, dafs es aber — wie sich zeigen wird — bei den Vogesen und
zwar in ihren höchsten Teilen geschah, beweist wie kräftig das Ziel
war, welches nach dem Gestade des Kanals, nach Flandern lockte.
Schon der Name zeigt, dafs Strafsburg eine Stadt der Verkehrslinien
war. Hier, durch die schiffbare 111 verstärkt, wie durch die Kinzig,
begann der Rhein sanfter zu fliefsen. Nach Westen und Osten öffneten
sich die Senkungen von Zabern und die des Kraichgaues ; wo der frucht-
barste Boden des Elsasses, der Löfs, am nächsten an den Rhein tritt,
ward seine Brückenstadt erbaut. Auch hier werden wir den Alpen-
verkehr einen Weg einschlagen sehen, der heute völlig verlassen ist; er
streicht zum selben Ziel wie der von Basel ausgehende, und wir dürfen
darin wieder die magnetische Kraft dieses Zieles erkennen. Unterhalb
Strafsburg sind die Spuren des Alpenverkehrs aufserhalb der Rheinstrafse
80 sparsam, andere Momente treten hier so mächtig hervor, dafs unsere geo-
graphische Betrachtung hier ihren Abschlufs finden kann. Wir sind mitten
in der Zone der Vermittlung des nord- und des südeuropäischen Handels.
32 Drittes Kapitel.
Drittes Kapitel.
Ändernnfi; der geographischen Bedingungen dnrch die Einrichtung
des Ootthardweges.
Centrale Lage des Gotthardquerschnittes. Der Anstieg im Norden, Die Haupt-
schtcierigkeit im Urtier Loch, ürseren, Pafshohe. Der Abstieg im Livinenthal, Verstärke
Bedeutung rot» Mailand, Neue Wege nach Zürich, Basel und Windisch.
BrscMiefsung des Grimselpasses, Fortsetzungen über die südliche Kette: Nufenen-,
Gries- und Albrunpafs. Seit Eintreten des Gotthards scharfe Konkurrenz der Pdsae.
Tabelle: Zusammenstellung der Pafshöhen,
Lange Jahrhunderte hindurch regelte sich der Verkehr über die
Alpen, soweit wir ihn zu behandeln haben, nach diesen Naturbedingungen.
Und doch war dabei übersehen, dafs es einen natürlichen Querschnitt
über dieselben giebt, wo sich von Nord und Süd am weitesten direkte
Querthäler begegnen und gerade an der Stelle, wo die beiden gewaltigen
Bergmassen zu einer Kette zusammengefafst scheinen, wo jedenfalls nur
eine einzige Pafshohe zu überschreiten ist. Der Abschnitt teilt fast genau
die Alpen in gleich lange Flügel, er verband am nächsten die Richtung
der oberrheinischen Tiefebene mit dem Mittelpunkt des Pogebietes. In
jedem Betrachte ist der Ootthardpafs der centralste aller Alpenpässe. Und
doch konnte er nicht nutzbar gemacht werden, weil auf einer verhältnis-
mäfsig kurzen Strecke ein Hindernis sich nicht bewältigen liefs.
Folgen wir dem Laufe des Einschnittes! Der Nordfufs des Vier-
waldstädtersees, Luzern, liegt bereits an der Grenze des Alpengebietes,
unschwer ist über das vorliegende Hügelland dieser Ort zu erreichen, und
dann trägt der schönste der Alpenseen den Wanderer auf seinem Rücken
durch die grandiosen Propyläen des Urner Sees an den Staad von
Flüelen (437 m), an den Rand der Alluvionfläche der Reufs. Die Ab-
hänge am Ufer dieses obersten Teiles des Sees sind erst heute und zwar
nur auf der östlichen Seite gangbar gemacht; bis zur Anlage der Axen-
strafse mufste jeder Verkehr sich dem Schiffe anvertrauen. Bis tief in
das Thal der Reufs gönnt die Natur dann weiter dem Auge den Genufs
der herrlichen Alpennatur, während der Wanderer noch keinerlei Ge-
fahren oder Strapazen erlebt hat. Jenseits Erstfeld (475 m) tritt das
Gebirge eng zusammen, der Name „Klus" ist bezeichnend, die sanfte Thal-
strecke wandelt sich in ein schmales Thal um, dessen geneigte Thalstufen
mit dem untersten scharfen Absturz bei Am Steg beginnen. Das sedi-
mentäre Gestein verschwindet und mit dem krystallinischen hebt der
Durchbruchscharakter an, sich noch deutlicher zu machen. In der That
befindet man sich in der grofsartigsten Erosionsspalte der Alpenwelt. Die
Reufs durchsetzt in ihr in wildem Laufe den nördlichen Zug der Central-
massive, der weiter westlich und östlich den Nordrand des Rhone und
Änderung der Bedingungen durch die Eröffnung des Gotthardweges. 33
Vorderrheinthals bildet. Die Schlucht der Reufs ist also der Pafs über
diese Kette und wahrlich — wenn auch viel tiefer gelegen — wetteifert
sie mit den Schrecknissen der Hochpässe dieser Kette. Schon die Strecke
bis Göschenen (1109 m) ist durch Lauinen sehr gefährdet; die alte
Strafse ging unter den drei schlimmsten Lauinenzügen des Bristen-
stockes durch.
Oberhalb Göschenen mufste sich der Weg Raum suchen in der
Schöllenen, dem engen Risse der Reufs, wo die von Lauinenzügen durch-
rissenen Wände bis 300 m hoch anstehen. In steilem Anstiege müssen
320 m erstiegen werden, drunten in der Tiefe tobt die Reufs und an
drei Stellen mufste der Weg über den wilden Abgrund setzen, um über-
haupt Boden zu finden. Jenseits der Teufelsbrücke scheint sich die
Schlucht völlig zu schliefsen, die Reufs stürzt hier in solcher Weise in
den Abgrund, dafs der Gischt hoch an den senkrechten Wänden aufspritzt.
Diese Stelle zu umgehen, war nicht möglich ^, man hätte Pafslücken auf-
suchen müssen, die mühsamer, zeitraubender und gefährlicher sind, als
der Gotthard selbst, und diese Stelle war es, welche das natürliche Thor
sperrte, bis es gelang, an Ketten und in den Fels befestigten Ankern
längs der vorspringenden Spitze des Kirchberges eine etwa 60 m lange
Gallerie aufzuhängen, deren Balkenköpfe in den Fels eingelassen waren.
Da die Brücke im Sprühregen der Reufskatarakte liegt, wurde sie die
„stiebende" genannt. Jenseits derselben öffnet sich das weite Längsthal
von Urseren.
Die Gegend hat einen ganz anderen Charakter, es ist die schmale
Zone des Schiefers, die den Boden des alten Seebeckens ausfüllt. Das
Thal Urseren war einst ein Hochsee, dessen Westrand in der Furka,
dessen Ostrand im Oberalppasse seine niedrigste Senkung hatte, das
Wasser aber grub sich durch die niedrigste Lücke in der Umrandung
im Norden seinen Weg.
Die Existenz eines solchen Alpen thales, das noch Baumwuchs hat
und zwischen der gefährlichen Schlucht und dem eigentlichen Pafs-
anstiege eingeschaltet liegt, ist ein besonderer Vorzug des Gotthard-
weges.
Bei Hospenthal (1484 m) verlässt der Weg den Pafsboden, um der
Lucendro Reufs entgegen scharf anzusteigen. Der Baumwuchs hat auf-
gehört, der Wiesen boden verschwindet, bis schliefslich der nackte Fels,
die alte glattgeriebeiie Grundlage des Gletschers zu Tage tritt. Auch
dieser Teil des Weges ist Lauinen ausgesetzt, weit gefährlicher sind aber
die Schneestürme auf dem „Felde". Jenseits der Pafshöhe (2114 m)
findet sich noch in dem kahlen Hochthal, das zwischen der Fibbia
1 Spitteler, Der Gotthard S. 209.
Seh alte, Geioh. d. mittelalterl. Handelf. I.
»4 Drittes Kapitel.
(2742 m) iiiid d»in SaHMo di S. Gottardo (2510 m) die PaTshöhe ausfüllt,
da« iicmpu iiuuiitüii oiner ödon, greisenhaften Natur.
iJür HiUlhaiiK den PaHses ist sehr steil. Wie der junge Tessin von
Hiufe 'Mi Htufe htlpft, mufs der Wanderer den Hang hinuntereilen. Das
Thal i«t Mühr kurx, noino Hänge aufserordentlich steil und nicht weniger
alb dn-ifbig LaiiiiionisUg« bodrohen den Pfad, kaum eine Stelle der schaurigen
WUblii ittt bichnr. Auch hier sind die Schneestürme gefürchtet, und sehr
langti lilüibt Ai^r Schnee liegen. In einer Höhe von fast 1700 m hört das
gut'tthrlif.hti Thal auf, und man steht an dem Hange des Livinenthals, den
dur IM'iid in xahlrtiichen Kehren hinabklettem mufs, um in Airolo (1179 m)
diti nbiirbti) ThalNtufn des Livinenthales zu gewinnen. Bis jenseits der
l'iil'bhiihii btiiiul wioder das krystallinische Gestein des Urgebirges zu Tage:
da» Mabbiv diw Ht. Gotthards.
ha« Thiil ddN Tessin ist durch zwei Terrassen in drei Thalstufen
iiiiightoilt, diti auch durch die Vegetation deutlich verschieden sind. Im
nliitriiii LivinnnihaUs dem kalten Hochalpenthale führt der Weg von Airolo
an (tiiHHii r)rtrhon »Stidvedro vorbei, das an alte Zeiten gemahnt, dann
k(iiiiiiil Diixio grando (949 m), und wirklich kann eine Zollstätte nicht
wohl li«*NHnr angelegt worden als diese. Am Ausgang einer Brücke , die
fliirrli oiiinn Turm gesperrt war, wartete der Zöllner auf den Kaufmann,
dtu' iiiilliNfflig in der engen Felsenschlucht, die der Tessin sich in die
Hhif'n i\m Platifer eingesägt hat, aus dem Boden von Mittellivinen empor-
^Pbtingfui war. Zu umgehen war der Punkt kaum. In Fai'do (721 m) ist
tiian inmitten der zweiten Thalstufe, deren schönste landschaftlichen
KtM'zn die Fülle der Wasserfalle und die herrlichen Edelkastanien und
Nufsbäumc sind, auch der Maulbeerbaum taucht bereits auf. Zur dritten
ThalMtufc führt unterhalb Lavorgo die Biaschinaschlucht , in Giomico
(451 m) ist man inmitten des Weinbaus. Bei Biasca (296 m) kommen
wir an eine uns bekannte Stelle, hier mündet, aus dem Val Blegno
kommend, der Weg vom Lukmanier und Greinapasse. Nach Süden hin
teilt mit diesen Linien die Gotthardstrafse die Zufahrtslinien: Lage
Maggiore und Como.
Dieser neue Weg mufste auf der Südseite das Gewicht von Mailand
noch erheblich verstärken; denn beide Wege führten ja direkt auf die
lombardische Hauptstadt zu. Im Norden mufsten neue Wege gesucht
werden. Hier mufste Luzern die Verbindung mit Konstanz und Basel
herstellen.
Nach Zürich hin bot die zwischen der Reufs und dem Zürichersee
sich hinziehende Albiskette ein Hindernis, das am oberen wie unteren
Ende sich umgehen liefs : am oberen führte von Zug über Sihlbrugg der
Weg nach Horgen an den See von Zürich; der reine Landweg ging
bis Bremgarten am linken Keufsufer entlang und von dort östlich nach
•«
Änderung der Bedingungen durch die Eröffnung des Gotthardweges. 35
Zürich um die Albiskette herum. Wie diese streichen auch die anderen
Ketten von den Alpen weg zum unteren und äuGseren Rande der schweize-
rischen Hochebene.
Für den Weg nach Basel ergab sich als die direkteste Verbindung
die Richtung durch das Hügelland um Rothenburg nach dem Sempacher-
aee, dann durch die sumpfige Niederung westlich in das Thal der
Wigger über Zofingen nach Aarburg. Die Aare wurde dann wenig
weiter unterhalb bei Ölten überschritten, das am Fuüse des unteren
Hauensteins liegt. Dieser Weg, den auch heute die Eisenbahn benutzt^
führt ohne irgend gröfsere Umwege direkt von Luzern auf Basel.
Eine Verbindung bis nach der Jurapforte von Windisch bot die
Reufs selbst, auch folgte ihrem Laufe eine Landstralse. Schliefslich war
durch die Landschaften Entlebuch und Emmenthal eine Verbindung nach
der Westschweiz, nach Bern und Neuenburg gegeben.
Auch Bern ist im Laufe des Mittelalters der Endpunkt eines Über-
ganges über den Centralstock des Alpensjstems geworden.
Der Zug des Thuner- und Brienzersees dringt in ähnlicher Weise
wie der Vierwaldstädtersee in das Gebirge bis zum Fufse des Finster-
aarhornmassives vor, dieses im Grimselpasse überschreitend. In den
breiten Rücken dieses Massivs, der mit Gletschern bedeckt ist, schneiden
die übrigen Thäler sich nicht tief genug ein, nur das Haslithal macht
eine Ausnahme. Auch hier folgen sich mehrere Thalbecken, deren Stufen
enge Einschnitte mit steilem Anstiege bilden. Das ganze Haslithal war
einst durch einen gewaltigen Gletscher ausgefUllt, und die unangenehmste
Stelle des Weges ist der Übergang über zwei Gletscherschliffe, zwei
polierte Granitplatten : „die böse Seite" und „die hähle Platte". Während
in der untersten Thalstufe Meiringen 599 m hoch liegt, hat das letzte
auch im Winter bewohnte Dorf schon eine Höhe von 1060 m, die beiden
letzten Thalerweiterungen schon 1705 und 1875 m. Hier liegt in einer
öden Felsenlandschaft das Spital, auf dasselbe schauen die Gipfel und
Gletscher des Aarhorngebietes hinab. In einem letzten Anstieg an einer
felsigen Wand wird die Pafshöhe (2164 m) gewonnen, auf deren Höhe
sich der Weg teilt Wer nach Osten zur Furka (2436 m) und damit in
das Urserenthal will, mufs zunächst an der Mayen wand steil zur Rhone-
quelle (1761 m) hinabsteigen. Für den Handel kam aber wohl mehr in
Betracht der östliche Weg, der ins Rhönethal nach Obergestelen (1369 m)
führt Der Grimselsaumpfad ist im Vergleich zu den anderen Pässen
nicht gerade schwierig zu nennen, aber er hatte den Nachteil, nur über
eine Kette zu ftlhren und noch den Anstieg über die südliche Kette der
Centralmassive zu erfordern. So wird daraus ein sehr lange in den
höchsten Regionen führender Weg, der naturgemäfs von den Kindern
der Ebene nicht gern aufgesucht wurde.
3*
36 Drittes Kapitel.
Die Fortsetzung des Grimselweges nach Italien sind der Nufenen- und
Oriespafs, der Albrunpafs liegt schon weiter westlich.
Die beiden zuerst genannten bilden ein Zwillingspaar^. Wer von
der Grimsel kam, muljste noch über Obergestelen hinaus ein wenig das
Rhönethal bis Ulrichen (1349 m) hinabsteigen. Von dort führt dann die
Spalte des Eginenthales anfangs mäfsig, dann stärker steigend zu einigen
Alpen empor. Bei der Alp Altstaffel (2007 m) gabelt sich der Weg,
nach Osten führt der eine Pfad steil zu den schiefrigen Halden des
Nufenenpasses (2440 m), dann steil in das von Lauinen schwer bedrohte
Val Bedretto. Der Pafs konnte natürlich nur im Sommer benutzt werden.
Das Ospizio all' aqua liegt bereits nur noch 1605 m hoch. Bei Airolo
nimmt das Thal den Namen Livinenthal an. Der Nufenenpafs führt also
nach Bellinzona, während der von ihm nur durch den Nufenenstock ge-
trennte Griefspafs nach Domo d'Ossola geleitet.
Dafs dieser Pafs im Mittelalter ziemlich viel benutzt wurde, beweist
der Umstand, dafs sich auch hier der deutsche Volksstamm über die
Pafshöhe auf den italienischen Abhang vorschob. Die Landschaft Ponunat
oder Val Formazza hält noch heute an der deutschen Sprache fest. Von
jener Wegeteilung führt der Pfad über kahle schiefrige Halden zum wenig
zerklüfteten und ungefährlichen Griesgletschcr, der in zwanzig Minuten
auf seiner Zunge überschritten wird. Der von der Pafshöhe (2446 m)
steil an der heifsen Wand hinab sich senkende Pfad führt über zwei bezw.
drei Terrassen zu dem Abstürze des Tosafalles, zum gewaltigsten Wasser-
falle der Alpen (143 ra hoch). Noch einmal tritt der Pfad vor dem letzten
deutschen Dorfe Unterwald oder Foppiano in einen Engpafs, wo im
Mittelalter ^die letei undenn Oeschen oh der treuf enden Fluo€ war, erst
bei diesem Orte beginnt heute der Fahrweg, der durch das schöne Val
Antigoria nach Crevola an der Simplonstrafse führt.
Der Ausgangspunkt zum Albrunpasse im Rhönethal ist, je nachdem
der Wanderer Rhone aufwärts oder von der Grimsel kommt, entweder
Grengiols (886 m) oder oberhalb Viesch (1071 m). Auf der Walliser
Seite liefert das Binnenthal einen bequemen Einschnitt, der nach Osten
in langsamer Steigung zu den letzten Hütten auf dem Blatt (2110 m)
führt, von hier geht es scharf bergan zur Pafshöhe (2411 m). Die
meisten Schwierigkeiten bietet der Abstieg, der in das Thal des
Devero, das zunächst nach Südwesten gerichtet ist, hinabführt. Bei
Baceno (685 m) mündet der Saumpfad in den Weg, der von dem Gries-
passe herabkommt.
* Über den GriefspafB vgl. die schöne Schilderung Meyer v. Knonans: Eine
verlorene schweizerische Eroberung, im Jahrbuch des Schweiz. Alpenclubs 10,
518-558.
Anderang der Bedingnogen durch die Effifilinng des Ootthardwegefl. 87
Zusammenstellung der Pafaheheu.
s
Relative Höhe un
er
i
Anrechnung der G egeo-
§2
geßlle,
verglichen
oiit
s^
Purapunktpn
3 B
&>
■t
1
<
Norden
i
Süden
1
3322
2947
1
3088
2
Fufepuiikte: Gonfersee 375 m.
Ivrea 234 m-
2 Mouto Moro . . .
2487
8
2665
8
Fp., Genfersee und Lago
2841
2466
9
2644
10
Maggiore 197 m. ^
Fp.:lPie vor.
Stilfserjoch . . .
2757
Col de FrfijuH . .
2582
WoiuiBerjoJh . .
4. Gr. St. Bernhard
2512
249!
2116
12
2257
12
Fp.: Genferaee. Ivrea.
5. Griespars ....
2446
2723
3
3064
3
Fp. : Bern 538 m, dasu Grimael
2164 m, Ulrichen 1349 m.
Fp. im S. Lago Maggiore.
6. NufeDenpafs . . .
2440
2717
4
305S
4
Wie vor.
7. Albninpafa . . .
2411
2937
2
3278
1
Fp. im Norden: Bern, dasu
Grimael, tiefst« Stelle dea
Weges in Wallis rund 1100.
8. Gretnapars , . .
2360
2346
11
2547
U
Fp. im S. Lago Maggiore.
Pp. im Norden: Bodensee 398 m,
zu Flima 1102 m. Ilanz 718 m.
2330
9. Septimerpafe . .
2311
2614
6
2799
6
Fp^ im Norden : Bodeasee, d&zu
Tarpan 1551, Tiefenkastea
850m. IraS.: Comeraee213m.
2287
2617
a
2802
5
Wie vor. Dazu Silva Plan*
1790, Maioja 1817 m.
El. St. BoTiihard .
2157
Ofenpars ....
2155
11. SplÜgenpafB . . .
2117
17I9ba.
14
1904kL
15
Wie vor, Daau in älterer Zeit
2499
7
2684
7
Umgebung der Via mala bei
220? m. Sufers 1424.
12. St. OotthardpoTs .
2114
1677
15
1917
14
Fp. imN.: Vietwoldatädteraee
437m. ImS,: Lago Maggiore.
MoDt Cenia . . .
2098
13. StBenihardinpafB
2063
1665hL
16
1866 ko.
16
Pp. im N.: Bodenaee, im S.:
14. SimploDpaTs . . .
2009
24+5
1634
10
17
2646
1812
9
17
Laeo Maggiore. Daiu wie
beim Splägen.
Fp. im K: Genferaee, im S.:
1917
1903
13
2104
13
Lago Maggiore. Sonst wi«
beim OreinapaTs.
Hont Oeoörre. .
1860
Maloja
1817
VgL Juliar.
Arlbergpars . . .
1797
E«BchenSchBideck
1494
Brenner
1362
FempafB ....
1210
"
38 Drittes Kapitel.
Der Querschnitt von Bern nach Domo d'Ossola und Bellinzona hat
wegen der Länge gefährlicher Wege, der Höhe des doppelten Anstieges
und der Unwirtlichkeit der Gegenden nicht eine Welthandelstrafse wie
der Gotthard werden können, wir werden aber sehen, dafs er doch auch
nicht allein dem nächsten Lokalverkehr gedient hat
Die Pässe des Rhone- und Rheinsjstems lagen so weit voneinander,
dafs die Konkurrenz zwischen ihnen noch nicht lebhaft war, seit dem
Auftreten des Gotthards aber wird die Geschichte der Alpenpässe lebendig.
Da sehen wir, wie die Anwohner die Wege bessern und den Transport
organisieren. Die Natur gab die Gelegenheit, aber die Anwohner muüsten
ihr Bestes an Kraft und Mut daran setzen, sie mulsten den Fremdling
durch eine Welt geleiten, deren Bedingungen ihm völlig unbekannt waren.
Und dadurch wird uns das Gefühl des Schauderns verständlich, das alle
Reisende der älteren Zeit ergriff. Ihnen waren die Gesetze der Alpenwelt
völlig unbekannt, und so bangte ihr Herz und liels nicht die Schönheit
der gewaltigen Natur fühlen, die uns in die Alpenwelt zieht. Wir wissen
heute, wie diese majestätische Natur lebt, dem Mittelalter und noch viel
späterer Zeit erschien sie wie tot und todbringend.
Zweiter Teil.
DIE ALPENPlSSE IM ALTERTUM.
Viertes Kapitel.
Die Alpenfront von Massalia wid der Donau aus umgange^i. So auch zunächst die
Römer. Grofser St, Berfihard, Strafsetibau. Die U^alen Bhönepässe. Simplon zu^eifel-
haft. BOndener Pässe. Julier, Spliigen, Fehler der Itinerarien, Funde, Pflasterungen.
Ortsuntersuchimgen nötig. Spätrömisch Luhmanier oder Bernkar din benutzt. /oUstätten,
Organisation unter dem Einflufs der Erwerhsgeschichte. Spätere Änderungen. Nach-
wirkungen im Mittelalter, Das Strafsensystem als Einheit betrachtet. Verteilung der
römischen Funde. Warenhandel, Was überlieferte das Altertum dem Mittelalter? Strafsen-
bauy geänderte Organisation. Was ging verloren? Bedingungen des Handels verändert.
Der Wall der Alpen ist sehr viel später, als man früher anzunehmen
geneigt war, vom Handelsverkehr überstiegen worden. Es ist namentlich
von Duhn ganz überzeugend der Nachweis geführt worden, dafs der
Handel die Alpen umging und von den beiden natürlichen Wegen aus
die nordalpinischen Gegenden zu erreichen suchte: von Massalia aus
Rhone aufwärts und in gleicher Weise entgegen dem Lnufe der Donau.
Inschriften und Nachrichten sind fUr die ältesten Zeiten nicht vorhanden,
aus der sorgfältigen Untersuchung der Funde und namentlich aus der
Verbreitung der Münzen bez. der Münztypen folgt mit zwingender Kraft,
dafs die Handelswege vom Mittelmeergebiete nach Norden das Alpen-
gebiet thunlichst im Westen und Osten umgingen und dafs in den älteren
Jahrhunderten ein Verkehr von Italien über die Alpen jedenfalls nur in
ganz beschränkter Weise stattfand, so beschränkt, dafs die Rücksicht auf
diesen Verkehr den beiden unternehmendsten Handelsvölkem des Mittel-
meers, Phönikem bezw. Elarthagem und Griechen, nicht lohnend genug
erscheinen konnte, um deshalb die Gefahren einer Ansiedlung inmitten
unwirtlicher, halbwilder, z. T. sehr ärmlicher Völkerschaften auf sich zu
nehmend
^ So fafst V. Duhn, Die Benutzung der Alpenpässe im Altertum, die Ergeb-
nisse seiner vortrefflichen Arbeit zusammen. Daneben ist bes. zu vergleichen
Nissen, Italische Landeskunde Bd. I. Berl. 1888. Vgl. auch Forrer in der
40 Viertes Kapitel.
Im Bereiche der Rhönemündung gründeten die Phokäer Massalia
und das Handelsgebict von Marseille erstreckte sich bis in die westliche
Schweiz, und die hier geschlagenen Münzen sind Nachprägungen der
massaliotischen Silber- und Kupfermünzen, wie von Osten her bis in die
Nordschweiz das Vorbild makedonischer Königsmünzen und griechischer
Tetradrachmen mafsgebend war. Römisches oder italisches Geld vor-
kaiserlicher Zeit findet sich daneben nur sehr selten ^ Ebenso gelangten
die dem südwestdeutschen Gebiete eigentümlichen Regenbogenschüssel-
chen nur selten bis nach Italien. So lange Massalia den Handel im Po-
gebiete beherrschte, hatte es kein Interesse daran, die nordsüdlichen
Alpenpässe zu öffnen, die es viel bequemer umging, und die massaliotische
Führung dauerte von der gallischen Occupation bis tief in das zweite
Jahrhundert v. Chr. ^. Die italienisch-massaliotischen Münzen kamen im
Nahverkehr allerdings nach Graubünden®.
Es ist bekannt, wie scheu und zaghaft die Römer in die Poebene
vordrangen. Cremona war der erste schon im zweiten Jahrhundert vor-
geschobene Posten. Seit der Eroberung Galliens und seit dem Vordringen
über die östlichen Alpen war es nicht mehr möglich, von den Alpen sich
zurückzuhalten. Eher waren die Römer an den Rhein und die Donau
gelangt, als herzhaft in dem mittleren Alpengebiete Fufs zu fassen. In
der politischen Geschichte wiederholte sich der Verlauf der Handels-
gcschichte. Erst durch die Umklammerung wurde es eine Notwendigkeit,
auch die Pässe zu gewinnen.
Zunächst haben die Römer keine neuen Alpenpässe geöffnet, sondern
die alten, welche dem Nahverkehr dienten, nutzbarer gemacht. Auch da
geben uns die Funde das beste Bild.
Die Geschichte keines Passes in römischer Zeit ist so vortrefflich
aufgeklärt, wie die des Grofsen St. Bernhard, die Augustinerherren des
Hospizes haben seit langer Zeit alle Fundstücke für ihr Museum ge-
sammelt, und neuerdings hat die italienische Regierung auf dem Plan de
Jupiter den Boden bis auf den anstehenden Felsen untersuchen lassen,
und so wurde das Bild der Verhältnisse des alten Alpenpasses völlig auf-
geklärt*. Der Plan de Joux hält wie die Namen des benachbarten Berges —
Mont Joux oder Mont Devi — den Namen des Jupiter Poeninus fest.
Antiqua 1886 S. 84 — 87, der einen Handel über die Alpen weder für die Stein-,
noch die Kupferzeit annimmt, sondern erst für die Bronzezeit, wobei er S. 87 jedoch
auch die Herkunft von Osten offen läfst.
' V. Duhn S. 68 f.
« V. Duhn S. 66.
» V. Duhn S. 67.
* Berichte vonFerrero, Notizie degli scavi 1890, 278. 294—306. 1892, 63-77.
440—460. 1894, 83—47 u. Castelfranco 1891, 75—81 mit mehreren Planskizzen.
Die AlpeDpässe im Altertum. 41
Es wird damit eine kleine Fläche auf dem Scheitel des Passes bezeichnet,
die im Norden an den kleinen, acht Monate des Jahres gefrorenen See
stöfst. In der Mitte desselben erhebt sich ein Fels, der offenbar als Altar
des von den Anwohnern verehrten Gottes Poeninus gegolten hat^ In
den Falten und am Fufse des Felsens fanden sich in erheblicher Zahl
gallische Münzen des zweiten und namentlich des ersten Jahrhunderts
vor Christus, daneben einige wenige Münzen der römischen Republik,
nicht eine einzige greift in die Zeiten des Kaiserreiches hinüber^. Von
den übrigen zahlreichen Funden, welche die Ausgrabungen der Jahre
1890 — 93 ihrem Grabe entrissen, erklärt Ferrero, sei nicht eins, abgesehen
von diesen Münzen, mit Sicherheit als vorrömisch zu bezeichnen; die
scheinbar ältesten könnten auch zurückgebliebenen Werkstätten ent-
stammen^. In der Reihenfolge der Schichten geht als älteste dieser
gallischen mit den Münzen des zweiten und ersten Jahrhunderts eine
„mit recht alten Topfscherben lokalen Charakters vorauf*, über der Thon-
ablagerungen sich zu bilden Zeit hatten. Die Benutzung des Passes in
der Bronzezeit wird übrigens durch die Einzelfunde von Liddes und die
Gräber von Sembrancher erwiesen*. Da bisher nur ganz vereinzelte
griechische und punisch-sizilische Münzen gefunden sind, sonst nichts
Etruskisches oder Griechisches, folgt, dafs der Pafs in diesen ältesten
Zeiten nur dem Lokalverkehr diente*.
Lebhafter wurde der Verkehr wohl im ersten Jahrhundert, und im
Jahre 57 v. Chr. entsandte Cäsar zum Schutze der Eaufleute, welche den
Pafs benutzten, den Legaten Servius Galba an den Nordfufs des Passes
nach Octodurus (Martigny)*, es war der erste Vorstofs in der Richtung
längs der Nordfront der Centralalpen. Die Funde aus dieser gallischen
Zeit leiten nicht allmählich zu denen aus der römischen Kaiserzeit über,
sondern es beginnt damit eine neue Epoche für den Pafs.
Im Jahre 25 v. Chr. begründete Augustus nach Besiegung der räube-
rischen Salasser, die in die Sklaverei verkauft wurden, die Stadt Augusta
Praetoria, das heutige Aosta. Ursprünglich erhielt sie nur einen Aus-
gang nach Westen und einen nach Osten '^, ein Thor zum Grofsen
1 Livius 21, 38 erwähnt das Heiligtum der Veragrer.
* Ferrero 1892 S. 64 ff.
* Ferrero 1894 S. 43. Nach Castelfranco gehen zwei Fandstücke auf das
vierte oder fünfte Jahrhundert y. Ohr. zurück.
^ Heierli u. öchsli S. 106. Castelfranco a. a. 0. Über die Funde aus
der Eisenzeit vgl. Heierli u. Öchsli S. 142.
» V. Duhn S. 79.
* Caesar de belle gall. 3, 1.
"^ Mommsen, Römische Geschichte 5, 18 Über den Eindruck, den Aosta mit
seinen Römerbauten heute macht, v. Duhn S. 75 f.
42 Viertes Kapitel.
St Bernhard hin wurde ein Bedürfnis, als Rhätien im Jahre 15 v. Chr.
besetzt wurde und der Grofse St. Bernhard zu einer Verbindung mit den
Lagern am Rheine dienen sollte. Zu diesem Zwecke wurde die grolüse
Strafse erbaut, die in der Tabula Peutingeriana eingezeichnet ist : Mailand —
Vercelli — Ivrea — Aosta — in summo Pennino — Martignj — Vevey— Avenches
— Solotliurn — Äugst —Basel ^ Wann dieser Bau ausgeführt wurde, giebt
keine Quelle an, da aber die Meilensteine unter dem Kaiser Claudius
47 n. Chr. aufgestellt wurden, ist zum mindesten damals die Strecke
ausgebaut worden '. Sie war demnach das Gegenstück zu der Via Claudia,
die vom Po über Trient nach Augsburg lief. Auf der Pafshöhe war
eine Station, und hier wurde dem Jupiter Poeninus ein Tempel erbaut,
der höchste Europas. In dem Plan de Joux sind die Substruktionen des
Tempels wie zweier Nutzungsbauten — die als Unterkunftsräume für
Menschen und Tiere, festgestellt sind^ — ausgegraben. Eine Statuette
des Gottes wurde in dem Pafssee gefunden, in den eine spätere Zeit
zahlreiche Weihgeschenke und Münzen, die einst die Wanderer nieder-
gelegt hatten, geschleudert hat^. Nicht weniger als fünfzig Weihetäfel-
chen sind uns erhalten, die hier oben von Wanderern dem* Gotte gelobt
wurden, wenn er sie auf der schwierigen Wanderung geleite*^, und mehr
als 1600 römische Münzen sind uns von denen erhalten, die im gleichen
Sinne gespendet wurden; unter ihnen sind am zahlreichsten die Münzen
des ersten Jahrhunderts ; mit den Söhnen des Theodosius endet die regel-
mäfsige Reihe der Münzen^. Die Abnahme beweist nicht ein Zurück-
gehen des Verkehrs, es war das Christentum herrschend geworden, und
damit schwand der Gebrauch des Opfers. Nach den Worten des Hl.
Augustinus ist Kaiser Theodosius der Grofse es gewesen, der die Alpen-
heiligtümer des Jupiter vernichtete^.
Auch in der Nähe des auf wallisischem Boden liegenden Hospizes,
bei dessen Bau Stücke der Tempelinschrift verwendet wurden ®, in dem
Fond de la Combe fanden sich Reste römischer Bauten, wie auf dem
Südhange bei der Cantina di Fontintes, wo seit der Mitte des dreizehnten
1 Auch im Itiner. Antonini.
' Heierli u. Ochsli S. 167 nehmen Erbauung unter Claudius an.
» Ferrero 1892 8. 444 u. 1894 S. 35.
* Abbildung bei Ferrero 1892 8. 70.
* Ferrero 1874 8. 87. v. Duhn 8.77 mit Nachweis des Abdruckes der schon
früher bekannten Stücke in Anm. 76.
* Ferrero 1894 8. 44. Die Zahl der gallischen Münzen bel&nft sich auf
492 8tück.
■^ De civitate dei lib. 5 cap. 26. »Victor autenty sicut crediderat et praedi^oerat,
Jovis simülacraf quae adversus eum fuerant nescio quibtM ritihus vdut cansecrata et in
Alpibus constituta, d^posuit eorumque fulmina u. s. w.c
8 Ferrero 1892 8. 73.
Die Alpenpässe im Altertum. 43
Jahrhunderts wieder ein Schutzhaus war^ Der Weg ist heute auf italieni-
scher Seite noch Saumpfad, Ferrero hält es für wahrscheinlich, dab in
römischer Zeit auch mit Fuhrwerk die wichtige Strafse benutzt wuide*.
Ein sicherer Beweis — Radgeleise und Nabenschrunde — ist nicht
erbracht
Unsere Arbeit kann sich selbstverständlich mit der lokalen Unter-
suchung der Strafse, mit dem Versuche, die einzelnen Stationen nach-
zuweisen, nicht befassen. Für uns kommt es lediglich auf die groben
Zusammenhänge an, der allzeit eifrigen, mitunter übereifrigen StraiBen-
forschung müssen diese Dinge überlassen bleiben. Filr uns kommt nur
die Existenz der Strafse und ihre Knotenpunkte in Betracht Bei dieser
Römerstrafse bewegt sich übrigens die lokale Forschung auf sicherem
Boden*.
Die neue Strafse war den Römern von erheblichem Nutzen, sie schuf
die nächste Verbindung mit der Westschweiz, aber auch mit Geimanien
und dem östlichen und nördlichen Teile Galliens, von den Verbindungen
nach Genf und Lyon ganz abgesehen. Bei Viviscus (Vevey) bog die
germanische Strafse von dem Ufer des Genfer Sees ab, um sich der
frilher erwähnten Entwässerungsrinne der schweizerischen Hochebene an-
zuschliefsen, sie wird über Moudon (Minnodunum) und Avenches (Aven-
ticum) bei Aarburg erreicht, bei Solothum (Solodurum) wieder verlassen,
um den Jura im oberen Hauenstein zu überschreiten. In Augusta
Rauricorum erfolgt die Gabelung, entweder war das Ziel östlich gelegen,
so ergab sich der Weg über den Bötzberg nach Windisch (Vindonissa)
oder nördlich, und da führte er über Strafsburg nach Mainz.
Die gallische Richtung führte noch bis Lausanne am Genfersee ent-
lang und ging von dort auf la Sarraz, dann Orbe und erstieg den Pafs
von Jougne, um nach Pontarlier zu kommen. Von dort führte die
Römerstrafse auf Besangen, wo die von d&m Rhone nach dem Elsafs
führende Strafse geschnitten wurde, dann auf Langres (Kreuzung nach
Metz und Trier), Chalons und Rheims, dem Hauptknotenpunkte (Ür das
nördliche Frankreich.
Das Mittelalter konnte also von den Römern die Benutzung dreier
Jurapässe antreten: Jougne, oberer Hauenstein und Bötzberg^.
Für den grofsen Verkehr kamen die andern Rhönepässe nicht in
Frage. Zwar sind unter dem Gletschereise des Theodulpasses zwanzig
^ Über die Aasgrabangen an beiden Stellen Ferrero 1894 S. 46 f.
« 1894 S. 35.
' Vgl. vor allem H. Meyer, Die römiflchen Alpenstrafsen in d. Schweiz S. 119
bis 127, wo auch über die bis 1861 gemachten Funde berichtet ist.
^ Auch der Pierre Perthnis trägt eine römische Inschrift, jedoch war hier
keine Strafse gebaut.
44 Viertes Kapitel.
römische Kaisermünzen zum Vorschein gekommen; aber das Unglück
eines römischen Bergsteigers beweist fUr einen regelmäfsigen Verkehr
nichts^. Favre hat sich dahin ausgesprochen, dafs in den Zeiten der
römischen Herrschaft wenigstens ein Pafs über die Alpen nach Vergogna
geführt habe, und zieht aufser dem Simplon die Pässe ins Saasthal in
Erwägung, ohne selbst die Beweise fiir zwingend zu halten^.
Noch ein Grund scheint für den Simplon zu sprechen. Aber die
Inschrift nicht ganz sicherer Datierung — sie gehört entweder ins Jahr
196 oder 225 nach Christus — die bei Vergogna an einem Felsen an-
gebracht ist und von einem Strafsenbau handelt, läfst bei dem geringen
Kostenbetrage auch die Deutung zu, als handle es sich um eine Strafse
in den reich kultivierten Landschaften um Domo d'Ossola. Im Oberwallis
sind bis heute römische Inschriften nicht gefunden, ein Leugenstein in
Sitten ist wohl von auswärts ins Thal verschleppt. Nach den Mitteilungen
von Duhns sind jedoch Pfarrer Joller in Gondo (Rüden) seit längerer
Zeit von Leuten römische Münzen zugebracht, die mit Trajan beginnen
und gegen das Ende des zweiten Jahrhunderts zunehmen, auch habe er
einen Pfad festgestellt, der die Schlucht von Gondo wie die lauinen-
gefkhrlichen Stellen südlich der Pafshöhe umgehe. Leider sind von ihm,
der inzwischen gestorben ist, keine näheren Mitteilungen gemacht worden.
Aber wenn auch wirklich in der späteren Kaiserzeit ein We^ gebaut
wurde, so hat der Pafs doch nur lokale Bedeutung gehabt; Jean die
Funde aus Oberwallis zeigen, wie lange man hier am Alten festhielt^.
Für die vorrömische Zeit hat die treffliche Arbeit von Heierli das
Fundmaterial bearbeitet; eine besuchte Handelsstrafse hat es damals in
ganz Oberwallis gewifs nicht gegeben. Welche Wege der Lokalverkehr
und die Kriegszüge der Bewohner genommen haben, kann uns hier nicht
beschäftigen*.
^ V. Duhn S. 73. Forrer, Antiqua 1891 S. 80. Nach Anz. f. Schweiz. Alter-
tumskunde 7 1895 Nr. 3 wurden auf italienischer Seite röm. Kaisermünzen mit dem
Bildnisse Konstantins gefunden. Sind beide Entdeckungen identisch?
' Er meint (Etudes sur Thistoire des passages italo-suisses 177) bei der Ablösung
des Wallis von Rhätien sei es mit dem Gebiete des Elschenthales vereint worden.
Das seien die Alpes Atractianae. Diese sind aber mit den Alpes Grajae identisch.
Wäre die Identifikation Favres richtig, so müfste natürlich der »procurator Älpitun
Atractianarum et Poeninarum* einen Pafs haben benutzen können.
^ Corp. inscript. latinar. 5, 6649. v. Duhn S. 72.*f. u. die wichtige Anm. 62
und Nissen, Italische Landeskunde 1, 161 halten die Strafse für wahrscheinlich,
J. Partsch, Artikel Alpes in Wissowas Real-Encykl. lehnt das mehr ab. Betr. des
Leugensteins vgl. Meyer S. 127 f.
* Heierli nimmt eine Benutzung der Gemmi schon in der Bronzezeit, für die
Eisenzeit aufserdem der Grimsel, Furka und des Simplon an. Es handelt sich aber
niemals um Pafsfunde.
Die Alpenpässe im Altertum. 45
Bei der Besprechung der Bündnerpässe in der römischen Zeit ist
von den Angaben der Itinerare. auszugehen und dabei ängstlich dasjenige,
was unwiderleglich feststeht, von dem zu trennen, was irgend angezweifelt
werden kann.
Nach dem Itinerarium Antonini enthält die eine Strafse folgende
sichere Punkte: Brigantia (Bregenz), Curia (Chur), Tinnetione (Tinzen),
Summolaco (Samolaco), Como und Mailand. Durch Tinzen ist der Zug
durch Oberhalbstein sichergestellt; es bleibt nur die Wahl zwischen
Julier und Septimer offen, um nach dem Comersee zu gelangen. Durch
Bregenz nnd Chur ist es wahrscheinlich, dafs die Strafse durchweg auf
dem rechten Rheinufer blieb, sicher, dafs sie auf diesem Ufer endete.
An der zweiten Strafse nennt das Itinerarium Antonini Bregenz,
Chur, Tarvesede, Clavena und fiihrt an den Comersee. Die Peutingersche
Tafel bietet mehr Namen: Brigantia, Clunia, Magia, Curia, Lapidaria,
„Cunu aureu", Tarvessedum, Clavenna und Comum '. Diese Beschreibungen
machen es wahrscheinlich, dafs die Strecke von Bregenz nach Chur auf
dem rechten Rheinufer lief, demnach mit jener Strafse zusammenfiel.
Die Identifikation von Magia mit Mayenfeld oder Schaan hält diese An-
schauung fest^.' Ebenso ist das Stück zwischen Clavenna und Como
notwendig identisch mit der ersten Strafse.
Die Peutingersche Tafel erkennt das aber nicht an, sie läfst die
westliche Strafse von Como an neben dem See laufen, die Oberhalbsteiner
führt vom See an völlig getrennt neben der andern her. Unzweifelhaft hätte
Clavenna zum Knotenpunkt gemacht werden müssen und ebenso hätte
Curia das wieder sein müssen. Der Weg über Oberhalbstein ist dazu
nach dem Westen der andern Strafse verlegt, statt auf die Ostseite desselben.
Angesichts so vieler Fehler wird man aus dem Umstände, dafs nun auf
der Zeichnung von Chur bis Bregenz bez. Arbor felix die Wege getrennt
von einander laufen, nicht schliefsen dürfen, dafs thatsächlich hier richtig
angegeben ist, dafs der Splügenweg rechtsrheinisch auf Bregenz, die
Oberhalbsteinerstrafse aber sie kreuzend und vielleicht das linke Ufer
benutzend unter Vermeidung von Bregenz direkt auf Arbon führte. Die
Itinerarien beweisen für das Rheinthal von Chur zum Bodensee nicht
eine Doppelstrafse, sondern nur eine rechtsrheinische. Den Zweifler werden
Momente, die nur aus den Itinerarien schöpfen, nicht besiegen.
Von dem gesamten übrigen Zuge der Splügenstrafse zwischen Chur
und Chiavenna ist keine Örtlichkeit mit Sicherheit identifiziert, selbst
* In der Tabula Pciitingeriana fuhrt die Strafse von Chur nach Arbor felix
(Arbon) direkt unter Vermeidung von Bregenz, danach lief sie auf dem linken Rhein-
ufer. Wo der iRheinübergang erfolgte, ist unsicher.
« Planta 79.
46 Viertes Kapitel.
Cuneus aureus nicht, denn sehr wohl kann von Gelehrten der Name
Cunno d'oro auf eine Gegend am Splügen übertragen und so in den
Mund der Anwohner gekommen sein ^ Wenn sich am Grofsen St. Bern-
hard die Fuhrleute darüber streiten, ob Hannibal über diesen Pafs
gegangen sei, so steckt darin keine Überlieferung, sondern die so oft
namentlich fUr die Forschung „in grauer Vorzeit" gefährliche Verwechs-
lung von hängengebliebener gelehrter Erzählung und lokaler Tradition.
Da aber zwischen Chur und Chiavenna die Namen der Stationen an
beiden Strafsen völlig voneinander abweichen und mit Rücksicht auf die
Station Chiavenna neben dem Julier-Septimer nur an den Splügen gedacht
werden kann, ist das Vorhandensein einer römischen Strafse über diesen
Berg erwiesen. Am Splügen lag also Tarvessedum und die Ableitung
dieses Wortes als Ort, wo man die Tiere vor den Wagen spannen darf,
wie dasselbe Eporedia (Ivrea) bedeutet, würde beweisen, dafs über den
Splügen nur ein Saumpfad führte^.
Die zweite Quelle, welche zu Kate zu ziehen ist, sind die Funde
von Münzen und Denkmälern. Systematisch ausgegraben ist auf keiner
Pal'shöhe, doch hat der Zufall auf der Höhe des Julier Grabarbeiten ver-
anlafst. An den Strafsen hat sich kein Meilenstein erhalten ^ ebensowenig
eine Inschrift, welche über das Strafsenleben Auskunft gäbe. Das einzige
Monument erhebt sich auf der Pafshöhe des Julicr: eine Säule ohne
Inschrift*. An ihrem Fufse wurde 1854 eine Menge von römischen
Kaisermünzen entdeckt und vereinzelte haben sich auch sonst gefunden ^.
Auch hier haben Wanderer den Göttern aus Dank für die bisherige
Hilfe und im Wunsche für weiteren Schutz ihre Gaben gespendet. Von
einem Tempel wissen wir nichts. Für den Septimer fehlen jede Nach-
richten über Münzfunde, sodafs dessen Benutzung für diese Zeiten sehr
unwahrscheinlich wird. Nur Nachgrabungen nach Münzen auf den Pa(s-
höhen können die Benutzung des Septimers, des Bemhardin und des
Lukmanier zweifellos feststellen, auch wären sie für den Splügen sehr
erwünscht
Da die Reihe der Münzen auf dem Julier mit Augustus beginnt und
bis in die Tage des Constantius (f 361) sich hinzieht®, haben wir einen
^ Planta, Das alte Bhätien S. 79. Meyer S. 187 führt als seinen Gewährs-
mann den Bürgermeister Albertini zu Chur an. Wann erscheint der Name wirklich
zum erstenmale?
« V. Duhn S. 89 Anm. 54.
8 Meyer S. 129.
^ Meyer S. 133. Bavier S. 16. Die Säule ist umgestürzt, von den drei Stücken
sind zwei erhalten.
•i Meyer S. 133.
* Meyer S. 133. Leider ist der Fund nicht sorgfältig im Zusammenhange
untersucht.
Die Alpenpässe im Altertum. 47
regelmäfsigen Verkehr seit dem ersten Jahrhundert anzunehmen. Die
Wagengeleise beweisen, dafs der Weg auch fahrbar war^ Von der Art
der Pflasterung und Anlage dieser Strafse hätte die technische Unter-
suchung der Strafsenreste der anderen Bündner Strafse auszugehen. Der
Verkehr über diesen Oberhalbsteiner Pi^s (ev. über den Septimer) ist
auch für ältere Zeiten durch den 1789 in Burvagn in Oberhalbstein
gemachten Fund, der durch massaliotische Stücke italienischer Prägung
datiert ist, belegt^. Eine sorgfältige Zusammenstellung der Funde, welche
auf den Pässen, bez. an den Strafsen gemacht sind, müfste die Grundlage
schaffen für eine weitere Untersuchung^. Erst mit ihrer Hilfe liefse sich
feststellen, ob auch der Septimer, Bernhardin und Lukmanier vor dem
Mittelalter benutzt wurden^. Nur diese beiden letzteren kommen jedoch
für einen Heereszug von den Campi Canini bei Bellinzona nach dem
Bodensee und einen Raubzug der Alamannen in umgekehrter Richtung
in Betracht^.
Von allen Pflasterungen läfst sich nur dann der römische Ursprung
beweisen, wenn auf oder neben demselben Funde gemacht sind. Sonst
können es ebensogut mittelalterliche Strafsen bauten sein. Römermünzen
sollen auch am Abhänge des Heinzenberges gefunden sein, längs des
Weges, der auf halber Höhe des Gebirges die Dörfer Urmein, Portein
mit Präz verbindet, und Meyer hat daraus den Schlufs gezogen, dafs hier
und nicht im Thale die römische Splügenstrafse lief®. Auf diese Frage
bin ich schon oben eingegangen.
Auch unterhalb Chur sind nur wenige Funde gemacht, welche den
Strafsenzug feststellen. Sicherheit ist nur für den Zug auf dem rechten
Rheinufer über die Luziensteige nach Bregenz vorhanden, insbesondere
1 Meyer S. 130. 132.
^ Meyer S. 135. Auch dieser Fund wurde nicht ausreichend beschrieben.
* Von den von Forrer in der Antiqua 1887 S. 3 ff. zusanunengestellten prä-
historischen Pafsfunden aus Graubünden sind im engeren Sinne Pafsfunde nur die vom
Flüelapasse, aus Bergün an der Albulastrafse und vom Valserberg. Es handelt sich
stets um einzelne Objekte. Die beiden Bronzedolchc vom Valserberge würden zuerst
für einen Handel zwischen Deutschland und Italien beweisen, der dann den Splügen
oder Bemhardin benutzt haben müfste. Der Depotfund von Salez (bei Werdenberg)
liegt zu weit nördlich, um beweiskräftig zu sein. Antiqua 1886 S. 34.
^ Meyer S. 129 nimmt als römisch aufserdem noch den Greinapafs in Anspruch.
Der 1852 im Blegnothale bei Malvaglia gemachte Fund von 3000 Stück römischer
Münzen des dritten Jahrhunderts (Meyer S. 139) ist nicht zwingend, da Malvaglia
fast am Ausgang des Thaies liegt, nicht etwa im Innern am Aufstieg zum Lukmanier.
^ Die Lage der Campi Canini ist durch Gregor v. Tours X, 3 (M.G. SS. rer.
Mer. 1, 411) bestimmt, danach lag Bellinzona in denselben. Den Baubzug der Ala-
mannen erwähnt Sidonius C. V, 375 (M.G. Auct. antiqu. 8, 197), den Zug der Truppen
des Constantius 354 Ammianus 15, 4, 1.
« S. 138.
48 Viertes Kapitel.
ist in Schaan eine befestigte Niederlassung völlig einwandfrei festgestellt'.
Hier war im Mittelalter, wie später zu zeigen ist, die Fähre nach
Werdenberg und für den Handelsverkehr der Übergang auf das linke
Rheinufer. War die römische Zeit hier voraufgegangen und folgten
wenigstens von hier ab dem Laufe des Rheins zwei Strafsen? Soviel
mir bekannt ist, sind Römerfunde auf diesem linken Ufer bisher nicht
gemacht^.
Die geographische Einleitung zeigte, wie nahe es liegt, über den
Walen- und Ztirichersee die Verbindung mit Zürich zu suchen. Weder
die Itinerarien noch die Funde haben hier einen Strafsenzug bewiesen,
eine Inschrift aber läfst keinen Zweifel darüber, dafs Handelsleute diese
Richtung einschlugen. Wenn auch die Römer keine Strafse gebaut haben,
so bot die Natur doch nicht solche Hindernisse, die nicht hätten ohne
allzu grofse Kunst überwunden werden können*. Die Provinz Gallien
bildete trotz der sonstigen Zersplitterung eine Einheit in der Zoll- und
Steuerverwaltung, an der Grenze der Provinz wurden die Zölle in einer
Höhe von 2 V2 ®/o erhoben.
Solche Zollstellen gab es zu Martinach und zu Zürich. Hier ist der
Grabstein eines praefectus stationis Turicensis quadragesimae Galliarum
erhalten. Wie jene die von den Walliser Pässen eingehenden Waren
durchliefs, so mufste diese den Schmuggel über den Walensee verhindern.
Ein Zollbureau auf der Strafse Bregenz — Chur ist uns vielleicht durch
eine weitere Inschrift erwiesen, in der ein praepositus stationis Majensis
im Jahre 180 n. Chr. einen Altar der Diana widmete. Gefunden ist
freilich die Inschrift weit davon entfernt und zwar auf dem Schlofs
Knillenburg, und man bezog sie auf die Station Mais bei Meran — dann
wäre die Station aufserordentlich weit vorgeschoben, oder auf Mayenfeld.
Ist aber Schaan Magia, so wäre die Zollstelle an einem natürlichen
Platze, dann hätten wir fiir alle Ausmündungen des uns berührenden
Pafssystemes die Zollstellen.
' Vgl. auch Jenny über den Fund zweier römischer Helme im 26. Jahresbericht
d. Vorarlb. Museums-Vereins S. 48 ff.
* Ferd. Keller führt keine an, nimmt aber S. 71 gleichwohl einen Weg von
Sargans, der den Schollberg im Gebirge umgeht und direkt nach Arbon führt, an.
Auch hier kann man nur wiederholen, dafs völlig einwandfreie Funde entscheiden
müssen; ich halte von Schaan abwärts eine römische Strafse auf dem linken Ufer
für möglich.
* Die Annahme eines ausgebauten Weges am Süd runde des Walensees hat
Winteler, Über einen Landweg am Walensee, Aarau 1H94 zur Siciierheit erheben
wollen. Seine Gründe hat Heffter, Der römische liandclsweg von Zürich nach
Chur (Jahrb. d. bist. Ver. d. Kantons Glarus II(^ft «'K)^ 1895) widerlegt, geht aber
selbst zu weit, indem er der Züricher Inschrift k(!ine l^edeutung beimifst. Die von
Meyer S. 66 ff. angeführten Funde aus Berschis, Mels, Kugaz, Sargans, Vild, Vilters,
Walenstad und Wesen bedürfen einer sehr gründlichen Nachprüfung.
Die Alpenpässe im Altertum. 49
In Bregenz und Arbon treten die Militärstrafsen an den Bodensee.
Von Bregenz setzte sich die eine nach Augsburg fort, während die
andere über Pfyn nach Windisch lief und somit die Bündnerpässe in Be-
ziehungen zu Basel und zum Oberrhein setzte.
Die römische Organisation dieses Gebietes trägt noch ganz den
Stempel der Erwerbsgeschichte. Der Nordabhang der Alpen war, wie
Mommsen sehr glücklich sagt, eigentlich beiläufig erworben ^ Der kom-
binierte Angriff der kaiserlichen Prinzen, welcher den rechten Flügel der
Rheinfront und den linken der Donaustellung sichern sollte, hatte die
Eroberung des Gebirgslandes herbeigeführt Die Basis von Tiberius war
Gallien gewesen, und so fügte er die schweizerische Hochebene dieser
Provinz hinzu. Drusus ging von den illyrischen Provinzen aus, und zu
diesem System gehörte die neugeschaffene provincia Rhaetia. Da Augustus
in der Nähe Italiens keine allzu mächtigen Militärkommandanten haben
wollte, wurde die vallis Poenina (Wallis) nicht mit Gallien vereinigt,
sondern dem Statthalter von Rhätien unterstellt, der nicht den Legaten
aus dem Senatorenstande entnommen wurde, sondern blofs ein Präfekt
oder Prokurator aus dem Ritterstande war. Die Provinz ging damals
von Vevey bis Regensburg. Diese Landschaften standen nur durch die
Furka, das Urserenthal und den Oberalppafs miteinander in Verbindung,
hier mufs also ein Verkehr (in der Längsrichtung des Alpenzuges) be-
standen haben.
Das Nächstliegende für Augustus wäre es gewesen, auf dem Nord-
abhange der Alpen an der gegen die Germanen anstofsenden Front ein
einziges grofses Kommando zu schaffen. Das entsprach aber nicht den
politischen Interessen, aber es pafste auch zu den damals bestehenden
natürlichen Verhältnissen nicht. Eine solche Provinz hätte sich von selbst
ergeben, wenn der Gotthardpafs benutzbar gewesen wäre. Das aber
war er nicht ^. Die Schöllenenschlucht war noch ein unüberwindliches
Hindernis, auch entsprach es nicht militärischen Wünschen, an das Ge-
stade eines Sees geführt zu werden, der an seinen Ufern keinen Weg
^ Die Schweiz in röm. Zeit S. 5.
^ Der Ortsname Quinto im Livinenthal würde bestenfalls eine Benutzung des
Passes bis ins Urserenthal erweisen, dort aber liegen ja nicht die Schwierigkeiten.
Nur Römerfunde in Uri könnten eine Benutzung des Passes erweisen. Wenn Urseren
wirklich von ursarii den aufgestellten ßärenjägcm abzuleiten ist, so würde das nur
eine Benutzung der Furka und des Oberalppasses voraussetzen, und die ist so wie
80 durch die Verbindung von Wallis mit Rhätien eine notwendige Annahme. Römische
Münzen wurden nach Motta 1840 und 1844 zu Madrano und bei Airolo gefunden,
auch sonstige Altertümer des Livinenthals (Motta, Bolletino storico della Svizzera
Italiana 4, 125) beweisen nichts für die Benutzung der Schöllenenschlucht, auf die
es ganz allein ankommt.
Schalte, Oesoh. d. mittelalterL Handels. I. 4
50 Viertes Kapitel.
zum offenen Land hin besafs^. In den Tagen des Markomannenkrieges
wurde Wallis mit den Alpes Grajae verbunden, wie dieses Verhältnis in
dem kirchlichen Verbände nachwirkte. Die Kirchenprovinz von Tarantaise
ist die der Alpenpässe, ihre Diöcesen sind durch sie von einander getrennt*.
Die neue Reichseinteilung, die von Diokletian und Konstantin durchgeführt
wurde und das Wesen des Staates völlig umformte, hat die im Jahre
15 n. Chr. geschaffenen Grenzen zwischen Helvetien und Rhätien bestehen
lassen. Die Zerlegung der Rhaetia machte Chur zum Hauptort der oberen
Provinz, des rheinischen Rhätiens, der Rhaetia prima, deren Grenzen im
Umfange der Diöcese Chur fortlebten.
Auch das System der Militärstrafsen trug die Erinnerung der Er-
oberungsgeschichte an sich. Die Operationslinie jener Tage ist noch
erkenntlich, aber das Beispiel Cäsars hatte seinen Erben die Anleitung
gegeben. Die Verlegung der Truppen des Legaten Servius Galba nach
Martigny hat Cäsar wohl nur den römischen Kaufleuten zuliebe mit
der Sicherung ihres Handels über den Grofsen St. Bernhard motiviert,
thatsächlich kam es ihm wohl darauf ah, die Operationslinie von Italien
her zu verkürzen und die direkteste Verbindung mit dem nördlichen
Gallien und dem Rheinthale zu gewinnen. Was ihm nicht gelang, hat
Augustus durchgeführt und die Strafse nach Augusta Rauricorum wie
über Orbe erfüllte diesen Zweck.
Ganz ähnlich ging es im Osten. Hier hat Drusus zuerst eine Strafse
von Trient durch den Vintschgau, über Landeck, zum Arlberg, dann auf
Feldkirch und Bregenz geführt*. Sie war seine Operationslinie, hatte
aber die westliche Richtung der Alpenumgehung erst in eine nordwestliche
verwandelt, die Strafsen über Chur führten hingegen direkt nach Norden.
Erst am Bodensee trat die westliche Richtung wieder in Geltung. So
lag Vindonissa ungefHhr auf dem Scheidepunkte der Kräfte Galliens und
Rhätiens, es bezeichnete den äufsersten rechten Flügel der Rhein- und
den äufsersten linken der Donaufront und war somit für ein Standlager
vortrefflich geeignet. Seine Garnison konnte nach rechts und nach links
geschoben werden, unmittelbar vor sich hatte sie ein unwegsames Gebirge.
Als der Limes errichtet wurde, und so lange er bestand, verlor Windisch
seine Bedeutung, es lag damals allzuweit hinter der Front, und um eine
blühende Handelsstadt zu werden, fehlten ihr, wie früher gezeigt ist, die
natürlichen Bedingungen.
^ Darauf weist mit Recht Spitteler S. 205 hin, aber man darf das auch nicht
überschätzen, da ganz dasselbe auch am Gomersee der Fall war, was die Römer
nicht störte.
* VgL auch Du che sne, L. Fastes ^piscopaux de Tancienne Gaule 1, 70 f. Die
Bildung der Kirchenprovinz erfolgte erst unter Karl dem Grofsen. Ebda. 207 f. u. 206.
' Zweifelsfrei ist ihr Lauf freilich nur von Italien bis in den Vintschgau.
Die Alpenpässe im Altertum. 51
Der wirkliche Grenzort zwischen den von Westen und Osten aus-
gehenden Provinzen lag bei dem thurgauischen Dorfe Phyn (ad Fines),
das seine ursprüngliche Bedeutung im Mittelalter natürlich verlor^ da
gerade in dem ziemlich offenen Gebiete nördlich von Zürich die alt-
römischen Wege leicht verlassen und neben ihnen neue benutzt werden
konnten.
Die römischen Funde der Schweiz sind am reichsten in der Gegend
nördlich vom Genfersee und diesen Strafsen folgend bis Augusta Rauricorum,
Vindonissa und ad Fines. Am ärmsten daran ist der nördliche Zug der
Alpen vom Genfersee bis zum Kalanda und die nördlich sich anschliefsenden
Thäler. Das Gebirgsland war also keineswegs dicht bevölkert Die
Strafse aus dem Wallis über Aventicum und Solothurn nach Äugst und
Windisch war „die grofse Pulsader, auf der der römische Verkehr durch
die Schweiz sich bewegte. Im Transit werden ihr die Tiroler Chaussee
imd die Chausseen der Westalpen freilich bedeutende Konkurrenz ge-
macht haben : aber ein guter Teil der deutschen und gallischen Ausfuhr :
der deutschen Sklaven, der menapischen und marsischen oder wie man
auch sagen kann der belgischen und westfälischen Schinken, des vortreff-
lichen Pelzwerks, der schon im zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung
im ganzen Occident und Orient hochgeschätzten flandrischen Tuche wird
auf der Rheinstrafse und über den Bernhard seinen Weg nach Italien
und weiter gefunden haben. Dazu kamen die dem Schweizerland eigenen
Exportartikel, ungefkhr dieselben, die heutzutage weniger der Fleifs der
Menschen als die Natur den Bewohnern verleiht" : Käse, Wachs, Honig,
Holz, Harz, Pech und Fische. „Dafs man dagegen von Italien öl und
Wein, Kunst- und Modewaren, feineres Tischgerät, überhaupt alle Pro-
dukte der gesteigerten Civilisation bezog, bedarf kaum der Erwähnung" *.
Die reiche römische Kultur brach unter dem Ansturm der rauhen,
weit bedürfnisloseren Germanen zusammen. Damit veränderten sich die
Bedingungen des Handels von Grund aus, und nur wenig von dem, was
Mommsen als charakteristisch für den Durchgangshandel bezeichnet, er-
scheint im Mittelalter wieder. Die Deutschen übernahmen aber die Wege
und das Gefühl, dafs Italien der Mittelpunkt der Welt sei. Das römische
Reich, das sie vernichtet, war ihnen nicht für immer untergegangen. So
blieben die politischen Beziehungen zu Italien bestehen, die des Handels
mufsten fast neu angeknüpft werden und gehorchten nun ganz anderen
Voraussetzungen.
Das römische Reich hatte dem Handel und Verkehr die enormen
Vorteile gleichen Rechtes, gleichen Mafses und Gewichtes und gleicher
Münze gewährt, zunehmend stark traten die Reste alter Einheit im Mittel-
' Mommsen S. 23 f.
62 Viert«0 Kapitel.
sAter zurück^ um zu einem vollen Chaos zu führen. Keinen Posten- oder
Nachrichtendienst gab en fortan mehr. Und welche Umwälzungen auf
den Htrafven Helb«t, von denen die in den Alpen noch am meisten
n;»|;ektiert und ge[iflegt wurden, weil sie durch andere Wege nicht er-
iK;tzt werden konnten, während das in den Ebenen sehr leicht war.
lUil der Strafsenanlage hatte bis dahin das militärische Interesse die
Entscheidung gegeben, und mit der Energie und Umsicht einer starken
Regierung war der den römischen Interessen ^dienende Plan jedesmal
durchgeführt worden. Die Anwohner des Passes mufsten sich den An-
ordnungen der römischen Beamten oder Militärs fügen, diese ver-
si'ijwiinden nun von der Strafse, und damit ging die Einheit einer An-
lag'j verloren. Der CJentralisation folgte die Zersplitterung. Die Unter-
haltung und Reparaturen wurden nicht mehr von einer besonderen
te<'hnim:h gebildetcsn Behörde besorgt, die bei ihren Arbeiten weite
Itäunie zu umspannen verstand, sondern sie fiel bestenfalls einem
Bischöfe zu, wenn nicht unmittelbar den nächsten Anwohnern. Die
militärischen Rücksichten hatten bis dahin bei Anlage und Unterhaltung
entschieden und durch die »Stationen und gröfseren Waffenplätze waren
die Htrafsen mit dem Heere in ständiger Beziehung. Jetzt gab es keine
stehenden Heere mehr, und seitdem wurden die Strafsen, die bis dahin
Teih? des Kriegswesens gebildet hatten, nur gelegentlich benutzt. Die
Aufsicht der Centrale verschwand.
Kin hochkultiviertes Volk hatte bis dahin die Erfahrungen in der
Ktinst des Htnifsenbaus , die im weiten Bereiche des Staates gesammelt
waren, verwendet, nun blieb nichts als das Vorbild, das sie geschaffen,
und dir örtliche Tradition die Lehrmeisterin. Die Römer hatten mit
den Mitteln eines an Qeld reichen Staates und mit den Kräften einer
gefügigen Arbeitsorganisation gebaut, nun sank der Strafsenbau in die
Natural Wirtschaft zurück. Und die staatlichen Stationen an den Strafsen,
in d(^n(ni der Beamte und Offizier sein Nachtquartier gefunden hatte,
verschwanden und machten entweder dem Wirtshause oder dem frommen
Hospiz Platz. An Stelle der staatlichen Fürsorge trat das Geschäft oder
die Wohlthätigkoit.
Das centrale Strafsensystem , das von Persien bis nach Britannien
ein wohlg(*fügteH Netz gebildet hatte, verländerte nicht allein, sondern es
löst(^ sich noch weiter auf. Jede Strafse stand für sich und wurde nun
gopfiegt von ihren Anwohnern. Es entwickelte sich mit der Wieder-
Bunahine dos Handels ein Wetteifer zwischen den Strafsen, und ihm
haben wir die Eröffnung neuer Strafsen, ja sehr erhebliche Kunstbauten
BU verdanken. Sie werden aber nicht nach dem Beschlüsse einer Re-
gierung golmut, sondern gehen aus der Initiative der Anwohner hervor.
An die Stolle des Weltreiches ist eine Gemeinde, ein Thal oder besten-
Die Alpenpässe im Altertum. 53
falls ein Kanton getreten. Den Verkehr der Strafse zuzuwenden und
damit dem Thale den Nutzen vom Pafsverkehre zu verschaflFen, ist das
Ziel dieser kühnen und entschlossenen Hirten. Ein eigentlicher Wegebau
ist von den mittelalterlichen Elaisern, selbst von Karl dem Grofsen nicht
ausgegangen ^.
Im Strafsenbau der Alpen hat erst Napoleon eine neue Epoche ge-
schaffen ; er kehrte, wie in so vielem, zu dem System der Römer zurück.
Die Simplonstrafse ist das Gegenstück zu den besten Römerstrafsen, nur
technisch tiberlegen, weil bei ihr die Fortschritte der letzten Jahrhunderte
und weit mehr Geldmittel verwendet wurden, als im Verhältnis die alten
römischen Strafsen gekostet haben.
Der Abstand zwischen der römischen Strafsenverwaltung und der des
Mittelalters war so grofs, wie der sein würde, wenn heute die öster-
reicliischen Bataillone aus Bosnien abrückten und ihre Bauten den Begs
und Popen überlassen würden oder wenn aus den jungen Eroberungen
des russischen Reiches die Truppen zurückgezogen würden.
Die Bedingungen des Handels waren ganz andere geworden. Der
Luxus der nach dem Norden verschlagenen Römer erforderte nicht mehr
den Transport der Dinge, welche ihnen in der Heimat ein Bedürfnis ge-
wesen; und die Waren, die der am Rhein stationierte Römer lieb ge-
wonnen und in Rom eingebürgert hatte, wurden nicht mehr verlangt
Der Handel mit Luxuswaren, der überall der Anfang des Handels ist,
schränkte sich ein auf die Objekte, die auch den neuen Herren bald
unentbehrlich geworden waren; ein geldarmes, durchaus in der Natural-
wirtschaft steckendes Volk konnte Massengüter überhaupt nicht beziehen.
^ So ganz richtig Gasner, Zum deutschen Strafsen wesen S. 48.
Zweites Buch.
VERKEHR UND HANDEL IM FRÜH
MITTELALTER
(bis 1032).
Fünftes Kapitel.
Verkebr bts znr Bildnn^ des boclibiir^ndischeii Reicbes (888).
Der St, GoWiard als Grenzpfeiler von fünf Bistümern, Dieser Pafs unbenutzt. Die
AJpen in der merowingischen Zeit* Züge der Karolinger, Gro/ser St, Bernhard, Septimer.
Beliquientranslationen, Divisio regnorwn* Begründung des Königreichs Hochburgutid.
Die kirchliche Einteilung des Alpengebietes geht wohl im wesent-
lichen auf die spätrömischen Einrichtungen zurück und, wenn sie auch
flir diese Tage nicht gelten sollte, so liefert sie doch für das frühe
Mittelalter den Beweis, dafs der St. Gotthard damals eine unbewohnte
Wildnis war, aber kein Pafs. Diesem Stocke streben alle Grenzen zu
als natürlichem Grenzpfeiler. In ihnen treten uns fünf Bistümer und mit
ihnen fünf Kirchenprovinzen entgegen : Mailand , Tarantaise , Besan9on,
Mainz und Aquileja. Das Bistum Novara, Suffraganat von Mailand, geht
mit dem Val Antigorio bis an den Griespafs, Sitten und mit ihm die
alpine Kirchenprovinz Tarentaise schiebt sich bis zur Furka, während
das von Besangen abhängige Lausanne im Haslithale die Gemmi erreicht.
Der grofse deutsche Metropolitanbezirk Mainz erstreckte sich durch das
Bistum Konstanz (und Uri) bis zur SchöUenenschlucht, es gewann durch
den 843 erfolgten Übertritt von Chur, das ursprünglich zum Erzbistume
Mailand gehört hatte, auch das Thal Urseren, ja im Bergell und im Val
Misocco auch Gebiet südlich der Alpenwasserscheide. Im Norden und
Westen laufen die Grenzen der vier erwähnten Bistümer also durchaus
auf der Wasserscheide.
Anders ist das im Südosten. Hier hat Mailand einst Suffragan-
rechte auch über Como und Chur besessen wie heute noch über Novara.
Im Dreikapitelstreite ging Como zum Patriarchat von Aquileja über.
Das Gebiet von Mailand umschnürte das des Bistums Como, es umfafste
Verkehr bis zur Bildung des hochburgundischen Reiches. 55
nämlich die Val Maggia, das obere LiviDenthal bis dicht oberhalb Bellenz
und das zum Lukmanier führende Blegnothal. Auch das Thal von Misox
gehört, wie gesagt, nicht Como, sondern Chur, so dafs Como nur das
unterhalb Bellinzona gelegene Thal des Tessin besafs, an die Alpenpässe
selbst nur am Splügen heranreichte. Dafs Chur die dem Bemhardin
und Septimer auf der Südseite vorgelagerten Thäler besitzt und besafs,
beweist meines Erachtens, dafs wir diese Pässe als begangen ansehen
müssen. Der Gotthard aber ist ebenso sicher unbenutzt geblieben, der
Wanderer, der auf diesem Wege die Alpen hätte überschreiten wollen,
hätte in zwei Tagen die Bistümer Como, Mailand, Chur und Konstanz
betreten müssen.
Die Nachrichten über den Handelsverkehr zwischen Italien und
Deutschland sind für die Zeit bis zur Vereinigung de^ Königreichs
Arelat mit dem Deutschen Reiche äufserst spärlich; ein Bild von der
Richtung der Handelswege kann man nur aus den Angaben über die
kriegerischen und friedlichen Fahrten der Herrscher, über die Pilger-
fahrten und Romreisen gewinnen.
Man wird da aber mit grofser Vorsicht vorgehen und der Ver-
suchung vorschnell zu kombinieren widerstehen müssen, öhlmann hat
seiner sonst so lehrreichen Abhandlung^ dadurch nur geschadet, dafs er
allzu viel Vermutungen vorbringt. Es hat keinen Wert, zweifelhafte Fälle
einer Pafsbenutzung anzuführen, es kann nur mit sicheren Angaben das
Netz der damals benutzten Strafsen festgelegt werden.
Das alte burgundische Reich schob seine Grenzen über die Pafshöhe
nach Italien vor; nachdem das Thal von Aosta vorübergehend verloren
war, wurde es 572 wieder mit dem fränkisch-burgundischen Reiche ver-
bunden. Die Bedeutung des Grofsen St. Bernhard ist damit auch für
diese Zeiten erwiesen.
Als der kühnste unter den Nachkommen Chlodovechs, Theudebert,
von den Ostgothen mit Neualamannien auch Rhätien gewonnen hatte,
dachte schon er daran, Italien zu erobern, doch nicht die Franken,
sondern die Langobarden wurden die Erben der Ostgothen. Aus den
Kämpfen Childeberts II. gegen die neuen Herren Italiens wissen wir,
dafs einer der drei Angriffshaufen, welche über die Alpen kamen, ent-
weder den Lukmanier oder den Bernhardin benutzte. Bei einem un-
vorsichtigen Angriff auf die mailändische Festung Bellinzona tiel ihr
Führer ^
Erst in der karolingischen Zeit werden die Angaben über den Weg
der vielen Züge über die Alpen so genau, dafs man einen Überblick
' Die Alpenpässe im Mittelalter.
* Greg. V. Tours 10 c. 3. Paul. Diaconus 3 c 31.
56 Fünftes Kapitel.
gewinnen kann, und es ergicbt sich, dafs man damals den Grofsen
St. Bernhard unter allen von uns zu behandelnden Pässen bevorzugte.
Hier hatten auf italienischer Seite die Franken auch Sperren (cJusae)
angelegt. Bei seinem ersten Zuge nach Italien 773 liefs Karl der Grofse
seinen Oheim Bernhard über den Juppitersberg rücken. 776 und 801
benutzte er selbst diesen Pafs und zwar für die Heimkehr^. Einmal
ging er durch Kärnten, im übrigen sind die Wege nicht bekannt^. Als
753 Papst Stephan II. schutzflehend zu Pippin eilte, ging er über den
Juppitersberg. Auch Leo III. wandelte 803 diesen Weg^. Immerhin
wahrscheinlich ist es, dafs Papst Gregor IV. 833 und der Kaiser Lothar
840 diesen Pafs benutzten*. Karl der Kahle hat 875 bei Hin- und
Rückweg die Höhe des Grofsen St. Bernhard überschritten und ebenso
im Jahre 877 auf der Hinreise, wo auch der von ihm benutzte Jurapafs
(Pontarlier-Orbe) bekannt ist*. Auch Karl der Dicke, der zum letzten-
mal die karolingischen Teilreiche vereinte, überstieg sicher 879, vielleicht
auch 880 und 885 den Grofsen St. Bernhard*^.
Arnulf endlich drang bei seinem Zuge im Jahre 894 von lombardischer
Seite gegen Ivrea vor, um das eben erstandene Königreich Hochburgund
niederzuwerfen. Er mufste die Thalsperre, welche ein Parteigänger Widos
von Spoleto und burgundische Streiter besetzt hatten, auf Schleich-
wegen umgehen und gelangte dann über den Grofsen St. Bernhard nach
St. Maurice''.
Wenn somit für den Grofsen St. Bernhard in karolingischer Zeit
acht Übergänge deutscher Herrscher sicher, drei als wahrscheinlich nach-
zuweisen sind, trifft auf die anderen Rhone- und die sämtlichen Rhein-
pässe nicht ein einziger sicherer Fall. Doch ist die Benutzung eines der
letzteren für die Rückkehr Lothars I. im Jahre 823, für Karl III. im
Jahre 881 und 883 (Rückreise) wahrscheinlich ®. Doch sind die Angaben
* Für 776 wurde volle Sicherheit geschaffen, wenn man [den Ausstellungsort
»in pratis Oiaigio* Böhmer-Mühlbacher 203 (199) feststellen könnte.
2 Ö hl mann nimmt für sechs weitere Reisen Karls des Grofsen den Grofsen
St. Bernhard in Anspruch, doch reichen dafür die Beweise nicht entfernt aus. Für
786 führt er noch den Aufenthalt in 8t. Maurice an, der ist aber erdichtet. Böhmer-
Mühlbacher 279» (270»).
« M.G. SS. 1, 192.
* öhlmann 243.
» Öhlmann 2, 307. H ine mar, M.G. SS. 1, 498 u. 503.
« 879 kam er von Orbe. Öhlmann 244. Entschieden abzuweisen ist es, wenn
Öhlmann auch den Zug von 886 hierher gehen läfst.
' Das Nähere s. Trog 8. 34 f.
8 Öhlmann 2, 191 ff. Für 823 nimmt Mühlbacher 1019 (986) den Splügen an,
es handelt sich jedenfalls um einen Rheinpafs. 881 ist die Lücke zwischen Müh Ib.
1577 und 1580 so grofs, dafs Zweifel über die Benutzung eines Bündener Passes
Verkehr bis zur Bildung des hochburgundischen Reiches. 57
80 lückenhaft; dafs für mehr als die Hälfte aller Alpenfahrten die Richtung
sich nicht sicher erweisen läfst.
Aber auch die Bündner Pässe waren nicht verlassen, ja sie müssen
weit mehr als wir wissen, auch von den Karolingern benutzt sein; denn
schon Ludwig der Fromme bestätigte 829 dem Kloster Reichenau die
alte Gewohnheit, dafs dieses Kloster dem Könige und seinen Söhnen nur
zur Verpflegungspflicht gebunden sein sollte für die Fahrt durch und auf
Konstanz und Chur^. Und zum ersten Male taucht in dieser Zeit auch
der Name des Septimers auf. Ekkehard erzählt, wie am Ende des
neunten Jahrhunderts Landeloh, Erzbischof von Treviso, für eine Rom-
reise zunächst den Grofsen St. Bernhai'd, für die Rückkehr aber den
Septimer benutzte^.
Recht reiche Angaben liefern auch die Berichte über Transporte von
Reliquien, die ja in diesen Jahrhunderten in grofser Zahl über die Alpen
gebracht wurden. Als Einhard die Reliquien des heiligen Tiburtius und
Petrus Exorcista, die in Rom aus dem Grabe gestohlen wurden, nach
seiner Stiftung in Michelstadt im Odenwalde holen liefs, wurden sie von
Pavia in sechs Tagen nach St. Maurice verbracht. Nachdem die Führer
ein Stück Weges am Genfersee entlang gegangen waren, kam die Weg-
scheide. Sie wählten den Weg zur Rechten und brachten den gestohlenen
Schatz über Solothurn nach Strafsburg, von wo ab ein SchiflF benutzt
wurdet Aus dem Berichte Einhards erfahren wir — ein Beweis für die
Lebhaftigkeit der Verbindung zwischen Italien und Deutschland — dafs
der römische Diakonus Deusdona in fünf Jahren sechsmal über die Alpen
gegangen war*.
Als die Reliquien des hl. Sebastian 826 vom Propst von St. Medard
von Rom nach Soissons verbracht wurden, werden am Wege Piacenza,
mons Jovis, Octodurum, Granant (== Grenant südöstlich von Langres),
cella s. Sereni (Celle-sous Chantemerle südlich von Sözanne Döp. Marne
Arr. Epernay), Calno munde und Soissons genannt*. Wohl genau die-
selbe Strafse gingen von Rom bis mindestens Langres die Gebeine der
bestehen bleiben. Dagegen ist der Übergang 885 nach Mühlbachers Auseinander-
setzungen (1650 u. 52) zu streichen und eher der Grofse St. Bernhard anzunehmen.
^ Gall. Oheim bei Brandi, Quellen u. Forschungen z. Gesch. d. Reichenau
2, 48 f.
- Ekkch. Casus s. Galli (ed. Meyer v. Knonau), Mitt. z. vaterl. Gesch. 15, 38.
^ Translatio ss. Marcellini etPetri, M.G. SS. 15, 1, 242 f. »bivium, qiu)
itinera in Franciam ducentia diriniuntur, adtigit, dexteriorem viam ingresstis per Ala-
mannortim fmes usque ad Salodurum Burgundionum opidum venu,*
* Vgl. die interessanten Zusammenstellungen über den Reiseverkehr aus Ein-
hards Werken bei Matthäi, Einhards Translatio in kulturgeschichtlicher Beziehung.
Progr. des Gymnasiums zu Laubach 1888 84.
•• Acta SS. Jan. II, 284.
58 Fünftes Kapitel.
hl. Helena, welche um die Mitte des neunten Jahrhunderts nach dem
Kloster Hautvilliers bei Rheims verbracht wurden^.
Eine etwas andere Richtung schlugen jenseits des Jura die Mönche
von St. Germain in Auxerre ein, die von Rom die Reliquien der hl.
Urban und Tiburtius holten und in St. Maurice ihren Schatz noch ver-
mehrten. Über Orbe und Pontarlier kamen sie an die Stelle, wo sie die
alte Römerstrafse nach Besangon verliefsen. Die angeführten Orte:
Boujeailles, Salins, Wald von Mouchard, Chamblay (an der Loue), den
Gau an der Ouche, Dijon und Auxerre, ergeben eine Route, in der wir
die später so wichtig gewordene Strafse von Pontarlier nach St. Jean de
Losne wiederkennen werden^.
Einen höchst interessanten Einblick in die Schätzung der Alpenpässe
bietet die Divisio regnorum, die Karl der Grofse festsetzte. In ihr be-
stimmte der alternde Kaiser ganz genau die Gebiete, welche die drei
Söhne erhalten sollten. Die Grenzzüge der drei Reiche kümmern sich
nicht um Nationalität oder Stanmi oder historische Erinnerungen, sie sind
vielmehr so entworfen, dafs allen drei Brüdern der Eintritt nach Italien
offen stand: man kann geradezu sagen, dafs die gleiche Verteilung der
Alpenpässe die Hauptgrundlage des Ganzen ist. Ludwig sollte der Ein-
tritt freistehen durch das Thal von Susa, Karl durch das Thal von Aosta,
Pippin endlich durch die norischen Alpen und Chur. Es sind hier nur
die Knotenpunkte angeführt, während aus der Grenz beschreibung folgt,
dafs Rhätien in seiner Gesamtheit zu Pippins, das Wallis ebenso zu Karls
Gebiet gehören sollte. Recht bezeichnend ist es, dafis die Reichsteilung
den Gotthardpafs nicht erwähnt, er existierte eben noch nicht.
Noch wertvoller sind die Bestimmungen der Zweiteilung, welche im
Falle des Todes des einen der Brüder eintreten sollte. Auch hier bleibt
die Grundlage die Teilung der Alpenpässe. Dem Ostreiche sollte zufallen
die Linie vom Grofsen St. Bernhard über Aosta, Ivrea, Vercelli, Pavia,
Reggio, Modena bis nach der Grenze des Kirchenstaates und was zu
diesen Städten gehöre. Alles, was aber weiter westlich liege, sollte dem
Westreiche verbleiben^. Aus dieser Angabe folgt ohne allen Zweifel,
'Acta SS. Aug. III, 616. Erwähnt werden »Taroy mons Jörns, monasterinm s.
Petri, quod ad radicefn montis situm est^ Osismus (nach den BoUandisten Oisame bei
Langres, Longnon hat in dem Atlas hist. de la France diesen Namen an der von
den BoUandisten angegebenen Stelle), Averga, Falhsia* dann erst in das monasterium
Altumvillare.
* Acta SS. Juli 7, 278. »Orba, Arlia, Botgalia, SalifuiSy saltuR Mortkaliae, pagi
AmaiMensis riüa quae campus Velii dicitur, pagus OscafensiSy Divionem, per Alisieitsem
pcufum in riUa quae Fanum dicitur, Pomp^acum, AfiUssiodori,*
• M.G. Leg. Cap. 1, 127 f. ^Ut ab ingressu ItaUae per Augustam civitatem
accipiat Karolus Ehoreiam, VerceUas, Papiam et inde per Padum fluvium termino
Verkehr bis zur Vereinigung von Burgund mit dem Deutschen Reiche. 59
dafs flir den Verkehr von Italien nach dem nördlichen Frankreich und
dem Niederrhein diese Strafse von der Erailia über den Grofsen St. Bern-
hard nach Besanfon und weiter die Hauptader war.
Die Auflösung der Alpenfront, wie sie Karl der Grofse in der Reichs-
teilung angeordnet hatte, sollte in einem ganz anderen Sinne doch noch
zur Ausführung kommen. Nachdem schon die Provence sich unabhängig
gemacht hatte, setzte sich Januar 888, also unmittelbar nach dem Tode
des letzten echten Karlingen der Weife Graf Rudolf in St. Maurice,
dessen Laienabt er war, die Krone auf^ und begründete damit das
Königreich Hochburgund, dessen Hauptorte sich längs der Route hin-
ziehen, die vom Grofsen St. Bernhard kommt und nach Burgund und dem
Oberrhein sich fortsetzt Die wichtigsten Orte waren neben den Bischof-
sitzen: Orbe, Pajerne und St. Maurice, und gerade in ihnen sind die
burgundischen Herrscher, die wie die deutschen Könige wanderten, am
häufigsten nachzuweisen ^.
Sechstes Kapitel.
Verkehr bis zur VereinigüD^ yon Bnr^nd mit dem Deutschen
Reiche (1032).
Die Saracenen in den Alpen, Älteste Hospize: am Grofsen St Bernhard, auf dem
Septimer und sonst. Bündener Pässe, Die Züge der Ottonen. Andere Beisende.
Begünstigung von Chur. Erhaltene römische Verkehrseinrichtungen: Schiffmeisterei am
Walensee, Fähren. Besitz deutscher Klöster jenseits der Alpen. Burgundische
Pässe: Verkehr über den Grofsen St. Bernhard. Normannen. Engländer, Itinerar
Sigerichs. Verhandlungen Knuds des Grofsen.
Von der Begründung dieses Reiches an war die Hälfte der Alpen-
stellung dem Deutschen Reiche verloren, erst 1032 wurde das inzwischen
mit Niederburgund vereinigte Königreich Burgund dem Ostreiche wieder
angegliedert Die Ottonen waren also gezwungen, sich der östlichen Pässe
zu bedienen, und damit erreichten die Bündnerpässe eine Bedeutung, die
in späterer Zeit wieder abgeschwächt wurde.
Die Zersplitterung des Besitzes führte zunächst zu der tiefsten
Schädigung des Alpenverkehrs, da es einem seefahrenden, nichtchristlichen
Volke gelang, sich der Pässe in den Alpen bis weit nach Osten hin zu
bemächtigen und an achtzig Jahre die Reisenden zu belästigen. Ein
kleines Häuflein von saracenischen Piraten überfiel um das Jahr 889
das Dorf Fraxinetum (Garde-Frainet Döp. Var.) und gar bald begannen
currente usque ad fines Begensium et ipsam Begiam et Civitaiem Novam atque MtUinam
usque ad terminos sancti Petri.*
1 Trog, Rudolf L u. Rudolf IL von Hochburgund. Basel 1887. S. 24.
' Fournier, Le royaume d*Arles IX.
60 Sechstes Kapitel.
von diesem befestigten Platze aus die Streifzüge in die benachbarten
Oebirgstbäler ^ 906 vmrde das Kloster Novalese zerstört, dann tauchen
die Araber in dem Bereiche der Btindnerpässe auf, schon vor 936, und
von zahlreichen Pilgern wird berichtet, dafs sie auf dem Wege nach Rom
die Pässe gesperrt fanden. Es war ein allgemeines Übel, das von Jahr
zu Jahr anwuchs, selbst gröfsere Pilgerkarawanen wurden angehalten.
939 verbrannten die Saracenen auch das Kloster St. Maurice. In den
italienisch-deutschen Wirren von 941/42 wurden die Saracenen geradezu
die Bundesgenossen des Königs Hugo von Burgund, für den sie die
Sperrung der Alpenpässe zwischen Schwaben und Italien gegen Markgraf
Berengar von Ivrea, der sich nach Schwaben begeben hatte, übernahmen ^,
und doch war Hugo ausgezogen, der Saracenenplage ein Ende zu machen !
Die Gattin Berengars entkam gleichwohl über die Alpen. Zur Winters-
zeit wagte die hochschwangere Frau die Fahrt über den Vogelberg
(Bernhardin), der damit in die Geschichte eintritt ^ Berengar hat Italien
dann über Trient wieder erreicht.
Die Saracenen hatten sich nach und nach in den Alpen eingerichtet,
wenn sie auch aus den Bündnerpässen wohl schon seit 950 verschwinden.
Auch im Westen mufs es schon langsam sich gebessert haben, da 960
Bischof Giso von Aosta einen Zolltarif bearbeiten liefs, der einen unge-
störten Pafsverkehr voraussetzt*. Doch führten die Saracenen noch 972
einen frechen Streich aus. Der Abt Majolus von Cluny war 970 über
Chur nach Italien gereist, seinen Heimweg wollte er auf der nächsten
Route über den Grofsen St. Bernhard nehmen. Er war mit seinen Be-
gleitern schon über die Höhe und bis an die Brücke von Orsieres ge-
kommen, als er von Saracenen überfallen und gefangen genommen wurde.
Gegen ein hohes Lösegeld wurde er freigelassen*. Mit der Eroberung
von Fraxinetum durch die benachbarten Grofsen wurden die Alpen un-
mittelbar darauf von diesen schlimmen Gästen befreit.
Die Saracenen haben — wie es wenigstens höchst wahrscheinlich
ist — die ersten dem Fremden Hilfe gewährenden Häuser zerstört. Es
ist wenig bekannt, dafs schon seit dem Anfange des neunten Jahrhunderts
ein Kloster erwähnt wird, das der Pafshöhe des Grofsen St. Bernhard
möglichst nahe gerückt war. Es war die „abbatia montis Jovis sancti
Petri" in Bourg-St. Pierre, dem höchstgelegenen Walliser Dorfe an der
* Vgl. vor allem Ohlmann 1, 205—224. Dierauer, Gesch. d. Schweiz. Eid-
genossenschaft 1, 50.
* Liudprand 5 c 17. M.G. SS. 3, 331. »foedus iniit, td in wontihus , qui
Sueviam atqiie Italiam diHdunt, starent,*
* Vgl. Liiidprands bitteren Verse über dfn mons avium und mons Jovis.
* S. initeu S. 68.
''• Vgl. Öhlmann 1, 222 f.
Verkehr bis zur Vereinigung von Burgund mit dem Deutschen Reiche. 61
Pafsstrafse (1 633 m, Pafshöhe 2472 m) ^ Als Lothar seinem Bruder Ludwig IL,
König von Italien, im Jahre 859 alle seine Besitzungen zwischen Jura
und den Alpen (die Bistümer Genf, Lausanne und Sitten) abtrat, behielt
er sich das Hospiz auf dem Grofsen St. Bernhard vor*. Es dürfte damit
doch wohl dieses Kloster gemeint sein. Es bestand — also wieder auf-
gebaut® — noch 1011, damals schenkte es König Rudolf III. von Hoch-
burgund seiner Gemahlin *. „Noch um die Mitte des zwölften Jahrhunderts
wird dieses Gotteshauses gedacht, dann aber tritt dessen Bedeutung
gegenüber dem Hospiz auf dem Berge gänzlich in den Hintergrund"*^.
Sehr viel früher als hier ist auf einer Pafshöhe selbst ein Hospiz
errichtet — es würde somit das älteste eigentliche Pafshospiz sein —
wenn das schon 831 erwähnte xenodochium sancti Petri wirklich das
spätere Hospiz auf dem Septimer ist. In diesem Jahre gab nämlich nach
einer inhaltlich ächten Urkunde Ludwig der Fromme dem Bistume Chur
die durch den Grafen Roderich entzogenen Güter zurück, darunter
das senodochium sancti Petri *. Dieses senodochium ist auch im Schanfigg-
oder im Valser Thal gesucht worden, aber wozu sollte denn dort ein
Hospiz gegründet werden? Man mufs es auf oder an einem Passe suchen,
und da das spätere Hospiz auf dem Septimer denselben Patron hatte,
so sehe ich nicht ein, warum man nicht in der späteren Gründung Widos
die Wiederbegründung eines älteren Institutes sehen solP.
Mir ist es nicht zweifelhaft, dafs solche Hospize schon im achten
Jahrhundert auch in dem von mir zu behandelnden Teile der Alpen be-
standen. Papst Hadrian I. hat Karl den Grofsen gebeten, das Kloster
Galliata in Schutz zu nehmen una cum hospitaUs, gut per calles Alpium
siii sunt' ®. Und ist es nicht auffallend, dafs die Hospize am Grofsen
St. Bernhard und auf dem Septimer den Namen des hl. Petrus tragen,
standen sie vielleicht im Besitze der römischen Kirche? Man kann die
Frage aufwerfen, aber nicht beantworten.
^ Die Belege bei Duc »A quelle date est mart St. Bemard" in den Mise. d.
stör, italiana 31, 846.
2 Annal. Bertiniani, M.G. 8S. 1, 453. *Hospitium quod est in monie Jovis.*
8 Das beweist auch die alte llnschrift, die sich früher an der Kirche fand.
Gremaud in den M^moires et docum. de la Suisse romande 29, 48. Der
Nenban war vom Bischof Hugo von Genf veranlafst.
* Duc. 351.
^ Hoppeler, Das Unter- Wallis S. 284. Ohne Belege.
« V.Mohr, Codex dipl.Rhaetic. 1,34 f. Mühlbach er 893 (864). Die Best&tigungs-
urkunde Ludwigs des Deutschen von 849 ist unbestritten echt. Müh Ib. 1352. Auch
die erste Bittschrift Bischof Victors II. (Mohr 1, 27) sagt: »distrticta sunt synodochia
vel paupenim susceptiones,*
■^ Gegen Öhlmann 2, 175 hat Berger S. 114 f. sich mit nicht durchschlagenden
Gründen gewendet und das Hospiz eher an die Lukmanierstrafse verlegen wollen.
» M.G. Epist. 3, 623. Der Brief fallt zwischen 784 und 791.
ß2 Heehste« Kapitel.
Übrigens kehrten die Fremden — von dem direkten Wege abweichend —
auch wohl gern in den Klöstern ein, über die Hospize von St. Gallen
und Pfävers haben wir zahlreiche Nachrichten^.
Die Ottonen waren also auf diese östlichen Pässe eingeschränkt, und
in der That können wir nachweisen, dafs sie mit Einschlufs Heinrichs H.
achtmal die Bündnerpässe benutzt haben. Nur bei der Rückkehr Otto
des Grofsen, nachdem er das Kaisertum wiederhergestellt hatte, ist es
jedoch möglich, den Pafs selbst mit Sicherheit anzugeben. Weihnachten
hatte er in Pavia gefeiert, dann ging er nach den Worten der Einsiedler
Annalen über den Monte Cenere und den Lukmanier ^ nach Chur. An
denselben Weg oder an den Bernhardin ist 1004 zu denken, da die
Quellen vom Monte Cenere reden. Für die Züge Ottos von 952 und
966, Ottos n. 972 und 980, Ottos HL 996 und 1000 ist nur die Richtung
über Chur sicher®.
Von andern Reisenden, die einen Bündnerpafs benutzt haben, kann
ich nur zwei gesangeskundige Italiener anführen, die nach Ekkehards
sagenhaftem Berichte von dem rauhen Klima, dem sie auf dem Comersee
und dem Septimer ausgesetzt waren, schwer mitgenommen wurden*.
Eß entspricht durchaus den Grundsätzen ottonischer Politik, wenn
sie nun die Sorge für die wichtigen Übergänge und damit auch die
politische Macht in diesen (lebieten den Grafen entziehen und dem
Bischöfe von Chur übertragen. Hartbert hätte auch gar nicht in so hohem
Mafse der persönliche Günstling Heinrichs I. und Ottos I. sein müssen,
um für sein Bistum so viel zu erlangen.
Von den reichen Vergabungen ist für uns von Bedeutung die Ge-
währung aller Fiskaleinkünfte der königlichen Kammer in der Graf-
schaft Chur (951)*, die 952 erfolgte Bestätigung und Schenkung des
Zolles, der von den Händlern in Chur seit alter Zeit erhoben wurde®
1 V. L i e b e n a u f Gasthofwesen 28 f.
2 Die Handschrift hat luggm, was v. Wyfs sehr glücklich auflöste. Anzeiger
f. Schweiz. Gesch. 4, 293.
' Ö hl mann hatte für die Alpenübergänge von 952, 966, 972, 980 und 1000 be-
stimmt, für den von 966 mit Vorbehalt sich für den Septimer ausgesprochen, für
den von 995 und 1004 den Bemhardin bestimmt angesetzt. Dagegen hat Berg er
8. 118 ff. mit Recht polemisiert. In der That liegen die Dinge so, dafs für den
Septimer sich kein Beweis finden läfst. Die Einzelbeweise a. a. 0.
* (St. Galler) Mitth. z. vaterl. Gesch. 15, 171.
^ DOl 139. Mohr 1, 69.
• DOI 148. »Omne teloneum ab itinerantilms et undique confluentibus emptoribus
aJtque de omni negotio in loco Curia peracto, de quo semper cotisuetudo fuerat teloneum
exadafidum , . . quod olim jam iotum ad ipsam ecclesiam ex integro cum preceptis
regalibus fuerat coniradiium". Mohr 1. 71.
Verkehr bis zur Vereinigung von Burgund mit dem Deutschen Reiche. 63
und schon früher der Churer Kirche geschenkt war, und die Bestätigung
des auf dem Walensee fahrenden bischöflichen Schiffes und seiner Zoll-
freiheit ^
Die politische Tendenz tritt aber noch stärker hervor, wenn Otto I.
960 dem Bischöfe Hartbert die Landschaft Bergell mit dem Zoll, der
eben nach Chur verlegt war, im Tausche überliefs *• Damit erfahren wir,
dafs die Oberhalbsteinerpässe — um nicht direkt Septimer zu sagen —
besonders wichtig waren. Nun war die Landeshoheit der Churer Bischöfe
bis über den Alpenpafs vorgeschoben und damit nunmehr das gesamte
Zoll- und Abgabenwesen auf der Strecke von der Landquart bis an den
Luver, also innerhalb des gesamten oberen Rhätien, in der Hand des
Bischofs von Chur vereinigt. Durch diese Mafsregeln wurde hier der
Alpenverkehr centralisiert.
Ja für kurze Zeit wurde der Einflufs des Churer Bischofs noch
weiter vorgeschoben in den Bereich von Rechten, die Karl der Grofse
einst der Kirche von Como geschenkt hatte. Otto H. griff hier ein und
gab 980 den Zoll auf der Mairabrücke an Biächof Hildibold von Chur,
in einer zweiten Schenkung erweiterte er das. Auf die Dauer hat der
Bischof diese Position nicht behaupten können, es folgte aber doch wohl
aus dieser Zugehörigkeit zu Chur, dafs später Chiavenna als zum Herzog-
tum Schwaben gehörig erklärt wurde ^.
Auch über die Zufahrten der Bündnerpässe erfahren wir manches von
Bedeutung. Wie sehr wahrscheinlich der Churer Zoll aus römischer Zeit
stammt*, geht auch wohl eine andere Verkehrseinrichtung auf die Römer
zurück. Auf dem Walensee bestand in späterer Zeit eine Schiffmeisterei,
der 10 Schiffe unterstellt waren, den Ertrag (im Durchschnitt 8 W) lieferte
der Schiffmeister an den Bischof von Chur ab*. Das Amt eines Schiff-
meisters wird freilich in den älteren Dokumenten nicht erwähnt. Aber
wir sehen doch, dafs schon früher ein Schiffahrtsmonopol auf dem See
bestand. Kaiser Lothar L gab nämlich dem Bischof von Chur 843 das
1 DOI 175. Mohr 1, 75.
2 DOI 209. Mohr 1, 80. »Valleni quoque PergaUiae et teloneum in ipsa
väüe ab üinerantibus emptoribus persolvi consuetum, modovero ineodem loco Curia datum.*
Vgl. Darmstädter, Das Reichsgut in d. Lombardei 86 f.
s Das Nähere s. bei Darmstädter S. 82 ff. Berger 125 f. Öhlmann2, 183.
Vgl. auch Planta und besonders Seh eff er- Bei eher st, Chiavenna als Grafschaft
des Herzogtums Schwaben.
* Die allgemeinen merowiugischen Zollbestimmungen kann man auch für diese
Gegenden, wie Planta S. 408 f. das gethan hat, heranziehen; immerhin fehlt die
Gewifsheit, dafs sie praktisch verwendet wurden.
^ Ältester Einkünfterodel von Chur. »Sunt ibi {de ripa Walahastaä) naves X,
quas facitmt liberi homines, ex quibus reddüur singulia annis quantum poterini nautor
adquirere, aliquando lihras VIII plus minusque** Mohr 1, 288.
64 Sechstes Kapitel.
Recht, dafs nach den vier königlichen Schiffen auch ein bischöfliches von
den Reisenden benutzt werden dürfe, ohne dafs dafür Zoll zu entrichten
sei. 849 und 955 wurde dieser Anteil^ an der Schiffahrt bestätigt ^ Der
Verkehr auf dem See war also immerhin schon so lebhaft, dafs er fünf
Schiffen Existenz gab, und wer sie vor allem benutzte, sagt uns ein
freilich viel jüngerer Rodel: die Rompilger*.
Die Rompilger begegnen uns auch auf einem anderen Zufahrtswege.
In Rorschach am Bodensee gab Otto I. 947 Münze und Markt, der für
die nach Italien Reisenden und Rompilger geeignet sei, dem Kloster
St. Gallen«.
Wenn es gestattet ist, hier etwas voraufzugreifen, so möchte ich aus
dem ältesten Einkünfterodel des Bistums Chur, der in das elfte Jahr-
hundert gesetzt wird, ein paar bisher übersehene Stellen hervorheben,
welche uns die Strafsenzüge in nachrömischer Zeit klarlegen. Es heifst
da bei Schaan (unterhalb der Luziensteige , wahrscheinlich das römische
Magia^) »Redditur tbi de nave dominica unus^isque de VII villis unum
denarium vel . . .*« Es ergiebt sich somit, dafs hier ein bischöfliches
Schiff auf dem Rheine lag, unzweifelhaft die Fähre, und damit ist uns
die Stelle bekannt, wo unterhalb des Schollberges und der Luziensteige
der Rhein überschritten wurde®. Aber auch oberhalb mufste für die,
welche vom Walensee nach Chur wollten, eine Fähre vorhanden sein,
und man wird sie ohne weiteres direkt oberhalb der Luziensteige bei
Mayenfeld suchen und richtig: *Curtis Lupinis . . . census de navihus
reddüiir tbi*.
Eine sehr lebhafte Verbindung dieser Gregenden mit Italien folgt auch
aus dem Besitze der Klöster. Wie in den Ostalpen die Bistümer Regens-
burg, Freising und Passau und der bayrische Adel auch jenseits der
Pässe Besitz gewannen, haben auch die grofsen Klöster Schwabens nach
Italien hinübergegriffen. Karl der Dicke schenkte den Mönchen von
St. Gallen die an Wein und öl reiche kleine Abtei Massino an den
* "Navem etiam episcopcUem in Lacu Rirano post dominicas IUI natvs absqne
tdoneo et censu potestath^e ab itinerantibus carcandum e^se precipimusf Mohr 1, 42.
Ludw. d. Dtsche. 1, 45 (Böhmer- Mühlbacher 1852) und Otto I. 1, 75 (DOI 175).
Dort ist der Wortlaut etwas abweichend und hinzugefügt: »solitas ministrorum
contentiofies penitus removendas*. Zur Sache Planta S. 410 f.
* Zweiter Einkünfterodel : »Item ad Bipam tercia pars theolofiei de Bomeis pertinet
8. Marie et episcopo Ctm'eusi*. Mohr 2, 106.
» DOI 90. Wart mann, Urkundenbuch v. St. Gallen 3, 16.
* S. oben S. 47.
»Mohr 1, 287.
* Das stimmt mit den späteren Verhältnissen überein und dürfte vielleicht auf
die römischen Zeiten zurückgehen, wenigstens würde sich so vortrefflich die Lage
des aufgedeckten Kastells erklären.
Verkehr bis siir Vereinigmig von Burgnnd mit dem Deutschen Reiche. 65
üppigen Ufern des Lago Maggiore ^ Die Reichenau hat eine ganze Kette
von Gütern gehabt, die nach Oberitalien hinüberfUhrten. Wenn der
Reichenauer Abt über den Julier oder Septimer wollte, konnte er in Lenz
auf eigenem Boden schlafen, wählte er die Hinter rheinpässe oder den
Lukmanier, so bot sich ihm Reichenau als Quartier, fUr die letztere Fahrt
noch Tamins und Trins*. Diese Schenkung König Ottos (I.?) schuf die
Verbindung mit der älteren Bewidmung durch eine Reihe von Orten am
Comersee : Oravedona, Limonta, Tremezzo und Lecco, die einst Karlmann,
Ludwigs des Deutschen Sohn, geschenkt hatte ^. Wein, öl und Kastanien
hat wohl gar oft ein reichenauischer Mönch oder Verwalter über die
Pässe dem Kloster zugeführt. Auch Pfävers ragte mit seinem Besitze
über die Hänge der Alpen bis in das Gebiet von Chiavenna, und besonders
bedeutsam ist es, dafs die ihm gehörige Kirche St. Gaudentius schon um
998 als am Fufse des Septimer Berges gelegen bezeichnet wird*. Eine
solche Ortsbeschreibung beweist uns, dafs der Berg einen damals schon
viel benutzten Pafs trug und die Anlage der Kirche selbst in dem hintersten
Teile eines Thaies oberhalb der letzten ständig bewohnten Häuser bezeugt,
dafs sie dem Verkehr über den Septimer oder über den Malojapafs ihren
Ursprung verdankt.
Leider ist das Archiv von Disentis durch den Brand von 1799 ver-
nichtet, aber aus den anderweitig erhaltenen Nachrichten zur Geschichte
dieses Klosters wissen wir, dafs auch dieses Kloster einen bedeutenden
Besitz jenseits der Alpen hatte, namentlich in der Lomellina und am Lago
1 ^atpert, Gas. s. Galii. Die Schenkung föllt in die Jahre 881 bis 883. Ich
fand im Mailänder Staatsarchiv Missive Band 155 Fol. 88 ein Schreiben des Herzogs
von Mailand an den Abt von St. Gallen vom 80. März 1482, der sich an jenen um
Restitution der Güter am Lago Maggiore gewandt hatte. Der Herzog fand, das sei
778 Jahre her, der Abt solle bessere Dokumente beibringen. Die Rechnung stimmt
freilich nicht; denn 704 hatte St. Gallen nichts dort erworben. Über die Versuche
von 1493 vgl. Wartmann 4, 956.
' Ich mufs hier Gilg Tschudi gegen P. C. v. Planta in Schutz nehmen, der
ihm (Herrschaften 445 Anm. 4) die Aufstellung einer unhaltbaren Hypothese vorwirft.
Tschudi ist der einzige Bündener Historiker, der richtig gesehen hat, dafs die Herr-
schaft Hohentrins eben alt-reichenauischer Besitz ist.
» Gall. Oheim herausg. v. Brandi 2, 18 u. 19. Der Besitz am Comersee wurde
in Resten bis in die Tage Kaiser Heinrichs VII. behauptet S. die Litteratui bei
Brandi S. 18 Anm. 9 und 125 Anm. 29. Ich habe in Como vergebens nach weiterem
Material gesucht Auch der gründliche Kenner der Kirchengeschichte dieser Diöcese
Abbate Santo Monti vermochte nichts beizubringen als die Vermutung, dafs das
Klösterchen San Benedetto (im Thale gleichen Namens) zur Reichenau gehört habe.
Es liegt in der That nicht gar weit von dem reichenauer Besitz in der herrlichen
Tremezzana. Vgl. auch Darmstädter S. 97 — 100.
^ »EccUsiam sancti Gaudentü ad peäem Septimi montis.* Eichhorn, Epiac.
Cur. Nr. 29.
Sehnlt«, G«Mh. d. nittolalUrl. Hand*la. I. 5
66 Sechstes Kapitel.
Maggiore. Sicher gestellt ist er für die Mitte des zwölften Jahrhunderts,
wird aber auf einen Grafen Wido von Lomello zurückgeführt, der ein Zeit-
genosse König Pipins gewesen und auf einer Reise nach Chur in Disentis
erkrankt sein solP.
Der Verkehr über den Grofsen St. Bernhard raufs in der Zeit der
burgundischen Herrschaft recht lebhaft gewesen sein, wenn auch die
Saracenen die Strafse lange belästigten^. Der Abt Gerard von Brogne,
der von Rom kommend auf Saumtieren Porphyrsteine zum Bau des Altars
einer Kirche mitbrachte®, Sigerich von Canterbury, der 990 aus Italien
heimkehrte, und der Bischof Bemward von Hildesheim sind nachweislich
diesen Weg gewandelt*. Zu den Reisenden, welche den Grofsen St Bern-
hard überstiegen, gehörte auch der hl. Ulrich Biscliof von Augsburg*^,
Majolus Abt von Cluny wurde hier 972 von den Saracenen gefangen
genommen®; schon Odo, der erste Abt von Cluny, hatte 941 diesen Weg
eingeschlagen'', wie später Abt Fulco von Corbie es that®.
Eine verspätete Welle der Völkerwanderung ist es, die im Anfang
des elften Jahrhunderts über den Grofsen St. Bernhard ging. Sie ist die
Ansiedlung der Normannen in Unteritalien. Nachdem Rudolf mit seinen
Begleitern über die Alpen in die lombardische Ebene hinabgestiegen und
vom Papste Benedikt VHI. für den Kampf wider die Griechen gewonnen
war und 1017 wirklich sie besiegt hatte, brach nach Rodulfus Glaber eine
unzählbare Menge mit Weibern und Kindern auf und kam an den Jupiters-
berg. Die kriegsgewohnten Normannen wollten keine Zölle und Gebühren
entrichten, sie sprengten vielmehr die Befestigungen und vertrieben ihre
Wächter und kamen so zu Rudolf®; wenn sie auch geschlagen wurden,
80 beruht doch die Begründung des normännisch-sizilischen Reiches in
ihrem Auftreten.
Hier erscheint die Strafse über den St. Gotthard als der gewohnte
1 Bestätigung Friedrichs I. von 1154. Mohr 1, 176. Stumpf 3701, jetzt mit
der wichtigen Vorlage des Klosters auch bei Thommen, Urkunden zur Schweiz.
Gesch. 1, 9 ff. Bestätigung Lucius III. von 1184 Mohr 1, 212. Die nachweisbaren
Orte liegen übrigens bei Locamo und Luino am Lage Maggiore.
3 Zu Hochburgund gehörte auch das Thal von Aosta Trog S. 27. Die Be-
strebungen König Rudolfs IL, die Herrschaft in Italien zu gewinnen, beruhten
natürlich auf dem Besitze dieses Passes.
' Die Reise wird von Sackur bezweifelt.
* öhlmann 1, 248 ff.
^ M.G. SS. 4, 404. Er fand gerade das Kloster St. Maurice von den Sara-
cenen zerstört
* S. oben. Vgl. auch Sackur, Die Cluniacenser 1, 228.
■^ Sackur 1, 110.
" Vita S. Geraldi abb. Acta SS. April I, 416.
* Rodulfus Glaber, Lib. 3 c. 1. Ausgabe von Maurice Prou S. 53.
Verkehr bis zur Vereinigung von Burgund mit dem Deutschen Reiche. 67
Weg, den man vom Norden Frankreichs aus über die Alpen nahm. Eng-
lische Pilger und Wanderer haben ihn jedenfalls in grofser Zahl benutzt,
das ist durch Funde von englischem Gelde auf der Pafshöhe erwiesen ^
Sigerichs Reiseroute giebt uns den Weg, den damals die Wanderer
einzuschlagen pflegten, ganz genau an. Auf Piacenza folgt St. Andreas,
das ist Corte S. Andrea unterhalb der Mündung des Larabro in den Po.
Es folgt S. Cristina, das dicht westlich von Corte Olona, einer alüombar-
dischen Königspfalz, liegt. Über Olona und Belgiojoso wurde Pavia
erreicht. Der Weg von hier bis Vercelli ist durch den Namen Tremel
(Trumello, am Übergang über den Terdoppio) als die über Mortara
führende Heerstrafse erwiesen. Zwischen Vercelli und Ivroa ist angeführt
St. Agath, jetzt Santhia. Es schliefsen sich als Stationen an: Pollein,
Aosta, St. Römy, Bourg St. Pierre, Orsi^res und St. Maurice. Folgt der
Verkehr hier bereits durchweg der alten Römerstralse , so ist das auch
im weiteren der Fall. Das Verzeichnis führt weiter an Burbulei, Vivaec
(=r Vevey), Losana (= Lausanne) und Urba (-= Orbe). Der zweite
Name dieses Ortes ist bezeichnend, er lautet Tabemae*. Der Weg ging
von hier nach Sigerichs Itinerar, mit dem die Angaben der Translationen
durchweg in Übereinstimmung zu bringen sind, über Antifern, Punterlin
(= Pontarlier), Nos (= Lods nw. von Pontarlier), Bysiceon (= Besan9on),
Cuscei (=^ Cuscy beim Übergang der alten Römerstrafse über den Ognon),
Sefui (= Seveux am Übergang über die Saone), Grenant (zwischen Gray
und Langres), Langres, dann weiter Bar-sur-Aube, Brienne, Chalons s. M.,
Rheims, Laon, Arras zur Meeresküste®.
Die Route Sigerichs giebt uns ohne Zweifel die Hauptverkehrsstrafse
für den englischen, flandrischen und nordfranzösischen Verkehr an. Vor
allem auf sie werden sich die Verhandlungen bezogen haben, die Knud
der Grofse, der gewaltige Herrscher des Nordens, bei Gelegenheit der
Kaiserkrönung Konrads II. mit diesem wie mit dem gleichfalls damals
in Rom erschienenen Könige Rudolf von Burgund pflog. Der König
konnte den englischen Bischöfen melden, dafs beide Herrscher zugesagt
hätten, dafs Engländern und Dänen der Weg nach Rom nicht mehr so
^ Nach Ferrero, Notizie degli scavi 1894 S. 35Anm. 2 fanden sich beim Aus-
bau des alten Saumpfades zur Fahrstrafse auf schweizerischer Seite bis an das Hospiz
englische Silbermünzen des elften und zwölften Jahrhunderts, vermutlich die Bar-
schaft eines Reisenden, der auf der Wanderung um das Leben kam. Die Abhandlung
von Morel-Fatio war mir nicht zugänglich.
a So 966 (Hidber, Urkundenregister Nr. 1087), 996 (Nr. 1163), 1011 (1236), 1023
(1264), 1026 (1278) und öfter, zuletzt 1046 (1336). Nr. 1439 enthält eine Reihe von
Angaben über Transporteinrichtungen und das Spital.
8 Script, rer.ßritanic. 63, 392 ff. Vgl. auch Konrad Miller, Die ältesten
Weltkarten Heft 3 S. 156 ff. Von Rom war der Erzbischof über Acqua pendente,
Siena, Lucca, Luna, Pontremoli, Borgo San Donnino nach Piacenza gereist.
5*
08 Siebentes Kapitel.
erschwert werden solle, sie sollten nicht mehr durch so viele Wegsperren
aufgehalten und durch ungerechte Zölle belästigt werden; die Eaufleute^
wie die, welche des Gebetes halber pilgerten, sollten ohne alle solche
Hinderung nach Rom ziehen und von dort heimkehren können. Ins-
besondere habe auch König Rudolf, in dessen Händen die meisten Pässe
seien, dies zugesagt^.
Siebentes Kapitel.
Der Handel.
Spärliche Nachrichten, Ältester ZMarif: Aosta. Art der Zollerhebung. Allgemeine
EandelsverhäUnisse. Oew^e, Nahrungsmittel. Gewwrze. Weihrauch, Parfümeriestoffe.
Wein, Andere Waren. Passive Handelsbüans des Nordens. Auch Italien noch in
sdcundärer Stellung im Welthandel. Deutsche Kaufleute. Fremde Kaufleute: Syrer,
Juden, Araber, Friesen, Italiener. Wanderhandel. Märkte,
Direkte Nachrichten über den Handel sind im ganzen früheren
Mittelalter äufserst spärlich, auch hier müssen noch, wie ftir die früheren
Zeiten, die Funde als Quellen herangezogen werden. Es fehlt da noch
so gut wie an allen Vorarbeiten.
Dem neunten Jahrhundert gehört der älteste Zollkatalog aus der
Alpenwelt an. Eki ist der, den Bischof Giso von Aosta 960 abfassen
liefs *. Er enthält nur wenige Nummern. Den Bedürfnissen der bischöf-
lichen Gutsverwaltung entsprechend wurde am St. Ursusthor, soviel sie
brauchte, vom Salze erhoben. Von je einem Dutzend Schüsseln, Lanzen,
Hirtenhörnem und hölzernen Näpfen wurde ein Stück genommen, wie
von einer Saumlast von Schwertern zwei. Es sind die Bedürfnisse eines
Alpenvolkes, die gedeckt werden. Von den übrigen Waren wurde ein
Verkaufszoll erhoben in einer Höhe von 20^ Wert je 14 S), also ein
Zoll von 5,8 ®/o, besonders erwähnt werden Schilde, Zügel, Sporen und
Sättel. Ein specieller Ansatz war für einige Waren gemacht: zunächst
für Metalle: von einer Saumlast Blei 4, Zinn 6, Eisen 4, Erz 6 %; von
Panzern 12 S), von einem Pferde 4 ä). Sehr eigentümlich sind die An-
sätze für einen Falken 2 h und einen Affen — obwohl es ein lächer-
liches Tier sei — 12 ^, noch merkwürdiger berührt uns die Saum-
last Dinte, doch liegt da wohl irgend ein Fehler vor. Im übrigen mufste
jeder Kaufmann, der durch das Thor auf einem Pferde oder einem Esel
einritt, er mochte von oben oder von unten kommen, einen Pfenning
bezahlen^. Es ist neben dem Zoll eine Verkehrsgebühr.
1 Brief Kanuts bei Mansi, Condliorum CoUectio 19, 499 ff.
* Gedmckt bei Besson, Mämoires du diocöse de Genöve 473. Auch Öhl-
mann 1, 248 Anm. 4.
* Eis ist offenbar zu lesen: »de mercatoribus de quacunque parte vementibuSt si
cum asino vel equo portam istam intraverint causa emendi vel vendendi, pro unoquoque
denarium (nicht denario) unum, de sale quantum necesse est ad aulam episcopi*.
Der HandeL 89
Die Zolltarife schmiegen sich in den Zeiten der Naturalwirtschaft
den Bedilrfnissen des Zollerhebers mehr an, als dafs sie den Wert der
Artikel berücksichtigt hätten. Der Zollherr deckt den Bedarf an ftlr
ihn absolut notwendigen Dingen womöglich durch Beschlagnahme eines
Teiles der durchzuführenden Ware. So erfahren wir aus den ältesten
Zolltarifen besser, was das Bedilriiiis des Zollerhebers war, als was in
gröfseren Beträgen die Zollstätte passierte, sie sind noch mehr eine
lokale Quelle als eine Quelle der Kenntnis der internationalen Verhält-
nisse. Die ganze Bekleidungsbranche einschlielslich der Rohstoffe ist
unberücksichtigt, die Artikel, welche genannt sind, sind auffallenderweise
fast nur Metalle. Trotz dieser Mängel enthüllt uns der Zollkatalog doch
einen internationalen Handel: wie der Affe, der die Jahrmärkte beleben
sollte, den Orient oder Afrika repräsentiert, sprechen die Panzer für die
Mailänder Waffenindustrie, jedenfalls ist das Zinn der Vertreter des eng-
lischen Handels. Cornwallis und Devon sind unzweifelhaft als Heimat
des hier erwähnten Metalles anzusehen. Der Grofse St. Bernhard erweist
sich somit auch als die Richtung der von England nach Italien gehenden
Waren, wie er der Weg der Wanderer war.
Wir müssen den Versuch machen, diese wenigen Nachrichten in das
Bild der allgemeinen Geschichte des Handels jener Zeit einzufügend
Mit dem Zusammenbruche des römischen Reiches ist keineswegs
der Handel völlig vernichtet worden, aber er ging seinem Umfange nach
ganz enorm zurück, und die Leistungen sanken ebenso tief. Nördlich
der Alpen und zum Teil ja auch im Süden war die Q^ld Wirtschaft völlig
aufgegeben und die Naturalwirtschaft führte die Zeiten des Tauschhandels
zurück. Die Geldnot drängte den Handel in die engsten Grenzen zurück.
Die germanischen Völker waren fast ausschliefslich von einem heifsen
Verlangen nach Grundbesitz geleitet, und auf der Landwirtschaft baute
sich ihr Volksleben auf. Wie nun jede Wirtschaft versuchte, alle Bedürf-
' Ich stelle hier einmal die wichtigsten Werke zur allgemeinen und der
speci eilen Geschichte des Handels dieser Zeit zusammen: Heyd, Gesch. d. Levante-
handels — Pigeonneau, Histoire du commerce de la France. — W a i t z , V erfassungs-
gesch. 4, 36 ff. — Falke, Gesch. des deutschen Handels 1859. — Beer, Allg. Gesch.
des Welthandels 1860. — Mayr, Richard, Lehrbuch der Handelsgeschichte 1894. —
Schmoller, Die Strafsburger Tucher- und Weberzunft. Strafsb. 1879. — H e 1 1 w i g ,
Handel u. Gewerbe der deutschen Städte während d. sächs. Kaiserzeit. Gk^tt. Progr.
1882. — Boos, Gesch. d. rhein. Städtekultur I. 1897. — Goldschmidt, Universal-
geschichte des Handelsrechtes. 1. Lieferung. 1891. — Nübling, Ulms Kaufhaus im
Mittelalter. Rostocker Diss. 1895. — Jastrow-Winter, Deutsche Gesch. im Zeit-
alter der Hohenstaufen 1897. — NoSl, Histoire du commerce du monde. 2 voll.
Paris 1891. — Doren, Untersuchungen z. Gesch. der Kaufmannsgiiden im Mittel-
alter (Staats- u. social wissenschaftl. Forschungen XU, 2) 1893. — Fischer, Jonathan,
Gesch. d. teutschen Handels. Hannover 1782.
70 Siebentes Kapitel.
nisse möglichst selbst zu decken , in der eigenen geschlossenen Haus-
wirtschaft alles zu erzeugen, zu verarbeiten und zu konsumieren , wie
so eine Masse von durchaus selbständigen wirtschaftlichen Betrieben
nebeneinander trat, war für einen Handel der Raum aufserordentlich ein-
geschränkt. Er erlosch in all jenen Artikeln, welche in einer jeden Wirt-
schaft hergestellt werden konnten und zum täglichen, Bedarf gehörten, er-
halten aber blieb er in jenen Dingen, die man aus andern Ländern holen
mufste und die dennoch unentbehrlich geworden waren, erhalten also der
Handel mit Luxusgegenständen, die der wohlhabende Teil einer einfachen
bäuerlichen Gesellschaft verbrauchte. Er urafafste seltene Naturprodukte
und gewerbliche Erzeugnisse von hohem speciiischem Werte *.
Neu trat mit der Christianisierung hinzu der Handel mit den Kultus-
bedürfnissen einer Kirche, die, im Orient entstanden, in ihrem Gottes-
dienste der Gesittung des Mittelmeergebietes folgte und in ihrer kon-
servativen unitarischen Art nicht den lokalen Verhältnissen sich an-
schmiegte. Zugleich weckte die Kirche das Interesse für ihren Schmuck,
und die Künste dieser Jahrhunderte haben ja fast ausschliefslich der
Kirche gedient.
Relativ gering waren die Handelsbedürfnisse in der Kleidung ^. Der
Germane bevorzugte noch immer die Leinenkleidung und das Pelzwerk,
so waren die Westgoten bekleidet gewesen, im Hause oder doch auf
dem Hofe wurde das Leinen zubereitet. Spinnen und Weben gehörte so
sehr zur Arbeit der Frauen, dafs als Symbol der Frau die Kunkel galt.
Wie die Verwandten des Mannes die Schwertmagen hiefsen, so die der
Frau die Spindelmagen. Noch Karl der Grofse trug durchweg Linnen,
und bekannt ist die hübsche Schilderung des St. Galler Mönches, wie
die vornehmen Franken rote Leinenhosen trugen. Dafs feine, in Lueca
hergestellte Schenkelbinden in Deutschland verwendet wurden, wissen
wir aus dem Ruodlieb^.
Die Wolle fand zwar auch schon Verwendung, aber doch immer
nur in bescheidenem Umfange, jedenfalls war auch die Wollbearbeitung
mit Ausnahme des Walkens noch immer Gegenstand des Hausäeifses.
So hielt Karl der Grofse auch seine Töchter zur WoUstoflfbereitung an.
^ Bücher, Die EntstehuDg der Volkswirtschaft S. 37.
' Vgl. vor allem Schmoller, auf S. 358 ist die Reichenauer Urkunde von 843
zu streichen, da sie eine Fälschung des zwölften Jahrhunderts ist. Weinhold,
Die deutschen Frauen im Mittelalter 1 ■, 161 ß., 175 f. Jetzt auch Klumker, Der
friesische Tuchhandel zur Zeit Karls des Grofsen und sein Verhältnis zur Weberei
jener Zeit. Leipz. Dissert. 1899, der jedoch Leinen- und Wollweberei nicht scharf
^enu^ trennt.
'Ruodlieb ed. Seiler 13 Bruchstück Vers 114. »lU^ ligamimhua de Lxikla
crura coemptis,«
Der Handel. 71
Erst die höhere Entwicklung der WoUstoffbereitung, die Ausscheidung
von Hilfsgewerben und der erhöhte Konsum von Wollstoffen löste die-
selbe von dem Hause ab und gab den Anstofs zur Begründung des
gröfsten und mächtigsten mittelalterlichen Gewerbes, der Wollenweberei.
Die Leineweberei blieb ungleich viel- länger im Rahmen der Hauswirt-
schaft. Der Übergang zu einem Handwerk^ und damit aus den Händen
der Frauen in die der Männer, hatte sich bei der Wollenweberei vor
1030 unzweifelhaft schon in Flandern und Nordfrankreich bez. in Fries-
land vollzogen, wo die Kunst der alten belgischen Nervier und Atrabaten,
die in der Römerzeit zur Gründung von kaiserlichen Fabriken geführt
hatte, auf ihre Nachfolger, die Flandern und Friesen, übergegangen war
und diese nun zuerst unter den Germanen einen Anteil am Welthandel
sich errangen. Der Vorsprung, den diese Lande in der Textilindustrie
gewonnen hatten, sollte während des Mittelalters nicht verloren gehen.
Die ältesten Weberstädte nördlich der Alpen sind die in Nordfrankreich
und Flandern^, und während sonst die Ablieferung von fertigen Woll-
stoffen seitens der Hörigen an ihre Herren selten begegnet — Prüm,
Weifsenburg, Regensburg — , bezog Fulda aus Friesland 693 wollene
MänteP. Hier verstand man sich auf die Kunst des Färbens. Es gab
weifse, graue Tuche, vermiculata nud saphirina^. Dieses sind blaue, jene
aber scharlachrote, mit Kermes (vermieuli) geferbte. Die salzreichen Land-
striclie an der Küste Flanderns lockten zur Schafzucht, und wir haben
Belege für ihre grofse Ausdehnung in diesen Gebieten*, das reizte die
Bewohner zur Entfaltung einer Tuchindustrie, die auch leicht aus Eng-
land die beste Wolle jener Zeit beschaffen konnte, dessen ausgedehnte
Triften, feuchtes Klima und üppiger Graswuchs die beste Wolle erzielen
liefsen. Die Natur hatte Flandern ftir die Textilindustrie prädestiniert**.
Für feinere Stoffe, Gewebe, vor allem für die Seidenstoffe, war der
Norden durchaus auf den Orient bez. das östliche Mittelmeergebiet an-
gewiesen, seitdem die Seidenraupe unter Justinian nach (552) Konstantinopel
von Blhotan her eingeführt war. Schwäbische Grofse kauften in Pavia
feines Pelzwerk und seidene, mit Purpur verbrämte Kleider von venetia-
nischen Kaufleuten, welche de iransmarinis partibus omnes orientalium
diviiias herbeischafften ® und erschienen in solcher Tracht neben dem ein-
fach gekleideten Karl, der sie meisterlich zu beschämen wufste. Prächtige
' Vgl. bes. Pirenne, Gesch. Belgiens 1, 194, dann Sc hm oll er, auch Gold-
schmidt S. 103.
2 Klumkcr 64.
» M.G. SS. 2, 752.
* Klumker 64.
» Pirenne 1, 35 f. 194 f.
• Mon. Sangall. SS. 2, 760.
72 Siebentes Kapitel.
Gewänder arabischen oder orientalischen Ursprunges begegnen uns unter
den Geschenken an Kirchen oder im Besitze von solchen. Es ist bekann t,
wie die feineren Zeuge von Byzanz oder aus dem Oriente stammen und
wie namentlich die Stoffe für die liturgischen Gewänder von dorther be-
zogen wurden. Der orientalische Geschmack bestimmte durchaus die
Erzeugung feinerer Gewebe. Für Sammet und Seide hatte damals noch
der Orient, einschliefslich Byzanz das Monopol^. Aufserdem lieferte der
Orient Edelsteine, Goldschmiedearbeiten und andere Luxusartikel.
Bei den Nahrungsmitteln war der deutsche Handel intensiver beteiligt.
Die Massenartikel Getreide und Wein gingen jedoch von Oberdeutsch-
land Rhein abwärts; das Elsafs gab von seinem reichen Weinsegen nach
Köln bedeutende Quantitäten ab und geradezu kann man den .Weinhandel
als den Haupthandel des Elsafses in jenen Tagen bezeichnen. Ermoldus
Nigellus hat den Segen des Weines für das Elsafs gepriesen^. Ein
erheblicher Teil des Handels jener Tage bezog sich auf das ftir Menschen
wie Tiere nötigste Lebensmittel, das Salz. Da es jedoch sehr unwahr-
scheinlich ist, dafs das centrale Gebirge Europas gröfsere Salztransporte
sah, habe ich grundsätzlich den Salzhandel ganz ausgeschieden und werde
nur einzelne Fälle des thatsächlichen Transportes anführen.
War im grofsen und ganzen der Handel mit diesen Artikeln doch
auf geringe Entfernungen beschränkt, so liegt es bei den Gewürzen ganz
anders. Das frühe Mittelalter liebte es, die Speisen scharf zu würzen, ja
die Getränke blieben nicht ungewürzt. Vor allem war der Pfeffer aufser-
ordentlich beliebt^. Die Herrschaft sucht ihn sich ohne Handel direkt
durch die Abgaben zu verschaffen; Pfefferzinse sind aufserordentlich
^ Vgl. die Gaben des Bischofs Adalbero von Augsburg an St Gallen. Neugart,
Cod. dipl. Nr. 667 und andere Stellen, die Dum ml er, Das Formelbuch Bischof
Salomos III. von Konstanz S. 128 anführt. Heyd, Levantehandel 1, 4 u. 97. 105
u. öfter. Jacob, Nord. balt. Handel S. 138 ff. Bock, Gesch. d. liturgischen Ge-
wänder. Silbcrmann, Die Seide Bd. 1.
^ Quae, Helisace, tuus ffignü amoenus (iger,
Gens animosa arvis vinoque septdta jaceret,
Vix in tarn magna urhe maneret hotno;
Utile consilium Frisombus atque marinia
Vendere vina fuit, et mdiora vetii,
Hinc quoque plebis honor popülos transcurritf honestus
Hinc repetit civis, hinc peregrinus opes,
Nam tego veste meos vario fucata colore,
Quae tibimet nusqitam, Wasace, nota foret.
M.G. Poetae lat. 2, 88. v. 115—124. Im zehnten Jahrhundert lag in den Kellern
des Bischofs von Lüttich vorzugsweise Wormser Wein. M. G. SS. 7, 125. Der Abt
von St. Gereon in Köln holte Wein von Worms. Mirac. s. Goaris M.G. SS. 15, 869.
Für die Zeit der Minnesinger vgl. Schultz, Höfisches Leben 1, 442.
» Schultz 1, 392. Heyd 1, 91. 99 ff. 2, 638 ff.
Der Handel. 73
häufig, selbst Bauern wurden sie aufgelegt^. Wo solche Zinse erscheinen,
darf man Handelsverkehr vermuten^. Und der Pfeffer war nicht allein,
sondern wie verbreitet der Gebrauch der Gewürze überhaupt war, ersieht
man daraus, was ein missus regius alles auf einer villa beanspruchen
durfte^. Neben Pfeffer: Costus, Gewürznelken, Spikanarde, Zimmet,
Mastix, Datteln, Pistazien und Mandeln. Sehr beliebt war es, oft recht
kleine Quantitäten der köstlichen Gewürze zum Geschenke zu machen;
so erscheint in dem Briefwechsel des hl. Bonifaz: Zimmet, Costus,
Cotzumber (eine Weihrauchart) und Serostyrax^. In andern Geschenken
erscheinen noch Opobalsamum und Thymiama'^. TartüS!, ein Mitglied
der maurischen Gesandtschaft, die 973 sich zu Otto dem Grolsen begab,
fand in Mainz, obwohl die Stadt im fernsten Abendlande liege, Gewürze,
die nur im fernsten Morgenlande vorkommen: Pfeffer, Ingwer, Gewürz-
nelke, Spikanarde, Costus und Galanga*. Am genauesten orientiert
über den Gebrauch von Gewürzen, Räucherwaren etc. eine Aufzeichnung
des Klosters Corbie, die das, was man in Cambray einkaufte, aufzählt^.
An Wachs brauchte das Kloster 600 iL, an Pfeffer und Kümmel je 120,
an Ingwer 70, an Zimmet 15, je 10 von: Gewürznelken, Galgan, Rha
ponticum, Costus, percrumy Spikanarde, Salbeiblätter, Mastix, Weihrauch,
Schwamm, pomicar, Zittwar und Styrax calamita, 5 von Gotzumber,
8 von Myrrhe, Opperment, Drachenblut und »indtumc, endlich 2fö Thymiama.
Diese Namen verraten uns, wie grofs die Erbschaft und Tradition im
Gewürz- und Heilpflanzen verbrauch war, die die germanischen Völker
in ihrer Wanderzeit übernahmen. Neben den bekanntesten Gewürzen:
Pfeffer, Ingwer, Zimmet, Gewürznelken, die nur von fUnf kleinen Insel-
vulkanen der Molukken bezogen werden konnten, erscheint die aus den
Alpen von Kaschmir stanmiende Costus wurzel (Aucklandia Costus)^, das
^ In Speicr wurde bis auf Heinrich V. von den Schiffen Pfeffer erhoben. H i 1 -
gard, Urkunden z. Gesch. d. Stadt Speyer S. 19. Die deutschen Kauf leute in London
gaben dem engl. Könige einen Pfefferzins Heyd 1, 98. Spätere Beispiele z. B. Lau,
Verfassungsgesch. d. Stadt Köln : »camerarius qui praeest piperi* S. 67. Pfeffer wurde
von dem Gute der unbeerbt in Köln gestorbenen Fremden erhoben S. 68. Die Juden-
gemeinde zahlte alljährlich 6 €6 Pfeffer S. 178. Auch in Zürich ging von zum Zoll
gehörigen Äckern ein Pfefferzins. Züricher Urk. 1, 333. Weitere Beispiele bei
Hüllmann, Städtewesen 1, 29 f., Heyd 2, 639. Geering, Handel und Industrie
von Basel S. 236. Vgl. auch die Abgaben auf der Septimerstrafse.
> Vgl. z. B. die Steuer von Mals bei Mohr 2. 103.
' Allerdings nur eine der Marculfschen Formeln. M.G. Leg. Sectio V S. 49.
^ Jaff6, Bibl. rer. Germanic. 3, 156 f. 199 u. 218.
^ Vgl. die zusammengestellten Quellenangaben bei D ü m m 1 e r a. a. O. S. 1 19 f u. 141 .
^ Jacob G., Ein arabischer Berichterstatter aus dem zehnten oder elften Jahr-
hundert über Fulda u. s. w. 1890 S. 13 f.
"^ Gu^rard, Le polyptyque de Tabb^ Irminon. Paris 1844 2, 336.
^ Heyd 2, 580. Flückiger, Pharmakognosie.
74 Siebentes Kapitel.
Rha ponticum, der von jenseits des Pontus, thatsächlich aus China
stammende Rhabarber ^^ das Opobalsamum, der Saft des ägyptischen und
arabischen Balsamstrauches'. Unter den Räuchereien und Parfiimerie-
stofFen war dem Altertum sehr wohl bekannt und damals hochberühmt
das Harz der auf Chios gebauten Pistacia Lentiscus*, ebenso der Weih-
rauch*, die Myrrhe*^, das Harz und die Rinde von Styrax calamita
bez. styrax ofHcinalis, letztere thymiama genannt®. Die Spica Nardi ist
der Wurzelstock einer im Himalaya wachsenden Pflanze^, während das
Drachenblut wohl nicht von Sumatra und Java kam, sondern von den
Arabern eingeführt wurde und von der Insel Socotora stammt®. Von
den Arabern eingeführt und im Altertum vielleicht unbekannt war die
Galangawurzel, ein kräftiges Reizmittel ^, und die nicht allein als Medizin,
sondern auch zur Würze verwendete, bitter schmeckende Zedoar(Zitwar)-
wurzel ^^.
Für liturgische Zwecke war der Wein unentbehrlich, dazu kamen
Weihrauch, der nur aus dem Oriente bezogen werden konnte, und Wachs,
das doch schon wohl damals für den höchst ausgedehnten Gebrauch in
der Kirche aus dem Orient herangezogen wurde. Feine Waffen, elfen-
beinene Kämme erscheinen als Objekte des internationalen Handels, wie
lombardische Bischöfe deutsche Zügel und sächsische Sättel benutzten ^^
Der Verkauf von Waffen, wenigstens von baugae (Schutzringen) und
Brünnen wurde zeitweise verboten ^*. Zinn mufste England liefern. Nicht
zu übersehen ist, dafs noch immer ein sehr lebhafter Sklavenhandel be-
stand, der namentlich in den Händen der Juden war.
Im allgemeinen ergiebt sich, dafs der Handel von dem Verkehre
mit dem Orient, mit dem indochinesischen Hinterlandgebiete, von Kon-
stantinopel und der Südküste des Mittelmeeres abhängig war, dafs im
Vergleich zu diesen Ländern der Norden eine passive Handelsbilanz
haben mufste. Er mufste einftihren, was vom Oriente her in das Gebiet
des Mittelmeeres gelangte, und konnte dagegen nur bescheidene Gegen-
» Flückiger 405.
« Heycl 2, 566-572.
' Heyd 2, 616 — 618. Flückiger 117 f. Auch granomastice genannt.
* Heyd 2, 656—58. Gotsumber kann ich nicht erklären.
^ Flückiger 41—43.
« Flückiger 132 f. und 134.
' Flückiger 470.
« So Flückiger u. Hanbury, Histoire des drogues 2, 490 u. 494. Wurde als
Arznei, doch auch in der Malerei verwendet.
» Heyd 2, 591. Flückiger 363 f.
*® Heyd 2, 658. Pomicar, indium und percrum vermag ich nicht zu erklären.
" Rat her. »Frenis Germanicis^ sellis Saxonicis.»
" S. Dahn, Könige d. Germ. 8, 4, 238.
Der Handel. 75
gaben bieten. Als Geschenke sandte Karl der Grofse friesische Tücher
in den Orient, die dort selten und teuer waren ^ Der gröfste Kaiser
des Mittelalters hat doch auch für den Handel ein lebhaftes Interesse
gehabt*. Im allgemeinen war der Handel auf Objekte beschränkt, die
an einem anderen Platze nicht erzeugt werden konnten, selbst für die
friesische W ollen industrie dürfte das zutreffen, da doch schon wohl da-
mals Friesland die feine Wolle, welche die Schafherden in dem trift-
reichen und nebeligen England produzierten, benutzte. Jedenfalls war
die Schafzucht im deutschen Binnenlande noch wenig entwickelt^.
Die gröfsten Weltemporien waren Byzanz und die Randstädte der
arabisch-muhamedanischen Welt auf der Strecke von Syrien bis Ägypten.
Hier waren die Stapelplätze der Waren des Orients, Indiens und Chinas.
Die von dort ausgehenden Verkehrsstrafsen mieden aber im wesentlichen
die Alpen, die grofse Strafse, welche von arabischen Händlern, bez. von
nordischen Händlern, die dem muhamedanischen Gebiete Vorderasiens
zustrebten, vielfach benutzt wurde und vom Schwarzen Meere zur Ost-
see ging, lief weit östlich ; von dem Handel auf ihr haben wir dank der
arabischen und byzantinischen Quellen sowie der Münzfunde eine deut-
liche Vorstellung. Weit unsicherer ist schon das Bild, das wir uns von
dem von Marseille aus nach Gallien gerichteten Verkehre machen. Ich
meine aber, man ging zu weit, als man gegenüber dem „Strafsenviereck",
das aufser jenen Strafsen durch das Mittelmeer und die Nord- und Ostsee
gebildet wurde und Deutschland umging, die Alpenstrafsen als fast völlig
bedeutungslos bezeichnete*. Mindestens für den Grofsen St. Bernhard
geht das Urteil zu weit, ich glaube, er war schon damals die Verbindung
zwischen den Ausstrahlungen von Byzanz und dem ersten, nicht mehr
rein bäuerlich lebenden Gebiete Flandern vorhanden. Diese Diagonale
durch Westeuropa hatte schon damals erhebliche Bedeutung. Auch für
die Bündnerpässe ist doch wohl etwas mehr Handelsverkehr anzunehmen.
Im Mittelalter bildete sich eine centrale Vermittlungszone, worin zwischen
dem Handelsgebiete des Nordens (Nord- und Ostsee) und dem des Südens
(Mittelmeer) der Austausch stattfand. Von ihren Gliedern: Flandern,
Champagne, Mittelrhein und Nürnberg tritt in unserer Periode scharf
noch keins hervor.
In diesen Zeiten hatte Italien zum Welthandel noch immer eine
sekundäre Stellung. Die byzantinische Handelspolitik hatte sich meister-
lich zum Herren des internationalen Verkehrs gemacht: der Nordländer
^ M.G. SS. 2, 752. »palUa Fresonica alba cana vermiculata rel saphinna, qucte in
Ulis partibus rara et mtütum cara comperit* Vgl. die Bemerkungen von Hey d 1, 101 f.
2 Wenn Inama-Sternegg, Deutsche Wirtschaftsgesch. 1, 435 ff. auch übertreibt.
' Schmoller S. 358 f.
* So Jastrow, Mayr.
76 Siebentes Kapitel.
mufste in Byzanz kaufen, womöglich durch die Hand des Staates, ohne
dafs ihm verstattet wurde, mit den Händlern, die die Waren aus dem
Oriente gebracht hatten, direkt in Verkehr zu treten. Byzanz sollte die
Vermittlerin bleiben, und die italienischen Städte buhlten um kleine Ver-
günstigungen. Eki ist recht bezeichnend, dafs die beiden Städte, in denen
fast am längsten sich byzantinischer Einflufs erhielt, die wichtigsten
Handelsstädte jener Zeit waren. Sie hatten beide das Glück, eine hohe
Autonomie in inneren Angelegenheiten mit einer losen Abhängigkeit von
der oströmischen Kaiserstadt zu verbinden: Venedig und Amalfi, dessen
Blüte ja nur kurz sein sollte ^. Die Herrscherin der Adria hat von den
deutschen Königen fUr das Reich Italien ausgedehnte Privilegien erwirkt,
doch verkauften die Venetianer wohl meistens ihre aus dem Orient ge-
brachten Waren auf den Messen von Ferrara und Pavia, das damals
eine Handelsbedeutung besafs, die es jedoch bald einbüfste, an Händler,
die von Norden oder Westen gekommen waren ^. Wie die Venetianer im
allgemeinen nicht über Byzanz oder den muhamedanischen Küstenrand
hinauskamen^, war es auch wohl das Normale, dafs der Deutsche und
Franzose die Messen von Pavia und Ferrara besuchte, wenn auch der
Venetianer damals wohl mehr in das Innere Italiens eindrang, als später.
Übrigens suchte schon im zehnten Jahrhundert Venedig möglichst direkt
mit der muhamedanischen Welt in Verbindung zu treten und sich so
von Byzanz unabhängig zu machen. Im allgemeinen hatte die Zahl der
Hände, welche die Waren durchliefen, sich seit dem Altertume vermehrt.
Beweise für den Handelsverkehr durch Qraubünden haben wir schon
oben mehrfach angeführt. Die Namen von Konstanzer Kaufleuten begegnen
uns zuerst in nicht gerade schönem Lichte. Da war ein Diebstahl von
Kirchensilber in St. Gallen vorgekommen, der Dieb hatte seine Beute bei
einem Kaufmann von Buchau untergebracht, aber auch sechs Konstanzer
Kaufleute hatten davon erhalten^. Jedenfalls war der Handel über die
Alpen ftlr die oberrheinischen Gebiete noch sekundär. Die Haupthandels-
route ging zur Mündung des Rheins nach Friesland (im weitesten Sinne) *.
^ Liudprand v. Crem od a Leg. c. 55 bezeugt, wie Venezianer und Amalfi-
taner von Bjzanz her kostbare Stoffe nach Italien verbreiteten.
« Kohlschütter, Venedig unter Peter II. Orseolo. Gott. 1868 S. 18. Über
die aufserordentlichen Privilegien der Venetianer ebda. S. 20 — 23, 67, 75—83.
Heyd 1, 123. Auf die Messen von Ferrara und Pavia schränkte sie Heinrich IL
ein, Heyd 1, 129.
' Sie vermitteln nach Byzanz den Briefverkehr aus Deutschland, Heyd 1, 125.
* Wartmann, S. Galler ürkb. 3, 35 z. J. 1022 oder 1014
^ Da die Strafsburger Kirche von allen Zöllen im Reiche befreit wird mit
Ausnahme von denen in den friesischen Hafenplätzen zu Quentowich, Duurstede
und Sluis (Karl d. Gr. 775. Strafsb. Urk. 1, 10. Böhmer-Mählbacher 199 [195]),
setzte der Aussteller voraus, dafs Strafsburger an diese Plätze kamen.
Der HandeL 77
Von allen Handelsstädten war die bedeutendste Mainz, noch war Frank-
furt kein Konkurrent, und die westöstliche Handelsstrafse mit ihren Ver-
Bweigungen nach Thflringen. und Bayern war ganz mainzbch ^
Der Femhandel jener Tage wurde im wesentlichen durch den Fremd-
kaufmann vermittelt Die rein bäuerliche Organisation der G^ellschaft
gab zunächst aus dem germanischen Volkskörper keine Kräfte ab, welche
anderen Aufgaben hätten dienen können, und so blieb der fremde Kauf-
mann der Vermittler der fremden Erzeugnisse. Früher hat man wohl
angenommen, dafs die grofsen Orundherrschaften mercatores zum Vertrieb
der von ihnen erzeugten Waren gehabt hätten, aber es ist das ein Irr-
tum. ▼. Below hat die dafUr vorgebrachten Gründe scharfsinnig wider-
1^'. Doch selbst wenn das der Fall gewesen wäre, so hätte dieser
Kaufmann nur Wein und Bier, Tuch und Leinwand, Felle und Pelzwerk
zu Markte bringen können. Die Grundherrschaft hätte mit diesen Waren
nur den Bewohnern derselben Gegend Konkurrenz machen können, aber
die Bedürfhisse von Waren aus anderen Weltteilen konnte nie und
nimmer ein von einer Grundherrschaft angestellter mercator befriedigen.
Der Blick des Ackerbauers ist viel zu sehr auf die Stätte seiner Thätig-
keit eingeschränkt, als dafs er auf den Gedanken hätte kommen können,
mit unbekannten orientalischen Handelsplätzen in Handelsverbindungen
zu treten. Das alles bleibt dem Fremdkaufmann überlassen, der nach
einem alten englischen Dialoge „Purpur, Tuch, Seide, kostbare Steine
und Gold, verschiedenfarbige Gewänder, Schminke, Wein, Ol, Elfenbein
und Messing, Kupfer und Zinn, Schwefel, Glas und dergl. mit sich
führte*'^. Der Warenvorrat manches Handelsmanns mag übrigens sehr
viel einfacher gewesen sein.
Ob Syrer, die als die Vermittler mit der römischen Kulturwelt in
Gallien auch nach dem Zusammenbruche der römischen Herrschaft in
bedeutender Zahl angesiedelt waren und erst langsam zurückwichen,
auch am Oberrhein verkehrten, ist nicht bezeugt. Sie waren in stän-
diger Verbindung mit ihrer Heimat und hatten den Vorteil, möglichst
weit den orientalischen Waren entgegen gehen zu können^.
Die Juden waren wohl aus ihrer Heimat vertrieben, sie waren jedoch
so weit über den Erdkreis verstreut und hatten so wenig sich mit dem
Boden, geschweige denn mit der Bevölkerung verbunden, dafs auch sie
1 Die Translatio s. Marcellini et Petri erwähnt Kauf leute, die in Ober-
dentschland Getreide aufzukaufen und auf dem Main nach Mainz zu bringen pflegten.
' Die Entstehung des Handwerks in Deutschland in Ztschr. f. Social- u. Wirt-
schaftsgesch. 5, 140 f.
» Aahley , Engl. Wirtschaftsgesch. S. 70 nach Aelfrics Colloquy um d. Jahr 1000.
« Heyd 1, 24. Scheffer-Boichorst, Mitteilungen des Instituts f. österr.
Gesch. 6, 521 ff.
78 Siebentes Kapitel.
ein fluktierendes Element darstellten. Wir wissen, dafs jüdische Händler
weite Handelsreisen unternahmen ^ Ihre überall zerstreuten Gemeinden
waren die natürlichen Etappen und gewährten ihnen Vorteile, wie sie
kein anderes Handelsvolk je gewinnen konnte. In unserem Gebiete waren
mindestens die Judengemeinden von Worms und Mainz sehr alt^.
Für Handel mit arabischen Händlern, die namentlich durch die öst-
liche Route mit den Ostseeländern in lebhafter Verbindung standen und
auch im Westen mitunter erschienen, lassen sich für das Alpengebiet und
das nördlich davon gelegene absolut zwingende Gründe nicht vorbringen;
doch sind arabische Münzen in Steckborn am Bodensee gefunden*, und
dafs in Mainz Dirhems aus Samarkand aus der ersten Hälfte des zehnten
Jahrhunderts vorkamen, wie das Tartü^li bezeugt, beweist zum mindesten
eine Kenntnis des arabischen Geldes*. Das Erscheinen von Saracenen
bei Vercelli kann wohl nur auf Händler sich beziehen ^.
Sehr viel deutlicher erscheinen uns in ihrer Handclsbedeutung die
Friesen. Mit ihren Schiflfen drang der nordgermanische Seehandel tief
in das Innere Deutschlands ein. Der Rückgrat ihres Handels war oflfen-
bar der Verkauf der friesischen Tuche, wofür sie Wein und Getreide
einhandelten. Ihre Zahl war so grofs, dafs sie in Mainz den schönsten
Stadtteil bewohnten®, auch in Worms gab es ein FriesenvierteP, und
weiter ist uns ihre Ansiedelung in Strafsburg, Duisburg und Köln be-
zeugt®. Die Verbindung mit der Heimat war von ihnen aufrecht er-
halten, und wir können sie als Verschleifser der Eigenproduktion be-
zeichnen, wenn sie auch zwischendurch englische Tuche mitvertrieben ^.
1 Hey d 1, 138 ff. Die Litteratur über die Juden ist bis 1891 bei Goldschmidt
S. 107 ff. angeführt. Vgl. von den seitdem erschienenen bes. Dahn 8, 2,247 f. u. 4, 233.
> Boos, Städtekultur 1, 370.
■ Es waren arabisch-afrikanische Münzen aus dem letzten Viertel des achten
Jahrhunderts. Man könnte an einen Handelsverkehr über Marseille denken. Mit
Ferd. Keller ihn auf die Alpenräuber zurückzuführen, geht nicht, da sie bis Steck-
bom nicht gekonunen sind. Jacob, Der nord.-baltische Handel S. 87 u. 47. Vgl.
auch S. 70. 114.
* Jacob a. a. 0. S. 116. Jacob, Berichterstatter S. 13. Heyd glaubt nicht
an Provenienz des Geldes aus Handel, doch steht eine Kenntnis des arabischen
Geldes aufser allem Zweifel.
•^ öhlmann 3, 213. Die Bevölkerung liefs die Araber ruhig deshalb ziehen,
weil sie in ihnen Händler vermutete.
* »Optima pars Mogonti<ie civitatis, übt Frisiones habitabant . . . conflagravit in-
cendio.* Ann. Fuld. a. a. 886. Script, rer. Germ. S. 104.
•^ Wormser Urkb. von Boos 1, 9 (829), 22, 49 (1080) u. 59 (1141).
^ Boos, Städtekultur 1, 354. Friesische Kaufleute erwähnen die Miracula
SS. Goaris M.G. SS. 15 370. Einer läfst sein Schiff an einem Tau Rhein aufwärts
sieben. Näheres bei Klumker 54—58.
» Klumker S. 61 f u. 64 f unterschätzt die friesische bez. flandrische Er-
zeugung. Die „friesischen" Tuche sind meines Erachtens wesentlich flandrischen
Der Handel. 79
Sie unterscheiden sich dadurch vor allem von den Juden. Ob sie weiter
nach Italien zogen, ist nicht belegt, da jedoch die Kette der Ansiedelungen
direkt auf Italien weist, sollte man es vermuten.
Lateinische, italienische Kauf leute sind diesseits der Alpen in dieser
Periode nur in Regensburg und auf der Messe von St. Denis (Le Lendit)
nachzuweisen ^.
Der Anteil der deutschen Kaufleute am Welthandel mufs infolge
dieser Einschränkungen durch Fremd kauf leute noch gering gewesen sein,
aber es ist doch nicht zu übersehen, dafs Otto I. den sehr reichen Mainzer
Kaufmann Liutfred mit einer Gesandtschaft nach Byzanz beauftragte, er
mufs also zum mindesten dort Verbindungen besessen haben ^. Der
deutsche Kaufmannsstand entwickelte sich langsam, geschützt durch könig-
liche Privilegien. Daneben betrieben noch die Klöster und Stifter eigenen
Handel^, und sie erfreuten sich besonderer Privilegien.
Der Handel war im wesentlichen noch ein Hausierhandel und Wander-
handel, der Kaufherr zog selbst mit den Karawanen zu den Messen, von
denen die zu Troyes und St. Denis besonders zu erwähnen sind*; jedoch
wuchs in der Zeit der Ottonen die Zahl der Handelsniederlassungen er-
heblich. Wenn bis dahin auf deutschem Boden nur die altrömischen
Städte dauernde Handelsansiedelungen gewesen waren und wesentlich dem
Handel und Qewerbe dienten, so wurden jetzt Markt und Münzstätten
vielfach auch auf dem rechten Rheinufer errichtet*^. Langsam bereitete
sich die Zeit vor, in der ein selbständiger deutscher Kaufmannsstand als
Berufstand neben der bäuerlichen Bevölkerung Bedeutung gewann. Noch
um die Mitte des elften Jahrhunderts war dieser Erziehungsprozefs nicht
beendet, wenn auch die Lehrmeister, die die Verbindung mit Rom,
Byzanz und dem Orient aufrecht erhalten hatten, mehr und mehr ver-
schwinden. Noch immer war der Occident in seinem Handel vom Orient
durch und durch abhängig.
Ursprunges, nicht aber aus Westfriesland. Deshalb fehlen sie auch im Conflietus
Ovis et lini, der sehr wohl flandrische Tuche kennt.
> fleyd 1, 96.
^ Liutpr. M.G. SS. 8, 338 bezeichnet ihn als I^ut/redum üfo^ontinum institorem
ditissimum.
» Vgl. Goldschmidt S. 107.
* Pigeonneau 1, 62 f.
^ Aliensbach, Villingen, Binka (für Kl. Sulzburg), Vallator, Wiesloch, Wein-
heim, Bensheim auf dem rechten, Andlau, Selz, Oppenheim auf dem linken Rhein-
ufer erhielten Marktrecht, jedoch nur zum Teil einen Wochenmarkt; Jahrmärkte
riefen aber keine dauernde Ansiedelung hervor. Auch Binka wie Vallator ver-
kümmerten. Vgl. vor allem Rietschel, Markt und Stadt 1897. Auf die Fragen,
welche mit der Städtegründung zusammenhängen, gehe ich absichtlich nicht ein.
Für die hier erwähnten Orte vgl. Gotheiui Wirtschaftsgesch. d. Schwarzwaldes
Band I Register.
Drittes BucL
VERKEHR UND WARENHANDEL IM
HOCHMITTELALTER.
Erster Teil.
GESCHICHTE DES VERKEHES VON DER VEREmiGTJNG
DES BURGUNDISCHEN MIT DEM DEUTSCHEN REICHE
BIS ZUR ÖFFNUNG DES ST. GOTTHARDES.
1032 bis um 1230.
Achtes Kapitel.
Hospize. Politische Oeschichte. RSmerzflge. Septimer nnd Bernhardin»
Ho spiee: Das auf dem St, Bernhard, Filialen und Besitztmgen bis Apulien und Eng-
Joful, m Deutschland, Hospiz auf dem Septimer, Bitterordenj andere Spitäler, — Politische
Geschichte, Bömerzüge, Chiavenna eine schwäbische Grafschaft, Bömerziige der
SaUer, Staufer: Friedrich L und der Septimer, Sehlacht bei Legnano, Lukmanier,
Kloster Disentis, Heinrich VI, und seine Nachfolger, — Septimer und Bernhardin,
Beisende, Der Septimer bei den Dichtem ^ bes, Gottfried von Strafsburg, Bemhardin,,
Verkeihrseinrichtungen: Wirtshäuser, Fähren, Burgen, Bergell,
Im Hochmittelalter beherrschen noch die beiden direktesten Pässe
der Flügelseiten — der Grofse St. Bernhard und der Septimer — den
Verkehr, bis der centrale Pafs entdeckt wurde. Auf beiden Übergängen
hatte christliche Nächstenliebe Hospize geschaffen, welche im Winter
und Sommer bewohnt, den durchziehenden Reisenden und Pilgern Unter-
kunft und Hilfe in der Not gewährten. Die Wohlthaten, welche diese
Mönche auf dem einen Passe bis heute gespendet haben, sind des all-
seitig, selbst von den bittersten Gegnern des Klosterwesens gespendeten
Lobes vollauf wtlrdig.
Der Schöpfer des klösterlichen Hospizes auf der Pafshöhe des
Grofsen St. Bernhard war ein Archidiakon von Aosta, der — so ist es
Hospize. gl
wenigstens wahrscheinlich — 1086 gestorben ist^, urkundlich erscheint
das Hospiz freilich erst 1125. Der hl. Bernhard von Menthon weihte
das Hospiz dem hl. Nikolaus von Myra^ es dauerte aber nicht lange, bis
nicht allein das Kloster, sondern auch der Berg den Namen des würdigen
Erzdiakons annahm. Kaiser Friedrich I. nahm 1176 das Kloster in seinen
besonderen Schutz, wie das auch König. Heinrich VI. 1187 that, dieser
tiberwies 1191 dem Hospiz auch eine Rente von 20 Pfund Silber*.
Eugen in. verlieh den Mönchen Zehntfreiheit und seine Nachfolger
haben in zahlreichen Urkunden und Privilegien die herrliche Schöpfung
unterstützt^. Die Dankbarkeit des Wanderers beschränkte sich damals
nicht auf eine kleine Spende, die er nach Labung und Stärkung in den
Opferstock der Kirche legte, sondern sie kam in reichen Gaben an
Grund und Boden, an Kirchen und Häusern zum Vorschein. Dieser
dankbare Sinn schuf dem Kloster, das ein Graf von Savoyen sehr treffend
die Wärmestube für den Armen und den Palast des höchsten Königs
nannte*, einen Besitz, der sich über achtzehn Diöcesen erstreckte. In
seinem Umfange ist uns auch der Kreis überliefert, von dem aus man
den Grofsen St. Bernhard benutzte.
Schon die erste päpstliche Bestätigung durch Papst Alexander HI.
von 1177 zeigt die grofse Dankbarkeit, welche das Hospiz gefunden
hatte. Schon damals ging der Besitz des Klosters von Apulien und
Sizilien bis England. In Unteritalien erwarb das Hospiz drei Kirchen,
sonst hatte es seine Besitzungen bis 1286 nur über die Bistümer Aosta,
Ivrea, Turin, Vercelli und Novara vorgeschoben, und in diesem Bezirke
gab es nur eine Filiale des Klosters, wo ebenfalls die Wanderer gestärkt
wurden, Chatillon im Aostathale.
Weit interessanter ist der Bezirk, der sich nacli Nordwesten aus-
dehnt. Auf der Pafshöhe und zu beiden Seiten hatte das Kloster schon
1125 durch eine Schenkung das droit d'^chute erhalten, d. h. das Recht,
alles, was Wanderer auf dem Wege oder sonst zurückliefsen , auch das
Gut der Verunglückten, an sich zu nehmen*. Dieses Gegenstück des
droit d'aubaine erschien dem Mittelalter nicht so ungerecht wie uns.
* Duc. a. a. 0. Die beste kurze Geschichte des Klosters nach dem neuesten
Stande der Quellen gicbt bis zum Ende des dreizehnten Jahrhunderts Hoppeler
S. 283—289.
a Stumpf Nr. 4574. Gremaud 29, 101. 111. 519 und 520. Die 20 Mark waren
von dem Rcichshof San Miniato zu entrichten. Zur Datierung namentlich der Ur-
kunde von 1187 s. Scheffer-Boichorst, N. Archiv 24, 141.
' Vgl. die Urkunden bei Gremaud.
< Archiv f. Schweiz. Gesch. 6, 250. Gremaud 31, 26.
6 Gremaud 29, 512. 29, 78. 29, 114. 29, 404. Auf einer kleinen Strecke ge-
hörte die casura dem Pfarrer von Liddes; Hoppeler S. 49.
Schult«, Oesch« d. mittelalterl. Handels. I. 6
g2 Achtes Kapitel.
Verfolgen wir ausschliefslich die Hospitäler , welche uns den Weg der
Wanderer zeigen ^ Im Bistum Lausanne liegen die Hospitäler von Vevey
und Lausanne (beide schon 1177 vorhanden) am Genfersee, in dem
nördlichen Anschlüsse die von Freiburg und Murten ^. In dem Bereiche
des Bistums von Genf, mit dein der Besitz des Hospizes nach Südwesten
abschliefst, findet sich kein Spital. Die wirkliche Jurapforte zeigt uns aber
das noch im Sprengel von Lausanne belegene ^hospiiale de Latar situim
juxta casirum de Joffni^,« wir erfahren dadurch den Ursprung der Ort-
schaften T>Häpitaux€ bei Jougne*.
Eine volle Kette von Spitälern führt von Jougne über Dijon und
die Berge der Cote d'or nach Rheims. Da ist zuerst Salins südlich von
Besan9on (schon 1177), es folgen Val Souzon zwischen Dijon und Chätillon
sur Seine, dicht unterhalb der Wasserscheide zum Gebiet der hier ent-
springenden Seine (1177 als locus, nicht als hospitale bezeichnet), das
Haus zu Bar an der Seine, offenbar eine ähnliche städtische Ansiedelung
wie sie die Mönche auch in Aosta, VercelH und an anderen Orten hatten,
die Domus Dei auf dem Marktplatze von Troyes (beide schon 1177 er-
wähnt), das Hospital (auch Domus Dei genannt) zu Sözanne auf dem
Wege zwischen Troyes und Epernay (1204 genannt) und endlich bei
Rheims das hospitale Dei Meritum , dessen Prior schon 1250 erwähnt
wird*^. Diese Richtung führt uns also fast direkt auf den Kanal und
den Übergang nach England zu. Hier verdankte das Hospital dem
Könige Heinrich IL (1154 — 1189) reichen Besitz in der Nähe von
London®, und später hat noch die Witwe Heinrichs HL, Eleonore von
Provence, das Priorat des Hospizes in London bedacht'. Heinrich H.
hat niemals die Alpen selbst überschritten, in diesen Gaben sehen wir
somit nicht den Ausdruck des Dankes für ihm geleistete Wohlthaten,
sondern für solche, die seinen Unterthanen zu teil geworden waren.
Südlich von dieser geraden Strafse, welche von den Reisenden jetzt
offenbar der älteren Strafse über Besan9on - Langres vorgezogen wurde,
liegt wiederum eine Kette von Spitälern, welche Dijon mit Paris zu
' Folgende Bestätigungen enthalten Aufzählungen der Güter: Alexander III.
1177 Juni 18 bei Gremaud 29, 102 ff.; Innocenx lU. 1204 Jan. 20 bei Gr. 29, 152 f.;
Gregor IX. 1281 Mai 5. 29, 526 f. und nach Diöcesen eingeteilt: Honorius IV. 1286
Juni 11 30, 347— :354,
■ Erscheinen erst 1281. Für das Hospital von Vevey vgl. Miscellanea di
storia italiana 22, 457 — 460.
• Erwähnt erst 1281, jedoch 1177 bereits die ecdesia de Juntii.
• S. oben S. 28.
» Gremaud 29, 423 f.
• Die Schenkung erfolgte vor 1177.
^ Gremaud 33, 448.
Hospize. 83
verbinden scheint ^ Es folgen in dieser Richtung Epoisses westlich von
S^mur, dann recht nahe Montreal, wo das Mutterhospiz gröfseren Besitz
hatte. Diese beiden Hospize gehören wohl der Verbindung von Dijon
und Auxerre an, welche nicht einer alten Römerstrafse folgt und auch
heute Montreal nicht mehr berührt. Das nächste Hospiz zu Appoigny
zeigt, dafs die Fortsetzung des Weges auf Sens und von dort nach
Paris geht*.
Weiter südlich verzweigen sich auch die Besitzungen nicht. Wohl
aber nach Norden, der uns besonders interessiert. In den Hospitälern
von Freibui'g und Murten haben wir die Anfänge des nach Norden ab-
biegenden Verkehrs. Im Bistum Basel gehörte dem Hospize die Pfarr-
kirche zu Pfirt, im Bistum Metz die cella de ponte sancti Vincentii^,
und bis nach Trier läfst sich Eigentum nachweisen. Hier verkaufte
das Hospiz 1296 ein Haus, das ihm einst sein Sammler für das Gebiet
des Königreich Deutschland magister Amelius geschenkt hatte ^. Solche
Sammler des Klosters empfahl Innocenz IV., doch dürfte das Institut
sehr viel älter sein^. In Strafsburg begegnet ein solcher 1294, und
wenn also hier das Hospital einen Sammler hatte, so dürfte doch auch
damals noch der Qrofse St Bernhard Besucher aus dem Elsafs gesehen
haben *.
Das Kloster hat nur eine kurze Zeit des Niederganges gehabt^, in
den ersten Jahren des dreizehnten Jahrhunderts hatte es ein Chorherr
reformieren wollen, aber er wurde in der Kirche, wohin er sich geflüchtet
hatte, von anderen verwundet, dann auf der Flucht bis Vercelli verfolgt
und schliefslich geblendet. Die Reformation des Klosters an Haupt und
Gliedern gab ihm neue Kraft, und in der Mitte dieses Jahrhunderts stand
das Hospiz wieder in voller Blüte. Die Boten, welche Gaben für dasselbe
zu heischen selbst bis in das Erzbistum Sens entsendet wurden ®, fanden
gewifs reiche Spende, und diese Stätte edelster und christlichster Bethäti-
^ Der Weg von Dijon nach Paris geht nach Matthaeus Paris über Chan-
ceaiix, Chätillon s.S., Bar, Trojes, Nogent, Provins und Rozay. Konrad Miller,
Die ältesten Weltkarten 3, 87.
' Vergy (Vergiaco), das Gremaud als im Dep. Yonne belegen bezeichnet, habe
ich nicht feststellen können.
* Beide erst 1286 erwähnt. Es ist wohl damit der Ort Pont St. Vincent ge-
meint, derselbe liegt an der Mosel, aber nicht mehr im Bistum Metz.
* »Quondam questarum domus nostre montis Jovts per regnum Alemanie procurator
mag, Amelius.* Görz, Mittelrhein« Regesten 4 Nr. 2554.
» Gremaud 29, 395 vom 9. April 1247.
« Strafsb. Urkb. 3, 100, 19.
^ Ich sehe da ab von den langwierigen Beunruhigungen, die 1168 der Bischof
von Sitten erwähnt. Hidber Nr. 2449.
» Bernoulli, Acta pont. Helv. 1, 93. 1225 Jan. 18.
6*
84 Achtes Kapitel.
gimg der Nächstenliebe wurde das Vorbild anderer Gründungen. Die
christliche Charitas wird immer mit Stolz auf diese Stätte blicken.
Minder glänzend ist die Geschichte des Septimerhospizes. Es geht
wohl auf eine ältere Gründung zurück ^ Als ein zweiter Begründer, wenn
nicht als Stifter mufs der Bischof Wido von Chur (1095—1122) angesehen
werden ; schon eine fast gleichzeitige Quelle bezeichnet ihn als den Erbauer
des Hospizes^. Leider fehlen andere ältere Nachrichten, es geht aber
aus der Urkunde König Ottos IV. hervor, dafs die Stiftung eine familia,
unzweifelhaft weltliche Dienstmannen hatte, die bei der Übergabe der
Stiftsvogtei an den König dem Bistume vorbehalten blieben^.
Das Mittelalter reihte die Gastfreundschaft unter die Zwecke der
Klöster und Orden ein, und so ist der allgemeine Reiseverkehr, und nicht
allein der der Pilger durch jene aufs höchste gefördert worden. Beim
Benediktinerorden war die Beherbergung der Fremden sorgfältig geregelt,
die Klöster lagen aber vielfach abseits der Strafse. Der hl. Bernhard von
Menthon schmiegte sich den Bedürfnissen des Verkehrs an, und so waren die
Chorherren seines Hospizes bald die Pflegewirte und Rettungsmänner auf
allen Wasserscheiden dem weiten Wege von Italien bis Rheims entlang;
überall hatten sie ihre Stationen, wo die Gefahr der Einsamkeit, der höheren
Lage irgend eine Hilfe erforderlich zu machen schien. Der Wanderer
fand die wichtigsten Etappen durch solche Hospize vorgezeichnet.
Man darf nicht vergessen, dafs auch der Johanniterorden aus einem
Spitale hervorgegangen ist, das Kaufleute für die Pilger in Jerusalem
errichtet hatten. So weit die Entwicklung den Johanniterorden und die
Chorherm vom Grofsen St. Bernhard auseinandergeführt hat, so gehen
sie doch auf dieselbe Wurzel zurück, auf eine tiefchristliche Nächsten-
liebe*. Dafs die Johanniter auch den Pässen ihr Interesse nicht ver-
sagten, zeigt ihr Haus auf der Höhe des Simplen^. Auch bei den
Templern herrschte grofse Gastfreundschaft, die oft genug mifsbraucht
^ S. oben S. 61. Muoth, Annterbücher 98 läfst es von dem Frauenkloster
Müstail zu Praden abhängig sein, ohne schwere Gründe vorzubringen.
* Das älteste Nekrolog der Churer Domkirche. »Wido Ouriensis eps ob., qui
curtam de Astere cum cöloniis et mancipiis et quicquid ad ipsam curiam pertinet et
mneam de Clavenna cum casa et süva dtdit et unum hospitale in honorem s. Petri in
S^timo monte construxit, ex quo plenum servicium eisdem fratribus per singulos annos
dare instituit, oh, anno 1122.' Zum 17. Mai. M.G. Necr. 1, 630.
' 1209 Jan. 13. »Excepit etiam famüiam hospitalis monHs Septimi ab eadem
exactione* Mohr 1, 214. Böhmer-Ficker 255. Bestätigung von Friedr. IL 1213.
Mohr 1, 252. Böhmer-Ficker 697. Berger zieht eine Stelle des ältesten Ein-
künfterodels: »CvvrHs Flemis habet ecclesiam in Sepie cum decima de ea villa* heran,
es handelt sich aber um die Pfarrkirche in Seth bei Flims.
* Michael, Gesch. d. deutschen Volkes 1, 175—179.1
* S. weiter unten S. 101.
Politische Geschichte. Römerzüge. 85
wurdet Auch sonst finden sich noch in dieser Periode Hospitalklöster;
zu ihnen sind zu rechnen Peterlingen (Payeme), Ej*euzlingen bei Konstanz
und Bargen Brücke*. Vor allem aber ist das Hospital von St. Antoine
im Viennois zu nennen, der Ausgang des Antoniterordens. Auf italienischer
Seite gab es in Vercelli ein fUr Schotten und Iren bestimmtes Hospital,
dessen Gründung man ins zwölfte Jahrhundert setzt ^.
Die Darstellung der politischen Änderungen an den einzelnen Alpen-
wegen mufs ich mit der Geschichte der Romzüge verbunden vorauf-
schicken, ehe der friedliche Verkehr besprochen werden kann.
Die Septimerstrafse war, wie wir wissen, dem Bischof von Chur
anvertraut, und dann war über den Pafs hinaus auch das Bergell dem
Bistum gewonnen, ja den Bischöfen von Chur waren Rechte noch weiter
nach Italien hinein bis nach Chiavenna gegeben. Diese Stellung haben
sie jedoch nicht zu behaupten vermocht. Andere Gewalten stritten nun
um den Besitz der Schlüsselstadt und der sie umgebenden Grafschaft,
erst die feinsinnige Untersuchung ScheflFer-Boichorsts hat es uns gezeigt,
wie aus ihr eine schwäbische Grafschaft werden konnte.
Der Gang der Dinge, soweit ihn Scheffer-Boichorst festgestellt hat, ist
in Kürze folgender*. Die Konsuln von Chiavenna baten 1152 König Fried-
rich I., er möge ihnen die Grafschaft Chiavenna bestätigen, dagegen
erhoben auf dieselbe auch der Bischof Ardicio von Como und ein nicht
sicher zu bestimmender Heinrich Hostia gleichfalls Anspruch. Der
Spruch Albrechts, Grafen von Kiburg (Ulm, 1. August 1152), fiel mit
Zustimmung der Fürsten dahin aus, dafs, da die Chiavennaten schon
30 Jahre im Besitze seien und auch eine Urkunde König Konrads ihnen
günstig scheine, seien sie zu belehnen, was geschah^. Aber die Ent-
scheidung war keine definitive. Der Bischof von Como legte in Konstanz
(März 1153) seine Urkunden vor, die von Karl dem Grofsen bis auf
1 Vgl. z. B. die Urkunde Alexanders III. bei Kehr, Papsturkunden in Malta.
Nachrichten d. königl. Ges. d. Wiss. in Göttingen 1899 S. 400.
2 Hidber Nr. 1720. Bestätigung von 1139.
' Mandelli, II coroune di Vercelli nel medio evo 2, 318 fF.;
* Seiner vortrefflichen Abhandlung hat Scheffer-Boichorst den sehr berich-
tigten Abdruck des ersten Ulmer Spruches vom 1. August 1152 und der Hagenauer
Bestätigung des zweiten Ulmer Spruches durch Heinrich VI. vom 15. Febr. 1192
(Hagenau) beigegeben.
" »Quia ClavefincUes consides memoratum comitatum per 30 annos sine inter-
niptione posseäenint et sine discordia et eiiam, quia Privilegium domini Conr<ndi RomO'
norum regis ipsis ClaretifuUibus in hoc parte favere conspicimus, judicamus, ut Claven-
nates ipsum comitatum haheant et quod a manu regia investiantur dbsque omni contra-
dictione.*
86 Achtes Kapitel.
Konrad UI. reichten. Da die von Chiavenna ihre Dokumente nicht bei
sich hatten, wurden beide Parteien neu entboten und zwar auf fränki-
schen Boden nach Bamberg. Die Vertreter Chiavennas wandten ein^
die Grafschaft gehöre zum Herzogtum Schwaben und nur der Herzog
könne Richter über sie sein^. Der König erklärte zwar sofort, weder
sein Vater Friedrich noch er vor der Thronbesteigung habe die Chia-
vennaten in der Eigenschaft als Herzog von Schwaben belehnt, vielmehr
nach seiner Thronbesteigung hätten sie von ihm als König ein Privileg
erhalten *. Der Urteilsspruch der Fürsten lautete, dem Bischof von Como
stehe die Grafschaft als Reiclislehen zu. Aber das Urteil wurde von den
Chiavennaten als rechtlich nicht verbindlich bestritten, und sie fanden
bei schwäbischen Grofsen Unterstützung, die erklärten, sie würden diese
Schmälerung der Ehre des schwäbischen Herzogtums nicht dulden, und
da inzwischen Mailand seine Hand nach Chiavenna ausdehnte ^, war dem
Kaiser dieser Widerspruch wohl sympathisch, und es wurde nunmehr
auf schwäbischem Boden zu Ulm vor schwäbischen Grofsen noch einmal
die Frage rechtlich verhandelt*. Auf Antrag des Grafen Gottfried von
Zollern beschwuren die Grafen Ulrich von PfuUendorf und Markward
von Veringen, es gehöre von Rechts wegen die Grafschaft Chiavenna zum
Herzogtum Schwaben, und nun gab sie der Kaiser unter Vorbehalt aller
Rechte des Herzogs von Schwaben den anwesenden Konsuln von Chia-
venna. Der Bischof von Como war damit aus dieser inneren, die Alpen-
pässe beherrschenden Position ausgeschlossen und das Herzogtum Schwaben
hatte ein transalpinisches Gebiet gewonnen, den Schlüssel zweier Alpen-
wege.
Das Verhältnis blieb nur etwas länger wie 35 Jahre bestehen. Zwar
bestätigte Heinrich VI. am 15. Februar 1192 noch einmal den Spruch
Friedrichs. Nach Hagenau war zu dem Zwecke nicht allein ein Konsul
von Chiavenna mit einem Gesandten geschickt, es waren auch Bündner
Edle und Dienstmannen bei der Bestätigung anwesend, die am Pafsver-
kehr interessiert waren. Da war der Freiherr Rudolf von Vaz , Ulrich
von Juvalt und Andreas von Marmels, ein Vertreter jener Familie, die
zu oberst in Obcrhalbstein am Septimer safs. Seine Anwesenheit beweist
* »Comitatum iUum ad cfuratum Suevie pertinere dicebant, propter quod etinm
nuäitis nisi ducis judicio se sistere dehere asserebant.*
2 »Neque de manu patris nosiri Friderici ducis Suevarutn neque de manu nostra,
dum adhuc fjusdem ducaius dignitate fungeremur, aliquam investituram eon seti privi-
legium suscepisse cognovimus, sed poiiuSy postquam regni solium divina dispositione
(tscendimuSy Privilegium de ipso comitatu a manu nostra de respectu regni 8U8cei}erufit.*
8 Friedrich befreite die Grafschaft »tam a Mediolanensium quam aiiorum Lom-
hardorum omnium dominio,*'
* 2. Febr. 1157 oder 1158.
Politische Geschichte. Römerzüge. 87
uns, dafs es den Leuten am Passe lieb war, wenn der schwäbische Ein-
flufs möglichst weit nach Italien hineinreichte.
Unmittelbar darauf veränderte König Heinrich die Lage, er nahm
die Grafschaft — so darf man schliefsen — an das Reich ^. Wie überall
das Reichsgut in den Stürmen des dreizehnten Jahrhunderts geschmälert
wurde, so wurde auch dieses Stück des Reichsbesitzes bald gefährdet.
Jetzt trat Como mit seinen Ansprüchen wieder hervor, und schon 1196
scheint Heinrich VI. die Rechte des Bistums, wie sie in jenem Bam-
berger Spruche festgestellt waren, anerkannt zu haben ^. 1203 wehrten
sich die Chiavennaten noch gegen den Bischof und die Stadt Como, sie
ständen unter dem Reiche, aber aller Widerstand war vergebens*. Schon
1205 legte der Bischof ihnen eine Steuer auf, nahm den eigentlichen
Zoll an sich, während der Brückenzoll an der Maira der Stadt überlassen
blieb ^. Es kam noch zu einem erbitterten Kampfe zwischen Como und
Chur, dessen Endergebnis der Friede von 1219 ist, demzufolge Chiavenna
und Plurs bei Como verblieben und die Südgrenze des Bergell auch die
Grenze des Comasker Gebietes wurde ^. Chiavenna war nicht mehr mit
dem Herzogtume oder dem Reiche verbunden und ein deutscher Vor-
posten südlich der Alpen, sondern umgekehrt der Wächter eines italieni-
schen Bistums, und, da dieses sehr bald unter die Herrschaft der Vis-
conti geriet, der der gewaltigsten italienischen Signoria.
Es ist eigentümlich, zu beobachten, dafs keiner von den Saliern
einen der Bündnerpässe — so viel sich nachweisen oder auch nur ver-
muten läfst — jemals überstieg. Auch die durch den Erwerb von
Burgund wiedergewonnenen Pässe sahen nur zweimal einen deutschen
König aus diesem Stamme. Im Winter 1076/77 überschritt Heinrich IV.
den Moht Cenis auf seinem Wege nach Canossa, alle anderen Strafsen
waren gesperrt. Heinrich V. benutzte 1100 für seine Person den Grofsen
St. Bernhard*, während ein Teil des Heeres über den Brenner rückte,
der mehr und mehr die normale Stralse für die Römerzüge geworden
war'. Erst der Gegenkönig Konrad, der ja auch kaum die westlichen
^ Scheffer-Boichorst hat das S. 115 in hohem Mafse wahrscheinlich gemacht,
obwohl ein urkundliches Zeugnis fehlt
2 Scheffer-Boichorst S. 116.
• Scheffer-Boichorst S. 116 mit wichtigen Ergänzungen zum Periodico
6, 214.
• Darmstädter S. 85. Kaiser Otto IV. bewilligte 1210 dem Bischof von Como,
dafs gegen seine Kirche nur Verjährung von 100 Jahren gelten solle, was offenbar
sich auf den Streit um Chiavenna bezieht. Böhmer-Ficker 361.
»V. Mohr 1, 257—265.
• Frutolf (Ekkeh.) M.G. SS. 6, 243: »aliis secutn per monteni Jocis, cUiis per
vaUem Tridentinam*.
^ 0hl mann schreibt ihm von 1026 bis 1137 von 24 Überschreitungen 19 zu.
88 Achtes Kapitel.
oder östlichen Pässe offen gefunden hätte, benutzte 1128 den Septimer,
um nach Italien vorzubrechen ^. Dafs er, wie Öhlmann vermutet, bei der
Heimkehr denselben Weg, nachdem er in Italien fruchtlos gekämpft, ein-
geschlagen habe, läfst sich nicht beweisen. Immerhin mufs in dieser Zeit
Konrad den Chiavennaten jenes Privileg zugestanden haben, auf das sie
ihre Ansprüche auf die Grafschaft begründeten.
Man sollte nun glauben, dafs Friedrich I. auf seinen zahlreichen
Zügen über die Alpen den Septimer und Chiavenna bevorzugt habe.
Das ist nicht der Fall, auch er wählte für den Anmarsch mit den Truppen
fast stets den Brenner. Man hat dafür als Grund angegeben, dafs auf
dieser Route besonders gut für das Futter gesorgt gewesen sei. Es
kommt doch etwas anderes noch hinzu. Das Heer konnte nicht am
Ufer des Comersees entlang ziehen, sondern mufste mit Schiffen nach
Como oder Lecco verbracht werden. Sicherlich keine leichte Aufgabe.
Die deutschen Herren hingen dann ganz vom guten Willen der Schiffs-
leute und ihrer Patrone ab, und selbst wenn dieser vorhanden war,
reichten die Fahrzeuge schwerlich zum Transport aus, und in kleinen
Trupps erschien das Heer im Lande, statt in seiner ganzen Stärke. Fehlte
aber der gute Wille, so war die Lage der Deutschen der nicht unähn-
lich, in die Suwarow nach dem Zug über den St. Gotthard geriet, als
er zu spät entdeckte, dafs es am Vierwaldstättersee keinen Uferweg gab.
Über den Septimer rückte Sommer 1158 ein Teil des Heeres,
während der Kaiser über den Brenner ging, Herzog Berthold von Zäh-
ringen aber mit den Burgundern und Oberlothringern den Grofsen St
Bernhard überschritt^. Für den Septimer traten diesesmal die Besorgnisse
zurück, da die Sympathien des von den Mailändern zerstörten Como
und seines Gebietes dem Staufer gehörten, die mittlere Kolonne wurde
sofort an das Hauptheer in das Lager am Oglio gezogen, sie wurde also
sicherlich im Arme von Lecco ausgeschifft. Den gleichen Weg schlug
Ostern 1167 der junge Weif ein, um seine Krieger dem Kaiser vor Rom
zuzuführen, wo er selbst mit so vielen Deutschen erliegen sollte®. Aber
auch damals bestanden jene Bedenken nicht, Welfs Corps war ein Nach-
schub von Truppen für die Streitkräfte der Erzbischöfe Reinald und
Christian. Como war dem Kaiser gesichert, Mailand war zerstört.
Als nach dem Scheitern des Friedens von Montebello der Kaiser
durch Erzbischof Philipp von Köln die deutschen Truppen aufbieten
Hefs, und nun der Kaiser sie möglichst heimlich in die Lombardei bringen
und mit seinen italienischen Bundesgenossen zu einem schnellen Schlage
^ Otto V. Freising M.G. SS. 20, 257.
» Otto Frising M.G. SS. 20, 430 f.: »mnUa pars Francoi-um-,
3 Hi st. Weif. M.G. SS. 21, 471.
Politische Geschichte. Römcrzüge. 89
auf Mailand verwenden wollte, bestimmte er ihnen nicht den Weg über
den See von Como, also die gewöhnliche Strafse über den Septimer und
Chiavenna, sondern liels die Scharen, die die Erzbischöfe Wichmann von
Magdeburg und Philipp von Köln heranführten, über Disentis und den
Lukmanier nach BeUinzona rücken ^. Der Kaiser ging mit Wenigen von
Pavia nach Como und hatte am Morgen der Schlacht von Legnano sein
Lager mit den vereinigten deutschen und Comasker Truppen bei Cairate
an der Olona. Zwei Gründe kamen wohl in Betracht, um den gewöhn-
lichen Pafs über den Septimer nicht zu benutzen. Eine Überfahrt über
den Comersee dauerte zu lange und enthüllte, da die SchiflFe vorher an
dem Oberende des Sees zusamenzubringen waren, das Geheimnis ; geratener
war es, jede längere Seefahrt zu vermeiden, vielleicht fühlte sich der
Kaiser auch der Comasken nicht sicher genug.
Das Geheimnis war in der That gut gewahrt worden, aber der
Kaiser hatte nicht den Vorteil ganz ausgebeutet, sondern die deutschen
Truppen einen Umweg machen lassen. Das Nächste wäre es gewesen,
um das endliche Ziel, eine Vereinigung der neuen Streitkräfte mit den
Comasken und Pavesen zu erstreben, für die beiden ersten etwa Cairate
als Sammelpunkt anzugeben. Dann hätten die deutschen Truppen vom
Monte Cenere aus direkt südlich am Ufer des Luganersees entlang, über
Agno, Ponte Tresa auf Varese und Cairate marschieren können, während
die Comasken direkt von Ost nach West hätten ziehen müssen. Der
Kaiser aber hatte die Deutschen nach Como entboten^, sie mufsten also
über den Luganersee setzen, wodurch unzweifelhaft Zeit verloren ging,
wenn auch nicht entfernt so viel, wie dies auf dem Comersee der Fall
gewesen wäre.
Durch diesen Umweg, der durch die Rücksicht auf die Stimmung
der Comasken wohl geboten sein mochte, verlor Friedrich so viel Zeit,
dafs die Mailänder ihre Bundesgenossen aus grofser Entfernung (Brescia)
heranholen und dem Kaiser den Weg verlegen konnten. Friedrich hätte,
falls ihm Schiffe zum Übersetzen über den Strom zur Verfügung standen,
von Cairate aus den Tessin überschreiten und trotz der Feindschaft
Novaras hinter diesem Flufslaufe auf Pavia ziehen können. Er wagte den
Umgehungsmarsch um Mailand, dessen Lage inmitten des Flufsvierecks
Tessin, Po und Adda aufserordentlich günstig ist, innerhalb dieses
* Ann. Mediol. M.G. SS. 18, 378. »M dicebatur, quod erant duo miliar quos
venire fecerat per Desertinam tarn privaiissime, quod a fiemtne Lombardonim potuü
sciri, imo cum dicebatur, quod esset apud Birizonam, fabulosum videbatur.* Köhler,
Die Entwicklung des Kriegswesens 1, 75 läfst irrig die Deutschen über die Oberalp
und den St. Gotthard gehen.
" Das folgt aus der Vita Alex, bei Watterich 2, 430 und d. Chron. regia
Coloniensis rec. II (Script, rer. Germ. S. 128).
00 Achtes Kapitel.
Abschnittes, und da traf ihn der auf Busto Arsizio gerichtete Vorstofs
in einem Augenblicke, wo die natürliche Rlickzugslinie noch nach NW.
auf die Südspitze des Lago Maggiore und nicht etwa nach SW. auf die
Nachbarschaft einer befreundeten Stadt ging. Die Mailänder hatten ihren
Vorstofs auf diesen Umgehungsmarsch in der entscheidendsten Richtung
gemacht, so dafs die Schlacht kaum vermieden werden konnte und die
Rückzugslinie des Kaisers möglichst ungünstig war, weder auf Pavia noch
auf Como ftlhrte'. Die Schlacht von Legnano zeigt uns deutlich, wie
schwer es war, die auf Mailand mündenden Pässe zu benutzen, wenn
diese Herrin feindlich gesinnt war, und macht es uns klar, dafs dieses
Debouchiren aus einem mit Seen durchsetzten Gebirge später von den
deutschen Kaisem nicht wieder versucht wurde. Der Zeitverlust, den
der Umweg über Como hervorrief, trägt die hauptsächlichste Schuld an
der Niederlage.
Die Strafse über den Lukmanier war dem Kaiser nicht unbekannt,
hat er sie doch sehr wahrscheinlich 1164 für den Heimweg benutzt^.
Jedenfalls nahm er diesen Weg, als er das letzte Mal Italiens Boden ver-
liefs, im Jahre 1 186. Durch zwei Urkunden ist der Weg geradezu sicher
gelegt: am 22. Juni war der Kaiser in Varese, am 27. zu Biasca „im
Gebiete von Como", d. h. an dem Eingange zum Blegnothale und zum
Lukmanier®. Eine neuerdings gefundene Urkunde von 1221 erwähnt,
dafs der Kaiser sich einst auf der Burg zu Serravalle im Blegnothale
aufgehalten habe*.
Der Verkehr über diesen von Friedrich oflFenbar bevorzugten Pafs
1 Der Rückzug auf Como wäre vielleicht möglich gewesen, die Mailänder legten
Hich doch etwan vor die Marschlinie, die sie in der Hauptsache allerdings von der
Si'ite bedroh t(*n. Durch den Verlauf der Schlacht wurde aber gerade der Weg nach
(Jomo v<jrlegt, ho dafs die Flüchtlinge doch noch nach Pavia kamen.
* Am 4. Oktober war er auf der kaiserlichen Burg Belforte bei Varese
(Stumpf 4031), vom 9. Oktober ist eine aus Disentis datierte Urkunde erhalten,
welche aber nicht ganz unangefochten geblieben ist und deren Jahr nicht feststeht
(Stumpf 4034). Vgl. Giesebrecht-Simson, Geschichte der deutschen Kaiser-
zeit 6, 433. Die Verbindung Varese-Disentis ist natürlich die über den Lukmanier.
Gleichwohl an einen von Como ausgehenden Pafs zu denken, giebt die Urkunde
vom 4. Oktober Anlafs, worin der Kaiser der Stadt Como und ihrem Bischöfe bisher
verweigertem Befestigungen übcrliefs und ihnen Verzeihung gewährte. Auch Lud-
wig, Reisegeschwindigkeit S. 33 sieht die Sache als unentschieden an.
8 Stumpf Nr. 4460 u. 4461. v. Simson läfst Friedrich (Giesebrecht 6, 144)
über den St. Gotthard ziehen, der damals noch nicht begangen wurde. Lu dwig S. 41
nimmt auch den Lukmanier an.
^ Original im Archiv Mailand, Metropolitana, Capitolo maggiore, erwähnt von
Kahn, Statistik schweizerischer Kunstdenkmale, Kanton Tessin S. 219. Die Urkunde
berichtet, dafs Barbarossa auf einem Zuge über den Lukmanier sich auf d(;r Burg
Serravalle (auch Cosnigo) bei Semion e im Blegnothale aufgehalten habe.
Politische Geschichte. Römerzüge. 91
war vom Kloster Disentis abhängig, leider wissen wir von der Geschichte
dieses Hochalpenklosters so gut wie nichts ^ Wir können nur vermuten,
dafs dieses Kloster, dessen Besitz übrigens weit nach Italien hineingriff,
gleich den andern freiherrlichen Klöstern die Blütezeit längst hinter sich
hatte und nur von wenigen hochadligen Mönchen bewohnt wurde. Hätten
wir Quellen zur Geschichte dieses Klosters, so würde das tiefe Dunkel, das
über die Geschichte des Lukmaniers gelagert ist, sich wohl etwas hellen ^.
Heinrich VI. hat zweimal den Septimer benutzt. Bei der Rückkehr
im Winter 1191 sind uns Chiavenna und Hagenau als Aufenthaltsorte
bekannt^, an den Splügen konnte in solcher Jahreszeit gar nicht gedacht
werden. Auf seinem zweiten Zuge 1194 erhalten wir sogar Angaben
über die Zeit des Überganges, der Kaiser brauchte, um von Chur nach
Chiavenna zu gelangen, nur drei Tage*. Ob er den Rückweg über den-
selben Berg nahm, bleibt zweifelhaft, da die Aufenthaltsorte Como bez.
Chiavenna und Frankfurt zwei Wege zulassen, immerhin spricht die
Wahrscheinlichkeit für den Septimer ^. Como als Ausgangspunkt für die
Rückreise Kaiser Ottos IV. im Februar 1212 genügt nicht, diese Route
sicherer zu bestimmen ®. Wenige Monate später überstieg der junge
Friedrich II. die Alpen, er wollte offenbar am liebsten den Septimer oder
einen andern Bündnerpafs benutzen. Da ihm aber der Zugang an der
Südseite versperrt war, ging er über Trient, um von dort, da die Nord-
ausgänge der Brennerstrafse ihm gleichfalls gesperrt waren, mit Hilfe
der Bischöfe von Trient und Chur den Nordausgang der Bündnerpässe
zu erreichen, die ersten deutschen Städte, die der italienisierte Staufer
sah, waren St. Gallen und Konstanz^.
» Äbte waren damals Hugo (1160—80) und Walther (1180—1203). Hugo be-
zeichnet die Überlieferung mit sehr zweifelhaftem Rechte als einen Grafen von
Werdenberg.
* Da das Archiv vernichtet ist, so hat v. Mohr für seine Regesten der Bene-
diktiner-Abtei Disentis im Kanton Graubünden, Chur 1858, nur junge Abschriften,
mitunter völlig ungenügende Auszüge zur Verfügung gehabt. Seit 1048 war Disentis
reichsunmittelbar.
» Stumpf Nr. 4731 Dez. 11 Chiavenna. 4733 Dez. 29 Hagenau. Dorthin folgten
ihm einige Vertreter von Chiavenna und Andreas von Marmels. Dazwischen liegt
ein Aufenthalt zu Kauf heuern (M.G. SS. 21, 472) Ludwig S. 4S.
* Stumpf Nr. 4862 Mai 22 Chur. 4863 Mai 26 Chiavenna. Am 29. feierte er
das Pfingätfest bereits in Mailand. Der Kaiser hatte ein zahlreiches Heer bei sich,
aber die lombardische Ebene war im Augenblicke völlig ruhig.
^ Stumpf 4951. Chiavenna 4951 & (ohne Tagesdatum). Es wäre auch der Splügen
denkbar. Ludwig S. 45 nimmt Septimer an.
* Böhmer-Ficker 467», 469». Der Septimer ist mir auch hier weit wahr-
scheinlicher ab irgend ein anderer Pafs.
^ Böhmer-Ficker 670^ und e. Es ergiebt sich als bequemste Route Vintsch«
gau, Ofenpafs, Engadin und dann wohl Julier oder auch sonst einer der weiter öst-
92 Achtes Kapitel.
Friedrich hat vielleicht nur für die kurze Anwesenheit im Reiche
1242 einen Bündnerpafs benutzt, sonst haben die letzten Staufer sich
stets des Brenners oder der noch östlicheren Wege bedient.
Wenn die Heereszüge über den Septimer mithin nicht so zahlreich
sind, wie man erwarten sollte, so wurde er von einzelnen politischen
Persönlichkeiten um so öfter benutzt, wenn wir auch nur gelegentlich
davon etwas erfahren. So hat — wenigstens sehr wahrscheinlich — die
bekannte Scene, in der Heinrich der Löwe dem Kaiser Friedrich I. seine
Hilfe verweigerte, sich in Chiavenna, wohin sie Otto von St. Blasien
verlegt, abgespielt, und dorthin war der Herzog doch wohl über den
Septimer gekommen ^ Auch Gislebert von Mons, der Kanzler des Grafen
von Hennegau, ging, wie er selbst erzählt, als er 1191 den Kaiser wegen
der Lütticher Bischofswahl in Italien aufsuchen wollte, über den Septimer ^,
und zwei Jahre später wurde der Kardinallegat Cinthius, als er von
Schaffhausen kommend über den Septimer wollte, am Nordfufse desselben
von dem Ritter Andreas von Marmels festgehalten, seiner Briefschaften
beraubt und gefangen gesetzt, erst der energischen Fürsprache eines
benachbarten Edeln Namens Rudolf und des Bischofs von Chur verdankte
der Gefangene seine Befreiung. Der Ritter von Marmels hatte sich
übrigens nur nach dem Gebote des Kaisers gerichtet, der jeglichen Ver-
kehr mit der Kurie verboten hatte®. Wir sehen hier einmal, wem die
Sperrung der Pässe anvertraut zu werden pflegte.
lieh gelegenen Pässe. Ludwig S.Öl nimmt folgende Pässe nacheinander an: Ofen-
pafs 2155 m, Fluelapafs 2388 m und Strelapafs 2377 m. Mir ist eine solche Route
unwahrscheinlich. Enveisen läfst sich natürlich nichts.
* Zuletzt behandelt Giesc brecht- v. Simsen 6, 525 f. Auch hier mache ich
ein Fragezeichen.
3 M.G. SS. 21, 573. »Qui j/er TJieutonicam terram incedente.% Alpes in ]oco, qm
MonS'Setes duitur, et per lacum de Cnma iransiernnt.*
' Translatio 8. Bernwardi. Acta sanct. Okt. Bd. XI, 1028. Der Kardinal
kam von Dänemark und von Hildesheim reiste ihm ein Abt nach, der ihn in Schaff-
hausen (nicht etwa, wie man aus der Stelle vermutet hat, in Luxeuil) traf. Andreas
von Marmels war kurz vorher beim Kaiser in Hagenau gewesen s. oben S. 91.
Aus dem Berichte ist besonders interessant die Drohung des »RoÜtuIfus nomine ex
eadeni provinvia: quia nisi rebus eorum restitutis, eos in pace, quo velJent pateretur
ahirey ipse . . . diu cum ipso habitum foedus reseif ideret et castrum fumlitvs erersnm
solo ad<iequaret*. In Kudolf sah v. Mohr einen Castlemur, wohl mit Recht. Das
foedus hätte sich dann offenbar auf den Transport über die Pafshöhe bezogen. Die
Reise des Abtes von Floridus Hortus in Holland kann nur allgemein für einen
Bündener Pafs herangezogen werden. Er ging von Mailand auf Como »et sie Alpibus
transmissis venit Basileam super Hrenum et Argentinam, Ibi navi conduda Spirn . .
Wurmada .. Mayuncia^* Cöln. Die Hinreise geht durch die Champagne : Duisburg,
Septimer und Bemhardin. 98
Der Septimer war nach und nach so bekannt geworden, wie es
früher nur der Grofse St. Bernhard, der mons Jovis, gewesen war. Dafs
an ihm Rhein und Inn entspringe, war zwar nicht ganz korrekt, die
Bemerkung Ottos v. Freising ^ zeugt aber von Interesse an diesem Ge-
biete. Sein Ruhm war schliefslich so verbreitet, dafs Gottfried von StraCs-
burg im Tristan den Berg anführt, um ihn in kolossaler Übertreibung
mit einem Herzen zu vergleichen, das von Wonne geschwellt wird. Es
ist in jener Betrachtung über die Liebe, die der Dichter dem nächtlichen
Zusammensein von Tristan und Isolde folgen läfst:
swenn' ick bedenke aunder
da^ wvmder und daz wunder^
da^ man an liebe ftmde,
der ei gesvochen künde;
tca^ fröude an liebe laege,
der ir mit triutcen phlaege:
80 wirt min herze sd ze sttmt
groe^er danfie Setmuni. (12 213—20)".
Der Name des Septimers erscheint später noch zweimal in der
Litteratur, nämlich einmal in dem Heldenbuche und zwar in dem Dich-
tungskreise, der die Drachenkämpfe der Genossen Dietrichs behandelt.
In der Virginal giebt Rentwin auf die Frage Hildebrands nach Name
und Heimat die Antwort:
»mtns vater lant get sicherlich
vom Septmer üf die Tüne,
er ist geheimen Hetfertch,
ein helt geboren van Lüne.*
Vom Septimer geht das Reich Helferichs, dessen Sitz der Dichter
zu Arone, also offenbar in dem am Lago Maggiore sucht, bis auf die
*Time€, Elard H. Meyer hat Trüne emendiert und den Namen auf
die Traun gedeutet. Zupitza hat das abgelehnt und sucht Tune, damit
Arona innerhalb des Reiches liegt, südwestlich von Arona; sollte an
Domo d'Ossola zu denken sein^?
An die Stelle im Tristan klingen in etwa die Worte des Frank-
Maastricht, Soissons, Chäteau-Thierry, S^zanne, M^rj sur Seine, Trojes, Bar s. S.,
Lyon, yallis Moriana, Susa. M.G. SS. 22, 472.
* M.G. SS. 20, 257. »Fyrenoreum per jugum Septimi montis, qua Ehenus et Aenus
fluvii oriuntur.t Der Inn entspringt in der That am Piz Lunghino, der östlichen
Bergesiehne am Passe, vom Passe selbst kommt ein Bach, den man als den Hinter-
halbsteiner Rhein ansehen konnte. Der Südabstieg ging an der Meira abwärts.
* Auf diese Stelle machte mich Freund Kluge in Freiburg i. Br. aufmerksam.
Vgl. Jaenicke in Zachers Zeitschrift 2, 183. Früher dachte man an Siebenbürgen,
das Siebengebirge oder verbesserte gar: sphSremunt: Sphärenwelt.
« Str. 155 ed. Zupitza in Deutsches Heldenbuch. Fünfter Teil. Berlin 1870.
Vgl. Einleitung S. XXVI. Vgl. Kaspar v. d. Ron. Ausgabe v. d. Hagen S. 149.
94 Achtes Kapitel.
furter Passionspieles an. In ihm spricht der Synagogus zum Salvator,
der vom Genufs seines Leibes geredet hat:
utid iverestu als der berg Septimunt,
mr essen dich zu kurUer atunt.
Auch hier vertritt der Septiraer den höchsten bekannten Berg^.
Dafs auch der Bemhardin nicht völlig brach lag, beweisen die Zu-
sammenhänge, welche zwischen dem zum Churer Bistum gehörigen
Misox und dem nördlichen Graubtinden bestanden. Das Geschlecht der
Herren dieses Thaies, der Freiherm von Sax, ist nach Liebenaus For-
schungen doch sehr wahrscheinlich verwandt mit dem gleichnamigen
Geschlecht im Rheinthal und möglicherweise von den deutschen Königen
in das vom Bistum Como noch weit später als Lehen beanspruchte Ge-
biet versetzt^. Sprechender ist noch, dafs bei der Gründung der Stifts-
kirche von St. Johann und Victor in Misocco (1219) der Stifter, eben
Heinrich Freiherr von Sax, auch die *ecclesia sancti Petri de Ueno cum
Omnibus suis possessionibus et dlpibus, nwntibus et cum omni jure et actione
ipsi ecclesiae pertinenti^ ^ schenkte , jenes sagenberühmte Kirchlein , das
bis fast an den Rheinwaldgletscher vorgeschoben war, die erste fromme
Stätte, die der junge Rhein fast noch in der Gletscherwelt selbst begrüfste.
Für die Bedeutung des Lukmaniers spricht auch die Art, wie
St. Gallen den Zins von der Abtei Massino und den anderen Besitzungen
in diesen Gegenden — nicht allein Buglio nördlich des Ortasees gehörte
dem Kloster, sondern auch Alpen und Leute in Val Antrona und dem
nördlichen Parallelthal Valle di Bognanco, auch einiges im Eschenthal
selbst — empfing. Er wurde an den Abt von Disentis abgeliefert, also
über den Lukmanier gebracht*.
Über die Einrichtungen auf dem Wege, den der Verkehr durch
Graubünden nahm, sind auch in dieser Zeit die Nachrichten recht spär-
lich. Sehr willkommen sind einige Angaben über Wirtshäuser. Der
dem elften Jahrhundert angehörige Rodel über die Einkünfte des Bis-
tums Chur führt folgende an: an dem Wege vom Bodensee zum Sep-
timer: Schan, Chur, Lenz (2) und Marmels. Wenn diese Wirtshäuser
den damals üblichen Nachtquartieren und die Zwischenräume den Tages-
märschen entsprechen, so hätte man von Rheineck bis über den Septimer
damals fünf Tage gebraucht, was eine aufserordentliche Leistung wäre.
Allein diese Vermutung ist doch zu unsicher. Von dem Stalle Bivio
waren, wenn das Heu nicht — wohl für einen Zug des Bischofs oder
^ F. Vogt io Gennanisti sehe Abhandlungen, Heft 16. Kunz Kisteners Jakobs-
brüder von Euling. Nachtrag S. 126 f.
« V. Liebenau, Bell, storico 10, 54 ff., 137 ff.
' V. Liebenau, Bell, storico d. Svizz. it. 12, 60 ff.
♦Wartmann, St. üaller Urkundenbuch 4, 123, 956, 1004, 1046 und öfter.
Septimer und Bemhardin. 95
Königs — in Anspruch genommen wurde, fünfzig Schilling zu entrichten ^.
Auch das Frauenkloster Katzis hatte eine Tabeme in Chur und eine
solche in Tiefenkasten, also zwischen Lenz und Manuels^. Das bischöf-
liche Register giebt dann noch für den Julier und das Engadin in Sils
am andern Fufse des Juliers einen Stall ^ und je eine Tabeme in Zuz
(Oberengadin) und Ardez (Unterengadin) an. Dieses Verzeichnis läfst
leider das Vorderrheingebiet, wo der Einflufs von Disentis herrschte,
unbeachtet, so dafs man über die Ausstattung der Lukmanierstrafse im
Unklaren bleibt.
Auf die Fähren bei Schan und Mayenfeld, wie auf die Schiffe auf
dem Walensee ist schon früher hingewiesen*. Die Zahl der Schiffe war
nach dem Einkünfterodel schon auf zehn gestiegen.
Von den Burgen am Septimerwege bestanden, nach den Familien-
namen (oder den direkten Erwähnungen) zu urteilen, bereits Marmeb
und Splüdatsch, die von bischöflichen Dienstmannen bewohnt wurden.
Nicht unmittelbar am Wege, sondern jenseits des Oberhalbsteiner Rheines
standen die Burgen von Reams (damals Eigentum der Freiherrn von
Wangen) und das bischöfliche Salux^. Auch die Burg Manuels war
ursprünglich das Lehen eines freiherrlichen Geschlechtes, der Ekieln von
Tarasp. An dem Wege war inzwischen auch ein Kloster erstanden :
Kurwaiden (zwischen Lenz und Chur), das aber zu dem Verkehr in
keine direkte Verbindung trat*.
Über die Einrichtungen im Bergeil bietet, nachdem eine Reihe von
' Jedes Wirtshaus hatte 1 ^ zu entrichten. »De stabtUo Bivio erit ad censum,
8i ei foenutn non tollitur, sol, L.* Mohr 1, 298. Aufserdem ist noch angeführt »de
Porta Bergalliae Ixbra h.
' 1156. V. Mohr 1. 182. Muoth 68 macht überhaupt Katzis wie das Kloster
Müstail irrig zu ursprünglichen Herbergsklöstem , dazu waren Frauenklöster gar
nicht geeignet
* Trug nur 80 oder 40 Schillinge.
* S. oben S. 64. Auch die Schenkung des Grafen Burkhard von Nellenburg
an das Kloster in Schaffhausen erwähnt in der Pertinenzformel Rechte in nawbus
zu Mayenfeld. 1105. v. Mohr 1, 149. Die Fähre bei Grabs, welche 1178 dem
Kloster Schännis bestätigt wird (Hidber Nr. 2381), dürfte identisch sein mit der
von Schan. Grabs und Schan liegen sich gegenüber.
" Dienstmannen von Splüdatsch und Salux erwähnt 1160 in der Urkunde, in
der der Edle Ulrich von Tarasp eine Reihe von Personen, auch in Vicosoprano,
Gasaccia, Tinzen, Marmels und Schweinigen dem Bistume schenkte, v. Mohr 1, 188.
In dieser Urkunde wurde zum erstenmal auch das castirum von Marmorera und sein
Bewohner Andreas genannt, auch er gehörte zu den geschenkten Dienstmannen,
hatte sein Lehen aber schon ab ein Kunkellehen in Besitz. Über Reams vgl. Mohr
1, 266 N. 6. Vgl. jetzt auch Muoth zu den einzelnen Burgen.
* Höchstens ist anzuführen, dafs Herzog Konrad v. Schwaben seinen Dienst-
mannen und Untergebenen Schenkungen an das Kloster zu machen gestattete.
V. Mohr 1. 225.
96 Neuntes Kapitel.
Urkunden, welche früher als das Fundament der Geschichte dieser Land-
Schaft galten, als Fälschungen erkannt sind ^, eigentlich nur jener Friedens-
vertrag von 1219 zwischen Como und Chur einige Auskunft. Es wurde
da den Unterthanen beider Bistümer der freie Verkehr durch das andere
gestattet, jedoch durfte kein Getreide und Hülsenfrüchte nach dem Ge-
birge zu gebracht werden, sonst sollte die Strafse frei und offen sein^.
Eingeschlossen in den Frieden werden Disentis, der Zutritt soll freistehen
den Freiherren von Wangen, dem Grafen Hugo von Montfort, dessen
Besitzungen, so viel wir wissen, erst jenseits Chur begannen, und den
Freiherren von Sax, den Vögten des Klosters Disentis, und beschworen
wurde der Friede u. a. auf Churer Seite von Gliedern der Dienst-
mannenfamilien Marmels, Tinzen und Castelmur^.
Neuntes Kapitel.
Walliser Pässe. Nördliche Zugänge. Ergebnisse. Politische Lage am
Sttdfnfse der Alpen.
Walliser Pässe. Grofser St, Bernhard, Beinen der Kaiser, Päpste^ Vornehmer,
Isländisches Ititierar. Der lliannweg nicht der Lukmanier, Erstes Hervortreten des
Grimselpasses, des Antronapasses und des Simplons.
Nördliche Zugänge. Die Wege des hl, Bernhard.
Ergebnisse. Die inneren Pässe der beiden Systeme Jcmnmen mehr in Aufnahme.
Politische Lage am Südfufse der Alpen. Bingen von Mailand^ der Frei-
herm v. Sax und Como. Heinrichs VL Vertrojuen auf Como, Die Mailänder an den
ZollsteUen. Grafen von Biandrate u. a.
Von den Walliserpässen ist der Grofse St. Bernhard, nachdem er
einmal dem Reiche entfremdet gewesen war, bei den deutschen Herrschern
nicht wieder so beliebt geworden, wie er es in karolingischer Zeit gewesen
war — und von den andern Pässen ist in dieser Periode kaum zu reden.
Oehlmann nimmt für den Grofsen St. Bernhard folgende Züge deutscher
Könige in Anspruch: Heinrich V. 1110 und 1118, Friedrich I. 1162 und
Heinrich VL 1196. Heinrich V. ist in der That 1110 mit dem gröfsten
Teile seines Heeres diesen Weg gezogen*, im Jahre 1118 aber hat er
nach seiner Heimkehr zuerst Augsburg aufgesucht^. Die Stelle ^Heinricus
ab Itdlia in Loihartngiatn repatriaU ist dementsprechend zu interpretieren ®.
Mit Oehlmann kann ich bei der schleunigen Reise übereinstimmen, die
* Die Urkunde Friedrichs 1. für die Bergeller vom 12. Mai 1179 (v. Mohr 1,
209, Stumpf 4279) hat noch Öhhnann 2, 184 benutzt. Wer hat diese Bergeller
Fälschungen fabriziert?
9 Mohr 1, 261.
8 Mohr 1, 263 f.
* Ekkehard, M.G. SS. 6, 243.
''' Udascalcus, Carmen de itinere et obitu Eginonis. M.G. SS. 12, 443.
* Anselm cont Sigebert. M.G. SS. 6, 377.
Walliser Pfisse. 97
Friedrich im August 1162 antrat, um sich nach Döle zu begeben, wo
die wichtige Zusammenkunft mit König Ludwig von Frankreich, die
den Widerstand Alexanders IIL zu brechen bestimmt war, stattfinden
sollte. Man wird dafür die Route über den Qrofsen St Bernhard an-
setzen dürfen. Zwar geben die Quellen nur Turin und Döle bez.
St. Jean de Losne an, aber wir werden- gerade diesen Ort als den
Grenzpunkt der grofsen vom St. Bernhard nach den Champagnermessen
führenden Strafse bei ihrem Eintritte in das französische Königreich
kennen lernend Ganz ähnlich liegen die Quellen bei Heinrichs VI.
letztem Zuge nach Italien. Er ging von Hagenau nach Vesoul, der
nächste Aufenthalt, den wir kennen, ist Turin. In Besan9on hatte der
Kaiser die direkte Strafse über Pontarlier-Jougne zum Grofsen St. Bern-
hard, einen Umweg zu machen, lag — so viel wir wissen — kein AnlaCs
vor. Jeder Zweifel ist also nur bei dem Zuge von 1100 ausgeschlossen.
Einzelne Teile des deutschen bez. des italienischen Aufgebots haben
den Pafs gleichfalls benutzt. So zogen 1034 die Italiener unter dem
Erzbischofe Aribert von Mailand dem Könige Konrad II. zu Hilfe, um
das Königreich Burgund zu gewinnen^; 1155 wurde nach Auflösung
des Reichsheeres von einem Teil der heimkehrenden Krieger der Grofse
St. Bernhard benutzt*. Im Jahre 1158 ging ein Teil des zur Bekämpfung
von Mailand aufgebotenen gewaltigen Heeres unter Führung des Herzogs
Berthöld von Zähringen denselben Weg*.
In der Papstgeschichte erseheint der Pafs recht häufig. Leo IX.,
von Geburt ein Elsässer, hat, wie er schon 1026 als ernannter Bischof
von Toul diese Strafse gewandelt war, sie 1049 zweimal, 1050 einmal
eingeschlagen. 1063 ist Kadalus von Parma (Gegenpapst Honorius' H.)
in höchster Eile über den Berg gezogen*. 1106 ging möglicherweise Papst
Paschalis IL in denselben Fufsstapfen ^.
Von den Reisen der Bischöfe, Abte imd Grofsen weltlichen Standes,
der Gesandten und Legaten haben wir sehr viel seltener Nachrichten,
als von den beiden Spitzen der Christenheit. Der Erzbischof Anno von
Köln hat nach seinem Biographen 1070 den Rückweg von Rom über
St. Maurice gemacht, von wo er jubelnd wenig ehrenvoll gewonnene
Reliquien seinem Kloster Siegburg mitbrachte ''. Sein Nachfolger Reiüald
^ Ludwig hält auch den Mont Cenis far möglich.
' Arnulfi, Gesta archiep. Med. M.G. SS. 8, 14.
• Otto Frising, M.G. SS. 20, 409; »alii ad occidentcUis partes Longobardiae,
nonnuUi per montem Jovis, alii per vollem Moriannae transituri carpehant iier*.
• Ott Friß., M.G. SS. 20, 480.
» Öhlraann 1, 251 f.
• Doch ist das keineswegs sicher, es heifst »per Burgundiam*,
"^ Vita Annonis, M.G. SS. 11, 480. Die von Ohlmann herangezogene
Gefangennahme des Bischofs Oger ,von Ivrea spielte sich offenbar nicht am Fort
Sohnlto, Oeaoh. d. xnitteUlierl. Handelt. I. 7
98 Neuntes Kapitel.
von Dassel hat Ende 1166 mit einem stattlichen Aufgebot Kölner Ritter,
die er der schweren Katastrophe von 1167 entgegenführte, Italien zum
letztenmale vom Grofscn St. Bernhard aus betreten^. Seine Fahrt mit
den Reliquien der hl. drei Könige war dadurch, dafs er seinen Gegnern
ausweichen mufste, bestimmt. Er ging damals über den Mont-Cenis,
Salins, Besan9on, Breisach Rhein abwärts^.
Die beste, eindringlichste Schilderung einer Alpenfahrt, die noch
dazu durch einen Lauinensturz unterbrochen wurde, bieten die Kloster-
geschichten von St. Trond bei Lüttich. Der Abt Rudolf und der
Lütticher Archidiakon Alexander hatten schon 1 127 diesen Weg gemacht,
dieser war dann von Basel durch Burgund nach Hause geritten, jener
hatte, da er das Reiten nicht ertragen konnte, die Fahrt auf dem Rheine
vorgezogen^. Im nächsten Jahre wollten sie in den ersten Tagen des
Januar über den Berg, wurden durch Lauinen im obersten Dorfe
St. Remy mehrere Tage festgehalten, bis die Führer, durch hohen Lohn
gewonnen, sich bereit erklärten, ihnen Weg zu bahnen. Eine Lauine
verschüttete zehn von ihnen, erschreckt liefen die Fremden bergabwärts
bis Etroubles, und erst nach einigen Tagen wagten sie den Aufstieg,
eilten auf die Pafshöhe, wo sie übernachteten, und gelangten dann weiter.
Aus dieser aufserord entlich fein ausgeführten Schilderung geht hervor,
dafs selbst im Winter eine grofse Masse Menschen den Pafs beging. Am
Morgen des ersten Aufstiegs drängt alles zu beichten, und dazu genügte
ein Priester nicht*. 1207 kehrte Wilhelm, Mönch des Klosters Andres
im französischen Flandern, der flir die Unabhängigkeit des Klosters von
seinem Mutterkloster an der Kurie stritt, von ihr über den mons Jovis
in seine Heimat zurück*^. Die Kaufleute werden wenigstens in den
Statuten von Aosta erwähnt, sie kamen vom mons Jovis durch das
Stephansthor •.
Bard ab, sondern bei einer Veste am Nordausgang des Brenners. Bernoldf M.G.
SS. 5, 456.
1 Ficker, Reinald 105.
^ Ficker 67 u. 130. Die Sage, dafs er damals über den St. Gotthard gegangen
sei, ist viel jünger.
■ »Per exittcUia montis Jovis pericula recepit eos tandem civitas Basilea, Alexander
inde remeavit eqties per Bu/rgundiam^ dbhas Rodtdfus naufragoso BetU navigio xisque
prope Coloniam, quoniam propter supradictam passionem ferre non poterat jugem
equüationem.*
* M.G. SS. 10, 306 ff. Die Stelle, wo die so verhängnisvolle Gefangennahme
des Erzbischofs Eskil von Lund auf seiner Eomreise stattfand, läfst sich nicht sicher
bestimmen. Papst Hadrian schrieb, es sei geschehen »in tetäonicis partibua*, Otto
von St. Blasien giebt an »per Burgtmdiam repatriando* SS. 20, 420 u. 307.
« Willelmi Chronicon Andrense M.G. SS. 20, 740.
« Mon. bist. patr. Leges municip. 1, 35 1188 bestätigt 1252.
Walliser Pässe. 99
Einen Reiseführer für die Alpen bietet aus dieser Zeit weder Eng-
land, noch Frankreich, noch Deutschland, wohl aber Island. Er wurde
aus dem Munde von Nikolaus Saemundarson aufgezeichnet, der als Abt
des Benediktinerklosters Thingeyrar im nördlichen Island 1151 — 54 eine
Pilgerfahrt ins heilige Land machte. Dieses hochwertvoUe Itinerarium^
giebt verschiedene Zufahrtslinien, die sich in Mainz vereinigen. Bei
der einen ist Aalborg der Ausgangspunkt auf dem Festlande, der Weg
führt nach Stade, wo er sich, zweigt; ein Teil führt über Minden
und Paderborn, der andere über Hildesheim und Fritzlar nach Mainz.
Hierher kamen auch die, welche zu Schiffe über das Meer nach Utrecht
und Deventer gekommen waren, in drei Tagen kamen diese Wanderer
von Köln nach Mainz. Ich lasse nun den Bericht in deutscher Über-
setzung folgen: „Von dort eine Tagereise nach Speier, wo an der Lieb-
frauenkirche ein Bischofsitz. Von dort bis Selz (Selsborg) drei Tage,
dann eine Tagereise bis Strafsburg (Stransborg), wo an der Liebfrauen-
kirche ein Bischofsitz. Drei Tage bis Basel (Boslaraborg). Dort wird
der Rhein verlassen^ und ist eine Tagereise bis Solothurn. Eine Tage-
reise bis Avenches (Wilfisburg, Vivilsborg), einst eine grofse Stadt, seit
der Zerstörung durch die Lodbrokarsöhne aber klein. Eine Tagereise
bis Vevey (Firvizuborg) am Martinssee. Dort vereinigen sich die Wege
für die Rompilger verschiedener Stationen, welche über die Alpen wollen :
Franzosen, Vlaemen, Walchen, Engländer, Sachsen und Skandinavier
(Frackar, Flemingiar, Valir, Englar, Saxar, Nordmenn). Von dort eine
Tagereise nach der Stadt des hl. Mauritius, der dort mit seinem Heere
6666 Mann begraben ist. Dort ist Bourg St Pierre (Petrs kastali). Von
St. Mauriz führt ein Weg von zwei Tagereisen bis zum Spital auf dem
Berge. Von St. Olafsfest im Sommer sieht man oft die Felsen von
Schnee und Eis überzogen. Auf der Südseite der Alpen ist Etroubles
(Thraelathorp). Dann folgt Aosta (Augusta), eine gute Stadt, wo der
Bischofsitz an der Kirche des dort bestatteten hl. Ursus. Dann Martins-
kammer (Marteins Kamrar). Es folgt Ivrea (Jöforey), zwei Tagereisen
von Aosta." Drei Tage nach Vercelli, von dort eine Tagereise nach
Mailand (Melansborgar), wer aber nach Rom will, geht in einem Tage-
^ Hera. v. Ericus Cb. Wer lauf, Symbolae ad geographiam medii aevi ex
monumentis Islandicis. Hauniae 1821. Zur Sache vgl. Ludwig S. 120 ff., Riant,
Les scandinaves en terre sainte undjnamentlich Öhlmann 1, 257— 267, der auch in
eingehendster Weise die Nachrichten über andere Romfahrten der Isländer zusammen-
gestellt hat. Ich will die Ergebnisse nicht wiederholen, wie ich ja überhaupt nicht
die Pilgerfahrten behandeln kann. Ein Teil der Wanderer ging auch durch Frank-
reich, sp&ter andere durch Ostdeutschland und über den Brenner.
^ Der offenbar nicht zur Bergfahrt diente, sonst w&ren die Ansätze z. B. Mainz-
Speyer mit 80 km viel zu hoch.
7*
^ V
100 Nenntes Kapitel
marsch nach Pavia, wo ein kaiserlicher Thron ist in San Siro. Von
dort eine Tagereise nach Piacenza, dazwischen über den Po. „Da
kommen die hinzu, welche den Iliansweg gemacht haben. ** Zwischen
Piacenza und Borgo San Donnino am Taro lag das Hospiz, das König
Erich der Gute für die Nordländer errichtet hatte ^ Während sonst der
Weg durchaus klar ist, erhebt sich hier eine grofse Schwierigkeit. Was
ist mit dem Ilianswege gemeint? Er erscheint noch einmal und da heilst
es, dafs man in sechs Wochen langsamer Reise von Rom die Alpen
erreiche und von dort in dreien nach Schleswig gelange. „Der östliche
Biansweg (hit ejstra Diansveg) erfordert neun Wochen/
Schon Werlauf hat an Ilanz in Graubünden gedacht^, sich jedoch
für eine andere Route entschieden, da er nicht denken konnte, was die
Isländer in Ilanz hätten suchen sollen. Er veränderte eystra in vestra,
östlich in westlich, und nahm dann St. Gilles an der Rhönemündung als
den Ort an, den aus frommer Gesinnung die Isländer aufgesucht hätten.
Gegen eine solche Deutung hob öhlmann alle Bedenken hervor und
sprach sehr warm flir Ilanz und führte aus, die Ehrfurcht vor dem alten
Kloster Disentis habe die Isländer ins Vorderrheinthal gezogen. Der Ilanz-
weg war für ihn ein kräftiger Beweis für die Benutzung des Lukmaniers ^.
Eis ist wohl richtig, dafs der Weg vom Lukmanier über Como und
Mailand in Piacenza einmünden mufste, aber das ist auch bei dem von
St. Gilles der Fall, wenn man über die ligurischen Berge ging, und
wenn die Isländer — wie später — den Brenner benutzten, so hätte
gleichfalls Piacenza die Einmündungsstelle für sie sein können. Für die
Route von Avignon über den Mont Gen^vre haben wir aus dem vier-
zehnten Jahrhundert ein Wegverzeichnis mit Angabe aller Mittagsstationen
und Nachtquartiere*. Und dieser Weg aus dem Gebiet der Rhone-
mündung über Moncalieri, Asti, Stradella ist der Ilansweg. Ich kann
auch nicht finden, dafs der Name Ilansweg für den Lukmanier irgendwie
berechtigt wäre, so wenig man die Strafse des Grofsen St. Bernhard je
nach Martigny benannt hat, so wenig darf man das von der obersten
Stadt am VordeiThein erwarten*^. Schon Riant hat ein unzweifelhaftes
Zeugnis für die hohe Verehrung, welche die Nordländer nach St. Gilles
zog, beigebracht®, so dafs kein Zweifel bleibt, dafs unter dem Ilianswege
1 S. Riant 59.
« S. 53 N. 178.
" Ihm folgte Heyd, Alpenstrafsen S. 463.
^ Forestie, Lfes livres de comptes des fröres Bonis I, XX.
^ In dem Itinerar heifst es bei Luna „In Luna kommen die Wege aus Spanien
und von San Jage heran''. Auch da handelt es sich um einen Wallfahrtsort, das
aber war Ilanz nicht und ebensowenig Disentis.
• Riant S. 85.
k
Walliser Pässe. 101
der über St. Gilles, wo die Nordmänner den St. Ägidiustag (1. September)
feierten, zu verstehen ist.
Wie in GraubUnden der Lukmanier mehr hervortritt, als vorher,
80 überrascht uns nun auch in dem Systeme der Walliserpässe die Be-
nutzung der Pässe von Oberwallis, fUr die bis dahin kein Beweis eines
Verkehrs sich ergab. Das Hochthal von Oberwallis hatte zunächst nach
Norden 'lebhaftere Verbindung gewonnen, über die Pässe des Bemer-
oberlandes war der Verkehr sehr viel lebhafter geworden, als früher, die
deutsche Bevölkerung von Oberwallis soll nach der Meinung sehr ernster
Forscher geradezu auf Einwanderung über die Grimsel zurückzuführen
sein, ja wir hören geradezu von einem Kriegszuge, den ein Zähringer
über die Grimsel machte, wenn die Einzelheiten dieses Ereignisses durch
Sage und Mifsverständnisse auch so überrankt sind, dafs kaum ein sicheres
Bild zu gewinnen ist^.
Auch der Süden war nicht mehr so abgeschlossen, wie einst. Im
Gegenteil zeigt uns das älteste Stadtrecht von Sitten', dafs auch die
Bischofsstadt von Wallis nunmehr von Handelskarawanen durchzogen
wurde. Das Geleit gehörte von der Grenze des Unterwallis gegen Chablais
aufwärts durch das ganze Bistum dem Bischöfe. Der Zusatz: »ex alia
parte intrantibus qtmm d'Androna€ giebt für die Geleitsbestimmungen
keinen Sinn, aber er ist darum nicht minder wertvoll, da er eine Be-
nutzung des Antronapasses beweist, der hier zum erstenmale erscheint °.
Dem Stadtrechte ist eine Bestimmung über den Zoll beigefügt, er beträgt
von dem Ballen 12 ^, Stahl und Eisen und aus der Lombardei durch
Sitten geführte Waffen zahlen jedoch für den Ballen einen Pfennig*.
Auch der Simplonpafs mufs dem Verkehre bereits in weitem Mafse
gedient haben. Die Anlage eines Hospitales der Johanniter auf oder in
der Nähe der Pafshöhe ist nur mit der Absicht erklärlich, den Rittern
und Reisenden eine sichere Unterkunft zu gewähren. Der charitative
^ Vgl. Hoppeler S. 201, der nur einen unglücklichen Kriegszug der Z&hringer
und zwar 1211 annimmt, Heyck, Gesch. d. Herzöge von Zähringen, tritt für zwei
Züge ein 1191 und 1211 S. 480 f. und 469 f. Für uns konmit ja nur die Benutzung
des Grimselpasses für einen Kriegszug überhaupt in Betracht und die steht fest.
' Das Datum 1217 ist überliefert, ob zuverlässig? Da aber Heusler, Ztschr.
f. Schweiz. Eecht 29, 227 das Datum angenommen hat, kann man von einer Unter-
suchung wohl absehen.
• Die Stelle lautet: »Et a cruce de Ottans (jetzt verschwunden, unterhalb
Martigny s. Hoppe 1er S. 1) su2)eri}M per totum episcopatum strate sunt episcopif ex
alia parte intrantibus quam d'Androna, et dehet servare et defendere; et si mercatores
futrint capU vel damnum passi, dehet ea querere episcopus tamquam res sua^ proprias:
Gremaud 29, 197.
* »XII denarios de halhs. De calibdis vero vd de quaquo ferro debent unum
den,* n. s. w. 29, 199.
102 Neuntes Kapitel.
Zweck mufs die Idee eingegeben haben, und er setzt ein Bedürfnis
voraus'.
Für die nördlichen Zugangswege zu den Alpen ist es von Wert,
dafs wir genau den Weg des hl. Bernhard bei seiner ELreuzzugpredigt
kennen. Er zog auf der badischen Bergstrafse nach Freiburg und Basel,
ging am Südfufse des Schwarzwaldes aufwärts bis Konstanz, dann über
Winterthur nach Zürich, über den Bötz^erg nach Basel, die elsässische
Bergstrafse entlang nach Strafsburg und über die elsäfsische Rheinstrafse
nach Speyer*.
Überblicken wir noch einmal die Ergebnisse dieser Untersuchungen.
Auch in dieser Periode behaupteten die beiden direktesten Pässe, der
Grofse St. Bernhard und der Septimer, ihre Stellung: dieser diente einem
regen Verkehr, vor allem aus Schwaben, und es ist nicht so unrecht,
wenn man ihn kurzweg als den schwäbischen Pafs charakterisiert. Un-
gleich bedeutender ist jedoch der Verkehr, den der Grofse St. Bernhard
zu tragen hatte, ich zweifle nicht einen Augenblick, ihn als die wichtigste
Alpenstrafse jener Zeit zu bezeichnen, der nur für die politische Geschichte
ein Rivale an die Seite trat, der Brenner. Der Verkehr der Pilger
nach Rom wurde vor allem von ihm getragen, aber auch der Kaufmann
bevorzugte ihn. Wir werden die Ursachen näher kennen zu lernen
haben. Der gesteigerte Verkehr suchte nach neuen Wegen und ver-
säumte nunmehr auch die inneren Pässe nicht mehr. Die aus dem oberen
Wallis entbehrten anfangs jeder politischen Bedeutung, während umge-
kehrt der Lukmanier, wie wir sahen, von Friedrich I. militärisch aus-
genutzt wurde. Aber auch der Kaufmann drängt sich hierher. Die
früher völlig weltentlegenen Gebiete am Tessin wurden belebter, und es
spitzt sich alles immer mehr auf den entscheidenden Augenblick zu, wo
die Eröffnung des Gotthardpasses alles umgestalten sollte.
In dem Gebiete des Tessin herrschte — wie wir sahen -- nicht ein-
mal eine kirchliche Einheit Es scheint, als sei die kirchliche Um-
grenzung hier dem weltlichen Besitze gefolgt, wenigstens besafs die Mai-
länder Kirche seit langer Zeit — angeblich seit einer Schenkung durch
Bischof Atto von Vercelli — das Blegnothal, das Livinenthal, Biasca und
das Thal Intrasca ^. Es war somit der Südfufs des Lukmaniers auf
^ Das Haus erscheint zuerst 1285. An der Spitze desselben steht ein magister,
die Johanniterkommende Salquenen (Salgesch westlich von Leuk) stand wie die in
Conflans (in Savoyen, das Isörethal beherrschend) offenbar in nächster Verbindung
mit dem Hospiz. Vgl. Gremaud 29, 319. 387 (hospitale s. Johannis de CoUibus de
Semplon) 394. 478. 498.
2 M.G. SS. 26, 121—137.
' Von Hidber nicht erklärt.
Politische Lage am Südfofse der Alpen. 103
Mailändischem Boden ^. Diesen Mailändischen Rechten gegenüber hat
die Stiftung König Liudprands S. Pietro in cielo d'oro in Pavia, die
seit sehr alter Zeit hier Güter besafs, sich nicht behaupten können^.
Im Misoxerthale wurde wahrscheinlich in staufischer Zeit ein Frei-
herrengeschlecht aus dem Rheinthale oberhalb des Bodensees heimisch,
die Freiherrn von Sax. Man kann mit Recht daraus schliefsen, dafs der
St Bemhardinpafs doch nicht so unbenutzt war, wie man sonst glauben
sollte, da er niemals erwähnt wird®. Wahrscheinlich war das Thal ein
Lehen des Bistums Como. Durch die Verleihung Friedrichs II. erhielt
dieses Geschlecht auch das Blegnothal, konnte sich aber dort nicht gegen
die Mailänder Kirche behaupten.
Innerhalb des geistlichen Bezirkes hat das Bistum Como auch so
gut wie alle weltliche Macht bis gegen Ende des zwölften Jahrhunderts
gewonnen, und schon begann die Stadt nach und nach sich an die Stelle
des Bistums zu setzen, wie das ja der allgemeinen italienischen Ent-
wicklung entspricht. Die Grafschaft BcUinzona gehörte schon im zehnten
Jahrhundert dem Bistume, das im Anfang des folgenden auch die könig-
lichen Rechte an dem Kastelle gewann. Es ist hier, wenn mit der Graf-
schaft auch der Zoll bestätigt wird, wohl ohne Bedenken nicht an den
Marktzoll in BcUenz, sondern an einen Durchgangszoll zu denken*.
In dem gewaltigen Kampfe der Staufer gegen Mailand stand Como
fast stets energisch zu den Kaisern. Das Gebiet von Como griff damals
bis nach Biasca, also auf Mailänder Boden im Tessinthale hinauf^. Es
wurde dabei freilich Locarno durch Friedrich I. an das Reich genommen,
sein Sohn hielt das nicht aufrecht, sondern wies sie wie die Bewohner
von Bellinzona an, der Gemeinde von Como ohne Widerrede zu ge-
horchen*, ja er gab 1191 dieser Stadt die meisten königlichen Rechte
innerhalb des Bistums, und er versprach, niemals die Strafse von Chia-
1 Hidber Nr. 1019 und Nachträge im Bde. If S. XXXIX. Atto giebt '^valks
illae Bellenica et Lebentina*, Die Bestätigung Eugens IIE. von 1149. Hidber Nr. 1892
bezieht sich auf Habiasca, valles Bellignium und Leventina.
* Der Hauptbesitz lag weiter südlich, doch hing von der Marienkapelle in
Primasca (unennittelt im Thal Bellinzona) Besitz im Livinen- und Blegnothale ab.
Vgl. die Urkinden König Hugos von 929. Hidber Nr. 2837, Ottos L Nr. 1064.
DO I 241». Ottos II. Nr. 2847. DO 11 173. Ottos III. Nr. 1143. DO III 53. Kon-
rads IL Nr. 1302. Stumpf 2036 und Heinrichs V. Nr. 1553. Stumpf 3143 (ge-
fälscht). Vgl. Darmstädter S. 89.
* Das Nähere V. Lieb enau, I Sax signori e conti di Mesocco. Darmstädter
8. 89 f. Die Besitzungen des Bistums Chur, Mohr I, 295 sind minimal.
* Betr. der Grafschaft s. DO II, 166. Hidber Nr. 1118. Bestätigung Hein-
richs III. Hidber Nr. 1380. Stumpf 2485. Betr. der Burg Arduin Hidber Nr. 1193.
Stumpf 1842. Heinrich IL Hidber Nr. 1200. Stumpf 1383. Darmstädter S.88f.
^ Stumpf 4461 von 1186 ist ausgestellt zu Biasca »in territorio Cumano*.
ö 1185 Juli 10. Heinrich VI. Stumpf 4753 zu 1192. Hidber Nr. 2533.
104 Neuntes Kapitel.
venna und BelliDzona zu verlegen und sie niemandem anders einzuräumen ^.
Heinrichs Vertrauen auf die Treue dieser Stadt war also so grofs, dafs
er sie zur Hüterin der Alpenpässe machen wollte. Wie Friedrich die
Stellung des Reiches Mailand zum Trotze gestärkt hatte, wurde nun der
Versuch gemacht, sich auf die Stadt Como zu stützen. Diese aber
räumte sofort auch auf die Alpenpassagen der Rivalin Einflufs ein. Der
Fried ensschlufs von 1195 gestattete den Mailändern, an die zwei wichtig-
sten Grenzsperren der Comasken: nach Bellinzona und an den Turm von
Ologno, der mit seinen Befestigungen den Weg von Chiavenna zum
Haupte des Comersees sperrte und von Friedrich I. 1164 den Comasken
geschenkt war^, ihre Boten zu senden, damit sie mit den Boten von
Como die Ausfuhr von Qetreide und Hülsenfrüchten verhinderten^.
Diese Handelssperre sollte der Bevölkerung der Städte dienen, welche
sich innerhalb ihrer Bezirke freien Handelsverkehr zusicherten. So hatte
Mailand das Recht einer Aufsicht an den Zollstellen gewonnen , sollte
das schwächere Como sich gegen den Einflufs von Mailand behaupten
können ?
Westlich vom Lago Maggiore waren die wichtigsten Herren in den
Alpenthälem neben den Bischöfen und Städten von Novara, Ivrea und
Aosta die Grafen von Biandrate. Ihnen gehörte die Grafschaft im Thale
von Ossola*, wie ihnen Heinrich VI. auch Stadt und Grafschaft Ivrea
gab*^, die sie jedoch nur bis unter Friedrich II. behaupteten, da er 1248
die Stadt an den Grafen Thomas von Savoyen abtrat. Dafs auch das
Kloster St. Gallen hier allerhand Besitz hatte, habe ich schon oben aus-
geführt.
' Stumpf 4678. Abdruck Hidber, Urkunden S. 98f. »precipientes insuper, ut
strate lihere et secure siftt omni tempore ad civitatem Cumanam in eitndo et redeundo
cum omni mercato et sine mercato nee stratam Clavenne et Bilizone removehimus nee
aliis iülo tempore concedetnus^.
2 Vgl. Darmstädter 81 f.
« Hidber Nr. 2707. Abdruck Urkunden S. 107.
* Bestätigungen durch Heinrich VI. und Otto IV.
»i Böhmer-Ficker 1182. Darmstädter S. 205f.
Zweiter Teil.
GESCHICflTE DES HANDELS BIS ZUM ENDE DES DREI-
ZEHNTEN JAHRHUNDERTS.
Zehntes Kapitel.
Deutsche Kanflente in Italien. Italienische Kanflente in Deutschland.
Veränderungen im Welthandel.
Deutsche Kaufleute in Italien. Der Clmnson swr VAir de VAmour. In
Genua schon 1128. Ferrara 1228. Messen. Der Fondaco in Venedig. Überfälle.
Italienische Kaufleute in Deutschland. Aus Lodi, Mailand, Piacenza.
Coblemer Zolltarif. Italienische Steinmetzen und Maurer.
Veränderungen im Welthandel. Konstantinopel nicfit mehr Monopol als Ver-
mittler. Das Abendland handelt direkt. Die Kreuzzüge steigern den Luxus. Italien
ülemimmt die Vermittelwig : Amalfi, Pisa, Genua, Venedig.
In italienischen Quellen begegnen deutsche Kauf leute sehr spät. Es
kann aber das Schweigen nichts beweisen. Der Verkehr führt nur sehr
selten zu Beurkundungen und die chronikalische Litteratur beschäftigte
sich mit ihm noch weniger, die Poesie kommt uns zur Hilfe, um zu
zeigen, dafs Konstanzer Kaufleute selbst im Orient erschienen. Ein recht
lascives Gedicht erzählt, wie einen Schwaben seine Frau und er sie be-
trog. Für uns kommt davon nur in Betracht, dafs der ^Consiantiae civis
Suevulus* zweimal des Handels halber in den Orient reist ^. In der
Levante vermag ich direkt keine deutschen Kaufleute nachzuweisen.
Heyd hat darauf hingewiesen, dafs die Liste Benjamins von Tudela,
^ Chanson sur TAir de TAmour bei du M^ril, Po^sies populaires latines
antörieures au douzi^me siöcle S. 275. Ein Konstanzer, der Handels halber in den
Orient ging, hat eine leichtsinnige Frau zu Hause gelassen. Einen Sohn, den sie
während der Reise ihres Mannes gebar, bezeichnete sie dem Heimkehrenden als
einen Sohn des Schnees, den sie in den Alpen vom Schnee empfangen habe. Nach
fünf Jahren geht der Vater wieder auf Reise , nimmt den Sohn mit und verkauft
ihn für 100 Pfund. Heimgekehrt sagte er seiner Frau, in den Syrten habe die
brennende Sonne den Sohn des Schnees geschmolzen.
106 Zehntes Kapitel.
worin er die Völker aufzählt, die Ägypten mit ihren Schiffen besuchen,
und darunter auch Deutsche und Sachsen, unzuverlässig ist ^ Man darf
sich nicht irreführen lassen, wenn man, wie in dem Handelsplatze Lajazzo
an der syrischen Küste im christlichen Königreiche Armenien, wohin nach
dem Falle von Accon die abendländischen Kaufleute übersiedelten, eine
porta Alamannorum findet^, oder auf dem Stadtplan von Accon ^Ala-
mannU ^ angegeben sieht, in beiden Fällen handelt es sich um Deutsch-
ritter. Immerhin ist ein Beweis für das Gegenteil nicht erbracht, und in
dem Völkergewirr, das die Kreuzzüge im Bereiche der fränkischen
Levantestaaten hervorriefen, mag auch der deutsche Kaufmann nicht
ganz gefehlt haben. Die Kaufleute, die von Lübeck, Bremen und Köln
als Kreuzfahrer durch die Meerenge von Gibraltar kamen, mögen
einzelne Händler zurückgelassen haben, aber im wesentlichen ruhte der
Grofshandel, der für einige Zeit geradezu an der Küste Palästinas seinen
Stapel hatte, in den Händen der Italiener, die sich nach den Heimatsstädten
organisierten *.
Zu allererst darf man Nachrichten erwarten aus den Bündnisbriefen
der Städte und Fürsten, da die Kämpfe zwischen den Ghibellinen und
und Guelfen zugleich als Handelskriege geführt wurden. In diesem
Sinne beschwur 1193 der Markgraf von Montferrat den gegen Mailand
verbündeten Städten Bergamo, Cremona, Pavia, Como und Lodi, er werde
den Handel von Mailand verhindern. Wenn dann hinzugefügt ist, die
überbergischen Kauf leute sollten schwören, dafs sie nicht Mailänder Gut
mitführten, so könnten nach der Lage des Gebietes von Montferrat diese
negotiatores ultramontani auch Händler aus der Provence und Südfrank-
reich sein. Es ist jedoch vorher von dem Transport von Waren von
Savona, Genua und der Meeresküste her die Rede und da ist nach dem
Zusammenhange kein Zweifel, dafs diese negotiatores deutsche Kaufleute
sind, welche durch das Mailänder Gebiet zu gehen gewohnt waren ^.
Damit gewinnen wir auch Vertrauen, unter die in der Genueser Zoll-
urkunde von 1128 gen«annten »homines de uliramontanis parttbus<^ auch
1 1, 428 f.
2 Arch. de l'Orient latin 2, 2, 66. Urkunde von 1300.
* Kugler, Gesch. d. Kreuzzüge 230.
* Vgl. aufser Heyd auch Pru tz, Kulturgeschichte der Kreuzzüge 122. 355 u. 363.
* »iY quod habet pröhibere . . universas negotiationes que ducantur . . a Janua
trel Sagunum seu a locis manUmis et specialiter bomlncium, ctRumen, braxiley en
[degum?]^ piper, scU et cera. Item . . omnes negotiationes , que ducte fuerint Medio-
lanum . . ., que velint defferi ab aliquo versus Januam vel Sagunum ant loca mari-
tima. Itefn faciet per suum missum jurare negotiatores uUramontanos et alim cum
eunt ultra mantes, quod in iis que defferunt vel ducunt homo Mediolani vd terre Medio-
lani nullo modo partem Jiabeat vel habere debet.* Vignati, Codice diplomatico
Laudense in Bibl. histor. italica 3, 198.
Deutsche Kaufleute in Italien. 107
deutsche Händler einzubeziehen. Wie die Lombarden mit ihren charakte-
ristischen Waren: Tuch, Waffen und Rossen angeführt werden, steht
diesen Händlern auch der Ballen Wolle und Hanfgespinst gut an ^. Nach
Sieveking gehen diese Zollsätze ins elfte Jahrhundert zurück '. Die Statuten
von Como enthalten eine von 1209 stammende Bestimmung, welche be-
weist, dafe es sehr häufig vorkam, dafs Comasken Leuten von jenseits
der Berge Kredit gewährten oder für sie bürgten®, aus der gleichen Zeit
etwa stammen die Bestimmungen über die Weinfuhren über Chiavenna
und Plurs aufwärts*.
Deutsche Kaufleute werden direkt genannt in der für die allgemeine
Handelsgeschichte so überaus wertvollen Urkunde von 1228 über das
Ripaticum von Ferrara. Es ist ein Dokument, das uns die glänzenden
Zeiten eines hervorragenden MeGsplatzes vor Augen führt, unmittelbar
bevor eine siegreiche Rivalin die Handelsbedeutung der Stadt für immer
vernichtete. Ferrara ist die letzte in der Reihe der Vorgänger Venedigs,
das vorletzte der Handelscentren an der Adria, welche nach und nach zu
Binnenstädten herabsanken. Ferrara beherrschte die Mündung des Po, bis
an seine Hafenlände kamen die Seeschiffe hinauf, und weiter bis nach
Pavia war der Flufs belebt. Nach Mailand führte der damals schiff-
bare Lambro hinauf, und schon gab es einige Kanäle, welche Mailand
mit dem Flufssysteme der Poebene verbanden. Ferrara hatte zwei sehr
besuchte Messen zu Palmsonntag und Martini. Das Zollregister fängt
mit den Franzosen an, es folgen die Deutschen, dann die von Genua
und Pisa, Pavia, Piacenza und Mailand, Cremona, Parma, Bergamo,
Reggio, Brescia, Verona, aus der Trevisaner (Mark, von Bologna, Imola,
Faenza, Rimini, Ancona, Apulien und Rom^. Venedig schaute mit
Eifersucht auf die Nachbarin, welche den Poverkehr zu sperren imstande
war, und den Kampf wider Friedrich H. benutzend, bezwang es 1240
die Beherrscherin des Po und legte der Stadt die härteste Bedingung
auf, die zu denken war. Sie durfte vom Meere her keine Schiffe mehr
löschen oder passieren lassen, welche nicht von Venedig kamen. Die
* »Omnes homines de ultramontanis partibus debent dare de unoqtioque torsello
lanico den. 6, de torsello de canabatiis den, 4.* Lib. jurium Januens. 1, 32 Nr. 23.
' Sieveking, Finanzwesen 1, 5.
' »5* quis . . crediderit aliaii homini de uUra mantes vel se obligaverit pro aliquo
homine de ultra montes,* Leg. municip. 2, 1, 212 in Monumcnta bist, patriae
Tom. 16.
* Ebda. 2, 1, 157.
'^ Der Deutsche genofs dieselben Rechte wie der Francigena, von dem es
beifst: '»undecumque veniat sive de eusum sive de sursum cum quacumque negotiatione
in 8U0 adcentu, quocunque veniat aut vadat, solvat de avere a soma superius*. Die
von dem Erlöse gekauften neuen Waren sind zollfrei. 1228 Okt. 12. Muratori,
Antiquität es 2, 29.
108 Zehntes Kapitel.
Veaetianer hatten nicht allein den Ferrareser Stapel- und Mefsverkehr
vernichtet, sondern auch für sich ein Monopol begründet^.
Schon gab es in Venedig den 1228 zum erstenmale genannten Fon-
daco, das Quartier- und Handelshaus der deutschen Händler^.
Auf dem Wege von Cremona nach Ferrara war es wohl, dafs 1220
Deutsche ausgeplündert wurden®. Zwei Jahre später erlitten das gleiche
Schicksal am Monte Surdo südlich von Como zwei Kaufleute aus Lille,
denen Tücher von Lille, Ypem und Beauvais und Hosen aus Brügge
genommen wurden, wofür die Stadt Como ihnen Schadenersatz mit 97 i6
Imperialen leistete*.
Italienische Kaufleute sind umgekehrt in Deutschland nachzuweisen.
Von Regensburg sehe ich natürlich ganz ab, weil der Verkehr dorthin
ganz andere Wege ging. In dieser Stadt gab es bekanntlich eine ziem-
lich starke welsche Niederlassung. Zuerst finde ich den Namen von
Lodigianen. Man kann sich heute nicht mehr leicht ein Bild von der
bittersten Feindin Mailands machen, das alte Lodi ist ja zerstört worden.
Kaufleute von dort haben Friedrich I. in den Kampf gegen Mailand
hineingezogen, sie trugen ihm, als er im März 1153 in Konstanz war,
die Übergriffe Mailands vor. Albernandus Alamannus und Homobonus
Magister waren nämlich auf Bitten des Konstanzer Bischofs Hermann
von Arbon, der wiederholt in Italien gewesen war, um ihm einen Ge-
fallen zu erweisen, dorthin gekommen. Albernandus, der gut die deut-
sche Sprache gelernt hatte, führte vor dem Könige das Wort^.
Die ersten Mailänder, welche über die Alpen gingen, um feine
Wolle und Tücher zu kaufen, nennt nach dem Zeugnisse eines Carme-
liters Galvano Fiamma*. Wenn Otto FV. im Jahre 1200 als Boten an
Innocenz III. neben dem Propst von Bonn den Mailänder Bürger
Monachus de Villa verwendet, so dürfte auch das dafür sprechen, dafs
Mailändern der Niederrhein nicht unbekannt war''^.
Piacentiner waren 1208 auf deutschem Boden, als eben König
* Zur Gesch. Ferraras vgL die vortrefflichen Auseinandersetzungen von W.
Lenel, Die Entstehung der Vorherrschaft Venedigs an der Adria. Strafsb. 1897
S. 51—64.
3 Simonsfeld, Fondaco 2, 8 f.
" Leute von Luzzara (östl. Guastalla) beschwören »quod ille locus in quo depre-
dati f'uerunt Tiutonici fum est de districtu Cretnona^ neque Luzariae». Astegiano,
Codice dipl. Cremon. 1, 239.
* Unsere Urkunden im zweiten Bande Nr. 188.
«OttoMorena, M.G. SS. 18, 587 f. Ich zweifle keinen Augenblick, dafs die
beiden Handelsleute waren.
^ Chron. maj. ed. Ceruti in Miscellanea di storia ital. 7, 716. Verbunden
ist die Nachricht mit einer Erzählung zu 1172.
^ Böhmer-Ficker 213.
Italienische Kaufleate in Deutschland. 109
Philipp ermordet war. Sie brachten sichere Kunde von dieser That einem
in Mantua weilenden Prälaten, den sie baten, er möchte ihnen, da sie vom
Grafen Hugo von Montfort ihrer Waren beraubt seien, an die Bischöfe
von Chur und den Abt von St. Gallen eine Empfehlung schreiben. Die
That war also zwischen Chur und dem Bodensee geschehen^.
Eine einzige Zollrolle erwähnt die fremden Händler aus Italien: ^
ist der hochinteressante Koblenzer Zolltarif von St. Simeon-Trier, welcher
seine Sätze nach der Herkunft der Händler bemifst und uns damit ein
überraschend helles Bild von dem Leben auf dem Rheinstrome gewährt^.
Die ältere Fassung von 1104 hat als die südlichsten Orte Strafsburg,
Konstanz und Zürich^, die von 1209 nennt aufserdem Basel statt Konstanz,
allgemein Suevia und dehnt den Satz für die Züricher auf alle bis nach
Rom Wohnenden aus, die Römer haben einen besonderen Satz *. Lamprechts
Nachweis, dafs wie Köln im Norden den Durchgangsverkehr zu ver-
mindern und ein Stapelrecht für sich selbst durchzusetzen imstande war,
so auch im Süden Mainz und Frankfurt den Handel möglichst an sich
zogen, ist gewifs richtig. Speciell macht in unserm Tarif es keinen
guten Eindruck, dafs von allen Italienern die ^RomanU erhalten bleiben,
während doch gerade sie, wie bei der Geschichte des Geldhandels zu
erweisen ist, weit hinter anderen Städten zurückstanden.
Aus Münzfunden läfst sich leider die Person des Trägers nicht
ermitteln *.
Diese Nachrichten sind sporadisch genug, aber es ist nicht zu be-
zweifeln, dafs wir italienische Kaufleute auf deutschem Boden thätig
denken dürfen, wenn ihre Zahl in Frankreich und England damals auch
sehr viel gröfser gewesen ist.
Die Thätigkeit italienischer Handwerker und Meister in Deutschland
steht gleichfalls fest; wenn auch über die Bedeutung der lombardischen
Steinmetzen bez. Maurer, sowie der dorther stammenden Baumeister die
' Heg. Innocentii JIl de negotio imperii ep. 152. Baluze 1, 752.
« Vgl. Lamprecht, Wirtschaftsleben 2, 336 ff.
■ Hansisches Urkb. 1, 3.
* Die von Zürich »qui vulgcUiter dicuntur zülchere usqite Romam XII den, UhrdUs
vel VLden, Colonienses. Romani vero IV den. vel VI den, Colon.*. Mit telrh. Urkb.
2 Nr. 242. Lamprecht verbessert an der letzten Stelle richtig die Ziffern in 6
und 4. Die dritte Erneuerung von ca. 1300, die jedoch M. Bär, Urk. u. Akten z.
Gesch. d. Verf. u. Verwaltung d. Stadt Koblenz S. 154 ein Lebensalter früher an-
setzt, hat die Züricher überhaupt nicht mehr, auch fehlt wieder Konstanz, doch die
Römer haben sich erhalten : »Item quicumqtie Eomani vefiientes navi^o cum mercimoniis
tenentur dare unum aedpitrem vel 6 den,*. Lamprecht 2, 321.
^ Der Fund von Oos enthält Münzen von Venedig, Genua, Lothringen, Nieder-
lande und England. Anzeiger f. Kunde d. deutschen Vorzeit 5, 280. Hier sind
viele Ergänzungen möglich.
110 Zehntes Kapitel.
Meinungen sehr weit auseinander gehen. NordhofF hat sie geradezu als
die eigentlichen Träger der Baukunst hingestellt^, und Ratzinger regt
wenigstens im eingeschränkteren Sinne eine Untersuchung für Bayern an.
In der That sind einzelne Beweise unwiderleglich. So waren 1188/09
Meister und Arbeiter aus Como in Stadtamhof beim Bau von St Mang
thätig, sie stammten also von einer Stadt, die durch die langobardische
Gesetzgebung als Heimstätte einer an römische Traditionen und Organi-
sationen anknüpfenden Kenntnis des Bauens erwiesen wird '. In Hirsau
war 1059 ein Meister aus der Gegend von Venedig, und die Kirche von Ros-
heim im Elsafs hat in der That so viel vom Hauche italienischer Kunst
an sich, dafs ich diesen Bau einem Italiener zuschreiben möchte. Im
allgemeinen wird man dem weit ruhigeren Urteile von F. X. Kraus zu-
stimmen müssen, der den Einflufs auf die romanische Baukunst der
Alpengebiete und Bayerns nicht bestreitet, aber den Übertreibungen ent-
gegentritt^.
Die Einzelthatsachen erhalten ihre rechte Beleuchtung erst dann,
wenn man die Entwicklung des Welthandels zum Hintergrunde derselben
macht. Ich werde, um den Stoff nicht zu sehr zu zerreifsen, diese all-
gemeinen Betrachtungen sofort bis in den Anfang des vierzehnten Jahr-
hunderts weiter führen.
Bis dahin hatte Byzanz es verstanden, sich im wesentlichen in der
Rolle eines Vermittlers zwischen den beiden grofsen Kulturkreisen des
katholisch-lateinisch-germanischen Abendlandes und des Muhamedanismus
zu behaupten. Das wurde aber durch die Kreuzzüge anders. Indem die
Scharen des Abendlandes sich inmitten der arabischen Welt Raum er-
kämpften, war der direkte Kontakt an vielen Stellen hergestellt und
Byzanz wurde verdrängt. Die katholischen Städte Italiens und Süd-
frankreichs übernahmen nun direkt die orientalischen Waren, und aus
der langen Reihe von Handelsvölkern, durch deren Hand indische Waren
gingen, war in den meisten Fällen der griechische Kaufmann ausge-
schaltet. Die Italiener sogen den Handel von Byzanz auf. Die Abend-
länder waren diesen Waren entgegengegangen, sie hatten ihren Wert
näher kennen gelernt, sie übernahmen einen grofsen Teil der orienta-
lischen Bedürfnisse, und der Luxus, den die arabische Welt in ihrer
Glanzzeit trieb, ging über auf ihre christlichen Feinde.
Um die Araber zu bekämpfen, waren die Scharen ausgezogen, und
doch durchdrangen sich die beiden Kulturkreise nun viel lebhafter als
' Allgem. Zeitung 1891 Beilage Nr. 253.
' Ratzinger, Forschungen zur bayr. Geschiche S. 579—84.
* Kraus y Gesch. der ehristl. Kunst 2, 108. G. Merzario, I Maestri Comacini,
storia artistica di 1200 anni. 2 Bde. Milano 1898 sah ich nicht ein.
BekleiduDgsstofFe. 1X1
firüher. Unter andere Lebensbedingungen versetzt, nahm der Abendländer
orientalische Sitten an, die Enge des Gesichtskreises verschwand, die
Gröfse der Entfernungen wurde nicht mehr so sehr empfunden. Eine so
häufige Verschiebung militärischer Kräfte machte auch den Kaufmann
wanderlustiger. Sollte der Krieg die beiden Kulturkreise trennen, so
brachte der Handel sie doch näher denn je.
Die Zahl der Handelsobjekte wuchs ebenso wie ihre Quantität; der
Gebrauch der Luxuswaren wurde zur Gewohnheit und zum Bedürfnisse.
Viele der Waren, die der Orient lieferte, band die Natur an das Gewürz-
land Indien. Diese Stellung konnte dem Ursprungslande nicht geraubt
werden. Ein grofser Teil des Levantehandels beruhte aber noch auf der
kulturellen Überlegenheit des Morgenlandes, und diese war den abend-
ländischen Rittern erst recht aufgegangen, als sie unter der heifsen
Sonne weilten.
Den meisten Nutzen dieser Veränderung hatte Italien, das eine
Bedeutung für den südnördlichen Handelszug gewann, die es bis dahin
nicht besessen hatte. Die Handelsherrschaft, wie der gröfste Teil der
enorm gesteigerten Schiffahrt im Mittelmeergebiete war an sie über-
gegangen. Amalfi hat diese glänzenden Tage, die die byzantinische
Stadt am Golfe von Neapel vorbereitet hatte, nicht mehr erlebt, die
normannischen Fürsten, dann Pisa hatten ihre Blüte geknickt. Pisa
war in der ersten Hälfte der Kreuzzugszeit die erste italienische Hafen-
stadt geworden, erlag aber der nachbarlichen Rivalin Genua, der Sieg
von Meloria 1284 und die Einnahme von Portopisano und die Zerstörung
des Hafens 1290 leiteten den schnellen Rückgang der alten Seeherrscherin
ein. Genua hatte nun nur noch einen Nebenbuhler: Venedig, das sehr
bald die ligurische Hafenstadt überflügeln und ein Weltemporium werden
sollte. Auch die süditalienischen Häfen gewannen erhöhte Bedeutung.
Diese Seestädte hatten dadurch, dafs sie ihre Politik wesentlich nach
wirtschaftlichen Gesichtspunkten leiteten, solches erreichen können, die
Landstädte hatten schon nicht die freie Hand, welche jenen gewährt war.
Das Verhältnis dieser Städte zur Levante ist in dem besten Werke,
das deutsche Gelehrsamkeit der Handelsgeschichte geliefert hat, ge-
schildert worden. Doch müssen wir uns hier beschränken, diese Be-
ziehungen kurz angedeutet zu haben ^.
1 Vgl. Heyd, Goldschmidt u. s. w. Georg Caro, Genua u. die Mächte
am Mittelmeer 1257—1311. 2 Bde.
112 Elftes Kapitel.
Elftes Kapitel.
Bekleidimgsstoffe. Die Leinen- nnd Hanfstoffweberei.
Bekleidung 8 Stoffe. Änderungen in der gewerblichen Organisation, im Ver-
brauch. Zunahme desselben.
Die Leinen- und Hanf Stoffweber ei. Bleibt vorwiegend Gegenstand des Haus-
fleifses. Technisches. Gleichwohl bedeutender Handel. Konstanz, Basel, St. Gallen, Augs-
burg. Deutsches Leinen im päpstlichen Schatze. Erzeugufig des Auslandes.
Der Welthandel hat am allermeisten Anregung wohl dadurch erhalten^
dafs im Textilgewerbe eine gründliche Verschiebung eintrat, dafs nicht
mehr allein die höheren KJassen aus dem Markte Waren nahmen, wo-
durch der Handel auf feinere Produkte beschränkt blieb, sondern dafs
jeder Mensch einen Teil seiner Kleidung kaufte. Aus der Eigenproduktion,
dem Hausfleifse, ging das Textilgewerbe in eine Arbeit für den Markt
über. Und da die Konsumenten so enorm an Zahl gewachsen waren,
gewann der Markt in den Geweben eine ebenso grofse Steigerung, er
umfafste nunmehr neben den feinen auch die gewöhnlichen auf den Massen-
verbrauch berechneten Stoffe. Der Handel hätte bei alledem gering
bleiben können, innerhalb der Stadt und des von ihrer Wirtschaft ab-
hängigen Bezirkes wäre es in vielen Fällen sehr wohl möglich gewesen,
die gesamten Bedürfnisse an Geweben durch Eigenproduktion zu decken.
Auf grofse Entfernungen hätte es dann nur Handel mit dem Rohstoff
gegeben. Allein das hätte eine gleichmäfsige Beherrschung aller Zweige
der Textilkunst innerhalb dieses Kreises vorausgesetzt, die aber fehlte
nicht nur, sondern es bestand geradezu das Gegenteil. Die eine Gegend
war der andern in diesem oder jenem Zweige vorauf, hier wurde besser
blau gefärbt, dort verstand man sich besser auf die Bereitung von Loden-
tüchern, an einem dritten Orte kamen andere Vorzüge zur Geltung, und
so ergab sich schliefslich , dafs keine Stadt alles erzeugte, sondern ein
Tuchhändler, um alle seine Kunden zu befriedigen, Waren verschieden-
ster Herkunft vorlegen mufste. Wie er selbst von weither seine Gewebe
bezog, mufsten deren Erzeuger für einen Absatz in die Ferne sorgen.
Im Bekleidungsfache wurde die von K. Bücher* so trefflich charakte-
risierte Stadtwirtschaft schon früh gründlich verlassen.
Zwischen der Leinen- und Hanfweberei und der Wollenweberei
ergaben sich in dieser Periode erhebliche Unterschiede. Die erstere
verlor ihr Gebiet zum Teil an letztere: die leinenen Beinbinden, welche
uns auf den Bildern der Karolingerzeit fast stets entgegentreten, ver-
schwanden. Jetzt trug fast jeder irgend ein Stück wollenen Gewandes,
der leinene Kittel, den der Bauer an Markttagen über seinen Rock zieht,
^ Entstehung der Volkswirtschaft.
Die Leinen- und Hanfstoffweberei. 113
ist noch heute eine Erinnerung an die Zeiten^ wo noch die ganze Kleidung
aus Leinen bestand. Mehr und mehr wurde, abgesehen von diesem
Bauemkittel, das Linnen auf die dem Körper zunächst liegenden Be-
kleidungsteile eingeschränkt, und auch bei dem Hemde konkurriert die
Wolle *. Den Verlust konnte die Leineweberei aber noch ausgleichen :
denn es kam, wenn auch zunächst nur in den obersten Ständen, der Ge-
brauch von Bettzeug auf, und langsam wurde auch die Tischdecke in
Gebrauch genommen^. In dem reizvollen Gedichte Conflictus ovis
et lini, dessen Alter leider nicht feststeht, wenn es auch wohl dem
zwölften Jahrhundert zuzuweisen ist, schildert der Flachs anschaulich den
Gebrauch des Linnens zu Unterkleidern, Tischzeug, Bettzeug, Zelten etc.
Im Anfang unserer Periode stand die Kunst der Leineweberei in
Deutschland noch höher als die Wollstoffbereitung. Als Leo IX. eine
Reihe von Klöstern seines Heimatlandes Elsafs dem päpstlichen Stuhle
unterstellte, legte er ihnen nicht den üblichen Geldzins auf, sondern be-
stimmte Teile der päpstlichen Kleidung, und zwar mufsten sie die Stücke,
welche aus Linnen gefertigt wurden, jährlich darbringen ®. Auch Heinrich
der Löwe brachte bei seinem Kreuzzuge dem griechischen Kaiser neben
Schwertern und Harnischen scharlachene und feine leinene Kleider*.
Die Leineweberei schliefst sich weit enger als die Wollweberei an
die Natur des ländlichen Haushaltes an. Durch das Räzen des Hanfes
und Flachses ist der Rohstoff wenigstens zunächst auf dem flachen Lande
festgehalten, das Bleichen des fertigen Stückes setzt gröfsere sonnen-
beschienene Strecken voraus, als sie eine enge Stadt bot. Vor allem
aber schiebt sich der Hanf- und Flachsbau und die Weiterbehandlung
des Stoffes bequem in die Zeitfolge der bäuerlichen Arbeit ein, für die
langen Winterabende war dies das Geschäft der Frauen. Im wesent-
lichen blieb die Leineweberei Frauenarbeit, das ganze Gewerbe hatte
die günstigsten Voraussetzungen für den Hausfleifs. Es gab dabei keine
Arbeit, welche die Kraft der Frauen überstieg, keine Arbeit, welche eine
besondere technische Fertigkeit voraussetzte. Die Leinwand wurde nicht
gewalkt — seit dem Aufkommen der Walkmühlen hätte das notwendig
zu einer Abhängigkeit des Hausfleifses von diesen geführt — es wurde
* S. die von Lamprecht I, 568 angeführte Stelle zum J. 1137.
" Zur Geschichte der Leineweberei hat schon Hü 11 mann, Städtewesen des
Mittelalters 1, 257 sehr brauchbare Nachrichten gesammelt. Über den Gebrauch
der Tischtücher in bäuerlichen Verhältnissen hat Hagelstange, Süddeutsches
Bauemieben im Mittelalter S. 117 schon sehr alte Zeugnisse beigebracht.
* Andlau gab jährlich: »tres pannos lineos pontificali ustii apios* , sie werden
auch als »camisialea* bezeichnet. Ottmarsheim gab eine Albe und ein Superhumerale.
Heiligenkreuz dagegen zwei Unzen Gold für die hl. Kose. Schulte in Strafsb.
Studien 2, 89 f.
* Ann. Lub. 3, 4.
Sehulte, Oesoh. d. mittelalterl. Handel«. I. 8
114 Elftes Kapitel.
auch nur selten gefkrbt, die meiste Leinwand blieb in dem Zustande,
in den die einfache Bauernfrau sie bringen konnte. Die Grundherr-
schaften verbreiteten den Anbau dieser Faserpflanzen, die Verarbeitung
ging nach dem Verfall des centralisierten Wirtschaftsbetriebes auf die
Höfe der Untergebenen über, welche die Gespinste der Herrschaft abliefern
mufsten^ Die Herstellung des Stoffes trennte sich somit nicht von dem
Orte des Anbaues, wie das ja auch heute noch nachwirkt. Die Struktur
der Flachsfaser, die eine schonende elastische Hand fordert und die harte
Maschine abweist, hat später flir die Leineweberei nicht sofort und nicht
völlig den Maschinenbetrieb zugelassen. Der Flachs ist dasjenige Material,
welches in der bäuerlichen Periode schon seine Technik erhielt, die auch
die Zeit der Maschinen nicht völlig ersetzen konnte.
Wenn so die Leineweberei im wesentlichen Sache des Hausfleifses
und vor allem des bäuerlichen blieb und in mehr oder minder grofsem
Umfange wohl überall betrieben wurde, so ist doch ein Leinenhandel
entstanden, weil diese Seite des Hausfleifses in einzelnen Gegenden
besonders intensiv betrieben wurde. Und gerade flir den Handel über
die Alpen wurde es besonders bedeutsam, dafs rings um den Bodensee
sehr früh sich eine intensive Leinenindustrie entwickelte, deren Mittel-
punkte Konstanz^ und Ravensburg wurden und deren Fortbildung die
Spitzen industrie der Kantone St. Gallen und Appenzell ist, nachdem
nördlich des Bodensees die Leinenindustrie auf dem Lande längst in
Abgang gekommen und auch in St. Gallen die Baumwolle den Flachs
verdrängt hat.
Die ältesten Belege für Leineweberei ergeben sich aus den Verpflich-
tungen, die gegenüber dem Kloster St. Gallen eingegangen wurden®,
auch die Mönche der Reichenau erhielten im zwölften Jahrhundert von
einer Reihe von Dörfern zwischen Konstanz und Ulm und westlich um
die Reichenau Garne abgeliefert, sie wurden meist aus Hanf, weniger
aus Flachs hergestellt *. Der Hanf wurde am Bodensee lange Jahrhunderte
hindurch dem Flachse vorgezogen. Und auch auf den gleich zu erwähnenden
Gemälden wird die Bereitung des Hanfes, nicht des Flachses dargestellt.
Ganz besonders wichtig sind die Zeugnisse für Konstanz: wir werden
später von den Ordnungen der Stadt für den Handel auf den Champagner-
1 Inama-Steru egg 2, 282 f. 804 f. Über den Betrieb der Weberei und den
Anbau der Faserpflanzen durch die Hörigen; Schmolier 860. Klumker 40—46.
' Gothein, Wirtschaftsgeschichte passim.
» Wart mann, St. Galler Urkb. Nr. 221. 506. 709.
*• Es wurden abgeliefert 77 Haspen Hanf, 80(42?) Haspen Flachs und 28 Haspen
Gespinst. Die Urkunde ist zwar eine Fälschung, aber f&r die Zeit der Herstellung
(sweite Hälfte des zwölften Jahrhunderts) unbedenklich zu verwenden. Abdruck
Dümg^, Reg. Bad. 70.
Die Leinen- und Hanfistoffweberei. 115
messen reden. Sie beweisen uns^ dafs der wichtigste Handel von Kon-
stanz schon 1289 der mit dem Leinen des Bodenseegebietes war. Auch
der Schied von 1255 stellt den Handel mit Leinwand dem mit Wachs,
Pfeffer und einfarbigem Tuche voran ^ Die Ordnungen Zeigen zugl^ch,
dafs es sich nicht allein um in Konstanz erzeugte Leinwand handelte,
sondern dafs in Konstanz die Bauern ihre Erzeugnisse verkauften* Die
Land- oder Oäuweber, wie man sie später in Ulm nannte, gehen un-
zweifelhaft weit in das dreizehnte, wenn nicht in das zwölfte Jahrhundert
zurück. Der Hausfleifs der Bauern hatte sich zu einem Landhandweik
umgebildet, der Vertrieb der Waren fiel den Städten zu. Den Zustand
der Technik der Leineweberei fUhren uns die hochinteressanten Qemälde
vor, welche in Konstanz in einem Bürgerhause entdeckt wurden. Ein
Cyklus von 21 Bildern stellt uns die Leinen-, Borten- und Seidenweberei
in den einzelnen Stadien vor. Die Arbeit besorgt auf allen Bildern eine
Frauensperson, nur das Spulen ist einem Kinde zugewiesen. Wir sehen
daraus deutlich, dafs die Arbeit noch Frauenarbeit war ^. Solche kultur-
historische Darstellimgen sind unschätzbar; als Darstellung im Wand-
gemälde stehen diese Bilder im vierzehnten Jahrhundert, dessen Anfang
sie angehören dürften ^, einzig da, und es mufs ein reiches und mächtiges
Geschlecht gewesen sein, das in solcher Weise seine Wohnräume schmückte.
Wirklich gelang es, den Besitz des Hauses, das schon 1372 einem Kon-
stanzer Stifte gehörte, auf das alte Geschlecht der Underschopf zurück-
zuführen, das sich schon seit 1192 nachweisen läfst und zu den ange-
sehensten Familien von Konstanz gehörte^. Es war das Stammhaus,
denn es lag unterhalb des bischöflichen Schopfes, von dem das Geschlecht
seinen Namen erhielt. Doch wir sind mit Erwähnung dieser Bilder be-
reits ins vierzehnte Jahrhundert gelangt.
Die Leineweberei ist fast überall Landhandwerk geblieben, in den
Städten finden sich meist nur Specialisten , so in Köln schon 1149 als
Zunft organisiert die Bettziechenweber ^. Feine Arten ftlhrten nach dem
Produktionsorte den Namen, so die Linnen von Rheims; besonders an-
gesehen waren die Linnen von Konstanz, die tela de Costanza. Zu
den schon von Mone und Heyd angeführten Nachweisen über das Vor-
^ Abgedr. bei Rnppert, Chroniken d. Stadt Konstanz S. 302 ff.
'Mone in Zeitscbr. f. Gesch. d. Oberriieins 17, 284. L. Ettmüller, Die
Freskobilder eu KonstanE in MitteiL d. ant. Gkselischaffc Zürich Bd. 15 (1866) mit
Abbildungen der Bild'er. Vgl. Kraus, Kunstdenkmäler Badens 1, 288 f.
" So Lübke und Kraus.
^ Beyerle, Über den Ursprung des Konstanz er Freskencyclus aus dem vier-
zehnten Jahrhundert. Zeitschrift f. Gesch. d. Oberrh. N. F. 13, 694 f. Regesten
d. Bisch, y. Konstanz 1, 1127.
^ »Textores culcitrarum pulmnariwti' und »textares peplorum*. £nnen, Quellen
1, 329.
8*
116 Elftes Kapitel.
kommen dieser Bezeichnung in Spanien und Italien kommt eine Stelle,
die Schultz anführt und die wohl auf Konstanz zu deuten ist^. Sehr
bedeutend war auch die Produktion in St. Oallen, der Leinwandzoll
bestand 1303 V ^^^ recht oft finden sich Bleichen zuerst 1281, wo ein
Ritter den Btlrgem ihre Leinwand, die sie auf der Bleiche an der Steinach
hatten, wegnahm*. Auch Basel darf nicht vergessen werden, wo Bischof
Heinrich 1268 den Webern und Lein wettern eine Zunft gab*. Baseler
Leinwand ging 1248 auf dem Schiffe San Spirito von Marseille nach
Accon^. Auch Zürich und Nachbarschaft^, wie Augsburg und Umgebung
erzeugten viel Leinwand'.
Das Verzeichnis des päpstlichen Schatzes unter Bonifaz VIII. (1295)
bietet uns den Beweis, wie sehr deutsches Linnen geschätzt wurde. In
der Abteilung: Leinene Vorhänge für kirchliche Zwecke und Betten,
Handtücher und Hemden wird meistens Deutschland als Heimat bezeichnet,
leider ohne Angabe des Erzeugungsortes. Daneben erscheint Linnen
aus der Lombardei, Pisa und Rheims ®. Und schon in der Taxe für die
Unterkäufer, die censarii mercium von Genua vom Jahre 1204 finden
sich die tela AUamanie^. Ja, diese ^tela de Alemag^ kann man bis in den
i Schultz, Höfisches Leben 1, ' 337 fuhrt aus Prise de Pampelune,
herauBgeg. von Mussaffia, v. 4732 an: »Cüvert luele detrier d'impaile de Costance»,
Das sind streng genommen wollene Tuche. Das Gedicht gehört dem vierzehnten
Jahrhundert an. £s ist übrigens möglich, dafs der Name aus Keimnot in die Strophe
kam. Ruppert, Konstanzer Handel S. 7 sagt, dafs in Bozen noch heute tela di
Costanza als Marke auf der Laube zu lesen sei. Heyd, Ravensb. Gesellschaft 42.
« Wartmann, St. Galler Urkb. 3, 330.
' Häne, Leinwandindustrie in St. Gallen S. 7.
* Baseler Urkb. 2, 6: »meister Salman der litiueter* safs 1274 von den Zünften
im Rate. £bda. 2, 80.
6 Kommendavertrag über »3 pecias telarum de Basle* vom 31. März 1248 bei
Bl an Card, Documents in^d. sur le commerce de Marseille 1, 398. Mit demselben
Schiffe gingen noch in drei Teilen weitere »tda de Alamannia", Es giebt einen Ein-
blick in die Konkurrenz, wenn daneben sechs Partien Leinen von Rheims, eine aus
der Champagne und eine von Epinaud angeführt werden. Unter den weit erheblicheren
Tuchsendungen, die in diesen Marseiller Urkunden erwähnt werden, steht weit
allen Chalons voran, dann kommen Arras, Douai, Ypem, Provins, Cambrai, Lom-
barden, Narbonne, Genua, St. Quentin. Unter den mit einem Ballen vertretenen
Städten erscheint auch Metz (1,96), sonst keine Stadt des Deutschen Reiches.
^ Die Bestimmungen des Richtebriefs im heutigen Deutsch bei Bürkli- Meyer,
Seidenindustrie 40 — 42.
■^ Augsburger Stadtbuch von 1276, herausgeg. von Chr. Meyer an ver-
schiedenen Stellen.
® Abschnitt 74 »cortine et tobdlee de Alamia'^ in dem von Mo linier veröffent-
lichten Inventaire du tr^sor. in Bibl. de T^cole des chartes Bd. 47, 658 ff.
* »De centenario telarum Allamanie et de leyes, si ficerit mercatum den, III db
unaquaque parte.* Lib. jur. Jan. 1, 521.
Wollweberei. 117
Orient verfolgen. Sie erscheinen einmal in dem Codex Cumanus * und in
dem Testament eines in Tauris sefshaften venetianischen Kaufmanns'.
Im Auslande produzierte aufser Kheims und der Champagne über^
haupt Burgund, Lothringen und Spanien". Von einzelnen Städten fand
ich Arras, Valenciennes und Kortryk genannt. Nicht zu tibersehen ist,
dafs auch einzelne italienische Städte Leinen produzierten, ich nenne
Cremona, Mailand und Venedig, auch in Toskana wurde Leinen gewoben.
Und endlich fehlte auch der Orient mit einzelnen feinen Sorten auf dem
Markte nicht ^. Von den Erzeugnissen dieses deutschen Hausfleifses ist
uns sehr viel erhalten, leider sind es nur Plattlitzen, die im Bodensee-
gebiete dazu verwendet wurden, um mit ihnen die Siegel an den Ur-
kunden zu befestigen.
Zwölftes Kapitel.
Bekleidungsstoffe (Fortsetzung). Wollweberei.
Wollweberei, ProdukHonsteüung. Walken, Färberei, örtliche Teilung. Die
Wollweberei städtisches Gewerbe. Reste auf detn Lafide. Einflufs der Klöster. Alteste
deutsche Weber als Handwerker. SUdwestdeutsche GrauJtucher, Loderer im Südosten.
Rheinische Weber, Köhu Flandern. Weltlage. Die englische WoUe die beste. Weberei
in England, in Flandern, Frankreich, Champagne, auf der schweizerischen Hochebene^
Lothringen,
Italien. Vorbedingungen, Alte Traditionen, Bezug der Wolle. Kapitalistischer
Charakter. Die Humiliaten. Überblick: Maüand, Lomdardei, Venetien, Fiemont, Toskana,
bes. Florenz. Callimala und Arte della lana.
Für den Welthandel waren viel bedeutsamer als die Leinenstoffe
die aus Wolle gefertigten. Der Verbrauch der Wollstoffe hatte sich auf
Kosten der Leinwand ausgedehnt, er steigerte sich mit der Erhöhung
der Lebensführung, mit der Zunahme des Luxus. Die Wollindustrie
wurde und mufste ein städtisches Gewerbe werden. Es ergab sich sehr
früh eine Produktionsteilung. Der Rohstoff blieb bis zur Herstellung
der Genufsreife nicht wie der Flachs in einer Hand, sondern ging durch
die Hände verschiedener Arten von Arbeitern, und darum mufste sich die
Wollstoflfbereitung sehr früh aus der geschlossenen Hauswirtschaft scheiden.
Zunächst konnte das Walken der Tuche nicht von den Arbeitern des
Hausfleifses, den Frauen, besorgt werden, das Fufswalken war für sie
eine viel zu anstrengende Arbeit, und seit der Erfindung der Walkmühle
^ Codex Cumanus von 1803 nennt daneben noch t. de Reins (Rheims), t. de
Orliens (Orleans), t. nouarese (Novara), t, cremonese (Cremona), t lobarde (Lombardei),
t astexane (Asti), t. ostume (Ostuni bei Otranto ?), endlich noch tele bergamasce. S. 107 f.
^ Ein Ballen deutscher tele und auch stanforti di Melana (Mecheln). Ar eh.
veneto 1883 p. 161—165 zu 1264.
* Bourquelot, Les foires 1. 280—4.
* Heyd 2, 692 f. und 697.
118 Zwölftes Kapitel.
war eine Veredlungsanstalt vorhanden, die nicht jeder sich selbst be-
schaffen konnte. Der Plan fUr das Kloster St. Gallen sah keinen be-
sonderen Kaum für die Wollweber vor, wohl aber für die Walker.
Zu den ftar einen grofsen Klosterbetrieb unentbehrlichen Handwerkern
zählt eine für die Reichenau 1065 ausgestellte Urkunde aulser den
Fischern, Bäckern, Köchen und den Weinleuten die Walker auf^ Auch
die (freilich jüngere) Vita des Konstanzer Bischofs Gebhard des Heiligen
erwähnt fullones, die er aus seinen Hörigen ausschied'. Und Walk-
mühlen sind bisher nachgewiesen^ für Basel 1193, sicher 1262^, für
Trier 1246», für Zürich 1258«, St. Gallen 1280 ^ Das Fufswalken,
wobei das Tuch in einer mit reinigenden Zusätzen versetzten Lauge in
einem Bottiche mit den Filfsen hin und her gestofsen wurde, um die
Wollhaare zu verfilzen, war eine äufserst anstrengende Arbeit. Das
mechanische Walken auf der Mühle, die ein Stampf- und Hammerwerk
trieb, erforderte viel weniger menschliche Arbeit. In der Zeit des Fufs-
walkens war die Zahl der Walker sehr grofs, im Jahre 1270 waren im
Leichenzuge Ludwigs des Heiligen zu Paris 300 Walker, wo die Stadt
doch nur 60 Tuchmachermeister zählte. Zur Schlacht von Kortryk
stellten 1302 die Brügger 1024 Walker und 1984 Weber. Später kam
auf 40 — 60 Tuchmachermeister eine Walkmühle®. Der mechanische
Betrieb war aber dem Werke der Füfse durchaus nicht überlegen, die
Tucher von Coutances wehrten sich dagegen und erreichten, dafs ihre guten
Tuche nur mit dem Fufse gewalkt werden durften*. Auch in Paris wie
in Flandern wurde offenbar das Fufswalken als das bessere lange bei-
behalten, nicht deswegen, weil man keine Wasserkräfte hatte ^*^. Durch
das Walken ergab sich sehr früh eine Produktionsteilung, und kein
1 Dümg6 110.
* V. Below, Entstehung des Handwerkes a. a. 0. 5, 144.
^ Die von Mone, Z. G. Oberrh. 9, 138 angeführte Kreuznachcr Walkmühle
könnte auch dem dreizehnten Jahrhundert angehören ; ihr Ruhm ist nicht sicher zu
begründen. Die älteste bisher bekannte Walkmühle ist in Gr^noblc 1040 nach-
gewiesen. Lamprecht) Beiträge z. Gesch. d. franz. Wirtschaftslebens S. 105 Anm. 28.
* Bas. Urkb. 1, 304. Schon 1193 erscheint ein Laie Hugo de Walchun, später
eine wohl damit identische Familie zir Walkun.
* Lamprecht 1, 588.
« Züricher Urkb. 3, 132.
T St. Galler Urkb. 3, 224. Genaueres zu 1308 ebda. 3. 360. Danach fiel die
Errichtung dieser Walke in die Zeit des Abts Berthold von Falkenstein (1244—71).
^ Martin, Grofsbetrieb u. Handwerk vor 600 Jahren. Preufs. Jahrbücher 91, 306.
^ So erklärt sich auch die von Martin angeführte Londoner Entschoidiing von
1298, wonach es den Walkern untersagt wurde, das ihnen anvertraute Tuch in eine
Walkmühle zu geben, was den Produzenten allerdings direkt zu thun gestattet war.
'® Fagniez, Etudes sur Tindustrie et la classe industrielle ä Paris au 18<> et
14« ai^le. Paris 1877. S. 231.
Wollweberei 119
mittelalterliches Gewerbe löste nach und nach die Produktion in eine
solche Zahl von aufeinanderfolgenden von verschiedenen Personen aus-
geführten Arbeiten auf, als die Wollstoffbereitung.
Eine andere Differenzierung ergab sich durch das Färben. Diese
Kunst wurde in verschiedenen Orten ganz verschieden gehandhabt, hier
wurde besonders gut in Scharlach gefärbt, dort verstand man nur graue
Tücher zu machen, und so ergab sich neben der Produktionsteilung eine
lokale Teilung der Produktion, und gerade letztere mufste zu dem inten-
siven Handel mit Wollstoffen führen, wie er sich nachweisen läfst Es
gab nur wenige Gegenden der Welt, in denen die Kunstfertigkeit alle
dort von Arm und Reich benötigten Stoffe erzeugte, in den meisten
wurde nur eine Seite befriedigt.
Diese örtliche Zerlegung der Produktion war schon sehr alt Einen
trefflichen Überblick gewählt; das in Flandern entstandene Gedicht Con-
flictus Ovis et lini, in dem Schaf und Lein ihre Vorzüge preisen. Gallien
liefere die buntesten Tücher, das neuerungssüchtige Volk liebe den
bunten Glanz, Flandern, wo jeder nach seinem Geschmack und Farben-
sinn sich seine Stoffe bereite, sende seine grünen und tiefblauen Tuche,
um die Herren zu kleiden, nach Deutschland, das diese Kunst des
Färbens nicht verstehe. Aber auch hier sei man nicht müssig. Der
Rhein erzeuge leichte schwarze Tücher für Mönche und Nonnen, Schwaben
rote, nicht in der Wolle gefärbte; an der Donau würden naturfarbene,
jedem Wetter trotzbietende (Loden-)Stoffe gewirkt, wie es besser nichts
in Deutschland gebe^ Die Quelle ist leider sehr schwer zu datieren;
wenn wir auch nicht für das elfte Jahrhundert, dem man früher das
Gedicht zuteilte, bereits die örtliche Zerlegung der Produktion aus diesem
Gedichte feststellen können, so gehört es doch spätestens dem Schlub
des zwölften an.
Die Wollweberei blieb in ihrer Gesamtheit nur selten ein Gegen-
stand des Hausfleifses, wenn auch die Garne sehr oft im Hause herge-
stellt wurden. Die technische Überlegenheit des Berufsarbeiters, vorab
des Walkers und Färbers, trieb den Hausfleifs sehr früh auf die gröberen
Sorten; aber auch da war die Arbeit der Frau doch zu schwer, der
Mann zu wenig gewandt, um die Konkurrenz aushalten zu können. So
verkümmerte der Hausfleifs in der Wollenstoffbereitung, ohne ganz unter-
zugehen. So findet sich ländliche Wollweberei noch später im Bistum
Chur, im Gebiete von St. Blasien und in dem von Säckingen abhängigen
' Conflict. Ovis et lini v. 169 — 212. Zeitschr. f. deutsches Altert. 11, 220f.
Das Gedicht wurde früher dem Keichenauer Mönche Hermannus Contractus (f 1054)
zugeschrieben, es gehört unzweifelhaft nach Flandern. Wattenbach, Deutschlands
Geschichtsquellen 2, * 44. Nach Fagniez, Etudes S. 101 hat Quicherat das Ge-
dicht in die zweite Hälfte des zwölften Jahrhunderts gesetzt.
120 Zwölftes Kapitel.
Glarus. Ich zweifle nicht, dafs bei sorgfkltiger Durchsicht der Urbare
sich noch weit mehr Beweise aus dem oberrheinischen Gebiete ergeben
würden. Im grofsen und ganzen wird aber die Wolienweberei ein
städtisches Gewerbe, ja für viele Städte geradezu dasjenige, das wirt-
schaftlich überwog — wie in Flandern und am Niederrhein — und das
in der politischen Geschichte am allermeisten hervortritt. Innerhalb des
städtischen Wollgewerbes tritt weiter eine sehr weitgehende Produktions-
teilung ein, das Waschen und Schlagen der Wolle, das Kämmen, Spinnen
derselben, das Färben und Weben des Garns, das Walken, Karden,
Scheren, endlich das Planen und Pressen des Tuchs war schliefslich
auf ebensoviele Personen verteilt. Die Wolle ging dann durch zehn
Hände ^
Das städtische Handwerk soll nach der Meinung vieler sehr tief
von den klösterlichen Einrichtungen beeinflufst gewesen sein. Ich habe
nie recht an eine so starke glauben können, und namentlich der Ein-
flufs der Cistercienser auf die Wollweberei ist wohl überschätzt worden.
Diese fern von den Städten gelegenen Klöster haben sich freilich ihren
Bedarf an Kleidern wohl selbst erzeugt, auf den Markt brachten sie
aber nur die Wolle, und in der Wollproduktion, namentlich in England,
haben die Söhne des hl. Bernhard Hervorragendes geleistet. Wie aber
sollte Anreiz zu einer Fortbildung der Technik vorhanden sein, da man
nur rauhe Mönchskutten verfertigte^? Es bleibt dabei völlig bestehen,
dafö die Cistercienser ihre Geschäfte mit kaufmännischem Geiste be-
trieben, die Veräufserung und Produktion der Wolle war ihre Sache;
in der gewerblichen Bearbeitung hat der Orden aber keine Epoche ge-
macht. Wenn ich für den Cistercienscrorden recht haben sollte, wie viel
mehr würde das für die Benediktiner zutreffen? Man vergifst zu leicht,
dafö diese Klöster, welche in der Gott gewidmeten Kunst aufserordent-
liches leisteten und zu diesem Zwecke herrliches schufen, für den
menschliclien Bedarf nur das einfachste und schlichteste zuliefsen. In
einem eifrig nach der Regel lebenden Kloster arbeitete man also natur-
gemäfs nur grobe, rauhe Gewebe, war ein Kloster verfallen, so dürfte
noch viel weniger von ihm ein technischer Fortschritt ausgegangen
sein. In allen Orden, in denen der Geistliche den Ton angiebt, war für
diese nicht dem Gottesdienst dienenden Künste nicht das intensive Inter-
esse vorhanden, wie wir das bei den italienischen Humiliaten finden
' Vgl. dazu aufscr Schmoller bes. K. Fromm, Frankfiirts Textilgewerbe
S. .54-()0.
2 Die Bcöchlüs««» der Gcneralkapitel des Cistercienscrordens (Mart^ue et
Durand Bd. 4) enthalten eine Reihe von Bestimmungen über den Wollhandel, auch
einzelnes über die Weberei. Dafs es sich aber ausschliefslich um die Herstellung
von Kutten handelt, beweist das 1181 erlassene Verbot der pauni tindi et curioffi.
Wollweberei 121
werden. Den Frauenklöstem lag die Textilkunst unzweifelhaft weit mehr
am Herzen, als den Mönchen des hl. Benedikt.
Die ältesten gewerbsmäfsigen Weber in Deutschland (von Flandern
und Holland abgesehen) finden sich in Mainz 1099^; da sie sich einen
Begräbnisplatz verschaffen wollen, sind es ihrer gewifs nicht wenige.
1114 veränderte Heinrich V. für Worms einen SchiffszoU in einen solchen
auf schwarze dicke Tücher^, eine der wichtigsten Strafsen der Stadt
führte 1241 den Namen Wollgasse®. Die Speyerer Tuchmacherordnung
entstammt dem Jahre 1298, sie enthält ganz genaue Bestimmungen über
die Mafse der verschiedenen Sorten, es werden Tuche von Weifsenburg
und Tuche, die schwarz gefärbt waren, erwähnt. Besonders wichtig ist
aber die älteste Mitteilung über die Anwendung des Spinnrades, *Iiem
cum rata filari potesU *. Doch wurde untersagt, dieses Garn zum Zettel
zu verwenden. Der Kampf des Spinnrades gegen Rocken und Spindel
hat übrigens' Jahrhunderte gedauert, und noch heute gilt bei vielen
Johann Jürgen aus Watenbüttel bei Braunschweig (1530) als Erfinder
des Spinnrades. Der Kern der Erfindung war viel älter. Sollte auch
das in den Statuta vetera von Lodi von 1210 — 1224 erwähnte »filutn
ieutonicum<j wofür die Wageverhältnisse angegeben werden, Radgarn
gewesen sein**. Das Spinnrad fand viele Feinde, es machte die Menschen
geradeso „nervös" wie es später die Maschinen thaten. Für ein Strafsburger
Beginenhaus bestimmte der Stifter, dafs die Inwohnerinnen „ein sanftes
und leidliches Handwerk mit Spinnen an der Kunkel, Nähen und anderem"
betreiben sollten. Aber keine sollte mit dem Rade spinnen, damit Friede
zwischen ihnen bleibe und die eine die andere nicht mit ihrem unleid-
lichen Handwerke erzürne®. In Strafsburg enthält das zweite bald nach
1214 entstandene Stadtrecht eine genaue Bestimmung über das Mafs und
die Reinheit der grauen Tücher. Es ist fast die einzige auf die Gewerbe
bezügliche Bestimmung dieser ältesten, von der Bürgerschaft veran-
lafsten Rechtsaufzeichnung ^.
Die örtliche Zerteilung der Arbeit hat auch in der Zeit, die ich in
diesem Kapitel behandle, noch fast vollständig intakt bestanden, und zwar
J Schmoll er S. 362.
2 Wormser Urkb. 1, 54 »de mgris et grossis laneia pannis,r
" Ebda. 1, 138. Das von Schmoller aus Ufrörer beigebrachte Zeugnis einer
Urkunde Heinrichs VI. ist zu streichen, die Urkunde ist eine Fälschung. Köhne,
Ursprung d. Stadtverf. in Worms u. s. w. S. 272.
* Mone in Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins 15, 281. Zuerst angeführt von
Martin a. a. 0. S. 309.
'• Vignati in Bibl. hist. ital. 4, 557.
« Strafsb. Urkb. 7 Nr. SS zu 1335 und 553.
^ Strafsb. Urkb. 1, 481. Die Datierung nach Rietschel, Deutsche Zeitschr.
f. Gesch.. W. N. F. 1, 43-47.
122 Zwölftes Kapitel
noch ziemlich in demselben Zustande, wie sie der Conflictas ovis et lini
schildert. In Südwestdeutschland giebt es Grautucher, also Verfertiger
von unge&rbten Tüchern, während in Südostdeutschland die halbverfilzten
Lodenstoffe erzeugt wurden, im Rheingebiete schliefsen sich nach Norden
schwarze Tücher an.
In Ulm findet sich 1253 ein Loderer, 1292 ein Zunftmeister der
Weber, 1296 ausdrücklich ein Tuchmacher, und um die Wende des drei-
zehnten und vierzehnten Jahrhunderts war die Zunft der Grautucher
oder Mamer die mächtigste in der Stadt, und das mächtige Geschlecht
der Ehinger ist aus ihrer Mitte hervorgegangen*. Unter den Schwaben,
welche um 1200 an der Maut in Wien Tücher verzollten, sind wohl in
erster Reihe Ulmer zu verstehen, deren „Schachteln" die bequeme Wasser-
strafse der Donau zur Verfügung stand *. An der Spitze der Handwerks-
zünfte standen auch in Basel die Grautucher^, ja sie rücken an die Grenze
zu den Geschlechtern. Grautucher werden hier seit 1291 erwähnt*. Aber
mit solchem zufälligen Vorkommen ist das Alter durchaus nicht erwiesen.
In Strafsburg, wo die Grautuchweberei ja oben als alt erwiesen ist,
würden wir ohne das Zeugnis des zweiten Stadtrechtes so gut wie nichts
wissen, da in den Urkunden die Bewohner nicht nach ihrem Gewerbe
genannt, sondern gleichmäfsig als Strafsburger Bürger bezeichnet werden.
Gerade deswegen ist es so schwer, einen Einblick in die gewerbliche
Gliederung und den Habitus der Strafsburger Bürgerschaft zu gewinnen.
Ein schlechtes Lob giebt Hermann von Minden, der tüchtige und gefeierte
Provinzial der deutschen Dominikanerordensprovinz, wenn er dem Pro-
vinzial der Provence schrieb : „Ich hätte Euch auch ein zartes Tuch
von Strafsburg geschickt, wenn ich einen Träger oder Fuhrmann ge-
habt hätte. Ich sah auch einen anderen Traum: da Euch das feine
Stoffe webende und kämmende Ilandern versorgt, würde Deutschland
mit seinen borstigen und dicken bei Euch keinen Einlafs finden*". In
Freiburg war noch viel später die Färberei unbekannt^, und ebenso-
wenig wissen wir von Villingen etwas über die Kunst des Färbens^, an
beiden Orten, die um 1300 bereits ein hochentwickeltes Textilgewerbe
' Nübliug, Ulms Baumwollweberei 182. 140.
« Gesch.-Quellen d. Stadt Wien 1 Nr. 3.
» Geering S. 34.
* Baseler Urkb. 3, 26. 1299 3, 243. Pannifex 1286 2, 312. Panniparii 1292
3, 46. 1297 3, 184. 1298 3, 220. Textores hierher zu ziehen ist bedenklich, zuerst
erwähnt 1277 2, 120.
^ Finke, Ungedruckte Dominikanerbriefe des dreizehnten Jahrhunderts 1891
S. 158. Der Brief ist nach 1290 geschrieben.
« Gothein 538.
7 Gothein .533 f.
Wollweberei. 128
besafsen, wurde also wohl dasselbe erzeugt, wie in Ulm, Basel und Strafs-
borg. Später erschienen Grautucher auch in Konstanz, Schaffhausen,
RottweiP. In Konstanz kommen schon sehr früh Walker vor^.
Auf die östliche Lodenweberei ist hier nicht näher einzugehen.
Kegensburg hatte auch wohl andere Stoffe daneben in den Bereich der
Produktion gezogen. Schon 1259 gab es hier Schwärzer und Waid&rber^,
also wurde im wesentlichen wohl die Kölner Technik geübt. Hierher
drangen schon früh die Tuche von Ulm und Köln, wenigstens werden
Ulmer Kaufleute in Enns schon 1 192 genannt *.
Längs des Rheines zog sich die Reihe der alten Reichsstädte, in
allen hatte die Wollweberei eine Heimstätte gefunden, und unter ihren
Zünften und Gewerben standen fast stets die der Wollindustrie voran.
Es ist bekannt, welchen Einflufs die Weber auf die politische Geschichte
von Köln hatten, durchweg waren die Weber die politisch beweglichsten,
der Gegensatz der armen Wollschläger und der reichen Tuchscherer
und Tuchhändler führte früh zu Kämpfen. Das Geschlecht der Over-
stolzen stammte von einem einfachen Tuchhändler ab, und noch 1324
bot der frühere Bürgermeister Werner Overstolz selbst die Tuche feil*.
Gerade aus der Gewandschneiderbruderschaft ging ein groGser Teil des
Kölner Patriciates hervor. Der Tuchhandel von Köln war mit eins der
Fundamente der Blüte dieser Stadt. Schon 1192 gingen Kölner Tuche
bis nach Österreich®. Das Wollenamt von Köln war schon 1230 völlig
organisiert, es hatte ein gemeinsames Verkaufshaus und seine Meister,
die die Tücher beschauten, ja das Amt war innerlich schon so mächtig,
dafs bei Absatzstockungen von Amts wegen die Fabrikation der Tücher
eingestellt wurde ^. Es wird uns begreiflich, dafs dieses Amt geeignet
war, die gemeinsame Sache der Handwerker zu führen — und das führte
die Kölner Weber ja für kurze Zeit zur Herrschaft. Es erscheinen dort
auch früh die Färber, war doch 1290 schon die Specialisierung so weit,
dafs es einen Rotfärber gab^. Am ganzen Niederrhein war die Tuch-
weberei stark verbreitet®, vorab ist Aachen zu nennen**^. Am Mittel-
rhein erwähnten wir schon Mainz und Worms, nach Speyrer Art wurde
* Ruppert 9.
«Die Vita Gebehardi episcopi Const. M.G. SS. 10, 588 läfst ihn aus den
Hörigen fitUones auswählen.
8 Schmoller 305.
* Nübling 140.
» Lau 122 f.. 128.
« Gesch.-Quellen der Stadt Wien 1, 1.
' Lau 204 f.
« Lau 212.
» Schmoller 366.
'* Auch Aachen um 1200 an der Wiener Maut mit Metz und Maastricht.
124 Zwölftes Kapitel.
1281 die Wollweberei in Heilbronn geregelt *, auch Oppenheim hatte eine
erhebliche Tucherzeugung ^.
Aber das alles stand doch hinter der grofsen niederländisch-flandri-
schen Wollweberei weit zurück. Die friesischen Tuche behaupteten noch
immer ihren guten Namen und werden oft von Dichtern angeführt®;
das Schwergewicht ruhte im Süden, in den äufsersten Gebieten halb-
friesischer Besiedlung*. Flandern war geradezu der Mittelpunkt der Woll-
industrie geworden. Die Lage am Kanal hatte damals noch höhere Vor-
teile als heute. Die Schiffahrt vom Kanal um ^Portugal herum war noch
selten, so fand die Schiffahrt der Nordsee hier es bequem, die Waren um-
zuschlagen und zu Land nach dem Mittelmeer zu transportieren. Die
Schiffahrt bis zur Elbe galt den Franzosen und lüdienern als zu gefähr-
lich, und so war für alle, die von Nord oder Süd, von Ost oder West
kamen, Brügge der natürliche Endpunkt ihrer Fahrt*. Aus dem Binnen-
lande führten drei schiffbare Flüsse in die Nähe dieser Stadt. War die
Blüte des Handels natürlich, so war das Gewerbe gleichfalls begünstigt;
denn die Nähe von England bot die bequemste Zufuhr der kostbaren, im
Mittehilter hochgeschätzten englischen Wolle. Die vlaemische Küste mit
dem Salzgehalt ihres Erdreiches zwang zur Schafzucht, die Schafzucht
weckte das Gewerbe, das bald eine Einfuhr nötig machte. Flandern
wurde das Tuchland des Mittelalters. Auf diesen Wollhandel gründet
sich die Interessengemeinschaft von Flandern und England, ohne eng-
lische Wolle konnten die flandrischen Städte nicht bestehen, wie um-
gekehrt die englischen Klöster seufzten, als die Schlacht vor Dombourg
1254 die Reihen der Handwerker decimiert hatte, die Preise der Wolle
sanken. Das Material wurde möglichst nahe an seiner Produktionsstätte
verarbeitet in dem Lande, dessen Traditionen in der Textilkunst damals
schon über 1000 Jahre alt waren. Hier mufs sehr früh das Fufswalken
durch die Walkmühle ersetzt sein, und unzweifelhaft ist von hier aus
die Kunst des Färbens verbreitet worden ®, die namentlich im südlichen
Flandern blühte. Die technische Überlegenheit der Herstellung, die Güte
des Rohstoffes und die vortreffliche Verteilung der Handelswege, welche
Brügge, damals in bequemer Wasserverbindung mit dem Meere, bald zum
ersten Börsenplatze machen sollte, kamen zusammen, um die flandrische
1 Schmoller 865.
2 König Albrecht 1801. P'rank, Gesch. v. Oppenheim. Urkundenbiich Nr. 52.
^ Hüllmann 1, 221. Schultz 1, 387 und 840, der seine Beispiele sehr un-
glücklich auf Phrygien bezieht.
* Vgl. die Nachrichten bei Schmoll er 367. Pi renne 1, 187 ff., 198 ff., 298 ff.
^ Fuuck-Brentano, Philippe le Bei cn Flandre 32 ff.
* Schultz 1, 855 Anm. 8 führt das Zeugnis des Guilelm. Brito für die Färbe-
kunst Yperns an.
Wollweberei. 125
Wollindustrie allen andern überlegen zu machen. In Brügge trafen die
Waren der ganzen Welt zum gegenseitigen Austausche zusammen, und
eine Zusammenstellung des vierzehnten Jahrhunderts^ fUhrt einzeln die
Produkte auf, welche die verschiedenen Länder boten. Unser Vaterland
erscheint ärmlich mit seinen Gaben an Wein und Eisenarblsiten gegenüber
den reichen Produkten anderer Länder. Flandern war der gemeinschaft-
liche Markt für die hier aneinander stofsende germanische und roma-
nische Welt, innerhalb des agrarischen Hochmittelalters der Anfang einer
neuen Zeit.
Wir werden noch oft von der beherrschenden Stellung, welche im
Handelsleben England durch seine vortreffliche Wolle hatte, zu reden
haben. Sehen wir einmal zu. Schon im dreizehnten Jahrhundert
wufsten selbst süditalienische Geschichtschreiber den Wert der englischen
Wolle zu schätzen*. Unter den Kaufleuten, die 1273 aus England von
diesem Rohstoffe ausführten, waren auch solche von Florenz, Lucca und
Piacenza neben solchen aus Deutschland , Belgien , Frankreich und
Spanien^. Und in einer Urkunde von 1295 erscheinen die grofsen
Bankhäuser von Florenz, die Cerchi neri und bianchi, Bardi, Spini,
Mozzi, Frescobaldi, Pulci, wie sie durch ihre Vertreter englische Wollen
haben aufkaufen lassen, die in Brabant und Holland lagern^. Einen
genauen Einblick in die Ausdehnung des Handels mit englischer Wolle
seitens der Florentiner giebt ein Dokument von 1284, demzufolge 22
englische Klöster ihre Wollproduktion auf zwei bis elf Jahre gröfstenteils
ganz an Florentiner Häuser im voraus verkauft hatten *. Die englischen
Ausfuhrlicenzen von 1277 bis Januar 1278 sind uns erhalten, von dem
Gesamtbetrage der Ausfuhr entfallen 29,6 *^/o auf die Italiener, der Betrag
wurde von den Holländern und ßrabantern zusammen allerdings über-
troffen (32,2%), von den Franzosen (21,8) und den Deutschen (11,6)
jedoch nicht erreicht. Die gröfsere Kapitalkraft der Italiener zeigt sich
darin, dafs der Einzelne weit gröfsere Partien, von 20 bis 300, im Durch-
schnitt 163 Sack ausführte®. Die italienische Ausfuhr belief sich auf
4235 Sack; in Newcastle gingen 69<>/o der Wolle 1294—98 an Italiener ^
Dafs Kaufleute von Piacenza®, Florenz, Siena und anderen italieni-
^ Hansisches Urkundeubuch 3, 419.
" iExuvias dofiant caras de Zatia, quam Ovis anglicana cangesserat GaUiaque
UBmeraU' Schultz 1, 506.
» Hans. Urkb. 3, 407.
* Fagniez, Documcnts 320.
» Pagnini, Della Decima 4, 324 ff.
^ Kunze, Hanseakten 332.
' Kunze 333.
^ Solehe schon 1199 im Gcldverkehr mit der engl. Krone. Rotuli charta-
rnm 31 u. 96.
126 Zwölftes Kapitel.
sehen Städten sich im Laufe des dreizehnten Jahrhunderts in England
aufhielten, dafs sie dort den ausgedehntesten Geldhandel trieben, geht in
letzter Linie auf diese ausgedehnten Wollkäufe zurück. Die Wolle hatte
die Italiener bis hierher gebracht, und sie machte aus ihnen die Bankiers.
Fast alle Florentiner, aber auch Sieneser Bankhäuser lassen sich im Woll-
handel nachweisen*. Und ein feiner Mailänder] Beobachter des drei-
zehnten Jahrhunderts, Bonvesin, erklärt, trotzdem er alles Lombardische
sonst lobt, die dortige Wolle sei nicht gut, die feine Wolle komme aus
der Fremde*.
In der Folge — ich mufs hier vorgreifen — hat gerade der Geld-
handel den Italienern geschadet, schon 1310/11 ging der erste Ansturm
gegen sie los, die Frescobaldi wurden verbannt, ihr Gut konfisziert®.
Viel schwerer war der Bankerott der Banken, den König Elduard III.
durch Weigerung der Zahlung seiner Schulden herbeiführte. Dadurch
erst wurden die Hanseaten von ihren schlimmsten Konkurrenten befreit,
und der Hauptexport ging an die Deutschen über. England selbst stellte
keine Tuche flir die Ausfuhr her, wenn auch schon 1130 drei Weber-
gilden nachzuweisen sind*; es deckte seinen Bedarf an feineren Tuchen
aus dem Auslande, und als 1258 und 1271 die ersten Versuche gemacht
wurden, das edle Rohprodukt ausschliefslich im Lande zu verarbeiten
und ein WoUeaiisfuhrverbot erging, muüsten die Leute weifse Gewänder
tragen *.
Die Bedeutung der englischen Wolle kam zunächst in der Blüte
Flanderns zum Ausdrucke. Der flandrische Einflufs strahlt nach allen
Seiten — noch heute ist das nachweisbar. Vlaemische Färbekunst kam
nach Wien, wo die Färber Fläminge genannt wurden, wie im Thüringi-
schen die Tuchmacher überhaupt*. Nach England flandrische Tuchmacher
zu ziehen, wurde schon 1111 der Versuch gemacht', und mit der Er-
starkung der von Flandern aus beeinflufsten englischen Wollweberei
sollte den Vlaemen die schlimmste Konkurrenz erwachsen. Das Gebiet
der Tucherstädte an der Maas und in der Picardie schliefst sich unmittel-
bar an, und selbst nach Italien werden wir den Einflufs Flanderns
nachweisen können. Von den flandrischen Städten Brügge, Yperen und
Arras findet sich der Name fast in jedem Schatzverzeichnisse, nicht selten
^ Bei Ashley 1, 105 kommt das nicht recht zur Geltung. Ich kann jedoch
hier die Beweise nicht geben.
« S. 97.
8 Kunze S. IX.
* Ashley 1, 81.
» Ashley 2, 205.
« Schmoller S. 364 f.
■^ Schmoller S. 367.
Wollweberei. 127
werden auch Gent, Ryssel und Doomik genannt ^ Brabant stellte mit
Brüssel, Mecheln, Löwen, Huy die Verbindung mit dem niederrheinischen
Bezirke her, wie nach Südosten Cambray und Valenciennes als die wichtig-
sten Weberstädte zu nennen sind. Die Eifersucht der Städte wachte
über die Güte der Tücher und förderte die lokale Differenzierung der
Tucharten. So entstand eine schier unendlich grofse Zahl von gröberen
und feineren Geweben in vielerlei Farben. Vor allem erzeugte Flandern
Luxusstoffe, und wie der Luxus stets der beste Förderer des Handels
gewesen ist, so war es auch damals. Wo immer man Schatzverzeichnisse
oder Zolltarife aufstellte, fehlten die Namen flandrischer Städte nicht*.
Der Vertrieb der Waren ging nach allen Seiten hin, vor allem auch
nach Italien und dem Orient, und die Landverbindung zwischen
Flandern und Italien durchschnitt in den meisten Fällen die schweize-
rischen Alpen. Ich weifs sehr wohl, dafs mitunter auch Waren die
Garonne aufwärts gingen, in Toulouse auf das Saumtier kamen, um dann
in Aigues Mortes zur Seefahrt verladen zu werden.
Auf französischem Boden setzte sich das Gebiet der Wollindustrie
fort^. In der Picardie werden vor allem Amiens, Abbeville und St.
Quentin genannt, in der Isle de France neben Paris St. Denis und in
der Beauce Chartres. Hervorragend war die Tuchbereitung in der
Champagne, der wichtigste Platz war wohl Chalons sur Marne, wo ein
sehr altes Statut hellen Einblick gewährt*, dann Provins, Troyes, Rheims
und Lagny. Eine Anzahl nordfranzösischer Städte war für den Verkauf
der Tuchwaren auf den Messen der Champagne mit denen von Flandern
und Brabant verbunden**. Dieser Bund erstreckte sich nach Südwesten
bis Ronen und Le Mans. Er ist zu unterscheiden von der in das fran-
zösische Sprachgebiet kaum hereinreichenden flandrischen Hansa in
London, die gleichfalls daraufhin arbeitete, durch AusschluCs der inneren
» Auch bei Dichtem sehr häufig. Vgl. Schultz 1, 353 Anm. 9. 354 Anm. 8, 9
und 355 Anm. 8, 9. Der Venetianer Tarif von 1265 führt auf Ypem {»ypra*), Brügge
(»broea*), Doomik (•tomero*)^ Louviers im Ddp. Eure od. Löwen (»Zor^o«),
Valenciennes {»valencino*) ^ auch »stanfortes Anglie*. Capitolare dei Visdomini
herausgeg. v. Thomas 284 und Born an in, Stör. doc. di Venezia 2, 378. In Genua
verhandelten Astigianen viel niederländisches Tuch, so von Chalons, Cambrai und
Provins. Liberjur. Gen. ad a. 1251. In Wien Anf. des dreizehnten Jahrhunderts
Tuche von Gent, Ypem, Huy, Arras, Toumay u. Louviers. Gesch. -Quellen der
Stadt Wien 1 Nr. 4.
s Päpstl. Inventar von 1295 s. oben S. 116. Neapolit. der Anjou. Ganz allgemein
werden drappi de uttra montes in dem Tarif der Sensale von Piacenza aufgeführt.
Stat. merc. S. 72 § 265.
• Vgl. Bourquelot, Pigeonneau, Blancard, Fagniez.
* Fagniez S. 151.
^ Bourquelot 1, 138.
128 Zwölftes Kapitel.
Konkurrenz den Absatz der Waren und den Einkauf der Rohprodukte
zu erleichtern. Aber auch der Süden Frankreichs hatte, genährt durch
die treffliche spanische Wolle, bedeutende Wollindustriestädte, so Toulouse,
Montpellier, Narbonne, Nimes, Avignon u. a. Doch sind Waren von dort
wohl kaum in gröfserer Masse durch das hier zu behandelnde Verkehrs-
gebiet gekommen ^.
Auf der schweizerischen Hochebene ist aufser Zürich^, wo man
neben grauen Tüchern Berwer, Drilche und schwarzes Hosentuch machte",
sicher auch im burgundischen Teile Freiburg im Üchtland eine Weber-
stadt gewesen, dort wurde das Gewerbe in der Form der Hausindustrie
betrieben*. Aus Bern ist uns ein Statut für Tuchweber von 1307 er-
halten, das eine alte Übung des Handwerks voraussetzt*. In Uri werden
wir Weber auf dem Lande bei Herstellung von grobem Tuche finden. In
Lothringen wird uns Metzer Tuch genannt, das in Marseille verschifft
wurde ^, wie auch weiter nördlich Lüttich die Verbindung mit der Weberei
des Rheingebietes herstellte.
In Italien waren der Wollindustrie erhebliche Hindernisse entgegen-
gesetzt, die günstigen Vorbedingungen, die daneben bestanden, haben aber
den kaufmännischen Sinn der Italiener und besonders der Florentiner
gereizt, zugleich griff der eigentümlichste Orden, den die katholische
Kirche hervorgebracht, ein, so wurde schliefslich das italienische Wollen-
gewerbe dem vlaemischen ebenbürtig^.
Italien selbst produzierte eine schlechte Wolle, die nur zu den panni
schiavini und villaneschi, zu Tuchen für Sklaven und Bauern verwendet
werden konnte. Eine Verbesserung der Wollerzeugung durch sorgfältige
Zucht, Fütterung wurde im Mittelalter gewifs sehr selten erstrebt, und
in Italien wurde Ackerbau und Viehzucht schon damals schwer vernach-
lässigt Die Erfindungsgabe des Italieners war eine rein gewerbliche.
Die alte Technik ist — wenn auch eine Geschichte des italienischen Ge-
werbes noch nicht geschrieben ist, so darf man das wohl behaupten —
' Der oben erwähnte Venetianer Zolltarif von 1265 führt an Provins (aprw'n);
Cbalons (zaliaono\ Arras ((h razo), Paris (parisino), Lille {lüla% St. Omer (de santomeo)
und Rheims {de rocmo).
« Urkb. 3, 132.
' BeHtimmungen des Richterbriefs Bürkli- Meyer 36 — 40.
* P'ont. rer. Bern. 2, 307.
^ Font. rer. Bern. 4, 305.
® Biancard 1, 96, um 1200 in Wien s. oben S. 116 Anm. 5. Nach weiteren
Zeugnissen habe ich nicht gesucht, wie ich ja für diese Gebiete nur gelegentlich
primäre Quellen heranziehe.
"^ Eine Geschichte der italienischen Textilindustrie kann ich natürlich nicht er-
streben, ich kann nur auf diese klaffende Lücke in der Litteratur hinweisen und
sie provisorisch füllen.
Wollweberei. 129
in den meisten Gewerben erhalten geblieben , unzweifelhaft ging die
Kunst der Wollweberei nicht verloren. Die überlegene Technik der
Römer stellte die Italiener also den Erben der Atrebaten, den Friesen
und Vlaemen gleich. Die italienischen Städte entwickelten sehr früh eine
stramme Organisation der Handwerke, der arti, mit Eifersucht wachte
jede Zunft über die Vorteile und den guten Namen ihrer Produktion,
und so war hier die korporative Organisation des Handwerks früher und
intensiver entwickelt als im Norden. Die Mängel des Rohmaterials
mufsten den Italienern um so ärgerlicher sein, als die feineren Färbe-
mittel aus dem Orient grofsenteils auf italienischen Schiffen gebracht
wurden. Diese teuren Färbemittel auf schlechte Wolle zu verwenden,
konnte dem haushälterisch rechnenden Italiener nicht gefallen, und so
drängte alles dazu, dem italienischen Wollgewerbe einen besseren Boden
zu verschaffen durch Einfuhr fremder Wolle, und diese wurde nun
herangezogen aus der südlichsten Provinz des heutigen Portugal: Garbo
(Algarve) ^, aus Spanien und aus Tunis. Die vorzüglichsten Qualitäten,
mit denen nur die englische Wolle einen Vergleich aushielt, standen jetzt
zur Verfügung. Im dreizehnten, vielleicht schon am Ende des zwölften
Jahrhunderts kam auch die englische Wolle nach Italien und damit
erwuchs die intensive Verbindung Italiens mit England, Flandern und
dem Niederrhein, welche den Handel über die schweizerischen Alpen-
pässe ganz besonders beeinflussen mufste.
Jedes Gewerbe, das den Einkauf des Rohmateriales und namentlich
eines so kostbaren wie es die Wolle ist, den Händen des Handwerken
entzieht, geht in kapitalistische Hände und kapitalistische Organisation
über. Wie wollte der Wollspinner englische Wolle mit Vorteil kaufen,
wo aus der eigenen Stadt kapitalkräftige Bürger selbst nach England
gingen, am Erzeugungsorte die Wolle erstanden und auf dem billigsten
Wege in grofsen Karawanen das Gut in die Heimat brachten, um es
dort durch wirtschaftlich abhängige Weber verarbeiten zu lassen? Die
grofse Entfernung des Ankaufsplatzes des Rohstoffes von der Stätte der
Verarbeitung und wiederum die dieser von der Gegend des Verbrauches
gab den italienischen Arti della lana einen wesentlich kapitalistischen
kaufmännischen Zug, der erheblich stärker ist, als das bei den deutschen
Weberzünften der Fall ist. Der Handwerker dieser vornehmsten für den
Export arbeitenden Industrie kaufte den Rohstoff nicht ein, wie er die
fertige Ware nicht vertrieb, das besorgte wie die ganze kaufmännische
Thätigkeit der Kaufmann — ersterer betrieb nur das Handwerk und war
vom Kaufmann völlig abhängig.
^ Nach gütiger Mitteilung W. v. Heyds hält er es auch für möglich, an die
afrikanische Insel Djerba zu denken, die sehr kultiviert war.
Schult«, GMoh. d. mittelaltorl. Handels. I. 9
130 Zwölftes Kapitel.
Die Zünfte der italienischen Städte hatten Lehrmeister und Rivalen
in einem Orden, der eigentlich aus dem Weberhandwerke hervorgewachsen
war. Es war der Orden der Humiliaten, den man einen Orden von
Wollenwebern nennen könnte^. Nach der alten Tradition des Ordens
soll ein deutscher König lombardische Verbannte nach Norddeutschland
geschickt haben, wo sie die Kunst des WoUewebens erlernt hätten. Sie
bildeten eine Laien-Genossenschaft und lebten nun von der gemeinsamen
Arbeit und behielten auch diesen religiösen Bund bei, als sie in die
Heimat zurückkehren durften. Die Tradition ist bezüglich der Zeit sehr
unsicher, der Geschichtschreiber des Ordens, der gelehrt^ Tiraboschi,
entscheidet sich dafUr, dafs der deutsche Kaiser Heinrich IL 1014 die
Lombarden verbannt habe. Diese Tradition macht die Humiliaten also
zu den Vermittlem des Fortschritts, den die Textilkunst im Norden
bereits gemacht hatte, und dafs die Walkmühle von ihnen nach Italien
verpflanzt wurde, wäre denkbar. Jedenfalls ist sie in Italien aus deut-
schem Sprachgebiete importiert, denn für sie übernahm der Italiener
das Wort Walke, er nennt sie nicht fulla, sondern gualcheria. Die Ge-
schichte des aufkommenden Ordens wird erst um 1200 klarer, inzwischen
waren schon Klöster gegründet, die ältesten die Brera in Mailand und
in Rondenajo dicht bei Como. Innocenz HI. bestätigte 1201 den neuen
Orden. Die Humiliaten sollten von ihrer Hände Arbeit leben und waren
fast ausschliefslich Wollweber und Tuchmacher. Männer und Frauen
arbeiteten mit, doch kam auch hier der Cölibat zur Geltung, und als
dritte Stufe verband sich damit eine geistliche Stufe. Die geistlichen
Mitglieder arbeiteten nicht selbst, sondern organisierten als mercatores
die Produktion und den Vertrieb. Der Orden blühte empor, und von
den Händen der Wollarbeitermönche ging manche Unterstützung an die
Armen. Die Organisation des Ordens war so vorzüglich, sie ver-
standen so viel von Buchführung, dafs ihnen öfters eine Stadt die Kasse
anvertraute, oder es wurde ihnen die Versorgung eines Heeres über-
tragen, anderswo übernahmen sie Hospitäler^. Es war die Organisation
der Arbeit zu gemeinsamem Lebensunterhalte unter kirchlichem Gehor-
sam, welche sich im dreizehnten Jahrhundert glänzend bewährte. Die
Lombardei war schnell mit einem dichten Netz von Häusern überzogen.
In und um Mailand gab es mehr als zwanzig Häuser, nach Bonvesin,
De magnalibus urbis Mediolani, 1283 im Erzbistum gar 220^ — und so
vortrefflich waren die Tuche, die die Humiliaten erzeugten, dafs mehr
^ TiraboBchi, Vetera Humiliatorum Monumenta. Mcdiol. 1766. 2 Bde.
^ Tiraboschi 1, 168 fF. In Cremona waren sie u. a. Zollbeamte vgl. Aste-
giano % 398 f.
8 S. 81.
Wollweberei. 131.
als eine Stadt die Mönche berief, damit sie dort die Tuchfabrikation
einführten, so Rimini 1261 und Perugia 1279, und selbst die weit-
entwickelte Kunst in Florenz sah in den Humiliaten eine treffliche G^
werbe- und Handelsschule, und die Stadt, die allen Fortschritt fiSrderte,
berief 1239 die Humiliaten, und 1256 wurden sie in das Innere der Stadt
gezogen. Ihr Einflufs war so grofs, dafs wenig später der Geschicht-
schreiber Villani die Meinung aussprechen konnte, durch sie sei die arte
della lana nach Florenz gekommen, was nicht richtig ist
Auch die Niederlande und Deutschland haben eine Art von Humi-^
liaten gehabt: es sind die im dreizehnten Jahrhundert massenhaft auf*
tauchenden Häuser der Beghinen und die weit weniger zahlreichen
Begharden; jedoch thaten sich die Häuser nicht zu einem Orden zu-
sammen, sondern traten meist unter die geistliche Leitung der Bettel-
orden; auch ist ihr gewerblicher und technischer Einflufs weit geringer,
als das bei den italienischen Webermönchen der Fall war, die Schwestern
haben wohl nicht gewoben, aber die Beghinenklöster haben dem Über-
flüsse weiblicher Arbeitskräfte Verwendung im Spinnen gegeben.
Bei dieser Stellung des Humiliatenordens zum T^tilgewerbe giebt
uns das Verzeichnis ihrer Konvente auch ein Bild der Verbreitung der
Wollweberei. Von der Lombardei aus erstreckte sich die Wollindustrie
nach Venetien und in die Emilia ^, auch Toskana nahm lebhaften Anteil.
Der älteste Hauptsitz der Wollweberei ist wohl Mailand gewesen,
wenn auch das dürftige Quellenmaterial, das für die Geschichte Mailands
überhaupt erhalten ist, den Beweis nicht scharf zu fuhren gestattet'.
Der dem Anfang des vierzehnten Jahrhunderts angehörige Mailänder
Chronist Galvano Fiamma erzählt in seinem Chronicon majus^, 1172 seien
consules mercatorum in Mailand gewählt, und wie er nun ihren Amts-
bereich beschreibt, erwähnt er zuerst, sie hätten Aufsicht über das Mafs
der Tücher und das Gewicht der Münzen gehabt, dann erwähnt er auch
ihre Pflicht, fUr Strafsen und Brücken zu sorgen, damit die Eaufleute
sicher über die Berge gehen könnten, und erwähnt dann, dafs die ersten
Kauf leute, welche über das Gebirge gingen, um überbergische Tuche und
feine Wolle zu kaufen, gewesen seien : Petrus de la Blava und Jordanus
^ In der Lombardei war das Netz am allerdichtesten, so war auch der Comer-
see von Ansiedelungen der Humiliaten eingeschlossen, deren nördlichster Posten
Chiavenna war; auch Lugano und Locamo fehlen nicht. Von Novara nach Westen
wird das Netz minder dicht, stärker ist nur Alessandria und Tortona mit ihrem Be-
zirk vertreten. Nach Osten hin ist die Abnahme weit geringer. Die Niederlassung
in Piacenza ist sehr alt. Tiraboschi Bd. 2. Selbstredend decken sich Wollindustrie
und Humiliaten nicht absolut.
« Vgl. Gaddi, Per la storia S. Uff.
' £d. Ceruti in Miscellanea di storia italiana 7, 716. Er lebte von etwa
1288 bis etwa 1384.
9*
X32 Zwölftes Kapitel.
de la Flamma. An einer andern Stelle seiner ^Chronica extravagans de
antiguiiatibus Mediolanu schildert Galvano die Produkte, welche die Eauf-
leute seiner Heimatstadt ausführen können. Zuerst nennt er die Waffen,
dann die Streitrosse, welche nach Frankreich und sonst über die Berge
ausgeführt würden. „Das Dritte, an dem wir wegen des Gewerbefleifses
unserer Eaufleute Überflufs haben, sind die Tuche. Diese Kaufleute
durchstreifen nämlich Frankreich, Flander;n und England, um feine Wolle
zu kaufen, aus der dann hier feine und edle Tuche in grofser Zahl ge-
woben werden, die in aller Weise gefkrbt und dann durch ganz Italien
verbreitet werden. Es bringen auch unsere Kaufleute von jenseits der
Berge Tücher von Scharlach und allerhand Art, Hermelin und anderes
Pelzwerk, eitern gendalia et pannos velutos et nachorutn auro purtssimo
textorum, ex quibus hahunde refunditur cunctis civitatihas Italie.^ Man
macht auch gröbere Wolltuche und das glänzendste Leinen, das auch
bis zu den Tartaren ausgeführt wird. Ebenso baumwollene, seidene Stoffe
»credonum, pellipariorum^^ deren Zahl unglaublich ist." Er zählt weiter
die Gewürze, Weine, Flüssigkeiten etc. auf, die von Mailand aus ge-
handelt werden*. Galvano flihrt also von den Gewerben seiner Stadt
als an der Ausfuhr beteiligt nur die Waffenschmiede, Sattelmacher,
Sporer und die der Textilgewerbe an, und doch war Mailand allen
Städten der Lombardei weit an Bedeutung wie an Zahl seiner Einwohner
überlegen *.
Monza war in der Wollweberei das Vorbild von Piacenza^ und auch
seine Bewohner werden wir dabei finden, wie sie Wollballen über die
Alpen nach Italien bringen. Die allerdings erst im Jahre 1331 auf-
gezeichneten Statuta mercatorum comunis Modoetie gewähren einen ge-
* Ed. Ceriiti ebda. 448 ff. An anderer Stelle sagt der mit Vorliebe Statistik
treibende Mönch : »opifices textorum lane, Ztni, homhacis, aericiy cerdonum, peUipariorum,
sart&rum sunt in numero indicihüu 7, 491 f. Der Venetianer Zolltarif führt weifse
nnd graue Tuche von Mailand, Lucca und Como an, aufserdem »stanfortini de medio-
lano, de moiza (Monza)* und »Borgomasclis (Bergamo)*. Über die e'stanfort^ (stamen
forte), ein feineres, zur Kleidung verwendetes Gewebe s. Bourquelot 1, 227 — 31.
Eine wichtige Quelle für die Handelsinteressen der Mailänder sind Verträge mit den
Bischöfen von Chur über die Simplonstrafse (Gremaud 30, 421. Vgl. 30, 255 zu
1270). An der Spitze stehen die panni draperie de Francia, aufserdem wird auch
lana und corduani genannt.
^ Nach Calvi, 11 patriziato milanese (Archivio storico lombardo 1, 414) waren
in dem Register der arte della lana alte Patrizier wie die Cotta, Pozzobonelli,
Airoldi, Casati, Crivelli, Maraviglia, auch solcher feudaler Herkunft wie die Imber-
sago und Vimercato eingetragen. Bis in die Zeit der spanischen Herrschaft nahm
der Adel am Handel lebhaften Anteil. Die Statuten von^Brescia (1813) erwähnen
§ 242 Tücher von Mailand und aus Frankreich. Mon. bist. patr. Bd. 16.
* Statut, mercat. c. 248 in Statuta yaria civit. Placentinae (Bd. I der Monum.
historica ad prov. Parmensem et Placentinam pertinentia) S. 67. Bestimmung von 1199.
WoUwebereL 138
Hauen Einblick in das Leben der Stadt, die ihre Hauptnahrung aus der
Wollindustrie zog. Selbst in diesem verhältnismäfsig kleinen Orte standen
sich die völlig unorganisierten Lohnarbeiter, die hier geradezu laboratores
genannt werden, und die Tuchhändler und Fabrikanten gegenüber^.
Tücher von Como werden im Zolltarif von Venedig besonders auf-
geführt*. Vercelli®, Pavia*, Novara*, Lodi, Bergamo^ und Cremona^
haben gleichfalls bedeutende Wollwebereien gehabt, wenn auch nicht so
grofse wie Mantua^ Auf Venedig •, Brescia*** und Padua*^ sei nur
kurz hingewiesen. Patavium war schon in römischer Zeit wegen seiner
Wollstoffe hoch bertlhmt gewesen. Sehr alte und eingehende Nachrichten
haben wir von der jedenfalls höchst bedeutenden Weberei in Piacenza, sie
gehen bis ins zwölfte Jahrhundert zurück^', auch Bologna hatte viele
Weber in seinen Mauern ^®. Den genauesten Überblick über die Weberei
der Po-Ebene giebt der Zollkatalog von Cremona^*. In Piemont dehnte
1 Statuti S. 50 u. öfter. 138 ist der Umkreis, der Jurisdiktion der consules
negotiatomm aDgegeben, er umfafst: »negociatio . . kmarumj pannorum, hombacis,
fustaneomrn, aramifds^ ferri et cujuslibet maneriei metdUi, spectarie, pdlcttarie, coraminis
et tinctorie, sete et cujusUbet aUerius merchadantie*.
> Andere Zeugnisse in den Statuten Spalte 153. 163. 1281 gehörten die draperii,
testoreSi tonditores und folatores zu den mercatores, so sehr trat auch hier der kauf-
männische Charakter dieser Industrie hervor. Mon. hist. patr. 16, § 25.
« Stat. §§ 207 u. 287. Mon. hist. patr. Bd. 16.
^ Vgl. Magenta, I Visconti 1, 20. Auch dort Einflufs der Humiliaten.
'^ Eine Weberzunft erwähnen die Statuten. Ceruti, Statuta commonitatis
Novariae S. 108.
* Die Statuten von Bergamo aus der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts
(Mon. hist. patr. Tom. 16) belegen das Sp. 2001, 2011, 2022.
"^ 1305 wird der Zoll auf die »soma lanae Franciae vel de ultra monUbuS' auf
5 sol. imp. herabgesetzt. Astegiano 2, 154.
8 Gaddi S. 15 zu 1208.
« Marin 5, 246 flf.
1® Statut. V. 1251 beweist Tuchweberei, ebenso Stat. v. 1313. Mon. hist. patr.
Bd. 16 Sp. 584 (139X 1684 Färber, 1824.
iiStatutidiPadovaed. Gloria §§ 821-825. Die Stadt bemüht sich eifrigst,
laborcttarea lane et pignolatorum dorthin zu ziehen, § 1207 von 1273.
^^ S. oben« Die Statuten sind die ältesten erhaltenen Kaufmannsstatuten.
^* Halbwollene Tücher von Bologna, Mantua, Verona und Brescia, neben Tüchern
von Mailand und Como erwähnt im Tarif von Modena 1306 Muratori, Ant. It. 2,
897. 1222 luden die Bolognesen die factores panm Urne sive pignolatt unter Zu-
sicherung zwanzigjähriger Lastenfreiheit ein, sich in ihrer Stadt niedenulasseii«
Statuti di Bologna ed. Frati in den Mon. istorici pertinent.4alle prov.
della Romagna ser. I, tom. 1, 494.
1^ Zoll Vergünstigung für die Venetianer in Cremona vom J. 1275 (Astegiano
1, 358). Leider nur ein Regest, aus dem ich die auf die Tücher bezüglichen Stücke
aushebe: »pecuis panni de Franciae pecias panni de Mediolano ^ de Cwno^ de Papia,
de FlarenUa, de Toschatuij pecicts de rosetia de Cummis, de BerghemOf scheüs et pannis
134 Zwölftes Kapitel.
sich die Wollweberei erst später aus. So wurde 1334 in Saluzzo eine ars
lanae eingerichtet, 1390 hatte man diese Absicht für Turin, und in Chieri
geschah es 1424 ^. Bald entstand ein gro&er Handel, auch nach Deutsch-
land. In Alessandria und Tortona war die Wollindustrie jedoch viel
älter. Auch in Genua waren die Wollweber das wichtigste Handwerk*.
In Toscana ist neben Pisa® und Siena* Pistoja zu nennen, das
einen sehr lebhaften Handel mit Spanien betrieb und vor allem wohl
spanische Wolle verbrauchte*. Lucca hatte gleichfalls eine bedeutende
Wollindustrie, wenn sie auch nicht mit der von Florenz sich vergleichen
konnte •. In Florenz hat die italienische Wollindustrie die höchste Blüte
erreicht^. Hier gab es eine Zunft, die kein Gegenstück irgendwo gehabt
hat, wenn auch in Piacenza dieselbe Thätigkeit aber innerhalb der WoU-
weberzunft ausgeübt wurde®. Es war die arte di callimala, die sich mit
der Verbesserung fremder, vorwiegend französischer Tücher befafste.
Da die toscanische Wolle nur für schlechte Stoffe brauchbar war, die
florentinische Technik aber sehr hoch stand, bildete sich die Zunft,
welche fremde Halbfabrikate aus feinem Rohstoff erwarb, um sie zu
scheren, zu appretieren imd zu fkrben. Die Überlegenheit im Geschmack
öflnete den so verfeinerten Tüchern nicht allein den Weg nach dem
Orient, sondern auch in das Ursprungsland der Halbfabrikate, ja schliefs-
lich wohl gar nach England.
grossis de Flacetitia, pecioA panni de Bergamo, de Verona et Mantua et l*anna et
Bononia et BegiOy pecias de Brixianinis, Al^nwieschis et drapis parvi raloris de Cre-
mona, pecias panni de melioramento de Cremona et Brixia*. Vgl. auch die Bestimmung^
von 1307 über die »panni de Franda, de ultra montibus, de Mediolavo et hdbentes
aimüitudinem cum drapis Mediolanornnm et de ultra montibus,* sie zahlen jjro Saum
in Zukunft statt 6 /? 10 /?. Astegiano 2, 155. Vgl. Astcgiano h 360.
^ Cibrario, Storia di Chieri 1, 501.
* Serra, Storia della antica Liguria 4, 76.
* Schultz 1, 340 führt eine Dichterstelle an. Über die Ars ianae vgl. Doren
10, sie hatte schon im dreizehnten Jahrhundert sich durchaus als eine Hausindustrie
organisiert. Die Statuten von 1305 bei Bonain i, Statut! della cittädi Pisa 3, 645—761.
* In Siena lebten viele von der Wollindustrie, doch war sie durch Wasser-
mangel behindert. Zdekauer, II constituto del comune di Siena dell' anno 1262,
Milano 1897 S. 330.
^ Auch Pistoja verwandte von auswärts aus Verona und der Lombardei herbei-
gezogene Wollarbeiter. Als Heimat der Wolle wird Garbo, also Algarve genannt;
Zdekauer, Statutum potestatis comunis Pistorii 1888 S. 239, 1 und 132, 20.
* Bongi, Della mercatura dei Lucchcsi S. 13 (F. Luccä erscheint auch im
Venetianer Zolltarif.
•^ Neben Davidsohn, Gesch. v. Florenz ist zu vgl. P. Villari 1, 207 u. 273
und Doren, Entwicklung und Organisation der Florentiner Zünfte im dreizehnten
und vierzehnten Jahrhundert. Leipzig 1897.
« Es wurden Tücher de ultra montes gefilrbt. Stat. d. Kaufl. § 247 S. 67. Ähn-^
lieh wohl in Cremona und Brescia.
Wollweberei. 135
Das Geschäft der callimala lag natürlich von vornherein in den Händen
von kapitalkräftigen Kaufleuten; der Handwerker, der Färber u. s. w.
war in diesem kapitalistischen Geschäftsbetriebe ein von dem Kaufmann
abhängiger Arbeiter, wenn auch die lokale Vereinigung der Arbeiter zu
Fabrikbetrieben noch unbekannt war.
In der arte della lana waren die, welche sich mit der Vollherstellung
von Tuchen befafsten, vereinigt. Davidsohn hat in seiner vortrefflichen
Qeschichte von Florenz den Nachweis erbracht, dafs die Webekunst in
Florenz und Umgebung auf ein hohes Alter zurückblicken kann ^, ihre
Übung in den Klöstern ist für das neunte Jahrhundert belegt, schon
1062 erscheint ein Walker*-*, 1096 ein Färber, 1132 ein calzajuolo, d. h.
ein Verfertiger tricotartiger Beinkleider. Es war also damals bereits die
Berufsteilung sehr intensiv geworden. Und diese Leute erwarben Wohl-
stand, die Zunft der Strumpfwirker konnte ein Spital begründen! Die
arte della lana umfafste also die Vollproduktion von der Wolle bis zum
Tuche und ist somit eine normale Wollweberzunft, während die Ver-
besserungszunft der callimala ohne Vergleich dasteht. Aber auch die
arte della lana nahm eine Sonderstellung unter den Wollweberzünften
der Welt ein. Sehr früh wurde sie kaufmännisch, und vollberechtigte
Mitglieder waren nur die Kaufleute, während die Arbeiter von den
Färbern bis zu den Ciompi hinab kaum ein Recht in der Zunft hatten.
Die Tuchweberei arbeitete hier schon im dreizehnten Jahrhundert nicht
iiUr den leicht auch von einem Kloinmeister zu übersehenden lokalen
Bedarf, sondern für den Weltmarkt. Seine Konjekturen konnte nur der
Kaufherr überblicken, seine Überlegenheit an Umsicht imd Kapital machte
aus dem Kleinmeister einen abhängigen Arbeiter. Der handwerksmäfsige
Kleinbetrieb wurde in . eine von einem kapitalkräftigen Kaufmann ab-
hängige Hausindustrie kapitalarmer Arbeiter umgewandelt, die je einzelne
Teile der Arbeit besorgten. Bei der Tuchbereitung wurde die Arbeit also zer-
legt. Eine solche Zunft, in der die Kauf leute alles, die sottoposti so gut wie
nichts bedeuten, machte die ganze Zunft natürlich zu einer kaufmännischen,
und so erscheint denn auch die Zunft unter den sieben arti maggiori ^.
Das Textilgewerbe von Florenz war also wesentlich nach kauf-
männischen Gesichtspunkten organisiert. Und so kann es uns nicht
wunder nehmen, florentinische Kauf leute schon sehr früh im Auslande
zu finden. Unsere deutschen Könige haben freilich Florenz in keiner
Weise gefördert, vielmehr wiederholt ihrem Handel entgegengearbeitet*.
* 1, 91 u. 738 und Forschungen z. älter. Gesch. v. Florenz S. 152 ff.
* Die gualchera von 1113 ist wohl sicher eine Walkmühle. Wie weit war also
schon damals Toscana voran!
» Doren S. 14. 59—61 u. 75 ff".
* Davidsohn 790 ff*.
136 Dreizehntes Kapitel.
Nach Deutschland kann ich keine Fäden nachweisen ; die sehr alten Be-
ziehungen nach Frankreich hat aber Davidsohn dargelegt Der Gebrauch,
Kinder, die während der Reise des Vaters geboren wurden, nach dem
Aufenthaltsorte desselben zu benennen, wird schon 1136 durch einen
Franciscus, dann durch die Namen Proyincialis und Parisinus belegt^.
Bei Angaben über Ausfuhr von weifsen, himmelblauen und roten tosca-
nischen Tuchen nach französischen Märkten (1152) wird speciell nur
Lucca genannt, die Rivalin Florenz dürfte aber nicht gefehlt haben*.
War doch hier ein intensiver Handel mit Algarvien, woher das feine
Tuch >f7 Garbo* eingeführt wurde, und Florentiner und Sienesen
sicherten sich bei einem Vertrage mit dem Markgrafen von Montferrat
1178 ihren Warentransport nach Frankreich, indem sie sich das Recht
erwirkten, in Chivasso Repressalien zu üben. Über Chivasso aber ging
der Weg von Genua- Asti nach Ivrea, also zum Grofsen wie Kleinen
St Bernhard®.
Villani erzählt uns, im Jahre 1308 hätten fast 300 Geschäfte sich
mit der Wollindustrie, der arte della lana, beschäftigt, es seien jährlich
100000 Tuche in Florenz hergestellt worden. Damals habe man noch
nicht verstanden, englische Wolle zu bearbeiten. Seitdem sei das gelernt
worden, die Tücher erheblich verfeinert; wenn auch die Zahl der Ge-
schäfte bis 1338 auf 200 und die der Tuche auf 70—80000 gesunken
sei, so sei der Wert der Tuche aber erheblich gestiegen. 1338 zählt
die Callmala zwanzig Häuser, die jährlich für 300000 Gulden mehr wie
10 000 Stück Tuch zur Verschönerung kommen liefsen. Nicht gerechnet
seien die Stücke, welche von Florenz nach auswärts geschickt seien ^.
Dreizehntes KapiteL
Bekleidnngsstoffe (Schlufs). Seidenweberei. Baamwollweberei. Farbstoffe.
Oewflrze. Wachs. Metalle. Lebensmittel. Pferde. Vieh. Sklaven.
Seidenweberei. Erste Anfänge. Lucca , andere italieniscJie Orte. Paris,
Zürich. Konstanz. — B aumto ollw eher ei. In Italien verbreitet, namentlich in der
Lombardei. Handel. Herstellung auch in Flandern. — Neue Farbstoffe in grofser
Zahl. — Gewürze. Wachs. Beeren des Lorbeers. — Metalle. Verbreitung des Berg-
baues. Waffenifidustrie. — Lebensmittel. Getreide. Wein. Salz. Fische. Produkte
der Viehzudit. — Pferde und Vieh. Häute. Pelzwerk. — Sklaven.
Wie Florenz die Meisterschaft in der italienischen Wollweberei
erworben, so besafs sie Lucca im Bereiche der Seidenweberei. Bis in
1 Davidsohn 791 f.
« 792.
' Davidsohn 551.
* Lib. 11 cap. 94.
Seidenweberei. 137
das dreizehnte Jahrhundert blieben neben den Byzantinern die Moslemen
die Produzenten und Exporteure der im Abendlande hochgeschätzten
Seidenstoffe y die massenhaft für die liturgischen Gewänder gebraucht
wurden. Wie oft mögen in Italien weilende Prälaten und Grofse solche
kostbare Stoffe mit in ihre Heimat genommen haben! Welch deutliche
Sprache redet der Halberstädter Schatz mit den Resten dessen, was
Bischof Eonrad von seiner Pilgerfahrt heimbrachte ^ ! Neben diese Aus-
länder traten nun die Italiener, allerdings nur weniger Städte in die
Reihe der Produzenten ein '. In Sizilien hatten die normannischen Filrsten,
wie es bald auch die spanischen thaten, die Erbschaft der Araber an-
getreten, wenn in Palermo 1148 auch griechische Arbeiter eingeführt
wurden®. Die so verjüngte Anstalt hatte glänzende Werke geschaffen*.
Die Genuesen und Venetianer hatten die Seide zunächst in ihren orien-
talischen Niederlassungen herstellen lassen, in Venedig selbst findet sich
der erste sichere Beleg für dort betriebene Seidenweberei 1248, 1265 gab
sich die Zunft ein Statut*. In Florenz ist für 1187 schon Seidenweberei
wahrscheinlich — indem damals Heinrich VI. einen Tribut an Sammet der
Stadt auflegte^; jedenfalls waren in der Zunft der Por Sta. Maria zunächst
die Leute, welche den Kleinhandel mit Tuch etc. betrieben, weit wichtiger,
als die Seidenweber, nach denen später die Zunft benannt wurde ^. Wenn
also auch schon im dreizehnten Jahrhundert die Seidenweberei in Florenz
bekannt war, so hat doch Villani sie in seiner Übersicht über die ver-
schiedenen Berufe ganz aufser acht gelassen. Durch Lucchesen wurde
die Kunst verfeinert, sie lehrten die Herstellung des Goldbrokates, und
seit der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts hatte die Seidenweberei die
nachlassende Tuchindustrie auch in Florenz überflügelt®, und Seiden-
gewand wurde nun vor allem nach dem Norden exportiert.
Woher die Kunst der Lucchesen gekommen ist, wissen wir nicht.
Seit dem neunten Jahrhundert ist sie hier nachzuweisen ^ und war da am
höchsten entwickelt. Das Gewerbe wurde durchaus kaufmännisch geführt,
und den Rohstoff bearbeitete auch hier der Heimarbeiter filr den Kauf-
^ Über die heute noch erhaltenen Seidengewebe Silbermann 1, 74 f. u. 154 f.
^ Graf Broglio d'Ajano, Die venetian. Seidenweberzünfte vom dreizehnten
bis sechzehnten Jahrhundert.
* Heyd 2, 684 f. Nach Silbermann 1, 53 (bez. Marincola) soll schon im
neunten Jahrhundert der Seidenbau in Kalabrien betrieben sein.
^ Silbermann 1, 54. 60.
'' Broglio S. 7.
« Davidsohn 794.
T Deren S. 62 ff. Vgl. auch Villari 1, 283 ff.
» Doren S. 74.
^ Broglio 9. Kiegl in Bucher, Gesch. d. techn. Künste 3, 370 denkt an
Einflufii von Pisa als einem Hafenorte. Mir ist das wenig wahrscheinlich.
138 Dreizehntes Kapitel.
mann *. Luccheser Seidenstoffe wetteiferten mit den feinsten des Orients*
Das päpstliche Schatzverzeichnis von 1295 zählt eine ganze Serie von
grünen, roten, violetten und blauen, zum Teil auch mit Gold durch-
wirkten Stoffen auf. Greifen, Rosen, Leoparden, Vögel u. a. waren
hineingewoben, und auf einzelnen sah man die Wappen der Gaetani und
Savelli. Die spanischen Stoffe, die aus Byzanz und dem Orient, standen
diesen zum Teil eigens für die Päpste hergestellten vielleicht nach^. Dafa
jene feinen Gold&den, die so lange einer chemischen Analyse gespottet
haben, auch in die Luccheser Stoffe verwebt wurden, ist unzweifelhaft'.
Später wurde in Lucca, Genua, Mailand und Florenz die Kunst sehr
entwickelt, in feine Drähte gezogenes Gold (leonische Gespinste) zu ver-
weben *.
Aber diese hohe Kunst blieb nicht lange mehr verborgen, schon im
Laufe des dreizehnten Jahrhunderts kam ein ihr Kundiger nach Bologna
und führte das Geheimnis der Lucchesen mit sich, die Seidenspinn-
maschine*. 1307 wandten sich flüchtige Lucchesen nach Venedig, und als
1314 Uguccione della Faggiuola die Stadt einnahm, brachten andere
Seidenarbeiter die Geheimnisse nach Florenz, Genua, in die Lombardei,
ja sie sollen nach Deutschland, Frankreich und England gekommen sein®.
Das rauhe Regiment Castruccios veranlafste immer erneut solche Aus-
wanderungen^. Die Mailänder verhandelten zum mindesten :drapi de auro
et syde^^, ja nach Bonvesin wurde schon 1288 Seide dort verarbeitet**.
Schon 1262 einigten sich zwei Purpurweber von Genua, Purpurtücher
und gülddurchwirkte zu weben, und zwar auch aus Seide ^^. Das wurde
ja Genuas schönste Kunst, gesponnenes Gold und Silber in Seide zu ver-
weben! Auch Genua lieferte nach dem Schatzverzeichnisse der Kurie
bereits den Päpsten, und wenn auf den Schiffen der Genuesen, mit denen
sie den Sohn ihrer Stadt, Papst Innocenz IV., sich seidene Segel blähten,
» Hroglio 26 f.
2 Molinier in Bibl. de T^cole des chartcs 47, 649 Nr. 1222 umfafst:
»112 pannos lucanos et veneticos cum auro et sive auro ad äiversa opera^ computatisi
novis d veteribus*,
8 Bock, Gösch, d. liturg. Gewänder 1, 48.
* Silbermann 1, 76 ff. über die verschiedenen Arten dieser Technik.
» Bongi 49 f.
• Tegrini (Muratori, Scr. 11, 1320) übertreibt da wohl, im übrigen ist er
ein Zeitgenosse Lodovico Maria Sforzas, gehört also ins Ende des fünfzehnten Jahr-
hunderts. Schultz 1, 339 führt Dichterstellen für pailes de Parte an, da sie jedoch in
Ungarn gekauft wurden, ist wohl an eine orientalische Herkunft der Stoffe zu denken.
' Muratori SS. rer. it. 11, 1325.
® Verträge über die Simplonstrafse s. unten.
^ De magnalib. urbis Mediolani 90.
*® Sieveking, Seidenindustrie 102. Broglio 10.
Baumwollweberei. 139
so dürften sie in ihrer Stadt oder doch in ihren Kolonien hergestellt
sein^ Die Blüte des Genueser Seidengewerbes feilt in spätere Zeiten.
Doch schon vorher gab es Seidenweberei auch in Paris, wo bereits
im dreizehnten Jahrhundert sechs Korporationen von dem Verkauf und
der Bearbeitung der Seide lebten ', und schon hatten sich die ersten An-
fänge der Seidenweberei in Deutschland gezeigt. Ein altes Zeugnis für
Seidenspinnerei ist nicht beweiskräftig. Werner läfst in seinem Marien-
leben die hl. Maria Seide spinnen, wo die andern mit der Wolle sich be-
schäftigen ^. Doch geht es auf den Liber de infantia Mariae zurück * und
weiter auf das Protevangelium Jacobi, es ist also der Zug nicht in Deutsch-
land der Legende hinzugeftlgt. Der Züricher Richtebrief sieht aber den
Diebstahl von Seidengarn, das ein Kaufmann dem Heimarbeiter anvertraut
hat, vor. Es war jenes Vergehen, das bei dem hohen Werte des Rohstoffes
und der Möglichkeit, durch Anfeuchten der Gewebe selbst die Kontrolle
durch die Wage illusorisch zu machen, überall erscheint*. — Man hat
heute ganz vergessen, wie die Redensart vom Seidespinnen entstanden
ist. Sowohl die ältere wie die jüngere Fassung des Richtebriefes ent-
halten aufserdem noch weitere Bestimmungen über die Seidenindustrie,
nicht allein über den Handel mit Rohseide, der schon an sich ein Seiden-
gewerbe nördlich der Alpen voraussetzt •. Auch Konstanz glaube ich zu
den Städten rechnen zu müssen, in denen die Seidenweberei geübt wurde.
Wie hätte man sonst auf die Idee kommen sollen, den Prozefs der
Weberei in einer Reihe von Bildern an den Wänden eines Hauses dar-
zustellen "^ ?
Der vierte Faserstoff, die Baumwolle, hat schon vor 1300 eine Massen-
verwendung gefunden, Baumwollstoffe waren schon damals durchaus nicht
unbekannt. Im nächsten Jahrhundert sollte sich von Italien über die
Alpen die Verarbeitung dieses billigen Rohstoffes nach Deutschland aus-
dehnen und hier in der Barchentweberei eine hohe Blüte erreichen. Die
Baumwollstaude war bis nach Süditalien und Spanien verbreitet, wenn die
besseren Sorten auch der Levante angehörten**. Die Weberei Spaniens
* Vgl. auch Serra 4, 76. Über genuesische Stoffe in England vgl. Bock 1, 47
Anm. 1.
2 Hoyd 2, 699. Fagniez, Etudes sur l'industrie etc. k Paris 217.
8 Hoff mann, Fundgruben 2, 177, 35.
* Königsb. Univ.-Schriften z. 18. Jan. 1869 S. 22.
* So in Paris. Fagniez 222.
* Die Fassung von 1304 Arch. f. Schweiz. Gesch. 5, 248 u. 263, die ältere
in der Helvet Bibliothek 2. Stück (Zürich 1735) S. 62 f., 74 f., 82. Vgl. Bürkli-
Meyer 7 u. 33 ff.
^ S. oben S. 115. Die S. 116 Anm. 1 angeführten paile de Costance würden,
wenn sie als Seidenstoffe zu bezeichnen wären, hier als Beweis anzuführen sein.
8 Heyd 2, 572 ff. Fagniez 215.
140 Dreizehntes KapiteL*
und speciell Barzelonas hatte schon im dreizehnten Jahrhundert einen
bedeutenden Umfang. In Italien wurde Baumwolle schon am Ende des
zwölften Jahrhunderts in Bologna verwoben, Rimini, Venedig, Bergamo
folgten nach ^j in Padua war 1265 diese Industrie heimisch ^, aber keines-
wegs machte die Baumwollweberei dort bereits ernstlich den drei anderen
Textilzweigen Konkurrenz. Am ältesten und entwickeltsten dürfte dieser
Zweig der Textilindustrie in Piacenza, Cremona, Mailand uod Pavia ge-
wesen sein^, namentlich für Piacenza haben wir eben so alte wie ein-
gehende Bestimmungen^. Sehr früh erscheint die Baumwolle in Genua ^
Schon in dem Tarife des Zolles von Lodi von 1192 fehlt die soma fusta-
niorum nicht •, und in einem Vertrage von 1193 steht unter den Waren,
die von Genua nach Lodi gebracht werden, die Baumwolle voran ^.
Die Baumwollstoffe waren auch nördlich der Alpen nicht unbekannt,
auf den Messen der Champagne wurden fustagni (Barchent) schon im
zwölften Jahrhundert verhandelt, ebenso in England schon um die Mitte
des zwölften Jahrhundert®, ja es gab eine Abgabe eigens für diesen Stoff'.
Der Barchent wird in Deutschland schon in den Liedern Neidharts von
Reuental genannt, noch öfter der Buckeram, von dem es jedoch zweifel-
haft ist, ob er stets aus dieser Faser oder von Flachs zubereitet wurde *®«
Nübling nimmt an, dafs der king cotton in den zwanziger Jahren des vier-
zehnten Jahrhunderts seinen Einzug in Deutschland, speciell in Ulm ge-
halten habe. Das ist möglich ^^. Erst mufste die Baumwollweberei vor
1 Hüll mann, Städtewesen 1, 70 ff. Statuten von Bergamo. Mon. bist,
patr. 16, 2023.
> Statuti di Padova ed. Gloria Nr. 823.
' Stat. merc. Piacent, c 650 S. 169 erwähnt bereits fustanei Mediolanenses,
Cremonenses und Pontremolenses. In Pavia gab es 1868 eine Zunft der fustiiqnari,
Magenta 1, 150. Zolltarif von Cremona erwähnt bambaxiutn. Auch Monza er-
zeugte 1331 fustagni Statuti S. 82, 136 n. 138. In den Verträgen über die Simplon-
straTse (s. unten) stellen die Mailänder die fustanei an die Spitze der zweiten Wert-
klasse. Über Cremona vgl. Astegiano 2, 361.
^ St. merc. PL c. 169 ff. 242. 265. Die Baumwolle scheint zumeist von Genua
bezogen zu sein.
» Die Wiegetaxe von 1140 Lib. jur. 1, 71 f. nennt hambacium de Siälia,
Alexandria et Antiochia. Die baUa fustaneorum 1204 erwähnt ebda. 1, 521.
« Vignati 3, 188.
' Vignati 3, 198.
» Hans. Urkb. 3, 392 (Mitte des 12. Jahrh.) und 3, 382 (mindestens vor 1250).
» Bourquelot 1, 243.
»» Heyd 2, 692. Schultz 1, 352. Auch beim Barchent schränkte sich nach
Schmoll er S. 441 der Begriff erst später auf ein Gewebe mit leinener Kette und
baumwollenem Einschlag ein.
" Nübling, Ulms Baum Wollweberei S. 141. Was er von dem Verarbeiten der
Baumwolle auf dem Reichenauer Klosterhof vermutet, widerdpricht ganz den G^e-
pflogenheiten der tief gesunkenen Klosterherren der Reichenau jener Tage.
Farbstoffe. 141
allem in Mailand ^ erstarken, bis sie zunächst Konstanz und Basel, dann
Ulm, Augsburg und Biberach ergriff. Mir wenigstens scheint es nicht
zulässig, von deutscher Baum Wollweberei vor 1320 zu reden. In den
andern Textilbranchen waren die Alpen keine Scheidelinien mehr, am
meisten noch in der Seidenindustrie, hier aber war das Land der Produktion
von dem der Konsumtion noch völlig getrennt. Bei jenen war diese Unter-
scheidung nur für die feineren Sorten bestehen geblieben. Flandern war
auch hier am weitesten vorangeschritten und machte eine Ausnahme. Die
Maklerrolle der Gräfin Margaretha von Flandern von 1252' und die Ver-
ordnung der Stadtbehörde von Brügge fllr den Handel der fremden Kauf-
leute von 1304 erwähnen Ballen von BaumwoUengam , aber auch von
Baumwolle selbst, die also doch im Lande versponnen wurde ^, und jenes
Verzeichnis der Königreiche und deren Produkte, die nach Brügge kamen,
und das noch dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts angehört, führt
Armenien mit seiner Baumwolle an^.
Mit der zunehmenden Blüte der Textilgewerbe konnten die alten
einheimischen Farbwaren nicht mehr genügen. Eine Konkurrenz mit
den orientalischen Stoffen war nur denkbar, wenn auch die dortigen
Färbemittel verwendet wurden. Dieser Umschwung scheint sich nördlich
der Alpen bis zum Ausgang des vierzehnten Jahrhunderts vollzogen zu
haben, während in Italien schon früher einige der selteneren Farbstoffe
gebraucht wurden*.
Ein *gutes Färbemittel besafs Deutschland in der Waidpflanze (Isatis
tinctoria) ^. Ihre Güte hat wohl so lange den besten Farbstoff, das Indigo,
vom Norden Europas zurückgehalten. Fast gleich alt dürfte die Ver-
wendung der Färberröte (rubia tinctorum, Krapp) gewesen sein, da sie
schon in dem Capitulare de villis Karls des Grofsen erscheint, doch
kamen die besten Qualitäten aus dem Orient^, später war die Pflanze
in Deutschland viel angebaut, so im Elsafs^.
Von den exotischen Farbwaren ist am ersten im Norden nachzu-
weisen die Kermesschildlaus (Coccus Hicis), die man im getrockneten
Zustande für Beeren ansah und als grana oder auch nach der von ihr
bereiteten Scharlachfarbe grana scarlati bezeichnete. Sie war auch in
Spanien und Südfrankreich heimisch, wurde aber ebenfalls aus dem Orient
^ Bei Galvano Fiamma nur nebenbei erwähnt
» Hans. Urkb. 1. 158.
» Ebda. 3, 421.
* Ebda. 3, 420.
* Aach hier ist für die Forschung noch ein weites Feld offen.
« Bourquelot 1, 221. Geering 308. Hans. Urkb.
' Heyd 2, 590. Im Hans. Urkb. selten erwähnt.
« Geering 308.
142 Dreizehntes Kapitel.
bezogen^. Wahrscheinlich sind auf sie die vermiculi des Capitulare de
villis und des Formelbuches des Bischofs Salomo von Konstanz zu be-
ziehen, den nächsten Nachweis nördlich der Alpen kann ich allerdings
erst zu 1252 geben*. Sollte also dort ein Irrtum vorliegen, so würde
ein anderer Farbstoff hinaufrücken, das Brasilienholz, das Holz der in
Hinterindien und China vorkommenden Caesalpinia Sappan^. Schon für
das zwölfte Jahrhundert hat Heyd das Vorkommen in Flandern belegt*;
es findet sich auch in dem Zollkatalog von Lodi von 1192 und 1252 in
Flandern *.
Zum GelbfUrben, wenn auch nicht der Tuche, wurde der Safran (arab.
asfar, fem. safra, pers. zaaferän® = gelb), die Blütennarbe des Crocus
sativus verwendet, sie fand aber auch bei den Malern, beim Arzte und
vor allem in der Küche reichliche Verwendung. Die Pflanze wurde in
Spanien und auch in Italien, nachdem sie wohl in den Kreuzzügen auch
dorthin verpflanzt war, angebaut^, ja ihr Anbau wurde später auch in
Deutschland versucht und gelang z. B. in Basel auf das beste ^. Seine
Verwendung ist für Flandern durch das Verzeichnis der Produkte der
Königreiche belegt, man bezog ihn dort aus Aragonien^, auf den Cham-
pagner Messen findet er sich 1265 als wichtiger Handelsartikel, dessen
Preise die Kauf leute notierten *®.
Für die Herstellung von Grün bediente man sich einer Mischung,
wobei Auripigmentum (Opperment) benutzt wurde. Auch dieser vor-
wiegend von Malern benutzte Farbstoff kam 1304 in Brügge vor**, er
erscheint übrigens schon im zehnten Jahrhundert*^. Das Indigo hingegen
läfst sich nördlich der Alpen in dieser Periode noch nicht nachweisen,
obwohl die Genueser Wiegetaxe von 1140 diesen Farbstoff neben dem
Brasilholz und Alaun anführt*^, der Zolltarif von 1192 einen Satz für
* Heyd 2, 609 ff. Über Kermcs zur Bereitung des Purpurs der Phönizier s.
Silb ermann S. 42 und Karabacek in den Mitteil, des k. k. Museums für Kunst
u. Industrie 1880 Nr. 177. Nach ihm ist grana der Stoff europäischen Ursprungs
(Griechenland, Spanien, Languedoc, Provence, Dauphinö), während chermisi auf
orientalischen Ursprung hinweist.
« Hans. Urkb. 1, 156. Dann 1304 ebda. 3, 421.
» Heyd 1, 576 flf.
* 1, 577.
^ Vignati a. a. 0. und Hans. Urkb. 1, 156.
« Flückiger 778.
^ Heyd 2, 645. Stieda, Handelsbeziehungen 104.
8 Geering 238.
» Hans. Urkb. 3, 420.
^0 Lettere volgari S. 56. Schaube, Kursbericht 280.
" Stieda 101 f.
" S. oben S. 73.
'3 Lib. jur. 1, 71 f.
Gewürze. Wachs. 143
eine Saumlast Indigo hat^ und in Marseille aus Bagdad kommendes
Indigo in der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts verhandelt wurde'.
In der Ordnung der Färber von Douai wird Indigo nicht erwähnt^.
Dieser Pflanzenfarbstoff, der schon im Altertume bekannt war und in
der purpurfarbigen, aus dem neunten Jahrhundert stammenden Totenhülle
des hl. Ambrosius neuerdings nachgewiesen wurde ^^ trägt seinen Namen
nach der indischen Heimat, doch findet sich der Anbau auch in Ägypten,
Spanien und Sizilien; jedoch wurde er erst in den Tagen der Kreuzzüge
lebhafter vertrieben, aus England führt Heyd einen Beleg ftlr 1274 an*.
Andere Farbstoffe, wie das rote, gelbe und weifse Sandelholz, die
Orseille (Raspa), Grünspan sind mir in keinen Belegen vor 1300 bekannt
geworden.
Die Färber verwendeten endlich fast stets — bei Wollen- wie bei
Seidenstoffen als Hilfsmittel Alaun, das in dem Rufe stand, die Farben
leuchtender zu machen, und es erscheint nun wirklich auch ganz allein
von allen Farbwaren in einem Katalog unseres Gebietes, in dem von
Chur (1290 — 98)*. Die Verwendung des Alaun in der Gerberei ist noch
viel bedeutender, mit ihm arbeiteten alle Weifsgerber, somit ist aus dem
Vorkommen der Weifsgerber auch auf die Verbreitung des Alaun zu
schliefsen.
Der Verbrauch an fremdländischen Produkten, an Gewürzen für die
Küche, an Medikamenten, an Parfümen und an den für den gottesdienst-
lichen Gebrauch erforderlichen Rauchstoffen und Gewürzen hätte schon
infolge der Zunahme der Bevölkerung und ihres Luxus, wie der Steige-
rung der Lebensführung zunehmen müssen, wenn auch nicht die Kreuz-
züge Massen von West- und Nordeuropäern in die Heimat dieser Waren
oder doch zu ihren Stapelplätzen geführt, sie dort mit dem Gebrauch
derselben vertraut gemacht und das Bedürfnis danach in ihnen grofs ge-
zogen hätten. Jetzt begann die Zeit, wo auch in Deutschland die Krämer
und Apotheker erscheinen und meist eine ehrenvolle Stellung neben der
reichsten Zunft, welche die der Tuchhändler zu sein pflegt, gewannen.
* Vignati a. a. 0.
^ Blancard, Register. Auch in Bologna ist 1194 Indigo bekannt (Muratori,
Ant. Ital. 2, 894) wie um die gleiche Zeit in Piacenza. Stat. merc c. 237 8. 64 u.
c. 265 S. 72. Der reichhaltige Zolltarif von Cremona führt an Färb waren an: »soma
Jtendeghi (Indigo), hraxüis, aluminis (s. oben), de centenario rocae (Kermes), guadi
(Waid), galetit.
8 Fagniez S. 209.
^ Silbermann 42.
^ 2, 597 f. In hansischen Quellen findet er sich nicht.
• Mohr 2, 110. In Lodi 1193. Vignati 3, 198. Cremoneser Katalog mit ge-
nauer Unterscheidung: •aluminis Cncharine et de Castilia et de Rozia, de miliario
aluminis de Feca*, Zur Deutung vgl. Heyd 2, 550 — 557.
144 Dreizehntes Kapitel.
Für den Gebrauch der Küche erscheinen neben Pfeffer \ Galgan,
Gewürznelken, Zimmt, Ingwer ^^ Muskatnufs etc. der damals sehr teure
Safran^ und Kardamomen, die 1259 schon in Köln recht marktgängig
waren ^. An andern Droguen finde ich, ohne meine Streifzüge weit aus-
zudehnen, Manna, Aloä und Traganth in dem Arzneibuche, das im
zwölften Jahrhundert in Schaffhausen geschrieben wurde '^. Die hl.
Hildegard kennt Lakrizen (Stlfsholz) und Kubeben ^. Aus Hinterindien
stammte das bei Räucherungen, aber auch als materia medica verwandte
sehr theure Aloäholz ^, aus Persien das Manna, der Honigsaft des Alhagi
Camelorum, das ein Arzneimittel war^, wenn das Manna von der Manna-
esche gemeint ist, so war der Weg kürzer, denn sie war bis nach Süd-
italien verbreitet ®. Noch näher lag die Heimat des Traganth, Gummi de»
Astragalusstrauches, dessen Benutzung eine vielseitige war als Heilmittel,
bei Bereitung von Azurblau und beim Vergolden*®.
Für den Gottesdienst wurde Balsam und Weihrauch gebraucht.
Ein sehr bedeutender Handelsartikel, der heute nicht entfernt mehr
die Bedeutung hat wie damals, war das Wachs. Es wurde keineswegs
nur inländisches Wachs verwendet, obwohl mit ihm z. B. Nürnberg, das
für die Bienen des Nürnberger Waldes sogar ein Zeidleramt hatte, einen
ausgedehnten Handel betrieb, im Gegenteil kam es nach Brügge aus
Rufsland, Ungarn, Böhmen, Polen, Castilien, Andalusien, Granada,
Portugal und von der afrikanischen Meeresküste. Die letztere Provenienz
käme auch fUr den Alpenhandel in Betracht. Auf den Messen der Cham-
pagne wurde Wachs aus Venedig, Tunis und Romanien (byzant. Reiche)
in so grofsen Quantitäten gehandelt, dafs ein Sienese über den zeitigen
Preis nach Haus berichtete, das Venezianische war das theuerste**. Aller-
1 Zahlreiche Zeugnisse über die Preise des Pfeffers hat Schaube, Kursbericht
S. 274 — 79 gesammelt. Er berechnet den Preis von 100 kg für die Champagner-
messe von 1262 auf 602 Mark, während der Hamburger Durchschnittspreis von
1886-90 auf 140, 10 stand. Dichterstellen, die Gewürze erwähnen, bei Schultz 1, 393.
* Schaube S. 280 berechnet für die gleichen Verhältnisse einen Preis von
488—560 Mark.
^ S. oben 8. 141. Schaube 280. Das Kilogramm kostete den enormen Preis
von fast 60 Mark.
* Heyd 2, 608 f. Flückiger, Pharmakognosie 305.
B Pfeiffer, Zwei Deutsche Arzneibücher. Wien 1863. S. 13.
* In ihrer Physica bei Migne, Patrologiae cursus completus ser. lat. Tom.
197 1138 ff.
•^ Heyd 2, 559 ff. Flückiger 216 f.
« Heyd 2, 615 f.
» Flückiger 24 f. 28 ff.
'0 Heyd 2, 653 f. Flückiger 23 f.
>i Lettere volgari 57. Schaube 281 f. berechnet als Preis für 100 kg
Champagnermesse von 1265: 458 Mark, Hamburger Preis 1886—90: 142,86.
Metalle. 145
dings ohne Bezeichnung der Herkunft findet es sich auch in dem Zoll-
tarif von Freiburg i. Br. ^, der von orientalischen Waren nur Pfeffer und
Weihrauch, von italienischen noch Lorbeern (laurei) anführt. Dieselben
Waren zeigen sich in dem um ein Jahrhundert jüngeren Zolltarif von
Chur, der daneben noch Alaun und Myrrhe aufführt.
Die auf den ersten Blick rätselhafteste Ware sind die Beeren des
Lorbeerbaumes (oribagae), die aufserdem noch in dem Zolltarif von
Vicosoprano ^ erscheinen. Sie dienten als Volksmittel zur Magenstärkung
und als Räuchermittel. In Mailand wurden Lorbeeren mit warmem Wein
gegen Leibschmerzen verwendet®. Aus ihnen wurde ein öl bereitet,
das gegen Ungeziefer, bei Lähmungen etc. Verwendung fand, besonders
aber diente es, um Fliegen und anderes Ungeziefer z. B. von Metzger-
läden fernzuhalten. So bestrich man die Pferde mit diesem Öle*. Es
wird heute noch namentlich am Oardasee hergestellt.
Ein wahrscheinlich recht erheblicher Teil der Lasten, die über die
Alpen gingen, bestand aus Metall und Metallwaren. Die Quellen sind
leider sehr einsilbig. Fast niemals wird auch in späterer Zeit die Pro-
venienz angegeben, während man in Norddeutschland sehr gut das
schwedische Osmundeisen verfolgen kann, und so bleibt für uns nichts
als das weite Gebiet der Hypothese. Und selbst dafür fehlt eine Grund-
lage, da wir eine Übersicht über den Bergbau diesseits und jenseits der
Alpen heute noch nicht sicher gewinnen können. Selbst der Einflufs
des Silberbergbaues ist sehr schwer festzustellen. Doch hatte das Gebiet
des Oberrheins damals einen grofsen Anteil an der Gewinnung des edlen
Metalles. Seit 1028 liegen urkundliche Nachrichten vor. Die Erzgänge
waren vom Rande des Schwarzwaldes immer tiefer in das Gebirge
hineingetrieben, im dreizehnten Jahrhundert hatte dort der Bergbau
wohl seine glänzendsten Tage. Die Bergwerke dehnten sich von Sulz-
burg aus bis an den Kamm des Gebirges, im Münsterthale entstand bei
St. Trudpert das Bergstädtchen Münster, hier verschränkten sie sich
mit dem Gebiete der Bergwerke, die den Erzkasten auf allen Seiten
umgaben. Die hohe Blüte von Freiburg in dieser Zeit hängt vor allem
auch mit den reichen Erträgen der Bergmannsarbeit zusammen, sie gab
der Stadt die Möglichkeit, sich eine Pfarrkirche zu bauen und zu voU-
1 Schöpflin, Hist. Zar. Bad. 5, 52.
« Mohr 2, 121.
' Bonvesin, De magnalibus S. 95. »lauri hace contra solum vefUris dolorem
cum calido vino stimende.*
* Bertoloni, Flora italica 4, 400. Rosen thal, Synopsis plant, diaphori-
carum 237. Konrad v. Megenberg ed. Pfeiffer 327. Flückiger, Pharma-
kognosie 931. Zippe 1-Thom^, Ausländische Kulturpflanzen in farbigen Wand-
tafeln 4. Aufl. S. 142.
Schulte, Qesoh. d. mittelalterl. Handels. I. 10
146 Dreizehntes Kapitel.
enden, wie sie schöner auf der Welt von einer Pfarrgemeinde nicht
wieder errichtet werden sollte. Ein Glasgemälde des Münsters, eine
Schenkung der Bergleute des „Disselmut", stellt uns die Arbeit der
Knappen dar. Weiter nördlich wurde im Suggenthal eine Grube be-
trieben. Im Kinzigthale erblühte ein heute längst verschwundenes Berg-
städtchen Brinsbach ^, und die gereimte Geographie des dreizehnten Jahr-
hunderts konnte von diesen Bergwerken den Namen Argentina-Strafsburg
ableiten. Noch weiter nördlich wurde auf Gold geschürft.
Über den Handel mit diesem Silber giebt uns kein heimisches
Schriftstück Kunde, wohl aber ein Dokument aus dem fernen Siena.
In dem ältesten bekannten Börsenbericht, den Andrea de' Tolomei an
seine Geschäftsgenossen und Verwandten von der Messe von Troyes 1265
erstattete, führt er neben dem momentanen Werte des Sterling nur noch
eine Silbersorte auf, das ungemünzte Ariento di Friborgho*.
Das gegenüberliegende Elsafs hatte von seinen Silberbergwerken
damals wohl nur kleine Gänge erschlossen^. Der Zug des Jura bot im
Frickthale sehr alte Erzgruben*, weiter westlich die von Waidenburg.
Im Alpengürtel, wo die östlich anstofsenden Silberadern und Erzgänge
von Südtirol bereits ausgebeutet wurden, gab es damab Bergbau auch
im Montafun ^. Am Gonzen (nördlich von Sargans) war der Bergbau auf
Eisen uralt, auch um den Julier wurde dasselbe Material im zehnten
Jahrhundert gewonnen®. Im Unterengadin wurden die reichen Silber-
adern von Scharl ausgebeutet^; vor allem aber schon jenseits des
Scheitels im Puschlav und bei Bormio gab es alte Silbergruben ^ , die
sich in den Bergamasker Alpen bei Ardesio fortsetzten', wie überhaupt
die heutigen Bezirke Sondrio, Bergamo und Brescia damals manche
Bergwerke besafsen und schon hatte der Brescianer Stahl einen Namen
gewonnen*®. Für die Waffenmanufaktur Mailands ist diese auf Stab-
1 Gothein 1, 583 ff .
' Lettere volgari S. 57. Schaubc hat in seinem ausgezeichneten Aufsatze:
Ein Kursbericht unter Friborgho irrtümlich Freiberg in Sachsen verstanden.
8 Reuss, L*Alsace 1, 603.
* Über den Bergbau bis z. Ende des zwölften Jahrhunderts vgl. v. Inama-
Sternegg 2, 329, Frickthal schon 1050. Vgl. auch Baseler Urkb. 2 Nr. 625.
Boos, Urkb. Basel Land 1, 157. Erzgruben bei Liestal.
^ V. Mohr 1, 287. Eisen wurde dort gefunden, auch Silber.
• Plattner, Gesch. d. Bergbaues 1 ff.
•^ Plattner S. 5.
8 V. Mohr 1, 166 u. 181. Genaue Verträge von 1200 und 1211. Archiv f.
österr. Gesch. 15, 342.
® Statuten v. Bergamo. Mon. bist. patr. 16, 2053. Die Bergwerke lieferten
auch Blei und Kupfer.
^® H^rondeVillefosse, dtsch. von Hartmann, Über den Mineralreichtum 4, 105.
Metalle. 147
eisen und Rohstahl gerichtete Förderung wohl die Grundlage gewesen.
Im Gebiete des Bistums Novara wurde im Anzascathale Gold berg-
männisch gegraben^. Überhaupt dehnte sich der Bergbau in diesen Ge-
bieten schon ziemlich aus, er war gerichtet auf Kupfer, Spateisenstein,
besonders aber wurde Gold aus den Schwefelkiesen gewonnen. Im
Bereiche von Vercelli wurden 1230 Silberbergwerke betrieben*. Die
Westalpen enthielten eine Reihe von Silber- und Erzbergwerken*.
In den Zolltarifen ist Eisen fast regelmäfsig aufgeführt^. Daneben
erscheint auch Stahl in Augsburg und Freiburg und allein in Chur.
Sicheln werden in den Tarifen von Augsburg und Vicosoprano auf-
geführt Blei steht in den Tarifen von Augsburg, Freiburg, Vicosoprano,
Lodi, Piacenza, Cremona und Brescia. Kupfer, das damals namentlich
im Gebiete der Maas, vor allem in Dinant und Huy, viel verarbeitet
wurde, in denen von Augsburg, Freiburg, Cremona und Brescia, Zinn
endlich in denen von Freiburg, Genua, Piacenza, Cremona und Brescia,
in dem zuletztgenannten findet sich auch Bronze wie in Cremona.
Messing (aurichalcum) fand ich nur in dem reichhaltigen Tarif von
Cremona, Erz (aramen) in Vicosoprano und Lodi.
Eigentümlicherweise scheint das Kupfer auch von Süden nach Norden
gewandert zu sein, wenigstens fuhrt der älteste Zolltarif von St. Simeon
fUr Koblenz Kupfer unter den Abgaben auf, die diejenigen, welche von
Konstanz und Zürich kamen, zu entrichten hatten^. Damals lieferten
aber vor allem Goslar, Schweden und England Kupfer.
Das Zinn erscheint also doch verhältnismäfsig selten, und doch war
es ein Welthandelsartikel ersten Ranges. Für die Bronze und die
Glockenspeise hatte man dieses Metall notwendig, wie im späteren
Mittelalter für das Geschütz. Das reine Metall fand immer zunehmend
Verwendung zur Herstellung des Efsgeschirres, und man hatte nur eine
» Gremaud 30, 425.
■ Mandelli 2. 12.
^ Cibrario, Economia S. 40.
* Augsburg an der Lechbrücke (1156—1177)» Freiburg i. B. (Anf. des drei-
zehnten Jahrh.) vgl. v. Inama-Sternegg 2, 490 — 495. Bei Walenstad hatten die
Fischer auf dem Walensee jährlich dem Bischöfe von Chur 40 €6 Wolle und 60 i6
Eisen zu geben, die sie doch wohl von Händlern mit Eisen vom Gonzen erhielten
(v. Mohr 1, 288). Aufserdem Vicosoprano (v. Mohr 1, 121) uud in den zähriugischen
Städten Freiburg, Burgdorf, Büren, die einen gleichartigen Zolltarif haben. Font,
rer. Bern. In Italien in Genua: ferrum pisaneschum (Lib. jur. 1, 71 f.), Lodi
(Vignati 4, 556), Piacenza (Stat. merc § 265), Cremona (Astegiano 1, 358) und
Brescia (sehr eingehend über das Eisen gehandelt Mon. hist. patr. 16, 1584 [108 f.]),
Bergamo (ebda. 2022), Eisen fehlt nur in den Tarifen von Chur (sehr mager v. Mohr
1, 110 f.) und Vicosoprano.
* Lamprecht 2, 800 u. 330. Dort ist aber der Bearbeitung des Kupfers in
Dinant und der bezügl. Kölner Urkunden nicht gedacht
10*
148 Dreizehntes Kapitel.
ergiebige Quelle: England; denn Spanien lieferte damals wenig. Aus
den Zinnwäschen von Devon, dann aus den Bergwerken von Comwallisy
die im dreizehnten Jahrhundert jene besiegten, kam dies Metall fast aus-
schliefslich, bis in Böhmen zunächst wohl schon im zwölften Jahrhundert
die Zinnwäschen von Graupen, dann auch die von Schönfeld ihren Be-
trieb eröffneten, auf deren wachsender Ausdehnung die Blüte der Metall-
gewerbe Nürnbergs sich gründen solltet Selbst nach England gelangte
nun deutsches Zinn, das als reiner und reichlicher galt als das englische ^
Auch Blei kam aus England.
Die Fabrikate der Metallindustrie erscheinen mit Ausnahme der
Sicheln und der Waffen in Chur (s. oben) nicht in den Zolltarifen, doch
darf man glauben, dafs namentlich die Waffen auf gröfsere Entfernungen
verhandelt wurden, und mehrere hochrenommierte Waffenschmiedestädte
lagen in dem hier zu behandelnden Bereiche: Mailand, Pavia^, Strafs-
burg und Mainz*, auch Venedig darf nicht vergessen werden. Die Metall-
industrie der Gegend von Lüttich hat auch wohl zum Handel nach Italien
von ihren Produkten geliefert*. Lüttich selbst, das später ausgezeichnete
Waffenschmiede besafs, war damals ungleich weniger bedeutend als Dinant
und Huy. Die Ausbeutung der Kupfer- und Zinnadern im Hügelland der
Ardenncn war wohl uralt, namentlich betrieb Dinant so schwunghaft die
Bearbeitung des Kupfers, das in Frankreich die Kupferschmiede Dinantiers
hiefsen. Aus der Ferne, aus Goslar und England wurde der Rohstoff be-
zogen, und von hier ging ein bedeutender Export aus®.
Die Waffenindustrie von Solingen läfst sich bis ins zwölfte Jahrhundert
verfolgen, auch Köln war renommiert. An die antike Ausbeutung der
Bergwerke Noricums schlofs sich die hochberühmte Kunst der Schmiede
von Passau und Regensburg an, die lange Zeit alle an Ruhm tibertrafen.
Doch ging das Übergewicht in den Tagen der Kreuzzüge an die Waffen-
schmiede und Sarwürcher von Mailand über. Die kunstvolle Aus-
schmückung der orientalischen Schwerter und Rüstungen wurde von ihnen
nachgemacht, und wenn sie auch stets den Markt der Gebrauchswaren zu
behaupten suchten, so war die Verbindung von Handwerk und Kunst hier
erreicht, auch machten sie viele Erfindungen, im vierzehnten Jahrhundert
den Plattenharnisch. Mailand hat schliefslich den ganzen Kontinent be-
' E. Reycr, Zinn. Berlin 1881.
* Auffindung des »staffnum in Alamannia primum et purissimum et copiosiuB
quam in partifms Anglie<, M.G. 8S. 28, 220.
' Sehr oft von Dichtern erwähnt Schultz 2, 1.
* Hanp. ürkb. 3, 390. Aus der wichtigen Verordnung über die Zulassung von
Kaufleuten aus dem Reiche in London. Mitte des zwölften Jahrhunderts.
» Hüllmann 1, 267.
* Pircnne 1, 195 f. und 314 f.
Lebensmittel. 149
herrscht ^ Nach Bonvesin, dessen Zahlen freilich mitunter Bedenken
erregen, gab es dort 30 Meister, welche aus Messing Schellen für die
Pferdegeschirre, die sonst nirgendswo hergestellt wurden, fabrizierten";
Panzer lieferten mehr als 100 Meister, daneben gäbe es Fabrikanten von
Schildern^. Auch Galvano Fiamma stellt die Waffenschmiede an die
Spitzq der Kaufleute, welche exportieren ^, und zählt genau auf, was sie
alles schmiedeten^. Die Waffen gingen, sagte er, bis zu den Saracenen
und Tartaren. Schon 1232 berief Vercelli einen Meister aus Mailand,
eine Waffenfabrik zu leiten ^. Die Kunst der Schmiede von Brescia geht
bis in die Zeiten der Etrusker zurück, und sie verstanden vor allem,
Klingen zu schmieden^.
Von den Lebensmitteln wurden die Gewürze schon oben besprochen,
für den Handel mit Getreide war der Alpenkamm wohl eine Sperre,
doch mehr noch eine künstliche. In den italienischen Statuten sehen
wir deutlich das Bestreben der Städte, sich billige Lebensmittel zu
sichern durch ein Ausfuhrverbot nach Norden hin, und die Thäler der
italienischen Seite haben sich noch lange durch besondere Verträge den
Bedarf an Lebensmitteln, die das Gebirge nicht liefern konnte, sichern
müssen. Den Getreidemangel Comos, dem Mailand abhelfen müsse, hebt
schon Bonvesin hervor und fligt hinzu, dafs von dem für Como be-
stimmten Getreide auch zu den Völkern jenseits der Alpen komme ^.
Vom Norden her scheint eine Cerealieneinfuhr über die Alpen nicht
stattgefunden zu haben.
Ein sehr lebhafter Handelsartikel war hingegen der Wein. Zwar
ist der Elsäfser Wein, der stets stark Rhein abwärts verhandelt wurde
und mit dem Moselwein zusammen nach dem Gedichte Bataille de vins
den Kölnern das Geld aus der Tasche holte ^, wohl niemals über die
südlichen Berge verbracht worden *^. Dafür kamen aber Weine aus den
^ Böheim, Wend, Die Waffen und ihre einstige Bedeutung im Welthandel.
Zeitschr. f. hist. Waffenkunde 1, 172. Vgl. Jahns, Entwicklung der alten Trutz-
waffen. Berlin 1899.
« S. 89.
» S. 149.
^ S. 448. In den später zu behandelnden Verträgen über die Simplonstrafse
erscheint die armatura, wie auch ferrum, azarium et quodlibet metaUum nicht fehlt.
* »Loricas, thoraces, lamerias, galeas^ gcUerias, cerveUeraSy collarias, cyrothecas,
tybicilia, femoralia, genuälia, Icmceas^ pilla, henses, pugiones^ clavas et sunt omnia ex
ferro terso et polito.*
• Böheim 174.
^ Böheim 176.
« S. 92 f.
» Schultz 1, 442.
1® Er kam allerdings auf die Höfe des Klosters Engelberg.
150 Dreizehntes Kapitel.
Mittelmeergebieten nach Deutschland, vor allem der hochgeehrte cyprische
Wein, der Malvasier aus dem-Peloponnes^ und von den italienischen
Weinen der hochgeschätzte Veltliner, wie durch die bayrischen Pässe
der Südtiroler Eingang fand. Schon sehr früh haben wir in Comasker
Statuten einen Beleg für einen lebhaften Weinhandel über die Bündner
Pässe ^. Galvano Fiamma erwähnt den Mailänder Handel mit Flüssig-
keiten, besonders mit vinum de Vemaziaj Malvasier und kretischen^.
1288 kam ein Kaufmann nach Basel mit griechischem Wein von Cypern^
der zu dem damals unerhörten Preise von 1 ^ ^ etwa fünf Liter ver-
kaufte^. Die Zolltarife von Vicosoprano und Chur haben natürlich
diesen Artikel, trotzdem sie so dürftig sind, der Züricher erwähnt den
fremden Wein ebenfalls, und wie beliebt er war, folgt daraus, dafs König
Rudolf sich von dem auch in den Dichtungen ^ gepriesenen Clevner Wein
durch den im Rheinthal begüterten Grafen Hugo von Werdenberg
100 Saumlast kommen liefs^.
Direkte Beweise fUr einen Handel mit Salz über die Alpenpässe
liegen nur an einer Stelle vor. Es passierten 1286 in 213 Tagen 2568
mit Salz beladene Wagen den Zoll von Villeneuve bei Chillon^, sie
können nicht aus den Salinen von Bex im Unterwallis stammen, denn
diese waren damals noch nicht in Betrieb.
Bei den Fischen fehlt es an zwingenden Belegen; wenn auch in
dem Cremoneser Zollkataloge ^hestrume de Brugo^ , also wohl Häringe
oder Bückinge von Brügge erwähnt sind.
Der Handel mit den Produkten der Viehzucht namentlich der
Alpengegenden ist gewifs schon damals sehr bedeutend gewesen, aber
Milch und Butter war nicht weit zu transportieren, und der Käse ist
erst später ein Artikel des Grofshandels geworden.
Ebenso dürftig sind die Angaben über den Vieh- und Pferd ehandeL
Pferde stehen in fast allen Zollkatalogen, und der Mailänder Galvano
Fiamma führt an zweiter Stelle die grofsen, hoch im Preise stehenden
Streitrosse an, von denen eines in Paris für über 1000 fl. verkauft
werde. Die Ausfuhr sei namhaft und gehe nach Frankreich und anderen
» Schultz 1, 408.
' Leges municip. 2, 1, 157.
'Miscell. d. storia ital. 7, 448. Vemaccia ist ein italienischer Wein.
S. Schultz 1, 409. Er bespricht eine grofse Zahl von Sorten, anf die ich hier
nicht eingehen kann.
^ Annal. Colm. maj. M.G. SS. 17, 215. »ducens secum vinum Chrecum seu Cypri
dedüque bicarium iHfus vini pro 5 soh, quartale pro libra, quod usque ad iUiid tempus
res fuerat inauddta.* Die Umrechnung nach Hanauer, Etudes ^com. 2, 19.
^ Engelhard 8894. Schultz 1, 405.
• Nur als Formel erhalten Böhmer-Redlich Nr. 782.
' Cibrario 898.
Pferde und Vieh. Sklaven. 151
Ländern jenseits der Berge ^. Auf den Messen der Champagne kamen
selbst apulische Pferde zum Verkauf, imd ein Graf von Geldern kaufte
acht italienische Rosse zum Preise von 1040 ^ ^. Ein grofses Aufsehen
erregendes Rofs hatte der elsässische Ritter Conrad Wemher von Had-
stadt in der Lombardei erstanden'. Das Rindvieh, die Schafe u. s. w.
wurden damals wohl kaum auf grOfsere Entfernungen verhandelt.
Bei den Häuten war das aber der Fall, und sie wie Lederwaren
finden sich in allen Zolltarifen, leider ohne Angabe der Herkunft Die
Zeit der Reiterheere und der aufkommenden Turniere brauchte auch
die feinsten Luxuswaren dieser Gewerbe. Sattler, Schilderer, Riemer,
Handschuher erscheinen früh in den deutschen Städten. In allen Zoll-
tarifen erscheint auch das Pelzwerk, das im Mittelalter bekanntlich weit
mehr verwendet wurde als heute, und wir dürfen annehmen, dafs der
von Nordosten kommende Import von feinerem Pelzwerk schwache Aus-
läufer auch über die schweizerischen Alpenpässe vorschob. Die Strafs-
burger Kürschner kauften ihre Pelzstoffe in Mainz oder Köln^. Die
Stadt Pisa leistete in Gerberei und Kürschnerei vortreffliches '^.
Als letztes Handelsobjekt, das über die Alpen gebracht wurde, ist
wohl der Mensch anzufUhren. Der Sklavenhandel ist erst langsam durch
den Geist des Christentums beseitigt worden, in Italien blieben Reste
infolge der Verbindung mit dem Orient bis in die letzten Tage des
Mittelalters bestehen. In Deutschland sind wohl die letzten Spuren die
beiden Erwähnimgen am Zolle von Walenstaad und zu Koblenz. Walen-
staad war geradezu der Ort, wo mit Sklaven gehandelt wurde ^, damit
beschäftigten sich vorwiegend die Juden ^.
^ Miscell. di storia italiana 7, 449.
'Bourquelot 1, 303 f. Nach den dort angegebenen Preisen standen die
italienischen Rosse hoch im Preis.
• M.G. SS. 17, 230.
« Recht des Bischofs Urk. d. Stadt Strafsburg 1, 474.
» C anale 178.
^ »De unoquoqae tnancipio^ quod ibi venditur, dtnarii U.« Elinkünfterodel des
Bistums Chur um 1050. v. Mohr 1, 288. Zollrodel von Koblenz von 1104: »De
sdavo empticio 4 denarii* Hans. Urkb. 1, 3. Auch in der jüngeren Rolle von 1209
(Mittelrh. Urk. 2 Nr. 242) steht der Posten noch.
"^ Eine Aufzeichnung aus dem elften Jahrhundert, welche die Koblenzer Liste
bereits enthält, sagt: »Judei pro %moquaq%te sclavo emHcio debent4 denarios.* Hans.
Urkb. 3, 388.
152 Vierzehntes Kapitel.
Vierzehntes Kapitel.
Handelsorganisation. Messen.
Handelsorganisation, Verschtcindeti des Fremdkau fmanns. Die Juden zurück-
gedrängt Handelseifersucht, Äusschlufs von den korporativen Bildungen. Gründung
von Städten, Aussonderung von Produktionszweigen, Der Kaufmann bedarf der Ge-
nossefi, Handelsgesellschaften. licUien. Deutschland,
Messen. Ursachen ihrer hohen Bedeutung. Die Messen der Champagne. Lage
der Champagne, Organisation, Termine, Beamte u. s. w. Mefsbesucher organisieren
sichy besonders die Italiener, Handel der Deutschen, Höhe des Verkehrs, gemessen an
den ZÖUen von Chiüon wid Bapaume und den Erträgnissen, Messen in Deutschlaiid
und Italien.
War der Grofshandel in Deutschland in der Hauptsache vom Fremd-
kaufmann betrieben, begegnen wir vor allem noch bis 1100 neben dem
Juden dem Friesen, so war um 1300 der Friese völlig verschwunden,
und der Jude völlig auf die Gebiete gedrängt, die er dann Jahrhunderte
lang allein betrieb. Die grofse Masse der Handelsgeschäfte wurde jetzt
zwischen Christen abgeschlossen, und der deutsche christliche Eauimanns-
stand hatte einen Einflufs gewonnen, wie es bis dahin unbekannt war,
er hatte die Handelsvormundschaft abgestreift.
Worin liegt die Ursache der völligen Zurückdrängung der Juden
auf den Handel mit Geld, alten Sachen, Pferden und Vieh, den Zwischen-
handel mit Waren aller Art? Nicht direkt in den religiösen Gegen-
sätzen, selbst in den Jahrhunderten, in denen die Juden relativ gut be-
handelt wurden und sich vieler Rechte erfreuten, haben sie den Waren-
handel durchaus nicht so beherrscht, wie man wohl gemeint hat, sondern
auch damals schon trieb sie die Veranlagung zum Geld- und Zwischen-
handel^. Das wurde jetzt noch schärfer, als die Verfolgungen allerdings
die Juden dazu zwangen, ihre Werte möglichst mobil zu halten. Viel
wichtiger war es, dafs der Jude zum Handwerk nicht in das Verhältnis
getreten war, das der christliche Kaufmann hatte. Der deutsche Kauf-
mann war selbst Produzent oder er nahm regelmäföig die Arbeit von
den ihm näher stehenden Handwerkern ab. In Italien und Flandern
war es geradezu die Regel, dafs das Produktionsgeschäft von dem Ver-
kaufsgeschäft abhängig war. Da standen bereits die Textilarbeiter ihren
Fabrikherren gegenüber, die ihnen Rohstoffe und Muster lieferten. Der
handwerksmäfsige Körper hatte einen kaufmännischen Kopf erhalten.
Die Bildung der mittelalterlichen Genossenschaften verdrängte die
Juden aus ihrem alten Platze. Die Bürgergemeinden schlössen sie der
Regel nach aus, die Zünfte stets und erst recht die Gilden. Und da
' Roscher-Stieda, Syst. d. Volkswirtsch. 3, 175 ff.
HandelsorgaDisation. 153
durch sie die Warenproduktion und der Warenhandel geregelt wurde,
war der Jude von diesen Gebieten ausgeschlossen. Die Kraft dieser
Korporationen drängte sie auf die Seite und liefs nur den Geld- und
Zwischenhandel frei^ Dieses Gebiet blieb den Juden erhalten, die
Kawerschen erscheinen neu. Die eigentlich „bürgerliche" Nahrung war
den Juden entzogen, und so waren sie durch die stets drohende Ver-
treibung auf Erwerb und Besitz mobilsten Kapitals angewiesen, und,
wenn einige von ihnen im Frühmittelalter Grofskaufleute des Waren-
handels gewesen waren, wurden sie in den Tagen des dreizehnten Jahr-
hunderts vagierende Kleinhändler mit Waren, Zinsleiher und Geld-
händler ^. Da der Jude keinen Anteil an der Produktion gewonnen
hatte, war er auf den Zwischen- und Geldhandel angewiesen.
Die massenhafte Gründung von Städten — deren Zweck, man mag
auch noch so oft auf verkümmerte Städtchen, die nie etwas anderes ge-
worden sind als ummauerte, der Landwirtschaft dienende Ortschaften,
hinweisen, eben der Handel und das Gewerbe war — das Emporblühen
derselben sind weniger Ursachen der Zunahme des Handels und des
Gewerbes als Folgeerscheinungen derselben. Die Aussonderung der
städtischen Bevölkerung aus dem Lande war bedingt durch die immer
stärker werdende Aussonderung von Produktionszweigen aus der ge-
schlossenen Hauswirtschaft. Diese schränkte sich immer mehr auf die
Bodenkultur ein und gab die meisten anderen Thätigkeiten an die Ge-
werbe der Städte ab, und da die Wirtschaft einer Stadt — die Stadt-
wirtschafti, wie sie Bücher definiert hat — nicht alle Bedürfnisse so gut
und billig decken konnte, wie eine andere, so führte diese Verteilung
der Produktion auf Stadt und Land eine wesentliche Zunahme des
Handels herbei. Am deutlichsten tritt uns die Umwälzung auf dem Ge-
biete der Bekleidungsindustrie entgegen. Theoretisch wäre es ja denk-
bar gewesen, dafs eine jede Stadt mit Einschlufs ihres Landbezirkes alle
Bedürfnisse an Leinen und Wollenwaren selbst erzeugte, thatsäclilich
aber sehen wir einen sehr bedeutenden Handel über grofse Entfernungen
hin. Die verschiedene Qualität der Waren, die Sucht, mit fremden
Stoffen zu glänzen, die Mode, welche auch jenen Tagen nicht fremd war,
waren drei gewaltig wirkende Ursachen, um die „Stadtwirtschaft" zu
durchbrechen.
So pulsierte ein kräftiges Leben in dem jugendlichen romanisch-
germanischen Handel, der erstarkte Kreis einheimischer Kauf leute hatte
^ So weit ich sehe^ hat man diesen Punkt niemals herangezogen.
* Goldschmidt HO f. Röscher suchte die Ursache wesentlich in der Ab-
schüttelung einer Handclsvormundschaft (Ansichten der Volkswirtschaft aus dem
geschichtlichen Standpunkte 2 ^ 321—854).
154 Vierzehntes Kapitel.
die ihm unwillkommenen Lehrmeister nicht mehr nötig, er verdrängte
sie, bez. schob sie auf einzelne Gebiete zurück, vor allem mit Rücksicht
auf die Anschauungen der Kirche auf den Geldhandel. Im Norden
Deutschlands thaten sich die Kaufleute zu Genossenschaften, zu Gilden
zusammen, im Süden sind nur schwache Anläufe nachzuweisen. Doch
wird man zweifeln dürfen, ob deswegen der süddeutsche Kaufmann so
sehr viel weniger in die Fremde gewandert wäre, als der Norddeutsch-
lands, wenn das zu einem Teile auch sicher der Fall ist.
So lange der Handel im wesentlichen Eigenhandel war, der
Kaufmann mit seiner Ware von Ort zu Ort zog und sie nicht etwa
einem Knechte anvertraute, mufste er das Bedürfnis nach einem
socius empfinden. Wie wollte ein italienischer Kaufmann, der in Eng-
land oder auf den Messen der Champagne Wolle kaufte, in seiner
Heimatstadt die Verarbeitung des im Vorjahre erworbenen Rohstoffes
überwachen und gar im Oriente noch den Verkauf der fertigen Ware
leiten? Jeder Landtransport erheischte seine Begleitung. So trat an
ihn die Forderung heran, zu gleicher Zeit an mehreren Orten selbst
disponieren zu können, und das wurde durch die Gesellschaften er-
möglicht, deren jedes Mitglied das Recht hatte, die Firma rechtsver-
bindlich zu vertreten. Glücklich der Kaufmann, der Söhne im Geschäft
hatte. Aus der Hausgemeinschaft (nach deutschem Rechte der Ganerb-
schaft) wuchs die offene Handelsgesellschaft hervor. Wenn auch schon
früh in Italien nicht durch Verwandtschaft und Hausgemeinschaft ver-
bundene Händler sich freiwillig zu einer Gesellschaft zusammenschlössen,
im wesentlichen blieb doch die Familie der Kern der italienischen Ge-
sellschaften, nur so konnten sie ein Alter von 100 und mehr Jahren
erreichen*. Eine solche Gesellschaft konnte die Lage des Weltmarktes
überschauen, der Briefwechsel zwischen den einzelnen Genossen war sehr
^^S^} jft aus Siena ist schon von 1265 ein förmlicher Kursbericht er-
halten, den ein Genosse seiner Firma von einer Messe in der Champagne
heimsandte *. Die italienischen Gesellschaften hatten eine geordnete Buch-
führung, Bruchstücke von Geschäftsbüchern aus Florenz sind schon aus
dem dreizehnten Jahrhundert erhalten^. In Deutschland sehen wir uns
1 Für Italien vgl. Goldschmidt 271—290. Max Weber, Zur Geschichte der
Handelsgesellschaften im Mittelalter nach südeuropäischcn Quellen 1889.
* Lettere volgari*
^ Andere jüngere Stücke sind nicht nur Bruchstücke. Vgl. auch die Zusammen-
stellungen von Langlois 349 ff. Caraballese, Un nuovo libro die mercanti
italiani alle fiere di Sciampagna. Arch. stör. ital. serie V. tomo 13, 357. Von einem
aus Prato stammenden Notar, den der uns bald näher bekannt werdende Finanz-
mann Philipps des Schönen Musciato in Burgund, der Auvergne und Troyes ver-
wendete, rühren die Rechnungen her, die C. Paoli im Giomale storico della lettera-
Handelsorganisation. 155
in dieser Zeit vergebens nach Belegen für eine Buchführung um. Der
italienische Stadtadel war in solchen Gesellschaften auch aktiv thätig,
während die Söhne deutscher Kaufherren nur zu oft der Versuchung
erlagen^ lieber den Ritter als den Kaufmann zu spielen. So empfingen
schon im dreizehnten Jahrhundert zahlreiche Strafsburger den Ritter-
schlag, andere freilich widerstanden , wie der Orofskaufmann Heinrich
von Mülnheim.
Diese vorgeschrittenste Form des kaufmännischen Geschäftsbetriebes
jener Tage findet sich auch im Norden Deutschlands ^, für Köln ist eine
solche Gesellschaft schon für 1205 belegt, für die Seestädte sind Belege nicht
selten, imd Stadtrechte wie die allgemeinen Rechtsquellen jener Gebiete er-
weisen die Existenz offener Handelsgesellschaften. Im Süden finden sich,
vom Osten abgesehen^. Beweise nur seltener. Das Augsburger Stadtbuch
von 1276 kennt sie, und auch die Ordnungen über den Konstanzer Lein-
wandhandel setzen voraus, dafs ein Konstanzer nicht Volleigentümer eines
Linnenstückes, sondern Teilhaber ist, die knappen Angaben lassen es
zweifelhaft, ob an ein Commendaverhältnis oder eine offene Handels-
gesellschaft gedacht ist^. Wenn die süddeutschen Quellen also auch sehr
wenig ergiebig sind, so beweist das nicht viel. Hier fehlten die nord-
deutschen Stadtbücher, wie z. B. in Lübeck von 1311 — 60 geradezu Gesell-
schaftsregister geführt wurden ^, und die süddeutschen Stadtrechte berück-
sichtigen den Handel weit weniger als die des Hansagebietes. Aber das
ist wohl anzunehmen, dafs der Norden Deutschlands dem Süden hierin
voran war, die Zeit der grofsen süddeutschen Handelsgesellschaften war
noch nicht angebrochen, und auf ihre Entstehung hat wohl noch mehr
das Beispiel der italienischen eingewirkt, als das der nordischen^.
Eine Zeit, in der die Verkehrseinrichtungen noch auf der primitivsten
Stufe standen, in der die Isolierung von Stadt zu Stadt so stark war^
dafs ein jeder, der sie durchbrechen wollte — und der Kaufmann mufste
es — in eigener Person einkaufen, verkaufen, sein eigener Transporteur
tura italiana 5, 329 — 69 veröffentlichte. Es ist dieser identisch mit dem Ser Ciappe-
letto, dem Heiden der ersten Erzählung des ersten Tages in Boccaccios Decamerone.
1 Schmidt, Handelsgesellschaften S. 12 Deventer, 17 Köln, 19 Biga, 23 Weifsen-
see und öfter.
« Schmidt 48.
* Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins 4, 48 »und das diu Unwat sin aigen
sif und nieman an der Unwat kain gemainde Jiäbe, wan der aine seshaft burger ze
Kosteme ist',
^ Rehme, Die Lübecker Handelsgesellschaften in der ersten Hälfte des vier-
zehnten Jahrhunderts. Zeitschr. für Handelsrecht Bd. 42. Doch ist es auch da im
Vergleiche zu Italien selten, dafs die Gesellschafter, welche Kapital einschossen,
sich auch sämtlich dem Handelsbetrieb widmeten.
B So auch Schmidt 20.
156 Vierzehntes Kapitel.
und Briefbote sein mufste, war es ein dringendes Bedürfnis, die Zahl
solcher Reisen zu vermindern, die Wege zu verkürzen und womöglich
an einem Platze zu gleicher Zeit alle Händler zu vereinigen, mit anderen
Worten den Grofshandel auf einen Ort und eine Zeit, d. h. auf eine
Messe zu konzentrieren. Da das gröfste Risiko und die gröfste Arbeits-
leistung beim Handel des Mittelalters in dem Transport beruhte, war die
Bildung von Handelskarawanen eine Verminderung des Risikos, die
stärkste aber das Zusammentreffen aller an einem Platze. Ein solches
Rendez-vous aller abendländischen Händler und aller im Abendlande ge-
brauchten Waren kam wirklich zustande, es wuchs langsam em])or, um
im zwölften und dreizehnten Jahrhundert aus dem Gemeingefühle aller
hier verkehrenden Kaufleute heraus eine Messe zu schaffen, wie sie nie
wieder existiert hat, eine Handelsorganisation darzubieten, die in recht-
loser Zeit Schutz gegen alle Rechtsverletzung erstrebte und meist auch
erlangte.
Die Messen der Champagne sind es gewesen, welche seit der Mitte
des zwölften Jahrhunderts bis in den Anfang des vierzehnten den Mittel-
punkt des Waren- und Geldverkehrs bildeten. Sie waren der grofse
internationale Ort für die Regelung des Welthandels und da der Verkehr
zwischen Deutschland und Italien zu einem erheblichen Teile hier erledigt
wurde, kann ich an ihnen nicht vorbeigehen. Alter vielleicht als sie
waren die Messen, die in der nächsten Nähe von Paris stattfanden ^ ; aber
selbst die Messe von St. Denis hat nicht die Bedeutung jener erreichen
können. 1114 werden zuerst die von Bar und Troyes genannt, nachdem
Troyes schon im fünften Jahrhundert Mefsplatz war^. Gewöhnlich be-
gnügt man sich damit, auseinanderzusetzen, dafs die geographische Lage
der Champagne diese Rolle eines Vermittlers zwischen der abendländischen
Welt zugewiesen habe. Es ist richtig, dafs der Weg von Italien nach
England, wie wir sahen, diese Landschaft durchschneidet; auch die
Rhonestrafse führt vom Mittelmeere den Händler leicht hierher, wie die
Champagne ja das obere Becken der Seine einschliefst. Aber nach dem
Osten hin bilden der Argonnenwald und das Plateau von Langres bez.
die Vogesen doch recht bedeutende Verkehrshindernisse. Und alle in
der Gestalt der Erde gegebenen Vorteile haben später zu Gunsten von
dem etwas weiter westlich gelegenen Paris entschieden, während die
Champagne die Bedeutung verlor.
Die Champagne war damals auch politisch sehr bevorzugt. Sie lag
unmittelbar an der Grenze des Deutschen Reiches, hatte nach Süden
durch die Landschaften des Arelats und nach Nordwesten durch Ober-
^ Pigeonneau 1, 207. Fagniez, Documcnts 1, 43. 47.
' Goldschmidt 227. Huvelin, Essai histor. 245.
Messen. 1 57
lothringen Verbindungen mit dem Auslande, welche von Frankreich un-
abhängig waren. Eine Champagne, die völlig unter der Macht des fran-
zösischen Königs stand, hätte alle die Kämpfe Frankreichs mitmachen
müssen, die Champagne des Hochmittelalters war aber unabhängig genug,
um diesen Gefahren zu entgehen.
Die Namen der kleinen Mefsstädte sind z. T. dem deutschen Ohre
völlig unbekannt geworden : Troyes an der oberen Seine und Bar an der
Aube waren die östlichen Plätze, die westlichen Provins in der Land-
schaft Brie nördlich der Seine, südlich der Marne und das bis dicht an
Paris herangeschobene Lagny (an der Marne). Auf diese vier Orte ver-
teilten sich sechs Messen in der Art, dafs sie einander ablösten und
fast das ganze Jahr umfafsten. So wurde die Champagne die Stätte eines
nur durch wenige Wochen unterbrochenen Mefslebens*. Vier von diesen
Messen folgten ohne jeden Zwischenraum aufeinander*. Die „warme
Messe" von Troyes (foire chaude oder Johannismesse) hub an am Diens-
tag, nachdem mindestens vierzehn Tage seit Johanni verflossen waren.
Der erste Termin konnte somit der 9. Juli sein, der späteste der 15.
Die Messe hatte einen festen Endtermin mit dem 14. September (Kreuz-
Erhöhung), am gleichen Tage begann die Aigulfusmesse in der Unter-
stadt von Provins, die diesen Namen nicht etwa nach dem Tage dieses
Heiligen führte, dessen Fest am 22. Mai gefeiert wird, sondern nach
dem Kloster, dem die Messe offenbar gehört hatte ^. Mit Allerheiligen
(1. November) schlofs sie, am folgenden Tage begann der Marktbetrieb
wieder in Troyes, wo die Remigius- * oder kalte Messe nunmehr bis zum
1. Januar dauerte. Dieser Termin ist freilich nicht zu allen Zeiten gültig
gewesen, noch im dreizehnten Jahrhundert war der 23. Dezember der
Schlufstag, später aber wurde die Messe verlängert, und sofort begann
dann mit dem 2. Januar die Messe von Lagny ^.
Die beiden letzten Messen hingen von dem Kirchenjahre ab und
konnten also sich (gleichmäfsig) stark versciiieben. Die Messe von Bar
sur Aube begann Dienstag vor Mitfasten (Laetare), der Anfang konnte
also auf alle Tage vom 24. Februar bis 30. März fallen, und dcment-
* Huvelin S. 247 macht mit Recht darauf aufmerksam, dafs auch die Messen
von Frankfurt a/M. und a/0. und Leipzig im siebzehnten Jahrhundert eine zeitlich
geschlossene Gruppe bildeten und als solche betrachtet wurden.
* Vgl. vor allem Goldschmidt, Die Geschäftsoperationen der Champagner
Messen, in Zeitschr. f. Handelsrecht 40, 9 und Huvelin 249. Die Termine haben
sich mit der Zeit freilich etwas verschoben.
' Noch später zum Teil. Vgl. die legendarische Erzählung über die Schenkung
an S. Ayoul Bourquelot 1, 70 f. Gab es eine translatio sancti Äigulfi?
* Auch dieser Name hat mit dem Remigiustage (13. Januar) nichts zu thun.
* Nach Bourquelot 1, 80 hätte sie sich bis Montag vor Laetare erstreckt,
hätte also eine sehr verschiedene Dauer gehabt. Ein Beweis fehlt.
158 Vierzehntes Kapitel.
sprechend verschob sich der Anfang der Maimesse in der Oberstadt von
Provins, wo in den Gebäuden wohl noch am meisten die Erinnerung an
die Mefsherrlichkeit von einst sich erhalten hat, (von Dienstag vor
Himmelfahrt) vom 28. April bis zum 1. Juni. Da die Mai- oder Johannis-
messe 46 Tage dauerte, blieb stets ein kurzer, mitunter aber sehr be-
trächtlicher Zwischenraum zwischen ihr und dem Cyklus der vier Messen.
Im umgekehrten Mafse wuchs oder verminderte sich die kleine Pause
vor der Barer Messe.
Die Zeiteinteilung der Messe war an den vier Mefsplätzen fast die
gleiche. Nach einer Vorwoche von acht Tagen, in der die Waren noch
ohne Zoll zurückgezogen werden konnten, folgte die Tuchmesse, deren
Abschlufs am zehnten Tage mit der Ära pannorum (hare de dras), d. h.
dem Gerüfte der Mefsdiener erfolgte. Die Zahlzeit erreichte vierzehn
Tage später ihr Ende durch das rectum pagamentum. Noch blieben die
Wechslerbuden vierzehn Tage stehen, und dann folgten die vier letzten
Tage, in denen die Mefsbehörde ihre Briefe gegen säumige Schuldner
ausstellte. Daneben lief die Messe der Gewichtswaren 25 Tage lang^.
Eine Leder(Corduan)messe hatte gleichfalls ihre Termine. Weniger unter-
richtet sind wir über die Formen des Handels mit Pferden und Vieh,
. mit Wein und Getreide, wie mit Salz. Jedenfalls kam keine Messe
denen der Champagne an Ordnung gleich. In den Folgen am wichtigsten
wurde der Geldhandel. Die Gläubiger forderten gewöhnlich die Bezahlung
der Schuld einige Tage vor Ära pannorum (z. B. quaiuor diebtis ante-
quam clametur Hare , Hare) , natürlich zu dem Zwecke , . um die Gelder
auf der Messe selbst noch auch im Tuchhandel verwenden zu können.
Die Blüte der Champagner Messen beruhte vor allem auch auf der
weisen Politik der Grafen von der Champagne, die sich aller Experimente
enthielten und auf jede Weise dafür sorgten, dafs der fremde Kauftnann
das Vertrauen behielt. Dieses stärkte wiederum die Autorität der Messen
und die Macht des Grafen. Nicht die materielle Macht eines gewaltigen
Reiches, das den Frieden garantieren und jede Störung desselben be-
strafen konnte, hat den Messen eine fast unbestrittene Autorität gegeben,
sondern die Klugheit und Weisheit der Verwaltung der Messen, der sich
im eigenen Interesse willig weitentlegene Städte unterwarfen. Die Grafen
von der Champagne konnten materiell das freie Geleit nur in ihrem
Bezirke verbürgen, sie schufen dafür die Vorbilder der Verkehrs-
privilegien, sie verzichteten auf das Recht der Repressalien und des
Arrestes wegen anderer Vergehen und Schulden, als die mit der Messe
^ Ich folge hier den Schau besehen Berechnungen des Verlaufes der Kalten
Messe von Trojes, die nach ihm am 23. Dezember schlofs. Vgl. im übrigen Gold-
schmidt, Geschäftsoperationen.
k
Messen. 159
zasammenhingen. Was sie da schufen, konnten auch andere Landes-
herren nachahmen.
Die gewonnene Autorität schuf aber auch auTserhalb den Messen
ein solches Ansehen, dafs der Graf, bez. seine Vertreter auf den Messen,
die custodes nundinarum (gardes des foires), bis nach Italien hinein den
verfolgten, der dort Mefsbesucher zu stören wagte ^. Auf der Messe
wurde eine fachmännische und schleunige Gerichtsbarkeit geübt, die
custodes nundinarum waren keine Beamte von Haus aus, sondern wurden
meist den Kaufleuten entnommen^, das Mefsgericht erkannte den Mefs-
schulden einen Vorzug zu, und die Mandate gegen säumige und flüchtige
Schuldner blieben nicht, wie so viele mittelalterliche Urteile, ohne
Wirkung; denn es gab ein Mittel, um die Heimatsbehörden sich willig
zu machen. Wenn über eine Stadt der Mefsbann ausgesprochen wurde,
so war ihr Handel auf das schwerste geschädigt, und es blieb ihr nichts
anderes übrig, als nachzugeben. Der Mefsbann wurde über Städte wie
Florenz, Lucca und Köln und über Grafen wie den von Savoyen ver-
hängt^. Das Interesse der Kaufleute gebot es also, eine solche kauf-
männische Exkommunikation zu vermeiden^.
Die Leitung der Messe war den gardes des foires anvertraut, welche
die Aufsicht, die Polizei, das Gericht und den Strafvollzug besorgten
und in der Handelswelt Ordnung hielten. Sie waren einerseits die Ver-
treter des Grafen auf der Messe, wie andererseits die Häupter dieser
Kaufinannswelt, für deren Bestes sie arbeiteten. Unter ihrer Aufsicht
standen die einzelnen nationalen Korporationen.
Zu den Messen strömten die Menschen aller Länder des Abendlandes
' So unterwarfen sich die Piacentiner dem Willen der Custoden, welche frei-
lich zur Drohung mit dem Mefsbanne greifen mufsten, weil 1242 zwischen Lodi
und Pavia Kauf leute aus Florenz, Siena, Pistoja, Lucca und Pisa von Piacentinem
beraubt waren. Bourquelot 1. 178.
' Das ist hervorzuheben. Morel (Les juridictions commerciales au moyen-äge.
Paris 1897) sieht in der Einrichtung der 1174 zuerst erwähnten custodes nundinarum
eine Einwirkung der Organisation der italienischen Kauf leute im Auslande. Danach
müfste die später zu erwähnende Genossenschaft der italienischen Mefsbesucher
älter sein als 1174, was sich nicht beweisen läfst. Beide Organisationen erstrebten
eine schnelle, einfache, fachmännische Rechtsprechung.
' Goldschmidt 232 N. 164 betr. Köln siehe unten. Gegen Gnif Amadeus V.
von Savoyen wurde die »defcnsa* ausgesprochen, weil er zwei Boten des capitaneus
gefangen gehalten hatte. 1288 gab der Graf nach. Mon. bist. patr. Chart. 1,
1607. Florenz wurde 1298 mit dem Mefsbanne bedroht wegen einer Sache, in der
es sich um 16 €6 kleiner Tumosen handelte. Berti, Documenti S. 264.
* So kamen die sehr energischen Bestimmungen italienischer Statuten zustande,
wie das Kap. 30 der Statuti di Monza über den Schuldner, der Kredit ge-
nommen: »tempore nundmarum Campanie Briantie vel in partibuif de idtramontihus
vd in quacunque parte Ytalie,"
160 Vierzehntes Kapitel.
herbei, selbst der Norden Europas war nicht unvertreten. Vorzüglich
traten aber hervor die Vlaemen und Italiener. Jene hatten mit andern
nordfranzösischen und braban tischen Städten den Bund der 17 Städte
geschlossen, die „Hansa von London" oder die vlaemische Hansa, welche
ihre Tuche nach der Elle der Champagne mafsen und sich verpflichteten^
sie zuerst dort zum Verkauf zu stellen^.
Noch zahlreicher pflegten die Italiener zu erscheinen. Selbst ein
Mönch wie Salimbene, der Minorit von Parma, hielt sich 1247 vierzehn
Tage in Troyes auf, ^ei erant ibi multi mercatores lombardi et de Tmcia,
nam ibi fiunt nundinae, quae dfMhus mensibus durant, sicut et Pruvini': ^.
Weitere Belege über den Aufenthalt von Italienern brauche ich nicht
anzuführen^. Sie bildeten sicher seit. 1245 einen Verband*. Es wider-
sprach doch durchaus ihrem Geiste, dafs sie von Fremden gerichtet
werden sollten, es war ein überall von ihnen zur Geltung gebrachtes
Prinzip, dafs die Bürger einer jeden Stadt auch in der Fremde mög-
lichst nur vor heimischen Richtern sollten gerichtet werden. Wo nur
eine geringe Zahl von Piacentinern versammelt war, mufsten sie aus
sich einen Konsul erwählen **. Der municipale Geist und der lebhafte
Sinn für eine legale Form, die uns in aller italienischen Stadtgesetz-
gebung entgegentritt, stiefs also direkt gegen das Fundament der Messen
der Champagne, das eine prompte Justiz seitens der Mefsrichter versah,
deren Sprüche internationale Gültigkeit erstrebten. Ein Ausgleich beider
Prinzipien wurde darin gefunden, dafs die Konsuln der verschiedenen
Städte sich einen Capitaneus universitatis mercatorum setzten, der zwischen
den Italienern nach dem heimischen Rechte entschied, der aber flir seine
Urteile kein Exekutionsrecht besafs. Er vertrat zugleich alle Interessen
seiner Landsleute. Das Muster scheint die Organisation der Provenyalen
gewesen zu sein. 1245 bestand aber bereits eine Vereinigung der römi-
schen, toscauischen und lombardischen Kaufleute auf den Champagner-
messen, der Graf Theobald in der Unterstadt von Provins ein Haus
überwies, das als fondaco während der Aigulfusmesse dienen sollte^.
^ Zuerst erwähnt 1240 Ashley 1, 125 Ann. 129. Bourquelot 1, 134 f. und
sonstige Litteratur.
' Mon. hist. ad provinc Parmens^em et Placentinam pertineutia 3, 88.
* Doch vgl. den Brief der gariles des foires von 1299 über die Beraubung des
Anselmes de Novaires citoiens et marcJhant de Milan. Er wurde auf dem Wege von
Mailand zur Messe von Bar von Adligen im Orte »Sechins* in der Nähe von Besan^on
angehalten. Urk. bei Statuta civitatis Novariae ed. Ceruti S. 404.
* Vgl. Goldschmidt 195—200. Bourquelot 1, 168 f., 253 ff. Pigeonneau
1, 216 f. Fi ton, Les Lombards 1, 30. 32 f. 221. 227. Die Abgaben der Italiener,
die lomharderie u. s. w. lasse ich hier ganz aufser Betracht.
''» Vgl. Gold Schmidt 182 Anm. 146. Florenz hatte als Mindestzahl 12.
* Layettes du tr^sor des chartes 2, 586.
Messeo. 161
Näher sind wir unterrichtet über den Verband der italienischen Kauf-
leute, welche sich bereit erklärt, den Handel nicht mehr von Montpellier,
sondern von Nimes aus, wo zuerst das Königreich Frankreich am Mittel-
meer eine Handelsstadt gewann, nach Frankreich hinein zu betreiben.
König Karl der Kühne schlofs Februar 1278 mit ihnen einen Vertrag,
einen Merkstein in der französischen Handelsgeschichte*. Später war
diese Organisation für Nimes mit der für die Champagnermessen, die aus-
drücklich als Vorbild jener schon bei der Gründung 1278 bezeichnet
wurde, verschmolzen, und nun führte diese dauernde Vereinigung flir
den Welthandel den Titel : »universiias mercaiorum Italiae nundinas Com-
paniae ac regnum Fr an et ae frequentantiufnt^.
Selbstredend hatte sie ein eigenes Siegel®. Es war kein Bündnis
der Städte, die sich in der Heimat ja vielleicht befehdeten, sondern eine
Organisation der Kaufleute, eine Schöpfung der Heimatsliebe und des
politischen Kalküls zugleich.
In den bezüglichen Urkunden werden regelmäfsig Genua, Asti, Alba,
Mailand, Venedig, Bologna, Lucca, Pistoja, Florenz genannt, selten und
wohl nur zuföllig fehlen Piacenza, Siena und Rom. Vereinzelt erscheinen
Como, Parma, Prato, Urbino und Orvieto. Die Capitanei, deren Heimat
wir kennen, entstammten Piacenza, Mailand und Florenz*.
Die engen alten Beziehungen der Italiener zu den Messen drückten
sich auch darin aus, dafs Bischof Heinrich von Troyes und Graf Hein-
rich I. von der Champagne (vor 1158) das Hospital auf dem Markte
von Troyes dem Kloster auf dem Grofsen St. Bernhard unterstellten*^.
Derselbe Graf schenkte den Mönchen später noch die Hälfte des Zolles
von den Leinenstücken, die zu Provins verkauft wurden*.
Die italienischen Städte hatten Boten, die die Verbindung zwischen
Messe und Heimat aufrecht erhielten, der Dienst war wohl organisiert,
' Goldschmidt 195 und die dort nicht erwähnten Stücke Fagniez 1,302 u.
307 und Donoaud, Commercio 131 flP.
' So 1294, daneben auch andere Formen, so *Mwtwr«itox et sociäas mercatorum
et cambitorum Lombardorum^ Italicorum et nliranuyntan&nim omnivm nundmas Cam^
panie, cintatem Nemausum et jtroi'htciam I^arbofiensem frequentantium.» 1298 waren
in der Gesellschaft auch die Provenzalen, ob nur für eine kurze Zeit, ist zweifelhaft.
' Nur Bruchstück von dem 1277 gebräuchlichen erhalten. Abgebildet bei
Pigeonneau 1, 249. Fi ton 1, 123. Ein vollständiges, aber abweichendes mit der
Umschrift: *.s. socidatis mercatorum lumbardorvm in Fnmciaf' bei Fi ton 2, 103.
* Piacenza: Fulco Cacii 1278. Lanzelotto Cuccherla 1294. Mailand: Rogeriua
de Casace jurisperitus 1288. Albertus Medicus (de Medicis) 1293 und 97. Florenz:
Jacques du Front 1299.
^ Gremaud 29, 93. 94. »hospitale quod Domus Bei rocatur,*
<* Gremaud 29, 512 zwischen 1159 u. 1177. »medietatem telmiei de teils que
Pruvini renduntur.* Bourquelot 1, 202.[" Die Kette der Besitzungen des Hospizes
beweist überhaupt für den regen Verkehr nach der Champagne. S. oben S. 82.
Schulte, Gesoh. d. mittel alterl. Handels. I. 11
\Q2 Vierzehntes Kapitel.
nach dem Termin der Reise hiefsen die Boten : Cursor de pagamento oder
Cursor de ara. In zwanzig Tagen legte ein Bote die Strecke von Lagny
bis Florenz zurück^.
Die verschiedenen Nationalitäten, welche regelmäfsig die Messen
besuchten, erwarben wohl ein eigenes Haus oder mieteten es, so hatten
die Lucchesen einen solchen fondaco in Provins^, die Lombarden
ebenda^, die Piacentiner in Trojes^, 1188 gab es einen vicus Anglie
in Lagny ^. Selbst kleinere Städte wie Valencia oder Lerida hatten ihre
Quartiere, die gröfseren hatten z. T. an allen vier Orten solche^.
Die deutschen Kaufleute besafsen in Troyes ein Heim, die mnisan
aux AlemanZj wo sie ihre Leinenzeuge verkauften^. In Provins, Unter-
stadt, gab es eine mit Wohnräumen und Kellern versehene Gasse der
Deutschen^. In Bar sur Aube gab es eine court aux Allemands und
eine deutsche Gasse, die 1265, der vicus AUemannorum schon 1261 er-
wähnt werden®. Eine ^maison de Bcuilet wird in Rechnungen von
1340 — 41 erwähnt, doch kann sie viel älter sein^®.
Die ältesten Nachrichten, welche sich auf den Verkehr von Deutschen
auf den Champagnermessen beziehen, haben wir wohl in den Urkunden
Kölns ftir Verdun von 1178 zu suchen, obwohl direkt nur von der An-
wesenheit von Virtenern in Köln die Rede ist**. Zahlreich sind die
Nachrichten, worin für niederrheinische Schuldner als Zahlungsplatz eine
der Champagnermessen bestimmt wurde. Würde das noch nicht das
Erscheinen der Kölner Kaufleute auf den Messen beweisen, so geht das
unzweifelhaft aus der Bitte der Kölner hervor, dafs der tiber ihre Stadt
verhängte Mefsbann, den sie wegen der Säumigkeit des Erzbischofs zu
tragen hatten, aufgehoben werde **. Die Geschichte des Geldhandels wird
uns überhaupt die Champagnermesse als den Mittelpunkt des Geldverr
kehrs, als die grofse Börse des dreizehnten Jahrhunderts kennen lehren.
1 Huvelin, Les courriers des foires de Champagne in Annales de droit
commercial fran^ais, Strang, et international. 1898.
' Bourquelot 2, 15.
» Ebda. 2, 15.
* Piton 1, 227.
^ Bourquelot 2, 24.
* S. über die zahlreichen Häuser in Troyes Bourquelot 2, 8. 10.
•^ Bourquelot 2, 8 zu 1288. 1, 199 f. Hans. Urkb. 3, 15 Anm.
8 Erwähnt 1211. Bourquelot 1, 199. 2, 18. Hans. Urkb. 3, 15 Anm.
^ Leider ist hier Bourquelot 1, 199 und 2, 29 in seinen Angaben zu knapp.
Hans. Urkb. 3, 15.
*• Bourquelot 1, 202.
" Hans. Urkb. 1, 17 u. 19.
^' S. weiter unter dem Geldhandel.
Messen. 168
* Bei den Dichtern findet sich bei Schultz nur ein einziger Hinweis auf
den yjärmarkt zt ProvU^ *.
Genauere Nachrichten über deutschen Warenhandel auf diesen Messen
haben wir nur aus Strafsburg, Augsburg, Basel und Konstanz, und die
Urkunden der Bodenseestadt werfen ein helles Licht in die so überaus
dunkle Geschichte des Handels jener Tage. Was wissen wir über das
Leben auf den deutschen Messen und Märkten?
Die Strafsburger Urkunde von 1229 nennt freilich nicht ausdrück-
lich die Messen. Es heifst in ihr, Herzog Theobald von Lothringen
habe die Bürger von Strafsburg schwer geschädigt, daraus seien Streitig-
keiten zwischen Bürgern von Strafsburg und Saarburg entstanden. Der
Ausgleich soll erfolgen, indem die Strafsburger auf den Messen (in
nundinis) von den Saarburgern eine Umsatzsteuer von Vi so, die Saar-
burger umgekehrt eine solche von ^/24o erheben, bis der Schaden beider-
seits hergestellt ist Unter den Messen sind wohl keine andere als die
der Champagne zu verstehen '^. In dem Tarife des Zolls auf der Wertacb-
brücke bei Augsburg handelt ein Absatz von dem Kaufinann, der nicht
nach Venedig fährt, sondern gen Frankreich^.
Der Konstanzer Rat hat 1283 den Leinwandhandel in der Stadt ge-
ordnet, das Ziel war, eine einheitliche gute Ware herzustellen, welche den
Namen der Stadt emporbringen sollte. Als Käufer am Markte wurde der
Grofshändler begünstigt, der Zwischenhandel war untersagt, der Export
sollte gefördert werden^. Die Interessen des Händlers und Exporteurs
aind auch in den beiden Ordnungen von 1289 über den Leinwandhandel
auf den Champagnermessen gewahrt '^. Es galt hier die Konkurrenz der
Konstanzer Verkäufer untereinander aufzuheben und das Ansehen der
Konstanzer Kaufmannschaft zu stärken. Die Beschlüsse wurden nicht
allein vom Rate, sondern auch von der Kaufmannschaft gefafst. In den
vier Mefsorten hatten die Konstanzer ihr eigenes Haus, in dem nur
Bürger Leinwand auslegen durften®; jede Vermittlung war untersagt,
^ Rupr. V. Wärzburg. Schultz 1, 510.
« Strafsb. ürkb. 1, 170.
' »Ein ieglich burger von sinem wdeUchen kau f schätze ^ der ein koufmmi ist, der
8ol gehen von sinem wdeUchen kauf schätze unde swa^ er darumhe her wider bringet ein
halp phunt phoeff'ers ze jar zolle Ist aber em ander burger , der gen Venedic
niht vert Wide gen Frankriclie vert, der körn gulte hat und da^ her in füret unde hew
v/nd stcaz, er her in füret y der sol auch geben ain halp phunt pfoeffers zejarzoUe.* 1282
Monum. BoicaSS^ 161. Ist die Bestimmung so zu verstehen, dafs der Augsburger
nach Frankreich Waren (wohl Leinen) bringt, von dort aber nichts mit heimschafft?
« Statut vom 15. April 1283. Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins 9, 20 f.
Vgl. Gothein 458—61.
* Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins 9, 48 f.
^ »In unseren kusem ze Pare, ze Treys, ee Prufi^ und ze Ldm.*
11*
164 Vierzehntes Kapitel.
der Bürger mufste Eigentümer der Leinwand sein oder Anteil an ihr
haben. Zu gleicher Zeit sollen alle Konstanzer den Verkauf beginnen
und ein jeder soll den Preis, zu dem er verkauft, bekannt geben. Die
Konstanzer Handelsgenossen sollten etwa notwendig werdende Gesandt-
schafts- oder Prozefskosten, um Waren, die auf dem Wege angehalten
waren, wiederzuerhalten, gemeinsam tragen. Eine Umsatzsteuer von
einem Pfennig auf die Mark sollte dazu dienen. Diese Organisation,
welche offenbar andere städtische Verbände auf den Messen nachahmte^
wurde zunächst nur auf zehn Jahre geschaffen. An den Strafen sollte ein
Viertel als Anteil an den Marktherren fallen. Auch der Brief der Baseler
an Konstanz von 1272^ hängt wohl mit dem Handel der Konstanzer
nach den Messen zusammen, ihr Weg fUhrte über Basel. Und dasselbe
dürfte der Fall sein bei dem Überfall, den Konstanzer 1298 oder 99
durch den Grafen Theobald von Pfirt erlitten^.
Neben den tela, den Leinwandstücken, werden von deutschen Waren
Eichhörnchenfelle, graues Wollentuch und das Silber von Freiburg als
Mefswaren bezeichnet®.
Für die Höhe des Verkehrs auf den Champagnermessen haben wir
drei verschiedene Quellen. Einmal die Angaben über den Ertrag von
bestimmten Mefseinkünften, dann solche über zwei wichtige Zölle, welche
von der Zufahrt zu den Messen gespeist wurden. Der eine ist der Zoll
von Bapaume, wo die Eingangspforte der Waren aus dem flandrisch-
englischen Gebiete war, der Ertrag belief sich 1285 auf 2400 livr. Paris.,
1286 auf 2600, 1301 auf 3200; infolge des ausbrechenden Krieges mit
Flandern sank die Ziffer bedeutend, 1302 noch 3250, 1303: 1226, 1304:
1554, 1305 (Friede): 1374, 1306: 1900, 1307: 8200, 1310: 3250. Dann
begann wieder der Kampf*. An dem Eingang zum Grofsen St. Bern-
hard lag der Zoll von Villeneuve bei Chillon am Genfersee. Vom Januar
1286 passierten hier in 213 Tagen 2211 V's Ballen von französischen und
lombardischen Tuchen, 1448 Ballen Wolle und Felle und 80 Lasten
Tuche und Kramwaren ^. Die Ziffern beweisen einen sehr lebhaften
Handel mit Tuchen, die Ziffer der Wollballen bleibt insofern zweifelhaft,
als die Ergebnisse der Schuren in England nicht schon vor dem 10. August
am Genfersee eintreffen konnten, in dieser Zollrechnung also fehlen.
Minder hoch sind schon die Ziffern für 1022 Tage vom 30. November
1294 an, es wurden verzollt 11858 Ballen und 722 Lasten. Für den
1 Baseler Urkb. 2, 52.
« Unsere Urkunden Nr. 326.
* Bourquelot 1, 200 Wegnahme in Lothringen 1250. Wegen des Silbers s.
oben S. 146.
^ Die Zahlen ergeben sich aus Fi not, Etüde bist.
^ Cibrario 398. Man möchte sehr gern eine Specialisierung kennen.
Messen.
165
Verkehr über den Grofsen St. Bernhard ist auch von Bedeutung zu
wissen, dafs 1283 2225 gewöhnliche und 99 englische Pferde Bard
passierten ^.
Über die Erträgnisse der Messen an Gebühren, welche in die gräf-
liche bez. königliche Kasse flössen, hat Bourquelot für 1275, 85, 87, 88,
06, 98/99, 1310, 20, 23 und 40/41 ZiflFern meist aus den Rechnungsbüchem
mitgeteilt ^. Es hat ja seine Bedenken, diese ZijBTem ohne die Taxen zu
haben und die Bedingungen der betreiSenden Jahresmesse zu kenneUi
piiteinander zu vergleichen. Immerhin geben sie aber ein Bild von der
höchsten Blüte, die wohl in die beiden letzten Jahrzehnte des dreizehnten
Jahrhunderts fällt, aber auch von dem rapiden Niedergange, den wir später
zu besprechen haben.
Lagnj
Bar
Provins
Troyes
Provins
Troyes
S. Re-
migius
8. Aube
Mai
f. chaude
Aigulf
Eztenta terrae comi-
tatus Campanie et
Brie. Um 1275 .
2000
800
1800
1000
700
Begister der Chambre
des comptes. Um
1296
1813
2140
1925
1375
1554
1386
Alte ( früher . . .
Motiz \ jetzt . . .
—
1600-1800
800 900
800—900
1000—1100
160
—
700
250
300
450
60
1340-1341 ....
260
280
180
155
177
Das ergäbe eine Einnahme von fünf Messen (Lagny aus-
geschlossen) um 1275 von 5800 livree
ebenso 1296 von 8380 livres
fünf Messen (Provins Mai ausgeschlossen) 1340/41 von 1152 livres
Diese Ziffern reden eine deutliche Sprache. Bald war die Zeit ab-
gelaufen, wo hier die internationalen Geschäfte geregelt wurden, wo die
Champagne der ständige Mefs- und Zahlungsplatz der abendländischen
Welt war, insbesondere verschwanden die Italiener, und damit endete
auch der Umweg, den ein grofser Teil des deutsch-italienischen Handels
genommen hatte. Hatte das Haus der Deutschen in Troyes 1285 der
Herrschaft zur Johannismesse 188 it 10 ß und zur Remigiusmesse 35 U
J Cibrario 397.
« 2, 195-201.
150 Vierzehntes Kapitel.
getragen, im folgenden Jahre gar 217 ^ 10 /? und 70 ^ 17 jj, so
molBte der Rechner auf der RemigiuBmesBe von 1320 sieh begnügen, 10 ß
einzutragen, Gewölbe und Keller hatten nicht einen Pfennig Miete ein*
gebracht ^
Es mulste naheliegen, den Verkehr von diesen Messen nach Deutsch-
land zu ziehen, und wirklich ist er in den Tagen Friedrichs II. gemacht
worden. Ya ist eine bewufste Nachahmung der Messen der Champagne,
wenn der Staufer anordnete, dafs an sieben Orten der festländischen
Teile seines sizilischen Reiches, in Sulmona, Capua, Lucera, Bari, Tarent^
Cosenza und Reggio, in bestimmter Folge jährlich allgemeine Messen
gehalten werden sollten*. Seine deutschen Verfügungen sind nicht so
klar, aber sie lassen keinen Zweifel darüber, dafs er am Rheine in
mehreren Städten ähnliche Messen einrichten wollte. Bald nach der
Begründung von Oppenheim, jenem Muster einer königlichen Burgstadt
mit den beiden Centren: einer Burg und einer Stadt, verlieh er ihr das
Recht, neun Tage vor und neun Tage nach Martini eine Messe (nundinae
generales) zu halten^, und wenige Jahre später kamen die Oppenheimer
mit der Bitte, von der Osteroktave an während vierzehn Tagen eine
Messe (annuas nundinas) veranstalten zu dürfen, was ihnen gewährt
wurde*. Einigen Erfolg müssen die Oppenheimer gehabt haben ^,
wenigstens bewarben sich die lieben Nachbarn in Worms und Speyer
um dasselbe Recht, und der Kaiser gab es und zwar so, dafs die Oppen-
heimer Messen zeitlich zum Teil mit den neuen zusammenfielen. Die
Wormser Messe sollte vierzehn Tage nach Ostern beginnen und vierzehn
Tage dauern*. Die von Speier von Simon und Juda (28. Oktober) an
aber elf Tage ''. Der Kaiser forderte alle Kauf leute aus der Nähe und
Feme auf, diese Messen zu besuchen. Die Speierer wandten sich auch
sofort an alle im Reiche belegenen Städte und Dörfer und an die übrigen
Kaufleute, welche Messen besuchten, mit der Aufforderung, zu den Messen
zu erscheinen. Sie verkündeten das freie Geleit des Königs und dafs
sie die Hälfte des Zolles nachliefsen, besonders begünstigt seien nach
^ Bourquelot 1, 199 f. und Hans. Urkb. 3, 15 Anm.
» Böhmer-Ficker 2037. 1234 Januar.
« Böhmer-Ficker 1635. Franck, Gesch. v. Oppenheim 229. 1226 Juni.
* Böhmer-Ficker 2153. Franck 231. 1236 Mai.
• In der Erneuerung Karls IV. von 1378 heifst es allerdings, dafs sie bisher des
Jahrmarkts nicht gebraucht haben. Franck, Urkb. Nr. 123. Doch kann der Jahr-
markt sehr wohl an Bedeutung verloren haben.
« Böhmer-Ficker 3373. Wormser Urkb. 1, 144. 1243 August.
^ Böhmer-Ficker 3488. Hilgard 54. 1245 Juli. Die neu eingerichtete
Bamberger Messe wurde vom 1. Mai drei Wochen lang abgehalten. Böhmer-
Ficker 8481. Die Urkunden sind nach gleichem Formular gearbeitet, auch die
Wormser.
Messen. 167
altem Rechte die Städte Utrecht, Köln, Trier und Worms and die dazu
gehörigen Diöcesanen*.
Friedrich hatte zwar hinzugeftlgt, dafs diese Messen benachbarten
gleichzeitigen nicht abträglich sein sollten, aber das war doch undenkbar.
Es konnte nicht ausbleiben, dafs auf solche Weise die sämtlichen neun
Messen nicht zu wirklichen Handelsmessen aufblühten, sondern hand-
werkerliche und bäuerliche Zusammenkünfte blieben, die den Welthandel
nicht beeinflufsten. Irgend eine andere Nachricht über diese Messen ist
mir sonst fUr das dreizehnte Jahrhundert nicht bekannt geworden.
Von allen süddeutschen Messen, die in den Tagen Friedrichs II.
gegründet oder gefördert wurden, gewann allein eine hohe Blüte, die
Frankfurter Messe. Der älteste urkundliche Beleg flir sie ist der
Schutzbrief des Königs von 1240*. Ist sie nicht vielleicht von ihm
begründet?
Die Messen von Nördlingen und Zurzach, welche später gleichfalls
eine internationale Bedeutung gewannen, sind für diese Zeit noch nicht
belegt, doch dürfte mindestens die Verenamesse von Zurzach schon be-
standen haben ^.
Rudolf hat Heilbronn eine dreiwöchentliche Michaelismesse*, Albrecht
dem späteren Könige Heinrich ^nundinas general€S€y welche sechs Wochen
lang in Luxemburg abgehalten werden sollten^, dieser endlich Hagenau
zwei vierzehntägige Messen* gegeben.
Eine Messe fand übrigens innerhalb der Alpen statt und zwar unter-
halb der Burg von Lags, dem Sitze der Grafschaft für Oberrhätien. Das
Habsburgische Urbar giebt das Recht der Messe, aufser Pferden und
Vieh wurden da Tuche, Schuhe, Kram, Salz, Wein, Stahl und Eisen
verhandelt, und der Markt mufs recht beträchtlich gewesen sein; denn
> Hilgard 55 1245 August 24.
« Böhmer-Ficker 3128. Böhmer, Cod. d. Moenofrancof. 68. VgJ. Bücher,
Die Bevölkerung von Frankfurt, a. M. 1, 504. Auch sie werden als nundinae be-
zeichnet. Sie fanden wenigstens im folgenden Jahrhundert zwischen Maria Himmel-
fahrt (15. August) und Maria Geburt (8. September) statt.
' Friedrich 11. ahmte übrigens das Beispiel seines Grofsvaters nach, der für
die flandrischen Kaufleute zwei Messen zu Aachen und zwei zu Duisburg so ein-
richtete, dafs sie je vierzehn Tage dauerten und sich nicht berührten. Hans,
ürkb. 1, ISflP. 1173Mai 29. M.G. Constitutiones 1 Nr. 289. Die alten Kölner
Messen standen schon in den Tagen Annos in hoher Blüte, waren aber eingegangen.
Auf die grofsen flandrischen Messen zu Thourout, Messines, Lille und Ypem, die
damals von Franzosen und Italienern eifrig besucht wurden, ist hier nicht einzu-
gehen. Vgl. Pi renne 1, 192.
* Böhmer-Redlich 2202 zu 1288.
6 Winkelmann 2, 184.
« Böhmer, Reg. 316.
168 Vierzehntes Kapitel
die Kaufleute von Lugano muTsten 10 ü Pfeffer bezahlen , was doch
ursprünglich gewifo für sie ein Vorrecht gewesen war*.
Auch die italienischen Messen dürften deutsche Besucher gesehen
haben, vor allem auf die vier Mailänder dürften sie gekommen seiui
Bonvesin sagt, sie seien von unzähligen Kauf leuten aufgesucht worden '.
Der grofsen Messen von Ferrara Glanzzeit war vorüber, auf die
Venetianer kann ich nur hinweisen. Auch die zu Piacenza, Pavia und
Genua waren nicht ohne Bedeutung^.
1 Das habsb. Urbar 1, 528.
« S. 113.
s Huvelin 280.
Dritter Teil.
GESCHICHTE DES VERKEHRS VON DER ERÖFFNUNG DES
GOTTHARDS BIS ZUR DOPPELWAHL VON 1314.
Fünfzehntes Kapitel.
Der St. Ootthardpafs.
Erste Erwähnung, Die stäubende Brücke erster Triumph der EisenUchnik, Die
Eröffnung eine Folge des Vordringens der Deutschen in die Hochalpen, Urseren will
lokale Verbindung, scfiafft eine internationale.
Wann er fdgte die Eröffnung? Bedeutung Bellimonas. Kämpfe, Reichsgut, wieder
verloren, Triumph Mailands. Politik des Reiches am Nordfufs, Uri von Habsburg ans
Reich. Reichsgut und Hausgut, Die Habsburger an der Strafse nach Ölten. Neue
Zölle : Freudenau, Reiden, St, Amarin, Dieser Vogesenpafs ein Korrelat des Gotthards,
„Wenn du es für gut findest, über den Berg Elvelinus, den die
Lombarden Ursare nennen, zurückzukehren, so gehe von Rom . . . nach
Como. Daselbst wirst du an den Comersee kommen. Diejenigen, welche
aus Schwaben und diesen Gegenden sind, fahren über den Comersee
und reisen über den Sete Munt (Septimer) in ihre Heimat. Du aber
lasse den See zur Rechten liegen und gehe links nach Lowens (Lugano)
16 (italienische) Meilen mit dem See. Da fängt der Berg an und läuft
bis Zonrage (= Zofingen? Zumsteg, Amsteg?). Von Lowens bis Beilenze
(Bellinzona) ist es eine Tagesreise, von da drei Tagreisen bis nach Luzem
mit dem See. Gehe fünf (deutsche) Meilen weiter und es wird dir Tovinge
(Zofingen) begegnen ; aber es sind starke Meilen. Vier Meilen bis Basel . . .
Wenn du nach Basel gekommen bist, thue deinen Füfsen gütlich, steig'
in ein SchiflF und fahre nach Cöln hinunter." Mit diesen Worten be-
schreibt Albert Abt von Stade, von wo aus so mancher Isländer seine
Romfahrt angetreten hatte *, den einen Weg, den man von Rom aus ein-
schlagen könne*. Der nordische Abt hatte überhaupt ein lebhaftes
i S. oben S. 99.
« M.G. SS. 16, 339.
1
mn fl
eut ^Äft
es ^^^^H
170 Fünfzehntes Kapitel.
Interesse für Pfade, und so enthält seine Chronik eine ganze Zu^.i
Stellung der damals am meisten begangenen Wege Italiens, Deut
lands und Prankreichs. Vielleicht hatten den sehr belesenen Hönch^
Itinerare der Isländer zu diesen bei mittelalterlichen Schriftstellei
seltenen Aufzeichnungen angeregt Er selbst hatte 1236 eine Romfj
gemacht, und da hatte er wohl seine Kenntnisse erworben'.
Kichts verrät in seinen Worten, die so klingen, als handle es i
um einen altbekannten Weg, dafs der St. Qotthard — das ist dei
Elvelinus — erst eben war benutzbar gemacht worden*.
Wann ist aber diese That geschehen? wann hat ein einfacher Älpler
den kühnen Gedanken gehabt, tlber der Reufskatarakte an den steilen
Fels in Ketten eine Brücke festzuhängen, welche von dem weiten Thale
von Urseren längs der Felswand in den Zug der Schöllenenschlucht
hinüberführte? wann hat ein erfindungsreicher Kopf das Mittel gefunden,
an einer der schwierigsten Stellen der Alpenwelt die Natur, welche ge-
zwungen dem Flusse Raum gab, jeden Pfad aber dem Menschen ver-
weigerte, zu meistern? Wer war es, der das Problem löste, an dem
sich Menschenwitz bis dahin vergeblich abgemüht hatte? Wann lebte
er? Ein direktes Zeugnis liegt nicht vor, aber mit indirekten Gründen
können wir beweisen, dafs 1236 schon mindestens ein Jahrzehnt ins Land
gegangen war, seitdem der Pafs benutzt wurde. Die gewaltigen welt-
geschichtlichen Wirkungen dieser That, die dem Welthandel andere
Bahnen wies, die Gründung der Eidgenossenschaft wie die Bildung de»
Kantons Tessin herbeiführte, die Folgen der Eröffnung des neuen AJpen-
passea lassen sich doch schon vor 1236 leise verspüren.
Wie dieser Entdecker hiefs, der würdig eines Denkmals wäre, wird
freilich immer unbekannt bleiben. War es der Schmied von Urseren?
Das Eisen feierte hier seine ersten technischen Triumphe. Wo Holz und
Stein, die einzigen Baumaterialien des Mittelalters, versagt hatten, bot
das Eisen zum erstenmal seine überlegene Kraft. Zwar war das Werk
keine kühn gespannte Bogenbrücke, sie ruhte auf Ketten, es wurde
das Eisen also auf Zug beanspruclit, viele Jahrhunderte später begannen
Kettenbrücken die Triumphe des Eisens im Brückenbau!
' Mit <ler Gesthichto des St. Giotthard bcet^häftigteD sich vor allem: Kopp,
ReichsgeBchichtc ; NÜBcheler, A. Hietor. Notizen über den Gotthardpafs. Jahrb.
d. Schweiz. Alpenkhibs VII (1872); Hermann v. Liebenau, Urkunden n. Regeeten
zur GeHchichte des St. Gottbardw<^es von dessen Uroprnng bis z. J. 1315. Archiv
f. Schweiz. Gesch. Bd. 19 (1874); Ohimann (a. a. 0. 1878); Dierauer (1867) und
öchsli (1891), endlich gpitteler.
* öhlraanu zieht auch die Reise des Abtes Emo vom Kloster Floridas hortus
(1213) hierher, der als Stationen Como und Basel angiebt. Diese schliefsen aber den
Septimer nicht aus.
Der St. Gotthardpafs. 171
Wir können weiter sagen, dafs diese That die Folge einer all-
gemeineren Erscheinung ist, des Vordringens der Deutschen in dem
centralen Teile der Alpen.
Es können hier nicht die Geschichte der Ansiedlung der Deutschen
innerhalb des altromanischen Sprachgebietes und die vielen damit zu-
sammenhängenden Streitfragen behandelt werden^. Woher die Leute
kamen, ist für uns auch gleichgültig, die Hauptsache steht fest. Die
Deutschen überstiegen den langen Gürtel, der vom Ealanda bis an den
Genfersee flihrt, und gründeten jenseits, namentlich in den höheren
Gebirgsteilen, Niederlassungen. Am genauesten sind wir unterrichtet
über die Kolonisten des Rheinwaldes, die 1277 schon angesiedelt waren '
und für den Verkehr über den Splügen und Bernhardin die beste Hilfe
wurden. Ihre Nachbarn im St. Petersthal, in Savien und Thusis hielten
über das Gebirge weg mit ihnen Fühlung. Die im rauhen, abgelegenen
Averserthal waren zwischen Romaunschen und Italienern eingesprengt,
ähnlich liegt Obersaxen im Vorderrheinthal. Die Kolonien von Daves
und Prättigau leiten zu den Kolonien Vorarlbergs hinüber. Ob diese
„Walser "gemeinden — als solche bezeichnen sich wenigstens die meisten —
wirklich alle von Oberwallisern gegründet sind, mag dahingestellt bleiben.
Oberwallis selbst war sehr wahrscheinlich ein Kolonistenland ^, und von
ihm schoben sich über die Pässe am Monte Rosa jene Kolonien, die
noch heute an der deutschen Sprache festhalten, obwohl sie jetzt zum
Königreich Italien gehören*; ebenso wurde das obere Tosathal deutsch.
Doch davon später.
Die Deutschen besiedelten durchweg hochgelegene Thäler, in denen
ein Ackerbau nicht mehr möglich war — das gilt von Rheinwald, Avers,
dem obersten Wallis und Urseren — romanische Ortsnamen blieben er-
halten, so dafs anzunehmen ist, dafs die Deutschen angesiedelt wurden
in Thälern, die zwar den Romanen bekannt, aber nicht von ihnen recht
1 Den heutigen Stand der Sprachverteilung zeigt Menghius, Die Sprach-
grenzen in Graubünden und Tessin, Petermanns Mitteilungen 44, 97 — 105 mit Karte.
Seit dem Mittelalter sind die deutschen Enclaven unverändert geblieben.
* Freiheitsbrief des Freiherrn Walther von Vaz für die oflPenbar erst eben an-
gesiedelten : »homines Tlieotunhos residentiam hahentes in Volle Bheni de volle Schoms
usque ad montein, qui vulgariter didtur Vogel*, Mohr 1, 425. Die Namen v. Simpeln
und V. Formazza (1301) beweisen, dafs die Kolonisten wieder Nachkommen von
Kolonisten waren , die von Oberwallis aus auf den südlichen Hang der Alpen vor-
gedrungen waren.
' Doch fällt die Kolonisation spätestens in die ersten Jahrzehnte des dreizehnten
Jahrhunderts, während alle bündnerischen Kolonien nach 1270 entstanden sein
können, mit Ausnahme von Urseren, das ja durch den Furkapafs sehr bequem mit
Oberwallis. verbunden ist
^ Den Umfang giebt Menghius S. 104 an.
172 Fünfzehntes Kapitel.
eigentlich bewohnt wurden; also auf alten Alpen wurden nun auch
Winterwohnsitze eingerichtet. Doch wie immerhin diese recht bedeutende
Ausdehnung der deutschen Sprache nach Süden sich vollzogen haben
mag, sie ist an keiner Stelle dem Verkehre von gröfserem Nutzen ge-
wesen, als in Urseren, wo sie wohl zuerst in dem östlichen Gebiete ein-
setzte. Die deutsche Kolonisation in BUnden hat den Pässen über den
Splügen und Bernliardin eigentlich erst Leben gegeben; wir werden
erst von jetzt an häufiger von ihnen zu reden haben. Die Pässe von
OberwalHs wurden gleichfalls erst von Deutschen nutzbar gemacht —
weit bedeutender aber war es doch noch, dafs die Ansiedlung von
Urseren mit dem Gotthard den centralsten Alpenpafs erschlofs. Die bis
dahin am meisten benutzten Pässe: Septimer, Lukmanier und Grofser
St. Bernhard blieben bis heute rein romanisch. Schon in der Sprache
der PaTsanwohner dokumentiert sich die Geschichte des Passes.
Dafs Urseren im dreizehnten Jahrhundert deutsch war, ist freilich
erst noch zu beweisen. Der Name selbst ist ja ein romanisches Wort,
wie die Ortsnamen Kealp und Gaspis, auch gehörte das Thal nach dem
in romanischem Gebiete liegenden Kloster Disentis. Aber schon 1309
Urkunden seine Bewohner deutsch, und die Namen, welche die Einwohner
führen, sind ebenfalls durchweg deutscht Eine Änderung der Sprache
erfolgte aber in diesen ladinischen Gebieten fast gar nicht Nicht eine
Gemeinde hat z. B. die Kolonie des Rheinwaldthales im benachbarten
Schams gewonnen, und die ladinische Grenze gegen Urseren ist noch
heute dieselbe wie 1308. Warum sollte da gerade vorher die Sprache
gewechselt haben?
Seitdem Urseren deutsch wurde, waren der Nord- und Südausgang
der Reufsklamm im Besitze gleichen Blutes. Erwägen wir nun, dafs die
Klamm an der stiebenden Brücke auf dem Boden von Urseren liegt,
dafs ihre Unterhaltung von demselben Thale getragen wurde ^, und dafis
die Abgabe von dem Verkehre, die „Teilballe" gleichfalls in dieser
Landschaft erhoben wurde ^, so kann kein Zweifel darüber herrschen,
dafs diesen Kolonisten das Verdienst gebührt, die Verbindung mit Uri
hergestellt zu haben; die Urner hatten in der SchöUenenschlucht noch
Arbeiten genug auszuführen, um auch einen Ehrenanteil an der Öffnung
der Gotthardstrafse zu gewinnen.
Es war wohl nichts als eine lokale Verbindung, die die Leute von
Urseren erstrebt hatten, sie hatten eine internationale geschaffen. Sie
' Öchsli S. 9 Anm. 5.
* Die Grenze war V2 Stunde ob Göschenen bei der Mittel- oder Tanzcnbein-
brücke. Öehinz, Beiträge 1, 29 f.
8 Habsb. Urbar 1, 286.
Der St. Gotthardpafs. 173
hatten ihrem Ländchen und dem nördlich wie südlich sich anschliefsenden
Gebiete eine ungeahnte politische Bedeutung gegeben. An Stelle eines
Gebirgsklotzes, den jedermann als ungangbar umging, war der St. Gott-
hard die beste und bequemste Verbindung zwischen Westdeutschland
und Italien geworden. Das nach Norden flihrende Thal Uri war jetzt
kein abgelegenes Alpenthal mehr, wie man sich das nur zu leicht vor-
stellt, sondern es war die Rampe einer Weltstrafse. Die Eidgenossen-
schaft ist nicht aus weltentlegenen Gemeinden gebildet, sondern es haben
sie Leute gegründet, die wufsten, dafs ihrem Land eine Bedeutung inne-
wohne, die mehr von der Welt Läufen erfuhren, als manche deutschen
fruchtbaren Landschaften. Und ebenso wurde aus dem abgeschiedenen
Livinenthal nun eine Gemeinde, deren Besitz von Wert war. Die Welt-
entlegenheit verwandelte sich in das volle Gegenteil.
Der staufische Kaiser war sich des Umschwunges bewufst, der sich
vollzogen hatte. Er erkannte sofort, dafs jetzt hier der Schlüssel Italiens
liege, und er griff zu. Die ersten Schritte zum Erwerb dieser Gebiete
beweisen uns, dafs der Gotthard gangbar gemacht war und einzuwirken
begann.
Am Südabhange der Alpen beherrscht, wie wir wissen, Bellinzona
sowohl den Gotthard wie den Lukmanier; der Herr Bellinzonas konnte
im Besitze von Biasca sogar das Zusammenwirken des Livinen- und
Blegnothales verhindern. Bellinzona aber konnte nicht die Herrin dieses
Gebietes sein, es beherrschte nicht die Ausgänge am Langensee und
am Monte Cenere, und so wurde die Stadt sehr früh abhängig und
mit ihr teilten Blegno- und Livinenthal das Los. Der Einflufs der
beiden nächsten Städte der Ebene Como und Mailand stritt hier, und
in der Geschichte dieser Thäler spiegelt sich die der Städte wieder,
die Parteiungen von Como wurden hier ebenso entscheidend wie später
die Erfolge der Visconti und Sforza. Noch ein anderer Rivale war
vorhanden : der Kaiser wollte die Lande dem Reiche gewinnen und
erhalten, wie einst Chiavenna zum Reiche gehört hatte*, und diese
Politik, von der Höhe des Passes aus das südliche Vorland zu be-
herrschen , nahmen später die Eidgenossen auf und errangen den
dauernden Sieg. Die Städte und Fürsten der lombardischen Ebene
konnten den Südfufs des Gotthardpasses nicht behaupten, deutsche Vögte
schalteten am Ausgange des Mittelalters über die unterworfenen italie-
nischen Vogteien. Da bei der Entdeckung weder am Nordfufse noch an
der Südseite völlige Klarheit bestand, erhoben sich sofort Konflikte.
Ein Besitz, der bis dahin ziemlich gleichgültig gewesen war, hatte nun
eine hohe Bedeutung errungen. Zunächst ist der Streit ohne deutlichen
' Darmstädter S. 92 f.
174 Fünfzehntes Kapitel.
Zusammenhang, dann greift der nördliche Pafsherrscher hinüber, es ent-
steht ein Pafsstaat — die Schweiz, deren Vater nicht der sagenhafte
Teil ist, sondern der Mann, der die stäubende Brücke ersann und aus-
führte !
Como war in seiner Politik vielfach durch den Gegensatz zu Mai-
land bestimmt, es hing bei den ersten Kämpfen Friedrichs U. mit den
Lombarden diesen treu an*, fiel jedoch Dezember 1229 zu den Gegnern
ab^, und Comasken fochten mit bei Cortenuova. März 1239 wendete
sich die ungetreue Stadt wieder dem Hause seiner Wohlthäter zu, im
September wurde ein kaiserlicher Podestä ernannt^. Der Kaiser wufste
den Erfolg auszubeuten. Wie er den Besitz der Mailänder konfiszieren
liefs, so folgte 1240 auch das Gut der Kirche von Mailand, und dazu
gehörte das Livinenthal*. Zum Verwalter wurde Berthold Markgraf
von Vohburg-Hohenburg bestellt, ein Mann, der für die letzten Staufer
die wichtigste Stütze wurde und im sonnigen Italien deutsche Lieder
dichtete*. Die Burgen auf dem Monte Cenere und in Bellinzona unter-
standen ihm wie die tiniversUafes et communia von Leventina und Blegno.
Zum Unterhalte der Burgen mufste auch Como beitragen, wo Berthold
Kapitän war®. Mailands glücklicher Erbe war also das Reich, während
Como sich mit einigen Thälern am Luganer- und Comersee begnügen
mufste''. Der Kaiser stellte den Comasken seine Verfugungen über
Blegno und Livinen als vorläufige hin, aus seinen Briefen geht un-
zweifelhaft hervor, dafs die Comasken eifersüchtig geworden waren. Er
ernannte Februar 1241 ihren Podestä zum Nachfolger Bertholds von
Hohenburg**.
Der Kampf gegen die Mailänder war für Como zu schwer, Mendrisio
versagte sich, und 1242 fiel Bellinzona in die Hände der Ersteren. Sie
wufsten, was sie gewonnen hatten. Der Podestä von Mailand schrieb
an den päpstlichen Legaten: „Die Hofihung, die Burg Bellinzona, die
einst das Herz des Körpers der Stadt Como war und nun das in ihrem
» Böhmer-Ficker 865 u. 1658.
' Zunächst unter Vorbehalt der Treue gegen den Kaiser; Rovelli, Storia di
Como 2, 223.
» Böhmer-Ficker 2460. 2473. 2482. 2483.
* Böhmer-Ficker 2596. 2597. 3109.
^ Vgl. über ihn Döberl in Deutsche Zeitschr. f. Geschichtsw. 12, vor allem
S. 208 f.
* Die wichtige Entscheidung ist vor Faenza getroffen in der gleichen Zeit, als
die Urkunde für die Schweizer ausgestellt wurde. B.-F. 3157 vom 21. Dezember 1240.
Den Befehl im Reichsgute wie in Lecco hatte Johann de Andito, in Como lag eine
deutsche Besatzung.
■» Böhmer-Ficker 3109. 3143. Lob ihrer Treue.
» Böhmer-Ficker 3183. 3224.
Der St. Gotthardpafs. 175
Herzen steckende totbringende Schwert ist, zu gewinnen, hat sich erfüllt
Die Bewohner und die Besatzung haben die durch Natur und Kunst bis
zur Unbezwinglichkeit befestigte Burg den Führern unseres Heeres
übergeben. Die Wege nach Frankreich und Deutschland sind uns nun
offen und unseren Feinden verschlossen, so dafs wir von dieser Seite
weder den Angriff des Nero noch die Wut der Deutschen zu befiirchten
haben" *. Es war keine Übertreibung, durch die Einnahme von Bellenz
war der kaum eröffnete beste deutsche Pafs, der näher als irgend ein
anderer dem unmittelbaren Reichsgut und dem eigentlichen Sitze der
staufischen Macht lag, der versprach, der eigentliche Kaiserpafs zu
werden, flir die deutschen Streiter wieder verschlossen. Es nützte dem
Reiche wenig, dafs Como Mailand in der Herrschaft von Bellinzona ab-
löste, als es 1249 die Sache der Staufer verliefs und zu den Guelfen
übertrat^. Como konnte auf die Dauer Mailand ja nicht widerstehen,
und dies gewann die Herrschaft im Thale des Tessin.
Scheinbar glücklicher, im Endergebnis aber gerade so unglücklich
war die Reichspolitik am Nordfufs des Gotthardes. Hier durchkreuzen
sich nun bis in die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts die Bestrebungen
des Reichsoberhauptes, den nächsten Zugang zum Gotthard und die
Thäler, welche diesen flankieren, dem Reiche zu gewinnen und zu er-
halten, und die der Grafen von Habsburg und der Herzöge von Öster-
reich, womöglich den ganzen Weg von Basel bis auf die Höhe des
Passes in ihre Hand zu bringen. Die Thäler halten zu der königlichen
Politik, sie wollen sich dem Reiche erhalten, aber gerade dadurch ent-
fremden sie sich um so sicherer dem Reiche. Indem sie darum kämpften,
nicht österreichisch zu werden, stritten sie unbewufst für die Ablösung
vom Reiche. In der Ebene hatten die Habsburger die gröfsten Erfolge^
auch das Gebirge wäre ihnen unzweifelhaft zugefallen, wenn noch das
alte Recht für das Gut des Reiches gegolten hätte. In der staufischen
Zeit war stets wie bei den früheren Dynastien das Hausgut der neuen
Dynastie mit dem Erbe der alten verwachsen, die Wahl einer reichen
Familie bedeutete eine Verstärkung des Hausgutes. Unter diesem Rechte
wäre der reiche habsburgische Besitz auf der schweizerischen Hochebene
und in der oberrheinischen Tiefebene mit dem Reichsgute von Neuen-
burg, Basel, Zürich, Schaff hausen, Konstanz, Bern verschmolzen, und
dieser Reichsbesitz hätte auch die Reichsthäler von Uri und Hasli ohne
Mühe in sich aufgenommen. Aber bei der Königswahl war das Recht
geändert, fortan wollte man keine Dynastien mehr erheben, sondern
1 Winkelmann, Acta imperii 1, 537.
' Rovelli2, 881. Schon vorher war es notwendig gewesen, Comasken gefangen
2a setzen. Böhmer-Ficker-Winkelmann 13607.
176 FüDfzehntes Kapitel.
keinen Zweifel mehr belassen, dafs nur dieser eine zum König erkoren
sei ; das Wahlrecht hatte über das Erbrecht den endgültigen Sieg davon-
getragen. Es sollte in Zukunft sorgfältigst jedes Verschmelzen von
Reichsgut und Hausgut vermieden werden. Damit hörte die Möglich-
keit, das Reichsgut zu mehren, auf, ihm war die werbende Kraft ge-
nommen.
Der König verwaltete also zwei Arten von Besitz: als König das
Reichsgut, das er zu vermehren sich nicht bemühte, das von vorn-
herein bei dem Überwiegen der Städte die Tendenz hatte, sich in eine
Unzahl von städtischen Machtkreisen aufzulösen, in denen naturgemäfs
die Selbstverwaltung wichtiger werden mufste, als das königliche Regiment
Das Gesamtstaatsgut hat also von vornherein die Tendenz, sich zu ver-
mindern; nur dann erwärmt sich ein Herrscher für das Reichsgut und
denkt an seine Ausdehnung, wenn es möglich ist, durch dasselbe eine
rivalisierende Familie zu schädigen. Das ist gegenüber der sich bildenden
Eidgenossenschaft die Politik der Könige aus nicht habsburgischcm
Blute. Daneben verwaltet der König sein Hausgut, und ganz selbst-
redend wollte er dieses mehren. Er war ja fast sicher, dafs sein Erbe
nicht wieder zum Könige gewählt werde, es blieb also nichts übrig, als
die alte landesherrliche Politik auch als König mit aller Macht fort-
zusetzen. Das war die Politik der Habsburger. In dem Ringen dieser
beiden Tendenzen entsteht die Eidgenossenschaft ^
Dem Weg von der Höhe des Qotthards nach Basel war durch die
Natur im wesentlichen seine Richtung gegeben. Von der SchöUenen-
schlucht führt der Lauf der Reufs durch Uri nach Fluelen an das
Haupt des Vierwaldstättersees, das Schiff brachte den Wanderer nach
Luzern am Fufse desselben. Über Rothenburg erreichte er das west-
liche Ufer des Sempachersees und an ihm entlang Sursee^. Von dort
war westlich abzubiegen, um durch eine sumpfige Einsenkung das Thal
der Wigger zu erreichen. Hier ist der Weg durch den Lauf des von
zwei parallelen Ketten eingeschlossenen Thaies bestimmt und führt an
Reiden, einer wichtigen Zollstelle, Zofingen und Aarburg vorbei an die
Aare, die nur sehr kurz begleitet wird. Bei Ölten wird der Flufs über-
schritten, um über den unteren Hauen stein Basel zu erreichen.
* Vgl. Schulte, Gesch. der Habsburger 141—147.
2 Sursce wird in dem von Mone, Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 4, 18 veröffent-
lichten Wegweiser von Strafsburg nach Rom (aus dem fünfzehnten Jahrhundert)
genannt. Für diese Zeit ist also der Weg das ganze Wiggerthal aufwärts über
Willisau, Wohlhausen, dann an der Kleinen Emme abwärts über Malters und Littau
nach Luzern ausgeschlossen. Der Scheitel dieses Weges (614 m) ist fast 100 m höher
als der des über Eothenburg. Die Benutzung des Weges über Wohlhauscn ist also
auch in anderen Zeiten wohl nur eine lokale gewesen.
Der St Gotthardpafs. 177
An diesem Wege hatten die Habsburger 1220 nur an zwei Stellen
Besitz: von Reiden aufwärts erstreckte sich das ihnen gehörige Amt
Willisau im Wiggerthale, und seit 1218 hatten sie die Reichsvogtei in
Uri. Das dem Frauenkloster Zürich gehörige Land hatte bis 1218 unter
der Vogtei der Zähringer gestanden, nach ihrem Aussterben hatte sie
Friedrich II. dem Grafen Rudolf dem Alten gegeben.
1231 aber kaufte der junge König Heinrich die Vogtei über Uri
zurück und versicherte die Gemeinde, dafs sie weder durch Verleihung
noch durch Verpfändung jemals dem Reiche wieder entfremdet werden
sollte^. Der Habsburger war entschädigt* und hatte zugestimmt; die
Position am Fufse des Passes hatte er aufgegeben und war offenbar dem
stärkeren Konkurrenten gewichen; denn wohl nichts anderes hat den
jungen König zum Rückkauf der Vogtei veranlafst als die Absicht, den
Pafs in seine Hände zu bringen®. Die Bedeutung desselben wäre folglich
schon 1231 bekannt gewesen.
Den gleichen Termin ergaben andere Zeugnisse, die zu einer Be-
trachtung der Zölle führen. Es werden folgende neue Zölle in dieser
Zeit zum erstenmal genannt: 1228 im St Amarinthal, 1240 Zoll zu
Reiden, 1251 zu Freudenau. Stehen sie in einer Verbindung mit dem
Gotthardpasse? Fangen wir mit dem jüngsten an. Der 1251 von Kon-
rad IV. dem späteren Könige Rudolf verliehene Zoll zu Freudenau hat
es direkt auf italienischen Handel abgesehen; von jedem welschen Saum-
tier sollten drei solidi erhoben werden*. Am nächsten läge es, in dem
bei der Burg Freudenau auf der Aar unmittelbar unter dem Zusammen-
flufs von Aare, Reufs und Limmat erhobenen Zolle einen SchiflFszoll für
die auf der schiffbaren Reufs vom Gotthard hcrabkommende Waren an-
zusehen; allein die Form der Erhebung ist die eines Landzolles (nach
Saumlast und Wagen), und dann wäre der Zoll nicht anders zu ver-
stehen als ein Zoll für Waren, die von Zürich, Baden herkommen, bei
Freudenau vorbei auf Zurzach oder Waldshut gehen, deren weiteres
Ziel dann nicht leicht anzugeben ist. Jedenfalls wird hier italienischer
Warentransport vorausgesetzt, er kann sowohl von Bünden wie vom Gott-
hard kommen. Non liquet.
Der Zoll von Reiden war der habsburgische Gotthardzoll, von dem
lokalen Verkehr zwischen Luzern und Aarburg hätte er nicht leben
können, erst der Gotthardverkehr gab ihm Bedeutung. Er wird zum
' Böhmer-Ficker 4201. Oft gedruckt, zuletzt Öchsli 380.
■ Sie erwarben höchstwahrscheinlich dafür damals die Grafschaft im Frickgau
und damit die Verbindung ihrer Besitzungen an der Reufs mit denen im Elsafs.
Schulte, Gesch. der Habsburger 140.
« So auch Öchsli 247.
* Böhmer-Ficker 4557.
Schulte, Gesch. d. mittelalterl. Haudels. I. 12
178 Fünfzehntes Kapitel.
erstenmal genannt in dem Vertrage über die Naehteilung des Gutes
zwischen der älteren, späteren königlichen und der jüngeren Laufen-
burger Linie der Habsburger von 1239^. Der Zoll gehörte der jüngeren
Linie, die auch Willisau und den Besitz um den Vierwaldstättersee
erhielt, also am meisten am St. Qotthard interessiert war.
Den Zoll von St. Amarin verlieh 1228 Friedrich II. einem Begleiter
auf dem Kreuzzuge, dem Abte Hugo von Murbach, und zwar nur auf so
lange, als es dem Kaiser gefalle ^. Bei dem Zolle von St. Amarin handelt
es sieh um einen Vogesenpafs, um einen Weg, der heute gänzlich ver-
nachlässigt ist. Vom Boden des St. Amarinthales erreicht man über den
Col de Bussang die Quelle der Mosel, von da geht es flufsabwärts über
St. Maurice, Remiremont, Epinal nach Nancy, wie andererseits das da-
mals recht bedeutende Neufchateau zu erreichen ist, von wo Wege nach
Bar le Duc wie nach den Mefsplätzen der Champagne führen. Lothringen
war schon vorher ein Durchgangsland in der Richtung von Westen nach
Osten — namentlich die Champagnermessen riefen einen lebhaften Ver-
kehr hervor® — jetzt wurde auch der unwirtlichste Teil, das waldreiche
Gebiet an den Flufsquellen, von Wanderern durchzogen.
Die Richtung des Passes vom Col de Bussang liegt also nach Nord-
westen, die Fortsetzung führt über Basel ganz notwendig auf den St.
Gotthard, und mir wenigstens ist es höchst wahrscheinlich, dafs in der
Errichtung eines solchen Zolles die erste Wirkung der Eröffnung des
Gotthards zu spüren ist, die Abte von Murbach konnten davon sehr bald
Kenntnis erhalten, denn ihnen gehörte Luzern, wo gleichfalls ein Zoll
bestand. Jedoch darf man auch nicht übersehen, dafs schon 1216 sich
in St. Amarin ein Spital befand*, der Verkehr war schon vorher hier
recht lebhaft.
Ich glaube somit, dafs man die Zeit zwischen 1218 und 1225 am
ehesten für die Eröffnung des Gotthardweges in Anspruch nehmen darf.
' Kopp, Geschichtsblätter 1, 54.
2 Böhmer-Ficker 1733. Ausgestellt bei Accon ; Schöpflin, Als. dipl. 1, 362.
Bestätigung durch Heinrich VII. von 1228 Dezember, Böhmer-Ficker 4123.
Zwischen beide Urkunden ist einzuschieben das von Schöpflin, Als. dipl. 1, 297
zu 1191 gesetzte Weistum elsässischer Adliger über Murbachs Rechte. Insbesondere
war auch über die Rechte am St. Amarinthale Auskunft zu geben, »ubi pedn^um
CLccipithatur ab ahhate yioviter inMitutum.*
^ Räubereien z. B. 1251 Digot, Hist. de Lorraine 2, 155.
* Gatrio, Die Abtei Murbach im Elsafs 1, 253. In der »Benovatio jxirinm
abhatis Murhcicensis in prapositum et can<ynico8 8. Amanni* von 1216 heifst es: »ecciesie
hoftpitdle habet, quoä tenet dtdmas in vaUe et extra vallem sibi statutos cenaus et curiaa,
de quibus pirqirinif pauperes, infirmi, debiles ab hospitalatio dehcnt securari* (Mit-
teilung des Archivdirektors Dr. Pfannenschmied). Nach Gatrio wäre die Stiftung
unter Clemens III. (1187—1911) erfolgt.
Der Gotthardpafs bis 1298. 179
Sechzehntes Kapitel.
Der Gotthardpafs bis 1298. Unterer Hauenstein. Bfindener PSsse.
Der Gotthardpafs bis 1298. Widerstand von ScJiicyz, Erwerb weiterer Be-
sitzungen am Wege. Rudolf hat den Anfang zu einem Pafsstaat gelegt, Wahl Adolfs,
Die Reaktion gegen die Habsburger. Der Bund der Eidgenossen, Welcher Geist schuf
ihn? Kämpfe, Erste Nachrichten über Kaufleute auf dem Passe. — Unterer Hauen'
stein, Zölle, Expansion des Bistums Basel, Das Manifest König Rudolfs an die
Kauf leute bezieht sich auf den Gotthnrd, Sendung des Bischofs von Basel nach Italien,
Bünden er Pässe. Leben auf der Septimerstrafse. Zölle, Verkehrseinrichtungen.
St. Bernhardinpafs. Versuche, die Konkurrenz des Gotthards abzuwehren, Kämpfe im
Bergell, Torriani und ViscotUi in Mailand. Bildung der dortigen Signorie.
Der Teil der habsburgisehen Besitzungen, der am Wege vom St. Gott-
hard nach Basel gelegen war, war bei der Teilung an die jüngere
Linie des Hauses, an die Laufenburger gekommen, die von vornherein
mit den gröfsten Schwierigkeiten zu kämpfen hatten. Der Widerstand
ging aus von der Landschaft Schwyz, die Dezember 1240 wirklich von
dem Faenza belagernden Kaiser eine Urkunde erwirkte, wonach sie als
freie Reichslandschaft fortan bestehen sollte^. Der Versuch von Schwyz,
dieselbe Stellung wie Uri zu erringen, mifslang freilich noch, aber die
Urkunde, deren rechtliche Folgen ja bestritten sind, beweist, dafs auch
in dieser Thalgemeinde ein Streben nach Reichsunmittelbarkeit sich
geltend machte und der Kaiser das beifkllig aufnahm. Die am Luzemer-
see fühlten die Bedeutung, die ihrem Lande in einer Verbindung mit
dem Kaiser zukam. Die Kämpfe am See, wo Schwyz und Obwalden
treu zur Fahne der Ghibellinen hielten, Uri jedoch den päpstlichen Ge-
boten sich fügte ^, hatten, so weit wir sehen können, nur ein Ergebnis:
der jüngeren Linie war der Besitz verleidet, und das Haupt der älteren
Linie, Graf Rudolf, der spätere König, wandte eine sehr bedeutende
Summe daran, um Mai 1273 den Besitz der Laufenburger zum Teil zu
erwerben. Darunter waren Leute und Gut in den Waldstätten, die Amter
WiUisau und Sempach, Casteln und Sursee®. Die beiden letzteren waren
Stücke, die durch Erbfolge von den Kyburgern an die Laufenburger
übergegangen waren.
» Böhmer-Ficker 3155.
^ Diese Kämpfe hat, soweit das nach Lage der Quellen möglich ist, Brefslau
in seiner voi*treff liehen Arbeit: Das älteste Bündnis der schweizer Urkantone.
Jahrb. f. Schweiz. Gesch. 20, 1 — 36 aufgeklärt.
* Am besten orientiert über den Umfang und die (Jeschichte der einzelnen
Amter der Kommentar von Maag in den Anmerkungen zu dem Habsburgisehen
Urbar, den ich statt aller weiteren Litteratur anziehe. Bez. dieser Erbschaft 1, 130
Anm. 2. 177. 179. 181. 187.
12*
180 Sechzehntes Kapitel.
Ein erheblicher Teil des Weges war damit in den Besitz der späteren
österreichischen Linie gekommen, und der nunmehr zum König erhobene
Rudolf setzte alles daran, die fehlenden Glieder hinzu zu erwerben, wie er
ja überhaupt gleich seinem ihm noch überlegenen Sohne Albrecht jede
Gelegenheit dazu benutzte, einen verarmten Freiherrn oder Grafen oder
ein schlecht wirtschaftendes Kloster auszukaufen. Wohl durch Friedrich II.
war die Vogtei Urseren von der Reichsvogtei über das Gebiet des Klosters
Disentis getrennt und an die Grafen von Rapperswil gegeben ^ ; als diese
1283 ausstarben, gab sie König Rudolf seinen Söhnen zu Lehen^. Am
entgegengesetzten Ende auf der Abdachung der Hochebene zur Aare liin
wurde wohl 1288 und 99 Zofingen und Aarburg von schlechten Wirt-
schaftern, den Grafen von Froburg, gewonnen^. Die in der Mitte gelegene
Burg Rothenburg wurde mit dem zugehörigen Amte vor 1291 von dem
Geschlechte gleichen Namens gekauft*, und in diesem Jahre gelang dann
die Erwerbung, welche bestimmt zu sein schien, auf alle Zeiten den
Gotthard dem Hause Habsburg zu sichern; es wurde die Stadt Luzern
und der benachbarte umfangreiche murbachische Besitz erworben^. In
dieser Stadt war die Herrin des Sees gewonnen, im gleichen Jahre
schlofs König Rudolf die Augen.
Er hatte seinem Hause nicht allein im fernen Osten eine neue
Heimat erworben, sondern auch in der alten den Besitz mehr als ver-
doppelt. Der Erwerb an der Gotthardstrafse war nur eine von den Ex-
pansion srichtungen seiner Herrschaft, die hier gewonnenen Stücke ver-
banden zugleich den starken nordöstlich gelegenen Besitz mit dem Besitz
in Wohlhausen und näherte sich der Exklave Freiburg im Üehtland.
Die Gotthardstrafse lief am südwestlichen Rande des geschlossenen Ge-
bietes der Habsburger entlang. Rudolf hatte den Grund zu einem öster-
reichischen Pafsstaate deutscher Zunge gelegt und den Plan, weiter
westlich einen solchen romanischen Blutes zu begründen, verhindert.
Wir werden später sehen, wie Peter II. von Savoycn den gewaltigen
Versuch machte, um den Genfersee einen Staat zu errichten, einen Eck-
stein zwischen Frankreich, Deutschland und Italien, die Walliser Pässe
und den von Jougne beherrschend. Der Versuch mifslang, weil Rudolf
sich ihm entgegenwarf, Freiburg habsburgisch wurde und Bern seine
Reichsunmittelbarkeit behauptete. Der Savoycr hat sein Haus in London
1 1, 285.
8 Böhmer-Redlich 1947».
' 1, 488 u. 498. Der Beginn des Übergangs fallt schon ins Jahr 1274 ebda.
Böhmer-Redlich 188» u. 1893».
* 1, 196.
^ 1, 215. Die Habsburger hatten schon vorher dort als Kastvögte von Mur-
bach Rechte.
Der Gotthardpafs bis 1298. 181
dem Hospiz auf dem St. Bernhard vermacht, als wollte er zeigen, dafs
dieser Pafs der Rückgrat seiner Pläne gewesen. Sein Traum war zer-
ronnen, aber auch die Habsburger waren nicht glücklicher.
Wäre die deutsche Königskrone Rudolfs Hause verblieben, so würde
unzweifelhaft früher oder später ein Habsburger auch das letzte Glied —
Uri — seinem Besitze eingefügt haben. Nach der Wahl Adolfs von
Nassau fehlte jedoch den Habsburgern die Möglichkeit, hier Reichsrechte
zu gewinnen, und ganz richtig und instinktiv fühlten die Bewohner der
Thäler heraus, dafs diese Stunde für sie entscheidend sei. Hatten sie
früher sich zum Schutze des Landfriedens verbunden, und hatte diesem
Bunde die antihabsburgische Tendenz gefehlt ^ so war das neue Bündnis,
der Bund von 1291 zwischen Uri, Schwyz und Nid- und Obwalden, ein
Verein gegen das Haus Habsburg.
König Rudolf hatte den Waldorten gegenüber keine AngriflFspolitik
betrieben^, aber sein System, alle Kräfte der Unterthanen anzuspannen,
um die Mittel für seine Landerwerbungen zu gewinnen, sich nicht um
die Ansprüche anderer Familien zu kümmern, hatte eine gewaltige Miß-
stimmung erzeugt, welche nun spontan an vielen Stellen zugleich zum
Ausbruch kam. Da waren die eigenen Vettern von der Laufenburger
Linie, die alten Rivalen aus dem Hause Savoyen, ein grofser Teil des
dynastischen Adels, also zumeist die Elemente, welche später der Ead-
genossenschaft weichen sollten, ferner die Reichsstädte Bern und Zürich,
das eben erworbene Luzern.
Am folgenreichsten war aber der ewige Bund, den nicht drei
Wochen nach Rudolfs Tode Uri, Schwyz und Nidwaiden abschlössen ^.
Das Haus Österreich war darin nicht genannt, es ist der wesentlichste
Kern des Bundesbriefes die Erneuerung des älteren Landfriedensbundes,
nur ein einziger Paragraph enthält die politische Spitze : die Thäler werden
keinen Richter mehr nehmen, der sein Amt für Geld erworben habe
oder nicht ihr Landsmann sei. Das war für Uri gegen den König, für
die beiden anderen Länder gegen <lie Habsburger gerichtet, und es war
entsprungen dem Bestreben, eine energische und uneingeschränkte Selbst-
^ Brefslau a. a. 0. S. 34. Die Zeit, in der dieser ältere Bund entstand, läfst
sich nicht sicher feststeilen. Man kann an die Zeiten des Interregnums denken,
aber ebensogut an die Tage Rudolfs.
* Vgl. die Urkunden für Uri und Schwyz. Böhmer-Redlich 84 u. 2422, die
Urkunde der erwählten Königin Ochsli, Regest 221. Besonders beachtenswert ist
mir immer die Nachricht des Matthias von Neuenburg erschienen, wie König Rudolf
1289 des Bergsteigens gewohnte Schwyzer im Kampfe verwendete. Wenn sie so
sehr mit den Habsburgern verfeindet waren, wie man gewöhnlich meint, hätten sie
schwerlich so wichtige Hilfe gewährt.
^ Öchsli S. 381 abgedruckt, vgl. die Auseinandersetzungen Brefslau s über
die Entstehung der einzelnen Artikel a. a. 0. S. 31 ff.
]g2 Ty^hzehnt^ra Kapitel.
v#;rwaltufi^ zu f>««itz':n. AUo auch der König sollte nicht mehr einen
fr^nden I^anilaniinann setzen können, wie die Staufer an die Spitze der
Outo- und Sta^ltrerwaltung oft. namentlich in Italien, Ortsfremde gesetzt
4iattcn. Eh war der Geist der Lokalisierung, der in der Schweiz so
mAr:htig ist und jr:den Kanton bis heute antreibt womöglich alle Ämter
und alle Thätigkeiten durch Eingeborene versehen zu lassen. Wir
wiMH'jif wie sehr die ruhmvolle Geschichte der Schweiz darauf beruht.
Als ein Dokument dieser lokalen Absonderung ist jener Artikel an-
zuHfjhen. iJie Gefahr, gegen welche man sich schützen wollte, war die
diM Aufgehens in gröfsere Verbände, und diese drohte am stärksten,
wenn wieder ein Habsburger König wurde. Der Gegensatz ist der mittel-
alti;rliche l^;amtenstaat und die Selbstverwaltung von durch die Natur
geschijtztisn bäuerlichen Gemeinden.
Herzog Albrecht blieb im Kampfe wider seine zahlreichen Gegner
im wesentlichen Sieger. Die Niederlage der Züricher vor Winterthur
warf seine Feinde nieder; als Albrecht im Lande erschien, ergab sich
ihm Luzern sofort. Die Kidgenossen verharrten zunächst noch im
Kampfe, und als nun der Herzog sich anschickte, König Adolf nieder-
zuwerfen, Serbien ihnen die Stunde gekommen zu sein. Uri und Schwyz
sandten leiten zum Könige, und dieser nahm sich ihrer an und ver-
Mpra<'li, sie niemals aus seiner und des Keiches Herrschaft dahingehen
zu wollen ^ Doch auch diesosmal war die Stunde der Befreiung noch
nicht gekomm(;ii. Die Schlacht bei Göllhcim entschied gegen sie und
für den gefürchteten Herzog von Österreich.
In den Tagen <liesor Kämpfe hatten zwei Kaufleute von Monz%
BoltrammuH von Halorna und Payl Harimannus ihre von Norden her
konuuendttn Wurenballen durch Uri befbrdeni lassen wollen, allein das
verbot der östernsichlsclK^ Landvogt im Aargau. Die Güter wurden in
Luzern nn't Ht-schliig belegt, und der Arrest erst nach geraumer Zeit auf-
gehoben. Die beiden Gemafsregelten versprachen, sich nicht an Luzernern
oder anden^n Unterthanen der Habsl>urgor rächen zu wollen -. Es ist
das oTHiVi Mal, <lafs wir direkt die Namen von Kaufleuten erfahren, die
<lon (iotthardpafs benutzen wollten. Trotz der Unruhen hatten sie ihren
Weg dorthin genommen, ein Beweis daHlr, dafs der Verkehr ein häufiger
war. Auch aus den Streitigkeiten zwischen den Städten Basel und
Luzern ersehen wir, dals auch deutsche Kaufleute mindestens bis Luzern
kamen °. Einen anderen Beweis für die Benutzung des Gotthardpassea
« ÖchKli. Kop'Ht 4W u. 410.
■ Kopp, Urkwiidoii z. (t«»Hoh. d. oidgon. Hfindc 1 Nr. 26. Besiegelt wurde die
ITrkinidt* iiirht etwa von der Stadt Moiiza, Hondern von Mailand.
« liaseler Urkh. M, 2^. 70. 225 (f. 2.V2. Ks safsen 1298 drei Basler in Luzern
gefangen.
Unterer HaueDstein. 183
mag man darin suchen, dafs König Rudolf bei dem Befehl, den Erz-
bischof Siegfried von Köln gefangen zu nehmen, der in der Maske eines
Kaufmanns durchzureisen versuchen werde, ihn :> circa Lozeriam^ ver-
mutete ^
Ehe wir König Albrechts Stellung zu den Urkantonen besprechen
können, müssen wir die Geschichte der nördlichen Fortsetzung der
Gotthardstrafse nachholen.
Von den drei grofsen Jurapässen war der südwestliche der über
den grofsen Hauenstein, ein Pafs der Grafen von Froburg, der nord-
westlichste seit dem Ende des zwölften und dem Anfange des dreizehnten
Jahrhunderts ein habsburgischer Pafs^, an dem beide Linien einen Anteil
hatten. Hier war die Verbindung zwischen Brugg — Windisch — Habsburg
und Basel. Der wichtigste Pafs wurde nun mit der Eröffnung des Gott-
hards der mittlere, der über den unteren Hauenstein. Hier wurden die
Grafen von (Neu-)Homberg durch den Bischof von Basel und Baseler
Bürger ersetzt^.
Von Ölten steigt der alte Weg in mehreren Kehren zum Passe
empor, gleich jenseits liegt das Dorf (Horb) Hauenstein, dann senkt er
sich allmählich in das Thal der Ergolz und fuhrt über Liestal, wo die
Strafse über den oberen Hauenstein einmündet, und Pratteln an die Birs-
brücke oberhalb Basel. Auf dieser Strecke lagen drei Zölle; sie wurden
an Stellen erhoben, die nicht leicht umgangen werden konnten, gesperrt
wurde die Strafse durch die Burg Froburg und die um die Mitte des
dreizehnten Jahrhunderts entstandene Veste Neu-Homberg *.
Der erste Zoll wurde am Fufse des Passes unterhalb der Burg
Froburg in Trimbach, dann in Horb (Hauenstein) erhoben. Zum ersten-
male erwähnt wird er zwar erst 1363^ und erscheint damals als ein
Appendix der Landgrafschaft im Sifsgau und zwar im Besitze der Grafen
Rudolf von Habsburg-Laufenburg, Johann von Froburg und Sigmund von
Thierstein. Er wurde damals nach Diepflingen verlegt. Es ist möglich,
dafs dieser Zoll im dreizehnten Jahrhundert noch nicht bestand. Für
diese Zeit bezeugt ist aber der zu Liestal von den Grafen von Homberg
erhobene ®. Dieser Zoll hat für uns nach mehreren Seiten hin erhebliches
Interesse. Das Haus Neu-Honiberg war von Graf Hermann von Froburg
' Böhmer-Redlich 1432.
* Hauptsächlich gründete sich das auf die Vogtei über Säckingen, doch gehörte
ihnen auch die Landgrafschaft im Frickgau u. a. Habsb. Urbar 1, 56 u. sonst.
» Vgl Geering S. 197—200 und Freivogel, Die Landschaft Basel (Bemer
Dissertation 1893) S. 51 u. 134.
* Freivogel S. 76 f. 121 u. sonst.
* Boos, Urkundenbuch der Landschaft Basel.
* So viel ich sehe, älteste Erwähnung 1266. v. Liebenau, Regesten S. 290.
184 Sechzehntes Kapitel.
begründet ^ Von seinen beiden Söhnen Friedrich (Werner) und Ludwig
hatte der letztere Elisabeth Gräfin von Rappers wil geheiratet. Als 1283
der männliche Stamm dieses Grafenhauses ausstarb, räumte König Rudolf
die Reichslehen — darunter das Thal Urseren — nicht der Erbin der
Allodien ein, sondern übertrug sie seinen Söhnen. Ludwig war tief ge-
kränkt, aber er diente doch dem Könige und fiel in seinem Dienste vor
Bern. Die Witwe zog dem Könige nach, endlich erreichte sie einen
Ausgleich; unter den ihr zugesprochenen Gütern befand sich aber nicht
die Reichsvogtei über Urseren^. Auf andere, den Habsburgern sehr
schädliche Weise sollte sich aber doch ein Sohn der Erbin von Rupperschwil
auf der Gotthardstrafse festsetzen. Sie hatte drei Söhne, Werner, Rudolf
und Ludwig, während der andere Zweig nur den an Jahren weit älteren
Grafen Hermann zählte und aulserdem Ita, später die Gemahlin des
Grafen Friedrich von Toggenburg. 1296 waren die Besitzungen am
Jurapasse noch nicht zwischen den beiden Linien geteilt, aber die
Homberger standen bereits unter dem Drucke, dem sie bald weichen
mufsten. Bischof Peter Reich von Basel hatte den Grafen Hermann be-
siegt, er mufste sich nur verpflichten, Liestal oder die Burg Homberg,
welche ihm bei der Teilung zufalle, dem Bistume aufzugeben und von
ihm zu Lehen zu nehmen^. Die Teilung ist dann wirklich erfolgt, und
Hermann erhielt sowohl die Stadt Liestal wie die Burg Neu-Homberg, seine
Schwester und Erbin, Gräfin Ita von Toggenburg, verkaufte dann beide
mit dem Hofe Ellenweilcr für 2100 Mark Silber an Bischof Peter Ais-
palter von Basel, den wir später näher kennen lernen werden*. Die
Stadt Basel erwarb von den Hombergem das Recht der Birsfölire und
zugleich das, zwischen Mönchenstein und dem Rhein über die Birs
Brücken zu schlagen^. Mit Glück haben die Bischöfe von Basel in
jener Zeit operiert, nun war auch der wichtige Pafs wenigstens zum Teil
in ihren Händen.
Hermann
Ludwig t 1289 Wernher (Friedrich)
Gem. Elisabeth v. Rappcrswii f 1309
Gem. Gf. Maria _ Wemher Rudolf Ludwig Hermann Ita, Gem. Grf. Friedrich
vonöttingen ~ f 1320 t 1303 von Toggenburg
WorniTt 1328.
* Kopp, Roichsgeschiehte II, 1 S. 3o3 ff.
8 Urkunde vom 17. Februar 1296 Boos, Urkundenbuch der Landsr.haft Basel 1
Nr. 184. Schon 1255 hatte das Baseler Bistum vom Grafen Volmar von Froburg sich
ausbedungen, dafs er seiner Lehenspflicht getreu jederzeit durch Ölten freien Durch-
zug gewähre, v. Lieben au, Regesten S. 286.
* Boos 1 Nr. 217 u. 219.
» Baseler Urkb. 3, 127 ff. Boos 1 Nr. 183.
Unterer Ilaueustcin. Ig5
Der zu Liestal erhobene Zoll war freilich nicht mehr darin einbe-
griflfen. Schon bei Lebzeiten des Grafen Hermann war derselbe 1302
von ihm mit Zustimmung seines Vetters Graf Volmar von Froburg für
die Zahlung von 80 Mark Silber an zwei Baseler, Mathias Rieh und
Hug zer Sunnen , zu Lehen gegeben worden ^ So ging dem Hause
Homberg die Nutzung des Passes verloren. Eine Zustimmung seines
Vetters erwähnt die Urkunde nicht, inzwischen war also eine wirkliche
Teilung erfolgt, wenn der Vetter Wernher auch noch minorenn war,
^^'ernher hatte aber in seiner Jugend das Leben und Treiben auf einer
Handelsstrafse beobachten können, vielleicht war er auch mit welschen
Kaufleuten und Reisenden in nähere Berührung gekommen. In späteren
Jahren sollte Graf Wernher die Weite seines Blickes glänzend be-
währen, er verstand es besser, als sein Vetter Hermann, aus dem
Handelsverkehre Nutzen zu ziehen. Wir werden noch von ihm näher
zu reden haben.
Ein dritter Zoll lag in der Nähe von Basel. Leider sind wir
darüber nicht näher unterrichtet, wir wissen nur, dafs ihn das Kloster
St. Georgen in Stein 1272 an den Grafen Rudolf von Habsburg ver-
kaufte -.
Überblicken wir also die ganze Strecke vom St. Gotthard bis Basel,
wie sich die Verhältnisse bis 1298 gestaltet hatten, so ist festzustellen,
dafs zwei Mächte sich auszudehnen bemühen: die Habsburger und die
Bischöfe von Basel, die kleineren Geschlechter und Klöster werden aus-
gekauft. Der habsburgischen Einwirkung entzog sich Uri, der Einflufs
des Bischofs von Basel war noch nicht voll entwickelt. 1298 kamen
also unterhalb Aarburg als Geleits- und Zollherren die Grafen von
Homberg, vielleicht auch noch die Grafen von Froburg (Brücke in
Ölten, Zoll in Hauenstein) in Frage, die Strafse von Aarburg bis zur
Höhe des St. Gotthard war mit Ausnahme von Uri eine habsburgische
Strafse geworden.
Von diesen Gesichtspunkten aus wird nun auch das Manifest König
Rudolfs an die italienischen Kaufleute verständlich, mit dem man bisher
nichts Rechtes anzufangen wufste. Von dem belagerten Pruntrut schrieb
der König an die Kaufleute Italiens, der Romagna, Tuscien, Sizilien,
Apulien, Calabrien, Terra di Lavoro, Sardinien und den andern, welche
die Messen von Frankreich, der Champagne und Flandern besuchen, dafs
er nun an die Grenzen von Burgund und Schwaben gekommen sei und
* Boos 1 Nr. 204 u. 209. Schon vorher hatte Matthias eine Rente auf dem
Zoll angewieHen erhalten. Boos Nr. 199. Die Summe von 80 Mark drückt also nur
den Wert eines Teiles des Zollertragea aus.
2 Regest Basel. Urkb. 2 Nr. 86.
Igg Sechzehntes Kapitel.
er den Kaufleuten, über deren Beraubung er Klagen gehört, nunmehr
den Weg sicher machen wolle. Er habe daher alle Edle, welche vom
Reiche das Geleitsrecht zu Lehen haben, von dem Berge, wo das Geleit
Lothringens beginnt, bis zu den Alpen vor sich berufen und mit ihnen
angeordnet, dafs ein jeder von ihnen den Kaufleuten und Wanderern
nach 2iahlung des Zolles ein sicheres Geleit gewähren und dafs der, in
dessen Bezirk ein Überfall stattgefunden habe, zur völligen Restitution
des Geraubten gehalten sei. Er habe dafür eine sichere Bürgschaft erlangt
und wolle, dafs die Strafse (»fpsa strata') von allen öffentlich benutzt
werde und man möge auf ihn bezüglich der Innehaltung dieser Gebote
volles Vertrauen liaben ^
Was hier versprochen war, ging über das sonst in den Landfriedens-
gesetzen Zugesagte hinaus. In dem Rudolfinischen Landfrieden von 1287
erscheint zum erstcnmale die Pflicht des Gerichts bez. Geleitsherm, den
durch seine Beamten oder Dienstleute gemachten Schaden zu ersetzen ^^
den italienischen Kaufleuten hatte Rudolf viel mehr versprochen, indem
er den Herrn pflichtig machte iiir allen innerhalb des Gebietes zuge-
fügten Schaden.
Bezieht sich nun diese im Stadtarchiv von Ypern erhaltene Urkunde
wirklich auf den St. Gotthard? Dafs es sich um eine feste Route
handelt, folgt schon daraus, dafs sie direkt als tpsa straia bezeichnet wird.
Es ist kein genereller Geleitsbrief für alle Wege, die die Kaufleute
nach ihrem Geschmacke einschlagen wollen, sondern für einen bestimmten.
Dieser beginnt auf einem Berge, wo das lothringische Gebiet seinen An-
fang nimmt.. Damit sind eigentlich schon alle weiter südwestlich gelegenen
Wege ausgeschlossen, und schon das führt auf die über den höchsten
Teil der Vogesen ins Lothringische führende St. Amarinstrafse. Rudolf
hatte aber ja die Beteiligten vor sich geladen, wer ist nun unter den
Belagerern der Stadt nachzuweisen? Etwa die Geleitsherren des Weges
vom Grofsen St Bernhard über Jougne ? Dann müfsten anwesend ge-
wesen sein vor allem der Graf von Savoyen und der Pfalzgraf von
Burgund. Graf Philipp von Savoyen stand mit dem König auf ge-
spanntem Fufse, und gegen einen Sohn des Pfalzgrafen ging der Kriegs-
zug. Für die Gotthardlinie kamen als Geleitsherren in Frage: der Abt
von Murbach, der Graf von Pfirt, der Bischof von Basel, die Grafen
von Homberg und Froburg und vielleicht auch die Freiherrn von Rothen-
burg und König Rudolf selbst. Und in der That sind nun vor Pruntrut
der Bischof und Abt, sowie die Grafen von Pfirt und Froburg nachzu-
> Böhmer-Redlich 1774 1283 März 29. Warnkönig, Flandrische Staats-
und Rechtsgeschichte 2, (176).
' Wyneken, Die Landfrieden S. 11.
Bündencr Pässe. J87
weisend Es ist also jeder Zweifel ausgeschlossen. Das Manifest gilt
dem Gotthardwege.
König Rudolf begnügte sich aber nicht mit diesem Manifeste, er
sandte sofort nach der Einnahme der Stadt einen seiner hervorragendsten
Staatsmänner, den Bischof Heinrich von Basel, der es von einem ein-
fachen Bürgerssohne und Minoritenmönch zum Erzbischofe von Mainz
brachte, nach Como, wo er in der That von der Stadt den Treueid er-
hielt und das Versprechen, dem deutschen Heere Wege und Stege oflFen
zu halten^. Eine zweite Sendung an den thatsächlichen Herren der
Lombardei, den Erzbischof von Mailand, Otto Visconti, den Begründer
der Macht seines Hauses, blieb erfolglos®.
Das Aufblühen des Gotthardverkehres war fiir die Bündner Pässe
sehr fühlbar geworden. Es beginnt die Rivalität, welche dem Verkehre
zu gute kommen sollte, sich zu äufsem. Der Septimerpafs war noch
keineswegs verödet, er galt noch immer so sehr als der wichtigste der
Bündnerpässe, dafs, als Bischof Konrad H. ein Gesuch an das Provinzial-
kapitel des Predigerordens richtete, sie möchten doch auch in seiner
Stadt ein Kloster errichten, er die Lage und Bedeutung seiner Stadt da-
durch hervorhob, dafs er schrieb, sie liege am Fufse des Septimer, und
das Kloster würde für die Brüder, welche über die Alpen gehen wollten,
nötig sein, damit sie dort Trost und Stärkung fänden*. Der Wunsch
ging in Erfiillung. Die Zahl der Klöster am Wege war um eins ver-
mehrt. Manchen müden Wandersmann, der von der Lenzer Heide kam,
hat auch unzweifelhaft das damals blühende Kloster Churwalden auf-
genommen*. Das wichtigste Asyl für den Wanderer war das Hospiz auf
der Pafshöhe selber, es erhielt mannigfache Schenkungen, doch darf man
sie nicht entfernt mit denen vergleichen, mit denen ein Jahrhundert vor-
her das des Grofsen St. Bernhard bewidmet wurde®. Die Schenkgeber,
die uns bekannt sind, stammen aus nächster Nähe, es sind Angehörige
der Geschlechter Castelniur, Juvalt und Bivio''. Friedrich H. bestätigte
als der letzte der deutschen Könige die familia montis Septitni dem Bis-
' Böhmer-Redlich 1771 (die Emondation Horburg statt Froburg ist ab-
zulehnen). Der Abt von Murbach ist nachgewiesen Kopp 2, 2, 345.
« Böhmer-Redlich 1779 das Kreditiv. Der Vertrag mit Como vom 21. Mai
1283 bei Rovelli 2, 385.
» Böhmer-Redlich 1799c.
* Mohr 1, 397.
^ Dem Kloster wurden damals zahlreiche Schenkungen gemacht.
* Auf die Disciplin im Spital wirft kein gutes Licht, dafs »Otto, qui th'cttur
Ractidrufiy filius quondam Ändree Bac\idn\ rectoris seu monachi ivchsie seu hospitalis
S. Petri montis Septitni • das Kloster nach aufsen vertritt. Mohr 1, 389.
' V. Mohr 2, 68.
138 Sechzehntes Kapitel.
turne Chur^ Neu entstand 1233 das Hospiz zu Silvaplana am Südfufs
des Julier ^.
Auch die Nachrichten über die Burgen am Wege, die Zölle und
Verkehrseinrichtungen sind nicht besonders reichhaltig. Besonderes
Interesse erregt eine Urkunde, worin den Bewohnern des Innthales von
den Freiherrn von Vaz und Belmont sicheres Geleit zugesichert wurde*.
Da diese Herren nur Besitz westlich von Chur, der Vazer auch südlich,
hatten*, ergiebt sich, dafs die Innthaler auch bis ins Vorderrheinthal
Handel trieben. Wir dürfen uns die Alpen auch in ihrer Längsrichtung
eben nicht verkehrlos darstellen.
Von den Zöllen taucht der alte Brückenzoll von Chiavenna noch
einmal auf und zwar im Besitze der Freiherrn von Vaz **. Der Zoll von
Castelraur, der am Luver erhoben wurde, war dem zwischen 1290 und
1298 entstandenen Einkünfterodel des Bistums Chur zufolge an Zöllner
verpachtet®. In Vico soprano wurde ein Fürlaiti erhoben, und zwar
mufste jede Saumlast mit Ausnahme des Weines zwölf Imperialen be-
zahlen''; der Zoll von Chur unterschied die Provenienz der Waren, ein-
heitlich war der Satz für alle W^aren deutscher Herkunft. Was von
Feldkirch, also das Bheinthal hinauf kam, zahlte vier Imperialen fUr die
Rubb, der Satz für das, was von Zürich her gebracht wurde, war halb
so hoch; es war doch wohl diese niedrigere Taxe ein Mittel, um den
Züricher Verkehr vom Gotthard abzulenken ". Bei den von der Lombardei
kommenden W^aren gab es für einzelne Artikel besondere Sätze. Die
trockenen mufsten von jeder Saum vier Schilling entrichten. Der Zoll
am Walensee wird als ein Zoll von Rompilgern bezeichnet, Waren
werden nicht erwähnt, doch waren Pilger ja sonst grundsätzlich zollfrei ®.
Der Bischof von Chur hatte auf dem Septimerwege zwei Relais-
stationen für Saumtiere. Die bischöflichen Höfe von Praden bei Alva-
schein und Schweinigen hatten nach achttägiger Voransage für die Fahrt
nach Chiavenna oder in den Vintschgau dem Bischöfe fünf und vier, zu-
sammen neun Saumrosse und zwar in Praden zu stellen*^. Die zweite
» Böhmer-Ficker 697 1213 April. Mohr 1, 251.
* Arch. f. österr. Gesch. 15, *M4.
8 Unsere Urkunden Nr. 280.
* Die Belmonter nur im Vorderrheinthal. Juvalt, Forschungen 2, 214 ff.
6 1284 Mohr 2, 29.
« Mohr 2, 120. Auch Zolltarif.
7 Ebda.
8 Mohr 2, 110.
^ Mohr 2, 106. "Item ad Ripam tercia pars theolonei de Bomtis pertinet bände
Marie et episcopo Cariensi.a
>« Mohr 2, 119 u. 131.
Bündener Pässe. 189
Relaisstation war Bivio, die allein neun Saumrosse darbot ^ Die Ge-
stellung in Praden legt die Vermutung nahe, als habe der Bischof bereits
den Albulapafs benutzt, es ist jedoch das durchaus nicht zwingend. Die
Strecke Chur — Bivio war einfach in zwei Teile zerlegt, und das ergiebt
ungefähr Praden. Auch in Flums am Walensee waren fünf Saumrosse
zu stellen*.
Die Ansiedlung der Deutschen im Rheinwald kam unzweifel-
haft dem Verkehr über den St. Bernhardin zu gute. Ich lasse hier mit
Absicht den Simplen aus. Wir haben bisher nicht recht ein paar Namen
erklärt erhalten, die das habsburgische Urbar enthält^. Die Grenze der
Grafschaft Lags zieht von >Sepmen ze sant Peters nach ^Platien-MesseUa^.
Ein Piz Moäsola liegt westlich am St. Bernhardinpafs, und der kleine
Pafssee heifst Lago Moesola, es ist also gar kein Zweifel, dafs das Urbar-
buch unter Blatten-Messella den Bernhardinpafs versteht. Da das Urbar-
buch den Spltigen nicht anftlhrt, war er doch wohl weniger benutzt*.
Dafs die St. Peterskirche im Rheinwald nach San Vittore in Misox ge-
hörte, ist schon oben erwähnt. Bald nach Ansiedlung der Deutschen
suchte das Kapitel die Kirche wieder zu erwerben. Die Kirche in Hinter-
rhein war auch Filiale von S. Vittore*^.
Dafs der Verkehr tiber die Bündnerpässe unter der Konkurrenz des
Gotthards stark litt, lehrt uns der Versuch, die Luzerner dem Gotthard-
verkehre zu entziehen. Die drei, welche an den Zöllen und Geleiten
beteiligt waren, der Bischof von Chur, der Graf Hugo von Werdenberg,
der in der Stadt gleichen Namens wohl schon den Zoll hatte, und der
Freiherr Walther von Vaz, dessen Zoll in Chiavenna oben erwähnt ist,
der aber vielleicht auch schon den Zoll bei seiner Burg Strafsberg unter-
halb Churwalden besafs, versicherten 1278 allen denen, die die Strafse
von Churwalchen fahren, und besonders denen von Luzern, gutes Geleit
und guten Frieden. Mohr hat daraus gefolgert, dafs überhaupt für die
Luzerner der Handelsweg durch Graul)ünden ging, was selbstredend ab-
zuweisen ist. Ein anderer ähnlicher Geleitsbrief fällt in das Jahr 1291,
in die Zeit grofser Spannung. Er ist am 4. September 1291 vom Bischof
von Chur, Berthold von Werdenberg, einem Parteigänger und Verwandten
» Ebda. 2, 120.
« Ebda. 2, 106.
» 1, 524.
* Das Urbarbuch bezeichnet als weitere Grenzpunkte: ze Fürkel, uf Agi'en
und das Kreuz auf dem Lukmanier. Da Maag Agren ganz richtig mit Greinapafs
erklärt hat, bleibt für die Fürkel, ein äufserst verbreiteter Pafsname, nur der
Monterasciopafs übrig, der eine Variante des Greinapasses ist. Aufserdem folgen
noch der Oberalppafs (Crispalt), der Panixerpais (Wepch) und vielleicht der Kunkels-
pafs (Türkei).
8 Mohr 2, 44 u. 2, 46. Nüscheler, Gotteshäuser 1, 88.
190 Sechzehntes Kapitel.
der Habsburger, ausgestellt, und ich trage kein Bedenken, in ihm die
erste Wirkung des ewigen Bündnisses der drei Waldstätte zu sehen.
Luzern stand noch am 30. August auf Seiten der Habsburger * , der
Verkehr mit Uri war also in Frage gestellt. Zürichs Bündnis mit den
Eidgenossen datiert erst vom 16. Oktober*, es nahm bis dahin wohl
keine schroff antihabsburgische Stellung ein. So hätten wir denn in
dem Schritte des Bischofs den Versuch, die Züricher wieder zum Sep-
timer zu ziehen. Ich glaube damit ist der viel verbreiteten Meinung,
als sei der Weg über Chur für die Züricher auch nach Eröffnung de»
Gotthards der normale gewesen, der Boden entzogen.
Wenden wir uns nach der italienischen Seite. Die Nachrichten
über Kämpfe zwischen den Bewohnern des Bergells und den Bewohnern
von Chiavenna und Plurs in der Zeit von 1268 bis nach 1277 gehen
nicht weiter als auf Campell zurück, wir wollen sie übergehen.
Langsam unter unablässigen Kämpfen, welche meist einen Teil der
Stadtbürger aus der Stadt verdrängten, vollzog sich seit der Mitte des
dreizehnten Jahrhunderts der Übergang der Stadtverwaltungen der lom-
bardischen Städte aus den Formen der Republik in die der Signorie, und
zugleich wuchs damit die Überlegenheit Mailands über seine Nachbarn,
die, innerlich zerrüttet, der Herrschaft der Mailändischen Signorie erst
auf kurze Fristen, dann für immer erlagen. Seitdem Como es aufgegeben
hatte, direkt mit Mailand zu rivalisieren, wuchs immer mehr die Mög-
lichkeit, dafs diese Stadt das gesamte Vorland der mittleren Alpenpässe
unter seinen Einflufs bringe. Gestützt auf das Volk waren die guelfischen
Della Torre in Mailand emporgekommen, sie hatten es an die (noch
immer maskierte) Herrschaft eines Geschlechtes gewöhnt, als ihre bitter-
sten Feinde die ghibellinischen Visconti nach dem Siege von Desio
(Januar 1277) sie vertrieben und ersetzten. Thatsächlich war der
Herrscher von Mailand jetzt Ottone Visconti, der Erzbischof (f 1295),
dem sein Neffe und Erbe Matteo als CapUano del popolo zur Seite stand.
Como hatte in seinen Mauern dieselben Feindschaften, die Vitani
und ihre Freunde waren Guelfen, die Ghibellinen führten die Rusconi.
Aber die Comasken hatten der Sitte folgend, einen Auswärtigen zum
Podestä zu machen, die Herrschaft den Torriani vertraut, wie es ähnlich
andere lombardische Städte gethan hatten, vor der Schlacht von Desio
war aber Como zu den Visconti übergegangen. Nach mancherlei Wand-
lungen wurde 1292 Matteo zum Capitano der Stadt gemacht, auch Ver-
celli, Novara und Casale hatten ihm dieselbe Würde und Macht ver-
liehen.
1 Öchsli, Regest 349.
« Öchsli, Regest 352.
König Albrecht und die schweizerischen Alpen. 191
Seine Machtboten, zwei Bürger von Mailand, schlössen Oktober 1293
zu Vicosoprano mit dem persönlich erschienenen Bischof Berthold von
Chur und einer Reihe von Adligen einen Freundschafts- und Bündnis-
vertrag ab ^ Wenn auch wohl vorwiegend der Inhalt politisch sein mag,
so entbehren wir doch schmerzlich in Bezug auf Handel und Verkehr
die Kenntnis des Vertrages selbst, von dem bisher nur der formelle
Teil veröffentlicht ist.
Matteos Stellung wurde noch immer fester, König Adolf legalisierte
sie, indem er ihn zum Reichsyikar für die Lombardei machte. Unter
den Machtboten, die diese Ernennung überbrachten, war des Königs
Leibarzt, Meister Landolfo Ravacocca von Galiano, ein Mailänder, der
einst die gleiche Stellung bei König Rudolf eingenommen hatte*. Die
Könige Rudolf und Adolf haben ja auch sonst politische Verbindungen
mit der lombardischen Ebene zu unterhalten gesucht, aber es waren
doch nur geringe Erfolge, wie sie z. B. Bischof Heinrich von Basel bei
Como errang*. Mit solchen Pergamenten konnte die Gefahr nicht ab-
gewendet werden, dafs eine oberitalienische Signorie die Pässe der
Centralschweiz ausnahmslos von sich abhängig mache.
Siebzehntes Kapitel.
KSnig Albrectat und die schweizerischen Alpen.
Veränderung der Lage diirch die Wcüd Albrechts. Privilegien \für die Italiener
fon 1299. Ausführung durch defi Bischof van Basel U/nd den Grafen von Pfirt, Ur-
sprung und Zujeck der Privilegien. Die Gotthardlinie bevorzugt. Verlegung des ZoUs
von Jougne auf den Gotthard. Geschichte des Zolls. Johann von Chcdon-Arlay. Kämpfe
in Burgu/nd. Sperrung des Juraverkehrs,
Mit Albrechts Wahl waren die Dinge am Gotthard in dieselbe recht-
liche Lage gebracht, wie sie bei Rudolfs Tode bestanden hatte, er gebot
hier nun zugleich als König und als Landesherr, die Schwyzer konnten
den Brief König Adolfs nicht ausnutzen. Sie mufsten sich in die Dinge
fügen.
Albrecht erschien im März 1291 zum ersten Male als König am
Vierwaldstättersee und nahm hier nun sofort das Werk seines Vaters
auf. Der Gotthard sollte die Haupthaudelsstrafse zwischen Italien und
Flandern werden. Auch die Urner mufsten sich jetzt in seinen Willen
schicken, und der Habsburger hatte bis zur Pafshöhe alle Gewalt in
seiner Hand. Es bedurfte nur einer Einigung mit Mailand und Como.
> Mohr 2. 79.
2 Böhmer, Reg. Adolfs 189.
» Böhmer-Redlich 324. 330. 354. 355. 356.
192 SiebzchntcB Kapitel.
Eine höchst willkommene Quelle für die Geschichte dieses Aufent-
haltes bietet nun eine Reihe von Urkunden, die sich im Archive der
Handelskammer von Mailand erhalten habend Am 27. März 1299
richtete Albrecht an den Bischof von Basel, den Abt von Murbach,
Herzog Friedrich von Lothringen und seinen Sohn Theobald, die Grafen
Heinrich von Bar, Theobald von Pfirt und Hermann von Homberg den
Befehl, sie sollten, gemäfs dem auf dem soeben beendeten Hoftage zu
Nürnberg beschlossenen allgemeinen Frieden, für die Kaufleute nach
Entrichtung des schuldigen Zolles sicheres Geleit verbürgen. Andern-
falls müfsten sie selbst für die Verluste und Schäden der Kauf leute auf-
kommen.
Der Befehl fand Gehorsam, wie zwei weitere Briefe beweisen. Der
eine ist ein höchst umfangreicher Schutzbrief des Grafen Diebold von
Pfirt, der nur vier Tage jünger als jener Brief ist. Der Aussteller er-
wähnt den königlichen Befehl zwar nicht, er nimmt — so scheint es —
von sich aus alle Kaufleute aus Norditalien und der Provence (irniver-
S08 mercaiores Romanos, Tuchanos, Lombardos, Frovincidles) in seinen
Schutz. Wie. aus dem Gebrauch italienischer oder italienisch-lateinischer
Worte, Rechtsausdrücke und Formeln folgt, haben Italiener den Text
der Bestimmungen, die für Kaufleute äufserst günstig sind, ausgearbeitet
vorgelegt; er gewährt ihnen alles, was sie nur wünschen können. Wenn
ein Kaufmann auf seinem Gebiete stirbt oder getötet wird, soll sein Gut
den Erben ausgeliefert werden ; wird einer bestohlen, soll der Graf inner-
halb 40 Tagen nach der Requisition den Schaden ersetzen. Bei Strafsen-
raub aufserhalb des pfirtischen Gebietes wird der Graf für die Rückgabe
des Geraubten auf alle Weise eintreten. Wenn ein Fuhrmann Kauf-
mannsware zu Pfand giebt, so soll das ungültig sein und das verpfändete
Stück dem Kaufmann ohne jede Zahlung ausgefolgt werden. Auch soll
keine jenseits der Berge begangene Ul)elthat oder Raub an den Kauf-
leuten gerächt werden, es sei denn, dafs sie von dem Orte oder aus dem
Distrikte sind, aus dem die oder der Thäter jenes Verbrechens stamme.
Ohne neue Abgaben wird der Graf für die Instandhaltimg der Strafse
und Brücken sorgen. Alle etwa aus früherer Zeit bestehenden Forde-
rungen an die Kauf leute sollen erledigt sein. Schuldforderungen an die
durchziehenden Kaufloute will der Graf nur dann zulassen, wenn der
Kaufmann Selbstschuldner (debitor principnlis) ist. Für die Innehaltung
all dieser Versprechungen setzt der Graf die Güter seines Landes zu
Pfand und erklärt, dafs dieser Schutzbrief auch nocli zwei Monate Gültig-
keit haben solle, nachdem er ihn den Rektoren der Kauf leute aufge-
kündigt habe.
' Unsere Urkunden Nr. 1 u. 2.
König Albrecht und die schweizerischen Alpen. 193
Auch der Baseler Bischof Peter von Aspelt folgte dem königlichen
Gebote, er liefs dasselbe durch Urkunde vom 10. Mai in seinen Landen
veröffentlichen, und befahl an, alle durchziehenden Kaufleute, woher sie
auch stammten, zu schützen.
Der Befehl des Königs war nur an bestimmte Personen gerichtet,
es sind gerade diejenigen , welche auf der Verlängerung der Gotthard-
strafse über den unteren Hauenstein und durch das St. Amarinthal und
Lothringen zu den Messen der Champagne Geleitsrechte ausübten: von
Norden angefangen Graf Heinrich von Bar, Theobald von Lothringen,
dem sein Vater Neufchäteau abgetreten hatte*, sein Vater, der Herzog,
der Abt von Murbach, der Graf von Pfirt, der Bischof von Basel, der
Graf von Homberg. Bis Ölten fehlte also höchstens der Name des
Grafen von Froburg. Der weitere Strafsenzug stand unter dem direkten
Befehle des Königs, seine Befehle an die Vögte und Amtleute und an
den Landammann von Uri sind nicht erhalten, vielleicht ergingen sie
auch mündlich.
Ist der Befehl der Initiative des Königs entsprungen? Er beruft
sich auf den wenige Monate vorher (im November 1298) erlassenen Land-
frieden. Dort waren flandrische Gesandte gewesen, sie hatten aber wohl
rein politische Gründe dahin geflihrt. Die Anwesenheit italienischer Ver-
treter ist nicht bezeugt, und im Landfrieden selbst fallen keine besonderen
Bestimmungen zu Gunsten der Kaufleute auf. In Luzern waren aber
unzweifelhaft Vertreter der Italiener anwesend. Die Fassung der Pfirter
Urkunde ist entscheidend, und wenn die reciores dictorutn mercatorum
als die Oberleitung der Kaufleute bezeugt werden, so wissen wir, dafs
damit die bez. der Leiter der ^universitas mercatorum Italiae nundinas
Campante ac regnum Francie frequentaniium^ gemeint ist. Die Urkunden
sind ferner schon am 2. Juli in Mailand auf Bitten des Richters des
Capitano del Popolo von einem Notar beglaubigt. Es ist also eine Ge-
sandtschaft italienischer Kaufleute im März 1299 vor dem Könige er-
schienen, die Initiative liegt bei den Welschen. Da die Interessen der
Kaufleute und des habsburgischen Königs zusammenfielen, fanden sie
bereitwillig Gehör, und Albrecht ging sofort in seiner energischen Art
vor, er bewährte sich zum erstenmal als ein Freund des Bürgertums
und des Handels.
Die scharfe Art des Königs liefs ihn nicht dabei Halt machen. Er
wollte den Gotthard zur einzigen Verkehrsstrafse , welche durch das
heute schweizerische Alpensystem nach der Champagne und dem Nord-
westen führen sollte, machen. So mufs eine bisher völlig unerklärt ge-
bliebene Urkimde interpretiert werden.
» Digot 2, 182.
Schulte, Qesch. d. mittolaltorl. Handels. I. 13
194 Siebz(;hntes Kapitel.
Am 23. August 1299 verlegte Albrecht zum Besten des Landes und
vor allem zum Nutzen der Kaufleute unter Zustimmung Johanns von
Chalon, Herrn von Arlay, dessen Zoll von Jougne in seine und seiner
Söhne Stadt Luzem. Alle, die dort vorbeigehen, sollen Johannes von
ihren Ballen, Pferden, Waren und Sachen so viel geben, als bisher in
Jougne zu entrichten war. Johann mufs dafür den Erben des Königs
jährlich 500 it kleiner Turnosen oder Heller entrichten; beide Teile be-
halten sich übrigens das Recht vor, nach Verlauf von zwei Jahren dieses
Verhältnis aufzuheben, dann sollte das alte Verhältnis wieder hergestellt
werdend
Um die Urkunde zu verstehen, müssen wir feststellen, was bedeutete
der Zoll von Jougne und wer war Johann von Chalon.
Jougne beherrscht, wie uns bekannt, den Jurapafs, durch den die von
uns vielerwähnte Strafse vom Grofsen St. Bernhard — Lausanne — Orbe
den ersten Kamm durchbrach, wie den zweiten bei Pontarlier. Der Zoll,
der hier erhoben wurde, war Eigentum des Pfalzgrafen von Burgund,
war aber in Stücken weiter verlehnt*, wie auch der Pfalzgraf 1282 den
Zoll von König Eduard von England zu Lehen nahm^. König Rudolf
gestattete nun in den Tagen, in denen die burgundischen Wirren seine
Aufmerksamkeit sehr beanspruchten, seinem Verwandten, Johann von
Chalon, von jedem Ballen Wolle, Tuche, Leinen, Pfeffer, Felle u. s. w.
bei seiner Burg Jougne \0 ß Lausanner Währung als Geleit in gleicher
Weise zu erheben, wie es an der Zollstelle Les Cl(5es (Cletis) gebräuch-
lich war. Der bisher in Jougne erhobene Zoll sei so niedrig gewesen,
dafs er die Kosten des Geleites nicht gedeckt habe. Des weiteren
erhielt der ChaJoner das Recht, von einem jeden Warenballen, der die
Erzbistümer Besangon, Lyon, Vienne und das Bistum Valence durch-
zog, den gleichen Zoll zu erheben*. Johann war ein vorsichtiger
Mann, er liefs sich nicht allein von dem Kurfürsten Willebriefe dazu
geben * , sondern er wandte sich auch an Papst Nikolaus IV. um
Bestätigung, die er erhielt®, wie auch König Adolf diese Zollerhöhung
billigtet
Das Ganze stellt sich also als ein Versuch dar, den gesamten, durch
* Böhmer, Acta imperii 400.
* Ein Drittel wurde 127G zurückgekauit; Matile, 1, 158.
» Böhmer-Redlich 2190.
* Urkunde König Rudolfs vom 17. September 1288 bei Chevalier, Mömoires
historiques sur la ville et seigneurie de Poligny 1, 372. Böhme r-Ficker 2190.
'* Die von Mainz und Trier sind erhalten, letzterer ist auch gedruckt. Görz,
Mittelrhein. Regelten 4 Nr. 2175.
« Langlois, Registres 274 Nr. 1360 1289 September 16.
' Böhmer, Acta imperii 369.
König Albrecht und die schweizerischen Alpen. 195
das nördliche Königreich Arelat* gehenden Warenverkehr zu Gunsten
Johanns von Chalon zu besteuern. In der That ein kühner Versuch
und ein Entgegenkommen seitens der deutschen Könige, welches beweist,
welche Bedeutung sie der Person Johanns von Chalon beimafsen. Und
nun versuchte König Albrecht gar, den gesamten Verkehr auf den Gott-
hard zu vereinigen, und Johann stimmte ein, und er mufste doch nach
dem alten Satze mindestens 1000 Saumlast besteuern, um die in dem
Vertrage mit König Albrecht festgesetzte Summe an ihn entrichten zu
können. Erst darüber hinaus begann der Vorteil für Johann.
Wir müssen uns mit seiner Person und den Wirren in der Freigraf-
schaft (Franche comtö) etwas näher beschäftigen, um den Hintergrund
dieser Mafsregeln verstehen zu können^.
In denselben standen sich der Pfalzgraf Otto IV., der von Jugend
auf sich an Frankreich angelehnt hatte, und die hohen Geschlechter, an
der Spitze Johann von Chalon- Arlay, das Haupt der jüngeren Linie des
pfalzgräflichen Hauses und Schwager König Rudolfs, gegenüber. Otto
war ein Abenteurer, der sehr bald in die Hände der französischen Diplo-
maten kam, dazu schwer verschuldet — gerade Lombarden waren seine
Gläubiger — ihm schien das Leben am Hofe von Paris wertvoller als
die Last der Verwaltung seines Hauses. Er war so französisch, dafs er
das Wappen seines Hauses, in dem der Reichsadler schwebte, aufgab.
Schon bei dem Kriegszuge gegen Bern hatte der König das gefährliche
Bündnis dieser Reichsstadt mit Savoyen und Burgund brechen wollen.
Als Otto sich weigerte, seine Lande vom Könige zu Lehen zu nehmen,
rückte 1289 der alte Rudolf, dem die Sympathien der Deutschen, die
zum erstenmal des nationalen Gegensatzes bewufst wurden, folgten, in
das Land. Otto unterwarf sich, Johann von Arlay, der von seinem
Schwager reiche Privilegien erhalten hatte und erhielt^, bezwang Besangen,
das von da ab die Stellung einer Reichsstadt gewann.
Aufserlich erkannte auch Otto dann König Adolf an, der aber seiner-
seits nicht etwa dafür Johann von Chalon opferte. Ein neuer Streit
* Das besonders aufgeführte Bistum Valence gehörte zu Vienne. Ausgeschlossen
sind die Kirchenprovinzen Aix, Arles und Embrun.
2 Vgl. de Pi^pape, Histoire de la r^union de la Franche-Comt^ k la France.
I. Paris u. Besannen (1881). Bergengrün, Die polit. Beziehungen Deutschlands
zu Frankreich während d. Regierung Adolfs v. Nassau. 1884. Funck-Brentano,
Philippe le Bei et la noblesse franc-comtoise. Henne berg, Die politischen Be-
ziehungen zwischen Deutschland und Frankreich unter König Albrecht I. Strafs-
burg 1891 (Strafsburger Dissert). Fournier, Le royaume d' Arles. Böhmer-Red-
lich 2175». 2179». 22U^. 2237b. 2239. 2243. 2448 u. ff.
8 Böhmer-Redlich 2189. 2463. 2464. Neuenburg am See, Münzrecht und
Klostervogtei.
13*
196 Siebzcbntcä Kapitel.
erhob sich um die Zölle, die der Pfalzgraf zum Nachteile des Chalons
erhob'. Ja der Pfalzgraf machte den Versuch, den Pafs von Jougne
überhaupt zu sperren. Es wurde also damals von freigräflicher Seite
unternommen, was 1299 König Albrecht versuchte, den Jougnepafs zu
sperren und die Kaufleute zu zwingen, entweder nördlich — das war
Albrechts Absicht — tiber den Gotthard und durch die Vogesen zu
gehen, oder südlich — und das war das Ziel der Freigrafen — den Jura
zu überschreiten.
Hugo von Burgund, der Bruder des Pfalzgrafen Otto, wandte sich
im Juni 1293 an die Gardes des foires der Champagne, an die capitanei
der Lombarden und Proven9aIen und bat sie, ihre zollpflichtigen Waren
nicht durch das Land Johann von Arlays, besonders nicht über Jougne
zu führen. Diese Mafsregel widersprach den französischen Interessen
fast ebenso sehr, wie denen des Herrn von Arlay, und auf die Gegen-
äufserung Philipps des Schönen hin nahm Hugo das Schreiben zurück ^.
Es scheint bei den Kaufleuten aber doch einen lebhaften Eindruck ge-
macht zu haben.
Sie suchten sich einen anderen Ausweg, und zwar schickte die Ge-
meinde Mailand, ftir die eine Benutzung des Umweges über die Rhone-
mündung und Genua oder auch der südlichen Wesüilpenpässe unmöglich
war, einen Gesandten an den Grafen Amadeus von Genevois, der den
aus dem Savoyischen stammenden Fuhrleuten der gesamten italienischen
und proven9ali8chen Kaufniannschaft sicheres Geleit gewähren sollte, was
er that®. Der Weg, der hier gemeint ist, geht nicht etwa durch die
eigentliche Grafschaft Genevois, wo es sich nur um einen Weg von
Genf, Annecy, die Wasserscheide von Faverges, Albertville-Conflans,
Moutiers en Tarentaise über den Kleinen St. Bernhard handeln könnte.
Den richtigen Weg giebt die Erwähnung des casirum de Varey an dio
Hand, worunter die von den Grafen in der Mitte des dreizehnten Jahr-
* Bergengrün 13.
2 Funck-Brentano S. 11. Das zweite Schreiben vom 6. Juli 1298.
^ Genannt sind dieselben italieuiBchen Städte wie in der 8]>ater zu erwähnenden
Urkunde von 1295, aufserdem Siena, Orvieto und Lodi. Memoires et doc. publica
par la soc. d'hist. et d'arch. de Gen^ve 14, 438. 1293 September 22. Der Vertrag
drängt die savoyieclien Fulirlcute in den Vordergrund, das geschieht keineswegs in
einem anderen Privileg desselben Grafen für ganz dieselbe Kaufmannschaft, das
leider undatiert ist. Ebda. 467. Die Vertreter der Mailänder sind »ConraMus de
Coucorzezio Ugum profcssor und Jacolmn Bassins de CanUirio'y die vielleicht zeitlich
zu bestimmen sind. Die Urkunde enthält einen wertvollen Zolltarif: pro qnnrga
(Irciiiporum, cere, davere de peySy rencciana je 2 ^., pro cquo de garda 2 ^, pro quarga
lane, fusintieonim^ ferramentorcm je 12 ^. Das Stück liegt nur in einer Vidimation
von 1303 vor.
König Albrecht und die schweizerischen Alpen. 197
hunderts ererbte Burg Varey en Bugey * zu verstehen ist, und diese liegt
nahe dem Wege, der von Mäcon an der Saöne in südöstlicher Richtung
über Bourg d'Ain in die Landschaft Bugey eintritt. Hier ist man im
südlichsten Teile des Jura, dessen Parallelketten in Windungen umgangen
werden, zwischen zweien deutet der Name les H6pitaux, dals einst ein
Hospiz der langen, tief eingeschnittenen Schlucht ihre Schrecken nahm.
Der Weg erreicht Belley, überschreitet bei La Balme den Rhone, gewinnt
nach Überwindung eines Passes die Ufer des Lac du Bourget und tritt
jenseits Chambery bei Montm^lian in das Is^rethal. Die Landschaft
Tarentaise flihrt zum Kleinen St. Bernhard, wie weiter südlich die
Maurienne zum Mont Cenis und Col de Frdjus. Die Kaufleute mieden
also die Freigrafschaft, die durch den Friedensschlufs zwischen dem Pfalz-
grafen und dem Herrn von Arlay 1293 Dezember 20* einen Augenblick
Ruhe erhielt.
In dem Vertrage von Vincennes nun, der am 2. März 1295 abge-
schlossen wurde, entäufserte sich der Pfalzgraf sowohl der Freigrafschaft
wie der Herrschaft Salins und übergab sie gegen eine gute Jahrespension
dem französischen Königshause« Seine einzige Tochter Johanna sollte
einem französischen Prinzen vermählt werden, unwiderruflich sollte das
die Mitgift der Tochter des Grafen sein, der sich selbst wie sein Land
so an Frankreich verkaufte.
Johann hatte inzwischen auch bei Adolf besondere Gunst gefunden,
welcher ihn 1295 zum Reichsstatthalter in Tuscien machte. Aber er
liefs sich durch die guelfischen Städte mit 50000 Florenen bestechen,
heimzukehren®. Seine Anwesenheit in der Heimat war bitter notwendig
geworden.
Das Land liefs sich nicht so leicht verschachern, wie der Pfalzgraf
gemeint hatte, Johann von Chalon trat an die Spitze des Widerstandes,
und König Adolf unterstützte wenigstens mit Worten die gegen Philipp
den Schönen sich wehrenden Adligen, welche vom König von England
Subsidien erhielten. Doch Philipps Vertreter machten Fortschritte im
Lande, auch der Graf von Pfirt fiel vom Adel ab, und es mag sein, dafs
er mit deshalb von dem neuen Könige Albrecht sofort nach Adolfs Tode
angegriflfen wurde.
Albrecht hatte als Herzog mit dem Könige von Frankreich ver-
handelt, als deutscher König mufste er zunächst die Dinge sich abklären
* Lövrier, Chronol. historique des comtes de Genevois 1, 145.
' S. Funck-Brentano 15.
^ Kopp3, 1. 182. Vgl. Digon,Faucardu. Thomas, Registre Boniface VIII.
Kr. 905. 939 u. 1597. Juni 1296 waren ihm nur noch 5500 fl. zu zahlen, es waren
schöne EinuahmcUi die er machte.
198 Siebzehntes Kapitel.
lassen. Schon am 26. Februar 1299 finden wir Johann von Chalon beim
neuen Könige, er hat ihn längere Zeit begleitet. In diese Tage fHIlt der
Aufenthalt des Königs in Luzern und die Verhandlung über die Ver-
legung des Zolles. Der Herr von Chalon war offenbar wegen der
burgundischen Wirren, wo er der Führer der Reichspartei war, seiner
Zolleinnahmen nicht mehr sicher, so bequemte er sich zu der Verlegung
des Zolles. Vielleicht war aber auch der Zoll von Les Cl^es und Jougne
zusammen so hoch, dafs die Kaufleute den Weg mieden und Johann
von Chalon den Versuch machte, die alten Einnahmen von Jougne sich
durch die Verlegung desselben wieder zu verschaffen.
Für Albrecht war die burgundische Frage nur ein kleiner Teil des
Ausgleiches mit Frankreich, das seine Grenzen so mächtig nach Osten
vorschob. Heute, wo wir klarer in diese Dinge sehen, ist es noch kaum
zu bezweifeln, dafs er seine Freundschaft mit Frankreich durch die Ab-
gliederung des Arelats zu Gunsten seines Sohnes Rudolf, der die fran-
zösische Königstochter Blanka heiratete, oder eines französischen Bräuti-
gams einer habsburgischen Tochter befestigen wollte. Er wollte dabei
die Wahlmonarchie in eine Erbmonarchie verwandeln '. Der Widerspruch
der geistlichen Kurfürsten machte es unmöglich, das durchzuführen. So
wurde auf der Zusammenkunft zu Vaucouleurs die burgundische Frage
ausdrücklich offen gelassen, seitdem hat Albrecht für die burgundischen
Gegner Philipps die Hand nicht mehr gerührt und die Annexion der
Freigraföchaft durch Philipp den Schönen geschehen lassen. 1301 mufsten
sich die Edeln Burgunds unterwerfen, auch Johann von Chalon, der sich
übrigens 1311 von Heinrich VII. in Mailand mit dem Zolle in Jougne
belehnen liefs^. Für den Augenblick war die Freigrafschaft verloren.
Die Gefahr einer Abtretung des gesamten linken Rheinufers au Frank-
reich, wie sie in Deutschland wohl befürchtet, in Frankreich erhofft
^ wurde, hat wohl niemals bestanden; sie würde auch seine Ilandclsstrafse
sofort wieder vernichtet haben.
* Neuerdings sind au Quellen hinzugekommen das von Weilaud in d. Nachr.
d. Gesellsch. d. Wiss. zu Göttingen 1894 herausgegebene Fragment der niederrhein.
Papst- und Kaiserchronik und der Protest der Erzbischöfe von Mainz und Köln 1299
Dezember 5. Neues Archiv 213, 41.
■ »Pedaffia de Joyni et alia pedagiay que teuere conmeüit ah imperio sive a Borna*
norum regihtis.t Dönniges, Acta Heinrici VII. 1, 34 Nr. 60.
König Albrecht und die schweizerischen Alpen. X99
Achtzehntes Kapitel.
ESnig Albrectat nnd die sctaweizerisetaeii Alpen (Fortsetzung).
Frankreich und die Champa{)n€ und Flandern. Der alte Weg Italien- Flandati
genügt nicht mehr, Verträge der Italiener über die alte Stra/se. Vergleich mit denen
üher die neue. Albrechts Zölle und der Landfrieden. Aufhebung der Bheinzolle. Erfolge.
Höhe des Verheiirs über den Gotthard. Zollertrag. Vergleich mit Bapaume, mit
den anderen habsburgischen Zöllen, mit den habsburgi sehen Städtesteuern.
Strafsenräubereien. Das Muster eines Brigantenbriefs,
Kehren wir zu der Geschichte der Gotthard- und Jougnestrafsen und
Zölle zurück. Was wollten die iüilienischen Kaufleute, die wir als
treibendes Element bei der Gotthardstrafse gefunden haben, und wie ver-
band sich die Politik Albrechts mit seiner übrigen?
Die Absicht der Kaufleute war unzweifelhaft darauf gerichtet, sieh
von den Folgen der Kämpfe, welche die Ausdehnung des erstarkenden
Frankreichs herbeiführte, möglichst unabhängig zu machen und sich mög-
lichst viele Wege zu sichern, um die Verbindung mit den Champagner-
messen und mit dem für die Italiener wichtigsten Hinterlande derselben,
Flandern und England nicht zu verlieren.
Die Blüte der Champagnermessen hatte darauf beruht, dafs sie in
einem Zwischenstaat zwischen Frankreich und Deutschland stattfanden.
Seitdem die Erbin des letzten Grafen von der Champagne aus dem
Hause Blois, Johanna, sich mit Philipp dem Schönen, König von Frank-
reich, vermählt hatte, war, trotzdem die Form einer halben Selbständig-
keit gewahrt war^, die Champagne ein Teil Frankreichs geworden, die
Messen mufsten also die Folgen der Kriege des Königs tragen. Und
nun entbrannte auf der ganzen Linie, durch welche die bisher am meisten
von den Italienern benutzten Wege liefen, ein Streit, der den Kaufleuten
höchst nachteilig war. An die burgundischen Händel schlössen sich
räumlich an die Eingriffe des französischen Königs in die Rechte der
Grafschaft Bar, besonders aber kam die Stellung Flanderns und Eng-
lands in Frage; denn das Rückgrat des Handels der Italiener in diesen
Gegenden war die englische Wolle. Wie durch sie die flandrischen
Städte lebten, so war auch für die italienische Industrie dieses Roh-
material bereits unentbehrlich. Brügge war der Haupthandels platz aufser-
halb des Mittelmeeres geworden, von dem sich Italien nicht trennen
konnte.
In Flandern vertraten die Zünfte, die Tucher, Weber, Walker und
Scherer die Politik einer Anlehnung an England, die wirtschaftliche Ab-
* Nach dem Tode seiner Mutter wurde Ludwig, der spätere König, 1805 nominell
der Herr des Landes.
200 Achtzehntes Kapitel.
faängigkcit leitete diese Kreise neben den nationalen und politischen
Gesichtspunkten ^. Man sagte sich dort, das Getreide, das Frankreich uns
liefert, können wir uns für das Geld kaufen, das wir aus der englischen
Wolle gewinnen müssen. So hatte Graf Guido in dem Kampfe Eduards I.
wider Philipp auf englischer Seite gestanden, von Januar 1297 bis zum
Schiedsspruch Bonifaz' VIII. (27. Juni 1298) hatte das erste Bündnis
Dauer, dann war Flandern allein gelassen, im Januar 1300 begann der
Krieg von neuem, im Mai war Flandern französisch. Doch die Leliaerts
konnten sich nicht halten, ein Weber, Picter de Ooninc, war es, der den
Mut der Clauwaerts aufrichtete. In der flandrischen Vesper (Mai 1302)
erfolgte die Explosion der glühenden Leidenschaft der Vlaemen; in der
Schlacht von Kortryck bewiesen sie die militärische Tüchtigkeit eines
städtischen Heeres; aber im Juni 1305 wurde durch den Frieden von
Athies das Land erneut französischer Herrschaft unterworfen, um sich
bald wieder zu erheben.
Es ist klar, dafs der italienische Kaufmann, der weder die Ver-
bindung mit Frankreich noch mit Flandern aufgeben wollte, sich auf
zw(.*i Strafsen einrichten mufste: auf die alte, welche durch Burgund
nach der Champagne und Paris führte, auf eine neue, die Burgund um-
ging und entweder doch nach Frankreich hinein führte — das war der
Weg, der nach Neufchäteau abbog — oder sie mufsten überhaupt franzö-
sisches Gebiet vermeiden, und dann ergab sich die Fortsetzung durch
Lothringen. Ja es mufste die Benutzung des Wegs den Rhein hinab
hierdurch gewinnen.
Wir werden später die eifrigsten Bemühungen italienischer Städte
um liesserung der Alpen passe im Wallis zu besprechen haben , ich
niöclite die Dinge nicht zorreifseu und hier nur an der Geschichte des
Jougnepasses zeigen, wie eifrig auch hier die Italiener für die Besserung
und Sicherung des Weges thätig waren.
Im JafiA'e 1295 verhandelten Palmcrio de Roggo von Piacenza und
Marco Bolano aus Venedig im Auftrage der italienisclien Kaufmann-
schaft auf d(;n Messen mit dem Pfalzgrafen Otto von Burgund, Herrn
zu Salins, und seinem Bruder Hugo. Diese sicherten allen Kaufleuten
aus Rom, Florenz, Orvieto, Pistoja, Lucca, Genua, Piacenza, Mailand,
Venedig, Asti, Alba, Como, Parma, Bologna und Prato, wie überhaupt
all(Mi aus Italien und der Provence kommenden Kaufleuten ungestörten
Handel zu '-.
* DaH (•rkoiuit auch Fuiick- Brentano, Philippe le Hei en Flandre (1896)
S. .S7 an. Vgl. auch IM renne.
- Chevalier a.a.O. IJ-Sl. Fagniez, Document» 1, 315. Otto stellte die Ur-
kunde zu PariH auB, die Gegenurkunde des Capitaneua et rcctor universitatis inerca^
König Albrecbt und die schweizerischen Alpen« 201
Wir haben, wie wir sehen, im Jura und in der Freigrafschaft zwei
aneinander stofsende Zollherrschaften, welche übrigens zwei Feinden ge-
hörten, die gerade sich auch über die Zölle gestritten hatten. Wir
haben früher gesehen, wie schon im zehnten Jahrhundert von Pontarlier
zwei Wege nach Frankreich hineinführten, der eine war die auf Langres
zu führende alte Römerstrafse, der andere lenkte über St. Jean de Losne
und Dijon nach Burgund. Dieser Weg mit seinen Zöllen wird uns nun
ganz genau aus der Urkunde von 1295 bekannt Es werden erwähnt
(Mn Zoll apud Pontem Arliam (34 ^ kleiner Turnosen von dem 24 Rubb
wiegenden Ballen), einer apud Calciamontem (25 ^), einer ad Salinas (2 ß),
der höchste (8 ß) apud Augerantem, endlich einer von 4 h aptid Dolam,
Statt über Dole gehen die Kaufleute auch über OeuHacum, Erwähnt
wird noch eine sosia apud Laloam (2 ^), welche aber kein Bannrecht
haben soll. In Salins soll das alte Warenhaus (logia pro bdllis deponendis)
wiederhergestellt, in Augerant eine neue gebaut werden.
Der Weg weicht von den heutigen an manchen Stellen ab und ver-
meidet, so weit ich das beurteilen kann, möglichst die grofsen Wälder.
Die Strafse führte über Salins, stieg in das Thal der La Loue herab,
die überschritten wurde ^ Mit La Loye gabelt sich der Weg, der eine
umgeht die Spitze der weithin zwischen der La Loue und dem unteren
tornniy Lanzaloctus Ciwcherla aus Piacenza ist aber am gleichen Tage den 11. Febr.
1295 in Lagny, also während der dortigen Messe ausgesteUt.
^ Heute verbinden zwei Strafsenzüge Pontarlier mit Salins. Sie trennen sich
vor Cliaffois, der südliche Weg geht über Dompierre und Andelot, der nördliche
über Levier; jener durchschneidet mehrere Kilometer den Foret de la Hautc-Choux,
dieser ebenso lange den For§t royal du Jura. Zwei schmale Waldgebiete durch-
setzt die mittclalterliclie zwischen beiden jenen liegende Strafse. Ihre Lage ist
durch den Ortsnamen Villcrs-sous-Chalamont gesichert. Wer zunächst der nördlichen
Strafse folgt, stöfst auf ein Haus, le magasin vieux, einige tausend Schritt weiter
liegt das magasin neuf. Bei beiden kann man abbiegen, um zunächst Boujeailles zu
erreichen. Dieser auch bei der Translation der hl. Urban und Tiburtius genannte Ort
(s. oben S. 58) ist von dem jenseits gelegenen Villers-sous-Chalamont durch einen
schmalen Jurazug getrennt^ der aber eine Pforte läfst. Durch diese führt heute ein
in Serpentinen geführter Weg. Jenseits Villers scheint sich der Weg heute — den
Kalten nach zu urteilen — in Wiesen zu verlaufen, aber nur für einen Augenblick.
Der dann wieder auftauchende Weg erreicht sehr bald die nördliche über Levier
führende Strafse, an der Einmündungsstelle bezeichnet die Karte ein Haus als
TEntrepöt. Von dort fällt der Weg bedeutend bis Salins. Zwischen diesem Orte
und Augerans, wo eine Burg die Strafse beherrscht, ist die ßoute nicht so ohne
weiteres festzulegen. Es mufs die La Loue überschritten werden; wie es scheint,
geschah es kurz vor Augerans, gemäfs der Translation des hl. Urban sicher nicht
oberhalb Chamblay. Mit Augerans hängt fast unmittelbar La Loye zusammen, man
findet es also begreiflich, dafs für die dort bestehende Sust kein Bannrecht mehr
bestehen bleiben konnte, nachdem auch Augerans eine solche erhielt.
202 • Achtzehntes Kapitel.
Doubs sich hiDziehenden Foret de Chaux und erreicht vor Dole, der
einst von Barbarossa so sehr begünstigten Stadt, den Doubs. In dem
Handelsvertrage sind die Zollstätten von Dole her aufgeführt, neben und
gleichwertig mit Döle wird aber auch Geuriacum genannt. Ich glaube
mich nicht zu täuschen, wenn ich darin das etwa sieben Kilometer unter-
halb Dole am Doubs liegende Gevry sehe. Da der Flufs hier mehrfach
seinen Lauf gewechselt hat, ist nur zu vermuten, dafs über Parrecey
La Loye erreicht wurde. Was hat aber diese Gabelung zu bedeuten?
Meines Erachtens führte der Weg über Döle weiter über Auxonne nach
Dijon, der andere über Givry, Tavaux und St. Aubin aber nach St. Jean
de Losne. Dieser Punkt, ein Grenzort des Deutschen Reiches, hat aber
eine besondere Bedeutung, denn hier war der Endpunkt der regelmäfsigen
Schiffahrt auf der Saöne. Wer von den Messen der Champagne hierher
kam, mufste sich also entscheiden, ob er zu Schiffe zum Meere hinab
ziehen oder durch Jura und Alpen den Landweg nehmen wolle. Doch
kehren wir zum Passe von Jougne zurück, nachdem wir den ganzen
Weg der Champagnefahrer vom unteren zum oberen Doubs festgestellt
haben !
Wenn die Strafse über die Vogesen und durch die Freigrafschaft
Konkurrenten waren, so wird es sich lohnen, den Text der Privilegien
des Grafen von Pfirt* und des Pfalzgrafen miteinander zu vergleichen.
Die letztere Urkunde ist nicht geradezu wörtlich benutzt, aber bei den
Verhandlungen -wohl zur Hand gewesen.
Der Graf von Pfirt giebt nun zunächst nicht die speciellen Angaben
über die zu erhebenden Zölle, über die Münze, in welcher die Zahlungen
entrichtet werden dürfen, über die Susten und über die Zollfreiheit der
Reitpferde; es fehlt auch das Versprechen, keine weiteren neuen Auf-
lagen zu machen. Der Graf von Pfirt hat ja nur eine relativ sehr kurze
Strecke des neuen Handelsweges. In beiden Privilegien sind die Be-
stimmungen gleich oder wenig verschieden, welche sich auf den Schutz
des Kaufmanns und seines Gutes beziehen. Doch beobachtet man auch
hier, dafs die besseren, durch Erfahrung begründeten Verfügungen von
dem Pfalzgrafen erlassen werden; da ist z. B. der Diebstahl im Gast-
hause vorgesehen und unter das gemeine Recht gestellt, während sonstige
Diebstähle am Kaufmannsgute beschleunigt und auf den Eid des Kauf-
manns hin durch den Landesherrn ersetzt werden sollen. Der Pfirtischen
Abmachung eigentümlich sind die Bestimmungen, welche das Fehdewesen
und die lebhaftere politische Verbindung mit Italien nötig machen. Für
das, was jenseits der Berge geschah, soll der Kaufmann nur dann mit-
verantwortlich sein, wenn er aus derselben Stadt oder Distrikt stammt,
* Unsere Urkunden Nr. 2.
König Albreoht und die schweizerischen Alpen. 203
wie der Thäter. Kommt es aber zu einem von deutscher Seite ver-
anlafsten Konflikte, so sollen die Kaufleute der betreffenden Stadt noch
40 Tage freien Verkehr haben. Die Aufkündigung des Geleites erzeugt
bei dem Pfirter eine Frist von zwei Monaten, bei dem burgundischen aber
ein halbes Jahr. Der Pfalzgraf verspricht ^per fidetn^ , der Graf unter
Verpföndung seiner Lande, die gegebenen Versprechungen zu halten.
Wurden die Verträge wirklich gehalten, so konnten die italienischen
Kaufleute auf dem einen wie dem anderen Wege ruhig und sicher ziehen,
es kam dann auf die allgemein politischen Verhältnisse an, welchem
Wege die Italiener den Vorzug gaben.
Die zweite Frage, die aufgestellt wurde, ist die, wie fügen sich diese
Strafsenprivilegien der gesamten Politik Albrechts ein; können wir bei
ihm gar von einer Handelspolitik reden? Ich glaube, dafs man mit Ja
antworten darf.
Die Geschichte der Zölle und Landfrieden, so sehr sie den Handel
mit Italien beeinflufsten , kann ich nur streifen \ Die deutsche Zoll-
geschichte ist ein vergebliches Ringen der Könige gegen die Einführung
neuer, in keiner Weise die Interessen des Handels fördernden Zölle seitens
der Landesherrn, denen in Augenblicken der Not die Könige nachge-
geben hatten. Das Zollregal hatte Friedrich IL 1220 einschränken
müssen, 1234 wurde das Jahr 1190 als Termin festgesetzt, alle jüngeren
nicht rechtsgültig errichteten Zölle sollten abgeschafilt werden, im folgenden
Jahre wurde als Normaljahr 1197 festgesetzt. Das Zollunwesen wucherte
trotzdem üppig weiter, und der rheinische Bund von 1254 war vor allem
gegen diese ungerechten Zölle errichtet, denen keine Leistung seitens
der Zollherren entsprach, sondern die lediglich errichtet waren, damit
die Herren sich an dem aufblühenden Handel und Verkehr schadlos
hielten. Es war die schlimmste Ausbeutung fremder Taschen, die auch
dieser Bund nicht abstellen konnte.
Es gab damals 40 Zölle auf dem Rheine, und ein Engländer, der
im Gefolge des Königs Richard nach Deutschland kam, konnte sich nicht
genug über die furiosa TetUonicorum insania wundem^. Rudolf trat
gleich zu Beginn seiner Regierung mit hohem Ernste für die Abschaff'ung
aller ungerechten Zölle ein ^, er legte auch seinen habsburgischen Zöllnern
das Handwerk*. Er stellte sich freilich grundsätzlich auf den Stand-
' Für die Rheinzölle vgl. Frey, Die Schicksale des königl. Gutes in Deutsch-
land 202—219. Lamprecht Bd. 2. Wetzel, Das Zollrccht der deutschen Könige
V. d. ältesten Zeiten bis zur goldenen Bulle. Untersuchungen Hera. v. Gierke
Heft 43. Sommerlad, Rheinzölle.
- Böhmer, Fontes 2, 455.
3 Böhmer-Redlich 11.
* Böhmer-Redlich 150 u. 151. Erzingen und Ensisheim.
204 Achtzehntes Kapitel.
punkt, dafs für Instandhaltung sehr schlechter Strafsen denjenigen, welche
sich zum Bau verpflichteten, etwas von den dort Verkehrenden zu zahlen
sei ^ Das wurde ja auch von den Handelsstädten, wie wir sehen werden,
angeboten ^ Für die Reichszölle wurde 1287 das Jahr 1250 als Normal-
jahr festgesetzt.
Die Erfolge, welche so errungen wurden, hat König Adolf wieder
preisgegeben, er vermehrte die Zölle wieder, und auch Albrecht hatte
den rheinischen Kurfürsten ihre Stimme mit Zollprivilegien bezahlen
müssen. In der Geschichte des deutschen Zollwesens regierte der Augen-
blick, dem momentanen Vorteile zuliebe gab selbst ein Albrecht so
weit nach.
Nicht so lange dauerte es, bis er mit den vier rheinischen Kurfürsten
gründlich zerfallen war. Er hoffte, die Erbschaft des ausgestorbenen
Hauses der Grafen von Holland zu gewinnen, also das Mündungsgebiet
des Rheines, der reiche Besitz war dem Reiche und ihm durch ein
Fürstengericht zugesprochen. Er erstrebte also, auch das andere Ende
der grofsen Weltstrafse, die dem Strome folgte, zu gewinnen, auf ihr
die überlästige Herrschaft der Kurfürsten zu brechen und dem Handel
die Fesseln abzunehmen. Die Politik, die er trieb, war die der sich
bildenden Nationalstaaten, denen es gelang, die Teilbildungen zu über-
winden. Er hob seine eigenen Zollverleihungen wie die seines Vaters
auf und erklärte, den Zustand der Tage des „siegreichen" Kaiser Fried-
richs IL wiederherstellen zu wollen, er eröffnete eine Politik, die seine
gewaltige Kraft uns bekundet In einem Manifeste wandte er sich an
die Bürger der rheinischen Bischofstädte von Köln bis Basel und Kon-
stanz und forderte sie auf, sich den Zollerhebern der Kurfürsten zu
widersetzen. Er selbst erschien, eifrig durch die Städte gefördert, im
Felde und warf alle Kurfürsten nieder. Die neuen Zölle waren und
blieben, so lange er die Krone trug, aufgehoben, mochten auch die Kur-
fürsten von Mainz und Köln sich vom Papste Klemens V. die Zölle be-
stätigen lassen^. Es war ein Zeichen, dafs bei der nächsten Wahl sie
ihre Ansprüche erneut vorbringen würden.
In dieser Politik Albrechts äufsert sich ja gewifs auch der Egoismus,
der aber dem Reiche zu gute kommen mufste, doch zugleich ist er der
einzige deutsche König gewesen, der des Zollunfuges wegen zum Schwerte
griff. Der Erfolg war glänzend. ^ Rhenus apertus est et naves ascendere
vel (lescendere libere potiiertmt^ schrieb der Dominikaner von Kolmar,
* Böhmer-Redlich 1548, nur im Formclbuch erhalten.
* Vgl. Geschichte des Simplons.
» Reg. Clem. papae V N. 2061 Mainz für Lahnstein 1307 Oktober 28. 2090
KtUu für Bonn und Andernach 1306 Dezember 25.
König Albrecht and die schweizerischen Alpen. 205
sehr bald aber wurde geschrieben: ^^Ehenus, quem rex Albertus apperueratf
ut omnis volens ascendere et descendere poterat, hunc milites terre clause-
runt^ ut nuUus mercatorum äusus fuerit in Rheno amplius comparare^ ^
Das, was Albrecht erstrebt hatte, wäre in einer Monarchie, die auf das
Erbrecht sich stlitzte, durchzufiihren gewesen, hier waren aber gerade
die Wähler diejenigen, welche von dem ZoUunfuge den meisten Nutzen
gehabt hatten.
Auch in seinem Landfrieden vom April 1301, dem ersten speciell
elsäfsischen, haben wir sein Bemühen zur Förderung des Handels zu er-
kennen. Er folgte darin den Spuren seines Vaters, dessen Bemühungen
um die Sicherung des Landfriedens die Geschichte nicht vergessen hat.
Nicht allein in Thüringen, sondern auch im Klettgau brach er die
Burgen von Raubrittern^. Der Sohn begnügte sich nicht aber mit
solchen allgemein gebotenen Landfrieden, er schlofs den elsäfsischen in
Vertragsform mit den Bischöfen Friedrich von Strafsburg, Peter von
Basel, den beiden Landgrafen im Elsafs — der im Oberelsafs war er
selbst — und den beiden Städten Basel und Strafsburg ab®. In ihm
heifst es: ^alle geste and alle frSmede hHe, sie Stent vamde blibende oder
wesende, die si^llent diesen selben friden han.t Und noch deutlicher
w^ird uns die Bedeutung für den Handel, wenn wir beachten, dafs die
Grenzen der südlichen Vorzone angegeben sind mit » Howensiein^i^ und
iOoldenfeils^^. Auf dem Hauenstein, wo das habsburgische Geleit ge-
endet, empfing den Reisenden die Sicherheit des elsässischen Landfriedens.
Und auch der Augenblick des Abschlusses ist von Bedeutung. Er fkUt
in den Monat April, am 7. Mai 1801 erliefs der König sein Manifest
gegen die rheinischen Kurfürsten. Es war das erste Mal, dafs ein König,
um den Landfrieden wirklich durchzuführen, sich nicht der Form eines
Gesetzes bediente, es war auch kein Vollzugsvertrag eines allgemeinen
Landfriedens, sondern ein Bündnis des Königs mit den tonangebenden
Ständen des Landes '^.
Welchen Erfolg hatten die Habsburger nun bei ihren Bemühungen
um Hebung des Handelsverkehrs? Über den für die ganze Strecke von
Hospenthal bis Reiden in Luzern erhobenen Zoll giebt uns eine sehr
willkommene Auskunft das habsburgische Urbar aus dem Anfange des
vierzehnten Jahrhunderts. Der Höchstertrag war 1108^5 und 6^ Basler
Währung, 4 €6 13V'2 grofse Tumosen und vier Gulden, der Mindest-
» M.G. SS. 17, 227. 228.
« Weifsenburg 1288 Böhmer-Redlich 2166».
3 Strafsb. Urkb. 2, 187.
* Roche d'or. Burg an der schweiz.-franz. Grenze am Doubsknie bei St. ürsanne.
« Vgl. Wynekcn S. 92. Heinrich VII. erneute ihn 1310 auf fünf Jahre.
Strafsb. ürkb. 2, 229.
206
Achtzehntes Kapitel.
ertrag 460 €6 Basler*. In Luzern waren sicher zwei (die Zölle von
Reiden und Hospenthal), vielleicht noch mehr zusammengelegt. Man
mufs sich das vor Augen halten, wenn wir die Verkehrshöhe berechnen
wollen. Wir besitzen zudem keinen Zolltarif. Also für die Wirtschafts-
geschichte ergiebt sich kein einwandfreier Vergleich. Aber ich meine,
es ist doch lehrreich, die Parallele mit Bapaume, dem Passe, den der
Verkehr von Flandern und Frankreich benutzt, zu ziehen. Maximimi
und Minimum sind da in der Zeit von 1288—1307 3250 ü Pariser und
1226 €6 ^. Ganz roh verglichen ist das Maximum dreimal so hoch, das
Minimum etwas weniger.
Die Stellung des Luzerner Zolles unter den übrigen habsburgischen
erläutert das Urbarbuch. Es ergiebt sich folgende Tabelle:
Zoll zu
Höchster Ertrag
Niedrigster
Ertrag
Quelle
Urbarbuch
Ottmarsheim Vi des Zolles . .
Demnach der ganze ....
Erzingen
Aufserdem jährlich
Hanenstein
Waldshut in der Stadt ....
Waldshut auf der Rheinbrücke
Dietikon
Baden, Zoll auf der Brücke . .
Brugg
Lenzburg
Winterthur Zoll
Frei bürg im Uchtland ....
Aarburg
Zofingen
Wesen
15 «5
60 ü
16 «5
4 a
70 «
10 ^
3 «
3 iS
35 ü
160 ^
113 U
61 fö
Baseler
Schaffliauser
PfeflFer
Schaffhauser
5 yj Züricher
[Züricher]
[Züricher]
10 ii [Züricher]*
26 fS Züricher»
6 ß Lausener
10 fi
40 «
10 a
31 Ä5
4V2 ۧ
1 «
2 i6
20 «8
90^
^ a 6 ß
40 ü
Ohne Angabe
87
68
75
76
117
129
138
158
338/9
486
489
496
517
Was war die handelsgeographische Funktion dieser Zölle? Wer
vom Qotthard auf Basel zog, passierte die Zollstellen von Zofingen und
Aarburg (die nachher noch zu erwähnen sind), wer von Basel ab weder
durch das St. Amarinthal noch auf der elsäfsischen Bergstrafse reisen.
> Habsb. Urbar 1, 218 u. 286.
« S. oben S. 165.
^ Bevor die Städte Baden und Mellingen diesen Zoll mitentrichten mufsten,
trug er 10 oder 11 ü Ebda.
* Fester Ertrag.
^ Der Pachtertrag des Zolles umfafste auch die Einnahmen aus der Münze,
dem Bankschilling und der herrschaftlichen Wage.
König Albrecht und die schweizerischen Alpen. 207
noch auf dem Rheine fahren wollte, mufste den Zoll zu Ottmarsheim
entrichten. Die Zölle zu Dietikon, Baden und Winterthur zeigen weitere
Fortsetzungen des Gotthardverkchrs. Winterthur liegt auf der Strafee
Zürich-Konstanz, die beiden anderen aber an der von Zürich-Limmat
abwärts führenden: Dietikon am Eintritt in das habsburgische Gebiet.
Auf diesem Wege kam man zum Bötzberg. Damals gab es bei Walds-
hut eine Rheinbrücke, der Stadtzoll von Waldshut enthält aufser dem
Verkehre vom Gotthard her den, der am rechten Rheinufer zwischen
SchafFhausen - Konstanz und Basel hin und her ging. Dieser Weg
wurde auch durch den ziemlich ertragreichen Zoll von Hauenstein für
die Herrschaft nutzbar gemacht, ebenso durch den Zoll von Erzingen.
Ein anderer Teil des von Zürich über Basel kommenden Verkehres über-
schritt bei Brugg die Aare, passierte den Bötzberg und erreichte so
Basel. Der Zollertrag kam unmittelbar, freilich in weitem Abstände
nach dem Gotthardzolle. Wir dürfen den Brugger Zoll aber nicht aus-
schliefslich unter diesem Gesichtspunkte betrachten, er gehört auch der
Reihe der Zollstätten an der Aare: Lenzburg, Zofingen und Aarburg
an, die beiden letzten sind aber auch Teile der Gotthardreihe , wie
der Zoll von Baden und Winterthur auch an diesem westöstlichen Ver-
kehr interessiert waren. Der Freiburger Zoll bietet uns ein Bild des
internationalen Verkehrs nur in dem Maximalertrag, der Zusatz: *das
meiste nwcht man sit dem male nie genemen von defn eolle sit das mule
und ros die stra:^e nihi hant gefieihei,^ Wie weit der Verkehr aus dem
Wallis dabei einwirkte, ist nicht leicht zu sagen.
Leider sind die Angaben, welche der Schreiber bei dem Zolle von
Wesen vorsah, nicht eingetragen. Wir würden sonst einen Vergleich
mit dem Verkehre gewinnen, der damals noch dem alten Zuge von
Zürich über den Züricher- und Walensee zu den Büudner Pässen
folgtet
Nach dieser Erläuterung der Tabelle, welche so viele Kreuzungs-
punkte enthält, ist es leider nicht möglich, die grofsen Strafsenzüge in
Zahlen zusammenzufassen. Aber es ergiebt sich doch das Folgende. Selbst
ein Drittel der in Luzern zusammengelegten Zölle (rund 370 U — 153 U)
bleibt hoch über den nächsten Zöllen: Brugg (160—90), Freiburg
(113—38), Hauenstein (70—31), Ottmarsheim (60—40). Das Gesamt-
' Eine Übersicht über sämtliche Zollstellen des Alpenlandes wäre sehr er-
wünscht. Die meisten Zolltarife dieser Gebiete sind noch bis 1300 hinein im wesent-
lichen auf die Erfassung der landwirtschaftlichen Objekte gerichtet, so der einen
Schwarz Waldweg sperrende Zoll von Villingen. Im Zolltarif von 1296 (Fürsten-
berg. Urkb. 0, 237 f.) ist jedoch auch von „Gästen" die Rede. Die Karte giebt
einen ersten Versuch einer solchen Zollkarte. Vollständigkeit erstrebte ich jedoch
nur für die direkt nach Italien führenden Wege.
208
Achtzehntes Kapitel.
ergebnis des OotthardzoIIcs (rund 1130 i6 im Maximum, 460 im Miniraum)
übersteigt sehr erheblich die Gesamtsumme der anderen in ihren Erträgen
bekannten habsburgisehen Zölle (rund 460 €ß im Maximum, 255 im
Minimum).
Die Stellung, welche der GotthardzoU im Haushalt der Habsburger
einnahm, ist mit mehr Sicherheit zu erkennen, als die innerhalb des
gesamten Zollwesens jener Tage. Das Urbar bietet eine Vergleichung
mit den StÄdtesteuem. In der nachfolgenden Tabelle habe ich die Er-
höhungen, welche erfolgt waren, voraufgestellt, dahinter folgt die alte
Taxe, welche auch ftir die Posten gilt, wo keine Erhöhung angegeben ist.
Höclißter Ertrag i C^eringster
Höchster
Mindester
Quelle
^ Ertrag
Ertrag
Ertrag
Baden ....
Ohne Angabe
Ohne Angabe
S. 130
Mellingen . .
-
17 m. a. 1 8 m. a.
S. 131
Aarau ....
105 €6 [Züricher]
50 «5
30 /i
S. 137
Brugg ....
34 m. a.
16 m. a.
12 m. a.
s. las f.
Zug u. Oberwil
18 m. a. 10 m. a.
S. 152
Lenzburg. . .
24 i6 LZüricher]
12 fS
10 «J
S. 159
Sursee ....
28 in. a. 2OV2 m. a.
10 m. a.
S. 177
Sempach . . .
25' /a m. a.
lOVa m. a.
10 m. a.
S. 179
Luzern ....
—
55 m. a. 40 m. a.
S. 218
Winterthur . .
150 m. a. 60 m. a.
100 ii [Züricher]
S. 339
Diefsenhofcn .
■
40 m. a. ; 30 m. a.
S. :^1
Zofingen . . .
^■^"
■"^^
30 m. a.
20 m. a.
S. 497
Die Städte Frauenfeld, Wesen, Walenstad im Nordosten, Interiaken
und Freiburg im Südwesten mufs ich aufser acht lassen, da hier das
Urbarbuch gar keine oder keine sichere Auskunft gewährt. Die Städte
des Kernes des habsburgisehen Besitzes auf der schweizerischen Hoch-
ebene — mit Ausnahme von Baden — ergaben somit vor der Steuer-
erhöhung im Maximum: 192 Mark Silber und 140 Ä5 ft (und letzteres
ganz roh nach der Formel 2V2 ä5 ^ 1 m. umgerechnet), insgesamt
248 Mark Silber, im Minimum (140 m. a + 140 ^) aber 196 M. S.
Nach der Erhöhung stellen sich die Summen auf (392 ^/2 m. a + 129 fS )
444^2 und (266 m. a -+- 62 «) 289 Mark Silber. Es hatten manche
Städte oder Bürger ja noch besondere Abgaben an die Herrschaft, im
grofscn und ganzen traten sie aber neben dieser direkten Steuer völlig
in den Hintergrund*.
1 Ich bemerke, dafs wir noch eine andere Quelle für die Höhe dieser Stoiiem
haben. Im Jahre 1315 haben, offenbar um die Kosten des Thronstreites damit docken
König Albrecht und die schweizerischen Alpen. 209
Um nun einen Vergleich ziehen zu können, müssen wir den Nutzen
der Gotthardstrafse gleichfalls in Mark Silber umrechnen. Der Nutzen
setzt sich nur aus zwei Teilen zusammen, aus dem oben schon näher
besprochenen Zollerträgnisse von Luzern (Hospental -Reiden) und dem
Erträgnisse der Fähre. Im Urbarbuche heifst es, bei Luzern nämlich:
»Da ist och ein vert ee Lucern^ das der herschaft eigen ist, das hat ver-
golten eines jares bi deni meisten 100 U, hi dem minsien . . .c Der Er-
trag ist so hoch, dafs sich die *vert^ nicht wohl auf die Schiffahrt Reuüs
abwärts beziehen kann. Ich will aber hier gar nicht auf die verwickelte
Frage der Schiffahrtsorganisation von Luzern und auf dem Vierwald-
stättersee eingehen , man wird nicht widerstreiten , wenn ich die Blüte
dieser Fähre, auch wenn sie wirklich die Reufsfahrt und nicht die Schiff-
fahrt auf dem See bedeutet, vom Gotthardverkehr abhängig betrachte.
Wir müfsten zu dem Maximum von rund 1130 Baseler Pfund noch 100
hinzurechnen. In den besten Jahren ertrug der Gotthardverkehr der
Herrschaft also 1230 ^ §) oder — nach dem von Hanauer* berechneten
Satze von 2V/'2 te Baseler = 1 Mark Silber — 492 Mark Silber.
Es folgt also, dafs in guten Jahreü der Ertrag des Gotthardverkehres
fast um den doppelten Betrag den Meistertrag aller anderen im Urbar-
buch genannten Zölle übertraf, auch den Meistertrag der erhöhten Steuern
der schweizerischen Städte (444 Va M. S.) überstieg und nur um ^/e tiefer
stand, als die Gesaniteinnahme aus den habsburgischen Besitzungen im
Elsafs, die auf 189,7 Mark Silber berechnet wurden*. Man sieht aus
diesem Vergleiche, welches enorme Interesse das Haus Habsburg am
Gotthardverkehre hatte.
Solche Berechnungen haben unzweifelhaft ihre Fehler, aber wir würden
uns nie die wirtschaftlichen und politischen Vorgänge klar machen können,
wenn man nicht den Versuch machte, gutes Ziffernmaterial — und das des
Urbarbuches ist vortrefflich — auch leibhaftig sich vor Augen zu führen«
Kleine Fehler mufs man dabei in den Kauf nehmen.
Die Sicherheit der Wege war selbst in Albrechts Tagen keine grofse.
So wurden 1306 ftlnf venetianische Kaufleute durch zwei Ritter und
drei Knechte niedergeworfen und ihrer Sachen in einem Werte von
zu helfen, die Herzöge von Osterreich an den Strafsburger Bürger Heinrich von
Mülnheim folgende Städtesteuem verpföndet: 33 |Mark Silber auf Aarau, Sursee 25,
Waldshut 17, Sempach 14, Meilingen 2, Zofingen 45 und Lenzburg 7 — zusammen
also 143 Mark Silber. Straf sb. Urkb. 3 Nr. 795. In der Anmerkung dazu habe ich
schon nachgewiesen, dafs ein Teil nach 1462 nicht abgelöst war. Verpfändet waren
auch an denselben die Steuern von Brugg und Winterthur (ebda. Nr. 779), jedoch
ist die Höhe der Steuern nicht einzeln angegeben.
^ £tudes ^conomiques 1, 395 f.
« Schulte, Geschichte der Habsburger S. 68.
Sehult«, Gesch. d. mittelalterL Handel«. I. 14
210 Achtzehntes KapiteL
67 Mark Silber beraubt Es seheint im Gebiete der Qrafen Rudolf von
Werdenberg, also entweder an einer Bündner Route oder am Wege über
den Arlberg gewesen zu sein. In Venedig liefs man dafür die gesamten
deutschen Eaufleute büfsen, deren Abgaben erhöht wurden, wogegen
König Albrecht Einsprache erhob und zugleich die Stadt Konstanz und
alle Beamte im Bistume anwies, für die Rückgabe des Geraubten Sorge
zu tragen ^.
Das Muster für Räuberei und Erpressung gaben aber doch zwei
andere Angehörige desselben grofsen Geschlechtes, die Grafen Hugo von
Montfort, wohl der am Bodensee wohnende Graf Hugo von Montfort-
Tettnang^, und Hugo von Bregenz, die am 9. Mai 1308 — also acht
Tage nach der Ermordung des Königs Albrecht — an den Dogen und
die Stadt Venedig schrieben: sie hätten für König Rudolf und andere
Könige und das Reich so viele Lasten und Kosten getragen, dafs sie
die Not und der Mangel, nicht etwa Begehrlichkeit oder Raublust an-
getrieben habe, hundert Ballen feiner Tuche mit den Kaufleuten auf
dem Bodensee® aufzuheben und in ihren Burgen unterzubringen. Nach
der Schätzung kluger Leute seien die Waren 10000 Mark und mehr
wert. Sie kämen damit noch immer nicht auf die für das Reich gehabten
Kosten, als Pfand des Reiches hätten sie die Güter vorläufig beschlag-
nahmt. Aber Erbarmen und Frömmigkeit habe sie ergriffen, sie wollten
die Ballen ihnen für 6000 Mark Silber ausliefern, wenn sie dieselben
auch teurer verkaufen könnten. In einer Stadt Kärnthens müsse das
Geld niedergelegt werden und dann sollten gleichfalls in Kärnthen ihnen
die Waren ausgeliefert werden. Die Grafen schickten als Auskunfts-
person den Venetianer Philipp mit diesem Briefe, der Arme hatte aber
vorher schwören müssen, innerhalb Monatsfrist sich wieder zu stellen*.
Dieses Muster eines Brigantenbriefes ist im schönsten Latein abge-
* Ich verbinde da zwei Urkunden: das Schreiben König Albrechts vom
29. Mär« 1307 an den Dogen (Kopp, Reichsgeschichte 3, 2, 414), wo Graf Rudolf
und die Abgabenerhöhung genannt wird, ferner das desselben an die Stadt Konstanz
vom 5. Mai 1307 (ebda. 3, 2, 415, auch Simonsfeld, Fondaco dei Tedeschi 1, 7),
wo die Namen der Beraubten und Räuber genannt sind. Die letzteren »per Fei<ntm
de Stranosburg et Pet(rwn) de Barlcar* vermag auch ich nicht zu erklären. Dieser
Brief wurde nach Venedig mitgeteilt, wo er sich erhalten hat.
" Doch kommt auch ein Gr. H. v. Montfort-Feldkirch in Frage.
* Die Libri commemoriali haben »super lacum Lemanium^j das ist der Boden-
«ee. Die gereimte Geographie des dreizehnten Jahrhunderts (ed. Zingerle, Wien
1865 S. 33) sagt von Schwaben:
Daz Älemdnid hiez e
vdch Alemän, dem Bodense.
* Ausgestellt 1308 Mai 9 a^ntd sanctum Petrum, wohl Werdenberg, Kopp,
Beichsgesch. 3, 2, 416.
Die Walliser Pässe. 211
fafst und trägt die unschuldigste Miene. Die Einleitung erinnert an die
Gedanken des biederen Werner Rolevinck, der glaubte, seine lieben west-
fklischen Landsleute dürften Wegelagerer sein, weil das Land sie nicht
nähre. Die Waren wurden dann wenigstens zum Teil nach Meran ver-
bracht, wo die Strafsenräuber sie verkaufen wollten, die Venetianer
wandten sich aber an den Herzog von Kärnthen, damit er ihnen die
Waren ausliefere*.
Einen ähnlichen Vorwand, dafs der deutsche König ihm Geld schulde,
schützte ein pßllzischer Herr vor, Ludwig von Kirkel, ein Verwandter
des Stnvfsburger Bischofs, der den Mailänder Kaufmann Beltramus de
Vento 1303 niederwarf. Es ist wichtig, zum erstenmal einen Welschen
in der Nähe der Burg Kirkel und in einer Gegend zu finden, die später
regelmäfsig von ihnen durchquert wurde. Die Stadt Mailand gab Beltram
das Recht, sich durch Repressalien an Deutschen schadlos zu machen'.
Neunzehntes Kapitel.
Die Walliser Pässe.
Aushau der Simplonstrafse. Vertrag Über den \Ndfieverkehr, Einffreifen der
Mailänder Kaufmannschaft. Verträge, ZöUe. Brücken, Susten. Anteil von Novara.
Auch die ErschUefsung des Simplons eine Folge der Ausdehnung der deutschen Kolonien
in Piemofit. Anteil der deutsche^i Hirten und des italiefiiscfien Adels.
Der Graf sc St. Bernhard. Hof^piz, Teter IL von Savoyen. ZöUe, enorme am
Jura. Benutzung des Val Travers. Verträge der Savoyer mit den Kauf leuten (Piacema^
Gesellschaft der Markthesuclver, Genua).
Der Versuch, den Pafs von Jougne für den Handelsverkehr zu ver-
nichten, war ein völlig aussichtsloses Unterfangen, denn die ihm dienenden
Alpenpässe hatten sich an Zahl vermehrt, und gerade über sie ging ein
sehr lebhafter Handel. Der Einflufs des Königs in der burgundischen
Schweiz war immer mehr gesunken, und dem Hause Savoyen konnte
die Stellung rittlings der Alpen nicht mehr genommen werden, jenseits
Freiburg endete der habsburgische Einflufs. Die Stellung der Savoyer
war hier längst fest begründet. Seit dem elften Jahrhundert besafsen
sie die Grafschaft im Chablais und beherrschten damit den Ausgang
aller Walliser Pässe; ebenso gehörte ihnen die Vogtei von St. Maurice,
selbst über dessen im oberen Wallis gelegenen Güter (Naters u. s. w.).
Sie versuchten auch immer tiefer in das Rhönethal einzudringen, und
der Kampf zwischen den Savoyern und dem Bistume ist fast ununter-
1 Simonsfeld 1 Nr. 28 u. 29.
* Unsere Urkunden Nr. 181. »Lodoycus de Herchel in Castro Bechel districtut
de Transborg sive de Argentina* ist unzweifelhaft ein Kirkel. Ist das Datum richtig
überliefert?
14*
212 Neunzehntes Kapitel.
brochen. Dieses besafs die Grafschaft durch eine Schenkung des Königs
Rudolf vom Jahre 999; das war der Grundstein der bischöflichen terri-
torialen Gewalt Zu den Grafschaftsrechten gehörten aber die Strafsen
und Märkte. Diese Rechte empfing der Bischof aber nicht direkt vom
Könige, hier war vielmehr lange Zeit Übung, dafs der Bischof die Regalien
vom Grafen von Savoyen erhielt. Als das im Anfang des vierzehnten
Jahrhunderts für die anderen Regalien bestritten wurde, blieb die Be-
lehnung für die Strafsen von Ottans aufwärts anerkannt.
Aus diesem Rechte folgerte die Pflicht des Bischofs, die Strafsen in
Stand zu halten und für ihre Sicherheit zu sorgen. Diesen Pflichten
standen als Rechte mannigfache Einnahmen gegenüber*. Wie in Grau-
bünden war das Strafsenregal in die Hände des Bischofs gegeben, in
Wallis aber hatte ein benachbarter Alpengraf einen erheblichen EinfluCs,
der im Bistum Chur fehlt. Im Geleitswesen hatten die Bischöfe in beiden
Gebieten aber das gleiche Monopol^.
Wie oben gezeigt wurde, war im Anfange des dreizehnten Jahr-
himderts der Antrona- und Simplonpafs zugänglich geworden. Doch
dürfte der Verkehr zunächst noch immer ein recht bescheidener gewesen
sein. Aus der Zeit um 1256 stammt eine Aufzeichnung über ein bischöf-
liches Lehen, dessen Inhaber verpflichtet war, die oberhalb Sitten bei St.
Leonhard auf dem rechten Rhoneufer über die la Rifere führende Brücke,
sowie den Weg bis zur Burg von Granges (das weiter oberhalb, aber
auf dem linken Ufer liegt) mit Hilfe der Nachbarn in Stand zu halten.
Dafür durfte er von jedem auf- oder abwärts gehenden Ballen 3 ^ Maur.
erheben, auch mufste jeder Fremde, der über die Brücke ging, wenn er
nicht Ritter öder Kleriker war, einen Obolus zahlen. Von jedem nach
Deutschland oder der Lombardei gehenden Stücke Grofsvieh wurde 1 S),
von 100 Stück Kleinvieh 12 3) erhoben ».
Auf dem Simplon, dessen Geschichte zunächst zu behandeln ist, er-
scheint seit 1235 ein Johanniterhospiz, es erhält in dieser Zeit Schen-
kungen, aber keine von Wanderern aus weiter Ferne, die Geber gehören
dem Oberwallis an *. Das Dorf Simpeln selbst war im Besitz einer edeln
Familie von Naters, dann der von Moerel, ging dann an die von Castell
über, von denen Bischof Bonifaz die Herrschaft von der Brücke Crevola
aufwärts über den Pafs bis Brig erwarb, was 1291 aber von den Grafen
^ Vgl. aufser Hoppeler vor allem van Berchem, G-uichard Tavel im
Jahrb. f. Schweiz. Gesch. 24, 33—42, 121 ff. und die Quellenbelege S. 319—24.
■ >>Strate et canductn sunt episcopi.« van Berchem 320.
' Gremaud 33, 429 f. Später wurde der Weg von Sitten an auf das linke
Rhöneufer verlegt.
* Naters (1246) 29, 387 u. 29, 394. (1252) 29, 478. (1290) 30, 401 (Bewohner des
Dorfes Simpeln). (1255) 29, 498 Verkauf eines Weinbergs an das Hospital.
Die Walliser Pässe. 213
von Biandrate als nicht rechtsgültig bestritten wurde ^ ; denen von Castell
folgten die Freiherm von Raron, 1303 verzichtete der Erbe Peter Sene-
Bchall von Sitten auf den Besitz zu Gunsten der Kirche von Sitten'.
Die Kirche von Simpeln erscheint zuerst 1267, sie ist noch nicht
alt, man weifs noch, wer sich um ihre Dotierung verdient gemacht. Eine
nach dem Orte sich nennende Ministerialenfamilie wird zuerst 1257 ge-
nannt, sie safsen auf einem erst vor wenigen Jahren eingestürzten Turme.
Die Herrschaft im gesamten Doveriathale und über den Pafs bis Brig
gehörte den Herren von Castello und kam nach kurzem Übergange an
das Bistum in den Besitz der Grafen von Biandrate ^. Alles bezeugt ein
gewisses Leben in dem ins Gebirge eingesprengten Dorfe. Der Kirchen-
satz gehört eine Zeit lang einer Familie jenseits der Gondoschlucht, einer
Familie von Ornavasso. Die erste bezeugte Simplonfahrt gehört ins Jahr
1254. Damals wurde er von dem Erzbischof Odo von Kouen über-
schritten, als er nach Rom reiste. Er nahm seinen Weg von Dijon über
D6le, Salins nach Pontarlier, überschritt am 31. Januar den Jougnepafs,
dann ging es über Lausanne nach Sitten, die nächsten Nachtquartiere
waren Leuk, Brig, Divegliapafs , am 8. Februar wurde der Simplen
überschritten, Domo d'Ossola, Pallanza, Gallarate und Mailand^ waren
die nächsten Stationen. Den Rückweg nahm er über den Mont-Cenis.
Die Geschichte des Simplons beginnt dann mit einem Vertrage, der den
Naheverkehr regelt, klarer zu werden, an ihn schliefst sich sofort die
Organisation des gesamten Handelsweges durch Wallis seitens der Kauf-
mannschaft von Mailand. Bei keinem Alpenpasse und bei keiner Alpen-
straTse ist die erste Einrichtung so deutlich zu übersehen, wie hier.
Leider liegt der Vertrag von 1267 in seinem Wortlaute noch nicht
vor^. In nächster Nähe von Simpeln kamen Italiener und Oberwalliser,
darunter auch Vertreter der wichtigsten Herrengeschlechter, zusammen
und verhandelten über die Auirechterhaltung des Friedens ; Brand, Mord
und Verwundung sollen verhindert werden. Allem Anschein nach ist
dieser Vertrag, der beiden Seiten Freiheit des Handels verbürgte, von
lokalen Interessen diktiert worden, mochten auch die Bischöfe von Sitten
and Novara, deren Sprengel im Passe zusaikimenstiefsen und die das
StraTsenregal besafsen, bei der Verhandlung vertreten sein.
Die allgemeinen Handelsrücksichten brachte aber sofort, nachdem
durch diesen Vertrag die Ruhe auf dem Passe selbst gesichert war, die
1 Gremand 80, 424.
* Hoppe 1er, Die Meier von Simpeln. Anzeiger! Schweiz. Gesch. 1893 Nr. 4.
* Gremaud 80, 424. Schmid in d. Blättern aus d. Walliser Geschichte
2, 149—159. Vgl. van Berchem 45.
-* Ludwig S. 108.
^ Nur Auszug bei Scaciga, Storia di Val d'Ossola 80—88 und Gremaud 80, 115.
214 Neunzehntes Kapitel.
Kaufmannschaft von Mailand zur Geltung. Sie fanden das beste Ent-
gegenkommen bei dem bischöflichen Seneschall Wilhelm. Es müssen
recht beträchtliche Wege und Brtickenverbesserungen hergestellt worden
sein ; denn neben den unbedeutenden alten Zöllen zu Brig, Sitten und an
der Brücke von Riddes ^ gestand die Kaufmannschaft dem Bischöfe Hein-
rich von Raron (1243—71), der, aus deutscher Familie stammend, hart-
näckig gegen die Savoyer kämpfte, einen nach dem Werte der Waren
abgestuften Zoll zu Sitten* zu, und ein Sechstel davon wurde weiter
dem bischöflichen Seneschall als ein unveräufserliches Recht bewilligt^
wofür er die Verpflichtung übernahm, den Kaufleuten innerhalb des Bis-
tums zu helfen und sie auch aufserhalb zu unterstützen^.
Wo noch trotz der vom Bischof eingegangenen Verpflichtung, Brücken
und Strafsen wiederherzustellen, der Weg nicht gut war oder neue Ver-
kehrseinrichtuDgen geschafi^en werden mufsten, ging die Mailänder Kauf-
mannschaft wieder in gleicher Weise vor, gegen eine neue Abgabe wurde
das Erforderliche eingerichtet. So gab es eine böse Stelle unterhalb
V^troz (westlich von Sitten). Eine Mailänder Gesandtschaft gab einem
Sittener Bürger das Recht, von einem jeden Ballen, der von Frankreich
kam oder nach Frankreich ging, 1 § von Vienne zu erheben, dafür
mufste er sich und seine Erben verpflichten, Weg und Brücken an dieser
Stelle in Stand zu halten*. Dieselben Gesandten, welche um Neujahr
1272 den Simplon überschritten hatten, bewilligten dem Bischof einen
Zoll für die Instandhaltung einer Brücke bei Martigny, einen andern für
die dortige Sust, ebenso eine Abgabe für die Geleitspferde '^. Für die
^ »Salvis tribus den. Maur. qui solvebantur apud Sedunum et duobus den, qui
sohelantur apud Brigatn et unutn den. ad pontem de Eida de antiquis pedagiist
Gremaud 30, 205. Auf den alten Zoll zn Sitten bezieht sich wohl die Urkunde
von 1276 30, 245, Wann die Wage in Sitten, die 1295 vom Bischof an die Bürger
kam, eingerichtet wurde (30, 471), ist ungewifs.
' In der am besten erhaltenen und vollständigsten Fassung von 1291 heifst
es : »Inprimis de quodibet balla panni draperie de Francia et drapi de auro et syde et
spedarie duodecim denarios Maurisienses, et pro quoUbet equo de guarda duodecim den.
Mtmr.f de baiUs tero /uftatteorum, la/ne, cere, corduanorum, accuum, mercerie, armatwrt
et aliis balHs equivalentibus sex den, Maur, pro qucUibet belUi, De ballis vero ferri^
azarii et cujuslibet metaUi, salvo auro vel argento^ duo den, Maur, pro qualihet baüa.^
Gremaud 30, 421. Vorher schon 1270 30, 155 u, 57. Dafs es sich um einen 1270
neugeschaffenen Zoll handelt, ist durch 30, 156 anfser Zweifel gestellt.
» Die Verleihung seitens der Mailänder Vertreter (Martinus de Lucha et RevelluB
de Feria) 1270 Juli 30, 156. Es heifst ausdrücklich, das sei gegpeben »pro lahoribus,
qmoB 8U9tinuerat pro merontoribns et smdicis predidis'. Der Bischof gab ihm sofort
das zu Lehen. 80, 155 f.
* Gremaud 30, 187 vom 14. Januar 1272.
^ 1 ^ Maur. für die Brücke, ebenso viel für das Geleitspferd, 1 ^ Vieanenser
für die Svist, 80, 205. Von der Urkunde ist a«r ein Brnchstfick erhalten, das Datum
Die WaUiser PisM. 215
Instandhaltang des W^es von Agaren gegenüber Leuk bis Visp erhielt
der Bischof 1 ^ von Vienne vom Ballend Ein Zoll zu Eng, der bei
Gelegenheit eines Jahrmarktes erhoben wurde, war 1291 von den Mai-
ländern zurückgekauft '. Endlich wurde noch an der Brücke von Riddes
ein Brückengeld erhoben'.
Besondere Sorgfalt wandten die Mailänder den Susten zu, Lager-
häusern, wo die Waren am Abend des Transporttages niedergelegt wurden.
Zuerst erwähnt wird die Sust in Leuk, das Bistum veräufserte das Recht
auf das Sustgeld ('s h) und die Wage (' s » an einen Mann von Leuk^,
wo damals die deutsch-französische Sprachgrenze lief ^. Die von Martigny
erscheint 1272, die zu Sitten 1275 bez. 1285, hier war die Abgabe von
1 S) gleichfalls in Händen von Laien*, 1290 kaufte die Stadt die Sust^.
Der Vertrag von 1291 schreibt vor, dafs der Bischof dafilr sorgen
soll, dafs die Ballen durch die Führer von Sitten aufwärts nur in Agerten
(Susten), in Brig und bei der Kirche von Simpeln abgeladen werden
sollen. Wir können also hier genau sehen, wie grofs die Tagestouron der
Warentransporteure waren, von Sitten bis Leuk sind etwa 25 km (Höhen-
differenz 102 m), von Leuk bis Brig 28 km (HöhendiflFerenz 57 m), bis
Simpeln ist die Entfernung auf der heutigen Heerstrafse 33,4 km, doch
deckt sich der Weg ja keineswegs mit dem kürzeren, aber weit steileren
Saumpfad®, die Höhendifferenz bis zur Pafshöhe beträgt 1329 m. Der
Lage der Susten entspricht weiter ein Transporttag von Martinach bis
Sitten mit 28 — 30 km (Höhenunterschied 45 m).
Die Kaufleute deckten sich auf alle Weise gegen die Eingriffe der
Walliser, die Fuhrleute sollten unter sich keine den Kaufleuten abträg-
liche Einungen machen dürfen, es wird hier also scharf gegen die Trans-
portverbände eingetreten. In Brig sollten die Ballen nicht aufgebunden
werden und man einen vereidigten Wagemeister anstellen. Die genauesten
Bestimmungen enthält der sehr weitläufige Vertrag von 1291. Der
fehlt, doch sind die Vertreter von Mailand und Pistoja »Albertus Liprandi ei Fugerius
de Arcuei* identisch mit denen der Urkunde vom 14. Januar 1272 »Bt^erius de Aren
ei Albertus Liprandus* , deren Vollmacht von der Stadt vom 4. Dezember datiert
war, sie hatten auch eine von der Kaufmannschaft.
» 30, 207.
« 30, 422.
» 30, 207.
*> 1271 Juli 12. 30, 178. Der Name der Sust hat sich in dem Örtchen „Susten"'
erhalten.
* Teilungsvertrag über den Bezirk der Predigerbrüder von Lausanne und Bern
1274 Februar. 30, 217.
• 1285 April 6. 30, 328 ff. Alle drei Susten werden 1291 aufgeführt 30, 420.
' 30, 390.
« S. oben S. 6.
216 Neunzehntes Kapitel.
Bischof garantierte den Kaufleuten für allen Schaden, den sie in seinen
Landen erleiden würden, innerhalb 40 Tagen aufzukommen, ausgenommen
waren Unglücksfklle und Diebstahl, den die Knechte am Oute des Herrn
etwa begingen. Die Kaufleute sollten nicht durch Verträge von Wallisern
mit Mailand behindert werden; das Repressalienrecht wurde nicht völlig
abgeschafft, doch war der Termin bis zum Eintritt der Fehde (40 Tage
und zwei Monate) so weit erstreckt, dafs alle Warentransporte längst auf
andere Wege gelenkt sein konnten. Repressalien durften aber unter
keinen Umständen aus Schuldklagen hergeleitet werden. Gegen die Kauf-
leute ist die Bestimmung gerichtet, dafs Oold und Silber nicht in Ballen
versteckt werden dürfe. Um den Transport auf dem Simplonpasse
stritten sich 1307 die Gemeinden Naters und Brig auf der einen, Simpeln
auf der andern Seite. Es wurde entschieden, dafs der Transport Woche
für Woche umgehen solle*.
Die Verträge von 1272 und 1291 sollten ausdrücklich nur für die
Regierungszeit der Aussteller von Seiten der Sittener Kirche, der Bischöfe
Rudolf von Valpelline (1271—73) und Bonifaz von Challant (1289—1308)
gültig sein', schon die völlige Erneuerung aller alten Bestimmungen in
dem neuen Vertrage beweist aber, dafs diese Verträge auch fiir die übrige
Zeit gegolten haben. Selbst die heifsen Kämpfe des oberwallisischen
Adels gegen den Bischof (1296—99) dürften an der Gültigkeit der Ver-
träge nichts geändert haben.
Aus der zwischenliegenden Zeit stammen zwei Geleitsbriefe von 1274,
die während einer Sedisvakanz der Domdechant und der Viztum von
Sitten dem Richter im Chablais für die Kaufleute ausstellten®. In dem
ersten ist auch auf einen Brief aus den Tagen Bischof Heinrichs von
Raron Bezug genommen.
Der Walliser Strafsenzug verdankt seine Blüte im wesentlichen also
der Mailänder Kaufmannschaft, die bei den Bischöfen und ihrem Sene-
schall Verständnis fand. Eigentümlicherweise war 1272 auch ein Bevoll-
mächtigter der tuscischen Stadt Pistoja unter den Vertragschliefsenden.
Die Zölle werden errichtet, ohne dafs eine Genehmigung seitens des
Königs erfolgt. Das beiderseits Ausbedungene erscheint als Leistung
und Gegenleistung, die königlichen Zollprivilegien haben in dieser Zeit
allzusehr den Beigeschmack einer durchaus einseitigen Begünstigung des
Zollinhabers.
An der Einrichtung der Strafse hatte auch die Stadt Novara einen
gewissen Anteil. Diese Stadt sorgte für die Sicherheit der Reisenden
» 31, 142.
« 30, 206 u. 420.
* van Berchem 325 f. aus dem Bcchnungsarchiv in Turin.
Die Walliser Pässe. 217
auf der i^strata francisca*^ sie machte jeden Ort für die in seinem Be-
sirke geschehenen Schädigungen haftpflichtig, und ebenso sollten die der
Elirche gehörigen Orte handeln bis zu dem bei Vergogna gelegenen,
heute abgegangenen Orte Pietra santa^, wo ein Zoll war*. Der Weg
führte über Momo, Gozzano an den Ortasee und dann über Ornavasso
und Domo d*Ossola zum Simplon. Und als im April 1285 bei Suna (in
•der Nähe von Momo) aus Frankreich kommende Kauf leute von jenseits
der Berge beraubt wurden, ward beschlossen, streng nach dem Statute
^u verfahren*.
Die Eröffnung des Simplonverkehrs ist wie die des Gotthards eine
Folge der Einwanderung der Deutschen, und gleichzeitig mit ihr erfolgt
nun auch ein Überfluten der deutschen Siedlung in Wallis nach dem
Südhange der Alpen. Im dreizehnten Jahrhundert ist die Gründung der
deutschen Kolonien südlich des Monte Rosa, in denen ja noch heute die
deutsche Sprache lebt oder bis vor kurzem lebte, vor sich gegangen und
damit zugleich wurde der Monte Moropafs erschlossen*.
An der Wanderung sind zwei Elemente beteiligt: der oberwallisische
^ Statuta comunitatis Novariae ed. Ceruti S. 331.
> Ceruti § 399 u. Anm. S. 365. Statut von 1284.
' »In Francigenas et ultramantanos venienies a partibus gaUicanis in Ytaliam*
Ceruti § 445 u. Anm. S. 374. Auch sonst war man in dieser Zeit eifrigst besorgt,
die fremden Raufleute zu schützen. § 373 von 1278 Bestrafung der Mörder von
Eaufleuten.
^ Die Quellen für die Geschichte der deutschen Niederlassungen in Piemont
liegen vor bei 6 rem au d und bei Bianchetti, L'Ossola inferiore Bd. 2. Von der
Timfangreichen Litteratur über diesen Gegenstand benutzte ich Schott, Die deutschen
Kolonien in Piemont, Stuttgart 1842. Dann Bianchetti Bd. 1. Brefslau, Zur
-Geschichte der deutschen Gemeinden im Gebiet des Monte Rosa und im Ossolathal.
Zeitsehr. d. Gesellschaft f. Erdkunde zu Berlin (1881) 16, 173—194. Favre, Etüde
8ur Thist. des passages italo-suisscs du Haut-Valais. Galanti, I Tedeschi sul ver-
saute meridionale delle Alpi. Koma 1885. Die Kritiken von Dübi im Jahrbuch
•des schweizer. Alpenklubs 27, 394—401. Schmid in Blätter z. Walliser
Gesch. 2, 168 ff. Galanti kommt S. 107 zu dem sicher falschen Ergebnisse, dafs,
weil die Bevölkerung deutsch war, sie unter die Gewalt von Herren gestellt wurde,
■die in deutschen Gebieten Besitzungen hatten, wenn er auch nicht ganz eine Ein-
wanderung im dreizehnten Jahrhundert leugnet In der ganzen Untersuchung fehlt
-noch die der alten kirchlichen Zusammenhänge, Galanti setzt Beziehungen zum
Bistum Sitten voraus, ohne sie zu beweisen. Ich habe das Lysthal im Text aufser
Betracht gelassen, mir scheint, dafs die übrigens auch von anderen bestrittene An-
sicht von Brefslau nicht aufrecht zu halten ist, dafs hierher ein Bischof von Sitten
schon im zwölften, vielleicht im elften Jahrhundert Deutsche lenkte. Woher hätte
•er sie damals nehmen sollen? Auch Gressonej war im Besitz eines Geschlechtes
(von Challand), das in Wallis Rechte hatte. Hub er, Privatrecht 4, 104 Nr. 20 macht
auf eine Stelle aufmerksam, wonach 1260 auch am Mont Blanc in Valorsine oberhalb
Chamounix Deutsche angesiedelt wurden. Mem. et documents . . . de Genöve
14 Nr. 64.
218 Neunzehntes Kapitel.
deutsche Hirt, der für seine Herden sich Raum suchte, und im Unter-
schiede zum Italiener seine Wohnsitze in Regionen verlegte, wo jeder
Ackerbau sein Ende hat. Er sehnte sich nach entlegenen, von den
Italienern und Romanen höchstens im Sommer benutzten Alpen, um sich
dort niederzulassen. Wie in den früheren Zeiten in der Alpentierwelt
über der Region des Steinbocks die der Gemse lag, so entwickelte sich
hier um den Südfufs des Monte Rosa eine Terassensiedelung. Die
deutsche Hirtenschaft setzte sich fest in den obersten Staffeln des Anzasca-
thales, in den obersten Thälern des Systems, das sein Wasser zur Sesia
zusammenfafst', und endlich in dem langen Oberlaufe des Lysthales. Die
Verbindung zwischen den Thälern geht über die trennenden Joche, vor
allem aber blieb ein lebhafter Verkehr mit dem Saasthale und nach Visp
bestehen. Das deutsche Element dringt also in dem menschenleeren Ge-
biete vor, von einem bewufsten Gegensatze der Geburt oder Sprache
kann übrigens keine Rede sein. Es gab noch keine nationalen Feind-
schaften. Das zweite Element ist ein ursprünglich italienischer Adel, der
auch im Oberwallis Besitz gewinnt, hier die Ausnützung der obersten
Thalstufen durch die Deutschen kennen lernt und sich entschliefst, in den
ihm gehörigen oder von ihm besetzten Alpweiden Deutsche anzusiedeln.
Nicht in den Rahmen dieser Kolonisation fkllt die von Ornavasso
und Miggiandone, da diese in fruchtreicher Gegend am Unterlaufe der
Tosa in der Nähe des Langensees liegen. Wenn auch die Deutschen
dieser Orte erst genannt werden, als 1397 über die Beschaffung des für
den Mailänder Dom erforderlichen Materials gehandelt wurde ^, so hat
Brefölau doch wohl Recht, wenn er die Einwanderung in die Tage setzt,
als die Herren von Ornavasso auch das Vitztumamt in Naters in Ober-
wallis besafsen^, hat sich doch auch die Tradition bei den Bewohnern
erhalten, dafs sie von Naters über den Simplon wanderten*. Die Wan-
derung der Hirten haben in ihre Wege geleitet die Grafen von Biandrate^
deren Visper Zweig schliefslich deutsch wurde. Das Geschlecht spielt
in den Kämpfen der Lombardei eine grofse Rolle, im Gegensatze zu
den Städten Novara und Vercelli stehend, wurde es in das Gebirge
zurückgedrängt, ja schliefslich fiel auch die Val Sesia von ihnen ab. Sie
gewannen dafltr Besitz in Wallis, so Gottfried von Biandrate Anteil am
Vitztumamte Sitten^, zwischen 1262 und 66^ erhielt er auch das Meier-
^ Über Kauf leute im Sesiathal handelt auch der Vertrag des Thaies mit Novara.
von 1275. Statuta com. Novariae ed. Ceruti 142.
* Bianchetti 2, 375.
* Breffilau 185. Nach 1275 und vor 1307.
« Brefslau S. 177.
» Gremaud 29, 417 zu 1249.
* Gremaud 30, 110.
Die WalUser Pässe. 219
tum von Visp und damit das St. Nikiaus- und Saasthal und die Zugänge
zum Monte Moro und Antronapasse. Zwischen 1261 und 91^ wurde das
ihm von seinem Schwiegervater Peter Grafen von Castello überlassene
Anzascathaly die Alp Macugnaga, mit Deutschen besetzt, durch Gottfrieds
Sohn Joncelmo Graf von Biandrate und Meyer zu Visp. Im Anzasca-
thale waren übrigens damals Goldbergwerke im Betriebe*. Die Gemeinden
des Anzascathales standen übrigens schon vor 1291 im Kampfe mit den
Grafen.
Es ist sehr wahrscheinlich, dafs die gewaltige Expansionskraft der
Walliser, welche auch zur Besiedlung der Thäler Grindelwald, Lauter-
brunnen und Kandersteg Menschen abgeben konnten, schon im drei-
zehnten Jahrhundert zur Besetzung von Formazzo und Bosco führte®.
Die älteste Urkunde von Bosco ist die vom Jahre 1253, das Gelöbnis
der Gemeinde für ihre neu errichtete Pfarrkirche, und der Vertreter der
Pfarrkinder ist ein Heinrich Burkard*, also ein Deutscher. Herren des
Gebietes dürften damals als Nachfolger der Herren von Rhodes, die 1210
Otto IV. belehnt hatte*, die Grafen von Castello gewesen sein. Es wären
dann auch der Albrun oder der Griespafs für den Verkehr nutzbar ge-
worden.
Und in der That reden die Statuten von Sitten von 1269 von der
^farcla de Conchest wie vom Simplen als von Stellen, woher die Waren
von oben her ins Wallis kommen^. Dafs die Furka oflFen war^ beweist
der lebhafte Verkehr von Wallisern und Bündnem^, und endlich waren
die Grimsel, die Gemmi und der Sanetschpafs (letzterer bei Sitten ein-
mündend) ^ begangen. Das Oberwallis hatte aufgehört, ein in eine ungang-
bare Bergeswelt eingeschnittenes Thal zu sein, es besafs nunmehr Pforten
genug, für den Welthandelsverkehr war aber nur einer der Pässe ein-
gerichtet, der Simplon. Der Grofse St. Bernhard hatte einen bedeutenden
Eonkurrenten erhalten, über den Simplon und seine „getkhrlichen Brücken**
nahm Papst Gregor X., als er von Lyon und der Zusammenkunft mit
König Rudolf in Lausanne heimkehrte, seinen Weg*, während Robert von
1 Gremaud 80, 425.
> Brefslau 182.
* Sicher sind diese Thäler 1485 deutsch. Bianchetti.
^ Enrico Burkard schreibt Janner in seinem Artikel n Comone di Bosco in
Yallemaggia in Bolletino storico della Svizsera italiana S, 267.
^ Mit Formazzaf Foppiano, Agare u. s. w. Scaciga 72.
* van Berchem 123 f.
7 Vgl. das Bündnis von 1282. Gremaud 30, 311.
* Gremaud 29, 470. Bündnis mit Bern von 1252. van Berchem 323 £
* •Discriminosis Montis Brigiae pontibas se exponens,* Vita Greg. pafMe X
bei Muratori, Script 3, 1, 608.
220 Neunzehntes Kapitel.
Bethune Graf von Flandern Karl von Anjou als Bundesgenosse über den
Orofsen St. Bernhard zuzog ^
Das Hospiz auf dem Grofsen St Bernhard war noch immer in
hohem Ansehen, zahlreiche Schenkungen, doch aus einem nicht zu grofsen
Umkreise, fielen ihm noch immer zu. Ihm vermachte sein Haus in London
1268 der grofse savoyische Graf Peter H. *, der in der englischen Ge-
schichte eine nicht geringe Rolle gespielt hat, den Rest seiner einst dort
so bedeutenden Besitzungen gab er dankbaren Sinnes dem Hospiz.
Mit ihm haben wir schon die bedeutendste Figur jenes Hauses ge-
nannt, das die Herrscherin der Alpenpässe des Westens wurde. Von
der Maurienne aus vorgehend hatten die Savoyer in Chablais den Zu-
tritt zum Genferseegebiete und Wallis erlangt. In bitteren Kämpfen mit
den Bischöfen schoben sie immer weiter in das Thal ihre Ansprüche und
Rechte, und indem Thomas I. um 1210 auch am Nordufer des Genfer-
sees Fufs zu gewinnen suchte, war auch die andere Tendenz gegeben,
die Waadt zu gewinnen und womöglich auch im Aaregebiete die Herr-
schaft an sich zu reifsen. Peter IL, ein machtvoller Fürst, hatte das
schon fast erreicht, als ihm der Habsburger Rudolf seinen Willen auf-
zwang. Der Gegensatz zwischen beiden Häusern führte auch in den
Tagen der Königsherrschaft wiederholt zu Kämpfen, aber soviel konnten
doch die schwächeren Nachfolger des grofsen Grafen retten, dafs sie den
Anschlufs an den Jura nicht aufzugeben brauchten, und so flihrte ein
erheblicher Teil der Strafse vom Grofsen St. Bernhard zum Jougnepasse
durch savoyisches Gebiet.
Sie besafsen im Rhönethale Zölle zu St. Maurice* und Villeneuve;
von dieser Zollstätte sind einige Rechnungen erhalten. Die Zölle von
Iverdun, Romont und Moudon betreflFen nach den in der Verleihungs-
urkunde genannten Waren nur landwirtschaftliche Produkte^. Auf der
Haupthandelsstrafse dicht am Jougnepasse lag der Zoll von Les Clees,
König Adolf genehmigte, dafs die Grafen von Savoyen hier aufser dem
alten Zolle wegen der Kosten und Mühen der Sicherung der Strafse in die
Lombardei und nach Burgund noch einen neuen für jedes Pferd und jeden
Warenballen 10 jS erhöben. Dafür müsse er aber die Kaufleute durch
sein ganzes Gebiet geleiten. Würden die Kaufleute aber einen andern
» M.G. SS. 25, 852, 40.
* Greinaud30, 122. Bei ihm zahlreiche Urkunden zur Geschichte des Klosters.
Wurstemberger 4, 437.
* Hoppeler 161. Gremaud 30,82. 31, 65. 31, 98. Danach gab es dort zwei
Zölle, das eine pedagium Fusciniiici (in quacunque balla panni seu lane duos (leH,)^
das andere pedagium qiiat%u>r episcopatuum (zuerst genannt balla telarum seu
peUium).
^ 1286 Juli« Kopp, Archiv f. österr. Geschichtsquellen 6, 122.
Die Walliser Pässe. 221
Weg wählen, so dürfe der Graf ihn innerhalb seines Gebietes verlegen ^,
Die Taxe war aufserordentlich hoch bemessen, und da nun in allernächster
Nähe zu Jougne noch Johann von Chalon, wie wir wissen, gleichfalls
10 ß von jeder Saumlast erlegt werden mufste und dieser Zoll so hoch
war, wie der alte Zoll von Les Cl^es, in Jougne auch noch der Pfalz-
graf von Burgund einen Zoll einnahm^, und somit die Kaufleute am
Jurapasse fiir Pferd und Saumlast mindestens je 1 ^'s U zu zahlen hatten,
mag den Kaufleuten die Lust zu diesem W^ege vergangen sein; denn
offenbar ist um diese Zeit es aufgekommen, über Neuenbürg a. S.
durch das Val Travers nach Pontarlier zu gehen, also Les Cläes wie
Jougne zu umgehen^. So wissen wir, dafs ein Mailänder Kaufmann 1299
von dem Grafen Rudolf von Neuenburg gefangen wurde*.
Auch die Grafen von Savoyen haben eine Reihe von Verträgen
über Handelswege geschlossen, leider ist ihr Inhalt meist noch nicht näher
bekannt. Ein Abkommen mit den Piacentinern von 1251 beschliefst,
Schädigungen, welche die Kaufleute von Piacenza dem Herrn der W^aadt,
Peter von Savoyen, zugefügt haben, dadurch zu tilgen, dafs die Piacen-
tiner auf ihre Waren aufser den gewöhnlichen Zöllen einen Aufschlag
übernehmen*. Von den savoyischen Verträgen mit Asti lautet der von
1265 ausgesprochen auf den Weg nach Lyon®.
Die Grafen von Savoyen begünstigten mindestens, seitdem sie Herren
der W^aadt geworden waren, den Grofsen St. Bernhard gegenüber dem
Kleinen St. Bernhard und dem Mont Cenis, deren Fufs doch auf beiden
Seiten ihnen zustand, und gegenüber dem Mont Gen^vre, wo wenigstens der
italienische Hang savoyisch war. Der savoyische Besitz strich von Süd-
ost nach Nordwest, von der Maurienne auf Mäcon, wie südlich davon
sich der Dauphine in ganz gleicher Richtung lagerte. W^er von den
Pässen nach Lyon wollte, konnte das Gebiet des Dauphin^ nicht ver-
meiden, nur wer von Chamböry direkt den früher bezeichneten Weg
auf Mäcon nahm, betrat nicht die Herrschaft des Dauphin, in die auch
die Baronie La Tour du Pin aufging. Mit den Rivalen in der Herr-
schaft der W^estalpen standen sich dauernd die Savoyer schlecht. Die
Eifersucht zwischen beiden Häusern zieht sich durch die Jahrhunderte
hin, sie hielten sich gegenseitig im Schach^. Das Haus Savoyen, hoch-
1 1297 Mai 11. Wiukelmann, Acta imperii 2. 172.
» S. oben 8. 194.
* Es ist zu beachten, dafs 1299 der Zoll von Jougne mit dem auf dem Grott-
hard vereinigt wurde. S. oben S. 194.
^ Jacobufl Milimeste und Sonco de Bussero erklären, dafs der gefangene Sanco
durch den Grafen entschädigt sei. 1299 Juli 31. Matile 1, 263.
* Unsere Urkunden Nr. 250.
* Regest en Wurstemberger 4, 373, der von 1255 ist unbestimmt 4, 198.
' Vgl. Fournier, Le royaume d'Arles: passim.
222 Neunzehntes Kapitel.
strebend y seit einem Jahrhundert in engen verwandtschaftlichen Be-
ziehungen zu England und Flandern, stets antihabsburgisch, hatte sich
seit dem Frieden, den Eduard I. unter Preisgabe König Adolfs mit
Philipp dem Schönen geschlossen hatte, dann Frankreich sehr genähert,
während der Dauphin Humbert nun der Anhänger der deutschen Partei
in diesen dem Reiche fast entfremdeten Gebieten war *. Bald gingen die
beiden Rivalen aber entgegengesetzte Wege, der Dauphin schlofs sich
enger an Frankreich, der Graf an die deutschen Könige an. Es sprachen
also politische Gründe beim Savoyer dafür, die südlichen Pässe seines
Landes zurückzusetzen gegenüber den nördlichen. Auf den südlichen
blieben die Kaufleute viel weniger lange auf savoyischem Boden, und
wahrscheinlich waren auch die Zölle minder günstig für die Savoyer, als
wenn die Fremden durch die Waadt nach dem Jurapasse von Orbe oder
vom Westgestade des Genfersces aus durch die Landschaft Bresse ^ zogen,
in der der Hauptteil, die Herrschaft Bägö, 1272 den Savoyern durch
Erbschaft zugefallen war.
Die Grafen wirkten sehr energisch für die Wege durch das Jura-
gebiet nördlich des Rhönedurchbruehes , für diese beiden Strafsen
hatten sie der Gesellschaft der italienischen Mefsbesuchcr und den Kauf-
leuten von Genua Geleits- und Bürgschaftsbriefe gegeben, deren Wort-
laut mir leider nicht bekannt geworden ist^. Gleichwohl zogen die Fuhr-
leute die Wege durch das Viennois und die Ile Cr^mieu* auf Lyon.
Das zu ändern schickte Graf Amadeus 1302 einen Familiären nach Lagny
und Troyes mit dem Auftrage, die Benutzung dieser Wege möglichst zu
widerraten, jener zu empfehlen. Wir haben noch genaue Nachricht, wie
er seinem Auftrage bei der Gesellschaft der italienischen Mefsbesuchcr,
bei den Gardes des foires und den Kaufleuten von Genua nachkam'^
und wie er dabei des Grafen Ehrfurcht vor der Person des französischen
Königs, der ihn mehr und mehr in seinen Bannkreis zog, ausdrückte.
Die Kaufleute waren bereit, ihre Fuhrleute, die trotz ihres Verbotes
jene Wege benutzten, empfindlich sogar am Leibe zu strafen. Es ist
nicht uninteressant, zu beobachten, wie wenigstens auf dieser Strecke
das Transportgewerbe bereits von der speciellen Leitung und Begleitung
des Wareneigentümers sich befreit hatte.
> Fournier 57. 175 u. 326 ff.
* Im Winkel zwischen Rhönc und Sadne.
* Erwähnt in unseren Urkunden Nr. 251 u. 252.
* »Insula Der Cime 9 »insula de Crime,* Die orographisch noch zum Jura gehörige
südlich des Rhone, östlich der Bourhre gelegene Landschaft.
* Unseren Urkunden Nr. 251 u. 252.
Heinrich VIL und der St Gotthard. 223
Zwanzigstes Kapitel.
Heinrich VII. und der St. Gotthard.
Veränderte Lage. Er stellt die RheinzöUe wieder her, hilft unbewufst zur Be-
ffründung einer dauernden Signorie in Mailand mit und führt keine klare Scheidung
den Beichsgutes vom österreichischen ff ausgute durch. Der Name St Gotthard, Ein-
richtung des Eeichsguts. Graf Wernher von ffomherg. Baseler^ Luzemer und Mai-
Jänder Kaufleute, Die entscheidenden Ereignisse: Doppelwahl und Schlacht bei Mar-
garten. Ergebnis: Am St, Gotthard bildet sicfi ein Pafsstaat, der Pafs geht dem
Eeiche verloren.
Die Regierung des ersten luxemburgischen Kaisers hat nach drei
Seiten hin den Handel und Verkehr zwischen Italien und Deutschland
beeinflufst.
Heinrich verdankte seine Wahl dem Gegensatze der rheinischen
Kurfürsten gegen den König Albrecht und die Habsburger überhaupt
Sein Bruder Balduin von Trier hatte den Mainzer und Kölner gewonnen,
und alle drei sorgten dafür, dafs der neue König sofort die von seinem
Vorgänger aufgehobenen Bheinzölle den Kurfürsten erneut verstattete*.
Damit war der Verkehr auf dem Nieder- und Mittelrhein wieder schwer
behindert und eingeschränkt Abermals wurde dem Rheine seine natür-
liche Bedeutung für den Handel geschmälert, und wie es jetzt war, so
blieb es die folgenden Jahrhunderte hindurch. Die Kurfürsten besteuerten
die Städte, die sich von ihnen freigemacht hatten, durch schwere Zölle.
Und der deutsche König richtete seine Verkehrspolitik nach den Wünschen
der Kurfürsten ein.
Am anderen Ende des deutsch -italienischen Handelsweges half
Heinrich VII. — fast wider Willen — dazu mit, dafs hier der die Alpen-
pässe an ihrem Südfufse beherrschende Staat entstand. Matteo Visconti
war auch von Albrecht als Reichsvikar bestätigt worden, seine Herrschaft
erstreckte sich über eine Reihe von Städten, allein im Jahre 1302 wurde
Matteo von der guelfischen Partei, den Torriani und ihren zahlreichen
Freunden, ja selbst einer grofsen Zahl von Ghibellinen vertrieben, die
della Torre lösten ihn in der Herrschaft ab, auf so lange, wie er sagte,
bis das Mafs ihrer Fehler das der seinen übertreffe. Und auch nach Como
kehrten die Vitani zurück. Als Heinrich zum Könige erwählt wurde,
war Guido della Torre der capitano perpetuo von Mailand. Die entsetz-
liche Zeit der Parteikämpfe hatte im italienischen Volke die Sehnsucht
nach einem Friedensstifter geweckt und die brennende Gier nach einem
^ Vgl. Erich Wetzel, Das Zollrecht der deutschen Könige S. 118. Sommer«
lad S. 146 f. benrteUt Albrecht anders.
224 Zwanzigstes Kapitel.
Kaiser, wie sie uns Dante geschildert hat. Es waren die Zeiten der
alten Kämpfe wider die Deutschen vergessen, und man sah im Augen-
blicke nur den goldenen Schimmer des Kaisertums. Diesem Enthusiasmus
eines friedebedürftigen Volkes kam der junge König entgegen. Erbetrat
Italien nicht als Ghibelline, sondern als Friedensstifter, der die Parteien
aussöhnen und so vernichten wollte; er kam als ein Bote der Versöhnung,
bis die Dinge ihn wieder zum Ghibellinen machten. Den Italiener be-
seelte aufser jenem Sehnen nach dem Frieden auch die Furcht, bei diesem
Werke die municipale Freiheit zu verlieren, und in dem Widerspiel
dieser beiden Tendenzen liegt das Geheimnis des letzten hochmittelalter-
lichen Römerzuges.
Als Eingangspforte hatte sich der König den Mont Cenis gewählt^
den ihm sein Schwager Graf Amadeus von Savoyen oflFen hielt. Sein
Weg führte ihn über Lausanne, Genf, Chamböry durch die Maurienne,
dann nach Susa, Turin, Chieri und Asti.
Als sich der König Mailand nahte, beugte sich schweren Herzens
Guido und ging waffenlos dem Könige entgegen, in dessen Begleitung
Matteo Visconti weilte. Die Aussöhnung zwischen den beiden Geschlechtem
und Parteien wurde vollzogen; aber kaum war es geschehen, da brach
die Sorge um die municipale Freiheit mit aller Gewalt hervor. In
schwerem Strafsenkampfe wurde von den deutschen Rittern — an der
Spitze Herzog Leopold von Österreich — der Aufstand niedergerungen
und Matteo wuTste sich in diesen kritischen Stunden so klug zu be-
nehmen, dafs von ihm der Verdacht fem blieb, als sei er der An-
stifter, die Schuld fiel auf die Torriani, sein Rivale mufste die Stadt
räumen; ja der König machte nunmehr den Visconti zu seinem Vikar
in Mailand. Bald vertrieb der König auch die Vitani, die Freunde der
Torriani, aus Como und immer deutlicher vollzog sich die Änderung
in seiner politischen Stellung: der Friedensbote wurde das Haupt der
Ghibellinen.
Er brach der Guelfen Macht in Mailand und Brescia, er hinterlieC»
einen starken Bund der ghibellinischen Städte der Lombardei, denen er
als militärischen capitano den Grafen Wemher von Homberg, einen
tapferen Krieger, gegeben hatte, während die politische Leitung Matteo
zufiel; sieht man aber genauer zu, so entdeckt man, dafs unsere deutschen
Landsleute in den Strafsen Mailands nicht für den König gestritten
hatten, sondern für die Errichtung einer italienischen Signoria. Der
Sieger des Tages war nicht der deutsche König, sondern der schlaue
Matteo; denn dieser Tag brach die Macht der Torriani, entwurzelte die
guelfische Opposition und gab dem Visconti die Bahn frei, sich in Mai-
land die Signoria einzurichten, die er selbst noch auf die nächsten Städte
ausdehnen konnte. Auch Heinrich VH. machte Matteo zum Reichsvikar
Heinrich VIL und der St. Gotthard. 285
für Mailand. Die Deutschen hatten Matteo, der einst mehr durch die
Eifersucht der Seinen, als die Kraft der Torriani gestürzt war*, seiner
Gegner entledigt.
Die dritte der erwähnten Folgen Heinrichs ist die, dafs die letzte
Möglichkeit verabsäumt wurde, zwischen den Waldstätten und den Hab«-
burgern wirklich rein und säuberlich alle Streitfragen zu erledigen.
Heinrich war nicht gleich zu Anfang den Habsburgem feindlich entgegen-
getreten, auf seiner Reise in die oberen Lande vom Frühsommer 1309
treten uns aber deutliche Anzeichen einer schweren Spannung entgegen.
Und wie nun in Konstanz vor ihm Boten der drei Waldstätte erschienen^
verbriefte er nicht allein das, was an kaiserlichen Privilegien sie schon
bisher, wenn auch von den Habsburgern nicht anerkannt, erreicht hatten^
sondern er griff bei Unterwaiden darüber hinaus, direkt in die Rechte
der Habsburger ein, und er gestand allen dreien zu, dafs sie in Zukunft
vor keinem Gerichte aufserhalb ihrer Grenzen erscheinen sollten, als
vor dem königlichen Hofgerichte. ' Und wenn das auch nur unter Vor-
behalt des Widerrufs gewährt war*, es war ein starker Sieg des munici-
palen Geistes nicht allein über die Habsburger, nicht allein über diesen
Territorialstaat, sondern auch über den grofsen Reichskörper.
Wohl zog Heinrich im Interesse des Reiches die Konsequenz, diesen
Gebieten nunmehr eine einheitliche reichsrechtliche Organisation zu
geben, er schuf das Amt eines Reichsvogtes, des „Pflegers des römischea
Reiches in den Waldstätten", er machte dazu den Grafen Wemher von
Homberg, dessen Mutter, die Gräfin Elisabeth von Rapperswil, die besten
Ansprüche auf Urseren besafs und oft schon den Widerstand des Adels
gegen die österreichischen Herzöge geleitet hatte, und als dieser aufser-
ordentlich tüchtige Mann offenbar wegen seiner Vertrautheit mit dem
italienischen Dingen dazu bestimmt wurde, den König nach Italien zu
begleiten, erhielt das Amt Wemhers Stiefvater, der Graf Rudolf von Habs-
burg-Laufenburg ^. Aber diese beiden blieben mit dem von Ludwig dem
Bayern ernannten Aarberger allein. Die Waldstätte erwuchsen nicht
zu einer Reichslandvogtei, nicht zu einem Teilgebiete einer Monarchie^
sondern sie waren Republiken und eliminierten sofort das Element
das dem hinderlich entgegenstand. Die Klugheit, Sicherheit und der
1 Job. V. Cermenate in Fonti per la storia d'Itaiia 2, 80.
* Der Zusatz »praesentibus usque ad volwntatis nostrae beneplacüum tantummodo
valituris* fehlt in dem Scbwyzer Brief, dieser ist aber nur in Abschrift erhalten.
• So wenigstens nach Kopp 4, 1, 107. v. Wyfs in seiner Biographie de»
tapferen Minnesängers. Ant. Mitteilungen, Zürich Bd. 13, Dierauer und Öchsli
erwähnen seine Amtsführung nicht, sie ist auch nur far Bezirke aufserhalb der drei
Waldstätte belegt. Ebenso ist das bei Eberhard von Bürgein der Fall, den Kopp
als Rudolfs Nachfolger ansieht.
Schulte, Oesch. d. mittelalterl. Handels. I. 15
226 Zwanzigstes Kapitel.
Mut dieser^ Waldleute bedurfte nicht einen von einem Könige gesetzten
Herren, sie waren imstande, sich selbst zu behaupten.
Diese Mafsnahmen des Königs hatten die Habsburger begreiflicher-
weise tief verletzt Doch konnten sie, als im August 1309 in Speier
mit dem Könige wirklich eine Einigung zustande kam, keine Änderung
der königlichen Politik gegenüber den Waldstätten erwirken; erst als
der Herzog Leopold sich in Italien als treue Stütze erwiesen hatte, wurde
zugestanden, dafs dem Habsburger in diesen Gegenden das gehören solle,
was ihnen kraft Grafschaft, Erbrecht oder Kauf zustehe, Vertrauens-
männer sollten über alle strittigen Punkte entscheiden ^. Wäre das prompt
ausgeführt worden, so würde der Kampf fUr die Habsburger vielleicht
einen anderen Ausgang gefunden haben, weil dann das Gefühl, fLtr das
Recht zu kämpfen, schwerlich die Eidgenossen so beseelt hätte, wie das
bei Morgarten der Fall gewesen ist. Aber des Königs Vertrauensmann,
der Freiherr Eberhard von BtLrgeln, blieb noch lange in Italien beim
Kaiser'. Und so ward der letzte Moment einer friedlichen Einigung
versäumt. Der GotthardpaTs gewann dadurch eine ganz andere Bedeutung :
er ward nicht allein ein wirtschaftlicher Konkurrent der übrigen, sondern
er hatte eine hochgespannte politische Bedeutung. Die politischen Gegen-
sätze der aufblühenden Eidgenossenschaft, die von vornherein ein Pals-
staat war, die Stellung zu Mailand und Österreich : das sind die Momente,
welche nun über die Geschichte des Pafshandels entscheiden. Die poli-
tische Geschichte beeinflufst am St. Gotthard den Verkehr in Zukunft
noch mehr, als das bis dahin der Fall gewesen war.
Um diese Zeit erscheint der Berg unter dem heutigen Namen, er
wird so zuerst im habsburgischen Urbarbuch genannt und offenbar nach
der auf dem Berge errichteten Kapelle. Wie kommt der Name des
Hildesheimer Bischofs hierher, dessen Gebeine 1132 waren erhoben
worden? Der Gedanke schweifte gern nach dem Norden und dachte sich
in dem Gründer wohl gar einen Niederdeutschen. Ich vermag heute
doch einen wichtigen Umstand zur Erklärung beizutragen. Die Mailänder
bürgerlichen Statuten haben in dem Verzeichnisse der Mailänder Fest-
tage, die bürgerlich zu respektieren sind, auch den 4. Mai (sandi Gotardi)
als Festtag rot hervorgehoben®. Wie kamen freilich die Mailänder zur
^ Urkunde vom 15. Juni 1311. Kopp, Urkunden 2, 186.
* Die österreichischon Herzöge hatten sich vom König Johann von Böhmen
die Zusicherung verschafft, dafs er den Vater an die Erfüllung des Versprechens
erinnern, eventuell selbst ihnen ihr Recht verschaffen werde. Von irgend welchen
Mafsnahmen Eberhards, der später wieder in seiner Heimat war, wissen wir
nichts.
* Statuta Blatt 48. An diesen Tagen sollten keine Gerichtssitzungen und
Exekutionen stattfinden. Dafs es eine St Godehardkirche in Mailand gab, war
Heinrich YII. und der St Gotthard« 227
besonderen Verehrung dieses Heiligen? Der alte von den Lepontinern
herrührende Name wurde jedoch durch den Kapellennamen erst langsam
verdrängt Noch 1337 wurde in dem ewigen Bündnisse der Grafen von
Montfort und der österreichischen Herzöge in der Beschreibung der
Grenze der Hilfspflicht das Schneegebirge: »den man spricht ElbeU
zwischen Interlaken und dem Septimer angeführt^.
Die „Verländerung^ des Reichsbesitzes am Vierwaldstättersee wurde
auch dadurch begünstigt, daüs der Kaiser in einer für Graf Wemher
aufserordentlich wohlwollend abgefafsten Urkunde, die den Empfilnger,
was selten geschieht, ständig mit „Du'' anredet, am 21. Januar 1313 ihm
jährlich 100 Mark Silber auf den Reichszoll zu Fluelen anwies, die nur
durch die Zahlung von 1000 Mark Silber sollten abgelöst werden können.
Den Rest der Zolleinnahmen behielt der Kaiser dem Reiche vor. Es ist
das erste Mal, dafs wir von diesem Reichszoll hören; wann mag er
errichtet sein? Leider wissen wir über die Wirksamkeit Wernhers,
dessen Amtsbereich von der Lombardei über den Pafs hinübergrifi, nur
sehr wenig. So erfahren wir aus einer jüngeren Quelle, dafs er mit den
Comasken über ihren Zoll verhandelte ^
* Im übrigen beunruhigte die Gegnerschaft der Waldstätte und der
österreichischen Herzöge in diesen Tagen den Handelsverkehr erheblich.
Es war namentlich Luzern, das schwer darunter litt, und eine Vorahnung
späterer Zeiten ist es, wenn die Waldstätte und Luzern sich zu einigen
versuchen, ohne direkt mit der Herrschaft zu verhandeln. Ek waren,
so scheint es, eine Reihe von Leuten des Thaies Urseren bei Root auf
dem Wege von Luzern nach Cham-Zürich gefangen gesetzt, Konrad der
Moser erhielt als Landmann von üri zuerst die Freiheit^, am Tage vor-
her hatte der Reichspfleger und die Gemeinde von Schwyz den Luzemem
freie Kaufmannsfahrt auf dem See bis zur Sust in Flüelen verbürgt^.
Die Unterhandlungen führten aber noch lange nicht zu einem AbschluTs,
erst Ende November 1309 versöhnten sich die Leute des Thaies Urseren,
da die Gefangenen entlassen waren, mit der Stadt Luzern und indirekt
auch mit den Herzögen von Österreich und der Stadt Brugg'^, und so
schon bekannt. Die viel jüngere Erzählung, der hl. GU>dehard habe bei einem
Übergang über den Berg ein Wunder gewirkt, ist wertlos. Acta SS. Mai 1, 520.
^ Thommen, Urkunden zur Schweiz. Geschichte 1, 240. 2 Durch die Reihen-
folge ist die Albula ausgeschlossen.
* So ist wohl mit v. Liebenau der dominus Guamerius zu erklären, der im
2k)lltarif von Como erwähnt wird. Vgl. unsere Urkunden Nr. 190 S. 130, 30 und
Periodico der Societä storica di Como 19, 260.
» 1309 Juni 23. Kopp, Urkunden 1, 108,
* 1309 Juni 22. Kopp, Urkunden 1, 107.|
B Kopp, Urkunden 1, 120.
15*
228 Zwanzigstes Kapitel.
grofs war die Freude der Luzemer, dafs nun der Pafs sich wieder
öfinete, dafs sie eine jährlicMe Spende von 10 #9 zu zahlen gelobten^.
Man hat bisher es nicht betont, dafs in diesem Pakt auch ein sehr
wichtiger Handelsvertrag steckt Der „Atzungs**vertrag zwischen Uri
und Luzem ist zwar nicht erhalten, aber wir sehen doch, dafs auch am
Nordfufse der Alpen die Thäler sich die Zufuhr an Getreide, Wein, vor
allem auch an Salz sichern mufsten und sicherten. Die einzige Waffe,
die Lande zu besiegen, wäre das Aushungern gewesen, wie ja noch
Zwingli den katholischen Urkantonen das Salz soll haben entziehen
wollen.
In diesem Konflikte tritt Urseren hervor, das rechtlich noch eine
durchaus von den Habsburgem abhängige Landschaft war, es fand das
Thal aber offenbar Deckung bei den Waldstätten'. Im ganzen aber
gewinnt man die Vorstellung, dafs die Leute von Urseren auf dem Passe
dominieren, man darf auch nicht vergessen, dafs die Transportgenossen-
schaft auf dem St. Gotthard auch die Leute aus Urseren umfafste, und
der herrschaftliche Anteil aA der „Teilballe** im habsburgisohen Urbar^
buch unter dem Amte Urseren gebucht wird®.
Luzem hatte auch Baseler^ und Mailänder gefangen setzen lassen,
wie die Urfehdebriefe lehren. Die Streitigkeiten zwischen Luzem und
Basel wiederholten sich sehr häufig^, und schon spielte ein Baseler Ge*
schlecht dabei eine bedenkliche Rolle, die Münche, die wir später im
Besitze wichtiger Burgen finden werden. Es war ein Geschlecht, das
uns bald in allen Ländem begegnen wird. Schon König Albrecht be-
diente sich eines Münch als Boten an den Papst Bonifaz VIII^.
Den Mailändern waren 1309 Warenballen festgehalten, die auf die
Intervention Guido della Torrcs der Stadt und der Kaufmannschaft frei-
gelassen wurden^. Ein zweiter Fall berührt eine mailändische Handels«
1 öchsli, Regest 499.
* Es macht übrigens mehr den Eindruck, als handle es sich um einen Konflikt
zwischen Urseren und Luzem bez. Brugg, als zwischen ersterem und der Herr-
schaft. Die bisherige Auffassung suchte zuerst immer politische Motive.
* »Da ist och ein recht, heisset teübaUe: davon git man 10 U Pfeffers jerlich,*
* Kopp, Urkunden 2, 177. Baseler Urkb. 4, 9, 15 ff. Es waren vier Personen
von Basel arretiert. 1809 Januar 24.
B Zwei Sühnen von 1311 und 1312 behandelt Kopp 4, 1, 260 f. nach den in
Luzem erhaltenen Urkunden, die jetzt Baseler Urkb. 4 Nr. 20, 21 u. 23 ge-
druckt sind.
« Baseler Urkb. 3, 224.
■^ Vier Urkunden : Vollmacht der Stadt für die drei Gesandten, Verzicht Guidos
als dominus perpetuus namens der Stadt, ebenso der universitns mtrcatorum, wie
endlich des Gesandten selbst, alle 1309 September und Oktober. Kopp, Urkunden
2, 193.
Heinrich YH und der St. Gotthard. 229
geaellschafl;, die in Luzem einen Sitz hatte. Der dortige Vertreter Thomas
de Dugniano wurde wegen einer von seinem Compagnon anerkannten
Schuld gefangen gesetzt, erhielt ^uch von der Stadt Luzem sein einge-
legtes Kapital (323 i6 Imperialen) zurück, gleichwohl sandte die Stadt
Mailand noch einen Gesandten , um die Freilassimg auch des Thomas
und Petrus de Dugniano zu verlangen ^. Die Spannung zwischen Luzem
und Mailand äulsert sich auch in den Forderungen von Luzerner Handels-
leuten. Wegen ZoUuberforderungen in Mailand, Como, Bellinzona und
Locamo forderten 21 Luzemer Geschäftshäuser in Posten von 800 tt
Imperialen bis zu 10 i6 Imperialen einen Gesamtersatz von 3370 i6j
weiter hatten sich vier Geschäfte über Beraubungen im Werte von 598 tt
zu beklagen'.
Was Heinrich VII. in Italien versucht hatte, wa,r ein phantastisches
Uixtemehmen, für seinen Buhm war es ein Glück, dalÜs der Tod ihn
daihin x^S^^y ehe die nackte Gewalt der realen Kräfte ihn zu erdrücken
begaan. Und nun folgten schnell aufeinander die Handlungen, welche
die Eidgenossenschaft schufen und dem Reiche jeden Einflufs auf den
GotÜuurdpals entzogen. In der Nacht vom 6. zum 7. Januar 1314 über-
fielen die Schwyzer das hochadlige Kloster Einsiedeln, ihren alten Streit
mit ihm zu erledigen. Eine solche Gewaltthat rief die Gegner sofort
auf den Plan. Der Bischof von Konstanz verhängte den Bann, aber die
staatliche Hilfe versagte.
Nach langen Verhandlungen wurden am 19. und 20. Oktober 1314
dem Reiche zwei Könige erkoren, die Waffen mufsten nunmehr ent-
scheiden. Friedrich von Österreich war der Erbe der Gegnerschaft gegen
die Waldstätte, als König verhängte er über die Frevler von Einsiedeln
die Acht; Ludwig der Bayer aber erbte die Politik Adolfs von Nassau
und Heinrichs VH., er sprach sie von der Acht frei. Mit dem Kampfe
um das Reich war so der der Eidgenossen und des Hauses Österreich
verbunden. Die Schlacht von Morgarten (15. November 1315) entschied,
das war die That der Befreiung, auf dem winterlichen Schlachtfelde
hatten die Bauemhaufen bewiesen, dafs sie Kraft, Gemeinsinn und Selbst-
zucht genug besafsen, um dem Ritteradel zu trotzen. Wenige Tage
später, am 9. Dezember 1315, erneuten die Eidgenossen den Bund von
1291. Ein neues Staatsgebilde war damit begründet, ausgehend von der
Vereinigung dreier Thalgenossenschaften, blühte ihm eine grofse Zukunft,
und diese verdankte sie vor allem der geographischen Lage. Die Eid-
^ 1302 März 14. Urkunde des Petrus de Dezio Bürgers von Mailand (unter
den Zeugen ein Mailänder Bürger mit dem deutseben Namen : Johannes didus Sutzen)
und (1312) Juni 1 Urkunde des Nicola Buonsignore, Vikars für Mailand und der
Stadt, Beglaubigung des Rugerius Vineimara. Kopp, Urkunden 2, 192.
* V. Liebenau, Königin Agnes von Ungarn 417—420/
280 Zwanzigstes Kapitel.
genossenschaft war Herrin des Gotthardpasses, und so hingen Lussem .
und Zürich von ihnen ab, der Pafs gab diesen Thalleuten die werbende
Kraft und politische Bedeutung. Die Schweiz ist der Pafsstaat des St.
Qotthard geworden, und in ihm erkennen mit Recht noch heute die
Schweizer das Centrum des Staatengebildes. Die Thalleute, welche die •
Eidgenossenschaft begründeten, waren keine gewöhnlichen Bauern eines
weltentlegenen Thaies, sie führten die Waren des Welthandels über die
Berge und sprachen mit den Kaufleuten, den Boten, Pilgern, Herren
und Fürsten, die durch ihr Land zogen. Daher die Weite des Blickes,
welche im Kampfe gegen die Habsburger sofort jede Chance ausnutzte,
daher die Neigung und Fähigkeit, jede Schwankung der europäischen
Lage auszunutzen. Der Gtotthard war der einzige Alpenpafs, an dem
Reichsgut lag, und doch hat der König unter den Alpenpässen niemals
den Fufs eines Königs getragen, keines deutschen und, so viel ich weifs,
auch nicht den eines anderen! Der Pafs, der bjBstimmt schien, aufs
innigste das Deutsche Reich mit dem Gebiete der alten langobardischen
Krone zu verbinden, trennte sie noch viel mehr, als der unwegsame
Berg es viele Jahrhunderte gethan hatte. So ist die Eidgenossenschaft
entstanden.
Viertes Buch.
GESCHICHTE DES GELDHANDELS.
Erster Teil.
IN ITALIEN DOMIZILIERTE GELDHÄNDLER ALS GLÄUBIGER
DES DEUTSCHEN HOHEN KLERUS IM DREIZEHNTEN UND
VIERZEHNTEN JAHRHUNDERT.
Einundzwanzigstes Kapitel.
Die westdeotscheii ErzbischSfe als Schuldner.
Wiederauftreten des Fremdkaufmanns, Anfätige der Geldwirtschaft System der
päpsüichen Einnahmeiu Zwei Klassen, Höhe der Servitien. Beihilfe der iUüiemschen
Kauflexäe. Erzbischöfe von Köln, vor aUem Dietrich, Engelbert, Konrad, spätere.
Mainz, Widerstand des Klerus. Trier,
Das dreizehnte Jahrhundert sah einen selbständigen Geldhandel ent-
stehen, so dafs es nicht allein bequem, sondern sogar notwendig ist, den
Geldhandel vom Warenhandel loszulösen und ihn besonders für sich zu
behandeln. Ich werde die Behandlung sofort bis an das Ende des Mittel-
alters fuhren.
Mit dem Geldhandel lebte für Deutschland der Fremdkaufmann
wieder auf, wir werden sehen, in welchem Umfange italienische Geld-
händler in Deutschland Einflufs gewannen. Der Fremdkaufmann brachte
die überlegenen Formen des italienischen Handels, bis diese vom deutschen
Kaufmann übernommen waren, und der deutsche Bankier den fremden
verdrängte.
Diese Entwickelung hängt auf das innigste mit der Entstehung des
Kapitals und mit dem Aufkommen der Geldwirtschaft zusammen. Ehren-
berg hat in der Einleitung zu seinem grofsen Werke über das Zeitalter
der Fugger die Entwickelung eines Bedürfnisses nach gröfseren Summen
232 Einundzwanzigstes KapiteL
baren Geldes durch den Satz ausgedrückt: Pecunia nervus beUi^. Und
gewifs hat die Notwendigkeit grofser Barmittel fUr eine Politik sich schon
in den Kreuzzügen deutlich gezeigt, die grofsen Ritterorden, vorab die
Templer, richteten sich auf bankmäfsigen Verkehr ein. Ich meine jedoch,
dafs eine noch viel gröfsere Bewegung des Geldes als durch diese kriege-
rischen Zwecke, durch die finanzielle Stellung des heiligen Stuhles sich
ergab, die freilich zum Teil auf Steuern für Kreuzzüge, also für kriege-
rische Zwecke sich gründete, wobei der Begriff der Kreuzzüge bekannt-
lich sehr weit gespannt wurde.
Der frühmittelalterlichen Naturalwirtschaft entsprach die Lehre vom
Zinsverbot, wir werden nun beobachten, wie die Kirche und speciell die
Kurie selbst das Aufkommen der Geldwirtschaft fördert und so den
wunderbaren Widerspruch zwischen Theorie und Praxis herbeiführte,
der zu den eigentümlichsten Verhältnissen führte, die wir später dar-
zustellen haben.
Die Entwickelung, welche das System der päpstlichen Einnahmen
seit dem An&nge des dreizehnten Jahrhunderts nahm, vor allem aber
die Einführung von Kreuzzugssteuem , hat einen aufserordentlich regen
Oeldverkehr zwischen Italien und Deutschland hervorgerufen , den ich
selbstredend hier nur streifen und in seinen für den Handel bedeutsamen
Folgen besprechen kann.
Die Abgaben an die Kurie zerfallen in zwei Gruppen. Die einen
werden in Rom (bez. an dem Sitze der Kurie) selbst erhoben, der
Zahlende erscheint dort oder liefert den Betrag durch einen Abgesandten
dort ab. Das sind die serviiia communiaf welche der Bischof oder Abt
bei seiner Ernennung oder Bestätigung zu entrichten hatte, die Taxen
für die Urkunden, die Palliengelder und die freiwilligen Geschenke,
"welche dem päpstlichen Stuhle dargebracht wurden^. Die betreffenden
Gelder wurden der Regel nach wohl in barem mit über die Alpen ge-
nommen. Mancher Bischof, der eben gewählt war, verfügte jedoch nicht
über die ausreichenden Mittel, viele von ihnen fanden nun jenseits der
Alpen den nötigen Kredit. Sie nahmen dort eine Schuld auf, welche
-dann entweder an dem Sitze der Kurie oder in der Heimat des Schuldners
oder endlich, was geradezu die Regel war, auf einem der Weltmärkte
KU tilgen war. Das Geschäft lag natürlich den römischen Kaufleuten
* Das Zeitalter der Fugger 1, 5 ff.
« VgL Kirsch, Die päpstlichen KoUektorien während des vierzehnten Jahr-
hunderts. Quellen u. Forsch, aus dem Gebiete der Geschichte, herausgeg. v. d.
Qörres-Gesellschaft UI. Bd. S. XIU ff . Gelegentlich auch £. Müntz, L'argent et
le luxe & la cour pontificale, in Revue des quest. historiqucs Bd. 66 und jetzt auch
A.Gottlob, Päpstliche Darlehensschulden des dreizehnten Jahrhunderts im Histor.
Jahrbuch 20, 665—717.
Die westdeutschen Erzbisehöfe als Schuldner. 233
am nächsten. So finden wir denn auch in den ältesten Zeiten vorwiegend,
ja fast ausschliefslich römische Kaufleute als Gläubiger von Schulden,
die aus solchem Anlasse entstanden waren. Sie finden jedoch bald über-
legene Konkurrenten, und der Vorsprung, den der römische Kaufmann
-vor allen anderen voraus hatte, hörte auf, als die Kurie von Rom ver-
legt wurde. Den natürlichen Vorbedingungen entspricht die Thätigkeit
römischer Kaufleute sicherlich nicht.
Seitdem Eubel in seiner hochverdienstlichen Hierarchia auch die
Höhe der Servüia communia mitgeteilt hat, kann man übersehen, welch
-enorme Summen unter diesem Titel an die Kurie flössen. Ich gebe eine
Zusammenstellung nach der Höhe:
10000 fl. Aquileja, Köln, Mainz, Salzburg, Trier (alias 7000),
7200 - Lüttich,
6000 - Metz, Passau,
5000 - Gnesen, Tournay,
4600 - Utrecht,
4400 - Verdun,
4000 - Breslau, Freising (auch Rheims),
3500 - Olmütz,
3 000 - Münster, Bamberg, Basel (al 1000), Brixen (auch Mailand),
2800 - Prag,
2500 - Magdeburg, Strafsburg, Konstanz,
2400 - Würzburg (al 2300),
2000 - Sitten, Trient,
1400 - Regensburg,
^on hier ab berücksichtige ich nur die westdeutschen Sprengel:
1200 (700) fl. Lausanne,
1000 fl. Hildesheim, Minden (al 500), Worms,
800 - Eichstntt, Augsburg,
600 - Genf, Osnabrück, Speier (äl. 500),
500 - Chur, Chiemsee,
400 - Verden,
100 - Paderborn, Halberstadt
Dafs diese Summen nicht genau den wirklichen Einkünften des betreffenden
'Sprengeis entsprechen, ist mir nicht zweifelhaft Wie Freising viel zu
hoch steht, ist Paderborn viel zu niedrig eingeschätzt
Die andere Gruppe von Abgaben ermöglichte Kaufleuten nicht allein
derartige Kreditgeschäfte, sondern sie übernahmen auch den Transport
des Geldes, indem sie auch den Wechselverkehr einführten. Es waren
das diejenigen Abgaben, welche zum Teil anfangs durch die Diöcesan-
behörden erhoben wurden, deren Erhebung aber seit der Mitte des drei-
zehnten Jahrhunderts mehr und mehr durch von der Kurie selbst be-
234 EinundxwanzigBtes KapiteL
stellte Kollektoren besorgt wurde ^. Die filteren Abgaben, die grundherr-
lichen Patrimoniengefklle und die lehensreehtlichen Census — die census
exempter Kirchen , der in Deutschland ja nur im Deutschordensgebiete
bekannte Peterspfennig — machten nur kleine Beträge aus, ganz anders
aber stand es bei den vom Papste auf die kirchlichen Einkommen ge-
legten Steuern, vorwiegend Kreuzzugssteuem, welche einen sehr kompli-
zierten Erhebungsapparat erforderten, über den wir jetzt vortrefflich
unterrichtet sind. Daneben werden von den Kollektoren auch die frei-
willigen Subsidien der Geistlichkeit, sowie die Einnahmen aus den Reser-
vationen und Annaten, sowie auch Spoliengelder eingezogen.
Die Übermittelung der gesammelten Gelder an die Kurie wurda
vielfach von den Kollektoren italienischen, gelegentlich auch französischen
Kaufleuten übertragen. Die Päpste haben das System stark -begünstigt
Die Voraussetzung war, dals die italienischen Kauf leute den Kollektoren
folgten oder überhaupt schon in dem Gebiete und an dem betreffenden
Orte, an dem das Geld aus den Händen des Kollektors in die ihren über-
ging, bekannt waren. Der wesentlichste Vorteil der Verschickung des
Geldes durch Kaufleute war doch eben der Wechselverkehr. • Der Trans-
port des baren Geldes durch Geistliche, von denen natürlich bekannt
war, dafs sie Geld gesammelt hatten, erforderte bedeutende Kosten ftir
das Geleit. Und doch wurden die Kollektoren angefallen, so ereilte
dieses Geschick den mehrfach in diesen Gebieten thätig gewesenen Peter
Durandi im Jahre 1322 zwischen Konstanz und Basel ^. Der Kaufmann
vermochte heimlich zu reisen, er brachte das Geld aber überhaupt' nicht
in Gefahr und sparte alle Kosten bis auf die eines Boten, wenn er die,
sagen wir in Lüttich, eingezahlte Summe durch die Vertreter derselben
Gesellschaft, deren Faktor oder Genosse er war, in Avignon der päpst*
liehen Kammer auszahlen liefs.
Diese Wechselgeschäfte wurden in der Regel von Gesellschaftenr
besorgt, wie wir sie bald näher kennen lernen werden. W^ir werden
sehen, dafs nacheinander verschiedene italienische Städte hervortreten^
bis endlich Florenz so gut wie völlig den Geldhandel der päpstlichen
Kurie an sich gebracht hat. Ich sagte, dafs die Thätigkeit einer Gesell-
schaft an einem bestimmten Orte für den päpstlichen Kollektor, wenn
nicht ausdrücklich erwähnt ist, dafs der betreffende Vertreter nachgereist
ist, die Vermutung begründet, dafs die Gesellschaft auch sonst an dem
Orte arbeitet, mindestens der Ort ihr nicht fremd ist. Wir werden also
dadurch, dafs wir die Orte nachweisen, in denen solche Wechsel ab-
geschlossen wurden, zugleich die Gegenden unterscheiden lernen, in
' Gottlob, Die päpstlichen Kreuzzugssteuem 8. 248.
* Regesten d. Bischöfe v. Konstanz 2 Nr. 3952.
Die westdeutschen Erzbischöfe als Schuldner. 285
denen italienische Kaufleute nicht verkehrten. Eine Herbeischaffung
allen Materiales habe ich nicht versuchen können, auch werde ich mich
im wesentlichen auf das Rheingebiet einschränken, die Grundzüge der
Entwicklung scheinen mir gleichwohl sich bereits zu eigeben.
Ich werde zunächst die Verschuldung der drei rheinischen Erz-
bistümer, so weit Italiener die Gläubiger waren, besprechen, um die
Ursachen der Verschuldung besonders hervortreten zu lassen. Die
Schulden der übrigen westdeutschen Prälaten werde ich nach der
Heimat der Gläubiger besprechen. Durch dieses wechselnde Hervor-
kehren von Gläubigern und Schuldnern hoffe ich die Dinge deutlicher
zu machen, als es sonst möglich wäre. Dafs mitunter die Zusammen-
stellung eine Regestensammlung wird, läfst sich nicht vermeiden^.
Die älteste Beziehung eines rheinischen Kirchenfürsten zu einem
römischen Kaufmanne hat im Mai 1218 der Kardinal Stephan beurkundet.
Er giebt an, dafs der Kölner Elekt Dietrich (von Heinsberg 1208—1212)
von den nachgenannten Bürgern und Kaufleuten von Rom: Johannes
Romanus, Petrus de Centio de Lavinia, Johannes de Centio und Petrus
Johannis de Romano und Genossen so viel Geld empfangen habe, da£s
er sich schuldig erklärte, ihnen 625 Mark Sterling auf der nächsten
St. Aigulfmesse zu Provins vier Tage bevor der Ruf: Hare^ Haret
erschalle, zu bezahlen^.
Bei denselben Kaufleuten kontrahierte Erzbischof Dietrich noch
eine zweite Schuld und zwar im Betrage von 700 Mark Sterling, so
dafs sich die Schuld nunmehr auf 1325 Mark Sterling belief. Es scheint,
^ Ich kann selbstredend keine Vollständigkeit erstreben. Die Hauptgrandlage
gewährten mir die Veröffentlichungen aus den päpstlichen Registerbänden, vor
allem die der Bibliothique des ^coles d' Äthanes et de Rome. Bisher erschienen
Auvray, Gregor IX. Bd. 1, Berger, Innocenz IV., 3 Bde, Bourel de la Ron-
ci^re, de Loye und Coulon, Alexander IV., 3 Hefte, Dorez und Guiraud,
Urban IV., 2 Hefte, Jordan, Clemens IV., 3 Hefte, Guiraud und Cadier,
Gregor X. und Job ann XXL, 3 Hefte, Gay, Nicolaus III., 1 Heft, Prou, HonoriusIV.
(vollendet^ Langlois, Nicolaus IV. (vollendet), Di gard, Faucon und Thomas,
Bonifaz VIIL, 5 Hefte und Grandjean, Benedict XI.. 4 Hefte. Femer die Register
Honorius III. in der Ausgabe von Pressuti und Clemens V. in der der Bene-
diktiner. Für die Zeit von 1198 — 1256 babe ich dazu Potthasts Regesten durch-
gesehen. Die Papsturkunden der Zeit von da bis zum Ende des Interregnums
verfolgte ich auch nach Böhmer-Ficker- Winkelmann, von da bis 1308 nach
Kaltenbrunner, Mitteilungen aus dem vatikanischen Archive Bd. I. Selbst-
redend zog ich auch die Sammlung der M.G. heran: Epistolae s. XIII selectae 6
regestis pont. Roman, ed. Rodenberg.
' Mitgeteilt vonKorth in den Annalen des bist Vereins für den Nieder-
rhein 41, 93. Bfirgschaftsbrief von vier Kölner Geistlichen, die an der Kurie
weilten, vom Mai 1213 bei Ennen und Ecker tz. Quellen 2, 45. Johannes Romanus
heilst hier J. R. Denteguarde.
23$ EinuDdzwanzigstes Kapitel.
dab Theoderich später auch noch einen Generalschuldbrief ausstellte,
der auf 2000 Mark lautete. Diese Schulden hat Dietrich nicht bezahlt,
ala abgesetzter Erzbischof war er natürlich dazu auch nicht in der Lage.
Für ihn mufste sein Nachfolger Engelbert der Heilige (1216—1225)
eintreten, der das Bistum schwer verschuldet übernahm. Mit den eben
erwälinten Eaufleuten kam durch einen Kardinal 1218 ein Schiedspruch
imstande, der die Schuldsumme des Erzbischofs auf 1200 Mark neuer
Sterlinge (Vi ß und 4 sterl. auf die Mark) festsetzte und die Zahlung
von je einem Drittel auf die nächste St. Aigulfmesse in Provins und
auf die nächsten Messen in Bar und Troyes festsetzte ^
Es war das nicht die einzige Schuld, welche Dietrich aufgenommen
hatte. Einem römischen Bürger Johannes Bobo^ schuldete er 160 Mark
Silber, die 1221 Erzbischof Engelbert und das Domkapitel bezahlten^.
Bedeutender waren noc'i zwei weitere Anleihen. Die erste war bei den
Römern Mathias Guidonis Marronis, Angelus Johannes Judei, Jac^bus
Scarsus und Genossen gemacht, sie betrug ursprünglich 260 Mark Silber
und war bei früherer Anwesenheit des Erzbischofs in Rom aufgenommen,
Februar 1214 wurde sie aber auf 500 Mark Sterling erhöht und sollte
auf der nächsten Messe zu Provins getilgt werden. Geschehe das nicht,
80 war von Messe zu Messe 10 ^/o Entschädigung zu bezahlen^. Doch
harrte noch 1218 ein weiterer, vom Kardinaldiakon G. von St. Theodor
gelroffener Vergleich der Ausführung, obwohl eine Konventionalstrafe
von 1000 Mark angedroht und beschworen war^.
Nach dem Spruchbriefe des Kardinals Johannes tu, 5. IVaxedis vom
5. März 1238 hatte Dietrich ferner von den beiden römischen Kauf-
leuten Huguicio Johannes Icta und seinem Bruder Leo 983 Mark guter
Sterlinge erhalten. Der Schuldbrief lautete freilich auf 1150 Mark und
auch diese Schuld sollte: nn praximis nundinis sancti Aigülfi quaiuar
äiehus antequam clamaretur Bare! Hareh entrichtet werden. Das Ge-
schäft wäre nicht schlecht gewesen; denn das wäre ein Jahreszins von
14V2 Prozent gewesen. Allein Dietrich bezahlte nicht, und noch im
Jahre 1238, also 26 Jahre nach seiner Absetzung harrten die Gläubiger
d«r Befriedigung. Sie stellten die Forderung, dafs Erzbischof Heinrich
fftr seinen Vorgänger bezahle, und zwar solle er, da ausbedungen war,
dafs nach versäumter Zahlung von Messe zu Messe zehn Prozent Zins
zu zahlen sei (also 60 Prozent), als Schadenersatz und Kosten noch
jdazu die Summe von 12000 Mark Sterling entrichten, was dem Jahres-
1 Urkunde vom 7. Mai 1218 bei F ick er, Engelbert der Heilige S. 320.
* Vgl. unsere Urkunden Nr. 422.
» Urkunde vom 8. April 1221 bei Ficker S. 830.
* Lacombletf Urkundenbuch 2, 25.
* Vgl. unsere Urkunden Nr. 423.
Die westdeutschen Erzbischöfe als SchnldDer. 287
zinse von 18^/8 Jahren gleich kommt Diese unverschämte Forderung
wurde aber keineswegs von dem Kardinal anerkannt, obwohl der Eifs-
bischof gar keinen Vertreter gesandt hatte. Die Kläger beschworen,
dafs 280 Mark Sterl. >in advoccUarum salariis et aliis neeessarüs pro eoäem
recuperando debitot darauf gegangen sei, der Schaden belaufe sich auf
37 Mark. Wenn nun der Kardinal urteilt, der Erzbischof sei schuldig,
den Kaufleuten 1300 Mark Sterling zu bezahlen, so ist das Urteil fdr
den Erzbischof gewifs sehr günstig ; denn mit den Advokatenkosten und
dem Schadenersatz ergiebt sich schon eine Forderung von 1150 + 280 +
37 = 1467 Mark Sterling, von einer Verzinsung ist gar keine Rede. In
diesem Falle ist das kirchliche Zinsverbot wirklich innegehalten, der
Kardinal hat nämlich nicht die Forderung, sondern das thatsächlich dar-
geliehene Geld angesetzt, die Rechnung seines Schiedsspruches ist : 983 +
280 + 37=1300 Mark Sterling ^
Diese Entscheidung ist kaum noch in die Hände des Erzbischofs
Heinrich (von Molenark 1225 — 1238) gekommen, er starb bereits am
26. März 1238. Sein Nachfolger war Konrad von Hochstaden (1238—
1261) von dem es bisher schon bekannt war, dafs er das Bistum mit
Schulden beladen antrat
Doch wir müssen zunächst noch auf Heinrichs Vorgänger Engelbert
den Heiligen zurückgreifen. Auch er hat zu Anfang seiner Regierung
schwere Schulden, vielfach gewifs auch zur Befriedigung alter Gläubiger
des Bistums, aufnehmen müssen. An italienischen Gläubigem kann ich
nachweisen :
1. die römische Gesellschaft des Petrus Sarracenus, Petrus de Paulo,
Johannes Pantaleonis und Angelus Petri de Paulo, welche 1218 eine
vielleicht übrigens ältere Schuld von 850 Mark Sterling ansprechen^;
2. die römischen Bürger Guillelmus de sancto Antonio, Benincasa
mater Johannis Zache und Martina uxor quondam Scarlacci, deren
Forderung von 17 Mark neuer Sterlinge den Dechanten von Troyes
1219 beschäftigte«;
3. die römischen Bürger Lucas Scarsus und Petrus Judei, deren
Forderung von 550 Mark neuer Sterling der Dechant von Troyes 1219
anerkennt*;
4. die römischen Bürger Matthias Guidonis Marconis, Johannes
Judei und Lucas Marquisanus, deren Forderung sich nicht aus der Ur-
» Abgedruckt M.G. Epist. saec, XIII 1, 621 f.
a Ficker a. a. 0. S. 324.
» Ebda. S. 328.
* Ebd a. S. 329. Hierher gehört wohl das Regest einer Urkunde vom 23. Juli 1219,
die mir im Original nicht zugftnglich war. Mitt« Stadtarchiv Köln Heft 20, 88.
238 £inand2wanzig8tes Kapitel.
künde feststellt , welche sich jedoch mindestens auf 235 Mark neuer
Sterlinge, welche zu Bar zu bezahlen waren, belief ^^
5. sechs Bürger von Bologna, deren Forderung sich auf 258 Mark
Silber belief, wofür 35 Mark Gold in Provins bezahlt werden sollten*;
6. Johannes de Maroza, civis RomantiS, dessen Forderung von
100 Mark Silber 1222 durch den Abt von St. Genovefa in Paris im
Auftrage des Papstes beigetrieben wurde*. Eine Vollmacht Engelberts,
in Provins bei genannten römischen Kaufleuten bis zu 300 Mark Ster-
ling aufzunehmen, ist leider nicht im Original zugänglich ^ sie läfst sich
also nicht einreihen.
Ich glaube auch folgende beiden aus Bürgern von Siena bestehenden
Gläubigergruppen unter die Gläubiger des Erzbischofs rechnen zu dürfen,
obwohl sie den Empfang des Geldes der Stadt Köln quittieren. Die
erste Gruppe besteht aus : Hugo Bientheviegne, Piccolominus Ultramontis
und Renerius Orlandi, sie erhielten auf der Messe zu Bar 312 Mark
Sterling ^. Die zweite Gruppe : Palmerius {Donati, Bononcontrus Rogerii,
Rogerus Aringerii , Aldebrandinus Galerani , Berengerus Guadagnoli,
Rainerius Salimbene und Bernardinus Alamanni erhielt auf der St. Aigulf-
messe zu Provins 300 Mark Sterling, und zwar war die Hälfte schon
auf der vorjährigen Messe von Bar fällig gewesen*.
Die Kölner bauten für die Zukunft solchen Lasten vor, indem sie
sich an den deutschen König wandten, und zu Worms wurde 1231 das
Weistum gefunden, dafs die Bürger von Köln für die Schulden und
Verpflichtungen der Erzbischöfe nicht haftbar seien "'. Der Spruch wurde
später mehrfach bestätigt.
In Verfolg desselben war es mithin ganz ii; Ordnung, dafs, als die
Konsuln der Messe zu Provins die Kölner Bürger nicht weiter zulassen
wollten, weil der Erzbischof Konrad einen Pariser Bürger nicht befriedigt
hatte, dieser sich an den Grafen Theobald V. von der Champagne wandte,
er möge die Bürger nicht weiter belästigen lassen, da sie rechtlich wegen
erzbischöflicher Schulden nicht belangt werden könnten®.
1 Ficker S. 331.
■Ebda. S. 339.
* Das päpstl. Mandat 1222 Juli 12. Unsere Urkunden Nr. 424.
* Regest Mitt. Stadtarch. Köln Heft 20, 88. 1222 Sept. 11.
^ 1228 tnense Aprili anU pascha^ das ist also April 1229. Ennen u. Eckerts
2, 116.
^ Ebenda.
' Ebda. S. 127. Kaiser Friedrich II. bestätigte das 1236 ebda. 8. 160. Rudolf
1273 Böhmer-Redlich 34. Lau S. 247 u. 330.
» Cardauns, Ann. des Niederrh. 35, 60. Höhlbaum, Hans. Urkunden-
buch 3, 15 Anm. Gedruckt Mitt. Stadtarchiv Köln 9, 175. Im übrigen forderte
Innocenz IV. trotz des Spruches yon den Kölnern Unterstützung ihres Erzbischofes.
Die westdeutschen Enbischöfe als Schuldner. 239
Auch Erzbischof Heinrich (1225 — 38) hatte mit römischen Geld-
wechslern Verbindungen. Aber auch er bezahlte seinen Gläubiger Juve-
nalis Manetti nicht. Papst Gregor DL wies nach seinem Tode den Erz-
bischof von Mainz an, die Einkünfte der erzbischöflichen Mensa fUr die
Tilgung der Schuld einzuziehen^.
Nicht in Rom oder an der Kurie, sondern auf der Messe von Troyes,
wohin der Erzbischof Heinrich November 1226 den Kölner Ritter und
Kaufmann Gerhard Scherfgin gesandt hatte, nahm er bei Sieneser Kauf-
leuten, unter denen Ugo Bienchevieni und Piccolomo Oltramontis uns auch
anderweitig begegnen, so viel Geld auf, dafs er auf der nächsten Messe
650 Mark neuer Sterlinge zu zahlen hatte ^.
In den Tagen Heinrichs von Molenark hat übrigens auch das Kölner
Domkapitel mit Kaufleuten mehrfach in Verbindung gestanden. Mai 1232
forderte Renerius Petri als Vertreter von Sieneser Kauf leuten, dafs das
Domkapitel, welches seinen Zahlungsverpflichtungen auf dem letzten
Markte zu Provins nicht nachgekommen war, nach Troyes vorgeladen
werde ^. Es hatte bei Kauf leuten von Rom und Siena durch seinen
Dechanten Goswin, als er an der Kurie weilte, 350 Mark Sterling auf-
nehmen lassen, die Zahlung sollte auf der Aigulfimesse zu Provins er-
folgen oder von Messe zu Messe eine Verzinsung von zehn Prozent ein-
treten. Mehr wie vier Jahre wurde aber nichts bezahlt, so dafs die Kauf-
leute — unter denen Bobo Johannis Bobonis als domini pape campsor be-
zeichnet wird, — die Rückzahlung des Elapitals mit 350 Mark, als Schaden-
ersatz 800, für die Kosten 200 Mark verhmgten. Worauf gründet sich die
Forderung des Schadenersatzes? Der Ausdruck „von Messe zu Messe^
ist nicht klar. Heifst es , dafs zehn Prozent von der einen Aigulfimesse
zur anderen zu entrichten sind, so wären in vier Jahren 140 Mark Zins
angelaufen, soll aber darunter eine jede der sechs Champagnermessen
gemeint sein, waren also nicht zehn, sondern 60 Prozent Verzugszinsen
zu berechnen, so ergiebt das 840 Mark. Letztere Deutung ist wohl die
richtige*.
Aus einer Urkunde, die sich im Staatsarchive von Siena erhalten
hat, erfahren wir nun Näheres über die finanziellen Schwierigkeiten,
welche der neue Erzbischof Konrad zu überwinden hatte. Auch dieses
Mal ist es der Spruch eines Kardinals, der uns über die Verhältnisse
aufklärt. Der eben erwählte Konrad von Hochstaden hatte Kredit bei
1244 Dez. 22 Berger 1, 142. Das Domkapitel hatte sich schon 1232 durch den
Papst gedeckt, Lacomblet 2, 92.
1 Potthast Nr. 10146.
' Diese ganz typische Urkunde s. unter unseren Urkunden Nr. 425.
s Regest Mitt. Stadtarchiv Köln 4, 49.
* 1238 November. Unsere Urkunden Nr. 426.
240 Einundzwanzigstes Kapitel.
Kaufleuten, die aus Siena stammten, gefunden. 4600 Mark Sterling hatte
er bei der Gesellschaft des Bartolomeo Ugonis Piccolomini, des Bona-
ventura Lupelli und Genossen aufgenommen, weitere 100 Mark bei den*
selben, während er an der Kurie weilte, endlich hatte Bonaventura noch
40 Mark Silber an Dietrich, den Prokurator seines Vorgängers — es ist
der Name nicht genannt — vorgestreckt, so dafs die Gesamtschuld des
Erzbischofs gegenüber der Seneser Gesellschaft sich auf 4740 Mark Ster-
ling belief ^. Aber auch Konrad zahlte im Verlaufe von achtzehn Jahren
nicht einen Pfennig ab, und so klagte denn die Gesellschaft, bei der
übrigens Bonaventura und Bartolomeo nicht mehr genannt werden, beim
päpstlichen Stuhle, sie verlangten für den Schaden, die Ausgaben und
das >interes3€€ weiter 10000 Mark Silber. Das wäre, wenn wir von
den Kosten u. s. w. absehen und diese 10000 Mark nur als Zinsen auf-
fassen, eine Verzinsung von 11,8 Prozent, wobei die in der Schuldsumme
unzweifelhaft schon versteckte Verzinsung aufser Ansatz bleiben mufs.
Die Entscheidung war vom Papste in die Hände eines Mannes ge-
legt, der mit Konrad von Hochstaden vielfache Beziehung gehabt hatte.
In den Tagen der Wahl König Wilhelms waren der päpstliche Legat
für Deutschland Kardinal Pietro Capocci und Konrad, bald auch Legat,
die eigentlichen Führer der antistaufischen Partei. Später scheint firei-
lich ein Zwiespalt zwischen beiden eingetreten zu sein. Unter den Hand-
salben, welche Richard von Comwallis bei seiner Königswahl entrichten
mufste, erscheinen auch 2000 Mark, welche fUr die Beilegung dieses
Streites vielleicht erforderlich seien ^. Genug, 1258 war Pietro Schieds-
richter, ungleich seinem Vorgänger hatte Konrad einen Vertreter geschickt^
den Deutschordensritter Wolfhard. Es kam nun zu einem Vergleich, in
welchem die Senesen^ sich zufrieden erklären, wenn ihnen innerhalb
zehn Jahre das Kapital zurückgezahlt wird (je 230 Mark jährlich zu
der Maimesse in Provins und, so scheint es, zur Novembermesse in
Troyes). Sie erhalten also nicht einmal die gesamte Schuld zurück,
sondern verlieren noch 140 Mark Sterling, so dafs auch in der Anlehens-
summe unzweifelhaft bereits Zinsen verdeckt sind. Sehr schroff sind die
^ Auf diese Gesellschaft bezieht sich vielleicht auch die Quittung, welche
Arminius Bentivegni, Turchius Chiannontesi und andere Kaufleute am 28. März 1239
ausstellten. Im Auftrage Konrads von Köln waren ihnen 110 Mark Sterling zurück-
bezahlt. Das Original nicht zugänglich, Regest Mitteil. Stadtarchiv K5ln
Heft 20, 88.
> Cardauns, Konrad von Hostaden S. 44.
' Hugo Clarmontesi, Ranerio Rendldi pro se et Johanne Twrchii et Bartholameo
GuiUermi et Tholomeo Rustichmi ei Bistiahino Clannontesey Banaldo fiUo dicti Bdmerii
Banaldi, Erminio Bentivenni et Erminuccio ^us filio <ic Piccolomini Ulftramontis?]»
Unsere Urkunden Nr. 278.
Die westdeutschen Erzbischöfe als Schuldner. 241
Bedingungen für den Fall, dafs die Zahlungstermine nicht eingehalten
werden. Es werden 60 Prozent Jahreszinsen angesetzt.
Die Schuld war also achtzehn Jahre unverzinst geblieben, das führt
uns in eine Zeit vor April 1240 zurück. April 1239 weilte Konrad in
Rom und erhielt dort seine Konfirmation, das dafbr zu bezahlende
Servitium belief sich auf 10000 fl., zugleich aber gestattete ihm Papst
Gregor, zur Erleichterung der Schuldenlast seiner Kirche, 8000 Mark
Silber von allen kirchlichen Einkünften seiner Diöcese auf sechs Jahre
zu erheben*. Entstanden war also die Schuld wohl durch die Konfir-
mationsgelder, vielleicht auch durch die teilweise Befriedigung der
Schulden seiner Vorgänger. Sie zu decken, erhielt er das Recht, eine
sehr erhebliche Besteuerung des Klerus durchzuführen. Die Schulden-
last wurde aber nicht behoben; denn Papst Innocenz IV. mufste 1244
dem Mainzer Erzbischof Anweisung geben, die Exkommunikation, die
einige judices a sede apostoUca delegati wegen der Schulden seines Vor-
gängers über ihn verhängt hatten, aufzuheben, der Erzbischof sollte
aber jährlich 1000 Mark abbezahlen^. Im Mai 1244 erfolgte dann eine
gründliche Besteuerung des gesamten Klerus, um die Schulden zu
decken, es handelte sich um den fünften Teil der Einkünfte^, auch die
benachbarte Diöcese Lüttich sollte so viel dem Erzbischof geben. Auf
die Weigerung hatte dieser den Bann verhängt, Papst Innocenz IV. hob
das auf, immerhin wurden dem Lütticher Klerus 3000 Mark Silber auf-
erlegt*.
Für die Gläubiger recht ungünstig war dann aber die Entscheidung
Innocenz' IV. vom September 1246, welche Erzbischof, Kapitel, Klerus,
Stadt und Erzbistum Köln zur Zahlung von Schulden nur dann ge*
bunden erklärte, wenn nachgewiesen wurde, dafs das betreffende Geld
zum Besten der Kirche, des Kapitels und des Klerus verwendet sei^.
Durch das Testament Konrads lernen wir endlich eine letzte Schuld
kennen, die er gegen italienische Kaufleute eingegangen war. Sein
Kaplan und Pönitentiar Wolfhard aus dem deutschen Ritterorden hatte
in seinem Namen von den Senesen Bonaventura Bernardini, Bartolomäo
Guidi und ihren Genossen eine Summe von 1500 Mark Sterling ent-
liehen, welche aber vom Erzbischof nicht ersetzt worden war. An der
Bezahlung der Summe war auch die päpstliche Kammer beteiligt®. Papst
1 M.G. Ep. 8. XIII 1, 644.
« Ebda. 2, 38 f.
' Das folgt aus Innocenz IV. 1247 Oktober 17. Berger 1, 512.
* Berger 1, 160.
»i Berger 1, 312.
« Wie, ist nicht recht klar. Dem Wortlaute nach hätte Wolfhard 1500 Mark
empfangen, diese Summe hätte der Erzbischof bez. die Kölner Kirche zu ersetzen
Schill te, Gesch. d. mitteUlterl. Handels. I. 16
242 EinundzwaDzigstes Kapitel.
Urban IV. beauftragte nun den Bischof von Ltittich, die von den städtischen
Behörden wöchentlich an den Erzbischof abzuführenden Bierpfennige
(welche in den Tagen Konrads wiederholt Gegenstand von Verträgen ge-
wesen waren) im Betrage von 18 Mark Kölner so lange an die Genossen
jener Senesen, Andreas Jacobi, Bonsignore Rayneri und Tolomeo Manentis
abzuführen, bis die Schuld abgetragen sei ^.
Die ganze Kette dieser Schulden der Kölner Kirche dürfte im
Grunde eine grofse Bewucherung derselben gewesen sein, wenn wir das
freilich im einzelnen nicht mehr nachzuweisen imstande sind. Sie wider-
sprach dem Verbote des Zinsnehmens. Die päpstliche Kurie brachte
diesen Gedanken noch einmal nach dem Tode Konrads von Hochstaden
sehr lebhaft zum Ausdrucke. Urban IV. ermächtigt den neuen Erz-
bischof, da viele Laien verschiedener Städte, Diöcesen und Provinzen
von ihm und seinen Vorgängern vieles *per usurariam pravitatetn* er-
prefst hätten, das an Zinsen bereits Gezahlte vom Kapital abzuziehen.
Alle irgendwie denkbaren Gegenreden sollten dagegen nichts gelten,
selbst ein eventuell abgegebener Eid^. Das hiefs in der That das Zins-
verbot wirklich durchführen ; aber zwischen dem Befehle der Kurie und
der konsequenten Ausführung desselben dürfte auch hier ein Unterschied
gewesen sein.
Aus der Zeit Engelberts von Falkenburg (1262 — 1274) habe ich nur
eine Nachricht über Schulden. Er hat gleich mehreren seiner Suifragane
von * Andreas, Bartholomaeus et Jacobtis Crescentn Nicolatii fraires, dves
et mercatores Rotnanit Geld geliehen. Sie wandten sich an Urban IV.,
der an zwei in Paris weilende Geistliche den Auftrag gab, die Schuldner
zur Zahlung ^usuris omnino cessantiitis* anzuhalten^. Im übrigen waren
die Schulden des Bistums derartig angewachsen, dafs der Papst die Er-
hebung des Zwanzigsten von den kirchlichen Einkünften auf zwei Jahre
anordnete *.
Sein Nachfolger Siegfried von Westerburg (1274 — 97) hatte sich an
eine Florentiner Gesellschaft gewendet, deren Haupt Manettus Raynaldi
de Pulcis war*. Er hatte von ihnen 2000 Mark Sterling erhalten, und
König Rudolf hatte einen Bürgschaftsbrief darüber ausgestellt. In Brügge
gehabt, nach der Rückzahlung mufsten dann die Senesen der Kammer des Papstes
Alexander 1000 Mark entrichten.
» M.G. Epist. 8. XIII 3, 520. Urkunde 1263 Juni 17.
* 1263 Januar 8. Lacomblet 2, 296.
» 1264 März 28. Posse, Analecta Vatic. 138.
^ Westfäl. Urkundenbuch 5. Die Papsturkunden herausgeg. von Finke
Nr. 624.
* Die Namen der socü gebe ich mit der Interpunktion Ennens: »videlicet
übertij Ouelfij Beinaldi, fratntm, Bote, Amanati, Bonansegne, Bonacursi, G^ialterotti,
Die westdeutschen Erzbischöfe als Schuldner. 243
wurden dem Vertreter der Gesellschaft, Lambertus Jacobi, 1470 Mark
zurückbezahlt, weitere 196 wurden an nicht bezeichnetem Orte ent-
richtet.
Zu Kaufleuten, welche aus einer ganz anderen Gegend Italiens
stammten, führt uns endlich die Regierungszeit Heinrichs II. von Virne-
burg (1304—22). Er hatte 6000 Goldgulden bei Wilhelm Stromenati,
Pauli nus Rufini und Johann, genannt Tristan von Troja, den Teilhabern
der Gesellschaft de Troja, Bürgern und Kaufleuten von Asti entliehen.
Astigianen wohnten aber damals bereits am Niederrhein, und so mag
diese Schuld nicht an der Kurie, sondern in Köln selbst auigenommen
sein ^. Er mufste ihnen dafür die Hälfte des Zolls zu Andernach ver-
pfUnden*. Von Heinrich sind eine ganze Reihe von Schuldbriefen bei
einer Gesellschaft von Kölnern und Astigianen, auch bei einzelnen Lom-
barden erhalten, er deckte ein Loch zu, indem er das andere öffnete*.
Er hatte als Pfand Zölle setzen müssen. Die Gesellschaft bestand aus
dem Ritter Johann Hardevust, dem Vicegrafen Gottfried und den
Astigianen: Andreas Ras teil us, Opicinus Gresverdus genannt Petrus,
Georg Asinarius und seinem Sohn Manuel, daneben erscheint einzeln der
Kölner Bürger Mascharus dictus Thomas de Rupe Lombardus Astensis
dyocesis und Petrus dictus de Wesalia Lombardus.
Die Kölner Erzbischöfe sind auch in späteren Zeiten oft tief ver-
schuldet gewesen. Erzbischof Friedrich von Saarwerden schuldete 1378
der Kurie allein nicht weniger wie 120000 Goldflorin*. Das Geld nahm
man aber jetzt bei den Juden oder den in Deutschland dauernd an-
gesiedelten Lombarden, wenigstens sind mir keine Dokumente bekannt
geworden, welche die alten Beziehungen zu den Florentinern belegten.
Ich habe die Beziehungen der Kölner Erzbischöfe zu italienischen
Gcldhändlem etwas eingehender dargestellt, weil das ziemlich reiche
Urkundenmaterial uns hier einmal eine deutliche Vorstellung gestattet.
Was wir darstellten, ist wohl ein etwas krasser Fall; doch bei näherem
Zusehen tauchen überall auf deutschem Boden Schulden gegenüber
Italienet*n auf.
Sehen wir uns zunächst die beiden anderen rheinischen Erzstifte an.
In Mainz folgten sich zwei Siegfried von Eppenstein auf dem erzbischöf-
ßtoldi oc aliorum omniuni'. Drei undatierte Urkunden eines Kopialbuches bei
Ennen, Quellen 3, 319 ff.
^ Regestum Clementis V. papae Nr. 866. 1306 März 21. Befehl an drei
Prälaten f den Erzbiachof zur Zahlung anzuhalten. Erlaubnis zur Aufnahme bis
6000 Goldguldeu. Mitteilungen 1 Nr. 668.
• Unsere Urkunden Nr. 429.
» Unsere Urkunden Nr. 430-37.
* Lacomblet 3, 718.
16*
244 Einundzwanzigstes Kapitel.
liehen Stuhle (1200 bez. 1208—30, 1230-49). In beiden Fällen wurden
bei der Erhebung Schulden gemacht. In geringerem Mafse 1208. Nach
einem Dokument des Kardinals von Albano hatte der Agent des Mainzers
von ^Gerardo Johannis de Nicoiao mercaion' Romano et Jacobo de Drudal^
mercatore BononiensU „so viel Geld erhalten" — wie der vorsichtige
Ausdruck lautet — , dafs er 150 Mark Silber Kölner Gewicht auf der
nächsten Messe zu Bar zu entrichten habe'*. Mit diesem Geschäfte dürfte
auch das folgende in Verbindung stehen. Eine Geldschuld bei den
römischen Kaufleuten Gcrardo, Andrea und Niccolo war nicht berichtigt
worden, diese wandten sich an den Papst, der Geistliche von Troye»
als Kichter bestellte. Diese stellten die Schuldsumme (pro sorie, dawpnis^
penis, lahorihus et expensis) auf 490 Mark Silber fest. Davon wurden
334 auf der Maimesse zu Provins bezahlt, der Rest sollte innerhalb eines
sehr kurzen Termines entrichtet werden^.
Um erheblich gröfsere Summen handelte es sich bei Siegfried IIL
von Eppenstein. Auch damals war von den Gläubigem die Kurie an-
gerufen, und ein Geistlicher des Sprengeis von Troyos war zum Richter
bestellt. Gläubiger waren ^Saxon Johannis Alherici Anglers et Johannes
fraires , der Erzbischof sandte zwei Vertreter nach Troyes. Hier kam
nun ein Ausgleich zu stände. Es sollten auf der nächsten Messe zu
Lagny 1000 Mark Sterling bezahlt werden, geschehe das nicht, so sei
von Messe zu Messe zehn Prozent zu bezahlen. Der Erzbischof mufste
aufserdem dann die Kosten ftlr zwei Kaufleute mit zwei Dienern und
zwei Rossen, sowie alle anderen Kosten tragen. Für die Zahlung wurde
(las Erzbistum zum Pfände gesetzt, und wenn man dann die Verzichte
auf Einreden und Rechtsmittel sieht, so sollte man glauben, dafs dem
Schuldner keine Möglichkeit geblieben wäre, sich der Zahlung zu ent-
ziehen. Er verzichtete vor allem auch auf die Ausnutzung von etwaigen
päpstlichen Indulten und erkannte ausdrücklich die Gerichtsbarkeit des
Dechanten von Troyes in dieser Sache an*.
Dieser Vergleich war in Aussicht auf den Ertrag der fünfprozentigen
Steuer auf die Einkünfte aller Pfründen der Mainzer Kirche eingegangen,
welche das im Juni stattgehabte Diöcesankonzil beschlossen hatte. Dazu
hatte sich der Klerus aber erst bereit finden lassen, nachdem der Erz-
bischof geschworen hatte, ohne Genehmigung des Domkapitels keine
Schulden mehr in Italien oder überhaupt jenseits der Berge zu machen
' Der Name dürfte sicher verlesen sein, auch sonst sind die italienischen Namen,
verderbt.
- Urkunde von 1209 bei Schunck, Beyträge z. Mainz. Gesch. S. 101.
^ Urkunde vom 29. Mai 1220 bei Schunck S. 104.
* 1238 Juli. Schunck 106.
Die westdeutschen Erzbischöfe als Schuldner. 245
und keine weitere Steuer zu verlangen. Jeder künftige Erzbischof solle
dieses Versprechen beschwören ^
Wenn nun auch dieser kräftige Beschlufs, der sofort im Bistum
Worms Nachahmung fand*, ähnliche Dinge, wie sie sich in Köln ab-
spielten, für lange Zeit unmöglich gemacht zu haben scheint, so waren
doch die alten Schulden nicht zur rechten Zeit getilgt.
Dafs nun zwei Sienesen — Renero Orlandi und Bernardino Pro-
«perini — und nicht die Römer als Gläubiger erscheinen, dafs die Schuld-
summe von 1000 auf 1150 Mark Sterling angelaufen war, hat wohl nichts
zu bedeuten. Der Zahlungstermin in Lagny war versäumt worden, nun
schickte der Schuldner seine alten Vertreter nach Provins, einen Teil
abzuzahlen, für den Rest aber sollten sie einen neuen Vergleich erzielen *.
Auch bei Römern — Älexius et Andreas fratres filii Petri Chintii
<le Lavinia und ihr Neffe Petrus — hatte der Erzbischof 1236 noch
Schulden; denn das Original eines Prokuratoriums dieser Geschäftsleute
für einen Vertreter, der die Ausstände in Frankreich, Deutschland und
England eintreiben sollte, kam im Original ins Mainzer Archiv*.
Aus späterer Zeit gehört noch hierher eine Schuld des Erzbischofs
Heinrich von Virneburg (1328 bez. 1337—1346 bez. 1353), der an Lapo,
Andrea und Filippo Bianchi von Florenz 2000 fl. auri zu zahlen schuldig
war*, und wegen einer Schuld von 10000 fl. auri bei Gherardo und
Francesco Davizi (oder Danzi), von der nur 6000 zurückbezahlt waren,
wurde 1331 der Erzbischof und seine Bürgen exkommuniziert^.
Reichlicher sind die Nachrichten für Trier. Unter den Beschuldi-
gungen, welche gegenüber dem Elekten Heinrich von Vinstingen (1260 —
1286), der seitens der Kurie ernannt worden war, vorgebracht wurden,
steht auch die, er habe bei Kaufleuten von Siena eine Schuld auf-
genommen. Der Rechtfertigungsurkunde Papst Gregors X. nach hat es
sich aber offenbar um folgendes gehandelt: Ein Sienese — offenbar ist
ein solcher gemeint — hatte sich erboten zu erwirken, dafs König Richard
die 20000 Mark, welche er Heinriclis Vorgänger, Arnold von Isenburg
(1242 — 59), zu geben versprochen hatte, nun ihm entrichte; für den
Fall, dafs das geschehe, sicherte Heinrich dem Vermittler eine Prämie
von 600 Mark zu. Der Einflufs von Siena blieb ohne Wirkung, der
1 Will, Regesten 2, 226. Annales Erphordenses M.G. SS. 16, 28. Vgl.
Gudenus, Cod dipl. 1, 525. Will sind leider die bei Schunck gedruckten Stücke
entgangen.
a Urkundenbuch von Worms (Boos) 1, 128 1234 (Sept.).
8 123.5 Mai. Schunck 110.
* 1236 Juni 23. Schunck 114.
^ Citation der Bürgen nach Avignon 1330 Sept. 17. Schunck 126.
« 1331 April 8. Schunck 200.
246 Einundzwanzigstes Kapitel.
Engländer zahlte nicht, und so war es gewifs ein starkes Stück, wenn
die Senesen mit Hilfe der Kirche diese Prämie von dem Trierer zu er-
pressen versuchten. Gregor X. wies sie zurück ^
Über den langwierigen Streit Heinrichs mit seinen Gläubigem unter-
richten eingehender die Gesta Treverorum^ aus dem für Heinrich aufser-
ordentlich ungünstigen Bericht interessiert uns hier vor allem, dafs im
Verlaufe desselben von Trier aus das Gerücht verbreitet wurde, Heinrich
wolle die ganze Schuld durch römische Kaufleute, welche bei ihm in
Trier weilten, abtragen, was sich aber bald als eine Finte herausstellte '.
Dem Anfang der Regierung Heinrichs gehört eine andere Papsturkunde
an, nach welcher Heinrich bei Petrus Bcnencasa und Dinus Perini von
Florenz 2000 Mark Sterling für eine Zahlung an die päpstliche Kammer
erhoben hatte, er sollte die Summe an die in Frankreich sich auf-
haltenden Gesellschafter von Bonaventura Bemardini und Orlando Buon-
signori aus Siena entrichten^.
Erzbischof Boemund von Warnsberg (1286 bez. 89 — 99) verdankte
seine Ernennung Papst Nikolaus IV., an dessen Kurie er wie sein aus
der zwiespaltigen Wahl hervorgegangener Gegner sich begeben hatte*.
Die Kosten des Prozefsverfahrens dürften vor allem durch eine Schuld
gedeckt worden sein, welche er bei der Gesellschaft der Chiarenti
von Pistoja aufnahm. Die Höhe der Schuld erfahren wir leider nicht.
Dieses Mal nahm die Angelegenheit einen eigentümlichen Gang. Der
Erzbischof zahlte nicht und wurde durch die den Kaufleuten gegebenen
Exekutoren exkommuniziert. Der Erzbischof, nach Rom vorgeladen,
erschien nicht, Kardinälen antwortete er, er komme, aber drei Jahre
verstrichen. Dieselbe Gesellschaft hatte aber in Deutschland unter Erz-
bischöfen, Bischöfen, Abten, Prioren, Pröpsten, Dechanten, Erzdiakonen
und anderen Dignitären Schuldner, es erschien ihr auch bei den
schwierigen Wegen und dem verschiedenen Wohnsitz ihrer Schuldner
sehr schwer, dort ihr Recht zu verfolgen, sie bat den Papst, er möchte
ihnen einen geeigneteren Ort vorschlagen, wo sie ihr Recht suchen
könnten. Wirklich bestimmte Bonifaz VIII. dazu Mailand, der dortige
Erzbischof erhielt den Auftrag, über diese Schuldklagen: j^usuris onmmo
eessantibuS'^ zu entscheiden. Auch der Citation des Mailänders folgte
Boemund nicht, er wurde dafür exkommuniziert. Da baten die Kauf-
1 Guiraud Nr. 90 1272 Oktober 25 und die Angaben zu Kaltenbrunner,
Mitteilungen aus dem vatik. Archive 1 Nr. 21 u. 22. Weiteres Material er-
giebt sich aus Böhmer-Ficker-Winkelmann.
« M.G. SS. 24, 427, 30.
> Sbaralea, Bullarium Franciscanum 2, 436. Potthast 18 250 u. 18520.
* Mitteilungen 1 Nr. 335 Ernennung vom 29. März 1289. Sein Gegner
wurde am gleichen Tage zum Erzbischof von Mainz ernannt.
IK Italiener als Gläubiger deutecher Pr&lateu. 247
Hte: icwm nuUus ad partes illas propier viarum discrimina gravia et
^mdem archiepiscopi Treverensis potentiam secure valeat se confetra, der
^nt möge eingreifen, und Bonifaz citierte nun den Erzbischof vor sich,
^■rhalb drei Monaten solle er erscheinen*.
^H Seinem Nachfolger, dem zehn Monate später vom Papste ernannten
K>ischofe Dietrich von Nassau (1300—1307) gestattete Bonifaz VHI.,
B^ Schuld bis zur Hohe von 2000 Mark Silber {= 10000 päpstlichen
IfSimmergulden) aufzunehmen. Wer den Löwenanteil davon erhielt, geht
aus einer pJIpstlichen Kameralnotiz hervor; denn die Vertreter des Erz-
biäcLfifa muJäten sich verpflichten, das Servitium commune mit 1400 Mark
Silber {= 7000 Kammergulden) und die beiden servitia minufa mit 86 Mark
Silber (;= 430 Kamm'ergulden) für die Kammer an das Bankhaus der
Chiarenti von Pistoja zu zahlen, was geschaht Diesem Erzbischofe
folgte Balduin von Luxemburg (1307—54), ihm gestattete Clemens V.
1308 die Aufnahme von 10000 Pfund Turnosen».
Zweiundzwanzigates Kapitel.
Italiener als Olftnbiger deutscher PrSlaten.
Römer: Utrecht, Ch«r, SL GaUen, Worms, Magdeburg, Strafsbvrg, Metn hmiJ
UtrecM. Stnesen: Metier Klöatef, Siüzhurg, Pasiau, Bamberg, Segensburg, Lausanne,
Murbach. Bankfirmen. I^ge und Geschichte von Siena in der Zeit engster Verbindung
mit iler Kurie. Ghibellinen utul Gueiftn. Bäclgang seit J3?0- Florenz. Einzelne
Schultlner. Tabelle der Schiddenerlaubtiisse. Pina, Pistoja, Piacema, Mailand.
Die Nachrichten, welche ich fUr Bistümer und Klöster gesanomelt
habe, mögen nach der Heimat der Gläubiger geordnet folgen. Bisher
lernten wir Römer, Senesen, Florentiner und Pistojesen kennen.
Rom. Zuerst im Jahre 1204 kommen meines Wissens rOmische
Kaufleute als Gläubiger eines deutschen Bischofs vor. Bischof Dietrich
von Utrecht (gest. 1199) hatte zu Zeiten des Papstes Cöleatin lU.
(1191 — 98) oder auch schon Clemens' HL eine Summe von 1250 Mark
Silber geliehen. Seine Gläubiger waren: iParentiua, Ja. de Tosto, J.
Petrinius, et Belushomo Romani cives, Alexius VincecasM et Qamelottus
mercatores Senenses et eontm socii^. Innocenz III. hatte den Nachfolger
des Schuldners, Bischof Dietrich von Are (1199 — 1210) öfters gemahnt,
die Gläubiger hatten neue Termine gestellt, ein päpstlicher Legat hatte
den Bischof exkommuniziert. Alles fruchtete nichts. Der Papst wandte
sich endlich an den Bisehof von Lattich; er solle den säumigen Schuldner,
' Digard, Faucon et ThomaB Nr. 2989. 1299 M&rz 15.
3 Vgl. Sauerland in den Anualen d. bist Vereius f. d. Niederrhein 68, 21
und (He Beilagen Nr. 9 u. 10 S. 42f Mitteilungen 1 Nr. 492.
' Mitteilungen 1 Nr. 777.
248 Zweiundzwanzigstes Kapitel.
wenn er nicht bis Jahresfrist in Ypern seine Schuld i^usuris omnino
cessaniibusr bezahle, exkommunizieren , und die Gläubigen sollten ihm
nicht mehr gehorchen*.
Der uns als Gläubiger des Erzbischofs Dietrich von Köln vom
Jahre 1213 bereits bekannte römische Kaufmann Johannes de Romano
Deuteguarde hat — was wir bei römischen Kaufleuten von vornherein
als eine Seltenheit ansehen dtirfen — auch einmal die Alpen tiber-
schritten, er hatte dem Beamten des Bischofs von Chur seinen Zoll
bezahlt, gleichwohl wurde er ausgeplündert und erlitt einen Schaden von
1 40 W ^ [Proveniensiuw] de senaiu. Papst Honorius III. erhielt von dem
Bischöfe von Chur das Versprechen, dafs, wenn nicht der Kaiser selbst den
Schaden ersetzen werde, er oder seine Kirche das thun werde ^.
Rudolf von Güttingen, von 1219—1226 Abt von St. Gallen, von
1222 — 26 auch Bischof von Chur, hatte, als er als Abt in Italien weilte
(ako zwischen 1219 und 22), in der Lombardei bei Kaufleuten von Rom
und Siena 270 Mark Silber, dann in Rom selbst noch 280 Mark Silber
aufgenommen oder wenigstens tiber eine solche Summe einen Schuld-
brief ausgestellt. Die Bezahlung blieb aus, die Kaufleute wandten sich
an den päpstlichen Stuhl, der den Bischof Heinrich von Bologna mit
der Erledigung des Streitfalls betraute. Am 1. Mai 1230 kam es auf
deutschem Boden (wohl in St. Gallen selbst) zu einem Vergleiche zwischen
Konrad von Bufsnang^, dem neuen Abte von St. Gallen, und dem Kon-
vente einerseits und Ubberto Guidonis Bachi von Siena, der als Bevoll-
mächtigter der Kaufleute auftrat. Das Kloster verpflichtete sich, die
Hälfte der Summe drei Wochen vor Weihnachten — also zur Winters-
zeit — in Como, die andere Hälfte zu Martini tiber ein Jahr zu be-
zahlen. Vor dem Bischöfe von Bologna, zu dem der Kaufmann und
Wemher als Vertreter des Klosters sofort reisten, wurde der Ausgleich
am 25. Mai bestätigt^.
Aber auch er wurde nicht gehalten. Mir ist es wenigstens nicht
zweifelhaft, dafs die Quittung, welche der römische Bürger Paulus
Soguatarius erst Ende September 1239 zu Troyes als Vertreter »Bobonis
Johannis Boboniss römischen Bürgers, dem Domherr Rudolf von Basel
und Rudolf dem Spender vom Kloster St. Gallen für dieses ausstellte*,
den Absehlufs des Streites bedeutet. Die Summe war von dem Kardinal-
diakon Richard von S. Angelo im Januar 1239 auf 284 Mark Sterling
' Br^quigny, Diplomata 2, 1, 413.
2 Hernoulli, Acta jioiitif. Helv. 1, 98.
^ Sein Vorgänger war au der Kurie gestorben und im Lateran begraben.
* AVartmann 3, 81. Vgl. auch Conradus de Fabaria in den Mitteil. z.
Gesch. des histor. Vereins St. Gallen 17, 196 u. 229.
«^ Ebda. 3, 94.
Italicner als Gläubiger deutscher Prälaten. 249
gesetzt worden. Unter der Voraussetzung, dafs die zweite Zahlung zu
Como unterblieben wäre, würde die Summe von 284 — 250 = 34 Mark
die Erhöhung flir die Kosten bedeuten, welche die Eaufleute für das
Mahnen u. s. w. gehabt hätten. Diese waren ausdrücklich seiner Zeit
den Schuldnern vorbehalten, der Kardinal hätte aber nicht die Verzugs-
zinsen anerkannt, welche, wie bei diesen Geldhändlern es üblich war,
zehn Prozent für den Monat betrugen. Von Martini 1231 bis Januar
1239 waren 85 Monate verstrichen, die Verzugszinsen hätten sich dem-
nach auf 2125 Mark belaufen dürfen.
Ein Wormser Bischof, wohl Heinrich II, Graf von Saarbrücken,
war bei dem Römer Matheus Widonis Marroni und Genossen eine
Summe von mindestens 1620 Mark Silber schuldig geworden. Da die-
selbe nicht beglichen wurde, erhielt der Erzbischof Siegfried von Mainz
von Papst Honorius III. den Auftrag, alle Einkünfte der Kirche von
Worms nach Troyes abzuführen ; nachdem aber bekannt wurde, dafs das
bei der Kargheit der Einkünfte viele Jahre dauern müsse, wurde dem-
selben der Befehl zugeschickt, die Schuldsumme bei der Geistlichkeit
wie beim Volke von Stadt und Diöcese Worms zu erheben, unter An-
drohung der Exkommunikation sollte er erwirken, dafs innerhalb drei-
viertel Jahr die Summe, in die 430 bereits gesammelte Mark ein-
zurechnen seien, an sicherem Orte den römischen Kaufleuten zur Ver-
fügung stehet Es kam zur Exkommunikation, welche aber Klerus
und Laien verachteten. Ein neuer Befehl erging, die Exkommunikation
streng durchzuführen^. Ob es gelang, und ob der Römer wieder zu
seinem Gelde kam? Jedenfalls war nach diesen Wirren es dem Kapitel
nicht zu verdenken, wenn es nach dem Vorbilde, das kUrz vorher Mainz
gegeben hatte, beschlofs, keinen zum Bischof zu wählen, der nicht er-
kläre, dafs er niemals ein Darlehen von römischen oder italienischen
Gläubigern nehmen werde, welche auf Urkunden Geld zu leihen
pflegten^. Gleichwohl hat Bischof Landulf seinem Boten an die Kurie
eine Vollmacht mitgegeben, auf seinen und der Wormser Kirche Namen
eine Schuld, allerdings nur bis zur Höhe von 30 Mark Silber auf-
zunehmen*.
Aus welchem Grunde die Stadt Magdeburg durch ihren Pro-
kurator den Propst von Lüttich bei Bonamra, Jacobus et Paulus Subectarii
' Boos, Quellen z. Gesch. d. Stadt Worms 1, 101. Urkunde vom 8. Juli 1225.
2 Ebda. 102 vom 4. Juni 1226.
3 Ebda. S. 128 z. J. 12;^.
* Bibl. des litter. Vereins 16. Höfler, Albert v. Beliam S. 117 o. D. Der
Bischof verpflichtet sich in rerbo reritaU's sacerdocii ac jurnwenti , er will auch für
die damna, expensae und intercsse aufkommen.
250 Zweiundzwanzigstes Kapitel.
cives Romani eine Schuld aufgenommen hatten, ist nicht so gleich er-
sichtlich *.
Auf Kosten der Bestätigung dürfte aber wiederum die Schuld von
600 Mark zurückzuführen sein, welche der Bischof Heinrich (von Stahleck)
und das Domkapitel zu Strafsburg dem römischen Bürger Saxo
Johannis Alberici schuldeten und deren Rest sie bis auf eine winzige
Summe in Sens zahlten. Die Urkunde trägt neben den Siegeln zweier
geistlichen Würdenträger noch heute das Siegel des römischen Kauf-
manns ^.
Über 60 Jahre lang können wir in den Papstregesten die Schulden
der Bischöfe von Metz bei römischen Kaufleuten verfolgen, ohne dafs
wir freilich die Entstehung der Schuld, wie das Zusammenlegen der-
selben genau klarlegen können, die Spruchbriefe der Kardinäle fehlen
eben und sind nur durch kurze Auszüge uns überliefert. Wie es scheint,
ist die erste Schuld schon vor 1221 entstanden, weitere, als 1224 Johann
von Aspremont von Verdun nach Metz transferiert wurde und sich im
neuen Bistum einrichtete. Die Metzer Kaufleute hatten übrigens viel
mehr zu beanspruchen, als die Römer und Sienesen. Als die Bistums-
einkünfte den Gläubigern zugewiesen wurden, erhielten die Italiener
ein Drittel, die Metzer zwei Drittel. In den Tagen des Bischofs Jakob
von Lothringen (1239—60) wurde die Schuld auf 13000 Mark Sterling
festgestellt, von denen jährlich 1000 Mark abgetragen werden sollten;
doch das geschah nur dreimal , nach vier Jahren starb Bischof Jakob.
Über die Schuld wurde nun viel verhandelt, bis endlich 1286 Papst
Honorius IV. im Interesse der arg verschuldeten Metzer Kirche, der er
drei Jahre zuvor Burchard Graf von Hennegau zum Oberhaupte gesetzt
hatte, eine Abzahlung in Raten von 500 Mark Sterling, welche sich also
auf zwanzig Jahre ausdehnen mufste, festsetzte. Aus diesem Entscheide
können wir erkennen, dafs von 1253 bis 1286 keinerlei Zinsen zur Be-
rechnung kamen. Ob in der Summe von 13000 Mark solche versteckt
sind, läfst sich nicht ermitteln*.
1 Mon. Germ. Ep. s. XIII 1, 636 1239 März 1.
a Strafsb. Urkb. 1, 237. 14. Juni 1247. Die Strafsburger Bischöfe kannten
die Champagner Messen genau. In Troyes oder Paris sollte König Richard dem
Bischof Walther Zahlung leisten. Schöpflin, Als. dipl. 1, 431.
• Vgl. Wieg and, Vatikanische Regesten z. Gesch. d. Metzer Kirche im JahrK
d. G. f. lothring. Gesch. 4. Bd. Nr. 22 (1221 ungen. Senesen geben 140 M.), 31 (1227),
32 (1229, Schuldenlast 7500 M. S.), 33, 35, 42 (1237, Angelm Romani de Sposa und
andere Römer, Summe: 3891 M. Silber), 43 (1237, Jurenalis Manndti civ. Boviu
2800 M. St.), 44 — 48 (Exkommunikation des Bischofs), 49 — 51. Vgl. vor allem auch
Prou Nr. 462. Nebenbei erwähne ich, dafs das Kloster Gorze einen Metzer Dom*
herm beschuldigte, ohne Auftrag in ihrem Namen und für sich bei Kaufleutcn von
Siena Geld entliehen zu haben (es scheint 1400 U\ Wiegan d Nr. 41. AVeitorhin
Italiener als Gläubiger deutscher Prälaten. 251
Spätlinge unter den römischen Geldhändlem begegnen uns unter
Bonifaz Vni. Bischof Wilhelm von Utrecht fand Kredit bei Octavian
Callicobonus (Callicboconi) für 1500 Goldgulden und bei Petrus Julian! Por-
carii und Petrutius Andree VezoH für 100 €6 kleiner Tumosen. Callicobonus
wurde, wie gewöhnlich, nicht rechtzeitig befriedigt *. Die Hauptgläubiger
des Bischofs Wilhelm waren für 3000 €ß kleiner Tumosen die Gesell-
schaft der Alfani von Florenz geworden, daneben zwei Pisaner
Francesco Donati und Baccimeo Cavalosari für 500 Goldgulden ^.
Siena. Schon unter den Kölner Urkunden hatte ich mehrere
Sieneser aufzuführen. Zu den ältesten Sieneser Geschäftsurkunden dürfte
eine jüngst von Sauerland veröflFentlichte gehören, worin ein Vertreter
von neun Benediktinerklöstem des Metzer Sprengeis zur Bezahlung
des Zwanzigsten an die päpstliche Kammer von Altavilla Boncompagno
Aldemaris und Guido Picolinus und ihren Genossen von Siena so viel
Geld aufnimmt, dafs die Klöster auf der nächsten Maimesse von Provins
323 Mark neuer Sterlinge zu entrichten haben*.
Auch der vierte der ältesten deutschen Erzbischofsitze fehlt unter
den Schuldnern italienischer Kaufleute nicht. 1266 schuldete der Erz-
bischof von Salzburg dem von uns schon häufiger erwähnten Seneser
Bankhause des Bonaventura Bernardini 4000 Mark Silber*.
Eine Vereinigung von Römern und Senesen — genannt werden
Jacobo Scarso, Radulfo Alexii, Cinthio Stephani Philippi, Angelo Johanne
Elperini, Massario, Bonaventura Lupelli, Capo Nigro, Turdo Clarmon-
will ich die Schulden der Metzer Kirche nicht verfolgen. Ich erwähne Jordan,
Reg. Clem. IV. Nr. 796 (1266 Dez. 2. Anweisung an den Offizial von Troyes, er
solle sorgen, dafs der Bischof von Metz seine Schuld von 5000 ü Tumosen bei
Bonaventura Bcmardini und Genossen von Siena bezahle). Digard, Faucon u.
Thomas, Reg. Bonifaz VIII. Nr. 447^ {Licentia cantrahendi 1600 fl. auri, die nach
502 bei der societas Canisianorum von Florenz erhoben wurden), Nr. 559 1295
Okt. 21, 1997 1297 (bei römischen Kaufleuten). Mitteil. 1 Nr. 515 (Licentia contra-
hendi 8000 //. nuri 1302 Dez. 28).
» Digard, Faucon u. Thomas, Registres Bonifaz' VIII. Nr. 951 {Licentia
contraheitdi für 4000 U kl. Tumosen), 992 (Schuld bei Petrus und Petmtius), Mitteil.
1 Nr. 491 [Licentia 5000 Goldgulden), 509, 565 u. 648 (Streit mit Callicobonus). Calli-
cobonus war 1306 auch Gläubiger des Bischofs von Cambray. Mitteil. Nr. 663,
ebenso des Bischofs von Lüttich, Reg. Clementis papae V. Nr. 378.
2 Reg. Bon. VIII. Nr. 1062 u. 1063. Nebenbei erwähnt hat auch Friedrich II.
bei römischen Kaufleuten Darlehen erhalten. Böhme r-Ficker Nr. 2515, 2533,
2561 u. 2731.
* Sauerland, Eine Urkunde der Camera apostoUca vom Jahre 1218 in der
Festschrift zum Jubiläum des dtschen Campo Santo in Rom S. 150. 1218
April 7. 1222 lieh Alice Herzogin v. Bourbon bei Sienesen eine bedeutende Summe.
Petit 4, 201.
* Jordan Nr. 794.
252 Zweiundzwauzigstcs Kapitel.
tensi (die beiden letzten sicher Senesen) — hatte dem Bischof Gebhard
von Pas sau und seinem Kapitel Geld vorgestreckt, das zu Bologna
zurückzuzahlen war. Auch in diesem Falle blieb die Schuld unbeglichen
und das veranlafste Papst Gregor IX. einzugreifen; der Zahlungsbefehl
an den eben erwählten Nachfolger enthält die bemerkenswerte Klausel,
zu zahlen sei das geliehene Geld: *cum justis et nwderaUs expensis ac
debita restauratione damnorwnj usuris omnino cessantibus^ ^. Die
Notlage der Passauer Kirche zwang 1237 -den Bischof Rüdiger, wichtige
Besitzungen derselben an Kaiser Friedrich als Pfand abzutreten, welcher
1400 Mark Silber bar vorschofs^.
Auch ein anderer dem Südosten Deutschlands angehöriger Biscliof,
der von Bamberg, hatte bei Seneser Kaufleuten Schulden*, der von
Kegensburg wurde gar wegen einer solchen Schuld gebannt*.
In den Westen ftihren uns wieder zwei andere Urkunden. Ein
kleines Darlehen von 30 Mark Silber hatte ein Prokurator des Bischofs
von Lausanne bei Rolandus Bonsignoris, Bonaventura Bernardini und
ihren Genossen erhalten'*.
Weit erheblicher war die Schuld des Abtes von Murbach gegen-
über den Tolomei von Siena, und während fast alle bisherigen Nach-
richten auf das Eingreifen des Papstes in die Regelung des Schuld-
verhältnisses zurückgehen, haben wir hier nun einmal eine ganz andere
Quelle. Aus den Jahren 12G2, 1265 und 1269 sind uns drei von den
Messen der Champagne her an die anderen Glieder der Gesellschaft der
Tolomei gerichtete, in italienischer Sprache geschriebene Berichte des
Andrea de' Tolomei erhalten, welche einen vortreflFlichen Einblick in die
Geschäftsthätigkeit des Hauses gestatten®. Sie handelten mit Pfeffer,
Wachs, Wolle und Tuchen, machten aber auch erhebliche Geldgeschäfte,
Kirchen und Klöster von Langres, Soissons, Troyes, Dijon werden uns
1 Auvray 1, 814 f. Zwei Urkunden vom 11. Juli 123:3.
" Böhmer-Ficker Nr. 2274.
« M.G. Ep. 8. XIII 1, 510.
* Die Gläubiger heifsen in dem Notizenbuche des Passauer Declianten Albert
Beham: ^Rainerii, Orlandi, Bartholi, Leonis, Theoderid, Calqx(ernii\ Urnii, cirium et
niercatonim Senensium». Der Papst hatte, wie so oft, einen in der Champagne
wohnenden Geistlichen, einen Domherrn von Troyes mit dem Verfolg der Angelegen-
heit betraut, der drei Äbte wirklich nach Troyes vorlud, ßiblioth. des liter.
Vereins 16. Höfler, Albert von Beham S.S. Ich habe eine Keihe von Urkunden
gefunden, wo in gleicher Weise Geistliche der Champagne beauftragt wurden ; offen-
bar sollte auch in diesen Fällen die Abwicklung der Angelegenheit auf einer der
Champagner Messen erfolgen.
» Bernoulli, Acta pont. helv. 1, 357. Päpstl. Mandat 1253 März 31.
• Lettcre volgari del secolo XIII scritti da Senesi, publicate da Cesare
Paoli e £uea Piccolomini in Scelta di curiositu letterarie. dispensa 116.
Italiener als Gläubiger deutscher Prälaten. 253
als Schuldner genannt. Im Jahre 1263 war die Lage der Senesen auf
den Märkten recht gefkhrdet.
Wegen der ghibellinischen Haltung war über Siena die Exkommuni-
kation verhängt, und nun wollten die Schuldner natürlich nicht bezahlen,
ja noch mehr, der Faktor befürchtete, dafs der Papst ein Mandat erlassen
werde, man solle die Senesen an Habe und Gut fassen, wo man sie finde,
was willig in der Champagne werde befolgt werden. In Voraussicht
solcher Dinge hatten sich die klugen Tolomei übrigens mit Kaufleuten
von Parma verbunden, unter deren Namen die Waren von Siena gingen.
Wenn Andreas Bericht so viel Unangenehmes enthielt, so war der
Schlufs erfreulich. Er handelte von den Schulden des Klosters Murbach,
worüber eine neue Abmachung getroflFen war. Die Schuldsumme, von
der übrigens die Tolomei nur einen Teil besafsen, belief sich nunmehr
auf 1700 Mark Sterling, sie sollte in Zukunft durch kleine Ratenzahlungen
auf den Messen zu Bar-sur-Aube und Troyes abgetragen werden. Ein
neuer Brief war seitens des Klosters abgefafst worden und eine Rate
auch an den Mandatar der Schuldner bezahlt*. Weiteres wissen wir aus
italienischen Quellen nicht, die deutschen ergänzen sie. Die reiche
elsässische Abtei Murbach war schon längere Zeit sehr verschuldet^, als
einen Verschwender bezeichnen die Kolmarer Dominikaner aber gerade-
zu den Abt Berthold von Steinbronn (12üO— 1285), eben den, auf den
unsere Stelle sich bezieht®. Die Schuldenlast, welche auf dem Kloster
ruhte, gab endlich die Veranlassung zu dem Verkaufe von Luzern an
die Habsburger (1291), von dem an anderer Stelle gehandelt ist*.
Es wäre nun nicht ohne Interesse, zu wissen, wie die Geldgeschäfte
sich auf die grofsen Bank- und Geschäftshäuser von Siena verteilen.
Allein wir sind über diese vorläufig noch viel zu wenig unterrichtet.
In den vorgehenden Erörterungen sind uns auch die Namen der Tolomei,
Piccolomini und Salimbene vorgekommen, welche mit den Cacciaconti
* Die Stelle lautet: La dtta di Morbadio de Ja Magnia si find in setecie^ito mar,
di sitrlino, a pagarne vinti mar, ne la fiera di Bari sessanta e due, e vinti mar, ne la
fiera di Treseto aircso; e in ogvie Bari e in ogni Treseto tHnti mar., infino que saremo
paghati. E dei deti mar. dovemo servire trenta e quatro mar, de le primaie tre paghe^
fVognie pagha il terzo. Et avenne letare nuove choi loro sugitli ed äle ser Buonadota
a teuere e letera di richonoscienza chol swjielo del diano di Sä* Stefano di Tresi nostro
giudide; e le letare vechie si ä a tenere Andrea Ispinegli per li Picholuomini, E sapiat^
que'l deto ser Buonadota si richolse la j)rima pagha que si fecie in Bari pasato, ed
ano sodisfato le dispese. E rimanente si ritiene infino a Treseto presente, perciö que
se la pagha del deto Treseto no si faiese, qued eli vi posa dispendare di quela muneta
se misticre fuse^. S. 47 f.
2 Schöpflin, Als. dipl. 1, 392.
8 Vgl. Gatrio, Die Abtei Murbach 1, 309 ff.
* S. oben S. 180.
254 Zweiundzwanzigstes Kapitel.
und Malavolti die vornehmsten Geschlechter der Bergstadt waren. Ein
Andrea de'Tolomei weilte als Prokurist seiner Gesellschaft in der Cham-
pagne und machte von dort Reisen nach Flandern und England. Man
siehtf dafs hier auch die vornehmsten Geschlechter am Handel beteiligt
waren.
Die Namen und Gesellschaften, welche wir zu erwähnen hatten, sind
nur ein kleiner Bruchteil von denen, die im Auslande Handel trieben.
Als 1262 die Exkommunikation auf Siena ruhte und den Handel der
Senesen im Auslande bedrohte, söhnten sich einzelne Handelshäuser mit
der Kurie aus. Die Listen * sind doch für uns von Wert. In den Notizen
sind diejenigen Gesellschaftsmitglieder, welche in oder bei Siena weilten,
von denen getrennt aufgeführt, welche in Francia oder überhaupt im
Auslande den Geschäften nachgingen. Die Zahl jener beläuft sich auf
85, dieser sind 23!
Siena lag vom Meere entfernt im Gebirge, gleichwohl sah die hoch-
gelegene Stadt, deren gotische Paläste uns noch ihre Blütezeit lebhaft
vor Augen führen, manche Warenzüge, noch mehr aber Reisende und
Pilger. Führte doch eine vielbegangene Strafse auch oft unsere Kaiser
und Heere hierher, wenn sie von Lucca über die Arnobrücke bei
Fucecchia, Castel Fiorentino, Poggibonsi, Siena, San Quirico durch die
Engen von Radicofani, Acqua pendente, Bolsena, Viterbo und Sutri nach
Rom zogen oder wenn sie von Bologna her über Florenz und Poggibonsi
diese Strafse gekommen waren. Aber weder die Lage, noch eine alte
Tradition begründet allein die Blüte der Stadt, sondern die Kühnheit,
Thatkraft und der weite Blick seiner Bürger des dreizehnten Jahr-
hunderts , welche , durch die Bedürfnisse und den Export der eigenen
Wollenindustrie veranlafst, ins Ausland gingen und dort einen schwung-
haften Warenzwischenhandel — wie es scheint — vor allem auf der Linie
Italien -Champagne -London und daneben Geldgeschäfte aufserordentlich
grofsen Umfanges betrieben.
Zuerst die Konkurrenten der römischen Kaufleute, waren sie ihnen
bald überlegen und schoben sie auf die Seite, freilich geschah auch ihnen
bald dasselbe und zwar von ihren Nachbarn von Florenz. Den Grund
dieses Übergangs glaube ich in den politischen Geschicken beider Städte
sehen zu müssen. Es ist hier freilich nicht der Ort, die Kämpfe der
Ghibellinen und Guelfen in Tuscien, das Eingreifen König Manfreds,
KatIb von Anjou und Konradins zu schildern. Doch mufs ich einige
Punkte ausführen.
Wir werden später sehen, dafs die Geschäftsverbindung der italie-
nischen Bankiers mit der deutschen Geistlichkeit darauf beruht, dafs die
» Vgl Dorez et Guiraud S. 69—71. 1262 Dezember.
Italiener als Gläubiger deutscher Prälaten. 255
Kurie durch ihre Censuren den Darleihern das Kapital verbürgte. Die
Bankiers, welche diese Art von Geschäften betreiben wollten, mufsten
Anhänger der Kurie sein und der wechselnden Politik derselben folgen.
Wenn einmal die Regesten der Päpste völlig vorliegen, wird mit voller
Klarheit hervortreten, welch ungeheuren Einflufs sie auf diese Weise
auszuüben imstande waren. Jede Exkommunikation einer Stadt bedrohte
am stärksten die Bankiers, sie mufsten, wenn sie die Herrschaft nicht
gewinnen konnten, aus der Stadt sich entfernen. Die Bankiers waren
von der Kurie weit abhängiger, als irgend eine andere Schicht der
städtischen Bevölkerungen.
In Siena stützte sich die ghibellinische Partei im wesentlichen auf
den Popolo der Arti, die Guelfen hatten ihre Anhänger vor allem unter
dem Adel und unter den reicheren Bürgern, den Bankiers. In Florenz
war umgekehrt der Adel ghibellinisch , das Volk, dessen Macht immer
zunahm, guelfisch. Durch die Schlacht von Montaperto (4. September 1260)
wurden die Guelfen aus Florenz vertrieben, es begann die siebenjährige
Herrschaft der Ghibellinen. Die Guelfen Toscanas wurden im wesent-
lichen auf Lucca beschränkt. Die Guelfen Sienas waren bis dahin in der
Stadt verblieben, trotzdem die Herrschaft in den Händen der Ghibellinen
lag. Die Lage der weliischen Bankiers wurde aber eine ganz andere,
als am 18. November 1260 Alexander IV. über Siena das Interdikt ver-
hängtet Jetzt war das Gut der Sienesen, das auf dem Transport aufser-
halb war, aufserordentlich gefährdet, wir haben schon oben gesehen, wie
die weifischen Tolomei ihre Waren als Parmesaner deklarierten. Die
Auswanderung der Guelfen aus Siena begann, sie wurde stärker, als
Papst Urban IV. am 5. Januar 1263 den Auftrag gab, den Bann in
Frankreich, Deutschland und sonst zu verkündigen und den Schuldnern
zu verbieten, ihre Schulden zu zahlen, bevor die Gläubiger sich der
Kirche unterworfen hätten^. Die Kaufleute begannen sofort zu stutzen
und unterhandelten mit dem heiligen Stuhle, bei einem guelfischen Auf-
stand waren die Kaufleute beteiligt, und auch viele, die bis dahin der
ghibellinischen Partei angehört hatten, verliefsen nun die Stadt Nicht
die Überzeugung entschied, sondern das Interesse*.
Schon oben habe ich der Urkunden gedacht, worin Papst Urban IV.
einzelne ausgewanderte Senesen von den gegen die Stadt ausgesprochenen
^ Die Sententia excommunicationis in Bulletino senese di storiapatria 4, 105.
Die Censuren, welche am 23. März 1259 verhängt worden waren (Posse Nr. 164),
scheinen nicht besonders gewirkt zu haben.
* M.G. Epist. saec. XIII, 494. Vgl. auch Patetta, Bulletino senese
4, 340 f.
' Jordan in Compte rcndu du quatriöme congrös scientifique international des
catholiques. Sciences historiques 250. Vgl. jetzt auch Gottlob, Darlehenschulden 681.
256 Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Censuron betreito. Unter ihnen waren Petrus et Andreas Chrisiofori^
Guillelmus d Meus Raynaldi, eorum nepotes, sowie die im Auslände
weilenden Teilhaber ihrer Gesellschaft Minus Christofori, Frulericus
Doni^ Tebaldus Alteville et Andreas Cristofori^\ es sind unzweifelhaft
die Glieder der Gesellschaft der Tolomei ^. Pietro, der Sohn Cristofahos,
Meo, der Sohn Ranaldos, sowie Meo, der Sohn Incontratos und ein wohl
nicht den Tolomei angehöriger Ranerio, Sohn des Turchio, wurden aber
in Siena festgehalten und erst aus dem Geftlngnisse entlassen, nachdem
sie der Stadt und König Manfred den Treueid geleistet, sowie drei junge
Glieder der Familien als Bürgen gestellt hatten^. Selbst die stolzesten
und reichsten der Ghibellinen, die Salimbene, die übrigens damals einen
Faktor hatten, der auch für Deutschland Vollmacht besafs*, unterwarfen
sich der Kurie und verliefsen die Stadt*.
Die sienesischen Guelfen zogen sich nach Castello della Pievc, einem
zwischen Chiusi und Orvieto gelegenen Orte zurück. Pietro de Tolomei,
der also schwerlich seinen Eid gehalten hat, und Notto, ein Salimbene,
waren 1265 ihre Capitanei, sie wollten damals sich aber ein einziges
Haupt geben*. Die glänzende Stellung der Ghibellinen in Tuscien wurde
durch die Niederlage Manfreds bei Benevent (26. Februar 1266) und
seinen Tod gebrochen. Der von Papst Urban herbeigerufene Karl von
Anjou, nunmehr Herr des Königreichs Sizilien, gab den Guelfen einen
starken Rückhalt.
Siena beugte sich dem Papste, am 17. Mai 1266 nahm Clemens IV.
die Sentenzen zurück, aber die Versöhnung war nur eine halbe: die
Guelfen blieben draufsen, die intrinseci stürzten die Behörden und setzten
sich scharf ghibellinische, die die Einhaltung des päpstlichen Schieds-
* Es handelt sich um vierzehn Kanfmannsgesellschaften. 1263 Jan. 5. Dorez
u. Guiraud S. 69 — 71. Die Geaellschaft der Buonsignori und ßernardini hatte
Urban IV. von der Exkommunikation ausgenommen, Clemens IV. erneute das am
28. Febr. 1265. Potthast 19040. Martine 2, 102.
ä Paoli u Piccolomini haben in den Lettere volgari drei Briefe dieser
Firma veröffentlicht: Brief Andreas vom 4. Sept. 1262 von Troyes, Brief desselben
vom 29. Nov. 1265 von Troyes, Brief desselben vom März 1269 von Bar-sur-Anbe
an die in Castello della Pieve weilenden Genossen. Die beiden letzten Briefe trafen
ihre Adressaten also im Exil. Von den in der Papsturkunde genannten erscheinen
in dem ersten Briefe z. B. Mino ilomini Cnstofam\ Froderigho Doni, Tebaldo AUa"
ville, 80 dafs die Identität zweifellos ist.
' Vielleicht waren sie auch in den Kämpfen bei Radicofani, in denen Guccio
Tolomei die Guelfen führte, gefangen. Malavolti, flistoria de* fatti e guerre de'
Senesi 2, 28. Die Urkunde vom 23. Sept. 1263 bei Freidhof, Die Städte Tusciens
zur Zeit Manfreds 2, 28 f. .
♦ Patetta a. a. (). ;^^2.
^ Patetta a. a. O. 341 nach dem Sienei?er Archiv.
« Urkunde vom 24. Juni 1265 bei Freidhof 2, 37.
Italiener als Gläubiger deutscher Prälaten. 257
Spruches verweigerten und von dem nach Tuscien als Friedensstifter ge-
sandten König Karl nichts wissen wollten ^ Am 18. November 1267
wurde das Interdikt erneut^. Inzwischen war in Florenz die Entscheidung
zu Ungunsten der Ghibellinen gefallen, im April 1267 verliefsen sie für
immer die Vaterstadt. Lucca und Florenz standen nun auf Seiten des
Papstes und der Angiovinen, während Pisa und Siena den letzten Sprofs
des staufischen Hauses Konradin herbeiriefen.
Die neuen Censuren gestatteten, dafs jeder die beweglichen Güter
der Sienesen, seien sie in Frankreich oder England oder sonst wo, in
Beschlag nehmen dürfe, die ausgewanderte Guelfenpartei wurde dabei
ausgenommen. Neue schärfere Strafen folgten noch, nachdem Konradin
wirklich in Toscana erschienen war. Auch nach seinem Untergange
hielt Siena zunächst an der Sache der Ghibellinen fest, nach Malavolti*
kehrten am 15. August 1270 die Guelfen in die Stadt zurück und ver-
trieben 1272 die Ghibellinen. Die Stellung zur Kurie schwankte noch
so, dafs noch 1272 die Exkommunikation erneut wurde. Erst am 13. Juli
1273 vollzog sich die definitive Aussöhnung der Stadt mit der Kirche.
Fast dreizehn Jahre hatte der Streit gegen die Kurie gedauert und
neun Jahre hindurch hatten die Guelfen das Brot der Verbannung essen
müssen. In dieser Zeit haben die Geldmänner Sienas den miteinander
ringenden Gewalten die Geldmittel dargeboten, welche den Kampf erst
ermöglichten. Nach Ablauf derselben hatten sich die Florentiner in der
Gunst der Kurie festgesetzt, die glänzendste Zeit der Finanzgeschäfte
war für Siena vorbei.
Schon für den Zug König Konrads hatten damals in Neapel weilende
Sienesen Geldmittel gewährt*, Konradin erhielt dann von der Stadt
5000 Goldunzen und eine Zeitlang auch den Sold seiner Mannschaften,
Es waren das Geschenke wie die Gaben von Pavia und Pisa*^. Noch
erheblicher waren aber vielleicht die Leistungen der guelfischen Bankiers
aus Siena, mit denen sie 1266 die Eroberung des sizilischen Königreichs
durch Karl von Anjou ermöglichten. Wiederholt haben wir schon der
Gesellschaft der Orlando Buonsignore und Bonaventura Bernardini ge-
denken müssen, man kann sie als die vornehmste der im päpstlichen
Interesse wirkenden Banken bezeichnen, und es ist kein Zufall, dafs
schon 1252 Bonifatio Buonsignore von Innocenz IV. als familiaris be-
' Hampe, Gesch. Kooradins S. 77 ff. 126. Böhmer-Ficker-Winkelmann
9695. 9720. 9721.
■ Die Guelfen wurden von der Sentenz ausgenommen. Böhmer-Ficker-
Winkelmann 9874.
» 2, 39. 44.
* Malavolti 2, 12 giebt die Namen an.
» Hampe S. 217. 243 u. 262 f.
Schulte, Gesch. d. mittelalterl. Handels. I. 17
258 Zweiundzwanzigstes Kapitel.
zeiclinet wurde. Zu sehr umfangreichen Geldgeschäften bot das Unter-
nehmen Karls von Anjou Anlafs, die Kurie brachte das Geld, das der
Empfänger übrigens nicht zu hüten verstand, bei ihren Banken auf.
Die Senesen weilten damals in der Verbannung. Die Gesellschaft Buon-
signore und Bernardini, welche nach den Regesten Papst Clemens' IV.
unter seinem Pontifikate die Kurie überhaupt beherrschte*, lieferte im
ganzen 60500 €6 Turnosen. Daneben treten die von verschiedenen
Florentiner Bankiers dargeliehenen Summen weit zurück^. Und auch
diese weilten in der Verbannung. Es mag ja sein , dafs auf staufischer
bez. ghibellinischer Seite die Quellen viel schlechter erhalten sind, ich
glaube aber doch nicht zu irren, wenn ich sage, dafs neben der Kurie
und den Angiovinen ein dritter Faktor auf Seiten der Sieger steht, die
Geldaristokratie.
Jordan hat aus den Quellen die pikante Thatsache festgestellt, dafs
dieses guelfische Bankhaus der Buonsignori, welches so gut wie aus-
schliefslich die Geldgeschäfte der Kurie besorgte, auch für die Gegner
derselben Geld hatte. Als am 1. Dezember 1267 Pisa und Siena mit
Heinrich von Kastilien, dem Senator von Rom, gegen Karl von Anjou
abschlofs, wurde ein Teil der festgestellten Summe von Orlando di Buon-
signore in Rom bezahlt, der das Geld von dem Kämmerer der ghibelli-
nischen Stadt empfangen hatte, und auch in den beiden folgenden Jahren
erscheint der Name Orlandos in den Rechnungen Sienas. Das Bankhaus
spielte also doppeltes Spiel; denn in demselben Augenblicke erhielt Karl
von Anjou mindestens 25000 Pfund Turnosen^. Orlando Buonsignore
hatte zwar dafür gesorgt, dafs er von der Exkommunikation befreit
^ Vgl. jetzt auch Schneider, Die finanziellen Beziehungen der iiorentinischcn
Bankiers zur Kirche 5 und Gottlob, Darlehensschulden 694.
« Martine, Thesaur. nov. anecd. 2, 262 u. 269. Vgl. S. 125, 139, 248 u. 258.
Nach den dort veröffentlichten Briefen Papst Clemens' IV. streckten aufserdem für
die Eroberung des sizilischen Reiches Geld vor die Gesellschaften Frescobaldi (123,
802 und 844, zus. 11000 ÄJ Turnosen), Mazzi und Cerchi (129), Bonaguida (152X
Tommaso Spiglati (168), Peregrini Sussinii (177), alle von Florenz und ein Römer
(844), endlich auch ein Bankhaus von Montpellier. Diese Urkunden beziehen sich
auf 1265, 1266. Auch später wandte sich Karl an Sienesen. Noch nach der Ent-
scheidung gegen Konradin mufste Karl am 28. Sept. 1268 gegen Verpfandung einer
goldenen Krone bei Niccolö Orlandini und Genossen von Siena 1040 Goldunzen er-
heben. Del Giudice, Codice dipl. 2, 212. Über die Geldnot der Kurie vgl. Gott-
lob, Kreuzzugssteuern S. 91 ff., die Geldnot Karls 1268 Hampe S. 227 ff.
■ Jordan, Le saint ni^ga et les banquiers italiens in Compte rendu du troi-
si^me congr^s scientifique international des catholiques. 5« section. S. 301. Er
beruft sich auf die Aufzeichnungen im Staatsarchiv von Siena: Bicchema XXXV
fol. 103 und im Staatsarchiv von Neapel : Reg. Ang. II fol. 14 u. 20. Die Abhandlung
erweist das Bankhaus Bemardini-Buonsiguori als das absolut in diesem Pontifikat
dominierende.
Italiener als Gläubiger deutscher Prälaten. 259
blieb, von da ab vertrat er aber die ghibellinischen Interessen der Firma,
in den den Guelfen dienenden Urkunden sind Bonaventura di Bernardino
und Franzesco di Guido die Vertreter desselben Bankhauses. Ein seltenes
Beispiel von Doppelzügigkeit !
Vor 1260 dehnen die Senosen ihre Thätigkeit aus, nach 1270 ver-
schwinden sie fast völlig aus den päpstlichen Urkunden. In der Liste
der Schulden, welche in den fünf ersten Jahren Bonifaz' VIII. mit Zu-
stimmung desselben seitens der Bischöfe u. s. w. aufgenommen wurden,
erscheint von Siena nur einmal noch das Haus Buonsignore & Bernardini,
ihre Stelle haben die Bankiers von Florenz und Pistoja eingenommen.
Damit ist für den übrigen Handel Sienas nichts gesagt, uns be-
schäftigt hier aber nur der durch die Kurie gestützte Geldhandel, dieser
hat unzweifelhaft durch das Exil der Guelfen von 1262 bis 1270 erheb-
lich gelitten *. Die Herrlichkeit des Bankhauses der Buonsignori, welches
auch den Namen Gran Tavola führte, oflFenbar weil schon äufserlich sich
die grofse Ladenbank dieser Senesen von den Bänken der anderen Geld-
händler unterschied, ging übrigens bald zu Ende. Schon 1298 begann
das Haus zu wanken, und es endete 1308 mit dem Bankerott, der übrigens
in Frankreich ausbrach^.
Florenz. Die Herrscherin am Arno hat endlich den gesamten von
der Kurie abhängigen Geldhandel an sich gebracht. Erst langsam hat
sie die Rivalin Siena auf die Seite geschoben, ihre andere Feindin Pisa
verwendete ihre Geldkräfte auf dem Meere, dessen Herrschaft freilich
durch die unglückliche Schlacht von Melloria an Genua überging.
Die Beziehungen zu Deutschland waren zunächst sehr gering *. Das
älteste Zeugnis betriflFt eine Schuld, welche das holländische Kloster
Middelborg (Präm.-Ordens-Diöcese Utrecht) 1246 bei Mainectus Alberti
und Tmessus Acconcii hatte*. Es kommen hinzu eine Schuld von
2000 Goldgulden, die 1296 der Bischof Landulf von Brixen von der
Gesellschaft der Alfani erhoben hatte ^ ein Darlehen von 1380 (L kleiner
^ Den Rückgang des Scneser Handels auf den Champagnermessen seit 1800
stellt auch Zdekauer, Documenti senesi S. 8 fest.
■ Piton bringt S. 88—90 über diese Zeiten viele Nachrichten bei, von denen
freilich die über die grofsen Tafeln, welche Philipp der Schöne 1805 feiern liefs, zu
streichen sind. Es handelt sich um die Artusfeste oder, wie man in Deutschland
sagte, Rundtafeln. Malavolti 2, 63 und Del Lungo, Dino Campagni 2, 600 ff.
' Wir haben schon die Schulden des Kölner Erzbischofs Siegfried (1274—97)
bei den Pulci, Heinrichs (1328—53) bei den Bianchi und Davizzi, des Trierer Erz-
bischofs Heinrich von Vinstingen (1260 — 86) bei Benincasa und Perini, eines Metzer
Bischofs bei den Canigiani und des Bischofs Wilhelm von Utrecht bei den Alfani
erwähnt.
* Berger 1. 255.
^ Digard, Faucon u. Thomas Nr. 1061.
17*
260 Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Turnosen, das die Gesellschaft Abbati und Bacherelli dem Bischof Guido
von Bamberg gewährt hatte ^, ein gleiches von 2000 fl., welches das
Kl. Gorze bei Metz von den Mozzi erhoben hattet Das Bistum Kon-
stanz hat — wie es scheint — erst am Anfang des vierzehnten Jahr-
hunderts es erlebt, dafs ein Bischof eine Schuld bei Italienern aufnahm.
Es war übrigens ein Franzose, der an der Kurie sein Bistum aus der
Hand Papst Clemens' V. erhielt. Der Papst gestattete ihm 8000 Gold-
gulden aufzunehmen y von denen er 2500 als commune servitium an die
päpstliche Kammer und die Kardinäle abzuführen hatte. 6000 fi. erhielt
er von der Gesellschaft der Avogardi. Mit der Bezahlung scheint es
auch diesmal übel gestanden zu haben. Wenn Bischof Nikolaus keinen
Beleg, keine Quittung über erfolgte Zahlungen in Händen hatte, so war
schwerlich überhaupt etwas bezahlt". Die Avogardi hatten auch 10000 fl.
dem Bischof von L ü 1 1 i c h geliehen *. Gläubiger des Abts von S t. A r n u 1 f
bei Metz wurden 1310 die Canigiani von Florenz ^
Den Übergang zu einer später zu behandelnden Gruppe von Ur-
kunden bildet die Zahlungsanweisung, nach welcher Bischof Iring von
Würzburg eine der päpstlichen Kammer geschuldete Summe an Jacobus
Giberti und Raynerius Bellindotis bezahlen sollte^.
Diese Urkunden geben nun aber nicht entfernt einen Einblick in
die zahlreichen Beziehungen, welche die Florentiner schon am Ende des
dreizehnten Jahrhunderts bei der hohen Geistlichkeit Europas gewonnen
hatten. Eine andere Urkundenserie verhilft uns eher dazu. Ich kann
mich im folgenden auf die treffliche Studie Schneiders stützen, den ich
auf sein Thema gelenkt habe. Schon unter Innocenz IV. kommt es vor,
dafs der Papst ausdrücklich dem Bischof Erlaubnis giebt, eine bestimmte
Summe aufzunehmen'. Das wurde — nicht in allen Pontifikaten gleich
stark — Regel, und die Regesten aus der Zeit Bonifaz' VIH. und Bene-
dikts XI. ermöglichten es Schneider, eine vollständige Tabelle zu ent-
werfen®. Von den 87 Anlehensgenehmigungen entfallen 47 auf Banken
von Florenz, fünf auf Pisa, 29 auf Pistoja, vier auf Rom, zwei auf Siena.
Genauer verteilt sich das auf folgende Banken : Florenz : Abbati drei-
zehn, Alfani zwei, Antelesi ein, Bardi ein, Canigiani zwei, Cerchi ein,
' Digard, Faucon u. Thomas Nr. 1716.
» Ebda. Nr. 3002.
« Cartellieri Nr. 3461. Vgl. Nr. 8459 f. 3464. 68—71. 3748.
* Reg. Clem. pap. V. 9773 f.
«^ Ebda. Nr. 5229.
• M.G. Ep. 8. XIII, 3, 477, 29 ff.
■^ So gab Innocenz IV. dem Elekt von Minden Erlaubnis, 200 Mark Silber auf-
zunehmen. Berg er 7050.
» S. 50—53. Oben auf S. 52 fehlt der Kopf: Ammanati.
Italiener als Gläubiger deutscher Prälaten.
261
Francesi drei, Mozzi vier, Pulci ein, Spini neunzehn; Pisa: Benedetti zwei,
Cavalosari zwei, Gaetani ein; Pistoja: Ammanati dreizehn, Chiarenti sech-
zehn ; Rom : ungenannte zwei, Calicoboni zwei ; Siena endlich Buonsignori
zwei. Die höchsten Beträge der Anleihen sind 20 000 Goldfloren (Bischof
von Toulouse und Erzbischof von Rheims), die niedrigsten 500 Goldfloren.
Schneider hat für die am meisten beteiligten Firmen die Summen um-
gerechnet und berechnet, danach streckten vor die
= 282460 Mark Metallwert
= 525868 -
= 700 280 -
= 942274 -
= 1629465 -
Unter den Schuldnern steht Frankreich voran, Italien, Spanien, Eng-
land, Portugal folgen, vereinzelt erscheint Griechenland, Irland, Malta.
Neben Bischöfen erscheinen auch zahlreiche Äbte, namentlich die grofsen
Orden. Von deutschen sind beteiligt:
Mozzi .
Abbati .
Chiarenti
Ammanati
Spini .
Beleg
Zeit
Schuldner
Gläubiger
Summe
956
16/1. 1296
Landulf B. v. Brixen
Alfani Florenz
2000 Goldfloren
1062
8/5. 1296
Wilhelm B, v. Utrecht
-
3000 i6 kl. Tumosen
447
28/10.1295
Burkhard B. v. Metz
Cauigiani Florenz
1600 Goldfloren
811
21/5. 1304
Wulfing B. V. Bamberg
Cerchi Florenz
250 Mark Silber
1062
8/5. 1296 Wilhelm B. v. Utrecht
Cavalo'sari Pisa
500 Goldfloren
2630
Juli 1298 Roderich B. v. Minden
Chiarenti Pistoja
3000 Goldfloren
950
7/3. 1296
Wilhelm B. v. Utrecht
unbekannt Rom
4000 ü kl. Tumosen
1997
19/8 1297
Peter Abt v. Gorze
-
2000 Mark Süber
153
2/1. 1304
Guido B. V. Utrecht
Calicoboni -
1500 Goldfloren
Aufser dieser Liste erwähne ich weitere Schuldenerlaubnisse aus
der Zeit Alexanders IV.: Bischof von Würzburg: 1255 September 22:
215 Mark Silber Sterl. Nr. 977; aus der Zeit Bonifaz' VIII: Bischof
Hugo von Lüttich: 1296 Februar 1: 6000 fi kleiner Tumosen Nr. 940;
der Erwählte von Cambray: 1296 Oktober 25: 10000 « kleiner Tur-
nosen Nr. 1375. Auf die Entwicklung des Florentiner Geldhandels ist
im übrigen erst später einzugehen.
Von Pisa sind vorhin zwei Fälle besprochen, Pistoja ist uns auch
nur zweimal begegnet, obwohl das der damaligen Bedeutung dieser Stadt
nicht entspricht. Es handelte sich um die Gesellschaft der Chiarenti ^,
dafs aber auch die Ammanati in Deutschland Schuldner hatten, besagt
1 Oben S. 246 u. oben.
262 Zweiundzwanzigstes Kapitel.
ein Brief Papst Clemens' V. von 1306*. Der Trierer Domherr Boemund
von Saarbrücken schuldete 1323 60 fl. dem Fardellus Banducii, päpst-
lichem Wechsler^.
Von Bologna lernten wir einige kleine Darlehen für die Kölner
Kirche kennen*.
Mailand erscheint nur ein einziges Mal und zwar in einem eigen-
tümlichen Falle, Als Erzbischof Balduin von Trier seitien Bruder König
Heinrich VII. 1313 in Pisa verliefs, begab er sich über Genua, Piacenza
nach Mailand — oflFenbar benutzte er demnach den St. Gotthard — hier
entlieh er sich am 17. April 2000 Goldgulden von Seiten der Mailänder
Kaufmannschaft^. In der soliden Handelsstadt, welche ausschliefslich
den Warenhandel betrieb, hatte der grofse deutsche Prälat, einer der
wenigen Finanzgenies jener Tage, sich also an die Kaufmannschaft ge-
wendet. Nach den jüngeren Statuten von 1396 wurde der „Wucherer"
von jedem Amte und jeder Korporation, ja aus der Kaufmannschaft
ausgeschlossen*. Doch waren im Falle von Nichtzahlung: damna und
interesscj höchstens jedoch zu zehn Prozent fürs Jahr vorgesehen®.
Piacenza ist mit einem einzigen, aber sehr alten Fall, der eigent-
lich aufserhalb des Rahmens dieser Arbeit liegt, beteiligt. Der Patriarch
Piligrim von Aquileja hatte bei einer Piacentiner Gesellschaft geborgt,
aus der stark beschädigten Urkunde läfst sich mit Sicherheit entnehmen,
dafs Papst Coelestin lU. von einer Zinszahlung (septem marcas pro reiomo
de feria in feriam vobis exolvei) Kenntnis hatte und sie billigte^. Eine
sorgfältige Untersuchung würde vermutlich bei fast jedem deutschen Bis-
tum solche Schuld Verhältnisse gegenüber Italienern erweisen. Doch ich
fürchte schon jetzt die Geduld des Lesers mehr als stark angespannt zu
haben. Jedenfalls ist erwiesen, dafs an der starken Verschuldung
deutscher Bistümer im dreizehnten Jahrhundert die Entrichtung der
Servitien und die daraus hervorgegangene Bewucherung stark beteiligt
ist, was Michael freilich völlig übersehen hat®.
* Mitt. aus dem vatik. Archiv 1 Nr. 672.
' Mitteilungen Stadtarchiv Köln 5, 55.
8 S. 238.
* Vollmacht zum Einkassieren der Schuld. Unsere Urkunden Nr. 410.
^ LatteSf II diritto commerciale 32. Statuta merc. Blatt 206.
* Ebda. Blatt 208. Nach den Statuta cirUia Blatt 36 war in den Fällen, in
denen das kanonische Recht, damnum et interesse zuliefs, 6V2 Prozent zu nehmen
erlaubt, das jedoch zu beschwören.
■^ 1196 April 26. Kehr-Schiaparelli. Papsturkunden in Friaul. Nach-
richten d. königl. Ges. d. Wissenschaften in Göttingen phii.-hist. Klasse
1809 S. 280 f.
® Gesch. d. deutschen Volkes 2, 19.
Die Grundlagen dieses Kredits. 263
Dreiundzwanzigstes Kapitel.
Die Grundlagen dieses Kredits.
Die Kurie garafUiert durch ihre Strafen da,«? Hauptgut, nicht die Zinsefi. Stellung
zum Zinsverhot. Begelung des Verfahrens durch Nikolaus IV. Wucherer. TficUsdch-
liehe Behandlung derselben durch die Kirche.
Es sind also nur vier bez. fünf der italienischen Städte, welche
Geldhändler in ihren Mauern bargen, an den Geldgeschäften deutscher
Bischöfe beteiligt, nicht allein Lucca und Asti fehlen, welche auf dem
englischen Markte im dreizehnten Jahrhundert erscheinen, sondern auch
Piacenza, dessen Anteil am Geldverkehr in Frankreich sehr bedeutend
war^, tritt ganz zurück, doch das erklärt sich sehr leicht. Der Ort, wo
das Geldbedürfnis der deutschen Bischöfe am grollten war, wo sich die
Höhe des Bedürfnisses aus den verschiedenen zu zahlenden Gebühren
erst sicher feststellen liefs, war Rom. Die dortigen Kaufleute hatten
den Vorsprung, dann ihre nächsten Nachbarn, und das waren die von
Siena und das etwas weiter entfernte Florenz.
Die Schuld wurde aufgenommen in Rom, in dem Mittelpunkte des
gesamten kirchlichen und kirchenpolitischen Lebens, getilgt sollte sie
werden auf den Messen der Champagne, welche den Mittelpunkt des
Handelslebens ausmachten. In allen Fällen, in denen sich überhaupt
etwas über den Ort der Zahlung bez. der Zahlungspflicht erweisen läfet,
führen uns die Angaben in die Champagne. Selbst für den Bischof von
Regensburg galt das. Der italienische Gläubiger kam also gar nicht in
die Notwendigkeit, deutschen Boden aufzusuchen, wenn wirklich die Ver-
pflichtung erfüllt wurde. Erst im Falle der Zahlungsunterlassung hat er
wohl deutschen Boden betreten, wenn die Briefe nicht mehr genügten.
Der Römer Guido Marronis ist der einzige, der auf dem Wege nach
oder von Deutschland nachzuweisen ist; andererseits begegneten uns
einmal Römer in Trier, aber sie machten vielleicht nur einen Abstecher
von der Champagne oder Flandern aus.
Es ist auf den ersten Augenblick überraschend, dafs der Gläubiger
einem viele Tagereisen entfernt wohnenden Manne Geld leiht, dessen
persönliche Verhältnisse ihm gar nicht näher bekannt sein konnten.
Und diese Anlehcn sind gewifs sehr viel zahlreicher gewesen, als wir
das nachweisen können. Wir verdanken unsere Kenntnis dieser Schuld-
verhältnisse vielfach dem Umstände, dafs es über die Zahlung zu einem
Streite kam. Die Fälle, in denen die Schuld beglichen, die Schuld-
* Vgl. auch Schaube, Die Wechselbriefe Ludwigs des Heiligen, in Jahr-
bücher f. Nationalökonomie, 3. Folge, 18, 152 ff.
264 Dreiundzwanzigstes Kapitel.
Urkunden zurückgegeben und vernichtet wurden, haben nur, seitdem es
aufgekommen war, dafs der Papst eine licentia contrdhendi mutuum gab,
Spuren hinterlassen, und solche einfache Fälle müssen die Regel gewesen
sein; wir werden sehen, dafs die kirchliche Judikatur nicht gerade im
Sinne der Gläubiger entschied, aus diesen StreitfilUen war der Nutzen
mitunter jedenfalls gering. Für die Fülle dieser Geldgeschäfte geben
uns die Briefe des Andrea de' Tolomei an seine Mitgesellschafter einen
Anhalt. Er zählt eine grofse Reihe von Kirchen und Klöstern auf, denen
das Haus Gelder dargeliehen hatte, aber nicht ein einziges dieser Geld-
geschäfte ist mir in den Papstregesten begegnet. Weil sie glatt ab-
gewickelt wurden und zu keinem richterlichen Urteile führten, ver-
schwand mit der Schuld auch der Schuldbrief.
Worauf beruhte nun aber der Kredit dieser deutschen Schuldner bei
italienischen Gläubigern, denen die persönlichen Verhältnisse jener ziem-
lich unbekannt sein mufsten? Da ist nun zu beachten, dafs sämtliche
Schulden von deutschen Kirchenfürsten gemacht sind und weiter wohl
sicher von den meisten beim Antritt des Amtes, wo die Kosten der
päpstlichen Bestätigung und die eventuelle Regelung der Schulden des
Vorgängers ein bedeutendes Geldbedürfnis erzeugen mufsten. Die
deutschen Kirchen waren nicht so organisiert, solche Bedürfnisse schnell
befriedigen zu können. Das Bedürfnis nach Geld war unabweislich,
aber es fand sich auch. Ich glaube, wenn man den Dingen auf den
innersten Grund geht, so wird man sagen müssen, dafs der deutsche
Kirchenfürst seinen Kredit nicht als Herr und Fürst eines reichen
Sprengeis fand, nicht als ein gewissenhafter, solider Prälat, ihm wurde
kreditiert, weil die römische Kurie durch ihre Autorität den Gläubiger
gegenüber dem Kirchenfürsten deckte. Im Vertrauen auf die kirchlichen
Ermahnungen und Strafen, welche nötigenfalls die Kurie über den
Schuldner verhängte, öffnete der römische, senesische und florentinische
Kaufmann seinen Geldbeutel. Dieses System ist wohl schon um 1200
ausgebildet gewesen. Schon unter Innocenz IV. wird die Exkommuni-
kation zu Gunsten von Seneser Kauf leuten verwendet ^, und schon längst
gab die Kurie den Gläubigern sofort Exekutoren, die das gerichtliche
Verfahren einzuleiten hatten, und einer von ihnen war vielfach aus
der Geistlichkeit der Mefsplätze genommen^. Wir verdanken die meiste
Kenntnis dieser Geldgeschäfte überhaupt diesem Eingreifen der Kurie,
und wir sahen, dafs in Lüttich, Utrecht, Worms und Regensburg die
Exkommunikation verhängt wurde.
Es sind unzweifelhaft sehr drastische Mittel, welche die Kurie ver-
1 Z. B. Berg er 7980. 8034. Andere Beispiele s. oben.
■ Schneider 57.
Die Giniudlagen dieses Kredits. 265
wandte. Sie übte damit eine Sorge für die Sicherheit des Handels aus,
und in der That waren diese geistliehen Waflfen die einzigen, welche die
Kaufleute besafsen. Einen Erzbischof von Köln hätte schwerlich irgend
jemand zur Zahlung angehalten, wenn es nicht eben der Papst that.
Ohne die Aussicht auf die Hilfe der Kurie hätte der Kaufmann dieselbe
Gefahr gelaufen, welche die Peruzzi und Bardi am englischen Königs-
hofe hatten: die Gefahr, dafs eines Tages die Schuldzahlung tiberhaupt
verweigert werde. Sehr deutlich kommt das auch in den Briefen der
Senesen zum Ausdruck. Jacomo Cacciaconti hatte tiber eine Schuld des
Erzbischofs von Lyon in Troyes zu verhandeln, aber es kam zu keiner
Einigung; der Senese meinte, es bleibe nichts übrig, als ihm päpstliche
Briefe auf den Hals zu schicken^.
Vergebens habe ich mich nach Anleihen weltlicher Herren Deutsch-
lands umgesehen. Ich kann solche nur für die nächste Umgebung der
Champagne nachweisen, also für Gebiete, die die Italiener durchzogen,
und in denen sie einen regelmäfsigen Handel betrieben^. Das Geld-
bedürfnis entstand bei den Fürsten nicht an der Kurie, und die kirch-
lichen Censuren waren bei ihnen, wenn überhaupt anwendbar, gewifs
noch viel weniger wirksam, als bei den Geistlichen. Die Gesellschaft
der Spini und Mozzi von Florenz, die Chiarenti von Pistoja, die Kauf-
leute der päpstlichen Kammer, haben von Papst Bonifaz VUI. in einem
Kardinaldiakon einen Schützer erhalten, der ihre Ausstände aus Deutsch-
land, Frankreich, Spanien, England, Schottland, Aragonien, Navarra
und Italien beitreiben helfen solle — es ist aber in der betreffenden Ur-
kunde nur von geistlichen Personen und Körperschaften die Rede, denen
sie an der Kurie Geld geliehen hätten^. Es ist kein Zweifel darüber,
dafs diese Italiener deutschen Fürsten oder Städten nur ausnahmsweise
kreditierten. Der Geistliche wandte sich an die Italiener, die Fürsten
und der Adel an die Juden und an die „Lombarden", die wir später
kennen lernen werden.
Wenn, wie Ehrenberg geistreich ausführt*, die drei Grund-
bedingungen jeden Kredites sind: das zahlen -können, das zahlen-
wollen und das zahlen -müssen, so bestand diese letztere Bedingung
* »Ne no' potevate trare, se noi no vi mandasimo letiara da chorte dt papa so2>ra
a Uui.m Lettere volgari a. a. O. S. 17.
2 So hatte Herzog Johann von Lothringen Schulden bei Kanf leuten von Lucca.
Mitteil, vatik. Archiv 1 Nr. 647. Papst Clemens V. entband ihn der in seiner
Jugend 80 eingegangenen Schulden, ßeg. Clementis Nr. 1967. Eine Klage von
Kaufleuten aus b^iena gegen die Gräfin von Namur \i^rde 1231 an den Prior von
St. Aigulf zu Provins verwiesen. Auvray S. 401.
' Digard, Faucon u. Thomas Nr. 1296.
* S. 18.
266 Dreiundzwanzigstes Kapitel.
für den internationalen Verkehr und den öffentlichen Kredit damals nur
bei der hohen Geistlichkeit. Derjenige, der zwingen konnte, war der
Papst. Die Kurie erweist sich somit auch hier als eine Schützerin des
öffentlichen, internationalen Verkehrslebens. Sie hat freilich gerade
dadurch dem Übergange von der Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft
und damit dem Untergange des eigenen Zinsverbotes mächtig vor-
gearbeitet.
Die Italiener haben unzweifelhaft bei diesen Anleihen bedeutende
Zinsen erhoben. Wie hoch der Betrag sich im einzelnen Falle belief,
ist bisher eigentlich nie festzustellen gelungen. In den Schuldurkunden
selbst ist meist eine Form gewählt, welche nicht etwa erklärt: die und
die Summe haben wir bar erhalten, sondern es heifst, man sei schuldig
geworden, so und so viel zu bezahlen. Schon das legt die Vermutung
nahe, dafs der Zins gleich zur Schuldsumme geschlagen und so verdeckt
wurde. Mit Sicherheit konnten wir das oben bei einem Kölner Falle
nachweisen, wo die wahre Darlehenssumme von 983 Mark in eine Schuld-
summe von 1150 verwandelt, also um etwa 14^/2 Prozent erhöht wurde*.
Ein anderer Fall erwies gleichfalls eine Erhöhung^.
Für die Verzugszinsen gab es, soweit die Summen auf den
Champagnermessen zur Zahlung kamen, eine feste Regel, welche durch
Philipp den Schönen auch statutarisch festgelegt wurde®. Eis mufste^von
jeder Messe zur nächsten von zehn Mark eine Mark, also zehn Prozent,
jährlich also 60 Prozent entrichtet werden, manchmal ist das auch so aus-
gedrückt, dafs der Zins als Zweimonatszins angegeben wird. Wir haben
ihn in einzelnen Fällen wenigstens fordern sehen. Der Zinsfufs ist er-
schreckend hoch, aber man darf auch nicht übersehen, es ist ein Zins-
fufs für Verzugszinsen, nicht für regelmäfsige Geldanlage. Die Höhe
dieses hing wohl vom Einzelfalle ab und wurde grundsätzlich derselbe
verdeckt, wie solche Wucherverträge zu allen Zeiten vorgekommen sein
werden, ohne dafs wir heute strikt den Beweis führen können. Dieses
Bestreben, die sofortige Zinszahlung zu vermeiden, sie mindestens zu
verschleiern, die Verzugszinsen aber um so kräftiger zu fordern, standen
mit den kirchlichen Anschauungen in Verbindung. Das Zinsverbot, das
aus der Bibel abgeleitet wurde, wurde also beachtet, indem man den
Verzugszins unter den Fall des damnum emergens bez. lucrum cessans
* Schon eine Urkunde von 1209 hat diese vorsichtige Form: »confessus eM se
recepisse tnutuo . . . tantani pectmie quantitatem a (juod idem . . . tefietur ipsis
reddere . . . centum quinquarfinta marcas boni et puri argenti ...» SchunckB, 102.
Ich bemerke, dafs für diese Schuldbriefe, zahlbar auf den Champagnermessen,
damals schon ein ganz bestimmtes Formular gebraucht wurde.
2 Oben S. 240.
' Ehrenberg 1, 54.
Die Grundlagen dieses Kredits. 267
unterbrachte. Dafs in diesen Fällen der Gläubiger eine Entschädigung
beanspruchen durfte, wurde ganz allgemein, auch von Thomas von Aquino
als Recht angesehen. Die Lehre vom Zinsverbot kann ich hier nur
streifen, so wichtig sie für das gesamte mittelalterliche Geldleben war^
Das Gesamtergebnis der mittelalterlichen Denkweise hat Ashley zusammen-
gefafst in den Worten : „Jeder Kaufmann, ja überhaupt jeder, der in einem
Mittelpunkte des Handels lebte, wo sich ihm zur Anlage seines Kapitales in
Geschäften (auch zum Verleihen des Geldes nach aufserhalb) Gelegenheit
bot, konnte mit ruhigem Gewissen und ohne jede Furcht, dafs ihm etwa
Ungelegen h ei ten erwüchsen, einen Vertrag abschliefsen , wonach er von
jemandem, dem er Geld geliehen, zu bestimmten Zeiten Zins zu erhalten
hatte; nur das Eine wurde hierbei vorausgesetzt, dafs er das Darlehn,
wenn auch nur für kurze Zeit, zunächst umsonst auslieh, so dafs die
Zinszahlung genau genommen, keine Vergütung fiir den Gebrauch, sondern
eine Entschädigung für die nicht rechtzeitige Rückgabe des Geldes war" *.
Wenn sich so das Gewissen der Bankiers auch vielleicht beruhigte,
so war die wahre Natur des Geschäftes doch auf das Zinsennehmen be-
gründet. Die Zinslehre, durchführbar in der Zeit der Naturalwirtschaft,
war jetzt ein Anachronismus und eine Generalisierung einseitiger Gesichts-
punkte zugleich.
Die allgemeine Stimmung bezeichnete diese Geldhändler richtig
geradezu als Wucherer und die Erzählungen des englischen Mönches
Matthäus von Paris finden auch auf deutschem Boden ihr Gegenstück.
Albert Beham, der so genau den Boden der Kurie, bei der er gerade
damals 1246 weilte, und wo er einst Sachwalter gewesen war, kannte,
riet dem Erzbischofe Eberhard von Salzburg, er solle aufser dem Herrn
von Leibniz auch den Abt von Raitenhaslach nach Rom schicken, damit
dieser mit dem Abte von Salem ein Darlehen bei Kaufleuten von Rom
oder Siena erwirke. Diesen beiden Äbten aus dem Cistercienserorden
würden sie eher 20000 Mark Silber an der Kurie geben, als einem
andern 2000, und an jedem Hundert würden auch 30 Mark gespart
werden, wenn sie die Schuld vermittelten®. Die Cistercienser , deren
Klöster damals Muster wirtschaftlicher Ordnung waren, besafsen also
einen erheblich gröfseren Kredit als die deutschen Erzbischöfe!
Nicht allein der Wucher war aber durch die kirchliche Gesetz-
gebung jener Tage verboten, sie untersagte auch vom Kapitale Zinsen
zu nehmen. In dem Eifer für den Schutz der produktiven Arbeit, welche
ja in der That in der ersten Hälfte des Mittelalters in der Zeit der
^ Vgl. vor allem die Kapitel bei Ashley, weiter die Arbeiten von Ende-
mann, Neumann, Funk, Ratzinger u. s. w.
2 Ashley 2, 432.
» Höfler, Albert v. Beham S. 115
268 Dreiundzwanzigstes Kapitel.
Naturalwirtschaft die fast ausschliefsliche Quelle des Besitzes sein konnte^
geriet die Kirche seit dem Ende des zwölften Jahrhunderts in Italien,
seit dem dreizehnten Jahrhundert auch in Deutschland mit der natür-
lichen Entwicklung der wirtschaftlichen Dinge in einen Widerstreit.
Geld erzeugte nun wirklich wieder Geld.
Am allerdeutlichsten tritt der Widerstreit gerade bei diesen von der
Kirche geschützten Geldhändlern hervor. Die Grundlage ihres Geld-
handels war wenigstens zum Teil das Bedürfnis der kirchlichen Kreise,
er wurde femer ermöglicht durch die Censuren der Kurie. Die Kirche
kam also in die Gefahr, theoretisch Wucher und Zins zu verurteilen,
praktisch aber denselben zu fördern, am schlimmsten wäre es gewesen,
wenn in der Judikatur die Kirche das Zinsnehmen anerkannt hätte.
Die Untersuchungen Gottlobs haben zunächst festgestellt, dafs unzweifel-
haft die Päpste des dreizehnten Jahrhunderts bcwufst und mit Absicht
in verschiedenen Formen ihren Gläubigern Zins bezahlt haben ^. Zu
seinen Beweisen kommt noch der folgende: 1253 erhielt ein Legat den
Befehl aufzunehmen: ^muiuumy etiam, si oporiuerit, sub gravibus uswris^
quaniumcunque et a quibuseunque poteris invenire^ ^. Nur Urban IV.
(1261 — 64) hat eine Ausnahme gemacht, ein zeitgenössisches Lobgedicht
schildert es, wie er nur die T^sors legüima*^ nichts darüber hinaus an-
erkannte®. Die Päpste mufsten sich ebenso wie alle anderen Menschen
dem Machtgebot der Umstände beugen. Ohne Zinsen waren eben Geld-
mittel nicht zu beschaffen. Sie mochte auch der Umstand beruhigen,
dafs in der kirchlichen Lehre die subtile Unterscheidung versucht wurde,
dafs nicht der Darlehensnehmer, sondern nur der Darlehensgeber bei
Zinsennahme sündige, und jener nur dann sich der fremden Sünde teilhaftig
mache, wenn dieser nicht von vornherein zur Wuchersünde bereit war.
Dafs die Päpste von den Zinszahlungen seitens der Prälaten Kenntnis
hatten, ist ebenfalls nicht zu bezweifeln ; die Urkunde Cölestins III. läfst
keinen Zweifel darüber, dafs er von der Zinszahlung Kenntnis hatte und
sie billigte*. Ganz besonders wichtig ist es aber, die Stellung der Kirche
als Judikaturbehörde gegenüber den Gläubigern kennen zu lernen. Meine
Sammlung von Fällen ist klein, und das Ergebnis kann noch nicht eine
feste Spruchpraxis erweisen, jede Ergänzung wird von Wert sein. Unsere
Beispiele zeigen, dafs die Kirche hier an dem Zinsverbote festhielt. Das
beweist der Spruch des Kardinals Johann vom 5. März 1238. Er ver-
urteilt den Schuldner zur Zahlung des Kapitals, der Kosten der Bei-
treibung und des auf 3,8 Prozent des Kapitals sich belaufenden Schadens,
' Gottlob, Darlehensschulden 712—717.
2 Vgl. Schau be in Jahrb. f. Nationalökonomie, 3. Folge, 15, 743.
» Gottlob 680.
< S. oben S. 262.
Die Grundlagen dieses Kredits. 269
abgewiesen werden die Gläubiger mit ihrer Zinsforderung, obwohl die
Zahlungsfrist etwa 24 Jahre bereits verstrichen war. Dieses Urteil erfolgte
in Abwesenheit des Schuldners, der sich überhaupt nicht hatte vertreten
lassen. Der Spruch des Kardinals Pietro Capoccio enthüllt die wirklich
bar vorgestreckte Summe nicht so deutlich, aber da die Rückzahlung so
geregelt wurde, dafs nicht einmal die im Schuldbriefe stehende Summe
ersetzt werden mufste, ist auch in diesem Falle wohl keinerlei Zins ge-
zahlt worden, und auch in dem Metzer Falle sahen wir, dafs von 1253
bis 1286 keinerlei Zins zur Berechnung kam. Die Kirche machte also
wirklich Ernst mit dem Zinsverbote, und die Formel ^usuris omnino
cessantibtis* war keine Redensart^.
Eine Regelung des Verfahrens traf Nikolaus IV., indem er am
25. Oktober 1288 ein für alle Zukunft geltendes Formular anordnete*.
Der Schuldner durfte sich, seine Nachfolger und seine Kirche, ihren
beweglichen und unbeweglichen Besitz binden, auf eine Reihe von Ex-
ceptionen wurde verzichtet. Zinsen waren verboten (usuris omnino cessan-
tibt4s), jedoch sollte er Auslagen und Unkosten, besonders solche, die
durch nicht rechtzeitige Zahlung entständen, ersetzen. Der Gläubiger
wurde durch diese Bestimmungen für das Kapital völlig gedeckt, wenn
der Schuldner einen Erlaubnisschein des Papstes besafs. Für den Zins
existierte diese Bürgschaft jedoch nicht, und hier blieb es eigentlich
beim alten, da der Gläubiger vor wie nach auf die Verzugszinsen sich
steifte, und hierfür eine Grenze nicht festgesetzt war. Bezüglich der
Exekutoren und des weiteren Verfahrens traf der Papst weitere Be-
stimmungen, die eine gleichmäfsige langsame Steigerung der Exekutions-
mittel vorsahen, bei deren Anwendung das kirchliche Leben möglichst
wenig gestört werden solle. Die Exekutoren sollten nicht durch Bann
oder Suspension das Ziel erreichen, sondern durch Entziehung der Ein-
künfte und Verwendung von Dreiviertel zur Schuldentilgung. Also nicht
durch den kirchlichen Zwang, sondern durch den weldichen, nur war
es sehr fraglich, ob die Exekutoren so leicht die Verwaltung des Bis-
tums in die Hände bekamen. Der Säumige war nach Rom vorzuladen.
Für den Fall der Widerspenstigkeit wurde den Exekutoren das Recht
der Entziehung der Obedienz eingeräumt.
Die italienischen Geldhändler fanden also bei der Kurie nur inso-
weit festen Schutz, als es sich um das Hauptgut handelte. Dieses wurde
ihnen durch jene verbürgt, sie liefen aber Gefahr, wenn sie die Hilfe der
Kurie anriefen, auf die Zinsen verzichten zu müssen. Das ist die eigen-
^ Nicolaus III. befahl zu zahlen: cum justis et moderatis expensis ac debita
restauratione damnorum et inUresse^ usuris omnino cessantibus, Gay 107.
" Langlois 7202. Erläuterung und Übersetzung bei Schneider 54—60 und
75-78.
270 Dreiundzwanzigstes Kapitel.
ttimliche Lage, in welcher sich der Geldhandel jener Tage, soweit er die
Kreise der Geistlichkeit berührte, befand. Der Kaufmann suchte Zinsen
durchzuschmuggeln, der Schuldner mufste ihm der liebste sein, der nicht
sofort zahlte, aber auch die Sache nicht zu weit trieb.
Nach der strengen Lehre waren die meisten jener Kaufleute un-
zweifelhaft als Wucherer anzusehen. Mir sind keine Dokumente bekannt
geworden, in denen die Kurie direkt einen solchen angriff, doch war
das ja zunächst die Sache des Pfarrers und des Bischofs. Die öffent-
liche Meinung stellte sie den „Lombarden" und „Gawerschen" an die
Seite, die sie für unehrliche Leute taxierte. Statt aller Beispiele führe
ich eine Stelle aus der Chronik der Kolmarer Dominikaner an: „1278.
In der Stadt Basel begruben die Minderbrüder einen Gawerschen zum
grofsen Ärgernis ihrer Nachbarn^." Das Verbot des kirchlichen Begräb-
nisses für Wucherer wurde hier also im allgemeinen aufrecht erhalten.
Der Hafs, den diese Lombarden sich aufluden, führte in England und
Frankreich zur Vertreibung derselben. Der englische Geschichtschreiber
Mattäus von Paris hat seine Stimmung und die des Volkes mit Leiden-
schaft ausgesprochen.
Sie galten in der Fremde als Wucherer, aber auch in der Heimat.
Vorzüglich hat uns Boccaccio im Decamerone die gegen die Wucherer
gerichtete Stimmung geschildert^. Manchem schlug zwar das Gewissen,
und wenn Innocenz IV. der Brüderschaft della Misericordia zu Siena,
welche für Waisen, Witwen und Armen sorgte, die Erlaubnis gab, durch
Wucher erworbenes Gut, wenn dessen Eigentümer nicht aufzufinden
war, anzunehmen, so ist gewifs auch mancher deutsche Schilling in den
Stock der Brüderschaft gewandert ^ Auf dem Todesbette hat m^ancher
von diesen Wucherern den Zins gewifs wieder herauszugeben befohlen,
wie es der Sienese Federico Rimpretto 1238 that, der seinen Schuldnern
in der Champagne die Zinsen, die er bei acht derselben auf 1045 U
Provisini anschlug, zurückzuzahlen Anweisung gab*.
> Ann. Colm. maj. M.G. SS. 17, 204.
2 Erster Tag erste Erzählung. Ser Ciaj^jH'Ueto ist nachgewiesen im Giorn.
storic. della litter. italiana 5, 329 ff.
' Berger 3, 29. Ein anderes Beispiel für Siena: Baldistricto ein Senensij
cujus parentes non modicam quantiMein bonorum per pravitatem usurarium acquisi-
verant, indulget papa, ut hotiis ilUcite a4:qxiisüis cofisiUo Asaisinatis episcopi liciie vero
acquisitis ipse ejusque heredes lihere uti possint. Ebda. 3, 228. Ahnlich erhielten
1304 die Predigermönche in Strafsburg, Speier, Trier und Köln Erlaubnis, Gelder
aus Wucher, liaub und schlechtem Erwerb bis zu 500 Mark Silber anzunehmen.
Grandjean 601.
* Auch für Vater und Brüder sollte das Wuchergeld zurückgegeben werden.
Unter den Schuldnern ist der Graf von der Champagne, der Bischof von Toul, Abt
von Flavigny und die Gemeinden Provins und Bar. Bulletino sencsc di storia
Die Grundlagen dieses Kredits. 271
Direkt an eine Kaufmannsgesellschaft gerichtet ist eine Urkunde
Nikolaus' IV. Die Chiarcnti von Pistoja, welche Wucherei getrieben,
wollen das in Zukunft nicht mehr thun, sie haben einigen das Geld
zurückgegeben. Für die Entlastung des übrigen, das sie dann ruhig be-
sitzen sollen, haben sie 1000 Goldunzen zu den Wiederherstellungsarbeiten
an Sa. Maria Maggiore zu Rom zu zahlen^. Am eigentümlichsten be-
rührt unser Gefühl eine Urkunde Bonifaz' VIII. Er läfst den Francesi
von Florenz das »per usuras et alias per contr actus pravos et illicitost
erworbene Gut, da sie in freiwilliger und demütiger Beichte ihre Schuld
eingestanden^. Zu den Francesi gehörte aber neben Biccio di Guido dei
Francesi auch Musciatto, der die rechte Hand Philipps des Schönen, wie
Karls von Valois war, den letzteren begleitete er auf seinem Zuge nach
Italien. In Florenz war er nach Dante der Urheber der Morde vom
11. April 1302 und auf seiner Burg sammelten sich die Verschwörer,
welche in Anagni Papst Bonifaz VIII. überfielen®. Es ist kein Zweifel,
Musciatto war es, der zum erstenmal Franzosen auf die italienische Halb-
insel führte und dem Bruder des Königs wie seinem ersten Staatsmann
auf italienischem Boden die Hand leitete*. Ein Emporkömmling, der
Sohn des kleinen Fighine, den Dante im Auge hatte, als er die neue
Bürgerschaft von Florenz der alten entgegensetzte . . .
la cittadinama, ch^e or mista
Di Campi, di Cerialdo e di Fighina
Pura vedcasi nelV ultimo artista. Paradiso 16, 49 — 51**
war der Spiritus rector des Attentates von Anagni. Man meint ein Straf-
gericht durchzufühlen!
Ehrenberg ist es vortrefflich gelungen nachzuweisen, dafs das Be-
dürfnis der Fürsten, Krieg zu führen und dazu schnell Geldmittel zu
patria 4, 115 — 128. Viele ähnliche Testamente haben sich in Siena erhalten.
Ebda. 327.
> Langlois Nr. 6926.
a 1297 Februar 5. Digard, Faucon u. Thomas Nr. 1661. »Büectis filiis
BayaeriOf Albizo et Sinibaldo milüibufij Biccio, Musacto et Nicolutio fratrihus de Fran-
cesis ac Ciono Marzoli civibus Florentini.<i.^
8 Piton 92 f., 102—114. Übrigens hatte Bonifaz VIII. bald Grund, an Biccios,
Musciattos Bruders, Verhalten Anstofs zu nehmen. Ihm wurde die Besorgung der
Geldgeschäfte entzogen und an die Spiui und Chiarenti überwiesen. 1297 Okt. 28.
Digard Nr. 2091. Gegen die Abbati und Bacherelli von Florenz ging Bonifaz noch
schärfer vor, indem er ein Verbot erliefs, ihnen die Schulden zu zahlen. Sic unter-
warfen sich aber bald. Digard Nr. 2425.
* Langlois in seinen vortrefflichen Ausfuhrungen in der Revue historique
60, 323.
* Allein das Bürgertum, das jetzt gemischt ist
Aus Campi, aus Certald und aus Figghine,
War rein zu schaun im letzten Handwerksmann. (Philalethes.)
272 Dreiundzwanzigstes Kapitel.
beschaffen, zu ausgedehnten Anleihen, zum Kreditnehmen, zum vollen
Widerstreite gegen die scholastische Wucherlehre geführt hat^ Der
Spruch >pecunia nervus hellU machte den älteren ^Fecunia pecuniam non
purere potesU zu Schanden. Auch wir haben gesehen, dafs die Aktion
zu Gunsten der Anjous, der Kampf wider die letzten Staufer nur durch
die Inanspruchnahme des gewaltigen Kredits der Kurie durchführbar
war. Aber der Krieg, die auswärtige Politik hat nicht allein das inter-
national gewordene Geldgeschäft geschaffen, in vielleicht umfangreichem
Mafse wandte es sich zunächst einem anderen, wesentlich friedlicheren
Bedürfnisse zu. Die seit dem dreizehnten Jahrhundert hochentwickelten
Abgaben, welche der Prälat bei seinem Amtsantritt zu entrichten hatte,
erzeugten ein Geldbedürfnis, das in der Heimat nicht befriedigt werden
konnte, sondern nur von Bankiers, die mit der Kurie Fühlung hatten.
Dieser Kredit erstreckte sich aber nur auf die Geistlichkeit und sehr
wohl ist zu beachten, dafs von den drei oben erwähnten Voraussetzungen
die erste, das zahlen-können, keine Bedenken bot, die zweite, das zahlen-
wollen, oft genug bei den Schuldnern fehlte, die dritte aber, das zahlen-
müssen durch die Kurie verbürgt war, aber nur für das Kapital konnte
die Hilfe der Kurie in Anspruch genommen werden.
Der Zwang zum Zahlen bestand für die deutschen Fürsten nicht,
hier griff die Kurie nicht ein. So kam es, dafs diese ihr Geldbedürfnis
innerhalb des Landes bei Juden und bei den dort angesiedelten Lombarden
oder auf andere Weise decken mufsten ; für sie waren die grofsen Geld-
händler nicht zu haben. Diese haben mehr Vertrauen auf die Könige
von England und Frankreich gesetzt, in deren Reichen um 1300 sie
geradezu dominierten; aber es fehlte das zahlen - müssen , die Könige
brachen ungestraft ihr Wort und ein grofser, allgemeiner Bruch der
Banken von Florenz folgte. Geleitet durch die Interessen des Waren-
handels hatten sie sich dort zur leichtsinnigen Gewährung von Kredit
an die öffentliche Gewalt bestimmen lassen. Der Zusammenbruch war
das Ergebnis, mit ihm schliefst die erste Blütezeit der Florentiner Banken *.
1 S. 1 flF.:
' Vgl. das nächste Kapitel.
Zweiter Teil.
ITALIENER BEI ERHEBUNG PÄPSTLICHER STEUERN
IN DEUTSCHLAND.
Vierundzwanzigstes Kapitel.
Italiener bei Erhebung kirchlicher Steuern in der voravignonesischen Zeit.
Organisation der Steuern in Deutschland. Zutoeisung a/n bestimmte Banken.
Charakteristik derselben. An Stelle Sienas tritt Florenz, Entwicklung des Florentifier
Handels in Verbindung mit der politischen Geschichte, Pisti^a, Sturz der Ämmanati,
die Chiarenti und das Kardinalskollegium,
Die Oeschichte der päpstlichen Kreuzzugssteuem ist für das
dreizehnte Jahrhundert bereits von Gottlob ^ geschrieben. Es soll hier
ein von diesem gründlichen Kenner des päpstlichen Finanzwesens nur
flüchtig gestreiftes Kapitel behandelt werden, das zum Teil inzwischen
von Schneider in anderem Zusammenhange erledigt wurde. Es ist das
der Anteil, den italienische Kaufleute an der Erhebung der Steuern
hatten. Ya ist längst beobachtet, dafs der Transport und zum Teil auch
die Aufbewahrung der Steuererträgnisse seit Mitte des dreizehnten Jahr-
hunderts in die Hände italienischer Kaufleute gelegt wurde. Das gilt —
täusche ich mich nicht — für Deutschland doch nur in eingeschränktem
Sinne. Hier wurde der Transport über die Reichsgrenze mehrfach von
den Sammlern selbst besorgt. Nach Avignon namentlich werden wir
eine ganze Reihe solcher Transporte verfolgen können. Diese Beob-
achtung legte mir den Gedanken nahe, zu untersuchen, ob überhaupt die
Italiener, welche sonst erscheinen, nur ad hoc deutschen Boden betreten
hatten oder ob das Geld an fest domizilierte Agenten der italienischen
Gesellschaften gegeben wurde, wie sie deren in Frankreich, Flandern
und England hatten. Können wir eine gröfsere Zahl von Fällen nach-
weisen, in denen der Agent fest domiziliert war, so werden wir auch
für Deutschland solche Kommanditen annehmen dürfen; mit anderen
^ Die päpstlichen Kreuzzugssteuem.
Schulte, Geseh. d. mittel alterl. Handels. I. 18
274 Vierundzwanzigstes Kapitel.
Worten, es handelt sich darum nachzuweisen, ob tiberhaupt auf deutschem
Boden die italienischen Geldfirmen persönlich zu erscheinen und Handel
zu treiben gewohnt waren.
Die erste päpstliche Steuererhebung, welche in gröfseren Teilen
Deutschlands zum Vollzug kam, war der Kreuzzugszehnte, der 1274 von
dem zweiten Konzil zu Lyon auf den gesamten Klerus der katholischen
Welt gelegt wurde. Der Vollzug nahm eine Reihe von Jahren, ja von
Jahrzehnten in Anspruch, noch 1289/90 wurde ein neuer Kollektor an-
gestellt. Deutschland wurde zunächst nach den Erzspreugeln zerlegt.
Im Norden war für die von Köln, Bremen und Magdeburg Raynerius de
Orio, seit 1285 Theoderich Abt zu Orvieto thätig. Im Süden, wo die
Erhebung weniger schwierig wurde, arbeitete erst Rogerius de Merlo-
monte. 1285 wurde aber eine neue Einteilung durchgeführt, welche
Rücksichten auf die Handels- und Verkehrsverhältnisse vermuten läfst.
Zum Erzbistum Salzburg wurden die Diöcesen Prag, Olmütz, Eichstätt
und Bamberg Aliro de Ricardis, einem Kanonikus von S. Marco zu
Venedig, gegeben. Es sind also die Diöcesen, deren Verkehrsmittel-
punkt nach Italien hin unbestritten Venedig war. Das übrige Reichs-
deutschland wurde Theoderich zugewiesen, der 1289/90 das ganze Gebiet
übernahm.
Seitens der Kurie erhielten die Kollektoren Instruktionen, an be-
stimmt bezeichnete Kaufmannsgesellschaften das Geld abzuliefern. Grund-
sätzlich trat sie für diese Art des Transportes ein, auf die die Kollektoren
selbst nur zögernd eingingen. Gregor X. wies nun zunächst den Ober-
kollektor für ganz Deutschland an, die gesammelten Gelder an die Gesell-
schaft des Bernardo Scotti von Piacenza, speciell an die als familiäres
des Papstes bezeichneten Opizo de Farignano und Rolando di Ripalta,
auszuzahlen ^. Da der Papst selbst aus Piacenza stammte, wird die Ver-
wendung seiner Landsleute und ihr Titel Familiären erklärlich. Bei den
Scotti handelt es sich zudem um ein Haus, das mit den Anguissola,
Guadagni'Bene, Borrini und den Rustigazzi den damals sehr ausgedehnten
Handel von Piacenza betrieb, sie hatten Niederlassungen von Famagusta
auf Cypern bis nach England^.
In der That können wir Orlando di Ripalta in Basel und Konstanz
bei seinem Geschäfte nachweisen. Ende November 1275 erhob er die
Gelder in Basel ^, fast ein Jahr später empfing er in Konstanz 1770 Mark
Silber*. Bei der Abrechnung in Trier (1278 Januar 7) ist seine An-
* Mitteilungen a. d. vat. Archiv 1, 109.
« Piton.
' Urkundenbuch von Basel 2, 98.
* Liber dccimationis im Freib. Diöcesan-Archiv 1, 167 f.
Italiener bei Erhebung kirchlicher Steuern in voravignonesischer Zeit. 275
Wesenheit nicht recht klar bezeugt, genannt wird er auch do^t^ Nur
noch einmal ist mir sonst in den päpstlichen Urkunden die Firma der
Scotti begegnet, Papst Nikolaus IV. nahm sie in seinen Schutz*. Es
mag also sein, dafs die Scotti auch wegen ihrer Verbindungen, die sie
in Deutschland besafsen, den sonst so sehr begünstigten Florentinern
und Pistojesen vorgezogen wurden. Piacenza mufste ja, wie wir gesehen
haben, der Handel über die Alpen näher liegen, als den Toskanern.
Sie haben aber ihre Stellung bei der Kurie nicht behauptet: die
Florentiner liefen ihnen den Rang ab, Johann XXI. und Nikolaus III.
wiesen Merlomonte an die Frescobaldi, Kainerio de Orio an dieselben
und die Alfani». Martin IV. (1281—85), der die gröfste Zahl von
Banken, mindestens sieben, bei der Erhebung des Zehnten verwendete,
befahl Theoderich, der damals Trier und den gröfsten Teil von Mainz
hatte, da das Geld in Deutschland nicht sicher sei, es an Kaufleute von
Florenz, Siena, Lucca oder Pistoja zu übergeben*, sehr bald wurde das
eingeschränkt auf die Oesellschaft des Thomasius Spillati und des Lapus
Hugonis Spine — oder wie sie zu bezeichnen ist die Gesellschaft der
Spiglati-Spini*. Honorius IV. (1285 — 87) bezeichnete neben den Spiglati
wieder die Frescobaldi und neben ihnen die Ammanati von Pistoja und
die Abbati & Bacherelli von Florenz®. Nikolaus IV. bestätigte das^,
da der Zehnteinnehmer den Befehl des Papstes nicht ausgeführt hatte,
zunächst, hob aber noch im gleichen Jahre diese Verfügung auf und
wies den Kollektor an, den gesamten Betrag nunmehr an die von diesem
Papste bevorzugten Chiarenti von Pistoja abzuliefern®. Vom Jahre 1289
haben wir eine Art Abrechnung, die Chiarenti von Pistoja übernahmen
von den Gesellschaften die bei ihnen deponierten deutschen Zehntgelder®.
Es waren das bei den
Alfani 550 M. Sterl.
Frescobaldi . . . 565^/2 - - und 266 it kl. Turnosen
Ammanati ... 537 - - ISiilOß gvAGl fi -
Abbati & Bacherelli 538 - 14 ^ 6 /g 8 ^ kl. Turnosen
2190V/2 M. Sterl. 13 «5 10^ gr. 441 W 6j(? 8 ^ kl. Turnosen
' Lamprecht 3, 69.
« Langlois Nr. 3682.
« Mitteilungen 1, 120 u. 121. Schneider S. 7.
* Mitteilungen 1, 284.
^ Mitteilungen 1, 280, 290, 316.
* Prou Nr. 155, 156 u. 640. Das Regest, Mitteilungen 1, 338, ungenügend.
' Langlois Nr. 151.
8 Langlois Nr. 7158.
» Langlois Nr. 7226—29.
18 ♦
276 Vienindzwanzigstes Kapitel.
Raynerius de Orio hatte den Ertrag der Diöcesen Lübeck und Ratze-
burg mit 1500 Mark Lübisch dem Rate von Lübeck übergeben, der ver-
sprach dem Inhaber der von ihm ausgestellten und Rayner übergebenen
Urkunde in Brügge die Valuta mit 128 ü guter Turnosen Groschen zu
überreichen. Es ist das der älteste (Eigen-)wechsel, der bisher in Deutsch-
land nachgewiesen ist, die Lübecker lernten offenbar diese Bezahlungsform
von den Italienern kennen ^.
Bonifaz VIII. wies 1295 den Erzbischof von Trier und seinen Ge-
nossen, die Sammler des deutschen Kreuzzugszehnten, an, die ein-
kommenden Gelder bei den Gesellschaften der Spini und Mozzi, die sich
finanziell getrennt hatten, politisch aber Hand in Hand gingen, und den
Chiarenti von Pistoja niederzulegen*. Es waren das die damals hervor-
ragendsten Banken von Florenz und Pistoja^. Später war an deutschen
Zehnten in bescheidenem Mafse auch der Ritter Giacomo Gaetani aus
Pisa, ein Verwandter des Papstes, beteiligt*. Benedikt XI. wies den
Zehnten aus den Erzsprengeln Mainz und Trier den Corchi zu^.
Werfen wir einen Blick auf den Wechsel der Bankiers der Kurie®.
Fast jedes Pontifikat bevorzugte andere Geschäfte. Honorius IV. behielt
für das Depositgeschäft die Spiglati- Spini aus Florenz und die Ammanati
aus Pistoja, auch die Buonsignori von Siena und die Ricciardi von Pistoja
bei und verwendete neu die Alfani von Florenz, deren Agenten bis nach
Norwegen gingen, die Abbati, florentinische Ghibellinen, die schon früher
verwendeten Frescobaldi, die mit den Anjous eng verbunden waren.
Nikolaus IV. arbeitete mit weniger Banken, neu beschäftigte er die
Chiarenti von Pistoja. Als 1291 Philipp der Schöne die in Frankreich
weilenden Lombarden gefangen nehmen und auf ihre Güter Beschlag
legen liefs, nahm sich der Papst als der hauptsächlichsten Kaufleute der
päpstlichen Kammer, der Buonsignori aus Siena, der Pulci, Spiglati-
Spini und Frescobaldi aus Florenz, der Ricciardi und der Chiarenti,
an^. Seine besondere Gunst gehörte den Chiarenti. Die Regierung von
Bonifaz VIII. bezeichnet den Höhepunkt des Einflusses von Florenz
auf die päpstliche Kammer. Vor allem waren mächtig die Spini, von
« Lübecker Urkb. 1 Nr. 450. Stobbe in Zeitschr. f. Handelsrecht 8, 33 f.
« Digard Nr. 826.
» Schneider 19 f.
* Reg. Clem. papae V. Abrechnung der Spini Nr. 1152.
» Grandjean Nr. 1273. Schneider 27.
* Vgl. die sorgfältige Untersuchung von Schneider 11 — 28, der die Banken
auch nach ihrer politischen Seite hin charakterisiert, und Gottlob, Darlehens-
schulden.
'^ Langlois Nr. 7326 u. 7384. Schon Nikolaus III. hatte in einem gleichen
Falle, als der König von Frankreich die Italiener gefangen setzen liefs, sich für
die Scali, Spiglati-Spini und die Pulci-Rimbertini verwendet. Gay Nr. 64, 66 u. 68.
Italiener bei Erhebung kirchlicher Steuern in voravignonesischer Zeit. 277
denen sieh die Spiglati di Mozzi getrennt hatten. Die Spini, Mozzi und
Chiarenti bekamen fast ein Monopol^ Die politischen Verhältnisse
führten die Mozzi aber zu den Gegnern des Papstes, der um so enger
sich an die Spini hielt; dann verwandte er wieder alle drei Banken und
dazu die Bardi, Benedikt XI. ersetzte die zu den Neri haltenden Spini
durch Vertreter der Bianchi, durch die Cerchi. Cerchi, Bardi und Chiarenti
waren nun die Freunde der Kurie, wie unter dem ersten avignonesischen
Papste die Bardi und Peruzzi.
Schon aus diesen Angaben folgt, dafs Siena seine alte Bedeutung
für die Wirtschaft der Kurie an Florenz und das kleinere nachbarliche
Pistoja eingebüfst hatte. Die Guelfen von Siena verloren, als sie aus
der Stadt vertrieben waren, ihren Einflufs, um ihn an die in gleicher
Lage befindlichen Guelfen von Florenz abzugeben.
Nach dem Zeugnisse Villanis* sollen die guelfischen Händler, welche
1260 nach der Schlacht bei Montaperti die Stadt hatten räumen müssen,
über die Berge nach Frankreich, wo sie bis dahin nicht gewesen seien,
gezogen sein, grofser Reichtum sei dadurch nach Florenz gekommen.
Thatsächlich war lange vorher den Florentinern der Weg nach Frank-
reich wohlbekannt, ja schon waren sie nach Fngland gekommen, schon
vorher hatten sie auch Beziehungen zur Kurie, allein von 1260 an zeigt
sich ein stetiges Anwachsen des Florentiner Handels. An der Kurie
führt er zum Monopol. Als April 1267 die Ghibellinen für immer Florenz
verlassen hatten, war diese Stadt der Mittelpunkt des Geldhandels der
Welt. Die Florentiner Kaufleute wanderten nun in der Welt umher,
der Charakter der Stadt w^ar verändert, daheim blieben die Frauen und
Kinder, wenn nicht die Familie mit in das Ausland zog, und Dante
konnte, die alten Zeiten preisend, Cacciaguida die Worte in den Mund
legen :
0 fortunate! e dasctina era certa
DeUa 8ua sepoUura^ ed ancor nulla
Era 2)er Francia nel letto deserta. Paradiso 15, 118 ff.*.
Die Erscheinung bedarf einer Erklärung. Schon in anderem
Zusammenhange ist gezeigt, dafs die Blüte von Florenz auf der Woll-
industrie beruhte, welche feine Wolle bearbeitete oder Wollwaren ver-
feinerte. Das führte sie nach England wie nach Flandern*. Der Geld-
handel ergab sich von selbst. Die Florentiner Guelfen brachten in ihm
» Digard Nr. 1096. 1225. Theiner, Cod. dipl. sedis sanctae 1, 360.
« Villani Hb. VI cap. 85.
' 0 Glückliche! und ihrer Grabesst&tte
War jegliche gewifs, und noch war keine
Im Ehebett verwaist um Frankreichs willen. (Philalethes.)
* Davidsohn 790 f. u. öfter.
278 Vierundzwanzigstes Kapitel.
aber eine folgenreiche Neuerung zur Geltung, eine neue Münze, welche
von vornherein geeignet war, die internationale Münze zu werden. Seit
1252 prägten die Florentiner ihren Gulden, und sie haben daran fest-
gehalten, diese Münze durchaus gut und rein zu erhalten ^. Nicht sofort
vollzog sich der Sieg des Guldens, aber er war um so sicherer, als die
neuen Konkurrenten, die Turnosen und Groschen, beim Silber verblieben
waren, die alten, die Provesinen und Sterlinge, dieser dreifachen Kon-
kurrenz nicht gewachsen waren ^.
Die Bankiers von Siena gehörten zumeist dem Adel an, die Floren-
tiner entstammten meist dem popolo, ja einige der angesehensten, die
Bardi, Cerchi, Francesi, Gherardi und die adligen Frescobaldi und Mozzi,
waren vom Lande nach Florenz eingewandert®, und Dante schiebt ihnen
die Schuld zu, dafs die Geldgier das alte gute Volk seiner Vaterstadt
verdarb. Die neuen Bankiersfamilien und die neuen nach der Kurie
schauenden Familien sind die, gegen welche sich der Dichter besonders
auflehnt^. Zu den Ghibellinen hielten sich von den uns bekannten
Bankiers wohl nur die Abbati. Die tiefe Kluft, welche sich aber am Ende
des dreizehnten Jahrhunderts innerhalb der Guelfen bildete und die Neri
von den Bianchi trennt, teilte auch die Bankierswelt, welche wir kennen
gelernt haben.
Die Schwarzen hatten in den Tagen Bonifaz' VIII. die engste Be-
ziehung zur Kurie. Die Spini standen ja neben Corso Donati an der
Spitze dieser Partei, welcher der Sieg zufiel, und ihre Bank, deren Haupt
Gheri Spina war, hatte in Simone Gherardi und Simone Cambio di Sesto
Vertreter bei der Kurie, welche wie eine ständige Gesandtschaft wirkten*.
Zu ihnen gehörten auch die Frescobaldi, die Pazzi, ebenso ein Teil der
Bardi. Bei den Bianchi stand an der Spitze das Haus der Cerchi, ihnen
folgten die ghibellinischen Abbati, die Mozzi, Scali, Alfani und Pulci
und ein Teil der Bardi®, In den entscheid ungs vollen Monaten des
Jahres 1301 wohnte Karl von Valois im Palast des Berto Frescobaldi,
seine Ritter bei den Spini, den Führern der Neri, so dafs sie den ponte
di S, Triniid, den ein Frescobaldi erbaut hatte, wie durch zwei Brücken-
köpfe beherrschten^. Mit den Weifsen wurde auch Dante verbannt.
Doch ich darf mich nicht auf die Florentiner Geschichte einlassen.
* Villari 1, 288. Hartwig, Ein Menschenalter Florentiner Geschichte 1, 19.
* Die Münze von Provins war in ßom nachgeahmt worden als provesini de sefiatu.
' H a r t w i g If 20. Vgl. zu diesem Abschnitt auch Schneiders genaue Angaben.
^ Hartwig 1, 20.
6 Del Lungo 1, 204. 2, 94 f.
« Villani 8, 39; die Stellung einiger Familien durch Del Lungo bestimmt.
Vgl. auch Schneider.
■^ Viliani 8, 49. Perrens 3, 44. Gregor X. hatte 1273 bei Tommaso Spiglati
Italiener bei Erhebung kirchlicher Steuern in voravignonesischer Zeit. 279
Die innige Verbindung der Florentiner Geldmächte mit der Kurie
war nun dauernd begründet. Das ist das Ergebnis der Kämpfe zwischen
den Schwarzen und den Weifsen gewesen, Florenz hatte das Monopol
bei der Kurie erstritten und auf die Geschichte der Päpste und der
Kirche einen Einflufs gewonnen, wie ihn keine andere Stadt — Rom
ausgenommen — je wieder besessen hat. Und wenn Bonifaz VIII.
wirklich, die aus Horenz stammenden Vertreter fremder Fürsten be-
grüfsend, gesagt hat: die Florentiner seien das fünfte Element, so hatte
er damit nicht so Unrecht. Wann haben je wieder Bankiers sich als
Vertreter von Fürsten der verschiedensten Kulturländer bezeichnen
können? Der Wollhandel hatte die Florentiner in den Geldhandel ge-
bracht, die Kurie verstärkte diese Tendenz, ja gab ihnen schliefslich das
Monopol. Was Dante bekämpft hatte, war eingetreten, das alte patriar-
chalische Florenz war dahin, die Söhne der Herrscherin des Geldmarktes
waren überall in die Politik verwickelt und mufsten nun an ihrem Geld
die schweren Erschütterungen der Geschichte spüren.
Von den bitteren Kämpfen, welche im Hause der Cancellieri aus-
gebrochen waren und die Stadt Pistoja in zwei heftig sich befehdende
Parteien gespalten hatte, waren die Namen Bianchi und Neri auf die
Florentiner Parteien übergegangen. Das eine der grofsen Bankhäuser
von Pistoja sollte in diesen Kämpfen untergehen. Es war das Haus der
Ammanati. Die Pistojesen hatten sich nach Florenz zur Ordnung ihrer
Angelegenheiten gewandt, sie wurde vorgenommen im Interesse der
Weifsen, die Schwarzen mufsten die Stadt räumen und weder Karl von
Valois, noch der Kardinal von Acquaspaii» konnten eine Änderung
herbeiführen. Der Kardinal verhängte über Pistoja Sentenzen, welche,
wie einst in Siena, die Kaufleute schwer schädigen mufsten ^ Die
Chiarenti nahm Bonifaz VHI. von den Sentenzen aus^; die Bank der
Ammanati brach aber zusammen. Ihre Vertreter verschwanden plötzlich
und insgeheim von der Kurie, unter Mitnahme von Geldern, welche den
Kurialen gehörten; die Gesellschaft stellte ihre Zahlungen ein. Bene-
dikt XI. bemühte sich auch hier, die Härten seines Vorgängers wieder
gut zu machen. Schon im November 1303 lud er Lante Agolantis ein,
an die Kurie zu kommen, damit die Angelegenheiten der Gesellschaft
geregelt würden. Sie bat nun den Papst, einen Kardinal mit der Durch-
di Mozzi gewohnt. Villani 7, 42. Bei den Spini wohnte nach Dino Compagni(Del
Lunge 2, 99) der von Bonifaz VIII. gesandte Kardinal Matteo d' Acquasparta.
1 Salvi, Historie di Pistoja 1, 272 ff.
* Salvi 1, 272. Vgl. Grandjean Nr. 378. »Bdldus Bayfierii de Floravantis,
mercator catnere nostre« gehörte zu den Chiarenti, die Pistojesen sollen ihn nicht
zwingen wollen, sich von der Kurie zu entfernen. Über die politische Stellung der
Chiarenti als Ghibcllinen s. Schneider 17.
280 Fünfundzwanzigstes Kapitel.
sieht der Bücher zu beauftragen, Benedikt möge die Schuldner zur
Zahlung zwingen, namentlich in Frankreich hätte sie viel Geld ausstehen,
und König Eduard von England schulde ihr 150000 fl. ^ Der Papst
gab nun Mandate, die Gläubiger in Italien, Frankreich, Kastilien, Eng-
land und Portugal zur Zahlung zu zwingen, die Geschäfte des Hauses,
das übrigens eine Überschuldung leugnete, sollten die Cerchi von Florenz
und die Chiarenti von Pistoja abwickeln*. Nach Deutschland ging an
die Schuldner eine päpstliche Mahnung erst unter Clemens V. ®, zugleich
wurde eine solche für die anderen Weltgegenden erneuert. Die Schuldner
sollten zahlen und zwar auch ^de datnpnis, expensis et tnter esse* y abzuliefern
war an die Gesellschaften der Scali und Peruzzi*.
Die Blüte des Pistojeser Bankgeschäfts war nur von kurzer Dauer.
Am längsten hielten sich die Chiarenti in Verbindung mit der Kurie.
Dieses Bankhaus besorgte auch fast alle Geldgeschäfte des Kardinal-
kollegiums ^.
Fünfundzwanzigstes Kapitel.
Italiener bei Erhebung der päpstlichen Steuern im vierzehnten Jahrhundert.
Quellen. Verschiedene Verfahren des Geldtransportes , nach Gegenden verschieden,
SüdirestdeutscMand. Ostdeutschland. Norden, Nordwesten, Wechselbriefe, Beteiligte
Banken, Bankerotte in Florenz. Neue Bankhäuser,
In welcher Weise die italienischen Kaufleute im vierzehnten Jahr-
hundert an der Erhebung der päpstlichen Abgaben beteiligt waren, läfst
sich mit voller Klarheit aus den Veröffentlichungen von Kirsch® ent-
nehmen. Weniger aus den Erhebungsregistern selbst, als aus den Aus-
zügen, welche Kirsch aus der langen Serie der »Introitus et exitus camerae
apostolicae* darbot''.
Es fällt sofort auf, dafs in vielen Fällen der päpstliche Kollektor
das Geld selbst oder durch einen im Range gleichen oder niederen
Kleriker oder durch einen Familiären oder seltener durch einen Ritter
* Salvi 1, 285. Der Kardinal soll »saldare i suoi conti*.
8 Grandjean Nr. 1109. 1151. 882. 883 u. 886. Unter den Schuldnern ist auch
der Bischof von Cambray.
' Mitteilungen a. d. vat. Archiv 1 Nr. 672.
* Reg. Clementis p. V. Nr. 737. 1306 Mai 18.
^ In dem von Kirsch (Die Finanz Verwaltung des Kardinalkollegiums im drei-
zehnten und vierzehnten Jahrh. Kirchengeschichtl. Studien Bd. 2 Heft 4. Münster
1895) veröffentlichten Verteilungsregister für 1295—98 erscheinen am meisten die
Chiarenti, dann die Spini, Franzesi, Ammanati und endlich die Scali S. 96 — 127.
VgL Baumgarten, Die Rammer des Kardinalkollegs, und Schneider S. 45—47.
* Die päpstlichen Kollektorien.
■^ Vgl. auch die Einleitung S. LIX-LXIII.
Italiener bei Erhebung päpstlicher Steuern im vierzehnten Jahrhundert. 281
nach Avignon bringen liefs. Die Gefahr des Verlustes wurde also in
diesen Fällen vom Kollektor getragen , das ganze Geschäft spielte sich
innerhalb des bureaukratischen Rahmens ab. In nicht ganz so zahl-
reichen Fällen wurde der Geldtransport aber Kaufleuten tibertragen und
zwar, von wenigen Ausnahmen abgesehen, durchaus Italienern. Wenn
man oberflächlich zusieht, könnte man meinen, der Kollektor habe tiberall
die Gelegenheit gehabt, sich der Hilfe der Italiener zu bedienen, überall
hätten diese ihre Vertreter gehabt. Wenn man die einzelnen Geschäfte
aber nach den Gegenden und Orten ordnet, in denen und an denen der
Kollektor das Bargeld dem Kaufmann übergiebt, wird sich ein ganz
anderes Bild ergeben. Und dann wird man auch zwischen Kollektoren
deutscher oder romanischer Abstammung unterscheiden müssen. Fran-
zosen, welche in den Avignoser Tagen an der Kurie viel zahlreicher
waren als vorher oder nachher, waren wie die Italiener an die Benutzung
des Geldwechsels gewöhnt. Er war hier altüblich; anders war das in
Deutschland. Der älteste Wechsel, der von deutschen Kauf leuten gezogen
wurde und uns bisher bekannt geworden ist, stammt vom Jahre 1323.
Die deutschen Prälaten verstanden also gewifs nur selten mit Wechseln
umzugehen. Der Nutzen derselben mulste aber einleuchten. Wenn der
Prälat selbst oder durch einen Familiären den Barbetrag durch die ver-
schiedenen deutschen, dann französischen Landschaften bringen, sich
Geleitsritter mieten mufste und doch nicht eine Stunde ruhig seines
Weges reiten konnte, ohne befürchten zu müssen, gefangen oder beraubt
zu werden, so war das nicht allein eine Probe auf den Mut und die
Energie, sondern auch sehr teuer. Wer jene Eigenschaften nicht besafs
oder dem sie ausgingen, wie jenem Kollektor, der sein Geld glücklich
aus Polen und Böhmen bis Mainz gebracht hatte, dort aber vierzehn
W^ochen liegen blieb, weil ihm niemand ordentliches Geleit geben wollte,
oder wer die Kosten scheute, hatte an diesen italienischen Kauf leuten
gute Hilfe. Sie waren von der Kurie empfohlen, der eine Socius über-
nahm den Transport zu jedenfalls nicht allzu hohen Kosten, deren Höhe
wir leider nicht genau kennen, sandte an seinen anderen Socius in
Avignon einen Wechselbrief, dort fand die Auszahlung statt, ohne dafs
das Geld in natura die weite gefährliche Wanderung hätte machen
müssen. Es handelt sich durchweg um Eigenwechsel. Die italienischen
Gesellschaften besorgten für sich in sehr hohen Beträgen das Geschäft,
das im kleinen im Weltpostverkehr die staatlichen Postanstalten von
heute betreiben. Noch besser kann man den Giro- und Clearingverkehr
zum Vergleiche heranziehen. Statt der Barsendung fand Abrechnung statt.
Bleiben wir zunächst am Oberrhein. In Basel lieferte der Sub-
kollektor — ein Deutscher — das Geld an die Kaufleute des Papstes
ab; genannt werden Guillermus Lanfredi von Florenz und Guillermus
282 Fünfundzwanzigstes Kapitel.
de Condamina, und nach guter deutscher Sitte schlofs die Übergabe mit
einem Mahle ^ das den Fremden und dem Dorapropst gegeben wurde*.
Von Strafsburg aus brachte der deutsche Kollektor das Geld persönlich
fort^, wahrscheinlich ist das auch bei dem Wormser^. Von Konstanz
liefs ein Italien wie die Kurie genau kennender Prälat, wie es der
Geschichtschreiber Heinrich Truchsefs von Diessenhofen war, das Geld
durch einen deutschen Geistlichen transportieren, der Bischof that das
Gleiche oder bediente sich seines Küchenmeisters, nur einmal wurde das
Geld von zwei Familiären des Bischofs (darunter der Küchenmeister) an
unbekanntem Orte dem Kaufmann Giorgio Tigrini von Lucca tiber-
antwortet*; durch einen Ritter wurde 1319 das Geld nach Strafsburg
gebracht zu Händen der Kollektoren^.
Von Eichstädt erfolgte die Übergabe seitens der deutschen Kollek-
toren zweimal persönlich, einmal durch einen Ritter®, von Würzburg aus
wurde ebensowenig ein Italiener verwendet^.
In den südostdeutschen Bistümern werden wir den Einflufs von
Venedig vermuten. Die Gelder von Brixen und Freising wurden dort-
hin in das Predigerkloster in Depositum gegeben, die Scali, Peruzzi und
Bardi übernahmen die Übersendung®.
Der deutsche Kollektor in der Kirchenprovinz Salzburg brachte ein-
mal das Geld selbst nach Avignon, das andere Mal schickte er es durch
einen italienischen Prälaten nach Venedig, dort wurde ein Wechsel auf
das Haus der Alberti vecchi von Florenz gekauft. Der Erzbischof be-
diente sich mehrfach auch eines Prokurators, Johann von Konstanz, der
ein Kaufmann gewesen sein könnte ® ; der Bischof von Gurk eines Pfarrers
seines Sprengeis ^^
Gehen wir nun weiter an der Ostgrenze, so finden wir in Böhmen
mehrfach Italiener. In den Tagen Clemens' V. lieferten die Spini, Cerchi
und Bardi von Florenz, die societas Benedicta von Pisa und die Chiarenti
von Pistoja die Erträgnisse des böhmischen Zehnten an die Kurie**.
Der Kollektor von Böhmen, der Dechant von Wissehrad Johannes
» Kirsch S. 32. Vgl. S. 31.
« Sicher 1360 S. 387, wahrscheinlich 1362 S. 390.
» 1362. 390 u. 391.
* 1374 S. 407 u. 411. 1360 S. 386. 1375 S. 413. 1375 S. 411.
» S. 58.
« 1361 bez. 63. S. 389. 392.
' 1362 S. 390. 1374 S. 410.
« 1322 S. 382.
ö 1364 S. 392. 1367 S. 399. 1372 S. 403 f.
J» 1372 S. 403.
" ßeg. Clem. papae V. Appendices I Nr. 449.
Italiener bei Erhebung päpstlicher Steuern im vierzehnten Jahrhundert. 283
Paduanus, wohl ein Italiener, zahlte 1356 sehr bedeutende Beträge durch
Anton und Quido Malabayla, Bürger von Asti. Ihre Anwesenheit in
Böhmen ist damit aber nicht bewiesen; denn 1358 tibergab derselbe
Kollektor das Geld an Peter und Johann von Köln, Bürger von Prag,
diese tibermittelten (offenbar durch einen Wechsel) die Summe an einen
Geschäftsfreund in Brügge, dort wurde nun die weitere Besorgung an
solche des Antonio Malabayla ^mercator Estensis curiam Bomanam
sequenst übergeben. Gelegentlich bediente sich dieser Kollektor aber auch
eines Standesgenossen ^. Deutsche Kollektoren bez. Prälaten haben ein-
mal die Gardi von Florenz benutzt ^ Von Krakau und Breslau ging das
Geld viermal durch die Bardi, sonst direkt oder durch Boten, einmal
auch durch einen Johanniter®.
Wir sind damit schon fast in das Gebiet der Hansa gekommen. Wir
haben da Nachrichten über Riga*, Magdeburg und Bremen**, ohne dafs
wir von einer Thätigkeit von Italienern hören. Anders lauten die Nach-
richten aus Ratzeburg, Schwerin, Kammin und Lübek. Zwar kann man
aucli da nicht nachweisen, dafs das Geld den Italienern sofort an Ort
und Stelle übergeben wurde, vielmehr ging es in zwei Fällen erst in
Brügge an die Alberti vecchi, zwei weitere bleiben unklar, in Avignon
wurde die Valuta durch die Alberti vecchi ausgezahlt®.
Also auch für den Osten wie das Hansagebiet können wir die
Existenz von Filialen italienischer Banken nicht erweisen, wenn hier
auch offenbar der Wechsel und die Bedeutung der Italiener genauer
bekannt ist, wie im mittleren Deutschland^. Ganz anders sieht es nun
in den Gebieten aus, welche mit den Niederlanden und Frankreich in
der lebhaftesten Berührung standen, näherhin erweist sich Flandern und
Brabant als der Sitz des rührigsten Geldgeschäftes.
Von Köln aus ging das Geld einmal durch einen Prokurator ; Florenz
von Wevelinghofen , Bischof von Münster tiberbrachte es selbst®, nur
einmal verwendete er die Alberti vecchi von Florenz®; dahingegen be-
diente sich Petrus Begonis, Kanzler der Breslauer Kirche, stets der
» 1356. Kirsch S. 384. 1358 S. 385.
* 1371, 402. Sonst persönlich oder durch Standesgenossen S. 402 u. 407.
' Theiner 1, 286. Ein Deutschritter wurde von Polen aus verwendet.
Kirsch S. 383 (1330).
^ 1364 S. 394.
^ 1361 S. 389. 1362 S. 391. 1363 S. 391 f.
• 1374 S. 408 u. 405.
"^ Zu den älteren Belegen über die Bekanntschaft des Wechsels in dem Hansa-
gebiet noch die Zeugnisse des Handelsbuchs Vickos von Gelderscn, herausgegeben
von Dr. Hans Nirrnheim, Hamburg 1895, S. XXXIX f.
« 1356 S. 384. 1364 S. 392 f. S. 334.
» S. 334.
284 Fünfundzwanzigstes Kapitel.
Hilfe italienischer Kaufleute: dreimal der Gesellschaft der Alberti vecchi,
je einmal der Alberti nuovi und der Soderini und Altoviti von Florenz*.
Dreimal ist sicher der Wechsel in Köln gezogen, und wenn es in einem
Falle heifst, der Faktor der Alberti vecchi weile in Köln*, so hat
wenigstens diese Gesellschaft mindestens zeitweise einen Faktor in Köln
gehabt. Aus Utrecht und Lüttich haben wir Nachrichten, dafs ein-
heimische Kollektoren das Geld persönlich überbrachten^. Die im
Trierschen (und Baseischen) wirkenden französischen Kollektoren,
Johannes Ogerii und Gerardus de Arbenco, thaten dasselbe oder be-
dienten sich Prokuratoren*, ebenso der deutsche Kollektor**. Der aus
Frankfurt stammende Kollektor für Mainz hat das Geld durch Guido
Malabayla abgeliefert, aber es war dabei ein Kleriker des Kollektors
anwesend ®.
Aber auch aus den französisch sprechenden Gebieten ging das Geld,
wenn es der Kollektor nicht selbst ablieferte, meist durch Prokuratoren ''j
seltener durch Kaufleute der eigenen Gegend: so ging von Toul das
Geld durch Kaufleute von Epinal nach Brügge, wo sie das Geld zur
Zahlung in Avignon an die Alberti vecchi gaben ®. Ein Generalkollektor
für Metz, Toul und Verdun liefs das Geld nach Paris bringen, wo es an
die Alberti vecchi überging®, ein anderes Mal überlieferte er persönlich**^.
Die Generalkollektoren und diejenigen, welchen eine grofse Zahl von
Diöcesen zur Besteuerung zugewiesen war, waren ohne Ausnahme Italiener
oder Franzosen. Petrus Durandi liefs in Worms einen Wechselvertrag
abschliefsen , um das Geld so heimlich nach Mainz zu bringen**, schon
vorher hatte er durch Vermittlung des Erzbischofs von Salzburg Geld-
summen bei den Predigermönchen zu Venedig deponiert, von dort
wanderten sie durch die Bardi nach Avignon **. Sonst haben auch diese
das gewöhnliche Verfahren angewendet. Ich fand folgende Ausnahmen.
Der Bischof von Cavaillon (in der Provence) gab an den von der Kurie
zur Einsammlung der Gelder ausgesandten Astigianen Raphael Damiani
eine bedeutende Geldsumme, welche er durch seinen Landsmann Antonio
» 1364 f. Kirsch S. 393-96.
' »Cum Barthölomeo Johannis de Florentia ihiäeni commorante.*
» 1864 S. 392 u. 1362 S. 391.
* S. 155 f., 251 ff.
^ 1360 S. 388 f.
« 1361 S. 390.
■^ Metz 1374 f. S. 409 ff., 415, Toul 1374 S. 409 f. S. 318 f.
« 1368 S. 400 f. Vgl. auch S. 143 f.
» 1374 S. 409.
1« 1375 S. 411.
" 1319 S. 75.
" 1317 S. 81.
Italiener bei Erhebung päpstlicher Steuern im vierzehnten Jahrhundert. 285
Malabayla in Avignon ausbezahlen Hefa *, letzterer war noch ein zweites
Mal der Vermitder ^ ; ein drittes Mal kaufte er zu Ltittich einen Wechsel
der Alberti vecchi®. Sehr genaue Nachrichten haben wir tiber den
Kollektor aus dem Dominikanerorden, Johannes Schadland, nacheinander
Bischof von Kulm, Hildesheim, Worms und Augsburg, der fast stets
folgendes Verfahren einschlug. Er liefs das Geld (in bar oder in
Wechsel ist nicht gesagt) durch deutsche Kaufleute bez. Prokuratoren
nach Brügge bringen, dort wurde es den Alberti vecchi, einmal auch
den Gardi übergeben*. Die Deutschen waren die Strafsburger Johannes
Merswin, Hugo Spanner und Nicolaus Ventris. Johann Merswin war
der bedeutendste Bankier, den in jenen Tagen Strafsburg besafs, das
Vermögen des bekannten Mystikers Rulmann Merswin war durch Geld-
geschäfte gewonnen, sein Verwandter Johann hatte auch sonst Geld-
geschäfte mit der Kurie**. Hugo Spanner wird als Kleriker und Sub-
koUektor® bezeichnet, er war dabei der Diener Merswins^. Nicolaus
Ventris und Tilmann Lamberg sind nicht näher zu bestimmen. Der
Titularbischof von Limisso verwendet keine Kaufleute, doch ist ihm das
Geld aus der Eichstädter Diöcese durch Ulrich Stromer von Nürnberg
zugekommen®. Das Gleiche gilt von Heinrich Rand, Domdekan in
Bamberg, der sehr bedeutende Summen ablieferte.
Der italienischen Kaufleute bedienen sich dann drei wesentlich am
Niederrhein und in den Niederlanden thätige Kollektoren : Bernhard von
Berne, Kanoniker der Kreuzkirche in Lüttich, stand mit Matheus Caren-
soni von Lucca, den Gardi und den Alberti vecchi in Verbindung, die
Wechsel wurden in Mecheln abgeschlossen *. Johannes Vastini de Casleto,
Domherr in Lüttich, leistete von zehn Zahlungen nur eine durch Jakob
Malabayla*®, am meisten bediente sich des Wechsels Sigerus de Novola-
pide, Dechant von St. Servatius in Maastricht. Auf die Zeit von 1363
bis 1875 verteilen sich zwanzig Zahlungen, siebzehn bez. achtzehn er-
folgten durch Wechsel, von ihnen entfallen auf die Alberti vecchi neun
1 1360. Kirsch S. 386.
« 1360 S. 388.
» 1360 8. 886 f.
^ Nur einmal geht ein Subkollektor direkt, ihm hilft aber ein Faktor der
Alberti vecchi. In den zwölf anderen Fällen wird stets ein Wechselvertrag Brügge-
Avignon benutzt. Die Urkunden verteilen sich auf die Jahre 1364 — 1372. S. 393 — 404.
» Strafsburger Urkundenbuch 5 Nr. 1141. 1253. 1278 u. 1314. 7 Nr. 689.
938. 1100. 1254. 1468 u. öfter.
• Kirsch S. 398 u. Strafsb. ürkb. 5, 844.
"* Strafsb. ürkb. 7 Nr. 1262. Er machte Geschäfte zu Frankfurt und Löwen.
« 1375 S. 415, sonst S. 401. 412 ff.
» 1372. 404. 1374. 409 f.
»0 1345 S. 292.
286 Fünfundzwauzigstes Kapitel.
bez. zeho, auf die Alberti iiuovi vier, auf die Soderini drei, auf Kauf-
leute aus Montpellier einer. Die Übergabe des Geldes erfolgte sieben-
mal in Lüttich, je zweimal in Mecheln und Maastricht, sonst ist der Ort
nicht bekannt. Es wird wiederholt ausdrücklich erwähnt, dafs der Agent
an dem betreffenden Orte weile. Nur einmal bediente sich der Dechant
eines Geistlichen, die Schlufszahlung leistete er persönlich ^
Überblicken wir das Ganze, so ergiebt sich, dafs mit Sicherheit sich
keine italienische Filiale in Deutschland, abgesehen vom heutigen Belgien
und Holland, nachweisen läfst. Die Italiener und ihre Geschäftsart ist
bekannt in Basel und Köln, also am Rhein entlang und von Venedig
aus im Südosten und Osten. Das durch die Kaufleute vermittelte Geld
wurde nach Brabant, namentlich aber nach Flandern, speciell Brügge
gebracht, von dort aus gelangte es nach Avignon. Es machte dabei
fast stets sehr erhebliche Umwege. Brügge darf als der Hauptplatz für
den Wechselverkehr gelten. Eine intensive Verbreitung des Wechsels
ist demnach in Deutschland nicht anzunehmen, doch dürfte, von den
hansischen abgesehen, Merswin von Strafsburg und Stromer von Nürn-
berg ihn benutzt haben. Mit diesen Ergebnissen stimmt vollständig
überein, dafs der Tarif der Genueser Umsatzsteuer wohl W^echsel auf
Avignon, Montpellier, Paris, Brügge und England kennt, aber keine
deutschen, und dafs andererseits ein Wechselgeschäft zwischen Strafs-
burg und Metz uns urkundlich aus dem Jahre 1328 vorliegt^.
Die italienischen Gesellschaften sind andere, als wir sie im drei-
zehnten Jahrhundert kennen gelernt haben. Einige der allerangesehensten,
ja vielleicht gerade die mächtigsten machten Bankerott: die erste all-
gemeine Erschütterung erfolgte, so scheint es, in der letzten Zeit Papst
Bonifaz' VHI. Von ihr giebt auch Villani keine Nachricht. Von Florenz
waren dabei betroffen die Pulci, Mozzi und Frescobaldi, welche mit
Geldern des Templerordens \erschwunden waren, von Lucca die Ricciardi,
Betti und Cardelini, von Siena die ^magna tabula^ der Buonsignori ®,
von Pistoja, wie schon erwähnt, die Ammanati und auch eine Firma von
Montpellier (^Grozellorum*) gehörte zu denen, ^qtie nunc sunt coUapse*.
All diese Häuser hatten früher für die Kurie Geld eingenommen. Um
die bei ihnen ausstehenden Summen zu retten, befahl Clemens V., das
Geld, das sie in Frankreich, bei den Herzögen von Brabant und
Lothringen, bei Grafen, bei Städten — wie Douai — für die Kurie mit
1 Kirsch S. 367—377 u. 346.
2 Strafsb. Urkb. 3 Nr. 1199.
8 Auf ihren Bankbruch wirft helles Licht der Brief Philipps des Schönen an
Siena bei Langlois, Revue hist. 60, 317 und die dort mitgeteilten Stücke. Sie
schuldeten ihm 54 000 ^ kleiner Turnosen, er hielt sich an den anderen Sienesen
schadlos.
Italiener bei Erhebung päpstlicher Steuern im vierzehnten Jahrhundert. 287
Beschlag zu belegen*. Um 1310 stürzte auch das Haus der Franzesi,
das in Frankreich eine aufserordentliche Rolle gespielt hatte, man kann
sich das Regiment Philipps des Schönen nicht ohne Biccio und Musciato
Franzesi, diese findigen Geldkünstler, vorstellen. Was die Gründe dieser
ersten bisher gar nicht beobachteten grofsen Katastrophe sind, ist nicht
angegeben. Spielte das Verbot der Lombarden in Frankreich, der flan-
drische Krieg, der Streit Bonifaz' VIII. mit Philipp dem Schönen mit
hinein? 1326 folgte das Fallissement der Scali und Amieri, deren Bank
über 120 Jahre bestanden hatte*. Dieser Schlag brachte auch die
anderen Häuser in Verdacht, war aber nicht entfernt mit der Katastrophe
zu vergleichen, welche 1339 ausbrach und 1346 den Bankerott der Bardi,
Peruzzi, AcciajuoH, Bonacorsi, Cochi, Antellesi, Corsini, da Uzzano,
Perendoli, von denen sich ja manche wieder erhoben, und die Vernichtung
einer grofsen Zahl weiterer Geschäfte und Existenzen herbeiführte. Als
Teilhaber der Bonacorsi und durch ihren Bankerott ruiniert, mufste der
Geschichtschreiber Giovanni Villani, der vorher bei den Peruzzi Teil-
haber gewesen war, in den Schuldturm wandern.
Die Bardi und Peruzzi hatten in England eine Art von Monopol
ausgeübt, sie hatten die Wollausfuhr wie die Zölle unter sich und hatten
den Königen, zuletzt noch Eduard IH. für seinen Kampf gegen Frank-
reich stets Geldmittel vorgestreckt, so dafs beide Firmen 315 000 Mark
Sterling oder 1355000 Goldgulden, „was den Wert eines Königreichs
ausmacht," vom Könige zu fordern hatten, als er 1339 jede Zahlung an
die Florentiner einstellte. Die beiden Häuser hatten vielfach mit ge-
liehenem Gelde, ja mit dem, das kleine Leute des Gewinnes halber bei
ihnen angelegt hatten, gearbeitet. Um so weiter mufste die Wirkung
greifen, Handel und Gewerbe stockte, und in Frankreich wurden Kauf-
leute und Waren angehalten, um an ihnen Bürgen zu haben. Giovanni
Villani sah den Grund in der Geldgier, welche schliefslich blind auf
einen einzigen Fürsten die Spekulation baue^. Die Florentiner waren
als Bankiers grofs geworden mit Hilfe der Kirche, diese konnte — auch
wenn sie es gewollt hätte — einen Eduard III. zur Zahlung nicht
zwingen.
Von 1350 an erschienen neue Gesellschaften in Verbindung mit der
Kurie. Die erste Stellung nahm Niccolo di messer Jacopo Alberti und
die von ihm geleitete Gesellschaft der Alberti antiqui ein, die sich 1322
1 Reg. Clementis papae V. Nr. 7700 vom 27. Febr. 1312. Vgl. 2294. 2296.
4367. 4369. 9510. Peruzzi, Storia del commercio e dei banchieri di Firenze 153. 178.
Schneider 72.
2 Villani 10, 4.
» G. Villani 11, 83 u. 12, 55. v. Rcumont, Lorenzo 91 ff.
288 FünfiindzwaDzigstes Kapitel.
neu konstituiert hatten*. Als er 1377 starb, galt er als der reichste
Bürger von Florenz*. Die Alberti vecchi waren um die Mitte des vier-
zehnten Jahrhunderts die erste Bank der Kurie und auch in ihren Be-
ziehungen zu Deutschland. Papst Innocenz VI. wies 1355 die Erzbischöfe
von Trier und Köln an, alle Zehnten an diese Gesellschaft zu entrichten*.
Sehr zu beachten ist das Auftreten von Astigianen, auf die in den nächsten
Kapiteln näher einzugehen ist. Langsam mufste sich Florenz aus der
durch die Pest von 1348 noch verschärften Krisis wieder emporheben.
Die alten Gegensätze der Guelfen und Ghibellinen waren verschwunden,
seitdem die Kurie nach Avignon verlegt war, drohte der Arnostadt keine
päpstliche Oberherrschaft mehr. Die intime politische Berührung der Kurie
mit der Welt der Bankiers hörte auf, bis die Medici sie erneuerten*.
^ Passerini, Gli Alberti di Firenze 2, 14.
« Peruzzi 147.
• Böhmer-Hub er, Papstregesten 286.
^ Die päpstlichen Registerbände enthalten unzweifelhaft viele Aufschlüsse über
die Florentiner Banken, noch mehr wohl die Akten der Camera. Erst später wird
dieses Bild sich völlig klären.
Dritter Teü.
IN DEUTSCHLAND ANGESIEDELTE ITALIENISCHE KAUF-
LEUTE, ZOLLPÄCHTER UND MÜNZER.
Sechsundzwanzigstes Kapitel.
Zasammenstellnng der Nachrichten nach Orten.
Wallis, Veveyj Lattsanne, Genf, Yverdtm, Freiburg i. Ü., Peterlingen, Murten,
Thun, Bern, Bid, Solothurn, Luzem, Zürich y AaraUj Basel. — Lindau, Überlingen^
Kofisianz, Freiburg i. Br., Oberelsa fs, Oebweüer, Kolmary Bappoltsweiler, ScMettstadi,
Strafsburgy Lothringeny Oppenheinty Nördlingen, Efslingen, Frank furty Mainz, — Bingen^
Bacharach, Oberwesel, Koblenz, Triery Luxemburg, Schöneck, Beulandy Linz, Simich,
Ahrweiler y Bemagen, Siegburg y Kölny im Kölnischen. — MiUlheim, Werden, Duis-
burg, Soest, Osnabrück. — Gladbach, Aachen. — Arnhem, Boermonde, Maastricht,
LütUch, Mecheln, Belgien.
Wir haben gesehen, dafs jene grofsen italienischen Banken wohl
Filialen in Brügge, Brüssel, auch Mecheln und Lüttich hatten, wie zu Paris
und Avignon, nicht aber auf innerdeutschem Boden. Auch andere Quellen
bestätigen uns das direkt: die Peruzzi hatten ihre Vertreter in London,
Paris, Avignon und Brügge^, die Alberti 1348 in Paris, Brügge und
Brüssel*. Die Bardi bestellten 1314 fünf Prokuratoren für England,
sechs für Flandern, vier fllr Frankreich, die Champagne und Paris®.
Das grofse, namentlich in Seide, aber auch in Geld arbeitende Handels-
haus der Guinigi in Lucca hatte 1371 einen Vertreter in Pisa, zwei in
Neapel, drei in Brügge, 1372 ist die Zahl der auswärtigen Vertreter
dreizehn, davon aufser Italien nur vier und zwar alle in Brügge*.
1 Peruzzi 251.
' Perrens 3, 258. Es fehlt auffallenderweisc Avignon.
* Staatsarchiv Florenz, Notariatsbuch des Boccadibue Biego, 1311, 1314, Fol. 150.
Für die Handelsgeschichte Englands und Frankreichs enthält der Band auch sonst
vieles.
^ Lucca , Staatsarchiv Liber magistrorum et eorum factorum et puerorum anmi
n. d. 1371 und 1372. 1381 hat auch die Firma Boccelle einen in Paris, zwei in
Schulte, Oesoh. d. mitteUlterl. Handels. I. 19
290 Sechsundzwanzigstes Kapitel.
Nirgends werden eigentlich deutsche Plätze genannt. Florentiner und
Toskaner überhaupt waren also wohl schwerlich in irgend erheblicher
Zahl in Deutschland angesiedelt, um so zahlreicher aber „Lombarden".
Zunächst möge eine Zusammenstellung der Nachrichten, welche sich
auf in Deutschland und der deutschen Schweiz als Kaufleute angesiedelte
Lombarden und Kawerschen beziehen, folgen. Der Name Caorsiner,
Cawirschin, Kawerschen und wie er sonst noch lautet, ist schwer zu
deuten. Es sind alle möglichen Erklärungen versucht worden, am meisten
ist aber doch die Ableitung von Cahors angenommen, wenn sich auch
bisher die korrekte lateinische Form Cadurcenses nicht hat nachweisen
lassen. Schon Dante hat so oflfenbar den Namen abgeleitet, wenn er im
Inferno bei Beschreibung des Kreises, wo die Wucherer weilen, Caorsa
nennt*, und sein Kommentator Benvenuto da Imola erklärt Caorsa mit
Caturgium in Frankreich, und wirklich sind uns Nachrichten erhalten,
welche den Wucher der Einwohner von Cahors belegen^.
Ich verwende hier das Wort Kawerschen in der Einschränkung auf
die im Ausland angesiedelten Italiener, ich weifs sehr wohl, dafs mit-
unter, in England sogar fast regelmäfsig, darunter auch die wandernden
Sienesen u. s. w. mitverstanden wurden, die wir oben näher kennen
gelernt haben.
W^alliB.
1291. Verzeichnis der Schulden des Bistums Sitten. »Caorsinis sancti MauriUi
26 €ß Maur. cum tisuris.* »Caorsinis de Viviaco 77 ü Laus, stib usuris pro bcumlo
pastoraii et aliis ornamevdis argenteis pro capella, quas res ohligavit Petrus de Orons»*
Der Bischof hatte also seinen Bischofstab versetzt. — Gremaud 83, 445. 447.
1302. In den Freiheiten von Conthey wird das Recht zu testieren den usurarii
zugesprochen. — Gremaud 31, 40.
1304. Schuldbrief über entliehenes Geld. Geschuldet wird » Manuell j Thomt,
Humberto Layoli, Francisco et Jaquemino de Antegfi . . . Lombardis, merceriis Asten-
sibus et eorum sociis apud Contegium morantibus*. — Gremaud 31, 97.
1314. Schuldbrief gegen Jaquemynus et Franciscua de Äntagnon et Manu£llum
Thome Lumbardos, mercatores Astenses, et nuncium ipsornm apud Contegium commo-
rantem, — Gremaud 31, 246.
1317. In den Freiheiten für St. Maurice wird das Erbrecht auch anerkannt,
falls der Erblasser ein usurarius manifestus ist. Jedoch werden von allen Freiheiten
ausgeschlossen die mutuatores tenentts casa/nam mutui. — Gremaud 31, 283. 286.
Brügge, Lazzari drei in Brügge, zwei in London, Cenani in Brügge, sonst nur in
Italien. Es waren Seidenhändler.
1 Inferno 11, 50.
■ Vgl. Ehrenberg 1, 65 und Pigeonneau. Amietl,200f. Nübling, Juden-
gemeinden 1, 106 f. Betreffs der Ableitung des Namens vgl. Bourquelot 2, 140 ff;
Neumann368; Ami e 1 1, 188— 204; 2,273; Goldschmidt219; Pigeonneau 1, 244.
Das Wort ist auch aus dem Hebräischen, von Caorsa, Cavour (bei PignerolX von der
Familie der Corsiui, von einer Verderbnis des Wortes »campsor*' u. s. w. abgeleitet
worden.
Lombarden in Wallis, Vevey, Lausanne, Genf, Yverdon. 291
1324. Eine Sittener Handschuherfamilie hatte von Uiomassinus Lombardus Geld
und Waren geliehen, da sie die Schuld nicht decken können, übergeben sie ihm
ihren genau aufgezählten Hausrat und Handwerksgerät. Sie erhalten ihn zum Ge-
brauche zurück, der Lombarde erhält dafür einen Anteil an ihrem Gewinne und
zwar »ad misericordiam ipsorum Lombardorum*. — Gremaud 31, 461. Über Thomas-
sinus und seine Nachkommenschaft zahlreiche Urkunden bei Gremaud.
1330. Aimo Graf von Savoyen erläfst für Chablais u. s. w. eine Verordnung
gegen die Mifsbräuche, welche die Lomhardi casanas tenentes verüben. Eingehendes
Bild ihrer Praxis. — Gremaud 31, 558.
1330. Der Graf von Savoyen erläfst eingehende Vorschriften gegen die Lombardi
casanas tenentes in den Castellanien St. Maurice und Saillon. — Gremaud 33, 475.
1334. 1348. Lombardische Geldleiher safsen auch in Conthey und Saillon. —
Gremaud 32, 70. 512.
1337. Ebenso in St. Maurice. - Gremaud 32, 122.
1338. Unter dem Bischöfe Aimo von Thum erscheint neben seinem Siegel-
träger Thomassinus Lombardus cixHs Sedun. als der Vertraute des Bischofs in Geld-
sachen. — Gremaud 32, 134.
1338. Freiheiten der Stadt Sitten. Der Bischof darf gegen Wucherer nur vor-
gehen, wenn sie als solche notorisch bekannt sind. Und nur solchen Erblassem
gegenüber hat der Bischof Anspruch auf die Mobilien, die Immobilien bleiben den
Erben. — Gremaud 32, 160.
1349 bez. 1348. »Lumbardos casanam tenentes Palmerii Turqui in civitate Sedu^
nensü* Dieser Turchi, Bürger von Asti, war kurz vorher im Gebiete von Wallis
von Unterthanen des Bischofs festgesetzt und festgehalten. — Gremaud 32, 518.
478. 33, 497. 499. van Berchem 130 ff.
1351. Facinus de Saliceto Lombardus Zeuge in Martigny. — Gremaud.
1361. Pahneronus Turqui de Castettario Lombardus und savoyischer burgensis de
Thonon war in Wallis gefangen. — Gremaud 33, 197.
Vevey.
1287. Viats Caorsinorum. — Ami et 2, 265 nach Möm. et Do cum. de la Suisse
Romande XVHI, 21. 22. 40.
Die Vorstadt am östlichen, also nach dem Grofsen St. Bernhard zu ge-
legenen Ende hiefs „Vorstadt der Caorsiner". — Ami et 2, 265.
Lausanne.
1369. Aymo Bischof von Lausanne nimmt auf zehn Jahre zu Bürgern seiner
Stadt auf Oddonino Raschieri und Bartolommeo Bertone de Balbi, lombardi e merca-
tanti Chieresi, Aus dem Archiv des Grafen Balbi-Bertoni. — Cibrario, Delle storie
di Chieri 1, 494.
Genf.
1317. »A Lombardis [nicht weiter genannt] tenentibus casanam.* — Ami et 2, 264.
1358. »Aymon Asinerii» [s. Freiburg 1353] und »Fram von Medici* betreiben
eine Bank. — Ebda. Zahlreiche andere Nachrichten bei Sella, Borel 134 und in
schweizerischen Quellen.
Yverdon.
1287. Zwei Geldhändler: »dictorum Corsinorum, scüicet Bardi et Manni*. Ob
angesessen, fraglich. — Ami et 2, 265 f.
19*
292 Sechsundzwanzigstes Kapitel.
Freibupfir im Üolitland«
1249. Verbot, dafs der Bürger offen Wucher treibe. — Ami et 2, 213.
1295. Zwei Bürger von Bern haben 87 ^/s ü entliehen von *Maw*el€ ThanUf
Georgia Asinaria et Nicoiao Alpherio, civibus Astensibus et eorum sociis, apud Frihur-
gum Oechtlandie comtnorantibus*. — Fontes rer. Bern. 3, 622.
1803. Aufnahme des Mannellus Thome, Georgtus Asinarit socii cives et fMrclia-
totes Astenses, sowie des Aubertinus Thöme, treiben ein bedeutendes Bankgeschäft
Sie zahlten jährlich 15 ü Laus, und liehen ihr 100 U , also verdeckte Vorauch
bezahlung. — Amiet 2, 217 f. Recueil diplom. du canton de Fribourg 2, 22.
1310. Das Bankgeschäft erweiterte sich. Teilhaber: Manuel Thome , Albertus
Thomef Georgius Asinarius et Menfriodus Alferius eitles et mercatores Astenses stUque
collegae in dicto Friburgo commorantes, — Amiet 2, 219.
1388. Die Herrschaft Spiez schuldet in tisura an Aubertinus Tome, civis et mer-
cator AstensiSy burgensis de Friburgo^ 68 ü 10 JJ. — Font. rer. Bern. 6, 489.
1841. Lombardi casanam tenentes Friburgi. — Amiet 2, 221.
1858. Der Lombarde Aymonetus Asinarius wird in das Bürgerrecht auf-
genommen. — Amiet 2, 221. 298.
1856—59. Eine oder mehrere Banken werden gehalten von: Ayinonetus Asi-
narius, Franciscus de Medicis, Jaquiminus de Salliseto, welche einer Bank angehören,
dann von Petrus Asinarius, Andelotus Thome und dessen Sohn Mermetus Thome. Aus
einem Notariatsprotokollbuche erhalten wir über ihre Geschäfte die genaueste Aus-
kunft. — Amiet 2, 222 — 245. (Die Familien Asinari und de Saliceto erhielten auch
Beamtungen und gingen Ehen mit Leuten aus der Gegend ein. Amiet 2, 245 f.).
1898, Jacob Barguein, Kaufmann und Bürger von Freiburg, leiht Geld aus.
Wohl aus der Familie Bergognini. — Amiet 2, 248.
1899. NobiUs atque potens vir Aymonetus Ruer de civitate Astensi, dominus
Padiovarinus kauft von den Grafen von Greyerz die Herrschaften Oron und Pale-
sieux. Unter den Zeugen: Dominitus Testa dt Avülian, mercator, vielleicht Lom-
barde. — Amiet 2, 248.
1899. Der Lombarde Ottolin von Saliseto zu Freiburg Geldgeschäfte. —
Amiet 2, 249.
1402. 1408. Junker Percivall Rueri, ßius Aymonti Ruarii domini de Podiovarino,
civis Astensis verkauft die beiden Herrschaften. — Amiet 2, 249. 251.
1408 — 1411. Oddoninus Asinerii, domiceUus, Gläubiger des Grafen von Greyerz,
wird sein Kastellan in den Herrschaften Aubonne und Coppet. Streitigkeiten. —
Amiet 2, 251 ff.
1407—1418. Rolet Bargueyn, Otto von Saliceto und andere Gläubiger der
Greyerz. — Amiet 2, 254 f.
1418. Otto von Saliceto, Gläubiger derselben. — Amiet 2, 256.
1445 — 60. Anton von Saliceto, ein reicher Zinsherr (versteuert 1445 20000 Pfund).
Führer der savoyischen Partei, 1460 hingerichtet. — Büchi, Freiburgs Bruch mit
Osterreich an vielen Stellen.
Peterlingren (Payerne).
1804. Die Gemeinde Biel hatte einen WilUermus Lomhardus gefangen gesetzt.
Die von Peterlingen erklären, er sei ihr Bürger. WiUiermetus et Dominicus Lom-
bardi, burgenses Patemiaci et in Patemiaco residentes beschwören, dafs alles Geld
und alle Waren, die W. bei sich hatte, ihr oder Peterlinger Bürger Eigentum
sei. — Font. rer. Bern. 4, 201.
Lombarden in Murten, Thun, Bern. 293
Murten.
1309. Wühelmus Lomhardus, burgefisis de Mureto, Zeuge in zwei Urkunden. —
Font. rer. Bern. 4, 378 f.
Um 1400. Wohnte hier (1897 als Kastellan) Ottonino Asineri s. sonst Frei-
burg i. Ü. — Ami et 2, 252. 2, 315. 1, 255.
Thun.
1328. In einem Zahlungsregister des Kl. Interlaken erwähnt: •Lomhardu
ohne Angabe des Wohnortes, zunächst ist wohl an Thun zu denken. — Font,
rer. Bern. 5, 625.
1337. Aufnahme von Franco, Otto, Bernhard, Secundus uud Wilhelm Gutweri
von dem Kastell, Bürger zu Asti, Andres und Peter, ihre Vettern, ihre Gesellen
und ihr Gesinde auf zwanzig Jahre (Filiale der Bank in Bern). — Ami et 1, 24S.
2, 290. Font. rer. Bern. 6, 376.
1469. Hiefs noch ein Thor Lamparterthor. — Ami et 1, 249.
1269. Graf Philipp von Savojen erhielt als Vertreter des Reiches *a OionifUB
Bemam adtuntibus et ibidem negoUa sua aduris* 60 i/ Viennenses. Deutet auf längere
Ansiedlung. — Amict 1, 230. Cibrario, Operette 83.
1282. Ein Schuldner verpflichtet sich zur Bezahlung einer Schuld eventuell Geld
aufzunehmen a Judeis vel Caviwercinis. — Font. rer. Bern. 3, 336.
1312. Kaiser Heinrich VII. verpfändet an die Grafen von Bucheck neben dem
Zoll die Catverschin, von den Bucheckern 1815 verpfändet. — Amiet 1,232. Font,
rer. Bern. 4, 639 ff.
132 . . Otho Guttverii de Bemo genannt in einer Urkunde des Bischofs von Sitten
welche nicht Geldgeschäfte betrifft. — Font. rer. Bern. 5, 645.
Vor 1324 — 1334. Otto und Stephan Gutverius oder Gutweri von dem Kastell,
Bürger zu Asti, lassen sich nieder; tief bei ihnen verschuldet waren die Freiherm
von Weifsenburg und Peter von Turn von Gestelen, die Lombarden waren viel-
leicht mit zwei Bernem associicrt, einer heiratete eine Bemerin. — Amiet 1, 235—9.
Font. rer. Bern. 6, 147. 150. 158.
1335—41. Weitere Nachrichten über Verschuldungen bei den Herren von
Weifsenburg. — Font. rer. Bern. 6, 163. 193. 6. 7. 573.
1330. Der Lombarde Stephan (nach dem Siegel GuUuerit), Bürger zu Bern,
bevollmächtigt zwei Bemer Bürger, sein Burgrecht zu Freiburg L Br. aufzusagen. -^
Font. rer. Bern. 5, 741.
1331. Graf Hugo von Bucheck verkauft das Pfandrecht an den Gauwerschen
an die Stadt, 1348 von Karl IV. bestätigt. — Amiet 1, 233.
1336. Otto Lombardus . . . Wernhems Cauwersi Zeugen. — Fo n t. r er. B ern. 6, 262.
1337. Otto der Lamparte besitzt aufser seinem Sefshause ein halbes Haus in
Hormannsgassen. Nach dem Siegel: Otto Guttveri. — Font rer. Bern. 6, 346.
1338. Otto Lombardus Zeuge. — Font. rer. Bern. 6, 399.
1338. Stephan Gutweri und Bernhard. — Amiet 1, 293. Font. rer. Bern. 6,405.
1350. Cünrat von Schamachthal ist verschuldet bei Bernhard dem Lamparter. —
Font. rer. Bern. 6, 540.
1357. BefiedicttM ac Julianus et Symon Lombardi residentes in JBemo, schwerlich
Gauwerschen. — Amiet 2, 235.
1376. »Vincencijen Lamparten zalt von wegen des burgrechts 5 gttldin,* Stadt-
rechnung von Bern. — Arch. d. bist. V. Bern 14, 440.
294 Sechsundzwanzigstes Kapitel.
1376. »V(yn dien Lamparten ze zins von dem bangk 150 phunU. — Arch. d.
bist. V. Bern. 14, 440. Ferner genannt Clemn Lampart. — Ebda. 472 f. 495. Stephan
Lampart zur Kundschaft verwendet. — Ebda. 498.
1380. Stephan CrutvaHus, Bürger, Leon, sein Bruder, Hantzman, Sohn des ver-
storbenen Clewi G. — Ami et 1, 240.
1386. Statut, dafs Juden und Lampartcn ihre Forderungen, die auf Liegen-
schaften festgelegt sind, innerhalb Jahresfrist einziehen sollen. — Amiet 1, 243. 2, 306.
1391. Erwähnt, dafs die Lombarden einen Freiheitsbrief auf Zeit hatten. —
Amiet 1, 244. 2, 306.
1395. Nach dem Tode des Lombarden Anton von Septimis war sein Nachlafb
eingezogen, sein Sohn Hensli erhält ihn z. T. zurück. — Amiet 1, 244. 2, 307.
Anf. s. XV. In Bern Vinzenz von Troya, von Asti und Odyn Gambarii.
Ersterer war hier associiert mit Friedrich von Koche (s. Zürich und Luzem). —
Amiet 1, 245. 2, 280 f.
1405. Drei Lombarden angesiedelt, welche mit Schiefspulver handeln. —
Amiet 1, 245.
Vor 1417. In Bern angesiedelt Jakob von Madiis, auch Jakob Squacini oder
Jakob von Mündris (Mendisio) genannt ; derselbe bleibt trotz der Bestimmung wohnen
und wurde der Begründer der in Bern und Augsburg blühenden Familie von Mai,
deren später mehrfach zu gedenken ist. — Amiet 1, 247 ft".
1427. Christus und Maria zu Lieb sollen auf ewig keine Juden, Lombarden
und heimliche Wucherer mehr aufgenommen werden. — Amiet 1, 246. 2, 322.
Hub er, Privatrecht 4, 307 N. 10.
1466 April 24. Jacohus de Madiis dictus Scatzinus. — Unsere Urkunden Nr. 296.
1480 Juli 10 bis 1508. Die Stadt Bern empfiehlt an die Beamten des Herzogs
von Mailand Criato forum de Pandiano urhis nostre ivvol4im et civem. Sein Sohn
Thomaxinus erscheint seit 1481. Der italienische Name heifst de Pangiatis. Es er-
scheinen auch ein Jacohus de F., Sohn des verstorbenen Dominicus und ein Antonius,
später ein Johannes Baptista und Marcus de 1\ Sie betreiben wie die Mai Handel
nach Italien. Weitere Nachrichten zu 1485 März 10, 1497 Juni 19, 1501 April 8,
Juli 12, 1503 Juni 23, 1508 März 27. — Staatsarchiv Bern.
1482/3. Akten einer Erbschaftssache, die sich zwischen Chieri und Bern ab-
spielt. — Staatsarchiv Bern.
BleL
1305. Gelegentlich einer Aufnahme von Juden behält sich die Stadt vor, auch
einen Kawerschen aufzunehmen. — Amiet 1, 249. 2, 284. Font, r er. Bern. 4, 218.
1397. Aufnahme des Lombarden Otto genannt von Berris von Ponzano (einem
Dorfe nordöstlich von Asti) samt Gesinde auf zehn Jahre. Jährliche Steuer 20 fl.
Sehr genaue Bestimmungen, auch über den Zinsfufs. — Amiet 1, 251. 2, 310.
Solothurn.
1288 — 1342. Eine Familie genannt Lampart. — Amiet 2. 165.
1359. Ungen. Lombarde (Gläubiger der von Kienberg. — Amiet 2» 166.
1361. Kaiser Karl IV. giebt u. a. an seinen Vogt, Ritter Burkard Mönch von
Landeskron den Alteren, die „Rechtunge", d. h. die Abgabe der Lombarden von S.,
später 1405 — 1407 hatten sie die Sickingen. — Amiet 2, 185.
1364. Ungen. Lombarde Gläubiger der Grafen von Habsburg -Laufenburg. —
Amiet 2, 167.
Vor 1372. Ungen. Lombarde Gläubiger der Grafen von Kyburg. — Amiet 2, 168.
Vor 1372. Mafe, Gläubiger des Cuno von Nyeus. — Amiet 2, 172.
Lombarden in Solotkurn und Luzem. 295
1375. »Mapheus Merlo von Sant Salvart, damals zu Asti, Gläubiger des Grafen
von Neuenburg. Dieser Maffeo nannte sich von St. Salvator (bei Alessandria). —
Amiet 2, 173.
1377. Mapheus Merlo und Petermann auf zehn Jahre als Bürger aufgenommen.
Gesamtsteuer für die ganze Zeit 400 fl. Genaue Bedingungen, auch Zinsfufs. —
Amiet 2, 171.
1382. Mapheus und Petermann Merlo, Gläubiger von Adligen. — Amiet 2, 181.
1384. Dieselben leihen der Stadt Bern 2060 fl. — Amiet 2, 183. 302.
1396. Wurde Anton Pavon von Guaschis, Bruder eines Merlo, Notars in
S. Salvatore, in Solothurn gefangen gesetzt. — Amiet 2, 187. 308.
1404. Vinzenz von Troya von Asti. Zeuge Albrecht Merlo. — Amiet 2, 188.
1408. Albrecht Merlo, Bürger von Solothurn, Anton und Franz, seine Brüder,
im Bürgerbuche. Sie zahlen 10 fl. — Amiet 2, 189.
1421. Albrechts Tochter Elisabeth heiratet den Lombarden Facin Roba, wohn-
haft zu S. Auch Albrecht wohl Inhaber einer Bank. — Amiet 2, 195. 319.
1433. 1436. »Fatzin Eoba ein Lamparter*, Bürger und angesessen zu S., nicht
festzustellen, ob Gcldhändler. — Amiet 2, 285.
Luzern.
1296. Eine Kaufmannsgesellschaft, bestehend aus JReymunt Vollin, Leona Schef'
fanin, fratres de Valetis, et Gahcdn de Layolis und den Brüdern Thomas und Sjmonin
von Bruama, war mit der Stadt in Streit geraten und zahlt 240 ft Münze an den
Bau derselben. — Geschichtsfreund 20, 311, Amiet 2, 144 und v. Liebenau,
Regesten 19, 317.
1298. Ein Streit, der zwischen Basel und Luzem, zunächst zwischen einzelnen
Bürgern (unter denen von Luzern Galwan der gauwerschin) , ausgebrochen war und
sehr hart geworden war, wird beigelegt. — Amiet 2, 145. Basel. Urkb. 3, 225.
1308. Die Stadt Luzem versöhnt sich mit Zürich wegen der Gefangenschaft
Gelwans von Aste und zweier mit deutschen Namen. — Amiet 1, 145. Kopp,
Urk. 2, 176.
1333. Die Herzöge von Osterreich verleihen Pfänder weiter, die ihnen durch
den Tod Gelwans des »Kaurschin* frei geworden sind, der ihnen Geld geliehen
hatte. — Amiet 1, 145.
1347. Meilun von Manta, Herrn Brandan Pelettes Diener, schwört Urfehde. —
Amiet 1, 146. 2, 291.
1349 — 1393. Etabliert sich eine Bank: Teilhaber Thoman von Troya, Manfred
von Berge (v. Rocha) und Friedrich sein Sohn „Lamparter von Ast^. Rocca d*Arazzo
liegt bei Asti. Die Aufnahme erfolgt auf fünfzehn Jahre. 1361 erscheinen die beiden
ersten nicht mehr, dagegen neu Vinzenz von Tum, 1363 neben Friedrich von Rocca:
Jakob, Thoman, Albrecht und wieder Manfred, 1393 Franz, Sohn des Jakob. Zum
Gesinde gehört 1365 Anton Penenghi. — Amiet 1, 147. 2, 292.
1361. Diese Bank streckt Johann von Rudenz, Landammann von Uri und
seinen Verwandten Geld vor. Die als üblich bezeichneten Verzugszinsen (wöchent-
lich 2 ^ vom it) == 43,3% jährlich finden sicli auch in den meisten folgenden Ur-
kunden. — Amiet 1, 149.
1363. Gläubiger der Grafen von Kiburg über bedeutende Beträge. — Ami et 1, 150.
1371. Gläubiger des Luzerner Bürgers Ulrich Wagen. — Amiet 1, 154. 2, 297.
1374. Gläubiger des Freiherrn Franz von Sax zu Misoz. — Amiet 1, 154.
1383. Die Stadt stellt einen Beamten zur Besorgung des Geldwechsels auf, Stand
im Hause der Kauwerschen. — Amiet 2, 161. v. Liebenau, Das alte Luzem 250.
296 Sechsundzwanzigätes Kapitel.
1385. Thomas Pelletha der Lamparter von Ast, Bürger von Zürich, verpflichtet
sich, in Luzem kein Geld mehr auszuleihen, so lange das Luzemer Burgrecht Jakobs
von Berg und seines Bruders »uteer Lamparter* währet. — Ami et 2, 156.
Ca. 1387. Thomas et Manfreäus de La Bocha waren durch den Sempacher Krieg
schwer geschädigt. Thomas war im Gebiete von Luzem gefangen gesetzt, ihren
Schaden berechnen sie auf mehr als 10 000 fl. Der Herzog Joh. Galeazzo von Mai-
land nimmt sich ihrer an. — Ami et 2, 157. v. Liebenau, Regesten 20, 144 ff.
Vor 1388. Heinrich von Afoos, Kaufmann von Luzem, bediente sich bei seinen
bedeutenden Spekulationen des Geldes des »CauioeraMn* — Amiet 1, 156.
1893. Das Bankhaus de la Rocca ist in einen Prozefs verwickelt und ver-
pflichtet sich in Luzem Recht zu nehmen. Das Haus, in dem die Gauwerschen
wohnten, ist genau bekannt (seit 1505 Apotheke). — Amiet 2, 158.
1395. Notiz über eine Urkunde, dafs die Luzemer die Lamparter von Frazinello
und Salizetto in ihr Bürgerrecht aufnahmen. — Amiet 2, 285.
Zürich.
1304. »Cavertsclien* erwähnt im Züricher Richtebrief. Verbot, auf kleine Quanti-
täten Seide oder auf Kirchengüter zu leihen. — Amiet 1, 223. Richtebrief,
Archiv f. Schweiz. Gesch. 5, 263.
Vor 1304. »Cawrtschin* dürfen nicht höher Geld ausleihen, als zu 43,3 ^/o jähr-
lich (wöchentlich 2 ^. vom Pfund). — Amiet 1, 224. Richtebrief 5, 263.
1324. 1340. 1343. 1351. 1364. Weitere Statuten betreffs Geldhandel und Geld-
wechsel. „Gauwertschin" erwähnt. — Amiet 1, 226. Stadtbücher S.33, 66, 136, 208.
1349. Brandan Paletta von Asti (s. Luzem 1347) wird aufgenommen, darf
43,3®/o nehmen. — Amiet 1, 227. Schinz 89.
1349. Zwei Schuldverschreibungen eines Ritters aus Zürich gegen Brandan
Belletta. Verzugszins 43,3 ®/o jährlich. — Amiet 2, 275. 291.
1357. Benedüius niger (magister?) Mussus Lomhardus residens in Thurego schwer-
lich Gauwerschim, da er Leder gekauft hat. — Amiet 2, 235.
1358. Kaiser Karl IV., sollen dem Rudolf von Wart die Kawerschen und Juden
als des Reiches Kammerknechte überlassen. — Böhmer-Huber 2855.
1359. Kaiser Karl IV. an Zürich wegen der Kawerzin, die wie die Juden der
Kammer zu dienen haben. — Amiet 2, 276.
[1362]. Absage von zwölf Leuten »von, der Caicerschin icegen* — Stadt-
bücher S. 205.
1363. Aufgenommen Friedrich und Jakob von Berg, die Lamparter von Rocha
mit ihren Brüdern Thomas, Albrecht und Manfred auf zehn Jahre. Müssen einmal
1000 fl. zahlen. — Amiet 1, 227 f. 2, 277.
1363. Friedrich von Berg von Rocka und seine vier Brüder kaufen das Haus
des verstorbenen Bürgermeisters Rudolf Brun, das sie 1383 wieder verkauften. Unter
den Zeugen: Franciscus von Rocka. — Amiet 1, 228. 2, 279 f.
1364. Graf Johans von Neuenburg Schuldner »Brankartz genempt Peleta von Ast
in Lamparten Burger ze Zürich«. — Amiet 2, 281 und 295.
1366. »Brantass Pellet der Lamparter* war von den Zürichern gefangen gesetzt,
seiner nahm sich der Freiherr Heinrich von Rüssegg an, der Züricher angriff. Sühne
des Streithandels. — Amiet 2, 281 und 296.
1369. Die fünf Gebrüder von Berg (de Berg de Bocha) werden ins Bürgerrecht
aufgenommen, ebenso schon vorher Frandscus de Bocha Lomhardus. — Amiet 2, 279.
1376. Austreibung der Cauvertschen angedroht, ob so richtig? — Amiet 1, 228.
1380. An ThomanPellet den Lamparter, Bürger von Zürich, hatte der Bürgermeister
Ritter Rüdiger Manesse die Fischenz in der Stadt verpfändet — Stadtbücher 264.
Lombarden in Zürich, Aarau, Basel. 297
1381. •Matheus Feilet von Ast der Lamparter* wird als Bürger aufgenommen. —
Amiet 2, 281.
1383. Die Stadt verlangte von den • Lamparten von lAitzem* als ihren Bürgern,
dafs sie in der Stadt ein Haus besafsen und behielt deshalb den Kaufpreis des von
ihnen verkauften Hauses ein. — Stadtbücher 269.
1385. 1388. 1412. Das Bürgerbuch von Zürich enthält noch folgende Einträge,
welche jedoch wohl mit einer Ausnahme sich auf Warenhändler beziehen: 1385
Michahel von Fungnano der Lamparter von Meilan, 1385 Fhilippus de Fufignano
Lo7nhardus de Mediölano, 1388 Johannes de Cavete von Chum (Como), 1412 Hans von
Mente genannt Gawersch. — Amiet 2 282.
1385. Thomas Pelletta, Bürger von Zürich, s. Luzem. — Amiet 1, 228.
1390. Jacob, Thoman, Manfred von Berg, die Lamparter von Rocha waren
der Stadt Zürich ungehorsame Bürger geworden und kamen deshalb auch in Luzem
in Acht. — Amiet 2, 283.
1397. Wilhelm von Tongo, der Gawersch, soll zum Unterhalt seines aufser-
eheljchen Kindes angehalten werden. — Stadtbücher 321.
1404. Ludwig Gawersch, Zeuge in einer Urkunde. — Amiet 1, 230.
1405. »Mathe Belett der Lamparter v. Ast, hurger Zürich^ kauft ein Pfand, das
die Herrschaft von Hohenklingen hat versetzen müssen, und veräufsert es wieder
(Ankauf 121 fl., Verkauf 141 fl.). Amiet 2, 281 f. und 316 ff.
1409. Aufnahme von »Antonius Marchio Feletten^ Tfiomans P. seligen sun* und
Erben auf 24 Jahre mit ganz eingehenden Bestimmungen. Die Stadt empfängt als
einmalige Entschädigung sofort 2800 fl. — Amiet 2, 282. Zeitschrift f. Schweiz.
Recht 4, 2. 32.
1424. Vorgehen gegen die Kawerschen, sollen ihre Geschäfte abwickeln. —
Amiet 1, 228 f.
1432. Der „Gawersch" soll nicht mehr nehmen als 1 ^ vom Pfund in der Woche,
das sind 21,6 «/o für das Jahr. — Amiet 1, 229. 2, 323.
1433. Thomas Pelleta aufgenommen auf zwanzig Jahre, zahlt einmal 1000 fl.
Scheint aber sofort nach Überlingen haben übersiedeln zu wollen und wird ihm die
Hälfte — wohl an der Zeit — erlassen. — Amiet 1, 229. 2, 323.
O. J. Parzifalis gen. Kawerschi von Asti und seine Frau Balsama im Jahr-
zeitbuch der Propstei Zürich. — Amiet 1, 230.
AaraiL
1312. Johans der Gautcerschif Zeuge in einer Urkunde. — Boos, Aarau 25.
1319. Ebenso derselbe mit seinen Söhnen Wemher und Budolf. — Boos,
Aarau 32.
1322. Derselbe »Johans der Gauwerschi von Aroice* , Zeuge. — Boos 35.
Amiet 2, 269.
Basel.
1253. HeinriiMs Lumhardtm .... mile.^ unter den Zeugen einer Urkunde, durch
die das Kloster Murbach Güter an einen Ritter von Basel verkauft. Also vielleicht
nicht nach Basel gehörig, vielleicht auch nicht Lombarde. — Bas. Urkb. 1, 193.
1278. In civitate BasiUensi se2ielierunt fratres Minores cauirircinum , . , in magnum
9uorum scandalum vicinorum, — Ann. Co Im. M.G. 17, 203.
1293. Hugo dictus Lanparten in Basel wohnend. — Bas. Urkb. 3, 73.
1290. Bertschin, der Sohn eines reichen Lombarden AlberÜinus, der mehrere
Häuser besafs, flndet sich im Baseler Urkunden buch nicht. Amiet führt femer an
1305 Hugo dictus Lamparter, um 1300 Alexander Lonibardus und Cofiradus Lamparte,
298 Sechsundzwanzigstes Kapitel.
Auch erinnert er an die Lampartergasse und zwei darin stehende Häuser Mai-
land. — Amiet 2, 201.
1359. Leonardus Rotarius civis Astefisis und ahhas Warinus de Monte Ferrato
hatten bei dem Baseler Zunftmeister in der Judenschule Sachen in einem grofsen
Ballen, der vier kleine Ballen umschlofs, hinterstellt und empfingen sie zurück.
Quittung. — Baseler Urkb. 4, 229 f.
1374/5. Ein italienischer Cauwertsche, Ceccopieri, der seit 1371 als Bürger vorkommt,
war städtischer Münzmeister. Stammvater der Zsscheckenpurlin. — Geering 174.
1392. 1395. Heinrich Zscheggnbürlin, Wechsler. — Baseler Urkb. 5, 200 u. 220.
1449. Lamprecht von Lamperteschys, Bürgern von Basel. — Ebda. 7, 400.
Lindau.
1294. Graf Hugo von Bregenz hatte bei »Jacobus Kortcerzinus de Lindow ge-
liehen 50 Mark Silber; Abrechnung nach zwei Jahren: Zinsenzuwachs: 80, Schuld-
summe: 166 Mark (sie !) , Abrechnung nach weiteren zwei Jahren (6 Jahr!): Zinsen-
zuwachs: 160, Schuldsumme: 226 Mark, Abrechnung nach weiteren zwei Jahren
(8 Jahr!): Zinsenzuwachs: 320, Schuldsumme: 64G Mark. Diese Summe bezahlt Graf
Hugo, er hat also in acht Jahren 1192 ^/o Zins oder für das Jahr (gleiehmäfsig ver-
teilt) 149 ^/o entrichtet. Bei Annahme von sechs Jahren Dauer der Schuld 53,18 */o,
bei acht Jahren 37,6 ®/o Zinseszins. — Mohr, Cod. dipl. 2, 193.
Übeplingren.
1433. Thomas PeUeta scheint 1433 seinen Wohnsitz von Zürich hierher verlegt
zu haben, jedenfalls hatte er die Absicht. — Amiet 1, 229.
Konstanz.
«
1282 November 18. Die Stadt siedelt mit Zustimmung des Bischofs und des
Domkapitels Francesco Sharata de Aste und drei Genossen als Mitbürger bei sich
an. — Unsere Urkunden Nr. 325.
S. a. Die Stadt Konstanz an die Stadt Asti. Sie hat wider ihren Wunsch auf
das Andrängen ihrer strengen Herrschaft den bei ihnen angesiedelten Astigianen
das Bürgerrecht aufkündigen müssen. Die Datierung Beyerles, der die Urkunde in
die Zeit des Bischofs Heinrich von Brandis (1357 — 83) verlegt, halte ich nicht für
zwingend. Sollte die Urkunde nicht vorher anzusetzen sein? — Beyerle 24.
1354. » Vro Ur stillen, Hainrichs sälgtn Munthratz de? l'awerz (an dem Worte ist
radiert, k und erz sind ganz deutlich, das a ist ebenfalls erkennbar, nur das w ist
völlig erloschen, jedoch genügt der freibleibende Platz gerade für ein kleines w),
ains burgers ze Costencz elicher toirten* wird eine Gülte verkauft. — Konstanz. Stadt-
archiv, Original, mitgeteilt von Bejerle.
Freibupgr im Breisgrau.
1304. „Franciscus von Asti, ein lombardischer Handelsmann, Bürger in Frei-
burg, schenkt der Stadt die ihm schuldigen 350 Mark Silber." — Kindler v. Knob-
loch, Oberb. Geschichtsbl. 23.
1314. Andreas von Ast, ein Lamparter des Hauses zu Freiburg, erklärt, von
Markgraf Rudolf sei. von Hachberg eine Schuld bis auf einen kleinen Rest getilgt
erhalten zu haben. — Fester, Reg. h 591. Dieser Familie rechnet Kindler v. Kn.
noch andere bis 1343 vorkommende von Ast zu, die aber nicht weiter in Handels-
sachen erscheinen.
Bis 1330. Besafs dort Burgrecht der Lombarde Stephan Guttuerii, der damals
nach Bern verzog. S. dort. — Font. rer. Bern. 5, 741.
LombardeD in Freiburg i. Br., Oberelsafs, Gebweiler, Kolmar u. s. w. 299
1336. Auf Bitten des Grafen Conrad von Freiburg nimmt die Stadt » Wient
Isnart Toman Isnartz sun von Warfener und Wilhelmen Cornelia t^on Winfinar Lam-
pariere* als Seidner auf zwanzig Jahre auf. — Schreiber, Urkb. 1, 323.
Oberelsafs.
1331. In der Satzung über den freien Zug im Elsafs — an der sich die Herr-
schaften von Österreich, Pfirt, Strafsburg (Rufach) beteiligen — wird bestimmt, dafs
an einer Schuld einer Stadt oder eines Dorfes bei Juden, Kawertschen oder Christen
der abgezogene nicht beteiligt sei. — Baseler Urkb. 4, 89, 37.
Gebweilep.
1293. •Cauwvrctni in Gehiwilre turpiter capiuntur ab ahbate Morhachcensi," Über
die Schulden desselben bei italienischen Kauf Leuten s. oben. — Ann. Co Im. M.G.
SS. 17, 220.
Kolmar.
1337. Die Gebrüder Petrus^ Matthatus^ Nicolinus und Fraficiscus de Caprüio aus
dem Montferrat in Kolmar angesiedelt. — Unsere Urkunden Nr. 317.
1364. Lamparter. — Ami et 1, 211, ohne Quelle.
Rapoltsweller.
1342. Murrin der Lampertcr kauft mit den Herren von Rapoltstein ein Haus,
„die Trinkstube«. — ßapoltst. Urkb. 1, 401 f.
Schlettstadt
1360. Karl IV. verleiht die 6 Mark Silber, die er auf »den Katvirschin, die sich
Lamparter nennent*, in seiner Stadt Sehlettstadt hat. — Ami et 1, 211. B.-H. 3117.
Strafsburgf.
1340. 1341. Johannes Kauwerscher^ Schiffer in Strafsburg. — Strafsb. Urkb.
7 Nr. 265 und 292.
Lothringren.
Auch dort Lombarden angesiedelt. Vgl. die höchst • wertvolle Urkunde bei
Calmet 2, 799. Digot 2, 370.
Oppenheim.
1291. Henricus dictus Lumhardus civis Oppetiheimensis. — Stobbe, Zeitschr. f.
Handelsr. 8, 47.
1360. Karl IV. erlaubt dem Schultheifsen zu O., Kauwerschen in die Stadt auf-
zunehmen und ihnen Bürgerrecht zu geben. — Böhmer-Huber 3375. N e u m a n n 368,
Glafey 408.
1434. Ein Hof zum Lamparten. — Ami et 1, 210.
Nördlingren.
1322 November 29. König Ludwig IV. gestattet »Bainero Berotzo et Chaldoni
fratrihus de Macis et Scolari ßio quondam Vanni de Zedenellis civibus et mercatoribtis
de Florenda et sociis', sich zwei Jahre in N. aufzuhalten und ein drittes »ad exigendum
debita sua*, Sie sollen dieselben Freiheiten haben wie die Bürger und zwar: sine
exadione. — Oefele, Script, rer. 1, 742. Böhmer, Reg. Ludw. Nr. 497.
Efslingren.
1334. In einer Erbteilung genannt Hof Hermann »Kawertzins* in anderer Aus-
fertigung Hermann »Kaurtzea*. — Efsl. Urkb. 322, 16.
300 Sechsundzwanzigstes Kapitel.
Frankfurt a. M.
1339. 1346. Eberhardus dicttis Kauwerzan. — Bürgerbuch I und Bedebach.
1359—1376. Juttt Kauwerzenen, Steuer 17 jff 4 h und 3 jff 4 h für Pfaffengülte. —
Bedb. IIb. Erscheint auch 1361, 62, 64, 68, 71, 72 u. 76.
1371—1405. Ihr Sohn: WerUzel, der 1398 Bürger wird, höchste Steuer 1389:
4 « 2 jff 8 h.
1385—1389. Katherine Kauwer/inen: 33 sol. 1389: ist äot
Nach den Mitteilungen von Professor Bücher in Leipzig.
Mainz.
1332. Der zu diesem Jahre genannte »Eberhard Cautcerzin* ist wohl ein Nach-
komme eines Kauwerschen. — Städtechroniken Bd. 17. 21, 1. 359,33. 361,34. 362,3.
Bingren.
1353. Schuldbrief eines Kitters gegen Lewe Ottin, Kaufmann von Asti, •oppi-
danvs Pingwensis* über 400 Goldgulden. — Schunck 1, 74.
1356 August 18. Erzbischof Gcrlach gestattet Bernhard v. Pomario, Jakob und
Martin von Broglio, sich zehn Jahre in Bingen anzusiedeln. Zahlen jährlich 150 fl. —
Bhein. Antiquarius 2, 20, 762. Reg. Boica 8, 357.
1363. Erzbischof Gerlach nimmt mit Zustimmung des Kapitels: düectos famüiartB
Richardum de Montemagno^ Georgiutn de Pomario et Martinum de Brolio Latnbardos
mercatores Astensefm mit ihren Brüdern, Erben und Genossen zu Bürgern von Bingen
auf, so jedoch, dafs Reinhardus Ottinus, Johannes dt Montesia senior et Leo Ottinus
filius quondam Leofiis Ottini y die bereits dort augesiedelt sind, wohnen bleiben
können. Der Brief, welcher sehr eingehende Bestimmungen enthält, gilt auf fünf-
zehn Jahre. Andere italienische Kaufleute sollen in Bingen nicht angesiedelt
werden. Wenn einer zum Sterben kommt, soll ihm nach vorhergegangener Reue
die Beichte, der Leib des Herrn, die hl. Ölung und auch das Begräbnis nicht ver-
weigert werden. Sie zahlen jährlich 150 kl. fl. von Florenz. In der Form ist diese
Urkunde aufserordentlich ähnlich der des Herzogs Wilh. von Jülich von 1361. —
Schunck 1, 71.
1364. Richard, Jakob und Martin von dem grofsen Berge, Gesellen »Lampartirm^
gesessen zu Bingen, erlaubt Erzbischof Gerlach sechs weitere Jahre zu sitzen. Sie
zahlen dafür jährlich 150 fl. — Bodmann, Rheingauische Altertümer 716.
1371. Erzbischof Johann bestätigt den drei genannten diese Urkunde. —
Schunck 1, 74.
Zw. 1373 — 79. Erzbischof Adolf bittet Lewin Ottini um Ausstand für eine
Zahlung von 300 fl. — Ebda. 1, 89.
1375. Der Rentmeister des Erzbischofs von Köln giebt Lewen Ottin und seinem
Gesinde freies Geleit durch seines Herren Land. — Schunck 1, 97.
1375. Geschäftsbrief des Johannes de Motttesia und Symondus an LeoneUus
Ottinus zu Bingen. Es handelt sich um den Erzbischof von Köln, einen Herren von
Saffenberg und Joh. vomme Stejne und von ihnen gegebene Briefe, offenbar Geld-
geschäfte. Schunck hatte noch viele Geschäftsbriefe zu Händen. — Schunck 1,98.
1377. Erzbischof Adolf erneuert den Brief Erzbischofs Gerlach von 1363 für
Georgius de Pomario y Egidius et Martinus filii quondam Martini de Brolio. Neben
ihnen sind angesiedelt Johannes et Albertus de Montesia fratres, Godfridus dictus
Quombart eorum nepos, Leo Ottinus, Gerliardus et Burchardus dicti Leonis fiUi. Zeit :
15 Jahre. — Ebda 1, 74.
1380. Kurfürst Adolf von Mainz giebt Lewen Ottjn, »unserm Lamparter zu
Bingen* 2 Tumose auf den Zoll zu Gernsheim. — Schunck 1, 90.
Lombarden in Bingen, Bacharach, Oberwesel. 301
1380/81. Drei Briefe: Bernardus de Pigwea^' ^ Studenten zu Paris, an seinen
Vater »Leani Ottino Seniori moranii in Pigttia*. Auch Namen von Deutscheu kommen
darin vor, z. B. »patrwas meus Nicolaus Liebenson«, so dafs man sieht, wie stark sich
die Familien eingelebt hatten. — Schunck 1, 91.
1385. Mattheus Lamparter zu B. hatte an Erzbischof Adolf 150 Goldgulden zu
zahlen. — Bodmann 716.
1398. Buhard, Sohn Lcwins des Lamperters zu Bingen, Karthäuser, schenkte
dem Rate zu B. zur Erweiterung des Friedhofes das Haus seines Vaters: »zur er?
gatzunge und karunge soliches wuchergeües, da^ eUcan Leice der Lamparter, sin vater^
uffgehohen* u. s. w. Offenbar ist Buhard mit dem Pariser Studenten Bernardus und
dem Burchard von 1377 identisch. — Bodmann 716.
Mitte s. XV. Die Lombarden von dort vertrieben, das Domkapitel gelobt, keinem
mehr Aufnahme zu gewähren. — Ami et 2, 271. Auf Grund Bodmann 716.
Bacharach.
1367. „Pfalzgraf Ruprecht I. giebt Johann von Montafje und Matheus Turell(?),
Lombarden, das frühere Zollhaus in Bacharach gegen jährlich 45 Gulden auf neun
Jahre in Nutzniefsung.^ Ob Zollverpachtung oder Niederlassungskonzession? Wohl
letzteres. — Koch u. Wille Nr. 3737.
1373. Ruprecht L spricht »Monfrulus de Montafia, Johannes senior filius quofid,
Godofridi de M., Mamiel ei Matheus fratres de Turell (. ,) cives Astenses^ Lomhardos
mercatores, von allen weiteren Zahlungen, wie auch von allen etwaigen Vergehen
seit ihrer Niederlassung in Boppard frei. — Koch u. Wille Nr. 4017.
1338. Die Pfalzgrafen Ruprecht der ältere und der jüngere treffen mit Johann,
ihrem »Lamparten* ^ Vereinbarung wegen Rückzahlung einer Schuld. — Koch u.
Wille Nr. 4762.
ObepweseL
1357 Mai 2. Schuldbrief von rheinischen Rittern und Adligen bei Konrad Asi-
narius und Folkard Paliidus, lombardischen Kauf leuten und Genossen zu Oberwesel.
Die Schuldner müssen für 180 Goldgulden Verzugszinsen von 2 Gulden und 5 Schilling
Heller für die Woche bezahlen, also 65 ^/o. — Rhein. Antiquarius II, 20, 770.
1366 Januar 5. Die Witwe eines Ritters von Schmidtburg und andere Schuldner
des in Oberwesel wohnenden Konrad Asinari von Asti. Die Zinsberechnung ergiebt
für Verzugszinsen 43,3*/o. — Rhein. Antiquarius II, 8, 45. Urkunden Nr. 416.
1368 Juli 11. Dieselben Schuldner erklären sich zu einer um die Verzugszinsen
erhöhten Schuld. — Urkunden Nr. 417.
1368 Juli 11. Zwei weitere Schuldbriefe bei demselben Lombarden, an denen
fast dieselben Aussteller beteiligt sind. — Urkunden Nr. 418, 419.
1372 [1376 Fehler bei Hontheim] Dezember 27. Erzbischof Cuno von Falken-
stein nimmt Thomam et Michadcm fratres et Manuelem de Asinariis et Ahertinum de
Montefia Lomhardos mercatores cives Astenses auf neun Jahre in Oberwesel auf. Die
Bedingungen denen unter Aachen 1361 sehr ähnlich. Sie zahlen jährlich 900 Gold-
gulden von Florenz. — Hontheim 2, 276. Die Namen und Ziffern nach einem
Regest, das das Koblenzer Staatsarchiv anfertigte.
1372 Dezember 29. Verpflichtung zweier Bürgengruppeu für die Zahlung von
zusammen 11000 Goldgulden Mainzer Währung, welche sich als die Summe der
durch die genannten, in Oberwesel angesiedelten Lombarden zu zahlenden Schutz-
gelder herausstellen. Unter jeder Bürgengruppe Italiener und Einwohner von Ober-
wesel. — Urkunden N. 421.
302 SechsundzwaDzigstes Kapitel.
Koblenz.
1327, Im Besitze von Nichtlorabarden die curia dicta der Kauwerzin hoff, —
Urkunden Nr. 410.
Trier.
1227. Das Trier Provinzialkonzil verbietet Geld des Gewinnes halber anzu-
legen: »ne pecuniam suam ad cauwercinoft vel Judaeos ponant propter lucrum*, —
Aronius Nr. 439.
1262. Aufnahme der Lombarden JManueüus de-Troya und dessen Neffen Beyner,
Ogenis Carena und dessen Neffen Bvfinus mit ihren Familien. — Görz, Mittelrh.
Reg. 3 Nr. 1832. Abdruck Urkunden Nr. 407.
1279. Erzbischof Heinrich verleiht dem Lombarden Facinus, Bürger in Trier,
auf Lebenszeit das Almosenhaus. — Görz, Mittelrh. Regesten 4 Nr. 615.
1294. Der campsor Frider, Systappi, Bürger zu Trier, hat zur Erbleihe ein
Haus in Trier. — Ebda. 4 Nr. 2270.
1334. Paidinus Test Lomhardus Asteims verpflichtet sich, nur mit Zustimmung
des Erzbischofes Wucher zu treiben. Zahlt jährlich 50^ kleiner Tumosen. — Ur-
kunden Nr. 412.
1335. In einem Schuldbrief formelhaft der Juden und »Kauwerzinen* gedacht. —
Urkunden Nr. 413.
1349. Ebenso in einem Schuldbriefe des Erzbischofs Balduin gegen Kölner
Bürger. — Urkunden Nr. 414.
Luxemburgflsches Gebiet.
1300 Februar 18. George de Sibone Joinbard, citain et marchant d'Ass, — Public,
de r Institut. 1861. 17, 91.
1371. Frandscus Isnardi u. s. w. de Castel Lombars marchands et citains cTAiat
demetirani a Mannlle et a Arency. — Ebda. 1869. 24, 2, 123.
Scixöneck in den Ardennen.
1290. Johann Herr v. Malberg verspricht, den Herrn v. Blankenheim für eine
Bürgschaft über 50 Köln. Mark bei Bai au dem Lombarden von Schoneckin in den
Ardennen schadlos zu halten. — Görz, Mittelrh. Regesteu 4, 409.
Reuland (Kreis Malmedy).
1341. Schuldbrief zu Gunsten des Lanzeroto Gardyn und Johannes Candera,
lombardi in Buylant, — Urkunden Nr. 415.
Linz.
1372. Wohnt dort ein Lampart er '»Brache* nach dem Siegel fDBAC]ONI\
AL10N1S\ s. Ahrweiler. — Urkunden Nr. 418.
Sinzlch.
1381. Ein Kölner Dominikaner und Wilh, Tharamantinus, Lombarde, civis Astensis,
opidanus in Syntzghey Testamentsvollstrecker des verstorbenen Lombarden Joh. Obber^
tini, opidanus in Syntzghe, — Mit teil. St. Köln 24, 49.
Ahrweiler.
Vor 1395. Auf Bewilligung des Erzbischofes von Köln safsen hier lange vor
1395 „Lumbarder". — Amiet 1, 213. Rhein. Antiqu. 3, 9, 649.
Lombarden in Ahrweiler, Remagen, Siegburg, Köln. 303
1372. Verdeckte Ansiedlung des Andrees Falliäus^ burger van Ast, Bürgen: sein
Oheim Volkard Pallidus, Drache, wolmliaft zu Linz, Lombarden und der Koblenzer
Mfinzmeister Meister Alhart (nach dem Siegel Aleramo Alfieri). — Ur kund en Nr. 420.
Remagren.
1371. Haus zu Remagen, in dem die Lombarden wohnen. — U rkunden Nr. 442.
Siegrburgr.
1308. Bychardus (Garreti) Lombardufi (aus Asti), opidanus in Syberg, Quittungen. —
Urkunden Nr. 427, 428. Lacomblet 3 Nr. 61.
Köln.
S. XII ex., 8. XIII ine. In den Schreinsurkunden Bd. 1 und 2 begegnet mehr-
fach ein Petrus Longobardus, daneben häufiger eine Gruppe Romanus. — Es gab in
Köln ein Haus *af? Lomhardum*, — Mitteil. Stadtarchiv Köln 26, 134.
1266. Erzbischof erklärt in einem Privileg für die Juden : Nullt etiam Cauuer'
cini rel cristianiy qui manifeste prestent ad usuraSj cum ipsis (seil. Judeis) per hoc
fiat prijudicum, in avitate Coloniensi residere nullatenus permittentur, — Ennen u.
Eckertz 2 Nr. 495.
1296 September 18. Opicius qui vocor Albertus de Bocka et Hennekinus Botarius,
Lombardi verpflichten sich, der Stadt Köln die Briefe zurück zu verschaffen, welche
sie einst Odino et Manuell Lombardis mercatoribus Aslensibus gegeben hat betr. den
Aufenthalt in Köln. — Ennen u. Eckertz 3 Nr. 430.
1296 September 27. Dieselben, welche als Bürger von Köln auf 25 Jahre auf-
genommen sind, verpflichten sich, von einem Kölner Bürger »nomine^ custuum* nicht
mehr zu nehmen, als von jeder Mark 3 obuli für die Woche. — Ebda. 3 Nr. 431.
1309. 'Opicius dictus Albertus Lombardus« übergiebt »Mascharo dicto Thomas,
Dullino dicto Henricus de Rüpe fratribus suis Lombardis* alles, was er in Köln hatte;
ein Drittel des Hauses ad Hircum, seinen Anteil an zwei Hofstätten und einen An-
teil an einem Zinse. — Ebda. 3 Nr. 570.
1309 August 11. Mascharus dictus Thomas de Rupe Lomb. Astensis civ. Colon,
famulutt und Gläubiger des Erzbischofs Heinrich. — Urkunden Nr. 433, 434.
1310 Juni 18. Ebenso. — Urkunden Nr. 435.
1311. Erzbischof Heinrich II. verpfändet »Opidyw Grasverdi dicto Petrus et
Hennekino nato ^usdem ac Rolando dicto CassinOf Lombardis, civibus Ostiensibus« den
Zoll u. s. w. zu Rheinberg, bis die Schuldsumme davon eingenommen ist. Von einer
alten Schuld, welche bei Errichtung des Zolls zu Leutesdorf durch König Heinrich
und dessen Verlegung nach Bonn u. s. w. entstanden war und sich auf 1540 M. 8 ^
Brabanter belief, sind noch zu entrichten 711 M. 6 /?, dazu kommen neu 829 M.
Wenn sie von Rheinberg weichen müfsten, soll der Rest »ad usuram judeorum vel
Cfistos cairercinoj'um, ita quod super quamlibet marcam unus denarius ascendnt qualibet
septimana'^. Der Kurfürst stellt viele Bürgen. Statt civibus Ostiensihus ist offenbar
Astiensibus zu lesen, wohin auch die Namen weisen. Siehe oben die Urkunden zu
1296. — Ennen u. Eckertz 4 Nr. 2.
1311. Stristram Lombardus gründet mit zwei anderen Kölner Bürgern für be-
kehrte Juden und für Arme und Knaben ein Hospital. — Ennen u. Eckertz4 Nr. 3.
1317. Der Graf von Jülich, Schuldner des »Maese des caH'€rzyn<t. — Lacom-
blet 3, 124.
1321. Der Graf von Jülich, Schuldner ungenannter Kawerschen. — Lacom-
blet 3, 158.
304 Sechsundzwanzigstes Kapitel.
1321. Im Eidbuche von 1321: Schutz der »Lambardar^y die im Hanse bei sent
marien Malzhuchü wohnen, sie müssen jährlich 150 Mark Kölner Pagamentes zahlen.
Ebenso für die, denen das Haus zum Bock gehört, sie zahlen 100 Mark. — Ennen
u. Eckertz I, 2.
1328 Die Stadt nimmt Johannem de Bergoginnis, Älisiam uxoreni (jus, Thomam^
Jdhannem et Anthonium y filios eorundem auf zehn Jahre als Bürger auf, sie dürfen
alles betreiben, nur nicht: camhire denan'os, pecuniam, aurum vel argentum, ebenso-
wenig Weinhandel. Wenn sie von dem Erzbischofe erreichen können »tenendi Mmlam
unam in domo sua ad exponendum et mutuandum pecumntn suam pro hicro secundum
consuetudifiem Lumbardorum haxienus Colonie servatam*, so ist die Stadt damit ein-
verstanden, will dadurch aber in keine kirchlichen Strafen geraten. Die Familie
hat jährlich 150 Mark Silber der Stadt zu zahlen. — Ennen u. Eckertz 4 Nr. 139.
1332 Juni 24. Erzbischof Walram gestattet gegen mo ü. jährlich, sich in Köln
auf elf Jahre anzusiedeln : Rophinus Nokarius und Matthias genannt Cjnet, Gabriel
und Walram de Montemagno, Leo und Daniel Ottini, Bichardo und Pirzivallo de
Montemagno, Dominicus und Leo genannt Stoil aus Asti. Andere Italiener, welche
Geldgeschäfte betreiben wollen, dürfen sich neben ihnen nicht ansiedeln. — Ami et
1, 212. Mitteil. Stadtarchiv Köln 6, 16.
1335. Eine kleine Summe ist ad usuras Lombardorum ausgeliehen. — La Com-
bi et 3, 239.
1346 Juni 6. Daniel Oitinus und Bonefacius Gardinus Lumbardi mercatores er-
klären, sie wollen gegen die Stadt Köln auf etwaige Briefe, die sich von ihr noch
finden sollten, keine Ansprüche mehr erheben. Die Herausgeber verstehen unter
diesen Briefen „Schuldbriefe'^, mir ist es wahrscheinlicher, dafs die Niederlassungs-
briefe gemeint sind. — Ennen u. Eckertz 4 Nr. 287.
1358. Bürgerannahme 1358: Leo Oitinus, Leo Johans eydutn van der Kul^n ein
Lombarde. — Hans. Urkb. 3, 470 Anm. 1.
1360 Juli 2. Ritter Amt v. Krieckenbeck ersucht einen anderen Ritter um Bürg-
schaft für 472 alte Goldgulden bei genannten Lombarden. — Mitteil. Stadtarchiv
Köln 7, 28.
1372 Januar 13. Brüder Laurenz und Wilhelm de AsinariiSy Lombarden von
Asti, quittieren über 225 Roesginsmutoneu, die ihr Bruder Peter der Stadt Köln ge-
liehen. — Mitteil. Stadtarchiv Köln 7, 61.
1375—90. In Kölner Stadtrechnungen: 1375 Jacobus Stvartze Lumbardus, 1378
Jdkiiz LumbarduSf 1.387, 89 und 92 hatte Ambrosius de Busti einen Teil der städtischen
Accisen gepachtet. 1388 zahlt Bonimcerta Lumbardiis 100 fl. 1390 Yda Lumbartz
und Obertinus de Monte fia et Anthoniuft fUiiis, Leo OUijn. — Knipping 1, 25. 2, 209.
2, 319. 1, 48 f. 1, 53. 1, 58, 1, 50 und 1, 55.
1382. Bürgerauf nähme : Thomas dictus hermelin de Svane, Johannes^ Frenciscus,
JasperoilSj fratres dicti Tliome, Lumbardi, — Ennen u. Eckertz 1. 175.
11382. "Beceptum a 4 civibus Lumbar dis patre et fdiis 136 fl, = 459 marc.^ —
Knipping 1, ilS.
1383. Vielleicht gehört nach Köln, sonst doch an den Niederrhein. Quittung
des »Gerart Otiyn, Francke Asyni^ und Johan Asynier Lumbarder^^ für H. Wilhelm
von Jülich. — Urkunden Nr. 443.
1386. *De uno Lnmhardo cive 100 fl, = 353 m. 4 ä.« — Knipping 1, 44.
1450. Die Stadt Köln hatte das Vermögen eines beim Predigerkloster ermordeten
Lombarden Bartholomäus zum Teil konfisziert, Bartholomäus hatte einen Wechsel
zur Zahlung in Rom in Händen. — Mitteil. 27, 315.
S. d. Notizen. Mitteil. Stadtarchiv Köln 26, 20 Nr. 182, auch 26, 99 Nr. 996.
Lombarden im Kölnischen, Müllheim, Werden, Duisburg, Soest u. s. w. 805
Im Kölnischen.
1:^09 April 27. Mit zwei Kölnern haben Andreas Ba^tellus et Opicinus Gres-
werdus dictus Petrus zum Schuldner Erzbischof Heinrich. — Urkunden Nr. 430.
Juni 1. Georgius Asinarius et Manufl fil, Andreas et Tfiomas dicH BastelU et
Opicinus Grasverdus dict. Petrus ebenso. — Urkunden Nr. 431.
August 4. Ebenso. — Urkunden Nr. 432.
1310 Juli 18. Petrus r. Wesely Gläubiger Erzbischofs Heinrich. — Urkunden
Nr. 436.
Oktober 12. Petrus dictus de Wesalin Lomhardus famulus et officiatus in Bhein-
berg ebenso. — Urkunden Nr. 437.
1308 um Dezember 13. Tristramnus de Troya und Genossen haben die Hälfte
des Zolles zu Andernach inne. — Urkunden Nr. 429.
Müllhelm.
1360. Volkard der Lombarde in Mulnheym. — Urkunden Nr. 440.
\V erden.
1317. Bei der Erhebung von Werden zur Stadt wird festgesetzt, dafs die
Bürger keine Juden oder Kawerschen aufnehmen dürfen ohne Zustimmmung des
Abtes. — Lacomblet 3 Nr. 162.
Duisburg:.
1279. Graf Reinald von Geldern, Herzog von Limburg, gelobt: omnes conditionea
fadas Lumbardis etjudeis Dusburg commorantibus anzuerkennen. — Lacomblet 2, 437.
1334. Beinakus de Ferrariis und seine Brüder erklären sich von der Stadt D.
befriedigt. — Averdunk, Heinr., Gesch. der Stadt Duisburg 21. 386.
1349. Der Lombarde Bartholomaeus Abel erklärt, dafs er keinen Bürger wegen
dort festliegender Gelder aufserhalb vor Gericht belästigen wird. — Aver-
dunk 278. 386.
1362. Karl IV. giebt der Stadt das Privileg, dafs ohne Zustimmung der Bürger
keine Juden und Kawerschen zugelassen werden dürfen. — Averdunk 282. 386.
1375 — 77. Nach den Stadtrechnungen waren Lombarden gegen einen Zins von
30 fl. angesiedelt. — Averdunk 387.
Soest.
1348. Joh. Caversint Bürger von Soest, erwähnt. — Hans. Urkb. 3, 434.
Osnabrück.
1291. Konrad Graf v. Rietberg, Bischof von Osnabrück, verpflichtet sich, die
Cawercinos seu Lombardos innerhalb zwei Jahren abzuschaffen und niemals mehr in
Stadt oder Bistum einzuführen. — Gesch. d. Stadt Osnabrück 1816 1, 184.
Gladbach.
1:350. Schuld bei nicht genannten Lombarden in Gladbach und Rocrmonde. —
Urkunden Nr. 439.
Aachen bez. Düren, Aldenhoven und Jülich,
1291. Die Stadt hatte von den hotiestis inris, qui nobis multa bona fecerunt,
Petro de Aquis {Aatia ?) dicto Viventio et Gawitio Lumbardis et eorum sociis 300 Mark
Aachener Pfennige bar entliehen und so drei Acciscn vorweg genommen, welche
Schulte, Gesch. d. mittel alterl. Haudels. I. 20
806 Sechsundzwanzigstes Kapitel.
nach sechs Jahren zurückzuzahlen sind. Als Bürgen werden gestellt Johann Herzog
von Brabant und Walram Herr von Valkenburg. — Q u i x , Cod. 2, 163 und G e s c h. 2, 55.
1301. Gerhard Graf von Jülich weist die Stadt Aachen an, ihrem Mitbürger
»Cavradus Lumbardus* , dem er eine bestimmte Geldsumme schuldet, 100 Mark
Aachener Pagamentcs zu zahlen. — Quix, Cod. 2, 176. Diese Rechte übte der Graf
von Jülich als Vogt der Stadt aus. Vgl. Werminghoff, Die Verpfändungen der
mittel- und niederrheinischen Reichsstädte (Untersuchungen z. deutschen Staats- u.
Rechtsgesch. Heft 45) S. 118 u. ff.
1309. Bertelinus Jjombardus civ, Aquensis hat den Zoll zu Leutesdorf inne. —
Urkunden Nr. 430.
1315. Ger. Graf von Jülich und Wilhelm, sein ältester Sohn werden die Stadt
Aachen, welche sich unter einer Strafe von 5000 Mark Aachener Pagamentes für
ihn gegen Tliomam NijclwUnum, Andream fratres, Obertinum suum rognatum, Baudua-
h'nunij Euffinettum fratreSf Dominicum Fetrinum fratres, Rijgaudinum, Anthoninum
Botarios, Comminganum et Fatschinum de Comminganis Lumbardos et eorum socios
mercatores Astenses verbürgt hat, schadlos halten. Die Strafe von 5000 Mark findet
sich auch in der Urkunde von 1361 und soll an die Lombarden entrichtet werden,
wenn der Herzog von Jülich die in der Konzession angegebenen Bedingungen bricht.
Das Gleiche ist also hier anzunehmen. — Qu ix, Cod. 2, 181.
1326. Gerhard Graf von Jülich verjiflichtet sich der Stadt gegenüber , welche
sich »apud nostros Lombardos mercatores, Aquis commorantesM zu einer Strafe bis zu
5000 Mark Aachener Pagamentes und zu einer solchen von 50 Groschen Tumosen
verpflichtet hat, die genannten Kaufleute in Aachen nicht zu belästigen und der
Stadt etwaigen Schaden, den sie deshalb hat, zu ersetzen. Die Strafe der 50 ü
wird bezeichnet als »dtra antiquas conditiones quas lAimbardi mercatores Aquis habere
consueverant* . — Qu ix, Cod. 2, 205.
1334. Wayhvanus et Gabriel fratres de Brolio de Montt Magno , Leo et Daniel
fratres de Octini, Dominicus et Leo didi Fijoh, Pijrchevallus de Brolio de Monte
Magno, Bahlrakijnus et Bufinetus Botarit fratres, Lumhardi mercatores et corum socü
erklären sich mit der Ausfühning der Versprechungen der Stadt Aachen und des
von ihr ihnen gegebenen Briefes bis auf diesen Tag völlig befriedigt und verzichten
auf jeden Anspruch. — Q u i x , Cod. 2, 219.
1334. In der. Stadtrechnung erwähnt *j)ro Liimbardis captivatis*, es scheint in
Nidecken »de littera Ltimhardorum* . — Laurent 105, 112.
1338. Wilhelm Markgraf von Jülich erklärt die Stadt Aachen für den Brief,
den sie Gabriel de Monte Magno, Leo Ottinus und ihren Genossen, lombardischen
Kaufieuten, gewährt hat und die darin enthalteneu Bedingungen und etwa daraus
entstehende Verwicklungen schadlos halten zu wollen. — Qu ix. Cod. 2, 224.
1338. Die Stadtrechnung enthält unter den Ausgaben: »de captivitatt Ltimbar-
dorum* eine ganze Reihe von Posten für Ritte zum Markgrafen von Jülich zu den
Lombarden nach Mecheln. — Laurent 124. 128.
1338. »Waldrdkinus et Menfredus didun Thijnet fratres dicti Botarii^ Wailwanus
et Gabrid de Brolio de Montemagno, Parchei'alhis et Bichardus de Brolio de Monte-
magno, Leo et Daniel fratres didi Othini, Dominicus et Leo dilti Fijole Lumbardi
mercatores^ erklären die Stadt Aachen von aller Verpflichtung und Schuld ledig,
»et specialiter de captivitate seu ddendone familie nostre seu nunciorum nostrontm,
rerum ac bonorum nostrorum in urbe Aquensi facta per • . W. marchionem Julia-
censem*, — Qu ix, Cod. 2, 227.
1343. Wilhelm Markgraf von Jülich verpflichtet sich, die Stadt Aachen für jede
Unannehmlichkeit schadlos zu halten, welche daraus erwachsen könnte, dafs sie auf
Lombarden in Aachen, Arnheim, Roermonde, Maastricht, Lüttich, Mecheln. 307
seine Bitte: •GahrieU de MontemagnOj Danüli Oiioni^ Leoni Fijole et Baffaeli Rotario
ac eorum sociis Lumbardts niercatoribus* einen (offenbar Niederlassungs-)Brief ge-
währt haben; er will auch, dafs, wenn von jülichischer Seite etwas gegen die Lom-
barden oder ihre Güter unternommen werden sollte, sich die Aachener dagegen
wehren dürfen. — Quix, Cod. 2, 233.
1346. Als Arnold Herr zu Frankenberg einen Aachener Lombarden auf seinem
Schlosse gefangen hielt, liefs die Stadt die Burg belagern. Beruht wohl auf den
Stadtrechnungen. — Quix, Gesch. 2, 91.
1349. In der Ausgabcrechnuug der Stadt, Posten für neue Ketten, die Strafsen
zu sperren, darunter »prope .... lAimbardorum* . — Laurent 223.
1361. Niederlassungserlaubnis für einige der Familien de BoUinis und de Mon-
Ufia auf zwanzig Jahrn. — Urkunden Nr. 441.
1376. Ausgaberechnung. Unter den Verehrungen an Wein erscheint zweimal :
»Johan deine Jjumharder van Diiren", — Laurent 251, 260.
1385. Ausgaberechnung. Unter den Verehrungen »den Lumharden van Düren,
Johann van Düren den Lumbarden, Feter deme Lumbarder, vreymde Lutnbarden waren
hie, den Lumbarden van Buyrmunde^, Unter den Leibzüchtern: »It. Heinricfi Vdgletus
vanAyst der Lumbarder 120 gidd', — L9,ureiit 300, 302, 315, 316, 320, 329, 344, 353.
1386. Schuldbrief der Herrschaft Heinsberg gegen Johann von Monteüa u. a.
Zins 7,7 V — Urkunden Nr. 444.
1394. Weitere Niederlassungserlaubnis des Herzogs Wilhelm von Jülich für
die von Botaris und die de Montefia auf zwanzig Jahre für Aachen, bez. Düren,
Aldenhoven, Jülich oder Bergheim. — Urkunden Nr. 448.
1425. Bartholomeus hat dem Herz, von Jülich 100 rh. fl. jährlich für seinen
Aufenthalt zu zahlen. — Urkunden Nr. 450.
Arnheim.
Um 1393. Bestand hier ein Lombardenhaus, Teilhaber: Johan und Abertyn
van Montefy, Brüder, Symon van Montefia und Gadert, ihr Verwandter. — Ur-
kunden Nr. 446.
Roermonde.
1350. S. Gladbach. — Urkunden Nr. 439.
1393. Schuld bei den Lombarden zu R. „Johan van Montefia und Albertyn"
seinem Bruder. — Urkunden Nr. 445.
Um 1393. Abertyn van Montefy und Gadert van Montefy. — Urkunden
Nr. 446, 447.
Maastriclit.
1384—1387. Schulden rheinischer Leute bei dem Maastrichter Lombarden
Johann von Montefva. — Mitteil. Stadtarchiv Köln 9, 35.
Lüttleb.
1301. Die Stadt begünstigte die lombardischen usurarii, — Ami et 1, 209.
1320. Die Kawerschen von Lüttich vermittelten das Geld für den Boten der
Stadt Köln nach Avigiion, sie hatten dort ihre Agenten (die Kölner also wohl
nicht). — Ennen u. Ecker tz 4 Nr. 80.
Mecheln.
1324. Zahlreiche Astigianen, aus den verderbten Namen sind sicher oder wahr-
scheinlich die Kocca, Alfieri, Antignano, Scarampi und Turchio zu erkennen. Das
geistliche Gericht beansprucht sie als Wucherer für sich. — Urkunden Nr. 488.
20*
308 Siebenundzwanzigstes Kapitel.
Den Aufenthalt von Lombarden im Bereiche der heutigen König-
reiche Niederlande und Belgien, sowie der zum heutigen Frankreich ge-
hörigen Teile festzustellen, gehört nicht hierher, jedoch will ich ein
Dokument nicht verabsäumen, kurz zu erwähnen, da es uns einen
statistischen Überblick gewährt. Es ist das die Aufzeichnung über die
Vorladung von Lombarden aus dem Gebiete der beiden Königreiche und
der Diöcese Cambray, die November 1309 erfolgte^. Es werden im
ganzen 46 verschiedene Personen vorgeladen, von denen 29 als Astigianen
bezeichnet werden, bei allen anderen fehlt die Bezeichnung der Heimat.
Aufserdem erfolgt die Vorladung noch an 41 Banken (tahle's) oder
Lombarden. Von den gröfseren Orten sind Antwerpen, Breda, Brügge,
s'Herthogenbosch und Löwen genannt, doch finde ich hier jedesmal nur
einen Lombarden, so dafs man zu der Vermutung kommt, dafs diese
Geldhändler die Konkurrenz am Orte vermieden. So erklärt sich, dala
auch in kleinen Orten solche Banken waren. Unter den Vorgeladenen
befinden sich auch Münzer und Einnehmer. Der Zweck einer so all-
gemeinen Vorladung ist nicht angegeben, aber da alle in Köln vor dem
Neujahrstag erscheinen sollten, wo ein Hoftag stattfand, an dem der König
zahlreiche Belehnungen vornahm, so ist wohl kein Zweifel, dafs der König
über diese Kawerschcn ein Regal beanspruchte^.
Siebenundzwanzigstes Kapitel.
Die Thätigkeit der Kawerschen.
FestsUllung der Heimat: Asti, Astis Handel. Übergang zum Geldhmulel im Aus-
latid. Ans der Geschichte Astis. Heue über den M'ucher. Vergleich mit den Juden.
Geringer Anteil am Warenhandel, auch am interlolcden Wechsel, Lombarddarlehen. Aus
Geschäftsbüchern. Frist der Darlehen. Höhe des Zinsfufses. Zwei Typen. Organisation
und Ansicdlung der Casanen, sie bleiben nomadenhaft. Anteil der Landesherren an der
Ausunicherung. Die Kawerschen ah Regal beansprucht. Frivilegiin und Lombarden-
recht. Vergleich mit dem der Juden. Mobiliarpfandrecht. Baceisrecht. Strafrecht u. s. w.
Bedeutung der Lombarden in der Geschichte des Kredites. Rückgang im fünfzehnten Jcüir-
hwndert mit Besserung der Kreditbedingungen. Bedeutung für das Geistesleben.
Die Übersicht über die Verbreitung der Geldhändler bedarf aber noch
einer Erweiterung. Bei einer flüchtigen Vergleichung ergiebt sich ja
schon, dafs dieselbe Familie nicht allein nacheinander an mehreren Orten
^ Nach der Vorlage im Archive Roncioni in Piaa veröffentlicht von Bouaini
in den Acta Henrici VII. Romanoruin imperatoris 1, 279 — 286.
^ Ein gerichtliches Vorgehen halte ich für ausgeschlossen. Im Gegenteil stand
der König mit den Astigianen später in mannigfacher Berührung, war doch einer
seiner nach Italien geschickten Machtboten ein Astigiane. In Jen Rechnungen des
Königs, die näher zu untersuchen wären, finde ich als Gläubiger die Mazzi (15 000 fl.)
(S. 287) und Scali (2500 fi. u. 1020), also Florentiner.
Die Thätigkeit der Kawerschen.
309
erscheint, sondern mitunter auch gleichzeitig. Die Bankhalter verwuchsen
also nicht etwa tief mit ihrer neuen Heimat, sondern hatten den grofsen
Markt im Auge, sie gingen der günstigen Konjunktur nach und waren
ebenso wanderlustig, wie das bei einem erheblichen Teile der jüdischen
Bevölkerung noch heute zu beobachten ist. Die Quellennachweise, welche
Quintino Sella beigebracht hat, berücksichtigen vielleicht stärker die
Niederlande und die südwestlichen Gebiete Frankreichs, allein ich glaube
doch, dafs das nicht ein Zufall ist, die hier erwähnten Personen finden
sich inmitten von Frankreich, z. B. um 1300 in Paris nicht, auch in eng-
lischen Quellen sind mir diese Namen nicht begegnet*.
Stellen wir die Familien nach ihren Ansiedlungen aufserhalb Frank-
reichs (A bedeutet Aufnahme, die dahinter eingeklammerte Ziflfer die Zeit,
für welche die Aufnahme erfolgte) zusammen:
Deutschland und Schweiz
Ausland *
Alfieri
Antignano . . .
Asinari . . . .
Bergognini .
Broglio . .
Gardine . .
Garetti . .
Guttuario
(de Castello)
Freiburg (Üchtland) 1295, 1310.
Conthey 1:304, 14.
Freiburg Ü. 1295, 1303 A, 1310,53,
1356-59, 1408-11, Oberwesel
1357, 66, 72 A (9), Köln 1372.
Köln 1328 A (10), Freiburg Ü.
1398, 1407.
Aachen 1334 mit dem Zusatz de
Monte Magno 38, 43 A, Bingen
1357 A (10), 1363, 73A(15),
Köln 1346, Reuland 1341.
Siegburg 1308.
Bern vor 1324, 30. 37, 38, 80, Frei-
burg Br. vor 1330, Thun 1337.
Genf 1300 Münze, Brüssel 1304,
Löwen 1452ff., Mecheln 1324».
Nösles 1258, in savoy sehen Orten
1344-48.
Genf 1346— 59, Annecy 1349—51,
Chamb^ry 1358 u. a. kleineren
Orten, im Hennegau 1365, Ant-
werpen 1416—52, s'Hertoghen-
bosch 1418—33 u. a. a. 0. Heren-
tals 1444-55, Nivelles 1432-54.
An zahlreichen Orten inSavojen
1310—1351.
Conflans-Montmeillan-St. Pietro
d'Albigny 1362, RossiUon 1362,
alles Savojen.
Bavay (Hennegau) 1365, (Sella
S. 231).
Thonon 1310, Sembrancher,
Sitten, Martigny 1337, Yenna
1345, Sembrancher 1367.
Brüssel 1304.
* Nur für die in Deutschland nicht erwähnten, sonst aber mit diesen Lombarden
in Verbindung stehenden Scarampi finden sich Nachrichten, dafs sie von den fran-
zösischen Königen sehr begünstigt, in diesem Reiche weilten. Sella im Codex
Astensis 248. Piton 206 u. 224.
« Für die hier gegebenen Notizen vgl. Sella S. 228—257.
^ Für die auf Mecheln 1324 bezüglichen Angaben vgl. Urkunden Nr. 488.
310
XLJ[^*Ur*
:*»-
tPfuUf:hMt»d nad r*<ikV4Kz
f/rrj4irdj
IjkyAo
J'AllifJ/; . . .
J'#!lI#rtU . . .
della HoccH . , ,
HofTo (KotarÜM) .
Hffmm V. I'oiriiio
IVimii
Tiirchi . . . •
Fnnhur^ Bt, V'i'A A 20k Lazem-
!;/>;. '«, w#»n rtatt Fijole
f^joli zu le^i^rD, aach Aachen
ii;:M, '5^, 4:5 A.
Frciburj: C. 1^^56-9.
Aa<?hen ü«! Ar20', i:^94A 20=,
Jlacharach V'Sl A, Oberwesel
i:{72Ar9;, KoermoDde iad3,
Amhf'im l'JOci
OberweHel li^>7, Ahrweiler
1:572 A.
Luzern 1-'M7— 8.J, Zürich 1:M9A,
\mi, m.HhHT,, 14fJi>, 1409 Af24»,
14:»Ar20^ Überlingen 14:^3.
Köln 1296 A (25), ].'i09, Luzern
i:i49A(l.'i|, 61, 6.% 71, 74, ca.
i:W7, 9i{, Zürich 136:iA(10),
69 A, 90. Bern Anf. ». XV.
Köln 1296 A (25), Aachen 1315,
IM, :i8, 42 A, ir^l A (20), 1394
A(20), Freiburg Ü. 1399-1408.
Conthey 1:504, 1314, Freiburg 0.
1295, i:iO:j, 10, :58, 56-59, Köln
1:K)9, 1382 A.
Kitten 1:548/9, Thonon 1361.
I2^'j Ltod. IdSß Mvmpelgaid
.k«x*h«t eingehender Vertrag
b^i Matfle 1. 4iS?.
Chambery l$fc, Yenne laio— ^,
SaroTen.
AnnecT 1:07-49, Genf 1350-59
m
u. son.^t in Savojen.
Maartricht vor 1369. 1384— J«7,
1 4*>'?— 1468 , s*Heitogenbo8ch
141'?-4>J.
Chambenr 1340.
Xe?lei« (Frankr.) 1258, von 1295—
1456 zahlr. Nachw. f. SaToyen
n. Thal von Aosta, Cambray
137:^, Löwen 1452.
Mecheln 1324.
Geldhändler von gr. Bedeutung,
Kreditoren d. Gr. von Savoyen
1347_79, 1:563 Beziehungen zu
Brügge u. Frankreich.
Genf u. Wallis 1:500—1304, Ant-
werpen 1:^09».
Um die gleiche Zeit an vielen
walÜRer Orten u. im Chablais.
Dio nactifolgo.ndon Familien sind bisher nur als auf dem Boden des
houtigen DeutHelion Keiolies oder der Schweiz thtttig nachgewiesen: Abel
(DuiMburg l:i49), Aleoni (1:572 Linz), Bruama (Luzern J296), Candera
(|{«;uland l:i41), CuHsono (Köln 1311), Cynet (Köln 1332 A), Ferrarius
(Duisburg 13:W), Frnxineto (Luzern l:W5 A), Gambarii (Bern Anf. s. XV),
(JrftHverdi (Köln i:Ul), Mcrlo von S. Salvatore (Solothurn 1375, 77A(10),
82, 84, 1408, 1421), d<» Montemagno (Köln 1332 A (11), Aachen [auch de
Hrolio genannt! i:m, :i8A, 43 A, Bingen 1363A(15), 1371), de Montesia
(wonn nicht mit di MonUifia identisch, Bingen 1363, 75, 77), Ottini (Köln
* Acta lleinr. VII. od. Honaini 1, 280.
Die Thätigkeit der Kawerschen. 311
1296, 1332 A (11), 46, 58 A, Aachen 1334, 38 A, 43 A, Bingen 1353, 63,
75, 77, 80, 80/1, 98), Pomario (Bingen 1363A(15), 1365A(10), KasteUi
(im Kölnischen 1309), Roba (Solothurn 1421, 33, 36), di Saliceto (Martigny
1351, Freiburg, Üchtl., 1356—9, 99, 1418—60, Luzern 1395 A), Sbarrata
(Konstanz 1282 A), de Septimis (Settimi oder Schettino?) (Zürich 1395),
Sibone (im Luxemb. 1300), Stoil (Köln 1332 A), Taramontino (Sinzig 1381),
Testa (Trier 1334), Tongo (Zürich 1397), de Troja (Trier 1262 A, im
Kölnischen 1308, Luzern 1349—93, Solothurn 1404, Bern Anf. s. XV),
Vaglati (= Valete) (Luzern 1296, Aachen 1385).
Von den sonst noch erwähnten Lombarden ist der Familienname
kaum zu bestimmen, nur bei den beiden in Nördlingen angesiedelten
Florentinern dürfte das möglich sein. Sehen wir von diesen ab und
von der aus Chieri stammenden Familie der Medici und den in Lausanne
angesiedelten Chieresen Balbi und Raschieri — schliefsen wir endlich vor-
läufig noch die Konstanzer Muntprat aus — so gehören nachweislich
alle die im vorstehenden aufgeführten Geldhändler der
Stadt Asti an\
Die Kawerschen Deutschlands trugen also ihren Namen
nach der Stadt Cahors, sie stammten aber fast ausnahms-
losausAsti, sie waren keine Franzosen, sondern Italiener.
Neben Asti ist nur noch das benachbarte Chieri zu nennen ^. Die Heimat
Cavours und der Balbi hat in den Broglie, den Ahnen der französischen
Herzöge, auch Kawerschen erzeugt. Möglich ist, dafs dieser Zeit der
Astigianen (und Chieresen) eine andere voraufging, wo wirkliche Cahorsins
in deutschen Städten wohnten®.
1 Ich will den Beweis nicht im einzelneu führen. £r ergiebt sich grofsenteils
schon aus unseren Urkunden bei den Antignano, Bergognini, Isnardi, Lajoli, Turchi
aus den von Sella angeführten Urkunden aus aufserdeutschen Gebieten. Bei den
Casseno, Rastelli, Saliceto, Septimis, Vaglati ist der Ursprung aus Asti sonst nach-
zuweisen, als zweifelhaft erscheinen allein die Abel, Bruama, Candera, Ferrarius,
Gambarii und Montesia, die meisten sind mit Astigianen Teilhaber derselben Bank.
Antignano, Capriglio, Dusino, Frassinello Frassineto, Masio, Montemagno, Montafia,
Ponzano, Settime, Rocca d'Arazzo, Saliceto, San Salvatore und Tonco sind Orts-
namen aus der Gegend von Asti. Bei Avillian ist wohl an Aviglione, bei Wingnar
an Yigliano zu denken. Die Aachener von 1321, deren Namen korrumpiert sind,
werden als Astigianen bezeichnet, bei den übrigen Aachenern ist die Heimat Asti
sicher, wenn die Konjektur Lajoli statt Fijoli richtig ist.
* Übrigens verkaufte 1308 die Stadt Chieri das Recht, eine Pfandleihbank dort
zu halten, auf acht Jahre an Raimondo Fallctto und Antonino und PoUino di Troya,
Bürger von Asti. Diese zahlen der vorschuldeten Stadt sofort 1200 ft kl. Astigianen.
Der gestattete Zinsfufs belief sich hier auf 25 ^/o pro Jahr. Die Bestimmungen des
Vertrages sind höchst eingehend, in Chieri kannte man ja den Betrieb. Vgl.
Cibrario, Delle storie di Chieri 2, 135.
' Völlig irrig ist die Darstellung bei Roscher-Stieda 3, 178 f.
312 Siebenundzwanzigstes Kapitel.
Man darf die damalige Bedeutung von Asti nicht mit der heutigen
vergleichen. Heute hat Turin der älteren Stadt den Rang abgelaufen.
Auf Asti liefen die Pässe der Westalpen zu, auch vom Grofsen St. Bern-
hard aus liefs sich die Stadt leicht erreichen. In schweren Kämpfen mit
den benachbarten Städten, wie mit den Grafen von Montferrat und Savoyen
hatte die Stadt bis zum Ende des dreizehnten Jahrhunderts ein recht
beträchtliches Gebiet gewonnen ^ Der Handel der Stadt war alt. Schon
in einer Urkunde Ottos lU. ^, wie namentlich in einer Konrads H. von
1037® wird desselben gedacht, man sieht namentlich aus letzterer, dafs
den Astigianen die Schrecknisse der Alpen- und Apenninpässe nicht
zurückhielten. Sie haben wohl die Waren der Genuesen nach Norden
und Westen vertrieben 5 ja sie waren im Auslande angesehener als die
Genuesen. Der Herzog Hugo von Burgund verpflichtete sich 1190, wenn
er den Astigianen mehr Rechte einräume, solche auch den Genuesen zu
gewähren*. Die Stadt soll eine starke WoUeniadustrie gehabt haben ^.
Sehr früh findet sich bei ihnen auch die Bank, in den Urkunden die
Berechnung des Zinses und im benachbarten Genua hatten sie ihre
Banken ®.
Nach dem ältesten Geschichtschreiber, den Asti hervorbrachte, Ogerio
Alfieri, sollen die Bewohner seiner Vaterstadt im Jahre 1226 begonnen
haben, in Frankreich und sonst jenseits der Berge ihr Geld gegen Zinsen
auszuleihen und hätten viel damit verdient^. Alfieri schrieb das mehr
als ein Menschenalter später, und so mag die Jahreszahl nicht genau
sein, wir würden sonst betonen müssen, dafs die Astigianen im Jahre 1225
von den Bewohnern des benachbarten Alessandria zweimal sehr empfind-
lich geschlagen waren, bei Quattordio und Calamandrana. Jedenfalls
waren Astigianen schon 1256 sehr zahlreich in Frankreich, sie wurden
im ganzen Reiche von König Ludwig dem Heiligen zum Entgelt dafür,
dafs in Asti Graf Thomas von Savoyen in Gefangenschaft lag, gefangen
gesetzt und ihrer Güter beraubt. Nach Alfieri waren es 150 Personen,
die sechs und mehr Jahre im Gefängnis safsen®, nach dem Schieds-
^ Vgl. die Karte bei Sella.
« M.G. Dipl. Otto III. 99.
»Stumpf 2098. Vgl. ßrefslau, Die Jahrbücher Kön. Konrads IL 2, 474.
* Mon. Hist. Patr. Lib jur. Januensis 355.
» Sella 237.
* Es wurde 1251 abgemacht »quod dicta hanca teneatit in modum et formain quo
et q%ia solehant innere Astenses in Janua*, Lib. jur. reip. Genuensis I, 1082 — 86.
' Muratori, Scr. rer. Ital. 11, 142. Codex Malabayla S. 60. »Anno domint
1226 cires Astenses cei}erunt prestare et facere casanas in Francia et in ultramontanis
partilyus uhi muliam pecuniam Jucrati sunt, tarnen ibi multa mala passi sunt in per-
sona et rebus <i,
» Codex Malabayla 8. 60.
Die Thätigkeit der Kawerschen. 313
Spruche waren den Wechslern 30000 Pfund genommen worden^. Die
Astigianen treten fortan in Frankreich gegenüber ihren anderen Lands-
leuten mehr zurück, um so bedeutender war ihre Thätigkeit nun in den
Alpenthälem von Piemont und Savoyen; eine dünne Kette von Stationen
führte dann durch Deutschland nach den flandrischen Gebieten, wo sie
namentlich im fünfzehnten Jahrhundert hervortreten. Doch ist das von
Sella aus Gachard geschöpfte Material wohl gerade für diese Zeit ein-
gehender und umfassender, als für die frühere*.
Dafs sie und ihre Nachbarn Wucher trieben, war in Italien genau
bekannt. Ein Astigiane brachte (um 1450) die Worte Alfieris zu 1226
in Verse:
Frigida tum primum coepit Geitnania numos
Astenses et eis foenera magna dedif^y
und Benvenuto da Imola schrieb in seinem Dantekommentar: *AsiensibuSy
qui sunt pecuniosiores omnibus italicis, ceteris paribus, quid sunt maximi
ttöurariU *.
1342 mufste sich Asti unter die Signorie der Visconti von Mailand
beugen. Dafs es die Freiheit verlor, war die Folge des Streites unter
den Geschlechtern der Stadt. Er begann um die Mitte des dreizehnten
Jahrhunderts und erreichte zu Anfang des folgenden eine auch in Italien
seltene Erbitterung. Abwechselnd waren die guelfischen Solari * oder die
in drei Zweige: Guttuari, Isnardi und Turchi gespaltenen ghibellinischen
de Castello und ihr Anhang® aus der Heimat vertrieben. Man darf sich
also unter diesen Kawerschen nicht Leute vorstellen, die auch in ihrer
Heimat keine Achtung genossen, es waren die reichsten und angesehensten
einer gröfseren italienischen Stadt, welche in der Fremde herumsuchten,
wo es ihnen gestattet werde, eine casana aufzuthun, und dann begannen
sie ihr Wuchergeschäft.
Es war ein fortgesetztes Vergehen nicht allein gegen das kirchliche
Zinsverbot, gegen ein Verbot, das im Zinse den Wucher treflfen wollte,
aber nur mit Mühe aufrecht erhalten wurde, sondern gegen den Geist
des Christentums, was sie betrieben, war die praktische Leugnung der
1 Böhmer-Fickcr-Winkelmann 14244. Schiedspruch von 1265, also nach
neun Jahren!
^ Gachard, Inventaire des archivcs de la Belgique.
3 Sella 2:^2.
* Muratori, Antiquitatcs Italicac 1, 1178. Sella 228.
^ Zu ihnen hielten nach Gabotto, Le guerre civili astigiane e la ristorazione
angioina in der Rivista storica italiana 11, 26 die Malabayla, Troya, Falletti, einige
von den Lajoli, Asinari, Pelletta und Roeri.
* Die Mehrzahl der Layoli, Asinari, Pelletta und Roeri, dann die Alfieri, Sca-
rampi, Voglietti, Pallidi, Bergognini u. a. folgten ihnen.
314 Siebenundzwanzigstes Kapitel
Nächstenliebe. Der Kontrast zwischen dem äufseren Bekenntnisse zur
Kirche und dem fortgesetzten Handeln gegen den Geist derselben wurde
lebhaft gefühlt, das sehen wir an verschiedenen Kundgebungen. Es sind
uns drei Testamente von Astigianen erhalten, welche Wucher getrieben
hatten. Leonardo Solaro gab 1304 dem Bischöfe von Asti selbst 300 ÄJ
Lire zurück, 5000 €6 gab er zur Rückzahlung der Wucherzinsen an
andere und für fromme Zwecke. Ähnlich ist das Testament des Beneto
de Solaro von 1321. Albertino Solaro starb im Auslande, auch er liefs —
allerdings bedeutend geringere Summen — den ehemaligen Schuldnern
zurückgeben, zugleich aber setzte er dem Erzbischof von Be8an9on und
zahlreichen Geistlichen Legate aus, man kann nicht umhin zu vermuten,
dafs der schlaue Wucherer sich so ein Begräbnis auf dem Friedhofe, das
die Kirche den Wucherern ja verweigerte, sichern wollte. Die Witwe
eines Giacomo di Antignano trat 1258 in ein Kloster, und der Anteil an
einer Bank wurde flüssig gemacht und dem Kloster gegeben als Restitution :
^male acquisiiorum incertorumt ^ Der Sohn eines Bingener Kawerschen,
der in Paris studiert hatte, dann Karthäuser geworden war, empfand den
Druck des sündig erworbenen Geldes so sehr, dafs er sein elterliches
Haus der Stadt zur Erweiterung des Friedhofes schenkte^.
Das Wuchergewerbe stellte diese Lombarden den unehrlichen Leuten
und den Juden gleich. Die Situation der Juden und Lombarden war fast
dieselbe, nur fehlte bei diesen der religiöse Gegensatz zwischen Schuldner
und Gläubiger. Das Jahr des Judenmordes ist, trotzdem an ihm wirt-
schaftliche Gründe einen erheblichen Anteil hatten, der Besitz der vielen
Schuldbriefe den Juden äufserst verderblieh wurde, und man mit Recht
in der Judenschlacht auch eine Geldkrise barbarischester Art, eine sociale
Revolution gesehen hat, an den Lombarden vorbeigegangen, ohne sie zu
schädigen. Ja, da in den nächsten Jahren besonders zahlreiche Nach-
richten über ihre Niederlassungen vorliegen, darf man annehmen, dafs
ihnen der Judenmord eine lästige Konkurrenz aus dem Wege schaflFte.
Das Volk sah in ihnen „sündige Christen", nicht diejenigen, welche den
Herrn ans Kreuz geschlagen hatten. Hie und da kam ein Lombarde auch
zu einer Beamtenstellung, so die Salicetti und Asinari in Freiburg im
Üchtlande, auch wurde wohl eine Ehe mit einer deutschen Christin ge-
schlossen. Und dann hatten diese Lombarden doch immer noch eine
Heimat, mit Stolz nennen sie sich cives AsienseSj während der Jude
heimatlos war.
Im übrigen ist die rechtliche wie die wirtschaftliche Existenz dieselbe
wie die der Juden. Diesen wie jenen kann man eine erhebliche Bedeutung
' Sella S. 250 ff., 243.
3 S. oben S. i300.
Die Thätigkeit der Kawerschen. 315
für den Warenhandel nicht oder wenigstens nicht mehr zusprechen. In
dem grofsen Züricher Lombardenprivileg von 1409* heifst es, dafs sie
wollen Gewand verkaufen dürfen, aber es folgt sofort der Zusatz, nur in
ganzen Tuchen, nicht nach der Elle, Schürlitz sollen sie nur in Fardeln,
nicht in Stück verkaufen, PfeflFer und Spezereien nach Ballen, aber nicht
nach der Wage. Der Kornhandel wird ihnen freigestellt. Diese, soweit
ich sehe, weiteste Ausdehnung, die ihrem Handel auf dem Gebiete des
Warenhandels verstattet wurde, stellt sie somit den Kaufleuten an die
Seite. Aber auch in diesem Privileg stehen die Bestimmungen durchaus
nicht zu Anfang der Urkunde. Eine Unterstützung des Warenhandels,
die uns aus Luzem direkt überliefert ist, kann man daraus folgern, dafs
viele von den Ansiedlungen an den Wegen des Verkehrs liegen, aber sie
haben sich auch in kleinen entlegenen Ortschaften angesiedelt. Von einer
ernsten Konkurrenz, die sie Deutschen und Italienern auf dem Gebiete
des Warenhandels machten, kann bei den Astigianen wie bei den Juden
keine Rede sein. Nur die Muntprats schufen ein grofses Warengeschäft.
Sie haben auch mit den Florentinern im Wechselverkehr nicht kon-
kurriert, obschon das sehr nahe gelegen hätte, da an vielen Orten Asti-
gianen angesiedelt waren, sie betrieben den Handwechsel und mehr noch
das Gelddarlehen in kleinen Beträgen auf Brief oder Pfand. Nur die
Häuser der Scarampi und vor allem der Malabayla mufs man ausnehmen,
sie haben dieselben Geschäftsusancen wie die florentiner Bankiers jener
Tage gehabt. Der Warenhandel war in den Konzessionen in der Regel
verboten, so schon in Konstanz 1282; aber auch der Handwechsel, das
Eintauschen von Münzsorten war ihnen mitunter untersagt, so 1328 in
Köln. Sie kamen hier mit den Münzerhausgenossen in Konkurrenz, die
Rhein abwärts in Basel, Strafsburg, Weifsenburg, Speier, Worms, Frank-
furt und Köln safsen*. In keiner dieser Städte, abgesehen von Köln,
haben die Lombarden eine bedeutende Rolle gespielt, wohl allerdings
zumeist die dort angesiedelten Judengemeinden. In anderen Städten
sorgte der Rat selbst für Geldwechsel , so safsen in Luzern seit 1383
städtische Beamte hinter der Wechslerbank, welche im alten Heim der
Kawerschen errichtet war, ebenso gab es in Strafsburg einen städtischen
Wechsel^. Der eigentliche Schwerpunkt der Geschäfte der „Lombarden"
liegt im Gewähren von Kredit. Unser Lombarddarlehen ist aus dieser
Geschäftspraxis hervorgegangen. Die Schuldner waren meist kleine Leute.
In einzelnen Fällen wurden ihnen auch Zölle und andere Einnahmen
^ Zeitschrift f. Schweiz. Recht 4, 2, 38.
2 Ehrenberg, Über das ältere deutsche Müiizwesen und die Hausgenossen-
schaften, in Staats- und socialwissenschaftliche Forschungen 2 (1880).
* Cahn, Der Strafsburger Stadtwechsel. Zeitschrift f. d. Gesch. des Obev-
rheins N. F. U, 44 ff.
316 Siebenundzwanzigstes Kapitel.
verpfändet An manchen Orten durften sie Liegenschaften nicht be-
leihen ^. Auch für das Pfandgeschäft gab es hie und dort Einschränkungen,
so wurde ihnen 1304 in Zürich untersagt, Kirchengeräte oder kleine
Quantitäten Seide als Pfand anzunehmen ; der Zweck dieser Bestimmung
war oflFenbar der, die Herren, welche Seide an Weber zur Bearbeitung
gaben, vor Verlusten zu schützen. Es fehlt ja nicht an Zeugnissen auch
über wirkliche „Anleihen" von geistlichen oder weltlichen Fürsten und
Herren, aber wie die erhaltenen Akten solcher Casanen uns lehren, ist
das Darlehen auf oder ohne Pfand, das kleinen Leuten gewährt wurde,
der Mittelpunkt des Qeschäftslebens.
Aus einem Freiburger Notariatsregister sind uns 119 Posten bekannt
(1356 — 59), der höchste Betrag einer Schuld ist 133 fl. und daneben
144 U , der niedrigste 36 ß , die meisten liegen dieser unteren Grenze
näher ^. Unter den Schuldnern sind Adlige und Geistliche, aber vor-
wiegend doch wohl Handwerker, ein Apotheker mufs seinen ganzen
Laden zum Pfände einsetzen. In einem Büchlein, das ein Inventar der
casana, welche die Turchi in Sembrancher am Grofsen St. Bernhard
hielten, sind 719 Posten aufgeführt, von 2 sol. an bis 101 it, der Durch-
schnittsbetrag eines Darlehens war nur 2 U \\ß 8 ^, also erheblich
niedriger als in Bern. Frauen, Gemeinden, Pfarrer fehlen unter den
Schuldnern nicht. Ausgeliehen waren 2037 U \& ß \ h\ der Wert der
Immobilien belief sich auf 68 ÄJ, der der Mobilien — darunter auch die
Pfänder — auf 29, 16, 10. Nur ein kleiner Teil der Schulden war also
durch Pfänder gedeckt, falls diese nicht an einen anderen Ort verbracht
waren ®.
Die Frist zur Bezahlung war in der Regel aufserordentlich kurz be-
messen. Der Zinsfufs für solche kurzfristige Darlehen wird zu allen
Zeiten ein höherer sein, als für Rentendarleihen, die Herrschaft Heinsberg
mufste 7 ®/o für ein solches den Lombarden entrichten. Über die Höhe
des Zinsfufses im Mittelalter ist sehr viel geschrieben worden. Es kommt
aber nicht darauf an, einige extreme Fälle anzugeben, sondern man mufs
1 So Bern 1386.
« Amiet 2, 226—240.
* Sella 254 f. Da es kein vom Geschäft selbst aufgestelltes Inventar ist,
bleibt manches dunkel. Es wäre sehr nützlich, diese Verzeichnisse mit denen von
jüdischen Geschäften vergleichen zu können. Bücher hat Frankfurt 1, 574 — 583 dio
Verzeichnisse von Schulden, welche Frankfurter Juden 1891 geschuldet wurden,
höclist scharfsinnig bearbeitet. Die Beträge der einzelnen Schulden sind hier erheb-
licher, 5/b der Forderungen blieb freilich unter 50 fl., immerhin überstieg aber Ve die
Stufe von 100 fl. 52<>/o ergaben sich Bücher als Pfandschulden, 48<^/o als Brief-
schulden. Da es sich in Frankfurt aber um eine reiche Stadt mit reicher Umgebung
handelt, wäre es gewagt, den Vergleich mit Sembrancher oder mit dem ganz anders
gearteten Material von Freiburg durchzuführen.
Die Thätigkeit der Kawerschen. 317
das Normale kennen lernen. Und dafür bieten die Konzessionen für die
Lombarden Slaterial genug. Auf deutschem Boden wurde in der Regel
nicht, wie meistens in Italien geschah, Monats-, sondern Wochenzins be-
rechnet, und bei der Einteilung des Münzsystems ergab sich da 1 oder
2 9) für das Pfund pro Woche als eine bequem zu handhabende Einheit.
1 S) für Pfund und Woche hätte im Jahre 21,67 ®/o ergeben. Das wäre
schon ein Wucherzins gewesen, wenn man aber die Höhe des Zinsfufses
für hypothekarischen Kredit, der bis 1350 sich auf 6 — lO^/o stellte, dann
aber in der Regel auf 5% sank", bedenkt, wenn man die Verluste bei
jenen Wuchergeschäften in Betracht zieht, wenn man endlich das lucrum
cessans anschlägt, das sich daraus ergiebt, dafs solche Banken immer
starke Geldvorräte haben mufsten, wenn man erwägt, dafs die Gewinne
im Warenhandel viel bedeutender waren als heute, so würde ein solcher
Zinsfufs nicht so exorbitant erscheinen. Aber er war auch nicht die
Regel, diese war 2 §) pro Woche und Pfund, mithin im Jahre 43,33 ®/o
zu erheben. Man hat bisher inehr die Divergenzen gesehen, als diese
Regel beobachtet*. Neumann belegt diesen Zinssatz als Maximum für
Darlehen an den ortseingesessenen Bürger bei Judenschulden für Mainz
1255, Nürnberg 1310, München und Ingolstadt 1340, Schwäbisch Hall 1342,
Zürich 1354, Thüringen 1368, Strafsburg 1375 (auch schon 1338, jedoch
halb so hoch in der Judenordnung von 1383®), Regensburg 1392, Frei-
burg i. Br. 1394, SchaflFhausen 1435, Frankfurt hatte 1338 einen Satz,
der um ein Viertel niedriger war, 1390 war er wieder dem gewöhnlichen
gleich, in Württemberg (ob durchgehends?) stand er um die Hälfte
niedriger, in Würzburg 1444 auf 2P/8®/o, in Augsburg betrug er 1276
das Doppelte, 86,67, noch höher stand er in Österreich*. Auch für
unsere Lombarden kann ich den Zinssatz von 43,33 *^/o belegen: für
Konstanz, Bern, Solothurn, Zürich, Oberwesel, in Luzern wird das zu
diesem Zinsfufse ausgeliehene Geld als »jsfc gewonlichem gesuche^ gegeben
bezeichnet. In zwei Städten der Schweiz, in Freiburg und Biel, durften
die Lombarden nur IVa auf Pfund und Woche nehmen*^, das ergab somit
immerhin noch 32,5 ®/o auf das Jahr. Als aber in Zürich der Versuch
gemacht wurde, den Zinsfufs auf 1 S) herabzudrücken, verliefs der
Kawersche Bern und verlegte seinen Wohnsitz nach Überlingen®.
^ Vgl. die Tabellen über die Rentenkaufzinse bei Neumann S. 266—273.
^ Stobbe macht eine Ausnahme.
8 Strafsb. Urkb. 6 Nr. 147.
* Die Belege bei Stobbe S. llOf. u. 234 f.. bei Neumann S. 321 f. Vgl. auch
Hanauer 1, 524 ff., Bücher, Frankfurt 1, 580 f. In Zürich übrigens schon vor
1304: Amiet 1, 224.
^ S. oben bez. Amiet 1, 230. 241. 251. 2, 149. 174. 181.
« S. oben S. 297.
318 Siebenundzwanzigstes Kapitel.
Dieser Zinsfufs von 43,33 ®/o geht sehr weit zurück, er ist geradezu
der älteste uns belegte für Judenschulden. Zuerst finde ich ihn in Frank-
reich, wo ihn Philipp August 1218 als Maximum erklärte; dort blieb er
jedoch nicht erhalten. Philipp der Schöne erneuerte den Satz wieder *. In
Deutschland wird er als Maximum angenommen in dem bayerischen Land-
frieden von 1244 und in dem von 1256 ^. Der Tag des grofsen rheinischen
Städtebundes von 1255 nahm in Anwesenheit des Reichshofsrichters ihn
gleichfalls an für die nach Wochen zu berechnenden Schulden, bei den
nach Jahren sollten vier Unzen vom Pfund das Maximum sein, mit anderen
Worten 33,3 *^/o. Für die Münzen von Köln, Strafsburg und Hall sollten
für den Wochenzins ähnliche Sätze gelten^. Bis ins fünfzehnte Jahr-
hundert blieb der Zinsfufs von 43,33 ®/o in Südwestdeutschland und dem
Rhein entlang mit Ausschlufs des Niederrheins in Kraft. Man darf ihn
geradezu voraussetzen, wenn uns bei einem von einem Juden oder
Lombarden gewährten Darlehen der Zinsfufs nicht angegeben ist. Bei
einem Lindauer Kawerschen ergiebt sich ein Zinsfufs von zum mindesten
37,6^/0. Es ist das der einzige Fall, wo wir eine rechnungsmäfsige Mit-
teilung haben, die leider nicht ganz klar ist.
In dem Bereiche der Kölner Münze begegnet uns ein anderer Satz,
es wurde dort gerechnet nach der marca denariorum, und diese Münz-
(nicht Gewichts-)mark umfafste 12 solidi und also 144 ^ oder 288 obuli*.
Wenn also die Kölner Lombarden 1296 infiomine cusiuum*^ 3 obuli für die
Woche nehmen dürfen, so sind das 54,2 *^/o. 1311 wird aber als stehender
Gebrauch ^ad usuram Judeorum vel cusios Catoerctnonim^ bezeichnet, von
einer Mark einen Pfennig zu nehmen , also 36,1 ®/o. Früher (1258 ujid
1272) waren in Köln 3 ft von der Mark berechnet, d. h. also 108 ®/o.
Aber es ist 1258 das ein Maximalsatz für eine Entschädigung, man hofft,
das Geld billiger zu erhalten *. In Oberwesel begegnet uns ein Zins von
65®/'o® neben dem oberländischen von 43,3 ^'o.
Im allgemeinen sieht man, wie der Zinsfufs sich möglichst eng an
die Münzeinteilung anschliefst, beide Teile suchen eine möglichst einfache
Rechnung zu behalten und vermeiden es möglichst, mit Brüchen rechnen
zu müssen, „in die Brüche zu kommen". Ich glaube, dafs wesentlich
dadurch der relativ billigere Zinsfufs von Köln gegenüber Oberdeutschland
^ Seila 215. Ehrenberg, Zeitalter der Fugger 1, 54.
'- M.G. Legum sectio IV. 2, 578 und 601,5. Das auf altere Vorlage zurück-
gehende Judenedikt Friedrichs I. von 1157 giebt keine Grenze des Zinses an. 1, 227.
« Ebda. 2, b^\ ^5.
■* Kruse, Kölnische Geldgeschichte, in Westdeutsche Zeitschrift, Ergänzungs-
heft 4 S. 11 ff.
" Ennen u. Eckertz 2, 403.
« S. oben S. 801.
Die Thätigkeit der Kawerschen. 319
zu erklären ist, nicht aus einer so viel gröfseren Geldflüssigkeit, die ja
übrigens auch bestanden haben mag. Häufiger wurde der Zinsfufs für
Darlehen an Leute, welche nicht in der betreflFenden Stadt wohnten, höher
fixiert oder überhaupt unbegrenzt gelassen. In Zürich dürfen sie diesen
ihr Geld leihisn *als iür si tvellenU *.
Die Höhe des Zinsfufses mag auch zum Teil dadurch zu erklären
sein, dafs die Lombarden wenigstens an einigen Orten das Darleihen den
Ortsbürgern gewähren mufsten, so war es in Luzern und Zürich, in Biel
und Solothurn war dieser Zwang aber ausgeschlossen^. Der Zins von
43,3*^/0, den Juden und Astigianen in Deutschland erhielten, war gegen-
über dem, der auf den Champagnermessen als Verzugszinsen erhoben
wurde — 60®/o — noch niedrig zu nennen. Den grofsen sienesischen
und florentiner Geldleuten gegenüber erscheinen die Kawerschen nicht
gewachsen, jene hatten die Juden aus den grofsen Geldgeschäften ver-
drängt, diese machten ihnen scharfe Konkurrenz in der Pfandleihe.
Aus diesem Vergleiche ersehen wir aber, dafs die deutschen geld-
bedürftigen Kreise nicht so sehr Veranlassung hatten, sich von den
Senesen und Florentinern das nötige Geld zu borgen, sie erhielten es
billiger im eigenen Lande bei Juden und Kawerschen.
Ein einzelner Lombarde erscheint in den seltensten Fällen als Inhaber
des Geschäftes, in der Regel haben sich mehrere Kaufleute zu einer
Gesellschaft zusammengethan , und derselbe Kauirnann scheint mitunter
an mehreren Firmen beteiligt gewesen zu sein. Das Streben der einzelnen
Firma geht darauf hinaus, ein Monopol innerhalb der betreflFenden Stadt
zu gewinnen, sie sucht die Aufnahme von weiteren Lombarden oder
Juden zu verhindern. Da schon die Gleichheit des Wucherzinsfufses
einen weiten Markt auiserhalb der Stadt und Herrschaft von selbst aus-
schliefst, will jede Gesellschaft den Ort selbst gründlich ausnützen und
die Konkurrenten fernhalten^. In gröfseren Plätzen liefs die Behörde
aber wohl zwei Banken, so auch in Freiburg i. Ü. und in Bingen, und
daneben auch Juden zu, in Köln scheint es mehr als zwei Häuser neben-
einander gegeben zu haben. In Luzern z. B. mufste eine zweite Gesell-
schaft weichen. Die Ansiedlung wurde stets nur auf eine beschränkte
Frist gewährt, wie das auch vielfach bei den Juden geschah. Die kürzeste
ist die den Florentinern in Nördlingen gewährte von zwei Jahren, die
längsten sind die Erlaubnisse für die Pelletta in Zürich (1409) auf
24 Jahre und für die della Rocca in Köln (1296) auf 25 Jahre. Der
^ Pelletta, s. oben S. 297.
« Amiet 2, 160 f. 174. 1, 251 u. 174. Ähnlich bei den Juden Neumann 368 f.
Nübling, Judengemeinden 93.
* So Pelletta in Zürich, aufser ihm darf kein Geldleiher aus Lamparten
oder Tuschgan aufgenommen werden.
320 Siebemmdzwanzigstes Kapitel.
Regel nach sind 15 — 20 Jahre festgestellt. Eine Formel aus der Kanzlei
König Albrechts sieht drei Jahre vor^. Da aber dann häufig das Privileg
verlängert wurde, verwuchs eine lombardische Familie nicht selten mit
der neuen Heimat, so ist es vor allem in Aachen mit den Ruero, in
Freiburg i. Ü. zu beobachten, wo die Asinari, Ruero und Salicetto
Beamte benachbarter Geschlechter oder Besitzer adliger Herrschaften
wurden. Auch die Ottini in Bingen verwuchsen mit dem neuen Heim,
der Sohn wurde in deutschen Landen Karmeliter, und der deutschen
Sprache haben sich die Lombarden in ihren Urkunden mehrfach bedient.
Am festesten schlugen die Muntprat in Konstanz Wurzel, die in den
Patriziat eintraten und das mächtigste und kühnste Handelshaus bildeten.
Das Nomadenhafte ihres Daseins geht aber nicht verloren, eine alte Firma
verschwindet plötzlich, um dann am anderen, weit entlegenen Orte wieder
aufzutauchen. Der Zusammenhang mit der alten Heimat blieb erhalten.
Da Malavolta in seiner Chronik von Asti von der Hungersnot und der
Pest, welche 1315 »m regionihus Alamanniae, Olandiae^ Flandriae^ Hanno-
niaey Lovaniae^ Brabantiae ei Franciae* herrschte, genauen Bericht giebt,
fügt er hinzu: >£< hoc verum estj quia mulii Asienses habitantes in Ulis
partibfis venienies Ast et fugientes famem ülam ei peatem^ approbabant et
dicebanij omnia siipradicia esse vera^ ^.
Die Auswucherung erfolgte nun aber nicht ausschliefslich im Interesse
der Lombarden, auch die Herren und Städte, welche sie zuliefsen, hatten
einen Nutzen davon®. Gerade wie die Juden mufsten die Lombarden
dem Herrn bez. dem Rate ein Schutzgeld zahlen, es steigt von 20 fl.
heran bis zu 150 fl. , jenes kommt in Biel und Konstanz vor, dieses ist
viel häufiger. In Aachen sind 1361 gar 300 Goldgulden an den Herzog
von Jülich zu entrichten. In dem Konstanzer Stcuerbuche von 1422 er-
scheint nicht ein einziger Bürger mit einer Steuer von 150 ^, die reichsten
Lütfried und Hans Muntprat — die längst nicht mehr als Kawerschen
angesehen wurden — zahlten 131 ^ und besafsen dabei ein Vermögen
von 62000 i6 ^. Der nächst Höchstbesteuerte hat 48 fi als Steuer ent-
richtet, und da handelt es sich um eine blühende Handelsstadt! Es ist
ja richtig, dafs die Lombarden wie die Juden eine Reihe von schweren
Pflichten mit den anderen Bürgern nicht teilten, dafs in diesem Schutz-
geld so ziemlich alles zusammen gefafst ist, was sie dem Staate bez. der
Gemeinde zu leisten hatten; immerhin wird man diese Steuer nicht allein
' Summa CuriacRegis. Arch. f. Kunde österr. Geschichtsquellen 14, 373.
'^ Muratori, SS. rer. It. 11, 227.
' Unter ganz eigentümlichen, nicht sofort klaren Formen vollzog sich die An-
siedlung der Lombarden in Aachen. Sie erfolgte z. T. durch den Herzog von Jülich,
z. T. durch die Stadt auf Wunsch des Herzogs. Vgl. die Bemerkung oben S. J306 zu
1301. Das Nähere gehört in eine Verfassungsgeschichte von Aachen.
Die Thätigkeit der Kawerschen. 321
als einen billigen Ersatz für die aufserordentliche Stellung der Lombarden
anzusehen haben, sondern als eine indirekte Bewucherung der eigenen
Unterthanen bezeichnen müssen. Um so schlimmer erscheint uns die-
selbe, wenn sie von Städten, die man schlichtweg als Republiken charakteri-
sieren kann, oder von geistlichen Fürsten betrieben wurde. Beide haben
sich davon nicht freigehalten: Luzern, Zürich, Konstanz unter Beihilfe
des Bischofs, Freiburg i. Ü., Bern, Solothurn, dann Köln sind zu nennen,
andererseits die Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln. Gerade in dem
Gebiete, wo diese drei Erzbistümer aneinander stiefsen, machten sich auch
ihre Lombarden Konkurrenz : in Bingen, wo es auch eine starke Juden-
schaft gab, safsen die Mainzer Lombarden, in Oberwesel, Koblenz und
Ahrweiler die Trierer, in Linz, Sinzig und Remagen begannen die Kölner.
Die Erzbischöfe durften den Wucher der Christen den Kirchengesetzen
nach nicht dulden, sie thaten es gleichwohl. Ja der Mainzer Erzbischof
Gerlach von Nassau sicherte Bingener Lombarden zu, dafs, wenn einer
zum Sterben komme und Reue empfinde, ihm die Bufse, der Leib des
Herrn, die hl. Ölung und ein christliches Begräbnis nicht verweigert
werden sollte.
Am allerschlimmsten trieben es die Trierer Erzbischöfe. Der älteste
Niederlassungsbrief, der uns überhaupt erhalten ist, führt uns gerade
nach Trier. Das Schutzgeld war noch niedrig, es hat die Gesellschaft
jährlich 20 U Trierer Pfennige zu zahlen. Der Erzbischof Heinrich
verpflichtete sich, sie wegen des von ihnen betriebenen Geldhandels nicht
zu bestrafen, und erklärte auch, früher gegen diese also oflFenbar schon
länger im Erzstift weilenden Lombarden ausgesprochene Anschuldigungen
nicht weiter verfolgen zu wollen, er überlasse das alles ihrem Ge-
wissen. Gegen den selbst tief verschuldeten Erzbischof deckten sie
sich durch die Zusicherung, dafs er von ihnen kein Darlehen erpressen
werde; im übrigen hatte sich der Erzbischof gleich für sechs Jahre im
voraus das Schutzgeld zahlen lassen \ wie auch Zürich von den Pelleta
sofort für die Niederlassung auf 24 Jahre 2800 fl. nahm. Diese Be-
stimmungen liegen also noch im Bereiche der übrigen Lombardenkon-
zessionen. Später hielt man es für notwendig, das ganze Verhältnis zu
verdecken. Erzbischof Balduin, Kaiser Heinrichs VH. Bruder, der sonst
die Juden protegierte, liefs einen Lombarden schwören, dafs er ohne
seine Zustimmung nicht Wucher treiben wolle, und zugleich nimmt er
ihm ein jährliches Schutzgeld von 50 it kleiner Turnosen ab, das selbst-
redend nur durch Wucher aufzubringen war*. Bei Andrea Pallidos
Konzession durch den in Geldsachen sehr erfahrenen Erzbischof Kuno
1 S. oben S. :302 und Urkunden Nr. 408.
2 Urkunden Nr. 412.
Schulte, Oesob. d. mittelalt«rl. Handels. I. 21
322 Siebenundzwanzig.stes Kapitel.
ging man noch vor.siclitiger zu Werke. Der Lombarde mufste sich zu
einem Schuldscheine bereit finden, in welchem er erklärte, der Erzbischof
habe ihm 3000 Mainzer Goldgulden geliehen. Man würde fast geneigt
sein zu glauben, der Lombarde sage die Wahrheit. Allein von irgend
welcher Verzinsung ist nicht die Rede und die Rückzahlung hat in
Raten zu erfolgen. Ich meine, es ist eine Obligation zur Zahlung des
allerdings enormen »Schutzgeldes im Betrage von 1500 Goldgulden jähr-
lich, und man fragt sich allerdings, wie in Ahrweiler ein Wucherer so
viel auftreiben konnte. Die Bürgschaft ist darum auch recht kompliziert.
Es genügt nicht ein übergebener Pfandbrief, auch zwei andere Lom-
barden — von Oberwesel und Linz — und der aus Italien stammende
Münzmeister in Koblenz mufsten sich als Selbstschuldner erklären ^
Die Summe von 1500 fl. wurde nicht erreicht in der Konzession
für Oberwesel. Zwei Urkunden ergänzen sich. Die eine giebt als jähr-
liche Abgabe 900 fl. an, das macht für neun Jahre 8100 fl. Die andere
aber sieht wieder aus wie ein Schuldschein der Lombarden. Es werden
zwei verschiedene Obligationen darin zusammengefafst, in der That sind
es die Obligationen von zwei Bürgengruppen. In der ersten bürgen
sechs Italiener mit einem Bewohner von Oberwesel für 30u0 fl , in der
zweiten vier von diesen Italienern und vier Schöfi^en von Oberwesel für
8000 fl. Das ganze Verhältnis wird aber klar durch die Bestimmung,
dafs die ratenweise Abzahlung dieser angeblichen „Schuld" von 1 1 000 fl.
sofort aufliören soll, wenn der Nachfolger des Erzbischofs die den Lom-
barden auf neun Jahre gewährte Konzession nicht anerkennen sollte.
Interessant ist die Zusammensetzung der Bürgengruppen : neben Leuten
aus Oberwesel erscheinen Lombarden, die zum Teil sich als in Nachbar-
orten angesiedelt nachweisen lassen, so wohnte der Astigiane Dracho
Aleonis in Linz^.
In den Reichsstädten war wie der Judenschutz, so auch der Lom-
bardenschutz ursj)rünglich Sache des Stadtherren gewesen. In Köln wird
di'; Errichtung der W^ucherbank noch 1328 von der Genehmigung des
Erzbischofes abhängig gemacht, so will die Stadt der ausdrücklich er-
wähnten Gefahr entgehen, exkommuniziert zu werden. In einem solchen
Falle will die Stadt mit ihren Lombarden nichts zu thun haben. In den
Reichsstädten taucht auch bei den Lombarden wie bei den Juden der
Anspruch des Königs auf, dafs sie der Kammer zu dienen hätten. Am
bezeichnendsten ist wohl das Vorgehen Heinrichs VII., der einfach alle
„Lombarden" als Regalpflichtige ansah, wenigstens in Nicderlothringen^.
1 S. Urkunden Nr. 420.
-• Urkunden Nr. 421.
'•' S. oben S. :W.
Die Thätigkeit der Kawcrscben. 323
In Bern werden die Kawerschen vom Könige zum Pfände eingesetzt, die
Lombardensteuer von Solothurn und Schlettstadt verlieh Karl IV., dieser
Kaiser sprach 1359 Zürich gegenüber aus, dafs »crZfe Jcatverzifi^ tvuocher
und Juden unser und des richs kamer dienen und gehöm<i. So kam es
denn, dafs endlich am Anfang des sechzehnten Jahrhunderts der Eise-
nacher Stadtschreiber Purgoldt schreiben konnte: ^Die Kawermner seint
der fursten Jcamerknechte gleich also dy Juden, dyweil sy das wucher antriben,
an das sy mit den lybenn nicht eygen sintt ^ So hatten die Herren einer
freien Stadt Italiens sich in Deutschland erniedrigt! Freilich König
Siegmund machte viele Astigianen zu seinen Familiären!
Wie die Juden „privilegiert" wurden, so war auch die Stellung der
Lombarden durch die einzelnen Konzessionen aufserordentlich günstig
geworden. Aus diesen Dokumenten des späteren vierzehnten Jahrhunderts,
die zum Teil wörtlich übereinstimmen, könnte man ein Kawerschen recht
zusammenstellen. Die Urkunden verraten schon durch die Gleichheit der
Form *, dafs sie nicht von der Kanzlei des Ausstellers entworfen wurden,
sondern dafs die Lombarden den Entwurf vorlegten. Die beiden ältesten
Konzessionen, die von Trier 1262 und Konstanz 1282®, enthalten erst
einzelne Momente des später gemeinen Kawerschenrechtes. Das Trierer
sichert die Ansiedler im Straf- wie im Erbrecht, das Konstanzer hat be-
reits einzelne Begünstigungen im Beweisrechte. In beiden Fällen werden
die Lombarden auch noch als rechte Bürger aufgenommen, später ge-
schah das nicht mehr.
Das Recht der Kawerschen ist ein Gegenstück des Rechtes, das
den Juden zugestanden war*. In dieses bereits ausgebildete traten die
Kawerschen hinein, es in einzelnen Punkten fortbildend, in anderen
nicht erreichend. Zu einer selbständigen, wenn auch beschränkten Ge-
richtsbarkeit konnten es die Lombarden schon wegen ihrer geringen
Zahl nicht bringen. Doch ist in Aachen das fast erreicht. Bei Streitig-
keiten zwischen den Italienern sollte jede Partei zwei rechtschaffene
Leute aus der Heimat aufstellen, wenn diese sich nicht einigen können,
wird ihnen ein Obmann gegeben, aber auch dieser soll Lombarde sein.
Grofse Verwandtschaft zeigen mit dem Rechte der Juden die Bestim-
mungen des Mobiliarpfandrechtes: entgegen dem römischen und deut-
schen Rechte wurde dem Lombarden, wie meistens dem Juden zugebil-
ligt, dafs das von ihnen bona fide gekaufte, aber gestohlene Gut nicht
1 Neiimann H87.
2 Es sind voneinander abhängig: Aachen 1361, Bingen 1863, Oberwesel 1376,
Solothurn 1377 und Biel 1397.
' Beide abgedruckt im Urkundenbande Nr. 325 und 408.
* Vgl. vor allem Stobbe und Neu mann.
21*
324 SiebenundzwaDzigstes Kapitel.
dem Eigentümer zufallen solle, sondern dafs dieser dem Pfandinhaber
zuvor die dargeliehene Summe samt Zins, „Hauptgut und Gesuch" zu
ersetzen habe ^ Das Pfandgut darf ferner nach Jahr und Tag verkauft
werden, der Mehrerlös verbleibt den Lombarden^. Auch bei dem Ver-
derben oder Verlust eines Pfandes steht der Rechtsvorteil durchaus auf
Seite der Lombarden®. Am weitesten geht auch sonst wieder die
Aachener Konzession: Der Landesherr verpflichtete sich da jeder casana
einen Mann zu geben, der unter dem grofsen herzoglichen Siegel auto-
risiert sein werde, den Lombarden bei Eintreibung der Schulden zu
helfen. Im Beweisrecht wird der Eid der Lombarden aufserordentlich
bevorzugt, in der Konstanzer Konzession von 1282 heifst es: ^Standum
est ectam sacramenio predictorutn Lombardorum pro spacio temporis ohli-
gacionis pignoris cujuscunque et pro quantitate pecunie mutuaie,'^ Ähnlich
sind die Bestimmungen an anderen Orten*. In Italien und auch in
Freiburg im Ü. wandte man sich an einen Notar, eine Person öffent-
lichen Glaubens, bei Abschlufs des Darlehensvertrages, hier war der Eid
der einen Partei zum siegreichen Beweismittel erhoben. Mit den Juden-
verträgen stimmt es, dafs die Lombarden von dem Zwang zum Zwei-
kampf befreit wurden*^.
Auch im Strafrecht sind bemerkenswerte Bestimmungen vorgesehen.
Nur der Thäter, nicht seine Genossen der Gesellschaft sind haftbar,
eine Ausnahme macht der Mord, aber da ist sofort die Strafe auf 25 ÄJ
Turnosen limitiert®. Ein Arrest auf ihren Besitz aufserhalb des Gebiets
des Konzessionierenden verpflichtet diesen in Aachen zu Repressalien an
den Gütern oder der Person des Arrestierenden. Auf Repressalien für
das, was in Italien geschieht, verzichtet aber der Herr''. Mehrfach wird
den Lombarden ein beschleunigtes Gerichtsverfahren, stets aber ein
Gnadenjahr zur Erledigung ihrer Geschäfte über die Konzessionsdauer
zugesichert**. Besonders zu bemerken ist, dafs einzelne Städte die
Schutzpflicht auch ausdehnen gegen alle Mandate vom Papst, Kaiser
und allen geistlichen und weltlichen Behörden**, oder auch auf eine
^ Aachen, Biel, Solothum, Bingen, Oberwesel. In Zürich (Pelletta) nur das
Haiiptgut.
- Konstanz, Biel, Solothürn, Bingen, Oberwesel. In Zürich (Pelletta) gehörte
der M obrer lös dem, dessen Eigentum das Pfand gewesen war.
^ Biel, Solothiirn.
^ Aachen, Biel, Solothum, Bingen, Oberwesel, Zürich bes. eingehend.
''* Aachen, Biel.
^ Aachen, Bingen, Oberwesel 50 fl.
■^ Biel. Ersteres auch in Bingen.
** Pelletta in Zürich zwei Jahre, im ersten müssen sie 100 fl. zu Steuer geben.
^ 8o Aachen, Biel, Solothum.
Die Thätigkeit der Kawerschen. 325
Anrufung des geistlichen Gerichtes verzichtend Der Mainzer Erzbischof
will sie schützen gegen alle Herzoge, Prälaten und was niedriger im
Range ist, als er selbst^. Dafs nach dem Tode eines Wucherers dessen
Gut an den Herrn fallen sollte, wie es für Wallis bezeugt ist^, habe ich
weiter nördlich in keiner Urkunde gefunden, im Gegenteil wird das
Erbrecht der Heimat überall anerkannt.
Welchen Einflufs haben die Lombarden auf das deutsche Geschäfts-
leben gehabt? Der Warenhandel war ihnen im allgemeinen verschlossen.
Darf man sie aber etwa als die Lehrmeister der deutschen Bankhäuser,
welche im fünfzehnten Jahrhundert anfangend im sechzehnten den Welt-
handel beherrschten, bezeichnen? Keineswegs, diese sind in dem inter-
nationalen Warenhandel grofs geworden, nicht in dem lokalen Geldwucher.
W^enn der gründlichste Kenner der Handelsrechtsgeschichte von den
Juden sagt, dafs sie in der Geschichte des Handelsrechts keine erheb-
liche Spur hinterlassen haben*, so gilt das auch von ihren christlichen
Konkurrenten.
Im wesentlichen war ihre Thätigkeit auf das Gewähren von zins-
baren Darlehen beschränkt, welche durch Pfänder oder Bürgen gesichert
waren. In dem Darleihen auf Pfand, in dem Lombarddarlehen hat sich
die Erinnerung an diese Zeiten festgehalten, das ist das Geschäft, wel-
ches sie und die Juden ausgebildet und dem Verbote der Kirche zum
Trotz aufrecht erhalten haben. Diese hatte das Kapital in eine andere
Richtung geführt, in dem Rentenkauf schuf sie eine für jene Zeiten
unzweifelhaft überaus segensreiche Einrichtung. Das Lombarddarlehen
kam anderen Bedürfnissen entgegen, die Ursachen, welche es nötig
machten, verschwanden nicht, sondern traten noch stärker hervor. Der
Rentenkauf gewährte nur dem Besitzer von Grund und Boden Kredit,
wer nur Mobilien besafs, wer nicht ein christlich denkendes mildes Herz
fand, war auf die Lombarden und Juden angewiesen. Und unzweifel-
haft sind viele, welche den Kredit benutzten, um wirtschaftlich vorwärts
zu kommen, dabei gut gefahren. Der Gewinn des Darleihers verband
sich da mit der Stärkung des Entleihers. Nicht alle Geschäfte, welche
hinter der Wechselbank abgeschlossen wurden, waren Wuchergeschäfte.
Mancher Kaufmann mag dort Geld sich geholt haben gegen Zins, um
höheren Ertrag zu gewinnen, mancher Handwerker sich das Geld für
sein Handwerkszeug erborgt haben, er gewann dort die Mittel für einen
^ Biel. Die Pelletta in Zürich müssen sich gegen die geistlichen Gerichte
selbst wehren.
^ Bingen.
3 Hub er, Privatrecht 4, 554 N. 25.
* Goldschmidt 111 f.
326 Sicbenundzwanzigste» Kapitel.
erhöhten Produktionsgewinn. Aber in vielen Fällen bedeutete der Ge-
winn des Darleihers den Sehaden des Entleihers. Unter die Begriff<>
von Produktiv- und Konsumtivkredit hat man das meist zusammenge-
fafst, obwohl das sich nicht ganz deckte Gewifs hat bei diesen Lom-
barden auch mancher leichtsinnige Sohn reicher Eltern, mancher Mann,
der besser lebte, als er sollte, mancher Handwerker aus Leichtsinn sich
Geld geholt. Wenn heute so schwer nachzuweisen ist, ob nach diesen
Begriffen Wucher oder vernünftiger Kredit vorliegt, ist selbstverständlich
für das Mittelalter bei den Lombarden das im einzelneu nicht zu unter-
scheiden. Selbst die beiden Fälle, wo wir den Betrieb näher verfolgen
können, lösen nicht die Zweifel; man kann aus ihnen keine zwingenden
Beweise führen. Der Eindruck, den man aber gewinnt, ist doch der,
dafs man es mit Leuten zu thun hat, welche vorwiegend Wucher
betrieben.
Das Quellenmaterial ist für das fünfzehnte Jahrhundert nicht so er-
schlossen, wie für das frühere. Aber es ist doch wohl keine Täuschung:
Nach 1400 beginnt eine mächtige Strömung auf die Fürsten und Magi-
strate einzuwirken; hie und da wird versucht den Zinsfufs herunter-
zusetzen, der Geldumlauf ist stärker, der Zinsfufs weicht, an anderen
Orten schafft die Stadt selbst einen Ersatz für einen Teil ihrer Geschäfte,
es entstehen städtische Wechselbanken, Leihhäuser und Leibrenten-
banken — in Italien die montes pietatiSy welche ohne Zinsen durch-
zukommen versuchen und das Ideal christlicher Nächstenliebe auch auf
diesem innersten Felde des Egoismus durchzuführen versuchten, was sich
aber als unmöglich erwies. Am drastischesten äufsert sich das alles
gegenüber dem Judenwucher. In den meisten Orten verschwindet, so
weit wir bis jetzt die Lombarden verfolgen können, im Laufe des fünf-
zehnten Jahrhunderts ihre Spur, gelegentlich erfahren wir, dafs sie ver-
trieben wurden oder fortzogen.
Die christlichen Konkurrenten der Juden haben im allgemeinen also
dieselbe rechtliche und wirtschaftliche Stellung eingenommen wie diese,
zwei fremde Nomaden haben das wirtschaftliche Leben gerade der niederen
Stände Deutschlands tief beeinflufst. Sie boten dem Glauben jener Tage
Trotz, welcher in jedem Zinse Wucher sah, sie sündigten wider das Ge-
fühl des Volkes, wider das, was ihm als Recht galt, und so heftig die
Ausbrüche des Hasses waren, wenn es einmal gegen die Juden ging, der
Einzelne kehrte doch wieder bei ihm oder dem Lombarden ein — drückte
ihn die Not, so ging er zum Wucherer, und gab es keinen im Orte, so
1 Auf die Erörterungen von Neumann, Nübling, Endemann, Stein,
Funk, Ratzinger, Ashley u. a. ist hier nicht näher einzugehen. Vgl. die
Ldtteratur bei Ashley 1, 127 f.
Die Thätigkeit der Kawerscheii. 327
berief der Rat einen, als handle es sieh um eine Person, die fUr den Ort
notwendig war. Als es nur erst hie und da Stadtärzte gab, gab es
Wucherer und zwar Wucherer fremden Blutes. In den älteren Urkunden
schlagen selbst Städte einen Ton an, als wenn mit der Ansiedlung von
Lombarden Glück und Segen einziehe. Das beweist uns, wie stark das
Bedürfnis nach diesen Geldhändlern war, dafs sie oft auch heilsam
wirkten. Sie fanden Vertrauen, und warum? Ist es nicht ein eigentüm-
liches Geheimnis der menschlichen Natur, dafs sie — aufser in religiöser,
tief ergriffener Stimmung in der Beichte einem Vertreter Gottes — Dinge,
die ihr unangenehm und mifslich erscheinen, am liebsten einem Helfer
offenbart, der ihr fremd ist, den sie für sittlich inferiorer hält, von dem sie
vor allem eine Eigenschaft, welche den Stammesgenossen oft fehlt, voraus-
setzt, die Verschwiegenheit. Ich wenigstens möchte das glauben.
Dafs die Juden von den Christen Zins nahmen, widersprach nicht
ihrem Gesetze, sie belasteten damit ihr Gewissen nichts Anders bei
den Astigianen : wir haben gesehen, dafs gegen die Sündhaftigkeit dieses
W^uchers das Herz doch nicht völlig verhärtet war, Reue quälte sie viel-
fach. Die Juden waren trotz der grofsen Privilegien der Fürsten recht-
los, sie waren nur sicher vor der Kirche; die Lombarden hatten mehr
diese zu fürchten, seltener brach der Herr ihnen sein Wort und aus dem
Volke heraus, das wirtschaftlich natürlich mehr litt, als die Grofsen, läfst
sich keine gegen sie gerichtete Bewegung nachweisen. Die Juden hatten
die äufseren Qualen, die Verfolgungen; der Judenmord verschonte aber
die Lombarden, ihnen wurden die inneren Gewissensqualen zu teil und
die Reichtümer, welche sie aufhäuften, haben für die Kultur nichts er-
tragen. Ohne die reichen Kauf leute wäre die Kunst von Venedig, Florenz
und Mailand undenkbar, und auch Genua übertriffst an Bedeutung
für das Geistesleben manche nordische Schwester: in Asti aber wurde
der Reichtum nicht der fruchtbare Boden, auf dem Kunst und Wissen-
schaft aufblühten. Die Geschichte beider geht so gut wie völlig an
Asti vorüber, nur ein Spätling, Vittorio Alfieri, ward eine Zierde der
italienischen Litteratur, aber eigentümlich genug, die Wandernatur des
Astigianen kam auch bei ihm zur Geltung. Kein italienischer Dichter
der Neuzeit hat so viel im Ausland gelebt, wie Aliieri, auch dem deutschen
Boden hat er sich vertraut gemacht.
^ N cum an 11 29: J. Stobbc 106.
328 Achtundzwanzigstes Kapitel.
Achtundzwanzigstes Kapitel.
Italiener an deutschen ZSllen nnd Münzstätten.
2jölk. Erste Goldprägung in Florenz. Netierungen bei den Silhermünzen: Turnosefiy
höhmische Groschen y Heller, Italiener bei anderen Münzen, Italiener bei Herstellung der
deutschen Goldmünzeti; Böhmen, Lübeck, rheinische Gulden. Florenz und Asti.
Die gründliche Kenntnis des Geldwesens, die Erfahrung in der Hand-
habung des Geldwechsels, die Gewöhnung an eine Buchführung, die Kunst,
mit dem Kapitale arbeiten zu können, mit einem Worte die technische
Überlegenheit des Italieners und des Juden über den deutschen Kauf-
mann auf dem Gebiete des Geldhandels brachte sie nach zwei Richtungen
auch in die Staatsverwaltung.
Die wichtigsten Verkehrsabgaben waren die Zölle, nach dem Reichs-
zolle von Kaiserswerth waren aber wohl keine einträglicher, als die
grofsen Rheinzölle, welche die drei rheinischen Kurfürsten eingeführt
hatten. Der damaligen Verwaltung mufste das Verpachten des Zolls
vorteilhaft erscheinen : man vermied, indem man den Finanzpjtchter auch
zum Finanzbeamten machte, die Bestechlichkeit des Beamten, die Gefahr,
dafs das ein Lehen wurde, und war dazu in der Lage, vom Pächter Vor-
schüsse zu erhalten, bei ihm Anleihen zu machen, ohne diese Einkünfte
geradezu verpfänden zu müssen ^ Neben und vor dem deutschen Kauf-
mann kam dann der Jude und der Lombarde in Frage. Die Nachrichten
über die Bestellung von Zollbeamten sind, wie erklärlich, sehr spärlich.
Der Zoll zu Leutesdorf wurde 1310 vom Lombarden Bartholomäus von
Aachen verwaltet^, 1312 waren dort Zöllner Brunefus et Pucio de Luca,
Thomasiiin de Florentia und Pusinus de Lueizclnhurg^ ^ der ja vielleicht
kein Lombarde war, aber es ebensogut wie der Bartholomaeus von Aachen
sein kann. In den Tagen Erzbischofs Heinrich von Virneburg waren
die Zölle zu Leutesdorf, Bonn, Andernach, Rheinberg an Lombarden
verpfändet und wohl auch durchweg in Verwaltung gegeben *. Karl IV.
überwies für eine Schuld von 29450 Goldgulden einen Teil des Zolls
zu Kaiserswerth an Thomas von Suane genannt Hermelin und seinen
^ Ehrcnbcrg 1, 25 f.
- Böhmer-Fickor, Acta imp. 418. Lamprecht, Wirtschaftsleben 2, 28o.
In Koblenz hatten von 1332 bis 1349 Juden den Zoll in Pacht zu ganz erheblichen
Summen. Die erzbischöfliche Finanzverwaltung war so gut wie völlig in Händen
der Juden. La mp recht 1, 2, 1472 fF. 1229 war der Zoll zu Geisenheim an einen
Juden verpfändet (oft'enbar Schuldpfandschaft), dasselbe war zu Anfang s. XIV in
Köln der Fall. Stobbe 116. Selbst in Ulm Nübling, Judengemeinden LXXIV.
^ Dronke, Cod. dipl. Fuld. 8. 429. Dem Abte von Fulda weist Kaiser Hein-
rich 3000 U Hallenses auf dem Zolle an.
* Urkunden Nr. 429, 430, 431, 432, 433, 434, 435 und 437.
Italiener an deutschen Zöllen und Münzstätten. 329
Bruder Jacob, Kaufleute von Conio, wie an Franz und Ambrosius von
Busti, Kaufleute von Mailand, ob aber zur eigenen Verwaltung, ist
zweifelhaft ^
Wichtiger war der Einflufs der Italiener auf die Münze, wo sie mit-
unter den Juden folgten^. Die romanisch-germanische Welt jener Tage
besafs nur Silbermünzen mit Ausnahme Siziliens, was auch hierin auf den
Orient hinwies, wo das Gold noch immer das übliche Zahlungsmittel
war. Florenz hatte, als es den Gulden schuf, mit einem Schlage sich an
die Spitze des Fortschrittes auf dem Gebiete des Münzwesens gesetzt.
Der Gulden (fl.) ist fast sofort die internationale Münze geworden, wir
haben ihn schon sehr früh auch in den Geldgeschäften der hohen deutschen
Geistlichkeit vorgefunden. Dem gewaltigen Fortschritt, den Florenz
machte, konnte man diesseits der Alpen nicht folgen, schon aus dem ein-
fachen Grunde, weil Deutschland selbst kein Gold produzierte und an
dem eigentlichen Welthandel noch viel zu geringen Anteil hatte. Erst
1325 verliefsen die ersten Goldmünzen eine deutsche Münze ^. Der Über-
gang von der Barrenwährung, wo das Silber in Barrenform gewogen
wurde, zu einer freilich nicht allein bestimmenden Goldwährung vollzog
sich zunächst durch Neuerungen innerhalb des Gebietes der Ausmünzung
des Silbers. Bis dahin war ausschliefölich der denarius (Pfennig) aus-
geprägt worden, der solidus (Schilling zu 12 den.) war nur eine Rechnungs-
einheit, kein Münzstück. Es war das ausgeprägte Geldstück also Scheide-
münze, und wer die damals in Oberschwaben und der Schweiz geprägten
Brakteaten (Schüsselpfennige) oder Halbbrakteaten sich ansieht, wird sich
ohne lange Prüfung davon überzeugen, dafs solche Münzen einer Zeit leb-
hafteren Handels nicht genügen konnte».
Frankreich ging mit der Reform vorauf, bei den in Tours geprägten
Groschen (Dickpfennige, Turnosen) war auch der solidus ausgemünzt
worden. Jetzt war eine bequeme Münze vorhanden, welche als Handels-
münze auch aufserhalb Frankreichs Kredit gewinnen konnte. Die Tur-
nosen, deren Ausprägung unter Ludwig dem Heiligen begann und bis
zum Ende des dreizehnten Jahrhunderts völlig konstant blieb, verdrängten
die wichtigsten internationalen Münzen, die Provinsins, die auf den
Messen der Champagne gebräuchliche Landesmünze, und die englischen
Steriinge aus weiten Räumen, die Sterlinge waren übrigens in Ober-
' 1871 Februar 24. Koch u. Wille Nr. 5074.
*-* Die hebräischen Buchstaben ähnelnden Zeichen eines Löwcnbrakteaten Her-
zog Bernhards I. von Sachsen (1180 — 1212) lassen Menadier an einen jüdischen Münz-
meister denken. Aronius Nr. 389.
3 1325 Prag, 1340 Lübeck, vor 1349 Köln (Kruse 43), 1354 Mainz (Lam-
precht 2, 463).
330 Achtundzwaiizigstes Kapitel.
deutschland so gut wie unbekannt ^ Ein Anteil von Italienern läfst
sich nun an der Schaffung dieser Münze nicht nachweisen, wohl aber
an der Verschlechterung derselben. Philipp der Schöne folgte da 1302
dem Rate von Biccio und Musciatto Francesi von Florenz, welche den
eigenen Landsleuten dadurch schweren Schaden zufügten. Sie zuerst
unter den lombardischen Abenteurern gewannen einen leitenden Einflufs
auf die Geschichte Frankreichs^.
Eine Nachahmung der Turnosen war der Prager böhmische Groschen.
Der Plan zu dieser Reform ging aus von Florentinern und die Initiative
von einem Könige, der ebenso stark unter dem Einflüsse der Legisten
stand, wie sein Zeitgenosse Philipp der Schöne. Dieser hatte in Frank-
reich Kenner des römischen Rechtes zur Hand, Wenzel IL berief sie aus
Italien, ein italienischer Rechtsgelehrter Gozzo von Orvieto schuf das
Bergrecht von Kuttenberg, dem grofsen böhmischen Silberbergwerk. Der
Chronist von Königsaal schildert uns die vor 1300 in Böhmen infolge
allzu häufiger Änderungen herrschende Münznot. König Wenzel II.
schickte nun nach Florenz und berief »viros indusiriosos Reinhardum
scilicet Alphardum et Cynoneni Lomharduntj qui in talibus negotiis tantam
habebant experientiamj quod utiliter dirigere poterant rem tarn tnagnam^ *.
Der Ruhm des „Böhm", der in Schlesien noch in jedes Mannes Munde
lebt, geht also in letzter Linie auf Florenz zurück.
Aber auch bei der böhmischen Münze fehlte die Versuchung, das
Geld zu verschlechtern, nicht. König Johann, der Luxemburger berief:
T^quosdam de Florentia Lombardos in scieniia hicrandi pecunias vaJde gnaros,
ad horum consilium parvos denarios rex permisit in moneta publica mone-
iari*. Diese Münzverschlechterung von 1327 rief natürlioh nicht geringe
Erregung hervor*.
Auch Heinrich VII. hatte sich bei der italienischen Münzprägung,
die er reformieren wollte, und wo es sowohl auf Groschen wie auf Gold-
münzen abgesehen war, italienischer Münzer bedient. In dem einen
Bestallungsbrief erscheint ein Habiczo fiJim dytani Hugueti civis Fhreniie;
der Vertrag vom 13. Januar 1312 nennt als Münzer Philippus de Nigro
^ Aus der Litterätur über die Turnosen erwähne ich S c h a u b e, Kurs-
bericht 259 f., wo die weitere Litterätur angegeben ist. Über den Sterling vgl.
Schaube 283 ff.
- S. oben S. 271. Auch Betin Cassinel, des Königs Münzmeister, war ein
Italiener, er stammte aus Lucca und begründete in Frankreich ein sehr angesehenes
Geschlecht. Piton 114 ff.
3 Chron. aulae regiae. , Fontes rer. Austriac. I, 8, 161. Schon kurz
vorher waren übrigens in Schlesien Dickpfenninge geprägt worden.
* Ebenda S. 448. Auf die böhmische Goldmünze bezieht sich diese Nachricht
wohl nicht.
Italiener an deutschen Zöllen und Münzstätten. 331
civts Jnniie und Georgius Älyon civis Asicnsis, beide Familiären des
Königs ^
Neben den Turnosen und den Prager Groschen gewann eine dritte
Münze seit dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts eine grofse Beliebt-
heit. Es ist die Münze von Hall. Sie verdankte das nun nicht dem
Übergange zur Groschenprägung — sie hielt vielmehr an der Ausmünzung
der charakteristischen Händlein-Pfennige fest — sondern allem Anscheine
nach der grofsen Geschicklichkeit, sich dem Münzfufse benachbarter
Münzsysteme zu accomodieren , und dem konsequenteren Festhalten an
dem einmal gewählten Brand und Korn, das gegenüber der allgemeinen
Münzvcrschlechterung das Zutrauen des Volkes gewann ^. Oberschwaben
gegenüber, das Hohlpfennige prägte, hatte Hall an den zweiseitigen
Denaren festgehalten.
Die Münze war ferner so niedrig angesetzt, dafs der Heller die
kleinste Courantmünze wurde ; während der Groschen sich also über den
Pfennig einschob, trat der Heller unter ihn. So wurde Hall die numis-
matische Hauptstadt des südlichen und westlichen Deutschlands®. Sie
eroberte sich mit der kleinsten Scheidemünze den Markt, indem sich im
Laufe des vierzehnten Jahrhunderts das Pfund Heller in der Wertgleich-
heit zum Florentiner Goldgulden hielt, wurden die Heller von selbst im
Verkehrsleben die Unterabteilungen des Gulden von Florenz wie später
des rheinischen Guldens*.
Die Geschichte der Münze von Schwäbisch Hall, deren Akten unter-
gegangen sind, ist trotz der Arbeiten von Grote und Lamprecht, wie mir
scheinen will, noch nicht so gründlich untersucht, dafs man konkludent
auf ein Jahr die Wandlungen innerhalb derselben bestimmen kann. Das
Vertrauen wurde von ihr auch nicht auf einmal errungen, erst langsam
wird dasselbe erworben. Nach Pfund Haller Pfennig wird zudem schon
seit sicher 1219 gerechnet, die Verbreitung über das nächste Gebiet be-
ginnt schon im letzten Viertel des dreizehnten Jahrhunderts^.
^ Dönniges, Acta 2, 96 und 31 u. 32 Anm. 1.
2 Nach Lamprecht 2, 453 hatte der Heller 1245—65 0,338 Gr. SUber, 1326
noch 0,326.
^ Grote, Schwäbisch-Alemannische Geld- und Münzgeschichte des Mittelalters,
in seinen Munzstudien Bd. 6 1865 S. 100.
"* Lamprecht a. a. 0.
'» Wir haben noch nicht genug Wertrelationen gesammelt. Die Angaben von
Grote S. 32, 102, Lamprecht 433, Gottlob S. 270 ff., Kirsch LXXV, Kruse
S. 33 genügen noch nicht Uns interessiert, welche Relationen von 1298 bis 1308
und kurz vorher bestanden. Kruse weist S. 32 f. nach, dafs der Silberwert der
Heller um 1300 keineswegs stabil war, sondern erheblich sank. Von 1308 — 28 ist
eine stabile Relation mit dem Kölner Pagamentsdenar. Es stehen z. B. 1317 sich
gleich eine Kölner Pagaments-Mark (zu 144 <)) und 18 Schilling Heller (= 216 ^).
332 Achtundzwanzigstes Kapitel.
Es läfst sich also nicht bestimmen, welchen Anteil die Florentiner
in den Tagen König Albrechts an dem Aufblühen dieser Münze hatten.
Dieser König hatte nämlich diese Münze an eine Florentiner Gesellschaft
verpachtet, von der wir vier Glieder kennen: zunächst Tommaso und
Ugolotto, die Söhne des Agio degli Agli, und Alberto den Sühn des
Gottolo dei Nerli. Diese sandten nach Schwäbisch Hall mehrere Faktoren,
von ihnen hatte der Teilhaber der Gesellschaft Neri di Ghinuccio Buon-
fantini mit dem Faktor Bartolo di Lapo Morelli das Haupt- und die
Rechnungsbücher zu führen. Beide aber waren ungetreue Verwalter,
sie rechneten nicht ab und hielten sich von Florenz fern. Der Faktor
wurde beschuldigt, seine Prinzipale um 800 Goldgulden und mehr, der
Teilhaber aber die beiden Agli um 5565 fl. und den Erben und Bruder
des Alberto dei Nerli um 2848 fl. geschädigt zu haben. Beide wurden
von den Florentiner Behörden am 5. Dezember 1308 vor den Capitano
dei Popolo geladen ^
Diese beiden lehrreichen Dokumente lassen uns freilich keinen vollen
Einblick thun. Die Summen, welche da aufgeführt werden, sind nicht
sicher zu zerlegen. Wir wissen nicht, ob es nur der Gewinn oder was
wahrscheinlicher ist, Betriebskapital und Gewinn, ob damit die Forderung
aller übrigen Teilhaber (was annehmbarer ist) oder nur einer Gruppe
ausgedrückt ist, jedenfalls war das in der Münze von Schwäbisch Hall
thätige italienische Kapital recht bedeutend. Weiteres wissen wir über
die Sache nicht.
Kirsch LXXV. Es ist also das von Kruse auch anderweitig belebte Verhältnis
von 2:3. Von 1296—1308 geben die Urkunden oft die Relation: 3 hl. auf den
Kölner Pagamentspfenuig, also 1 : 3, jedoch wird in einer solchen Urkunde zugleich
gesagt, dafs 13 Heller = 6 Denaren sind. Kruse :33. Das beweist uns aber deut-
lich, wie der Heller als Unterabteilung des Denars behandelt wurde. Besonders
wertvoll wäre es festzustellen, wann die Relation 1 Goldgulden = 1 ü hl, ein-
getreten ist, und wie lange sie festgehalten wurde. Kirsch weist für die Jahre
1318/9 Relationen von 1 fl. = 15 ß hl. 3 hl. bis 16 ß hl. 10 hl. nach S. LXXV f.
Nach Lamp recht 2, 447 ist die Relation von 1 (kleinen) Gulden = 1 ^ hl. von
1337 — 1344 konstant, ich kann sie auch aus Schuldbriefen von 1366 und 68 ableiten.
Diese Relation wurde also zwischen 1319 und 1337 erreicht. Die weitere Unter-
suchung mufs ich der Geldgeschichte überlassen.
1 Aus einem Florentiner Brief buch von 1308. Ar eh. stör. ital. ser. 2 tomo
620 ff. »Florcntie^ die V mensis decemhris, VlI^ indictionU. Quod ipsi Tlwmasus et
Ugolottus et Albertus fecerunt et contraxerunt inier se ad invicem sotietatem in partibus
Alamanie in civitate AUensi^ maxime in facienda et super faaendo fieri et fahricari
movetam que appellatur moneta AllensiSy tt ipsam nuynetam et redditum ipsius monete
€7nerunt ab ilhistrissimo viro domino Alberto olim rege Bomanorum .... Tenuisti et
habuisti ♦ . publicum librum et libros rationum, in quo et in quibus scribebantur
negotia et rationes dicte sotietatis et soliorum , et cui et quibus dabatur plena fides in
acceptis et datis.* An beide geht derselbe Bote.
Italiener an deutschen Zöllen und Münzstätten. 333
Noch an zwei anderen Münzen, welche noch an der Silberprägung
festhielten , kann ich einen Lombarden nachweisen. Es ist freilich ein
heikles Ding, das Wort monetarius zu übersetzen, es kann ein Familien-
name sein und alle möglichen Beamtungen der Münze bedeuten. Wenn
uns nun aber ein :» Johannes de Asi moneiarius<i^ erscheint, so kann es
sich nicht wohl um einen Familiennamen handeln, und da der Name
auf Asti zu deuten ist, kann auch wohl nur der kaufmännische Leiter,
nicht etwa der Münzschneider gemeint sein. Dieser Berner Johann
von Asti erfreute sich übrigens hohen Ansehens, er hatte die Tochter
des Edelknechts Johann von Münsingen geheiratet und sein Schwager
war ein Bubenberg, er war also mit den ersten Familien Berns in Ver-
wandtschaft getreten ^ 1283 stellt Graf Guido von Flandern und Mark-
graf von Namur, Hubert Adion, Bürger von Asti und Genossen an,
für ihn in Namur Münzen zu prägend
Dafs die Etschkrcuzer, welche in Trient seit dem Ende des zwölften
Jahrhunderts, später auch in Meran hergestellt wurden und die Reform-
münze der Ostalpen waren, von Italienern hergestellt wurden, kann nicht
wunder nehmen. Aber auch in Schlesien sind in Liegnitz unter Herzog
Wenzel L (1348-64) und in der Münzstätte Freiberg, wo der meifs-
nische Groschen geprägt wurde, in der Zeit von 1364—68 Italiener
nachzuweisen. Wahrscheinlich hatte auch der Breslauer Bischof Heinrich
Italiener im Dienste seiner Münze ^.
Auch Ludwig der Bayer hat Italiener bei der Münze verwendet:
Jacobinus de Capite und Ranicius de Bognariis, beide aus Como. Da
er sie aber zu Münzern innerhalb des ganzen Reiches macht, ist diese
Notiz weiterhin unfruchtbar: man weifs ja nicht einmal, ob sie in Deutsch-
land dann thätig waren oder in Italien*. Und das gilt noch mehr von
den von Karl IV. zu öffentlichen Münzern ernannten Personen^.
* Urkunde vom 29. November 1334. Font. rer. Bern. 6, 158. Leider ist das
Siegel schwer beschädigt. Ich bemerke, dafs in der Berner Familie „Münzer" Vor-
namen begegnen, weiche italienischen Ursprung verraten.
2 Wauters, Tables chronologiques des chartes et diplomes imprimös 6, 96
und 6, 112.
' Die Belege bei A l e x i , Die Münzmeister der Galimala und Wechslerzunft in
Florenz in Zeit sehr. f. Numismatik 17, 267; Friedensburg, Schlesiens Münz-
geschichte im Mittelalter Teil II S. 40; (Codex dipl. Silesiae XIII) Nicolaus u.
Augustin von Florenz Cod. dipl. Sax. reg. Teil 2 Bd. 13 S. 24.
* »Nota quod Dominus co^istitiiit Jacobinum de Capite filintn quondam Bainerii
de Cnmifi uhilibet in toto Romano imperio moneiarium et monete fahricatorem, Datum
%it supra, Simili modo constituit Ranicium filium quondam Marci de Bognariis de
Cumis in monetarium.« Zeit und Ort vorher: Kolmar September 8. Oefele 1, 774.
'^ Jatobus natus quondam Gerhardi Sabolim de Lucca Glafey S. 20. Jacobiins
et Anthonius frntns filii Jordani de Monetario ebda. 509. Direkt auf Genua geht
die Ernennung des Petrus de Luna. Glafey 251.
334 AchtuDdzwanzigstes Kapitel.
Das Beispiel der florentiner Goldprägung war zuerst 1254 in Frank-
reich, 1257 in England nachgeahmt worden, also in jenen Gebieten,
welche am lebhaftesten Handel mit Italien trieben ^ 1325 erfolgte die
erste Ausprägung in Deutschland, und dafs hier überall die Goldmünze
von Florenz das Vorbild war, ergiebt die Gleichheit des Fufses und des
Bildes, der hl. Johannes war noch lange das Kennzeichen jeder Gold-
münze. König Johann von Br)hmen benutzte eine Zeit, in der das Wert-
verhältnis des Goldes zum Silber sich zu Gunsten des ersteren beträcht-
lich verschoben hatte ^, um die ersten Goldstücke innerhalb des deutschen
Reiches zu prägen. Auch dieses Mal berief er dazu „Lombarden" und,
wenn er nach zweimonatlicher Anwesenheit in seinem Reiche 95 000 Mark
Silber mit in sein Heimatland Luxemburg nehmen konnte, so war
darin auch wohl ein Teil des Münzgewinnes eingeschlossen®.
Wer die schwache Ausprägung von Goldmünzen der österreichischen
Herzoge Albrechts H. und Rudolfs IV. geleitet hat, ist ebenso unbekannt,
wie die des Kaisers Ludwigs des Bayern, wenn man nicht an jene Co-
masken denken will. Dafür wissen wir aber wieder, dafs die Gold-
münzen der ersten deutschen Stadt, welche dieses Recht erwarb, von
Italienern hergestellt wurden. Aus den Münzbüchern von Lübeck folgt,
dafs von 1341 — 64 die Familie Salimbene, Nicolaus, Lucas und Petrus
die städtische Münze leiteten. Alexi nimmt sie für Florenz in An-
spruch, es gab aber auch eine Familie dieses nicht seltenen Namens in
Siena, und wenn in den interessanten französischen Briefen davon die
Rede ist, dafs Johann Salimbene nach Florenz gereist sei, so ist damit
die Heimat nicht erwiesen.
NHn folgten die Privilegien für die Goldprägung der Kurfürsten
von Trier 1346, Köln 1347, Mainz 1354, Geldern schon 1339, und auch
die thatsächliche Ausmünzung begann sich zu verbreiten. Noch immer
war die Goldmünze von dem Silbergeide durchaus unabhängig; erst
1372 tauchte der Gedanke auf, den Goldgulden nicht mehr auschliefs-
lich als Handelsmünze zu behandeln, sondern ihn zu einem organischen
Bestandteil des Münzsystems zu machen, ihn durch eine feste Relation
zum gebräuchlichen Silbergeide den Landesmünzen einzufügend Diese
Münzpolitik ging vom Kurfürsten von Trier aus. Bei seiner Münzstätte
zu Koblenz, die das Trierer Niederstift versorgte, war 1372 aber Münz-
' v. luama, Die Goldwährung S. 15.
'^ V. Inama führt das näher aus. Die Relation der beiden Edelmetalle stieg
von 1 : 10 bis zu 1 : 16.
' »Inslituit tttnc q^wque rex Pragae per quosdam Lomhardos monetam nuream,
de qua denarn quatuor ralere deheant plus quam marcaui.* Chron. Aul. Reg. a.
a. 0. 430.
"* V. Inama, Goldwährung J31.
Italiener an deutschen Zöllen und Münzstätten. 335
raeister ein »mefster Alhart«, der sich durch sein Siegel als ein Aleramo
Alferi erweist und nach dem Wappen (einem Adler) ^ der Astigianer
Famile Alfieri angehörte, welche im Jahre 1300 schon die Münze in
Genf gehabt hatte ^. Diese erste wirkliche rheinische Münzvereinigung
wurde geschlossen zwischen dem Trierer Erzbischofe Kuno von Falken-
stein von Trier, seinem Neffen, dem Kölner Kurfürsten Friedrich von
Saarwerden und der Stadt Köln. Die darin festgesetzte Vereinsgold-
münze wurde nun wirklich ausgeprägt und zwar, wie sich das auch aus
der Entwicklung der Ausmünzung des Goldes am Rheine ergab, nach
dem Fufse des kleinen schweren Gulden von Florenz. Die Vereinigung
nahm weiter eine neue Silbermünze, den Albus oder Weifspfennig auf,
an der sicherlich eins: der Name, völlig neu war®. Aus diesem Ver-
trage entwickelte sich durch Zutritt von Mainz und Kurpfalz der rhei-
nische Münzverein von 1386. Wir sehen also abermals, wie in einem
wichtigen Momente der Münz- und Geldgeschichte Deutschlands italie-
nische Hände thätig waren. Der Münzverein von 1386 schuf ein grofses
zusammenhängendes Münzgebiet, aus dem das fremde Geld bald ver-
schwand, dafür überschritt der rheinische Gulden bald die Grenzen
seiner Heimat. Alfieri hat mit dazu beigetragen , das Geldgeschäft
Deutschlands vom Auslande zu befreien.
Florenz und Asti stellten Deutschland die Kräfte, das verrottete
karolingische System, das schliefslich nur lokalen Zwecken mehr dienen
konnte, durch die Errungenschaften italienischer Münzpolitik zu einer
wirklichen Handelsmünze umzugestalten*.
^ Vgl. Tettoni e Saladini, Toatro araldico. Tomo V. Lucca 1846. Auch
der Name Aleramo begegnet in der Stammtafel der Alfieri bei Sella S. 41. Er war
der Sohn des Geschichtschreibers Ogerio Alfieri.
- Urkunden Nr. 420 und oben S. 309.
» Vgl. Kruse S. 68-73. Lamprecht 2, 467.
^ Wenn Alexi schliefst: „dafs im vierzehnten Jahrhundert die in Deutschland
gangbarsten Geldsorten: der Prager und Meifsn er Groschen, der Etsch-Kreuzer, der
schwäbische Heller und lübische Floren von Florentinern geprägt wurden," so ist
die Liste der Münzen noch erheblich zu erweitem, andererseits aber zu den Namen
der Florentiner der der Astigianen hinzuzufügen.
Vierter Teil.
ITALIENISCHE BANKEN IN BEZIEHUNGEN ZU DEUTSCHLAND
IM FÜNFZEHNTEN JAHRHUNDERT.
Neunundzwanzigstes Kapitel.
Mangelhafte Quellefi. Banken während des Konstamer Konzils, Das St Johannes-
fest. Medicäer. Geschäft bei der Freilassung Cossas. Das Baseler Konzil und die
Bankiers. Italienische Kaufmannsbücher. Sonstige Nachrichten.
Für das fünfzehnte Jahrhundert fehlt es leider noch so gut wie an
allen Vorarbeiten zu einer Geschichte des italienischen Bankwesens.
Selbst die überraschendste Thatsache dieses Jahrhunderts innerhalb der
italienischen Geschichte ist auf ihre wirtschaftlichen Ursachen noch nicht
untersucht: es ist der Übergang der Herrschaft in Florenz an die Dik-
tatur eines Kaufmanns, der durch sein Bankgeschäft, durch die Monopo-
lisierung des Kredites alle Gegner in seiner Vaterstadt niederzuhalten
wufste. Die Geschäftspapiere der Medicäer aus der Zeit vor ihrer Herr-
schaft sind zwar nur in bescheidenen Bruchstücken uns überliefert, aber
auch diese hat noch niemand näher geprüft. Für das dreizehnte Jahr-
hundert waren die päpstlichen Regesten, für das folgende die Akten der
Kammer eine reiche Quelle, um die Beziehungen deutscher Schuldner
zu italienischen Gläubigern darzustellen; was aus den Finanzakten der
päpstlichen Kammer bisher bekannt geworden ist, beschränkt sich auf
wenig und erträgt für die Handelsgeschichte fast nichts.
Auch das übrige urkundliche Material der deutschen und italieni-
schen Archive ist weit weniger benutzt, als das der früheren Jahrhun-
derte. So entsinkt einem fast der Mut, die spärlichen Angaben über-
haupt zu verwerten.
Für zwei Orte und auch da nur für ein paar Jahre erhalten wir
einen deutlichen Einblick, und der kann uns nur in der Ansicht be-
stärken, dafs die grofsen italienischen Bankhäuser, — von den in
Deutschland angesiedelten Astigianen abgesehen — in Deutschland
Italienische Banken in Beziehungen zu Deutschland im 15. Jahrhundert. 337
überhaupt keinen nennenswerten Handel trieben. Die italienischen
Bankiers und Wechsler erschienen in den beiden Konzilsorten Konstanz
und Basel, aber sie verstärkten nicht etwa dort vorhandene Comptoirs,
sondern sie gründeten ganz neue Ansiedelungen, die von vornherein nur
für die Konzilszeit berechnet waren.
Die Verlegung der Kurie nach Avignon hatte viele italienische Ge-
schäftshäuser veranlafst, dorthin einzelne Genossen oder doch Faktoren
zu senden, um an den Finanzgeschäften der Kurie oder der dorthin
zusammenströmenden Geistlichen und Laien sich zu beteiligen. Der
Ausbruch des Schismas brachte die Kurie nun aber in eine ganz andere
Lage. Wo mehrere Observanzen um die Leitung der Kirche rangen,
ergab es sich von selbst, dafs die bisher geübte Besteuerung der Pfrün-
den nicht so scharf mehr durchgeführt werden konnte, wie früher.
Dem Schisma, diesem üblen Leiden, ein Ende zu bereiten, trat das
Konzil in Konstanz zusammen. Es waren vier deutsche Städte in Vor-
schlag gewesen, die alle mit Rücksicht darauf gewählt waren, dafs dort
Italiener schon verkehrten. Es waren Basel und Strafsburg, dann
Kempten und Konstanz. Die Schwaben in der Umgebung Siegmunds, —
so schrieb ein Strafsburger nach Hause — sollen es zuwege gebracht
haben, dafs der Bodenseestadt der Vorzug gegeben wurdet Und auf
seiner Fahrt nach Lodi begleiteten den König in der That nicht wenige
Schwaben , Graf Hans von Lupfen und Graf Eberhard von Nellenburg
voran, und auch ein Konstanzer Geistlicher, Albrecht Blarer, ist damals
in seiner Nähe nachzuweisen*.
Nach Konstanz strömte nun die ganze Christenheit zusammen, ge-
tragen von dem Eifer, die Einheit unter sich wieder herzustellen^. Um
den kirchlichen und laikalen Kreis der Konzilsgenossen entwickelte sich
das Treiben eines gewaltigen Jahrmarktes. Es ist ein Glück, dafs ein
Bürger und Kaufmann von Konstanz, der selbst schon in der Welt sich
umgesehen hatte, ein feiner Beobachter, ein Mann, der das Zeug zu
einem trefflichen modernen Zeitungsreporter in sich hatte, inmitten des
Trubels besonnen genug war, sich all die Einzelheiten dieses wunder-
baren Schauspiels festzuhalten und sie dann späteren Geschlechtern nicht
allein aufzuzeichnen, sondern sie auch durch Illustrationen erläutern zu
lassen. Ulrich Richental hatte, als Kaufmann, auch einen Sinn für die
Zahl, und so zerlegte er sich die ungeheuere Menschenmenge, welche in
seiner Vaterstadt zusammengekommen war, ganz verständig in ihre Be-
standtteile, und schätzte sie ab. Auch in diesem Sinne für Statistik er-
* Finke, Acta concilii Constantiensis 1, 173 f.
« Altmann 888».
3 Über die wirtschaftliche Seite des Konzils vgl. Gothein 1, 482—489.
Schulte, Qesoh. d. mitteUIterl. HandelB. I. 22
338 Neunuudz wanzigstes Kapitel.
kennen wir einen modernen Zug. Er scheint aber die verschiedenen
nacheinander kommenden und wieder gehenden Personen derselben
Gruppe mit ihren Angehörigen zusammengezählt zu haben, sonst wären
seine Ziffern kaum erklärlich.
Die fremden hohen Prälaten und Herren wollten in der fremden
Stadt doch nicht alle Gewohnheiten der Heimat entbehren und so
brachten sie aufser der Dienerschaft auch ihre Hofhandwerker mit, und
auf ihre eigene Gefahr erschienen Kaufleute und Handwerker in grofser
Zahl. Die Stadt hatte für die Kriegszeit Handels- und Gewerbefreiheit
verkündet, und nur den eigenen Bürgern durch eine Mietstaxe einen
Zaum angelegt. Von allen den fremden Kaufleutcn war jedoch keiner
notwendiger als der Geldwechsler, und selbstredend war die Königin der
Wechslerstädte, Florenz, vertreten. Die Banken drängte es natürlich
ebenso dorthin, wie etwa beim Aachener Kongrefs 1818 die Nachkommen
der Italiener, die Rothschild und Baring, sich einstellten.
Richental unterscheidet nun : altern es warend och zu CosienU tcechfs-
1er, die da lillain dem baupst, den cardinaln und irem gesind wechfslotend
und hinder sy ir gfd leitend, von Florentz und andern landen mit iren
dienern 73.*- ^^Item wech^sler, oun Florentzer, die mit zft dem hof ge-
hörtend, von allen landen mit iren dienern 60.*^.
Das Konstanzer Ratsbuch enthält nun genaue Angaben über die
Florentiner und andere Wechsler, nach denen man Richentals Zahlen
aber heruntersetzen mufs. Zuerst — es war am 8. Juni 1415 — schlofs
der Florentiner Karolus Geori mit dem Rate einen Vertrag. Die Kon-
stanzer Behörde war für einen sicheren, ruhigen Geldwechsel sehr be-
sorgt, und untersagte alle Münzspekulationen. Für die Erlaubnis eine
Bank zu halten, mufste er G rh. fl. monatlich entrichten, dieselbe Summe
hatte Aldigerius Francisct zu zahlen, 1 fl. weniger die Bank des Bartho-
lomäus de Bardis und Johannes Amerisi, sjDäter wurden alle Banken
gleichgestellt und dann ihre monatliche Zahlung auf 4 fl. 13 alte Plappart
festgesetzt, so dafs die drei der Stadtkasse monatlich 14 fl. zusammen
zu entrichten hatten. Später kamen noch zwei andere Banken hinzu:
Andreas de Bardis et Lucas socii waren unzweifelhaft auch Florentiner,
der Wechsler in Joh. Widen Hause ist seiner Heimat nach nicht zu be-
stimmen. Die Stadt hatte natürlich nur mit den am Orte befindlichen
Faktoren zu thun, so erfahren wir leider aus den Konstanzer Quellen
nicht, welche Bankfirmen unter dem Namen dieser Faktoren sich ver-
stecken.
Auch deutsche Bankiers fanden sich ein. Einmal liefs sich ein sehr
bekannter, reicher, politisch hervorragender Baseler nieder, Ilenmann
^ Riclicntal l'^'i.
Italienische Banken in Beziehungen zu Deutsehland im 15. Jahrhundert. 339
OfFenburg; er zahlte monatlich 5 fl. Er, der Vertraute Siegmunds, der
in Konstanz einen Monat lang der Ziramergenosse des Königs, vor dessen
Bett er des Nachts lag, war, der unzählige Reisen, sei es in eigenen
Angelegenheiten , sei es in Sachen der Fürsten, die sich des welterfah-
renen Mannes bedienen wollten, ja selbst in Angelegenheiten des (Baseler)
Konzils machte, hat in seinen Lebensnachrichten seiner Bank in den
Konstanzer Tagen nicht gedacht, er war aber wohl der Bankier der
deutschen Bischöfe, Fürsten und Herren, obwohl er in Basel „Apotheker"
war^ Ein „Vögelli von Freiburg im Üchtland" zahlte dieselbe Summe.
Die Konstanzer wollten sich doch den Verdienst nicht völlig weg-
schnappen lassen, gewifs waren die alten Geldwechsler auch in den Kon-
zilstagen thätig, aufserdem stellten noch Peter Babenberg, Ulrich Schatz,
Jakob Volger, Hans Bolczhuser, ein Goldschmied^, dann Ulrich Sattler
und Peter Bader eine Bank auf. Der erste zahlte 3 fl., die drei folgen-
den 2 fl., der vorletzte 1 fl, und der letzte nur V'2 fl. monatlich. Die
Leute hatten jedoch keine grofsen Mittel und konnten wohl nicht viel
anders als den Hand Wechsel betreiben®.
Die Wohnung der Florentiner ist auch noch zu bestimmen : Aldi-
gerus und Karolus wohnten in der Nähe Richentals in und bei der
heutigen Wessenbergstrafse , die Bank, die uns aber am meisten inter-
essieren wird, die des Bartholomäus de' Bardi war in einem einfachen
Hause ^der thonnen'^^ untergebracht und lag schon in der alten Vorstadt
nach Stadelhofen hin, also sehr weit vom Dome, wo das Konzil seine
Sitzungen abhielt.
Richental berichtet sehr anschaulich, wie nach der Flucht des
Papstes König Siegmund die Geistesgegenwart hatte, zu allen Wechslern,
sie wären lialici oder andere, zu allen Apothekern, Krämern u. s. w. zu
reiten, damit niemand hinwegfahre. Die Fremden waren des froh, denn,
meinten sie, wäre das in ihren Landen geschehen, so wären sie um ihre
Habe gekommen, und schlössen ihre Läden wieder auf*.
Die Florentiner wollten auch das heimatliche gröfste kirchliche und
bürgerliche Fest, das des hl. Johannes d. Täufers, nicht entbehren. Und
aus der Schilderung Richentals entsteht uns das auf deutschem Boden
acht italienisch gefeierte Fest. Sie hatten die St. Johanneskirche mit den
schönsten Tüchern und mit Maien und Tannreis geschmückt, und von
den Bäumen hingen ^oflatcn,^ also Gebackenes, herab. Und am Morgen
besteckten sie auch die Strafse mit Maien und bestreuten die Strafsen mit
' S. Chronik in d. Baseler Chroniken 5, 201—299. Vgl. die Einleitung dazu.
- Rupport, Chroniken 169.
^ Babenherg hatte nai'li der Steuerliste 1050 U liegende und 4000 U fahrende
Habe, Volger 1100 und :3000, Sattler lOoO it fahrende und ebenso Bader 900 iL
* Richental S. 63.
22*
340 Neuuundzwanzigstes Kapitel.
frischem Gras und darüber ging die Prozession der Bischöfe und Ge-
lehrten aus Italien und auch der Pfalzgraf und die andern Fürsten
nahmen an dem kirchlichen Feste, das die Bankiers veranstiilteten, teil.
Jeder trug eine brennende Kerze und ihrer 540 zählte der biedere
Riehen tal, der sich natürlich am Wege aufgestellt hatte. In der über
und über mit Kerzen erleuchteten Kirche hing der Schild von Florenz
mit der roten Blume. So ehrten die stolzen Florentiner auch in der
Ferne ihren heimatlichen Schutzpatron, und manche Züge erinnern
direkt an die Art der Feier in Florenz selbst, freilich war die Kon-
stanzer nur ein schwaches Abbild von dem, was schon in Dantes Tagen
die Erinnerung und Hoffnung des Jahres für alle Florentiner war, wo
sich der Luxus und Reichtum der Stadt, jeder Korporation und jedes
einzelnen zur Ehre des Stadtpatrons vereinte'. Es war wohl das erste
Mal, dafs der Schmuck der Maien, Blumen und Tücher, der uns heute
als ein für eine Prozession notwendiger erscheint, den ernsten alten deut-
schen kirchlichen Umzug verschönte.
An dem Konstanzer Feste nahm sehr wahrscheinlich ein Mann teil,
der höher als irgend ein Kaufmann der Welt stieg: Cosimo Medici.
Unter jenen vier Banken war nämlich die eine die der Mediceer. Doch
welche ?
Wir können das mit Sicherheit sagen. Papst Johann XXIII. hatte
während seines Pontifikates sich besonders der Mediceer bedient, und
Giovanni war ihm gern an die Hand gegangen, wie das dankbare Bank-
haus ihm auch nach seinem Tode das Denkmal im Battistero errichten
liefs. Nach seiner Absetzung war Balthasar Cossa in Heidelberg ein Ge-
fangener des Pfalzgrafen Ludwig, der für die Freilassung eine Summe
von 35000 Kammergulden (= 38 500 rh. fl.) beanspruchte. Der ehe-
malige Papst wandte sich durch die Vermittelung eines RicasoH begreif-
licherweise an die Mediceer und verhandelte mit Bartolomeo d' Andrea
de' Bardi, — den wir vorhin als den Bankhalter in der Thonne zu Kon-
stanz kennen lernten — und übergab ihm am 8. Dezember 1418 einen
Schuldbrief über diese Summe ^. Wie sollte diese namhafte Summe von
Florenz nach Heidelberg verbracht werden? Am 19. Februar 1419 ver-
handelte das Haupt des Hauses, Giovanni (f 1429) zu Venedig mit dem,
wie es scheint, damals gröfsten in Venedig vertretenen deutschen Hause
und fertigte einen Wechsel aus. Der Faktor der Firma Wilhelm Rummel
von Nürnberg benachrichtigte seinen Chef, und nun traten am 16. April
zu Heidelberg ein Haupt der Firma Rummel, W^ilhelm Rummel der junge.
^ Riehen tal 93 f. Vgl. die Schilderung des Festes in Florenz bei Perrens
6, 200 ff. nach der (ioro Dati's.
•- Abgedruckt Archiv, storico italiano 4, 1, 433.
Italienische Banken in Beziehungen zu Deutschland im 15. Jahrhundert. 341
mit dem von Giovanni de Medici und Niccolo da Uzzano, der politisch
als der Rivale des Medieeers galt, bevollmächtigten Bartolomeo zusammen
und regelten nun die Auszahlung und Freilassung^. Die Rummel über-
nahmen also die Auszahlung in Heidelberg, wie ihnen die Valuta oflFenbar
in Venedig übergeben wurde.
Die Regelung dieser Angelegenheit beweist, dafs die Mediceer eine
Filiale auf südwestdeutschem Boden nicht hatten, zugleich aber auch,
dafs in Florenz kein deutscher Grofskaufmann erschien oder bei den
Mediceern Vertrauen genug hatte. Auf Venedig wurde das Geschäft
begründet.
Nach der zuverlässigen Lebensbeschreibung des Cosimo von Fabro-
nius war der einstige thatsächliche Herr von Florenz im Auftrage seines
Vaters und auf Bitten Johanns XXHI. diesem nach Konstanz gefolgt^; ob
die Angabe richtig ist, dafs er erkrankte, vermag ich nicht festzustellen®,
nach anderen verliefs Cosimo nach der Flucht seines Gönners verkleidet
die Stadt, hielt sich aber noch längere Zeit in Deutschland und Frank-
reich auf*. Giovanni hatte seinem kleinen Geschäfte eine grofse Aus-
dehnung zu geben gewufst, ihm zunächst Zulassung an der Kurie ver-
schafft, dann die Sache Johanns XXUI. finanziell gehalten und doch die
Verbindung mit der Kurie behauptet ; als Martin V. von Konstanz kom-
mend nach Rom zog, war Giovanni von Florenz an sein Begleiter. Es
ist wohl ein wahres Wort, dafs er die Tage des Konstanzer Konzils dazu
benutzt habe, um nach allen Seiten hin Verbindungen anzuknüpfen. Er
hatte ehrenvoll den abgesetzten Papst gedeckt, zugleich aber sich in der
Gunst der Päpste und ihrer Kammer behauptet, und Giovanni brachte
so die Bank seines Hauses an die Spitze der Florentiner. Durch die
Monopolisierung des Kredites kam das Haus der Mediceer zur Herr-
schaft. 1422 gab es noch 72 Banken in Florenz, 1472 nur noch 32*.
Das Baseler Konzil rief in dieser Stadt ein ähnliches Leben hervor,
wie es Konstanz eben gesehen hatte*. Die heimische Wirtschaft erhielt
mehrere Jahre hindurch eine ungeheuere Steigerung, und wie in Kon-
stanz, blühte das Gemeinwesen unter der Gunst der Umstände auf. Doch
mufste dieser künstlichen Blüte der Rückschlag folgen. Auch hier er-
schienen fremde italienische Wechsler, leider können wir die Namen
* Archiv, storico italiano 4, 1, 435 ff.
« Fahronius 1, 6 f.
^ Ich finde die Nachricht zuerst in der Histoire des hommes illustres. Paris
1564. Blatt 58 V.
♦ V. Reumont, Lorenzo de* Medici 1 108.
•^ Perrens 8, 257.
® Vgl. das Kapitel: die wirtschaftliche Bedeutung des Konzils hei Geering
266—295. Thommen, Basel und das Basler Konzil in Basler Jahrh. 1895 S. 188—225.
342 Neunundzwanzigstes Kapitel.
„Degon Alberchtus," „Antonius de Valencia," die Filiale des Lübecker
„Gherardo" nicht mit den Namen der grofsen italienischen Bankhäuser
in Verbindung bringen. Es sind aber wohl auch hier im wesentlichen
Florentiner Firmen gewesen, die den Geldverkehr handhabten ^. Den
Dego de Albertis , der mit dem gleichfalls in Basel etablierten Antonius
de Janfigliatis dem Konzil Geld geliehen hatte, möchte man den Alberti
zurechnen^. Und ein indossiertes Inhaberpapier des Cosimo von Medici
auf den Münzmeister ^ Peter Gatz in Basel lautend, der während des
Konstanzer Konzils der Faktor Henman OfFenburgs gewesen war, zeigt
auch den Anteil der Mediceer. Und wenn Johann v. Ragusa von Kon-
stantinopel aus an das Baseler Konzil schrieb, so wufste er keine Ver-
mittelung, als die der Bank der Mediceer*.
In Basel blieb nach dem Konzil nur eine der Bankfilialen bestehen.
In dem Briefe Heinrichs von Hunwil an die Stadt Luzem von 1456
sagt er ausdrücklich, dafs er zu einem »Floreni^er^ gegangen sei, ^dann
in aller statt Basel nit mer dann ein wechseler ist, der gen Rom gelt oder
Wechsel brieff gebe^ *. Der regelmäfsige Geldverkehr war zu gering, er
ertrug nicht die Kosten solcher Filialen.
Es ist somit keineswegs ein Zufall, dafs die beiden hochwichtigen
Florentiner Handelsbücher, die die Usancen aller möglichen Plätze an-
führen, den Namen von Basel, Köln, Konstanz und Frankfurt gar nicht
kennen ; weder Francesco Pegolotti (am 1340) noch Giovanni da Uzzano
(1442) berücksichtigen den Geld- und Warenhandel mit Deutschland®,
und auch der Chronist Benedetto Dei (1470)*^ übergeht bei der Auf-
zählung der Florentiner Bankfilialen Deutschland. Er führt die sieben
in Lyon etablierten Banken an, wie die sechs, welche noch in Avignon
bestanden. Von dort war längst die Kurie nach Rom zurückgekehrt, als
noch immer die Banken daselbst Niederlassungen hielten, an den beiden
deutschen Konzilsorten verschwanden sie sofort wieder. In Genf bestand
eine Niederlassung der Bank Medici - Sassetti , sie dürfte auch für die
Schwaben nicht unwichtig gewesen sein®.
Abgesehen von diesen Konzilszeiten haben die nicht zu den Asti-
gianen zu rechnenden italienischen Geldhändler in Deutschland nur
^ »Lantparter und Florenczer* werden die Wechsler schlichtweg in dem Akten-
stück bei Ami et 2, 208 Anm. 2 genannt.
2 Mitteil. Stadtarchiv Köln 19, 33 Nr. 11283. Vgl. auch 24, 155.
8 S. Thommen S. 208.
* H aller, Concilium Basiliense 1,374. Vgl. wegen der campsorea auch 2, 350.
35ü 3.58. 360.
«^ Ami et 2, 324.
« (Pagniüi) Della Decima Bd. 3 u. 4.
■^ Mann.'jknpt der Hof- und Staatsbibliothek in München. Cod ital. 160.
« Bore 1 S. 106, 108, 134 f. Lionä de Medici, 1477.
Italienische Baukeu in Beziehungen zu Deutsciiland im 15. Jahrhundert. 343
wenig gearbeitet. Die Nachrichten sind äufserst dürftig. So hatte 1417
die Stadt Köln eine Schuld von 3000 fl. gegenüber Bartholomäus Do-
minici von Florenz und die durch ihn vertretene Gesellschaft der Al-
berti^ und ebenso 1415 eine Schuld von über 30000 fl. gegenüber Simon
de Sassolinis und Gesellschaft^. Die Sassolini standen mit den Medi-
ceern — wenigstens später — in Fühlung. Die beiden hervorragendsten
der Florentiner Banken um 1400 hatten also in Köln eine Vertretung. 1
In Mainz war i>Zino lomhardus de Florencia<^ Bürger, der mit König
Johann von Böhmen über dessen Schulden abzurechnen hatte ^. Als
Strafsburg seiner König Ruprecht in Italien begleitenden Mannschaft
Geld schicken wollte, suchte man vergebens zu Nürnberg oder bei den
Lamparten zu Strafsburg einen Wechsel zu bekommen*.
In einzelnen Fällen vermittelten italienische Banken Zahlungen an
die Kurie — gerade hier werden dereinst die Kammerrechnungen viel
Licht verbreiten. Der Verkehr ging im fünfzehnten Jahrhundert durch ■
Wechsel^. So hatten schon 1378 zwei Kölner an der Kurie bei Jaquet
Totti aus Lucca einen Wechsel auf die Stadt Köln gezogen, dessen Betrag
in Brügge an Franz Totti ausgezahlt wurde®. Vielleicht geht auch die
Schuld Johann von Monheims an Jak. Francisgini von Lucca auf ein
Anlehen an der Kurie zurück. Und 1394 vermittelten abermals Lucchesen
dem Kölner Gesandten an der Kurie Geld, einerseits Paulus Pagani de
Lucca, der in Köln wohnte, und Johannes Cristofori an der Kurie ^.
Mitunter übernahmen das auch deutsche Handelsgesellschaften. So erbat
sich Bern für den Stadtschreiber Meister Thüring Frickart, der 1473 nach
Rom gesandt wurde, bei der grofsen Gesellschaft zu Ravensburg, dem
Meister bei ihren römischen Geschäftsfreunden einen Kredit zu ver-
schaffen ®.
' Mitteil. Stadtarchiv Köln 7, 91 f. Das stimmt mit der Augabe Passe-
rini, Gli Alberti 1, 16 überein, dafs die Alberti in Köln eine ihrer Filialen hatten.
2 Ebda. 16, 59. Vgl. auch 10, 57.
^ 1330. Publications de l'inst. Luxembourgeois 44, 258.
* Reichstagsakten 5, 261.
'^ Mit teil. Stadtarchiv Köln 27, 238 Nr. 7164, 65.
® Ennen u. Eckertz 5, 210.
' Mitteil. Stadtarchiv Köln 9, 66. Die Namen der Familien lauten in Lucca
Franceschini und Dati. Ebda. 12, 70 und 12, 88.
** Urkunden Nr. 299. Im Brief buch C noch eine weitere Urkunde.
Fünftes Buch.
GRUNDLEGENDE ERSCHEINUNGEN DES
HANDELSLEBENS DER NACHBARSCHAFT.
Dreifsigstes Kapitel.
Der Niedergang; der Messen der Champagne.
ürsnch^i handehpolUischer und rein politischer Natur. Versuche zur ErhMung.
Folgen des Verfalls für Deutschland, für Flandern. Hochblüte von Brügge. Klagen
in der Champagne. Die Deutschen auf den Messen.
Wenn wir zwei Thatsaehen , welche die weitere Entwiekelung des
Handels zwischen Deutschland und Italien von Grund aus beeinflufsten,
vorab erörtern müssen, so sind das der Niedergang der Messen der
Champagne und das Übergewicht des Handels von Venedig in Italien.
Schon in den letzten Tagen der Champagner Grafen war der An-
fang gemacht, die alten weisen Grundsätze der Behandlung der Messen
zu verlassen; bis dahin hatte die Rücksicht auf die Blüte des Handels
die Mefsabgaben und was sonst damit zusammenhing, niedrig gehalten,
das fiskalische Interesse machte sich nun aber geltend, und ganz beson-
ders seitdem Philipp der Schöne und seine Legisten für die Erbin das
reiche Land verwalteten. Die Erhöhung betraf besonders die Italiener,
von denen die Lombarderie erhoben wurde ^. Weit schlimmer für die
Messe aber war es wohl, dafs die Politik des Königs den Lombarden
gegenüber nicht gleichmäfsig war. Wiederholt wurden sie als Wucherer
vertrieben oder doch belästigt, so schon 1291 und, als 1306 der erste
grofse Bankerott unter den italienischen Banken ausbrach, machte der
König sich durch das Gut ihrer Landsleute schadlos, 1311 erfolgte
wieder eine Einschränkung. Die Ordonnanz von 1315 gestattete ihnen
nur vier Städte (darunter Paris und Nimes) als Aufenthaltsorte*. Die
' Lehugeur, Phil. Ic Long. J^9.
2 Lehugeur ;^9. Bourquelot 1, 804.
Der Niedergang der Messen der Champagne. 345
Grafen hatten einst natürlich nur die vier Mefsorte begünstigt, die fran-
zösischen Könige konnten nicht so einseitig sein; sie hatten zudem ein
besonderes Interesse für den Hafen Aigues-Mortes und die Stadt Nimes,
da sie durch sie den ersten Zutritt zum Mittelmeer gewonnen hatten.
Wie konnten sie auch dem allgemeinen Andringen zahlreicher Städte,
die um Mefsprivilegien baten, sich entziehen? ^ Wenn auch keine sofort
eine Bedeutung für den Welthandel erreichte, so nahm jedoch jede den
Champagner Messen einen kleinen Teil fort. 1351 wurde für die Vene-
tianer der Mefszwang aufgehoben, sie brauchten nun ihre Waren nicht
mehr zuerst in der Champagne auszubieten ^. Daneben wirkte die Kon-
kurrenz der flandrischen Messen, zu ihnen kam die 1415 begründete von
Antwerpen, und ebenso blühten die deutschen auf. Doch nur an einem
Orte konnte der Welthandel konzentriert werden, in der Fülle der
Handelsgelegenheiten lag die Zersplitterung begründet. Der Verkehr
war nicht mehr an diesem einen Platze zusammenzuhalten, die Messen
beherrschten die Welt gar nicht mehr, seitdem der Kaufmann mehr
wanderte. Es mufs auch die Verlegung der Kurie nach Avignon schäd-
lich eingewirkt haben, wo die Bankhäuser ihre Filialen hatten. Als
Karl VII. 1443 in Lyon drei Messen zum lebhaftesten Arger der Be-
wohner der alten Mefsplätze einrichtete, war die Weltstellung jener der
Champagne längst dahin, sie konnten durch die von Lyon nicht mehr
weiter geschädigt werden.
Auf den früheren Messen hatte die Eigenproduktion, vor allem von
Provins und Troyes, eine erhebliche Bedeutung gehabt. In Provins
brach infolge der Erhöhung der Abgaben von den Wollstoffen 1279 ein
Weberaufstand aus, von dem sich auch die Dominikaner von Kolmar
erzählten^. Die Wollindustrie ging seitdem rapide zurück, statt 3200
zählte man 1399 noch einige 30 Meister der Wollweber, und diese nagten
am Hungertuchc. Und zu allem Überflusse suchten die Gastwirte von
Provins Thal die auf dem Berge stattfindende Maimesse zu schädigen*.
War einst der Provisinus die Welthandelsmünze gewesen, so war er
jetzt gegenüber dem Gulden von Florenz, den Turnosen, Hellern und
Groschen vergessen.
Neben diesen handelsijolitischen Gründen kamen vielleicht noch
schwerere, die rein politischen zur Geltung. Die Grafschaft war ein fast
neutraler Staat zwischen Deutschland und Frankreich gewesen, jetzt war
sie eine Grenzprovinz einer sich zum Nationalstaat entwickelnden Mon-
' Vgl. die roichen Angaben bei Huveiin S. 269 ff., der aber auf eine Auf-
zählung aller Messen verzichtet.
2 Bourquelot 1, 191.
« M.G. SS. 17, 208.
* Bourquelot 2, 818 u. 805.
346 Dreifsigstcs Kapitel.
archie geworden, die dazu in schwere dynastische Kämpfe verwickelt
wurde. Wenn später auch die engh'schen Kriege eingriffen, so schadeten
dem Handel doch wohl weit mehr die Kämpfe mit Flandern. Der Ver-
kehr war den Italienern nun gerade mit jenen abgeschnitten, mit denen
zu handeln ihnen am wichtigsten war. Die Vlaemen und Engländer
fehlten nun wenigstens zeitweise auf den Messen völlig. Aber auch den
anderen Teilnehmern war der Weg erschwert. Der Herzog von Lo-
thringen hatte 1315 einem in. seinem Gebiete gefangenen Florentiner
nicht Schutz gewährt, darüber brach ein höchst erbitterter Streit ^us, in
dem die gardes de fotres den Mefsbann über die Lothringer verhängten,
erst 1334 legte der junge Herzog Rudolf den Streit bei ^. Das Herzog-
tum Lothringen war aber für einen grofsen Teil der Deutschen das
Durchgangsland, sollten sie in dieser Zeit den Weg durch Lothringen
haben nehmen können?
Wohl haben die französischen Könige dem Niedergange durch ihre
Mafsregeln entgegengearbeitet, es wurden in der That die Abgaben her-
abgesetzt^, die Justiz gebessert, die „alten guten Gewohnheiten" der
Messen immer wieder proklamiert. Wir haben noch die zwischen 1315
und 22 von Beamten und Kaufleuten ausgearbeiteten Vorschläge^ und
können auch sehen, dafs sie in manchen Punkten Gehör fanden. Aber
selbst in diesen Vorschlägen stand das in der That auch eingeführte
Verbot der Ausfuhr der Wolle*. Man wollte den eigenen Tuchhandel
heben und verbot den Export des Rohstoffes, und dieser Rohstoff war
ja neben dem Geldverkehr die Angel des gesamten Mefshandels. Das
erste handelspolitische Experiment der echt legistischen Regierung
Philipps des Schönen war es, 1303 den drei Brüdern Musciato, Biccio
und Nicoiao, die uns bekannt sind, den Wollexport als Monopol zu
überlassen*. Später begegneten sich die Schutzzollbestrebungen der
Industrieorte mit den fiskalischen Interessen der Regierung. Hier gab
es nun eine staatliche Handelspolitik, und die Träger des mittelalterlichen
Handels waren die Städte, sie wichen dem Staate aus. Wenn die Ita-
liener die ihnen unentbehrliche englische Wolle nicht mehr in Provins
und Troyes kaufen sollten, so mufsten sie dieselbe auf anderen Wegen
und an anderen Plätzen holen. Die Mailänder schlössen besondere Ver-
träge für die Ausfuhr ab, die sich seit 1316 finden®. Das hiefs die
Weltmärkte zu Gunsten der lokalen Industrie vernichten, und dafs diese
' Der Streit ist eingehend geschildert von Bourquelot 1, 180 — 182.
2 Zum Teil für einzelne Städte, z. B. Genua. Bourquelot 1, 190.
3 Bourquelot 2, 306 flP.
* Bourquelot 2, 309. Das Verbot datiert von 1320. Pigeonneau 1, 311.
* Pigeonneau 1, 309.
« Gaddi, Regest zu 1316. 1319, 1342, 1343, 1357, 1358.
Der Niedergang der Messen der Champagne. 347
selbst mit zu Grunde ging, sahen wir schon. Alle Ordonnanzen halfen
nichts, zwischen 1287 und 1353 sind nicht weniger als neunzehn er-
lassen worden^; je öfter eine Verordnung wiederholt werden mufs, um
so weniger Erfolg hat sie gehabt. So war es auch hier. Andere schöne
Projekte, wie das Philipps des Schönen, die Soine bis Troyes und die
Voulzie bis Provins schiffbar zu machen, blieben unausgeführt ^ Kein
König konnte den Messen mehr helfen, weil das Interesse der Handels-
nationen ein anderes geworden war, wie im dreizehnten Jahrhundert.
Schon bald nach 1262 hatten die flandrischen Kaufleute gedroht,
sie würden wegen der Zollplackereien in Bapaurae die Messen der Cham-
pagne nicht mehr besuchen, sie würden die im Reiche frequentierend
Und 1286 wollten sich die Kaufleute von Ypern fernhalten, da einem
von ihnen Unrecht geschehen sei. Philipp der Schöne gab ihnen die
besten Versicherungen'*. Dann begann die Zeit des heldenmütigen
Kampfes der flandrischen Städte mit den französischen Königen und für
lange Zeiten war dann der Verkehr unterbrochen. Das Fortbleiben der
Vlaemen war eine schwere Schädigung der Messen, denn mit ihnen
blieben auch die Deutschen und Italiener fort.
Bis dahin hatte die centraleuropäische Vermittelungszone zwischen
dem Gebiete des Mittelmeers und der Nord- und Ostsee einen kontinen-
talen Austauschplatz ganz einseitig hervorgehoben. Ihn beerbten zwei
andere Gegenden, in bescheidenem Mafse Südwestdeutschland, in um-
fangreichster Weise aber Flandern. Dieses maritime Stück der Ver-
mittelungszone rifs den meisten alten Besitz der Champagne an sich.
Die Kaufleute schlugen jetzt für ihre Waren den direktesten Weg
ein. Zunächst die deutschen. Sie haben ja wohl mit Ausnahme viel-
leicht der schwäbischen und schweizerischen Städte den Handel mit
Flandern nie auf den sechs Messen betrieben, der ging wohl sonst
direkt. Aber mit Italien war das unzweifelhaft viel mehr der Fall. Das
hörte nun auf, der deutsche trat mit dem italienischen Händler am Orte
der einen Partei in Fühlung, sei es in Italien oder Deutschland, und
damit mufste sich der Verkehr zwischen beiden Ländern bedeutend
steigern. Bei dem Italiener trat dasselbe ein gegenüber Deutschland,
aber auch gegenüber Flandern und England. Die Waren machten nun
nicht mehr den Weg durch die Champagne, sie waren von dieser Route
unabhängig geworden, sie mufste in Kriegszeiten sogar gänzlich gemieden
werden. Diese Veränderung kam einmal dem Rheine zu gute, wo das
» Huvelin S. 255 f.
2 Bourquelot 1, 304.
3 Finot 179 ff.
* Diegerick, Inventaire des chartes et documents apparten. aux archivcs
dTpre 1, 129.
348 Dreifsigstes Kapitel.
Verkehrsleben nachweislich bedeutend stieg. Der Weg durch Deutsch-
land wird für die Genuesen ausdrücklich bezeugt durch die Couiumes
des foires^. Wir werden das ja näher zu besprechen haben.
Der andere Weg, der jetzt in Nutzung genommen wurde, war der
Seeweg. Die Mittelraeerschiffahrt hatte sich an der Küste der Inseln
entlang tastend durchgeholfen, sie beruhte im wesentlichen auf dem Ru-
der, nicht auf dem Segel. Nun aber wagten es die erfahrenen Seeleute
von Genua, denen die von Venedig nicht viel nachstanden, mit ihren
Galeeren den Stürmen des Ozeans Trotz zu bieten. Genua und Venedig
richteten einen regelmäfsigen jährlichen Galeerendienst ein. Der genue-
sische bestand sicher 1324, PrivatschiflFe hatten die Fahrt schon früher
unternommen. Herzog Johann von Brabant hatte 1315 für die Genuesen
einen Tarif festgesetzt, er wollte sie in Antwerpen festhalten, was nicht
gelangt. Der regelmäfsige SchifFsdienst zwischen Venedig und Flandern
begann sehr wahrscheinlich 1317, vielleicht schon etwas früher. Anfangs
behagte es den Venetianern in Brügge nicht, 1318 liefen ihre Schiffe des-
halb in den Hafen von Antwerpen. Das hatte die Wirkung, dafs beide
Städte und ihre Herren sich nun in ihren Vergünstigungen zu übertreffen
suchten, entscheidend war, dafs der Graf von Flandern sich mit einer
jährlichen malatoUa von 100 fl. begnügte, Brügge lief der Rivalin den Rang
ab^. Genua und Florenz erhielten von flandrischen Städten gleichfalls
günstige Verträge*, und namentlich gingen zahlreiche Schiffe von Genua
nach den Niederlanden, wo stets eine starke Kolonie vorhanden war.
In Damme und Sluys war nun auch Italien reichlich vertreten, und von
dort fuhren die Schiffe durch einen natürlichen Kanal nach Brügge,
dessen höchste Blüte in den Anfang des vierzehnten Jahrhunderts filllt.
Aber auch die Mefsplätze Lille, Yperen und Thourout waren durch
Kanäle mit dem Meere verbunden. Die Champagner Messen verödeten
immer mehr. Am längsten blieben ihnen treu die Mailänder und Piacen-
tiner, denen mit der Eröffnung des Seeweges nicht viel gedient war, und
die am längsten an der alten Verbindungsstrafse durch Wallis festhielten *.
' Bourquelot 1, 817 f. Es ist offenbar zu lesen: •{{€ t'enir par mer eyi Flanäre
ou par Aleinaiffne",
2 Heyd 2, 708. Desimoni e Belgrano (373). Vgl. (520).
^ Vgl. auch die Auszüge aus dem verlorenen Bande der Misti im Archiv! o
veneto Bd. 19, bes. 95, 97, 98 und Perret 1, 22 f.
* Heyd 2, 708 f. Pigeonneau 1, 226. Ober die Fahrt vgl. auch Pinchart,
Essai sur les relations commerciales des Beiges avec le nord de l'Italie et particu-
li^rement avec les Vönetiens. In Messager des sciences historiques 1851, 16 f.
^* Vgl. die Regesten bei Gaddi zu 1316, 1323 (Vorgehen der gardes des foires
im Interesse von Piacentinem gegen Mailand), 1324, 1327 (Vorgehen im Interesse
der Anguissola von Piacenza), 1344 (Vorgehen gegen die Mailänder und Lodigianen
im Interesse der Scarampi [von Asti?]).
Der Niedergang der Messen der Champagne. 349
Es war statt der vier Mefsplätze, die thatsäehlich einen einzigen
Markt ausmachten, in denen die Geschäftsfornien aber die eines Mefs-
verkehrs bleiben muisten, nun Brügge der ständige Mittelpunkt des Welt-
handels geworden, der sich von den Formen des Mefsverkehrs zu den
freies ten Gestaltungen wenden konnte. Die Kaufmannschaft richtete sich
gern darauf ein, jetzt besafsen alle gröfseren italienischen Häuser ihre
ständigen Vertretungen in Brtigge. So hatte das Haus Guinigi von
Lucca dreizehn auswärtige Vertreter, die aufserhalb Italiens domizilierten,
vier wohnten sämtlich in Brügge ^ Und ebenso waren alle anderen
Völker Europas vertreten. Hier entstand die erste wirkliche Börse.
Flandern wurde immer mehr der Mittelpunkt allen Handels zwischen
Gibraltar und dem hohen Norden und dem Gebiet der Ostsee, zwischen
Italien und England. Hier kreuzten sich die Landroute vom Rheine
nach England und die Seeroute vom Armelmeere nach der Nordsee.
Brügge war die Vereinigung der germanischen und romanischen Welt,
es war so kosmopolitisch, wie höchstens im Bereiche der Christenheit
noch Venedig. Es war die Zeit seiner höchsten Blüte, und in seinen
Häfen lagen Schiffe aller Nationen, es war der erste Handelsplatz aufser-
halb der romanischen Welt. Ja der spanische Ritter Peter Tafur gab
Brügge als Handelsplatz den Vorzug vor Venedig. Der Handel dort sei
viel umfangreicher^. Auf der Messe zu Antwerpen sah er Italiener aus
allen Teilen des Landes; Venedig, Florenz und Genua standen in direkter
Schiffsverbindung, auch sehr viele Spanier, besonders Kastilianer fand
er dort, und das Leben auf dieser Messe sei grofsartiger, wie auf denen
zu Genf, zu Frankfurt und zu Medina del Campo (in Kastilien).
Freilich begann Brügges Stern schon im fünfzehnten Jahrhundert zu
erbleichen, seine Industrie nahm ab, het Zwiju und die Kanäle versandeten
und konnten von den immer gröfser gebauten Seeschiffen nicht mehr
bequem benutzt werden, und mehr und mehr kam Antwerpen in Auf-
nahme, das durch die fast unveränderliche Fahrrinne der Scheide zum
Meere einen sicheren Zugang hatte. Die Eifersucht auf Antwerpen führte
in Brügge zu unklugen Schritten, und so siedelten um die Wende des
fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts nach und nach alle fremden
Geschäfte und Vertreter nach Antwerpen über, das von seiner Herrschaft
auf alle Weise gefördert wurde.
Der Niedergang der Champagner Messen spricht sich in den Klagen
der Bewohner der Mefsorte aus. Die Keller, Hallen und Lagerräume,
die einst sich schnell gefüllt hatten, blieben leer®, und nach und nach
1 S. oben S. 289.
•-' Tafur '^ol. Häbler 512.
3 Bourquelot 2, 311.
350 Dreifsigstes Kapitel.
fanden die Gebäude eine andere Verwendung. Die Einkünfte aus den
Messen gingen sehr stark zurück. Wir haben schon oben die Ziffern
von 1340/41 mit denen der Blüteperiode verglichen ^. Noch besseren
Einblick gewähren die Ziffern über den Zoll von Bapaume, der, wie be-
kannt, den Verkehr zwischen Frankreich und Flandern beherrschte, neben
dem Mefsverkehr auch den regelmäfsigen. Der höchste Ertrag wurde
hier 1302 und 1310 geliefert: 3250 d Pariser, in den Zeiten völligen
Friedens erreichte der Zoll 1325: 2600//, 1328: 2800 //, 1386 trug er
nur 371 W Pariser, 1391 sank er noch tiefer, 1423/24 ertrug er 288 €6,
um 1425/6 das Maximum von 1042 (t zu bieten. Von 1453 an erfolgt
eine langsame Steigerung, die natürlich durch die Kriegszeiten immer
wieder unterbrochen wird^. Bapaume hatte seine alte Stellung ebenso
verloren, wie die Messen der Champagne die ihrige. Die Seeschiffahrt
und der direkte Landweg hatten gesiegt über den Mefsplatz.
Während in dem bewunderungswürdigen, vor 1343 geschriebenen
Handelsbuche des Florentiners Pegolotti die Gebräuche der Messen noch
sorgfältigst notiert sind, nimmt Uzzano in seiner Pratica della Mercaiura,
die 1442 geschrieben wurde, auf die Messen keinerlei Rücksicht^.
Dafs auch die Deutschen auf den Messen seit 1300 ausblieben, folgt
schon daraus, dafs die Nachrichten über den Verkehr dorthin ganz auf-
hören. Die Kaufleute von Aachen wollen zwar 1313 den Marktbesuch
erneuem, die gardes des foires versichern ihnen gern, dafs alte Dinge
vergessen sein sollten*. Das Haus von Basel erscheint gar um diese
Zeit, obwohl es unzweifelhaft älter ist, zum erstenmal*.
Die Champagner Messen haben schon um 1350 ihre Weltstellung ein-
gebüfst, ihre weltgeschichtliche Mission ist beendet, aber sie war grofs
genug, sie hatten die romanische und germanische Welt miteinander ver-
bunden, sie hatten ein internationales Handelsrecht geschaffen, auf dem
unser heutiges Recht noch fufst. Der Fremdkaufmann verschwand nun-
mehr aus dem französischen Gebiete, es gab jetzt einen ebenbürtigen
französischen Kauf man nss tan d, er tritt mit der Person Jacques Coeurs
machtvoll genug in die französische Geschichte ein.
1 Vgl. S. 165..
^ Die Ziffern nach Fi not.
» Gedruckt (Pagnini) Bd. 3 u. 4.
* Urkunden der gardes des foires und des Königs Ludwig bei Quix, Lirkunden-
buch S. 180 u. 183.
^ ßourquelot 1, 202.
Venedig. 351
Einunddreifsigstes Kapitel.
Venedig.
Der FofuJaco der Deutschen. Handelsgrundsätze von Venedig. Verkauf nur an
Venetianer, nur Waren deutscher Herkunft j Erlös in Waren wieder anzulegen, Venedig
kauft in DetUschland nicht selbst ein. Venedig Endpunkt der deuiscJteti Initiative,
anders Genua. Umfang des deutschen Handels. AnttU der einzelnen Gegenden.
In keinem Mittelmeerhafenplatze ist der deutsche Verkehr so umfang-
reich gewesen als in dem von Venedig ^, ich sage Hafenplatz nicht Hafen ;
denn bis an die Schiffe kam der deutsche Kaufmann gar nicht heran.
In keiner Stadt Italiens gab es einen deutschen Kauf- und Herbergshof,
wie es der Fondaco dei Tedeschi von Venedig war, aber auch gegen ihn )
wurden Einreden erhoben. Er war von seiten der Stadt in vorzüglicher
Lage an der Rialtobrücke vor 1228 errichtet und blieb ihr Eigentum.
Nur hier durfte der deutsche Kaufmann absteigen. Die Barcarolen
durften einen deutschen Ankömmling nur hierher bringen, 56 Wohn-
gelasse standen zur Verfügung, nur hier wurden die deutschen Waren
gelagert und zum Verkaufe ausgeboten. Diese örtliche Zusammenfassung
des gesamten deutschen Handels erleichterte die Verzollung im höchsten
Mafse. Der deutsche Kaufmann mufste sich zudem beim Verkauf wie
Ankauf der Sensale bedienen, und selbst wenn die Ballenbinder des
Fondaco, Deutsche von Geburt, dem Kaufherren die Warenballen
schnürten, fehlte der Sensal nicht-. Die Organisation, welche einen
stattlichen Beamtenapparat von den Visdomini bis zu den Dienern herab
umfafste und all die Vorzüge italienischer Institutionen dieser Art zeigt,
gestattete den Venetianern die strengste Überwachung, sicherte die Ein-
nahme aller Abgaben und verhinderte jede nicht gewünschte Handels-
thätigkeit der Deutschen, gab denselben aber zugleich die Kraft einer
gemeinsam auftretenden Kaufmannschaft, wenn sie sich auch sehr spät
zu einer regelrechten Genossenschaft ausbildete und sich Beamte wählte.
Welche Vorteile mufste es gewähren, hier sich gegenseitig die Erfahrungen
und Nachrichten austauschen und einen gemeinsamen Botendienst zur
Heimat organisieren zu können.
Es kann hier nicht die Geschichte des venetianischen Handels
besprochen >verden, so reizvoll es ist, die Vorherrschaft der Venetianer
' Vgl. Simonsfeld, Fondaco Tafel. Capitolan? dei Visdomini. Heyd,
Levantehandel. Hcyd, Das linus der (hnitsclieii Kauflcute. Stieda, Ilansisch-
venetianische Handelsbeziehungen. Traite du Gouvernement de Venise bei Perret
Bd. 2. Freiherr v. Krefs, Die Stiftung der Nürnberger Kauf leute für den St. Sebald-
altar in der St. Bartholomäuskirche zu Venedig. Mitteil. d. Vereins f. Gesch. d.
Stadt Nürnberg 11, 201 ff.
2 Simonsfeld 2, 80 ff. 2, 20. 23-28.
0^
352 Einunddrei fsigstes Kapitel.
im Rhomäerreiche , die Errichtung ihrer Kolonien, die geschickte Be-
handlung Ägyptens, dieses wichtigen Durchgangslandes zu behandeln, ich
mufs da auf das klassische Werk von Heyd verweisen. Der deutsche
Handel hätte sich Venedig zuwenden müssen, auch wenn nicht die
Pässe das östliche Deutschland von Augsburg ab auf diesen nächsten
Mecreshafen hingewiesen hätte. Auch ein sehr erheblicher Teil von
dem in diesem Werke behandelten Verkehr über die Schweizer Pässe
lief dorthin.
Venedig war nun nichts weniger als etwa ein Freihafen, die hohe
Regierungskunst der Venetianer, die allein von allen mittelalterlichen
Städten , die es versucht haben , eine Feintechnik wirklich dauernd vor
verräterischem Auswandern bewahrt hat, nämlich die feinere Glas-
fabrikation, hat nicht allein die Gewerbe der Stadt entwickelt und ge-
schützt, sie verwendete auch eine Menge von Mitteln um den ganzen
enormen Handelsverkehr von Venedig abhängig und für Venedig nutz-
bar zu machen. Den Handel selbst zu dirigieren, war der Regierung
vornehmstes Ziel. Die Stadt versuchte den gesamten Verkehr zwischen
Abend- und Morgenland zu monopolisieren. Der Fremde erhielt nur die
Rechte, welche Venedig den gröfsten Vorteil verbürgten. Deutschland
gegenüber bekundete die Markusrepublik übrigens eine kluge Genügsam-
keit, nachdem in den Tagen Heinrichs IV. die Stadt dem Deutschen
Reiche gegenüber das Stapelrecht gewonnen hatte ^ Es gelten folgende
Principien. Der Deutsche darf nur dem Venetianer verkaufen und nur
von ihm kaufen^. Es ist das ein von allen kräftigen mittelalterlichen
Städten durchgeführter Grundsatz, dem Bürger den Handel zu wahren
und die Stadt nicht zur Rolle eines Hauses herabsinken zu lassen, in
dem zwei Fremde einkehren, um ihre Geschäfte zu erledigen. Untersagt
war also jeder direkte Handel mit den Orientalen, der venetianische
Zwischenhandel war nicht zu vermeiden und zu umgehen. Wie bitter
das drückte, sehen wir aus den Klagen der Nürnberger Kaufmannschaft
(vierzehntes Jahrhundert): „das müssen die deutschen Kaufleute denen
von Venedig verkaufen und dürfen es keinen Gast schauen lassen bei
100 Pfund Strafe" ^. Die totale Absperrung der Gästegruppen voneinander
ist für Venedig besonders charakteristisch. Mitten im Meere war der
deutsche Kaufmann doch nicht imstande, seine Waren auf dasselbe hinaus
fahren zu lassen*. Die venetianische Handelsflotte war staatlich organi-
' Lenel S. 4. Vgl. Simonsfeld in Historische Zeitschrift 84, 482.
'^ Capit. c. 198. Der Fremde darf mit dem Fremden nicht handeln. Simons-
feld 2, 81.
3 Flegler 880.
* Vgl. auch Dekret : f'orenses yion possint ah'quam mercantiam Lecantis conducere
Venetias. Marin 8, 148.
Venedig. 353
siert, der Schiffsraum wurde versteigert, die Handelsfahrzeuge zu Flotten,
die durch Kriegsschiffe gedeckt wurden, zusammengefafst. Dieser Betrieb
sollte aber nur dem Bürger dienen, niemand sonst.
Der Deutsche durfte seine Waren auch nicht im kleinen, speciell
nicht im Ausschnitt verkaufen, er mufste sie im Fondaco zum Verkauf
stellen. Und kein Geschäft durfte ohne den Sensal abgeschlossen werden.
Auch das war ein fast allgemeiner Grundsatz der städtischen Handels-
politik. Anders lag es aber, indem dem Deutschen untersagt war, andere
als deutsche Produkte zu verkaufen. Geschieht es, dafs er fremde, vor
allem flandrische Tuche veräufsert, so mufs den Kapitänen der Flandern-
fahrer eine Entschädigung gezahlt werden. Der deutsche Kaufmann soll
dem venetianischen Kapitän keine Konkurrenz machen. Und ebenso war
es untersagt, dafs der deutsche Kaufmann aus Toskana oder der Lom-
bardei Seide oder seidenes Gewand nach Venedig bringe ^ Es galt als
Grundsatz, dafs der deutsche Kaufmann den Erlös seiner mitgebrachten
Waren wieder in venetianischen Waren anzulegen hatte. Eine hoch-
interessante Auseinandersetzung der Vorteile, die Genua dem deutschen
Kaufmann bietet, hebt das als venetianisches Gesetz hervor; auch andere
Quellen lassen dasselbe erschliefsen ^. Das mufste also ergeben, dafs der
Deutsche niemals aus Venedig Geld heimbrachte, dafs Einfuhr und Aus-
fuhr höchstens zu Gunsten der Venetianer sich stellen konnte. Ein solches
Gesetz wird aber — das kann man auch ohne Beweise sagen — oft um-
gangen worden sein.
Gegenüber diesen Einschränkungen, die Venedig den Deutschen auf-
legte, leistet die Herrscherin der Adria Verzicht auf den Ankauf in
Deutschland, ja Venetianer durften nicht einmal im Gebiet von Padua
und Treviso deutsche Waren einkaufen. Schon 1279 bestand für die
Venetianer das Gesetz, dafs sie in Deutschland keine deutschen Waren
aufkaufen durften, wie auch kein Venetianer nach Deutschland Waren
verbringen und sie dort verkaufen durfte, man wollte die Deutschen
nach Venedig ziehen und ihnen nicht im eigenen Hause Konkurrenz
machen. Verstattet war, dafs der Venetianer durch Deutschland nach
Ungarn ging wie nach Frankreich ^. Als Venetianer in Deutschland wirk-
lich Handel zu treiben begannen, wandte sich Nürnberg sofort an Regens-
burg, um mit Hilfe des Kaisers die „Fahrt" abzustellen, und 1358 ver-
fügte der Senat auf den Wunsch Kaiser Karls IV., dafs die Venetianer
auf der Reise durch Deutschland ihre Warenballen nur in Köln auf-
' Ileyd, Haus d. Kaufl. 215 f. Simonsfeld 2, 82. Flegler 330 f.
2 Urkunden Nr. 382. Siinonsfeld 2, 31 Anm. 7. Vgl. Marin 5, 295. Dekret
von 1272 für die Kaufleute von Venedig selbst nach ähnlichen Gesichtspunkten.
" Capit. XXI u. XXIV, beide von 1279 aus den Lib. commem. Ferner Cap. 147
und S. 226 (von 1475). Simonsfeld 2, 31.
Schulte, Ocsch. d. mittolaltorl. Handels. I. 23
354 Einunddreifrtigßtes Kapitel.
binden und zum Verkauf auslegen sollten \ Ausgenommen von diesem
Ankaufsverbote waren Waffen, Pferde und Lebensmittel^, man wollte
den Handel mit diesen, man möchte sagen, politischen Artikeln nicht
aus der Hand geben. Im übrigen aber war Deutschland den Venetianem
nur ein Pnssageland. Wir werden Fälle anfuhren können, wo sie auf
deutschem Boden beraubt wurden, aber wir finden keinen Venetianer
angesiedelt, keine Faktoreien derselben, keinen Kaufvertrag. Selbst die
reichen Erzeugnisse des venetianischen Gewerbefleifses : die feinen Stoffe
und Glaswaren wurden nicht von Venetianem auf westdeutschem Boden
angeboten.
Von diesen Grundsätzen wich die Republik nach Lage der Dinge
wohl ab, die Politik der Handelsherrscherin war klug, elastisch, sie ver-
stand es, die Käufer und Verkäufer bei guter Laune zu erhalten. So
finden wir manche Ausnahmen von den starren Gesetzen, namentlich für
die Deutschen. Aber auch mit ihnen konnte der Grundzug der venetia-
nischen Handelspolitik nicht verwischt werden. Und der liegt darin, dafs
diese Stadt, deren Strafsen Teile des Meeres sind, die mehr als irgend
eine andere Stadt der Welt sich das Wasser unterthänig gemacht hat,
sich zwischen Land und Meer einzuschieben wufste; für den Händler,
der vom Oriente her kam und im Fondaco dei Turchi abstieg, ergab
sich keine Möglichkeit, in das Innere vorzudringen, und für den vom
Lande gekommenen war der Zutritt zu den Schiffen verschlossen. Die
Klagen der Nürnberger Kaufleute richten sich besonders gegen diesen
Punkt. „Auch lassen die von Venedig keinen deutschen Kaufmann
irgend welche Kaufmannschaft von dort führen über Meer oder zu sich
heran, er mufs sie einem Bürger von Venedig zu verkaufen geben, und
wenn er dabei verderben müfste. Wer die Waren gleichwohl zu Schiffe
bringt, wird mit Konfiskation bestraft" ^.
Das war das grofse Geheimnis der venetianischen Politik gewesen,
dafs sie es verstanden hatte, allen Verkehr auf dem Po und der Adria
unter ihre Kontrolle zu bringen. Seitdem Ferrara 1234 sich hatte beugen
müssen, und das Kastell von Marehamo den Eingang in den Po bewachte,
war der Sieg errungen. Die italienischen Städte durften nicht mehr direkt
Waren aus den Produktionsländern einführen und, wo Venedig Einflufs
gewann , war es das erste zu bewirken , dafs die Fremden nicht mehr
zugelassen wurden. Jede der kostbaren Waren, die der Orient mit dem
Occident austauschte, sollte durch Venedig gehen, das die zuerst littera-
risch vorgebrachte Theorie von der Alleinherrschaft auf der Adriü auch
' Simonsfeld 1 Nr. 125 u. 171, 172.
'•^ Cap. c. 147 von 136»i. Der Besuch der deutsehen Messen war den Venetianem
nur von 1475—1494 gestattet.
» Flegler mo.
Venedig. 355
zu einer Wirklichkeit machte. Der deutsche Kaufmann befand sich in
Venedig mitten im Meere, er schwamm auf den Barken über der Salz-
flut, aber hinaus auf das Meer konnte er trotzdem nicht kommen. Hier
fand er eine Schranke für seine Initiative, hier war das Ende seinem
Unternehmungsgeiste gesetzt. Er konnte in das Handelsmonopol, das
die Republik auf der Adria in so unendlich kluger und zäher Weise
gewonnen hatte, nicht eingreifen.
Venedigs Geschichte gründet sich ja auf zwei Wurzeln, zwei Grund-
bedingungen, auf der alten historischen Beziehung zu Byzanz, die zu der
Stellung im Orient geführt hatte, und auf der Stellung zum Festlande und
zu dem Festlandsstaate, dem deutschen Kaiserreiche. Auch in ihrer
Handelspolitik hält die Republik von San Marco an diesen doppelten
Existenzbedingungen fest, sie weifs sich wie politisch so auch im Handels-
leben unabhängig zwischen beiden zu behaupten. Diese winzigen Inseln
sind in der That ein fünftes Element, sie sind nicht das Meer, aber auch
nicht das Festland. So konnte Venedig der deutschen Kaufmannschaft
als hohe Schule dienen, wie ja die meisten Söhne der grofsen süd-
deutschen Kaufmannsgeschlechter hier die Handlung erlernten*. Es
konnte unter den fremden Hafenplätzen für Deutschland der wichtigste
sein, aber dem Kaufmannsstande, der sich auf das Meer hinauswagen
wollte, lag hier die Schranke. Über die Reede von Venedig hinaus
läuft keine Spur eines deutschen Handels, aber Genua war der Platz,
wo die grofsen oberdeutschen Handelsgesellschaften die Brücke be-
safsen, die nach Spanien, Portugal, ja schliefslich über den Ocean in
die neue Welt hinüber führte. Die Handelsbeziehungen mit Venedig
zeigen eine dauernde Blüte, die nach Genua bekunden aber vielmehr
den Wagemut der süddeutschen Kaufmannschaft. Jene entbehren der
lebhaften Erregungen, diese des satten Glanzes, der auf dem Namen
Venedigs, wenn wir an das Mittelalter denken, überhaupt ruht.
Die Blüte des deutsch-venetianischen Handels lag wohl um die Wende
des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts, und wir dürfen ihn uns
nicht klein vorstellen. Im Fondaco kaufte 1358 ein Venetianer 1045 Stück
Leinen^, ein Nürnberger verschwand 1432 unter Hinterlassung einer
Schuldenmasse von 25000 Dukaten. Wenn das den Grofshandel einzelner
charakterisiert^, so haben wir auch Angaben, die den Gesamtumfang
leidlich bezeichnen. Den Umsatz der deutschen Kaufleute in Venedig
schätzte der Venetianer Paolo Morosini in einem Briefe an Gregor von
Heimburg (gestorben 1472) auf eine Million Dukaten jährlich. Der Ritter
^ Simonsfeld 2, 39 f. Schon für 1308 ist das erwiesen.
2 Nicht 45 000 Stück Leinen, wie Simons feld 2, 3S und Stieda S. 5 schreiben.
Die Quelle Simons feld 1 Nr. 168.
« Simonsfeld 1 Xr. :\S1. Weitere Beispiele ebda. 2, 33. Stieda 5.
23*
356 Einuiiddreiföigstes Kapitel.
Arnold von HarfF erfuhr auf seiner Pilgerfahrt 1497 von den Kaufleuten
des Fondaco, dafs die Abgaben, die der Herrschaft zuflössen, sich allein
auf täglich 100 Dukaten beliefen, nicht ganz so hoch ist die Schätzung
des weltkundigen Felix Fabri, der als jährlichen Zollertrag 20 000 Dukaten
angiebt*. Die Signoria hatten wohl Grund, den Fondaco als das ^opiifno
membro dt questa eita^ zu bezeichnen^.
Die ältesten der deutschen Gäste waren wohl die Regensburger, mit
ihnen bildeten die Schwaben die eine Tafel, und darunter haben wir nicht
allein die Augsburger, Ulmer, Kavensburger und Konstanzer zu verstehen,
es gehörten zu dieser Gruppe auch wohl die Österreicher. An der anderen
Tafel galten die Nürnberger am höchsten, und mit ihnen dürften die vom
Rheine von Basel ab bis Köln und die Vertreter des Nordens sich zu
Tisch gesetzt haben ^.
^ Diese und weitere Angaben Heyd, Kaufhaus 217.
2 He yd, Haus der Kaufleute 218. Thomas, Capitolare 277.
' Vgl. die reichhaltigen Zusammenstellungen Simons felds über den Anteil
der verschiedenen deutschen Städte 2, 41 — 90.
Sechstes Buch.
GESCHICHTE DES VERKEHRS IM
SPÄTMITTELALTER.
Erster Teil.
DIE BÜNDENEß PÄSSE UND IHEE ZUGÄNGE.
Zweiunddreifsigstes Kapitel.
Septimer.
Hospiz, Vit^tumatnt Verfall der Straf se, Verbot eine andere zu fahren 1358,
Mailäiider Gesandtschaft 1386. EntscJieidung für den Septimer, Bau der Strafse durch
die Castelmur. Zeitumstände, Die Portal, ihre Ordnungen. Zölle, Weggclder. Streit
um den Zoll zu Sirafsherg.
Die Bündener Pässe bieten in den beiden letzten Jahrhunderten das
reizvolle Bild, wie die Bergbewohner von sich aus versuchen, die Pässe
gangbar zu machen, um den Verkehr, der sich mehr und mehr dem
Gotthard zugewendet hat, womöglich den Bündener Alpen zurück-
zugewinnen. Einem glänzenden Zeugnisse für die Unternehmungslust der
Bevölkerung reiht sich als ein nicht minder ruhmvoller Titel der an,
dafs wir von Strafsenraub so gut wie nichts hören.
Mit altem Ruhme tritt der Septimer in die beiden Jahrhunderte ein.
Er wird sehr oft in den Urkunden über Friedekreise, Dienstpflicht u. s. w.
als Grenze genannt, so heifst er 1330 ^Setenie der perg^ der Lamparten
und Dutscheland scheideU ^ Es war der einzige Bündener Pafs, der ein
Hospiz auf seiner Höhe trug. Die etwas armselige Stiftung kam nicht
in Blüte. Wir hören noch wohl von einer bescheidenen Stiftung von
1 Thommen, Urkunden 1, 209. In einem Bunde von 1338 Schreiber 1, 288,
von 1350 1, 402. Als Grenze eines Jagdbezirks der Herren v. Marmels in Z. Gesch.
Oberrh. 20, 163.
358 Zweiunddreifsigstes Kapitel.
Butter für ein ewiges Licht *, aber auch jetzt stammt der Spender aus der
Nachbarschaft, und das Urbar führt keine weit entlegenen Besitzungen
auf. Oben war auch keine zahlreiche Schar von Mönchen, ein von den
Bewohnern von Bivio und dem Vitztum erwählter Mann, dem man den
Titel Mönch gab, lebte dort, verpflichtet, alle, welche durchwanderten
und nicht weiter konnten, zu speisen und zu tränken, die Armen auch
ohne Entgelt. Für sein Vieh hatte er in der Nähe Weide ^. Eine Kaplanei
bestand auch, da aber 1399 ihr Inhaber zugleich Domherr in Chur war,
dürfen wir uns ihn nicht auf dem Passe residieren denken. Der adlige
Inhaber war Eglolf von Rorschach, der mit seinem Bruder diese
Kaplanei gegen die Pfarrei Rorschach eintauschte, die Pfründe mag also
nicht schlecht gewesen sein, aber sie nützte dem Passe nichts^. Es mufs
ein dürftiges Hospiz gewesen sein, und als es 1513 bautHllig geworden
war, sandten die Kirchenvögte einen Boten hinaus, Gaben zu heischen*.
Über dem Hospize stand ein Vitztumamt, das auch die einst zum Trans-
port des Bischofs verpflichteten Höfe Schweiningen und Praden umfafste.
Von den Planta ging es 1386 an die von Marmels über, die vor wie
nach den gröfsten Einflufs auf die Strafse hatten und im Besitze des
Amtes bis an das Ende des Mittelalters blieben*.
Die Strafse war aber so schlecht im Stande, dafs der Versuch nahe
genug lag, einen der anderen Pässe, auf die der Bischof von Chur keinen
Einflufs hatte, zur Verkehrsstrafse zu machen. Die Gefahr war 1358 so
drohend, dafs der Bischof Peter von Chur, der Karls IV. Kanzler war,
sich von seinem kaiserlichen Herrn den Befehl an alle Reichsstädte er-
wirkte, sie sollten die bischöfliche Strafse und keine andere fahren, dem
Bischöfe solle es freistehen, andere ungewohnte Wege zu sperren, und
des Schadens würde sich der Kaiser in keiner Weise annehmen*. Von
wem die Gefahr drohte, lehrt ein vom gleichen Tage datierter Befehl
des Kaisers an den Grafen Rudolf (IV.) von Sargans. Er dürfe im Bis-
tum Chur keine neue Strafse, Zölle oder Geleite aufbringen, sondern
müsse als Lehensmann des Bistums auch die Versuche anderer abwehren ^.
In seinen von Vater Seiten ererbten Landen konnte Rudolf nicht wohl
an eine neue Strafse denken, da der Weg bis Chur festlag; aber in Ober-
1 Mohr 2, 325. Vgl. auch Berger S. 96 zu 1350, Urkunde aus Vicosoprano,
ferner Nüscheler, Gotteshäuser Heft 1 8. 113. 114.
2 Mohr 2, 325 Anm. Berger 99. Planta, Herrschaften 60.
« St. Galler Urkb. 4, 578.
* Urkunden Nr. 290.
•* Mohr 4, 116. 1417, 1419, 1477. Berger S. 100 ff. Aufserdem Lehenbricfe
von 1460 und 1470 im bischöfl. Archiv in Chur.
« Mohr 2, 430 d. d. Breslau 25. Januar 1359.
'Mohr 3, 116.
Septimer. 359
rhUtien war ihm durch seine Gemahlin Ursula, die Tochter des grofsen
Freiherrn Donat von Vaz, die bedeutende Erbschaft dieses Geschlechtes
zugefallen und damit das rechtsrheinische Domleschg, auch Rechte auf
dem linken Ufer, die Landschaften Schams und Rheinwald ^, also genau
das Gebiet, das, freilich von anderen kleineren Herrschaften unterbrochen,
von Chur zum Passe von Splügen und St. Bernhardin führt. Und um
die Ausnutzung dieser Pässe handelte es sich^.
Wenn diese Konkurrenz nun auch vielleicht noch einmal abgewendet
war, so war der Zustiind der Septimerstrafso doch derartig, dafs die
Kaufleute Sorge haben mufsten, auf ihr Leben und Gut zu verlieren.
Einige benutzten den Malojapafs, das glaube ich wenigstens daraus
schliefsen zu dürfen, dafs 1846 Hans Stromer von Nürnberg „auf dem
Maloon" — das man bisher als Mailand deutete — ermordet und zu
Como begraben wurde ^. Zürcher, die 1365 zu Vicosoprano am Zoll
Händel hatten, waren, wo nicht den Septimer, so doch den Maloja-
Julier gegangen^. Die Mailänder hatten die Strafsc völlig verlassen
und, als nun Anfang 1386 die Luzerner mit ihrem Überftill von Rothen-
burg den Streit der Eidgenossenschaft mit den österreichischen Herzögen
wieder in offenen Kampf überleiteten und damit der Gotthard für die
fremden Kaufleute, namentlich jedoch für die Unterthanen Galeazzo
Viscontis, des Schwagers Herzogs Leopolds III. von Osterreich, ungang-
bar wurde, suchten sie einen Ersatz wohl in den Bündner Pässen, sie
lenkten ihren Blick auf den St. Bernhardin. Ihre beiden Gesandten
Johannes Cerlini und Petrus Buscha, die nach der Schlacht von Sempach
(0. Juli), an der auch 300 Mailänder auf österreichischer Seite Anteil
nahmen ^, im oberen Rheinthal erschienen, bericliteten aber aus Konstanz
(27. August 1386), dafs der Weg durch das Misox nicht angängig sei^,
dafür aber konnten sie melden, dafs drei Leute, ^Visperani^ genannt,
den Berg Sept so einrichten wollten, dafs man von Tinzen bis Cläven
auf Wagen Lasten bis zu 30 Rubb fortbewegen könne, freilich wollten
sie dann von jedem Ballen und jedem Fardel 4 ß Imperialen erheben.
In der Antwort der Mailänder Kaufmannschaft kam sie auf den St.
Bernhardin nicht mehr zurück, und erklärte sich mit jener Abgabe ein-
1 Krüger S. 379-85. Anders Muotli 72.
2 Kind S. 2S:3 u. a. vermuteten, dafs es sich um den Pafs von Kuukels handelte;
allein ich kann nicht glauben, dafs dieser heillose Pafs, der zudem nur Chur um-
ging, gemeint ist.
^ Chroniken deutsclier Städte 1, 68. 27.
* Der PodestA hielt Peter Lutzer'n (Uit an, zwei andere Züricher waren zugegen.
Stadtbücher 1-^3.
^ BoU. stör, dclla Svizzera italiana 7, 155.
^ Leider fehlt der erste ausführliche Bericht über die Mifjoxer Angelegenheit.
Der zweite s. U r kund o u Xr. 24, die Autwort der Mailander Kaufmannschaft ebda. 25.
360 ZwciuDddmfsigßtes Kapitel.
verstanden, die Gesandten möchten dieselbe aber möglichst herab-
drücken.
Die Mailänder hatten nächst dem jungen Sohne des bei Sempach
gefallenen Leopolds III. , Herzog Leopold IV. von Osterreich , den sie
auch persönlich aufsuchten, ihre Hoffnung auf den Grafen „de öancto
Petro" gesetzt, der sei der HeiT tiber das ganze Gebiet von Konstanz
bis zu der Herrschaft ihres Gebieters Galeazzo. Darunter ist der Graf
Johann 1. von Werdenberg-Sargans (t 1400) zu verstehen, die Über-
setzung >'(le sancio Monier mit Werden Berg, findet sich auch sonst.
Der Graf hatte wohl tüchtig übertrieben und sich als den Grafen in der
Grafschaft Laax, die vor Jahrhunderten ja freilich die Grafschaft Ober-
rhätien gewesen war, aufgespielt ^ Immerhin besafs er an der denkbaren
Route über den Splügen : Rheinwald, Schams, das rechtsrheinische Dom-
leschg, er hatte Hoffnung, dereinst in Unterrhätien Vaduz zu erben ^.
Das aber war auch alles. Aber er war doch wohl der vornehmste der
rhätischen Gr(»fsen, seit 1380 stand er mit Galeazzo Visconti in einem
Bündnisse und erhielt von diesem eine jährliche Pension von 300 fl., wie
131)4 auch der Bischof von Chur eine solche Pension zugesprochen er-
hielt^, und da die Mailänder in dem ausbrechenden Kampfe durchaus
auf Seite der Österreicher standen, ja geradezu von den Eidgenossen
sich Feindschaften versahen, war es von Bedeutung, dafs dieser Johann
damals ein eifriger Parteigänger des Herzogs Leopold war. Johann ver-
langte aber von den Mailändern eine Verpflichtung auf lange Zeit. Es
warm diese aber durchaus nicht geneigt, sich für längere Zeit zu binden,
sie wunderten sich darüber, dafs er solche Versicherungen von ihnen
verlange, wo doch die deutschen Kaufleute derartige Verpflichtungen
nicht eingegangen seien. Sie könnten solche Versicherungen nicht selbst
geben, verlange sie der Graf, so müsse er sich an ihren Herren, Ga-
leazzo wenden. Wenn er ohne eine solche den Pafs nicht freigeben
wolle, so möchten sie wenigstens erwirken, dafs die Waren, die jetzt in
Strafsburg lägen, diesen Weg gebracht würden. Der Weg, über den
hier geredet wird, war also in der Macht des Grafen, andererseits heifst
er ^iter per Clavamanu, es ist also gar kein Zweifel, dafs deutsche Kauf-
leute den Splügen bereits wandelten, wenn der Weg für die Italiener
auch völlig neu war. Die Verhandlungen scheinen schliefslich zu einem
Schutzbrief für die Kaufleute von Mailand und Como geführt zu haben.
Verschiedene Herren hatten mit ihm, wie Graf Donat von Toggenburg,
^ Über die Grafschaft vgl. Juvalt, Forschungen 99 — 102. Planta, Herr-
schaften 447. Krüger 397 f.
2 Krüger S. 822.
^ Boll. stör. d. Svizz. it. 9, 185. Quittung von 1392. Ar eh. stör. lomb. 21,
2, 48 und 21, 2, 72. Ahnlich öfter im fünfzehnten Jahrhundert.
Septimer. 361
1388 erklärte, alle Kaufleute aus dem Gebiete des Herren von Mailand
in ihren Schutz genommen. Graf Donat gab ihnen 1388 eine genaue
Versicherung über die Abgaben, die sie zu Mayenfeld zu erlegen hatten*.
Das andere Projekt wurde durchgeführt. Wir haben noch die Ver-
träge beider Teile-. Der Bischof von Chur, Johann von Singen, öster-
reichischer Kanzler, hatte wie der Pfleger des Bistums, Graf Rudolf von
Montfort, die Ideen der Bergeller warm aufgenommen. Jakob von
Castelmur verpflichtete sicl^, den Weg zu bauen, so dafs Wagen mit 36
Kubb Last von Tinzen bis Plurs verkehren könnten. Dafür gestand der
Bischof seinem Dienstmanne eine an ihm gefälligen Orte zu erhebende
„Weglösi" zu, die so normiert wurde, wie von den Mailändern verlangt
war. Der englische Wollsack sollte 4^ Mailändisch (Büian) entiichten,
der deutsche 3, das grofse Fardel 4, das kleine 3. Eine Saumlast mufste
&ß tragen, das Gleiche dürfe von jedem Rosse erhoben werden, doch
solle das Reitpferd des Käufers wie des Säumers frei bleiben. War dieses
auch nur auf zehn Jahre zugestanden, so war doch zugleich vorgesehen,
dafs Jakob und seine Erben die Strafse unterhalten und dafiir die Weg-
lösi weiter beziehen sollten, und er hatte sich ausbedungen, dafs er drei-
mal müsse, wenn die Strafse zu bessern sei, ermahnt werden und ein
Jahr sei ihm von da ab Zeit zur Herstellung der Strafse zu lassen.
So war die handelspolitische Wirkung des Kampfes von Luzern
gegen die österreichische Herrschaft, die möglicherweise auf die Nicht-
bestätigung der Zollfreiheit am habsburgischen Gotthardzoll zurückzu-
führen, die, dafs ein alter Rivale dem Gotthard neue schwere Konkurrenz
begann. Jakob von Castelmur hatte seine Verpflichtungen erfüllt, und
es gab nun die erste fahrbare Strafse über die Alpen. Jetzt war nicht
mehr der Gotthard der von den Österreichern begünstigte Pafs, ihr In-
teresse wandte sich den Bündnern zu und so weit wir es direkt nach-
weisen können, hatten zum erstonmale die Btlndener Pässe als Notaus-
gänge gedient.
Mit dem Bau einer Strafse war sie aber noch längst nicht verkehrs-
fähig, es mufste, w^enn sie den grofsen Verkehr auf sich ziehen wollte,
für den Transport der Waren die Organisation geschaffen werden, welche
die täglich entstehenden Schwierigkeiten den Fremden besiegen half.
Wenn anderswo sich der Transport unabhängig macheu konnte von den
Einheimischen, hier im Gebirge war es nicht zu umgehen, einem Orts-
eingesessenen, der mit Weg und Steg, mit allen Naturverhältnissen vertraut
war, den Waren transport zu übergeben. Überall bildete dementsprechend
^ Urkunden Nr. 26. S. auch weiter unten.
- Verpflichtung Jakobs von Castelmur vom 5. März 1387 Mohr 4, 139. Die des
Bischofs und des Pflegers des Gotteshauses vom 31. Januar ebda. 4, 135.
362 Zweiunddreifsigstes Kapitel.
die Gemeinde der Hochthäler die Grundlage der Transportorganisationen,
der Porten, wie die italienische Bezeichnung lautet, der Roden ( eigen t-
lieh Rotten) oder Teile, wie die deutschen Alpler sie benannten^. Die
Fuhrleute waren also eingesessene Bewohner der am Wege liegenden
Ortschaften, welche den Transport neben ihrer bäuerlichen Thätigkeit be-
sorgten. Ein regelloser Betrieb hätte zu ewigen Streitigkeiten unter den
Fuhrleuten geführt, und so ergab sich die Notwendigkeit, einen Teiler,
^pariitor ballarnnn an die Spitze der Genossen zu stellen, der jedem der
Reihe nach seinen Anteil, seinen Teil, seine Rotte zuwies. Das führte
natürlich zu einem Monopol für den Warentransport innerhalb des Be-
reichs der Dorfmark und der ihr benachbarten Alpen, und indem sich
mehrere Porten zusammen thaten, entstand ein ganzes Transportsystem,
dem sich der Kaufmann anvertrauen mufste. Die Einrichtung war für
die Kaufleute äufserst wertvoll, ruhte doch auf diesen Porten sogar eine
Transportpflicht, sie mufsten dem Kaufmann seine Waren sofort in
Bewegung setzen, nur „echte Not" und „Gottes Gewalt,"^ die hier ja
öfter als irgendwo sonst eingriffen, entschuldigten.
Die ersten Nachrichten über die Transporteinrichtungen auf dem
Septimer gehen nicht über den Ausbau der Strafse durch Jakob von
Castelmur zurück. 1391 verpfändete ein Bewohner von Vicosoprano
eine Rod, ^^quae sauma una de vectura seit roda dicitur,^ von Plurs bis
Vicosoprano und von dort auf den Septimer einem andern^, es war hier
also der Anteil an der Genossenschaft ein Recht, das veräufsert werden
konnte, die Anzahl der Anteile mufs demnach beschränkt gewesen sein.
Es wurden sehr häufig solche Rodrechte verkauft, und so erklärt es sich,
dafs allmählich an die Spitze der einzelnen Porten Adlige traten®, wie
überhaupt der bündnerische Adel sich nicht so scheu von den Gewerben
fern hielt, wie etwa der deutsche. Es ist wohl kaum denkbar, dafs die
Porten erst 1389 nach Fertigstellung der Strafse eingerichtet seien, wenn
das auf dieselben auch eingewirkt haben mag.
Es gab im fünfzehnten Jahrhundert auf dem Soptimerwege vier
Porten: Vicosoprano, Bivio (Stalla), Tinzen und Lenz. Als Grenzen des
ganzen Transportzuges im weitesten Sinne werden erwähnt Plurs und
Chur. Als Susten für die Waren, als Nachtquartiere für die Reisenden
dürfen wir ohne Zweifel die Sitze der vier Porten annehmen. Die von
Vicosoprano trafen mit denen von Stalla um die Mittagszeit auf dem
Septimer zusammen, wo sie sich die Waren übergaben. Unter Einrech-
^ Börliu, Die Transportverbände und das Transportrecht der Schweiz im
Mittelaitor. Züricli 1896.
- Mohr 4, 199. Der Vorkauf findet statt vor dem Hause mr Jncohi de Castro-
muro*. Über weitere Verkäufe von Rodrechten vgl. ßerger 142.
=^ Urkunden Nr. 291 von 1467.
Septimer. 363
iiung der letzten Strecken Chiavenna-Plurs und Lenz - Chur ergiebt sieh
somit eine Transportdauer von sechs Tagend
Die Organisation der Septimer Porten lehrt uns die Ordnung kennen,
die in zwei Fassungen uns überliefert ist^. Die von 1498 ist um vier
Artikel kürzer als die genau ein Jahr jüngere, und diese berühren den
Transport der Leute von Tiefenkasten und Flurs und die I'flicht, die
Strafsen in Ordnung zu halten. Durch zwei Paragraphen wird die
jüngere Fassung übrigens besonders wertvoll : es ist einmal die Ver-
pflichtung der Kaufmannschaft, für den Transport nach Mailand nur den
Septimer zu benutzen, dann aber die Bestimmung, dafs den Gesell-
schaften, „die in diesem Vertrage mit den Porten verbunden sind", ihre
Waren vor allen andern abgefertigt werden sollen. Während die Ord-
nung von 1498 nach Form und Inhalt ein Statut der Porten unter sich
ist, ist die von 1499 zugleich (dem Inhalte nach) ein Vertrag, der Porten
mit den grofsen oberdeutschen Handelsgesellschaften, die den deutschen
Handel leiteten. Aber warum waren sie 1499 nun so sehr für den Sep-
timer eingenommen?
Auch dieser Vertrag war durch politische Verhältnisse bestimmt.
In dem „Schwabenkriege" von 1499 war eine scharfe Verbitterung
zwischen den „Schweizern" und den „Schwaben" zu leidenschaftlichem
Ausdruck gekommen. Zwar hatten auch die Bünde zu den Eidgenossen
gehalten, und auf der Luziensteig, zu Triesen, bei Hard, Konstanz, an
der Calven war auch rhätisches Blut geflossen, allein der Friede von
Basel (22. September) liefs hier Österreich seine Gewalt und seine Rechte.
Gegen die Eidgenossen war der Zorn der Schwaben, vorab der Kon-
stanzer, zu tief, um nicht den Handelsverkehr über den Septimer dem
über den Gotthard vorzuziehen. So erkläre ich mir die Entstehung der
zweiten Fassung.
Auch die erste war auf die Deutschen berechnet. Das Stück ist in
deutscher Sprache geschrieben, und keine Spur könnte die Vermutung
rechtfertigen , dafs es sich um eine Übersetzung handle. Die Teiler
gaben sich die Ordnung in deutscher Sprache, weil sie auf dem Passe
die bekannteste war, mochte der ganze Portenbezirk auch romanisch sein.
Unter den Bestimmungen möchte ich noch die eine hervorheben,
welche den eiligen Transport der Waren regelt. So viel wir wissen,
war nur auf diesem Passe dem Kaufmann die Möglichkeit gegeben,
gegen Überlohn seine Waren Tag und Nacht fortbewegen zu lassen.
^ Es ergiebt sich nach dem Laufe der jetzigen Strafse für die Strecke Chia-
venna-Vicosoprano 19,3 km, Stalla-Tinzeu 13,00, Tinzen-Lenz 19, Lenz-Chur 22,6.
Dazwischen schiebt sieh der Übergang über den Septimer ein.
- Die von 1498 bei Börlin 79—^2. Die von 1499 Urkunden Nr. 287. VAne
von 1471 sah noch J. U. von Salis-Seewis. Berger 143 zu 1471.
364 Zweiunddreifsigates Kapitel.
Nur allzu grofse Dunkelheit und ein Ungewitter entband die Leute von
der Transportpflicht; selbstredend ruhte diese Pflicht an allen Tagen,
die das Mittelalter kirchlich besonders feierte ^
Der Transport erfolgte auf Wagen; denn es werden „Ochsen" von
dem Teiler auf den Septimer zum Transport entboten. Die Transport-
genossenschaften erfüllten auch die Pflicht, die Strafse von Vicosoprano
über den Berg bis an die untere Grenze von Oberhalbstein so in Ord-
nung zu halten, dafs man mit Wagen fahren möchte^.
Durch die Einrichtung der Porten war, da jede ein Weggeld neben
den Transportkosten erhob, die Zahl der Zölle vermehrt. Es gab nun-
mehr, abgesehen vom Zolle zu Cleven, der 1284 vazisch war^, Weggeld
zu Stampa, wo eine Port bestand, die, wie es scheint, mit der von Vi-
cosoprano konkurrierte, zu Vicosoprano, zu Stalla und zu Tinzen*. Da-
neben bestand noch der alte Zoll von Vicosoprano fort, der 1372 auf 31
Jahre an die Planta gegeben wurde ^, ferner wurde daneben noch von
der Gemeinde ein niedrigerer Zoll als Weggeld erhoben®. Das Bistum
Chur glaubte alleiniger Zoll- und Geleitsherr zu sein. Noch 1421 wurde
auf Grund königlicher Briefe und auf Grund des Satzes, dafs dem Bis-
tum Chur von der Landquart bis Castelmur im Bergeil, also in dem
Verlaufe des gesamten Septimerweges in Oberrhätien und Bergell, alle
^»Fürhiie^ und Zölle zuständen, von dem Bischöfe Johann von Chur der
Versuch gemacht, die von dem Grafen Friedrich von Toggenburg zu
Strafsberg und zu Lenz (also auf der Strecke Chur-Tiefenkasten) er-
hobenen Zölle zu beseitigen. Der Graf berief sich auf den alten Ge-
brauch, der Zoll sei seinen Vordem von den Königen versetzt. Der
Schiedspruch der Stadt Zürich lautete dahin, beide Teile sollten mit
ihren königlichen Briefen vor den König gehen '^, In der That hatte
Karl IV. 1348 dem Grafen Friedrich von Toggenburg einen Zoll unter
dem Hause zu Strafsberg verliehen (von dem Saume trockener Kauf-
mannschaft 6 ?), von der nassen 3 ^) und zwar als Pfand für 500 Mark
Silber®. Ende 1349 hob das Karl wieder auf, weil verschwiegen sei,
' Aufzählung in Art. 6.
^ Art. 4 u. 7, z. T. nur in der Fassung von 1499.
« Mohr 2, 29.
* Vfrl. Urkunden Nr. 288.
■^ Mohr 3, 254. Weitere Geschichte Berger 155.
^ Urkunden Nr. 288. Das ist wohl das theoJoneum parvxim^ qvod rulgo diciiür
fürlaiUj das 1814 die Castromuro auf fünf Jahre erhielten. Mohr 2, 237.
■^ Urkunden Nr. 282. Der Toggenburger war in Strafsberg der Erbe der
Freiherren von Vaz, diese aber nicht die eines Herrengeschlechtes von Strafsberg,
wie Planta, Herrschaften S. 343 f. will; denn die Strafsberger waren Dienstmannen
Mohr 1, 358. 2, 229. Richtiger Juvalt 2, 205.
^ Lütisburger Kopialbuch 137.
Lukmanier. 365
dafö Gebiet und Herrschaft dort dem Gotteshaus Chur gehöre, aber
Öiegiiiund bestätigte 1413 wieder die erste Urkunde, und damit bestand
der Zoll wohl zu Rechte Der bischöfliche Zoll von Chur wurde von
Karl IV. seinem lieben Bischöfe Peter bis zur Aufbringung einer Summe
von 6000 fl. verdoppelt ^, weil Peter in des Kaisers Dienst gefangen war.
Die Abgaben, welche nunmehr von den Kaufleuten erhoben wurden,
veranlafsten diese, wie wir sehen werden, sich mehr und mehr dem
Splügen und St. Bernhardin zuzuwenden und die teure Septimers trafse '
zu meiden. Andererseits war die Bevölkerung für die Sicherheit des
Verkehrs eingenommen. Als 1450 der Gotteshausbund und der der zehn
Gerichte ein Btindnis schlofs, war der erste Paragraph der Sicherung
der Strafsen gewidmet, damit Kaufleute und andere ehrbare Leute da
sicher und unbeschwert wandeln möchten®. Nach der Lage der Gebiete
der beiden Bünde kann es sich nur um die Septimerstrafse gehandelt
haben.
Zu Zügen der Könige und Kaiser ist der Septimer nicht mehr
benutzt worden*.
Dreiunddreifsigstes Kapitel.
Die Übrigen Pässe.
Lukmanier. Nachbarlicher Verkehr, Hospize Die Maüiinder erwirken Zoll-
erleichterung 1391. Verhandlungen mit Konstanz. Zwei Tarife für die Eout^ Biasca-
Konstanz. Verteilung der Abgaben. Zölle. Susten. Kaiser Siegmu^d und der Pafs.
Splügen und St. Bernhardin. Benutzung der unausgebauten Via mala. Nürn-
berger Beschwerden. Versuche, den Verkehr zu verhindern. Bau der Strafse. Transport-
genossenscJiaften. Italienische Nachrichten. Der hl. Bemhardin. Thal Misox. — Susi
am Comersee.
Der politische Hi nt er grün d. Emancipation und Bünde der Thäler. Geicinn
der südlichen Thäler. Verträge mit Mailand. Auch Graubünden ein Pafsstaat.
Die Geschichte des Lukmanicrs, die aus dem durch Feuer wieder-
holt zerstörten Archive des Klosters Disentis keine Quellen mehr haben
kann, wird sehr erfreulich beleuchtet durch drei Stücke des Archivs der
' Mohr 3, 56 und Lütisburger Kopialbuch 137.
2 Mohr 3, 117 zu 1359, Vgl. Urkunden Nr. 281. Mohr 2, 178 zu 1303 und
Muoth 30, 178.
^ J e c kli u S.42. Diese.be Fassung auch in dem Entwurf eines Bündnisses zwischen
dem grauen Bund (im Vorderrheinthal) und Ober- und Unterengadin. Ebda. S. 48.
* Als Karl fV. von seiner Kaiserkrönung heimkehrte, ging er, das Gebiet der
Visconti möglichst vermeidend, von Cremona durch Val Camonica und Veltlin »versus
Surgh et Sueviain". Böhmer-Hub er 2166». Zuerst erscheint er in Augsburg. Ist
Surgh wirklich Zürich, so ergäbe sich als direkteste, damit aber noch nicht als
wahrscheinlichsio Route: Bernina und Julierpafs. Der Kaiser mufste wegen des
Markgrafen Ludwig von Brandenburg den Boden von Tirol vermeiden.
366 Dreiunddreifsigstes K&pitel.
Mailänder Handelskammer, welche uns zeigen, wie ernsthaft der Ver-
such gemacht wurde, den grofsen Handelsverkehr auf diesen Pafs zu
verlegen.
Dafs er dem Verkehre der Nachbarn gedient hat, ist in keiner
Weise zu bezweifeln. Um 1300 stand auf der Pafshöhe ein Kreuz. Das
Kloster Disentis besafs ja auch Güter im Blegnothale, und wenn der
Verkehr am stärksten natürlich nach Urseren und Wallis über Oberalp
und Furka sich wandte, so konnte der Lukmanier doch kein Hindernis
sein: mufsten doch 1344 sogar Händel zwischen Formazza und Eschen-
thal einerseits und den Thälern von Disentis geschlichtet werden, und da
handelte es sich um Räubereien und Diebstähle ^ Den Leuten waren
die schwierigen Pässe um den Gotthard kein Hindernis. Seit der Mitte
des vierzehnten Jahrhunderts waren die Silbergruben im Medelser Thale,
also am nördlichen Zugange zum Passe im Betrieb^. Der Lukmanier
trennte so wenig die Thäler, dafs 1371 der Abt von Disentis die Alpen
am Lukmanier nach Formazza verpfänden konnte^. Drei Jahre später
schlössen die Gemeinden von La Ca De (Gotteshaus, Disentis) und
Blegno durch den Abt und den Vikar der Brüder Pepoli, der Pfand-
herren des Blegnothales, einen Freund schaf tsver trag ab, worin sie sich
gegenseitig freien Durchzug mit ihren Waren zusicherten*.
Von Kaufleuten ist nicht die Rede und doch hatte, wie eine wohl
zuverlässige Überlieferung berichtet, schon 1374 Abt Johann (Venner
von Freudenberg) das oberste der drei Hospize des Medelser Thaies, St.
Maria benannt, errichtet, dotiert und mit einem Bruder aus dem Blegno-
thale besetzt*. Wann das Hospiz St. Johann von den Medelsern, wann
St. Gallus von Disentis aus errichtet wurde, ist nicht überliefert '*. Auf
italienischer Seite lagen drei Hospize: das hospiialc ss. Sepulchri et
Barnabe de Ca^jcatiay zu Casaccia, das hospitale s. Defenäentis in Cam-
perio und ein weiteres in Olivone. Die drei waren eng mit einander
verbunden, und das wichtigste unter ihnen war das Spital von Camperio,
das noch heute seinem Zwecke dient. An der Spitze desselben stand
1389 ein Prior, genauer sind wir unterrichtet über die Zustände von
1466 — 14S5, die höchst unerfreulich waren. Die Prioren, die einander
folgen, sind um den eigentlichen Zweck der Stiftung wenig oder gar
nicht bekümmert, das Geld wird nicht zu Spenden verwendet, es wird
1 Mohr 2, 876. Es wurde also offenbar auch der Weg vom IIo5i)iz Sa. Maria
durch Val Piora nach Airolo benutzt.
2 Plattner 12.
3 Mohr, Regesten von Disentis Nr. 132.
* Mohr .S, 294 zu 1876 Juli 13.
5 Mohr, Reg. v. Disentis Nr. 183.
« Vgl. auch Nüscheler, Die Gotteshäuser Heft 1, 78.
Lukmanier. 367
vielmehr 1485 der Prior bezichtigt, die Einkünfte beim Spiel, im Wirts-
haus und mit Weibern zu verthun^
Im Jahre 1B91 erschien nun ein Kaufmann, Remedius de Chumis,
bei Abt Johann IV. und erwirkte einen Brief, worin der Abt von den
von wälschen oder deutschen Kaufleuten durchzuführenden Waren einen
Blaphart von der Saumlast weniger als bisher zu nehmen erklärte. Die
Urkunde wurde der Mailänder Kaufmannschaft zugesandt^. Täusche ich
mich nicht, so geht der Plan, den Lukmanier zum Handel einzurichten,
nicht von Mailand oder Como, sondern von Konstanz aus, und ist diese
Urkunde die Nachwirkung einer Gesandtschaft von Mailand, welche 1390
dorthin ging, über die an anderer Stelle näher zu handeln ist. Von den
Gesandten sind vermutlich nach Mailand zwei höchst merkwürdige Auf-
zeichnungen geschickt worden, die in den Quellen der Handelsgeschichte
wohl wenige Gegenstücke haben. Es sind ganz genaue Angaben über
sämtliche Abgaben, welche von der Saumlast auf dem Wege von Kon-
stanz bis nach Biasca und umgekehrt zu entrichten sind^. Und diese
Dokumente beweisen uns, worüber sonst keine Quelle redet, dafs auch
diese StraCse ihre Susten und ihre besonderen Zölle besafs , dafs also auch j
durch das Vorderrheinthal ein nicht unbedeutender Handelsverkehr seinen
Weg nahm.
Die iPacta pro conduciu a Leventina usque Costaniiam^ geben die
Abmachungen für die ganze Route Biasca-Konstanz, für die Ausfuhr
also und für das Fardel, die yPada pro itinere Constanzie et Coyre^ be-
treffen die Einfuhr, geben die Posten für den Wollenballen und die Ein-
fuhr nach Italien an. Wir haben also dieselbe Reiseroute für hin und zu-
rück, aber für zwei verschiedene Transportobjekte. Es ergiebt sich
daraus die Tabelle auf S. 368.
Die kleinen Differenzen zwischen den wirklich aus den Einzelposten
berechneten Summen und den angegebenen Gesamtsummen ist man bei
mittelalterlichen Rechnungen gewöhnt, wir wollen sie vernachlässigen.
Der Transport nach Konstanz war demnach nicht unwesentlich
billiger, als der von dort ausgehende. Dieser Unterschied beruht wohl
vorwiegend darauf, dafs in diesem Falle es sich um schwere Wollen-
ballen handelt, in jenem um Fardel, die auch in Zolltarifen verschieden
behandelt zu werden pflegen. Auffallend ist, dafs der FardelzoU in
Werdenberg und Vaduz höher ist als der Wollballen zoll , in Rheineck,
Mayenfeld, Chur und Trins ist das Umgekehrte der Fall. Der Zoll
von Balzers wird nur von der Wolle erhoben, in vier Fällen ist der Zoll
» Motta in Bollet. stör, della Svizz. ital. 13, 23-30. Vgl. auch 2, 33. 24:^.
3, 280 u. 11, 55.
- Urkunden Nr. 37.
^ Urkunden Nr. 33 u. 34.
DrcianddreifBigstes Kapitel.
Richtung
Konstanz-Bellinzona
Wollballen
Riehtuna
Fardel
Zoll ' ^^^^- ' S,.«t
z." >a- s,,..
Konetanz
Kon stanz -lUicinock .
Rlieineck
Ehemook-THatten. .
Blatten . . . .
Blatten -Wcnleuberg
Werdeiiterg - ■
"Werdeuberg-Scliaaii
ßchaan
Schaan-BalzerB. . .
Vaduz
U
16
-fl- v
fi\jj
j
2'.
2'it
2'/.
•2'/i
jji» II ß
-P=:-i
-■:-!=h
s
.2'h
BMMk-
■2
8
:i
5
6
7
-
10
- 2| -
z3z
^
-
— . 6
- 6
ß 1
6
5
2V«
2
2Vi
2';.
9
2';«
2V!
2
6
ö
2
1
liuSotpU
ri(llei(M uck
lirBlllbi.
Balzera-Mayeufold .
Mayenfeld
Mayenfeld-Zizers . .
Zizers
Ziiers-Chur . . . .
Chur
Chur-Triaa
Trins
Trins-Laai
Lasi
Laax-Kuis
An einer Brücke . .
-
1
3
1
2
-
-
1
1
1
7
5
8
12
9
7
7
I
6
6
5
I
2V»
2".
9
2'k
2'/9
2
6
6
4
IV.
Hill
- 2 7
- -' 9
-'-10
- 1 6
z
I
1
1
1
4
6
7
3
3
3
6
6
-
-
I
Ruis
RuiB-Tmna
TninB-CaEavcia. . .
Drei Susten ....
Oasaccia-Bioeca . .
Drei Suaten ....
Biftsca-BeUinzoiiK .
Blasca-Claro . . . .
:
^1
6 —
i
1511
1
HS
1
3
iDmiTuhi.
t SulM.
510
-^
3
4
5
„L,
BiuM.
Angegebene Summe
l7 10
1 710
5','»
8 ,
1
6
6
Sl 3 '
7JI0'/..
1
1
Differenz
-
2'/»
+
4'»
1
Lukmanier. 3g9
für beide Gattungen gleich. Im ganzen waren am Wege also elf Zoll-
stätten. Von den Gesamttransportkosten entfielen auf den Zoll beim
Wollenballen 23,88^/0, beim Fardel aber 29,82. In beiden Fällen eine
gewifs überraschend niedrige Ziffer, besonders wenn man bedenkt, dafs
fast ein Drittel auf den Zoll in Konstanz kommt. Die eigentlichen
Transportkosten bestehen aus den Fuhrlöhnen und den Sustgeldern. j
Letztere sind fast gleich, es Hegt nur eine Differenz von einem halben
Pfennig vor. Beim Wollenballen nehmen die 19 Susten 2,72 ®/o der Ge-
samtkosten weg, beim Fardel 3,13 ®/o. Der gröfste Anteil fällt auf die
Transportkosten mit 73,40 bez. 67,05 <^/o. Die Differenz der Fuhrlöhne
erstreckt sich auf die Strecke Rheineck bis Trins und Truns-Casaccia.
Das zwischenliegende Stück wie die Schiffahrtsstrecke auf dem Bodensee
hatte völlig gleiche Ansätze, sonst wurde das Fardel stets billiger be-
fördert als der Wollenballen. Aus dem Ganzen geht hervor, dafs die
Fuhrkosten sehr viel mehr den Beutel der Kaufleute beanspruchten, als
die Zölle, dafs also übertriebene Forderungen der Porten,* wie sie auf
dem Septimer vorkamen, die Kaufleute noch viel sicherer von einer
Strafse vertrieben, als hohe Zollforderungen.
Betrachten wir nun den Teil des Weges näher, der ausschliefslich
vom Lukmanier abhing (bez. Oberalppasse). Auf dieser Strecke von
Chur bis Biasca lagen vier Zölle. Den Zoll von Trins finde ich 1434
erwähnt in der interessanten Urkunde, in der sich die freien von Laax
dem Bischöfe als Gotteshausleute ergeben*, ebenso erscheint 1423 ein
solcher zu Reichenau, »rfer da zu Drunse gehörte^ *. Und es ist diese
Stätte auf der „Zollbrücke" wohl auch in unsem Pacta gemeint, es war
also ein Zoll, der den Grafen von Werdenberg- Heiligen berg von der
Herrschaft wegen zu Hohentrins gehörte. Dann trat die Strafse in den
Bereich der Herrschaft Laax, der zu Laax erhobene Zoll ist sonst nicht
erwähnt, er kam den Pfandbesitzem dieser „Grafschaft", den Grafen von
Werdenberg-Sargans zu gute. Das ^pedagium ad quendam pontem^ lag
nach den Pacta zwischen Laax und Ilanz, es kann wohl nur bei der
Brücke von Schleuis unterhalb der Löwenburg erhoben worden sein. Diese
Herrschaft war um 1365 von den Rhäzüns an dieselben Grafen über-
gegangen. Der letzte Zoll wurde bei der obersten Stadt am Rheine bei
Ilanz für eine Herrin erhoben. Unter ihr ist offenbar Elisabeth von
Rhäzüns gemeint, die mit Kaspar von Sax zu Mosax vermählt war und die
aus der Erbschaft der ausgestorbenen Belmont eine besondere Herrschaft
gebildet hatte*. Die Pacta bezeichnen ganz mit Recht sie als die Herrin
1 Jecklin S. 26.
« Krüger, Regest 799. Muoth 78.
• Juvalt 2, 217.
Sehulte, Qetoh. d. mittelalterl. HuidelB. I. 24
370 Dreiuuddreifsigstes Kapitel.
des Zolles^. Es hatten somit ziemlich alle am Wege wohnenden Dy-
nasten in ihrem Gebiete Zollstätten errichtet.
Den alten regelmäfsigen Verkehr beweisen vor allem die Susten,
von Chur bis Bellinzona gab es deren elf. Die Lage ist angegeben von
denen in Trins, Laax^ Ruis und denen zu Biasca und Claro. Zwischen
beiden Gruppen lagen sechs weitere. Nun sind von Ruis bis Disentis
37 Kilometer, hier lagen gewifs zwei, wenn nicht drei Susten. Der Rest
von drei bez. vier Susten würde sich dann auf die eigentliche Pafsstrecke
von Disentis bis zum Ausgang des Blegnothales verteilen, es sind dar-
unter wohl auch einige der Hospize zu verstehen. Im ganzen ist die
Zahl der Susten so grofs, dafs unmöglich alle einem Bedürfnisse ent-
sprachen. Es hätte dann der Transport von Chur bis Bellinzona zwölf
Tage gedauert, bei dem 36. Kilometer (moderne Chaussee, aber dieselbe
Richtung) wären die Kaufleute schon zum dritten Nachtlager gezwungen
gewesen.
Der Lukmanier hat dann auch noch die Züge oder besser gesagt
die Reisen eines römischen Kaisers gesehen. Die Fahrt von 1413, wo
Siogmund sich nach Italien begab, um die Verhandlungen wegen eines
Konzils mit Papst Johann XXIll. zum Abschlufs zu bringen, und seinen
Zug zur Krönung (1431) nimmt Öhlmann^ freilich für den Bernhardin in
Anspruch, allein Motta hat das Zeugnis eines Mailänder Gesandten von
1457 beigebracht^ der direkt sagt, Siegmund habe zweimal den Lukmanier
benutzt^, und auch eine Urkunde Siegmunds ist 1413 im Blegnothale
ausgestellt '*. Auch 1431 ist der Aufenthalt in Disentis durch eine Ur-
kunde direkt bezeugt^, und ebenso seine Ankunft im Blegnothale, wo
er sehr schlecht untergebracht war, da er nicht einmal ein ordentliches
Bett hatte«.
In der Geschichte der beiden Pässe Splügen und St. Bernhardin
ragt die grofse technische Leistung der Eröffnung der Via mala, zu der
sich einfache Landleute in kühner Entschlossenheit vereinten, hervor.
Wenn aber die That der Ursener einen bis dahin nicht vorhandenen Weg
öffnete, so haben die Leute von Thusis einem schon bestehenden Ver-
kehr, der diesen gefährlichen Pfad benutzte, Erleichterung verschafft.
Es ist mir doch gelungen, eine ganze Reihe von Zeugnissen zusammen-
' Der Zoll war 1483 von den Sax-Mosax verpfändet. Urkunden Nr. 285.
2 2, 315.
« ßoU. ötor. d. Svizz. it. 4, 125 Anm. u. 11, 54..;
* Finke, Forschungen u. Quellen z. Gesch. d. Konstanzer Konzils 311 ff.
^ Altmann, Reg. 8954. Das Blegnothal war damals in den Händen der Frei-
herrn von Sax, die Siegmund offenbar zum Dank zu Grafen von Mosax erhob.
V. Liebeuau, I Sax.
« Osio 3, 35 f.
Die übrigen Pässe. 371
zubringen, welche beweisen, dafs schon vorher der Kaufmann hier, wo
es weder eine regelrechte Strafse noch Transportgenossenschaften, aber
auch keine Abgaben gab, wandelte. Die Kaufleute folgten den Bewoh- /
nern der Thäler. Schon 1219 war der Krieg zwischen den Bündnern
und den Leuten von Cleven auch über den Splügen geführt worden und
1428 war abermals ein Friedensschlufs zwischen den Leuten von Schams
und dem St. Jakob sthal abgeschlossen ^ Der lokale Verkehr war un-
zweifelhaft längst ein reger, er zog auch die ferner abwohnenden Kauf-
leute an. Oberhalb der Via mala stand wohl damals schon die »Stein- \
brücke über dem Rheine^. '
Es war ein Schleichweg, den der fremde Kaufmann benutzte, freilich
ganz entging er den Zöllnern nicht, denn oben im Rhein wald bestand
schon ein werdenberg-sargansischer Zoll^, dessen Ertrag nicht so klein
war. Aber noch 1439 gab es auf der Strafse keine „Rott" und keine
„Fürleite", der Kaufmann begnügte sich mit dem Pfade, den der Alpler
und sein Vieh benutzte, und sorgte selbst für das Fortkommen seiner
Waren. Gegen die Erhebung einer Fürleite protestierte in dem ge-
nannten Jahre der Rat der Stadt Nürnberg in einem Schreiben an die .
Stadt Chur, als wenn diese für die Erhebung verantwortlich wäre*. Das
Treiben in dem einsamen Thale von Splügen wurde so lebhaft, dafs als
1443 Graf Heinrich diesem Orte einen Wochenmarkt und einen Jahr-
markt verlieh, er hoffte, dafs sich dort ein Tuchhandel entwickeln
würde: wohl gar eine Messe im Angesichte der Gletscher, die die Quelle
des Rheins umgeben*^. Der Verkehr wurde immer stärker, immer unan-
genehmer für die Porten am Septimer. '
Sie glaubten den Verkehr als ungesetzlich verbieten lassen zu
können und die Häupter der vier Porten — es sind zum Teil hoch an-
gesehene Adlige: Rudolf von Castelmur zu Vicosoprano, Hans von Sal
zu Stalla, Conradin von Marmels zu Tinzen und Jakob Mett zu Lenz
— führten vor dem Bischöfe Ortlieb den Prozefs der Porten gegen die
Stadt Chur, sie solle verurteilt werden, fremde Kaufleute nur auf die
alte (Septimer)stra!*se zu fertigen. Es sei noch bei des Bischofs Antritt
Gebrauch gewesen, dafs jeder, der Kaufmannsgut nach Welschland habe
» Mohr 1, 259, Crollalaiiza 98 und v. Salis-Seewis 48. Über Viehraub
von Mailändern auf Gebiet des Grafen Johann v. Werdenberg -Sargans, also wohl
im Klieinwald 1394 s. Arch. stör, lonib. 21, 2, 54.
2 Muoth 94.
« Krüger, Regest 576. Es wurden damals (1396) 12 ft ^ jährlich davon für eine
Altarstiftung bestimmt. Auf dem Zolle zu „Rhein" verschrieb 1482 Graf Georg von
Werdenberg seiner unehelichen Tochter Anna 100 fl. Rätische Urkunden 437.
* Urkunden Nr. 386.
^ Abschrift im Staatsarchiv Graubünden.
24*
372 Dreiunddreifsigstes Kapitel.
fertigen wollen, habe geloben müssen, sie diesen Weg führen zu lassen,
es sei denn, dafs es sich um Transport nach Locarno gehandelt h<ibe.
Ihr fester Rechtsboden war jener Befehl Karls IV., der alle andern
Strafscn untersagte. Die von Chur entgegneten mit Recht, sie könnten
den Kaufleuten nichts befehlen, ein Teil der Kauf leute wolle die „untere
Strafse", also den Weg durch die Via mala, benutzen; da hätten alle
Bitten der Churer nicht geholfen, ja einer von der Ravensburger Ge-
sellschaft, Hans Lienhart, der seine Waren zu Mayenfeld habe liegen ge-
habt, habe erklärt, er würde Heber über den Kunkelspafs gehen, um den
Zugang zur unteren Strafse zu benutzen, als die alte fahren. Die Kauf-
Icute klagten über neue Zölle, Fürleiten und Schätzungen, nicht die Stadt
Chur, sondern die Porten hätten die Strafse niedergelegt. Gegen diese
Gründe hätten die vier von den Porten schwer aufkommen können, sie
bestritten die Erhöhung, für die Zölle sei der Landesherr kompetent,
und wenn je etwas Unbilliges geschehen, wollten sie sich fleifsen in Zu-
kunft nach alter Billigkeit zu handeln. Der königliche Befehl Karls IV.
gab die Entscheidung und die vier mochten heimreiten in dem Glauben,
nun sei die Konkurrenz erledigt ^
Es war eine Täuschung. 1471 waren neue Klagen von Ulm laut-
bar geworden und den vier Portgenossenschaften gab nun Bischof Ort-
lieb mit Rat der Portensboten neue Statuten, worin zugesichert wurde,
dafs die Kaufleute von St. Gallen in der Port Bivio, das Gut Konrad
Ruhings aber in der Port Bergell gemäfs alter Bewilligung vor andern
gefertigt werden solle ^.
Die Konkurrenten nützten die Stimmung der Kaufleute aus. Leute
aus den Orten Thusis, Katzis und Mazein thaten sich zusammen, um
den weg enzwischend Tt4sis und SchamSj so man nempi Fya mala zu hauen,
aufzurichten und zu machen, sie erhielten Hilfe von denen von Schams,
Rheinwald, Clevner Thal und Misoxer Thal, also auch von jenseits des
Splügens und St. Bernhardins, und nachdem die Strafse fertig war, bil-
deten die am Unternehmen Beteiligten 1473 eine Portgenossenschaft,
die also nicht aus der Gemeinde, sondern aus einer Unternehmungs-
gesellschaft hervorgingt. Es waren im ganzen fünfzig Rodanteile vor-
handen*. Jährlich, an St. Georgen, setzte sich die Gesellschaft ihren
Teiler. Zu beachten ist, dafs auch hier von Ochsen die Rede ist, also
auch in den schauerlichen Klüften der Via mala hatte man eine wagen-
breite Strafse angelegt. Jeder Teilhaber haftete dem Fremden, dessen
1 Urkunden Nr. 291.
3 V. Salis-Seewis, Gesammelte Schriften 77 Anm.
' Wrtgner, R., Der Via mala-Hrief, in Zeitschrift f. d. gesamte Handelsrecht
30, 60-68.
* Thusis: 2s, Mazein: 14 und Katzis: 8. Die Namen sind aufgezählt.
Die übrigen Pässe. 373
Waren Schaden nahmen, bis zu 50 fl. Graf Georg von Werdenberg-
Sargans, mit dem sein Haus aussterben sollte, bestätigte die Genossenschaft.
Die neue Strafse zog die Kaufleute so stark an, dafs der Biscliof
Ortlieb sich an die Gemeinde Plurs wandte, sie möge die Klagen der
Kaufleute, welche sich mehr und mehr anderen Wegen zuwendeten, ab-
stellen, geschehe das nicht, so müsse er sich an den Herzog von Mai-
land wenden ^ Das Gebot des Bischofs, dafs alles Kaufmannsgut tiber
Lenz und den Septiraer gehen sollte, mifsachteten einzelne Bürger von
Chur und fuhren über Vaz*, und daraus ergiebt sich, dafs mit dem
Ausbau der Via mala auch der romantische Schynpafs benutzt wurde.
Diese schwierige Schlucht hat aber wohl kaum vor Ausbau einer ordent-
lichen Strafse einen grofsen Verkehr gesehen. 1475 verkaufte übrigens
der Werdenberger seine Besitzungen auf dem Heinzenberg und Thusis an
den Bischof von Chur*, bis 1493 blieb hingegen die Landschaft Rhein-
wald beim Hause Werdenberg.
Dem Beispiele von Thusis folgten die Gemeinden von Schams,
Rheinwald , St. Jakobsthal und Misox und begründeten Porten , doch
geht das Quellenmaterial nicht bis in das Mittelalter zurück. Auch
entstand eine weitere am Fufs des Heinzenberg in Rhäzüns, so dafs
fünf Porten den Verkehr über den Splügen und ebenso viele über den
St. Bernhardin vermittelten*.
Einiges ist auch 'aus italienischen Quellen zu gewinnen. So folgt
daraus, dafs die Rheinwälder zahlreiche Zoll Privilegien von den mailän-
disehen Herzögen seit 1442 hatten, dafs der Verkehr über den Splügen
auch seitens der Thalbewohner nicht gering war®. Die Beschreibung
der von Bellinzona aus führenden Strafsen nennt auch den Bernhardin,
aber während es hier knapp heifst: „der Weg führt über den Vogelberg
(monte uheUo) ins Rheinthal nach Chur und in viele andere Teile Deutsch-
lands," sagt Ermaimo Zono, dem wir diesen Bericht verdanken, vom
Gotthard, der Weg führe nach Ober- und Niederdeutschland, nach Frank-
reich, England, Burgund und in das ganze Uferland des Rheines*. Im
Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts predigte auch in den gebirgigen
Teilen der Lombardei der hl. Bernhardin von Siena (f 1444). Ihm zu
Ehren wurde (wohl erst nach seiner Heiligsprechung 1450) auf dem
1 Urkunden Nr. 284.
2 Urkunde vom 25. September 1475 des Stadtarchivars Chur, mitgeteilt von
Fr. V. Jccklin.
^ Krüger, Regest 1013.
* Berlin 15. Der Vortrag von Tagliabue über die Porten von Misox im Bündner
Tagblatt 1892 Nr. 36—39 konnte von mir nicht eingesehen werden.
'* Wagner, Zeitschr. f. Schweiz. Recht Bd. 25 S. 261 Anm. 1.
^ Boll. stör. d. Svizz. it. 11, 55.
374 Dreiunddreifsigstes Kapitel.
Vogelberge eine Kapelle errichtet, welche bald den alten Namen des
Passes verdrängtet
Das Misoxer Thal war ein nach Süden vorgeschobenes Dynasten-
gebiet. Wenn schon die Rusconi und Sanseverino die gröfste Mühe
hatten, sich zu behaupten, obwohl ihnen Städte gehörten, war der Besitz
der Freiherren von Sax nur auf die Verteidigung der vortrefflichen Burg
Mosax begründet, deren herrliche Ruinen zu dem schönen Thale ge-
stimmt sind. Zwischen den Bünden Churrhätiens, deren Mitglieder die
Mosax waren, den Eidgenossen und den Herzögen von Mailand ein-
gekeilt, schädigte sich diese Familie noch durch innere Streitigkeiten und
unkluge Politik, vor allem auch ihren Unterthanen gegenüber. Der Ge-
gensatz zu der aufstrebenden Kraft der sich selbst verwaltenden Thäler
ist höchst beachtenswert. Die Getreidesperre, die 1480 vom Herzog von
Mailand gegen das Thal verhängt wurde ^, bezwang den Grafen Johann
Peter, er verkaufte seinen Besitz an den aus der Geschichte sehr be-
kannten späteren französischen Marschall Trivulzio, das war eine schlecht
verhüllte Abhängigkeit von Mailand.
Die Pässe des Septimer und Splügen liefen auf den Comersee zu,
und an seinem Ufer gab es an der Landungsstelle keine Sust, bis 1502
einige deutsche Kaufleute — deren Namen leider von Crollalanza, dem
wir die Nachricht verdanken, nicht genannt sind — mit den Pestalozza
von Chiavenna über die Errichtung einer Sust sich einigten, gegen die
Entrichtung einer Abgabe von jeder Saumlast errichteten die letzteren
den Bau, 1577 wurde auf neue Bitten der fremden Kaufleute ein neues
Gebäude statt des inzwischen verfallenen aufgeführt®. ^
Mit wenigen Strichen mufs ich den Hintergrund zeichnen, auf dem
sich das Verkehrsleben abhob, die Geschichte Graubündens im vier-
zehnten und fünfzehnten Jahrhundert. Es ist die Zeit des Verfalles der
alten feudalen Gewalten, des Emporkoramens der Thalgemeinden und
des Zusammenfassens zu Bünden. Der Adel, unter dem der Tod ge-
waltig aufräumte , verlor Thal auf Thal , der Bischof sah seine Gewalt
von unten her immer mehr eingeschränkt, und er mufste 1367 den
Gotteshausbund entstehen sehen, der gegen ihn selbst wegen seiner
Freundschaft mit Österreich gerichtet war. Die Lebenskraft, welche die
ürkantone in einem viel härteren Kampfe bewährt hatten, äufserte sich
auch in den bündnerischen Thalgemeinden, unter denen ja die Walser-
kolonien schon von vornherein eine grofse Freiheit besessen hatten. In
^ Sali 8 S. 263. Nach v. Lieben au, I Sax 11, 59 predigte St. Bemhardin
1432 im Vcltlin und in Como, 1436 im Gebiet von Lugano. Der Name findet sich
meines Wissens zuerst bei Tschudi in der Gallia comata.
2 V. Liebenau 11, 178.
' Crollalanza 187.
Die übrigen Pässe. 375
der Regel vollzog sich der Sieg über den Feudalismus auf legalem Wege,
wenn es an bitteren Fehden auch keineswegs gefehlt hat. An allen
Bünden waren Thalgemeinden als Paktanten beteiligt, am wenigsten im
oberen grauen Bunde von 1395, der ein Bund einer fest geschlossenen
geographischen Landschaft ist, er umfafst Vorderrhein und Hinterrhein.
Der Bund der zehn Gerichte umfafste nur Gemeinden, welche nach dem
Aussterben des Hauses der Toggenburger fürchteten, durch die Zer-
splitterung des Erbes auseinander zu kommen. Der Schwabenkrieg von
1498 gab den Bünden ihre Unabhängigkeit, und schon schlofs sich auch
die Verbindung mit der Eidgenossenschaft ^
Die Bünde besafsen eine werbende Kraft, was im Mittelalter den
deutschen Königen und den Bischöfen voi^ Chur nicht geglückt war,
die Südhänge der Pässe erwerben und dauernd zu behaupten, gelang
den Bünden. Das Bergell war stets erhalten geblieben, Chiavenna haben
die Kaiser Ludwig und Karl dem Bistume Chur wieder verschaffen
wollen, allein die Pergamente hatten keine Wirkung. Und ebensowenig
die Schenkung eines flüchtigen Visconti^. Aber 1512 eroberten die drei
Bünde das Thal und behaupteten es bis 1797 als Unterthanenland. Der
Südhang des St. Bernhardin, die Landschaft Misox wurde 1480 bez.
1496 ein Glied des grauen Bundes.
Schon vorher war es den Bündnern geglückt, die Zollfreiheit im
Mailändischen in gleicher Weise wie die Eidgenossen zu erringen. Mit
den Bewohnern von Rheinwald hatte schon Herzog Filippo Maria einen
Vertrag über die Weinzufuhr ^, es scheint jedoch, dafs erst die Witwe
des ersten Sforza die Versorgung auch anderer Thäler mit bestimmten
zollfrei auszuführenden Quantitäten im Jahre 1467 zugestand*. Die
Streitigkeiten, die mit dem Vormunde Giovanni Galeazzos ausbrachen,
führten den Angriff der Bündner auf Chiavenna und Bormio herbei*,
und dabei erkämpften die drei Bünde sich die ZoUfreiheit , wie sie den
Eidgenossen schon zustand*.
So ist auch Qraubünden ein Pafsstaat gewesen, der freilich weder
im Norden noch im Süden bis zur Ebene sich auszudehnen vermochte.
Namentlich im Norden war ein grofser Teil Unterrhätiens verloren ge-
gangen. Schon sehen wir, wie dieser Pafsstaat in den des Gotthards
aufzugehen beginnt. Die Eidgenossen forderten 1479 den Bischof von
* Vgl. Juvalt, Wagner, Dierauer; die Urkunden bei Jecklin u. s. w.
2 Vgl. Plaijta, Herrschaften 77 f.
» CroUalanza 63, 76 u. 123.
* Vgl. Incantus datiorum des Comasker Stadtarchivs T. IV Fol. 134. — Cam-
pell 2, 548.
* Kind, Der Wonnserzug, Arch. f. Schweiz. Gesch. 17, 25 ff.
« Viglevano 1487 April 10, Stadtarchiv Chur.
376 Yierunddreifsigstcs Kapitel.
Chur und den Grafen Georg von Sargans auf, die Strafsen ins Mailän-
dische zu sperren, damit die Eidgenossen eine bessere Richtung erhielten ^
Die Konkurrenzpässe sollten für den Hauptpafs eintreten!
Wenden wir uns nun der Strafse Chur - Rheineck zu, welche alle
Bündener Pafsstrafsen dem Bodensee zuführte.
Vierunddreifsigstes Kapitel.
Die Fortsetzungen der Pässe bis znm Bodensee.
Allgemeines, Die römische Grundlage. Organisation, Die acht Herrschaften,
Streit ZizerS'Mayenfeld, Geschichte and Bedeutung Bheinecl's, Strafse Schaan-Bregetiz,
Arlberg. Bau der ScholJberg strafse. Weg über den Walensee, Verkehrsstörungen^
Raubritter, »
Rückblick auf die Geschichte der Bündner Pässe.
Reisebeschreibung der Gesandten von Venedig 1492, Brüderschaft der fremden
Kaufleute in Chur, Angaben über die Verkehrshöhe, Krefssches Briefbüchlein, Dauer
des Transportes Nürnberg-Mailand.
Der Verlauf des Weges von Chur bis zum Bodensee ist durch die
Facta von 1390 bis in fast alle Einzelheiten festgelegt und stimmt völlig
mit dem Zuge überein, der früher schon für die Römerstrafse festgestellt
wurde, in allen Teilen bewegte sich hier der mittelalterliche Verkehr
auf einer römischen Strafse. Die Luziensteige war der Pafs, bei Schaan
lag die uralte Fähre.
Die Susten liegen relativ sehr nahe bei einander, nur die beiden
ersten Strecken von Rheineck aufwärts sind je 22 Kilometer lang, zwei
andere sinken auf 9 Kilometer herab, und da kann es wohl kein Zweifel
sein, dafs der Kaufmann direkt zwei durchfuhr. Von Schaan aufwärts
folgen auf etwa 38 Kilometer vier Susten!
Der Weg durchschnitt nicht weniger als acht Herrschaften, bei
Rheineck landete das Schiff auf altem Reichsbodeu, die Stadt aber war,
wie die folgende Herrschaft, das gleichfalls zum Reiche gehörige Rhein-
thal, in den Pfandbesitz der Grafen von Werdenberg- Heiligenberg ge-
kommen, während der Reichshof Kriefsern 1274 an die Ramsch wag ver-
pfändet worden war. Unter ihrer Burg Blatten, die einst der kühne
St. Galler Abt Berthold von Falkenstein erbaut hatte, lag die erste Sust *.
Am folgenden Tage ging es durch das dem Reiche gehörige Gebiet des
oberen Rheinthaies, das ebenfalls an die Werdenberger verpfändet war,
die Herrschaft der Freiherrn von Sax, und am Abend wurde in Werden-
berg geruht unter der Stammburg der Grafen von Werdenberg, deren
Heiligenberger Zweig die Burg besafs. Die Fähre, werdenbergischer
' Eidg. Abschiede 3, 1, 33.
8 Über Blatten vgl. Hardegger u. Wartmann, Der Hof Kriefsern passim,
auch die Karte S. 360.
Die Fortsetzungen der Pässe bis zum Bodensee. 377
Besitz ^, brachte die Kauf leute dann auf das rechte Rheinufer in die
Herrschaft Vaduz, die dem Sarganser Zweige gehörte, 1309 an die
Brandis verp&ndet wurde und sich in dem heutigen Fürstentume Liech-
tenstein als die letzten Trümmer alter rhätischer Dynastenherrlichkeit
erhalten hat. In Mayenfeld war man auf dem Boden der Grafen von
Toggenburg, um endlich jenseits der Landquart zu dem alten Königs-
hofe Zizers und damit in das Gebiet der vier dem Bischöfe von Chur
gehörigen Dörfer und in seine Bischofsstadt selbst zu kommen.
Ein Zoll von Zizers bestand 1390 noch nicht, aber 1511 verklagten
die Leute von Zizers die drei Kaufmannsgesellscliaften Welser - Vöhlin,
Humpifs und Besserer, deren Leute, die Baumwolle führten, sie mit
Recht niedergeworfen zu haben meinten, weil sie keine „Fürleite" zahlen
wollten. Die Leute beriefen sich darauf, dafs sie Weg und Steg bessern
müfsten. Das wolllten die Vertreter der Gesellschaft aber durchaus
nicht einräumen, die Porten im Gebirge hätten Arbeit an der Strafse,
nicht aber die von Zizers, die in der Ebene lägen. Die Fürleite von Tuch
und Papier sei neuerdings durch den Teiler erhöht. Diese Erhöhung
wurde vom Gericht bestätigt, nicht aber der Zoll auf Baumwolle *.
Die Sust zu Zizers war unzweifelhaft älter als die von Mayenfeld,
und es macht auch den Eindruck, als sei hier ursprünglich der Sitz der
Transportgenossenschaft gewesen. Es liegt sehr nahe, sich des alten
Königshofes zu Zizers dabei zu erinnern. Die Leute von Zizers wollten
aber den Mayenfeldem die Sust ganz abreden und ebenso den Zoll.
Die Aussagen der Sachverständigen, die in diesem Streite 1459 vernom-
men, sind von ganz besonderem Interesse. Sie zeigen, daCs die Toggen-
burger Zölle noch immer nicht für Recht galten. Sie beriefen sich auf
die Urkunde Karls IV., die jene Zölle widerrief. Das konnte für den
Strafsberger Zoll beweisen, nicht aber für den Mayenfelder, denn dieser
war 1415 durch König Siegmund bestätigt, ja sein Betrag auf die Höhe
des Zolles von Vaduz und Sargans, also von l ß S) auf 3 ß, erhöht*.
Einer von den Sachverständigen sagt richtig aus, dafs der Zoll von einer
königlichen Verleihung herrühre, und fügt hinzu, er sei genehmigt für
den Bau einer Brücke über die Landquart, damit die Pilger, die Kauf-
leute und andere sicher darüber wandeln möchten. Bestanden hat der
Zoll schon 1388. Damals gab Graf Donat von Toggenburg den Kauf-
leuten von Mailand und Como ganz genaue Angaben über alles, was
zwischen Chur und Balzers zu zahlen war. Diese Ziffern stimmen nicht
mit denen überein, die wir bei der Lukmanierroute kennen lernten. Die
1 Thommcn, Urkunden 1, 338.
2 Urkunden Nr. 289. Eine Taverne zu Zizers Muoth 185.
« Urkunden Nr. 283. Vgl. oben die Tabelle S. 368 Urkunde vom 23. März 1415.
Lütisburger Kopialbuch S. 148. Altmann 1517.
378 Vierunddreifsigstes Kapitel.
Angaben des Toggenburgers sind in Konstanzer Pfennigen, die in der
Tabelle nicht bestimmt bezeichnet, setzt man aber die Relation 1 Kon-
stanzer = 2^/2 ?) der Tabelle ein, so stimmen fast alle Angaben tiberein ^
Der Zoll zu Mayenfeld war 1447 an den Konstanzer Bürger Heinrich
Harzer verpfändet, und zwar deckte er den Zinsbetrag von 125 rh. fl.,
der von einer Schuld von 2000 fl. zu entrichten war^. Bei der Un-
sicherheit des Tarifes wage ich nicht, daraus die Verkehrshöhe zu be-
rechnen.
Der Zoll zu Vaduz wird 1360 als werdenbergisch erwähnt®, der-
selben Herrschaft dürfte der zu Balzers gehört haben. Mit der Ver-
pfändung der Herrschaft gingen sie 1399 an die Freiherren von Brandts
über. Über den Zoll zu Werdenberg fehlt es an weiteren Nachrichten.
Der wichtigste Platz an der ganzen Route unterhalb Chur war
Rheineck, wo die Waren auf die Schiffe verladen wurden. Heute ist
die Stadt, da der Rhein seine Ablagerungen viel weiter in den Bodensee
vorgeschoben hat, keine Bodenseestadt mehr, als welche sie damals noch
gelten konnte. Um sie war 1208 ein heftiger Kampf zwischen dem
Bistum Konstanz und der Abtei St. Gallen entbrannt, König Otto IV.
nahm den Ort ans Reich*. Doch sollte Burg und Stadt die Reichsun-
mittelbarkeit nicht behaupten, noch König Rudolf sicherte der Stadt zwar
zu, dafs sie niemals solle verpfändet werden. Doch wurde 1309 auch
die Burg verpftlndet. Der neue Besitz lockte die Blicke der Habsburger,
die, seit sie Tirol gewonnen, bestrebt waren, eine Verbindung zwischen
ihren östlichen und westlichen Ländern herzustellen, 1375 war Feldkirch
gewonnen, und 1379 liefs sich Herzog Leopold HI. von Wenzel das
Recht geben, die Reichspfandschaften in Churwalchen^ Thurgau und
Rheinthal, namentlich auch Burg und Stadt Rheineck, einzulöseh. Unter
Verachtung allen Rechtes nahm 1395 Herzog Leopold den Werdenber-
gern Rheineck fort, nach der Schlacht am Stofs brachen die Appenzeller
die Burg, die Stadt würde von den Österreichern wieder genommen.
Der ungerechte Besitz sollte ihnen nicht lange verbleiben. Als wegen
der Flucht Johanns XXIII. vom Konstanzer Konzil die Acht über den
Herzog Friedrich verhängt wurde, verpfändete Siegmund die Stadt, die
* Urkunden Nr. 26. Die Wertrelation trifft für die Susten genau zu. Der
Zoll müfste in der Tabelle stehen mit 1 /? 8 ^ statt 1 ß 3. Die Fiihrlöhne Mayen-
feld-Zizers und Mayenfeld-Balzers \ß 10 V2^ statt 1 jj 9 ^, der Zizers-Chur 1 yj 8
statt \ ß 1 d^ Die Relation ist also offenbar etwa 1 : 2,4 gewesen.
^ Zösmair, Urkundenauszüge Hohcnems im 21. Rechen Schaftsbericht des
Vorarlberger Museumsvereins 81.
8 Krüger, Regest 377.
* Zur Gesch. von Rheineck vgl. vor allem Krüger S. 245—64, 392—4. Butler,
Der letzte Toggenburg 2, 54—58. St. Galler Urkundenbuch.
Die Fortsetzungen der Pässe bis zum Bodensee. 379
dann an den letzten Toggenburger überging, um von ihm in den Besitz
der Peyer zu kommen, die 1460 die Stadt an die Appenzeller verkauften.
Für eine Hafenstadt eine üble Entwiekelung. Wie anders hätte der
Handel durch Graubünden sich entwickeln können, wenn den Reichs-
städten Konstanz und Lindau ein freies sich selbst bestimmendes Rheineck
entsprochen hätte!
Der Zoll, in alter Zeit ^verschcus^ genannt, ist schon recht alt. Er
wurde aber ausschliefslich von dem erhoben, was über die Berge kam
oder über sie gehen sollte, gleichgültig, ob es trockenes oder gebundenes
Gut war. Der Versuch, den Zoll auch auf den übrigen Handelsverkehr
auszudehnen, wurde auf die Klagen von St. Gallen und Lindau 1291
und 1311 zurückgewiesen ^ Der Ertrag des Zolles wird in dem öster-
reichischen Urbar von 1404 auf gewöhnlich 50 ^ ^ angegeben *.
Der Weg von Mayenfeld über die Luziensteige nach Rheineck war
aber nicht mehr die einzige Fortsetzung der Bündner Alpenpässe im
Rheinthale. Die Strafse, welche von Schaan ab auf dem rechten Rhein-
ufer verharrte, über Feldkirch nach Bregenz ging, war im Gegenteil
mindestens bis Feldkirch sehr belebt, Bregenz tritt allerdings, so viel ich
das urkundliche Material und die Litteratur kenne, nicht besonders
hervor. Doch fehlen auch nicht Momente, welche für einen alten leb-
haften Verkehr mit dem einst in römischen Zeiten so bedeutenden Brigan-
tium sprechen®.
Seit 1372 bestand zwischen dem Bischöfe von Chur und den Grafen
von Montfort für ihre Städte Chur und Feldkirch zu Recht, dafs der
Churer in Feldkirch nur Wein, offenbar also Cleyner, der Feldkircher
in Chur nur Salz versteuern solle*. 1459 führten die Leute von Feld-
kirch, der Alten Stadt bei Feldkirch und „Thysis" nach Chur besonders
Kupfer, und das war geradezu die wichtigste Ware, die damals den Weg
über Mayenfeld nahm^. 1400 wurde in Feldkirch ein ^eugsch*, eine Sust
angelegt*. Der Zoll wurde 1409 von Herzog Friedrich IV. um 1500 ü
Heller verpfändet ^. Jedoch erst 1517 wurde eine Brücke über die Bre-
^ Die Urteile des Landgerichts zu Fischerhausen von 1291 und 1311 hat Schwalm
in Neuen Archiv f. ältere deutsche Geschichtskunde 28, 37 und 48 veröffentlicht.
Ersteres auch StGallerUrkb. 3, 269. Verkauf eines Anteils vom Zoll 1379. Krüger,
Regest 445. Verpfandung seitens der Herrschaft an einen Konstanzer 1392. Regest 352,
2 St. Galler Urkb. 4, 695.
' Der Brakteatenfund von Lauterach enthält keine italienischen Münzen.
21. Bericht d. Vorarlb. Museumsvereins S. 12.
* Mohr 3, 253. Eine weitere Urkunde über den Salzhandel von 1371 im
bisch öfl. Archiv zu Chur.
* Urkunden Nr. 283.
* Urkunde Stadtarchiv Bregenz.
' Lütisburger Kopialbuch 2, 134 f.
380 Yierunddreifsigstes Kapitel.
genzer Aach gebaut^. Im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts be-
nutzten die Gesellschaften Welser- Vöhlin, Humpifs und Besserer den Weg
über Feldkirch*, und schon 1458 war Gut Mailändischer Kaufleute in
Feldkirch angehalten*. Neben die Relation Lindau - Rheineck war die
von Lindau- Bregenz getreten. Bei der Armut der Stadtarchive von
Bregenz und Lindau läfst sich leider nichts Näheres darüber feststellen.
Durch Feldkirch ging aber auch der Verkehr über den Arlberg,
dessen Geschichte ich hier nur streifen kann. Verhältnismäfsig spät tritt
er in dieselbe ein: erst 1218 kommt er als begangener Pafs vor, damals
wurde am westlichen Fufse eine vorhandene Kapelle den Johannitern in
Feldkirch gegeben, und die machten daraus ein „Klösterle." Der Handels-
verkehr ward im vierzehnten Jahrhundert lebhafter, das Salz von Hall
schlug diesen Weg ein, aber auch der sonstige Kaufmann — so 1326 ein
Konstanzer Bürger Ulrich Aimpuom — ging ihn. Der Pafs war von
grofser politischer Bedeutung, wurde er doch die bequemste Verbindung
der beiden habsburgischen Machtbereiche*. Der Weg über den Arlberg
wurde 1326 den Konstanzern gefreit ^
Auf der Pafshöhe war keine Hilfe vorhanden, und da war es der
Knecht eines am Passe wohnenden Burgherren, das Findelkind Heinrich,
das 1385 aus Menschenliebe auf der Höhe ein Spital errichtete und schon
im ersten Winter sieben Menschen das Leben rettete. Dieser Menschen-
freund im Kittel wufste die Mittel zusammenzubringen, er errichtete eine
Bruderschaft, und mit Bruderschaftsbüchern zogen seine Genossen im
Lande umher, um Brüder zu werben, und diese Bücher sind ein Zeug-
nis dafür, wie viel milde Herzen sie fanden. Kam das zunächst den
zahlreichen Pilgern, die diesen Weg nach Venedig einschlugen ®, zu gute,
so doch auch den Kaufleuten. Und wenn wir auch noch keine voll-
ständige Geschichte dieses Passes besitzen, so kann ich doch nach meiner
Quellenkenntnis schon sagen, dafs die Benutzung des Arlberges keine
geringe war'. Ein Teil des Verkehrs vom Arlberg und aus Bünden
ging nach Rheineck weiter, wie die Verhandlungen über das Geleite be-
^ Genehmigung Maximilians und Verleihung eines Brückenzolles. 31. Rechen-
schaftsbericht d. Vorarlb. Museumsvereins 27 ff.
2 1511. Urkunden Nr. 289.
' Urkunden Nr. 45.
* Ludwig d. Bayer für die österr. Herzöge 1335. Böhmer-Ficker, Acta
imperii Nr. 763.
•» Urkunden Nr. 327.
® Röhricht u. Meisner 146. Auch der Konstanzer Konrad Grünenberg.
' Vgl. Zösmair, Gesch. d. Arlbergs von 1218 bis 1418, der die, Zeitschr. £
Gesch. d. Oberrheins 4, 17 ff., veröffentlichten beiden Wegweiser von Strafsburg nach
Bom nicht benutzt hat. Vgl. auch die Bitte des Biscliofs von Chur um Beisteuern
für die am Fufse des Arlbergs gelegene St. Johanneskapelle. Mohr 4, 113.
Die Fortsetzungen der Pässe bis zum Bodensee. 381
weisen ^ Auch schlug ja Papst Johann XXIII. diesen Weg ein, als er
sich, über den Arlberg kommend, zum Konstanzer Konzil begab.
Ein Teil des Verkehres über den Arlberg strebte wohl dem Walen-
see zu, und da mufste zunächst der Umweg über Mayenfeld genommen
werden; zwar ist der Engpafs, den der Schollberg auf der Grenze der
Herrschaften Sargans und Werdenberg mit dem Rheine bildet, schon
zu der Zeit, als im Rheinthale auch auf dem linken Ufer noch dyna-
stische Verwaltungen waren, benutzt worden, es gab dort schon einen
Zoll. Die Strafse mufs aber äufserst schlecht gewesen sein*. Sofort,
nachdem 1483 die sieben alten Orte die Herrschaft Sargans gekauft
hatten, leuchtete ihnen ein, dafs sie auf das untere Rheinthal nur dann
einen Einflufs ausüben könnten, wenn sie ihre Verbindung damit von
den Herrschaften auf dem rechten Rheinufer unabhängig machten. Um
von der Luziensteige frei zu werden, beschlossen die sieben Orte (mit
Ausschlufs von Bern) 1490 den Bau einer Strafse, August 1492 war sie
fast fertig, der Meister Michael Preutel aus dem Etschthal hatte sie ge-
baut. Militärischen Zwecken, für die sie in erster Linie gebaut war,
mochte sie genügen, für die Wollenballen der Kaufleute wurde be-
schlossen, sie zu erweitern, aber noch später klagte die Stadt Rheineck,
dafs die Kaufleute die Strafse, die sie gerne benutzen würden, nicht
verwenden könnten, weil sie zu schlecht sei^. W^enn auch in unserer
Periode dieselbe also keine Handelsbedeutung gewann, so haben sie
gleichwohl die Eidgenossen nicht umsonst gebaut, sie haben dem Ver-
kehr den Weg gewiesen, den er heute fast allein noch benutzt. Und wie
modern mutet uns das ganze Vorgehen an, bei dem staatliche und militä-
rische Interessen entscheiden, das Verdingen der Arbeit, die Abnahme
nach einer Revision, vor allem aber ward hier der Strafsenbau als eine
Staatsaufgabe angesehen*. So war der Weg von Chur her durch die Fähre
von Mayenfeld, der von Arlberg und Rheineck durch die SchoUbergstrafse
zum Walensee gelenkt und von dort ging es über den Zürichersee nach
Zürich. Der Geschichte dieses Weges fliefsen wohl reichere Quellen in den
Archiven von Glarus, St. Gallen und Züricli. Ich habe nur gelegentlich
Notizen gefunden®, und die genaue Beschreibung einer Fahrt über den
Walensee ist mir erst aus dem sechzehnten Jahrhundert bekannt ge-
^ Krüger, Regest 547 zu 1394. Das Geleit in der Gegend zwischen Rlieineck,
Bludcnz, Werdenberg gehörte den verschiedenen Werdenberger bez. Montfoi*ter
Grafen. Vgl. Urkunden von 1355 und 1361 bei Thommen 1, 338 u. 431.
2 Eidg. Abschiede 3, 1, 351.
« Eidg. Abschiede 3, 1, 245. Erstes Anbringen 1486. 354. 364. 370. 373. 418.
428. 457. 517 Überlegung, ob nicht zum Unterhalt ein Weggeld zu erheben. 647
Rheineck. Vgl. Bavier S. 33.
* Vgl. aucli Gasner S. 110.
* Z. B. Beraubung von Venetianern bei Wesen durcli Schwyzerund Glamer 1488.
382 Vierunddrciföigstes Kapitel.
worden, sie gehört niemand anders an als dem Meister der Goldschmiede :
Benvenuto Cellini.
An Fähren gab es auf dem Rheine eine gröfsere Zahl. Die bei
Blatten ^ stellte die Verbindung mit Rankweil-Feldkirch und dem Arl-
berge her, die von Rugell und Haag^ dienten dem Verkehr, der ins
Toggenburgische führte. Die Fähre von Mayenfeld finde ich nicht er-
wähnt, doch bestand sie offenbar weiter, und vermittelte den Verkehr
nach Sargans, Walenstad und Zürich.
Eine nicht zu verachtende Quelle für den Verkehrshistoriker sind
die Nachrichten über Verkehrsstörungen. Etwas über die hier zu be-
handelnde Strecke von Chiavenna bis Rheineck hinaus greift die Nachricht,
dafs die Stadt Lindau 1309 Gut von venetianischen Kaufleuten in Arrest
behielt, weil Gut von Lindauern in Mailand festgehalten wurde. Gegen
diese Anwendung von Repressalien erhob Venedig, das ja in der That
keinerlei Einflufs auf Mailand besafs, Einspruch^. 1314 wurde ein Sigelo
Huhn aus Speier von dem Meyer von Altstätten beraubt*.
Ob eine Beraubung, was doch wohl sehr wahrscheinlich ist, den
Anlafs zu einem Streite zwischen der Stadt Konstanz und den Brüdern
Graf Heinrich I. und Hartmann III. von Werdenberg -Sargans gegeben
hat, mag dahingestellt bleiben^, sie gaben 1326 den Konstanzern auf fünf
Jahre Schutz und Geleit durch ihr Gebiet: durch das Walgäu zum Arl-
berg und durch Churwalchen, sowie auf der Strafse nach Ulm*. Wir sehen
also die Konstanzer sowohl auf dem Wege nach Venedig wie nach Mai-
land. Graf Hartmann besafs in der That die Herrschaft zu Vaduz bis
zur Landquart und im Walgau, während Graf Heinrich jenseits Ulm
Alpeck und Langenau sein eigen nannte. Den andern Zweig der Wer-
denberger betrifft wohl ein Brief von Venedig von 1349, demzufolge ein
Graf »Albertus de Vandeborg^ venetianisches aus Flandern kommendes
Gut aufgehalten habe. Es ist wohl Graf Albrecht I. von Werdenberg-
Heiligenberg, der auch im Rheinthale und in Graubünden ausgedehnten
Besitz hatte ^.
Die Konstanzer waren 1354 offenbar wegen eines Raubanfalles in
Stöfse geraten mit den Brüdern von Haldenstcin, die dicht unterhalb
Chur am Fufs des Calanda eine Herrschaft besafsen. Der Schiedsprucli
* Krüger, Regest 330. Vgl. auch Hardegger u. Wart mann S. 801.
2 Krüger, Regest 554.
» Simonsfeld 1 Nr. 31.
* Marmor-Reg. S. 19. Schrift d. Ver. f. Bodensee Heft 4.
^ Die beiden Brüder standen zu verschiedenen Parteien, Heinrich zu Ludwig
dem Bayer, Hartmaun zu Friedricli dem Schönen.
« Urkunden Nr. 327.
7 Krüger S. 165—195.
Die Fortsetzungen der Pässe bis zum Bodensee. 383
zwischen den drei Brüdern, von denen der eine nach einer Burg den
Vornamen „Liechtestain" führt, erwähnt eine solche Ursache allerdings
nicht ausdrücklich, da aber auf der Rückseite bemerkt ist, dafs auch St.
Gallen an der Sühne beteiligt ist, bleibt nicht viel Zweifel^.
Die schlimmste That, von der wir Kenntnis haben, hat vielleicht
einen politischen Hintergrund. Graf Rudolf IV. von Werdenberg- Sar-
gans wurde 1361 von Räubern — so will die Überlieferung — bei Plurs
im Bergeil angefallen und ermordet^. Galeazo Visconti, den der Er-
mordete besucht hatte, strafte für diese That schwer die Bewohner von
Plurs ^. Dafs 1402 auf österreichischem Gebiete durch die Herren von
Ems Unterthanen des Herzogs von Lothringen und der Grafen von Sa-
voyen angehalten wurden, erklärt sich wohl durch die Appenzeller
Wirren. Auch ist zweifelhaft, ob diese Leute Bündner Strafsen benutzten*.
Bei der Beraubung von Nürnberger und Luzerner Bürgern, die im Jahre
1407 erfolgte, war Wilhelm v. End mit Adligen aus der Nachbarschaft
(Hohenlandenberg , Gachnang, Rümlang, Erzingen und Münchwil) ge-
wesen, doch dürfte sich dieser Raub, der unter dem Titel als seien sie
Diener des Herzogs von Mailand, und also Feinde Ruprechts, ausgeführt
war, in der Gegend von Schaff hausen abgespielt haben *^.
Einer der übelsten Strafsen- bez. Seeräuber war der Sprosse einer
tirolischen Freiherrenfamilie, Jörg von End, der seine Burg Grimmen-
stein oberhalb Rheineck dazu benutzte, um im Rheinthale und auf dem
See Räubereien zu treiben. Einen Augsburger Metzger, der von St. Gallen
fortritt, nahm er gefangen, brachte ihn nach Grimmenstein und erleich-
terte ihn um 95 ü hl.^. Die zum Konzil nach Konstanz wandernden
Prälaten hatte Jörg von der im Appenzeller Kriege zerstörten aber sofort
wieder aufgebauten Festung aus „gejagt"; er trieb die Frechheit soweit,
dafs ein Schiff mit Gut von Konstanzer und Feldkircher Bürgern von
seinen Dienern angehalten wurde, während er selbst in Konstanz weilte.
Er wurde gefangen gesetzt, der Todesstrafe entging er, aber seine Veste
wurde verbrannt und drei Wochen waren 500 Mann beschäftigt, sie
völlig niederzulegen ''.
^ Anzeiger f. Schweiz. Gesch. 7, 290.
'^ Campell, Historia Raetica (Quellen z. schweis. Gesch. 8, 359 f.). Zum Datum
Krüger 310.
^ Die Mörder wurden jedoch nicht ausfindig gemacht. Vgl. Boll. stör. d.
Svizzera italiana 9, 183.
* Korrespondenz der Stadt Konstanz mit den Landesherren zur Deckung ihrer
Bürger. Z. Gesch. Ober rh. 4, 50—58.
5 Urkunden Nr. 378 u. 379.
" Augsburger Stadtarchiv. Kopialbuch 105 I^ Nr. 301 u. später.
■^ Kichental 90 f. Ruppert, Chroniken S. 120 und die Anm. Der v. End
wurde nun erst recht ein Strafsenräuber. Chroniken 128.
384 Vierunddreifsigstes Kapitel.
Vor 1417 hatte einer der Sarganser Grafen zwei Bürger von Lindau
gefangen ^. Ein interessantes Dokument ist das deutsche Schreiben eines
Bürgers von Chiavenna an die Stadt Chur von 1469. Der Clevner
hatte in Feldkirch gehandelt und wollte weiter gen Lindau fahren, allein
auf dem Schlosse Hohenems waren Gesellen, die auf Leute von Chur
oder aus ihren Bünden lauerten. Der Clevner hielt es für seine Pflicht,
die von Chur zu warnen^.
Auch der letzte der Werdenberg- Sarganser Grafen, dessen Besitz
sehr zusammengeschrumpft war, steht auf der Liste derjenigen, welche
sich an Kauf leuten schadlos hielten. Georg (völlig verarmt, f 1504),
schützte allerdings die Fehde seines Schwagers Hans von Rechberg gegen
die Reichsstädte vor, und durch den Schiedspruch wurden ihm wirklich
200 rh. Gulden zugesprochen. Die Beraubten: ein Kaufmann von Mai-
land, drei von Nürnberg und einer von Nördlingen gaben sich wie auch
Wolfhard von Brandis, der behauptete, in seinem Geleite (also in der
Herrschaft Vaduz) sei die Wegnahme geschehen, zufrieden®.
Die letzte Erwähnung einer Beraubung finde ich zu 1479, wo ein
Nürnberger zu Feldkirch Waren von Landsleuten aufgreifen und nach
Werdenberg auf die Burg des Grafen Wilhelm von Montfort bringen
liefs. Die Güter gehörten vor allem Michel und Stephan Lochner und
Hans Roth von Nürnberg*. Aus politischer Feindschaft der Churer gegen
die Lombarden wurden 1482 acht Ballen mit flandrischen Tuchen, die
ein Genuese von Brügge an zwei Mailänder sandte, in Mayenfeld be-
schlagnahmt. Genua forderte das Gut als Eigentum eines Genuesen
zurück *.
Überblicken wir diese Nachrichten, so wird man zugeben müssen,
dafs abgesehen von Kriegszeiten, die Bündner Pässe und ihre nächsten
Fortsetzungen ziemlich sicher waren. Die Bewohner der Pafszugänge
hatten das gröfste Interesse an der Aufrechterhaltung eines sicheren Ver-
kehres, da ja die Beförderung der Waren ihnen grofse Einkünfte
sicherte. Dadurch, dafs sie die leitenden Faktoren der Bünde waren,
sicherten sie nicht allein den Verkehr in ihrem Gebiete, sondern auch
darüber hinaus. In den Tagen, in denen die harten Gegensätze in der
' Der Sühnebrief Krüger, Reg. 1150.
* Anzeiger f. Schweiz. Gesch. 7, 290.
^ Schiedsspruch vom 19. Dez. 1453. Ratischc Urkunden 394 ff. Die Kauf-
leute waren Paulus Hoffmann, der dem Markgrafen von Brandenburg gehörte.
Andres de Pusti, dem Herrn von Mailand gehörig, Martin Nithart, dem deutschen
Haus in Nürnberg gehörig, Hainrich Ruch von Nürnberg und Martin Suren von
Nördlingen.
* Roth 1, 247.
ß Der Genuese war Gio. Benedetto di Moneglia, die Mailänder Gcrvasio e
Protasio de' Busti. Atti della societd ligure di storia patria 7, 451.
Die Fortsetzungen der Pässe bis zum Bodensec. 385
Wildheit, die die Geschichte Rhätiens öfter zeigt, aufeinander platzten,
war freilich der Verkehr auch im fünfzehnten Jahrhundert unterbrochen*.
Die Pässe Graubündens haben nacheinander ihre Glanzzeiten gehabt.
Der Rückgang des Septimerverkehrs gegenüber dem Gotthard führte
zu seinem Verfall, die bisher ganz vernachlässigten Pässe: Splügen und
Lukmanier traten mehr hervor. Der Bischof von Chur erreichte 1359 von
Karl IV. ein Verbot aller andern Wege aufser dem Septimer. In den
Kriegswirren von 1386 versuchte Mailand den St. Bernhardin zu er-
schliefsen, sie erfuhren, dafs sich die von Castelmur dazu entschliefsen
würden, über den Septimer eine Strafse zu bauen, was in der That aus-
geführt wurde. Ein allgemeiner Vertrag der Geleitsherren, wohl vom
Bodensee an, sicherte den Verkehr. Gleichwohl brachten die Konstanzer
1390 den Lukmanier in Vorschlag, der stets einem Lokalverkehr gedient
und 1374 auch ein Hospiz nahe der Pafshöhe erhalten hatte. Das mufs
nun längere Zeit der beste Weg gewesen sein; denn ihn wählte zweimal
Kaiser Sigmund. Die Konkurrenz des Splügen machte sich aber bereits
bedeutend fühlbar, obwohl die Via mala noch im übelsten Zustande war.
Dafs es hier keine Zölle und teuren Transporteinrichtungen gab, zog die
Kaufleute an. Vergebens suchten die Interessenten am Septimer diese
Konkurrenz zu bekämpfen, 1473 wurde die Via mala gebaut, und es
bildeten sich nun auch hier Transportgenossenschaften. Neues Leben
scheinen die Transportordnungen von 1498 und 99 dem Septimer ge-
bracht zu haben, dessen natürliche Vorzüge ihn noch nicht antiquieren
liefsen.
An der Ausgestaltung des Verkehrslebens haben Anteil die kühnen
Männer von Vicosoprano und Thusis, die Wegebauten von niemals bis
dahin erreichter Kühnheit schufen, Anteil hatten die Geleitsherren doch
fast mehr durch die Einrichtung von Zöllen und Abgaben, als durch die
Errichtung von Zufluchten, Anteil endlich die beiden Städte Mailand
und Konstanz, beziehungsweise ihre Kaufmannschaft. Es ist ein weclisel-
voUes Bild, das sich so ergiebt, der Grundzug ist der Mangel staatlicher
Fürsorge, den private oder korporative Initiative ausfüllen mufste.
Ein sehr anziehendes Bild des Lebens auf der Septimerstrafse giebt
uns der Reisebericht der venetianischen Gesandten von 1492 ^. Sie kamen
von Konstanz, in Lindau weilten sie in dem noch heute kaum in seiner
Gestalt veränderten Gasthof zur Krone. Von dort ritten sie bis Feld-
^ Doch auch dann wurden wohl Geleitsbriefe ausgestellt, so 1499 vom Stift
Chur für Dietrich Bawurt von Nürnberg. Jecklin, Die Kanzlciakten d. Regent-
schaft. Chur 1899. S. 11.
2 Ich kann nur das auf die Etappen und Wege Bezügliche anführen. Vgl. den
deutschen Auszug von Simons feld, der diesen Bericht aufgefunden hat, in Zeit-
schrift f. Kulturgesch. 4. Folge 2, 272 ff.
Sehalte, Gesch. d. mittelalt erl. Handels. I. 25
386 Vierunddreifsigstcs Kapitel.
kirch, dessen Umgebung von ihnen mit Recht gepriesen wird, wie ihnen
auch das Städtlein ausnehmend gut gefiel. Mayenfeld, das nächste Nacht-
quartier, kam ihnen dagegen recht öde vor, von der Luziensteige ist
keine Rede. Am folgenden Tage machten die Gesandten dem Bischöfe
von Chur ihre Reverenz, der ihnen eine von ihm eben erlegte Gemse
verehrte. Mit zwei Führern versehen, kamen sie am Nachmittage des
folgenden Tages nach Parpan, wo sie zur Nacht, ohne dafs es einen Gast-
hof gab, blieben. Am 13. September fanden sie hier zu ihrem grofsen
Erstaunen Veilchen. Am folgenden Tage speisten sie beim Kuratus zu
Tinzen Mittag, alles in der Gegend spreche italienisch und deutsch —
entweder beweist das, wie stark die romanische Bevölkerung mit dem
Verkehre auf der Strafse verwachsen war oder die Venetianer hielten
das Ladinische der Leute für deutsch. Am Abend kamen sie nach Bivio,
die Leute sprachen auch italienisch, „obwohl ihre Sprache eigentlich die
deutsche" ist. Nach einem Nachtlager im „Sternen" passierten sie am
14. den Septimer, beim Herabsteigen führten sie die Pferde an der Hand,
nur einer von ihnen blieb auf seinem Maultier sitzen. Am Abend kamen
die Leute nach Vicosoprano, auch hier meinten sie, die Leute sprächen
deutsch, zugleich aber auch italienisch. Mit einem Gott Dank über-
schritten sie den Luver und kamen am Abend nach Chiavenna. Das
nächste Quartier war Sorico, nachdem sie schon von Castel di Mezzola
an das Schiff benutzt hatten. Für die ganze Strecke von Lindau bis
Como brauchten die Venetianer also neun Tage, von Como bis Mailand
nur einen Tag.
Der Verkehr fremder Kaufleute, denen zehn bischöfliche Tabernen
dienten^, war in Chur so grofs geworden, dafs sich hier in Anlehnung
an das Predigerkloster 1483 eine Brüderschaft der Kaufleute aus den
verschiedenen Teilen der Welt bildete 2.. Abgesehen von der Stiftungs-
urkunde ist mir kein w^eiteres Dokument bekannt geworden, namentlich
blieb die Nachforschung nach dem liher vitae, in dem die Namen der
Mitglieder eingetragen waren, erfolglos.
Über die Verkehrsstärke Angaben zu machen, fehlt es für die älteren
Zeiten an allen Hilfsmitteln. Die Archivalien von Lindau und Chur
sind leider sehr schlecht erhalten, und specifisch Kaufmännisches fehlt
darin völlig.
Der Einblick, den das Numera- und Brief büchlein der Nürnberger-
Mailänder Firma Koler, Krefs & Saronno liefern, beweist aber für den
Anfang des sechzehnten Jahrhunderts eine enorme Höhe des Verkehrs.
Die Firma betrieb nur Handel an den Orten Nürnberg, Mailand und auf
* Muoth 176. Sehr interessant für die Geschichte des Gasthofs wesens.
3 Urkunden Nr. 286.
Die Fortsetzungen der Pässe bis zum Bodensee. 387
der Messe zu Crema, erhalten ist uns das Numerabüchlein , in das alle
Warensendungen in der Richtung von Nürnberg nach Mailand für die
Zeit vom I.Januar 1507 bis März 1511 eingetragen sind. Es wurden in
dieser Zeit im ganzen 269 Ballen bez. Fässer nach Mailand geschickt,
mitunter waren die Sendungen sehr grofs, bis zu 35 Stück, die auf ein-
mal befördert wurden, kleinere als vier Stück sind sehr selten.
Das Brief büchlein giebt auch über den Weg, den die Briefe und
unzweifelhaft auch die Waren nahmen, Auskunft. Der Weg über Venedig
ist öfters im Jahre 1507 gebraucht, später aber fast niemals mehr. Dafs
sonst die Bündner Pässe gewählt wurden, beweisen die Korrespondenten,
niemand wird, abgesehen von Gliedern der Gesellschaft, so viel mit
Briefen bedacht als der Gredmeister von Lindau (1510 heifst er Marti
Gogell), doch gehen auch sonst viele Briefe nach Lindau an Jeronimus
Oller, Clement Porter, Hans Fladung und Balthasar Haslach, in Feld-
kirch sind Korrespondenten: das Haslach, der auch nach Nürnberg
kommt, und Caspar Landescher. Daneben erscheinen auch vereinzelt
die Spechler von Fussach, Veit Metzger von Biberach. Die Wirte, bei
denen die Gesellschafter in Chiavenna zu wohnen pflegten, waren Johanne,
Pedro und Francesco Pestalazzo. Jörg Krefs reiste 1508 nach Mailand
über Chur, er ging zwischen dem 5. und 10. Januar 1509 über die Alpen.
Dafs aber der Septjmer, nicht der Splügen benutzt wurde, beweist, dafs
eines Tages von Herrn Thomas, Pfarrer zu Tintze[n] , ein Brief eintraf.
Das Briefbüchlein giebt über die Transporteure der Briefe jedesmal
Auskunft, und da sehen wir nun, was alles zwischen Nürnberg und Mai-
land hin und her ging : zahlreiche Nürnberger : die Imhof, Holzschuher,
Rummel u. s, w. , sie besorgen die meisten Briefe; daneben auch Boten
von St. Gallen, ein Ulrich Aman von Chur, Knechte und Fuhrleute von
Lindau, Biberach und Buchhorn, dann aber auch italienische Kaufleute,
vor allem die beiden Florentiner Jacobe Bethono und Raphaele Turegano,
der auch in Leipzig handelte und viel auf der Wanderschaft war, auch
andere von Florenz, Genua u. s. w. Aus alledem geht hervor, dafs auf
der Septimerstrafse sehr viel Leben war.
Auch über die Transportdauer giebt uns das Brief büchlein Auskunft;
es ist zwar nur das Datum des Briefes angegeben und nicht der Abgang
des Briefboten u. s. w., aber bei manchen Sendungen ist der Brief wohl
sofort abgegangen. Rechnen wir den Tag des Datums und der Ankunft
mit ein, so ergiebt sich bei 75 Briefen, die in dieser Zeit von Mailand
nach Nürnberg gingen, dafs in zehn Tagen einer den Weg zurücklegte,
in 11:1, 12:5, 13:6, 14:10, 15:14, 16:4, 17:2 u. s. w. Der Brief,
der nur zehn Tage brauchte, kam noch dazu im Winter über die Alpen.
Die schnellsten Botenleistungen, die ich fand, sind zwölf Tage, und ein von
den nach Mailand handelnden Nürnberger Kaiifleuten abgesandter Bote
25*
/ ■•
388 Ffinfunddreifsigstes Kapitel.
brauchte für Hin- und Rückweg nur 27 Tage. Nach allem machte eine
Nachricht unter normalen Umständen mit Sicherheit diesen weiten Weg
in fünfzehn Tagen. Ja es kam vor, dafs ein Reisender mit >ligainra^<,
also Gepäck, den Weg in sechzehn Tagen durchmafs. Die Briefe über
Venedig brauchten selir viel mehr Zeit, es waren wohl Gelegenheiten,
die benutzt wurden. So wurde nur einmal ein Brief in neunzehn Tagen
befördert. Für die gröfseren Sendungen fehlen leider Angaben über die
Dauer des Transportes. Auch für sie gilt wie für die Briefe die Bcob-
, achtung, dafs die Jahreszeiten keinen Unterschied machten, der Septimer
wurde also auch in der strengsten Jahreszeit frequentiert.
Fünfunddreifsigstes Kapitel.
Die Fortsetzungen nördlich des Bodeusees.
Wege nach Augsburg und Ulm, von dort niich Frankfurt. Wege t'on Konstanz
aus. Der zum Kinzigthal. Bau der Strafse über den Höhlest Graben, der „alte Weg**
im JSölltnthal. Einrichtung und Geschichte beider, GeleitsgeseUschaft von 1302, Bruch
der Burg Falkenstcin.
Der Raub von Hohcnstoffeln. Mailändische Gesandtschaft, Sidierung der Italiener
durch Geleitsbriefe t'Oti 1424, Luzerner Überfall auf dem Bodensee,
Florenz und der Landiceg. Gründe für ihn, Gesandtschaft nach Konstanz 1409,
Geleitsbrief,
Am Bodensee gabelten sich die Wege der von Italien Heimkehrenden.
Die deutschen Kaufleute von Nürnberg und Ulm berührten natürlich nur
Lindau oder Buchhorn (Friedrichshafen), und das waren auch die Häfen,
in denen die Italiener sich ausschifften, die nach diesen Städten wollten.
Das Nordufer des Bodensees zwischen Buchhorn und Lindau ist so
flach, dafs nach Oberschwaben hinein in das Gebiet der vielen kleinen
Reichsstädte mehrere Strafsen möglich waren. Es fehlt bis heute auch
eine Untersuchung über die von den Kaufleuten benutzten Wege, doch
gehe ich wohl nicht irre, wenn ich für die Ulmer die Strafse Tettnang,
Ravensburg^ Waldsee, Biberach, Laupheim als den benutzten Weg an-
nehme, und ebenso für die Augsburger Wangen, Leutkirch, Memmingen,
Mindelheim. Da hier keine Gesellschaften der Geleitsherren bestanden
haben, ist erst das Material einzeln zu sammeln. Für den Anfang des
sechzehnten Jahrhunderts giebt ()rtcl als Stationen des regelmäfsigen
Weges von Ulm nach Genf die folgenden Ortschaften an: Friedrichs-
hafen (Buchhorn), Ravensburg, Weingarten, Waldsee, Essendorf, Biberach,
Baltringen, (über Laupheim nach) Stetten, Ulm ^ Die Fortsetzung nach
Nördlingen ging nach Örtel nicht über Heidenheim und Neresheim,
sondern umging diese beiden Orte südlich. Als Stationen führt er an
' Mit teil, aufl d. gcrm. Nationalmuseum Jahrgang 1896 S. 28.
* *
^
••• . .
Die Fortsetzungen nördlich des Bodensees. 389
Langenau, Giengen, Ballmertshofen und Kösingen. Für die Strecke Nord-
lingen-Nürnberg sind angegeben Ottingen, Westheim, Ostheim, Gnotzheim,
Gunzenhausen, Wasserraungnau und Schwabach ^.
Nürnberg, Augsburg und Ulm waren die wichtigsten Handelsplätze,
welche Italiener aufsuchten. Ihre Verbindungen mit Frankfurt sind
damals wichtige Strafsen gewesen, und über sie möchte ich in aller Kürze
ein paar Sätze einfügen.
Aus der Zeit von 1353 — 71 stammt ein Geleitsbrief, den die Augs-
burger von einer Reihe von Herren erhielten. Die Strafse führt um die
Nordostecke des Königreichs Württemberg herum und ist heute völlig
von allem Verkehre entblöfst. In öttingischem Gebiete ging der Weg
von Donauwörth an den Reichsstädten Horburg, Nördlingen, Dinkelsbühl
vorbei auf Feuchtwangen. Im bischöflich würzburgischen Gebiet werden
Wörnitz und Ostheim genannt, zwischen denen die Wasserscheide der
Frankenhöhe liegt. Es folgen die in hohenlohischem Gebiete gelegenen
Orte Gebsattel und Reichardtsroth , zwischen denen die Reichsstadt
Rothenburg liegt. Es folgt das breuneggische Aub und das hohenlohische
Gelchsheim. Die Richtung der Strafse biegt nun stark nach Westen ab.
Rineckisches Gebiet führt über Simmringen und Grünsfeld. Die weitere
Strecke ist in mainzischem Gebiete und geht von Tauberbischofsheim,
Külsheim, bei Miltenberg an den Main, dort erfolgt eine Teilung: der
Weg nach Mainz berührt Obernburg, Babenhausen und Langen, während
der nach Worms von Miltenberg aus bei Gernsheim den Rhein erreicht*.
Die älteste mir bekannte Nachricht über diese Handelsstrafse ist eine
Urkunde Ludwigs des Bayern von 1340, worin er der Stadt Rothenburg
gestattet, die Handelsstrafse zwischen Augsburg und W^ürzburg-Frankfurt i
durch ihre Stadt zu legen®. *
Alter war der augsburgische Weg zum Neckarthaie, und dafür liefsen
sich die Augsburger Geleitsbriefe geben , welche zugleich auch für alle
Kauf leute galten, Ihre Reihe beginnt mit 1322*.
* Die Route ülm-Nurnberg habe ich in die Übersichtskarte nicht eingetragen.
Da Ortel jedoch sie als Kaufmannsron te genau bezeichnet, schwinden meine Zweifel;
denn es wurden sonst auch andere Wege benutzt.
2 Augsburger Stadtarchiv. Kopialbuch 105 lA Nr. 198.
« Böhmer, Reg. Nr. 2085.
* Geleitsbrief der Markgrafen von Baden, Grafen von Württemberg, Helfen-
stein und Vaihingen. Augsb. Urkb. 1, 228 f. (Efsl. Urkb. 1, 243 Nr. 505), dann
württemb.-helfensteinscher Geleitsbrief von 1349, auch für den Weg über Aalen
(A u g 8 b. U r k b. 2, 26). Auf diesen letzteren bezieht sich ausschliefslich der öttingensch'e
Geleitsbrief von 1349 (ebda. 2, 33 f), wie der helfensteinsche von 1351 auf die Ge-
leite von Dilliiigen und Ulm her (ebda. 2,39). Zu den Urkunden kommt jetzt auch
die Zollherabsetzunfj seitens der Grafen von Helfenstein und Württemberg von 1272,
welche sich also auf den Weg über Geislingen bezieht. Württemb. Urkb. 7 Nr. 2293.
(,
390 Füiifiiuddreifsigstes Kapitel.
Wenn nicht der vorhin angegebene Weg bis Nördlingen benutzt und
dann der Weg über Aalen, Gmünd nach Cannstadt genommen wurde,
kam auch für die Augsburger die Ulmerstrafse in Betracht, die noch
heute eine der lebhaftesten Deutschlands ist: Geislingen, Göppingen, Efs-
lingen, Cannstadt. Von dort sind verschiedene Wege benutzt worden.
Es kann hier nicht näher darauf eingegangen werden ^ Ich möchte jedoch
hervorheben, dafs diejenigen, welche möglichst lange den Rhein benutzen
wollten, über Schwieberdingen, Vaihingen, Schmie, Maulbronn, Bretten,
Bruchsal nach Rheinhausen gingen, wo die Fähre sie über den Rhein
nach Speier brachte*.
Diese beiden Routen von Ulm und Augsburg nach dem Mittelrhein
. sind übrigens weit mehr als die Fortsetzungen des Fernpasses und des
Brenners anzusehen, als der schweizerischen Pässe ^. Die Pilger zogen
von Ulm über Gerlenhofen, Illertissen, Memmingen, Kempten, Nessel-
wang, Pfronten, Vils, Reutte, Pafs Ehrenberg, Leernioos zum Fernpafs*
und von da entweder über den Brenner oder durch das Vintschgau nach
Venedig. Und denselben Weg schlugen auch die Kauf leute ein ; war
doch der Ritter von Harff in der Gesellschaft zweier Kölner Geschäfts-
leute, die nach Venedig zogen.
Der gröfste Teil des italienischen Verkehrs war ein Durchgangs-
verkehr, und insofern Flandern das Ziel war, mufste der Rhein über-
schritten werden. Es gab nun die Möglichkeit, vom Bodensee aus süd-
lich den Schwarzwald oder ihn nördlich zu umgehen. In letzterem Falle
kam der Weg über Ulm in Frage, Für die südliche Umgehung ergab
sich die Richtung über Schaffhausen, Waldshut. Den Konstanzem, die
r sich für den Verkehr der Italiener sehr interessierten, konnte weder jener.
^ Meiu in Karlsruhe und Stuttgart gesammeltes Material über diese verwickelten
Ausmündungen des Kraichgaus und Bruhrains reicht doch nicht aus, um hier volle
Klarheit zu schaffen.
^ Diese Orte mit Ausnahme von Maulbronn nennt der Pilger Arnold v. Harff.
Die Pilgerfahrt des Ritters A. v. Harff, herausgeg. von Groote, Köln 1860 S. 5,
und dieselbe Route giebt auch der Mainzer Domdechant von Breitenbach bei
Röhricht u. Meisner, Deutsche Pilgerreisen nach dem hl. Lande 125 an. Ebenso
passen der Wegweiser des Johann v. Zeibbeke 1499 und des Georg Languerrand
1486 auf diese Route. Anzeiger f. Kunde der teutschen Vorzeit 4, 275 f.
* Übrigens benutzten auch Konstanzer Kaufleute auf dem Wege zur Frank-
furter Messe den Weg durch das Neckarthal. So wurden 1428 Leute von ihnen,
wie von Augsburg, Ulm und anderen schwäbischen Städten von Konrad von Weins-
berg in Sinsheim angehalten. Die Kauf leute dachten daran, nun die Frankfurter
Messe zu boycotten, um den Adel zu beugen. Ruppert, Chroniken 133. Alt-
mann 7364 f., 7582 und andere Quellen. Chroniken d. deutsch. Städte 22, 70 u. 481.
Geleitsbrief von 1425, Schriften d. Ver. f Bodensee 5, 59.
* V. Harff S. 3. Breitenbach S. 126. Fabri, Evagatorium. Bibl. d. litter.
Vereins 2, 66 ff. und 4, 461 ff. und viele andere Quellen.
Die Fortsetzungen nördlich des Bodensees. 391
noch dieser Weg passen. Jener berührte ihre Stadt überhaupt nicht, und
dieser war ein Umweg im Vergleich zu den direkten Verbindungen, die
zwischen Chur und Basel möglich waren. Nach Konstanz konnte der
italienische Verkehr nur gezogen werden, wenn die Verbindung durch
den Schwarzwald selbst hergestellt wurde.
Eine kunstgemäfs ausgebaute „Strafse" , welche den Kamm des
Schwarzwaldes in der Richtung des Zuges der Schwarzwaldbahn, also
zwischen Villingen und Hornberg überwand, hat es im Mittelalter nicht
gegeben. Gleichwohl wurde der Weg benutzt. Schon 1298 zog der Abt
von St, Gallen dem Könige Adolf in das Kinzigthal zu*, und es ist sehr
wahrscheinlich, dafs der König selbst von Ulm aus diesen Weg nahm,
um sich seinem Rivalen Albrecht am Rhein vorzulegen ^ Auf Benutzung
durch Kaufleute deuten die Briefe, welche Nürnberg und Strafsburg 1384
wechselten, um die Veste Hornberg mit einem Hause zu bezimmern. Wie
kämen diese beiden so weit entlegenen Städte darauf, wenn sie nicht den
Verkehr hätten schützen wollen? Von Hornberg aus trennten sich die
beiden Wege, welche wir später als „Frankfurter Strafsen" bezeichnet
finden^. Die venetianischen Gesandten von 1492 schlugen, als sie von
Strafsburg schnell nach Konstanz gelangen wollten, diese Richtung ein.
Ihre Stationen waren Offenburg (Mittag), Haslach (Nacht), Hornberg
(Mittag), Villingen (Nacht), Geisingen (M.) und Engen (N.), Radolfzell
(M.) und Konstanz. Bei Villingen notierten sie : „auf dem Wege hierher
fanden sich viele Höhen und Wälder und sehr schlechte Wege" — und
doch war es der 3. September^. Denselben Zug giebt ein Wallfahrts-
büchlein, das sich auf der Strafsburger Stadtbibliothek befand, an*.
So viel wir sehen können, haben die Konstanzer an dem Bau der
ersten Kunststrafse des Schwarz waldes keinen Anteil gehabt, aber sie
haben dieselbe den Italienern empfohlen, und diese haben von ihr längere
Zeit hindurch Gebrauch gemacht.
Der Bau dieser Kunststrafse geht auf die beiden Städte zurück,
welche den Handel hüben und drüben des südlichen Schwarzwaldes zu
beherrschen suchten, auf die zähringischen Gründungen Villingen und
Freiburg*. Es war im Jahre 1310, als zwischen den beiden Städten
Freiburg und Villingen, das offenbar die Anregung gegeben hat, der Bau
* Vgl. Busson, Wiener Sitzungsberichte Bd. 117 S. 53.
* Der eine östliche Weg ging von Hornberg über Reichenbach, die Benzebene,
Krummen Schiltach, den Schoren, Mönchweiler nach Villingen, der andere berührte
Niederwasser, Nufsbach, St. Georgen und Stockburg. Mitteil, von Prof. Dr. Roder
in Überlingen.
' Simonsfeld, Reisebericht S. 270 f.
* Archiv f. Post u. Telegr. 14, 428.
^ Vgl. Roder, Die Verkehrswege zwischen Villingen und dem Breisgau.
392 Fünfunddreifsigstes Kapitel.
dieser Strafse verhandelt wurde und auch mit dem Landesherrn Villingens,
dem Grafen Egon von Fürstenberg wurde alles geregelt. Noch war es
zweifelhaft, welcher Strafsenzug gewählt werden sollet Die südlichere
Linie, nicht die über Vöhrenbach, wurde gebaut, und zwar ging der
Weg über Herzogenweiler auf Bregenbach zu, hier schon ganz in den
unermefslichen Wäldern, welche den östlichen Hang des Schwarzwaldes
bedecken. Am Wege erstand bald als Sperre die Burg Neufürstenberg.
Durch das Thal Urach wurde dann die Höhe des Hohlen Graben ge-
wonnen, eine Stelle, die in der Kriegsgeschichte namentlich des siebzehnten
und achtzehnten Jahrhunderts eine aufserordentlich grofse Rolle spielt.
Es war der für das Militär wichtigste Pafs. Vom Hohlen Graben hätte
es am nächsten gelegen, durch das Wildgutachthal das Simonswälder- und
Elzthal, somit Waldkirch zu gewinnen. Allein dann wäre der Verkehr
eben von Freiburg abgelenkt worden, und das zu verhindern, war die
Stadt äufserst bemüht: sie brachte 1316 den kurzsichtigen Freiherrn
von Schwarzenberg zu der Verpflichtung, dafs durcli das Simonswälder-
thal nie eine Strafse gebaut werden dürfe-. Die neue Strafse hielt sich
also bis St. Märgen auf der Hochfläche. Bei diesem Kloster behielt sie
nun nicht die natürliche Richtung bei, die durch das Glotterthal auf
Denzlingen führte, sondern abermals Freiburg zuliebe, lenkte sie zur
Linken und führte durch das „ Wagens teigthal" ^ unterhalb der Burg
Wisneck vorbei in das breite fruchtbare „Himmelreich" am oberen Ende
des Dreisamthals und von dort nach Freiburg.
Der Zolltarif von 1310 erwähnt ebensowenig wie der von 1381* den
Durchpafs von italienischen Waren, er begünstigt natürlich die Erbauer
der Strafse Villingen und der von 1381 auch Freiburg. Italiener kann
ich in dieser Zeit auf dem Wege nicht nachweisen, aber wie wenig wissen
wir überhaupt von dem, was auf den mittelalterlichen Strafsen vorging!
Die neue Strafse konnte den älteren Weg nicht völlig niederlegen.
1302 hatten Konstanz und drei mit ihnen verbundene Städte von dem
Grafen Egen von Freiburg und seinem Vetter Heinrich von Fürstenberg
erreicht, dafs beide sich bereit erklärten, für diese Strafse einen (leider
nicht erhaltenen) Geleitsbrief zu besiegeln*, ja der alte leerte sie sogar
wieder. Dieser Weg führte von der südlichen Baar über Löffingen und
Neustadt, zwei Städtegründungen des dreizehnten Jahrhunderts nach der
» Fürstenb. Urkb. 2 Nr. 51. Roder 510 f.
2 Roder S. 521.
8 Der Name hiefs ursprünglich »Wagcnatat* , so schon 1125. St. Galler
Urkb. 3, 1125.
* Fürstenb. Urkb. 2 Nr. 496.
'^ Zeitschr. Gesch. Obcrrh. 4, 57 u. 4,55. Die Datierung ist immerhin un-
sicher. Triflft sie zu, so kann es sich nur um den alten Weg handeln.
Die Fortsetzungen nördlich des Bodensees. 393
Wasserscheide des „Altenweg" ^ am Titisee und trat dann in das wegen
seiner Schönheit weltbekannte Höllenthal. Wer dieses Thal einmal nach
Hochwasserverwtistungen gesehen hat, weifs, wie übel der dort liegende
Weg im Mittelalter sein mufste^. Beherrscht wurde die Strafse durch
die Burg der Ritter von Falkenstein fast am Ausgange zum Himmelreich.
Von da ab war der Weg mit dem von der Wagensteige kommenden
vereint. Der Zoll, den die Grafen von Fürstenberg auf dieser Strafse
erhoben, lag in Neustadt.
Die Strafse über den Hohlen Graben wurde Ende der siebziger Jahre
des vierzehnten Jahrhunderts erneut, nachdem beide Städte ihre Herren
gewechselt hatten, Villingen hatte sich den Grafen von Fürstenberg,
Freiburg deren Vettern, den Grafen von Freiburg, entzogen und sich
der österreichischen Herrschaft unterworfen. Beide Städte fanden auch
in ihren Strafseninteressen Förderung durch die österreichischen Herzöge.
Leopold HI. liefs sich um 1379 von König Wenzel mit der Strafse be-
lehnen^, und zwischen den beiden Städten wurde 1379 nun abgemacht,
dafs sie auf immer die Strafse unterhalten und alle Abwege abschneiden
wollten*. Daran haben die Städte mehr als 200 Jahre festgehalten.
Auch mit Graf Heinrich von Fürstenberg wurde alles geregelt^. Der
Zoll von Urach, der den Grafen von Fürstenberg gehörte, wurde zwei
Jahre später neu reguliert, und es wurde der Tarif nun ganz bedeutend,
mitunter um das Sechs-, ja das Achtfache herabgesetzt®. Die Ermäfsigung
für die Villinger wurde auch auf die Freiburger ausgedehnt.
Daneben blieb auch die Strafse von Neustadt bestehen, die auch von
Villingen noch benutzt wurde''; um sie sicherer zu machen, wurde am
5. Dezember 1388 von den Freiburgern das Raubnest Falkenstein ge-
brochen. Ihre Nähe mufste auch die Wagensteige beunruhigen.
So war eine Saumstrafse durch das Höllenthal den Italienern offen —
der Verkehr über dieselbe wurde 1381 ausdrücklich offen gelassen — ,
weiter, aber viel bequemer und sicherer war die Strafse über den Hohlen
Graben, auf der nach dem Vertrage von 1381 zwei Wagen aneinander
vorbei fahren konnten. Auf ihr dürften die Italiener gezogen sein, die
uns aus den Verhandlungen mit Konstanz nun bekannt werden, doch
* Nach Krieger, Typogr. Wörterbuch v. Baden erscheint dieser Name
zuerst 1316.
•-* Vgl. auch Bär, Chronik 217 f.
3 Roder 515.
* Fürstenb. Urkb. 6 Nr. 78, 1. Roder 515.
^ Regest Fürstenb. Urkb. 6 Nr. 78 und genauer Roder 515.
« Fürstenb. Urkb. 2 Nr. 496. Abdruck (falsch zu 1380) bei Schreiber 2, 25.
■^ Roder 514 zeigt, dafs die Zollsätze, die 1840 die Villinger für Neustadt an-
erkannten, wesentlich höher waren als die auf dem neuen Wege von 1310. Dieser
Weg mufs also von ihnen nicht mehr benutzt sein.
394 Fünfunddrcifsigstes Kapitel.
sah auch das Höllenthal Lombarden. Wernher von Falkenstein stand in
dem grofsen Städtekriege von 1388 auf Seiten der Herren, er hielt sich
nun für berechtigt, auch Bürger, die mit dem Städtebund nichts zu thuii
hatten, von der Burg, an der er übrigens nur einen kleinen Teil hatte, zu
berauben, er vergriff sich auch an Leuten aus Lamparten und Flandern ;
dem Boten Peters von Mailand nahm er über 70 fl. Wert, Georius von
Pala von Flandern 140 fl., Künigkin dem Lamparter ftlr 60 fl. Gold-
und Silberfeden. Ein Knecht, der von Köln nach Como gesponnene
Goldfaden brachte, wurde gleichfalls beraubt, auch der Pilger schonte er
nicht. So waren acht Pilger: zwei aus Holland, zwei aus Flandern und
vier aus England beraubt. Schliefslich ging den Freiburgern die Geduld
aus, unerwartet zogen sie vor die Burg und zerstörten sie (1388) ^ Die
Wege über Triberg und Schramberg zum Kinzigthale haben, so viel ich
sehen kann, einem grofsen internationalen Verkehre nicht gedient Diese
Waren berührten auf dem Wege von Konstanz nach Strafsburg wohl fast
stets Freiburg und zumeist auch Villingen.
Der Zustand, wie er 1388 eingerichtet war, wurde 1429, soweit
Rechte der Grafen von Fürstenberg in Frage kamen, nochmals von der
Stadt Villingen beurkundet^. Ein anderer Raubritter brachte die Mai-
länder noch weit mehr auf, als der Falkensteiner. Es war der Junker von
Stoffeln, der dicht bei Radolfzell Waren — 46 Ballen und zwei Packe -r-
englischer Wolle und aufserdem ein Fardel wegnahm, die Mailänder und
Comasker Kaufleuten gehörten. Der Fall ist für uns von grofser Be-
deutung, weil wir aus dem Briefwechsel nun ersehen, dafs die Konstanzer
und auch einige der Geleitsherren den Mailändern schriftliche Zu-
sicherungen gemacht hatten.
Die That war innerhalb des Geleites® des Grafen von Nellenburg
wohl dicht bei der Burg Hohenstoffeln, die auf einem der Porphyrkegel
des Hegaus sich erhob, geschehen. Der Thäter, ein Glied der Familie
von Stoffeln, die 1356 auch die Mörder des Bischofs Johann Windlock
von Konstanz gestellt hatte*, deckte sich gerade wie der Falkensteiner
durch das Recht der Fehde, er erklärte sich fl\r einen Diener des Grafen
Eberhards des Greiners von Württenlberg. Der von Stoffeln hatte aber
noch weniger Recht; war doch durch den Egerer Landfrieden der Friede
zwischen den Herren und Städten wieder hergestellt. Er erklärte, er
halte das Gut für Gut des Bundes von Konstanz, also wohl des Bundes
der Städte am See. Der Graf von Nellenburg hatte, wie aus dem
* Die Belege Schreiber, Urkunden buch von Freiburg 2, 59 — 83.
2 Fürstenb. Urkb. 3 Nr. 202 und 1 u. 2. Weitere Nachrichten über die
JStrafse bei Köder.
' £s wurde ein Geleitsgeld dafür erhoben. S. Urkunden Nr. 334.
* Ruppert, Chroniken S. 63.
Die Fortsetzungen nördlich des Bodensees. 395
ichreiben der Kaufraannschaft an den Grafen hervorgeht * den Italienern
ahriftliche Zusicherungen gemacht. Aber er war ebensowenig zu einem
nergischen Vorgehen bereit, wie die Stadt Konstanz.
Dürfen wir nach den einseitigen Mailänder Nachrichten urteilen, so
lefs es allerdings Konstanz an aller Energie fehlen. Dem auf Hohen-
toflfeln war freilich schwerer beizukommen als den Leuten auf Falken-
tein. Die Konstanzer verweigerten den Eid, dafs das Gut nicht ihrem
iunde gehöre, einem Feinde wollten sie keinen Eid leisten. Alle Briefe
jiovan Galeazzo Viscontis * fruchteten so wenig, dafs schliefslich den Mai-
ändern die Geduld ausging.
Während des Krieges zwischen den Eidgenossen und den Öster-
•eichern war der St. Gotthard für sie gesperrt gewesen, sie hatten sich
luf die 3ündner Pässe, auf Konstanz und die Schwarzwaldstrafse ein-
gerichtet. Seitdem aber im April 1389 wenigstens ein Friede auf sieben
Jahre geschlossen war, konnte der Gotthard wieder benutzt werden.
Die natürlichen Vorzüge des Gotthards machten sich geltend, und Kon-
stanz konnte sein Strafsensystem nur behaupten, wenn es sich energisch
der italienischen Freunde annahm. Sollte das nicht der Fall sein, so
sollten die Gesandten, die Mailand jetzt, nachdem durch Korrespondenz
nichts erreicht war, abschickte, Konstanz verlassen und mit den Eid-
genossen abschliefsen.
Die Instruktion derselben ißt uns erhalten®. Zuerst sollten die Ge-
sandten den Versuch machen, in Konstanz Ersatz für den erlittenen
Schaden zu erhalten und ferner für die Zukunft eine bindende Zusicherung
für die Sicherheit des Weges. Die weiteren Paragraphen beweisen, dafs
bei den Mailändern weder die Hoffnung, das von Konstanz zu erhalten,
noch der Wunsch danach sehr grofs war. Für die Gotthardlinie sind eine
Menge von Punkten angegeben, die geregelt werden sollten.
Am 23. Mai 1391 trafen von Luzem her die beiden Gesandten,
Komerius de Suane und Paginus de Alzate, in Konstanz ein^. Da der
Graf von Nellenburg auf einem Ritt nach Prag abwesend war, mufsten
die Gesandten bis zur Rückkehr warten, obwohl sie erklärten, sie wollten
Sicherheit von Konstanz, mit dem Grafen von Nellenburg wollten sie
nichts zu thun haben, auch wenn er ihnen hundert Briefe gäbe. Als er
^ Urkunden Nr. 28. Vom gleichen Tage Briefe an die Stadt Konstanz und
den von Stoffeln. Urkunden Nr. 29 u. 80.
2 An die Stadt und den Grafen von Neuenbürg vom 12. Dezember 1390. Ur-
kunden Nr. 31 u. 32.
' Urkunden Nr. 35. Undatiert.
* Vgl. ihren Bericht vom 4. Juni. Urkunden Nr. 36. Nach der Instruktion
war ein Franciscus de Alzate gefangen, wo ist nicht angegeben. Die Gesandten
sollten sich um seine Freilassung bemühen.
396 Fünfunddreifsigstes Kapitel.
zurückgekehrt war, wollte der Rat mit einem Boten die Mailänder zu
dem Nellenburger und dem Grafen Heinrich IV. von Fürstenberg schicken,
der bis dahin keinen Sicherheitsbrief und namentlich keinen in Verbin-
dung mit dem Nellenburger hatte geben wollen. Damit waren die Ge-
sandten aber keineswegs einverstanden; sie wollten mit ihnen durchaus
nicht verhandeln, das sei Sache der Konstanzer; wenn diese ihnen
Sicherheit gäben, seien sie es zufrieden. Der Rat trat erneut zusammen.
Er kam zu dem Schlüsse, den Mailändern gegenüber nicht die Garantie
für die Schäden zu übernehmen. Thäten sie das, so würde der Strafsen-
raub sich steigern, weil sie und nicht die Mailänder den Schaden hätten.
Mit dem Vorschlage, dafs Konstanz mit den beiden Geleitsherren ver-
handele und von ihnen Garantie für alle zukünftigen Schäden erwirke,
waren die Boten einverstanden, und die Konstanzer schickten aus ihrer
Mitte nun Gesandte an die beiden Herren des Hegaus und der Baar.
Die Mailänder hofften, dafs es gelingen werde, aber doch nicht, um an
diesem Wege immer festzuhalten. Sie waren insbesondere besorgt für
die im Augenblick in Strafsburg liegenden Ballen. Das Motiv ist nicht
ganz klar. Bei den Ballen seien keine starken Pferde, auf einem andern
Wege würden sie vielleicht zusammenbrechen, also müfsten sie über den
Schwarzwald.
Konstanz hatte sich also nicht zu jener generellen Garantie bereit
erklärt, nur auf dem See von Radolfzell bis Rheineck wollte die Stadt
Bürgschaft gegen die Räubereien übernehmen, nicht aber war sie bereit,
auch die Gefahren des Wassers zu tragen.
Was weiter erfolgt ist, wissen wir nicht. Die Quellen schweigen
darüber. Dafs zwei Mailänder Kaufleute sich 1392 vom Herzoge Leo-
pold von Österreich einen besonderen Pafs für den Transport von Strafs-
burg durch sein Gebiet erbaten, erklärt sich wohl durch die Masse der
Waren. Nicht weniger als 1000 Ballen Wolle und Tuche wollten sie in
verschiedenen Zügen fortbewegen^. Vierunddreifsig Jahre vergehen, bis
wieder ein Zeugnis über Verhandlungen zwischen Italien und Konstanz
sich findet, die bestimmt diese Strafse betrafen. Aber gewifs war sie
darum nicht völlig verlassen, zumal in den Tagen des Konzils. Dann
allerdings mufs es auf ihr still geworden sein; denn, nachdem die
Strafse: »eite wie vil jere uxfisie gelegen^, hatte die Stadt Konstanz im
Jahre 1424 mit den Grafen und Herren ihrer Nachbarschaft abgemacht,
dafs sie die Kaufleute und ihr Gut sicher geleiteten, damit die Strafse
* Urkunde vom 22. Juni 1392. Das Datum ist Freiburg, spricht schon das
für den Weg Freiburg-Ronstauz , so noch mehr, dafs der Brief in dem Konstanzer
Formelbuch erhalten ist. Z. Gesch. Oberrh. 4, 32 f. — Andere „Nahmen", welche
den Verkehr in Oberschwaben hinderten, übergehe ich. Ein Pappenheimer unterbrach
z. B. 1405 den Verkehr zwischen Köbi und Venedig. Pick, Monatsschrift 1, 114.
Die Fortsetzungen nördlich des Bodeusecs. 397
wieder aufgehe und geübt und gehalten werde. Dieses Mal hatten die
Grafen und Herren Briefe ausgestellt, die trotz eifriger Nachforschungen
aufzufinden mir nicht gelungen ist. Auch Strafsburg hatte sich an den
Verhandlungen beteiligt. Abermals war der Gotthardpafs für den Ver-
kehr gesperrt, eben waren bei Arbedo die Eidgenossen vom Grafen von
Carmagnola, dem Feldhauptmann Filippo Maria Viscontis aufs Haupt
geschlagen.
Auf dem See hatte Konstanz die Bürgschaft gegen Räubereien über-
nommen. Das führte zu ernsten Ungelegen h ei ten. Als 1425 ein Kauf-
mann von Mailand von Norden her nach Konstanz kam, und er dann
seine Waren zu Schiff See aufwärts gehen liefs, erfuhren die Konstanzer,
dafs einige von Luzern, wo die Bürger über ihre Niederlage gegen den
Herzog von Mailand aufs höchste aufgebracht waren, auf die Kaufleute
warteten ^ Es drohte eben ein Krieg der Eidgenossen gegen Mailand.
Auf die Warnung hin wurde das Schiff eingeholt, gewendet, und es ent-
kam so den Räubern. Luzern aber war unzufrieden , die Konstanzer
hätten die Güter aufserhalb ihrer Gerichte zurückgenommen, und da
hätten die von Luzern nach Kriegsrecht darauf Anspruch gehabt. Fünf-
zehn von Luzern kündigten den Konstanzern Fehde an, und erst nach
langer Verhandlung ward der Handel beigelegt. Behauptete Konstanz
sein Schutzrecht?
Auch für Florenz hatte Konstanz die Garantie für den Verkehr auf
dem See übernommen. Wie kam es, dafs die Stadt, die eben erst (1406)
mit Pisa den besten toskanischen Zugang zum Meere gewonnen hatte und
sich auch anschickte, die Verbindungen zur See auszunützen, sich nun
auf einmal wieder dem Landhandel, durch den es grofs geworden war,
zuwenden wollte?
Im Mai des Jahres 1409 war ein Schiff, die Nottona, die für Florenz
Wolle und Tücher im Werte von 130000, nach anderer Nachricht gar
von mehr als 200000 Goldgulden, Eigentum von Florentiner auch Ge-
nueser Händlern, an Bord hatte, von der Flotte des Königs von Neapel,
Ladislaus von Durazzo, die Elba weggenommen hatte, angehalten und
nach Gaöta verbracht, auch ein mit Getreide beladenes Schiff wurde
gekapert. Bei jener Wegnahme hatten sich auch Genueser Schiffe be-
teiligt, da diese Stadt Zoll verlangte-. Es war also eine Erneuerung
^ Die Korrespondenz mit Strafsburg und Luzern s. Urkunden Nr. 819—323
und Ruppert, Chroniken 124, jedoch zum Jahre 1423. Notiz im Ratsbucli ebda.
S. 892. Weitere Aktenstücke Samml. eidgen. Abschiede 2, 48 f. Nürnberg Kreis-
archiv Brief b. 7 Fol. 64.
- Nach den Lettere ad ambasciatori , der Chronik des Morel li S. 358, Ser-
cam bi (ed. Bor^i in Fonti per la storia d'Italia 21, 150) und den Annales Estenses
des Jakob de Delayto (Muratori SS. rer. Ital. 18, 1090). Auf einzelne dieser
Quellen hatte Morpurgo die Güte, mich aufmerksam zu machen,
398 Ffinfünddreifsigstes Kapitel.
des Falles von 1404, wo der französische Marschall Boucicault, der
Statthalter König Karls VI. in Genua, ein mit Wolle beladenes Schiff
der Florentiner im Werte von 200000 Goldgulden hatte wegnehmen
lassen. Damals war Pisa noch nicht in die Hände der Florentiner gefallen,
und der Marschall verbot ihnen die Benutzung des Hafens von Tela-
mone^ In dem Gefühle, trotz des Besitzes von Pisa gegen Neapel,
Genua und Frankreich nicht aufkommen zu können, da zugleich der
Landweg über Frankreich nach England verschlossen war, suchte Flo-
renz einen „Notausgang" und entschlofs sich, Gesandte nach Venedig
und Deutschland zur Sicherung dieses Weges zu entsenden. Piero Cam-
bini und ser Bartolomeo del Bambo Ciai sollten mit allen Herren und
Städten, die wichtige Strafsen beherrschten, verhandeln, sie sollten die
Abgaben möglichst herabdrücken und die Stadt nicht in irgend einem
Punkte binden 2. Die Gesandten, deren Relationen leider in Florenz,
wo ich sie eifrigst suchte, nicht mehr erhalten sind, kamen auch nach
Konstanz, und die Stadt bewilligte ihnen sicheres Geleite auf dem See
von Lindau bis Konstanz, eine besondere Herabsetzung der Abgaben
erreichten die beiden Florentiner nicht. Im übrigen wurden schon im
September 1409 die Franzosen aus Genua vertrieben.
Natürlich haben auch Venetianer Konstanz auf ihren Reisen be-
rührt^, doch war da wohl der Arlberg der Weg.
» Perrens 6, 136.
2 Instruktion vom 14. September 1409. Urkunden Nr. 275. Das Beglaubigungs-
schreiben an Konstanz vom 20. September und die Zusicherungen von Konstanz vom
11. Dezember Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins 4, 41. Letztere auch Ruppert,
Chroniken S. ^5. Eine andere Fassung, die gleichfalls aus dem Formelbuch des
Konstanzer Stadtschreibers Schultheifs herrührt, Urkunden Nr. 832. Dafs die
Handschrift zwei Formeln enthält, macht es immerhin zweifelhaft, ob die Sammlung
unter der grofsen Zahl ihrer wertvollen Stücke nicht noch mehr solche Entwürfe
enthält.
' So meldet Karl IV. denen von Konstanz, dafs er die Venetianer wieder in
Schutz genommen und giebt den Befehl, sie zu schützen. Gleicher Befehl nach
Nürnberg und Augsburg. Böhmer, Acta imperii Nr. 861.
Zweiter Teil.
DER STi GOTTHARD UND SEINE ZUGÄNGE.
Sechsunddreifsigstes Kapitel.
Die Nordseite des Ootthards von Urseren bis Lnzern vor allem
im vierzehnten Jahrhundert.
Politischer Hintergrund , Kampf der Eidgenossen tcider Österreich bis zur Weg^
nähme des Aargaus 1415. Verkehrseinrichtungen. Zölle zu Fluelen, Luzem, Eoihen»
hurg. Organisation der Säumerei, Instandhaltung der Strafse^ Hospiz. Verhandlungen
von Mailand und Venedig. Mailänder Gesandtschaft van 1314. Vetiedig. Karl IV,
und die Sperre gegen die Viscontis. Der Streit Burkhards Münch von Laiidskron mit
Mailand und Venedig. Der Baseler Diplomat und Wirt Sintze, Der Streitfall des
Galwan Scherer von Luzern,
In durchaus friedlichen Tagen hätte der St. Gotthard allen anderen
Pässen der Nachbarschaft die schwerste Konkurrenz bereitet, für diese
traten nur dann glänzende Zeiten ein, wenn wieder wie einst Krieg
den Gotthard sperrte. Das aber war bis zum zwanzigjährigen Frieden
▼on 1394 sehr oft der Fall, noch mancher schwere Kampf kam über die
junge Eidgenossenschaft, bis sie sich ihre Unabhängigkeit von Österreich
erkämpft hatte.
Die Schlacht am Morgarten war auch für König Ludwig ein Sieg
gewesen, er lenkte naturgemäfs in die Bahnen seiner Vorgänger Adolf
und Heinrich wieder ein; er entzog die drei Thäler den Habsburgem,
stellte sie unter das Reich and gab ihnen ganz gleiche Privilegien, als
ob ihre Entwickelung nicht von ganz verschiedenen Momenten ausge-
gangen wäre. Dafs er ihnen 1323 noch einmal einen Reichsvogt be-
stellte, war nur zum Schein, Graf Johann von Aarberg mufste erst die
gröfsten Einschränkungen anerkennen, ehe ihm gehuldigt wurde. Ein
solcher Vogt hatte in diesen unabhängigen Republiken nichts zu sagen.
Nicht allein das Haus Habsburg, sondern auch das Reich hatte nunmehr
in den Thälern keine Gewalt mehr, wenn es auch durchaus richtig ist,
400 Sechsunddreifsigstes Kapitel.
dafs die Eidgenossen sieh noch immer als zum Reiche gehörig be-
trachteten.
Der Kampf um den deutschen Königsthron hatte die Habsburger
nach der Niederlage am Morgarten von den Eidgenossen abgezogen, hier
wurde ein Waffenstillstand geschlossen, der wiederholt verlängert wurde.
Schon in diesen Verträgen tritt die Rücksicht auf den St. Gotthardver-
kehr hervor, einerseits suchen die Eidgenossen sich die Wege zu den
nächsten Märkten Luzern, Zug und Interlaken zu sichern, andei:erseit8
wurde bestimmt, dafs männiglich die alte und rechte Strafse fahren und
die Zölle nach alter Gewohnheit geben solle ^. Inzwischen waren die
Luzerner mit ihren Waren durch GraubUnden gegangen, wo sie von
Jakob von Marmels 1317 ftir die österreichische Herrschaft gepfändet
wurden, was jedoch als Unrecht erkannt wurde ^. Die Interessen für den
Pafsverkehr haben wohl mit dabei gewirkt, als 1327 und 29 die drei Thal-
Bchaften einem Bündnisse beitraten, das die wichtigsten rheinischen Städte
oberhalb Mainz, Überlingen und Konstanz eingeschlossen, mit Zürich und
Bern verband^.
Die österreichische Macht wurde gegen die Urkantone wieder frei, als
die Herzöge mit dem Kaiser Ludwig ihren definitiven Frieden schlössen.
Diese ernste Gefahr wurde aber dadurch gemildert, dafs Luzern unter
Vorbehalt aller seiner Pflichten gegen das Haus Österreich November 1334
mit den drei Waldorten einen ewigen Bund einging. Dieselben wirt-
schaftlichen Interessen und politischen Tendenzen hatten Luzern be-
stimmt, wie einst die drei Waldstätte: Loslösung von der Beamten-
gewalt des Vogtes von Rothenburg, Selbstverwaltung und Beherrschung
des Verkehrs mit den Waldstätten, d. h. mit dem St. Gotthard. Der
Bund führte zu Kämpfen, die Unruhen im Sommer 1334, wie Winter
1336 wurden jedoch durch einen Vergleich bald beigelegt.
Ein wirklich ernster Kampf, der den St. Gotthard mindestens für
ein Jahr sperrte, rief das Bündnis, das Zürich Mai 1351 abschlofs, her-
vor. Der Bürgermeister Brun, das Abbild der Viscontis auf schweize-
rischem Boden, suchte einen Rückhalt für die von ihm beherrschte Stadt
an den gleichfalls von Österreich bedrohten Eidgenossen. Auch in diesem
Bündnisse begegnen uns die Verkehrsstrafsen; der Plattifer an der Gott-
hardsirafse ist der südlichste Punkt, im Norden bildet von der Grimsel
die Aare, dann die Thur die Grenze. Zürich und Uri sicherten ihre
Verkehrsinteressen ^.
^ Eidgen. Abschiede 1, 245.
2 Urkunde bei Kopp 4, 2, 467.
' Eidgen. Abschiede 1, 253 u. 55.
* Dierauer 1, 192.
Die Nordscite des Gotthards von Urseren bis Luzem u. s. w. 401
Der Kampf 1)egann im Spätsommer 1351, der sogenannte Branden-
burger Friede (September 1352) eröflFnete eine kurze Friedenszeit, in der
auch Bern mit den Waldstätten seinen Bund abschlofs, ohne den mit Öster-
reich aufzugeben. Das Jahr 1354 sah dann die wunderbare Verbindung
eines deutschen Königs mit den Habsburgern in der Bekämpfung der
Eidgenossen, aber Karl IV. hielt nicht lange aus; als Zürich die Reichs-
fahne aufzog, war für ihn der Streit beendet. Auch die Habsburger
schlössen August 1355 den Regensburger Frieden ab.
In dieser Periode hatte die Eidgenossenschaft ihre werbende Kraft
bewährt, die beiden wichtigsten Reichsstädte der schweizerischen Hoch-
ebene, Zürich und Bern, hatten sich ihrem Bunde angeschlossen. Bür-
gerliche hatten sich mit bäuerlichen Gemeinwesen zu einem sehr lockeren,
aber innerlich kräftigen Bunde vereinigt. Die Kraft strömte ihm zu von
den Urkantonen, und sie waren und blieben noch die Träger der Ideen,
die die Eidgenossenschaft grofs gemacht hatte: der Selbstverwaltung.
Auch die Habsburger haben ihre Macht noch ausgedehnt, und Karls IV.
Schwiegersohn, der phantasiereiche, äufserst ehrgeizige Rudolf IV., hat
seinem Schwiegervater gar zugemutet, ihn zum König der Lombardei zu
machen.
Dem friedlichen Verkehr kam unzweifelhaft sehr zu gute der Bund,
den Zürich 1356 auf fünf Jahre mit dem österreichischen Landvogt
schlofs. Der Regensburger Friede und diese Schwenkung Zürichs hatten
die Kraft der Eidgenossen gefesselt, die Gunst, welche Karl IV., der mit
seinem Schwiegersohne Rudolf IV. sich verfeindete, der Eidgenossen-
schaft zu teil werden liefs, löste sie wieder, und so wurde die Wegnahme
von Zug (Juni 1364) der Anlafs zu neuen Beunruhigungen, doch stillte
der sogenannte Torbergische Friede 1368 den drohenden Kampf. Zur
Sicherung des Landfriedens schlofs die nun, von Bern abgesehen, sechs
Kantone umfassende Eidgenossenschaft die Übereinkunft, welche den
Namen „PfaflFenbrief* trägt. In ihm steht auch die Bestimmung, dafs alle,
die die Strafse von der stiebenden Brücke bis Zürich fahren, sie seien
fremd oder heimisch, sicher sein sollen. Geschehe dagegen etwas, so
sollen alle Eidgenossen beholfen sein, die Sache zu begleichen^.
Zu dem bedeutendsten Zusammenstofs kam es in den Tagen Leo-
polds UI., dessen glänzende Eigenschaften ein Konstanzer Chronist ge-
priesen hat^. Seine Macht dehnte er immer weiter aus und bemtLhte
sich eifrig, die doppelte Gegnerschaft, der schwäbischen Städte und
der Eidgenossenschaft, zu teilen, als die Stadt Luzem den Stein ins
Rollen brachte. In den allgemeinen Tendenzen, die diese noch immer
» Eidgen. Abschiede 1, 302.
2 Kuppert, ChroDikeu 94 f.
Schulte, Gesch. d. mittelalterl. Handels. I. 26
402 Sechsunddrei fsigstes Kapitel.
österreichische Stadt bestimmte, spielt sehr wahrscheinlich die Behandlung
der Luzerner auf der Gotthardstrafse eine Rolle. Herzog Rudolf IV.
hatte 1361 der Stadt für alle Zeiten Zollfreiheit vom St. Gotthard über
Land bis an die Fluh von Reiden und über Wasser bis gen Windisch
gewährt Wenn damit die Zölle von Brugg und Reiden vielleicht auch
nicht betroffen waren, so konnte von ihnen jedoch kein solcher mehr in
Rothenburg erhoben werden, wo eben ein habsburgischer Zoll begründet
war, und gerade diesen Ort befestigte der Herzog Leopold, und möglich
ist es auch, dafs das Zollprivileg Rudolfs IV. von dem dort residierenden
Vogt nicht anerkannt wurde ^. Der einzige leider undatierte Rothen-
burger Zolltarif gesteht den Luzernem wohl niedrige Zollsätze, aber keine
Zollfreiheit zu, steht also mit dem Privileg von 1361 in Widerspruch.
Der Entscheidungskampf flackerte an der Verkehrsfrage auf. Am
28. Dezember 1385 wurde Rothenburg von den Luzernern erstürmt Die
Schlachten von Sempach und Näfels entschieden gegen Österreich. April
1889 wurde ein siebenjähriger Friede geschlossen, dem Juli 1894 ein
zwanzigjähriger folgte.
Die österreichische Herrschaft war jetzt definitiv abgewiesen, nicht
allein die Urkantone waren ausgeschieden, nicht allein gehörten jetzt auch
Glarus und Zug zur Eidgenossenschaft, das freie Luzern hatte auch von dem
Landbesitze der Österreicher viel weggenommen. Mit dem Amte Rothen-
burg und Sempach hatte es die Fortsetzung der St Gotthardlinie bis fast
zum Eintritt in das Wiggerthal gewonnen. Auch diese Frieden enthielten
wieder Bestimmungen über die Öffnung der Strafsen für beide Teile.
Während dieses zwanzigjährigen Friedens reckte sich die Eid-
genossenschaft auf friedlichem Wege. Durch Land- und Burgrechts-
und andere Verträge schlössen sich die nächsten Herrschaften an die Eid-
genossenschaft oder einzelne Glieder an, durch Kauf wuchs der Bereich
von Zürich und Bern, und schon kamen die ersten Verträge mit Walli-
sern und Bündnern zustande, welche auch die Systeme der anderen
Pässe zu beeinflussen begannen. Besonders wichtig war das Burgrecht
zwischen Uri und Urseren von 1410^, wodurch auf dem Gotthard selbst
Uri die Gewalt gewann. Der Kampf um Appenzell schuf ein zweites
Centrum demokratischer Art, doch mufste sich dieser Ort wie St Gallen
mit einer abhängigen Stellung begnügen. Man wollte sich nicht durch
das Ungestüm der Appenzeller in lästige Konflikte verwickeln lassen.
Das Entscheidende war doch, dafs gerade an der Stelle, wo die Brücke
zwischen dem nunmehr österreichischen Tirol und den Vorlanden ge-
schlagen werden mufste, eine Filiale der Eidgenossenschaft entstanden war.
* Dierauer 1, 811. Die Klagen derLuzenier, Archiv f. Schweiz. Gesch. 17, 2, 93.
2 Gcschichtsfreiind 11, 187.
Die Nordseite des Gotthards von Urseren bis Luzem u. s. w. 403
Aber noch immer war die Sache der Habsburger nicht hoffnungslos,
noch immer besafsen sie die beherrschende Stellung an dem hydrogra-
phischen Thore der Schweiz; dicht mit wehrhaften Städten und Burgen
bedeckt, bedrohte die Herrschaft im Aargau die Pforte von Luzem und
flankierte Zürich. Das Gebiet der acht Orte war noch weit davon ent-
fernt geschlossen zu sein. Bis dahin hatten die Eidgenossen in harten,
heroischen Kämpfen ihre Unabhängigkeit gewonnen und verteidigt, ihrer
Vaterlandsliebe, militärischen Tüchtigkeit, ihrem Mute hatten sie die Siege
zu verdanken, nicht dem Glücke. Ein Glücksfall aber trug ihnen die
Eroberung des Aargaus ein. Herzog Friedrich hatte sich mit Papst
Johann XXHI. verbunden, das Konzil zu Konstanz zu sprengen. König
Siegmund erwies sich der Lage gewachsen, er hielt das Konzil zusammen ;
gegen Friedrich, seinen alten Gegner, ging er aber viel zu scharf vor.
Er gab der Acht, der so oft deutsche Fürsten sonst gespottet, ernsthafte
Exekutoren, indem er die Eidgenossen aufrief; er weckte Geister, die er
sehr bald nicht mehr bannen konnte. Die Eidgenossen zögerten, sie
hatten eben noch mit Österreich einen Frieden auf ftinfzig Jahre ge-
schlossen, aber der Kaiser gebot bei der Pflicht gegenüber dem Reiche.
Auch er meinte, die Eidgenossen wider das Haus Habsburg verwenden
zu können, ohne sie dem Reichskörper zu entfremden. Fast ohne
Schwertstreich wurde der Aargau überwunden: der tolle Streich des
Herzogs hatte das Vertrauen in die Herrschaft erschüttert, die Feinde
kamen von allen Seiten, so fehlte der Glaube für eine rechte Sache zu
kämpfen, und nur auf dem Stein von Baden und in dieser Stadt kam
es zu einem Widerstände, der der Tapferkeit der Eidgenossen entsprach.
Als sich dann aber Friedrich unterwarf, meinte Siegmund die den Eid-
genossen zugesicherte Beute zurückgewinnen zu können. Es war eine
Täuschung, dem Kaiser versagten die Eidgenossen den Gehorsam,
schliefslich wurde in der Form von Pfandschaften die Abtretung des
Aargaus verhüllt; die Welt konnte glauben, dafs sich nicht viel ver-
ändert hatte. Aber die Lage war völlig umgestaltet, die Herrschaft der
Eidgenossen hatte quer über die schweizerische Hochebene einen Riegel
gelegt und hatte im Juradurchbruche das Ufer des Rheins erreicht. Die
gewonnenen Gebiete wurden nicht als gleichberechtigte Orte angegliedert,
sondern es waren Herrschaften, die von den Eroberern zum Teil ge-
meinsam, zum Teil getrennt regiert wurden. Und damit war die Rege-
lung des Verkehrs auf den Wegen, die zum Gotthard führten, in die
Hände mehrerer Orte gegeben. Die Geschichte dieser Wege ist von
1415 ab zum grofsen Teil in den Abschieden der Eidgenossenschaft zu
lesen. Machen wir hier zunächst Halt!
Wenden wir nun unsere Blicke zunächst der Geschichte der älteren
Verkehrseinrichtungen auf dem St. Gotthard zu.
26*
404 Sechsunddrei fsigstes Kapitel.
Von den Zöllen ging der ReichszoU von Flüelen langsam in den
Besitz der Thalgemeinde über. Sein Pfandherr, Graf Wernher von
Homberg, der Reichsvogt Heinrichs VII., hatte sich auf die Seite der
Habsburger gestellt, und so konnte Ludwig der Bayer nach dem Tode
Wemhers den Reichszoll von Fltielen für ein heimgefallenes Lehen er-
klären, obwohl die Habsburg -Laufenburger sich als Erben betrachteten
und Friedrich der Schöne das Erbrecht anerkannt hatte, und ihn zunächst
seinem Marschall, dann dem Landammann von üri, dem Freiherrn von
Attinghausen, verpfänden; der Besitz wanderte dann in kleinen Losen
in den Besitz seiner Nachkommen, die Namen Simpeln, Silenen, Mos
beweisen uns seine Verwandtschaften. Die kleinen Anteile erwarb nach
und nach der Stand Uri. Daneben erscheinen noch immer die Grafen
von Habsburg- Laufen bürg mit Rechten und Rechtsansprüchen, sie hofften
noch immer auf den Wiedererwerb des Zolles^.
Der Zoll von Luzern wurde 1341 zugleich mit der Fahrt um 783*/*
Mark Silber Baseler Gewichtes an die Herren von Hallwyl verpfändet*.
Der Zolltarif, den v. Liebenau aus dem Hallwylschen Archive mitteilte,
gehört der Hallwylschen Zeit an^, er ist auf den internationalen Ver-
kehr zugeschnitten. Die Habsburger entschädigten sich für den Verlust
durch einen neuen Zoll zu Rothenburg. Es heifst zwar in der Bestäti-
gung Karls IV., sein Eidam Rudolf IV. von Österreich habe ihm „vor-
gelegt", dafs der Zoll zu Rothenburg alt sei, den er nun (1358) bestä-
tigte*. Aber dieser Behauptung entspricht es wenig, dafs derselbe
Herzog im nächsten Jahre zwei Rittern Dienstgeld anwies auf dem
„neuen Zolle zu Rothenburg"®. Auch von dieser Position mufsten die
Habsburger weichen, als ihnen dieses Amt in dem Sempachkriege ver-
loren ging.
Der St. Gotthard besafs schon früh eine feste Transportorganisation,
die auf die Grundherrschaft zurückgeht, wenn sie später auch als An-
gelegenheit der Gemeinde erscheint*. In Luzern regelte ein Schiffmeister
den Verkehr auf den Schiffen — auf diese sehr verwickelte Frage ist
^ Das reiche, aber nicht lückenlose Material Geschichtsfreund Bd. I. Dazu
v. Liebenau, Regesten für den habsburgischen Anteil. Thommen, Urkunden z.
Schweiz. Gesch. 1, 433. (Habsburger sehr unsicher über die Zukunft ihrer Kechte).
Alt mann Nr. 7741 und Cbmel, Friedrich IV., Hegest Nr. 1135: Die Grafen von
Sulz als Erben der Habsburger mit dem Zoll belehnt.
2 V. Liebenau, Regesten 20, 51. Habsb. Urbar 2, 616 u. 670.
8 Ebda. 20, 49.
* Ebda. 20, 79. 1358 Januar 15. Druck Archiv f. Schweiz. Gesch. 17, 2, 16.
'* Ebda. 20, 86. Das habsburgische Urbar kennt den Zoll ebenfalls nicht.
* Vgl. öchsli, ßörlin, die Regesten v. Liebenaus. Für den Zustand im
vorigen Jahrhundort bes. Schinz, Beytr. zur näheren Kenntnis des Schweizer-
landes. Zürich 1783 ff.
Die Nordseite des Gotthards von Urseren bis Luzern u. s. w. 405
hier nicht näher einzugehen — doch behaupteten auch die SchifFleute
von Flüelen grofse Rechte; sie beanspruchten (wohl mit den Luzemern)
zusammen ein Monopol für die Fremden, ja auch die Luzerner sollten
in Flüelen nicht mit Schiffen von Brunnen, Küfsnach oder Alpnach
fahren dürfen, doch gelang es den Städtern ihre gute Gewohnheit 1357
siegreich zu verteidigen^.
In Uri bestanden drei Transportgenossenschaften, zu Flüelen, Sile-
nen und Wasen, welche ähnlich wie die Porten organisiert waren. Die
1309 zuerst erwähnte Sust in Flüelen ^ steht heute noch, die von Silenen
(1354)^ ist in Resten noch heute kenntlich, und ob der Sust von Urseren
versammelten sich die Thalleute zur Beratung*.
Schon das österreichische Urbar erwähnt die „Teilballe" als eine
herrschaftliche Einnahme, die Säumer- Ordnung von Urseren von 1363
bezieht sich auf den regelrechten „Teil"betrieb^. Mit dem Nachbarthale
Livinen bestand schon seit 1315 ein Vertrag, der es den Kaufleuten er-
möglichte, gegen eine „Fürleiti" durchzusäumen , so dafs Fuhrleute von
Livinen und Urseren, italienische und deutsche, denselben Weg durch-
mafsen®. Es mufs das aber zu sehr ernsthaften Reibereien geführt
haben ^. Der Schiedspruch von 1331 schlofs eine Reihe von Fuhrleuten
von diesem Vorrechte aus, im übrigen wurde das Verfahren beibehalten.
Die Säumerordnung von 1383 ist eine „Eilgutordnung", bei der vom
See bis Bellinzona durchgesäumt wurde®. Der Fremde mufste dafür,
dafs seine Waren nicht zu „Teil" gingen, die „Fürleite" bezahlen. Ein
Übergang von einem zum andern war in der Ordnung verboten. Der
Transport und die Susten galten als königliches Lehen.
Von der Verpflichtung diese Monopolanstalten zu benutzen, waren
die Leute von Schwyz und Unterwaiden entbunden, Luzern suchte im
Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts vergebens dieses Vorrecht zu ge-
winnen •. Zu erneutem Streite kam es 1480 wegen der Fürleite, die,
wie Luzern, Schwyz und Unterwaiden behaupteten, zu Unrecht von Uri
» Öchsli, Regest 727. v. Liebenau 20, 76
2 Öchsli, Reg. 718.
»Öchsli, Reg. 489. S. auch Reg. 763. Die Sust in Bruiioen wurde 1894 ab-
gebrochen.
* Öchsli, Regest 798.
^ Geschichtsfreund 7, 135. Öchsli, Regest 743.
« Erwähnt in dem Schied von 1381 Geschichtsfr.41, 63. Öchsli, Regest 671.
' An ihnen hatten auch Leute von Ossola, wohin auch von Airolo aus über
den Giacomopafs (Öchsli, Regest 772, 1) gesäumt wurde, Teil, femer solche von
üri, Schwyz, Unterwaiden und Zürich.
« Öchsli, Regest 772. v. Liebenau 20, 181. Abdruck Geschichtsfr. 11, 188.
» Öchsli, Regest 803. Vgl. S. 227.
406 Sechsunddreifsigstes Kapitel.
erhoben werde. Der Schiedspruch von 1491 entschied zu Gunsten
Uris \
Welche Unternehmungslust dieser Warentransport in die Alpenthäler
trug, beweist die Familie von Mos. Heinrich von Mos, der bei Sem-
pach fiel, hatte mit Waren, die unterwegs waren, spekuliert und Termin-
geschäfte — so scheint es wenigstens — abgeschlossen, wobei er die
Hilfe der Kawerschen in Anspruch nahm^.
Die Instandhaltung der Strafsen war innerhalb der betreffenden Qe-
meindegrenzen Sache der Thalgenossenschaften Uri^ Urseren und Livinen.
Den Anteil, den Uri an dieser schweren Last hatte, kennen wir aus
Zeugenaussagen. Im Pfarrbezirke Wasen befanden sich zwölf hölzerne
Brücken, die im Durchschnitt alle sieben Jahre erneuert werden mufsten.
Abgesehen von den Frohnarbeiten beliefen sich die jährlichen Kosten
auf 100 i6. Und für den Fall einer schweren StraCäenzerstörung waren
die Kosten gar nicht zu bemessen®. In Uri hatte jeder Pfarrgenosse
jährlich ein Tagewerk an der Strafse zu verrichten, während nur die
drei Orte das Transportmonopol hatten, alle anderen Urner waren aber
frei von der Fürleite. Als 1480 die Wege auf dem Gotthard durch
Wasser beschädigt waren, baten die von Urseren die Eidgenossen um
Unterstützung, die auch bewilligt worden zu sein scheint ^
Eine sehr erhebliche Besserung des Gotthardweges ist am Anfang
des sechzehnten Jahrhunderts durchgeführt worden. Bis dahin war
unterhalb Airolo der Abstieg in die tiefere Thalstufe über den Rücken des
Plattifers gegangen, es war aber „ein harter und böser Weg". Die Kaufleute
waren bereit, einen Zoll zu entrichten, wenn ein neuer Weg am Wasser
entlang erstellt würde, die Urner gingen mit Freuden darauf ein, mufsten
aber mit den Eidgenossen von 1493 bis 1515 verhandeln ,' ehe diese die
Genehmigung zur Errichtung eines Zolles — der den Anlafs zum Namen
Dazio grande bot — gaben. Die Ausfuhrung des Baues gehört nicht
mehr dem Mittelalter an. So wurde die herrliche Schlucht des Tessin
erschlossen ^.
Für die Sicherheit auf der Strafse von der stiebenden Brücke an
bis Zürich verbanden sich 1370 die sechs Orte Zürich, Luzem, Zug, Uri,
Schwyz und Unterwaiden, vor allem schlössen sie die Ausübung von Re-
» Eidgen. Abschiede 8, 1, 90. 180. 199. 210. u. 379.
2 V. Li eben au 20, 150. Vgl. oben 8. 296.
3 Öchsli, Regest 803.
« Eidgen. Abschiede 3, 1, 78 u. 81.
R Eidgen. Abschiede 8, 1, 429 u. 431. 3, 2, 311, 716, 719, 866 u. 871. Der
Zolltnrif in Nr. 866 giebt nur den Zoll nach den Transportmitteln an, wie es einem
Weggeld entspricht.
Die Nordseite des Gotthards von Urscreu bis Luzern u. s. w. 407
pressalien aus, diese sollten nur mit Zustimmung der Behörden genom-
men werdend
In der Abmachung von 1331 wird zum ersten Male ausdrücklieh
der Kirche und der Sust auf der Höhe des Passes gedacht^, das Gottes-
haus ist aber unzweifelhaft älter ; denn der Berg wird schon früher nach
dem Namen des Patrons genannt^. Wer Kapelle und Hospiz erbaute,
bleibt ungewifs. Bei der Sage von der Begründung des Hospizes durch
den gichtkranken Azzo Visconti liegt offenbar eine Verwechslung vor,
und wenn ein Mönch von Disentis, der bekannte Naturforscher Placidus
a Spescha sagt, 1374 habe der Abt seines Klosters als Besitzer der nächst-
gelegenen Alpen ein Hospiz und eine Kapelle erbauen lassen*, so kann
die Nachricht nur halb wahr sein, wenn ihr überhaupt Glauben beizu-
messen. Dem Fleifse Mottas verdanken wir einige Nachrichten, die
zeigen, dafs das Hospiz schon damals nach Airolo gehörte. In einem
Beglaubigungsbrief für den Bettelboten heifst das Hospiz: hospitale sancti
Goieardi de la montanea disiridus vallis Leventine (1390—1410), und in
einem Ablafsbriefe, worin der Generalvikar des Erzbischofs von Mailand
1364 den Wohlthätern des Hospizes vierzig Tage Ablafs gewährte, wird
es bezeichnet als: ^hospitale sancti Gottardi de Tremiola disiridus vici-
nantie de Oriolo vallis Leventine Mediolanensis diocesis€ ^. Wie für so
viele wohlthätige Werke, deren Mittel nicht ausreichten, zogen auch für
das Hospiz Boten in den Landen umher, die Gaben annahmen. Die Gefahr,
mit unlauteren Mitteln zu arbeiten, wurde auch hier eine Klippe. Der
Generalvikar mufste verbieten, einen plipstlicherseits gewährten Ablafs
anzuführen, da ein solcher nicht beglaubigt sei^. 1457 und 59 war oben
ein italienischer Bruder, der von 1457 öffnete mit „teuflischer" Kunst
die Opferkästen ^.
Auf die Gestaltung der Verkehrsverhältnisse auf der nördlichen Ab-
dachung haben Mailand und auch Venedig wiederholt Einflufs auszuüben
versucht. Am meisten würde uns das Ergebnis einer Mailänder Gesandt-
schaft, welche in den ersten Monaten des Jahres 1315 in Luzern war,
interessieren, denn noch war der Kampf zwischen den Waldstätten und
» V. Liebenau 20, 112.
'-^ »Non transeatit ecclesiam sive sostam aut summitcUem montis sancti Gothardi,*
8 S. oben S. 226.
* Liebenau 20, 118. Motta, Boll. stör. d. Svizz. ital. 4, 147. Nach Francis-
cini hätte der Abt die Alpen an Airolo überlassen gegen die Pflicht, das Hospiz
zu unterhalten. In der That geht die Grenze des Tessin über die Pafshöhe hinaus,
so weit sich diese Alpen erstrecken.
^ Motta, Boll. storico 12, 32.
« Ebda.
^ Motta, Boll. storic. 4, 148.
408 Sechsunddreifsigstes Kapitel.
der österreichischen Herrschaft nicht ausgebrochen. Leider ist nur das
Kreditiv des Gesandten, Beroldus de Oldradis, erhalten ^, jedoch ist auch
aus ihm zu ersehen^ dafs die Stadt Mailand noch immer hoffte, den Ver-
kehr über den St Gotthard offen zu halten ■, ja aus dem ganzen Akten-
stück kann man nichts herauslesen, was auf die Befürchtung eines nahen
Krieges zu deuten wäre. Uris wird mit keinem Worte gedacht, man
nahm in Mailand wohl an, dafs Friedrich der König leicht über Ludwig
den Bayern siegen werde und somit die Urkantone sich dem Willen auch
dieses Königs würden beugen müssen. Der Gesandte sollte die Span-
nung, die mit Luzem bestanden hatte, beilegen, die gegenseitigen Räu-
bereien bei Luzem sollten vergessen sein, und vor allem sollte der Ge-
sandte fiir die Route alle Zölle und Abgaben feststellen, es sollten Wächter
und Susthalter angestellt werden^. Der Gesandte soll nach Como, zum
Herzog Leopold von Österreich und nach Luzem gehen, ferner zu allen
Herren, die über den Weg zu befinden haben; da das Kreditiv An-
fang März 1315 in Neuenburg am See beglaubigt wird, so hat der Ge-
sandte seine Richtung wohl nach der Champagner Messe weiter verfolgt.
Es war ja die Strafse von Luzern durch das Entlebuch, Bern, Neuen-
burg, durch Val Travers auf die Höhe von Pontarlier, die Verbindung
zwischen der Gotthardstrafse und der Strafse aus dem Wallis über Jougne
nach den Champagner Messen ; auch konnte man vom Vierwaldstättersee
über den Brünig und Thun Bern erreichen. Diese Verbindungsstrafsen
scheinen nun beliebt geworden zu sein*.
Auch die von Venedig nach Flandern bestimmten Waren nahmen
vielfach ihren Weg über den Gotthard nach Basel und umgekehrt, hier
hiefs der Gotthardweg überhaupt der :^caminus Basier. 1348 ging dort-
hin ein Gesandter, um die aufgehaltenen Waren freizumachen, den Weg
wieder zu öffnen, und wenn das unmöglich sei, einen anderen Weg zu
suchen *. Drei Jahre später waren wieder 34 Ballen geraubt, wegen der
vielen Geleitherrschaften erschien der Weg zu unsicher, durch Frank-
reich wollte man nicht fahren, da der König wie der Graf von Savoyen
zu hohe Abgaben erhöben, so entschlofs sich die Signorie, sich den Weg
über Nürnberg, der nicht im Stande war, wieder durch eine Gesandtschaft
1 Unsere Urkunden Nr. 314 1314 Dezember 20.
^ Luzem erklärte erst am 13. Juli 1315, dafs der Kaufmann nun auf eigene
Gefahr handeln müsse, v. Liebenau, Reg. 19, 342.
^ So ist wohl die Stelle von den custodes und tensatores zu verstehen. Tensa «=
tentorium Zoll.
^ Auch Luzern hatte damals erhebliche Kosten für Gesandtschaften, die Mittel
dafär und für Söldner u. s. w. im Betrage von 1100 ü Imperialen streckten zwei
Mailänder vor. v. Li eben au, Regesten 20, 11—15.
^ Simonsfeld 1, 133.
Die Nordseite des Gotthards von Urseren bis Luzem u. s. w. 409
au den Markgrafen von Brandenburg, den Witteisbacher Ludwig, der als
Gemahl der Margarethe Maultaseh Herr von Tirol war, zu öflFnen. Zu-
gleich ging eine Botschaft an den Bischof von Sitten und den König
von Frankreich*. Die Beraubung mag im Zusammenhang mit dem
eben um diese Zeit ausgebrochenen Kriege zwischen den Eidgenossen
und Österreich gestanden haben. Doch wurde von Venedig aus auch
noch der Pafs von Jougne benutzt. 1337 erneuerte Venedig mit Johann
von Chalon, Herrn von Arlay, einen alten Begtinstigungsvertrag für
den Zoll bei Jougne ^.
Besondere Behandlung verlangt der Streit eines mächtigen Baseler
Ritters, Burkhards Münch von Landskron, mit Mailand und Venedig,
der sich in eigentümlicher Weise mit der Politik Karls IV. gegenüber
Italien verschlingt.
Giovanni Visconti, der Erzbischof von Mailand, der hervorragendste
unter den Tyrannen des vierzehnten Jahrhunderts, hatte den Versuch
gemacht, den Norden Italiens seiner Herrschaft zu unterwerfen. Die stolze
Grabesinschrift zählt die Städte auf, die sich ihm gebeugt hatten, von
dem „guten" Bologna bis nach Novara, von Brescia bis Genua, Asti und
Savona, von Como bis zum Lande von Bobbio. Gegen ihn kämpften die
guelfischen Städte Tusciens, und Venedig bildete einen Bund der Sig-
noren, die sich gegen den klügsten der italienischen Politiker behauptet
hatten. Die Herrin der Adria meinte den König Karl IV. ausnützen zu
können, und wirklich entschlofs sich der Meister der Diplomatie gegen
die Viscontis vorzugehen. Bisher wufste man nur von einem Befehle,
den er im September 1354 an den Grafen Johann von Neuenburg und
seinen Sohn richtete, sie sollten des Erzbischofs Diener, Kaufleute und
Unterthanen gefangen nehmen, und auf ihre Güter Beschlag legen*.
Durch die gleich zu erwähnende Bitte der Mailänder Kaufmannschaft
ergiebt sich aber, dafs derselbe Befehl an die Münche von Basel, wor-
unter wohl vor allem Burkhard Münch von Landskron zu verstehen ist,
und an den Grafen von Öttingen ging. Der Münch war aber der von
Karl IV. den Oberwallisern, welche sich gegen den Bischof von Sitten
erhoben hatten, gegebene Vogt*, zugleich war er Schultheifs von
1 Mone, Zeitschrift 5, 20 f.
^ Documenta in^dits sur Thist. de France. M^langes 2 s^rie tome 3. Mas-
Lattrie, Commerce et exp^ditions mil. de la France et de Venice 109 — 112. Zoll
für Ballen Wolle, mercerie et picolerie (16—17 Rubb) für den Ballen franz. Tücher
(25 Va Rubb).
« Matile 741 Nr. 561. Böhmer-Huber 6790.
* Vgl. Böhmer- Huber 1971, 6777, 6787 u. 6793. Später mit Graf Peter von
Aarberg zusammen. Die Münch v. Müuchenstein hatten den Zoll zu Äugst und
Liestal. Freivogel 40 u. 134. Die Burgen des zahlreichen Geschlechtes lagen um
Basel herum.
410 Secbsunddreifsigstes Kapitel.
Kolmar^ und besafs die Vogtei in Basel ^. Des Grafen von Öttingen Gut
lag auf dem Wege nach Nürnberg, auch hatte er die Landgrafschaft im
Elsafs. Ein solcher Befehl fügte sofort dem Handel der Mailänder nach
dem Norden den schwersten Schaden zu, in Burgund wie in Deutschland
wurden mailändisehe Kaufleute ihrer Waren beraubt.
Doch es kam anders, als die Gegner der Viscontis gehofft hatten.
Kaum hatte Karl, übrigens fast ohne Begleitung, den Boden Italiens
betreten, als ein plötzlicher Tod den gefährlichsten Gegner dahinraffte.
An die Stelle der strammen einheitlichen Macht trat die Herrschaft der
drei Neffen: Matteo, Galeazzo und Bernabö. Ihnen mufste daran liegen,
einen möglichst guten Rechtstitel für ihre von allen Seiten bestrittene
Herrschaft zu gewinnen, und den konnte nur der König Karl geben.
Schnell war die Einigung mit dem friedliche Mittel liebenden König er-
reicht: Karl erhielt die Huldigung der Viscontis, wurde in die Stadt
Mailand eingelassen und empfing in S. Ambrogio die eiserne Krone ; die
Viscontis erhielten gegen grofse Geldspenden das Reichsvikariat auf
Lebenszeit. Sehr ruhmvoll war es nicht, wie nun Karl IV. in ritter-
licher Gefangenschaft gekrönt wurde. Das Viscontische Archiv ist durch
Brand vernichtet, um so willkommener sind nun zwei Dokumente, welche
die Mailänder Handelskammer in ihrem Archive besitzt. Das eine ist
die Eingabe der Mailänder Kaufmannschaft an den König, er möge den
oben erwähnten Befehl und die allgemeine Aufforderung, gegen die
Mailänder Kaufleute vorzugehen, zurücknehmen und ihnen sein Geleit
gewähren^. Auch bitten sie um Rückgabe oder Ersatz der geraubten
W^aren und Aufhebung des dem Grafen von Neuenburg gewährten Zolles
zu Bellaigues. Diese Bitten — mit Ausnahme des Zolles — gewährte
der König am Tage seines Einrittes in die lombardische Hauptstadt^
die Ausfertigung für den Grafen von Neuenburg hat sich erhalten*,
Burkhard Münch hatte so gelernt, wie man den Italienern Schaden
zufügen könne. Der Anlafs, dieses Mittel zu verwenden, bot sich, als er
an dem Revolutionstage von Pisa bestohlen wurde und das Gericht über
den Räuber ihm in Venedig verweigert wurde. Es ist hier nicht zu er-
zählen, wie es kam, dafs die Gambacorta von Pisa gegen Karl IV. sich
verschworen, der die Gegenpartei, die Raspanti, wieder zur Geltung ge-
bracht hatte und Lucca der Herrschaft der Pisaner entziehen zu wollen
schien*. In der Nacht vom 19. zum 20. Mai brannte der Anzianenpalast
» 1347 ihm verpfändet. Böhmer-Huber 5962. Vgl. 6150.
2 Er erscheint als Vogt 1359. Böhmer- Huber 7004.
' Unsere Urkunden Nr. 8.
* Unsere Urkunden Nr. 9.
^ Vgl. Werunsky, Der erste Römerzug Kaiser Karls IV. S. 221 ff.
Die Nordseite des Gotthards von Urseren bis Luzem u. s. w. 411
nieder, das Logis des Kaisers und der Kaiserin, und am folgenden Tage
brach nachmittags 3 Uhr der Kampf aus. Die Deutschen, welche auf
dem linken Ufer des Arno im Stadtteil Chinzica in Quartier lagen,
wollten zum Kaiser auf den Domplatz, wurden aber auf der neuen
Brücke von einer wütenden Menge, Männer und Frauen, angefallen. Es
war ein harter Streit, bei dem vierzig deutsche Krieger teils erschlagen,
teils in den Arno geworfen wurden. Auch die Strafsburger Ritter waren
dabei, und unter denen, die von ihren Rossen herabgerissen wurden oder
fielen, war auch Burkhard Münch^. Entschieden wurde die Niederlage
der Revolution durch den Übertritt der Raspanti zu den Kaiserlichen.
An diesem Tage war es wohl, dafs Bartholomäus Baniol, ein Mailänder,
mit Burkhards Sachen davon ging und sich nach Venedig flüchtete.
Burkhard schickte mit einem kaiserlichen Brief den Johann Meyer von
Hüningen nach Venedig, um die Festnahme des Diebes zu bewirken.
Aber der Doge schickte ihn an den Rat und dieser zu den drei Richtern;
diese liefsen, auf die Formen des Rechtes sich stützend, den Schuldigen
entkommen, obwohl Meyer das alles vorausgesagt hatte. So hatte der
biedere Baseler den schlauen Italiener am Rialto wohl an seinem Rock
halten und ihm grobe Wahrheiten sagen können, aber er hatte das Nach-
sehen, und über diese Thatsachen nahmen drei in Venedig weilende
Strafsburger, die Ritter Walther von Mülnheim und Nicolaus von Grostein
und Johannes Twinger, ein Protokoll auf ^.
Burkhard Münch hatte nun nicht die mindeste Lust, sich diese Rechts-
verweigerung gefallen zu lassen, und es hatten die Venetianer auch wohl
keine Ahnung davon, welches Ansehen der deutsche Ritter bei seinem
Kaiser besafs und welche Mittel er spielen lassen konnte. Die Münche,
damals wohl das mächtigste Basler Geschlecht, hatten zu den Luxem-
burgern gehalten, als Karls IV. Herrschaft noch gar nicht feststand.
Ja, Heinrich Münch von Landskron war der kluge und tapfere Ritter,
der dem blinden Böhmenkönig von der Schlacht abgeraten, dann aber,
als seine Voraussage sich erfüllt hatte, den König auf seine Bitten in
das Schlachtgetümmel führte. Am Abend deckten beide das Schlacht-
feld von Cröcy^. Unser Burkhard wurde schon 1354 von Karl als sein
Rat, Hausgenosse und Heimlicher bezeichnet^, auch später erhielt er
noch viele Gunstbezeugungen und erscheint häufiger in des Kaisers Um-
^ Zeugnis eines Strafsburger Söldners Strafsb. Urkb. 5, 904.
2 In Karls IV. Brief vom 22. August 1360 eingerückt. Winkelmann, Acta
imperii 548 f. Die Strafsburger Namen sehr entstellt.
' Vgl. Münch, der »Monne de Basele* in der Schlacht bei Cr^cy. Anzeiger
für Schweiz. Gesch. 6, 211.
* Böhmer-Huber 6774.
412 Sechsunddreifsigstes Kapitel.
gebung ^. Und dieser mächtige Mann hatte noch dazu den Zoll von
Liestal als Lehen mit dem Schalern von Zürich in Besitz. Der obere
wie der untere Hauenstein konnte durch ihn gesperrt werden^.
Da der Räuber aus Mailand war, hatte es der Münch, von Venedig
abgesehen, mit dieser Stadt zu thun. In freundschaftlicher Gesinnung
warnte die Stadt Basel die Mailänder Kaufmannschaft, der Ritter wolle
sich nun an den Kaufleuten schadlos halten und habe dazu die Zu-
stimmung des Kaisers, der Ritter habe auch keine geringe Macht und
könne auch auswärts Schwierigkeiten erheben, sie möchten die Klagen
des Ritters beseitigen^, und sie schickten ihnen gar einen Abgesandten,
Konrad Sintze, der nun in der doppelten Eigenschaft als Diplomat und
Wirt den Handelsverkehr der Italiener in Gang zu bringen sich be-
mühte. Die diplomatische Korrespondenz des Gastgebers* ist unter den
Urkunden der Mailänder Handelskammer nicht die wenigst interessante,
und sein Latein kann sich neben dem der Mailänder Kaufleute sehr
wohl sehen lassen.
Konrad Sintze wufste sehr wohl, dafs ein Unterhändler, der private
Vorteile erreichen will, nicht auf später sich darf vertrösten lassen. Er
wünschte für seinen Gasthof ein Monopol, die Mailänder sollten stets bei
ihm absteigen, wie es offenbar schon bisher vielfach geschehen war. Die
Italiener antworteten liebenswürdig, sie gingen auf das Monopol ein,
aber doch so, dafs sie nicht für immer gebunden waren*.
Die Lage der Mailänder Kaufleute war um so unangenehmer, da
neben der Feindschaft des kaiserlichen Vertrauten auch der Hafs der
Kurie gegen die Tyrannen von Mailand sie traf, die kein Bedenken
trug, den Grafen von Thierstein den Befehl zu geben, Mailänder Kauf-
leute und Waren anzuhalten, und als Basel sich gegen diesen Strafsen-
1 Böhmer-Huber 3741, 4192 (Solothurn Amt, Schultheifs), 6225 (Kolmar Un-
geld, wo seine Verdienste beim Krönungszuge besonders hervorgehoben sind).
Weiter 6874, 319, 711, 2634.
2 Boos, Urkundenbuch Basel Bd. 1, 367 f. 1363 Juli 30. Es war dieser An-
teil ein froburgidches Lehen.
' Unsere Urkunden Nr. 10.
* Es sind mehrere Sintze in Basel zu unterscheiden. Nach Mitteilungen Wacker-
nagels erscheint der Wirt Cunzman Sintze in den Jahren 1335—1344 als Eigentümer
des Hofes und Gesesses auf dem Nadelberg, der später Sinzenhof hiefs und heute
Rofshof genannt wird (Nadelberg 20/22). Als spätere Eigentümer erscheinen 1374
Burchard Sinz, 1417 Konrad Sinz. Ein Burkhard Sinze, der eine Tochter Hartmann
Münchs von Münchenstein zur Frau hatte und später als Junker erscheint, erhielt
1396 als Träger seiner Frau das Fahr zu Berlikon und die Hälfte des Zolls zu
Äugst zu Lehen. Boos, Urkb. Landsch. Basel 2, 547. 550. Die Geschichte des
Zolls an der Brücke von Äugst bei Freivogel 40.
^ Unsere Urkunden Nr. 11.
Die Nordseite dss Gotthards von Urseren bis Luzem u. s. w. 413
raub erklärte, auch dieser Stadt den Befehl zu geben, das nicht zu
hindern '.
Die Kaufleute von Mailand und Como hielten es für das Rätlichste,
den Baseler Ritter zu beruhigen, und es kam durch ihre Boten und die
Bürgschaft, welche der Wirt für sie leistete, rasch zu einer Abmachung,
wonach die Kaufleute dem Ritter 250 fl. zu zahlen versprachen, die er
zurückzuerstatten habe, wenn Venedig ihn befriedigt habe. Mailand und
Como mufsten sich in Venedig für die Entschädigung des Ritters be-
mühen; dieser aber versprach, die Kaufleute zu schützen*. Die Mai-
länder hielten Wort, ihr Gesandter traf richtig ein, überlieferte Sintzen
das Geld und noch 30 fl. darüber, von denen der Wirt 20 fl. an zwei
von ihm geheimnisvoll angedeutete Personen weitergab, 10 fl. aber strich
er mit Dank als Verehrung der Mailänder ein. Mit der Quittung Burk-
hards trat Bassinus von Bergamo den Heimweg an. Konrad Sintzes Auf-
gabe war noch nicht beendet, denn es handelte sich jetzt darum, eine
sichere Fortsetzung des Weges durch Verträge festzustellen. Doch davon
später^.
Nicht so schnell war Venedig dem Ritter zu Willen. Durch die
Mailänder liefsen sich die Venetianer nicht bestimmen*. Hier kam selbst
der Kaiser nur mit vieler Mühe zum Ziele. Er schrieb Briefe auf Briefe,
er stellte vor, dafs er Burkhard längst Vollmacht zu Repressalien ge-
geben habe, ihn aber bis jetzt zu Rücksichtnahme angehalten*; er be-
gnügte sich mit dem Versprechen des Gesandten des Dogen, dafs dem
Ritter sein Recht gegen den Richter werden solle® und bestimmte den
Ritter, das Gut, das er auf dem Wege von Nürnberg nach Frankfurt,
den die Venetianer jetzt vorzogen, bei Babenhausen seinen Feinden weg-
genommen hatte "^ , ihnen zurückzuerstatten , er legte dem Dogen jenes
Protokoll der Strafsburger vor und forderte 3000 fl.®. Es dauerte noch
mehr als drei Jahre, bis die Sache zum Abschlufs kam ®. Noch über die
Summe wurde mehrere Monate verhandelt, und schliefslich wurden
' 1356 März 23. Baseler Urkb. 4, 205.
* Unsere Urkunden Nr. 12.
^ Unsere Urkunden Nr. 13.
* Vgl. unsere Urkunden Nr. 14. An Bernabö Visconti war von Basel Konrad
Sintze geschickt worden.
6 Böhmer-Huber 6208. Winkelmann, Acta imperii 2, 544. 1359 Juni 23.
^ Winkelmann, Acta imperii 2, 861.
•^ Simonsfeld Nr. 182.
8 Winkelmann 2, 548. Böhmer-Huber 6213.
» Weitere Schreiben Karls IV. von 1361 Mai 3 Winkelmann 2, 558. Böhmer-
Hub er 6221. August 30 an den neuen Dogen Lorenzo Celsi, der früher in der
Angelegenheit Gesandter gewesen, ebda. 2, 562. Böhmer-Huber 6227. 1361
414 Siebenunddreifdigstes Kapitel.
1500 Dukaten bewilligt, damit der Weg über Basel wieder frei werde*.
Die Kosten für die Öffnung dieses und des Augsburger Weges sollten
durch eine Abgabe von ^'2 ^'0 von den Waren, die diese Wege benutzten,
aufgebrac'ht werden und zwar von allen Waren, die überhaupt bis über
die Alpen, wenn auch nicht bis Venedig kämen. Dafs für Venedig
Deutschland nur ein Transitland war, wird dadurch deutlich, dafs nur
Flandern als Ziel bez. Ausgangsort der Waren angegeben ist^. Burk-
hard war befriedigt, er interessierte sich jetzt sogar für den Verkehr
der Venetianer.
In ähnlicher Weise liefs sich ein Luzerner Bürger, der ein Nach-
komme der dort angesiedelten Astigianen gewesen sein dürfte, durch
eine Abfindung von 40 fl. von der Anwendung von Repressalien, mit
denen er die in der Lombardei erlittene Gefangenschaft und ihm zu-
gefügten Schäden vergelten wollte, abbringen^.
Siebenunddrei fsigstes Kapitel.
Die Wege vom Vierwaldstättersee bis Basel.
Der Weg über den unteren Hauenstein. Zölle. Sdiiffdhrt auf der Reu/s. Land-
toeg über Brugg und Bötzberg. Die Verhatidlungen Mailands mit Herzog Rudolf IV.
Die Geleitsbriefe anderer österreichischer Herzöge und des Grafen von Habsburg-Laufen*
bürg, Mailänder Gesandtschaften von 1391 und 1398, VerJcehrshöhe nach deti Gdeitsgelderfi
von Mellinge^u Verkehr auf dem unteren Hauenstein, Thiersteinsches Geleitsprivileg,
Auch auf der Strafse Luzern, Beiden, Hauenstein mehrten sich die
Zölle, 1374 erlaubte Herzog Leopold denen von Sursee einen Zoll, und
da er nach Fardeln und Wollballen tarifiert ist, dient auch er zum Be-
weis für den deutsch-italienischen Verkehr*, ebenso wurde einer in Sem-
pach erhoben^. In Zofingen erscheinen Zoll und Geleit unterschieden®.
Habsburgisch war nun auch der Zoll zu Aarburg'' und der zu Ölten®.
Dezember 18 (Burkhard soll nochmals verhört werden) 2, 564. Böhmer-Huber 6228.
1363 Januar 10 2, 566. Böhmer-Huber 6237.
^ Simons feld Nr. 197 u. 200. Dieser Beschlufs vom 9. Januar 1364. Aus-
drücklich hervorgehoben: »pro aptando Camino Basilee<.
8 Simonsfeld Nr. 204. 1364 April 6.
' Unsere Urkunden Nr. 15. 1359 November 20. Der Name Gelwanus ist
identisch mit dem des Astigianen von 1288 — 33. Das Abstandsgeld wurde über-
geben durch denselben Mailänder Beauftragten, der mit Burkhard Münch ver-
handelte, Passino von Bergamo.
* Segesser 1, 756 f.
^ Segesser 2, 766.
« Jener trug 11 U, dieses 80 ü Stäbler. Habsb. Urbar 2, 748 f.
^ Habsb. Urbar 1, 489 und 2, 631. Tarif 2, 752.
^ Habsb. Urbar 2, 754. Der Zoll ertrug mindestens 50 fl. jährlich.
Die Wege vom Vierwaldstättersee bis Basel. 415
Der Zoll (oder wohl besser gesagt) das Geleite am unteren Hauenstein
wurde von der Süd- auf die Nordseite nach Diepflingen verlegt^. Zoll
und Geleit zu Liestal kam am Anfang des vierzehnten Jahrhunderts in
den Besitz eines Baseler Geschlechtes, am Anfang des folgenden in den
der Stadt bez. des Spitals in Basel ^. Ein Brückenzoll wurde an der
Brücke über die Ergolz bei Basel-Augst erhoben, von seinen Eigentümern,
den Grafen von Habsburg - Laufenburg , wurde er an die Münch und
Bärenfels gegeben und erbte sich bei ihren Besitzern fort^. Die Stadt
Basel erhob endlich dafür, dafs sie bei dem durch den Heldenkarapf be-
kannten Siechenhaus St. Jakob zwischen 1295 und 1302 eine Brücke
über die Birs gebaut hatte, einen Brückenzoll, dessen Tarif erhalten ist*.
Neben dieser Hauptlandfortsetzung des Gotthardweges spielte für den
Verkehr flufsabwärts die Schiffahrt auf der Reufs, Aare und dem Rhein
eine grofse Rolle. 1278 wettete ein Luzemer Schiffer, er werde in einem
Tage trotz des Laufens bei Laufenburg sein Schiff bis Strafsburg bringen,
er verlor freilich die Wette*. Ganz besonders dienten die Schiffe auch
dem Transporte von Pilgern, sei es solchen, die Rom besucht hatten, oder
solchen, die nach Einsiedeln gewallfahrtet waren. Auch die Badegäste
des damaligen vornehmsten Bades Baden im Aargau benutzten gern die
Schiffe. So erzählt Vitoduran, wie bei Rheinfelden ein Schiff mit Bade-
gästen und Pilgern zu Grunde ging®. In den Urkunden über die Schiff-
fahrt, die ich hier grundsätzlich ausschliefse, begegnen uns sehr oft die
Pilger, und so wurde z. B. 1466 von Pilgern, die am Zürichersee ins
Schiff gestiegen waren, in Zürich dasselbe wechselten, am Abend Strafs-
burg erreicht — es ist das Vorbild der Reise des Züricher Breitopfes ^.
Kaufmannsware zog natürlich auch diesen Weg, so ging 1462 zu Rhein-
felden ein Schiff unter, in dem köstliche Ware, viel Spezerei von Venedig
und Baumwolle, auch 30 Centner Stahl verladen waren®.
Dieselbe Richtung Reufs abwärts schlug nicht selten auch der Land-
verkehr ein, und dieser benutzte dann von Brugg an die alte Bötzberg-
route. Diese Linie lag bis kurz vor Basel vollständig auf habsburgischem
Boden — ein Stück davon gehörte der gräflichen Linie. Der Weg, welcher,
datiere ich den Bericht Passinos von Bergamo richtig, schon früher be-
nutzt war, und für den es einen Geleitsbrief Herzog Leopolds I. gab,
* Freivogel 51.
2 Freivogel S. 134.
» Freivogel S. 40 u. 156.
* Freivogel S. 158 f.
5 M.G. SS. 17, 203.
ö Vitoduran US ed. v. Wyfs.
' Ruppert, Chroniken 260 f.
** Baseler Chroniken 4, 340.
416 Siebenunddrei fsigstes Kapitel.
ging von Luzern, bei Gislikon die Reufs erreichend, an diesem Flusse
abwärts an Bremgarten und Meilingen vorbei nach Brugg, dann über
den Bötzberg nach Basel. Privilegiert wurde dieser Weg von Herzog
Rudolf IV. von Österreich in dem gleichen Augenblicke, als er den
Bürgern von Luzern die Zollfreiheit bis Reiden und Windisch zusicherte \
veranlafst aber war er von den mailändischen Kaufleuten ; denn derselbe
Gesandte, der wegen Burkhard Münch verhandelt hatte, berichtet auch
ttber diese Angelegenheit nach Hause*. Am 25. Oktober 1360 traf er
mit dem für kurze Zeit aus dem Osten in seinen Stammlanden er-
schienenen Herzog zusammen, ein Baseler BUrger hatte ihn begleitet. Er
versprach sofort einen Geleitsbrief, wenn die Kaufleute über Brugg
gehen wollten. Der Mailänder war so gewifs, dafs er seine Landsleute
sofort einlud, ihre Waren zu schicken, und der Baseler Johann von Walt-
bach ging sofort nach Strafsburg, um auch dort einen gleichen Sicherungs-
brief zu erwirken.
Das war freilich vorschnell, denn der Herzog liefs gleichwohl Ballen
und Waren anhalten und nach Brugg bringen, auch wurden Kaufleute
und Diener in Gewahrsam behalten. Die Mailänder verzweifelten daran,
ob es möglich sein werde, durch diese Teile Deutschlands eine Strafse
zu legen, sie sandten am 17. November — in so kurzer Zeit hatten sich
die Ereignisse abgespielt — nach Strafsburg die Bitte, sie möchten an
den Herzog Rudolf einen Boten senden, damit abgeholfen werde ^.
* S. oben S. 402. Am 1. Februar erteilte er auch dem Kloster Engelberg Zoll-
freiheit von Luzern bis Brugg. Huber, Gesch. d. Herzogs Rudolfs IV. 193. Reg.
268. Die Zollfreiheit von Luzern wurde 1405 vom Grafen Hans von Habsburg-
Laufenburg, Landvogt der Herrschaft Österreich, bestätigt. Segesser 1, 265.
^ Unsere Urkunden Nr. 16. Der Brief des Passino von Bergamo bietet keine
Jahreszahl, sondern nur die Angaben „Basel Oktober 25^. Als Ort der Zusammen-
kunft wird das noch nicht erklärte tanna oder tai^e^'na Luchutis genannt. Nun ist
Herzog Rudolf nach den Regesten bei Huber, Rudolfs IV. von Osterreich, vom
4. Oktober bis 5. November 1360 in Brugg gewesen, am 27. November war er in
Nürnberg. Am 22. Januar 1361 war er wieder in den Vor landen, vom 13. März ist
sein gleich zu erwähnender Geleitsbrief datiert. Der Baseler Bürger Johann von
Waltbach stand als Pfandinhaber der Herrschaft Wehr und sonst in lebhaften Be-
ziehungen zu Rudolf rV. (vgl. z. B. Lichnowskj, Regesten 4 Nr. 36 von 1359,
406 von 1362, auch Nr. 795). Meine Datierung des Briefes wird aber zur G^wifs-
heit durch den gleich zu erwähnenden Brief der Mailänder Kaufmannschaft an Strafs-
burg, wo Pasinus ausdrücklich genannt ist. Passino redet in unserem Schreiben von
mehreren österreichischen Herzögen und spricht am Ende von einem Briefe, der ähn-
lich sein soll dem Briefe des Herzogs Leopold. Wer ist damit gemeint? Leopold IFI.,
der jüngere Bruder Rudolfs IV., hat erst später einen solchen Brief, wie wir sehen
werden, ausgestellt; Leopold II. war nie aus der Vormundschaft entlassen, es ist
also der 1326 gestorbene tapfere Sohn König Albrechts gemeint.
8 Gedruckt Strafsb. Urkb. 5, 439 f. und Zeitschrift f. Gesch. d. Oberrheins
N. F. 6, 321.
Die Wege vom Vierwaldstättersee bis Basel. 417
Doch die Wünsche der Mailänder gingen in Erfüllung. Der Geleits-
brief Rudolfs IV. datiert vom 13. März 1361 ^ und bestimmt, dafs alle
Eaufleute von Mailand, Venedig, Florenz und allen anderen lombar-
dischen Städten auf folgendem Wege von ihm vollen Schutz und Garantie
gegen allen Schaden durch Raub haben sollen: von Ottmarsheim nach
Basel ; dann aus dem Grenzgebiet dieser Stadt im Geleite des Rheinfelder
Vogtes bis nach Brugg und von da nach Luzern^. Die Kauf Leute
sollten von Ottmarsheim bis Rheinfelden nur diese Strafse benutzen , ja,
wer dawider handle, sollte geradezu als Geleitsbrecher gelten. Es war
damit den Italienern also der untere wie der obere Hauenstein verboten.
Jedes Pferd, das verkauft werden sollte oder Wolle oder Tuche trug,
sollte als Geleitsgeld in Ottmarsheim und in Rheinfelden je 2 ß Strafs-
burger geben. Wenn der Herzog wegen Fehden keine Bürgschaft leisten
konnte, so war er verpflichtet, in das Gasthaus zu Luzern, wo die
Lombarden einkehrten, Nachricht zu schicken und auch dann war er
noch einen Monat zum Schadenersatz verbunden. Bei einer vollständigen
Aufkündigung erstreckte sich der Termin auf drei Monate®.
Mit Mailand hatte die engsten Beziehungen der jüngste Bruder
Rudolfs IV. und sein Erbe in den vorderen Landen Leopold IH. Am
23. Februar 13ü5 hatte er Viridis, die Tochter Bernabo Viscontis, als
seine Gemahlin heimgeführt. So kann es nicht auffallen, dafs er mit
seinem Bruder Albrecht HI. den Geleitsbrief ihres Landvogtes Rudolf
von Waise, den dieser den Kaufleuten Mailands und Italiens für den
Weg Breisach, Rheinfelden und Brugg ausgestellt hatte, bestätigte*. Als
Leopold im April 1370 * in Mailand weilte, traten die Mailänder Kaufleute
mit Klagen über die Bürger von Basel und Luzern vor ihn. Sie nähmen
neuerdings von den Waren lombardischer Kaufleute grofse Abgaben;
im Gebiete der Herzöge würden sie beraubt und belästigt. Der Herzog
erklärte sich bereit abzuhelfen und schickte den Befehl, Graf Rudolf
von Nidau, sein Landvogt in Schwaben, Aargau und Thurgau, solle auf
Luzern und Basel, der Markgraf Rudolf von Baden, sein Landvogt
* Unsere Urkunden Nr. 17.
2 Ich will nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, dafs nach dem Wortlaute von
Ottmarsheim bis Luzern der Lauf des Rheins, der Aare und Heufs als die strata
betrachtet werden kann, allein es ist die Aufzählung nach der Bergfahrt gegeben,
die äuiserst schwierig ist. Das Geleit wird demnach auch nach Pferden berechnet.
' Auch dieses Dokument trägt die Sonderbarkeiten vieler Urkunden des eigen-
artig prunkliebendeu Fürsten : eigene Unterschrift, Datierung nach Lebensalter und
Regierungsjahren.
* Die Bnichstücke der Urkunde vom 17. August 1366 bei Kurz, Österreich
unter Herzog Albrecht IIL 1, 202.
^ Nach den Regesten bei Lichnowsky handelte es sich um einen kurzen Ab-
stecher von Meran.
Schulte, Gesch. d. mittelalterl. Handels. I. 27
418 Siebcnunddreifsigstes Kapitel.
im Breisgau, auf Basel einwirken, damit sie die neuen Abgaben auf-
höben, auch sollten sie scharf für die Sicherheit des Verkehrs sorgen,
damit er sich wieder seinen Landen zuwende*.
Auf diese Bötzbergroute und auf den Verkehr auf dem Rheine bei
Laufenburg bezieht sich ein etwas langatmiger und ängstlicher Geleits-
brief des Grafen Rudolf IV. von Habsburg -Laufenburg ftlr die aus dem
Gebiete der Visconti stammenden Kaufleute*. Es soll der Vertrag nur
zwei Jahre gelten und schon für das zweite ist die Möglichkeit einer
Aufkündigung beiden Seiten gewahrt. Der Graf hat sie nach Basel in
den Ballhof oder nach Luzem in ein bestimmtes Gasthaus zu melden.
Der Vertrag ist am meisten dadurch interessant, dafs die Garantie auf
dem Wasser beweist, dafs auch die italienischen Waren mitunter den
gefkhrlichen Weg durch die Stromschnellen von Laufenburg nahmen,
wie auch derselbe Graf 1376 einen ähnlichen kurzfristigen Brief den
Luzernern für den Verkehr „zu Wasser" und zu Lande ausstellte '. Auch
die Instruktion jener Mailänder Gesandten, die im Jahre 1891 zunächst
in Konstanz über einen Bündner Pafs und den Weg über den hohlen
Graben verhandeln sollten, nimmt auf die Bötzbergroute Rücksicht. Es
wird nämlich vorgesehen, dafs die Gesandten aufser in Luzem, Basel
und Strafsburg auch mit dem Landvogt des Herzogs von Österreich
verhandeln sollten. Freilich kann ja darunter auch der Landvogt im
Breisgau und Elsafs verstanden werden*. Auf die Luzerner Punkte
ist später einzugehen. Und 1898 sandte abermals die Mailänder Kauf-
mannschaft einen Gesandten nach Strafsburg, den Kaufmann Francesco
da Conago, um über die Wiederherstellung der Strafse zwischen Deutsch-
land und Italien zu verhandeln. Leider ist nur die Instruktion er-
halten * ; wenn wir aber erfahren, dafs im gleichen Jahre Hans Segesser,
der Schultheifs von Mellingen, in Sachen des Mellinger Geleites Ritte
nach Thann, Ensisheim, Luzem und Airolo machte, wofür er 1397/98
* Beide Befehle erhalten Urkunden Nr. 19 u. 20. Sie sind mitunterfertigt
von Peter von Thorberg, dem bekannten österreichischen Landvogt, dessen Stelle
nun der Qraf von Neuenburg-Nidau einnahm, Johann von Liechtenstein von Nikols-
bürg und Reinhard Wehinger, zwei sehr angesehenen Beamten, die bald für die
Herzöge die Finanzverwaltung übernahmen. Bemerkt sei, dafs am 23. November 1370
die beiden Herzöge Albrecht und Leopold auch den venetianischen Kaufleuten freies
Geleit in allen ihren Ländern gewährten. Lichnowskj 4 Regest 1013.
« Unsere Urkunden Nr. 21 von 1372 Juni 30.
* Th. V. Liebcnau, Archiv f. Schweiz. Gesch. 17, 2, 52.
* Unsere Urkunden Nr. 35.
» 1398 Mai 3L Strafsb.Urkb. 6 Nr. 1385 und Z. Gesch. Oberrh. N. F. 6, 320.
Er reist »causa proairandi de reparationihus itineris Allamanie. ..... Et placeat sie
agendo, quod mercatores et eontm liuncii et factores cum eorum mercantiis halfcani
causam comode per partes restras hinc inde visitandi.t
Die Wege vom Vierwaldstättersee bis Basel.
419
56 fl. ausgab, und im nächsten Jahre ^die Sache der Kaufleute von
Mailand trieb und auf und ab ritt" ^ , so wissen wir , dafs es sich um
die Gotthardstrafse und um deren Fortsetzung auf der Reufs handelte.
Der Verkehr auf dieser Bötzbergroute beziehungsweise auf der Reufs
spiegelt sich in den Ziffern, die Thommen und Welti über die Einnahme des
Geleits in Hellingen veröffentlicht haben ^. Hellingen besafs aber nicht allein
Verkehr nach dieser einen nord-südlichen Richtung, sondern es nahm auch
an dem Verkehre Teil, der vom Genfersee an den unteren Bodensee ging.
Zwar tiberschritt ein Teil davon die Reufs bei Brugg, ein anderer wohl bei
Bremgarten (Richtung Zürich, Bremgarten, Wohlen, Lenzburg, Aarau), ein
erheblicher Teil fiel aber Hellingen zu, der sich von Aarau auf I^enzburg,
Hellingen, Baden, Dietikon, Zürich bez. Baden-Kaiserstuhl-Schaff hausen
bewegte. Vollständig kam dieser westöstlichen Richtung der Brückenzoll
zu gut, dessen Ertrag um 1394 zwischen 27 und 20 /iS schwankte^.
Die Rechnungen des Hellinger Geleits stehen mit denen von Baden
im Aargau und Waldshut zusammen , weil diese Einkünfte zusammen die
Bürgschaft für eine Schuld bildeten^. Baden, das übrigens ein sehr
besuchter Badeort war, diente auch noch der Richtung: Zürich -Brugg.
Oberrheinthal. Waldshut hing, wie wir gesehen haben, vom Verkehre
längs des Südhanges des Schwarzwaldes ab , nahm aber auch einen Teil
des Verkehrs aus dem Reufs- und Limmatgebiete auf.
Die folgende Tabelle giebt den Jahresertrag von Hartini zu Hartini
in Gulden an.
Meilingen
Baden
Waldshut
Zusammen
1397/8
304
176V«
217
697V«
1398/9
398
180
278
856
1399/1400«^
283»/4
188
137»/4
609V«
1400/P
283«/4
188
137«/*
609V«
1401/2
231
187
116
534
1500V2
919V«
886V«
1 S. unten S. 423.
3 Anzeiger f. Schweiz. Gesch. 7, 186 u. 502. Auch wegen des Geleites von
Meilingen erhoben die Luzerner vor Ausbruch des Sempacherkrieges Klagen. Archiv
f. Schweiz. Gesch. 7, 2, 89.
8 Habsb. Urbar 2, 741. Beim Geleite S. 742 ist die Ziffer nicht ausgefuUt.
* Die Geleite waren 1379 auf Abzahlung an die Edlen von Bamstein und dann
1402 an die Stadt Aarau verpfändet. Th. v. Liebenau, Regesten zur Gesch. von
Meilingen Nr. 97 u. 145. Arge via Bd. 14. Dort auch weitere Angaben.
^ Die Rechnung erstreckt sich auf zwei Jahre , es blieb mir also nichts übrig
als den Betrag zu teilen.
27*
420 Achtunddreifsigstes KapiteL
Die Bedeutung des Mellinger Verkehrs tritt deutlich zu Tage,
selbstredend ist vorausgesetzt, dafs an allen drei Orten gleiche oder doch
fast gleiche Beträge erhoben wurden.
Die Ausgaben für Geleitszwecke sind minimal, jede Stadt gab
jährlich ihren Geleitsleuten 8 fl., kleine Beträge kamen für Rechnungs-
bücher etc. der Kanzlei zu. Hans Segessers oben erwähnten Reisen
kosten 1397^98 56 fl.; im nächsten Jahre schickte er einen eigenen Boten
nach Mailand, daran zahlten die Städte 7 fl. Der ganze Rest stand der
Herrschaft zur Verfügung. Nun mufs man das Geleitsgeld freilich auch
als eine Versicherungsprämie gegen Unfall betrachten, im Falle einer
Beraubung war ja die Herrschaft ersatzpflichtig. Aber selbst wenn man
das reichlich in Anschlag setzt, war das Geleit eine wertvolle Einnahme-
quelle der Herrschaft Da der Satz, nach dem dasselbe erhoben wurde,
unbekannt ist, kann man die Höhe des Verkehrs leider nicht berechnen.
Inzwischen war der Wunsch Herzog Rudolfs IV. keineswegs in Er-
füllung gegangen, der da meinte, der Strafse über den unteren Hauen-
stein den Verkehr entziehen zu können. Wie so viele seiner wirklich
grofsen Ideen blieb dieses gegen die Bedingungen der Natur gerichtete
Projekt unerfüllt. Drei Jahre nach seinem Tode erhielt der untere
Hauenstein wieder einen Geleitsbrief und zwar stellte ihn Graf Sieg-
mund von Thierstein aus, der eben die Grafschaftsrechte im Sissgau
gewonnen hatte ^, vor allem hatte er die Kauf leute der „königlichen"
Städte Mailand, Venedig, Florenz und Como im Auge ^. Zum Unter-
schiede von anderen Geleitsbriefen enthält dieser nicht die Bürgschaft
für Schadenersatz, der Graf verpflichtete sich nur zu helfen, als wenn
es seine eigenen Sachen wären.
Achtunddreifsigstes Kapitel.
Die nSrdlichen Fortsetzungen.
Die Strafse St. Amarin-LoUrnngen. Briefe von Neufchäteati und Lothringen. Be-
nrnhungen Sintzes, Der GeleiUhrief der Herren von Faucogney. Montaigne, — Weg
Luzern'Netienburg-ValTraverS'Pantarlier, Zölle. Gegenbemühungen Mailands, Ausfuhr-
vertrage Mailands mit dem K&nige vo7i Frankreich für Wolle, Ausfuhrort St, Jean de
Losne, Instruktion der Gesandten, — Die „Krumme Meile^^ Strafsburg -Saarbrücken-
Luxemburg, Geleitsgesellschaft, ihre Briefe. Privilegien für die Fortsetzungen, — Ver-
kehr auf dem Btieine, Zoüstätten von Laufenburg bis Mainz, Überlastung, Wer ist
schuldigt Auch die Städte, Schwache Be formen, — Die Landwege auf dem rechten
Bheinufer, Privilegien für Italiener.
Auch für diese Periode fehlt es nicht an überraschenden Aufschlüssen
über die von den Italienern benutzten Fortsetzungen der Gotthardstrafse
jenseits von Basel.
1 S. Freivogel 13 f. « Unsere Urkunden Nr. 18.
Die nördlichen Fortsetzungen. 421
Die von uns früher festgestellte Route durch das St. Amarinthal
zur Moselquelle und durch Lothringen blieb auch dann noch, wenn
auch nicht in regelmäfsiger Benutzung, als die Champagner Mefsen ihre
Bedeutung verloren hatten. Das war freilich 1321 noch nicht der Fall;
die damals neu eingerichtete Strafse bog aus politischen Gründen von
der früheren ab. Die alte hatte durch Bar-le-Duc den Anschlufs zu den
Mefsplätzen gesucht, um 1320 war aber der Graf von Bar mit
Herzog Friedrich IV. von Lothringen verfeindet, der deutsche Königs-
streit trennte auch hier die Gemüter^. Es mufste daher der Anschlufs
auf lothringischem Boden weiter oberhalb im Gebirge gesucht werden
und als Übergangsplatz wurde das im obersten Maasgebiet gelegene
Neufchäteau, das ein von der Champagne an Lothringen gegebenes
Lehen war, also nicht mehr zum deutschen Reiche gehörte, ausersehen.
Der Weg mufste also wohl in l^^pinal aus dem Moselthale abbiegen. Die
Bewohner von Neufchäteau stellten dem capiianeus soctetaiis mercaiorum
Lombardie, also wohl der Gesellschaft der Mefsbesucher, gern die ge-
wünschte Erlaubnis aus, bemerkten jedoch, dafs ihnen das Geleitsrecht
nicht zustehe*.
Schon einige Wochen vorher hatte ihr Herzog die Eaufleute von
Mailand auf dem Wege vom Berge „First" bis nach Neufchäteau in sein
Geleit genommen und ihnen ein sehr weitgehendes Privileg zugestellt*;
es fehlt nicht die Garantie gegen Repressalien. Die Bestimmungen er-
innern mannigfach an die des Privilegs des Grafen von Pfirt*. Be-
sonders wertvoll ist die Festsetzung des Zolles auf Wolle, die von
Frankreich nach der Lombardei verführt wird, sie soll denselben Zoll
tragen wie die fertigen Tuchstoffe, und nicht mehr als auf dem Wege,
der durch Burgund, Savoyen und Wallis — also über den Simplon —
zu zahlen war. Daraus ergiebt sich, dafs dieser Weg, der wegen der
Unruhen am Gotthard seit 1315 verlassen worden war, gerade wie 1299
die Strafse durch Burgund ersetzen sollte. Auch diese Urkunde, die in
Säckingen ausgestellt wurde, verrät italienischen Einflufs und somit sehen
wir, dafs die Mailänder sich erneut diesem Wege anvertrauen wollten,
der für deutsche Zustände wenige Geleitsherm hatte. Im wesentlichen
1 Digot 2, 217 f.
« Unsere Urkunden Nr. 4. 1322 Juli 22.
« Unsere Urkunden Nr. 8. 1821 Juni 29.
* S. oben S. 202 f. Bei den Bestimmungen über die Repressalien ist jetzt auch
der Fall vorgesehen, dafs sich ein alter Mailänder Söldner an den Kaufleuten
schadlos halten wollte. Fast gleich sind die Bestimmungen über Verpfändungen der
Fuhrleute, Schadenersatz innerhalb 40 Tagen, Tod eines Kaufmanns, Instandhaltung
der Strafse ohne neue Abgaben. Doch fehlt auch manches, neu ist die Bestimmung,
dafs für Erhöhung der italienischen Zölle keine Repressalie gestattet ist
422 Achtunddreif8ig8tes Kapitel.^
war man im Gebiete der Habsburger und des Lothringers, der tapfer
für die Sache seines Schwagers König Friedrich focht.
In den Kämpfen, welche dem Regensburger Frieden (1355) voran-
gingen, war mit dem Gotthard auch diese lothringische Route verödet.
Cunzmann Sintze, der Basler Wirt und Diplomat, bemühte sich den Ver-
kehr wieder in Gang zu bringen *. Er hatte die besten Hoffnungen
und berichtete sehr selbstbewufst , dafs Graf Eberhard von Württemberg
bei ihm in seinem Hause gewesen sei, auch mit Burkhard von Vinstingen
und Theobald von Faucogney hatte er in dieser Sache verhandelt. Des
österreichischen Landvogtes glaubte der Wirt ganz sicher zu sein, beim
Grafen von Bar hatte er bereits erreicht, dafs er einen sicheren Weg
durch sein Land verstatten wolle. Er getraute sich mit 300 fl. und den
Geldern für die Briefe und seinen Reisespesen für die Ritte, die in
dieser Sache nötig seien, die Sache ins Reine zu bringen. Auf den
ersten Augenblick verwirren die Namen Württemberg und Vinstingen,
aber mit Unrecht: für den ganz jugendlichen Herzog Johann I. von
Lothringen (1846 — 90) führte mit der Witwe des verstorbenen Herzogs
Rudolf, Graf Eberhard IL der Greiner von Württemberg, die Vor-
mundschaft und sein Delegierter war Burkhard von Vinstingen , der den
Titel eines lieuienant giniral fiihrte*.
Theobald von Faucogney hatte aber schon 1347 mit seinem Bruder
Heinrich den Kaufleuten der Lombardei, Toskana, von Venedig und
Genua und allen Kauf leuten der universitds mercatorum einen für diese
sehr günstigen Geleitsbrief gegeben^. Seine Besitzungen lagen an dem
südlichen Rande der Vogesen, nach dem Briefe Sintzes müssen sie sich
bis an die Moselstrafse erstreckt haben, der Kern lag jedenfalls jenseits
der Wasserscheide im Stromgebiete des Rhone.
Es ist fast nicht zu zweifeln, dafs Sintze seine Absicht erreichte,
vielleicht schädigte aber die Vertreibung der lombardischen Geldhändler
aus Lothringen, die 1358 stattfand*, auch den Verkehr dieser Waren-
händler. Die Belehnung des Herzogs mit dem Geleit innerhalb seines
Gebietes* beweist nichts; denn mit dem Geleite auf den vielen durch
* Unsere Urkunden Nr. 18.
2 Digot 2, 261.
8 Unsere Urkunden Nr. 6. Der Brief zeigt manche Ähnlichkeit mit dem
Geleitsbrief des Grafen von Pfirt. Urkunden Nr. 2. Jedoch ist in den jüngeren
die Haftung des Kaufmanns für seine Heimatstadt aufgegeben, auch giebt es kein
Recht einer Aufkündigung mehr. Der Brief von Faucogney ist überhaupt weiter
entwickelt als der von Pfirt. Ich habe die entlehnten Stellen unter dem Texte an-
gegeben.
•* Digot 2, 277.
» ßöhmer-Huber 3629.
Die nördlichen Fortsetzungen. 423
das Herzogtum führenden Strafsen wurde er längst in feierlicher Weise
mit einer besonderen Fahne belehnt ^ Viel mehr beweist für den Ver-
kehr, dafs 1399 der Schultheifs von Mellingen im Interesse des Gotthards-
verkehr nach Thann an die Mündung des St. Amarinthales wiederholt
Ritte machte^. Und doch war ja Lothringen inzwischen vielfach in
Fehden durch herumstreifende Banden verheert worden, und hatten die
Champagner Messen ihre internationale Bedeutung völlig eingebüfst.
Auch später wurde der Weg über den Col de Bussang, den Geering,
der sonst so vorzüglich über die Wege in der Umgegend von Basel orien-
tiert ist, gar nicht kennt, noch benutzt. So reiste Montaigne 1581 von Bar
le Duo über Donremy , Neufchäteau , £pinal nach Plombieres , dann von
dort über Remiremont nach Bussang , einem schlechten Neste , in dessen
Umgebung Silber gefördert wurde, Thann und Basel ^. Die Benutzung
der weiter nördlich bis zu den Nordvogesen hin gelegenen Vogesenpässe
durch Italiener kann ich nicht belegen*.
Schon oben habe ich bemerkt, dafs vom St. Gotthard jetzt auch
weiter westlich eine Fortsetzung des Gotthardweges bestand, die auf der
Höhe des Jura bei Pontarlier sich mit der Strafse von Jougne verband.
Es war der Weg durch das Entlebuch, Bern, Neuenburg und Val
Travers, der, wie oben gezeigt, schon 1315 benutzt wurde. Er kam
jedoch nicht so in Aufnahme, wie es die Grafen von Neuenburg
wünschten, und so beschlossen sie denn, auch in Bellaigues, das heifst
an jener anderen Route, zwischen Les Clöes und Jougne, Zoll zu er-
heben, sie wollten auch von dem Verkehr durch das Wallis nach
Burgund ihren Anteil haben. Ein solcher neuer dritter Zoll am Jura-
pafse mufste den Italienern sehr lästig fallen. In den Bitten der Mai-
länder Kaufmannschaft, die sie Anfang 1355 an den König Karl IV.
richteten, fanden wir auch die um Aufhebung des Zolls und Zurück-
nahme der ausgestellten Urkunde*. Damit hatten sie keineswegs Er-
folg; Graf Ludwig von Neuenburg stellte es so dar, dafs die Leute
* So gab Alfons mit der vierten von fünf Fahnen das Geleit. Vgl. E. Majer
Zoll, Kaufmannschaft und Markt zwischen Khein und Loire (Festschr. f. Maurer) S.46d.
* Anzeiger f. Schweiz. Gesch. 7, 188.
' D'Ancona, L*Italia alla üne del secolo XVI. Giomale del viaggio dl
Michele de Montaigne. Cittä di Castello 1889.
* Es kommt zunächst in Frage der Pafs, der vom Kayserbergcir Thal westlich
von Diedolshausen über den Kamm in das Thal der Meurthe führt. Bei Diedols-
hausen gab es einen Zoll (Hapoltsteinisches Urkb. Bd. I), und die Gründung
von S. Di6 wird mit dem Verkehr motiviert. Bei dieser Stadt mündete auch der
Weg, der von Markirch über den Kamm ging, ebenso die Verbindung von Strafs-
burg über Schirmeck. Im Handel und Verkehr zwischen dem Elsasse und Lothringen
spielen diese Wege selbstredend eine grofse Rolle, wie der Weg über Zabem.
^ Unsere Urkunden Nr. 8.
424 Achtunddreiröigstes Kapitel.
seinen Zoll in Neuenburg über Jougne umgingen, wo doch thatsächlich,
um die Jougnezölle zu umgehen, der Weg über Neuenburg in Auf-
nahme gekommen war. So billigte Karl IV. die Erhebung eines Zolles
in Bellaigues neben dem in Neuenbürg^, ja er genehmigte, dafs ebenso-
viel wie in Les Clöes erhoben werde*. Kurz vorher war auch der Zoll
von Jougne bestätigt^. Die aus Wallis kommenden Lombarden hatten
also nunmehr drei schwere Zölle am Jura zu bezahlen.
Sie mufsten sehr einträglich sein, denn noch immer war der Bezug
der Wollen seitens der Mailänder sehr bedeutend. Seit mindestens 1316
gab es einen besonderen Handelsvertrag der Mailänder Kaufniannschaft
mit den Königen von Frankreich über die Ausfuhr von Wolle. Die
Verträge wurden stets auf eine längere Reihe von Jahren abgeschlossen
und dabei die jährlich an den König zu zahlende Entschädigung festge-
setzt. Es handelte sich im wesentlichen um die Durchfuhr englischer
Wolle und dafür gab es bestimmte Ein- beziehungsweise Ausfuhrhäfen.
Eine vorläufig noch nicht sicher zu datierende Instruktion giebt darüber
Auskunft*. Als Haupteinfuhrhafen galt Honfleur oder Harfleur (Ahflore),
dann gingen die Waren Seine aufwärts bis Paris und auf der Yonne bis
Sens. Als Ausgangsort wird ein porius sancii Johannis angegeben, die
direkte Fortsetzung jenes Weges führt von Sens über Dijon aber nach
St. Jean de Losne an der Saöne, das ist der portus sancii Johannis und
uns aus früheren Zeiten schon als Grenzplatz Frankreichs bekannt.
Eben als solcher und als Ausgangsort galt St. Jean auch in der vor-
läufig nur in einem sehr ungenügenden Regest vorliegenden Vertrag
Philipps des Schönen mit der Stadt Mailand, der wohl der älteste der
Ausfuhrverträge ist^ In der Instruktion ist nicht weiter von der
Schiffahrt auf der Saone und Rhone die Rede. Die Namen Johann von
Chalon, Grafen von Savoyen und der Ortsname La Loye zeigen, dafs
es sich um die uns wohlbekannte Strafse von St. Jean über Salins,
Pontarlier, Jougne ins Wallis handelt. Auf ihr gingen also auch in
dieser Zeit noch grofse Mengen englischer und französischer Wolle nach
Mailand; denn die feste Abgabe war zeitweise auf 2400 Lire festgesetzt.
1 Böhmer-Huber 6958. 1358 Juni 30.
2 Böhmer-Huber 7013. Bald wurde der Zoll ein Lehen der Habsburger,
deren Lehensleute wieder die Grafen von Neuenburg waren. 1369. Thommen,
Urkunden aus Schweiz. Archiv 1, 402.
8 Böhmer- Hub er 2806. 1358 Juni 30.
* Unsere Urkunden Nr. 39. Zu beachten ist, dafs diese Wünsche einen
Handelsvertrag mit einem Speciaiansatz für einen jeden wirklich exportierten Ballen
englischer oder französischer Wolle erstreben, während alle bekannten Verträge
eine Pauschalsumme haben.
^' (Planche r) Histoire g^n. et part. de Bourgogne 2, 99 (Dijon 1741). Vgl. auch
Pigeonneau 1, 309. Die Abgabe war auf sechs Jahre fixiert.
Die nördlichen Fortsetzungen. 425
Die grofsen französisch-engliBchen Kriege mursten aber diesen Handel
Bthwer trefFen, wenn auch der Krieg diese Strafee nicht völlig lahmlegte '.
' Für diese
Regesten von Gi
zu skizzierende Route aud die Eiportf ertiäge vgl. die
1 1316, 1319, 1342, 1343. 1357, 1358. Aue den Urkunden habe
426 Achtunddreifsigstes Kapitel.
Die wichtigste Fortsetzung des Gotthardweges nach Flandern wurde
aber von der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts an eine Strafse, die
bisher kaum je beachtet ist, und doch fliefsen für sie die Quellen sehr
reichlich. Den Anfang macht Strafsburg, bei Rothenkirchen vor dem
alten Steinthore begann das Geleit der alten Vögte der Strafsburger
Kirche, der Herren von Lichtenberg, das sich bis zum Breitenstein
nördlich von Ingweiler erstreckte. Der Weg ging wohl ohne Zweifel
über Brumath, Hochfelden, Buchsweiler und Ingweiler. Nördlich von
diesem Orte trat er in die Vogesen, rechts thronte die Burg Lichten-
berg, links Lützelstein. Von Breitenstein führt der Weg zunächst in
der Richtung auf Bitsch, biegt aber schon vor Leraberg ab, um über
Enchenberg Rohrbach zu erreichen. Da Rimlingen als Station be-
zeichnet ward , ging der alte Weg nördlich des heutigen auf Saargemünd
zu, verblieb dann aber auf dem rechten Ufer der Saar, um diese bei
Saarbrücken zu überschreiten. Das linke Ufer der Saar begleitete der
Weg bis Wallerfangen, nordwestlich des heutigen Saarlouis, dann wurde
die Verbindung zur Mosel erstrebt, die wohl bei Sierk überschritten wurde,
von da führte die Fortsetzung unmittelbar auf Luxemburg. Dieser Weg
ist fast gerade, von der Luftlinie weicht er nur ein wenig nach Nord-
osten ab. Heute ist der lange Strafsenzug durch das Waldgebirge
der Nordvogesen völlig verödet, nur die Strecke von Saarlouis bis Saar-
gemünd und von da bis Bitsch hat eine Eisenbahn, die Wasserscheide
am Breitenstein ist jedoch ohne eine solche.
Für den mittelalterlichen Verkehr war es weiter äufserst nachteilig,
dafs von Ingweiler bis Luxemburg fünf Herrschaften durchschnitten
wurden, die Geleitsrechte besafsen: das Herzogtum Lothringen, die Ge-
biete der Grafen von Luxemburg, Saarbrücken, Zweibrücken (bez. Bitsch)
und der Herren von Lichtenberg. Die Gefahr lag sehr nahe, dafs die
Herren mit Abgaben die Strafse belegen und den Verkehr töten würden.
Das haben sie jedoch klüglich vermieden, sie haben sich vielmehr zu
einem Bunde zusammengethan , wodurch eine einseitige Ausbeutung der
Strafse unmöglich wurde.
Das älteste für Italiener ausgestellte Geleitsprivilegium , das mir be-
kannt ist, ist noch von einem Einzelnen gegeben. Graf Walram von
Zweibrücken nahm die Kaufleute von Mailand 1350 in sein Geleite auf ^
In dem kurzen Privileg fehlt die Bestimmung über ehemalige deutsche
Söldner, die von den Eaufleuten Sold zu verlangen hätten, nicht. Es
cü mir s. Z. einige im vorstehenden verwertete Notizen gemacht. Vgl. auch Schutz-
brief des Herzogs Otto von Burgund 1339. Gaddi, Regest. Schutzbrief des Grafen
Amadeas von Savojen 1356 ebda. Brief des Herzogs von Burgund 1359 ebda
Dijon 1360.
* Unsere Urkunden Nr. 7.
Die nördlichen Fortsetzungen. 427
ist aber mit diesem Geleitsbriefe nicht etwa der Verkehr tlber diese
Strafse erst eröffnet worden, ich habe schon darauf hingewiesen, dafs
der Kirkelsche Baubanfall von 1303 sich auf diese Strafse beziehen
wird^. Und das Geleitsrecht der Herren von Lichtenberg von Rothen-
kirchen bis zur Pafshöhe des Breitenstein wurde schon 1347 von Karl IV.
bestätigt '^ und zwei Jahre später durch das Verbot, dieses Geleit zu um-
fahren oder neue Zölle zu errichten, gesichert^. Eine genauere Er-
forschung der Archivallen wird wohl noch eine Reihe von Belegen ftir
die Benutzung dieses Weges ergeben und ich glaube, der Strafse darf
man ein höheres Alter zuschreiben. Sie wird schon lange vorher den
berühmten elsässischen Wein nach Brabant und umgekehrt die Waren der
Niederlande an den Oberrhein verbracht haben*.
Die erste Einigung erfolgte 1352* zu dem Zwecke, dafs die Eauf-
leute um so friedlicher wandeln möchten auf den Strafsen, die die
Herren haben zwischen dem lombardischen Gebirge und Flandern,
nämlich vor Saarbrücken, Gmünd, Rimlingen und Ingweiler. Die
Heimat der Kaufleute ist nur durch das lampartische Gebirge und
Flandern angedeutet, in der Erneuerung von 1393 sind die Kaufleute
von Mailand und Como und aus dem Bezirk der Herren von Mailand
genannt, 1415 aber die von Mailand , Como, Lucca, Venedig, Toskana,
Lombardei und Thomas SafFeron von Como , vielleicht der Unterhändler
dieser Erneuerung. 1456 ist das Gesuch, die Strafse wieder in Benutzung
zu nehmen, an die Stadt Mecheln, an alle Kauf- und Fuhrleute aus
Frankreich, England, Flandern, Brabant und den Niederlanden über-
haupt, dann an die von Venedig, Mailand, Toskana, Burgund, Genf
und dem Oberlande gerichtet. Der Brief von 1466 ist für die Kauf-
leute von Mailand, Como, Lucca, Venedig, Toskana, Lombardei, Brügge,
Mecheln, Antwerpen, Köln, Strafsburg, Basel und Nürnberg bestimmt®.
Die Strafse ist ziemlich genau beschrieben, sie umfafst die Strecke
von der Mosel bis Strafsburg. Die Fortsetzung führte über Martelingen
(Martelange nw. Arlon in Belgien), von dort berichtet 1370 der Wirt
nach Strafsburg, dafs der Knecht eines lombardischen Kaufmanns unter
1 S. oben S. 211. Unsere Urkunden Nr. 181.
^ Böhmer-Huber 492. Winkelmann, Acta imperii 2 Nr. 692. Geleit zu
Ingweiler erneuert von Ruprecht Chmel Nr. 2056.
« Böhmer-Huber 886. Erneuert Böhmer-Huber 1646. Winkelmann,
Acta 2 Nr. 724 u. 778.
* Über den Zoll zu Ingweiler, der besonders vom Weine erhoben wurde, s. die
Urkunden Winkelmann, Acta imp. 2 Nr. 728 u. 979.
^ Im gleichen Jahre (1352 Februar 22) wurde ein Landfriede zwischen Maas
und Mosel errichtet, an dem Trier, Luxemburg, Pfalz, Jülich u. s. w. beteiligt waren.
Görtz, Regesten von Trier. Sollte dieser von Eiuflufs gewesen sein?
« Unsere Urkunden Nr. 400, 402, 403, 407 u. 324.
428 Achtunddreifsigstes Kapitel.
den Wagen gekommen war*. Seit 1393 erscheint in den Urkunden die
Freiung von zwei Herbergen in Rimlingen und zwei in Enehenberg.
Es sind die Stationen im Gebirge. Susten oder Kaufhäuser werden
nicht erwähnt. Die Abgaben auf der Strafse sollten, so wurde schon
1353 zugesagt; nicht erhöht werden, und es scheint auch thatsächlich
keine Steigerung derselben vorgekommen zu sein. 1393 wurde in jedem
der vier Geleite vom Wagen oder Karren 4 ß Strafsburger Pfennige
gegeben.
Die Briefe galten nur für bestimmte Termine. Mir bekannt sind
folgende y es mögen immerhin dazwischen noch einige Erneuerungen
fehlen :
Der Brief von 1352 galt auf 10 Jahre bis 1362 August 15 -
- 1361 - - 10 - - 1371«
- 1371 - - 10 - - 1381 November 11*
- 1394 . - 15 - - 1408 Februar 2»
- 1415 - - 30 - - 1445 Juni 24»
- 1466 - - 30 - - 1497 Juni 24 ^
Seit dem Vertrage von 1393 findet sich die Bestimmung, dafs den
Herren die Aufkündigung des Geleites freistehe, jedoch habe nach der
Aufsage das Geleit noch drei Monate Gültigkeit. Die Aufsage mufste
nach Strafsburg in das Kaufhaus erfolgen oder in die Herberge Erhart
Nesselbachs , des Wirtes der Lombarden. Sein Gasthaus lag dem Kauf-
hause schräg gegenüber, jenseits der Breusch, am Eingang zum damals
auch zur Schiffahrt benutzten Goldgiefsen , der die Verbindung mit dem
Rheine herstellte^. Auch daraus sehen wir, dafs die lombardischen
Kauf leute der Regel nach auf dem Rheine nach Strafsburg kamen.
Im Vertrage von 1352 findet sich die Bestimmung, dafs die ver-
bündeten Herren verhindern wollen, dafs die Kauf leute eine andere
* Strafsb. Urkb. 5, 674.
* Urkunden Nr. 400. Vgl. Lehmann, Hanau-Lichtenberg 1, 124.
' Lehmann 1, 132.
* Urkunden Nr. 401. Vgl. Lehmann 1. 139.
» Urkunden Nr. 402.
« Urkunden Nr. 403.
7 Urkunden Nr. 324.
« Nach Seyboth, Das alte Strafsburg 183. St. Nicolaus Staden Nr. 18. 1501
wohnte hier Sebastian Brant. Erhart Nesselbach hatte offenbar sehr viele Be-
ziehungen, so forderte der Hofschreiber König Wenzels, ihm solle die Stadt Strafs-
burg 200 fl. einzahlen, die er zu fordern hätte. Strafsb. Urkb. 6 Nr. 1100. Sein
Wirtshaus wurde als Reichslehen angesprochen und Siegmund verlieh es an seinen
bekannten Kanzleibeamten Kaspar Schlick. Altmann Nr. 7620. Vgl. 2204, 3032,
7843, 10 113. Chmel, Fr. IV. 1058. Vgl. über den Nesselbach auch Strafsb. Urkb. 7
Nr. 1191 u. 1571. In Strafsburg wohnten 1492 die venetianischen Gesandten im Gast-
hof zum Fisch. Simons feld, Reisebericht S. 265.
Die nördlichen Fortsetzungen. 429
Strafse fahren. Das geschah jedoch häufiger. So war Pereival von
Fraxinello, ein Bürger von Luzern, zugleich aber auch Unterthan des
Herzogs von Savoyen, mit seinen Genossen, die vielleicht aus Brescia
und Acqui stammten, dem Zolle von Saarbrücken ausgewichen*. Und
im Jahre 1454 oder 1455 hatte Kurftirst Friedrich I. von der Pfalz zu
Moramenheim im Elsafs, also im Bereiche der ihm damals zustehenden
Reichsvogtei in Hagenau die Führer der Weinfuhren beredet, zu den
kurfürstlichen Zöllen zu fahren, also die Richtung an das Rheinufer
einzuschlagen. Das war geschehen und die Strafse war verödet und leer
geworden, so dafs die beteiligten Fürsten und Herren sich in mehreren
Schreiben an alle ehemaligen Benutzer der Strafse wandten, sie sollten doch
des hl. Reiches freie Geleitsstrafse wieder befahren, gleiche und bessere
Briefe wie früher sollten ihnen gegeben werden. Die Geleitsstrafse sei um
so mehr zu empfehlen, da der Herzog von Burgund nun auch Herr von
Luxemburg sei ^. Doch ist der Verkehr wieder in Gang gekommen,
wie die Erneuerung von 1466 beweist^.
Nähere Nachforschungen dürften eine starke Benutzung des früher
gar nicht beachteten Passes auch durch andere ergeben, so hat wohl
unzweifelhaft König Siegmund 1417 auf seiner eiligen Konzilsreise diesen
Pafs benutzt. Am 21. Januar war er in Luxemburg, am 25. in Strafs-
burg, am 27. in Konstanz*. Der Konstanzer Bürger Konrad Koler, der
* Urkunden Nr. 404 — 406. Parceval von Fraxinel war 1418 in Luzcm Bürger
geworden. Liebenau in Archiv f. Schweiz. Gesch. 18, 293.
2 Unsere Urkunden Nr. 407.
' In der heutigen Rheinpfaiz, die damals mehr als heute ein Durchgangsland
war, gab es übrigens noch einen zweiten solchen Verein, der sich 1386 zusanunen-
setzte aus dem Kurfürsten von der Pfalz, den Grafen zu Spanheim, Leiningen,
Nassau-Saarbrücken, Zweibrücken und Veldenz und dem Herrn von Kirkel (Wiesbad.
Staatsarchiv Kopialb. 17 Fol. 306. Koch u. Wille 4642. Eine Erneuerung von 1396
Wiesbaden an gleicher Stelle. Für die leiningischen Geleite vgl. Koch u. Wille
Nr. 5925, für das spanheimische Winkelmann, Acta imperii 2 Nr. 861. Am Nieder-
rhein waren Geleitsbündnisse sehr häufig. Vgl. Schwalm 25. L am p recht 2, 294.)
Dieser Bund erstreckte seinen Schutz der Strafse Oppenheim-Metz auf die Linie von
Oppenheim bis Saarbrücken, das damals ein wichtiger Strafsenknoten war, und Metz,
sowie auf die darin einmündende Strafse Speier-Dürkheim-Kaiserslautern, die die
Verbindung Speier-Metz darstellt, sich aber auch dem Strafsenzuge Ulm-Efslingen-
Speier-Saarbrücken-Brabant einfügt. Der Weg von Oppenheim nach Metz ging über
Gauersheim, Enkenbach nach Kaiserslautem, von da über Landstuhl, Vogelbach,
Limbach, St. Ingbart, Saarbrücken. Ein älterer Geleitsbrief von 1344 bez. 1354 um-
fafst auch das Luxemburgische, es war die Strafse, welche die Augsburger benutzten.
Beteiligt sind 1354 der Herzog von Luxemburg, die Grafen von Saarbrücken, Zwei-
brücken, Leiningen, Spanheim und der Ritter von Hohenegg. Das luxemburgische
Geleit begann zu Sierk oder der Metzer Stadtmauer und führte bis Oschhaim bei
Huy. Augsburger Stadtarchiv Kopialb. 105 lA Nr. 195. 1344 Nr. 197.
* Altmann 2037», ^ u. d.
430 Achtunddreifsigstes Kapitel.
aus Flandern heimkehrte, wurde 1398 von Strafsburger Leuten zwischen
Rimlingen und Enchenberg angehalten und ihm ein Pferd, ein Tuch,
14 Paar Hosen, 10 Hüte, feines Gürtelgewand und 2 fl. baren Geldes
genommen *.
Dieser Handelsweg, für den ich auf einer Karte der Geleitsstrafsen
um Saarbrücken, die sich im Archive zu Wiesbaden befindet, den Namen :
„Krumme Meil" fand, war auch in seiner Fortsetzung privilegiert. Zwar
habe ich in den Regesten Würth - Paquets nur einen Geleitsbrief von
1393 gefunden, den im Namen seines Herrn der Seneschall ausgestellt
hat^. Hier im Norden waren solche Geleitsbriefe auch nicht so not-
wendig, hier kamen die Italiener ja überhaupt in gröfsere Staatsgebiete,
in denen viele ihrer Landsleute waren. Anders aber nach Süden hin.
Als nach 1393 zwei Kaufleute von Como und Mailand auf dem Wege
von Flandern nach der Lombardei Waren brachten und sie im Luxem-
burgischen durch Arnold von Bolanden gefangen und nach der Burg
Stolzberg* gebracht wurden, wandten sich die Kaufleute an ihren Herzog,
und dieser liefs nicht allein an die sämtlichen Aussteller des Geleitbriefes
von 1393, sondern auch „an den Bischof von Strafsburg und Administrator
von Basel" schreiben. Auch Friedrich von Blankenstein hatte als Herr
von Strafsburg und Basel, wie ausdrücklich gesagt wird, einen Brief aus-
gestellt*. Mir ist es daher nicht zweifelhaft, dafs die Privilegien von
1393 auf die Bemühungen der mailändischen Gesandtschaft zurückzufuhren
sind, die 1391 nach Konstanz, Luzern, Basel und Strafsburg ging^. Auch
1456, als es sich um die Neueinrichtung der Strafse handelte, wurde
hervorgehoben, dafs auch die oberländischen Herren die Strafse behüten
wollten ®.
Die wichtigste Verkehrsader, die jedoch selten auch zur Bergfahrt
benutzt wurde, war der Rhein ^. Namentlich für den Transport zu den
beiden Frankfurter Messen, für die Wallfahrten nach Aachen und die
Heimkehr von Rom und Einsiedeln wurden die Schiffer von Basel, Brei-
sach und Strafsburg stark in Anspruch genommen. Doch war dieser
1 Strafsb. Urkb. 6 Nr. 1430 u. 1445.
* Auskunft dürfte ein »Droit du tonli^u et de haut conduit lev^ ä Luxetribourg^
gewähren, von dem ein für unsere Zwecke ungenügendes Regest in Public, de
r inst it. de Luxembourg 1869/70 S. 150.
' 1398 war Herr zu 8tolzberg Friedrich von Brandenburg. Public, de
Pinstit. de Luxembourg 1869/70 S. 87.
* Unsere Urkunden Nr. 38.
^ Die Instruktion unsere Urkunden Nr. 85.
® Unsere Urkunden Nr. 407.
' Vgl. auch Lüper, Die Rheinschiffahrt Strafsburgs. Strafsburg 1877. Eckert,
Das Mainzer Schiffergewerbe, Bettgen häuser, Markt Schiffahrt. Wichtige Urkunden
im Baseler Urkb. u. s. w.
Die nördlichen Fortsetzungen. 431
Strom, dessen Schiffahrtsgeschichte hier nicht zu schreiben ist, mit Zöllen
völlig überlastet, und bis ins fünfzehnte Jahrhundert hinein stieg ihre
Zahl immer noch. Es ist zwar sehr schwer zu sagen, ob einzelne der-
selben immer im Gange blieben, wie überhaupt eine ganz vollständige
Liste aller Zollstätten nicht leicht herzustellen ist. Nicht immer ist
auf den ersten Blick klar, ob es sich um einen Flufs- oder Landzoll
handelt. Ich will, was die Quellen und Bearbeitungen mir boten, mit
der Liste, die sich aus Sommerlad ergiebt, verbinden, fürchte aber noch
Lücken zu lassen. Auch hier habe ich nicht den Ehrgeiz, der Lokal-
forschung die Arbeit wegzunehmen. Ich gebe die Stationen nach der
geographischen Anordnung :
Laufenburg^ Säckingen^, Rheinf elden*, Basel*, Istein*,
Kems®, Neuenbürg^, Breisach®, Biesheim®, Limburg*®,
Weisweil", Strafsburg**, Lichtenau-Grauelsbaum*^
^ Gehörte den Grafen von Habsburg-Laufenburg, 1347 — 1408 erwähnt. Z. Gesch.
Oberrh. 9, 894. Zahlreiche Dokumente bei Thommen, Urkunden aus Österreich.
Archiven. Vgl. Geering 184 f.
> Fünfzehntes Jahrhundert. Geering 291. Geleite Habsb. Urbar 2, 131.
^ Fünfzehntes Jahrhundert. Geering 186.
^ Der Stadt seit 1367 durch Karl IV. verliehen. Ausdrücklich erwähnt : „varde]l,
ballen und wollsak"". Dann 1384 erhöht (Baseler Urkb. 5, 45). Geering 148 f.
Auch der ältere bischöfliche Zoll wird städtisch. Vgl. Baseler Chroniken 5, 229.
B Bischöflich baselscher Zoll. Ob auf dem Lande? 1377. Strafsb. Urkb. 5
Nr. 1281.
® 1394 von Wenzel den Münch v. Landskron verliehen, 1396 vom Reiche ver-
pföndet, 1421 Eigentum der Stadt Basel. Vgl. BaselerChroniken5, 228. Fester
h 1048. Baseler Urkb. 5, 235 u. 242. Altmann 4571. 5076. Geering 188.
"^ Fünfzehntes Jahrhundert. Der Stadt wegen der Kosten des Rheinbaus zum
Schutze der Stadt von Friedrich III. (IV.) gegeben vor 1443. Chmel, Reg. Nr. 1406.
Geering 291 f. Vgl. auch Baseler Urkb. 7, 879 u. ö.
8 Städtisch. Karl IV. verbietet 1370 eine Erhöhung. Böhmer-Huber 4876.
1396 Baseler Urkb. 5, 234 u. ö. 1442 Baseler Urkb. 1, 16 u. ö. Geering 189.
^ Errichtung eines neuen Zolls, erwähnt in den Beschwerden der Strafsburger
Kaufmannschaft. Ungedruckt. Strafsb. Stadtarchiv.
*® Karl IV. hat 1376 das Recht eines Zolles gegeben an Stislav v. d. Weiten-
Mühlen. Strafsb. Urkb. 5 Nr. 1259, 1260 u. 62; 6 Nr. 741, Nr. 18; später im Besitz
von Caspar Schlick. Wenzel gab 1392 einen Zoll von Limburg bis an die Vogesen
an die Herren v. Rapoltstcin. Rapolt Urkb. 2, 283.
" Hachbergisch, später badisch. 1397 von Wenzel gewährt. Fester, Reg. h 428.
Fester, Bernhard I. 93.
^* Am alten Rhein erhoben, schon karoiingisch.
^^ Vor 1395 ist der Rheinzoll ganz im Besitze der Herren von Lichtenberg, seit-
dem halb pfalzisch. Koch u. Wille 5613 u. 5614. 1397. Der Zoll wieder lichten-
bergisch 1442 Chmel, Friedr. IV. 1034. Vgl. auch 1431 Altmann 8331. Fester
1661, 1801. Der Herr v. Lichtenberg macht zu Graueisbaum die Strafsburger zoll-
432 Achtunddreifäigstes Kapitel.
SölHngen^, Beinheim^, Selz®, Merfeld* (abgegangen zwischen
Au und Illingen), Lauterburg, Neuburg*^, Stülen® bei Mühl-
burg, Schreck^ (heute Leopoldshafen), Germersheim®,
Udenheim* (jetzt Philippsburg), Speier^*^, Hausen^^ (auf-
gegangen in Mannheim), Mannheim*^ Worms'^ Gernsheim^*,
frei. Strafsb. Urkb. 6 Nr. 1230. Einen Kinzigzoll zu Willstett gewährte ihnen
König Ruprecht. Chmel Nr. 1719.
1 Badißch 1322 zuerst Fester, Regest 770. 1361 Böhmer-Huber 7065.
Fester, Bernhard I. vermutet, dafs er nur bei der Thalfahrt erhoben wurde.
2 Rheinzoll zu 1415. Fester 2880.
' Sehr oft seit 1315 erwähnt, verwickelte Geschichte. Sommer lad 56. Böhmer-
Huber 3210, 3257, 3942. Fester, Regesten öfters. Ein sehr beträchtlicher Zoll.
* Badisch 1333. Fester, Reg. 915, 1077. Verlegt nach Stülen bei Mühlburg.
* 1347 den Herren von Lichtenberg bestätigt. Böhm er -Huber 487. 1370 ver-
leiht dort Karl IV. der Stndt Strafsburg 4 Turnosen von jedem Fuder Wein. Trotz
der Demonstrationen des Erzbischofs Gerlach von Mainz, der bat, den Zoll nicht zu
erheben und dann auch seinen Zoll erhöhte, hielt die Stadt Strafsburg an dem ihren
fest Ein Jahr tobte hier ein Zollkrieg. Strafsb. Urkb. 5 Nr. 851, 888, 912 u. 952.
Wenzel gestattet 1381 der Stadt Strafsburg, den Zoll nach Strafsburg zu verlegen.
Strafsb. Urkb. 6 Nr. 13. Doch verbleibt in Neuburg ein nunmehr kurpfälzischer
Zoll. Ebda. Nr. 157. Koch u. Wille, Regesten Nr. 6713.
^ Der Zoll von Merfeld für kurze Zeit hierher verlegt. Fester, Bernhard I. 29.
Böhmer-Huber 4061. Dort Fester 1048, 1200, 1212, 1237. Bald nach 1366 und
vor 1373 verlegt nach Schreck.
■^ Dort blieb er bestehen. Vgl. z. B. 1373: Fester 1297, 1356 und an vielen
anderen Stellen. 1399 Strafsb. Urkb. 6 Nr. 1522. Chmel, Ruprecht 2159.
^ Schon 1269 aufgehoben, 1321 bischöfl. speirischer Anteil. Sommerlad 51 u. 56.
Strafsb. Urkb. 2 Nr. 407. Pfälzisch. Böhmer-Huber 2524. Zahlreiche Nach-
richten von 1350 ab bei Koch u. Wille.
^ 1269 aufgehoben. Sommer lad S. 51. Dann wieder vorhanden und verpfändet.
8. 84 f. Bischöfl. speirisch Böhmer-Huber 4769. Chmel, Ruprecht 199. Pfalz.
Anrechte Winkelmann, Acta imp. Nr. 831. Koch u. Wille 4987.
»ö Schon erwähnt 1003. 1208 städtisch. Sommerlad S. 49. Mit königl. Ge-
nehmigung errichtete 1382 die Stadt Speier einen neuen Zoll, gegen den sich eine
lebhafte Opposition erhob. Strafsb. Urkb. 6 Nr. 100, 129, 134, 136, 137, 138, 158,
173 und Janfsen, Frankf. Reichskorresp. I Nr. 21 — 27 u. s. w. und zahlreiche andere
Quellen.
" 1265 pfölz. ZoU. Koch u. Wille 772. Vgl. 1324. Wohl mit dem nächsten
identisch.
J2 1265 pfälzisch. Sommerlad S. 54. 1356 pfälzisch, Böhmer-Huber 2523.
Landfriedenszoll 1384 Sommer lad 161 f Zahlreiche Nachrichten bei Koch u. Wille.
Auch Strafsb. Urkb. 6 Nr. 173 u. 265.
'' Karolingisch schon erwiesen. Boos, Städtekultur 1, 365. Auch die Stadt
Worms errichtete 1382 einen neuen Zoll, der lebhaft von den Nachbarn angefochten
wurde; s. unter Speier. Strafsb. Urkb. 6 Nr. 434. Auch 1397 wieder angefochten
ebda. Nr. 1253.
^^ Allerhand Anteile: Nassau, Hohenlohe, Mainz, später ganz mainzisch.
Sommerlad S. 56, 91 f. Böhmer-Huber 2976, 5010, 6206.
Die nördlichen Fortsetzungen. 433
Oppenheim^, Mainz^ — Zum Segen der Schiffer haben nicht alle
diese Zölle gleichzeitig bestanden. In dem Vertrage über den Tarif der
Rheinzölle zwischen Strafsburg und Mainz vom Jahre 1393 werden nament-
lich aufgeführt die von Strafsburg, SöUingen, Selz, Neuburg, Schreck,
Germersheim, üdenheim, Mannheim, Gernsheim und Oppenheim. Aus-
drücklich ist gesagt, dafs das die zehn Zölle seien, so folgt, dafs damals
die anderen Zölle auf dieser Strecke nicht anerkannt wurden^.
Um 1450 dürfte demnach auf der Strecke von Laufenburg bis Mainz .
der Rheinschiffer mehr als zwanzigmal haben beidrehen müssen, um Zoll
zu bezahlen. Eine Berechnung der wirklichen Höhe dieser Zölle ist
sehr schwierig. Lamprecht hat für 1350 für die Strecke von Bingen
bis Koblenz allein eine Zollbelastung von 66,72% des Warenwertes be-
rechnet*. Wie immer das Ergebnis ausfallen mag, so viel steht fest,
dafs eine solche Belästigung des Verkehrs dem stolzen Flusse unerträg-
liche Fesseln auflegte, dafs er nicht das wurde, was er hätte sein
können, die alles beherrschende Verkehrsader. Durch dieses Übermafs
wurden die natürlichen Vorteile des Flufsverkehrs : billige Transport-
kosten und Schnelligkeit der Thalfahrt aufgehoben.
Es war das alte Prinzip verlassen, der Zoll war kein Entgelt mehr
für die Besserung der Fahrstrafse und die Sicherung des Verkehrs,
sondern eine rücksichtslose Besteuerung des Flufsverkehrs seitens der
Herren des Ufers. Und rücksichtslos waren in gleichem Mafse: der
König, die Fürsten und die Städte. Die Könige gaben die Zölle wie
auf dem Lande ohne jede Rücksicht auf die Handelsinteressen als
Belohnungen , die Reichszölle wurden verpßlndet und damit viel
fester begründet; momentaner politischer Vorteile willen wurden sie
geschaffen.
Die Härte der Fürsten ist am ehesten zu erklären, aber auch die
Städte waren nicht minder schuldig. Basel hat den Zoll von Kems
nicht aufgehoben, wie Strafsburg den Zoll von Neuburg gegen die
Fürsten durchsetzte , wie Speier und Worms sich eine gleiche Einnahme-
quelle verschaffen w^ollten. Es steht in diesen Dingen einfach Territorium
wider Territorium, auch die Städter wollten ihren Anteil an dem Segen
der Wasserader. Erschwert wurde der Verkehr noch durch die gerade
von den Städten erstrebten Stapelgerechtigkeiten : Strafsburg, Mainz und
' Schon 1018, seit 1375 pfälzisch. Sommerlad S. 68. Daneben für kurze Zeit
ein Landfriedenszoll seit 1322. S. 158. Strafsb. Urkb. 2 Nr. 427. Vgl. Hegel in
Chroniken d. dentachen Städte 18, 2, 97.
'^ Erzbischöflich. So mm er lad S. 88. Daneben seit 1325 für einige Zeit ein
Landfriedenszoll. S. 159. über das Stapelrecht vgl. Eckert 43.
3 Strafsb. Urkb. 6 Nr. 758.
* Lamprecht 2, 307 f.
Schulte, Oesch. d. mittelalterl. Handels. I. 28
434 Achtunddreifsigstes Kapitel.
Köln haben das Ziel erreicht und damit zum mindesten die Schnelligkeit
des Verkehrs herabgesetzt.
Der Zustand wäre völlig unerträglich gewesen, wenn nicht einzelne
Städte von diesen oder jenen Zöllen befreit gewesen wären. Vor allem
besafsen solche Vergünstigungen Nürnberg und Köln*, in etwa auch
Strafsburg, Speier, Worms und Mainz. Doch das kam den Fremden
nicht zu gute. So weit auch der Italiener auf den Landwegen sich
durch Privilegien zu sichern versuchte, so sind Privilegien für dem
Rhein sehr selten. Ich kenne nur den Geleitsbrief, den 1469 die vier
rheinischen Kurfürsten den Kauf leuten von Genf, Venedig und Mailand
ausstellten, nachdem sie wegen Unsicherheit und anderer Beschwerungen
den Rheinstrom gemieden hatten-.
Die deutsche Bürgerschaft hatte sich 1254 mit der gröfsten Energie
gegen diesen Zollunfug im rheinischen Bunde geeint, wir kennen auch
das Vorgehen König Albrechts. Eine gleiche Energie wurde später
weder von oben noch von unten entfaltet. Die gröfste That war die
Strafsburgs, das, um einen von Karl IV. neu gewährten pfälzischen
Zoll zu vernichten, den Rhein durch Pfähle und Ketten sperrte*. Die
Zollplätze Hagenbach und Selz wurden 1357 mit königlicher Genehmi-
gung zerstört , freilich bald wieder aufgebaut *. Sonst kam es über Ver-
handlungen und Edikte von kürzester Geltung nur selten hinaus, so hat
Karl IV. 1378 die neuen Zölle im Elsasse, am Rheine und Main wieder
aufgehoben*, um aber im selben Jahre wenigstens dem Bischof von
Strafsburg die seinen wieder zu gestatten®. Von einer ♦ernsten Rück-
sicht auf den Handel war keine Rede. Die vier rheinischen Kurfürsten
schlössen allerdings 1506 einen Verein zur Hebung des Rheinverkehrs,
der auch die Zölle ermäfsigte ''^. Es wurde nur langsam eine Rück-
bildung erzielt; in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts zählte aber
noch Thomas RyfF zwischen Basel und Köln 31 Zollstätten®. Die Zer-
splitterung der deutschen Staatsgewalt zeigte auch hier ihre schädlichste
Wirkung, beklagt, bejammert wurde der Zustand oft genug, niemals
vielleicht schärfer als vom Verfasser der Reformation Siegmunds, der
alle zehn Jahre eine Revision aller Zölle verlangte, ob sie noch einer
1 Sommerlad 131 u. 133.
■ Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrlieins 9, 34 f. Aufkündefrist ein Jahr.
^ Königshofen in Chroniken deutscher Städte 9, 481.
* Böhmer-Huber 2646. Strafsb. Urkb. 5 Nr. 415.
''' 4. Februar 1378. Böhmer-Huber 5865. Vgl. auch 3452, 5918, 7473.
0 Strafsb. Urkb. 5 Nr. 1:330. Vgl. ebendort Nr. 175, 316, 544, 683.
^ Boos, Städtokultur 3, 110.
« Geering S. 190.
Die nördlichen Fortsetzungen. 435
wirklichen Leistung des Zollinhabers entsprächen ^ , aber frei wurde der
Rhein erst im neunzehnten Jahrhundert.
Ganz naturgeraäfs drängte diese Belastung auf dem Flufse die Kauf-
leute auf die Landwege. Es ist nun nicht meine Aufgabe, hier die
Strafsen, welche rechts und links vom Rhein den Flufs begleiteten und
die auf ihnen erhobenen Zölle darzulegen. Im allgemeinen dürfen wir
auch ihre Bedeutung für den Handel nicht überschätzen. Für den Ver-
kehr war es von grofsem Nutzen , dafs die Strafsburger 1388 eine Schiff-
brücke über den Rhein bauten, doch wehrten sich die alten Theilhaber
der Fähren und dieses Beispiel zeigt uns, wie schwer es damals war,
einen Fortschritt durchzuführen^. Die rechtsrheinische Strafse, die,
wie der Münzfund von Oos beweist, schon am Ende des dreizehnten
Jahrhunderts von Kaufleuten benutzt wurde, die Geld von Venedig und
Genua wie von Lothringen und England bei sich führten, erhielt mehr
Leben, seitdem die Frankfurter Messe aufblühte. Und auch hier
kommen Kaufmannsprivilegien vor. Als 1376 Graf Egon von Freiburg
den Baselern einen Geleitsbrief für ihre Kaufleute und Waren aus-
stellte, erklärte er, diese bei den ahen Zöllen und Geleite lassen zu
wollen, sie sollten jedoch die ^gedinge^ geniefsen, die die „Walche und
die das grofse Geleit und Zölle geben" haben*. Also auch hier war
ein schriftlicher Geleitsbrief für die Welschen vorhanden. Unterhalb der
Strafsburger Rheingrenze betrat der Weg bei Leutesheim das Gebiet
der Herren von Lichtenberg, deren Geleit sich bis oberhalb Stollhofen
erstreckte, dort begann das der Markgrafen von Baden. Für beide
wurden 1369 Geleitsbriefe ausgestellt* und bald darauf wurde das
Lichtenberger Geleit mit seinen Zöllen von dem Reichsverweser und
später von Karl IV. selbst bestätigt*.
* W, Böhm, Friedrich Reisers Reformation des K. Sigmund 212 — 215.
2 Strafsb. Urkb. Bd. 6, namentlich Nr. 773 u. 1212. S. Register unter Rhein.
^ Baseler Urkb. 4 Nr. 401. Über das Geleit im Breisgau vgl. Rapoltstein.
Urkb. 5, 154.
* Strafsb. Urkb. 5 Nr. 829 u. 837. Der badische galt auf zehn Jahre. Für
die Kurgäste von Baden gab es schon vorher Geleitsbriefe. Nr. 756 u. 1256. Fester,
Bernhard I. 27.
^ Winkelmann, Acta imp. 2 Nr. 1217 u. 933.
28
436 NeaDunddreifsigstes Kapitel.
Neununddreifsigstes Kapitel.
Die Sfidseite des St Ootthards.
Charakter der Geschichte, ürseren und Livinen minder glütkh'ch ah üri. Die
Eusconi in Como, BeUenz, Die Visconti dringen bis zum Gotthard vor. Ihre Verwaltung.
Freibriefe und Vergünstigungen. Die Visconti Herzöge. Krisis von 1402. Erste BC'
Setzung von Livinen, von Bellenz. Schlacht bei Arbedo. Eutgegenkommcfi in Handels^
fragen. Die Kapitulate. Iniiser Krieg. Die Schweizer zollfrei. Die Eidgenossenschaft
ein HandeJsgebiet. Eidgenössischer Zott in Göschenen. Die Erwerbung des Tessin, ähn-
liche Ausdehnung Graubündens. Die Schweiz ein Pafsstaat. — Die südlichen Fort-
setzungen: Monte Cenere sehr unsicher. Wege nach Varese, Magadino und Locamo.
Verträge.
Die stidlichen Zugänge zum St. Gotthard, den. die Mailänder noch
im fünfzehnten Jahrhundert wohl einmal als straia francisca bezeichneten *,
bieten eine ganz ähnliche Geschichte wie die nördlichen. Es ist hier wie
dort das Vordringen eines grofsen, machtvollen Staatswesens der Ebene
zur Höhe des Passes und der Widerstand kleiner Thalgemeinden, die sich
in schweren Kämpfen als überlegen erweisen. Doch waltet der Unter-
schied ob, dafs im Süden der Kampf nicht getragen wird von den dort
gelegenen Thalgemeinden; diese sind zu schwach, von vornherein ab-
hängig von Nachbargemeinden, über den Pais greift die Landschaft Uri
mit Kühnheit und Energie hinüber. Sie findet keine Bundesgenossen
in benachbarten Reichsstädten und so wird denn das südliche Vorland
ein unterthäniges Gebiet Beherrscht von den Pafsrepubliken Uri und
den anderen Kantonen blieb das Land Tessin unfrei bis zur Helvetischen
Republik von 1798. In heifsem Ringen hatten die Urkantone sich das
erstritten und den Herren und Herzögen von Mailand das Gebiet ab-
genommen.
Auch hier im Süden und auf der Pafshöhe gab es zwei Thal-
gemeinden, die dem Reiche gehörten und scheinbar geeignet waren, die
Krystallisationspunkte für eine italienische Eidgenossenschaft abzugeben:
Urseren und Livinen. Da ist es aber von entscheidender Bedeutung
geworden, dafs diesen beiden Thälern gerade das nicht zu Teil wurde,
was wir als den Kern der ganzen eidgenössischen Bewegung bezeichneten ;
sie erlangten nicht das Recht, dafs der Vogt aus ihrer Mitte genommen
werden müsse, beide wurden vielmehr der Vogtei eines Urners unter-
stellt und darin lag für das fremdsprachige Livinenthal die dauernde
Abhängigkeit, das deutsche Urseren ging in Uri auf.
Urseren streifte langsam jede Oberhoheit von Disentis ab, wenn
auch noch 1425 die Bestätigung des Ammanns und die Erhebung der
* Boll. 8tor. d. Svizz. italiana 2, 254. Die »straia francisca* war zwischen
Belleuz und Biasca durch herabgestürzte Felsen zerstört 1478.
Die Südseite des St. Grotthards, 437
Steuer dem Abte zustand ^. Urseren hat sich — dürfen wir hier dem
Berichte Tschudis folgen — 1332 mit dem Abte von Disentis gar im
Kampf gemessen und den Sieg errungen^. Jedenfalls war 1339 eine
Fehde zwischen dem Abte von Disentis, den angesehensten Herren des
Oberlandes und dem Vogt von Bellinzona einerseits, den Ländern Uri,
Schwyz und Uuterwalden anderseits entbrannt und wurde gesühnt,
Urserens Stellung darin ist nicht klar zu ersehen*.
Ludwig der Bayer entsetzte 1317 den Vogt von Urseren, Heinrich
von Hospendal und gab das Thal Konrad von Mos , wobei der Titel
eines Vogtes vermieden wurde*. Das war aber nun nicht etwa ein
Lehen. Karl IV. wahrte sich ausdrücklieh das Recht, die Vogtei über
die Thalleute zu bestellen*^. Ein weiterer erheblicher Schritt zur Frei-
heit war das Privileg König Wenzels, der die von Urseren mit dem
Rechte begabte, aus ihrer Mitte einen Ammann zu wählen®. Damit
hatte Urseren die Rechte gewonnen, die Uri seit einem Jahrhundert be-
safs. Es war zu spät, Urseren wurde zwar kein Unterthanenland, aber
es rettete seine Freiheit nur dadurch, dafs es 1410, als bereits Uri jen-
seits im Livinenthal festen Fufs gefafst hatte, mit diesem ein ewiges Land-
recht einging ^. Seitdem nahm Uri sich der Sicherung der Gotthardstrafse
auch in diesem Teile an ; Urseren hatte wiederholt gegen Räubereien von
Wallisern, wie gegen Bündner Herren kämpfen müssen®.
Minder glücklich war Livinen. Auch hier hatte das Geschlecht von Mos
die Vogtei errungen, und zwar mit Einschlufs der Susten und der Teilballe,
unter Ausschlufs jedoch der Zölle*. In derselben Familie ist das Thal oder
doch das oberste Stück bis zum Plattifer 1329, 1838 und 1353 nachzuweisen *^.
Urseren und Livinen verschmolzen aber nicht, ja 1331 kam es zu erbitterten
Streitigkeiten zwischen den beiderseitigen Fuhrleuten. Nach dem Privileg
Karls IV. hätte sich hier eine erbliche Reichsvogtei entwickeln können**,
1 Ochsli, Regest 807.
2 Tscbudi, Chron. 1, 327. v. Liebenau, Regesten Nr. 124. Jecklin im
20. Jahresbericht d. hist. ant. Gesellschaft v. Graubünden S. 8.
» Urkunde bei Mohr 2, 842 u. 346.
* Eb heifst: »officium di8tH<:tu8 in ürserre: Geschichtsfreund 20, 312.
^ Böhmer-Huber 6114. 1354 September 1.
« Gedruckt Liebenau 20, 125. Vom 3. Juni 1382. Eigentümlicherweise ist
dieses Dokument von Dierauer und Ochsli ganz beiseite gelassen.
^ Gedruckt Geschichtsfreund 8, 187 f.
8 Walliser Knechte hatten 1346 aufdes Reiches Strafse geplündert. Geschichts-
freund 1, 74 f. Urfehdebrief. Walliser Streitigkeiten mit den Waldstätten und Ur-
seren 1386, V. Liebenau, Regesten Nr. 186.
» Geschichtsfreund 20, 312.
10 Ebda. 20, 315. 316. 319 u. 320.
>i Böhmer -Huber 1631. Johann v. Mos erhielt das Recht, die Vogtei zu
vermachen und zu verpfänden, wenn er will. 1353 Oktober 16.
438 Neununddreifsigstes Kapitel.
aber es starb das Haus aus und seinen Erben, den Hunwyl, gelang es trotz
kaiserlicher Mandate ^ nicht, die Herrschaft in ihren Händen zu behalten,
das Gebiet kam an die Viscontis. Die Kirche in Mailand spielte sich
wieder als Herrin des Thaies auf und wie sie 1356 das Blegnothal an
die Viscontis gab^, so dürfte — die Geschichte des Livinenthals enthält
manche Rätsel — eine ähnliche Verleihung bei Livinen erfolgt sein.
1873, ja 1391 war es noch in Verbindung mit Uri^. 1377 aber galt die
Gemahlin Bernabo Viscontis als die Herrin des Landes*. Und da seit
lange die Bewohner des Livinenthales für den eigenen Bedarf, nicht für
die Handelswaren, zu Biasca von dem Zolle, der hier erhoben wurde,
befreit waren, treten seit 1352 Viscontis als ihre Schützer auf^. Die
immer erneuten Streitigkeiten um diese Zollbefreiung sind fast das einzige,
was wir aus dem Thale erfahren®. Jedenfalls hatte um diese Zeit die
Herrschaft der Viscontis die gröfste Ausdehnung erreicht.
In den schwierigsten Lagen während des Aufenthalts Ludwigs des
Bayern in Italien und, als König Johann von Böhmen dort kämpfte,
hatten die Visconti ihre Macht mit aufserordentlichem Geschicke be-
hauptet, indem sie zur rechten Zeit ihren Frieden mit der Kurie schlössen.
Es erlag aber in dieser wildbewegten Zeit das benachbarte Haus der
Rusconi, der Herren von Como. Franchino hatte nicht allein die Rivalen
gegen sich, auch das Volk, vor allem aber den Bischof^. Er scheint
seine Hilfe bei den Eidgenossen haben suchen wollen ; denn er verordnete,
dafs keiner von Luzern, Uri, Urseren, Unterwaiden und Schwyz das
^pedagium comitis Vemovensis<- zahlen solle, das in Como und Bellinzona
erhoben wurde. Jedoch solle das nur für ihre eigenen Waren gelten®.
Und weiter gestand er auf die Anregung des Landammanns Johanns von
Attinghausen und auf Bitten von Leuten aus Livinen, Unterwaiden,
Uri und Mesolcina eine Herabsetzung des Zolls in Como für Waren,
welche über Bellinzona kamen, zu*. Doch es war zu spät; Franchino blieb
1 Karl rV. 1356. Böhmer-Huber 4224. Geschichtsfreund 1, 330 und
Wenzel 1389, v. Liebenau 20, 154.
^ Oslo If 119. Meine folgenden Ausführungen gebe ich nur mit Vorbehalt.
Vgl. auch Anzeiger f. Schweiz. Gresch. 1883, 145.
* Unsere Urkunden Nr. 22 u. Nr. 35.
* V. Liebenau 20, 122 f.
^ V. Liebenau 20, 60.
« Vgl. Liebenau, Regest 198 zu 1377. 211 zu 1386. 216. 217 zu 1388. 231 zu
1392. 232 zu 1394. 234 zu 1395.
■^ Vgl. Lütolf, Rusconi 327 ff. Von Franchino Rusca liegt eine Bestätigung
eines Schiedsspruches zwischen einem Oomasken und einem Bürger von Bremgarton
vor. 1320. V. Liebenau 20, 17.
® 1335 Januar 30. Tschudi, Chronic Helvetic 1, 336 aus dem Urn er Archiv.
» Unsere Urkunden S. 127 ff. und das Stück Urkunden S. 130, 15 ff.
Die Südseite des St. Gotthards. 439
nichts anderes übrig, als sich dem Herrn von Mailand, Azzo Visconti, in
die Arme zu werfen. Für die Hingabe von Como (1335) hoffte er
Bellenz, das Pietro 1307 den Comasken verkauft hatte ^, und die „Graf-
schaften" Lugano, Locarno, Mendrisio, die Thäler Maienthal und Bellenz
zu behaupten '^. Die Eidgenossen fanden sich mit den Ereignissen leicht
ab und Azzo sicherte ihnen zu, sie sollten auf der Reichsstrafse frei und
ungehindert verkehren^.
Die Rusconi konnten den Verlust von Como nicht verschmerzen.
Nach Azzos Tode erregten sie Unruhen, die Herren von Mailand aber,
der Erzbischof Giovanni und Luchino nahmen Bellenz ein ; zum
zweitenmal hatte die Rusconi die Hoffnung, die sie nach Galvano
Fiamma auf die Hilfe der Deutschen setzten, getäuscht. In Bellenz zog
eine mailändische Besatzung ein. Im selbea Jahre warfen die Visconti
auch Locarno nieder und bändigten es durch ein neuerbautes Kastell,
auch unterwarfen sie sich das Blegnothal.
Um 1390 ging die Herrschaft der Visconti bis auf den Gotthard,
Lukmanier, Splügen und bis an den Grenzbach des Bergell-, der Austritt
aus den Tessiner und Bündner Alpenpässen war durchaus in ihrer Ge-
walt, wenn auch nicht in unmittelbarer Herrschaft.
Der Verkehr über den Gotthard war also von den Visconti abhängig
geworden und da trat nun ein moderner Staat, der eine Wirtschafts-
politik kannte und eine fein gegliederte Verwaltung besafs, mit den
Alpenkantonen in Fühlung. Die ältesten Zollbegünstigungen, die die
Schweizerkantone und ihre Nachbarn sich verschafften, kamen allen Kauf-
leuten zu gute, welche den Weg benutzten. Diese Thäler trieben noch
eine Handelspolitik von Transporteuren, möglichste Steigerung des Ver-
kehrs war ihr Ziel; sie handelten nicht als Kaufleute und nur in der
Rücksicht auf ihren Konsum kann man andere Gesichtspunkte finden,
als die des Durchgangsverkehrs. Die Viscontis benutzten den Handel
auch zum politischen Kampfe. Durch das Ausfuhrverbot, das Giovan
Galeazzo Juli 1386 erliefs, wollte er offenbar die Sache der österreichi-
schen Herzöge fördern*. Die Herrschaft von Mailand sorgte in aus-
gedehnter Weise für die Strafsen, es wurde die Pflicht des Strafsenbaus
auf die Gemeinden verteilt^, es wurde ein für allemal befohlen, die
' Motta in Boll. stör, della Svizz. ital. 17, 3 in der gehaltreichen Abhandlung:
I Rusconi signori di Locarno, di Luino, di Val Intelvi ece. (1439—1512).
- In der Übergabsurkiinde behielt sich das Franchino vor. Lütolf S. 355.
* Liebenau, Eegest 119 stellt das undatierte Stuck zu 1329. Lütolf a. a. 0.
S.'333 giebt die richtige Datierung. In diese Verhandlungen gehörte auch wohl das
Stück unserer Urkunden S. 130, 15 ff. Es enthält die Wünsche von Como.
* Liebenau 20, 140.
^ 1382 zwischen Bellenz und der Grafschaft. Liebenau 20, 127.
440 Neununddreifsigstes Kapitel.
Strafsen bis zum I.Mai in Stand zu setzen*. Aus diesen Verordnungen
und den Statuten für die Strafsen und Wasserläufe von 1346^ leuchtet
der Geist eines modernen Staates hervor.
Auch für die Sicherheit kam das stramme Regiment der Visconti
auf. Gröfsere Streitigkeiten sind nur von Uri bekannt, die so anwuchsen,
dafs 1373 die Kaufleute von Mailand einen Gesandten in das Thal
schickten, der gegen eine Zahlung von 126 fl. für seine Landsleute freien
Durchpafs erwirkte. Aber auch da wurden einige Thalleute ausgenommen,
ein Rudenz, der Unrecht erlitten hatte, bevor er ins Thal zog, und zwei
andere, die bei dem Mefsbesuch zu Unrecht hatten Zoll bezahlen müssen.
Auch die Leute des Livinenthals wurden ausgenommen". In einzelnen
Tessiner Gemeinden sorgten die Ortssatzuugen für die Fremden und
garantierten den Durchziehenden den Ersatz alles Schadens, den sie in
ihrem Gebiete erlitten*.
Schon oben ist von der Gesandtschaft der Mailänder, die 1391 nach
Konstanz, Basel, Strafsburg und Luzern ging, wiederholt die Rede ge-
wesen. Sie sollten von Luzern, Uri, Schwyz, Zürich und Unterwaiden
einen Geleitsbrief erwirken, worin auf Repressalien Verzicht geleistet
werde. Luzern müsse seine Zölle auf die Hälfte herabsetzen, in Fluelen
BoUe die Wage nach der von Bellinzona gerichtet werden und ein Nach-
wiegen in keiner Richtung erfolgen, auch im Livinenthal solle dieselbe
Wage gelten. Wieviel von diesen und andern Artikeln durchgesetzt
wurde, wissen wir nicht.
Ein älterer Freibrief von Luzern von 1376 enthält bereits das Verbot
eines Angriffes eines fremden Kaufmanns, wegen angeblicher Soldforde-
rungen, wegen Schulden Dritter, wegen Verweigerung der Zollzahlung
seitens eines Dritten, oder Angriff eines Dritten auf den Luzerner, aller-
dings nur auf die Zeit von zehn Jahren \ Die Forderungen von 1391 gehen
darüber weit hinaus. Namentlich sollten päpstliche und kaiserliche Mandate,
welche gegen die Kauf leute gerichtet seien, überhaupt oder doch erst sechs
Monate nach erfolgter Kündigung Gültigkeit haben; und allerdings war
dies Mittel wiederholt von selten der Kaiser gegen die Viscontis verwendet
worden. So war 1374, als Karl IV. Bernabo und GaleazÄo in die Acht
gethan hatte, nach Strafsburg der Befehl geschickt, alle Kauf leute an-
zuhalten, so oft sie von einem bestimmten Luzerner gemahnt würden®.
^ 1889 für Bellinzona. Li eben au, Hegesten 20, 151.
■ Veröffentlicht in den Miscellanea di storia italiana Bd. 7.
' Unsere Urkunden Nr. 22.
* Statuten von Lavizzara, Val Maggia, Bellinzona und Lugano angefüiirt bei
Hub er, Privatrecht 4, 265 N. 4.
^ Unsere Urkunden Nr. 23.
« Böhmer-Huber 5433.
Die Südseite des St. Gotthards. 441
Der fertige Vertrag, das Ergebnis dieser Verhandlungen ist nicht bekannt.
1399 wurde wiederum über ein solches Kapitulat mit den Eidgenossen
verhandelt ^
Die Herrschaft der Visconti hatte Giovan Galeazzo immer weiter
ausgedehnt und aus der Stadtsignorie einen ausgedehnten Staat gemacht,
dem die äufsere Legitimation von König Wenzel gegeben wurde, indem
er ihn am 11. Mai 1395 zum Herzoge von Mailand erhob. Wie dieser
Schritt dem König von den Kurfürsten als ein Verbrechen angerechnet
wurde, wie Ruprecht und Siegmund sich verpflichten mufsten, gegen diese
Minderung des Reiches zu kämpfen, ist hier nicht näher zu erzählen.
Der Zug Ruprechts war ja von Florenz herbeigeführt, nachdem Pisa,
Siena, Perugia, Assisi, Spoleto und Bologna sich der Herrschaft der
Visconti gebeugt hatten. Mitten im Siegeslaufe nahm am 4. September
1402 der Tod den ersten Herzog von Mailand dahin, für seine unmündigen
Kinder übernahm eine schwache Regentschaft die Verwaltung. Eine
schwere Krisis brach über das Herzogtum herein , viele Städte rissen
sich los, benachbarte Herrscher nahmen andere weg, die inneren Fehden
zerrütteten den Rest, das Gebäude, das die Visconti errichtet hatten, wich
aus allen Fugen. Auch im nördlichen Gelände am Fufs der Alpen zeigte
sich das. Dafs der flüchtige Mastino Visconti Veltlin, Bormio, Puschlav,
Chiavenna und Plurs an das Bistum Chur schenkte, hatte wenig zu be-
deuten, mehr dafs die Rusconi in Como wieder die Gewalt erlangten und
damit Lugano und Locarno vereinten. Hier konnte freilich Filippo
Maria die Rusconi, die von Siegmund zum Reichsverweser in Como er-
nannt waren ^, wieder zurückdrängen ; sie traten, von Siegmund, dem der
Visconti Februar 1415 gehuldigt hatte, verlassen, zu den Gegnern über*.
Als Herren der Grafschaft Lugano und von weiteren Besitzungen, von
denen vor allem das Thal von Chiavenna zu erwähnen ist, für die sie
Como hingaben, waren sie fortan Lehensleute des Herzogs, jedoch noch
immer eine politische Macht ^.
Am schwersten ward dem Herzog Filippo Maria, der die Macht
der Visconti neu begründete, die Herrschaft am Fufse des Gotthard
wiederzugewinnen und zu behaupten. Nach jüngeren Quellen waren
Streitigkeiten auf dem Viehmarkt von Varese der Anlafs, der Uri zum
» y. Liebenau 20, 170.
* V. Liebenau, Arbedo 199. Motta S. 4.
* V. Liebenau, Arbedo 20L
* Die Herrschaft Lugano war dann von 1434—66 im Besitze der Sanseverini,
wie das Blegnothal ein Lclien der Pepoli, dann bis 1457 der Bentivoglio war, wo
das Thal sich auskaufte. 1422 kam Chiavenna wieder in den Besitz der Visconti.
1439 erhielten die Rusconi Locarno und die anliegenden Thäler, dafür ging Arona
an die Borromei über.
442 Neununddreifsigstes Kapitel.
Kampfe trieb — und ein eigentümliches Zusammentreffen ist es, dafs in
dem Ausgleich zwischen Uri und Mailand von 1373 ausdrücklich ein
Fall solcher Marktstreitigkeiten vorbehalten wurde ^ Genug, im Sommer
1403 besetzten die von Uri und Obwalden das Thal Livinen, sie gliederten
es sich nicht an , wie kurz darauf es Urseren geschah , sondern über-
nahmen einfach die Rechte des Herzogs und behandelten das Thal als
eine gemeinsame Herrschaft. Die Streitigkeiten „der Giblingen** und
„Gelfen" wurden verboten^.
Das Livinenthal war schwer zu behaupten, solange nicht mit Bellenz
die Thalsperre, welche zugleich Bernhardin, Lukmanier und Gotthard
deckte, gewonnen war. Seitdem König Wenzel Stadt und Bistum Como
den Visconti als besondere Bestandteile ihres Herzogtums erblich ver-
liejien hatte, besafs ihre Herrschaft über Bellenz einen rechtlichen Grund*.
Und auch diese den Herren Mailands wegzunehmen, gelang den Umern.
Es waren Soldansprüche, welche dem Freiherrn Albrecht von Sax, Herren
zu Mosax, den Titel gaben, im Bunde mit den Resten der ghibellini sehen
Partei sich 1403 inmitten der Krisis der Viscontischen Herrschaft der
Feste zu bemächtigen. Der Freiherr schlofs 1407 mit den Ständen Uri
und Obwalden ein Landrecht ab, das den beiden Thälern die freie Ö^nung
des Schlosses zu Bellenz und Zollfreiheit für ihre eigenen Waren zu-
sicherte. Selbstredend suchte Filippo Maria, der 1412 seinem als Wüte-
rich und Tyrann in der Geschichte schlecht beleumundeten Bruder
Giovanni Maria gefolgt war, diesen Schlüssel der Gotthardstrafse wieder
zu gewinnen, es gelang aber den Thälern, die schwankend gewordenen
Freiherrn zum Verkauf der Stadt und Herrschaft (September 1419) zu
bewegen. Nur kurze Zeit sollte das Zeichen des Stieres von Uri und
das Banner von Obwalden hier wehen; Ankaufsangebote des Herzogs
wurden abgelehnt; durch einen Handstreich bemächtigte sich jedoch
Carmagnola, der es durch seine Tüchtigkeit vom Bauemsohn zum ^eld*
herm gebracht hatte, am 4. April 1422 des Platzes. Die ürner fürch-
teten, der Herzog wolle sein Gebiet noch weiter ausdehnen, das
Livinenthal wegnehmen und an der stäubenden Brücke ein Zollkastell
errichten; doch folgten die Eidgenossen dem Rufe nur zum Teil und
die wirklich eintreffenden Streitkräfte wurden zersplittert, der Rest in
der blutigen Schlacht von Arbedo (30. Juni 1422) geschlagen, und
damit waren alle ennetbergischen Besitzungen für die Eidgenossen ver-
loren. Uri hatte mit seiner nach Italien gerichteten Politik Schiffbruch
gelitten.
* Unsere Urkunden Nr. 22.
ä V. Liebenau, Arbedo 197.
' V. Lieben au, Arbedo 192.
Die Südseite des St. Gotthards. 443
Wer aber auf den Grund der natürlichen Kräfte sieht^ wird in der
Schlacht von Arbedo und dem Frieden von Sitten keine definitive Ent-
scheidung erblicken. „Uri hatte schon zuviel von der Wonne Italiens
gekostet" ^. Die Visconti wufsten , welchen Wert dieser Besitz hatte ;
sie bauten jene gewaltige, mit Luxustürmen gekrönte Thalsperre, die
der Landschaft von Bellinzona das mittelalterliche Gepräge giebt.
Trotz dieser erregten Zeit treten doch die Handelsbeziehungen kräftig
hervor. Die Urkantone hatten ein Interesse daran, sich Zollfreiheit für
ihren sehr beträchtlichen Viehhandel nach Oberitalien zu verschaffen. Den
Mailändern lag ebenfalls an möglichster Sicherung und Verbilligung des
Verkehrs. So begegnen uns 1410 die Forderungen beider Parteien^.
Die Eidgenossen verlangen Milderung der neuen Zölle zu Mailand, Como,
Arona (Veron ?) und Lugano ; sehr viel detaillierter ist der Vertragsentwurf,
den die Mailänder Kaufleute vorlegen ; es ist wohl das weiteste Ausmafs,
das sie je gefordert haben: sicheren Verkehr auf allen Strafsen der
Eidgenossen, die nach Deutschland führen, Errichtung von trockenen,
guten Susten, keinerlei Repressalien, Nichtachtung etwaiger päpstlicher
oder kaiserlicher Mandate stehen da voran. Die Anerkennung solcher
Mandate solle sechs Monate vorher angekündigt werden und das dann noch
nicht in Sicherheit gebrachte Gut ruhig lagern. Die Kauf leute erbaten
«ich einen Tarif der Abgaben auf den Wegen. Sie verlangten, dafs ihre
Waren innerhalb zwei Tagen gefertigt würden; die Häute, die vom
Walde kommen, sollen noch schneller expediert werden. Bei Raub und
Diebstahl hat der betreffende Kanton innerhalb 40 Tagen den Schaden
zu ersetzen ; jeder Stand soll seine Strafsen in Stand halten. Besonders
wertvoll sind die Angaben, welche bekunden, dafs manche Waren schon
damals ohne Begleitung eines Dieners des Eigentümers gingen.
Von diesen weitgehenden Forderungen gestanden Luzern, Uri, Schwyz
und Unterwaiden den Kaufleuten von Malland und Como nur ein zehn
Jahre gültiges Geleit und Ersatzpflicht im Falle der Beraubung inner-
halb Monatsfrist zu^.
Die Interessen der Schweizer fanden in den Friedensverträgen nach
der Schlacht bei Arbedo ihren Ausdruck. Soviel ich sehe, ist bisher
nicht beachtet worden, dafs der Friede in Handelssachen die Eidgenossen-
schaft zerlegt. Der Friedensschlufs mit Zürich, Schwyz, Zug und Glarus
gab diesen Ständen auf zehn Jahre Zollfreiheit an allen Zöllen mit Aus-
nahme zu Mailand (und der Rusconischen Zölle in Lugano)*, der mit
^ Heusler, Kechtsquellen 33, 191.
2 V. Liebenau 18, 242 u. 244.
' 1415. Abdruck bei v. Liebenau, Regesten 18, 255.
* 1426 Juli 12. Abdruck des latein. Orignals bei Lünig, Codex Italiae diplo-
maticus 1, 447 ff.
444 Neununddrcifsigstes Kapitel.
Luzern, Uri und Nidwalden stellte ähnliche Ausnahmen auf (für Lugano,
Locarno und die Seitenlinie der Visconti) gab im übrigen aber keine
Zeitgrenze an ^ Für Zürich wurde diese Zollbefreiung 1435 auf zehn
Jahre verlängert^. Und die der Urkantone wuchs sich zu den grofsen
Eapitulaten aus, die der Eidgenossenschaft im Mailändischen die aus-
gedehntesten Rechte gewährten. Und das geschah, trotzdem Uri erneut
das Livinenthal fortnahm (1440).
1447 starb der Mannesstamm der Visconti aus und nach den Tagen
der Ambrosianischen Republik trat Francesco Sforza, der geniale Kriegs-
hauptmann, die Erbschaft seines Schwiegervaters an. Er wollte nach
dem Gebirge hin Frieden haben und befreite die von Bern, Luzern, Uri,
Schwyz und Unterwaiden von allen Zöllen und Auflagen in Bellinzona,
Das freundschaftliche Verhältnis wurde nach seinem Tode durch seine
Witwe und seinen Sohn Galeazzo Maria in dem Kapitulat vom 26. Januar
1407 verbrieft, worin allen Eidgenossen — Bern ausgeschlossen — Zoll-
freiheit bis an den Stadtgraben von Mailand zugesichert wurde®. Zehn
Jahre später wurde das Kapitulat auch auf Bern und St. Gallen aus-
gedehnt*. Gleichwohl brach bald unter dem Einflüsse von Uri und der
allgemeinen Weltpolitik der Irniser Krieg (1478) aus; Bellinzona zu
nehmen gelang nicht, bei Giornico rächten die Schweizer aber die Nieder-
lage von Arbedo. Der Friede stellte das alte Verhältnis her und be-
stätigte den Eidgenossen die alte Zollfreiheit für schweizerische Waren ^
So hatte sich die Eidgenossenschaft die Zollfreiheit erworben, ohne sie
seinerseits den Mailändern zuzugestehen. Der Rofstäuscher von Uri konnte
sein Vieh ohne Zoll auf die Märkte der Lombardei treiben, der Mailänder
Kaufmann mufste seinen Zoll entrichten. Auch in dieser Stellung im
Handelsleben dokumentiert sich die Überlegenheit der Alpenkantone über
das Herzogtum der Ebene. Die Eidgenossenschaft schob sich als ein
geschlossenes Handelsgebiet zwischen Deutschland und Italien ein, sonst
war die Rechtsstellung der einzelnen Orte verschieden, fast zuerst wird
auf dem Gebiete des Handels die unitarische Richtung eingeschlagen,
die heute mit der kantonalen so mannigfach zusammenstöfst. Auch die
älteren Kapitulate mit Mailand unterscheiden noch die einzelnen Stände,
so bleibt noch 1467 Bern ausgeschlossen, aber weil es selbst will; 1477
1 1426 Juli 21. Eidgen. Abschiede 2,753. Wie aus den Kapiteln für Bellenz
von 1466 hervorgeht, hätten die Bellenzer sehr gern die Fürleite wieder erhoben.
Heusler 33, 270.
2 Liebenau, Regesten 18, 376.
» Abschiede 2, 893—99.
^ Abschiede 2, 930 ff. Einer der mailändischen Gesandten war Georius Stein-
huser, ob ein Konstanzer?
^ Dierauer 2, 262.
Die Südseite des St. Grotthards. 445
drängt aber auch die Stadt St. Gallen eifrigst darauf, in die Kapitulate,
der Zölle wegen, eingeschlossen zu werdend Auch bei Frankreich ge-
wannen die Eidgenossen ähnliche Privilegien^.
Im Innern blieben freilich die kantonalen Zölle, Geleite und Für-
leiten bestehen. Von einer Reform des Zollwesens war keine Rede. Doch
ist es wohl zu beachten, dafs auch schon eidgenössische Zölle auftauchen.
Der Zoll zu Göschenen — so weit ich sehe, ist seine Geschichte bisher
viel zu wenig beachtet — war ein solcher. Schon 1429 geben nach altem
Herkommen die von Uri, Schwyz, Ob- und Nidwaiden und Luzern dem
Zöllner auf, nur für sich und für den Spital wöchentlich ein bestimmtes
Mafs an Getreide durchzulassen®, sonst war der Gotthard für alle
Cerealienausfuhr nach Italien gesperrt. Dieses Gebot wurde gemildert
und verschärft, immer aber leuchtet die Absicht durch, den Gotthard dem
Getreideexport zu sperren und so den Thälern billiges Korn zu er-
halten *. Es ist die direkte Fortsetzung jener Atzungsverträge und dafs
hier der erste gemeinsame Beamte auftritt, beweist wieder, dafs der
St. Gotthard das Herz der Eidgenossenschaift war.
An diesen Handelsverträgen haben die grofsen schweizerischen
Kämpfe in den Tagen der Mailänder Kriege nichts geändert; die Kapi-
tulate wurden immer wieder bestätigt von Lodovico Moro, im Vertrage
von Arona, von Massimiliano Sforza*, selbst im Vertrage von Gallarate
und sie bilden endlich auch die Grundlage der ewigen Richtung mit
Frankreich von 1516*. Das Princip der Steuerfreiheit der Eidgenossen
für die von ihnen selbst produzierten Waren wurde anerkannt, mitunter
hatten sich die Mailänder freilich dagegen zu wehren, dafs die Schweizer
Kaufleute fremde Waren als ihre eigenen ausgaben '.
Die Kämpfe haben aber ein anderes Ergebnis gebracht, sie haben
die Schweiz erst in des Wortes voller Bedeutung zu einem Pafsstaate
gemacht. Das Drängen der Urner nach dem Besitz der Südausgänge
hatte nun dauernden Erfolg. Als Beute aus dem grofsen weltgeschicht-
lichen Ringen um die Herrschaft auf dem Festlandsfufse Italiens ge-
wannen die Kantone Schwyz, Uri und Nidwaiden, die Grafschaft Bellinzona
und mit ihr das Blegnothal, im Jahre 1500 hatten sie diese Thalschaften
> Abschiede 2, 645.
2 Eidgen. Abschiede 3, 1, 100. 694 f. Zuerst 1481 von Ludwig XI., erneuert
1483 und 1498.
3 Abschiede 2, 77.
* Abschiede 2, 96. 139. 149. 581.
» 1498 Oktober 1 Abschiede 3, 1, 747. 1503 April 11 ebda. 3, 2, 1305. Be-
schworen Januar 1513 ebda. 3, 2, 1352.
6 Abschiede 3, 2, 1406.
^ Unsere Urkunden Nr. 133. 1498 Mailand.
446 Ncuniinddreirsigstos Kapitel.
besetzt. Den zwölf Orten gehörten die 1512 weggenommenen übrigen
Vogteien, welche mit dem urnerischen Livinen und den obengenannten
Vogteien den heutigen Kanton Tessin ausmachen. Das Mündungsgebiet
der Oberwalliser Pässe : Eschenthal und Pommat war gewonnen worden,
mufate aber geräumt werden und so dringt hier Italien heute zwischen
Wallis und Tessin fast bis zum Massive des Gotthards vor. Und 1512
gewannen auch die Bündner ihre ennetbirgischen Landschaften Bormio,
Veltlin und Chiavenna. Es war nun wirklich der Weg von der Ebene
des Po bis zur oberrheinischen Tiefebene einem Staatswesen einverleibt,
von Basel bis zum Sottocenere und dem Nordende des Langen Sees
wandelte der Kaufmann fortan im Schutze der Eidgenossen. Ihr Staats-
gebilde war ein Pafsstaat eigentümlichster Art, er trug und trägt die
Erinnerungen seines Entstehens an sich, er umfafste südlich nur ab-
hängige Landschaften, die regiert wurden. Heute ist ja das Prinzip der
demokratischen Gleichheit durchgeführt, die Urkantone treten zurück,
dafs aber in ihnen der Kern der Eidgenossenschaft liegt, ist auch heute
nicht zu verkennen. Das eidgenössische Militärdepartement hat die Be-
festigung des Gotthards beantragt aus dem Geftihle heraus, dafs, wenn
auch alles verloren sei, von der Höhe des Gotthards aus doch alles
wiedergewonnen werden könne. Und die einzigen Wohnstätten, die diese
Forts umschliefsen, gehören nach Uri, das der Keim zur Schweiz war,
es sind die Wohnstätten Urserens, das dem Gotthard seine Bedeutung
verschafft hat.
Über die Fortsetzungen des Gotthard weges stehen mir nur wenige
Notizen zur Verfügung.
Die beliebteste unter ihnen scheint die auf Coino und Mailand ge-
wesen zu sein. Sie wird wenigstens in den Pilgerbüchern allein erwähnt.
Ganz sicher war sie aber nicht. Die reichen Angaben, die Motta für
die Zeit von 1481 bis 1497 hat sammeln können^, lassen den Pafs im
Gegenteil fast alle Jahre von Strafsenräubern und Raubmördern unsicher
machen und beweisen, dafs der üble Ruf des Monte Cenere auch für
diese Zeiten schon berechtigt war. Bald wurde eine Zollstelle improvi-
siert, bald ging es ohne diesen Schein der Fiskalität ab und wurden die
Reisenden einfach angefallen, einmal wurden 40 Pferde weggenommen,
ein anderes Mal zwei Menschen erschlagen. Da die Schweizer mehrfach
geschädigt waren und man sie und ihre Repressalien fürchtete, griff
die Regierung öfters scharf ein, ohne dem offenbar von den benachbarten
Orten unterstützten Unwesen ein Ende machen zu können. Noch im
Jahre 1864 hat eine Bande sich der Gunst dieser Gegend bedient, um
einen schweizerischen Postwagen anzufallen. Die Wege im Gebiete von
> Bollet. storico 16, 120-123. Vgl 4, 30.
Die Nordseite des St. Ootthards im fünfzehnten Jahrhundert. 447
Lugano geben den deutschen Kaufleuten wegen ihres schlechten Zu-
standes mitunter zu Klagen Anlafs^
Die schweizerischen Pferde- und Viehhändler zogen vielfach vom
Monte Cenere über Ponte Tresa nach Varese, wo grofse Viehmärktc
stattfanden, die in den Abschieden fast Jahr für Jahr erwähnt werden.
Ebensolche, verbunden mit einer Messe, werden in Arona, am Südende
des Lago Maggiore abgehalten.
Wer übrigens zum Langen See wollte, wandte sich in Bellinzona
entweder nach Locarno oder, was die Regel gewesen zu sein scheint,
nach Magadino. Im Jahre 1346 schlofs die Kauftnannschaft von Mailand
mit der Gemeinde von Bellenz einen Vertrag über die von dieser zu be-
sorgende, ihr geradezu privilegierte Beförderung der Waren von Bellin-
zona nach Magadino^. Magadino behauptete seine Stellung als Haupt-
hafen am Nordende des Langen Sees bis ins sechzehnte Jahrhundert^.
Für die Verbindung mit Locarno war von grofsem Wert eine als
die schönste der Lombardei gepriesene befestigte Brücke, die Lodovico
Moro bei Bellinzona bauen liefs, die jedoch 1515 durch den Ausbruch
eines 1514 im Blegnothale durch einen Bergsturz entstandenen Stausees
vernichtet wurde*.
Vierzigstes Kapitel.
Die Nordseite des St. Gotthards im ffinfzehnten Jahrhundert. Allgemeines.
Ausdehnung der Eidgenossenschaft, Reste der alten Herrschaften vor den drei
Pafssystenien. Die alten EinricJUungen aufrecht erhalten. Erträgnisse des Mellinger
und des Diepflinger Geleits hez, Zdüs. Verbifidung Küfsnach- Zug -Horgen- Zürich.
Eidgenössische und Luzerner Geleitshriefe für fremde Kauf leute. SicJierheit Bäubereien»
Schutz über das eigene Gebiet hinaus.
Hervorragende Passanten des Gotthards. Genauere Beschreibungen: Walther ,
Mülinen, Tafur, Eptingen. Nachrichten über Kaufleute und Waren.
• _
Auf der Nordseite des Gotthards, der wir noch eine kurze Be-
trachtung zu widmen haben , war im Laufe des fünfzehnten Jahrhunderts
das Gebiet der Eidgenossenschaft immer weiter nach dem Norden, nach
Westen und Osten vorgedrungen , bis sie 1501 durch den Zutritt von
Basel auch die Herrschaft über die nach Basel führenden Jurapässe und
1 Motta in Bollet. stör. 3, 169.
'•^ Unsere Urkunden Nr. 5. Im Texte der Urkunde steht statt Magadino stets
Magino, einen solchen Ort finde ich überhaupt nicht, ich zweifle daher kaum, dafs
es sich um Magadino handelt.
' Vgl. die Klagen der Kaufleutc, die von Magadino bis Klösterli (Poleggio)
Waren fuhren, über die erhöhten Forderungen an Fuhrlohn und Fürleite. Eidgen.
Abschiede 3, 2, 1036.
* Muraltus 186.
448 Vierzigstes Kapitel.
den Schlüssel zum eigenen Hause gewann. Überwunden wurden die
Reste des habsburgischen Besitzes: 1460 eroberten die Eidgenossen den
1 Thurgau, damit gewann die Schweiz die Brückenstadt Diessenhofen,
nachdem durch den Zutritt von Schaffhausen und Stein schon vorher
zwei Übergänge über den Rhein der Schweiz sich angegliedert hatten.
Den Österreichern verblieb von den Jurapässen nur der Bötzberg,
aiä winziger Rest des einst so gewaltigen Besitzes südlich des Rheins.
Mit Basel, das 1400 die Herrschaften Liestal, Waidenburg und Hom-
berg gewonnen hatte, wurde der weiter südwestlich liegende Teil der
Eidgenossenschaft angegliedert Solothurns, Berns und Freiburgs Besitz
war in den Burgunderkriegen und durch andere Erwerbungen gewachsen,
schon gehörte ein Teil der Waadt zur Schweiz.
Die Ausdehnung nach Nordosten zum Bodensee hin hat auf das
schwerste eine Stadt geschädigt, die bis dahin in der Geschichte des
Handels eine führende Stellung eingenommen hatte. ' Konstanz hat im
Thurgau sein natürliches Hinterland, ihm gehörte die Landgrafschaft
dort und es wollte dieselbe nicht abtreten, nachdem die österreichische
Landvogtei schweizerisch geworden war. Die alte Reichsstadt hat ge-
schwankt, ob sie sich nicht den Eidgenossen anschliefsen solle. Sie hielt
zum Reiche und wurde 1498 ein Glied des schwäbischen Bundes. Doch
dadurch rettete sie ihren Besitz nicht, durch den Schwabenkrieg verlor
sie den Thurgau und fortan begann an der Konter-Eskarpe ihrer Festungs-
werke die schweizerische Herrschaft. Während Basel in den folgenden
Jahrhunderten als neutrale Stadt der Zufluchtsort für viele, die den
schweren Kriegszeiten entflohen, war und auf Kosten ihrer alten Freunde
immer mehr an Wohlstand zunahm, hat Konstanz unter diesen Kriegs-
wirren schwer gelitten.
Um 1510 war somit auch in dem Zuge der Strafsen, welche von
den Bündner Pässen nach Norden liefen, ein grofser Teil eidgenössisch
geworden , aber daneben hatte sich habsburgischer Besitz , wie die letzte
Erinnerung dynastischer Herrschaften (Vaduz) erhalten, auf dem Zuge,
der von den Walliser Pässen zum Jura führte, stand noch ein Rest des
einst so bedeutenden savoyischen Besitzes, im Zuge der Wege zum
Gotthard war aber nur noch der Bötzberg eine Erinnerung an die
Tage, wo die Habsburger sich mit dem Gedanken beschäftigen konnten,
den Pafs selbst zu gewinnen. Diese Ausdehnung des Bundes der Eid-
genossen hatte sich unter starkem Widerspruche der bäuerlichen Ur-
kantone vollzogen, die ganz deutlich herausfühlten, dafs je mehr Städte
dem Bunde beiträten, um so mehr die Bedeutung der bäuerlichen Thal-
gemeinden sinken müsse. Sie hatten ein Vorgefühl davon, dafs einst
das Gewicht des politischen Lebens sich in die Stadtkantone verlegen
würde.
Die Nordseite des St. Gotthards im fünfzehnten Jahrhundert. 449
Die Geschichte der einzelnen Fortsetzungen des Gotthardes auf der
Nordseite ist im fünfzehnten Jahrhundert sehr viel ärmer als im vierzehnten.
Die Zeiten sind vorbei, wo die Kaufmannschaft einer italienischen Stadt
mit den Dynasten über die Regelung des Verkehrs verhandelt. An
Stelle jener ist das Haus der Visconti und Sforza getreten. Der Staat
hat seine Thätigkeit auch auf dieses Gebiet ausgedehnt. Auf der andern
Seite sind die Dynasten verschwunden und durch Republiken ersetzt,
die aber in diesen Fragen meist nicht selbst vorgehen, sondern das der
Tagsatzung überlassen. Soweit meine Kenntnis der Quellen reicht, sind
weder auf dem Hauensteine noch auf dem Bötzberg oder dem Rheine
grundsätzliche Neuerungen durchgeführt, auch hier war die neue Herr-
schaft äufserst konservativ und mufste es auch sein, denn zwei von den
Wegen führten durch „gemeine Herrschaften" und da war es viel
schwerer, Änderungen durchzuführen als in einem eigenen Staatswesen.
Der obere Hauenstein wurde 1499 von Basel und Solothurn trotz des
Einspruches Kaiser Maximilians gemeinsam in Stand gesetzt ^
Auf der Reufs blieb es beim alten. Die Einrichtung einer Schiff-
fahrt flufsaufwärts oberhalb. Breisachs ist mir nirgends begegnet. Ein
so weit gereister Mann wie Peter Tafur bemerkt für Basel ausdrücklich,
dafs kein Schiff den Flufs wieder hinaufkomme *. Die Luzerner Schiffer
klagten über einige Mühlanlagen und es wurde darüber vielfach in den
Tagsatzungen verhandelt. Die Schiffahrt blühte noch, erst im folgenden
Jahrhundert kam sie mehr und mehr in Abgang. Auch der Land-
verkehr über MelHngen blieb bestehen. Aus den Abschieden läfst sich
das Schwanken der Zollerträge verfolgen. Unter Fortlassung aller An-
gaben, deren Umrechnung schwierig ist, ergiebt sich, dafs an die acht
Orte nach Abzug der Erhebungskosten verteilt wurden:
1430:
72«
1483:
48«
1499
: 120«
1454:
48«^
1487:
62 «
1500
: 92«
1460:
40«
1489:
70«
1502
: 144«
3y/
1472:
64«
1490:
70«
1504
: 136«
1473:
64 «
1491:
62 a
1505:
104 «
1475:
56 «
1493:
58 «
1507;
144 «
1476:
56 «
1494:
36 «
1509:
120 U
1477:
48 U
1495:
169 « 12 j(?
1511:
121 «
12^:?
1479:
32 n
1496:
136 n
1512:
176«
1480:
40 U
1497:
148 «
1513:
161 «
2y^
1481:
64 n
1498:
248 «
1514:
149 «
4^8
' Bavier 45. Geering 198.
*^ Häbler 504. Tafur 232: e la harca que ra, Jamds nwicn ioma, que wote / *
podria prohejar contra el agua tan corriente.
' Die Tabelle beruht auf den Angaben in den Eidgen. Abschieden. Ich be-
merke, dafs es sich nicht um den Rohertrag handelt, sondern um, das, was auf die
Herren des Geleites verteilt wurde.
Sohulte, Gesch. d. mittelalterl. Handels. I. 29
450 Vierzigstes Kapitel.
Die Tabelle zerftlllt in zwei Teile, da wohl schon 1494 ein neuer
Tarif, der allerdings erst für 1496 bezeugt ist, in Anwendung kam.
In der ersten Periode ist der höchste Ertrag : 72 ^ (eingenommen 1429),
der niedrigste 36 ^ (1493), in der zweiten föllt das Maximum 248 ^
(1497), das Minimum 92 (1499). Die Kriegsjahre gegen Mailand 1478,
1479 treten deutlich hervor, noch stärker der Schwabenkrieg von 1499.
Eine nähere Untersuchung des MelHnger Geleits wird vielleicht in
einem Tarife, wie in Abrechnungen, wie wir solche oben für die Zeit
von 1397 bis 1402 benutzen konnten, den Schlüssel geben, um aus
diesen Ziffern — die recht niedrig sind — exakt die Verkehrshöhe, die
sich übrigens auf zwei Verkehrsrichtungen verteilt, zu berechnen. Luzern
suchte sich seine Befreiung von dem Mellinger „Geleite" zu behaupten.
Auf dem unteren Hauenstein dominierte nun die Stadt Basel.
1402 ff. löste Basel den Zoll zu Liestal an sich, 1447—49 gewann es
auch, nach kurzem Besitze von 1404 — 1408, den Zoll zu Diepflingen,
der nun definitiv nach Bückten verlegt wurde, und das Geleit. Aus
den Frohnfastenrechnungen der Stadt Basel wird sich die Verkehrshöhe
berechnen lassen, da hier der Tarif bekannt ist. Nach der Mitteilung
Geerings^ ertrug der Zoll 1425 148 W 18^, das würde, da vom Saum-
rofs 4 S) erhoben wurden, 8928 Saumlasten bezw. in Wagen umgerechnet
(ä 2 ß): 1482 Wagen darstellen. Sehr wahrscheinlich liegt aber ein
Irrtum Geerings vor. Eine solche Höhe hat das Geleitsgeld nie wieder
erreicht. Die Mitteilungen aus einzelnen Frohnfastenrechnungen der
Stadt Basel, die ich der Güte Wackernagels verdanke^, sind leider nicht
* S. 200. Das Geleit von Diepflingen wurde 1447 bez. 1450 um 200 resp.
300 rhein. fl. der Stadt verkauft. Das zu 5®/o gerechnet, gäbe einen festen Ertrag
von 15 rhein. fl. Doch wage ich hier nicht weiter zu rechnen, da das Geleit be-
deutende Pfandlasten getragen haben kann. Boos, Urkb. Basel Land 2, 866 u. 881.
2 Ablieferungen des Zolls zu Diepflingen:
Zahlungs-
termin
1405 2 ang.:
1406 2 -
Summe
ü JS h
22 —
22 3 —
aufs Jahr
gerechnet
In Wagenlasten
umgerechnet
1407 2 -
44
—
—
jährl. i. Durchschn.
14089 3 -
46
—
140910 3 -
27
—
16
32 3 16
161
3
16
822
1449 2 ang.:
1450 8 -
— 4 -
: 39
13
33
9
3
8
} 46 12 ><
406
14:)6 2 -
12
9
1457 4 -
y
—
1400 2 -
22
__
_
Die Nordseite des St. Gotthards im fünfzehnten Jahrhundert. 461
so schlichtweg als Jahresergebnis zu verrechnen, da nicht jedes Jahr zu
einem bestimmten Termine der Zins abgeliefert wurde. Für die Jahre
1405 — 1409 läfst sich der Durchschnitt berechnen, für die folgenden
Jahre sind die wechselnden Termine sehr peinlich. Doch ergeben sich mit
Sicherheit schwache Einnahmen in der Mitte des Jahrhunderts, starke
Erträgnisse am Ende, die doppelt so hoch sind als am Anfang des Jahr-
hunderts'. Aber auch hier wieder ist zu konstatieren, wie gering der
Verkehr zu dem heutigen war. Die verlassenste Chaussee hat heute
mehr Verkehr als ein Pafs, über den alle Tage ein oder höchstens zwei
Wagenladungen kamen.
Auf eine Fortsetzung der Gotthardstrafse bin ich bisher nicht zu
sprechen gekommen, obwohl sie grofse Bedeutung gehabt hat; aber ge-
rade sie ist nach dem bisher bekannten Materiale nicht gut zu verfolgen.
InKüfsnach, wo 1357 der Bau einer Sust erörtert wurde ^, verliefs diese
Route den Vierwaldstättersee, um durch die Hohle Gafse Immensee zu
erreichen, wo die Schiffleute die Waren in ihre Nachen aufnahmen
und über den See von Zug, wo schon 1399 eine Sust erwähnt wird®,
fuhren. Von dort ging der Weg entweder über Sihlbrugg nach Horgen,
wo abermals die Waren verschifft wurden, oder über den Albisrücken
nach Kilchberg und Zürich. Der Transport auf jener Linie wurde durch
eine 1452 errichtete Ordnung geregelt. Selbstredend kam diese Richtung
nur für den Verkehr in Frage, der nach dem Bodensee und darüber
hinaus wollte. Der Weg wurde auch mit Massengütern, wie Eisen,
Stahl und Salz befahren*.
Die Eidgenossenschaft war ein Pafsstaat geworden — nicht allein
in Bezug auf den Gotthard, sondern auch mit Rücksicht auf den Zu-
Zahlungs-
Summe
aufs Jahr
In Wagenlasten
termin
it ß h
gerechnet
umgerechnet
1466 4 ang.:
25 12 —
1475 1 -
28 - —
1476 3 -
1476 4 -
32
17 12 —
l
J
49 12
496
1485/6 2 -
14856 4 -
85 — —
26 18 4
)
61 18 4
619
1495'6 2 -
1495/6 4 -
33 18 —
37 2 —
1
71 —
710
Die Zählung der vier Angarien beginnt mit dem Amtsjahr nach Joh. Bapt. Die
erste geht bis Ende September, die zweite bis Ende Dezember u. s. w.
* Unsere Urkunden Nr. 315. Ein Irrtum Geerings ist offenbar der Schluf?,
den er aus den Jahresrechjanngen gezogen hat, dafs der Verkehr über den Hauen-
stein im Winter völlig stockte.
* Börlin S. 45 Anm. 4.
8 Eidgen. Abschiede 1, 96 Nr. 225.
* Eidgen. Abschiede 3, 2, 326 zu 1505. Die Ordnung bei Börlin 88.
29*
452 Vierzigstes Kapitel.
gang zu den Genfer Messen. Die Kaufmannschaft hatte allen Grund,
sich ihre Gunst zu erhalten , wie umgekehrt die Eidgenossen ein Interesse
an der Steigerung des Verkehrs hatten. In beiderseitigem Interesse
lagen die Geleitsbriefe, welche die Eidgenossenschaft entweder der Kauf-
mannschaft ganz allgemein, oder einzelnen Städten oder endlich einzelnen
Firmen ausgestellt hat. Soweit die Materialien der „Abschiede" die Dinge
überschauen lassen, ist ein allgemeines Geleit 1473 mit dreimonat-
licher Kündigung, vielleicht 1483, sicher 1494 und 1511 — in diesen
beiden Fällen stellte Luzern die Urkunde aus — gegeben worden*.
Den Kaufleuten, die nach Genua handelten, wurde diese Gunst 1490
zu Teil*. Die italienischen Kaufleute, speciell die von Mailand, er-
hielten 1487 die Erneuerung eines älteren Geleits^. Ein Geleitsbrief für
alle Italiener mufs auch 1507 ausgestellt sein*. Bitten um solche, zum
Teil auch die Gewährung, sind bezeugt für Kaufleute aus Nürnberg,
München, Augsburg, Ulm, für die Gesellschaft Welser -Vöhlin, fllr
einzelne Kaufleute aus Mecheln, den Niederlanden und Lucca**. Mit-
unter trugen die Eidgenossen auch Bedenken, so 1497, wo St. Galler
Kaufleute im Auslande beraubt waren*. In Kriegszeiten schlug die
Förderung des Kaufmanns wohl gar in das Gegenteil um, in den
Tagen des Schwabenkrieges forderten sie den französischen König aiif,
die schwäbischen Kaufleute auch aus seinen Landen zu vertreiben. Im
eigenen Lande duldeten sie nur die neutralen''.
Luzern erscheint als Vorort und so kann gewissermafsen als ein
Vorläufer der gemein eidgenössischen Geleitsbriefe ein Luzerner Geleits-
brief von 1429 gelten, der für alle Kaufleute und Pilger von Hitschen
von lamperten und von welschen landen ^ wannen, wohar und wie die ge-
nannt sint gültig sein sollte. Sicheres Geleit gegen die Erlegung der bisr
her erhobenen Zölle wird versprochen, innerhalb vier Wochen wird die
Stadt den Schaden ersetzen, wenn jemand innerhalb des Gebietes be-
raubt und der Schaden nicht von den Thätern ersetzt ist. Für die Ver-
gehen einer fremden Person haftet nicht das von ihnen geführte Kauf-
mannsgut, der Fremde haftet nur für seine persönlichen Schulden.
1 Abschiede 2, 443. 3, l, 154. 470. 3, 2, 351 f. Bei der Art der knappen
Notizen der Abschiede, die durch mündlichen Bericht ergänzt wurden, ist nicht stets
die ganze Angelegenheit klar.
2 Abschiede 3, 1, 360.
8 Abschiede 3, 268 f.
* Vgl. unsere Urkunden Nr. 293.
«^ Abschiede 2, 464. 486. 488. 3, 2, 42, 64 f. 125. 165. 182. 619. 933.
« Abschiede 3, 1, 532.
■^ Abschiede 3, 1, 609 und 3, 1, 592 ff. Den Kaufleuten von Lucca und Mai-
land war Geleit gegeben, gleichwohl nahm Solothurn ihnen zu Liestal und Ölten
Waren weg. Mitteil. d. bad. bist. Kommiss. Nr. 22 S. m 81.
Die Nordseite des St. Gotthards im fünfzehnten Jahrhundert. 453
Luzern kann das Geleit abkündigen , es mufs das geschehen bei Meister
und Rat von Strafsburg, und nach dieser Aufkündigung gilt das Geleit
noch sechs Monate. Wie Luzern später auf eidgenössischer Seite als
Vorort gilt, so steht Strafsburg als solcher an der Spitze der Deutschend
Im allgemeinen ist die Sicherheit in dem Gebiete der Eidgenossen-
schaft eine sehr grofse gewesen. Aufser schon berührten Fällen stelle
ich hier noch einige zusammen, andere werde ich im Zusammenhange
mit den Genfer Messen berühren müssen. Auf dem Gottharde selbst
spielten sich mitunter doch noch Räubereien ab. So hatten 1346 sechs
Knechte aus Wallis, die in Urseren auf freier Reichsstrafse Raub be-
gangen hatten, Urfehde zu schwören und auch die Gemeinden von
Oberwallis sicherten Ruhe zu-. 1352 waren drei Strafsburger in Uri
gefangen gesetzt, jedoch war das eine Repressalie für Urner Gut, das in
Strafsburg beschlagnahmt worden war und zwar in der Zeit des Krieges
der Eidgenossen und Osterreich ^. Auch die Gefangennahme des Ritters
Johann von Hornstein war eine Repressalie*, ähnlich wohl die 1387 er-
folgte Beschlagnahme des Gutes Göswins von Konstanz und die Ge-
fangennahme des Klaus Schaub von Strafsburg in Luzern^. 1390 fingen
etliche von Schwyz einen Herrn von Köln und einen Kaufmann von
Aachen auf dem See, die Luzerner sorgten aber für ihre Freilassung.
1397 wurden abermals Kölner im Gebiet von Uri beraubt*.
Von zwei Kauf leuten aus Bellinzona, die im Gebiete von Zürich
gefangen worden waren, haben wir eine Versicherung, dafs die Züricher
im Bistum Como vor ihnen sicher verkehren könnten''. Wir über-
schreiten schon die Grenzen der damaligen Eidgenossenschaft, wenn
Basler Chronisten zu 1881 notieren, dafs zwischen dem Bötzberg und
dem Elsafs viele Räuber seien, auch 1450 war es dort gar nicht sicher®.
In Rheinfelden wurden genuesische Waren 1508 festgehalten, doch hatte
der Ritter auch hier eine Ausrede*.
Der Schutz der Eidgenossen ging weit über ihr eigenes Gebiet
hinaus. Die Klagen lombardischer und anderer Kauf leute tiber die Un-
^ Geschieht 8 fr eund 22, 294. Urkunde vom 24. Juni 1429. Die Strafsburger
erschienen sehr häufig in Luzern, sie verkauften dort Tuch und Gewand. 1457 wurden
Waren von Strafsburgem in Luzern beschlagnahmt. Eidgen. Abschiede 2, 287.
- Geschichtsfreund 1, 74. Eidgen. Abschiede 1, 25,
^ V. Liebenau 20, 61. Geschichtsfreund 1, 80. Waren scheinen die drei
nicht geführt zu haben.
* V. Liebenau 20, 75.
" Eidgen. Abschiede 1, 77 Anm. zu Nr. 184. Ar eh. f. Schweiz. Gesch. 17, 2, 197.
® Geschichtsfreund 22, 157 aus Ratsbüchern. Mitteil. Stadtarch. Köln 4, 62.
^ V. Liebenau 20, 78.
^ Baseler Chroniken 5, 32. Unsere Urkunden Nr. 294.
» Unsere Urkunden Nr. 293.
454 Vierzigstes Kapitel.
Sicherheit der Strafsen in Lothringen, Elsafs u. s. w. gaben ihnen Anlafs,
dorthin zu schreibend Als 1490 ein Diener des Pfalzgrafen, der mit
Mailand auf Kriegsfuls zu leben erklärte, auf dem Rheine welsche
Kaufleute gefangen nahm, legten die Eidgenossen ihre Fürsprache
ein, und wirklich wurden auf des Pfalzgrafen Geheifs die Kaufleute ihrer
Gefangenschaft ledig-. Ihren eigenen Kaufleuten, die zur Frankfurter
Messe zogen, begegnete man mit grofsem Respekt und als Franr von
Sickingen den Räubereien, die der Adel für sein Privileg hielt, durch
den bekannten Überfall die Krone aufsetzte^, konnten die Boten auf
der Tagsatzung erzählen, Franz von Sickingen werfe alle Kaufleute
nieder aufser eidgenössischen, gegen diese verhalte er sich ehrlich;
aber auch so genierte sie dieser kühne Ritter, er hemme den Handel
zwischen Italien und Deutschland ; und so wandten sie sich, da Sickingen
pensionarius und famulus des König Franz I. von Frankreich war, an
diesen*. Sie nahmen sich sehr kräftig der Mailänder Kaufleute und
des Fatzmann, eines Bürgers von Bellinzona, an, deren Gut mit weg-
genommen worden war*^.
Alle die, welche über den Gotthard nach Italien zogen, aufzu-
zählen, wäre unmöglich*. Nächst den Pässen der Ostalpen war der St.
Gotthard die eigentliche Verbindung zwischen Deutschland und Italien
geworden. Gesandtschaften deutscher und italienischer Fürsten, Kauf-
leute und Händler, Söldner und Musikanten, Geistliche und Mönche^
Ritter und Pilger, Professoren und Studenten wanderten diese Strafse.
Ich will nur mit einigen Namen, die besonders hervorleuchten, dem Bilde
auch das persönliche Kolorit geben. Da ward ein Bischof von Lissabon,
den 1389 die Berner gefangen genommen hatten, über den Berg ge-
ftlhrt, den Trierer Erzbischof Jakob von Sierk geleitete 1450 auf seiner
Jubiläumsfahrt der Geschichtsschreiber Melchior Rufs ^, da wanderten die
Prälaten zum Konzile von Konstanz und Basel, wie umgekehrt 1423 eng-
lische Prälaten auf diesem Wege sich zum Konzil von Pisa begaben® —
» Eidgen. Abschiede 3, 1, 189.
2 Abschiede 3, 1, 367 f. 382.
' Vgl. Ulmann, Franz v. Sickingen S. 67. Boos, Franz v. Sickingen und
die Stadt Worms in Z. Gesch. Oberrheins N. F. 3, 409. Augsb. Städtechroniken
5, 71 (Wilhelm Rem erwähnt das Gut der Mailänder). Nach Boo8 416 nahm er erst
später für 25 000 fl. Mailänder Waren weg
* Abschiede 3, 2, 1051. 1059.
•* V. Lieben au, Franz v. Sickingen und die Eidgenossen. Anz. f. Schweiz.
Gesch. 6, 152.
■^ Vgl. die umfangreichen Angaben von Motta in Boll. storico dolla Svizzera
ituliauii Tomo 8 u. 14: »Personngyl cdehri attraver/iü ü Gottardo''.
« Boll. ^*to^. :\ 146. 219.
» Boll. stör. 14, 2.
Die Nordseite des St. Gotthards im fünfzehnten Jahrhundert. 455
zweihundert Jahre früher hätte sie ihr Weg über den Grofsen St. Bern-
hard geführt.
Und wie die Stadt Basel ihre Hochschule begründete und aus
Italien Gelehrte berief, bat sie bei Luzern für die Ankömmlinge aus
„Lombarden und Bemund" um Geleit und 1467 gingen Bücherkisten
des nach Mailand heimgekehrten Professors Agostino Vimercati über den
Berg^ Die Zahl der Geschichtsschreiber, die über denselben zogen, ist
nicht gering, so ging Eberhard Windecke im Auftrage König Siegmunds
1418 mit einer Botschaft an die Visconti von Basel aus über den Pafs*.
Von Marino Sanuto d. ä. ist es möglich. Der Florentiner Chronist Bene-
detto Dei erwarb seine genaue Kenntnis der Florentiner Niederlassungen
in Nordeuropa auf einer Reise durch Frankreich, Flandern und Deutsch-
land. Er kehrte über den Gotthard nach Mailand zurück, wo er in der
mediceischen Bankfiliale, die ein Portinari hielt, beschäftigt war.
Accerito Portinari hatte ihn begleitet^. Und auch der englische
Chronist und Kirchenrechtslehrer an der Universität zu Oxford
Adam von Usk hat März 1401 auf einer Reise nach Rom (über
Diest, Aachen, Köln rheinaufwärts , Basel, Luzern) den Gotthard
überschritten, er fuhr in einem von einem Ochsen gezogenen Wagen
mit verbundenen Augen, damit er die Gefahren nicht erkenne*. Auch
die Dichter und Humanisten fehlten nicht. Als Petrarca 1356 Karl IV.
in Basel aufsuchen wollte, um ihm einen Auftrag der Visconti auszu-
richten, ging er wohl über den Gotthard. Enea Silvio, der spätere
Papst Pius IL, hat 1432 den Kardinal Capranica nach Basel begleitet
und auch in den späteren Zeiten seines wechselreichen Lebens ist er
noch mehrmals über den Berg gekommen^. Auch einer der ersten
deutschen Humanisten, Albrecht von Bonstetten, der 1471 fF. in Pavia
studierte, beweist in seiner „Beschreibung der Schweiz" (1479) sich als
ein Kenner des Gotthards, wenn er auch die Farben seiner Schilderung
zum Teil Vergil entlehnt hat^. Doch hatte schon vor ihm der Gotthard
seinen ersten litterarischen Freund gefunden. Der jugendliche Mai-
länder Dichter Piattino Piatti begleitete im Winter 1408 9 seinen
Bruder Teodoro auf einer Gesandtschaft nach Luzern, wo er sich in
Dorothea Hunwyl, die Tochter des Schultheifsen von Luzern verliebte.
Als echter Humanist versäumte er es nicht, seine Reiseeindrücke in
> Boü. stör. 3, 174 u. 14, 3.
2 Altinann, Eberhard Windeoko3 Denkwürdigkcitou S. 102.
8 B. 8t. 12, 117. 14, 4.
* »In ceruca per bovenitracius viris frifforibns (luasi iHriinptuSj oculis vehtis, ne
loci discrimina conspicerct." Forschungen z. deutschen Gesch. 17, 614.
•5 Voigt, Enea Silvio 1, 21 u. oft.
« Quellen z. Schweiz. Gesch. 1:3, 237.
•^i
456 Vierzigstes Kapitel.
poetische Form zu giefsen. So schuf er eine Siipplicatio ad divtan
Goiardum :
Jam pietate tua freti nos credere hohus
Coepimufi et higis per jiiga aumma irahi.
Natürlich fehlt das Daukesgedicht an den hl. Gotthard nicht, ebensowenig
jenes an den Phittifer {mons Plattnus)j dessen Name der Dichter mit dem
eigenen in Verbindung bringt ; auch dieses humanistische Spiel war dem
Poeten geläufig ^
Eigentümlicherweise haben die Pilger, wenigstens diejenigen, die
ins hl. Land wollten, die Tiroler Pässe vorgezogen, um nach Venedig,
dem regelmäfsigen EinschifFungsplatze zu gelangen. Selbst wenn Baseler
ihre Wallfahrt mit einem Pilgergange nach Einsiedeln begannen, gingen
sie nicht immer über den Gotthard, sondern wandten sich über den
Walensee dem Arlberg zu, wie Hans Rot (1440) und Peter Rot (1453)^.
Gleichwohl sind uns einige Pilger, die sich am hl. Grabe die Ritter-
würde holen wollten und über den Gotthard gingen, bekannt: Kaspar
von Mülinen, ein Berner (1506) und der Glarner Ludwig Tschudi (1519).
Die Reisebeschreibungen , die sie und einige Reiselustige uns hinterlassen
haben, geben zuerst genauere Kunde über das Leben auf dem Passe.
So die Erzählung eines Franziskaners , Paul Walther von Güglingen,
der 1481 von Heidelberg nach Venedig und dem hl. Lande pilgerte.
Zur Fahrt über den See brauchte er einen ganzen Tag, die Nacht
waren sie in >^Ure*. Der Geistliche eines am Wege liegenden (Jrtleins
— wohl Wasen — hatte den armen , seiner strengen Regel gemäfs ohne
jedes Geld reisenden Mönch, schon für den folgenden Tag zum Imbifs
eingeladen, zu ihm gingen sie in der Morgenfrühe, celebrierten in seiner
Kirche und nahmen den Imbifs, dann eilte der Pfarrer wieder vorauf
und so wurden die Wanderer — wohl in Hospenthal — wo sich viele
versammelt hatten, um am folgenden Morgen den Berg zu ersteigen, gut
aufgenommen. Mitten in der Nacht standen sie auf, er celebrierte dort
und dann ging es auf den Berg^. Die Wanderer erreichten am Abend
Airolo, wo sie bei dem Wirte Gabriel, der einst Knecht des Baseler
Grofskauftnanns Johannes Irmi gewesen war, nächtigten. Überall hatte
der Pater die milde Hand der Gläubigen, die ihn förderte, gespttrt.
Die nächsten Nachtquartiere waren Irnis (vermutlich), Bellinzona, Lugano
* Vgl. die Auszüge und Gedichte Bollet. storico 17, 16 ff.
2 Baseler Beiträge N. F. 1, SU u. 398. Ebenso auf der Rückkehr von
Venedig Haus Porner aus Braunschweig 1419 u. 1424. Röhricht S. 118 f. Er ging
von Venedig durch das Ampezzothal über Brenner und Arlberg, Feldkirch, Vaduz,
Walenstad, Wesen, Einsiedeln, Zürich, Baden, Rheinfeldeu nach Basel. Zeitschr.
d. bist. Vereins f. Niedersachsen 1875 S. 148 f.
^ Das Hospiz wird nicht genannt.
Die Nordseite des St. Gotthards im fünfzehnten Jahrhundert. . 457
und Como ^ Caspar von Mlilinen nahm auf seiner Pilgerfahrt den Weg
über Interhiken und Sarnen, also über den Brünigpafs, blieb einen Tag
«les Ungewitters wegen in Urseren, ging dann über Faido, Beilenz,
Lowenz, Chiasso nach Mailand^.
Ein ausgezeichneter Beobachter war der andalusische Ritter Peter
Tafur, der 1436 seine Heimatstadt Sevilla verliefs, um eine Weltreise zu
machen, über die er ganz ausgezeichnete Aufzeichnungen hinterlassen
hat. Mit „Wechseln" hatte er sich versehen und so konnte er nach
Genua, Florenz, Rom, Venedig, Jerusalem, Cypern, Kairo, Sinai, Kon-
stantinopel, das schwarze Meer umschiffend, dann wieder nach Venedig,
Mailand wandern, ohne befürchten zu müssen, sein Hab und Gut zu
verlieren. Von Mailand ging er über den Gotthard , er beobachtete sehr
gut, wie die Wasser — es war Ende August 1438 — von der Schnee-
schmelze stiegen. Auch er mufste sich dem Ochsenschlitten anvertrauen
— dessen Bau ihm so verwunderlich erschien, dafs er ihn mit einer
kastilianischen Dreschmaschine verglich. Das Tier zog an langem Seile,
„wenn irgendwo etwas nicht richtig, so nimmt der Ochse die Gefahr
auf sich." Und schon damals feuerten die Führer Schüsse ab, um die
Läuinen zu lösen. Mit den Mönchen des Hospiz' unterhielt er sich über
die Höhe der benachbarten Gipfel, dann erreichte er Luzern, dessen
vortreffliche Gasthöfe er rühmt. Auch die Schilderung von Basel, dem
Leben in Baden, das ihm sehr merkwürdig vorkam, von Strafsburg
zeigen, wie dieser wahrhaft ritterliche Spanier offenen Auges durch das
Land reiste, die Goldwäsche, die Schiffahrt im Laufen von Laufenburg
schildert er ebenso anschaulich wie richtig^. Eigentümlicherweise ist
ihm die Schilderung von Luzern an die unrichtige Stelle geraten *. Seine
weiteren Reisen führten ihn nach Flandern, noch einmal nach Basel,
Konstanz, Nürnberg, dann nach Breslau, Wien, Ofen, Oberitalien in
seine Heimat zurück.
Die sorgfUltigste Nachricht ist die, die der Baseler Ritter Hans von
Eptingen von seiner 1460 unternommenen Pilgerfahrt giebt, insofern wir
dort alle Stationen zu Imbifs und Nachtlager erfahren*^. Von Venedig
hatte er den Weg nach Mailand eingeschlagen: von Padua aus wurde
abends Montebello erreicht, Imbifsstation war Montebello; am nächsten
Tage bis Verona, am folgenden Imbifs zu Cavalcaselle (Wageselle) dicht
bei Peschiera, Nachtquartier in Lonato (Luna, auch Bona im Text ge-
nannt), am folgenden Imbifs zu Brescia, Nachtquartier zu Martinengo
* Fratris Pauli Waltheri Itiuerarium S. 16—19.
2 Zeitschr. d. deutschen Palästinavereins 11, 185.
« Tafur 237. Häbler 506.
♦ Tafur 230. Häbler 503. Nämlich vor den Übergang über den St. Gotthar.l.
"^ Schweizer Geschichtsforscher 7, 400 ff.
458
Vierzigstes Kapitel.
(Martholnigo oder Marthona). Der Reiter hatte also nicht die jetzige
Heerstrafse benutzt, sondern oberhalb derselben bei Pontoglio den Oglio
tiberschritten *. Am letzten Tage Imbifs zu Cassano (Kaspan), abends in
Mailand. Die folgende Route giebt sich am besten in Tabellenform.
Abreise
Pässe
Imbifs ' p^^^ : Nacht
Entfernung in
von
ZU
zu
Meilen
^lontag
Mailand
^^
Mailand
.^_
Como
0 + 25 Meil. it
Dienstag
Como
Lugano
(Lugers)
Bironico a. d.
M. Cenere
(Werone)
16+ 8 - -
Mittwoch
Bironico
M. Cenere
Bei lenz
—
Giomico
(Imefs)
8 + 16 - -
Donnerst.
Giomico
Plattifer Airolo StGotth.
Hospenthal
1 (Orgis) ,
(Ospenthal)
16it.+3d.MeU.
Freitag
Hospenthal
Schöllenen
Wasen ' —
Fluelen
(Wassen)
(Pfluegen)
3 gr. d. Meil.
Samstag
Fluelen
fib. d. See
Schwyz
weiter nach
Einsiedeln
89itn.6d.Meil.
Nachrichten über den Handel , bei denen ausdrücklich der Gotthard
erwähnt wird , sind durchaus nicht zahlreich zur Hand , eine genauere
Durchforschung von namentlich Baseler Familienpapieren wird wohl
wichtige Ergänzungen bringen. Ein Verzeichnis von 1453 zählt 22
Schweizer und lombardische Händler auf, die 360 Pferde über den Berg
brachten ^ Genauere Angaben haben wir über die Handelszüge der
Morosini, Giorgio fuhr 1494 fünfmal, 1495 viermal mit Tuch, Bernardo
Morosini 1496 sechsmal mit Tuch und Wollballen, im ganzen mit 64
Saumlast Tuch und 39 Wollenballen über den Berg, auch im Winter.
Der Pafs wurde also selbst von Warenzügen, nicht allein von Boten in
dieser Jahreszeit benutzt®.
In Kriegszeiten hatte der Gotthard auch noch in späterer Zeit be-
sonders reges Leben, weil die von der kriegerischen Front bisher bezogenen
Lebensmittel dann von der friedlichen her beschafft werden mufsten. So
berichtet Fründ, dafs im Züricher Kriege (1443—46) Wein aus Italien
gebracht wurde und in den Tagen des Sieges von Giomico wurde der
Handel und Transport von Bückingen über den Gotthard frei gehalten *.
^ Eine Reisebeschreibung von 1442 giebt dieselben Stationen an : Mailand, Lam-
brate, Pozzuolo, Martesana, Cassano, Trcviglio, Marengo, Martinengo, Pontoglio,
Coccaglio, Brescia u. s. w. R e c u ei 1 des voyages etc. pour servir a l'hist. de la g^ogr, II, 9.
8 BoU. stör. 3, 172 u. 4, 59. Auch ein Strafsburger »Adam de Transhorg* war
mit zwei Pferden dabei.
8 Boll. stör. 14, 5.
* Boll. stör. 3, 172 und Eidgen. Abschiede 3, 1, 25.
Dritter Teil.
DIE WALLISER PÄSSE.
Einundvierzigstes Kapitel.
Simplon und der Grofse St. Bernhard.
Susten. Tranaportordnungen, Brücken und Nebenwege. Zölle, Hospize, Die
Bedeutung von ObencäUis. Sicherheitsbriefe und Beraubungen in Verbindung mit der
politischen Geschichte. Einflufs der Urkantone. Papst Gregor XI. und der Kampf wider
die Visconti. Anschlufs an die Schweiz. Die Pässe im fünfzehnten Jahrhundert,
Die Geschichte der beiden grofsen Walliser Pässe seit 1300 läfst
sich zunächst einheitlich betrachten.
Die Zahl der Susten, denen die Mailänder wie die Walliser fort-
gesetzt ihr Interesse zuwandten, wurde um eine vermehrt, es wurde eine
solche zu Visp, zwischen denen zu Leuk und Brig eingeschoben. Der
Antrag ging von Mailand aus und der Gesandte hatte sowohl eine Voll-
macht vom Stadtherrn, Giovanni Visconti, wie von der Communittis merca"
forum. Er schlofs mit einem angesehenen Bewohner von Visp, dem
Edelknecht Johannes in Platea ab, er solle sie geräumig und gut ver-
schliefsbar an einem bestimmten Orte errichten. Für alle Waren, die
thalaufwärts von Frankreich und sonst woher kämen, versprach der
Mailänder die Zahlung von 1 S) Maurienser Münze für den Ballen, bei
den Waren, die von der Lombardei abwärts gingen, war Sustgeld nur
zu entrichten, wenn sie in der Sust wirklich gelagert wurden. Der Er-
bauer verpflichtete sich, einen zuverlässigen Mann an die Wage zu stellen.
Dieser Vertrag von hibl * dürfte sofort ausgeführt sein. Es ist das letzte
Mal, dafs Mailand, und zwar jetzt auch der Stadtherr, auf die Ausgestal-
tung der Simplonstrafse , die ihrer Initiative die Einrichtung verdankte,
Einflufs ausübte. In Verträgen mit Mailand waren nach und nach die
Transporteinrichtungen erstanden. Auch diese Sust und das Wagerecht
' Oremaud 33, 12.
4C0 EinundWerzigstes Kapitel.
wurde als ein bischöfliches Lehen behandelt. So erscheint es 1378 als
solches derer von Silenen, genannt de Platea; einer von ihnen wird be-
schuldigt, in der Zeit einer Fehde Kaufleute auf der Strafse ohne Grund
gefangen zu haben. Im nächsten Jahre erscheint die Sust als bischöf-
liches Lehen der Herren von Raron, 1449 als der von Silenen'.
Die Sust von B r i g wird im Jahr 131 1 beiläufig genannt, 1335 erscheint
auch sie als eine bischöfliche Verleihung-. Die von Leuk wurde auf
Grund eines wiederum von der Mailänder Kaufmannschaft abgeschlossenen
Vertrages 1336 neu gebaut. Sie war offenbar niedergebrannt, die neue
sollte einen bedeutenden Abstand von allen andern Gebäuden haben,
aus Stein gebaut und mit Steinen gedeckt werden und 200 Ballen Wolle
aufnehmen können. Der Erbauer, der für allen Schaden, der den Waren
im Gebäude geschieht, aufzukommen hat, soll nach Fertigstellung des
Baues V2 ft Maur. von jedem Ballen erheben dürfen; der alte Betrag von
1^2 ^ für Sust, ^'2 h für die Wage bleibt dabei bestehen und auch diese
neue Abgabe wird ein von der bischöflichen Tafel relevierendes Lehen*.
Es war diese Sust mit einer Herberge, die 1338 mindestens sechs
Betten hatte, und einer Küche verbunden. Die Erbauer verpachteten sie
damals mit den anliegenden Häusern und den zugehörigen Wiesen, auf
denen offenbar das benötigte Heu gewonnen wurde, mit den Betten und
der Küche, mit der Wasserleitung und mit dem Zoll (3 obol. Maur. von
jedem Ballen auf- oder abwärts, 1 ^ von jedem Säumer) für 40 €ß Maur.
jährlich auf die Zeit von vier Jahren an einen Mailänder Bürger*. 1398
vermietete Petrus von Raron, Herr des Eifischthales, die Suste und die
Herberge auf fünf Jahre an einen Schneider von Sitten für 12 Ä5
Maurienner jährlich ; den Warenzoll hatte sich der Herr vorbehalten und
ebenso bestimmt, dafs, wenn in der Pachtzeit eine Rompilgerfahrt, also
ein Jubiläum, wie es zu 1400 bevorstehe, einfalle und die Wirtsleute dann
viel zu thun hätten, nach dem Urteil eines Lenker Bürgers der Herr
einen Anteil haben sollte®. Auch diese Sust war ein bischöfliches Lehen
und aus den bezüglichen Urkunden von 1339 ersieht man, dafs die oben
erwähnten Abgaben wirklich erhoben wurden ; der Lehensmann hatte der
bischöflichen Tafel einige übrigens unbedeutende Abgaben zu entrichten •.
Die Sust war an die Freiherrn von Raron übergegangen und zwar durch
die Schenkung einer Tochter des Hauses, das den Neubau aufgeführt
» Gremaud 27, 123 u. 156. 39, 421.
* Gremaud 82, 25 u. 32, 98. Im Besitze eines Edelknechts Stephan de Prez.
' 1336 August 10. 32, 110. Bevollmächtigter der Kaufmannschaft der Graf-
schaft und Gemeinde Mailand ist Bartolomeus de Salario.
* Gremaud 32, 144.
»^ Gremaud 37, 465.
ö Gremaud 32, 217 u. 218.
Simplon und der Grofse öt. Bernhard. 461
hatte, an den Bischof Wilhelm von Raron, der dann seinen Verwandten
die Rechte gegeben hatte. Guichard wurde 1421 damit belehnt ^
Die Sust zu Sitten wird nur beiläufig erwähnt^.
Auf italienischer Seite wird an der Simplonstrafse ein Sustgeld in
Domo d'Ossola genannt^.
Auf die Transportordnung hat Mailand ebenfalls einen bedeutenden
Einflufs ausgeübt. Schon früher wurde erwähnt, dafs 1307 entschieden
wurde, dafs auf dem Simplonpasse der Transport wochenweise zwischen
den Gemeinden Naters und Brig einerseits und Simpeln umgehen sollte*.
Der „Teiler" spielte am Simplon eine grofse Rolle, das Amt mufs erblich
gewesen sein, denn es wurde ein Familienname*, wie auch die Ingressori
de sousta und die Sostioni zu solchen sich umbildeten •. Von Leuk be-
sitzen wir die älteste Transportordnung unseres Alpengebietes, die im
Jahre 1310 aufgezeichnet wurde. Hier bestellten die Fuhrleute aus der
umfangreichen Pfarrei Leuk einen Teiler, der durch Boten Nachricht
den einzelnen Leuten, wenn sie eine Fuhre zu stellen halten, zuzuschicken
hatte, die dafür 1 J) Maur. Botenlohn für den Ballen zu entrichten hatten.
Der Transport wurde von Sust zu Sust ausgeführt , drei Ballen zu je
15 Rubb wurden durch zwei Tiere, zwei durch eins gezogen. Der Fuhr-
mann, der nicht zur Primzeit zur Stelle war, verlor seinen Transport,
auch durfte niemand ohne Geheifs des Teilers aufladen. Der Fuhrmann
durfte seinen Wagen nach oben oder unten nur so weit verleihen, dafs
er am folgenden Morgen zur Primzeit wieder an der Sust stand ^. Das
Teileramt zu Sitten wurde von der Gemeinde vergeben, aber die Be-
lehnten gaben es in Pacht und Aftermiete weiter®.
Die Transportordnung von St. Maurice ist von 1320; sie richtet sich
vor allem gegen den Mifsbrauch, dafs die Fuhrleute mit fremdem Gespann
fahren oder schwache und kranke Tiere verwenden oder zu spät kommen
und nicht vor der Mittagszeit aufbrechen. Einige besondere Bestimmungen
* Gremaud 88, 519. Verzicht des Domherrn Wilhelm von Raron von 1427.
Gremaud 37, 335; vgl. 375.
« Gremaud 32, 64.
» Amodini, Statuti § 100.
* S. oben S. 216.
^ AnVionius Partitoris de Semplono junior : 1384. G r e m a u d 37, 290. Auch 1395 :
37, 432 u. öfter, er war zugleich castellanus de SmplonOy s. Register. 1361 : NicoHtio
Partitore de Simplmio 33, 204. 1407: Thomas Partitoris de Simplono 38, 37 u. öfter.
ö Giiigins-la-Sarraz 2, 23.
"^ Gremaud 31, 191. Auch jüngere von 1372 und 1458 sind nach Heus 1er
S. 236 im Archiv von Leuk erhalten, aber noch nicht veröffentlicht.
® 1330. Gremaud 31, 568. 1382 Verpachtung der »ohventiones divisionis seu
de hl partison haUarum bolonum (!) et aliaritm mercimoniarum transeuntium per Sedu-
num* für 7 Äf Maur. Gremaud 32. 41.
462 Einuiidvierzigötes Kapitel.
betreffen die Gastwirte, die einen einzigen Ballen eines Kaufmannes
aufser der Tour fahren dürfen. Über die Wahl des Teilers enthält die
Ordnung keine Bestimmungen ^
Auch auf Italienischer Seite kenne ich wenigstens eine Transport-
ordnung, sie ist in den Statuten von Domo d'Ossola von 1425 bezw. 1429
erhalten Hier war der Dienst ganz wie in Wallis organisiert. An der
Spitze stand der Partitor ^ der die Fahrten unter den Vecturales und
Buhulci verteilte. Die Gemeinde ist der Träger der Einrichtung und
giebt ihr ein Monopol, auch die Ballenbinder waren von der Gemeinde
organisiert. Teiler gab es auch im Val di Vedro (Diverio) und in Valle
Antigorio, also fUr beide Pafsrichtungen, die bei Domo d'Ossola zusammen-
trafen, jedoch fuhren die Leute von Ossola auch bis zum Spital von
Gondo {hospitdle de Condono)^ also bis an den Anfang der Schlucht,
unterhalb aber bis zum Ponte Maleo, den ich nicht nachweisen kann.
Die umfangreichen Bestimmungen sprechen für eine starke Benutzung
der Strafse ^. Von jedem Fardel waren sieben Imperialen zu entrichten,
wovon der Teiler drei für den Fuhrmann zurückbehielt, vier an die
Gemeinde abzuliefern hatte®. Auch in Vogogna gab es eine Transport-
gesellschaft (roata), und eine Sust*.
Die Strafse überschritt den Rhone bei Sitten und Riddes. Die letztere
Brücke wurde mehrfach umgangen, etwas unterhalb Riddes, oberhalb
der burggekrönten Saxon führte eine Brücke über den Rhone nach
Saillon und gewann dann bald oberhalb Saillon wieder die Strafse nach
Sitten. Ein Bürger von Saillon, der zu St. Maurice wohnte, benutzte
den Weg zum Warentransport durch seine Heimat*. Und auch von
andern Kaufleuten wurde der Weg gebraucht, so dafs, als der Rhone
Winter 1324/25 die Brücke brach und nun über die neuentstandenen
Flufsläufe neue Übergänge errichtet werden sollten, der savoyische Richter
in Chablais und Wallis die Bedeutung für die Kaufleute hervorhob, um
den schnellen Bau guter Brücken herbeizuführen®. Die Brücke von
Riddes verlor übrigens keineswegs allen Handel, die Erheber des Brücken-
zolles erscheinen mehrfach in den Urkunden '. Auch dieses Brückengeld
galt als ein bischöfliches Lehen®.
1 Gremaud »3, 461 ff.
2 Amodini §§52, 53, 62, 65, 66, 69, 73, 84 (mit mehreren Ortsangaben), 99—101 u. 105.
^ Amodini § 99.
♦ Stadtrecht von 1374 bei Bianchetti 2, 523.
»^ 1322. Gremaud 31, 355.
« 1325. Gremaud 31, 485.
- ^ Gremaud 31, 487.
8 Gremaud 32, 206. Belehnunc: von 1339. Über die Brücken bei Brig vgl.
die Urkunde von 1457 bei Gremaud 39, 545.
Simplon und der Grofse St. Bernhard. 468
Für die Zölle liegen wertvolle Nachrichten aus dem vierzehnten und
fünfzehnten Jahrhundert vor. Ein Zoll zu Domo d'Ossola scheint ursprüng-
lich dem Bistum Novara gehört zu haben ^. Der erste Zoll auf Walliser
Boden war der zu Simpeln, dort nahm der Meyer von Simpeln von jedem
Pferde 3 ^ Maurienn. oder 12 Imperialen und Antonius Richardi nahm
sie auch von 40 Pferden, die von Familiären Papst Johannes' XXII. ge-
ritten wurden, und schimpfte recht kräftig über den Papst, den er nicht
anerkennen würde, bevor er nicht nach Rom ziehe. Wenn der Papst und
seine Kardinäle kämen, würde er sie gerade so behandeln, die Familiären
müfsten zahlen, ob sie wollten oder nicht ^. Zu oberst im Rhonethal
wurde ein Zoll in Brig erhoben.
Die einzelnen Angaben über diesen Zoll lassen mich vermuten, dafs
es sich um zwei Abgaben handelt: um ein niedriges Sustgeld und einen
rechten, namentlich auch vom Vieh erhobenen Zoll. Für ersteres sind
wohl die Nachrichten in Anspruch zu nehmen, welche eich auf den Zoll
der Herren von Thurn und Gestelen beziehen. 1333 hatte ihn Peter
von Thurn an einen Lombarden verpachtet^, 1338 erwähnt der aus
diesem Hause stammende Bischof Aymo seinen Zöllner zu Brig*. Sicher
ist ein Sustgeld der halbe Zoll, den Johannes Esperlin 1362 erhob und
seiner Tochter übergab : *unum denarium Maurienscm cum pogesia pro
gualibet balla et magno equo^; den Jahresertrag giebt er auf 25 ü Maur.
jährlich an, wir erhalten dadurch eine sehr willkommene Mitteilung über
die Verkehrshöhe ^ 1398 war eine Rente von 100 >S Maur. darauf ver-
pftlndet*. Ein richtiger Zoll ist dagegen derjenige, dessen Höhe 1394
als altgebräuchlich durch Zeugen festgestellt wurde: von jedem Ballen
Wolle vom Simplon her 3 ^, Ballen Tuch 4 ?), von jedem Ballen vom
oder zum Berge 3 ^, von jedem grofsen Pferde 6^/2 J), vom roncinas 3,
vom Fufsgänger 1, einem belasteten Träger 2 ^, von jedem gröfseren
Stück Vieh 2 h, von Hammeln, Schafen, Schweinen: ^unarn poysam
seu oriuncium«. Von einer »Zßcftin« mit Falken und Habichten 2 ^, jeder
' Vgl. Amodini S. 22.
- Gremaud 31, 444. Die Klagen der Familiären fanden bei der Kirche von
Sitten natürlich Gehör.
^ Gremaud 32, 57. Die Angabe »videUcet unum flor, pro q^talibet balla et
qnolibei magno equo« ist natürlich unrichtig, wahrscheinlich ist statt flortnum ein-
fach denarium zu lesen.
^ Gremaud 32, 136.
^ Gremaud 33, 228. »Frimojus suum, viJeh'cet medieiatem pedagii et emölumenti,
quod percipit dktus Johannas cum AnHionio ntpote suo, qui percipiunt apud Briga, de
quo pedagio percipit dictns JoJuinnes unum den, Mauriensem cum pogesia pro qualihet
balla et magno equo et omnibus aliis dicto Johanni in dicto pedagio competentibus ^ et
hoc pro precio viginti quinque €t Maur. redditus ««nt«'.«
« Gremaud 37, 459.
464 Ei nundvi orzigstes Kapitel.
Saumlast Unefsbarem 1 ^, jeder Saumlast Efsbarem 2 ^. Zollfrei waren
von den letzten beiden Abgaben die Walliser *. Zu Leuk wurde nur
ein Sustgeld erhoben, kein eigentlicher Zoll-, dahingegen hatte der
bischöfliche saltertis (sautier) von jedem neunten Ballen einen halben
Pfennig als Wägelohn zu beanspruchen®. In Oranges, das damals noch
auf doTTi rechten Rhoneufer lag, erscheint 1389 die ganze Castellanie
dieses Xauiens im Besitze eines Zolles, der ein bischöfliches Lehen war:
von jedem Ballen 2 ^ Maur. und von jedem Pferde ^de pryes<!^ — ein
Ausdruck, den auch Gremaud nicht erklärt hat — so viel wie in Sitten
bezahlt wurde. 1383 erstritt die Witwe des Edelknechts Jakob Tavelli
vom Bischof von Sitten, dafs ihr der bisherige Anteil an dem Zolle zu-
stehen solle*.
Die Angaben über die verschiedenen Zölle von Sitten sind mit denen
der früheren Periode nicht leicht in Einklang zu bringen. Soviel man
erkennen kann, waren bis zum Ende des vierzehnten Jahrhunderts alle
Zölle noch bischöflich, jedoch waren sie zum Teil verpfändet. So 1331
der Ertrag bis zu 10 ft Maur. schon seit den Tagen des Bischofs Bonifaz.
Anderes war zu Lehen gegeben, so 1 S) von jedem Ballen und jedem
grofsen Pferde, 2 c>) von jedem belasteten Wagen an einen Bürger von
Sitten, ein anderer durfte bis zum Ertrage von 15 ÄJ vom alten Zoll
von jedem Ballen mit Ausnahme Eisens 1 ft, und von deni Eisenzolle
auch je 1 ^ erheben und hatte dafür einen Teil der öffentlichen Strafse
in Stand zu halten^.
Davon verschieden ist das :>jus quod habentus in charragiiSj turnis
ei dmtihus sortarum, ballarum et fardellorumty das der Bischof 1378 für
4 ii Maur. der Stadt Sitten, 1382 aber für je 15 fl. an einen Bewohner
von Sitten verpachtete. Verstehe ich diese letzte Nachricht richtig, so
dürfte es sich um ein altes bischöfliches Privileg handeln, nach welchem
er ein Monopol für . den Transport aller Waren durch seine Wagen
besafs*.
> Gremaud 37, 427. In derselben Urkunde werden weitere Viehzölle be-
sprochen, ebenso 87, 261 u. 89, 265. Da der Viehhandel damals aber nur für kurze Ent-
fernungen Bedeutung hatte, übergehe ich ihn hier.
2 Nach Furrer 1, 199 kaufte Leuk 1486 um 5000 Pfund den Zoll.
» Gremaud 32, 221 u. 37, 12 (1839 u. 76). Aufserdem wurde für den Weg
der von Leuk seitwärts zum Lenker Bade führte, ein Weggeld erhoben. Gremaud
37, 585 zu 1402.
* Gremaud 32, 206. 37, 271.
B Gremaud 32, 20. 178. 179.
ö Gremaud 37, 145 u. 260. »Quas bcüJas et fardellos ducere per noatros atrrus
vel alium nomine nostro d^hemus, nos videnUs quod, quantum ad praesens ^ in hiis
vacare non 2)ossu7nuS9. Vielleicht handelt es sich um einen Anteil an jeder Rod.
1878 überläfst der Bischof für 10 Goldgulden das Recht der mensa episcopalis »pro
Simplon und der Grofse St. Bernhard. 465
Vom Zoll zu Martigny war mindestens ein Teil (^/2 9) von jedem
Ballen) bischöfliches Lehen ^. In St Maurice erwarb Graf Amadeus V.
von Savoyen im Anfang des vierzehnten Jahrhunderts von dem Herrn
von CoUombey die verschiedenen Zölle; zunächst 1303 10 ü Maurienner
jährlich und aus den Angaben des Verkäufers, dafs der für die dos fest-
gelegte Teil des Ertrages des Zolles sich auf 80 €6 Maurienner belief,
sehen wir, dafs das nur ein geringer Teil des Gesamtertrages von 240 ü
Maurienner war. Der Verkauf des Restes erfolgte im nächsten Jahre. Der
Preis ist allerdings nur 140 ü Maur., was einem Ertrage von 14 ^ etwa
entsprechen würde, es sind aber vielleicht weitere Urkunden verloren, so
dafs die oben angegebene Gesamtsumme doch richtig sein könnte. Der
Herr von CoUombey veräufserte für diese Summe den zu St. Maurice
erhobenen Zoll, der genannt wurde: ^pedagium FasciniacU, von jedem
Tuch- oder Wollenballen 2 o^, und das ^pedagium quaiuor episcopatuumt^
von jedem Ballen mit Leinenstücken oder Fellen oder sonstigen Sachen 1 3> *.
Die savoyischen Zölle am Genfersee, im Waadtlande und im Ge-
biete des südlichen Jura verfolge ich nicht weiter.
An Hospitälern erscheint neu zum erstenmal 1425 das zu Gondo
am Eingang der schaurigen Schlucht^. Bisher hielt man die Gründung
für jünger, was für den finsteren vielstöckigen Bau zutreffen mag.
Das Johanniterhospiz jenseits der Pafshöhe, das Hospitale 8. Jacobi
de Collibus montis de Briga erscheint 1322, als Johann von der Sust zu
Brig, der mit dem Gedanken umging, in den Orden einzutreten, ihm
eine Schenkung machte*. Das Johanniterhaus zu Salquenen blieb be-
stehen, während die Ritter vom Simplon verschwanden. In einer Urkunde
von 1437 wird die Pflicht des ^hospüalarius hospitalts sancti Jacobi vocati
moniis de Halsent, nicht etwa des Johanniterkonvents erwähnt, den Bischof
bei seiner Durchreise mit drei Personen und drei Pferden aufzunehmen *.
Das Haus auf der Pafshöhe zerfiel, die Güter blieben jedoch mit ihm
verbunden, auch wurde immer noch den Wanderern Gutes gethan. 1621
übergab der Besitzer die Güter an das Spital St. Anton in Brig, das
1655 dieselben an die Familie Stockalper verkaufte, denen die Pflicht
zufiel, die armen Pilger und Durchreisenden zu beherbergen*. Das Ge-
bäude steht noch heute und wird noch wohl von Hirten bewohnt.
qtialibet aosta baUam chariare in quolibet turno charHagii et tumi hallarum et fardd-
lorum unum tumum.* Gremaud 87, 149.
1 1339. Gremaud 32, 192.
« Gremaud 81, 65 u. 98.
' Amodini § 84.
* Gremaud 31, 360. Nach Gingins-la-Sarraz 3, 157 wird das Hospiz noch
1470 genannt, jedenfalls war es tief herabgekommen.
^ Gremaud 39, 140. Handelt auch über das Patronat der Kirche von Simpeln.
« Jolier in Blättern aus d. Walliser Gesch. 2, 116 ff.
Schulte, Oeseh. d. mittelaltarl. Handels. I. 80
466 Einundvierzigstes Kapitel.
In der Zwischenzeit hat vermutlich der Turm in Simpeln den Wanderern
als Unterkunft gedient, 1380 befahl der Bischof, der das Meiertum nach
und nach wieder erworben hatte, dem neu eingesetzten Kastellan, den-
selben wieder herzustellen. Das Geschlecht der Meyer von Simpeln war
inzwischen ausgewandert. Die niedere Gerichtsbarkeit „im Walde" von
Simpeln war noch 1395 im Besitze der Familie von Ornavasso, die auch
das Patronat der Kirche hatte. Die Reihe der Pfarrer an der nicht eben
einträglichen Kirche läfst sich gut verfolgen ^
Das Johanniterhospiz wurde zum Teil auch ersetzt durch das filir
arme Pilger und Durchreisende bestimmte St. Antonienspital zu Brig,
das 1304 der Sittener Bischof Bonifaz von Challant begründete. Dieser
Bau wurde auch durch die Bischöfe von Grenoble, Belley, Aosta und
Genf unterstützt, und es dürfte das Spital St. Antoine im Viennois
das Muster gewesen sein*. Später nahmen sich die deutschen oberen
Zehnten von Wallis der Stiftung sehr lebhaft an und erklärten, dafs sie
die bisher dem grofsen Spital von St. Antoine zugewiesenen Opfer-
spenden in Zukunft dem Briger zuwenden wollten. Dem Antoniter
Orden, der bis dahin Boten in diese Gegenden gesandt hatte, wurden
also die Gaben entzogen und der lokalen Anstalt zugewendet®. Die
Verleihung des Spitals stand dem Bischof zu, 1360 hatte es ein Nepote
des Bischofs, der es einem Kleriker auf acht Jahre gegen einen Zins
von 18 fl. verpachtete*.
In Sitten gab es drei Spitäler; das älteste, das St. Johanneshospital,
wurde durch den Hebdomedar des Domstifts besetzt, das St. Georgs-
spital wurde 1316 durch einen Sittener Bürger begründet und stand
unter dem Patronate der Stadt; das unbedeutendste war wohl das schon
1294 genannte Marienspital, dessen Patron der Bischof war. Da die
Verwaltung der drei Hospitäler lange Zeit einem einzigen Rektor an-
vertraut wurde, entstand ein Übergewicht des domkapitulari sehen Hospi-
tales, das die beiden andern in sich aufgenommen zu haben schien^.
Daneben gab es noch das ^hospitdle Montis Jovis Seduni ^ *. In Plan
Conthey wurde 1412 ein Hospital begründet, bei Martigny gab es eben-
falls ein solches^.
^ Gremaud 87, 211. Vgl. 32, 66 Erwerb eines Drittels von Meyeramt und
Turm. 37, 433. 33, 209. 83, 262. 32, 268. 33, 209. 37, 483 u. öfter.
° Gremaud 31, 85 u. 99 und Joller, Spital d. Stadt Brig in Blätter aus
der Walliser Gesch. 2, 111—127 mit Urkundenbeilagen.
^ Je 11 er S. 121. Das Ordenshaus lag in der Gemeinde S. Didier de la Mothe
im Viennois.
* Gremaud 83, 182.
^ Gremaud 31, 584. 80, 462. 87, 338 ff. u. 38, 466.
ö Gremaud 38, 164.
' Gremaud 88, 99. 38, 51..
Simplon und der Grofse St. Bernhard« 467
Weiter unterhalb folgten die Spitäler von Aigle, welches gegen Ende
des vierzehnten Jahrhunderts gestiftet wurde, und das schon weit ältere
und sehr reiche von Villeneuve^
Die Geschichte des Hospizes auf dem Grofsen St. Bernhard ist
in dieser Periode arm an interessanten Momenten. Die Zeit der grofsen
Schenkungen ist vorüber, das Hospiz ist in den Zustand der Sättigung
eingetreten, der bei vielen andern Klöstern dem Verfalle voraufgeht.
Klagen über das Leben im Hospizkloster treten aber nicht auf und
so mag die Blüte desselben ohne Unterbrechung fortgedauert haben.
Schenkungen sind mir keine bekannt geworden, wohl aber viele Be-
mühungen, den alten weitzerstreuten Besitz zu verteidigen *. Das Hospiz
koUektierte auch im fünfzehnten Jahrhundert noch durch ausgesendete
Boten, die aber manche Bischöfe nur gegen einen Anteil an dem Er-
trage zulassen wollten. In der Waadt brachte die Kollekte noch immer
eine hübsche Summe, sie wurde einmal um 80 fl. jährlich verpachtet®.
Die Reihe der päpstlichen Privilegien und Privilegienbestätigungen ist
weit länger als die der landesherrlichen*; aber auch die Grafen von
Savoyen haben wiederholt in Liebe des Hospizes gedacht*.
Für den internationalen Handel haben die Märkte an der St. Bernhard-
strafse, die zu Orsi^res 1379, zu Sembrancher neben einer älteren 1324
und zu Martigny 1392 errichtet wurden •, wohl ebensowenig Bedeutung
gehabt, wie der 1431 zu Conthey begründete^.
Der Schwerpunkt der Geschichte von Wallis verlegte sich im
späteren Mittelalter in die deutschen Gemeinden von Oberwallis und das
beruht unzweifelhaft auf der beherrschenden geographischen Stellung
der oberen Zehnten, die im Besitze von Pässen nach der Bemer Seite,
nach Urseren und nach Italien unendlich viel mehr Aktionsfreiheit hatten
als Unterwallis, das fast überall an das savoyische Gebiet stiefs und
dessen Herrscherhaus energisch dem Ziele zustrebte, das Wallis dem
eigenen Staate einzuverleiben. In den oberen Gemeinden wirkte das
Beispiel der Urkantone und auch hier war die Wurzel der Entwicklung
dieselbe: die Selbstverwaltung, die politische Emancipation der Ge-
meinden , die durch ihren Anteil am Weltverkehr Kraft und Umblick
1 Gremaud 37, 441. 29, 470.
2 Gremaud 37, 59ff. 569 ff. Auch 32, 73 u. öfter.
' Gremaud 33, 331, 33, 456. Eine Erlaubnis zum Betteln im Bist. Konstanz
1455 Arch. f. Schweiz. Gesch. 2, 124. Gremaud 38, 142.
* Gremaud 32, 333. 466. 33, 327 f. 412. 458 f. 464. 468. 479. 37, 15. 159.
409. 38, 12. 91. 130. 356. 39, 43. Besonders interessant 38, 253-55.
» Gremaud 31, 26. 33, 470. 37, 460.
^ Orsi^res Gremaud 37, 187. Ueu8ler29,260. Sembrancher Gremaud 31, 603.
Martignj Gremaud 37, 392.
"^ Heusler in Zeitschr. f. Schweiz. Recht 29, 270.
80*
468 Einundvierzigstes KapiteL
gewannen. Der Kampf vollzieht sich vor allem im Gegensatz zu Savoyen
und der erste Bisehof, der sich energisch gegen sie stellte, war ein Ober-
walliser, Aimo von Thurn-Gestelen ; er vollzieht sich mitunter im Wider-
streit mit dem Adel — in den beiden grofsen Katastrophen der Thurn
von Gestelen und der Freiherm von Raron wurde er zerrieben. Mit-
unter söhnte sich der Gegensatz zum Bistimi aus, auf dessen Kosten
schliefslich das Wallis sich begründete.
Es ist nicht meine Aufgabe, diese Entwicklung im einzelnen zu
charakterisieren; ich will nur das genauer behandeln, wo der Einflufs
auf den Handel und Verkehr besonders deutlich hervortritt. In Wit-
schard Tavel gelangte 1343 der ehemalige Kanzler von Savoyen auf den
bischöflichen Stuhl, der sich zunächst an Savoyen anlehnte und es er-
neut zuliefs, dafs die Grafen auf die inneren Angelegenheiten des Landes
einen grofsen Einflufs gewannen. Diese hatten auch in dieser Periode
ein lebhaftes Interesse für den Verkehr durch Wallis. Graf Aimo stellte
1336 der Kaufmannschaft von Mailand einen Sicherheitsbrief von dem
Morgebache, der Grenze von Ober- und Unterwallis, an über den
Genfersee oder an seinem Südufer entlang nach Genf und weiter nach
Seyssel und bis zur Saöne. Die Bestimmungen waren sehr günstig und
das Privileg wurde auch auf die Kaufleute von Venedig und Italien aus-
gedehnt^. Zwei Jahre später mufste der Zöllner von S. Maurice zum
Bischof von Novara und Azzo Visconti reisen, damit die Einrichtung
der Simplonroute sich nach den Abmachungen Ludwigs von Savoyen
vollziehe ^,
Der schwere fünfzehnjährige Walliser innere Kampf knüpfte sich
an die Gefangennahme eines italienischen Kaufmanns, allerdings war das
kein Warenhändler, sondern einer der uns wohlbekannten Kawerschen.
Palmerio Turchi di Castello, Besitzer einer casana in Thonon und einer
solchen in Sitten wurde in Oberwallis von Johann von Mund und Ge-
nossen gefangen gesetzt. Sofort stockte nun der Verkehr, die Kaufleute
blieben fort und, um sie wieder zu gewinnen, wurde zwischen Savoyen
und dem Bischöfe abgemacht, dafs Palmerio 4000 fl. für sein Genommenes
erhalten sollte. Das Statut von Naters setzte feierlich fest, dafs niemand
Kauf leute oder andere Wanderer schädigen solle ; bis in die vierte Gene-
ration sollten die Thäter gestraft werden. Jeder müfste dem Angefallenen
Schutz gewähren und den Thäter dem bischöflichen Hofe ausliefern.
1 Vgl. das Regest bei Cibrario, Operette 98 ff. van Berchem 128. In der
Erneuerung, die mir in Turin vorlag, heifst es »ab aqua de Morgia, que est ifUer
Contegium et Sedinum vcniendo per terram vel per aquam per Agmannum et dvitatem
Gtbenarum versus SayHUum et ultra usque ad flumen Schone; Erneuert wurde das
PrivUeg 1347, 1399, 1445, 1457, 1465, 1470 u. 1473.
' van Berchem 128.
Simplon und der Grofse St Bernhard. 4g9
Das Statut wurde von zahlreichen Personen feierlich beschworen, allein
nicht von allen*. Dem widersetzten sich die obersten Zehnten, dieser
Ausgleich war nicht durchzuführen und so gab Graf Amadeus VI. den
Mailänder Kaufleuten aufser dem alten Geleitsbrief von 1347 auch die-
selben Privilegien für die Route über dcB >Mont Cenis. Sehr bald kam
es aber zum Bruch zwischen Luchino Visconti und den Savoyem und
diese liefsen nun die Mailänder Kaufleute ausplündern, so dafs der Ver-
kehr durch Wallis völlig unterbrochen wurde. In den Verhandlungen
wies Graf Amadeus darauf hin, dafs er mit Mailand im Kriege lebe. Er
war ganz damit einverstanden, dafs die Walliser mit den Mailänder Kauf-
leuten verhandelten, diese sollten sich verpflichten, durch Wallis und
Savoyen ihren Weg zu nehmen. Das war ihm das Hauptziel, wenn sie
sich in genügender Weise bänden, wolle er die Ballen ganz frei geben,
wollten sie das nicht, so sollten sie ihm 10000 fl. leihweise geben und
die Waren der Mailänder sollten solange zollfrei bleiben, bis diese
10000 fl. an Zoll erreicht seien; wenn die Kaufleute dann nicht regel-
mäfsig diesen Weg einschlügen, solle das Geld dem Grafen verfallen sein.
Die WalHser vereinbarten mit dem Grafen weiter, dafs, wenn die Mai-
länder andere Wege mit ihren Waren fahren sollten, die, welche zuerst
davon erfahren, solange dieser Krieg des Grafen mit Mailand dauere,
zufahren und diese Wege zerstören sollen. In der feierlichsten Form
wurde das von den zahlreichen Vertretern der Gemeinden mit den Herren
beschworen und gelobt".
Der baldige Friedenschlufs zwischen Savoyen und Mailand stellte
den Verkehr der Kaufleute wieder her. Da die Sache des Astigianen
ausgeschieden war, fanden sich nun auch alle Zehnten bereit, das Statut
von Naters zu beschwören ; der.Bischof reiste deshalb selbst umher, und
wieder erschienen Mailänder und im Oktober 1351 schlössen sie über
den Bau einer Sust in Visp ab. Es mag sein, dafs sie nicht auf den
Simplonverkehr berechnet war, sondern für einen solchen über den An-
trona- und Monte Moropafs.
Wallis genofs nur kurze Zeit der Ruhe. Der Streit der Thum mit
dem Bischöfe rief erneuten Kampf hervor und viel zu oft hatte dieser
sich den demokratischen Gelüsten entgegengeworfen, viel zu sehr ver-
trat'er savoyische Interessen, er machte durch diese Politik den
Konflikt mit den Oberwallisem , die ihm den Gehorsam versagten, nur
schlimmer. Der zweimalige Eroberungszug der Savoyer (1352) hatte
das Geschick der Astigianen zum Vorwand, die Eroberung von Wallis
zum Ziele. Der Bischof, ohnmächtig wie er war, warf sich den Savoyern
1 Heusler in Zeitschr. f. Schweiz. Becht 29, 176 und van Berchem 829 £
• Gremaud 32, 477.
470 Einundvi erzigstes Kapitel.
in die Arme und übergab die Verwaltung der Temporalien dem Grafen;
Amadeus VI. schien einen Augenblick ohne Rechtsverletzung Hen* in
Wallis zu werden und dem Savoyer schien zu gelingen, was den Habs-
burgem mifsglückt war, die Gemeindefreiheit auch in den entlegensten
Thälem niederzuwerfen. Aber der demokratische Geist von Uri und
Urseren hatte jenseits der Furka fruchtbaren Boden gefunden und es
ist eins der schönsten Ergebnisse der feinen Untersuchungen van Berchems,
dafs er zeigte, wie sich die drei Parteien bekämpften. Die eine, des
obersten Zehnten, ward beherrscht von den Selbstverwaltungsideen der
Urkantone, hier ist die Freiheit von Savoyen, wie vom Bischöfe das Ziel.
Von Uri her hatten die Familien Silenen und Attinghausen Besitz in
dem Zehnten Goms erhalten und schon 1346 hatten die obersten Zehnten,
ohne des Bischofs zu erwähnen, sich mit Urseren verbunden, um in Zu-
kunft alle Räubereien von Wallisem auf der Gotthardroute zu ver-
hindern ^. Sie gaben sich nun als Haupt einen Mann, der bei ihnen
Besitzungen hatte und der in allen Verhandlungen über die Ausnützung
des Gotthards stets voranstand, den Landammann von Uri, Freiherrn
Johann von Attinghausen. Nicht dem Bischöfe, nicht dem Kaiser,
sondern dem Volke verdankte er das Amt eines Rektors des Landes
über dem Deischberg. In der Mitte des Thaies gab es eine Partei,
die für die Einheit und für die Freiheit des Landes eintrat. Gegen
den Savoyer wandte sie sich an Karl IV. und dieser, der einst selbst
über den Simplon gefahren war*, schickte zunächst den uns wohlbe-
kannten Ritter Burkhard Münch und, als dieser nach Italien abging,
trat Graf Peter von Aarberg an seine Stelle, der reiche Erfolge hatte.
Aber da Karl IV. sich mit dem Savoyer aussöhnte, wurde dies Walliser
Unternehmen von ihm aufgegeben, der Aarberger wurde machtloser und
wich schliefslich vor dem Savoyer zurück. Die obersten Zehnten hatten
höchst wahrscheinlich eine nahe Verbindung mit den Eidgenossen ein-
gegangen. Wenigstens beriefen sich die Bewohner des Ernenthales auf
ihr Bündnis mit Zürich und Bern und den Kampf dieser Gemeinden
mit Österreich, als sie 1855 einem französischen Kaufmann in ihrem
Thale elf Barchentballen im Werte von 2000 fl. niederwarfen®. Nach
dem Abzüge des Aarbergers verbanden sich alle Oberwalliser, schliefslich
räumte der Savoyer durch den Vertrag von fivian 1361 seine Positronen
oberhalb Monthey, die Sache der Walliser Gemeinden hatte triumphiert
und das hatten sie nicht dem Reiche zu verdanken, sondern nur sich selbst.
Die Eidgenossenschaft hatte einmal schon über die Furka hinübergegriffen,
^ Geschichtsfreund 1, 74. van Berchem 133 u. 207.
• Autobiographie bei Böhmer, Fontes, 1, 236: »Transivi montes 3rige et veni
in territorium Novariense*. Es war 1331.
• van Berchem 229.
Simplou und der Grofse St. Bernhard. 471
wenn sich jetzt diese Verbindung auch wieder vollständig löste, so war
der Weg doch gewiesen. Zunächst kam es zu Konflikten, deren Ursachen
uns unbekannt sind, bei denen man aber an Störungen des Verkehrs
denkt; der Rat von Luzern versöhnte 1368 die Parteien ^
Die Ruhe des Wandels wurde, kaum hergestellt, wieder unterbrochen.
In dem Kampfe gegen die beiden Visconti, Bernabö und Galeazzo bildete
der Papst Gregor XL eine Liga aller Nachbarn und warb für sie auch bei
den Wallisern. Wie er sich an die Bischöfe der Alpen wendete, damit sie
den Zuzug der Söldner sperrten, wie er den Grafen von Nidau, Kiburg
und Thierstein den Auftrag gab, die Kaufleute aus der Herrschaft der
Visconti anzuhalten ^, so wandte er sich auch an den Bischof von Sitten,
ja an die einzelnen Gemeinden, um sie in den Kampf hineinzuziehen.
Während diese sich zurückhielten, gab der Bischof Witschard halb nach. Es
scheint, dafs er dem Mailänder Kaufmann Antonio Grassi die Erlaubnis
gegeben hatte, 200 Ballen Wolle von Flandern nach der Lombardei zu
verbringen, 50 davon, die ein Mann von Salquenen transportierte, liefs
er anhalten, er befahl sie in Leuk zu deponieren. Der Papst war da-
mit nicht befriedigt, er drohte dem Bischöfe mit Exkommunikation und
wollte die Ballen nach Avignon ausgeliefert haben. Nach dem Friedens-
schlufs zwischen dem Papste und den Visconti wurden die Ballen dem
Eigentümer zurückgegeben^.
1403 gingen der mit dem Volke gegen Savoyen fühlende Bischof
Wilhelm von Raron und die Landgemeinden oberhalb der Morge ein
ewiges Burg- und Landrecht mit Uri, Unterwaiden und Luzern ein. Der
Pafsstaat des Gotthards nahm also die im Westen sich anschliefsenden
verwickelten Pafssysteme in sich auf und deckte sich gegen die Be-
drohung seitens des Furkapasses.
Aus dem fünfzehnten Jahrhundert ist nur weniges zu erwähnen. In
den Walliser Urkunden begegnen uns Kaufleute seltener als um 1300;
aber der Verkehr war keineswegs erstorben. So erfahren wir, wie ein
Berner Pferdehändler Peter Baumgarten mit vier Genossen den Mailänder
Ambrogio dei Grassi bei Conthey in der Morgenfrühe überfiel, ihm 140rh.fl.
und Wechsel im Betrage von fast 12000 fl. abnahm. Sogar den Sohn des
Mailänders nahm der Strafsenräuber mit in die Waldungen. Zwei der
Übelthäter, mit deutschem Namen, wurden gefafst*. So prompt hier
savoyische und bischöfliche Beamte eingriffen, ebenso energisch war das
^ van Berchem 285 f.
2 van Berchem 302 Anm. 2 aus den Registern des Papstes. Aus gleicher
Veranlassung erliefs Karl IV. an Strafsburg den Befehl, Mailänder Waren weg-
zunehmen. Böhm er- Hu her 5438.
» van Berchem 304 ff. u. 391. Gremaud 31, 386. 398. 401 u. 421.
♦ Gremaud 39, 169. 176 u. 180 f. Der Raub war am 12. April 1439 geschehen.
472 Einundvierzigstes Kapitel.
Vorgehen gegen einen Sittener Kleriker, der eine« Abends in Sitten zwei
lombardische Eaufleute, den Johannes Barbaz und den Jacohus Pachini
de Candlis schwer verwundete. Der Schutz der Fremden wurde vom
Bischof Wilhelm von Raron ganz besonders betont ^, Canalis war freilich
in Sitten angesiedelt und, was ja in romanischen Landschaften nicht so
verwunderlich ist, Kleriker. Nützte doch auch jetzt dem Halbkleriker
seine kirchliche Stellung.
Pilger waren in Wallis nicht selten. Die Verehrung der Reliquien,
deren sich St. Maurice rühmte, war auch im fünfzehnten Jahrhundert
noch recht lebhaft. Ganz anschaulich hat uns der Nürnberger Rieter
seine Reise geschildert. Er war (1462) von Einsiedeln nach Mailand ge-
zogen, dann ging es über den perck den Priger nach St. Maurice, wo er
seine Andacht verrichtete, die Wallfahrtsreise führte ihn weiter über Genf
nach St. Antoine im Viennois, wo der Leichnam des hl. Antonius verehrt
wurde, nach Avignon und St. Jago di Compostella *. Eine verspätete
Königsreise sah der Qrofse St. Bernhard noch unter König Siegmund, der
1414 von Turin über Ivrea den Pafs erreichte und dann in Romont, Frei-
burg und Bern nachzuweisen ist®. Die Wahl war dadurch begründet, dafs
der König nicht wohl durch das Machtgebiet der Visconti reisen konnte.
Ernste Kämpfe zwischen den Pafsanwohnern haben sich auch im fünf-
zehnten Jahrhundert auf dem Simplon abgespielt. Mehr lokaler Natur
waren die Händel, die 1456 beglichen wurden ; weit umfassender der Streit,
der 1448 durch die Eidgenossenschaft beigelegt wurde. In diesem Spruche
wurde bestimmt, dafs alle Waren auf die Susten gegeben wurden und
nach dem Gebrauch den gewöhnlichen W^eg gehen sollten, jeder Teil
müsse Brücken, Strafsen und Wege im Stand halten, neue Zölle dürfe
keiner zu Ungunsten des andern einführen. Leider erfahren wir nichts
näheres über den Anspruch des Bischofs von Sitten auf mehr als 100 Leute
im Diveriothale, die Patrisoni genannt werden *. Die Walliser Gemeinden
schlössen 1454 und 1473 Verträge mit den Herzögen von Mailand, in
denen ausdrücklich die Sicherung der Kaufleute hervorgehoben wird*^.
Im allgemeinen war der Simplon eine viel zu wichtige politische Pforte
geworden, als dafs auf ihm, wie einst, der Kaufmann hätte entscheidenden
Einflufs ausüben können.
1 Gremaud :^9, 233. 235.
» Bibliothek des litter. Vereins 168 S. 11 f.
» Altmann 993».
* Der Abschied von 1456 Gremaud 39, 529-535. Die Sprüche von 1448 ebda.
376 u. 380. Im Nahhandcl war Eisen und Tuch weggenommen worden.
» Gremaud 39, 510 und Gingins-la-Sarraz 3, 112.
Die anderen Pässe. Yerk^hrshöhe. 473
Zweiundvierzigstes Kapitel.
Die anderen Pässe. VerkehrshShe.
Südseite: Alhrun, Anirwia und Monte Moro, Die Kämpfe um das Esdienthdl,
Ausdehnung Bhone abwärts. Fasse zwischen Wallis und dem Bemer Oberland, benutzt ,
für den Handel ohne Bedeutung, Afiders Grimsel- und Griespafs, Einriefdung 1397.
Spital. Vieh'j Warenhandel. Warentransport. Der Wollebsche Streit Angaben über
die Verkehrshöhe aus dem Wallis, Chillon, Jougne^ Les CUes. Vergleich mit heute.
Was ist nun die Geschichte der übrigen Pässe von Oberwallis, ab-
gesehen vom Simplen? Beginnen wir mit denen der Südseite. Ihre
Benützung für den Nahverkehr ist am besten durch die schon früher
besprochene Kolonisation belegt, und wenn 1340 die Leute von Uri und
Ossola sich über freie Ausfuhr von Getreide und Wein einigten, wenn
Streitigkeiten zwischen den Leuten des Eschenthals und aus Pommat
und denen von Discntis entstehen konnten, so spricht das deutlich dafUr,
wie wenig die Alpenpässe den nächsten Anwohnern als Hindernisse
galten ^ Hier interessiert uns nur der Fernverkehr und der Waren-
transport.
Die älteste Nachricht über die Benutzung des AI brun passes ist
soeben angeführt, sie gehört ins Jahr 1855. Einem Bürger von Chaumont
>m€rcator lanarum et aliarum m€rcaturarum€, der von Mailand nach Frank-
reich 13 Fardel Barchent im Werte von 2000 fl. bringen liefs, wurden sie
als Gut eines habsburgischen Unterthanen im Ernenthal weggenommen.
König Jobann IL von Frankreich nahm sich seines Unterthanen bei
Bern an*.
Reicheres Material zur Geschichte dieses Passes verdanken wir dem
Archive der Pfarre zu Ernen im Binnenthal. Im Jahre 1379 wurde zu
Bundolero, was nach späteren Urkunden nur Binn sein kann, über
Streitigkeiten zwischen den Gemeinden Grengiols und von Münster auf-
wärts und denen, die zum Hofe Matarella gehören, also das Ossolathal
ausmachen, entschieden. Es sind die Streitigkeiten, wie sie auf den
Hochalpen so oft auftreten, über Viehtrieb, Diebstähle u. s. w., aber ge-
sichert wird doch auch der Mann cum sua mercandia, einzelne Händler
gingen also schon damals diesen Weg®. Der Hof Matarella gab zwei
Jahre später den Leuten aus Wallis oberhalb der Massa, des bei Natcrs
einmündenden Abflusses des Aletschgletschers, einen Geleitsbrief, frei und
1 Geschichtsfreund 41, 84. Mohr 2, 876 zu 1844.
■ S. oben S. 470. Anzeiger f. Schweiz. Gesch. u. Altertumskunde 1859, 21 f.
Das Thal Ernen heifst hier rallis daraignesy die regelmftfsige Form in Walliser
Urkunden: Aragnoti ohne Vallis, so mag doch an den lateinischen Namen von Uri:
Urania erinnert werden. Handelt es sich nicht vielleicht um Uri?
» Gremaud 17, 169.
474 Zweiundvierzigstes Kapitel.
ungehindert mit ihren Waren durch das Eschenthal ziehen zu können *.
1403 wurde erneut über einen Vertrag mit den Leuten oberhalb jenes
Wassers verhandelt*, dann aber hatten die Walliser den Leuten des
Antigoriothales Pferde und Vieh geraubt, es wurde darüber wieder ein
Friede gemacht® und jedesmal ist von freiem Verkehr mit den Waren
die Rede, fremde Kaufleute werden freilich niemals genannt. In dem
Frieden zwischen den Zehnten von Wallis und dem Antigoriothal von
1448 finden sich Bestimmungen über den Warenverkehr; allein diese
Stelle ist einmal genau der in dem andern Schlüsse von diesem Jahre
gleich, also wenig beweiskräftig, es bleibt auch zweifelhaft, ob es sich
um Albrun- oder Griespafs handelt oder um beide*. Sehr stark wurde
der Verkehr nicht, denn das Alprecht der Gemeinde Binn von 1447
sagt ausdrücklich, dafs keine grofse Warenstrafse durch das Thal gehe *.
Für den Griespafs mufs ich auf seinen Korrespondenten, den Grimsel-
pafs verweisen.
Für die Benutzung des An tron apasses habe ich aus den beiden
letzten Jahrhunderten des Mittelalters nur einen Vertrag zwischen den
Leuten des Antrona- und des Saasthales von 1415 gefunden, worin über
die Wiederherstellung und die Unterhaltung des Antronaweges entschieden
wurde®. Als 1403 der Weg über den Monte Moro schlecht geworden
war, traten 29 Vertreter von Val Anzasca und fünf vom Saasthale zu-
sammen und beschlossen, dafs die Strafse für immer in Stand gehalten
werden solle. Zum Unterhalten wurde alles verpflichtet, was an der
Strafse von Visp bis Piö di Mulera wohnt '^.
Die Eroberung des Livinenthals rief eine Expansion der Eidgenossen-
schaft auch in dem südlichen Vorlande von Wallis hervor, wodurch die
Interessenten der Gotthardstrafse auch das Vorland des Simplon auf der
Südseite wenigstens für kurze Zeit in ihre Macht bekamen. Wie Walliser
schon 1303 einen Zug ins Eschenthal gemacht hatten, so bestanden schon
längst sehr lebhafte Beziehungen zwischen den Bewohnern von Uri,
Urseren, Livinen und den Leuten jenseits des S. Giacomopasses ®. So
redet die Säumerordnung von Uri (1383) auch von einem Warentransport
über den Gotthard und Airolo ins Eschenthal, also über diesen Pafs,
1 Gremaud 37, 221.
2 Gremaud 38, 5 u, 6. Die Verhandlungen fanden zu Binn, Crodo und Baceno
statt, also kann es sich nur um den Albrunpafs handeln.
3 1406. Gremaud ii8, 18 ff. und 1407 ebda. 34 ff.
* Gremaud 39, 391. Zu der Stelle vgl. 39, 384 und oben S. 472.
^ Heusler in Zeitschr. f. Schweiz. Recht 29, 250.
® van Berchem 323. Vgl. oben S. 469. Die Angaben von Schott sind nicht
recht klar. 1440 sei die Antronastrafse hergestellt, sie sei häufig befahren worden.
^ Bianchetti 1, 193.
® van Berchem 66.
Die anderen Pässe. Verkehrshöhe. 475
der heute verlassen ist; es mag auch erwähnt sein, dafs an seinem Fufse
ein Ospizio liegt. Zu den entscheidenden Schritten der Eidgenossen
gaben Viehdiebstähle auf den Alpen Anlafs. Leute von Faido waren
auf den höchsten Alpen des Bedrettothales von Leuten des Eschenthaies
geschädigt worden. Der Leventiner nahmen sich die ürner an und, als
diese abgewiesen wurden, riefen sie eidgenössische Hilfe herbei. Ehe
jedoch diese kam, hatte eine Freischar von Uri und ünterwalden die
Letzi, die am Oberlauf der Tosa die Landschaft Pommat (Formazza) und
Eschen thal (Ossola) trennt, weggenommen, ja auch Domo selbst. Der
neue Besitz, der durch einen zweiten Zug 1411 gesichert werden mufste,
wurde als gemeine Herrschaft der an dem Erwerb durch Truppen be-
teiligten Landschaften eingerichtet. Die Verbindung ging über den Gia-
comopafs und den Gotthard; eine Verbindung bestand auch über den
Gries-, Albrun- und Simplonpafs mit den Gemeinden des oberen Wallis,
die der Politik der Eidgenossen zustimmten. Die Interessen der An-
wohner der Simplonstrafse waren durch diese Besetzung des südlichen
Ausgangs berührt und die adligen Herren wollten hier eine eigene Herr-
schaft herstellen. Graf Amadeus VIU. von Savoyen schickte Frühjahr
1414, unterstützt von dem Bischöfe von Sitten und dessen Oheim, dem
Freiherrn von Raron, Truppen durch Wallis auf der gewöhnlichen
Simplonroute und über diesen Berg den Eidgenossen in den Rücken. Die
neue ennetbergische Herrschaft war verloren.
Die oberwalHsischen Gemeinden ob des Simplons zogen nun aber
auch die unterhalb Brigs gelegenen mit und schlössen sich noch enger
an Uri, Unter walden und Luzern an, und sie wurden bei der zweiten
Eroberung (September 1416) als Mitbesitzer mit anerkannt und 1418 be-
stätigte König Siegmund Eschenthal, Pommat, Falzask (Val Anzasca) und
Mayenthal (Val Maggia) den neuen Herren; alle Kaufleute sollten frei
durch die Thäler ziehen dürfen. Aber auch dieses Mal dauerte der Besitz
nicht lange; durch die Schlacht von Arbedo (1422) war nicht allein das
Geschick des Tessin-, sondern auch des Tosagebietes entschieden.
Das Bedürfnis, den Handel über den Pafs wieder in Gang zu
bringen, hatte grofsen Anteil an dem Vertrage zwischen dem Herzoge
von Mailand und den Gemeinden von Wallis. Der freie Verkehr hatte
nicht allein infolge der Kriege gestockt, sondern eine andere Ursache
hatte mitgewirkt. In dem bischöflichen Turme zu Simpeln hatten drei
Leute aus dem Fardel eines Lucchesen seidene Gewänder und eine
grofse Anzahl von Mützen gestohlen, waren aber von dem durch sie be-
stochenen Landesverwalter Witschard von Raron unbestraft gelassen,
worauf die Kauf leute überhaupt ausblieben ^. Witschard sollte auch ver-
' So nach den Klagen der Gemeinden gegen Witschard, Gremaud 38, 265.
476 Zweiundvienigstes Kapitel.
antwortlich dafür sein, dafs Mailänder Händler auf der Strafse aus-
geplündert worden waren ^ Jetzt wurde der freie Verkehr derselben
gegen Entrichtung der alten Zölle und Abgaben zugesichert, dagegen
sollten die Pässe fUr feindliche Absichten geschlossen bleiben, wobei
wegen der Verträge der drei oberen Zehnten mit den Waldstätten an
das Rechtsgeflihl der Walliser Gemeinden appelliert wurde*.
Der Verlust der ennetbergischen Landschaft schmerzte am tiefsten
in Unterwaiden und Uri, Ein neuer Zug von Freiwilligen verschaffte
ihnen 1425 noch einmal Domo, dort aber wurde die Freischar ein-
geschlossen und nun liefs auch Bern, das durchaus diese Politik ver-
urteilte, seine Mannschaft ausrücken, in Hast eilte sie über Grimsel,
durch „Bünn und Betsch^, d. h. durch Binn und ßaceno, also über den
Albrunpafs, der bei der winterlichen Jahreszeit zugänglicher sein mochte
als der höhere Griespafs, zur Hilfe herbei. Doch zum drittenmal muÜBte
das Eschenthal durch den Friedensschlufs von 1426 aufgegeben werden.
Die Sehnsucht nach seinem Besitze blieb bestehen bei den Wallisem
wie bei den Eidgenossen. In dem Zuge der Walliser von 1487 waren
Luzerner ; die Schlacht von Crevola warf erstere aus dem Lande heraus,
auch ein neuer Zug brachte den Sieg nicht In den grofsen weltgeschicht-
lichen Kämpfen um die Herrschaft in Mailand wurde das Eschenthal 1512
noch einmal eine eidgenössische Herrschaft, die Schlacht von Marignano
vernichtete sie aber wieder und im Frieden von 1516 verzichtete die Eid-
genossenschaft auf die Eroberung des Vorlandes dieser Oberwalliser Pässe.
Wiederholt war es erobert, aber jedesmal verloren. Wallis hatte
nicht die Kraft der Eidgenossen und nicht das Glück von Graubündon
gehabt, um sich des Abstieges seiner Pässe versichern zu können und
so liegt die Staatsgrenze ja noch heute hier allein auf dem Scheitel der
Alpengipfel und durch die Vorbauchung des Monte Rosa klemmt sich
das Gebiet der Tosa wie ein Keil in das Gebiet der Eidgenossenschaft
ein. Wallis wurde kein Pafsstaat, es blieb ein Thalgebilde; nur den
Pafsabstieg vom Simplen hat es sich, soweit er Hochgebirgscharakter
trägt, wahren können.
Glücklicher war das Thal in seiner Expansion in der Thalsrichtung.
Die Kraft ruhte ja in den Gemeinden von Oberwallis, und in der glück-
lichen Verbindung mit Bern gewannen sie in den Burgunderkriegen das
ünterwallis bis über den Thalschlufs von St. Maurice hinaus, wie auch
die Berner und Freiburger in der Waadt sich festsetzten und mit Orbe
den Zugang zum Jougnepasse gewannen. So kam auch der Grofse St
1 Grcmaud 38, 268.
s Die Verträge bei Gremaud 38, 360 u. 371 und Gingins-la-Sarraz 2,
210 u. 217.
Die anderen Pässe. Verkehrshöhe. 477
Bernhard auf seiner Nordseitc in den Besitz eines demokratischen Staats-
gebildeS; wie die Fortsetzung der beiden Walliser Hauptpässe nach Bur-
gund bereits von den beiden grofsen Stadtrepubliken zum Teil in Besitz
genommen war. Abgeschlossen wurde die Entwicklung durch die Er-
oberung der Waadt durch Bern im Jahre 1536. Das savoyische Regi-
ment am Nordausgang des Grofsen St. Bernhard war damit zu Ende.
In den Kriegszügen haben sämtliche wichtigeren Pässe Truppenztige
gesehen: St. Giacomo, Gries^, Albrun, Simplon und Grofser St. Bernhard.
Von den Pässen der Südseite habe ich noch den Griespafs in seiner
interessanten Geschichte zu verfolgen. Sie hängt aufs innigste mit der
Geschichte des Grimselpasses zusammen und so mufs ich mich nun zu-
nächst den Pässen zuwenden, die Wallis mit dem Gebiete der oberen
Aare verbinden. Der ältesten Benutzung des Grimselpasses ist schon
oben gedacht. Ich mufs hier jedoch auf die älteren Zeiten zurück-
greifen und die zahlreichen Beweise vorbringen, welche eine Benutzung
der Alpenpässe zum Bemer Oberlande beweisen.
Die Berührungen der beiderseitigen Bevölkerungen beschränkten
sich nicht auf das Zusammentreffen der Hirten auf den höchsten Alpen-
weiden. Derselbe Adel findet sich hüben und drüben, die Unterthanen
ziehen hinüber und herüber. Das Geschlecht der Walliser Freiherrn
von Raron war ein Zweig der Brienzer und Ringgenberger, die auch in
Uri Besitz hatten. Undenkbar wäre das, wenn nicht die Pässe wenigstens
zu Zeiten benutzt worden wären; schon 1146 tauchen die Raron als Ver-
wandte der Brienzer auf*; ähnlich haben die von Thurn zu Gestelen
Besitzungen im Berner Oberlande, wie umgekehrt die von Kien in
Wallis®. Der Weg über die Grimsel tritt deutlich auch hervor durch
die grofse Bedeutung, welche dem Reichsthaie Hasli im dreizehnten Jahr-
hundert beigemessen wird. Bern besafs alte Bündnisse mit Hasli ^ und
das Bündnis Berns mit dem Bischöfe von Sitten 1252 spricht auch für
die Möglichkeit der direkten Verbindung zwischen beiden, und aus-
drücklich wird bestimmt, dafs im Falle von Meinungsverschiedenheiten
>m piano de Curmiljs sive in Senenzt — also auf der Pafshöhe der Gemmi
oder des Sanetsch entschieden werden solle ^. Seit dieser Zeit datieren
* 1515 zogen die Bemer über Grimsel und Gries.
2 Dürr er. Die Herren von Ringgenberg 199.
» Durrer 301. 307.
* Durrer 228. Bundesbrief von 1275 Font. rer. Bern. 3, 120. Hoppeler,
Berns Bündnis, hält ein Bündnis schon 1245 für denkbar. Vielfach erwähnen Kaiser-
Urkunden das Haslithal. Vgl. auch die allerdings mangelhafte Arbeit von Muhle-
mann, Studien z. Gesch. der Landschaft Hasli.
^ Gremaud 29, 474 bez. Hoppeler 311. Der Vertrag wurde zu Leuk am
Fufse der Gemmi abgeschlossen.
478 Zweiundvierzigstes Kapitel.
zahlreiche Verhandlungen zwischen Bern und Wallis ^ Der Gemmipafs
war 1318 bereits mit einem Hospiz versorgt^. Ja selbst weit schwierigere
Pässe müssen begangen worden sein ; denn das Lauterbrunnenthal bezog
seine Bewohner, ünterthanen des Herrn von Thurn, aus dem Lötschen-
thal und, welchen Weg die Leute gewandert sein mögen, er ftlUt immer
in die Regionen der Gletscher®.
Es trifft also auch für die Nordseite von Wallis dasselbe zu wie für
die südliche Gebirgswand. Das Leben, die Ansiedlungen stiegen höher
empor und besetzten mit Winterwohnungen Gegenden, die sonst nur
im Sommer Menschen gesehen hatten. Das Hochgebirge bevölkerte sich.
So sehr das die Vorbedingung für einen Handelsverkehr ist, so war es
aber keineswegs nötig, dafs aus diesen Pafswegen Handelstrafsen wurden
und mit Ausnahme der Grimsel ist das auch — sehen wir von Hausierern
ab — nicht geschehen.
In den Urkunden des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts habe
ich, abgesehen vom Viehhandel, für einen Handel über diese Pässe keine
Belege gefunden. Vieh kam aus dem Berner Oberland über den Sanetsch-
pafs und die Gemmi *. Die Wege, welche ein Berner ging, der dem Bischöfe
von Sitten für seine Sicherung auf den Strafsen jährlich 1 it Ingwer ver-
sprach, sind nicht angegeben*^. Die Pässe standen aber offen, zwischen
Leuk und Frutigen bestand ein Bündnis, was jedoch einen grofsen Raub
nicht verhinderte, der zwischen Wallis und Frutigen 1391 geschlichtet
wurde®. Die Nordseite galt als so offen, dafs Leuk in seinem Bündnisse
mit dem Lötschenthale 1866 die Inwohner desselben bis zum Alter von
vierzehn Jahren herab verpflichtete, alle Berge und Pässe ^videlicet de
Bassya de Champilz usque an daz Bdlenhom^. also die Gemmi und den
Lötschenpafs zu bewachen'^. Und die Furcht war nicht umsonst, im Raron-
krieg überstiegen die Bernerhaufen drei Pässe, Oktober 1418 drangen
Freiwillige über den Sanetschpafs und zerstörten zum grofsen Teile Sitten,
August 1418 ging ein Gewalthaufe auf den Lötschenpafs los und erzwang
sich den Zugang, die Hauptarmee öffnete sich Ende September den Grimsel-
pafs, verbrannte einige Ortschaften im Oberen Wallis, bestand einen Kampf
mit den Wallisern, kehrte dann aber zurück — der Herbst war schon sehr
1 Gingins-la-Sarraz 2, 14 ff.
« Gremaud Bd. 31 Nr. 1408.
' Entweder direkt über Petersgrat oder Wetterlücke oder über Lötschpafs,
Dündengrat und Furka. Meyer v. Knonau im Anzeiger f. Schweiz. G^sch. 6,
870 f. u. 445 ff.
* Gremaud 39, 265 zu 1394 bez. 1444.
» Gremaud 32, 225.
« Gremaud 33, 133 zu 1355. 37, 377.
' Gremaud 37, 537.
Die anderen Pässe. Verkehrshöhe. 479
weit vorgerückt — und schlug sich noch einmal in einem Rückzugsgefecht
am „Spittel."
Wenden wir uns nun zum Grimselpasse und seiner Bedeutung für
die Handelsgeschichte. Das älteste direkte Zeugnis finde ich in einem
Schiedsspruch zwischen den vier Teilen der Pfarrei Münster von 1325,
wo festgesetzt wird, dafs der Transport der Waren, die aus Frankreich
und der Lombardei durch Goms kommen, wie in Brig, durch einen
Ballen teiler soll geregelt werdend Die früheren Beziehungen des Hasli-
thales zu Bern^, das mit seinem allgemeinen Vordringen zu den Pässen
in Einklang steht, geben die Vermutung an die Hand, dafs Berns
Bürger schon damals diesen Weg benutzten, das alte Reichsthal kam
1334 als Pfandschaft in den Besitz der Stadt, die schon vorher in Thun
die wichtigste Etappe auf der Verbindung gewonnen hatte. Die Vieh-
räubereien fehlten hier um so weniger, da die obersten Alpen nach Wallis
gehörten^. Im Jahre 1397 gab es bereits oben einen „Spittel", er lag
auf diesen Alpen, war aber von der Thalgemeinde Hasli aus gegründet,
wenigstens wurde er von ihr unterhalten*.
Längst war der Handelsverkehr im Gange, als im Jahre 1397 die
sämtlichen Anwohner des Weges sich zu einem Ausbau desselben ent-
schlossen. Es traten in Münster in Wallis folgende Vertreter zusammen:
Boten der Stadt Bern mit solchen von Thun, Unterseen, des Gotteshauses
Interlaken und des Landes Hasle, Boten der sämtlichen Ortschaften -^ober-
halb Doys in der Kirchhöre Münstert , weiter Boten von Pommat und
Eschenthal. Sie beschlossen, die Strafse der Eaufleute von Lamparten
und anderer , wo sie herkommen , mit ihrem Kaufmannschatze durch ihr
Gebiet zu legen, d. h. also den Verkehr auf den Grimsel- und Griespafa
zu verlegen'^. Bern hat die Bereitung des Weges bis zum Spital ^an
Orymslen^f Münster bis zur Grenze von Pommat, endlich Pommat und
Eschenthal weiter bis zum Austritt aus dem Gebirge zu besorgen. Es
wurde bestimmt, dafs an allen Niederlagen oder Susten das Gewicht
gleich sein solle und wurde auch hier eine Transportorganisation festge-
setzt ; auch hier gab es Teiler. Der Lohn sollte für die Normallast von
18 Rubb nicht erhöht, auch sollten die Kaufleute im Winter nicht über-
^ van Berchem 822 nach Urkunde aus dem Gemeindearcliiv Obergestelen.
^ S. oben. Dafs die Lazariten das Patronat von Meiringen erhielten, beweist
ebensowenig wie ihre Ansiedlung in Seedorf in Uri, dafs sie mit den Pässen in
Beziehung standen, denn es fehlt jeder Beweis dafür, dafs sich die Lazariten mit
der Pflege der Wanderer beschäftigten.
8 So Mühlemann 247. Über Verträge mit Wallis vgl. 349. Die „Führung**
gehörte den Wallisem bis zum Spittel. Eidgen. Abschiede 1, 216.
^ An eine Gründung von Interlaken aus, wie Bäh 1er S. 10 will, ist natürlich
nicht zu denken.
^ Mühlemann S. 364 deutet die Urkunde auf den Albrunpafs.
480 Zweiundyierzigstes Kapitel.
nommen werden. Für Verlust von Waren hatte der Transporteur, im Falle
er unvermögend war, seine Gemeinde aufzukommen. Den Pafs wollten
die Parteien während der zehn Jahre, wofür diese Sicherheit ausgestellt
wurde, ganz dem Handelsleben überlassen, Wallis und Bern verzichteten
ausdrücklieh darauf, eine „Reise" über den Grimselpafs zu machen*.
Zahlreiche Nachrichten über den Verkehr auf dieser Route habe
ich im Berner Staatsarchiv gefunden, die ich mit anderen verbinde.
Den Spittel, »rfer dann in grosser ijcilde ligt und mangen manschen eu
irost und uff enthalt Ups und guts erschüssU^ betreffen eine Reihe von
Bettelbriefen, mit denen die Stadt Bern des Spitals Boten, das weder
an Bau noch sonst mit der Notdurft versehen sei, beglaubigte. Solche
Schreiben sind uns von 1479, 1481, 1483 und 1503 erhalten ^ Und noch
viel später wanderten die KoUektanten des Wirts auf der Grimsel im
Lande umher. Der Pafs scheint in erster Linie dem Vieh- und Pferdehandel
gedient zu haben. So hatte der Berner Burkhard Roggwyl 1484 die Absicht,
viele Pferde nach Ligurien zu transportieren, er kam bis ins Eschenthal,
dort aber wurden seine Pferde beschlagnahmt, weil er Zoll zu zahlen sich
weigerte, und dazu hatte er volles Recht, denn seit den Kapitulaten von
1477 war auch Bern zollfrei^. Insbesondere waren die Oberhasler, bei
denen Vieh- und Pferdezucht damals blühte, bei diesem Handel beteiligt*.
Für den Briefverkehr spricht schon eine Urkunde von 1334. Ein
Berner Brief, der für einen Thurn in Oberwallis bestimmt, wurde in
Interlaken deponiert^. Doch auch Waren wurden hindurchgeführt Später
gab es eine Sust in Obergestelen bez. Ulrichen, wie ein Kaufhaus in Unter-
seen und den „Freienhof* in Thun ; wann sie errichtet sind, weifs ich nicht*.
Das lateinische Statut des Thaies Pommat (Formazza) von 1487 redet
mehrfach von der Durchfuhr von Waren durch dieses heute weltentlegene
AlpenthaF. Und als im Jahre 1479 nach Abschlufs des Waffenstillstandes
mailändische Kaufleute durch Hasli zogen, wurden sie gefangen ge*
^ Ohne den äufseren Rahmen veröffentlicht Eidgen. Abschiede 1, 454.
« Der älteste von 1479. Deutsches Briefbueh D, 216. 402. E, 130. K, 42L
1507 hatten Luzemer Unterthanen auf dem Grimselhospiz Unfug getrieben. Nach
Bäh 1er S. 14 stritten 1492 Hasler und Walliser über die Besetzung des Spittels.
3 Der Handel zieht sich von 1484 — 88 hin. Bern, Lat. Missivenbuch C Fol. 122,
131, 132, 159, 264, 311. D Fol. 62, 177, 196 u. 201.
*> Die Zöllner von Vogogna hielten den Ammann von Oberhasli, Johann Michel,
mit Ochsen an, wie es seinem Vorgänger Ülin Hümli mit Pferden geschehen war.
Es war abermals Zoll gefordert worden. 1493. Lat. Briefbuch D Fol. 428 a. 481.
» Gremaud 32, 79. 80.
« Angeführt von Bähler 8. 15 und Schmid in Blättern z. Walliser Gesch. 2»
144, der auch für den Albrunpafs Susten in Baceno und Emen und für den Monte
Moro solche zu Banio und Macugnaga in Val Anzasca und zu Visp anführt.
7 Vgl. die Ausgabe von Burckhardt im Archive f. Schweiz. Gesch. 8, 270
u. 286. Für eine lebhafte Verbindung spricht auch der Umstand, dafis der Bemer
Die anderen Pässe. Verkehrshöhe. 4gl
Dommen *. Den Florentinern hatten die Bemer freies Geleit durch ihr
Gebiet zugesichert und im Jahre 1466 kamen solche wirklich, die Bitten
Berns bei dem Markgrafen von Rötteln, die Fremden gut zu behandeln,
waren umsonst, sie mufsten für ihre drei Maultiere schweren Zoll ent-
richten*. Nicht besser ging es Kaufleuten von Lucca, die 1468 über
die Alpen kamen, nachdem die von Bern ihnen Brief und Siegel ge-
geben hatten^. Sie wurden in der Herrschaft Erlach angehalten und
nach Murten abgeführt und ein Herr von Ferney hätte sie gar gern
noch weiter fortgeführt*. 1480 hatten die Herren von Froberg einen
Mailänder Faktor ins Geftlngnis geworfen. Bern bemühte sich eifrigst
um seine Befreiung und wx>llte selbst 20 oder 30 fl. opfern. Die Stadt
konnte wohl auf dem Griraselpasse Ordnung halten, die Fortsetzung im
Jura aber ergab, wie man sieht, fortwährend Schwierigkeiten*.
Zu sehr grofsen Weiterungen führt ein Streit des Urner Ammanns
Wolleb mit den Florentinern. Heini Wolleb, der Sohn jenes Heiniich
Wolleb, der durch seine Streitigkeiten auf dem Markte zu Varese den
Irniser Krieg herbeigeführt hatte , war um 1490 in Piemont von Floren-
tinern angehalten worden. Dafür wollte er sich an ihnen schadlos halten
und die Tagsatzung gab ihm die Erlaubnis dazu. Im Frühling 1492 nahm
er ihnen zwischen Feldkirch und Blatten Gut weg, mufste aber 1494
sich verpflichten, keine Florentiner mehr zu jagen®. Gegenüber dieser
offiziellen schweizerischen Politik ist es nicht uninteressant, die Berner zu
beobachten. Die Herren Lamparten wandten sich an Bern, hier war man
froh, dafs sie sich des Weges durch das Land der Eidgenossen von Uri
müfsigen wollten und forderte die von Thun, Interlaken und Hasli Sommer
1491 auf, die Wege herzustellen''. Dann kam noch eine schriftliche Bitte
von Florenz, die der in Bern angesiedelte Bartholomäus Mai unter-
stützte, und Bern wollte — nicht ohne Heimlichkeit gegen seine Eid-
genossen — den Zug auch durch Leute schützen^.
Glasmaler Lucas den Franziskanern von Domo d^Ossola eine Wappenscheibe ge-
liefert hat 1511. Lat. Brief buch G Fol. 280.
1 Eidgen. Abschiede 3, 1, 45.
> Bern, Deutsches Brief buch B 200 u. 202.
' Zwei Empfehlungsschreiben far ungenannte Lucchesen, die erste Gruppe war
schon vor Georgi (23. April) über die Alpen gekommen. Deutsches Briefbuch B
Fol. 335 u. 337.
^ 1468 August Es war eine Abmachung zwischen dem Herrn der Herrschaft
Erlach und dem Besitzer der Grafschaft Neuenburg seitens Bern getroffen, die allen
Kauf leuten freien Verkehr sicherte. Bern, Deutsches Brief buch B Fol. 407. 409 u. öfter.
• Unsere Urkunden Nr. 302.
• Ochsli, Allg. Deutsche Biogr. 44, 142 ff. u. Anz. f. Schweiz. Gesch. 1899 Nr. 3.
' Bern, Deutsches Briefbuch ü 353 u. 423.
« Bern, Lat Briefbuch D Fol. 366, 1492 Juni 7.
Schulte, Getoh. d. mittel alterl. Handels. 1. 31
482 Zweiundvierzigstes Kapitel.
Über diö Verkehrshöhe liegen aus keinem Teile des von uns be-
handelten Alpengebietes so gute Nachrichten vor wie für das Walliser
Gebiet^. Wir verdanken sie vor allem dem Umstände, dafs die Turiner
Rechnungskammer eine Reihe von alten Zollrechnungen besitzt, die ich
allerdings nur nach den Auszügen von Borel und Cibrario benutzen
kann.
Von den Zollstellen am Grofsen St. Bernhard (Bard, St. R^my) ist
nur eine Rechnung von 1283 bez. 1284 erhalten, nach welcher 2225 ge-
wöhnliche und 99 englische Pferde, von welchen der Zoll in S) Sterling
zu zahlen war, durchgeführt wurden^. Von den Simplonzöllen hat sich
keine Rechnung erhalten, immerhin aber eine Angabe über den Ertrag
des Zolles zu Brig , dessen Taxe uns bekannt ist. Hier war für jedes
grofse Pferd und jeden Ballen je 1 ^ Maur. zu erlegen und der Ertrag
wurde 1362 auf 25 it Maur. angegeben, das würde der Erlös von 6000
Ballen sein. Auf den Tag würden 16,4 Ballen entfallen. 1388 notierte
der Zöllner von Sitten: 1884 Ballen und für die Jahre 1379 bis 1384
ergiebt sich eine durchschnittliche Durchfuhr von 1700 Ballen, für den
Tag 4,7 Ballen«.
Zum Glück haben wir eine Kontrolle über diese Ziffern durch die
Zollrechnungen von Chillon, die ich leider nicht selbst durchgearbeitet
habe. Wir haben Rechnungen von 1284, 1286, 1294 und folgende, dann
zahlreiche aus dem fünfzehnten Jahrhundert. 1284/5 passierten in 604
Tagen , abgesehen von auf Wagen verpackten 'Waren , 6306 Ballen den
Zoll, darunter 4067 Va Ballen französischer und lombardischer Tuche.
1286 gingen in 213 Tagen durch den Zoll: 2211 Va Ballen französischer
und Italienischer Tuche, 1448 Ballen Wolle und Felle (peUe), 2568
Karren Salz, 80 Karren Tuche und ^merceriet. Das Salzlager von Bex
wurde erst im sechzehnten Jahrhundert erschlossen, es handelt sich
also um fremdes Salz und diese Masse ist für den Walliser Verbrauch
viel zu grofs. Es gingen also 17,2 Ballen und 12,4 Wagen täglich an
der Zollstelle vorüber*. An derselben Zollstelle wurden verzollt in 1022
Tagen nach dem 30. November 1294: 11858 Ballen und 722 Wagen,
das macht 11,6 Ballen und 0,7 Wagen täglich*^, es ist diese Minderung
wohl durch die oben besprochenen Unruhen in Burgund erklärlich.
* rQuia in dicta villa s. Mauricii pitcs qiiam alihi transeant continue homines
extranei hospitantes ibidem y ex diversis nwndi partihus venienten' wehrte sich 1340
St. Maurice gegen eine savoyische Verfugung, die allerdings in einem solclien Orte
undurchführbar war. Gremaud 32, 272.
2 Cibrario, Economia politica 397.
^ van Berchem 128 Anm. 1.
* Cibrario 398.
»^ Cibrario 398.
Die anderen Pässe. Verkehrshöhe.
483
Die Boreischen Auszüge aus den Rechnungen des fünfzehnten
Jahrhunderts beschränken sich auf die Posten ^ welche zu und von den
Genfer Messen geführt wurden^. Man kann also den nicht nach Genf
gerichteten Verkehr nicht übersehen, die alte Richtung auf Orbe und
Jougne wie die nach dem Norden auf Freiburg abbiegende bleibt also
ganz aufser Betracht. Ausgeschlossen habe ich den gesamten Verkehr
mit dem Thale, wie auch die nicht zahlreichen Posten, wo Leute aus
Aosta, das am meisten genannt wird ^, Ivrea, Bergamo und Domo d'Ossola
in Genf gehandelt haben, sondern stelle im folgenden nur den Ver-
kehr der Mailänder Kauf leute zusammen; Florentiner, Piacentiner, Vene-
tianer u. s. w. erscheinen niemals.
Es gehen in der Richtung von Mailand nach Genf:
boUiones fardelli
balle
barrales
fagotini
1423/4
1430/1
1432/3
1433/4
1434/5
1442/3
Summe
Jahresdurchschnitt ,
1730
1949
1983
1320
1904
2 092
88
10978
95
24
17
24
17
1828
11119
16 4
■N/*
1851 oder täglich 5 Stück.
Es gehen in (
ier Richtung Genf nach Mailanc
boUio-
nes
bosse- barri-
tis 1 leti
liassa
tona
pecia
balla
currus fagoti
far-
delli
calata
cassia
1423/4
1430/1
1432/3
1433/4
1434/5
1442/3
112
84
318
1068
809
661
i
5
4
16
6
20
13
2
15
62
12
320
24
2
4
1
3052
5
4
16
6
33
2
77
12
344
6
1
unter Anrechnung von 5 fardelli = 1 currus ergiebt das :
3866
Jahresdurchschnitt 644
1 Borel 2, 18—63.
' Sie transportieren auch einmal eine 3^/9 Quintale schwere Glocke.
81»
484 Zweiundvierzigstes Kapitel.
Die Verpackung ist bei dem Transport von Genf nach Mailand noch
verschiedenartiger, so dafs es da sehr gewagt ist, die einzelnen Stücke
einfach zusammenzuzählen , wobei ich wenigstens die Wagen nach einem
in den Rechnungen selbst gegebenen annähernden Ansatz (zu fünf
Fardeln) umrechne.
Der Jahresdurchschnitt der gesamten von der Mailänder Kaufmann-
schaft in Villeneuve verzollten, fUr Genf bestimmten bez. von dort
kommenden Waren belief sich somit auf 2495 Stück, auf den Tag ent-
fallen somit: 6,8 Stück. Was davon über den Simplen oder den Grofsen
St. Bernhard ging, ist nicht zu bestimmen.
Auch über den Verkehr auf dem Pafs von Jougne teilt Borel einige
Ziffern mit, sie leiden aber an dem Mangel, dafs die Route unter dem
Gesichtswinkel der Genfer Messen betrachtet wird und zu betrachten ist.
Von 1400 bis 1428 gingen hier jährlich zwischen 100 und 350 Ballen
französischer Tuche durch, noch höher war der Betrag der Wolle.
Der Zollertrag von Les Cl^es stieg fortwährend, er war verpachtet: 1480
zu 700 fl., 1434:767«/8 fl., 1439:1187 fl., 1449:2100 fl., 1464 bis 1466
jährlich 4000 fl. ^. Es mufs, da die Messen von Genf damals schon ab-
nahmen, der Handel nach Italien an diesem Zolle also erheblichen An-
teil haben. Aber da gingen gewifs keine nach Deutschland bestimmten
Waren mehr, denn die Champagner Messen hatten alle Bedeutung einge-
büfst. An ihrer Stelle waren die Messen zu Genf und Lyon die Stätte
einer lebhaften Vermittlung zwischen Italien und Deutschland ge-
worden.
Das höchste Ergebnis ist vom Zolle zu Chillon 1286, da gingen
täglich 17,2 Ballen und 12,4 Karren durch. Aber wie verschwindend
klein ist diese Summe. Rechnen wir auf den Karren fünf Ballen und
auf den Ballen vier Centner (& 50 Kilo) — also beides sehr reichlich
— so käme man auf einen täglichen Transport von 300 Centnern. Der
Warenverkehr am Zoll von Sitten betrug 1388 nur 7536 Centner.
1 Borel 1, 211 f.
Vierter Teil.
MESSEN. VERKEHB VON DER MONEMÜNDUNG ZUM
BODENSEE. POSTEN.
Dreiundvierzigstes Kapitel.
Messen von Genf nnd Lyon. Verkehr von der Rhonemfindnng znm Bodensee.
Deutsche nnd italienische Messen.
Die Messen von Genf, BedeiUung, vernichtet durch die von Lyon, Deutsche Kolonie
in Lyon,- Deutsche Interessen weiter südlich. Weg der deutschen Pilger, Händler und
Fürsten. Die Deutschen in Ävignon, im Dauphin^, in Savoyen. Weg von Genf zum
Bodensee, Zölle, Die Geleitstraf se Genf- Ulm. — Strafsenraub am Bodensee, Oherrhein:
Itaiiener, Aragonesen. — Messen su Zurzach, Nördlingen, Strafsburg, Frankfurt, kleinere.
Italienische zu Crema und Arona.
Die Messen von Oenf, auf die ich hier noch ganz kurz eingehen
mufs *, waren der Ersatz der Champagner Messen geworden , wenn sie
auch nicht so bedeutend waren. Es erschienen auch hier, nicht weit
von der Stelle, wo drei Nationen aneinander stieCsen', Kaufleute aus
Spanien , der Normandie und Flandern , Deutschland war bis nach Nürn-
berg und Italien bis Venedig , Florenz und Lucca vertreten. Die Hansi-
schen, die Nordländer und Engländer fehlten allerdings.
Die Messen von Genf werden zuerst 1262 genannt, im vierzehnten
Jahrhundert sind die Nachrichten noch spärlich, die Blüte derselben
lag in der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts, bis sie in den
Jahren 1462/3 jäh geknickt wurde. Wie die Champagne ein Mittelstaat
zwischen Frankreich und Deutschland gewesen war, so hatte Genf eine
ähnliche Stellung, es war in gewissem Sinne ein neutraler Boden. Dort
war das Handelscentrum für Italien, Frankreich und Oberdeutschland,
ein kleines Gegenstück zu Brügge.
^ Vgl. Borel, Les foires de Grenöve, fleyd, Schwaben auf den Messen von
Genf und Lyon, Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger 2, 69flF. "
2 Der Punkt lag westlich des Monte Rosa, wenn wir den Dialekt des Aosta-
thals für französbch in Anspruch nehmen.
486 Dreiondvierzigstes Kapitel.
Das französische Königshaus begünstigte nun Lyon ^ dessen Lage ja
ebenfalls eine ausgezeichnete war. 1419 wurden dort zwei Messen errichtet
1443 eine weitere, seit 1463 waren es vier und absichtlich legte
Ludwig XL, als Politiker Merkantilist, die Messen auf die gleichen
Termine wie die von Genf, so dafs ein Besuch beider Mefsplätze den
Kaufleuten unmöglich wurde. Die Genfer Messen wurden von den
Herzögen von Savoyen gehegt und gepflegt, jeder Gunstbezeugung der
französischen Könige für Lyon folgt eine solche Savoyens für Genf, nur
gerade in den entscheidenden Augenblicken nicht. Die Kosten des Streites
zwischen dem Herzoge Ludwig und seinem Sohne, dem Grafen von
Bresse, hat schliefslich Genf zahlen müssen. Schon 1445 hatte Karl VlL
die Verbringung von Waren nach Genf verboten. Als 1462 den fremden
wie den französischen Kauf leuten von König Ludwig XI. untersagt
wurde , durch französisches Gebiet Waren zu den Genfer Messen schaffen
zu lassen, wehrte sich zwar die Stadt gegen die beiden Dekrete von
1462 und 1463, das Herzogshaus schlofs sich, seinen Fehler erkennend,
dem an. Die Eidgenossen, die gerade wie Savoyen für ihre Zölle und
Geleitsgelder besorgt waren, fürchteten, dafs fortan die Niederländer
und Deutschen ihr Gebiet nicht mehr durchziehen würden, sie sandten
zu Ludwig nach Abbeville eine Botschaft. Der Versuch, durch eine
Teilung der Messen zwischen Genf und Lyon die Eintracht wiederher-
zustellen, mifslang; an den Konferenzen hatten Kauf leute von Florenz,
Genua, Mailand, Venedig, Lucca, Troyes, Ronen, aber auch ein Vertreter
der grofsen deutschen Gesellschaft teilgenommen^. Die französischen
Verbote wurden erneut Der Kampf zwischen den beiden Mefsplätzen
wurde mit Energie weitergeführt, als Siegerin ging Lyon fast unmittel-
bar daraus hervor*. Genf und Savoyen machten zwar alle Versuche,
die Kaufmannschaft an sich zu fesseln, allein es war umsonst Lyon
wurde namentlich der Hauptsitz der Wechselgeschäfte , das internationale
Geldgeschäft verlegte sich dorthin.
Der Genfer Mefsplatz hatte für die Deutschen eine ähnliche Be-
deutung wie sie einst die Champagner Messen gehabt hatten. Sie kauften
dort nicht die Produkte Genfer Gewerbefleifses , sondern erwarben von
Italienern und Südfranzosen die Produkte entlegener Länder, wie sie
diesen ihre Waren verkauften. Der Besuch der Italiener war sehr stark,
am deutlichsten überblicken wir aus den Zolllisten den Mailänder Handel
und da sehen wir, wie sie ihre Barchente, Waffen, die Spezereiwaren
und Kleinwaren, gelegentlich auch Tuche, Bogen, Pelzwerk, Papier,
Lorbeeröl, Terpentin, Harz, Wetzsteine u. a. nach Genf beförderten,
^ Borel piöc. jnstif. 168.
« Vgl. auch HuviBlin 286—289.
Messen von Genf und Lyon. 4g7
wie sie von dort die Produkte des Nordens mitbrachten: vor allem Pelz-
werk, Wolle, Federn, Heringe, Häute, Tuche, gefütterte und unge-
fütterte, namentlich Freiburger, Leinen, Wachs, aber auch gelegent-
lieh südliche Produkte, wie Olivenöl, Metalle, wie Zinn, Blei, Kupfer,
Alaun, Erz, geringhaltiges Silber u. a. m. Florenz war durch Bankhäuser
vertreten , so hielten die Saxetti eine Filiale der Bank der Mediceer,
Genua stellte ebenfalls viele Kauf leute.
Für die deutschen Kaufleute haben Borel und Heyd zahlreiche
Zeugnisse beigebracht, die sich im folgenden um weitere vermehren.
Die älteste Angabe über deutschen Handel in Genf dürfte die Nachricht
sein, die wir im ältesten Konstanzer Ratsbuche finden*. Die Gefahr,
dafs die deutschen Kaufleute seit 1462/3 Lyon vorziehen würden, war
sehr grofs. Die Eidgenossenschaft, vorab Bern, trat für die Interessen
derselben ein. Genf und Savoyen hatten der französischen Sperre durch
eine von ihrer Seite geantwortet. Die Stadt Bern erwirkte den deutschen
Kaufleuten jedoch freien Durchpafs zur Lyoner Messe*. Diese fanden
aber Bedenken und wollten durch das Gebiet des Abts von St. Claude
fahren, die Stadt Bern forderte den Abt zur selben Zeit auf, die
Strafsen in Stand zu setzen. Sie hatten also die Absicht, die west-
liche französische Seite des Juragebirges (über Neuenburg- Pontarlier
oder weiter südlich) zu gewinnen und so Genf zu umgehen®. Dieser
Weg wurde wohl kaum viel befahren*. Verschiedene Zolldifferenzen
an den Zollstätten von Seyssel und Pont d'Arve beweisen es, dafs die
deutschen Kauf leute über Genf gingen. Bei einem 1467 entstandenen
Konflikte werden die Städte Ulm, Konstanz, Nürnberg, Ravensburg
und St. Gallen als am Verkehr nach Lyon beteiligt bezeichnet*. Auch
dieses Mal behaupteten die deutschen Kaufleute freien Durchpafs tür
ihre eigenen Waren. Doch wurde 1467 der Kemptner Bürger Heinrich
Stüdlin angehalten und eine Ladung Silber konfisziert^. 1471 wurde
dem Hans Müller und seiner Gesellschaft, die in Savoyen ein Silber- und
Erzbergwerk angefangen hatte, am Zoll von Seyssel Silber genommen^.
Kaufleute von Memmingen wurden 1475 von den Savoyern gar gefangen
' Unsere Urkunden Nr. 345.
^ Heyd 377. Mitteilungen Berns vom 5. tr 13. Juli und 17. September 1364.
Vgl. unsere Urkunden Nr. 373.
* Unsere Urkunden Nr. 295.
* Immerhin bat Bern den Markgrafen von Neuenburg um Milderung des Zolles
und Geleites für den Handel mit Lyon. Deutsch. Brief buch B S. 14.
» Heyd S. 377 f. und Bern, Deutsch. Briefbuch B 255. Eidgen. Abschiede
2, 369 u. 415.
6 Heyd S. 379.
■^ Unsere Urkunden Nr. 298.
488 Dreinndyierzigstes Kapitel.
gesetzt ^ 1473 erlitten Ambrosius Roth (von Ulm?) und Hans Lamparter
zu Seyssel EinbuTse.
Nach der Störung des Handels durch die Burgunderkriege, durch
die den deutschen Eaufleuten mancherlei Widerlichkeiten bereitet
wurden^, wurde im Friedensschlüsse der freie Paus ohne jede Erhöhung
der Zölle ausbedungen, und dann bestimmt, dafs die oberdeutschen und
schwäbischen Kaufleute bei der Reichsstrafse , d. b. faktisch bei dem
Wege durch die Eidgenossenschaft verharren sollten, während die von
Köln wie bisher ihren Weg nach Genf und Lyon durch die Preigraf-
Schaft einschlagen dürften ', dieser Abmachung zwischen den Eidgenossen
und Frankreich trat Maria, die Erbin von Burgund und später auch
Maximilian bei^.
Sehr ärgerlich waren für die Kaufleute die Privatfehden einzelner
Bemer Bürger (Konrad von Laufen gegen Kempten 1472, Heimbrand
Trüb gegen Biberach 1479 und Wemher Löubli gegen Ulm 1484—97).
Namentlich die Löublifehde gewann einen höchst peinlichen , den Bemern
sehr unerwünschten Umfang und die Ulmer waren auf den Strafsen
keineswegs sicher, wenn auch Bern einzelnen Bürgern Geleit gab. Vier
Ulmer Kaufleute wurden von Löublis Erben 1495 in Savoyen niederge-
worfen *.
Das Haus Savoyen suchte 1485 den Besuch der Genfer Messe durch
Zölle auf die von Genf ausgeführten Waren zu steigern, ob mit Er-
folg? Herzog Philibert HL schickte 1498 ein Rundschreiben, in dem er
den Deutschen den Markt von Genf empfahl. Ravensburg, Biberach,
Ulm, Strafsburg, Basel, Konstanz, Memmingen, Augsburg und Nürn-
berg sagten das Erscheinen ihrer Kaufleute zu*. Wir wissen, dafs im
Winter von 1491 bei grofser Kälte die Nürnberger, die früher als die
hauptsächlichsten deutschen Gröfsen auf den Genfer Messen bezeichnet
wurden, auf Schlitten bis Genf fuhren^. Schliefslich siegte Lyon, das
im sechzehnten Jahrhundert durch die feste Ansiedelung von Italienern
und den umfangreichen Mefsbesuch der Börsenplatz Westeuropas wurde.
Schon 1475 war die Bank Cosimo da' Medicis in Lyon mit einer Filiale
vertreten®. Auch Deutsche liefsen sich nun in Lyon nieder, begründeten
eine deutsche Bruderschaft; um 1525 erscheint hier der berühmteste
1 Eidgen. Abschiede 2, 586.
« Heyd 381.
» Eidgen. Abschiede 2, 928. Heyd 382.
* Heyd 383.
« Heyd 383 f.
« Heyd 385. Borel 51. 102.
' Borel 103. Roth 4, 249.
8 Bern, Staatsarchiv. Lat. Brief buch A Fol. 420.
Messen von Genf und Lyon. 4g9
unter ihnen Hans Kleberg, der „gute Deutsche,^ zunächst freilich als
ein Bürger von Bern. Aber auch andere Nürnberger, wie die Tucher,
verkehrten um diese Zeit in Lyon*, 1506 finde ich einen Daniel Gundel-
finger mercator Lugdunensis^ und Geiler von Kaisersberg sagt von den
grofsen Gesellschaften, dafs sie zu Venedig, Lyon und Antwerpen ihre
Verweser hätten '. Als die gewöhnliche Route der Nürnberger von Genf
nach Lyon giebt Örtel 1521 die über Nantua an mit folgenden Stationen :
Collonges, St. Germain de Joux, Cerdon, St. Jean le Vieux, St. Denis le
Chosson und Montluel. Der Nürnberger Pilger traf in Lyon seinen
Bruder Florentius, Sebald Schürstab, Schlüsselberger, Hans Schäufelin,
Hans Schwab und des Dürers Diener. Seine Fahrt nach St. Jago setzte
er über Rodez fort*. Der Höhepunkt der Lyoner Mefsen ruhte weniger
auf dem Warenhandel, als auf dem Geldhandel * und das war der franzö-
sischen Krone von einem geradezu unschätzbaren Nutzen. Lyon ward
die zweite Hauptstadt des Landes.
Aber nicht allein dieser Messen halber kamen Deutsche in das Ge-
biet des Rhone. Noch unterhalb Lyon und östlich davon in Savoyen
und im Dauphin^ tauchen deutsche Kauf leute auf. Wir dürfen da wohl
als Ziel Marseille und die anderen Mittelmeerhäfen annehmen, wie auch
der schon damals starke oberdeutsche Handel nach Spanien zum Teil
diesen Weg einschlug. Er ist wohl genau identisch mit dem, den die
Pilger, die nach St. Jago di Compostella wollten, einschlugen und über
den ein gereimter „Baedeker" von 1495 die allerbeste Auskunft ge-
währt*. Ich gebe hier in aller Kürze die Stationen, beginne jedoch erst
bei Genf, wo der Dichter bei einem deutschen Wirt, Peter von Frei-
burg, wo vorwiegend Jakobsbrüder verkehrten, nächtigte. Es folgen
Rumilly, Aix-les-Bains , Chamb^ry, Los Ekihelles (gu der Leitern)^ Voiron
(Feronis), TAlbenc (Albon)j Vinay (Fynit), St. Marcellin (Marcellyn).
Dann erwähnt er an der Stelle 100 Meilen von Einsiedeln die ^stat sant
Anihonio^y nun geht der Weg von St. Marcellin bis Romans an der Is^re
^ Ehrenberg, Hans Kleberg, der „gute Deutsche'', in Mitteilungen des
Vereins f. Gesch. d. Stadt Nürnberg 10, 1 — 51.
« Bern, Lat Brief buch F Fol. 254.
» Von den Kauf leuten Fol. 90*.
^ Mitteilungen a. d. germ. Nationalmuseum 1896 S. 73 u. 82.
^ S. auch über die Wechsel von Genf und Lyon in Genua unsere Urkunden
S. 169, 86.
« HSibler, Das Wallfahrtsbuch des Hermannus Künig von Vach und die
Pilgerreisen der Deutschen nach Santiago di Compostella. Strafsburg 1899. In der
Deutung mufs ich an einigen Stellen von Häbler abweichen, leider habe ich dieses
Buch erst so spät kennen gelernt, dafs ich dasr fehlende Stück derEoute nicht mehr
in die Übersichtskarte eintragen kann, es handelt sich jedoch nur um die Verbindung
Valeüce-Chamb^ry.
490 Dreinnd vierzigstes Kapitel.
entlang, während ein St Antoine mehrere Stunden seitwärts nördlich im
Gebirge liegt. Dafs die Jakobsbrüder hier von dem nächsten Wege ab-
bogen, hatte seinen guten Grund. Sie wollten den Leichnam des hl.
Antonius sehen, von dessen Wundem uns ein anderer Pilgrim erzählt,
Arnold von Harff, der von Susa über den Mont Genevre und Grenoble
kommend, bei TAlbenc, wo auch er der dortigen Kammmacher gedenkt,
in den gewöhnlichen Weg nach St. Jago einbogt. In St. Antoine hielt
ein Deutscher ein Wirtshaus, das das Pilgerbüchlein rühmt und für das
Wechseln des Geldes empfiehlt. Dann folgt Romans, Valence und dann
geht es über Loriol, Montelimar, Chateauneuf, Donzfere, Pierrelatte, La
Palude zu dem Rhoneübergang von Pont St. Esprit. Die Jakobsbrüder bogen
hier nach Nimes und Spanien ab, die andern aber blieben bei la Palude
auf der alten Strafse: denn da ging es nach Avignon und Arles, nach
St Gilles und Aigues-Mortes wie nach Marseille.
Ich habe für diese Route nicht gesammelt, aber kann sofort nach-
weisen, dafs Karl IV. nach seiner Krönung in Arles diesen Weg ein-
schlug. £r war unterwegs in Moirans (Morentum) und das liegt zwischen
Voiron und TAlbenc^.
Den deutlichsten Beweis für diese Handelsstrafse giebt Ulmann
Stromer, der die Kosten des Transports eines Safran ballens von Barce-
lona bis Konstanz mitteilt. Der Transport über Aigues-Mortes bis
Avignon kostete pro Centner 2 fl., von Avignon bis Genf 2V4, bis Bern
^U und von Bern bis Konstanz 1 fl., für die ganze Strecke von Barcelona
bis Konstanz also 6 fl. Zölle führt der biedere Nürnberger Kaufmann
nur für Barcelona und Aigues-Mortes an, ein Beweis, dafs die Zollfreiheit
der Nürnberger wirklich anerkannt wurde®.
Schon von 1410 haben wir einen für einen Konstanzer Kaufmann,
der seine Schritte nach Katalonien und Italien lenken wollte, ausgestellten
Pafs, dessen Adresse an den Grafen Amadeus von Savoyen gerichtet ist*.
Der unternehmungslustige Händler, dessen Name uns leider unbekannt
ist, ging doch wohl über Genf. Intimere Handelsbeziehungen bestanden
zwischen Konstanz und Avignon. Der Konstanzer Johannes Seiler
machte 1402 dort Einkäufe von bedeutendem Umfange, die einen längeren
Verkehr voraussetzen*. Jakob von Ulm, ein anderer Konstanzer Bürger,
' V. Groote, Die Pilgerfahrt Arnolds von Harff S. 220. Von Pont St. Esprit
bis Nimes ging er den Weg über Eemoulins, das PUgerbüchlein hat den über Uzös.
« Böhmer-Huber 7165.
' Chroniken d. deutschen Städte 1, 102 f. Andere Zeugnisse über Nürn-
berger in Lyon s. unter Nürnberg.
* Mone, Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 4, 42.
^ Der Konstanzer schuldete 885 Goldgulden, aufserdem 48 Va d sind crudi
(Rohseide) et in uno chtppelleto perUnnmi grossarum et una btirsa perlarum /»ttorum.
k
Verkehr von der Rhonemündung zum Bodensee. 491
hatte dort sehr bedeutende Ausstände und dieselbe Familie hatte 1404
dort Wechselschulden einzutreiben ^ In Avignon gab es einen deutschen
Wirt, und auch dieser war ein Schuldner desselben Geschlechtes ^ Noch
in der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts hatte die grofse Ravensburger
Gesellschaft hier eine Faktorei. Der Handelsverkehr in Avignon mochte
der Rest von Beziehungen aus der Zeit, wo die Päpste dort residierten,
sein. Damals gab es dort auch eine confratria Alcmannorum ; der mit
der römischen Kurie wandernde Arzt Albert von Würzburg vermachte
ihr eine Gabe, gedenkt in seinem Testamente auch sonst Deutscher und
des deutschen Ordens, ohne jedoch gerade Kaufleute zu nennen. Eine
Strafse trug den Namen rtte de Allemands^ doch soll dieser Name von
einer Familie herrühren®.
Auch sonst finden wir südlich von Lyon deutsche Kaufleute. Die
Klagen des Kosmas Speiser, Bürgers von Konstanz, seit 1360 auch
Familiären des Königs*, dem in diesem Jahre Güter im Werte von
1500 Goldnobel genommen bezw. angehalten waren, richteten sich gegen
Unterthanen des französischen Kronprinzen, des späteren Königs Karl V.,
der seit 1344 der Souverän des Dauphin^ war. Der Arrest kann also nur
im Dauphin^ geschehen sein. Freilich scheint der Konstanzer den Kaiser
getäuscht zu haben ; denn später widerrief Karl IV. die erschlichenen
Repressalien, die Speiser gegen die französischen Kaufleute und vor
allem die von Montpellier, Toulouse und Ronen erwirkt und denen zu-
folge der Graf Rudolf von Nidau französische Kaufleute niedergelegt
hatte*. Die Nürnberger Handelsgesellschaft des Franz Ortolf hatte 1442
in Orten des Dauphin^ Mandeln, Rosen und Oliven angekauft, die
W^aren wurden aber dem Diener der Gesellschaft arrestiert, weil die Be-
amten des Dauphin^ glaubten, sie sollten in Savoyen verhandelt werden,
wo es doch die Absicht der Gesellschaft war, sie nach Nürnberg zu
verbringen, nur nach Hinterlegung einer Geldsumme wurde das ge-
stattet •.
1515 wurde im Hafen von Marseille ein spanischen Kaufleuten ge-
höriges Schiff von französischen Unterthanen weggenommen, das auch
116 Lasten Wolle der Gesellschaft des Anton Welser und des Bartholo-
Z ei t sehr. f. Gesch. d. Oberrh. 4, 44 und die dieselben Dinge behandelnde Formel
unsere Urkunden Nr. 330.
* Mone 4, 45.
' Ebda. 4, 47. Zum Vertreter der Firma in Avignon wurde Konrad Sünder
bestellt. Der Wirt schuldete noch 70 fl.
" Vgl. Pogatscher, Deutsche in Avignon in Römische Quartalschrift 13, 59 ff.
* Glafey 494.
^ Böhmer-Huber 3197. 3472 n. 3605.
* Unsere Urkunden Nr. 387.
492 Drei und vierzigstes Kapitel.
maus Mai von Bern trug. Auf die Vermittelung des mächtigen Bern
wurden die Waren sofort ausgelieferte
In die Nähe von Genf ftihrt uns ein Dankschreiben der Stadt Nürn-
berg an Herzog Amadeus von Savoyen für die vortreffliche Behandlung
der Nürnberger Kaufleute, von denen einer einen Schuldner in Mäcon
hatte ^. Zum Danke nahmen sich die Städte der savoyischen Gesandten
an, die ins Reich gingen®. Auch Konstanz stand mit Savoyen in leb-
hafter Beziehung. So gewährte 1402 Graf Amadeus den Bürgern dieser
Stadt sicheres Geleit, obwohl in der Nähe von Konstanz savoyische Unter-
thanen gefangen worden waren*. 1403 ward ein Konstanzer, Johannes
Kaiser bei Genf, aber nicht im Bereiche dieser Stadt, geplündert. Er
hatte sich zuerst Hilfe bei Bern verschafft, doch erhielt er von den
Genfern sein Gut nicht und drohte sein Bürgerrecht aufzugeben, um an
den Genfern Rache zu nehmen, doch diese erklärten sich für nicht im
mindesten verantwortlich *.
Der Weg, den die schwäbischen Kaufleute nach und von Genf und
Lyon nahmen , läfst sich nach Berner und Nürnberger Archivalien genau
feststellen, zum Teil ftlllt er auch mit der Route der Jakobsbrüder zu-
sammen. Es wurde zunächst vom Genfersee aus die Wasserscheide ge-
wonnen und dann zogen sie am Gebirgsrande der Alpenwelt entlang der
hydrographischen Pforte der Eidgenossenschaft zu. In manchen Fällen
mochte zu dieser Thalfahrt auch wohl ein Schiff benutzt werden, die
Aare trug damals solche von Thun an*. Andere zogen am Murtener
See entlang auf Solothurn zu und erreichten über den oberen Hauen-
stein BaseP.
Am Ufer des Genfersees lagen die Zollstätten zu Nyon, zu Aubonne®
J Bern, Lat. Briefbuch H Fol. 127 u. 139. In den Brief büchem G Fol. 114
u. 115 und H 289 finden sich Briefe über eine Beraubung derselben Gesellschaft
durch Jean Chaperon de Britania.
« Unsere Urkunden Nr. 383.
8 Urkunden Nr. 329 u. Nr. 383 Anm. 1. Der Nördlinger Schambach hatte
allerdings savoyische Gesandte gefangen genommen, so trieben auch wohl Nörd-
linger Kaufleute in Savojen Handel.
* Mone, Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 4, 51 ff.
1^ Mone 53 ff. Gerade diese Briefe des Schultheifsschen Formelbuches machen
den Eindruck von Stiliibungen, aber doch sind sie wohl im Anschlufs an Thats&ch-
liches geschrieben.
• Geering 182.
"^ Geering 201 gicbt als Stationen an: Morges, Lausanne, Montpreveyres auf
dem Jorat, Moudon, Pajerne, Avenches, Murten, Aarberg, Büren, Solothurn, oberer
Hauenstein, Basel.
® Über den den Herren von Grandson bewilligten Zoll s. Böhmer-ETuber
4457. 4560 u. 7446.
Verkehr von der Ehonemündung zum Bodensee. 493
und Morges ^ Dann kam man nach Lausanne ^, nach Freiburg und Bern.
An der Fortsetzung nach Aarburg wurden beim Überschreiten der Emme
zu Kirchberg und Burgdorf Zölle erhoben ^. In Aarburg kreuzte sich
der Weg mit der zum Gotthard führenden Strafse über den unteren
Hauenstein wie bei Brugg mit der andern Gotthard - Zugangslinie über
den Bötzberg. Die Nürnberger waren hier überall zollfrei; welch einen
Vorsprung hatten sie vor den schwäbischen Reichsstädten voraus, dafs
sie in Bern, Solothurn, Murten, Besan9on und im Königreich Arelat
zollfrei waren ! Freilich mufsten sie sich ihrer Zollfreiheit sehr oft er-
wehren, konnten sie auch nicht immer behaupten*. Bern suchte be-
greiflicherweise den ganzen Verkehr an sich zu ziehen*. Die Nürn-
berger schlugen jedoch oft andere Wege ein®.
In der Pforte von Brugg vermied der Weg der Bemer die Über-
schreitung der Reufs und Limmat, man wechselte auf der Brücke von
Brugg vielmehr das Aareufer um, unterhalb der Vereinigung der drei
Flüsse vermittelst der Fähre von Stilli das rechte Ufer der Aare wieder
zu gewinnen. Bei Koblenz trat der Weg, der in der Pforte eine nörd-
liche Richtung gehabt hatte , in eine östliche über, um zunächst Zurzach
zu gewinnen. Im Mittelalter hatte es viel besuchte Märkte, hier gingen
die Wege auseinander. Eine alte Römerstrafse führte nordöstlich über
Donaueschingen nach dem oberen Neckar, also an den Nordfufs der
rauhen Alb. Der andere Weg wechselte hier oder zu Kaiserstuhl das
Rheinufer und führte über Schaffhausen durch das Hegau nach Ulm bez.
auf Konstanz zu. Diese Strafse war in der Mitte des fünfzehnten Jahr-
hunderts gegenüber einer andern vernachlässigt, die von Stein am Rheine
dicht unterhalb des Sees abbog und zum Zolle von Kloten führte.
' Vgl. Bor ei 211 f. und pi^ces justificatives 73 ff.
* 1486 wurden vom Bischof von Lausanne Nürnberger Kauf leute, welche Zoll
zu zahlen sich weigerten, angehalten. Bern, Lat. Briefbuch D Fol. 65.
' Auf der Fortsetzung des Burgdorfer Weges auch in Bleienbach. Nürn-
berg, Kreisarchiv. Brief buch 3 Fol. 13. 1409.
* So behaupteten sie 1425 für den Zoll in Burgdorf Zollfreiheit, Bechtold Kegler
hatte Zoll zahlen müssen. Nürnberg, Kreisarchiv. Brief buch 7 Fol. 20. Sie ver-
hörten darauf zuverlässige Kauf leute, die z. T. schon 50 Jahre dort wandelten.
Alle sagen, erst seit den letzten Jahren sei Zoll dort erhoben. Ebda. Fol. 43. In
späterer Zeit war von einem Wagen wohl l ß ^. gegeben, wofür er das ganze Jahr
zollfrei war. Verhört waren sieben Leute über den Zoll zu Burgdorf und Kirch-
berg. Ebda. Fol. 88. 1433 entschied Bern den Streit zwischen Nürnberg und Nörd-
lingen und Burgdorf. Urkunden Nr. 384. 1479 schickte Bern seinem Schultheifsen
zu Burgdorf den Befehl, die bresthaften Strafsen in Stand zu setzen. Bern, Deutsch.
Brief buch D S. 209.
* So 1490, wo sie die Fuhrleute der nach Genf und Lyon handelnden Kauf-
leute von Aarberg nach Bern zogen. Bern, Deutsches Brief buch G S. 111 u. 114.
« Urkunden Nr. 304.
494 Dreiundvierzigstes Kapitel.
Dieser Weg war für Zürich von Vorteil, der „alte" aber für fast die
gesamte Eidgenossenschaft, da sie ja seit 1415 die Herrin der Grafschaft
Baden war. Auf den Tagsatztingen von 1479 bis zum Ende des Jahr-
hunderts steht fast stets der Streit um den Klotener Zoll auf der Ordnung.
Und Zürich kämpfte um so hartnäckiger, da die deutschen Städte, Nürn-
berg voran, die benachbarten Grafen und Herren, wie die österreichischen
Vögte sich für eine Geleitslinie erwärmten, die zu Stande kam.
Dieser Weg, der besonders für das Gut, das gen Genf und in das
Welschland geführt wird, bestimmt war, begann bei Gögglingen an der
Donau, dicht oberhalb Ulm und führte im Geleite der Landvogtei
Oberschwaben über Biberach , Buchau , Saulgau nach Ostrach. Dort be-
gann das gräflich werdenbergische Geleite. Von Pfullendorf bis Schaff-
hausen führte der Weg im Geleit der Grafschaft Nellenburg über Stockach,
am Fufse des Hohentwiel vorbei. Im Geleite der Grafen von Sulz end-
lich stand die Strecke SchafFhausen-Kaiserstuhl. Dort begann das Geleit
der Eidgenossenschaft. Die Städte hatten das lebhafteste Interesse für
diese Strafse an den Tag gelegt, vor allem Nürnberg ^
Von dieser Route weicht nicht unerheblich diejenige ab, die Ürtel
1521 als die gewöhnliche zwischen Nürnberg und Genf bezeichnet. Das
Stück bis Buchhorn (Friedrichshafen) ist schon oben besprochen. Die
nächsten Stationen Meersburg, Konstanz, Steckborn, Stein, Schaffhausen
folgen dem Rheine; von Schaffhausen ab wird über Lottstetten, Rafzer-
feld bis Kaiseratuhl jene Linie verfolgt. Dann nennt Örtel „zum Neuen-
haus", ich kann das nicht identifizieren, da aber unmittelbar Baden folgt,
nehme ich an, dafs nicht die Strafse durch die Jurapforte gewählt wurde,
sondern der Jura direkt über Ehrendingen überstiegen wurde. Es folgen
Hellingen, Lenzburg, Aarau, Aarburg und Murgenthal; dann ist die süd-
lichere Linie über Burgdorf festgelegt durch die Ortschaften : Langenthai,
Riedwyl, Wynigen und Burgdorf^.
Während das Schweizer Gebiet sicher war, ist die Fortsetzung
aufserhalb des Gebietes der Eidgenossenschaft wiederholt durch Räubereien
unsicher gemacht worden. Ein Überfall von 1407 an Nürnbergern und
> Vgl. Eidgen. Abschiede 3, 1, 39. 135. 218. 305. 471. 477 (der Vertrag vom
2. April 1495). 533. Aufserdcm sah ich in Luzern den. Abschied eines Konstanzer
Tages von 1489 und andere darauf bezügliche Schriftstücke. Auf dem Konstanzer
Tage standen noch die Forderungen der Geleitsherren dem, was die Kauf leute ge-
währen wollten, entgegen. Femer Nürnberg, Kreisarchiv, Brief b. 41 Fol. 164 (1490),
43 Fol. 147. Bern, Deutsches Brief buch A, 479 (Ulmer Kauf leute, die ihrer alten
Grewohnhcit nach, nach Genf auf die Messe gingen, wurden in Kloten belästigt 1464).
Vgl. Geering S. 196. Herzog, Zurzacher Messen 25 ff.
^ Mitteil. a. d. germ. Nationalmuseum 1896 S. 82. Auch diese Strecken Konstanz-
Schaff hausen-Kaiser&tuhl-Baden, Langenthal-Burgdorf-Bern und Genf-Nantua-Lyon
konnte ich auf der Karte nicht mehr eintragen.
Verkehr von der Rhonemündung zum Bodensee. 495
Luzernern ist schon oben berichtet. 1409 wurden abermals mehrere
Fässer mit Sensen, Eigentum Nürnberger Kaufleute, bei Schaff hausen
angehalten*. Der gröfste Überfall geschah 1441, als am 30. Mai Ulmer,
Nürnberger und andere Kaufleute von der Genfer Pfingstmesse heim-
kehrten. In der Nähe von Stein und unterhalb war der Rhein längst
nicht sicher; dieses Mal griff eine Schar von Adligen zu, sie bedienten
sich schneller Schiffe und nahmen den Kauf leuten so viel ab , dafs sie
50 Pferde brauchten, um die Waren, die Konstanzer Chronisten auf
20000 fl. schätzten, auf einige nicht allzu entlegene Burgen zu bringen.
Waren im Werte von 100000 fl. hatten die Kaufleute glücklicherweise
noch in Stein liegen. Diese That führte 22 Städte zu einem Bündnisse
zusammen. In einem Kriegszuge in das Hegau wurde Rache an den
Räubern genommen und zwei ihrer Burgen gebrochen-.
Ein freches Stücklein führte Rudolf von Ems 1461 an einem Kaufmann
Gienger (ob Ulmer oder Münchner?) aus, der seine „Genfer Kaufmann-
schaft" von Fufsach aus durch einen Schiffmann nach Lindau bringen
liefs. Rudolf hatte sich in Lindau ein Schiff geben lassen, auf dem See
griffen seine Knechte zu den Rudern und fuhren dem Kaufmann nach,
den sie ereilten, sie zwangen die Schiffleute ans Land zu fahren und ver-
eidigten sie, nicht von dem Raube und der ünthat zu reden. Schliefs-
lich hatten sie aber dem Kaufmann nur 4 fl. genommen^.
1463 wurden Nürnberger, die vielleicht von Genf kamen, auf dem
oberen See bei Hagnau beraubt und das Gut auf den Hohentwiel geführt*.
Die Nürnberger drohten, sehr zum Leidwesen von Konstanz, diesen Weg
ganz zu meiden. Eine nicht geringe Aufregung riefen unter den Eid-
genossen Einige von Schwyz und Glarus hervor, als sie, um einer Ansprache
wider Herzog Albrecht von Bayern willen drei Bürger von München
gefangen nahmen, die von Lyon zurückkamen, und noch ärgerlicher
wurde ihre Stimmung, als im nächsten Jahre 1502 an der gleichen
Stelle im Bereiche des Thurgaus, also auf eidgenössischem Boden (bei
Berlingen-Mannenbach am üntersee), ein Vetter des Münchner Kaufmanns
Andreas Gienger festgenommen wurde und dieser Gienger versorgte doch
die Eidgenossenschaft mit Salz und Stahl*.
' Urkunden Nr. 380.
« Das Quellenmaterial Fürstenb. Urkb. 6, 355 und 362—381. Ruppert,
Chroniken 210 u. 217. Darstellung bei Albert, Gesch. v. Radolfzell 157 fr. Nach
Baader, Nürnbergs Handel 8. 111 waren Conz Ruprecht 6 kl. Ballen mit Papier,
Fritz Krefs 5 kl. Ballen und 1 Truhe mit Buchsbaumkämmen, 900Künlein, 360 Kröpf-
und Geisfellen und 4 Luchs, Lorenz Fleischmann 9 kl. Ballen Papier und ein Läd-
lein mit einer halben Mark Geldes genommen.
' Mitteilung Heyds aus den Konstanzer Missivbüchem.
* Aus gleicher Quelle.
•^ Eidgen. Abschiede 3, 2, 125. 128. 129. 193. 211. 230. 234. 243 u. 246.
496 Dreiundyierzigstes Kapitel.
Alle Räubereien am Oberrhein zusammenzustellen, wäre nicht so
leicht. Ich wähle einige mir bekannt gewordene Fälle aus^ wo Italiener
die Opfer waren.
Die Beraubung eines Genuesen, der ein regelmäfsiges Transport-
geschäft von Flandern bis Strafsburg betrieb, wird uns aus der Mitte
des fünfzehnten Jahrhunderts gemeldet ^ Eine weitere betrifft zwei vor-
nehme Genuesen aus den Häusern Spinola und Doria, die vielfach zu
Land nach den Niederlanden reisten, wo es eine starke niederländische
Kolonie gab^. An Francesco Doria und Cristoforo Spinola hatte sich
auf ihrer Heimreise von London und Brügge auch ein Bürger von
Alessandria angeschlossen. Als sie in der Grafschaft Pfirt ritten, wurden
sie von dem Vogt zu Landser, einem Rate des Erzherzogs Sigmund von
Österreich auf Veranlassung des österreichischen Landvogtes Wilhelm
von Rapoltstein in Ottmarsheim gefangen gesetzt, und trotz aller Ver-
handlungen blieben sie in Haft, bis es ihnen gelang, während der Krank-
heit des Schultheifsen von Landser sich in den Graben hinabzulassen
und zu entfliehen^. 1425 wurde ein deutscher Läufer, der von Genua
nach Brügge vier Bündel Silber- und ein Bündel Golddrath im Werte
von 525 a, Eigentum des Simone Giustiniani, Paolo Spinola und Battista
Stella und nach Brügge und London bestimmt, brachte, im Gebiete des
Herzogs von Jülich und Berg, angehalten und seine Packete als Waren
von Venedig und England, gegen die Repressalien erlaubt seien, weg-
genommen^. Auch auf dem rechten Rheinufer begegnen uns Genuesen.
Zwei ungenannte Genuesen wurden 1438 von Walther Riffe auf des
Reiches Strafse niedergelegt und auf die Schauenburg geführt^.
Mailänder und Comasken, die mit ihren Waren auf dem Rheine
fuhren, wurden 1490 auf badischem oder speierischem Gebiete von Jakob
von Windeck, einem Diener des Kurfürsten Philipp von der Pfalz an-
gehalten und festgenommen. Der KurfUrst wie der Markgraf Christoph
von Baden beriefen sich auf kaiserlichen Befehl, der auf Grund der
Klagen eines Engländers gegen Mailänder Kaufleute Repressalien an-
geordnet habe. So hatte Heinrich VU. von England Veranlassung, die
Frage aufzuklären, der englische König selbst hatte ein Jahr vorher alle
mailändischen Kaufleute in seinen Schutz genommen^.
Ein sehr interessantes Dokument hat uns der Konstanzer Stadt-
' Unsere Urkunden Nr. 262.
« Vgl. Urkunden Nr. 303.
> Urkunden Nr. 292 und weitere Nachrichten aus dem Luzemer Kantonsarchiv.
Urkunden Nr. 113. Rapoltstein. Urkb. 5 Nr. 688. 692. 693. 697 u. 720.
* Unsere Urkunden Nr. 449.
» Unsere Urkunden Nr. 333.
« Vgl. unsere Urkunden Nr. 118 u. 119.
Verkehr von der Rhonemündung zum Bodensee. 497
Schreiber Schultheifs in seinem Formelbuche erhalten, aus dem hervor-
geht, dafs die Mailänder Kaufmannschaft 1391 einen Geleitsbrief des
Burggrafen von Nürnberg besafs; freilich wurde ein mailändischer Waren-
führer gefangen und beraubt, Konstanz sollte sich dafür interessieren*.
Dem Comasken Jakob von Miindriz (wohl Mendrisio) wurden 1353
dreizehn Fardel in Strafsburg vom Meister und Rat beschlagnahmt*.
Auch Lucca kann in dieser Zusammenstellung nicht fehlen. 1393
wurde im Elsafs Gut zweier Lucchesen zu unrechter Weise zugleich mit
Florentiner Gut niedergeworfen^. Ein Überfall von Florentinern ist mir
nicht bekannt geworden, obwohl doch auch sie den Landweg benutzten*.
Auch Venetianer erscheinen in der Liste der Beraubten. So wurde
1479 ein Giustiniani unmittelbar bei Aachen angefallen '^.
Auch Kaufleute von Aragonien (wohl aus Barcelona) kamen
an den Oberrhein. Der Brief Kaiser Friedrichs an die Stadt Konstanz
von 1449 giebt freilich nicht den Ort an, wo diese Kaufleute unter
Beihilfe von Konstanzern beraubt sein sollen; da Konstanzer vielfach in
Spanien handelten, kann sich das auch dort abgespielt haben ^.
Unter den Messen nehmen die Pfingst- und St. Verenamesse (1. Sep-
tember) von Zur zach einen eigentümlichen Platz ein. Sie fanden nicht
in einer Stadt statt, sondern in einem offenen Flecken, sie erinnern so-
mit an die Jahrmärkte des Frühmittelalters und die Verenamesse macht
uns sofort den Ursprung aus dem Zusammenströmen an dem Heiligen-
feste einer angesehenen Kirche und des damit verbundenen Klosters
klar. Sie werden zwar erst 1363 erwähnt und ihre Dauer wurde erst
1408 auf je drei Tage verlängert, gleichwohl hatten sie wohl schon um
1400 eine hohe Handelsbedeutung. Die Anwesenheit von Italienern ist
für das Mittelalter zwar nicht zu belegen, aber wohl die italienischer
Waren. Ich zweifle aber nicht, dafs auch fremde Kaufleute auf den
von der Eidgenossenschaft sorgfältig gepflegten Messen ihren Handel be-
trieben, und dafs die Worte Andreas Riffs, dafs eine „stattliche Summa
Waren aus England, Niederland, Frankreich, Lothringen, Burgund, Italien
und ganz Deutschland hingeführt und verhandelt werde", auch für das
ausgehende Mittelalter zutreffen. Der Verkehr wuchs so, dafs das alte
' Mone, Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 4, 32.
2 Urfehde Strafsb. Urkb. 5, 254. Der Ritter Wengelin v. Wangen nahm
1355 einem Bürger aus Rheims Waren im Werte von 165 Schildgoldfl. fort. Ebda.
5, 808. 1364 wurden Lausanner Bürger mit Gänsefedern (8 Centner) im Strafsburgischen
beraubt. Ebda. 5, 486.
^ Unsere Urkunden Nr. 318.
* So 1517. Eidgeu. Abschiede 3, 2, 1089.
"^ Unsere Urkunden Nr. 451.
<* Ruppert, Chroniken 373.
Schulte, Gesch. d. mittelalterl. Handels. I. 32
498 Dreiundvierzigstes Kapitel.
einer Familie von Klingnau gehörige Kaufhaus nicht mehr genügte,
sondern 1479/80 ein eigenes Kaufhaus gebaut wurde. Hauptsächlich
wurde mit Leder (auch Pergament), Tuch und Pferden gehandelt, doch
fehlten gewifs auch Spezereien , Pelzwerk , Eisenwaren und die andern
im sechzehnten Jahrhundert genannten Waren nicht ^.
Einen Teil dieses lebendigen Verkehrs suchten benachbarte Orte wie
Baden, Zürich, Klingnau und Waldshut für sich abzufangen, indem sie
sich Jahrmärkte erwirkten, die sich an einen der Zurzacher anschlössen.
Einen Schuldzahlungstermin, der auf einen dieser Jahrmärkte gestellt
wurde, habe ich nicht gefunden.
Über die einfachen Jahrmärkte erhoben sich auch die von Konstanz ^
und Ulm® nicht, wohl aber die Nördlinger Messe, die in Schwaben und
Bayern eine grofse Qeltung hatte ^. Italiener kann ich nicht nachweisen,
doch fehlt es auch an einer Specialuntersuchung. Auf dem Nördlinger
Archive habe ich nicht gesucht.
Die Strafsburger Messen, die Ludwig von Bayern 1336 verlieh,
hatten eine grofse Bedeutung; der Zudrang zu ihnen mufs nach allen
Zeugnissen sehr erheblich gewesen sein und es ist wohl nur ein Zufall,
dafs wir auf ihnen Italiener nicht nachweisen können. Ursprünglich
wurde sie vierzehn Tage vor und vierzehn Tage nach Martini abgehalten,
also vom 28. Oktober bis 25. November^, sie kollidierte aber mit der
Genfer Simon- und Juda-Messe, die am 28. Oktober begann und acht
bis zehn Tage dauerte. Vielleicht hat das die 1414 erfolgte Verlegung
auf die entsprechende Zeit vor und nach Johanni herbeigeführt®; die
Stadt Strafsburg liefs die Messe als eine freie und zolllose durch Bürger
auf den andern Messen von Halle zu Halle verkünden ^.
An Bedeutung überragte alle süddeutschen Messen die von Frank-
furt. Die alte Messe wurde 1349 zwischen Maria Himmelfahrt (15. August)
und Maria Geburt (8. September) gehalten, 1384 wurde sie bis 15. Sep-
tember ausgedehnt, seit 1406 wieder verkürzt, wie überhaupt die Ter-
mine vielfach sich verschoben. Die jüngere 1330 verliehene Messe war
^ Vgl. Hans Herzog, Die Zurzacher Messen, Separatabzug aus dem Taschen-
buch der historischen Gesellschaft 1898.
'^ 1417 von Siegmund aus Dank für die Haltung der Stadt in der Ronzilszeit
von einem Jahrmarkt zu einer Messe erhoben. Alt mann 2639.
• 1429 eine zweite verliehen: 8 Tage vor und 8 Tage nach Christi Himmelfahrt.
* Mit den ntmdinis in Werde (Donauwörth) zuerst 1219 erwähnt, wo der Handel
schon bedeutend gewesen sein mufs. Urkunde F. II 6 1219 November 8. Böhmer-
Ficker Nr. 1069.
» Strafsb. Urkb. 5, 73 u. 993.
« Altmann, Reg. 974.
"^ Urkunde von 1415 März 17 bei B rucker, Zunft u. Polizeiverordnungen S.842.
Deutsche und italienische Messen. 499
mit den betreffenden Festen des Kirchenjahres beweglich, sie fiel in die
Fastenzeit von Oculi bis Judica und auch sie erlebte Änderungen, ins-
besondere näherte sich ihr Endtermin mehr Ostern *.
In den Rechenbüchern der Stadt erscheint eine Ausgabe von Geleit
für Venedig zuerst 1367, für Mailand zuerst 1389^, aber damit ist der
Anfang des Handelsverkehrs nicht erwiesen. Von Waren wird Mailänder
Barchent^ ausdrücklich genannt.
£s ist hier nicht der Ort, die Bedeutung dieser Messen zu schildern,
es waren die ersten Messen internationaler Bedeutung, die in einer
deutsch redenden Stadt abgehalten wurden. Der Spanier Tafur bezeichnet
sie als ganz gut, wenn sie auch nicht mit der Antwerpener verglichen
werden könne ^. Ganz Südwestdeutschland regulierte seinen Handel nach
Frankfurt und aus allen Städten zogen Karawanen zu den Messen, die
der Termin für vielfache Geldzahlungen waren. Vor und nach der Messe
waren die Strafsen von den Reisenden gefüllt. Auch nach Norden hin
dehnte sich das Gebiet mehr und mehr aus, bis im sechzehnten Jahr-
hundert die Frankfurter Messen ihre höchste Blüte erlebten*. Dem Ver-
such, den die süddeutschen Städte machten, die Messen von Frankfurt
nach Mainz zu ziehen, trat Kaiser Siegmund entgegen^.
Natürlich suchten andere Reichsstädte Frankfurt, Strafsburg und
Nördlingen den Rang abzulaufen: 1310 wurde Hagenau privilegiert,
Wetzlar 1318, Heilbronn gar mit einer dreiwöchentlichen, Neustadt a. d.
Hardt"^; es kamen hinzu Nürnberg, EfsHngen, Rotenburg, Ulm, Kon-
stanz u. s. w. Aber das Liebesmühen war für den internationalen Ver-
kehr umsonst, selbst die von Nürnberg kam trotz der Vorzeigung der
Heiltümer des Reiches über eine nationale Messe nicht hinaus^.
Von den italienischen Messen sind hier zwei zu nennen. In der
Lombardei hatte die gröfste Bedeutung die in Crema vom 25. Sep-
tember ab fünfzehn Tage an dauernde Messe. Nur sie führt darum auch
DaPHerba an. Jedoch auch die Messe von Arona, welche am 1. Juni
stattfand, hat nach den Mailänder Statuten einen lebhaften Handel ge-
sehen, und ausdrücklich wird dabei gesagt, dafs Waren *de Älamannia
seu Francia seu Birineona^ über den Lago Maggiore nach Arona gingen
^ Vgl. das Nähere bei Krieg k, Frankfurter Bürgerzwiste u. Zustände 298—801.
« Kriegk 526.
8 Kriegk 315.
* Tafur 261. Häbler 517.
6 Bücher 1, 502— 506. Geering 190 ff.
• Altmann 8324. 8648 zu 1431.
' Schöpflin, Als. dipl. 2 Nr. 853. Reg. Lud. d. B. Nr. 333. 1548. Winkel-
mann, Acta imp. 2 Nr. 653.
8 Roth 4, 362—70. Vgl. auch Gengier, Stadtrechtsaltertümer 182.
32*
500 Vierundvierzigstes Kapitel
und für die Mefszeit siedelte der Zoll von Angera nach Arona über*.
Andere Märkte sind an anderer Stelle erwähnt.
Vierundvierzigstes Kapitel.
Die EinfDhmng der Posten.
Technische und tcirtschafüiche Vorbedingungen, Mailänder Posten. Erste Encähmmg
eines Taxis. Stafetten^ug über den St Gotthard, Änderungen, Niederländisch -tiroler
Baute. Verträge mit Franz von Taxis, andere Nachrichten. Einrichtung. Wann wurden
diese Stafettenzüge unrkliche Posten? Erste Benutzung durch das Publikum. Linien in
der Eidgenossenschaft, Zustände 1608. Die Schiceiz umgangen. Cluirakteristik der Baute
von 1500. Bedeutung von BlieinJiausen.
Die schweizerischen Alpen passe haben endlich in der von uns be-
handelten Periode noch die wichtigste Vorstufe der Posten gesehen, wenn
sie auch weder diese noch die Posten selbst dort einbürgern konnten.
Ich mufs hier das schwierige Kapitel der Entstehungsgeschichte dieser
Verkehrsorganisation streifen *.
Die entscheidende Wendung in der Entstehung des Postwesens liegt
meines Erachtens in der Verbindung einer technischen Verbesserung des
Briefbestellungswesens mit einer wirtschaftlichen Mafsnahme, die den
Zweck der Einrichtung veränderte. Schon die Einführung von Relais
für den Pferdewechsel der reitenden Boten eines Herren, einer Stadt
oder einer Körperschaft war eine erhebliche Beschleunigung des Verkehrs.
Aber noch immer blieb, wie bei den heutigen Feldjägern und Kabinetts-
kurieren, der Vertrauensmann mit seinem Transportobjekte vom Ab-
sender bis zum Empfänger zusammen, vom Aufgabeorte bis zum Ziele
ist der Begleiter des Felleisens dieselbe Person, noch ist sie imstande,
auch mündliche Bestellungen zu machen. Technisch entscheidend war
die Einführung des Wechsels auch bei den Boten. Der Parforceritt
eines einzigen Boten war auch beim Pferdewechsel für lange Strecken
unausführbar. Die physische Erschöpfung, die den Reiter ergreifen
mufste, war die Grenze der Schnelligkeit. Solche Parforceritte blieben
auch später eine Auskunft für die Not, für alle Fälle, wo das Wort er-
gänzend zum Briefe hinzutreten sollte, ein Sport für die Söhne der Kauf-
1 Statuta Blatt 154 u. 155.
' Zur Entstehungsgeschichte der deutsch-niederländischen Posten vgl. vor allem
Rübsam, Joh. Bapt. von Taxis, und ders., Zur Gesch. des Intern. Postwesens.
Hist. Jahrb. 13, 15—79. Hub er, Gesch. Entwicklung des modernen Verkehrs u.
Besprechung von Rübsam. Hist. Jahrb. 15, 823—885. Postgeschichtliches aus der
Zeit Maximilians I. A rc h i v f. Post u. Tclegraphie 23, 46 ff. (1895). Ferner meine Aus-
fuhrungen: Zur Entstehung des deutschen Postwesens in Beil. zur Allgem. Zeitung
(München) 1900 Nr. 85. Während des Druckes geht mir auch noch Rübsam, Aus
der Urzeit der modernen Post (1425—1562) Histor. Jahrb. 21, 22-57 zu.
Die Einführung der Posten. 501
herreD, wie etwa Jakob Krawfs 1494 für Herzog Albrecht von Sachsen in
vier Tagen lO^/i Stunden von Nürnberg bis Venedig ritt *. Ein weiterer
Fortschritt wurde erreicht und die Schnelligkeit auf das höchste Mafs
gesteigert, wenn jeder Knecht nur soweit ritt, als er in voller Frische
war. Der Wechsel der Reiter war die technische Vorbedingung der
Post. Jetzt wurden nicht allein Pferderelais, sondern auch Menschenrelais
geschaffen. Bei dem neuen System erfolgte ein Wechsel von Pferd und
Boten, das Felleisen wanderte von Hand zu Hand. Statt einer Ver-
trauensperson entstand eine Kette von solchen. Der Absender mufs auf •
mündliche Mitteilungen verzichten, er kennt nicht mehr alle Träger seiner
Botschaft. Er mufs sich auf den Unternehmer verlassen. Die Boten
sinken in ihrer Qualität, aber der Unternehmer wird wichtiger, als je es
früher ein Briefträger hat sein können, und auch jetzt durften die Boten
keine Analphabeten sein.
Das Mittelalter besafs längst Botenanstalten. Klöster, Universitäten,
Kaufmannschaften und Städte hatten solche. Und wenn auch der Fufs-
bote am Ende des Mittelalters vielleicht dem Reitenden Platz gemacht
hatte, die Einrichtung von Relais ist für diese Anstalten nicht erwiesen ^.
Doch halte ich für die Verbindung von Nürnberg bezw. Augsburg mit
Venedig und für die von St. Gallen mit Lyon und Nürnberg, beides
höchst achtenswerte Leistungen, das Vorhandensein von Pferdewechseln
für sehr wahrscheinlich®. Der Ritt des Jakob Krawfs ist ohne unterlegte
Pferde nicht denkbar. Die Entfernung beträgt in der Luftlinie mehr als
450 km. Bis zum Beweis des Gegenteils halte ich aber den Wechsel
der Reiter, mindestens die regelmäfsige Organisation des Wechsels für
unwahrscheinlich.
Die Botenanstalten der Städte und Körperschaften haben nicht die
technischen Vorbedingungen des Postwesens geschaffen, aber auf sie geht
die zweite Bedingung zurück.
Ihre Boten nahmen nicht allein die Briefe desjenigen mit, der sie
angestellt hatte, der städtische Bote also nicht allein die Briefe des Rates,
* Er wollte es in vier Tagen erreichen und erhielt für jede weitere Stunde
einen Abzug. Archiv f. Post u. Telegraphie 15, 26. Auch Mit teil. a. d. germ.
Nationalmuscum 1. 255. Dort steht Kress, hier Krawfs.
" Vgl. Strafsburger Botenordnung im Strafsb. Stadtarchiv, Ordnungen Bd. 17.
Lop er, Das Boten wesen und die Anfänge der Posteinrichtungen im Elsafs. Archiv
f. Post u. Telegr. 4, 197—204. 231—241. Fuchs, Zum Nachrichten- und Verkehrs-
wesen am Oberrhein und Bodensee. Ebda. 14, 417 — 29. Urkunden über Botendienst
und Postwesen im Elsafs. Ebda. 14, 673—686. Urkunden zur Gesch. d. Postwesens
im Elsafs. Ebda. 16, 756.
• Die Botcnaustalten von St. Gallen (nach Nürnberg über Lindau, Eavensburg,
Ulm, nach Lyon über Zürich, Aarberg, Murten und Genf) verdienten eine nähere
Untersuchung. Ich kenne nur abgeleitete Darstellungen wie Bavier 130.
502 Vierundvierzigstes Kapitel.
sondern auch die der Bürger und der gemeinnützige Zweck dieser An-
stalten tritt darin deutlich hervor. Diese Besorgung von Privatbriefen
erfolgte nicht unter Garantie des Herren, sondern war ein Privatabkommen
zwischen dem Briefschreiber und Boten. Die Herren setzten dann freilich
Taxen fest. Diese Ausdehnung der Thätigkeit der Boten reduzierte ihre
Zahl, füllte dafür die Felleisen.
Die Posten kamen zu stände in dem Augenblicke, als die Stafetten-
reiter auf den organisierten Routen auch andere als Briefe des Herren
der Route annehmen oder die für die Stafettenreiter vorgesehenen Relais-
pferde auch anderen Personen zur Reise gestellt wurden. Aus dem
ersteren erwuchs die Briefpost, aus dem zweiten die Personenpost In
dem Stafettenwesen war zunächst eine Verbindung zweier weit getrennter
Personen erstrebt. Die Reiter trugen einen verschlossenen Sack, der
nicht geöffnet wurde. In der wirklichen Post aber wurde der Sack auf
wichtigen Stationen geöffiiet und neue Briefe hineingelegt, andere, die ihr
Ziel erreicht hatten, herausgenommen ; zu den Staatsbriefen gesellten sich
die von besonders begünstigten Privaten. Sobald das geschah, kann man
von einer Post reden, die Fixierung der Abgangs- und Anfangszeiten,
der Tarife, die Gröfse des Betriebes u. a. sind meines Erachtens neben-
sächlich.
Dynastische Stafettenrouten sind in Spanien, Italien und Frankreich
zuerst erwiesen. Die französische Ordnung von 1464 verbietet den
Kurieren die Mitnahme eines fremden Briefes bei Todesstrafe. Stärker
als das Gebot war das Bedürfnis; in der Ordnung von 1495 findet sich
das Verbot nicht mehr.
Auch in Italien fand das spanische Beispiel Nachahmung. Schon
1425 war im Mailändischen eine Kette von herzoglichen Relaisstationen
vorhanden. Am Schlüsse eines Briefes des Herzogs Filippo Maria
Viscontis heisst es: ^Porteniur die noctugue celeriier per cavaUarium
pobiarum sub pena fiircarum^. Die Entfernung, die der Brief zu durch-
laufen hatte, war nur eine kurze von Bereguardo bis Piacenza^, aber
schon das Formelhafte der Meldung, die gewohnheitsmäfsige Androhung
der Galgenstrafe, die sich auch in den deutschen Postakten ältester Zeit
findet, beweist, dafs es eine regclmäüsige Institution war. Noch eiliger
hatte es der Herzog 1427, da lautet der „Leitvermerk** : i^Porteniur die
noctugue, non celeriier, sed fulminantissime per cavaUarium postarum sub
pena mille furcarum*. Sieben Gtos sollen noch weiter zur Eile treiben*.
Die Reiterkette trug nicht allein die Briefe von und an den Herzog,
auch die Briefschaften der Höflinge. So schrieb der Bruder eines
1 Osio 2, 163. Luftlinie 57 km.
« Oslo 2, 342.
Die Einführung der Posten. 503
Familiären an diesen von Perugia aus und fügt hinzu: T^Consignentur
officiali bulletarum Parme^ qui eas det Galeaz (dem Adressaten) in tnanibiis
propriis aui mittat eas ad Franciscum Barhavariam per caballarios
postarumy qwa important etc.<' ^ Pertile schliefst daraus, dafs diese Posten
bereits vom Publikum benutzt werden konnten; mir scheint dieser Schlufs
zu weit zu gehen, es handelt sich noch immer nur um den Hof^. Die
Posten in diesem Sinne waren also schon unter den Visconti vorhanden
und sind nicht etwa eine Einrichtung Francesco Sforzas. Nicht in den
italienischen Stadtrepubliken erstand die Post, sie erwuchs auf dem Boden
der dynastischen Staaten, die mächtigste Signorie ging voran, und dieses
italienische, nicht das spanische Vorbild fand Nachahmung, wir haben
keine CorreoSy sondern Poste.
Wann tiberschritten sie aber die Grenzen des Gebietes von Mailand?
Das war schon 1491 der Fall, denn in diesem Jahre erscheint Jan
von Taxis bereits als Postmeister in Innsbruck®. Man kann also ver-
muten, dafs damals schon eine Relaiskette über den Brenner ging
und vielleicht hat jener Krawfs ihre Pferde benutzt. Durch ein neues
Aktenstück wird die Anstellung Zanettos bis 1488 zurückgerückt* und
zu 1490 erzählt eine Memminger Chronik ihre Einführung*. Deutlicher
ist die Einrichtung der ältesten Gotthardlinie zu erkennen. Als König
Maximilian am 9. März 1494 sein Beilager mit Bianca Sforza, der
Schwester Johann Galeazzos, gefeiert hatte, beschlofs dieser, nach
dem Muster seiner andern Posten, deren Geschicke leider noch nicht
aufgeklärt sind, eine Stafettenverbindung mit dem Hofe Maximilians
herzustellen und gab am 20. Juni 1494 an den Capitaneo von Lugano
den Befehl, für eine Relaisstation zu Tavernelle, also auf dem Monte
^ Oeio 2, 357.
2 2, 1, 501.
• Redlich, Vier Poststundenpässe 499.
^ Rübsam, Hist. Jahrb. 21, 26 nach Figini, I Tassi ed i feudi di Rachel.
* Nach Dr. Miedel in Memmingen, dem ich die Kenntnis dieser Quelle verdanke,
beruht die Handschrift des siebzehnten Jahrhunderts auf älterer Grundlage. Der
Bericht hat auch innere Glaubwürdigkeit und hebt so vorzüglich das Neue in der
Technik hervor, dafs ich die Stelle hierher setze: »1490. In diesem Jahr fiengen die
Posten an bestellet zu werden aus Befelch Maximtliani L defs Römischen Königs, von
Österreich bifs in Niderland, in Frafücreich und hifs n acher Born, Es lag älltveg 5 Meü
uregs ein Post von der andtm. Einer war zu Kempten^ einer zu Blefs, eitler an der
Brück zu Elchingen und also fortan imerdar 5 meil wegs von einander und must alweg
ein Pot des andern warten fmd so bald der ander zu ihm ritt, so bliefs er ein hörvMn^
das hört ein bott der in der Herberg lag und must gleich auf sein. Einer muste aJie
Stund eine Meil^ das ist 2 Stund weit reiten ^ oder es war Htm am Lohn abzogen, vnd
musten sie reiten Tag und Nacht. Also kam offt in 5 Tagen ein Brieff von hier bifs
nacher Rom,* 1500 waren die Postwechsel in Söflingen, also nicht ö., sondern w. von
Ulm, in Plefs, an einem unbekannten Orte und dann zu Leermoos.
504 Yierundvierzigstes KapiteL
Cenere, ein Haus einzurichten^. Die Einrichtung ist also ausgesprochen
dynastischen Interessen entsprungen, sie will eine Verbindung zwischen
zwei Höfen herstellen. Maximilian weilte im Juni in Köln und brach
am 2. Juli nach Brabant auf, es ist also begreiflich, dafs der Stafetten-
zug über den St Gotthard gelegt wurde.
Der Hof Maximilians wechselte aber seinen Aufenthalt, es ergab sich
somit von dem Augenblicke, da Maximilian mehr Innsbruck bevorzugte,
dafs die Gotthardlinie ein Umweg war. Und in der That finden wir 1496,
wo Jan von Taxis abermals als Postmeister erscheint^, Innsbruck als den
Endpunkt der mailändischen Linie. Die in Betrieb befindliche Eoute
ging über das Wormser Joch, wurde aber aufgehoben, wie schon vorher
ihre Fortsetzung über Augsburg und Worms aufgelöst war*. Nach der
neuen Bestimmung sollte sie von Mailand auf Chur und Feldkirch gehen
und dann einmal nach Innsbruck sich wenden, das andere Mal über
Lindau nach Worms *. Jene Route war unzweifelhaft dynastischer Inter-
essen halber da, auch wohl diese. Aber die Bestimmung, dafs der Lauf
regelmäfsig und nicht nach Bedürfnis wechseln soll, ist doch zu beachten,
wie überhaupt hier bereits feste Termine sich finden.
Die grofse niederländisch-tirolisch-italienische Route ist zuerst 1496
wenigstens in einem Stücke erwiesen, in dem Teile von Augsburg nach
dem königlichen Hofe in Nauders im OberinnthaH. Ganz klar erscheint
die grofse Route in dem Poststundenpafs von 1500, mit dem Oswald Redlich
die Quellen zur Geschichte des Postwesens um ein hochinteressantes Stück
bereichert hat^. Am 25. März 1500 4 Uhr nachmittags ging das Felleisen
von Mecheln ab und wurde am 31. März 3 Uhr früh in Innsbruck ab-
geliefert, in fünf Tagen und elf Stunden hatte es den Weg von 764,1 km^,
also durchschnittlich in der Stunde 5,83 km gemacht. Es fanden dabei
siebzehn bis achtzehn Wechsel der Postboten statt.
Von 1505 datiert das Abkommen, das Philipp der Schöne mit Franz
von Taxis, der seit 1500 sein Hauptmann und Meister der Posten war,
über die Errichtung einer Stafettenverbindung zwischen den Niederlanden
^ »Hauendo noi deliberato mettere 1e poste tlei nostri cauallari per la via de Ala»
magnia da qui dlla Corte de serenissimo S. Be Maximüinno nostro cofjnato hofiorando
consueto farsi alli cauallari dele aitre nostre Toste*. Motta in Bell. stör.
della Sviz. it. 5, 79.
■ Redlich, Vier Poststundenpässe 499.
3 Rübsam 5. Huber S. 197. F. T. (Graf Taxis) in Neuen Tiroler Stimmen.
1891 Nr. 295 u. 296.
^ Rübsam o.
»^ Redlich 495 f
ö A. a. O. S. 497 ff. u. 502 ff.
' So die Berechnung von Redlich via Pforzheim, statt ihrer wäre eine Berechnung
via Enzweihingen zu setzen, eine nennenswerte Abweichung würde sich kaum ergeben.
Ik
Die Einführung der Posten. 505
(Brüssel oder Mecheln) mit dem Hoflager seines königlichen Vaters
Maximilian traf. Daneben wurden Linien festgelegt, die die Verbindung
mit dem französischen und spanischen Hofe bilden sollten, der Weg nach
Innsbruck sollte in 5^'2, im Winter in 6V2 Tagen zurückgelegt werdend
1507 waren auf der Route von Mecheln bis zum königlichen Hoflager in
Innsbruck oder Konstanz 45 Personen als »postes^ beschäftigt^.
Dieser Vertrag bekundet uns den Zweck der Posten, es ist eine
Einrichtung für den Herrscher, den Hof, seine Minister, seine Räte. Die
Posten sollen dem Könige schneller Nachrichten bringen und schneller
seine Briefe befördern. Die Endpunkte der Linien sind keine Städte,
sondern das wandernde Hoflager. Die weitzerstreuten Besitzungen, die
Philipp und sein Vater besafsen, sollten verbunden werden und es war
die erste Forderung der Staatsraison , eine solche Verbindung zwischen
den so grundverschiedenen Bestandteilen des habsburgischen Reiches zu
schaffen. Es ist noch eine Post für den Binnenverkehr innerhalb des
habsburgischen Hauses, die Verbindung mit dem französischen Hofe
führt darüber hinaus und auch die Verbindung mit Spanien ging durch
fremde Staatsgebiete.
Die Internationalität des Unternehmens tritt in dem neuen Vertrage,
den Karl I. (V.) 1516 schlofs, noch deutlicher hervor®. Es wurden nun-
mehr auch Rom und die spanischen Besitzungen in Italien herangezogen.
Graf Taxis hat aus den Raitbüchern der Tiroler Kammer eine Fülle
von Nachrichten gesammelt, die zeigen, wie oft die Kurse verlegt wurden.
Der Hauptzweck war und blieb die Verbindung zwischen Kammer und
Hof. Es erscheinen Stafettenlinien Hagenau-Innsbruck-Wien 1505, Inns-
bruck-Strafsburg, Innsbruck- Augsburg, Innsbruck-Breisgau, möglicher-
weise stets dieselbe Route (1507), Kaufbeuren, Öttingen, Augsburg und
Freiburg i. Br. sind 1511 Stationen oder Endpunkte. Eine Linie bestand
1506 zwischen Konstanz und Mecheln*. Das momentane Bedürfnis rief
eine Relaislinie hervor, die ebenso schnell wieder verschwand. Und Klar-
heit ist in diese älteste Postgeschichte so schwer zu bringen, weil die
Verwandtschaft der Herrscher wie der Postmeister ein unentwirrbares
Knäuel von Angaben schafft. Einigermafsen konstant ist nur die Linie
Niederlande-Innsbruck mit einer Fortsetzung nach Italien.
Die Einrichtung dieser Stafettenlinien hätte eine militärische und
eine staatliche sein können, die Stationen hätten sich mit Soldaten be-
setzen lassen. Das aber war nur für den geschlossenen Bereich der
habsburgischen Monarchien denkbar. Die Wege durchschnitten vielfach
> R üb 8 am 6 f., 175 f. Der Abdruck S. 188—197.
a Ar eh. f. Post u. Telegr. 23, 47.
» Rübsam 7 f. 201 ff. Abdruck 215—227.
* Rübsam im Hist. Jahrb. 21, 25.
506 VierundvierzigBtes Kapitel.
fremde Reiche und Gebiete und so kam die Anstalt in die Hände eines
Unternehmers, einer Familie, die neben den Rücksichten auf den Staat
doch auch die auf den Verkehr des kaufmännischen Publikums kannte.
Ich weifs nicht, ob die Tassis von ihrer Heimat Bergamo her, das ein
ziemliches Verkehrsleben kannte, mit der Kaufmannschaft in Fühlung
standen, genauer ist ihre Heimat wohl das völlig weltentlegene Valle
Brembana. Wie dem sei, sie waren nicht engherzige Beamte, sondern sie
hatten einen Sinn für die Bedürfnisse weiterer Kreise. Sie waren halb
Beamte, halb Unternehmer. Und, indem nun die Brüder und Vettern an
mehreren Höfen je das Amt des Postmeisters erlangten — und die Familie
mit dem Glücke des Hauses Habsburg wuchs und ihren Einflufs ebenso
weit ausdehnte, indem an fast allen Knotenpunkten des Verkehrs Taxis
Postmeister waren, bildete sie den ersten Weltpostverein, den Bund von
Postmeistern, die sämtlich dem selben Hause angehörten. Sehen wir die
Post als Grofsuntemehmen an, so war sie um 1520 ein Ring von Unter-
nehmungen, die sich die Arbeit und das Geschäft lokal teilen und die
sich bei den Anschlüssen zu helfen, das gröfste Interesse haben.
Die Taxis haben die Post nicht erfunden, aber immer wird man es
als eine hervorragende organisatorische Leistung ansehen müssen, wie
diese Italiener die Wirte aus allen möglichen Gebieten zu einer einheit-
lichen Organisation zusammenzubringen wufsten. Dem kaiserlichen Willen
hätten sich tausend Schwierigkeiten entgegengestellt, den geschmeidigen
Italienern, die ein Mischmasch von italienisch, französisch und deutsch
sprachen, gelang das Werk.
Doch wann sind diese Stafettenzüge der Habsburger und Sforza
Posten in unserem Sinne geworden, d. h. wann nahmen Postmeister Briefe
von Privatpersonen zur Bestellung an und wann stellten sie ihre Relais-
pferde auch Privatpersonen zur Verfügung? Ich glaube, man braucht
da nicht den Moment einzusetzen, wo sie das thun durften, mithin
rechtlich eine Post wurden, ich würde vielmehr in die Zeit die Entstehung
unserer Posten versetzen, wo das ohne viele Bedenken thatsächlich ge-
schah. Dem heutigen Postbeamten mag es bedenkh'ch erscheinen, gewisser-
mafsen den Mifsbrauch anzuerkennen, die Geschichte wird sich um die
Thatsache kümmern müssen, dafs die Post sehr wahrscheinlich eher vor-
handen war, als die Bestimmungen es gestatteten. Nicht die Verträge
der Herrscher mit den Taxis dürfen entscheiden, sondern der Gebrauch.
Die Verträge von 1505 und 1516 schweigen sich darüber aus, ent-
halten also mindestens kein Verbot ^ Die Instruktion für den Tiroler
' Im § 9 des Vertrags von 1516 ist die Post gegen (kostenlose) Inanspruch-
nahme seitens der königl. Agenten für nicht königliche Angelegenheiten gedeckt;
dies schliefst nicht aus, dafs die Posten auf Bestellung und Bezahlung auch für
Private laufen durften. Vgl. auch Räbsam 185 f. 206 f. 213.
Die Einführung der Posten. 507
Hofpostmeister Gabriel von Taxis von 1513 enthält die Bestimmung, dafs
„Parteiensachen" nur mit Genehmigung und Wissen der Kammer mit-
genommen werden dürfen. 1515 heifst es für die Linie Innsbruck- Verona,
dafs weder Kontrabande noch Parteiensachen angenommen werden dürften.
Der Staat hütete noch die Post, aber was verschlug ein Handelsbrief?
Erfahren wir mehr über den thatsächlichen Gebrauch als uns diese
wortkargen Instruktionen über den Willen der Herren sagen? Aller-
dings. Schon für 1500 läfst sich nachweisen, dafs ein Privatpacket mit
der Post ging. Der Bote von Rheinhausen schreibt in dem Poststunden-
passe an den von ihm mit dem richtigen Namen angeredeten Boten zu
Söflingen bei Ulm, es sei in dem Sack ein Päcklcin für Anton Welser,
ein Brief und zwölf Plappart, damit solle er einen Boten sofort nach
Augsburg senden, während die übrigen Briefe nach Innsbruck gehen.
Wenn Anton Welser mit Philipp dem Schönen selbst in Korrespondenz
stand und das Packet in diesen Briefverkehr gehört, ist allerdings eine
Benutzung der Post von Privaten nicht erwiesen.
Jan von Taxis erklärte 1508 der Republik Venedig, er habe den
Verkehr der Signorie mit ihren Gesandten in Deutschland und den Nieder-
landen treu und gewissenhaft besorgt und zählt fünf Gesandte auf ^ Sollte
dieser lange Verkehr auf einem besonderen Abkommen beruht haben oder
war es nicht vielmehr Gefälligkeit von Fall zu Fall?
Seit 1515 waren aber sicherlich die Postpferde auch andern Leuten
zugänglich, Lukas Rem ritt September 1515 „auf der Post" in sechs
Tagen von Antwerpen nach Augsburg, im Dezember machte er mit der
Post den umgekehrten Weg *. Beide Male ist die Zahl der von ihm ge-
rittenen „Posten" 23.
Das Geheimnis des Gewinnes der Taxis lag wohl sehr bald darin,
dafs sie eine staatliche Anstalt hatten, für die der Staat aufkam, in der
nebenbei gestatteten , langsam aufkommenden Benutzung für Private lag
der Gewinn. Stillschweigend wurde der Zweck der Posten verallge-
meinert. Ich glaube, man darf ruhig seit 1500 die taxisschen Posten
als Posten in dem von mir ausgeführten Sinne bezeichnen.
Sehen wir uns die für uns in Betracht kommenden Routen an, so
weit sie sich bis jetzt nachweisen lassen. Der Gotthard hat wohl eine
mailändische, aber keine taxissche Post gesehen. Die Post von Mailand
nach Chur-Lindau erscheint nur 1497, eine Fortsetzung ist mir nicht
bekannt geworden. Auch die die Alpen quer durchsetzenden Ver-
bindungen von Mailand und Innsbruck waren nur ephemer. Der
Schwabenkrieg hat sie natürlich vernichtet und es entwickelte sich von
^ Rübsam in Hist Jahrb. 21. 26 nach Figini.
« Greiff 18 u. 21.
508 Vierund\'ierzig8te8 Kapitel.
selbst, dafs die Eidgenossenschaft von der Post umgangen wurde. Der
politische Mittelpunkt der deutschen habsburgischen Lande war Inns-
bruck, das begünstigte den Brenner und die Eidgenossenschaft verlor
aus politischen Motiven den Postverkehr.
Zwar ist 1512 über die Errichtung von kaiserlichen Postkursen auf den
Tagsatzungen der Eidgenossenschaft verhandelt worden ; die Eidgenossen
wollten Maximilian freie Hand lassen * , doch ging der Kurs Innsbruck-
Zürich 1515 wieder ein^. Die Schweizer waren mit ihren lokalen Boten-
anstalten zufrieden und interessierten sich nicht für ein Unternehmen,
das centralistisch und monarchisch schien. Im Gütertransport hatten sie
neue Formen entwickelt, im Brief- und Personenverkehr versagten sie
sich der neuen Idee. Sie hielten an ihren alten Botenanstalten fest.
Erst seit 1693 trug der Gotthard wieder eine Post, die der Berner
Postregalpächter Beatus Fischer und die Züricher von Muralt ein-
richteten^. Über den Zustand der Verbindungen unterrichtet der
spanische Postmeister in Mailand, Ottavio Codogno in seinem Nuovo
itinerario, das mir in der Ausgabe von 1608 vorliegt. Er kennt einen
einmal wöchentlich gehenden Ordinariboten von Mailand nach Lindau,
der über den Splügen ging und dann über Chur und Werdenberg den
Bodensee erreichte*. Von diesem Wege ein wenig abbiegend ging auch
ein Fufsbote bis Plurs im Bergell. 1627 war die Postverbindung Sache
der Stadt Lindau, die vier Bürger zu Ordinariboten verordnet hatte, von
denen alle Woche einer nach Mailand ritt, der die Briefe, aber auch die
Passagiere beförderte; wie umgekehrt wöchentlich ein Mailänder in
Lindau eintraft. Selbst diese Post ist noch keine volle Post in unsenn
Sinne. Codogno führt weiter eine ganze Reihe von poste< auf, allein
der Ausdruck bezeichnet zunächst nur Relais für Pferdewechsel und mit
diesen waren die Wege versehen, die er aufzählt. Da erscheint eine
Route über Como oder Varese nach Bellinzona, über den Gotthard nach
Luzern^. In Luzern führt das Handbuch den Anschlufs nach Basel-
St. Di^-Nancy an , wonach der alte St. Amariner Weg nicht benutzt
wurde, dann zweigte in Altorf die Verbindung Brunnen, Zug, Zürich,
Konstanz ab''. Von den Graubündner Pässen führt Codogno, vom
Maloja und der Splügenstrafse abgesehen, auch noch eine Verbindung
von Brescia mit Chur über Bernina und Albula an®.
> Eidgen. Abschiede 3, 2, 620. « Graf Taxis a. a. O.
8 Vgl. Archiv f. Post u. Telegraphie 10, 166. Die von Zürich zweimal wöchent-
lich abgefertigte Post traf nach 3*/2 Tagen in Mailand ein.
* Codogno S. 233. 382. «^ Hub er 79 nach Fürttenbach.
® S. 169. 382. Auch dal'Herba, Itinerario delle poste Roma 1563 giebt schon
diese Route durch das Kaisersberger Thal nach Plainfaing an. S. 81.
•» S. 162, 169, 173. 8 S. 300.
Die Einführung der Posten. 509
Der Weg durch Graubünden empfehle sich aber für einen, der
schnell reisen wolle, nicht, diesem lobt Codogno den Umweg über den
Brenner und Innsbruck, selbst wenn er von Mailand nach Köln wolle.
Der Weg über den Simplon ist ein Teil der Route Mailand-Lyon*, der
Pafs von Jougne wird in dem Itinerario überhaupt nicht erwähnt.
Der Brenner hatte den schleunigen und fernen Verkehr ganz an
sich gezogen, die natürlichen Vorzüge der schweizerischen Pässe traten
zurück gegenüber den politischen Interessen. Die monarchisch geleiteten
Staaten umgingen mit ihren Staatsposten das Gebiet der Eidgenossen.
Die Verbindung zwischen Italien und Deutschland war also mehr als je
auf den Brenner abgelenkt und die Hauptpoststrafse schnitt nun die
natürliche Verkehrslinie fast in einem halben rechten Winkel. Nicht
Basel oder Konstanz hatten den Vorteil, sondern Augsburg.
Die Route des Poststundenpasses von 1500 ist nicht unverändert
erhalten geblieben, soweit ich das aber jetzt beurteilen kann, haben die
Taxis doch sofort auch einige Anordnungen getroffen , die nicht geändert
wurden, so lange die Post in erster Linie eine dem habsburgischen
Hause dienende Verbindung zwischen den Niederlanden und Tirol war.
Der Weg von 1500 ging über Memmingen-Ulm, später wurde Ulm um-
gangen. Die grofse Bedeutung von Augsburg, die Stadt der kühnsten
und reichsten Geschäftsleute, liefs es natürlich erscheinen, den Umwog
von dem Fernpasse aus über Augsburg zu machen^. Dafür umritt die
Post Ulm (Günzburg, Elchingen, Westerstetten) ^. Im übrigen folgte von
Westerstetten abwärts die Post schon 1500, wie nun Jahrhunderte lang
dem Laufe der alten Strafse Ulm-Cannstatt, auch dann benutzte sie den
uralten Weg auf Bruchsal.
Der Rheinübergang erfolgte bei Rheinhausen-Speier. Rheinhausen
war schon 1500 ein wichtiges Postamt, dort mündeten die Briefe ein,
die vom oberen oder unteren Rhein kamen*. Rheinhausen war so
wichtig, dafs hier wie in Augsburg meistens ein Glied des Hauses Taxis
selbst das Postamt versah*.
Die Route folgte nun nicht etwa dem Laufe des Rheins, obwohl
sie den Strom wieder oberhalb Bonn erreichte, um dann nach Mecheln
westlich abzubiegen. Der Weg dem Flufslaufe folgend gefiel nicht,
sondern die Route wurde ziemlich direkt gelegt, sie ging bergauf.
1 S. 232 u. 158.
' Schon vor 1514 dürfte Augsburg ein Postamt erhalten haben. Rübsam 201.
» Codogno 178.
* S. meinen Nachweis über die Bedeutung Rheinbausens in dem Poststunden-
pafs in Mitteilungen des Inst. f. österr. Gesch. 20, 284—287.
^ Die Abrechnung eines Postmeisters zu Kheinhausen von 1597 ist erhalten und
gewährt einen vorzüglichen Einblick. Vgl. Rübsam im Hist. Jahrb. 13, 45.
510 Yienmdyjerzigstes Kapitel.
bergab, über den Soonwald, den Himdsrück und die Eifel, die Nahe
wurde unterhalb oder bei Kreuznach überschritten, die Mosel bei
Hatzenport, das Rheinufer wurde bei Breisig erreicht
Die Strecke vermied nicht nur die Windungen des Rheinlaufes
zwischen Speier und Koblenz, sondern — täusche ich mich nicht —
ging sie den Städten überhaupt aus dem Wege. Nicht ein einziger
Botenwechsel erfolgte in einer Stadt Rheinhausen , wo sich schon 1500
die Boten kreuzten , war ein Dorf, die Post von Ulm war in dem nahen
Dorfe Söflingen und auf dem meilenlangen Ritte von Breisig bis Speier
kam der Reiter kaum durch eine einzige Stadt Ich glaube, diese
Städtescheu hatte einen guten Grund. Die Städte waren nachts ver-
schlossen und da das Geheimnis der Post der Nachtdienst war, muliste
die Route so gelegt werden, dafs möglichst wenige Städte bei Nachtzeit
zu umreiten waren oder an ihren Pforten lange um den Durchlafs ge-
beten werden mufste. In dieser Städtescheu offenbart sich auch der
ursprünglich rein dynastische Zweck der Posten, die ausschliefsliche
Betonung der Endpunkte, die Vernachlässigung des zwischenliegenden
Landes; es kommt ihnen auf die Verbindung der Höfe an, nicht auf die
der Städte, sie sollen Staatsdepeschen befördern, keine Kaufmannsbriefe.
Die Route hat an Rheinhausen stets festgehalten, nördlich von
Rheinhausen bezw. Kreuznach wurde der Transportweg aber verlegt, denn
später wurde bei Namur die Maas überschritten, also weit südlicher
als einst. Die Stationen — deren Namen bei Codogno* entsetzlich ver-
stümmelt sind — lagen also mehr nach Südwesten hin, als jene von
1500. Der alte Weg erhielt sich als Verbindung von Rheinhausen mit
Remagen und Köln^.
So wirkten also die politischen Ursachen auch hier ein. Die Eid-
genossenschaft wurde von den Strafsen des habsburgisch-bourbonischen
Machtbereiches umgangen und das Handbuch des mailändischen Post-
meisters Codogno kennt kaum noch Basel und Konstanz. Strafsburg
nennt es überhaupt nicht. Doch daneben ging der Verkehr noch immer
über die schweizerischen Pässe, jedoch in den alten Formen und für
den Warenverkehr kamen diese taxisschen Posten überhaupt noch nicht
in Frage. Die politischen Neuigkeiten aus Italien und den Niederlanden
verbreiteten aber nicht mehr die Wirte der von den Fremden besuchten
Gasthäuser, dem Wirte war als Faktor in der öffentlichen Meinung der
Postmeister als Konkurrent entstanden.
^ S. 166. Auch in den jüngeren Ausgaben.
■ Quetsch läfst ihn 1580 eingeführt werden. S. 130.
Siebentes Buch.
GESCHICHTE DES HANDELS IM SPÄT
MITTELALTER.
Erster Teil.
HANDELSPOLITISCHES.
Ftinfundvierzigstes Kapitel.
Versuche einer Beichshaiidelspolitik.
Vereinzelte Eepressalien: Ludwig der Bayer, Karl IV., Buprechi. Die grofse
Hanäthsperre Siegmunds gegen Venedig, Politische Orütide, Weg nach dem Schivarzen
Meere, Genua statt Venedig, Zwei AJctenstiicke, Verhandhingen und Verbote. BeichS'
tag in Breslau, Neue Kapereien,
Von einer Handelspolitik deutscher Könige ist auch in den beiden
letzten Jahrhunderten des Mittelalters nicht zu reden, wo in den be-
nachbarten Reichen , vor allem in Frankreich , aber auch in den Fürsten-
tümern Norditaliens der Staat seine Aufgabe auf dieses Gebiet ausdehnte
und namentlich auch in England der grofse, für die Welthandelsge-
schichte entscheidende Umschwung begann.
Die deutsche Zollpolitik haben wir schon öfters zu besprechen ge-
habt, sie kennt seit König Albrechts Tode keine Rücksichten auf den
Handel des gesamten Landes, höchstens auf lokale Interessen. Von
einer Verkehrspolitik ist erst recht nicht zu reden und wenn wir uns
nun dem Handel zuwenden, so ist auch dort dasselbe Bild. Das König-
tum tritt gelegentlich für den Schutz des Kaufmanns ein, zumeist übcr-
läfst das Reich aber die Kaufleute ihrem Geschicke. Es gab keinen
Kaiser, der den Interessen der Städte wachsamen Auges gefolgt wäre.
Mitunter greifen Könige ein, um durch eine Handelssperre eine der
italienischen Handelsstädte zu politischer Abhängigkeit zu zwingen. Der
Handelskrieg bez. das Handelsverbot ist eine Waffe, die Interessen des
512 Fünfund vierzigstes Kapitel.
deutAchen Handels sind dabei dem Reiche fast gleichgültig. Sehr erheb-
lich ist bereits der Anteil der Territorialstaaten y die allmählich eine
Handelspolitik zu betreiben beginnen , ftir eine ernsthafte und glückliche
aber viel zu kleine Gebiete besafsen.
Vereinzelte Fälle königlichen Eingreifens in der einen oder anderen
Art seien aus dem vierzehnten Jahrhundert angeführt. Als Venedig
1346 auf deutsche Waren eine neue Auflage machte, gestattete Kaiser
Ludwig der Bayer, dafs die Deutschen ebenso nun die venetianischen
Waren behandelten. Das Verfahren hatte eine sofortige Wirkung, der
Doge nahm das Gebot zurück ^ In einem anderen Falle gestattete
Karl IV. den Ntirnbergem gegen Florenz , weil es in einer gerichtlichen
Angelegenheit sich dem Willen des Kaisers nicht fügte, Thätlichkeiten
zu begehen, Kauflcute und Waren anzuhalten*. Das Verfahren g^en
Mailand und Venedig wegen Burkhard Münchs von Landskron ist oben
ausführlich besprochen *. Das erste Verkehrsverbot, das ich kenne, erliefs
derselbe Kaiser, Nürnberg solle nicht mit Bemabo Visconti verkehren*.
Fast lückenlos liegt uns eine Korrespondenz aus den Tagen König
Ruprechts vor, der Ende 1401 dem Kölner unter dem Erzbischof stehen-
den Greven Konstanz von Lysenkirchen den Befehl gegeben hatte,
Kaufleute von Aachen und Mailand zu „bekümmern." Aachen war in
der Reichsacht und des Königs Feindschaft gegen Johann Galeazzo von
Mailand ist ja der Grundton seiner italienischen Politik. Der Kölner
Greve verhaftete nun den Malländer Johann de Sicheriis, der dreizehn
Fardel Barchent bei sich hatte. Sie gehörten Francesco Fossati von
Mailand, der sie durch seinen Knecht an seinen Landsmann Antonius
Alchirius gelangen lassen wollte. Der Mailänder Herzog blieb die Ant-
wort aber keinen Augenblick schuldig, er liefs zwei Ravensburgem, die
von Venedig mit ihren Waren kamen, die Waren wegnehmen und den
einen, Konrad Füllsag, auch festhalten. Die Stadt Ravensburg wandte
sich an ihren Bund der sieben Boden Seestädte und in ihrem Namen
trug Konstanz die Sache dem Herzoge wie der Stadt Köln vor. Ruprecht
suchte die Freilassung zu verhindern, er stellte seinen Schritt als eine
Repressalie dar gegenüber dem Mailänder, der gegen Schwaben und
Nürnberger vorgegangen sei. Doch ging Köln voran und der Herzog
blieb auch nicht zurück, er gab zum Schlufs ausdrücklich den Kölnern
einen Geleitsbrief zum freien Verkehr. Der Versuch eines so schwachen
1 Böhmer-Ficker, Acta imperii Nr. 818 u. 820 und dazwischen einzureihen
Simonsfeld 1 Nr. 119.
- Bnhmor-IIuber 3578.
» S. S. 409 ff.
* Böhmor-Huber 3963.
Versuche einer Reichshandelspolitik. 513
Königs wie Ruprecht durch Handelsstörungen den verhafsten Visconti
zu schädigen, war gescheitert * und König Ruprecht gab nun auch seiner-
seits trotz der Feindseh'gkeiten allen Lombarden für die Reise durch
Deutschland freies Geleit bis auf Widerruf, der zu Strafsburg erfolgen
sollte^. Und Strafsburg bemühte sich nun auch auf Bitten des Kauf-
manns Paulus von Camercio wie beim König, so auch beim Bischof von
Strafsburg und dem elsässischen Landvogt Sicherungsbriefe zu erreichen,
wobei es guten Erfolg hatte®.
Der umfassendste Versuch, eine Handelssperre im politischen Inte-
resse durchzuführen, geht auf Siegmund zurück und dabei verfolgte er
auch die Absicht, dauernd einer anderen Stadt und ihrem Hafen den
Verkehr zuzuführen, es handelte sich um die Erhöhung Genuas auf
Kosten Venedigs. Siegmund hoffte durch den Boykott von Venedig die
verhafste Signoria zu demütigen und zu bezwingen. Was Napoleon
später gegen England vergebens versucht hat, unternahm hier ein
mittelalterlicher Herrscher. Rein politische Motive haben in beiden
Fällen den Herrscher zu einem Handelskriege gebracht. Mit Venedig
lag König Siegmund seit Anfang 1412 in offenem Kriege, die Motive
lagen in der Beeinträchtigung seines ungarischen Reiches, in der Fest-
setzung der Venetianer in Zara und anderen dalmatinischen Orten, die
der ungarische Kronprätendent König Ladislaus von Neapel der Signoria
eingeräumt hatte, nebenbei auch in der Expansion der Markus-
republik in Friaul und nach der Lombardei hin. Im wesentlichen ver-
folgte Siegmund ungarische Interessen und diesen sollten sich die der
deutschen Handelsstädte unterordnen.
Nun hatte Siegmund aber doch so vielen Sinn fUr das Thatsächliche,
so viel Umblick in der allgemeinen Weltlage, dafs er nicht allein die
Vernichtung des venetianischen Handels erstrebte, sondern den kühnen
Plan einer gründlichen Umgestaltung der gesamten Handelsbeziehungen
zwischen der Levante und dem Abendlande fafste. Diese Versuche ziehen
^ Die bezügl. Korrespondenzen sind in Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins
Bd. 4 und Mitteilungen Stadtarchiv Köln Heft 14 veröffentlicht. Es sind:
1) Januar 11: Konstanz an den Herzog 4, 33; 2) Februar 10: Herzog an Köln 14,
88; 3) Februar 11: Mailand Sekretär an Konstanz 4, 34; 4) Februar 18: Kaufimann-
schaft Mailand an Köln 14, 90; 5) März 8: König Ruprecht an Köln 14, 90;
6) März 12: Konstanz an Köln 14, 91 u. 4, 35; 7) März 21: Ruprecht an Köln 14,
92 und Reichstagsakten 5, 5; 8) Mai 5: Köln Garantie für den Greven Mitteil. 27,
231; 9) Mai 7: Greve gelobt Genugthuung 14, 91 Anm. und Mitteil. 24, 111;
10) Mai 16: Köln an Konstanz 4, 86; 11) Mai 24: Konstanz an Köln 14, 14 Nr. 6920;
12) Juni 29: Konstanz an den Sekretär 4, 37; 13) Juli 13: Herzog Geleit für Köln
14, 95. Vgl. Reichstagsakten 5, 5 und Hans. Urkb. 5 Nr. 508.
^ Reichstagsakten 5 Nr. 301.
8 Ebda. Nr. 363.
Schulte, Gesoh. d. mittel alterl. Haudels. 1. 33
514 Fünfundvierzigstes Kapitel.
Sich durch fast zwanzig Jahre hin*. Süd Ostdeutschland wollte er durch
die Donau, Südwestdeutschland aber durch Genua mit der Levante in
Verbindung bringen.
In diesen Bestrebungen fand er nicht allein den Widerstand Vene-
digs, sondern den sehr fühlbaren fast aller oberdeutschen Städte, die
mit der Herrin der Adria in Handelsbeziehungen standen. Thatsäehlich
ist daher die Handelssperre nur für ganz kurze Frist durchgeführt
worden. Und gerade dieser Streit rückt die Bedeutung von Venedig
heller ins Licht als alle anderen Thatsachen.
Der Kaiser suchte die eine, die unfraglich wichtigste Pforte, aus
der die Schätze des Orientes zu uns gelangten , zu versperren , er mufste
eine andere öffnen und kühnen Sinnes wie er war, dachte er daran, den
Handel wieder auf den alten Pfad zu legen. Er gab Januar 1418
zwei Brüdern , Johann und Konrad Fischer, deren Heimat leider nicht
bekannt ist, den Auftrag, von der Donaumündung und Pera auf der
Donau nach Ungarn und Deutschland eine Handelsstrafse zu legen. Die
Urkunde giebt als Ziel Kilja an der Donaumündung und Kaffa (d. h.
Feodosia), den Vorort unter den genuesischen Kolonien am Nordge-
stade des Schwarzen Meeres und Pera, die genuesische Kolonie von
Konstantinopel an^; es sollte also der Verkehr den Umweg über Italien
ganz vermeiden. Ein kühnes Projekt, aber ein Projekt, das nicht aus-
zuführen war. Der Sieg Timurs über Bajazed in der Schlacht von
Angora hatte den Todeskampf des byzantinischen Reiches um 50 Jahre
verlängert, auf der Route, die gewählt werden mufste, waren also
Griechen und Türken scharf rivalisierende Herren, der Sultan Mohamed I.
hatte eben auch einige wallachische Städte an der Donaumündung besetzt.
Ich sehe ganz davon ab, dafs die Privilegien der Stadt Wien, die seit
1198 jeden westländischen Kaufmann vom Handel nach dem Orient aus-
schlössen, diesen Weg nur den Wienern geöffnet hätten. Die Süddeut-
schen, welche Wiens Stapel nur zu genau kannten, konnten einer solchen
Strafse, die fast notwendig über Wien gehen mufste, kein Vertrauen
entgegenbringen. Wiederholt ist Siegmund auf den ungarischen Handels-
' Die Quellen sind veröffentlicht in den Reichstagsaktcn Bd. 7, 8u. 9, bei
Simons feld Nr. 313. 19. 34. 35 f. 50. 52. 59 und hei Alt mann n, aufserdem unsere
Urkunden Nr. 353, 381 u. 382. Eine eingehende Darstellung giebt Simons feld
2, 44 ff. und vor allem Stieda, Hausisch -venetiani sehe Handelsbeziehungen. Seit-
dem haben die Altmannschen Regesten neues Material geliefert, auch weiche ich in
der Datierung der beiden bald zu besprechenden Aktenstücke von Stieda ab. Vgl.
auch Eneas Sylvius, De viris illustribus S. 65.
2 Altmann 2857: »c/e partihus transmarinis de Kyla, Kaffa et Pera ac oZii«
civitatibus et terris in flumine Danubio versus Hungariam et deinde versxis partes AI-
manie'. Über die Kolonien vgl. Heyd, Levantehandel.
Versuche einer Reichshandelspolitik. 515
weg zurückgekommen, Belege für wirklichen Verkehr auf diesem Wege
sind mir nicht bekannt geworden.
Das erste Handelsverbot richtete Siegmund an eine eigentümliche
Adresse, an die Hansestädte^ und wenn er auch Brügge zu ihnen
rechnen mochte , so hatte dieses Gebot wohl keinerlei Wirkung ausge-
übt. Der Kaufmann hatte kein Interesse, das Gebot zu beobachten und
welche Macht und welche Autorität besafs Siegmund im Bereich der
Hansa ? Direkte Beziehungen zwischen der Hansa und Venedig gab es
zwar, aber doch nur in bescheidenem Umfange. Sollte die Mafsregel
Ernst bedeuten, so mufste das Verbot an die oberdeutschen Städte er-
lassen werden. Sie hatten sich um ein allgemeines Schreiben, worin er
zur Bekämpfung von Venedig aufforderte, natürlich nicht gekümmert
und der Waffenstillstand vom April 1413, der später bis zum April 1418
erstreckt wurde, hatte ja auch die Ruhe wieder hergestellt.
Schon vor Ablauf des Waffenstillstandes war der Kaiser gewillt,
dieses Mal die Handelssperre allgemein zu machen und er proponierte
den Städten einen neuen Weg. Damals war es, dafs er den Weg nach
dem Schwarzen Meere vorschlug und zugleich lenkte er die Blicke auf
Genua und er bediente sich bei den Verhandlungen derjenigen Stadt,
die unter allen deutschen am meisten Interesse am Handel mit Genua
hatte, Konstanz. Und so tritt nun in den nächsten Jahren Konstanz für
Siegmund ein, ohne jedoch den Widerstand der anderen Reichsstädte,
vorab Nürnbergs, besiegen zu können.
Aus dem Verlaufe des Streites sind für die Handelsgeschichte zwei
undatierte Aktenstücke besonders wichtig, die vorab zu besprechen sind.
Ein Konstanzer Bürger wurde von seiner Stadt und ihren Nachbaren*
an den Dogen von Genua Tommaso da Campofregoso (1416 — 22) und
den Herzog von Mailand gesendet, um dort Stimmung zu machen. Er
veranlafste ein höchst interessantes Schriftstück, das die Vorzüge von
Genua vor Venedig schildert®. Es ist ein von den von Mailand und
Genua gesandten Boten vorzulegendes Promemoria, das in anschaulicher
Weise den Deutschen die Handelsprinzipien von Genua und Venedig
gegenüberstellt.
Die politische Treue der Herzöge von Mailand und der Dogen von
Genua gegen das Reich wird zunächst — freilich mit wenig Recht —
angerühmt, eher läfst man sich das Lob der Ehrlichkeit der Kauf-
1 Alt mann 192. 1412 Februar 12.
^ Stieda redet S. 16 irrig von einem Auftrage des Königs.
* Wegen seiner Wichtigkeit gebe ich das schon in den Reichstagsakten ge-
druckte Stück nochmals in den Urkunden Nr. 881. Die Briefe des Herzogs wie des
Dogen an den Kaiser sind leider nicht erhalten. Wie nachher zu erweisen ist, gehört
das Stück zum Ende des Jahres 1419 bez. Anfang 1420 vor den Breslauer Reichstag.
33*
516 Fünfundvierzigstes Kapitel.
leute beider Städte gefallen. Der Thatsache, dafs Venedig ftir einen
Teil der deutschen Städte näher sei als Genua, wurde der billigere Ein-
kauf aus erster Hand entg^engesetzt. Interessant sind die Angaben,
dafs Genua 100 grofse Schiffe von ein bis drei Deck fiihre, während
Venedig nur kleine Schiffe habe. Genua spare also an Transportkosten
und das äufsere sich im Marktpreise. Die Abgaben seien niedriger als
die jetzt zu Venedig erhobenen und wenn die Deutschen wieder die
Freiheiten, die sie vor 45 und 50 Jahren genossen, erhalten, werden ihre
Abgaben zu Genua nur * s der zu Venedig sein. Dann wiesen die
Genuesen auf den Zwang von Venedig hin, das die Kauf leute wie das
liebe Vieh nachts in dem Fondaco einsperre. Und nicht minder un-
günstig für die Deutschen sei das venetianische Gebot, dafs die deut-
schen ELaufleute ihre Waren nach einer bestimmten Frist zu einem von
Venetianern taxierten Preise veräufseren müfsten. Weiter heben die
Genuesen rühmend hervor, dafs die Deutschen den Erlös des Verkauften
in barer Münze aus ihrer Stadt abführen könnten und nicht gezwungen
seien, ihn wieder zum Ankaufe von Waren zu verwenden, wie das in
Venedig gefordert werde. Der Schlufs dieser geschickten Lobrede auf
Genua hebt mit vollem Rechte einen wichtigen Unterschied zwischen den
beiden Mittelraeerhäfen hervor. In Venedig konnte der Deutsehe kein Schiff
chartern, wohl aber konnten sie von Genua aus zu Schiff Handel nach
Osten und Westen treiben. Es war diese Thatsache richtig. In Venedig
fand der deutsche Kaufmann die Grenze, Genua aber war seine Pforte
für den Handel nach Spanien, wie nach dem Oriente^.
Ein weiterer Schritt zu einem Vertrage Hegt in einem undatierten
deutschen Aktenstücke vor, das von deutschen Anschauungen ausgeht
und angiebt, wie weit die Genuesen denen entgegenkommen wollten*.
Sicherheit der Strafse im Gebiete von Mailand und Genua, Ersatz
etwaigen Schadens, Fixierung aller Arten von Abgaben, Ordnung von
Mafs und Gewicht , der Ballenbinder u. s. w., kein Zwang zum Wohnen
wurden gefordert. Wichtiger noch als diese in den meisten Sicherungs-
briefen vorkommenden Punkte ist die Forderung, dafs der Deutsche in
Genua mit jedermann, er sei Gast oder Bürger von Genua, handeln
dürfe. Das war ein Kardinalunterschied von Venedig. Die Forderungen,
dafs die Deutschen nicht solidarisch für sich oder ihre Fuhrleute haftbar
sein sollten, gehört — wie wir wissen — zu dem eisernen Bestände
* Aus dem ßahmen des Aktenstückes erfahren wir weiter, dafs auf die An-
regung von Konstanz der Doge von Genua sich an den Herzog Filippo Maria
Visconti gewandt hatte, und diese beiden nun eine Botschaft ins Reich entsandten.
Die Gesandten wurden beglaubigt bei Bern, Basel, Freiburg i. C, Konstanz, Ulm,
Kegensburg, Passau, Wien, Nürnberg, München und Augsburg.
• Abdruck in den Urkunden Nr. 382.
Versuche einer Reichshandelspolitik. 517
aller Sicherungsbriefe, ebenso eine Frist nach Ausbruch eines Krieges,
hier wurden drei Monate gefordert Nach Friedensschlufs sollten diese
Bestimmungen sofort wieder in Kraft treten.
Dieser „Ratschlag" war unzweifelhaft von einer Seite, die für Genua
wohlgesinnt war, ausgegangen, ich zweifle nicht, dafs es Konstanz oder
Ravensburg ist, heute liegt das Stück in Nürnberg, das eher Venedig günstig
war. Das Stück steht mit dem eben besprochenen wohl in Zusammenhang.
Ob den Genueser und Mailänder Boten, die Sommer 1417 zu Kon-
stanz Siegmund aufsuchten*, dieser Ratschlag bereits vorgelegt wurde,
ist mir sehr zweifelhaft, sie versprachen freilich, jedoch in allgemeinen
Ausdrücken, den Kaufleuten keine hohen Auflagen zu machen und sie
besser als in Venedig zu behandeln. Das machte der König auch den
Städten bekannt, als er am 1. Oktober 1417 den Städten den Handel
mit Venedig verbot und verkündete, er werde nach Ablauf des Waffen-
stillstandes (5. April 1418) den Krieg beginnen^.
Über die Einrichtung des Handels mit Genua sollte in Konstanz
mit den lombardischen Gesandten, die der König zurückhalten wollte,
verhandelt werden und des Handels verständige Boten sollten die Städte
Regensburg, Köln, Mainz, Strafsburg, Worms, Speier, Basel, Augsburg,
Konstanz, Nürnberg, Frankfurt und Ulm zu diesem ersten deutschen
Handelstage, den ein deutscher König ausschrieb , entsenden. Die Kauf-
leute waren davon wenig erbaut, selbst Ulm und Augsburg waren da-
gegen^. Erst im März rief Nürnberg , dem Vorgehen Augsburgs folgend,
seine Kaufleute von Venedig zurück. Ob der Tag in Konstanz überhaupt
stattgefunden hat?
Nach Ausbruch des Krieges erneute der König am 2. Juli, 26. Juli
und 18. August 1418 das Handelsverbot und verkündete, dafs er vielen
Getreuen Auftrag gegeben habe, Gut, das fürbafs nach Venedig gehe,
niederzulegen, in dem letzten Briefe verkündete er, dafs er den Weg
durch Ungarn sichere*.
Die Städte gaben die Hoffnung nicht auf, den Handel mit Venedig
wieder eröffnen zu können. Auf einem Ulmer Tage scheint beschlossen
zu sein , zu versuchen , den König mit Venedig zu versöhnen. Es kamen
venetianische Gesandte nach Deutschland*. Doch die Verhandlungen
zerschlugen sich und der König stellte wirklich Kaperbriefe aus und
verbot erneut den Handelsverkehr®.
1 Reichstagsakten 7 Nr. 239 Art. 8.
2 Reichstagsakten 7 Nr. 239.
8 Stieda S. 20.
* Reichstagsakten 7 Nr. 240 u. 241. Das Stück vom 26. Juli bei AI tmamn 8386.
B Vgl. auch Altmann 8659 u. 3719.
« Altmann 3684. 3754 u. 3881.
518 Fünfundvierzigstes Kapitel.
Das Projekt der Verbindung mit Genua schwebte noch immer in
der Luft, da erschien nun auf dem Reichstage, der im Januar 1420 in
Breslau stattfand, der Erzbischof Bartliolomäus de la Capra von Mai-
land. Er war der Träger des Promomeria, das wir oben ausführlich
behandelt habend Der König gab es bekannt und forderte am
20. Januar die Städte, namentlich Strafsburg, Mainz, Worms, Speier
und Nürnberg auf, zu einem auf den 23. April 1420 nach Ulm zu be-
rufenden Städtetage Boten zu senden, damit dort die Angelegenheiten
der Genueser Strafse wohl versorgt und verbrieft würden^. Und als
Konstanzer oder Ravensburger Vorschlag für diese Verhandlung mufs
wohl der oben schon besprochene deutsche „Ratschlagt gesetzt werden.
Dieser Ulmer Tag verlief ergebnislos, da ein bedeutender Teil der
wichtigsten Städte sich fernhielt^. Die Venedig freundlichen Städte
setzten beim Könige neu an und wirklich erreichten wenigstens Ntim-
berg und Breslau, dals der Handel mit Venedig ihnen frei gegeben
wurdet
Es erfolgte aber noch ein schwerer Rückschlag gegen die Wünsche
dieser Städte. Die Genuesen hatten den Wünschen von Konstanz und
Ravensburg — so dürfen wir wohl sagen — nachgebend, neue Kon-
ventionen zu Gunsten der Deutschen erlassen, ja noch mehr, die Stadt^
nunmehr unter der Herrschaft der Visconti , sandte den Thomas Sophias
nach Konstanz, wo er am 3. Juli 1423 erscheint, die Bodenseestadt teilte
die Konventionen frohlockend den Bundesgenossen mit^. Wahrscheinlich
brachte derselbe Bote den von Filippo Maria am 28. August 1422 für
die Deutschen bestimmten aufserordentlich günstigen Vertrag über ihren
Verkehr in Mailand mit, dessen Inhalt später zu besprechen ist®. Von
Konstanz reiste Sophias zu dem damals in Ungarn weilenden Siegmand.
Der König fand die Zusicherungen für ausreichend und erliefs nunmehr
^ Am Schlüsse des Rahmens des oben erwähnten Promemoria redet der eine
Gesandte den andern an als »patermtas vestrat, also als hohen Geistlichen an, nnd
darunter ist der Erzbischof zu verstehen, und auf dieselbe lateinische Schrift nimmt
der König in seinem Schreiben vom 20. Januar Bezug. Das Leben des Erzbischofs
behandelt Eneas Sylvius, De viris illustribus S. 29f. Vgl. auch Archivio stör,
lombardo 24, 886 ff.
8 »Daselbs gemeinlich zu ueherkomen czweier oder drier redlicJier manne, die zu
dem von Meylan und von Janow herczogen riten und die vorgeschrieben ding von der
Strasse, czolle sicherhaüe und aller ander handelutige wegen nach inJtalde der vorgenanten
czedel wol versorget und verbrieft nemen, uff das die koufluete redlich und wol versorget
und die vorgenanten Strassen gen Janotc wider uf bracht werdefu*
> Reichstagsakten 7 Nr. 287—294.
* Für Breslau 25. April 1421.
^ Unsere Urkunden Nr. 323.
• Urkunden Nr. 182.
Versuche einer Reichshandelspolitik. 519
an alle seine Unterthanen in Deutschland, Italien und Tuscien eine
Erneuerung des Handelsverbotes; mit Genua, nicht mit Venedig*, solle
mau verkehren*.
Doch Nürnberg liefs nicht nach , es schickte Sobald Pfinzing an den
König, dem er ein leider nicht auf uns gekommenes Verzeichnis merk-
licher und grofser Gebrechen, die sich bei der Handelssperre gezeigt,
vorlegen sollte. Der Erfolg blieb nicht aus, schon am 24. November
1423 konnte Nürnberg an Ulm und Konstanz melden, dafs der Handel
mit Venedig wieder freigegeben sei.
Der König gab den Lieblingsgedanken darum doch nicht auf, er
stellte immer noch förmliche Landkaperbriefe aus, wobei er es beson-
ders auf die Sperrung des Fernpasses abgesehen hatte ^, und als er 1426
mit dem Herzoge Filippo Maria nähere Fühlung gewann und glauben
konnte, nun Venedig wirksam den Handel zu sperren, erneute er den
Oktober 1426 die Handelssperre^, dieses Mal auch die Eidgenossen
mahnend, den Handel mit Venedig aufzugeben*; und in der That ver-
hinderte z. B. Herzog Wilhelm von Bayern den Handel mit Venedig^.
Als Juli 1428 der Kaiser mit Venedig einen zweijährigen Waffen-
stillstand abschlofs, wurde das Handelsverbot aufgehoben*. Siegmund
scheint aber die Geister, die er gerufen hatte, nicht wieder haben bannen
können, er erklärte noch im April 1429 formell den Städten Konstanz,
Augsburg und Ulm, dafs sie wieder mit Venedig handeln dürften, und
mufste noch im August desselben Jahres befehlen, Konstanz und die ver-
bündeten Städte im Handel mit Venedig zu schützen^.
Und als Anfang 1431 der Kampf wider Venedig und Florenzjneu
entbrannte, soll von Siegmund abermals die Handelssperre verhängt
worden sein®. Mit dem ganzen Sinne seiner Politik stimmt es denn
auch überein, dafs er dem Konstanzer Konrad Winterberg Repressalien
verstattete und seinem Diener Hermann von Stoffeln und seinem
Sekretär Hecht die Erlaubnis gab, den venetiani sehen Kaufleuten als
Reichsfeinden aufzulauern und wirklich nahmen sie zwischen Kempten
und Memmingen ihnen sieben Wagen weg®. Sie gehörten nicht allein
Venetianern, sondern auch Kaufleuten von Siena und Lucca, die in
1 1423 August 16 Gran. Altmann 5604.
^ Altmann 6095. Januar 1425.
» Stieda S. 30. Kagelmacher S. 56.
* V. Liebenau t8, 346.
6 Alt mann 7010. Vgl. 6903.
« Kagelmacher S. 97.
'Altmann 7239. 7240. 7241 u. 7362, auch 7435.
8 Stieda stützt sich auf A seh b ach, Gesch. Siegmunds 4, 53, dieser auf
Engel, Gesch. v. Ungarn 2, 333.
« Altmann 8389 u. 9293.
520 Sechsundvierzigstes Kapitel.
Venedig wohnten. Der Wagenführer war Gerhard von Köln, aufge-
hoben wurden die Waren durch Heinrich von Stoffeln und Ulm nahm
sie zunächst an sich^ Auch gegen die Florentiner gab der Kaiser solche
Erlaubnisse^.
Mit dem definitiven Frieden vom 7. April 1433 wurde die Ruhe
im Handelsleben wieder hergestellt. Das Übergewicht Venedigs über die
westitalienischen Städte tritt deutlich hervor, es waren die Interessen so
sehr an die Herrscherin der Adria gebunden, dafs wohl niemals alle
Nürnberger Venedig verlassen haben*.
Der Versuch, Venedigs Handel zu vernichten, war gescheitert, aber
eine gute Folge hatte der Versuch denn doch, Genua hatte sich durch
Konzessionen bemüht, den Handel an seinen Hafen zu fesseln. Ganz
eigentümlich motiviert Eneas Sylvius das endliche Scheitern der Sperre
gegen Venedig. Filippo Maria trage die Schuld, er habe den Deutschen
in Genua mifstraut, die die Stadt dem Kaiser übergeben könnten. Er
habe lieber eine arme Stadt haben wollen, als eine reiche verlieren*.
Mit den Thatsachen ist das schwer zu vereinigen.
Repressalien sind auch später noch ergriffen ^, eine Handelssperre ist
während des Mittelalters nicht wieder versucht worden. Ja am Ausgang
desselben hat Maximilian den deutschen Kaufleuten Geleit nach Venedig
gegeben, obwohl die Stadt in der Acht war®.
Sechsundvierzigstes Kapitel.
Eanfhäüser.
Ztceck und Bedeutung für den int^nationdlen Handel. Das älteste in Mains,
andere. Basel , Strafsl/iirg, Konstanz, Gredhäuser am Bodensee, Kaufhäuser in der
Schweiz. Innere Einrichtung, In Konstanz und Basel Zusammaiftatig mit deti
städtischen Zöllen,
In der Geschichte des Handels zwischen Deutschland und Italien
haben eine bedeutende, bisher jedoch niemals recht erkannte Rolle die
' Urkunden Reichsarchiv München, Reichsstadt Memmingen Nr. 245. 247 u. 250
und die Urkunden, die Thomas, Beiträge aus dem Uhnar Archiv 288—296 ver-
öffentlichte.
° An die beiden, seinen Rat Kaspar Schlick und Ulrich von Königseck. Alt-
mann 9304.
« Stieda 35.
* De viris illustribus 65.
•* So dehnte Friedrich III. (IV.) den Repressalien bricf, den er zunächst für seine
Lande gegen die Bologneser erlassen hatte, die einen Wiener Kaufmann, der von
der Königin Elisabeth von Ungarn zum Einkauf von golddurchwirkten und seidenen
Tüchern geschickt war, beraubt hatten, auch auf das Reich aus. Chmel Nr. 1642.
« Fischer 2, 612 f.
Kaufhäuser. 521
Kaufhäuser gespielt, von denen einige geradezu auf italienische An-
regung überhaupt errichtet wurden. Sie sind nicht zu verwechseln mit
den Kauffahrerhöfen und Fondacht\ wie der deutsche Fondaco zu Venedig,
der Hof zu Nowgorod, der Stahlhof zu London, denn das waren nicht
allein Lagerräume, Verkaufslokale und Zollstätten, sondern auch Her-
bergen, ja Zwangsherbergen.
Es ist irrig, wenn man glaubt, die Kaufhäuser seien vorwiegend für
den lokalen Kleinhandel gewesen *, das mag für einen Teil zutreffen, für
die gröfseren Kaufhäuser Südwestdeutschlands ist aber diese Auffassung
abzulehnen. Man mufs sich auch von den uralten gemeinschaftlichen
Verkaufsständen trennen, so war die Tuchlaube das Haus der mit Tuchen
en detail handelnden, in der Stadt ansässigen Tuchhändler. Die Kauf-
häuser sollen in erster Linie dem Ortsfremden dienen, der dabei aber
vom Kleinhandel wie vom Tuchausschnitt ausgeschlossen blieb. Erst in
zweiter Linie sind sie auch Verkaufslokale für den Bürger.
Das älteste mir in Südwestdeutschland bekannt gewordene Kaufhaus
ist das unmittelbar vor 1317 zu Mainz erbaute, das 1813 wegen Baufällig-
keit abgebrochen wurde. Es wurde auch in baulicher Hinsicht das Vor-
bild. Nach den erhaltenen Plänen enthielt es zwei als grofse Hallen
gewölbte Stockwerke, es war ein durchaus feuersicherer Bau. Die weiten
Hallen, die eine Grundfläche von je 8400 Quadratfufs rheinisch (annähernd
886 qm) enthielten, konnten durch Bretterverschläge leicht in „Gadem"
eingeteilt werden. Der äufsere Schmuck war an dem Bau nicht ver-
nachlässigt; namentlich die eine Schmalseite war reich geschmückt und
ein mit den Bildern des Kaisers und den sieben Kurfürsten geschmückter
Zinnenkranz schlofs den Bau oben ab ^. Über dem Einfahrtsthor befand
sich ein kleiner feuersicherer Raum: das Archiv und die Kasse. Der
Erbauer war der Mainzer Kurfürst Peter Aichspalter, der vielleicht ein
böhmisches Vorbild nachahmte.
Die Städte der Wetterau folgten dem Beispiele: 1830 Gelnhausen,
1357 Friedberg ^, das zu Frankfurt bestand 1361*, weiter abwärts er-
wähne ich das Kölner Kaufhaus, das 1355 auftaucht, wo später noch
^ Gengier, Deutsche Stadtrechtsaltertümer in dem sonst sehr lehrreichen Ab-
schnitte über das Kaufhaus 330—346. Aufser der Litteratur (vor allem Schmoller
[Tucher- u. Weberzunft, Strafsburg z. Zeit d. Zunftkämpfe], Geering, Gothein,
Kübling) lagen mir Konstanzer, Strafsburger und Baseler Kauf hausordnungen vor^
die von Konstanz gedruckt Urkunden Nr. 347.
* Abbildungen bei Schultz, Dreizehntes und vierzehntes Jahrhundert 53 ff.
Quetsch 281 ff. Vgl. Hegel in den Chroniken deutscher Städte 18, 2, 95.
Böhmer, Ludw. d. Bayer 255.
* Privileg Ludw. d. Bayern f. Gelnhausen Böhmer 1117 und Hess. ürkb.
Abt 2 Bd. 2 Nr. 353. Karl IV. für Friedberg (Mefsbesucher) Böhmer-Huber 2656.
* Böhmer-Huber 3532.
522 Sechsundvierzigstes Kapitel.
eine Reihe anderer, bestimmten Zweigen des Handels dienender Häuser
entstand ^
Wenn ich zu den oberrheinischen Städten übergehe, so ist das schöne
Kaufhaus von Freiburg vorab zu nennen , der heutige Bau entstammt
der Wende des Mittelalters, ein Kaufhaus gab es aber schon um 1390^.
Das Wormser wird 1403 zuerst genannt^. In Schwaben finde ich zuerst
(1336) das Nördlinger Kaufhaus erwähnt*.
In Basel ist der Ursprung des alten bischöflichen Ballhofes nicht
festzustellen, geht aber jedenfalls in sehr frühe Zeiten zurück. Neben
ihm bestand schon 1359 ein zweites Haus*; die Stadt errichtete 1376 — 78
ein geräumiges Kaufhaus^.
Die Rücksicht auf die Italiener tritt zum erstenmal mit voller
Deutlichkeit bei dem Bau des Strafsburger Kaufhauses im Jahre 1358
hervor. Königshofen erzählt, dafs früher jeder Kaufmann mit seinen
Waren in sein Wirtshaus fuhr, wo ihm durch Diebstähle und auf andere
Weise viel Schaden geschah^. Und als bei der Einrichtung des Hauses
sich Strafsburg an Basel wandte, um die Höhe des dort üblichen Lager-
lohnes vertraulich zu erfahren, gab die Stadt ihren Tarif bekannt. Sie
nahm in den Häusern, da die . . Lamparter und ander geste ir vardel
und ander gut entladen*, ein Lagergeld und bei bestimmten Waren einen
Verkaufszoll. Und da erscheinen nun Tuch, Gewand, Leder, Häringe,
Bückinge, Spezereien, Eisen, Zinn, Kupfer, Stahl, Butter, Ol, Buchs^
Mandeln, Feigen, '^merirüheln^, ^stner^ und Unschlitt und Wachs. Die
Wagen und Karren, welche nicht abgeladen wurden, hatten eine besondere
Abgabe zu zahlen, die Wollenballen werden besonders erwähnt Und
als Transitgut erscheinen neben den Wollenballen vor allem die Gewand-
ballen, die die Lamparter aus Flandern und Brabant durch die Stadt
führen®. Die Lage des Strafsburger Gebäudes war vorzüglich gewählt^
es stiefs mit der Langseite an die „Breusch", d. h. die 111, zu der auf
verschiedenen Kanälen der Zugang auch vom Oberrhein her möglich
^ Lau S. 292.
2 Schreiber, ürkb. Freiburg 2, 84.
» Boos, Städtekultur 3, 120.
* Böhmer, Regesten Ludw. d. Bayern 1803.
^ Strafsb. Urkb. 5, 402.
® Geeriug 149. 159 ff. Dafs es dabei nicht ohne Streit zwischen der Stadt
und dem Bischof abging, beweist die Urkunde Nr. 393, Baseler Urkb. Bd. 4 von
1375, der Bischof wollte offenbar den Bau nicht zulassen. 1439 baute Basel ein
Kornbaus, Baseler Chroniken 4, 48; 1471/91 ein Tuchhaus, daneben gab es ein
Salzhaus, Geering 172. Vgl. auch Fechter, Topogr. 59.
'^ Königshofen, Chron. d. Städte 9, 744 fügt diese Motive zu Closener
8, 132 hinzu.
« Strafsb. Urkb. 5, 402.
Kaufhäuser. 523
war. Am andern Ufer in Nesselbachs Hause war das Quartier der
Italiener.
Bezüglich des Konstanzer Kaufhauses, dieser herrlichen Zierde des
Hafens, war man des Glaubens, dafs es für den Verkauf der Konstanzer
Bürger bestimmt gewesen sei und der Beschlufs des Rates, der sich im
Katsbuch befindet, sich auf ein kleineres, nun verschwundenes beziehe.
Der Irrtum beruht darauf, dafs der Eintrag als zu 1391 gehörig an-
gesehen wurde, und dann allerdings müfste man an ein zweites Kauf-
haus denken. Der wichtige Eintrag besagt, dafs am Dienstag vor Licht-
mefs 1387 der grofse Rat beschlofs, ein Haus zu bauen, darin man den
Welschen von Mailand und anderen fremden Leuten ihre Güter besorge
und behaltet Eine Inschrift an dem Kauf hause giebt 1388 als den
Beginn des Baues an^.
Das Gebäude ist weit weniger feuersicher, als das Mainzer es war, ist
aber bis heute, wo wenigstens das untere Geschofs noch denselben Zwecken
dient, ftir die es errichtet wurde, vom Feuer verschont geblieben.
Mächtige Eichenpfeiler tragen die Decke der unteren Halle, wie die der
oberen, die durch das Konklave von 1417 ein welthistorisches Interesse
gewann. Ein hohes Dach mit drei Böden erhebt sich über dem Ganzen,
nach der Seeseite ist es durch vorgekragte Brustwehren und Erker zur
Verteidigung eingerichtet. Es bot in seiner früheren Gestalt in den
beiden Hallen eine Lageriläche von 2110 qm, ist also geräumiger als das
Mainzer es war, und in den Dachböden, die mit Aufzug versehen sind,
noch weitere 2980 qm dar*. Hier ist also deutlich gesagt, wem das Ge-
bäude dienen soll, und man wird auch wohl nicht fehlgehen, wenn man
sich der Mailänder Gesandtschaft von 1386 und des Ausbaues der Septimer-
strafse erinnert. Die erste grofse Verkaufsstelle für die nach Deutschland
kommenden Lombarden, wie eine grofse Sust für ihre über die Alpen
bestimmten Waren wurde damit eingerichtet.
Die gleichzeitige Überschrift nennt das Kaufhaus: ^äni gredt, es
war also damals der Ausdruck „Gredhaus^ in Konstanz schon bekannt
und solche Gredhäuser finden sich gerade am Bodensee.
Das Wort ist wohl von gradus abzuleiten, den Staflfeln, wie sich das
Wort auch in Strafsburg für das auf Stufen zu erreichende Südportal
des Münsters angewendet findet. Und da möchte man doch wohl zu-
nächst an Kaufhäuser am See denken? Und ist nicht auf Grado, den
Hafen von Aquileja, hinzuweisen gestattet? Das Gredhaus von Lindau
habe ich zwar erst sehr spät erwähnt gefunden, 1419 wurde es erweitert*.
^ Urkunden Nr. 343.
' Kraus, Kunstdenkmäler 1, 268.
* Mitteilung des Herrn Leiner in Konstanz.
^ Lindau, Stadtarchiv, Chroniken. Mitteilung des Pfarrers Reinwald.
524 SechsuDdvierzigstes Kapitel.
Es war eins der bedeutendsten und 1485 auf zwei Jahr um 715 ^ ^
verpachtet, das Komhaus um 350 ^
Der Bau des jetzigen Gredhauses von Meersburg stammt von 1505,
es gab aber schon vorher ein solches -, auch Radolfzell hatte am See sein
Qredhaus, worin fremde vom See kommende Güter aufbewahrt wurden ®,
wie Überlingen*. Gredhäuser finden sich auch in Ravensburg und Ulm,
hier erscheint das Kaufhaus zuerst 1369^. Aarau erhielt 1391 von
seinem Stadtherren Herzog Leopold die Erlaubnis, ein Kaufhaus zu
bauen*; Diessenhofen hatte seins 1426 fertig'; fast alle bedeutenderen
Städte der schweizerischen Hochebene hatten um die Mitte des fünf-
zehnten Jahrhunderts solche. Eine Konstanzer Aufzeichnung aus dem
Ende des Jahrhunderts führt St. Gallen, Wyl, Stein, Diessenhofen und
Baden an®. St. Gallen erhielt 1466 das Recht, in seinen Gerichten, wo
es gut schien, Stadel, Greden und Kaufhäuser zu errichten ®. Das Bemer
Kaufhaus gehört zu den ältesten, es stand schon 1373**^. Das Züricher
stammt aber erst aus dem Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts ^^
In Chur wollte die Stadt schon unter Bischof Johann I. (1325 — 31)
ein Kaufhaus errichten und konnte dafür einen kaiserlichen Freibrief
aufweisen**. König Siegmund gab der Stadt 1413 auf Bitten des Bischofs
Hartmann das Recht, nach dem Muster von Konstanz ein Kaufhaus zu
erbauen*®. 1422 bestand jedenfalls ein solches, wenn der Bischof auch
bis dahin dagegen gekämpft hatte**. Und 1464 erhielt die Stadt nach
dem grofsen Brande von Kaiser Friedrich erneut das Recht, ein solches
Haus zu erbauen*'^.
* Schriften d. Ver. f. Gesch. d. Bodensees 3, Regesten S. 80.
> Kraus, Kunstdenkmälor 1, 542. Mitteil. d. bad. hist. Kommission 8 (1887)
Nr. 82 und Nr. 89.
»Albert 278. 577.
* Ordnung ca. 1480—90 Uberlinger Stadtarchiv. Nübling belegt den Namen
GredhauS; Gredzoll u. s. w. ftir Ingolstadt, Weifsenhom, Geislingen, Kaufbeuren,
Kempten, Memmingen, Schongau, S. 89.
» Nübling 91.
® W. Merz, Rechtsquellen des Kantons Aargau S. 30. Boos, ürkb. von
Aarau S. 140. Vgl. 283.
' Abmachung mit den Kauf leuten und Salzfertigern von Memmingen. Reichs-
archiv München. Archiv Memmingen.
8 Urkunden Nr. 364.
» Chmel, Friedr. Nr. 4611.
10 Welti 674.
" Vögel in. Das alte Zürich, 1. Aufl. 169.
« Kind, Die Vogtei 229.
'» Altmann 750.
1* Eichhorn, Episcop. Curiensis Cod. probat. 142 ff.
16 Stadtarchiv Chur.
Kaufhäuser. 525
An manchen Orten gab es neben dem Kaufhaus auch noch ein Ge-
wandhaus, Leinwandhaus, Kornhaus, Salzhaus, Schuhhaus u. s. w., doch
scheint Süddeutschland mehr die Waren zusammengehalten zu haben.
Doch gab es Kornhäuser zu Lindau (1485 erwähnt).
Ich habe wohl nicht der Ansicht entgegenzutreten, dafs diese Kauf-
häuser ausschliefslich den Fremden gedient hätten, in den kleinen Städten
werden Italiener nur selten erschienen sein. Die Vermehrung der Zahl
beweist aber eine allgemeine Zunahme des Verkehrs.
Die Organisation des Kaufhauslebens ist neuerdings von Schmoller
für Strafsburg, von Geering für Basel, von Gothein für Konstanz und
Freiburg und von Nübling für Ulm eingehend untersucht und dargestellt
worden. Diese Arbeiten überheben mich der Pflicht, näher auf diesen
Gegenstand einzugehen, ich kann mich mit Andeutungen der für den
Fremden wichtigsten Momente begnügen ^
Das Kaufhaus war zugleich Lagerhaus und Verkaufshalle, Zollstelle
und gewerbepolizeiliches Revisionslokal. Der fremde E^aufmann durfte
nur in diesem Hause seine Waren haben, und der Amtmann des Kauf-
hauses durfte keinerlei Verkauf aufserhalb des Gebäudes zulassen. Die
Wirte waren verpflichtet, von etwaigen Abweichungen Anzeige zu machen
und nur in Konstanz durfte der Hausherr eine Ausnahme gestatten. Es
war damit eine kaum zu umgehende Kontrolle des Handels der Fremden
ermöglicht Die Konstanzer Praxis führte zu argen Mifsständen, wie sie
deutlich eine Enquete schildert*. 1445 muCste den Wirten verboten
werden, irgend welche Kaufmannschaft aufzunehmen*. In Strafsburg
machte die Mefszeit wenigstens zeitweise eine Ausnahme von diesem
Lagerzwang im Kauf hause*.
Den Gästen war — den mittelalterlichen Handelsprinzipien fast aller
Städte entsprechend — jedweder Handel unter sich verboten, nur in
den Mefszeiten war eine Ausnahme gestattet. Der Verkauf an die Bürger
durfte nur in grofsen Quantitäten erfolgen und ganz genau wurden die
Grenzen festgesetzt, bis zu denen herab der Fremde verkaufen durfte.
Die Tendenz, den en ^rros- Verkauf auch der städtischen Bürger auf
das Kaufhaus zu verlegen, war in Basel siegreich und auch da wurden
die Gewichtsgrenzen fixiert^. Die Gewerbepolizei war im Kauf hause
viel einfacher zu handhaben und naturgemäfs verband sich damit die
öffentliche Wage, die in Konstanz aber unglaublich primitiv war. Da
gab es nur Gewichte bis zum Betrage von 5 — 7 Centnern und um bei
^ An Quellen vgl. für Strafsburg Strafsb. Urkb. 5, 1041. Vgl. S. 521 Anm. 1.
a Urkunden Nr. 364.
« Urkunden Nr. ^59.
* Schmoller, Tucher- und Weberzunft 429.
^ Geering 157 flF.
526 Sechsund vierzigstes Kapitel.
schwereren Waren die Differenz herauszubekommen , legte man andere
Sachen auf die Schale, die nachher dann untereinander verglichen wurden.
Wenn man Bretter, Stahlballen, Kieselsteine auflegen mufste und der
Gast also keinerlei Garantie für richtiges Wägen besafs, so konnte man
es den Gästen nicht verdenken, wenn sie andere Wege fuhren *. Frank-
furt und Nürnberg wurden wegen ihrer Wage gepriesen. Einzelne Kauf-
leute hatten auf dem Kauf hause wohl besondere Verschlage (gadem) inne,
was doch nicht ohne Bedenken war. Sie zahlten dafür eine Miete.
An der Spitze der Verwaltung stand , abgesehen von den jährlich
wechselnden Vertretern des Rats, den beiden Kauf hausherren *, in allen
drei Städten ein Hausherr oder Amtmann, der für die Ordnung im Kauf-
hause verantwortlich war und mit dem die Fremden am meisten zu thun
hatten. Er hatte seine feste Einnahme, an Geschenken durfte er nur
Kleinigkeiten annehmen, in Strafsburg unter 1 ß Wert: einen Kamm,
ein Messer, zwei Handschuhe, einen Säckel oder derartiges®. Der Kauf-
hausherr hatte viele Briefe zu schreiben und da war dem Strafsburger
verstattet, wenn es sich um Kaufhaussachen handelte, 6 ^ zu nehmen;
wenn es aber fremde Sachen waren, so durfte er nehmen, was er Recht
zu sein glaubte. Eigentümlicherweise war dem Amtmann in Strafsburg
verstattet, Waren — mit Ausnahme von Spezerei und gefilrbten
Tüchern — auf „Mehrschätzen" zu kaufen, also die Kenntnis des Marktes
für sich auszubeuten*.
Ein Kaufhausschreiber war in Strafsburg und Basel thätig. Auch
die Kaufhausknechte und Ballenbinder waren vereidigt, sie hatten zum
Teil Kautionen zu stellen. Die Organisation ist am entwickeltsten und
am deutlichsten zu erkennen in Basel, Geering giebt davon ein anschau-
liches Bild. Das für kaufmännische Rechtsgeschäfte wichtige Kaufhaus-
buch, in das solche eingetragen wurden, ist an keinem der drei Plätze
erhalten. Dafs es in Strafsburg und Basel geführt wurde, ist nachzuweisen.
Es mufste in Strafsburg jede ankommende Ware aufgezeichnet werden.
Für das Heben von schweren Lasten gab es in Basel seit 1451 einen
Krahn, in Konstanz finde ich ihn schon 1431 erwähnt und in Strafs-
burg schon 1885^. Als Vermittler von Geschäften mufsten sich an allen
drei Orten die Gäste der „Unterkäufer" bedienen.
In Konstanz und Basel hat bei der Errichtung des Kaufhauses un-
zweifelhaft die Absicht mitgewirkt, den städtischen Zoll wirksamer zu
handhaben. Beide Mal folgt die Errichtung dem Erwerbe eines Zolles.
1 Urkunden Nr. 364.
^ Finden sich in Basel.
» Strafsb. Stadtarchiv. Ordnungen Bd. 20 Fol. 118.
* Ebda. Doch war das nur eine persönliche Vergünstigung.
* Geering 161. Königshofen 745.
Kaufhäuser. 527
Karl rV. hatte 1375 der Stadt das Recht verliehen, auf alle Kaufmann-
schaft, die man nach und von Konstanz führe, einen Zoll zu legen und
nach eigenem Gutdünken abzumessend
Den Baselern hatte 1368 der Kaiser einen Zoll von nicht weniger
als einem halben Gulden auf alle Fardel, Ballen und Wollsäcke ver-
liehen ^ und der Ertrag dieser Steuer war mitunter fast doppelt so hoch
als die Pfandsumme (2000 fl.), wofür der König sich den Rückkauf vor-
behalten hatte®. 1373 erwarb der Rat auch die bischöflichen Zölle und
die Fronwage*, da jedoch dieser Erwerb nur in der Form einer Ver-
pfändung stattfand, wobei die Rückkaufsumme auf 12500 fl. festgesetzt
wurde, mufste die gesonderte Erhebung dieses Zolles beibehalten werden.
Karl IV. fand sich 1377 bereit, den Stadtzoll noch zu verdoppeln*, so
dafs er jetzt einen Gulden betrug. Die beiden Städte Basel und Kon-
stanz kamen Zug um Zug mit Zollerhöhungen heraus, bis 1377 er in
beiden Städten gleichmäfsig \6 /} für den Wollsack betrug. Die fremden
Gäste mufsten der Stadt die Kasse füllen, die Zollerträgnisse gehörten in
Basel mit zu den bedeutendsten Einnahmen*. In den nächsten Jahren
sank das Erträgnis bedeutend, leider kennen wir nicht die parallelen
Einnahmen von Konstanz. Das Erträgnis in Basel fiel von 2000 i6
1387/88 auf 426 «J, um dann bis 1393/94 wieder die Höhe von 1300 «
zu erreichen''.
Der Zoll von Basel war so hoch, dafs er einer Transitsperre ähnlich
sah. Er blieb aber 100 Jahre in Kraft. Die Stadt mufste dafür sorgen,
dafs die Kaufleute sie nicht umgingen. Sie suchte bei italienischen
Firmen einen Strafsenzwang durchzusetzen, dafür gewährten sie ihnen
einen Transitzoll von nur Vi fl. für die Saumlast Und da wurden von
1510 — 33 eine grofse Zahl von Firmen (26) mit diesen Vorrechten in
das Kaufhausbuch eingetragen. Sie verteilen sich auf Como, Torno,
Mailand, Genua, Lucca, Bergamo, Chur, Luzern, Zürich, Genf, Konstanz,
Augsburg, Nürnberg und Lüttich **.
Bei Strafsburg hängt der Beschlufs, ein Kaufhaus zu erbauen, mit
dem Erwerb eines Zolles nicht zusammen, wenigstens soviel sich ohne
eindringliche Forschung ersehen läfst. Der uralte bischöfliche Zoll wurde
im „Zollkeller" erhoben. Dieser Zoll ist jedoch nicht zum Kaufhauszoll
1 Gothein 1, 463. Böhmer-Huber 7413.
a Böhmer-Huber 4642. Baseler ürkb. 4 N. 322.
* Geering 149.
* Baseler Urkb. 4 Nr. 359.
» Böhmer-Huber 5798. Baseler ürkb. 4 Nr. 423.
* Geering 149.
■^ Geering 150.
» Urkunden Nr. 316.
528 Sechsundvierzigstes KapiteL
umgewandelt, sondern blieb bestehen, er war noch am Ende des sech-
zehnten Jahrhunderts in Kraft. Es war das im wesentlichen ein Pfund-
zoll, eine Verkaufsgebtihr von 4 ^ auf das Pfund, also von 1,66 ®/o*. Ein
Zoll, dessen Eigentümer die Stadt, war der zu Neuburg 1370 ver-
liehene, den Wenzel 1381 nach Strafsburg zu verlegen gestattete^; dieser
Zoll ist wohl der, der nun auf dem Kaufhaus erhoben wurde, von 1358
bis 1381 dürfte sich die Stadt mit einem Hausgelde begnügt haben. In
Strafsburg haben wohl auch die Mifsstände im Zollkeller, über die sehr
lebhafte Ellagen gefUhrt wurden^, die Erbauung eines städtischen Kauf-
hauses veranlassen helfen.
* Vgl. unten unter Zöllen.
« S. oben S. 432.
« Strafsb. Urkb. 5, 383.
Zweiter Teil.
DER ANTEIL ITALIENS.
Siebenundvierzigstes Kapitel.
Allgemeines. Oenna: Privilegien und Organisation der Fremden.
Die Stellung der Fremden im Rechte, Prinzip der Gegenseitigkeit. Bepressdlien.
Hecht der Fuhrleute.
Genuas Bedeutung, verdrängt Pisa^ Rivalität mit Venedig, Innere Kämpfe. Fremd-
herrschaften, Privilegien für die Deutschen, Verhandlungen von 1398, Angaben von
Ulmann Stromer, Nicht erhaltene Privilegien, VerhandJwngen und Primkgien von
1424/25, Konrad Her vofi Konstanz, Fondaco, Tarifermäfsigungen. Conventiones
von 1466, Heinrich Frey von Konstanz, Befreiung der Genuesen im Reiche, Über-
blick über die Privilegien, Die Konsuln der Deutschen, Reihenfolge, Befugnisse. Kleine
deutsche Leute, Die Brüderschaft der Fremden,
Wer wcifs, wie stark der Municipalgeist die Italiener des Mittelalters
beherrschte, wie die rechtliche Lage des Bewohners einer Gemeinde in
einer andern desselben Staates die eines minderwertigen war, wird sich
nicht darüber wundern, dafs die Fremdlinge in dem Lande, das von
allen christlichen Landschaften den stärksten Fremdenverkehr hatte, noch
viel schlechter gestellt waren. Stellt man Einzelzeugnisse zusammen,
nach denen der Fremde vor Gericht kein Zeugnis geben, kein Eigentum
erwerben konnte, höhere Abgaben und schwerere Strafen als der Bürger
zu tragen hatte, sieht man, dafs es so weit ging, dafs das Gut eines auf
der Wanderung gestorbenen Fremdlings nicht seinen Erben, sondern dem
jtts albinagii entsprechend, der Gemeinde, in der er gestorben war, zufiel,
dafs der Fremdling in später Abendstunde bei der Sakristei abseits der
Gläubigen beigesetzt wurde — so kann man die Wanderfahrten der
fremden Kaufleute erst recht als kühne Wagnisse ansehen ^
Allein alle diese Bestimmungen vereinte wohl kein Stadtrecht, ja die
meisten Städte hatten selbst ein Interesse daran, dafs der Fremde nicht
allzu schlecht behandelt werde, weil die eigenen Bürger in der Ferne
» Vgl. über das Recht der Fremden Pertile 3, 187—203. Lattes 91—101.
Schulte, Qesoh. d. mittelalterl. Handels. I. 34
530 Siebenundvierzigstes Kapitel.
auf gute Behandlung hofften und rechneten. Der Grundsatz der Gegen-
ßeitigkeit war der Weg, die Lage der Fremden zu bessern, wie in
Chieri das Statut sagt: einem Auswärtigen soll kein Recht gesprochen
werden, wenn in seiner Heimat der eigene Bürger kein Recht findet*.
Und gerade die Handelsorte sind es, die sich in ihren Statuten auf diesen
Standpunkt stellen 2, ja Mailand hat schon 1396 die volle Gleichstellung
im Rechte : Mercaioribus et iranseuntibus fiat bonum et expeditum jus ui
nostratibus^. Dieses liberale Prinzip fand freilich erst im neunzehnten
Jahrhundert die volle Anerkennung, so viel früher hat in Mailand die
ßittigende Kraft, welche das Handelslcben in sich birgt, Geltung ge-
wonnen. Städte wie Piacenza und Mailand gaben den Fremden auch
das Recht, gewerblich thätig zu sein*.
Das Handelsleben des mittelalterlichen Italiens wurde tief beeinflufst
durch die Handhabung der Repressalien, in denen das Mittelalter mit
Gewalt das Recht zu erreichen erstrebte. Es war das Prinzip, für einen
erlittenen Schaden nicht allein die Schuldigen , sondern auch dessen
Landsleute so lange haftbar zu machen, bis der Schaden völlig ersetzt
war. Wer sich geschädigt glaubte, wandte sich an seine Stadt, diese
suchte von der Heimat des Schuldigen Ersatz und gab, wenn sie keinen
Erfolg gehabt hatte, dem Beschädigten die schriftliche Erlaubnis, sich
bis zum vollen Ersatz des Schadens an den Bürgern der Stadt des
Schädigers schadlos zu halten. In Bologna und Venedig gab es für die
Handhabung der Repressalien, cambiay laudeSj lausa, eigene Behörden.
Selbstredend erfolgten in vielen Fällen Gegenrepressalien. Dieses barbarische
Rechtsverfahren wurde schon im Laufe des Mittelalters langsam ein-
geschränkt ^.
Die Fuhrleute waren in dem verkehrsreichen Norditalien an strenge
Vorschriften gebunden. Sie waren dem Kaufmannsgerichte unterworfen,
und galten als ein Hilfsgewerbe, sie mufsten sich eidlich verpflichten,
die Vorschriften zu halten. Einzelne Statuten schrieben bereits eine
Registerführung vor. Anderswo waren genau Routen und Preise fest-
gesetzt. Ganz allgemein wurde der Fuhrmann für jeden von ihm an-
gerichteten Schaden haftbar gemacht. Die hohe Entwicklung des
Transportwesens in den Alpen fand auch in der lombardischen Ebene
1 Pertiie 3, 190 N. 18.
2 Pertiie 3, 197 N. 48. Mailand, Nizza, Como, Ivrea, Florenz, Brescia, Turin,
Bologna, Modena, Brescia, Crema u. a.
« Pertiie 3, 198. Vgl. Lattes 98 Anm. 12-14.
* Lattes 96 Anm. 6.
» Über die Repressalien vgl. Pertiie 2, 1, 289—295 und A. del Vecchio ed
C. Casanova, Le rappresaglie nei comuni medievali e spccialmente in Firenze.
Firenze-Bologna 1894.
Privilegien und Organisation der Fremden. 531
ein Abbild, wenn auch hier dem Fremden viel mehr Freiheit gelassen
war, sich seinen Fuhrmann zu wählend Für Italien galt wie für die
Alpen und Deutschland der Strafsenzwang. Ganz beliebige Wege durfte
der Kaufmann nicht einschlagen, sondern er mufste sich den Anweisungen
des Geleitsherrn fügen.
Der oberschwäbische Kaufmann und der des oberrheinischen Thaies
hatte als den nächsten Hafen Genua zu betrachten. Und dieser Hafen
bot viele schon früher gestreifte Vorteile gegenüber Venedig. Genua
hatte die alte ghibellinische Herrscherin des tyrrhenischen Meeres Pisa
in schweren Kämpfen niedergerungen, seit der Schlacht von Meloria
(1284) war Pisas Stern im Sinken, Corsika, Elba wurden Eigentum der
Rivalin; der doppelten Feindschaft von Florenz und Genua konnte Pisa
nicht widerstehen, es verlor seinen Handel und die Freiheit, und öde
wurde es an dem Gestade des Arno, der Hafen war versandet. Minder
glücklich war Genua gegenüber Venedig, die Interessen beider kreuzten
sich tagtäglich in' der Levante. Genua besafs aufser Pera im Schwarzen
Meere mächtige Kolonien, ja es schickte sich an, hier die ausschliefsliche
Handelsherrschaft zu gewinnen und schlofs sich der grofsen Koalition
der Feinde an (1379 — 81). Die Genuesen wollten Venedig vernichten,
sie setzten sich in Chioggia fest, aber die äufserste Not veranlafste die
Venetianer zu den gröfsten Anstrengungen. Schliefslich mufsten die
Genuesen auf Chioggia die Waffen strecken und 32 Galeeren den Händen
der Sieger überliefern (21. Juni 1380).
An diesem Tage hatte sich das Zünglein der Wage zu Gunsten
Venedigs gestellt. In Venedig eine Verfassung, die die Ruhe, die Voraus-
setzung des Handels verbürgt, die straffe Zusammenfassung aller Kräfte ;
in Genua endlose Parteikämpfe und Umwälzungen. Dafs sie die äufsere
Bedeutung Genuas nicht brachen, zeigt, wie kräftig der Genueser Handel
war. Wiederholt mufste sich die Stadt, müde der inneren Kämpfe, einer
Fremdherrschaft beugen, bald einer französischen, wie von 1396 — 1409,
1458 — 1461 und mit Unterbrechungen von 1499—1528, bald einer mai-
ländischen. wie von 1354—56, 1421—35, 1464—78 und 1489—99, 1409
bis 1413 war es montferratisch. Dazwischen lagen die Tage von Dogen,
die von den Popolaren emporgebracht wurden. Dabei war die Stadt,
finanziell so erschöpft, dafs sie mehr und mehr von der Organisation der
Staatsgläubiger, der Casa di Giorgio abhängig wurde ^. In diesen wilden
inneren Kämpfen war das W^achstum der Stadt nicht vernichtet, aber der
Handel hatte zum mindesten nicht den Umfang gewonnen, den er hätte
erzielen können.
1 Lattes 235.
2 Vgl. Sieveking vor allem 2, 77 u. 111 ff.
34
532 SiebenimdTierzigstes KapiteL
Für den deutschen Kaufinann hat Genua ein dreifaches Interesse:
Ankauf der Erzeugnisse von Genua, vor allem der feinen Groldf^den^,
Ankauf von Produkten der Levante, endlich den ersehnten Zutritt zum
Meere. Namentlich spanische Häfen sahen vielfach Deutsche.
Welche Stellung nahmen die Genuesen gegenüber den deutschen
Elaufleuten ein? Die älteste Nachricht über handelspolitische Verhand-
lungen zwischen Deutschen und Genuesen £eü1cii in das Jahr 1398. Es
ist ein in dem Konstanzer Formelbuche enthaltener Brief der Herrschaft
von Genua an die verbündeten Städte Schwabens, Frankens und Bayerns,
welcher die Antwort auf die durch den Vertreter der Deutschen Johann
Breitfeld vorgebrachten Bitten enthält. Es war eine Beschwerde über
die übermäfsigen und ungewohnten Zölle. Die Antwort leugnet, dalis die
Ziölle erhöht seien, um aber den Wünschen der Deutschen, welche in
Zukunft nach Genua Handel treiben wollen, entgegenzukommen, ver-
sichert die Stadt, dals die Deutschen vor allen andern Nationen gut ge-
stellt werden sollen und geben in einem leider dem Texte nach verderbten
Satze den Deutschen für ihre eigenen Waren, die aus dem Gebiete von
Genua ausgeführt werden, Freiheit von der Abgabe pro exitu ripae^. Die
Stadt hat sich weiter an den Herrn von Mailand^ den Grafen von Vertus
gewandt, damit auch dieser den ELaufleuten die Zölle mindere, wozu er
sich bereit erklärt hat.
Nach Heyd wäre der Brief das einzige Dokument für eine weit-
sichtige handelspolitische Thätigkeit des grofsen rheinischen Städtebundes,
der in seiner Blütezeit fast alle oberdeutschen Reichsstädte umfafste.
Allein das ist ein Irrtum, denn dieser Bund war den Fürsten längst er-
legen, er hatte sich 1388 auflösen müssen. Erhalten blieb nur der
Bund der sieben Bodenseestädte: Konstanz, Lindau, St. Gallen, Buch-
hom, Ravensburg, Überlingen und Wangen. Wenn sich auch Ulm seit
1390 mit vierzehn Städten erneut verbündete, so pafste selbst für sie die
Bezeichnung der Adresse: ^civitates confederaie colligate ac conjurate tarn
sacri imperidlis quam libere lige Swevie, Francie ei Bavarie^ nicht, ein
Titel , der einigermafsen dem alten Bunde entsprach. Neue Bedenken
^
* In Genua blühte neben der Herstellung des für die Brokate notwendigen
gesponnenen Goldes und Silbers die Wollweberei, die Seidenweberei und die Her-
stellung von Armbrüsten Serra 4, 78 u. 205 fF. Genuesische Armbrustschützen waren
sehr berühmt, 1388 bei den Österreichern s. Ruppert, Chroniken 108, in Köln Lau 258.
■ »Statuimus, qiiod omnes . . Tlieutonici possint de cetera, qiiandotunque de civüaU
Janaensi et districiu nostris exlrahere seu ptr alios etniUere quoscunqne roluerint quas-
Übet mercanciaSy res et bona verc sua, absque aliqua solucione seu prestacioiie pro exitu
ripe (hier erwartet man: easdem extrahere, statt dessen folgt grosso:^), a qua {scüicet
solucione, nicht wie Mone las: aqua) ipnos vestrates Uberacimus jam ex nunc* Mone,
Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 4, 39 f.
Privilegien und Organisation der Fremden. 533
ergeben sich bei der Bestimmung des Absenders. Der Satz: ^Jam misi-
MUS unum domesitcum ex nosiris ad illtistrem et magnificum dominum
comitem Virtuium — wie statt vesiratum zu lesen ist — nosirum frairem
nostrum, per ctijus u. s. w.c klingt wenig städtisch, weist auf einen
Fürsten im Range des Grafen von Vertus. 1398 stand Genua unter der
Herrschaft des französischen Königs Karls VI. und dessen Gouverneur,
der Graf von St Paul mufs der Aussteller sein. Aber dann ist es
wieder auffallend, dafs Giovan Galeazzo nicht als Herzog von Mailand
bezeichnet wird, dafür aber als *frater nostert angeredet wird und der
Graf von St. Paul konnte doch nicht von „unserer" Stadt Genua reden.
Oder sollte Karl VI. der Aussteller sein? Will man wegen des Mailänder
Titels den Brief vor 1395 setzen, so kommt man in die Zeit einer
Dogenherrschaft und auch damit ist die Anrede »frater noster€ nicht
erklärt.
Bedenken genug, doch der Kern des Briefes mag echt sein.
Gar zu gern hätte man die Persönlichkeit und die Heimat des
Johann Breitfeld festgestellt, um die Stadt zu wissen, welche in Genua
als Führerin galt. Nach unseren Auseinandersetzungen ist — da weiter
der Brief uns in der Ravensburg-Konstanzer Briefsammlung erhalten ist —
nur an Ravensburg oder Konstanz zu denken. Aber in beiden Städten
ist dieser Name unbekannt. Breitenbach hingegen kommt in Ravens-
burg vor^
Ist der Brief echt, so war die Befreiung der Deutschen ein Gegen-
stück zu den Ermäfsigungen , die die Waren, welche von England und
Flandern aus zu Land durch Frankreich kamen, genossen^. Ob die
Konstanzer, Ravensburger und Nürnberger Kauf leute , welche wir später
als um diese Zeit in Genua verkehrend nachweisen werden , durch diese
Befreiung angelockt sind , mag dahin gestellt bleiben. Der Verkehr war
jedenfalls recht lebhaft und das interessante Kapitel 34 im Büchlein des
Ulman Stromer von Nürnberg giebt uns einen genauen Tarif über die
Abgaben der Deutschen in Genua.
Danach betrug der Ausfuhrzoll nach entlegenen Häfen wie Neapel
und Brügge von 100 ^ Wert 4 ÄJ 10^, nach näheren nur Ib Jj, Bei
der Einfuhr nach Genua vom gleichen Werte Ib ß und an Thorzoll von
der Saumlast = 4 welschen Centnern: 5 J3 und weiter nichts; diejenigen
die es kaufen ^müssen do von reyff gehend. Der ^exiius ripe^ wurde also
von den Deutschen thatsächlich nicht erhoben®.
1 St. Galler Urkb. 4, 1147 zu 1392 »Conraäus Braitenhach:
8 Pegolloti 220.
• Chroniken deutscher Städte 1, 100. Für die früheren Zeiten vgl. G.
Caro, Die Verf. Genuas S. 62, die Angaben bei Pegolotti, vor allem jedoch
Sieveking 1, so über die ripa S. 67 f. 143 f.
534 Siebenundvierzigstes Kapitel.
Die Privilegien, welche den Deutschen während und infolge der
Siegmundschen Handelssperre gegen Venedig in Genua eingeräumt
wurden , sind nicht erhalten. Sie müssen wohl dem Anfang des Jahres
1423 angehören ^ Direkt bezeugt sind auch Privilegien vom September
1421, aber auch sie sind weder in Genua noch in Paris, wo danach ge-
sucht wurde, gefunden^. Dahingegen haben wir drei höchst merk-
würdige Urkunden über Verhandlungen vom Winter 1424 25. Als Ver-
treter der deutschen Kaufleute gemeinhin erscheint dieses Mal ein
Conradus Her, civis Constantiensis. Ob die Initiative aber ausschliefslich
auf Deutschland zurückzuführen ist , erscheint zweifelhaft ; denn die erste
Nachricht, die wir in der Sache haben, ist ein Eintrag über eine von
Genua für diese Angelegenheit geleistete Zahlung. Es heifst: »JVo Con-
rado de Alawannia, et sunt quas ei date fuerttnt pro suis expensis fiendis^
qiuindo ivit Mediolanutn et Alamaniam pro agendis mercatorum ieoionicorum
requirencium venire Januatn et habere fondicum libre XXXV, soh V.< *.
Mindestens — und das ist wohl das Richtige — fand der deutsche
Vorschlag in Genua sofort Beifall, und in der That wurde vom Gouver-
neur und den Anzianen im Beisein von je vier Vertretern des Officium
s. Georgii und der Proteciores Capituli am 5. Dezember 1424 beschlossen,
in Anerkennung, dafs der Stadt grofser Nutzen aus dem Verkehre der
deutschen Kaufleute zuwachse, auf ihren Wunsch nach einer ruhigen Be-
hausung, wo sie und ihre Sachen fem von allem Geräusch untergebracht
wären und wo die Kaufleute ruhig ihren Geschäften nachgehen könnten,
die als die passendsten erscheinenden Häuser in dem fundicus sancii Siri
für die deutschen Kaufleute zu mieten und dazu bis zu 80 U jährlich
zu verwenden, die von dem Massario der Dogana jährlich, wie andere
Lasten, gleichmäfsig auf die einzelnen Zölle zu verteilen seien. Der
Mehrertrag werde den Aufwand decken. Das ^officium m^m^/e« gab
diesem Beschlüsse einstimmig seine Zustimmung*.
Der fundicus sancti Siri ist vielleicht mit der Via S. Siro identisch,
die allerdings heute die lebhafte Verbindung der oberen zum Wagen-
verkehr benutzten Via Cairoli mit dem Hafengebiete bildet^ vor dem
Bau der Nuova strada war es aber ein abgelegener Stadtteil. Die Deut-
schen hatten ihr Quartier also wohl ganz nahe dem Hafen und zugleich
bei dem Eingange der Stadt, den sie zu benutzen hatten.
1 S. oben S. 518.
2 In Genua hatte Sieveking die Güte, noch einmal nachzusehen. Aus Sieve-
king 1, 139 Anm. 6 darf man nicht schliefsen, dafs an der bezeichneten Stelle die
Privilegien erhalten sind, sie werden dort nur erwähnt.
^ Belgrano 81. Aus den Akten der Banca 8. Giorgio. Cartularium ofificii s.
Georgii a. 1424 Fol. 9.
* Unsere Urkunden Nr. 258.
Privilegien und Organisation der Fremden. 535
Der Fondaco erscheint später niemals, so dafs es zweifelhaft er-
seheint, ob der Plan ausgeführt wurde. Jedenfalls war der Fondaco
von Genua etwas anderes als der zu Venedig, das Gebäude war nicht
Staatseigentum und es war keine staatliche Anstalt, wir erfahren nichts
von der Einsetzung von genuesischen Behörden. Gegen das venetianische
Kaufhaus konnten die Deutschen allerhand Bedenken haben, hier fehlte
der Zwang.
Zweiundzwanzig Tage später entschieden dieselben Behörden tiber
eine weitere von Konrad Her vorgetragene Bitte, worin eine Herab-
setzung der Abgaben für die deutschen Kaufleute gefordert wurde. Es
wurde für den Durchgangsverkehr eine wesentliche Erleichterung zu-
gestanden; für Waren, die von Katalonien oder der Provence nach
Deutschland bestimmt waren , wurde der Wertzoll auf ^/2 ® /o herab-
gesetzt, für Safran sollte er 1 ®/o betragen. Der erste Satz sollte auch
für Handelsartikel, die in umgekehrter Richtung gingen, gelten. Länger
wie sechs Monate durften die Waren bei Strafe der Konfiskation und
weiteren schwereren Bufsen in Genua nicht gelagert werden. Auch
für die deutsche Einfuhr von Leinen, Kanevas und Barchent, die in
Genua ini Stück und im Ausschnitt verkauft werden sollten, wurde der
Zoll auf 9 ^ vom ۧ Werte festgesetzt und solle das die einzige Ab-
gabe sein^
Als unmittelbar darauf eine Erhöhung der Zölle und Abgaben in
Genua erfolgte, erklärten der Gubernator und die Anzianen, dafs da-
durch in keiner Weise die Privilegien, Immunitäten und Exceptionen der
deutschen Kaufleute berührt sein sollten^. Ein Mifstrauen gegen die
Deutschen kann man gewifs darin nicht finden. Enea Sylvios Angaben
sind wohl kaum richtig.
Der Vertreter der Deutschen bezeichnet sich als Konstanzer Bürger,
in der Steuerliste von 1425 findet er sich nicht, in der von 1422 steht
ein C. Herer, ist aber offenbar nur ein armer Bürger, er giebt 4 J3 zur
Steuer®. Vielleicht ist er der Faktor einer Handelsgesellschaft gewesen
und dazu würde es stimmen, dafs AHzeri einen deutschen Konrad fand,
der in der Herstellung von Tischtüchern und Leinengeweben sehr er-
fahren war*.
Eine weitere Abmachung über die Abgaben der deutschen Kauf-
leute in Genua hat im Jahre 1431 stattgefunden. Auf diese wie auf
^ Urkunden Nr. 254.
2 Urkunden Nr. 255. Zum folgenden vgl. oben S. 520.
' Mitteilung von Herrn Apotheker Leiner in Konstanz. Bei den „Geschlechtem"
Harzer und Härdler finde ich den Namen Konrad nicht.
* Angeführt bei Belgrano 86.
536 8iebenandvierzig8tes Kapitel.
die von 1421 beruft sieh nämlich ein Faktor der grolsen Ravensburger
Gesellschaft, der sich weigerte, einen Zuschlag zum Ausfuhrzoll auf ge-
sponnenes Gold zu zahlen und wirklich sprachen ihn die Constdes edle-
garum frei *. Aus Verhandlungen von 1447 kennen wir nur die Petition
der Deutschen, an deren Spitze Ottmar Schleipfer, der Faktor der
Humpirsgesellsehaft stand. Sie ging dahin, dafs jene Zollermäfsigang
für den Verkehr mit der Provence und Katalonien auf die andern
Länder ausgedehnt werde, die Antwort fehlt leider '.
Einen klaren Einblick in die Wünsche und Lage der deutschen Kaufmann-
schaft zu Genua geben die Conveniiones Alamannomm von 1466, weil in
ihnen zuerst die Wünsche, dann die Entscheidungen mit Angabe der
Gründe mitgeteilt werden^. Die Deutschen hatten Genua mehrere Jahre
wegen der inneren Unruhen gemieden — es war die Zeit, wo Paolo
Fregoso, der Erzbischof von Genua, sein Schreckensregiment über der
Stadt geführt hatte, wo die friedlichen Bürger sich nach Savona ge-
flüchtet hatten, wo der Handel, der durch die Verluste von Pera und
Kaffa schon schwer genug gelitten hatte, völlig zurückging und die
Aktien der Bank von San Giorgio auf */'4 ihres Wertes sanken. Dann
hatten sich Francesco Sforza , der die französischen Anrechte auf Genua
erworben hatte , die Thore der Stadt geöfifnet und mit ihm zog zwar ein
strengeres Regiment, aber auch Ordnung in die Stadt ein und bei seinem
Tode (1466) ging auch Genua an seinen Sohn Galeazzo über.
Der Wortführer der deutschen Kaufmannschaft war abermals ein
Konstanzer, Enrictis Franchus de Canstaniia^ Heinrich Fry, ein sehr her-
vorragender Mann, der Vertreter der grofsen Ravensburger Gesellschaft,
der als solcher uns noch oft begegnen wird. Er handelte aber in dem
Auftrage der im August 1466 in Ulm versammelten Reichsstädte des
schwäbischen Bundes und noch- ist uns das von dem Ulmer Stadtschreiber
Peter Neidhart aufgesetzte Schreiben der Bundesversammlung an Genua
erhalten, worin der üblen früheren Zustände in Genua und des jetzigen
Friedens unter der Herrschaft des Galeazzo gedacht und der Überbringer
empfohlen wird*.
Fry wies auf die Existenz der alten Privilegien hin, dieselben seien
aber in Zweifel gezogen und von den Erhebern der städtischen Einkünfte
nicht innegehalten, er bat daher um eine Erneuerung und Einschärfung
derselben. Die Anträge wurden in gleicher Weise von dem Viceguber-
nator, den Anzianen, dem Officium S. Georgii beraten und schliefslich
1 Urkunden Nr. 263.
« Urkunden Nr. 264.
« Urkunden Nr. 272.
* 1466 August 11. Abgctl ruckt bei Heyd in den Forschungen 24, 222.
Privilegien und Organisation der Fremden. 537
vom Officium Mottete mit einer kleinen Abänderung gebilligt. Lange
nicht alle deutschen Wünsche fanden Berücksichtigung.
Die Forderung, die Abgabe pro introitu ripe, die über die den
Deutschen früher gewährte Höhe von 3 i; pro it Wert vom Verkaufe
oder Ankaufe hinaufgesetzt war, auf diese Grenze zu ermäfsigen, wurde
gewährt, jedoch erst vom Ablauf der Pachtzeit des damaligen Pächters.
Die Forderung bezüglich der pedagia aber wurde abgelehnt; hier hatte
Fry die Ausdehnung des Satzes von 5 ^ 3 c^ auf die Saumlast, den
wir annährend gleich schon bei Stromer fanden, von der Einfuhr aus
Deutschland auf Einfuhr aus allen Ländern beantragt (Artikel 1, 4).
Und ebensowenig wollten die Genuesen die Meistbegünstigungsklausel
zugestehen, wonach die Deutschen keinerlei höhere Abgaben als andere
Völker oder die Genuesen selbst bezahlen sollten, das würde ein
grofser Verlust für die Republik sein, und die Deutschen mufsten sich
mit den bisherigen Abmachungen begnügen (Art. 2). Dahingegen wurde
der deutsche Detailverkauf am Gestade von Genua und in den Bezirken
Voltri, Polcevera und Bisagno von der gabella ripae befreit, jedoch solle
der Deutsche auf einer solchen Reise nur bis zum Preise von 100 ۧ
verkaufen dürfen (Art. 7).
Sehr interessant ist, dafs die Befreiung der Wechselbriefe von Ab-
gaben, die in einer ^2^0 Steuer bestand^, nicht allein auf den Verkehr
mit Deutschland beschränkt blieb, sondern, wenn auch nicht auf alle, so
doch auf die Mefswechsel von Genf und Lyon , jedoch nur für deutsches
Geld und unter dem Beding, dafs das Geld zum Warenankauf verwendet
werde (Art. 3). Das Bestreben der Deutschen, ihre Waren möglichst
sofort in ihre Wohnungen zu bringen und dorthin die Zollbehandlung
zu verlegen, fand begreiflich wenig- Gegenliebe. Nur für die Klein-
waren wurde das unter allerhand Klauseln zugestanden (Art. 5. u. 6).
Auch die Forderung, dafs Waren bei DiflFerenzen mit den Zollerhebern,
wenn die Deutschen von ihrem Konsul Sicherheit für den Fall eines
Urteils geleistet hätten, nicht angehalten werden dürften, wurde abge-
lehnt (Art. 8). Die Forderung, dafs die Erheber der Einkünfte die
Häuser der Deutschen nicht betreten und dort Nachforschungen halten
dürften ohne Genehmigung des Konsuls, wurde als ein beispielloses
Privileg abgelehnt (Art. 10).
Aus dem neunten Artikel erfahren wir, dafs — so behauptet Fry
— nach den älteren Verträgen die deutschen Kaufleute bei ihren Meer-
fahrten keine höheren Abgaben bezahlten wie die Genuesen selbst. Die
neuen Statuten bestätigten lediglich die alten und liefsen sich nicht auf
den Einzelfall ein, in dem Fry bei einem Alaun trän sport zur See nach
1 Pertile 2, 1, 439 Anm. 71.
538 Siebenandvierzigstes Kapitel.
Genua weit mehr hatte entrichten müssen, als die Genuesen. Leider
wird aus diesem Abschnitte der thatsächliche Zustand nicht klar.
Im letzten Artikel forderte Fry, dafs die Genuesen für den in der
älteren Konvention verbürgten Schadenersatz für allen Raub oder Schaden,
den die deutschen Kaufleute auf dem Gebiete von Genua erlitten, in
Mailand oder einer andern Stadt aufserhalb Genua Bürgschaft hinter-
legen sollten. Das, meinten die Genuesen, würde die Lust zum Strafsen-
raube nur steigern.
Dafs die Deutschen in Genua ohne Aufenthaltskarten bei Bürgern
und Wirten aufgenommen werden durften , wurde mit der Ausnahme,
dafs Pestverdacht vorliege, bewilligt (Art. 11). Schliefslich wurden für die
Deutschen, die Genuesinnen heirateten, dieselben Freiheiten erbeten,
wie sie die Lombarden in gleicher Lage hätten (Art. 12). Hier wurde
für die Zukunft auf zehn Jahre für Deutsche, die bis zum Ende
wohnen bleiben, Freiheiten von allen direkten Steuern^ nicht aber von
den indirekten gewährt, das Officium monete schränkte das auf die
zukünftigen Fälle einer Ehe zwischen einem Deutschen und einer
Genuesin ein.
Wann den Deutschen eine Ermäfsigung der Abgabe der Hauptwage,
wie die Leute aus der Nachbarschaft und aus dem Mailändischen er-
hielten, vermag ich nicht zu sagen, im sechzehnten Jahrhundert be-
stand sie nichts
Es ist bisher nicht beachtet worden , dafs Kaiser Friedrich HL kurz
vor Erlafs dieser neuen Conventiones den Genuesen wie den Bewohnern
ihrer Kolonie Kaffa eine weit gröfsere Konzession wenigstens auf zwölf
Jahre gemacht hatte. Am 1. Juli 1466 befreite er sie von allen Handels-
und Verkehrsabgaben im ganzen römischen Reiche; ganz besonders
werden die verkäuflichen Sklaven als zollfrei erklärt^.
Überblicken wir die Privilegien, so ergiebt sich, dafs die Perioden,
in denen Genua mit Mailand unter der Herrschaft der Visconti oder
Sforza vereinigt war, eine Bestätigung oder Erweiterung der Privilegien
der deutschen Kaufleute darbieten. So fallen die Verträge von 1421,
1424, 1431 und 1466 in mailändische Perioden, 1398 in die Zeit einer
französischen Herrschaft und nur die Verhandlungen während der venetia-
nischen Handelssperre wurden eine Zeit lang von einer unabhängigen
Republik geführt. Genua war der natürliche Hafen von Mailand, wie
Mailand die Exportpforte Deutschlands. Waren diese beiden Orte unter
einem Staate vereint, so hatten die Deutschen davon Vorteil. Die
» Sieveking 2, 137 f.
* Abgedruckt Chmel Nr. 4542 »ahsqiie nUa sohitione mute, theolonei, daciiy
pedagiif poniinegiif tribute, gahellat u. s. w.
Privilegien und Organisation der Fremden. 539
Bildung eines grofsen Territoriums in Oberitalien war ihnen nützlicher
als die gesonderte Existenz der Handelsrepubliken.
In Genua hatten die Deutschen einen Konsul, wie auch die katala-
nischen Kaufleute und die lombardischen sich einen Genuesen zu ihrem
Konsul erkoren ^. Auch der deutsche wurde aus der Zahl der Genuesen
von den in Genua weilenden deutschen Kaufleuten gewählt und dann
von der Stadt bestätigt, er war also im gewissen Sinne ein conml hospes.
Die Bestätigungsurkunde des am 12. Januar 1463 erwählten Paolo
Basadonne liegt noch vor^.
Mir sind den Studien Belgranos folgend nachstehende Konsuln be-
kannt geworden: 1441 März 17 Julianus de Fini consul Theutoni-
corum^. — vor 1462 Bartolommeo Basadonne, Onkel des 1463 Januar 17
bestätigten Paolo Basadonne, Dr, uiriusque juris^^ derselbe ist 1466
Juni*^ und 1474 Juli 4 im Amte®, wurde 1489 Konsul der Katalanen. —
1479 Onofrio Paris. — 1485' Dezember 14 Giovanni Doria. — 1488
Dezember 10 sein Nachfolger Jacopo Doria, Bestätigung der Wahl. —
1491 November 7 Dominicus de Marino, consul Älamannorum^. — 1495
Mai 25 Giovanni Francesco Spinola, Konsul. — 1495 Juni 5 Domenico
De Marini, Vicekonsul. — 1496 Niccold Doria, — 1499. 1500 Agostino
Lomellino. — 1532 Antonio Bagarotto.
Wir haben hier also den Beweis, wie auch die deutschen Kaufleute
das der griechischen Proxenie sehr ähnliche, wenn auch keineswegs mit
ihr gleiche Institut von consules nachahmten. Aus der Wahl der Orts-
fremden ging ein ortsangehöriger Vorsteher hervor. Die Wahl fand die
Zustimmung der Aufenthaltsstadt, aber nicht die der Heimatsgemeinden
oder des fremden Staatshauptes. Auch tritt bei dem deutschen Konsul
die Pflicht als hospes, als Wirt, zu fungieren, ganz zurück, er ist ihr
defensor^ er schützt ihre Privilegien wie die einzelnen Personen, und er
ist ihr judex. Über das Honorar des Konsuls erfahren wir nichts , und
dafs das Amt auch nicht lebenslänglich war, folgt daraus, dafs Paul
Basadonne bei Lebzeiten ersetzt wurde •
Die Thätigkeit des Konsuls als Richter unter den Deutschen und
Vertreter derselben andern gegenüber können wir mehrfach verfolgen.
^ Akten im Genueser Staatsarchiv.
« Urkunden Nr. 270.
8 Urkunden Nr. 258.
* Urkunden Nr. 270.
» Urkunden Nr. 271.
® Wo von jetzt an nichts bemerkt ist, stütze ich mich auf Belgrano 87 ff.
■^ Belgrano: 1489, die Mitteilung Desimonis an Heyd giebt 1485, was un-
zweifelhaft richtig ist.
® Mitteilung Desimonis an Heyd. Decretum pro D. d. M.
* Vgl. Schaube, Proxenie im Mittelalter, Bericht d. Gymn. in Brieg 1899.
540 Siebenundvierzigstes Kapitel.
So sollte er einem Genuesen helfen, der sich durch einen Deutschen bei
Lieferung von Waren betrogen glaubte', bald vertrat er einen Deutschen,
der Carmoisin zu dem Satze eingeführt hatte, der in den Konventionen
für die aus Deutschland eingeführten Waren galt*, bald mufste er den
Kindern einer mit einem Deutschen verheiratet gewesenen Witwe einen
Vormund bestellen^, bald mufste er die Einräumung einer den Deutschen
zugesagten Halle betreiben*.
Auch in Genua wurden einzelnen Kaufleuten besondere auf Zeit
gültige Pässe ausgestellt, so hat sich ein solcher für einen Peter Lope-
tach ausgestellter erhalten^.
An urkundlichen Beweisen für kleine deutsche Leute in Genua fehlt
es nicht, wobei ich ganz von Söldnern absehe. So erscheint 1426 ein
armer Schneidergeselle, der um Aufenthaltserlaubnis bittet®; es scheint,
dafs für diese Leute eine bestimmte Abgabe bestand , von der ein anderer
armer Teufel, ein deutscher Flüchtling, der sich als ioagiaritis bezeichnet,
befreit wurde'.
Die Fremden thaten sich in Italien mitunter zu Brüderschaften zu-
sammen. Vieles wissen wir über das kirchliche Leben der Deutschen
in Venedig®. Fast so genau ist die Brüderschaft der Fremden von
Genua bekannt, sie vereinte alle christlichen Ausländer, jedoch waren
besonders die Deutschen darin stark vertreten.
Die Brüderschaft wurde in der Kirche der Serviten errichtet, in
der noch heute bestehenden Kirche St. Maria dei Servi in dem Borgo
de Lanari (Lanajolij in dem sestiere della Portaria gelegen (nördlich von
St. Maria in Carignano), sie bestand schon 1393 als »Consortia de Madonna
dt Misericordia de' Forestierh ®, dort wurde im Jahre 1414 ein St Bar-
» Urkunden Nr. 258.
« Urkunden Nr. 271.
^ »Margaritina filia quofulam nobilis Geonfii de Cohimnis et uxor qxiondam Georgii
Sur Alamanni hahitatoris Janiie 1474. Belgrano 88.
♦ 1492. Belgrano 89.
» Urkunden Nr. 268.
« Urkunden Nr. 256.
' Urkunden Nr. 260. Weiter: 1451 Januar 10. Decretum ad instantiam Nicolai
Egra Älemanni suo et nomine fratris et iieyotum pro prorogando conventionem pro eorum
hahitatione in Janua. Mitteilung Desimonis an Hcyd.
^ Simons Feld passim und die interessanten Mitteilungen des Itinerarium
fratris Pauli Waltheri S. 33-87.
® Inschrift erhalten bei Piaggio, Monumenta Genucnsia (Bibliotheca Civica),
der auch von benachbarten , der Brüderschaft gehörigen Häusern Inschriften von
1567 und 1582, aus der Kirche von 1562, 1572, 1573, 1582 u. s. w. bietet. Nach einer
Handschrift in Paris (Archives des äff. Strang, fond. G^nois.) Cod. Nr. 11 habe die
compagnia di S. Barbara 1458 begonnen, 1485 wurde sie bestätigt. Mitteilungen
von Desimoni an Heyd.
Privilegien und Organisation der Fremden. 541
baraal tar eingeweiht und 1509 der Bau einer noch heute erhaltenen
Kapelle vollendet; auf dem Gedenkstein las ich auch die Namen: T^Maieo
de San Gallon und :* Joanne Tabulimo de Liukiech^. Ein anderes Denk-
mal, ein Basrelief, die Mutter Gottes mit dem Kinde darstellend, ist
die Schenkung eines Frankfurters und der Bruderschaft. Die Unter-
schrift lautet: ^^ Dominus Curadus de Forte Francho et consortia forestio-
rum fecerunt fieri hanc figuram^. Diesem Konrad und seinem Verwandten
Konrad von Ortenburg bin ich zum Jahre 1450 im Genueser Staats-
archiv begegnet^, wie ich in einigen Testamenten von Fremden von
1452 das »monunientum novum consorde forensium^ bedacht fand^.
Aufgenommen wurden, von Frauen abgesehen, nur Fremde, auch
waren Sklaven ausgeschlossen. Auch beteiligten sich nicht alle Fremden.
Die Lombarden hatten seit 1449 eine Kapelle bei den Dominikanern von
Sta Maria di Castello®. Der Zweck der Bruderschaft war vor allem ge-
meinsamer Gottesdienst, Hilfe in der Not und Sorge für ein ehrliches
Begräbnis. Jeden Sonntag war obligatorischer Gottesdienst für die Mit-
glieder, den der Guardian der Serviten anzuordnen hatte. Das kirch-
liche Uauptfest war Maria Lichtmefs, monatlich fanden auch Seelen-
messen statt und mancher stiftete sich eine eigene , so Simon de Cologna
(1452), Gasparo d^Alamanniay der der Bruderschaft eine Aktie (luogo)
der St. Georgsbank vermacht hatte und Federico Colonia ditto Todeschin
(1461). Zur Pflege der Kranken und Armen hatte die Brüderschaft
Betten in ihren Häusern, doch sollten sie dort erst im Notfalle auf
Kosten der Bruderschaft verpflegt werden. Das Gut des erbenlos
Sterbenden sollte der Bruderschaft zufallen. Die Verwaltung war die
der italienischen Bruderschaften mit Priori, Consiglieri, Sindichi, Massa-
rio u. s. w., von den beiden Sindichi sollte in einem Jahre der eine ein
Lombarde, der andere ein Deutscher sein, im zweiten ein romano und
ein ultramontano des Amtes walten. Spezilisch deutsche Charakterzüge
darf man bei dieser Bruderschaft nicht vermuten.
Soldaten und Handwerksleute werden wohl die meisten Mitglieder
gewesen sein, bei einer Supplik vertritt wenigstens das deutsche Element
ein Francesco de Argentina caporale et soUato^.
1 Urkunde Nr. 267.
2 Akten des Notars Christoforo Sisti.
8 Gaddi 81.
* Quellen: Ilossi, Capitoli della consortia delli forestieri dcUa cliiesa delli
Servi in Genova delP anno 1393 in Miscellanea di storia italiana 11, 329—344.
Das Statut liegt nicht in der ursprünglichen Gestalt vor, sondern in einer auch mit
noch jüngeren Statuten durchsetzten Erneuerung von 14>*.5. Einige Notizen bei
Belgrano 89.
542 Achtundvierzigates Kapitel.
Achtundvierzigstes Kapitel.
Handel in Oenna. tienna als Hafen. Handel mit Spanien, Neapel, Asti.
Acqni nnd Alessandria.
Genueser Seideninäustrie^ Goldfäden. Handel am Platz, Wichtiger der Export-
handel. Konstamer und Eavenshurger auf dem Meere, im Handel mit Spanietu
Spanische Häfen, Deutsche in Sj)anien. Andere Wege nach Spanien, Deutscher See-
ItamJel quer durch das Mittelmeer^ Handel von Genua aus mit Neapel, Pera. Genuesen
in Deutschland. DurchgangsverJcehr. Transportgesellschaften, Asti, Acqui, Alessandria.
Genua war nicht der Endpunkt des deutschen Handels^ es war vielmehr
für ihn vorwiegend ein Durchgangsort. Venedig konnte das Monopol der
Seefahrt auf der Adria behaupten, Genua kämpfte im toskanischen Meere
mit den Städten der französischen Küste, mit den immer mehr auf-
blühenden der aragonesischen Krone und schliefslich mit Pisa und
Florenz, mühselig die Vormacht in der Ponente behauptend, nachdem
das Kolonialreich in der Levante verloren war. Venedig betrieb im
wesentlichen Staatsschi ffahrt , in Genua besafsen fast nur die Privaten
Schifife. Ein Monopol nach venetianischer Art verbot sich in Genua von
selbst. Dabei war der Genueser Schiffsbau dem venetianischen aller-
dings wesentlich überlegen.
Die Nachrichten über den Handel am Platze sind spärlicher als die
Angaben, die auf das Meer fuhren. In Genua nahm die anfangs nur
von wenigen Meistern geübte Seidenindustrie, seitdem am Anfange
des fünfzehnten Jahrhunderts von Lucca Musterzeichner herzangezogen
wurden, einen grofsen Aufschwung. Schon vorher blühte dort die Kunst,
feine Gold- und Silberfäden herzustellen; aus diesen beiden Elementen
erwuchs jene hohe Ausbildung der Genueser .Seidenindustrie, die im
Anfang des sechzehnten Jahrhunderts auf dem Gipfel stand, wo sie das
Leben und der Atem der Stadt war^ Im Jahre 1432 wurde die Zunft
der Seidenhändler eingerichtet, welche sowohl die Arbeiter, als die Spinner
von Seide und Gold, durchaus in Abhängigkeit hielt. Auch hier bestand
ein hausindustrielles Verlagssystem. Man stellte feine Sammetstoffe, Damas-
chinos, Brokate, Atlas und glatte Taffete (onnesino) her^. Die gröfste
Bedeutung hatte für Genua die Herstellung der leonischen Goldfkden, es
waren das Seidenfäden, die mit gezogenen Golddrähten umsponnen waren.
Im vierzehnten Jahrhundert hatte Lucca damit geglänzt, im fünfzehnten
florierte diese Kunst in Genua, um im sechzehnten an Mailand und Florenz
* Vgl. die gleichzeitige AufseruDg bei Sieveking, Seidenindustrie 120.
■ Vgl. Sievekings Untersuchung a. a. 0.
Handel in Genua. 543
tiberzugehen ^ Neben diesen Gewerben sind besonders die Armbrust-
macher, die Goldschmiede und Wollenweber zu nennen.
Stellen wir zunächst die Nachrichten über den Handel am Platze
zusammen. Aus dem Jahre 1466 haben wir die Kunde, dafs ein Georg
von Lenemburg (Nürnberg?) in Genua Carmoisin einführte und ihm da-
für der Zoll abgefordert wurde, der verlangt wurde, wenn es sich um
Waren nicht deutschen Ursprungs handelte; die Färber von Genua er-
klärten aber, das Carmoisin sei deutschen Ursprungs. Aus dem folgenden
Jahre haben wir eine Nachricht, dafs Tibald Stromer von Nürnberg einem
Grafen von Lavagna Alaun und Pelzwerk verkaufte^. Die Gesellschaft
des Friedrich Humpifs hatte 1467 in Andreas Sattler aus Konstanz dort
einen Vertreter, der Genueser Tuch kaufte^.
Ulman Stromer erwähnt in seinem ^püchlein^ viele Waren, die sich
auf Ein- und Verkauf wohl so verteilen. Einkauf: Spezereien, Pfeffer,
Ingwer, Kanneel, Weihrauch, Nägel, Muskatblumen, Galgan, Cybeben,
>zymidplud, paneysJcomj aitwar/^ Perlen, Safran, »unoBgoU, seideym gewant
und silberein getvanU. Verkauf aber: Kupfer (Nürnberger Gewichtes),
Leinwand (Konstanzer Elle), Pelzwerke (wechs tcerks oder warnen), bra-
bantisches Tuch. Das Verzeichnis ist aber gewifs keineswegs vollständig.
Ein vorsichtiger Forscher (Serra) nennt noch weiter als deutsche Einfuhr
Stahl, Salpeter, Nürnberger Kleineisenwaren u. a.*.
Der deutsche Kaufmann hatte hier den Zugang zum Meere und ihn
haben die Kaufleute von Konstanz und Ravensburg auf das fleifsigste
benutzt. Andere Städte sind — so weit sich jetzt nachweisen läfst —
anfangs nur schwach beteiligt, erst später folgen Augsburger und Nürn-
berger den Spuren der Oberschwaben und in erster Linie steht bis zu
Ende die grofse Ravensburger Gesellschaft.
Stellen wir zunächst nur die Nachrichten zusammen, welche sich auf
einen Seeverkehr zwischen Genua und der spanischen Küste beziehen,
Ln Jahre 1408 beschwerte sich Konstanz für Liutfried Muntprat, dafs in
den Streitigkeiten zwischen Genua und Barcelona von Genuesen Liut-
frieds auf einem SchiflFe befindlichen Waren (zwei grofse Ballen unge-
bleichter Leinwand und zwei Ballen Kattun [panno vastanico]) beschlag-
nahmt seien*. Dieser selbe uns später als vielleicht der reichste schwä-
1 Silbermann 1, 77.
a Urkunden Nr. 271 und Nr. 273. Vgl. auch Nr. 258. Dem General Asseretto,
dem eifrigen Durch forscher des Genueser Archivs, sind Notariatsurkunden bekannt,
in denen Deutsche besonders Metall und Kurzwaren verkaufen und besonders
Korallen kauten. Mitteilung Sievekings.
3 Mitteilung Sievekings.
« Danach Canale S. 252.
^ Mone, Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 4, 42.
544 Achtundvierzigstes Kapitel.
bische Kaufmann näher bekannt werdende Kau^ann wurde mit Johann
Muntprat und dem Frankfurter Paul Fetzbrey 1417 oder 1418 von
korsischen SchiflFern gefangen, sie wurden ihrer Güter beraubt und erat
nach längerer Zeit freigelassen. König Siegmund gab ihnen das Recht,
sich an den Gütern der Herren von Korsika, den Genuesen, schadlos
zu halten, er mochte sich dazu um so mehr berechtigt halten, als er den
beiden Konstanzern gerade vor Antritt dieser Reise im März 1417 einen
Geleitsbrief für ihre Person und ihre Waren gegeben hattet
Das erste Mal, dais uns unzweifelhaft die grofse Ravensburger Gesell-
schaft in genuesisch-spanischem Handel begegnet, ist 1436, wo Heinrich
Fry, ein deutscher, in Genua sich aufhaltender Kaufmann, — es ist der
thätigste unter den Faktoren der Humpifsgesellschaft — Messing, Kupfer
und wertvolle Brügger Tuche in einem Gesamtwerte von 2988 genues.
Pfund nach Valencia an „Rodol Mesvang** und nach Barcelona an Johannes
Fry abgefertigt hatte, die Güter aber von einem genuesischen Kriegs-
schiflF gekapert wurden. Ein anderer Faktor derselben Gesellschaft war
Ottmar Schleipfer von St. Gallen, der 1449 Wolle und andere Waren
nach Genua fUhren liefs. Die Güter wurden jedoch von Seeräubern aus
der Provence weggenommen und an einen Genuesen verkauft*.
Ganz deutlich liegen die Verhältnisse bei einem andern Falle von
Seeraub. Die Gesellschaft des Friedrich Huntpifs habe von Konstanz
aus 8 Ballen nach Mailand gefertigt, dort habe ihr Faktor 30 Ballen
hinzugekauft und dieses Gut habe ihr ^RespondenU in Genua, Ludwig
Zentrioni, einem Genueser SchiflFsherrn zum Transport nach Valencia
empfohlen, es wurde das Schiff aber von der katalanischen Armada „an-
gefahren", gefangen und nach Barcelona gebracht, jedoch hofften die
Konstanzer, das Gut werde von der aragonesischen Regierung entledigt
und an ihre dortigen Faktoren Paulin Spick und Philipp Wifsland
gegeben werden®. In den Conveniiones Älamannorum von 1466 wird er-
wähnt, dafs Heinrich Fry nach Genua Alaun einführte, und 1492 wurde
des Gut Onofrius Huntpifs und Konrad Ankenreute, beide von Ravens-
burg, auf der Fahrt nach Genua vor dem Hafen von Nizza von einem
Nizzarden weggenommen *.
Von den spanischen Häfen kam vor allem die Herrscherin der kata-
lanischen Küste und des Binnenlandes, Barcelona, in Betracht. Im Delta-
gebiet des Ljobregat, in fruchtbarer, wasserreicher Ebene gelegen und
1 Altmann Nr. 3299 und 2125.
2 Urkunden Nr. 257 u. 265.
^ Urkunde vom 2. Dez. 1466 gedruckt bei Heyd, Ravensb. 51 und Ruppert,
Chroniken 375.
* Heyd 73 f.
Genua als Hafen, Handel mit Spanien, Neapel, Asti, Acqui und Alessandria. 545
mit dem Innern vortrefflich verbunden, im Besitze einer vorzüglichen
Hafenbucht hat Barcelona im Mittelalter sich früh am Welthandel be-
teiligen können und als fast autonome Stadt sich zu hoher Blüte entr
wickelt. Seeschiffe gingen auf dem Ebro bis Tortosa aufwärts, das an
dem Austritt aus dem Durchbruchsthale liegt und der Meereshafen der
aragonesischen Königsstadt Saragossa war.
Auch Valencia war ein wichtiger Hafen, der einzige, den die Natur
zwischen der Ebromündung und Cartagena bot. Inmitten einer reichen
Huerta gelegen, wie von einem lachenden Garten umgeben, hielt sie fest,
was von arabischer Kultur vererbt war, und die Könige pflegten die
Stadt, die eine hohe Glanzzeit erlebte. Von den weiter südlich gelegenen
Häfen ist vor allem Alicante zu nennen, doch mufste hier die Kunst der
Natur nachhelfen. Von dem besten Hafen der Küste, Cartagena, sind
Verbindungen mit deutschen Kaufleuten bisher nicht bekannt geworden.
Damals griff die Grenze von Katalonien noch weit nach Norden hinüber
und in Perpignan kann ich sowohl die Humpifs wie einen Kaufmann
aus Fraustadt in Posen nachweisend
Ich kann im folgenden das, was wir heute wissen, nur kurz skizzieren.
Eine Geschichte des Handels der Deutschen mit Spanien haben wir wohl
in Verbindung mit der Veröffentlichung der Einträge des Zollbuchs von
Barcelona von dem besten deutschen Kenner spanischer Geschichte,
Konrad Häbler, zu erwarten. Man darf ihre Zahl nicht als gering an-
sehen; denn schon 1420 bestellte König Alfons V. den deutschen Kauf-
leuten und Gewerbetreibenden zu ihrem consol ^ proiector seinen religiös
^ amat Coftseller, frare Garcia de Torres, Dr. en leys^. Ein aus Überlingen
stammender Korallen händler T^Jacobus de Ubrelmg^ und ein ^Ermantis de
Nomberg* tauchen 1383 als Kaufleute in Barcelona auf, und da die bezüg-
liche Urkunde in das Strafsburger Stadtarchiv kam, ist es wohl möglich,
dafs auch Strafsburger dort handelten®. Die Konstanzer Bürger im Stein-
hause hatten 1410 einen Verwandten, der ihr Vertreter in Barcelona war,
durch den Tod verloren und bestellten sofort einen neuen Bevoll-
mächtigten. Einen Monat vorher hatte die Stadt Konstanz ungenannten
Bürgern einen Pafs zur Reise durch das Gebiet des Grafen von Savoyen
* 1448 Dienstag nach Trinitatis. Meister Hannus Tyle von der FrawenstcuU hat
bekannt, von Leumhard Retvthemer und 8. Gesellschaft 120 fl. ungr. und von Hannos
Garthener und seiner Gesellschaft 149 fi. ungr, zu Breslau empfangen zu haben, Kelches
Geld er vormals zu Perpyan in Cathelanien dem Jost Ital Humpiss von Ravensburg
und ihrer Gesellschaft in tine^i Wechsel gegeben und zu ihm in das Wechsel eingelegt
habe. Breslau Stadtarchiv Lib. sign. f. 83» mitgeteilt von Herrn Stadtarchivar Prof.
Dr. Markgraf.
■ Schaube, Proxenie im Mittelalter 21.
» Abdruck Z. Gesch. Oberrheins N. F. 1, 113 flF.
Schulte, Gesch. d. mittelalterl. Handels. I. 35
546 Achtundvierzigstes KapiteL
ausgestellt '. Besonders reichen Einblick gewähren die für die Deutschen
und Savoyarden geführten ZoUregister von Barcelona, die für 1425^-45
und 1472—73 erhalten sind. In ihnen erscheint seit 1426 die Gesellschaft
des Joshompis de Cosianza; wenn sich die Humpis hier als Konstanzer
ausgeben, so waren diese offenbar hier am meisten bekannt; aus ihrer
Gesellschaft schied, um eine neue zu begründen, Kaspar de Wai
(Nai? Wac?) aus. Erheblicher als diese, aber geringer als der Anteil
der Humpis, war der Zollbetrag der Gesellschaft des Johannes v. Köln.
Die Humpis-Gesellschaft blieb nicht geschlossen, die Mötteli schieden vor
1469 aus ihr aus und begannen ein besonderes Gewerbe zu Valencia,
Saragossa und an anderen Enden*. Doch erscheint daneben in Valencia
auch die Gesellschaft des Friedrich Humpifs 1466 thätig; dafe dies eine
Zweiggesellschaft der grofsen war und in Valencia ihren Sitz hatte,
scheint mir nicht sicher bewiesen zu sein*. Die grofse Gesellschaft
handelte 1466, 1474 und 1515 in Tortosa bezw. Saragossa.
Sehr interessante Nachrichten über ein aus Thun am Thunersee
stammendes, aber doch wohl eigentlich St. Galler Geschäftshaus verdanke
ich Staatsarchivar Türler in Bern. Es sind Briefe eines Peter Schopfer,
der an seinen Vater nach Hause schreibt. Die Geschäfte besorgte neben
dem jungen Herrn noch ein gewisser Polay Zwick, sie waren mit dem
Erfolge recht zufrieden und Peter wollte nach Romans oder Genf reiten,
um die dort aus St. Gallen angekommenen Waren — ausdrücklich wird
Leinwand genannt — abzuholen. In die Heimat sandte er Safran. Die
Gesellschaft hatte auch in Avignon einen Vertreter.
Den wertvollsten Einblick in den Umfang der Handelsbeziehungen
jgewährt dann der Reisebericht des Nürnberger Arztes Hieronymus Münzer,
der 1494 in Spanien reiste. In Barcelona traf er deutsche Kaufleute,
die sich offenbar in der besten wirtschaftlichen Lage befanden. Ob aber
diese Georgius Raesp ex Augusta^ Erhartus Wigand Franck dicius ex
Mergeten und Wolfgangus Ferher ex Ulma der Gesellschaft angehörten
oder nicht, ist zweifelhaft. In Valencia fand er zwei Ravensburger:
Heinrich Sporer und Konrad Humpifs, die ihn bewirteten und mit schönen
Kleidern beschenkten. Noch lebte auch die Einnerung eines ^Jodocus
Koler suprenius tunc familiär is soctetatis magne ex Ravenspurgt^ von dem
man ihm erzählte, dafs er in der Nähe der Stadt ein Franziskanerkloster
begründet habe. Wie tief hatten sich die Ravensburger in das Leben
der Spanier eingelebt, dafs ^Philip vizlant mercäder de la vila de jsne de
alta Alemanga^ — also der 1406 genannte Vertreter der Humpifsgesell-
* ZcitBchr. f. Gesch. d. Oberrheins 4, 42 u. 43.
* Vgl. die Mitteilungen bei Heyd 34.
^ Heyd 34 nimmt das an.
Handel mit Spanien, Neapel, Asti, Acqui und Alessandria. 547
Schaft — die Kosten der Drucklegung der Übersetzung der Bibel ins
Valencianische, die ein Spanier und ein Deutscher in Valencia 1477/78
druckten, trug^
In Alicante wurde er wieder von einem Vertreter der Gesellschaft,
Jodokus Schedler aus Kempten, bestens aufgenommen, Jost war schon
seit langer Zeit dort. Weiter traf er in Almeria Andreas ex Fulden in
Hassia und Johannes ex Argentina und auch in Granada fand er im
Fondaco der Genuesen deutsche Wappenschilde.
Wir sind damit bereits in die Periode eingetreten, wo die grofsen
welthistorischen Entdeckungen den Handel der iberischen Halbinsel um-
zugestalten begannen.
Der Markt Venedigs für den Gewürzhandel war schon wiederholt
durch die Kriege zwischen dem Sultan und der Markusrepublik so gut
wie geschlossen gewesen. Schon 1501 überlegten sich die Fugger, ob sie
nicht von Genua aus selbst SchiiSfe in die Levante gehen lassen wollten,
um Kupfer zu verschiffen und Gewürze einzukaufen, drei andere Gesell-
schaften hatten sich gleich ihnen in Genua niedergelassen ^ Dann kam
die grofse folgenschwere Entdeckung des Seewegs um das Kap der guten
Hoffnung, Mai 1498 warf Vasco da Gama in Kalikut die Anker aus und
von diesem Augenblicke an wurde Lissabon der Hauptstapelplatz für die
Gewürze Indiens. Zunächst hatte auch Genua davon seinen Vorteil; denn
ein Teil der Waren, die bisher in Venedig gelandet waren, wurde nun
von Lissabon zu Schiff nach Genua gebracht. Gerade für die Fugger
haben wir einen Beweis, wie sie 50 Sack Pfeffer diesen Weg gehen
liefsen^.
Aber nicht immer nahmen die Deutschen den Weg über Genua, um
nach Spanien zu gelangen. So ging 1474 nach Saragossa bestimmtes Gut
westlich um die Pyrenäen herum und wurde an der Bidassoa angehalten *.
Eine andere Route ging von Barcelona zu den Häfen der Provence
oder auch auf dem Landwege nach Nimes und dann nach Genf weiter.
Bei Besprechung dieses Weges habe ich wiederholt darauf hingewiesen,
dafs ein Teil des Verkehrs zu der Verbindung zwischen Spanien und
Deutschland zu rechnen ist.
Besonders instruktiv sind zwei Fälle von Seeräubereien. 1435 wurde
ein nizzardisches Schiff, das in Barcelona der Humpifsgesellschaft ge«
höriges Gut an Bord genommen hatte, von Mallorkanem gekapert*. Ein
anderes Mal wurde ein florentinisches Schiff, das von Tortosa nach Nizza
1 Heyd S. 36 u. 63 Anm.
3 Sanuto, Marino Diarii 4^ 28.
» Urkunden Nr. 177.
* Heyd S. 36.
» fleyd 33 u. 49.
35*
548 Achtundvierzigstes Kapitel.
oder ViUafranca segeln wollte, von Benedetto Doria und Qiuliano Corso
mit ihren genuesischen Schiffen weggenommen. Es war darauf aufgegeben
von einem deutschen Faktor, und begleitet von einem deutschen Fuhr-
mann eine Partie Wolle und ceria quantüas agninorum et datiloruni.
Giuliano Corso hatte die Prise nach Savona geführt und der uns be-
kannte Faktor Heinrich Fry bemühte sich eifr'gst die Ware zurückzu-
erhalten ^.
Der deutsche Handel zog aber noch andere Vorteile aus dem Ver^
kehre an der spanischen Küste und aus seiner günstigen Stellung in
Genua: von dort aus verschifften sie ihre Waren auch quer über das
Mittelmeer und drangen so in das ihnen von Venedig aus verschlossene
Adriatische Meer ein. So gingen 1441 120 Sack Wolle auf einem cata-
lanischen Schiffe, sie gehörten dem Gaspar von Vach, in dein wir wohl
den Faktor, späteren Rivalen der Humpifs in Barcelona zu erkennen
haben. Das Schiff aber wurde in den Gewässern von Ragusa von einem
Genuesen gekapert. Die Beute war dann nach Genua verbracht, wurde
dort aber in ein Depot gelegt und der Streit entschieden*. Und ebenso
hatte ein Schiff, das 1449 von Ottmar von St. Gallen dem Faktor der
grofsen Gesellschaft für den Transport von Wolle aus Catalonien, Valencia,
Tortosa gechartert wurde, Ragusa und Parenzo im Golfe von Venedig
als Ziel®.
Dafs die ravensburgische Gesellschaft in das Königreich Neapel ge-
handelt habe, berichtet Ladislaus Suntheim. Heyd hat es wahrscheinlich
gemacht, dafs der Seeraub auf dem Meere in der Nähe des Königreichs
Neapel, von dem zwei 1474 und 1475 geschriebene Briefe der Stadt
Bern an König Ludwig XI. von Frankreich reden, eher sich auf dem
Atlantischen Ocean abspielte und zwar genauer an der galicischen Küste,
wo zwei napolitanische Galeassen von einem sehr bekannten Seemanne
weggenommen wurden*. Eine Urkunde von 1441 erwähnt wenigstens
» Heyd 83 u. 62. Ohne Jahr.
2 Urkunden Nr. 259 u. 261.
» Urkunden Nr. 266.
^ Heyd S. 27 ff. Zur Sache schreibt mir Heyd weiter folgendes: „Die Raub-
züge der in Honfleur stationierten Flotte, welche unter dem Befehl des Yiceadmirals
von Frankreich Guillaume de Cazanova (Coullon, Colomb) stand, sind neuerdings
durch Perret, Relations (1, 506. 525. 530. 532 f. 2, 17. 18. 47. 84. 110 n. 234) um
einige bisher unbekannte vermehrt worden. Sie nahmen hauptsächlich die venetia*
nischen Galeeren aufs Korn, welche nach Flandern gehend oder von da kommend,
das Atlantische und Mittelländische Meer durchfuhren. Für den grofsen Schaden,
den sie anrichteten, machte die Republik Venedig mit Recht König Ludwig XL
verantwortlich, da Colomb nichts ohne den Befehl desselben thue. Von diesem ver-
langte auch der Rat von Bern wiederholt (6. Dez. 1474; 8. März 1475) die Heraus-
gabe der den Ravensburgem geraubten Waren. Welche Flagge die Schiffe führten»
Handel mit Spanien, Neapel, Asti, Aequi und Alessandria. 549
von einem deutschen Kaufmann verkaufte Waren, die nach Neapel be-
stimmt waren ^.
Und auch nach Pera folgten Deutsche den Genuesen. Der aus der
Gegend von Bamberg stammende Johannes Tilmann, der in Pera ver-
starb, war doch wohl ein Kaufmann, der Vogt der Witwe war wenigstens
ein Nürnberger Kaufmann und er bestellte als seinen Vertreter in Genua
den Faktor der grofsen Gesellschaft 'Ottmar Schleipfer von St. Gallen*.
Sollte diese Gesellschaft bis Konstantinopel Handel getrieben haben?
Vereinzelte Deutsche finden sich sogar in Kaffa^.
Für Genua war Deutschland ein Durchgangsland, das Ziel war
Flandern, wo sich in Brügge eine festorganisierte genuesische Ansied-
lung befand , die im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts mit den
andern Fremden nach dem mächtig aufblühenden Antwerpen über-
siedelte *. Von dort aus gingen die Kaufleute auch nach England hinüber.
welchen die Ravensburger ihr Kaufmannsgut anvertraut hatten, sagen die Bemer
Briefe nicht. Als Ort der Beraubung bezeichnen sie recht unbestimmt die Grewässer
in der Nähe des Königreichs Neapel; zur Bezeichnung der Zeit müssen uns die
Worte: nunc nuper genügen. Wir kommen weiter, wenn wir anderweitige Daten
vergleichen. Der venetianische Kapitän, welcher im Sommer 1474 die Flandern-
Galeeren zu befehligen hatte, Antonio Maliziaro berichtete nach Hause (27. Juni)
von neuen Rüstungen des Colomb; die Republik sah sich dadurch veranlafst, nicht
blofs zwei Galeeren von gröfserem Typus nach Flandern zu senden, sondern auch
die Mitwirkung neapolitanischer Schiffe bei dieser Expedition zu veranstalten ; denn
auch neapolitanische Galeeren hatte in demselben Jahre Colomb zum Gegenstand
seiner Angriffe gemacht (Bus er. Die Beziehungen der Medicäer u. s. w. S. 451).
Während nun die Galeeren Maliziaros, wie es scheint, unversehrt von der flandrischen
Fahrt heimkehrten, wurden die zwei Galeassen des Königs Ferrante von Neapel am
1. Oktober 1474 in dem Hafen Yivero an der Nordküste Galiciens von Colomb an-
gegriffen und gekapert. Es war darauf neapolitanisches, genuesisches und florenti-
nisches Kaufmannsgut. König Ludwig XI. fand es in seinem Interesse, die Ge-
schädigten durch Herausgabe bez. Ersatz des Geraubten zufrieden zu stellen. Die
Verhandlungen finden sich in Lettres de Louis XI. ed. Vacsen 5, 300f. 309 — 314
und bei B u s e r S. 452. Die Daten der gewechselten Briefe fallen in eine und die-
selbe Zeit mit den Briefen der Stadt Bern zu Gunsten der Ravensburger (Dez. 1474
bis April 1475). Es ist sehr wahrscheinlich, dafs auch die cistae pannis refertae der
Ravensburger, welche in Colombs Hände fielen, am 1. Oktober 1474 bei Vivero auf
den gal^sses ferrandines gekapert wurden. Dann täuschte sich freilich der Bemer
Rat über den Ort, indem er neapolitanische Schiffe und neapolitanisches Gewässer
verwechselte. Wie kamen, möchte man femer fragen, diese oberschwäbischen Tücher
auf neapolitanische Schiffe? Versuchten etwa die Händler eine in Flandern nicht
verkaufte Ware in Neapel anzubringen? Oder waren es flandrische Stoffe?
1 Urkunden Nr. 258.
a Urkunden Nr. 269.
' Jorga in Revue de TOrient latin 4, 29.
^ Über die Ansiedlung vgl. Desimoni e Belgrano in Atti della societä
Ligure Vol. 5.
550 Achtundvierzigstes Kapitel.
Nun bestand seit 1318 ein direkter Schiffsverkehr, dem für friedliche
Zeiten naturgemäfs die Massengüter zufielen. Den Landweg zog der
Kaufmann für seine Person, für die feinen und teuren Waren und im Falle
einer schleunigen Reise vor. Bei den Beraubungen u. s. w. erscheint in
genuesischem Besitze gesponnenes Gold und Silber ^, Seidenfkden, Perlen,
seidene und golddurchwirkte Stoffe. Die einzelnen Beraubungen sind
schon früher behandelt. Einen politischen Hintergrund hatte es, als 1508
der Bemer und Solothurner Bürger Dietrich von Hallwyl in Rheinfelden
16 Pack Sammete (velutorum), genueser Eigentum, beschlagnahmte. Die
Genuesen wandten sich an Luzem und hoben mit Recht hervor, dafs sie
die deutschen Kauf leute behandelten , als seien sie ihre Bürger und aus
genuesischem Blute entsprossen^. Der Hallwyler meinte, er wolle so zu
seinem Rechte gegen den König von Frankreich kommen, der ja damals
Herr von Genua war, und das Geleit der Eidgenossen sei ja durch die
Streifzüge nach Locarno und Genua erloschen. Doch die Tagsatzung
war für die Wünsche der Genuesen®.
Der Warenverkehr Genua-Brügge war so beträchtlich, dafs ein Ge-
schäftshaus von Mecheln »exercebat artem et minisierium conducendi cum
corum eum'cülis merces mercatorum de Frandria in Italiam sattem usqtAe
ad partes AJamaniet . Sie waren gewöhnt durch das Bistum Strafsburg,
also offenbar durch den Pafs von Ingweiler, ihren Weg zu nehmen, wo
wir Genua erwähnt fanden. Im Bistum Strafsburg wurden einmal Waren
im Betrage von 7000 fl. geraubt*. Und später (1512) erscheint abermals
eine ähnliche Transportgesellschaft, die des Franciscus und Melchior
de Insula, welche für den Durchgangsverkehr über Basel sich einen
besonderen Satz erwirkt hatte ^. Doch auch nach Nürnberg kamen
Genuesen ®.
Unter den genuesischen Namen, die uns in Deutschland begegnen,
sind die Grofshandelshäuser Spinola, Doria und andere vertreten.
Die Bedeutung Astis für Deutschland ist in einem andern Kapitel
behandelt. Dorthin scheinen nur selten Deutsche gekommen zu sein. Der
Konstanzer Konrad Sünder hat in dieser Gegend freilich viel verkehrt^
wenn auch die Briefe, die darüber handeln, vielleicht nur Stilübungen
sind, da die Jahreszahlen 1402, 1408 und 1405 nicht recht zusammen-
stimmen. Ihm wurde im Bistum Tortona in Montepursario bei Asti —
^ Vgl. namentlich Urkunden Nr. 449.
« Urkunden Nr. 293.
' Eidgen. Abschiede 3, 2, 436 f.
^ Urkunden Nr. 262 bez. eine vollständige mir vorliegende Abschrift.
» Urkunden Nr. 316.
^ Anfang des sechzehnten Jahrhunderts Pelegrino Permentorio. Papiere der
Gesellschaft Koler-Rrefs-Saronno.
Mailand. Verkehrspolitik. 551
das ist Mombercelli südwestlich von Asti — vom Markgrafen von Mont-
ferrat seine Waren weggenommen^. Konrad Sünder war sehr wahr-
scheinlich ein Faktor derer von Ulm*.
Ein savoyischer Unterthan, der zugleich Luzerner Bürger war, wurde
1419 mit zwei Leuten, die aus Acqui und Brescia stammen dürften, im
Saarbrückenschen gefangen gesetzt ^
Auch Alessandria stellte Händler, die Deutschland durchzogen,
einer, der von London und Brügge kam, wurde 1 484 im Elsafs gefangen
genommen *.
Neunundvierzigstes Kapitel.
Mailand. Yerkehrspolitik. Mailänder in Deutschland. Privilegien für
den Handel nach Deutschland und die Deutschen.
Die Kaufmannschaft von Mailand betreibt hervorragend eine Verl'ehrspolitikj später
an ihrer Stella mehr die herzogliche Regierung. Hauptgedanken. Der Seeweg, Mailänder
in Deutschland, besonders die Alzate, Suane und Busti. Ebenso Comasken. — Handels-
politik gegen Deutschland. Die ProiHsiofies Januae von 1346, Andere Verträge. Er-
neuerungen. Privilegien für die Deutschen vofi 1422. Fondaco. Neue Verhandlungen
1472' Erweiterung der alten Privilegien 1469 und Bestätigungen bis 1522. Tabelle der
Tarife. Der Zollstreit der Bavensburger GesdUchaft.
In den Beziehungen Mailands zu den deutschen Verkehrswegen, die
oben schon eingehend dargestellt sind, spiegelt sich die Verfassungs-
entwicklung von Mailand wieder. Zunächst tritt nur die Kaufmannschaft
hervor, also eine Körperschaft innerhalb der grofsen Gemeinde, sie hat
die Verhandlungen über die Organisierung des Simplonverkehrs ab-
geschlossen und auf diese Strafse war ja keine Stadt mehr als Mai-
land angewiesen. Seine Kaufmannschaft übernahm dafür aber auch die
Wahrung der Interessen, die bis dahin die allgemeine italienische Gesell-
schaft der Besucher der Messen der Champagne gepflegt hatte, sodafs
das heutige Archiv der Mailänder Handelskammer, der Rechtsnachfolgerin
der Mailänder Kaufmannschaft, eine ganze Reihe von Urkunden enthält,
die ursprünglich jener Gesellschaft gehörten und von ihr veranlafst waren.
Die Einrichtung des Weges durch Lothringen (1291), wie die neuen Be-
stätigungen von 1321 (Neufchäteau und Herzog von Lothringen) gehen
» 27. Oktober 1403 und 1. Mai 1405. Z. Gesch. Oberrh. 4, 38 f. und 24. JuU
1402 Urkunden Nr. 331. Alle drei entstammen dem Formelbuch des Nikolaus
Schultheiss. Immerhin wäre es denkbar, dafs Sünder diesen Weg regelmäfsig be-
fuhr und zweimal „nieder gelegt*' wurde. Mombercelli gehörte kaum ins Bistum
Tortona,
2 Z. Gesch. Oberrh. 4, 47. Vollmacht der Ulm für ihn.
8 Urkunden Nr. 404.
* Urkunden Nr. 113.
552 Neunundvierzigstes Kapitel.
auf sie zurück. Schon aber hatte die Kaufmannschaft auch aufserhalb
der Simplonstrafse für sich vorzugehen angefangen. Der Gesandte von
1314, der mit den Herzögen von Österreich, Como, Luzern u. s. w. ver-
handelte, hatte seine Gewalt sogar schon von der Stadt erhalten. Es
folgten die Gesandtschaften von 1356, 1360, 1386, 1391 und 1398, die
alle im Auftrag der Kaufmannschaft thätig waren. Wer den reichen
Bestand des Archivs der Handelskammer überblickt, von dem unser
Buch ja nur den kleineren Teil veröffentlicht, bemerkt sofort, dafs die
Wahrung der Mailänder Handelsinteressen während des vierzehnten Jahr-
hunderts Sache der communiias mercatorum war. Nach dieser Fülle von
Urkunden bietet das Archiv für das fünfzehnte Jahrhundert so gut wie
nichts. Es sind wohl kaum die Archivalien dieser Zeit besonders schlecht
erhalten, meines Erachtens liegt ein anderer Grund vor. Die Gewalt
der Visconti hatte sich inzwischen gefestigt und das neue Fürstentum
dehnte seine Aufgaben immer weiter aus, auch die Angelegenheiten der
Kaufleute waren Sache der Herzöge geworden und weder die Viscontis
noch die Sforzas liefsen sich viel in ihre Angelegenheiten hereinreden.
Schon im vierzehnten Jahrhundert hatten die Visconti gelegentlich die
Kaufleute unterstützt, in den Urkunden über den Simplon verkehr er-
scheint schon 1351 zum erstenmal der Stadtherr. Doch erst 1386 decken
sich die Gesandten mit dem Herzoge. Da der Graf von Werdenberg
verlangte, dafs sich die Mailänder auf die Benutzung des Bündner Weges
verpflichten sollen, erklärten sie, sie könnten ohne den Herzog eine
solche Firma nicht geben.
Es läfst sich sehr wohl damit vereinen, dafs noch die Statuta merca-
torum Medtolani von 1390 durchaus die Regelung des Verkehrswesens
als Sache der Kaufmannschaft behandeln, die sich 12 -consules Straten
jährlich erkort Wir sehen, dafs jeder Weg die Kosten selbst auf-
zubringen hatte, wie aus dem Warenverkehr auch der Schaden des be-
raubten Kaufmanns durch eine Zollabgabe gedeckt wurde ^, ja geradezu
bezeichnete die Kaufmannschaft als ihren Zweck, den Handel zu heben,
Strafsen zu schaffen, zu erhalten und zu verteidigen, fiir die Sicherheit
zu sorgen, die Strafsen zu bewachen und alle dafür nötigen Kosten auf-
zubringen®. Für den Verkehr wurden die Wege genau bestimmt; nach
Mailand hinein kamen die Waren nur durch die Porta Vercellina
und Porta Romana, was über die Alpen und von Como kam, mufste an
jenes Thor gefahren werden *. Den Fremden gegenüber wurde durchaus
1 Blatt 199.
« Blatt 212 V, 213.
8 Blatt 215 V.
* Blatt 216. Jene Corso Porta Magenta, diese am Carso Porta Roniana,
. Mailand, Verkehrspolitik. 553
das Prinzip der Gleichheit proklamiert* und auch für den inter-
nationalen Kredit wurde gesorgt, wobei ausdrücklich auf die Messen
der Champagne und Brie hingewiesen wird*. An den Zollstellen sollte
der, der zuerst komme, auch zuerst abgefertigt werden und niemand
durfte allein mehr wie 30 Ballen transportieren lassen, hatte er einen
Diener, nicht über 50^.
Die Mailänder Kauf leute haben bei ihrer Verkehrspolitik bestimmte
Grundsätze verfolgt. Man kann das Bemühen sehen, sich nicht auf
einen einzigen Pafs zu verpflichten, sondern zwei gegeneinander auszu-
spielen. Den Mittelpunkt ihres Interesses bildete natürlich der Gotthard
und neben ihm der Simplon, das waren für den Verkehr nach den
Champagner Messen Rivalen und wir haben gesehen , wie sie den Loth-
ringer Weg als einen Konkurrenten des Weges über Jougne aufspielten.
Mit dem Niedergange jener Messen erkaltete das Interesse Mailands für
den Simplon und Jougnepafs nicht sofort, um so weniger, da in den
Genfer und Lyoner Messen sich ein Ersatz fand, aber stärker tritt unter
dem Einflüsse des Kampfes zwischen den Habsburgern und den Eidgenossen,
der häufig den Gotthardverkehr beeinträchtigte und schliefslich zu dem
Streite zwischen den Eidgenossen und Mailand selbst hinüberlenkte, das
Interesse für die Bündner Pässe hervor, wo sich die Mailänder mit den
Konstanzer Wünschen begegneten. Der Wegebau empfing mitunter seine
Impulse geradezu von Mailand — am stärksten ist es beim Simplon der
Fall — immer waren die Mailänder jedoch bereit, bei jeder Wegebesserung
einen Teil der Kosten zu tragen , in den Verhandlungen um den Neubau
am Septimer tritt das zur Genüge hervor.
Für Mailands Handel nach Flandern und England kam der Seeweg
gar nicht oder doch nur als Ausnahme in Betracht. Sehr erheblich
scheint die Differenz der Transportkosten nach der nicht ganz durch-
sichtigen Angabe von Uzzano freilich nicht gewesen zu sein, jedenfalls
waren die Versicherungskosten zur See (12 — 15^/o) viel höher als zu
Lande (6 — 8 ^/o) *. Die Höhe der Transportkosten werden sich vielleicht
einmal aus italienischen Geschäftsbüchern genauer feststellen und Ver-
gleiche mit denen auf dem Seewege anstellen lassen. Der Transport von
11 Sack Wolle von Mecheln bis Mailand kostete 143 fl.*. Leider sind die
Einzelposten nicht mitgeteilt.
* Blatt 216v. Vgl. auch in den Statuta extraordinaria die Rubrik de represalm
Blatt 135 f. u. 205.
« Blatt 213 V. Vgl. auch Blatt 205.
' Blatt 216 V. Es ist vom conductor ballarum, nicht vom Kaufmann die Rede,
das Transportgewerbe war also bereits 1390 entwickelt,
* Uzzano 128.
» Uzzano 187.
554 Neunund vierzigstes Kapitel.
Es würde ermtiden, wenn ich die Angaben über das Erscheinen
von Mailänder Kaufleuten hier wiederholen wollte. Wir haben sie im
Wallis, auf der Grimsel, auf dem Gotthard, Lukmanier, Bernhardin und
dem Septimer gefunden und weiter in Jougne, am Neuenburger See, auf
der Lothringer Strafse, auf dem Rhein, im Schwarzwald und nördlich
des Bodensees, schon 1391 hatten sie einen Geleitsbrief bis Nürnberg.
Unter den mit Deutschland handelnden Firmen der Städte Mailand
und Como ragt besonders das Haus Alzate hervor. Wenn man liest,
dafs Philipp von Alzate 1345 von Erzbischof Walram von Köln wegen
Wucher gefangen gesetzt wurde, auf Verwendung von Köln aber frei-
gelassen wurde ^, könnte man des Glaubens sein, dafs sich dieses Haus
von der soliden Art der anderen Mailänder Kaufleute entfernt habe, die
sich nur dem Warenhandel widmeten. Aus den Akten des Comasker
Notars Cermenate habe ich aber gesehen, dafs dieses Haus massenhaft
deutsche Wolle verkaufte und, als 1391 Ballen mit Wolle in der Nähe
von Konstanz weggenommen waren, schickte Mailand als Boten neben
Romerius de Suane auch Paginus de Alzate. Wir haben sie in ihrer
Thätigkeit kennen gelernt*. Dyonisius von Alzate erhielt 1428 von
Konstanz einen Geleitsbrief ^. Auch diese Suane, die bald als Mai-
länder, bald als Comasken erscheinen, waren an dem Verkehr durch
Deutschland interessiert. So schuldete Kurfürst Ruprecht H. von der
Pfalz 1371 an Thomas von Suane, Jakob seinen Bruder, Kaufleute
von Como, und Franz und Ambrosius von Busti, Kaufleute von Mai-
land, 29450 fl., wofür er ihnen Anteil an dem Zolle zu Kaiserswerth
gewährte *.
Mit den Busti ist wiederum ein Geschlecht erwähnt, von dem wir
schon Andreas, Gervasius und Protasius früher kennen gelernt haben**.
Auch sie hatten in Köln ein Glied sitzen, Ambrosio war dort Bürger,
während Johann und Joeris von Mailand aus in deutscher Sprache einen
Vollmachtbrief sandten ®. Kauf leute dieses Namens begegnen noch im
sechzehnten Jahrhundert in Deutschland: Protasio da Busto besuchte
Nürnberg und Frankfurt''. Namentlich mit Köln stand Mailand also in
regem Austausche®.
1 Ennen u. Eckertz 4, 283.
2 S. oben S. 395.
8 Urkunden Nr. 354.
* Koch u. Wille Nr. 5074. Vgl. 5053.
» S. oben S. 304, 329 u. 384.
^ Ennen u. Eckertz 5, 363.
"^ Papiere d. Gesellschaft Koler-Krefs-Saronno.
® Weitere Nachrichten über Mailänder in Köln. Anton von Conquerecio schuldet
dem Kölner Gerhard von Benassis. Mitteil. Stadtarchiv Köln 7, 72 u. 73 und
k
Mailänder in Deutschland. 555
Aus einzelnen Urkunden sehen wir, wie kräftig die Kaufmannschaft
und später die Herzöge sich ihrer Kauflcute annahmen. So bemühte
sich jene für Aliprando de' Grassi gegenüber dem Konstanzer Stadt-
ammann Ulrich Habk ^. Die Herzöge traten mitunter auch gegen die
Eidgenossen auf, so gegen die Stadt Wyl im St. G allen sehen ^.
Ansiedlungen von Mailändern aufserhalb Italiens haben sich manch-
mal durch Häusernamen erhalten, so dürfte das Haus „in dem Mailand^
in Ulm, das Haus Meilain in Köln, die beiden gleichen Namens in der
Lampartengasse in Basel zu erklären sein®. In Brügge und London,
wo stets gröfsere Ansiedlungen von Mailändern waren, wie in Venedig
war 1434 das berühmte Haus der Borromei vertreten, das trotz seines
Adels sich lebhaft am Handel beteiligte*. In der späteren Zeit scheinen
die Morosini einen besonders starken Handel nach Basel getrieben zu
haben.
Speciell der Comasken gedenken viele Nachrichten. Ein Gabriel
de Reimondis hatte 1372 einen Streit über Tuchballen vor dem Strafs-
burger Rate mit dem dortigen Bürger Mafiolo de Subripa. Jacob von
Mündriz waren ebenda dreizehn Fardel weggenommen*. Johannes de
Via genannt Kümy mit dem Mailänder Bounstetter (!) lernen wir in der
Gegend von Luzern in rechten Sorgen vor Nachstellungen kennen*^, wie
uns ja eine Reihe von Beraubungen, die Comasken erlitten, bekannt
wurden'. In Lindau wohnte 1497 ein Comaske®.
Die Geschichte der Mailänder Handelspolitik gegenüber Deutschland
beginnt mit den Provisiones Janue von 1346, die den Durchgangshandel
durch das mailändische Gebiet zu heben beabsichtigten^. Zu dem
Zwecke wird allen Menschen der Handelsverkehr zwischen dem Gebiete
jenseits der Alpen und Genua und umgekehrt freigestellt und für die
durch das Gebiet der Herren von Mailand durchgeführten Waren wird
ein niedriger nach den verschiedenen Warengattungen angesetzter Zoll-
tarif eingeführt, wobei eigentümlicherweise neben den im richtigen Zuge
Ennen u. Eckertz 5, 53 u. 59. Aus der einen Urkunde geht hervor, dafs Erz-
bischof Friedrich dem Germanus von Blasonia 34 600 fl. schuldete. — 1312 Bürger
Peter von Merlan und Kono von Luzern. Ennen u. Eckertz 4, 6.
1 Urkunden Nr. 27. Die Grassi hatten auch Beziehungen zu Köln. Q u e 1 1 en 5, 61.
2 Urkunden Nr. 109 u. 117.
« Ulmer Urkb. 2. Ennen u. Eckertz 4 Nr. 377 zu 1355. Fechter, Topo-
graphie 36. Ein anderes Haus hiefs Mons Jop ^= Moni Jovis. Geering 214.
^ Doneaud 5.
» Strafsb. Urkb. 5 Nr. 1023 und Nr. 263.
« Amiet 2, 298. 299.
■^ S. oben S. 496 u. 497.
8 Urkunden Nr. 130.
» Urkunden Nr. 191.
556 Neunundvierzigstes Kapitel.
des Verkehrs liegenden Zollstätten von Mailand und Como, auch die
von Lodi, Creniona und Pizzighetone aufgeführt sind. Werden die
Waren innerhalb des Mailäjidischen verkauft, so ist der gewöhnliche Zoll
zu entrichten. Das Statut verbietet auch alle Repressalien gegenüber den
Durchziehenden, er sei denn der eigentliche Schuldner.
Wer diese Ordnung veranlafst hat, ist in keiner Weise zu ersehen,
weder eine italienische noch eine deutsche Kaufmannschaft tritt hervor
und auch das ist nicht zu sagen, ob mehr die Städte Mailand, Como u. s. w.
oder ihre Herren der Erzbischof Giovanni und sein Bruder Luchino
Visconti besonderen Anteil an den Beschlüssen genommen haben.
Mailand besafs schon mit Venedig, seinem zweiten Hafen, seit 1317
einen Handelsvertrag, wo gegenseitig die Zollabgaben festgestellt waren ',
auch Como war, als es sich der Herrschaft der Visconti noch nicht ge-
beugt hatte, mit Venedig in Verhandlung getreten, die 1328 zu den
Trovixiones Veneziarum führten*. Auch hier wurde ein allerdings weit
weniger umfangreicher Ausnahmezolltarif aufgestellt, der jedoch nur für
die Venetianer galt. Er setzte für Baumwolle und Wolle die Abgabe
für den Ballen von 20 Rubb auf 1 Gulden, von Tuchballen aber und
anderen Waren auf 2 Gulden fest. Die Comasken hatten in Venedig
keine Zollbegünstigungen, aber sie durften ihre Waren auslegen, wo es
ihnen gefiel und sie konnten ihre Wohnung wählen, wo sie wollten.
Diese beiden Durchgangsbegünstigungen spiegeln sich in den Zolltarifen
von Como deutlich wieder, die später näher zu behandeln sind.
Mailand hatte auch einen Vertrag über den Verkehr von Como nach
Florenz, Bologna und der Romagna. Die Kaufleute dieser Gebiete pflegten
in Como T^pannos CumanoSj de Tumo et ParaloRcha^j also von Como,
Torno und Parlasco, östlich von Bellano, einzukaufen und sie dann, um
den hohen Mailänder Zoll zu umgehen, über Verona und Mantua zu
führen. Dieses zu vermeiden, setzten 1350 die Mailänder den Zoll für
diese Tücher auf \A fi Imperialen per Stück herab®.
Die Provisiones Janue wurden schon 1347 erneut*. Die ungeheure
Ausdehnung, welche die Herrschaft der Visconti in jenen Tagen gewann,
verschaffte ihnen auf dem Wege nach Genua auch Tortona und Alessandria,
endlich suchte auch Genua 1353 den Schutz des klugen und mächtigen
Erzbischofs auf. Es entsprach also der Sache, dafs 1347 die Zollsätze
^ Gaddi S. 25. Ich habe in dem umfangreichen Aktenstücke für Deutschland
keine direkten Angaben gefunden. Über ältere Verträge vgl. Marin 6, 293 f.
* Gedruckt v. Liebenau im Periodico della societ4 storica Como 19, 272 — 77
und vorher in vollständiger Gestalt ebda. 2, 52—75. Vorher war eine schwere
Schädigung von Venetianem im Veltlin geschehen.
" Statut Arch. stör. lomb. 7, 131.
* Urkunden Nr. 191 Schlufs.
L
Privilegien für den Handel nach Deutschland und die Deutschen. 557
von Tortona und Alessandria aufgenommen, die von Lodi, Cremona und
Pizzighetone jedoch gestriehen wurden.
Nach dem Tode des Erzbischofs übernahmen seine Neffen die Herr-
schaft, die sie jedoch in ihrem ganzen Umfange nicht zu behaupten ver-
mochten. Galeazzo II. residierte in Pavia, Bernabo in Mailand, jedoch
bezog sich die Erneuerung der Provisiones Janue, die Galeazzo mit Zu-
stimmung seines Bruders vornahm, auf das gesamte Gebiet^. Es wurden
dabei die Transitscheine eingeführt, die dem Kaufmann bei Eintritt des
Gebietes gegeben und später abgefordert wurden und eine Kontrolle der
Verzollung ermöglichten. Galeazzo dehnte dann die Gültigkeit der Ord-
nung auf jeden Transitverkehr aus, Piacenza und alle anderen Städte
wurden in dem Zolltarife gleich Cremona gesetzt. Es war diese Ordnung
nunmehr ein genereller Transittarif, der nicht mehr auf die Interessen
Genuas zugeschnitten war. Das letzte mir bekannte Zeugnis über seine
Gültigkeit stammt aus dem Jahre 1389, wo Giovan Galeazzo der Stadt
Pavia den Inhalt einschärfte^.
Sehr wertvoll sind die 1422 von Herzog Filippo Maria den deutschen
Kaufleuten gewährten Privilegien für sie gewesen. Sie sind im Ver-
laufe der Siegmundischen Handelsperre gegen Venedig® erlassen und Äwar
traten die Genuesen für die Deutschen ein, welche die in acht Ab-
schnitten eingeteilten Wünsche derselben — die uns im vollen Wort-
laute noch vorliegen — auch ihrerseits vertraten*. Gegentiber der ab-
fälligen Kritik, die die Deutschen am Kaufhaus von Venedig übten, ist
es aufßlllig, dafs sie hier die Errichtung eines Fondaco erbaten, frei-
lich dachten sie sich den Mailänder wohl mehr als eine bequeme Her-
berge, denn als Zollanstalt und Zwangsherberge. Kein Gerichtsbeamter
solle, um einen Deutschen gefangen zu setzen, denselben betreten dürfen.
Sie wünschten frei von Steuern und Abgaben für alle Lebensbedürfnisse
zu sein und der Herzog gewährte die Bitten; nur den einen Fall aus-
schliefsend, wenn ein Deutscher ein mit Blut zu bestrafendes Verbrechen
begangen habe und auch dann sollte das Asylrecht gewahrt bleiben,
wenn das Verbrechen sich zwischen Deutschen abgespielt habe.
Für den Verkauf und Einkauf verlangten sie den alten Zoll, der
Herzog setzte sie den Bürgern Mailands und seiner andern Städte gleich.
Beim Durchgangsverkehr von Deutschland nach Toskana und Genua
wurde der alte Zoll zwar nicht auf die Hälfte, jedoch auf zwei Drittel
herabgesetzt und den Zollbeamten wurde das Durchstechen der Ballen
1 Urkunden Nr. 248.
2 Urkunden Nr. 249.
8 S. oben S. 518.
^ Urkunden Nr. 182. Der Anteil der Genuesen folgt unzweifeliiaft aus dem
Schlüsse : in quibus . . capituUs et concessia per Januenses.
558 Neunundvierzigstes Kapitel.
verboten, jedoch sollten diese die Ballen aufbinden dürfen , mufsten
freilich, wenn sie kein Zollvergehen fanden, sie auf ihre Kosten wieder
zubinden.
Der erste Entscheid auf die Bitte, dafs die Kaufleute an den Thoren
und auf dem Markte nicht durchsucht werden dürften, lautete, dafs die
Kaufleute betreffs ihrer zollpflichtigen Sachen schwören müfsten, als sie
aber dagegen remonstrierten, verzichtete der Herzog im Einverständnis
mit seinen Einkünftemeistern auf den Eid, sie sollten für das, was sie
an sich und in ihren Felleisen trügen, zollfrei sein. Das Tragen von
Schatz- und Trutzwaffen wurde gestattet. Der Herzog sicherte ihnen
friedliche Fahrt für sein ganzes Gebiet zu. Für den Fall des Ausbruches
einer ansteckenden Krankheit wollten die Deutschen die Erlaubnis ge-
winnen, an der Stadt vorbeifahren zu dürfen, hier leistete die Gesund-
heitspolizei doch Widerstand: es wurde untersagt, aus verseuchten Ge-
bieten zu kommen oder solche zu durchziehen. Ausgeschlossen hatte
der Herzog bis zu einem Friedensschlufs die Kaufleute aus dem schweize-
rischen Bund, wenige Monate vorher hatten die Truppen des Visconti
die Schweizer bei Arbedo besiegt
Übersieht man das Ganze, so kann man nur gestehen, dafs der
Herzog in allen billigen Sachen den Wünschen der Deutschen willfahrt
hatte und die Handelsprivilegien wurden nicht etwa bald zurückgenommen,
sondern wiederholt bestätigt. Mit Filippo Marias Tode (1447) war das
Haus der Visconti im Mannesstamme ausgestorben, die Stadt richtete
sich als Republik ein, um bald die Erfahrung zu machen, dafs eine
Republik Mailand die andern Städte nicht unter ihrer Herrschaft be-
halten könne. In der kurzen Periode der Ambrosianischen Republik
bestätigten die Kapitäne und Schutzherren der Freiheit am 20. Januar
1448 die Privilegien der deutschen Kaufleute und schon sechs Tage,
nachdem der geniale Condottiere Francesco Sforza am 25. März 1450
seinen Einzug in das tief gebeugte Mailand gehalten hatte, verbriefte er
als neuer Herzog sie in gleicher Weise. Durch diese Verbriefung sind
sie uns erhalten ^
Die Absicht, durch diesen Vertrag den Handel der Deutschen von
Venedig nach Genua abzulenken, wird ganz deutlich in einem Briefe des
Maestro delle en träte an den Referendar von Como von 1424 Dezember 14
ausgesprochen, der aber auch beweist, dafs ein Teil der Waren schon
wieder von und nach Venedig ging^
Ein Teil der Bestimmungen ist aber wohl nicht ausgeführt worden,
von einem Fondaco liegen keinerlei Nachrichten vor, es kam die gute
* Urkunden Nr. 182 Anm.
« Urkunden Nr. 195.
Privilegien für den Handel nach Deutschland und die Deutschon. 559
Absicht schwerlich zur Ausführung. Der Versuch, ein behagliches Heim
zu gewinnen, wurde von den Deutschen jedoch Ende 1471 oder Anfang
1472 erneut ^ Dieses Mal schoben die Deutschen einem Mailänder Kauf-
mann vor, der mit Deutschen in naher Beziehung stand, Taddeo de'Busti *.
Unter den acht Kaufleuten, die den Antrag später vertraten, sind
Matthäus und Lukas Fugger als Augsburger, Heinrich und Georg Fütterer
als Nürnberger zu erkennen. Unter dem France könnte man einen
Konstanzer Fry suchen. Und in der That war ein Henrico France
gerade in dieser Zeit in Mailand, dessen Wünschen entgegenzukommen,
dem Herzog nötig schient
Die Bitte , eine siantia lihera zu haben , woflUr sie keinen Miet-
zins zu zahlen hätten und von den Abgaben ftlr Wein, Brot und
Fleisch frei seien, begründete sie mit einem Hinweise auf die be-
sprochenen Privilegien von Filippo Maria und Francesco Sforza, sie
wurde von Francescos Sohn Galeazzo Maria sehr wohlwollend auf-
genommen. Es vergingen jedoch mehrere Monate, bis am 14. No-
vember 1472 der Herzog seinem geheimen Rate den Auftrag geben
konnte, das von den acht Deutschen eingereichte Gesuch zu beraten*.
Er berief die Fremden vor sich und stattete schon am 4. Dezember sein
Gutachten ab, das die Wünsche völlig befriedigte*^. Der Geheime Rat
meinte, es sei das beste, der Herzog miete kein Haus, sondern kaufe
ein solches ; die Deutschen liebten eine behagliche Behausung und würden,
wenn sie sich dauernd einrichten könnten, das Gebäude erheblich ver-
schönem. Sie brachten ein Wirtshaus — das Haus zum Hute — oder
das Haus des Grafen da' Verme in Vorschlag. Der Fondaco würde dem
Herzoge und seinen Einkünften vom gröfsten Nutzen sein. Der in
Venedig sei die wichtigste Einnahmequelle der Stadt, unter dem Mai-
länder werde der Venetianer schwer leiden. Bei der heftigen Feind-
schaft des Herzogs gegen Venedig mochte ein solcher Grund doppelt
wirksam sein. Allein damit hören alle Nachrichten auf und es scheint,
dafs das Projekt auch dieses Mal doch nicht ausgeführt wurde. Wenig-
stens ist bisher keine weitere Angabe aus dem für diese Zeit ja aus-
gezeichnet erhaltenen Archiv der Mailänder Herzöge bekannt geworden.
Nur soviel sehen wir, dafs man mit grofser Aufmerksamkeit die Deutschen
in Venedig beobachtete •.
^ Vgl. Heyd. Über den Plan der Errichtung eines Fondaco dei Tedeschi in
Mailand Deutsche Zeitschr. f. Geschichtswissenschaft 1, 454 ff.
'^ Urkunden Nr. 101.
8 Urkunden Nr. 80. Litt. debü.
* Urkunden Nr. 103.
^ Urkunden Nr. 104.
« Urkunden Nr. 108.
560
Neunundvierzigstes KapiteL
Die letzte Bestätigung der alten Privilegien dürfte durch die Her-
zogin Bianca Maria und ihren Sohn Oaleazzo Maria am 4. Juli 1466 er-
folgt sein *, seitdem wurden sie jedoch erweitert und dann von den folgen-
den Herrschern nachweislich bis 1522 bestätigt. Die Erweiterung nahm
Oaleazzo Maria am 18. Mai 1469 vor', indem er einen Zolltarif für die
Durchfuhr dem Privileg anhängte. Er griff also auf die Transitordnung
von 1346 zurück und gerade wie in jener wurde bestimmt, dads von
jedem Centner 10 üy also 10 ^ o, als Tara abzurechnen sei. Auch findet
sich die alte Bestimmung wieder, dafs die Waren zwei Monate im Herzog-
tume lagern durften, ehe sie aus der Reihe der Transitwaren ausschieden,
und dafs der Tarif nur für echtes Eigentum der Deutschen gelte.
Die Sätze von 1469 sind wie die von 1346 nach Gattungen ab-
gestuft, die Zahl der Zollstellen ist entsprechend der weit gröfseren Aus-
dehnung der mailändischen Herrschaft bedeutend gestiegen.
Zunächst mögen die Zollsätze von 1469 und 1346 folgen:
Pro sauma mbborum 20
Tansitzölle von 1469
Zollstelle
I
res subtiles
aurum, argen-
tum, drapi sirici
« ß
n
spedemm,
grane et
cremisilis
^ ß
nie
drapomm lane,
lanarum,
peleteriarum
& ß
IV
mercantie
grosse et cnjus-
libet merc
Como
Mailand
Lodi
Pizzighetone ....
Cremona
Piacenza
Borgo San Donino .
Parma
Pavia
Tortona
Novara
Alessandria ....
Sesto
Arona
Vogogna
Locamo
Lugano
2 10
5 —
1 10
5
1 10
1 10
— 10
1 10
2 10
6
1 —
6
3
— 8
— 8
— 8
— 8
— 17
1 16*
— 6
— 1
— 6
— 6
— 6
— 6
1 5
— 6
6
— 6
— 3
— 3
— 8
— 8
8
— 12
1 10
— 8
— 1
— 8
— 8
— 6
— 15
1 -
— 6
— 15
— 6
— 3
— 3
— 8
8
— 8
— 7
— 15
— 3
— 1
— 3
— 3
3
— 3
— 12
— 3
— 3
— 1
— 3
— 3
— 4
— 4
— 4
a B: 10.
c In B fehlt die ganze Rubrik.
' Urkunden Nr. 189 Anm.
2 Urkunden Nr. 99.
Privilegien für den Handel nach Deutschland und die Deutschen. 5g X
Transitzölle
von 1346
Zollstelle
panni
Franci-
geni
gentiles
U ß ^
VI
VII
VIII
IX
X
drapi
Floren-
tini
lana
Anglie
Sita,
drapi
Site, aur.
speciaria,
grana
pelizaria
U ß h
U ß ^
U ß ^
U ß ^
ii ü i
XI
mercad.
grossa
« ß ^
Mailand .
Como . .
Lodi
Cremona . .
Pizzighetone
• • • •
5 —
1 17
— 18
— 18
— 1
2
- 16 8
8 2 6
1 16 -
2
12
13
4 1 3
— 17 —
— 12 —
— 8
-34
1 12 6
— 6 —
- 8 —
- 8 —
-34
1 12 6
6
- 8 -
— 1
1
- .4 6
— 2 —
— 1 —
— 15
— 7
— 3
— 3
— 1
In den beiden Tarifen finden sich gleiche Warenrubriken I und VIII,
II und IX, IV und XL Der ältere Tarif unterscheidet viel mehr die
Waren und hat demnach mehr Ansätze. Vergleichen wir jene mit diesen,
so ergiebt sich, dafs die Sätze von Mailand und Como seit 1846 um
70 — 100 ®, 0 bei den feinen Waren (Seide, Gold u. s. w.) zurtickgegangen
sind, in den beiden andern vergleichbaren Rubriken aber sich vollständig
erhalten haben. Daraus dürfte sich ergeben, dafs zwischen 1389 und
1422 eine Erhöhung der deutschen Transitzölle stattgefunden hat; denn
sonst hätten sie im letzteren Jahre nicht auf */a herabgesetzt werden
können.
Diese Neuordnung von 1469 wurde wiederholt bestätigt, wobei jedoch
der Zolltarif vereinfacht zu sein scheint, doch kann das Fehlen einer
Rubrik auch auf Nachlässigkeit in der Abschrift zurückzuführen sein.
Nach der Ermordung des tyrannischen Galeazzo Maria (26. Dezember
1476) bestätigte die Herzogin Bona und ihr unmündiger Sohn Giovan
Galeazzo am 26. Februar 1477 die Privilegien, nach des letzteren Tode
(20. Oktober 1491) ebenso Lodovico Moro am 20. Juni 1495.
In der französischen Zeit (1499 — 1512) (1515—1521) und der da-
zwischenliegenden Zeit des Scheinregiments Massimiliano Sforza' s hat
eine Erneuerung der Capitula doch wohl stattgefunden, wenn auch
Francesco II. Sforza in seiner vom 4. November 1522 datierten solche
nicht erwähnt^. Von Massimiliano fand ich nämlich im Archivio civico
von Mailand eine sehr schlecht abgeschriebene Verfügung von 1514,
worin er seinen Beamten schleunige Justiz zu Gunsten der deutschen
Kaufleute verfügt und dabei sich auf die Capitula beruft, die sie mit
ihm hätten.
Im allgemeinen war jedem Fremden gestattet, in Mailand zu wohnen,
> Urkunden Nr. 99.
Schulte, Gesch. d. mittel alterl. Handels. I.
36
502 Neunundvierzigstes Kapitel.
ja er war drei Jahre lang frei von allen Abgaben mit Ausnahme der
Zölle, Gabellen und anderen indirekten Lastend
Zusammenstöfse der Deutschen mit den Zollbeamten waren unaus-
bleiblich; das allgemeine System, die einzelnen Abgaben zu verpachten,
führte natürlich zu einer scharfen Handhabung der Zollbestimmungen*.
Der übelste Schrauggelversuch wurde von einer Gesellschaft begangen,
die die denkbarsten Gnadenerweise von den mailändischen Herzögen
erhalten hatte.
Anfang Mai 1497 erschienen am Zolle von Mailand zwei Wagen mit
zwei Saumlasten Zinn, die als nach Genua bestimmte roba grossa namens
der grofsen Ravensburger Gesellschaft deklariert und verzollt wurden.
Schon waren die Wagen abgefertigt, als der Verdacht entstand, dafs
unter dem Zinn Silber sei. Bei der Osteria di San Georgio wurden die
Wagen angehalten und zunächst nach dem Agenten der Gesellschaft ge-
schickt, da er sich weigerte zu erscheinen, wurde sein Hauswirt Branda
von Saronno, der in enger Fühlung mit den deutschen Kaufleuten stand,
herbeigeholt und nun die Ballen geöffnet. Inmitten des Zinns fanden
sich vier Platten Silber in einem Werte von 12654 ft 2 J3 und 6 ft
Imperialen (oder 3834V2 Rh. fl. h JS 6 h) vor. Für die beiden Saum-
lasten Zinn betrug nach dem oben® angegebenen Satz der Zoll für die
Saumlast 15 J3j für das Silber jedoch 5 W, die Gesellschaft konnte also
an dieser Zollstelle 8V'2 ü Imp. durch Schmuggel profitieren. Es mag
also der Grund glaubhaft sein, dafs sie wegen der Unsicherheit solch
wertvoller Ware die Angaben unrichtig gemacht hätten. Doch wie dem
sei, die Gesellschaft mufste die sehr ernsten Folgen fürchten. Es verfiel
nicht allein das Silber, das Zugvieh, es mufste auch noch eine sehr er-
hebliche Strafe erwartet werden, und da von dem Silber ein Drittel dem
Entdecker, ein Drittel der Münze, deren Meister Giovanni Antonio
de Castellono sich bei der Eröffnung der Waren sehr eifrig beteiligt
hatte, zufiel, war die Hoffnung auf die Nachgiebigkeit des Herzogs Lodovico
Moro sehr gering.
Nur politische Rücksichten konnten den Herzog bestimmen, dem
Laufe des Gesetzes entgegenzutreten. Die Gesellschaft schickte Nicolaus
im Steinhuse, eines ihrer angesehensten Mitglieder, vielleicht hoffend,
man werde gegen einen Verwandten des Thomas im Steinhause, des
alten Familiären, Rücksichten nehmen ; er erhielt die besten Empfehlungen
1 Statuta Blatt 131.
2 Vgl. auch Urkunden Nr. 120, 121.
2 Vgl. S. 560. Doch war nach dem Statut des Datiums Blatt 161 v Pflicht, Gold
und Silber innerhalb drei Tage nach der Einfuhr dem Meister der Münze anzuzeigen
und ist ihnen die Hälfte für den festgesetzten Preis zu überlassen. Im übrigen ist
kein Zoll zu zahlen. Die Strafe ist nicht angegeben.
Privilegien für den Handel nach Deutschland und die Deutschen. 533
auch vom Bischöfe von Chur und in Bittschriften verwandten sich die
Städte Ravensburg und Konstanz, die >confederati de Suevia^y d. h. die
Bodenseestädte, und die ^confederati de Alamannia dlta^, die Eidgenossen.
Ravensburg wies auf die Geschäftsverbindungen hin, die die Gesellschaft
über 100 Jahre mit Mailand verbänden. Da Bitten nicht verfingen,
drohte die Gesellschaft, sie werde die Sache vor den Kaiser bringen;
Lodovico konnte mit vollem Rechte das scharf zurückweisen.
. Wirksam war allein die Fürsprache der Eidgenossen : ein Geschäfts-
anteil der Humpifsgesellschaft war durch Erbgang von den Muntprat in
den Besitz eines angesehenen schweizerischen Politikers übergegangen,
des Altschultheifsen von Luzern Jakob von Hertenstein ; der Ritter Ulrich
Muntprat, gleichfalls Teilhaber, war eben von Konstanz nach Zürich
übergesiedelt, ein anderer Konstanzer Moritz Hürus rechnete sich auch
zu den Eidgenossen und endlich war der Bürger Dominik Frauenfeld
von Zürich an der Gesellschaft beteiligt. Die politische Stellung dieser
Mitglieder deckte die Gesellschaft. Die Eidgenossen schickten durch
sie bestimmt einen Boten nach Mailand und schliefslich entsandte der
Herzog seinen Kanzler Francesco Litta zu den vieren nach Luzern zu
der Tagsatzung, wo am 24. März 1498 ein Vertrag abgeschlossen wurde,
der der vollständigste Erfolg der Gesellschaft war. Den Eidgenossen zu-
liebe erklärte sich der Herzog zur Auszahlung des gesamten Silbers bis
zum 1. März des folgenden Jahres bereit, in Mailand sollte die Gesell-
schaft das Geld in Empfang nehmen. Würde die Summe später aus-
gezahlt, müsse es in Luzern geschehen und der Herzog habe dann den
Schaden zu tragen^.
So schwer die Gesellschaft durch diese leidigen Angelegenheiten im
Ansehen geschädigt sein mochte, so hat sie doch nicht etwa das Gebiet
von Mailand aufgegeben. Sie hatte noch 1520 einen Faktor dort, Paul
Hinderofen aus Wangen^, auch ihn deckte die Gesellschaft durch ihre
eidgenössischen Beziehungen; als er von französischen Behörden fest-
gesetzt wurde, wirkte Luzern für seine Freilassung und ebenso hatte
1518 Jakob von Hertenstein die Schuldner im Herzogtum Mailand und
» Vgl. Heyd, Ravensb. Gesellschaft S. 19—22 und Beil. XV. Mailändische
Darstellung, XVI Empfehlung von Konstanz, XVII Abweisung der Denkschrift der
Gesellschaft und XVIII Schlufsvertrag. Aufserdem sah ich ein Sommario anderer
Briefe, von denen das des Ravensburger Briefes in Urkunden Nr. 131.
* Dieser erscheint später als ;Haupt einer in der oberschwäbischen Reichsstadt
VTangen bestehenden Kaufmannsgesellschaft mit einer Bitte vor Kaiser Kari V.
Dessen Statthalter in Mailand hatte den Kaufleuten der deutschen Reichsstädte
insgemein die fides publica und das freie Geleit aufgesagt. Hinderofen möchte diese
Verfugung auf seine gewifs reichstreue Stadt nicht angewendet wissen und erlangt
vom Kaiser willföhrigen Bescheid d. d. Sontheim 1546 Oktober 18. Transsumpt im
Stuttgarter Archiv. Mitteilung Heyds.
86»
gg^ Fünfzigstes Kapitel.
Umgebung übernommen. Hinter Luzern stand eben mehr Autorität als
hinter den deutschen Reichsstädten^.
Fünfzigstes Kapitel.
Mailand (Fortsetzung). Begfinstignng einzelner. Mailänder Gewerbe. Die
Deutschen in Mailand nnd Como nach ihrer Heimat.
Litterae passus et familiaritatis. Fry, Steinhus, Irmiy Weher. Litterae contra
debitores. — Handelspolitik. Schutz der WoUtceberei, Blüte der Barchtnttceherei, Ein-
führung der Seidenweberei, Goldfäden, die Bede des Dogen Mocenigo, Kritik, Metall-
getcerbe, Waffenschmiede , freies Gewerbe. — Deutsche in Mailand und Como, Angaben
aus dem vierzehnten Jahrhundert, aus dem fünfzehnten: Augsburg, Nürnberg, fränkische
Städte, (rmünd, Ulm, Konstanz, Bavensburg, Kempten, St. Gallen, vom Bhein, Frei-
bürg i. Ü., Bern (Mai und Pangiant), sonstige.
Die Herzöge von Mailand gewährten den deutschen Kaufleuten auch
über diese Privilegien hinaus noch Rechte. Da giebt es zunächst die
litterae passus und salvi conductuSy die einzelnen auf eine bestimmte
Frist — zwei, drei Jahre — oder auch auf Widerruf gegeben wurden,
für ihre Person allein oder auch für eine bestimmte Zahl von Dienern^.
Sie wurden besonders in Kriegszeiten nachgesucht und so ist mitunter
ausdrücklich hervorgehoben, dafs die Kaufleute nicht den Schweizern
zuzuzählen sind. Von den grofsen Handelshäusern erscheinen so die
Fugger von Augsburg, die Gienger von Ulm, die Compagnie der Vöhlin
und Welser, daneben wieder aber auch Familiären von deutschen Fürsten
mit solchen Geleitsbriefen versehen und auch ein Orgelmachermeister,
wie endlich auch ein Nürnberger einen solchen erhielt, der zum Betriebe
von Silberbergwerken angeworben war.
Vielfach waren die Pässe nur für einen bestimmten Transport vor-
gesehen, so brachte 1460 ein Ulmer Waflten des herzoglich mailändischen
Kämmerers Bernhard von Westernach seinem Vater®. So erhalten einen
Reisepafs Pferdehändler für den Markt zu Arona; einem andern wurde
Erlaubnis gegeben, die nach Mailand verbrachten Pferde, die er nicht
hat verkaufen können, weiter zu führen. Ein anderer darf Salpeter ein-
führen oder nach Bologna Silbertuch verbringen. In einem Falle wurde
die Zahl der Warenballen bestimmt*. Besonders interessant ist die auf
des Papstes Wunsch gewährte freie Durchfuhr bezw. Ausfuhr von
6000 Mark Silber, die *Hemicus Fucatus mercator Alamanus< nach Rom
zu bringen hatte*.
1 Vgl. fleyd 22 und Beil. XX u. XXI.
« Vgl. Urkunden Nr. 46-77.
» Urkunden Nr. 46.
* Urkunden Nr. 49. 51.
» Urkunden Nr. 115.
Begünstigung einzelner. 565
Noch einen Schritt weiter gingen die Herzöge, wenn sie einen Kauf-
mann unter die Zahl ihrer Familiären aufnahmen und ihnen damit das
Recht eines freien Verkehrs, Freiheit von Zöllen und SchifFsabgaben ein-
räumten.
Vor allem erreichten das neben politisch wichtigen Persönlichkeiten
der Nachbarschaft ^ die bedeutendsten Faktoren und Vertreter der grofsen
ßavensburger Gesellschaft. Heinrich Fry von Konstanz wurde von dem
tyrannischen letzten Visconti mit aufserordentlich anerkennenden Worten
über seine Sitten, seinen Ruf, seine erprobte Anhänglichkeit zum Familiären
erhoben^. Francesco Sforza konnte November 1447 — also in den
Tagen der ambrosianischen Republik — ihm nicht die Würde und Rechte
eines Familiären erneuern, aber er gab ihm als dem Faktor des edlen
Josumpis einen einjährigen Pafs, mit vier Personen frei zu reisen, ins-
besondere auch in und bei Pavia, Cremona, Parma und Casal maggiore
und vier Saumlasten mit sich zu führen®. 1451 gab der inzwischen
Herzog gewordene dem Ulrich Fry die Rechte eines Familiären*.
Für dessen Nachfolger in der Mailänder Vertretung der grofsen Ge-
sellschaft, den Konstanzer Thomas im Steinhause liegen aus den Jahren
1463—65 drei verschiedene Pafs- und Familiaritätsbriefe vor. Der erste
von 1463 sollte vier Jahre Gültigkeit haben, der letzte war für eine
Reise nach Sizilien ausgestellt, der mittlere aber war die Ernennung
ohne Zeitgrenze und in ihm bezeichnet der Herzog den Thomas als einen
hervorragenden Mann, der sich durch Bescheidenheit, unbescholtenen Ruf,
Mäfsigung und andere Tugenden bewährt habe*.
Besonders interessant sind die Nachrichten über die intimen Be-
ziehungen Baseler Kaufleute. Schon 1436 hatte ein Nikolaus von Basel
(wie auch Antoninus de Coyate) eine Befreiung von den Zöllen, welche
den Zollpächtern gar nicht gefiel. Sie machten erst den Versuch, die
Befreiung auf 100 Ballen einzuschränken, aber die mailändische Re-
gierung liefs das nicht zu und noch ein zweiter Versuch, der 1450 ge-
macht wurde, war vergebens. Nikolaus war 1453 gestorben, das Privileg
wurde auf seinen Sohn übertragen ®. Dann verschwindet der Name, man
* Für Bergeller und Oberhalbsteiner Grofsen Urkunden Nr. 196.
* Urkunden Nr. 41.
■ Urkunden Nr. 42.
* Urkunden Nr. 43.
6 Urkunden Nr. 94—96.
« Einträge in der Serie : Incantus daUorum et vectigdlium Cume im Stadtarchiv
von Como Vol. I (1486—1439) Fol. 63. Danach scheint Nikolaus mit Antoninus eine
Gesellschaft gebildet zu haben. Fol. 165. Beschränkung auf 100 Ballen und nur
für den Transport nach und von Deutschland. Fol. 18a Vol. III Fol. 21. 1450
Beschlagnahme von Wollballen, die Nikolaus von Mailand nach Como hatte bringen
lassen. Fol. 122 Tod des Nikolaus.
566 Fünfzigstes Kapitel.
möchte geneigt sein, die Irmi als Erben des Nikolaus anzusehen, aber
es wird von den Irmi niemals auf die Zeit vor 1464 zurückgegriffen.
Die Irmi von Basel waren ein sehr angesehenes Handelshaus, Hans
Irmi war Zunftherr von den Krämern (zum Safran) und wurde 1474 in
dem Prozesse gegen den Landvogt Peter von Hagenbach diesem als Für-
sprech bestellt, sein Sohn Balthasar war 1497 Zunftmeister der Safran-
zunft ^. Den grofsen Diamanten, den die Schweizer in der Schlacht von
Grandson gewannen, und den kostbaren Degen Karls des Kühnen über-
nahm er für 20 000 fl. zu veräufsern, was ihm jedoch nicht gelang ^. An
seiner Stelle versuchte es dann der in Bern angesiedelte Lombarde Barto-
lomäus Mai^. Von 1464 datiert die Ernennung des Hans zum Familiären,
wobei er auch die Vorrechte, welche den Schweizern in den Kapitulaten
eingeräumt waren, zugestanden erhielt^. Diese Ernennung, die nur auf
zehn Jahre Gültigkeit haben sollte, wurde wiederholt erneut und ging
auf seinen Sohn Balthasar über. Zuletzt finde ich eine Bestätigung aus
dem Jahre 1522^. Balthasar handelte vor allem mit Reis®, dessen Anbau
eben in der Lombardei begonnen hatte. 1511 wurde Gut von Felix
Irmi in Como beschlagnahmt, wofür Basel sofort an Lombarden Re-
pressalien ausübte^. Das Geschlecht hat den Mailänder Herzögen auch
wirkliche Dienste geleistet. 1475 schickte Hans während des Krieges
gegen Karl den Kühnen von Basel vertrauliche Briefe an den Herzog
Galeazzo Maria mit wichtigen Nachrichten über die deutsche Politik®
und sein Sohn hat 1493 eine erhebliche Summe auf die Zölle von Mai-
land vorgeschossen^.
Auch Lukas Welser wurde 1475 von der Herzogin- Witwe Bona zu
ihrem Familiären erhoben ^^, Lukas und Matthäus Fugger werden nur als
„unsere Kaufleute" bezeichnete^. Die Vöhlin bedurften hingegen 1493
einer Empfehlung des Dogen von Venedig*^. Gelegentlich wurde die
1 Baseler Chroniken 1, 330. 2, 84. 152. 157. Vgl. auch 4, 73. 75 u. 77*
Geering 164 Anm. 6.
a Eidgen. Abschiede 2, 643 u. 651.
> Eidgen. Abschiede 3, 1, 200.
* Urkunden Nr. 199.
^ Vgl. Urkunden Nr. 105, 123 und die Anmerkungen dazu. Die Urkunden
von 1467, 1477, 1482, 1493 und 1495 sind nicht aufgefunden.
^ Motta, Boilet. stör. d. Svizz. it. 14, 5.
^ Eidgen. Abschiede 3, 2, 592.
^ Gingins laSarra, D^pdches des ambassadeurs Milanais sur les campagnes
de Charles le Hardi 1, 42 ff. 128 ff.
• Anm. zu Urkunden Nr. 123.
10 Urkunden Nr. 107.
" Urkunden Nr. 62 u. 66.
" Urkunden Nr. 124.
Begünstigung einzelner. 5(37
Zollbefreiung auch an sehr entlegen beheimatete Kaufleute gegeben, so
war 1453 Ehrhaldus Stueimbergh civis Brugensis zollfrei ^
Ein anderes Mittel die Kaufleute zu fördern, war es, wenn der
Herzog seiner Regierung gebot, gegen die Schuldner des Betreffenden
scharf vorzugehen. Solche »litterae contra debitores^ sind nicht wenige
erhalten, so für die Irmi, die grofse Ravensburger Gesellschaft, für ver-
schiedene Memminger Häuser und andere^. Auch auf specielle Be-
schwerden gegen Schulden gingen die Herzöge gern ein. Es lag ihnen
sehr viel daran, den Zug der deutschen Kaufleute festzuhalten. Über
das Ende unserer Periode hinaus liegt ein Brief, der für eine Reihe von
deutschen Gesellschaften bestimmt war, unter ihnen die Welser, Forten-
bach, Humpifs, Koler u. a.^.
Da versucht wurde, die Zollstiltten zu umgehen, wurden 1457 ge-
nau die Zollämter bezeichnet, wo die Waren einzuliefern waren. Alles
was von jenseits der Berge kam, mufste in Novara, Arona oder Como
verzollt werden, für den Verkehr von Genua erfolgte der Eintritt in
Alessandria, Tortona oder Piacenza, für den aus Toscana in Pontremoli
und Parma. Was zu Lande aus der Romagna und den Marken kam,
wurde in Parma, was zu Wasser ging, in Casal maggiore verzollt. Gegen
die Vorschrift, dafs die Waren von Venedig auf dem Po reisen sollten,
erhob Como Einspruch, welches das Interesse von Lecco und des Land-
weges vertrat*.
Der Schutz der inländischen Industrie hat verschiedentlich die Her-
zöge bestimmt, den fremden Handel und den fremden Import der be-
treffenden Waren zu verbieten. Die Interessen der einzelnen Landesteile
waren dabei verschieden. Hier ist zunächst nur Mailand zu behandeln.
Francesco Sforza verbot am 3. Oktober 1454 die Einfuhr aller
fremden Tuche, ausgeschlossen waren davon die billigsten Stoffe und
diese Mafsregel — im einzelnen geändert — wurde von den nachfolgen-
den Regierungen für Mailand aufrecht erhalten'*. Der Mailänder Fabri-
kation feiner Stoffe kam das zu gute, wie auch dem Wollengewerbe in
Como und auf dem Lande, das sich mit der Erzeugung billiger Sorten
begnügte.
Die Beschaffung feiner Wolle trieb vor allem den Mailänder Kauf-
mann in die Ferne, so die reiche und angesehene Familie der Segazoni,
welche französische und englische Wolle einkauften. Als in den Tagen
* Incanius daiiorxim et vedigalium Cwne (Stadtarchiv Como) Vol. III Fol. 120.
* Vgl. die Lüterae contra debitores Nr. 78—93.
8 Urkunden Nr. 93.
* Urkunden Nr. 197. Como. Vgl. Morbio, Storia dei municipj. italiani 6, 466.
5 Reiche Angaben bei Gaddi S. 107 ff; auch Pavesi 20, 23ff. P^lissier 32
(1500) u. 233 (1510). Auch Registro ducale Nr. 60 Fol. 27 Dekret von 1490.
568 Fünfzigstes Kapitel.
Heinrichs VII. der Aufstand der Tonriani tobte, erlitten sie in ihren Ge-
wölben an den Tuchen schweren Schaden^.
Die Barchentweberei blühte fort, wir haben gesehen, wieviel Barchent
nach Deutschland ging^.
Unter Filippo Maria wurde 1442 die Seidenweberei in Mailand durch
einen Florentiner eingeführt und zwar unter grofsen Privilegien seitens
des Herzogs. Der Versuch glückte in der glänzendsten Weise — be-
kanntlich ist Mailand heute einer der wichtigsten Plätze der Seiden-
industrie — und schon 1460 verbot Francesco Sforza die Einfuhr von
Stoffen aus Seide, Gold uijd Silber®. Die Produktion stieg so gewaltig,
dafs, als 1474 die Stadt Pavia die Sammetweberei einführen wollte und
die Stadt die Herabsetzung des Seidenzolles erbat, die Steuerbehörde
Mailand, wo 15000 Menschen von diesem Handwerk lebten, dagegen
schützen zu müssen glaubte^. Neben Sammet wurde in Mailand nament-
lich ^jsendado^j ein leichtes taffetähnliches Seidengewebe, hergestellt*.
Dieser Schutzzoll wurde auch den Deutschen gegenüber aufrecht
erhalten®. Die Regierung hielt auf die Feinheit der Waren und liefs
keine golddurchwirkten Gewebe durch, in welchen der Goldstoff nicht
echt war^; sie war für den guten Ruf der Stadt besorgt und auch die
Verfertiger von Gold- und Silberdraht wie die Goldschmiede wollten
nicht dulden, dafs Erz auf beiden Seiten vergoldet werde; es würden
sonst die Käufer getäuscht und vor allem die von jenseits der Berge,
welche sich auf solche Dinge nicht verständen®.
Der Doge Tommaso Mocenigo hat im Jahre 1421 einer florentinischen
Gesandtschaft gegenüber eine genaue Übersicht über den Handel Venedigs
mit Italien gegeben, deren Ziffern grofse Beachtung gefunden haben.
Man wird dabei den Zweck der Rede nicht vergessen dürfen und sich
erinnern, dafs die Verkündigung des Ruhmes selten bei der Wahrheit
bleibt. Aber für die Statistik der Produktion der Städte sind die An-
gaben doch von hohem Werte:
^ »Dives et popularis familia de SegazonibuSj qui conductores ac studiosi GalUcae
et Britannicae lanae erant negotiafores «. Cermenate ed. Ferrai in den F o n t i per
la storia dltalia 60.
* Vgl. auch £. Motta, Per la storia deir arte dei fustagni im Archivio
storico lombardo 17, 140—145.
^ Morbio, Storia dei muncipj. italiani 6, 307 u. 310. Gaddi 104 ff. Pavesi
soft. P^lissier 123— 127. 199. 286. 318. 320 u. 353. Formentini 5S4 fl*.
* Boll. stör. d. Svizz. it. 9, 88.
* Silbermann 1, 72.
« Vgl. Urkunden Nr. 98. 1465 Januar 7 Mailand.
■^ Selbst gegenüber dem Kaiser Urkunden Nr. 122.
8 P^lissier 199 ft'.
k
Mailänder Gewerbe. 569
Danach führten nach Venedig ein:
Stück Zum Preise von Summa
Alessandria, Tortona, Novara 6 000 Tuche k 15 Dukaten 90 000 Dukaten
Pavia 3000 - 4 15 - 45000
Como 12000 - ä 15 - 180000
Monza 6000 - & 15 - 90000
Brescia 5000 - i 15 - 75000
Parma 4000 - ä 15 - 60000
Mailand • . . . 4000 feine Tuche & 30 - 120000
Bergamo 10000 Tuche k 7 - 70000
Cremona 40 000 Barchent k 4V4' - 170000
90000 900000
Gegen die Ziffern wird man auch einwenden müssen, dafs weder
Mailand noch Pavia Barchent liefert. Die Ausfuhr von Venedig an
Baumwolle schätzte Mocenigo auf 250000 Dukaten, von catalanischer
Wolle 40000 Centner zu 6 Dukaten auf 240000 Dukaten, französische
Wolle ebensoviel zu 3 Dukaten auf 120000 Dukaten «.
Auch Mailands Leineweberei machte nach Uzzano einen Teil der Aus-
fuhr aus. Vor allem aber führte es, wie sich Uzzano ausdrückt, unzählige
Mengen von »mercerie^y Kram waren aus® und namentlich lieferte Mailands
Metallindustrie dieselben. Es ist hier nicht Raum, die Entwicklung der
Waffenschmiedekunst Mailands im einzelnen zu besprechen, doch mufs
ich wenigstens auseinandersetzen, dafs, wenn die Klingen von Brescia,
Toledo oder Passau die von Mailand vielleicht übertrafen, seine
Harnischfabrikation unbestritten die vollkommenste war, sie hat vor
allem den Plattenharnisch ausgebildet, der wahrscheinlich eine Erfindung
Petrajolo da Missaglias aus der Familie der berühmtesten aller Waffen-
schmiede der Negroni. Auch Harff hebt in seiner Reisebeschreibung
die ^hameschmacheTj sedehnacher^ gebismacher und schwertmacher^ her-
vor. Ebenso wie man der Massenerzeugung gerecht wurde, hat auch
die Verfertigung von Prunkwaffen, woran sich neben den Waffen-
auch Goldschmiede beteiligten, in Mailand ihre höchste Blüte auf
italienischem Boden erreicht. Mailand hatte in Frankreich, Spanien
und England geradezu ein Monopol und es wird uns verständlich, warum
König Karl VI. von Frankreich Mailänder Meister in Lyon, Karl VIH.
1490 in Bordeaux ansiedelte und Max sie nach Burgund berief*. 1481
gab es in Mailand auch Waffenschmiede, die more iheutonico arbeiteten,
wie umgekehrt Pfalzgraf Ludwig einen Mann nach Mailand sandte, dem
' Die Vorlage giebt 40 Vi an, was mit der Summe nicht stimmt.
^ Sanutus, Vitae ducum, bei Muratori, SS. 22, 953 und modernisiert und
korrigiert bei Cantü, Storia degii Italiani 4, 427.
8 Uzzano 295.
* Vgl. Bö heim, Die WaflFe u. ihre einst. Bedeutung im Welthandel. Jahns,
Entwicklung d. alten Trutzwaffen S. 96. Harff S. 217.
570 Fünfzigstes Kapitel.
er ausnahmsweise zu verstatten bat, dafs die dortigen Meister aus ihm
einen Klingenschmied machten*.
Und Mailand erreichte eine solche Höhe seiner Industrie nicht durch
ängstliche Bestimmungen über Zünfte, sondern durch eine Politik, welche
der Gewerbefreiheit ziemh'ch nahe kam.
Für den Aufenthalt Deutscher in Mailand und Como, das ich hier
gleich mitbehandeln möchte, mufs ich darauf verzichten, alle Notizen
zusammenzustellen, so lehrreich einzelne sind, wie das Auftreten von
Baselern und Freiburgern aus dem Breisgau in Como ist^. Alle Samm-
lung würde hier nie ein Ende finden können. Das Notariatsarchiv in
Mailand mit seinen Tausenden von Fascikeln und Millionen von Notizen
konnte schon für das vierzehnte Jahrhundert nicht systematisch be-
nutzt werden, angesichts einer solchen Fülle von Material ist jeder
Versuch undurchführbar. Doch hatte eine von Motta vorgenommene
Durchsicht der Serie der ältesten Notare uns für die Jahre 1375 und
1376 einen überraschenden Einblick verschafft, da bei dem Notar Gio-
vanolo Oraboni die Deutschen offenbar mit Vorliebe ihre Schuldurkunden
aufnehmen liefsen. Was die deutschen Kaufleute gegen bar einkauften,
wurde natürlich nicht beurkundet, es liegen aber doch 22 Schuldbriefe
vor, worin sich Deutsche zur Zahlung des Preises für meist angeführte
Waren innerhalb bestimmter Frist (8 Tage bis 7 Monate, meist 6 Monate)
verpflichten^. Sie kauften fast ausschliefslich weifsen Barchent, einmal
erscheint auch geförbter Barchent und zweimal wird Baumwolle gekauft^
einmal von einem Ulmer, das andere Mal von einem Baseler Händler,
offenbar für die heimische Produktion der Schürlitze. Die Schuldsumme
ist am höchsten bei den Luzernern, die, wenn man die Compagnie-
geschäfte unter die Genossen verteilt, sich auf 6771 ü l jß Imp. beläuft,
aber unmittelbar darauf folgt Nürnberg mit 6535 U 9 ß — S). In weitem
Abstände folgen Basel (796 U 15^), Zürich (441 fl.), St. Gallen (rund
430 U\ Ulm (325 U) und Konstanz. Der einzige Konstanzer Cosmas
Speiser hatte 132 fl. seinem Mailänder Wirte, übrigens einem Deutschen
aus St. Gallen, für Herberge und Speise und Trank zu zahlen. Von den
Nürnbergern gehören Konrad und Ulrich EisvogeH, wie Konrad Stromer
bekannten Geschlechtern an, Konrad und Berthold Bernold führen sich
neu ein, wie der 1393 in den Akten des Notars Francescolo Oldoni er-
scheinende Johannes Gep, Konrad Bernold hatte seinen Wohnsitz in
Mailand.
' Arch. stör, lombardo 19, 998.
a Baseler Urkb. 3, 145 Nr. 267. Schreiber 1, 143. Ob es sich aber um
Kaufleute handelt, ist unsicher.
■ Die Frist, welche die Statuta mercatorum unter bestimmten Umständen vor-
schrieben, belief sich auf nur drei Monate. Fol. 214.
^ Nach Hoth 1, 54 betrieb derselbe auch Handel nach Ungarn.
Die Deutschen iu Mailand und Como nach ihrer Heimat. 571
Von den Ulmern gehört nicht einer einem bekannteren Geschlechte
an, ein Johannes Tierlin wohnte 1376 wie 1393 in Mailand, 1376 als
Vertreter des Luzerner Kaufmanns Maynolus Mantellus. Von den
Luzernern erscheinen fünf Personen. Aus Basel: Conradus Cioffer und
Gabardus de Olde, aus St. Gallen Rudolf Libgut und Konrad Werder,
Rudolf wohnte in Mailand, aus Zürich neben Ulrich Lez, einer aus dem
Geschlechte der Brun: Johannes Bruno'.
Angesehene Bürger von Zürich , von denen bald darauf Hartmann
Rordorf der Höchstbesteuerte war, hatten im Vereine mit dem Strafs-
burger Bürger Johann Acht Üntz Seide im Mailändischen, die ihnen be-
schlagnahmt wurde ^. Dafs auch Augsburger damals in Mailand handelten,
beweist ein Mahnbrief der Kaufmannschaft von Mailand an die Stadt
Augsburg, da Jodokus Jost einen ähnlichen Schuldbrief zum Termin aus-
zulösen versäumt hatte ^.
Jener Konrad Stromer war der Neffe des Verfassers des köstlichen
Stromerbüchleins, Ulmann Stromers, und der Sohn eines anderen Konrad,
der Ulmann an Jahren weit voraus war. Der Vater starb nach seinem
Sohne Hans, der 1348 ^uf dem Maloon^ (wohl schwerlich zu Mailand,
sondern auf dem Malojapafs) ermordet war und zu Como bei den Predi-
gern begraben lag*. Auch ein jüngerer Bruder Ulmanns hiefs Konrad
und wurde zu Mailand bei den Barfüfsern (oder den Predigern, hier wider-
spricht sich Ulmann) zuvorderst im Chor begraben; er war von einem
„Sterben" 1357 dahingerafft^ Ulrichs Tochter Anna hatte den oben er-
wähnten Ulrich Eisvogel zur Ehe ^. Der fleifsige Chronist notierte auch die
von den Geschlechtern ihm bei Lebzeiten bekannt gewordenen und giebt
die Stätte ihres Todes an. Und da erwähnt er, dafs Peter Falzner zu
Pawe, also zu Pavia, September 1398 starb '^. Von Pignot Pfinczing sagt
Stromer, er sei viel in Lamparten gewesen®.
Noch weit zahlreicher sind Angaben über den Aufenthalt von
Deutschen aus dem fünfzehnten Jahrhundert erhalten. 1405 wurde Gut
des reichen Augsburger Hauses der Ilsung und des Lupoid Karg bei
Angera, also auf dem Lago Maggiore von einem Familiären des Her-
^ Über eine Erbschaft, die Züricher 1315 in Mailand zu regeln hatten, Stadt-
bücher S. 9.
2 Stadtbücher S. 158 — 160. Der Beglaubigungsbrief für die nach Mailand
gehenden Bevollmächtigten datiert von 1849.
» Urkunden Nr. 374.
^ Chroniken d. deutschen Städte S. 63, 27.
6 Ebda 62, 17 u. 64, 19.
« Ebda 66, 10.
'^ Ein weiterer Stromer starb in Ungarn, ein anderer auf einem Zuge gegen die
Türken. Bei den Geschlechtem führt er fünf Todesfälle zu Wien, drei zu Venedig,
zwei zu Prag und je einen zu Köln, Ungarn und Krakau an.
8 Ebda 85, 21.
572 Fünfzigstes KapiteL
zogs angehalten ^. Die Form des Briefes verrät freilich durchaus nicht
die Kenntnis der Verfassung von Mailand, wie sie damals z. B. in
Konstanz verbreitet war, auch 1440 schrieben di^ Augsburger an einen
Podesta von Mailand, um sich über die Ermordung ihres Mitbürgers Hans
Stölzlin zu beschweren'.
Dafs Lukas und Matthäus Fugger seit 1470 eine grofse Rolle im
Mailändischen spielten , folgt aus der Bezeichnung fnercaiores nosiri, wie
aus ihrem Anteil an der Petition um die Errichtung eines Kaufhauses'.
Matthäus hatte auf einem Ritte nach Mailand das Unglück, in den See
zu stürzen, wo er ertrank*. Seine Vermögensverhältnisse waren zer-
rüttet, wie überhaupt dieser Zweig des Fuggerschen Hauses — die
Fugger vom Reh kein Glück hatten. Lukas stürzte in Folge von
Schwierigkeiten, die er in Löwen und Venedig fand*. Dafs sein Handel
aufser Venedig, Leipzig, Antwerpen auch Mailand im Auge hatte, zeigt
eine Vollmacht, die er 1474 für Andrea de' Bnonsignori de' Busii aus-
stellte'*'. In ihr wird er als in Mailand wohnhaft bezeichnet; und sollte
der Fugger gar an der Pacht der Silbergrubeu beteiligt gewesen sein,
die sein Vertreter, ein auch sonst oft vorkommender Kaufmann, 1475
übernahm^? Glied dieses Zweiges war auch wohl Anton, der 1492 erscheint.
Anton, der als Sohn des Andreas bezeichnet wird, war ein Faktor der
Vöhlin-Gesellschaft und hatte als solcher die Vorsteher der herzoglichen
Münze zur Zahlung einer Schuld für verkaufte Silberbarren anzumahnen ®.
Auf die andere glücklichere Linie dieses Geschlechtes, die Fugger von
der Lilie, ist in anderem Zusammenhange einzugehen. Die Welser
waren mit dem Vöhlin von Memmingen verbunden, die später im Zu-
sammenhang zu besprechen sind^.
Viel reichhaltiger sind die Angaben über Nürnberger Kaufleute.
In ihnen tritt das Übergewicht der fränkischen Reichsstadt auf dem
Gebiete der Metallgewerbe hervor, sie brachten nach Mailand und
Como vor allem Waren ihrer Kleinmetallindustrie, auch deutsche
Wolle und Wolltuche, Erz und nahmen dafür einfache und ge-
färbte Barchente, Messing, Safran u. a. mit Auffallenderweise fehlen
> Urkunden Nr. 375.
a Urkunden Nr. 877.
» S. oben S. 559.
* Geiger, Jakob Pugger S. 3.
'^Geiger 4. Schulte, Anfänge der Fugger. Beilage zur AUgem. Zeitung
1900. Nr. 118.
ö Urkunden Nr. 169.
' Morbio 6, 468.
« Urkunden Nr. 172.
^ Einzelne Augsburger erscheinen auch sonst: so Georg Mülich 1511. Ur-
kunden Nr. 177. Konrad Meuting s. unten unter Augsburg.
Die Deutschen in Mailand und Como nach ihrer Heimat. 573
die Namen der grofsen Nürnberger Geschlechter, die doch damals
so überaus lebhaft nach Venedig handelten. Man darf aber nie ver-
gessen , dafs unsere Nachrichten nur zufkllige sind. Und wenn auch für
Mailand für das fünfzehnte Jahrhundert noch kein Notarsregister ge-
funden ist, das zahlreiche Urkunden deutscher Kauf leute enthält, so ist
das doch für Como der Fall, wo das Register des Notars Francesco
Cermenate vom höchsten Werte ist. Da begegnet auch das Geschlecht
der Schürstab , wie ein Tucher eine litiera contra debitores erhalten hatte
und in Mailand ein Stromer erscheint^. Im übrigen sind die Namen
Zenner, Eamperger, Hans Müller, Paul Hoffmann, Jakob Wislant, Streber,
Frigmann, Flittmann, Machold ^ überliefert und gerade dieses Hervor-
treten kleiner Familien hat ein ganz besonderes Interesse. Nach den
Geschäftsbüchern der Gesellschaft Koler-Kress-Saronno handelten im
Anfang des sechzehnten Jahrhunderts in Mailand die Im Hoff, die
Rummel, Fütterer und Holzschuher ®.
Nürnberger waren auch an Bergwerken beteiligt, schon vorhin
nannte ich den zum Leiter von Silberbergwerken berufenen Georg Un-
anguener^. Vielfach verkauften Nürnberger MetalP. In dem einen
Falle veräufsert Johann Ramberger aus Nürnberg im Namen der Gesell-
schaft des Hans Müller Erz, die, wie wir wissen, in Savoyen auf Silber
und Erz grub ^. Auch fand sich dort ein Nürnberger, der mit Bau-
materialien handelte, er wohnte natürlich in Mailand und eigentüm-
licherweise tauschte der Nürnberger Baumwollstoffe gegen seine Dach-
ziegel, Ziegelsteine u. s. w. ein''. Derselbe lieferte aber auch Schellen
in verschiedenen Gattungen und Messinglöffel, wofür er andere Waren
eintauschte®. So hatte er 1477 eine sehr erhebliche Summe Messing-
löffel zu liefern und erhielt den Preis in Lederwaren, Baumwolle,
Messing und WoUentüchem^ und zog auf den Messen umher, wie er in
Crema 60 Dutzend weifser soaiiarum erhandelte*^. Nach Motta war
dieser Bernhard von Nürnberg auch Gastwirt. Vor 1481 besafs er den
* TJiebalfJns Stromer de Alemannia fil, quondam Henrici ist Gläubiger eines Mai-
länders für 100 ü aus Warenverkauf. Cod. Trivulz. 1820 Fol. 478.
* Vgl. Register.
3 Vgl. unten S. 587 f.
* Urkunden Nr. 69. 1466 schlofs ein Passauer Tommaso de'Cantarini einen
Vertrag über Ausbeutung von Bergwerken ab. Arch. stör. lomb. 19, 996. M.S. 432.
^ Verkauf von aramen oder aramen batutum vgl. Urkunden Nr. 223, 245, 163
u. 246.
« S. oben S. 487.
"^ Urkunden Nr. 170.
« Urkunden Nr. 171.
® Urkunden Nr. 185.
'0 Urkunden Nr. 184.
574 Fünfeigstes Kapitel.
Gasthof zu den hl. drei Königen an der Porta Romana, wo 1492 auch die
aus Deutschland heimkehrenden Gesandten von Venedig abstiegen^.
Von fränkischen Städten tauchen in Como Vertreter von Hall,
Windsheim und Rothenburg auf. Sie alle verkaufen im wesent-
lichen nur deutsche Wolle. Es erscheinen t* Maiheus Turbrech de Alla-,
der mindestens zehn Ballen verkaufte, von Windsheim (Vinzen), Heinrieh
Plattner, der den Erlös von drei Ballen ausstehen hatte. Am stärksten
ist Rothenburg vertreten durch Filipp und Michael Fulbricher, Konrad
und Johann Royn und Johannes Plan. Der ihnen noch nicht bezahlten
Wollenballen waren es 6, 2, 10 und 2*.
Aus Schwaben ist zunächst Gmünd zu nennen, wo Heinrich Lind ein-
mal flir Peter Geist Wolltuche verschiedener Farben in Como verkaufte,
sonst aber auch Wolle scheinbar für eigene Rechnung veräufsert. Der Name
^Henricus Lind de Muntperiin Alatnanie mercaior filius Olderici^ erweckt
den Verdacht, als sei er Faktor der Muntprat von Konstanz gewesen*.
Der Handel der Ulm er nach Mailand war so beträchtlich, dafs ein
Zweig des Patriziergeschlechtes der Ehinger den Beinamen ivon Meylant*
führte, wie der andere wegen seines östlichen Handels den der „Öster-
reicher" *. Auch andere Patrizier erschienen , so Gabriel Gienger, der
mit Wolle handelt*, ein Harscher stand mit dem gi'ofsen Mailänder
Handelshaus der Caimi in Verbindung® und eine Ungelterin war 1510
in Mailand verheiratet^. Dietrich Hirlewagen wird in den Papieren
der Gesellschaft Koler-Kress-Saronno genannt, ebenso Mathias Gienger.
Die Beziehungen der Gienger und Scheler zu Como sind nachher zu be-
sprechen. Nicht den edlen Familien gehörte Leonhard Hei an, der für die
Mailänder Caymo einen Verlag von Papieren führte® und wohl kaum auch
ein Herandus Roinus ^, ein Balthasar Fusinger war dem Herzoge angenehm ^®.
Konstanz und Ravensburg sind zunächst durch die Ravensburgi-
sche Gesellschaft vertreten. Sie hatte wohl einen permanenten Vertreter in
der lombardischen Handelsstadt und das waren meist Konstanzer. Von
welchem Einflüsse Heinrich Fry war, haben wir gesehen , ihm folgte ein
Ulrich, der 1451 ebenfalls einen Pafsbrief erhielt. Doch war Heinrich
* Arch. ßtor. lombardo 25, 374.
« S. Register und Urkunden Nr. 200—245.
' Ebenso.
* So hcifst Hans Ehinger 1377 »voti MaylanU, Keichsarchiv München, Archiv
Reichsstadt, Memmingen; schon vorher 1354 (Ulmer Urkb. 2,413) und 1366 (Verh.
Ulm 3 1871 S. 49). Johannes didus de Maiant 1355 Oktober 17 ebda.
6 Urkunden Nr. 102.
« Urkunden Nr. 110 u. 116.
' Urkunden Nr. 176.
« Urkunden Nr. 110.
» Urkunden Nr. 116.
»• Urkunden Nr. 55.
Die Deutschen in Mailand und Como nach ihrer Heimat. 575
Fry auch noch 1473 im Mailändischen ^. 1461 erscheint aber als Ver-
treter des *Yosonipis€ Thomaxius de Constantia teutoniois filius quondam
domini Apolon^. Dieser in Mailand ständig wohnende Vertreter erweist
sich schon durch den wunderbar verunstalteten Namen seines Vaters
Polay als einen Angehörigen der Familie „im Steinhause" *. In den
nächsten Jahren wurde er durch den Herzog mehrfach ausgezeichnet®.
Dann erscheint Nikolaus im Steinhuse, der auch der Vertrauensmann
des Bischofs Heinrich von Chur war, für den er beim Herzoge von
Mailand die Pension erhob *. Zwei Jahre später bei dem unglücklichen
Schmuggelversuche war Nikolaus in Mailand.
Wohl keine Handelsgesellschaft erfreute sich solcher Gunst der
Herzöge wie diese. Ihre Faktoren waren Familiären und gern gewährte
der Herzog ihre Bitte. So war der 1475 der Gesellschaft ausgestellte
Pafsbrief der liberalste, der mir bekannt ist, schon äufserlich tritt das
hervor, wird doch Jos Humpis als nobilis vir bezeichnet und wurde dem
Pafsbrief noch Gültigkeit von einem Jahre zugesprochen nach seiner
Abkündigung*. Und als 1486 die Bündner im Wormser Zuge von den
Berg'^n herabstiegen und Bormio und Chiavenna wegnahmen, erklärte
der Herzog auf ihren Wunsch sie für sicher und 1490 wurde noch der
Gesellschaft ein Pafsbrief auf ein Jahr gegeben®.
Aber auch andere Konstanzer, von denen es nicht sicher ist, dafs
sie zu der grofsen Gesellschaft gehörten, handelten in Mailand, so 1497
ein Tettikoven^. Sehr interessant ist der Bericht, den Konrad Mefsner
aus Mailand an Herzog Francesco Sforza erstattete, er habe aus Vene-
dig von seinen Compagnons Briefe, wie ihnen von Wien über das
blutige Gericht geschrieben sei, das König Ladislaus von Ungarn am
16. März 1457 an Ladislaus Hunyad, der den ruchlosen Ulrich Cilly
niedergestofsen hatte, veranstaltet hatte®. Vom 16. April ist sein Brief
datiert und wir sehen, wie diese Kaufleute sich mit politischen Nach-
richten versorgten und sie auch mitunter dem Landesherren zugänglich
machten. Das sind die Anfänge des Zeitungswesens.
Dafs der einem Kemptener, durch Handel zu grofeem Reichtum ge-
langten Geschlechte angehörige Heinrich Vogt, der sich 1462 bei einem
Mailänder Waffenschmied Rüstungen bestellte , noch selbst Handel
1 Heyd S. 18.
' Urkunden Nr. 164.
» S. oben S. 565.
* Urkunden Nr. 127.
^ Vgl. die Urkunden von 1475 März 18 u. 22 bei Heyd S. 69 ff.
« Die Urkunden von 1486 JuU 29 und 1490 Oktober 2 bei Heyd S. 72 u. 73.
' Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 5, 48.
8 Urkunden Nr. 44.
576 Fünfzigstes KapiteL
trieb, will ich nicht behaupten, nach dem Zahlungsmodus sollte man
▼ielmehr glauben, er lebe in Mailand vielleicht als Soldner ^ Ein deut-
scher Kaufmann aus Salzburg begegnet 1461 in Como'. Auch Züricher
und Lindauer sind nachzuweisen'. Doch darf man nie vergessen, dafs
alle diese Angaben nur schwache Spuren des einstigen Verkehrs sind.
Besonders wertvoll ist eine Urkunde, die uns die Rechtsunsicherheit seigt,
welcher der Kaufmann ausgesetzt war. Michael Mark von Lindau hatte
einen gröfseren Posten von Waflfen (126 cancroSy 100 miiras parvas^ 16 ma^
nas) in Mailand gekauft und einem Manne zum Transport nach Como
verdungen. Dieser brachte die Ware z. Th. ohne Rücksicht auf die
Bestimmungen dorthin und lieferte sie völlig verdorben ab, wie zahl-
reiche deutsche Söldner sofort bestätigten. Von Como wurde der
Deutsche, sein Recht verlangend, nach Mailand gewiesen und um-
gekehrt, bis er heimkehrte und von dort eine Supplik an den Herzog
richtete *.
Sehr lebhaft war der Verkehr mit dem mächtig aufblühenden St
Gallen. Der Leinwandhandel hatte hier einen bedeutenden Umfang und
St. Galler Händler erschienen sehr oft in Mailand oder Como. Konrad
Werder und Rudolf Libgut kauften Mailänder Barchent *. Daniel Kapf-
mann gingen in Como zwei Ballen Leinwand auf dem grofsen Zolle
verloren *.
Vom Rheine her war der Verkehr gewifs recht lebhaft, jedoch
kann ich nur Leute aus Köln, Speier und Strafsburg nachweisen.
Ein Antonius de Colognia hatte Schmelztiegel gekauft^, er wohnte übrigens
in Mailand. Ein Speierer Bürger, Martin Apotheker, kauft 1434 in Como
acht Stück feine Wolltuche und im gleichen Jahre löste sich die Gesell-
schaft, die Johannes Säckinger von Strafsburg, der im Kaufhaus angestellt
war, mit zwei Kaufleuten von Como hatte, auf®. Vielleicht war jener
Fridel von Säckingen aus Strafsburg sein Vater, der 1424 das Unglück
hatte, mit seinem Schiff, das mailändische Barchente und geschlagen
Messing, die er in Mailand eingekauft hatte, trug, bei der Rheinbrücke
von Breisach auf einen Pfahl zu stofsen, so dafs das Schiff auf eine
Sandbank fahren mufste, dort aber kraft des Grund ruhrrechtes in An-
' Urkunden Nr. 167.
2 Urkunden Nr. 198.
» Urkunden Nr. 193 u. 126.
* Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 5, 412 f. 1497 Mai 31.
»i Urkunden Nr. 138, 139.
ö Urkunde vom 27. Dezember 1496 Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 5, 411.
^ Urkunden Nr. 161.
8 Urkunden Nr. 233 u. 235. 1479 war Hans von Säckingen Ritter und Kon-
stafler. Eheberg Nr. 112.
Die Deutschen in Mailand und Como nach ihrer Heimat. 577
Spruch genommen wurde. Der Verunglückte behauptete, fünf, sechs-
oder zehnmal soviel Gut sei auf dem Schiffe gewesen als die Abrechnung
über 2030 fl. besaget
Auch von dem umfangreichen Handel der Berner und Freiburger
haben sich Nachrichten erhalten. Die Freiburger, deren Tuchhandel
damals sehr erheblich war, sandten nach Ausweis zweier Urkunden auch
Häute nach Mailand^. Eine politisch so mächtige Stadt, wie das da-
malige Bern, konnte seine Bürger auch im Auslande kräftig schützen,
doch waren die eigentlichen alten Berner weniger die Träger des Handels
mit Italien, als vielmehr die Glieder zweier aus dem Mailändischen
stammenden Familien, Pangiani und Mai, von denen die letztere noch
heute blüht. Sie hatten noch Besitzungen im Herzogtume , beanspruchten
aber auch die Rechte, die infolge der Kapitulate die Bürger von Bern
besassen. Nur zögernd gaben die Mailänder nach. Die Mai, die seit
1434 in Bern nachzuweisen sind®, trieben neben dem Warenhandel
und dem Handel mit dem burgundischen Salz auch den Pferdehandel
und zwar bis ins Montferratische , derselbe Johannes kam aber auch bis
nach Rom; und die Mais suchten den grofsen Diamanten von Grandson
zu verkaufen, nachdem es den Irmi von Basel nicht gelungen war,
schliefslich erwarben ihn 1492 Genuesen*. Bartholomäus Mai, der Ratsherr
wurde, war wohl der bedeutendste Kaufmann des damaligen Bern '^, auch
in der Politik spielte der Mann, der viele Sprachen beherrschte, in
Burgund, Paris, Lyon, Mailand, Venedig, Rom und am kaiserlichen Hofe
bekannt war, eine bedeutende Rolle. Er war bei der Gesellschaft der
Vöhlin beteiligt und wufste wiederholt für sie die Stadt Bern zu inter-
essieren ®.
Aus demselben mailändischen Distrikte stammten die Pangiani, die
schon 1480 vorgaben, 70 Jahre in Bern zu wohnend Sie handelten mit
1 Fester 3709, 3885 f.
2 Urkunden Nr. 183 u. 184.
' Vgl. die sehr sorgfaltige Studie von Mays S. 2, der ganz eingehend die Ver-
hältnisse der Familie auf Grund der Berner Quellen schildert.
* Vgl. Urkunden Nr. 296. Einen Geleitsbrief far Bariholomacus de Madiis de
monte Introüi von 1479 auf 20 Tage. Bell. st. d. Svizz. italiana 11, 77. Aufenthalt
in Rom 1491 Bern, Deutsches Briefbuch G Fol. 272. 1500 Sendung von Gut ange-
halten durch Kardinal Schinner ebda. K Fol. 100. Ebenso wurde Gut, das er 1513
von Venedig nach Mailand fertigte, auf diesem Wege angehalten, ebda. N F. 243.
Pferdehandel nach Montferrat Lat. Briefb. F Fol. 205. Im übrigen vgl May S. 11 ft.
^ 1494 war er schon der viertreichste Bemer. May 48.
* Davon später.
' Zollfreiheit für Cristoforus de Pandiano beansprucht 1480. Lat. Briefb. B
Fol 374, 437, 456, 490. D Fol. 200. 201. Empfehlung Berns für Jacobus de P., Sohn
des Domifiicus de P. an Mailand und Venedig 1497. E Fol. 236. Sie beanspruchen
Schulte, Gesoh. d. mittelalterl. Handels. I. 37
578 Fünfzigstes KapiteL
Reis, noch aber machte die mailändische Regierung Schwierigkeit bei
der Ausfuhr des eben angebauten Nahrungsmittels^. Thomas Pangiani
besorgte auch die Einkassierungen der von Venedig an Bern zu zahlen-
den Pensionen ^. Da ihn die Überschriften der Bemer Brief bücher oft
iBulfermann^ nennen, war er Gewtirzhändler, er trieb aber auch Vieh-
handel *.
Direkte Beziehungen zwischen Ronstantinopel und Bern vermittelte
jener Nikolaus Graecus, der 1484 April einen Pafsbrief erhielt, elf
Monate später aber mit Geschenken des Sultans für den Schultheifsen
Wilhelm von Diesbach (an Balsam u. s. w.) heimkehrte, nachdem er in
Mailand den herzoglichen Zöllnern in die Hände gefallen war, die ihn
nicht nach dem Wunsche der Berner behandelten*.
Auch alte Berner Familien fehlen jedoch nicht völlig, einem Johannes
Rietmann, der aus seinem Vieh eine hübsche Summe gelöst hatte, wurde
in Mailand in dem Gasthause Heinrich Pfyffers seine Barschaft ge-
stohlen ^.
Nicht leicht unterzubringen ist ein ^Andulfus de Essa de Alaman"
nia filius quondam d. Johannis habitans in terra de CastilUme Valis
Auguste diocesis Auguste*, der für 1200 U Imperialen Gold und Silber
an einen Mailänder verkauft hatte*. War er ein Bergmann oder nicht
vielleicht einer aus den deutschen Thälern am Südfufse des Monte
Rosa? Ein Deutscher, den man nur Pritsche nannte, war schon 1434 in
Mailand angesiedelt, er handelte mit Pelzwerk ^, sein Sohn war der Erbe
eines Mailänders^.
sogar für die Güter der Pandiano in territorio de Suelio MotUis Introtü Steuerfrei-
heit, weil sie Berner Bürger seien. £ Fol. 305. Das ist Sueglio bei Introzzo am
nordöstlichen Ufer des Comersees. Antonius von Pandiano bestellt 1501 für seine
Gesohäfte in der Lombardei einen Prokurator. E 463, 472. Empfehlung für Thomas,
der nach Mailand in Geschäften reist F Fol, 13. Pafs für Handel ins Mailändische
G Fol. 49. Empfehlung des Christoph, der nach Mailand will, an l]ri Deutsches
Brief b. D, 230. Nach y. May S. 6 starb die Familie schon Anfang des sechzehnten
Jahrhunderts aus.
» Urkunden Nr. 307.
« 1501. Lat. Brief b. F. Fol. 14. 72.
« 1503. Lat. Brief b. F Fol. 120. Ordnung der Pulverlut erwähnt May 47.
* Pafs Brief b. C Fol. 109. Beschwerde ib. Fol. 202 u. 203. Vgl. May 25flF.
R Urkunden Nr. 306.
« Urkunden Nr. 162.
^ Urkunden Nr. 158 u. 159.
» Urkunden Nr. 165.
Como, Torno, auch Mailand. 579
Einundfünfzigstes Kapitel.
Como, Torno, auch Mailand.
Innige Verbindung, Gedicht des Bettino del Trezzo, Wollweberei in Como und
Torno. Deutsche Verleger, namentlich aus Ulm, Belästigung und Verlegung der
Fabriken. Niedergang van Torno. Gesellschaften am Zoü von Basel, — Andere Deutsche
in Como und Mailand : Soldaten, Wirte, Steinmetzen u. s. «?., Handwerker, — Gemischte
Gesellschaften. Säckingen- Mtigiasca. Koler-Krefs-Saronno.
Alles das, was ich im vorigen Kapitel aufführte, sind aber Zeug-
nisse, die nur ein glücklicher Zufall uns gerettet hat, und nichts wäre
verkehrter, sie als lückenlos anzusehen. Wir müssen uns Mailand wie
Como in einem ständigen Verkehre mit Deutschland denken und nament-
lich auf den Messen war die deutsche Sprache zu hören gewifs keine
Seltenheit Ja, es stellte sich hier ein so starkes Bedürfnis nach einem
deutsch - italienischen Wörterbuche heraus , dafs ein solches , das 1498 |
zum erstenmal in Mailand erschien , 1501 schon neu aufgelegt werden
muTste und in ihm ist auf die Kaufleute ganz besonders Rücksicht ge-
nommen ^. So sehr gehörten deutsche Kaufleute zum Städtebilde von
Como, dafs Bettino da Trezzo in seiner Schilderung der Pest, die 1485
Mailand, Como, Lodi und Pavia heimsuchte, bei Como die Lage der
deutschen Kaufleute schildert, die von der Pest in Como überrascht
wurden und ihrem Handel nicht weiter nachgehen konnten. Der Dichter
führt sie mit ihrem Deutsch ein:
Verflucht sy das gluk, das utiser hat verborghen
Dtn rechten weg zu kumen user diser sorghen^.
^ »Questo sie uno libro utilissimo a chi se dilecta« u. b.w. Die erste Aus«
gäbe ohne Jahr und Ort auf der Stadtbibliothek zu Breslau, die zweite Mediolani,
Pilizoni auf der Trivulziana in Mailand.
"LetilogiadelTrez {Mediolani Zarotto, 1488 4«) nach Mitteilung von Mo tta :
Bestati eran Thodeschi in su Ihospicio
Cum merce di valor: et cum speranza
De dargli spazo: ma nhebber fcUlanza
Perciö che repentino fö el smaricio.
Qual dette da pensar ala brigcUa
De Star remissa: senza mercantare
Senza far facti: et senza tripeUare
Cum girsen fuor o dentro star serata,
Non era chi sapesse provedere
Ä tal exterminata lesione
SicM Thodeschi in gran desperatione
Essendo de pcrsone: et de Ihavere:
Tra lor cosi dicevan thodescando.
Verflucht sy das gluk das unser hat verhorghen
Den rechten weg zu humer^ user diser sorghen
87*
580 Eioondfünfzigstes Kapitel.
Como hatte in der That fiir die Deutschen nicht allein eine Be-
deutung, weil es der nächste Markt in Italien war und zum übrigen
Italien den bequemsten Zutritt gewährte, weil die St Abondiusmesse (An-
fang April) über einen gewöhnlichen Jahrmarkt hinausging, nur hier
allein — von den Bergwerken abgesehen — blieb der Deutsche nicht
allein Kaufmann , sondern er wurde Unternehmer, er organisierte hier
Verlagssysteme. Ja, sie haben hier eine Zeitlang den Markt beherrscht
und ich mufs deshalb auf die Geschichte der Wollweberei in Como und
Umgebung etwas näher eingehen.
Die altberühmte Comasker Wollweberei hatte durch die Unruhen
nach dem Tode Giovan Galeazzos eine schwere Einbulse erlitten. Es
war aber wohl ebenso eine Übertreibung, wenn die Comasken 1426 fiir
einen ihrer Bürger eintraten, weil er einer der wenigen übrig gebliebenen
Wollenweber sei^, wie der Venetianer Doge Tommaso Mocenigo auch
wohl nicht bei der Wahrheit blieb, als er 1423 erklärte, allein nach
Venedig würden jährlich von Como 12000 Stück Tuch, das Stück fünf-
zehn Dukaten wert, eingeführt*. An dieser Einfuhr beteiligten sich
übrigens auch deutsche Kaufleute*. Die Fabrikation war damals jeden-
falls sehr bedeutend, begünstigt wurde sie durch die 1433 gewährte zoll-
freie Ausfuhr nach Genua*. Ein vortreflFliches Bild geben die von mir
eingesehenen Akten des Notars Francesco Cermenate*. Es wurde nicht
allein lombardische Wolle versponnen, sehr viel deutsche, mit der auch
Italiener — wie selbst die Borromei — handelten^, doch auch recht er-
hebliche Quantitäten englischer Wolle sind mir begegnet Bei 26 An-
gaben für deutsche Wolle betrug der Preis zwischen 144 W 9 jff Imp.
und 266 €6 6 jS im Durchschnitt 221 €6 6 JS, während die Preise in
englischer Wolle, die ich mir notierte, für den gleich grofsen Ballen
zwischen 626 und 720 €S schwanken. Um die Preise herabzusetzen^
baten die Comasken 1424 den Herzog, ihnen zu verstatten, den Woll-
händlem bestimmte Eisensorten zum Eintausch zu geben, was der Herzog
3Ial nhaggia la fortutia che ne preme
Chen tien dussir daffani senza spetne
Perche nondar cd mal mültiplieando,
Poi biastemando givan versol la che
Turbati non sapendo altro que fare
Et erano per darsi dl desperate. (Arch. stör. lomb. 25, 376.)
1 Kovelli 3, 1, 75.
« S. oben S. 569.
» Thomas, Capitolare S. 272.
* Rovelli 3, 1, 104.
» Vgl. Urkunden Nr. 200—245.
« So hielt sich 1429 Johannes Bonromey mercator Mediolani mit deutscher Wolle
längere Zeit in Como auf. Akten des Notars Francesco Cermenate.
Como, Torno, auch Mailand. 531
unter Aufrechterhaltung der Sperre gegenüber Toskana gestattete*. Es
ist im einzelnen nicht festzustellen, ob diese Wolle nur als Transitware
verkauft, oder in Como versponnen und verwebt wur4e. Nach den Nach-
richten Rovellis scheint man dort namentlich sich auf das Spinnen ver-
legt zu haben.
Einen sehr erheblichen Anteil an der Industrie hatte das Land, vor
allem der Flecken Torno, der am Gestade des Sees einige Wegstunden
weit von Como Hegt, wo seit 1404 die Leute von Torno auch das
Bürgerrecht hatten*^. Heute sieht man es dem Flecken nicht mehr an,
wie fleifsig hier einst die Spindel und der Webstuhl benutzt wurde.
Das Gebiet von Como war auf die Industrie angewiesen, schon damals
vermochte die gebirgige Landschaft sich nicht zu ernähren, es bedurfte
einer behördlich geregelten Zufuhr von Lebensmitteln. Die gewerbliche
Arbeit hat das auch im Mittelalter ausgeglichen , denn , wenn Händler
aus Cernobbio, Perlasco und Nesso, neben solchen aus Saronno, Bergamo,
Padua und Casale im Montferrat Wollballen und gelegentlich auch
anderes von deutschen Händlern kreditiert erhielten, so spricht das für
altgewohnte intensive Handelsbeziehungen, gerade in Torno herrschte
der deutsche Kaufmann ®. Ganz von selbst entwickelte sich das Verlags-
system, das vielleicht schon in diesen Schuldbriefen Cermenates sich
verbirgt. Wenn die Leute von Torno statt mit Geld die Wolle mit
dem daraus gefertigten Tuche bezahlten oder überhaupt der Schein
eines doppelten Verkaufes erhalten wurde, haben wir den Übergang
zum Verlagssystem, in dem der ehemalige Handwerker nur noch
einem Händler produziert oder die Bauernfamilie in diese Abhängig-
keit tritt.
Schon für 1480 ist uns bezeugt, dafs dieses System dominierte*.
Um herzogliche Auflagen abzulehnen, wiesen die Comasken auf den ge-
ringen Umfang ihres Handels hin, der zum gröfseren Teile mit dem
Gelde und den Waren deutscher und fremder Kauf leute betrieben werde.
Ich glaube, man wird nach den jüngeren Angaben rückwärts so inter-
pretieren dürfen. Das Wollgewerbe war damals übrigens dadurch bedroht,
dafs die Ausfuhr nach Mailand und anderen Orten untersagt war*, das
aber mufste der Ausfuhr nach Deutschland zu gute kommen. Als der
älteste deutsche Händler, der jahrelang in Como safs, ist ein Christian
» Urkunden Nr. 194.
3 Rovelli 3, 1, 76.
8 Urkunden Nr. 215, 221, 223, 224, 225, 229, 232 u. 241. Tome betreffen unter
den 46 nicht weniger als 20 Stück. Vgl. Urkunden Nr. 102.
* Rovelli 3, 1, 348.
5 Dekret von 1357. Rovelli 3, 1, 317.
582 Einondfuiifzigstes KapiteL
von Ulm anzusehen y der 1475 indirekt dem Herzoge von Mailand Nach-
richten über den Gang der politischen Ereignisse zukommen liefs^.
Am Ende des Jahrhunderts war das Wollgewerbe namentlich in
Tomo in den Händen der Deutschen, der fast gleichzeitige Francesco
MurpJto ^ schreibt es in seiner Chronik gerade heraus, die grolsen deutschen
Geselbchaften hätten ursprünglich nach Como Faktoren geschickt, um
Tücher zur Ausfuhr nach Deutschland zu kaufen , dann hätten sie ge-
wagt, selbst die Wolle zu kaufen und auf ihre Kosten Tücher verfertigen
zu lassen. Der Herzog Lodovico Moro hatte alles Interesse für die
Hebung der Industrie, er erliefs am 17. Juli 1493 ein Dekret, dafc dem,
der eine Wollen warenfabrik anlegen wolle, der Nachbar, der ein dafUr
geeignetes Haus besitze, dasselbe einzuräumen habe'. Aber fremde
Raufleute wollte er nicht dulden, und als sich die Comasker Ronkurrenten
über die Deutschen beschwerten, erfolgte ein Befehl, der besonders auf eine
Ulmer Firma gemünzt gewesen zu sein scheint Wenigstens lälst die zweite
Supplik der Gesellschaft Martin Scheler und Johann Gienger von Ulm
das vermuten*. Die erste* ist unmittelbar nach dem Verbot aufgesetzt und
besagt, die jetzige Praxis sei seit unvordenklichen Zeiten geübt worden,
vorwiegend in Como aber auch sonst hätten sie unendliche Quantitäten
Wolle verkauft und die daraus gefertigten Tuche wieder gekauft, die
zweite macht den Eindruck, als sei das Verbot ein eingeschränkteres
gewesen. Leider ist das betreflFende Statut von mir nicht gefunden.
Die Chronik des Muraltus berichtet den Streit zum Jahre 1498. Er
habe sich zwischen den Comasker Raufleuten und den deutschen er-
hoben, die letzteren bezeichnet er als Oermanos inferioris Oallae helgicae.
Muralt hatte Deutsehland nicht gesehen, er verwechselte die Heimat der
Ware mit der der Händler-, denn er selbst redet von der Gesellschaft
der Vöhlin und Fugger®. Der Herzog Lodovico habe den Raufleuten
das Verlagssystem generell verboten und 1510 habe Rönig Ludwig XTT,
von Frankreich, damals Herr des Mailändischen, den Deutschen die
Fabrikation von Wolltüchern verboten, was den Comaskem grofsen
Schaden gebracht habe^. Auch in der Zwischenzeit hatten die deut-
^ Ging ins 1, 173. »Gia molti anni fa in qiiesta terra sta uno ChrisHano o/o-
mano da Ohno * Vgl. auch Urkunden Nr. 79.
8 S. 56.
» Pavesi 26.
* Urkunden Nr. 129. Der Chronist Muraltus läfst eine wunderbare Natur-
erscheinung sich vor allem in den Gebieten von Ulm, Konstanz und Köln abspielen.
Diese Kaufleute kamen also nach Como, denn auf ihr Zeugnis beruft er sich, S. 79.
» Urkunden Nr. 128.
• Muraltus 105 »titi est societas nia^na Fekhin, Focanorum, Fucher et altere
permultae societates*.
"^ Muraltus 56.
Como, Tomo, auch Mailand. 5g3
sehen Eauflente den Markt von Como beherrscht, denn sie brachten die
Wolle und zwar nicht etwa ausschliefslich über die Alpen , sondern auch
aus anderen Gebieten. Muraltus erzählt von den grofsen deutschen
Handelsgesellschaften, welche tiberall Handel trieben vor allem mit
Tuchen und in mercibus. Sie hätten in Como ihre Faktoren gehabt, die
Wolle aus der Provence, von Spanien, England brachten und über Mantua
die veronesische bez. deutsche Wolle, deren Ausfuhr Venedig verboten,
einschmuggelten, der direkten Einfuhr deutscher Wolle gedenkt er nicht.
Für die Wolle lösten sie Tuche von verschiedener Farbe und bester
Qualität ein, um sie nach Deutschland zu verbringen. Der Handel sei
so bedeutend, dafs er sich auf mehr als 50000 Dukaten belaufe.
Als 1507 Maximilian auf dem Konstanzer Reichstag sich bemühte,
die Eidgenossenschaft zu einem Bündnis zu gewinnen, das die franzö-
sische Herrschaft im Mailändischen bedrohte, flüchteten die deutschen
Kauf leute aus dem Herzogtum Mailand fort, das Geschäft in Como stockte
und Muralt brach in die Worte aus: Gott helfe uns, wir müssen die
Stadt noch verlassen, wenn der Kriegslärm kein Ende nimmt. Der
Chronist beklagt vor allem den Tod des Faktors der Vöhlin Michael,
der bei dem Färbermeister Bernardino Galli gewohnt habe und bei
dieser Flucht ums Leben kam. Er habe grofsen Handel in Como ge-
trieben, sei von unverbrüchlicher RechtschaflFenheit gewesen, freigebig
und gegen die Kauf leute gütig ^
Und auch 1510 bei Gelegenheit der Einführung der Seiden industrie
in Como hebt Muralt wieder hervor, dafs die Glanzzeit Comos und Tornos
von der Wollmanufaktur und diese von den deutschen Kaufleuten ab-
hänge*. Tornos Niedergang stand unmittelbar bevor, 1515 wurde der
Ort von den Schweizern und den Feinden der Franzosen furchtbar ge-
plündert*, und konnte sich nicht mehr völlig erholen. Zwar gingen auch
jetzt noch die Kauf leute ^ von Torno mit ihren Tuchen auf die deutschen
Messen — 1518 wurden sie auf dem Comersee ausgeplündert*. Und
in den Nachrichten über Baseler Zollermäfsigungen erscheint Torno auch
später noch*.
. Das Wollgewerbe erhielt sich in Como noch im sechzehnten Jahr-
hundert in Flor — 1580 wurden 1313 Ballen span. Wolle und 789 deut-
scher Herkunft eingeführt* — immer mehr wich dieser Textilzweig dem
1 Muraltus 104 f.
2 130 f.
3 Muraltus 192 f.
^ Muraltus 215.
^ S. unten S. 584 f.
« ßovelli 3, 2, 107.
584 Einundfünfzigstes Kapitel.
lohnenderen, der heute Como beherrscht, der Seidenspinnerei und
-Weberei, die 1510 in Como eingeführt bez. wiedereingeführt wurdet
Die deutschen Kaufleute scheinen schon seit 1500 zurückzuweichen.
Jedenfalls haben die Ulmer nicht ihre alte Stellung wieder erlangt.
Martin Scheler hatte bis dahin die Überlegenheit der italienischen Technik
und vielleicht auch die billigeren Löhne ausgenützt, jetzt wollte er sie
in seine Heimat tibertragen. Er hatte — so erzählt Marchthalers Chronik
— am Coraersee die Sammetfabrikation, die in Deutschland damals noch
nicht bekannt war, kennen gelernt. 1515 errichtete er unter dem Schutze
des Rates von Ulm eine Sarametfabrik ^, nach den Angaben der Chronik
handelte es sich um Wollenplüsch und es wäre also wohl denkbar, dafs
auch schon am Comersee die Gesellschaft diesen Stoff produziert hatte.
Martin Scheler brachte nach dem Zeugnisse Wilhelm Rems aus
Italien Leute mit, die spinnen, wirken und färben mufsten und die er
dann allmählich durch eingelernte Arbeitskräfte ersetzte, und weiter be-
richtet er, dafs das Geschäft der Statneii-erzeixgixng grofsen Nutzen brachte
und sich viele Leute mit ihm ernährten^.
Como und Torno sind begreiflicherweise vor allem unter den Gesell-
schaften vertreten, die zwischen, 1510 und 1533 mit der Stadt Basel über
besondere Zollsätze für den Durchgangsverkehr sich einigten*. Nur bei
einzelnen ist angegeben, dafs es sich um „Fertigung von fremden Waren"
handelt, doch dürfte das auch bei andern der Fall gewesen sein. Die Stadt
Como ist — die Gesellschaften setzen sich zum Teil aus verschiedenen
Orten zusammen, wie dieselben Familien an mehreren Orten vertreten waren
— durch sieben Familien vertreten, darunter die Mugiasca, die schon
80 Jahre vorher eine Gesellschaft mit einem Strafsburger hatten, die
bereits eine Transportgesellschaft gewesen sein könnte^, wie es ausge-
sprochen die von 1510 war, die auch zu Genua und Mailand Güter
aufnahm. Von einem dieser Mugiasca giebt Muralt ein Bild. Aloysius
Mugiasca sei der gröfste Wollentuchhändler von Como gewesen, der
seinen Handel in Rom und Ober- und Niederdeutschland, vor allem in
Frankfurt betrieben habe. Er habe bei seinem Tode (1510) einen Be-
sitz von 70000 Dukaten hinterlassen, sei aber so sparsam gewesen, dafs
er kaum habe etwas essen wollen®. Die andern Gesellschaften vom
Baseler Zoll betreffen Torno mit vier, Mailand mit drei, Genua und
1 Muraltus 130. Rovelli 3, 1, 397.
2 Nübling, Ulms Baum Wollweberei 161; Ulms Kaufhaus 162 f.
^ Chroniken der deutschen Städte 25» 24. Die Leseart „Rom" ist wohl
nichts als ein Lesefehler für „Kom".
* Urkunden Nr. 316.
^ Urkunden Nr. 235.
ö Muraltus 131.
Cotno, Torno, auch Mailand. 585
Lucca mit je einer, Bergamo mit vier, Chur und Luzern mit je zwei
Familien. Die de Sala wohnten in Torno und Luzern, auch die andere
Luzemer Firma war von Torno, die Gall von Como hatten einen Vertreter
in Konstanz wohnen, von dem später zu reden ist^
Como hat in älterer Zeit ja auch eine selbständige Handelspolitik
treiben können, in der Regel ging jedoch die Stadt mit der mächtigen
Nachbarin Mailand, wenn sie auch wohl eigene Gesandten denen Mai-
lands beigiebt. Nur einmal warb sie, soweit sich sehen läfst, allein: 1415 als
Thomas Saflferon für die Erneuerung des Saarbrückener Weges wirkte ^.
Neben den Kaufleuten gab es in Mailand eine ständige deutsche Be-
völkerung, die an Zahl nicht unterschätzt werden darf. Ich sehe hier
ganz ab von den zahlreichen deutschen Söldnern und Landsknechten, die
hier im Dienste der Visconti und Sforza standen. Mir sind recht häufig
deutsche Namen in den Akten begegnet. Schon sehr früh nehmen die
den Mailändern gewährten Privilegien darauf Rücksicht, dafs nicht ein
ehemaliger Söldner sich für Soldrückstände an den Kaufleuten schadlos
halten dürfe. Und schon Vitoduran konnte erzählen, dafs die leicht-
sinnige männliche Jugend der Bodenseestädte, die ihr Geld durchgebracht
hatte, nach Lindau kam, um von dort nach der Lombardei in Kriegs-
dienste zu gehen®. Auch Pfeifer und Musiker waren nicht selten deutscher
Herkunft, wie ebenfalls zahlreiche Stallknechte.
Es gab in Mailand manch deutschen Wirt, so wohnte Ulrich von
Ensingen, der bekannte Strafsburger Münsterbaumeister, als er nach
Mailand zum Bau des Münsters berufen wurde, zuerst bei Johannes ieu-
tonicus hospes ad spaiam, „Zum Breitschwert" war ein guter Wirtsschild
für eine Herberge und Kneipe deutscher Ritter und Landsknechte*.
1490 hielt der Luzemer Heinrich PfifFer in Mailand ein Gasthaus **.
Mit Stolz erfüllt es uns, dafs eine Reihe deutscher Meister den Bau
des Domes von Mailand geleitet oder an ihm gearbeitet hat.
Auf die Buchdrucker und Buchhändler, welche wie überall, auch in
Mailand zunächst Deutsche waren, gehe ich grundsätzlich nicht ein®.
Das Gleiche gilt von den Studenten, die auf dem Wege nach Pavia oder
Bologna Mailand berührten.
Wie es in Deutschland italienische Ärzte gab, fehlten doch auch
^ »Capüula mercatores (!) conducentis a partibus oUramontanis et aliis partibus*
von 1454 erwähnt Gaddi 84. Leider habe ich mir daraus keine Notizen gemacht.
2 S. oben S. 427.
8 Joh. Vitoduranu8 ed. v. Wyfs 199.
* Annali della fabbrica del Duomo. 9 Voll. Milano 1877—81.
^ Urkunden Nr. 306. Bernhard v. Nürnberg s. oben S. 573 f.
® Nebenbei erwähnt steht in Reg. Panigarola H Fol. 249 das Testament des
Buchdruckers Petrus Ugleymer de Franckfordia.
586 Einondfonfzigstes Kapitel.
deutsche in Italien nicht 1504 starb in Mailand ^laboriosus ei praiicus
vir magisier de Lorenbergo, qui pro civiiate peruiilis hinc reiro fuiU *.
Eine Korporation deutscher Handwerker ist bisher in Mailand nicht
nachgewiesen. An solchen Leuten war gewifs kein Mangel. Ich kann
da einen Wollkratzer und WoUscheerer Nikolaus von Brügge nachweisen,
wie für einen ^Wollweber gar zwei Arbeitsverträge sich erhalten haben ^.
Deutsche Uhrmacher waren hoch angesehen, so ward 1451 ein
deutscher Bruder Kaspar als Wächter der Uhr della Corte delV Arengo
angestellt und 1461 wurde der Uhrmacher Meister Johann zum Fami-
liären erhoben. 80 Jahre früher hatte die Gräfin von Vertus den maesiro
Bono di Alemagna cdllegaro (Schuster?) in gleicher Weise ausgezeichnet
Zahlreicher waren auch deutsche Goldschmiede, und 1466 wurde der
Goldschläger Peter von Köln Bürger von Mailand^.
Die mailändischen bez. Comasker Kaufleute haben sich in vielen
Fällen mit Fremden zu Handelsgesellschaften verbunden. Die Vorteile
liegen auf der Hand; jeder vertrat in seiner Heimat die Interessen der
Gesellschaft und die Kosten der Reisen wurden erspart. Ausführbar war
das aber nur dann, wenn beide Teile den ernsten Willen hatten, den
Vertrag auszuführen, denn noch gab es ja keine Möglichkeit, die andere
Partei durch das Gericht zu zwingen. Diese Gesellschaften liefern also
den Beweis, wie stark die Ehrlichkeit und Treue im Geschäftsverkehr
war. Das älteste Beispiel einer so gemischten Handelsgesellschaft geht
schon in das Jahr 134B zurück, die Beteiligten wohnen auch alle in
Sitten, zwei von ihnen stammten jedoch aus der Lombardei. Die Gesell-
schaft, die mit einem Kapital von 600 fl. arbeiten wollte, hatte vor, be-
sonders Tuchhandel zu treiben, die Dauer war nur auf ein Jahr festgesetzt*.
Jene Gesellschaft, welche der Strafsburger Johann Säckinger mit dem sehr
bekannten Hause der Mugiasca von Como hatte, wurde 1434 aufgelöst.
Dabei blieb den Comasken das Gut, während der Strafsburger 9280 (t
erhielt ^,
Diese Handelsgesellschaft glaube ich mit einem Stücke der Strafs-
burger Kaufhausordnung in Zusammenhang bringen zu müssen. Es
heifst da: ^Lampparier gät vardel. Item Meyelon, Kume, Florencie^ Luckej
Hohetiseen^ Bise^ Dielherichs Bern, Venedie, Yennow, Asidesan, item alles
Bemünt, — Item die vorgeschribene stett gent alle ganczen zolle für ee
f/irend über das gebirge. — Item von dem selben zolle gehört Friderich
1 Ar eh. stör. lomb. 18, 256. Er wird auch Dionigi da Noritnberga detto
CasteUano genannt.
« Urkunden Nr. 160, 187 u. 180.
^ Motta in Archivio stör, lombardo 19, 996 f.
* Gremaud 32, 364 f.
* Urkunden Nr. 235.
Como, Torno, auch Mailand. 5g7
von Seckingen und Hanns Fridel sin sün und Claus Bdschewilre und Vischer
Hans seligen kinden der vierd Pfennige ^röc
Was ist der Sinn dieser Zollvergütung von 25 ^/o gegenüber Leuten,
die in der Geschichte Strafsburgs keinerlei Rolle spielen? Waren das
vielleicht Fuhrleute, welche vorwiegend den Verkehr mit diesen Städten
— Hohenseen ist Siena, wie Bise Pisa — vermittelten? Erhielten sie
dafür eine Prämie, dafs sie diesen internationalen Verkehr möglichst
förderten und war also die Gesellschaft Säckinger-Mugiasca ein Transport-
unternehmen? Jede Bestätigung oder Abweisung wäre von höchstem
Werte.
An einer mailändischen Gesellschaft, die mit englischer Wolle
handelte, war ein Deutscher Konrad Misner beteiligt ^ Eine andere Ge-
sellschaft, deren Gründungsvertrag sich erhalten hat, setzte sich aus
einem Martin Penni von Ofen und drei Mailändern zusammen, sie wollten
in Ungarn Handel treiben^.
Am allerbesten kennen wir eine solche internationale Gesellschaft
aus dem Anfange des sechzehnten Jahrhunderts, da sich nicht allein
mehrere ihrer Geschäftsbücher erhalten haben, sondern auch der Gesell-
schaftsvertrag selber*. Sie bestand aus Jörg Koler dem älteren, der als
ihr Regierer die oberste Leitung hatte, Jörg Krefs — dessen Bücher
zum Teil erhalten sind — und Ambrosius von Saronno, der das Lager
in Mailand hielt, doch finden sich auch andere Glieder der Nürnberger
Familie, namentlich Christofi'el Koler, in den Büchern erwähnt, offenbar
als Lehrlinge u. s. w. ; Wolf Löffelholz hatte bei ihr eine Einlage. Die
Höhe des Kapitals ist weder in dem Vertrage noch in den Büchern an-
gegeben, läfst sich auch, da das „Gemeinbuch^ fehlt, nicht berechnen.
Die Rechnung zwischen den Beteiligten sollte jährlich stattfinden, doch
fand 1507 die dritte, 1509 die vierte und 1511 die fünfte Abrechnung
statt; am 23. Oktober 1511 ritt Ambrosius nach erfolgter *zertailung^ der
Gesellschaft heimwärts*. Zu den Abrechnungen kam Ambrosio nach Nüm-
» Urkunden Nr. 244.
8 Urkunden Nr. 174.
* Der Gesellschafts vertrag Urkunden Nr. 399. Weiter hatte Justizrat Frei-
herr von Krefs die grofse Güte, mir folgende Stücke längere Zeit zugänglich zu
machen: 1) Rechnung gehalten von Jörg Krefs in Mailand in Form einer Bilanz
seines Kontos; 2) Numerabüchlein geführt von Jörg Krefs, in seiner Abwesenheit
von anderen, 1. Januar 1507 bis März 1511, Aufzählung aller Ballen u. s. w., die
nach Mailand abgingen, mit Angabe der Transporteure; 3) Brief büchlein, ebenso
für die Briefe, bis Oktober 1511 gehend; 4) Manuale, geführt als Journal von Jörg
Krefs 1507—1511. Die Bücher sind aufserordentlich peinlich gefahrt und legen schon
in ihrem Aufsem den Beweis für die kaufmännische Ordnungsliebe des Jörg Krefs
ab. Eine genauere Bearbeitung würde für einen Nürnberger eine schöne Aufgabe sein.
^ Schlufs des Briefbüchleins.
588 Einundfunfzigätes Kapitel.
berg geritten, wie auch die andern Gesellschafter öfter nach Italien reisten,
einmal hatten Jörg Krefs und Ambrosius eine Zusammenkunft in Fisch-
prunn (Vicosoprano?). Ks will mir scheinen, dafs die Gesellschaft 1500
gegründet wurde, statt der jährlichen Abrechnung aber eine zweijährige
persönliche Abrechnung einführte, wobei die Bücher aber für das Jahr
geführt wurden. Es hätte alsdann im Jahre 1507 die Gesellschaft eine
neue, verlängerte Periode begonnen und dazu stimmt es auch, dafs
JVMwera-Büchlein, Briefbüchlein und Manuale nur die Zeit vom 1. Januar
1507 bi« ins Jahr 1511 umfassen. Der Vertrag hätte demnach, da er
auf vier Jahre lautet, die zweite Periode beherrscht
Wie weit der Vertrag als typisch zu gelten hat, ist nicht leicht zu
entscheideil, da die Zahl bisher bekannter süddeutscher Gesellschafts-
verträge sehr gering ist und auch die weitere Frage, ob und inwieweit
deutsches, römisches und mittelalterlich italienisches Recht ihn beein-
flufsten, mufs ich Juristen von Fach überlassen. Einzelne Momente sind
gewifs typisch, dafs bei Auszahlung des Kapitals beim Ausscheiden eines
Teilhabers die Frankfurter Messe dafür Zahlungsort war und die Zahlung
auf mehrere Termine verteilt wurde, findet sich auch bei der grofsen
Ravensburger wie der Gesellschaft der Fugger*. Der „Regierer" be-
gegnet ebenso in Ravensburg. Die Bestimmungen regeln sehr genau die
Verhältnisse; insbesondere ist klar bestimmt, was auf Kosten der Gesell-
schaft geht (Reisekosten, dabei von der Kleidung nur Schuhe, Scher-
und Badegeld, Kurkosten bei auswärtiger Erkrankung, Stellung von
Pferden) und was nicht. Dem Einzelnen wird gestattet, 7 ^/o jährlich in
vier Vierteln aus der Gesellschaft zu erheben, das übrige arbeitet weiter.
Die Bestimmungen über Einlage, über Verlängerung und Auflösung der
Gesellschaft sind sehr vorsichtig und das Ganze macht einen guten Ein-
druck, der auch nicht verloren geht, wenn man die Bücher durchstudiert.
Aus ihnen geht hervor, dafs die Gesellschaft im wesentlichen sich
in dem Export der Nürnberger Metallwaren nach Mailand, wie auf der
Messe von Crema, bcthätigte. Der Einkauf in Italien ist geringer, von
dort kommen namentlich weifser, auch schwarzer Mailänder Barchent,
Mailänder schwarzer Sammet, Tuch von Como, scharlachene Brusttücher,
gezogenes Gold, Seife, Seide, Reis, Goldschmiedarbeiten (pectorali), aber
von keinem Artikel kann man einen bedeutenden Absatz nachweisen.
Die Bilanz lautet durchaus zu Gunsten von Nürnberg, das Gold aus
Italien erhält. Einige Male findet man auch Rom genannt, niemals
Genua. Auf der deutschen Seite besuchte die Gesellschaft auch die
Frankfurter Messe und hatte Schuldner in Aachen, Dresden, Leipzig,
Würzburg und Strafsburg. Grundstock ist aber der mailändische Handel.
> Ich sah das Original des Vertrags von 1494 im Fuggerschen Archiv ein.
Das übrige Italien. 589
Die Regelung des Verkehrs mit Italien ist schon früher besprochen.
Geldzahlungen erfolgten mehrfach durch Wechsel, doch läfst sich die
Geldgebahrung nicht übersehen. Die Zöllner zu Mailand und Como
gaben der Gesellschaft Kredit, mit dem Gredmeister von Lindau stand
man in Abrechnung. Der Waren transport auf der Strecke Nürnberg-
Lindau wurde von Nürnberg aus verrechnet und gab es da einen fast
ständig wiederkehrenden Satz: je 9 Centner kosteten 4 fl. Die weitere
Strecke wurde in Mailand verrechnet, meist aber in zwei durch Como
getrennte Posten. Die meisten Waren gingen durch professionsmäfsige
Fuhrleute und wurden nicht von Boten der Firma begleitet, doch ist ja
nicht zu sehen, wie oft etwa andere Firmen einen Faktor mitschickten,
der auch für die anderen Beteiligten der Karawane die Kosten der Ver-
zollung u. 8. w. entrichtete.
Zweiundfünfzigstes Kapitel.
Das fibrige Italien.
Ber(jamo, Schiffahrt auf dem Po. Pavia, Residenz- und UniversiUitsstcult Crema.
Piacenza. Cremona, Pannigianen in Strafshurg. Mirandola, Bologna. — Florenz^
nach dem Warenhandel hin, eruirlt Häfen. Zurückgehen der Wollen-, Aufbliüien der
Seidenweberei. Deutsche Wöüweher, Färber, Bruderschaft der deutscfien Schuhmacher,
KaufleutCy Florentiner auf dem Landweg^ in Deutschlamly namentlich in Nürnberg. —
Pisa, Lucca, Niedergang der Seidenweberei, in Deutschland, Bruderschaft der deutschen
Schuhmacher. Siena. Arezzo. Macerata. — Aquila, Safranmärkte, Konkurrenz von
Venedig, Deutsche. Das übrige Königreich Neapel. — Bom. Sonderstellung, kein Waren-
handel, deutsche Wirte, zahlreiche Handwerker. — Deutsche in den Bergwerken.
Die Fortsetzungen des Verkehrs, der von Como und Mailand aus
nach Osten auf Venedig führt, zu verfolgen ist nicht die Aufgabe des
Buches ^ Auch Bergamo habe ich ausgeschlossen, gerade inmitten dieser
energischen Bevölkerung dürfte es aber nicht an Leuten gefehlt haben,
die über die Alpen auch nach Deutschland kamen. Keine gröfsere Stadt
des Pogebietes, von Aosta und Ivrea abgesehen, ist so alpin wie Bergamo ;
für den Handel stellte sie Metalle und die einfachen Gewebe Berga-
masker Tuche.
Eine besondere Beachtung \ erdiente die Schiffahrt auf dem Po, doch
geht auch das über den Rahmen unseres Werkes hinaus. Der natür-
liche Wert dieser vielbenutzten Wasserstrafse wurde freilich durch viele
^ Nur möchte ich die Nachrichten über den Raubmord, der 1315 von sechs
Wegelagem an zwei Konstanzer Bürgern begangen wurde, nicht übergehen. Sie
kamen offenbar von Venedig mit wertvollen Stoffen und Südfrüchten beladen,
wurden zwischen Padua und Vicenza angefallen und erschlagen. Das Urteil ist er-
halten. Urkunden Nr. 337 u. 338.
590 Zweiondfunfzigstes KapiteL
und erhebliche Zölle verringert Auf der Strecke von (Mantua) Borgo-
forte bis Pavia gab es schon 1319 elf Zölle*.
Die Bedeutung Pavia s lag in der Barchent-, Woll- und Leinen-
weberei, auch die Glasindustrie war nicht unerheblich; der Schiffsbau
der Stadt wird gleichfalls gerühmt und die Waffenfabriken müssen nicht
unbedeutend gewesen sein*.
Seit dem Anfange des vierzehnten Jahrhunderts treten die übrigen
Städte der Lombardei, die doch noch viele Raufleute zu den Cham-
pagner Messen entsendet hatten, in der Oeschichte des Handels ganz
gegenüber Mailand zurück. Dieses war das Herz des Staates der Visconti
und Sforza, mochte auch die Fürstenlaune Galeazzos II. den Sitz der
Herrschaft, zunächst seiner Teilherrschaft, in den von ihm errichteten
Prachtbau des Schlosses von Pavia verlegen, viel wichtiger ward das
Kastell von Mailand, wodurch derselbe Visconti und dann nach der Zer-
störung in den Tagen der ambrosianischen Republik Francesco Sforza
der Stadt die republikanischen Strebungen verdarb. Gegenüber Mailand
waren die anderen Städte ungewisse Elemente, bald waren sie unter der
Herrschaft der Visconti, bald frei oder unter eigenen Stadtherren. Mochte
auch das innere rege Leben dabei erhalten bleiben können, der Handel
aufserhalb Italiens verbot sich den Kauf leuten solcher Städte von selbst.
Am auffallendsten ist der Umschlag bei Piacenza. Doch auch bei Pavia,
das ja fest mit Mailand verbunden blieb. Das Kastell, der fast ununter-
brochene Sitz des Erbauers und seines Sohnes, doch auch von den
späteren Herzögen oft bewohnt, die Nähe des Parkes, den der jagdfrohe
Galeazzo II. anlegte, das Kunstwerk der Certosa, der Gründung seines
Sohnes machten aus Pavia wieder eine Residenz, wie es einst die der
langobardischen Könige gewesen war und von diesen Stätten eines
prunkvollen Hoflebens ging der Glanz auch auf die Stadt über, deren
Bürger aber die alte Kraft verloren, so dafs sie nach dem Aussterben
der Herzöge versank. Nur die Universität behielt noch lange ihre Be-
deutung und an ihr war die Zahl der deutschen Studenten so grofs, dafs
fast beständig mehrere Deutsche als besondere Professoren des Rechts,
der Medizin u. s. w. pro ultramotUanis wirkten '.
Pavesen aufserhalb Italiens habe ich nur einmal gefunden. Johannes
de Brunis war in Nürnberg gestorben, jedenfalls hatte er dort Hinter-
lassenschaft und sein Sohn reiste 1483 mit herzoglicher Empfehlung nach
Nürnberg*. Andererseits finden wir auch in der alten langobardischen
Königsstadt die grofse Ravensburger Gesellschaft, deren Faktoren Johannes
1 Pertile 2, 1, 244.
' Magenta 1, 27. Anonymas Ticinensis bei Muratori, Scriptores 11, 22.
* Burckhardt, Kultur der Renaissance 2^ 160.
* Urkunden Nr. 111.
Das übrige Italien. 591
Burlin und Jacob Fry sich beklagten, dafs ihre Waren auf Antrag eines
Mannes beschlagnahmt seien, der der Gläubiger eines gewissen Deutschen
namens Heinrich sei, mit dem die Faktoren nichts zu thun zu haben er-
klärten ^ Ja auch hier hatten sich Deutsche angesiedelt^.
Nach Crema zog, wie wir gesehen haben, zur Messe die Gesell-
schaft Koler- Krefs-Saronno.
Die einst so kühnen Kaufleute von Piacenza sind von den inter-
nationalen Messen verschwunden und fast jeder direkte Handel mit
Deutschland hatte — so scheint es wenigstens — aufgehört, doch finden
sie sich in Brügge*. Das Quellenmaterial zur Handelsgeschichte dieser
Stadt ist, wie ich mich selbst überzeugte und der gelehrte Canonico
Tononi mir bestätigte, leider sehr dürftig.
Auch das Cremona* des Spätmittelalters bllöite, es war die Heimat
einer sehr eifrigen Textilindustrie und auch hier waren hochberühmte
Waffenschmiede. Der Cremoneser Kaufmann kam aber nicht mehr
hinaus über die Alpen. Einst hatte Cremona Schiffe unter eigener Flagge
auf dem Mittelmeere gehabt und Handelsverträge bis nach Montpellier;
seit 1334 viscontisch, gab es diesen Aufsenhandel auf. Ein Kaufmann
von St. Gallen lag 1498 in Streit mit den Zöllnern von Cremona*.
Ein Parmigiane war in Strafsburg angesiedelt Seit 1336 er-
scheinen dort als Kanoniker u. s. w. Männer mit dem Beinamen von
Parme®, man könnte sie für durch päpstliche Provisionen hierher ver-
pflanzte Geistliche ohne Anhang halten, wie sie im vierzehnten Jahrhundert
ja nicht selten sind. Aber der Kanonikus von St. Thomas, Albert von
Parma, zog seinem Bruder Konrad nach''^. Sie behielten Beziehungen
mit Italien. Wilhelm von Parme von Strafsburg hatte mit Johans und
Philipp Kaufleuten von Mailand 1368 gegen die Stadt Basel geklagt
und an Stelle König Karls IV. sitzend, verurteilte Graf Eberhard von
Wertheim die Stadt dazu, den Klägern 8000 Mark Silber zu zahlen®.
> Urkunden Nr. 114.
■ 1392 Oktober 3. »Torobecco del fu Ermanno di Alemannia* erwirkt vom
Grafen von Virtü für 100 fl. die ungeteilte Hälfte eines Hauses in Pavia in porta
8. Pietro al Muro. Register des Notars Cristiani. Archiv stör. lomb. 21, 2, 47.
^ 1498 bei der Statutenerneuerung der Luccheser Genossenschaft. Lucca,
Staatsarchiv.
* Vgl. auch Robolotti, Industria e commercio in Cremona nel secolo XV.
Archivio stör, lombardo 7, 318 E Über die Verbreitung der Cremoneser Bar-
chente und hucaschini vgl. Pasi Bl. 197 f., auch 44.
^ Urkunden Nr. 132.
« Strafsb. Urkb. 5. Kindler v. Knobloch, Das Goldene Buch 243.
^ Strafsb. Urkb. 7 Nr. 769 u. 1178.
8 Mehrere Urkunden Rapolstein. Urkb. 2, 31 f. Baseler Urkb. 4, 297 ff.
Vgl. auch Strafsb. Urkb. 6 Nr. 784. Wilhelm Strafsburger Bürger 1393.
592 Zweiundfünfzigstes Kapitel.
Die Ursache ist nicht deutlich; da Basel gar nicht vor dem Gericht er-
schienen war, wurde die Reichsacht über die Stadt verhängt.
Ein sehr interessantes Dokument bezieht sich auf Mirandola, den
Sitz der Pico; allein es ist zweifelhaft, ob dieser Heinrich Ehinger von
Konstanz als Pilger dorthin sterbenskrank gekommen war oder als Kauf-
mann. Wahrscheinlicher ist das erste; er war im Jubeljahr in Rom ge-
wesen, dort aber war ihm in der Beichte die Absolution verweigert
worden, weil er unrechtmäfsigen Besitz nicht herausgeben wollte. Jetzt
hatte er in Rom gebeichtet, das fremde Gut herausgegeben und kam nun
schwer leidend nach Mirandola, wo ihn der Kaplan des Spitals, ein aus
Strafsburg stammender Priester zum Tode vorbereitete. Am dritten Tage
verschied er; wahrscheinlich war er der Grofsvater des berühmten Ver-
walters von Venezuela ^
Mirandola lag an der viel begangenen Strafse, die von Bologna nach
Verona führte und den Po bei Ostiglia schnitt
Für die Verbindung von Toscana und den Brenner diente auch ein
Weg, der 1106 in einer Papsturkunde geradezu als strata Teuionica be-
zeichnet wird und der nach dieser Urkunde bei Bresciello den Po über-
schritt''*. Es ergiebt sich von selbst die Route Parma-Mantua- Verona,
also eine Fortsetzung des Weges aus der Lunigiana über Pontremoli
und den La Cisa-Pafs nach Parma.
über Bolognas Beziehungen zu Deutschland, die doch bedeutend
gröfser gewesen sein dürften, habe ich nur eine ergiebige Nachricht ge-
funden. Im Jahre 1478 hatte Jörg Studiin von Kempten als Gläubiger
eines Hans Mang, der sich in Bologna niedergelassen hatte, den Bolog-
neser Bürger Hannibal Malvezzi (Malvici), als er nach Deutschland reiste,
auf freier Strafse aufgehalten und nach der Burg Hohenthann abgeführt.
Die Bolognesen hielten dafür Albrecht Nieser auf und fünf Ballen Safran
Bartholome Welsers und seiner Brüder, an denen die Martelli von Venedig
und die Corsini (Ceorschini) von Florenz, die mit den Welsern viel
handelten, beteiligt waren®. Sollten nicht die deutschen Studenten auch
deutsche Handwerker hingezogen haben? Des Nürnberger Kaufmanns
und Studentenhausvaters Johannes Schafhuser gedenkt wiederholt dank-
baren Sinnes der ihm verwandte Christoph Scheurl*.
Florenz, dessen Geldhandel ja schon in anderem Zusammenhange
behandelt ist, hatte die schweren Krisen der Mitte des vierzehnten Jahr-
hunderts, den Zusammenbruch einer grofsen Zahl von Banken verwunden
» Urkunden Nr. 361.
2 Kehr, Papsturkunden in Panna u. Piacenza 26. Nachrichten d. Kön. Ges.
d. Wiss. zu Göttingen 1900.
3 Koi)ialbuch 105 VII Nr. 223 ff. Stadtarchiv Augsburg.
* 1497—1513. Knod, Deutsche Studenten in Bologna S. 705.
Das übrige ItalieD. 593
und hob sich seit dem Aufstande der Ciompi unter der Herrschaft der
Optimaten. In den Kämpfen gegen die Viscontis hatte es zwar nicht
gesiegt, aber doch die Bildung eines italienischen Königtiuns verhindert
und die eigene politische Stellung fester begründet, bis die hohe Staats-
kunst der Mediceer Florenz zum Mittelpunkte Italiens machte. Hatte
es früher mit Neid auf Lucca, Siena und vor allem Pisa sehen müssen,
die, wenn auch schlechte Häfen zur Benutzung hatten, so gewann das
bisher vom Meere ausgeschlossene Florenz 1406 Pisa. Das Ziel alter
Wünsche war erreicht; 1421 wurde Livorno von den Genuesen gekauft,
ein Hafen, der dem immer mehr versandenden Porto Pisano bald den
Verkehr entzog. Jetzt brauchte man sich nicht mehr mit Auskunfts-
mitteln zu begnügen und begann nun den Bau von Staatsschiffen und
meinte zur See dieselbe Geltung zu gewinnen, wie Genua oder Venedig.
Der Versuch einer Monopolisierung von Reederei und Frachtschiffahrt
mifslang aber und niemals wurde Florenz eine Grofsmacht auf dem Meere.
Aber der Fortschritt war doch gewaltig.
Die Politik der Mediceer, ihre Stellung zu Venedig und Mailand ist
hier nicht näher zu schildern.
Der Warenhandel von Florenz hatte einst auf der Arte della lana
und der CdlUmdla beruht, den beiden Zünften der Wollmanufaktur. Der
Vorrang liefs sich nicht behaupten; überall entstanden Konkurrenten, in
fast allen italienischen Städten wurden Tuche hergestellt, der Handel
schränkte sich ein, schon Benedetto Dei ist Zeuge, dafs der Markt im
Norden und Westen für die Florentiner Tuche verloren war*. Schlimmer
konnte aber Florenz nichts treffen, als die Sperre der Zufuhr englischer
Wolle. Je mehr Flandern-Brabant emporblühte, je mehr seit Heinrich VII.
England selbst die Verarbeitung des eigenen Produktes in die Hand
nahm, um so schwerer war es Florenz, diese feinste Wolle zu erhalten ;
die überlegene Technik der Florentiner half da nichts mehr und auch
sie wurde nachgeahmt. Demzufolge verlegten manche Florentiner ihre
Manufakturen für die vorbereitenden Teile der Fabrikation nach Flandern,
Brabant, England; Deutschland wird dabei nicht genannt^. Die Verbote,
englische Wolle auszuführen, ja durch das Land zu bringen, das Monopol
der Stadt auf Verarbeitung dieses edlen Stoffes* konnten nichts helfen,
der Verfall der sich aufs äufserste wehrenden Florentiner Tuchindustrie
war unabwendbar.
Die Märkte, die die Wollindustrie verlor, gewann aber die Floren-
tiner Seidenindustrie reichlich zurück, die alte Feindin Lucca wurde
1 Villari 1, 285.
2 Pöhlmann S. 74.
» Pöhlmann 75.
Schulte, Oeaeh. d. mittelalterl. Handels. I. 88
594 ZweiiiDdfänfdgstes KapiteL
gründlich ül^rbolt und ebenso Genua und Venedig und der Konsum von
Florentiner Seidenstoffen war für die Stadt gevrifs ebenso ertragreich, wie es
ein Jahrhundert zuvor mit der Wollmanufaktur der Fall gewesen war.
Besonders blühte auch die Brokatindustrie, 1423 kam das Gewerbe des
oro filaio auf*.
Das Wirtschaftsleben von Florenz in den Tagen der Renaissance,
wie es Pöhlmann uns so trefflich zerlegt hat, schwankt zwischen ent-
gegen j^trebenden Tendenzen hin und her: bald Freiheit des Individuums,
bald Zwang des Staates. In der Verkehrspolitik äufsert sich dasselbe.
Es gab Zeiten, in denen die Fuhrleute der Zölle halber das floren-
tinische Gebiet ängstlich mieden^, und nichts zeugt dafür, dafs jemals
Florenz für fremde, etwa deutsche Händler eine Etappe war, wie z. B.
Genua.
An diesem Gewerbsleben haben sich — wie ich kurz ausftLhren
möchte — auch deutsche Kräfte beteiligt. Doren hat neuerdings die
Statuten einer Bruderschaft deutscher Weber in Florenz aufgefunden,
eingericlitet nach dem Vorbilde deutscher Gesellenbruderschaften, aber
im Begriffe, sich in eine Zwangsgemeinschaft umzubilden, als die Arte
della lana sich ins Mittel legte und sie einer strengen Kontrolle unter-
warf®. Leider sind die Statuten noch nicht veröffentlicht Auch ohne
sie kann ich zahlreiche deutsche Weber nachweisen. In einer Quittung
sind nicht weniger wie sieben aufgezählt, deren Namen Nicholao Dtvi-
nantis, Jacoho Jacobi, Federigo Arrigi de Franchoforte, Nicholaus olim
Corradi de Alamannia, Piero Johannis de Lutri de Alamania^ Nidiolao
Arrigi de Loro und Paulo . . de Ghombolt nur die Ortsnamen Frankfiirt
und etwa Lautem und Lehr erkennen lassen. Sie gehörten grofsenteils
zu der von armen Leuten bewohnten Pfarrei S. Frediano am linken
Amoufer flufsabwärts, andere freilich zu der Pfarrei S. Lorenzo*. Das
Oltrarno war einer der vier „Konvente", worauf die Ausübung der ars
lanae eingeschränkt war^. Auch die Heiratsabrede einer Tochter eines
ehemals in Siena wohnenden, dann nach Florenz verzogenen deutschen
Wollwebers hat sich erhalten, sie heiratete einen Sienesen*.
Und auch deutsche Färbermeister gab es in Florenz. 1442 wandte
sich Nürnberg an drei solche, um die Hinterlassenschaft eines dort ver-
storbenen Sohnes für die in Nürnberg wohnenden Eltern zu erhalten'.
' Die Chronik des Cerretani bei Fabronius 2, 68.
a Pöhlmaiin 118.
« Doron S. 102.
* Urkunden Nr. 276.
'^ Pohl mann 55.
ö Urkunden Nr. 279.
7 Urkunden Nr. 388.
Das übrige Italien. 595
Eine andere Erbsehaftssache bezieht sich auch auf einen Augsburger
Ulrich Weifs, der aber in Florenz den Namen ^^magus Suevus-^ trug und
Diener ^famüiaris* der Stadt war^
Sehr genaue Nachrichten haben wir über eine Innung bezw. Bruder-
schaft der deutschen Schuhmacher. Eine regelmäfsige Zunft war das
keineswegs , sondern eine landschaftliche und religiöse Vereinigung zu
gegenseitiger Unterstützung durch Werke der Charitas und Gebet. Wie
auch im Heimatlande wurde von den Deutschen die Gottesmutter als die
beste FUrsprecherin bei ihrem Kinde besonders verehrt, daneben die
hl. Katharina, und die Bruderschaft hiefs *Socieias Virginis Marie et sande
Kaierine Teutonicorum chdUolariorum Alamannie dlte< . Um die Mitte des
fünfzehnten Jahrhunderts — die Nachrichten setzen mit 1446 ein — war
sie stark und ihre Mittel so reich, dafs die Bruderschaft 1454 ein Haus
in der Via di S. Gallo, also in der Nähe von S. Lorenzo, wo die
Gott^dienste derselben stattfanden, zur Einrichtung eines Spitales für
kranke Mitglieder erwerben und vier Jahre später auf dem Grund-
stücke auch eine Kapelle erbauen konnte. Doch, so glänzend die Geld-
lage der Bruderschaft blieb , so sehr sank die Zahl der Mitglieder. 1502
waren noch drei vorhanden; im letzten Augenblicke tauchten noch drei
andere auf, die Ansprüche erhoben, als jene ersten unter besonderen
Bedingungen das Gut der Bruderschaft der florentinischen Bruderschaft
S. Crespino und S. Crespiniano übergeben wollten. Die besonderen
Bestimmungen (darunter auch die in Italien so beliebten Doten fiir die
Töchter) sollten die Deutschen schützen. Trotz dieser Verschmelzung
hat die Bruderschaft der Deutschen wenigstens in den kirchlichen Funk-
tionen bis mindestens 1629 bestanden*.
Von deutschen Kaufleuten war gewifs Wilhelm Rem nicht der
einzige, der nach Florenz kam®.
Dafs die Florentiner den Seeweg bevorzugten, um nach Antwerpen
zu gelangen, habe ich schon früher ausgeführt. Ich habe auch gezeigt,
dafs die Florentiner Bankiers nur in den Tagen von Konzilien Filialen
an deutschen Orten einrichteten. Es kann uns also auch nicht wunder
nehmen , dafs der Chronist Benedetto Dei, wo er die Banken aufzählt,
Deutschland übergeht, und wo er die Mercanii fiorentini in Ponenie a. d.
1470 aufführt, da sagt er, dafs sie viermal im Jahre hinaus auf die
Messen von Antwerpen und Lyon zögen, von dort brächten sie alte
Goldschilde und anderes altes Gold in unendlicher Menge, die würden
' Urkunden Nr. 376.
^ Cesare Paoli, Urkunden z. Gesch. d. deutschen Schusterinnung in Florenz.
Mitteil. d. Inst. f. österr. Geschichtsforsch. 8, 455—476.
8 Chroniken deutscher Städte 25, 79. Es war 1478. A. del Vecchio ed
E. Casanova, Le rapi)re»aglie erwähnen Deutsche nicht.
3S*
596 Zweiundfünfzigstes Kapitel.
in der Münze umgeschmolzen, für dieses Geld kaufe man Seide und
mache Tücher und namentlich die Wollstoffe gingen nach der Levante.
Deutschland wird nicht genannt.
Der Seeweg war aber nicht immer benutzbar und nicht immer
sicher und wir sahen, wie sich die Florentiner in solchen Fällen der
Landverbindung erinnerten. Die Gesandtschaft von 1407 nach Konstanz
wurde uns so verständlich. Freilich hatte Buonaccorso Pitti auf seinen
Gesandtschaftsreisen bei König Ruprecht niemals einen Pafs der mittleren
Alpen benutzt, doch lag das an der Lage der Politik. Der Unter-
händler zwischen Florenz und König Ruprecht mied natürlich Mailand ^.
Auch die normalen Wechseltermine beweisen die Benutzung des Land-
weges: die Frist betrug für Neapel 20, für die Provence und Frank-
reich 60, Flandern 70, England 75 Tage, Spanien drei Monate^.
Ich verzichte darauf, hier noch einmal die Nachrichten über
Florentiner, die wir in Deutschland trafen, zusammenzustellen. Nur be-
züglich Nürnberg möchte ich eine Ausnahme machen, da sich hier
solche niederliefsen. Die Empfehlung des Donatus a Comu durch die
Behörden seiner Vaterstadt hat sich erhalten*, Heinrich Deichsler er-
zählt 1505 von eines reichen Florentiners Sohn, den zu verwunden sein
Vater jemanden dang*. Die Namen Jacob Bethonus, Johann Mario,
Raphael Tureganus, der auch die Leipziger Messe aufsuchte, Lorenzo
Villano, Mariotto de la Balla, Bernhardo della Balla figurieren in den
Geschäftsbüchern Koler-Kress-Saronno ^ Einige kehren davon in andern
Nachrichten wieder. Die La Balla waren in Geschäftsverbindungen mit
dem Nürnberger Wolfgang Sauermann, der 1521 aber auf ihr Gut in
Nürnberg Beschlag legen mufste®. Die Toresani aber sind auch 1530
in Nürnberg nachzuweisen, sie handelten nach Danzig ^Damaskat und
Schamlot* ^, in ihrem Nürnberger Hause lernten auch junge Florentiner
die Kaufmannschaft^. Im späteren sechzehnten Jahrhundert fanden sich
noch mehr italienische Häuser neben den Toresani ein.
Von Pisa erwartet man kaum, dafs es seit seinem Niedergange
noch Beziehungen mit Deutschland unterhielt. Aber nicht umsonst steht
der Name von Pisa in der Strafsburger Kaufhausordnung. Noch in der
* Cronica Firenze 1720.
2 Pegolotti.
8 Urkunden Nr. 392..
* Chroniken deutscher Städte 11, 676.
^ Vgl. oben S. 387.
ö Urkunden Nr. 277.
' 1530. Johann Oliveri von Florenz im Namen von Raphael und Rudolf Dori-
sani-Gesellschaft von Florenz. Lochner, Arch. Norimb. VI 113 und VIII 24. Auch
Urkunden Nr. 277.
8 Urkunden Nr. .398.
k.
Das übrige Italien. 597
Zeit Giovannis da Uzzano (1442) wurden in Pisa für die Lombardei und
Deutsehland bestimmte Waren ausgeschifft und um den Verkehr zu
heben, liefsen die Florentiner hier jeden Ausfuhrzoll fallend Dafs der
Handel der Pisaner um 1500 bis Brügge ging, habe ich auch im Staats-
archiv von Pisa feststellen können, ohne direkt deutsche Sachen anzu-
treffen. Und wenn auch sonst weder Pisaner in Deutschland, noch
Deutsche in Pisa nachgewiesen sind, so haben doch Pisaner Nürnberg
besucht und mit den Behaims Kontrakte eingegangen, wie 1454 Sobald
Behaim nach Pisa fuhr, um dort Schulden beizutreiben ^.
Auch Lucca war von der alten Höhe herabgesunken, es erlebte
eine ähnliche Katastrophe wie Florenz 70 Jahre vorher, ohne sie völlig
überwinden zu können. Nicht etwa Kriege in der toskanischen Heimat,
nicht die Rivalität von Florenz, die allerdings 1429 zu einem schweren
Kampfe führte, nicht der Verlust der Freiheit an das Kaufherren-
geschlecht der Guinigi, deren Herrschaft jedoch schon 1433 zu Ende
ging, sondern die Kämpfe zwischen Frankreich und England riefen die
Krisis hervor, wie einst der englische Staatsbankrott Florenz erschüttert
hatte. Sercambi berichtet von der furchtbaren Wirkung, die die Er-
mordung des Herzogs von Orleans und die Siege König Heinrichs V.
von England 1419 hervorriefen. Der Kapitalverlust belief sich auf
150000 fl., aber schlimmer als das war, dafs das Vertrauen geraubt war.
Ein Teil der Handwerker mufste feiern, gerade die, welche vom Export
lebten, die Gold und Silberarbeiter und die Seidenweber und manche
wandten der Stadt den Rücken und zogen nach Venedig, Bologna,
Florenz oder Genua*. Indem dieLucchesen gerade auf die Märkte von
Avignon, Paris, Brügge und London* sich stützten, mufsten sich die
Erschütterungen im heutigen Frankreich und England besonders fühlbar
machen. Diesen Gegenden wendet der Chronist Sercambi ein besonderes
Interesse zu, von Deutschland schweigt er. Und dem entsprechen die
Angaben über die im Ausland beschäftigten Faktoren. In den libri
magistrorum et eorum factorum et puerorum von 1371, 1372 und 1381
habe ich einen in Deutschland stationierten Faktor nicht gefunden '^. In
Brügge bildeten die Lucchesen eine Genossenschaft mit Konsul und
Räten, sie hatten hier auch eine eigene Kapelle; bei der Erneuerung
* »Mercantia condoüa in Pisa o per mare o per terra, la quäle si fraesse di
Pisa . . per canducierla in Lonbardia, owero che per transito avesse a passare per
Lmibardia per conduciersi in dtUa Magna o in altre jxxrti del mondo, non si dehbia
pagare alcuna cosa di gabella per Vuscita,* Pagnini 4, 67.
2 Urkunden Nr. 390.
8 Sercambi 3, 251 f.
* Diese erwähnt Sercambi.
«^ Vgl. oben S. 289.
598 Zweiundfunfzigstes Kapitel.
der älteren Statuten von 1369 im Jahre 1498 waren zwölf Lucchesen
anwesend ^.
Dafs Lucchesen Deutschland durchquerten, haben wir mehrfach ge-
sehen^, doch kann man sie direkt im Handel nur in Köln nachweisen^.
So mag auch Papst Bonifaz IX. zur Erhebung des römischen Anteils
am Jubeljahr in Köln neben einem Abte auch den Bartolomeo Turchi
von Lucca deshalb beauftragt haben*.
Lucca suchte noch spät seinen Markt auszudehnen, doch liegt die
hamburgische Niederlassung schon in der zweiten Hälfte des sechzehnten
Jahrhunderts. Damals waren, wie aus dem ältesten in Lucca erhaltenen
Handelsfcuche einer Firma, dem der Bernardina von 1569, hervorgeht,
mehrere Bernardini in Deutschland, genannt werden die Orte Mainz und
Ntlmberg. Sie handelten dort ausschliefslich mit Seide*.
Auch in Lucca gab es eine Bruderschaft deutscher Schuhmacher, sie
war aber im Vergleich zu der Florentiner sehr arm und wandte sich wieder-
holt mit Bitten an ihre Genossen in Florenz. Sie hatte bessere Tage
erlebt; da hatten sie zu Ehren U. L. F. in Pisa eine grofse Stiftung ge-
macht, von Schuhmachern gab es in Pisa niemanden mehr und ein alter
Schneidermeister Adam wartete des Dienstes, so weit das Wachs währte.
Auch in Lucca waren noch fünf Personen , sie wollten aber die Not-
helferin nicht verlassen und wahrhaft rührend ist die Bitte, welche an
die Florentiner appellierte, die alte fromme Stiftung zu retten, damit sie
in den Händen der deutschen Bruderschaft bleibe. Es ist einer der
schönsten Briefe, die im Mittelalter geschrieben wurden®.
Sienas Bedeutung lag stets auf dem Gebiete des Geldhandels ^.
Hierhin wurde jedoch 1438 auch die Seidenindustrie gebracht, die mit
der Florentiner wetteiferte ®. Vielleicht ist dem Warenhandel zuzurechnen,
wenn zeitliche von Seynis* der Humpifsgesellschaft Schuldner waren,
die der Faktor Ulrich Fry von Konstanz vor das päpstliche Gericht
lud und auch die Stadt Konstanz wandte sich an Papst Pius U., selbst
einen Sienesen®. Auch in Siena hatten die deutschen Schuhmacher eine
* Staatsarchiv Lucca.
« Vgl. oben S. 427, 452, 475, 481, 497, 519 ii. 527.
^ Die Urkunde des Busticus Romagnoli (Quittung von 1281) beweist für einen
Handel in Deutsehland selbst nichts. Baseler Urkb. 2, 208. Die Kölner Nach-
richten betreffen den Geidhandel vgl. oben S. 343.
* Ennen u. Eckertz 6, 142.
^ Gütige Mitteilungen des Herrn Giuseppe Martini in Lucca.
^ Paoli 463, vorher schon Bonaini, Statuti inediti della citt4 di Pisa 3, 1050 f.
und Beil. zur (Augsb.) Allgem. Zeitung 1858 Juni 27 Nr. 178.
' S. oben S. 251—259.
® Silbermann 1, 83.
» Heyd, Ravensburg 28.
Das übrige Italien. 599
Bruderschaft, in St. Martino besafsen sie eine Kapelle, die sie der hl.
Gottesmutter — gerade ihre Verehrung war ja den deutschen Hand-
werkern ans Herz gewachsen — gewidmet hatten. Sie erwarben 1461
ein unmittelbar anstofsendes Häuschen, um dort ein kleines Lazarett
zu errichtend
Weiter südöstlich haben wir nur ganz gelegentliche Erwähnungen
und Angaben. So wohnte 1431 ein flandrischer Handelsmann in Arezzo*,
1398 taucht in Macerata (Mark Ankona) ein deutscher Meister Wilhelm
als Schullehrer auf, der vorher Kanzler des Städtchens Accumuli in der
Nähe von Aquila war®.
In der Stadt »jerum Adlern, wie sie die Deutschen nannten, in
Aquila in den Abruzzen, fanden die grofsen Safranmessen, von denen
uns z. B. Lorenz Meder berichtet, statt. Sie müssen recht zahlreich von
Deutschland besucht gewesen sein. Der Name „Adler" ist schon dessen
ein Beweis und er war in Deutschland recht wohl bekannt*.
Früher hatten die deutschen Kaufleute den Safran, von dem für
100000 Dukaten aus Aquila, Apulien, Calabrien, den Abruzzen und
Marken nach Venedig gelangte, dort gekauft, allein schon vor 1479
hatten, so besagt ein venetianisches Dekret, die Deutschen sich dem
Markte von Mailand zugewandt, ja, hatten die Ursprungsländer selbst
aufgesucht. Der ganze Weg des Safranhandels wurde dadurch verlegt,
es half auch nichts, dafs Venedig den Satz für den Transit sehr niedrig
ansetzte, 1481 und 1482 jede Iraportabgabe aufhob. Venedig war um
so empfindlicher berührt, da die Deutschen nicht allein den Safran aus-
führten, sondern auch Silber und anderes einführten, dafür aber ge-
sponnenes Gold und feine Seidenstoffe einkauften. Die Konkurrenz mit
Mailand und der Handel am Ursprungsorte war den Venetianern so
empfindlich, dafs sie 1492 den Exportzoll für Safran ganz aufhoben
und den Transitsatz auf ^U von dem von 1479 erniedrigten*. Ob die
Hoffnung sich erfüllte, dafs der Safranhandel wieder den Weg über das
Meer und Venedig einschlagen werde, ist nicht festzustellen.
Nach Aquila versetzt uns dann auch eine interessante Urkunde von
1471. Hier hatte 30 Jahre lang ein Nürnberger Arnold von Seeland
mit aus Verona stammenden Bürgern von Aquila eine Handelsgesell-
schaft betrieben, wobei der Deutsche wohl in Nürnberg die Interessen
' Urkunde mitgeteilt vonPiccolomini iu Miscellanea storica Senese 1,215 ff.
2 »Leo Henrki de Flavdriaj hahitator civitatis Aretine* Geleitsbrief zum Eintritt
mit Waren inEom. Repertor. Germ ani cum, Pontifikat Eugens IV. Bd. I Nr. 1276.
^ Colin i-Baldeschi in Historische Vierteljahrschrift Jahrgang 2, 518 — 522.
* Z. B. Erzählung von Capistrans Predigt dort. Chroniken deutscher
Städte 10, 193.
•^ Statut von 1479 bei Thomas 235, von 1492 ebda. 277. Vgl. Simonsfeld 2, 85.
\
gOO Zweiundfünfzigstes Kapitel.
vertrat. Als er seine Abrechnung forderte, wurde er nach Aquila auf
die Burg Offignano in das Haus seiner Genossen geladen und dort er-
schlagen, sein Sohn Jakob entging dem Tode nur dadurch, dafs er
sich in eine unter der Burg gelegene Mühle flüchtete. Ob die Be-
schwerde Kaiser Friedrichs bei König Ferrante Erfolg hatte, erfahren
wir nichts In Aquila haben übrigens auch die Imhoff von Nürnberg
im Anfang des sechzehnten Jahrhunderts Geschäfte betrieben , sie hatten
dort wie in Bari Faktoreien^.
Auch in andern Teilen des Königreichs Neapel finden sich
Deutsche. Ein wunderbares Geschick hatte einen Nürnberger Johann
Teufel dorthin verschlagen, er war auf Wanderung bei verschiedenen
Völkern gewesen, dann Seeräubern in die Hände gefallen und von diesen
ins Königreich Neapel verkauft worden®.
Auf den apulischen Messen zu Bari, Barletta, Trani und Otranto
erschienen wenigstens im sechzehntenten Jahrhundert oft Nürnberger
Händler, um Safran, Ol, Mandeln und Galläpfel einzukaufen*.
Rom endlich nimmt naturgemäfs in der Reihe der italienischen Städte
eine Ausnahmestellung ein. Nachrichten über Warenhandel zwischen Rom
und Deutschland habe ich keine gefunden, auch die über den Geldhamlel
sind vorläufig nur dürftig. Von den Fuggern ist in anderm Zusammen-
hange die Rede; ein banchus et societas Wtlhelmi Petri erscheint 1509^.
Zahlreicher sind die Angaben über in Rom angesiedelte Hand-
werker®. Die Schuster, deren Statuten 1439 bestätigt wurden, hatten
ein eigenes Gildehaus ^, die Bäcker hatten sogar ein Spital und eine
eigene Kirche neben der schola^ auch die Leineweber waren organisiert®.
Aufser ihnen zog die Stadt mit ihrem Fremdenverkehr manche andere
Elemente an, namentlich gab es eine grofse Zahl deutscher Wirte.
1447 schrieb Aeneas Sylvius: die Deutschen machen überall die Wirts-
leute. Ihr Verdienst ist es, dafs man ziemlich allenthalben in Italien
ein Gasthaus findet; wo es aber keine Deutschen giebt, da giebt es auch
keine Herberge ®. Die ersten Buchdrucker waren auch hier meist Deut-
» Urkunden Nr. 100.
- Mitteil. Verein Nürnberg 1, lÖl.
3 Urkunden Nr. 389.
* Meder 19.
^ Nagl u. Lang, Nationalhospiz S. 73.
6 Vgl. Pastor, Geschichte der Päpste 1 2, 202— 203 u. 3, 34. Rodocanachi,
Les corporations ouvri^res ä Roine. Paris 1894. 1, LXXXFV, 1, 87, 1 92 f.
' Die calcelarii curtesani Bomanam cttriam sequentes unterstanden der Gerichts-
barkeit der curia des päpstlichen Marschalls, nicht der der ars calcelarie, Reper-
torium Germanicum I 2727.
8 de Waal 42. 77.
^ Vitae paparum bei Muratori 3, 2, 880.
Das übrige Italien. gOl
sehe; Spezereihändler, die der Kurie folgten, werden auch erwähnt^.
Aber das waren alles Elemente, die kaum Waren aus Deutschland be-
zogen oder dorthin versandten.
In dem Bruderschaftsbuche und in andern Dokumenten der Anima
begegnen uns alle diese Gattungen neben den Prälaten und den frommen
Pilgern, auch Müller, Goldschmiede, Kürschner, Sattler, Bader, Barbiere
finden sich da aufgezählt *. Und ähnlich wird auch die Bruderschaft des
Friedhofs der Deutschen diese Elemente vereinigt haben ; doch beginnen
die Register derselben erst mit 1501. Die deutsche Kolonie in Rom
mufs damals eher nach Tausenden, als nach Hunderten gezählt haben.
Ihnen und den Pilgern dienten zahlreiche fromme Stiftungen und
Bruderschaften.
Nicht allein in Rom, auch im übrigen Italien finden sich Deutsche
in den Bergwerken und bei der Münze. Doch liegt das zu verfolgen
nicht in unserer Aufgabe®, wie ich auch den Spuren der Künstler nicht
nachgehe.
» de Waal 78.
-Liber confraternitatis B. Marie de Anima Teutonicorum de Urbe.
Komac 1875 und Nagl u. Lang passim.
' Ich notiere einiges: 1479 Anlage von Berg^^erken im Kirchenstaate durch
Johann Klug von Freiberg und 50 deutsche Bergknappen, 1513 Johann Zink Vor-
stand der päpstlichen Münze, de Waal 77 f.
Dritter Teil.
DER ANTEIL DEUTSCHLANDS.
Dreiundfünfzigstes Kapitel.
Allgemeines. Konstanz.
Träger des Handels nicht Landstädte, sondern Eeichsstädte. Entscheidend für den
Anteil am Handel: die Lage des Gewerbes mid die Stellung des Patriziates zum Handel, —
Das Schultheifssche Brief buch. Leinwandhandely Produktion in den Händen der Kauf-
leute. Anteil der Geschlechter. Austritt der Beichen aus den Zünften. Die Zunft-
revoltäionen auch gegen die Handelsgesellschaften. Die Reichsteti der Stetterlisteyi von
1418 und 1422. Die Muntprats. Stammbaum. Ihr Vermögen. Vergleich mit den
Reichsten in benachbarten Städten. Tabellen über Ravensburg^ Ulm. Die reichen Linien
gehen zum Landadel über. Die Fry^ im Steinhus. Die verschiedenen Riehtungen des
Handels. Umfang desselben. Tabellen über Zoll im Kaufhause und Steuer. Gründe
des Niedergangs. Geographische Kenntnisse in Konstanz.
Nicht die zunächst dem Fufse der Alpen oder gar im Gtebirgs-
bereiche gelegenen Städte, etwa Chur, Luzern, Sitten oder Freiburg,
Bern, Zürich, St. Gallen haben den Handel nach Italien konzentriert,
ihren Handel hat an Bedeutung der der schwäbischen, fränkischen und
rheinischen Städte übertroffen. Die Beziehungen jener heute zur Schweiz
gehörigen Städte habe ich beiläufig so eingehend besprechen müssen,
dafs ich, um Wiederholungen zu vermeiden, nur noch St. Gallen und
(' Basel einmal berühren möchte, das sich ja erst am Ende unserer Periode
der Eidgenossenschaft anschlofs. Von den schweizerischen Städten wären
aufserdem anzuführen Wyl, Werdenberg, Zürich, dessen Seiden-
industrie wieder eingegangen war, Luzern, das einen sehr erheblichen
Handel betrieb, mehr Bedeutung aber noch für den Transitverkehr hatte,
dann Bern und Freiburg, beide mit grofser Wollweberei und Leder-
gewerbe ^
Die deutschen Städte haben sich nun keineswegs in gleicher Weise
an dem Handel beteiligt. Zunächst sind ausschliefslich die Reichsstädte
^ Zum einzelnen vgl. das Register.
Konstanz. 603
Träger desselben. Es ist ja richtig, dafs fast alle namhaften Städte des
Oberrheins, Schwabens und Frankens Reichsstädte waren, aber es gab
doch dazwischen auch bedeutende landesherrliche Städte: Rheinfelden,
Breisach, namentlich das reiche Freiburg i. Br., Zabem, Heidelberg,
dann Stuttgart, Cannstadt, WUrzburg. Die Namen dieser Orte sucht
man völlig vergeblich, nur Freiburg erscheint ganz beiläufig. Und wenn
diese damals für die Silberproduktion wichtige Stadt nicht selbst auf
grofse Entfernungen Handel trieb, so kann das wohl nur darin seinen
Grund haben, dafs die Btlrger der Territorialstädte keinen genügenden
Schutz von Seiten ihrer Herren erwarteten. Die Reichsstädte vertraten
selbst und mit Nachdruck ihre Interessen, sie hatten den Namen des
Kaisers und der gab auch dann noch ein Relief, als seine Macht schon
sehr tief gesunken war.
Entscheidend ist fUr den Anteil nur zu einem Teile die geographische
Lage gewesen. Man würde in Italien massenhaft Strafsburger und
Mainzer vermuten, aber man findet sie nicht, dafür erscheinen Leute i
aus Rothenburg a. Tauber, vor allem aus dem kleinen Ravensburg. Es >
spielen da ganz andere Gründe mit herein. Zwei derselben scheinen mir
die wichtigsten.
Der eigene Gewerbebetrieb einer Stadt und ihrer Umgebung giebt
dem Handel Anstofs und Richtung. Also Ankauf der Rohstoffe und
Absatz der Produkte. Ganz deutlich sehen wir das bei Eonstanz und
Ravensburg. Der Bezug der Rohstoffe für die den Handel beherrschende
Leineweberei erfolgte in der Nachbarschaft, der Absatz aber weniger
nach Norden, als in der Richtung nach Süden und Südwesten, nach
Italien und Spanien hin, wo die Linnenerzeugung zurückgeblieben war.
Ulm und Basel waren durch den Bezug des Rohstoffes ihrer Barchente, t
der Baumwolle, an Italien gebunden. Diejenigen Städte also, welche l
durch die einseitige Hervorkehrung einer Seite der Produktion zum Ex-
port gezwungen sind und somit den Rahmen der mittelalterlichen Stadt- (
Wirtschaft nach dieser Seite hin sprengen müssen, werden am meisten i
Träger des Handels. Eine Stadt wie Strafsburg, in der alle Handwerke
vertreten waren und die die Bedürfnisse aller Bewohner des Wirtschafts-
gebietes zu decken im stände war, drängte viel weniger hinaus, als
einseitig entwickelte Städte wie die Leinenstädte Konstanz und Ravens-
burg, die Barchentindustrie von Ulm, die Metallgewerbe von Nürnberg
u. s. w. Für die schwäbischen und fränkischen Handelsstädte ist im
Gegensatz zum Beispiel zu den hansischen die Verbindung von Handel
und Gewerbefleifs charakteristisch.
Den Handel beeinfiufste auch die Standesanschauung der Geschlechter. !
Die Geschlechter der Reichsstädte waren im wesentlichen aus den Kauf- ^
leuten, aus den wirklich Handel treibenden Kreisen hervorgegangen,
g04 DreioDdfün&igstes KapiteL
doch stammten an einzelnen Orten , z. B. Nürnberg sehr viele auch aus
dem Stande der Ministerialen. Wie wir nan Nachkommen solcher
Dienstmannen auf Handelsfahrten nachweisen werden, schlielsen sich
umgekehrt massenhaft Söhne von Kaufmannsfamilien aus. Je nachdem
die fuhrenden Geschlechter einer Stadt es für ehrenhaft hielten, selbst
Handel zu treiben oder nicht, je nachdem sie der thörichten, wesentlich
deutschen Anschauung folgten, wonach der Handel sich einem Ritter
nicht zieme, oder gleich den meisten Italienern es für keine Schande
hielten, sondern sich nach dem Beispiele der Yenetianer, Florentiner
und Genuesen richteten, wo kein noch so reiches Haus sich vom Handel
ausschlofs , war der Anteil an dem Welthandel verschieden ^ Die deut-
sche Anschauung hat, wenn wir von Basel absehen , ja schliefslich über-
all gesiegt. Am längsten hielt sie sich in Nürnberg, im Mittelalter war
es noch völlig von den Anschauungen, die die jungen Leute in Italien
gewannen, geleitet, dals Arbeit und Adel nicht schände. In Ulm,
Ravensburg, Konstanz begann die „Veradligung" des Patriziates bereits
und höchst amüsant ist der Briefwechsel, den Bilgerin von Reischach,
Vogt zu Bregenz, mit Hans Besserer, Bürger zu Ravensburg führte.
Bilgerin hatte den Bürger geduzt und dieser erwiderte das, der Bürger
setzte seinen Namen der Adresse voran, wie es der Adlige gethan hatte
und der Hegauer Adel geriet über eine solche Unverschämtheit in Auf-
regung; ein Nachkomme von Bürgern und Kauf leuten wollte sich denen
gleichsetzen, die von edlen Leuten, Rittern und Knechten abstammten?
Reischach meinte, sein Gegner solle auf die Trinkstuben gehen und
nachforschen, wie es mit dem Pfeffer stehe, der von Alexandrien und
Barzelona nach Venedig komme, und wie die Barchenttücher gewechselt
würden ^
Am frühesten hatte der Ausschluß der Geschlechter vom Handel
sich in Strafsburg vollzogen. Da wurde 1472 festgesetzt, dafs, wer
Konstafler werden wolle, schwören müsse, hinftirder keinerlei Kaufmann-
schaft oder Handwerk zu treiben, doch ^mögen sie wol gemeinschafl
haben oder Verleihung iunt d. h. sie dürfen ihr Geld ausleihen und in
Gesellschaft arbeiten lassen, aber selbst mit dem Handel dürfen sie sich
nicht mehr befassen, mindestens nicht mehr einen offenen Laden haben ^.
Schliefslich drohte jedem durch den Handel reich gewordenen Geschlechte
dieses Los. Zuerst wurden die Töchter der reichen Kaufherrn vom
Landadel umworben, dann wurde ein Kaufherr selbst Ritter. Ein Teil
des Geldes wurde im Besitze von Burgen und Herrschaften angelegt,
1 In Mailand war ein Nobile als Kaufmann selten. Burckhardt 2^ 90 Anm. 4.
- Steinhausen, Deutsche Privatbriefe des Mittelalters 1, 370—377 spec 1, 374.
3 Chroniken d. deutschen Städte 9, 965. Vgl. Eheberg S. 391 u. 520.
Konstanz. 605
während die persönliche Arbeit im Geschäfte eingestellt wurde. Sehr
deutlich sehen wir diese Umwandlung selbst bei einem strammen Ge-
schäftsmann, dem Nürnberger Balthasar Baumgartner sich vollziehen,
der schliefslich aus dem aufregenden Handelsleben sich auf das Land
flüchtet ^ Aus dem Kaufherrn der Stadt wurde ein Adliger des
Landes.
Da der Grofshandel im wesentlichen in den Händen der Geschlechter
lag — der Handwerksmeister konnte sich nur sehr schlecht empor-
schwingen — ergiebt sich ganz von selbst, dafs in den Orten, wo die
Veradligung des Kaufmannstandes sehr weit fortgeschritten ist, der An-
teil am internationalen Handel verdorrt. Beide Prozesse stehen in
inniger Verbindung. Und so werden wir uns auch durchaus nicht
wundem können über den Unterschied zwischen Strafsburg und Ktirn-
berg, zwei gleich reichen und gleich mächtigen Städte^ In Strafsburg
werden die Geschlechter, die aus de» Kaufleuten hervorgegangen sind, ein
Landadel, in Nürnberg wird und bleibt trotz der engen lehensrechtlichen
Verbindung mit dem königlichen Hofe der z. T. aus der Ministeriali tat
hervorgegangene Geschlechterkreis ein kaufmännischer.
Für die Geschichte des Konstanzer Handels^ haben wir eine Reihe
von vorzüglichen Quellen. Vorab ist da das schon wiederholt erwähnte
Formelbuch des Nikolaus Schultheifs zu nennen; da sein Zusammen-
steller, bevor er Stadtschreiber von Konstanz wurde, in Ravensburg
gewesen war und auch von dort Briefe mitbrachte, ist seine Sammlung
auch für Ravensburg von Wert. Nicht zu übersehen ist, dafs einige
seiner Briefe Stilübungen sind. Es ist eine ganz hervorragend wichtige
Quelle®. Gerade durch sie erfahren wir auch die ältesten Nachrichten
über den Handel der Muntprat, wie auch der Name der Ravensburger
Hundbifs (Humpiss) nicht fehlt.
Die Grundlage des Konstanzer Exporthandels blieb auch im vier-
zehnten und fünfzehnten Jahrhundert die Leinwand. Das Garn wurde
aus dem Bregenzer Walde, dem Rhein- und Thurgau gebracht; wie
weit eine Weberei auf dem Lande noch statt fand , bleibt zweifelhaft.
Jedenfalls deckte die nie sehr starke Leinweberzunft von Konstanz den
(
^ Steinhausen, Der Kaufmann 96 f.
2 Vgl. Mona in Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins 4. Gothein, Wirtschafts- y^
geschichte und Ruppert, Der Konstanzer Handel im Mittelalter in Konstanzer
geschichtliche Beiträge Heft 4. Konstanz 1895.
* Nach seinem Formelbuch war er 1399 noch prothonotarius oppidi Ravensburg,
1400 — 1414 aber ist er im gleichen Amte in Konstanz zu erweisen, nach den Chroniken
versah er sechzehn Jahr das Amt (Ruppert 76), 1418 war er nicht mehr im Dienste,
lebte aber noch.
506 Dreiundfüufzigstes Kapitel.
Bedarf nicht allein. Die Geschichte der Industrie ist namentlich von
Gothein genau dargestellt worden, auf den ich hier verweise. Die Pro-
duktion unterstand einer scharfen öffentlichen Kontrolle, da gab es
Leinwandschauer, Leinwand messer, Färber, Ballenbinder, Bleicher und
Gamfeilträger. Und es ist nicht ohne Interesse zu sehen, dafs die Lein-
wandschauer vielfach den Geschlechtern entnommen waren ^. Der Ver-
kauf mufste seit 1391 durch die Vermittlung von Unterkäufem er-
folgen. Die Tuchmacher von Konstanz kamen fiir den Export nicht in
Betracht.
Auch mit der Baum Wollweberei, der Herstellung von Barchent hat
Konstanz Versuche gemacht, seit 1376 finden sich Baumwollschauer,
doch war das Gewerbe, über dessen Zugehörigkeit 1409 Leinen- und
Wollen weber mit einander stritten, wohl nie kräftig, 1431 war die
Barchentweberei aber ganz abgegangen, so dafs die Stadt einem Krämer
ein Haus zur Errichtung eines ^Buchhuses* billig verkaufte^.
Dafs die Konstanzer Produktion von Kauf leuten abhängig war, ist
von Gothein deutlich bewiesen. Welchen Kreisen gehörten aber diese
Kaufleute an? Gothein nimmt an, dafs in den ältesten Zeiten die Ge-
schlechter den Handel geleitet hätten, dann aber durch ein Statut von
1386 von jedem Gewerbe und jeder Zunft ausgeschlossen seien und erst
1495 seien sie wieder zum Grofshandel zugelassen worden. Für die Zeit
also, in die Konstanz' gröfste Handelsblüte Mit, wäre demnach der Kreis
der Geschlechter vom Handel ausgeschlossen gewesen. Diese Auffassung
ist irrig. Das Statut von 1386^ besagt nur, dafs die Zünfte den poli-
tischen Einflufs der Geschlechter von sich fern halten wollten, die
Spannung, welche zum Aufstand von 1389 führte, drückt sich darin aus.
Den Wortlaut des Beschlusses von 1495* habe ich nicht gesehen, ist kein
Irrtum untergelaufen, so kann er nur eine kurze Unterbrechung eines
alten Gebrauches beendet haben ; denn dafs die Geschlechter am Handel
beteiligt waren , läfst sich ausdrücklich nachweisen. Die Tugwas waren
mindestens seit 1274 unter den Geschlechtern und waren auch später
nicht zünftisch geworden; Bärtelli Tugwas stand aber 1404 in Frank-
furt am Todesbette des Johann von Ulm, der offenbar zur Messe hier
war*^. Und von den Ulm (zu den Geschlechtern seit mindestens 1360)
y haben wir viele Nachrichten über ihren Handel in Avignon* und auch
der dort Handel treibende Johannes Seiler gehörte einem „Geschlechte"
1
So fand ich 1454 Lütfried im Steinhaus, Hartmanu Hürus, 1460 Jörg Engeliii.
2 Beschlufs von 1431 gedruckt Ruppert, Chroniken 394.
« Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 15, 43. Dazu Gothein 343.
* Erwähnt Gothein 358.
^ Urkunden Nr. 348 und Beyerle, Ratslisten.
« Zeitschr. f. Gesch. Oberrh. 4, 45—48.
Konstanz. g07
(mindestens seit 1376) an^, wie Walther Lind in Genf*. In Spanien
begegneten wir den „im Steinhause „ ® und auch sie vertraten seit
mindestens 1368 im Rate die Geschlechter. Und wie diese dem Kauf-
mannstande das ganze fünfzehnte Jahrhundert hindurch treu blieben, so
war es auch bei den Fry der Fall, die schon in den ältesten Ratsur-
kunden auftauchen. Auch die weiter unten zu erwähnenden Appenteger,
Bettminger, Blarer, Engelli, Hürus gehören unbestritten zu den Ge-
schlechtern. Auch den Speiser, den wir in Mailand fanden, wie den
Burkhard Wiener, der nach Venedig handelte, müssen wir den Ge-
schlechtern zuzählen*.
Diese ergänzten sich dann weiter aus den durch den Handel reich
gewordenen Zünftischen. Dieser Vorgang läfst sich auf Grund der Rats-
listen ganz deutlich beobachten und er ist für die Zeit von 1380 bis
1420 geradezu charakteristisch. Die Kirchherr, die 1407 nach Venedig
handelten, waren 1388 und 1390 noch zünftig, wanderten aber schon
1427 mit den Geschlechtem aus'^, ebenso wurden die Winterberg, die
später Handel mit Venedig trieben •, 1385 in die Geschlechter aufge-
nommen. Die Ehinger, zünftischer Abstammung, erwarben zuerst die
Stadtammannswürde, seit 1431 erscheinen auch sie unter den Ge-
schlechtern.
Vor allem aber kam aus den Zünften in die Geschlechter hinüber
die Familie, die für den Aufsenhandel von Konstanz die gröfste Be-
deutung hatte, es sind die Muntprat. Von den drei Brüdern vertraten
Lütfried und Hans im Rate Geschlechter, während Konrad erst 1390 aus
den Zünften hinübergenommen wurde und noch lange ein armer Zweig
dieser Familie in den Steuerbüchern erscheint Die Zunftrevolutionen
von 1370 an hängen fast alle mit diesen Verschiebungen innerhalb der
Geschlechter zusammen. Die von 1420 und 1429 gehen geradezu daraus
hervor. Es ist uns ausdrücklich bezeugt, wie ungern die Zünfte es
sahen, dafs die angesehensten der eigenen Mitglieder danach strebten,
in die Zahl der Geschlechter und in ihre Gesellschaft zur Katze aufge-
nommen zu werden '^. Die Katze hatte plutokratische Tendenzen, die
Zünfte standen für das Geburtsrecht, 1420 erfolgte das Verbot des Über- (
tritts aus der Zunft, doch die Geschlechter und die neuen Freunde '
' Zeitschr. f. Gesch. Oberrh. 4, 44.
2 Urkunden Nr. 345.
» Zeitschr. f. Gesch. Oberrh. 4, 43.
* Speiser seit 1368, Wiener seit 1376 nachzuweisen.
* Zeitschr. f. Gesch. Oberrh. 4, 29 f. Ruppert 147.
« Vgl. oben S. 519.
■^ Vgl. vor allem den Spruch bei Ruppert 345 u. 349. Die Chronik des Zunft-
meisters der Wollenweber in Rupperts Konstanzer geschichtl. Beiträgen 4, 118.
ß08 Dreiundfünfzigstes Kapitel.
kümmerten siph nicht darum und so brach 1429 die schwerste aller
Konstanzer Zunftrevolutionen aus, bei der fast die gesamten Geschlechter
auswanderten. Bisher hat man diesen Aufstand nur unter politischen
Gesichtspunkten betrachtet, man hat auch gesellschaftliche erkannt, doch
auch wirtschaftliche fehlten nicht. In die Periode dieser Streitigkeiten
mufs nämlich der Beschlufs fallen, die Handelsgesellschaften abzuschaffen;
in der Hoffnung, dafs auch andere Städte ebenso vorgehen würden, war
er gefafst worden. Die Angabe des Ratsbuches zum 16. Juli 1425, dafs
Ltitfried Muntprat, Ulrich Ehinger, K. Winterberg, Jakob und Hans
Appentegger, Dietrich Schilter, Ulrich Steinstrafs, Philipp Nätei', Antoni
Geisberg, Heinrich Kraft und Ulrich im Holz schwuren, innerhalb andert-
halb Jahren „von der Gemeinde zu lassen" *, bezieht sich unzweifelhaft
auf dieses Verbot. Darf man die Vermutung aussprechen, dafs in diesen
Personen die Glieder der Muntpratschen Gesellschaft zu sehen sind, da
später einige in der mit der Muntpratschen Gesellschaft verschmolzenen
grofsen Ravensburger Gesellschaft wieder auftauchen? Bei der Gesell-
schaft des Konrad Winterberg, Ulrich im Holz und Ulrich Steinstrafs
hatte Christoffel GrUnenberg 1426 eine Einlage von 1300 rh. Gulden.
Die Urkunde spricht in etwa, aber nicht entscheidend gegen die Ver-
mutung^. Wäre sie richtig, so hätte die Gesellschaft Geschlechter und
Ztinftische vereint; wie jener Spekulant Ulrich im Holz, seines Zeichens
ein Färber, ein Zünftischer war, der 1435 entwich®. Fast alle diese
Leute erscheinen in den nächsten Steuerlisten mit stets z. T. schnell
wachsendem Vermögen.
Allein Konstanz blieb mit dem Experiment allein, die Gewerbe
wurden von Konstanz fortgezogen und die Einnahmen aus dem Kauf-
haus gingen zurück, so dafs dem Rate und der Gemeinde nichts anderes
übrig blieb, als 1429 den Kauf leuten die Gesellschaften unter sich und mit
Fremden wiederum zu gestatten*. Das geschah schon, bevor jener Auf-
stand ausbrach. Auf dasselbe Ziel, den Reichen entgegen zu treten, lief
der Beschlufs hinaus, dafs in Zukunft nicht mehr die Stadt, sondern die
Kaufleute die Kosten des Mefsgeleites tragen sollten.
Es trieb zu dem Aufstande — so scheint mir — doch auch ein
Gegensatz zwischen den Arbeitern — deswegen beteiligten sich die Leine-
weber so stark — und den Händlern. Doch das Eingreifen König Sieg-
munds nahm den Zünften den Sieg. Die Arbeitnehmer hatten den
* Ruppert, Chroniken 393.
■ ZinBbrief von 1426 Oktober 29, mitgeteilt von Leiner. Die drei handehi : für
sich und ihre gemeine Gesellschaft, die also noch mehr Teilhaber enthalten haben kann.
* Gothein 523.
* Urkunden Nr. 356.
Konstanz.
609
Kürzeren gezogen und die Aufhebung der Leineweberzunft war die
Rache der Geschlechter.
Die plutokratischen Tendenzen, die die Reichen mit den Geschlechtem
zusammenführten, erweisen auch die Steuerlisten; aus den ältesten von
1418 und 1422 gebe ich nachstehend ein Verzeichnis derjenigen, welche
über 6 500 ^ hl. versteuerten. Man sieht , dafs zu dieser Höhe nur
wenige von den alten Geschlechtern heraufragen ^ recht viele der Empor-
gekommenen sind bereits aufgenommen^, unter den reichsten sind aber
auch solche, die zu den Zünften gehören^. Dem Gegenstand der Ver-
mögensverteilung müfste eine Specialuntersuchung gewidmet werden.
1418
AUe über 6500 U Besitz
liegend
« hl.
fahrend
Zusammen
^ h\. \ U hl.
Steuer
U ß \A,
•Lütfr.Muutprat u. s. Brud.
fHan» V. Schwarzach. . .
fCünrat v. Hoff
♦Heinrich Muntprat . . .
die V. Heudorf (Landadel).
♦Cönrat Stickel
Heinr. Ehinger, Ammann .
Ulr. 11. Hoiur. Grünenberg .
* Peter Sonnentag ....
sStoffel Zipp
'Ulrich Schatz, Vogt . . .
*Jakob Schwarz
Hflrufs
* Kirchherren. . . . . .
Berth. Ehinger
fDrei Stofacker u. i. Mutter
♦Anna u. Hans Cünr. Egli .
+Mangolt
fJakok V. Ulm
♦Ludwig Muntprat ....
fHeinr. Schilter
t Heinrich v. Ulm
fBalth. Engelli
♦Felixin
Walherin u. ihre Tochter.
Schultheifs
7 500
7 600
8000
4000
3 700
1000
6 700
6 000
5 200
1600
2 700
4000
2 700
4000
1200
2 900
4 000
4 400
6300
3200
2 360
1360
1700
2 750
1300
2100
37 500
10900
10400
12 000
9800
12000
5 500
4 500
5050
8400
7 300
5 600
6500
5160
7 780
6 000
4 800
4300
2200
5 000
5 060
5 740
5 300
4200
5 500
4600
45 000
18 500
18400
16 000
13 500
13000
12 200
10 500
10 250
10000
10000
102 —
40 —
24 —
:^ 10
45 —
34* 10
24 —
20 10
21 —
25 —
23 —
9 600
9200
9160
8 980
8 900
8800
8 700
8 500
8200
7420
7100
7000
6950
6800
6 700
21 —
25 —
19 12
23 —
20 10
18 10
18 —
12 6
18 —
19 8
34 —
16 16
15 —
17 -
15 —
177 350
112410
289 760 26 Parteien
^ Mit einem t bezeichnet; * bezeichnet: *; ' bezeichnet:
Schulte, Geseh. d. mittelalterl. Handels. I.
89
610
Dreiundfunfzigstes Kapitel.
1422
Alle über 6500 ü Besitz
liegend fahrend
« hl.
a hl.
Zusammen
« hl.
*Lütfrid u. Hans Muntprat
fJo. V. Schwarzach. . . .
♦Stickel
f H. V. Ulm
<^Schatz [Cftnrat]
fBnin V. Tettikofen . . .
Heinrich Ehinger, Ammann
fPfefferhartin
fHürufs
Grünenberg
*H. Muntprat
«^ipp
*P. Sunnentag
tdie V. Hoff
Grünenbergin
«"Hans C. Stoffacher . . .
tC. Mangolt
Reinbolt Stark
*Han8 Cäurat Egli ....
tH. Schiltar
fSchultheifs
«^Stockrümcl
tUlr. Schilter
♦Cänr. Egli
♦Felix
9000
8 000
1000
13400
4 600
7 600
7 600
13 000
3130
2690
4000
3000
6300
6050
1300
3200
4400
700
3000
2400
2 750
2000
3200
2000
2 750
53000
10 700
17 000
2 700
9 400
5 750
5500
8200
8400
I
7000
8000
4500
4300
7 800
5 700
4 300
7 300
5000
5200
4800
5 500
4000
5000
4200
62 000
18 700
18 000
16100
14000
13 350
13100
13 000
11330
11090
11000
11000
10800
10350
Steuer
U ß ^
9100
8900
8 700
8 000
8000
7 600
7 550
7500
7200
7000
6950
131
40
48
26
32
26
25
19
27
26
24
26
19
20
10 —
10 —
10 -
10 —
7 6
10 —
23
20
18
21
18
16
17
17
15
16
14
10 —
16 —
10 —
233820
86 500
320320
25 Parteien
Bei der grofsen Bedeutung des muntpratischeii Geschlechtes für die
Handelsgeschichte war es mein Wunsch, auf der Stammtafel zu zeigen,
wie sich ihr Blut verzweigte und wie durch Erbgang von ihnen Anteile
an der grofsen Ravensburger Gesellschaft sich vererbten. Allein ich
mufs den Versuch aufgeben, da das Material, so umfangreich es ist, doch
nicht überall die Lücken ausfüllt. Glücklicherweise können wir den
Stammbaum für die Zeiten, in denen die Muntprat ihr Vermögen er-
warben, mit ausreichender Sicherheit angebend Der Name, der auf
^ Vgl. beifolgende Tafel. Sie beruht auf den KoUektaneen Kindler v. Knob-
lochS) den Notizen Leiners^ den eigenen Sammlungen aus den Archiven in Konstanz
und Karlsruhe, wie der Litteratur.
i
i
Das Cursive nach den Steuerlisten.
i
t
l.
Johannes,
1365. 1388. 1404; seit 1377 im Rat.
Starb 1417? Ratsliste.
Bintporterthor,
Einziger Sohn:
Heinrieh,
1404, stirbt 1432,
wandert 1429 nach SchafFhausen.
Seine Witwe verschwindet 1436.
EifUporterihar.
Hans,
Bürger 1449^1457^
Verstellen dann nur
noch liegendes Gut,
?
Ulrich.
Conrad zer Sonnet^
1365. 1388. 1404.
1380-1389 unter den Zünfte
seit 1390 unter den GeschL
I
SnetztJior.
?
Ludwig zer Sonm
1417 Stiftung, 1431 U
In den Listest sehr unregt
offenbar früh von Konstai
Zahlen zunächst nur vom Ha\
1447 y dann gar nicht.
Alber.
Conrad d. j. z« Steinbock,
1431, t 1478. sti
ux.:? von Roggwil.
?
ob Salenstein.
»rf,
?
Heinrich Ludwig
z. Spiegel- z. Spiegel-
berg, berg,
lebt 1485. 1465,
tot 1485.
Jakob,
ux.: Marg.
V. Ulm,
1465.
Tochter, Snetzthor
mar.: Ludwig Bad.
Nithart, Rudolf,
t 1479.
1465.
Ruland, Jos,
1485. 1485.
at.
^akob
tenstein.
\
Konstanz. gH
romanische Abstammung oder Aufenthalt deutet, taucht zum ersten-
mal urkundlich 1354 auf. Von ganz hervorragender Bedeutung ist es
nun, dafs in dieser Urkunde Heinrich Muntbrat als KavoerBe bezeichnet
wird. Da die Gawerschen, wie oben gezeigt, so gut wie ausnahmslos
aus Asti oder Chieri stammten, so dürfen wir dort auch wohl die Heimat
der Muntprat suchen. Freilich kann ich weder den Familiennamen noch
das Wappen noch endlich einen Ortsnamen in der Gegend von Asti
nachweisen. Die Untersuchung italienischer Lokalforscher mufs da ein-
setzen ^ Diesem Heinrich dürfen wir wohl als Söhne die drei Brüder
Johannes, Konrad und Lütfrid zuschreiben. Johannes war seitens des
Rates zum Kauf hausbau verordnet ^. Johannes und Lütfried hielten sich
zusammen, beide vertraten seit mindestens 1377 im Rate die Gruppe
der Geschlechter, während Konrad zer Sonnen anfänglich noch Zünftler
war. Das Testament von Hans spricht klar die Absicht aus, dafs das
Vermögen beim Mannesstamme verbleibt®. Auf Lütfrids Söhne, Lütfirid
und Hans ging der Handelsgeist ihres Vaters über und obwohl Hans
schon zwischen 1422 und 25 starb, blieb das Gut bis 1433 ungeteilt.
Erst 1447 starb Lütfrid als einer der reichsten Kaufherrn Deutschlands^.
Dafs Johann (ob der ältere oder jüngere, ist fraglich) 1404 in
Venedig Wechsel einkassierte, die Johann Slatter und Lütfrid Bettminger
in Brügge gekauft hatten, wissen wir aus dem Schultheissischen Formel-
buch'^. Dieser Bettminger, dessen Vorname ja in der Familie Muntprat
wiederkehrt, war ein Faktor des Johannes Muntprat, er hatte in Venedig
einen andern Wechsel gekauft^. Im Handel nach Katalonien haben wir
Lütfried schon früher gesehen und wir wissen bereits, dafs er mit seinem
Bruder Johann 1408 von Korsikanern gefangen wurde''.
Wenn wir also einen Handelsbetrieb in Flandern, Spanien und
Venedig nachweisen können , so dürfen wir die Muntprat wohl als Grofs-
kaufleute ansprechen. Und das waren sie in der That« In der ältesten
Konstanzer Steuerliste von 1418 erscheinen als weitaus die reichsten
die Brüder Lütfried und Hans, deren fahrende Habe sich allein auf
37500 U belief — ein Mobiliar- und Geldbesitz von enormen Umfange
für die damalige Zeit.
^ Der Name : Muntprat, Montprat, Momprat u. s. w. ist in den Ortslexiken nicht
zu finden.
2 Mit Albrecht Blarer und Bretzeli Sayler. Konst. Ratsbuch S. 351.
3 Urkunden Nr. 349.
* Er war Familiäre König Ruprechts, s. oben S. 544. Auch war er 1424 Bau-
meister der adligen Gesellschaft zur Katze. 1443 war er Bürgermeister, 1418 zweiter
und 1444 Vogt, im Rat safs er so gut wie ununterbrochen.
"* Zeitschr. f. Gesch. Oberrh. 4, 29.
« Ebda. 4, 30.
•^ S. oben S. 544.
39*
612 Dreiund fünfzigstes Kapitel.
Mir liegen Auszüge über die sämtlichen muntpratisehen in Konstanz
versteuerten Vermögen bis 1499 vor, die ich der Güte des Herrn Stadt-
archivar Leiner verdanket Das eben erwähnte Vermögen stieg von
1418 bis 1433 — so lange blieb es ungeteilt — von 45000 auf
95000 W hl., diese Ziffer wurde schon 1431 erreicht, die beiden Munt-
prats, Oheim und NeflFe, verfügten über 79000 ii Mobiliarbesitz. Seit
der Teilung 1433 stieg die Summe beider Vermögen bis 1447 auf 132464.
In der Zwischenzeit liegen starke, meist auf beide Vermögen sich er-
streckende Schwankungen, die uns beweisen, dafs beide noch im Handel
thätig waren. Lütfrid hinterliefs 71 400 « (davon 61 740 Fahrhabe).
Das Vermögen schwoll also enorm in der Zeit von 1418 — 1431 und
33 — 35 an, ein Rückschlag &llt in das Jahr 1436, es ist das Steuerjahr
nach jenem, in welchem Ulrich im Holz mit Hinterlassung einer Schulden-
last von 80 000 fl. entwich. Dieser Bankerott traf Konstanz sehr schwer,
von da ab steigt das Vermögen wieder langsam.
Um dieser Ziffer ihre Bedeutung zu geben, lohnt es sich wohl ein-
mal nach den reichsten Leuten anderer Städte Umschau zu halten. Aus
dem benachbarten Ravensburg liegen Steuerlisten von 1473, 1482 und
1497 vor^. Nur ein einziges Mal erreicht das versteuerte Vermögen die
Summe von 10500 ^ ^ = 21000 « hl. Es war Jos. Huntbis alt, der
so viel entrichtete. Also die Häupter der grofsen Ravensburger Ge-
sellschaft konnten auch in ihrer Blütezeit sich mit den Muntprats nicht
messen. Der reichste Bürger Berns versteuerte 1389 nur 8000 W ^*.
In Basel zahlte 1446 der Höchstbesteuerte von einem Vermögen von
14400 fl. , es folgte ein zweiter aus den Geschlechtern mit 14000 fl.
und dann einer aus der Zunft der Schmiede mit 13000 fl.*. Die ülmer
Steuerlisten von 1427 und 1499^ enthalten keine Fasionen, sondern nur
den Steuerbetrag. Da aber nach KöUe* in Ulm als Steuerfufs ein Heller
von €6 Wertes der Immobilien, zwei von der Mobilien galt und das
einen Vergleich mit der Konstanzer Steuer aushält, die eben so teilte,
freilich 1435 z. B. zu einem dreimal so niedrigen Satz (1 hell, von liegend.
Mark = Q €6 hl. = 3 W. ^, 2 hl. v. d. fahrenden in Konstanz, *.2 hl.
1 Die Steucrlisten beginnen erst mit diesem Jahre, haben anfangs auch noch
einige Lücken. Die richtige Ordnung habe ich bei der Benutzung hergestellt, früher
machten Listen aus dem Anfang des sechzehnten Jahhunderts den Beginn.
2 Vgl. Tabellen II, III, IV.
3 Vgl. Welti, Die Teilbücher der Stadt Bern aus d. Jahre 1389. Archiv
des bist. Vereins Bern 14, 700.
* Schönberg S. 287. In Konstanz galt der rhein. fl. damals lAß^, es waren
also 14 400 fl. = 10 080 ÄJ ^ = 20 160 ^ hl.
'' Vgl. Tabellen V, VI, VII.
* Ursprung u. Entwicklung der Vermögenssteuer in Ulm. Württemb. Viertel-
jahrshefto N. F. 7, 16 f.
Konstanz.
613
vom a liegend, 1 hl. vom ü fahrenden in Ulm), so hätte Ltltfrid dem-
nach in Ulm 257 «J 5 / -f- 20 «J 2 Jj 6 »)= 277 ^ 7 jS 6 h hl zahlen
mtlssen. Die reichsten Ulmer, Peter Stöbenhaber und die Witwe Hansen
Stöbenhabers zahlten 1427 nur 102 ü hl. ^
IL Ravensburg 1478.
Zusammen
Steuer
Jos Huntbiss alt . .
Clementz Ankenrüte
Conrad Huntbiss . .
Jakob Huntbiss . .
Wilbalm V. Nidegg.
Hans Huntbiss . . .
Frick Huntbiss jung
Jos Huntbiss jung .
3000
1473
307
2 720
1748
1754
2068
1668
7500
4 283
4987,
2 414
3:S40
3200
2 630
2 733
10500
5 756
5294
51:34
5088
4 954
4 698
4391
37 11 6
20 19 10
21 9 11
15 16 -
17 12 8
16 6 3
15 6 10
14 18 9
I
Alle über 4000 ü , ohne Einträge Noferus Huntpis, pueri Fricken Huntpis und
R&dolf M/^ttelin, der für vergangene Steuern 120 fl. zahlt.
IIL Ravensburg 1482.
Zusammen
Steuer
Wilhelm v. Nydegg . .
relicta Conrat Huntpiss .
Jacob Humpis
Clementz Ankeruti . . .
Honoffer Humpis ....
2422
561
3150
1371
2894
4 560
5 923
2108
3816
2195
6 982
6484
5 2.58
5187
5089
24 2
25 18
15 8
18 16
15 5
5
8
5
8
Alle über 4000 ^. Es sind keine Fasionen angegeben bei Hans Humpis (Steuer
28 Gulden), Frick Humpis (20 Gulden nicht mehr). Elfs Humpissin und relicta Wil-
halm Hompis. Steuern schuldeten: Pueri Jos Hompis 70 Guldin.
IV. Ravensburg 1497.
liegend
fahrend
Zusammen
Steuer
ü ^
relicta Wilhalm v. Nidegg
relicta Cünrat Humppis.
C anrät Gäldrich ....
Hans Humppis jung . .
pueri Onoffrius Humppis
Jacob Humppis alt . . .
620
2 556
2000
2800
3156
3000
6 948
6 908
3200
1581
1043
1160
7 568
9464
5200
4 381
4199
4160
30 6 4
34 3 8
17 11 2
12 10 1
10 19 11
11 3 2
Alle über 4000 il. Ohne Eintrag Hansen Besserers erben.
^ Die Voraussetzung, die ich hier nicht prüfen kann, ist die, dafs 1427 in der
That nach dem von Kölle angegebenen Satze erhoben wurde. In Augsburg steht
614
Dreiundfünfzigstes Kapitel.
V. Ulm 1427.
n hl.
Peter St/^benhaber und Hansen
St. Witwe 102
H. V. Güutzburg, sin muter . 62 7 —
Claus Üngelter, Bürgermstr. . 46 9 —
Peter Leo v. Giengen. ... 44 12 —
Alt Hartmann Ehinger ... 43 10 —
Peter Ungelter 40 12 —
Hanz RIntz alt 40 12 —
Hans R§ntz alt 39 5 —
Jos Stammler 37 19 —
Hannsen Heidens Kind ... 35 14 8
Lutz Kraft 34 10 —
C. Karg ;33 7 —
Die V. Haspurg 31 18 ~
Chuntz Kraft 29 19 —
Jörg Bessrer 29 7 —
Jos Bitterlin 29
Chünrat Schlieher 27 11 —
Peter Ehingerin Witwe ... 27 11 —
Ytal V. Werdnaw 26 16 6
Peter Wis 26 5 —
Alle über 25 U Steuer.
VI. Ulm 1499.
U hl.
Giengerin 122
Vier Lebzeller 120 15 —
Lutz Rott 116 12 9
Mattheus Lupjn 113 15 —
Hannzelerin Witib 102 12 —
Rourin Witib, Marx Wech, .1
Hanns Rorer } ^^ ^ ^"
Ulrich Scherman 93 9 —
Lieberin Witib 80 5 10
Herwartin Wittib 75 6 9
Ulrich Ehinger 73 5 5
Walther Ehinger 70 19 3
Brosy Rotten Wittib .... 70 7 6
Wilhelm Ort 67 4 —
Vitt Rädolff 57 15 —
Danie Schlicher 57 15 —
U hl.
Sigmund Stainler u. s. Bruder 55 1 9
Hainrich Nithart 52 5 6
Jörg KöUy 50 10 —
Lienhart und Ludwig Brem. 49 5 10
Bartholome Rott 47 8 8
Weybrecht Ehinger 47 6 4
Wirkmanne 47 2 —
Matheus Gienger 45 10 —
Hanns Mefslin 44 12 6
Gunczburgerin 44 2 —
Caspar Rennbolt 42 12 —
Bernhart Ram 42 5 10
Jacob Gienger alt 42
Danel Bessrer 41 2 6
Koboltin Wittib 40 19 -
Koboltin Wittib 89 13 —
Jeronimus Gienger 38 10 —
KraflFte Wittib 37 3 9
Hai. Krafft 36 16 6
Doctor Mathias Nithart ... 36 15 —
Kranig Secken(?) 35 17 8
Jacob Gregk 35 11 1
Hans Lew 35 5 —
Cles Gregk 35
Jakob Ehinger 35
Hans Ehinger, Bürgerm. . . 32 16 3
Hans Rem 32 9 —
Marx Herwart 32 1 8
Huzze Wittib 30 18 10
Wilhalm Bessrer 30 12 6
Jacob Ehinger, Burgerm. . . 30 10 8
Kiene Wittib 28 7 —
Hanns Bück 28 5 —
Hainr. Gunczburger 28
Heinrich Besserer 27 8 I
Wilhalm Krafft 27 5 —
Jörg Bessrer 26 19 7
Matheus Lupin jung .... 26 17 3
Anthonius Ungelter 26 7 10
Bessingerin Wittib 26 3 2
Enly Krafft 26 1 6
Jacob Beunlin 25 10 —
Doctor Wespach 25 4 5
Martin Scheler 24 10 —
1428 mit 62 fl. 1 Ort Peter jung Egen an der Spitze. Doch kenne ich auch da den
Satz nicht mit Sicherheit. Vgl. Schulte, Wer war um 1430 der reichste Bürger
in Schwaben und in der Schweiz (Deutsche Geschichtsblätter 1900 Heft 9).
Koustanz.
615
Das Vermögen des reichen, in St. Gallen steuernden Lütfrid Mötteli,
von dem wir noch sprechen werden, betrug 1480 : 13300 €6 ^ =
26600 ÄJ hl., der Schultheifs Hasfurter von Luzem versteuerte 1461:
12 000 fl. und in Zürich betrug 1467 das gröfste Steuervermögen
19 199 (t (^ oder hl.). Auch das kam, selbst wenn es sich um Pfennige
handelt, nicht entfernt an das Ltitfridsche Vermögen heran*.
Florenz hatte freilich noch viel reichere Leute in seinen Mauern ; Palla
Strozzi, der steuerkräftigste Mann der Stadt, besafs 1427 101 400 florentiner
Gulden und zahlte 507 Gulden Steuer^.
Das in Konstanz versteuerte Vermögen der verschiedenen Muntprats
veranschaulicht folgende VII. Tabelle.
Parteien,
zahl
liegendes
fahrendes
Zusammen
Bemerkungen
3
1418
14 700
+ 54 500
— 69 200
2(3)
1422
13 000
+ 60000
= 73000
ein Vermögen nicht angegeben.
2(3)
1427
20000
+ 62800
— 82 800
ein Vermögen nicht angegeben«
3
1431
21100
+ 85 400
=-106 500
4
1435
28400
+ 108 300
== 136 700
4
1440
23402
+ 105 907
— 129 309
2(3)
1444
20 860
+ 111 604
— 132 464
ein Vermögen nicht angegeben«
2
1448
20300
+ 114764
==135 064
3
1452
27 404
4- 129 827
— 157 231
6
1457
41395
+ 128154
— 169 549
6(7)
1462
31728
+ 69 283
— 101011
ein Vermögen nicht angegeben.
5(7)
1467
32 674
+ 51992
— 84 666
zwei Vermögen nicht angegeben.
6
1472
33809
+ 58 736
= 92 545
7
1477
37 496
+ 69494
-106 990
7
1482
44 873
+ 73 922
— 118795
6
1487
35 454
+ 48 250
= 83704
7
1492
4;3 950
+ 63 652
= 107 602
3(5)
1499
1800
+ 29 000
= 30800
u. feste Steuern V. Grundstücken.
Aus ihr wird sofort deutlich , dafs trotz kleiner Gegenschläge der
Immobiliarbesitz der Familie wächst, der Mobiliarbesitz steigt rapide bis
1452, um dann mit kleinen Schwankungen bedeutend zu sinken. Ein
eingehender Stammbaum würde uns die Gründe enthüllen.
Schon 1429 verschwindet Heinrich Muntprat aus der Stadt und es
ist mir zweifelhaft, ob je Nachkommen von ihm wieder dahin zogen.
Das Beispiel wiederholt sich, es entstehen die grofsen landadligen
Linien der Muntprats zu Spiegelberg, Lommis, Zuckenried, Rosenberg
und Weinfelden, sie entfremden sich der Heimatstadt wie dem Handel.
* Diese Angaben nach Durrer, Geschichtsfreund 48, 140.
'^ V. Reumont, Lorenzo 1, 42.
QIQ Drciundfunfzigstes Kapitel.
Das Geld wird mehr und mehr in Grundbesitz angelegt^ und immer
mehr verschwindet der persönliche Anteil an dem Geschäftsleben. Aus
den Steuerlisten ist auch bei den einzelnen Mitgliedern der Familie nicht
mehr ein Wachsen oder Vermindern aus Geschäftsgewinn zu ersehen,
einzelne einigen sich mit der Stadt auf eine feste Steuer. Die stolzen
Zeiten des Kaufmannshauses sind vorbei, es haben jene begonnen ^ wo
sich die Muntprats als Adlige fühlen. Als solche haben sie keine
Rolle gespielt, im Jahre 1653 wurde der letzte seines Stammes in der
St. Paulskirche beigesetzt, wo die Familie 1417 eine Altarpfrtlnde er-
richtet hatte ^.
Ein Denkmal würdiger Art hat Johannes Muntprat zum Kameel er-
halten; das Domkapitel hatte ganz gegen den Gebrauch® Hansen ver-
stattet, erst im Schiffe des Domes selbst, dann in einer Seitenkapelle
neben seiner Gemahlin Osanna von Helmsdorf die letzte Ruhestätte zu
suchen*. Eine Bronzeplatte von hoher künstlerischer Vollendung ziert
sie noch heute — ein Beweis, dafs auch dieses Kaufmannsgeschlecht
Sinn für das Schöne besafs^.
Selbstredend hatte der benachbarte Adel kein Bedenken, sich Töchter
aus diesem Hause zu holen, wichtiger aber sind die Angaben über Ver-
schwUgerungen mit den Kaufherrenfamilien von Ravensburg, doch ist
davon erst im Zusammenhange mit der grofsen Ravensburger Gesell-
schaft zu reden, in die das Muntpratische Geschäft aufgegangen zu sein
scheint.
Nächst den Muntprats interessieren besonders die Fry, die als
Faktoren der grofsen Gesellschaft in Mailand und Genua eine grofse
Rolle gespielt haben. Die Namen Heinrich, Ulrich und Jakob habeq
wir oft zu nennen gehabt. Auch sie gehörten einem Konstanzer Patrizier-
geschlechte an, das zeitweise in Lindau seinen Wohnsitz aufschlug*^.
Im vierzehnten Jahrhundert waren die Fry sehr wohlhabend ^, im folgen-
* Schon 1365 wurde Sandegg gewonnen, 1419 die Burg und Herrschaft Alten-
klingen (bis 1440), 1464 die Herrschaft Spiegelberg.
- Andere Stiftungen daselbst, im Münster und bei den Predigern sind jünger.
^ Selbst adligen Laien wurde dasHegräbnis dort nur ganz ausnahmsweise gestattet.
* Urkunde von 1474 Stadtarchiv Konstanz. Hans errichtete dort zugleich eine
Pfründe.
'^ Der obere Teil der Platte mit Namen und Wappen war völlig zerstört, als
1881 eine Erneuerung erfolgte. Ein Zweifel an der Zugehörigkeit ist durch die er-
haltenen Wappen Muntprat und Helmsdorf ausgeschlossen. Vgl. auch Kraus, Kunst-
denkmäler 1. 178.
® Vgl. Kindler v. Knobloch, Gesclilechterbuch Art. Frei. Es gab in Kon-
stanz auch eine Metzgerfamilie Fry.
' Urkunde Nr. 340. Hans, Claus und Frick hatten nach der Liste der Rosse
1388 sieben Pferde im Werte von 240 fl. zu stellen, die v. Ulm stellten vier Pferde
Konstanz. (}17
den Jahrhundert erscheinen sie stets nur mit minimalen Steuerbeträgen in
den Listen, der Kredit, den sie wie so viele andere Konstanzer König
Siegmund gewährt hatten, wird auch wohl ihnen teuer zu stehen ge-
kommen sein ^ Grundbesitz haben sie später keinen mehr^, und ich
kann mir dafür keine andere Erklärung verschaffen, als dafs sie fast ständig
in Italien bez. Spanien lebten und zu Hause nur so viel versteuerten, um
das Bürgerrecht aufrecht zu erhalten. Hans Fry wurde 1441 Bürger in
Ravensburg.
Am Handel hatte früh grofsen Anteil die Familie im Steinhaus*.
Sie betrieben 1410 ein Geschäft in Barcelona und schon 1381 waren sie
viel in der Fremde, sie scheinen mit Goschman Schalapri zu einer
Gesellschaft verbunden gewesen zu sein*. Sehr vermögend war diese
gleichfalls zu den Geschlechtern gehörige Familie nicht, auch hier be-
gegnet, wie bei den Frys gelegentlich in den Steuerbüchern die Notiz
dedit oder dedit uff rechnuug, ohne Fasion des Vermögens , die wohl auf
Abwesenheit aufser Landes deuten*. Seit 1461 ist Thomas als Faktor
der grofsen Ravensburger Gesellschaft nachzuweisen, 1480 wurde er in
Ravensburg auf fünf Jahre als Bürger aufgenommen ; noch einflufsreicher
war Klaus, dessen Vermögen bedeutend anwuchs und der in Konstanz das
Haus der Humpiss bewohnte*. Wir werden später sehen, dafs noch eine
Reihe von andern Konstanzern Anteil an der Ravensburger Gesellschaft
hatten.
Zu den Konstanzern, welche Simonsfeld im Handel nach Venedig
nachgewiesen haf, sind zunächst die 1314 bei Padua ermordeten hinzu-
für 200 fi., dann folgen die drei Miintprat mit vier zu 150 fl., Albrecht Blarer und
Raiscr mit je drei Rossen zu 120 fl., die im Steinhaus stellten zwei zu 70. Ältestes
Ratsbuch.
» Konrad Fry hatte für 2312 rh. fl. Bürgschaft geleistet. Altmann 3455. 3711.
8238 u. 9082. Seine Weinlieferanten waren Ulrich Lind, Ulrich im Steinhaus und
Heinrich von Ulm. Waren es Südweine V Altmann 2070 f. 2347. 2835.
'^ 1418: Claus Frig 2500+ 1900 = 4400 W h.: Hans Fryg 3200+ 1200 = 4400-,
1422: erstcrer 2500+ 1200 = 3700; 1427: 2500 + 300 = 2800; Hans Fr. 2050 + 800 =
2850; 1465: Jacob 900 + 900 = 1800; 1466: 840 + 900; Hans F. 140; Hain. 100; 1474:
Hainr. Fryen wib 60. Es ist äufserst schwer, die verschiedenen Familien Fry aus-
einanderzuhalten.
^ Auch für sie standen mir die Kindler v. Knoblochschen Sammlungen zur
Verfügung.
* Urkunden Nr. 342.
«^ Ulrich 1418: 3000; Polay 1422: 2000+ 1500; 1466: Steinhusleri 1800.
6 1474: 1000 /? ; 1484: 1418; 1500: 5716; 1504: 7707; 1508: 8028 in „des
Humpifs Haus" ; 1520: 1825 + 8707 = 10 532.
' 2, 64. 1341 Thomas und Matthäus, 1366 Konrad Bader und Johannes 6um-
post, 1368 Heinrich Flauer (Blarer) und Walter Aufert, 1410 Johann Wagenmann
und die oben angebenen.
618 Dreiundfünfzigstes Kapitel.
zufügen. Auch führte schon 1269 ein Konstanzer den Namen Ounradus
de Venetiis^ der Name Hugo der Venedier kommt bis 1296 vor*. Der
einzige Rest eines Konstanzer Geschäftsbuches aus dem Mittelalter be-
zieht sich ebenfalls auf Venedig. Der Konstanzer Kaufmann schickte
1320 100 Leinentlicher in fünf Fardeln nach Venedig, nach einem
unbenannten Orte Tuche von Löwen, Mecheln und Ypern. Der Name
des Bruders des Kaufmanns war Werner, er findet sich sowohl bei der
Familie Appenteger wie Underschopf^. Zwischen einem in Venedig
wohnenden C. von Pfullendorf und dem Konstanzer Stlnder spielt sich
ein Streit ab®, von besonderem Interesse ist, dafs sich um die gleiche
Zeit in Konstanz ein Färber aus Venedig befand, der von einem Kon-
stanzer Färber in Dienst genommen war, diesen drei Farben zu lehren.
Der ungetreue Venetianer hatte aber seine Kunst auch andere Konstanzer
Meister gelehrt^. Den interessanten Bericht Konrad Messners an den
Herzog von Mailand habe ich schon früher erwähnt , wie die Erlaubnis,
die Konrad Winterberg erhielt, an den Venetianem Repressalien zu
tiben*^. Noch um 1500 waren ^tele tinte dt ogni sorta di Constanea* in
Venedig beliebte Artikel, sie gingen damit auf die unteritalischen.
Messen ®.
Der Schwerpunkt des Konstanzer Handels lag in der Richtung nach
Mailand und weiter nach Genua und Spanien. Ich will die Beweise
hier nicht wiederholen "'. Ein >Hänslt von Mailant, der 1382 in Kon-
stanz lebte, war auch mehrfach im Rate.
Von Como siedelte das Geschlecht der Gall mit Bemhardin 1501
nach Konstanz über, Bernhardin behielt dabei sein Bürgerrecht in Mai-
land®. Ein anderer Zweig blieb in Como wohnen. Beide betrieben
gemeinsam Geschäfte, der Konstanzer Zweig trat aber bald in den Land-
adel über®. Auch die Croaria stammten aus Italien.
Noch andere Welsche lebten in Konstanz, mitunter bedenkliche Leute ^^
* Kindler v. Knobloch 1, 346. Schriften d. Vereins f. Gesch. d. Boden-
sees 4, Regesten S. 10. Siegel bei v, Weech, Abbildungen Heft 2.
3 Urkunden Nr. 339. Beyerle zum Jahre 1347.
« Urkunden Nr. 341.
* Urkunden Nr. 346.
6 S. oben S. 519.
« Pasi Bl. 108.
"^ Vgl. Genua, Spanien, Mailand, Mirandola, Rom.
^ Staatsarchiv Mailand B.eg. Panigarola K Fol. 158 zu 1511. Mitteilung von Motta.
^ Kindler v. Knobbloch 1, 419—423. Ein Kreditiv von Konstanz für
Sebastian Geisberg in Sachen des Niclas Gall an Herzog Franz IL von Mailand im
Mailänder Staatsarchiv.
^^ Über die Astigianen s. oben und Urkunden Nr. 358. Vgl. auch Ruppert,.
Chroniken 388. Hinrichtung des Walchen Jacob Perit.
M
Koustanz. Q\Q
Die Richtung Genf, Lyon, Avignon wurde von den Konstanzern ebenfalls 1
eifrig befahren ^ '
Auch Lothringen, Flandern und die Niederlande fehlen nicht, so
liefs die Witwe Kaiserin in Antwerpen filrben*, und unter den Gnaden,
die sich die Stadt von König Siegmund nach dem Konzil ausbat, fehlt
auch nicht die, dafs sie in Flandern dieselben Rechte hätten, wie die
Kölner und Nürnberger. Von Köln und aus den Niederlanden kamen
Wollhändler nach Konstanz^. Auf der Frankfurter Messe waren Kon-
stanzer regelmäfsige Gäste*, auch den Osten suchten sie auf, wie ein
Konstanzer selbst in Krakau Handel trieb '^.
Einzelne Nachrichten lassen die Richtung der Reisen nicht genau
erkennen; so kamen 1388 Henni Engelli, Frick Barlafs und Ltitfrid
Muntprat aus welschen Landen heim®. Auch bei Jakob Wetzel, Bürger
von Konstanz, und Johann Pfenner, Bürger von Wangen, ist nicht recht
zu erkennen, wo sie eigentlich beraubt wurden'. Hans Minner, ein
Kaufmann >fnt^ speeüj der sich 1438 erhängte, war nach den Chroniken
T^vil stund ennet meres gewesen^ **.
Über die Blüte des Konstanzer Handels giebt die nachfolgende
Tabelle Auskunft. Sie enthält erstens die Angaben über den Ertrag
der Abgaben im Kauf hause ; die Ziffern lassen sich vergleichen , da
nichts darauf deutet, dafs der Tarif geändert wurde. Die zweite Kolumne
bietet die Summe der in einem Jahre bezahlten Steuern ohne die Nach-
zahlungen. Ich habe in diese Liste nur die Jahre aufgenommen, in
denen die Steuer zu demselben Satze erhoben wurde. In den fehlenden
1 Vgl. S. 487—492. Das Schultheifsische Formelbuch enthält auch einen Geburts-
brief für Johannes Wieczingtr in arte pictoria instrudus in dyocesi Nannectensi (Nantes)
commorans. Der Vater war Goldschmied in Konstanz.
^ Vgl. Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 4, 50. 61—67. In Brügge verkehrten
die Konstanzer nach einem Briefe von 1404 ganz regelmäfsig. Die Konstanzer ver-
mittelten auch wohl den Warentransport von Flandern nach Italien. So fuhr Hans
Schlattcr von Konstanz für Wilhelm Rummel und C. Pirkheimer von Nürnberg 1410
46 Sack englischer Wolle durch. Nürnberg, Kreisarchiv, Briefbuch 3 Fol. 60.
3 Vgl. Urkunden Nr. 351.
^ 1428 wurden bei Sinsheim ausgeplündert Hug im Holz und sein Weib, Cunrat
im Holz, Cunrat Schatz und sein Weib und seine Mutter (Vermögen nach der Steuer-
liste von 1429 2080 + 3600 = 5680), Hug Thifer, Berchtoid Vogt und sein Weib (4500
+ 1500 = 6000), Hans vom Feld und sein Weib, Keinbolt Stark (1427: 700+7300),
Caspar von Laupheim (1429: 400+1100), Banthleon zu Flandern. Kuppert,
Chroniken 133.
^ Geleitsbrief im Formelbuch des Schultheifs Fol. 5.
« Urkunden Nr. 344.
■^ Zeitschr. f. Gesch. Oberrh. 4, 63 spricht für Flandern. Die Formel Nr. 25
des Formelbuches aber für Italien.
* Ruppert, Chroniken 201.
620
Dreinndfunfzigstes Kapitel.
Ertrag des Zolles im Kaufhaus und der Steuer
in Eonstanz.
Zoll
Steuer
Zoll
Steuer
Zoll
Steuer
im Kauf-
der
im Kauf-
der
im Kauf-
der
haus
vier Viertel
haus
vier Viertel
haus
vier Viertel
U ß ^
U ß h
U ß h
U ß ^
U ß ^
U ß ^
1418
1414 3 6
1454
624 3
1556 1 11
1486
637 3 —
1234 12
1420
. — — —
1156 1 4
1455
579 18 —
1549 19 2V2
1487
642
1266 10 —
1422
— — —
1292 17 3
1456
514 5 —
1548 7 4V2
1488
672 12 —
1259 19 8
1425
r)32 2-
1199 7 8
1457
520 14 -
1529 8 11
1489
670 8 —
1284 — 1
1426
520 16 —
— — —
1458
620 10 —
— — —
1490
613 5 —
1242 19 3
1427
471 18 6
— .^ —
1459
618 2-
1422 6 ir/a
1491
504
1210 10 5
1428
524 16 —
—
1460
491 16 —
1375 — »/s
1492
576 12 -
1188 15 8
1429
528 1 —
-i_ — -—
1461
596 3-
—
1493
655 12 9
123« - 5
1430
571 6 —
—
1462
686 16-
1338 8 —
1494
669 2-
1203 10 —
1431
631 14 —
1202 9 V«
14(J3
687 7 6 1318 16 7
1495
775 6 —
1203 14 6
1432
599 13 -
1285 14 6
1464
726 2 —
1316 7 2V2
1496
789 2 —
1193 14 9
14;33
492 7 —
1259 11 4
1465
707 4 —
1300 5 9
1497
651 8-
— — —
1434
747 7 —
—
1466
691 16 —
1271 8 7
1498
—
1146 3 1
1435
675 3 —
—
1467
605 18 —
1220— 10
1499
—
1125 9 6
1436
508 2 —
— -^ —
1468
78:^ 13 —
1227 19 9
1500
1437
526 13 -
—
1469
893 12 —
1233 5 10V'2
Mai
—
1052 16 6
1438
530 9-
1357 15 9
1470
836
1317 8 5
No?.
—
1073 9 10
1439
497 17 —
1265 10 1 '
1471
782 6 —
13:38 9 —
1501
—
1074 5 3
1440
553 9 —
—
1472
7:« 15 —
1294 18 7'/2
1502
1061 18 —
1441
()41 18 —
1297 2 9V2
1473
642 4 —
1279 14 IIV2
1504
—
1029 8 8
1442
645 13-
1324 18 4V2
1474
761 6 —
1282 Ö 8'/2
1505
—
1043 16 3
1443
553 1 —
1316 2 10'/2
1475
685 15
1317 6IOV2
1510
—
1092 6 5
1444
471 8 —
— —
1476
518 13 —
1269 16 9V2
1215
—
1093 2 2
1445
517 2
—
1477
576
1273 11 5
1520
—
1152 9 4«
1446
513 3 —
1392 4 6V2
1478
577 2 —
1269 2 IV2
1525
—
1232 — 2
1447
574 6
1421 5 8V/2
1479
660 7 —
1249 12 10
1530
—
1337 15 2
1448
582 16-
1487 19 4
1480
611 13 —
1215 3
15:35
—
1498 3 2
1449
602 5 —
1575 15 5V2
1481
496 10 —
1214 1 -
1540
—
1624 1 10
1450
709 10 —
1565 7 3
1482
453
1183 14 5
1545
—
2032 1 9
1451
732 15
1556 10 5V2
1483
578 3 —
1209 2 11
1550
—
1716 5 10
1452
587 15 —
1561 15 —
1484
687 6 —
1232 4 6
1555
—
1963 15 —
1453
579 17 —
1
1551 10 4
1485
584 11 —
12:U 4 4
1 Bis hierher sind die Summen in U <) aus Ü hl. umgerechnet, zu dem Satze
l ü ^ =2ii hl.
- Von hier ab mufste statt der Summo der vier Viertel die stets etwas höhere
Summe aller Steuereinnahmen, einschliefslich der Rückstände, eingesetzt werden.
k
Konstanz. 621
Jahren war der Steuerfufs höher, selten niedriger. In Konstanz war,
wie schon gesagt, die Steuer von der liegenden Habe um 50 ®/o niedriger,
als die der Fahrhabe, der Satz derselben wurde nach der Mark Ver-
mögenswert berechnet und die Mark = S fiß §) = 6 ^ hl. gesetzt ^
Die normale Belastung war von der fahrenden Mark 2 ^, von der
liegenden 1 ^.
In den Jahren von 1425 — 1450 schwankt der Ertrag des Zolles im
Kauf hause zwischen 471 ^ § (1444) bez. (1427) und 747 fS (1434) bez.
709 fi (1450). Der Durchschnitt beträgt jährlich 566 /JJ § = 1132 (^ hl.
Das Maximum der Periode von 1451—1475 erhebt sich auf 893 f6 (1463),
das Minimum geht bis 491 ۧ (1460) hinab. Der Durchschnitt stieg auf
652 /J5. Die dritte Periode 1476 — 1497 zeigt eine durchschnittliche Ab-
nahme, der Durchschnitt beträgt nur mehr 616 /J5 ^, das Maximum (1496)
ist 789 /JJ, das Minimum (1482) 453 fi. Der gesamte Durchschnitt der
Erträge von 1425—97 ist 610 ^, das Maximum ist 893 ii (1469), das
Minimum 453 (1482). Auf diese Ziflfern mufsten vor allem Kriege, auch
ansteckende Krankheiten einen Einflufs ausüben, doch mufs die Unter-
suchung der Lokalgeschichte überlassen bleiben^.
In der Steuersumme spricht sich der Wohlstand der Konstanzer aus.
Die Ziflfern sind natürlich viel konstanter, als die der Kauf hauserträg-
nisse. Im allgemeinen charakterisiert sich der Gang wie folgt: die
Summen schwanken bis 1440, steigen dann bis 1449 zum erstem Maxi-
mum (1575 fi) erhalten sich auf fast gleicher Höhe bis 1457, dann sinken
sie unter kleinen Schwankungen fortwährend bis zum Minimum von
1504 (1029), von 1520 bis 1545 steigen sie erheblich bis auf 2032 /JJ,
dann folgen wieder Schwankungen. Das Verhältnis von Maximum (1449)
und Minimum (1504) ist wie 100 : 65,3.
^ Aufzeichnung in Stadtrechts -Handschriften A III 7; auch Ruppert S. 402
und Notizen in den von mir durchgesehenen Steuerlistcn und Kechuungen. Aus
ihnen notiere ich noch folgende Relationen von fl. rh.: 1431 == 15 yi ^, 1434= 16 ß ^,
1437 = 14 yi <J. Diese bleibt lange in Geltung. Die Angaben über den Ertrag des
Komzolles, des Salzmafses, der Wage, des Krahns, der Leinwandschau sind nicht
so gleichmäfsig überliefert und nicht unbedenklich zu verwenden, so habe ich auf
ihre Benutzung schliefslich verzichtet. Doch gebe ich hier einige Beispiele:
in ÄJ <J Kaufhaus Wagstock Kornzoll Ungeld Steuer
1457 520 14 — 4 18 — 64 4 — 1039 5 4 1648 6 V2
1481 496 10 — 29 2 - 40 18 — 928 18 7 1279 6 —
1496 789 2 — 123 6 — 12 12 10 660 9 8 1243 7 8
2 Die grofse Pest von 1439 (Ruppert, Chroniken S. 205) fällt nicht sehr auf!
Wegen Pest wurden zu Mailand folgende Sperren verhängt, so weit sie mir bekannt
geworden sind : 1464 gegen Basel, 1483 gegen Gotthard und Lukmanier, 1494 gegen
Nürnberg, Ulm und Ravensburg. Boll. stör. d. Svizz. ital. 6, 141. 269. 272.
522 DreiaDdfanfzigstes Kapitel.
Die bedeutendste 2^it des Konstanzer Handels fällt wohl in die Jahre
von 1350 bis 1460. Das Konzil hatte wohl eine Krisis nach sich gezogen,
aber im wesentlichen wurde sie überwunden und ein so kluger Beobachter
wie Peter Tafur^ der in Konstanz die schönste Frau in seinem Leben
sah, meinte, dafs Konstanz seinen Aufschwung dem Konzil zu verdanken
habe, wenn es auch schon vorher recht ansehnlich gewesen sein möge^
Dann begann langsam der Niedergang, infolge des mifslungenen Zunft-
aufstandes verschwanden die Leineweber, ein grofser Teil des reicheren
Bürgerstandes gab allen Handel auf und zog auf die Burgen. Der Unter-
nehmungsgeist erlosch; der Leinwandhandel zog nach St Gallen, auch
Isny und Wangen. Die Fuhrleute imigingen das Konstanzer Kaufhaus,
wo man nicht einmal ordentliche Gewichte hatte ^ und mit dem Verluste
des Thurgaus bufste Konstanz sein natürliches Hinterland ein, was es
bis heute nicht verwinden konnte.
In Konstanz besafs man bedeutende geographische Kenntnisse;
wiederholt wurden Konstanzer auf Wallfahrten ins heilige Land als
Reisebegleiter mitgenommen ; so ging 1372 Ulrich Harzer mit dem Grafen
Rudolf von Montfort, 1380 Diethelm der junge Schilter mit Hans von
Bodman und 1429 begleitete Albrecht Steinstrafse, der Sohn eines
Associ^ von Lütfried Muntprat, einen Grafen Ulrich in weite Lande*.
Andere gingen auf eigene Kosten: 1366 Ulrich Schwarz, 1486 Konrad
Grünenberg, der Verfasser des kostbaren Wappenbuches, mit Kaspar
Geisberg, dann 1521 Bastian und Rochus Muntprat^.
So kann es uns auch nicht wundernehmen, dafs 1448 der Benediktiner
Andreas Walsperger aus Salzburg in Konstanz das Material fand, um
seine Weltkarte zu zeichnen, die viel von den Entdeckungen des vier-
zehnten und fünfzehnten Jahrhunderts darbietet, wenn sie auch von
Fehlern wimmelt^. Hat Walsperger vielleicht bei einem Kaufmann die
Vorlage seiner mappa mundi gesehen? In einer Stadt, deren Bürger-
schaft Werke wie die Richentalsche Konzilschronik und das Grünen-
bergische Wappenbuch schuf, würde die Herstellung oder Erwerbung
einer mappa mundi nichts Auffallendes haben.
1 Tafur 267. lläbler 520.
''^ Vgl. die ZcugcnauHBagen in Urkunden Nr. 364.
' Röhricht 107. 108. Ruppert, Chroniken 199.
* Ebda. 70. 80. Röhricht 182. Röhricht u. Meisner S. 360.
^ Zeitachr. d. Gesch. f. Erdkunde in Berlin Bd. 26, 371— i06 Tafel 10.
Ravensburg. g23
Vierundfünfzigstes Kapitel.
Ravensbarg.
LeinenwebereL Papierfabrikation. Verbindungen mit Konstanz, mit dem Ausland. »/
Die j^große Gesellschaft^. Die Humpifs, Stammbaum. Gesellschaft des Fricl' Hum^nfs,
Die Mötteli, ihre Abzweigung. Anteil der Muntprat. Andere Teilhaber: in Eavetis-
hirg, Konstaiiz, Ulm und sonst. Die Diener, die Ordnwng der GesellscMft, GeseUschafts-
kapital. Richtung der Hapidelsverhindungen. Schlesischer Goldbergbau, Ersuchen um
päpstliche Privilegien.
Die alte Weifenstadt Ravensburg, die noch heute ein mittelalterliches
Antlitz trägt, hat sich im Spätmittelalter in ganz hervorragender Weise am
Handel, aber auch am Gewerbe beteiligt. Auch hier war wie in Konstanz
die Leinen Weberei, die in der Stadt sehr lebhaft betrieben wurde und
auch die Nachbarschaft heranzog, die gewerbliche Grundlage. Die Leinen-
und Barchentweber von Ravensburg verbanden sich 1476 mit denen von
Lindau, Memmingen, Kempten, Leutkirch, Isny, Wangen und Waldsee zu
einer gemeinsamen Ordnung. Doch wurde in Ravensburg auch welsche
Leinwand lebhaft gehandelt. In Ravensburg trat ein Nebengewerbe der
Leinenverarbeitung hinzu, die Papierfabrikation. Früher weit überschätzt,
da man ihr all das Papier, was einen Ochsenkopf trägt, zuschrieb, ist man
heute , wie mir scheinen will , in das andere Extrem verfallen. Ich habe
in den erhaltenen Steuerlisten doch manche, wenn auch gar nicht
reiche » Papierer ^ gesehen und möchte glauben, dafs eine starke Leinen- '
Industrie in einer mühlenreichen Gegend für die Papierfabrikation die 1
besten Aussichten bot^. Ein Leipziger Spezereihändler hatte 1503 vier i
Sorten Papier auf Lager, am meisten hatte er vom Ravensburger vor-
rätig ^. Auch Baumwolle wurde verarbeitet, wie es auch Wollenweber gab*.
Wie die Konstanzer ihre Erzeugnisse weithin verftihrten , so sind
auch die Ravensburger den Nachbarn gefolgt, mit denen während des
vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts sehr intime Beziehungen be-
standen. Der Bund der Städte am See brachte beide zu politischer ge-
meinsamer Arbeit, noch lebhafter wurden die Beziehungen zwischen den
Bürgern beider Städte. Das Formelbuch des Schultheifs hat uns eine
Reihe Briefe erhalten, welche einen lebhaften Handel der beiden Fami-
* Mit Sicherheit sind Papierer erst seit 1407 durch Gutermann, Die älteste ,
Gesch. d. Fabrikation d. Linnen-Papiers erwiesen, was er über den Anteil der Hol-
bein sagt, steht auf sehr schwachen Füfsen. 1498 hatten die Humpifs drei Papier-
häuser; Hafuer 428. Übrigens ist, wie schon Wattenbach, Schriftwesen 145,
hervorgehoben hat, zu beachten, dafs Valencia, einer der ältesten Sitze europäischer . .
Papierfubrikation, sehr viel von Ravensb^rgern besucht wurde. \
2 Anzeiger f Kunde d. deutschen Vorzeit 1881 8. 302. X
^ Vgl. namentlich die Angaben des Stadtrechts Hafner, Geschichte d. Stadt
Ravensburg laS ff.
624 Vierundfünfzigstes Kapitel.
lien Wirt und Segelbach nach Venedig beweisen , die ersteren hielten in
der Lagunenstadt einen Geschäftsführer; einem minder angesehenen Ge-
öchlechte gehörte der dorthin Leinwand verhandelnde Heinrich Manz an,
die auf dem Heimwege von dort beraubten Johann Wegeli und Konrad
Füllsack stehen auf gleicher Stufe ^ Auch Mailand ward schon im vier-
zehnten Jahrhundert von Ravensburg aus aufgesucht, wenn Nikolaus
Sattler auch möglicherweise in den Diensten Giovan Galeazzo Viscontis
war ^. Auch nach Norden weisen Angaben ; 1394 wurde ein Diener des
Konrad Wirt vom Herzog von Geldern gefangen ^, und nach Westen
hin führt die Mitteilung, dafs 1418 Jost Süfser von dem Marschall des
Herzogs Johann von Burgund seiner Kaufmanns waren und seines Geldes
beraubt ward*, nach Osten endlich die, dafs Hermann Seiler mit einem
Bürger von Bischofszell die Wassermaut zu Wien in Pfandschaft hatte ^.
Der Handel von Ravensburg wurde im fünfzehnten Jahrhundert
J^-- vorwiegend getragen von der magna societas Alamannoruniy wie sie von
Italienern und Spaniern meist unter Hinzufügung des Namens des
„regierenden" Kaufmanns genannt wird. Schon dieser Name drückt ihre
Bedeutung für die Handelsgeschichte aus. Ein Gesellschaftsvertrag liegt
nicht mehr vor, zwar hat einer der hervorragendsten Leiter ein Kopial-
buch hinterlassen®, dasselbe schweigt sich aber über das Geschäft aus
und enthält fast nur die Urkunden über den Grundbesitz. Man ist also
in der üblen Lage, von anderen Quellen aus in die Geschichte ein-
dringen zu müssen und der Meister der Handelsgeschichte Heyd hat die
Thätigkeit der Gesellschaft in den wichtigsten Zügen klargelegt, immerhin
wird eine Nachlese manches deutlicher machen*^.
Ein RaVensburger Kind, Ladislaus Suntheim, erzählt in seiner
Chronik von einer Handelsgesellschaft, die die Vorläuferin der Fugger
und Welser gewesen, sie sei als die erste deutsche Handelsgesellschaft
von den Mötteli begründet. > Und in dieselben Geselschafft sind nachmalen
I khomen die Humpis, Pessererj Täschler, Geldrich, Montjyratn, Neydeckhenn,
Anchareyte und ander, und ist die gros Geselschafft ujordenn und liahen
gehannttirt in das Kunigreich von Appels^ in Lamppartin, in die Kunig-
^ Sämmtliche Stücke Zeitschr. f. Gesch. Oberrh. Bd. 4 aus der Zeit von
1390—1402.
2 Ruppert, Chroniken 415 zu 1387.
* Zeitschr. f. Gesch. Oberrh. 4, 61.
^ Altmann 3589. Siegmund gestattet Repressalien.
^ Thommen, Urkunden z. Schweiz. Gesch. 1, 296. Bezieht sich die Notiz, dafs
1437 Caspar Wirt einem Clemens Kreydler von Lublin in Polen schuldete (Breslau,
Stadtarchiv, Signaturbücher) vielleicht auf einen Ravensburger?
^ Baumann, Ein humpissisches Kopialbuch, Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 32,
76—160. Leider ist von zwei Bänden nur der eine erhalten.
"^ Hcyd, Die grofse Ravensburger Gesellschaft. Vgl. auch Hafner.
i
?
Ital,
oder einfach Humpis oder der Lange.
1365. 1371 Bürgermeister.
1380 Ammann.
Jos,
als alleiniger Erbe seines Vaters
1^8 bezeichnet.
?
Hans.
ux.: Anna.
?
Hans,
1461.
Ital der Jüngere,
1437. 1461. Stiftung.
Anna,
Cüirat,
OnofHusy
1498. 1500.
mar.:
V. Nidegg.
1408.
1500.
1479-1497.
1484 Ammann,
1495 Bürger-
meister.
. tot 1497 ?,
sicher 1500.
1
Enndli,
1500.
Aufserdem
pueri.
Appolonia, Dorothea, Margaretha, Heintz. Michel. Peter. Hs
mar.: Carl mar.: Jörg mar.: Hans
Brisacher. v. Hoff. v. Ulm,
1499 tot. Stadt-
ammann zu
Constanz.
Fürstenb. ürkb. 6, 325. 140
Ravensburg. 625
reich von Arragon, Valens^ in Kasiilia und in Kaidlonia etc.t ^ Diese
Angaben verdienen Vertrauen, je näher sie den Zeiten des Schreibers
liegen, um so mehr; am meisten Zweifeln ausgesetzt ist natürlich die
Angabe tlber die Gründung.
Als im Jahre 1461 die Gesellschaft an der Karmeliterkirche von
Ravensburg eine Kapelle baute — sie steht noch heute und ist ein ein-
schiffiger zwischen Chor und Kloster eingeschobener mit einem Netz-
gewölbe gedeckter Raum — und in dieser „Gesellschaftskapelle" eine
tägliche Messe fundierte, bezeichnete sie deutlich Ravensburg als ihren
Sitz, während die Gesellschaft im Süden mitunter nach dem gröfseren
und bekannteren Konstanz genannt wurde, und indem sie sagt: ^die ge-
Seilschaft zu Ravensburg der HunipisSj Muntpraien und Möitelin auch alle
ander ir mitgesellen als sy dann unczher vil jaur und zite gesellschaft und
kouffmanschaft miteinander gehalten haben !^ giebt sie uns selbst ein
wichtiges Zeugnis über ihre Geschichte.
Waren die Mötteli, die Muntprat oder die Humpifs ihre eigentlichen
Gründer und Leiter? Zunächst müssen wir die Humpifs näher kennen
lernen. Die Muntprats haben in Konstanz weder politischen Ehrgeiz
noch patriotischen Opfersinn bewährt, die ältere Generation waren reine
Kaufleute, die jüngere hielt sich zum Adel, und niemals hat sich die
Familie in die Beamtungen der Stadt gedrängt. Ganz anders die
Ravensburger Humpifs^. Die Familie kommt schon im dreizehnten
Jahrhundert vor, stellte in den Tagen Ludwig des Bayern in Frick einen
Reichslandvogt in Oberschwaben und fast alle ihre Glieder wurden ent-
weder Bürgermeister oder Ammänner, und im Rate dürften sie, wie ja
auch die Muntprats, ständig gesessen haben. Das erste Zeugnis für die
Handelsthätigkeit finde ich in einem Geburtsbriefe für Jos Humpifs von
1388®; denn solche Briefe wurden nur ausgestellt, wenn es auswärts
verlangt wurde, und dieses Dokument ist mitten unter den Handels-
briefen des Schultheifsischen Kopialbuches eingereiht. Über die weitere
Verbreitung des Geschlechts giebt Auskunft der Stammbaum, der wenig-
stens einige Sicherheit gewährt*. Leider läfst sich ein Konrad nicht
1 Heyd S. 7.
^ Hafner 98 ff. giebt namentlich auch den Grundbesitz an.
» Urkunden Nr. 828.
^ Die Quellen des Stammbaums sind vor allem Archivalien des Ravensburger
Archivs, auch die Steuerlisten. Die Angaben von Hafner, Baumann, Gesch. d.
Allgäues, die Kollektaneeu Kindlers v. Knobloch, ferner Böhmer, Reg. Ludw.
d. Bayern 2431. 2516. Chmel, Reg. Rupr. 1294. 1295. Chmel, Reg. Friedr. IV.
970. 2337. 2930. 3062. 6270. 6656 u. 8644. Ruppert, Chroniken 412. St G aller
Urkb. 4, 349 (sehr wichtig), 881 u. öfter. Urkunden des germ. Museums von 1373,
1397,1414,1457. Urkunden Nr. 328. Konstanz Gemächtebuch 2, :345. 408. Karls-
ruhe, Generallandesarchiv 5163.
Schulte, Gesch. d. mittelalterl. Handels. I. 40
626 VierundfÜnfcigstes Kapitel.
einfügen y dessen Vermögen rasch wuchs*. In Verbindung mit der
grofsen Gesellschaft erscheinen die Humpifs nicht zuerst 1419^ die be-
treffende Urkunde gehört vielmehr zu 1437*, sondern erst 1426 erscheint
in ZoUregistem von Barcelona die Gesellschaft unter dem Namen
Josumpis^, und diese Bezeichnung bürgerte sich namentlich in Spanien
ein; man vergafs dabei, dafs die Gesellschaft von mehreren Leuten
„regiert" wurde. „Regierer" oder „Statthalter" gab es aber wohl stets
zwei, gelegentlich auch drei. So, glaube ich, ist es auch aufzufassen,
wenn 1434 Jos Huntpifs der ältere, Ital Huntpifs und Liutfried Muntprat
im Namen ihrer gemeinen Gesellschaft dem Spital zu Ravensburg eine
Stiftung machten^. Jos der alte war der Sohn Hengin Humpis' und der
Begründer der weifsen Linie, die später den Namen von Ratzenried an-
nahm. Bürgermeister war Jos (Jodocus), der den Namen des Patrons der
einen Ravensburger Kirche trug, im Jahre 1431. 1421 kam dieser Jos vor
den Rat von Konstanz seines Bürgerrechts wegen*, wie Liutfried Muntprat
1411 in Ravensburg Bürger wurde unter Bürgschaft von Rudolf Mötteli •.
Sein Bruder Frick, der Begründer der schwarzen Linie, die noch
existiert, war 1434 nicht mehr am Leben ^ der einzige Sohn von Frick,
Ital, dessen Leben uns durch das von ihm angelegte Kopialbuch näher
bekannt ist, war also der zweite Regierer, seine Schwester Agathe war
mit Hans Muntprat, dem Bruder Liutfrieds, vermählt, wie auch der alte
Jos als Schwiegertochter eine Muntprat hatte. Itals Interesse geht schon
stark auf den Grundbesitz; nach seinem Testamente war er ein sehr
reicher Mann und auf Erwerb von Grundbesitz, Renten, Hörige hatte er
allein nach Ausweis des nur zur Hälfte erhaltenen Kopialbuches in der
Zeit von U22— 42 4680 rh. fl. und 11247 « verwendet ^ Keiner seiner
vier Söhne wurde Regierer, sie begründeten adlige Linien. So schnell
löste sich also dieser Zweig von dem Handelsbetriebe ab. In der wei&en
Linie trat an die Stelle Jos des alten sein Sohn Jos der junge, so dafs der
Gesellschaftsname Joshumpis sich bis 1475 erhalten konnte^. Dann ging
auch dieser Zweig zum Landadel über und begründete die Herrschaften
» Steuerliste 1473: 307 + 4987 = 5294 «J ^, seine Witwe 1483: 531 +5923 — 6454,
1497 : 620 + 6948 — 7568 ü,
* Urkunden Nr. 368. Der Irrtum geht auf Hafner zurück.
8 Heyd 30.
* Hafner 314.
ß Ratsbuch 1419—1425 S. 137.
* Bürgerbuch Ravensburg. Ebenso wurden aufgenommen 1441 Hans Muntprat
auf fünf Jahre, Bürgen Ital der ältere, Jos der jüngere, 1446 Rudolf Muntprat
fünf Jahre, Bürgen Jos der jüngere und Walther Möttelin.
'^ Bau mann 80.
" »Nobilis viri Jos Hundpis de Ravaspurgo et sociorum ^'us de societaU magna.'
Heyd 70.
Ravensburg. ß27
Wetzeisried und Ratzenried; die Töchter heirateten Leute vom Landadel,
aber auch noch Bürger, freilich Glieder hervorragender Geschlechter.
Von den Nachkommen beider Linien ist, so weit wir wissen, keiner mehr
Regierer geworden; diese wurden jetzt aus anderen Zweigen des Hauses
genommen, welche noch nicht so reich geworden waren, um aus dem
Kaufmannstande ausscheiden zu können. Nach dem Tode Itals des
älteren ging seine Stelle auf Ital den jüngeren über; möglicherweise ge-
hört er zur Kachkommenschaft von Jos und stammt also von Ital Humpifs
dem Langen ab. Seit 1483, ja seit 1479 erscheint als Leiter Onofrius
Humpis*, dessen Name meist entstellt wurde; noch wären die fremd-
ländischen Heiligennamen dem Munde und der Feder nicht geläufig;
auch er mufs wohl dieser selben Nebenlinie angehört haben. Seine Ge-
schwister sind uns genau bekannt, nicht seine Eltern. Zum letztenmal
wird sein Name in der Mailänder SchmuggelafFaire genannt, doch ver-
steuern bei der Steuerliste von 1497 bereits die ptieri Onoffrius Humppis,
Ihn ersetzte dann Hans, den ich einer Linie nicht zuweisen möchte; er
ist 1497 und 1510 nachzuweisen*.
Neben ihm erscheint Clemens von Ankenreute als Regierer der Gesell-
schaft seit 1488, als deren Statthalter er sich selbst bezeichnet^, und
man könnte in ihm ein Glied einer andern Familie sehen, da der Name
auch schon im vierzehnten Jahrhundert in Ravensburg vorkommt*. Allein
in einer Urkunde von König Ruprecht von 1402 wird Heinrich von
Ankenreute als Bruder des Hengi Humpifs bezeichnet* und — trotz der
Verschiedenheit der Namen und Wappen — wird man wohl auch Clemens
als Hundbifs ansehen müssen; dann haben wir die Thatsache, dafs alle
heute bekannten Statthalter der grofsen Gesellschaft dieser Familie an-
gehörten, denn wenn 1511 die Gesellschaft nach Hans Hundbifs, 1525
und 1530 nach Conrad Hundbifs® bezeichnet wird, so waren diese doch
wohl die Statthalter. Welchen Linien diese beiden zuzuweisen sind,
vermag ich nicht zu sagen; die einzige Ausnahme in der Reihe der
Regierer aus dem Blute der Humpifs macht Liutfried Muntprat.
Beruhte der Zusammenschlufs der Gesellschaft auf dem Erbrechte,
^ Heyd 72. 1483 erwiesen durch Urkunden Nr. 393. Eine verstümmelte Ur-
kunde von 1479 erwähnt OnofFer Hundbifs und seine Gesellschaft. Der unbekannte
Aussteller der Urkunde, weicher ein „Haupt^t" bei der Gesellschaft stehen hat,
erklärt sich durch eine an ihn geleistete Zahlung befriedigt. Ravensburger Privat-
besitz, mitgeteilt von Heyd.
8 Urkunden Nr. 131 u. 396.
» Urkunden Nr. 370.
* Hafner 182.
«^ Chmel 1294.
^ Urkunden Nr. 289 u. 93. Zu 1525 nach dem unten zu erwähnenden Briefe
des schwäbischen Bundes.
40*
628 * Vierunüfunfzigstes Kapit^rl.
HO muCs man bis in die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts zurückgehen
um einen gemeinsamen »Stammvater der verschiedenen Linien zu ge
winnen. Auf alle Fälle kommt man in die Zeit um 1410 — 1420. Di«
Kapelle der Gesellschaft schmückt noch heute ein Grabstein, der schoi
deshalb von Interesse ist, weil auf ihm einmal ein deutscher Bürger siel
als Kaufmann giebt, nicht sich als Ritter maskiert. Den Kopf bedeck
ein Wollhut, das Gewand, ein bequemer Talar, fällt bis auf die Knii
herab, von der linken Schulter zur rechten Hüfte geht ein breitei
Gürtel, an dem unten die Brieftasche befestigt ist; unter derselben häng
ein langes Messer. So haben wir uns also die Kaufleute auf ihren Reiser
vorzustellen. Nach der Inschrift * war es der 1429 gestorbene alte Hengg
Huntpis. Seine Beisetzung an dieser Stelle ist nur verständlich, wenr
er ein Glied der Gesellschaft war, die freilich schon bei seinen Lebzeiter
nach dem Namen eines seiner Söhne die Gesellschaft des Josumpis ge-
nannt wurde.
Stets einig ist der Anteil der Humpifs an der Gesellschaft vielleicht
nicht gewesen, wenigstens nennt sich eine Gesellschaft, die in Spanier
Handel trieb, nach Friedrich Huntpifs; welcher Frick darunter zu ver-
stehen ist, bleibt zweifelhaft^. Auch in Genua trieb sie Handelschaft'.
Bei den Humpifs vollzieht sich der Übergang zum Landadel in
glatter Weise; sie sind nicht excentriseh und erst in den späterer
Generationen kommen die wunderlichen Leute vor, so einer, der meinte,
durch Schatzgraben dem sinkenden Wohlstand aufhelfen zu können;
allerdings war schon im Bauernkriege ein Humpifs der Führer des See-
haufens.
Weit excentrischer sind die Mötteli, und in der kurzen Frist von
drei Generationen spielt sich Aufblühen und Verfall ab, und gerade über
sie sind wir ausgezeichnet unterrichtet*. Sie galten vor den Humpifs
und den Muntprat dem gemeinen Volke als die Repräsentanten eines
durch Handel erworbenen überschwenglichen Reichtums, und noch heute
redet das Sprichwort am See von Möttelis Gut. Für ihren Anteil an
der Begründung und Leitung der grofsen Gesellschaft spricht nicht allein
die Angabe des Ladislaus Suntheim, nicht allein eine Angabe der Lin-
dauer anonymen Geschlechtsregister, nach denen im Jahre 1420 ein
Lindauer bei Rudolf Mötteli und seiner Gesellschaft eine Hypothek auf-
' Sie lautet : anno dm M('CC('XXIX in die ckophe ätiqtcs heckin huntpis hie sepuUus.
•^ Heyd 51.
^ Andreas SatJer quondam IJdaWin de Costama procurator Friderici de Josumpis
de Rarenshurgo de socieiate mercatorum Alamannie de Barenshurgo erscheint in den
Akten dva (renueser Notars Ob. P^'oglietta jun. 22 Fol. 189 als Käufer von Genueser
Tuch (Mitteilung Sievekinps'.
* Durrer, Die Fainilie vom Happeiistein, im (ireschichtsfreund Bd. 48u.49.
Ravensburg. 629
nahm^ Vor allem eine Urkunde, wonach der 1410 verstorbene Frick
Holbain, der reiche Stifter des Ravensburger Siechen- und Seelhauses,
seinem guten Freunde „Rudolf Möttelin dem alten und andern seinen
Gesellen all sein Out in die Gesellschaft empfahl, das mit ihrem andern
Gute anzulegen und damit zu werben^ ^. Und auch das würde dazu
stimmen, dals die Mötteli- und die Gesellschaftskapelle an der Karmeliter-
kirche identisch zu sein scheinen^. Über Rudolf Möttelis Handel fehlt
es nicht an Nachriohten. So nahm ihm Basel 1407 3(i Fardel weg als
Repressalie gegen die Beraubung durch Marquard von Ems, der Bürger
zu Lindau war*. Schon er erwarb Grundbesitz, 1422 die bischöfliche
Herrschaft Arbon, die jedoch schon 1440 wieder zurückgenommen wurde.
Stammbaum der Mötteli.
Rudolf Mötelli.
t nach 1426
Hans Kudolf Klaus unehelich
t 1453 t 1482 wTlth^; ' Lütfried
, \ ux. Walpurg Muntprat „,. Magdalena Nater ^ ^^^
Jörg Hans Rudolf Jakob v. Konstanz
t 1483 ca. 1504 f 1508 f 1521 U^^oS '
m. Hans v. Benzenau
Hans, Rudolf und Klaus als Brüder erwiesen durch Altmann 8030.
Da Rudolf seinen Sohn Hans als Vogt dort zurückliefs, konnte er sich
selbst wohl noch dem Handel widmen. Gewifs war das bei seinen Söhnen
Rudolf dem älteren und dem aufserehelichen Liutfried der Fall. Der
erstere erlernte die Kaufmannschaft in Avignon bei der grofsen Gesell-
schaft, in deren Hause er wohnte, und auch Liutfried diente dort zehn
Jahre. So stark lebte sich Rudolf in welsche Art ein, dafs er die deutsche
Sprache schrieb, als wäre er ein Franzose und hätte nie den Unterschied
der Buchstaben w und v kennen gelernt. 1448 kam er nach Ravens-
burg zurück. Schon war aber Rudolf nicht mehr Bürger seiner Vater-
stadt, sondern von Buchhorn, erst 1448 wurde er wieder unter Bürg-
schaft von Jos und Ital Humpifs dem jüngeren mit einem Steuersatz
von h U /^ Bürger. Auch er trat also nicht in den Kreis der eigentlichen
Bürger ein, sondern blieb in dem Verhältnisse eines Mannes, der mit
der Stadt über seine Steuern paktiert. Rudolf und sein Bruder schieden.
^ Darr er 48, 90. Das Jahr braucht nicht irrig zu eein, nicht 1419, sondern
erst 1426 erscheinen die Humpifs als Leiter.
« Hafner 277. Durrer 48, 89.
^ 1471 bezeichnet sie Waltlier Möttelin in seiner Jahrtagstiftung als seines
Vaters sei. Kapelle. Danach müfste Nikolaus ihr Gründer gewesen sein. Stadt-
archiv Ravensburg.
* Baseler Urkb. 5 Nr. 336 u. 369.
030 ViennMlfö]i£rigBt€s KapiteL
wie e« »cheinty im Jahre 1454 atu der Gesellschaft ans und begründeten
nun »elbtt ein Haiu^ da« im weaendichen in Spanien arbeitete. Die
chronologii»chen Schwierigkeiten sind za groOs, am sicher sagen zu können,
dafs die Ansiedlangen in ÄTignon, Barcelona, Valenzia, dem damals noch
maurischen Oranada, in Barcelona and Saragossa, wo die Firma eigene
Häaser hatte, wirklich alle dem neaen Konkarrenzgeschäfte oder der alten
grofsen Stammgesellschaft gehörten. Wir erfiüiren Ton all diesen Plätzen
mancherlei aus dem Streite des Oheims mit seinen Neffen, die die Kauf-
mannschaft an diesen Orten zunächst bei der groben Gesellschaft er-
lernten. Sehr viel Dank wuTsten die Neffen nicht, Hans und Rudolf
die Söhne jenes Vogtes von Arbon und einer Truchsessin von Diessen-
hofen, vertrugen das Experiment nicht, aus Söhnen eines in adlige Sitten
und Lebensumstände eingelebten Herrn und einer Matter von altem Adel
nun rechtschaffene wirkliche Kaufleute gemacht zu werden. 1453 war
ihr Vater gestorben und da nahmen die beiden Onkel die beiden jüngeren
von den drei Neffen als Lehrlinge in die grofse und dann in ihre eigene
Gesellschaft Hans diente etwa acht, Rudolf sechs Jahre. Hans war
meist in Saragossa, aber auch in Avignon, Rudolf häufiger in Valencia.
Nach der Versicherung der Oheime wurden sie besonders gut gehalten,
sie hätten gelebt wie die obersten und besten Diener, die sie gehabt hätten,
aber wenigstens Hans that nicht immer gut Er machte einmal auf Kosten
der Gesellschaft mit einer silbernen Schale ein Hochzeitsgeschenk, dann
gab er ein Üppiges Mahl, angeblich wollte er sich bei dieser Gelegenheit
eine reiche Frau verschaffen. Jedenfalls behagte ihnen der Kaufmannstand
nicht, und 1462 tauchen sie wieder in Deutschland auf. Der jüngere
wurde in der Schlacht von Seckenheim mit gefangen; von einem Anteil
am Handel ist bei beiden keine Rede mehr. Die Onkel verlangten nun
nachträglich eine Begleichung von allerhand Forderungen; sie wollten
ein Lehrgeld, während die Neffen Lohn forderten. Onkel Rudolf war
ein prozefssUchtiger Mann, er stritt nun Jahre lang höchst erbittert in
lebhaften Schriftsätzen, die den Geist der damaligen Kaufmannschaft uns
lebhaft vor die Seele treten lassen, wider seine Neffen um die Summe
von 1172 rh. fl.
Die Einzelheiten des Streites interessieren uns nicht weiter, dieser
Zweig der Mötteli war dem Handel entfremdet, und bald genierte sie
auch der Name Mötteli. Sie nannten sich vielleicht nach ihrem Hause in
Ravensburg — jedenfalls in Anlehnung an ihr Wappen, einen Raben auf
einem Steine — von Rappenstein, und wirklich wurden sie auf diesem
damals noch ungewöhnlichen Wege vom niederen Adel als gleichberechtigt
angesehen. Rudolf, der Oheim, hatte inzwischen die Verbindung mit der
Heimat völlig gelöst; er wurde Bürger zu Buchhom, 1458—66 zu Zürich,
zugleich Herr zu Alt- Regensberg, dann 1463—71 Bürger zu Luzem,
Ravensburg. g3X
1465 Landmann zu Unterwalden , 1471 liefs er sich zu Stein am Rhein
nieder, seit 1475 endlich zu Lindau, wo er durch den „Möttelihandel" das
Bodenseegebiet, die Eidgenossenschaft und den Kaiser in nicht geringe
Bewegung versetzte. Da kaufmännische Dinge nicht hineinspielen, über-
gehe ich ihn. Sein Bruder Liutfrid safs indessen seit 1454 als Bürger
in St. Gallen, das schon damals durch seine Leinwandindustrie und seinen
Handel den Wettkampf mit den oberschwäbischen Städten begonnen hatte,
in dem es siegreich bleiben sollte.
In den Prozefsschriften hatte Rudolf erklärt, ihre Gesellschaft brauche
die Hilfe der beiden Neffen nicht. Das Geschäft gehe so gut wie vorher
und sie fänden genug frommer Leute Kinder, die bei ihnen in die Lehre
gingen, und auch unter den Welschen seien viele, die ihnen grofse Liebe
und Dienst thäten. Das aber blieb wohl nicht immer so ; Rudolf hatte
sich in ganz andere Dinge verbissen und mit Liutfrieds Vermögen ging
es zurück. Man kann die Entwicklung in den St. Galler Steuerbüchern
verfolgen. Liutfrid hatte als unehelicher Sohn schwerlich eine grofse
Abfindung erhalten; wie so viele uneheliche Söhne der Renaissancezeit
brachte er sich durch eigene Tüchtigkeit empor. Schon 1454, als er Bürger
wurde, versteuerte er ein Kapital von 2520 ü /^y 1460: 6660, 1470: 7000,
1474: 8000, 1480: 13300, 1481: 8000 fi . Rudolf hielt es für notwendig,
dafs Liutfrids Handel und Haushalten mit einer Vogtei versehen werde.
Er starb in diesem Jahre, ohne Kinder zu hinterlassen, im nächsten auch
Rudolf. Der Erbe Rudolfs war Jakob, den man vor allem als den
„reichen" Mötteli bezeichnete. Dafs er selbst noch Kaufmannschaft be-
trieben habe, ist nicht erwiesen, ja geradezu unwahrscheinlich, und
Durrer hat die Vermutung ausgesprochen, dafs die ZoUikofer von St. Gallen
das Geschäft der Mötteli erwarben. Es ist festgestellt, dafs schon vor
1500 Kaspar ZoUikofer nach Saragossa reistet In Jakob kulminierte
die Rechthaberei und Prozefssucht seines Vaters; auch er schämte sich
seiner Herkunft und nannte sich Junker Jakob von Rappenstein, genannt
Mötteli; von da an geht es mit dem Reichtum und dem Glanz der
Familie bergab. Schon mit seiner Enkelin endete das sagenumwobene
Geschlecht der reichen Grofskaufleute und verarmenden, prozefssüchtigen
Ritter. In Ravensburg safs noch immer ein Zweig der Mötteli, wenn
auch mit einer festen Steuer, und sie haben wohl an dem Anteil der
grofsen Gesellschaft festgehalten. Bei der Bürgeraufnahme des Ellaus
1428 waren Bürgen: Jos und Ital Humpis", bei der Walthers 1443 Ital
» Durrer 48, 204 f.
2 Hafner 163. Er war 1420 auf fünf Jahre Bürger von Memmingen geworden,
Steuer 10 rh. fl. Bürgen: Jos Stiüdlin und Jak. Ratz. Memminger Bürgerbuch,
Reichsarchiv München.
632 Vienii»dfQii&%«t«9 KafHteL
HuiDpis der ältere and Jakob SchellaDg: mit seiner Tochter endet der
Stamm ehelicher Mötteli in Ravensburg; sie heiratete den Ritter Hans
von Benzenau.
Aach die MOtteli standen in naber Verwandtschaft za den Mantprat».
Die Fraa Radolfs des älteren war eine Mantprat wie aach eine Möttelin
an einen Mantprat verheiratet war. Näher lassen sich diese Glieder den
Ktammliäamen nicht einfügen.
Die Stiftungsarkunde der täglichen Messe bezeichnet also ganz
richtig die Gesellschaft als die der Humpifs, Mantprat und MOtteli.
Begründet mag sie von den Mötteli sein, aber diese hafteten zu wenig
am Boden der Heimat, sie waren zu eigenwillig und schieden zum Teil
schon früh aus, um ein Konkurrenzgeschäft zu b^pründen. Die Mantprat
brachten enorme Geldmittel und reiche Erfahrung mit, sie vertraten die
zweite Wurzel der Gesellschaft: die Stadt Konstanz; unter dem Kamen
der HumpÜs endlich ging die Gesellschaft, weil sie ihr die meisten
R^enten gab, und durch die Humpifs wurde die Gesellschaft an Ravens-
t>urg gebunden.
Mit diesen Namen ist der Kreis derer aber nicht erschöpft, die in
der Gesellschaft Geld li^en hatten oder selbst mitarbeiteten. Von den
Ravensburgem ist Frick Holbein schon genannt, Hans Lienhart ver-
kaufte 1438 an einen Humpifs eine feste Rente auf seine Einlage bei der
Gesellschaft^, 1492 erscheinen Liutft*ied Besserer und KsütI Brisacher mit
Onophrius Huntbifs in solcher Verbindung, dafs man fast glauben möchte,
sie seien mit an der Spitze der Gesellschaft gewesen'. Karls Mutter
oder Stiefmutter war die Tochter Liudried Muntprats ; auch seine Witwe
hatte 1504 eine Einlage bei der Gesellschaft, sie war eine Humpifs ^
Während dieser Brisacher nach Konstanz weist, wird man durch Liutfried
Besserer auf eine Familie geführt, die sonst in Ulm und Überlingen safcs,
seit 1436 auch in Ravensburg vorkommt^. Der Vorname Lütft*ied weist
auf die Muntprats, und Lütfried Muntprat war 1432 auf ftlnf Jahre Bürger
von Überlingen geworden*.
Nach Jäger hätten 142o Johann Besserer und Nikolaus Ungelter von
Ulm mit den gleichfalls den Geschlechtern angehörigen Eberhart Becht
und Eberhart Teufel aus Reutlingen, mit Jodokus Hundbifs und Ulrich
^ Baumann 143.
- Urkunden Nr. 363.
^ Brisacher steuerte 1482 in Ravensburg, 1497 aber nur Immobiliarbesitz, 1500
versteuerte seine Witwe in Konstanz 7000 ü hl. Mobiliarbesitz, 915 ^ Immobilien.
Er war in Ravensburg 1482 Bürger geworden unter Bürgschaft von Onophrius
Humpifs und Lütfrid Besserer.
♦ Hafner S. 164.
^ Bürg(»rbuch Stadtarchiv Überlingen.
Ravensburg. 633
Brück von Ravensburg, femer Bürgern von Biberach, Efslingen und
Weil in Gesellschaft gestanden ^ Jedenfalls waren 1458 Jörg Ehinger,
Rudolf und Hans Besserer Mitglieder der Gesellschaft, und haben, scheint
es, diese ihre Stellung dem Bürgerrechte von Ulm vorgezogen*.
Suntheim rechnet weiter zu der Gesellschaft aufser den Besserern
die Täschler, Geldreich und Nidegg, drei hervorragende, zum Teil sehr
reiche patrizische Geschlechter der Stadt®; Gutermann* endlich fügte noch
die Croaria, Haber von Randegg, Roth von Schreckenstein und Sürgen
von Sürgenstein hinzu, aber auf Gutermann ist kein Verlafs.
In Konstanz haben wir zunächst die Genossen Liutfrid Muntprats
von 1425*; von ihnen erscheinen die Familien Näter und Geisberg
später als Teilhaber der grofsen Gesellschaft. Georg und Kaspar Geis-
berg sind 1486 Teilhaber •; die Näterin, eine geborene von Roggwil, ver-
fügte 1468 über ihre Einlage zum Teil zu Gunsten des Ravensburger
Seihauses ^. Ob Jakob Schwarz, der von einer Humpifs abzustammen
scheint^, 1438 Teilhaber der grofsen oder einer anderen Gesellschaft
war, bleibt zweifelhaft*; sicher ist es bei Wilhelm Richenbach 1467*®.
Auf die späteren Muntprats beziehen sich drei Angaben. Rudolf Munt-
prat hinterliefs 1485 seinen Erben eine Einlage von 2300 rh. fl. *\ Bridli
Muntprat hatte 1499 in der Gesellschaft mindestens 200 fl. liegen, Ruland
Muntprat hatte eine Einlage von 100 fl. von seiner Grofsmutter geschenkt
erhalten**.
Die Zweiggesellschaft Friedrich Hundbifs hatte 1466 als Teilhaber
in Konstanz Hans Blarer, Konrad Muntprat den älteren, Ludwig Munt-
prat, Hartmann Hürus und Andreas Sattler*^, und bei der allgemeinen
Gesellschaft erscheinen 1498 Ulrich Muntprat, Ritter, Bürger von Zürich
und Moriz Hürus**.
Aus dem benachbarten Memmingen wissen wir, dafs der Vater von
» Jäger 673.
^ Jäger 674. Heyd 40.
« S. oben S. 624.
* 264.
'^ S. oben S 608.
« Heyd S. 86.
' Urkunden Nr. 362. Sie versteuerte 1466: 2120 «.
^ S. Stammtafel.
« Urkunden Nr. 357.
'« Heyd 85. Versteuerte 1466: 280 + 2380 //
" Heyd 86.
12 Urkunden Nr. 365 u. 367.
'« Heyd 51. Hans Blarer versteuerte 1466 5400 + 2400, Hartmann Hürus 1466
3070 -\- 2300, Andreas Sattler 1400 + 2800 ^.
"* Heyd 80. Versteuerte 1500 in Konstanz 3850 ^, 1504: 3060 + 4690 fi.
634 yierandfimfzigstes Kapitel.
Jörg Rl^tz 1494 1004 fl. bei der Gesellschaft eingel^ hatte, die sich die
Erben damals auszahlen lie^sen^
Für kurze Zeit lehnte sich auch ein Fugger an die grodse Gesell-
schaft; es ist Georg, der Stammvater aller heute lebenden Fugger, der
1486 mit Nofrius Humpis, Petrus Vacus und Johannes Burlinus beim
Herzog von Mailand fär die Gesellschaft eintrat Doch ist mir zweifel-
haft, ob das wirklich eine feste Organisation war. Onofrius erscheint,
obwohl er Statthalter der Gesellschaft war, an vierter Stelle. Es macht
mir den Eindruck, als ob sich die mächtigsten, in Mailand thätigen
Firmen zusammengethan , um unter dem best eingeführten Namen der
grofsen Gesellschaft in kritischer Zeit sich freien Verkehr zu sichern^.
Mit Johannes Burlinus, Johann Breunlin haben wir bereits Nürn-
berg genannt, jedoch war hier schon 1437 Hans Albrecht Teilhaber der
Humpifsgesellschaft ^. Nach Luzem führt uns endlich die Person des
Altschultheifsen Jakob von Hertenstein, dessen Name in der Kunst-
geschichte so bekannt ist, weil er 1517 — 19 sein Haus in Luzern von
Hans Holbein dem jüngeren bemalen liefs^. Er hat, wie wir gesehen
haben, der Gesellschaft grolsen Nutzen gebracht, als sie in den üblen
Schmuggelhandel in Mailand verwickelt war; durch ihn hatte die Gesell-
schaft Einflufs auf die politischen Kreise, die die Eidgenossenschaft
leiteten. Es berührt nun sehr eigentümlich, zu erfahren, dafs vorher
Jakob, zugleich im Namen seiner Frau, seiner Schwiegermutter, einer ge-
borenen Muntprat, ihre Einlage von 1800 fl. verkauft hatte ^; besafs er
1490 überhaupt noch eine Einlage? Wer 1475 in Bern Mitglied der Ge-
sellschaft war, ist nicht zu sagen, es gab aber da solche^.
Wenn wir nun zu den Dienern übergehen, so sind auch gewifs unter
ihnen solche gewesen, die eine Einlage hatten. Vorab von den Konstanzern
wohl die Fry und im Steinhaus. 1441 wurde Hans Fry Bürger in
Ravensburg; seine Bürgen waren Ital der ältere und Jos Humpis. Sein
Bürgerrecht in Kempten konnte er beibehalten, und auch Thomas Stein-
hüsler wurde 1480 Ravensburger Bürger unter der Beihilfe von Heinrich
Humpifs und Lütfried Besserer. Weiter erscheinen: 1426 Joh. Folch
und Christoph Spadeli in Barcelona, der ein naher Verwandter der
Mutter Ital Humpifs' des altern war, dieser bedachte Stoffels Sohn in
seinem Testamente ^. 1428 Gaspar de Vat (wohl identisch mit den Vacus
» Urkunden Nr. 371.
2 Heyd 72.
» Urkunden Nr. SSb.
* V. Li eben au, Das alte Luzern 134.
» Urkunden Nr. 336.
• Heyd 13. 66-68.
' Hafner 331.
Ravensburg. 535
und vielleicht ein Watt, Vadian von St. Gallen) (Barcelona), 1436 Rudolf
Mesnang aus Kempten (Valencia) \ 1437 Jörg von Chur (aus Isny) und
Burkhard Geltwilr«, 1447—58 Ottmar Schleipfer von St. Gallen (Genua)»,
1457 Conrad Messner von Konstanz^ (Mailand)^, 1467 Hans Lienhart
(Chur)«, 1477/78 Philipp Wislant aus Uny\ Peter de Rat und Georg
Fütterer (aus Nürnberg), die, wenn wirklich innerhalb der Gesellschaft,
sicher Teilhaber waren®, 1494 Heinrich Sporer und Konrad Hundbifs,
Jodokus Schedler (Alicante), Jodokus Koler (Valencia)*, 1502 Oswald JKrell
und Jörg Bader (Nürnberg)*®, 1511 Rudolf Lienhart von Lindau" und
1520 Paul Hinderofen von Wangen*^.
Für die Gesellschaft des Frick Humpifs waren die Faktoren Paulin
Spick und Philipp Wislant in Italien thätig; aus den Prozefsschriften
Rudolf Möttelis kennen wir als ihre Diener in Spanien um 1458 : Konrad
Vissach, Ulrich und Heinrich Lemann, Hans Manz, Oswald Holzmüller,
Ludwig Hab und Ulrich Zähender^^
Die Ordnung der Gesellschaft ist leider nicht erhalten. Jedenfalls
kann man ersehen, dafs die Einlagen bei einem Ausscheiden nicht sofort
bar bezahlt wurden, sondern die Auszahlung auf die sieben nächsten
Frankfurter Messen verteilt wurde ^*. Wie das Verhältnis derjenigen ge-
regelt war, die aufser dem Gelde auch ihre eigene Arbeit und ihre
kaufmännischen Kenntnisse einsetzten, ist leider nicht überliefert. Über-
wog in späterer Zeit der Besitz dieser wirklichen Kaufleute oder der der
stillen Teilhaber? Fast möchte man letzteres vermuten.
Über die Höhe des Gesellschaftskapitals haben die Lindauer anonymen
Geschlechtsregister (späterer Zeit) uns Nachrichten überliefert; danach
hätte um das Jahr 1450 ein Gesamtkapital von 300000 fl. gearbeitet,
und die regelmäfsig alle drei Jahre stattfindende Abrechnung habe einen
Gewinn von 100000 fl. ergeben. Dafs die Ziffern so rund wie bei einer
' Urkunden Nr. 257.
2 Urkunden Nr. 368.
^ Vgl. Register.
^ Baumaun 154. Er war mit den Späteli verwandt
^ Doch nicht sicher. Urkunden Nr. 44.
« Urkunden Nr. 291.
' Heyd 86. M.S. 511.
8 Heyd 78.
• S. oben S. 546.
^0 Urkunden Nr. 895. Letzterer auch 1510 Urkunden Nr. 396.
'« Urkunden Nr. 289.
^2 Heyd 84. Onophrius Hinderofen hatte 1582 eine Gesellschaft in Ravensburg.
Hafner 264. In der alten Karmeliterkirche zu 1^ findet sich ein Epitaph des 1527
gestorbenen Hans Hinderofen.
^^ D u r r e r 49, 24 ff. Heinrich Lemann versteuerte in Konstanz 1466 2400 + 4600 it
1* Urkunden Nr. 871.
536 Vierundfunfzigstes Kapitel.
modernen Aktiengesellschaft sind, macht mich bedenklich ^ Die Mötteli
seien mit 16 — ISOOOfl. beteiligt gewesen. Walter Mötteli habe 1444 eine
Einlage von 7000 fl. gehabt*. Jedenfalls sind aber die ZiflFern, die Quter-
mann^ über das Vermögen der beteiligten Geschlechter beigebracht hat,
in Zukunft einfach zu ignorieren. Er läfst eidlich in der Steuerveranlagung
gegen Ende des fünfzehnten Jahrhunderts angeben:
Jos, Frick, OnophriuB Hundbifs 131 000 fl.
Hans und Rudolf Besserer und ihre Schwester 54 000 fl.
Teschler 20000 fl.
Geldrich 36000 fl.
Neidegg 12000 fl.
Der reiche Mattelin mit Bruder und Schwester 150000 fl.
Croaria 20000 fl.
Haber v. Randegg 40000 fl.
Roth V. Schreckenstein 100000 fl.
Sürg V. Sürgenstein 24000 fl.
587 000 fl.
Nicht eine einzige von diesen Ziffern kann mit der Wahrheit
stimmen, da die reichen Mötteli überhaupt damals nicht mehr in Ravens-
burg steuerten, die Roth safsen in Ulm, 1497 heifsen die Steuerzahler
unter den Besserern Lütfried und Erben des Hans. Die reichsten Geldrich
zahlten damals Steuer von 120 + 1014, 2000 + 3200 ^ 4. Kurzum,
die Liste ist einfach erfunden.
Ich habe schon oben die reichsten Steuerzahler der drei erhaltenen
Rechnungen des fünfzehnten Jahrhunderts aufgeführt; ich will noch ein
Übriges thun und die Summen aller Humpifssteuern berechnen. 1473
zahlten sie von zwölf Vermögen in einer Gesamthöhe von 14815 iS
Immobiliar und 26073 ^ Mobiliar, also zusammen von 40888 ^ ^i^ ;
es fehlten dabei Onofrius und die Söhne des Frick. 1482 waren es acht
Posten: 10087 + 14957 = 25 044; hier fehlen allerdings eine Reihe von
Fasionen, andere Personen zahlen feste Steuern ; derartige Posten fehlen
1497, und da ergeben achtzehn Posten: 17199 + 19184 = 36383 «J >^,
also etwa 40000 rh. fl.
Die Richtungen der Handelsverbindungen der Ravensburger Gesell-
schaft sind im Voraufgehenden vielfach besprochen. Wir sahen sie vor
allem in der Richtung Mailand — Genua— Spanien thätig, aber auch in
Avignon wie im Königreich Neapel, auch in Rom und Siena, wie in
Venedig fanden sich Spuren. Doch auch nach Norden war der Handel
gerichtet. Heyd hat nachgewiesen, dafs sie 1488 in Antwerpen vertreten
» Durrer 48, 104.
'^ Durrer 48, 267.
3 S. 263.
Ravensburg. ß37
waren ^, und dort wurde doch auch wohl jene Schuld von einem Lübecker
Kaufmann bei der Gesellschaft gemacht, derenthalben die Stadt Ravens-
burg 1437 sich bei Lübeck verwandte*. Die Leinwand der Gesellschaft
wurde auch nach Norden geführt; so nahm Wolfli von Stein zum
Klingenstein und Konrad Rüofs, ein Bürger von Ulm, ihr im Burg-
frieden von Ulm 1457 drei Ballen Leinwand weg*. Ja bis nach Schlesien
können wir sie verfolgen, wie wir sehen werden. Für die Geldvermittlung
wurde die Hilfe der Gesellschaft öfter in Anspruch genommen; so liefs
Bern Kapital und Zins an Gläubiger in Nürnberg durch die Gesellschaft
bezahlen*. Andere Fälle haben wir schon bei Rom und Siena be-
sprochen.
Die Humpifsgesellschaft hat gleich den andern Gesellschaften von
Augsburg und Nürnberg nicht der Versuchung widerstanden, sich aus
dem Bergbau Gewinn zu suchen. Wir können sie aber nur bei einem
Unternehmen nachweisen, das für die ersten Gläubiger Schaden brachte,
um später für die Fugger gewinnbringend zu werden. In Schlesien be-
trieben Hans Starzedel und Otto Rufswurm im Gebiete des Herzogs
Karl von Münsterberg die Anlage eines Goldbergwerks zu Reichenstein.
Die Geldmittel lieferten folgende Gesellschaften: Welser -Vöhlin und
Grander in Augsburg, Hirsch vogel. Im HoflF und Paufler in Nürnberg
und die des Hans Humpifs von Ravensburg. Ehe überhaupt das Berg-
werk „gebaut" war, kam es zum Zusammenbruch und zu einem ver-
wickelten Streite zwischen den Schuldnern, den Gläubigern und dem
Herzog. Durch den Schiedsspruch von 1510 übergaben die Gläubiger
die Schuldrechte dem Herzog, der noch dazu mit Geld und 14 Ellen
Sammet gewonnen werden mufste. Der Herzog nahm auf zehn Jahre
die Kaufleute in seinen Schutz, die also dort noch verkehren wollten, und
dieser schlofs schon 1511 mit den Thurzo und Fuggern ab, die bald den
gröfsten Teil der Bergteile von Reichenstein in Händen hatten*. Den
Humpifs war in dem Schiedssprüche vorbehalten worden, ob sie sich fügen
wollten oder nicht.
» S. 38.
2 Urkunden Nr. 368.
=* » YtcU und Jos die Humppis und vil von der gesdlschaß der kofflit von Ravens-
burff' verklagten ihn beim Kaiser, der Notar brachte die Vorladung mit den Worten,
er käme in des Kaisers Geleit, worauf Wolf äufserst derb antwortet. Urkunde Nr. 9179
des germ. Museums. Über den Fortgang des Handels Heyd S. 40. Oberamts-
beschreibung Ulm 2, 196. *
* 1479 Januar 6. Deutsches Briefbuch D 8. 187.
•^ Vgl. Urkunden Nr. 396 und im Codex diplomaticus Silesiae 20
Nr. 328-331 u. 333. Vgl. Faulhaber, Beitrag z. Gesch. d. Reichensteiner Gold-
produktion in Zeitschr. d. Vereins f. Gesch. u. Altertum Schlesiens 31, 200 f. Vgl.
ebda. 26, 23.
538 Vierondfunfzigstes Kapitel.
Wann hat die Humpifsgesellschaft sich aufgelöst? Ich wage darauf
keine Antwort zu geben. Es ist die Zeit des sechzehnten Jahrhunderts
so wenig erforscht, dafs man da noch Überraschungen zu erwarten hat
Ich gebe gern zu, dafs die Blütezeit der Gesellschaft um 1500 längst
vorbei war, die neuen Gesellschaften hatten sie überflügelt; aus der ma^na
societas Alamatmarum wurde bescheidendich die Humpifsgesellschaft
Aber man geht doch zu weit, wenn man aus den Hertensteinschen Ur-
kunden allzuviel herausliest Aus dem Wortlaute der Urkunde von 1527
ergiebt sich nur, dafs man in Luzern nicht wufste, was der Gewinn der
1400 fl. Einlage war, aber es ist nicht zu folgern, dafs die Einlage keinen
Zins trug^ Es gab eben nicht alljährlich eine Gewinnverteilung, und
so mufste diese Ungewifsheit bestehen, auch wenn die Geschäfte gut
gingen. Immerhin, die Zeiten eines Liutfrid Muntprat, Jos und Ital
Humpifs und Rudolf Mötteli waren vorbei, die grofse Gesellschaft hatte
keinen Jakob Fugger unter sich. Schon 1525 wurde tiberlegt, ob man
die Gesellschaft nicht auflösen solle. Der schwäbische Bund wandte sich
damals an die vornehmsten Gesellschaften zu Augsburg und Nürnberg
und auch an Konrad Humpifs und seine Gesellschaft in Ravensburg,
damit sie ihnen Geldmittel vorstreckten. Konrad aber antwortete, sie
seien in ihrer Endrechnung begriffen und es sei Eweifelhaft, ob sie bei
einander bleiben würden. Viele ihrer Mitgesellen gehörten anderen
Städten an und seien mit gemeinem Bunde nicht verwandt*. Und so
wenig war man in Ravensburg mit der Gesellschaft noch einverstanden,
dafs auf einem dort stattfindenden Städtetage die Reichsstädte um den See
und im AUgäu beschlossen, darauf zu dringen, dafs den Kaufmanns-
gesellschaften als Maximum ihres Kapitals die Summe von 100000 fl.
gesetzt werde, damit die Käufe sich auf verschiedene Hände verteilten •.
Oder hatte die Gesellschaft nur ein so hohes Kapital und wollte sich der
gröfseren erwehren?
Eis ist bisher nicht bekannt gewesen, dafs Ravensburg sich auch an
den päpstlichen Stuhl gewendet hat, um kirchliche Rechte auf dem Ge-
biete des Handelslebens zu gewinnen. Seines grofsen Verkehrs wegen
kamen auch Exkommunizierte dorthin, da wurden die Kirchen oft ge-
schlossen; es solle ihnen freier Gottesdienst auch in solchen Fällen zu-
stehen. Das zweite war eine Einschränkimg der Exkommunikation in
Sachen, die bei dem päpstlichen Gerichte anhängig waren. Den geist-
lichen Gerichten sollten vorbehalten bleiben: ^sdlvis tarnen cansis matH-
monialibiLS y decimdlibus, super perjuriis et usuriSj ita tarnen quod judex
^ Heyd 45. Die Urkunde ist gedruckt Geschichtsfreund 20, 328.
' In der Korrespondenz Ulrich Arzts. Zeit sehr. d. hist. Vereins f. Schwaben
und Neuburg 10 (1883), 37 u. 54.
» Hafner 448.
St. Gallen, Schwaben, vor allem Memmingen und Ulm. 639
ecclesiasticus d£ lisuris tunc demutn cognoscere habeat, quando extorsio
usurarum coram conscilio sive consulibus oppidi R. sepefati probata fu€rit€.
Dieser letzte Wunsch wurde aber von Bonifaz IX. 1400 nicht erfüllt*.
Fünfundfünfzigstes Kapitel.
St. Gallen, Schwaben, vor allem Memmingen nnd Ulm.
St Gallen^ Leineweberei ^ Richtungen des Handels. — Memmingen, Gesellschaft
VöMin-Welser, Mitglieder. Getcinn, Die Gesellschaft in Lissabon, Teilung von 1617.
Spätere Geschicke. Die Ehinger, Thätigkeit in ItdUen. Ändere Memminger Häuser. —
Kempten, Isny, Lindau, Wangen, Überlingen, Biberach, — Ulm, Barchentweberei, Ge- /
schlechter, Richtungen, Schtcnbisch-Gmünd, Nördlingen, '
Dafs die Leinwandweberei nicht erst, wie man lange geglaubt hat, in
der Folge des Konstanzer Konzils von Konstanz nach St. Gallen ihren
Hauptsitz verlegte, sondern viel länger dort heimisch ist, wissen wir*.
Aber richtig ist daran, dafs die Handelsherrschaft auf diesem Felde im
fünfzehnten Jahrhundert von Konstanz an St. Qallen überging. Die Höhe
der Produktion läfst sich aus der Benutzung der Bleichen für die Zeit
nach 1392 genau feststellen; die höchste Beschickung waren 1983, die
geringste 1463 Tuche im Jahr®. Die Leineweberei nahm so zu, dafs um
1530 schon jährlich mehr als 10000 Tuche erstellt wurden und 350 Meister
thätig waren. Die Ordnung der Leineweber fufste ursprünglich auf der
Konstanzer, war dann aber selbständig weiter entwickelt, und um 1450
war die St. Galler Marke schon so allgemein beliebt, dafs selbst Konstanz
sich beugte und bat, die St. Galler Marke als Schauzeichen benutzen
zu dürfen. Aufser weifser Leinwand wurde Zwillich (blauer und
schwarzer) hergestellt. Die Stadt hatte allmählich alle Rechte des Abtes
auf das Gewerbe beseitigt und dieser fing nun seit 1460 an , von dem -
Städtchen Wyl aus eine Konkurrenz zu betreiben.
Die St. Galler Leinwand wanderte weit hinaus in die Lande.
Vadian zählt uns die Sprachen auf, die man in St. Gallen wegen des
Handels verstehe: spanisch, französisch, lombardisch, auch ungarisch,
böhmisch und polnisch^. Die spanische Verbindung steht nicht umsonst
voran, ich erinnere an die Mötteli. In Frankreich genossen die St. Galler
die Vorteile, welche der König den Eidgenossen eingeräumt hatte — ich
erinnere an ihre Thätigkeit in Lyon, wohin um 1500 eine regelmäfsige
Botenpost führte. In Italien sind wir, wenn auch nicht oft, St. Gallern
J Schultheifs Formelbuch Fol. 38 Nr. 131.
^ S. oben S. 116. Vgl. zum folgenden Häne, Leinwandindustrie, und Häne,
Der Auflauf zu St. Gallen im Jahre 1491 (Mitteil. z. vaterl. Gesch. Bd. 26) S.292f.
' Häne, Leinwandindustrie 11.
^ Häne, Leinwandindustrie 15. Vgl. im übrigen unser Register. Vgl. auch
Simonsfeld.
g40 Fünfandfünfzigstes Kapitel.
begegnet Nach Norden hin bildet eine hauptsächliche Etappe Nürnbei^,
mit dem seit 1387 eine Zolleinigung bestand, und noch weiter nördlich bei
Wittenberg wurden einmal St. Galler beraubt*.
Von den übrigen schwäbischen Städten ist zuerst Memmiiigen zu
nennen, das auch Sitz einer Kauimannsgesellschaft war, die ebenso kühn
wie erfolgreich in den Handel eingriff. Auch sie umschlofs späterBürger
mehrerer Städte. Schon 1479 war sie so blühend, dafs Erhard Hans
und Erhard Vöhlin zugleich im Namen ihrer Handelsgesellschaft eine
Prädikatur an der St. Martinskirche stifteten^. Die Vöhlin waren ur-
sprünglich aus St. Qallen eingewandert^, waren aber bald die angesehenste
Familie in ihrer neuen Heimat, und schon um 1500 begann der Prozels,
dafs einzelne Glieder sich zum Adel zu rechnen begannen und nicht mehr
persönlich die Geschäfte leiteten. Von den Vöhlin standen nacheinander
Hans (1490, 1493 wohl der Bürgermeister seiner Vaterstadt) und Konrad
(1495) an der Spitze; dieser starb 1511 gleichfalls als Bürgermeister^;
später war noch ein Hans in der Gesellschaft, er starb zu Saragossa,
wo er bei den Franziskanern begraben wurde*.
Mit ihnen verband sich ein höchst angesehenes Haus von Augsburg,
die Welser, die schon im Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts recht
reich waren ^. Obwohl schon längst im Handel thätig, sind sie in Venedig
jedoch erst seit 1441 nachgewiesen ^. Im übrigen Italien finde ich zuerst
1475 Lukas Welser genannt; da er aber als edler Mann bezeichnet wird
und zum Familiären des Herzogs von Mailand angenommen wurde '^, ist
er wohl längst dort heimisch gewesen. Lukas Weiser gehörte der 1473
gegründeten Handelsgesellschaft der vier Welserschen Brüder an, sein
Sohn Anton heiratete 1479 Katharina Vöhlin*. Vielleicht war damals
schon die Fusion vollzogen, sicher ist das 1495 der FalP®, und seitdem
wurde Antonius Welser, der übrigens eine Zeit lang Bürger und Stadt-
hauptmann in Memmingen war und 1496 nach Augsburg zurückkehrte**,
meist an erster Stelle genannt; 1498 erneuerte er mit seinem Schwager
Eonrad Vöhlin den Gesellschaftsvertrag *^.
1 Eidgen. Abschiede 2, 473.
^ Baumann 2, 456.
^ Baumann 2, 605.
^ Lukas Rem war auf seiner »Besingnis^, Greiff S. 16.
^ Greiff S. 19 u. 91.
« 1418 zahlte Bartholomäus Welser 53 V2 fl. Steuer.
' Simonsfeld 2, 59.
8 Urkunden Nr. 107.
» Ehrenberg 1, 194.
10 Urkunden Nr. 107.
" Baumann 2, 671 f. und Ehrenberg 1, 194.
J2 Ehrenberg 1, 194.
St. Gallen, Schwaben, vor allem Memmingen und Ulm. 641
Die Gesellschaft umfafste nach dem Gesellschaftsvertrage von 1508
nicht weniger als achtzehn Personen : Anton Welser den alten, Jakob und
Bartholomäus, Konrad Vöhlin, Ludwig Reyhing, Wolf, Marx und Hans
Pfister, Konrad Imhof, Anton, Hans und Narcifs Lauginger, Peter, Hans
und Wilhelm Heintzel, Ulrich Hanold, Simon Seitz und Andreas Rem.
Lukas Rem, der seit 1498 im Dienste der Gesellschaft stand, wird nicht
genannt, er ist erst später stimmberechtigtes Mitglied geworden ^ Vor-
her und nachher gehörten noch andere der Gesellschaft an. So 1488 die
Söhne des Ulmer Bürgermeisters Wilhelm Besserer, des Schwagers von
Hans Vöhlin^. Ob Antonius Fonger (Fonges oder Fungus), der Sohn
eines verstorbenen Andreas, der 1492 Faktor der Gesellschaft in Mailand
war®, ein Fugger war, ist zweifelhaft; dann müfste er ein unehelicher
Sohn des Andreas — des Stammvaters der Fugger vom Reh — gewesen
sein. Wurde die Gjesellschaft also immer stärker augsburgisch, so hat sie
doch gleich der Humpifsischen die Zugehörigkeit von Bürgern eidgenös-
sischer Städte sehr zu schätzen gewufst.
Bartholomäus Mai hatte schon vorher mit Bemern Gesellschaften
gebildet*. 1487 war er Haupt einer solchen, an der hervorragende
Bemer beteiligt waren ^. Mit Anton Welser und Konrad Vöhlin dürfte
er schon 1495 associiert gewesen sein*; es erwies sich für die Gesell-
schaft als äufserst vorteilhaft, einen Bürger einer so mächtigen Stadt
zum Gesellschafter zu haben. Bern trat wiederholt für den Bürger und
damit für die ganze Gesellschaft ein, so 1505 bei dem französischen
Gouverneur des Herzogtums Mailand wegen der Schuldner im Mai-
ländischen ^, und 1510 legte es für die Gesellschaft ein Wort ein, damit
ihr der Warentransport nach Venedig trotz der Kriegszeiten ermöglicht
werde®. Und wiederum wurde Gesellschaftsgut, das von französischer
Seite auf einem spanischen Kaufleuten gehörigen Schiff im Hafen von
Marseille mit Beschlag belegt war und das in 116 Ballen Wolle bestand,
als Gut eines Mitbürgers reklamiert, auf das die den Schweizern ge-
' Vgl. Greiff.
^ Oberamtsbeschreibung Ulm 2, 197 f. mit weiteren Angaben über die
Gesellschaft.
» Urkunden Nr. 172.
« Das Einzelne May 35 ff.
^ Aus den Familien von Laupen, Schamachthal und Diesbach.
^ Die Vöhlin sollten die Pensionen der Bemer Politiker in Mailand und Venedig
einnehmen und an Bartholomäus übermitteln. May 88 f. und Lat. Brief buch E
Fol. 182, wo die drei zusammen genannt sind.
"i Urkunden Nr. 308 und ähnlich Nr. 313. Über die Schulden der Grafen
Borromei von Arona s. May 24.
« Urkunden Nr. 309.
Sehulte, Gesch. d. mittelalterl. Handels. I. 41
Q42 Fünfundfunfzigstes Kapitel.
währten Vorzüge Anwendung finden müfsten *. Auch der Briefschaften
der Qesellschafty die in Toulouse durchsucht wurden, nahm sich die mäch-
tige eidgenössische Stadt an '. Ebenso hat an der päpstlichen Kurie Bern
für die Welser wiederholt interveniert®.
Die Gesellschaft, deren Kapital sehr erheblich gewesen sein mufs^,
konnte für die Jahre 1502 bis 1517 Dividenden in der Gesamthöhe von
142 ®/o, das ist 8,88 ®/o für das Jahr, verteilen. Der Gewinn ist nicht
allzu grofs. Doch beschuldigt sowohl Lukas Rem wie der einst gleich-
falls als Faktor bei den Welsern thätige Christof Scheurl die Leiter, dafs
sie bei den Abrechnungen den Gewinn zu niedrig ansetzten und nicht
so viel verteilten, als wirklich vorhanden war. Es flihrte das zu wieder-
holten Streitigkeiten und 1517 schieden mindestens vier Teilhaber aus,
vor allem Jakob Welser, der in Nürnberg ein neues Geschäft begründete.
Der Gegensatz zu den Fuggem wird uns später deutlich werden. Diese
sind ein Familiengeschäft, die Welser ein Konsortium von heterogenen Ele-
menten, die als Faktoren einen halben Einblick in die Geschäfte gewannen
und daher des öfteren unzufrieden waren; bei den Fuggem herrscht
eine stramme, monarchische Direktion über die besoldeten Faktoren, hier
der Widerstreit der Gesellschafter; die Fugger verlassen seit Jakob II.
den Warenhandel, die Welser bilden ihn bis 1517 immer mehr aus und
haben dafür eine kolossale Organisation geschaffen ; sie hatten Faktoreien
in Antwerpen, Danzig, Nürnberg, Venedig, Mailand, Rom, Zürich, Bern,
Freiburg, Genf, Lyon, Saragossa und Lissabon, und ihr gröfster Ruhm
ist es, der Änderung der Handelswege sofort Rechnung getragen zu
haben. Nicht mehr durch Vorderasien kamen ausschliefslich die Schätze
des fernen Indiens, sondern mit der Eröffnung des Seeweges um das
Kap der guten Hoffnung war Lissabon der wichtigste Stapelplatz ge-
worden. Nach Lukas Rem kann kein Zweifel sein, dafs das Haupt-
gebiet der Gesellschaft bereits der Markt in Lissabon und Antwerpen
war, dafs dem gegenüber Italien zurückstand. Sie beutete mutig die
grofsen Entdeckungen der Seefahrer aus. Gerade ihre Gesellschaft ver-
anlafste den König Emanuel von Portugal, zu Gunsten der Deutschen
1 Bern Staatsarchiv. Lat. Briefbuch H Fol. 127 u. 139. Ebda. Fol. 239 wegen
Räubereien eines Chapperon aus der Bretagne.
« »Societas Weher et Wechlhu. Lat. Briefbuch K 137.
» Urkunden Nr. 310. Urkunde von 1523. May S. 40. Schuld der Kurie,
entstanden während der Sedisvakanz. Urkunden Nr. 312.
^ 26801 fl. hatten Erhard und Sibylle, die Kinder Bernhards Vöhlin, 1505 bei
der Gesellschaft liegen. Brunn er, Die Vöhlin von Frickenhausen, Zeitschr. d. hist.
Vereins f. Schwaben 2, 267. Lukas Rem, der ursprünglich 2000 fl. Einlage besafs^
hatte 1517: 9440 fl. Greiff 30f. Ein Sohn des Bürgermeisters Wilhelm Besserer
von Ulm zog 1492 seine Einlage von 3000 fl. aus der Gesellschaft zurück. Ulmer
Oberamtsbeschreibung 2, 198. J&ger, Ulm 674.
St. Gallen, Schwaben, vor allem Memmingen und Ulm. g43
einen Handelsvertrag abzuschliefsen ^. Am 25. März 1505 stachen die
ersten von Deutschen gecharterten Schiffe in die See, deren Ziel das
ferne portugiesische Indien war. An den mitgesandten Waren und Qeld
waren Florentiner und Genueser Kauf leute mit 29 400 Dukaten beteiligt,
die Welser und Vöhlin mit 20000, die Fugger und Höchstetter mit je
4000, die Gossembrot von Augsburg imd die Imhoff von Nürnberg mit
je 3000 und endlich die Hirschvogel von dort mit 2000 Dukaten^.
Lukas Rem, dessen Tagebuch wir diese und viele andere Nach-
richten über die Gesellschaft verdanken ^j hat leider mit dem italienischen
Handel der Gesellschaft nichts zu thun gehabt, er wurde vor allem auf
den Hauptfaktoreien zu Lyon, Lissabon und Antwerpen verwendet,
revidierte auch die Faktoreien in Genf, Freiburg und Bern, war auch in
Saragossa, Valencia auf den Stationen und hatte namentlich in Madeira
und auf diesen vorgeschobensten Posten der Welserschen Besitzungen zu
thun, so ungern er in diesen Landschaften war. In Venedig hatte er
gelernt, das übrige Italien streifte er nur auf zwei Reisen; als Lehrling
war er 1498 in der Compagnie Haus zu Mailand bei dem Faktor Anton
Lauginger ^, „der sich in seiner Rechnung vterirrt hatte ** und an dem zum
erstenmal der Siebzehnjährige seine Kunst erprobte, in die Handlungs-
bücher Ordnung zu bringen.
In Italien ist die Gesellschaft seit 1478 thätig nachzuweisen. Bar-
tholomäus Welser und Brüder standen damals schon in regelmäfsiger
Verbindung mit den Corsini von Florenz und hatten Safran bei Bologna
unterwegs^. Obwohl in Mailand längst bekannt, empfahl doch 1493 der
Doge von Venedig die Vöhlinsche Gesellschaft an den Herzog*. Viel-
leicht hängt das mit der Saumseligkeit der Vorsteher der herzoglichen
Münze, die der Gesellschaft die Restzahlung auf geliefertes Silbererz
nicht leisteten^, zusammen. Ihr Handel betraf alles, was einen Nutzen
abzuwerfen versprach. Wie aus Lukas Rems Tagebuch hervorgeht,
hat dieser mit Safran, Wolle, Kupfer, Blei, Zinnober, Quecksilber,
Korn, flämischem Gewand, Spezereien, Öl, Wein, Elfenbein, Baumwolle,
Feigen, Zucker, Pfeffer und den andern aus Indien eingeführten Waren
gehandelt. Ahnlich mag auch ihr Handel in Venedig, Mailand und
» Häbler, Fugger 21.
' Städtechroniken 25, 278. Chronik des Wilhelm Rem. Lukas Rem, der
die Annazion selbst besorgte, giebt den Anteil etwas höher an. Greiff S. 8 und
Anm. 51 u. 52. Der Nutzen war nach Lukas Rem 150 ^/o, nach Gassarus 175 ^/o.
Vgl. auch Hantzsch S. 7. Uff. Heyd 2, 522 ff.
« Vgl. Greiff, Hantzsch S. 10 f.
^ Wohl identisch mit Antonius Longhus. Urkunden Nr. 174.
» S. oben S. 592.
« Urkunden Nr. 71, 74 u. 124.
' Urkunden Nr. 172.
41*
g44 Fänfundfunfzigstes Kapitel.
Genua gewesen sein. Auf dem Po bei Piacenza wurden 1527 vier Kisten
mit Seide und 22 Säcke mit Wolle von Soldaten weggenommen ^ Von
Freiburg im Üchtlande brachten sie nach Venedig weifse Wolltücher *, in
Bern, Solothurn und Biel beschwerten sich die Leute bitter darüber,
dafs die Vöhlin das ganze Ledergewerbe an sich zögen und die besten
Erzeugnisse nach der Lombardei schickten^. Woher das Zinn kam, das
die Doria von ihrem Mailänder Faktor, Bernardus Meuting (Mayetinus),
einem Augsburger, kauften, ist nicht angegeben^. Mehrere Nachrichten
liegen über die Geldgeschäfte vor*. Wohl zu beachten ist, dafs auch sie
zu den Campsores Homanam curiam sequentes gerechnet werden^.
Nach der Spaltung von 1517 begründete Jakob Welser in Nürnberg,
wo er schon 1493 Faktor gewesen war, ein selbständiges Geschäft, das
an dem soliden Warenhandel festhielt und Comptoirs in Genua, Mailand,
Venedig und Aquila — mit Rücksicht auf den Safranhandel — besafs.
Dann ging das Geschäft mehr und mehr zum Geldhandel über, um in
ihm bedeutende Verluste zu erleiden^.
Die Augsburger Firma hat bis zu dem Bankerott von 1614 be-
standen, der gleichfalls durch den Anteil an dem Geldhandel bedingt
war. Eine Zeit lang hatten sich die Welser an erster Stelle neben den
Fuggern behauptet. Die aufserord entlich engen Beziehungen zu Karl V.
und den spanischen Kreisen haben dem Hause und den mit ihnen ver-
bundenen Ehingem von Konstanz die Erwerbung Venezuelas ermöglicht
Die Untersuchung Häblers® hat gezeigt, dafs gerade den Ehingem ein
» Urkunden Nr. 311.
« Urkunden Nr. 309.
> Eidgen. Abschiede 8, 2, 446.
^ Urkunden Nr. 179. Dieser Meuting lebte auch in Mailand. Chroniken
deutscher Städte 25, 82.
* S. oben und Urkunden Nr. 174.
« Ehrenberg 1, 98.
' Vgl. über die Welser von 1517 an Ehrenberg 1, 197—211.
^ Weiser und Ehinger in Venezuela, Zeitschr. d. bist. Vereins f. Schwaben und
Neuburg 21 (1894). Der Welser-Codex des britt. Museums zu London, Beil. d. Allg.
Zeitung 1894 Nr. 285/6. Die Welser in Venezuela ebda. 1898 Nr. 285/6. Dalfinger
ebda. 1895 Nr. 50. Hantzsch 16^49. Über die Ehinger kann ich einige neue Mit-
teilungen machen. Die meisten Quellen nennen sie von Ulm, Heinrich Ehinger hat
sich aber 1521, wie Ulrich Ehinger etwas später als Konstanzer bezeichnet. Als
ihr Bruder wird auch Ambrosius genannt, der meist den Namen Dalfinger trfigt. In
der Steuerliste von Konstanz 1520 steht Jerg und Margreth Ehinger mit 8000 U hl.,
Ulrich mit 1000 it hl. versteuert, wobei Grundbesitz und Fahrhabe nicht geschieden
ist Nach Mitteilungen Leiroers erscheinen in den Stenerlisten u. a. Ulrich Ehinger,
Hansen Sohn, 1514—1537 (1528—81 sicher aufser Landes), Jörg 1524—41, 1542—48
sind Beiträge versteuert für seinen »ledig geporenen «tm«. Herr Heinrich Ehinger
erscheint 1525—1586, seit 1537 seine Witwe. 1519 war er Faktor der Welser in
St. Gallen, Schwaben, vor allem Memmingen und Ulm. 645
grofser Anteil an dem Unternehmen zukommt, das sich durch Kühnheit,
durch Weite des Blickes auszeichnet; aber vom geschäftlichen Stand-
punkte aus beurteilt blieb es ein Abenteuer. Die I^hinger und Welser
haben keinen Gewinn davon gehabt. Erst die Nachwelt hat ihren Namen
zu Ehren gebracht, weil sie die ersten überseeischen Kolonisatoren
deutschen Blutes waren.
Von anderen Geschlechtern Memmingens linden wir einen Antonius
Besserer, aus der in Ulm, Memmingen, Ravensburg, Leutkirch, auch in
Konstanz verbreiteten Familie, der vielleicht mit Peter Stüdlin eine Ge-
sellschaft hattet 1511 hatte Jörg Besserer von Memmingen eine Gesell-
schaft-. Die eigentlich Leutkircher Familie Stüdlin war durch Handel
sehr emporgekommen, bereits in den Landadel übergetreten, um erneut
zum Handel zu greifen^. Peter Stüdlin trieb lebhafte Geschäfte nach
Italien, doch war er 1511 Faktor der Welser- Vöhlin*. Auch die Familie
Stebenhaber begegnet in Italien^.
Neben Memmingen erscheint auch noch eine andere allgäuischc Stadt,
nämlich Kempten. Und zwar ist es ein Zweig der Familie Stüdlin, den
wir in Lyon und Bologna thätig linden ®. Ein Jodokus Schedler aus
Kempten war Faktor der Humpifsgesellschaft, wie Philipp Wiesland
Saragossa. Reichst agsakteu Jüngere Keihc 1, 220. Sie waren also Konstanzer
Bürger ) ohne dort wohl ein Hausgesäfs zu haben. Der Stammbaum bei Bucelin,
Oonstantia Hhenana Anh. S. 41 fuhrt als Kinder dos Jobann Ehinger zu Güttingen
neben drei Töchtern sechs Söhne an: einen natürlichen Sebastian, Chorherren zu
St. Stephan in Konstanz, dann Heinrich ff 1585), Ulrich, der als Rittor des Ordens
von St. Jago und Rat Karls V. bezeichnet wird, den 1501 gestorbenen Gotthard,
den zweimal vermählten Johann, und endlieh Georg, den Kämmerer Karls V., der
bei seiner zweiten Reise nach Indien 1537 von einem Spanier ermordet sei. Die
Angaben sind wohl nicht alle gleich gut. Sie hat Kiudler v. Knobloch 1, 287
übernommen. Die Schulthefssche Familienchronik in Konstanz (S. 101) läfst Gebhard
und Sebastian beiseite, bezeichnet Heinrich als einen Geistlichen, stimmt aber im
übrigen mit Bucelin überein. Die Angaben beweisen aber, dafs die Ehinger zu
dem Konstanzer Geschlechte gehörten und nicht zum ITlmer, dafs ihr Vermögen
aber nicht grofs genug war, um die Kolonisation von Venezuela durchzuführen.
Von den an dem Unternehmen in Veneziiela Beteiligten ist somit Georg und Hein-
rich als Konstanzer erwiesen, Ulrich stand indirekt damit in Verbindung, der rätsel-
hafte Ambrosius Dalfinger ist nicht unterzubringen. Auch die anderen Führer der
venezolanischen Unternehmung gehören meist unserem Gebiete an: die Ulmer
Nikolaus Federmann und Sebastian Renz, Georg Hohermuth von Memmingen.
' Urkunden Nr. 75. 90 Anm. 1.
2 Urkunden Nr. 289.
" Baumann 2, 606.
* Urkunden Nr. ö9. 289.
^ Urkunden Nr. 71. Einen Bernardus Meier mit Gesellschaft kann ich im
Allgäu nicht identifizieren. Urkunden Nr. 90.
« Oben S. 487 u. 592.
/
g46 Fünfundfünfzigstes Kapitel.
von Isny und später die Hinderofen von Wangen. Kempten und Isny
erzeugten Leinwand, die wie die St. Galler bis Wien ging*.
Auffallend selten begegnen uns Kaufleute aus Lindau *. Der Verlust
des dortigen Stadtarchivs ist sehr zu beklagen. So haben wir ein paar
dürftige Angaben bei Vitoduran aus seiner Lindauer Zeit, in der er aller-
hand über Venedig und Venetianer reden hörte. Damals blühte Lindau
auf. 1402 finden wir Kaufleute von Lindau und Wangen in Burgund
Handel treibend^. Jedenfalls liegt der Höhepunkt des Handels der
Lindauer Bürger erst später.
Auch die andern Reichsstädte des Bodensees gewannen keine Be-
deutung. Einen Bürger von Buchhorn habe ich überhaupt in der Fremde
nicht gefunden, und von dem reichen mächtigen Überlingen begegnet luis
nur in Barcelona ein Händler Jakob, der Korallen von hohem Werte besafs*.
Trotz seiner gewerblichen Betriebsamkeit, vor allem in der Barchent-
weberei, tritt auch Biberach zurück, das am Handel mit Venedig sehwach
beteiligt*, mir sonst in Italien überhaupt nicht begegnet ist, während es
nach Lyon handelte^.
Die grofse Reichsstadt Ulm hat im fünfzehnten Jahrhundert die Zeit
ihrer Blüte gehabt. Die Wollweberei war freilich mehr zurückgegangen,
dafür hatte die Barchentweberei eine Bedeutung gewonnen wie in keiner
anderen deutschen Stadt: Ulm war das deutsche Mailand^. Die Ver-
fertigung von Golschen aus rohem, ungesottenem Leinengarn beschäftigte
ebenfalls viele Webstühle. Und nicht allein die Stadt arbeitete, sondern
auch auf dem Lande waren zahlreiche Gäuweber thätig, welche in
schlechten Jahren sich ganz dem Landbau widmeten. Die Gäuweberei
wurde deshalb von der Stadt begünstigt, während die Stadtweber ihre j
Genossen vom Lande von der Ulmer Schau verdrängen wollten.
Der grofse Konsum von Baumwolle rief einen lebhaften Handel
hervor. Die Baumwolle wurde, da Ulm vor allem cyprische Baum-
I wolle von Famagusta verwendete, zumeist in Venedig gekauft, wo auch
1469 die Ulmer Weberzunft selbst einkaufte, jedoch habe ich 1375 auch
einen Ulmer in Mailand beim Baumwolleinkauf gefunden®.
' Archiv f. österr. Gesch. 14, 279.
2 Urkunden Nr. 126 und 1497. Zeit8chr.f.Ge8ch.Oberrh.5,412ff. Als Faktoren
finden wir Lindaucr bei den Hundbifs und Besserem, vgl. Ur kund en Nr. 289, wie über-
haupt die kleinen Städte Oberschwabens ziemlich viele Kaufmannsgehilfen stellten.
8 Baseler Urkb. 5, 316.
* Oben S. 545.
» Simonsfeld 2, 63.
« Oben S. 488.
^ Nach Fabri S. 47 wurden jährlich 9000 Stück erzeugt, nach S. 48 aber gar
60000 gebleicht
8 Urkunden Nr. 13
St. Gallen, Schwaben, vor allem Memmingen und Ulm. g47
Die Barchentweberei bot der Spekulation die besten Aussichten.
Der Weber erhielt Rohstoff gegen die Ablieferung von Rohbarchent,
trug also das Risiko der Wertschwankung des Rohstoffes. Diesen Roh-
barchent kauften nicht allein Kaufleute auf, sondern auch Edle, Geist-
liche, Patrizier, die sich sonst zu vornehm dünkten; nach der Bleiche
und Fertigstellung veräufserten sie den Barchent wieder ^ Es entstand
eine vollständige Bleichspekulation und ein Barchentwechselgeschäft Die
Händler fanden für die Ware einen grofsen Markt: Ulmer Barchent ist
in Lübeck, Antwerpen und Calais als marktgängige Ware bekannt ge-
wesen ', und als der andalusische Ritter Peter Tafur nach Ulm kam, das
in seiner Heimat „Oli^s" genannt wurde, war er froh, den Ursprungsort
der „Barchente" zu sehen; die venetianischen Gesandten von 1492 sahen
in der Güte der Bleichen an der Blau den Vorzug der Ulmer ^pigno-
latU ^. Auch andere Gewerbe blühten in Ulm. Nach Fabri waren dort
so viele Kartenmaler, dafs ihre Karten in Fässern nach Italien, Sizilien
und zu den fernsten Inseln gingen^. Die Handelsbeziehungen von Ulm
waren sehr ausgedehnt; so finden sich schon 1405 zwei Ulmer in Breslau^.
Von den vornehmen Geschlechtern waren die Ehinger und Besserer
bei der Humpifsgesellschaft beteiligt, die Besserer bei den Vöhlin und
Welsern®. Die Hauptrichtung des Ulmer Handels über die Alpen ging
auf Venedig ^, doch war auch der Handel mit Mailand nicht unbeträcht-
lich. Dafs ein Zweig der Ehinger sich von Mailand nannte, ist schon
oben gesagt®, wo auch bereits einige der Namen genannt sind, die in
Mailand erscheinen. Ein Hans der Lam parter war 1398 Bürger in
Ulm**. Von den Geschlechtern hatten auch die Strölin und Nithart nach
dem Steuerverzeichnis von 1427 bezw. 1497 Fardel bei sich liegen. Es
ist also auch in Ulm noch wohl von den Geschlechtem Anteil am Handel
genommen.
Am meisten werden in Mailand die Gienger und Scheler genannt,
die am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts offenbar zu den aufblühenden
Familien gehörten*^; Martin Scheler führte aus Como die Sammetweberei
» Nübling, Baum Wollweberei S. 186 ff. Fabri S. 75. 121.
- Nübling in Oberamtsbeschreibung Ulm 2, 193. Vgl. auch Fabri 8. 146.
3 Tafur 268. Häbler S. 520. Simonsfeld, Gesandtenreise S. 260.
* Fabri 146.
^ Stadtarchiv Breslau Lib. sign. 29.
« S. oben S. 638 u. 641.
"^ Die Angaben bei Simonsfeld sind keineswegs vollständig.
^ Oben S. 574. Fabri läfst die Ehinger von Mailand einwandern S. 84.
^ Verhandl. d Ver. f. Kunst u. Altert, in Ulm und Oberschwaben 3, 64.
^^ Nach Fabri S. 120 waren die Gienger ursprünglich Müller, zu seiner Zeit
gehörten sie zur Zunft der Kaufleute S. 135. 1427 zahlte jedoch schon Peter Leo
V. Giengen eine Steuer von AA U \2 ß, 1497 die wittib 122 U, Matheus 45. 10 — ,
548 Sechsundfunfzigstes Kapitel.
in Deutschland ein^ Eine Reihe von Namen anderer Ulmer gehören
wenig oder gar nicht bekannten Familien an^. TSa scheinen also auch
kleine Leute nach Mailand Handel getrieben zu haben. Der Verkehr
nach der Lyoner Messe war, wie wir sahen, sehr lebhaft^.
Wenn ich nun noch zwei aus Schwäbisch -Gmünd stammende
Händler, die in Como Wolle verkauften, Heinrich Lind und Peter Geist,
nenne und erwähne, dafs aus Nördlingen Handel nach Genf getrieben
wurde, ein Martin Suren auch auf dem Wege nach Italien erscheint*, ist
mit Ausnahme von Augsburg Schwaben erschöpft. Das gesamte Nieder-
schwaben aufser Gmünd fehlt somit ^. Die gleiche Lücke weist auch die
Liste Simonsfeld für Venedig auf.
Sechsundfünfzigstes Kapitel.
Augsburg.
CJtarakter des Augsburger Hatideh. Die Fugger, Stammbaum, Die beiden Ltnün,
Handel mit Italien, Die Fugger in Lissabon, Andere Augsburger,
Augsburgs Blüte beruhte nicht allein auf der ausgezeichneten Lage,
auf dem regen Handel seiner Bewohner, sondern wiederum auf der innigen
( Verbindung von Handel und Gewerbe. In Augsburg war die Barchent-
weberei sehr entwickelt, daneben auch die Metallgewerbe, wie es über-
haupt sich, was die Geschicklichkeit seiner Handwerker anbetrifft, allein
1 mit Nürnberg vergleichen läfst. Für Augsburg ist besonders charakte-
ristisch die Tendenz zur Bildung von grofsen Vermögen, die zu Speku-
lationen verwendet werden. Hier zuerst ging man zur kapitalistischen
/ Ausbeutung der Bergwerke über und wenn man sagt, Augsburg war die
Beherrscherin des Bergbaus nicht allein in der Alpenwelt, so charakteri-
siert man am besten — meine ich — seine Eigenart. Die riesigen Er-
folge des Bergbaus jener Tage schwellten die Vermögen der Augsburger
Handelsherren.
Während wir bisher nur Gesellschaften kennen lernten, deren Leiter
den Geschlechtern der betreflFenden Städte entstammten, zumeist auch die
Jakob alt 42 , Jeronimus 88. 10. — , Jakob jung 17. 10. — . Martin Scheler
zahlte 1497 2\ U 10 j^? Steuer.
> S. oben S. 582. 584.
« Val. Urkunden Nr. 136; Bertholdus Nr. 140; Tierlin 151. 156; Stadler 46;
Royuus 116; Hei 110. Nur die Familie des Balthasar Fusinger Nr. 55 u. 79 ist aus
der Steuerliste mir bekannt (1427: AU Fusingerin, irm Kind 5,4,6). Nach Bazing
u. Veesenmeyer, Urkunden z Gesch. d. Pfarrkirche in Ulm S. 12 waren 1377 und
1379 die Fusinger angesehene Krämer.
« Oben 8. 487 f. 433.
* Vgl. oben S. 574 u. 384.
'* Ich sehe hier wie stets von den Faktoren ab, die z. T. aus kleinen Städten
stammten, z. B. Urach, Mergentheim u. s. w.
9
u
Fugger.
Steiger.
Tochter.
Hartmann Steiger,
1379 erschlagen.
Claus,
1394.
ütz, Uli (Ulrich) Fugger,
1394 ermordet,
ux.: Agnes.
i (seit 1473),
EIS getrennt.
isinger,
)5.
Chunrat,
1394.
Mehrere Söhne.
pueri Fugger, bis 1411.
Hans C.
Ulrich,
1441-_1510.
ux.: Yeronica
Lauginger.
Marcus, Peter,
1 1478 in Rom f 1473
als vom oder
Kapitel nicht 1479.
zugelassener
Domherr
in Augsburg.
Greorg,
geb. 1453,
t 1506.
ux.: Regina
Imhof.
Jacob,
geb. 1459,
t 1525.
ux.: 1498
Sibylla Arzt.
Ohne
Kinder.
Barbara, Anna, Walburgj
mar.:
Conrad
Meuting.
mar.:
Hector
Mülich.
mar.:
Wilhelm
Rem.
Susanne,
mar.: 1516
Jörg
von Stetten.
Marcus, Raimund,
Probtet vieler ux.: Katharina
Kirchen, Thurzo,
geb. 1488, 1489—1535.
t 1511
zu Rom.
Regina,
mar.: 1512
Hans Baum.
gartner.
Anton,
ux.: Anna
Rehlinger,
1493—1560.
Augsburg. 649
höchsten Ämter derselben bekleideten , sind die Augsburger Fugger aus
den niederen Schichten emporgestiegen, ohne je am Stadtregimente einen
nennenswerten Anteil gehabt zu haben. Ausgehend vom Handwerk, ver-
lassen sie zuerst und am stärksten den Warenhandel, um das erste Bank-
haus der damaligen Welt zu werden.
Im Jahre 1368 wanderte aus dem Dorfe Graben auf dem Lechfelde
ein Barchentweber Fucker nach Augsburg ein, elf Jahre später erscheint
sein Bruder. Jener erste war Ulrich, dieser zweite Hans ^ Ulrich wurde
1394 durch einen Bleicher ermordet und seine Linie verschwindet bald ^.
Hans Fugger starb 1409 und da er schon eine ganz ansehnliche Steuer
bezahlte, hat er gewifs nicht mehr das SchifFlein geworfen, sondern war
wohl eher ein Händler^. Der Barchenthandel führte aber diejenigen,
welche den Rohstoff und die Ware mit dem gröfsten Nutzen erwerben
bez. veräufsern wollten, weit hinaus. Dafs ein Handelsgeschäft bestand,
folgt auch daraus, dafs noch 1434 die Mutter versteuerte, noch 1448 sich
die beiden Brüder nicht getrennt hatten*. 1455 aber zahlten sie ihre
Steuern gesondert*. Ich zweifle nicht, dafs bis dahin eine Oeschäftsteilung
nicht erfolgt war. Und von vornherein erscheinen die Fugger mit so
hohen Beträgen, dafs sie z. B. schon damals mit den Weisem gleich
standen. Der Reichtum der Fugger ist älter begründet, als man bisher
glaubte. Von da ab gingen die Linien dauernd auseinander. Die ältere
Linie erhielt 1462 vom Kaiser das Wappen, nach dem sie die Fugger
vom Reh genannt wurden. Der jüngeren Linie ist die Tradition der
älteren wenig günstig. Vielleicht sind übrigens die Fugger von der Lilie
die ältere Linie, wenigstens blieben sie im Besitze des Stammhauses.
Andreas vom Reh, so sagt die Chronik, sei ein hoff^rtiger, übermütiger
Mensch gewesen, der sich durch glücklichen Handel ein bedeutendes Ver-
mögen erworben habe, so dafs man ihn im Gegensatze zu seinem Bruder
Jakob den „reichen Fugger" genannt habe. Die Erinnerung war gewifs
nicht getreu; denn 1455 versteuerte Andreas weniger wie Jakob und
^ Vgl. meine Angabeu in dem Artikel : Neues über die Anfange der Fugger in
Beil. z. AUgem. Zeitung 1900 Nr. 118. Ich stütze mich vor allem auf die früher nicht
benutzten Steuerbücher, das beste und solideste Material. Ich habe im folgenden
von allen Nachrichten der Familienüberlieferung, wie sie durch die Chronik des Hans
Jakob Fugger begründet wurde, Umgang genommen, wenn sie sich nicht fest und
sicher dem sonst Gewonnenen einfügen lassen.
^ Das ergiebt sich — abweichend von dem bisher Bekannten — aus dem Acht-
buche 1894 S. 35<^ Danach auch die Angaben des Stammbaumes.
^ Man hat bisher die Steuerbücher heranzuziehen versäumt. Hans Fucker zahlt
1398: 88V2 fl., 1403: 13 fl. 11 ^ 1 ^, 1408: 16 fl. 2 «.
* Fuckerin 1418: 27 fl., 1428: 17 »/s fl., 1434: 20 fl. 15 gr. Andreas Fugger et
frater 1441: 30 fl. 1 ort. 1448: 45 fl. 8V9 gr.
^ Andreas 18V'a fl., Jakob 23 fl. 17 gr 6 ^, 1448: 48 fl.
350 Sechsundfunfzigstes Kapitel.
ebenso 1462 seine Witwe ^ Seit 1472 erscheint selbständig neben der
Mutter Lukas, 1479 auch Jakob, 1480 Matthäus. Johannes, der nach der
Familienchronik „valiert hat und auf St. Annaberg wohnen müssen," war
nach Nürnberg gezogen, wo er 1495 Safranschauer wurde; den seiner
Augsburger Vettern sollte er jedoch nicht schauen, 1499 gab er sein
Bürgerrecht in Augsburg auf, wo sich seine Familie nicht länger ver-
folgen läfst^.
Lukas und Matthäus Fugger vom Reh waren in Mailand um 1470
sehr angesehene Kaufleute, es sind schon früher die italienischen Be-
ziehungen der Fugger vom Reh ausreichend besprochen. Lukas war
1 487 in seiner Heimat noch so angesehen, dafs, als die Stadt ihre Kauf-
leute wegen der gefährlichen Läufe von der Frankfurter Messe abberief,
sie den Befehl an Hieronymus Welser und Lukas schickte^. Den Zu-
sammenbruch knüpft die Chronik an die Weigerung der Schuldzahlung
der Stadt Löwen. Diese Angaben sind mindestens unvollständig. Der
Bankerott brach im Jahre 1494 in Venedig aus, wo Lukas seinen Kredit
aufs äufserste angespannt hatte. Er und sein Sohn Markus und ein be-
teiligter Sensal flohen und erst 1499 kam ein Vergleich zu Stande*.
Dieser Sturz rifs die ganze Linie der Fugger vom Reh mit ins Ver-
derben, sie haben offenbar eine Gesellschaft für sich gebildet. Im Jahre
1491 zahlten die Fugger vom Reh an Steuern zusanmien 164 fl. 17 gr.
34 /^ , der gröfste Betrag 93 fl. fiel auf Lukas , 41 auf seinen Bruder
Jakob. Im gleichen Jahre zahlte aber die andere Linie schon 335 fl.
Von 1493 an haben die Glieder dieser Linie ihre geringen Steuern nur
sehr unregelmäfsig bezahlt. Ihr Ruin war ein definitiver.
Der Stammvater der anderen Linie, Jakob, starb schon 1468, seine
Frau, die Tochter des Münzmeisters Franz Basinger, lebte aber noch
1495. Der Schwiegervater hatte zwar 1444 seine Zahlungen einstellen
müssen', doch wurde er wieder Münzmeister in Hall in Tirol und er ist
es wohl gewesen, der dem Fuggerschen Handel die entscheidende Richtung
gab; denn im Jahre 1448 erscheinen die Fugger als Gewerken bei dem
Bergbaue von Schwaz®, — also in einer Zeit, da sich die Brüder noch
nicht getrennt hatten. Wenn bis dahin der solide Warenhandel das
' 1462 Jakob: 122 Va fl., Andreas Fuckerin: 81 fl. 32 gr.
- Anzeiger f. Kunde der deutschen Vorzeit N. F. 10 (1863) S. 47 ff.
^ Stadtarchiv Augsburg Missivbücher.
^ Simons feld 1 Nr. 594. 603. 604 u. 606. Auch sei daraufhingewiesen, dafs
unmittelbar vorher der mit Lukas verwandte Heinrich Stammler Bankerott gemacht
hatte. Nr. 591. 592.
^ Nach B. Zink (Chroniken deutscher Städte 5, 99) und der anonymen
Chronik (Chroniken deutscher Städte 22, 491), vgl. auch die Anm. zu B. Zink
a. a. O., war er Goldschmied, aber zugleich auch Spekulant.
* V. Isser-Gaudenthurm in der Zeitschr. des Ferdinandeums 37, 147.
Augsburg. 651
einzige Ziel deutscher Geschäfte gewesen war, begann um diese Zeit die
Verbindung mit dem Bergbau auf Edelmetalle , daraus erwuchs der
Lieferungsverkehr mit den Münzen, der Abschlufs von Anleihen und
damit das Bankgeschäft überhaupt. Wir wissen, dafs auch andere Augs-
burger Häuser sich damals energisch auf den Bergbau verlegten. Über
den Anteil der Fugger vom Reh am Bergbau im Mailändischen ist schon
oben gesprochen^; noch mehr wandten sich die Fugger von der Lilie, }
wie man sie nach dem 1473 verliehenen Wappen nennt, diesem Geschäfte v
zu. Im Jahre 1487 machte Jakob (U) Fugger mit dem Genuesen Antonio
de Carallis dem Erzherzoge Sigmund von Tirol eine bedeutende durch
die Silberausbeute verbürgte Anleihe. Sie begannen bald in Tirol und
Kärnten einen ausgedehnten Bergbau ^, ebenso hatten sie seit 1489 Anteil
an den Bergwerken zu Rauris, Gastein u. s. w. in den Tauren ^. 1495
wurde von ihnen in Gemeinschaft mit der ungarischen Familie der
Thurzo der Bau der Kupferbergwerke in Neusohl übernommen, die
sich zu grofser Ausdehnung entwickelten. Schon 1498, 1499 konnten
die Fugger mit andern Augsburgern Syndikate zur Beherrschung des
Kupfermarktes bilden. Die Geschichte der Fugger ist nun besonders
dadurch charakterisiert, dafs die Gesellschaft, welche sie bildeten, un-
zerteilt zusammen blieb und nicht wie die andern Gesellschaften auch
fremdes Blut in sich aufnahm. Es wurde so die Absicht erreicht, dafs
der Fuggersche Handel bedingungslos nur ein solcher blieb*. Die
andern Gesellschaften haben ferner nicht allein sehr bald Ritter, die
Männer der reichen Töchter, als Mitteilhaber gehabt, sie konnten auch
nicht verhindern, dafs den reichsten Gliedern der Handel mifsfiel und
sie sich auf das Land zurückzogen. Dieser Gefahr wufsten die Fugger
zu begegnen, sie liefsen solche Elemente in der Gesellschaft nicht auf-
kommen. Bei den Geschlechtern war die Versuchung grofs, sich dem
Turniere zu widmen. Die Fugger aber waren durch ihre Zugehörigkeit '
zu den Zünften ausgeschlossen. Für sie war diese Welt verschlossen.
Trotz ihres Reichtums hat niemals ein Fugger von der Gilgen vor den
Söhnen Georgs die Hand einer Patriziertochter begehrt*. Sie hielten
auch nach ihrer Erhebung in den Grafenstand an dem bürgerlich-
kaufmännischen Gewerbe fest und erkoren den Fähigsten unter sich \
> S. oben S. 572. ^
^ Dobel, Über den Bergbau und Handel des Jacob und Auton Fugger in
Kärnten und Tirol (1495—1560). Zeitschr. d. bist. Vereins f. Schwaben und Neu-
burg 9, 198—213.
' Dobel, Der Fugger Bergbau und Handel in Ungarn, ebda. 6, 85 Anm. 2.
* Ehrenberg 1, 88.
^ Ehrenberg irrt, wenn er die Stammmutter derer vom Reh für eine Patri-
zierin hält.
652
Secbsundfunfzigstes Kapitel.
zum Regierer der Gesellschaft; erst Jakob 11, dann Anton. Ganz ist
das Prinzip des Ausschlusses fremden Blutes nicht inne gehalten ; es war
bisher nicht bekannt, dafs Ulrich, Jörg und Jakob Fugger bis 1486 mit
einem Nürnberger Bürger Hans Kramer eine Gesellschaft bildeten, deren
Kapital übrigens nicht ganz 5000 fl. umfafste* und Georg Fugger war
1487 mit dem Nürnberger Kilian Awer associiert*. Georg war 1488 und
selbst noch 1492 in Nürnberg wohnhaft, in den Augsburger Steuerlisten
erscheint er seit 1488. Die Gesellschaftsverträge von 1494® und 1502
geben als Teilhaber nur die drei Brüder an und seitdem blieb die
Gesellschaft streng eine Familiengesellschaft. Jakob Fuggers Witwe be-
hielt das Vermögen — den Steuerlisten nach zu urteilen — sehr lange
zusammen. Ihr Sohn Ulrich wurde 39 Jahre alt, ehe er (1480) in den
Steuerlisten erscheint. Die drei Brüder hatten glänzende Erfolge in dem
Geschäfte ihrer Mutter. Um das zu überblicken, habe ich nach den
von BufF mitgeteilten schwankenden Steuersätzen alle Steuern auf den-
selben Fufs umgerechnet und teile in der nachstehenden Tabelle aUe
Änderungen in der Höhe derselben mit. Nach dem Normalsatze hätte
sie also betragen:
Mutter
Ulrich
Jörg
Jakob
Zusammen
1475
80
—
—
80
1480
100
51
151
1486
100
93
—
—
193
1488
132
93
8
40
273
1489
132
93
60
40
325
1490
132
93
70
40
335
1492
132
100
75
40
347
1493
160
170
75
120
525
1495
160
170
140
120
590
1497
160
142Va
140
120
562V,
1499
?
142»/8
140
160
?
1500
230
228
190
182
830
1501
230
225
190
182
827
1504
251
1000
1251
1513
2062
2062
1516
2400
2400
Diese letzte Steuer beruhte auf einem festen Vertrage. Das Ver-
mögen stieg diesen Steuerbeträgen nach von 1475 bis 1500 um 1037 ®/o,
' Urkunden Nr. 394. Ich erinnere übrigens daran, dafs Burkhard Zink 1419
bei einem reichen Händler Faktor wurde, namens Jos Kramer, der vor allem mit
Barchent nach Venedig, Frankfurt und Nürnberg handelte. Chroniken deutscher
Städte 5, 128. Dieser Jos Kramer zahlte 1428 16 fl. 10 gr., der Münzmeister
Basinger 17 fl. 10 gr., die alte Fuggerin aber auch schon 17 Vi fl. Steuer.
2 Mitteil. Vereins Nürnberg 8, 2:38.
* Fürstl. Fuggersches Archiv.
Augsburg. 663
also jährlich um 39,9 <>o, von 1500 bis 1513 um 248 ^'o, also jährlich um
19,1 ^0. Den ausgezeichneten Forschungen Ehrenbergs verdanken wir
auch für das Geschäftskapital sichere Angaben. Von 196 791 fl. im Jahre
1511 stieg es bis 1527 auf 2021202 fl., es lag also ein Gewinn von
927^,0 oder durchschnittlich 54*/2'^/o für das Jahr vor^
Wie die Fugger mit dem Hause Habsburg zu einer Weltmacht
heranwuchsen, wie sie die Bankiers Maximilians wiCren und seine Kriege
ermöglichten, wie er bei dem Versuche, Papst zu werden, sich auf sie
stützen wollte, wie sie durch ihr Geld Karls V. Kaiserwahl er-
möglichten und durch die Pachtung der Maestrazgos auch die Haupt-
gläubiger der spanischen Krone wurdlen, gehört nicht hierher. Diese
Aufgabe ist von Ehrenberg und Häbler^ bereits gelöst. Ich habe nur
kurz ihrer italienischen Faktoreien zu gedenken.
In Rom bestand eine solche schon mindestens 1499; 1509 zahlte der
Faktor der Fugger 200 Dukaten flir den Neubau des deutschen Hospizes
B. M. V. de Anima^, aber schon 1490 wandte sich die Stadt Nürnberg
an Georg Fugger, er möge in Rom ihre Bitte um einen Ablafs für das
neue Spital zum hl. Geiste unterstützen, und schon 1487 vermittelte der-
selbe Ablafögelder von Breslau nach Rom *. Mit der Kurie selbst wie mit
den einzelnen KirchenfUrsten machten sie grofse Geldgeschäfte. Und sie
rückten zusammen mit den Welsern in die Stellung ein, welche 200 Jahre
vorher die Florentiner Bankiers an der Kurie fast allein behauptet hatten.
Bei ihnen deponierten und von ihnen entliehen die Päpste Gelder, sie
pachteten päpstliche Einnahmen und lieferten die von auswärts ein-
gehenden Gelder der cathera ein. Dem Konklave zur Wahl Pius' UI.
liehen ^Heinricus Fucher ei frairest 2570 Golddukaten gegen Verpfandung
von silbernen Gefäfsen, sie waren auch die Bankiers vieler Kardinäle '^. )
Auch darin glichen sie den Florentiner Bankiers, dafs sie den Prälaten
die Mittel vorschössen, um in Rom die hohen Abgaben bei der Be-
» Ehrenberg 1, 119.
^ Die Fuggersche Handlung.
* »Banchxis ülrici Fuggeri et fratrum mercatorum Romanam curiam sequentiuni'
JohanniB Burchardi Diarium ed. Thuasne 2, 574. Nagl u. Lang 71.
* Nürnberg, Stadtarchiv, Briefbuch 41 Fol. 183. Die Urkunde Nr. 115 ist viel-
leicht hierher zu beziehen. Sie redet von Hernico Fucato mercatori Alamanno. Fucatns
ist vielleicht eher Vogt, Henricus heifst Ulrich Fugger aber merkwürdigerweise auch
in den venetianischen Urkunden Nr. 562 u. 568 bei Simonsfeld. Zu 1487 vgl.
Mitteil. Ver. Nürnberg 8, 288.
^ Einzelne Angaben bei Ehrenberg 1, 98. Häbler, Die Stellung der Fugger
lum Kirchenstreite des sechzehnten Jahrhunderts (Hist. Vierte Ijahrsschrift 1,
477) und was Gottlob im Hist. Jahrbuch 19, 117 aus seinen römischen Samm-
lungen mitgeteilt hat. Aus den römischen Quellen wird einst das alles viel deut-
licher werden.
g54 Sechsundfunfeigstes Kapitel.
stätigung entrichten zu können. So erhielt der Erzbischof Albrecht von
Mainz von den Fuggern 21000 Dukaten vorgestreckt, und um diese
Summe ersetzen zu können , bewarb er sich bei Papst Leo X. um das
General-Kommissariat für den vom Papste ausgeschriebenen Ablafs, er
erhielt es gegen die Zahlung von weiteren 10000 Dukaten und so reiste
ein Vertreter der Fugger mit dem Ablafsprediger Tetzel umher, der den
einen Schlüssel des Kastens hattet Von dem Ertrag ging durch den
Andreas Mattstedt, den Faktor der Fugger in Leipzig, die Hälfte nach
Rom an den dortigen Faktor Engelbert Schauer, der sie der Kurie aus-
händigte, wie die römische Faktorei auch die Hälfte der Ablafsgelder
des Konsttinzer Domablasses und des für die Dominikanerkirche in
Augsburg abgeliefert hatte*. Die andere Hälfte wurde von den Fuggern
zur Amortisation der Schuld des Erzbischofs behalten. Es war ein Geld-
geschäft sehr ähnlich dem, das einst die Florentiner gemacht hatten und
doch mit einem sehr deutlichen Unterschiede. Damals handelte es sich
um eine Besteuerung des Klerus, um ein rechtlich klares und deutliches
Vorgehen, hier aber waren Geldgeschäfte mit einer geistlichen Amts-
handlung verbunden und man wandte sich an das Volk und die breiten
Massen, die von dem Zusammenhange zunächst keine Ahnung hatten.
Den Fuggern darf man keinen Vorwurf machen, sie handelten so wie
alle andern Kaufleute in gleicher Lage auch vorgegangen wären. Der
Ablafs von 1517 gab den Anstofs zur Reformation.
Die Faktorei in Venedig, auf der auch Jakob die Kaufmannschaft
lernte, nachdem zwei seiner Brüder dort schon gestorben waren, ist uns
genauer bekannt. Sie verfügte seit 1489 über eine für inmier eingeräumte
Kammer im Fondaco und, wenn hier der Bankerott von Lukas (1494)
den Fuggerschen Namen auch tief herabsetzte, so war die andere Linie
bald unzweifelhaft die erste führende Firma. Dorthin verbrachten sie
grofse Quantitäten Kupfer und der Venetianer Marino Sanuto nennt keine
Firma in seinen Diarien annähernd so oft^. Die Fuggersche Familie
besitzt heute noch ein Kästchen von 1507, das zum Einordnen der Briefe
diente. Aufser schwäbischen Städten und Antwerpen tragen die Laden
die Aufschrift: Bolantzia docet, Fhrenfsa bella, Vönetia ricca. Auffallender-
weise hatten nach der Bilanz von 1527 die Fugger in Italien nur
Faktoreien in Rom und Venedig; Mailand und Genua, auch Lyon — auf
französischem Boden fühlten sich die Fugger nicht sicher — fehlten.
Es ist das jedoch nicht immer so gewesen, wenn auch die Fugger von
der Gilgen dieses Gebiet weniger kultivierten, wie es einst die Fugger
» Ehrenberg 1, 98 f.
« Vgl. Paulus, Johann Tetzel S. 28 Anm. 1.
' Vgl. Simonsfeld 2, 61 und Ehrenberg.
Augsburg. 655
vom Reh gethan hatten. 1490 erhielt Enricus (also wohl Ulrich)
Fugger einen Pafsbrief auf ein Jahr *, eine Prokura für Amand Klingler
von Urach, Mai 1502 ausgestellt, hat sich in Mailand erhalten'. Wir
erfahren auch, dafs die Fugger der Münze von Mailand namhafte Summen
von Silbererz zugeführt haben®.
Jakob Fugger hatte den altüblichen Handel mit „Spezerei, Wolle,
Seide und den daraus gemachten Stoffen", wie uns Hans Jakob Fugger
in seinem 1546 verfafsten Geheimen Ehrenbuch berichtet, mehr und
mehr verlassen und sich auf den Geldhandel und die Bergwerke verlegt.
Fir hat aber keineswegs den alten Handel völlig aufgegeben. Wir wissen,
dafs die Faktorei in Antwerpen zunächst wesentlich dem Handel mit den
Gewürzen diente, die durch die Portugiesen von Indien nach Lissabon
gebracht wurden*. Den Einkauf von Spezereien und den Verkauf von
Kupfer nach dem Orient verfolgte die Faktorei, welche die Fiigger 1501
in Genua errichteten. Da Venedig mit den Türken im Kriege lag, war
dies der bequemste Hafen. Vier deutsche Gesellschaften richteten sich
dort ein und die Venetianer befürchteten, dals sie zu Schiff von dort
in die Levante fahren würden, und so stark war der Umsatz, dafs Genua
dabei in zwei Jahren 300 000 Dukaten gewann •. Die Konkurrenz Genuas
wurde den Venetianern nachgerade fühlbar.
Doch auch in Lissabon erschienen die Fugger auf dem Markte, an
dem Schiffsunternehmen von 1505 hatten sie zwar nur einen kleineren
Anteil, als die Welser- Vöhlin. Aber auch sonst erwarben sie dort bei
den grofsen Verkäufen, die die portugiesische Krone veranstaltete, er-
hebliche Quantitäten Pfeffer. 50 Sack wurden ihnen 1511 auf dem
Mittelmeere weggenommen® und später konnte der kaiserliche Agent den
Vorschlag machen, der König solle die Aussteuer der Prinzessin Isa-
bella, die Karl V. bestimmt war, in Pfeffer an die Fugger bezahlen^.
An dem Unternehmen der spanischen Krone auf dem Wege, den Magel-
haes gefunden hatte, um das Südkap Amerikas herum Gewürze aus
Indien zu holen, beteiligten sich die Fugger mit 10000 Dukaten®. In
dieser Zeit war ein Faktor in Mailand wohl unentbehrlich, wenn ich
' Urkunden Nr. 74. Die Verwechslung Henricus statt Ulricus findet sich
auch in den römischen Quellen, die Gottlob benutzt, und in den Venetianern.
•-« Urkunden Nr. 186.
^ Urkunden Nr. 178.
* Ehrenberg 1, 96.
'^ Marino Sanuto, Diarii 4, 28.
« Urkunden Nr. 177.
^ Häbler, Gewürzhandel S. 34 f. Vgl. eine genaue Darstellung des ganzen
Handels auf der pjrenäischen Halbinsel bei Häbler, Fuggersche Handlung in
Spanien.
8Häbler36. Hantzsch S. 7 f.
656 Siebenundfünfzigstes Kapitel.
auch nur den aus Burghausen stammenden Wolfgang Moringer nachweisen
kann \
Wir nehmen damit Abschied von den Fuggern, dem gröfsten Kauf-
hause jener Zeit, das eine Macht besafs, wie es bis in das neunzehnte
Jahrhundert hinein kein anderes Geschäft wieder hat erringen können.
Man kann ihre Stellung nicht als ein Geschenk des Glückes bezeichnen,
sie war erarbeitet von einer Familie, die alle nicht kaufmännisch ver-
anlagten Elemente viel länger niederzuhalten vermochte, als die meisten
Geschlechter, die Wohlstand und Reichtum erwarben.
Die Namen anderer Äugsburger, die im Handel mit Westitalien
standen, sind schon früher genannt^. Ist ihre Zahl auch nicht grofs, so
darf doch kein Zweifel sein, dafs bei der Vielseitigkeit des Augsburger
Handels auch die andern grofsen Gesellschaften in Italien arbeiteten:
die Adler, Baumgartner, Höchstetter, Herwart, Gossembrot. Bei jener
portugiesischen Unternehmung waren aufser den Fuggern und Weisem
die Höchstetter mit 4000 und die Gossembrot mit 3000 Dukaten be-
teiligt^. Die Hauptverbindung von Augsburg war im Mittelalter jedoch
die mit Venedig.
Siebenundfünfzigstes Kapitel.
Nfimber^, fränkische Städte.
Gründe der Handehblüie : Lage^ Getcerhefleifs, besonders MeUülgetcerbe ^ ZoU-
freiheiten, Eichiimgen des Handels. Genf- Lyon- Spanien -Italien, Fremde in NUm-
bery. Die Geschlechter verharren in der Kaufmannschaß, — Boihenburg-Windsheimj
Schtcäbisch'HaU,
Die grofse ostfränkische Handelsstadt Nürnberg verdankt drei
Gründen ihre Blüte, zunächst der ausgezeichneten Lage an der Stelle,
wo der Verkehr vom Mittelrheine zur Donau sich mit dem aus der
Pforte zwischen Böhmen und dem Thüringer Walde kommenden kreuzte.
In unfruchtbarer Gegend gelegen hat Nürnberg sich schon früh zu einem
wichtigen Handelsplatze erhoben.
Doch mehr noch nützte ihm der hochentwickelte Gewerbefleils. In
seinen Mauern war die Differenzierung der Handwerke, die Berufsteilung
¥^ohl am allerwei testen auf deutschem Boden durchgeführt und unbedingt
waren die Angehörigen der Metallgewerbe in ihren Leistungen allen
andern deutschen Städten überlegen, da gab es nicht allein die Einteilung
nach den zu verarbeitenden Metallen, sondern auch nach dem Einzelobjekte :
» Urkunden Nr. 177.
2 Vgl. Register und besonders oben S. 571 f.
3 Chroniken deutscher Städte 25, 278.
Nürnberg, fränkische Städte. 657
hier gab es Scherm esserer , Sensenschmiede, Gabelschmiede, Zirkel-
schmiede, Kettenschmiedc. Dann unter den Waffenschmieden : Hamisch-
macher, Panzerhemdmacher, Haubenschmiede, Klingenschmiede, Schwert-
feger u. s. w. Der Erfindungsgeist der Nürnberger machte sich früh
geltend und man kann geradezu sagen, dafs die grofsen Fortschritte,
die wir Nürnberg verdanken, fast ohne Ausnahme auf diese technische
Überlegenheit seiner Metallarbeiter zurückgehen. In Nürnberg ist wahr-
scheinlich die Drahtzieherei erfunden^ und Tausende von technischen
Entdeckungen wurden hier gemacht. Die Geschicklichkeit seiner Metall-
arbeiter gipfelte in den Erzgiefsern wie Vischer und Lawenwolf. In der
Zunftrevolution von 1348 waren die WaflFenschmiede die Führer^; sie
vertraten hier die Stelle, die anderswo die Weber einnahmen. Nieder-
geworfen zogen sie zum Teil in die Fremde, so lebte in Strafsburg und
Freiburg i. Br. der Nürnberger Helmschmied Cunzo^. Die Nürnberger
Panzerhemden waren so berühmt, dafs der andalusische Ritter Peter Tafur
sie als das auch in Spanien bekannte Produkt des Nürnberger Gewerbe-
fleifses anführt*. Seit dem vierzehnten Jahrhundert sammelt sich in
Nürnberg die Harnischerzeugung, wenn sie auch erst seit 1480 eine über-
mächtige Konkurrenz macht. Es rang mit der hohen künstlerischen Aus-
schmückung von Augsburg und der seit 1460 von Erzherzog Sigmund
geförderten Innsbrucker WafFenindustrie. Neben den Waffenschmieden
arbeiteten für die Ausfuhr vor allem die Beckschmiede, die Verfertiger
von Messingbecken, die einen wichtigen Ausfuhrartikel ausmachten. Und
dann gab es äufserst thätige Zinngiefser und geschickte Kupfertreiber,
daneben eine Schaar von Kunstschmieden und Schlossern. Am deutlichsten
tritt uns die Bedeutung der Waffenschmiede und Metallarbeiter aus dem
Handwerkerverzeichnis von 1363 entgegen. Da zähle ich an Metall-
arbeitsmeistern 318 imter 1217 Handwerksmeistern überhaupt^. Nürn-
bergs Metallgewerbe deckte nicht allein den Bedarf des Stadtbezirkes,
sondern konnte eben infolge der Berufsteilung und der technischen Über-
legenheit weithin Konkurrenz machen. Der Nürnberger wurde mit jeder
Zunahme des Metallgewerbes noch mehr gezwungen, sich an das Ausland
zu wenden. Zinn, Blei, Kupfer, Eisen waren aus der Ferne zu be-
schaflFen, da die kleinen Eisengruben der Nachbarschaft und der Ober-
pfalz, wo Amberg vortreffliche Bleche erzeugte, den Bedarf an Eisen
nicht deckten. Es fand sich da auch Kupfer, Gold und Silber, aber
' Beck) Geschichte des Eisens 1, 889.
^ Chroniken deutscher Städte 3, 321.
3 Strafsb. Urkb. 7 Nr. 709. 1096 u. 1216.
* Tafur 269. Häbler S. 521.
^ Chroniken deutscher Städte 2, 507 f.
Schult«, Gesch. d. mitUUlterl. Hand«!«. I« 42
g58 Siebenundfünfzigstes Kapitel.
(loch nicht in reichem Mafse. Die Rohstoffe mufsten importiert und die
Waren exportiert werden.
Zu der Ausdehnung des Nürnberger Handels trug aber noch ein
dritter Grund bei. Wohl h<iben auch andere Städte von den deutschen
Königen Zollbefreiungen in bestimmten Orten erhalten, aber sie be-
schränken sich meist auf einzelne Zollstätten, gerieten nicht selten in
. Vergessenheit oder wurden, wenn sie allgemein waren, nicht beachtet.
So haben weder Hagenau noch Gelnhausen ihre allgemeine Zollfreiheit
durchsetzen können^. Die Stadt Nürnberg hat das zu einem förmlichen
System ausgebaut. Wir haben eine ganze Reihe von Urkunden, wo das
Gebiet der Befreiungen sich erweitert, und durch kleine jährliche Ab-
gaben sorgte die Stadt dafür, dafs das Recht nicht in Vergessenheit kam.
Die älteste Angabe über eine solche Befreiung geht bereits ins Jahr
1112^ zurück und das Verzeichnis von 1332® zählt nicht weniger als
69 Orte auf und dazu das ganze Königreich Arelat. Stellt man sich
nun die Orte nach Landschaften zusammen, so findet man, dafs Schwaben
fast völlig fehlt. Im Norden desselben beginnt die Grenzkette der zollfreien
Orte mit Strafsburg, Hagenau, Wimpfen, Heilbronn, Würzburg, München.
Nördlich dieser Kette sind namentlich eine Menge niederrheinischer, loth-
ringischer, brabantischer und flandrischer Zölle aufgeführt*. Eigen-
tümlicherweise ist die Zollfreiheit sehr ausgedehnt im Gebiete des alten
Burgund: Bern, Murten, Solothurn sind die östlichsten Plätze. Das
weite Schwabenland und die nächst anstofsenden Gebiete kannten demnach
1332 die Zollfreiheit der Nürnberger nicht: nur Schwyz wird eigen-
tümlicherweise aufgezählt. Die Vorrechte auf den Messen zu Nörd-
lingen und Donauwörth sind schon von Friedrich II. 1219 gegeben ^
wurden aber 1332 nicht erwähnt. Zollfreiheit hatte aber auch Friedrich IL
nicht gewährt. Im weseatlichen gehen diese Zollbefreiungen auf könig-
liche Privilegien zurück, schon 1163 mufs Nürnberg aber an vielen Orten
dieses Recht besessen haben®. Da die Zollbefreiung der Nürnberger in
einer Stadt stets auch den Bürgern dieser dasselbe Recht zugestand, war
es rechtlich möghch, das Verhältnis auch durch Verträge zu begründen
und solche wurden mit Bern, Schwäbisch-Gmünd und St. Gallen ab-
' 1164 für Hagenau, 1170 für Gelnhausen. Hess. ürkb. Abt. II Bd. II Nr. 35:1
^ Stumpf 3091. Boos, Wormser Urkb. 1, 52.
^ Chroniken deutscher Städte 1, 222 f. Andere Verzeichnisse ebda. 1,93.
Vgl. über Nürnbergs Zollfreiheit vor allem Roth 4, 9flP.; v. Murr, Urkunden d. vor-
nehmsten Orte und Mummenhoff, Altnürnberg S. 37 — 45.
* Für die Niederlande vgl. die wichtige Urkunde von 1311. Hans. Urkb. 3, 585.
Vgl. auch M u m m e n h o ff 40 f.
^ V. Murr 9.
ö Vgl. die Urkunde Friedrichs I. 1163 März 10. Stumpf 3977. v. Murr 6.
Nürnberg, fränkische Städte. 359
geschlossen^. Überall aber wachten die Nürnberger eifersüchtig, dafs
ihr Privileg nicht in Abgang komme. Und auch sonst erfreute sich
Nürnberg der Wahrung seiner Zollinteressen ; so wurden die Nürnberger
von neuen Zöllen ausgenommen, so in Basel ^. Auch einzelne schwäbische
Städte haben ähnliche Zollbefreiungen errungen — so befreite Karl FV.
1349 Augsburg in den oberdeutschen Reichsstädten und umgekehrt^ und
Nördlingen erhielt die Erlaubnis Verträge abzuschliefsen * — aber wohl
keine deutsche Stadt hat ein so ausgedehntes Recht nicht allein besessen,
sondern behauptet. Die landesherrlichen Zölle waren freilich zu ent-
richten, aber sehr stark war durch das Sydtem des Freihandels die Zoll-
ausbeutung zu Gunsten von Nürnberg und Augsburg durchbrochen.
Lombardische Waren hatten in Nürnberg aber nicht etwa Zollfreiheit,
der Zoll auf sie wird geradezu als ein besonderer Teil des Pfundzolles
aufgeführt*.
Wenn ich hier nun noch einmal alle schon früher erwähnten Nürn-
berger Kaufleute und Händler, die in dem von uns behandelten Gebiete
auftauchen, aufführen wollte, so würde das Verzeichnis freilich nicht ent-
fernt den Umfang dessen erreichen, das Simonsfeld für Venedig auf-
stellen konnte, wo ja die Nürnberger wohl die am stärksten vertretene
Stadt waren. Der Nürnberger Handel dehnte sich allseitig, wenn auch
nicht gleichmäfsig aus. Schon in den Tagen Ulmann Stromers erreichte
er Krakau, das Schwarze Meer, Genua, Katalonien und Brügge. Ein
Ausmafs der Frequenz giebt in etwa die Zusammenstellung der Orte, an
denen reisende Kaufleute nach Stromer starben, in erster Linie steht
darunter Venedig®. Regiomontan, der Begründer der Erdkunde, suchte
Nürnberg nicht wegen seiner Gelehrten auf, sondern weil es wegen der
Fahrten seiner Kaufleute gleichsam als das Centrum Europas angesehen
werden konnte ''. Auch fand er nur hier Feinmechaniker für astronomische
Instrumente. Die Richtung nach Katalonien® wurde später noch weiter
geführt, es ist ja bekannt, wie die Behaims nach Portugal handelten und
Martin Behaim seine geographischen Kenntnisse im Dienste der portu-
' In Bern ist die Zollbefreiung 1314 eingeführt, v. Murr 88. Fontes rer.
Berneusium 4, 578. Mit Schwäbisch-Gmünd 1384, Roth 1, 47 und 4, 23, mit St.
Gallen 1887, v. Murr 47, Roth 4, 22, St. Galler Urkb. 4, 334 ff.
■J Vfrl. z.B. Böhmer-Huber 2029. 4437. Baseler Urkb. 4 Nr. 438. Böhmer-
Huber 5932. Eidgen. Abschiede 1, 448 Nr. 327. Vgl. Baseler Urkb. 5 Nr. 40 u. 50.
^ Böhmer-Huber 900, auch Augsburger Urkb. 2, 2o. Wie Augsburg auf
die Durchfuhrung bestand s. Strafsb. Urkb. 5 N. 1316.
* Böhmer-Huber 901.
^ Urkunde von 1868 in Zeit sehr, für Bayern, 2. Jahrg., 8. Bd. S. 375.
♦* S. oben S. 571. Eine Zusammenstellung giebt Baader S. 98 — 107.
• Roscher-Stieda 8, S'S.
« Vgl. oben S. 547.
42*
g(3Q Siebenundfüufzigstes Kapitel.
giesischen Krone verwandte. An der oft erwähnten Expedition nach
Indien nahmen auch die ImhofF und die Hirschvogel teiP.
Bei einem solchen Umfange ist es klar, dafs die einzelnen Häuser
einzelne Routen und auch einzelne Artikel bevorzugen mufsten, wie wir
es am deutlichsten bei der Gesellschaft Koler- Krefs-Saronno kennen ge-
lernt haben. So handelten nach Lyon vor allem die Tuclier, so Axiton
(1457 — 1524)^, aber auch die Ebner ^ Und mancher Nürnberger erlernte
in diesen südwestlichen Gegenden die Kaufmannschaft, wie Friedrich
Behaim in Lyon*. Weiter haben wir Nürnberger im Dauphin^ gefunden^
und wenn Ulmann Stromer dann weiter die Route bis Barcelona für den
Safranhandel mitteilt, so dürfen wir wohl schliefsen, dafs die Stromer
über Genua und Aigues - Mortes nicht selten nach Katalonien kamen*.
In Genua und Mailand trieben nach Holzschuher besonders die Fütterer
Handel — die, in Abweichung von den andern bisher genannten Familien,
wie die Hirsch vogel, nicht zu den ältesten Geschlechtem gehörten^.
Heinrich und Georg gehörten 1472 zu denen, welche die Einrichtung
eines Fondaco in Mailand anregten®. Ganz besonders oft erscheint in
Genua ein Johannes Breunlin, der aber dort Angelinus Borlinus genannt
wurde®. Er war wohl ein Mitglied der Ravensburger Gesellschaft^*^.
Der Handel mit Genua wurde so bedeutend, dafs die Furtenbach schliefs-
lieh dorthin ihr Hauptgeschäft verlegten ^^
Das thaten auch die ImhofFs, deren Hauptgeschäft nach Venedig und
den Niederlanden ging, die aber daneben Faktoreien in Bari und Aquila,
in Lyon und in Katalonien besafsen ^^ ; die Rummel, Holzschuher, Schür-
stab, Zenner u. a. erscheinen in Mailand und schwerlich hat eins der Ge-
schlechter nicht früher oder später dorthin Handel getrieben. Die Fülle
der Namen der kleineren Leute will ich nicht noch einmal wiederholen^®,
1 Oben S. 643.
* Vgl. oben S. 489. Lorenz Holzsckahcr, Chroniken deutscher Städte 1,218.
Anton Tuchcrs Haushaltbuch (Bibl. d. litt. Ver. Stuttgart Bd. 134). Ehrenberg
1, 236. 1509 war dort ihr Faktor Wolf Rieter, IlaushaltbuchS. 71.
8 Roth 1, 122 u. 315.
* Reicke 650. Schultz, Deutsches Leben S. 220 f.
» Vgl. oben S. 490 f.
« Vgl. oben S. 490 f. biiS f.
' Chroniken deutscher Städte 1, 216. 217. Urkunden Nr. 92. Vgl.
Nr. 78 Aum. 1.
8 Urkunden Nr. 103.
® Simons feld 1, 327: Civia nosier ei mercatar Johannes Prewfüin^ qui Janue
AngeUnvs BorUnus nunaipari solet." Vgl. Urkunden Nr. 64. 274.
*® Urkunden Nr. 51 Anin. 2.
" Ehrenberg 1, 246. Vgl. Urkunden Nr. 93.
»8 Mitteil. d. Ver. Nürnberg 1, 101.
1" Oben S. 570-4.
Nürnberg, fränkische Städte. 661
nur die häufig vorkommende Gesellschaft erwähnen, an der die Familie
HofFmann beteiligt war^ Sie hatte 1499 einen ständigen Vertreter in
Mailand und bestand damals aus Johann Fladung, Cyriak HofFmann und
Peter von Watt, und gerade sie wurde gern von den in Italien studierenden
Deutschen in Anspruch genommen. 1504 entzweiten sich die Teilhaber ^.
Für den Besuch der Safranmärkte zu Aquila haben wir ein recht beredtes
Zeugnis ®.
Der Handel erstreckte sich auf alle Warengattungen; dem Geld-
handel und seinen Gefährnissen versagten sich die Nürnberger und nur
wenige erlagen der Versuchung in der Blütezeit der deutschen Bankiers*.
Die technische Geschicklichkeit der Nürnberger hat sich auch darin
bewährt, dafa sie neue Erfindungen bei sich einbürgerten. Ulmann
Stromer richtete die erste Papiermühle ein und zog zunächst italienische
Papierer heran, wie er selbst ausführlich erzählt '^. Eine eigentliche
Kolonie von Fremden entstand in Nürnberg wohl erst später, die Anfänge
sind schon früher berührt®, jedoch sah erst das sechzehnte Jahrhundert
neben den Torisani die Odescalchi aus Como und die Viati aus Venedig
sich häuslich niederlassen^.
Mit Stolz schauen wir heute auf das mittelalterliche Nürnberg.
Worauf ruht seine Bedeutung in letzter Linie? Wenn ich mich nicht
täusche, hat Nürnberg mit Augsburg allein seine Geschlechter in dena
wahren Handelsleben weit länger erhalten, als etwa Strafsburg, Basel,
und andererseits verfiel die Stadt nicht dem Regimente der Zünfte. Die
Geschlechter sorgten mit ihrem weiten Blicke für den Absatz der Waren,
die die kleinen Leute wohl erzeugen, aber nicht auf dem Weltmarkt ver-
werten konnten.
Von den kleineren fränkischen Reichsstädten wird man Vertreter
nicht gerade in Italien suchen. Gleichwohl beweisen die Notizen des
Comasker Notars Cermenate, dafs mehrere Rothenburger Händler
regelmäfsig nach Como kamen, um dort meist deutsche Wolle auf Kredit
zu verkaufen. Das wirtschaftliche Leben der reizvollen alten Reichsstadt
hat man sich bisher niemals in einer so starken Verbindung mit dem
Auslande gedacht®. Auch aus dem kleinen Winds heim führt dieselbe
1 Zu 1453. S. oben S. 384 u. 573. Urkunden Nr. 166. 78 u. N. 1.
2 Mitteil. d. Vereins f. Gesch. d. Stadt Nürnberg 1, 74 ff.
8 Urkunden Nr. 100.
^ Das Nähere bei Ehrenberg.
» Chroniken deutscher Städte 1, 77 ff. y
® 8. oben S. 596. Auch Ulmann Stromer erwähnt unter den Apothekern einen
Welschen. Chroniken deutscher Städte 1, 96.
' Roth 1, 349. 386 u. 388.
^ S. oben S. 574. Die Namen Rojn, Plan und Fulbricher gehören nicht den
Geschlechtern an.
662 Athtciriattti^eä K^piKL
Quelle einen Häcdler an <IIenriciu Plattner i. Der Vertreter des groben
Scfa wäbiiich-Hall ('Matthäus Tarbrechj war aber wohl der Nach-
komme eineü alten ans Nürnberg infolge des Zunttau&tandes ausgewiesenen
Geschlechtes ^
Achtundfßnfzigstes KapiteL
Rheinlaide.
B^Uiligung auffallend 9dkttadi. Baseh TraH*itrtrk€kr. S^üriiti, IrmL Papitr^
fnhriken, — Straf$burg, Weinitandel, TuMurndd. Tran^iL — Speyer. Freilmrp, Bofiatty
Fravükfurt am Main^ Aadun, Köln.
Wenn wir uns nun den rheinischen Städten zuwenden, so ist es kein
Zufall, dafs wir sie in dem Handelsverkehr sehr riel lauer finden^ als
die eben behandelten schwäbischen und fränkischen Städte. Mit unserer
Beobachtung stimmt es ganz überein, dafs auch Simonsfeld für den Ver-
kehr mit Venedig nur schwache Spuren nachweisen konnte.
Vor allem von Basel sollte man auf den ersten Blick erwarten, dals
die ausgezeichnete Lage dieser Stadt ihre Bewohner in groGsen Scharen
über die Alpen geführt hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. Im Rate
von Basel hatten seit 1337 die Handwerker die Mehrheit, seit 1382 war
die Stadtverwaltung ausgesprochen demokratisch. Die Zunftdemokratie
duldete aber ein solches Überwiegen des Handels und des Exportes über
die heimische Produktion nicht Wie Geering, auf dessen reichhaltiges
Werk ich hier ganz besonders hinweise, überzeugend klar gel^t hat,
war das Basel des fünfzehnten Jahrhunderts der Typus einer vollendeten
ausgestalteten Handwerksstadt, die nur dem Interesse der eigenen Pro-
duktion und der Förderung des Transitverkehrs sich günstig erwies, den
freien Handel der eigenen Bürger jedoch hinderte. So mag geradezu
ein Rückgang des Export- und ImporthandeLs Baseler Elaufleute seit 1300
erfolgt sein. Demokratisch war auch die Verfassung von Augsburg, aber
Augsburg und Ulm duldeten die Ausdehnung des Exporthandwerkes auf
das Land, die Baseler dachten anders und verhinderten jede Ausbreitung
der Gewerbe aufserhalb der Stadtmauern. Die billigere Landarbeit sollte
den städtischen Handwerkern nicht nachteilig werden. Alle unzünftige
Arbeit wurde verpönt.
Basel besafs seine Grautücherzunft , deren Bedeutung jedoch schon
seit 1350 zurückging, dafür gewann die Erzeugung von Schürlitz (Halb-
leinen) eine wachsende Bedeutung. Das Schauzeichen war den Baum-
woUstofifen von Biberach und Mailand entnommen und so mag das
1 Beicke 219. In den Württemb. Geschichtsquellen Bd. I kommt der
Name nicht vor.
Rheinlande. (5(}3
Baseler Gewerbe von dorther beeinflufst sein^ Schürlitz wurde exportiert,
aber' auch dieses Gewerbe trat nicht in den Dienst des kaufmännischen
Exportkapitals, das Ravensburg, Memmingen, Konstanz, Ulm und Augs-
burg beherrschte. Der kaufmännische Zwischenhandel wird möglichst
gehindert. Färber zog die Stadt von Horb unter namhaften Ver-
günstigungen heran ^.
So treffen wir auch im Auslande sehr wenig Baseler. Lebhafter
tritt vor unser Auge nur das Bild einer einzigen Baseler Exporthandels-
ürma, der Irmi; denn die Exportfirma eines Nikolaus von Basel ist
leider nicht näher zu fassen® und ob die Halbisen nach Italien gehandelt
haben, ist nicht erwiesen, wenn auch wahrscheinlich*. Von den Irmi
haben wir oben für die Zeit von 1464 — 1522 sehr nahe Beziehungen zu
den Herzögen von Mailand nachgewiesen *. Sie gehörten mit zu den
reichsten Baselern^, und wir wissen auch aus Baseler Quellen, dafs sie
Baseler Tuche zum Export aufkauften'.
Den Baseler Pulverleuten (Spezereihändlern) scheint man in Italien
grofses Vertrauen entgegengebracht zu haben®, in italienischen Quellen
sind sie mir nicht vorgekommen.
Die Gewerbegeschichte Basels erhielt aus Italien neuen Antrieb, als,
wie Ulmann Stromer in Nürnberg es gethan hatte, hier der Kaufmann
Heinrich Halbisen eine Papiermühle errichtete und darin Italiener ver-
wandte*, das neue Gewerbe blühte aber dann ganz besonders auf, als
Italiener selbst eine Konkurrenz begannen, die Galliziani aus Piemont^®.
Erst später folgt dann die grofse für die Handels- wie Industriegeschichte
1 Geering S. 260.
« Baseler ürkb. 7, 529 zu 1454.
^ S. oben S. 565. Mau köunte an den Kaufmann Klaus Schmidlin denken, der
1446 9500 fl. besafs (Schönberg S. 582) und der in der Liste von 1453, wo er ge-
storben war, auch thatsächlich fehlt (S. 646). Vielleicht ist der Nikolaus aber auch
Klaus Murer.
* Geering S. 219. Üllin Eberhard handelte mindestens nach der Provence.
Ebda.
» S. oben S. 566.
* 1446 steht Hans Irmy und sin wip ohne Eintrag der Steuer (Schönberg S. 585),
1453/4 hat er ein Vermögen von 5100 Gulden, daneben Hans Irme der Junge 29(X) fl«
(S. 608). Ein Vermögen von über 5000 fl. versteuerten damals nur 26 Personen (S. 882).
1475 versteuerten Hans Irmy, Paltasar Irmy und Rigart von Andlo min vogt tochter:
12 600, daneben Heinrich Irmy 900 fl. (S. 768). Vermögen über 12 000 fl. wurden damals
nur sechs versteuert (S. 476).
' Balthasar Irmy 1492. Geering S. 310. 318.
« Geering S. 844 f. 878 f.
* Geering 287 f. Ein Ballen Papier geht 1445 von Halbisen an Heinrich von
Lübeck auf die Frankfurter Messe. Baseler ürkb. 7, 125 f. Vgl. auch 7, 120, 43.
«0 Vor 1451 Geering S. 818 ff.
364 Achtundfünfzigstes Kapitel.
wichtige Einwanderung von Italienern und anderen Ausländem^ die den
Charakter des Baseler Geschäftslebens völlig umgestaltete. Doch liegt
dieser Umschwung in erheblich jüngerer Zeit, so dafs hier nicht darauf
einzugehen ist.
Strafsburg ist das Gegenstück zu Basel. Es gleicht ihm in der Be-
deutung des Transitverkehrs^, für den Strafsburg vergebens nach dem
Stapelrechte strebte*, und in dem starken Hervortreten der für die Stadt
und ihre überaus reiche Umgebung arbeitenden Zünfte. Der Stralsburger
Aktivhandel des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts war vor allem
Weinhandel, der elsässische Wein galt als und war vielleicht auch noch
der beste, er ging rheinabwärts , ja weit darüber hinaus. Karl IV.
schickte z. B. auf diesem Wege Wein in die Mark Brandenburg®.
Dieser Handel führte die Strafsburger aber nicht nach Süden. Das
war aber bei dem Spezereihandel der Fall. Eine um 1400 abgefafste
Beschwerdeschrift sagt, dafs Spezerei, seidene Tücher u. a. nicht allein
von Venedig geholt werde. Also Venedig war der Ort, der ihnen in
Italien am besten bekannt war^. Anlafs zum Export gab die in Strafs-
burg, wie im Niederelsafs, namentlich in Hagenau, sehr entwickelte Tuch-
industrie, die freilich niemals feinere Stoffe erzeugt hat, im wesentlichen
auch dem Konsum der nächsten Nachbarschaft diente.
Sehr gern gingen die Strafsburger mit ihren Tuchen nach Luzern.
Dafür haben wir manigfache Zeugnisse, auf den Messen scheinen sie
ziemlich viel Raum beansprucht zu haben *. Auf dem Wege nach Italien
oder von dort kann ich nur einmal Strafsburger nachweisen und da bleibt
es fraglich, ob es sich um Kaufleute oder gewöhnliche Reisende handelt*.
Immerhin galt Strafsburg in Luzern, als Vorort der durchpassierenden
Deutschen, wenn diesen das Geleit abgekündigt werden soll *'. In Italien
selbst taucht nur die mit einem Comasken bestehende Gesellschaft des
Johann Säckinger auf®.
* Zahlreiche Zeugnisse bringt z. B. Strafsburger Urkb. 5 Nr. 523 Horb,
589 Lausanne, 771 Duisburg.
2 Schmoller, Tuchcrzunft 505. Verbot, dafs Gast vom Gaste kauft. Strafs-
burger Urkb. 6, 411 unten.
^ Leider fehlt eine Arbeit über den elsässischen Weinhandel. Bes. wichtig
Strafsb. Urkb. 5 Nr. 890. 1308. Böhmer-Huber 5345 u. 554L Vgl. auch Alt-
mann 3010. 3012. 3444.
^ Strafsb. Stadtarchiv, Original ohne Datum. S. auch die Kaufhausordnung bei
Eheberg S. 267 § 38.
* Segesser, Rechtsgesch. von Luzern 2, 388. Liebenau, Gasthofwesen 47.
Umgekehrt Luzemer in Strafsburg. Strafsb. Urkb. 6 Nr. 586.
* Peter v. Hundsfeld, Klaus Zorn, Hans Walter von Butenheim.
' Oben 8. 453.
« Oben S. 576 u. 586 f.
k
Rheinlande. 665
Auch der Weg nach Genf und Spanien war nicht ganz unbekannt,
ja schon früh begegnet ein Strafsburger in Portugal ^
Aber das sind doch alles seltene Fälle. Wir kennen heute nicht
ein einziges grofses Exportgeschäft jener Zeit — von dem Säckinger
abgesehen — und auch die Strafsburger Quellen tragen nicht den aus-
gesprochen kaufmännischen Charakter der Augsburger und Ulmer. In
Strafsburg ist mir wenigstens niemals der Gebrauch begegnet, dafs der
Kaufmann giungo oder luljo schreibt, wie dem Augsburger Chronisten das in
die Feder lief. Anstatt in die Fremde zu ziehen, erfreute sich der Strafs-
burger Kaufmann daran, in prächtigen Läden seine Tücher auszubreiten ".
Der grofse Predigtcyklus , den Geiler von Kaisersberg über die Kauf-
leute und den Kauf hielt, enttäuscht daher auch. Er redet zwar auch
von den grofsen Gesellschaften, die zu Venedig, Lyon, Antwerpen und
überall ihre Verweser haben, von dem Streben, möglichst Teilhaber einer
solchen Gesellschaft zu werden, aber ein wirkliches Bild von regem Fem-
handel kann man bei ihm nicht gewinnen^.
Das nachbarliche Speier, das von den mittelrheinischen Bischof-
sitzen allein in Venedig nachweisbar vertreten war, übertrifft auch im
übrigen Italien die Handelsbeziehungen von Worms und Mainz*.
Auf dem rechten Rheinufer erscheinen zwei landesherrliche Städte,
Freiburg in Handelsbeziehungen mit Como*, dann Rastatt^, endlich
mit einem kühnen Kaufmann, der mit Liutfrid Muntprat von Genua nach
Barcelona fuhr, Frankfurt a/M. ^ Dieser Paul Fetzbrey ist auch der
erste Frankfurter, der in Venedig sicher nachzuweisen ist, wo er Baum-
wolle kaufte und nach Ulm und Augsburg verbringen liefs®.
Von den niederrheinischen Städten sind Aachen und Köln ver-
treten *.
Und mit Köln erreichen wir das Gebiet, wo auch von Flandern her
die Italiener auftauchen. Köln war die Eingangspforte für die Waren,
die von den Rhein mündungshäfen in das Innere vordrangen. Das war
eine Handelsstadt von hoher Bedeutung, sehr früh hatte es seinen Stapel
ausgebildet und war nun ein Riegel für den Rheinverkehr. Köln fafste
80 ziemlich den ganzen Handel, der vom Mittelrhein herkam, zu-
' Oben S. 488, 545 und eine Urkunde in der Beil. zur Gemeindezeitang, Strafs-
burg Jahrgang 1880.
2 Simonsfeld, Gesandtenreise S. 270.
' Brösamlin, Ausgabe von 1517. Schultz, Deutsches Leben 129 f.
* Oben S. 576. Urkunden Nr. 238.
» Oben S. 570,
* Urkunden Nr. 54.
' Oben S. 544. Vgl. Urkunden Nr. 267.
» Simonsfeld 2, 68.
* S. oben S. 453 und auch Urkunden Nr. 404.
> 1
QQQ AchtuDdfuufzigstes Kapitel.
sammen. Von da strahlte der Verkehr, den Rhein verlassend, west-
lich nach Brabant und Flandern und östlich nach Westfalen. In
keiner deutschen Stadt sind so viele Italiener nachzuweisen als im
heiligen Köln, sie hielten dort Lager und schon 1335 wurde ihnen der
Detailverkauf verboten ysy 5yn van Noerenbergy van Lamparden^ van
Venedyen ind van anderen sieden^ ^, Die Kölner wanderten auch weit in
die Feme, durch mehrere Jahrhunderte sind sie in der Richtung von
Wien nachzuweisen, und auf diese östlichen Gebiete, nicht auf die Vor-
lande, bezieht sich wohl der Befehl Herzog Rudolfs FV., dafs bei dem
Handel der Kölner mit seinen Unterthanen sechzehn Stück Kölner Tuche
für eine Saum gerechnet werden sollen*. In Venedig sind Kölner sehr
häufig zu finden^. In Mailand habe ich nur schwache Belege gefunden,
doch begegneten uns dieselben auch in Uri.
Die nicht gerade zahlreichen Reisenden, welche am Ausgang des
Mittelalters Deutschland besucht haben, sind einstimmig in der Be-
wunderung seiner Städte. Enea Sylvio, der selbst so lange inmitten der
Deutschen gelebt hatte, giebt seiner Schilderung einen fast überschweng-
lichen Ausdruck. Er stellte die deutsche Nation höher als die andern.
Wo wolle man in Europa eine prächtigere Stadt finden als Köln? An
dem vielbewunderten Mainz tadelt er nur die engen Gassen^ Strafsbui^g
vergleicht er mit Venedig, nur habe die deutsche Kanalstadt weniger
unter den übeln Düften zu leiden. In vielen Häusern würde ein König
sich heimisch fühlen, Augsburg übertreffe an Reichtum alle Städte der
Welt, fast am glänzendsten ist Nürnberg geschildert. In Wahrheit
— schliefst der Humanist seine Charakteristik — die Könige von Schott-
land würden glücklich sein so gut zu wohnen, wie ein wenig be-
güterter Nürnberger^. Und nicht anders atmen dieselbe Gesinnung die
Worte des Spaniers Tafur, wie der venetianischen Gesandten, auch der
Florentiner Vettori, der freilich viel mehr Sinn für Anekdoten als far
eine feine Beobachtung hat, lobt doch Strafsburg, Ulm und Konstanz *|
und ein französischer Reisender, Pierre de Froissard schrieb 1497: „Es
ist ein wunderbares Ding um die Kühnheit und den Unternehmungs-
geist der deutschen Kaufleute. Sie haben einen hervorragenden Sinn
dafUr, ihre Reichtümer zu vervielfältigen. Der blühende Zustand ihrer
Städte, die Pracht ihrer öfi^entlichen Gebäude und ihrer Wohnungen,
die wertvollen Dinge, mit denen sie das Innere derselben schmücken.
» Ennen u. Eckertz 4 Nr. 213.
2 Ennen u. Eckertz 4 Nr. 426.
s Simonsfeld 2, 69 ff.
^ Eneas Sylvias, De rito, situ, moribus et conditione Germaniae, in Baseler
Ausgabe der Opera omnia 1052 — 55.
^ Viaggio in Alemagna Parigi-Firenze 1837.
Die Handelsgesellschaften. 667
thun es in beredter Weise kund. Es ist eine Freude unter ihnen zu
weilen und an den öffentlichen Vergnügungen der Bürger Teil zu
nehmen ^
Neunundfünfzigstes Kapitel.
' Die Handelsgesellschaften.
•Qmber
Die Schtcierigkeiten des mittelalterlichen Handels. Die Handelsgesellschaften.
'•e Gefahren derselben. Neigung zu Monopolien, Die Feindschaft der öffentlichen
ung. Gründe der Preissteigerung. Die Versuche eitler Beicfisgesetzgehung ver-
•n im Sande.
Die gröfste Leistung des mittelalterlichen Handels , die gröfste
iwierigkeit, die er besiegt hat, lag im Transport der Waren. Freilich
I es am Ausgange des Mittelalters Transportunternehmungen, die die
rtbewegung auf bestimmten Strecken unternahmen. Aber doch war
: Handel und das Speditionsgeschäft nicht völlig getrennt. Die meisten
r mittelalterlichen Gefahren, die dem Transporte drohten, sind heute
rschwunden. Die Strafsen waren in Deutschland weit unsicherer, als
Italien ; der Kaufmann mufste noch immer fürchten, seine Waren dem
örichtesten aller Rechte anheimfallen zu sehen, dem Rechte der
rundruhr oder dem Strandrechte; er konnte sich dem Strafsenzwange
icht entziehen und mufste seine Waren an einer endlosen Reihe von
teilen verzollen. Wir haben die unsinnige Zollpolitik des Spätmittel-
Jters kennen gelernt. Er mufste die Stapelrechte einzelner Städte um-
gehen und hatte schliefslich mit so verschiedenen und wechselnden
Sorten Geldes zu thun, dafs ein Vergleich mit heute ausgeschlossen ist.
Der mittelalterliche Femhandel hatte bei seinen Kalkulationen viel mehr
Faktoren einzustellen, als das heute der Fall ist. Mit voller Hochachtung
mufs uns daher die Thätigkeit der grofsen Handelsherren jener Tage
erfüllen ^
Der deutsch-italienische Handel wurde auf deutscher wie auch wohl
auf italienischer Seite mehr und mehr von den Handelsgesellschaften
getragen. Solange sich der Vertrieb sämtlicher Waren auf einem Welt-
* Lettres de Pierre de Froissard 17.
* Vgl. zum folgenden: Schmoller, Zar Geschichte der national-ökonomischen
Ansichten in Deutschland während der Reformationsperiode, Zeitschr. f. d. ges. Staats-
wissenschaft 16, 496—512; Janssen, Oeschichte des deutschen Volkes 1, 886 — 896,
2, 417—428; Kluckhohn, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften und Monopole
im Zeitalter der Reformation, in Hist. Aufsätze, dem Andenken von G. Waitz ge«
widmet, 666—708; Ulmann 2, 616—626; y. Bezold, Geschichte der deutschen
Reformation S. 84. 294 u. 405 ff.; Lamprecht 5, 60ff. 95 ff.; £hrenherg 1, 880— 885;
Castelot, £., Les attaques contre le capitalisme au XVI siöcle en Allemagne.
Journal des äconomistes Bd. 54, 887—856.
ggg NeunundfÜDfzigstes Kapitel.
markte reguliert — wie es auf den Champagner Messen der Fall war —
oder der Haupteinkaufs- oder Verkaufsplatz nicht allzuweit entfernt ist,
konnte auch ein kleiner isolierter Geschäftsmann sich an dem Handel
beteiligen, im Vorteil war aber immer die Handelsgesellschaft, die über
mehrere Disponenten, die auf Reisen sein konnten, verfügte, oder gar
in den Faktoren dauernd detachierte Disponenten besafs. War der
Einzelkaufmann beim Spezereihandel, so lange er in Venedig und Genua
konzentriert war, noch imstande, selbst einzukaufen, so hörte diese Mög-
lichkeit auf, als der Markt dafür nach Lissabon und Antwerpen ver-
legt war. War schon vorher die Handelsgesellschaft dem Einzelkauf-
mann überlegen, so wurde sie — mindestens im Spezereihandel — dieser
Konkurrenz jetzt vollends entledigt. Die kapitalistische Form des Ge-
schäftsbetriebes war auch für die Textil- und Metall waren eine Not-
wendigkeit. Wir haben gesehen, wie alt das Verlegersystem da war; es
war eben undenkbar, dafs der Kleinproduzent seine Waren selbst auf
dem Weltmarkte absetzte. Gab sich der Handwerksmaun ganz in die
Abhängigkeit eines einzigen Händlers, eines Verlegers, so war das eine
kapitalistische Organisation. Mit der Ausdehnung des Rayons eines
Handels mufs notwendig die Zahl der kleinen Leute, die an ihm Teil
nehmen, abnehmen. Nur die kapitalkräftigen Firmen können die Lage
ausnützen und all die Hemmungen und Gefahren überwinden. Das
ganze System des Transportwesens drängte zur Centralisierung. Was
für eine ungeheure Kenntnis gehörte dazu, damals den Transport von
Waren zu leiten. Die Kaufmannsbücher jeuer Tage geben uns die
Usancen, aber darüber hinaus mufste der Geschäftsmann alle Zölle, alle
Tarife kennen. Ein einzelner Kaufmann mochte sich auf die Linie
Nürnberg — Venedig oder Nürnberg — Lyon einrichten können. Wie ganz
anders ging der Handel bei den Gesellschaften, die an vielen Stellen
ihre Faktoren hatten und durch sie den Transport überwachen konnten.
Der kleine Mann, der der Welt Läufe nicht an vielen Orten zugleich
beobachten konnte, war der Schwächere, er hatte seine zwei Augen, die
Fugger mehr als vierzig. Den kleinen Kaufmann mufste im Falle der
Not seine Heimatstadt decken, aber viel stärker als die Autorität von
Nördlingen oder Ravensburg war die Kapitalkraft der grofsen Gesell-
schaften, die eine politische Macht besafsen, da die Staaten diese Gesell-
schaften für ihre Anleihen brauchten. Die Zeit besafs keine öffent-
lichen Handelsnachrichten, um so schwerer wog die Übermacht derjenigen
Häuser, die viele zuverlässige Korrespondenten hatten. Die Handels-
gesellschaft war eine Notwendigkeit, wenn der oberdeutsche Kaufmanns-
stand überhaupt im Fernhandel verbleiben wollte.
Die Handelsgesellschaften haben für die Blüte des Handels und des
Gewerbes der oberdeutschen Städte wohl noch mehr geleistet, als der
Die Handelsgesellschaften. 609
Einzelkaufmann. Doch trugen auch sie selbst ernste Gefahren in sich.
Wir haben den Niedergang der Muntprat, Mötteli und Humpifs gesehen
und da spielten unzweifelhaft mehrere Momente zusammen. Die ältesten
Gesellschaften waren wohl Familiengesellschaften, Vereinigungen, die
ausschliefslich wirklich thätige Kaufleute umfafsten; aber die Töchter
der reichen Kaufherren heirateten Adlige, das Heiratsgut blieb vielfach
bei der Gesellschaft, es bildete sich ein nicht kaufmännisch gebildeter
Anhang — der, wahrscheinlich zumeist, doch durchaus nicht immer ^,
mit festem Zins sich begnügen mufste. Die Söhne der gefährlichen
dritten Generation schieden vielfach aus; es war damals wie heute —
der Vater arbeitet sich von mühseligen Anßlngen empor, der Sohn geniefst
die Früchte der Thätigkeit seines Vaters, wirkt selbst noch mit voller
Kraft, dem Enkel geht der Segen der Arbeit nicht mehr ein, er will den
Genufs. Manche alte Gesellschaften verloren so die alten Inhaber; unter
den Verwandten mufste ein Regierer gesucht werden, auf dessen persön-
liche Tüchtigkeit es vor allem ankam. Sie fehlte naturgemäfs oft, und
so traten andere aufblühende Gesellschaften an die erste Stelle, die die
absterbenden einräumen mufsten. Zu inneren Streitigkeiten führte
zweifellos öfters die Gewinnberechnung, die die eigentlich leitenden
Kreise zu Ungunsten der andern aufstellten, oder doch verdächtigt
wurden aufzustellen. Die Vorgänge bei der Welser- und der Höchstetter-
schen Gesellschaft sind ja deutlich genügt. Das führte zum Abspringen
oft sehr tüchtiger Faktoren und Teilhaber und zur Diskreditierung der
Gesellschaft. Niemand hat so wirksam gegen die Gesellschaften geschürt
als solche unbefriedigte Teilhaber und Faktoren, die einen Einblick in
das innere Getriebe ermöglichten. Diese innere Schwäche jeder Handels-
gesellschaft, die die Fugger so meisterlich überwunden haben, war völlig
unabhängig vom Weltmarkt, und wir können keinen anderen Grund für
den Rückgang der Ravensburg-Konstanz-St. Galler Gesellschaften finden,
als diesen in ihnen selbst liegenden.
Eine andere Gefahr lag in der Neigung zu riskanten Geschäften.
Die Gesellschaften verfügten ja nicht allein über die eigenen Mittel, sie
fanden leicht Teilhaber, wir wissen, wie zu den Höchstettern Knechte
und Mägde ihre Ersparnisse trugen, um mit ihnen schnell reich zu
werden. Bei so umfangreichen Geschäften, wie sie nun abgeschlossen
wurden, war das Risiko, der Kapitalbedarf so grofs, die Kalkulation so
* Vgl. die Verfügung Friedrichs III. (IV.) von 1464 bei Wölckern, Histor.
Norimbergensis diplomatica 682.
' Rem rechnete bei Ambrosi Höchstetter mit 900 fl. Einlage in sechs Jahren
88000 fl. gewonnen zu haben, vor allem durch Silber und Kupfer. Höchstetter
räumte 28000 fl. als Gewinn ein. Vgl. Chroniken deutscher Städte 28, 146 f.
25, 116 ff. Greiff 18.
670 Neuuundfünfzigstes Kapitel.
schwierig, dafs die Händler grofsen Gewinn erstreben mufsten und von
selbst stellte sich die Versuchung ein, durch Ringe die Preise fest-
zulegen. Je gröfser die verfügbaren Mittel waren, um so näher lag die
Gefahr, den Versuch zu wagen, ein Monopol zu erringen, ein Syndikat
zu errichten. Auf dem Gebiete des Handels der Bergwerksprodukte sind
sie zuerst nachzuweisen. Ehrenberg hat dem Kupfersyndikate der Fugger,
Herwart u. s. w. von 1498 eine besondere Beachtung gewidmet ^ , auf
diesem Gebiete lag auch der Versuch, das Quecksilbermonopol zu ge-
winnen, das einen in lokalen Monopolbildungen erprobten verwegenen
Spekulanten, einen der gröfsten Kaufleute Augsburgs, Ambrosius Höch-
stetter 1529 ins Verderben rifs. Die Ringbildung erfolgte vor allem in
den Produkten des Bergbaus. Der Warenhandel hat im gleichen Mafse
Monopolien nicht gekannt. Das folgenreichste war das bei dem
Lissaboner Pfeflferhandel , das der König von Portugal besafs; in Augs-
burg hat ein Chronist genau aufgezeichnet, wie die Könige von Portugal
die Preise willkürlich festsetzten ^. In diesem Falle handelt es sich viel-
mehr um ein Regal als um ein Monopol.
Wenn auch ein so gründlicher Kenner wie Ehrenberg keine Waren-
Syndikate sonst nachweisen kann, so haben doch unzweifelhaft die Ge-
sellschaften den „Fürkauf" ausgebildet und ausgenützt. Seit der Ent-
deckung der Umfahrt um Afrika war im Spezereihandel eine viel
stärkere Spekulation eingetreten. Bis dahin waren die Gewtirze aus der
mohammedanischen Welt gekommen, ohne dafs die Kaufleute die Lage
des Angebotes übersehen konnten; jetzt hatte man in Lissabon genaue
Kenntnis der Ernten und des Angebotes überhaupt. Je spekulativer
das Geschäft wurde, umsomehr mufste es in die Hände der Plutokraten
kommen. Im einzelnen sind zwingende Beweise heute nicht mehr zu
führen; aber kapitalistische Auswüchse sind nicht zu leugnen und die
Gesellschaften haben es selbst beklagt, dafs zu Lissabon seit wenigen
Jahren in Spezereien Käufe geschähen, die sich wenig oder gar nicht
von Monopolien unterschieden, sie selbst seien unschuldig und könnten
das auch nicht abstellen^.
Die Zeit war üppig, luxuriös. Aus dem Laden des Kaufmanns ver-
breitete sich die Neigung zur Pracht und zum Wohlleben. Die Preise
gingen rapide in die Höhe und schwankten viel stärker als bisher.
Gewifs, der Handel hatte zum Teil diese Umbildung herbeigeführt,
zum Teil waren auch die Gesellschaften schuld an der Teuerung. Aber
die öffentliche Meinung übertrieb. Es war das erste Mal, dafs sich die
' h 396.
2 Wilhelm Rem in Chroniken deutscher Städte 25, 181.
» Kluckhohn S. 681. Denkschrift der Roichsstfulte von 1-522.
Die Handelsgesellschaften. 671
Kraft des Kapitalismus den Deutschen zeigte und alle Stände, welche
auf der Naturalwirtschaft begründet waren oder doch sich mit diesem
Wirtschaftssystem eingerichtet hatten, waren einig in ihrem Urteil. Die
Gesellschaften waren allgemein gehafst, gehafst von den Bauern, vom
Adel, der wirtschaftlich immer mehr zurückging, von den Handwerkern
und von den kleinen Kaufleuten, die unter dem Drucke ihrer gröfseren
Standesgenossen litten. Die schweren Schäden, die jeder Grofshandels-
betrieb hervorruft, wurden zum erstenmal heftig, ja mit Leidenschaft
empfunden. Die allgemeine Anschauung verurteilte den auftretenden
Kapitalismus als unsittlich. Die alten, naturalwirtschaftlich fundierten
Stände meinten wohl gar, diese Kaufleute verdienten durch Faulenzen
und Zuhauseliegen, während ihre Faktoren die Gefahren der Reise auf
sich nehmen müfsten, sie sahen die Preissteigerung als eine durch und
durch künstliche und das ganze Wirken der Handelsgesellschaften als
eine Bewucherung an.
Schon 1508 erhob Kuppener seine Stimme gegen die Handelsgesell-
schaften, obwohl er selbst einmal Teilhaber einer solchen gewesen war,
und katholische wie protestantische Reformatoren und Politiker haben
der Anklage zugestinmit: Geiler von Kaisersberg, Wimpheling, Kilian
Leib, Erasmus wie Luther, Zwingli, Hütten und Hans Sachs. Adel,
Bauern, Handwerker, die kleinen Kaufleute waren mit den Vertretern
der kanonistischen Wucherlehre wie den Reformatoren einig in dieser
antikapitalistischen Strömung. Jedermann war durch die Steigerung der
Preise beteiligt. Sie sahen die Ursache allein in dem Fürkauf, der
schon in der ganzen mittelalterlichen Zeit bekämpft wurde. Schon Rul-
mann Merswin und die Reformation Kaiser Siegmunds hatten die Gesell-
schaften angegriffen. Dieser hatte den Kaufleuten nur den Ersatz der
Reise- und Transportkosten gestatten und jeden Unternehmergewinn
verbieten wollen. Die Erbitterung über die Gesellschaften, die man als
öffentliche Wucherer und Räuber bezeichnete, war allgemein. Und
eigentlich nur Eck schwamm wider den Strom, wenn er im Auftrage
der Fugger in einer Disputation zu Bologna die Ansicht verfocht, dafs
diese Geschäfte den kanonischen Wucherbestimmungen nicht entgegen
seiend Die Zeit der angehenden Reformation urteilte aus sittlichen
Motiven heraus und nicht aus wirtschaftlicher Erkenntnis. Die wahrsten
und kräftigsten Ursachen der Preissteigerung zu finden war auch durch-
aus nicht leicht und niemand wird Erasmus und Kaisersberg, Luther
und Hans Sachs tadeln dürfen, wenn ihr Herz sie zu Übertreibungen
veranlalste. Wirkliche Sachkenntnis verraten nur die Gutachten der
Gegenpartei.
1 Häbler, Reformation S. 478. Geiger 62 flF.
672 Neuuundfünfzigstes Kapitel.
Der stärkste Grund der Erhöhung der Preise lag in der rapiden
Zunahme des Silberumlaufes, den die Ausbeute der Bergwerke herbei-
führte. Das Edelmetall wurde weit weniger um Werte zu haben auf-
gespeichert, das Geld wurde flüssiger, der Kredit gröfser und durch ihn
wurde dies thatsächlich anwachsende Geldmaterial zum Teil erspart
Alles diente dazu, den Preis des Geldes zu senken, den der Waren zu
heben. Bei den Spezereien mochten die Gesellschaften auf den Preia-
aufschlag einwirken, beim Getreide ist ihr Einflufs ausgeschlossen, und
auch da schnellten sie empor.
Es ist nicht meine Aufgabe, die ersten Anläufe einer deutschen
Handelspolitik hier zu schildern, sie knüpfen eben an die Monopolien
und Gesellschaften an. In der städtischen Gesetzgebung sind die ersten
Spuren der Bekämpfung der Gesellschaften zu finden. So wurde in
Köln 1505 beschlossen, gegen die Vertreter und Knechte der grolsen
Gesellschaft vorzugehen. Die Gesellschaften wurden nicht im all-
gemeinen verboten , aber jene Ausdehnung über die Stadt hinaus wurde
untersagt, der Kölner solle nur an rein Kölner Gesellschaften teilnehmen*
Die „grofse Gesellschaft", von der man leider nicht weifs, ob man sie
mit der Ravensburger identifizieren darf, hatte versucht, Kölner zu Mit-
gliedern zu gewinnen und damit hätte sie den Kölner Stapel für sich
wirkungslos gemacht*. Auch der Kölner Reichstag von 1512 erliefs kein
Verbot der Gesellschaften, ja er gestattete sie ausdrücklich, nur die
Monopolien wurden unter Hinweis auf das römische Recht untersagt;
niemand dürfe sich unterstehen, die Waren in eine Hand zu bringen
und der Ware einen willkürlichen Wert zu geben. Die Preisbildung
sollte nicht ein Monopol einzelner Grofshändler werden.
Dieses Verbot blieb vollständig erfolglos, die Teuerung nahm nicht
ab, sondern stieg, und die weitesten Kreise schoben alle Schuld den
Kaufleuten und speciell den grofsen Gesellschaften zu. Der Ausschafs
der österreichischen zu Innsbruck 1508 versammelten Landstände konnte
die Gesellschaften nicht verbieten, weil sie ja aufserhalb der öster-
reichischen Lande existierten, aber sie konnten sehr wohl versuchen,
ihre Monopolbestrebungen im eigenen Lande zu bekämpfen. Es heilst:
Die grofsen Handelsgesellschaften haben alle Waren, die den Menschen
unentbehrlich sind, Silber, Kupfer, Stahl, £isen, Leinen, Zucker,
Spezerei, Getreide, Ochsen, Wein, Fleisch, Schmalz, Unschlitt, Leder in
ihre alleinige Macht gebracht. Den Gesellschaften wurde mit Ausnahme
der Märkte das Einlagern ihrer Waren mit täglichem Verkaufe verboten«
niemand durfte ihnen als Teilhaber beitreten, der Masseneinkauf wurde
ihnen ebenfalls untersagt. Vielleicht konnten diese Verbote für die im
1 Ennen, Geschichte Kölns 3, 724.
^
Die Handelsgesellschaften. 673.
Lande selbst erzeugten Waren Erfolg haben. Die Preisbildung der
Spezereien konnte damit nicht getroffen werden.
Die Strömung ging immer energischer gegen die Handelsgesell-
schaften selbst; Karl V., der seine Wahl der Geldhilfe der Fugger zu
danken hatte, war durch seine Wahlkapitulation zur AbschaflFung der
Handelsgesellschaften und Handelsmonopole verpflichtet worden ^ Die
öffentliche Meinung — in der die agrarischen Gedanken sich mit Keimen
merkantilistischer verbanden — hatte die Fürsten auf ihrer Seite und
kam auf dem Wormser Reichstag von 1521 zum oflfenen Ausdruck.
Zur Bestreitung der Kosten des Reichsregiments wurde ein Reichsgrenz-
zoli vorgeschlagen und bei der Beratung der Reichspolizeiordnung wurde
die vollständige Abschaffung aller Gesellschaften in Vorschlag gebracht.
Dem Widerstände der Städte, an deren Spitze begreiflicherweise Augs-
burg stand, gelang es, die Vertagung zu erreichen, das Reichsregiment
solle die Sache weiter behandeln. Der Ausschufs des Nürnberger ersten
Reichstags meinte die Gesellschaften ganz zu zertrennen und das Reichs-
regiment ging in der gleichen Richtung versuchsweise vor, und es hat
nicht viel gefehlt, dafs ein Verbot der Gesellschaft erreicht worden wäre.
Der kleine Ausschufs war für die Einschränkung des Kapitals einer Ge-
sellschaft auf 50000 fl, jede Gesellschaft solle nur drei Lager aufserhalb
ihres Sitzes halten dürfen und jedweder direkte Handel mit Portugal
solle mit Rücksicht auf die schweren in den letzten Jahren erlittenen
Verluste verboten werden, man solle die Portugiesen einladen, selbst ihre
Waren nach Antwerpen zu verbringen. Sogar die Städte, und darunter
Nürnberg waren gegen die Gesellschaften ; darin stimmten sie den Fürsten
zu, wenn sie in der Zollfrage sich auch eben so scharf von ihnen
schieden. Die Reichsstädte traten in Speyer zu einem Städtetage zu-
sammen, und dort wurde beschlossen, eine Gesandtschaft nach Spanien
zum Kaiser zu entsenden, auf dafs der Zoll abgewendet werde. Die
List der Augsburger, die vor dem Mittel der Fälschung nicht zurück-
scheuten, nützte die Gesandtschaft auch zur Deckung der Gesellschaften
aus. Aber hätte Karl V. daran denken können, die Fugger, Welser und
andere zu kleinen Geschäften zu zerlegen? War er in der Lage, den
Kampf mit der Grofsfinanz aufzunehmen? So bestimmten die Augsburger
Gesellschaften die Politik ihrer Vaterstadt; Augsburg überwand die Reichs-
städte und diese besiegten in den handelspolitischen Fragen die Fürsten.
Das Geld war eine Grofsmacht geworden.
Die Gesellschaften, die sich immer mehr vom Waren- zum Geld-
handel wandten, haben diesen Ansturm also bestanden; die Macht des
Grofskapitals blieb bestehen und mit der Zunahme des thatsächlichen
^ Vgl. Reichstagsakten, Jüngere Reihe 1, 872.
Schulte, Gesch. d. mitteUlterl. Handelt. I. 43
574 Sechzigstes Kapitel.
Umlaufs der Barmittel war der Kredit enorm gestiegen. Die Organisation
des Geldverkehrs war gebessert und das Kapital wirkte durch die ganze
Christenheit hin. Die Übermacht der Finanzmächte war vorhanden und
vielfach verflochten sie sich immer tiefer mit den fiskalischen Interessen,
bis sie sich damit überladen hatten und die Erschütterungen des Kredites
einzelner Staaten auch sie selbst traf.
Die Gesellschaften waren notwendig, wenn sich Deutschland nicht
aus dem Handel zweiter Hand in den dritter Hand zurückdrängen lassen
wollte. Sie waren eine notwendige Folge und zugleich Ursache der Zu-
nahme der Macht des Grofskapitals. In Lissabon oder Antwerpen
konnte kein Ulmer Krämer seinen Kundenbedarf an PfeflFer mehr persön-
lich einkaufen, es war hier der Faktor einer grofsen Handelsgesellschaft
allein am Platze. Wer sich an dem stolzen Städtebild, das noch heute
Augsburg und Nürnberg gewähren, erfreut, darf nicht vergessen, dafs
die satte Blüte dieser Städte und die Fortdauer derselben, wo der nord-
deutsche Handel schon niederging, eben auf jenen Gesellschaften be-
ruhte. Das Gewerbe war an beiden Orten gesund und kräftig, doch
Gewerbe und Grofshandel ergänzten sich, und der Grofshandel wurde
geführt von den Gesellschaften.
Sechzigstes Kapitel.
Inderaugeu im Handelsleben.
Revolution im Spezereihandel durch die Entdeckung des Seeweges nach Indien.
Schädigtmg Venedigs, Blüte von Lissabon uwi Antwerpen, Der Handel an den Ocean
verlegt Wollhandel. Vollständiger Umschwung in England, Seidenmanufakturen txufser-
halb Italiens. — Das mittelalterliche Handelsleben städtisch, nun staaüich. Mitteleuropa
verhan-t im mittelalterlichen Zustand, politisch wie wirtschaftlich. Erkranken der (bewerbe.
Der Bückgang nur langsam, Venedig und Oberdeutschland,
Die Bedingungen, auf denen der deutsch -italienische Warenhandel
beruhte, wurden vom Ausgange des Mittelalters an von Grund aus
umgestaltet ^ Der Spezereihandel war das Fundament des Handels-
verkehrs von Venedig, und einen Anteil an diesem Monopol hatte sich
auch Genua bewahren können. Die italienischen Häfen besafsen ein
Monopol, und wenn auch der Spezereihandel schwieriger geworden war,
seitdem Konstantinopel sich in den Händen der Türken befand und die
Mamelukendynastie in Ägypten den Handel schwer belastete, bis sich die
1 Vgl. Heyd, Simonsfeld, Scbanz, Englische Handelspolitik gegen Ende
des Mittelalters, Ashley, Mayr, Ehrenberg, Fugger und ders., Hamburg und
England im Zeitalter der Königin Elisabeth 1896, D. Schäfer, Das Zeitalter der
Entdeckungen und die Hanse, in Hansische Geschichtsblätter 1897, vgl. auch Preufs.
Jahrb. 88, 268—281, Schulte, Deutschland und das Meer, Beil. d. Allgem. Zeitung
(München) 1900 Nr. 23.
Änderungen im Handelsleben. g75
Macht der Osmanen von Konstantinopel völlig vor den gesamten Verkehr
mit Indien wie ein Riegel legte (1516), bis alle Strafsen nach Indien im
Besitze der Türken waren, der Grundzug bestand noch: der Spezerei-
handel war wesentlich in den Händen der Venetianer, und für einen Teil
der Welt waren die oberdeutschen Eaufleute die weiteren Vermittler.
Die Genuesen hatten zuerst nach der Heimat der Spezereien, nach der
afrikanischen Westküste getastet, die Portugiesen nahmen ihre Fährten
auf und ihnen gelang die grofse weltgeschichtliche Entdeckung; zur See
erreichten sie um das Kap der guten HojQTnung herum die Küste von
Ostindien. Für den Umschwung im Handelsleben war diese That zu-
nächst viel wichtiger, als die Entdeckung des Genuesen Columbus. Seit-
dem zum erstenmal im Jahre 1499 portugiesische SchijQTe Pfeffer nach
Lissabon heimbrachten, war das Monopol Venedigs vernichtet. Die portu-
giesische Regierung getraute sich aber zu, das eigene an die Stelle zu
setzen.
Auf ihren Fahrten zerstörten die Portugiesen möglichst alle Schiffe,
die den Handel zwischen Indien und Arabien vermittelten. Die Fahrt
wurde flir die arabischen Schiffer so gefährlich, dafs auf den alten
Märkten von Alexandrien und Kairo die Warenzufuhr sich bedeutend
einschränkte. Die Preissteigerung der Gewürze, die das deutsche Volk
80 heftig erregte, war zum Teil eine Folge davon, dafs die Lager in
Alexandrien und Venedig sehr knapp wurden und die von Lissabon noch
nicht ausreichten^. Dann ging man in Lissabon an eine Regelung der
Zufuhr, wobei überschüssige Waren verbrannt wurden. Die Gewinne
der Portugiesen waren geradezu enorm; denn sie allein nahmen den
ganzen Nutzen, der sich bis dahin auf viele Zwischenhändler verteilt
hatte.
Nur eine Hilfe hätte Venedig retten können, wenn es gelungen wäre,
die Landenge von Suez zu durchstechen. Es ist daran sehr wohl ge-
dacht worden, allein erst 350 Jahre später wurde der kühne Gedanke
ausgeführt. Venedig hat nicht ernsthaft den Versuch gemacht, den neuen
Thatsachen Rechnung zu tragen. Während es fortan aus zweitem Kaufe
einzelne Spezereien erhielt, hatten die Portugiesen den Handel und zwar
ersten Kaufes an sich gebracht. Lissabon war der Brennpunkt des
europäisch-indischen Handels geworden und die Könige regulierten dort
die Preise. Es gelang nur selten oberdeutschen und italienischen Kauf-
leuten, an diesem primären direkten Handel mit Indien oder Amerika selbst
teilzunehmen. Lukas Rem war persönlich bis zu den Kanarischen und
Kapverdischen Inseln gekommen. Bald schlössen die Portugiesen alle
Fremden vom indischen Handel aus. Sevilla, der Marktplatz für die
» Hejd 2, 531. 5:38.
43
676 Sechzigstes Kapitel.
Amerikafahrer, kam erst langsam zur Geltung. Wohl hob sich momentan
auch noch Genua als Zwischenhafen zwischen Lissabon und den ober-
deutschen Gebieten.
Lissabon wurde bald von Antwerpen überflügelt; denn die Spezereien
machten nun von Lissabon auch noch die Meerfahrt bis zum Brennpunkt
der mitteleuropäischen Vermittel ungszone. Der Austausch der Waren von
Nord- und Südeuropa blieb an diese Stelle gebunden, nur dafs jetzt das
Mittelmeergebiet nicht mehr die Spezereien spendete, sondern Lissabon.
In Antwerpen regulierte sich der grofse Welthandel. Die grofsen Handels-
gesellschaften Oberdeutschlands sandten ihre besten Faktoren dorthin, wo
sie doch nun einen Teil ihrer Spezereien kauften. Diese wanderten jetzt
nicht mehr Rhein abwärts, sondern kamen den Strom herauf.
Aus dem Bereiche des Mittelmeeres hatte sich der Sitz dieses Handels
an die Küste des Atlantischen Oceans verlegt, der Seeverkehr hatte sich
erweitert, und wenn Europa bisher das nördliche Vorland des Mittel-
meeres gewesen war, wurde es jetzt die Westspitze der in das \Veltmeer
vorragenden Festlandsmasse. Das Mittelmeer hatte wie die Ost- und
Nordsee an Handelsbedeutung verloren, die Schwerlinie des Handels
war aus Mitteleuropa an den Atlantischen Ocean verlegt, die Zeit des
Handels der Binnenmeere war zu Ende, die des oceanischen brach
langsam an.
Während des Mittelalters stand dem Spezereihandel der Handel mit
Wolle und W^oUstoffen durchaus ebenbürtig zur Seite. Die englische
Wolle hatte ihre Überlegenheit behauptet, noch war die Merinowolle nicht
weit verbreitet. Die spanische Wolle — einst von den Arabern ge-
pflegt — ist wahrscheinlich durch englische Wolle aufgebessert worden
(1437 durch Einführung von Gloucester-Schafen ^) , zunehmend hob sich
die spanische Wollproduktion und die Herden von Leon und Kastilien
zogen zur kühleren Jahreszeit die uralten Wege nach dem Süden ; dieser
Wechsel des Klimas liefs sie gedeihen. So sehr sich das Ansehen der
spanischen Cavannen hob, so waren sie doch nicht imstande, die Eng-
lands zu ersetzen. Die Zeit, wo der Ruhm der Merinoherden den der
englischen vergessen liefs, war noch nicht gekommen. Die italienische
Weberei produzierte feine Sorten, sie brauchte dazu den besten Stoff.
Bis dahin hatte England ihn geliefert. Die Handelsbilanz dieser Insel
war um 1300 sehr einfach: sie führte Wolle aus und Tuche ein. Das
änderte sich langsam, aber fast ohne jeden Rückschlag. Zur Hebung der
Wollweberei waren schon im vierzehnten Jahrhundert flandrische Weber
in das Land gezogen, mit dem Anwachsen des Wollgewerbes, der auch
an dieser Stelle erfolgten Einführung eines Verlagssystems, die eine Aus-
Jan ke, Wollproduktion S. 49 ff.
Änderungen im Handelsleben. 677
fuhr von Tuchen und Kammgarnstoffen ermöglichte, während die Einfuhr
fremder Tuche durch Zölle möglichst verhindert wurde, schritt das Be-
mühen der Könige fort, die Wollausfuhr zu verhindern und in England
selbst immer bessere Fabrikate herzustellen. Dabei stieg die englische
Wollproduktion noch immer, da die Bildung von Latifundien zur Ein-
schränkung des Ackerbaues und Vermehrung der Viehzucht führte.
„Das Schaf verdrängte den Menschen, weil die Wolle sich besser rentierte
als das Getreide** *. Nachdem England 1496 die freie Durchfuhr seiner
Tuche nach den Niederlanden erreicht hatte, stand ihm der Weltmarkt
offen, und schon veränderte sich die Handelsbilanz dahin, dafs bei den
Ausfuhrzöllen die Tuche den ersten Platz statt der Wolle einnahmen.
Schon hatte eine erhebliche Erschwerung der Wollausfuhr Platz gegriffen,
der Zoll stieg auf 33, ja 70 ®/o des Wertes^, bis unter der Königin
Elisabeth, die des klugen Heinrichs VH. Handelspolitik bis zu ihren
Konsequenzen führte, die Wollausfuhr ganz untersagt wurde. Indem sie
die technisch besten Arbeiter, die Vlaemen, in ihr Land als Flüchtlinge
aufnahm, erreichte die englische Tuchindustrie den Vorsprung nach Stoff
und Arbeit. Schon seit 1500 verödeten die alten Weberstädte Flanderns,
weil ihnen der Rohstoff entzogen war. So gründlich verschoben sich
von 1300 bis 1600 die Dinge.
Die Wirkung auf das Ausland war offenbar viel tiefer als man bisher
annahm. Die italienische Textilindustrie verdorrte und damit fielen die
langen Transporte englischer Wolle, die Oberdeutschland passiert hatten,
fort. Auch der Handelsvertrag, der 1490 auf sechs Jahre zwischen Eng-
land und Florenz geschlossen wurde, mufste einwirken, wenn er auch
kaum ganz in dem buchstäblichen Sinne ausgeführt wurde; denn dann
hätte alle nach Italien bestimmte englische Wolle mit Ausnahme einer
kleinen für Venedig bestimmten Quantität durch englische Händler in
Pisa ausgeschifft werden müssen, um von dort aus weiter auf Italien
verteilt zu werden®.
Ähnlich nachteilig wirkte auf die italienische Seidenindustrie die
Ansiedlung von Seidenwebern in anderen Ländern, die in Frankreich
direkt von der Krone ausging, welche 1466 Seidenarbeiter nach Lyon zog.
Das Handelsleben war im Mittelalter die Sache von Städten und
Stadtrepubliken gewesen. Die nationalen Staaten, welche sich am Saume
des Atlantischen Oceans gebildet hatten, zogen nun auch dieses Feld in
den Bereich der Staatsaufgaben und damit war es aus mit der Epoche,
in der Handelsherrschaft und Seegewalt den Städten gehört hatte. Die
' Meyer, Handelsgeschichte 140.
2 Ashley 2, 288.
3 (Pagnini) 2, 288 ff.
g78 Sechzigstes Kapitel.
Dynasten liefsen sich jetzt auch durch die wirtschaftlichen Interessen be-
stimmen, während das früher auf die Städte beschränkt gewesen war. E*
begann die Zeit, in der Tarife sehr wuchtige Waffen waren. Die
dynastische Politik wurde der städtischen ähnlicher und durch ihre
gröfseren Machtmittel überlegen. Die englische Krone erzielte durch die
Konsequenz ihrer nationalen Wirtschaftspolitik die glänzendsten und
dauerndsten Erfolge. Die siegreiche Handelspolitik der Tudors hat erst
die Vormachtstellung der Fremdkaufleute, der Deutschen und Italiener,
vernichtet, den Wettbewerb der Ausländer auf die Seite geschoben und
Englands heutiger Welthandelsstellung vorgearbeitet.
Unser Vaterland hatte die mittelalterlichen staatlichen Formen nicht
überwunden; in zahllose Territorien zerrissen, die Zölle besafsen, war
eine nationale Handels- oder Gewerbepolitik einfach unmöglich. Die Ver-
suche, wie der Vorschlag des grofsen GrenzzoUes von 1 522, waren ebenso
plump wie erfolglos. Hier fehlte die Hand, die den deutschen Elaufmann
decken und leiten konnte. Das Reich war einer Handelspolitik übe^
haupt nicht fähig. Man darf auch nicht vergessen, daüs Deutschland
keine wirtschaftliche Einheit war. Das mitteldeutsche Bergland schied
den Norden, das Hansagebiet von Oberdeutschland und als drittes
Element stand daneben das Gebiet des Niederrheins und die Landschafiten,
deren Ablösung sich langsam vorbereitete, das heutige Belgien und die
Niederlande. Die Gebiete waren voneinander fast unabhängig und in
Oberdeutschland merkte man kaum, dafs der Niedergang des hansischen
Handels schon im fünfzehnten Jahrhundert begann. Auch die greisen
Territorialstaaten gewährten den eigentlich Handeltreibenden nicht mehr
Deckung als die schwache Centralgewalt. In Oberdeutschland lag er in
den Händen der Reichsstädte, weder Bayern noch Österreich haben sich
ihrer angenommen. Die wirtschaftliche Gliederung in Handelstädte und
wesentlich von der Urproduktion lebende Halbstaaten blieb in Deutsch-
land bestehen, es wölbte sich darüber nicht der feste Bau eines einheit-
liehen Staates. In dieser neu anbrechenden Zeit vermochte selbst die
gröfste Genossenschaft, die der deutsche Handel sich geschaffen hatte,
obwohl sie ja fast einen Staat darstellte, die Hansa, sich nicht zu behaupten.
Auch ihr fehlte die lebendige Deckung der Interessen der WaterkaDte
durch das Binnenland, des Handelsgebietes durch das der Urproduktion.
Deutschland blieb in der mittelalterlichen Handelsverfassung stecken,
während die nationalen Staaten, vorab England, Land und Leute zu einer
handelspolitischen Einheit zusammenschweifsten; hier fand der Kaufinann
Rückhalt und Deckung an seinem ganzen Volke. In Deutschland fehlte
das, was jene Völker im Handels- und Gewerbsleben emporhob, eine
Handelspolitik. Diese Staatenlosigkeit unseres Vaterlandes, seine poU-
tische und militärische Schwäche, der Mangel einer nationalen Wirtschafts-
Anderuugen im Handelslebeu. ()79
politik sind für Oberdeutschland allerdings weit weniger schädlich ge-
wesen y als für die Landschaften an der Meeresküste. Italien hatte ja
ähnliche Verhältnisse wie sie Deutschland besafs. Mitteleuropa ver-
harrte eben politisch wie wirtschaftlich in dem mittelalterlichen Zustande.
War um 1300 das Schwergewicht aller Länder wesentlich agrarisch
gewesen mit Ausnahme von Flandern, Ober- und Mittelitalien, hatte
Deutschland damals die Verbindung dieser beiden Gebiete gebildet, so
war um 1500 das Gewerbe, das für den grofsen Markt arbeitete, viel
weiter verbreitet, und wenn um 1300 Handelsstädte und Gewerbecentren,
sehen wir von den Hansastädten ab, identisch gewesen waren, so traf
auch das nicht mehr zu. Lissabon war ein Handelsplatz, nichts sonst,
und später traten die Niederlande in den Bereich als ein Gebiet von
Handelshäfen, ohne dafs das Gewerbe überwiegende Kraft gewonnen hätte.
Auch das Gewerbe begann zu kranken. Indem immer mehr die
Tendenz hervortrat, die Zahl der Meister und die ihrer Gesellen zu
fixieren, ihnen eine sichere, ' altgewohnte, aber nicht ausdehnungsfkhige
„Nahrung*^ zu gewähren, das Zunftrecht erblich zu machen und neben
das Patriziat der Grofskaufleute einen Stand erblicher Zunftgenossen zu
setzen, erlahmte auch die Kraft der Gewerbe.
Das Bild des europäischen Handels verschob sich gerade in den
Zügen, die für die Beziehungen zwischen Italien und Deutschland mafs-
gebend waren. Aber durchaus nicht sofort traten diese Konsequenzen
zu Tage. Venedig ist sehr langsam von der alten Höhe herabgesunken.
Italien war im Spezereihandel erheblich geschwächt, in seiner Textil-
kunst energisch geschädigt, aber zunächst verblieb ihm, dem Lande
der Renaissance, die Überlegenheit in Kunst und Geschmack. Und
von der deutschen Ausfuhr nach Italien war nur die englische Wolle
fortgenommen; gerade das, worauf sich die höchste Blüte Augsburgs
gründete, der Bergbau, florierte noch. Die gröfsten oberdeutschen
Handelsstädte Augsburg und Nürnberg behaupteten ihre technische Über-
legenheit in vielen Gewerben. Die Handelsherren dieser Städte erwiesen
sich als weit schmiegsamer als die hansischen. Ohne Venedig oder
Genua aufzugeben, erschienen sie nun auch in Sevilla, Lissabon und
Antwerpen; sie besuchten die Messen von Lyon und Frankfurt, deren
Bedeutung immer noch stieg. Augsburg behauptete sich trotz schwerer
Krisen noch das ganze sechzehnte Jahrhundert hindurch an. der Spitze
der europäischen Geldmächte. Härtung hat aus den Augsburger Steuer-
listen nachgewiesen, dafs der Wohlstand dieser Stadt und ihre Kapital-
kraft noch bis zum dreifsigjährigen Kriege zunahm ^ Doch verlangsamte
sich die Steigerung des Besitzes und auch ohne das Elend jenes Krieges
^ In Schmollers Jahrbuch Bd. 22.
ggO Sechzigstes Kapitel.
hätten schliefslich Augsburg und Nürnberg von ihrer stolzen Höhe herab-
steigen müssen. Kleine Orte wie Ravensburg verschwanden im sech-
zehnten Jahrhundert aus dem Welthandel, aber auch Konstanz und Ulm
sanken unaufhaltsam. Im äufseren Leben, in der Pracht der Bauten, in
dem Luxus jener Tage zeigt sich der Rückgang noch nicht offen, aber
es ist wohl ein historisches Qesetz, dafs die ästhetische Blüte die finanzielle .
um eine oder mehrere Generationen überlebt. Die Denkmäler erweisen i
als das fast plötzliche Ende einer satten Blüte den dreifsigjährigen Krieg,
sie fHllt aber thatsächlich wohl sechzig Jahre früher. Wo politische
und wirtschaftliche Ursachen zusammenkamen, konnte auch der Unter-
nehmungsgeist älter, wohlerfahrener Kaufmannsgeschlechter sich nicht
mehr behaupten. Die Zeit einer genossenschaftlichen und stadtwirtschaft-
lichen Handelspolitik war abgelaufen, eine auf dem Gedanken des
nationalen Staates gegi'ündete hat unserem Vaterlande erst das neun-
zehnte Jahrhundert gebracht.
Achtes Buch.
DIE WAREN AUF GRUND DER TARIFE
DES VIERZEHNTEN UND FÜNFZEHNTEN JAHRHUNDERTS.
Erster Teil.
DIE ZOLLTABIFE.
Einundsechzigstes Kapitel.
Italienische Tarife.
Como. Linfjcschohene Stücke (Chiavenna, BelUnzonaf Lhnneti), Provismies Vcnetiarum
et Januae, Umarbeitungen. Art der Verzollung. Genueser Umsatzsteuer. Mailänder Datium.
Tessiner Tarife.
Die Waren des Alpenverkehrs genau kennen zu lernen, bieten ein-
gehendere Zolltarife die beste Gelegenheit. Und solche sind zum Glück
in gröfserer Zahl vorhanden, kleinere Tarife werden als Ergänzung dienen
können.
Der umfangreichste aller für die mittleren Alpen in Betracht kom-
menden Tarife ist nächst dem von Mailand der von Como, welcher auch in
seiner Geschichte höchst lehrreich ist und gründliche Auskunft auch über
die Interessen der Nachbarn gewährt. Ich habe ihn deshalb in den Ur-
kunden abgedruckt, obwohl von Liebenau ihn bereits an allerdings sehr
entlegener Stelle veröffentlicht hat; ich mufste in meiner Ausgabe die
höchst interessante Umgestaltung mit berücksichtigen und habe diese
junge Form unter dem Texte geboten ^ Dieses Dazio della mercaneia
oder pedaggio maggiore wurde zwar von der Stadt Como erhoben, monat-
lich hatte sie jedoch für diesen Zoll und die andern Abgaben 4000 fl,
an die Mailänder Regierung abzuliefern^.
' Urkunden Nr. 189 u. 190.
« Rovelli 3, 1, 26.
i.
682 Eiimndsechzigstes Kapitel.
Der älteste Tarif ist mindestens vor 1328 entstanden, da die gleich
zu erwähnenden Provisiones Venetiarum nicht erwähnt sind ; die Abände-
rungen und Ergänzungen zu den einzelnen Paragraphen, welche in unsern
Text schon aufgenommen sind, stammen aus den Jahren 1849 — 1365.
Die Anordnung der einzelnen Posten ist weder eine streng sachliche,
noch eine alphabetische. Das erstere Princip ist wenigstens hie und da
durchgeführt. An den Comasker Zolltarif schliefst sich in der uns er-
haltenen Fassung ein knapper Tarif über den uralten, zu Chiavenna er-
hobenen Brückenzoll an, der im wesentlichen nach den Transportmitteln
erhoben wurde (Saumlast, Traglast, Fässern, Häuptern) ^ Wie dieser war
ein Zuschlag zu dem Comasker Zoll das ^^pedagium vettts BerinBonet^
das sich auf die Bedürfnisse eines Alpenthales bezieht^. Dieser Zoll
wird von den Lebensmitteln erhoben, daneben erscheint nur die Sichel;
der Zoll pafst also in die Zeit vor dem Aufblühen des Gotthardverkehrs ^.
Es folgen in der grofsen Sammlung der Bestimmungen, unter denen der
Zoll verpachtet wurde, zahlreiche über die Art der Erhebung. Innerhalb
derselben sind drei Stücke besonders wertvoll. Zunächst erwartet man
viel von den Pacta hominum de Leventina et comunis Oumarum; dieser
Titel enttäuscht, denn thatsächlich sind es die allgemeinen Zollgesetze
mit einer Reihe von Abänderungen von 1342 an. Neben Bellinzona
werden als zulässig für den Alpenverkehr die Strafsen von Ossola, Chia-
venna und Bormio bezeichnet, namentlich wurde der Verkehr durch die
Val Maggia verboten*; andere Bestimmungen betreffen die Schiffahrt auf
dem Comersee, ihr Zweck ist, zu verhindern, dafs ihn keine Güter ohne
die Zahlung des Comasker Zolles befahren. Die wirklichen Abmachungen
zwischen dem Livinenthale und Como sind zunächst in der Diminuito
facta Ulis de Leventina, Ondergtialdo ^ Orogera et MezoUsina enthalten,
einem Vertrage von 1335, der von den Leuten von Livinen, Unterwaiden,
Uri und Misox angeregt wurde, um die Kaufleute auf dem bisher ge-
bräuchlichen Wege zu erhalten*. Es war eine Herabsetzung des Zolls
auf die wichtigsten Handelsartikel, um den Verkehr auf der einen Alpen-
strafse zu heben. Es werden aufgeführt an Metallen: Erz, Stahl, Zinn
und Eisen, an Textilwaren und Rohstoffen: boldinellarum j Barchent,
» Vgl. Bd. II S. 125, 14—29.
« Ebda. 8. 125, 30—126, 19.
^ Selbstredend fehlt ein Tarif der Fürleite zu Biasca, da diese zu erheben erst
1467 genehmigt wurde. Heusler 33, 255.
* In einer Handschrift des Archivs von Como fand ich aach ein Verbot der
Strafsen, welche »capitant in plebibM Grabedone et Dongi*, das ist also der S. Jorio-
pafs, der den obersten Teil des Comersees mit Biasca verbindet. 1469 verhandelte
Como aber mit dem Herzog darüber, hier eine Strafse zu bauen. Vgl. die betr.
Urk. Boll. stör. d. Svizz. ital. 11, 282; Rovelli 3, 1, 318.
» Abdruck Urkunden 8. 127, 13—130. 14.
Italienische Tarife. 683
Baumwolle, Wolle, Tücher, Grautticher von üri, Zendal, Felle und Pelz-
werk: bacillorum, Lösch, Corduanleder, balzanorumy Felle; Spezerei-
waren und FarbstoflFe: Krapp, Indigo, Lorbeerbeeren; Streitrosse, Wein
und aufserdem tlie Lebensmittel, wie sie in den Alpen genossen oder er-
zeugt werden.
Es war aber dieses nicht die einzige diminutio^ sondern kurz vorher
war der Zollaufschlag, den Graf Wemher von Homberg bei den Zöllen
von Como und Bellinzona in einem Drittel ihres Betrages erreicht
hatte, für die von Luzem, Uri, Urseren, Unterwaiden und Schwyz auf-
gehoben*.
Die Venetianer erreichten 1328 einen Special vertrag, der für ver-
schiedene Waren eine ganz bedeutende Erleichterung des Transits be-
deutete. Der Ballen Baumwolle und Wolle sollte 1 fl. zahlen, für Woll-
tücher und alle andere Waren wurde der Satz auf 2 fl. bemessen*.
Diesem den Transporteuren einer bestimmten Stadt gewährten Schutze
tritt das Privileg für eine bestimmte Transportrichtung in den wichtigen,
schon oben besprochenen Provisiones Januae gegenüber". Die Bestim-
mungen sind im einzelnen schon oben berührt An Warengattungen er-
schienen französische Tücher, solche von Florenz und Provins, englische
Wolle, Seide, seidene Tücher u, s. w., Pelzwerk, Spezereien und Farb-
waren, endlich grobe Waren. Auch diese Sätze beziehen sich auf den
Transithandel.
Diese verschiedenen Specialtarife haben neben dem Haupttarif Gültig-
keit gehabt, an der Zollstelle von Como mochten jedoch manche Zweifel
bestehen und das Bedtlrfnis sich geltend machen, einen einzigen Tarif an
die Stelle zu setzen und ihn alphabetisch zu ordnen. Dieser Arbeit
unterzogen sich 1379 Leute, welche den Zoll erhoben hatten, aber noch
1381 wurde die alte Form erneuert; den umfangreichen Text dieses
neuen Tarifes neben dem alten abzudrucken, konnte ich mich nicht ent-
schliefsen, ich habe die Bestimmungen des neuen Tarifes unter den be-
treffenden des alten abgedruckt bezw. kurz mitgeteilt. Der Vergleich
ergiebt das folgende: Neue Posten sind nur wenige hinzugekommen, der
ursprüngliche Zolltarif war ja schon so eingehend, wie kein Zolltarif
nördlich der Alpen. Völlig geändert scheinen auf den ersten Blick die
Sätze zu sein, doch ergiebt die nähere Prüfung, dafs sie im Verhältnis
von 2 zu 3 regelmäfsig erhöht sind. Nach der Darstellung von Rovelli *
» S. oben S. 227 u. 438.
> Abdruck V. Liebe nau im Periodico 272—277; auch angeführt Marin 6, 272.
« Urkunden Nr. 191 u. 248.
^ 3, 28 f. Ich kann hier die Untersuchong nicht zu Ende fuhren, da die ent-
scheidenden Bde. rV u. y der Statuten des JDaiium pedcigii während meines Aufent-
haltes in Como verliehen waren.
gg4 Eiuundsechzigstcs Kapitel.
wurde das ^dazio della mercantia^ von Como 1372 um ein Drittel er-
erhöht und bestand ursprünglich in einem Wertzoll von 12 % auf das
Pfund, also von 5 ®/o. Des weiteren sind aufgenommen die Sätze der
drei Begünstigungsverträge, und zwar erscheinen die der Frovisiones Januae
in dem dreifachen Betrage und die der Provisianes Venetiarum zu dem Satze
1 fl. = 2 ^ 8 ^ umgerechnet und die der Livinenthäler und Schweizer
wiederum von 2 auf 3 gehoben.
In diesem Zustande hat sich der Tarif bis in die Neuzeit erhalten;
der älteste Druck, den ich in der Ambrosiana zu Mailand fand, stimmt
mit den Sätzen von 1381 noch fast immer überein ^ Bei Erhöhungen
diente der Tarif weiter als Grundtaxe. Die Tarife waren also aufser-
ordentlich konservativ ; in einer Zeit, in der kein Metzer mehr wufste, dals
er in Como Vergünstigungen genofs, als die Wollenmanufaktur von Provins
längst verschwunden war, schrieb man noch immer geduldig die Formeln
ab. Gerade an diesen Stellen wirken auch , noch andere Verträge nach.
So erinnert bei den Bestimmungen über die Wolle die Erwähnung von
Novum Castrum an die Verhandlungen mit Neufchäteau von 1321, und
wenn daneben Metz genannt wird, so dürfen wir wohl schliefsen, dafs
auch mit dieser Stadt einst ein Vertrag abgeschlossen wurde. Wolle von
Tunes und Buzca (Buzea) oder von Tesino (Tinexio) und Bussola ist
afrikanischen Ursprunges, es ist die aus Tunis und Bugia in Algerien.
Die Wollausfuhr von Tunis erwähnt Pegolotti ausdrücklich und Bugia
^ kennt auch aus anderer Quelle Canale^. Selbstredend kann es sich da
um keinen Vertrag handeln. Bei den Tüchern wird besonders Provins,
Bergamo und Val Maggia erwähnt, was nahe legt, an bestimmte Verträge
zu denken.
Der Zoll von Como verzollt grundsätzlich fast alles, es dürfte nicht
viele Gegenstände geben, die nicht der Verzollung unterlegen hätten.
Die Berechnung nach Transportmitteln ist gänzlich verschwunden, in den
meisten Fällen wird nach dem Gewichte bezw. bei Flüssigkeiten nach
dem Raummafs erhoben und handelt es sich um einen Wertzoll. Einmal
führt der verschiedene Ansatz für die verschiedenen Waren, dann die
Einteilung in verschiedene Provenienzen derselben Ware auf eine
Differenz dem Werte nach. So bei der Wolle und den Tüchern. Ganz
ausgesprochen ist der Wertzoll bei den Streitrossen®, wo die Angaben
des Hufschmiedes zu Grunde zu legen sind. Ursprünglich war, wie ge-
sagt, nach Rovelli der ganze Zoll ein Wertzoll von 12 ^ auf das it,
^ Dato del Datio della Mercantia di Milano. Biblioteca Ambrosiana in Mai-
land 8. 1. e. a. enthaltend die Tarife von Mailand, Pavia, Como, Novara, Lodi und
Vigevano, Die späteste Jahreszahl, die ich fand, 1573.
2 122. Canale S. 177.
3 S. unsere Ausgabe [32. 33].
k
Italienische Tarife. 685
also von 5 ** o ^ Doch trifft das nur für den ursprünglichen Tarif zu.
Einfuhr und Ausfuhr sind in den meisten Fällen verschieden behandelt,
ja innerhalb derselben ist der Unterschied noch verfeinert. Einfuhr und
Ausfuhr werden meist von der Durchfuhr deutlich unterschieden, bei der
Einfuhr bezw. Ausfuhr wird mitunter eingeteilt, ob die Ware nur den
Gerichtsbezirk von Como betritt oder auch die confinia^. Der Satz ist für
die verschiedenen Strafsen, wie schon oben erwähnt ist, nicht der gleiche.
Auch der Weg über Magadino wird von dem über den Monte Cenere
unterschieden^. Durchweg sind die Zollsätze für Waren, die die Alpen über-
schreiten, höher als die für den Verkehr im Pogebiete selbst Die Be-
günstigung des Transits von Venedig und Genua ist vorhin näher aus-
auseiiiandergelegt. Das System von Como vereinigt somit die ver-
schiedensten Gesichtspunkte; eine nähere Prüfung würde hier zu weit
führen.
Die Kenntnis des Tarifes der Genueser Umsatzsteuer verdanke ich
Sieveking, der mir seine Abschrift zugänglich machte. Die Anordnung
der etwa 350 Posten ist, wie beim jüngeren Comasker Tarife, alphabetisch.
Die Deutung der Warennamen und der Herkunftsorte ist nicht leicht,
da sich viele unbekannte Worte finden und die Ortsnamen sehr entstellt
sind. Als deutsch werden nur die baldinelle aufgeführt. Bei der Auf-
zählung der Orte, worauf ausgestellte Wechsel gehandelt werden, finden
sich wohl Avignon, Paris, Montpellier, Brügge und England, nicht aber
Deutschland. Auch unter den Tuchen finden sich nur Provenienzen aus
dem heutigen Belgien, keine deutschen. Ganz besonderes Interesse ver-
dient der Tarif, weil er auch die Geldgeschäfte mit einschliefst: asse-
curamenta, coniracti stve usure, loca, naulizamenta.
Vor allen anderen Tarifen hat der des Mailänder Datium den Vorzug,
sachlich geordnet zu sein. Er umfafst im Foliodruck von 1480* 15 Seiten
und ist noch vollständiger als der Comasker oder der Genueser. Er
kennt keine Abstufungen nach Wegen und unterscheidet höchst selten
Ausfuhr oder Einfuhr, ist vielmehr ein nicht differenzierter Wertzoll und
zwar von 5 ®/o ; der Zoll heifst deshalb auch datium denariorum XII pro
libra. Da es sich also um einen Wertzoll handelt, erfahren wir durch
die Ansätze des Tarifes auch den Durchschnittspreis und fUr den Zweck
der Preisgeschichte ist er besonders wertvoll. Er verdiente nach dieser
Richtung eine besondere Bearbeitung. Beginnend mit den Bekleidungs-
materialien, folgen die merzarie^ die Lebensmittel, Eisen, Erz und Bronze,
> Rovelli 3, 1, 28.
« L43. 44. 65].
» [8. 25. 20. 27. 44; vgl. 7].
^ «Statuta Datiorum« in den Statuta Mediolani.
ggg Zweiundsechzigstes Kapitel.
Seide und Seidenwerk, Farbstoffe, Pelzwerk, verschiedene Dinge und ein
Spezereitarif von 215 Sorten.
Ein anderer kleiner Tarif der in den Statuta mercatorum Mediolani
sich findet, giebt die Waren an, welche bei Beraubungen den Schaden-
ersatz aufbringen sollten. Es sind Wollballen, überbergische Ttlcher,
Barchent, Wachs, Streitrosse und von Genua kommende Saumlasten ^.
Von den übrigen Tarifen der italienischen Alpenseite ist keiner von
grofser Bedeutung. Die zu Bellinzona erhobene Fürleite wurde für den
Verkehr über den Monte Cenere, nach Magadino und Biasca meist nach
dem Transportmittel erhoben. Nur genossen ürner Tuche, Wein und
die Saumlast corvorum besondere Begünstigungen*. Der Zolltarif von
Locamo bez. Magadino berücksichtigt nur den ländlichen Verkehr, Holz,
Vieh u, s. w.®, etwas weniger ist das der Fall bei dem von Biasca, der
138& aufgestellt wurde. Wenn man da den Zoll von Habicht und
Falken, vom grofsen und kleinen Vieh, von Getreide und Wein findet,
so würde man nicht an eine Welthandelsstrafse denken. Für seine
Artikel gab es einen generellen Satz, daneben werden nur Barchent und
Wein genannt*.
Zweiundsechzigstes Kapitel.
Deutsche Tarife.
Luzern, die sonstige Schweiz. Konstanz, Basel. Strafsburg ^ der alte PfundzoU.
ZoUkeüer. Pflichtezoll. Kaufhauszoll JEnttcicklung der Transitahgaben. Herabsetzung.
Zc^lbefrnungen. Worms: KaufhauszoU. Handelsbuch des Pasi.
Ein durchaus kaufmännisches Gepräge hat der Zoll von Luzem,
der 1341 von den Habsburgern an die Hallwyler verpfändet wurde.
Der Tarif, der in die Zeit von 1341 bis 1386 fällt», hat den höchsten
Satz (5 jS) für ein grofses Rols, der nächsthöchste Satz (von 2 Jf 8 d.)
ruht auf jedem Gewandballen, der folgende (von 2 ^ 3 d.) auf WoII-
ballen, Saumlast Bückinge, Öl, nach Norden gehende Fardel, ein Satz
von 23 d. auf aller Märscherey, JSnfer gut^ Stahl, Waid und Röte und
Centner-Gut. Andere kleinere Posten übergehe ich. In dem keineswegs
vollständigen Tarife treten die Hauptartikel des Handels deutlich heraus.
Denselben Charakter, wiewohl die aufgeführten Waren vielfach
andere sind, trägt der Tarif für den Zoll im Kauf hause von 1390*, bei
^ Statuta Mercatorum in den Statuta Mediolani Fol. 213.
2 Urkunden Nr. 192.
* Abgedruckt bei v. Liebenau, Arch. f. Schweiz. Gesch. 20, 80 ff.
^ Ebda. 20, 155 ff. Fustanei ist statt stustanci, in ultra montana statt in
crualia zu lesen.
^ Gedruckt bei v. Liebenau, Arch. f. Schweiz. Gesch. 20, 49 f.
• Ebda. 20, 160. Vgl. auch 161 f.
Deutsche Tarife. 687
dem Zoll, den der Schiffmeister von Luzern erhob, tritt in den Waren
jedoch mehr das bäuerliche Leben hervor*. Der Tarif des von den
Habsburgern neu eingerichteten Zolles zu Rothenburg ähnelt in etwa,
jedoch mit weit niedrigeren Sätzen dem Hallwyler Zoll von Luzern,
während der Zoll an der neuen Fahrbrticke über die Emme ein einfaches
nach dem Transportmittel berechnetes Brückengeld ist ^. Von den übrigen
innerschweizerischen Zolltarifen sind die von Bern aus dem Anfang des
fünfzehnten Jahrhunderts und der aus gleicher Zeit stammende von Aarau
recht eingehend und brauchbar®.
In dem Zolltarife von Konstanz haben wir den ältesten eingehenderen
Tarif Oberschwabens, wenn Gothein und ich ihn richtig ansetzen, d. h.
bald nach Begründung des Kaufhauses. In ihm ist vereinigt das Lager-
geld im Kauf hause mit der Wägegebühr einerseits und ein Zoll (Brücken-
geld) andererseits. Die Ansätze richten sich nach dem Werte der Waren,
der höchste Betrag entfallt auf einen Venediger Ballen, d. h. auf einen
Ballen Spezerei; die Ansätze sind im allgemeinen niedrig. E^ wird der
Bürger bei vielen Artikeln erheblich besser gestellt als der Fremde*,
bei der englischen Wolle wird von den Ortsfremden der Deutsche noch
gegenüber dem Welschen begünstigt'^. Der Transitverkehr wird wenigstens
bei den meisten Wollstoffen ausdrücklich bevorzugt. Der Zolltarif wird
durch eine jüngere Spezereiordnung gerade nach einer Seite hin ergänzt,
die dort nur allgemein behandelt war^.
Die Baseler Kauf hausordnung, welche Getreide und Salz ausschliefst ^
ist noch specialisierter als die Konstanzer, kommt aber der grofsen Strafs-
burger Ordnung nicht von ferne gleich. Sie ist jüngst von Eheberg,
nachdem bisher nur kleine Stücke bekannt waren, veröffentlicht worden.
Durch diesen Abdruck und das, was das Strafsburger Urkundenbuch
brachte, ist man in den Stand gesetzt, die verwickelte Geschichte des
* V. Lieben au, Ar eh. f. Schweiz. Gesch. 20, 178.
• Jener ebda. 20, 143. Vgl. 18, 306. Dieser ebda. 18, 349. — Die Tarife von
Zürich (Mitteil. Zürich 8, 39), Freiburg i. Ü. u. s. w. zählen nur wenige Waren-
gattungen auf.
' Welti 666 ff. mit Erläuterungen. Das Aarauer „Geleite*': Rechtsqnellen
des Kantons Aargan 1. Teil Bd. 1 S. 49—51, B ab 1er in Zeitschr. f. Gesch. d.
Oberrh. 37, 118 ff. und Habsb. Urbar 2, 745 f. Den Aaraner Tarif ziehe ich nur
gelegentlich heran. Der Tarif von Aarbarg ist nicht besonders eingehend Habsb.
Urbarb. 2, 752 f.
^ Indigo, Barchent, Papier, rheinisch Gewand, deutscher und italienischer
Wein. Mühlsteine, Schleifsteine, Blechwaren, Öl, Honig, verschiedene Sorten Pelz-
werk, Leder, Eisen, Kupfer, Stahl, Salz, Spezerei und Safran«
» Urkunden Nr. 347.
« Urkunden Nr. 360.
' Von einem Abdruck habe ich abgesehen, sie ist eingehend von Geering
benutzt.
gg3 Zweiundsechzigstes Kapitel.
Strafsburger Zollwesens im einzelnen aufzuhellen. Doch haben wir hier
es nur mit dem zu thun, was den internationalen Handel betrifft.
Die älteste Verfassung teilte dem Burggrafen den unwichtigen Zoll
von dem zu, was auf dem Naschmarkte ausgeboten wurde und für den
Fernhandel gar nicht in Betracht kam. Obst, Trauben, Knoblauch,
Zwiebeln, Käse, Eier und daneben Schüsseln, Häfen. Die Stellung zu
bestimmten Zünften führte auch den Zoll von Mühlsteinen, Ol, von
Speerschäften und in früherer Zeit auch von Schwertern in seine Hand ^.
Der eigentliche bischöfliche Zöllner trug diesen Namen von dem grofseu
Zolle. Das älteste Recht der bischöflichen Beamtungen läfst uns erkennen,
dafs der Zoll ein Wertzoll von ^lao (1,66 ^/o) war^ und nach dem Satze,
vom Pfunde 4 d. wurde er „Pfundzoll" benannt. Dieser Zoll verblieb mit
seinem uralten, unbeholfenen Tarif, nach dem auch noch im fünfzehnten
Jahrhundert zum Teil in natura, so von Tellern oder Schüsseln der Zoll
erhoben wurde, als ein bischöfliches Institut bestehen^ und den Mittel-
punkt dieser Verzollung bildete der am Wasser im ältesten Stadtteile
belegene vielleicht uralte Zollkeller. Der älteste Zolltarif Hefs den Kauf-
mann, der mit seinen Saumlasten durch die Stadt zog, von jedem Zolle
frei. Nur, wer seine Waren aus einem Schiffe in ein anderes umlud,
hatte eine feste Gebühr von 4 d. zu bezahlen *. Es gab also noch keinen
Durchgangszoll in Strafsburg.
Dieser wurde als „Pflichtezoll" aus der Uniladegebühr entwickelt.
Man hielt sich nicht mehr an das Umladen, sondern jedes Schiff und jeder
Wagen, der mit Kaufmannschaft in die Stadt kam, zahlte die Gebühr
von 4 d. und ebenso viel beim Verlassen, beim Karren und beim Pferde
betrug die Gebühr die Hälfte. Hätte sich das zu einer sehr rohen
Transportmittelsteuer entwickeln können, so haftete doch die Erinnerung
an die Erhebung von dem Eigentümer der Waren zu fest und es war
' Vgl. das sogen, erste Stadtrecht Strafsb. Urkb. 1, 470 § 47. 48 und die Auf-
zeichnung über das Recht des Burggrafen ebda. 4, 2, 200 — 216, namentlich 209—212.
2 Strafsb. Urkb. 1, 470 § 49-58.
» Ebda. 4, 2, 216—240, namentlich 219—221. Bei Eheberg manche wichtige
Stücke Nr. 50 (Einnahmen und Ausgaben. Die Einnahmen beliefen sich in nicht
ganz Jahresfrist auf 378 ÄJ 3 jff 10 <^ Wäre der Satz [V«o vom Verkaufe] that-
sächlich allgemein gültig gewesen, was nicht der Fall ist, so wäre im Zollkeller
ein Umsatz von 24080 €6 verzollt worden), 68 (Verhör der bischöflichen Zoller),
80 (Ofihung der Zollkiste), 118 (Ordnung des Zolles von 1479), 129 (Ordnung des
Zolles am Wighuslin), 292 u. sonst. Der Zoll war an den bekannten Strafsburger
Bankier Heinrich v. Mülnheim verpfändet und ging von seinen Kindern 1888 bez.
1343 an die Stadt über (Strafsb. Urkb. 5, 88 f. u. 125). Es erwarb ihn dann aber
der Bischof zurück, doch ruhten auf ihm schwere Rentenabgaben. Zu dem Zolle
gehörte auch die Fronwage.
* Sogen, erstes Stadtrecht § 50 u. 51. Strafsb. Urkb. 1, 470.
Deutsche Tarife. 689
normiert, dafs jeder Eigen ttlm er von Waren, so viele ihrer es sein mochten,
der auf das Transportmittel geladen hatte, die Gebühr zu entrichten habe ^
Dieser älteren Stufe entspricht es auch, dafs der Zoller noch am Ende des
vierzehnten Jahrhunderts das Gericht über die Gäste über Kaufmannschaft
und Fuhrlohn besafs, wenn auch bereits mit einigen Einschränkungen^.
Ein höchst fein differenzierter Zoll entwickelte sich aus dem Neu-
burger, den 1381 Wenzel der Stadt von dort in den Bereich derselben zu
verlegen gestattete®, und der Mittelpunkt der Erhebung wurde das Kauf-
haus, der glückliehe Rivale des alten bischöflichen Zollkellers. Wir
sehen, wie die Stadt das Gebot durchführte, dafs alle Kaufmannschaft
sofort ins Kaufhaus verbracht werden mufste und nur dort verkauft
werden durfte. Zahlreiche Ordnungen, Ratschläge, Schriftstücke be-
weisen es, wie sehr das Kaufhaus der Mittelpunkt des städtischen Handels
geworden war. W^ir haben drei Fassungen des Zolltarifes. Der älteste
ist von 1401*, ein mittlerer ist noch nicht veröffentlicht*, der dritte
wird in die Zeit von 1450—1477 gesetzt*. Die Abweichungen im
einzelnen sind sehr mannigfach, für uns ist besonders wichtig, dafs sich
allmählich ein Transitzoll aus dem übrigen Zolltarife ausscheidet, der
»fürgande«, der fortgehende Zoll stellt sich neben den Verkaufszoll.
Der erste Tarif kennt nur eine Bestimmung für den Durchgangs-
verkehr, die Lamparter müssen für ihre Wollsäcke, Baumwollfardel und
Gewandballen fiir das Stück 10 ß zahlen^. Im übrigen ist es durchaus
die Tendenz des Tarifes, Strafsburg zu einem Stapel zu machen, die
einfache Durchfuhr zu erschweren ®. Zu einem solchen Versuche, der in
Köln gelingen konnte, reichte die Bedeutung Strafsburgs nicht aus. Der
zweite fixiert die Summe auf 1 fl. und bringt zuerst das Verzeichnis italieni-
scher Städte, von denen Lamparter gut vardel kommen. Es sind : Meyelon,
Kum€y Florencie^ Lücke, Hohenseen, Bise, Dietherichs Bern, VenediCj Tennotve,
Asidesan und alles Bemfmt. Ihnen gleichgestellt ist das Gut von Katalonien,
Montpellier und Avignon ; ebenso folgen genaue Bestimmungen über Genfer
Gut, das auch zu den Messen (wohl den Frankfurtern) herabkommt.
1 Strafsb. Urkb. 4, 2, 221, 19—222, 11. Dafs Schiff und Wagen gleichgesetzt
wurde, spricht für die geringe Fassungsfähigkeit der damaligen Schiffe.
« Ebda. 4, 2, 222, 30—37.
» S. oben S. 482.
* Abgedruckt bei Eheberg Nr. 7 S. 4 — 10; zum Teil bei Schmoll er,
Tucherzunft.
^ Erhalten in Bd. 17 der Stadtordnuugen im Strafsburger Stadtarchiv, jedoch
völlig anseinandergerissen und falsch gebunden, auch nicht ganz vollständig. Stücke
davon hat Eheberg als Nr. 160, 185 und 186 veröffentlicht.
« Abgedruckt bei Eheberg Nr. 103 S. 261— 297. Bruchstücke bei Schmoll er.
^ Eheberg S. 5.
« Schmoller 428 f. 505.
Schulte, Oesch. d. mittelaUerl. Handels. I. 44
690 Zweiundsechzigstes Kapitel.
Auch bei einer Menge von Artikeln findet sich der Durchfuhrzoll an-
gemerkt, bei den meisten TextilstofFen , der Spezerei im allgemeinen,
Papier, Eisen und andern Artikeln. Bei den Ballen Tuch und WoUen-
gewand, den Spezereifardeln , Eisen und auch bei dem sogenannten
Toulouser Gut — von Lombarden in Laden verpackte Gold-, Silber- oder
Seidentücher — ist der Zoll gleichmäfsig auf 1 fl. oder 10 ß bemessen.
Der Amtmann auf dem Kaufhause durfte aber von diesem Gelde den
Durchreisenden etwas zurückgeben, damit die Strafse desto minder ge-
mieden werde. Besonders drückend mufste es den Kauf leuten erscheinen,
dafs sie die Ballen nicht öffiien und zum Verkaufe aussetzen durften,
wenn sie auf den Durchgangszoll Anspruch machen wollten, doch bestand
schon die Bestimmung, dafs von aufgebundenem aber unverkauftem Gute
nur der halbe Verkaufszoll zu entrichten war.
Die Höhe dieses fürgehenden Zolles — der gleichmäfsig 10 jff für
die Saumlast betragen zu haben scheint — schadete aber noch immer
dem Durchgangsverkehr. Die Eisenhändler suchten andere Wege und
lagerten namentlich in Rastatt und ebenso gingen die anderen Elauf-
mannswaren vom Wege ab und suchten am Fufse des Schwarzwaldes
oder der Vogesen, bei OfFenburg oder Molsheim dem Strafsburger Zoll
zu entweichen und auch beim Tuchhandel hatte die Bestimmung über
den halben Zoll bei aufgeschlagenen aber nicht verkauften Waren die
Händler verscheucht. Es brach sich bald immer mehr die Überzeugung
Bahn, dafs Strafsburg den Transitverkehr begünstigen müsse, nicht
erschweren dürfe. So entschlofs sich die Stadt 1461 einmal, den halben
Zoll für die Tuche herabzusetzen, wie auch den fürgehenden Zoll zu
mindernd Jedoch wurde nicht an einem festen Betrage festgehalten,
sondern die Erwägung wirkte, dafs ein Wagen mit Wachs im Werte
von 200 fl. und ein solcher mit ^fleschenvasst und leichtem Pfennwert
im Werte von 50 fl. nicht demselben Betrage unterworfen werden könnten.
Es wurden die vorhandenen Ansätze zu einem nach dem Werte der
Waren völlig verschiedenen Tarif durchgeführt und dieser meist auf die
Hälfte und weniger des früheren Betrages fixiert.
Die neue Kaufhausordnung, die Eheberg zwischen 1450 und 1477
ansetzt, die aber erst nach 1461 erlassen ist, gewährt nun den vollen
Einblick in den Strafsburger Markthandel, wie in den Durchgangs-
verkehr, da für beide gleich eingehende Tarife vorliegen, zu denen noch
ein Tarif für die auf dem Rhein an Strafsburg vorbei fahrenden Waren
kommt. An Präcision kommt diesem Tarife kein anderer unseres
Gebietes gleich. Ganz besonders eingehend sind die Angaben über die
Gewebe und sie waren Schmoller besonders wertvoll. Minder reichhaltig
» Eheberg Nr. 63 S. 184—187.
Deutsche Tarife. 691
sind die Tarife für die Spezereien. Der fürgehende Zoll erschien noch
immer zu hoch, so wurde 1477 der Zoll auf die von den Lombarden
durchgeführte englische Wolle auf die Hälfte herabgesetzt* und 1479
erfolgte eine weitere Reduktion für viele Artikel — darunter alle Spezerei,
lombardische Tuche und seidene Gold- und Silbergewänder ^ : zugleich
wurde der Verkaufszoll ermäfsigt.
Auch in Strafsburg gab es Zollbefreiungen. Sie waren zunächst
für den bischöflichen Zoll vorhanden, dehnten sich aber auch auf den
städtischen Zoll aus. Zollfrei waren beim bischöflichen Zoll die Be-
wohner der bischöflichen alten Stadt in Zabem, die Reichsstädte Annweiler,
Oppenheim, Frankfurt, Boppard, Niederwesel, Aachen, zum Teil Köln
und endlich Nürnberg, so wie die trierische Stadt Koblenz. Mit Hagenau
bestand ein besonderes Abkommen®. Bei der Stadt genossen dieses
Vorrecht die Altstadt Zabem, Hagenau, Annweiler, Frankfurt, Köln,
Aachen, Duisburg, Nürnberg, Eger und das kleine Rheinau^.
Von den Zolltarifen ist Getreide und Wein ausgeschlossen, weil
dafür besondere Zölle bestanden. Das Elsafs war aber damals nicht nur
eine Kornkammer, sondern elsäfsischer Wein wurde weithin geholt. Für
die Händler von Nürnberg, Bayern, Brabant und Schwaben, die Wein
holten und dafür namentlich Salz brachten, gab es eine besondere Be-
stimmung im Zolltarif^.
Es entspricht ganz der Bedeutung des Handels von Worms, wenn der
Tarif des Hausgeldes und Unterkauf lohnes, der im dortigen Kaufhaus zu
entrichten war, dem Strafsburger Tarife gegenüber als dürftig erscheint®.
Ein Handelsbuch für Mailand oder Genua giebt es leider nicht,
ebenso wenig für Deutschland, ich möchte aber doch auch die An-
gaben des Venetianers Pasi heranziehen, er giebt recht genau an, was
zwischen Venedig und Oberdeutschland gehandelt wurde. Er geht in
manchen Richtungen viel mehr in das Einzelne, als die Zolltarife. Für
die folgende Darstellung habe ich aber diese zur Grundlage genommen,
jedoch den Mailänder und Genueser nur gelegentlich herangezogen.
» Eheberg S. 279.
» Eheberg Nr. 114 S. 307 f.
* Die ZollbefreiuDgen erscheinen zuerst in dem Weistum über die Rechte des
Zolls, Strafsb. Urkb. 4, 2, 226.
* So der zweite und dritte Tarif, letzteres Eheberg S. 267. Sie zahlten nur
Hausgeld. Das Abkommen mit Hagenau S. 293—297.
8 Zweiter Zolltarif und Eheberg 266.
« Boos, Quellen z. Gesch. d. Stadt Worms 3, 644-48 um 1450.
44
Zweiter Teil.
DIE WAREN.
Dreiundsechzigstes Kapitel.
Produkte des Erdreichs. Textilwaren n. a.
Mineralien u, 8. w, Ausdehnung der Bergteer ke, Süberfieber. Die Metalle in den
Tarifen, Fabrikate. SalZj Kreide^ Wetz- und Lavezsteine, Schwefel, Alaun, Lapis lazvli,
Glaswaren. — Textilwaren. Rohstoffe : Wollsorten, BaumuH>lJe, Seide, Hanf und Fladis.
Gewebe: Seidenstoffe^ Zendel u. s. w. Wollstoffe. Baumwollstoffe: Barchent, SckMüz.
Leinenstoffe. Halbfabrikate. Fertige KleidwngsstiAcke. Papier. Perlen, KoraUen und
Bernstein.
Heute ist die Handelsbilanz Italiens im Bereiche der Metalle und
der aus ihnen gefertigten Fabrikate äufserat ungünstig. Das metallarme
Land führt enorme Quantitäten ein. Im Mittelalter war die Lage Italiens
nicht so schlimm, da der Gewerbefleifs einiger oberitalienischer Städte,
vor allem Mailands, noch siegreich die Konkurrenz aushielt und nament-
lich in der Waffenindustrie stand Italien noch an der Spitze, um dann
überholt zu werden.
Der Bergbau in den Alpen hatte seit 1300 einen gewaltigen Auf-
schwung genommen. Die reiche Ausbeute, welche die Silberbergwerke
Nordtirols damals lieferten, trieb die Bergleute zu einer fast fieberhaften
Entdeckungssucht. Das privatim geführte Mutungsbuch aus dem Ober-
engadin von 1481 ist der beste Beweis ^ Die alten Bergwerke auf Silber
und Eisen im Montafun, auf Eisen am Gonzen waren in Betrieb ge-
blieben, ja weiter ausgedehnt. Das Revier der Tiroler Bergwerke reichte
weit über die Grenze, im Oberengadin und um die Bemina gab es nun
zahlreiche Gruben. Aber auch im Vorderrheinthal wurde bei Trans
Eisen gegraben, wie es hier auch weitere Bergwerke gab, schon früher
erwähnte ich die Silbergruben von Medels. In Tschappina bei Thusis
^ Plattner S. 9. Vgl. ihn auch für das Folgende.
Produkte des Erdreichs. 698
wurde auf Bleierz gegraben und seit dem Anfang des vierzehnten Jahr-
hunderts werden auch Eisenwerke und der Eisenberg von Tinzen er-
wähnt, der im Besitze der Familie von Marmels war'. Im Wallis wurde
bei Bagnes auf Silber gegraben^.
Auf italienischer Seite war der Gürtel der Bergwerke wohl noch
weiter ausgedehnt, es blieb aber die Gruppe der Bergamasker und Bres-
cianer Alpen der Mittelpunkt. Das ganze Alpengebiet zwischen dem
Comersee und dem Gardasee enthielt Bergwerke auf Spateisenstein und
besonders berühmt war der Stahl der Val Camonica*. Die Brescian-
schmiede und die Bergamaskschmiede bezeichnen das hier übliche Ver-
fahren; im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts gab es auch Hoch-
öfen*. Brescia, Bergamo, Lecco, Como, Sondrio und wohl auch Bormio
verarbeiteten die Früchte des Bergbaues, vorab Brescia. Auch nach
Mailand kam davon, das Roheisen von Rancio und Brincio nördlich
von Varese^, aber auch von Omegna am Nordende des Lago d'Orta
bezog*. In den Seiten thälern von Domo d'Ossola hielt sich der Bergbau,
wenn auch keins dem Revier der Blei- und Silberbergwerke von Pesey
in Savoyen an Ergiebigkeit gleich kam. Neu erschlossen wurden im
fünfzehnten Jahrhundert Erzgruben in Val Marobbia am See von Orta
u. s. w., die jedoch wenig ertragreich waren '. An der Sesia und im Thale
von Aosta wurde auf Spateisenstein gegraben^. Mailand deckte seinen
enormen Bedarf an gutem Eisen und Stahl auch aus den Bergwerken
am Comersee (Val Sassina), dann aus denen der eben erwähnten Val
Sesia, auch aus dem Thal von Maccagno am Lago Maggiore erhielt es
Erze^ Die Erze von Elba und die toskanischen kamen wohl nur in
fertiger Ware über die Berge *®, auch Pietra-Santa (zwischen Spezia und
Pisa) lieferte Eisen ^^.
Der Abbau geschah vielfach durch Deutsche. Schon 1253 waren
bei den Bergwerken von Villas Iglesias auf Sardinien zwei Deutsche die
Leiter" und auch im Kirchenstaat, wo 1462 zu Tolfa die reichen Alaun-
^ Mohr 2, 394.
8 Furrer 1. 235.
3 Beck 2, 251 u. 858.
* Beck 2, 252 u. 859.
» Statuta Blatt 159^
® Statuta Blatt 158. 159. Es ging über Luino.
•^ Bell. stör. d. Svizz. ital 5, 88.
8 Beck 2, 860.
• Bö he im, Werke Mailänder WaflPenschmiede.
^0 Beck 2, 856 ff.
1» Uzzano 168.
12 Pertile 2, 1, 499 Anm. 341. Nach Lattes 163 hätte sich im Bergrecht von
Sardinien sogar ein deutscher Ausdruck erhalten.
594 DreiuDdsechzigstes Kapitel.
gruben entdeckt waren, war 1479 ein Deutscher aus Meifsen Bergwerks-
direktor ^. Ein Jahr zuvor hatte der deutsche Benediktiner Nikolaus
Bleymit die Erlaubnis erhalten, im Herzogtum Mailand nach Alaun zu
graben^. Auch wir fanden deutsche Gesellschaften oder Deutsche in
Italien und Savoyen beim Bergbau®.
In dem deutschen Alpenvorland mehrte sich der Bereich des Berg-
baues ebenfalls bedeutend, wenn auch der Silberbergbau des Breis-
gaues bereits nachliefs. Doch dehnten sich diese Oruben sogar bis
Laufenburg aus * und trafen dort mit den Erzgruben des Frickgaues zu-
sammen, die in der Gegend von Waidenburg ihre Fortsetzung fanden.
Auch wurde Eisen bei Rändern, Waldkirch und im Kinzigthale ge-
wonnen^. Im Elsafs waren die alten Silbergruben des Leberthaies im
dreizehnten Jahrhundert verlassen worden, sie wurden im fünfzehnten
Jahrhundert wieder in Betrieb genommen und erlebten eine bedeutende
Blüte. Bei Masmünster und Giromagny wurde gleichfalls auf Silber mit
Erfolg mindestens seit dem vierzehnten Jahrhundert geschürft*.
Die entscheidendste Umgestaltung der Metallproduktion, vor allem
der Edelmetallgewinnung ging aber von Tirol, wo 1409 bei Schwaz
Silber gefunden wurde, von Ungarn, Böhmen und Sachsen aus, worauf
hier nicht näher eingegangen werden kann. Wir sahen früher, wie die
grofsen Handelshäuser das sich zu nutze zu machen verstanden. Auch
am Niederrhein wurden die Schätze der Erde ans Tageslicht gefördert
und von dem Blei der Eifel, von den Stahlwaren Westfalens ging gewifs
auch manches über die Alpen.
Gold und Silber'' erscheint in den Zollkatalogen nicht, weil sie als
Wertmesser zollfrei waren, auch Quecksilber habe ich nicht gefunden.
Wohl aber begegnen regelmäfsig: Kupfer (Strafsburg, Konstanz, Basel,
Bern, Luzern, nicht Como); dieses verbrachten schon am Ende des
vierzehnten Jahrhunderts Nürnberger nach Genua®. Auf der Grau-
bündner Route gingen grofse Quantitäten davon® und auch von den
Genfer Messen brachten die Mailänder Kaufleute Kupfer, Blei, Zinn
und Silber mit^^
> Pertile 2, 1, 499 Anm. 341. Oben S. 601.
« Archiv io stör, lombardo 19, 997.
8 S. oben S. 487 und Urkunden Nr. 69, 163 u. 298.
^ Baseler Chroniken 5, 241.
» Beck 2, 693 ff.
« Hanauer 1, 177 ff. 196 f. Reufs 1, 603—608.
^ Strafsburger Silber erwähnt Pegolotti 293.
8 S. oben S. 543 und Urkunden Nr. 257 für 1436.
» Urkunden Nr. 283.
1® Register von Chillon bei Borel.
Produkte des Erdreichs. 605
Zinn (ebenso, auch Como und Worms), das einen erheblichen Teil
des italienisch-englischen Handels ausmachte;
Blei (nicht Eonstanz, wohl Como und Worms);
Bleiglätte (Basel, Luzern, Strafsburg).
Von den Mischungen:
Glockenspeise (Basel, Strafsburg, Aarau);
Messing (Basel, Strafsburg, Bern, Como).
Am meisten begegnet natürlich das Eisen:
Roheisen (Konstanz, Basel, Luzern, Strafsburg, Bern, Como : ferruim
crudum ^),
Stabeisen (Basel, Strafsburg),
Stahl (Konstanz, Basel, Luzern, Bern, Rothenburg, Strafsburg,
Worms, Como),
wobei in Konstanz Kärnten als Heimat bezeichnet wird, während in
Basel der lombardische besonders hoch gewertet wird. (Daneben noch
Kemstahl^). Ein Tarif von Freiburg i. Br. nennt neben Stahl aus dem
benachbarten Falkenstein nur lombardischen®, der von Zürich unter-
scheidet den höher verzollten Stahl von Como (8 /^), von dem von Chur
(6 /^) und dem von Kärnten (4 /^)*. In der That war lombardischer
Stahl sehr angesehen, nur war er zum gröfsten Teile aus Rohstahl ge-
wonnen, der aus Kärnten, Krain und Steiermark stammte. In Brescia
und Mailand geschah die Umwandlung und Mailänder Stahl ging bis nach
Flandern *, wie auch Uzzano, ein Florentiner, die Preise der verschiedenen
Sorten von Eisen aus Brescia und den Thälern Camonica und Trompia
(Ropia) in seinem Handbuch für Kaufleute aufzählt^. Die Lombardei
beherrschte mit Deutschland den Handel in Stahl. Guter Stahl wurde
auch aus den Erzen vom Gonzen zu Flums hergestellt '';
Schmiedeeisen (Basel).
Die Sorten des Comasker ZoUtarifes: vereellaruni regionarum (oder
ragionorum) de Burmio und de Vallesaxina vermag ich nur zum Teil zu
erklären®. Es handelt sich um Eisen von Bormio und aus dem bei
Bellano in den Comersee mündenden Thale Sassina. Das ferrum sbavatuniy
das von Gufsfehlern befreite und das noch unerklärte a scartcufiis wurde
von Flandern und Deutschland eingeführt*.
^ Aufserdem in dem RbeinzoUtarife. Strirfsb. Urkb. 6 Nr. 758.
-^ Als Massenartikel über den St. Gotthard erwiesen, s. oben S. 451.
» Zolltarif von 1369. Schreiber 1, 550.
* Züricher Stadtbücher S. 261.
»* Beck 1, 8:31.
« S. 105.
' Beck 2, 708.
» Urkunden S. 124[92] und Anm.
» In Urkunden Nr. 193.
g96 Dreiundsechzigstes Kapitel.
Sehr zahlreich begegnen, wenn auch nicht in allen Katalogen, die
Fabrikate. Panzer, die sowohl von Nürnberg wie von Mailand, auch
wohl von Augsburg in Handel kamen, erscheinen nur im Zollkatalog
von Basel, Schwertklingen nur in dem von Strafsburg. Und doch gingen
von Mailand ganze Wagenladungen über die Alpen nach Ausweis der
Chilloner Zollregister; nächst dem Barchent waren Waflten, speciell
Harnische die Hauptausfuhr Mailands. Die Mittelpunkte der Waffen-
industrie Italiens überhaupt waren ja Mailand und Brescia, das den Bei-
namen Vamiata führte. Es hatte in den berühmten Familien der Nigroli,
Missaglia — von Tomaso Missaglia ist der jetzt in Wien befindliche
Feldharnisch des Kurfürsten Friedrich des Siegreichen von der Pfalz * —
und Figino hochberühmte Plattner, Hauben- und Klingenschmiede, wahre
Künstler, mit denen sich in Deutschland die Nürnberger, Augsburger
und Kölner Meister mafsen und später auch die Innsbrucker wetteiferten.
Brescia stand Mailand wenig nach und besafs berühmte Laufschmiede;
von dort bezogen die Schweizer ihre Waffen ! Auch die Herstellung der
Geschütze wurde an den genannten Orten mit Auszeichnung betrieben.
Pavia scheint besonders Schilde geliefert zu haben ^. Die lombardischen
Städte waren auch auf Massenproduktion eingerichtet. Der Mailänder
Zolltarif führt eine Reihe von Waffenstücken auf. Die Saumlast neuer
Waffen wurde auf 100 ^ angeschlagen.
Sensen und Sicheln fehlten dagegen selbst im Comasker Tarife nicht
(genannt Konstanz, Bern, Basel, Strafsburg, Worms), Pflugscharen finde
ich nur im Wormser. Unter dem Geschmiede (Ringlein, Bastnägel in
Basel, Pfannen, Stegreife, Gebisse, Armbrustschlüssel, Nägel, Schellen u. a.
in Strafsburg) ist hervorzuheben, dafs der Baseler Katalog besonders „Mai-
länder Pfennwerte, als Schellen und anderes^ hervorhebt, während wir
von der Firma Koler-Krefs-Saronno und aus Mailänder Quellen® wissen,
dafs gerade Nürnberg die Hauptstadt der Lombardei mit den Produkten
des Kleinmetallgewerbes versorgte. Besonders waren dabei auch Messing-
waren. Bern hat einen Posten für „Kupfer, Zinn, Messingdraht und
sonst Nürnberger Geschmied^. Die Mailänder und Brescianer Schlosser,
die Messerer dieser Städte und von Como, die Nadler von Mailand waren
weit berühmt*. Blechwaren (Fässer: Konstanz, Basel, Strafsburg, Stürze:
Konstanz und Strafsburg) fehlten nicht neben Messing- und Eisendraht
(Basel und Strafsburg). Zinngeschirr erwähnt nur der Baseler Tarif,
doch waren auch die Flaschen des Strafsburger Tarifes wohl von Zinn*.
^ Böheim, Werke Mailänder Waffenschmiede.
8 Doneaud 63.
« Urkunden Nr. 171. Vgl. oben S. 588.
* Beck 2, 861.
•^ Pasi Bl. 188 hebt die deutsche Einfuhr von Metallwaren nach Venedig hervor.
Produkte des Erdreichs. 697
Vom äalze sehe ich hier ab, doch ging Salz von Hall bis Bellinzona ^.
Elreide erwähnt der Baseler, Strafsburger und Wormser Tarif. Wetz-
steine werden im Baseler, Berner, Luzerner (Schiffmeister) und Strafs-
burger erwähnt, der Baseler bezeichnet sie als lombardische. Von den
Lavezsteinen des Comasker Tarifes, die in Mitteleuropa nur die Gegend
von Chiavenna und die Val Lavizzara (oberes Maienthal) lieferte, und aus
denen wegen ihrer Weichheit und Feuerbeständigkeit Töpfe hergestellt
wurden, kam wohl nicht allzu viel über die Alpen. Doch wurden von
Mailand nach Nürnberg buntglasierte Thonwaren geliefert^. Die Mühl-
steine der Zolltarife dürften schwerlich über die Alpen gekommen sein.
Eher vielleicht einzelne Marmorstücke und Puzzulanerde*.
Schwefel steht in den Tarifen von Konstanz, Bern, Basel und Luzern.
Alaun auch in dem von Strafsburg, der Tarif von Como unterscheidet
allume di ghiaccio, die feinste feste Qualität, die der Tarif wunderbarer-
weise nach Como über die Alpen kommen läfst, und lutnen feaieiy eine
billigere Sorte ^. Gallizenstein , das ist das zu Firnissen und zur Zeug-
filrberei verwendete Zinkvitriol, begegnet in dem ältesten Strafsburger
Tarife. Um gleich hier das dem Mineralreich angehörende Farbmittel
zu erwähnen, bemerke ich, dafs der Lapislazulistein , der sehr selten in
Europa gefunden wird, häutiger in Turan, China, Sibirien, in den Zoll-
tarifen von Pisa und Siena als cuseurro aus Deutschland erscheint'^, es
war damals das einzige Mittel um Ultramarin herzustellen. Schon Jahr-
hunderte früher hatte ein Konstanzer Bischof sich im Besitz dieser
„griechischen Farbe" befunden, aber so hoch ward das Geschenk des
Bischofs von Venedig geehrt, dafs die Klosterchronik von Petershausen
davon erzählt*. Und gerade umgekehrt war es nun, dafs z. B. den
Sieneser Malern für die Herstellung des »agzuro oltramarino^ anderer als
deutscher Azzur verboten war^.
Glaswaren erscheinen näher in den Tarifen von Basel und Strafs-
burg. Basel unterscheidet Fensterglas, Tafelglas, Scheibenglas und Trink-
glas, Strafsburg Spiegelglas, Fensterglas, Fensterscheibenglas, Trinkglas
und Brillen, die in Laden verpackt waren, zum Verkaufe kamen dort
auch Venediger Scheiben.
Wenden wir uns nun zu den Gewebe- und Rohstoffen, aus denen
sie hergestellt wurden. Wiederholt habe ich darauf hingewiesen, dafs der
> Kapitel von 1422. Heusler 33, 259. Von 1466 33, 271.
^ Tu eher, Haushaltungsbach S. 119.
» Como [60J.
* Vgl. über Alaun Heyd 2, 550-557.
^ Uzzano 48, 74.
* »Modium 2)l€num de Graico colore, qui vocatur lazur^ . C a s u s P e t r i s h. m. 1. 1 c. 22.
'Gay, Glossaire 1, 24.
g98 Dreiundsecbzigstes Kapitel.
Ankauf von feiner Wolle viele Italiener nach Flandern und England zog und
dafs die Wolle überhaupt allen andern Produkten insofern voransteht, als
sie die Haupteinfuhr nach Italien ausmachte ^. Für das Ende der Periode
trifift das aber nicht mehr zu , der Export Englands verringerte sich, die
Wollverarbeitung nahm in Italien ab, wie sie in Südfrankreich und auch im
Norden und in Flandern zurückging. Von deutscher Wolle, deren Züchtung
sich gelegentlich sogar der Kaufmann annahm und die der Schafzucht eine
aufserordentliche Ausdehnung gab, hatten wir öfter zu sprechen*.
Den Beweis für die Bedeutung der Wolle habe ich also nicht zu
erbringen. Sie erscheint selbstredend in allen Zolltarifen®. Die Prove-
nienz unterscheidet fein der von Como, wo die Wolle aus Tunis und
Bugia in Algerien — wenn auch unverstanden — aufgeführt ist, wie die,
welche Leute von Metz und Neufchäteau einführten, daneben ist die
heimische Wolle gestellt*. An anderer Stelle werden die Wollen aus
Burgund, Lothringen, England und Deutschland unterschieden*. Wie
erheblich die Einfuhr deutscher Wolle war, ersahen wir aus den Registern
eines Notars*'. Auch spanische Wolle — eben war das Interesse für
dieselbe erwacht — fanden wir auf dem Mittelländischen Meere in Händen
von Deutschen'. Noch aber war die englische Wolle die erste der
damaligen Welt, sie kam bis nach Siena®; das Ausfuhrverbot sollte die
italienische Weberei dann tief treffen.
Der Tarif von Mailand lehrt uns auch die Preise näher kennen.
Die französische, englische, deutsche und lothringische Wolle wurde auf
50 fi die Saumlast angeschlagen, die aus der Berberei und Tunis auf 25,
die einheimische auf 13V2 und die aus der Provence auf 9 i6. Der
Genueser führt lana sancti Matheif aus Flandern, Burgund und Narbonne
mit gleichem Satze an, die aus der Berberei zu ^/s, die englische Wolle
wird endlich in anderer Weise berechnet.
Nahm die Wolle ihren Weg über die Alpen nach Süden, so ging
die Baumwolle, deren bessere Sorten aus der Levante stammten •, ihren
Weg über Venedig und Genua nordwärts, um die bedeutende Barchent-
weberei Schwabens zu befriedigen. Die Zolltarife unterscheiden im all-
^ Auch der Tarif des Zolls und Geleitsgeldes in Brabant hat als Posten die
Wolle, die nach der Lombardei fuhrt. Hans. Urkb. 5, 229.
'^ Inama-Sternegg 3, 1, 355.
^ Auch in dem von Vogogna und dem für Rheinzölle Strafsb. Urkb. 6 Nr. 758.
Der Bemer Tarif redet von vlaemischer Wolle.
* [22]— [25]. S. oben S. 684.
» Urkunden S. 181.
« Urkunden Nr. 200—245.
' Urkunden Nr. 259, 261, 265 u. 266.
^ Tarif von Siena bei Uzzano S. 80.
® Vgl. Heyd 2,572—575 und Stieda, Hansisch- venet. Handelsbeziehungen 95.
Textilwaren. 699
gemeinen keine Sorten, in Mailand ist Sizilianer genannt, nur in Luzem
ist die Spinn- von der Wammswolle getrennt, worunter wir wohl eine Art
Watte zu denken haben. In Como hatten die Venetianer für den Trans-
port besondere Bedingungen. In Köln wurde ^Oenettfsche und Fenetifsche
boymunillent unterschieden; ob diese nach Genua und Venedig benannte
Ware wirklich, wie Geering* annimmt, ausschliefslich den Seeweg über
Antwerpen gemacht hatte?
Bei der Seide mufs das Interesse besonders grofs sein, da die Fort-
dauer der Seidenweberei nördlich der Alpen in Frage kommt Die Zucht
der Seidenraupen war in Italien schon seit dem neunten Jahrhundert
heimisch, wenn sie auch erst seit 1300 eine gröfsere Ausdehnung gewann.
Im fünfzehnten Jahrhundert wurde von der Obrigkeit bereits die An-
pflanzung von Maulbeerbäumen angeordnet*. Auch in der Provence
wurden schon im dreizehnten Jahrhundert Cocons geerntet®. Kohe und
gekochte Seide führt der Tarif von Como an, eigentümlicherweise er-
wähnt er aber nicht allein die Ausfuhr über die Alpen, sondern auch
die Einfuhr. Die Konstanzer Spezereiordnung und die Luzemer Ordnung
allein erwähnen die Seide. Wenn auch in Zürich und Konstanz die
Seidenweberei zerfiel *, in Basel noch keinen Boden zu fassen vermochte,
besser schon in Augsburg*^, so blühte doch Köln und die flandrische
Seidenindustrie empor®. Selbstredend sind die Seidensticker von den
Seidenwebern zu trennen. Paris war längst der Sitz eines vielgeteilten
Gewerbes geworden, ja in England fehlen nicht die ersten Anfllnge''.
So führt denn auch der Strafsburger Tarif in allen drei Fassungen Seide
auf (Pariser, Kölnische, Bastseide, Schleier- bez. Florseide). Welche
enorme Quantitäten damals Köln verarbeitete, hat Geering gezeigt®. Am
genauesten sind wir über die Seidenweberei in Zürich unterrichtet Dort
wurden jedoch nur sogenannte rohseidene Stoffe, d. h. Flor und Gaze,
aus ungezwirnter, ungefärbter Seide erstellt, Schleier und Bänder, die
vielleicht nachträglich im Stoffe gefUrbt wurden. Die politischen Un-
ruhen schädigten wie den Züricher Kaufmannstand, so auch die Weberei,
bis 1443 bestand der äufsere Rahmen des Seidenhandwerks, obwohl schon
^ Kolonialwarenhandel 52.
^ Reiche Angaben bei Silbermann 1, 223 f.
^ Silbermann 1, 228.
^ In Konstanz bestand wohl noch 1396 Seidenweberei. Ein Johannes von
Konstanz hatte in Venedig Seide gekauft, als er dann in ein Kloster treten wollte,
ergaben sich Schwierigkeiten. Zeitschr. f. Gesch. Oberrh. 5, 24.
•i Bürkli-Meyer S. 20.
^ Silbermann 1, 91. Die Angaben S. 92 sind nicht alle gleich gut Betr.
Köln vgl. Stieda S. 106.
^ Silbermann 1, 91. Fischer 1, 22.
^ Kölns Kolonialwarenhandel S. 49 ff.
700 Dreiundseclizigstes Kapitel.
vor 1400 Seiden weber anderswo ihre Nahrung suchten. So ging um
1450 das Gewerbe ganz unter, um ein Jahrhundert später neu eingeführt
zu werden, und doch hatten einst die Schleier ihren Weg bis nach Polen
und Ungarn genommen*.
Von der Seidenindustrie Luccas, Genuas und Mailands ist schon
früher gehandelt worden, ich will nur noch darauf hinweisen, dafs im
fünfzehnten Jahrhundert auch Lyon, Tours und Nimes Seiden weber in
ihren Mauern hatten^. Ludwig XL zog planmäfsig italienische Ar-
beiter heran und gab den bescheidenen Anfängen erst das rechte Leben.
Die letzte Gruppe der Gespinstpflanzen, Hanf und Flachs, wurde
im Rohzustande schwerlich damals weit verhandelt. Ich finde Hanf nur
in den Tarifen von Konstanz, Basel und Worms, Flachs nur in denen
von Basel und Worms, Werg nur in denen von Konstanz und Worms.
Der Tarif von Genua kennt linum de Alexandria und linum Lombardum,
Die Fabrikate sind besonders eingehend in den Tarifen von Como
und Strafsburg behandelt. '
Wie wir mehrfach sahen, war einer der hervorragendsten Ausfuhr-
artikel Italiens Seiden- und namentlich gold- und silberdurchwobene
Stoffe (Brokate); auch das gesponnene Gold und Silber gehörte dazu,
das namentlich von Genua in den Handel gebracht wurde. So enthielten
auch die Provisiones Januae besondere Sätze für die Ausfuhr site, draporum
Site, velarum site ei velutorum et auri filati^. Es war die höchstbesteuerte
der Gruppen. Auch die Venetianer hatten für den Transport ihrer
Seidentücher besondere Vergünstigungen in Como. Neben diesen pdllia
Site, aus denen das Hochmittelalter „Pfellel** machte, erwähnt der Comasker
Zolltarif auch den Zendal (Zendado), ein leichter taffetähnlicher, ursprüng-
lich in der fernen Levante, später namentlich in Granada, Lucca und
Mailand erzeugter Seidenstoff*. Die Aus- bez. Einfuhr über die Alpen
ist in beiden Fällen vorgesehen. Nach den Stellen, die Du Gange an-
führt, müfsten wir auch in den baldineUae (boldineUe) des Tarifs feine
Seidenstoffe sehen, doch stimmt damit der Zollansatz nicht recht überein
und entscheidend sind die Stellen des Mailänder und Genueser Tarifes:
dieser redet von teile hadinelle seu de Alamannia und jener eröffnet mit
^ Die »continentie de sita todesche* des Mailänder Tarifs, die um ein Dritteil
niedrig stehen als andere, vermag ich nicht zu deuten. Für Zürich vgl. Stadt-
bücher S. 39, 84, 116, 118, 226 u. 359 und Bürkli-Meyer, Gesch. d. Züricher
Seidenindustrie. Ol aasen, Schweizer Bauernpolitik im Zeitalter Ulrich Zwingiis in
den Ergänzungsheften z. Zeitschr. f. Social- u. Wirtschaftsgeschichte 4, 31.
2 Bock 1, 74ff. Pigeonneau u.s.w. Silbermann l,88ff. Acta Borussica,
Seidenindustrie Bd. 3, 10—27.
8 Urkunden Nr. 191.
*Heyd2, 690f. Weinhold 2, 239.
Textilwaren. 701
den boldinelle das capitulum Uni et canepi^. Von dem Handel mit den
boldinelle handeln mehrere Statuten der Mailänder Kaufmannschaft^.
Seiden und gülden Gewand führen die Tarife von Konstanz (Spezerei-
ordnung), Basel und Rothenburg an. Der Strafsburger dritte Tarif führt
(allerdings nicht als Durchgangs wäre) eine Reihe von Sorten auf: Tuch,
Sammet, Damast (nach Damaskus benannt), TafFet, ein ursprünglich persi-
sches Seidenzeug, das namentlich in Bologna hergestellt wurde, ^BirigelP,
Atlas, dessen Name auf das arabische ailas „glatt^ zurückgeht, und
^segaU, dann eine Spille Goldes und Silbers; aufserdem findet sich jene
Bestimmung über die Laden, in denen Lombarden goldene oder silberne
oder seidene Tuche führten®. Deutsche Seiden waren kann ich in Italien
nicht nachweisen, wohl aber begegnen uns Hauben aus deutscher Seide
und deutsche seidene Schleier in den Rechnungsbüchem der Gebrüder
Bonis, Kaufleute in Montauban (südlich von Toulouse 1339 ff.) und zwar
als häufig gebändelte Artikel ^
Unter den Wollstoffen macht der Comasker Tarif* eine für diese
Periode bereits antiquierte Unterscheidung. Er hat eine besondere Be-
stimmung für die Tuche von Provins, das um 1400 im Gewandhandel
nichts mehr bedeutete. Daneben stehen die Grautuche, die im wesent-
lichen über die Alpen eingeführt wurden und besonders werden die in
Uri erzeugten erwähnt. Wesentlich teurer als diese billigen Erzeugnisse
waren die übrigen drapi ultramoniani , deren Import in den Venetianer
und Genueser Provisionen vorgesehen war. Letztere bezeichnen diese
Tuche als Francigeni gentiles im Gegensatz zu den drapi Florentinorum
[de Toloxa] et Frovini minoris pretiu Die Wareneinteilung entsprach
auch hier mehr dem Jahre 1300 wie 1400. Dafs solche Tuche von
jenseits der Berge in Mailand erst geschoren wurden, beweisen die
Statuten®. Von italienischen Tuchen erwähnt der Zolltarif erst die von
Como, die über die Alpen und nach Bormio ausgeführt wurden, dann
die von Bergamo und aus dem Val Maggia. Bei den Posten für gefärbte
und gestreifte Tücher ist der Erzeugungsort nicht zu bestimmen, die
drapi fraxoni kann ich überhaupt nicht erklären, sie scheinen Comasker
^ Doch sagen die Statuta mercatorum lane: »nullus debeat facere aliquatn
tellam, si non fuerit tota lana aut tota de Uno vd de stoppa* Blatt 230^. Vgl. über
häldindlae das Glossar.
^ Blatt 214 ▼. Bei den deutschen Wirten wurde damit ein grofser Handel
getrieben.
« Eheberg 278.
* Vgl. Foresti^, Les livres des comptes des fr^res Bonis LVII, LXXVI, XC,
CLXin und zahlreiche Stellen des Textes fasc 20, 23 u. 26; z. B.: velet de seda
d^Älamatüia, rezol am lo cuehricap (= couvre-chef) d'Alamanka.
» Vgl. [26] -[30], [421 181]— [83] u. S. 127.
« Blatt 144 ^
702 Dreiondsechzigstes KapiteL
Ursprunges zu sein. Der Genueser Tarif stellt u. a. auf eine Stufe die
Tuche von Genua, Lyon, Catalonien, Languedoe, Cadix und Perpignan
(2 ß\ höher die von Mailand, Como, Mecheln, Brüssel, Courtray und
London (3 fi\ am höchsten die von Florenz. Der Mailänder Tarif hat
folgende Skala: Scharlach in Kermes geftürbt (100 U\ weifse Tücher von
Ypem und Gent (40 ÄJ), geftlrbte von Chalons und Provins, :^mi$chii<
von Mecheln und Douai (32 (^ ), gestreifte von Gent u. a. (22 i6 ), bestimmte
Sorten von Ypem, Provins, Paris, Tournay, St Denis und Popelinghen
(18 ^), Mailand und Como (14 ^), Florenz und die Berwer (12 ÄJ),
Monza (11 ÄJ), Torno und Prelasca (10 ÄJ), Valmaggia und Lecco (7^ « ÜX
*saie de Irlandat (7 ü). Diese kennt auch der Genueser Tarif.
Auf deutscher Seite ist der weitaus eingehendste Tarif der Strafs-
burger, leider läfst er nicht stets erkennen, welche Sorten über die Alpen
wirklich kamen ^. Als die wertvollsten Tuche erscheinen die Scharlach-
stoffe von Gent, Brüssel und Löwen, „Bellehart**, dann folgen die lom-
bardischen Tücher, die von Brügge, Brüssel, Löwen und Ypem, solche
von Mecheln und Leyden, es folgen Tuche von London (Lund), Herentals,
Brabant und England, Amsterdam und andere holländische Tuche, auch
Orsgat, St. Trond und Tienen werden aufgeführt *. Daran schliefst sich
eine lange Aufzählung von „rheinischen" Tuchen, die ich geographisch
ordne: Diest, Tirlemont, Maastricht, Aachen, Düren, Köln, Mayen,
Luxemburg, Trier, Lorch, St. Goarshausen, Wesel, Magdeburg, Usingen,
Wetzlar, Friedberg, Ursel, Homburg, Montabaur, Limburg, Königstein,
Mainz, Worms, Speier, Rastatt, dann die schwäbischen Tücher®, wobei
die Tücher des Niederrheins die besserer Qualität gewesen zu sein scheinen.
Es folgen noch Weifsenburg, Aschaffenburg, Kaiserslautern. Dann folgen
die leichten ungewalkten Stoffe, die nach Arras später „Rasch" genannt
wurden und deren Einfuhr nach Italien durch die Lombarden selbst eine
Strafsburger Quelle bezeugt*. Der Bemer Tarif erwähnt lombardische
Tuche. Der Konstanzer Tarif unterscheidet brabantisches, lombardisches,
französisches und rheinisches Tuch. Der Baseler nennt Tuch von Mecheln,
Löwen, Lund, Brügge, Herentals, Astett (?), Maastricht, sowie rheinisches
dann von Hagenau, Strafsburg und Kolmar. Auch die Strafsburger
Tarife nennen die offenbar nicht sehr feinen Produkte der elsässischen
^ Ich habe in der folgenden, nach der Höhe des ZoUs geordneten Zusammen-
stellung die mitunter abweichenden drei Tarife verbunden, ohne das näher anzu-
geben. Auch wurde Eheberg Nr. 114 herangezogen. Ich bemerke, dafs die Orts-
namen in den Tarifen vielfach verderbt sind.
^ Der Zoll von Masmünster kennt nur Tücher von Brügge, Mecheln und
Linisch". Rapoltst. Urkb. 5, 277.
» Eheberg S. 288 genannt Calw, Weil, Horb und Efslingen.
* Eheberg S. 279.
n
k
Textilwaren. 703
Wollweberei, die in Strafsburg nach dem Urteile Schmollers mehr ein
blühendes Ortsgewerbe war, als für den Export arbeitete. Namentlich
Hagenau, Pfaffenhofen, Zabern und Oberehnheim schlössen sich an. In
dem Berwer des Strafsburger Tarifes, dessen billige Sorte von Lautern
stammte, haben wir den berbtcinuSy der seinen Namen nach der Berberei
trug, einen zottigen Wollenstoff ^ Als barvalde erscheinen die Berwer
auch im Tarife von Como ^, sie fehlen auch nicht in Eonstanz und Basel
(Speierer). Ein hervorragender Durchgangsartikel war in Strafsburg
das für die Mühlen notwendige Beuteltuch von Clermont und Rheims,
für dessen Durchfuhr Bestimmungen getroffen waren. Beutel tuch all-
gemein steht auch im Baseler und Berner Tarif. Stamigne heifst im
heutigen Italienisch Beuteltuch, jedenfalls war es ein leichter und billiger
Stoff, in Pistoja durfte man den Toten nicht in Wolle oder Seide
kleiden, sondern nur in weifse siamigna^ und nach Ausweis italienischer
Inventare diente dieses Beuteltuch auch in vornehmen Häusern an Stelle
des Glases zum Verschlufs der Fenster*.
Der Überblick hat eine Reihe deutscher Städte aufgeführt, die Woll-
weberei betrieben*, aber wir dürfen ihre Ausfuhr nach Italien nicht zu
hoch anschlagen. Pegolotti, der die flandrischen, brabantischen und
französischen Stoffe bis auf die weitesten ihm näher bekannten Märkte
des Orients verfolgt, nennt deutsche Wollstoffe niemals.
Nach Schmoller war der Buckeram ein steifes aus Ziegen- und
Bockshaaren gefertigtes Zeug, nach Heyd® ist der feine orientalische
Stoff, der wohl nach Bochara genannt wurde, von dem rohen Stoffe des
späteren Mittelalters zu scheiden. Der Mailänder Tarif stellt ihn zu den
Baumwollstoffen. Da der bayrische Landfriede von 1244 den Bauern in
demselben Paragraphen verbietet, Waffen und juppas de hükramo zu
tragen, mufs es ein schwerer gegen den Hieb Schutz gewährender Stoff
gewesen sein^. So war er doch gewifs recht verbreitet®. Er findet sich
in den Tarifen von Como und Strafsburg.
Die Baumwollstoffe spielten im deutsch-italienischen Handel eine
grofse Rolle. Ich brauche hier weder auf die Rohbaumwolle noch auf
' Weinhold 2, 232.
* [41] barvalde et stumigie. Ebenso Mailand.
* Zdekauer, Statutum potestatis comunis Pistorii 126, sie durfte auch nur
überdeckt sein mit >ctiltra dt zendado vel de hucheramo sive de Uno*, Es wird als
Heimat der stamegnie des Mailänder Tarifs: »relchare* und »spoUri* genannt.
^ Verga, Le leggi suntuarie Milanesi 19.
^ Aber längst nicht alle, nicht einmal Frankfurt ist genannt, über dessen
Weberei vgl. Fromm.
« 2, 692.
' M.G. Constit. imperatorum 2, 577.
8 Vgl. auch Weinhold 2, 230.
704 Dreiundneehzigstes Kapitel.
den Barchent von Mailand, Ulm, Äugsbarg, (den Schilrlitz) von
wieder einzugeben. In der Richtung nach Norden bewegt er k
Tarife von Conio'. Barchent allgemein nennt der Tarif von Koi
Schürlitz findet sich in denen von Basel, Bern, Lozem und Rothe
AI» hervorragende Durchgangs wäre erscheint in den Strafsburger
(las Baumwolltueh , von dem *rippleehi* gerippte Tuche aus Prai
Köln oder Mailand und 'gehörte* (gehaarte) unterschieden werden
Nürnberger Ordnung Über den Handel der Gaste verbietet den I
verkauf der Barchentfardel, sie seien schwarz oder weifs. In der
mufste das ganze Fardel veräufsert werden ^
Die Bearbeitung des Leinens blieb hauptsäcMich noch die j
der landwirtschaftlichen Bevölkerung. Der bedeutenden deul
Leinenausfuhr nach Italien Zeugen sind auch die Zolltarife. Dii
fache Leinwand oder Leinentuch steht in den Tarifen von Basel,
stanz, Luzem, Strafsburg, als drapi lim in dem von Como, der
eine Ausfuhr nach Deutschland kennt'. Der Aarauer nennt die
wand von Eonstanz, Ravensburg und St Gallen. Der Eonstanzer'
führt auch den Gugler und „gefärbte und gestürzte Leinwand" — tei
Sorten — an. Den Zwillich kennen Konstanz, Basel, StraTsborg
Worms und werden als Heimat Masmünster, St. Gallen, Solothum, I
Münster und Lindau genannt, f\tr den Drillich des Baseler Tarifes i
thum, der Strafaburger nennt keine Heimat, nennt aber als TJrspruni
der ZiechentUcher t Erfurt und Köln.
In Como wurden auch Stücke: »eanevaeÜ aUti seu sachi et p
Zi'ni' verkauft, wohl aus Hanf hergestellte Sackleinwand*, welche
deutschen Händler in Genua selbst zum Ausschnitt brachten',
gleich darauf folgenden söge (oder sogaria) teUie seu canipis mochte
als Segeltuch (sagum) ansehen, vielleicht handelt es sich um ein II
fabrikat oder Tauwerk". Deutscher Leinenstoffe gedenkt auch Pego)
Als in Genua verkauft fUhrt er >Tela dt Goatiuieot, also von Konsl
neben solchen aus Navaira, der Lunigiana, von Cremona und Mu
an '. Der Mailänder Tarif erwähnt bei seinen zahlreichen Linnenso
nur einmal eine Heimat: Venedig, Der Genueser kennt teile aus
Lombardei, Rheims, Toulouse, Perpignan, Champagne und die oben et
' [']. [9].
* Baader, PoliieioTdnnDgen 129.
■ [61].
•[81).
» Urkunden 157, 27.
M85J.
' S. 219. Bei Pisa nennt er Leinen rub Burgund nnd Rheims. Im secliMh
Jahrhundert^kamen Iieinen aus Münster nnd OsnabrOck bis Sevilla. Hed er Bist
Produkte des Erdreichs. 705
besprochenen deutschen baldinelle. Aus den Inventaren vornehmer
Familien Oberitaliens geht hervor, dafs als feinstes Leinen dort das von
Cambrai galt, aber auch Leinen von Sangilio wurde künstlerisch aus-
geschmückt und gestickt zu den feinsten Betttüchem verwendet *. Waren
diese Sangilio von St. Gallen? Sonst wird auch rheinisches Leinen ge-
nannt, ohne dafs man es immer sicher von den Leinen von Rheims
scheiden könnte. In dem Inventar eines Ladens von Bologna von 1509
fehlt auch tella iodesca, azurra (blaue) und negra (schwarze) nicht ^.
Mischstoffe waren die Tiretaine des Comasker Tarifes*, grobe halb
wollene, halb leinene Zeuge von weifser Farbe, mit ihnen zusammen
stehen die pdlioti und steleiiy pallioti waren nicht allein aus Seide, sondern
auch aus Wolle*. Der Mailänder Tarif rechnet die sielete zu den Baum-
wollstoffen, die tiriniane bezeichnet er als faite de garzatura bambacis.
Die im Strafsburger Tarife erwähnten: Schetter, Mitteler (oder
Nütteler) und Buckaschin — leichte und biUige Stoffe — vermag ich
nicht alle sicher zu erklären. Schetter ist eine feine, auch in St. Gallen
hergestellte Steifleinwand*, auch bogJceschin ist nach der Leipziger
Kramerordnung von 1484 wohl ein Linnenstoff*, wie auch der Wormser
Tarif schechter und bockschin zusammenstellt. Weiter sind noch Schleier
zu nennen, die namentlich in Strafsburg hergestellt wurden^. Ich finde
sie auch im Baseler Tarife. An Bändern nennt derselbe solche von
Bern, der Strafsburger von Rheims.
Von Halbfabrikaten erwähnt der Baseler: Zwirn, rohes, weifses
Garn und Baumwollgarn, der Strafsburger mehrere Sorten, besonders
von Rheims {Renserin) kölnisches und erfurtisches Garn, dann weifses,
senwin Garn^^ weifses Waldgam und zwar als Durchfuhrartikel; auch
auf dem Rheine wurde Garn centnerweise vorbeigeführt. Aus Como
wurde stamen filatum, das ist der Zettel, ausgeführt^. Der Mailänder
» Verga 27 t.
'^ Frati, La vita privata di Bologna 242.
» [901-
* Bourquelot 1, 262.
» Schmoller 8. 587.
^ Schultz, Deutsches Leben S. 393. Dazu teilt mir v. He yd mit: „Pucken-
Bchin'^ in Nazareth fabriziert. Reise nach Jerusalem vom J. 1444, mitgeteilt von
Birlinger in Herrigs Archiv Bd. 40 S. 305. — Schwarzer Boucassin als Leichen-
tuch benützt. Coli, des docum. in^d., m^l. hist. 8, 298. — Juppo cooperto de finissitno
boucaasino ib. 326. Vgl. darüber Schultz, Höfisches Leben 1, 268 Aum. 1. Gay,
GloBsaire p. 181 f., welcher behauptet, bis £nde des sechzehnten Jahrhunderts sei unter
boucassin verstanden worden une ioile de coton a poüe feuM du genre des futaines,
' Schmoller S. 423.
« Eheberg S. 308.
»[40].
Schult«, Gesch. d. mitteUlterl. Handels. I. 45
706 VierundaechzigstcB Kapitel.
Tarif kennt als hocli bewertete Ware: stamen lane franeische et
et lane ultramontane, ein Viertel davon war der Wert des siam
l^misi und de Sicilia. Die tgarMatura* von Wolle und Baumwo!
wohl die beim Karten sich ergebende Abfallwolle *. Die Weber
selbst findet sich in dem Comasker Tarife*.
An fertigen Kleid ungestucken führten die Lombarden durch f
bürg in ihre Heimat Barette (Jbirrdtel), die auch im Florentiner Zo
stehen" und Hosen, worunter offenbar die Wadenstrümpfe aus samii
Leder zu verstehen sind, die auch damals von Lübeck nach Venedij
handelt wurden*.
Ein sehr wichtiger Handelsartikel, der aus den Gespinst!
des Flachses bezw. aus Hadern hergestellt wurde, war das Papier
weit mehr, als man bisher annahm, Gegenstand der Einfuhr aus I
war. Im Comasker Zolltarif fehlt ea freilich, findet eich aber in
Tarifen von Ronstanz, Bern, Basel, Luzem, Worms und im Strafsbi
auch bei den Angaben für den Transitzoll auf dem Rheine. Unc
oft sind wir dem Handel mit Papier begebet'!
Dem Schmucke der Kleidung dienten Perlen und Korallen,
diese lassen sich im deutsch- italienischen Handel nachweisen". Ben
ist vielleicht unter der ambra des Comasker Tarifes zu verstehec
bedenklich es ist, dafs der Satz sich auf einen Rubb, also ein gi
Quantum bezieht'.
Yierundsechzigstea Kapitel.
Prodnkte des Pflanzenreielis.
Farbwaren, die alten, neu auftretende. Kampf der WaidkvJtur gegen den Indi
Spezereien, die seUenereti nur in dm ApotMerliiten, die marktgängigen. Die alte
neu auftretenden. Safran. Zucker. Die ifürten. Wethraud». — Südfhidtte und „Fi
gpeisen". Eeis. Kümmel. Loröl. Öie. Wein*. — Getreide. — HöUer: Buch», EA
Venedig, das einst in der Färberei unerreicht war, mufste st
Ruhm gemindert sehen, da andere Stttdte seine Technik erlernten*.
' Urkunden S. 127 uDten.
■ flOl].
* IjEsano 6.
* Stieda S. 111.
* Namentlich Urkunden Nr. 289. Vgl. noch Meder Blatt 50 u. Sfter.
* Perlen, Urkunden Nr. 333. Ein Konstanter Handelt damit in Avi
Korallen im Tarif von Basel, der Überlinger Hftndler in Barcelona a. S. 543.
Über den Perlenluxua in Italien vgl. Verga 9.
'' S. 127. An die Ambra genannte Parfibnerie und Armei, die im Leib
Pottwals gefunden wurde, ist bei der Einfuhr ans dem Norden her nicht au de
» Vgl. Urkunden Nr. 346.
Produkte des Pflanzenreichs. 707
Den schon früher nachgewiesenen Farbwaren, die auch jetzt
in den Tarifen erscheinen, nämlich: der Fttrberröte (ruhia, Krapp, in
den Tarifen Como: Ausfuhr über die Alpen, Basel, Strafsburg); der
Waidpflanze (guadum, in den Tarifen Como: Einfuhr über die Alpen,
Basel, Strafsburg, Worms); dem Brasilienholz {braxilej in den Tarifen
Como: Ausfuhr über die Alpen, Basel, Strafsburg); der Keimesschild-
laus (granüy in den Tarifen Como: Ausfuhr über die Alpen); Safran
(croctis^ vgl. unter den Gewürzen) ; Opperment {auripigmenium, im Strafs-
burger Tarife); Indigo (endegunij in den Tarifen von Como: Ausfuhr
über die Alpen, Basel und Strafsburg, auch Aarau) gesellten sich andere.
Der Mailänder Tarif giebt auch die Wertstufen. Von der Kermes-
schildlaus galt der Centner 80 Ä , Indigo von Bagdad, Brasilienholz 20 Ä ,
Grünspan 6 €6. Orseille und Lackmus, in der deutschen Bezeichnung
Violfarbe, ein aus Flechten des Mittelmeergebietes gewonnener Farb-
stoff findet sich in den Tarifen von Strafsburg, Basel und Konstanz, auch
dem von Como*. Grünspan (Verderamus) y der zuerst in den wein-
bautreibenden Gegenden Südostfrankreichs aus in Essiggärung befind-
lichen Trebem und Kupfer hergestellt wurde, im Baseler, Aarauer und
Strafsburger, der Rötelstein im Strafsburger und zwar, wie Brasilien-
holz, Opperment, Safran, Röte, Lackmus, Grünspan, Waid, Drusenasche,
Waidasche und kölnische Erde als Durchfuhrartikel.
Unter dem „Trisanderholz" der Strafsburger Tarife stecken wohl
die drei Sorten Sandelholz, das rote farbstoffhaltende Holz von PterocarptiS
Santalinus, und das gelbe und weifse wohlriechende Holz von Santalum
album *. Sie stammen vom ostindischen Festland, von Ceylon und Timor.
Drusenasche (Frankfurter Schwarz), deren Herstellung in Strafsburg
verboten, später doch erschwert war, machte man durch Verkohlen von
Weinhefe. Kölnische Erde ist wohl erdige Braunkohle, kölnische umbra,
eine braune Farbe. Unter Waidasche ist wohl die gebrauchsfähige ver-
gorene Masse der Blätter des Waid zu verstehen. Galläpfel führt der
Tarif von Como auf", ihre besseren Qualitäten kamen aus Kleinasien*.
Das Zinnober der Konstanzer Spezereiliste stammte wohl aus den
spanischen Quecksilbergruben, denn die Gruben von Idria in Krain
kamen erst am Ausgange des fünfzehnten Jahrhunderts in Aufnahme^.
Über von Deutschen eingeführtes cremixium^ das ist Karmoisin, also ein
tierisches rotes Farbmittel, stritten sich die Zollbeamten von Genua mit
den Händlern, ob es aus Deutschland komme oder nicht. Genueser
' [59].
2 Heyd 2, 646 f.
» [78].
* Heyd 2, 593.
» Stieda 103. 106.
45
706 Vierundsechzigstes Kapitel.
Färber bezeichneten die Ware als in Deutschland erzeugte und so kann
da nur von der polnischen Cochenille (Forphyrophora Frischi Brandt)
die Rede sein*.
Einen schweren und hartnäckigen Kampf führte die alte deutsche
Waidkultur ^ gegen den Indigo. Erfurt und Köln, wo Waid massenhaft
gebaut und von den Blauftrbem gekauft wurde, wehrten sich gegen die
„Teufelsfarbe", die schliefslich trotz der Polizeiordnungen des Reiches sieg-
reich blieb. Köln hielt am Waid fest und schädigte sich schwer". Ähn-
lich hatte Florenz 1428 seinen Blau-Färbern jedes andere Farbmittel als
Waid verboten*. Weinstein, das oft in Tarifen erscheinende Farbmittel,
wurde kaum aus Italien bezogen. Die zu Freiburg gesottene Siegelfarbe
erwähnt der Bemer Tarif. Der Wormser Tarif redet von ^hintfarwe^.
Eine eingehende Übersicht über die Spezereien, die einen sehr
erheblichen Teil der italienischen Ausfuhr ausmachten, ist aus den
deutschen Zolltarifen nicht zu gewinnen. Der Comasker begnügt sich
mit zwei allgemeinen Paragraphen, und auch der Strafsburger fafst die
meisten Artikel zusammen. Wer wissen will, was damals in Süd-
deutschland in den Apotheken an Spezereien und Droguen des Orients,
die also ihren Weg über die Alpen nehmen mufsten, vorhanden war,
raufs sich an die von Flückiger veröffentlichten und erläuterten Listen
von Frankfurt (um 1450) und Nördlingen (um 1480) und an die Heidel-
berger Apothekenordnung von 1473 halten *. Wer aber erfahren möchte,
was in Italien verkauft wurde, mufs die köstlichen Listen von Mailand*
und das Handelsbuch von Pasi heranziehen"^.
1 Urkunden Nr. 271. Vgl. Heyd 2, 610.
^ Auch in Italien, namentlich um Alessandria wurde Waid gebaut und von
dort ausgeführt. Uzzano 95.
3 Geering, Kolonialwarenhandel 8. 54, Basel 808. Stieda 98.
* Pöhlmann 60.
^ Die Frankfurter Liste. Halle 1873. Auch Archiv d. Pharmacie Bd. 201 (darin
die Heidelb. Ordnung). Das Nördlinger Register in Archiv d. Pharmacie Bd. 211,
Dokumente zur Gesch. d. Pharmacie Bd. 207 u. 208. Reicher als unsere Mitteilungen
sind auch die, welche Stieda, Handelsbeziehungen aus den Papieren des Lübecker'
Grofskaufmanns Hildebrand Veckinchusen, machen konnte. Ich benutze im folgenden
wesentlich nur die Tarife und gebe also nur die im Handel häufigen Droguen und Waren.
^ Sie ist für die Preise so wichtig. Bei den nach Pfund verkauften steht hal-
zamum mit einem Durchschnittswert von 72 ^ voran, es folgt spongia mit 9, ambra
fina mit 8, folium garofororum mit 5, os cordis de cervo mit 3V«, retibarbarum und
Safran mit IVs, canfora^ ficus sied, reoponiicum und acamonea mit 1 it, Kubeben
und Zucker galten das Pfund 15 ßj Turbit, garofani, Macis, Opoponaz 10 ß, stmguis
draconis, Spicanarde, Muskatnüsse 5 y? u. s. w. Nach Centner verkauft wurde als
teuerstes garingalis angeschlagen zu 25 ^, Indigo von Bagdad und Pfeffer mit 20,
Zimmet mit 18, Weihrauch und Zucker mit 15 it. An der Spitze der in Saumlast
verhandelten steht »garabe* mit 30 ü, es folgt Alaun ile ghiaccio mit 20 #&
^ S. 188. Er zählt 44 Sorten von Spezereien und 13 wohlriechende Stoffe auf.
Produkte des Pflanzenreichs. 709
Die Zolltarife bieten nur die Waren, die nicht allein von den
Apotheken ftir Krankheitsfälle geführt wurden, sondern diejenigen, welche
in den Hausgebrauch übergegangen waren und das Mittelalter liebte es
ja sehr, seine Speise und seinen Trank zu würzen. Man konnte sich
kein Wochenbett ohne Ingwer denken und Safran war in jeder Küche
zu finden, wo sich heute der Gebrauch des Mittelalters fast nur im
Bern er Oberland erhalten hat.
Der Safran erscheint im Handel der Deutschen aufserord entlich oft,
wir sahen, dafs in Genua in dem deutschen Ausnahmezoll für Safran
allein ein besonderer Satz bestimmt war. Der Safran wurde übrigens
in dieser Periode auch bei Basel gebaut ^ Es war einer der Haupt-
handelsartikel jener Zeit, an dem uns so recht die Veränderung des
Geschmackes und der Technik klar wird. Der Tarif von Basel nennt
die Sorten von Tuschgan und Mumpherer, Der beste entstammte Toskana,
doch hatten auch andere Landschaften, besonders Katalonien, die Marken
und die Abruzzen gute Sorten^. In Strafsburg und Worms schätzte
man den von Orta bei Tortosa am höchsten^. In Nürnberg, wo 1441
eine besondere Safranschau eingerichtet wurde, um den sehr leicht aus-
führbaren Fälschungen vorzubeugen, mufste nach den Sorten verkauft
werden, nämlich ort (von Orta), lyonisch (Lyon), eynian (Zimat gehandelt
in Aquila), iuschan (Toskana), marck (Marken), pulnisch (Apulien),
spaniolisch (spanisch), pronigeller und bellcgier (aus Katalonien)^. In*
Strafsburg unterschied man nur drei Sorten*. Wir haben Deutsche im
Safranhandel in Spanien, Südfrankreich, Ligurien und Lombardei® ge-
troffen, auch auf den grofsen Safranmärkten von Aquila in den Abruzzen
fanden wir sie. Der Safran wurde vielfach verfälscht, die Nilrnberger
waren aber so gründliche Kenner des Safrans, dafs, als in Bormio
Verdacht gegen die Echtheit und Unverftllschtheit bestinmiter Formen
entstand, man sich nach Nürnberg wandte*^, wo auf Safranfklschung die
Todesstrafe stand®.
' Inama-Sternegg 3, S 337 läfst ihn auch in Steiermark angebaut werden,
doch beweist die angeführte Stelle das nicht zwingend.
2 Vgl Stieda 104 f.
» Flückiger, Pharmakognosie 779. Wormser Tarif.
* Baader, Polizeiordnungen 136 f. Zimat und Pelinger führt auch Lorenz
Med er auf. »Fruniget* und »Felinger* scheinen da als Sorten aus dem Albig^ois
angeführt zu werden. Blatt 54.
» Brucker S. 311.
^ Nach L. M e d e r wurde er auch in Parma und Casalmaggiore aufgekauft. Blatt 45.
Vgl. die Übersicht über den Safranhandel der Venetianer bei Pasi 194 ff.
■» Urkunden Nr. 391.
» Flückiger a. a. O. S. 781.
710 Vierundsechzigstes Kapitel.
Eine Reihe schon früher erwähnter Spezereien findet sich in den
Tarifen auch dieser beiden Jahrhunderte wieder: Die Galangawarzel
(Konstanz und Strafsburg), die Gewürznelke (Konstanz^ Basel, Strafs-
burg)*, der Ingwer (Basel, Luzem, Strafsburg), die Kardamomen (Kon-
stanz), Muskatnüsse (Konstanz, Strafsburg), Pfeffer (Konstanz, Basel,
Luzern, Strafsburg), daneben Lang Pfeffer (Konstanz, Strafsburg, irrig
im Drucke als Landpfeffer) und Zimmt (Konstanz, Basel, Luzern und
Strafsburg).
Alle diese mit Ausnahme der Kardamomen zählt auch Stromer auf
als die Artikel, welche der Nürnberger gern in Genua einkaufte. Er
nennt aber auch weiter: Weihrauch, Muskatblumen, Kubeben, Zimmt-
blüte, Paradieskörner und Zedoar. Ein Verzeichnis von Waren aus
Freiburg im Br. von 1480 nennt die Preise von Ingwer, Zimmt, Nelken,
Muskatnufs, Kubeben, Safran und Zucker^.
Kubeben, die auch als Chaböblin in den Strafsburger Tarifen er-
scheinen , waren die Früchte des in Ostindien und auf den Sundainseln
heimischen Kubebenpfeffers. Den bitteren Geschmack des Heilmittels
wegzuschaffen, überzog man die Früchte mit Zucker®. Auch wurden
die Kubeben als Luxusgewürz verwendet
Unter dem Mantzis der Konstanzer, dem Motis der Strafsburger
Liste ist wohl nicht Mastix, das bekannte Räuchermittel von Chics zu
* verstehen, sondern Macis, gewöhnlich Muskatblüte genannt, die teurer
als die Muskatnufs war und nicht allein zur Würze der Speise, sondern
namentlich zu der des Weines verwendet wurde*.
Die Zedoar- (Zitwar-)Wurzel findet sich auch im Baseler Tarife.
Die Wurzel der in Turkestan wachsenden Artemisia maritima lieferte
den Zitwersamen {Semeti eedoariae)^ der als Wurmsamen sehr bekannt
war (Konstanz)^. Das Süfsholz (Luzern) ist die Wurzel der in Spanien
und Italien angebauten, seit dem fünfzehnten Jahrhundert auch bei Bam-
berg angepflanzten Glycyrrhiza glabra, deren Wurzel ausgekocht und ver-
dampft die Lakrizen lieferte (Strafsburg)®.
Der Meckin der Strafsburger Quellen ist die Sorte Ingwer, die, so nimmt
man an, nach dem Haupthandelsplatz Mekka den Namen trug, während
sie aus ganz Arabien, vielleicht auch Zanzibar und Madagaskar kam^. Jeden-
falls war sie schlechter als die anderen Sorten des hochbeliebten Gewürzes.
^ OrdnuDg über Handel mit den 'fusti* bei Baader, Polizeiordnungeu 8. 139.
* Flückiger, Dokumente.
3 Stieda 97. Flückiger, Pharmakognosie 927.
* Hejd 2, 626 f. Stieda 101. Flückiger 1041.
6 Stieda 107. Flückiger, Pharmak. 823 f.
^ Flückiger, Pharmakognosie 382 ff.
' Heyd 2, 602 f. Stieda 98.
Produkte des Pflanzenreichs. 711
Die im Strafsburger Tarif erwähnte ostindische Thurbitwurzel
(Ipomoea Turpeihum) gehört mehr in den Bereich der Heilpflanzen^.
Unter Zimmtblüten (Strafsburg) sind die Blüten des Zimmtbaumes zu
verstehen. Die Schgamonea der Konstanzer Spezereiordnung ist das
namentlich als Purgiermittel benutzte Harz der in Kleinasien wachsenden
Convolvulus scammonia^. Terpentin, das Harz der Pisiacia TerebifUhus,
die in Kleinasien, Syrien und Palästina heimisch ist, findet sich nur
im Baseler Tarif, der „Strafsburger Terpenthin", aus der Edeltanne be-
reitet, war übrigens damals weit bekannt".
Die Luzerner Krämereiordnung führt „Elms" an, ich finde da nur
das noch nicht völlig aufgeklärte Elenii^ einen Harzsaft, der blutstillend
wirkte und 1430 schon an einem Heidelberger Studenten erprobt wurde*.
Dafs der Zucker erst in diesen beiden Jahrhunderten sich in den
Tarifen nachweisen läfst, ist wohl nur ein Zufall. Er war durch die Ejreuz-
fahrer längst genau bekannt geworden und wenn auch ein Süfsungsmittel
neben dem Honig nicht so nötig war, als nach Einführung von Thee
und Kaffee, so mufs der Zucker doch auch aufserhalb der Arzneipraxis
Freunde gefunden haben. Er erscheint in den Listen von Konstanz,
Bern und Strafsburg und wird unterschieden zwischen dem Hutzucker
und dem Zuckermehl , das ist der polvere di zucchero , der auseinander
bröckelnde, namentlich in Cypern hergestellte und weniger dick ein-
gekochte*. Ob unter dem Chandict der Konstanzer Liste der Kandis-
zucker (fein krystallisiert) zu verstehen ist, wage ich nicht zu behaupten,
ist aber wahrscheinlich®. Im Laufe des fünfzehnten Jahrhunderts stieg
der Zuckerkonsum rapide und in Köln wurden grofse Quantitäten ver-
handelt*^.
Der Küste des tropischen Westafrika am Atlantischen Ocean ent-
stammen die Paradieskörner (Samen von Amomum Melegtieta), die ein
beliebtes Gewürz waren (Konstanz, Basel, Strafsburg)*'.
Aus den Akazienarten des Sudans und anderen Gegenden Afrikas
flofs das Gummi, das im Mittelalter vorwiegend als Heilmittel gebraucht
wurde und dem wir auch im Baseler Tarife begegnen*^.
^ Flückiger, Frankfurter Liste 46; Pharmakognosie 437.
« Stieda 105. Flückiger 438.
^ Flückiger, Pharmakognosie 82.
^ Flückiger, Pharmakognosie 89.
''* Man kann auch an Melasse denken, das französische meil euere.
* Vgl. Codex Cumanus 92.
^ Geering, Kölns Kolonialwarenhandel S. 47 ff. Über Zuckergebrauch im
Elsafs vgl. Hanauer 2, 259, in Basel Geering 345 f.
« Stieda S. 102.
^ Zur Geschichte des Gummis vgl. Flückiger und Hanbury 1, 420 ff.
712 Vierundsechzigstes Kapitel.
Die Strafsburger Krämerordnung teilt die Zusammensetzung der vier
von den Krämern verfertigten Wtirzen so genau mit, dafs einer prak-
tischen Erprobung der „stifsen Würze", „Speisewürze", „Krämerwürze"
und „Krämerspeisewürze" nichts im Wege steht. Sie wurden aus Zinimet,
weifsem Ingwer, Nägellein, Paradieskörnern, langem Pfeffer, Muskat-
nüssen, Galgan, Meckin und Safran zusammengesetzt, auch that wohl
der Krämer noch Muskatblüte, „Kaböbel" und Kardamomen hinein ^
Andere Rezepte aus dem Elsafs, die jedoch keine weiteren Spezereien
anführen, hat Hanauer mitgeteilt*.
Eigentümlicherweise findet sich der in jeder Dorfkirche ge-
brauchte Weihrauch, der vorwiegend aus Arabien bezogen wurde, nur
in dem Strafsburger Tarife und dem von Brem garten", wiederum ein
Zeichen dafür, wie unvollständig das Bild ist, das die Tarife allein
gewähren.
Dem christlichen Mittelmeergebiete gehören eine Reihe von anderen
„Südfrüchten" an, die wir aus Tarifen kennen lernen.
Als Fastenspeise führt der Strafsburger Tarif Feigen und „Träubel",
Rosinen, Reis und Mandeln auf. Feigen, Trauben und Mandeln er-
scheinen in allen vier Tarifen, Rosinen nur im Strafsburger und Reis
auch im Konstanzer und Baseler. Die Reiskultur dehnte sich im Laufe
des fünfzehnten Jahrhunderts in Italien beträchtlich aus und erst von da
an wurde die Frucht nördlich der Alpen heimisch ; in rasch steigendem
Mafse wurde sie ein Exportartikel Italiens. Wir sahen , dafs einzelne
italienische Händler erhebliche Quantitäten über die Alpen beförderten *,
doch fehlt in dem Comasker Tarife noch jeder Hinweis auf dieses
Nahrungsmittel. Er kennt dafür die Mandeln *, wovon die besten aus der
Provence bezogen wurden, im Handel dorthin sehen wir auch manche
deutschen Händler. Für Datteln hat der Strafsburger Tarif einen Ansatz
nach Centnern.
An der Ausfuhr war auch italienischer Kümmich beteiligt, ausdrück-
lich bemerkt das der Cosmasker Tarif*, er findet sich auch in den
1 Brücket S. 310.
^ 2, 247 ff. Der Wein wurde mit Zitwar, Nägellein, Zimmt, Galgan, Karda-
momen und Paradieskömem gewürzt.
' Kurz u. Weisseubach 242. Über Weihrauchpreise vgl Hanauer 2, 254.
^ Hirmi von Basel und Morosini von Mailand, letztere transportierten 1490
80 Saumlasten Reis. Vgl. auch Urkunden Nr. 307. Nach dem Mailänder Tarif
wurde der Centner auf 2Ü IQß geschätzt. Reis finde ich zuerst von Genuesen in
Antwerpen eingeführt 1315. Desimoni u. Belgrano (375).
" [71].
• [21].
Produkte des Pflanzenreichs. 713
Tarifen von Luzern und Strafsburg ^ Von Anis nahm Flückiger* an,
dab er damals in Deutschland wenig gebraucht sei, er findet sich aber
in dem Strafsburger Tarife.
Die Blätter des Lorbeers meinen offenbar die Tarife von Basel,
Konstanz und Strafsburg. Das früher schon besprochene Lorbeer-Lor-Öl,
beziehungsweise die Beeren, aus denen das öl bereitet wurde, finde ich
in den Tarifen von Strafsburg und Como, und so rätselhaft es ist, die
oribagha erhält sich auch in den magersten Tarifen des Alpengebietes ^.
Der südeuropäische Rosmarin (Basel) lieferte ein für Parfümerien ge-
schätztes Öl. Der Aarauer Tarif erwähnt nach Centnem berechnet:
sirmandafASy nach Flückiger ist das das französische sermontain, die
Früchte von Laserpitium Siler Linnö, der weifse Enzian der Schweizer,
dessen Same in der Schweiz zur Bereitung eines Öles verwendet wurde,
wie die Wurzel als Mittel gegen Zahnschmerzen*. Ob Senf (Basel
und Como) Gegenstand des deutsch-italienischen Verkehrs war, bleibt
zweifelhaft.
Öl ganz allgemein erscheint in den Tarifen von Basel, Bern, Rothen-
burg und Strafsburg, davon unterscheiden die von Basel und Strafsburg
das Baumöl, auch der Comasker Tarif [46] bezeugt die Ausfuhr.
Die Angaben über Weine in den Zolltarifen sind deswegen besonders
unvollständig, weil hier der Strafsburger Tarif völlig versagt, da die
Weine einer andern Verzollung unterlagen, auch der Comasker Tarif
läfst uns im Stich*. So gewähren die Notizen über Klevner Wein
(Konstanz) und Malvasier (Basel) nur ein sehr ungenügendes Bild von
der Vorliebe der Deutschen für südeuropäische Weine ®1 Wie kaufte
König Sigmund z. B. in Konstanz Weine auf, gewifs keine Seeweine!
Getreide war für die Versorgung der Alpenthäler wichtig, überschritt
aber wohl niemals die Zone des Alpengebietes, in den Ostalpen war
das anders.
1 Nürnberg holte sich im sechzehnten Jahrhundert Kümmel, der aus Apulien
und Negroponte stammte. Meder Blatt 1 u. 6.
- Pharmakognosie 947.
^ Como [6]. Soma dt urbaghe im Dazio von Misocco 1608. Boll. stör, della
Svizzera ital. 12, 257. Orihaghe im Zolltarif von Lugano 1759 ebda. 10, 211. Auch
auf der Bozener Messe wurde Loröl gehandelt. Meder 44. Ebenso Schürt z,
Material kammer 66, der es besonders von Mailand kommen läfst.
^ Vgl. Krünitz, ökonomisch-technol. Encyklopädie Bd. 65, 122.
^ Allgemeine Angaben Tarif von Chiavenna [109], BeUinzona [118]. Fürleite
von BeUinzona Urkunden Nr. 192.
<» Vgl. Schultz, Deutsches Leben S. 507 f Boos, Städtekultur 3, 66. Die
Mailänder Statuten des Datium kennen: »vinum vemacie, mdlvasie, creti, romanie^
grechum, rehule et de marcha" Fol. 155 ▼, auch »vinum moschaUlum, papiense, voltru
naschum^ de romagnano< u. s. w. Fol. 156.
714 Fünfundsechzigstes Kapitel.
Von gewöhnlichen Hölzern fand bei der Schlechtigkeit der Wege
kaum irgend ein Verkehr zwischen den beiden Ländern statt, anders
verhält es sich mit den feihen Holzarten, die als Werkholz bei der
Drechslerei und in anderen Gewerben z. B. zu Heften von Messern u. s. w,
Verwendung fanden. Eibenholz (Taxus haccata) war auch in unsern
Wäldern verbreitet, für Schnitzereien und Geräte, namentlich Armbrüste
vortrefflich geeignet, es findet sich wie das Buchsholz, als dessen beste
Bezugsquelle der Baseler Tarif die Provence nennt, in den Tarifen von
Basel, Bern und Strafsburg. Vielleicht wurde dieses für Kunstwerke
besonders geeignete Holz auch aus Kleinasien und Persien eingeführt
Lohrinde findet sich im Strafsburger Tarif. Harz, Pech, Holzkohle und
Asche begegnet vielfach in den Tarifen, ohne dafs man einen Handel
zwischen Italien und Deutschland annehmen könnte.
Fünfundsechzigstes Kapitel.
Produkte des Tierreichs. Fabrikate.
Pferde, Vieh, — Gesalzene Fische, gesalzenes Fleisch. — Käse, Butter u. s. tc.
Seife, — Häute, Boläroni. — PelzwerJc, Sorten, — Leder, Sorten, — Hornkämme^ Federn, —
Pfennwerte oder Merceriewaren. Gedru<:kte Büclier, Paternoster,
Wenn die Pflanzenwelt fast ausnahmslos die Austauschbilanz zu
Gunsten von Italien stellte, so verhält sich das mit dem Tierreich —
wenn auch nicht ohne erhebliche Ausnahmen — doch eher umgekehrt
Die Ausfuhr von schweren Pferden aus der Lombardei war, wie wir
sahen, sehr bedeutend und der Comasker Tarif hat da ganz eingehende
Bestimmungen, da der Verkehr von Reisetieren von den Handelstieren zu
scheiden war und auch der Wert dabei in Anrechnung gebracht wurde.
Auch an manchen Stellen der Mailänder Statuten wird des Pferdehandels
gedacht*. Doch kamen auch Pferde von Norden her zum Verkaufe^,
wir können deutsche Pferde neben solchen aus Gorsica, der Berberei,
Sizilien, Apulien und Sardinien sogar im Zolltarif von Pisa nachweisen®.
Wie sehr die Vieh- und Pferdemärkte von schweizerischen und auch
deutschen Händlern besucht wurden, haben wir früher gesehen*. Doch
blieb mit Ausnahme der Pferde das wohl ein Nahhandel, ftir Rindvieh,
Schafe, Ziegen u. s. w. ist ein Export auf grofse Entfernungen nicht
anzunehmen.
» Z. B. Blatt 170 ▼, 213, 216.
2 [32]-[37].
^ Uzzano 51.
^ Ich habe keineswegs alle Notizen, die sich darauf bezogen, verwendet.
Produkte des Tierreichs. Fabrikate. 715
Für gesalzene Fische aus Deutschland hat der Comasker Tarif
einen Posten ^, ebenso der Mailänder ^. Im einzelnen finden sich Häringe
und Bückinge im Baseler, Berner, Luzerner und Strafsburger, Stock-
fische im Baseler und Strafsburger Tarife, Heringe auch in dem von
Bremgarten^. Der Handel mit ihnen mufs nach einzelnen Nachrichten
recht lebhaft gewesen sein ^. Bolchen, das ist Kabeljau, bin ich mehrfach
in deutschen Tarifen begegnet.
Gesalzenes Fleisch findet sich im Baseler und Comasker Tarif, die
letztere Stelle redet auch von Ausfuhr über die Alpen * und wirklich
waren gesalzene Würste wie ^Fysseniiner kefs€ — Käse von Piacenza —
den Sendungen, die die Koler-Krefs in Nürnberg erhielten, mitunter
beigepackt. Der Käse von Piacenza war damals in Italien sehr an-
gesehen und wanderte in grofsen Quantitäten z. B. nach Venedig *.
Speck, Butter, Käse, Zieger, Honig wurde wohl nur ausnahmsweise
— wie eben schon vom Käse erwähnt wurde — über die Alpen gebracht.
Dahingegen war Wachs ein ebenso wertvoller wie marktgängiger ArtikeF.
InComo galten für Wachs dieselben Bestimmungen wie für feine Spezereien®.
Auch Seife, vor allem feine Toilettenseifen lieferte Italien, besonders
Venedig und Genua. In sämtlichen gröfseren Tarifen finden sich daher
auch dafür Sätze.
Bei den Sorten von Leder und Pelzwerk bleibt nach dem heutigen
Stande der Forschung, die noch lange nicht alle vorkommenden mittel-
alterlichen Namen erklärt hat, manches unklar.
Der Comasker Tarif sieht bei den Häuten fast regelmäfsig einen
Satz für Einfuhr nach Italien, weit seltener für Ausfuhr vor, und wenn
auch die Alpen selbst einen erheblichen Teil der Häute lieferten, so
erweist schon das allein, dafs hier eine starke deutsche Ausfuhr vorliegt.
Mitunter unterscheidet der Tarif die grüne Haut von der bearbeiteten,
meist ist aber für beide der Satz gleich und da finden sich solche für
Ochsen- und Rindshäute, für Kalbsfelle, für Schafs-, Widder- und X<amm-
felle, für Ziegenfelle, Katzen-, Hasen- und Fuchsbälge, bei denen sich
nur ein Satz für die Ausfuhr findet, dann endlich für zwei Sorten, die
der Besprechung bedürfen. Die pelles avultronorum — wie wohl richtig
U64].
'^ »Fisces saht tenche, lucii^ arengi et omnes alii pisces scUati*.
^ Kurz u. Weissenbach 243.
* Urkunden Nr. 816 Anm. 1. Urkunden S. 206, 4. Chilloner Register.
Einem Luzemer Händler werden seine Fische als faul in Mailand verbrannt.
Liebenau, Regesten 20, 168.
•* [44].
« Pasi 95.
7 Vgl oben S. 144.
" [69]. Sonst findet es sich in Strafsburg und Basel.
716 Fünfundsechzigstes Kapitel.
zu lesen ist — waren ein bedeutender Ausfuhrartikel aus Deutschland
und begegnen als solche ausdrücklich erwähnt. Nun heifst boldrone das
mit der Wolle bedeckte FelP. Der gewöhnliche Satz für den Zoll ist
freilich in beiden Fällen, auf den Centner berechnet, halb so niedrig, als
bei den bereiteten oder nicht bearbeiteten Schaffellen, die unmittelbar
vorangehen. Das wird aber verständlich, wenn ich bemerke, dafs der
betreflfende Satz bei Wolle ebenfalls sehr niedrig war. Diese boldroni
waren, wie auch Uzzano beweist, ein wichtiger Handelsartikel. Sie
kamen aus England bis nach Siena^.
Die andere Stelle handelt von den pelles cuxarum seu schurolorum.
Letztere sind Eichhörnchen, cuxae eine Art davon. Der Mailänder Tarif
kennt pelles Cfisetarum, die etwas billiger wie Eichhörnchenfelle waren.
Die im zweiten Tarif vorkommende Sorte der salbonorum vermag ich
nicht zu erklären.
Für Pelzwerk hat der Comasker Tarif aufser diesem Posten nur
die Angabe über niantellum oder socha vayri, worunter variuSy das franz.
vaire = Veh zu verstehen ist. Dafs aber Italien Veh auch aus Bulgarien
bezog, geht aus Pegolotti hervor". Deutsche Einfuhr von Zobel- und
Hausmarderfellen nach Genua ist uns belegt*.
Die deutschen Tarife sind unendlich viel reicher, namentlich der
Strafsburger. Er hat gleichen Satz für: veh und jnmmerharm^ ; für Wolf,
Marder, Lebari, Luchs, Iltis, Fuchs, Otter und Biber. Es folgen:
:»eichoriny kröpf, eichin feil, moschen^ knSbeling, sUrbeling^ schürling, lamp-
vely Jcünigel, hasenbelg^. Davon sind Eichhorn, Zicke, Lamm, Kaninchen
(= cunicültAs) und Hase verständlich*, die »fnoschen€ sind vielleicht
»scAmoscÄen« die feingekräuselten Felle junger, etwa acht Tage alter
Lämmer^, die anderen Namen aber finde ich nirgends erklärt®. Der
Zobel, das wertvollste mittelalterliche Pelzwerk erscheint für sich.
1 Pegolotti 379.
3 Uzzano 49. Mich macht doch auch wieder der Mailänder Tarif stutzig, der
unter Leder: avoltroni ponaniur pro quoUbet centenario ad numerum iS oeto* ansetzt,
also 100 Stück !
" 212. Der Mailänder Tarif stellt das 1000 von vairi non loharaU auf 80 fö,
ebenso acorvini 50, scoiroU 85, c^isete 80.
^ Urkunden Nr. 278 hoynaH von Mustella foina, franz.: Ja fouine^ mail&ndisch :
/bi«, ital.: /atVia, Codex Cumanus 98 u. 872: foynty mail. Tarif: peües de foinis. Vgl.
auch Verga 18.
^ Ich korrigiere die Lesungen des Druckes stillschweigend und ziehe alle drei
Tarife heran.
^ »Koninghe* sind nach Stieda CXXXTV aber die fliegenden Eichhörnchen.
Der Wormser Tarif stellt bant eychom und koniglin feile zusammen.
■» Stieda, Zollbücher CXXXVI.
^ Ob Knöblivg mit dem niederdeutschen KUppingh, geschorenes LammfeU,
identisch? (Stieda, Zollquittungen CXXXIII).
Produkte des Tierreichs. Fabrikate. 717
Der Ausdruck ^veh< ist noch heute im Pelzhandel gebräuchlich
und ist es das „Grauwerk", die grauen Winterfelle der Eichhörnchen,
die sie in den nordischen Gegenden erhalten, am meisten sind die
dunkelsten Stücke, die aus Ostsibirien kommen, geschätzt und wurden
die Bälge in die dunkle Oberseite (Vehrticken) und die weifse Unter-
seite (Vehwamme) zerschnitten und diese getrennt in den Handel ge-
bracht. Auf dieses Veh ist der Ausdruck varius zu beziehen, nach
andern auf das „Buntwerk" der osteuropäischen Zieselmäuse. Der Aus-
druck ^ssimmerhann* führt leicht irre, zimmer (niederdeutsch iimmer)
war^ ein im Pelzhandel gebräuchliches Mafs von 40 Stück, härm ist
Hermelin. Mit Leopardenfell bezeichnete der Pelzhandel lange die
meisten Fälle der Gattung FeliSj immerhin ist es der einzige dem Süden
angehörige Pelz, der im Strafsburger Tarif erscheint.
Der Konstanzer Tarif bereichert unsere Kenntnis noch um die gleich-
falls bisher nicht erklärten: stichwerk und schönwerJc^, die himülin sind
vielleicht Kaninchenfelle, doch kommt der Ausdruck hmy und koninghe
auch im Pelzhandel für Marder vor. Der Wormser Tarif nennt auch:
hemsch masschin (ob zusammengehörig?), sireuffling und knyeling^.
Wie stark die Pelzwareneinfuhr nach Italien war, belegten nicht allein
die einzelnen Angaben, die unser Werk brachte*, nicht allein das, was
wir über den Handel von Venedig wissen, vor allem sehen wir aus den
Zolllisten von Chillon, wie viele Saumlasten Pelzwerk allein auf dem
Umwege über die Genfer Messen nach Italien gelangten, es ist die Haupt-
einfuhr der Mailänder Kaufleute von der Genfer Messe. Und Pegolotti,
der sonst so schweigsam über deutsche Waren ist, nennt doch VoJpi
deUa Magna und dt Norvea auch Lepri die Norvea und zählt eine Reihe
von nordischen Pelzsorten auf ^.
Das Mittelalter kannte neben der mit pflanzlichen Gerbstoffen
arbeitenden Loh- oder Rotgerberei in einer viel gröfseren Thätigkeit
als heute die des Alauns, also eines mineralischen Stoffes sich bedienende
Weifsgerberei, auch war die Sämischgerberei, die Tieröle bez. Thran als
Gerbmittel verwendete, in lebhafter Arbeit Auf allen drei Gebieten
* Schmeller. Stieda, Zollquittungen CXXV.
« Über Schönwerk vgl. Stieda CXXIX. Schönwerk wohl gleich Buntwerk.
' Quell en z. Wormser Gesch. 3,647 Anm. 1 steht ein Inventar eines Kürschners
mit vielen Warennamen.
* Vgl. namentlich S. 506. ülmann Stromer erwähnt als deutsche Haupteinfuhr
in Grenua Veh-werk oder wammen. Femer Urkunden Nr. 158 (Eichhörnchen), 159
(c\ixetaram\ 278 (ein Nürnberger vorkauft 120 Stück Zobel und 118 hoynari). In den
Provisiones Janue stehen die vayri auf einer Stufe mit der Seide, die übrige
pelizaria niedriger.
^ Pegolotti S. 299 (dort weder cmeta noch hoynari).
718 Fünfundsechzigstes Kapitel.
nahm es Italien mit Deutschland nicht auf, Italien verbrauchte deutsches
Leder.
Die Lohgerberei erzeugte das Lösch, das im Strafsburger Tarif erscheint,
die Weifsgerberei: ^tvis gealant ledert oder ^yrch* ^ das übrigens auch
rot vorkommt. Der Konstanzer Tarif trennt als eine bessere Art davon
noch die »ftöÄwi5CÄew j/rcA«. Diese ursprtiglich saracenische Kunst des
Gerbens mit Alaun hatte in Ungarn eine besondere Ausbildung erhalten
und böhmische Irch waren wohl nach dieser Art hergestellt. Die Weifs-
gerberei verarbeitete vor allem Schaf- und Ziegenfelle und zwar für den
Säckler. Diese beiden Arten finden sich auch im Comasker Tarife
wieder. Es ist dort von einer sama particorum (part€Xorum), cordoanorum
(i. e. trcorum et caprarum) und bahanorum die Rede. Nach den Nach-
weisen Schmellers ist particum = rubra peUis = lösch ' ; bahamis ist
aber schimmelfarben , und vielleicht auf weifsgares alaungares Leder zu
deuten, oder ist an ital. baaaana, ein braun zubereitetes Schaf leder zu
denken? Korduanleder ist nun aber nur eine Abart des lohgaren Leders,
das mit Somach aus Ziegenleder hergestellt wurde*. Die Überlegenheit
des deutschen Ledergewerbes zeigt der Comasker Tarif darin, dafs für
diese drei Sorten nur Einfuhr aus dem Norden vorgesehen ist. Eine
ganz bedeutende Lederindustrie besafsen namentlich Bern und Freiburg i. Ü.,
ihrer gedenkt auch der Baseler Tarif. Bernisch Leder wird auch im
Wormser genannt.
Hornkämme (tstrele*) finden sich in den Tarifen von Basel und
Strafsburg.
Mit den Federn und Flaumfedern, die nach Ausweis der Chilloner
Rechnungen vielfach nach Italien eingeftlhrt wurden, und in den Tarifen
von Strafsburg und Como" aufgezählt sind, verlassen wir die Produkte
des Tierreichs.
Die mittelalterlichen Zolltarife wagen sich niemals daran, auch die
kleineren Fabrikate im einzelnen zu behandeln, das wurde einfach unter
dem Namen merceria oder Pfennwert oder Kramerei zusammengefafst.
Nur der Mailänder Tarif macht eine Ausnahme. Aber welche Schwierig-
keiten bieten die lateinischen Namen. Hier versagt mir die Geduld und
ich begnüge mich, zwei deutsche Posten hervorzuheben: Hüte {capelli
gut veniuni de Alemannia) und Sättel (seile bravinie que veniunt de Äla"
manniä). Aus den deutschen Tarifen kann man also nichts gewinnen
und nur die Benutzung der Handlungsbücher mehrerer Gesellschaften
kann mit der Zeit ein richtiges Bild von der Cirkulation dieser Waren
» S. 1521.
° Vgl. auch Stieda, Handelsbeziehungen US.
» L80].
Produkte des Tierreichs. Fabrikate. 719
gewähren. Mir lagen nun die Papiere einer einzigen Gesellschaft vor
und aus ihnen folgt ganz unzweifelhaft die Überlegenheit der Nürnberger
Kleinmetallgewerbe über das doch auch hochberühmte Mailänder, von
dem ja das, was wir heute Quincaillerie nennen, damals den Namen: Mai-
länder Pfennwert trug. Und nicht allein diese kleinsten Sachen lieferte
Nürnberg, auch Altarleuchter, Schreibleuchter, Hängelampen, Messing-
schusseln , Wagen , Klystierspritzen , Kompasse , dann Wasserkännel,
Scherbecken, Schermesser, Zirkel, Malerborsten, Schusterborsten, Spiegel-
glas u. s. w. u. s. w. konnte die fränkische Handelsstadt der lombardi-
schen besser und billiger bieten.
Vor allem auch lieferten die Nürnberger Teilhaber Kölnsches Gold*
und Kölnsches Silber, auch Ulmer nach Mailand und so war selbst in der
Gold Schlägerei eine deutsche Konkurrenz rege geworden.
Das Schweigen über diese Fabrikate brechen die Tarife nur selten.
Der Baseler Tarif führt gedruckte Bücher auf und der Strafsburger, wie
der Rheinzolltarif ^ beschäftigt sich mit den Paternostern. Ganze Tonnen
voll Paternoster aus gelbem und schwarzem Stein oder Glas wurden
durch Strafsburg geführt, und nach den Papieren der Krefsschen Gesell- .
Schaft schickte Nürnberg, das mit Lübeck m~dieser Fabrikation wett-
eiferte®, nach Mailand auch Paternosterkörnlein aus Messing, ja Rosen-
kränze aus Krystall. Den Handel mit deutschen Bildern nach Italien,
wie den Kunsthandel überhaupt, kann ich hier nur streifen^.
So treffen gedruckte Bücher und Paternoster zusammen, die alte ^
Zeit und die neue begegnen sich auch in diesen scheinbar so öden j
Zolltarifen.
^ Über Kolzgolt handelt, wenn auch nicht abschliefsend Stieda, Handels-
beziehungen 110.
« Strafsb. ürkb. 6 Nr. 758.
' Stieda, Handelsbeziehungen 111 ff.
^ Ersteren erwähnt Wimpheling, Epithoma Germanorum cap. 68 ausdrücklich.
SCHLUSS.
Sechsundsechzigstes Kapitel.
VerkehrshShe.
Ertrag der Zölle von (Jotno, Andere Ziffern. Vergleich mit dem Verkehr der
Gotihardbahn 1889. Ein Ztcerg und ein Biese, Vergleich mit dem Anfang des neun-
zehnten Jahrhwiderts. Damalige Verkefirshöhe, Die Alpentransiteisenbahnen,
Hoch wertvoll sind die Angaben, die wir über den Ertrag der Zölle
von Como besitzen. Wir haben diese schon früher genauer kennen ge-
lernt. Ich hebe hier nur hervor, dafs dieser Zoll den Wein und das
Salz nicht mit besteuerte. Wie fast stets wurden diese Zölle jährlich
verpachtet und zwar wurde im Aufstrich verfahren, das Ausgebot erfolgte
in ü , gesteigert wurde mit fl. Setzen wir nun den Mailänder Goldgulden
= 53 sol., was jedenfalls sehr reichlich bemessen ist, so ergiebt sich aus
der gegenüberstehenden Tabelle die Verpachtungssumme. Sehe ich von
den Ziffern für 1435 — 39 und 1449—51 ab, da mir die Zuschlagsziffem
nicht sicher genug erscheinen, so war das pedagmn majus am niedrigsten
1452 zu 9433 Uj am höchsten 1468^69 zu 15560 U verpachtet; schlagen
wir ^/s an Verwaltungskosten und Gewinn der Unternehmer hinzu, so
ergeben sich 12577 U resp. 20747 U. Einen mittleren Zollsatz kann
man aus dem Zolltarife nicht gewinnen, nimmt man einen solchen von
2 U für die Saumlast an, so hätte der Verkehr zwischen 6300 und
10400 Saumlasten geschwankt oder, da die Saum in Como in den meisten
Fällen gleich 4^/2 Centner gerechnet wurde, hätte sich der gesamte
Warenverkehr mit Ausschlufs von Wein und Salz auf* 28350 bis 46800
Centner Comasker Gewichtes belaufen. Ursprünglich war der Comasker
Zoll ein fünfprozentiger. Dieses Wertverhältnis war aber verändert und
man darf ruhig nur 4 ^/o setzen. Der Warenwert hätte demnach zwischen
320000 und 518000 « geschwankt ^
^ Lamprecht, Deutsches Wirtschaftsleben 2, 345 berechnet för den Ober-
lahnsteiner Zoll am Mittelrhein für die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts einen
Verkehr von 6—700 000 fl. Wertes.
Verkehrshöhe.
721
Aus Incantus datiorum et vectigdlium Oume.
peda^ium
majus
datium
ballarum lane
ü fi. ß
datium
bulletamm forensium
ü fl.
^ ß i
fl. ß
1400 ••••••
9 300 195
1040 20 8
8 — —
- 24
1436 . .
9 300 190
1090 16
12
— 12
1437 . .
8 800 125
980 12 —
3 — —
13
1438 . .
8 450 100
860 12 —
5
— 24
1439 .
8 650 20
875 10
6»/9 — —
— 1/,
1449 . .
8 500 100
? ? ?
? — - —
— —
1450 .
7 280 6
850 37
11 18 —
- 3
1451 . .
10000 150
1380 91 —
30 -
4
von
hier ab auch die fl
.-Ziffern korrekt:
1452 . .
8 850 220
1050 38 —
22 —
2 -
1453 .
10 200 195
1180 44 -
30 9 —
— —
1454 . .
11200 160
1285 47 -
30
1 8
1455 .
13 600 330
1200 42
16 20 —
— —
1556 . .
14100 320
1170 39
13 5 —
_ —
1457 .
13150 310
1055 26
16 - -
1 24
1458 .
11800 120
1000 58 —
28
3 8
1459 .
13 800 270
1300 35 —
20 - —
1 —
1460 . .
13400 180
1250 25 —
20 - —
1 —
1461 . .
14 050 280
1320 34
25 —
1 16
1462 .
13 200 220
1075 45 —
25 —
IV2 —
1463 . .
14 000 250
1200 40 —
25 — —
IV2 -
1464 .
14 000 500
1150 52 16
32 - —
6 -
1465 .. .
14 000 300
1400 70 —
35 — —
5V« —
1467/ ^® '
14 250 350
1450 110 —
1650 87V9 —
25 — —
23 14 8
1 —
^^«n je
1469 J •'
> •
14 500 400
1700 50
1500 60 —
25 — —
22 - -
1 —
2 10
Sicherer ist mit dem Datium lanae zu rechnen, dieses wurde von
aller fremden aufserhalb des Gerichtsbezirkes von Como erzeugten WoUe
neben dem Datium pedagii erhoben und zwar 1 Goldgulden von jedem
Ballen zu 5 Centnem ^. Das ergiebt zu dem gleichen Satze (1 fl. = 53 sol.)
als Minimum 424 Ballen in 1457, als Maximum 692 in 1468, mit dem
Zuschlag von ^/a für Gewinn und Kosten: 565 bez. 923 Ballen, also im
besten Falle noch nicht 5000 Centner, und doch war die ausländische
Wolle der Hauptgegenstand der Einfuhr von Norden nach Italien.
Auch die Angaben über die bulletae sind nicht wertlos. Es heilst
von diesem Datium: von jeder Person zu Fufs, die nicht aus dem Distrikt
von Como, werden 6 /^, von jeder zu Pferde 1 J3 erhoben. Der Satz
^ Datium ballarum lanae, Statut von 1375 ff. in StattUa dntiorum Vol. II letztes
Stück. Stadtarchiv Como. »Lane ültramontafie et forenses nate extra jurisdicHonem
poteatatis Cumartim^. Vgl Rovelli 3, 1, 29.
Schulte, Geaoh. d. mittolalterl. Handels. I. 46
722 Sechsundsechzigstes Kapitel.
von 1456 würde also von 265 Personen zu Pferde au%ebraeht werden —
wiederum ohne Erhebungskosten und Gewinn — das Maximum von
1465 von 981 Personen, oder schlagen wir wieder */8 hinzu: so würde
die Minimalziffer auf 353, das Maximum auf 1308 Personen steigen.
Vergleichen wir andere Ziffern mit diesen Ergebnissen, die wir ge-
wonnen haben. Die Angaben für den St. Gotthardzoll und das Qeleite
in Mellingen sind vorläufig noch nicht zu verwenden, wohl aber der
Ertrag des Zolles auf dem Unteren Hauenstein ^ Wenn die Ziffer für
1425 von 8928 Saumlasten oder — in Comasker Gewicht, das ich hier
beibehalten will, umgerechnet — 38 176 Centner nicht stimmt, so ist das
Maximum von 1495^6 4260 Saumlast oder 19170 Centner doch eine gut
brauchbare Ziffer. Mehr mit Zollbefreiungen wird man zu rechnen haben
bei dem Baseler Transitzoll, von dem Geering eine lange Reihe von
Ziffern mitteilt^. Die meisten textilen Ballen oder Saumlasten Spezerei
erscheinen als Durchschnitt in der Zeit von 1420—25, nämlich 1600
oder 7200 Centner Comasker Gewichtes. Einzelne Ziffern liegen er-
heblich niedriger, bis zu 320 Ballen oder Saum für das Jahr herab.
Für den Verkehr über die Graubündner Pässe habe ich keine einzige
brauchbare Angabe und die Konstanzer Ziffern sind auch nicht zu ver-
wenden, da sich dort viel zu viele Linien kreuzten®.
In Brig fanden wir 1362 einen Verkehr von 6000 Ballen jährlich,
während in Sitten 1379—84 nur 1700 Ballen passierten. Für den Zoll
von Chillon ergiebt sich für die beiden nächsten Jahre nach 1294 ein
durchschnittlicher jährlicher Verkehr von 4234 Ballen und 257 Wagen,
demnach diese zu fünf Saumlast gerechnet ein Gesamtverkehr von 4234
-H 1285 = 5519 Ballen oder (1 Ballen = 4V2 Comasker Centner) von
24835 Centnern. Später führten die Mailänder Kaufleute jährlich hier
2495 Ballen durch*.
Man erschrickt ordentlich ob solch wahrhaft minimaler Summen;
aber man darf nicht vergessen, in jener Zeit schwellten noch nicht billige
Rohstoffe die Ziffern der Verkehrsstatistiken an, der weitaus gröfste Teil
des Transitgutes bestand aus hochbewerteten Waren.
Wenn man somit den Gotthardverkehr für das Mittelalter auf 25 000
Centner = 12500 Metercentner jährlich ansetzen darf, so können wir
einen Vergleich mit dem heutigen Zustand suchen. Die Gotthardbahn
hat aber schon im Jahre 1889 bei einem Gesamtgüterverkehr von rund
459000 Tonnen einen reinen Transitverkehr zwischen aulserschweize-
rischen Ländern und Italien von 296491 Tonnen = 2964910 Meter-
» S. oben S. 195, 205 f., 449 u. 450 f.
2 Geering S. 143.
« S. oben S. 378 u. 620.
* S. oben die Angaben und Berechnungen S. 463 f.
k
Verkehrshöhe. 723
centner vermittelt*. Die mittelalterliche Summe mit dieser verglichen
ergiebt ein Verhältnis von 1 : 237,2. Ein zwerghafter Verkehr steht
einem riesigen gegenüber.
Aber ist denn überhaupt ein Vergleich des Mittelalters mit dem Ver-
kehr von heute berechtigt? War denn vom Beginn der Neuzeit an das
Aufsteigen des Handelsverkehrs so enorm? Durchaus nicht. Die Ein-
führung der Kohle als Transportkraft hat erst die kolossale Steigerung des
Transports herbeigeführt und erst in der zweiten Hälfte des neunzehnten
Jahrhunderts liegt die rapide Zunahme des Verkehrs über die Alpen.
Das Bild des Mittelalters mufs man mit dem vergleichen, das man ge-
winnt, wenn man die Zustände unmittelbar vor dem Einflufs der Eisen-
bahnen betrachtet, und zwar darf man da nicht die Zeit unmittelbar vor
Eröffnung der Gotthardbahn heranziehen, sondern mufs auf die Zeiten
zurückgehen, wo weder der Mont-Cenis noch der Brenner, noch der
Semmering einen Teil des naturgemäfs den Schweizer Alpenpässen zu-
fallenden Transportes auf ihre Eisenbahnlinien zogen.
Für den St. Gotthard haben wir ausgezeichnete Angaben über die
Waren, welche Dazio grande am Plattifer passierten. Franscini giebt
davon folgendes Bild: In den drei Jahren 1831 — 38 gingen im Durch-
schnitt durch den Zoll: 4389 Saumlasten siocchi (hauptsächlich Baum-
wolle, Seide, Manufakturwaren), 42 Kalb- und Ziegenfelle, 48 Leder,
34 Obst, 4549 Reis, Öl, Honig, Eisen, Pulver u. s.w., 813 Korn, 8490
Käse imd 3195 Wein und Branntwein, im ganzen 21568 Saumlast. Der
erste Posten hatte sich seit dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts stets
verringert, nach Bonstetten betrug er 1797 noch 11 800 Saumlasten, ging
bis 1824 auf 8324, bis 1828 gar auf 5030 Saumlasten zurück. Ent-
sprechend war der Transit von Reis von 42450 Sack (1795/6 Durch-
schnitt) auf 16 — 17 000 zurückgegangen, minder war das Sinken bei dem
schweizerischen Export des Käses, sehr bedeutend aber beim Wein.
Bonstetten spricht von 13000 Saumlasten^. Die 21568 Saumlasten der
Jahre 1831 — 33 entsprechen nach Franscini etwa einer Summe von
40000 Metercentnern jährlich. Der Verkehr hob sich bis 1840 auf
80975 Centner«.
* Diese Ziffer Dach Ilüegg, Die Wirkungen der St. Gotthardbahn. Leipzig 1891.
S. 56. Nach Mitteilung der Direktion der Gotthardbahn hatte der Güter^'erkeh^
durch den Gotthardtunncl im Jahre 1899 folgende Ziffern aufzuweisen: Richtung
Nord -Süd (rund) 265 000 Tonnen, Süd -Nord (ebenso) 463400 Tonnen, zusammen
728 400 Tonnen. In diesen Ziffern ist das Gewicht des Reisegepäcks, der lebenden
Tiere und der Bahnbaumaterialien nicht einbegriffen.
- Vgl. Franse ini, Der Kanton Tessin; Gemälde d. Schweiz, Heft 18; St. Gallen
1835 S. 175 ff.
' Franscini, Neue Statistik der Schweiz. Bern 1848. 1, 219. Vgl. ihn auch
zum folgenden.
46*
724 Sechsundsechzigstes Kapitel.
Dieser Zustand der dreifsiger Jahre war allerdings durch besondere
Umstände bedingt. Die österreichische Regierung begünstigte den Splügen
und das Stilfser Joch, die Strafsen der Westalpen wurden von Frankreich
gefördert, während die Schweiz noch in dem alten Wirtschaftszustand
des Mittelalters verharrte. Der Transport von Mailand nach Frankfurt
war über die Splügenstrafse damals biUiger als über den Gotthard \
Erst nach dem Sonderbundskriege erhielt die Schweiz ein einheitliches
Zollsystem, bis dahin bestanden all die Zölle, Fürleiten, Weg- und
Brückengelder fort*.
Wie der Gotthard seit 1830 eine gut fahrbare Bahn besafs, so war
auch der Simplen mit dem herrlichen napoleonischen Bau (vollendet 1805),
versehen, aber der Verkehr an Waren war so gering, dafs Franscini
meinte, ohne den Personenverkehr lohne es sich kaum der Mühe, die
Strafse offen zu erhalten. Ebenso wirkungslos blieb der Bau der Strafse
über den St. Bernhardin (1818 — 23), dort bestanden die alten Roden und
Porten fort, völlig erstarrt lähmten sie den Verkehr, den sie einst be-
lebt hatten, nur für den Pferdehandel war die Strafse von Bedeutung,
die Transportrichtung war aber umgekehrt; nun kamen die Pferde von
Mecklenburg und aus anderen Teilen Deutschlands. Einen wirklich
namhaften Verkehr trug die 1823 voUendete Kunststrafse auf dem
Splügen. Franscini schätzte 1848 den jährlichen Transit auf 90—100000
Centner.
Betrug der Verkehr auf dem St. Gotthard in den Jahren 1831 — 33
also rund 40000 metrische Centner, 1840 jedoch schon 80975 Centner,
so ist das gegen das Mittelalter eine Steigerung von 1 : 3,2 und 1 : 6,4.
Von 1840 bis 1889 liegt dann die enorme Steigerung von 1 : 36,85 gegen-
über 1889 von 1 : 89,9. Den Gotthardtunnel passieren also sicherlich
heute in einer Woche so viele Gütermassen, wie 1840 in einem Jahre
und vermutlich würden heute zwei Güterzüge fast die ganze Summe des
mittelalterlichen Jahresverkehrs dieses Passes befördern können^.
Es ergiebt sich zur Evidenz, dafs in dem Alpen verkehr nicht eine
Periode mit dem Beginn der Neuzeit zu setzen ist, auch nicht mit dem
Ausbau der Kunststrafsen , sondern mit der Mitte des neunzehnten
Jahrhunderts, seit die Schweiz 1848 zu einer Zolleinheit wurde und vor
^ Franscini, Kanton Tessin S. 188.
2 Vgl. Furrer, Volkswirtschaftslexikon der Schweiz 1, 824. Welche Zölle
noch 1840 galten, ist am besten aus Albert Hub er, Die Entwicklung des eid-
genössischen Zollwesens (Bemer Dissertation 1890) S. 122 — 155 zu ersehen. Speciell
Uri und Graubünden boten das Bild des Mittelalters.
^ Die Maximal-Bruttobelastung eines Güterzuges auf der Gotthardtunnelstrecke
(Göschenen-Airolo) beträgt für die Richtung Nord -Süd 640, Süd -Nord 800 Tonnen,
also 12 800 resp. 16 000 Centner, 6400 bez. 8000 metrische Centner.
k
Verkchrshöhe. 725
allem sich nun der Einflufs der Verwendung der Kohle geltend machte.
Zuerst erhöhte der Konsum der von Dampfmaschinen getriebenen Fabriken
den Verkehr, der sich noch allein der Tiere bediente, dann ersetzte er
diese durch die Kraft des schwarzen Minerals. Und da wurde nicht, wie
schon 1845 die beteiligten Regierungen wollten, der Lukmanier der
Träger des alles beherrschenden Schienenwegs, sondern der St. Gotthard,
Es wiederholten sich beim Bau der Eisenbahnen die Hauptmomente der
Geschichte der Alpenstrafsen. Wie im Altertum zuerst die beiden Flügel
der Alpenwelt erschlossen wurden, so waren die ersten Alpenbahnen die
über den Semmering, Mont Cenis und Brenner. Dann aber folgte nicht
eine Analogie zum Frühmittelalter. Nicht die Rhein- oder Rhonepässe
erhielten zuerst Eisenbahnen, sie erhielten nicht den Vorsprung vor dem
Berge von Urseren. Dem Neuling des Mittelalters gab die moderne Zeit
sofort den gebührenden Vorzug und wenn auch jetzt andere Bahnlinien
folgen, so wird doch der König unter den Alpenpässen auch der König
unter den Alpenbahnen bleiben.
VEßBESSEßraGEN UND NACHTßiGE.
S. 5 Z, 12 von oben h Grofser St. Bernhard statt St. Gotthard.
S. 14 Z, 19 unten und öfter l. Vogogna statt Vergogna.
S. 30 Z. 17 von unten l, Vierwaldstättersee statt Vierwaldstädtersee, ebenso sonst
S. 54 Z, 12 von unten L Grimsel statt Gemmi.
S, 57 Z, 2 von oben ergänze: Von Rompilgem, die den Grofsen St Bernhard
benutzten, ist der hl. Bonitus, Bischof von Clermont, zu nennen, der um 701 von
Lyon zu den Reliquien in St. Maurice pilgerte und von dort reichlich beschenkt,
nach Pavia weiterzog, wo er vom Langobardenkönig Aripert U. gut aufgenommen
wurde \ Der Abt Austrulph von St. Wandrille starb 762 auf der Heimkehr von Rom
in St Maurice'.
S. 65 Anm. 1 ergänze: Vgl. zur Geschichte des Klosters Massino auch v. Liebenau
in Anzeiger für Schweiz. Geschichte 1883, 121 — 128. '
S. 66 Z, 16 von unten 1. Grofser St Bernhard statt St. Gotthard.
S. 109 Z, 4 von unten L accipitrem statt aecipitrem.
Zu S. 114, Die Verbreitung des deutschen Linnens beweist ein Wort, das bei
uns nur dialektisch vorkommt, in die meisten romanischen Sprachen aber übergegangen
ist, das althochdeutsche duahiUcij mittelhochdeutsch tweheUf heute dialektisch zwehle
= Handtuch ist mittellateinisch tohdlea, italienisch tovaglia Tischtuch, spanisch toalloy
portugiesisch und provenzalisch toalha, französisch touaitle. Immerhin bleibt es
zweifelhaft, ob das Wort mit der germanischen Einwanderung heimisch ward oder
erst später aufgenommen wurde.
S, 132 Z. 11 von tmten L Sitten statt Chur.
S. 136 Z. 18 von unten h Callimala statt Callmala.
S, 167 Z. 5 von oben l, neuen statt neun.
S, 170 Anm. 1 ergänze: Berlepsch, Die Gotthardbahn, in Ergänzungsheften
der Petermannschen Mitteilungen Nr. 65.
S, 189 Z. 9 von oben h Splügen statt Simplon.
S. 209 Z, 5 von unten l noch 1462 statt nach 1462.
S. 219 Z. 12 von oben L Formazza statt Formazzo.
S. 225 Anm, 3 ergänze: Über die Vögte in den Waldstätten vgl. auch Dieterich
in den Mitteilungen a. d. german. Nationalmuseum 3, 72 f.
S, 286 Z, 6 von oben ergänze: Aus dem interessanten Bericht des Bemardo Marchesi
vom Jahre 1370, den Karl Müller^ Zeitschrift für Kirchengeschichte 2, 592 — 622 ver-
^ Zettinger, Berichte über Rompilger aus dem Frankenreiche bis 800. Römische
Quartalschrift. Elftes Supplementheft S. 71.
2 Zettinger ebda. 83.
VerbesseruDgen und Nachträge. 727
Öffentlicht hat, ergiebt sich noch einiges über das Verhalten der Alberti. Sie hatten
einen festen Vertrag mit der Kurie, der sie zur Geldannahme zwang, gleichwohl
waren sie nicht immer bereit. Als der Trierer Erzbischof Kuno von Falkenstein
gegenüber päpstlichen Anforderungen an die von ihm verwaltete Kölner Kirche
10000 fl. aus seinem Eigenen gab, wurde diese Summe schon von den Kollektoren
mit Bedenken angenommen. Bernhard von Beme verhandelte mit den Alberti in
Brüssel und Lüttich, brachte das Geld nach Brügge. Allein hier verweigerten die
Alberti die Annahme, weil es nicht böhmische oder ungarische Gulden, sondern
Mainzer und Trierer waren. Das Geld blieb also zunächst in Brügge liegen. Die
Kollektoren betrachteten die Alberti als unentbehrlich. Als ihr Vertrag abgelaufen
war, verlangte der Bericht dringend die Erneuerung. Andere Geschäftshäuser seien
nicht zuverlässig und kräftig genug, auch verlangten sie ein Diskonto von lO^/o. Ohne
die Alberti könne man das Geld nicht sicher aus Deutschland an die Kurie bringen.
S, 298 Z, 10 von oben lies Bürger statt Bürgern.
Zu S. 365. Der Güte des Herrn Prof. Dr. Schiefs in Chur verdanke ich einen
Aushängebogen aus seiner Einleitung zu seiner Ausgabe des lU. und IV. Anhangs
von Campells Topographia Rhaetica (Jahresbericht der Churer naturforschenden
Gesellschaft). Es werden dort die Angaben Campells zusammengestellt, die sich
allerdings auf die zweite Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts beziehen. S. LVII:
Splügen, Septimer und Julier, S. LX : Schynpafs, wonach der Weg auf dem rechten
Ufer des Halbsteiner Rheins gegangen und Tiefenkasten mit Fürstenau verbunden
zu haben scheint.
Zu S, 455, Durch Besprechungen mit meinem Kollegen G. Kawerau, dem ich
die Kenntnis des Materials verdanke, bin ich zur Überzeugung gekonmieu, dafs zu
den Gotthardpassanten möglichei'weise auch Luther gehört. Für die Hinreise stehen
(trotz Hausrath und Elze) Innsbruck und Padua, somit der Brennerpafs fest. Für
die Rückreise Mailand, man hat also vom Wormser Joch an westlich die Auswahl.
Diese wird jedoch dadurch eingeschränkt, dafs Luther von den Bergen der Schweizer
aus der Anschauung redet. Nach dem Schwabenkrieg mag hie und da auch Grau-
bünden zur Schweiz gerechnet worden sein, aber der nächste Sinn weist auf die
Schweiz im damaligen politischen Sinn hin. Wenn Graubünden also ausscheiden
sollte, bleibt nur der St Gotthard. Aber freilich kennt, wie Kawerau mich ver-
sichert, Luther Zürich nicht oder erwähnt doch nie seine Kenntnis.
Zu IS. 663. Über die Irmi vgl. jetzt Hol zach, das Geschlecht der Irmy, der
namentlich die politische Thätigkeit des Hans behandelt, der ein Freund der Medi-
ceer, speciell Lorenzos war. Holzach teilt näheres über seine diplomatischen Reisen
nach Italien mit. Baseler Biographien 1, 39 ff.
INHALT.
Seite
Vorwort I
Verzeichnis der mehrmals citierten Bücher und Abhandlungen XVII
Erstes Buch: Einleitung:.
Erster Teil: OeocpcaphiBche Vorbedingungen.
Erstes Kapitel : Geographische Bedingungen der Verkehrs in der Zeit vor Ent-
deckung des Gotthardweges 1
Die pafslose Nordkette war an beiden Seiten zu umgehen. Dadurch
entstehen zwei Pafssysteme mit ihren Städten. Vergleich der Systeme
der Rhone- und Rheinpässe. Beschreibung der einzelnen: Grofser
St Bemhardf Theodulpafs, Monte Moro, Antronapafs, Simplon. Ebenso
die des Rheinsystems : Lukmauier, Greinapafs, Bemhardin und Splügen,
Septimer und Julier. Strafsenknoten im Süden: Aosta-lvrea, Vogogna,
Bellinzona. Weg zum Lago Maggiore, der See selbst, Arona, Monte
Cenere. Chiavenna. Veltlin. Comersee. Die Pässe konvergieren nach
dem Mittelpunkt der Po-Ebene.
Zweites Kapitel: Fortsetzung 17
Ziele des Verkehrs im Süden. G^nua oder Piacenza. Lage von
Genua* Pässe. Schwierigkeiten im Apennin. Piacenza, die letzte
Brückenstadt am Po. Unterhalb Meer und Land nicht definitiv ge-
schieden. Mittelalterliche Brückenschläge unterhalb. Lage von Ron-
caglia. Mailand, die Stadt der Mitte. Gunst der Lage. Die fehlende
Verbindung mit den schiffbaren Gewässern schuf es selbst.
Divergenz des Verkehrs im Norden. Gründe. Die Fortsetzungen :
Kunkelpafs, das Rheinthal, Rheineck. Lücke des Walensees, Zürich.
Die Pforte an der Rhdne. Ziele des Verkehrs. Hindernis: Jura.
Pässe von Pontarlier, von Äugst. Oberer und unterer Hauenstein,
Bötzberg. Verkehr in der Längsrichtung der Hochebene. Hydro-
graphische Pforte der Schweiz. Bodensee. Konstanz. Basel. Strafsburg.
Drittes Kapitel: Änderung der geographischen Bedingungen durch die Ein-
richtung des Gotthardweges 32
Centrale Lage des Gotthardquerschnittes. Der Anstieg im Norden.
Die Hauptschwierigkeit im Umer Loch. Urseren. Pafshöhe. Der
Abstieg im Livinenthal. Verstärkte Bedeutung von Mailand. Neue
Wege nach Zürich, Basel und Windisch.
Inhalt. 729
Seite
• Erschliefsung des Grimselpasses. Fortsetzungen über die südliche
Kette: Nufenen-, Gries- und Albrunpafs. Seit Eintreten des Gotthards
scharfe Konkurrenz der Pässe.
Tabelle: Zusammenstellung der Pafshöhen.
Zweiter Teil: Die Alpenpässe im Altertum.
Viertes Kapitel 89
Die Alpenfront von Massalia und der Donau aus umgangen. So
auch zunächst die Römer. Grofser St. Bernhard. Strafsenbau. Die
lokalen Rhouepässe. Simplon zweifelhaft. Büudeuer Pässe. Julier.
Splügen. Fehler der Itinerarien. Funde. Pflasterungen. Ortsunter-
suchungen nötig. Spätrömisch Lukmanier oder Bernhardin benutzt.
Zollstätten. Organisation unter dem Einflufs der Erwerbsgeschichte.
Spätere Änderungen. Nachwirkungen im Mittelalter. Das Strafsen-
System als Einheit betrachtet. Verteilung der römischen Funde.
Warenhandel. Was überlieferte das Altertum dem Mittelalter?
Strafsenbau, geänderte Organisation. Was ging verloren? Be-
dingungen des Handels verändert.
Zweites Buch : Verkehr und Handel im Frühmittelaltep
(bis 1032).
Fünftes Kapitel : Verkehr bis zur Bildung des hochburgundischen Reiches (888) 54
Der St. Gotthard als Grenzpfeiler von fünf Bistümern. Dieser
Pafs unbenutzt. Die Alpen in der merowingischen Zeit. Züge der
Karolinger. Grofser St. Bernhard. Septimer. Reliquientranslationen.
Divisio regnorum. Begründung des Königreichs Hochburgund.
Sechstes Kapitel : Verkehr bis zur Vereinigung von Burgund mit dem Deutschen
Reiche (1032) 59
Die Saracenen in den Alpen. Älteste Hospize: am Grofsen
St. Bernhard, auf dem Septimer und sonst. — Bündener Pässe. Die
Züge der Ottonen. Andere Reisende. Begünstigung von Chur. Er-
haltene römische Verkehrseinrichtungen: Schiffmeisterei am Walen-
see, Fähren. Besitz deutscher Klöster jenseits der Alpen. — Burgun-
dische Pässe: Verkehr über den Grofsen St. Bernhard. Normannen.
Engländer. Itinerar Sigerichs. Verhandlungen Knuds des Grofsen.
Siebentes Kapitel: Der Handel 68
Spärliche Nachrichten. Altester Zolltarif: Aosta. Art der Zoll-
erhebung. Allgemeine Handelsverhältnisse. Gewebe. Nahrungs-
mittel. Gewürze. Weihrauch. Parfiimeriestoffe. W^ein. Andere
Waren. Passive Handelsbilanz des Nordens. Auch Italien noch in
sekundärer Stellung im Welthandel. Deutsche Kaufleute. Fremde
Kaufleute: Syrer, Juden, Araber, Friesen, Italiener. Warenhandel.
Märkte.
780 Inhalt.
Drittes Buch: Verkehr und AVarenhandel im Hoch-
mittelalter.
Erster Teil : Geschichte des Verkehrs von der Vereinigung des burgundisohen
mit dem Deutschen Reiche bis zur öffhung des St. Gotthards (1082 bis um 1280).
Seite
Achtes Kapitel: Hospize 80
Das auf dem St. Bernhard. Filialen und Besitzungen bis Apulien
und England, in Deutschland. Hospiz auf dem Septimer. Ritter-
orden, andere Spitäler.
Politische Geschichte. Römerzüge 85
Chiavenna eine schwäbische GrafschafL Römerzüge der Salier.
Staufer: Friedrich I. und der Septimer. Schlacht bei Legnano.
Lukmanier. Kloster Disentis. Heinrich VI. und seine Nachfolger.
Septimer und Bemhardin 92
Reisende. Der Septimer bei den Dichtern, bes. Gottfried von
Strafsburg. Berhardiu. Verkehrseinrichtungen: Wirtshäuser, Fähren«
Burgen. Bergell.
Neuntes Kapitel : Walliser Pässe 96
Grofser St. Bernhard. Reisen der Kaiser, Päpste, Vornehmer.
Isländisches Itinerar. Der Iliansweg nicht der Lukmanier. Erstes
Hervortreten des Grimselpasses, des Antronapasses und des Simplons.
Nördliche Zugänge 102
Die Wege des hl. Bernhard.
Ergebnisse 102
Die inneren Pässe der beiden Systeme kommen mehr in Auf-
nahme.
Politische Lage am Südfufse der Alpen 103
Ringen von Mailand, der Freiherren v. Sax und Como. Hein-
richs VI. Vertrauen auf Como. Die Mailänder an den Zollstellen.
Grafen von Biandrate u. a.
Zweiter Teil: Geschichte des Handels bis som Ende des dreiaehnten
Jahrhunderts.
Zehntes Kapitel: Deutsche Kaufleute in Italien. • 105
Der Chanson sur TAir de TAmour. In Genua schon 1128. Ferrara
1228. Messen. Der Fondaco in Venedig. Überfälle.
Italienische Kauf leute in Deutschland 108
Aus Lodi, Mailand, Piacenza. Koblenzer Zolltarif. Italienische
Steinmetzen und Maurer.
Veränderungen im Welthandel 110
Konstantinopel nicht mehr Monopol als Vermittler. Das Abend-
land handelt direkt. Die Kreuzzüge steigern den Luxus. Italien
übernimmt die Vermittelung. Amalfi, Pisa, Genua, Venedig.
Elftes Kapitel: Bekleidungstoffe 112
Änderungen in der gewerblichen Organisation, im Verbrauch.
Zunahme desselben.
Inhalt. 731
Seite
Die Leinen- und Hanfstoffweberei 113
Bleibt vorwiegend Gegenstand des Hausfleifses. Technisches.
Gleichwohl bedeutender Handel. Konstanz, Basel, St. Gallen,
Augsburg. Deutsches Leinen im päpstlichen Schatze. Erzeugung
des Auslandes.
Zwölftes Kapitel: Bekleidungsstoffe (Fortsetzung). Wollweberei 117
Produktionsteilung. Walken. Färberei. Örtliche Teilung. Die
Wollweberei städtisches Gewerbe. Reste auf dem Lande. Einflufs
der Klöster. Alteste deutsche Weber als Handwerker. Südwest-
deutsche Grau tucher, Loderer im Südosten. Rheinische Weber,
Köln. Flandern. Weltlage. Die englische Wolle die beste.
Weberei in England, in Flandern, Frankreich, Champagne, auf der
schweizerischen Hochebene, Lothringen.
Italien. Vorbedingungen. Alte Traditionen. Bezug der Wolle.
Kapitalistischer Charakter. Die Humiiiaten. Überblick: Mailand,
Lombardei, Venetien, Piemont, Toskana, bes. Florenz. Callimaia
und Arte della lana.
Dreizehntes Kapitel : Bekleidungsstoffe (Schlufs). Seidenweberei 136
Erste Anfänge. Lucca, andere italienische Orte. Paris. Zürich.
Konstanz.
Baumwollweberei 139
In Italien verbreitet, namentlich in der Lombardei. HandeL
Herstellung auch in Flandern.
Farbstoffe 141
Neue Farbstoffe in grofser Zahl.
Gewürze. Wachs. Beeren des Lorbeers 143
Metalle 145
Verbreitung des Bergbaues. Waffenindustrie.
Lebensmittel 149
Getreide. Wein. Salz. Fische. Produkte der Viehzucht
Perde. Vieh 150
Häute. Pelzwerk.
Sklaven 151
Vierzehntes Kapitel: Handelsorganisation 152
Verschwinden des Fremdkaufmanns. Die Juden zurückgedrängt.
Handelseifersucht, Ausschlufs von den korporativen Bildungen.
Gründung von Städten. Aussonderung von Produktionszweigen.
Der Kaufmann bedarf der Genossen. Handelsgesellschaften. Italien.
Deutschland.
Messen 156
Ursachen ihrer hohen Bedeutung. Die Messen der Champagne.
Lage der Champagne. Organisation, Termine, Beamte u. s. w. Mefs-
besucher organisieren sich, besonders die Italiener. Handel der
Deutschen. Höhe des Verkehrs, gemessen an den Zöllen von Chillon
und Bapaume und den Erträgnissen. Messen in Deutschland und
Italien.
732 Inhalt.
Dritter Teil: Geschichte des Verkehrs von der Eröfibiung des Gotthards
bis sur Doppelwahl von 1814.
Seite
Fünfzehntes Kapitel: Der St. Gotthardpafs 169
Erste Erwähnung. Die stäubende Brücke erster Triumph der
Eisentechnik. Die Eröfiiiung eine Folge des Vordringens der
Deutschen in die Hochalpen. Urseren will lokale Verbindung, schafft
eine internationale.
VTann erfolgte die ErÖflfhung?* Bedeutung Bellinzonas. Kämpfe,
Reichsgut, wieder verloren. Triumph Mailands. Politik des Reiches
am Nordfufs. Uri von Habsburg ans Reich. Reichsgut und Haus-
gut. Die Habsburger an der Strafse nach Ölten. Neue Zölle:
Freudenau, Reiden, St. Amarin. Dieser Vogesenpafs eiu Korrelat
des Gotthards.
Sechzehntes Kapitel: Der Gotthardpafs bis 1298 179
Widerstand von Schwyz. Erwerb weiterer Besitzungen am Wege.
Rudolf hat den Anfang zu einem Pafsstaat gelegt. Wahl Adolfs.
Die Reaktion gegen die Habsburger. Der Bund der Eidgenossen.
Welcher Geist schuf ihn? Kämpfe. Erste Nachrichten über Kauf-
leute auf dem Passe.
Unterer Haucnstein 183
Zölle. Expansion des Bistums Basel. Das Manifest König
Rudolfs an die Kaufleute bezieht sich auf den Gotthard. Sendung
des Bischofs von Basel nach Italien.
Büfadener Pässe 187
Leben auf der Septimerstrafse. Zölle. Verkehrseinrichtungen.
St. Bemhardinpafs. Versuche, die Konkurrenz des Gotthards ab-
zuwehren. Kämpfe im Bergeil. Torriani und Visconti in Mailand.
Bildung der dortigen Signorie.
Siebzehntes Kapitel: König Albrecht und die schweizerischen Alpen .... 191
Veränderung der Lage durch die Wahl Albrechts. Privilegien
für die Italiener von 1299. Ausfuhrung durch den Bischof von Basel
und den Grafen von Pfirt. Ursprung und Zweck der Privilegien.
Die Gotthardlinie bevorzugt. Verlegung des Zolls von Jougne auf
den Grotthard. Geschichte des Zolls. Johann von Chalon-Arlay.
Kämpfe in Burgund. Sperrung des Juraverkehrs.
Achtzehntes Kapitel: König Albrecht und die schweizerischen Alpen (Fort-
setzung) 199
Frankreich und die Champagne und Flandern. Der alte Weg
Italien-Flandern genügt nicht mehr. Verträge der Italiener über die
alte Strafse. Vergleich mit denen über die neue. Albrechts Zölle
und der Landfrieden. Aufhebung der Rheinzölle. Erfolge.
flöhe des Verkehrs über den Gotthard. Zollertrag. Vergleich
mit Bapaume, mit den anderen habsburgischen Zöllen, mit den habs-
burgischcn Städtesteuem.
Strafsenräubereien : Das Muster eines Brigantenbriefs.
Neunzehntes Kapitel: Die Walliser Pässe 211
Ausbau der Simplonstrafse. Vertrag über den Naheverkehr. Ein-
greifen der Mailänder Kaufmannschaft. Verträge. Zölle. Brücken.
Susten. Anteil von Novara. Auch die Erschliefsung des Simplons
k
Inhalt. 783
Seite
eine Folge der Ausdehnung der deutschen Kolonien in Piemont.
Anteil der deutschen Hirten und des italienischen Adels.
Der Grofse St. Bernhard. Hospiz. Peter IL von Savoyen.
Zölle, enorme am Jura. Benutzung des Val Travers. Verträge der
Savoyer mit den Kaufleuten (Piacenza, Gesellschaft der Markt-
besucher, Genua).
Zwanzigstes Kapitel: Heinrich VII. und der St. Gotthard 223
Veränderte Lage. Er stellt die Rheinzölle wieder her, hilft un-
bewufst zur Begründung einer dauernden Signorie in Mailand mit
und führt keine klare Scheidung des Reichsgutss vom österreichischen
Hausgute durch. Der Name St. Gotthard. Einrichtung des Reichs-
gutes. Graf Wernher von Homberg. Baseler, Luzemer und Mai-
länder Kaufleute. Die entscheidenden Ereignisse: Doppelwahl und
Schlacht bei Morgarten. Ergebnis: Am St. Gotthard bildet sich ein
Pafsstaat, der Pafs geht dem Reiche verloren.
Viertes Buch: Geschichte des Geldhandels.
Srster Teil: In Italien domizilierte Qeldhändler als Gläubiger des
deutsohen hohen Klerus im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert.
Einundzwanzigstes Kapitel: Die westdeutschen Erzbisehöfe als Schuldner . . 231
Wiederauftreten des Fremdkaufmanns. Anfange der Geldwirt-
schaft. System der päpstlichen Einnahmen. Zwei Klassen. Höhe
der Servitien. Beihilfe der italienischen Kaufleute. Erzbischöfe von
Köln, vor allem Dietrich, Engelbert, Konrad, spätere. Mainz. Wider- ^
stand des Klerus. Trier.
Zweiundzwanzigstes Kapitel: Italicner als Gläubiger deutscher Prälaten . . . 247
Römer: Utrecht, Chur, St. Gallen, Worms, Magdeburg, Strafsburg,
Metz und Utrecht. Senesen: Metzer Klöster, Salzburg, Passau,
Bamberg, Regensburg, Lausanne, Murbach. Bankfirmen. Lage und
Geschichte von Siena in der Zeit engster Verbindung mit der Kurie.
Ghibellinen und Guelfen. Rückgang seit 1270. Florenz. Einzelne
Schuldner. Tabelle der Schuldcnerlaubnisse. Pisa, Pistoja, Piacenza,
Mailand.
Dreiundzwanzigstes Kapitel: Die Grundlagen dieses Kredits 263
Die Kurie garantiert durch ihre Strafen das Hauptgut, nicht die
Zinsen. Stellung zum Zinsverbot. Regelung des Verfahrens durch
Nikolaus IV. Wucherer. Thatsächliche Behandlung derselben durch
die Kirche.
Zweiter Teil: Italiener bei Erhebung päpstlicher Steuern in
Deutschland.
Yierundzwanzigstes Kapitel : Italiener bei Erhebung kirchlicher Steuern in der
Yoravignonesischen Zeit 273
Organisation der Steuern in Deutschland. Zuweisung an be-
stimmte Banken. Charakteristik derselben. An Stelle Sienas tritt
Florenz. Entwicklung des Florentiner Handels in Verbindung mit
der politischen Geschichte. Pistoja. Sturz der Ammanati, die Chia-
renti und das Kardinalskollegium.
734 Inlialt.
Seite
Fünfundzwanzigstes Kapitel: Italiener bei Erhebung der päpstlichen Steuern
im vierzehnten Jahrhundert 280
Quellen. Verschiedene Verfahren des Geldtransportes, nach
Gegenden verschieden. Südwestdeutschlaud. Ostdeutschland. Norden.
Nordwesten. Wechselbriefe. Beteiligte Banken. Bankerotte in
Florenz. Neue Bankhäuser.
Dritter Teil: In Deutschland angesiedelte italienische Kauf laute,
Zollpächter und Miinzer.
SechQundzwanzigstes Kapitel: Zusammenstellung der Nachrichten nach Orten 289
Wallis 290, Vevey 291, Lausanne 291, Genf 291, Yverdon 291,
Freiburg im Üchtland 292, Peterlingen (Payeme) 292, Murten 293,
Thun 293, Bern 293, Biel 294, Solothurn 294, Luzem 295, Zürich 296,
Aarau 297, Basel 297, Lindau 298, Überlingen 298, Konstanz 298,
Freiburg im Breisgau 298, Oberelsafs 299, Gebweiler 299, Kolmar 299,
Rapoltsweiler 299, Schlettstadt 299, Strafsburg 299, Lothringen 299,
Oppenheim 299, Nördlingen 299, Efslingen 299, Frankfurt a. M. 300,
Mainz 300, Bingen 300, Bacharach 301, Oberwesel 301, Koblenz 302,
Trier 302, luxemburgisches Gebiet 302, Schöneck in den Ardennen 302,
Reuland (Kreis Malmedy) 802, Linz 302, Sinzich 302, Ahrweiler 302,
Remagen 303, Siegburg 303, Köln 303, im Kölnischen 305, Müll-
heim 305, Werden 305, Duisburg 305, Soest 305, Osnabrück 305, Glad-
bach 305, Aachen bez. Düren, Aldenhoven und Jülich 305, Am-
heim 307, Roermonde 307, Maastricht 307, Lüttich 307, Mecheln 307.
Siebenundzwanzigstes Kapitel: Die Thätigkeit der Kawerschen ....•,, 308
Feststellung der Heimat: Asti, Astis Handel. Übergang zum
Geldhandel im Ausland. Aus der Geschichte Astis. Reue über den
Wucher. Vergleich mit den Juden. Geringer Anteil am Waren-
handel, auch am interlokalen Wechsel, Lombarddarlehen. Aus
Geschäftsbüchern. Frist der Darlehen. Höhe des Zinsfufses. Zwei
Typen. Organisation und Ansiedlung der Casanen, sie bleiben
nomadenhaft. Anteil der Landesherren an der Auswucherung. Die
Kawerschen als Regal beansprucht. Privilegien und Lombarden-
recht. Vergleich mit dem der Juden. Mobiliarpfandrecht. Beweis-
recht. Strafrecht u. s. w. Bedeutung der Lombarden in der Geschieht«
des Kredits. Rückgang im fünfzehnten Jahrhundert mit Besserung
der Kreditbedingungen. Bedeutung für das Geistesleben.
Achtundzwanzigstes Kapitel: Italiener an deutschen Zöllen und Münzstätten 828
Zölle. Erste Goldprägung in Florenz. Neuerungen bei den
Silbermünzen: Turnosen, böhmische Groschen, Heller. Italiener bei
anderen Münzen. Italiener bei Herstellung der deutschen Gold-
münzen; Böhmen, Lübeck, rheinische Gulden. Florenz und Asti.
Vierter Teil: ItalieniBohe Banken in Beziehungen au Deutsohland
im fiinfäelmten Jahrhundert.
Neunundzwanzigstes Kapitel 336
Mangelhafte Quellen. Banken während des Konstanzer Konzils.
Das St. Johannesfest. Mediceer. Geschäft bei der Freilassung
i
Inhalt. 735
Seite
Cossas. Das Baseler Konzil und die Bankiers. Italienische Kauf-
mannsbücher. Sonstige Nachrichten.
Fünftes Buch : Grundlegrende Erschelnungren des Handels-
lebens der Nachbarschaft.
Dreifsigstes Kapitel: Der Niedergang der Messen der Champagne 844
Ursachen handelspolitischer und rein politischer Natur. Versuche
zur Erhaltung. Folgen des Verfalls für Deutschland, für Flandern.
Hochblüte von Brügge. Klagen in der Champagne. Die Deutschen
auf den Messen.!
Einunddreifsigstes Kapitel: Venedig 851
Der Fondaco der Deutschen. Handelsgrundsätze von Venedig.
Verkauf nur an Venetianer, nur Waren deutscher Herkunft, Erlös in
Waren wieder anzulegen. Venedig kauft in Deutschland nicht selbst
ein. Venedig Endpunkt der deutschen Initiative, anders Genua. Um-
fang des deutschen Handels. Anteil der einzelnen Gegenden.
Sechstes Buch: Geschichte des Verkehrs im SpAt-
mittelalter.
Erster Teil: Die Bündener Fasse und ihre Zagänge.
Zweiunddreifsigst€s Kapitel: Septimer • • 857
Hospiz, Vitztumamt. Verfall der Strafse« Verbot eine andere zu
fahren 1358. Mailänder Gesandtschaft 1386. Entscheidung für den
Septimer. Bau der Strafse durch die Castelmur. Zeitumstände. Die
Porten, ihre Ordnungen. Zölle, Weggelder. Streit um den Zoll zu
Strafsberg.
Dreiunddrcifsigstes Kapitel: Die übrigen Pässe. Lukmanier. • • • 865
Nachbarlicher Verkehr. Hospize. Die Mailänder erwirken Zoll-
erleichterung 1391. Verhandlungen mit Konstanz. Zwei Tarife für
die ßoute Biasca-Konstanz. Verteilung der Abgaben. Zölle. Susten.
Kaiser Siegmund und der Pafs.
Splügen und St. Bernhardin 870
Benutzung der unausgebauten Via mala. Nürnberger Beschwerden.
Versuche, den Verkehr zu verhindern. Bau der Strafse, Transport-
genossenschaften. Italienische Nachrichten. Der hl. Bemhardin.
Thal Misox. — Sust am Comersec.
Der politische Hintergrund «... 874
Emancipation und Bünde der Thäler. Gewinn der südlichen
Thäler. Verträge mit Mailand. Auch Graubünden ein Pafsstaat.
Vierunddreifsigstes Kapitel : Die Fortsetzungen der Pässe bis zum Bodensee i 876
Allgemeines. Die römische Grundlage. Organisation. Die acht
Herrschaften. Streit Zizers-Mayenfeld. Geschichte und Bedeutung
Rheinecks. Strafse Schaan-Bregenz. Arlberg. Bau der Schollberg-
strafse. Weg über den Walensee. Verkehrsstörungen. Raubritter.
Rückblick auf die Geschichte der Bündner Pässe.
736 Inhalt.
Soite
Reisebeschreibung der Gesandten von Venedig 1492. Brüderschaft
der fremden Kaufleute in Chur. Angaben über die Verkehrshöhe.
Krefssches Brief büchlein. Dauer des Transportes Nürnberg -Mai-
land.
Fünfiinddreifsigstcs Kapitel: Die Fortsetzungen nördlich des Bodensees . . . 388
Wege nach Augsburg und Ulm, von dort nach Frankfurt. Wege
von Konstanz aus. Der zum Kinzigthal. Bau der Strafse über den
Hohlen Graben, der „alte Weg^ im Höllenthal. £inrichtung und
Geschichte beider. Geleitsgesellschaft von 1302. Bruch der Burg
Falkenstein.
Der Raub von Hohenstoffelu. Mailändische Gesandtschaft. Siche-
rung der Italiener durch Geleitsbriefe von 1424. Luzemer Oberfall
auf dem Bodeneee.
Florenz und der Landweg. Griinde für ihn. Gesandtschaft nach
Konstanz 1409. Geleitsbrief.
Zweiter Teil: Der 8t. Qotthard und seine Zugänge.
Sechsunddreifsigstes Kapitel: Die Nordseite des Gotthards von Urseren bis
Luzem vor allem im vierzehnten Jahrhundert 399
Politischer Hintergrund, Kampf der Eidgenossen wider Osterreich
bis zur Wegnahme des Aargaus 1415. Verkehrseinrichtungen. Zölle
zu Fluelen, Luzern, Rothenburg. Organisation der Säumerei. Instand-
. haltung der Strafse. Hospiz. Verhandlungen von Mailand und
Venedig. Mailänder Gesandtschaft von 1314. Venedig. Karl IV.
und die Sperre gegen die Viscontis. Der Streit Burkhards Münch
von Landskron mit Mailand und Venedig. Der Baseler Diplomat
und Wirt Sintze. Der Streitfall des Galwan Scherer von Luzem.
Siebenunddreifsigstes Kapitel : Die Wege vom Vierwaldstättersee bis Basel. . 414
Der Weg über den unteren Hauenstein. Zölle. SchiflFahrt auf der
Reufs. Landweg über Brugg und Bötzberg. Die Verhandlungen
Mailands mit Herzog Rudolf IV. Die Geleitsbriefo anderer öster-
reichischer Herzöge und des Grafen von Habsburg-Laufen bürg. Mai-
länder Gesandtschaften von 1391 und 1398. Verkehrshöhe nach den
Geleitsgelderu von Mellingen. Verkehr auf dem unteren Hauenstein.
Thiersteinsches Geleitsprivileg.
Achtunddreifsigstes Kapitel: Die nördlichen Fortsetzungen 420
Die Strafse St. Amarin -Lothringen. Briefe von Neufchäteau und
Lothringen. Bemühungen Sintzes. Der Geleitsbrief der Herren von
Faueogney. Montaigne. — Weg Luzem- Neuenburg -Val Travers-
Pontarlier. Zölle. Gegenbemühungen Mailands. Ausfuhrverträge
Mailands mit dem Könige von Frankreich für Wolle. Ausfuhrort
St. Jean de Losne. Listruktion der Gesandten. — Die „Krumme
Meile'^, Strafsburg-Saarbrücken-Luxemburg. Geleitsgesellschaft, ihre
Briefe. Privilegien für die Fortsetzungen. — Verkehr auf dem
Rheine. Zollstätten von Laufenburg bis Mainz. Überlastung. Wer
ist schuldig? Auch die Städte. Schwache Reformen. — Die Land-
wege auf dem rechten Rheinufer. Privilegien für Italiener.
Inhalt. 737
S«iU
NeununddreifBigstes Kapitel. Die Südseite des St. Gk)tthards 436
Charakter der Geschichte. Urseren und Livinen minder glück-
lich als Uri. Die Kusconi in Como, Bellenz. Die Visconti dringen
bis zum Gotthard vor. Ihre Verwaltung. Freibriefe und Ver-
günstigungen. Die Visconti Herzöge. Krisis von 1402. Erste Be-
setzung von Livinen, von Bellenz. Schlacht bei Arbedo. Entgegen-
kommen in Handelsfragen. Die Kapitulate. Imiser Krieg. Die
Schweizer zollfrei. Die Eidgenossenschaft ein Handelsgebiet Eid-
genössischer Zoll in Göschenen. Die Erwerbung des Tessin, ähn-
liche Ausdehnung Graubündens. Die Schweiz ein Pafsstaat. — Die
südlichen Fortsetzungen: Monte Cenere sehr unsicher. Wege nach
Varese, Magadino und Locamo. Verträge.
Vierzigstes Kapitel: Die Nordseite des St. Gotthards im fünfzehnten Jahr-
hundert. Allgemeines 447
Ausdehnung der Eidgenossenschaft. Reste der alten Herrschaften
vor den drei Pafssystemen. Die alten Einrichtungen aufrecht er-
halten. Erträgnisse des Mellinger und des Diepflinger Geleits bez.
Zolls. Verbindung Küfsnach- Zug -Horgen- Zürich. Eidgenössische
und Luzemer Geleitsbriefe für fremde Kaufleute. Sicherheit.
Räubereien. Schutz über das eigene Gebiet hinaus.
Hervorragende Passanten des Gotthards. Genauere Beschreibungen:
Walther, Mülinen, Tafur, Eptingen. Nachrichten über Kaufleute
und Waren.
Dritter Teil: Die Walliser Pässe.
Einundvierzigstes Kapitel: Simplon und der Grofse St. Bernhard 459
Susten. , Transportordnungen. Brücken und Nebenwege. Zölle.
Hospize. Die Bedeutung von Oberwallis. Sicherheitsbriefe und Be-
raubungen in Verbindung mit der politischen Geschichte. Einflufs
der Urkantone. Papst Gregor XI. und der Kampf wider die
Visconti. Anschlufs an die Schweiz. Die Pässe im fünfzehnten
Jahrhundert.
Zweiundvierzigstes Kapitel: Die anderen Pässe. Verkehrshöhe 473
Südseite: Albrun, Antrona und Monte Moro. Die Kämpfe um
das Eschenthal. Ausdehnung Rhone abwärts. Pässe zwischen Wallis
und dem Berner Oberland, benutzt, für den Handel ohne Bedeutung.
Anders Grimsel- und Griefspafs» Einrichtung 1397. Spital. Vieh-,
Warienhandel. Warentransport. Der Wollebsche Streit. Angaben
über die Verkehrshöhe aus dem Wallis, Chillon, Jougne, Les C16es.
Vergleich mit heute.
Vierter Teil; Messen. Verkehr von der Bhonemündang aum Bodensee.
Posten.
Dreiundvierzigstes Kapitel : Messen von Genf und Lyon 485
Die Messen von Genf, Bedeutung, vernichtet durch die von Lyon.
Deutsche Kolonie in Lyon.
Verkehr von der Rhonemündung zum Bodensee. • # 489
Deutsche Interessen weiter südlich. Weg der deutschen Pilger,
Händler und Fürsten. Die Deutschen in Avignon, im Dauphin^,
S e hui t •, Oetoh. d. mittelalt^rl. Handels. I. 47
• . •.
738 Inhalt.
Seite
m Savoyen. Weg von Genf zum Bodensee. Zölle. Die Geleit-
strafse Genf- Ulm. Strafsenraub am Bodensee, Oberrhein: Italiener,
Aragonesen.
Deutsche und italienische Messen 499
Messen zu Zurzach, Nördlingen, Strafsburg, Frankfurt, kleinere.
Italienische zu Crema und Arona.
Vierundvierzigstes Kapitel: Die Einführung der Posten 500
Technische und wirtschaftliche Vorbedingungen. Mailänder Posten.
Erste Erwähnung eines Taxis. Stafettenzug über den St. Gotthard.
Änderungen. Niederländisch- tiroler Route. Verträge mit Franz von
Taxis, andere Nachrichten. Einrichtung. Wann wurden diese
Stafettenzüge wirkliche Posten? Erste Benutzung durch das Publi-
kum. Linien in der Eidgenossenschaft, Zustände 1608. Die Schweiz
umgangen. Charakteristik der ßoute von 1500. Bedeutung von
Rheinhansen.
Siebentes Buch: Geschichte des Handels im SpAt-
mittelalter.
Erster Teil: HandelspolitUiohes.
Fünfandvierzigstes Kapitel: Versuche einer Reichshandelspolitik 511
Vereinzelte Repressalien: Ludwig der Bayer, Karl IV., Ruprecht.
Die grofse Handelssperre Siegmunds gegen Venedig. Politische
Gründe« Weg nach dem Schwarzen Meere. Genua statt Venedig.
Zwei Aktenstücke. Verhandlungen und Verbote. Reichstag in
Breslau. Neue Kapereien.
Sechsundvierzigstes Kapitel: Kaufhäuser 520
Zweck und Bedeutung für den internationalen Handel. Das
älteste in Mainz, andere. Basel, Strafsburg, Konstanz. Gredhäuser
am Bodensee, Kaufhäuser in der Schweiz. Innere Einrichtung. In
Konstanz und Basel Zusammenhang mit den städtischen Zöllen.
Zweiter Teil: Der Anteil Italiens.
Siebenundvierzigstes Kapitel: Allgemeines 529
Die Stellung der Fremden im Rechte. Prinzip der Gegenseitig-
keit Repressalien. Recht der Fuhrleute.
Genua: Privilegien und Organisation' der Fremden 531
Genuas Bedeutung, verdi[ängt Pisa, Rivalität mit Venedig. Innere
Kämpfe. Fremdherrschaften. Privilegien für die Deutschen. Ver>
handlungen von 1398. Angaben von Ulmann Stromer. Nicht er*
haltene Privilegien. Verhandlungen und Privilegien von 1424/25.
Konrad Her von Konstanz. Fondaco. Tariferm&fsigungen. Gon-
ventiones von 1466. Heinrich Fry von Konstanz. Befreiung der
Genuesen im Reiche. Überblick über die Privilegien« Die Konsuln
der Deutschen. Reihenfolge. Beüignisse. Kleine deutsche Leute.
Die Brüderschaft der Fremden.
Achtund vi erzigstes Kapitel: Handel in Genua. Genua als Hafen • • 542
Genueser Seidenindustrie, Goldföden. Handel am Platx, Wich-
tiger der Exporthandel.
Ik
Inhalt. 789
Seite
Handel mit Spanien, Neapel. Asti, Acqui und Alessandria 543
Konstanzer und Ravensburger auf dem Meere, im Handel mit
Spanien. Spanische Häfen. Deutsche in Spanien. Andere Wege
nach Spanien. Deutscher Seehandel quer durch das Mittelmeer,
Handel von Genua aus mit Neapel, Pera. Genuesen in Deutsch-
land. Durchgangsverkehr. Transportgesellschaften. Asti, Acqui,
Alessandria.
iunundvierzigstes Kapitel: Mailand. Verkehrspolitik 551
Die Kaufmannschaft von Mailand betreibt hervorragend eine
Verkehrspolitik, npäter an ihrer Stelle mehr die herzogliche Re-
gierung. Hauptgedanken. Der Seeweg.
Mailänder in Deutschland i 554
Mailänder in Deutschland, besonders die Alzate, Suane und Busti.
Ebenso Comasken.
Privilegien für den Handel nach Deutschland und die Deutschen * 555
Handelspolitik gegen Deutschland. Die Provisiones Januae von
1346. Andere Verträge. Erneuerungen. Privilegien für die Deutschen
von 1422. Fondaco. Neue Verhandlungen 1472. Erweiterung der
alt^n Privilegien 1469 und Bestätigungen bis 1522. Tabelle der Tarife.
Der Zollstreit der Ravensburger Gesellschaft,
nfzigstes Kapitel: Mailand (Fortsetzung). Begünstigung einzelner 564
Litterae passus et familiaritatis. Fry, Steinhus, Irmi, Welser.
Litterae contra debitores.
Mailänder Gewerbe • 567
Handelspolitik. Schatz der Wollweberei, Blüte der Barchent-
weberei, Einführung der Seidenweberei, Goldfäden, die Rede des
Dogen Mocenigo, Kritik, Metallgewerbe, Waffenschmiede, freies
Grewerbe.
Die Deutschen in Mailand und Como nach ihrer Heimat t . • 570
Deutsche in Mailand und Como, Angaben aus dem vierzehnten
Jahrhundert, aus dem fünfzehnten: Augsburg, Nürnberg, fränkische
Städte, Gmünd, Ulm, Konstanz, Ravensburg, Kempten, St. Gallen,
vom Rhein, Freiburg i. Ü., Bern (&Iai und Pangiani), sonstige,
lundfunfzigstes Kapitel: Como, Tomo, auch Mailand • • • 579
Innige Verbindung. Gedicht des Bettino da Trezzo. Woll-
weberei In Como und Tomo. Deutsche Verleger, namentlich aus
Ulm. Belästigung und Verlegung der Fabriken. Niedergang von
Tomo. Gesellschaften am SiOll von Basel. — Andere Deutsche in
Como und Mailand: Soldaten, Wirte, Steinmetzen u. s. w., Hand-
werker. — Gemischte Gesellschaften« Säckingen- Mugiasca. Koler-
Krefs-Saronno.
'eiondfun&igstes Kapitel : Das übrige Italien • 589
Bergamo. Schiffahrt auf dem Po. Pavia, Residenz* und Universitäts-
stadt. Crema. Piacenza. Cremona. Parmigianen in Strafeburg.
Mirandola. Bologna. — Florenz, nach dem Warenhandel hin, er-
wirbt Häfen. Zurückgehen der Wollen-, Aufblühen der Seiden-
weberei. Deutsche Wollweber, Färber, Bruderschaft der deutschen
Schuhmacher, Kauf leute, Florentiner auf dem Landweg, in Deutsch-
land, namentlich in Nürnberg. — Pisa, Lucca, Niedergang der
47*
740 Inhalt.
Sei
Seidenweberei, in Deutschland, Bruderschaft der deutschen Schuh-
macher. Siena. Arezzo. Macerata. — Aquila, Safiranmärkte , Kon-
kurrenz von Venedig, Deutsche. Das übrige Königreich Neapel. —
Rom. Sonderstellung, kein Warenhandel, deutsche Wirte, zahlreiche
Handwerker. — Deutsche in den Bergwerken.
Dritter Teil: Der Anteil Deutiohlands.
Dreiundfunfzigstes Kapitel: Allgemeines. Konstanz 6(
Träger des Handels nicht Landstädte, sondern Reichsstädte. Ent-
i scheidend für den Anteil am Handel: die Lage des Gewerbes und
i die Stellung des Patriziates zum Handel. — Das Schultheifssche Brief-
buch. Leinwandhandel, Produktion in den Händen der Kaufleute.
Anteil der Geschlechter. Austritt der Reichen aus den Zünften. Die
Zunftrevolutionen auch gegen die Handelsgesellschaften. Die Reichsten
■ der Steuerlisten von 1418 und 1422. Die Muntprats. Stammbaum.
I Ihr Vermögen. Vergleich mit den Reichsten in benachbarten Städten.
I Tabellen über Ravensburg, Ulm. Die reichen Linien gehen zum
' Landadel über. Die Fry, im Steinhus. Die verschiedenen Rich-
tungen des Handels. Umfang desselben. Tabellen über Zoll im
KAufhause und Steuer. Gründe des Niedergangs. Geographische
Kenntnisse in Konstanz.
Vierundfunfzigstes Kapitel: Ravensburg • 6!
Leinenweberei. Papi&rfabriktftiön. Verbihdungen mit Konstanz,
mit dem Ausland. Die „grofse Gesellschaft". Die Humpifs, Stamm-
baum. Gesellschaft des Frick Humpifs. Die Mötteli, ihre Abzweigung.
J Anteil der Muntprat. Andere Teilhaber: in Ravensburg, Konstanz,
Ulm und sonst. Die Diener, die Ordnung der Gesellschaft Gesell-
schaftskapital. Richtung der Handelsverbindungen. Schlesischer
I Goldbergbau. Ersuchen um päpstliche Privilegien.
Fünftindfunfzigstes Kapitel: St. Gallen, Schwaben, vor allem Memmingeu
j und Ulm 6i
;' St Gallen, Leineweberei, Richtungen des Handels. — Memmingen,
Gesöllscbaft Vöhlin- Welser. Mitglieder. Gewinn. Die Gesellschaft
in Lissabon. Teilung von 1517. Spätere Geschicke. Die Ehinger.
Thätigkeit in Italien. Andere Memminger Häuser. — Kempten,
Isny, Lindau, Wangen, Überlingen, Biberach. — Ulm, Bärchen t-
weberei, Geschlechter. Richtungen. Schwäbisch -Gmünd. Nörd-
iingen.
Secbsnndfunfzigstes Kapitel : Augsburg 6^
Charakter des Augsburger Handels. Die Fugger. Stammbaum.
DhB beiden Linien. Haddel mit Italien. Die Fugger in Lissabon.
Andere AugsBurger.
Siebenundfünfzigstes Kapitel: Nürnberg, fränkische Städte 61
Gründe der Handelsblüte: Lage, Gewerbefleifs, besonders Metall-
gewerbe. Zollfreiheiten. Richtungen des Handels. Genf-Ljon-
Spanien- Italien. Fremde in Nürnberg. Die .Geschlechter verharren
in der Kaufmannschaft. — Rothenbütg- Windsheim. Schwäbisch-
Hall. .
Inhalt. ) 741
Seite
Achtundfunfzigstes Kapitel: Rheinlande 662
Beteiligung auffallend schwach. Basel. Transitverkehr. Schür-
litz. Irmi. Papierfabriken. — Strafsburg, Weinhandel, Tuchhandel.
Transit. — Speyer, Freiburg, Rastatt, Frankfurt am Main, Aachen,
Köln.
NeunundfQnfzigstes Kapitel: Die Handelsgesellschaften 668
Die Schwierigkeiten des mittelalterlichen Handels. Die Handels-
gesellschaften. Innere Gefahren derselben. Neigung zu Monopolien.
Die Feindschaft der öffentlichen Meinung. Gründe der Preis-
steigerung. Die Versuche einer Reichsgesetzgebung verlaufen im
Sande.
Sechzigstes Kapitel: Änderungen im Handelsleben 674
Revolution im Spezereihandel durch die Entdeckung des Seewegs
nach Indien. Sch&digung Venedigs, Blüte von Lissabon und Ant-
werpen. Der Handel an den Ocean verlegt Wollhandel. Voll-
ständiger Umschwung in England. Seidenmanufakturen aufserhalb
Italiens. — Das mittelalterliche Handelsleben städtisch, nun staat-
lich. Mitteleuropa verharrt im mittelalterlichen Zustand, politisch
wie wirtschaftlich. Erkranken der Gewerbe. Der Rückgang nur
langsam. Venedig und Oberdeutschland.
Achtes Buch : Die V/aren auf Grund der Tarife des vier-
zehnten und ftLnftBehnten Jahrhunderts.
Eantev Teil: Die ZoUtarife.
Einundsechzigstes Kapitel: Italienische Tarife 681
Como. Eingeschobene Stücke (Chiavenna, Bellinzona, Livinen).
Provisiones Venetiarum et Januae. Umarbeitungen. Art der Ver-
zollung. Genueser Umsatzsteuer. Mailänder Datium. Tessiner Tarife.
Zweiundsechzigstes Kapitel: Deutsche Tarife 686
Luzem, die sonstige Schweiz. Konstanz. BaseL Strafsburg, der
alte PfundzolL Zollkeller. Pflichtezoll. Kaufhauszoll. Entwicklung
der Tansitabgaben. Herabsetzung. Zollbefreiungen. Worms: Kauf-
hauszoll. Handelsbuch des Pasi.
Zweiter Teil: Die Waren.
Dreiundsechzigstes Kapitel: Produkte des Erdreichs 692
Mineralien u. s. w. Ausdehnung der Bergwerke. Silberfieber. Die
Metalle in den Tarifen. Fabrikate. Salz, Kreide, Wetz- und Lavez-
steine, Schwefel, Alaun, Lapis lazuli, Glaswaren.
Textilwaren u. a. 697
Textilwaren. Rohstoffe: Wollsorten, Baumwolle, Seide, Hanfund
Flachs. Gewebe: Seidenstoffe, Zendel u. s. w. Wollstoffe, Baum-
wollstoffe: Barchent, Schürlitz. Leinenstoffe. Halbfabrikate. Fertige
Kleidungsstücke. Papier. Perlen, Korallen und Bernstein.
Vierundseehzigstes Kapitel: Produkte des Pflanzenreichs 706
Farbwaren, die alten, neu auftretende. Kampf der Waidkultur
gegen den Indigo. — Spezereien, die selteneren nur in den Apotheker-
742 Inhalt.
Seit«
listen, die marktgängigen. Die alten, die neu auftretenden. Safran.
Zucker. Die Würzen. Weihrauch. — Südfrüchte und „Fasten-
speisen". Keis. Kümmel. Loröl. öle. Weine. — Getreide. —
ji Hölzer: Buchs, Eiben.
,!i! Fünfundsechzigstes Kapitel: Produkte des Tierreichs. Fabrikate 714
j Pferde, Vieh. — Gesalzene Fische, gesalzenes Fleisch. — Käse,
Butter u. s. w. Seife. — Häute, Boldroni. — Pelzwerk, Sorten. —
Leder, Sorten. — Hornkämme, Federn. — Pfennwerte oder Mercerie-
.', waren. Gedruckte Bücher, Paternoster.
' Schlurs.
!
\ Sechsundsechzigstes Kapitel: Verkehrshöhe . . .* 720
Ertrag der Zölle von Como. Andere Ziffern. Vergleich mit dem
Verkehr der Gotthardbahn 1889. Ein Zwerg und ein Riese. Ver-
' gleich mit dem Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. Damalige
' Verkehrshöhe. Die Alpentransiteisenbahnen.
i Verbesserungen und Nachträge 726
Inhalt 728
j
• I
r
1"
k
Pierer*sche Hofbuchdrotikerei Stephan Q«ibel k Co. in Alt«nbiirg.
Geschieh l,e
felalterliclien Handels und Verkehrs
"Westdeutschland und Italien mit
Augschlurü von Venedig.
itaili&L-hcii lliftturiscliua KouiunA^iun.
l)«iirinttM V-M1
Dr. Aloys Schulte,
1. Unna.
Ilai'stclliiii!!.
1
r
f
Verla« von OUNCKER & HOHBLOT In LEIPZIG.
Urkunden und Aktenstücke
Geschichte der innem Politik des Kurfürsten
1
Friüdrich Wilhelm von Brandenburg.
'
Kr.1... li-ll; GeschlcbW der tfrandenburRlsrlien Finanzen In
Her Zelt von 1640 bis 16B7.
F.mli'« IU»it: Di» CbtitTul>ti-U.'n <lc- KAmmfrv^^ttUunc. I>l? Ain(-k»iT>m'>f. •)■*
1
Kji««><t>w.-aMi unj iliu Uamna Ur R<in»«r]i: Vmd K»tt nri^x^lir. IM«-
f
l-r^p. II M.
■1
Statuten und Reformationen
Uiiiversiläl Heidelberg vom 16. bis 18. Jahrhundert,
HutHi|*^|'^l>uii ntii ilür ll^'ilBvlicn Eliitni-biüicii tConimbaiiin.
RvirMiH VII» Au^uet Thorbeek».
11^1. l>rfi< le u.
,1
Invcntare Hansischer Archive des
XVI. Jahrhunderts.
IkmiitgpgttbcH vom Vd""ii i"ur U*ii[iim;(ie QcitliiehtB. .
Ki>t>-r ISm.lT Kölner Invenuir lfiS]~IG7l. Roubinl«! Toa B. U&l.l ■ mM
l.«iitii UI..I Fl. Kttuii.ou. IKttfi. IkniH S-i H. ^H
k
Hansisches Urkundenbuch.- fl
1
Füntler Bund. itiOi hi> I4U. Jk'ArV.itoi t-u Karl KnniR. H
f
IM-O. IVi> Ül M. N) l't !■!
r
Achter Band. 14&1 hi* U6». Ha^tlMHWvon Wolllxir Htehi. '
^
IHIlf, Preb 9 3L U Pf
i
Hanserecesse.
Erste AhlhellUllK. lUrtn.r.rf.i„'t. d.iTOli .lio lliMnriKlui KommiHlon bei
.1. 'vr i,,.i„.,: .\l,.,t..„.. ,1, : M,-,. .,-hftft«a. « l)&i>a<i. A. u. d. T.; Dlft
1 TT rm«« liUUÄt IlMtbeiMvDn
,1 (j.
l
1
: It ■. - 1. T: ([.,„.,. -L vuu Uai W. WTO. BeMbi-ilw vnn
1
Iln-Wtl» f rbt. vflD rt*.( llo-.^,. 7B|l.«lo. ['wIc IW M.
1
^
L
■