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Full text of "Geschichte des Ursprungs, Fortgangs und Verfalls der Wissenschaften in Griechenland und Rom"

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800018990X 








Geſchichte 


Unrungs, Fortgangs und Verfalls 


Viſſenſchaften 


Griechenland und Rom 


Chriſtoph Meiners 


ordentlichem Lehrer der Weltweisheit in Goͤttingen. 












Zweyter Band. 







os quoque apes debemus imitari, & quaecungue 
le&ione congeflimus, feparare, Melius enim diftif 
vanıur. Deinde adhihita ingeniü noftri cura, & faluica 


Lemgo, 
im DBerlage der Meyerſchen Buchhandlung, 3780. 


ex .“ PD. 82 . 
\ F ). H z # n 
wet. — * 


„X 


Sr, Wohlgeboren, - 


dem 


deren Geheimen Juſtizrath 


Puͤtter, 


widmet 
dieſen zweyten Theil, 
als 


ein Denkmal feiner Dankbarkeit 
für | 
ielen Proben von Freundſchafft und Gewogenheit, 
welche er und die Geinigen 
son 
Demfelben 


empfangen haben, 


der Verfaſſer. 


210 Bortrede 
BER A 


man yufineiffan lieft .=Jo-witt man bald fin 
daß Kekse der Gtiechifchen, . wie die‘ alt h 
übrigen Wölfer, lauter Urkunden oder Belege zu ; 
dieſenn Grundſaze der Dokratiſchen —X 
enthalte, an vefen Wahrheit man nur. alddann ’ 
zweufeln Ronnfe, . wenn Man das irdiſche Leben, 
oder den kuͤrzen Adfchniet des Dafepns ‚einzelner 
Perfongg, den wir zu aͤberſchauen im Stande find; 
| 
! 


u 





in der Firne betrachtett. Solche uͤrden 
aber nie entitanden ſehn Dan in wie Plato 
fagt, einen jeden Gerechten und Ungerechten bis 
an das Ende feiner Laufbahn verfolgen koͤnnten. 
Wir en Ener bemerfen, — Unge 
wechte,, deffen Elüch ein wıtzfgficheg Betveis eines : 
alles regierenden —E * ſchien zulezt 
alle die Schmach und Quaalen dulden müffe, von ' 
welchen er thdricht wähnte, daß fie die Begleite⸗ 
sinne; Besrflugend fenen;_umb daß Hide ! 
keidenbe’Berechte ,:dejfen: Drangfnte derh'Onffeine | 
Anbklaͤgerinnen und: Zeuginnen wider 
göttliche Vorſehung waren, am Ende werde ges | 
aut und belohnt merden *). Eben bieſe große 
Wahrheit aber, welche durch die Geſchichte einzel⸗ 
ner Menſchen auf diefer Erde nur unvolllommen 
bewieſen, oder oft gar erſchuͤttert wird, wird 
durch Die Gefchichte alles Völker und Staaten, die 
man von ihrer Geburt an bis ku ihrer Auflöfung ' 
beobachten kann, unwiderſprechlich dargethan. 
von U Ale 





22 X de Reg 336.P 


muru run wureren tem rn weenen 


son Staaten, als Un 

ranfheiten und Tod einzelner, Menfchen 
Dieſe der welt, 
b. melden‘ die Schickſale von Menfchen und 
t werden, find eben fo unwandel⸗ 
', and haben eben fo wenig Ausnahmen, alB 
Geſeze der. Bewegung ru nach welchen die himm. 
‚en rper in ihren Kreifen gehalten und herum 
ihtt werden‘ Die Gottheit, fagt Plato in 
en Geſezen *), hat Den Anfang, das Mittel 
ı Ende Aller Dinge in ihrer Hand, und get 
e Wanken den geraden Weg der Natur fort. 
: folgt die "Gerechtigkeit, die Nichterinn aller 
migen, welche die göttlichen Gefeze Selebigen, 

Eatfo glucklich ſeyn will, der tritt beſch 
demüthig it ihre Fußſtapfen. - Diejenigen Hirn 
n, „bie entweder "son der Größe ihrer Ze 

ner; oder dem Adel ihrer Geburt, oder 
ft und Schönheit, ihrer Jugend. Aufgebläfen, 


Ay Borredbe 


‚Rhoren Fönnen zwar zine Zeitlang ſich und we 

ihres Gleichen etwas zu ſehn Dünfen, und gie n 
bandıgen Pferden wiſd umheripingen, und 

Sich: fchlagen; allein fie werden doch ‚gewiß 3 

ber. Gerechtigkeit. Dusch ‚ihren ,- oder ıhrer 

‚und Vaterſtaͤdte Untergang die Schub ie —— 

gungen bezahlen müffen,. en | ; 


3 Habe i in dieſem⸗ wie in dem erften Bande | 
* Geſchichte der Griechiſchen Vditer, vonſipe 
Athenienſiſchen, mit der Geſchichte der. Pe 

ie ae nicht nur, weil beyde ın einem 
wiſſe en, Grade unzertrennlich ſind * ondern weil 
* auch nirgends die urfpringliche Ser faſſung, die : 
allmälichen Veränderungen, und.hie. Ausartung ” 
—ãn lichen und der übrigen ‚Staaten, Die „ 
rſachen und. Verbindung. Der wichtigſten F 
—3 — die Charaktere der vornehmften © u 

Den und Staatömänner, :: die, ee 

Naben a 






— Dentatten Handel und W 
and. endlich. Die aus endloſen Innern —2* 
—8 ouswaͤrtigen Kriegen erfolgende Berarmung ® ı 
D-Enteräftung:von Griechenland richtig und voll» w 
*— geſchildert gefunden habe. Meine 
eitete ich nicht bloß nach Anleitung der Gtuechi⸗ 
Geſchichtſchreiber Pndern vorzüglich. nad) 1 
hen Schilderungen der Weltwerlen und, Redner . 
Mm, aus welchen legterin- ich die wichtigften Züge ® 
‚genommen habe. Sich bin zufrieden, wenn Com: m 
pofition und Eolorit nur einigermaßen der Zeich⸗ ⸗ 
wung entſprechen, für deren Dringte “ ebento » 
Myoer⸗e· 


[4 


Borrebe‘ V 


derſichtlich, als irgend ein Mahler fuͤr die Rich⸗ 
fleıt ſeiner Gemaͤhlde einſtehen kann ). 

Auch in der Geſchichte der Philoſophie bin 
hebeſtaͤndig der Methode gefolgt, die ich im erſten 
"heil beobachten hatte. Ich habe naͤmlich alle 
Berfe und Ueberbleibſel der Maͤnner, von denen 
‚reden wollte, von neuem nicht nur ein, fondern 
ehrmalen Durchgelefen und durchgedacht, unges 
der ich fie fonit vorher ſchon oft gelefenund durch 

43 gedacht 





9 35 habe mich bemüht, allenthalben ber Zeitrechunug 
| fo vier als möglich, treu zu bleiben. Wenn man: fi 
ölleſer Genauigkeit, ohne welche feine wahre Geſchichte, 
weber von Bitten, noch von Staatsveraͤnderungen, 
noch von Begebenheiten, Statt findet, überhebt, fe 
geſchieht es entweder aus Unfähigkeit, ober aus Une 
wiffenheit, oder aus Traͤgheit, ober aus allen dreyen 
Urſachen zufammengenommen. m aber biefen. Ver⸗ 
dacht von fich abzulehuen, wendet man vor, baß eine 
ſolche Genauigkeit nicht möglich ſey, weil daraus, daß 

ein Schriftfteller isgend einer Sitte u. f. w. zuerfl er⸗ 
waͤhne, nicht folge, daß fie erfl in oder Purz vor dem 
— dieſes Schriftſtellers entſtanden ſey. — Go 
aber kein vernünftiger Menfch ie geſchloſſen, uub 





man verwandelt bad, was man thun follte, im eine 
Ungereimtbeit, nur um es nicht thun zu dürfen. Golf 
oder kann man anch bamı nicht der Zeitrechnung folgen, 
wenn oft diefelbigen. Schriftſteller in verſchiedenen 
Werten gegenwärtige Sitten und Werfaffungen auf 
entgegengefezte Arten befchreiben, ober wenn fle ſagen, 
daß es zu der. Väter und Worfahren Zeiten anders, 
als zu ben ihrigen war, oder daß biefe oder jene Perſon, 
ober Handlung und Begebenbeit, ſolche Wirkungen her⸗ 
vorgebracht Habe? — Wenn mar aber in alten Faͤllen 
Die Zeiten richtig unterſcheiden will, fo muß man frey⸗ 
lich nit nur das Zeitalter von Schriftſtellern, ſondern 
andy die Zeitalter ihrer id oft widerſprechenden Werkr 
zu beſtimmen wiſſen. 


mn Dearreebe 
gedacht hatte. Auch habe ich nie einen ge | 


auszuarbeiten angefangen, bevor ich nicht: Digg | 
Ganze geordnet und überfchaut hatte. Diefe Ar : 
erdnung und Verbindung einer großen Menge:von ! 
Factis, die.ich nicht, wie politifche Gefchichtichrei | 
ber., in ganzen Klumpen beyſammen fand, fondern ! 
einzeln mühfam auffuchen, zufammentragen und ! 
an einander reihen mufte, {ft der fchmwerfte Theik ı 
wieiner Arbeit, und verlangt. viele nergebliche gbeg ! 
unbequeme Combinationen der vorhandenen Dias ! 
terialien, che man-diejenige trifft; bey welcher keine 
jertvirrung fibrig bleibt, und feine Wiederhoh⸗ 
füngen nothivendig werden. Wenn man aber : 
auch diefe einmal gefunden hat, fo kann man feis . 
nem Vortrage leicht diejenige Klarheit und Leiche 
&igfeit geben, welche den Lefer glauben machen, 
Daß der Schriftiteller alle die Data und Gedanfen, ı 
Die er erzählt, irgendwo eben fo Benfammen gefun- | 
den habe, wie fie in feinem Werke auf einander ı 
folgen. Ben diefer Arc zu arbeiten habe ich nicht : 
allein nicht bemerkt, daß wiederhohltes Eefen und ı 
Nachdenken nachtdeilig ſey; fondern ich habe viels : 
mehr nicht felten mahrgenommen, daß exit das ı 
legte Durchlefen und Durchdenfen mir den wahren ı 
Sinn und den rechten Zufammenhang von Aus | 
forüchen und Meynungen dargeftellt Hat. Meinen ı 
@rfohrungen nach muß ich alfo junge Leute vor | 
dem tumultuarifchen Lefen, noch mehr aber vor | 
dem tumultuarifchen Arbeiten warnen, wo man zu 
fehreiben anfängt, Bevor man fich der ganzen Mas 
terie bemächtigt har, und auch immer nur fo weit 
um 


eoir.e0,d.ef: N 


wur und vor fich ſieht, als man jebedmal im 'deg 


Ansarbeitung fortruckt. Wenn-mad auf diefg 
Art verfährt, fo wird .nicht nur eine jede Arbei 


vnendlich ſchwerer, ald wenn man benganzen Weg, 
den man zu machen hat, vorher überfchatit., : fong 
dern aud) das, was man zu Stande briugt, bleibt 
immer einem Kunſtwerke ahnlich, das ohne einen 
gemeinſchafftlichen Plan von mehrern Meiſtern ver⸗ 
fertigt würde, und in welchem ſich alſo auch u 
möglich Ebenmaaß und feine Zufammenfügung allag 
Theile finden koͤnnte. Dran wird daher an allen; 
bie Stuͤckweiſe oder. in Abfäzen ‚arbeiten, bemer⸗ 
ten, daß fie, noch ehe ſie an vie Halfte kommen, 
dasjenige, was fie zuerit.gefchrieben haben,: ändern 
möchten, und daß ihnen dor ißrer ganzen Arbeit 
ekelt, wenn fie lich Dem Ende u nahen anfangen..r 
Unngeachtet ich es in der Vorrede zum erſten 
Theile ausdruͤcklich geſagt hatte, und die ganze 
Einrichtung meines Werks es auch ankuͤndigte, 
daß ich nicht alle Ausleger einzelner Zeugniſſe, und 
alle Meynungen und Traͤume uͤber gewiſſe Mey⸗ 
nungen anführen koͤnnte und wuͤrde; fo haben 
doch mehrere einzelnen Abſchnitten Unvollſtaͤndig⸗ 
keit vorgeworfen, weil ſie Die Bermuthungen und 
Auslegungen nicht Darinn fanden, die ihnen bie 
wahren und richtigften ſchienen. Diefe ungereche 
ten Uirtheile zwingen mich etwas zu fagen, mas 
ich fonft nicht gefagt hatte“): Daß nicht nur alle 
a4 An 

#) Dicendum igitur et id, quod non dicerem, nili coa- 
Aus: nihil enim unquam de me dixi fublatiuk 


. „afcifcendae laudis caufa potius, quam criminis repel- 
lendi. Cic, pro domo ad pontif. c. 36, 


 vM Bierrebe 


Big find, ſondern daß ein jedes, auch das kleinſte 


Eapitel, neue Zeugniffe enthält, ‚die man in meis : 


nen aͤngern vetgebens füchen wird, und daß 
«8 endlich: siel mehr Kopf und Fleiß erfordere, den 
ganzen Geiſt eines Mannes oder Werks bismeilen 


auf.einigen Blättern darzuftellen, ald eine Menge 


von verftümmelten Factis und ungereimten Ausle⸗ 


gungen zwecklos zufammenzuhäufen. Man würde 
Mir mis Grunde nicht einmal aledann Mangel’ von 


Vollſtaͤudigkeit vorwerfin fönnen, wenn ich auch 
in einer allgemeinen Geſchichte der Wiſſenſchafften 


nicht alle Gedanken aller Weltweiſen, ſondern nur 


Diejenigen: aufzeichnete, die das Eigenthuͤmliche ih⸗ 
tes Geiſtes und ihres Zeitalters offenbaren: denn 
wer. Hat jemals bon dem Gelchichtfchreiber eines gan⸗ 
zen Volks verlangt, daß er alle Begebenheiten er 
Ben follte, die inden Chroniken aller einzelnen Städte, 
oder den Lebendbelthreibungen und Tagebüchern 
aller merfwürdigen Männer dieſes Volks vorkom⸗ 
men; ‚allein man hat es mir nicht bewiefen, -unb 
wird mir es gewiß auch nie beweiſen önnen, daß 
ih Meynungen, die nicht durchaus unbedeutend 
find, verfchtwisgen hätte. Was für ein Ungeheuer 
von Werf aber wuͤrde Das meinige werden, ' went 
ich bey einem jeden Zeugniffe alle Auslegungen, 
und bey einer jeden Meynunq alle die Vermuthun⸗ 
gen beybringen wollte, die man jemals darüber ges 
wagt hat? Wuͤrden nicht vernünftige Eefer mich 
einer Eindifchen Mikrologie befchuldigen, wenn ich 
zum Beyſpiel in der Gefchichte des Setrate und 
0 ato 


Borredi X 


Plato alles das Hätte wiederhohlen wollen, was 
ich an andern Orten von dem Dämon des erſtern/ 
und der Weltſeele des andern gelagt habe? Man 
vergeffe alſo inskuͤnftige nicht, Daß meine Geſchichte 
etwas anders, als eine Sammlung don Diſputatis⸗ 
nen und Programmen fen. U 


. Hoffentlich wird man bey dieſem zweyten 
Theile nicht: mehr die Klagen erheben können, : die 
einige bey dem erfien Bande erhoben haben: daß 
nämlich ale unfere Kenntniß der alten Philofophie 
gar zu ungewiß und zu fehr Stückwerk ſey. Man 
wollte durch diefe bedeutungsvollen Klagen die 
£efer auf den Gedanken hinführen: daß alles, was 
ich in meinem erften Theile vorgetragen hätte, eitel 
Zraume „ und meine Betrachtungen bloße Traums 
beuterenen wären. Allein unter allen denen, bie 
ſo feufiten, Bat noch Reiner mich einer unkritiſchen 
geichtglänbigkeit überführt, und wenn man es auch 
kdunte, fo bin ich mir doch bewuſt, Daß ich wenigs 
ſtens eben fo !felten, als irgend einer von denen, 
die mich derſelben geargwohnt haben, in dieſe 


Ueber den erſten Theil habe ich nur wenige 
ofentliche Urtheile, und kein einziges von einem 
Kenner geleſen. Einige fuͤhrten mein Buch in 
ſolchen Ausdruͤcken auf, die einer Warnung aͤhn⸗ 
lich ſahen, daß ja niemand daſſelbe für zu wichtig 
halten möchte. An diefen will ich mich aber nicht 
anders rächen, al& daß ich ftetd etwas beſſeres und 

a5 voll⸗ 


x: Brerede 
dellkommeneres liefere:, als ich bieher geliefert 
be * on . 


babe. | on 
"Dem Berliniichen Recenſenten kann ich zwar 
Beine ünlautere Abfichten, ‚oder tabeldwürdige Par⸗ 
thenlichkeit, aber. wohl Mangel an Fleiß und Kennt 
niffen vorwerfen. Er nahm fich nicht die Mühe, 
oder war auch nicht im Stande, das Linterfeheis 
bende meines Werks richtig anzugeben, oder nur 
einen. vollftändigen Auszug daraus; zu liefern; ſon⸗ 
Bern er Dachte nur daran, wie er feine Bedenklich⸗ 
keiten und Einwürfe, Die den Recenſenten immer 
auf einige Augenblicke über den Schriftfteller erhe 
ben, fchicklich anbringen möchte. Wenn er fo 
aufmerffam gelefen. hätte, . als ein jeder Schrifte 
fteller.von einem Kunftrichter, der ihn beurrheilen 
“ will, verlangen kann; fo würde er gefunden haben, 
daß faft alles, was er in meinem. Buche vermißr, 
beffer, als er es verlangte, darinn abgehandelt wars 
Damit der Nec. diefe Erklärung nicht für ‚die leere 
AYusflucht eines in die Enge getriebenen Autors 
halte, till ich:in Der Folge die Stellen bemerken, 
deren Lieberfehung ibn zu fo vielen unnöthigen Eins 
mwendungen veranlaßt hat. Ich Bonnte nicht ums 
hin, zuläcyeln, als ich am Ende der Necenfion 
lad, daß der V. es mir zur Ehre anrechnete, daß 
ee unter den vielen Hervorſtechenden, die in der 
allgemeinen Bibliothef beurtheilt worden find, auch 
mich 
9) Anton, XI, $. 13, KaraDeomse us rıs; eyo de 
—E 
Gcœv n Aryav EuQInKomm. | 








Borrede JE 


wich nicht vergeffen hätte. Mit Necht Hatte en 
aber zu mir Das Zutvauen, daß. ich von einem Mite 
gliede des gelehrten Freyſtaats freymüthige und 
ehne Bitterkeit geragte Einwuͤrfe nicht übel aufnehe 
men wurde. Vielleicht ift es aber auch nicht uͤber⸗ 
Rüffie, wenn ich Rec. daran erinnere, daß man, 
in eınem jeden alten Freyſtaat, der nicht in eine, 
unbendige Ochlofratie ausgeartet war, gewiſſe 
Jahre und Kenntniffe erlangt haben mufte, um: 
in dfientlichen Volksverſammlungen feine Stimme 
geben zu dürfen. J 
Mit dieſem zweyten Bande werde ich mein 
We Feine Zeitlang abbrechen; denn erftlich flrchte 
ih, daß, wenn ich-gleich fortarbeiten wollte, alde 
dann der Eıfer erfalten möchte, - womit ich mein 
Merk.angefangen habe, und auch gerne zu Ende, 
Bringen möchte. Zweytens würde ich es faſt nicht 
vermeiten fönnen, daß ic) mich im Vortrage fo. 

ähnlicher Materien allmälich zu fehr an gewi 
Mörter, Redensarten und Wendungen gewöhnte, 
und eben dadurch meine Schreibart langweilig, - 
gleichförn ig machte. Ich habe fchon in dieſem 
jwenten Bande bisweilen bemerkt, daß der Reich⸗ 
thum unferer Sprache, menigitens in fo ferne ich 
ihn Eenne, nicht unerfchöpflich fen, und wenn ich 
mich daher einigemal auf ähnlichen Formeln und: 
Bildern betraff, fo tröftete ich mich damit, daß. 
eben diefes den größten Künitlern der Sprache, 
dem Demofthenes und Eicero, haufig begegnet ſey 
Das gewiſſeſte Mittel einer unangenehmen Gleich“: 
förmigfeit der Schreibart auszuweichen, ift ur 
Ns 


KH .. WB orrede 


aͤhnliche Materien nicht zu lange hinter einander zu 
Bearbeiten, oder ſich in Werken von einem großen 
Umfange bisweilen Ruhepunctezumählen. Sprache 
and Schreibart leiden in jedem Menfchen, wie 
Syſteme und Charakter, unaufhörlice, aber nur 
nad) einer gewiffen Zeit bemerfbare Veraͤnderun⸗ 
gen, und wenn man daher eine. reiche Materie, 
die man einige Jahre hat ruhen laſſen, von neuen 
wieder aufnimmt ‚'fo kann man hoffen, daß man 
fie nicht nur mit fritchen Kraͤften, fondern auch 
auf eine neue Art behandeln werde. — 
= Ungeachtet ich das Manuſcript des erſten 
Theils, nachdem es abgefchrieben war , ſelbſt drey⸗ 
mal dDurchgefehen Habe, und es hoch von zween 
Steiinden habe durchſehen laflen, fo find Doch meh. 
rere Schreib: und Druckfehler ftehen geblieben, die 
ich, nebſt einigen Zufäzen und Verbeſſerungen, 
dieſer Vorrede anhängen will. Ich fchmeichle mir 
zwar nicht, daß ıch Durch eine noch größere Sorg⸗ 
falt die Handfchrift des ziwenten Bandes ganz feh- 
lerfrey gemacht habe; ich hoffe aber doch immer, 
Daß er deren viel weniger, ale der erite, enthalten 
wird, weil ich durch anhaltende Hebung nicht mer 
nig in der Fertigkeit zugenommen habe, foldye 
Feine Mängel in meinen eigenen Arbeiten wahrzu⸗ 
nehmen. Wenn aber dennoch) einige ftehen geblie- 
ben ſeyn follten, fo kann ich mir weniqſtens das 
Zeugniß geben, daß ich alled aethan habe, was in 
meinen Kräften war, um dem Lefer auch den Flein- 
ſten Berdruß und jede Mühe zu erfparen, Nachlaͤſ⸗ 
figkeiten des Schriftftellers verbeſſern zu müffen. 
| Ya 


Borrede. Xu 


In —— Seite 5. Zeile 3. für Wiſſenſcha 
iſſenſchafften, uud fo in 3.* — I 
vn fünften berfarmmen, ein boppeltes f Batt eines eine 


B. 6. 7. für binchnge ezogen hin ejoen. 
7. s 19. deleatur, beunoch. 
—11.⸗ 3. für die fie f weiche fie. 
15, s ı5. für folgten f. nachfolgten. 
15, 5 25. für verlohren ſ. verloren, ſe us —* 
für gebohren — geboren, 
—17. ⸗ 3. für Die ſ. welche. 
—8* ig fr — — * N a ‚4  penthat 
ben für Krone — Grone, weil Wirte: and dem 
" Sereinifchen berloimmen, Re 
„= 18 ı 7..für —* f. zwepfelm. ,.. 
u 19, 5 2. für wurden f. wurde. 
a .a 20; für bie bie ſ. welche bie. 
ib. » 27. Ai desienigen ſ. —— uns —E 
halben für deswgen — d 
20. s II. für eröfneten ſ. alla, weil es von offen 


31. > 25. für die bie fi melde de 
— ar Ad 12. nn geiehfäen ſ. Griechiſchen, eben fo In allen 


_ 31.19 Yu die — ſ. antraff. 
— 9 ⸗423. für ableitet P aneneit 
“3.28. für beiden ſ. b 
⸗19. für nemlid f. ai, und (6 auch ve 


olge 
ib. Le für bie wir f. welche wir. 
34, 5 6. rar Deeinung f Mepnung. 
— Al. I D 
> a s xo, für vortreflich f. vortrefflich; fo vurdgchenbe, 
AIm Werke ſelbſt &. 14. die Worte: und daß fie ben leiten 
außer ihren Goͤttern und gottesdienfllichen Gebraͤuchen, 
außer ben erſten Aufaͤngen bes Ackerbaus u. ſ. w. merke 
*— Berliniſche Recenſent, und frage mich in's kuͤuf⸗ 


nicht mehr, was ich zu den ihm gewiß nicht zur 
Ifte befaunten Thatſachen ſagen wuͤrde, daß bie Grie⸗ 
Bakchusdienuſt, und andere ken Yen —— 

und Eiarigtangen von Fremden erhalten 5 


ya Vorrede. 


„eis 3. 11. für hoften f. hofften. a 
B. 3. In der Note für die Worte: nad dem Strabo 
ac dem Plato (S. 57. in Tretylc) und Gtrabo traff 
man in ber Sprache der Phrygier und Karier n._f. w. 
und 3.8. fuͤr er gläubte ſ. lezterer giaubte; Ai ero⸗ 
dots ſ. Herodot. | 
— 8.» 6. für famlete ſ. ſammlere. J “ 
gu, Abe.» 8. für ſchuf f. fhuff. fu 
"0.416, hinter geblichen f. waren. 
10.5 24. zu ben Worten :. zu ſchmaͤlern sefhce hatte, 
: -f e man bie, Note: So erzähle Plate deLeg. p- 331. 


un: ‚m * —* fir Rahmen ſ. Namen; ſo auch 
n ber Folge. 
ib, 8. 11. hinter sen Zahlen vn. 24. f.. & Plat, de Log. 
p- $ 1. 
— * 14, in ber Note: für ausjugen ſ. unsjgien. 
ib, 16. für ziengen f. gingen. 

— 13.⸗ 16, für anfleng f. anfing. 
"75:5 8, für bewafnet f. bewaffnet. 

— 19. s 1. für aus ihren f. aus feinen. ' 
.— 19, # 17. ir Zerfiöhrer ſ. Zerftörer.. 
Mr ao, 513. Dinter geftörben del. ſeye. 

— 21. » 5, für Kolonien ſ. Kolonien. 

— 31. # 15. für Drigena ſ. Aegina. 

— 23. s 10. für baunT. da. 

*5 in der Note: für Pamphilien ſ. Pampholien 

Li de? erfien Note: für Neon Teihos f. Neo. Raten. 

— ne s 9. für ſchiften f. ſchifften. 

- 33. Not. 2. vor J. 14. 19. ſeze Herodot. 

— 38, s 17. fuͤr noch ſ. oder. 

ib. > 25: für Architektur ſ. Architectur. 
9 nr . u. fe Außer den. bisher von mir angegebenen 
“ ragen der Ausbildung der Aflatifchen Griechen vers 
mißt der R. in der allgemeinen Bibliothek noch die Aus⸗ 
elnanderſe ung ber materiellen, wie er fi) ausdruͤcktt, 
ober der Keuntniffe des gemeinen Mienfchenverflandes, 
von welchen man zu höhern Speculationen überging. 
‚Wenn der Rec. anders wufle, was er eigenslich fagen . 
weite; fo hat er abermals die Betrachtung nicht gele⸗ 
R a; die Ich über bie Sprüche der ſieben Weiſen u 


“ 


nu. 


Borrede. up 


Atellt hobe. Diefe Spruͤhe: warn; die Reuntmiſſe res 
gemeinen Menſchenverſtaubes, Pr die erfien Fruͤchte 
bes Nachdenkens, won welben man; 2 2) wiſſenſa⸗ giu⸗ 
chen Unterfuchungen for 

©, 47. jwrer: Rote 3. 1. für —*8 t. Bularchi, . . 

— 16. in der Moe. Er Ahr -Syswines f., —BR 

gelangt. (ven. nv 


= 50: Wbtt a. fen Fenschr fü Hipparch; -Plat, ad chen fb 


auch in der erſten Note deu folgmden Säte. 


— 53. zur man. Rose fie nen’ tiefes ‚hinzu :... Plate 


6. 


glaubte, ap das Yraodı rewurov Mter, als Mehbris 
um u Selphi eingegrobenen Bere ſeyen in Charm, 


302 26. fie Nerati fi eratit. 


— 55.» Ki Hinter Bauten fi A “ . In 
ib, Rot. 2, vor UV. 

— 57. » 11. für faßt ſ. fefl.-" Keen 

— 58. en [ie Mer. ii 2 

— 61.⸗ in. u Ze 


_ 62. 13 I ei en der Kin waren —— fr 
geaz.uwocrberhen a: fi w;. Dies gilt, wie ich in meiner 
Sefisicte des. Berfalls der Sitten unter ben; Roͤmern 
zeige, von ben Roaͤmern überhaupt Mur im zweyten Zus 
nifchen Kriege; von den Hänptern des Voita u bis 
auf die Zerflörung von Carthago. 
— 63. » 1. für die die f. welche die. 
— 64. s 3. für frug f. fragte. | nn 
be. s 16. für Kato f. Cato. oo 
b. "s 19. Ir feinen ſ. feine, . 
—66. » 1. deleat, uyp.: 
— 70. s 17. zu Sokrates ſeze bie Note i in Phacd, Plat. p. 23. 
- 71. » 16. zu Ariſtophanes ſeze bie Note: Velp. v. 1392. 
Aves 472. V. 
— 176. » 3. hinter enkfinnben 1 ſ. Ba 
— 78 „1. für Bachus f. Ba 
9.9 4 für Fe e efeenntnifiie Orfänge. in 
7 Saturuiniſchen, Zefcenninifchen Geſaͤnge. 
s 7. deleat. ferner. 


. 


‚= go,» 20: zu ven Worten: ganz befriedigen fege die Note 


eh ph. v. 168. & ſq. wo er von ber 
plate und Pracht biefes Dichter redet. ©. 


VI Bortebe 


, — 


——— in der erſten Motnkar Iovσα. Itass, für ree 
Ons f. TüM-S. für guon fi xCuon. 


ce. Für und Geſeze f. der je 


Naaub. ‚un erſten 


ib. » 20. für verjugen f. verjagten 
et .:9. für der Lafebfimonier f, den Spteäkmonier. 
9-73. für verbreſtete ſ. verbreiteten, 
Fi s 16. für gemacht babe f. machten. 
Aloe ſezte man noch folgrnbrs Ehatıng hinzu 
Plat. de Rep. Lib, V. Vol, I. p. 330. Edit. "Maflcy, 


ci 90, in ber lezten Zelle für ſeyn ſ. find. 
rer g1. s 28. für. hatten f. hätten, db. zur erfien Mote fee 


T_ 


ss. dieſes zu: doch ſcheint auch chen dieſes Plato zu fagen 
in Hippis ma). 
— 96.⸗ 1. für des: Raise f, der Könige. 
— 98.03. für Schazkammer ſ. Schazcammer. - 
— 100, » 2. für Kommentar f. Commentar. 
- 105.⸗ 7. für bie ſ. der. 
ib. » 11. für angrenzenden f. angrÄngenhg... 
— 107. » 16. zu ben Worten: eben ‚fo (er arbaren u fen 
> zen bie. Rote Plat. de Leg. DIE, p..536. - 


1212. unten u pe ee, ‚und in der drit⸗ 


€ 


ten Note für. Lib. V. ſ. Lib, VI. 


are in der Rete für ern —X ETITN- 


ot 
-121. » I. deleat, num. 
ib, ⸗ 31. deleat. hätten, 
ib. ⸗ 22. für haben f. Hätten 
— 133. » 21. für Heraklid ſ. Heratlit; ſo jr auf ver fol 
genden Seite. 
— 124, 3. hinter geworben ſ. wäre. 


— 126. » 19. für Ar pie ſ. welche bie. 


u 128.: 5 8. delest, aber. 


— 130, » 19. für gecifie ſ. poetiſchen. 
— 132, » 5. für Cleobulus f. Kleobulus. 
‚ib. Jo. fuͤr wurden ſ. wuͤrden 

r733. .a1. für feyeru f. felern, fo auch auf ber folgen 
den Seite für feyerlich — feierlich. 

‚on 136. s II. zu ben Worten: womit fie begleitet waren, 
en) fege man bie Rote: Plat, de Leg. I. 515. Doch 
erlänbe Plato die Trunkenheit in der Zolge unter gen 
wiſſen Einfäräufungen wieber: VI. Lib, 564. p. 


es ©. 136. 


| 


Be TE AD Pe BR. DBabp”", . 


Borrede xvu 


S. 136. 3.24. binter Maßlgkeit ſ. in per Jol⸗ 

138 TA ifär Gorinthertun re 

— 139. » 1. Unter den Öbtchifihen Welfen war Zhälse von 

let u. ſ. w. — Weun der Berliniſthe Re. diefe 

erſte Perinde aufmetkſam gelefen Hlde, fo würde er 
nicht gefragt haben, twarus Thales ber erſte Phufiter 
genannt worden fen? Noch viel weniger würde ex uns 

Aerſcheidende Diertmale bes Tales und der alten Dice 
ter. zu volffen verlaugf Haben. * 

"40. in ber Note, deleat, der lezte Abſa An Mıfeo 
hung des erftern u. fi... , 


. 142. 3. 8, Man tnaß ih Aber 16, Ungeaäitet ich In die⸗ 
\ * — Lihrart el En (pie 





term Meitwelfen, beunlich genug gepelar habe, daß i 
sine Schule Öriegpifdjer Weltweifen von eier —8 
‚Eile ‚und Molffhen zu unterſcheſden wiſſe; fo dat 
mir doch jemand Schuld geben wolter,"dap’ich bie eine 
mit der andern versch habe, iefer Icmand glaube 
5 miche nur ehlad neued , (onbern much eins ihres zz 
fagen, wehn es die..alten Schulen Oriechifääee Weite 
eifſen mie den Vtoͤphetenſchulen uhter We Ifraclio 
tem vergleicht, nnd die urdupliche Erklärung kutzer Säze 
und bie Ueberlieferung : diefer.authentifchen Erklärung 
für ihren Sauptzroed ausgibt. Auchmepnt er, daß 
66 drev Perioden gegeben babe: die eine,. da man alles 
dm Kopfe faffen und darüber nachdenten muſte: die 
hwepte, da man nachher einiges Weniges aufzeichneter 
und die britte, ba -man-endlich allet, mach ben, was 
man aufgezeichnet vor ſich hatte, date: — und daß 
biefe Perioden auf die Richtung des menſchlichen Bere 
flaudes einen großen Einfluß gegabt haben muͤſſen. IH 
will tiefen Kunfrichter mit den ragen verfchonenz 
‚welche die Zeitalter und Weltweifen wären, die gar 
wichts, und weiche diejenigen, die wenig auffchricben ẽ 
ferner: warum man, wenn man unzweguentige Ertlaͤ⸗ 
rungen von kurzen und dunkeln geſchriebenen Gäjen 
geben konute, die erftern nicht eben fo gut, als die lege 
tern aufzeichnete, anflatt fie einer verfälfgpenden Webers 
tieferang anzuvertrauen ? alletu darnach'ung ich doch 
Fragen, welher aite Schrifiſteller jemals die Nachfol⸗ 
. ger der aͤlteſten Weltrörifen,, als eine Reihe von Aus⸗ 
Meiners Geſch. ꝛiet Band. 7 Ian 


vn Borrede 








2 








Ron B 
Tegerit, Ober von Beſizern Achter Erklärungen bir kut ⸗ 
zen Säge Ihrer, Vorgänger. gefhilnert habe ? Erhelit 
nicht vielmehr te allem, mas wir von’ ber. währen 
- Befcaftenbeit der Jouiſchen Ppthasoreiſchen, Eleati⸗ 
Then, uud Heraklitifhen "Schule wiſſen gerade das 
Gegentheil ? War Auarimander ein Ausleger des Tha⸗ 
1e6, ‚und Anayimenes wieder. ein Ausleger des Anaris 
mander? Kan an den Parmenides eineh Aueleger 
des Zenophanes.u. L w. nennen? Ebeu fo richig, als 
ſich diefed behaupten latt eben foitvenig kaun man die 
‚Herakliteer, Ueherliefeter des wahteh Sinnes-aller eins 
zelnen dankein Säge ihres Meifters nennen. "Nach den 
Scilverungen des Plata , ber | zit einige gehört 
harte, Kin Cratylo p. 83.) Behaipteten.fle zwar .alle 

. bie "beftändige' Verivandiung aler Dinge; übrigens 
. ‚aber fjmiten’fie eben ſo weñig mit dem Heraklit,, als 
“uuteh einander überein. Keiner möllte ein Schüler des 

andern heißen; ein jeder’ war in Anfehung der Oedans 
ken nur fich ſeibſt gieich, und dabey eben fd undurds 
dringlich dunkel, als Heraklit geweſen war: Ras yag 
Regı TETOV.TOX. Heaxdssreo — 00% 7g00- 
Iggorawrobi guBesgnı : Evan, adv o0v Te 
Ihe Imen, 1 Fus asendw. arexXymsyap To 
vyYghppaTa Pegoras. — av wa Tıs een, 
womeg 1 Pegergus ennartenic aıyuaradn 

. —e — nav — — 

— — 

voc HETWVOHLTHEID œc - Tæð Avogas Ac· 









m yopivss logænæc; ade yıyyeras Tay TasTov 
" 


Ovovro⸗. Solche Schulen von Auslegern, als wors 
- Inn wan die Schuien der Älteften Grlechiſchen Weltwei⸗ 
- fen hat verwandeln wollen, eutſtanden erſt ih dritten 
Yahrhanderte nach Chriſti Geburt. Die neuern Plar 
toniter, und diejenigen unter ihren Zeitgenoffen , die 
dem Arifioteles folgten, wollten nicht nichr Für Selbſt⸗ 
enter , fondern für Ausleger des Plato und Ariſtote⸗ 
les augeſehen ſeyn; und fie trugen auch nicht Ihre un 
; men Gedanken in Unterrebungen , oder zuſammenhaͤu⸗ 
genden Reden wor, fondern fie legten, wie die Oramı 

ma 


Borridbe | IX. 


matfker die Werke der alten Dichter, Tb Me "Schriften 
alter Beltnoeifen aus. — Ich enipfehle denen, bie dies 
ſes gelefen haben, bie erſte Betrachtung, bie fie auf 
der 148 ©. des erfien Xheils finden werden, 
©. 148. 8. 5, für verwirsen T. verirren. 
ib, in der Note für Ye T, Vera. u 
— 149. In biefer Darfillung ver Bfbaufen. ver Altefken 
onifer vermißt der Berliniſche Mecenfent Klarheit, 
Bekimmtbeit, und Wollftändigkeit. Nach der ſtreug⸗ 
Ken Prüfung finde ich nicht, daß Ich die beyben erſten 
Tugenden ber Schteibart,, bie dem Mecenfentih gewiß 
fehlen, au der angeführten Gtelle zu ergänzen hrauchte. 
Yu glanbe ich nicht, daß man mir deßwegen Unvoll⸗ 
" Känpigfeit vorwerfen koͤnne, weeil.ic die Vermuthung 
des Ariſtoteles und ſeltes Ausfchreibere, des falſchen 
Plotarch, über die Urſachen, warum Thales dus Waſſer 
fär den Urſtoff aller Dinge erklaͤrt, nicht üngefährt has 
be. Die Worte des. Krifloteles ſelbſt AnSoy cur 
vv vroryw zeigen „daß er dieſe Vermuthungen 
nicht and Ueberlieferungen edenm alßdaun fezt er immer 
hinzu os Oο) fondern and ſich ſelbſt geſchoͤpft has 
be, — Außer ven Beweiſen der Grundſaͤze der Yonis 
ſchen Philofophen verniißt der Rec. noch die Erkla—⸗ 
zungen Der Entſtehung der -Dinge , und mache eine 
fo feine Diſtinction, daß man nicht einmal errachen 
fan, was er von einander unterfiheiden wollte. Wenn 
der Rec. im Ernſte von mir zu wiſſen verlaugt, daß 
ih ihm fagen foll, wie Thales fich die Entfichung aller 
Dinge aus dem Waſſer, und feine Nachfolger aus ih⸗ 
en Drincipien gedacht hätten ; fo bitte ich ihn, mir erſt 
Die Schriftfteller zu nennen, aus welchen ich ſolche Er⸗ 
linterungen uchmen kann. Beyläufig muß ich dem Rec. 
noch die Erinnerung geben, daß, wenn er das Anfuͤh⸗ 
ren von Beweiſen für gewiſſe Saͤze, als das einzige 
Unterf&elbüngszeihen von Weltweifen und Dichtern „ 
gelten laffen will, alsdann nicht nut bie Joniker, ſon⸗ 
dern auch die Pythagoreer, Eleatiter, und faſt alle 
MWeltreifen bis auf den Anaragoras aus der Zahl von 
Philoſophen müffen ausgefchloffen,, und den Dichtern 
jugefellt werden. Den Weltweifen ber alten Zeit fiel 
6 noch gar when, de ein Philsfoph die Ordan 
' 3 





EX. Vorrede 


eder Uxfachen aller witklichen und moͤgliche Dinge an⸗ 
augeben werbunden. ſep.· nl 
©. 133. für-Lihtöfeeifes („.Lichttreifes. j . 
ib, Weun man allen den Factis und Beweiſen, die ih; 
fowoht bier, als in meiner Geſchichte det Lehre yon, 
Gott für ben Sap. angeführt habe, daß weder Vie alten, 
Wälter,, nir-henen die Örlechen beiunet tosten, nech 
Die Griechifchen Weitwelfen vor Ham Andrageras, And, 
‚ Aeffen, Lehrer, ‚den einziges wahren Gort erfannt har 
‚ben;, weiter tits ai iteise Declamatioden über, 
die -Uubrgreiflichteit "oder Unwshrfheinlichkeil diefeh » 
Sazes, ort aud über die Nuvollßändigeeit und Dun⸗ 
Aelheit der Adris_ gebliebenen Nagrichten ud Deukmä⸗ 
ler entgegenffät ; fo antwerte ich auf ſoiche umbiſtori⸗ 
tige. und. philoſophiſche Einwendungen gar'nltr; 
dean auf eben die Art will ich alles, was mir einfällt, 
U egivepfeln oder zu bezwepfein ſcheinen. ern es je⸗ 
wmanden unzlaublich vorfämmt, daß man vor dem Aua⸗ 
zagorad den Schöpfer’ der Welt nicht erkanut habe, ber 
bedenke nut, daß es wir aus vielen bisher untwiberlege 
ten Grauden eben fo unglanblid ſcheine, daß Barba⸗ 
en uuß Griechen vor dieſem Zeltpuncte ſich zu dem 
Sedanken vou Gott ſollten erhoben haben. 
Su 261.'s 12. für vorandfahen ſ. v⸗tausſeben. 
2 Abe: 65. far ihre Fteybeit fi feine Freyheit. 
= 2b '0 17% für als fiel. ald es. 2 
- a 163. # 7. hinter angeboten ſ. worden. Fu 
— 166, » 4. in der Rote faͤr Kreuzes Ten f. Creujes Tab, 
161.5 0. hinter keunen f. lernen. 
—171:: 26. für Kybele f Kybebe. 
196. :0:2. für großen f. größten. 
3b, in der zwepten Note 3. 3, für Hermodors ſ. Kermodstm 
.— 179. u 24. für Masedonien ſ. Makedonien. 
'w> 280, » 16. für ältefe f. ditefien. . 
rd, #3. für wuͤrtlich ſ. wirtlich. 
m 186, » 1. fürfrübern oder fpäsern ſ. fruͤhere aber fpäters - 
— 189. » 10. für Kleant f. Klearch. 
191. 2. fi delcar, . B 
— 197. in ber Note für Ed. bie 4te ſ. Ed. in 4ta, 
: 264. # 31. für hätte f. hatte, * 
— 208.⸗ 5. hinter Glauben f. zu verſchaffen. 
— 108 » 6. hinter gelitten ſ. und; ſiatt eudlich ſ. — 
Ber © Ac⸗ 





Borrede xx 


©. 210. 8. 13. für zugeſtanden ſ. zugeſtans. 

ib, ⸗34. für bat ſ. hatte. 

= 213. ».16. binter Ariſtorenus f. und, und Vie beyden 
Worte: und Hlerompmus, ſtreiche man weg. Diefe 
Berbefferung bin ich dem Berl. Rec. fihnldig, 

— 217. » 20. für bie die f. weiche die. 

- 218, o > ſtatt —— Renophon. 

— 233. ; 13. für einmal * ein ‚einziges mal. 

- 325. ber Berl. Rec, lad das Ende meines Ursheit über 
den Dikaͤarch nicht aus, denn fonft hätte er nicht geſagt, 
daß dieſer Gchrififeller meinem Urtheile nach gar Ecke 
nen Glauben verdiene, 

- 230.⸗ 19. ffir allgemeinen ſ. allgemein. 

ib, » 34. ſtatt wichtigſten en Ihizen. 

= 333. ⸗ 31. deleat. nu 

— 133. 5 4 für brachen € hr — * 

2 6. für uͤberfielen ſ. uͤberfiel. 
⸗18. fur frug ſ fragte. „,', 

348. » 10. vor Shaldäer f. 8 | — 

— 248. ⸗ 6, hiuter und ſ. daß, 

—253. s 7. für falle ſ. fiel. 

— 255. » 20. für Piotins ſ. Pien. 

257. 0 35. del. bes unb für Alexanders fi Kate, 
und fo in ähnlichen Fällen, 

-— 257. in der lezten Zeile für bat f. hatte. 

- 361. s 5. für die erftere f. die eriern. 

#15. für wann f. wenn, 

283. » 21. für aus ſ. mit. 

— 292. zur zweyten Note feze noch folgendes Eitanım hin⸗ 
zu: Plut. in Vita Lyſand. p. 66. II, 

Und im Texte 3. 2. für baß ſ. bat. 
— 294. # I. für hatte f. hätte, 
ib sro. für Ptolomäus ſ. Penlemäus , fo in der 
Solge allenthaiben. 

- 303. # 3, Ei Hippobolus ſ. Hipppbotus. 

= 310. ⸗8. für verzwevfelt hatte ſ. verzweyfelte. 

- 311. 11. für denen ſ. den. 

— 312. s IT. für verjugen f. verjagten. 

s 21. für auf die f. worauf. 
> 313. » 7. deleat. nun. he Colpli (, Colen. 
— 314. In ber orſten Note für Colpii ſ. Co | 


7 


XXI Bore ed.e 


©.315.3.13, für bie die ſ. welche bie, 

— 316. » 10. fürns ui © 
. 31. ».19. hinter Anhänger ſ. geblieben: 
320. in per legten Zeile für großer ſ. großem. 

— 325. in der.Note für Yeygaporas ſ. Yeyeul 

für Terenyparevouevov |. TEeReuynarı 
vov, für Io ſ. oo, 

— 324. in ber Mote für eurexvus f. eyrexros; 
. OAnurtiedes ſ. OAuuzindos. 
== 329.3. 16. deleat. da6 Punctum. j 
‚ — 334. » 16. für Hermeflanap ſ. Hermefianas. 

— 341. 0 12. für zwey f. zwo. | 

ib. 5 15, deleat. nun. | 

— 344. + 2%. für ſtimmen f. flimmten. 

— 353. » 20: für verdorben f. verderben. 

354. ⸗ 14.15. für die Worte: einen Sohn bes 3: 

f. den Sohn eines geroiffen Babys. “ 
— 355.3.9. Nach dem Worte widerfprechen feze mar 
endes: Merkwuͤrdig ift es unterdeſſen, baß bie € 
taner fih im Belize der Haut eines weiſen Pherel 
zu feyn ruͤhmten. Piuterch. in Pelop, p. 153, Il, 

— 360.3.3. für Renophamenes f. Kenophanes, 
= 36% + 9. für nun f. aber, 

ib. in der Note 3. 6. für fo ſ. (dom. 

— 363.3.5. für fönnte ſ. kounte. 

— 372.0. f. Anſtatt, daß ich drey Claſſen von Pi 

goreern unterſcheide, läßt der Berl. Rec. mic nur. 
annehmen, und bedauert, daß mir der wichtige Zı 
: fel nicht eingefallen ſey, daß bie Abtheilung der 
thagoreer wenig Nuzen flifte. Rec. glaubte wahrſch 
lich, aber wie er ich felbft beſcheiden wird, etwas uͤ 
eilt, daß, weil ich gerade bier Feine Gründe me 
Eintheilung der Pythagoreer anführte, ich auch 
Peine hätte, Meine Gründe hatte ich aber ſchon 
der Hit, dactr. de deo angegeben und fie komt 
auch in dem Werke ſelbſt etwas tiefer unten vor, 
der Rec. ſie ſo wenig, als viele andere Puncte, 
merkt bat, Es iſt aber mit alle dem ein wunberli« 
Schluß, daB, wenn Ariftoteled nicht immer von | 
Alteſten Pythagoreern redet, oder bie aͤlteſten Pytha 
r 


Vo rar e dee. Axn 


reer nicht mit einander Übereinflinunten, alle Unter⸗ 
ſcheidungen ber Zeitalter ber Pothagoreer unndthig 


ſepen. rn te J 
©. 378. 3. 13. zu den Worten: Plato redete; ſeze man 
die Note: plate ſelbſt fagt .. daß ihre Geſeze über 
. die Erziehung und den Unterricht in der Muſik, melde 
immer berfelbige hleibe, vortrefflich, alles uͤbrige aber 
in Aegypten elend ſep; Lib. IL p. 522. und: an einer 
audern Stelle beißt ed, daß man den Aegpptiern und 
Phöniciern feiner Zeit keine andere Weisheit, als eine 
gewiffe Verſchmiztheit oder Erfahrenheit in der Kunſt 
zu erwerben aufchgeiben koͤnne. Lib. V. in fine de 
Leg. P. 55%. 
— 379.3. 10, deleat. nun. 
— 380. » 2. für empfähle — empföhle,. 
— 381. + 19. delcat. nun. 
— 383. s 17. fär abſprechen f. abſprachen. 
— 384. in des Note für urrodeszvos f. um ra 
ib, im Xerte 3. 12. für die die ſ. welche die. 
— 394. 3. 14. für läßt es fich ſ. kaun man ee. 
— 400. Ju der zweyten Note für —R ſ. ex⸗ dofav, 
und für avdewrwv f. avdonäay. 
— 401. 3.27. für leztere ſ. leztern. 
— 413. in ber Note 3. 2. für rex$es f. vo XIes. 
— 416. in ber erſten Mote für ogs&w f. oge&un. 
ib. 8. 10. für Davancı ſ. DauAns. 
ib. in der zweyten Note für von f. vom. 
—- 422. 3.25. deleat. nun. 
— 435. in der erften Note für Plaut, f. Plut, 
— 448. für in dem ſ. in welchem. : 
ib. in der Note für Moreuıs esey ſ. MoAsuicesev. 
— 452.3.8. für koͤnnte f. koͤnuten. 
— 465. +» 10. für nie f. felten. 
— 466. in der zwepten Note hinter Erziehung f. fo. 
— 471. unten für: an alte Vorurtheile ſ. an alten Vorur⸗ 
theilen. 
— 474. 3.2. binter Wohnungen ſ. an. 
— 476. » 17. für die f. da. 
— 478. » 12. für Angelegenheit f. Angelegenheiten. 
— 482. in ber erfien Note für Diog. f. Diodor. 
\ bg ©. 488. 


Sxxiv V ot rede 


SG. 488. 3:12. für Lande f. Bunde. 
Ur 490, » 18. für hätte (Ü Hätten. L 
— 493. Man kann in dem Ppthagoreiſchen Wunde, wie : 
“In ener jeden Geſellſchafft, dir fe Geheimuniffe bar, 

"ur zwo Hanptclaſſen von itgüedern annehmen: 
* folge, die wirklich eingewelbk find, sind ſolche, bie noch 
“ gepruft werben. Im die’etftere gehören nur allein dies 
un ‚Fenfgen, bie von ber. innerflei Einrichtung, den Haupt» 
0 zweiten und Entroürfen einer Geſellſchafft unterrichtet 
finds indie ändere aber Biejenigen, benen biefe Ge⸗ 
heimmiffe noch nicht gesffenbaret worden. Unter denen, 
die noch gebräft werden, kann es viele Abtheilungen 
und Grabe geben, bie, im allgenieitten zu urtheilen, 
um deſto zweckmaͤßiger find, je mehr fie vervielfältigt, 
und fo eingerichtet merden, daß man auf einer jeden 
Stuffe, wie auf der lestern, zu flehen glaubt, "ober 
doch fo wenig, als'möglih, das, was man auf ber 

nächften erblicken wird, vorausfehen kann. 
— 496. 3.9. für worden ſ. werben. J 
— 504.⸗12. für verarbeitet f. bearbeite: 
ne 506. s 18. hinter Jamblich f. geſchoͤpft haben. 

— 507. » 19. für mit f. und, . 

— 503. » 7. für nichts ſ. nicht. 

— 509. ».2. für. Karthagintenfern f. Carthaginienſern. 

— 551. s 11. für fo wohl ältere als neuere Schriftfteller f. 
altern, als neuern Schriftſteller. 

— 521. 3. 29. für die erſtere ſ. der erſtern. 

—523 > 150. f. — Ungeachtet ich bier ſelbſt ſage, daß 
die Zahlenlehre der aͤlteſten Pythagoreer allen Welt⸗ 
weiſen und Geſchichtſchreibern, welche uns dieſelbe er⸗ 
halten haben, aufgefallen ſey, und zugleich bemerke, 
daß man nicht alles, was uns ungereimt oder undenk⸗ 
bar ſcheint, als ungedacht verwerfen muͤſſe; ſo glaubt 
doch der Berl. Rec. die Behanptung der Ppthagoreer, 
daß alles aus den Zahlen entſtanden ſey, bloß deßwe⸗ 
gen verwerfen oder bezweyfeln zu koͤnnen, weil ſie ihm 
undenkbar vorfomme. Eine ſolche ungeheure Meys 
nung muͤſſe, glaubt er, durch die ſtrengſten Beweiſe 

dargethan werben. — Hat denn ber Rec. nicht geleſen, 
daß ich den Grundſaz der Pythagoreer mit den Zeugs 
alffen aller glaubwürbigen Schriftſteller ohne Ausnah⸗ 
me vom Ariſtoteles bis auf ten Sertus bewicfen ut 

. at 


Vorrebe. XXxv 


‚Sat er nicht geleſen, daß. nicht bloß bie Ältern,, ſondern 
auch die mittlern Pythagoreer alle Dinge für Wirkun⸗ 
en ber Zahlen hielten, daß Weigel und viele neue 
pflifer in den Zahlen faſt diefelbigen Kräfte, wie bie 
älteften Pythagoreer, wahrzunehmen glaubten? Iſt 
ihm dann nicht das Buch des erreurs & de la veritk, 
der irgend ein ähnliches Werk in die Hände gefallen ? 
Iſt er fo unerfahren in ber Geſchichte, fo unbelefen im 
Keifebefchreibungen, daß er nicht weiß, daß alle wilde 
und berbarifche Nationen gewiffe Zahlen für heilig ges 
belten,, und ihnen wunbervolle Wirkungen zugetraud 
haben, und noch zutrauen? Glaubt der Rec., daß fein 
Anſehen groß genug, dies unläugbare Factum umzuflos 
den; daß unzählige Völker, und ſelbſt aufgefiärte 
Menfchen, ja fogar große Mathematiter, in den Zabs 
Im Kräfte zu finden glaubten, die uneingenommene 
Menſchen nicht darinn entdecken Finnen? Die Allge⸗ 
meinheit dieſes Wahns unter allen Voͤlkern, und faſt 
allen Caſſen von Menſchen zeigt, daß er von einer ge⸗ 
wiſſen Seite ſehr annehmlich und ſcheinbar ſeyn muͤſſe, 
ungeachtet ih, wie bey unendlich vielen andern Mer⸗ 
nungen, Sitten, Gebraͤuchen n. f. w. nicht zu erklären 
im Stande bin, wie er entfichen, fich behaupten, und 
fo fehr verbreiten Finnen. Rec. hat den Ariſtoteles obs 
ne Aufmerkſamkeit und Kenntniß der Sprache gelefen, 
wenn er in bem angeführten Sapitel der Metaphyſik 
Met. I. 6. Beweiſe für die Meynung zu finden geglaubt 
bat, daß bie Pptbagoreer burch ihre Zahlen gerwiffe 
Subſtanzen in der Welt bezeichnet hätten. Ariſtoteles 
fagt an allen übrigen Stellen, wo er von den Zahlen 
der Pythagoreer redet, aber nirgends deutlicher, als in 
dem auch von mir angeführten Abſchnitt *), daß bie 
Ppthagoreer die, Zahlen für die Urfachen aller Dinge 
gehalten hätten. O ev, fagt er unter andern, unb 
unter biefem werficht er den Plato raos KAUIUEE 
Ka Ta MicdIure, 0 Ouetuss as Das 
ur Ta nenynoro. Dec. fpriht von vielen 
Stellen, an welchen Ariftoteles bie Zahlen bloße Zei⸗ 
den der Dinge genannt hab. Ich fordere ihn anf 
g efe. 











——— — —⸗⸗ 


*) Man fehe Hit, docar. de deo p. 301. 





TU U ——— 


XXVI Borrede 


biefe Zeugniffe zu nennen, und wenn er es nicht t 
fo fpreche Ich ihm nochmals alle Bekanntſchafft mit 
Ariftoteles ab. 
.. ©. 524. 3.20. für bie ſ. welde bie. 
— 527. » 17. für unwahrnehmlichen, unſinnlichen f. 
wahrnehmlichem, unfinnlichem. 
— 528:3.23. fär die f. diefe. 
— 540. in der Note für Cicf. ſ. Ecl. 
— 543. in der Note für Philopenus f. Philoxenus. 
— 546. 3. 10. für eine f. eins. 
— 550. in ber Note für Eupitheus ſ. Euxitheus. 
— 551.3. 6. für die erftere f. bie leztere. Bey bem 
theile, was ich auf diefer Seite Äber die Pythagorei 
Ethik fälle, frägt der Berl. Rec. woher es fom 
baß wir von der Ppthagoreifhen Sitteniehre und ' 
litik ſo wenige Weberbleibfel hätten, dba die Geſchi 
. . uns fo viel von feinen phyſiſchen, geometrifchen : 
J theologiſchen Speculationen aufbehalten habe? M 
kaͤnne, glaubt er, mit Recht hieraus den Schluß 
ben, daß Pythagoras einen großen Hang zu wifi 
ſchafftlichen Unterſuchungen gehabt habe. Dies le; 
babe ich nirgends geläugnet,, fondern vielmehr durd 
hends bewieſen, baß Pythagoras alle wiffenfchaffti: 
Kenutaiffe feiner Zeit in fi vereinigt, und fie anch 
reichert habe. Allein ich laͤugne es, daß bie Geſchic 
uns viele theologifhe, metaphyſiſche und phyfifche 1 
terfuchuungen aufbehalten, ober baß Pythagoras fe 
Schuͤler die Theorie der Gefezgebung gelehrt ha 
wundere mich aber zugleich, daß der Rec. abermals bı 
was ich mehrmalen erinnert habe, nicht bemerft h 
daß bie ganze Einrichtung der Pythagoreiſchen Gef 
(Hafft eine: tiefe Kenntniß der fittlihen Natur t 
Menſchen, und der Mittel, fle zu vervollfommm« 
anfändige. Pythagoras gewoͤhnte feine Freunde 
eine foldhe Lebendart, die alle Ermahnungen zu d 
häuslichen und bürgerlichen Tugenden überfläffig ma 
te. Wenn der Rec. bie moralifhen Orundfäze, (S. 56: 
anf welchen der Pythagoreiſche Bund gegründet warı 
nicht abläugnet, fo wird er gefteben müffen, daß 
viel zahlreicher und auch reifer find, ale alle übri 
wiſſenſchafftliche Kenntniffe, die wir dem Ppthagor 
mit einıger Wahrſcheinlichkeit zueignen können. 8 
| 





Vorrede. ‚ax 

| u un 
Sittenlehre hingegen, bie Pythagoras feinen Schülern 
yortrug, und bie nach dem Zeugniffe bes Ariſtoteles 
auf Zahlen zuräd gebracht war, iſt allerdings bis auf 
die wenigen Fragmente, bie ich in der dritten Beylage 

.  gefammlet babe, ganz verloren gegangen, 

©. 554.3. 17. fär fie fie f. fie diefelbe. 

— 555, » 24. für Oenoxides ſ. Denopibes. 

ib. + 25. deleat. und, 

— 556. s 2. hinter und f. die Meynung. 

— 570. » 1. für die die ſ. welche die. 

— 576. » 9. für fie fe f. fie diefelbe. 

— 58I. » 1. zu ben Worten arespoxaäus nannten: 
fege die Rote: Plat. VI. p. 564. de Legibus, 

— 503. inber Note 3. 1. hinter ſehe ich f. nicht. 

— 603. 3.6: Die zweyte Periode von ben Worten: Mit 
biefen Männern u. f. w. bis zu Ende lefe man fo: 
Mit dieſen Maͤnnern und ihren unmittelbaren Nachfol⸗ 
gern, dem Meliſſus und Zeno, dem Anaxagotas, Des 
mokrit und Empedokles muß man das Chor der alten 
Weltweiſen Griechenlandes beſchließen; denn mit den 
Alteſten Sophiſten fängt ſich eine ganz nene Periode, 
ſowohl der Griechiſchen Sprache, als der Weltweisheit 

uud Äbrigen Wiſſenſchafften au. 

ib. in der legten Zeile für Polikrates ſ. Polykrates. 

— 606.3. 17. für diefe f. die. J 

— 608.⸗ 18. für weil ſ. daß. 

— 619. Zam Abſchnitt vom Xenophanes muß ich noch ei⸗ 
nige Anmerkungen machen. Herr Tiedemann in feiner 
Abhandlung de Xenophanis decretis *) legt die Mey⸗ 
nungen des Kenophanes andere aus, als ih, weßwe⸗ 
gen ich meine Lefer, die. eine Vergleichung wnftellen 
wollen, auf diefe Abhandlung verweiſe. Doch muß ich 
bitten, die leztere zu leſen, und nicht ohne Pruͤfung 
den Ausfpruch zu thun: daß ihr Verfaffer das Syſtem 
des Kolophonifhen Weltweifen von allen Seiten anges 
feben babe, Ich geflebe, daß ich die Gedanken meines, 
Breundes nicht:recht habe faffen, und am allerw:nigfien 
es recht deutlich habe denken koͤnnen, wie er fich vorftelle, 


daß Kenophanes die Gottheit von ber Welt unterfchies 
den, 


—iÏ,nſ 








—— ⏑ ————— — 


*) Biblioch, Phil, vol, III. p. 150. & fq. 











Mr Ar 
“inch [ 


Borrede 


Ä vn, und fie ihr auch wieder ähnlich zedacht Gabe. Ue⸗ 


brigens läuft es wider alle von mir in der Hiſt. dodtr, 


de deo angeführten Stellen bes Arxifloteles und Plato 


. . 1 


über das &v des. Eenophanes und den Unterfchied feiner 
Meynung von ber des Parmenides, daß Xenophanes 
Bewegung, Entftehung und Untergang in ber Welt bes 
hauptet habe. Bepyde Weltweifen fagen es an allen 
Stellen, wo fie über diefe Materien.reben, daß Kenos 
phanes alle Bewegung In der einzigen Weltfubflanz ges 
laͤngnet, und daß Parmenides ſich dadurch von feinem 
Lehrer unterſchieden, daß er den Zengniffen der Siunen 
nach, fewohl die Bewegung, ale die aus der Bewe⸗ 
gung entſtehenden Erſcheinungen behauptet habe, Aus 
Ger ven entfcheidenden Zengniffen, bie ich in meiner 
Hiſt. dofr. de deo geſammlet habe, vermeife ich auf 


das dritte: Sapitel der Metaphyfik bed Ariftoteles: 


Du 


Evıcı de To 2 æœnunrov —8 cuyce, Keks Tv Due 
ai OA 8 povov zart yarscıy, nu Dogay (T&- 


rTo MEV Ya wexasov Te neu Tavres MMoAoyı- 


cav) ENG na KAATE TV neraßorns ragen. — 
Eben dieſes lehrt der ganze Theaͤtet des Pla. Die 


Gruͤnde, welche Fabricius *) und Hr. Tiedemann für 
‚Die Lesart eines Mſpts des Ariſtoteles anführen, nach 


welcher der Stagirit in feiner Abhandlung de Xeno- 
hane, Zenone & Görgia. zuerfi die Meynung des 
Be, und nachher die des Kenophanes angeführt has 
en fol, ſcheinen mir niche a nicht befriedigend, 


ſondern folgenden - unmiderleglihen Schwierigkeiten 





ausgefezt zu fepn. — rftlich wäre es feltfam, wenn 
Mriftoteled wider feine Gewohnheit anfangs die Mey⸗ 


‚sung eined fpäten Nachfolger, und zulezt die Meh⸗ 


nung deßjenigen vorgetragen hätte, ber zuerſt von eis 
ner Einheit zu reden anfing. Zweytens ſtehn dem 
Leipziger Mſpt. alle Handfchriften eutgegen, nad) wels 
hen alle Ausgaben bes Ariftoteles gemacht find. Drite 
tens würden alsdann, wenn Zeno zuerft unb Zenos 
phanes zulezt redete, Plato und Ariſtoteles nicht haben 
fagen koͤnnen *), daB XRenophanes bie einzige Subflanz 

uns. 


⏑— 











pP! ad Sext. Hyp. I. 214. 25. 
®) vie Iaca ın Hi. doA. de dso », 329, 


Borrede xXxx 


nnendlich genannt, und fi dadurch ſammt dem Meliß 
vom Parmenides unterſchiedet haͤtte. Endbliqh find bie 
Sophiſtereypen, die alle biäher, und auch ich, dem Ze⸗ 
no zugeſchrieben haben, nicht des Renophanes, „aber 
wohl eines Manunes werth, bei man für den Erfinder 
ser Sophiſtit hielt, und der fih ein Geſchaͤfft daraus 
machte, feine Zübsrer durch Spizfindigkeiten zu vers 
wirren. — Der Berl. Rec. wire es mir nicht ver⸗ 
argen, wenn ich hier auf bad, was. er vom Xenopha⸗ 
nes und Zeno fihwazt, gar nicht antworte, weil es in 
der That zn eleud iſt. Er zwepfelt unter aubern, daß 
Ariſtoteles im dritten Capitel ber vorhergenannten Aus 
handlung vom Zeno gehandelt habe, well feine einzige 
dem Zend eigenthuͤmliche Meynung bariun vorkomme, 
weil der ganze Inhalt dogmatiſch fey *), endlich weil 
die Bewegung nicht darinn geläugnet werde, Dies 
loztere Pönnte ich befreiten; allein wer bat kenn dem 
Dec. gefagt, daß Ariſtoteles alle Meynungen nes Zeno 
anführen, und unndzer Weiſe die Sophiſmen wieder⸗ 
hohlen wollte, die er ſchon in feinen Buͤchern ber Phyſik 
vorgetragen hatte? . -. 
©. 620. 3. 5. die Sprache war zur Zeit dieſes Weltweiſen 
noch foarm m. ſ. w. Der Berl. Rec. wenber ein, daß 
man boch bey feinem feiner Zeitgenoffen Aber Dunkel⸗ 
eit Klage, Hatte er denn ſchon wieder vergeffen, mas 
ch über den Parmenides gefagt, und von ihm beyges 
bracht harte? * 
= 621. 3. 8. für Mepnungen ſ. Meynnng. J 
— 622. zur dritten Note feze man hinzu: Plat. in Lyfide 
p. 265. An diefer Stelle redet Plato von ben Were 
bältniffen entgegeugefezter Dinge, wie ich glaube, nach 
dem Heraklit. Das entgegengefete, beißt es, iſt im⸗ 
mer dem entgegengefezten am meilten freund oder vers 
wandt, und ſehnt fich am meiſten darnach, meil nur 
entgegengefezte Dinge Nahrung für einander find. Das 
Trockne trachtet naher immer nach bein Feuchten, das 
Kalte nac dem Warmen, das Birtere nach dem Süßen, 
das Scharfe nach dem Stumpfen, das Leere us ven 
Ä ollen, 


c. auch mich oder den Ariſtoteles gelefen, oder nur ges 
9 Het De was er geſagt hat? ß ⸗ 


u Vorrede 


zeigen, daß Ariſtoteles bie Behauptung des Anaragoras 
"safe dem beräßptigten Aucſpruch bes Vrote goras für 
9» gfeichfäntend gehalten habe. 
©. 693.3. 19. fr Charpbbes f. — 
— 702. in der zweyten Note 3. 3. filr ewiged ſ. einiges. 
8.711712, Bey Gelegen heit meines Urtheild Aber 
ch Zend And feiner Dialektif bringt der Verl: Mec, 
miehrere Brmetfimaeh übrr bie großen Verdienſte dies 
fes angeblichen Siöepflere, Kid ber bie großen Vor⸗ 
Keith Kunft zu zwepfeln vor, auf die er fih, wie 
...,. man fieht, was Rechts zu gute gethan hat, bie aber 
=" po fankferhaft find, daß ein jeder Kenner den Augenblid 
-_ merkt, daß ein ſoſcher Gemeinortgfager webet den Zeng, 
"Hoc deffen Sophiftit, noch die wahre Kunſt zu mens 
feln keuner Met. beherzige instänftige die Worie bes 
ur aches beym Plate 9, bie-völlig meine Gefinunngen 
bei enthalten? Aoe x eya rm ZoAmn Ev novar 
oA - CvyKage. Ynexoxov yap Tor 
. 3 ſaoues tar. eIeAw,.umo xensav novov. — eı de 
yEnTegos.. 0. eou—n Ti ade Te 
* 53 * aden os neAnees. 
" &. 713. 3.28. für Ungleichen ſ. Ungleigem, 
= — 2736. » 25. für Krafpflus f. Thraſpllus. 
22732. » 19. fur: von ihnen f. von den Pythagoreern. 
— 736. » 2: für großen (. größern. . 
“747. # 14. für der ſ. oder. : 
"750, » 6. fhr Achrodiſt da ſ. Aphrobifäe,.. 
9-22 y5r, 022. Diefer Hippofrates von Chios iſt wahr 
feinlich eben derjenige, deſſen Plato als eines Schu⸗ 
iers des Protagoras erwähnt. in-Protag. 282. 292. p. 
©) in Lachete p · 256 \ 





























Sechſtes Bud. 
Geſchichte der Griechiſhen Sophiſten. 





Erſtes Capitel. 
Welches die Verfaſſung und Veränderungen des Atbe⸗ 
nienfifchen Staats bıs auf die achtzigſte Olym⸗ 
piade enibaͤlt. 





enn man die Geſchichte der Wiſſenſchafften 
in Griechenland bis uͤber den Zeitpunct 
hinaus verfolgt, vor welchem ich im erſten 
Bande fiehen geblieben bin; fo trit man 

| auf einmal in einen neuen Schauplaz, wie in eine neue , 

Welt über. D-rn um und nad ber achtzigften Olympia⸗ 

' te wurden ofle Wiftenfchafften erweitert, und oͤffentlich 
: geher, alleın «ben diefe erweiterten Wiffenfchafften wur⸗ 
ge auch Mitverberberinnen der Griechiſchen Sitten, . 

Zweyter Band, 4 Auf ⸗ 


2. u Sechſtes Buch. 


Aufklaͤrung und Durſt nach Kenntniſſen verbreiteten 
ploͤzlich unter allen beſſern Ständen des Europaͤiſc 
Griechenlandes, das vor kurzem noch im trägen Schli 
mer der Unmiffenheit begraben geweſen war; zugleich « 
zogen fich alle Künfte und Wiffenfchafften, die bisher ı 
in den reichern glücklichern Pflanzftädten gewohne £ 
ten, nad) einer einzigen Stadt des Mutterlandes h 
die fich niemals weder durch vorzügliche' Macht, n 
durch große Reichthuͤmer oder ruhmvolle Thaten aus 
zeichnet hatte, und ſich nunmehro in wenigen Jah 
zur Lehrerinn wie zur Beherrſcherinn der Griechifd 
Voͤlker erhob. 
Alle diefe wichtigen Eraͤugniſſe begreift man « 
weder gar nicht, oder nur halb, fo lange man ſich ni 
mit ber Verfaffung und den Weränderungen des Ar 
nienfifchen Staats, und ber Gefchichte bes übrigen © 
chenlandes bekannt gemacht hat. Ich will daher bey 
fo weit es meine Abfichten erfordern, vortragen, n 
mir niemand diefe Arbeit abgenommen hat, und ' 
ohne eine folche Arbeit meinen Leſern nichts als Wirk: 
gen ohne Urfachen , oder als verftümmelte Facta u 
Begebenheiten ohne Verbindung vorlegen koͤnnte. 
m Die Bewohner des Attiſchen Gebiets lebten 
ſpruͤnglich unter einer Verfaſſung, dergleichen man nı 
jego unter den meiften unausgebildeten Voͤlkerſchaff 
antrifft; und fie gingen auch alle die verfchiedenen V 
änderungen ‘von Regierungsformen durch, durch wel 
die übrigen Griechifchen Staaten endlidy bis zur Dex 
kratie hirgelangeen. Die Arhenienfer waren von I 
äfteften Zeiten an, aus welchen ſich nur einige dunf 
und mit Fabeln vermifchte Ueberlieferungen erben | 


N 


| ⸗ > 


| Seccſchichte der Griechiſchen Sopfiften. 3 


ken, in mehrere Stämme getheilt, bie fich viele Jahr⸗ 
hunderte lang allein von der Jagd und Viehzucht naͤhr⸗ 
tm, und erft unter bem fechften oder fiebenten Könige 





i Diefe Stämme erfannten zwar alle denfelbigen König; 
- fie waren aber dennoch im Frieden faft ganz von einan⸗ 
fer unabhängig, und wurden ein jeder von feinem Haus 
} pe regieret, das alle Streitigfeiten, Die unter verfchies 
| tenen Familien, oder Mitgliedern von Familien ent⸗ 
| ſtanden, fehlichtete, und "Beleidigungen, bie ihm und 


woh dem Kekrops Aderbau zu treiben anfingen *). 


\ 


den Seinigen von andern Stämmen zugefügt wurden, 


mit bemaffneter Hand rächte **). Die Artifchen Stäms 
' me führten daher häufig mit einander und felbft mit ben 
', Königen Krieg, und traten nur alsdann zufammen, 
>; pen ein ausiwärtiger Krieg zu befürchten, oder ein ges 
bi feinfchaftlicher Feind zurüczutreiben war ***), Die 
7 A 2 Macht 





— — 
| U) 


#) Den Anfang ber Regierung des Kefrops fezt man ges 








ke meiniglich in das Jahr 1582 vor Ehrifli Geburt, und 
erft unter Pandion dem erften, oder unter dem Erechteus 
pet Seres die Bewohner von Attifa die Kunft des Feld⸗ 
aues gelehrt haben. Daß die Athenienfer wirklich 
| son ben übrigen Griechen für die Erfinder des Acker⸗ 
ch banes gehalten wurden, ſieht man aus einer Stelle 
tel des Ifofrates, in welcher diefer Rebner fagt, daß die 


meiften uͤbrigen Griechiſchen Städte feiner Vaterſtadt 


er) alle Sabre aus Dankbarfiit die Erfllinge der Fruͤchte 


id zugeſchickt, und daß die Ppthia fehr oft folche, bie 
ne) diefe Pflicht verabfäumt, an bie Beobachtung berfelben 
4 erinnert hätte. Im Paneg. I. 133. Ed, Beatt, 

da “) Thue. II. c. 15. Iſoe. in Encomio Hel. II. 125- 131. 
kle in. Pansthen. 258. 61. Plut. in vit. Thef, p. 48 - vi. 
ho per. Tom, I, Edit, Reiskii, 
ben “e) 1], cc, 

] 


4 Sechſtes Buch. 


Macht der Koͤnige uͤber das ganze Volk war viel gerin⸗ 
ger, als die Gewolt der einzelnen Haͤupter uͤber ihre 
Stämme. Die erfte äußerte ſich faſt ganz allein im 
Kriege, in welchem fie die Anführer aller Stämme mas 
ren; zur Zeit des Friedens hingegen verſchwand fie größe 
tentheils, und fehränfte ſich auf die unbedeutenden Vor⸗ 
züge ein, das ganze Volk oder die Häupter der Stämme 
zu wichtigen Berathſchlagungen zufammen zu rufen, in 
ſolchen öffenslichen Zufammenfünften den Borfiz und dag 
erfte Wort zu führen, und an allgemeinen Feſten im 
Namen des ganzen Volks zu opfern und andere gottes⸗ 
Dienftliche Handlungen vorzunehmen *). Die Könige 
Eonnten weder von dem Wolfe, noch von den Oberften 
der Stämme Abgaben fordern, fondern alle Einfünfte, 
die mit ihrer Würde verbunden waren, beftanden in frey⸗ 

willigen Geſchenken, Die man ihnen bey feierlichen Ge⸗ 
_ Segenheiten, oder nad) einer großen und tapfern That, 
beſonders nach einem glüclid) geendigten Kriege mach. 











DI —— ——⸗— 


*) ib. & Ariſt. III. 10, Wenn Ariſtoteles und andere das 
Recht zu richsen und zu firafen unter die Vorzüge ber 
älteften Könige der Athenienſer rehnin; fo muß man 
dieſes entweber nur allein von bem Stamme verfichen, 
von welchem: fie. die Häupter waren, ober man wider⸗ 
fpricht auch den obenangeführten Stellen des Thukydi⸗ 
des, Ifofrates und Plutarch, wie den wahrfcheinlichs 
ſten Factis, die ich ſchon angeführt habe, ober die ich 
auch gleih vom Theſeus erzählen werde, Unrichtig 
fließt Goguet Part. U. Liv. I. Ch. IV, Art. I, daß, 
weil Erechteus feinem Bruder Butes das Oberpriefters 
amt abgetreten habe, das leztere auch in der Zolge 
nei von ber Königlichen Wuͤrde getrennt geblieben 
ep. 


— 
— ——⸗ 


Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 5 


et). Noch weit weniger durften fie etwas, was bie 
yanze Nation anging, befchließen und unternehmen, 
ohne das Wolf zufammenzurufen, oder doch deffen Haͤu⸗ 
ner zu Rathe zu ziehen **). Vielmehr waren die Koͤ—⸗ 
nige verbunden , gemeinfchafftliche Angelegenheiten mit 
den Häuptern oder Aelteften des Volks , aus welchen 
nachher in Arhen und Sparta wie in Rom der, Senat 


entſtand, zu überlegen, und ihre Entſchließungen also 


benn dem Volke vorzutragen, doch mehr, wie ich glau⸗ 
be, um fie demfelben befannt zu machen, als um feine 
Einmilligung zu erhalten ***), Die Erbfolge war ana 


fangs in Athen gar nicht beftimmt; ſondern der Kuͤhnſte 
A 


3 und 





*%) Homer. Iliad IX. 156. v. Odyff. XIII. v. 14. Goguet 
l. c. p. 109. zieht faͤlſchlich aus diefen Verſen den Schluß, 
daß bie älteften Könige ihren Völkern hätten Zaren 
auflegen Pöunen. 


*) (G0g. p. 10%. 106. 


ses) Wie Boguet glaubte 1. c. p. 106. So wie überhaupt 
in jenen Zeiten die Rechte und Verbindlichkeiten der 
verfhiebenen Staͤnde nicht genau beilimmt waren; 
fo laffen ſich auch Lie Werhältniffe der Oberſten ber 
Stämme zu den Häuptern ber Kamilien nicht genau 
angeben. Wahrfcheinlich zogen jene diefe in der Bey⸗ 
legung wichtiger Streitigkeiten und in andern Sachen, 
die den ganzen Stamm angingn, zu Mathe, wie fie 
felo von den Koͤnigen zu Rathe aezogen wurden; 
übrigens aber feinen ſie in vielen Zällen eine unums 
ſchraͤnkte und felbft niederdruͤckende Gewalt ausgeübt 
zu haben, wenn anders bie Schilderungen bes Iſokra⸗ 
tes von dem Zuſtande der Athenienfer vor dem The⸗ 
feus II. 131. in Encomio Hel, und das Urtheil des Arts 
ftoteles Aber die Derbefferung der Staatsverfaffung. 
Athens durch eben biefen König ap. Plut, 1,52. richtig 








4 She 


Macht der Könige über das ganze Volk mar viek gerin⸗ 
ger, als bie Gewolt der einzelnen Haͤupter über ihre 
Stämme Die erfte äußerte ſich faft ganz allein im - 
Kriege, in welchem fie die Anführer aller Stämme was 
ren; zur Zeit des Friedens hingegen verſchwand fie größe 
tentheils, und fchränfte ſich auf die unbedeutenden Vor 
züge ein, das ganze Volk oder die Häupter der Stämme 

zu wichtigen Berathfehlagungen zufammen zu rufen in 
ſoolchen oͤffentlichen Zuſammenkuͤnften den Vorſiz und dag 
erſte Wort zu fuͤhren, und an allgemeinen Feſten im 
Namen des ganzen Volks zu opfern und andere goftese 
Dienftliche Handlungen vorzunehmen *). Die Könige 
Eonnten weder von dem Wolfe, noch von den Oberften 
der Stämme Abgaben fordern, fondern alle Einfünfte, 
die mit ihrer Würde verbunden waren, beftanden in frey⸗ 

willigen Gefchenfen, die man ihnen bey feierlichen Ge⸗ 
legenheiten, oder nad) einer großen und tapfern That, 
beſonders nach einem gluͤcklich geendigten Kriege mach⸗ 














*) ib. & Arift. II. 10, Wenn Üriffoteled und andere das 
Recht zu richten und zu ſtrafen unter die Vorzüge ber 
älteften Könige der Athenienſer rehnin; fo muß man 
biefes entweder nur allein von ben Stamme verfichen, 
von welchem: fie die Häupter waren, ober man wider, 
fpricht auch den obenangeführten Stellen des Thukydi⸗ 
des, Ifoftates und Plutarch, wie den wahrſcheinlich⸗ 
ften Factis, die ich ſchon angeführt habe, oder die ich 
auch gleih vom Theſeus erzählen werde, Unrichtig 
f&ließt Goguet Part. U. Liv. I. Ch. IV; Art, I. daß, 
weil Erechteus feinem Bruder Butes das Oberpriefters 
amt abgetreten habe, das leztere auch in der Zolge 
nen von ber Föniglichen Wuͤrde getrennt geblieben 
ep. 


Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 5 


| et). Noch weit weniger durften fie etwas, was bie 


— — 


ganze Nation anging, beſchließen und unternehmen, 
ohne das Volk zuſammenzurufen, oder doch deſſen Haͤu⸗ 
per zu Rathe zu ziehen **). Vielmehr waren die Koͤ⸗ 
nige verbunden, gemeinfchafftliche Angelegenheiten mit 
den Häuptern oder Xelteften des Wolfe, aus welchen 
nachher in Arhen und Eparta wie in Rom ber, Senat 
meftand , zu überlegen, und ihre Entſchließungen ale 
denn dem Wolfe vorzutragen, doch mehr, wie ich glaue 
be, um fie Demfelben befannt zu machen, als um feine 
Einwilligung zu erhalten ***), Die Erbfolge war ana 


fangs in Athen gar nicht beftimme; ſondern der Kühnfte 
A 


3 a 


8) Homer. Iliad IX. 156. v. Odyff. XII, v. 14. Ooguet 
l. c. p. 109. zieht faͤlſchlich aus diefen Berfen den Schluß, 
daß die Älteften Könige ihren Völkern hätten Taxen 
auflegen koͤnnen. 

**) Gog. p. 10%. 106. 


ss), ie Goguet glaubte 1. c. p. 106. So wie Überhaupt 
in jenen Zelten bie Rechte und Verbindlichkeiten der 
verfhiebenen Stände nicht genau bdeſtimmt waren; 
fo laffen ſich auch die Werhältniffe der Oberflen bee 
Stämme zu den Häuptern ber Kamtlien nicht genau 
angeben. Wahrfcheinlich zogen jeme biefe in der Bey⸗ 
legung wichtiger Streitigkeiten und in andern Sachen, 
die den ganzen Stamm angingen, zu Rathe, wie fie 
feld von den Königen zu Rathe gezogen wurden; 
übrigens aber ſcheinen fie in vielen Fällen eine unums 
ſchraͤnkte und ſelbſt niederbrädende Gewalt ausgeuͤbt 
zu haben, wenn anders die Schilderungen des Iſokra⸗ 
tes von dem Zuſtande der Athenienſer vor dem The⸗ 
ſeus II. 131. in Encomio Hel. und das Urtheil des Arts 
ftoteles Aber die Derbefferung der Staatsverfaffung: 
Athens durch eben diefen König ap. Plut, 1,5%. richtig 











find. 


6. | Sachſtet Buch. 


und Gewoliigſe unter dem Volke bemaͤchtigte ſich des 
Throns, wenn dieſer durch den Tod feines iezten Belle 
zers erledigt war, oder verjagte ſogar den regierenden 
noch lebenden Koͤnig, wenn er nicht ſtark genug war, ſei⸗ 
ne Wuͤrde zu behaupten *). Selbſt nachdem es unter 
und nach dem Pandion geſezmaͤßige Gewohnheit wur⸗ 
de **), daß ein Sohn des verſtorbenen Königs das Reich 
feines Vaters erbre, blieb es noch immer unentſchieden 
welcher von ſeinen Soͤhnen, wenn er deren mehrere nach-⸗ 
ließ, den koͤniglichen Scepter fuͤhren ſollte. Es ent⸗ 
ſtanden daher unter Koͤnigs Soͤhnen haͤufig Kriege uͤber 
das naͤchſte und guͤltigſte Recht zum Throne, ſo wie noch 
immer fo wohl große als mittelmäßige Könige von mä 
tigen Familien aus ihrem Reiche vertrieben wurden ***) 
| Hu 


ee 








®) Meurſius de Regno Athen. II. 1. 2. 

es) ib. } 

#®*) Meurf. 1. e. 11. 14. 15. III. 1. Ich habe in diefem Abs 
ſchnitte alles gefammier, was ich in den Ueberlieferuns 
gen der Achenienfer aus den aͤlteſten Zeiten glaubwuͤr⸗ 
diges, und mit der Geſchichte anderer Voͤlker in aͤhn⸗ 
lichen Legen übereinflimmenbeg gefunden babe. Wer 
Luft bat, die Widerfprüde in den alten Ueberlieferuns 
gen, ober bie Zabeln, mit welden fie verfegt find, zu 
lefen, ber nehme nur die beyden erfien Bücher des 
Meurfius vom Reiche ber Athenienfer in die Hand. 
Selbſt Goguet II. 1. IV. war meinem Beduͤnken nad 
wicht vorfihtig genug in ber Prüfung und Auswahl 
aller Sagen, die in fpätern Griechiſchen Geſchichtſchrei⸗ 
bern ſtehen. So glaube ich zwar mit ihm, oder halte 
es nicht für unmwahrfeinlic, daß der Aegyptiſche Ke⸗ 
krops zuerfl die Burg von Athen erbaut oder befeftigt, 
daß er neuen Goͤttern vorher unbefannte Altäre erriche 
tet, und viclleicht auch die verfhiebenen Stämme in 
Attife durch ein wiewohl ſehr loſes oder ſchlaffes Band 

zu 


Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 7 


*In dieſer urſpruͤnglichen Verfaſſung der Athenien 
| fr, die mit der Regierungsform faſt aller barbariſchen 
ıT Wölfe, befonders derjenigen, welche im vierten und 
*; fünften Jahrhunderte Europa uͤberſchwemmten *), die 
"größte Aehnlichkeit hat, machte Thefeus wichtige un 
"war obngefähr ſolche Veraͤnderungen, dergleichen in den 

- Berfaffumgen der meiften Europäifchen Reichen im zwoͤlſ⸗ 

; tm und dreyzehnten Jahrhunderte vorgingen **), Er 
"I plef niche nur die Arhenienfer aus allen Stämmen, fe 
viel ihrer nur wollten, fondern auch Nachbarn und Fremd⸗ 
" lnge nach Achen hin, und wurde der eigentliche Gruͤn⸗ 
der der Stadt , die bis auf feine Zeit nur eine kleine 
Barg von einem geringen Umfange gewefen war. Durch 
- feine Kiugheit, und fein Anfehn, das fich auf außerom“ 
I dentlihen Thaten gründete, vermochte er bie herrſchen⸗ 
-, den Häupter der Stämme dahin, daß fie halb freyroiflig, 

halb gezwungen ihre Gerichtsftühfe aufheben, und ihre 

Gewalt zu richten einem einzigen hoßen Tribunale abtra⸗ 
| Ag “tn, 


KT nn um J 


| zu einem einzigen Volke verbunden habe; allein ich 
zweufle ſehr, ob er zuerſt feſte gefezmäßige Ehen eins 
geführt, und den Arenpag gefliftet habe. Dies leztere 
bezeugen zwar einige nenere Schriftfteller; Meurf.c, 
3 deAreopag. Allein biefe werben durch die (hen von 
mir angeführten Zeugniffe größerer Männer, und burg 
das, was ich gleich fagen werbe voͤllig wiberlegt. 
Wenn Kekrops auch ein Gericht ſtiftete; fo übte diefes 
feinen Gerichtszwang nicht Über ganz Attika, fondern 
hoͤchſtens über die Burg In Athen aus, 

®) Millar’s Obfervations concerning the diſtinction of 
ranks in Society p. 160. & Fergufon’s Eflay on the 
hiftory of Civil Society p. 129. & ſeq. 

), Man fehe Thuc. Iſoer. & Plut. II. cc. 


KT 





.—o ng 


8° „Secchſtes Bug: i 


een, bas in Achen feinen Siz haben, und über alle Bes 
wohner von Attifa, forohl Vornehme als Geringe riche 
sen follte *). Er vernichtete die bisherige Eintheilung 
ber Bewohner von Attika in unabhängige Stämme, und 
cheilte fie alle in drey große Glaffen: nemlid) in Edle ‚ie 
Sandleute, und in Staͤdter, oder folche ein, die ſich von 
Handwerken nährten. Unter diefenverfchiebnen Volks⸗ 
tiaffen gab er.den edlen und alten Gefchlachtern, um fie 
für den erlittenen Verluft ihrer Macht zu entfchädigen, 
Das ausfchließende Recht auf alle hohe und ehrenvolle 
Bedienungen, dem ganzen Wolfe aber, wie es fcheint, 
und alfo aud) den beyden übrigen Claffen die Macht, une 
eer feinem Vorſiz Priefter, Richter,. Führer und ande» 
ve Magiftrarsperfonen erwaͤhlen zu dürfen, 

Durch dieſe weilen und vortrefflichen Einrichtungen, 
zu deren Andenken er mehrere Zelte ftifcete, fchuff oder 
vergrößerte er die Stadt Achen, vermehrte die Bevdifes 
rung des ganzen Landes, gründete die Srenheit des Volks, 
erweiterte Die Macht der Könige, zog alle bisher unabe 
bängigen Stämme näher in ein einziges Volk zufammen, 
und brady die faſt unumfchränfte Gewalt der Edlen und 
Vornehmen, die bis dahin eine Quelle graufamer Be⸗ 
druͤckungen, und unaufbörlicher innerer Kriege geweſen 

| war, 














*) Wenn man in einer Sache, worinn man zu feiner Ges 
wißheit gelangen kann, eine annehmliche Vermuthung 
nicht verwerfen will; fo wuͤrde ich es für das Wahrs 
f&einlichfie halten, daß Theſeus den Areopag geſtif⸗ 
tet, oder wenn vorher ſchon ein Bericht unter dieſem 
Mamen da war, ihm menigflens zuerſt die Gewalt und 
Vorzuͤge gegeben babe, welche der Areopag bis auf 
bie achtzigſte Olympiade beſaß. 


Gefchichte der Griechifchen Sophiſten. 9 


„mar, Mic Recht alfo preifen die größten Schriftfteller 
ı| fe Griechen den Thefeus als einen ber größten Helden, 
I) ber niche nur Griechenland von Raͤubern und Miffethäs 
): en gereinigt, fein Volk gegen auswärtige Feinde tapfer 
t, dertheibige,, und von einem ſchimpflichen Tribut, den es 
ı jähelich nach Kreta ſenden mufte, befreyt, fonbern ber 
ı mich der Urheber feiner Größe, und einer mildern 
Staatsver faſſung geworden fey, die nach gehörigen Vera 


hälmiffen aus Arittofratie und Demokratie gemifcht ges 
e weſen, und felbft vom Lykurg nachgeahmt worden fen *). 
Mit dem Tode des Kodrus, hörte zwar der koͤnigli⸗ 
che Name, aber nicht die koͤnigliche Gewalt auf, indem 
» bie Staatsverfaflung durch die Eintretung der beftändis 
gen Archonten in die Stelle der Könige weſentlich nicht 
ı verändert wurbe *%), Die Vorrechte der föniglichen 
2 Ä Ä 
4) Thuc. II. 15. Iſoer. II. 261. und Arift, ap. Plut. in Vit, 
vi Thefei I. p. 52. 
0 In Attika berrfchten von Kekrops an bis auf den Kos 
drüs fiebenzehn Rönige während eines Zeitraums von 
487 Jahren. Zängt man aber vom Ogyges an zu 
. rechnen ; fo dauerte bie Herrfchaft der Könige noch 203 
1 Jahre länger. Die dreyzehn beftäubigen Archonten, 
die ihnen folgten, regierten zufammen 307 Jahre, 
Wenn man biefe Summen zufammen rechnet, fo fonts 
J men 1016 Jahre heraus, waͤhrend welcher die koͤnig⸗ 
liche, oder eine der koͤniglichen gleiche Gewalt in Athen 
J bauerte, de Reg Athen. IH, 16. 
Eine Nachricht des Heraklides Pontikus: daß bie 
Athenienſer die koͤnigliche Gewalt deßwegen abgeſchafft 
haͤtten, weil die Beſizer derſelben uͤbermuͤthig gewor⸗ 
den wären, verdient entweder gar feinen Glauben de 
| Civ, Athen, oder fie muß auch dahin eingefchränkt wers 
den, daß die Bornehmen darum weiter Peine Könige 
geduldet, weil fie ihnen zu beſchwerlich geworben feyen. 








> EEE 








0: &echfted Bud, . 


Wuͤrde blieben in der Föniglichen Familie, und erbten, 
wie vorher, vom Vater auf den Sohn fort *). Durch 
die Einführung der zehnjahrigen Archonten aber wurbe- 
das Syſtem, was Thefeus gegründet hatte, betraͤcht⸗ 
lich verrückt, indem dadurch die fönigliche, oder eing 
der koͤniglichen gleiche Würde, welche bisher erblich und 
auf einer Familie ruhend gewefen war, allen edlern Sen ' 
fchlechtern durch Wahl mirgetheilt, und alfo die Gewalt 
ber Vornehmen auf Unfoften der ehemaligen Mache dee : 
Könige und des Volks erhoben wurde **). Diefe nem i 
Verfaſſung harte obrigefähr ein halbes Jahrhundert ges ı 
dauret, als die mächtigen herrfchenden Häufer ihre ges : 
wonnenen Vortheile Dazu mißbrauchten,, die Ueberbieiße. : 
fel der föniglichen Gewalt und der Freyheit des Voll ı 
ganz zu vernichten ***), Sie brachten es nämlich das ı 
hin, daß jährlic) neun Archonten aus ihrem Mittel ere 
wählt, und unter biefen alle Vorrechte der ehemaligen 
Könige, oder der bisherigen beftändigen oder zehnjährle _ 
gen Archonten vertheilt wurden +). Ungeachtet wir über f 
die , 
ann — nen — nenne — — 1 


e) Ib. c. 16 

©) Dies geſchah DI. VII. 1. Meurſ. 1. 3. Gemeinigllch 
glaubt man, daß biefe zehnjaͤhrigen Archonten verbuns | 
ben geroefen feyen, von ihrer Regierung Rechenſchaft 
abzulegen. Ich finde aber diefe Meynung durch Fein | 
einziges Zeugniß eines alten Schriftftellere beſtaͤtigt. 
Wenn unterbeffen diefe Magiſtratsperſonen wirklich zur 
Rechenſchaft gezogen wurden, fo geſchah es gewiß nicht 
wor dem Wolke, fondern vor ben vornehmen Geſchlech⸗ 
tern, wie aus ber Folge erhellen wird. 

0) Dies geſchah DI. 24. 3. Meurf. de Archont, I.c.g. 


2) Meurf loc. eit. Unter biefen wurde der erfie Archon, 
der auder BaasAzus, der dritte FoAeuaexos, und 
bie 


Seſchichte der Griechiſchen Sophiſten.  ıı 


Graͤnzen der Macht der alten jaͤhrigen Archonten gar 
e ausdruͤckliche Zeugniſſe haben *), und auch nicht 
Verhaͤltniß derfelben zu bem Areopag, und andern 
en Gerichten zu beftimmen im Stande find ; fo fann 
a doch, theils aus ber Art ihrer Entftehung , theils 
tden Namen , die fie führten, am meiften aber aus 
Nachrichten, und Urtheilen des Ariftoteles über die 
faffung der Griechifchen Staaten.nady den Zeiten 
Könige, mit Zuverficht behaupten, daß die Archon⸗ 
‚ und die Areopagiten, unter welche die erftern nach 
legung ihrer Würde aufgenommen wurden, alle ges 
jebende und ausübende Gewalt in Händen hatten, und 
Volk weber zu hohen Würden, und zu ben Gerichten, 
yzur Ernennung und Prüfung der Magiftratsperfos 
‚ endlich nicht einmal zur Vertheidigung des Vaters 
yes zuließen **). Die Vornehmen waren die einzie 

gen 








die ſechs Übrigen SeomoIerccs genannt. Zu den Zei⸗ 
ten des Ariftides und in den folgenden Seitaltern wur⸗ 
den fie zwar durchs Loos gewählt, Plut. II. p.48ı. Pe- 
tit. Leg. Att. p. 219. Meurf. I.c. Allein urſpruͤnglich 
wurben fie allein aus ben Vornehmen, und zwar burch 
Bornehme ernannt, wie man aus bem Iſokrates II. 
261. und Xriftoteles de Civ. IV. 5. & 13. fieht. 
) Denn alle Nachrichten Griechiſcher Schrifrfleller von den 
Vorzuͤgen und Geſchaͤfften der Archonten gelten nur von 
diefen Magiftratsperfonen, wie .Solon fie eingerichtet 
hatte. Meurſius hat diefe Stellen gefammlet de Arch, 
.c, 9. 

* Man fehe bef. Ariſtoteles V. ı3. Kay n Horn ds 
roAreia sv rois EAAnow eyevero era Tas P- 
DIAEIES , EN TOv MoAeusyrav. N mev eg wexns 
ex TV IMTERV. TA YOE IOKUV Holy TV UTELO- 


Km 


m: Sechfied Buch, 


gen Priefter ober heifigen Diener der Götter, bie einzig 
gen Richter, Geſezgeber, Heerfuͤhrer und Krieger; die 
Mittelmacht hingegen, die ſonſt in der Perſon der Ko⸗ 
nige und beſtaͤndigen Archonten das Volk gegen die Be⸗ 
druͤckungen der Vornehmern geſchuͤzt, und beyde einiget⸗ 
maßen im Gleichgewichte erhalten hatten, war gang 
aufgehoben, und das Volk in einem Zuſtande von Scka⸗ 
verey und Erniedrigung, aus dem es ſchien, daß es 
nicht anders als durch eine gewaltſame Revolution her⸗ 
ausgeriſſen werden. koͤnnte *). IJ 





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2) Wenn man die Merkmale lieſt, die Arifloteles vom einen 
Oligarchiſchen Staate angibt; fo wird man finden, ba 
die meiften auf die Verfaffung von Athen, von ber - 
vier und zwanzigſten Olympiade an, bis auf bie Ges _ 
fezgebung Solons paffen. IV. 5. de Civit. Das fichers 
fie Kennzeichen der Diigarchie , fagt Ariftoteled, If 
biefes, wenn bie erfien Magifiratsperfonen nur aus 
Wenigen von Wenigen erwänlt werden; und dieſes 
fand wirklich in Athen ſtatt. — In biefem Zeitalter 
ber Dligardhie, oder wenn man lieber will, ber druͤ⸗ 
enden Ariſtokratie hatte ein jeder Archonte feine eigen 
uen Befchäffte, und übte die ihm übertragene Gewalt 
einzeln ,„ und an befondern, lägen der Stadt aus, 
Meurf. I. 9. de Arch. Diog. Laert. I. 58. Selbſt bies 
fer Umſtaud beweift, wie viele und große Vorrechte fie 
muͤſſen befoffen haben. 


Gefchichte der Griechifchen Sophiften 13 


Diefe Uebergänge von Königen zu befländigen Ars 
mten, von befländigen Archonten zu zebnjäbrigen, 
r zehnjährigen zu neun jährlich gewählten waren freye 
din Athen, wie in den übrigen Griechiſchen Staaten, 
ı beftändiges Fortfchreiten zur Demokratie, weil diefe 
ft anders als aus der äußerfien Unterdruͤckung des 
Mes durch die Vornehmern entftehen Eonnte 5 allein 
n irete ſich gewaltig, wenn man fid) einbildete, daß 
dieſe Schritte eben fo viele Fortgaͤnge zur bürgerlis 
n Freyheit und Gleichheit geweſen wären *). ‘Die 
her erwähnten Veraͤnderungen der Athenienſiſchen 
taatsverfaſſung wurden nidye vom Wolf, ober zum 
eften des Volks, fondern von ben Vornehmen zue 
werdrüctung beflelben, und zur Erweiterung ihrer eis 
en Gewalt veranfialte. Diefe Gewalt der Edlen 
x, wie die Knechtichaft der Geringern, um deſto grös 
', da es bis auf den Drafo gar feine gefchriebene, 
x genau beftimmte Geſeze gab, nad) welchen Strei⸗ 
keiten hätten gefchlichtet, oder Wergehungen rechtmäs 
ı härten geftraft werden fönnen, und da noch viel we⸗ 
ver eine Höhere Macht eingefezt war, durch welche die 
ichter zur unpartbenifchen Arengen Verwaltung ibres 
nts angehalten, oder wegen ungerechter Ausiprüche, 
‚üchfigt worden wären. Alle Nachrichten von auss 
iflichen oder gar gefchriebenen Gefezen des Kefrops, 
e Geres, des Triptolemus und Thefeus fönnen nach 
ser genauern Prüfung für nicht viel mehr als grundlofe 

_ Era 





e) So irrten @®oguet II. 1. ch, 5. und alle andere Ge⸗ 
ſchichtſchreiber und Beurtheiler der Athenienſiſchen 
Staatsverfaffung. 


14 Sechſtes Buch. . 


Erbichtimgen fpäterer Zeiten gehalten werben, fo w 
es ſich laͤugnen läßt, Daß ſich unter den Bewohnern 
Attika von ben Zeiten ihrer erfien Vereinigung an, ı 
mehr aber feit der Einführung tes Aderbaues, und 
feften unbeweglichen Eigenthums alte gefezliche | 
wohnheiten und Herfommen gefunden haben, durch t 
che tie Rechte der Väter über ihre Kinder und Weil 
die Vorzüge ber Erfigebornen, die Anfprüche aͤchter 
maͤchter Kinder beyderley Gefchlechts auf den vätı 
chen Nachlaß, die Erhaltung der Güter in den Fa 
tien, und die Verhaͤltniſſe zwifchen Mann und Frau 
nigermaßen beftimmf wurden *). Nad) folchen gefe 
chen Herfommen, oder auch nad) Gurdünfen und 
türlicher Billigfeit wurden die Athenienfer von den V 
gliedern des Areopags gerichtet *). Vor dem Dr 
a 








U nd 


*) Dergleichen find diejenigen, die Goguet P. II. Liv. T. 
IV, Art. VIII. geſammlet Bat, wo man auch bie ang 
lichen Geſeze des Kefrope, Triptolemus und Thefi 
genannt findet. Unter diefen ſeyn follenden alten ( 
fezen,, pflegt man ficb am meiften auf die des Zriptı 
mus zu berufen. Allein außer daß fie ganz allein ı 
einem jüngern , und böchft leichtgläubigen und unzur 
laͤſſigen Schriftfiellee angeführt werden, iſt dad e 
©efez, was bie Eltern zu ehren gebietet,, gar fein ( 
fe, und die beyben andern, bie unblutige Opfer v 
ſchreiben, und den Thieren Leides zu than un'erfag 
niemals in Attika ausgeübt worden. Das zwente I 
fer Befeze wurde von andern’ Erbichtern balb dem ! 
krops, bald dem Drafo zugeeignet. 

u.) Mor dem Drako war ber Areopag das einzige böd 
Gericht, was über alle Todesverbrechen richtete, D 
Po ſezte noch vier andere Gerichte ein, benen die Ar 

pagiten einige Sachen abgeben muſten. Die Bewı 
ſtellen werde ich gleich an nn 


Schicte der Griechiſchen Sophiften. 15 


der waren nicht einmel die Strafen der gemeinften, 
md in jenen Zeiten fo häufigen Verbrechen, des Mordes, 
Ks Ehebruchs, Diebftahls und der gewaltſamen Schän« 
bang durch Gefeze beftimmt *), und man fann daher 
von den Arhenienfern vor der neun und dreyßigſten Olym⸗ 
«, piade mit Recht fagen, daß unter ihnen mehr der Wille, 
n, md das Gutduͤnken der Vornehmern als das Geſez Rich⸗ 
„il ter geweſen ſey, und daß ihre Verfaſſung alſo für eine 
dl ehr gemaltfame Oligarchie oder Ariftofratie gehalten 
u werden muͤſſe **). 
; Durch 
2 
7 
©) Dies fagt Strabo VI. 398. Ed. Caf. und wird auch aus 
ah der Geſezgebung des Drafo offenbar. 


a) Es iſt, ſagt Ariſtoteles, ein Beweis von Oligarchle 
| 6ray wexyn MMO vonos, @AA ol wexovres 
IV. 5. de Civ. — In ben alten Rednern werden häus 
Cı fig Geſeze des Areopags erwähnt, die in eine Säule 














es eingegraben waren, und an dem Drte, wo dies Gericht 
7 faß, aufbewahrt wurden, Meurf de Areop. c. 3, &e. 
e⸗ Aüein dieſe Geſeze waren nicht ſolche, welche der Arcos 
le: pag gegeben hatte, ſondern bie ihm vom Drafo und 
4— nachher vom Solon waren geſchrieben worden, Hätten 
ꝛer ſich beſtimmte Strafgeſeze vor dem Drako gefunden, 
ef fo würden die Oeſeze dieſes Mannes überfläffig gewe⸗ 
Bu! fen, und ihrer ſowohl vom Drako ald Solon gedacht 
or worden ſeyn. Solon ſchaffte einige Geſeze des Drako 
en ab, und anbere behielt er bey, aber von Geſezen des 
dir Areopags fagte er gar nichts... Wollte man unterdeffen 
Ko ſolche Areopagitiſche Geſeze annehmen, (und unwahr⸗ 

ſcheinlich iſt es nicht, daß die Areopagiten Urtheile, die 
1 fie einmal ausgefprochen hatten, auch in der Zolge in 
ro ähnlichen Faͤllen zur Richtſchuur genommen haben) ſo 
eo ° würden auch dieſe beweiſen, daß die Vornehmen bie 
ib gefeggebende Macht in Haͤnden hatten. 


Se WE 


Durch die Geſezgebung des Drafo, der von mie ® | 

rernalten Schriftftellern der erfte Geſezgeber der Afes= 
enter. genannt wird *), wurde zwar dem Mangel bp 
Kimmeer Strafgefeze einigermaßen abgeholten , alleu > 
die Verfaffung und Sage des Arhenienfifchen Volks brief lie = 
wicht nur unverändert **), fondern wurde nody viel mehe #3” 
durch Die tyrannifche Härte der Drafonifchen Geſeze ver⸗ »D 
feylimmert. Er beftrafte den Fleinften Diebſtahl, der = 
Saum’ biefen Namen verdierite, und felbft den Müffig >= 
gang. mit dem Tode, oder mit ewiger Schande, un 13 
machte dadurch die Richter zu Herren des Lebens, und IB = 
ber Ehre eines großen Theils des Volks **), Sowehl ms 

















GEEEEEEEEEEREn 


#) Gell. XI. 23. Suidas in Voce Draco. Er gab feine * 
| ſeze DI. 39. 1. Meurf. Solon. ce. 12. = 


1a 
“*) Drako war nur, um mich einer Eintheilung des Arl⸗ | 
 . floteles zubebienen, vouwv dnmieeyos nicht aber auch 
Tns WONTEIES wie Lykurg und Solon II. de Civit. 
. 20. Die ein und fünfzig neuen Richter, die er allein Tun 
aus den Vornebmern wählen. ließ, und in fünf Dias wie 
„ ferien vertheilte Pollux VII, 10. übten gememnfchaffte 2 
lich nur die Gewalt and, welche bisher ber Areopag . 
allein gehabt hatte. Ueber diefe fünf Ditafterien, de VF 
nen die Unterſuchung und Beſtrafung von Todesvers 
brechen anvertraut war, ſehe man Demoſt. in Timocr, ' 
437 feq. Ariſt. V.ı6 de Civ. | — 
a) Plut. in Sol, I. 349. Pollux VIII. 6. Gell..e. Da # 
mades fagte daher von ihm, daß feine Gefeze nidhe « 
MeAcvos, wie wir und ausdräden wärden mir Din⸗ 
se, fondern mit Blut gefchrieben wären. Plur. J. c. | 
Heraklides fpielte mit dem Namen bes Gefezgebers und 
ſagte, daß die Geſeze des Drako nicht von einem Wiens 
den, ſondern von einem Drachen gegeben wären, Arift, 
| Rhet. 


Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 17 


e, als bie meiften übrigen Geſeze des Drako, fra, 
unverfennbare Spuren an fi), aus welchen man 
immt, daß fie zu den erften rohen Berfuchen der Ges 
bung gehören, und man fann aud) von ihnen ſa⸗ 
1, was Ariftoteles von den alten Gefezen der Gries 
n überhaupt urtheilt, daß fie fehr unzwecfmäßig und 
bariſch gemefen feyen *). Drako nahm ſich in feinen 
fegen eben fo wenig vor Widerfprüchen in Acht, ais 
das rechte Verhaͤltniß zwifchen der Größe des Ver. 
chens und ber Strafe beobachtete. Auf der einen 
eite verurtheilte er die Entwender der unbedeutendften 
feinigfeiten zum Tode, und ftrafte Dagegen Mord oder 
efesiichen Todrfchlag nur mit ewwiger Verweiſung, und 
m Berluft aller Büter **). Er nahm fogar Mörber 
feine gewiſſe Art in Schuz, und forgte für ihre Si⸗ 
t, indem er es unterfagte, fie jenfeit der Gränzen 
8 Attiſchen Gebiets zu verfolgen, und alle Diejenigen 
e Mörder erklärte, und als ſolche zu töbten erlaubte, 
e Moͤrdern unter einem fremden Volke Schaden zufüs 
m ober fie töbten würden ***). Er geftattete zwar den 
lwerwandten der Erfchlagenen, Mörder, wenn fie fich 
a, wo fie ſich nicht mehr aufhalten follten, betreten 
kßen, zu greifen, fieins Gefaͤngniß zu fühtenz), und ° 
| wenn 
Rhet. II. 25. Selbſt Arifioteles urcheilte, daß feine 
Gefeze gar nichts eigenthämliches oder merkwuͤrdiges, 
als allein ihre Äbertriebene Härte härten. de Civ. IL. ı0. 
9 De Civ. 11. 6. p. 176. Ed. Heinßi, | 


®°) Demoft. in Timoer. p. 441. Meurf, Them. Att. 1. 15. 
II. ı. Petit. Leg. Att. de Sicariis VER, ı. 


—V ib. ) pr 440. Dem, 
Zweyter Band, B‘ 








2 


X 


IN / 


| 177 | .. . Sechſtes Buch. 3 X — 
wenn ſie vom Gerichte für ſchuldig befunden worden, 


zurichten; affein er verbot es ben Blutraͤchern aufs ft 
ſte, Mörder in ihre eigne Haͤuſer zu bringen, fie zu 
tern, ober Geld von ihnen zu erpreſſen ®). - 


! 





©) ib. Iqh table es im geringſten nit, daß Drako bei 

vden Wuth der Blutraͤcher Graͤnzen fezte, ſonder 

‚96 vielmehr mit dem Demoſthenes, daß er nid, 
Mache des beleidigten Theile, fondern das Geſe; 

Räder von Berbrechen ; machte. Allein das tadl 

Daß er, der die geringſten Vergehnngen fo unerbi 
ſtrenge firafte, fo milde gegen bie gefährlichfien 

zer der Öffentlihen Rube uud Sicherheit war, um 

er vorfezliche Moͤrder für unſchuldig erklaͤrte, fo bi 

ur das Gebiet, auf welchem fie gefänbigt hatten, 

den verlaffen haben, Zu feinen heilſamſten ©: 

' gehörten unſtreitig diejenigen, welche er Äber bei 

wallkuͤrlichſten Xodtfihlag „. und über das Strafrech 
jenigen gab, an deren eigenen Leibern, oder an 

bern, ‚oder Müttern, ober rauen, ober Toͤd 

oder Beyſchlaͤferinnen man Gewalt ausgeäbt h 

oder ausüben wollte. Er ſprach die erſtern von 

Gtrafe frey, und verlieh dem leztern die Made, 
Maͤubern ihrer eignen oder Blutsverwandten 

And Unſchuld anf der Stelle das Leben zu nel 

Demoſt. 435. 40. Die Athenienſiſchen Redner m 

‚oft, fo wie einzelne Zacta gerifie, alfo auch gi 
Geſeze and Einrichtungen Älter, ald fie find, um 

Suhörern zu ſchmelcheln. So gibt Aeſchines bie 

‚Brefflichen Geſeze über die Erhaltung der Unfeguli 

Knaben und Yünglingen, bie gewiß alle vom Solo 

‚ xhbren, für Geſeze des Drafo aus p. 171. Ed, \ 

inter Demofth. opera, Daß biefe Gefeze nich 

Drako zum Urheber. haben, erhellt ans den Zeug: 

des Plutarch E 349. in Sol, und faſt aller Ab 

Schriftſteller, welche bezeugen, daß Selon une 

‚We Gefege des Drake wider Moͤrder uud Todtſch 





\ 


Lo: 


Geſchichte der Sriechifchen Sopsiften. 19 


Wie treffend die Schilderung fen, bie ich von ber 
sfoffung Athens unter den jährigen Archonten geges 
ı habe, und wie wenig biefe Verfaſſung durch die Ge⸗ 
aebung des Drafo verbeffert worden, wird am meiften 
wc den Zuftand bewieſen in welchem die Athenienſer 

2 


ſich 








beybehalten, und alle uͤbrigen abgeſchafft habe. Auch 
Demofthenes ſchreibt die Geſeze Aber Mord und Todt⸗ 
flag, deren er in feiner Nede wider den Ariſtokrates 
erwihnt, dem Drafo zu, ungeachtet in einem derfels 
hen von der Heliaͤa geredet wird, welchen Gerichtahof 
erſt Solon fliftete, man ſehe Demofth. p. 432. Für 
gänzlich nutergefchoben halte ich das Geſez des Drake 
beyım Porphyr: daß man die Götter umd Helden, bie 
Ietita beſchuͤzen, nach väterliher Weiſe, aber ohne 
Bintige Opfer verehrten ſolle. Wenigſtens fagt Maris 
mus Xyrins or. 29. daß Drako gar Peine Geſeze über 
den Goͤtterdienſt gegeben habe. 

Merkwuͤrdig iſt es, daß die Athenienfer unter den 
Archonten gar Peine, und unter ihren Rönigen nur eis 
nige, aber ſehr unbebeutende auswärtige Kriege gefährt 
haben. Selbſt die Arbenienfifhen Kebuer wuſten in 
sen Lobreden, die fie auf ihr Volk hielten, Feine ander 
ze große ober glorreiche Thaten anzuführen, als den 
Sieg des Thefeus Über die Amazonen und den Eurps 
ſtheus, der die Herakliden verfolgte, ferner den Krieg 
mit ben Thebanern, bie ben Argivera ihre in ber 
Schlacht gefallenen Mitbürger nicht ausliefern wollten, 
und endlich bie Ueberwindung der Bewohner des Pelos 
ponnes durch den Heldentod des Kobrus Lyf. EriTaD. 
p- 28. &fq. Iſoc. orat. I. R 146. Diefe Rube, deren 
bie Achenienfer von den Altefien Zeiten an genoffen, 
war, mie ih (don im erflen Theile aus dem Thukydi⸗ 
des 1. 2. bemerkt babe, die Urſache, weßwegen ihre 
Sitten fich früher milderten, und warum fie aud im 
Stande waren, fo zahlreiche Eolonien erſt in ben Per 

: Voponnes, und nachher nach Mfien au fhiden, © 


fich ohngefaͤhr ein halbes Jahrhundert nach dem Drako 
fanden, und durch welchen die Geſezgebung Solons ver, 
anlaßt, und nothwendig gemacht wurde. Kurz vor Die 
fem großen Schöpfer der Arhenienfifchen Staatsverfaf 
fung *) waren die Bewoßner von Attifa in drey. Parı 
tgeyen gefpalten, Wovon eine jede Die andere zu unter: 
drücken, oder zu vernichten fuchte **), Der Pöbel oder 

2 | | dei 








—7—s 
- Vid. Solonis frag, ap. Demofih, p. 234. Ed. Wolßi 
FAaracı $ adınaıs seyuacı BEIOMEVON. 
| 0 iegwv nreavay, 8Te TI dnnocsav. 

. DewWopevoi. KÄENTECW ED aenayn aAAo0Ie 
’ | BEAXS , 
Tosur'ndn moon Mokei EEXETOIEAROS aDdunTer 
: EIS DE KEHNy TAXEwS NAude daAosuvg. 
‘ 1 soow eu DuAov , ToAsuov Yeudors’ ame 
= Yeaıpcı &c, 
Vid. Ari. II. 10. de Civ. ZoAwva d evios EV osov 
Fo (and von diefer Meynung war auch Arifloteles 
| wie das ganze Sapitel lehrt) vouodernv YererIe 
 O780810V. OASYRENIOY TE Yap xœrToœMu—œo⸗ 
Aay angıTov BCAV, Hab deAzvovr& Toy Öno 
TERUTO , Ko ONMOHRGETIEY KATaSNaa Toy ra 
Teiav , ——— HAUS Tv FMreucu. vid 
etiam Plut. in Sol, p. . 39. As. R 
Edit, Reiskii. p. 338. 39. 45. Tom. I, open 
9) yo Toy Asangımy Yevös oder die Bewohner ver gı 
bärgichten Gegenden fehnten fih nach einer demofrat 
ſchen Verfaſſung ro Tov edıewv, ober bie Vornel 
men und Eigenthämer fuchten die Dligarchle zu beha 
pten: und 05 TaeaAoı ober bie Anwohner bed Meel 
ufers hielten dieſe beyden feindlichen Partheyen einige 
saßen im Gleichgewicht, damit fie nicht in offenbe: 
Krieger Thatiichkeiten ausbraͤchen. PL. I. c. 


Seſchichte der Griechiſchen Sophiſten. ar 


ver große Haufe war den Vornehmen gänzlich untere 
fan, und murde von ihnen auf das graufamfte gemiße 
handele. Die Reichern zwangen nämlicd) die Armen, 


! Welßee Schulbner waren, entweder als Leibeigne ihre 
Felder zu bauen, oder gar ihre eighe Söhne und Töchter 


". zu serfaufen, oder auch ſich felbft als Sclaven zu übere 


"geben, in roelchem Falle fie oft an Ausländer verhandelt 
| wurden. Durch Diefe Härte ber Gläubiger wurden viele 


Arhenienfer genöthige, ihr Vaterland zu verlaffen, und 
Solon rühmte ſich felbft, "daß er durch feine Geſezge⸗ 


. bung eine Menge von Bürgern zurücgeführt habe, bie 
. fihon ihre Sanbesfprache verlernet, und eine fremde ober 


barbarifche Sprache angenommen hätten *). Die Nele 


chern ımterdrückten aber nicht bloß bie Aermern, ſondern 


„ Viinderten auch den öffentlichen Schaz, und beraubten 


: figar Die Tempel der Götter **) Der ganze Staat 


- war baber in einer folchen Zerrüctung, daß man nicht 


glaubte „ daß er anders, als durch die Ernermung eines 


| uneingeſchraͤnkten Heren wieder hergeftellt werden könnte, 


Die Kühnern und Staͤrkern aus dem gemeinen Volke 
gingen auch wirflich mit bem Gedanken um, fid) einen 


| trenen, ſichern und tapfern Sührer zumählen, ihreüber« 


mithigen Unterbrücfer zu erwuͤrgen, alle Laͤndereyen von 
'neuen zu vertheilen, und eine ganz neue Regierungsform 
hren ***), 
In diefer Sage der Sachen, fingen bie Reichen 


ſelbſt an zu fühlen, daß ihr gefezlofes Regiment nicht 
33 laͤn⸗ 








” Vide Solonis frag. modo eit. & Plut. I, 345. 
#0) Solon in fragm. 1. c 
ani) 338, 39. Plut, in sol. vita I, 


Hänger beftehen koͤnne, unb daß eine fürchterfiche Revo⸗ 
fution nahe fen , bey welcher fie, als ber wirklich ſchwaͤ⸗ 
here Iheil, nothwendig am meiften verlieren müßten, 
Sie wünfchten daher eben fo fehnlich von ber immer 
wachfenden und gegründeten Furcht, geben und Güter zw 
‚verlieren, als die Yermern von der Saft ihrer Schulden, 
und den daraus entftandenen Gewaltthaͤtigkeiten befreye 
zu werben. Beyde fahen fich nad) einem Retter um, 
der den Staat vor einem fonft unvermeidlichen Verder⸗ 
ben bewahren fönnte, und diefen fanden fie bald in Sos 
fon, einem Manne aus einem alten, aber damals nicht 
fehr begüterten Gefchlechte *), der wegen feiner Weis 
heit und Rechtſchaffenheit allgemein berühmt und geehrt 
war, ber weder mit den Reichen gedrückt, noch mit den 
Armen gelitten, und fich fehon große Verdienfte um feine 
Mitbürger erworben hatte **), der auch wirklich die Tu⸗ 


genb 


®) p. 314. 18. Plut, Er war aus dem Geſchlechte der Ras 

driden. 

au) p. 339. Plut. Er war vorzuͤglich Urſache, daß bie, 

welche ben Bott zu Delphi und feinen heiligen Tempel 

geſchaͤndet hatten, für diefen ihren Frevel geflraft: daß 

Biejenigen,, welche bie Anhänger des Kylon wider ihe 

gegebenes Wort felbft an heiligen Pläzen umgebracht 

hatten, vor Gericht gezogen und verurtheilt: daß end⸗ 

lich Epimenided aus Kreta herbey gerufen wurbe, um 

bie Stadt von aller Schuld, die noch auf ihr ruhen 

mochte, zu reinigen, und die verwilberten Gemuͤther 

der Athenienfer durch Religionsgefühle,, und neue feye 

erliche gottesdienftlihe Handlungen fanfter zu machen. 

Plut, 333- 36. Plutarch fagt, daß Solon diefen Geut 

gefälligen Mann, der ein großer Prophet in feinen 

Volke war, als einen Borläufer oder Worbereiter zu 
feiner Geſezgebung gebraucht habe. 


’ 











Gedichte der Griechiſchen Sopfiken 23 


; gb. mehr als. Reichthum liebte *), und das Wohl fels 
| ws Baterlandes eifriger, als eigne Herrfchaft fuchte**). 
Wegen dieſer hervorſtechenden Vorzüge, erwaͤhlten ihm 


die Partheyen im dritten Jahre der ſechs und vierzigſten 


h 
| 
' 
) 





D4 Olym⸗ 








——— 


®) Vide ĩpſ. fragm. ap. Plut. I. p. 317 
KENMEETOS du IMEIEn EV exem, —X —RXC 


un eIeAw. Favros ussgov yAdE dımn. 


wur ©. 318. MoAAoı yaa ABTECI worxor a yaren 


. de mevavraı, 
AA. npeıs suros a diesmenVowede 
INS OLETNS- Toy TÄBTOV. ETEL TO MV EUTE- 
ve 


xenpara 8 avdenmav mAAoTe oAAor eryen 


9) Wiele feiner Freunde ermunterten ihn, fich zum unue 


— — — — 


ſchraͤnkten Herrn von Athen zu machen, allein er ſchlug 
es mit bewundernswuͤrdiger Standhaftigkeit aus, feſt 
Aberzeugt, daß die Begluͤckung feiner Mitbürger, sub 
die Erſchaffung einer neuen beilfamen Negierungsforms 
ihm groͤßern und dauerbaftern Ruhm bringen würde, 
als bie ungerechte Anmaßung einer Gewalt, die er nur 
wenige Jahre behalten, und vielleicht nicht einmal, 
aber doch nich anders als durch neue Ungerechtigkeiten 
behaupten könne: J 

sı de ns, (fage er beym Plutarch p. 341.) Pe 

sun mosreidos (Tugawıdos Yap nass (öms 

aeg 8 nadtnyaun) Miovaı os 06. 

Too uva HAEOS, 8dev audapaı. TAEY Yaa 

ode vınnasw donsıv mavTas avIERTES, 
Seine Zeitgenoffen konnten ſich nicht zu ber uneigen⸗ 
nuͤzigen Vaterlaudsliebe, oder der edlen Ruhmbegierde 
erheben, welche ven Solon bie hoͤchſte Gewalt verachs 
ten machte. Sie legten ihm vielmehr feine Gleichguͤl⸗ 
tigkeit gegen eine Koͤnigskrone zur Einfalt aus. 

&%, sDu (fagten fie Solon frag, ib.) ZoAwy BaIu- 

Deo, 


24 Sechſtes Bud. 
Olympiade, etwas weniger als ſechs hundert Jahrel von 
Chriſti Geburt, nicht nur zum Archonten, ſondern auch 
zum Geſezgeber *), und gaben ihm unumſchraͤnkte 
Macht, den Staat nach ſeinen beſten Einſichten zu ord⸗ 
nen, alle Geſeze oder Aemter, die ihm nachtheilig fehle 
nen, abzuſchaffen, und hingegen andere, die er für nuͤz⸗ 
lich halte, zu geben und einzufezen **). So lebhaft 
Solon feinen Mitbürgern vorber die Greuel der Anar⸗ 
hie und Gefezlofigfeit gefchildere, und fo Fraftig er ſie 
auch zur Einführung einer befjern Regierungsform ets 
mahnet hatte ***); fo fehr zwenfelte doch diefer große 
Mann eine Zeitlang, ob er felbft an das wichtige Werk, 
deffen Vollendung man von ihm erwartete, Hand anle 
gen follte, weil er fi) vor dem Uebermuch der Vorne 
mern und vor der Bierigfeit der Geringern fürchtete }). 
Endlich gewann aber doch zu feinem unvergänglichen 
Ruhm, und zum Heil feines Vaterlandes, die Begierde 
feinen Mitbuͤrgern zu dienen, über feine Befürchtungen 
die Oberhand, und er fezte ein Unternehmen muthig und 
gluͤck⸗ 








Dewv, ade BsAneıs avne. Er9Aw Yae Yes 
edorTos, &UTos 8 ede£aero. x. T. M. | 

®) p. 339. Plut.. 

®*) Plut, I. 348. — x Tov 00Awv TNS Kolıreias 

dogdwrnv was vonodernv amedeıkav. 8 To men, 
Tu 0 8%, mavre D öuaims emıren)avres, 
BEXES, ENHÄNCIOS , dinassneıc, BsAos. nous Fi. 

np TETWy ENaSE, Mas EDV nos are 

ogICvTo, Auovra ns DUACTTOVTE TOy UT 
xovrav nu nadeswrav oTı doxom. 

““®) Vid,. fragm. sp. Demofth, p. 234. 

?) ap. Plut, p. 339. 


Behticte der Erieifhen Sopfifen. 5 


dich durch, worinn er fih anfangs nicht ohne aͤngſt⸗ 
e Eorge eingelafjen hatte *). 
Schon gleich die erften Schritte, bie Solon als 
fgeber that, zeigten, wie lange er über das, was 
hit ausführen follte, nachgedacht hatte, und wie fehr 
u gefchickt war, das erhabene Gebäude von Gefes 
zu errichten, welches die großen Schriftfteller und 
ntskundige in allen nachfolgenden Jahrhunderten als 
unverbeſſerliches Mufter einer volllommenen Regie 
geform für ein ſolches Volk, als das Achenienfilche 
x , bewundert haben **). Er fing bamit an, den 
| 5 kran⸗ 








Es war eine bloße Verlaͤnmbung bes Phanias von Less 
bes, wenn er fagte, daß Solon durch beträgliche Vers 
beißungen zur Ehre eines Arhenienfiihen Geſezgebers 
gelangt fey. Er babe (erzählte dieſer Schriftſteller) den 
Neichen eine Beſtaͤtigung aller ihrer Forderungen, und 
ben Armen die Anstheilung aller Ländereyen verfpros 
hen ap. Plut. 39: Wenn dieſe Nachricht auch niche 
mir denn ausdrücklichen Geſtaͤndniſſe des Solon firitte 
ib. fo würde man fie doch deßwegen verwerfen müffen,, 
weil eine ſolche Werfchmiztheit dem ganzen Charakter 
des Solon wiberfpricht,, und auch andere Beftunungen 
und Abfichten voraus fest, als Solon durch feine Ges 

. feggebung zu erreichen fuchte. 


0) Alle Zapler der Geſezgebung Solons verwechſelten die 
—— und Verderbniſſe der Achenienfifchen Ver⸗ 
fung, an denen ihr Urheber unfhuldig war, mit den 
Einrichtungen, die Solon gemacht hatte: dies that 
unter den Alten vorzüglich Polybius VI. 42. und uns 
ter den nenern Goguet II. 1. Ch, IV. i. Vom leztern 
wımbert es mich um deſto mehr, baß er fo ganz verfchies 
bene Dinge und Zeiten verwechfelt hat, da er ein fleis 
iger Lefer des Ariſtoteles war, ber ihn an vielen 
Stellen eines beſſern hätte belehren koͤnnen. 


2: Cedhfie Buch. 


kranken Staatskörper zu heilen, und bie e __ 
Uebel zu befämpfen, die bisher die Hauptquelle 
Unordnungen gewefen waren, und wenn fie fortgebammm 
‚hätten, auch inimer eine Quelle von Aufrühren und il 
‚einigfeiten geblieben wären. Er bob auf einmal bie num 
‚berifchen Gefeze bes Drafo auf *), biejenigen aue— 
nommen, welche diefer Gefezgeber wider Mörder er- 
Todefchläger gefchrieben hatte; und tilgte zugleich — 
Schulden, oder verminderte fie doch fo fehr, daß = 
aufbörten, befchwerlich zu ſeyn **). Mit diefer lem. 
Einrichtung waren anfangs fo wohl Arme als Reihe - 
‚zufrieden, indem bie einen eine gleiche Austheilung = 
Güter, und bie andern eine ungefränfte Erhaltung _ - 
res Eigenthums gehofft hatten ***). Allein beyde — 
ben bald die unumgängliche Nothwendigkeit und He 
ſamkeit der allgemeinen Schuldentilgung ein, und ſtix 
sen zum ewigen Andenfen berfelben ein Seft, bas 
Namen ber Abwerfung ber Saft erhielt, unter weich 
das Volk bisher gefeufzt harte +), Zugleich verbot E 
Ion zur Verhütung eines ähnlichen Unglüds auf 2 








. %) Plut. I. 349. 

®*) Heracl. Pont. de.Civ. Athen, Plut. I, 344. Nur 
nige Schriftfleller, und unter diefen Audrotion, fag 
daß Solon nicht alle Schulden getilgt, fondern nuı 
durch vermindert habe, bag er die Zinfen ermichel 
und den Werth der Münzen un ein Viertel erb 
Plutarch felbft haͤlt dieſe Meynung mit Recht füı 
wahrſcheinlich; denn die Zinſen blieben auch in de 
ge ſtets ſehr hoch, indem man nach den Geſezen 
von hundert fodern konute. 


cy Plut. I. 345. 
N ib. p 348. 


Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 27 
m, daß ein Athenienſiſcher Buͤrger jemals ſich ſelbſt 
ind feine Freyheit feinen Glaͤubigern uͤberantworten, oder 
feine eigne Kinder als Sclaven verkaufen ſolle, ausges 
men wenn Die leztern ihre Ehre und Unſchuld muth⸗ 
fwilee Weiſe geſchaͤndet hätten *). | 

KR  Nahviefen Vorbereitungen ging Solon zur Um⸗ 
ſcheffing der Staatsverfaffung felbft fort. - Er madıte 






es zur Örmdlage feines Syſtems, daß nicht wie bisher 
ein kleuer Theil des Volks herrfchen, und der größte 
Thel deſebigen dienen, ſondern daß das ganze Wolf im 

n Weg da hochſten Gewalt fenn ſollte. Er übergab da⸗ 
ehx der Volk und diefem allein die Macht, in feinen 
) age rechtmäßigen Verſammlungen, in welchen 
» Der Reihe nd Vornehme nichtmehr als ber Arme und 
W einge galt, durch die Mehrheit der Stimmen Krieg 
N ud ätiede zu befchließen, Bünbniffe mit andern Staa« 
re tm crichten, zu erneuern ober aufzuheben, alle Ma⸗ 
; Shratsperfonen zu wählen, zu prüfen, und wenn fie ihe 
# atgewiffenlos verwaltet hätten, zu beftrafen, endlich 
de Geſeze abzufchaffen , und neue nüzliche einzufüh- 
m), Die Gerichtsbarkeit theilte er unter das Wolf 
wie Tribundle aus, die in den dlteften Zeiten oder 
ah vom Drafo waren errichtet worden ***), Die Un⸗ 
erſuchung und Beſtrafung aller öffentlichen Verbrechen, 
des Mordes , des Todtſchlags, der Vergiftung , bes 
gewaltfamen. Angriffs und gefährlicher Werlezungen, dee - 
Varaͤtherey des Vaterlandes , ber Verderbung ber vaͤ⸗ 
ter⸗ 








. 51. Plut, 
et se. lſoer. 1.319. & ſq. & Ariſt. II, 10. 
“ib _ | 


terlichen Religion u.f. vo. blieb nach wie vor dem A x 
pag, und den übrigen Gerichten, vor welche ſolche 
chen vor dem Solon gebracht wurden, Die Entf 
bung von Privatfireitigfeiten übergab er hingegen: rum 
rern neuen Tribundlen, die aus dem ganzen Volke dırm 
Loos gewählt wurden *). 











\ 
mem 


. %#) Plut, I. 350. Ariſt. IF, 10. Ich zweyfle fehr daran 
Plutarchs Behauptung allgemein wahr fey: daß 
fon die Appellation von den Ausſpruͤchen aller 

Tribunaͤle an die Wolfsgerichte erlaubt Habe, EN 
Solon dieſes gethan hätte; fo würde Ariſtoteles 
die Macht des Areopag als eine Miſchung von DEE 
hie in der Athenienfifchen Negierungsform ange 
(II. 10.) und er eben fo wenig ale Iſokrates E 
334. und alle übrige Schriftfteller die Schwächung 
Anfchens dieſes Gerichtshofes dur den Ephlalte — 
eine Hauptveränderung In der Athenienfifhen Grm 
verfaffung gehalten haben. Auch wäre es aldbann AM 
wahr, was Plutarch felbft und Ariftoteles fangen, F 
Solon den Areopag und fein ganzes Anſehen bedrd 
babe, und daß biefes hohe Bericht in den Perſtich⸗ 
Kriegen am mädhtigften geweſen ſey V. 4. de Cie 
Selbſt die Beyfpiele von Much, womit der Areche 
auch nach den Zeiten des Ephialtes Verbrecher beftraftg 
bie das Volk frey gelaffen hatte (ſiehe Meurſ. Are 
e. 9.) feinen zu beweiſen, daß folhe Ausaͤbunga 
ihrer Gewalt nur Wieberanmaßungen ehemaliger Bey 
rechte gewefen feyen. Entweder alfo muß man behan 
pten, daß von ben Ausſpruͤchen des Arcopag befgg 
ders in peinlichen Fällen vor dem Ephlaltes gar kein 
Appellation flatt gefunden habe, oder baß dies Kriby 
nal au, was aus einigen Leberreften Areopagitiſche 
Entfheidungen (jiehe Freheri Decif, Areop. in Graewi 
Tbef, V, 31. 32.) nicht unwahrſcheinlich iſt, Priwal 
ſachen angenommen, und daß man In foldhen Fälle 
an bie nenen Bolksgerichte habe appelliren koͤnnen. 





Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 29 


So unumſchraͤnkt auch vielen die Macht ſcheinen 
, welche Solon dem Volke gab; fo urtheilten doch 
Koeln *), und Iſokrates **), die beyden heftigſten 
Wönfiher der ſpaͤtern Ochlofratie, oder der Poͤbel⸗ 
! Memo ihrer Zeit, daß dieſer Gefezgeber dem Wolfe 
nicht mehr Gewalt überliefert habe, als unumgänglich 
iethwendig war, daß ohne dieſe Gewalt der Pöbel im⸗ 
. mer Sclab und ein Feind der Verfaſſung geblieben wäre, 
und endlih ohne diefe Vorrechte gar Feine Freyheit wuͤr⸗ 

» de Stat gefunden haben, bie darinn beftehe, daß alle 
Bvbꝛ talweiſe regierten und regiert wuͤrden, und daß 
ſe auch c an Gerichten, und an Berathſchlagungen, 
Da bei zuze Volk betraͤfen, Theil naͤhmen ***), So⸗ 
LT wirflid das Volk, dem er die hoͤch⸗ 
he übergeben hatte, auf fo mannichfaleige Arten 

| der Pöbel den Vornehmern nie hätte fchaben, 
Y ‚den Staat ins Verderben flürzen Fönnen, wenn man 
Luk bie angelegten Feſſeln in den nachfolgenden 
an hätte. Er bändigte das Volt 

‚pr und am meiften dadurch, daß er alle Aermern, 
bie nicht ein gewiſſes Vermögen befaßen, von den öffents 
ken Würden ausfchloß, daß er alle Magiftrarsperfo- 






4 





de Civ. II, 10. 

1. 331. & ſeq. II. 248. 257. 

væ, II. 1. VI. 2. de Civ. @yoe, fagt er an ber erftern 
Stelle, eEacın nowvwvew wenns BaAeuruuns n 

j KEITIUNS ,  WOATUV 9 H AEYouey EWOH TAUTNS 
Fns Molews. Momee 0 AcyJeıs ev ev Inme-. 
KErT ic parıs 834 TOAITNS , EV de TaIS aAAMUS 
SVÖEXETO MEY 8 KNV AVOSYHB0V. 


n 


90 Sechſtes Bud). nn 


nen nicht durchs Loos, fonbern durch die Stimmen dahie 
verfammleten Volks wählen ließ, und daß er mit öffengher 





lichen Aemtern zwar große Ehre, aber gar Feine Elfi? 


ünfte verfnüpfte.e Eine jede diefer Einrichtungen ih, 
von den verftändigften Männern des Alterthums af. : 
ein Meiſterſtuͤck der gefezgebenden Weisheit gepriefemi 
worden. zn 

Solon theilte das ganze Volk in vier große Clafſaiſ 
ein. Sn die erſte fezte er diejenigen, bie fünf hunbertälf 
in die zweyte folche, die drey hundert: in die dritte fo 
die zwey hundert: und in die vierte endlich diejenigen Te 
die weniger als zwey hundert Maaß trockner und flüfWr 





ger Sachen ober Früchte einerndteten *). Won degli 


vier Claſſen von Bürgern ließ er bie drky erftern 6 
weitere Unterfchiede zu allen Aemtern und Würden 
bie vierte hingegen, welche bie Unbegüterten ober 







it 


%) Plut. I. 348. 49. Ariſt. II, 10. & Legem Atbenienfume . 
ap. Demofth. in Macartat p. 665. Plutarch und dad N 
Se beym Demoftbenes flimmen in den Benennums ir 
gen zufammen, welde biefe Elaffen von Bürgern ers;, 
bielten. Beyde nennen die von der erſtern Glaffe, und. 
biefes thut auch Ariſtoteles, Fünfhundere Scheffler. 
Trevramnocsonedsuvss: bie von ber zweyten Trans _ 
oder ITRada TEABYVTAES: bie von ber dritten deu 
Yıras , unb bie von ber vierten eudlich Rrac. 
Ariſtoteles hingegen nennt bie von der zweyten — 
euyıras, und bie von ber dritten irrexs, wel⸗ 8 
he er mit einander verwechfelt zu haben ſcheint. Daß r 
Solon unter ben fuͤnf hundert Schefflern nicht folge „ 
werftanden babe, die fuͤnf hundert Hedsuvas ausfäcten, u 
babe ih in meiner Abhandlung von dem Luxus DE u 
Athenienſer gezeigt. i 








GSäecſſchichte der Sriechifchen Sophiſten. 3x 


el in fich faßte, Fonnte Feine eigentliche Aemter be⸗ 
en, fondern mußte ſich mit der Freyheit in den all» 
einen Volksverſammlungen zu flimmen, und mit 
‚Vorzuge, zu Richtern erwaͤhlt werden zu koͤnnen, 
ragen *). Durch biefe Eintheilung ber Bürger ges 
u Solon viele hoͤchſt wichtige Vortheile, unter wel⸗ 
‚feiner dem Scharfſinn des Iſokrates und Ariftotes 
mtgangen ift. Indem er die höchften Würden einem 
a offen ließ, der gewiſſe Einfünfte haben wuͤrde, 
hee ex Feinem der Aermern die Hoffnung das, waser. 
wur werben könne, dereinft einmal zu werden. Er 
duerte Vielmehr den Fleiß und vie Thaͤtigkeit ber Ges 
perm, und vermied zugleich allen ben Schaden, ber 
Oiigarchiſchen Verfaſſungen, oder mit einer Regie⸗ 
geſorm, in welcher ftets biefelbigen herrfchen und bes 
ſche werben, unvermeiblic, verbunden ift **). Auch 
bie er es bahin, daß nicht armfeelige, und eben deß⸗ 
en beftechliche und raubfüchtige Perfonen, die weder 
$eiber durch gumnaftifche Uebungen zu Eriegerifchen 
eiten geſtaͤrkt, noch ihre Seelen zur Verwaltung 
jtiger Gefchäffte gebildet hatten, ſondern allein anges 
me und fähige Männer, benen ihre beffern Gluͤcke. 

uMe 








d Plut. & Atift. Il. cc, Iſoer. I, 323, & feq. II. 248.251. 
Es giebt, fagt Ariſtoteles, Würden oder Aemter, die 
auf eine beflimmte Zeit, und wiederum folche, bie 
auf eine unbeſtimmte gegeben werden. Won ber leztern 
Art find die Würden bes Nichters und bes Bürgers, 
ber in Öffentlichen Volksverſammlungen feine Stimme 
geben Bann. Diefe bepben Würden koͤunten aber doch 

"ame umeigentlich fo genannt werben UL ı, 


®) Arift, IU. 6, VI. 14. de Civit, 


a Sehfles Buch. 


umftände zur Führung öffentlicher Henıter Muße geı 
übrig ließen, mit den erften Würden bekleidet wurden 
Soon unterfchied, fagen Plato und Iſokrates, zwo 
ten von Gleichheit, oder vielmehr Billigkeit; die ei 
die alles zu gleichen Theilen austheilt: bie andere, 
einem jeden dasjenige giebt, was ihm zukoͤmmt. 
verwarf bie erfte, die Gute und Böfe, Faͤhige und T 
fäbige gleich feze, als ungerecht, und führte hinge— 
diejenige ein, die einen jeden nad) feinen Verbienf 
belohnt oder beftraft, berworzieht oder vernachläffige * 
Endlich befriedigte Solon beyde Partheyen, die meiſt 
in allen Freyſtaaten gegen einander aufgebracht find, ı 
wovon die eine faft immer Unrecht thut, und bie and 
Unrecht leidet. Die Armen und Geringern freuten ſi 
daß fie alle Magiftratsperfonen wählen, prüfen und fi 
fen , und bey vermehrtem Vermoͤgen felbft zu allen € 
r 








ö—⸗ — — 


®) Arift. VI. 4. Iſoer. II. 248. 257. beſ. 321 8: 
ws de GUVTouWS EIMEI „ EHEIVOL ÖIEYVOROT 
naov, 071 des Tov ev Önuov woTree Tugasvoy x 
Yısavas Tas wexas, mas noAufew Tas ef 
KaETaVovTaSs ,_ Nas REVEV TEL Toy 0 
Osoßnrsuerav Tas de ayoAm ayew duve, 
vos, nous Piov Mœvov KenTnuevas, EWIMEÄRICN 
Toy How), BITTER OIHEIOTETMV. Has OsHahı 
HSV ‘YEvouevas eRAIVEICIOL, nos Segyeıy Ta 
TyV TAMAKV. NOKwS de diosunoavrass pendeni 
cuyyvwuns TUYXaven, AAAE Teus Meyıse 
(nuiais TEUTITTEN. 

&#) Plut. de Leg. VI. p. 557, & Uocr. I, 331, Diefer ( 
danke liegt bey der berühmten Ariftotelifchen Eintl 
fung der Gerechtigkeit in die austheilende und ſtrafe 
zu Grunde, Ethic. V. 3. 4. 


Geſchichte ber Griechifchen Sopfiften. 33 


mftellen gelangen Eönnten; und bie Reichern und Vor⸗ 
khmen Hatten feine Urfache fich zu befchweren, daß fie 
vom fehlechtern Menfchen regiert, ober biefe ihnen vorges 
fegt würden *). Ein folder Staat, fagt Ariftoteles, 
muſte nothwendig gut verwaltet werben, und unter bet 
Herrſchaft der Geſeze ftehen **); und wie, ruft Iſokra⸗ 
tes aus, wäre es miöglich, eine vollflommnere und fefter 
gegründete Demoftatie zu erfinden, als in weldyer alle 
Magiftratsperfonen vom ganzen Volke ermählt und ges 
richtet , aber nur die beften und fähigften Bürger zu oͤf⸗ 
ſentlichen Ehrenfiellen erhoben wurden })? 

Mit nicht geringern Sobfprüchen, als womit biefe 
WBeitweifen von ber Verordnung über die Beſezung ber 
Aemter reden , erheben fie ein anderes Geſez Solons, 
wermöge deſſen Magiſtratsperſonen nicht durchs Loos, 

N“ fon« 








®) Ayayın de KOAITEUOMEVES ET KoNTeveaYoy 
xoAms. di TE Yae woxcu ces die ray Berrı- 
Say ETOTOA, TE ONUS Bsrouevs, nu rois 
zmienenw 8 DIovsvTos. 4 TOIS ETTISNEOH K08 
YYmeimois EonBCV esveu TaUTnv Tyv TaEıv. 0g- 
Korn voe ax Um Ray Xeıgovay. x wefR- 
0 dinaıws, dia To TOv EUdUyay Eivas KUgIEs 
Eregas. VI. 4. de civ. Ariſt. 
IV. 6. 


d Ilocr. 1.324. Kaı ro mus a Tıs Taurns n e- 
Basoreeav, n ÖIxwsoresuv Önuoxgoricv Eugos, 
TIS TES MEV dWATWTaTES emı Tas meafes 
nadısucns, aurav ds TETay Tov Önmoy Kugiov 
BOBONS. 


Zweyter Sand. \ € 


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ſondern durch die Stimmen des Volks gewählt wurben 
Durch dieſes Geſez behaupteten die Vornehmen 
Mächtigen ſtets einen drogen Einfluß auf die Wahl. 
Magiftratsperfonen und die Belezung von Ehrenitet 
Denn ungeachtet nach) der Soloniſchen Geſezgebung 
edlen und reichen Gefchlechter den gemeinen Mann n 
mehr willkuͤrlich beherrfchten, oder druͤcken konnten 
blieben Doch diefe noch immer ohngefaͤhr in’eben der‘ 
haͤngigkeit, in. welcher in Nom zu den Zeiten der Fi 
beit die Clienten von den Patronen waren, und:die g 
natuͤrlich Daher entftand, daß bie Geringen faft alle. 
und durch die Degürerten ihren Lebensunterhalt verd 
ten **). Die-reichen: Häujer alfo, die vielen Aerm 
Arbeit und Nahrung gaben , Eonnten ſich mi 
Rreunden immer fehr viele Stimmen verfchaffen , in 
izhre Elienten;es nicht wagen durften, wenn fie au 
nicht ihre Befchäzer und Wohlthaͤter beleldigen wol] 
ihre Stimmen andern als ſolchen zu geben, für-bien 
fie gebeten hatte. Aus dieſem Grunde fehen daher 
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—* 2 








*) Ioer. 1. 322. Erste zo Önuorinwregog er. 
Cop Tœurnm Ewa TV naTazarv, TS: die 
Auyyave Yıyousıns. Ey nev yag Ty nAnpa 
. EN TUynv Bexßevew vos FONDS AmWee: 
rœcx aoxXas Tes OMYAEXIaS — 
de TW BOOREWEIW TBS ETIEIKESATES,: Toy dy 
< 2020 Iaı nugıov EAeoIcıı TBS Cyaravyras mo 
Sa vuv nadesweav roAsreiay. Vide etiam A 
de Civ. II, 16. & IV. 9. Aoxeı Innoneurinov 
sy, To KANEnTOS EIVALTAS GEXaS, TO d’ 
cgerœc, oAıyaoxınoy. &c. BEE = 
@#) Iocr. 1. 326. Befonbers leſe man den Polybius 
ben großen Einfluß, den der Senat in Rom in & 
Kacktzqht auf ven Plebs hatte. if, VL I, ‚ 


_ “ * 
1 


F 


Geſßchichte dex EiechiſchetʒSophiſten.  : 
Irxiſtoteles als Cicero die Arc, Magiftenröperfoneg - - 
re Stimmen zu ernenuen als heilſam ud 
Iefkarifch; und. hingegen eine jede andere Att,. wie Ä 
Ward Steinchen ‚oder Täfeldyen ober durchs foos, . \ 
| ung eines jeden ‚geheim und unbefatint blieb, . 

Urtheil gar-aufgeboben wurde, als ochlo⸗ 
und verberbli an ?). on 
- Eine nicht minder vortreffliche Einrichtung vs. . ' 
War diefe, Daß er bie treufte Verwaltung oͤffentliche 
hin nur allein durch Ehre und Anſehen, aber gar | 
it Geld und andern Vortheilen belohute, und daß Buy 
Base. Diejenigen, welche. die ihnen anvertraut Ä 
Ben; geöiffenios geführt hatten , ſtrengen Richtern 
Iyoriere. Zu ben Zeiten der Borfaßren, ſagi 
), buhite man nicht, wie jezo um bffenel 
fitteen , weil man fie mehr für befchwerliche Boͤr⸗ 
si für Gelegenheiten fich zu. bereichern, oder für. 
Merägliches Gewerbe anfah. Damals war es viel 
jeger,. Perſonen zu finden, bie Öffentliche Aemter 

ebmen wollten, als jezo folche, die auf Feine Eh⸗ 
elien Unfprüche machen, und das Volk muſte da 
veilen geoße Männer faft zwingen , hohe aber bes 
Er € .2 fchwers 
















4 Man ſehe Ari. de Civ. IV. 9. mb was Eicero de Leg: 
30. 15. 16. fiber die leges tabellarias ſagt. Bepbe 
Weltweiſe dachten mit dem Sokrates uͤbereinſtimmend, 
als welchem ſeine Klaͤger vorwarfen, daß er den Athe⸗ 
nienſiſchen Juͤnglingen Geringſchaͤzung der Geſeze ſei⸗ 
.. „ner Vaterſtadt eingeflößt habe, Indem er es für thoͤricht . 
‚erklärt, bie Regierer der Stadt durch's Loos zu wählen, - 
da man anf diefe Art weder Gteuerleute, noch Baus = 
m meifter, no Flaͤtenſpieler, noch andere Känftler und 
Arbeiter, deren Fehltritte mit viel geringerin Schaden 
.. für's Ganze. verbunden fepen, zu wählen pflege. Mc» 
“ mor. Socr. 14.2. p. 12. Ed. Thiem, 
io) Arsop, I, 384. 23. Paneg, Di, 256, Panathenaie, 


BE ver 


FE 777 Gen 


werliche Wärben anzunehmen *). Wenn jemand 
mt erhalten harte; fo forjchte er nicht gleich am erf 
Zage feiner Einfegung nad), ob feine Borgänger mi 
hoch irgend eine Duelle des Gewinnſtes uneröffner ı 
Ungenuzt, fondern ob fie nicht etwa ein bringendes 4 
äfft vernachläfligt oder unvollendet gelaffen haͤtten. 
Durch diefe Abfonderung aller andern Bortheile von | 
Ehrenftellen (die der oͤffentlichen Hochachtung if 
itbürger ausgenommen) erreichte Solon den grif 
Zweck, daß die Aermern, welche ihrer Dürftigfeie 
gen nicht zu dffentlichen Magiftratsperfonen erwaͤhlt n 
Ben fonnten, ihre Obern und Borgefesten gar niche. 
neideten, und fich auch gar nicht nad) dem fehnten, n 
e nicht erlangen oder befizen Eonnten. Weil gar fe 
infünfte mit ben öffentlichen Yemtern verbunden £ 
ren; fo wollte der Pobel, der immer begieriger fe 
Vortheilen, als nad) Ehre und Anfehen ift, lieber 
beiten, als fich mit den Angelegenheiten des Staats 
fangen **). So wie aber Solon dafür ſorgte, 1 
Feine unwuͤrdige oder baabfüchrige Mienfchen fich In w 
tige Aemter einfchlichen, oder einzufchleichen tuft Ge 
men; fo forgte er auch dafür, dag Magiftratspers 
bie ihnen anvertraute Macht nicht mißbrauchen for 
ten, indem er fie alle vom ganzen Bolfe, oder von P 
fonen , die aus dem ganzen Volke gewählt wurke 
prüfen, und nach abgelegten Würden richten ließ. ( 
machte das Volk, um mich einer Redensart des Iſokt 
t 











XBXCD 


") Dies leztere ſagt Demoſth. in exordiis, 


°®) VI.4.deCiv. Ein Beweis diefer Bemerkung, fest 4 
ſtoteles hinzu, iſt dieſes, daß mehrere Völker «a 
Despotien und Dligarchien geduldig ertrugen, wenn 
nur nicht in ihren Arbeiten geſtoͤrt, und des Ihri 
beranbt wutben. 


Geſchichte der. Sliediſthen Sophiſten. 37 


—* *) prebienen, gleichſam zum Tyrannen derer, 
ga welchen es regiert worden war, um die Uebertreter 
* und ihrer Pflichten zu zuͤchtigen; und zwang 
Ye Rapifirarsperfonen , durch die Furcht vor der Stra⸗ 
fe, Ina Yemter treu zu verwalten, und nicht alles zu 
„un, a wollen, was ihnen beliebte **), 
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—X 
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Ale⸗dieſe Berorbnungen waren eben fo viele Zuͤ⸗ 
ee womit Solon den Pöbel baͤndigte. Ein anderer 
ftarfer , aber nur weniger fichtbarer Zügel, 

war — — von Geſezen und Einrichtungen, 
weh er den gemeinen Mann zur Arbeitſamkeit ans 
grieb. Ebegnuͤgte fich nicht damit, die Geringern durch 
Der ſchueihehafte Ausfiche, mit der Verbeſſerung ihrer 
Gbhiasftände fich zu den erften Waͤrden hinaufſchwin⸗ 
we aan sum Zleiß oder zur nüzlichen Geſchaͤfftig⸗ 
N muntern, fondern er noͤthigte fie auch gewiſſer⸗ 
* indem er den Areopagiten die Macht gab, 

'N aedieinigen, bie Feine ehrliche Handthierung trieben, 
Ku Outbefinden zu ftrafen *""), und indem er die Soͤh⸗ 
| vr ben ae oBerbindlichfei losſprach, ihre Däter im 
Alter ernähren zu dürfen, wenn fie von ihnen 
uhr ju nuͤzlichen Arbeiten oder Handwerfen wären ans 
Er , oder darinn unterrichtet worden 7). Auf 
Art wandte er das Volk zum Feldbau, und zu ans 
beennözlichen Gewerben hin, indem er wohl wufte, daß 
Srögheit die Mutter der Armurh, und Armurh bie 


One: aller Bosheit und Mieverteächtigfeit fey TI): daß 
3 ein 






a, ” 




















9 1. 323. 

**) Ariſt. VI. 4. 
#) Ifocr. I. 334. Plut. in Sol. L 361. 
'%) Plut..I. 360. 

4) Ilſoer. L 333. 


N — 


BE She Bu 


‘ein duͤrftiger Pöbel einen jeden Freyſtaat ſtuͤrze 
ein folcher fters anf öffentlichen Pläzen herumtrei 
zufammenlaufe **), und fich ſtets nach fremder 
oder nach Neuerungen fehne, wodurch fein Zufl 
beffert werden fonnte: und daß hingegen Diejen 
mofratien die vollfommften feyen, in welchen d 
‚aus Aderleuten- und Hirten beftehe, als welche 
xe tebensart zu allen Muͤhſeligkeiten des Krieges 
tet, und im Frieden durd) ihre eigne Arbeiter 
‚beichäfftige würden, als daß fie fich gerne oft ı 
Jen, oder um andere befünmern, und ihnen zı 
ſuchen follten 7). Solon .erreichte auch fein 








% Ari, de Civit. VL 5. 727. p. Eı 
AR des Tor arnIwvws —R scar 
TAnDOS an Asav amopov y, Taro'yae ı 
noxIngav was Tv dnmereurian. 

,) 1b..c 4. p. 714 715. 0 yag Biss 

on Kos 8dev EgYov mer æcernc, ᷣy MET 

Tas To BAndos To TE Tan Bavauowv Ki 

yogmıwv avdewrwVv, na To Iyrınov 

„ Ü® To mecs Tyv a yogasv Xaıı To Asu u 

Tas To TOIETov Yeyos, ws.eızem gacdıa 


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» Ariſt. de eirit. VI. 4. p. 710. BeArısas Ya 
0 YEWEYMOS EIW. BTE KO TOIEW € 
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BEXEN, 078 av unYy ANMURTE Meyı 


Gekbichte der Griechiſchen Sophiſten. 39 


dollkommen, wie man aus ben Schilderungen ſieht, bie 
2 Sfofrates von den Athenienſern vor und kurz nach den 
 Serfiihen Kriegen macht *). Much dem Berichte dies 
Redners brachten die meiften vornehmern Athenienfer 
‚wach im Zeitalter des Ariſtides den größten Theil bes 
Jahn auf dein Lande zu, wo fie größere und geraͤumi⸗ 
 gere haͤuſer, als felbit in der Stade harten. Sie fas 
men nur ſehr ſelten, nicht einmal ſtets an großen Feſten 
‘gr Stadt, weil fie lieber das Ihrige in, der Stille ges 
‚mießen, als an gemeinfthaftlichen fuftbarfeiten Theil neh⸗ 
Amen mehten. Auch unter den Aermern durfte Feiner, 
Der Wi jur Arbeit hatte, befürchten, in fchimpfliche 
Dürftkit zu verfinfen, denn die Neichern waren bereit, 
Hrn unbeguͤterten Mitbuͤrgern $änderenen gegen einen 
geinzen Zins zu verpachten, ober fie auch in andern 
j Gekhäften zu brauchen, wodurch. fie für fich und ihre 
Saniile eeichlichen Linterhalt finden Fonnten. 
Das größte Gegengewicht aber gegen die Gewalt 
‚ 86 Volks legte Solon in Die Hände des Areopags und 
bed hohen Raths, ver von ihm zuerft eingefezt wurde. 
Die Hreopagicen **) richteten nicht nur über feben und 
Id, fondern uͤbten auch eine ffrenge Aufiicht über die 
. C4 Sit⸗ 





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In RR nen 


Fay aoxav. — unb bald nadher p. 714. — 
Mero de To Yeweyın.ov minSos, BeArıses Innos 
SW 078 veneis eıcı, ud (wow mo Booknpo- 

. TV. TORE Ya EeXEı TY YEwEYın TALEEAN- 
Cıas. u To TeoSs Tas MoAsumas menfeis, 
pnarıs$ sro Yeyuuvarmevı Tas Efeis 0 
KENTIA TR TOMTE, as duvapevos Jugou- 
Asgıy. 

9 I. p. 326. 337. in Areop, 

0) Deren Vorrechte Solon wahrſcheinlich meiſtens nur bes 
flätigte. Arift. de Civ. II. 10. 


D 





40 Sechſtes Buch. 


Sitten und Lebensart aller Staͤnde, Geſchlechter 
Alter aus, und muſten daruͤber wachen, daß alle 
‚guf welche Solon das Wohl des Staats gebaut ha 
gendu beobachtet und erfülle würden *). Sie unterfi 
ten, wie und wovon ein jeder lebte: zogen einen je 
ber die guten Sitten beleivigte, vor ihe Gericht, 
exmahnten oder drohten oder ftraften ihn fogar nach hab, 
befinden. Sie ahndeten an der Tugend teberlichteits h 
an erwachfenen' Perſonen Müffiggang oder Schaq 
ſigkeit: und ſelbſt an Magiftratsperfonen Nachlaͤſſi— 
oder Treulofigkeit in ihren Derufsgefchäfften, fo mie % 
vorzügliche Berdienfte oder hervorftechende Tugenden um 
gute Handlungen belohnten **). Durch dieſe Macht 
die ſi ch uͤber alle Athenienſer erſtreckte, wuͤrden bie Au ; 
pagiten ihren Mitbürgern eben fo furchtbar als eh e 
‚dig geworben feyn, wenn fie auch nicht, wahrfe 2 
nad) einem Geſeze Solons, berechtigt geweſen wär, 
in-Zeiten der Noth, die ganze höchfte Gewalt auszu⸗ 
äben, und faft alles dasjenige zu thun, was in äh 
chen Fällen den Dictatoren unter den Römern , oder 
auch den Confuln erlaubt war, wenn der Senat ihnen 
die ganze Nepublif übergeben hatte F). : 


Eine noch viel auägebreitetere Gewalt , als der | 
Areopag von dem Solon empfieng ober beftätige “le! 




























* Plut. I, 352. Ifocr. I. 329. 334. & ſeq. 

#*) Ifocr. I. e. vide & Meurſ. c. 9. Areop, 

+) Dan fehe Lycurg. adverf.Leocr. p.134. Meurf. Are 
c. 9. & Petit. p. 243. inprim, Dinarch. adv. Demoft 
:p. 93. & ı00. Ed. Wolfii inter Demofth. Op. De. 
Areopag mufte auch für bie Erhaltung der Wege nub 
der Öffentlichen Religion forgen, und dahin fehen, daß 
Gaſtmaͤler nicht mit größerer Pracht, ober mit einer 
größern Anzahl von Zifchgenoffen, als es nad uns 
unbefaunten Geſezen erlaubt war, gefeiert wuͤrden. 


su Bi et Een 


Geſchichte der Griechifihen Sophiſten. 45 


vergab dieſer Gefesgeber dem hohen Rath ver Bierhuns 
ate, ben er zuerſt ftiftete, und welchem er den größten 
der Borrechte der bisherigen Archonten übertrug”). 
Zolon ließ nämlich den Archonten **) nur einen Meis 
von Theil ihrer vormaligen Macht und Gerichtsbarkeit, 
Ne fie nicht mehr einzeln, fondern gemeinfchaftlich 
usäben mußten *°*). Sie entfchieben erftlich alle Ehe⸗ 
schen und unterfuchten die Klagen über geringere Ges 
altthätigfeiten und über die Unordnungen, welche bes 
runkene Perfonen verurfache Hatten 7). Sie hatten 
e Aufficht Über die Güter und. Angelegenheiten vor 
Bitwen und Waifen, befonders folchen,, die von tas 
pfeen fürs Vaterland gefallenen Kriegern nachgelaffen 
waren. ie beforgten enhlich die Feſte des Bakchus 
und bie Thargelia, und waren die Borfizer ben der Wahl 
om Richtern, die aus dem ganzen Bolfe durchs Loos 
ezogen wurden TT). Dem hohen Rath der Vierhun⸗ 
5 derte 














) Nach Solons Einrichtung waͤhlte eine jede DuAy 
hundert Senatoren aus ihrem Mittel, die aber nur 
aus den drey erſtern oder beguͤterten Claſſen der Buͤrger 
genommen werben konnten. Plut. I. 352. In ber 
Folge ging mit diefem Senat eine große Beränderung 
vor, von welcher ich zu ihrer Zeit reden werde. 

“) Diefe wurden noch immer fehr firenge geprüft, weil fie 
nach Nieberlegung ihrer Würde in den Areopag übers 
gingen. Petit. p. 237. & Demoſth. p. 373. Ed. Wolfii, 
Plut. ]. e. 

“®) Diog. I. 58. Meurſ. de Arch. I. 7. Pollux VIII, e. 9. 

I 


4) Ib. 

+9) 1b. In fpätern Zeiten waren fie audh vonoDvAsxes 
Demofth. 279. & Ulpian. p. 156. in Demofb. Ich 
glaube aber, daß fie diefes Öeföäffe erfi erhalten haben, 
nachdem Ephialtes die Macht des Areopag, dem es 
yon Golon anvertraut war, vermindert hatte. 


4 .. Sechſtes Buch. 5 


derte hingegen übergab Solon die Verwaltung aller 
tigen Regierungsgeſchaͤffte, ſelbſt derjenigen, zu d 
Ausfuͤhrung oder Entſcheidung der Beyfall des V 
erfodert wurde. Er allein harte die Schluͤſſel zu 
Schaze, und den Archiven des Staats *): nur er 
faß einen Theil der gejezgebenden Gewalt , inden 
Schluͤſſe madyen fonnte, die ein ganzes Jahr die € 
tigkeit von Geſezen hatten **): er allein hatte das MR 
Perſonen, die ver Derrächeren des Daterlandes fi 
„Dig oder verdächtig waren, oder Die aud) Staateft 
den nicht zur rechten Zeit abgetragen hatten, ohne w 
. ze Anflage ergreifen, und ins Gefängniß werfen zu 
fen ***). Er allein beforgtedie Erbauung neuer & 
fe, und die Ausräftung von Florten und Heeren ** 
und hatte endlich das ausfchliegende Recht das Bolf 
fammen zu rufen 7), und vorläufig über alle Sad 
die dem Bolfe vorgelegt werben ſollten, zu rachfchla, 
und fie ihm alsdann erſt vorzutragen FF). Solon 
terjagce eö bey einer Hohen Geldbuße und fogar 
Strafe ewiger Schande und Ausfchliegung von a 
Dolfsverfammlungen FF), dem Volfe irgend eine 
\ 











: ®, Petit. Leg. Att. p. 190. 197. 
”", Ib. p 12T. 
" 60*) Petit. p. 213. In andern Fällen burften fie aber 
| nen Atbenienfer feſſeln, der drey ibm am Bermd 
gleihe Bürger als Bürgen flellen Ponnte: auch bur 
fie niemanden über fünfkunpert Drachmen, ober 
zwölften Theile eines Talents ſtrafen. 
“rr) Petit, p. 215. 


4) 196. welches in fünf und dreyßig Tagen viermal gef 
Ib. Ariftot. in frag. de Civ, Athen, 


+4) Petit. ib.& 123. Plut, p.352. Demofth, p, 873.4 
. : pP. 467. 
Tth) p. 109: Petit, & Demoſt. Il, «. 


Sefisichte der Griechiſchen Sophiſten. 43 


fegen, was ‚man nicht‘ vorher dem Mathe! mitge⸗ 
‚eilt, und von ihm hätte erwägen laſſen. Durch viefe 
Welle Verordnung brachte es Solon dahin, daß das gan⸗ 
Fe Volk zwar nuͤzliche Geſeze und Anfehläge verwerfen, 
Faber feine neue fchädliche machen und einführen, und 
daß es auch in den alten Sefezen, und der Örundvers 
faſſung gar nichts verändern Fonnte *), 
-  &olon glaubte aber noch nicht einmal, durch dieſe 
Veranſtaltung die von ihm geordnete Staatsverfaſſung 
feft genug gegrürber, und gegen die Angriffe des Volks 
‚oder verſchmiztet Volksfuͤhrer gefichert zu haben. Et 
machte deßwegen noch) mehrere nüzliche Einrichtungen, 
woburch Die Seiligfeit feiner Geſeze erhöht, und die Ges 
bung neuer Geſeze fo fehr erſchwert, und felbft gefährlich 
"gemacht wurde, daß man kaum begreifen Fann, wie bie 
Ur und Gewaltthaͤtigkeit verführerifcher Demagogen 
poch noch über die Weisheit und Vorherſehungskraft des 
Gefezgebers Haben fiegen kͤnnen. Solon gebot *%), 
“HE Fein Mache » oder Bolfsfchluß wider ein wirkliches 
Gefez gelten, und daß feiner befugt fen follte, die Abs 
ſchaffung eines alten Geſezes anzurathen, wenn er nidjt 
zubfeich ein neues müzliches an deffen Stelle zu geben 
wvaͤſte. Auch in dieſem Falle verpflichtete er einen jeden, 
beyde Geſeze, ſowohl das alte, als Das neue, zubor dem 
k fohen Rathe vorzulegen, und dieſen, die Miüzlichfeit und 
b Schaͤdlichkeit des einen und des andern Tee 
F | | laſſen. 
















— —— ———— — 


%) Ariſt. de Civ. IV. 14. p. 494. — 010v Ev Eis 


Tolrreiis esıv, 85 narscı MeoßeAous, 106 
vouoßuranus. Kas megı Tara Xenparigew, ' 
c x " 4 
> . egı av av 8r0ı MeoßsAsvowew. 870 Yaeo dy- 


nos netekei Te Bereueodas, zus Avem 8dev dus 
vNTeTas Twyv TEL TNY TOMTE. 
*s) Demofth, Il, cc. 0 


laſſen. Faͤnde alsdann der Senat, daß das neue © 
das nicht leifte, was es verfpreche; fo follte Davon 
dem Dolfe gar nicht gefprochen werden, Urtbeile | 
en der Senat, daß das neue Geſez nuͤzlich und 
alte ſchaͤdlich fen; fo follten in dieſem Safle beyde Ge 
an einem öffentlichen Dazu beftimmten Plaze aufgefch 
ben , beyde mehrmalen in offentlichen Volksverſau 
{ungen vorgelefen, und endlich erft. das Volk befr 
werben, ob es das eine vertilgen, und das andere 
beffien Statt annehmen wolle. Zeige fich aller di 
Vorſicht und wiederhohlten Ueberlegungen ungeacht 
in der Folge durch die Erfahrung, daß das neue G 
nachtheilig ſey; fo ſolle ein jeder Athenienſiſcher Buͤr 
die Freyheit haben, denjenigen, der es zuerſt vol 
ſchlagen, als einen Beleidiger oder Zerſtoͤrer der Ge 
anzuklagen, und der Anrather ſolle alsdann, wenn 
binnen Jahrsfriſt vor Gericht gezogen werde, zu ei 
hohen Geldſtrafe verdammt, oder auch feiner Ehre ı 
luſtig erklaͤrt werden. Mad) der Verfließung die 
Zeitraums aber koͤnne zwar die Klage noch immer ı 
bängig gemacht; allein der Schuldige nicht weiter 
burch die Abfchaffung des von ihm gegebenen Geſe 
beftraft werden. Ä 
| Wenn man nun die von mir aus den glaubwi 
digften Urfunden hervorgezogenen Hauptſtuͤcke der E 
Ionifchen Geſezgebung reiflih durchdacht hat; fo Fa 
man unmöglich anders urtheileg, als daß die Gefeze i 
Solon vortrefflih , und feine Staatsverfafflung we 
und heilfam geweſen fen, weil fie nicht auf das GI 
oder die Wohlfarth eines Einzigen, oder einiger Wenig 
ober des Poͤbels allein, fondern auf die Wohlfarth t 
ganzen Volks abzielten *). Cr rühmte ſich mit Red 
| d 


» 








e) Die Näzligfeit oder Schaͤblichkeit ber Belege, fa 
Arikoteles, wirb durch bie Megierungsform be 
. € 





Geſchichte der Griechiſchen Sopfiften. Ag 


j er allen Gliedern des Staats dasjenige gegeben, 
Bihnen zufomme, und zu ihrem Gluͤcke diene, und 
z er alle Theile des Bolfs fo ſtark gemacht hate, daß 
ch Hinlänglich zu vercheidigen im Stande wären, 
ne doch andern Schaden zufügen zu koͤnnen *). Er 
Ach feenlich dem Volke die hoͤchſte Gewalt **), allein 
& Gewalt war nichtd weniger als uneingeichränft, 
Regierungsform, die er den Achenienfern gab, war 
x eine Tyranney des Pöbels, oder ‘Demofratie in 
Bedeutung, in welcher Ariftoteles und Piato dies 
art in einigen Stellen nehmen, fondern ein gemaͤßig⸗ 
‚ge Wiſtokratie ſich Hinneigendes Volks⸗Regiment, 
welchem der große Haufe die ihm uͤbergebene Mache 
dor zu feinem eigenen Schaden, noch zur Unterdruͤ⸗ 
9 der Reichen und Vornehmen gebrauchen fonnte 8 











XEX 


So viel aber iſt offenbar, daß in einer jeden Berfaffung 
diejenigen Geſeze gut und gerecht find, welche das 
Wohl Aller befördern, und diejenigen hingegen fchädlich 
und ungerecht, welche auf das Gluͤck eines Einzigen, 
oder Weniger, ober ber Armen, und nicht bee ganzen 
Wolke abzweden. Arift, de Civit. UI, 7. in fine. 

% Ap. Plut, 1. 351. ' 

w) Die hoͤchſte Gewalt beſchreibt Ariſtoteles folgender Ge⸗ 
ſtalt. IV. 14. Ruglov d esı To AaAsvonevov eg 
TOAEME MOL EIENYNS, Ko CUMURXIaS naı dıaAu- 
GEWS, KU TELI VoRmY, X TEO NAVATE, Ko 

5. NO ÖNMEUTEWS Kar Toy EuJur@Y. 

4 Sowohl Plato, de Leg VIII. p. 584. Ed. Baf. Gr. 
als Ariſtoteles 111, 5. nennen ſolche Megierungsformen, 
in welchen ein Einziger , ober einige Wenige, ober auch 
Bas Volk die hoͤchſte Gewalt befizt, und dieſe hoͤchſte 
Gewalt zum allgemeinen Beſten Aller ausübt, 
oAsrescas, und biefe belegt ber leztere mit dem Nas 
men der Monarchie, Ariſtokratie und der Politie im 

. der 


46. Sechſtes Buch: - 


- Er vereinigte, wie ich gezeigt habe, in feiner Sta: 
verfoffung alle Bollfommenheiten,. welche die größ 
Männer in allen nachfolgenden Zeitaltern nach Beob 
tungen, die fie über die Schickſale unzähliger Repu 
ken angeftellt hatten, als die untrüglichften Kennzeid 
unverbefierlicher Negierungsformen angaben , und 
| ı 


* 








ee aD nnd 


der engern Bibdeutung. Solche Verfaffungen hinge, 
wo Einer, oder Wenige, oder die Meiften ihre M 
zur Beförderung ihrer eignen Vortheile und zum S 
den der Übrigen mißbrauchen, nennen fie ragenf 
“es Toy WoAsTeiwv, oder Tugavisdes, Au 
tungen gerechter beilfamer Verfaſſungen; und di 
geben fie die Namen Despotismus (Tugoewn 
Dligarchie, und Demokratie. Die Bedeutung bi 
lezten Worts beſtimmt Ariſtoteles gemeiniglich durch 
Zuſaͤtze m vuv Anpmongaria, TEMnNuUTG92V,, 9 
OXaTrn Anmoreario No genauer, und unterſche 
fie dadurch von der 02I9n Anpoxearie, voelde 
worsTesa In der zweyten Bedeutung gleichgeltend 
Shen diefer Weltweife nimmt das Wort Forırı 
noch in zwoen andern Bedeutungen, die von den b 
den jezt angegebenen verfchieden find. Er druͤckt naͤm 
dadurch bisweilen Regierungsform überhaupt ai 
IV. 1. FoAsreia nev yag esı rafıs Tas Wole 
n Reg TOS AEXas, Ta TEOmov veveunyr 
Kos TI TO HULHV TNS WONTEIES KO TI To TE; 
EROUSNS TNS Rovavias 851. bisweilen aber a 
Ariftofratien, bie einen Hang zu Demofratien bat 
V.7. Tas Yap amonAwscas mamov 7reos ı 
oArYaeXıav, WLISORLETIEV KuABCı, Tas 
eos To mANIoSs, morsreas. Sole Ariſtol 
tien, bie einen Hang zu Demofratien haben, find fı 
Li von ſolchen Demofratien, die einen Hang zur 9 
Kofrarie haben, weſentlich nicht verſchieden. 


Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. | 47 


bewundernswüärdiaem Scharfiinn alle die Mittel der 
jaltung und die Urſachen der Verderbniß von Staas 
voraus, welche die feinſten Gruͤbler in ſpaͤtern Zeis 
erſt aus mehr als hundertjährigen Erfahrungen zus 
hen ſammleten *). Wenn alfo das feite Gebaͤude, 
er aufgeführte ‚hatte, in der Folge erft unmerflich 
wgeaben, und endlich ganz umgeflürzt wurde; fo 
Dies nicht Solons Schuld, fondern die Wirfung 
Borfällen, die fid) gar nicht vorher fehen ließen ; 
wenn auch eins, oder das andere feiner Geſeze nicht 
alle Zölle, die fich Jahrhunderte nachher eräugneten, 

war; fo hatte die Solonifche Geſezgebung 
es mit allen übrigen Syſtemen von Geſezen gemein, 
man muß biefes nicht ſowohl einem Mangel von 
she im Solon, als der Eingefchränfcheit menſch⸗ 
w Kräfte und Kenntniſſe überhaupt zufchreiben **). 


Unter 


⸗ EEE 

) Man fehe befonders Arift, de Civit. II. 10. VI. 4.5. 
Wenn man irgend etwas mit Grunde an Eolon’s Ges 
feggebung ausfezen Pönnte; fo wäre es meinem Urtheile 
nach dieſes, daß er Peine Verordnung machte, daß mit 
der Zunahme des Reichthums der Achenienfer auch bie 
Schaͤzung der drey erfien Elaffen von Bürgern erhöht 
werden follte. Ariſtoteles bemerkt richtig, daß in eis 
nem jeden Freyſtaate, in welchem die oͤffentlichen Aem⸗ 
ter nach der Schäzung oder dem Vermoͤgen der Bürger 
befeze werden, ſich Geſeze finden follten, nech welchen 
wit der Verminderung oder Vermehrung der Reichthuͤ⸗ 
wer der Familien auch die Schäzung erhöht ober herab⸗ 
gefezt wuͤrde. V.8. de Civ. Wenn Solon hier fehlte; 
fo fehlte er wie unzählige andere, befonders wie ber 
große Roͤmiſche König, der die Römer nach ihrem vers 
fhiedenen Vermögen in Genturien eintheilte, welche 
Eintheilung mit dem ſchnellen Wachsthume von Neichs 
thuͤmern nach den erfien auswärtigen Eroberungen von 
felbft aufhören. ober doch ihre urfprängliche Abficht 3 
eh⸗ 





48 Secchſtes Bu. 

Unter den uͤbrigen Geſezen Solons, die nicht eigen 
Grundgeſeze ſind, und auf welchen nicht die 
Staatsverfaſſung beruhte, will ich nur noch Furz 
Uebergehung aller derer, die zum peinlichen und buͤ 
Hichen Nechte gehören , diejenigen berühren, die ei 
Erhaltung der Unverfaͤlſchtheit des Achenienfifchen IB 
zue Bewahrung der Neinigfeit der Sitten, ent 
welche er über die Erziehung von Knaben und Ilm 
gen, und Über die Neligion gab. Auch in einem ı 
diefer Geſeze wird man allenthalben den großen 








U | as 


fehlen mufte. Unterbeffen ſcheint mir Solon komm 
wegen weniger tabelnswerth, daß er ben Fünftigenf 
thum der Athenienfer nicht voraus ſah, als die HE 
bed Volks nad den Perfifchen Kriegen daruͤber 
würfe verdienen, baß fie die jezt mangelhaft gem 
nen Geſeze Solons nicht nach den Abfichten bed 4 
gebers zu verbeffern fortfuhren. 

Unter den Griechen tadelte man den Solon em 
eu darum, daß er dem Volke die Gerichte Aber 
babe, als wor welche in der Folge alle wichtige @ 
und Angelegenheiten gezogen worden. II. 10. de 
Arift, & Plut. in vita Sn. p. 350. Allein gegen 
Beſchuldigung läßt ſich Solon leicht rechtfertigen. 
verordnete zwar, daß Richter ans allen Glaffe 
Bolts follten erwählt werben Binnen; allein er 
den Nichtern weder Sporteln aus dem oͤffent 
Schaze, noch aus den Eaffen ber Partheyen au. 
natürliche Zolge hievon war, daß die Armen es 
mehr vermieden, als fuchten, in die @erichtsbi 
kommen, weil fie durch dieſe Ehre von ihren Ar 
wären abgezogen worden. Die vom Golon errid 
Gerichtsſtuͤhle waren alfo noch lange nach biefen 
fezgeber faft ganz allein mit wohlhabenden Bärgeı 
fegt, und wurden erft gefährlih, nachdem Epk 
den Areopag gedemuͤthigt, und Perikles den Mi 
Befoldungen zu geben angefangen hatte. Mar 
bieräber Arift, de Civit, U. 10. VL S. 


Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 49 
wfaflenden Geiſt des Solon zu bewundern Urſache 


N Solon fah e8 voraus, was Ariftoteles nachher aus 
men Geſezen, und aus der Sejchichte der Griechifchen 
bemerfte, daß Fein Volks⸗RMegiment ange bes 

en foͤnne, in welchem der armen und dürftigen Buͤr⸗ 
= in Verhaͤltniß mit den DBegüterten zu viel, oder 
yeinn der Pobel zu arm und elend fey *). Cr erleichs 
ee daher Fremden und Flüchtlingen nicht allein niche 
B Arhenienfijche Bürgerrecht, ſondern er erſchwer⸗ 
es vielmehr, indem er verorönete, daß Feiner zum 
lihenienſiſchen Bürger aufgenoinmen werben follte, 
seicher nicht fein erſtes Vaterland auf ewig verlafs 
m 9%), oder ſich nicht um das Achenienfifche Volk 
roße Berdienfte erworben habe, ober der nicht wenig⸗ 
wö eine fehr nuͤzliche Kunft beſize. Selbſt in viefen 
Men follte einer nicht zu diefer Ehre gelangen, wenn 
iderfelben nicht von fechs taufend Achenienfern, bie 
ang geheim durch gewiſſe Steinchen ihre Meynung zu 
kennen geben muften, würdig erfannt werde F). Auch 
ach ver gluͤcklichſten Wahl blieben neu aufgenommene 
färger ftets von gewiffen Prieiterftellen, und von der 
Zarde der Archonten ausgeichloffen, und es ftand einem 
den frey, folche Perfonen nad) ihrer Aufnahme vor 
icht zu fodern, und als ſolche zu verflagen, die des 
uyfangenen DBürgerrechts nicht wuͤrdig fenen TF). 
enn 


U —— —— — Ei. 


nvi.2 
er) 1. 365. Plut. Zu und vor den Zeiten dieſes GSchrifte 
ftellers waren die Gelehrten Über den Bewegungsgrund 
diefes Geſezes nicht einig. 
Demofth. in Neser. p. 530. 
44) 1b. & 232 p. Faſt alle Redner halten den Athenienſern 
bie Strenge ihrer Vorfahren Ai ber Verſchenkung des 


Zweyter Band, | Baͤr⸗ 





so Sechſtes Buch. 

Wenn man nicht das Gluͤck gehabt hatte, auf eine 

fer außerordentlichen Arten in die Zahl dee Atheni 
chen Bürger eingefchrieben zu werden; fo Fonnte ı 
die Dorrechte derfelben nicht anders als durch die 

burt empfangen, indem man von einem Athenienſiſ 
Pürger und der Tochter eines Athenienfifchen Bür 
erzeugt feyn mufte. Der Gefezgeber feste ſehr h 
Strafen auf diejenigen, welche fich unterftehen wuͤr 
Das reine Athenienſiſche Blut zu verfälfchen, oder : 
Staate unächte Bürger und Bürgerinnen zu ge 
Wenn fich alfo jemand für einen Athenienfifchen Buͤ 
ausgab, und die Tochter eines Athenienfifchen Bär 
Beirathete; fo hafte ein jeder das Recht ihn als e 
Perrüger anzugeben , und er wurde alsdann als 
Sclave verfauft, und fein Bermögen eingezogen, 

von aber dem Unfläger der dritte Theil zufiel *). W 
te hingegen ein Athenienfifcher Bürger mit einer fı 
den als mit einer rechtmäßigen Frau zufammen ; fo 

ſte der erfle taufend Drachmen Strafe geben, und 
Ieztere wurde ats Sclavinn verfauft **) Noch 
fitenger war das Gefez gegen diejenigen , die e& wong 
eine Fremde für eine gebohrne Athenienferinn aus; 
‚ ben, und fie als eine folche mit einem Bürger von A 
zu verheirathen. Solche Berächter der Gefeze wır 
ihrer bürgerlichen Ehre, und zugleich ihres ganzen $ 
mögen verluſtig erflärt, von welchem leztern man 


———s,, ⏑ 


Buͤrgerrechts, und beſonders das ſo oft wiedeth 

Beyfpiel vor, daß bie auitgenoffen des Themifl 

und Ariſtides fo gar den König von Makedonien Xı 

tas, der die Perfer an bie Griechen bey Platda 

rieth, nicht des Bürgerrechte gewürbigt, fonber: 

nur zu einem Gaſtfreunde ihrer Stadt ernannt haͤt 
*) Demoßth. in Neaer, 519. 
a*) Ib, | 








”. 


Gefchichte der. Eriechifchen Sophiſten. sa 


keum dem Angeber den dritten Theil zufommen ließ *), 
Burd) diefe Geſeze wurde nicht nur die Berforgung der 
Zöchter der Athenienſer befordert, bie fonft, wenn fie 
ohne Reichthum und große Neize gewefen wären, frems 
ven Vuhlerinnen häufig würden nachgefezt worden feyn; 
fondern es wurde auch dadurch der Verführung der 
Weiber und Töchter der Achenienfer durch Fremde, 
und allen ven Liebein vorgebeugt, die in fpätern Zeiren 
ms einer zu großen Anhäufung und Dermehrung bes 
Poͤbels in Achen entftanden **). 

MWeil Solon wufte, wie gefährlich in einem Frey⸗ 
Kante Armuth, befonders diejenige Art von Armuth 
ſey, bie aus Verſchwendung entſteht, und auf den Bes 
fi; eines großen oder anfehnlichen Bermögens folgt; fo 
unterfagte er allen Verſchwendern, bie ihre väterlichen 
eder andere angeerbte Güter herdurch gebracht hatten, 
dffenclich vor dem Volke zu reden, und fchloß fie das 
durch von allen Würden und Ehrenftellen aus, in bes 
un fie, wie Aeſchines im Sinne des Geſezgebers fagt, 
De Ungelegenheiten des Volks eben fo untreu vermalten 
würden, als fie das Ihrige fchlecht in Acht genommen 

en 7). Die noch gefährlicyere Beſtechung ftrafte 
ion ſowohl an den Gebern als an den Annehmern 
von Geſchenken entweder durch Tod, oder zehnfache Ers 
fung, oder durch Ehrlofigfeit, wodurch mar faft alle 
Borrechte eines Athentenfifchen Bürgers verlor, den 
inzigen ausgenommen, daß man unter dem Schuze der 
Geſeze in Athen leben fonnie TD. Die größte Strenge, 
2 aber 


ann u Ei ie En 


ı 9 Ib.!524. p. 
**6) Man fehe Demoftb. in Neser. p. 533. 
ı #) Aefchines p. 175. in Timarch, 
++) Daß Tod die Strafe für Beſtechung geweſen fey, fagen 
Demcfth, in Phil, Ill & IV. p. 48. 50. 61. in Ti- 
* moe. 





REES EEE 





2 See - 


aber auch Weisheit bemerfe man in ben Geſezen, wei 
durch er entweder eine eingewurzelte Sittenverder 
aus zurotten, ober auch für die Zufunft die Keuſchhei 
beyder Sefchlechter in allen Altern zu ſchuͤzen fuchte, um 
die allein faft ein Fleines Geſezbuch ausmachen. Er läd 
Das Gefez des Drafo in feiner Kraft, nad) welchen 
man einen Ehebrecher, oder ven Derführer einer Mut 
ter, einer Schwefter, einer Tochter, einer Venfchläfe 
einn, oder eines jeden frenen Angehörigen, went mad 
ihn betraf, ungefiraft toͤdten Fonnte *), und verug 
theilte fogar die Keufchheitsmäckler,, oder die Unterhänt 
ler zum Tode **), Einer überwieferen Ehebröcherimi 
uunterfagte Solon allen Schmuf, und nahm ihr bi 
Freyheit, an öffentlichen Feften erfcheinen, und mit bes 
übrigen Achenienferinnen die Tempel der Götter befis 
den 











moc. p. 458. Acfch. in Tim,’p. 182. 186. Iſoer. I, 
363. Dinar) dagegen giebt Tob ober zehnfache Erfegnug 
(p. 100, adv. Demofth.) und Demoftbenes ſelbſt (ie 
Midiaın p. 401.) ewige Schande des Schulbigen uni 
feiner Kinder ale die Strafe dieſes Verbrechens an. Wiel 
leicht waren bie flärkern Strafen bie fpätern, wenn mau 
vorausfezt, daß fie wie in Mom in eben dem Mack 
erhöht worden ſeyen, in welchem das Werbrechen allge: 
meiner wurde. Die Rede wider ben Midias war ein 
der erfien des Demoſthenes. Plut. IV. 712. 
®) Demofth. adv. Ariftocr. p. 435. 

- %%) Aecfch. p. 196. in Timarch. Plutarch I. 361. fagt, baſ 
Solon die Verkäufer der Keufchheit der Achenienferim 
nen nur um zwanzig Drachmen geftraft babe. Allein 
er bat bier, wie in einer andern Nachricht, bie id 
gleich anführen werde, unftreitig Unredt. Die Stren 
ge des Solon gegen folche ſchaͤndliche Menſchen mwaı 
fehr weiſe. Denn ohne ihre Hülfe konnte in eima 
Stadt, wo beyde Geſchlechter ganz von einander abge: 
fondert waren, ſchwerlich ein unerlaubten Liebes handel 
an Stande fommen. 


Geſchichte der Griechiſchen Sophiften. 33 


u zu bürfen. Wagte fie aber das eine oder das ans 
e; fo war es einem jeben Arhenienfer erlaubt, eine 
de Ehrlofe anzufallen, ihre Kleider zu zerreißen, ih⸗ 
Schmuck zu rauben, fie zu ſchlagen, oder auf eine 
dere Art zu mißhandeln, "wenn er fie nur nicht toͤdtete 
w verftämmelte *). ‘Der beleidigte Mann durfte 
be einmal, wenn er auch noch fo gerne gewollt hätte, 
rehebrecherifche Frau bey ſich behalten, oder er büßte 
vieberbringlich feine ganze bürgerliche Ehre ein **), 
waltfame Raͤuber der Keufehheit und Unfchufd ven 
ehren, Jungfrauen, Knaben, und feloft von Sclaven 
iden von den Thesmotheten vor eins der großen Ges 
ste, welche Solon sefifet hatte, gebracht, und 3* 

3 ⸗ 





i Aeſeh. in Timarch. p. 196. & Demoſth. in Neaer. 
p. 521. Neuern Schriftſtellern zu Folge ſollen Ehe⸗ 
Breherinnen ihr Heirathszuth verloren, und die Maͤn⸗ 
ner das Recht gehabt haben, fie zu verfaufen, ober als 
Sclavinnen zu gebrauchen: Meurſ. Them, Att. L 5. 
Aullein dieſe Nachrichten find gewiß ungegruͤndet. Viel⸗ 
leicht kommt manchem die Beſtrafung von Ehebreche⸗ 
rinnen zu gelinde vor; allein man muß bedenken, daß 
Ehebrecherinnen dur bie Strafen, die Solon ihnen 
auferlegte, faft zu einer ewigen Gefangenfchafft oder 
Eingefhloffenheit in ihren Gemaͤchern verdammt wurs 
den, weil bie Athenlenferinnen fi felten öffentlich, 
ale an allgemeinen ober Familienfeſten, zeigen, 
nnd niemals anders als geſchmuͤckt erfcheinen burfs 
ten. Es gab in Athen fogar eigene Mlagiftratspers 
fonen,. weiche darauf fehen muflen, daß Weiber uns 
geſchmuͤckt ſich nicht oͤffentlich zeigten, und welche die⸗ 
Jenigen beſtraften, welche dies Geſez uͤbertraten, ſiehe 
Pollux VIII. q. ſ. 3z2. Man muß auch nicht vergefs 
fen, daß in einem Staat, wie Athen war, wo baß 
weibliche Geſchlecht fo eingefchränft lebte, untreue Ehe⸗ 
franen allemal, wenigſtens in Solons Zeiten, bie Ver 
führten, und nicht die Verfuͤhrerinnen waren. 








54 Sechſtes Buch. 


Beſchaffenheit der Umſtaͤnde, entweder ſogleich a 
Tode, oder auch zu einer beliebigen, aber immer ang: 
lichen Geldſtrafe verurtheilt *%). Solche DBerbr « 
fehwebten daher in einer doppelten Todesgefahr, 
man fie fomohl, wenn man fie betraf, ungeſtraft 
bringen, als im Gerichte des lebens verluftig erte 
konnte. Soolon ſcheint aber nicht ganz- mit fid — 
überein zu flimmer, wenn er auf der einen Seite — 
tern und Prüdern erlaubte, Töcjtern und Schwe 
soelche die Blürhe ihrer Keufchheit verloren haͤtten 
Sclavinnen zu verfaufen, und auf der andern & 
- Bäter, Brüder, Oheime und Vormuͤnder, die Diem 
ſchuld ihrer Söhne, Geſchwiſter, Neffen und M 
verfaufen würden, nicht härter, als die Käufer, 
allem Vermuthen nad) nur mit Schande, gewiß 


IIX 











- %) Demoſth. adv. Midiam p. 391. & Aeſchines adv. 
march. p. 173. Wenn Solon auf die Schaͤndunmg 

Sclaven (ſagt Aeſchines) eben die Strafe ſezte, 
welcher er bie ber Freyen belegte; fo that er bi 
nicht fowohl aus Fuͤrſorge für die erfiern, als ba 
bie leztern ſich nicht gewoͤhnen möchten, das Ba 
den, was fie an Scleven begangen hätten, aud 
ihres Bleihen auszuüben. — Plutarch wiberfpr 
bier abermald ben beyben größten Rednern der E 
hen und ben Geſezen, bie fie uns aufbehalten hal 
und ausdrädlihd dem Solon zueignen. Er er; 
nämlich, I. 361. in Vit. Sol. daß Solon auf den N 
ober die gewaltfame Schändung einer freyen Athen 
ferinn nur eine Strafe von hundert Dramen gı 
babe. Wenn er den Demoſthenes und Aeſchines fl« 
gelefen hätte; fo würde er diefen und ben eben ben 
ten Irrthum vermieden, und die Bemerkung haben er 
ren koͤnnen, womit er ben einen und den andern begle 
Aus de BArısmw exew aromıav ci Fell Toy 


yaınay vous Tw ZoAovi donsan. | 







Geſchichte der Sriechifchen Sophiſten. 5. 
ch 


ander fit dem Tode ſtrafte ). Allein bier muß man 
-b Werten, dag Väter und ältere Anverwandte, oder dee 
TR Stelloertreter vor dem Solon eine faft unumjchränfte 
eat über ihre Kinder und jüngeren Angehörigen hats 
TR, RE Soion dies Anfehen zwar ſchwaͤchen, aber 
Dh Anzlich aufgeben durfte, und daß endlich die Ver⸗ 
Seide, die Solon unferm Urtheile nach viel zu gelinbe 
» bor ihm wahrfcheinlich ganz ungeflraft waren 
worden. Er erhöhte die uns unbefannte 
4.Etraft,; womit er ausgeartete Väter, die Verraͤther 
der Vnſhuld ihrer Söhne geworden waren, belegte, 







f 
et 





E Mchitarch, daß er bie Söhne von der Pflicht losſagte, 
ı dw igen Erzeuger in ihrem: Alter zu ernähren, 
ceber ithre Häufer aufzunehmen, wiewohl er den erſtern 
, y die leztern nach) dem Tode zur Erbe zu bes 
| Ratten, und ihnen bie legten Pflichten zu erweifen **). 
Eolon Häufte zwar das Unglück ſolcher Elenben, 
pie dutch bie Bosheit anderer ihre Unſchuld verloren hats 
ten, richt noch, durch willführliche Strafen, gegen welche 
auch Vernunft und natürliche Billigfeit enmpört 
d hätten }); er war aber defto unerbittlicher gegen dieje⸗ 
uigen, die felbft ihre Keufchheit verfauft oder Preis ges 
| hatten. Solche ruchlofe Entehrer ihrer eignem 
Ä nen fonnten niemald weder Archonten, noch Prie⸗ 
: Ber, noch Richter werden. Ihnen war der Zugang zu 
allen öffentlichen Aemtern und Gefchäfften, fie möchten 
Samen haben, welche fie wollten, auf ewig verfchlofs 
fr. Sie durften weder vor dem Volke reden, noch 
Gefze oder andere Anordnungen vorfchlagen, noc) in 
de Tempel der Götter, oder in die allgemeinen Volks⸗ 
| D 4 ver⸗ 


S 







4. 


— GÜHEEED 








[U 3 








. ®) Acfch. p. 172. in Timarch, 
*8) Aefch, ib, | 
9 Ib 


56 Sechſtes Buch. — 


verſammlungen, ja nicht einmal in die oͤffentlichen M 
fommen, wo diefe Bolfsverfanmlungen gehalten w 
ten. Hatte aber jemand, der ſich feiner Schande 
mußt war, dennoch die Srechheit, dieſen Geboten 
Gefesgebers zumider zu handeln; fo Eonnte ihn ein jı 
cnflagen, und er wurde ohne Gnade zum Tode ver 
tleilt *%). Nach diefem Geſeze verklagte Aeſchines 
Timarch, und lesterer wurde wirklich, fo allgemein a 
damals Die unnatürliche tiebe war, zum Tode verbam 
und hingerichtet. | 

| Eine gleiche Strenge fintet fich in den Gefezen ( 
Jons Aber die Erziehung. Und eben dieſe Strenge 
wie auch Aeſchines beobachtete, der ficherfie Bew 
wie Gerrfehend die unnatürliche tiebe fchon im Zeitg 
diefes Geſezgebers geweſen jen *”). Am alle Verderh 
ter Kindheit und Jugend zu verhüten, die aus dem | 
ganze erwachfener Perfonen mic unerwachfenen in 
Einfarnfeit und Sinfterniß entſtehen Fonnte, beſtim 
er auf das genaufte die Zahl von Knaben und Juͤng 
gen, mit welchen tehrer in ihre Schulen oder in bie 
fentlichen Uebungspläze gehen, und die Zeit, warn 
ihre Schrftunden anfangen und endigen follten 7). 1 
jeder fehrer, er mochte ven !eib oder die Seele bilt 
durfte feine Schufe und fein Gymnaſium nicht vor S 
nenaufgang öffnen, und mufte fie vor Sonnenun 


$ 














%) Acfch. in Timarch. 173. p. Demofth, in And 


. 422. 

*) Acfch, adv, Timarch. p.172. Meræ raur& To 
w aInvascı, vencderes Tegı adınnnaray pe 
Amy MEV, IVCHEVEV Ö 0a Ev TH Wehen Eu * 
Tu MERTTEII TIVa 8 TOCONKEV, 8% Ti 
TBs vonas eIevTo ch Taiancı, 


7) Aeſch. ib, p. 172. 


Geſchichte der Griechifchen Sophiſten. 37 


ig wieder fchliegen *). In die Schulen von Knaben 
hl als Juͤnglingen durfte Feiner, der älter als bie 
senden war, einige nahe Anverwandte ber Lehrer aus» 
wnmen, bineinfommen; und wenn biefes g 

wer ber Lehrer wegen feiner Machläffigfeit oder Ders 
herey des Todes fchulbig **). Auch an den Selten, 
che die Knaben ven Mufen, und die Juͤnglinge dem 
weue zu Ehren in ven Schulen und Gymnaſien feiers 
; wear es niemanden, ber über die Zeiten der Kinds 
: une Jugend hinaus war, ben Lebensſtrafe erlaubt, 
„im die frölichen Chöre der Kinder und Juͤnglinge zu 
ſchen )). Solon beftellte außer den Areopagiten, 
Ache die hoͤchſte aber nur allgemeine Aufſicht über vie 
Isten Fünftiger Bürger hatten, noch befonbere Magis 
stöperfenen, die das Betragen von tehrern und Schüs 
n bewachen, und wenn die erftern ihre Pflicht vers 
mten, fie zur Rechenſdaſt ziehen muſten Tf). 

5 





Dieſe 


Die Gefeze lanten beym Aeſchines }. e. ſo: OF de Tan 
maudav Osdaucna\oı, avoryeracev nev Ta dides- 
zaNesıe un TEOTSEOV NAIB OWIovTos, HÄCSTÄCKr 
de eo YAıs Öuvovros. x un ebesw Tas unse 
TV Toy Telsduy AAııay BCW, ETIEvaı Toy Frohe 

wv Evbov OyF@v, E06y pn Vice Ödaanrs, 7 adsA- 
O8, n Jvyareos av cv de ris sagalraur" 
em, Javara Inpusc 0. &c. 
“) Ib. & Petit, Leg. Att. p. 295-909. 
1 eo 

D, Ib. Aus allen dieſen Geſezen erhellt, daß, ungeachtet 
Solon eine zärtliche Verbindung zwoer Perfonen uns 
fers Geſchlechts unter dem Namen von Liebe geftattete, 
und dieſe Liebe fogar ben Sclaven unterfagte, ſlehe 
Aesfch. p. 189. in Tim. und meine vermifchte Schrif⸗ 
ten ıten Band ©. 80. er dennoch bie Verderblichkeit 
der unnatuͤrlichen Liebe einſah, und fe burch bie * 

teſten 





58 Sechſtes Buch. 


Dieſe zulezt angefuͤhrten Geſeze Solons me 
aber nur den kleinſten Theil feiner Geſeze uͤber die 
bung aus, In welchen er ganz beftimmt die Bildung 
Knaben, Zünglingen und jungen Männern vorgefi 
ben hatte, umd die nachher von andern Vätern 
Volks mit neuen verinehrt wurden *). Wahrſchei 
find dfe meiften dieſer Geſeze verloren gegangen ; 
Gbrig gebliebenen aber gehören gewiß zu ben ſchaͤzba 
Reſten der gefesgebenden Weisheit der: Alter, und 
dienen nicht weniger Aufmerkſamkeit, als die Geſeze 
Minos und feines Nachahmers bes Lykurg. Ke 
der leztern werden bey der Dergleichung verfelben 
den Solonifchen bald finden , daß der Hauptg 
‚der Unterfihiede von beyden darinn liege, Daß ! 
fon nicht, wie Lykurg, allen Reichthum und Arm 
und die daraus entftehende wefentliche Ungleichheit 

2 





teſten Geſeze auszurotten ſuchte. em er ihr 
auch in einem gewiſſen Alter ergeben war, und fi 
feinen fruͤhern Gedichten befang, Plut. I. 345.-, ſo 
befferte er als Geſezgeber, was er als ein junger M 
verfehen hatte, und rettete andere von ber Ber 
zung, deren er fih nach den Sitten feiner Zeit ſchi 
gemacht hatte, 

5) Acfch. in Tim, p. 171. Zrelaode yae, w o 
yacı, vanv Reovosay weg Tns wPeoaunns 
mandav Toy Amerepmv evonoderneav, ve di 
enYnv amedeıkav, oe xen Fov maudes Toy aAeu 
eov emıtndeuew, a os des @urov reæx On 
ETEITE deuragov TEL Toy HEIEEKIMY. TEITOy € 
Ens magı Toy aRav MAıkıov. & ovov de zzagı 
lıwrav, ad ns eo Toy enroem, Z 
legtern Geſeze find nen. Denn Solon kaunte noch £ 
Öffentliche befoldete Rebner. 


Geſchichte des Griechiſchen Sophiſten. 59 


Nryger aufheben, und daß er eben deßwegen die Athe⸗ 
unſer auch nicht ganz allein zu Krieger ziehen fonnte, 
was ee ed auch gewollt und für nuͤzlich gehalten 









.: &olon überließ e8 eben fo wenig als Minos und 
fung. den Eitern, wie fie ihre Kinder erziehen wollten; 
n er nöchigte Die Bäter durch Geſeze, deren Ale 

er den Areopagiten Übergab, ihren Söhnen eine 

ken Stande und Vermoͤgen angemeffene Erziehung 1 
wien *). Die ärmern Bürger, bie nicht Bermögek 
geaug hatten, oder ihre Kinder nicht lange genug ents 
vchren konnten, um jie in bie öffentlichen Schulen und 
Gymnaſen zu ſchicken, waren verbunden, ihre Söhne 
von ber erſten Kindheit an zum Ackerbau, oder zu irs 
"einem andern müzlichen Handwerfe und Gewerbe 
enzufkalten *). Solche Hanprhierungen nun, in wels 
ln man Durch Handarbeiten für fich und feine Familie 
betgbärftigen Unterhalt zu gewinnen fuchte, wurden 
bon den Griechen mit einem Namen belegt, welchen wir 
furch nochwendige, aber unedle Künfte überfezen fünns 
m). Sie glaubten, daß durch diefe nothwendigen 
dinenden Kuͤnſte, befonders aber durch diejenigen, 
weiche eine fizende tebensart verlangten, der Leib ſowohl 
die Seele geſchwaͤcht, und beyde untüchtig gemacht 
Wkrden, diejenigen Tugenden zu erlangen, welche ein 
rs 


—— — — 





#) Ariſtoteles hielt dieſes für eine der erſten und nothwen⸗ 
digſten Pflichten eines Geſezgebers VIII. 1. Wenn er 
aber fagte, daß alle Bürger diefelbige Erziehung erhals 

| ten müften, fo machte er feine Forderung zu einfeitig, 

| und zog fie ganz allein von den Sazungen bed Minos 
und Lykurg ab. 

9 1J. 333. Arcop. Ilver. 

| 4) Texvaı Bavavsınaa. Xenoph,' Oecon, 4 c. & 

N Arift. VII, 2, 


N 4 pP f 1 ‚ \ ey. u 
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— 


Bürger befigen maͤſſe um fein Vaterland nacht 
gegen Zeinde b igen, oder oͤffentliche 
mit Alugheit fuͤhren zu fönnen *), In mehrern 
ten. waren daher alle Handwerker und tebensartı 
denen man durch Handarbeit fein Brod verdienen 
Yen Bürgern gänzlic) unterfogt, weil durch für die 
syoltifchen Uebungen und bie Erwerbung Friegerif 
genden gehindert wurden ), und felöft in Ach 
man Handarbeit, bie-allein Erwerbung des Unt 
" gar Abfishe haste, für ſchimpflich und freger DR 





®) Ariſt. de Civie, VII. 9. — Ovrs.Bawaueer ß, 
© aayogamen des {iv res weitaus. aryannas, 
 waißros Pr, ns Tgos . ger u 
vrid. & VI. 1. & 2. Bæœvcugey, ſagt m) 
tern Stelle, — eeævovr exvu⸗ des Faro —X— 
rexvm TaUri u naeInaw, o0c4 par ta 
ecesc xeq TuS zenfes Tas Tas I, 7; 
reęvœcgorres To Gmp Toy aNsUdELon, m Ti 
"og, n vw dsecvoney. dio Tas re roaur Fr 
orev TO amp Maeokorsuafecı gesgov disc 
Bavavsss naAspey, na Tas KioIcrgvim 
Yoarıs. @rXoAoy Yag Moi8cı Tnw Öicevosesy 
0 gan: AR varws Asyeıs, fügt & 
beym Zenoph. (Oecon, cap. 4.) » KorroßaA 
Vveog is 'ya Boswasuaınaı neAsmeras, xaı er 
Ci, KOM EINOTOS MV To mayu Mdogavrc 
Toy TONEwV. HOSTOBÄUMOVOVTEL YO TB Cu 
rov Te eoymlonevov x Tav EASEAo / 
— nei ax TexDe 
* avımı de mach EOS MUR NMELEUEN. Ta de Gay 
InAwepever, xas as ugs zoAu mega 

j VODTAR ' 

70) Xönoph, l, t. 





Art 


Geſchichte dee Sriechifchen Sophiften. 61 


gan”). Dielen Begriffen zufolge ſchloß Les 
alle Handwerker als untächtige Streiter von 
ienften gänzlich aus **), und Ariftoteles that den 
| ; daß nur allein diejenigen, Die wegen ihres 
Kiufera Unterrichts Öffentliche Würden befleiden koͤnnten, 
nb wegen ihrer Fertigkeit in Leibesuͤbungen zu Krieges 
Wanken fählg wären, wahre Bürger feyen, und daß 
Mijemigen hingegen, die fich von ihrer Hände Arbeit 
| ‚ nur in einer uneigentlichen Bedeutung dieſen 
Mamen verdienten ***). Handwerker und alle übrige 
Hendarbeiter unterfchieden fic) feiner Meynung nad) 
von Sclaven nur darinn, Daß biefe einem einzigen 
Herrn, jene hingegen einem jeden dienten, der fie bes 

7). Man koͤnne daher auch eine Stadt niche 
nennen, wenn fie zwar viele Handiverfer und 
Knfiter, aber nur wenige Männer habe, die in dem 


Miez ziehen Fonnten FT). 

Diefen unedlen Künften festen die Griechen bie 
fegen,, oder freyer Menſchen würdige Künfte entgegen, 
ir welchen alle begüterte Vaͤter, die ihren Unterhalt - 
wicht Dusch die Arbeit ihrer eigenen Hände erwerben 
verften , ihre Söhne unterrichten laſſen muften TFT). 
Nele ebiere Kenntniffe, woburd) Knaben und Züngs 
Inge zur Verwaltung öffentlicher Ehrenftellen und zu 
vu triegerifchen Tugenden vorbereitet und vorgeuͤbt 
den, beftanden im Zeitalter Solons in ver Kunſ zu 
| en 















9% Xenoph. memor. II, 7. 
ı 8%) Osconom. €. 6, | 
| "we, VII. 9. 

' $ III. 3. p. 320. 

VII. 4. 

Hr vide Plat. in Proteg. 289. Iſoer. 1. 333. & alia loca 
ap: Petit, p. 163. de leg, Att, 


En Gehe Bude: — 


lefen und zu fchreiben, in einer genauen Befanntfchaft ı 
den größten Nationaldichtern, in einer gehörigen Ker 
nig der Mufif, und endlich in einer Fertigfeit im a 
Spmnaftifchen Uebungen, zu denen man Sagen 1 
Reiten mit rechnen muß *). Die jestgenannten Ker 
niffe und Sefchicflichfeiten vourden nad) dem Solon n 
aur erweitert , fendern auch mit neuen, beſonders 
Mahlerey oder Zeichenkunft ”*) und mit der Arithm 
und Geometrie bereichert *""). Bon der lestern weiß 
nicht gewiß, wann fie zuerft in die Zahl der fre 
Künfte aufgenommen worden 7); fo viel aber if 
wiß, daß alle Weltweiſe den Kreis von Künften ı 
Kenntniſſen, welche die Ausbildung und Erziehung ei 
freyen und begücerten Griechen ausmachten FF), f 
von der Kunft der Redner, und der Philofophie, ı 
den übrigen eigentlichen Wiſſenſchafften unterfchieden 











®) Plat. & Iſoer. Il. ce. Ariſtoteles VIII. 6. de Civie. | 
dag die Griechen erſt nach den Perfiſchen Kriegen 4 
fangen hätten, fich mit Eifer auf Mufif zu legen. 
un) Dies gefchah feit den Zeiten des. Pampbifus, P 
XXXV. ı0, 
s#*) Cic. de orat. III. 32. Quint. I. 10. & Teletis fra 
ap. Stob. Serm. XCVI. Die Beldreibung ber Bit 
‚eines freyen und wohlerzogenen Griechen beym Xe 
111. IL v. 23. in Eunucho, ift daher unvollſtaͤn 
Fac periculum in Literis, fac in Palaeftra, in N 
eis: quae liberum fcire aequum eftadolefcentem, 
lertem dabo. Doch zählt auch Aeſchines p. 309. c 
Ctefiph. dad Mahlen oder Zeichnen nicht unter ben 
fhielichfeiten eines wohlerzogenen Griechen auf, 
Ariſtoteles ‚bezeugt, daß nur einige fich auf dieſe A 
gelegt hätten. VIII. 3. de Civ. j 
D riftoteles zaͤhlt fie nicht unter ihnen auf: VII. 3. 
lein ſchon Plato fagte, daß feiner, ber in der Geom 
unerfahren fey, in die Akademie kommen folle. 
HH) eyrunda Masynore. 





Gefchichte der Griechiſchen Sophiſten. 63 


19), unb bag man bie leztern niemals von einem 
m wohl erzogenen Griechen erfodert hat **). Eine 
wirige Beobachtung aber ift diefe, daß in eben dem 
whälcniffe, in welchem der Umfang und die Menge 
w Renneniffen und Künften, in welchen man junge 
| Leu⸗ 










üö—x 








9) Diog. T1.79. VI. 103. & ib, Menag. 

% Arift. de Civit, VIII, 2. 915. erklärt fi hierüber fol⸗ 
gender Geſtalt: Esı de nu Toy [7,078777037 EZISN® 
Kay KEXLI EV Tivos ENImV KETSEV de Ay 7006 
-FO.WTeres , voXov Toıs sienpevaıs BAaßıs. 
em de mom din Dogay xaı To Tiveos Kaeıy 
KHERTTELTISH Mavdovei. KUTS pev ya Xaeıy, 9 
Or, n di’ ageTnv 8% aveNsudeeov. o de ævuro 
rro mearrav di @wAABE, moAAxıs. Inrinon 
as daAmov dofesy av reisten. Ueber bie 
wahre zraıdesce oder Ausbildung eines Mannes findet 
man vortreffliche Gedanken beym Iſokrates Panathen, II, 
195s097. Wahre Sultur, fagt er, beſteht nicht in deu 
Menge und Seltenheit von Kuͤnſten und Wiffenfchaffe 
ten, bie man befizt; denn wie viele Meifter in beyden 
fieht man nicht, die fich felbft zur Lafl, und andern 
unerträglich find, die fich gar nicht ums ihre Mitbürger, 
oder um einen guten Namen befümmern, und dabey 

in die gröbften Vergehungen fallen? Nur denjenigen 
halte ich für einen wahrhaftig ausgebildeten und vollen» 
deten Mann, der alles, mas ihm aufſtoͤßt, zu nuzen 
und zum Bellen zu kehren weiß, der allen denen, mie 
welchen er umgeht, gerecht und gütig begegnet, und 
anderer ihre Thorheiten und Schmwachheiten mit Gebnib 
und Sanftmuth erträgt; ber fih niemals weder von 
gegenmärtiger Luft überwinden, noch von Widerwaͤr⸗ 
tigfeiten niederfchlagen läßt. Der ſich endlih im Gluͤck 
nicht uͤberhebt, und von den Gütern, bie diefes geben 
kann, nicht mehr aus fich felbft entruͤckt wird, ale er 
fi des Verluftes der Güter, die es bisweilen nimmt, 
zu (dämen Urfache hat. Mean fehe auch Plat. de Leg, 
Lib, I. p. 517. 520. 523. 0 


a“: Oh Buße 


amnterei — die Erziehung u 
Sa daß ihre Sitten und kin 


wurden, Kurth mebe man ir: 
mit fehbnen und feltenen Künften —— 
nuſchmoͤcken anfing. 
WVUngeachtet Solon in ſeinen Geſezen bie ger 
Vorſchriften darüber gegeben hatte, wie und more 
Sdohne der Achenienfer follten unterrichter werben 
ſchuf er doch nicht, wie infurg, die ganze biöherig 
siehung feines Volls um FAR from er machte nut 
ser erehung, welche bie 
dern bisher gegeben 


oleichem 
Alter im und Scheiben, als unentbehr 
Ein de a Der Schlifiel ju bielen andern 
Kenn 


BE —— ale Car 06 ——— 
gen en, als 
Soberden auf große M Männer wur 





*) Und dles geſchah meins fm fichenten Sahır. 
##) Plato in Protagora p. 289. _ 
D Ib. ariſt. ‚de elvit. —* 3. 


Geſchichte der Griechiſchen Sopfiften. 83 


%), Außer dieſen Schulen aber muſten Knaben 
h die oͤffentlichen Piäge beſuchen, in’ welchen: fie von 
hickten Dazu beftellten Meiſtern in Leibesuͤbungen, Die 
m Kräften angemeflen waren, Eunftmägig unterrichs 
wurden, damit ihr Eorper, wie Ihe Beiſt, fruͤh ent⸗ 
bit, und dem einen Geſundheit und Staͤrke, wie 
s. andern Tapferkeit mitgetheilt umd eingepflanzt 
sr), So wie Knaben ſich den Jahren der Ju 
J W 5— gend 
en ft " en 
m Plat. p. 289. Kas ereidav av yonuuore uadmcı, 
. m HEAAwCı TUCH To YeyERMHEIE, RER 
sore rw Day magarıdezew autos 871 Toy 
5 BuIeay wäynncren: Rehıray ayaIar rom. 
U era, no — —— Ev Os 
 ohAaı ev vssernens — de de Lodo⸗ 
. NER EM OWEN, MOLI.ENTRO LIE TEEN ara erden aya- 
 Dew, Ivo & Baus CuAmy MIUNTERI, x oce vnrœ⸗ 
rosros yeveddec,: Die Werke-von Dichtern waren 
: ia Zeitalter Solone, fo wie fie es noch immer unter 
barbarifchen und halbeultivirten Voͤlkern find, die einzie 
gen, wodurch junge Seelen gebildet werben konntin, 
‚weil bie Profa noch unerfunden, und profaifche Werke 
, noch ungeſchrieben waren. Auch in allen nachfolgen⸗ 
den Zeitaltern fing der Unterricht ber Griechen ſtets 
vom Lefen der Dichter an. Sowohl Plate I, c, als 
Aeſchines p..293.Tadv. Timarch.: und eine der reden⸗ 
det Perfonen im Oaflmale des Renophon mußten bie 
Werke der Onomiker, und der leztere fo gar alle Ge⸗ 
dichte bed Homer auswendig lernen. Symp, c, 3. 


4) VIIE. 3. Ari, & Plat. 1. c. Diefe Leibesäbungen bes 
fanden hauptſaͤchlich im Schwimmen, Laufen, Ringen 
and. Balgen. Eine umfländlihe Befchreibung biefes 
erſten Unterrichts in Leibesübungen laͤßt fich nicht mehr 
geben; doch ſchlleße ich aus einer Stelle bes Ariſtote⸗ 
les, daß die Athenienſer die Kräfte ihrer Söhne nicht 

Zweyter Band, € le 


su 


naͤherten, ober barinn übergingen, nahmen 6 
Seen des Unterrichts auch ſtuffenweiſe zu. Man 
taufchte die Schulen der Örammatifer gegen die 
Tonkuͤnſtler, die ihre Zöglinge im Inrifchen Geſa 
verbunden mit dem Spiel eines oder mehrerer muſi 
cher Inſtrumente, unterwieſen *), um dadurch 
Sitten zu bilden, ihr Herz zu Friegerifchem ober._& 
gem Enthufiasmus zu entgänden, und.ipnen ein M 
zu v , woburd) fie ihre Muße eben fo glüc 
und würdig, als ihr gefchäfftiges Seben auf eine ' 
Baterlande erſprießliche Art Hinbringen Fonnten 


® 





fo ſehr als die Spartaner angeſtreugt haben. de 
wit. VII. 4. Deun uur den leztern wirft er 
Daß fie vurh Äbertricbene Reibesäbungen die Kräftı 
zer Kinder mehr erſchoͤpft als geſtaͤrkt hätten. 1 
Ben Olympiſchen Siegern (ſezt Ariſtoteles Hinfu , 
die Schaͤdlichkeit zu fruͤher heftiger Wuftrenguiigen 
@örpers zu beweifen) finden ih une zwey ober I 
die zugleich ale Knaben, uud auch als Männer 
Lorbeer erhalten haben. 

.©, Plato L.& & Ariſt. VIII. 3-7. & Quint. I. 10. 

©) Man fehe beſonders Plat. de Rep. Lib, III, p. 194, & 
Ed. Maffey, Atif, 1. &. 5. 6 7. dDiemit vergh 

an Polyb. IV. 20. fd. Diefe Ötellen über die 
Sen Wirkungen der Muſik der Alten auf bie EI 
find eben fü befammt, als bie Erfcheinung ſelbſt 
großen Kunftverfiändigen unerklaͤrlich bleibt. @ı 
wurde die Mufif in den Älteften Zeiten mehr für 
nuͤzliche als angenehine Kunfl gehalten, da fie hing: 
in fpätern Zeiten VIII. 3. Arift. unter die bloß ergẽ 
den gerechnet, und für eine chen fo mächtige Werk: 
rinn der Bitten gehalten wurde, als fie vormals 

Behälften und Erhälteriun der Tugend gerwefen ı 
Selbſt im Zeitalter des Ariſtoteles aber unterſe 
man ned) drey ganz von einander abweichende U 


Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 67 
lben und Jaͤnglinge wetteiferten an gewiſſen Feſten 
ve Kunſt des lyriſchen Geſangs, und die Eltern ſez⸗ 
fir Diejenigen ‘reife aus, welche bie Sedichte des 
don, ober anderer alter und weifer Bolfsfänger am 
In ebfingen würben % &o wie fie an Jahren, an 
* a 


Kennt⸗ 





ya Muſik Ce. 7.) fo wie man noch immer bie Nuͤz⸗ 
ren oder Schaͤrlichkeit einer jeden Art, die unter 
den riechen gebräuchlich war oder geweſen war, ums 
wnfachte. Go wenig bie Muffe der Griechen unveräne 
yerlich blieb, fo wenig wurden auch immer diefelbigen 
r\ mente vor aubern geſchaͤzt. Ariſtoteles uemne 
, bie man im Alterthume allein gekannt und 
geliebt hatte, und bie von feinen Zeitgenoffen ganz 
yergapiäffige wurden, ib. c. 6. Alfibiades warf, - 
vwie Arißoteies artheilt, mit Recht bie Slöte weg, wei 
ı + ie das Geficht verzerre, und den Mund vericliche 
- kt die Söhne der Ahebauer,, fagte er, auf ber Ziöte 









‚ weil fie wicht reden Pannen; uns Athenieuſer 
zjemt dieſes nicht, ba wir die Minerva und ben Apoll 
als Schuzgoͤtter anbeten, davon bie eine bie Floͤte wege 
warf, nnd der andere einem Slötenfpieler bie Haut über 
die Dbren zog (II. p. 6.7.) Durch biefe Einfälle hob 
er das Floͤten piel ans der Zahl der ſchoͤnen Kuͤnſte heraus; 
gab von Viefer Zeit an feinen bie Mchenienfer allein 
+ ur Gaiteninfiramente gefpielt zu Haben. — Wie rich⸗ 
gig bie oben angeführte Bemerkung bes Ariftoteles if: 
saß die Sriechen erſt mach ben Perfiſchen Kriegen ſich 
mit Eifer auf die Muſik gelegt haben, ſieht man and 
den Beyſpielen des Ahemiflofles I. 490. Plut. und 
Kimon HI. 177. 1d. bie beyde unerfahren in dieſer 
Kuuft waren. Zwar fagen Plutarch und andere, daß 
an ihnen diefe Ungeuͤbtheit in einer Kunſt, bie allen 
beffern Griechen unentbehrlich gefchienen, vorgeworfen 
babe, allein wahrſcheinlich ruͤhrt diefe Nachricht aus 
fpätern Zeiten ber, in weichen dieſe Kunſt ein ganz 
wefentlihes Städ der Erziehung geworben war. 
©) Plato in Timaeo p. 474. Weil alle nicht ganz arme 
Vthenienſer Oeſang une Mufit lernten, ſo — 
an 


. 


Genntniß der Sprache, der. Mufif, : und bee gı 
Dichter zunahmen; gingen fie auch zu immer f 
Stuffen auf der Paläftra fort. Die Leibesübungen 
fie als Knaben.getrieben hatten, wurden nicht nur 
gefezt und verflärft, fonbern auch mit neuen, beſi 
mit Neiten und Jagen vermehrt; und um bie 

der Mannbarkeit, oder Furz nachher muften fie fü 











andy beyde zu den größten Zeyerlichkeiten, won d 
en fowohl als Samilienfeflen. Man fang fo 
fege des Charondas in Athen an Gaſtmaͤle 
Athen. XIV. c, 3. p. 619. — In den aͤlteſten 
ſangen bie Dichter ihre eigne Werke ab, fo wie 
ſten Tragiker und-Romifer ihre eigne Schauſpie 
ftellten. Athen. XIV. 3. 4, p. 620. In der 
aber wurben die Arbeiten der berühmteften Dicht 
Rhapſobiſten abgefungen, von welchen man g 
daß fie von den Muſen der Dichter, berem 
heclamirten, begeiftert würden. ib. & Plat. in 
Schon Hipparch machte das Geſez, daß die E 
des Homer alle fünf Jahre an den großen Panat 
yon Rhapſodiſten fellten abgefungen werden. J 
adv. Leoer. p. 165. & Petit. de leg, Att. 
Wahrſcheinlich nach dieſem Muſter gab ber bei 
Medner Lykurg ein anderes, wodurch ben ©: 
ober Syndicus der Stadt befohlen wurde, alle 
bie Xrauerfpiele des Aeſchvylus, Sophokles und € 
des, deren Werke man in biefer Abficht in den d 
* Gen Archiven aufbewahrte, dem Wolke vworz 
Petit. p. 68. Demetrius Phalerens war be 
ber Mhapfodiften aufs Theater brachte, und | 
Schauſpielern an die Seite fezte. Athen, I, c, 
den Urtheilen, die Kenophon über diefe Mhapi 
fälle, waren fie meiſtens unwiffende Leute, ber 
ziges Verdienſt darinn befland, daß fie die Wer! 
Dichtern richtig abfangen oder beclamirten, di 
oft basjenige, was fie fangen, nicht einmal verfl 
IV. 2. Memor, Soer. & Symp. c. 3. 


Gefchichte der Griechifchen Sophiſten. 69 
ichfeiten, und unter biefen fogar das gezwun⸗ 

den Appetit eines jeben überfteigende Effen gefallen 
Rn, wozu fich wenigftens diejenigen entfchloffen, vie 
van Olympifchen ober andern Spielen Sieger wers 
Inmeilten *). Solon zwang aber nicht bloß die Athe⸗ 
when Juͤnglinge durch feine Gefeze zu folchen hefti⸗ 
# Sehbesübungen, fonbern er munterte auch durch 
He Belohnungen dazu auf, indem er ven Siegern in 
Iſtmiſchen Spielen hundert, und denen in ben 
mmpifchen fünf Hundere Drachmen verſprach **); und 
ſen feinen Gefezen und Aufmunterungen zur Gymna⸗ 
muß man es unftreitig größtentheils zufchreiben, daß 
Fyon Im eingeführte Volksregiment befeftige, und 
ſe Sange nachher die Sieger bey Marathon, Gas 
im mu Plataͤa gezogen wurden 7). Mach der feners 
0 | € 3 lichen 















‚ Plat. & Teletis fragm, 1l. ec. Arift, c. 4. VIII, de 
Civit. 

N Plut. I. 362. Diogenes von Laerte, ober wem dieſer 
elende Sompilator folgte, urtheilte alfo ſehr fchief, 
wenn er die Summe von fünf hundert Drachmen , wo⸗ 
für man im Zeitalter Solons hundert Ochfen kaufen 

konnte, für nicht größer hielt, als fie In feinem Zeit⸗ 

' alter war, und dabey glaubte, daß er burch biefe gerin⸗ 

» gen Belohnungen ſiegreicher Kämpfer die Athletenſucht 

‚unter den Athenienſern babe einfhränfen wollen. 

I. 55. 56. | 

Je allgemeiner nämlich die gymnaſtiſchen Uebungen wur⸗ 
ben, deſto groͤßer wurde die Zahl geſchickter Krieger, 
deſto ſtaͤrker der Staat gegen auswaͤrtige Feinde, und 
deſto maͤchtiger das Volk gegen Oligarchiſche Bedruͤ⸗ 
der, die vorher die einzigen Krieger geweſen waren. 
IV. 13. Arift. de Civ. Dean fah daher auch in alte 
Zeiten die Palaͤſtra für eine Ernährerinn und Beſchuͤze⸗ 
rinn der Tapferkeit wie für eine Schule des Krieges an; 
und eben beßwegen unterfagten Polykrates und andere 

| | vo. 


— 
ı 


u... Sechſtes Bud, .. | 
lichen Einfehreibung oder Aufnahme unter die Buͤtg 
entgingen bie jungen Athenienfer zwar der genauen Al 
ſicht ihrer bisherigen Lehrer, bie für ihre Sitten, 
für die Stärfung ihres Leibes und die Bereicherung gg 
Senntniffe forgen mußten *); allein fie wurden 
noch nicht der Aufficht der Soloniſchen Geſeze und 
vornehmſten Handhaber entzogen. Vielmehr 

(6 w 












ber Areopag die jungen Diänner und Bürger, 
den Geſezen des Staats befannt zu machen, und 
Gymnaſtiſchen Uebungen beftändig fortzufegen **), 
erſt im brenßigften Jahre war ed ihnen erlaubt, 
lich vor dem Senat oder Bolfe zu reden; nachbem { 
während eines Zeitraums von zehn Jahren hie 
verfaffung der Republik, ihre gegenwärtige tage, ı 
Derhältniß zu andern Staaten, und bie vor | 
Perſonen ihrer Zeit unter der Anleitung weifer Mäund 
und in den Bolfsverfammlungen kennen zu iernen, & 

"A 


legenheit gehabt Hatten 7). A 











verſchmizte Tyrannen ihren Mitbürgern, bie fe une 
druͤckt hatten, alle bildende Leibesübungen. Athen, 
p. 602. In fpätern Zeiten und Schriftſtellern, 
berd Römifchen, . trifft man ganz verfchiedene. Urtken 
über die Paldfira und Gymnaflifchen Uebungen ber Oz 
chen an. Man hielt beyde für eine Haupturſache & 
Ausartung und Weichlichkeit der Griechen, und fe= 
die eine wirklichen Lägern, uud bie andern wirklich 
Kriegsäbungen entgegen. Mir ift es bier genng, - 
nachtheiligen Wirkungen ber Griechiſchen Gymuaß 
kurz angezeigt zu haben, bamit man nidht die Zeuge ' 
von Schriftſtellern, in denen fie bemerkt werben, w 
den Altern Zeiten mißverſtehe. 
) Plut. l. e. 
y Plut. & Tel. Il. ce. j 
-I Dinsrch. p. 101. Aelch, 271. 174. 175. & Pet. ex h 
Ozgstor. P. 260, & ſq. 74 25 " 





\ 


\ 


Geſchichte der Griechiſchen Sophiften. 7% 


i Wenn man biefe Erziehung ber Arbenienfer mis 
heutigen vergleiche, die mic der Vernachläffigung 
v Didung der Sitten und des Chrpers haupeſaͤchlich 
¶ Ve möhfeelige und langwierige Einpfropfung manche 
Me, niche felten entbehrlicher Künfte und Kennt⸗ 
Ufe dyent; fo wird man verſucht zu glauben, daß 
Inerfere wegen ihrer Einfalt oder Einfachheit nicht bie 
miehung eines, wegen feiner Aufflärung fo. beruͤhm⸗ 
B, ſondern eines halb barbarifchen Volls gewefen ſey. 
nberbeffen muß e& einem jeben unpartheyiſchen und auf⸗ 
ulm Beobachter einleuchten, dag bie Erziehung 
wCsihen mach den Borfcriften Sofont unenbiidp 
Wr, au Ne heutige, Die Herzen und Sitten von Knaben 
B Fhpingen bildete, und daß fie den Umſtoͤnden ber 
senalgen Zeit, den Debüsfniflen des Etaate und deu 
Beitimmung junger Mitbuͤrger auf das Molke 
mumenfle anpaſſend war, „Inden fie diefe allmäfich mie 




















) Din einzigen Plato ausgenommen, ber aber die Weiber 
Biber bie Abfichten der Marar “ Manner umſchaffen 
wollte. 


a, Schfles Bude 


dachten. Solon gab auch gar: Feine Geſeze über 
rziehung der Töchter *), und fo guͤtig er ſich —* 
feinen uͤbrigen Geſezen gegen das. ſchwaͤchere Gefchlem 
erwies; ſo zog er doch die firenge Zucht, unter weich 
es ſtand, noch flärfer an,. und fihloß ed auch meht em 
als es vor ihm geweſen war. Exr vererbnkte, daß U 
Ber niemals anders ald gepuzt ausgehen, aber doch aus 
. nicht mic mehr ald drey Kleidungsſtuͤcken umgeben’ fege 
| daß fie nur drey Obole werthe Nahrungsmittel, und F 
hen groͤßern, als einen cubitalifchen Korb bey fich AH 
en, daß fie endlich des Nachts niemals ihre WBohrien 
erlaffen follten, wenn fie nicht auf einem an 
gen, ‚und eine Fackel vor fich her tragen ließen **).. . 
unterfagte ihnen gleichfalls alle heftige — S 
zeugungen, die bis dahin gebraͤuchlich geweſen are 
das wilde Wehklagen, und Jammergeheul, dab: Au 
reißen der Haare, das Zerfleifchen der Brüfte, umbau 
derer Theile des Leibes. Auch verbot er ihnen; ." 
Stabmäler fremder Perfonen zu einer andern Zeit, \ 
der des keichenbegangniffes zu. befuchen 7). Aus bie 
Geſezen allein kann man fehon ſchließen, daß bie Lebe 
art, und alfo aud) die Erziehung bes weiblichen € 
ſchlechts in Griechenland noch weit mehr, als bie. 1 
männlichen von ber unftigen verfchieden gewefen fen. 


. Die Eingefchloffenheit und Eingefchränftpeit 
weiblichen Sefchlechts überhaupt war in Griechenlant 
alt, - daß fie mit der häuslichen Gefellfchaffe felbft ı 
ftanden zu ſeyn ſcheint; und es ift daher unmöglich, 
Urſachen derſelbigen mit Benwißdet ‚ und une 





*, Und — untrföl er ſich weg vom Eor 
nd Plut. in Sol, I. 359. 








Geſchichte der Sriechiſchen Sophiſten. 73 


ber, auch nur wahrſcheinliche Vermuthungen daruͤber 
pen. Wenn ich aber die Griechiſchen Bölfer mie 
Bun Nationen unter ähnlichen Himmelsftrichen und 
den zuſammenhalte; fo kommt es mir viel glaubs 
Mayr, daß die Griechen bie Eingezogenheit der Wei⸗ 

Seh den Fremdlingen aus Aſien und Africa, welche 
BUnkeher ihrer erſten bürgerlichen Einrichtungen wa⸗ 
Ws als eine ausländifche Sitte empfangen haben, als 
B ſe ein Wirfung des eigenthämlichen Klima ihres 
We, oder ihrer alten urfprünglichen tebensart gewe⸗ 
a. Dem fen aber wie ihm wolle, fo glaubte man 
wein Sriechenland, daß bie Natur oder Vorſe⸗ 
hj den Nann zu allen öffentlichen oder Privatgefchäffs 
Be, Be außer dem Haufe vorfielen ot er verrichtet wer⸗ 
ww, und das Weib zu allen Innern häuslicher 
röcken beſtimmt, und nach biefen verfchiedenen Beſtim⸗ 
ngen auch Kräfte und Neigungen an bende Geſchlech⸗ 
e verſchleden auſsgetheilt habe *). Die Ehre einer vers 
xacheten Frau beftand barinn, fo wenig als möglich 
Haufe zu feyn, und von Unbekannten bemerkt zw‘ 
weh; und die ganze Erziehung von Sungfrauen zielte 
warf ab, daß fie fo wenig, als möglich, reden, hören 
u ſehen möchten **). Durch diefe forgfältige Eins: 
üchung des weiblichen Gefchlechts und Abfonderung 
we dem unfeigen wurbe es Mäpchen und Frauen ums: 
- u EuE5 moͤglich 




























"9 lieber dieſe verſchiedene Beſtimmung beyber Geſchlechter 

und die Verſchiedenheit ihrer Geſchaͤffte ſehe man Xe- 
noph. Oeconom, 3. 7. Io. e. aus welchen Sapiteln ich 
auch alles das hergenommen habe, was man in biefens 
Abfaze Über die Erzichung, Lebensart und Gefchäfte der 
Weiber lefen wird. ’ | 

%) Ich bediene mich bier‘ der eigenen Worte Renophous 
& 3. 7. gi. el pr ...7 








ME Secchſtes Bud. ==: 


moͤglich gemacht, ihren Geift durch Kuͤnſte, 9 
fhafften oder lehrreichen Umgang zu bilden, weil 
der leztere unterſagt war, und bie erftern nur von 
nern gelehrt wurden, die zu ihren geheimen ı 
gen keinen Zutritt hatten. Wenn alfo junge Adi 
ferinnen aus vornehmen Käufern verheirathet wur 
fo brachten fie ihren Männern feine andere Kenntaifl 
eine Fertigkeit in gewiffen weiblicyen Arbeiten, befi 
Meben und Streifen von Kleidungsſtuͤcken zu **) 
waren in ben wichtigften häuslichen Gefchäfften fo 
ren, .. baß fie erſt von ihren Männern, bie 6: 
größten Rechtſchaffenheit mit ven geliebteften W 
Doch weniger ald mit andern Menſchen redeten, 3 
gen Hausmüctern muſten gezogen werben. Die ! 
ten einer guten Hausfrau feste man allein darim: 
fie dasjenige, was der Fleiß des Mannes ange 
und erworben Me ‚ zu erhalten ſuche: daß fie d 
geerndteten Fruͤchte weder verſchwende noch veri 
laſſe: daß fie alles Hausgeräch in gehöriger Dei 
und gutem Stande erhalte: daß fie Sclaven und 
Binnen ihre. Arbeiten weislich auscheile: daß fie bi 
wiffenden unterrichte, die Trägen ermuntere, die T 
und Kleißigen belohne, die Nachläffigen und Line 
beftrafe, und die Kranfen. liebreich pflege: endlich d 
ihre Fleinen Kinder mit mütterlichee Sorgfalt ei 
und ihrem Manne unverbrüchliche Treue bewahr 
Den einer folchen Erziehung und tebensart wird es 
begreiflich, warum Solon von ber Erziehung ber © 
ter In feinen Geſezen gänzlich ſchwieg, und das wei 


u! 


©) Und dies gefi eiffens im unten re 
°) ee Ei kunfich Jahre, 








"m Xen. ll, ce, & Memotab. Secz. IL 2. n 


Geſchichte der Griechifchen Sophiſten. 75 


Wblecht in Griechenland viel weniger als unter uns 
Mg. wurde *). 


Daß Solon in der Erziehung ber Achenienfer nur. 
Inge Beränverungen machte, iſt weniger zu verwun⸗ 
w,unb auch weniger merkwürdig, als daß er die Re⸗ 
wa feines Volks faſt ganz unverändert ließ. Denn 
ie denn Reinigungen und Ausföhnungen, wodurch 
ı Sreund Epimenides die Achenienjer beruhigee **), 
ee den Altären, die eben biefer Weißager den Furien 
ı.uubefatnten Göttern, ja fogar einigen taftern er⸗ 
were }), außer dem Tempel, welchen Solon der ges 
inn DBenus erbaute, und worinn er öffentliche 
eltüperfonen zu ‘Dienerinnen der Görtinn beftells 
MM), endlich außer den Geſezen, wodurch bie Trauer 
. ‘ 











‚Die Erziehung der Buhlerinnen war von ber Erziehung 
freyer und ehrbahrer Arhentenferinnen ganz verfchieben. 
Weber vie erfiern febe man meine) Abhandlung Aber bie- 
Mannerliebe der Griechen, und meine Befchichte des 
Luxus unter ben Athenienfern. 


" Plus. 1. 336. Diefer Schriftſteller fchildert den Epime⸗ 
nides als einen weiln Dann, ber bie Religion ber 
Athenienſer fanfter unb milder gemacht babe. Euan⸗ 
shes hingegen beym Athenaͤns XII. 8. 602 p. erzählt, 
Daß er die Athenisnfer von dem Fluche, ber auf ihnen 
ruhte, durch Menſchenblut gereinigt, und nennt den 
ſchoͤnen Juͤngling, den er geopfert babe. Die leztere 
Erzaͤhlung ſcheint mir bie glaubwuͤrdigſte; denn Men⸗ 
ſchenopfer blieben noch lange nach dem Solon nuter den 
Athenienſern und andern Griechen gebraͤuchlich, wie Ich 
an einem andern Drte zeigen werbe, 


) Diog. 1. 109, & fq. & Plut. 1. e. 
-+) Athen, XIII. 4. Paufanlas I, p. 2. fagt, daß Theſent 
einen ſolchen Tempel errichtet babe. Er 


6 =. Schu 


eingefcheänft *), dem Areopag die oberfle Aufſicht = 
Keligionefachen **) aufgetragen, und ber hehe Rath 9 
fehligt wurde, ſich am Tage nad) den Myſterien U 
Eeuſiniſchen Tempel zu verſammlen, um alle die Ste 
tigfeiten und Unordnungen zu fchlichten und zu beſtrafe 
Die während dieſer geheimen Feſte entftanden und vorg 
fallen wären ***), außer diefen Einrichtungen und & 
fezen finde ic) gar feine Neuerungen, die Solon in 
Goͤtterdienſte feiner Väter gemacht hätte. Die’ 
selber die Sottlofen, von denen ich gleich reden we 
waren zu unbeflimmt und zu graufam, als bag man 
dem Solon zufchreiben Fonnte; wenigftens werben 
ihm von feinem einzigen alten oder glaubwürbigen 
ſteller zugeeignet. Wahrfcheinlicher ifi es, daß Gehe 
Die ungefchriebenen Geje;e der Eumolpiden, nad zue 
chen diefe vormals alle diejenigen, welche wider Wie Rı 
ligion und Götter gefündigt hatten, beflrafen Fonntes 
abgefchafft Habe ). Denn erſtlich verordnete er, ba 
obrigfeitliche Perionen, unter keinerley Vorwand, una! 
feinem einzigen Ball, einen Bürger nad) ungefchriebeme 
Geſezen richten follten F}), und zweytens führe & 
fias FF) ven Rath des Perifles, daß man nach den m 
gefchriebenen Geſezen der-Eumolpiden wider "die Getı 
lofen verfahren müfle, als eine ganz neue und ung 
wöhnliche Maaßregel an. 

Wenn Solon nicht mit feinen Zeitgenoffen geirrt 
ober wenn er eine reinere und erhabenere Religion ai 

die 








an mal 


” Plut.]. e. 

##) 0.9. Meurf. Areop. 

#44) Andoc. or. I. p. 229. Ed. Hanovii, 

7) Diefer Geſeze erwähnt Lyfiss adverf. Andoc, p. 168. 
tt) vide Sal, Leg. ap. Andoc. p. 215. 1, e. 

tt Vl. c. 





‚Dan fehe Plat. de Rep. in, n. ai, p. joa. 4. 168. 
140. 148. 150. 20 172. 174, Ed. Maffey. us 
diefen Stellen. in melden. Plato bie Religiousbegriffe b 
feiner Zeitgeneffen beftreiter, iſt auch dasjenige genams . 
mn, ms ich noch vch ber die Relni jom der hand “ 


fen wer \ 


BE Sf 


and den Schuz der Götter durch prächtige und al 
fehweifende Sefte, oder durch reiche Opfer, Geſcheit 
and Stiftungen erfaufen, und ihren Zorn 
koͤme. Nicht bloß alte Frauen ober Menfchen 

Pbbel, fondern die reichten Häufer und ganze St 
Tießen fich von nichtswuͤrdigen herumziehenden Gaufiel 
bethoͤren, vie fid) Schüler des Orpheus nannten, aM 
ſich dabey rühmten,, durch Opfer und Einweihemgen 
ihre Myſterien oder durch die Theilnehmung an 
fett geheimen Feierlichkeiten die Schuld von Sünden? 
gen, ihre Folgen in diefer und einer andern Welt 
gen, und eine felige Unſterblichkeit verfchaffen zu für 
Ehen diefe Betrüger maaften fid) fogar ‚eine Sera 

über die Götter an, und gaben vor, fie durdh'‘ 













Beſchwoͤrungen nad) ihrem Willen beugen zu Fbruner?] 


Ale Hörter ſchienen den Athenienſern, wie den (ii 
Griechen, fo bösartig, daß fie fich einbildeten: ein aufe 
orbentliches. oder langdaurendes Gluͤck ziehe: Dh 
amd die Mißgunft der Görter auf fich, und werde 
ühre Beranftaltungen übern Haufen geworfen *%). 
dachten fich ferner eben dieſe Götter fo reisbar, daß: 
alle Ungluͤcksfaͤlle für göttliche Strafen anfahen, i 
pi nicht um allgemeiner &ittenverberbniß, oben; 














®) Plst. I. c. p. 102. 104. 
®*) Her. 1.33, Plus, VI, 649. 51. 748. Luc, I, 5, 25 d 













Geſchichte der Griechiſchen Sopfiften. 79 


‚ dem Anfreſſen irgend eines Hausraths durch eine 
der Berührung oder Begegnung eines leichnams, 
den rärhfelhaften Phanrajien eines Traums, furchts 
ndigungen des Zorns der Götter , ober Vor⸗ 
MR fünftiger Ungläcsfälle ). So gewiß endlich es 
Rad die ausfchmweifende Pracht ihrer Fefie eine der 
Urfachen der Verderbniß ihrer Sitten wurde; eben 
| iſt es, daß bie angeführten fo wohl, als ans 
"© Urt des Aberglaubens die wichtigften Micurfas 
Berfalls ihres Staats waren, indem fie das 
7 der unbefonnenen Unternehmung gegen Sicis 
rpm Derurtheilung unb Quräcberufung des Alfie 
er af welchen bas ganze Heer das größte Ders 
* e, u zum Auen — vor Syra⸗ 
” £, als das muthloſe geichlagene 
th xererret werden konnte, bewogen wurden. * 


Al dieſe Irrthuͤmer und aberglaͤubiſchen Thor⸗ 
ben en Arhenienfer mit den übrigen Br 
m Staaım gemein, ald welche diefelbigen Claſſen von 
jetern Omerfannten und viefelbigen oder doch Ähnliche 

pe an ähnlichen Feten durch Ähnliche Opfer, Ges 
aufeı und Stiftungen verehrten. ‘Die erftern unters 

gen ſich aber doch von den leztern durch einen blin⸗ 

g urld heftigern Religionseifer, welchen alle Redner 
aa vem Samen der Froͤmmigkeit, als eine ben Athe⸗ 

gen eigenthämliche Tugend, erheben ; und durch 
Age Seſehe wider die Derächter der Götter, und bie 
} Ghbnder der Religion , deren Urheber unbekannt find, 
we her doch zwifchen dem Solon und Perikles gegeben 
—2* Diefe Geſee wider die Goctioſen waren 












9 Theophr. Chara. c. 16, de ſaperſt. & ibi Cafaub, & 
du Port, 


\ 


> = 7 Seren 
kon ber Art, daß allem Anfcheine nach die groͤbſten? 


thuͤmer der Volks » Religion dadurd) geheilige und | 
ewigt, die freye Unterfuchung der Wahrheit gehind 
und die furchtiofe Aushreitung der gefundenen encheg 
Wahrheit, daburdy unmöglich gemacht werden my 
Man muß daher die Wege der Borfehung und die Kr 
loſigkeit menfchlicher Sazungen bewundern, wenn u 
findet, daß gerade unter dem Volke, welches 
Bekenntniß der Wahrheit ald Todesverbrechen. befhrg 
und deſſen Religion dem forfchenden menfchlidyen Ey 
die fchmerften Feſſeln anlegte , ver einzige wahre € 
zuerſt öffentlich verfünbigt, und die reine Religion gu 
gelehrt, und über die meiften Bölfer der (Erde verbo 
worden. Die Geſeze der AUthenienfer wiber die. 
bigen und Gottloſen waren den Römifchen 
Geſezen unter den Kaifern fehr ähnlich , und ad 
auch eben, wie diefe, gemißbraucht. Das Forum ı 
ben beyden ungewiß; und man fonnte daher Uñ 
ge und Gottloſe ſowohl vor dem Areopag ”), als t 
oben Rath **), oder einem ber Archonten, ber 
amen des Königs führte 7), oder vor der He 
angeben und anflagen FF). Die Strafen ver Gu 
ſigkeit waren ferner , gleich denen des Majeſtaͤtsvejt 
chens, willführlich ; aber immer aͤußerſt hart, inden 
entweder in ewiger Verweiſung, oder in Hinricht 
mit dem Verluſte aller Güter beſtanden. So wie u 
endlich in Rom nicht bloß durch wirkliche Thaten 
Anſchlaͤge wider das leben der Thrannen, ſondern M 
ſtille Klagen und Seufzer, durch Traurigkeit, fü 
| di 


#) Meurf. 1. c. 

*©) Andoc. 1. c. 

+) Lyf. 108. p. adv. And. — 
+}) Dies leztere erhellt ans der Geſchichte des Sokrates. 








a“ 


Gefbichte der Griechiſchen Sophiſten. 94 


th die gleichgültigften uwerdaͤchtigſten Befanntichaffs 
und Handlungen Majeftätöverbrecher werben Fonnte, 
lennte man fich in chen eben ſowohl durch die Ders 
sfng fremder Gottheiten, durch die Erklärung na⸗ 
Her Erfcheinungen aus natärlichen Urſachen, oder 
d die Unterjuchung der Gefeze und Veränderungen 
ENatur als durch die Entweihung der Eleuſiniſchen 
Meeonniffe, oder durch bie Berffümmelung und Echäns 
Bi helliger Statuen, ober endlich durch das Abläugs 
Br die Bezweyfelung des Daſeyns der vaterländis 
BR Gitter eine Anflage der Sottlofigfeit oder des Un⸗ 
ein zuziehen. Eben deßwegen, weil das Verbre⸗ 
Keime war, dichtete man es wie in Rom das 
werbrechen gerabe den größten Männern und 
en Amichen an, die man fonft Feines. andern Ders 
gend jihen Fonnte; unb wenn man alfo weiß, wie 
Wi Arten an Spfophanten, und an parthenifchen, 
— abergläubifchen, und unwiſſenden Richtern 
2% ſo wundert man ſich noch, daß Anklagen des Uns 
abend und der Gottloſigkeit in dieſer Stadt nicht noch 

A gewefen find, als fie wirflich waren *). 
1 "Ungeachtet Athen burch den Solon unter allen 
ſchen Republiken die befte Regierungsform erhals 
und diefer Geſezgeber die vortrefflichiten Mittel ges 
hatte, die gegen einander aufgebrachten Partheyen 
reinigen ; fo konnte Doch der Staat nicht auf eins 
gellärke, und die tief gewurzelte Zwietracht nicht 
einmal ausgerottet werden. Athen war durch die 
Berigen Unterdrückungen oligarchifcher Defpoten fo 
Rihwächt worden, daß feine Bürger zu ohnmaͤch⸗ 
baren, den Einwohnern von Degara a Snſet Sa 
Er 3 * a⸗ 























V Siehe Beylage am Ende des Capitels. 
Zweyter Band. 8 


92 ESecchſtes Bud. * 


lamin zu entreißen. Man hatte fogar ein Geſez gei 
welches nur die Außerfte Berzwenfelung und Mut 
keit eingeben fonnte, daß derjenige des Todes fi 
feyn folle, der den Rath geben würde, Salami 
der zu erobern. Zwar gewannen fie dieſes Eylant 
die Weisheit und den Muth des Solon und Piftl 
auf eine kurze Zeit wieder, allein fie buͤßten es au 
nachher abermals fame Nifia ein. Die Armu 
Athenienfer war unter dem Solon faft noch groß 
ihre Entkraͤftung. Sie hatten weber Künftle 
Werke ver Kunſt; weder Fünftliche Handwerke 
nuͤzliche Manufacturen , oder einträglichen $ 
Den lestern fcheine fogar Solon mehr gehindert 
guͤnſtigt, oder die Vortheile deſſelben wenigften 
eingefeben zu haben. Er gab nämlich über Ham 
Wandel gar feine Geſeze; und das einzige, was 
und wodurch er die Ausfuhr aller übrigen Pr 
das Del ausgenommen, unterfagte, müfte den. 
wenn er auch blühend gewefen wäre, vernichtet 
Woahrſcheinlich reichte der Ueberfluß an Del, 
Athenienfer bauten, und die Ausbeute ihrer Be 
kaum hin, das Korn, was ihr unfruchtbar 
fchlecht bearbeiteter Boden nicht liefern Eonnte 
andern Nothwendigkeiten des Lebens von Korin 
und Aeginetiſchen Hanvelsleuten einzufaufen. 





", Die Beweisſtellen zu biefem Abfaze findet mar 


Aufange meiner Abhandlung Äber den Luxus 
nieuſer. 


Gefchichte der Griechiſchen Sophiften 83 


Die Erbitterung, welche die von den Reichen aus⸗ 
ken, und von den Armen erlitenen Gewaltthaͤtig⸗ 
M erzeugt haften, war zu groß, als daß fie Durch 
Veranſtaltung des Solons gänzlich hätten getilge 
ehe ſollen. Die alten Feindfeligfeiten brachen daher 
PR lange nach) feiner Geſezgebung, und wie Plutarch 
Mc”), während feiner Abweſenheit von neuem aus, 
e jede der drey Partheyen, im welche das Athenien⸗ 
br Dolf vorher gerheilt geweſen war, erhielt, oder 
parte ihren Anführer, unter welchen Piſiſtratus, 
Aut, und der VDertheidiger ber Aermern, ober 
we aha der größte, berühmtefte, und geliebrefte 
* Piſiſtratus ſtammte aus einem eben ſo al⸗ 
a edlen Geſchlechte, als Solon, ab, und hatte 

Band die Ueberwindung der Megarenſer, und dur 
Witereroberung von Salamin und Niſaͤa einen 
en Ruhm unter ven Griechen‘, und eine allges 
Hochachtung unter ken Mitbuͤrgern erworben F). 
2 Er 


ni 376. 
Pr. le. Her. 1.59 & feq. 


















Nest. &Her. 1. cc. Diefe Stellen des Plutarch und He⸗ 
todot find nebft den folgenden, die ich herfezen will, die 
wichtiaſten über die Herrfchafft des Piſiſtratus und ſei⸗ 
». ger Söhne. Her. V.65. & fq. Thucyd L 20 VL 
br 54.& fq. Andocyd. I. 216. Hocr. IL 331. 33. Ariſt. 
V. ı1. 12. Plat 'seoxs.p. 234: Die übrigen weniger 

N $ 
" wichtigen Zeugniffe bat Meurfius in ſemem Puſitratus 
zuſammengetragen, melde Abhandlung eing von dem 
vollftänpiaften, und felbft mit Kritif gemairie Compi⸗ 
Intionen diefes Mannes if. Die anaführte Stelle des 
Andokydes andgenommen, babe ıch feine andere von 
Medentung vergebens darin gefucht. Ich werde Daher 
anch in ber Zolge der Kürze wegen aur biefe kleuue 
— verweiſen, ba ich bis Lauptquellen angezeigt 

abe. 


4. Gedfled Bud. . 


Er war nach dem Solon unftreitig der erfte feines De 
Ihn fchändete Feines von den taftern, die feinem 3 
‚alter eigenthuͤmlich waren, oder woburd) fid) die M 
tigen in Athen fo verhaßt gemacht harten, oder bi 
‚welche auch andere Tyrannen bewogen wurden, die 
fte Gewalt In ihren Vaterſtaͤdten an fich zu reißen; 
unter feinen heftisften Seinden hat es nie einer gene 
ihn einer unmenfchlichen Härte, oder einer rohen U 
heit, oder einer viehifchen Schwelgerey und Böllere 
befchulbigen. Er befaß eine jede der Vorzüge und;- 
genden, bie eitien großen Feldherrn, Staates. 
und Volksbeherrſcher bilden konnten. Durch bie 
und Maojeftär, die über feine ganze Perſon verbe 
war, flößte er eben fo viel Ehrfurcht ein, als 2m 
fein liebreiches freundlic)es Betragen Herzen auf 
Seine Tapferfeit war; wie feine Beredrfamfeht, wm 
derſtehlich, und feirie Frengebigfeic wurde durch S 
thun eben fo, wenig, al& feine Langmuth, übe » 
Geduld durch) die unverdienteften Befchimpfungere 
Schmähungen gegen Ihn und die Seinigen etſchoͤp 
Durch ſeine tiefe Klugheit, die Aber vielleicht 
Namen von feine tift, und fchlauer Verfchtnigtäudd 
dient , bleiivete er nicht nur das ganze At 
Volk, ſondern vereitelt auch alle Entwuͤrfe feiner m 
tigen Feinde, und machte ſelbſt die Weisheit und 
ſchloſſenheit des Solon, der ihn allein erkannte, fru 
MNach feinem Ehrgeize, dem einzigen Fehler, der a 
getadelt werden konnte, und von welchem Solo 


N tn anno 


°) Plüt. I. 378; Cic. deÖr. II; 34. Brut. I. 2, be 
e. 6. wo viele merkwuͤrbige Bepſpiele feiner Verf 
lichkeit und feiner Oleiägältigkeit gegen Schmaqh 
Hohn, deren nut eine wahrhaftig große und arte | 
le fähig fepn Pant, geſammlet ſiud. 
















Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 85 


zu heilen vermochte, war die Begierde feine Mit⸗ 
æ gläcflich und fein Barerland groß zu machen, die 
kund mächtigfte unter feinen Leidenſchaften, und &os 
ſoſt gab ihm das Zeugniß, daß er ein untadelicher 
Bnlfommner Bürger gemwefen wäre, wenn er nicht 
Bamnäßigen, und für bie Freyheit der Achenienfer 
chen Ehrgeiz genaͤhrt hätte”). Diefer außerordents 
Ray nun, der feinen Namen durch eine glorreiche 
Berung eben fo unfterblich machen wollte, als Solon 
engen durch feine Gefesgebung gemacht hatte, faßte 
km Gedanken, ver in einem jeden andern Kopfe 
Nn geweſen wäre, noch ben Lebzeiten des Solon die 
BR, als ſie eben die erften fügen Srüchte der 
Mei ja koſten angefangen hatten, dieſer Freyheit zu 
BR, und ſich der Alleinherrfchafft zu bemächtigen, 
RR Der Geſezgeber ausgefchlagen hatte, Vergebens 
Be Dre leztere die berhorten Athenienſer vor dem 
Ps, noch ehe biefer feine Abfichten ganz deuts 
| efläet Hatte; und eben fo vergebens forderte er fie 
Orr in voller Nüftung zur Bertheidigung ihrer Frey⸗ 
kauf, da die Entwürfe des Demagogen fchon klar 
Droge Ingen *"), Die Achenienfer achteten weder 
en Rath, noch nahmen fie feine Hülfe an, fons 
heßen fich durch eine Lift des Pififtratus fangen, 
Fi grob fie auch war, die Feinheit diefes Mannes, . 
he genaue Kenntniß, die er von feinen Zeitgenoffers 
#, eben fo ſehr beweift, als fie ein untrügliches 
fmal des leichten und fhörichten Sinns, und ber 
Seriichen HnaufpeFlörrge der Athenienſer war D. 

3 | r 


















Bm ge e æi re rd 


Plut. ]. c. 
) Plut. I. 379» 81T. 
Pifiſtratus hatte die Athentenfer ſchon vorher burch 
eine, noch groͤbere, aber eben fo glädliche Liſt, hintergan⸗ 
BE gen: 








86 Sechſtes Buch. 


Er mißhandelte ſich ſelbſt zu Haufe, und ſtellte fich ı 
Blut und Wunden uͤberdeckt dem ſtaunenden Volfe f 
welches er leicht davon überzeugte, daß er von feh 
Feinden für den Eifer, womit er die Aermern und) 
drigen gegen die Mächtigen und Neichen vertheipigt ] 
te, fo graufam wäre zerfleifcht worden. Die A 
enfer wurden durch) diefes Echaufpiel fo fehr gerü 
Daß fie ihm aus ihrem Mittel eine gewiffe Zahl von 
Senträgern bewilligten, die ihn fernerhin gegen folche 
waltchätigkeiten fchügzen follten, die abet Piſiſtratus 
nach) feinem Wohlgefallen vermehrte, und dazu bre 
te, eben diejenigen, welche ihm diefe leibwache zugege 
baten, zu entwaffnen, und fid) unterwüsfig zu. 
chen *). Zwar wurde Pifiitrarus in der Folge ı 
Burch die Srenheitsliebe des Bolfs, fondern durch 
Neid einiger Mächtigen, beſonders der Alfindoni 
zweymal vertrieben, und mufte von den drey und b 
$ig Jahren, die er regierte, fechszehn Fahre mit“ 
Verlufte aller feiner Güter im Elende zubringen ” 
allein er kehrte immer fiegreich zurück, ſtarb zulef 
big als Wlleinherrfcher von Athen, und ubewdab, 


EEE nennen — — — — — — — — — SEE 


gen: naͤmlich durch das Schauſpiel feiner Zurke 
zung durch bie Phya, eine große und fchöne Yung 
die man mit den Attributen ber Minerva ausgefche 
hatte, unb die auch wirklich vom Athenienſiſchen 3 
als die Beſchuͤzerinn ihrer Stadt aufgenommen 
angebetet wurde I. 60. Her, Herodot fand biefe B 
gerey fo grob, und bie Thorheit derer, gegen m 
fie gebraucht worden war, fo Einbifh, baß er es 
begreifen konnte, wie Griechen, bie ſich ſtets durch 
Klugheit von den Barbaren unrerfchieden hätten, 

dadurch hätten bethoͤren laſſen koͤnnen. 

®) Plut. & Her. l. e. & Meurf. e, 3. 

®®) Arift. de Civ. V. 12. Heracl, de Rep. Athen, &, 








Geſchichte ber Griechiſchen Sophiſten. 87 


tde feinem aͤlteſten Sohne Hipparch, der faft eben 
ine, als fein Vater regierte; und unter deſſen Re⸗ 
ig die Achenienfer, wie Plato fagt, eben fo gluͤck⸗ 
| ol die erften Sterblichen zu den Zeiten des Saturn 
a). Dad) der Hinrichtung des Hipparch durch 
Fhearmodius und Ariftogiton, behauptete deffen jüns 














$, und würde fie vielleicht noch länger behauptet has 
;; wenn nicht durch ein Ohngefaͤhr die angefehenften 
Hnen feiner Sainilie den Alfmäoniven in die Hände 
Me waͤren, und ihre Gefangenfchafft ihn genoͤthigt 
I, ſen Vaterland auf ewig zu verlaffen **),. 
©. Wpachcet der boppelte Berluft der Herrfchafft des 
* und bie doppelte Wiedergewinnung derſel⸗ 
‚at vielen Gewaltthaͤtigkeiten verbunden war, uns 
ga auch Piſiſtratus am ſeinen bitterſten Feinden den 
Kepmiden, welche ihn zweymal vertrieben hatten, bie 
Im agefuͤgten Beleidigungen mit der Außerfien Strens 
ehe, ihre Haͤuſer zerftören, ihre Gräber öffnen 
Kiymüften ließ, ungeachtet ferner Hippias durch die 
ung feines Bruders erbittert dag leichte Joch, 


mL, | 54 Ä was 
— — — 








Mia Hipparch, p. 234. Die drey Jahre hingegen, waͤh⸗ 
: Ind welcher Hippias geherrſcht habe, ſeyen bie Jahre 
, der Tyranney gemwefen. ib. 

Her, ll. ce. daß nicht Hippias, fondern Hipparch bey 
Alteſte Sohn des Pififtratus war, beweiſt Meurfius 
!" wider den Thufybides (VI. 54.) mit unwiberleglichen 

Gründen. . Pififtratus fing DI. 50. I. an zu regieren, 

and flarb DI. 58.2. (Meurſ. 3 & 4 c.) Hipparch 

wurde im zwey und dreyßigſten Jahre feiner Regierung 
ermordet, und Hippias (Thuc. J. c.) im vierten Jahre 
verjagt. Das Ende ——— der Pifiſtratiden 
fallt daher in das vierte Jahr der 660 Ol. an [che 
Meurf, Biäß, c, 20, | 


Be Bruder Hippias noch mehrere Jahre die höchtte Ser | 


I... Selten on. 


⸗as die Arhenienfer his dahin getragen haften, 
chwerte, die Abgaben vermehrte, die Münze 
nem Belieben berabfezte und erhöhte, öffentliche 
verfaufte, und alle, die ihm verbächtig waren , 
ten ließ *) 3 ungeachtet endlich ben der Ruͤckkehr dem 
mäoniden, und der Wiederherſtellung der Freyheit 
Buͤrgerblut vergoſſen, und viele angeſehene Häufesr 
ſtuͤrzt wurden **,; fo fann man doch nicht länge 
daß die Herrſchafft der Piſiſtratiden den Athenie 
viel mehr Dortheile ald Schaden gebrachte habe, 
daß die ffrenge Zucht, worunter Piſiſtratus und 
Söhne den Poͤbel yon Athen hielten, vielleicht not 
dig war, ben Einrichtungen Solons eine gewiffe 
feit zu geben, und feine Geſeze in Ausubung zu’ bei 
Piſiſtratus und Hipparch erhielten Die Same 
Solon In ihrer ganzen Kraft P), und machten BE 
andere Neuerungen, als daß der Vater fich deu 
ten, Hipparch aber nur den zwanzigften Theil bee 
Fünfte der Athenienſer bezahlen ließ, dag ferner F 
ſich zu beftändigen Anführern im Kriege, und u 
oberſten Prieſtern im Frieden machten, und daß F 
wichtigften Aemter durch Derfonen von ihrer Paz 
befezten, oder beſezen ließen FF). Weit entfernt 
ben Benfpiele anderer Tyrannen, feine Mitbürger 
ftändig yon den Waffen zu entfernen, führte Piſiſt 














—— 

*) Her, V. 62. VI. 123. Thue, VI, 59. Meur 
ex oscanam. Ariſt, lib, I, 

”.) L, And. 2236 p. 

P 1.59. Her, VI, 54, Thuc, Plat. 234. p. x 

t}) Thue. 1. ec. Pifiſtratus vermied fo fehr all 
eines unumferäuften Herrn, baß er fich fo 9 
Areopag flellte, als er yon einem gemeine 
fer verklagt warte, Ariſt. de Civ. V. 12, 








Geſchhichte der Griechiſchen Sophiſten. 89 


Athenienſer haͤufig gegen auswärtige Feinde an, er⸗ 

rt Solamin, Sigeum, Naxros, und :Delos*), un 
Kegae nad) der Erzählung einiger Schriftfteller das 
ufliche Geſez, nach welchem die Kinder und Fami⸗ 
erjenigen, bie für’s Vaterland geftorben waren, 
Aentliche Koften unterhalten wurden **). Sowohl 
Bas als Hipparch ſchmuͤckten Arhen zuerſt mit 
Bien Werken der Kunſt, unter welchen der Tem⸗ 
3% Olpmpifchen Tupiters das größte war, ver aber: 
en Ken nicht gang vollendet wurde F). Benyde gas 
Br ach alle erfinnliche Mühe, die dumme Unwiſ⸗ 
RR ma Arhen gu vertreiben, und ihre Mirbürger 
aufzuklaͤren. Piſiſtratus ſammlete zuerft die 
BR: Gefänge des Homer, und Faufte auch die 
m allen. übrigen berühmten Dichter zuſammen. 
KR VI. c. le.) Mach diefem DBenfpiele feines Va⸗ 
MR Sinpacch den Simonldes, Anakreon, und ans . 
WR Dihter, welche damals bie einzigen fehrer des Vol 
men, nach Athen bin, errichtete an öffentlichen 
Fen Hermen, in welche lehrreiche Sprüche eingegra⸗ 
ER Daten, und perordnete, daß an den Panathenaͤen 
Fkedichie Homers ſollten abgeſungen werden FF): 
Ab dieſe Verdienſte auch waren, fo wurden fie 
Beh von den Bemuͤhungen übertroffen, wodurch 
Mh Solhons Abfichten und Gefezen in einem Bolfe, 
ur) langwierige Knechtſchafft in muthloſe Traͤgheit 
) 3. ganz 































M Her, 1. 0. V. 94, & Meurf. c. 8, 

") Plut. 1, 382. in Sol, nad dem Poliaͤn V. 14, teinigten 
fie auch das Meer von Seeräubern, die noch immer bie 
Handlung amd bie Ufer ber Griechiſchen Staaten unfis 


her machten, | 
Thue. VL. 54. Arift, deCiv, V, 17, Meurl, Piſiſt, e. 9, 
-Ceramic. XIV. 


f) Plat, I. fupra cit. 


Ed 


90 Sechſtes Bud. 


ganz verſunken war, Fleiß und Arbeitſamkeit zu er 
cken ſuchten. Sie trieben den muͤſſigen Poͤbel aus 
Stadt aufs fand, noͤthigten ihn das Feld zu bauen 
Delbaume zu pflanzen, unterftüzten die Uermern 
ihrem eigenen Bermögen, und zwangen fie eine fı 
Sclavenfleivung zu tragen , damit fie felbft di 
Schaam, oder Furcht vor der Schande zuruͤck gehal 
werden möchten, in die Stadt zurüdzufehren *). Di 
folche Thaten und Einrichtungen mufte die Macht, ! 
völferung und der Wohlftand , wie die Aufklaͤrung 
Athenienfer nothwendig um viele Stuffen wachfen, ı 
mit Recht alfo kann man fagen, daß die weiſe und ı 
be Regierung des Piſiſtratus und Hipparch die Achen 
fer gleichſam vorbereitet, und in Stand gefezt habe, 
Derfern zu widerftehen, welche Hipplas noch in fen 

boben Alter wider fein Baterland anführte 9), 
Kaum waren bie Pififtratiden aus Athen veri 
worden, als die Zuräckführer des Volks und bie 3 
verherfteller ver Freyheit, Kliſthenes, aus dem Gefchle 
der. Alkmaͤoniden, und Afagoras, gleichfalls aus ein 
alten und edlen Haufe, mit einander zerfielen, und 
Volk abermals in zroo Partheyen fpalteten 7). Sr 
u | 











% c, 7. Meurf. Pifift. & Ariftophanes in Lyfiftrata 
1152. & fq. 

es) VI. 59. Thuc. Er fiel in ber Schlacht bey Marath 

nachdem er zwanzig Jahre von Athen entfernt gewe 

war, und meiflens am Hofe bes Darius gelebt ba 

Einer feiner Söhne war Archon in Athen, und er 

tete mehrere Heiligthuͤmer, von benen Thukpdides 


54. redet. 

+) Her. V. 66. Mit dem Herobot flimmt Anbokydes 
fammen Or. I. p. 226. Iſokrates hingegen nennt 
Kliſthenes und Alfiblades als bie Urheber der Frepl 


ge Bigis Tom, I, Or, 431. 45% 


Gefchichte der. Griechiſchen Sophiftn. 91 


ſtelte fich an die Spize der Ariftofratifchen Parthey, 
fr altes Unfehen wieder zu gewinnen trachtete; und 
Ühenes warf fich hingegen in die Arme des Pobels 
des großen Haufens, deſſen Macht er auf alle 
wu verftärfen fuchre, um die feinige dadurch zu 
hen *). Er machte daher mehrere neue Einrich⸗ 
und Gefeze, wodurch er zwar feine Abficht volls 
erreichte, aber auch) zugleich das Gleichgewicht 
fe, in welches Eolon alle Theile des Achenienfifchen 
tantö gefest hatte. (Er gab zuerft Das Geſez des Oſtra⸗ 
ei, und mit diefem dem Poͤbel das Recht, alle 
a, mern er einen ſolchen Schritt nöthig fände; uns 
Eamgelehenften Bürgern, bie ich durch Neichthum 
t Kehen und Einfluß am meiften auszeichneten, 
Wahn auf zehn Jahre zu verbannen, der durch bie 
ieh Stimmen für den mächtigften und der Freyheit 
bed Dolls gefährlichften Mann würde erfannt wer⸗ 
1), Noch viel Wachtheiliger aber für die Verfaſ⸗ 
fung, 







V Her. |. c. & Ariſt. de Civ. VI. 4. 
MM) Ueber dies Geſez fehe man Plut. 1.482. II. 481. 95. 96. 
.. I. 360. 61. Ed. Reisk. Andokydes, ber in Gefahr 
mar, durch diefes Geſez vertrieben zu werben, fuchte 
es den Achenienfern daburch verhaßt zu machen, baß 
er ihnen vorftellte: fie feyen bie einzigen unter allen 
Griechen, bie ein ſolches ſchaͤdliches Geſez unter.fich gels - 
ten ließen. Or. IV.p. 292. Wir wiffen aber aus dem 
Ariſtoteles, daß die Bewohner von Argos baffelbige 
Gefez hatten V. 3. de Civ., und das Geſez bes Petas 
lismus in Syrakus (Diod. XI. p. 470. Ed. Werf.ad 
Ol. 81. 3.) war von dem ©efeze der Athenienfer und 
Argiver nur dem Namen nach verſchieden. Dies Ges 
ſez des Petalismus wurde von dem Gprafufanifchen 
Poͤbel fo fehr gemißbraucht, daß alle angefehene Bürs 
er, aus Zurcht vertrieben zu werben, ſich ganz von 
Öffentlichen Gefhäfften entfernten, und fi ber Schwel⸗ 
gerey sind Weichlichkeit Äberliegen ib. 





9) Her, V. 66. 70. Ari; de Civ. UL VL 
b ihn wurde auch ber hohe Rath mit hundert neuen 
dera vermehrt, und von feiner Zeit an beftand 
aus fänfonudert Perfonen, die in ber Bolge, 
einlich erſt unter dem Perified, eine jede 
rahme aus dem Öffentlichen Schaze empfingem. 
die Einrichtung des regierenpen Senats nach dein,R 
nes ſehe man Perit, Leg. Att. m: 186., berfaftgami 
einem angenaunten Gommentator bes Demofiheni 
ipf. orat. adyerf. Androt. p, 417. Ed, Wolßi) | 
aus welchen ih nur zum Unterrichte einiger Lefe 
genbes karzlich abſchreiben will. Weil die Arhen 
fanden, baß die große Zahl der Mitglieder dei 
Mathe den Bang der Gefchäffte auf hſelt; Ip mu 
fie die Eiuritung, daß ber Senat ſich in zehn 5 
theilte, wovon fin jeder 50 Perfonen enthielt, 
mährend eines Zehntheiis des Jahrs, ober wä 
fünf umb.drepBig Tage die Öffenslichen Yugelegeni 
beforgte. Das Aittiſche Jahr beſtond nämlich my 
354 Zagen,, hie alle dutg bie Regierungszeit der 
Wotteilungen des Senats bis auf vier ausgefät 
hen, als welche man als ein Suterreomum aufıh. 
en regierenden so Mitglieder aber, - weiße 
Vrytanen nannte, thellten fich wieder jn fihuf | 
tel’ ab, deren jedes waͤhreund einer? Woche bie: b 
* amsäbende Gewalt in Händen hatte, mu) den. N 
der Borfiger erhielt (meoedgoı). Dirfe sehn We 
mb wnften wieder Igofet, welcher auter ihnen. 






Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 93 


P das Verhaͤltniß auf, welches Solon unter Bor 
xn und Geringen fefigefezt hatte, verminderte den 
Ber erftern auf die leztern, vermehrte die Anzahl 
Arwen, oder den duͤrftigen Poͤbel, und legte den 
* und zur Vederbniß und Zuͤgelloſigkeit des Volks, 
gefaͤhr ein halbes Jahthundert nachher ſchon uns 
Hi wurde *). Wenn alfo Iſokrates, Andoky⸗ 
—* I, und andere Athenienfifche Redner den Kliſthe⸗ 
! einen zweyten Solon, und als einen zweyten 
rer Freyheit und alten vortrefflichen Staats 
wefaflng P rieſen; fo twaren fie unftreitig weniger ſcharf⸗ 
Wes,:ls Ariſtoteles, der dieſen Demagogen für den 
eher welcher die urfprüngliche Negierungsform 
a, Rund ihr einen Hang zur unbefchränften Des 
re Deben habe }). Ben aller der Ueberlegenheit 
un wel CVe Kliſthenes durch) feine dem Volke fchmeis 
en Defege über den Iſagoras erbielt, muſte er doc) 
En Zeitlang feinem Gegner weichen, weil biefer 
ya FE von Spatta Kleomenes zu Hülfe rief T7). 
ayaf ven bloßen Befehl dieſes Königs entfloh Kliſthenes 
MAthen, und mit ihm fieben Hundert andere Bürger, 
wache Iſagoras für Freunde feines Feindes hielt. pr 
nicht 












[DU | |} 








2 — — —— 
+ Hei jeden Tage das Haupt oder der Vorſteher der 
Prtgtanen und Bes ganzen Raths (emisaerns) ſeyn 
ſollte, dem die Schluͤſſel der Stadt, des oͤffentlichen 
Schazes und ber Archive uͤbergeben wurden. Da nım 
dieſer Vorſizer zehn, und bet Tage, au melden fie dem 
Rath und der Stadt vorflanden, nut fieben waren; fo 
blieben immer drey übrig, die nicht zur Ehre, die hoͤch⸗ 
ſte Gewalt waͤhrend "eines einzigen Tages beſeſſen zu 
haben, gelangen konnten. 
‚» Ariſt. lc, 


“) ll. ce 
+) ariſt. 1. c. 
44) Her V. 72. 


94 Seechſtes Buch. 


nicht einmal mit dieſem Siege zufrieden, wollte Sf 
ras die ganze Staatsverfaffung von Athen umfeh 
den regierenden Rath abjchaffen, und deſſen Macht 
ner Notte von dren hundert Männern-übergeben, di 
feiner Parthen gehörten; allein diefem Entwurf w 
feste fich ver Senat, und Iſagoras faßte daher den 
ſchluß, mit feinen Anhängern und der wenigen Me 
ſchafft, die Kleomenes nach Athen geführt hatte, 

Burg von Athen zu befegen*),. Er fonnte fich hier 
nur zween Tage gegen feine Mitbürger halten, die 
muthig belagerten, und die gleich nach feiner und 
Kleomenes Auötreibung den Klifthenes ſamt allen ı 
gen DBerwiefenen zurücriefen **). Der befchim 
Kieomenes wiegelte nach) feiner Entlaffung joreofE 
Spartaner als die übrigen Städte des Peloponnig”i 
andere Sriechiiche Dölfer, zu einem Kriege wide 
Athenienſer auf, um fie zu zwingen, ben fagorasa 
ihren Beberricher anzunehmen 7). ‘Die Arhenienfen 
gen fich aber durch die Menge von Feinden, von 

chen fie auf einmal von allen Seiten angegriffen w 
den, nicht niederfchlagen, fondern rückten zuerit 

vereinten Heere der Peloponnefier muthig entgegen, 

ſchon bis Eleufis vorgedrungen war. Zu ihrem © 

entftand unter ihren furchtbarften Feinden Uneinig 
indem anfangs die Korinthier, und nachher ars 
PBundesgenoffen der Spartaner, und fogar Demara 
König von Sparta, fich weigerten, ein freyes U 
ohne alle gerechte Urſache bloß deßwegen zu befrieg 
um es einem Tyrannen zu unterwerfen 77). Kleome 


| mi 
“) Ib, | 
#) Ib, 


H «74 & ſq. 
h. 75 


Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 95 


pe daher, von allen Bundesgenoſſen und dem größten 
ie feinee Spartanifchen Mitkrieger verlaffen , mit 
groͤßerm Schimpfe aus Attika abziehen, als ihm 
fer feine Gefangennehmung-gebracht hatte. Durch 
N termalige Schmach wurde Kieomenes fo fehr ges 
ı daß er alles verfuchte, um feine Mitbürger wider 
Ahenienſer aufzubringen. Dies gelang ihm aud), 
Eh durch eine Fänftliche Vergroͤßerung der wachfenden 
aqt der Uchenienfer, und ihre nachrheiligen Wirfuns 
Br Sparta, am meiften aber durd) die Entdeckung 
EEGheimniſſes: daß Kliſthenes durch einen erdichteren 
rn ber Pprhia abgefauften Goͤtterſpruch die Spartaner 
 Dekgung der Pififtracriden bewogen habe”). Boll 
llegeils über: Diefe Detrügeren beriefen die tafebämos ' 
ee. Hippias und alle Bunbesgenoffen nach ihrer 
SR, um den erfiern durch die Mithülfe der leztern 
In. igen wieder einzufesen; allein die fortdaurende Abs 
get aller Griechiſchen Bölferfchafften, die Aches 
RAR einem nicht lange abgeworfenen Joche wieder zu 
Ecwerfen, machte die feindfeeligen Entwürfe der 
toner und ihres Königs rückgängig. Kaum aber 
wen die Athenienfer von der Furcht eines Krieges mit 
Spartanern befrent, als fie fich an den Boͤotiern 
I Ehalfivenfern rächten, die bey dem Einfalle des 
Bmenes ihre Felder vermüftet, und Beute und Ges 
ſenen wweggeführt harten. Sie fehlugen beyde an eis 
dage, und nahmen den Neichen in Chalfis fo viel 
weg, Daß fie vier tauſend arme Bürger als Colo⸗ 
“nach Euboa fchicken Eonnten **). Dieſe fchnellen 
öte der Athenlenſer über ihre Feinde, und der Murh, 
Bemit fie ſich dem damals für unüberwindlid) gehaltes 
nen . 





















Snap unse 








7——— 
V. 90. & fq. Her, 
"97, c, Her, V. 


96 Sechſtes Buch. 
nen Spartänerh widerſezten, jeigten einem jeben, 
Herodot, welche eine herrliche und belebende Sach 
bürgerliche Srenbeit fey, indem eben das Voir, 
unter den Thrannen faum feinen Nachbarn die ( 
zu bieten wagte, Nad) Wer Austreibung der erftern 
ploͤzlich über die leztern erhob, und von Tage zu 
mächtiger und größer wurde). | 
Die Wahrheit diefer Bernerfung des Ser 
und der fenrige Enthuſiasmus, den die von neuem 
ter den Athenienfern erfchienene Gbttinn der Ber 
ihren Seelen eingoß, wird noch mehr durch die U 
nehniungen des Miltlades vor dem Siege beg DV 
thon, und durch die Bereitwilligkeit bewiefen, w 
fie dem Ariſtagoras, und den Joniſchen Stäpten ı 
Die gewaltigen und alles beherrfchenden oder befriege 
Perſer Hülfe fanden Miltiades befezte von ne 
‘den Cherſones, den fein Vater Bruder unter ben ' 
ftrariven, und auf ihren Befehl zuerft eingenommen 
befeftigt hatte, und bezwang alle, ober doch einen 
‚Gen Theil der Infeln, die von den Griechen die K 
den genannt wurden **). Durch diefe Ihre Thaten, 


RXXXXCEX 








5) V. 66. 78. Plutarch dachte weder an biefe Beer! 
noch an bie Nachrichten des Herodot, wenn er img | 
des Themiſtokles fchrieb, baß noch im Zeitalter I 
Feldherrn, Furz vor dem erfien Perfifchen Kriege, 
Athenienfiſche Fußvolk, dem ihrer Nachbarn 
gleich geweſen ſey. I 446. Der Krieg mit den 
kidenſern und Boeotiern fällt in die 67 Di. lau 
Meurf, de Temp. Athenienf. ad h. Olymp, 


8°) Her. VI. 36. & fq. 103. c. Cor. Nep. I. 2. in 
Milt. Lezterer verwechfelt Miltiades, ben S 
bey Marathon, und einen Sohn des Kimon, mit 
Oheim beffelben, einem Sohne des Kypſelus, uni 


j 


a 


| Geſchichte der Sriechifchen Sophiften. 97 


großen Vortheile, die fie Dadurch gewonnen hatten, 
n die Athenienfer fo fühn, daß fie an einem Kriege 
inahmen, ven felbft die Spartaner als zu gefaͤhr⸗ 
oder Doc) ungewiß abgelehnt hatten *). Sie fand» 
admlic) dem Ariftagoras, der Das Griechifche Aſien 
den Darius Hnftaspes aufgewiegelt Hatte, zwan⸗ 
Schiffe, und eine Anzahl tapferer ausgefuchter Kries 
zu Hülfe, die mit den Sonifchen Griechen in Lydien 
ielen, und Sardes, die ehemalige Königflade, es 

ten und abbrannten *"). 
So 


geht uͤberdem noch andere Fehler, bie ein jeder ſo gut als die 
Eommentatoren bes Cornelius Nepos bey der Verglei⸗ 
hung der Erzählungen dieſes Schriftftellers mir denen bes 
Herobot finden und wahrnehmen kann. Die Wich 
keit der Einnahme des Eherrfones und der Planzftäbte, 
Die hier angelegt wurden, habe ich in meiner Abhanbe - 
Iung über den Lurus der Athenienfer gezeigt. Die Uns 
- termekmung des zwepten Miltiades nach Thracien faͤllt 
mit den Siegen Über die Boeotier ums Ehalkibenfer in 
biefelbige Olympiade, 
V. 97. & fq. Her. 
ty Die Athenienfer wurden aber nicht nur auf dem Ruͤckzu⸗ 
e gefchlagen, Tondern veranlaßten auch durch ihre 
rortbreuneren bie fürchterlihen Heerszuͤge der Perfer, 
‚- welche fie mebrmalen in Gefahr fezten, gänzlich vers 
nichtet zu werden. Die Unternehmuug gegen Sarbes 
efchah DI. 69. 1. Als Darius die Verbrennung dies 
der Stadt durch die Jonier und Athenienſer hörte, 
fragte er (105. c. V. Her.),: wer biefe Athentenfes 
feyen, deun er kannte fie eben fo wenig als Artaphernes 
einige Sabre vorher ihren Namen gehört hatte c. 72., 
Uleß ſich darauf einen Pfeil geben, warf ihn in bie 
Ruft, und betete zum Iupiter, daß er Ihm boch gemäß 
zen möchte, fih an ben Athenienſern zu rächen. Bus 
gleich befahl er einem feiner Sclaven, ihm täglich drey⸗ 
mal bey Tiſche zuzurufen, y er ber Athentenſer niche 


dweyter Band, | 








“ 


u j 


' 


B Sechſtes Bu. 


So fee aber auch die Macht und Bolfsmenge 
Athen gleich in den erften Olympiaden nach der WE 
erlangung der Freyheit zunahm *); fo war diefe Si 
doch immer noch fo ſchwach und arm, daß fie fich 
- einmal mit der Fleinen Sinfel Aegina meflen konnte, 
damals unter allen Altgriechifchen Städten und @ 
ten den größten und wmeitläuftigften Handel trieb,” 
auch) die größte Seemacht beſaß **). Die Aegk 
plünderten und verheerten aus einem alter Groll, | 
unter dem Borwande eines Pundes mit den Pool 
die Ufer von Attika zu eben der Zeit, als die Spa 
und ihre Gehuͤlfen die Athenienfer zu tande ang 
und nahmen ihnen fogar aus Sunium das heilige & 
"weg, welches die Achenienfer jährlid, nad) Deles fi 
ten, und auf welchem fich eben damals die angeſche 
Pürger aus Athen fanden. Die Athenienſe mi 
diefe Befchimpfungen eine Zeitlang mic Geduld wrräil 
und verloren eine günftige Gelegenheit, ſich der 
Inſel zu bemächtigen, weil fie felöft Feine Schiffe ya 
und bie zwanzig Schiffe, welche die Korinchier 1 

























supi Geniiliesdüniecite Ri rn nn 








U} 


vergeffen möchte. Darius wuͤtde feine Rache 
ſcheinlich auch fogleidh genommen haben, wen 
feine Feldherren und Heere eine Zeitlang burdy Mi 
zwiugung ber Aſiatiſchen Griechen ſowohl auf dem 
Lande, als auf ven Juſeln wären beſchaͤfftigt, nal 
ruͤckgehalten worden. 
v) Herodot ſchaͤzt die Zahl der Athenlenſiſchen Wär 
der Zeit, als Ariſtagoras fie zum Kriege - wire 
Perſer aufmunserte, auf dreyßig tauſend. V. 9 
glaube aber, daß er hier eine runde Zahl Für: die 
genommen, und dieſe runde Zahl etwas zu groß 
geben habe. Dies werben die Data beweifen, 
im der Zolge Äber bie Woltsmenge it Aihen zus Se 
groͤßten Macht diefer Stadt bepbringen werde, 
) V.81,83. & ſ, VlL87,95. He, 


Seſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 1 99 


jochen hatten, nicht zur beftimmten Zeit anfas 
8* Wahrſcheinlich wuͤrden die Athenienſer noch 
ufigere Mißhandlungen von den Aegineten erfahh⸗ 
haben, wenn nicht Themiſtokles die aufs hoͤchſte ge⸗ 
ene Erbitterung ſeiner Mitbuͤrger gegen ihre üben 
iger ‚, und die See allein beherrfchenden Feinde als 
kzeug gebraucht hätte, die Macht feiner Baters 

t der Yegineten ihrer erft gleich zu machen, und bald 
hher die leztere ganz zu vernichten. Themiſtokles bes 
te das Volk, den öffentlichen Damals reichen Schaz, 
dvorgäglich die Einfünfte aus den Bergwerken, vie 
ia chen unter alle Bürger austheilen wollte, zur Aus⸗ 
ang einer Flotte anzuwenden **). ‘Die Achenienfer 
ion dieſem weiſen Rathe erbauten in kurzer Zeit 
m andert Kriegsſchiffe ), und waren fo glich, 
——* in einer offenbaren Schlacht zu uͤberwin⸗ 
Y. Zwar war dies Gluͤck nicht beſtaͤndig, denn 
Achenienſer wurden nicht lange nad) ihrem Siege von 
"Zegineten unverjehens überfallen, und mit einigem 
rluſſe gefchlagen; unterbeffen wurden vie Achenienfer 
y immer mehr im Seeftreite geübt, und die Aegine⸗ 
erhielten niemals die Herrfchafft des Meers wies 
TH. Der Krieg zwifchen beyden Bölfern dauerte 
auf die Anfunft des Xerxes in Griechenland fort, 
weiche Zeit alle alten Fehden unter den Griechifchen 
fern aufgehoben wurden 777). Herodot bemerkt fehr 
ig, daß eben biefer Krieg die Öriechen von ber 
© 2 Knecht⸗ 
















U lu 


VI. 87⸗ 89. Her. ' 

) Herodot. VII. 144. Plut, in Themift, I, 446, 
2) Plutarch fagt nur hundert I. c. 

‚ Vi, 92. Her, ' 

) Ber. ib. c. 93. 

4) Her. VII. 145. & Andocyd. Or. 1. 426. 27. 








106 


Ruehefigafft gerettet habe *), indem die A 
dvendehigt, ſich aufs Meer zu wagen, und 2 
.pfen mit ben. Serbaren bey Artemifium E27] 
‚vorpabeeien 3) A 
des Krieges dee Yegineten mit den 
ni elle Darius Hnftaspes den ſchon ange 
aus, ſich an de zu raͤchen D. € 
Ken Datie und Artaphetnes Befehl, eine Heen 
Zu verfaminlen , bie — waͤre, Athen um 
* ‚seia zu gerflören, und das Übrige Griechenland J 
Scepter zu unterwerfen. Bende Felbherten 
äuerft auf Euböa, — dle Einwohner die 
fel, oder machten. fie auch zu, Sclaven, v 
Ba plünderten. und berbraunten allench 
Size der Griechiſchen Götter, die des Apoll 
Diana. in Delos ausgenommen TI), ‚und rüd 
en ein,. m fie ſich nach a Nathe des $ 

arathon gexten, weil bie ganze umlie 
„gb mir: und de der Fri a 6) 


WER 
5* edge vn. 1. daß der Si 
= ea als ‚u Sr au 
. Bi den reich —* fer, Pen ‚betrug 
. hen man vertheilen wol m {hs 
B a brauchen wuſte, nur — 7 ein — 
theulenſer zehn Dragmen, erhalten kouni 
30 eine Summe von 337 Talenten, we: 
An Athen 20000, und won 50 Talenten, wei 
30000 Bürger annimmt. - Eiue folge ‚aubeb 
Sprune mußte machte alfo damals (em eine ber nal 
Äbte teih, und war. hinlänglih, eine: Zn 
dreyhundert Kriegeſchiffen auszuräfn, * 
ag —ES — Pr 
ten biefe au; den, enn 
‚m Zempelsd der Rıbele im. Sul au raͤchen. Pr 


P Eur 










Gefchichte der Griechiſchen Sophiſten. 101 


afteſten war. Die Athenienſer waren viel weni⸗ 
efichtig, als ihre Feinde, und handelten fo unbe⸗ 
m, als man ed nur von einem in der Staats und 
akunſt gänzlich unerfahrnen Volke erwarten konnte. 
ckuͤmmerten fich nicht eher um Bunbesgenoffen, 
die ganze feindliche Macht fehon innerhalb ihrer 
Bm war, und wählten nicht den tüchtigften Feld⸗ 
ſondern zehn an Talenten, wie an Abfichten uns 
be Männer zu ihren Führern, und noch dazu mit 
dehingung, daß ein jeder nach ber Reihe, aber nur 
einzigen Tag oberiter Befehlshaber feyn follte *). 
Be len ihren Nachbarn vereinigten ſich nur allein 
Einnohner der kleinen Stadt Plataͤa mit ihnen: die 
Pehmonier veriprachen zwar, KHülfsvölfer zu fchicken, 
BR fie weigerten fich es gleich zu chun, weil ihre Mes 
ihnen unterfage, vor dem Bollmonde gegen ei⸗ 
ſtemden Feind auszuziehen *%). Die Arhenienfer 
Bra daher gezwungen, fich faft ganz allein einem viel 
fihern Heere entgegen zu ftellen ***), und würben 
a Dermuthen nach, wo nicht durch die Tapferfeig 
‚Derfer , doc gewiß durch ihre Uneinigfeit zerftreut 
den fenn, wenn nicht der eben fo kluge als tapfere 
hades die Segen zufammengehalten }), und der 
sche Ariftives feine unerfahrnen Eollegen vermocht 
„ ihr Anſehen und die ihnen anvertraute Mache 
Miltiades zu übergeben fr). Unter der Anführung 
| 63 bieſes 

















[Ber. I. c. 


106. €. 
Die Perſer machten nach. dem Lyſias z300000, und bie 
Athenienſer nur zehn tauſend aus, ungeachtet fie alle 
Verwieſene zuruͤckgerufen, und alle Ehrlofe ehrlich ges 
. macht hatten, Lyf. p. 41, Andoc, I, 226. 27. " 


Je. 109. 
} Blut, "Tom, IL. 489, 


2 Gechfied Buch 


dieſes Feldherrn fchlugen die Athenienfer bie Bar 
oder nöthigten fie wenigftens, das Schlachtfeld zu 
laſſen *); allein diefer von Dichtern, Rednern 
Weltweifen über alles Verdienſt gepriefene Sieg 
Marathon war fo wenig entfcheidend, daß bie P 
gleich nach der Schlacht das Herz hatten, Sunium 
umfchiffen, und Athen zu verbrennen **), und d 
auch die Beute und Gefangenen, welche fie vorher‘ 
macht hatten, unvermindert mit nach Aſien nahmen 

















4 
®) Von den Perfern fielen nicht einmal 6500 Mann, mg 
son den Achenienfern nicht einmal zwephundert. 

“®, ce, 116. Her. =. 

2) ib. Ich glaube, daß es manchen angenehm fin wir 
bie Beweiſe von Edelmuth und Heldenflolge zi 
welche bie Athenienfer in ben Belohnungen 
fie ihren größten Wohlthaͤtern und Helden 
und zugeflanden. Miltiades bat das Bol, 
auf bem Gemälde, weldhes man an einem Öffentl 
Plaze von der Schlacht bey Marathon verfertigen 
namentlich genannt werben möchte; allein man fd 
biefe Bitte ab, nnd gefland ihm uur fo wiel zu, 
an der Spize bes Heers in ber Stellung eines bie 
gen zum Streite ermunternden Zelbherrn gemacht 
ben follte, Acfch. adv. Ctefiph. p. 301. Diefe 
lung ift viel wahrfcheinlicher,, ale eine andre beym 
tar in Cimone Ill. p. 187. daB Miltiades um 
Ehre mit einem Kranze aus Deblzweigen gekraͤut 
werben gebeten, daß aber ein gewiffer Sobares 
dem Beyfall des ganzen Volks ihm geantwortet 
er folle alsdann um eine vorzügliche Belohnung 
Ken, wenn er allein gefiegt, und bie-Barbaren g 
gen babe. — Als Kimon die Perfer am Stromon 
wunden, und bie Thracier vertagt hatte, ließen 
Athenienſer den Siegern zu Ehren drey Hetmen 
ruͤhmlichen Infchriften errichten, auf welchen aber 
Kimon chen fe werz als bey Thermopyla des 



















#i 
7 
F 


Sefchichte der Griechifchen Sophiſten. 103 
Krfiheinfich wuͤrde Darius den Krieg mit dem Athen 


Kern fortgefezt, und den Einfall in Öriechenland wie 


bople haben, wenn nicht die Empörung Aegnptens: 
m Zorne und feinen Heeren eine andere Nichtung . 
hätte *). 2 
‚“ &o menig aber auch die Perfer durch die Nieder⸗ 
ben Marathon einbüßten; fo fehr wurde Griechen» 
durch den gewonnenen Sieg geftärfe. Die uner⸗ 
Ke Wuth, womit die Dei alles Heilige und Unhei⸗ 
J 4 lige 














— — 
Erwähnung geſchah. Aeſch. 1. e. p. 300. Plut. 1, e. 
186. — Thraſpbulus und bie uͤbrigen Wieberher⸗ 
Feder ber Frevheit erhielten Leine andere Belohnungen, 
als tanufend Dramen aus bem Öffentlichen Schaze zw 
Opfern und Geſchenken für bie Goͤtter, yon melden 
tauſend Drachmen einem jeden nur zehn zuflelen, und 
‚ ‚dann die Ehre, ihre Häupter mit Oehlzweigen umwin⸗ 
hden zu bärfen. Acfch. p. 301. Konon war nach des 
Harmodius und Ariftogiten der erſte, welchem man eine 
eherne Statüe fezte, well er durch den Sieg bey Ky⸗ 
pern fein Vaterland ven beim Joche der Spartaner bes 
freyt hatte. Demoft. adv. Leptin. p. 370. Im Zeite 
alter bes Demoftbenes war das ausgeartete Wolf fe 
verſchwenderiſch mit ehrenvollen Belohnungen, baß es 
goldene Eronen viel häufiger, als vormals Craͤnze aus 
Dehlzweigen bewilligte. Aefch, p. 301. Was in Athen 
Statüen und Sronen waren; das waren in Rom Dank⸗ 
fefte (Supplicationes) und Triumphe; die einen wie bie 
andern verloren in eben dem WBerhältniffe von ihren 
Werthe, und wurden ohne Prüfung den Unwuͤrdigſten 
zuerkannt, in welchem große Thaten und Männer ſelte⸗ 
ner wurden. Es gibt daher auch Fein fichreres Zeichen 
der Verberbniß ber Sitten und bes Berfalld von Frep⸗ 
fasten, ale wenn ehrenvolle Belohnungen ohne firenge 
Anterfuchung weggeworfen, nud immer vergrößert ober 
vermehrt werden. ! ' 


Her. VIL L. 2. 


104 | Sechſtes Buch. 


Kige zerftört, und Götter forohl als Mienfchen bei 
Hatten, vermehrte ven Abſcheu gegen die Barbaren, 
die tiebe zur Freyheit in eben dem Verhaͤltniſſe, in 
chem die Weichlichfeit und Feigheit der Aftatifchen € 
ven bie Furcht vor ihnen verminderte, und Verach 
erzeugte. Auch hatten bie Gefahren, denen die ? 
nienſer zwar glücklich, aber doch immer unerwartet 
angen waren, die heilſame Wirfung, daß die Seh 
nögefamme weiſer und vorfichtiger wurden, und fuͤ 
Zukunft beffere Maaßregeln nahmen. Sie legten ı 
lich vor dem Einfalle des Zerres alle gegenfeitigen F 
ſchafften ab *), fehloffen umter einander die heilii 
Buͤndniſſe, und vereinigten ihre Kräfte, um fichr 
druͤcklich gegen den gemeinfchafftlichen Feind zu verth 
gen. Die Griechen waren baher auch bey der Anfı 
Des Xerxes viel mehr gerüfter und vorbereitet, als fi 
bey der erften Unternehmung feines Vaters gervefen 
zen ""). — 
Kerres, ber mit dem väterlichen Reiche zug 
ben väterlichen Haß wider die Europaͤiſchen Griec 
and den Borfaz fie zu unterjochen geerbt hatte, rüt 
zu dieſem Zuge alle Bölfer, die feinem Scepter geht 
ten, aus ihren Sijen auf, und fammiete während | 
zer vier Jahre aus allen Theilen von Aſien und ſelbſt 
Africa eine Heersmacht, die Meere und fänder bede 
und die hinreichend fihien, ohne Schwerdtichlag | 
durch ihre Zahl und die Laſt ihrer Waffen foldye fi 
Haͤuflein von Menfchen nieder zu drücken, verglei 








..% Andoc. 1. e. 

44) Darius Hyftaspie Sohn farb DI, 73. 3., und Xe 
unternahm feinen Zug nad Griechenland DI. 75 
in welches Jahr auch bie Schlachten bay Thermop 
Artemiſium und Salamin fallen. . 


Geſchichte der Griechifchen Sopfiften, 105 


Griechen wider fie aufbringen konnten ). Die 
H ter Rriegsfchiffe ftieg über zwolf hundert, denen 
y tauıfend andere folgten, die tebensmictel und Krieges 
kefniffe führten **). Bas Fußvolf und die Neuterey 
deren Gefolge machte einen zahllofen Haufen aus, 
pewiß nicht unter einigen Millionen gefchäzt werben 
a, und ber ſich auf feinem Zuge durch die Aufnahme 
e Bölfer, die er berührre, noch immer vergrößerte, 
vie ein dem Meere zueilendee Strom, burd) einen 
n fleinen Fluß, den er verfchlinge, mehr und mehr 
eitert wird }). Die Store und das Heer der Perfer 

5 war 








» VD. 20. 21. Her. Es iſt gewiß Peine Webertreibung, 
wenn Kerobot an biefem Drte ausruft: welche Quelle, 
welche Ströme und Seen, große ausgenommen, haben 
bie Perfer nicht ausgeleert ober ausgetrodnet. 

“VII. 89. & ſq. & 184. & ſq. Man faun ben Kerobet 
in biefer Angabe nicht leicht eines beträchtlichen Irr⸗ 
thums befchuldigen, weil er ganz genau bie Zahl von 
Schiffen beſtimmt, bie ein jedes Wolf geliefert hatte, 
Mit dem Herodot ſtimmt Iſokrates zuſammen I. 166. 
p. Il. 205. Lyoſias bingegen redet nur von taufend 
Kriegsfchiffen der Perfer p. 46. 

) Derobot ſchaͤzt die ftreitbaren Männer, bie Kerres gegen 
Griechenland führte, auf 2,640000 Mann, umb 
glaubt, daß der Troß von Sclaven, Weibern, Kräs 
mern u. f. mw. eben fo viel ausgemacht babe. 186. VII. 
Iſokrates fchlägt das ganze Heer bed Kerres auf 500 
Myriaden, oder fünf Millionen, bie Krieger aber nur 
auf 700000 Wann an. 11.205. 206. An einer ans 
dern Stelle nennt er das Heer bes Kerres, wie Lyſias, 
zahllos oder unendlich. I. 166. Lyſ. p. 46. Diodor 
zähle im Perfiihen Heere 800000 flreitbare Männer, 
und nach der Vereinigung mit den auf dein Zuge bes 
zwungenen ©riechen eine Million. Der Troß machte, 
feiner Nachricht zufolge, eine eben fo große Zahl aus. 

400. 401, Äh Wenn alfo Herodot, wie ich felor 
glaube, 


108" Sechſtes Buch. 


war aber, oder fchien nicht bloß durch die Zahl Furcht 
ſondern die eritere enthielt die Schiffe von Völfern, | 
weit länger gehandelt hatten, und viel mächtiger u 
geübter im Seekriege waren, ald die Europäiſch 
Griechen, und Die feztere beftand aus vielen tauſend 
der ftreitbarften Bolfer Griechenlandes, und Der tapfl 
ften Stationen Aliens , die durch anhaltende Kriege ebf 
härter, und durch ihre und ihrer Vaͤter Siege w 
Ruhm murhig zum Kampfe geworden warn. Ma 
allem menfchlichen Anfehen alfo würbe diefe ungeher 
Macht den Altgriechifchen Staaten Untergang © 
Knechtſchafft gebrachte Haben, wenn fie von einem 
fahrnen Haupte, ober nur von einem Manne wäre 

f« 








— 


glaube, fi in ber Aufzählung der Landmacht des 
res andy irrte, fo fcheint es mir boch unlaͤugbar, 
er nicht erdichtet, und auch nicht fo ſehr geirrt 
als viele feiner neuern Tadler ihm vorgeworfen gu 
bie nicht wuften, daß bie größten Scriftfielleer - 
chenlandes entweder ganz oder doch größtencheil = 
ihm übereinftimmen. Herodot gebt auch bey bez 
fammenrehuung der Myriaden, ans denen die Di 
des Perfifhen Königs beſtanden habe, in ein une fi 
liches Detail ein, das er wahrfcheinlih von Per 
oder von Griechen, bie im Perſiſchen Heere geb 
hatten, empfangen hatte, und dergleichen alle Erb 
ter vermeiden, Man kann ihn auch nicht befchuldig: 
baß er bad wunderbare und außerordentliche in der 4 
haͤufung fo vieler Myriaden nicht eingefehen, indem . 
ſelbſt <. 181. barüber erflaunt, woher fo viele Me 
ſchen ihre Nahrung erhalten hätten. Enplich finderg 
Me hoͤchſte Genauigkeit, und nicht das geringfte U 
laubliche oder Unglaubwärbige in ber Aufzählung u 
efchreibung ber Griechiſchen Zlotte und Armee, | 
er gewiß auch ummahrfcheinlich mÄrbe verkleinert or 
vergrößert haben, wenn er bie Abficht zu erdichten u 
Verwundernng zu erregen gehabt hätte. 








. 324* IR FE > on 
efebichte ber Gliediſchen Sorhiſten. 167° 
beit, der weifen Nach anzuhbren umb ihm zu 
ereit gewefen wäre. Dun aber wurden dieſe 
m von einem Manne angefuͤhrt, deſſen Deſpoten⸗ 
nıech die Sirenen⸗Stimmen der Schmeichler 
m war *), ber vortheilbafte günftige Umſtaͤnde 
fegenheiten weder felbft zu fehaffen, noch wenn 
barboten und von andern gezeigt wurden, zu nu⸗ 
Re, der von unzähligen Myriaden umeingt , fich 
endlich zu ſeyn ſchien, und fo lange die Goͤttinn 
Bis ihn begleitete, alten übrigen Goͤttern trogte, 
nad) dem erften Unfalle tiefer als feine niebrig» 
ven fanf, und ſchnell Hinter einander fo viele 
Fehltritte machte, daß er mehr durch feine 
eit, als durch die Klugheit und Tapferfeit 
de uͤberwunden ward. Anflaͤtt fein Beer durch 
Abdeſtehliche Flotte, die ihm zu Gebote fland, 
mal in das Her; von Griechenland überzufezen, 
Ferres daſſelbe langſam durch Thracin, Mar 
Aund Tpeffalien, und verheerte.oder zehrte bie 
er. die er durchzog, fo gänzlich. aus, daß er bald 
ee auf feiner Flucht hunderttaufende durch Hunger 
Eheiten verlor **). Anſtatt ferner, wie Der 
Bm rieth, die Griechen zu zerſtreuen, und bes 
v die Spartaner von ihren übrigen Brüdern ab» 
in, fieß er fie alle fich mit einander vereinigen, und 
et ihm bald nachher verderblichen Macht anwach⸗ 
Anftatt endlich nach dem Mathe der Artemifia 
Seefchlacht zu vermeiden, und die Griechen durch 
mer mehr und mehr überbanbnehmende Furcht 
Ä vor 







UL} 





Iat. de Leg. IN, 536. 
Her. VIII. 115. 
Tu. 235. Her. 






weit länger gehandelt hatten, und viel mächtiger 
geübter im Geefriege waren, ald die Europä 
Griechen, und die leztere beftand aus vielen taufen 
der ftreicbarften Golfer Griechenlandes, und Der t 
‚ften Nationen Aliens, die durch anhaltende Kriege a 
härtet, und durch ihre und ihrer Däter Siege u 
Ruhm murhig zum Kampfe geworden waren. M 
allem menfchlichen Anfehen alfo würbe diefe ungehe 
Macht den Altgriechifchen Staaten Untergang 
Knechtſchafft gebracht Haben, wenn fie von einem er; 
fahrnen Haupte, ober nur von einem Manne waͤre ges 


1065" Sechſtes Buch. Ä 
war aber, oder ſchien nicht bloß durch bie Zahl Furcht | 
‚ fordern die erftere enthielt die Schiffe von Völfern , 


mE GREEN? ⏑ 


glaube, ſich in ber Aufzählung ber Landmacht des Kers 
res auch irrte, fo fcheint es mir doch unläugbar, Kaß 
er nit erdihtet, und auch nicht fo fchr geirrt habe, 
"als viele feiner neuern Tabler ihm vorgeworfen haben, 
Die nicht wuften, daß bie größten Scriftfielleer Gries 
ehenlandes entweder ganz uber doch größtencheils mit 
ihm übereinftimmen. Herodot gebt auch bey der Zus 
fammenrehuung der Myriaden, aus benen die Armee 
des Perfiihen Königs beftanben habe, in ein umftänds 
lies Detail ein, das er wahrfcheinlih von Perfern, 
oder von Griechen, die im Perſiſchen Heere gedient 
hatten, empfangen hatte, und dergleichen alle Erdide 
ter vermeiden, Man kann ihn auch nicht befchulbigen, 
baß er bad wunderbare unb außerordentliche in ber Ans 
haͤufung fo vieler Myriaden nicht eingefeben,, indem ee 
ſelbſt c. 181. darüber erflaunt, woher fo viele Men⸗ 
(dem ihre Nahrung erhalten hätten. Endlich finder fi 
Me hoͤchſte Genauigkeit, und nicht das geringfte Un⸗ 
olanbliche oder Unglaubwärdige in ber Aufzählung und 
Beſchreibung ber Griechiſchen Flotte und Armee, bie 
er gewiß auch unmahrfcheinlih wuͤrde verfeinert ober 
vergrößert haben, wenn er bie Abſicht zu erbichten und 
Berrounderung zu erregen gehabt hätte. 








Geſchichte der Griechſſchen Sophiften, 107? 

I mworbeit, der weiſen Rath anzuhören und ihm zu 
‚bereit gewefen wäre. Dun aber wurden dieſt 
Hlionen von einem Manne angeführt, beffen Deſpoten -· 
Bel durch die Sirenen » Stimmen der Schmeichler 
Borben war”), der vortheilhafte günftige Umftänbe 
5 Selegenheitenn weder ſelbſt zu fchaffen, noch wenn 
Ich darboten und von andern gezelgc wurden, zu nu⸗ 












Pwuſte, der von unzähligen Myriaden umringt, fich 
berwindlich zu ſeyn fehien, und fo lange die Goͤttinn 
Sluͤcks ihn begleitete, allen übrigen Goͤttern trogte, 
& aber nach dem erften Unfalle tiefer als feine niedrig⸗ 
in Sclaven fanf, und ſchnall Hinter einander fo viele 
6 grobe Fehitritte machte, daß er mehr durch feine‘ 
re Thorhelt, als durch die Klugheit und Tapferkeit. 
ner Feinde überwunden ward. Anflaͤtt fein Heer durch 
re unwiderſtehliche Flotte, die ihm zu Gebote ſtand, 
nuf eimmal in das Herz von Griechenland überzufezen, 
ſcheypte Kerres daſſelbe langſam durch Thracin, Mar 
kbonien und Theffalien, und verheerte oder zehrte Die 
läuber ,.. die er durchzog, fo gänzlich aus, daß er ba 
nachher auf feiner Flucht hunderttaufende Durch Hunger 
und Krankheiten verlor **). Anſtatt ferner, wie ‘Der 
waratus ihm rieth, die Öriechen zus zerſtreuen, und bes 
fenbers die Spartaner von ihren. übrigen Brüdern abs 
äuiehen, ließ er fie alle ſich mit.einander vereinigen, und 
in einer ihm bald nachher verberblichen Macht anwach⸗ 
fen t)._ Anſtatt endlich nach dem Mathe der Artemifia 
eine Seefchlacht zu vermeiden, und die Griechen durch 
die immer mehr und mehr uͤberhandnehmende Furcht 
0a vor 


EEE 





®) Plat. de Leg, III, 536, 
%#) Her. VIII, 115. 
y) VII. 235. Her. 





2 Su + 
vor feiner Flotte aus einander zu jagen *), ſtuͤrzte er 
leztere mit einer unberzeihlichen Unbeſonnenheit in ei 
Streit, wo fie der viel ſchwaͤchern Griechifchen. nicht 
lein nicht gewachfen war, fonbern ſich durch ihre «ei 
Größe zerſtoͤren muſte. | BE 
Terxes brachte fein Heer *®) ungefchwächt bis a 
Thermopylaͤ, wo er zuerft einen Fleinen Haufen ! 
Männern aus dem Peloponnes gegen fich fand, bie d 
teonidas angeführt wurben, und e8 wagten, ihm 
Eingang in Griechenland zu verwehrent). Dieſer El 
Haufe beftand. nur aus vier taufend Mlann-} 
indem bie meiften Staaten ihre Krieger fchon ı 

gefchiffe und bey Artemifium verfammlet_hatten 
"= Ungeachtet der tapfere König von Sparta einen a 
- taufend von Feinden fat nur einen einzigen Mann em 
gen ftellen Eonnte, ſo hielt er es doch für feiner up“ 
on, 2 U 


r 











i VII. 68. 69. | rt 
09) Wenn man ben Verluſt abrechnet, ben Bufälle 4 
Krankheit verurſacht haben mochten. loan 
+) VIII 194. 205. & ſq. Her, — — 
+t) Her. VIII. 225-229. | ee 
Hr) Nah den Iſokrates fochten bey Thermoppylaͤ taufı 
EGpyartaner and einige Bundesgenoffen (I. 164.), Sei 
bos hingegen, mit welchem Diodor uͤbereinſtimmt ( 
p. 410.), rebel nur von drey hundert (c. 205.) Sp 
tanern mit ihren Söhnen, und die Inſchrift, weh 
das Lob diefer Krieger verewigt, nannte 4000 Mann 
‚aus bem Peloponnes , die fuͤrs Vaterland gefterh 
wären (c. 228.) . | . 
uugęœocu rore rnde rTomxoduois eαν,ονντ 
eu IlsAorovvaos XıAsades. Teroees. 
Die Spartaner beſonders beehrte man mit folgen: 
Inſchrift: | 7 
w£swv , ayyeııov Anxediunovioss oru eds 
Kerne“, TOM KEY ENT, BEndopevor. 


( 


Geſchichte der Griechiſchen Sopfiften. 109 


Vaterlandes unwuͤrdig, einer ihm mehr als tauſend⸗ 
ig uͤberlegnen Macht zu weichen, und lehrte den ſtol⸗ 
Eerres bald, daß nicht thoͤrichter Wahnſinn, ſon⸗ 
en eine den Perfern ganz unbefannte Freyheitsliebe, 
und feine Heldenfchaar einen unvermeidlichen Tod 
iger als Knechtſchafft fürchten mache. Leonidas 
das Heer des erflaunten Rerxes mehrmalen zuruͤck, 
würde es gewiß noch länger aufgehalten haben, wenn 
Wehe die Verrächeren eines Griechen ihm einen Weg 
das Gebürge gezeigt hätte, auf welchem er vie 
iechen umringen Fonnte. So bald Leonidas dieſes er» 
khr; eniließ er den größten Theil der Bundesgenoffen, 
Ne er ben fich hatte, und fiel mit den fünf hundert Kries 
gen, die ihm übrig geblieben waren, unter ver Menge 
on Pfeilen, unter deren Schatten-er gefochten hatte. 
Durch diefe Niederlage erwarb der’ König der Spartas 
nee fich und feinem Baterlande einen eben fo großen und 
berdienten Ruhm, als Miltiades und die Achenienfer 
bey Marathon erfochten hatten. | 


Nach der Schlacht ben Thermopylä drang das 
herſiſche Heer ungehindert in Sriechehland vor, Tangte 
im fünften Monat, nachdem es den Griechiſchen Boden 
betreten hatte, in Attifa an, zerſtoͤrte die elenden Huͤt⸗ 
ten der Einwohner von Athen, famt den heiligen Woh⸗ 
mungen ber Götter, und eroberte endlich Faft mit eben 
fo vieler Mühe, und eben fo großem Berlufte die Burg 
diefee Stadt, die nur von einigen Greifen, und zum 
Kriege unbrauchburen Perfonen vertheidige wurde, als 
womit es fich des Pafles bey Thermopylä bemaͤchtigt 
hatte *). Durch diefe-auf einander folgende Begebens 
beiten geriethen aile noch unbegwungene Völker Griechen, 

landes 


XXXXCXCV 








#) Her, VIII, 33 & 50. 52. 








16 Sechfted Buch. 


landes in eine fo allgemeine Beftürzung, daß bie. 
wohner des Peloponnes anfingen, vie Erbenge bey 
rinth mit einer Mäuer zu verfchliegen, und Die 
tigjten unter den vereinigten Bundesgenoffen, die 
mit ihrer Flotte von Artemifium nad) Salamin zu 
"gezogen hatten, mit dein Gedanfen umgingen, ſich 
den uͤbrigen Griechen zu rennen, und nad) t 
Iſthmus Hinzufegeln: ein Anfchlag, der, wenn er w 
ausgeführt worden, ganz Griechenland unfehlbdr 
Verderben geftürzet hätte *). . 5 
Die Griechen fanden fid) jego in einer Lage, F 
weicher e3 fihien, daß fie nicht anders, als durch. 
Wunder, oder durch die unmittelbare Hüälfe einer 
heit gerettet werden Fonnten. Ihre Städte waren 
Mehenhaufen verwandelt, oder täglich in Gefahr won fe 
genden Feinden eingenommen , und durch Feuer jerftör 
zu werden. ‘Der größte Theil der Griechifchen Gtaateı 
war von den Perfern unterjocht , oder auch freywillig ;ı 
ihnen übergegangen »*). Die tapferften. Krieger de 
Bölfer, die ihre Freyheit vercheidigen wollten, lageı 
bey. Thermopylaͤ hingeſtreckt, ohne Daß man andere ge 
. habt harte, die in ihre Stelle. hätten treten, und fl 
den Perfern entgegen fezen wollen. Selbſt ihre Flott 
hatte vieles bey Artemifium gelitten: die Schaaren, mi 
denen fie befezt waren, hatten faft alle ven Much verle 
ten, und die Führer derfelben waren uneins, und nich 








VE GE GES — — 


”) Man leſe hieruͤber beſonders Herod. VII. 139. vm 
57+63. Lycurg. adverf. Lucr. p. 143., aus biefes 

haben Plutarch und Diodor gefchäpft. 

“) Dies leztere chasen die Theffalier, Argiver, Thebaut 
und mehrere andere, wie fie nachher vorgaben, wi 
Gewalt dazu genöthigt. Pluc, I, 447. IL. 514. 33 
Her. Si 132. IX, 1. & Diodor, XI. p. 405. Balı 

eflel, Ä on 





Geſchichte der Griechifchen Sophiften u 


r die gemeinfchafftliche Wohlfarth, fondesn ein jeder 
dr feine und feines Vaterlandes Sicherheit beforgt. So 
melte Griechenland am Rande eines fürc)rerlichen 
grundes herum, in den es auch gewiß würde hinab⸗ 
allen feyn, wenn es nicht durd) Die Hand des Themi⸗ 
Mofles wäre aufgehalten worden, Bu 


Diefer außerordentliche Mann mar von der Vor⸗ 
fſchung darzu erfohren, die in Kfiechtfchaffe oder Ders 
} menfelung Hinabgefunfenen Griechifchen Voͤlker gleich 

'fam wider ihren Willen zu befreyen und aufjurichten, 
und das niebergetretene Griechenland eben jo jehr über 
"de triumphicenden Barbaren zu erheben, als er felbft 
‚über feine Zeitgenoffen erhaben war *). Cr bemeilt 
: vorzüglich die Beobachtung inehrerer großen Schrift, 
‚eller,, zu welcher fie durch die Schickſale ihres eigenen 
Volks veranlagt wurden, daß es faft immer nur einis 

' gewngewöhnliche Menfchen find, von denen das Gluͤck 
und Unglück ganzer Nationen abhängt, oder durch deren 
Tugenden und tafter ihre Wohlfarth wie ihr ihnfturz bes 
wirft wird "”). Themiſtokles war es, der faft zu gleis 
cher Zeit in Arhen eine Seemacht, wie aus nichts fchuff, 
und feine Micbürger zu Beherrfchern des Meers und 
"wm Dorfämpfern gegen die Perfer machte. (Er allein 
-beivog die umentfchloffenen und zagenden Athenienfer, 
durch die Erfaufung oder Auslegung eines Goͤtterſpruchs 
zu dem fühnen Entfchluffe, der fie und die übrigen 
"Griechen nur allein retten fonnte; alles, was ihnen am 
‚theureften war, ihre Weiber und Kinder, ihre vaͤter⸗ 
fichen Wohnungen, und die Tempel ver Götter zu ver, 
laſſen, und ihre Schiffe mit eben fo frohem Muthe Li 
- 989 


























re mn. ai > [U U 


4) Tue. 1.74. Diod. XI. p. 448. Lye. 9.143. 
459 Gall, Beil, Cat; 53, c. Cie. de Leg, Ilk:;24. frag. p. 36. 





J 





beſteigen als wenn fie nicht von ihrem Vaterlani 

ſondern ihrem Vaterlande haͤtten zuſegeln fellen * 

Henn, den Arhenienfern eine fo unbezwingba 

vs fie für vie Ruinen ihres vaterlaͤn 

als die übrigen Griechen fı 

——— Deterftävte fochten **): und erwar 

Ib: der ‚die Bundesgenoffen erft durch Ueberrı 

ann dure or und als beyde nichts fr 

wollen durch &ift von einer verderblichen Zerfh 

zuruͤck hielt, “und fie zwang an einem Orte zu fecht 

welchen fie allein fiegen fonnten, und auch wirffh 

ten ***),.. Wenn aljo die ee die ai > 
eben ſo viel oder. gar zivenmal“fo viele 


als die Übrigen riechen }) , den Fan ar HN 
bes ve | Volls verdienten m 





Her, Vil. 139 143; Aue Ci de vñ il 
Fa Diod, — & Lye. I an 
“*R) Her, VIIL 60. 248 

+) deredet vul. 43. & 82 c. fo, dep bie riet 
Salamin 380 Schiffe gehabt, und vie Athenich 

:lein 180 ber beften geliefert hätten. Thukpdides 
gen gibt den Athenienfern 400, und faft ziwepi 

viel Schiffe, als den Übrigen Oriechen I. 74., 
aber I. c. 12. zugleich an, . daß dieſe Schiffe ui 
bedect geweſen waͤren. Iſokrates ſtimmt Kalı 

:  Xeröbot,: bald dem Thukphides bey I. 169. 17. 

ih’ 206. Wlutar fölgt dem — 1. 462. 

aus ihm ſieht man, daß jedes Athenenſiſche Schi 
Pr ur welchen vier Bogeuſchaden I 

e 
1 » — VII. 139. Serodot VII. 93. und Diodor zu. 
fagen, daß man die Negineten für. diejenigen ei 
babe, welde bey Salamin am tapferfien gefochten 
[3 ka} allein fie ſezen auch bepd« hinzu, daß bie > 
ep and Reid, und um dis Webeakage zu 
\ 


Geſchichte ber Griechiſchen Sophiſten. 2 


ente Themiſtokles mit Recht der Retter von Griechen⸗ 
nd genannt zu werden ”). . 
Ungeachtet der Sieg bey Salamin nicht mit einer 
aͤnzlichen Niederlage und Zerftreuung der Perſiſchen 
tte verbunden mar; fo hatte er doch die wichtigſten 
pen, und man muß es bloß der äbertriebenen Abs 
kigung des Piato gegen alle Mache und, Herrfchafft zur 
see zuichreiben, wenn er fagt, daß nicht Salamin, fons 
Mararhon und Plataͤa Griechenland gerettet haͤt⸗ 
m *”). Die ganze tandmacht der Perfer verwüftete 
—XR5 ſich freylich noch immer ohne Widerſtand 
‚und von der geſchlagenen Flotte waren ned) ima 
bee mehr Schiffe übrig, als die Sieger jemals gehabt 
jatten, weswegen die Griechen auch glaubten, daß die 
Dirfer ihnen ein neues Treffen liefern wollten }) ; allein 
8 fehjmache und von jedem Schlage des Schirfals 
chwindelnde Haupt des Zerres war ganz zerrüttet, und 
mit niches als mic dem Gedanfen von eigener Nettung, 
und mit der Furcht angefüllt, daß ihm der Rückzug abs 
vfchnitten werden möchte FF). Er floh daher mir dem 
nößten Theile feined Heers, von welchen viele taufende 
der Hunger und Elend umfamen, dem SHellefpont zu, 
md ließ den Mardonius mit dreymal hundert in 
| | . feiner 








gen, ben leztern ben Preis der Tapferkeit geraubt 
hätten, ben ihnen aber alle nachfolgende Zeitalter zuges 
fanden. 

®) Siehe zweyte Beylage, am Eude bes Capitels. 

**) Plat. p. 540. 

4) Her. VIil. 100. 108. Mac dem Diobor verloren die 

. .Perfer bey Salamin 200 Schiffe, außer denen, bie 

erobert wurden, bie @riechen aber nur vierzig, p. 418. 
XI. Diodor, 

44) Her. ib, 


Zweyter Band, 9 








iron auserleſenſten Krieger in Oriechenland yurä 
es zu unterjochen , oder an feinen Bewohnern wer 
daB vergoſſene Blut ver Perfer zu raͤchen ). 


eibigung der ichen S 
und but ‚ere jr te Li 





PR} tde ed mit Lecooo mund Orte 
’ 1 wären, p 483. Dioder wel 
— Be a ee ui 
5 man Pan aber ſchwerlich 
ae beyden Geſchtchiſchteibern der 


—R a ee 


| Gefchchee der Griechiſchen Sophiſten. 115 


Weich, die Weiber und Kinder der Athenienſer bis ans 
ee des Krieges aufzunehmen, und ımentgeltlich zu 
Anerhalten *). Die Antworten, welche die Acheniens . 
we den Alerander und den Spartanern gaben, find 
ergeßliche Denkmäler ſowohl der Seelengroͤße bes 
iſides, Der fie abfaßte, als der nad) dem Siege bey 
Pilemin in allen Achenienfern herrfchenden Freyheits⸗ 
) Baterlandsliebe, Den Alexander ſchickten fie mit 
in Befcheide zuruͤck: daß, fo lange die Senne ihren ger 
bnlichen Lauf vollenden würde, fie fi) niemals mit 
Deren vereinigen , fondern im feflen Zutrauen 
Bf den Beyſtand der Götter und Helden, deren Tem⸗ 
die Barbaren verbrannt härten, ihre Freyheit bis 
N den lezten Blutstropfen vertheidigen würden **). 










a Safedämoniern aber antworteten fie in folgenbers 
ten , bie eben fo viel Adel und Würde als Feinheit 
ve. Empfindung verrachen ): daß fie es zwar den Pers 
wicht übel nähmen, wenn fie, bie fie feine andere 
ter fennten, auch unter den Athenienſern alles fiir 
et und Sifber feil geglaubt hätten; daß fie es aber 
kn Safebämoniern faum verzeihen koͤnnten, daß fie 
vielen Proben des unäberwinblichen Muths, ber Un⸗ 
zigfeit oder Verachtung vergänglicher Guͤter, und 
b6 nie erkaltenden oder nachlaſſenden Eifers der Ather 
für die Srenheit und Errettung Griechenlandes 
fe dennoch fähig hielten, alle ihre Thaten, und ihren 
Moorbenen Nuhm zu vergeffen , und zu Derrärhern 
ke guten Sache zu werben. Kein Reich enthalte 
— Schaͤze, und Fein fand fen fo ſchoͤn und frucht⸗ 
, daß fie dafür fich mic den Perſern verbinden, und 
Sa Grie⸗ 








) Ib. ce. 142. vu 
—— Plut, Il, 502, 503. ia Vit. Atid. 


uaßs Sechſtes Buch. 


Griechenland zu unterjochen Helfen ſollten. Die ta 
daͤmonier hätten daher ihre Gefinnungen gänzlich v 
Hanne, wenn fie geglaubt Hätten, daß bie Athenien 
Jelbſt in ihrer gegenwärtigen Armut durch die Verf 
chungen von tebensmitteln zur Dertheidigung von © 
chenland muͤßten aufgemuntert werden ”). Sot 
Marvonius die abfchlägige Antwort der AUrhenienfer- 
fuhr, brach er mit Ungeftüm gegen Attika auf, ſchi 
aber doch noch einen zweyten Sefandten ab, ver fi 
erften Anerbietungen wiederholen mufte. ‘Die Athen 
bfieben aber unerfchättert, und fleinigten fogar ed 
gewiffen tyfidas, der den Rath gab, daß man ſich 
dem Mardonius verbinden folle: ja felbft die Weiber 
Athenienfer ‚ als fie den Rath und bas Schickſal 
“Spfidas erfuhren ,. wurden von Salamin durch den ( 
thuſiasmus der Freyheit,wie durch einen Geiſt des A 

ruhrs nach Athen herein getrieben, und fkeinigret 

Frau und Kinder bes Ermordeten zu Tode, gerade 

wenn auch diefe ihr Vaterland verrathen hätten, ‘ 

nicht einmal unter den Ruinen deffelben zu beffern : 
tungen zu wohnen würdig wären **). AUnmird 
nach dieſem Auftritte faßten die Athenienfer auf | 
Vortrag des Ariftides den Entfchluß: daß alle Pril 
und Priefterinnen in Athen, einen jeden, der zu’ 
Perſern übergehen, oder Buͤndniß mic ihnen zu fd 
Ger rathen wuͤrde, verfluchen, umd dem Zorn der € 

ter überantworten follten F). 

Die Athenienfer, die nun ſchon zwey Jahre hi 
‚einander Feine Sröchte ihres fandes geſammlet hatten] 
| 


U ud 








*) Her. ib. wo man das Üebrige der Antwort, das ich 
abſchreiben mag, nachlefen Faun. 

æx) IX, 5. Herod, 

7 Pur ie vitg Ariſtidis p, 503. 

M VE 142 " 


Geſchichte dei Griechiſchen Sophiſten. 1y 
Fan ben der Annäherung des dis zur Wuth erbittem 
Mardonius, abermals ihre Vaterſtadt verlaffen, die 
ı zwenten male von dem Feldherrn des Terxes noch 
Härter als vom Eerres felbft behanbelt wurde *). 
eonius machte Arhen dem Boden faft ganz gleich, 
xannte oder warf: alle Tempel and Häufer um, bie 
ſet noch verfchont worden waren, und ließ nue 
i. ſo viele Wohnungen übrig, als die vornehmften 
fr brauchten, um fich gegen Sturm und Negen 
Arkzen **). Durch diefe barbarifche Rache wurden 
Athenienſer nicht allein nicht niebergefchlagen, fons 
tes fchien, als wenn fie aus dem Brande der Tempel 
* Götter, aus der Umkehrung ihres Vaterlandes, 
der Berwüftung ihrer Belder und Bäume, und is 
gegenwärtigen dringenden Noth neue Kräfte und 
Much zur Behauptung ihrer Freyheit fchöpften. 
te fielften fich mit acht tauſend ſchwer bewaffneten Krie⸗ 
a, und eben fo vielem leicht gerüfteren Fußvolk bey’ 
Kia ein, und waren nach den Spartanern biejenis 
y welche die meiften Streiter wider den Mardonius 
Ken 7). Das ganze Griechifche Heer gehorchte 














IX. 13, Her. Digd, XI, 427. 
) Thue, I, 89. 

Her. 1X. 29, 30. Die Spartaner lieferten Ioooo Mar, 
unter benen scoo aus Sparta felbft waren, von weis 
hen ein jeder 7 Heloten bey fich hatte. Die Griechiſche 
Armee machte 110000 Mann aus, unter weldhen aber 
nur 38700 ſchwer bewaffnet waren. Die Lafedämonier 
wollten anfangs die Athenienfer im Stiche laſſen, und 
fi den Perſern erſt alsdann entgegen fegen, wen 
fie in den Peloponnes eindringen würden. Gie fahen 
aber doch bald ein, daß ihre eigne Sicherheit es erfode⸗ 
re, mis ben Athenienſern und Äbrigen Griechen gemein⸗ 
ſchafftliche Sache zu machen, Her. IX, 8510, Ä 


u. Sechlles Bud. 


dem Befehle des Pauſanias, Königs von Sparta, 
zwar tapfern und erfahrnen Krieger, der aber 
ſtolz, finfter,, unerforfchlich verſteckt, und voll 
ner heftiger Degierden, ſchwarzer Bosheit und 
therey war, die aber zum Gluͤck won Griechenland 
auf die Schlacht. bey Plataͤa fehlummerten, und: 
nachher auszubrechen anfıngen. Unter dem Pau 
führte Ariftives Die Athenienfer an, ein eben fo af 
ver Held, weifer Staatsmann und eifriger Varriot , d 
Themiſtokles, aber weniger fchlau, frey von allem wa 
berblichen, und feinen Bürgern gefährlichen Ehrgein 
und fo fehe von aller Haabfucht und Ungerechtigfeie em 
ferne, daß er die Armuch mehr ald Themiſtokles de 
Reichthum liebte, und von feinen Mitbärgern den & 
rennamen des Öerechten erhielt ”). Sowohl bie Achı 
nienfer,, ald die uͤbrigen Grichen brannten von einer { 
heftigen Begierde, für ihre Frenheit zu kaͤmpfen, un 
für ihre Baterftäbte zu fterben, dag fie den ſchoͤnſten € 
ſchwuren, ben jemals ein ganzes Heer und viele ye 
ſammlete Bölfer gefehworen haben. Alle Streiter g 
Yobten vor dem Ungefichte der Götter, um deren &ch 
und Benftand fie inbrünftig flehten, ihr teben niche fi 
er ald ihre Freyheit zu achten, ihre Fuͤhrer weder iı 
eben noch Im Tode zu verlaffen, einen jeden, der in de 
Schlacht fallen würde, au begraben, und ihm hie I 
Ehre zu ermweifen, Feine von den Staͤdten, deren B 
gen für die Freyheit Griechenlandes gefochten hätten, ; 
vernichten, hingegen die Untreuen und Derrärherifch 
mit Feuer und Schwerd zu zerfiören, endlich von alle 
ben Tempeln, welche die Barbaren verbrannt hätten 
Keinen wieder aufzubauen, fondern ihre Trümmern a 
ewige Denkmäler ver Cortlofigfeit der Barbaren de 










— — 


%) Slehe dritte Beylege am Ende bes Capitels. 





Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 119 


Nachkommen zu überliefern *). Mie ſolchen 
| en gingen die Griechen bey Platäa in bie 
cht, in welcher nicht nur die Perfer, und Pers 
geſinnten riechen überwunden, fondern auch eine 
he Niederlage unter ihnen angerichtet wurde, daß fich 
ber zehnte Theil des Heers, welches Terxes dem 
nius zuruͤckgelaſſen hatte, bis nach Afien tettes 
2). Gerade an bemfelbigen Tage, ar welchem die 
jechen ben Plataͤa über ven Mardonius fiegten, vers 
htete die verbundene Briechifche Flotte die Ueberbleib⸗ 
ber Perſiſchen Seemacht, die nach, Afien entflohen 
r, und diefer zweyte Sieg Foftete den Perfern eben 
iel Volk, ald den Schwerdte der Griechen in Euros 
ntronnen war 7). | 
4 Diefe 


—— 2 





) Lyeurg. adverf. Loocr. p. 149. 150. & Diod, XI. 
437. P. 
) Herod. IX, 59. 60, Plut. in Arift, 524. 25. Diod, XL 


429. 30. 
ı Her. IX. 101. 103. Diod, p. 430. 32. Nach ber 
- Schlacht bey Plataͤa machten die Griechen wiele Einrich⸗ 
tungen, und nahmen manche gotsesdienftliche Handlun⸗ 
gen vor, welche den Geiſt diefes Volks in jenen Zeiten, 
und nach einer fo freudigen Errettung aus ber Gefahr 
einer harten immerwaͤhrenden Knechtſchafft, fehr lebhaft 
ſchildern. Ich will aber nur folgende beyde Zacta ans 
führen: erſtlich, daß bie Griechen, und vorzüglich die 
Athenienſer, von biefer Zeit an alle in her Schlacht gen 
fallenen Bürger öffentlid begruben, und von dem 
größten Redner ihrer Stadt eine Lobrede auf fie halten 
ließen. 43. op. Diod, Und zweytend, daß die Gegend 
von Plataͤa durch einen gemeinfhafftlichen Schluß der 
Griechen geheiligt, und ihre Einwohner von ben Lafken 
des Krieges wider bie Barkaren auf ewig befregt mure 
den, zugleich abes auch den Auftrag erhielten, im Nas 
min von ganz Griechenland den Helden, die für's Bar 








I 


wo: Sehe Buch. 


Dieſe auf einander folgende Siege brachten 
- Griechenland viele merfwürdige Beränderungen herr 
und unter viefen einige, die man fehwerlid) worau 
ſehen hätte, und auch nicht wohl voraus fehen for 











| 
terland geftorben wären, jährlich ein feierliches 
zu bringen. 529. II. Plut. in ariſt. Dies Opfer 
erte noch bis auf die Zeiten des Plutarch fort, und 
von ihm folgendermaßen befchrieben Cib.): An den 
daͤchtnißtage der Schlacht ging ein Trompeter oder 
faunenbläfer vor einer großen Proceffion ber, w 
Waͤgen nıit Diyrten und allerley Craͤnzen, ein fi 
zer Stier, und ein Haufen von Juͤnglingen fol 
die Gefäße mit Wein und Mil, und Krüge voll $ 
und koͤſtlicher Salben trugen. Die ganze Berfi 
Iung, in welche fich Fein Sclave mifchen durfte, 
nur freye Männer bie Freyheit von Griechenlan 
theidigt hatten, wurde von der vornehmſten 
ſtratsperſon in Plataͤa angeführt, die fonft fein 
berühren, und feine andere als weiße Kleider ı 
ı burfte, die aber an dieſem Tage mit einen Schi— 
bewaffnet, und mit einem dunkelrothen ſchwaͤr 
Bervande angethban war. Diefe Magiſtrats 
nahm aus beim Archive der Stadt einen heiligen € 
und ging alsdann mit der großen Verſammlun 
ben Gräbern der Helden zu. Hier fchöpfte fie m 
ner Hand Waſſer aus einer Quelle, wufch die Denf 
die man den Kriegern gefezt hatte, und falbte f 
koͤſtlichem Balfam. Alsdanıı opferte fie den St 
Altar, betete zum Jupiter, und dem unterirr 
Mercur, und rief Die tapfern Männer, die für 
chenland gefallen waren, feierlih zum Gaſtma 
zum Xodtenopfer herbepy. Endlich füllte fie ein 
her mit Wein, und goß ihn mit diefen Worten ı 
Erbe aus: Dies trinfe ich den Helden und Pa 
zu, bie für die Freyheit von Griechenland ihr Lei 
laſſen Haben, — Man fann über dieſe Zeier 
manche Betrachtungen anflellen, die ich aber d 
dem Racht enken meiner Leſer überlaffen will, 


Geſchichte ver Sriechifchen Sopfiften. 281 


reiche Beute, die man ben Perſern abgenommen 
e, und unter den Öriechen verhältnismäßig vercheife 
yermehrte auf einmal das Bermögen der vorher ats 
, und durch den Krieg erfchöpften Staaten, und 
reitete durch ganz Griechenland in beträchtlicher 
ıge das edelfte Metall, das vorher höchft felten. ges 
nmar *). Nicht aber bloß diefer zunehmende Wohl⸗ 
>, fondern auch das Bewuſtſeyn der großen Thaten, 
e ausgeübt hatten, hob die Seelen der Europätichen 
chen empor **); und dies Gefühl eigener Verdienſte 
Kräfte erfüllte das Golf, oder die niedern Claſſen 
Bürgern, allenthalben, befonders aber in Achen 
einer unwiderftehlichen Begierde , alle Vorrechte der 
heit, die fie fo oft mit ihrem Blute vertheidigt hat, 
gleich den Vornehmen und Neichen zu genießen. 

2 | Die 








REED ⏑⏑ 


Diodor. XII. p. 478. Herod. VIII, 96. 97. 123. IX. 79. 
-Plut. in Arift. 11. 491. Die Beute bey Platäa allein 
war fo betraͤchtlich, daß man achtzig Talente zur Ers 
bauung eines Tempels ber Minerva bey Platäa, und 
dur Ausſchmuͤckung deffelben ausſezte. p. 527. Plut. 

c 


) Ari. de Civit. V. q. Kas maAw 0 vaurınos oxAos 
VEVoMEVoS MUTIOS TNS MELI LZEÄRUNVG VIRNS, 
Kos dia TaUTNS, Tns Nyeuowvias, dies THV KOT 
GRARTTaEV duvemı, TAV ÖNMORERTIRV 1OXueo- 
reeav enomee. Und VII 6. aoxeAusinwregos 
Yae Yıyvonevo die Tas EUTOLIUS ou MEYOEAg- 
Wuxoregos TEOS ugRTNV. ETI TE MEOTEROy Hu 
pET& To Mndına Deovnuarıodevres ex TwV 
geyav, TaONs nmTovro masncens wdev diangı- 
yovTes, ar eni@nTBvres, Bon ben Sitten ber 
Athenienfer im Zeitalter bes Ariſtides findet man eine 


Schilderung in meiner Abhandlung uͤber ben Lurus die⸗ 
ſes Bolks. | 









198 j Sechſtes Bud). eg 


Die Häupter der Teztern waren entweder zu ſchwar 
biefen Wunſch ihrer aͤrmern Mitbürger zu vereiteigl 
oder fie hielten es auch für ungerecht dergleichen zu tie 
ba die Geringen eben fowohl als die Bornehmen in t 
Derfifchen Kriegen gedient, und den Sieg bey & 
min geößtentheils erfochten hatten. &elbft Ariftibel 
der nichts weniger , ald ein Schmeichler des Bolfs 
und fich wie Kimon fehr oft den Mißbräuchen widerfet 
die Themiftofles von der Gewalt des Volks mach 
‚voollte , ſelbſt Ariftives alfo hielt es für rathſam, oW 
wurde auch durch die Umſtaͤnde der Zeit genötigt eis 
Schritt zu thun, der den größten Tadel verdienen wi 
be, wenn er anderd zu vermeiden geweſen wäre. 
gab das Geſez: daß alle Borrechte Athenienſiſcher Buͤ 
ger Neichen fowohl ald Armen gemein feyn follten; daß 
den einen, wie ben andern alle Würden und Aemter 
offen ftehen, und die Archonten aus dem ganzen Volke 
oder aus allen Elaffen von Bürgern gewählt werben 
ten. Durch Died Gefez wurde eine ber erften Säule, 
auf welchen die vom Solon errichtete Staatsverfaffung 
beruhte , umgeſtoßen, und dem großen Haufen eim 
Macht gegeben,, die er bald nachher zur Unterdruͤckun 
der ebelften Bürger, und zu feinem eigenen Verderben 
anwandte. Ariſtides würde fid) um fein Vaterland 
eben fo fehr, als Solon verdient gemacht haben, wem ' 
er anftatt dieſes Geſez zu geben, die Schazung ber drey 
erften Claſſen von Bürgern in eben dem Berhättnife | 
erhöht hätte, in welchem der Staat reicher geworben : 
mar. Allein dies war wahrfihi.nlich nad) der damalige - 
tage der Sachen nicht möglich *), und Ariftides gab in 
de 





„ 











. %) Daß diefe Staatsveränderung unvermeiklih way, zeigt 
außer den angeführten Stellen bes. Ariſteteles noch das 
Un 


Geſchichte der Griechiſchen Sophiften. m 


Abſicht die Eintracht aller Staͤnde zu befeſtigen, 
n aͤrmern Mitbuͤrgern detgense, was ſie entweder 
nachher mit Gewalt wuͤrden erzwungen, oder 
einem Verfuͤhrer des Volks nach gefährlichen Uns 
n und Dewegungen würden erhalten haben. 

Gleich im erften Jahre nad) diefer Staatsverändes 
‚und dem Siege bey Plataͤa wetteiferten die Gries 
mit einander , ihre umgekehrten Baterftäbte wieder 
bauen. Die Achenienfer fingen einem weiſen Rathe 
Themiſtokles zufolge.eher an, die Mauern ihrer 
be, von welchen nur ein kleiner Theil ftehen geblies 
mar, und bie jezo erweitert werben follten, als ihre 
nn Wohnungen aufzurichten *). Kein Gefchleche 
fo ſchwach, und fein Stand fo niedrig ober fo vors 
s, Der nieht von ganzem Herzen alle feine Kräfte zur 
tigung der Daterftabt angewandt hätte, Männer 

Ä und 








Urtheil des Plutarch: IT. 831. in vita Arifid, 
Era 0 avaxwenravras as To su ras A9y- 
ya 6 Agsacıs Mravras Ewen mmoAueı 
vw Önuonemriav, cas mev akıov MyYsuavos dıos 
nv avdeasyoedıcev errımeÄAesas Tov OnMov, cine 
un erı eoodiov, ımXuorres ToIs OMAOIS, Kol KE- 
Yo Deovarras raus vinaus, enınadnvey, Yoc- 
‚Des VnDoM, nommv esvoy TV KoAsTesoy, Kay 
ras wexorras s& Ada marrom aloe 


ey. 

) Thuc’ I. 89,93. Demofth. 390. Theop. ap, Plut, I, 
475. Diod. XI. 435. Iſoe. II, 206. Alle dieſe Gchrifts 
fieller, unter denen ohne Zwepfel Thukpdides der glaube 
wuͤrdigſte iſt, erzäblen die Gefchichte der Wieberauf⸗ 
bauung der FMRauern von Athen, mit etwas verändere 
ten Umſtaͤnden. Iſokrates glaubte ſogar, daß Athen 
F den Perſiſchen Kriegen gar keine Mauern gehabt 

tte. 


[4 


7 Brchlle Banken. NRut) 


und. Weiber, Kinder und. Greiſe, Bürger, Fremdl 
und Sclaven arbeiteten unabläflig und mit gleichem 
fer an den Mauern zu Athen ‚-. und: man ſrhonte: w 
Haͤuſer noch Grabſteine, und andere oͤffentliche D 
maͤler, die Materialien hergeben fonnten, um-ein V 
dcſto geſchwinder zu fördern, welches die Neider 
Feinde Des Athenieuſiſchen Namens gleich nach fei 
Anbeginn zu hintertreiben fuchten. Die übrigen € 
chiichen "Staaten, deren Eiferjucht ‚durch die g 
Menge der erfahrenen Seeleute in Athen:, und d 
ihren bey Salamin und Mykale beriefnen Muth 
gemacht worden war, reizten Die mit ihnen gleichgel 
ten Spartaner an,. den Athenienfern.wie allen übt 
Voͤlkern außer Dem Peloponnes: Die Wiedererrichhun, 
ter. Mauern unter dem Vorwande zu-unterfagem;- br 
die Perfer bey) einem abermaligen zu befuͤrchtenden 
fall feine fefte Plaͤze finden möchten, in denen fie 
feft fegen und behaupten fönnten. Themiſtokles v 
telte die Anfchläge ver Griechen durch eirie Städt: 
die den Ruhm feiner Weisheit felbit. bey denen, Die 
durch beruͤckt wurden, noch mehr aber bey feinen $ 
bürgern erhöhte, und an welcher fogar Ariftides 
Axiochus Theil nahmen *). Die Spartaner und i 
gen Griechen muften zulezt geſchehen laſſen, was 
durch ihr bloßes Anſehen nicht hindern konnten, 

durch offenbare Gewalt nicht hindern wollten, und 
Mauern von Athen wurden daher unglaublich gefchr 
vollendet, von welcher Eilfertigfeit ihrer Erbaueı 
auch viele fichtbare Spuren in ben folgenden Sahrt 
derten zeigten *"), | J 





*) Man ſehe Script, eit. inpr. Thucyd. 


Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 195 












Athenienſer die Werke an dem neuen Hafen, dem 
us *), die fchon vor dem erften Einfalle ter Vers 
in dem Sahre, in. weldyem Themiſtokles Archen 
**), auf. den Nach diefes großen Mannes angefan⸗ 
, aber durch die Perfiichen Kriege unterbrochen wars 
waren 7). Themiſtokles war. der erſte, der die Be⸗ 
lichkeit des Piräus, welcher drey große Buſen ober 
haͤltniſſe für Schiffe hatte, und feine Vorzuglich et 
t dem Phalereus, den man bieher brauchte, ein 
wie er der erfte war, der, nach dem Aüsdruck des Ar 
iphanes bie obere. Statt an.den Piräus fͤttete, unb 
fefte fand von Attikfa nur zu. einem Anbängfel des 
ers machte, der Die Athenmenſer von ihren Bergen 
mb Feldern in die Schiffe trieb, der ihren vorher vor 
ndigte, daß fie fich nicht anders als Durch Handel und 
chiffarth gegen ihre Feinde würden verrheidigen, und 
iher ihre Tachbaren erheben Fonnen, der endlich ihren 
Handel und ihre Seemacht ſchuff, und ihnen die Herr 
Hafft auf dem Meere verfchaffte FF). Erſt ſeit diefer 
Jeit fingen die Arhenienfer an, vie Bortheile ihrer Sage 
ind ihres fandes zu nuzen, die weder Solon noch fonft 
rgend ein Staatsmann vor den Themiftofles bemerkt 
satte, Attika war nämlich ein gebürgichtes unfruchts 


yared fand, das mehr zur Viehzucht als zum Ackerhau 


zeſchickt war, das nicht einmal viele wafferreiche natürs 
kche Quellen, und vor den fruchrbaren umliegenden laͤn⸗ 
dern, feine andere als nur die Vortheile des Delbaus, 

u ergies 











01. 75.3. 

“) Ol, 71. 3. 

+) Thueyd. 1. 93. 

+4) Thucyd. 1. ce. Flut. I, 476. in Themift. Diod. XI. 


436. 


Saft zu gleicher Zeit mit ihren Mauern endigten 


126 Sechſtes Bud. 

ergiebiger Silberbergwerfe und Marmorgruben . 
welche leztere aber bisher entweder gar nicht, ober’ 
wenig waren bearbeitet worden ®). Der ganze Erf 
aber des Delbaus ſowohl als der Bergwerke reichte i 
eben hin, Korn und andere Nothwendigkeiten oder 
quemlichfeiten des tebens von Auslänvern einzufaufg 
und Attika wuͤrde daher noch länger, vielleicht ewig 
armes dünn bevöffertes tändchen geblieben feyn, 
nicht Die Weisheit des Themiſtokles ver Natur zu HU 
gefommen wäre, und ihre Ubfichten errachen hät 
Er fahe es zuerft ein, was nachher Renophon mit fo v 
. fer Wärme an feinem Baterlande ruͤhmte, daß Arh 
gleichfam im Mittelpunete von Griechenland, und v 
den reichten Ländern in gleichen oder den angemeflenft 
Entfernungen liege; daß es faft alle Vortheie ein 
Inſel habe, ungeachtet es nicht ganz vom ur 
floffen fey, indem fein Wind wehen koͤnne, ver Ih 
nicht Beduͤrfniſſe und Neicheumer juführe, oder n 
welchem man nicht in feine Häfen einfegeln Fonnes u 
daß alfo die Natur felbft Achen zu einer Handelsftal 
und Attika zum Wohnfize eines mächtigen zur See he 
ſchenden Volks beftinnme Habe **), 







c 
[ 








. % Thue. I 2. Plut, I. in Sol. 360. 69. 63. 64. Kenot 
Kuymyer. c. 12. de Provent. I. 
°s) de Prov. I. Xenophon preift uͤberdem noch die Schi 
beit und Milde des Arrifhen Klima Attika, fagt t 
fer Weltweife, leidet weder von zu großer Size, mi 
von zus heftiger Kältes und eben Bewegen kommt 
Attiſchen Boden alles, mas die Srunden ober Jah 
zeiten ſchoͤnes tragen und erzeugen, am frübften bervi 
und dauret am längfien. Schon die Alten: ſuchten 
der Milde und Feinheit des Griechiſchen, befonders & 
Attiſchen Qimmels die Urſache der vorzuͤglichen Sur 


nn} 


Berichte der Oriechfhen Sophifn 127 


In der That hatten die Achenienfer ſchon vor. der 
hlacht bey Salamin und Mofale, noch mehr aber 
h diefen Siegen, die größte Seemacht unter allen 
vaten des Europaͤiſchen Griechenlandes. Wenn alfo 
Herrſchafft auf dem Meere noch mehrere: Jahre 
ber weder von ben Spartanern noch von ben übrigen 
chen anerfannt wurbes fo war biefes von Seiten 
erftern die Wirkung einer langwierigen Gewohnheit 
errſchen, ober die Bundesgenoffen anzuführen, und 

| bon 


———————— 


kraͤfte und Tugenden der Griechen vor den Barbaren, und 
Ber Atbentenfer vor den Übrigen Griechen. Arift. de 
Civ. VII. 7. Und dieſe Vermuthung kann man numögs 
Uich ganz verwerfen, wenn man bebenft, daß bag ein, 
an Land, welches Delbäume und Silberadetn naͤhrte, 
on vor feiner Cultur ſolche Männer, dergleichen So⸗ 
fon, Ariſtides und Themiſtokles waren, hervorbrachte, 
daß es durch dieſe ſich uͤber alle maͤchtigern und reichern 
Staaten, befonders über Sparta und Korturb,, empot 
‚bob, daß es bald nachher alle Kuͤnſte und Wiſſenſchaff⸗ 
ten nicht nur aufnahm, ſondern auch erweiterte, und 
als ihm eigenthuͤmlich behauptete. — Man faun frei⸗ 
lich einen großen Theil dieſer Erſcheinungen aus ſoge⸗ 
nannten moraliſchen Urſachen herleiten; allein daß dies 
fe moraliſchen Arſachen nur in Athen, und nicht ans 
derswo mwirften, davon kann man ſchwerlich den Grund 
im etwas anderm als in gewiffen phyſiſchen Eigenthuͤn 
lichkeiten dieſes Landes ſuchen, ungeachtet wir die Na⸗ 
tur derſelben eben ſo wenig ergruͤnden, als ihre Kraft 
genau beſtimmen koͤnnen. — Mit der Schilderung von 
Athen, die ich aus dem Xenophon gegeben habe, ver» 
leihe man noch die Gedanken des Ariſtoteles Über die 
* einer gluͤcklichen Stadt, und die Beſchaffenheit des 
kZandes, mit welchem fie umgeben ſeyn müͤſſe VII. 5. 6. 
Athen, fagte Perikles ap. Thucyd. I. 143. wuͤrde 
unübermwindlich ſeyn, wenn es ganz vom feſten Lande 
abgeſchnitten, und eben dadurch den Angriffen feiner 
ur zu Laude mächtigen Nachbarn entzogen wäre, 








von Seiten ber leztern die Folge einer eben fo lan 
Gewohnheit, nur’ den Spartanern zu folgen, und 
einigerourzelten Hochachtung gegen die entichiedene g 
ßere Tapferfeit und Kandmacht der Lakedaͤmonier. 
muſte fich aber othwendig bald ben ber einen ober 

dern Selegenheit'zeigen:, --daß jego, da der größte D 
der Griechifchen Snfeln, und der an der See gelege 
Aſiatiſch Griechiſchen Städte, die aleich nach ver Schh 
ben Mykale von. ven Perfern abgefallen waren, mit 
nee hinfänglichen Seemacht gegen ihre eheinafigen $ 
fer vercheidiget werden follten, daß jezo nicht derjel 
Staa!, der Die meiften und tapferiten Fußvoͤller, 
bern.der die größten Flotten und die erfahrenften € 
jeute habe, an der. Spize des Afiatifchen und ‚Euro 
ſchen Griechenlandes zu ſtehen, und die Herrfchafft 
Meers zu erhalten verdiene. Kine: foldye Gelegen 
war die Unternefmüng; welche die Spartanet in 2 
bindung. mit den’ Achenienfern und übrigen Bunde 
noflen veranftalteten,,. um die Perfer aus Kypern 

andern Infeln und Plaͤzen, die fie noeh inne harten, 
Geivalt zu vertreiben”). Auf dDiefem Zuge wurde) 
fdnias, König.von Sparta, und Befehlöhaber der ga 
vereinigten Flotte, Hicht nur des Vorſages, ganz € 
chenland den Perfern zu unterwerfen, verdächtig, 

bald nachher überführt, fondern machte fich auch d 
fein ftolzes herriſches Betragen, das durch Bie fü 
Güte, und die unbeftechliche Nechtfchaffenheit des A 
des noch mehr gehoben wurde, ben allen Griechen fo 
haßt, daß fie ihn noͤthigten, die oberſte Befehlshe 
ftelle. nieverzulegen, die fie ſogleich auf den Ariſt 
wie die Ehre, in den Kriegen wider die Perfer ihr 











| „ Ol, 75. 4. Died. p. 437. Thuc, L 94.95. Plu 


i 


u ſeyn, auf hie Athenienſer uͤbertrugen*). Die 
wtaner machten zwar einige Verſuche, ihr verlor⸗ 
Anfehen wieder zu gewinnen, und dachten einmal 
baran, deßwegen einen Krieg mit den Athenienſern 
fangen *"); allein fie liegen es doch endlich ben dem 


en Vorſaze bewenden, and Äbten bald nachher ten 


Il, den fie weder an den ‚Arhenienfern, noch an big 
jen Griechen auslaffen: fonnten ,: an: dem großer 
nme: aus, ber ben Achenienfern die uͤherwiegende 
macht erworben hatte. Themiſtokles wurde Durch 


wiederholten Anklagen und. Berkduimbungen der 


weaner etft aus feinem Vaberlande vertoiefen, und 
ber durch) ihre fortbaurenden Derfolgungen gezwun⸗ 


ala au verlaſſen und zum Terres zu 
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sap. mod. cit. Pauſanias trich feine unwernänftige 





= Mfibrer ber Bunbesgenioffen prägelte, ober fie ga 

“ EN lang mir großen Gerichten von Eifen ſtehen ließ. 
Er beſtellte haudfeſte Kerle, die alle Griechen, woeihe 
vor den Spartanern aus Quellen Waſſer ſchoͤpfen, oder 

"eine Lagerſtaͤtte einnehmen wollten, mit Schlägen wege 
treiben muſten. Ba 

» Di. 76. 2. Diod. p. 442. Dhne Brund alfo bemims 
bert Plutarch Die gleichgältige Ruhe, womit die Spare 
taner die Herrſchafft der. See den Athenienſern uͤberlaſſen 
hätten. in Arift. p. 534 

y Diod. 405⸗48. Dies geſchah DI. 77. 4. In welchem 

Jahre Themiſtokles auch ſtarb, odet vielmehr Hand am 
fein Leben legte. Er haste in eben dem Jahre, im 
weichem die Athenienſer die Herrſchafft zut See erhiel⸗ 
gen, ven heilſamen Rath gegeben, jahrlich 20 neue 
Schiffe zu bauen, und alle Kuͤnſtler und Fremdlinge, 


die ſich in Athen niederlaſſen würden, von allen Abga⸗ 
—* befreyen. Diod. A], J Der erſte art * 


J \ | ur e ” or 
Seßhichte der Griechiſchen Eophiſten. my 


rte und Uebermuth fo weit, daß er mit eigener Haub - 


[4 


/ 


1 * 


v. 


F u echſtes Buch 
Re uh 
Mod) ehe die von den Perſern abgefallenen € 
chiſchen Bundesgenoſſen fich den Athenienfern anvertr 
und ihnen die Vertheidigung ihrer Freyheit überg 
Hatten, bezahlten fie den Spartanern gewiſſe Sum 
„yon welchen der Aufwand, den ihre Beſchuͤzung 
Vertheidigung verurfachte, beftritten wurde *). "| 
erboten fich deßwegen von frenen Stäcen, auch In 
Zukunft ein Gleiches zu thun, und erfuchten die 7 
mienſer, dem. Ariſtides die Bollmacht zu geben, dir 
- Die Vermoͤgensumſtaͤnde aller verbundenen Staͤdte u 
ſuchen, und einer jeden wach ihren Kräften den Di 
vheftimmen möchte, ‘den ſie fforthin zum geme 
chen Schaze liefern folle ).“ Die Athenienſer vi 
ten in dieſe Bitte, und Ariſtides vertheilte eirie Sui 
kon vier hundert und ſechzig Talenten, die | 
ſammengebracht werden muſte, mit einer fo udn 
fehen Billigkeit über alle Gruͤechiſche Inſeln und Nſ 
Staͤdte, daß dieſe ihn noch immer in den \ 
Zeitaltern als ihren größten Wohlthäter, unh 
Schaͤzung As den Zeitpimet ihres Wohlftandes, 
ten }). ; "Man. erfüchtete hierauf eine gemeinſcho 
Schazfaniiner auf. der Inſel Delos, und ed.An 
auch Schazweifter von Griechenland ernannf, "bie 
Denträge der Bundesgeroſſen in Empfang neh' 
und bie Ausgaben nach dein Vorfchtiften der Athen 
beſorgen muſten hJJ. | 
. 5 " - 2 
ſes Raths wurde noch lange nach ihm befolgt; bi 


‚dere Hälfte iſt aber, fo viel ih weiß, niemals In 
fällung gegangen. _ on 













0) Plut. 1. e. p. 53 0 W 
°°) Plut. 1. c. Dad 12 440. Thue, I. 96. . 

. „DU. ec... Slodor gibt bie Schäzung des Ariſtides nur 
zu 560 Talenten an. P:: 449, oo. zn 2 
ib, ;,. * F —F 55 | 

* u J m. ; " _ F J : . 3 ze 


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- ..®» \ 


Geſchichce der Griechifchen Sophiſten. 131 


Die Athenienſer begegneten den Bundesgenoſſen, 
denen ſie zu Fuͤhrern waren erwaͤhlt worden, in den 
en Jahren mit großer Guͤte und Gelindigkeit ), ſo 









**), und auch gleich weit von ungerechten Maaß⸗ 
ein entfernt waren, leiten ließen. Sie rüfteren ale 
"**) eine Flotte von zwey hundert Seegeln ans }), 
alle Aſiatiſche Inſeln, und alle Schlöffer und Städte 
Helleſpont, in Sonien, Karien und Incien, welche 
von ven Perfern befezt, ober ihnen zugethan wa⸗ 
befreyen, ober fie mit Gewalt den Barbaren ents 

m follte. Kimon, der Anführer diefer Flotte, ein 
en fo großer Held, ale Themiftofles, und nicht we⸗ 
ver eifriger Patriot und rechtſchaffener Mann, als 
Aftides, ber aber weder die großen Talente des erftern, 
ch Die erhabenen Tugenden des leztern hatte FF), rich⸗ 
e dieſen Auftrag mit der groͤßten Geſchwindigkeit aus, 
kg. das Heer und. die Flotte ber Perfer, die fi) am 
fe Eurymedon verfammlet hatte, und erfocht an eis 
n einzigen Zage zween fo vollftändige Siege, als die 

Ze 8a Grie⸗ 








2) Thue. L, 097. " 

#e) III. 194. 205, Plut. in Cim. 

ne#) Dil. 77. 3. 

4) Dieſe Flotte wurde bald nachher durch die Haͤlfsſchiffe 

ber Bundesgenoffen auf dreyhundert und funfzig vers 
mehrt. Diod. XI. 450. Ephor, ap. Plut. 351. II, in 
Cim. Diodor ſcheint durchgehende dem Ephorus ges 
folgt zu feyn, ber aber gewiß nicht fo viel Olauben ale 

Thukydides verdiente, von dem er oft abweicht. Pha⸗ 

nodemus redete gar von 600 Schiffen ber Athenienſer. 
sp. Plut. l. c “ ” 


+) UI. 181. Plut. 


13z3. Secchſtes Buch. 
Griechen weder vorher über die Barbaren erfochten hd 
ten, noch auch in der Folge erfochten *). Durch 9 
Siege erhielten der Ruhm, der Much und das Ger 
gen der Athenienfer einen gleich großen Zuwachs; 
Kimon wandte die reiche Beute, Die er den Perferni® 
genommen hatte, dazu an, feine Vaterſtadt zu verſſ 
nern, oder noch mehr zu befeftigen. Er bepflanzte Pe 
großen Marfe in Athen mit fehönen Bäumen, ver 
delte die Afademie, Die vorher eine dürre Wuͤſte ge 
fen war, in einen Fühlen fehattenreichen Luſthain, 
Tegte ven Grund zu den großen Mauern, die von Ag 
bis an den Phalereus und Piraͤus gingen, und 9 
‚nachher *”) vollendet wurden +). | 




















28 
| 
ups, ten Gere 





. / ı 
® Thuc. I, 160 e. Diod. p. 451. Plut, TU, 199. Ig 
. 145. Diodor weicht von allen übrigen in ber ip 
# der Gegend ab, wo Kimon die feindliche Fl 
(lagen haben fol. Er fagt nämlich, daß bill: 
Kypern gefchehen fey, ba die übrigen den Curl 
nennen. Ein. jeder diefer Schriftfieller erzaͤhlt fa 
- bie Größe des Verluftes der Perſer auf eine anderei 
Dach dem Thukydides verbarben oder nahmen bie Wi 
nienſer 200 Phoͤniciſche Schiffe meg: nach dem Lk 
flieg die Anzahl her Schiffe, die ben Siegern 
Hände film, auf 100, und nad dem Plutarq 
260. Diodor hingegen gibt dreyhunbert und wie] 
und zwanzig taufend Gefangene an, außer der Abel 
großen Beute, die ben Athenienſern zu Theil gewei 
fey.: Diodor fehlte aber unläugbar in der Angabe 
weggenonimenen Schiffes Denn feinem eigenen X 
richte zufolge hatten die Perfer vor der Schlacht x 
sehr als drephundert und vierzig Schiffe, und ed 
fien alfo gar Feine untergegangen, und Fein einziges ai 
oben ſeyn, wenn bie Athenienſer eine eben fo gef 
ahl von Schiffen erbeutet hätten. 

“) DI. 80. 4. | 

9 Thus, I, 107: 108, Plut, I, 303, 203, in Cimons; | 


Geſchichte der Griechifehen Sophiſten. 133 


Nach diefem Siege am Eurpmebon fingen bie 
mienfer an, fich faft für unuͤberwindlich zu halten, 
fürchteten weder Barbaren nod) Griechen mehr. 

allein griffen in ben nächften vierzig Tahren,, die 

wf den Peloponnefifchen Krieg verfloffen,, ven Koͤ⸗ 
ser Perſer, der kurz vorher dem ganzen vereinigten 
chenlande fo furchtbar gewefen war, ungereizt zu 
erbohlten malen an, und zwangen ihn endlich zu 
n ſchimpflichen Frieden, der der flaunenden Nach⸗ 
Die innere Schwäche einer ungeheuren Despotie 

fo fehr, als die innere Stärfe einer einzigen Fleinen 
enden und wohlgeorbneten Republik verräch*). Sie 
ten ferner nach einander mit allen Sriechifchen Böls | 
, oft mit mehrern zugleich und an mehrern Orten, 
biefer ganze Zeitraum alfo, ber von dem Siege des 
von bis auf den Peloponnefifchen Krieg verfloß, war 
wnunterbrochene Kette von Schlachten, in welchen 

meiſtens über ihre Feinde fiegten. So wie ihre Flots 
‚auf allen Meeren Herrfchten, und alle Inſeln und 
äpte in Afien ſowohl als am Hellespont zinsbar mach» 
£ fo durchzogen ihre fiegreichen Sheere Das ganze Gries 
Hand, vermwüfteten ben ‘Peloponnes und das Spartäs 
be Gebiet wie Theffalien, und unterwarfen einen 
ben Theil der Altgriechiichen Städte und Voͤlker ihr 
Botmaͤßigkeit. Dieſer unaufbörlichen Kriege unger 
tet nahm die Bevoͤlkerung immer zu; denn niemals 
en bie Athenienſer mehrere und zahlreichere Eolonien, 
gerade in dem Zeifraume ausgefandt, in welchem fie 
meiften Schlachten geliefert haben. Das ganze 
33 Volk 











) Wie ſehr die Athenienſer die Perſer verachtet, und Ihre 
Ohnmacht gekannt haben, ſieht man auch daraus, daß 
ſchon Kimon den Gedanken hatte, den Koͤnig der Per⸗ 
fer vom Throne zu ſtoßen. Plut. III. a215 p. 


‚4 Sechſtes Buch · 


Volk war von einem einzigen kriegeriſchen Geiſte bel 
Meder vor noch nachher boten fich die Athenienſiſ 
Juͤnglinge fo bereitwillig zu Den gefährlichften Unter 
mungen an; nie fochten Greiſe, Die das Alter von « 
Arbeiten des Krieges befreyte, mit fo viel jugendli 
Tapferfeit und Stärfe, und niemals harten auch w 
die Athenienſer noch irgend ein-anderes Griechifches : 
auf einmal fo viele große Feldherren, als in dieſem 
alter in Athen verfammlet wurden. Kimon, Arift 
Moronivee, Tolmides, Leagoras und Periffes w 
ein jeder fchon hinreichend gewejen, einen Staat zu 
ten und groß zu machen; und dasjenige Volk alfo, 
fie alle befaß, muſte nothwendig das erfte feiner 
und das mrächtigfte in Griechenland werden *). 


Die häufigen Ausräftungen , welche die Arheı 
fer auf gemeinfchaffcliche Koften machten, und zu 
chen auch die Bundesgemffen Schiffe und Kr 
volk liefern muften, wurden ben weichlichen Inſuſo 
und übrigen Aſiatiſchen Griechen bald unerträglich, 
dem ihre teiber und Seelen, entweder durch langw 
Dienftbarfeit, oder durch einen übermäßigen Gemuf 
Güter des Gluͤcks und des Friedens entnerut, un 
den Defchwerlichfeiten des Kriege untüchtig ger 
waren **). Saft alle Bundesgenoflen wurben 
ſchwuͤrig; einige weigerten fich, die Schiffe und VW 
fchaffe, "welche man von ihnen verlangte,” herzug 
und andere fielen aus andern Urfächen ab. E 











*) Wenn man bie Geſchichte der Achenienfer nach ben ! 
ſchen Kriegen mit ber Gefchichte der Roͤmer nad 
zweyten Puniſchen Kriege vergleicht; fo wird 
zwifchen beim Zuftande biefer beyden Voͤlker und 
Schickſalen fehr viele Aehuliqteiten entdecken. 

111222. · en Ze ze 


") 


[4 


Seſdichee der Griechiſchen Sophiſten. 335 


erſpenſtigkeit ober Abfälle ahndeten die Athenienfer 
den Einwohnern von Naros durch Sclaverey, und 
n Thafiern durch die Niederreißung ihrer Mauern, 
bie Beraubung ihrer Schiffe, durch eine große 
rafe, bie fie fogleich, und durch einen harten Tris 
L, Den fie in der Folge erlegen muften *), Bon dies 
} Zeitpimcte an **") mißbrauchten die Achenienfer ige 
mmehro unwiderſtehliche Macht +), fie behandelten 
—* die von den Perſern zu den Griechen, 









von den Spartanern zu ihnen abgefallen waren, 
mehr als Bundesgenoſſen, ſondern als ihre Unter⸗ 
men; waren nicht mehr ihre Führer , fondern warfen 
) zus ihren unmmfchränfen Beherrfchern auf, und 
udten endlich nicht Lleberredung,, fondern meiftens of⸗ 
Sare Gewalt an, um fie nach ihren Abfichten zu beus 
. Der geheime Haß, der hieraus entſtund, wurde 
ar Durch das noch immer fortdaurente und fteigende 
ücf ber Athenienſer fo ſehr niedergedruͤckt, daß er niche 
Tpärlichfeiten ausbrechen konnte; allein er bereitete 
en doch in der Stille eben fo viel Unglück für die Zus 
fe vor, als fie an andern Unrecht ausübten, oder 

geübt Hatten. - 
Wenn die. Borfehung einmal befchloffen hat „Voͤl⸗ 
oder einzelne Menſchen vor andern hervorzuziehn; ſo 
igt fie es meiſtens, wie die Geſchichte lehrt, fo einzu⸗ 
—— daß die Thorheit und Fehler ke Feinde eben 
ſehr, als ihre eigene Weisheit und Tugend zu ihrer 
ergroͤßerung beytragen muͤſſen. So erging es auch 
o den Athenienſern. Die Weichlichkeit der Bundes⸗ 
noſſen, und ihre Abgenetgthait gegen den Krieg wurbe 
für 








®) Thuc. I. 101. 102, Died, p. a457. Ak 
m Ol. I. 





F Bi 


, ih ihren Beherrſcher 
zen, Kimon gab nämlich feinen —E R 
Die Bundesgenpffen fernerhin nicht mit Gewalt zur 
„ferung einer gewiſſen Zahl von Schiffen und Mannfd 
anzuhalten, ſondern es ihrer Wahl zu überlaffen, 6 
hergeben, oder an ihrer @rart jährlich fo vid 
fen wollten,‘ daß die Athenienſer dafür Kriegen 
unterhalten, und Flotten ausrüften Fonnten. 
Bundes genoſſen wählten das leztere, und glaubten: 
eier großen babbefeene un (nn, ba fie doch wi 
den Arhentenfern mic ihren Neichepimern die Mit 
Die Hände-gaben, fie nach Wobhlgefallen au befieref 
und Ihnen auch dasjenige mit Gewalt zu ın 
fie nicht mit gutem Willen hergeben wollten Er 
Diefe vermohrten Derträge der Infulaner, umb:dee. 
tiſchen Griechen, wurben bie Äthenienſer in rel 
w eine Flotte von zwen hundert **) Schiffen 
onige yon Aegypten zu Hilfe zu fehlten, ber ki 
gen den Artaxerres empört harte, Diefe Siorte ge 
öwar anfangs große Bortheile über die ‘Perfer 2* 
aber nad) einigen Jahren — rn 
wenige von denen, mit wel ie vorne 
kamen in ihr Vaterland aut dD 


D 





N %) Thu, 1.99. Plug, III, 196. in Cimono. 
‚ 9%) Thuc, I, 194 & Unen. I. 403, Dieber 458. X 





drev bundert. 
e⸗ æiublt Rutvdides· 100, 48 ber dieſer 
Unternehmung eine Dauer von ſechs 


Dippor bingegen ſchraͤutt fle ef eine Aa Di Dlyı 


ein, von DI. 79 1. Bi6 Bo, 1. mad 
r On on we, rm 


Gefchichte ber Griechiſchen Sophiſten. 197 


In eben dem Sabre, in welchen bie Arhenienfer 
kegroße Niederlage in Aegypten litten, erhielt die Staats» 
aſſung in Athen ben gefährlichiten Stoß, ben fie 
den Zeiten Solons erhalten hatte. Ephialtes nahm 
lich auf Anftiften des Perifles dem Areopag außer: 
Vorrechte, Todtſchlaͤger und Mörder zu richten, 

Me Gewalt, die Solon ihm gegeben hatte, hob damit 
m Einfluß auf, ben die Bäter des Volks bisher über 
ke Thoren und Unverſtaͤndigen gehabt hatten, zevriß 
fe heilſamen Zügel, womit der große Haufe bisher ges 
ändigt morben war, und nöthigte den fich felbft übers 
ißnen Poͤbel, feine ganze Macht in die Hände von Des 
agogen zu legen, die von diefer Zeit an faft unum⸗ 


hraͤnkt zu herrſchen anfingen *). 


Die Folgen diefer immer mehe und mehr zuneh⸗ 
ıenben Zernichtung der Staatsverfaflung wurden im 
Athen fo wenig als in Rom ober andern Treyftaaten 
nerklich, fo lange das erftere größere Staatsmaͤnner 
nd Seloherren hatte, als alle übrigen Sriechifchen Böls 
re zufammengenommen, Vielmehr müfte man, wenn 
san die Güte der innern Verfaſſung der Achenienfer 
anz allein nach ber Menge von erfochtenen Siegen ber 
wthellen dürfte, den Schluß ziehen, daß dies Volk nie 
ine beffere Negierungsform gehabt hätte, als in ben 
ften zehn Jahren nach dem verderblicdyen Geſeze bes 
Ephialtes, Die Athenienfer Äberwanden naͤmlich unter 
dem Leokrates die Aegineten, die ihnen noch immer nach⸗ 

35 Buß 





Bu jr tn — 


®) Ifocr, 1. Sup. elt. Diod, XI. 463. Plut, III. a05. I, 
602. 606. 607. I. 602. Plat. Perikles goß, wie 
Plato fagte, dem Volke eine ganz ungemifchte Frepheit 
ein, hie es nicht ertragen Ponnte; und von biefer Zeit 
an, ſcherzten die Komiker, babe das Wolf Eubarn au⸗ 
gebiſſen, und de Jufln gemißhandelt. 














Fr ee Buch. 


buhlten, in einer entfcheidenden Schlacht, nahmen 
nen auf einmal fiebenzig Schiffe ab, und zwangen 
durch die Furcht vor den Außerften Gefahren, wel 
ganz wehrlofen und fo viele Jahre gehaßten Seinden 
vorftanden, ihre Mauern niederzuteißen, und di 
Tribut gleich ven übrigen Inſeln zu bezahlen ”). U 
eben dieſe Zeit fihlugen fie unter dem Myronides d 
Korinthier und Epidaurier viermal **): und wurd 
durch den Verluſt, den, fie in dem hartnäcigen Tr 
bey Zanagra **”) gegen vie Safedämonier und deren B 
desgenoſſen erlitten, fo wenig geſchwaͤcht ****), daß fi 
einige Wochen nachher den Myronides mit einem Heere 
gegen die Boͤotier ausſchickten )). Diefer große Zeit 
herr ſiegte zweymal hinter einander mit einer viel gerin" 
gern. Marht über die Boͤotier, eroberte und enthlößte ' 
alle ihre Städte, Theben allein ausgenommen, begwang 
die Phofenfer und kofrier, und drang bis ins Herz vom 
Theflalien ein FF). Nach. dem Diodor war die * 
Schlacht gegen die Boͤotier nicht weniger gorreich, al 
die beſungenen Siege bey. Marathon und Plataͤa, und‘ 
doch fand fich Fein. Sefchichtfchreiber, ver eine ganz ger. 
naue Schilderung derfelben hinterlaffen hätte FF). De, 
Mame 














— —14 


'® DI. 80 2.und 4. Thuc. I. 105 & 108. Diod, XL; 


3 pP. Ri 

**) Tue I. 105.106. Diod, 463. 464. Rad dem Tim 
kydides zogen fie aber doch In ber erflern Schlacht den 
Kürzern. 

wet) Thußyd. 1. 108. fast, daß die Athenienfer dieſe Schlacht 
verloren hätten, und ſchweigt ganz vom Perikles, ber 
Heerfuͤhrer war. Diodor hingegen p. 465. erzählt, 
daß diefes Treffen mit unentfchiedenem Gluͤcke geendigt 

worden. 

HA a I. 108. p. 468. 467. Diod, 
Hape p- 1,05 


⸗ 


Gefchichte der Griechiſchen Sopfiften. 130 


lame bes Myronides ift daher kaum Gelehrten befannt, - 
achtet er miehr that, und öfter fiegte, als Miltiades, * 
ütofles und Kimon, deren Namen wir jchen in 
Schulen lernen. So wahr ift es, daß der Ruhm 
m Helden nicht bloß von ihren Verdienſten, ſondern 
eilt mehr von gewiflen Umſtaͤnden, und befonvers von 
w Bortrefflichfeit der Gefchichtfchreiber abhänge, die 
Be Thaten für die Machwele aufzeichnen. = 
In die Fußftapfen des Myronides traten Tolmi⸗ 
8 und Perikles, unter welchen der erftere Gythion, 
ben Ort, wo dle Spartaner Schiffswerfte hatten, zer⸗ 
te, Kephalenia und Naupaftus eroberte, und in det 
ern Stadt die Leberbleibfel der Meflenier, welche vie 
kedaͤmonier nach einer zehnjährigen Einfchließung aus 
home entlaflen hatten, eine Nlederlaſſung verfchaffte *). 
terifles hingegen verwuͤſtete mit einer Flotte von funf⸗ 
g Schiffen die Küften des Peloponnes, und machte alle 
Städte in Afarnanien den Athenienfern unterwärfig **). 


Dach allen diefen glücklichen Unternehmungen dach» 
a bie Athenienjer daran, die Schmach, die fie in Ae⸗ 
ppten erlitten hatten, mit dem Blute der Perſer abzus 
afchen ; fie rüfteten daher eine Flotte von zwey huns 
rt Seegeln aus, und gaben ihr den Kimon zum Uns 
ihrer, gleich al3 wenn dieſer Sohn des Miltiades allein 
mm Weberwinber der Perſer beftimmt gewefen ware. 
dimon befiegte die Barbaren auch wirklich in einer Land⸗ 
md Seeſchlacht 7), und fezte.den Konig der Perſer 
durch in eine folche Furcht vor den Waffen der Athet 
ienfer, daß er feinen Feldherren den Befehl gab, Ben 
" e⸗ 







* Eu 


®) Diod. p. 467. 68. DI. 81. 1. 
") DI. 81.2, Diod, p. 4609. 





| - | 
19. nee Gechftes Buch. er 


berühmten Frieden zu. fehließen, von welchem fo viele: 
Schriftſteller reden, und deſſen Bedingungen folgende 
waren: baß alle Griechiſche Städte in Aſien frey ſeyn 
und kein Perſiſcher Satrap ſich dem Meere inner 

einer Entfernung von drey hundert Stadien nähern 
- und fein bewaffnetes Perfifches Schiff jich außerhalb nei 
Stadt Dhafelis in Pamphylien, und den gegenüberlieg 
genden Kyaneiſchen Inſeln fehen laſſen folle *). & * 


*) DI. 82. 4. Diod. XII. 481. Iſocr. II. 210. Panathen, 
Lycurg. p. 148. Demoftb. de fall. Leg. p. 237: 
Plut. in Cim. III. p. 197. 201. 202. Kalliſthenes 
zweyfelte, ob ein foldyer Zriede mit ſolchen Bebingun⸗ 

gen jemals geſchloſſen worden; aber wiber alle Ur⸗ 
kunden ⸗und die glaubwuͤrdigſten Geſchichtſchreiber. Ich 
Tann nicht umhin, bier noch eine kleine Bemerkung 
über bie Werweifung bes Kimen hinzuzufügen... Boy 
biefer Verweifung fagen Thukydides und Diodor nichts; 
Plutarch II, 211. hingegen und Anbofpbes or. IV, 
308 p. bezeugen fie, ungeachtet fie in Auſchung ber 
naͤchſten Urſachen derfelben von einander abweichen, 
Lezterer erzählt, daß die Achenienfer den Kimon def 
wegen aus ihrem Bolfe ausgerottet hätten, weil er eb 
ne ungefegmäßige Ziele zu feiner Schweſter getragen; 
und Plutarch Hingegen, weil er bie Athenienfer bewe⸗ 
gen habe, ben Spartanern in ihren Kriege wider bie 
Heloten und Meffenier zu Hülfe zu Fommen, in web 
chem fie allein unter allen Bunbesgenoffen als verdaͤch⸗ 
tig zuruͤck geſchickt wurden. Die erftere Nachricht if 
gar nicht wahrſcheinlich; und nach ber leztern wuͤrde 
: bie Derweifung bes Kimon entweder in DI. 77. 4. ode 
78. 1. fallen. Nun aber erzählt Plutarch, daß Kim 
erfi nach ber Schlacht bey Tanagra DI. 80. 3., auf Aw 
rathen bes Perikles felbft, der der Haupturheber feiner 
Entfernung geweſen war, zurüdgerufen fey; allein fa 
lange war er gewiß nicht abweſend, beun DI. 77. 1. 
bezwang er fhon bie Xhafier, bie von ben Perfern abs 
: gefallen waren, Gewiß iſt es unterdeſſen, ſowohl ans 
| bet 












Geſchichte der Griechifchen Sophiſten. 141 


GSleich nach dem mit ben Perſern geſchloſſenen — 
ſchlugen die Athenienſer die Einwohner von M 

3, die ihren Bund verlaſſen hatten ;. verloren aber 
h in dem nächfifolgenden Jahre einen: ihrer größten 
herren, den Tolmides, in dem unglüdlichen Tref⸗ 
ben Eheronäa, und mit ihm alle'die Staͤdte, wels 
ihnen in Boeotien gehorcht hatten. Schon dieſe eihs 
Niederlage zeigte, ‘was fie deteinft in gtößern Un⸗ 
fsfällen von den Bundesgenoflen zu erwarten hätten. 
nn eine große Menge von Städten, befonbers auf 
hoea, fiel von den Athenienfern ab, bie aber alle wies 
durch den Perikles zum Gehorfam gebracht mwurs 
), Ein gleiches Schieffal hatten die Samier, bie 
e einmal über die Achenienfer fiegten, aber zweymal 
Perikles überwiinden, und nad) der legten Mieder⸗ 
ihrer Schiffe und Feſtungswerke beraubt und zum 
kattung aller Kriegskoſten verurtheilt wurdenð 











‚ ber Erzählung bes Plutarch, als aus beit ganzen Laufe 

.. ber Begebenheiten, daß Kimon Yon der acht oder neu 
and fiebenzigften Olympiade bis an feinen Ted nice fo 
viel Anfehen ald fonft, und nicht mehr Macht gehabt 
habe, als Perikles für gut fand, unter gewiſſen ges 
Heimen Bedingungen ihm anzuvertrauen. Selbſt, die 
zweyte Unternehmung gegen die Perſer Äbergab Perle 
kles dem Kimon, um ihn den Augen ber Mitbuͤrger zu 
entzieben, Kimon flarb in eben bem Jahre, .in wels 
Gem er den Frieden mit den Perſern geſchloſſen hatte, 

108, 1,6, 
Df. 83. 1. Diod, KU. a8t. 

) DI. 83. 3. p. 482. Diod, u 

:DI. 34 4 Boa, ZI. p. 495: 96. Plutatch 1. 647, 
ſcheint die Samier fih als zu maͤchtig worzuftellen, ins 
beim er fagt, daß die Athenlenfer im Gefahr geweſen 
wären, durch die Flotten ber Samier, und durch bie 
Tapferkeit und Klugheit des. Meliffus, ver Lerrſchafft 


gur See beraubt zu werden⸗ 









12 ET Sechſtes Buch. 


"Bald nach dieſen lezten Pegebenheiten ende 

"bie naͤchſten Beranlaffungen des‘ Peloponneſiſchen 
»ges, bon benen ic) hier ſchweige, weil fie von ber 
"fehichte beffelben nicht getrennt werden können. 


J Ich kann aber. dieſen Abſchnitt der Geſchichte 
Hriechen, und vorzuglich der Achenienfer, nicht ſchli 
ohne eine kurze Schilderung des innern Zuſtandes 
hen, und des Verhaͤltniſſes dieſer Stade zu den üb 
:gen Griechiſchen Staaten hinzuzufügen. Ein fol 
‚Gemälde ift, um deſto nochwendiger, da man fkh. 
walrigieren. würde, wenn man aus den erjählten Thatl 
der Athenienſer, und ihrem Gluͤcke im Kriege auf be: 
‚Bortrefflichfeie ihrer Berfaffung und auf die Ste De 
‚Sitten des ganzen Volks ſchließen wollte *). Achen 
erreichte von dem Jahre an, in welchem Kimon jum 
‚legten male über die Perfer fiegte **), bis auf den Ay 
fang des Peloponnefifchen Krieges durch die” Tugenden 

eines einzigen Mannes den höchften Grad von Ma 
Glanz, und Sröße, von dem es bald nachher Ga 


und den es auch nie wieder erreiche hat 7). Dieſer große 
amt 














9) Billig wollte man nie von den Heidenthaten eines Boll 
| auf feine Sitten, und gute Regierungsform, und von 
feinem Gluͤcke im Kriege, nie auf feine wahre und dan 

erhaffte Gluͤckſeligkeit fliegen. Denn kriegeriſche Zur 

gend und Tapferkeit dauert oft noch fort, wenn fon 

alle übrige Tugenden fich verloren haben, "und meiftens 

iſt das Gluͤck von Voͤlkern mehr ber Klugheit und dem 

Muth einzelner großer Männer, als der allgemeinen 

Tapferkeit, ober einem herrſchenden Priegerifchen Geiſfit 
gahıcr Datlonen zu verbanfen, 

*r DI. 8 

7) Sant Khufybibes (ein Feind gibt dem Perikles das Zeng⸗ 

niß, daß Athen unter Ihm am größten Wurde, I. 65 6, 

" ‘Ooo 


Gefchichte der Griechiſchen Sophiſten. 143 


lann war Perikles, der allen Feldherren und Staats, 
innern feiner Zeit an Tapferfeit, Vaterlandsliebe, 
d unbeftechlicher Nechtichaffenheic gleich Fam, und ſie 
le entweder an ſchoͤnen und wiflenfthafftlichen Kennt, 
fin, oder an Beredſamkeitz :und der Kunfl.die Her⸗ 
5 des Volks zu gewinnen-, ‚oder an unermuͤde⸗ 
m Zleiße und Ordnung in üffenslicyen Gefchäfften, 
er an Behutſamkeit in Frieggrifchen Unternehmungen 
w dem fcharfen in die Zufunft vordringenden Blick, 
er endlich) an Seelengroͤße, Standhaftigfeit in Ge⸗ 
en und Ungluͤck, und an Reichthum an großen. Ent 
en übertraf *).. So wie er, nach der Bemerfung 
alter 




















DOocu Te Yap xeovov AEBSN TNS Kolews ev 7y 
ESEHYY,. MEFLIWS, eenysro, au aaDarws die Du- 
Acfnv av, neu Eryevero 7 exesve. Meyisn. 
Bon dem Tode des Kimon an, war das Unfeben des 
Perikles faft uneingeſchraͤnkt; denn Thukpdides, der 

Sch nah dem Tode des Kimon zum Widerfacdher des 

Perikles und zum Haupte der Arifofratifhen Parthey 
aufwarf, ſcheint dem erſtern nie ſehr furchtbar geworden 
zu ſeyn, wie man aus den auswaͤrtigen Kriegen ficht, bie 
Perikles in der drey und achtzigſten Olympiade fithrte: 
Will man unterdeffen die ungeriörte Herifchafft bes Pe⸗ 
rikles in Athen mit dem Plutarch erſt von der- Verwei⸗ 
ſung des Thukydides zu rechnen anfangen, und in einen 
Zeitraum von 15 Jahren einſchließen, J. 226. Plut. ſo 
ſeze man im Xerte ſtatt DI. 32. 4. Olymp. 83. 4. 


°, Ich müfte das ganze Leben diefes Mannes vom Plutarch 

abſchreiben, wenn ich die Reihen von Handlungen, von 
welchen ich einen jeden Zug feines Charafters genoms 
men babe, erzählen wollte. . Man ſehe uhterdeffen 
Thuc. II, 65. welches Capitel man mit beflo größerer 
Ehrfurcht gegen den Perikles, und deflo wärmerer Bes 
wunderung des Thnkydides lefen wird, wenn man fi) 
beſinnt, daß lezterer ein Fejnd des erfictu war, * 

| ebe 












44° Gechfied Buch. 


alter Leute In Athen, keinem unter ben berühmten 
‚nern, welche diefe Stadt hervorgebracht harte, 
Perſon fo ähnlich war; als dem Pififtratus *); fofa 
man ihn auch in Anfehung feiner Denfungsart, und 
‚ser großen Tugenden mit feinem fo richtig, als mit 
dieſem Selbfibeherrfcher vergleichen ; und es läßt 
daher von ihm wie vom Piſiſtratus behaupten, daß 
ein eben ſo untadelicher Bürger geweſen jenn w 
wie er ber größte war, wenn er nicht bisweilen, b 
ders in Fällen ver Noth, das allgemeine Beſte fei 
Ehrgeize und feiner Ruhmbegierbe aufgeopferr Härte“ 
Er machte gleich feinen erften Eintritt in die öffentli 

Verſammlungen des Volks mit der reifften Ueberleg 
und zeigte fic) anfangs fchon als einen Mann, der 
der Folge nie anders als nach wohlerwogenen Planen 
handeln, und nie anders als vorbereitet oͤffentlich reden 
wuͤrde. Perikles bot fich zuerſt den pVolke als einen 
jungen Buͤrger dar, der geneigt ſey, ihm mit ſelnen 
Kraͤften zu dienen, als Ariſtides geſtorben, und Kimen 
faſt immer in auswaͤrtigen Unternehmungen begriffen 
war 7). Weil er nicht fo viel Vermoͤgen hatte als Rs 
mon, 


E 











fehe ferner Hoc, II. 433. Mein, Socr. III. 5., wen 
Örrovu genannt wird. Eudlich Plutarch 1. 592,96, 
610. 631. 625. 630 & 31. bef. 669.070. Man ieſt 
unterbefen andy das Urtheil des Plato p. 220. 21. 
d. Ba 
Plut. I. p. 600. 
u, Et war wie Kimon ein großer Liebhaber des ſchoͤnen Ge⸗ 
lechts, allein dieſe Leidenſchafft hinderte ihn, dee 
lelt ihn nie von oͤffentlichen Geſchaͤfften ab. 

. 4) Plut. 1. 600. Alſo gegen das Ende der 77 ober den An 
fang der 78 Olymp. Mit Recht fagten daher Plu⸗ 
tarch p. 626. und Cicero, daß Perikieg vierzig Jahre 
Öffentliche Geſchaͤffte verwaltet habe, 


Gecſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 145 


pn, und bie Athenienfer nicht, wie diefer, durch Die 
ändige Linterhaltung einer offenen Tafel, und du 
F Mitcheilung der Erndren und Früchte feiner fandg 
$ gewinnen Fennte *); fo fihlug er wider feine Nei⸗ 
Bag eben den Weg ein, auf welchem Themiftofles fich 
Bunft des Bolfs erworben hatte, und warf fic) zum 
theidiger des Pöbels, und zum Widerſacher ver 
nehmen auf **). Auf diefem Wege hob er ſith bald 
Bach feine überlegenen Talente und durch bie 
Ve des großen Haufens über alle feine Nebenbuhler ſo 
BE empor, daß er den Kimon und Thukydides vertrei« 
n,. und den Myronides, Tolmides, Ephialtes und 
bere zu Werkzeugen feiner Abfichten brauchen fonnte, 
ach dem Tode des Kimon und der DBerweifung des 
kuıfgdides herrfchte er fo unumfchränfe in Athen, daß 
: Eimvohner diefer Stadt zwar dem Namen nad) uns 
"einer Demofratiichen, aber in der That unter einer 
onatchifchen Verfaſſung lebten f). Er herrfihte aber 
cht mit Gewalt, wie Piliftratus, auch nicht durch nies 
etraͤchtige Schmeithelenen , wie die meiften fpätern 
emagogen, fondern durch die Macht feiner Beredfams 
t, mit welcher er die Athenienſer lenfen, niederjchlas 
n, und aufrichten Fonnte, wie er wollte TT); nod) met 
| aber 






















®) Plın, I. 606. III. 192. Cic, IL. de off. c. 18. 

#*) Plut. I. 600. >, 

4) Thuc, I. e. Eysyyero Te Acyo ev, Muoxga- 
Tin, eey@ de, ono Ta MEmTE ardeos aExN. 

4) Thue. l.c. Orore ya a0Iaro TI auras 
mac naeov vuloes Iauposvras, Aryav uare- 
mrnocev erı Te Dcßese9oy. Kay dedioras av 
aroyas, avrwadım arm em To Japıev. 
Die Übrigen Zeugniffe von feiner Berebſamkeit werde 
ich In der Geſchichte der Beredſamkeit bepbringen, 


Zwepter Band. K 


146 J Sechſtes Bud. ” J 


aber durch die tiefe Ehrfurcht, die er feinen Mich: 
gern, durch feine fo oft erprobte Klugheit, und du 
die zahlreichen Trophäen, die in allen Theilen von Gf 
shenland feinen und feines Baterlandes Ruhm verfl 
'digten , ‚eingeflößt hatte ). Er widerſezte fich 4 
murrenden und gegen ihn aufgebrachten Athenie 

öfter, als er ihnen nachgab **), und wenn dieſe 
auch in vorübergehenden Aufwallungen von Meid, 0 
vor Schmerzen über gegenwärtige ' Unfälle bis 

ftraften, oder feiner- Wurde entfezten 7), fo Eehrten 
doch Hald voll Schaam, und Neue und Gefühle if 
eigenen Schwäche unfer den Schirm feines maͤchtig 
den ganzen Staat umifaflenden Genies zurück FF). - 


„Die 


4 





— 
U 2 ) 








: 
#). Plut; 1,669. Er 
®*) Plut. I, 823. 24. & Thue. 1. c. Asrıov d’m,ö 
| EKESVOS uev-duvaros wv To TE REiwnarTı Kan“ 
Youn, KNEenKarav Te diaDavos dweoren 
YEVOHEVOS, NETESKE To mAndos eAeuSegws, ı 
Bun nYyETo MRMor UW aurs, N RUTos NYye, 
To un HTwpevos eE 8 Meoonnevrov T duvay 
005 ndovyv rı Aeyev, aM exymv er afımo 
Ku RE0S peynv TI tyramem. 
+) Thuc. I, c. Demofth. oder wer der Verfaffer diefer $ 
be iſt adv. Arift, p. 504. Er war SERTNYos am 
7.08 T7we, Thuc. I. e. welche Würde fehr viel Ad 
lichkeit mit der Römifchen Dictatur hatte. 
+H Thuc. I, e. Die beften Zeugniffe und Nachrichten uͤ 
bas Anfehen und den Einfluß des Perikles, der 
nicht bloß über Urhen, fondern über ganz Sriech 
Iand, und fogar über viele barbarifche Könige erfired 
ſtehen beym Plutarch I, 624. 26. und 29. Ihm Äl 


_ 1 
sin 
D - . 


: Miefer große Staatsmann Sollendere das War 
Drbße Athens, welches Miltiabes, Themiſtokles, 


Mies und Kimon angefangen hatten. machte _ 


ch feine Siege, beſonders dutch die Bezwingung von 
band Samos, die Macht der Arheriienfer dem 
er Griechenlande eben fo furchtbar , als Kimon fie 

rfern germacht hätte; und nach der vier und acht⸗ 
far. Olympiade fand fich’tein Griechiſches Volk f was. 
£ vor ben Achenienfern gezittert hätte. . Er allein 

e mehr Colonien / ald Athen in allen vorherge⸗ 
den Jahrhunderten nicht ausgeſchickt hatte *);. und 
$ that er nicht nur. um fich feine aͤrmern Mitbuͤrger 
> mehr zu verbinden, fonbern auch um Athen von 
m uͤberlaͤſtigen Poͤbel zu Befregen , und der Mutter⸗ 
Ein: Ihren Toͤchtern ehen fo viele & und Gehaul⸗ 
en für die Zufunft.zu verfchaffen, 2); "Ep verdrey⸗ 
te die öffentlichen Einfünfte, thells durch eine beffere 


richtung der öffentlichen Defonomie, theils durch die 
K2 3 Er⸗ 


| 


Le Ä Br / 
—————— — —— 








a; ‚gaben bie Athenienſer, wie der Dichter Telekides fagte 
ib. P..626. IL | 
TloAewv re Dueus, auTas Te vas: _ 
roneis, racuev dem vos Davaruay 
. Aalva TEXn, To MEV OMLodonev, T 
wur moon vorooldaev, 
orzovöbss , —R KOOTOS, BENYNV, : 
MABToV FT, eulcdumoniav Te. 
Man wird nicht Leiche ein merkwuͤrdigers Beyſpiel ale 
das des Perikles finden, um zu bemeifen, wie fehr ein 
einziger Mann nicht durch Gewalt ber Waffen, fondern 


Geſchchte ver Sriechiſchen Sophiſten. 147 


durch erhabene Talente und Tugenden ganze Voͤlker 


und Reiche fih unterwürfig machen könne, 


Thuec. I. 100, Diod, 471. 492, 499. Plut, I, 613. 


624. | 
) Plug 1, cc, 


— 


148 | | Sechſtes Bud, 


Erhöhung der Ubgaben, welche die Bundesgenofl 
zahlen muften , am meiften aber durch die Berl 
des gemeinfchafftlichen Schazes der Griechen vor: 
nad) Athen, welcher Schritt, fo fehr ihn auch P 
zu entfchulbigen fuchte, dennoch allemal eine ungı 
Gewaltthätigfeit war *). Durch dieſe Vermehru 
Reichthums des Volks wurde Perifles in Stand 
die Seemacht ſowohl, als die Landmacht der Arheı 
ju verdoppeln **), und alle die Werfe aufzuführen 
wie er felbft ſagte 7), der Stadt unfterblichen 9 





— —— — — 


°, Die Beweisſtellen zu dieſem Abſaze findet mau 
net Abbandinug Über den Lurus der Athenien 
Peritles fagte Plut, I. 615. 16. daß die Ath 
ben Bunbesgenoffen won ber Anwendung ber | 
die dieſe bergäben,, Feine Rechenſchafft zu geben 
ten, fo lange die Athenienſer das Äbrige Geiee 
gegen bie Barbaren vertheibigen würden. Allei 
Grund war ein offenbares Sophisn, das burch 
ren Worte des Buͤndniſſes widerlegt wurde. 
fius fezt die Werlegung des Schazes ber Gri 
DL 87. 2. weil Diobor dieſer Begebenheit erf 
fen Sabre erwähnt. Diodor fagt aber nicht XI 
baß Perikles erfi im Aufange des Pelopom 
Krieges die gemeinfchafftlichen Gelder der Oried 
then habe bringen laffen; und aus deu Erzaͤ 
des Pintarh I. 615. Thufpbides 1. 13. um! 
pbon Anab, 11. 26. p. 363. Ed. Thiem, erhell 
biefes viel früher geſcheben fey, ungeachtet 
Jahr nicht genau beflimmen läßt. Wahrſcheinl 
be Athen zwifchen DI. 80. 2. und 82. 4. ob 
nachher der Vereinigungspunct des Schazes, 
Griechiſchen Iuſeln und Städte, deren Zahl Ui 
nes auf 1000 anfchlägt (in Veſpis v.705.), 
bezahlen ınuften. 

*%) Thuc. II. 13. Xenoph. 1. c, 

+) p. 616. 1. Plut. 


REES 


Geſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 149 
den Urhebern derſelben Nahrung und reichliches 
ſfommen bringen wuͤrden. ‘Die Errichtung dieſer 
iſterſtuͤcke der Kunſt, die alle Zeitalter bewunderten, 
kein einziges wieder erreichte, machte Athen zur 
chtigſten unter alten Griechiſchen Städten ; erzeugte . 
Menge neuer Ermwerbarten, befchäfftigte die Hände 
# Bürger, und breitete Wohlftand und Betriebſam⸗ 
unter allen Elaffen von Einwohnern aus 9. 


So fehr aber auch Perikles Arhen lichte, 
die Einwohner dieſer Stadt begluͤckte; fo iſt es doch 
ts deſto weniger unleugbar, daß er ſich mehr um 
Zeitgenoſſen, als um die bauerhafte Böchifart des 
ats, mehe um die Kunft, als um fein and 
dent machte. Denn außer, daß er durch den Ephials 
den Pobel zum Tyrannen der Vornehmen, und 
sm Herrn über die Geſeze erhob **); gab er mehr 
efeze, wodurch nicht bloß der Staat, fonvern 
> Sitten des Volks verborben wurden, und vers 
fe hingegen andere, auf welchen dad Heil des Gans 
deruhte, und die ohne ben gänzlichen Umſturz ber 
satsverfoflurig nicht übern Haufen geftoßen werben 
wen. Er war der erfte, der faft alle Streitigkeiten 
ärger ſowohl ald der Bundesgenoſſen vor die Ge⸗ 
te zog, die aus allem Volke, meiftens aber aus dem 
el beitelle wurden, und den Richtern für ihre Der 
ungen einen Lohn aus dem öffentlichen Schaze zu 

3 













) I Plut. 616. 617. Mehr Nachrichten über bie Kunſt⸗ 
werte, die Perikles errichtete, und tiber bie vortbeilhaf⸗ 
ten Wirkungen, bie fie hervorbrachten, „finder man in 
der (bon mehrmalen angefährten Abhandlung über den 
Lurus der Athenienfer. | 


) Seriptores fap. cit. & Xenoph, de Rop. Ath. ẽ. 1. 


ger 


150. Sechſtes Buch. 


geben anfing *). Durch dieſe Einrichtungen wurde 
Zahl von Spfophanten, faljchen Anklagen, und m 
thenifchen, ober unverftändigen Urtheilen ind unendli 















Te 


#) Plut. I. 605. 606. Die Richter erhielten bald 
(Arift. Nub. 861 v.), bald zween (Ran, v. 1 
bald drey Dbolen (Equites v. 255. Veſp. 607. 
Eeclefiaz. 292. 302-9. 543.); an welcher lezten S 
drey Dbolen einem EHreus ober Sechstheil W 
gleichgefchäzt werben. Als Ariftophanes feine Weſp⸗ 
fchrieb, fanden ſich in Athen 6000 Richter oder ME 
ner, aus denen bie Gerichte befezt wurden. Sie 
hielten zehn Monate durch cdenn zween fielen für 4 
Feſte aus) ein jeder täglich brey Obolen, und fele$ 
alfo der Stadt hundert und funfzig Talente. (v. 66 
& fq.) Ihre Gewalt und den Mißbrauch, bear E 
von machten, fehilbert Ariſtophanes n eben biefer F 
ce vortrefflih. (548 & fq. inp. 558.) Mod 1 
ſchwerlicher für den Staat, als der Lohn der Richt⸗ 
war ber Lohn, ben alle Arhenienfifhe Bürger alsꝛce 
empfingen, wenn fie ſich an den Öffentlihen Bolkew 
fammlungen einfanden. Diefer Lohn betrug anfan 
nur einen, nachher aber gleichfalls drey Dbolen. (E 
elefiaz Arift. 292. 302. 3. & fq.) Ich weiß aber nid 
ob man die Einführung diefes verberblihen Lohne deu 
Perikles zur Laſt legen koͤnne. Vielmehr ſcheint am 
dem Stillſchweigen bes Plutarch, und aus einer Stel 
des Artflophanes zu erhellen, baß biefer Meißbrang 
erft nach dem Perifled, aber bald nach ihm entflanden 
ſey. Das Chor der Weiber in den ex Ansszlaoun 
fagt nämlih: daß zur Zeit, als Myronides Archn 
mar, niemand bad Herz gehabt hätte, bafür, daß e 
an Öffentlihen Berathföhlaguugen Theil genommen, 
einen Lohn zu fordern: v. 303. & ſq. &A 8%, Mu 
ewvidns or nexev © far us, &ders ν eroAum 
Ta TNSs TOAEws OloIKev, Meyupıov (Deows 
Mopronides war, wie befannt, ein geitgenoß des Pı 
ritles. 


Geſchichte ber Griechiſchen Sophiſten. 181 


wehrt; der Gang der oͤffentlichen Angelegenheiten, 
W der Gerechtigkeit, wegen ber ſich haͤufenden Menge 
«Sachen, aufgehalten und verwirrt, und Der große 
baufe aus feinen Werfftäten und Wohnungen auf die 
tlichen Pläze Hingelocft, um als Nichter aus dem 
mögen der Mitbürger oder Bundesgenoffen einen 
en Theil desjenigen zu empfangen , was -fie durch 
iche Arbeit zu Haufe fich hätten erwerben fünnen *). 
ließ ferner alle Fefte, deren die Athenienfer zweymal 
viel als die übrigen riechen hatten **), mit einer 
unbefannten Pracht feiern, und verfchwendete 
Schaͤze des Staats an üppige Schnäufe und koſt⸗ 
Opfer, an welchen das ganze Bolf Theil nahm 7). 
Mer vervielfältigte Die öffentlichen Luſtbarkeiten, Deren 
| und gefchinacfvolle Einrichtung freylich manche 
Framlinge nach Athen zog, deren Aufwand aber bald 
wen &taate unerträglich wurde FF), indem Perikles 
SHE den Koften, welche die Aufführung von tuftjpier 
I, and die Wertfämpfe von Künftleen erforverten, 
—— armen Athenienſer fo viel ſchenkte, als für 
Sie der Zufchauer oder Zuhörer bezahlt werben 
we Durch diefe vermehrten und verfchonerten Luſt⸗ 
karfeiten floßte er den Achenienfern einen unwiderſteh— 
khen Hang zu ſtets neuen finnlichen Bergnügungen ein, 
re weder durch Klugheit, noch durch die größten Un⸗ 
Kefsfälle, fondern allein durch die Unmöglichkeit, ihre 
nger zu befriedigen, aufgehalten, und gefchwächt wers 
n fonnte, und erftickte hingegen den Trieb der Thätigs 
K4 eit 











") Plut, in Per. I. 640. Ifocr. I. 425, 28, Ym! meiften 
aber Xenoph. c. 3. de Rep, Athen. 

5) Xenoph. 1. c. cap, 2. Ä 

PD Flur. I. 605. 606. Plat. 515. Ed. Baf. und Athen. p. 
464. Ed.’ Cafaub. 

:f) Ib, ‚ 


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Don > . N a 
, ‚7= “ . 1] l PR I Pr 


\ r . J +: Bi # Het 
wit und des Fleißes, den er ſelbſt I ned en 
je Verw 


4). Endlich machte Perifles durch 

eins der erften Grundgeſeze des Achenienfifchen € 
unkraͤftig, diefes nämlich : Daß man dern verſam 
Volke nichts vortragen folle, was nicht verher d 
gierenden Rath vorgelegt, und von ihm gepräft. u 


. billigt worden. Zwar lest Fein einziger Schrif 


Viefeß dem Perikles ausdruͤcklich zur taft, allein 
kann gar nicht daran zwenflen, wenn man erwaͤg 
Perikles funfzehn Jahre alle öffentlichen. Geſchoͤ 
Händen Karte ,. und betrieb, ohne fich um: den Au 
oder um die Archonten, oder ben regierenden ' 


zu befümmern, ja ohne ſelbſt jemals Yechon und 


pagit gewefen ober geworben zu feyn ; und Daß ei 
nach feinem Tode fehon allgemeine Siete wär, . 
mittelbar an das Volk zu wenden, wenn man 


: gegeben oder abgefihafft, oder Entſchließungen 
haben wollte. Legt man nun alle diefe ſchaͤdlichen 


zungen gegen feine wirklichen Berdienfte um feine! 
ſtadt auf die Wage; fo muß man nothwendig’ure 
daß er feinem Baterlande mehr gefchaber als gen 
be, und daß er zwar ein großer Mann, aber ei 
derbficher Bürger geweſen fen **). Allem Bern 
nach gereute.ed ihn aber zu fpät, daß er der alten S 
verfaſſung und dem beſſern Theile der Buͤrger ſo v 
geben, und dem unbaͤndigen Poͤbel ſo viele und ſo 


— 


1 - 








—n 


 Plut. 1. e. befonders Plat. in Gorg. p. 329. 

%) Die Flotten, und Heere, und Mauern, unb € 
werfte, die Perikles errichtete, waren, fagt Plate 
wahre Größe, fondern. nur Aufgedunſenbeit, & 
fo fehr blendete, daß, als nachher die, Kraukhei 
Staats zum Ausbruch kamen, fie niemand dem ı 
a fondern ben’ legten Aerzten zufchrieb. € 
n a —— 


! 





Weni 

in enten Raben. fe die | 
heit nad) den Einfällen bes mean Bi 
wiel ftarfer an, als vorher *); und aus Diefer vers 
weten Deufunggert.des Perifles muß man .bie Er⸗ 
mung bes Geſeczes erklaͤreit, wodurch mr diejenigen, 
nen Achenienfifchen Bürger, und eine Athen enſiſche 
gerinn zu Eltern achabe Härten, für: aͤchee Buͤrger 
et, mb nahe an fünftaufend des Buͤgerrechts, was 
R —— ſtreitig gemacht worden war, ‚beraubt 


—— Umkehrung ber alten Gtaesöberfaffung 
Biden Perikles gab es noch mehrere andere Urſachen, 
wseicher voillen die Groͤße und Macht Athen 
‚ baueraft ſeyn Mit dem u 


a, Plut. 624. 
BPlue. 1. 667. Um mich bier zu verſtehen, muß man 
.. 06 einer oben mitgetheilten Bemerkung des Ariſtoteles 
erinnern: daß alle Demagogen, bie eine unnmſchraͤnk⸗ 
x Demofratie hervorzubringen oder zu erhalten bie 
Abſicht gehabt, den Poͤbel oder den armen Theil des 
Moiks fo viel ale möglich zu verachten geſucht hätten. 
Hievon that Perifles gerade das Segentheil, unb hatte 
alfo damals auch entgegengefezte — Das 
Geſez des Perikles fiel in DL. 83. 4; nach deine 
ſelben blieben nur 14400 achte Bürger in Athen Abrig. 
Eben dies Befez wurde aber von ben Athenienſern kurz 
vor dem Tode des Perikles aus Theilnehmung an ſei⸗ 
nen traurigen Schidfalen aufgehoben. Er verlor naͤm⸗ 
lich feine Söhne, die er aus einer rechtmäßigen Ehe ger 
zeugt hatte, und würde alfo geſtorben feyn, ohne dem 
Staate Bürger au hinterlaffen, wenn fein Geſez gels 
xvend gebliäben wäre. Plut. I. 668. Es war, um biefe 
Bemerkung no hinzuzufügen, unftreitig eine ae 
xiſche Schäyuug, wenn Ariſtophanes die Zahl der Vur⸗ 
ger auf 30000 es in Ecclefles, v. 1126: 








Te 


Reichthemie, und der öffentlichen Pracht und Werſchi 
dung ander dem Periklelg nahmen iclich 
Breächstiebe ,' Echwelgerey und Verſchwendang bere 
milien ·uind :Peivatperjorlen- zu. Die nice Sparſam 
Eherbarkeit: and Strenge dar Kinderzucht veckhwart 
ab. mi ahnen 'wurben . Zapferfeit amd: umeigenmi 
Vaterianoe lube üllmätich gefchtnädzt, "obet.aursgenocu 
Die Erzichung der Kinder verfchlimmerte ſichmoch 
muehr Ws nie Reglerungsform verborben werben 
Bünglinge wurden nicht mehr zu dauerhaften ſtar 
und muthigen Kriegern, und erfährnen Staatsmoͤnd 
onderitigusgefehlätten Taͤnzern: und Sängern, : 3 feh 
Kennern won Kunftfachen, zu angenehmen Schwan 
and wizthzen Kbofen ausgebildet, vie fpigfindiger 
aufivereß ; und beanitworsen konnten. Anfheik 
Leih darch gymnaſtiſche Uebungen zu flärfen, opel 
der An ſuns älterer und weiſerer Bürger ſich 4 
fentliche Angelegenheiten einweihen zu laſſen, © 
fie fich die Zeit mit Spiel oder mit Pferden umd 
den oder mit Sophiſten, oder zerflörten auch ide, 
te und Geſundheit an üppigen Gaſtmaͤlern;, und'in ð 
Armen bon Bubferinnen Der Zeitpyiiig Aſo 
hochften Reichthums von Athen war aud) eben der, 
- welchem die Armuth an großen Männern am ef 
merflid) wurde, und worinn muthige , uneigennuͤziz 
fleißige, 'arbeitfame, und fähige Bürger faft in eben de 
Derhältniffe verſchwanden, in welchem der kranke Sta 
ihrer Hülfe immer mehr und mehr nöthig gehabt = 









nn 








"+0 Man leſe bie vortreff lichen Betrachtuugen des Pl 
uber ie Unmöglichkeit, daß nun noch große Bär, 
‚ ohne befondere göttliche Fuͤgung entſtehen könnten. 

- " Rep. Up. 2632. Ed. Mafley. “ 

‚N, Hieruͤber ſehe man: meine Abhandlung über den 
der: Athenienſe. 0 hTy 


- 


hbichte den Sriechlichen Sophiſten. 5 . 
a fo. war auch ber hoͤchſte Gipfel der Maͤcht, pen 
em unter dem Perikles erſtieg, zugleich die erſte ger 
fiche Staffel zum unvermeiblichen Verderben, ober 
Rand eined Abgrundes, in welchen es durch innere 
eilbare Schwäche, vorzüglich aber Durch diejenigen 
gezogen. wırcde, deren Maͤcht es. für feine ficherfte 

je hielt. Ä —— 7 
# Alle Staͤdte und Inſeln, die den Arhenienfern 
har waren, konnten ihnen unmoͤglich gewogen ſeyn, 
tdie Fortdauer ihrer Herrſchafft —z3 Die Athe⸗ 

erhoben nach Wohlgefallen die Schazung, welche 
desgenoffen bezahlen muften, und verſchleuder⸗ 
nachher, wenigſtens zum Theil in Luſtbarkeiten 
Beten, ohne die geringfte Rechenfchafft dabon zu 
). Sie maßten fich das Necht an, alle Streis 
tin der Bundesgenoſſen zu fihlichten , und wenn: - 
ihren Ausſpruͤchen nicht unterwerfen wollten, 

Keigten fie fie mit Feuer und Schwerdt, tiffen ihre 
* um, nahmen ihnen ihre Schiffe, kehrten * 

aſſung um, oder fuͤhrten ſie wohl gar in die 
werey fort **). Sie verdraͤngten endlich Die Bundes⸗ 
tofen bennahe von allen Märkten, die fie bisher bes 
he hatten, verfehafften ſich mit Gewalt einen Alein⸗ 
Wei, wodurch fie faft die einzigen Abnehmer und Zus 
ker, und die zinsbaren Voͤlker und Etädte hingegen 
ber Stand gefest wurden, ihren Bedruͤckern jährlich 
Biel zu geben, als won ihnen gefodert wurde % Aus 
ſen Gewaltthaͤtigkeiten entſtand natürlich der Wunfch 
t einem fo harten Joche befreyt zu werden, und eine 

ges 





















 Plut. I. 614. 15. | 
*) 1, 647. Plut. Xen. derepubl. Athen, e. 3. 
) Plut. 1: 648. Xenoph, de Rep. Athen, c, 3. 


. Di . Pi 
L EN 


} 


net, oder die Eleufinifchen Geheimniſſe entweih 
oder beſchimpft hatte *). Ex wurde abweſend Ag 


®) Dan fehe Lyt. p. 111. adr. Andocydem,” 


„t 


® , . = . . J ” r * — —8 
. ⸗ ‘ . 1 - : . u ’ j a 
2 
. . x N 
W u "pı A En , 
ww 7. Sehfied Buche: SA 
4 » ‘ 


e ime Gewogenheit gegen die Feinde der Athenie 
en ‚auch im Peloponnefifchen Kriege zum S 
den und Verderben der lejtern offenbarte. 0 


Erſte Beylage zu P. gi. 


— Euen Grund der Seltenheit dieſer Klagen will “ 


der Geſchichte des Sokrates anfuͤhren, und 
nur kurz die Namen der Perſonen nennen, 
von den Athenienſern als Gottloſe oder Unglaͤubige 
urtheilt oder ins Gefaͤngniß geworfen wurden. 
erſte iſt Diagoras von Melos, der nicht, soie d 
Schriftſteller vorgeben, alle Götter der riechen, gi 












bern nur.den Gottesdienſt feines Vaterlandes _e 
Achenienfern zum Tode verurtheilt, und man-weri 
demjenigen ein Talent, er E lebendig oder tobk I 

eit he en * 





X 


“., . 


Geſchichte der Griechiſchen Sophiften 157 


te”). Mur mir genauer Noch bat Perifles bie 
fia von den Richtern los, und den Anaragoras ließ 
heimlich aus dem Gefängnifle entfliehen, um ihn dem 
folgungen feiner Seinde zu:entrücen. Don Des 
kunden der Anflage wider die erftere fagt Plutarch 
185 dem Weiſen von Klazomene aber rechnete, man 
zum Ungfahben an, daß er eine Erfcheinung, welche 
Zeichendeuter Lampon fir ein Ungluͤck meißagendes 
under ausgab, nebft ven Berfinfterungen dee Sonne 
des Mondes, aus natürlichen Urſachen zu erflären 
khte, und daß er die Geſtirne nicht für göttliche Na⸗ 
n, fondern für große leuchtende Maffen hielt. Ich 
e bier nur an die Nachricht, die ich fchon im 
ften Buche aus dem Plutarch mitgerheilt habe, daß 
ganze Studium der Natur durch den Anaragoras 
Mehrere Menſchenalter hintereinander verdäc)tig gewor⸗ 
ben fg. Einen viel ſchrecklichern Mißbrauch der Ges 
fege wider die Gottloſen, als die bisher erzählten, und 
och anzuführenden Benfpiele enthalten, findet man in 
Yan Verlaͤumdungen, wodurch Alkibiades und feine 
Steunde der Entweigung der Eleufinifchen Geheimniffe, 
und der Zerftümmelung der Hermen befchuldige wur⸗ 
den **). Keine andere Begebenheit in der ganzen Acher 
wienfifchen Sefchichte zeigt fo fehr, als diefe, wie mäche 
dig der Aberglanben in Athen, wie leicht nicht nur das 
Volk, fondern auch feine Häupter die Archonten und 
Mitglieder des hohen Raths zu verführen, und wie ums 
ficher das Leben und Die Güter der vornehmſten Athenien⸗ 
fer waren. Die größten Männer des Volks wurden 
auf die ungeprüften Ausfagen von Sclaven, ober 
andern unbekannten und nichtswürdigen Dienfchen, ohne 
or⸗ 















*) Plut. I. 654. 55. 
°*) Andocyd, I. p. 175,204. 





ED M ruec 





Nee ſich nicht durch die Flucht retteten, ihres kebenk 


— Saltemachkeerin einen fochet:3lufenigdrr Als ca 


‚dt mehrern nähennAuberioanpten,, in yeffeln, 94 
Wr, und einen ſchmaͤhlichen Top - a “ 


verabſcheute, ja'fogar Iebhafter als irgend -e 


- - 
‘ 


‘x 


p w ee ui —X —E | 


Sedentliches Verhoͤr. als Gottioſe verurtheilt, unb« 















w 


ihzver Buͤcer beraubt. -.. Dusch die Ergreifung und 
richtung To vieler unfchulbigen und angejehenen Perf 
Jerieth Hie'ganze Stadt: anfangs in.eine‘ ſolche Def 
yorg »bafkfeinet;ed'wegte, aus feinäus Müefetzu g 








ein Tyan vie iniig elngetpinınen. Härte, ober sifl 
wärtiger Feind vor deitrkioren erfchieneh. zaäre:-: 24 
die Klugheit des Adnkyres, der ſammtſeinem· Bed 


wuͤrden noch weit mehr Unſchuldige tehen zu 
vecloren hhaben/ unb-bie. Stadt in noch viel 
— worden ſeyn ). — Baar w 
find Gange /abon noch ungerechter wat Wi 


ve ro und ald:eineit: gefährlichen Orlibler+g 
amgenchtet: er der · Froͤmmſte unter den. Griechen 
mb’ die Erforſchung himmliſcher Dinge auf das 






Zeitgenoſſen beftritten hatte **). — Nach dem 
finde ich Feine formliche Anflagen von Uingläubigen 
Gottloſen, wenigſtens Feine Tobesftrafen mehr, die — 
ihnen auferlegt haͤtte. Ariſtoteles entfloh kurz vor 
tem Tode nad) Epalfis, und unter den vielen Gar 
een ‚: bie über dieſe plögliche Flucht herumgingen, ‚fa 
eins, vdaß er fich vor einer Anklage des Lnglaubens- 
fürchtet , und den Achenienfern die Schande haͤtte 
fpaven wollen, ihn gleich dem Sofrates aus.dem Weg 
in eäumen. Nach dem Stagiriten erhielten rin 


U 





— 








*) l. e. p. 195 | 
Ken, Menon, Lu» — 


Geſchichte der Griechiſchen Sophiften. 159 


Megara, und Theodor, der Gottesläugner-genanit, 
n Areopag den Befehl; Athen zu meiden "5. Beyde 
ten aber durch ihre ſpigfuͤndigen Fragen ber oͤffentli⸗ 
n Religion geſpottet, undewuͤrden in einan jeden ans 
n wohl eingerichteterr Staate dieſelbigg Strafe vers 
ut haben, fo wie ihr Muthwille, wahrſcheinlich auf 
e blutige Art. wäre, geahndet worden, ‚wenn.fie ein 
irhundert früher gelebt haͤtten. Yun 
* | . 


: ni 
Zweyte Beyloge zu p. i3. 


eine Abſicht Her es nicht, daß ich den Chaͤeatter des 
miſtokles hi Korte — ausmahlte "Sch kann 
lot; nich unit, "Die ige,” bie ich vorr überges 
nit F iteinem kleinen Anhange: Eutz nachzuholen. 
om in feiner Kindheit *”) leuchteten aus vhm ſo⸗ Viele 
men feiner außerordentlichen Kraͤfte, und ſeiner kuͤnf⸗ 
m Groͤße hervor, daß fein Lehrer zu ihm ſagte: ee 
de ſeinem Vaterlande bereinft entweber größes Glaͤck 
e Ungluoͤck bringen. Noch als Knabe verachteteer alle 
tele r die bloße Ergözung oder Zeitvertreib gewaͤhr⸗ 
+ und wählte nur folche, die Nachahmungen öffent» 
Ft Gefchäffte waren. Er bekuͤmmerte ſich gar nicht, 
biele Vorwuͤrfe man ihm deßwegen auch inachte, um 
Kunſt ſchoͤn zu fingen und zu fpiefen, fordern wandte 
k feine Kräfte und Aufmerkſamkeit auf-die viel erhab⸗ 
" Kinſt, eine Eleine ruhmioſe Stadt groß und bes 
mt zu machen 7). Ehrgeiz oder vielmehr Ruhmbe⸗ 
rde brannte ſchon fo früh mit fo heftiger Glut in feis 
m Bufen, daß das Anvenfen an die Thaten und 00 
E Phaͤen 














) Diog. Laert. If. 101. 116. 
) Plut.1. 439, & ſq. | 
) ib. p. 440, re 


160 0 Sechſtes Buch; — 


phaͤen des Miltiades ihn in ſeiner Jugend manche! 
nicht ruhen ließ. So bald er ſich mit oͤfſentlich 
fchäfften abaab, erwarb er ſich durch feine Klugh 
alles durchdringenden Scharfſinn, durch Das felte 
{ent in einer jeben gegernvärfigen 'nod) fo unerw 
tage die beiten Maaßregeln zu nehmen, . aus. Gluͤ 
Ungluͤck die größten. Bortheile:zır ziehen, „und bei 
durch die Gabe, Fünftige Falle porberzufehen, 
allgemeines Zutrauen feiner Michürger, daß die 
bey ven wichtigsten, Angelegenheitcz zu Rathe zogei 
feinem Rathe auch faft immer folgten. Themi 
mar weder von Habſucht, noch von aridern felbfl 
gen teidenfchafften fren ; allein eben dieſe teibenft 
felöft fein Ehrgelj, waren feiner Vaterlandsliebe 
geordnet. - ‚Er ließ fich beftechen, und beſtach wid 
andere; aber feins von benden that er jemals zum! 
cheil, fondern zum Vortheil feiner Vaterſtadt *), 
den dreyßig Talenten, welche die Bewohner von ( 
ihm gaben, damit er die Griechen hindern follte, 
mifium zu verlaffen, .theilte er mehrere an den 
der Spartaner, und an einen vornehmen Arche! 
aus, welche bie vereinigte Flotte verlaffen wollten ; 
beftach fogar einen nichtswuͤrdigen aber dem Volke 
then Schwaͤzer, damit er von dern verderblichen 
fare abftünde, fich um die Stelle eines Heerfuͤhre 
Athenienfer zu bewerben **). So wenig ihn mun 
eigne Vortheile das allgemeine Beſte vergeffen I 
eben fo wenig machten ihn Rachbegierde ober © 
ſchaͤzung und Empfindlichfeit über empfangene B 
ung feinem Vaterlande, und dem großen Vo 
chen zu retten und zu erheben, ungetreu. (Er 


u 


*) Her. VII. 4. 5.112. Plut. L 478. 
oe) l. 450. Plut. 





hehte da Geicchichen Sonfin 161 


Einfalle des Rerxes dahin gebracht, daß Arie 
pn Jahre war verwieſen worden; allein vor 
t bey Salamin, als das Baterland diefen gros 
brauchte, und er felbft befürchtete, dag Arl ⸗ 
u den Feinden fehlagen möchte, nahm er ihn 
r auf, und vermochte auch das Volk dahin, 
zu thun *). Us ferner die verbuͤndeten 
inen andern als einen Spartaner zum Fuͤh⸗ 
en, und die Athenienſer wegen der großen 
Schiffen, die fie Hergegeben hatten, keinem 
einem Mitbürger folgen wollten, "befänftigte 
n, unb berebete fie, dem Eyribiades zu ger 
yamie nicht durch umzeitige Zwiettacht die 
von’ ganz Griechenland vernichtet würde **), 
interwarf fich dem Befehl des Spartaners, 
» Stücen weit unter ihm war, und als dies 
Borftellung: Salamin nicht zu verlaffen, 
urch Grobheit veranlaßten beißenden Gegen» 
n Stoc gegen ihn aufhob, fagte er Faltblätig 
‚aß er nur fchlagen, aber ruhig und gefezt feir 
anhbren möchtet). Wie ſehr Vaterlands ⸗ 
beige Neigungen feiner Seele überwog, zeigte 
ch im Tode. Ungeachtet fein undanfbares 
ihn verjagt, und Rerxes ihm die größten Wohl⸗ 
‚ Ehrenbezeugungen erwieſen hatte; fo ftarb er 
; als daß er die Macht des leztern zu Bezwin⸗ 
€ Mitbürger angeführt Hätte ff), Am meis 
ſchied ſich Themiftofles, und unterfchieden Ihn 
auch 





VII. 58. & fd. Plut. I. 460. 64. 
‚ VIIL 1. Plut. p. 452. 


N Wnd Diod, X, 448. 
yter Band. 


“ . .n >. tr . 
. ‘ « t . ' » “ . 4 F ‘ . 
⸗ J J — 


auch die Griechen von allen andern beruͤhmten Demay 


gen und Feldherren ihres Volks durch die Unerfehöpfl 
feit an glücklichen Staats und Kriegsliften, die er d 


mit bewundernswärdiger Heimlichfeit oder Schnelligl 


ausführte. Cic. de off. I, 30. Tallidum Hannıt 
lem ex Poenorum: ex noftris ducibus Q@. Maximt 
accepimus; facile celare, tacere, diflimulare, i 
fidiari, praeripere hoftium confilia. . In quo 
nere Graeci Themiftoclem & Pheraeum Jaſon 
ceteris anteponunt, Nach dem Abzuge der Grie 
(chen Slotte von Artemiſtum ließ er Steine ober Di 
maͤler zurück, durch deren Snfchriften er die Aftatif 
Griechen ermunterte, die Barbaren zu verlaflen, ı 
mit den Stiftern ihrer Städte gemeinfchafftliche S— 
zu machen. Er that diefes in der Abficht, entweder 
Aſiatiſchen Griechen zum Abfall zu bringen, over f 
Kerres Mißtrauen gegen diefelben einzuflögen *). 2 
der Schlacht, bey Salamin nahm er die tarbe eines | 
täthers der Griechen an, und fandte dem Kerres eine fl 
ſchafft, wodurch er ihm den Rath ertheilte, die € 
chiſche Flotte, die jezo encfliehen wolle, ja nicht 
dem Meerbufen, worinn fie eingefchloffen fey, en: 
ſchen zu laſſen. Er verleitete durch dieſen betrügli 
Rath ven Perſiſchen König zu einem uͤbereilten Sch 
der feine ganze Unternehmung fcheitern machte, | 
zwang bie Öriechen gu einer heilfamen Schlacht, w 
fie weder durch Ermahnungen noch durch Drohun 
gebracht werden Fonnten **). Durd) eine ähnliche 
beichleunigte ee die Flucht des. Eerres, indem er 
wiffen ließ, daß die Griechen nach dem Hellefpont ft 
fen, und die von den Perfern errichtece Brücke zerſit 

n 


nen G — 


0) VIII. 23. Her. & fg. - 











| 


Gefbichte der Griechtſchen Sorhiſten. "263 
den, um ten König fammt feinem Heere von · Aſien 
ufhneiden*). Durch dieſe Stratagemen, wie durch 


vortrefflichen Rathſchlaͤge, die ich im Texte angefuͤhrt 
k, oder noch anführen werde, erwarb er ſich dem 


men des weiſeſten und verftändigften unter allem | 


chen **), welchen Ruhm die Griechifchen Heerfühs 
ihm auch rider ihren Willen zugeftanden. Denn 
rochtet. fie fich alle felbft den Preis der Tapferfeie 
des größten Verdienſtes zuerfannten; fo Tieß ihm 
ein jeder die Öerechtigfeit wieberfahren, daß er ſich 
ihm als den Tapferften und Weifeften bewiefen 
*.) Die Spartaner überhäuften ihn mit Eh⸗ 
ezeugungen, bie fie feinem andern jemals erzeigt 


m, und auch nicht wieder ergeigten. Sie geftanpen, . 


Dem Eyribiades den erften Preis. des Wohlverhal⸗ 
wa; fie befchenften aber dagegen den, Themiſtokles 
ne feiner Weisheit und Verdienſte mit einer aus 
en geflochtenen Crone, und mic einem Ehren⸗ 
en, uno ließen ihn von dren hundert der ausgeſuch⸗, 
n vornehmften Bürger zu Pferde bis an die Gräns 
yegleiten +). Noch jehmeichelhafter war der Benfall, 
it das ganze bey Olympia verfammelte Griechens 
‚feine Tugenden belohnte 77). Keiner unter den 
ierigen Zufchauern achtete auf die Spiele der Kaͤm⸗ 
‚, weßwegen fie nad) Olympia gefemmen waren; 
ern aller Blicke waren den ganzen Tag auf den eins 
3 Themiſtokles geheftet, ‚und nur ihn allein beehrte 
2 man 








‚IO8e . 

n VIII, 123. 

“#) Ib, 

) Herod. ce. 124. von melden Diobor p. 426. abs 
t | 


weicht. 
HD p. 473. Blut, 


> 










164 Sechſtes Buch. 


man mit allen Zeichen der Freude und Bewunderung 
womit man fonft die Sieger empfangen hatte. Er gegı 
fland nachher feinen Freunden, daß er an dieſem Tayg 
die Früchte von allen den Kämpfen eingeerndtet haͤtte, di 
er je für Öriechenland gekaͤmpft habe, 


Dritte Beylage zu p. 118. 


J. dieſer kurzen Schilberung iſt fein Wort, was nid 
durch mehrere ruhmvolle Thaten und Zeugniſſe vi 

Schriftſtellern bekraͤftigt werden kann *). 
des trug ſehr vieles zu den Siegen bey Marathon ui 

Salamin bey, und ohne ihn wäre die Schlacht, Geh 
Plataͤa gewiß nicht gewonnen worden. Er ſchlig wicheh 
nur den tapferften Theil des feindlichen Heer, ſuuden 
verhinderte auch durch feine weiſe Nachgiebigkeit, dagg 
feine Uhneinigfeit unter den Griechen entſtand *% 
Dem Baterlande diente er nicht um feiner fe" 
oder feiner Familie und Freunde willen: niche ww. 
Reichthum oder Ruhm oder Ehrenftellen zu erwerben 
fondern um feine Mitbürger glücklich zu machen.  &E 
ließ daher nüzliche Entwürfe und Borfchläge oft von ame: 
dern vortragen, weil er befürchtete, daß Themiftoflese | 
fich ihnen entgegenfegen möchte, wenn er erführe, bar 
es die feinigen wären. Don diefer uneigennügigen Bas.‘ 
terlandsliebe des Ariftides waren die Arhenienfer fo fee : 
überzeugt, daß fie bes) folgenden Verſen des Aefchylus - 
vom Amphiaraus alle auf ihn binfahen, als wenn fie” 
von ihm vorzüglicd) wahr wären. 






Ou 











— Dan fehe bef. Plut. in ej. Vita p. 486. 87. 
“) IX, 27. 28. Plut, II. 508. 


\ 





Geſchichte der Sriechiſchen Sophiften. 165 
Ou yue donew Ösmoıos , a ewvoy Jeder, | 
" BorIesoov urcres die Desvos naemanevos , 


AR NS To nedves Biwsaveı BsAevmare. 
> , p. 486. Plug. II. 


sahrfcheinfich dachte auch Plato an biefe Uneigennuͤzig⸗ 
it des Ariſtides, wenn er ihn für den einzigen recht⸗ 
affenen Demagogen erflärte, ven Griechenland jemals 
habt Habe *),, Am meiften bewundert Piutarch am 
Mides **), und zwar mit Recht diefes, daß feine 
werlandsliebe in. allen Zeiten und tagen feines Lebens 
ich rein und unvermindert geblieben, unb durd) die 
banfbarfeit feiner Mitbürger eben fo wenig, ald durch 
"Begierde fich an feinen Feinden zu rächen, ver⸗ 
ſcht oder geſchwaͤcht worden ſey. Er forgte für das 
kck feiner Mitbürger nach ver Verweiſung mit eben 
bieler Waͤrme als vorher, ging felbft vor der Schlacht 
r&klamin heimlich zum Themiſtokles, feinem heftige 
wWierfacher, der ihn aus Athen vertrieben hafte, 
kunterte ihn, daß er jezo, ba es um bie Rettung des 
erlanides zu thun ſey, alle vorigen Findiichen Strei⸗ 
keiten aufgeben möchte, und gab ihm endlich die wich⸗ 
eMachricht, daß die Perfer fi) um die Griechifche 
te herzoͤgen, und ven heilfamen Rath, dieſe Gele⸗ 
ei zur Schlacht ja nicht vorben zu laflen, ohne zu 
fen, daß Themiſtokles die eine fehon gehört, und den 
keem gefaft hatte, und ohne auch für den Urheber des 
ern befanne feyn zu wollen 7). So fehr ihn The 
Kofles gefränft, und in feinen meiften Unternehmun⸗ 

23 gen 














h p. 333. in Gorg, Ed, Baf. Gr, & Plut, 539. 
m) Ib, | 
) Plut. p. 498. — 


“- 
[4 


> 


10 nu nnwen 


gen gehindert hatte; ſo trug er doch Bien} 5 
Manne eben fo wenig als feinem Vaterlande feint 
GSefinnungen nad). Er war der einzige, der bi 
Berurtheilung des Sieger bey Salamin gar 
wider ihn fagte und that, umd fich über das Ungli 
‚nes Feindes eben fo wenig freute, als er ihn vor 
feinem Gluͤcke beneiver Hatte”). Ich uͤbergehe Ab 
eben fo vieh !iebe als Bewunderung erregende Zuͤg 
Berfohnlichkeit, Sanftmuch und Uneigennüzigke 
und ſeze nur noch diefes hinzu, daß Ariftives die 
ten eines fugendhaften Mannes mit. denen "eines 
Bürgers für einerley hielt. und daß er bie Tugent 

haupt in eine Neigung oder ein Beſtreben ſezte, 
Vaterlande nuͤzlich zu werden. Nach dem The— 
ſoll er gar das, mas allgemein nuͤzlich und gered 
unterſchieden, und feinem Vaterlande die treul 
Maaßregeln und die ungerechteften Handlungen a 
len haben, wenn fie feinen Mitbärgern nüzlich woͤ 
Man Fann aber mit Necht an der Wahrheit bie] 
theils des Theophraſt zweyfeln, weil die Nach 
worauf er es gruͤndete, falch ſind, und durch 
wuͤrdigere Facta widerlegt werden. Theophraſt g 
daß Ariftives die gewaltfamen Erpreffiungen, we 
Athenienfer wider die heiligften Gerträge an den 
desgenoffen aueübten, als nothmendig und nüzli 
geheißen, und alle ihre Bedenflichfeiten oder’ ii 
wiflenhaftigfeit Dadurch beruhigt habe, daß er e 
er allein wolle die Schuld des Meineives, mel 
ganze Stadt auf ſich geladen, auf fi) nehme 


! 








*) p. 539. plut. 


**) Man fehe bef. Plut. p. 487. 496. 491. 538. 
Hl Theoph, ap, Plut, in Arift, vita p. 537. 
) Ib, 














= we J I \: Br 
Beſchichte der Griechiſchen Sophiſten. 167 
es ober wohl wahrſcheinlich, daß eben der Ariſtides, 


e die Beytraͤge, welche die Griechiſchen Staaten jährlich 
Kriege wider die Perfer hergaben, mit fo vieler Billig⸗ 


fe Dauerhaftigfeit der ganzen Einrichtung hielt, daß eben 
eſer Ariſtides auf einmal ganz entgegengeſezte, und mit fels 
m übrigen Charakter und Leben ftreitende Grundſaͤze follte 
nommen, und dem Athenienſiſchen Volke gerachen 
sen, ein beftändiges ficheres Glück gegenmwärtigers 
b verfchwindenden DBostheilen aufzuopfern? Dies 
uß einem jeden um deſto unglaublicher vorfommen, 
enn er hört, dag Ariſtides ohne alles Bedenken den 
zorſchlag des Themiſtokles, die Flotte der ver Griechen zus 
brennen, als eine zwar jezt nüzliche, aber hoͤchſt un⸗ 
rechte und alfo in der Folge nachkheilige Unternehmung 
erworfen, und die Athenienſer davon zuruͤck gebracht 
Noch mehr aber irrte Theophraft ꝰ), wenn 
er vom Ariftives erjählte, daß er den Borfaz des Aches 
nienſer, den gemeinfchafftlichen Schaʒ der Griechen von 
Daos nach Athen zu bringen., als einen zwar ungereche 
een aber nüzlichen Entwurf, mehr gebilligt als getadeſt 
Die Athenienſer dachten, wie aus der Folge er⸗ 
wird, vor dem Perikles nicht einmal daran, ſi ch 
Schoͤze aller Griechen zuzueignen. 


So oft ich den Charakter des Ariſtides uͤberſchaue; 
oft erftaune ich darüber, als über ein Muſter oder 
iſterſtuͤck von Weisheit und Tugend, das für bie 

— worinn er lebte, faſt zu: volllommen, und zu 

bollendet iſt, und das faſt eben ſo viel Bewunderung 

berdient, als wenn die Athenienſer auf einmal ohne 
t4 frem⸗ 


vH 











"142% 
“") 1, 557. 


it vertheilte, weil ex die Billigfeit für den einzigen Grund | 


n4 
‘ F 


J j 168 . Scdfies Bud, FR 


Ä fremben Unterricht in den Perfifchen geiehen ic 
werfe geliefert hätten, als fie unter der Bermaltı 
Perifles errichteten. ch finde es fehr begreiflid 
ein folcher Dann, dergleichen Themiftofles war, 

ſchlau, ehrgeizig, und fein Baterland über alles 

- meiner folchen tage, und unter folchen Umſtaͤnd 
unter welchen er fic) fand, fich ausbilden Eonnte 
ein ſolcher Charakter, und ſolche Tugenden, als 
Ariftives waren, vorzüglich feine reine unwar 
Daterlandsliebe, feine Berachtung von Reicht 
feine Sfleichgültigfeit gegen Ruhm und Ehrenftell 
gen Lob und Tabel, feine Bereitwilligfeic, ſogar 
Seinde die Ehre großer Handlungen zu laflen, n 
nur zum Gluͤck feiner Mitbürger ausgeführt ı 
diefe fcheinen nur fpäte und reifere Früchte eine 
gemilderten und durch lange Eultur verebelten 
fehennatur zu feyn, und es ift mir daher: uner 
‚sie fie unter einem Volke erzeugt wurden, Das n 
barbarifch war, das noch Feine Künfte und Wiſſ 
ten fannte, oder höchfiens nur mit ben- erften U 
derſelben bekannt war. 


| 
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“ ar? 





















- a nr: 


Fa) Ar, 


.'. Imre: 
_» 


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Seechſtes Bud. 
| Zweytes Eapitel, 
Gecſchichte der alten Sophiften, 





achbem ich in dem vorhergehenden Eapitel die wich⸗ 
tigften Thaten, Schickſale und Staatsverändes 
ıgen der Sriechifchen Völker, befonders der — 
bis auf den Anfang des Peloponneſi eges 
£ habe; fo bin ich nun im Stande, die Geſchichte 
Veltweisheit weiter fortzufegen, und die Gruͤnde 
jäeben, warum nach ber achtzigiten Olympiade ein 


ches Geſchlecht von Menfchen, vergleichen die alten _ 


ophiften waren, ſich in Griechenland hervorthat, 
rim fie fo und nicht anders Iehrten, warum fie grade 
che Kenntniffe vortrugen, und mit diefen Kenntniffen 


viel Nuzen und Schaden flifteten, als wir finden, - 


ß fie wirklich geftiftet haben. 


Wenn man bebenft, daß durch Die großen Gefahr 
n, von Barbaren unterjocht zu werden, alle Kräfte. 
8 feibes und der Seelen, und die erhabenften öffentlis. 


m Tugenden in den meiften Griechifchen Bölfern aufs 
chſte gefpannt, und daß durch die glorreichen Siege, 
(che die vereinigten Griechen über die Perſer, und die 
iicilifchen Pflanzftädte über Die Carthaginienſer erfochs 
ı hatten, die Öffentliche Wohlhabenheit und das Ders 


dgen unzähliger Familien pibalic vermehrt worden 


5 war; 


m. Sechſtes Buch. Zweytes Capitel 


war; fo findet man es ganz natuͤrlich, daß in den! 
müthern der tapfern und glücklicheh Ueberwinder zugl 
mit dem Beftreben, ihre Baterftädte aus dem N 
ber gefchlagenen Feinde mit prächtigen Werfen ver K 
zu verfchönern, ein heftiges erlangen nad) allen e 
zenden und nüzlichen Kennitniffen entbrannte, daß 
berfluß und glückliche Muße Wißbegierde, und Wi 
gierde allgemeine Aufklärung erzeugte, daß endlid 
allen heilen von Griechenland Männer aufftar 
welche die Gedanken und Erfindungen der vorherge 
den Zeitalter ſammleten, und mic den ihrigen bereii 
fähigen und edlen Sünglingen mitzutheilen wuͤt 
ten *). — Eben fo wenig ift es zu verwundern, 
Beredſamkeit und Staatöfunde, oder die doppelte K 
freye Voͤlker zu leiten und zu beherrfchen, nach der « 
zioften Olympiade nicht nur erfunden und gelehrt, ' 
bern auc) vor allen übrigen Wiſſenſchafften gefe 
wurde, da bald nach den Perfifchen Kriegen der gr 
Theil der Griechifchen Staaten eine demofratifche R 
rungsform erhielten, in welcher das ganze Boll 
Böchfte Gewalt befaß, und dieſe höchfte Gewalt ı 
dem Wohlgefallen großer Nedner und. Staatsmäı 
ausübte **). Weil ferner Athen um eben diefe Zeiı 
| | ‚rei 





*, Man fehe bie oben angeführte Stelle des Ariſto 
VII. 6. de Civit. 


uw) Toͤdten bie Redner nicht, frägt Polus, ein Schälea 
\ Gorgias, um die Würde feiner Kunft fühlen zu 
den, berauben und verweifen fie nit, melde 
wollen? in Gorg. Plat. p. 310. Auch Xriftotelet 
merkte, daß bie Beredſamkeit eine Tochter bes ! 
dens, bes Ueberfluffes und der Freyheit geweſen fe. 
Pacis eft comes otiique focia, & jam bene confl 
tae civitatis quafi alumma quacdam cloquentia, 











’ ! 


"rn GSeſchichte der alten Sophiſten. mi 


hfte und mächtigfte unter Allen Sriechifchen Städten 
de, in welcher das Volk die größten Summen an 
fe der Kunft verfchwendete, und reiche und ange 
ne Bürger, Weife und tehrer der Weisheit am frey⸗ 
gſten belohnten; fo mufte diefe Stadt nothmwenbig 
Sammelplag der größten Künftlee und Gelehrten 
allen Theilen von Griechenland werden. Nachdem 
id) aus den großen Reichthuͤmern des Staats und 
Samilien öffentlicher und Privarlurus, Schwelge⸗ 
und alle übrige Arten von Laſtern entftanden; fo 
ıte ed faft nicht anders gefchehen, ald daß auch burdy . 
herrſchenden Uebel die tehrer von Wiflenfchafften’ ans 
eckt, und ihre Grundſaͤze eben fo fehr als die öffent 
a Sitten verdorben wurden *). — 

| ' it 











que aĩt Ariſtoteles, cum fublatis in Sicilia tyrannia, 
res privatae longo intervallo judiciis repeterentur; 
‚tum primum, quod effet acuta illa gens & contro- 
‚verfa natura, artem & praecepta Siculos, Coracem 
& Tifiam confcripfiffe &c, Ich werde auf biefe Stelle 

bald wieder zurüc kommen. N 
) Mit diefer Bemerkung flimmt folgender Gedanke bes 
Cicero vortrefflich überein, ungeachtet er ein ganz ans 
dere Zeitalter in Sinne hatte: Chartae quoque, quae 
illam priftinam feveritatem continebant, obfoleve- 
runt: neque folum apud nos, qui hanc fedtam ra- 
tionemque vitae re magis quam verbis fecuti fumus, 
fed etiam apud Graecos, do@iflimos homines: qui- 
bus, quum facere non poflent, loqui tamen & ſeri- 
bere. honefte & magnifice licebat.. Alia quaedam, 
mutatis Graexiae temporibus, praecepta exfliterunt. 
Pro Coelio c. 17. Sehr glädlih iſt ein Gleichniß, 
was Plato im fechdten Buch feiner Republik braucht, 
Die Sophiften, fagt er Vol, II. p. 26. lehren nichts, 
als mas ber große Haufe, wenn er beyfammen ift, 
denkt und ausuͤbt. Sie find ſolchen Perſonen gleich, 
bie 





178 Sedhfies Buch. Zwehtes Capitel,. 


nicht einmal eines Plazes in der Gefchichte der Grie 


- und hi fie alfo auch notwendig ein berrächtliches 


Zeit geboren wurden; eben ſo wenig waren ſie rk 



















' _ » 


Mit Hälfe diefer Bemerfungen iſt eg Teicht, 
Eigenthämlichfeiten der alten Sophiften zu faſſen, 
weldyen man fich nicht nur die undollftändigften, 
dern auch bie unrichtigſten Begriffe gemacht hat. M 
hielt fie bisher entweder für leere Schtwäzer und mw 
reiche -Schreier, oder für nichtswuͤrdige Grübler ı 
Grillenfaͤnger, die ihr ganzes feben mic der Verfertig 
Fünftlicher, aber dünner und unbrauchbarer Gefpinm 
von Trugfchläffen zugebracht Härten. Man fand | 


ſchen Weltweisheit werth, und glaubte ihnen ſchon 
viel Ehre zu erweiſen, wenn man ihrer beylaͤufig in 
Gefchichte des Sokrates oder der Briechifchen R 
wähnte. Eine genaue Befanntfchafft aber mit 


achtung gemacht hätte, daß die ältern Sophift 
mittelbare Nachfolger der großen Weltweiſen tr 
von denen ich am Ende bes erften Buche geredet 


in der Kette der Geifter ausmachen muften, durch d Y 
ren Bemähungen Wiffenfchafften in Griechenland erfuns 


den um erweitert wurben, 


So wenig bie alten Sophiſten alle- um diefelbige, 








= 


bdie alle Launen eines großen Ungeheuers audfiudterten, 
die darauf Acht gaben, wodurch es aufgebracht mub ber 
“fänftigt werde, und bie nun bie Kunſt, es zu 

Ichrten, und Weisheit nennten. Sie nennen wide 
ſchan und gu, was wirklich fo iſt, fimau m ws da 


Vobel fo nenn u 


Geſchichte der alten Sophiflen. 173 


ehung ihrer Kräfte, Kenntniffe und Verdienſte gleich. 
ichwie fie aber aush des Abftandes ihrer Geburtsjahre 
eachtet dennoch Zeicgenoffen von einander waren; fo 
en fie fich auch bey allen übrigen DBerfchiedenheiten 
Talenten und Wiflenfchafften ſehr aͤhnlich. ie ſtreb⸗ 
nicht bloß nach) dem Ruhme, für große Redner und 
er ver Deredfamfeit gehalten zu werben, fondern fie 
en auch alle übrigen Wiflenfchafften vor. Die bes 
mteften unter diefen Sophiften waren Gorgias von 
kium in Sicilien, Protagoras von Abdera, Hippias 
‚Elis, Prodifus von Keos, und Thrafpmachus von 
lfedon, welchen fünf Männern Evenus von Paros, 
odor von Byzanz, Affidamas von Elea, und Polus 
Agrigent, beyde Schüler des. Gorgias, ferner Ans 
on aus Rhamnuſium, Simon und Polyfrates von 
en, Stefimbrorus und Anarimander, deren Baters 
te unbefannt find, endlich Euthydemus und Dionys 
x aus Chios in Fleinern oder größern Entfernungen 
hfolgten *). Wenn man den Gorgias, den einige 
einen Freund des Empevofles ausgaben **), und die 
ven eben genannten Schüler diefes Mannes auss 
mt; fo fand fich unter allen alten Soppiften, we⸗ 
tens fo viel wir wiſſen, feiner, der einen andern 

Welt⸗ 


Man ſehe Plato in Ap. p. 8. in Phaed. 210. in Euthydem. 
p. 268, Ed, Raf. Gr. Xenopb. c. 3. Symp. Cicer. in 
Brut. e. 8. Dionyf, Halicar. V. 625. 27. Ed, Lipf. 
Quint, III. 1. Schol, ad Arift, Nubes. v. 350. Iſo⸗ 
krates 11.281. 282. nennt noch einen Lyſimachns, deſſen 
Vaterland unbefaunt if. Wahrſcheinlich ift der Name 
manches Sophiften zugleih mit feinen Werfen oder 


mit feinem Coͤrper untergegangen, wie man aus einigen -- 


nachher anzuführenden Stellen des Ifofrates vermuthen 


muß. 
t) Satyr. ap. Diog. VIII, 58, \ 


⸗ 


ar Ceifeb Buch. Biwepteb Eabtk 


Weltweiſen und Redner gehört, oder fremden mi 
hen Unterricht empfangen hätte *). Aus dem 
geichniffe ihrer Geburtsörter fieht mar, daß fie mi 
einem Theile, fondern in allen Gegenden des Gri 
. hen Mutterlandes, und ber ältern ſowohl als ber. 
gern Pflanzftädte gebildet wurden, und daß alfo um 
Zeit der forfehende Geift der Griechen eben fo 













*) Vielleicht denkt man bier noch an ben Protagoras, 
welchem mehrere Schriftſteller, und unter dieſen 
Edikut erzählten, daß er anfangs ein Lafkträger 
fen fey, daß er aber von Demofrit wegen ber 
Licden Geſchicklichtelt, womit er Hölzer ober, 
Bündel zufammen gelegt habe, als ein FA 
— ee ah F Pr * 
ehe auch Gell. V. 3. aß aber dleſe Erz, 

ährcpen,. und Protagoras viel älter als Dei 
geweſen fey, läßt ſich mit vielen Grünbem.ber 
Erſtlich wufte Ariftoreles nichts von dem Untern 
den Protagoras vom Demofrit follte empfangen 
Angeachtet er von einer Mafchine redete, für d 2 
finder Protagoras gehalten wurde, und bie wahr 
lich zu der Zabel vom Lafttragen des Protagorai 
laß gegeben hat. Diog 1.c. Plato fprichr ferne 
Protagoras von bem Sophiſten gleiches Namens, A 
von einem ber erften Sophiften, ber viel Älter als € 
krates gervefen fey. Auch Ariftoteles ſezte ihn Äber d 
Corax und Alias hinaus, bie nicht lange nach B 
Austreibung der Tprannen aus Sprafus und Wgriges 
amd in der Jugend oder dem Anfange bes männl 
Alters des Demokrit blähten. Ariftpt, ap. Cicer, i 
Bruto c, 12. Nach dem Apollodor ap. Digg, IX, 5 
war Protagoras um bie 84 Olpmpiade am berühmt 
fien, welchem Dato zufolge er zwar ein Zuhärer 4 
Demottit hätte ſeyn Binnen, wenn er nicht dem F 
halte der fabelhaften Erzählung nach erfl-als ein e 
wachfener Mann vom Demokrit zum Schuͤler wären 









Geſchichte der alten Sophiſten. 395 


ı und fo mächtig, als ihre Freyheitssund Vater⸗ 
öltebe erweckt worden fen ). 


Die alten Sophiſten verdienen nicht bloß verachtee 
:angeflagt zu werden, fondern ihnen gebürt in mans 
Ruͤckſicht Hochachtung und ob, welches ihnen auch 
heftigften Widerfacher und Tadler nicht verfagt has 
» Sie waren ihren größten Borgangern, oder den 
Innern, die vor Ihnen die Wahrheit erforſcht und 
jöheit gelehrt hatten, von mehren Seiten fehr aͤhn⸗ 
Öleich diefen befaßen und verbreiteten fie alle wifs 
wuͤrdige Gedanfen, und alle nüzliche, oder doc) bes 
werte Entdefungen, welche die Vorfahren ihnen 
liefert hatten, oder auf welche der Scharffinn dee 
genoflen gefallen war. Sie lehrten die Wiflenfchafft 
Natur **), oder den Urfprung und das Weſen der 
ige, die Größe und Bewegungen der bimmlifchen 
per, und die Urfachen der merkwuͤrdigſten Erfcheis 
gen auf der Erde: ferner die Eigenfchafften und Ders 
alle von Zahlen und Größen, die Wirfungen und 
bindungen von Tönen, und endlich die Kunft ans 
zu verwirren, und in Unterredbungen mit andern 
berwindlich zu bleiben, welche Zeno mit ihnen er, 


ven hatte 7). Di 
ie 


Siehe Beylage am Ende des Capitels. 

) Nach dem Renophon gaben fie ber Welt zuerſt den Namen 
xoruos. Mem. Socr. I, e. 1. p. 5. 

) Plato p. 50. 286. 347. 357. Philoft. p. 481. Ueber 
bie Dialektik fehe man dem erften Band 711 ©. Unter 
den Sophiften war Hippias unftreitig der größte Viel⸗ 
wiffer. Denn außet allen Wiffenfhafften feiner Zeit 
verftand oder befaß er noch bie meiften Künfte und 
Handwerker in einem folgen Grade, daß er nicht bloß _ 
über ihre Werke urtheilen, fondern fie auch felbft —* 

r⸗ 








176 Sechſtes Buch, Zweytes Capitel. 


Die Sophiften blieben aber nicht da ſtehen, v 

fie an der Hand ihrer Vaͤter und Zeitgenoffen ge 

” worden waren; fondern fie eiferten den ältern U 
‚ihres Volks auch darinn nach, daß fie die Kenn 
die diefe ihnen hinterlaffen hatten, zu erweitern ut 
bereichern fuchten. , Sie erfanden daher und Ile 
zuerft Staatswiffenfchaffe und die Kunft der Bere 
feit, wie fie die erfien großen Nedner waren, tı 
Griechenland hervorbrachte *). Sie waren ferne 

Ä e 





fertigen konnte. Er ruͤhmte fich ſelbſt au dem ol 
fhen Spielen, daß er fowohl den Ring, ben 
Zinger trage, geftochen, dis alle Kleidungsſtuͤcke, 
denen er bedeckt fey, bis auf den Gürtel, und Die 
foßlen, mit eiguer Hand verfertigt babe. „Er u 
ſich endlich in allen Dichtungsarten beruͤhmt, uni 
terließ außer vielen andern Schriften bereifche un 
gifhe Gedichte, Trauerfpiele und Dithvyramben. 
Plat. in Hippia minor. p. 357. Pauf. V. 25. nu 
dem Plato C. III. de orat. c. 32. Ex quibus 
Hippias, cum Olympiam veniffet, maxima illa 
- quennali celebritate ludorum gloriatus eft, ı 
paene audiente Graecia, nihil efle ulla in arte ı 
omnium, quod ipfe nefciret: nec folum has 
quibus liberales do@trinae atque ingenuae coı 
rentur, geometriam, muficam, litterarum cog 
nem & po&tarum, atque illa, quae de .naturis rı 
quae de hominum moribus, quae de rebus pu 
dicerentur; fed annulum, quem haberet, pal 
quo amictus, foccos, quibus indutus effet, fu 
nu confecifle. Scilicet nimis bie quidem eft 
greflus, fed ex eo ipfo eft conjedtura facilis, 
tum fibi illi ipfi oratores de praeclarifimis aı 
appetierint, qui ne fordidiores quidem repudi 
Ueber fein erſtaunliches Gedaͤchtniß ſehe man Pk 


p- 495. 
%) Plat. in Apol. p. 8. in Prot. p. 284. 86. in Gorg. 
335. in Menon. p. 342, Hipp. Maj. p. 346. Cic. 
( 


Geſchichte der alten Sophiſten. 177 


tn, welche über die Natur der Sprache, über bie 
fehung, Zufammenfegung und Ableitung von Wörs 
und ihren Beſtandtheilen, über den Bau und ben 
Flang von Perioden Unterfuchungen anftellten, und 
unft richtig und ſchoͤn zu reden und zu fehreiben 
feſte Regeln brachten *), Endlich redeten fie auecft 
ber 











ec. 42. Quintilian, ber in feinen hiſtoriſchen Nach⸗ 
richten meiftens dem Cicero folgt, erinnerte fich beffen, 
was er in biefem Schriftfteller gelefen harte, nicht 
seht, wenn er fagte, daß Tifias und Corar früher, 
als die Sophiften, die Kunft der Beredſamkeit gelehrt 
hätten III. 1. Cicero fagt nur, dem Ariſtoteles zufels 
ge, daß die beyden eben genannten Sicilier bie Regeln 
der Beredſamkeit zuerſt ſchriftlich abgefaßt, daß aber 
fon vor ihnen Gorgias, Protagdras und andere die 
Beredſamkeit durch Beyſpiele und Schriften gelehrt 
hatten. Weber die Verdienſte der Sophiſten um bie 


Griechiſche Beredſamkeit breite ich mich bier nicht ans, 


\ 


weil diefe Unterſuchungen in die Geſchichte biefer Wiſ⸗ 
fenfchafft gebörn. — Vor den Sophiften hatte der 
große Kuͤnſtler Archidamus von Milet, der den Pirdus 
erbaute, das Ideal einer gluͤcklichen Stadt ober eines 
vollkommenen Staats entworfen; allein ber Auszug, 
ben Hriftoteles aus feinem Werke gibt, und das Urs 
theil, was er von feinem Subalte fällt, berechtigen ung, 


, wie bag Stillſchweigen aller übrigen Schriftfteller, anzus 


nehmen, daß biefe Schrift wenig lehrreich geweſen fep, 
und auch nur geringen Bepfall gefunden babe, Arift. de 
Civ, II. 6. 


Plat. p. 4%. SO & 62. in Cratylo. p. 271. in Euthyde- 


weyter Band, 


mo p. 346. in Hipp. Maj. p. 357. in Hipp. Alle 
Sophiften waren Sprachforfher und Spradlehrer: 
sorzüglich aber Protagoras p. 50 & 271. Hippias p. 
346. und Prodikus, welcher leztere Vorleſungen von 
verſchiedenen Preiſen uͤber die Kunſt richtig zu ſchreiben 


und zu reden hielt; indem er ſich einige wit funfzig, 
M an» 


178 Sechſtes Buch. Zweytes Eapitel, 


über Tugend und Gflückfeligfeit, und trugen, wo'n 
die Gedächtnißkunft, doch gewiß die Wiffenfchafft 
Krieges, und Die Theorie der Mahlerey und Bild 
Funft zuerft in Griechenland vor *). Alle diefe Ke 
niffe fehrten fie nicht nur mündlich, ſondern faßte 
auch) nach den Beyfpielen der Weltweiſen, die Fury 
ihnen gelebt haften, oder auch mit ihnen lebten, in 
tvefflichen Schriften zufammen, die ſowohl von I 
Zeitgenoffen, als von den nachfolgenden Zeitalterr 
ſchaͤzt, und felbft von ihren Feinden genuzt wurden 
Durch diefe ihre großen Verdienſte um die Erweitei 
und Bervollfommnung der Wiffenfchafften erwarben 
die Gophiften eine allgemeine Ehrfurcht unter ı 
Griechiſchen Völkern und Staaten, und erhielten ı 
Anhänger und Bewunderer, als irgend ein Philo 
His dahin gehabt hatte Allenthalben, wo fie erfhier 
wurde ihr Umgang nicht nur von lehrbegierigen. Si 
lingen, fondern von den vornehmften Staatsmaͤm 
gefucht; und wenn fie fortzogen, folgten ihnen SH 
ven von Zuhdrern und Freunden nach 7). Ihren 
ten 











andere nur mit einer Drachme bezahlen ließ. PL, p 
Wahrſcheinlich hat Plato den größten Theil feines. 
tylus aus ben Schriften der Sophiften entlehnt. 
°) Plat. Il. cc. bef. p. 269. 286. 335. 346. 357. Cic 
32 de orat. Philoft. p. 495. _ 

**) Iſocr. I. 115 p. & fq. Cic. de or. III. 32. Plat. pe 
Plato ſelbſt entlehnte vieles aus einer Schrift des 
tagoras Porph. ap. Eufeb. de pracp. Evang. e. 3. 
Ariftox. & Favor. ap. Diog. Ill, 37. 51. ſq. 
wahrſcheinlich auch aus ben Büchern anderer 
phiſten. 

7) Plato in Protag. p. 285. So fan Protagoras inf 
mit einer Menge von Freunden an, bie ihm aus 
Städten nachgezogen waren. Auch Hippias, Ge 
und Prodikus waren mit ſolchen Kaufen yon Juͤn 
umgeben. ib, 


' = . _ . \ D . / 
X ⁊ 


icht bejahite m man tdeurer als Goͤtterſpruͤche, unb 
Werke wurden um hoͤhere Dreife als —*8 ge 


F 
Außer dieſen gluͤcklichen Bemuͤhungen bie Auftla⸗ 
‚der Griechen zu befoͤrdern, Fa bie Sophiſten 
ben ehrwuͤrdigſten —* Vorgaͤnger noch ˖ dieſes ge⸗ 
I, daß fie ihre Kenntniſſe und Kräfte wenigftens: 
chmalen im Dienfte und zum: Wohl Ihrer Vater⸗ 
e anwandten. Gorgias, Prodifus und Hippiis 
en von ihren Mitbürgern häufig in oͤffentlichen Ge⸗ 
gebraucht; und der leztere ſagt beym Plato von 
ſt daß ſeine Vaterſtadt allemal, wenn ſie Un⸗ 


blungen von. Bedeutung mit andern Staͤdten 


Stend uͤ ſs 
* —— — 


ach gan; ungegruͤndet wäre, was Plato Peine 






ham läßt, daß Hippias und: die übeigen‘ Sophiſten 
Imech, von allen.,. oder den meiften Altern Weiſen 
daß ſie ſich öffentlichen "Gefchäfften wid« 

R, fo hätte er ihnen doch diefen. Eifer: iprem Bas 
übe, wenn gleich nur aus Eigennuz ober Eitelkeit 
men, nicht zum Vorwurf: machen, ſondern viele 
rals eines ihrer größten Verdienſte anrechnen ſollen. 
So ungerecht es waͤre, ben alten Sophiſten die 

er angefuͤhrten Vorzuͤge Me Deren ftreitig ju mas‘ 
gen; > 











Man fehe, mas Plato vom Kallias p 8. in Apol. Soe. 
und Zenophon von eben dieſem reichen Athenienfer und 
vom Euthpdemus und Niferatus fagen. Memor Sotr. 
IV. 2, Symp. ©. 3 & 4. p. 469. Ed. Thieme, and 
Scholiaft. Ariftoph, ad Nubes v 360. 

) In Hipp. maj.p 345. 46. Ueber bie Geſandſchafft des 


— in Athen fiebe auch mq Diod. a p. 514. 


"Bd, WVeſſel. | \ 


80 Sechſtes Buch. Zweytes Capitel. 


chen; fo blind oder unwiſſend muͤſte man ſeyn, we 
man es verfennen oder laͤugnen wollte, daß fie vont 
großen Männern, die vor ihnen Griechenland erleuch 
hatten, in viel mehr Puncten abwichen, als worinn 
ihnen ähnlich waren. Die Sophüten erwarteten | 
nicht, daß die Dankbarkeit oder Ehrfurcht der Zeit 
noflen ihnen den Ehrennamen der Weiſen beylegten, 
dern fie nahmen ihn ſelbſt mit ſtolzer Zuverficht an 













nern und Fuͤhrern oder Beherrfchern von Böker A 
machen 7). Sie lehrten und bilbeten nicht , wie bie ih 
teften Weiſen thaten, ihre jungen Mitbürger , ober Wi 
Sünglinge einer Stadt im vertraulichen Ulmgange, m 
in einfamen Zimmern, fondern durchzogen die berühtse 
ſten Städte und Gegenden in Öriechenland, und wähle 
immer öffenfliche volfreiche Plaͤze, oder feyerliche 
befonders die Olympifchen Spiele, um fid) vor Ben gr 
ten Haufen, oder gar vor der ganzen Station hören a 
laſſen 77). Ihre Abficht war auch nicht, den Verſt 
ihrer Zeitgenoflen aufzuklären, ober ihre Herzen zu 
fern, fondern felbft zu glänzen, die lauten Zurufu 
des Poͤbels zu gewinnen, und Schäze zu fanımien, us 
m 




















©) Plat. in Protag. p. 297. 
#*) Ifocr. II. contra Sophift, II, 326»330 p. Plat, in Pre, 


p. 343- 
+) Piat. in Sopb. p. 102. in Euthyd, p. 269. in Protg 
280. in Men.|.c. ‚ 


- 41) 284 p. in Prot, p. 355. in Hipp. Min, Pauf, VI, 6. 


Geſchichte der alten Sophiſten. Aa 


Prachtliebe, Ueppigkeit und übrigen Begierden ber 
digen zu Fonnen *). Plato und Zenophon nennen 
er die Sophiften verfehmizte Menfchenjäger,, die reis 
md fchöne Juͤnglinge in ihren Schlingen fingen **), 
rauch feile Mäckler von Kenntniffen,, die gleich aflen 
#fefchreiern falche und ververbliche Waare anpriefen, 
fie deito cheurer verfaufen zu koͤnnen ***), Gofras 
berglich fie mit folchen, die ihre Schönheit verfaufs 
N. Die Sophiftif, oder ihre Kunft erklärte Pla⸗ 
als eine Geſchicklichkeit oder Fertigkeit vurch Zanfen, 
yerfpruch , unverfchämtes Kämpfen , und Schön« 
zen Meichthümer und das Lob der Unverftändigen 
ewerben 77). Dieſe niedrigen Abfichten erreichten 
Sophiften nur zu gluͤcklich; denn die größten umter 
n erwarben ſich durch ihren Unterricht ein viel groͤ⸗ 

— M3 ßeres 


[U 








) Pist. in Crat. p. 48 & 62. in Theaet. p, 99» I101. in 
Prot. p. 284. in Men. p. 342. in Hipp. maj, p. 346. 
Iſoer. I. 116 & 326,50, Cicer, IV, Acad, quaelt. 
"33. At quis eft hic (Anaxagoras)? num fophiften ? 
Sic enim appellabantur il, qui oftentationis aut 
quaefius caufa philofophantur. Weber die Lieberlichs 
keit Prodikus ſiehe beſ. Sehol. Ariſt. ad Nubes 
V. 3 
) Plat. 98 & 101. in Theaet. Aoxw ev yae Fo Fw- 
Tov EUEEIN vEwv Koıı AABTIWV Eu MiOIos INgEUTAS. 
Xenoph. Kuynyer. ©. 13. Oi nev Yae odısaı 
KABTIBS ni vess INewvras,. 
*®) Plato in Protag. Ouro In zaus 0) va nadnuara 
TELIAYOVTES KARTE TOs MoAess Ko TKWAÄBYTES 
KO HOERNÄEUWVTES Tw EI ERIJUMEITI, ETTAWNB- 
01 MeV TAvVTE & TwÄRCı. 
) Xenoph. Mem. Socr. I. 6. p. 59. 
f) in Theaet. 98. 99. 





a, Soft Buch. Iiepiekiiiiel. 
Beyes Vermögen, als irgend ein Kuͤnſtler vor ob 
sühren Zeiten: ſich erworben hatte *), J 
. Dey einer fo großen Verſchiedenheit der Abi 
anufte nothwendig auch eine große Verfchiedenheicht 
Lehrart der vorhergehenden Griechifchen Woeltwe— 
und ber Sophiften entftehen. Anſtatt, daß jene 


vvieljaͤhrigen Umgang, durch Beyſpiel, und vertrau 


‚Anterredungen ihre Freunde lehrten und beſſerten 
Die Sophiften entweder glänzende Prunkreden oder 
<lamationen **), oder auch an einander hängende| 
A 

R 4 

| 


D 





| ®) Dies fagen Plato und alle übrigen © a 





Ausnahme, , Man fehe Plato p; 342. 
Reichthuͤmer des Protagoras, Gorgias, 

Hippias. Lezterer ſammlete in Furzer Zeit, in 
Siciliſchen Städten brittehalb Talente, Mir 
ſich Prodikus feine Vorleſungen bezahlen IB, 
ſchon oben mit einem Zeugniſſe des Plato 
und ich will daher nur noch einige Stellen an 
welchen bie Preife angegeben find, telde bi 
Sophiften auf ihren Unterricht festen. ori 
Protagoras ließen ſich für die Untermeifung it, det 
sebfamfeit 100 Minen oder ungefähr 2000 Thale 
ahlen. Diod, XII. p. 514. Quint, II. 1. Diog. IX, 
Dippias kann nicht weniger genommen haben, weile 
Burger Zeit In einigen Sicilifpen Städten drittehah 
Iente verdiente.’ 346. Plato. Als einen Vewen 
Reichthums der Sophiften muͤſte man au) bie gel 
GStatäe anführen, die Gorgias fich felbp.gefezt-y 
foll, Plin, XXXIL, 4. & Athen. XI. c. ult. p. ı 
wenn es nicht wahrſcheinlicher wäre, daß fie A 
feinen Bewunderern errichtet worden. Cicer, det 
IL 32. & Pauf, VI. 6. p. 494. 95. Phi 


P- 493. 
“n Dies hießen fie emiderfess roiesy_Philof. p. 482 
vit, Soph Aeſchin. de Morte c, 6, & ibi Clericus 
Plat, pain, ” 








\ 


U 


N 4— 
iveſchichte der alten Sophiſten. 18 
fa ausgearbeitete Vorleſungen *), ober fie erlaubten 
* einem jeden ſie zu fragen, oder eine Materie auf⸗ 
welche er aus einander geſezt und. aufgeklaͤrt 
8 Gorgias war der erſte, der die Kuͤhn⸗ 
hatte, die verſammleten Griechen bey Olympia auf⸗ 
een, ihm nach ihrem Belieben Fragen vorzulegen, 
he auflöfen ,. oder woräßer er fogleich reden folle, und 
klären, daß er fie aus dem Stegreife beantworten, 
K.ohne weitere Vorbereitung zu ihrer Befriedigung 
über reden wolle 7). Eben diefes thasen die meiſten 
igen alten ˖ Sophiſten; und hierinn ahmten ihnen 
dr fo gar die elenden Rhetoren im Zeitalter bes Cicero, 
Rn den erſten Jahrhunderten nach Chriſti Geburt 


meiſten unerſchicden ſich aber die Sorsiften 
kin, ältern ——— durch die Grundſaͤze, die 










7 mit Recht die erſten Verſoͤhrer der bend 
heiten Lehrer des Unglaubens, die erſten Spoͤtter 
Heraͤchter aller Religion und Tugend, und bie er⸗ 
Werner bed Ein j ber Re ‚und Pen. 











# Plat, in Crat. p. 48. 
Plat. in Protag. p. 285. 
9 Cräffus ap. Cic, Ei orat, 1. 22. Quando —* me in 
euraſſe, aut cogitaſſe arbitramini, & non ſemper ir- 
.. sißffe potius eorum hominum impudentiatu, qui 
eum in fchola aflediflent, ex a haminum fre- 
quentia dicere juberent, fi quis quid quaereret? 
Quod primum ferunt Leontinum feciffe Gorgiam : 
, qui permagaum quiddam füfeipere , ge profiteri vi- 
‚ debatur, cum fe ad omnia, dequibüs quisque audire 
vellet, efle paratum denuntiases, &c, vide etlam - 
14 | 


” 


. solberrecheii tehten 
ren die Duelle, aus welcher Ariſtipp ſchoͤpfte; und 


\ 


ur Sofieh Vilch. Zweytes Easie. 







ichen. Gewalt nennen kann. Ihre 


kur ſeine Gärten waͤſſerte; oder wenn man ein 


alten Sophiſten, fonbern auch aus Materialien, te 
Diefe gifantmengetragen und zubereitee hatten, 














nde ©. dos wre Oi 

abgefchrizben. 25 fie aber hauptſachtich auf die S 
Shiften gehe, lehrt das, was Plato gieich nachfer 
und was mit allen Fragmenten der Sophiſten and 

Reseiaten anderer Schriftfteller Aber ihre Dekan 

. bereinſtiinmt. Euthydemus, den Sokrates zu 

dem — und den Voilkommenheiten ber Wort 

zu Äberzengen ſuchte, war ein Schäler uud Dawn 
Amer det Sophiſten. sn IV. 3. Memor. Soer. 


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vr 


\ GSiſchichte der alten Sophiſten 9% 
ı a8 5 und empfindungsloſen Elementen durch 
Kindes Gluͤck hervorgebracht. Weisheit und alle nach 
ichten wirkende Kuͤnſte waren ihrer Meynung nad) 
ere Töchter des Zufalls und der Nothwendigkeit, 

b einer blindwirfenden Natur, von welcher man fie 

veber Nachahmerinnen oder Gehuͤlfinnen und Mit⸗ 

Kterinnen nennen koͤnne. Es gebe alſo, fo ſchloſſen 

eben ſo wenig eine Weltordnende oder erhaltende Gott ⸗ 

, und uͤbermenſchliche mächtige und weiſe Weſen, 

man Abfichten oder Spuren von Vorſehung im Uni⸗ 

s entdecke *). Diefe Behauptungen wurden von den 

phiften fo fehr verbreitet, daß fie nach dein Zeugniffe 
lato in die allgemeine oder herrſchende Denkungs⸗ 

Zeitaſters übergingen *). - 

AUngeachtet die Sophiften die tehre von der Gott, 

‚und von göttlichen Naturen als eitien Wahn vers 

Wu; fo fuchten fie doch, und eben biefes thaten nach⸗ 

* mM 5 5 — her 

—*. 

Ber Zweyfel bed Protagoras an dem Daſeyn ber Gott⸗ 
beit war von der Abläugunng berfelben um nichts vers‘ 
ſchieden. Ich weiß nicht, fagte er im Anfange eines 
feiner Werte, ob es Götter gibt, oder nicht gibe? 
Denn es find gar zu viele Urfachen, welche eine gewiſſe 

.. Erfeuntniß, ober entſcheidende Antwort unmöglich mas 

chen: am meiften aber die Kuͤrze des menſchlichen Le⸗ 
bens, und bie Dunkelheit oder Unerforſchlichkeit des 
Gegenſtandes ſelbſt. Wegen biefer Aeußerung wurde 
. feine Schrift in Athen verbrannt, und er felbfl and der 
Stadt verwiefen, oder gar zum Tode verurtheilt. Cie. . 
I. 23. Diog. IX. 51. Sext. IX. 55. 

) Plat. p. 606. de Leg. X, Kos Yap en un re- 

 ORRLKEVO noav ol FOTO Aoyos Ev TOIS TKoLaıy 

5 Emos men ardewmros, Bdev av eds Toy 
. ERapuvsvTav Aoyav, ws 0, Je. vuy de 

RVKYeN. . 

\ 


186 Sechſtes Buch. Zweytes Capitel. 


her auch Demokrit und Epikur, Idie Entſtehung 
Begriffe von Goͤttern zu erforſchen. Prodikus glaubt 
daß Dankbarkeit die Mutter aller Religion, und 

Giaubens an Götter geweſen fen *). Die meiſten 
hen Sterblichen haͤtten nämlich allen Gegenſtaͤnden, u 
denen fie großen Nuzen erhalten, geheime und außerg 

dentliche Kräfte zugetraut , und hätten Daher S 
und Mond, Flüffe und Quellen, ja fogar Brod 
Wein, Waffer und Erde unter den Namen von 

und Bakchus, von Neptun und Vulcan angebetet 











— 


*) Cic. de Nat. Deor. I. 42. Sext. IX. 18 &s2fq, - . y 
”*) Diefe Erklärung bes Urfprungs der Begriffe van Go⸗ 
tern wurde nachher von vielen Weltweifen angen | 
Sertus hingegen beftreitet fie als ungereimt mit rk 
den, die mir nicht befriedigend fheinen. IX. 36: 
Alle übrige Sophiften aber waren in der Mepnung, 
daß die Begriffe der Menfchen von Göttern, und e 
Religionen der Völker urfpränglich Erfindungen Fuge 
Geſezgeber und verfchmizter Staatsmaͤnner gemeia 
feyen. Plat. 605. unten: @sss w uanagıe ewvous Eh 
Tov Dacıv 870, TeXıy 8 Duos, EAT FIoı I 
Mois. Ku Teros aNss Ross on Enasa 
Eauroos ouvwauoAoyncav vouodersueva. Wi 
biefe Meynung zielt Eicero I. 42. Quid? ii, qui d. 
zerunt, totam de diis immortalibus opiniones : 
fictam efle ab hominibus fapientibus reipublicae ca | 
fa (ut-quos ratio non poflet, cos ad oflicium religio : 
duceret) nonne omnem religionem funditus fuflule _ 
runt? de Nat. Deor, I. 42. Das Fragment des Krb 
tiad, aus welchem die folgenden Gedanfen dee Soph⸗ 
ſten gezogen find, fleht beym Sertus IX, 54. De 
falfhe Pintarch fchreibt diefes dur Sprache und Ein 
kleidung vortreffliche Bruchfläd dem Euripides zu. de 
Pluc. Phil. I. 7, Das Urtheil diefes elenden Compiler 
tore müfle aber gegen das Zeugniß des Sertus — 





| Geſchichte der alten Sophiſten. 187 | 


s war, fo fang Kritias, einer ihrer berühmteften 
nger, eine Zeit, wo die Menfchen, gleich den reißen, 
Thieren des Waldes, ohne alle Gefeze Ichten, mo 
malt für Necht galt, und die Guten gar Feine Belohs 
ıgen, und die Boͤſen gar feine Strafe empfingen. 
es wilde außergefellichaftliche Leben verließen fie end» 
‚. vereinigten fich in Gefellfehafften, und erwaͤhlten 
ee zu ihren Herren und Nichtern, die Gewaltrhäs 
eiten beftrafen follten. Weil aber diefe Geſeze hoͤch⸗ 
8 offenbare Miſſethaten zuruͤckhielten; fo fann irgend 
weifer und verfchmizter Mann darauf ein Schreck⸗ 
zu erfinden, wodurch er auch heimliche Verbrechen 
ickhalten, und die verborgenen Llebertreter der Gefeze 
furcht ſezen Fonnte. Zu diefer Abfiche floßte er den 
iftenden Wilden den Gedanfen von ewigen und un⸗ 
lichen Göttern ein, die alles, felbft dasjenige hoͤr⸗ 
und fähen, was der Menſch in der tiefften Einſam⸗ 
vollbrächte, oder in dem Innerſten feiner Seele ent: 
fe. Um die Furcht vor diefen unfichtbaren mächtis 
Naturen zu vermehren, lehrte er ferner, daß fie 
Himmel, oder in denjenigen Gegenden wohnten, 
yer die meiften Schreckniſſe über den ſchwachen Sterb⸗ 
m Eommen, wo er das Mollen fürchterlicher Donner 
et, und von wannen er reißende Feuerfirdine fich 
eßen fieht. Er wies ven Beherrfchern der Menfchen 
: Size im fehonen Gewölbe des geftirnten Himmels, 
em herrlichen Werke des weifeflen aller Baumeijter, 

der 











fen werben, wenn auch nicht Alexander bezeugte, daß 
der Athenienſiſche Tyrann eine roAsresav euneracv 
gefhricben habe, wovon das erhaltene Fragment hoͤchſt 
matrfcheinli ein Theil war. Alexand. Aphrod. er. 
Philopon. in Lib. I. Ariſt. de anima in hacc virha: 
Eragcı de nina wsmwep Korrias. u. TA. 


188 Sechſtes Buch. Zweytes Cante 
der Zeit, an. Auf dieſe Art entſtand der. Glaube, 
die Furcht vor den Goͤttern, und durch dieſe Fu 
wurde ber im Finſtern ſchleichende Frevel gehemmt, ı 
ger. Suͤnder, den die Gelege nicht bändigen konn 
durch glückliche Erdichtungen der Gefeggeber zittern 
macht.“ Mit Recht urtheilten Licero*), und Plato 
daß folche Behauptungen alle Religion, und ſelbſt 
Grundlagen der Tugend und bürgerlichen 


unntergruͤben, dag man die fehrer derfelben als Ber 


ber der Jugend, und ale Feinde des Baterlandes 
fehließen, und die Ausbreitung. derfelben entweber d 
Ehrperliche Züchtiguingen und Seflein, ober durch &x 
be und Armuth ſtrafen muͤſſe 1). va F 


4 





®) I. 43. de Nat. Deor. u 
17 


80) . 606. ’ . a ' ER, 
y Son den Gedanken der Sophiften Aber bie Rai 
Seele haben wir nur wenige Ueberbleibſel, 1 
‚man aber bach fo viel abnehmen kann, daß fie e 
für einen Theil oder MW Eigenfchafft des Eörnerd 
ten, die mit ihm aufgeloͤſt und zerfiört werde. € 
fagte Protagoras, if ein leeres Wort; umb anfe 
Sinnen, oder der Faͤhigkeit Einpräde von. & 
fländen zu einpfangen, fie An erhalten, zu erneuten 
zu verbinden, gibt es im Menſchen feine vom E 
verfpiedene denkende Subſtanz. 1X: Diog.- 51. 
Prodikus derchte wahrſcheinlich auf biefelbige, 
doch eine aͤhriliche Art, indem er ſich nud feine Zrı 
durch folgend es Näfonnement gegen die Schrecke 
Todes zu waffen füchte. ap. Aeſeh. Dialog, de m 
e. 14. Der Tod, ſchloß er, follte niemanden fürı 
lich feyn, rveil er weder bie Lebenden noch die Xı 
treffen kann. Die Lebenden nit; ‘denn fo lang 
leben, iſt der Tod noch nie da; bie Konten, 
‚wide; bean wenn wir geftorben nd, fo koͤnnen 
gar nicht mehr leiden, weil wir wicht mehr Pub. 





| 
& 
. 


a pn: 


Geſchichte der alten Sophiften. | 189 


/ 

Die Sittenlehre ver Sophiften, oder die febensres 
ı, nach welchen fie felbft handelten und ihre Schüler 
deln machten, waren noc) viel gefährlicher und fuͤrch⸗ 
icher,, als ihr theoretifcher Unglaube. Diefe Moral 
Sophiften kann man in wenigen Worten nicht rich» 
s-beichreiben, als wenn man fagt, daß fie gerade 
Gegenfaz von der Sofratifchen geweſen ſey. Ihre 
en Principia waren folgende: daß es Fein anderes 
turgeſez gebe, als dieſes, daß der Kluͤgere und Maͤch⸗ 
re über den Schmächern herrſche, und ihm fich uns 
han madje: daß alle Handlungen von Natur gleiche 
ig, weder gut noch böfe feyen, und daß ihre Güte 
e Micht Güte allein durch) Die Gefeze eines jeden fans 
‚, und durch den Willen oder die Vortheile der hoͤch⸗ 
ı Gewalt, das heißt, Ddesjenigen, oder derjenigen, 
che die oberfte Macht befäßen, beflimme werde: daß 
igennüzige Tugend oder Gerechtigkeit demjenigen, ver 
befize oder ausübe, nachtheilig und folglich Thorheit ; 
efeir un Ungerechtigkeit hingegen ihren Befizern und 
säbern vortheilhaft und eben deßwegen Klugheit, und 
en Gegenſaͤzen vorzuziehen fen: dag niemand die Tu⸗ 
ıd und Gerechtigkeit, um ihrer felbft willen, ober 
willig, fondern aus Unmwiffenheit oder Zwang liebe, 
d daß man nicht fie felbft, fondern den Schein von 
wen zu erhalten fuchen müffe: daß endlich die Tugend 
er wahre Bollfommenheit eines Mannes darinn bes 

, andere Menfchen beherrfchen und zu Dienern feis 
5 Vergnuͤgens machen zu wiſſen; und die Gluͤckſelig⸗ 
t in der Kunft, fich felbft fo viele und fo Heftige Der 


giers 








Nach dem Alexander loc. fup. cit, war ber Kritias, ber 
das Wefen ber Seele im Blute fand, Arift. de Anima 
J. 2. nicht der Tyraun Kritias, fondern ein anderer 
Sophiſt gleiches Namens. 











199 Sechſtes Buch. Zweytes Eapitel.' 


‚gierden und Bebärfniffe als nur möglich zu verſchaffeh 
um fie mit Vergnügen fättigen und befriedigen 
koͤnnen. | 
Die Natur felbft (fagt Kallifles, ein Schüler ve 
Sophiften, ven Plate mit einer erftaunlichen Beredſe 
keit, und mit einer Kühnheit, die feiner Sache und fi 
nem Charafter angemeflen iſt, die Grundſaͤze feiner ke 
‚zer vertheidigen läßt) ruft es gleichfam allen Weſen z 
daß es recht oder gerecht fen, daß das Beſſere ul 
Stärfere das Unvollfommenere und Schwächere übe - 
mältige und beherrſche. Mad) diefem Gefeze richten fi 
und handeln nicht nur alle Gattungen von Thieren, fon 
been auch ganze Städte und Bölfer. Denn nach welch 
einem andern Gefeze überzog Rerxes Griechenland, und?! 
fein Bater die Skythen mit Krieg? oder warum anders = 
uinterjochten von jeher mächtigere Staaten und Nätloe :! 
nen die fleinern und ſchwaͤchern, als weil fie es fuͤr 
Recht und’ein allgemeines Naturgeſez anfahen, daß bes 
Stärfere mehr befize und genieße, als der Schwaͤchere, 
und daß der leztere dem erſtern dienen müffe *)? Selbſt 
Götter und Helden folgten vem Geſeze, was bie Natur . 
vorfchrieb, und welchem aud) alle Theile der Natur ge 
horchten. Bloß nach dem Nechte des Stärfern trieb | 
i 


— ⸗ — 
— 


Herkules die Heerden des Geryon weg, Die er weder ge 
Fauft, noch gefchenfe erhalten hatte**), Nicht Unrecht 
thun alfo, wenn man es mit Vortheil thun kann, fon 
dern Unrecht leiden iſt ſchaͤndlich, oder dem erften ewi 
gen 


. 














CE EEE 





%) Diefe Grundſaͤze waren damals fo allgemein, daß bi’ , 
Athenienfifhen Oefandten fie öffentlich fonvohl gegen ' 
die Spartaner als gegen die Melier äußerten, nnd fir 
bie Orundiäze ihres Wolfe ausgaben. Man ſehe Thuc. 

1.76 V. 105. 
) in Gorg. p. 316. 17. 


Geſchichte der alten Sophiften. 101 


Geſeze der Natur zuwider. Männer wählen lieber 
Tod, als ein feben, das nur für Sclaven wuͤn⸗ 
iswerth feyn kann, und worinnen fie beftändige Miß⸗ 
Hungen geduldig über fich ergehen laffen müffen, ohne 

ſelbſt und andern helfen zu Fönnen. 
Mit diefem Naturgeſeze, und diefen Begriffen von 
jt und Unrecht ſtreiten freylich die bürgerlichen Ger 
wodurch Fühne Seelen, wie junge Loͤwen burch 
in gezaͤhmt, und die natürlichen Triebe, oder 
ratärlichen allen Menfchen eingegrabenen Begrif⸗ 
rſtickt, und wie durch Beſchwoͤrungen aus den 
üthern heraus gezaubert werden”), Mach den 
erlichen Gefezen lobt man nur diejenigen ald ges 
, die einem jeden das Seinige geben und laflen, 
tadelt und ſtraft Hingegen folche als Ungerechte, die 
ve beeinträchtigen oder übervortheilen, und ihnen 
Gewalt oder tift das Shrige rauben. Dieſe der 
ur widerſprechenden Geſeze rühren von dem großen 
fen ſchwaͤcherer Menſchen her, die ſich vor den 
Maͤch⸗ 











——— SER Grein 


‚ Callicles ap. Plat. in Gorg. p. 317. AR os 
To nat Quo Tv TE dIKmIE TAUTAY TEAT- 
T801, nu von ma As RATE vouov yeTov TNE 
Qucews. 8 HEV TO ICWS KETE TETOV 0v Nuess 
TıIeueda, mAuTrovres Tas BErTISES nos ep- 
EwuEVESATES Numv auray eu veny Auufavovres 
WITWE ALOVTas, NO HOATERBROOVTES ou Yon- 
Tevovres xaradsAoueda, Acyovres ws To ı0ov 
KEN EX. xcu TETO ESI TO HEA0v Ko dinouov. 
ecy de Ve os Duaw inavnv YErnTos EX,@Vv avre, 
Havra Toure wmorescanevos wos diepenkas 
Ho daduywv HU KATARATNOAS Tos VMETEEO 
YERUKETE Has MRYYOVEUURTE Hol eradas 
KH VOHES TES TREU Ducw ETWTES — KT. N 


198 Sechſtes Buch. Zwehtes Capitel 


Maͤchtigern fuͤrchteten und ſelbſt zu ohnmaͤchtig 
Gewalt zu brauchen und abzuhalten *). Dieſe 
chern Menfchen fahen bald ein, daß Unrecht und Ge 
leiden mit größern Machtheilen, als Unrecht thun 
Vortheilen verbunden fey, wenn man es nicht in fe 
Gewalt habe, das eine zugufügen, und dem andern 
zuweichen. Sie hielten es daher für rathſam, 
einander dahin zu verbinden, daß man weder Un 
und Gewalt anthun, nod) auch von andern leiden 
und dieſer Berabredung oder Vertrage zufolge fi 
an, Geſeze zu geben, und nur dasjenige für R 
etfennen, was mit benfelben übereinjtimmte, und 
dasjenige für Unrecht zu halten, wodurch -fie d 
wurben. Auf dieſe Arc entſtanden die gem, 
griffe von Necht und Unrecht, und bie bürg. 

fege, welche man als Mittelwege zwifchen den 
Bortheilen und Nachtheilen, zwifchen dem 
ungeftraft Unrecht zu thun, und dem 




















*) Tbrafymach, ap. Plat. de Rep. II. 86. 88 p. Edit, } 
fey. }. de Leg. P; 605. & Callicles ap, Pla 


Gorgia p. 316. AR om ol TiJeueva rar 
nes ci aodevess ardenmor ei nos ol wo 
EOS UTBS 8V 04 To MUTOIS GuuDegov, Tas 
vouBs Fıfevro, no TES STeIVES eruacı, Hl 
was Woyas \eyaoı. en.poßavres Te Tas egkin 
peveseoss Tav ayfenrey, zu duveres 0 
Aeov exe, ya un urmy TAEOV EXECU Asybe 
ew os WoXgov nes adınov To TÄEOVERTEN. — 
ayaracı Yag cms vro dv Fo ı0ov 
PavAorego ovres. — 9 de ye osca Ducis au 
amoDavor av, orı Öinesov esı Tov auesva 
XEsgovos TÄEOV EXE, Ko Toy duvararegor 
WAT@TegB. 7 





Geſchichte der alten Sophiſten. 193 


t abzumähren wählte. Man führte fie nicht deß⸗ 
en ein, weil man fie für innerlich oder wahrhaftig 
erfannte, fondern aus Ohnmacht Gewalt zu braus 
I), und aus Furcht von andern gemißhanbelt zu 
den. Kein wahrbaftiger Mann alfo, der in ſich 
t Kraft genug fühlte, ſich gegen einen jeden zu vers 
digen, und einen jeden zu übertwältigen, würbe, ohne 
nd zu feyn, folche Geſeze, wodurch feine Macht eins 
wänft, und er felöft den ſchwaͤchſten und nichtswuͤr⸗ 
en Menfchen gleich) gemacht würbe, freywillig uns 
hrieben haben *); und eben fo wenig wirb ein wahr⸗ 
ger Mann Bedenken tragen, die ſchwachen Feffeln, 
ya von fchlechrern Menſchen angelegt werben, abe 
uͤtteln und zu zerreißen, und alle die elenden Schmies 
en, wodurch man feine Kräfte und natürlichen 
ce, bie eben fo weit als feine Kräfte reichen, einzus 
ken geſucht Sat, mit Füßen zu treten *). Ein 
!, Der fich feiner Ueberlegenheit über andere bewuſt 
wird, fo bald und fo oft er fan, aus dem Zwange 
bürgerlichen Geſeze unter die Frenyheit des Naturge⸗ 
zuruͤck kehren, nad) weldyem der Bortheil des Staͤr⸗ 
Der einzige Maaßſtab der Gerechtigkeit ift T). hr | 
w 





, Glauc. ap. Plat, de Rep. II. p. 88. Erzeı rov duve- 
pevov @uTo Foiew, x ws aANIwE avden, 86 
av Evi more EurdecIas To unre adınev unre 

‚neso9es. mayveorIas ‘yae av. Diefe Brundfäge 
übten Theramenes und Kritias gegen ihr Vaterland 
aus. p. 498. 501. Philofir. Vita Soph. 

) Callicl. in Gorg. Plat. p. 317. loco modo citato, 

) Thrafy. ap. Plat. de Rep. p. 36. Dry yae eyw 

esvors To dınasaov 8X AMD Ti, N To TE KLESTTovos 

EupDeeor. — rer wyasw, wBßeArıse, 0 Ayo, 


Zweyter Band. N sr 


194 Sechſtes Bud. Zweptes Eapitel. 


wird bald erfennen, daß der Mächtigere und Be 
nicht um des Schwächern und Ohnmaͤchtigern, fonl 
daß diejer um jenes Willen da fey: daß die Matur 
dazu beitimmt habe, andere aus eben den Gründen 
beherrichen, aus welchen Hirten und Schäfer ihre H 
den warten und meiden *): daß endlich vie willfär! 
bürgerliche Gerechtigfeit demjenigen, der fie beoba 
nachtheilig, und Ungerechtigfeit hingegen 
der fie ausübe, vorrheilhafft fen **); und daß es 
Thorheit, oder Schwäche und Furcht verrathe, m 
man fich jener forgfältig befleißigen, und dieſe hing 
vermeiden wolle T). 

Recht thun, ober die Beobachtung der buͤrgerli 
Sefeze, fuhren fie fort TF), iſt mit fo vielen Nachthe 





Ev BAOUS Tous MoAecı Tourey esvo Öm 
To ıns naIesyruias aexns EuuDeeor. 

®) id. ib. p. 48. Kascn nu Tas 2v TUus ode 
xovræc, ol ws aANdas wpxscn, aRms 
myn diasvossogas EOS TES KEXOMEVES 7 X 
av vis neos meoßare dıareden. Vide e 
Menon, Plat. p. 335. 

es) id. cod. libr. p. 50. — — 1 de adınıe ru 
Tıov Koi eye Tav ws wAnNIms Eumdncam 
Ru dixmiav. ol de aexomevo rosa To ex 
EumDegor, KEEITTOVOE OTos, Xocı eudacs, 
ERESIOO TOIBOW &c, 

}) Glauc. ap. Plat. de Rep. I. 108. — Twy 'ye 
Awv wdess Enwv Öimasos. aM umo ayoerdeıces 
mens, n Twos ans aoderesas, \Veyei 
adınev, wdurarav wuro dev. 

t}) Thrafymach, ap. Plat. I. so p, de Rep, ib. p. 64. 
Glauko, der nach der Art und den Muſtern ber Si 


| Geſchichte der alten Sophiſten. j 195 


‚Ungerechtigkeit, oder die Uebertretung derſelben mit 
roßen Bortheilen verfnüpft, daß kein Menfch von 
mdern Berftande von freyen Stuͤcken und ungezwun⸗ 
das eine der andern vorziehen kann. Wenn man 
e dem Öerechten und Ungerechten bie Freyheit ließe, 
zu thun, was fie wollten, fo würde man bald fins 
„daß ein natürlicher Trieb, oder die allen Menfchen 
epflanzte Begierde, ſich beffen zu bemächtigen, was 
gut fcheint, fie bende zu demfelbigen Ziele, und zus 
klbigen Ungerechtigfeiten führen würde. Man 
ne an, daß es zween folcher Ninge gebe, dergleichen 
Stammvater des legten Geſchlechts der Lydiſchen Kd⸗ 
befeffen haben foll, wodurch er fich unfichtbar mas 

Fonnte, und fich auch wirflich des Throns ſowohl 

her Gewalt des damals regierenden Könige bemaͤch⸗ 
. : Man feze ferner voraus, baß der eine von bier 
Zauberringen einem gerechten, und der anbere einem 
mechten Manne übergeben werde; und frage fich 
am, ob man fich irgend einen Menſchen fo felfens 
, oder als einen fo eifrigen unbeweglichen Berehrer 
Berechtigfeit denken fonne, daß er nun, ba er un⸗ 
aft und unbemerkt erfcheinen und nehmen fönne, 
und mas er wolle, noch immer fich von fremden 
ern und ungefesmäßigen Handlungen enthalten follte. 
an aber aud) jemand bey einer uneingefchränften Ges 
“alles zu thun, was ihm beliebte, den Gefezen der 
echtigfeit treu bliebe; fo würde ein folcher gewiß von 
Menſchen insgeheim für ven Thörichtften und Elen⸗ 
n aller Sterblichen erfannt werden, wenn fie ihn 
h aus Furcht durch Ungerechtigfeit Schaden zu neh⸗ 
Na mien 


ERSSHREIEEDEEDEETE 











ſten eine Lobrede auf die Ungerechtigkeit haͤlt, um den 
Sokrates zu einer genugthuenden Widerlegung zu zwin⸗ 
gen. U. de Rep. p. 88. & fq. Ed, Maſſ. 


196 Sechſtes Buch. Zweytes Capitel. 


men oͤffentlich mit den größten Lobſpruͤchen uͤberhaͤu 
Noch beffer aber, ald aus diefer Erbichtung, koͤnne 
die Bortheile der Ungerechtigfeit, und den Schade 
Gerechtigkeit wahrnehmen, wenn man das Seben 
die Schickfale eines vollfommen gerechten, und ı 
höchft ungerechten Mannes mit einander zufan 
halte *). Man nehme alfo einen Mann an, da 
eben fo großer Meifter in der Ungerechtigfeit fen, af 
größten Mahler, Bildhauer und Aerzte es in ihren! 
fen und Wiffenfchafften find. Er Habe Scharfiin 
nug, das Mögliche und Unmögliche, das Sichere 
Gefährliche zu _unterfcheiden, und wage fich nu 
folche Unternefmungen, von denen er einen glüdl 
Ausgang hoffen kann. Bey den größten Beträgen 
und Lingerechtigfeiten wiffe er fid) den chen d 
techtfchaffenen und tugendhaften Mannes zu geben, ı 
wenn er auch biöweilen einen Fehltritt macht; fo. 
er die Geſchicklichkeit, einen folchen Fehltritt gleich 
der gut zu machen: fo ſey er mit fo vieler Per 
feit, Muth und Stärke ausgerüftet, und mit fo 
Freunden und Gluͤcksguͤtern umgeben, daß er eine 
den nachtheiligen Eindruck gleich wieder auslöfchen, ı 
auch mit Gewalt über Gefege und Feinde fiegen kann. 
Diefem Ideale eines boshaften ungerechten Mannes 
man nun einen edlen und tugendhaften aber ſchlit 
- and einfältigen Mann entgegen, der die Tugend 
ihrer felbft willen liebt, und nicht gerecht ſcheinen, 
dern wirklich ſeyn und bleiben will, Man ziehe 
nicht nur allen Schein von Gerechrigfeit aus, ix 
man erfahre, ober der Gerechtigkeit auch um ihrer fe 
und nicht um ber Vortheile willen anhänge, die fie 





*) de Rep. I. So p. Il. 94. & fq, Ed. Mail, 


| Seſchchte der alten Sophiſten. 197 


ſen verſchafft: ſondern man gebe ihm zugleich den 
bein von Ungerechtigkeit, damit man ihn prüfe, ob 
nicht durch einen böfen Namen erſchuͤttert werde, 
>06 er Stärke genug befize, der Tugend bis in den 
b unmandelbar treu zu Bleiben. Nenn man nun 
m folchen Serechten mit dein vorher gefchifverten Boͤ⸗ 
icht vergleicht; fo kann man kaum fragen oder zwey⸗ 
I). voelcher von beyden der Gluͤcklichſte ſey. ‘Der Ger 
He, der aber durch den Schein von Lngerechtigfeig 
Helle ift, wird gegeißelt, gepeinigt, gefeffelt und ver» 
mmelt werden; und wenn er unter den größten Mar⸗ 
8, mie Wunden und Schande uͤberdeckt, gleich einem‘ 
Hierhäter feinen Geiſt aufgibt; fo wird er zu fpät ers 
gen, daß man nicht gerecht zu ſeyn, fondern gerecht 
ſcheinen fuchen muͤſſe. — Der Ungerechte hingegen 
Ed durch Den Schein der Gerechtigkeit, in weichen er 
e meinen Nebel eingehuͤllt ift, zu den erfien Würden 
Ge Baterftadt erhoben werden. Er wird heirarhen 
mu, welche er will, feine Kinder ausftatten, und 
umgeben fünnen, an und mit welchen er will. 
Dad er fich dor Feiner Ungerechtigkeit ſcheut; fo wird er 
& durch Lift oder Gewalt über alle feine Widerſacher 
ken, und bey allen Gelegenheiten über ben Gerechten 
& Bortheil gewinnen. Wenn öffentlidye Auflagen 
ʒ Beytraͤge bezahle werben follen, fo wird er weniger 
en, als der Gerechte, und wenn hingegen Austheis 
gen gemacht werden, wird er fich einen groͤßern Vor⸗ 
dal der Gewiſſenhafte zu verfchaffen wiffen. Ver⸗ 
Itet er öffentliche Aemter, fo wird er diefe nicht nur 
ſich, fondern auch für feine Anhänger nuzen, und 
efich um defto fefter verbinden, anſtatt daß der Ges 
fe über der Beforgung der allgemeinen Wohlfart feine 
in Angelegenheiten vernachläffigen, und durch feine 
tenge felbft feine weniger uneigennüzigen Freunde jich 
jeinden machen wird. — Vielleicht jage man, daß 
N 3 —es 


308 Secchſtes Buch. Zweytes Eapitel. 


es unenblich fehmer fen, fange ein Boͤſewicht zu fe 
ohne für einen folchen erfannt zu werden. Allein Hi 
Tonne man antworten, daß freylich eine ununterb 
Aufmerffamfeit, und eine beftändige Anftrengung 
erfobert werde, Ungerechtigfeie unter dem Scheine 
Gerechtigkeit zu üben. ‘Daß aber auch) Feine große 
ternehmung leicht fen, und daß man fich daher 
laſſen müffe, die Gluͤckſeligkeit mit einiger Mühe zu 
Faufen. Der Uingerechte laſſe fich aud) nicht durch 
Gedanken beunruhigen, daß er zwar Menfchen, : 
Doch nicht Görter überliften und überwältigen koͤnn 
Entweder gebe e8 gar Feine Götter, die fich um die 
gelegenheiten der Menfchen befümmerten; ober 
folche gebe; fo zeige Die Erfahrung, daß fie nick 
thenifch für Die Gerechten, oder wider bie Unzgerech⸗ 
eingenommen feyen, indem fie die leztern oft mit « 

Gütern des Glücks überhäuften, und die erften;” 
fich für ihre tieblinge hielten, Im äuferften Elende 
ſchmachten ließen. Ueberdem fängen ja die & 

Dichter, und fehrten noch immer heilige und gott 
lige Männer, daß ‘man durch reiche Gefchenfe 
Dpfer Die Gnade der Götter gewinnen und ihren 
befänftigen, ja Daß man durch die Einweihungen ia 
voiffe geheimnißvolle Feſte unter Freuden und Gefarg! 
Schuld aller Sünden tilgen, und die frobe 
einer feeligen Ewigfeit erlangen Fonne. Der Un 
brauche alfo nur einen Theil feines unrechtmaͤßig 
benen Guts herzugeben, um fich die Gewogenheit 
Götter, wie die Freundfchafft ver Menfchen in end 
hoͤhern Grade zu erwerben, als der ärmere Gerechte 
jemals zu erlangen fich ſchmeicheln koͤnne. | 



























”), pP. 96. 102.| 106, ap, Plat, de Republ, 





gb 





Geſchichte der alten Sopfiften 199 


Wenn aber jemand nach allen diefen Betrachtun⸗ 
ı noch zwenfle, ob das after vortheilhafter als bie 
gend, und 0b das Weſen der leztern dem Schein 
felben vorzuziehen fen; ber dürfe endlich nur beden“ 
f, daß die größte unter allen Lingerechtigfeiten,,. vi 
valtfame Unmaßung einer unumfchränften Gewal. 
äinem Srenftaat, denjenigen, der fich ihrer ſchuldig 
ſche, zum gluͤcklichſten, und Diejenigen, an denen fie . 
zgeuͤbt werde, zu ven unglücklichften Menfchen mache. 
n Tyrann raube nicht heimlich, oder im Kleinen, ſon⸗ 
n er plündere auf einmal und mit offenbarer Gewalt 
sohl Menfchen als Götter, ſowohl heilige- als unge 
ihte Mäze und Wohnungen; und ungeachtet er allein 
e diejenigen Verbrechen begehe, um berentwillen Tems 
einher, Diebe und Beurelfchneider geftraft würden, 
‚abe man ihm dod) feinen dieſer verhaßten Namen, 
wen man nenne und preife ihn allgemein gluͤckſee⸗ 
8) Polus, ein Schüler des Gorgias, fpottere der 
des Sofrates, weil dieſer Bedenken getragen 
I, den König von Mafevonien, Archelaus, gluͤck⸗ 
mdheißen. Archelaus fcheint dir alſo wohl hoͤchſt 
(feägt er fehr beißend den Achenienfifchen Weiſen) 
Her, der eigentlich ein Selave des Alfetas war, und 
Bm er ein rechtfchaffener Mann gewefen wäre, auch . 
Ye hätte bleiben müffen, weil dieſer zuerft feinen Oheim 
breflen Sohn, und nachher feinen leiblichen Bruder, 
ſchem die Erone gebührte, heimlich hinrichten ließ. — 
möglich Fannft du, fezt er hinzu, irgend einen Athe⸗ 
nfer,, dich felbft nicht ausgenommen, für ſo unfinnig 
ten, lieber das Loos eines jeden andern Mafed oniers, 
das des glücklichen, wenn gleid; ungerechten , Arches 
— M 4 laus 





m - 





*) Thraf, ap, Plat, p. 50, 52. I. dc Rep, * 


200 Sechſtes Buch. Zweytes Eapitel, | 


laus zu wählen”. Mit folchen Lobreden auf 
rechtigfeit, und folchen Erhebungen der Bortheile 
tafters, und ber Gluͤckſeligkeit der tafterhaften, 
berte oder betäubte nicht nur Thrafymachus, fi 
alle übrige Sophiften die Ohren der Griechiſchen 
linge "*). Ä j 
Gleichwie nun die Sophiften die uneigennüzige 
gend für Thorheit, und die bürgerlichen Geſeze für 
tend mit den Gefezen der Natur erklärten, ſo gl 
und lehrten fie auch, daß Maͤßigkeit und Enthaltfa 
Seindinnen des Vergnägens , und ben Borfehriften 
gefunden Bernunft enrgegengefezt feyen T). Ihren Am 
ſpruͤchen zu Folge beftand bie wahre Kunſt zu leben darin 
fich fo viele Begierden und Beduͤrfniſſe als möglich 
verfchaffen, und diefe, fo viel man fünne, zu 
und zu entzünden; und die wahre Gluͤckſeeligkeit ia 
Sättigung aller diefer gereisten Begierden, und im 
nuſſe aller finnlichen Bergnügungen, welche die mem 
liche Natur nur faflen und ertragen fünne. Wenn zu 
Klugheit, Much und Stärke befize, fo werde es ẽ 
nie an Mitteln fehlen, eine jede Begierde und ug 
befriedigen, deren unbegränzte Sättigung man 
eben dem Unvermögen für unerlaubt und fchändlidy 
Härt, aus welchem man die Gerechtigkeit als eine $ 
gend empfohlen Habe. Mit Necht wuͤrde man Könkg 
föhne, die von ihren Vorfahren die Macht geerbt Hi 
a 










®) Plat. in Gorg. p. 312. 

®°) TIoAv yae wuesvov ap oT8 adına n 6 Ta dına 
Bios, ws Arysow. era norye, @ Ccxocre 
arı 8 dones ETWS. Topw nero, dıaredouk 
HEVOS TE WIE, KEY ÖEATUuauxE Kos ugh 
oRmv. Glauc. ap. Plat. de Rep. Il, 86 p. 

V Callicles ap, Plat, in Gorg, p. 320. 


Geſchichte der alten Sophiſten. aoı 


‚, eine jede auffteigende Begierde mit Dergnügen bes 
edigen zu koͤnnen, ober auch foldye Männer , die fich 
‚gleichen durch ihre eigenen Tugenden erworben, eines 
werzeihlichen Wahnfınna befchuldigen, wenn fie fich 
a geundlofer Bedenklichkeiten willen den ſich darbieten⸗ 
u Vergnuͤgungen entziehen, und ba, wo fie allein 
peſchten, einen eigenfinnigen Herrn, nemlich die Ges 
", oder das Gerede ihrer Mitbürger, auf ihren Na⸗ 
fen wollten. Nur ſchwache und elende Seelen 
entweber einer eingebildeten Tugend zu gefallen, 
auch Durch leere tarven der Schande und des Ges 
Bhts geichrecft, ihre Dergnügungen den Bortheilen 
Wberer aufopfern, da die Bernunft einen jeden, ver 
e gebrauchen wolle, überzeuge, baß die Gluͤckſeeligkeit 
kin in einem vollen beftändigen Genuffe der lebhafteſten 
reden beftehe, daß Maͤßigkeit und Enthaltfamfeic 
te Wörter und Erdichtungen unverftändiger M | 
en, und daß eine unnatürliche Einfchränfung der Der 
den, oder die gepriefene Genuͤgſamkeit ven Menfchen 
ner Beſtimmung zuwider in den Zuftand eines Steine 
eſeze, oder bis zur Gefühllofigfeit von Leichnamen her 
—2*— — Den ſolchen Behauptungen kann man 
en Tadel des Sokrates nicht anders als gerecht finden, 
venn er die Philoſophie der Sophiſten eine Schmeichle⸗ 
fm der Begierden nennt, wenn er fie mit der Koch⸗ 
ft, und der Kunft des weichlichen Äbertriebenen Pus 
es vergleicht, und von ihr fagt, daß fie durch ihre 
igen verführerifchen Lehren die Seele des Mienfchen 
ben fo, wie dieje burch Leckereyen und Schminfe ven 
oͤrper verberbe ”). \ 








N5 Dieſen 








) in Sophifte p. 100. in Gœg. p. 309. 











202 Sechſtes Buch. Zweytes Eapitel, 


Diefen bisher, befonders ben zufezt angeführt 
Grundſaͤzen, feheint die berühmte Erdichtung zu wi 
fprechen, die Prodifus zuerft in feinem Werke uͤber! 
Herkules, oder über die Tugend, vortrug, undedie # 
nophon ihm in einer fo unbefchreiblic) fügen Sprach 
nacherzähle hat, daß ich es für unmöglich halte, vieleg 
tieblinge der Attiſchen Mufen in einer jeden anbei 
Sprache nahe zu fommen *). Als der junge Herku 
(fo dichtete Prodikus, und erzählt Renophon) fich de 
entfcheidenden Alter näherte, in welcher Tünglinge fi 
zu verrathen pflegen, ob fie ven Weg der Tugend ode 
des Safters betreten wollen, ging er einftens an eim 
einfamen Ort, um in der Stille barüber nachzubenfen‘ 
weichen von beyden Wegen er zu wählen härte. Ze’ 
biefem Zuftande von Ungewißheit erſchienen ihm zwo un⸗ 
befannte weibliche Geſtalten. Die eine war ſchoͤn un 
edel von Anfehen, und harte, außer einem weißen Ge 
wande, womit fieangethan war, feinen andern Schmud, 
als eine einnehmende Verſchaͤmtheit, die aus einem pr 
den Blick ihrer Augen ſanft hervorfchimmerte, als em 
reizende Defcheidenheit, die über ihre ganze Perfon ver 
breitet war, endlich als eine unbeflecfte Neinigfeit, de 
aus allen fichtbaren Theilen ihres Leibes herworleuchtete, 
Die andere hingegen war wohl genährt, und alle ihre 
Gliedmaßen waren mit weichem Fleiſche und Fette über 
goffen. Ahr Angeficht hatte eine jo blendende Weiße, 
und eine fo lebhafte Nüthe, daß beyde nicht Geſchenke 
ber Natur, fondern Wirfungen der Zunft zu ſeyn ſchie⸗ 
nen. Ihre Kleidung war prächtig und glänzend, ihee 
Augen feurig, und wie nach allen Seiten gedffnet, umb 
ihre Stellung gerader, als fie von Natur zu feyn Peg 





*) Memorab. Socr. IL I. 





Geſchichte der alten Sophiſten. _ 203 


Sie überfchaute ſich ſelbſt Häufig mic innerlichem Wohl⸗ 
fallen, gab Achtung, ob fie auch von andern bemerkt 
ürde, und blickte auf ihren Schatten mit fichtbarem 
ergnoͤgen hin. 

As diefe beyden Weiber dem Herfules nahe famen; 
pet die erftere denfelbigen Gang, den fie vorher ges 

hatte; die andere hingegen befchleunigte ihren 
chritt, um ihrer Gefährtinn zuvorzufommen. ie 
e dem Herkules zu, und redete ihn fogleich in folgen« 
ı Morten an: ich fehe, junger Mann, daß du zwey⸗ 
yaft bift, welchen Weg des Lebens du wandeln follit. 
enn du mic) zu deiner Sreundinn und Führerinn ers 
hiſt; fo will ich dich den leichteften und fanfteften 
ad führen. Nichts Süßes, und fein Vergnügen foll 
ı dir ungefoftet bleiben, und du follft dein teben end» 
 befchließen, ohne Schmerzen und Befchwerlichkeiten 
ahren zu haben. 
Zuerſt follft du dich weder um Kriege und Kämpfe, 
h um mühfelige Gefchäffte befümmern. Deine ein» 
» Sorge foll diefe feyn, zu unterfüchen, welche Ges 
nfe und Speifen deinen Gaumen am meiften kizeln, 
(che Tone und Melodien beine Ohren am meiften er 
en, und welche Gerüche und Neize beine Nafe, und 
n ganzes finnliches Gefühl am meiſten erfreuen wer⸗ 
ı? wie du ferner am füßeften lieben, am weichlichiten 
lafen, und am ungeftörteften in einer üppigen Muße 
yin leben Fonneft ? 


- Wenn dir aber je ein Verdacht auffteigt, daß alle 
fe Sreuden und Güter vielleicht einmal unterbrochen 
rden oder gar verſchwinden koͤnnten; fo faß Did) ja 
he von der Furcht bemeiftern, als wenn ich dich je 
18 nöthigen würde, durch peinliche Anftrengungen 
Leibes und der Seelen die verlornen Secligfeiten wies 
zu erfaufen. Dein Loos foll diefes ſeyn, das zu ges 

nießen, 


v 














204 Sechſtes Buch. Zweytes Eapitel, 


niegen, was andere erwerben, und bich alles 
zu bemächtigen, was deine Vergnuͤgungen und 
theile befördern fann. Ich feze meine Freunde. 
Stand, Feine ihnen günftige Gelegenheit ungenygt 
beygehen zu laſſen, und ihre Gluͤck nach allen Selen ki 

zu erweitern und zu befeftigen. or 
Als Herkules diefes hörte; fagteer: Weib; 

aft du für einen Namen? und fie antwortete: 
—*— nennen mich Gluͤckſeeligkeit, diejenigen aber, 
mich haſſen, belegen mich mit dem verlaͤumderiſchen 
men des Laſters oder der Bosheit. | 


| MWährend diefer Unterredung fam die andere weibe 

fiche Seftalc herbey. Auch ich, redete fie den Herkules 
an, junger Mann, trete zu bir, weil ich diejenigen, 
die dich erzeugten, Fenne, und deine Natur und Anles |, 
gen, bie du bisher gezeigt Haft, erforfcht Habe. As: 
benden faſſe ich gegründete Hoffnung, daß dur, wenn 
bu meinen Weg betreten wirft, ein Vollender vieler ſcho⸗ 
nen und großen Thaten werden, und felbft mich und 
meinen Namen ruhmvoller und ehrwürdiger machen; } 
werbeft. Ich will dich aber nicht durch berrügliche und. 
fehmeichelnde Vorreden hintergehen, fondern alles tu | 
und aufrichtig erzählen, was bir bevorfteht, und was: 
du von mir zu erwarten Baft. 

Bon allem, was wahrhaftig ſchoͤn und gut iſt, ger 
ben die unfterblichen Götter den Menfchen nichts ohne 
Mühe und Arbeit; fondern wenn du dir bie Gnade der 
Götter erwerben willft, fo muft du ihnen die gebührem : 
de Ehre geben. Willft du von deinen Freunden geliebt 
werden; fo muft du dich durch Sefälligfeiten und Wohle ' 
thaten um fie verdient machen. Oder denkſt bu die Hoch⸗ | 
achtung deiner Vaterſtadt oder des ganzen Griechenlam ' 
des zu erwerben ; fo muft du deinen Micbürgern oder 
auch allen Griechen wichtige und erfprießliche De zu 

leiften 


Geſchichte der alten Sophiſten. aos 


ten fuchen. Iſt es deine Abſicht, von deinem Acker 
de Früchte zu ſammlen, oder durch Biebzucht ein 
He Bermögen zu erhalten; fo muft bu nothwendig 
ne Felder und deine Heerden warten. Haft bu es bie 
rgeſezt, im Kriege Ruhm zu erwerben, und bie Macht 
erhalten, Freunde aus der Knechtfchafft zu befreyen 
d Feinde in Knechtſchafft zu bringen; fo bift .An ger 
higt, die Künfte des Krieges zu lernen, und auszu⸗ 
n. Wuͤnſcheſt du endlich, Stärfe, Sefundpeitggan 
merhaftigfeit des Leibes zu erhalten; fo Fannft dueß 
t anders, ald wenn du unter Schweiß und Mühe 
en Körper unaufhörlich uͤbeſt, und ihn: gemöhnft, 
er Seele gehorfam zu feyn. - 

Hier fiel, wie Prodikus erzählte, das laſter ber 
jend in die Nede, und fagte zum Herkules: du hörfk 
g lieber Juͤngling, welch einen rauhen und langen 
d zum DBergnügen biefe dich führen will. Ich bins 
ns babe die Abficht dich auf einem leichten und kurzen 
ge zur wahren Slückfeeligfeit hinzubringen. 

Was Fannft du, o Elende, fuhr hierauf die Tu⸗ 
» fort, für Güter befigen, ober für Bergnügungen 
ähren, da du nichts von alle demjenigen chun 
ſt, wodurch fie allein erworben werden? Du erwar⸗ 
nicht einmal die auffteigende tuft, fondern ehe noch 
Begierde fich regt, überfüllft bu did) mit Freuden, 
beine Natur nicht verlangte, und gwingft ihr Suͤ⸗ 
eiten auf, die nicht angenehmen Reiz, ſondern Ekel 
Wiperwillen Hervorbringen. Du ißt, ehe dich hun _ 
, unb trinfft, ehe dich durſtet; und damit du Doch 
Vergnuͤgen fpeifen und trinken mögeft, fchaffit bu 
Funftreiche Köche und Foftbare Weine an, beren 
hlſchmack du durch mühfam gefuchten oder erhalter 
: Schnee zu erhöhen ſuchſt. Um bir einen füßen 
hlaf zu bereiten, legſt du dir nicht nur weichliche 
ſſter, fondern auch üppige Geſtelle unter, indem du 
den 


\ | 


206 Secchſtes Buch. Zweytes Capitel. 


den Schlaf nicht zur Erquickung von der Arbeit, 
dern aus Langeweile ſuchſt. Selbſt die Freuden der 
be genießeſt du nicht, wenn ein natürliches Beduͤr 
dich dazu auffodert, fondern durch einen erfünftı 
dder gewaltfamen Reiz gefpornt, und alsdann if 
dir ainerley, ob du fie den Abfichten der Natur gen 
udersignen zuwider genießeft. Auf diefe Art ziehſt 
mißhandelſt du beine Freunde, indem du fie die N 
chändeft, und die beften Stunden des Tages 
fen machft. 
" .. Ungeachtet bu eine Unfterbliche bift; fo haben 
doch die Götter ausgervorfen, und du wirſt auch 
guten Menfchen gehaßt. Du Haft niemals bie lieh 
fte Mufif, die nur die Ohren von Goͤttern und I 
fchen ergözen kann, naͤmlich verbientes Lob, gehört: 
haft auch nie das Schoͤnſte unter allen Schaußie 
nämlich eigene gute Thaten, gefehen. Wer hat jen 
deinen Worten getraut, jemals beine Bitten gehl 
oder auch jemals bey gefunden Verſtande gewuͤnſcht 
beine Notte aufgenommen zu werden, bie aus Im 
ſchwachen erfchöpften Juͤnglingen und Männern, oder 
Findiichen Greifen befteht * Denn alle deine Berd 
eilen fehnell, über die von ihnen gejagten Jahre,! 
über Die zufammengebrängten Freuden der Jugend | 
und gehen ehe fie ſich's verfehen, ins traurige A 
über, wo ſie von allen DBergnügungen verlaffen, | 
von den aufgehäuften Beichwerlichfeiten aller teh 
ftuffen niedergedruͤckt werden. | 

Sch hingegen bin eine Gefellfchaffterinn der Gi 
und eine Sreundinn und DBegleiterinn guter Mienfl 
Mich ehren und fchäzen Götter und Menſchen; 
Kuͤnſtlern bin ich eine geliebte Gehuͤlfinn, den Hau 
tern eine treue Hüterinn, den Hausgenoflen eine gi 
Vorgeſezte. Am Frieden bin ich eine nüzliche Thel 
werinn von Gefchäfften:: im Kriege eine zuoerl 





Gecſſchichte der alten Sophiſten. 207 


kaͤmpferinn; und in der Freundſchafft die beſte Ge⸗ 
nn. — Nur meine Freunde haben einen wahren 
ruhigen Genuß der Vergnuͤgungen, welche Speife 
Trank verſchafſen. Sie fehlafen füßer, als die 
gen, die feine Ruhe durch Arbeit verdient haben, 
find nicht verdrieglich, wenn ihr Schlummer uns 
rochen wird , und unterlaffen feinetwegen niemals 
häffte und ‘Pflichten, die verrichtet und erfülle wers 
muͤſſen. Sünglinge und Männer erfreuen fich über 
ob, was ihnen die Alten geben; und die Alten uͤber 
Ehrfurcht, welche ihnen die Züngern erweifen. Sie 
nern fich mit Vergnügen ihrer ehemaligen Thaten, 
ergoͤzen fich noch immer über das, was fie noch jezo 
thun vermögen, weil fie durch mich. den Göttern 
td, ihren Freunden eheuer, und ihren Baterftädten 
chrungswuͤrdig find, Wenn endlich ihre lezte Stuns 
heben kommt; fo fallen fie nicht ruhmlos in die Sins 
ve des Grabes, fondern blühen in dem danfbaren 
weten aller nachfolgenden Geichlechter , und leben 
“in den Gefängen der Nachwelt fort. — Aller dies 
Seeligkeiten Fannft auch du, Herfules, den gute 
dedle Eltern erzeugt haben, theilbaftig werben, wenn 
das thuſt, was ich dir befohlen habe. — So ſchil⸗ 
tei(fagt Sofrates beym Zenophon) Prodifus die 
t, wie die Tugend den jungen Herfuled zum Guten 
über habe ; er ſchmuͤckte aber ihren Unterricht noch 
t weit prächtigern Gedanfen und Worten aus, als 
bon mir gehört habt. — 

Wenn man diefe eben fd lehrreiche als ſchoͤne Fi⸗ 
M des Prodifus gelefen at; fo kann man leicht ges 
}t werben zu glauben, daß Sofrates und feine Schuͤ⸗ 
den Sophiften Unrecht gethan, und ihre Meynun⸗ 
verdreht, oder daß mwenigftend Prodikus beffer, als 
e Brüder gebacht und gelebt habe. Man Fommt aber 
) von diefem günftigen Vorurtheile zuruͤck, wenn 

man 


208 Sechſtes Bud. Zweytes Eapitel.. 


man erfährt, daß die Fiction des Prodifus eine vo 
nen Prunfreden war, mit welchen er in allen Gi 
fchen Städten herumzog, und alle Bölfer gleic, ı 
Orpheus und Thamyris bezauberte *): daß er di 
gend nicht als tehrer, und im Ernfte, ſondern als 
clamator und aus Gewinnſucht empfahl, um ba 
reiche Nünglinge an fich zu locken **): und daß er 
lich den Herrfchenden Laſtern feiner Zeit, dem Gell 
und dee Wolluſt noch mehr als die äbrigen Sopl 
ergeben gewefen ſey). Prodikus war nicht der eiı 
der durch fehöne tobreden auf Tugenden oder große 
den ſich Reichthuͤmer und allgemeine Bewunderun 
warb. Auch SGorgias ermahnte die Griechen ati 
Pythiſchen und Olympiſchen Spielen zur Eintr 
and zum Kriege wider die Barbaren 7); und Hk 
ſchilderte die Gefchlechter und Thaten der Helden, 
anderer berühmten Männer des Alterthums, obe 
Gründungen von Pflanzftäpten, oder endlich bie n 
Rathſchlaͤge, welche Meftor dem Neoptolemus nar 
Eroberung von Troja gegeben habe, um ihn zur 
gend aufzumuntern T}f). Weil die einzige Aſich 
Sophiften war , bie Öriechen in ein lebhaftes Ste 
über die Macht ihrer Beredſamkeit zu verfezen und 
und Beyfall zu verbienen FFF); fo wählten fie den 








®) Philoft, de vit. Soph. p. 482. 83. 
°*) p. 496. Philofl. Plac. 346. 
un*) Ib, ' 


+) Philofl. 493 p. 
. 9 Plat. in Hipp. Maj. p. 847. 
+14) Iſoer. in Helen, Encom, II, 116. 1IY. Ad 
8devos autos as KEAE, TFA TE En 
Ceodas Tage Tay venregay. — Er Yaga 


Gecſchichte der alten Sophiſten. 209 


we Neben nad) dem Gefchmac ihrer Zuhörer, und 
hteten ihre Declamationen nach den Geſinnungen ders 
gen ein, die fie gewinnen wollten. In Theben und 
varta ergoflen fie fich in Lobeserhebungen der Tugend, 
# tugendhafter Männer, weil fie wuſten, daß nur 
khe tobreven den Einwohnern diefer Städte gefallen 
den. In Uchen hingegen breiteren fie fid) über bie 
mi der Arınuch und der Verweiſung, oder über 
großen Borzüge der gemeinften geringfügigften Gegens 
aus *), weil fie bemerfe harten, daß man durch 
Deelamationen die Ohren der Achenienfer am leich⸗ 
gewinnen Fonne. Kaum alfo brauche ich noch 
jegen, daß man die Örundfäze der Sophiſten 
kht nach dem Inhalte ihrer ſorgfaͤltig geſchmuͤckten, 
u nur für gewiſſe Zuhoͤrer ausgearbeiteren Prunfreben 
ietheilen dürfe. 
- Aus eben den Pemwegungsgründen, aus welchen bie 
aien über große und kleine, über nuͤzliche und ſchaͤd⸗ 
Keßegenftände declamirten, frieben fie aud) die Kunſt, 
Ik heno entweder mit ihnen erfand, oder auch von ihr 
mannahın : die Kunſt, ‚alles, felbft entgegengefezte 
Big, unmittelbar hinter einander zu vertheidigen, und 
in befiteiten, die unleugbarften Wahrheiten ungeriß, 
md die größten Ungereimtheiten wahrfcheinlich zu mas 
ben; endlich andere durch beftändige Fragen in die läs 
herlichſten Widerfprüche zu verwickeln, oder auch durch 
Infttiche und ihnen unauflösliche Trugfchlüffe zu vers 
irren, fich felbft Hingegen durch aͤhnliche Sophifmen 
„un⸗ 





— 





— — 
.. c 
x Iuunaromuias ETW dienesuevor diaTe- 
Agcı. 
) Iſoer. I, e. p. 112. 119. 


Zweyter Band, > 


10 Sechſtes Bud. | Zweytes Capitel. 


„unuͤberwindlich machen zu koͤnnen *).“ Dieſe 
Sophiſtik, oder Streitkunſt wurde in Sriechenlandg 
glaublich bewundert, fo oft und glücklich auch Sofre 
Piato und Iſokrates bewiefen, daß, fie nur ein 









:*) So habe ih 1 Band 74 ©. die Dialeftif des Senn, 
klaͤrt, und ich finde gar Feine Urfache, jezo, M 
von der alten Sophiſtik rede, das geringfte darim 

verändern. Iſokrates nennt dieſe Kunſt Aoyas agı 
L. ad Nicoclem p. 79. und diejenigen, die fie Ice 
avrı\oyinos; Plato hingegen nennt fie bald auf 
sıen p. 102. Soph. bald zassınn, niemals d 
Dioererrıun , welchen Namen fie nachher erhielt, 4 
wohl auch Ariftoteles die Sophiſtik von der Disld 
unterfcheidet. Metaph. Y. B. p. 52. Plate dakı 
tag. 297. und Iſokrates Hel. Encom. II, 115. nem 
den Protagoras und die übrigen Sophiſten ale die 
fin, melde die Kunft alles zu beftreiten und zu u 
theidigen gelehrt, und für ihren Unterricht fich kit 
bezahlen laſſen; und mit diefen Zeugniſſen film 
Diogenes IX. 51, oder ber Schriftfieller, dem er 
folgte, überein. Ariſtoteles hingegen und der eben 
nannte Diogenes von Laerte Sext. VII. 7. & ibi Pal 
gaben den Zeno für ben Erfinder der Dialektik a 
Bielleiht kann man diefe Schriftſteller mit einek 
vereinigen, wenn man fagt, daß Arifioteles unter 
Dialektik, deren Erfindung er dem Zeno zuſchti 
hauptſaͤchlich die Kunſt eigentliche Trugſchluͤſſe zu | 
den verflanden,, und hingegen Sophiſtik in einer ebe 
weitläuftigen Bedeutung, als ich dem Morte gegeh 
genommen habe. "Ariftoteles gibt ihr fünf Hauptſtͤ 
de Soph. Elench. III, c. 3. Ilewrov de Anz 
Too Soxalovras 08 Ev Tois Aoyoss ayanı 
Mevo nos din DsAovessavres. €101 de TAUTa m. 
Te rov aeıduov, EAEYXos, nos \Veudos, x % 
ex og, Ks TOAOKITMOS, Kos WERTET, 
70 











 Geflhichte der alten Sophiſten. 211 


veig ber ſchon lange bekannten Kunſt zu gaukeln ſey *), 
ß ſie nicht nur gar keinen Nuzen ſchaffe, ſondern 
ch den Verſtand junger Leute verderbe, und ſie von 
ſtlichen und wichtigen Arbeiten abziehe *”), ja daß 
‘auch lange fo ſchwer nicht fey, als fie feheine. ſon⸗ 
a daß fie einem jeden mirtelmäßigen Kopfe leicht mas 
', mic ihr zu glänzen, da fie faft ganz allein in laͤcher⸗ 
en DBerdrehungen befannter Ausdruͤcke, und in uns 
eimten Wortipielen beſtehe. Die Sünglinge und 
iſt die Männer von Achen brachen meiftens in ein. 
68 Gelächter und andere Zeichen des höchften Bey⸗ 
8 und Vergnügens aus, wenn fie hörten, wie vie 
whiſten ihre Gegner, oder diejenigen, an welche fie 
wandten, durch verfängliche Fragen auf die offen« 
ten Ungereimtheiten hinfuͤhrten, und fie wider ih⸗ 
Willen, wie Kreifel, a bier balo dorthin ſchleu⸗ 

2 Ders 














omoc⸗ —E— Toy ecodsnAeyonevoy, 
Er dringt von jedem Hauptflüde Beyſpiele bey, und 
zeigt zugleich die Mittel an, wodurch man ben Balls 
- ftriden der Sophiſten entgehen koͤnne. 
” Ifoce. 11. 116. Plat. p. 103 in Soph. p, VII, 281. in 
'Euthydeno Sophifta p. 102. 103. 
“ Henn junge Leute die falfche Dialektik erfi koſten, fage 
7 Plato de Rep. Vil. 148. fo freuen fie ſich, wie bie 
jungen Hunde, daß fie durd ihre Spisfindigkeiten alle 
ihre Bekannten zerren und ziehen koͤnnen, wohin fie 
rollen. Wen fie aber eine Zeitlang andere auf dieſe 
Art gefoppt haben, und wieder gefoppt worden find; 
fo fommen fie bald dahin, daß fie nichts von alle dem 
glauben, wovon fie fonft Äberzeugt waren Ernſthaf⸗ 
tere Männer meiden alsdann den Umgang: foldher Ver⸗ 
rüdten, weil fie nit gerue mit Perfonen reder md 
gen, die im Ernfle weder ihre Meynungen behaupten, 
noch anderer ihre beſtreiten. Man febe auch Philch, 
p- 150. 


arm Sechſtes Buch. Zweytes Capitel. 


derten *). Die Sophiſten ſelbſt gaben ihre Kunſt 
bie beſte Gymnaſtik der Seele, und ihre Spizfindi 
ten für die heilfamften Uebungen aus , wodurch 
Kräfte derfelben zu allen Arbeiten geftärft würden 
Sie rühmten fie ald einen magifchen Schläffel zu 
übrigen Künften und Wiffenfchafften, und verfpra 
dag man mit ihr alle übrige Künfte und Wiſſenſche 
erlernen , und durch fie zu den weiſeſten und fcha 
nigſten Menjchen ausgebildet werben würde ***). | 
diefe Kunft war e8 auch, welche ven Sophiften 
Zeitlang das Anfehen von Allwiffern gab, weil fi 
ies mic gleicher keichtigleit beftritten und behauptete 

Ich wuͤrde meine fefer unfehlbar ermüden, ı 
ich ihnen alle die abgeſchmackten Grübeleyen, uni 
Heihen findifcher Fragen mitcheilen wollte, auf m 
hie Sophiſten fo ftolz; waren. Sch übergehe daher 
andern Weberbleibfel ver eiteln Kunft ver Sophiſten 
und begnüge mic) damit, als die merfwürbigften ' 
ben verfelben die Gedanken des Protagoras übe 
Woahrheit und ben Inhalt einer Schrift des Go 


DT NN en nnd 





” Man fehe bef. 277. 281. in Eutbydemo Plat, € 
Perikles wurde von feinem Sohne befchuldigt, & 
einen ganzen Tag mit dem Protagoras die wi 
Frage unterfucht habe: Ob man die Urfache des | 
eines Pferdes, das umvorfezlih von jemanden 
einen Wurffpieß getroffen worden war, in dem 
fpieße, oder in dem, der ihn geworfen babe, ob 
den Kampfrichtern fuchen müffe? Plut. in Vik, Pe 


. 665. 

0, Ibser. ad Nicoclem. I. 79. II. Encom, Hel, 116. 
in Parmenide 141. 42. | 

©®#) Plat. in Soph. p. Io2. 

+), Plat. ib. 

+ Man fehe befonders Plato in Euthydemo p, 269,7 
& äAriftotel. in Sophiſt. Elenchis, Ä 


Geſchichte der alten Sopifle. 213 


führen , welche Ariftoteles und Sextus *), der - 
re am beutlichiten und ausführlichiten, ausgezogen 


m. Ä 
In feinem Werfe über das Unwirffiche, oder über 
Ratur,, fuchte Sorgias dreyerley darzuthun: erftlich, 
nichts exiſtire: zweytens, daß, wenn aud) etivas 
lich fen, dies doch von Menfchen nicht begriffen und 
une werden fünne: und endlich drittens, daß, wenn 
z auch erfennen koͤnne, es ihm doch unmöglich fey, 
' Begriffe und Kenntniffe andern mitzucheilen. Den 
n Saz: daß nichts ſey, glaubte er auf folgende Art 
eweifen: Wenn etwas ift, fchloß er, fo ift diefes ent⸗ 
er etwas Wirkliches, oder etwas Unwirfliches, oder 
hl das Wirfliche als Unwirkliche. Nun iſt feiner 
diefen dreyen Fällen möglich, alfo eriftirt gar nichts. 
eft kann das Unmirfliche nicht feyn. Wenn das 
eirfliche exiſtirte; fo muͤſte es zugleich feyn und auch 
t ſeyn. Denn in fo fern es als unmirflich gedacht 
d, kann es nicht feyn. In fo fern es aber als eris 
mb gedacht würde, müfte es wirklich feyn: nun aber 
3 ganz ungebenfbar, daß etwas zugleich fey, und 
y nicht fen; und hieraus alfo folgt, Daß das Unwirk⸗ 
nicht eriftivre. Wenn ferner das Unwirkliche epis 
e; fo müfte das Wirfliche nicht fenn, weil beybe 
einander entgegengefezt find. Käme alfo dem Uns 
lichen das Dafeyn zu; fo müfte vom Wirflichen bie 
hteriftenz gefagt werden. Das Wirfliche fann daher 
t unwirflid) ; und das Unwirkliche nicht wirflich 
ven. — Zweytens kann auch das Wirfliche nicht 
D 3 gi 








) VI 65 u. f. Schon Parmenides hatte zu beweifen ges 
ſucht, daß das Unwirkliche in einem gewiffen Verſtan⸗ 
be exiſtire, und das Wirkliche in einem gewiſſen Bere 
ſtande nicht ſey. Plat. ig Sophifts p. 105. 


SE 


214 Sechſtes Buch. Zweytes Cpl, 


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exiſtiren. Denn wenn dieſes ſeyn ſollte; fo: muͤſt 


entweder ewig, ober erzeugt, oder beydes zugleich f 


nun findet weder das eritere, noch das zweyte, noch 
dritte Statt; folglid) ift das Wirfliche gar nicht. R 
das Wirkliche, um biemit anzufangen, ewig wäre 


muͤſte e8 gar feinen Anfang haben, (weil alles, 


entſteht, einen gewiffen Anfang hat). Wenn ei 


‚Beinen Anfang Härte; fo müfte es unendlich oder 4 
graͤnzt; und mern ed biefes wäre, nirgends fenn; | 


wenn es. irgendswo exiſtirte; fo müfle es von? 


worinn es waͤre, verſchieden, und alſo nicht une 


fenn , weil es von etwas andern umſchloſſen 1 
Denn das umfchliegende ift immer größer als das, 
umſchloſſen wird; nun kann aber nichts größer dh 
Unendliche, und folglich kann das Unendliche ni 
gendwo feyn. Auch Fann man nicht fagen,. def 
fich ſelbſt enthalten fen, weil aladann das , weil 
wäre, und das, was in ihm wäre, einerley, :siahi 
Mirfliche zweyerley feyn würde. Denn das, r 


es wäre, würde Raum oder Ort; und Das, was 


wäre, Eörper fen. Dies ift aber ungereime, ul 
MWirfliche eriftirt alſo auch nicht in fich ſelbſt. 9 
alfo das Wirfliche ewig iſt, fo ift es auch | 
Folglich auch nirgends, folglich) exiſtirt es gar nick 
Eben fo wenig läßt es fich denfen, daß das Wid 
entftanden oder hervorgebracht worden. Denn ven 
entflanden wäre, fo müfte e8 entweder aus etwas % 
fichem, oder auch aus dem Unwirklichen eneftanden | 


Aus etwas Wirklichem konnte es nicht entſtehen; 
wenn es ſchon vorher wirklich war; fo entſtand ei 
erſt, ſondern es exiſtirte ſchon. Auch' kann es nick 


etwas, was nicht war, hervorgegangen ſeyn. 1 
Das, was nicht iſt, kann unmoͤglich etwas her 

gen, weil alles, was zeugen ſoll, nothwendig wit 
Bein uf. Das Wirfliche, ift alfo auch nick mi 


Geſchichte der alten Sophiften. ag 

b aus den angeführten Gründen kann man auch 
en, daß es benbes entflanden und unentftanden 
tiefe Fälle heben fich einander auf; denn wenn 
rFliche ewig iſt; ſo iſt es nicht .entflanden ; und 
entitanden it; fo kann es nicht ewig feyn. Da 
Mirfliche weder ewig, noch entftanden, noch 
ugleich ift; fo eriftire e8 gar nicht. - Wenn fer 
Mirfliche eriftiren follte; fo müfte es entweber 
ige Subftanz, oder ein Haufen mehrerer Subs 
ſeyn; nun aber tft e& weder das eine, noch das 
alfo ift es gar nicht. Wenn das Wisfliche eine 
Zubſtanz waͤre; fo müfte es entweber ein gewiſ⸗ 
ntum, oder ein gewifles Continuum, oder eine 
Sröße, oder ein Eörper fern. Don diefen Fäls 
man annehmen, telchen man wills fo Four 
; MWirfliche unmöglich für eine Einheit, ever für 
ige Subftanz halten. Denn als Quantum fann 
le, als Continuum zerfehnitten, als Große 
und als Coͤrper in feine Beſtandtheile aufgelöfk 
Ungereimt aber ift es zu behaupten, daß das 
e weder Duantum , noch Continuum, noch 
der Coͤrper fey, und folglich kann es nicht eine 
ntheilbare Subftanz ſeyn. Noch weniger ift 
aufen ober eine Sammlung mehrer Subftanzen. 
venn ed Feine Einheit, Feine einzige Subſtanz 
fann es auch Feine Mehrheit herfelben geben, 
hrere Subftangen aus der Vervielfaͤltigung der 
eniftehen. — Endlich laͤßt es fich keicht darthun, 
Wirkliche und Unwirkliche nicht zugleich exiſtirt. 
venn dieſes wäre, fo muͤſte das Unwirkliche dem 
ven gleich, und folglich Feines von beyden ſeyn. 
3 Unmirfliche nicht ift, wird von allen zugege⸗ 
nd wenn alfo das Wirkliche dem Unwirklichen 
t; fo eriftice auch Diefes nicht. Wenn uͤberdem 
iefliche mit dem Unmirflichen einerfeg iſt; fo 
4. - ann 


‚® beydes ſeyn. Denn enn 
m —— „ und wenn e rn nicht 
\ aß ed heyves Ned ı oh 
ymatı 28 gar nieht her um wel 
iſt Si ri nicht iM (au) 
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docht erden FON men, 
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nn dieſes wäre; —3 e ole 
denkt/ acklich und ðF da feyn, N 3 
welche ungereimt Kt. Denn vor in wi 
g —— eine über d 
agen vorſtellet 
nd eilt ar 


je 
Merd Fortremt! 
wegen nicht ah jenen 
zy uber vie e des Meers for 
gwät 


Geſchichte der alten Sophiſten. 217 


zen wollte, daß fo, mie wie fichebare Dinge niche 
sgnen, weil fie nicht zugleich gehört, und hörbare 
cht, weil fie nicht auch gefehen werden, man aud) die 
Zirflichkeit der Dinge, die von und gedacht werben, 
cht laͤugnen fonne, wenn fie auch von uns weder ges 
wt noch gejehen würden; indem doc) die Kraft, bie 
ihrer Beſtimmung nach wahusrehmen folle, fie auch 
Krflich wahrnehme. Wenn man alfo einen Wagen 
Kdem Meere, den man fich denfe, auch niche mit 
Augen erblicke, fo koͤnne er deßwegen wohl wirk⸗ 

h ſeyn. Dies, antwortete Gorgias, ift zu abges 
hmackt, als daß es meiter widerlegt zu werden braucht, 
man kann alſo zuverfichtlich behaupten, daß nicht 
Wirfliche, oder die wirklichen Dinge von Menſchen 
Mannt und gedacht werden. Wenn aber diefes auch) 
Kglich wäre: fo würde Doch das erfannte Wirkliche 
4 unmittheilbar feyn. Denn wenn die wirklichen 
inge, vie außer uns find, fichtbar oder hörbar, oder 
erhaupt durch die Sinne wahenehmlich find; fo müfs 
die Sichtbaren durchs Geficht, die Hörbaren durchs 
Hör, und nicht umgefehrt wahrgenommen oder ems 
Anden werden. Wie fonnen dieje alfo anders befanne 
Macht werden? Das, wodurch wir uns äußern, ift 
e Rede oder der Verſtand. Der Verſtand ift aber 
icht einerlen mit den äußern Gegenftänven; und wir 
laßern ober theilen alfo nicht die wirflichen Dinge, fons 
bern den Verſtand oder Gedanfen mit, die von den 
birklichen Dingen verfchieden find. So wenig nun das 
Bichtbare hörbar, und umgekehrt, werden kann; eben 
ı wenig Fann das MWirfliche, wenn e8 anders außer uns 
F, unfer Berftand werden, und wenn ed mit biefem 
cht einerley iſt, irgend jemanden befannt gemacht oder 
itgetheilt wekden. Unſer Berftand, oder der ganze 
torrath von Borftellungen entfteht allmälich aus den 
indruͤcken der Außern Seaenftände Denn aus den —* 

35 


218 Sechſtes Buch. Zweytes Capitel. 


wirkungen von Saͤften entſtehen unſere Begriffe w 
Saͤften; aus den Einwirkungen von Farben unſere dee 
ſtellungen von Farben, undf.w. Wenn aber bir 
iſt; fo koͤnnen nicht unfere Begriffe die Anzeiger oe 
Offenbarer der Dinge, fondern die Dinge müffen vd 
mehr die Erfläcer unſerer Vorſtellungen feyn. 
kann man nicht fagen, daß der Derftand auf eine fol 
Art wirflicd) ift, als die Dinge außer uns; und daß ai 
nach ihm, als einer wirflichen Subſtanz, die aͤuße 
wirflichen Dinge erfannt werden Fönnten. ‘Denn werd 
der Verſtand und feine Borftellungen auch für fich hei 
fiehende Weſen wären; fo würden fie doch von den übrige 

äußern Subftanzen unendlich verfchieben feyn, und die laiı 
tern koͤnnen daher Durch jene eben fo wenig befannt gemach 
werben, als fie ſich einander erläutern, oder ins iche 
fezen koͤnnen. — Durch diefe Zivenfel des Gorglas, 

fagt Sertus, wird alle Kriterium gänzlich aufgehoben, 

Denn ein folches kann unmöglich ſtatt finden, menn.d 

gar nichts Wirfliches gibt, oder wenn das Wirkliche 












nicht erfannt oder mitgetheilt werden kann *). 


u 


Faſt noch merfwürdiger als diefe Leberbfeibfel de 
Sophiftif des Gorgias find die Gedanken des Protage 
rad über die Wahrheit, bie man in allen alten philofee : 
phiſchen Schriftftelleen, aber am umftändfichften im | 
Sertus findet **), und von welchen nur ein einziger ' 
Schritt zum erflärten Skepticismus übrig blieb, meh 
den Schriee Pyrrho erft ein ganzes Jahrhundert nady ' 
ber that. . Alle Einpfindungen und Borftellungen, be 
hauptete der Abderitifche Sophift, find wahr, oder bie 
Wahrheit befteht nur in einem gewiffen Berbältnifk, 
indem alles, was jemanden wahr fcheint, für ihn auch 


na CEnER. GE GES 








5.87. 
°.) vu 59% 64. 


\ Geſchichte der alten Sophiften. 219 


dahr iſt. Ein jeder Menſch, fing er eins feiner Werke 
J in welchem er dieſe Meynung vortrug, iſt der 

aßſtab der Wahrheit, und der Natur der Dinge, 
ke in feine Sinne wirken: oder er hat das Recht, das, 
bas ihm wirklich fheint, für wirflic), und das, was 

Nicht jo ſcheint, für unmirflich zu halten. Dieſer 
Bo; wird felbft durch die entgeaengefezte Behauptung 
Iwiefen. Denn wenn jemiand-fagte, daß nicht ein jes 
er Menfch ver Maaßſtab oder ver Nichter aller Dinge 
d; fo würde man ihm gleich antworten koͤnnen, daß 
ich er ein einzelner Menſch fey, und das für wahr aus⸗ 
be, was ihm wahr ſcheine. Der Wahnfinnige (fuhr 
rotagoras fort) ift alfo das Kriterium, oder ein güls 
jer Nichter deſſen, was er in feinem Zuftande empfins 
t; und fo auch) ver Träumende, das Kind und der 
reis von allem, was einem jeden in feiner tage oder in 
inem Alter erfcheint und aufitoßt. Laͤcherlich wäre es, 
enn man die Empfindungen gemiffer Menfchen in ger 
fen tagen und Zuftänden durch die Empfindungen 
nderee Menfchen in andern tagen und Zuftänden unge 
aß machen, oder widerlegen, und wenn man alfo bie 
Einpfindzingen von Wahnſinnigen nad) denen von ges 
unden Menichen; oder die von Träumenden nach denen 
wer Wachenden; oder die von Kindern 'nach denen 
son Greifen richten und verbeffern wollte . Denn fo 
wie jene Das nicht wahrnehmen, was Diefe empfinden, fo 
empfinden wiederum diefe nicht, was jene wahrnehmen. 
Wenn alfo der Wahnfinnige und Schlafende bloß deß⸗ 
wegen, weil er in einem gewiſſen Zuftande ift, Fein guͤl⸗ 
tiger Richter alles deſſen feyn foll, was er in Diefer Sage 
empfindet; fo ft auch der Wachende und der Menſch 
hey gefundem Berftande Fein gültiger Richter der Dinge, 
bie ihm begegnen und erfcheinen, weil beyde eben ſowohl 
als jene in einer eigenthümlichen lage find. Da alfo fein 
Menfch anders, als in einem ihm eienthumlchen Bu 
- an⸗ 


= 


7 ’ Fa EV 
: . 
. A , 


7 Sedle⸗ Buch. —E 


ftande, oder unser geroiffen ihm eigenthimfichen Um 
den, empfindet ; fo muß man einem jeden in. der | 
trauen, in welcher er fich finder, und dasjenige für w 
halten, was ihm in diefer tage als wahr \erfcheint. 
Mit Recht urtheilten Ariftoteles *) und Gertus ' 
Daß durch diefe Behauptung alles Kriterium der We 
heit und bes Irrthums aufgehoben werde: und daß, w 
alles, was einem jeden Menſchen wahr und falſch fh 
wahr und, falfch fen, alles zugleich wahr und fl 
oder zugleich ſeyn und nicht feyn muͤſſe, weil viele D 
einigen wahr und andern falſch, einigen wirklich 
andern unwirklich ſchienen 7). 
Wenn man nun alle die von mit geſammelten 5 
mente der Sophiften, und die Nachrichten und Kell 
ber größten Zeitgenoffen über diefe Männer ruhig. 
umpartheyifch überlegt; fo muß man nothivendig) 
uͤbereinſtimmenden Ausfprüchen des Plato, Feng 
umd Iſokrates, und aller übrigen Schriftfteller, di 
nen folgten, begtreten: daß nemlid) die Sophiſten 
ganzen Griechenlande weit mehr geſchadet als gem 
daß fie mehr Herzen zerrüttet, als Geiſter aufgekl 
und daß endlich alle ihre Erfindungen der Sittenverd 
uiß nicht das Öleichgeroicht halten Fonnen;, die fie w 
einigen Griechiſchen Bölfern zuerſt hervorgebracht, 
unter andern beſchleunigt und befördert haben. Zu 
dauren ift es aber immer, daß alle ihre Werke bis 
einige Bruchſtuͤcke verloren gegangen find, und baß 
daher zwar willen, daß fie mehrere Wiffenfchafften 
funden, und alle Wiſſenſchafften erweitert haben, 





— 
©) Metaph. V. e. p. 61. 
vi l.c 


9 Ra & dem Gertus l,c. dachten Enthodemns m und Di 
ML u shen ſo, wir Protageras gelehtt beste. 


}' 


Geſchichte der alten Sophiſten. ORı 


che mehr genau zu beftlimmen im Stande find, wie 
del eine jede Wiflenfihafft einem jeden unter ihnen zu 
anken hatte. 

Der Name, und das Geſchlecht der Sophiften, 
auerte noch. bi6 auf die legten Zeiten des Iſokrates 
ort *) 5 allein fie wurden noch ben Lebzeiten des Sokra⸗ 
es, noch mehr aber nad) teffen Tode, eben fo heftig 
erabfcheuet und verachtet, als fie anfangs waren bes 
undert worden. Die Achenienfer unterfagten ihnen, 
or den Nichterftählen zu erjcheinen, weil man fie für 
Schwäzer hielt, die Das Hecht in Unrecht, und Unrecht 
+ Recht verfehrten *). Selbſt ihr Name wurde ein 
Schimpfname }), vor welchem die größten Männer 
nter den Griechen fich fo fehr fürchteten, daß fie nichts. 
brieben, um nicht für Sophiften gehalten zu wers 
en Fr). Den Grund diejes allgemeinen Haffes, und 
er allgemeinen DBerachtung, worinn fie fielen, muß 
nan nicht allein darinn fuchen, daß fie vom Sokrates, 
Hofrates und deren Schülern entlarvt, daß die Scheußs 
lichfeie ihrer Grundſaͤze geoffenbart, und die Nichtigkeit 
hrer Srübelenen und Spifindigfeiten lächerlich gemacht 
wurde; ihre eigene Ausartung trug am meiften zu ihrem 
Falle, und zur gänzlichen Umftimmung des Urtheils 
des Bolfs von ihren Derdienften bey. _ Das außerors 
dentliche Stück, was die erften Sophiften machten, ers: 
weckte auf einmal ganze Schaaren von mittelmäßigen 
und nichtsmwärdigen Menfchen, welche durch die Annahme 

des 











#) Dies ſieht man aus dem Panathenaicus, der orst. con- 
tra Sophiftas und rees avriderews, die Ifofrates 
alle im hohen oder hoͤchſten Alter ſchrieb. 

#*) Philoftr. in Vit. Soph, p. 483. 

$) Xenophon, xunyer. e. 13 

+t) Plat. p. 207. in Phaedon, > 


J 








3 ¶ Sehhſtetß Buch. gweytes Cariee 
des Titels Sophiſt eben fo großen Ruhm, 
eben fo große Reichthuͤmer zu erwerben 

old bie erſten, die biefen Namen trugen, , 
Jange hatten. Allein dieſe -Nachfolgee des 4 


“glas, Hippias und Protagoras übertrieben ihre An 


‚gungen, Verſorechungen und Unverſchaͤmtheit eba 
Fehr, als fie in Anfehung der Talente und Keunt 
‚Hinter ihren Vorgängern zuruͤckblieben. Sie Eng 
nicht nur für die einzigen tehrer der Tugend und. 

heit aus, ſondern fuchten alle andere berüpmte- Men 
Befonders den Iſokrates durch falfche Verlaͤnmdu 


- mb Antlagen ins Verderben zu ſtuͤrzen *). . Ihre l. 
* berträchtigfeit war fo groß, daß fie, die ſich ruͤhm 


‚einen jeden weife und gläclich machen zu Fonnen ;ı, 


; u ‚Schüler nörhigten ‚sur Sicherheit ihres lohn 


‚ober fünf Minen Pfänber ben reichen Wechslern m 


J zulegen. Dieſe ſchmuzige Gewinnſucht der 





ber Gegenfaz wiſchen ihren Verſprechungen und. 


oder leben, ihre Unbrauchbarkeit in wichtigen 

ten und Aemtern ben allen Anſpruͤchen auf die Es 
ſchung der Beheimniffe der Zufunft und Natur, ent 
bie Ungereimtheit iprer Grübeleyen öffneten zulezt fe 
Menfcyen vom Pobel die Augen, und brachten in ih 
die Meynung hervor, daß die Sophiſten ‚mehr te| 
ber Geſchwaͤzigkeit und unnuͤzer Spishndigfeiten, : al 


. Weisheit und Tugend jeyen**). Solche Männer n 








®) U. iſoer. in Panath, p. 182. 197. 193. tontra Sopl 

„9332. Ilegs Avridisews 386. 39; 

$*) loer, II. p. 330. contra Sopbift. Emeidor ur! 

" lioray Tıves, dmayrı TauTa Gucyıocus 
werılon Tas Tm coDıdv dzonovress , 


. — wuruddrrus, wurus'de ⏑ 








Geſchichte der alten Sophiften. 223 


nicht nur ihrem Namen, fondern der ganzen Philos 
ie Berachtung zuzogen, Fonnten unmöglich gegen den 
krates und Sfofrates Stand halten, wovon der eine 
Philoſophie, und der andere die Staatsfunft. und 
redſamkeit von allem Prunfe und Wuſte metaphyſi⸗ 
r und dialeftifcher Unterfuchungen fäuberte, und die 
be mehr Unfehen und Schüler erhielten, als Feiner 

open und berühmtefien Sophiſten gehabt 
le "). 


Beylage zu p. 175. 


eber bie Zeitrechnung der ältern Griechifchen Sophi⸗ 
ften kann man nicht viel mehr ſagen, als was.man 
in in den bisherigen Betrachtungen gelefen hat. Air 
fen von einigen, wie vom Gorgias und Protagoras, 
| daß 











Acoy deousvss, Ko TES HAIATES Minpov TERT- 
TOuUEVBS, You TOS EVAVTIWTEIS EWI MEV Twy Ao- 
Yılıwy rnesvras, emıde Tav epyay un xafogov- 
Tas’ eri dE TEL TV MEMOVTwV EV ESÖEVOL 
TEOCKOIBMEVBS, TEL de Toy MaBoyTwy undev 
Fwy deovrav unT esmey unTe OuußsAsucas du- 
yurmevas, aA maMov 0MoAoYEvTas u EAEIm 
KATOEIEVTAS TES TOUS dofaus Kemuevss, n Tas 
TN ETRISNUNV EN EMAYYERCHEVES, SHOTWE 
osuccı KATRDeovası, xuı vousleow adoAco ya 
Kos MiNEoAoYıoer, ar;E vns Wuxas ETFLIMEA EOLY 
eva ras diwreißas Tas Teiuuras. 

) Man fehe Cic. de orat. II, ı6. 17. Brut. ec. 9. Dionyf. 
delfocr. V. 536. Pfeudo - Plutarch, Vita Rhet, IX, 329. 
Iſoer,. II, 388. 91. | 


— X 


\ 


a Sechſies Buch. Zweyten Ef: 


baß fie ſehr alt geworden *), und von allen, daß fe 
ſchen ver achtzigften und neunzigften oder fünf und a 
sioften Dlnmpicde am meiften gebluͤht haben; abet! 
- Seinem iſt das Geburts » umb Sterbejahr genau befa 
Ich halte es für unmöthig, die einzeln Data übe 
ifrechnung der Sophiften zu fammien, oder bie 
alter Schrifsfteller in der Chronologie derfeiben zu wi 
legen, da die. beyden mejentlichen Puncte dındy 
Schriften der Sofratifer außer allen Ziveyfel g 
. find: dag nämlid) die Sophiften im Zeitalter des ( 
rates lebten, und daß diejenigen, bie ich als die g 
"ten und Gerühmteften genannt habe, auch die erften ı 

-  äfteften waren. So genau aber das Zeitalter der ( 








phiften einem jeben Gelehrten aus den 
Plato, Zenophon und Iſokrates bekannt feyw'.Fei 
fo machten doch berühmte Schriftſteller " 
Machlaͤſſigkeit Die gröbften Anachronismen, wer 
fe Materie im Vorbeygehen beruͤhrten. Plintus 
zum Denfpiel, daß Gorgias um bie fiebenzigfte DM 
piade ſich felbft eine goldene Statuͤe in Delphi-geftk 
be ; ein Datum, welches fich auf Feine Art ver 
”) Denn da Sorgias über ven Sofrates 
lebte 7) 3 fo muß er nothwendig nach ber fie 
Dlompiade gebohren worden ſeyn. Möthiger aber Hy 
es mie gegen den Mißbrauch zu warnen, ben. 4 
ge alte Schriftfteller non dem Worte Soppift madk 
ferner ihre Berwechslung mit berühmten Staatem 
nern und Nednern zu bemerken, und enblich vie fl 


[5 











l 

%) Der erfiere erreichte ein Alter von 109 Jahren. D 
IX. 58. Quint, III. 1. und der andere von 70 Jah 
Plat. p. 297. 

") L. 33.0.4 

D Werl 


Geſchichte der alten Sophiſten. 225 


ı Merkmale zu ruͤgen, durch welche man fie von 
ältern und neuern Rhetoren, welche leztere auch So⸗ 
len genannt wurden, zu unterfcheiden fuchte. Einige 
nten Sophiften alle Forfcher ver Wahrheit und Nas 
, befonders aber diejenigen , welche über ven Lies 
ing der Dinge, und über die Natur und Größe der 
miifchen Eörper Unterfuchungen anftellten. In Dies 
Bedeutung nahm Aefchines das Wort Sophift, wenn 
en Unaragoras und Sofrates *) damit belegte, des 
‘ee aber unter keinerley Borwande gegeben werden 
n, weil fie weber ums Geld, noch in ſolchen Abſich⸗ 
noch auch folche Dinge lehrten, dergleichen die So⸗ 
ten vortrugen **). Andere rechneten alle diejenigen 
den Sophiften, welche die Dialefrif und ‘die Kunft 
nafchlüffe zu erfinden trieben, ober auch nur Saͤze 
theidigten, Die den gemeinen Mienfchenverftand beleis 
tn. Aus dieſem runde zählte Ifofrates den Mer . 
# und Zend den Sophiften zu F), aus deren Zahl 
m fie mit Necht ausſchließt, weil bende weder Red⸗ 
', noch Sehrer der Beredfamfeit und Staatsfunft wa⸗ 
. Unter allen unrichtigen Bedeutungen aber, in 
hen der Ausdruck Sophift genommen worden ift, 
int Feine fo allgemein geweſen zu feyn, als biejenige, 
welcher Sophift als gleichgeltend mit Redner oder 
ser der Deredfamfeit angefehen wurde. Diefen Sinn 
band Ariftophanes ‚mit dem Ausdrucke Sophift, als 
sen Sofrates unter dieſem Namen zwar als einen 
äbler, der nach überirdifchen Dingen forfche, aber 

1: 7 











) p.1194. Man fehe auch Schol, ad Arift. Nub, v, 330. 
#) Cic. Soer. Quaeft. IV. 23. 
) N. IV. & 327 p. Ed, Bealt, 


Zweyter Band. | P | 


x . 


As Sadbſtes Vuch. Zweytes all, 


vorzuͤglich als einen gefährlichen Schwoͤzer fehifbent 


die Kunft verftehe und fehre, eine gute und flarfe 
ſchlecht, und eine fchlechte und ſchwache Sache g 
ſtark zu machen. Eben fo brauchte Philoſtrati 


Wort, wenn er In der Gefchichte der Sophiſten 


len berühmten Rednern und Sehrern der Bered 


handelt. . Sowohl diefer Schriftiteller als viele 
festen den Kritias und Tiheramenes unter bie alte 


phiſten, ungeachtet fie niemiald irgend eine Kun 


Wiſſenſchafft öffentlich gelehre harten. Sobal 


‚alte Redner mit Soppiften und tehrer dee Bere 


für einerley Perſonen hält; fo muß man auch d 
riffes, Alkibiades und unzählige andere Redn 
©taatömänner , die Eicero richtig von den & 


unterſcheidet, in die Claſſe der leztern aufneh 


So ſehr ſich Philoſtratus irrte, wenn er die St 
mit Volksrednern, oder gar mit Sternkundig 
wechſelte *); fo erdichtet find die Unterſchiede, 
zwiſchen den aͤltern und neuern Sophiſten angibt 
alten, ſagt ee 7), legten ſich allein auf vie ro 
gende und panegyriſche, und die neuern allein 

gerichtliche Beredſamkeit. Das Haupt der erſte 
Gorgias; und das der leztern war Aeſchines. FT 
gereimte Urtheil enthält faft eben fo viel Fehler, 
Worte in ſich faßt. Denn erſtlich ift es falfch, 














. %#%) Brut, c, 7 & 8. 
) Er fest nämlich den Eudorus und Karneades au 
. bie Söphiften. Diefe Verwechslung iſt um d. 
famer, da er aus alten Gihriftftellern richtige 
von ben Sophiſten und ihrer Kunſt gefchöpf 
Man fehe ©. 481. 482. de Vita Sophift, Eı 


rii, 
2)-P 481» in Vlt. Sophiſt. 


⸗ 


eſchichte de der alten Sophiſten. 237 


ben Soppiften ſich gar nicht mit der gerichtlichen Be⸗ 
Mamfeit beſchaͤfftigt Hätten, da ein ganzer Haufe der 
ten Schriftitellee vom Antiphon und andern bas 
pgentheil bezeugen ). Eben fo ungegrünbet ift es, 
die größten Männer, bie vom !nfias an vor den 
Khterftählen redeten, die berarhichlagende und pane⸗ 
iſche Beredſamkeit vernachläffige haben. Und lächers 
Jiſt es endlich, den Aeſchines zum Haupte der jüns 
en Sophiften zu machen, da diefer Name feinen Red⸗ 
, vom infias oder Iſokrates an bis auf Ehrifti Geburt 
en, fondern erft im erften und zweyten Jahrhun⸗ 
te nach Chriſti Geburt erneuert worden iſt. Ku 
























— Eine 


‚® Plat. p. 269. Dionyf. V. 627 p. Cicer, in Brut.c, 12. 
Tbuc. VII, & Quint. U. ı, 


=- — 7c Po m. m Yon 


% 


P a Siebentes 


Aa 0 F BCE 





Siebentes Buch. 


Erſtes Capitel. 


| Gefhichte des Peloponnefifchen Kriege 
x. der Unruhen in Griechenland, bis * 
Frieden des Antalfidas, als eine Einlett 
in die Geſchiht⸗ der Sokrati 
Philoſophie. 
















Ur eben die Zeit, als die alten Sophiften m . 
Anfehen ftanden, und die Rathgeber von X * 
wie die Lehrer der größten Volksfuͤhrer waren, ent 
fich der Peloponneftfche Krieg, den Thukydides mich 

den merfwürbigften nennt, der von Griechen ge 
worden *). Kein anderer Krieg war jemals fo la 
zig und hartnaͤckig, als dieſer; indem er fi 6 
zwanzig Jahre dauerte”*): Fein anderer var odert 
fo allgemein, indem er fich nicht nur von arte 
vom Peloponnes aus über das ganze alte Sri 


« 


dr Thuc. V. 26. Diod. XIII. 630. Ed, Welſei. 
phon Hiſt. Gr. II. 3. p- 84. sechnete falſch, wen 
ihm eine Länge von 287 Jahren gab 

wen. — 87. 2. au, und endigte ſich Di. 93-4 


° 





PR bes  Selopomefkten PERL 229 
fondern auch die Griechiſchen Inſeln an 
E in Aften, Italien und Sicilien ergriff. In 














andern Kriege wurden fo viele edle Gefchlechter, 
ch bisher unter den fürchterlichiten Revolutionen von 
echenland erhalten hatten, vertilgt, fo viele Staͤdte 
durch das Feuer und Schwerdt ber Feinde, 
: auch durch innere Möurereyen und vers 
‚, fo viele Länder entwölfert und verdbet, und fü 
% diutige Schlachten zu Waſſer ımb zu tande geliefert, 
dem Peloponnefifchen”). In keinem andern Kriege 
kb wurden bie ©itten ber Öriechen fo unheilbar ven 
n, und bie. Staaröverfaffungen aller Bölfer, vie 
quögenommen, fo häufig umgeworfen, als 
| gen, ven ich jezo befchreiben werde *"). 6 - 
ſogar, als wenn die ganze Natur und alle Ele⸗ 
iitte fich mit den teivenfchofften und taftern ber Gries 
en zum Untergange ber teztern verſchworen hatten, 


Rum in feinem andern Zeitraume wurden alle Thelle . X 










nland fo fehr Durch verzehrende Seuchen, oder - 
zerſtoͤrende Ueberſchwemmungen, ober durch Dürre, 

s und Hungersnoth aufgerieben; und auch nie 
die Gemuͤther der niedergeſchlagenen Bewohner 
fo drohende Verfinſterungen der himmliſchen Coͤr⸗ 
und andere furchtbare Meteore in Schrecken ges 
7). Durch dieſe Plagen, womit die Vorſehung 
edle Volk, deſſen Licht alle übrige Voͤlker erleuchten 
heimſuchte, und durch die Ungluͤcksfaͤlle des Krie⸗ 
ie es ſich durch feine eigne Thorheit zuzog, fiel 
ganze Sriechifche Stamm In eine töbtliche Schwaͤ der 

3 





— — — —— — —— 
9 Thne, 1.23. Ifocr. I. de Pace 402. 4. U. in Archid, 


“m * ee. ee huc. II, 81» 83. 
144, 23. Thucyd, | 


⸗ 





230" Cebentes Buch. Erſtes Capite. 


I 

von welcher er fich nie wieder erhohfte, und Die baldn 
ber allgemeine Knechtfchafft oder Abhängigkeit, ven? 
{uft der erhabenften Tugenden, und den traurigen ! 
aller Künfte und Wiflenfchafften nad) ſich og. X 
man darauf Acht gibt, was die Griechifchen Sta 
im Peloponnefifchen Kriege und kurz nachher gelitten 
gethan haben; fo erflaunt man nicht Darüber, da 
durch dieſe unfäglichen Drangfale und durch die ung 
Jichften Anſtrengungen, die fie fich felbft niemals | 
‚traut hatten, erfchopft, fondern daß fie badurd) ı 
‚ gänzlich zernichtet wurden. So ſchmerzhaft aber: 
ber. theilnehmenve Leſer und Gejchichtfchreiber durch 
fchnell auf einander folgenden Niederlagen und Un 
bie allmaͤlich ein jedes Griechifches Volk betrafen, ger 
wird, fo hinreißend und Seelenftärfend find woiede 
die Deyfpiele von unüberwindlicher Standhaftig 
womit eben diefe Völker, vorzüglid) die Athenienſer 
ten widrigen Schickſale entgegen Fämpften, und 
plözlich alsdann mit erneuerten Kräften wiederum 
richteren, wenn man nicht anders ald glauben fo 
Daß fie mit ihren eingeriffenen Mauern und gefchla 
Heeren gefallen, oder mit ihren zu Grunde gerid 
Flotten verfenfe feyn müften *). 








*) Die Geſchichtſchreiber dieſes Zeitraums find, mie bei 
Zhufgbides und Kenopkon, die beyde Zeugen 
Theilnehmer der Handlungen und Begebenheite 
ren, bie fie befärieben haben. Bon ihren w 
Diodor in feinem zwoͤlften, drevzehenten und ı 
henten Buche, und Plutarch in feinem Perikles 
kibiades, Nikias, Lyſander, und Ageſilaus bäufi 
Ich darf aber wohl nicht beweiſen, daß die beyden 
Männer mehr Glauben verdienen, als die-bepbi 
tern, welche meiſtens dem Ephorus und Xheopemz 
ten, ungeachtet fie den Thukydides und Xeu 
fannten, und auch bisweilen ihre gewöhnlich 
waͤhrsmaͤnner gegen fie verließen. 





Gefthichte bes Peloponneſiſchen Krieges. azꝛ 


Die wahre Urſache des Peloponneſiſchen Krieges 
die außerordentliche Größe, zu welcher die Athe⸗ 
fer fich in den lezten Jahren hinaufgeſchwungen, und 
Mißbrauch, den fie davon in der Unterdruͤckung der 
unbeögenoflen, und der Mißhandlung der übrigen 
riechen gemacht hatten”). Die Bundesgenoffen feufzs 
t über das harte och, was die Athenienfer ihnen 
foelegt Jatten, und noch immer ſchwerer madıten, 
er Die Diauern, die man ihnen niedergeriffen, über 
Flotten und Schäze, Die man ihnen geraubt, und 
er ven faft jährlich fleigenden Tribut, den man von 
jen gefordert hatte, ober noch forderte. Alle fahen 
ber mit ftiller, aber doch bemerfharer Sehnfucht auf 
pasta, als auf ihre Befreyerinn bin, von welcher fie 
d aus einer unerträglichen Rnechtfchafft errettet zus 
even hoffen **), Die übrigen Griechifchen Staas 
‚ die den Arhenienfern nod) wicht unterworfen waren, 
chteten täglich ein gleiches Schickfal, und Flagten laut 
2 bie ungerechten Gewaltchaͤtigkeiten der Achenienfer, 
> über die Kinfchränfungen de3 Handels, die fie von 
en auf allen Meeren und in allen Häfen dulden mus 
17). Selbſt die Lakedaͤmonier hatten es noch nicht. 
geſſen, daß die Athenienſer ihnen die Herrſchafft zur 
e entriſſen hatten, und ſie fuͤhlten auch bey der ſtets 

P a ſich 


De N Sn ——— _ RU 37 (U  } 





) Thuc. I. 23. Plutarch, in Pericle I, 648 » 50, 

*) 11, 8. Thuc. | 

) Thue. 1. 68 & ſq. Ariſtophanes fagt in Pace v. 621. 
daß die Bundesgenoffen bie vornehinften Spartaner bes 
flochen hätten, um fie zum Kriege wider die Atheniens 
fer zu bewegen; allein Thufybides beflätigt dieſe Sage 
nicht allein nicht, fondern feine ganze Erzählung fcheint 
ihr vielmehr zu widerſprechen. Sie iſt alfo wahrſchein⸗ 
Sich eben fo fehr Verlaͤumdung, old das, was Hermes 
an eben biefer Stelle vom Perikles ſagt. 





Pr 


fi) vergroͤßernden Macht der leztern eben ſo viel Bund 
als Eiferfucht. Von diefen teidenfchafften gerrich 
amd gereist durch die Klagen, Borftellungen und 9 
munterungen der Bundesgenoſſen, ergriffen ſie 
erfte Gelegenheit, den Athenienſern den Krieg anzuf 
digen, deſſen Größe fie nicht vorausfahen, und den 
mebrmalen betreuten, angefangen zu. haben. ö 

So gerecht die Furcht der Spartaner, und hd 
ders die Beſchwerden der Athenienfifchen Bundesge 
fen waren: fo ungerecht und grundlos waren die X 
wände, unter welchen die erftern die Achenienfer mi 
nem Kriege bedrohten, und nachher aud) wirflich de 
überzogen. Die Spartaner verlangten zuerit ®), 
die Achenienfer ihre Stadt von dem Fluche reinigen 
ten, der noch immer auf den Machfommen verfei 
ruhe, welche tie Mitverfchwornen des Kylon Hinge 
tet hätten. Ungeachtet fie wuften, daß die Acheni 
die Schuldigen ſchon vor vielen Jahren geftraft he 
und daß fie mit einer Forderung, welche zu mache 
gar nicht berechtigt waren, nicht das geringfte ausrü 


würden; fo glaubten fie doch, daß fie vielleicht den 


rikles, der mit den veruttheilten Thaͤtern von muͤt 
cher Seite verwandt war, bey ſeinen Mitbuͤrgern 
daͤchtig machen koͤnnten. Nicht lange nad) dieſer e 
laͤcherlichen Zumuthung drangen fie darauf, daf 
Arhenienfer ven Potidaͤa, einer Korinchifchen Pi 
ſtadt, die von ihnen abgefallen war, und bie fie wieder 
Gehorſam bringen wollten, ablaffen, daß fie den Ein 
nern von Aegina ihre Freyheit fehenfen ‚ vornebinlich 
daß fie den harten, Schluß wider die Megarenfer 
heben follten, vermöge deſſen dieſe bey lebensſtrafe r 








*%, Thuc, J, 127. & fq. 


Geſchichte des Peloporinefifchen Krieges. 233 


Ichenienfifchen Häfen und Märkte beſuchen, noch 
den Attifchen Boden betreten durften *). Endlich 
ıngten fie fogar auf eine gebieterifü,e Art, daß bie 
nienſer, wenn fie anders den Frieden mit ihnen er⸗ 
n wollten, allen ihren Bundesgenoffen ihre alten 
te und Freyheiten wieder geben, und alle Anfprüche 
Herrfchafft über fie fahren laffen follten **). Diefe 
yerungen waren fo unvernünftig, daß bie Achenienfer 
einzige bewilligen Fonnten, ohne eine fchimpfliche 
amuͤthigkeit und Untermoürfigfeit zu verrathen, welche 
rwürfigfeit gewiß, anftatt die Spartaner zu befries 
1, ihren Uebermuth nur würde vermehrt, und neue 
kraͤnkaidere und unleivlichere Zumuthungen nach 
gezogen haben. Die Athenienfer gaben daher den 
wtanern auf den Rath des Perifles , ver feiner Das 
ade nie weifer und glücklicher rierh, in den gemaͤßigt⸗ 
Ausprücken die Antwort: daß fie unmöglich in vie 
ingungen, unter welchen man ihnen die Erhaltung 

Friedens anbiete, einmwilligen Fonnten 7). 
Ä PD 5 Die 











Thuc, I. 139. Plut. 1, e. 650,52. 

) 1b, J 

1L. 144 Thuc. Diodor XII. 503,505. und Plutarch I, 
647. ſq. in Pericle ſchweigen nicht nur ganz von der 
wahren Urſache des Peloponneſiſchen Krieges, und vers 
wechfeln nicht nur bie Urfachen und Weranlaffungen 
-oder die Vorwaͤnde, unter welchen die Lakedaͤmonier ihn 
anfingen; fonbern fie waͤlzen auch auf die Verlaͤum⸗ 
dungen einiger Komifer, oder bie Erzählungen einiger 
übelgefinnten Geſchichtſchreiber die ganze Schuld von 
alle dem Ungluͤck, in welches Griechenland durch den 
Deloponnefifhen Krieg geflürzt wurde, auf eine ſolche 
Art auf den Perikles, daß ein jeder ficht, daß feiner 
von ihnen ſich die Mühe gegeben babe, die aͤchteſten 
Urkunden zu Rathe zu ziehen, und über bad, mag fie 


ſchrie⸗ 






Por Sehent Bus. Efet 


Di Erbitterung ver Sparfaner * 
sin, und der Eifer beſonders der nm e 


⸗ u 
— 





⏑ ⏑ ô„æ- 


ſchrieben „gehöre nachzudenken. Diebor erzäht | 
‚ baß Verifles, der ſich am meiſten durch feine u 
ide Rechtfſchaffenheit von den: nachfolgeriben Dem 
em unterfchleb, und durch dieſe wie-hurch feine. die 
nben bie. allgemeine Ehrfurcht bes ganzen 
und ſelbſt feiner Feinde verdient hatte, daß eben. 
große Mann feine Mitbürger in einen erägrlichen 
verwilkelt habe, um von ber Verwalten m 
den Selber, dik er unter Händen —— 
genaue Rechenſchafft Wr zu bürfen. Be 4 
er wieder, daß Perikles die Athenienſer zum 
ber die Spartaner und ihre Bundesgenoffen | gere 
be, um feine beyden Sreunde, den Phidiad uns! 
zagoras, gegen welche man gefährliche Anklagen a 
bracht hatte, zu retten, und alle Spuren von | 
wohn, die gegen ibn felbft in den Gemuͤthern des 9 
{ tig geblieben waren, durch wichtigere Haͤndel an 
Iöfhen. Plutarch wieberhohlt diefe Nachricht, m 
ſcheinlich ans eben der Quelle, aus welcher Diode 
geſchoͤpft hatte, nämlich ans einer Farce bes Ariſte 
nes. Diodor. XII, 505. Man kann aber, md 
Urtheil nach, diefe Beſchuldigung eben fo zuverſich 
- abläugnen, als eine andere beym Plutarch, Die b 
Geſchichtſchreiber gleichfalls aus dem Ariftophanes 
lehnte, und die der erſtern widerfpricht p. 651. vid. 
fiöph. Acharn. v. 527. & fq. daß nämlich eine. per 
liche Erbitterung bes Perifled gegen bie Megareı 
die biefe ſich durch die Eniführung zwoer der Asy 
angehörigen Buhlerinnen zugezogen, bie Urſache 
Nichtauf hebung des Schluſſes der Athenienfer m 
biefe Stadt, und alfo auch des Peloponnefifchen 
‚ges gewefen fey. Thukydides erwehnt dieſer Gert 
oder Vorwuͤrfe au allen ven Stellen, wo er von 
Urſachen und Beraulaffungen des Krieges redet, 1. 
127. 139. nicht mit einem einzigen Worte, und 
Stillſchweigen allein wuͤrde den Perikles ſchon hinl 








Geſchichte des Peloponnefifchen Krieges. 235 


sit ben Seztern zu Friegen, war fo groß, daß fie gang 
der ihren eigenchümlichen Charafter, in welchen fang» 
anfeic in Entſchließungen, und Bebächtlichfeit und Bors 
icht in der Ausführung von Entwürfen die Hauptzüge 
wömachten *), den Frieden mit dem mächtigften Gries 
pen Volke aufboben, ohne fich einmal zu befinnen, 

fie auch gehörig zum Kriege vorbereitet und gerüftet 
haͤren *°). Zwar hatten die Lakedaͤmonier außer einer 
ahlreichen geuͤbten und muthigen Jugend 7) noch alle 
Bolker des Peloponnes, die Argiver und Achaͤer ausge⸗ 
wmmen, ferner bie Boͤotier, kofrier, Phocenſer, Mes 
yarenfer, Umprafioter, teufabier und Anaftorier auf 
brer Seite, und fonnten alfo aud) eine viel größere 
andmacht aufbringen, als bie Achenienfer; allein fie 
== u hats 








en 


lich rechtfertigen, wenn fein ebler Gegner ihm auch 
nicht dag rühmliche Zeugniß gäbe, daß er bloß in ber 
Abficht die Würde und Unabhängigfeie des Arhenienfls 
(den Staats zu behaupten, feinen Mitbärzern geras 
then habe, ben Forderungen ber Spartaner nicht nach⸗ 
zugeben, und daß er weit bavon entfernt geweſen fep, 
das allgemeine Beſte Pleinen perfönlihen Vortheilen 
oder Feindſeeligkeiten aufznopfern 3. 139. II. 65. Thuc, 
Wenn Plutarch und Diodor nicht lieber unwahrſchein⸗ 
Hohen Erdichtungen von Komikern nachgeiagt, ale bie 
wahren Triekfedern von Begebenheiten aufgeſucht haͤt⸗ 
ten, fo würden auch fie leicht haben bemerken Fännen, 
daß Perikles ohne Erdihtungen und Verlaͤumdung ber 
Urheber des Peloponnefifchen Krieges genanut werden 
koͤnne, weil er nämlich den Athenienſern alle bie Ans 
ternehmungen und Maagregeln angegeben hatte, wo⸗ 
durch ihre Macht den Griechen fo furchtbar, und ihre 
Herefhaffe den Bundesgenoffen ‚fo beſchwerlich 
wurde. 

#), Thuc. 1. 70 & 80 & ſq. 

“*) 1. 79. 87. 

4) 11,9. VII. 37. Thue, 





\ 


keine Jeſtumgen, womit fie den Zeinb-Plltem 
haften, feine Schäze, womit fie den Krieg! in ver { 
fortfegen, feine Flotten, womit fie ihre Ufer dx 
und die Athenienfer an ihren fchwächften und em 
lichften Theilen, nämlich in den Inſeln, aus dene 
ihre Reichthuͤmer zogen, hätten angreifen koͤnne 
Die Athenienfer hingegen durften **) es freylich 
wagen, ben Öpartanern und ihren Pundesgenoffe 
fteyen Felde die Spize zu bieten, ober ed auf eine 
fcheidende Schlacht anfommen zu: laffen, :vor wm 
Perikles feine Mitbuͤrger noch vor dem - Anfangs 
Krieges warnete; auch fonnten fie ihre Gärten, 3 
und Landguͤter nicht vor feindlichen Lieberfällen und 


. heerungen ſchuͤzen; allein fie bewohnten auf der ar 


Seite eine Stadt, Die der größten Heersmacht um: 
windlich war, herrſchten über die Inſeln, den Helle 
und das ganze Sriechifche Aſien, und hatten übe 
noch mächtige Bunbeögenoffen, unter denen die K 


raͤer die wichtigften waren 7). ie befaßen bie e 


renften Seeleute, und die furchtbarften Flotten, 
weichen fie die vereinigte Seemacht aller übrigen t 
chiſchen Städte fehlagen, die ihnen unterthänigen ' 
fer im Zaume halten, und ihre Feinde, warn unl 
fie wollten, mit Sicherheit anfallen Fonnten FF)... | 
lich harten fie Einfünfte, mit welchen fie auch ohn. 
unermeßlichen Schaz von mehr alö ſechs taufend T 


U TTS U I 


*, Mit biefen Vorftellungen fuchte Archldamus, Ku 
©parta, feine Mitbürger von der uͤbereilten Bra 
bes Friedens abzuhalten; und mit eben biefen Gruͤ 
mumnterte Perifles die Achenienfer zum Kriege wiı 
Lafrdämoniern auf. I. go. 140. Thuc, 

*®) Pericles ap. Thuc. I. 140, 

+), Thue. 11. 9. 

+t) Il. 13. Xenoph, Anab. Il, lib. p, 383. 





Geſchichte des Peloponnefifchen Krieged. 237 


, ben fie gefammlet harten, den langwierigſten Krieg 
Ihren zu koͤnnen ſchienen, und unterhielten ein zahlrei⸗ 
Heer, mit welchem fie ihre Schiffe Hinlänglic) bes 
und ihre Feftungen vertheidigen konnten. Wenn 
nun die fage der Spartaner und Athenlenfer beym 
hung des Krieges mir einander vergleicht, und die 
shtheile und DBortheile beyder Staaten gegen einans 
Ber aufwiegt, fo muß es einem jeden auffallen, daß der 
Entichluß der Spartaner, ohne Borbereitung einen 
Bis mit dem gerüftetftem Volke anzufangen, eben fo 
eilt, als die Hoffnungen, welche Perikles den Athe⸗ 
fern von einem glücklichen Fortgange ihrer Waffen 
te, gegründet waren. Der Erfolg entfprach den 
wahrfcheinlichen Erwartungen dieſes großen 














son Klugheit in ihm, noch größere Weisheit in feinen 
Seinden, fondern unvorhergefehene Unfälle, am meiften 
aber die Thorheit und Eigennüzigfeit feiner Nachfolger 
»Echuld, die feine Maaßregeln verließen, und feinen 
een Grundſaͤzen entgegen handelten *). Thukydides 
ſelbſt geſteht, daß eben der Krieg, der Athen zu Grunde 
Achtete, eine ganz andere Wendung würde genommen 
Inden, wenn entweder Perifles am eben, oder die fpäs 
ten Demagogen feinen Abfichten treu geblieben waͤ⸗ 
rn .. 


Der eigentliche Anfang oder Ausbruch des Krier 

#8 war bie verrätherifche Ueberrumpelung von Plataͤa 
durch die Thebaner , die aber in diefer unbefonnenen Un⸗ 
teenehmung faft alle das Leben verloren 7). Gleich nad) 
diefem Vorfalle zogen die Lakedaͤmonier ihre Huͤlfsvoͤlker 
zu⸗ 


®) II. 65. 
*®) 1b. 
+) Thuc, IL i. & fq, 


aatsmannes nicht; allein daran war weder Mangel - 


8 Siebentes Buch. Erſtes Capitel. J 


zuſammen, ruͤckten mit einer Heersmacht von fec 
taufend Mann in Attifa ein, und vermwäfteten bie 
der und Landguͤter der Athenienfer bis fechzig Sta 
vor der Stade *), bey welcher Befchimpfung Per 
fein ganzes Anfehen amvenden mufte, um bie muth 
jungen Athenienfer, Die noch nie einen auswärtigen d 
fo nahe an ven Thoren gefehen hatten, und bie di 
den Anblick der brennenden Wohnungen ihrer V 
und Buͤrger aufs Außerfte erhizt wurden, von einem 
fäprlichen Ausfalle zurück zu Halten. Perikles ri 
ſich an ven Feinden. durch eine mächtige Flotte, bi 
wider fie ausfchicfte, und wodurch er das Gebiet 
Spartaner und ihrer Bundesgenoffen mit eben fo n 
ger Schonung, als die tafevämenier in Attifa bei 
hatten, verheeren ließ **). 

In den neun folgenden Jahren thaten die S 
taner faft alle Sommer einen Einfall in Attika, 
die Athenienfer wagten gleichfalls andungen im Pelo 
ned, ohne daß es zwifchen ven beyden Friegenden M 
ten zu einem entfcheidenden Treffen gefommen w 
Die Athenienfer eroberten zwar Potidaͤa wieder, n 
dem fie es einige Jahre belagert ***) Hatten, fehl 
die Peloponnefier einigemalen fowohl zur See F) afı 
tande Fr), bezwangen Lesbos, das von ihnen abgefi 
war 777), festen fich felbft im Spartanifchen Ge 
in Pylos feit, von wannen fie ihren Feind durch un 

hör 














2) II. 18520. Thuc, Plut. I. 657. in Pericle, 
' ®*®) II. 30, 28. 
an) Im dritten Jahr des Krieges Thuc. II, 70, D 
XIi. 510. 
+) 11, 83,92, Thuc. 
+) Diod. XII. 523. Ol. 89. 1. 
tt) 1IL 36. 49. 50, Thuc. Diod, XI, 516, Olymp, g 


Gefchichte des Peloponnefifchen Krieges. 239 
liche Streiferenen beunruhigten, und am melften 
ch die Aufnahme der Heloten, die Schaarenweiſe aus 
r Knechtſchafft entflohen, Schaden zufügten*), und 
men endlich an der Spartanifchen Küfte auf der Ins 
Spafteria nahe an drey hundert der vornehinften und 
ſten Lakedaͤmonier gefangen **); allein alle diefe Vor⸗ 
le wurben durch viel größere Machtheile uͤberwogen, 
Ihnen aber nicht ſowohl von Feinden , ald durch Zus 
oder vielmehr durch die Scitungen ber Vorſehung zus 
gt wurden. Sie muften ſchon in den vier erften 
wen des Krieges in den foftbaren Ausruͤſtungen, vie 
nachten, und in den entfernten Kriegs;ügen, bie fie 
nahmen, alle Die Reichthuͤmer verſchwenden, wel⸗ 
Perikles erfpart hatte”**). Sie verloren außer den 
DMten, die Brafidas ihnen in Thracien wegnahm 
e abwendig machte F), noch die beyden größten 
blachten, die in den sen erften Jahren des Krieges 
efert wurden, eine ben Delium gegen bie Boͤotier FF), 
ı eine andere bey Amphipolis ‘gegen die tafedämos 
777). Zulezt buͤßten fie außer der Mannfchafft, 
bie 








N — — 





Thue. IV. 4. & ſq. in 7 Jahren bes Krieges. 

) IV. 38. Thue. & 40. Dieſer Zufall ſezte ganz Grie⸗ 
chenland in Erſtaunen. 

#) 111. 17. Thuc, Die Belagerung won Potidaͤa allein Pos 
flete 2000 Talente. Thuc. I. 70. Wofür Diodor uns 
richtig nur die Hälfte angibt. p. 509. XII. Sie muften 
einem jeden Soldaten, ber vor Potidda und Auf ihrer 
Zlotte diente, täglich zwey Drachmen geben, wahr⸗ 
ſcheinlich deßwegen, weil junge Leute durch die Seuche 
ſchon felten gervorden waren, umd eben diefe Sende 
den Kriegsdienft unter den: Athenienſern fo gefährlich 
machte. Ill. 170. 

) IV. 80. Thuc. 

f) IV. 101. Thuc. XII. 527. Diod, ad Ol. 89. 1. 

t}) V. U. &c, Thuc. Piodor. XII. 530. Olymp, 89. 3. 


240 Siebentes Buch. Erſtes Eapitel, 


bie dieſe beyden Schlachten ihnen koſteten, durch 

ſchreckliche Seuche, die ſchon im zweyten Jahte 
Krieges ausbrach, und bis ins fünfte fortdauerte, uͤ 
vier taufend ſchwer bewaffnete Krieger, über dren h 
dert der angefehenften Bürger, die zu Pferde diem 
und über zehn taufend aus dem Volke ein *). Ga 
aber würde Athen den Verluſt feiner Schäge und 

Hälfte feinee Einwohner nicht fo fehr gefühlt Hab 
wenn bie verzehrende Kranfheit dieſer Stade nicht a 
den erften ihrer Bürger, der allein ſtark genug n 
das wankende zerruͤttete Staatsfchiff in gefährlic 
Stürmen zu regieren, ich menne den Verifles, fi 
im dritten Jahre des Krieges entriffen hätte *"). 








°%) Thuc. II, 17. 48»52. 11.87. Diod. XII. 508. üı 
517. 18. Plut. in Per. I. 660. 

an) L.c, Sn der Befchreibung des Urſprungs und ber l 
hen der Seuche weicht Diodor auf ntannichfaltige 
ten von Thukydides ab. Lezterer erzählt I. a7. 
daß diefe Peflilenz der Sage nach von Yethiopien ı 
gegangen fey, fi) dann über Aegypten, Lpbien, 
ben größten Theil der dem Perſiſchen Scepter m 
worfenen Länder verbreitet Babe, und endlich nach 
ſchiedenen Orten von Griechenland, umb aulezt 
nach Athenigefommen fey, wo fie ſich zuerft im Ph 
gezeigt habe, Meerkwürbig ift es, daß eben biefer 
ſchichtſchreiber hinzufezt, daß das Jahr, in welchen 
zuerſt ausgebrochen, in Anfehung aller andern A 
von Krankheiten, eins ber gefundeften gewefen 
und daß alle übrige Unpäglichfeiten, bie jemanden 
geftoßen wären, fich in die anſteckende Seuche verr 
delt hätten. — Bon alle dieſem fagt Diodor en 
der gar nichts, oder gerade das Gegentbeil. 
die Haupturſache des Uebels gibt er die Un 
fung der Menfchen in Athen vor dem Einfall der 9 
ponnefier in Attika, und bad Zuſammenpacer 


Osiäitie rer Ssponneigen Arge. Ev 


Das abwechfelube Gläct,. welches bie baͤmpfenden 
hie Bist efahen hatten, und felbft bie. Dauer 


Li “ . 


= "Beafhen, die iu: freyer Luft zu leben nud zu. arbeiten 
gewohnut waren, in kleine ober ungefaube Wohnun 
— Mau ſehe auch Plutarch L. 660. Dieſe 
\ —ã vieler Menſchen im kleine enge Räume iſt 
‚ fepiich nicht erdichtet. Denn Thukydides ſelbſt berich⸗ 
: "get, daß nur wenige von denen, bie Yich vom Lane in 
‚Die Stadt gezogen hätten, bey ihren: Freunden: ober 
Werwaudten uutergelommen-wären. Ih.17.. Daß: bie 
2⸗iſten ſich· in Tempeln und Capellen, ober in ben 
Thuͤrmen der Stadtmauern aufgehalten, ober daß fle 
J auch kleine Huͤtten im Piraͤus ſowohl, als in der 
* gab e fo gar auf den langen Mauern erbaut 
les Bepſammenwohnen fo vieler Dem - 








I 


er —* "hl war nicht bie Urfache ber Eutſte⸗ 


* Kung ber heit, ſondern nur eine Urſache, daß fie 
in Athen- länger und heftiger, als in irgend einem ans 
bern Theile Griechenland wuͤthete. Die Übrigen 
„Ulfagen, die Diodor aufzaͤhlt, find eben fo erdichtet, 
ober mit den Nachrichten bes Tpufybides eben fo fehe 
Im. Miderſpruch, ale bie eben angeführte: Der Wins 
ger vor dem Ausbruch der Krankheit. fey, fagter p. 518 
— E feucht geweſen, woher viele Suͤmpfe und 
Moraͤſte entſtanden, welche die Luft in dem folgenden 
cbenmaͤßig heißen Sommer verpeſtet und mit fanlenden 
Dnften angefällt hätten. Durch bie heftigen Megen, 
dir vorhergegangen, feyen auch bie Früchte bes Feldes 
verdorbenſ und zu rwäffericht geworden, welche Verdor⸗ 
benheit (die fich aber mit der heftigen Hiße des Soms 
mers nicht gut reimen läßt) den Sörpern der Menfchen 
geſchadet hätte. — Alle biefe Anmerkungen des Dios 
Ver balte ich für Vermuthungen, welche Ephorns- oder 
Xyeopomrp über die Seuche anftellten, weil fie entwe⸗ 
der. den Thukydides nicht nachgefehen hatten, . ober et» 
was anderes als biefer Gefchichtfchreiber fagen wollten, 


Zweyter Band, 8 


— 


242 Giebented Bud. Erſtes Capitel A 


des Krieges, der: fich wider aller Ber in 
Kaͤnge zog, machte die Gemuͤther ſowohl der Athenic 
als der Spartaner in gleichem Grade zum Frieden 
neigt. Beyde Partheyen hatten die Unfälle, von du 
fie betroffen worden waren, weit tiefer als Die gewen 
nen Vortheile gefühlte, und beyde fürchteren auch! 
der Fortſezung des Krieges mehr von der Zukunft, 
fie davon hoffen zu fönnen glaubten. Die Athena 
und Spartaner ſchloſſen daher *) einen Frieden, inı 
chem fie fich faft alle die Nechte zugeftanden, und 
die Plaͤze wieder auszuliefern verfprachen, um weh 
Willen fie den Krieg angefangen, ober bie fie einad 
abgenommen hatten **). Ein folcher Friede wuͤrde 
wiß ſchon mehrere Jahre früher gefchloffen worden 
wern nicht Brafidas, ein junger Spartanifcher 
und Kleon, ein Athenienfifcher Demagog, bie 
nung ber beyden Bölfer gehindert hätten Der 
der mit Spartanifchem Muthe Arhenienfifches F 
verband, hatte fich bey Merhone ***), Pylos +), bq 
ders aber durch die Klugheit und Tapferfeit, vwoomk 
den Athenienfern viele Städte in Thracien mit Ga 
abgenommen, oder durch Dorftellungen abwendiz 
macht hatte, einen glänzenden Ruhm erworben, 
hoffte bey der Fortfezung des Krieges immer neue far 
zen zu ſammlen 77). Kleon hingegen hatte fidh bi 
immer dem Frieden wiberfezt, weil er überzeugt | 
daß mit ihm das ganze Anſehen, in welchem er ben 








dunusunun Gmmstlikntnue ⏑ 


*) Wiewohl bie leztern ohne den Beptritt ber maͤchti 
Bunbesgenoffen, der Boeotier und Korintbier. 

“*) DI. 89. 3. Diod. XII. 530. & Thuc, V. 18. 

u.) IL. 25 Tbue, 

» IV, II c " 

ih) Thuc, V, 11. 12, & fq. 





—E Sig. 2 


nienfifchen Volke ſtand, verloren gehen wuͤrde 
var nämlich dem Perikles als Rathgeber und ne 
* —5 — ohne eine einzige von den außeror⸗ 
ben und Tugenden zu beſizen, wodurch 
ann das übermüthige Achenienfifche Volk 
kn gehalten, und feine Vaterſtadt über — übrige 
Sriechenlandes erhoben hatte. : Keons Seele 
schen fü eh enuia feine ‚Geburt niebeig, „um feine 
wbrbierung g wars; unb er gewann bie Gunſt 
Volks nicht einmal durch eine hinreißende oder eins 
nende Beredſamkeit, die er bey bem. fchlechteften 


vornehmſten 

er und Heerfuͤhrer *"), endlich durch poͤbel⸗ 
B&chtoänfe, welche nur ſolche Menſchen, die ihm 
Ki waren, ergbien und zum tachen reizen konnten. 
Bar der erſte in Achen, der den öffentlichen Redner⸗ 
Köurch Poſſen und theatralifche Sefticulationen ent 
BT), ber die Rathgeber des Volks zu elenden Luſtig⸗ 
2a machern 











Ib, & IV, 23 & 123 c 

h ine lebhafte Schilderung des Kleon umb der ſchaubli⸗ 

den Kuͤnſte, die er brauchte, ſehe man beym Ariſtopha⸗ 

«nes in Equit. v. 45,80. imp. p. 770. & fq. 

) Kas Tov emı Ta Pnnaros nosuov aveAav, x 
MEWTos Ev Tw ‚Önpac’yogesv AVaHEXYay, Ko TE- 
GITHATaS To iur; na Tov yıngov marke, 
xc⸗ —R ET TE AEYEW ua Konsasmevos, 
TNV oAsYov USEROv EWAYTE TE FORYUAETE aUy- 
KEBTay EUXELeaV, Kos OANYwLIAy TE TOETOV- 
ros SVEMOMTE Ts TONTEUOMEVGIS. Plut, uf, 

»$ 353. 354- 


a4 Ciehenteb Bud Erbes @onaihin" 
machern herabwuͤrdigte , und. das Athenienſiſche 


daran gewoͤhnte, die wichtigſten Angelegenheiten 
eben dem Leichtſinn, wie die Streitigfeiten von Wh 
ober die Zänfereyen von Schaufpieleen zu behan 


und in bie: feievlichen Verſammlungen bes Wolle 


eben ben Abfichten zu’ kommen, mit welchen 


- Theater befuchten: um naͤmlich auf Unkoſten .s 


lachen und ſich luſtig zu machen, Weil er weder } 
keit zu großen Gelchäfften noch Eifer für das allgen 
Beſte hatte, ſondern einzig und allein. darnach ſu 
die Gunft des Poͤbels zu gewinnen, und die The 
deſſelben zu feinem Vortheile zu nuzen ); ſo hielti 
Athenienſer oft von ben heilſamſten Entſchließu 
ruͤck **), oder verleitete fie auch zu den un 
and graufamften Anfchlägen })._ Weil er 
genen Nichtswuͤrdigkeit bewuft war, und 2* 
Sannte, daß er von den Athenienſern eben ſo 
achtet wide, als er fie bisweilen zu foppen ſich 


fich ¶ 
Rand 115 fo wiberfegte er ſich nie mit Ernſt .. 










) Plut, II. 339. 352. & Thuc. Il, ec, 


En) ©o hinderte er ‚einmal den Frieden, den bie em 

den Athenienſern anboten. Thuc. IV. 22.  : 

, D& verführte die Athenienfer, den Waffenſtillka 

brechen, den fie mit den Lakedaͤmoniern gefchleffen 

ten IV. 122. und berebete fie, daß fie alle män 

Einwohner von Mitplene umbringen, und ihre 

ber und Toͤchter als Sclaven verkaufen. laffen mh 

ein Schluß, ben fie aber bald. wieder bereuten, 

gleich am zweyten Tage, nachdem fie ihn sefaßt h 
wieber aufbhoben. 111. 36. 49. 

77) Er rief einſtens die Athenienfer anf einen gewiſſe 

zuſammen, um über wichtige Sachen zu rathbfd 

Das ganze Volt verfammlete ſich zur. bei 

| Grunde, und wartete eine sane eitlang ver 


7 


des Peloponneſiſchen Lriches. 245 
igen der Athenlenſer (welches fie dom feiner Zeit an 
fh Irmek weniger duldeten, und bald für. ein re⸗ 
Br Halten anfingen) und bewarb ſich auch nicht um 
ed gefährliche Würden und Ehrenftellen, - die ee 
würde erhalten haben, wenn nicht die Achenienfer im 
un Anfalle von halb verdrießlicher, halb muthwilliger 
Be, worinn er ſie Durch feinem Aberwiz verfeze hatte, 
Hier feinen Willen eine Befehlshaberftelle: aufges 
hen hätten, um ihn für feine tollfühne Praiereyen 
rafen *). So wie er das Detragen aller gluͤckli⸗ 
ſowohl als unglücklichen Feldherren, ‚die ihn niche 
ft Hatten, ohne Ausnahme durchzog; ſo warf ee 
Ä welchen vie Belagerung der Spartaner auf 
Rerfel Sppafteria aufgetragen war, entweder Man⸗ 
bon Muth und Berriebfamfeit, ober gar heimliche 
dungen mit,ben Feinden vor. Es müfl 














Ku bemaͤchtigen, wenn man ihnen nur mit einer gut 
Mruͤſteten Flotte nachbrücklich zu teibe ginge. - Er 
wolle fich anheilchig machen, die Inſel in zwanzig 
igen zu bezwingen, wenn bas Bolf ihm fo viele Schiffe 
5 Mannfchafft geben wolle, ald er fordern würde, 
um hatte Kleon dieſe pralerifche Erflärung vorges 
icht, als die Achenienfer ven Nikias baten; feine Des 
löhaberftelle niederzulegen, und ‚zugleich mit Ungefhim | 
—W 3 








auf ſeinen Demagogen, bis endlich Kleon feſtlich be⸗ 

eränzt erſchien, und bie ganze Verſammlung bat, die 

Berathſchlagung auf den folgenden Tag auszufezen, 

weil er heute den Goͤttern geopfert habe und Gaſtfreun⸗ 

de bewirtben wolle. Die Athenienfer lachten über bie 

Unverſchaͤmtheit des Mannes, und gingen ruhig aus 
- einander. Plut. p. 352. 


) IV. VI. 28. Thuc, Plut, I, 352. in Nicia, 





‘ U 
⁊ > 


* 


in ben Kleon drangen, daß er dieſe Stelle ei 
der Sache gar nicht voraus gefehen hätte, Gace: | 
lehnen; allein er mufte endlich dem Willen des Indie 


















6 Eaaue Ba. Er 


möchte. Der betroffene Demagog, ber dieſe W 
Diefen Auftrag unter allein Borwänden von ſich 


Poͤbels nachgeben,. und die Unternehmung, die 
leicht befchrieben hatte, wirklich antreten. 
nnienfer glaubten allgemein, daß er auf.diefem 
kommen würde; zu feinem eigenen und ber Achen 
Verderben aber war er glücklicher, als et felbft oder 
jemand gehofft Hatte. Er nahm in furzer Zeit die 
Sphakteria weg, und führte noch innerhalb der’; 
Tage, vie er zu biefer Unternehmung beſtimmt 
Die gefangenen Spartaner nad) Athen hin. Die) 
erwartet glücliche Streich floßte dem aufge 
Schwaͤzer nod) mehr Kühnheit und Zutrauen wi 
felbft ein, als die mit ihm ausgefühnten Arche 
soirflich zu ihm gefaßt hatten, . Er ü 
bald nachher die Führung eines Achenienfifchen Pe 
Thracien ‚wo er aber 9— Amphipolis ſeine wm 
mit dem Leben, und die Achenienfer das blinde 

was fie in ihm gefezt hatten, mit einem anfehnlichen® 
Iufte ihrer tapferſten Mitbuͤrger bügen muften *). 


So ſehnlich die Spartaner den Frieden gewuͤn 
Hatten, fo wenig zeigten fie fi), nachdem er gefchle 
war, ‚geneigt , die gemachten Bedingungen zu erfül 
Sie nöthigten ihre Bundesgenoffen nicht, wie fie ' 
fprochen hatten, dem Friedensfchluffe benzurreten, und 
ferten auch unter allerien Vorwand die Pläze nicht aut) 
fie ven Athenienfern in Thracien abgenommen hatten 

\ j 
*) V. Thuc. c. II. 
%®) Thuc, V; 35. 42. 





Achenienſer weigerten ſich daher auch, den Safebäs 


nern Pylos wieder zu geben, und faßten auf Anſtif⸗ 


des Alfibiades , der den Spartanern 'auffäzig war, 
| fie ihn beym lezten Frieden vernachläffige hatten, 


Schluß, fich mit den Argivern zu verbinden *). . 


th diefen Borfaz wurden die Spartaner fo fehr in 
cht gefest, daß fie fogleich Gefandten mit uneinge⸗ 
aͤnkter Bollmacht nach Athen fchickten, alle obwal⸗ 


win Streitigkeiten beyzulegen, und einen daurenden 


Beflidei de Yelopcnnflihen geive. 


v 


sen zu ſchließen). Weit aber Alkibiades eben dieſe 5 


andten durch eine fchänbliche Betruͤgerey den Athe⸗ 
fern **®) verdächtig machtes fo fehonten fie ber 
artaner nicht weiter, und fchloflen ein Bünbnig mit 
Argivern +), das aber einige Jahre nachher durch 
große Niederlage, welche Die leztern von ben Spar⸗ 
en litten ff), wieder aufgehoben wurde. Die Athes 


fer und Spartaner hatten fich noch immer feinen _ 


g angekuͤndigtz allein fie lebten doch in einem zwey⸗ 
24 deu⸗ 


———— — 





Thuec. v. 43. 


V. 45. 

, Er ſagte, baß er hie Athenienfer zu allem, was ſte 
wollten, bringen wollte, wenn fle nur in. ber Öffentlis 
den Volksverſammlung nichts von unumſchraͤnkter 
Vollmacht, die fie bey ſich hätten, Sagen wuͤrden. 
Die Geſandten waren thöricht genug, dem Alkibiades 
an folgen, und nun warf es vor ben ohnedem ſchon 
aufgebrachten Athenienfern ben Spartanern und Ihren 
Geſandten lauter als jemals wor, daß fie bie Atheniens 
fee nur hinhalten und zulezt betrügen wollten, V. 45. 
Diefer Berrätherey wegen kann man ben Alfibiabes mit 
größer Rechte ven Urheber ber Fortſezung, als dem 
Derikles die Urfache des Anfangs des Peloponneſiſchen 
Krieges nennen. II. 26. Plut, 

V. 47. Thuc. 
) Ib, 75: & & fq. 


248. . Giebentes Buch. Eifies'Enpiell 


deutigen Mittelzuftande, in welchem fie ſtets mißtin 
woaren, ſich, wo ſie nur konnten, allen erſinnlichenS 
den zufuͤgten, und jeden Augenblick befuͤrchten mul 
daß ſie von ihren Feinden plözlich uͤberfallen würden, 
In diefer mißlichen tage wagten Die Athenienja 
san eine Unternehmung, die ihren Untergang eben ſi 
befchleunigte , als fie unbefonnen angefangen ni 
Sie Tiefen fi) nämlich von den Gefandten der! 
franer und seontiner, welche Bundesgenoffen der. € 
waren, am meiften aber durch die Borftellungen 
Alfibiades ‚bewegen, eine mächtige Flotte wider die 
rakuſaner, oder vielmehr zur Bezwingung von gan 
eilien auszuruͤſten, nach welcher Inſel fie fehon be 
‚zeiten des Perikles getrac)tet, die fie auch bald na 
nem Zode-einmal mit ihren Schiffen berührt ht 
und nun in kurzer Zeit fich zu unterwerfen hoffte 
Alfibiades Hatte fehon lange mit dem Nifias, dent 
allen Seiten, nur nicht in Anfehung der | 
Baterlandsliebe übertraf, um die Gunft des 
buhlt, und es war ihm endlich durch die ruͤhn 





Die Athenienſer wurden allmaͤllch ihren Vorfah 
unaͤhnlich, als die Führer und Rathgeber, de 
folgten, dem Perikles ungleich waren. Im 
Jahre der 89 DI. übten fie auf den Rath des Ki 
den Skiondern, und im zweyten Jahr der HT & 
Rath des Alfibiades an den Einwohnern won 
eine Grauſamkeit aus, die ihnen in allen nachfo) 
Jahrhunderten von den Zeinden ihres Namens 
voorfen wurde. Nachdem fie nämlich bepde In 
obert hatten, tödteten fie alle wehrhafte Männ 
fie vorfanden, und verfauften Weiber und Kin 
Sclaven. Thuc, IV. 122, V. 116. Diod, Xi 





535. 
®*) 11. Plut. p. 32. in Aleib, VI, 1. 15. Thuc, Die 
514. ad ol, 88. 2, XIII, 543. ad ol. 91. 2, 


dt des velepouneſſhen Seiageh e . 


, bie er unter den Phormio in Thracien gethan, 
le glücklichen Unterbandlumgen mit den Argiveru 
ern Stäbten des, Peloponries, am meiften aber 
ie Menge feiner Nennpferde und Rennwagen, 
ch.bie erftaunliche Pracht, womit er bey Olym⸗ 
bienen war, geglüdt *),. ein entſchiedenes Les 
hr über feinen Rebenbuhler zu erhalten. : Natur 
aͤck hatten über biefen ihren Liebling ihre Herrliche 
ben mit fo verfchwenderifchen Händen ausgeſchuͤt⸗ 
ß alle feine Zeitgenoffen von feiner erften Kind⸗ 
ihm den erften Bürger von Athen, ober einen 
weißagten, ber feiner Baterftadt vereinft großes 
‚der großes Unglück bringen würde. Er ſtammte 
em ber älteften, evelften, und reichften Gefchlechs 
(chen ab, welchem die Achenienfer vorzuͤglich die 
bung der Pififtratiden zu verdanken hatten, und 


ſich wiederum durch die Vermaͤhlung mit der 


des reichen Kallias mit einem andern eben: fo 
nen Haufe **). Kein anderer Achenienfifcher 
riechiſcher Süngling Fam ihm an Schoͤnheit, 
, perfönlicher Zapferfeit und Beredſamkeit 
), und er war fo unwiderſtehlich liebenswuͤrdig, 
felbft feinen Feinden und Neidern wider ihren 
ihre Herzen entriß, fo bald fie ihm nur fahen, 
tt ihm redeten FF). Seine Natur. war ſo ers 
h biegſam, oder in ihm waren fo viele entgegen, 
Naturen vereinigt, daß er mic Ablegung aller 
m Eigenthämlichfeiten , welche Erziehung und 
nheit in ihn hineingewirkt hatten, fich, wann 
25. e 
huc.&Plut.le. .- . , 
foer. II. 431. Demoftbenes p. 405, 
.cc.& Plut, 1,18. | 
Ib, p. 48. 











deutigen Mittelzuſtande, in welchem fie ſtets mißtta 
“waren, ſich, wo ſie nur konnten, allen erfinnfichen® 
den zufuͤgten, und jeden Augenblick befuͤrchten mu 
Daß ſie von ihren Feinden plözlich uͤberfallen wuͤrden 
An dieſer mißlichen tage wagten Die Athenienfe 

san eine Unternehmung, die ihren Untergang ebenfi 
befchleunigte , als fie unbefonnen angefangen wW 
Sie ließen ſich nämlich von den Gefandten der 
ſtaner und kLeontiner, welche Bundesgenoffen der € 
waren, am meiften aber durch die Worftellunger 
Alkibiades bewegen, eine mächtige Flotte wider Die 
rakuſaner, oder vielmehr zur Bezwingung von gan, 
eilien auszuräften, nach welcher Inſel fie fchon be 
zeiten des Perikles getrachtet, die fie auch bald na 
nem Tode einmal mit ihren Schiffen berührt he 
und nun in kurzer Zeit fich zu unterwerfen hoffte 
Alfibiades hatte fehon lange mit dem Nifias, dent 
allen Seiten, nur nicht in Anfehung der Vorſich 
Barerlandsliebe übertraf , um die Gunft des Bol 
buhlt, und es war ihm endlich durch die ruͤhm 


% Die Athenienfer wurden allmaͤllch ihren Worfah 
undhulich, als die Führer und Nathgeber, dar 
folgten, dem Perikles ungleih waren. Im 
Jahre der 89 DI. uͤbten fie auf den Rath des Ki 
den Sfiondern, und im zweyten Sahr der 9T a 
Rath des Alfibiades an den Einwohnern won | 
eine Grauſamkeit aus, die ihnen in allen nachfol 
Jahrhunderten von den Zeinden ihres Namens 
worfen wurde. Nachdem fie nämlich beyde Inf 
obert hatten, tödteten fie ale wehrhafte Mänmı 
fie vorfanden, und verfauften Weiber und Kin 
Sclaven. Thuc, IV, 122. V. 116. Diod. x 











535- 
**) I, Plut. p. 32. in Alcib, VI. 1. 15; 'Thuc, Dio 
514: ad ol, 88. 2, XIII, 543. ad ol. 91. 2, 


Geſchichte des Peloponneſiſchen arieges. 249 


baren, die er unter dem Phormio in Thracien gethan, 
sch die glücklichen Unterbandlungen mit den Argivern 
d andern Städten des, Peloponnes, am meiften aber 
sch die Menge feiner Nennpferde und Rennwagen, 
id durch die erftaunliche Pracht, womit er bey Olym⸗ 
3 erichienen war, gegluͤckt *), ein entfchiedenes Le 
gewicht über feinen Mebenbuhler zu erhalten. Natur 
db Sluͤck hatten über dieſen ihren Liebling ihre herrlich⸗ 
m Gaben mit fo verfchwenderischen Händen ausgeſchuͤt⸗ 
t, daß alle feine Zeitgenoffen von feiner erften Kind» 
it aus ihm den erften Bürger von Athen, oder einem 
Ranın weißagten, ver feiner Baterftadt vereinft großes 
eil, oder großes Linglüc bringen würde. Er ſtammte 
ı8 einem der älteften, ebelften, und reichften Geſchlech⸗ 
re in Athen ab, welchem die Achenienfer vorzüglid) die 
ustreibung der Pififtratiden zu verdanfen hatten, und 
erband fich wiederum durch die Bermählung mit ber 
‚schter des reichen Kallias mit einem andern eben fo 
ornehmen Haufe **) Kein anderer Athenienfifcher 
der Griechiſcher Süngling kam ihm an Schönpeit , 
Stärfe , perfönlichee Zapferfeit und Beredſamkeit 
leich 7), und er war fo unwiderſtehlich liebenswuͤrdig, 
aß er ſelbſt feinen Feinden und Neidern wider ihrem 
Billen ihre Herzen entriß, fo bald fie ihn nur fahen, 
der mit ihm redeten 77). Seine Natur war ſo er⸗ 
taunlich biegfam, oder in ihm waren fo viele entgegen» 
efezte Naturen vereinigt, daß er mit Ablegung aller 
lttiſchen Eigenthuͤmlichkeiten, welche Erziehung und 
jewohnheit in ihn bineingenirft hatten, fich, wann 

| 5 er 





— —— —— ———— 





x) Thuc. & Plut. I .. 
®®) Ifocr. Il. 431. Demoſthenes p. 405, 
+) 11. cc. & Plut, II, 18. 


tt) Ib. p. 48. 


\ 


230.1 Chemie Vuch. Erſtes Chr 


ſondern auch fo gar feine Tugenden in die gewaltchä 





er wollte, in einen rohen Thraeier, ober In einerrfg 
geriſchen, prachtliebenden Perfer , ober, in einen 
Spartaner, ober in einen weibifchen Jonier um 


konnte *). Mit viefen außerorbentlichen' 


vereinigte Alkibiades eine gewiffe jugenbliche 

keit und Offenheit, die alle feine Ausfe g 
ger frafbar und feine Verbrechen ſelbſt In den A 
bes Volks als verzeihliche Jugendſuͤnden erſche 
machte. Hiezu kamen noch die herrlichſten Anlagen 
Tugend, wodurch er zu allem, was groß und erfı 


iſt, fähig gemacht wurde, und ein zweyter Perikiet 


worben wäre, wenn er ber Stimme des Sokrates. 

de gegeben haͤtte **), Allein fo große Gewalt d 

thenienfifehe Weiſe eine Zeitlang über feinen Zög 
Hatte, und fo fehr er auch in den Jahren feiner u 
dorbenen Tugend von ihm verehrt wurbe; Yo fonkn 
ihn doch nicht in feinem reifern Alter feft halten, 
den Strom der allgemeinen Sitte ü 
brechen , ver ımter allen Zeitgenoflen gerabe' mie 
größten Heftigkeit auf den Alkibiades eindrang, und 
fen mit unzähligen andern in's Verderben dahin rif 
Verruchte Keufchheitsfchänder zerrütteten nicht nur 
nen Cörper und feine Unſchuld, fondery auch feine f 
ne Seele, und Fehrten nicht nur feine Schwachheit 


| 





— y 





7 
% Plut. p. 45. & Athen. XII. 9. 


#*) Plut, II. 9,13. auf welche Stelle ich unten wieder zu 
kommen werde. 


9) Xenoph. Memorab, Soer, I. e. 2. p. 12⸗,15. 
fonders leſe man bie Schilderung eines verborbe 
Bürgers in einer unumſchraͤnkten Demokratie, bep 
zen Entwerfung Plato gewiß den Alfibiades im Si 
hatte. de Rep, VII. 400. 302. 


Seſchchte des Peloponneſiſchen Krieges. 251 


ten tafter um *). Seine Begierde nach ruhmvollen 
Ihaten, die Sofrates ihm eingeflöße hatte, entzündeten 
w bis zu einem unbegränzten Ehrgeize **), und feine 
Bisinlichfeit, die Sofrates unterdruͤckt und im Zaum 
halten Hatte, fachten fie bis zur ungeheuerften Pracht 

‚ Schwelgeren und tiederlichfeit an. ‘Die nieder 
roͤchtigen Schmeicheleyen, wodurch fie ihn über die ehr⸗ 
ärbigften Netter und Dergrößerer feines Vaterlandes 
wegfesten, erzeugten in ihm ben unglüdlichen Wahn, 
aß er alles, was er nur wünfche und träume, ohne 
Mühe ausführen und erlangen koͤnne, daß er über alle 
Befeze erhaben fey, und fie ungefcheut und ungeftraft 
Wertreten, daß er alle feine Mirbürger, felbft Die vers 
hienteſten, nach feinen taunen mißhandeln, daß er bie 
Schäze und Koftbarfeiten von Athen als fein Eigenthum 
nen, umd Die ganze Macht des Staats als ein Werk⸗ 
jeug feiner Größe brauchen Fönne ***), Auf diefe Art 
wurde Alkibiades der gewaltfamfte, üppigfte, und uns 
mäßigfte unter den Achenienfern }), und verdarb bie 
Bitten der Jugend durch fein verführerifches Beyſpiel 
noch weit mehr, als er von andern war verborben wors 


ten 1). ! 


Dieſer wilde und von Ehrgeiz brennendel junge 
Mann wandte alle Macht dee Beredfamfeit und felbft 
. des 


> GE ER — èIe u ⏑ 





1b J 
*., Man ſehe beſ. Plate in Aleib. prim. p. 215. Ed. Baf, 
Gr 


244) Man febe meine Abhandlung über ben Lurus der Athe⸗ 
nienfer, und beſonders Andecydis orat. IV, 297« 


305. 

) Kenopb, Il, ec. 

+) Man fehe meine eben angeführte Abhandlung und Abos 
kydes ©. 311. 





[. Sebenet Vuch Erſtes Ei 


des Aberglaubens) an, Die Athenienſer im char 
ternehmung zu bewegen, in welcher er ſich felbft dar 
chun, die tücfen, die bucch unſinnige were 
dung in: femem DBermögen entflanden waren, 
ausfüllen, und neue Schäze zur Fortfegung feiner. 
als fonigtichen Pracht ſammlen fonnte **). Graf 
die Einbildungskraft feiner Mitbürger fo ſehr, 
allenthalben in den Gymnqſien und oͤffentlichen M 
der Stade nicht bloß Juͤnglinge, ſondern auch Mia 
und Greiſe ſah, die im Sande die Geſtalt und tage: 
Sicilien zeichneten, von welcher Inſel fie nicht eis 
die wahre Größe Fannten***). a fte blieben mit 
Wuoͤnſchen nicht einmal auf Siciflen fliehen, -fonder 
flogen nac) Africa und Carthago hinuͤber, welch 
gleichfalls zu erobern hofften }). Vergebens tab 
die weifeften. Männer den Zug nah Sicilien alsr 
wiß und gefährlich TI). Vergebens füchte‘ MNic 
Hoffnungen der Athenienſer dadurch niederzuſchla 
daß er ihnen die Größe und Entfernung des tar 
das fie angreifen wollten, die Macht und Meng 
Städte und Bölfer, mit denen fie zu Friegen Haben 
den, die Wehrlofigfeit und Erſchoͤpfung der Stadt 
nothwendig baraus entfliehen müfte, endlich die © 
zen vorftellte, die fie ben dem geringften Berlufte 
den feindfelig gefinnten Spartanern und ben nur 
Furcht gehorchenden Bundesgenoffen zu befürchten 


⏑ ⏑ 





*, Er verbreitete erdichtete Goͤtterſpruͤche, im melde 
Athentenfer zur Eroberung von Sicilien ermuntert 
ben. Plut. III. 365. in Nicia, 

®#) VI. q. Thuc. 

#“*) VI, 1. Thuc, Plut, II, 32. | 

+) Ib. & Ifocr. I. 4902. Die Sarthaginienfer fürdhteten 
damals wirklich vor ben Athenienfern. Thuc, VI.: 

11) Plut, 1. 33. Siehe auch Ifocr. 1. c. 


Geſchichte des Peloponnefiichen Krieges, 23 


°) Die. Arhenienfer hörten die Gründe dieſes Ned» 
‚, den die Bornehmen nad) dem Tode des Perikles 
inem Gegenftreiter des Kleon und nachher des Als 
ides erwaͤhlt hatten **), zwar mit Gelaſſenheit an, 
ſie von feiner Daterlandsliebe und Nechtfchaffenheie 
zeugt, und ihm auch wegen feines beftändigen Gluͤcks 
riege und der DBereitwilligfeit, womit er fein gros 
Bermögen zu ihrem Vergnuͤgen verfchmwendete, ge 
en waren +); allein fie folgten feinem Rathe nicht, 
fie ihn für kleinmuͤthiger, ſchwaͤcher und gegen alle 
je Entwürfe abgeneigter hielten, als er wirflich 
FD. Selbſt die Größe der Forderungen, die er 
| machte, 


a ra 


kung: daß man fich nicht immer auf die hiſtoriſchen 
Bacta in den Rednern verlaffen koͤnne, und daß oft bie 
größten Schrififieller der Griechen. bie größten Zehler 
wider die Zeitrechnung, umb. felbft wider die Geſchichte 
ihrer eignen Zeit machten; finde ich in der Mebe des 
Iſokrates vom Brieden, in welcher er außer andern 
Zebltritten der Athenienfer auch von der Thorheit ihrer 
Ansrüftung wider Sicilien handelt. Die Thorheit uns 
ferer Väter, fagt er, ging fo weit, daß fie zu einer 
Zeit, ba ihre Zelder verwuͤſtet, und fie ſelbſt nicht eins 
mal Meifter ihrer Worflädte ware, da ihre Zeinde fos 
gar ſchon auf Attiſchem Boden eine Zeflung wider fie 
angelegt hatten, daß fie ba noch eine Flotte wider Si⸗ 
cilten ausräfteten,, und nicht nur dieſe Inſel, ſondern 
auch Italien und Garthago zu erobern hoffte. 1. 402. 
1, — Der Einfall der Spartaner in Xttifa, und bie 
Befeſtigung von Dekelia fielen zwey Jahr fpäter, ale 
die Ausfendung der erflen Heersmacht wider Syrakus. 
®%) 111. 337. Plut. 
) III. 339. Plut. 
+) Nikias war unſtreitig ein ſchwacher mittelmaͤßiger Kopf, 
der dem Poſten, auf welchen ihn vorzuͤglich ſein Reich⸗ 
thum hinauf hob, nicht gewachſen, und zu großen Un⸗ 
ter⸗ 








"254 Siebentes Buch. Erſtes Cap 


‚N marhte, und deren Erfüllung er für unumgän 
wendig erflärte *), ſchreckte die Athemenſer 6 
ihrem — ab, wie Nikias ſich vorgeſtellt b 












ternehmungen durchaus untächtig war; indem % 
furchtfamer zaudernder Unentfchloffenheit oder abergla 
bifhem Schreden die gluͤcklichſten Augenblide ide ai 
beln voräbergeben ließ, und nur etft in den bringenäfl 
Gefahren und Nöthen zu einer gewiffen thaͤtigen 
u erweckt wurde. Plut. III. in ejus Vitn p, 34 
346.360 bef. 376. Er wandte faſt eben fo uiteah 
pfern und auf die Erforfchung der Bubuft, 
. a feine häuslichen und öffentlichen 
von ben lezten unternahm er Feind, wenn er mi 
ber einen Weißager (dergleichen er ſtets in h 
unterhielt) gefragt hatte, und die Götter auf 
Seite zu haben glaubte. Seine Schwaͤche war 
gemein befaunt, daß fie von allen Soropfanten 
braudt wurde. Er gab nämlich denen — die hm 
—— —* 8 oft —* Furcht, als a 11} 
er liebte, aus er Zuneigung, und man er 
von ihm, daß feine Feinde in feiner Surchrfamfeit einen | 
eben fo fichern Fond, als feine Freunde in feiner Olte, 
Hätten. Sein eingefehräntter Geift wurde von der Zaf 
der Öffentlichen Angelegenheiten fo niedergebrädt, daß 
er barüber alle Heiterkeit und Zufriedenheit des Gen 
muͤths und alle häusliche Freude verlor, daß er wehen 
ruhig und verguägt effen, noch fchlafen, noch Dee 
den, noch feine Zreunde genießen kounte, und zw 
lezt in ein finferes muͤrriſches Weſen verfiel, welqhet 
bie Achenienfer am meiften beleibigte, weil fie das, mas 
bloße Wirkung der Sorge oder des ungluͤcklichen Go 
muths zuſtandes dieſes Mannes war, für ein Merkmal 
feines Stoljes hielten. p. 360. Plut. Unter allen du 
term Demagogen fuͤrchtete ſich, wie Plutarch erzählt 
P. 338. 347. feiner fo ſehr vor dem Volte, als Nified, 
aber andy feines wufie durch vorfezliche Merkmale eine 
folgen Furt das Zutranen des Volks fo fchr zu erlam 
—J— und zu Zbalten, als eben er. 


J 


Geſchichte des Peloponnefifchen Krieges | 265 


Wabern fchien vielmehr ihren Much zu befeuern. Sie 
Iilligten ihm alles, was er verlange hatte, und er⸗ 
ten ihn ſamt dem Alkibiades und Lamachus, einem 
Bipfeen und erfahrenen aber fehr armen Krieger *), zu 
wuumfchränften Felöherren mit der Bollmacht, alles 
zur befchloffenen Ausruͤſtung nöthig fen, nach ih⸗ 
Gutduͤnken zu beſorgen und anzuſchaffen **). 

Wenn man nur allein daran denkt, daß die Athe⸗ 
fer in dem lezten Kriege bloß durch Krankheit wenig⸗ 
die Hälfte ihrer Mitbuͤrger verloren und ihren gans 

Schaz bis auf einen Fleinen Neft verbraucht hatten, 
ab dann mit dieſen Umftänden alle die Gründe verbins 
et, womit Nikias fie auf beffere Gedanken zu bringen 
fachte; fo follte man faft glauben, daß die Athenienſer 
son einer allgemeinen Raſerey befallen waren, als fie ſo 

tnädig auf ihrem Vorhaben Sicilien anzugreifen bes 
ten. So wenig aber biefes Unternehmen fich jes 
mals gan entfehufbigen läßt, fo war es doch nicht ganz 
fo unfinnig , als es beym erften Anblicke fehein. In 
den zehn oder eilf Jahren, die feit ber Seuche verfloffen 
waren, hatte fich die Stadt nicht nur fo fehr wieder bes 
sölfert,, daß es an jungen Kriegern nicht fehlte, fondern 
man hatte auch eben fo große oder noch größere Schäge 
gfammiet, und noch zahlteichere Flotten gebaut, als 
man beym Anfange des Peloponnefifchen Krieges gehabt 
et). Denn wenn Andokydes den Wohlſtand ber 
nienfer vor der Unternehmung auf Sicilien niche 
übertrieb , fo hatten fie mehr als 300 Kriegsſchiffe und 
| mehr 













HJ 1) 





°) Er war fo arm, daß er deu Athenienfern die geringſten 
Kleivungsftüde, die er gebraucht hatte, in Rechnung 
zu bringen pflegte, III. 372. Plut. in Nicia, 

“*) VI. 26. Thucyd. 

+) Thuc, VI, 26. Andoc, Orat. II, p. 369. 37% 


S 


256. Siebentes Buch, Erſtes Eopikt;i;: 


mehr als 7000 Talente im Schaze, und nahmen u 
von den Dundesgenoflen zweymal fo viel als unter d 
Perikles, naͤmlich 1200 oder gar nahe an 5 
Talente ein ”). Mit diefer Macht und mit diefen M 
thuͤmern konnten fie freylich nicht fo viel ausrichten, | 
Afibiades ihnen vorgepralt hatte; es war aber I 
auch gar nicht voraus zu fehen, daß fie fo große M 
derlagen leiden würden, als fie in der Foige will 
litten. 


Sobald der Entſchluß den Egeſtanern beyjzuſteh 
und die Syrakuſaner zu bekriegen unwiederruflich gef 
war, fingen der Staat ſowohl als alle einzelne Mitg 
der defleiben an, fich zu beftreben, die Ausräftum 
furchtbar und prächtig als möglich zu machen ). 
Arhenienfer allein 7) gaben außer den Transportſchi 
hundert dreyrudrichte Schiffe ber, zu denen noch 
und drenßig andere von den Bundesgenoffen fließen. ! 
Beſehlshaber der Schiffe wetteiferten mit einander, 
cher von ihnen fein Schiff mit den fchönften Mahler 











ummestbmau 
*, Dies. fagt Ariftophanes in Velpis, v. 656. u. f. 
Kıfo rare (r8 Does ao Tav FoAeay) T&T 
Kg, Hs TOS MORUS EnaTosas, 
Ileurava,, METaN , &yopas, Asuevas, 
SES KU ONMIOTEATE 
Teray FANE@UL, TaAavr eyyus dr Asa 
vercu Nu. 
In eben biefer Zarce fagt Ariffophanes, daß tan 
Städte den Athenienfern zinsbar wären, und 
zwanzigtaufend Athenienſer wie in den Elyfifchen @ 
den leben Pönnten, wenn eine jede Stadt nur 34 
zu ernähren auf fih nehmen wolle, v. 705. u. f 
*) VI. 24. 31. Thucyd, 
1) 1b, & 43. 


Bien ier Daspumeiiäen Re m u 
Vadeldungen au ſchmuͤcken wärbe, wie die uͤbri⸗ 
* CH J 
6 De Weine unbrbung 





hoben Sold zu bereichern, ben die. Stabt und bie _-. 


hauptleute rachen, lockten aus Athen und 
—2* —E Städten die fhönften und uns ' 
chmendſten jungen feute zuſammen, und nicht nur 
chwer bewaffneten. —5 ſondern auch die See⸗ 
Momit die e befejt waren, beſtanden aus. 

—— Männern, vie man Jana 


wnen, als fie —E— das feſteſte Zutrau⸗ 
nflöfte, daß fie als Siegerinn von Sieilien und 
bago in ben Piräus zurückkehren wuͤrde *), Die 
Seemacht langte nach einer ungeftörten Fahrt gluͤck⸗ 
ven Rhegium und in ber. Machbarfchafft von Sich 
in H· Hier entdeckten aber die Befehls haber bald 
wie 


Ib. Die Statt gab ben’ eigentlichen Soldaten wie den 
Seelenten täglich eine Drachme, und bie leztern erhiel⸗ 
ten außer ber.anfehnlichen Belebung, welche der Staat 

ihnen reichen ließ, noch eine beträchtliche Zulage von den 
‚Srleratigen, die dadurch ihren Eifer vermehren woll⸗ 


The, 1, &.& Miod, XI, 543. Ol. ꝗ1. 2 
‚VL 44 


Zweyter Band. X 





on. > Er Ss SE 
ags Siebentes Buch. Erſtes Cop: 
zur großen Verwunderung bes Alkibiades bie Wah 
beſſen, was Nikias immer geweißagt hatte, daß frei 
zhaͤnzende, aber leere Berfprechungen ihrer Bundesg 
‚ der Egeftaner , wären betrogen worden”), 
fanden nämlich) weder in Egefta die Schäze, mit we 
Ihre Abgeſandten geprakt hatten, noch in den. Sick 
und Gricchifchen Städten die erwartete Bereitwil 
ben: Athenienfern beyzutreten. Die leztern wurden d 
J —* wahrſcheinlich wegen des boͤſen Geruͤchta 
fie ſich durch ihre gewaltthaͤtige Herrſchafft über die 
ſein zugezogen hatten, abgewieſen; hoͤchſtens erle 
man ihnen, vor ben verſchloſſenen Thoren Lebent 
einzukaufen, und ihre fuͤrchterliche Flotte wuͤrde 
sicht einmal einen ſichern Hafen ober Ankerplaz in: 
eitien gefunden haben, wenn fie ſich wicht. mehr: % 
Aſt und Gewalt als durch Leberredung ber Stadt 
tana bemächtigt und die Einwohner derſelben auf 
Seite gebracht hätten **). inter dieſen Limıflänbe 
gen dje verlegenen Feldherren darüber zu Mark, my 
nunmehro am Beſten zu thun hätten 7). Niklas ſu 
te dahin, daß man am die Belagerung von Ey 
nicht weiter denken, fondern die Egeflaner mit- 
‚ oder Gewalt mit ihren Feinden ausjöhnen,. und al 
an den uͤbrigen Städten Siciliens hinfegeln müffe, 
ihnen die Macht des Achenienfifchen Volks, und 
Sorgfalt für die Bundesgenoffen zu zeigen. Lam 
hingegen hielt dafür, daß man gerade auf Syraku 
gehen, und dieſe Stadt zu einer Zeit, da fie no 
der größten Beitärzung und ohne alle Borbereitun 


"1. c. 46. 
“*) VI, 51. 52. Thuc, 
N» 47.49. ib. 





Befchichte des Peloponnefifchen Krieges. 259 


ı folchen Angriff fey, mit der ganzen ungetheilten 
ungefchwächte Flotte überfallen muͤſſe. Alkidiades 
ch erklaͤrte die Entſchließung des Nikias für zu 
wflich und die des Lamachus für zu. verwegen. Cr 
der - Meynung, daß man ſowohl an die mächtigften 
dte, ald an die Barbaren in Sicilien. Gefandten abs 
tn muͤſſe, um fich ihrer Freundſchafft und einer 
iihen Zufuhr zu verfichern, und daß man alsbann, 
ıman diefe Zwecke erreicht Hätte, mit defto größe, 
zuverficht fi) an Syrafus felbft wagen- fönne *). 
uͤcklicherweiſe wurden die Nathfdyläge der beyden 
n und weifern Maͤnner verworfen, und der verderb⸗ 
Entwurf des ımerfahrnen Alfibiades angenommen 
ausgeführt. Dies erfieZaudern war Urfache, daß 
Syrafufaner fic) allmälicy von dem Schrecken ers 
ten, den ihnen die Arhenienfifche Flotte eingejage 
. Sie. befeftigten die Gemüther und Treue ihrer 
desgenoſſen und gewannen Zeit genug, folche Zuruͤ⸗ 
gen zu ihrer‘ Vertheidigung gu machen, daß fie füch 
einee gefährlichen Ueberrumpelung nicht mehr zu 
ten brauchten **). . 


Nicht lange nachdem die Arhenienfijchen Feldherren 
über die Maaßregeln vereinigt hatten, nach welchen 
m Krieg fortführen wollten, langte ein Schiff mit 
ihafftern von Athen an, die dem. Alfibiades im Nas 
des Volks den Befehl überreichten, nach Athen zus 
ukehren, um fich von gewiflen Verbrechen zu reinis 
deren man ihn ſchon vor feiner Abreife beſchuldigt, 
a Unterfuchung aber das Volk bis and Ende der gans 

N 2 zen 








VI. 47:49. 
44. 63 c. Thuc, 





8 


u 





265.  Giedentes Buch. Erſtes Col: 


zen Unternehmung verſchoben hatte”). So 
naͤmlich nicht lange vor der Abfahrt ver Flotte m 
cilien in einer Nacht allen Hermen oder Mereu 


- die in den Straßen und an den öffentlichen Plaͤ 


Stadt errichtet waren , bie Köpfe abgefchlager 


daß man die Täter entdecken konnte. Diele 


that fezte das. ganze Volk in eine 'eben fo große 
als Beſtuͤrzung, weil man bie Berftümmelung 
geheiligten ‘Denfmäler nicht nur als eine üble: Vo 
tung des Ausgangs ded ganzen Kriegs anſah, 


weil man bamit auch, ohne daß man felbft w 


um, einen Anſchlag auf die Umkehrung der 


Staatsverfaſſung verbunden glaubte. Man ve 


daher ſowohl Freyen als Sclaven große Belohm 
und ſelbſt den Mitverſchwornen gänzliche Strafls 
wenn fie den ober bie ruchlofen Gotrheirsfchänd 
—E en würden. - Allein man ı 
mit der Ausfezung diefer hohen Preife weiter nich 
als daß man mehrere iſthtswuͤrdige Dienfchen, ı 
lezt einen ver größten Redner und der erfien Buͤ 
Achen, ven Andokydes, der ſich felbft und feine J 
durch eine ſolche Angabe zu retten fuchte, anreijt 
große Zahl unfchuldiger und vornehmer Mänı 
Die Urheber des Berbrechens zu nennen. 

Diefe Angeber weder Zeugen noch andere gültige 2 
für die Wahrheit ihrer Ausfagen vorbrachten, u 
tet fie alle entweder wegen ihres vorher geführten: 
oder ihrer Abfichten verdächtig feyn Anuften, uns 
achter fie fich endlich unter einander widerfpracher 
Dinge erzählten, deren Nichtigkeit erweislich w 
traute doch ber vegierende Nach, der noch hefti 





a md 


*) Thuc. II. 27:30. 53. 61. Andoc, orat, I, p, 1 
p. 253. Plut, II, ar. 42 p. in Alcib, 


Seſchichte des Peloponneſiſchen Krieges. 261 


Möbel ſelbſt zu raſen ſchien, mit einer unverzeihli⸗ 
Blindheit ihren Ausſagen, und verurtheilte dieje⸗ 
m, die als Schuldige genannt worden waren, ſo⸗ 
ch zum Tode, wenn ſie ſich nicht vorher durch die 
cht in Sicherheit geſezt haͤtten. Unter der Zahl der 
xklagten fand ſich auch Alkibiades, dem man außer 
Verſtuͤmmelung der Hermen und dem Vorhaben, 
Demokratie aufzuheben, noch die Entweihung der 
iſiniſchen Geheimniſſe zur Laſt legte. Vergebens 
te dieſer Feldherr ſich gegen die ihm aufgebuͤrdeten 
brechen zu vertheidigen, oder bie wider ihn vorge⸗ 
hten Anklagen vor feiner Abreife gerichtlich unterfus 
zu laſſen. Seine Feinde brachten es beym Volke 
a, daß die ganze Sache bis zu feiner Ruͤckkunft aus⸗ 
t ‚bleiben _follce ; und dieſes thaten fie theild aus 
ht, daß das Volk gegen einen Feldherrn, welchem 
Sefallen ein beträchtlicher Theil des Heers mit in dert 
g zog, und der bey. allen Kriegern. am meiſten bes 
war, zu gelinde verfahren Möchte, theils aber auch, 
er Hoffnung, daß fie ihn während feiner Abweſen⸗ 
mic deito größerem Nachdruck würden angreifen 

en. Der Erfolg zeigte, daß fie richtig gerathen 
9; denn faum war Alfibiades mit der Flotte abges 
en, als feine Widerfacher Die Anklage gegen ihn ers 
ten, und ihn beym Volk fo. verhaßt machten, daß 
' dem Beklagten ohne ihn einmal hören zu. wollen, 
auch an den Schluß, den: es Fury vorher gefaße 

» ober an die nachtheiligen Solgen, welche die Zus 
erufung des Alfibiades für Die ganze Unternehmung 
ı konnte, einmal zu denken, zum Tode verdammte. 
labes erfuhr zwar dieſes Urtheil von den Gefandten 
Athenienſer nicht; er Fonnte aber dus der unregels 
igen Art, wie man mit den übrigen Beſchuldigten 
egangen war, leicht fchließen, daß er von der Ers 
tung des abergläubifchen und auf die Demofratie 
| R3 Hoch 


















bchſt eiferfüchtigen Poͤbels das Aeußerſte zu 5i 
ben würde, Er nahm daher heimlich die F 
begab fi) nad) Sparta, wo er bald unumfehr: 
' in Achen felbft zu herrſchen anfing, und durch fei 
he den Athenienfern viel furchtbarer wurde, ‚alserbl 
feine, Eprfucht ‘jemals den Feinden. des Waterlan 
' fen war *). —— 
Durch die Entfernung bes Alfibiades fiel dien 
ſte Befehlshaberſchafft faſt ganz dem Nikias zu 
 Samachus wegen feiner Armuth gar Fein oder nur eing 
ringes Anfehen im Heere und in den Der 
gen hatte **). So ungebunden aber 9 
auch war, fo folgte er doch weder den klugen 
geln, dfe er ſelbſt anfangs für die beften geha 
dem miuthigen Rathe, den lamachus gegeben h 
dern er handelte, al wenn er von dem Geifte 
ſtuͤrzten und abweſenden Feindes wäre befeelt 
Er fegelte- den. ganzen Sommer durch) von einem 
fen Siciliens zum andtin, griff bald Dieje, ‚ball je 
kleine Stadt an; und wurde dadurch den Syraküfele 
fo verächelich, daß diefe fich ensfchloffen, ihn aufgufilden 
und ſelbſt Angreifer zu werden 7). So gar die kanbulg 











me 


H Als ihn auf feiner Flucht ein Arhenienfer fragte: wan 
er feinem Vaterlandenicht trane? antwortete er, Daft 
es in allen Abrigen Stuͤcken thue. Weun es abet dl 
Leib und Leben ankaͤme, fo trane er feiner eignell 
Mutter nicht, weil fie feicht aus Werfehen eir führer 
M Steinden für ein weißes ergreifen küuuc. Plut 
. ©. p. 42. 

**, Plüt. Pu 

% Thuc. VI. 62. 63. Die Sprafufanifen Nenter, ie 

bis an das Kager der Athenienfer hinfireiften, fragten 

bie leztern umter andern bittern Epötterepen, ob it 


fich ale. Coloniſten in. Sicilien niederlaffen —— 
— DE 


Beftbkdäte des Peloponneftichen Kritges. "are 
Syrakus, bie er durch eine gläcliche Kriegsliſt be 
ftelligte, verrieth den Feinden nur noch mehr bie 


jätigfeit des Feldheren , ober die Schwaͤche feines 
8, indem er bes Sieges ungeachtet, ven er über 


Syrafufaner. erfocht,- fich nicht in dee Nachbar: " 


fe ihrer Stadt erhalten konnte, fondern fich nach 
na zurück ziehen muſte, wo er den erften Winter 
subrachte *). So verfloß ein ganzes Jahr , ohne 
bie Achenienfer einen einzigen wichtigen Streich aus⸗ 
set hätten, ober ihrem Ziele um einen einzigen Schritt 
r gefommen wären; und biefes unverzeibliche Zoͤ⸗ 
des Nikias war , wie feine Feinde ihm vorwar⸗ 
und alle Sefchichtfchreiber bezeugen *”), die Haupt⸗ 
he, warum der zweyte Feldzug ſo unglücklich ans⸗ 
und die ganze linternefmung in den Häfen von Eye 
B fcheiterte F). . .. J 
Waͤhrend daß die Athenienſer von ihren Winter⸗ 
tieven aus ſich in Sicilien ſowohl als in Italien und 


ca um neue Dundeögenoffen bewarben FF), . und 
Ra4 alle® 





\ 
—— 











- Denn dies ſchiene doch mehr ihre Abficht zu ſeyn, Frag 


ihre vertriebene Bunbesgenoffen wieder in Ihre Woh⸗ 
nungen zuräc zu führen. | 

Tbue, VI. 64,71. | 

) Thuc. VII. 42. Plut. 111. 370. 

Niklas bleibt gleich ſchuldig, man mag annehmen, . daB 
er mit der Macht, die er bey fich hatte, Syrakus aus 


greifen Fonnte, oder man mag annehmen, baß fie für _ 


eine folche Unternehmung zu ſchwach war, Im erſten 


Zall braucht die träge Unentfchloffenheit dieſes Mannes 
weiter feines Beweiſes; im andern Zalle aber waͤre es 


feine Pflicht geweſen, nad Athen zuräd zu gehen, wie 
er Anfangs felbft die Abſicht hatte. 
) VI. 88. Thuc. Sie baten fi fogar von ben Aprrhes 


nern und Garthaginienfern Külfe aus. In Sichlien_ 
Ä tra⸗ 


hechſt eiferfächtigen Pobels das Aeußerſte zei. Kufle 
haben würde. Er nahm daher heimlich hie Fluch 
begab ſich nad) Sparta, we er bald unumfchränft 
in Achen felbft zu herrfchen anfıng, und durch fein 
che den Athenienfern viel funchtbarer wurde, als er. 


feine Eprfucht jemals den Feinden des Vateri 
geweſen war *) 


Durch. die Entfernung bes Altibiades fiel die 
ſte Befehlshaberſchafft fat ganz dem Mifias zu, 


Lamachus wegen feiner Armuth gar Fein oder nur. « 


F Anfe im Heere und in den DBerachichl 
hatte **) - &o ungebunder aber Mikias 
—8 war, fo folgte er doch weder den klugen M 
geln, die er ſelbſt anfangs fuͤr die beſten gehalten, 
dem muthigen Rathe, den lamachus gegeben hatte 
dern er. handelte, ald wenn er von dem Geifte fein 
ftürzten und abweſenden Feindes wäre beſeelt wor 
Er fegelte- den ganzen. Sommer: durch von einen 
fen Siciliens zum andin, griff bald dieſe, 
fleine Stadt an; und wurde Dadurch den hen 
fo verächtlich, daß dieſe fich ensfchloflen, ihn aufzu 
und ſelbſt Angreifer zu werden F). So gar die ta 


*) Als ihn auf feiner Flucht ein Athenienſer fragte: ı 
er feinem Vaterlande nicht trune? antwortete er, 
es in allen Äbrigen Städen thue. Wenn es at 
Leib und Leben ankaͤme, fo trame er feiner 
Mutter nicht, meil fie leicht aus Verſehen ein | 
zes Steinchen für ein weißes ergreifen koͤnne. 
l, c. p. 42. 

28) plut. Le. | 

+) Thuc. VI. 62. 63. Die Sprafufanifhen Rente 
bie an das Lager der Athenienfer binftreiften, | 
bie legtern unter andern bittern Spoͤttereyen, 
fich ale Coloniſten in Sicilien nicderlaffen wo 


. PORERFG Haoreaneſuen Brit 6 


J Seeakus, bie er bucch eine glückliche Kriegstift de 
erkſtelligte, verriech den Feinden nur noch mehr bie 
Inchätigfeit des Beldheren , oder die Schwaͤche feines .- - 
ers, indem er bes Sieges ungeachtet ‚ ben er uͤber = 
B Eiprofufaner erfocht ,; fich nicht in ber — 2* 
ufft ihrer Stadt erhalten konnte, ſondern ſich nah. 
tana zurück ziehen mufte, wo er den erften Wintee:.' 
ee zubrachte *). So verfloß ein ganzes Jahr, obiR * 
b ve Achenienfer einen einzigen wichtigen Streich aule +. 
et. hätten, oder ihrem Ziele um einen einzigen —— 
gekommen wären; und dieſes unverzeihliche Zoͤ⸗ 
Rn des Nikias war, ‚tie feine Feinde ihm vorwar⸗ 
£ umd alle Geſchichtſchreiber bezeugen“), die Haupo 
koche, warum ber zweyte Feldzug fo ungluͤcklich ande 
| hr und bie ganze Unternefmung in ben Hafen von Eye 
—— D. 

Während daß bie Arhenienfer von ihren. Winte⸗ 
Mistcheren aus fich in Sicilien ſowohl als in Stalten und 
N feica um neue Pundesgnsofen bewarben 77), Kr 












\ 
—.— 


5 " Denn dies fihiene doch mehr ihre Abſicht au ſeyn, ab 
ihre vertriebene Bunbesgenoffen wieder in Ihre WBohe 
f nungen zuräd zu führen. 
9 Thue. VI. 64,71. | | 
30 Thuc, VII. 42. Plut. 111. 370. 
—8* Niklas bleibt gleich ſchuldig, man mag annehmen, duß 
er mit der Macht, die er bey fich hatte, Sprafus ana 
greifen Fonnte, oder man mag annehmen, baß fie dr . 
eine folche Unternehmung zu (mad war. Im e 
Zall braucht die träge Unentſchloſſenheit biefes Mannes 
weiter feines Beweiſes; im andern Galle aber. wäre eb _ 
feine Pflicht geweſen, nad Athen zurüd zu geben, wie 
er Anfangs felbft die Abficht hatte. 
+4) VI. 88. Thuc. Sie baten fi) fogar von ben Tyrrhe⸗ 
nern und Carthaginienfern Hülfe auf, 30 Sicilien⸗ 
Wan 








2. 





‚alles anfhafften, was zur Belagerung von PER: 
thig war, wandten bie Syrakuſaner mit einem 
lebhaftern Eifer, der durch Zutrauen zu fich feibft, i 
. burd) fröhliche Hoffnungen unterhaften u und beft 
de, alles an, was in ihrer Macht mar, um nicht 
ihnen drohenden Gefahren abzutreiben , fonbern: 
den Seind zum Abzuge aus Sicilien zu: zwingen. 
vermehrten ihre Kriegsvoͤlker und Veſtungswerke 
ſezten eine Anhöhe vor der Stadt, ohne welche die 
tere gar nicht eingefchloffen werben ee — un. 
endlich eine Geſandſchafft nach Korinch und 
am ſich Hülfe von dieſen Städten aussubitten 
Geſuch der Syrakuſaner wurde vom Alkibiades fon 
tig unterſtuͤzt, (und dies war der erſte große Chi 
den Alkibiades feinem DBaterlande während feiner 
enbei zufügte) **), daß die tafevämonier den 
der Athenienfer in Sieilien mehrere Schiffe. unb“ 

an fieben Hundert fehwer bewaffneter Krieger teil 
ten T), und ihnen den Gylippus zum —— 
ben, ber den Nikias an Erfahrenheit und tift, 
fonders am Thärigfeit und Muth eben fo fehr übern 
als er in Anfehung der Rechtfchaffenheit und Unäigen 
üigfeit > von ihm übertroffen wurde FF). 

Gleich mit dem anbrechenden Frühling trated 
Athenienfer ihren Zug gegen Syrakus an, und erfie 
hinter einander fo viele Bortheile, daß der Murh 
Syrakuſaner, der ihnen durch das Zögern ber Sei 

















U U | | 


traten ihnen viele von den Ungriechiſchen Bench 
- Im Innern bes Landes bey, von weichen fie zum X 
ebenewittel, zum Theil auch Geld erhielten. ib, 


”) 1b 

**) Thuc. 89. VI. & Plut, II, 44 47 p. in Alcib. 
pD VI 104. VII, Ä 

+) Plut. II. 383 











(EEE ⏑ 


Gefchichte des Peloponneſiſchen Strieged. 265 
Berflößt worden war, faft gänzlich niebergefchlagen 
Die Achenienfer eroberten die Unhohe vor der 
tobt, welche die Syrafufaner befeſtigt Hatten, zogen 
t erſtaunlicher Gefchwindigfeit eine Mauer um vie 
Bot, wodurch fie die lestere einfchließen wollten, 
den mehrmalen fowohl die feindliche Reuterey 
das Fußvolk *), zerflörten die Feſtungswerke, wels 
die Syrakuſaner errichtet hatten, und fperrten end» 
die Stadt fomwohl von der fand » ald GSeefeite ein*”). 
€ häufigen und unerwarteten Anfälle würden bie 
rafufaner gewiß bewogen haben, den Achenienfern 
anzubleten, wenn ihnen nicht Gylipp mit einer 
Wfehnlichen Macht zu Hülfe gefommen wäre. Durch 
leſe Erfiheinung des Spartanijchen Befehlshabers, ven 
Bifias wider alle Regeln ver imperatorifchen Klugheit zu 
Ge vernachläffige hatte 7), wurde die ganze Geftale 
w Sachen, und das DBerhältniß der kriegenden Mächte 
uf einmal verändert. Gylipp verlor zwar die erfte 
Schlacht wider die Uchenienfer, allein er gewarın bald 
arauf einen wichtigen Sieg , wodurd) die Syrafufas 
er in Stand gefezt wurden, ihre Gegenmauer gegen 
le Athenienfer ungeflört zu vollenden Ff). Er reifte 
lbſt in Sicilien umher, um den Sprafufanern neu: 
Berftärfungen und Bundesgenoffen zu verfchaffen, und 
z gelang ihm auch noch vor dem Ende des Feldzuges 
urch feine unabläflige Thätigfeit, daß die Achenienfer. 
nehr Belagerte ald Belagerer wurden, und fich mehr 
ertheidigungs/ als angeiffeneie verhalten muften , r 
5 da 


TU U U} 
















*, In einem biefer Siege verloren fie aber den Lamachus. 
VI 101. 

**) c, 103. ib. \ 

D VL 104 VII 3, Thuc, Plut, II. 38T. 

+ vi 5. 6. 


566 Sicbentes Buch. Erſtes Capitel. 


daß fie nicht einmal ihre Werfe wider die Stadt fi 
fegen Fonnten *). 

Nunmehro fühlte Nifias felbft von neuem wid 
daß es ihm unmöglich feyn würde, mit der Macht, 
er ben fich hatte, etwas gegen Syrafus auszurich 
Er meldete daher den Athenienfern mit einer edlen‘ 
müthigfeit den wahren Zuftand der Sachen **). 
ſchrieb ihnen, daß die Truppen zwar ‚mit außerorde 
cher Tapferfeit gefochten und ſelbſt den Gylipp eim 
überwunden hätten; daß fie aber nachher durch bie 
berlegenheit der feindlichen Neuteren und leichten Tı 
pen gezwungen worden, fich hinter ihre Werke zu 
zu ziehen: daß ferner viele Schiffe, die wegen bes 
ftändigen Dienftes niemals aufs fand haͤtten gep 
werden fonnen, unbrauchbar geworden, und ein grı 
Theil der Seeleute durch Kranfheit und feindliche Us 
fälle umgefommen fey , daß endlich eine Menge 
Sclaven und Dienftleuten zum Feinde übergegangen, ' 
nicht weniger von den freunden Kriegern, die ſich in 
rer Hoffnung leichte und große Beute zu machen be 
gen gefunten, fich entweder fchon verloren hätten, ı 
noch räglich verlören. Er befchloß fein Schreiben 
der Bitte, daß man ihm feiner Kränflichfeit wege 
nen Nachfolger ſchicken möge, und mit dein Rath, 
man bie ganze Flotte entmoeder nach Haufe fommen 
fen, oder auc) mit einer andern eben fo mächtigen ! 
ftärfen müffe. So unerwarter diefe Nachrichten 
Uchenienfern waren; fo befchloffen fre doc dem Mi 
eine neue Seemacht zu Hülfe zu fihiefen, und tru 
die Ausruͤſtung derfelben dem Eurymedon und v 











“ VII. 7. 8. 
“*t) VII, 11. & fq. Thuc. 


-Gefeihte des Peloponneſſſhen Srieges, 167 
mes auf, bie zu Befehlshabern berfelben - ernannt 
uden ). | on 


&: Im. dritten Jahre des Krieges mit den Syrafus. 
kn und im neunzehnten des Peloponnefifchen Kriege - 
bien die Spartaner auf ben Rath des Alfibiades nicht 
Win Attifa ein, fondern fie befeftigten auch auf Atti⸗ 
In Doden einen Drt, Dekelia, um die Macht dee 
ienfer zu heilen, und ihnen das wieder zu vergel⸗ 
was fie.im vorhergehenden Jahre ben ihrem Ans . 
> ins Lakoniſche Gebiet verübt harten *®). Ungeach⸗ 
aber die Uthenienfer durch bie Befeſtigung von De 
and die beftändigen Ausfälle und Streifereyen der 
finde: alle Hoffnung von Erndte, alle Heerden und 
püich, und faſt zwanzig tanfend ber: Funftreichften 
ven. verloren, ungeachtet fie felbft auf eine gewiſſe 
ei ihre Stabt eingefperrt,- und ſelbſt die Zufuhr von 
Bänicceln ihnen ſehr erſchwert wars ſo gaben ſie den⸗ 
itzre Ausruͤſtung nach Sicilien nicht auf, und ganz 
&henland erftaunte über die Standhaftigfeit und 
keibeit, womit die Uchenienfer einen entfernten Krieg . 
‚ da fie einen andern, ber fich unter ihnen - 
niedergelaffen hatte, nicht einmal aus ihren 
















h ben Demofthenes und Eurnmebon mit einer Flotte: _ 
a. 8ren und fiebenzig Segeln aus, die eben fo viele” ' 
aumnfchafft, als womit die erftere beſezt geweſen war, 
uͤberdem alle Kriegebebärfniffe, die dem ganzen 
beste nothwendig feyn Fonnten, nad) &icilien über. 
achte FF). Bevor aber biefe Felherren vor Syrakus 
| an⸗ 


—W 
nem un — — — — ————— 
* 


\ 
% VII 17. 18. 
“s) VI. 91. 105. VII. 19. | 
4) VII 42. Unrichtig gibt Diodor bie Zahl der Eifffe; 
er 2 ' ‘ , aus 
— ⸗ — ⸗ — 


— 


en zu trelben vermochten 7). Sie ſchickten wire _”. 


/ 268  -Siebented Buch: Erſtes Capitel,: 





















anlangten, Hatten die Syrafufaner eine‘ anfehai 
Flotte ausgerüfter, und hatten, ungeachtet fie das e 
Seetreffen gegen bie Athenienfer verloren *), dem 
bie Seftungstwerfe auf. Plemmyrium, bie mit gro 
Schäzen und Vorrath von allerley Art angefällt ward 
erobert, und in einer zweyten Schlacht einen vollfe 
menen Sieg über bie Achenienfer erhalten **). De 
diefe Niederlage verlor das gefchwächte Athenienſi 
Heer allen Much, und geriet zugleich in Die mißid 
tage, indem ihnen die Zufuhr von tebensmitteln zur € 
faſt ganz abgefehnitten wurde, und alle Proviantſch 
fich entweder durdjfchleichen ober durchfchlagen mu 
Die Ankunft des Demofthenes und Eurpmebon richt 
zwar auf eine furze Zeit die Gemüther der Athenici 
wieber auf; allein diefer Troſt war nur von Furzer Dacil 
Denn anftatt der Netter feiner übermundenen Br 
zu werben, wurde er felbft nur eine Zugabe zu * | 
Unglück, und mit ihnen ins allgemeine Berderben heul 
gezogen. Weil Demofthenes wufte, daß das 
des Nikias dem Feinde vorzüglich Murh und Kräfte: 
geben hatte; fo dachte er diefen Fehler zu vermelbe 
und faßte den Entfchluß, gleich in den erften Tagen 
ner Ankunft, da die Syrafufaner noch am wenig 
vorbereitet, und in der größten Beſtuͤrzung feyn wie 
den, einen Fühnen Angriff auf Epipole zu thun. Darf 
Glück fchien ihn im Anfange diefer Unternehmung zu We‘ 
günftigen; er wurde aber doch, da er den Sieg ſcheu 
in Händen zu haben glaubte, mit großem Verluſie durch 
ve ' 


$: 








0] U ln 





aus welcher bie zweyte Slotte befand, auf 310 at. 
ad Ol. 91. 4. 


# 21.22 c. Thue. 
») 40. 41 e. 


n f, 


PIE des —E Siege 25 


Kopferfeie. der Bbotier zuruͤck getrieben ). Nach 
‚mißfungenen Verſuche rieth Demoſthenes, die Ue⸗ 
el des Heers einzuſchiffen und nach Athen zuruͤck 

welchem Auftrage ſich aber Nikias aus alten‘. 
widerſezte), nicht bloß deßwegen, wie Plus. 
und Diodor ihm Schuld geben, weil er lieber 
h das Schwerdt des Feindes fallen, als von dem 
Pirachten Poͤbel in Athen hingerichtet werben 
Ke***), fonbern weil er bey einem Öffentlichen Abzuge 
rliche Ueberfaͤlle befürchtete, und gegründete Hoffs 
en zu haben glaubte, daß er durch ein längeres 
Feilen Die Syrakuſaner aufs aͤußerſte bringen, und 
een für ihn und fein Vaterland rühmiichen Frieden 
hyen wuͤrde. Er wuſte nämlich, daß die Feinde 
5 die Anlegung fo vieler. Feftungswerfe, durch hie 
haltung fo vieler fremden Bölfer, und burch bie 
kung und Ausruͤſtung einer fo großen Flotte in uns: 
Ayiche Schulden geftürzt. worden, 'und daß es ihnen‘ 
Bblich feyn würde, dieſe Ausgaben noch lange zu bes 
pr ). Er harte überdem viele Anhänger in Syra⸗ 
‚die —* die Stadt in die Haͤnde ſpielen wohs 
"und ihn immer dringender baten, ja nicht von _ 
he zu ziehen. Es zeigte fich aber bald, daß Niklas 
in feinen Erwartungen betrogen hatte; benn die Sy⸗ 
faner erhielten boppelte Verftärfungen, fowohl aus 
Peloponnes ald aus Sicilien, und wurben daburch 
Mn, daß fie ſich entſchloſſen, die Athenienſer in ih⸗ 
Feſtungswerken anzugreifen 77). Nunmehr fein eo ee 













— 





7Thue. VII, 43. Nach dem Diodor 550 p. SU, verlo⸗ 
ren die Athenienſer uͤber 23500 Mann. 2 

N Thuc, VIl, 47. 

#) XIII. Diod. p. 550, IN, Plut, 9 

ı VII. 48. 

p VIL 50, Thut. 


+ 


A 


270 Giebente Bug. Erfed 


dem Nikias ſelbſt nicht mehr rathfam, vor Sp 
verweilen, und ed wurden Daher in der größten. € 
| Befehle ertheilt, daß das ganze Heer Sich zur AÄbfahr 
tig halten möchte, Unglüclicher Weiſe aber fiel 4 
um bie Zeit, als man auslaufen wollte, eine. 
Mondfinfterniß ein, durch welches Phänomen alle. 
nienfer, und ſelbſt die Befehlshaber der * 





in Schrecken geſezt wurben, daß ſie den 
digſt erſuchten, noch die dreymal neun a 
welche die Zeichendeuter die Abreife auögefegf — 
zuwarten. Nikias bewilligte dieſe Bitte um 
ter, weil er von einem aͤhnlichen Wahn und 
Befürchtungen beherrſcht wurde, und bie d 
glauben veranlaßte Zögern wurde Die nächfte: m 
telbare Lirfache des Untergangs der 
kurz darauf wurden fie von den. Sprafufanern gi. | 
fer und zu Sande angegriffen, und fo übel zuge] 
daß die Feinde fogar anfingen, die Mündung. 
fens zu fperren, um ihnen die Ausfahrt 
machen *). Dusch; diefe Entſchließung der Eng 
ner, bie fogleich ins Werk gefest wurde, ſtand e 
Athenienfern nicht mehr frey, ob fie. fehlagen 1 
gder nicht. Sie muften nunmehr angreifen, nid 
zu fiegen, fondern um ihr teben und ihre Freyh 
Betten, Nikias ftellte feinen Kriegern alle 
gründe, wodurch auch die Beigften zum muthigen 
hätten ermuntert werden koͤnnen, und alle fuͤrcht 
(gen einer Niederlage, wenn fie jezo dergleichen. 
ollten, mit der rührendften und eindringenften 2 
famfeit vor; allein die wichtigften Gründe und bie f 
Ueberzeugung von einem unvermeiblichen, aber etiv: 








| U, m — 


25) VIL 56, 59. 


Gehlichte des Peloponnefifchen Krieges. 271 
‚Alntergange bey bem Verluſte der Schlacht waren” 
zu fehwach , der Furcht vor gegenwärtiger Gefahr 
m fchon lange niedergeiworfenen Seelen der Aches 
ke?) das Gleichgewicht zu halten. Die Jestern 
ven ſowohl zu Waſſer als auf bem Sande überwuns 
„und büßten fo viele von ihren leuten ein, daß fie 
Beftärzung nicht einmal daran dachten, ihre Todten 
#: zu fordern. Auch Fonnten ihre Feldherren fie auf 
Weiſe bewegen, noch einmal-einen Berfuch zu mas 
. ſich zur Ser zu wetten, da fie doch noch fechzi 
die Syrakuſaner nur fünfzig Schiffe hatten **), 
k.foßte alfo den einmuͤthigen Entfchluß, die noch. 
er Schiffe zu verlaffen, und gu Lande fortzuziehen; 
sutkchluß, der unſtreitig auch geglückt waͤre, wein 
‚SHermofrates, eins von den Häuptern in Syra⸗ 
:beflen Klugheit und Betriebſamkeit die Einmohner 
Stadt nach dem Gylipp ben. jezt erworbenen Ruhm 
bein blühenden Zuſtand ihrer Sachen am meiſten zis 
fen hatten, vie Achenienfer durch eine Kriegsliſt 
£.aehalten Härte 7). Er ſowohl ald die Vornehm⸗ 
er Stadt verzwenfelten daran, ihre Truppen Das. 
B:bringen, daß fie nach. dem entkcheidenden Siege, 
le erfochten, und nad) den Drangfalen, vie fie aus⸗ 
nden hatten, fogleich wieder in der Nacht, unb 
bazu.an einem Feſte des Herkules, wo fie fich ihres 
es recht zu erfreuen gedachten, dem Feinde nach⸗ 
ı follten. Er ſchickte alfo einige feiner Freunde un⸗ 
N 0 te 








VIL 61571 c. | W U 

) Thuc. VII. 72. Diodor thut alſo dem Nikias abermals 
Unrecht, wenn er ſagt, daß er ſich dem Rath des De⸗ 
moſthenes mit den Schiffen zu. entfliehen entgegenge⸗ 
fezt, und den Weg zu Laude vorgezogen habe, XUL 
p- 555. — | on 2 

VL. 73. . . 35 42* 


ter einer Bedeckung von Reutern an das Lager d 
nienfer, und ließ ihnen kund thun, daß fie ja bie 
nicht aufbrechen, fonbern ihren Abzug his auf 
genden Tag auffchieben möchten, weil die Syr 
alle Paͤſſe beſezt Härten *). Nikias und alle übei 
pter des Heers wurden durch diefe falfche Mac 
rückt, weil ſie glaubten, daß fie von ihren Ste 
ber Stadt herkaͤme. Ohne alfo die Wahrheit | 
weiter zu unterſuchen, blieben fie nicht nur d 
Macht, fondern auch durch einen unverzeihliche 
die benden folgenden Tage ruhig im lager lege 
brachen erfi am beitten Tage auf, nachdem bie 
Fufaner alle Wege verhauen, alle Brücken abge 
bie engen Päffe und Anhoͤhen beſezt und befeſtig 
an allen Orten, die geſchickt dazu waren, Hin 
gelegt hatten. Die Athenienſer muſten daher 
rem Marſche faſt jeden Schritt, den ſie thate 
dem Schwerdte erkaͤmpfen, und wurden ſeloͤſt a 
wenn ſie vor ſich keinen Feind oder keine Schwier 
fanden, von der ſie umſtreifenden Syrakuſaniſche 
terey unaufhoͤrſich beunruhigt. Ungeachtet Nifia 
eine langwierige Kraͤnklichkeit entkraͤftet, und vom 
eben ſo viel als die uͤbrigen Athenienſer, nach der 
lichſten Ruͤckkehr aber mehr als irgend ein andere 
Volke zu fuͤrchten hatte; ſo erfuͤllte er doch mit 
woͤhnlicher Heiterkeit und Ruhe alle Pflichten ein 
ten Bürgers und eines weiſen und ſtandhaften Zeh 
Er munterte die Muthloſen auf, troͤſtete Die Du 
feinden, lehrte ober beftrafte die Nachläffigen 
führte fie, wenn es nöthig war, mit der größten 
ſchrockenheit gegen den Feind an, und es ſchien 
wenn die bringenbfte Gefahr neue Kräfte in ihm 





J ı 
t 9 





Vu. ⁊a. & 5, 


@uhlihite ed Peloponneſiſchen Krieges 273. . 


und Ihe über ſich ſelbſt erhoben haͤtte *). Unter 
Ri Anführung legten die Ychenienfer am erften Tage 





DS 


q Weg von vierzig Stadien zurück **). Am zwey⸗ 


Rage aber -famen fie fejon an einen vermauerten 


weg, ‚und an. eine befeſtigte Anhöhe, die ſie zum 


enmal eben fo fruchtios, als am folgenden Morgen 














ten. Die Qersfüßrer wurden Daher eins, einen 
m Weg nach Kamarina und Gela zu nehmen, und 


1 Weg in der. größten Stille in der dritten Mache 
, um vor bem Feinde einen Borfprung zu ges 


—— eingehohlt, und theils durch die im⸗ 
koͤhnere Reuterey der Feinde, am meiſten aber durch 
Igel von Ruhe und Lebensmitteln fo. mitgenommen, 
erſt Demoſthenes, und nachher Rikias fich mie 


Bplipp, und wider das Wort, welches man wenig⸗ 
Bbem Demofihenes gegeben Hatte, und ftedte vie: 


jer löcher, wo fie von Hunger und Durſt, von 
und, Kälte,. am meiften aber von dem unleiblichen 


n muſten, ‚was die menfchliche Natur nur von. 
nd ertragen Fann 77). Auf diefe Art wurde bie 
he Heeromacht, welche irgend ein Griechiſcher Staat 


aus⸗ 





vii. 74 ſq. & Plut, AT, P. 46I, 
7 U 79: Thuc, . 

, ce, 89 , oo. . 

VII. 81. 885. 


Zweyter Band. Zu 


$ * 


Krlegern ergeben muſten 7). Die Syrakuſaner 
eten ihren uͤberwundenen Feinden mit barbarlfcher . 
fobteten die beyden Feldherren wider den Wilien 


Gefangenen in fürchterliche unterirdiſche Gru⸗ 


‚der faulenden feichname ihrer Brüder alles 


*),' Die Athenienſer murben aber bald vom “ 


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2 








ausgeſandt hatte, gänzlich zu Grunde Pets: 

von den ee ae die den Zug. 

Mikias angetreten hatten, kamen faum fo 
zuruͤck, daß fie ihren Michürgern i 


unter allen: Ungluͤcksfaͤllen, der jemals ein © 
SBolE betroffen harte, glaublich machen konnten 


Sicilien 85* begegnete ihnen das, was 
* Menſchen in ähnlichen Faͤllen zu begegnen 


vornetner Achenien 
Mes nit ihren &0 ce Oi le 


— für wieflich galten konnten *). 








Thuc, VII. 75. VII. I. & Cicer. in Verrenir 
Hie te practore, praedonum naviculae | 
funt, quo Athenienfium claffis fola 
— ent viae multi 


9 


Athenienſium nobilitatis, —— 
ium factum exiftimatur. 
“ vun, * Thuc, Wenn ai —— wie Athenans bait⸗ 


tet, bie Athenienfer erſten Geruͤchte ihre 
— in Sieilien * 3 blieben; fo war bier 
fes nicht die Wirkung eines fräflihen Leichtfiung, 

dern der Stimmung ihrer Gemürher, melde fie unflr 
big machte, etwas, mas fie fih nie ald möglich vorger 
ſtellt hatten, und u jezt Be nicht, ‚vorftellen Bons 
fen, als wahr anzunehmen. Menfgen . \ 


) 


Geſchichte des Peloponnefifchen. Krieges. 275 


aber an dem Untergange und dem Berlufte ihrer Heer 
ve nicht länger zwenfeln fonnten; fo fielen fie in eine 
Beftiirzung, die ber Größe ihres Ungluͤcks und ihrer eit⸗ 
en Soffnungen entfprechend war, Sie fürchteten näms 
ih, daß die fiegreichen Feinde jeden Tag mit einer furchts 
aren Flotte erfcheinen, und in den Piräus eindringen 
nöchten”). Diefe Befürchtung war nichts weniger als 
mgegründee, und man muß fic) eben fo fehr darüber 
pundern, daß Splipp und die Syrakuſaner feinen Ders 
isch auf den Hafen von Athen machten, als daß bie 
Kchenienfer feloft nicht in eine. muthlofe Verzweyfelung 
erfanfen. Dieſe hatten zu der verunglücten Unterneh⸗ 
bung alle ihre Kräfte aufgeboten. Ihre Flotten waren 
erftört oder von den Feinden erobert, ihre fchönften 
hänglinge, ihre gefchicteften Seeleute und erfahrenſten 
Ioherren erfchlagen und ihre Schäze verſchwendet, und 

u Der Stadt fanden ſich feine Sciffe, die fie von 
jeuem hätten ausrüften, Fein Holz oder Geld, aus 
per mit welchem fie dergleichen hätten erbauen, und 
ine Seeleute und Krieger mehr, mit denen fie fie häts 
ern bemannen fünnen. Sie waren in Gefahr, alle ihre 
Bundesgenofien, und mit diefen ben größten Theil ihrer 
Binfünfte, welche die Hauptſtuͤze ihrer Macht waren, 
inzubüßen, ba hingegen bie fafebämonier an den Sy⸗ 
rakuſanern mächtige Punbesgenoffen gewonnen hatten, 
2 und 








ein ober mehrmalen bie Erfahrung gemacht haben, daß 

fie große Unglädsfälle, am bie fie vorher nie gebacht 

batten, ober auf bie fie vorher nicht vorbereitet waren, 

anfangs nicht allein wicht glauben Ponuten, fonbern daß 
e auch felbft, nachdem fie fich von ihrer Wirklichkeit 
berzeugt hatten, fie gleichfans unmillfürlich von nenem 

au bezwepflen anfingen. 

” vun. Lk. Thuc, 


006: Siebert Buch. Eiſtes Capital 
“und noch täglich neue erhlelten ·) ""Dehn kaum Hatte 
-Ba8 Gerücht von dem Unfall der Arhenienfer in Sie lie 

SGbiechenland und Afien erreicht, als der größte Thal 
der Inſeln, und faft alle Staͤdte in Jonien und am 
Helleſpont zu den Spartanern übertraten, weil fie glaul 
ten, daß die legte Stunde des floljen und minmehro ge 
Demüthigten Athens gefommen jey **). * Selbft folk 
Stadte und Bblfer, die bieher gar Feine Parthen ergrif 













u geweſen wäre, eine einzige verwallere S 
jernichten. Sie ſchloſſen mic feinem ober 6 
haber im Vorderaſien, dem Tiffaphernes, ein Blind 
worinn fie nicht nur die großen Thaten und den 
"ihrer Vorfahren, die bey Marathon und Mlatäa 
- Jen waren, befchimpften, ſondern auch alles, wo 
dem Griechifchen Namen f&uldig wären,’ une die 
ligſten Eide, wodurch ſie fich mit ihren Brüdern g 
bie Perfer verſchworen hatten, vergaßen, und fich jelh 
zu Sklaven ihres gemeinfchafftlichen: Seindes, : ober dor 
von den faunen eigenfinniger und übermüchiger Barbar 
een abhängig machten. Bermöge diefes Bündniffel 
übergaben ſie dem Könige „ver Perfer alle die Stäbe 
und 


— — 
9% VUL. 1. 2. Thue. J 
®®) Thue. VIIL 1,20. in Ol. 92. 15 
H ibid. — 
tH:VHL 18. Dies Bundnig wurde Inder Folge enlgemal 
erneuert, mund mit verſchiedenen neuen Bedingungen 
vermehrt. ib. c. 43. 58. r T\. 





Gecſchichte des Peloponnefifchen Krieges. 277 


‚ unb Sänder, die ehemals feinen Vorfahren gehorcht, 
. wer In den Testen Zeiten den Achenienfern Tribut bezahft 
hatten, und verfprachen alle feine Feinde auch für die 
rfrigen zu halten, wenn er ihnen in dem Kriege wider 
: Be Athenienfer benftehen würde, Wenn die keztern bey 
dieſer allgemeinen Verſchwoͤrung von ganz Griechenland, 
"and dem mächtigften Neiche Ajiens wider fie nicht vers 
„gagten; fo gaben fie ein nicht minder bewundernswuͤrdi⸗ 
ges Denfpiet von Standhaftigkeit, als ihre Vorfahren, ' 
da fie ihre Baterland verließen, um die Erhaltung deſſel⸗ 
Ben nicht mit dem Berlufte ihrer Freyheit zu erfaufen, 
und fie bewieſen, daß eben der Geift, den Themiftofles 
ben Athenienfern eingehaucht, und Perikles in ihnen zu - 
erhalten gefucht hatte, noch nicht gänzlich in ihnen er⸗ 
Borben war. Ohne ein Wort vom Frieder zu erwaͤh⸗ 
nen, rüfteten fie eine Slotte aus, ald wenn fie noch gar 
feine ausgerüfter und verloren gehabt hätten, und greife 
fen nun erft die tauſend Talente at, die fie benm An⸗ 
fange bes Krieges als ein Heiligtum. bey Seite gelegt 
en, um fich deffelben nur im äußerften Nothfalle zu 
imen *). Sie waren daher im Unfange des Fruͤh⸗ 
lings im Stande, die untreuen abgefallenen Bundesge⸗ 
Hoffen eben fo nachdrücklich zu züchtigen, als fich gegen 
bie fuschtbaren Nüftungen dee Spartaner zu vertheidts 
gen. Sie gewannen beträchtliche Vortheile über bie 
Chier und. Milefier **) , wurden aber dagegen baf nach 
tinander in zweyen Geetroffen überwunden }), nach 
welchen fte ohne Rettung verloren zu fenn fchienen, wenn 
nicht eben der Mann, der fein Baterland in. alle bisher 
ausgeftandene Ungluͤcksfaͤlle hineingezogen, der die bitter 
S 3 ften 











*) VIII 4. 15. Thuc. 
®*) VIII. 19. 24. 26. Thuc, 
t) VII 19. 24. 26. 


u! 










2738 Siebentes Buch. Exfied Capitel. 


ften Feinde von neuem wider Daffelbige gereizt, ber di 
fen die feindfeeligften Natbfchläge gegeben, und feh } 
ganz Aften zum Abfalle von Athen bervogen hatte, wenn kr 
diefer nicht feiner finfenden Vaterſtadt zu Huͤlfe gefom Pe 


men wäre. 


Alfibiades Hatte fich durch das große Anfehen, wa 
er fich zu Sparta erworben, einen fo gefährlichen Ne 
der vornehmften Pürger, und durch die Ä 
der Semalinn des Agis eine fo unverföhnliche Fein 
biefes Königs äugezogen, daß ein heimlicyer Befehl fi 
feiner Hinrichtung ausgewirft wurde ). Sobald Al 
biades diefes erfuhr, entfloh er zum Tiffappernes 
und fuchte Dad Gemuͤth diefes Satrapen unpermerft get‘ 
gen die Spartaner zu ftimmen, ohne ſich einen | 
tigen Schein von Machbegierde gegen Diejenigen, die 
meuchelmoͤrderiſcher Weiſe hatten umbringen wollen, uf N 

von Partheylichfeit gegen fein Baterland zu geben, wit T 
"welchem er fich durch irgend eine große That wieder au⸗ 
gufbhnen gedachte. Er ftellte alfo dem Tiſſaphernes vl # 
gleißenden Eifers für fein und feines Königs Beſte vet, 
daß es wider allen Bortheil der Perfer fey,. den Pen I 
ponnefiern mit einem folchen Nachdruck zu Helfen, DS 
die Athenienſer dadurch gänzlich zu Grunde gerichtet 
würden. Denn wenn die Sieger alsdann nad erlanp 
ter Herrfchafft zu fande und zu Waſſer ihre Gefinnum 
gen änderten, mit weflen Hülfe er alsdann folche 
mächtige Feinde bezwingen wolle? Ihm ſchiene es tw 
ber am vorfichtigften gehandelt, wenn Tiffaphernes die 
Phoͤniciſche Flotte, die er mit ber ‘Peloponnefifchen ze 
| ver’ 


h 
\ 
h 















*) Thuc, VIII. 45547 e. Plut. II. 49. in Ale. 
**) Diodor nennt an beffen Statt immer den Pharnabazu⸗ 
©. 570. All, 


Geſchichte des Peloponneſiſchen Krieges. 279 


ereinigen bie Abſicht habe, entweder gar nicht kom⸗ 
nen, oder doch in Unwirkſamkeit laſſe, und wenn er 
en Peloponneſiſchen Seeleuten anſtatt der verſprochenen 
Drachme für den Dann nur die Hälfte reiche, womit 
uch die Athenienfifchen Seeleute zufrieden wären. 
:iffaphernes nahm die meiften dieſer Nathichläge an; 
nd als nun Alfibiades merfte, wie tiefe Eindrücke er 
uf Den Perfifchen Befehlshaber gemacht hatte, trat er 
gleich ‚mit feinen Freunden im Athenienſiſchen Heere 
uf Samos in Unterhandlung, um feine Zuräcdberufung 
1 bewirken. (Er erbor fi), wenn man ihn in feine 
Zaterftadt wieder aufnehmen, und zu feiner großern 
Sicherheit das Bolfsregiment, wodurch er ungerechter 
Beife vertrieben worden, in eine Dligarchie vermanbeln 
yolle, ven Ziffaphernes zu einem Freunde und Bundes 
emoffen der Athenienfer zu machen, und ihre Flotten 
us feinen Schäzen unterhalten zu laffen *). So fauer 
8 den Athenienfifchen Kriegern auch) anfam, die Demor 
ratie und mit, ihr bie ebelften Borrechte, Die fie bisher 
fetten, aufzugeben, und jo fehr ſich auch Phrynichus, 
iner von den Befehlshabern, aus Feindfchafft und Eis 
ferſucht gegen den Altibiades dawider fezte, fo wurbe 
doch, Die verlangte Staatöveränberung in Samos anges 
fangen, und burch Abgedrönere des Heers auch in der 
Stadt mit einer Geſchwindigkeit und Kuͤhnheit zu Stande 
gebracht, die dem Volke weder Befinnen, noch Zeit 
MWiderftande uͤbrig ließ *). Die vornehmften 

der Dligarchie in Athen waren Piſander, bie 
Sauptperfon unter denen, welche das Heer nach ber 
Stadt geſchickt Hatte, Antiphon und. Theramenes, beybe 
S 4 Maͤn⸗ 











®) VIII. 47. 48. & ſq. Thue. 
es) VUL 53. 63. def. 65,67. 


290 - ‚Giehentes Buch. Erfieeminiiih 


Männer, denen Feiner von ihren übrigen Zeitzenoſ 
Beredſamkeit und Talenten gleich kam, und ei 
— , ber aus eben ber Urſache, aus weiche 
Aunfangs die Dligarchie zu Hintertreiben deſucht * 

jezo mit dem größten Eifer befoͤrderte )). Diefe M 
ner fezten durch die Heimlichfeit, womit fie Ihre Mg 
nehmung betrieben, und durch hie Gewalttpärigfeit, 
“mit fie alle, von roelchen fie Wiberfezung befuͤrcheh 
aus dem Wege räumten, das ganze Volk in ein k 
ftummes und muthloſes Schrecken, daß fie es ohnef Sn 
Kampf dahin brachten, die höchfte Gewalt dem V 
ben nach einer Zahl von fuͤnf tauſend Buͤrgern, ve 
Waterlande mit ihrem feibe und Vermoͤgen biersen MR 
ten, zu übergeben , und aus diefen mit Abfchaffung $ 
alten Senats einen neuen mu von vier due 9 






















* 
Er that beydes, um bie Ruͤckkehr des aeibiaten n 
Zu bern, von welcher er mufle, daß fie nnter einct 
garchiſchen Negierungsform niemals zu Stande 
men würde. Thuc. VII, 66, Ungeachtet Arien 
den Theramenes für einen der beſten Bürger \u he 
erPlärte, ap. Plut. III. 337.. und Diodor ihn ver 
vortheilhafteften Seite. fhildert, I. 640. 641.l 
Weffel. ungeachtet er fi ferner: den dreyßig Kykı 
2 nen mit dem rühmlichfien Muthe wiberfezte, nud 
der Standhaftigfeit eines Helden flarb; p. 103. 10 
Hift. Gr. Xenaph, vid. Thieme & Cie. I. 40, Tu 
quaeft. fo muß man ihn do, den Zeugniffen gie 
- zeitiger und glaubmwärbiger Schriftfteller zufolge, } 
EEE einen heftigen und unbeflänbigen Mann erffären, 
“feine Größe felbft auf dem Untergange feiner Water 
zu erbauen fuchte, und nur für das Wohl feiner M 
buͤrger firite, wenn er dadurch ſeine eigene Vortheile 
befördern glaubte Man ſehe Thuc. VIII, 68. & 
und leſe Lyf. p. 210, 215. 216. ſq. Ed. Marklag 
welche Seele ich iu ber dolse neq nun were 


Geſchichte des Peloponneſiſchen Krieges. 281 


edern erwaͤhlen zu laſſen, welcher die oͤffentlichen Ge⸗ 
‚äffte handhaben, und die Fuͤnftauſende, wenn es noͤ⸗ 
ig wäre, zuſammen rufen follten *) 
Um eben die Zeit aber, als das Volk in Athen ſei⸗ 
2 Hoheit entfezt wurde, ging in Samos bey dem 
eere eine ganz entgegengeſezte Deränderung vor. Die 
yden Feldherren Leon und Diomedon **), und außer 
eſen Thrafpbulus und Thraſyllus, wovon der eine 
rierarch, und det andere jego nur noch ein gemeiner 
rieger war, verbanden fich mit dem großen Haufen 
Samos, der von den Vornehmen niedergedrüct 
w gemißhandelt worden war, und ermunterten zus 
ch das ganze Heer durch die Bergrößerung ter Uns 
rechtigfeiten und Gewaltthätigkeiten, die fie von Oli⸗ 
tchiſchen Tyrannen zu erwarten hätten, zur Wieder 
eeifung und ftandhafteften Vertheidigung der ihnen 
n ihren Vaͤtern übergebenen unfchäzbaren Freyheit. 
f diefe Borftellungen +) fihafften die Athenienſer auf 
Inſel Samos die Negierungsform, zu melcher fie 
kurz vorher bequemt hatten, ab, führten unter ſich 
» in Eamos die Demofratie wieder ein, festen die 
bherren und Trierarchen ab, die ihnen verdächtig was 
;, wählten an deren Statt: neue und unter biefen den 
raſybulus und Thraſyllus, und riefen ſogar den Als 
ades zurück, den fie gleichfalls zum Feldherrn ernanns 
. As fie endlich hörten, daß man die Abgefandten, 
fie nach Athen gefchickt hatten, um ihren Micbürs 
n die Wiederherftellung der Demokratie befannt zu 
chen, angehalten, und daß die Vierhunderte alle 
yenienfer nach ihrem Wohlgefallen Hinrichteten, oder 
” Ä S5 | mit 











ı VIII, 68570. Thuc. Ol. 92.2. Diodor, p. 579, XIII. 
% Thuc. c, 72. & fq, 
) VUI, 70,831 e. Thun 


“. 


090 Siebentes Buch, Exfied, 


cr 
TR 3. 


Carl: 


inie Schlägen befhimpften, bag fie ihre Weiber 
Töchter ſchaͤndeten, und mit dem Gedanken umgk 
die Verwandten der Andersgefinnten in Gamel 
Geißeln einzuziehen, und fie badurd) zum © 
beingen, fo entbrannten Die freyen und ihrer 
ſich bewuften Seeleute und Krieger in fi 
daß fie fich ‚öffentlich, wider. ihre Vaterſtadt emphi 
fi) förmlich aller Gemeinſchafft und alles 

gegen biefelbe lasſagten, und unverzüglich bie 
befteigen wollten, um bie Urheber ver Tyranney 
Feinde der Freyheit mit Geuer und Schwerdt zu u 
gen *). Während diefer aufrührifchen Wuth leiften 
Fibiades feinem Vaterlande einen Dienſt, ber ed 4 
alle das Ungluͤck, mas er ihm zugegogenhatte, vers 
machen Fonnte, und verrichtere eine That, 
Griechiſchen Gefchichtfchreiber die fchönfte feines % 
nennen, und ohne weiche, wenn ſie auch richt al 
edlen Bewegungsgründen herfloß, woraus: fie Pin 
ableitet, die Achenienfer Doch unvermeidlich verloren 





wefen wären "). Er wiberfezte fich den —— 














®) Thuc. VII. 74. 82 e. Ä 
*®) VIII. 86. Plut. II. 54. in ej. Vitae. Alkiblades wu 
wiß nicht leer von aller Baterlanbsliche, wie 
Handlung, der ich unten erwähnen werde, zeigen 
allein wenn man auch vorausfezt, daß biefe 
im gegenwärtigen alle gar nicht gewirkt, umb & 
nur allein nach den Regeln der Klugheit und Ken 
gehuugen bes Eigennuzes gehanbelt Gabe, fe A 
lkibiades doch nicht anders handeln, als er that. 
muſte fi ben ungeſtuͤmen Zumuthungen bed Keen 
der Fahrt noch dem Pirdus wiberſezen, weil er di 
daß Athen, von bdeffen Erhaltung auch feine Wohl 
abhing, dadurd ins Verderben gekürzt werben w 
und weil er nicht wuſte, wie mächtig die herrſchend⸗ 
they in Athen, und wie das Wolf ſelbſt gegen ij 
funs war, das ihu bis jezo noch nicht zucädge 





Seſchichte des Peloponneſiſchen Krieges. 283 


ers und brachte es von feinem unbeſonnenen Unter⸗ 
men durch die Vorſtellungen zuruͤck: daß fie alle 
ch ihre Entfernung aus Afien fich in einen verderb⸗ 
en Dürgerfrieg verwickeln und überdem Sonien , ben 
Befpont und die Inſeln den Feinden übergeben wuͤr⸗ 
Durch diefe Gründe befänftigte er die aufgebrach» 
Krieger fo ſehr, daß fie die Abgeoroneten der Vier⸗ 
Dert, welcje fie vorher umzubringen gedrohet hatten, 
offen anhörten und mit der Antwort entließen: daß 
m gegen die Regierung der Fünftaufende gar nichts 
zuwenden babe , daß aber die ungefegzmäßige Herr⸗ 
afft der Vierhunderte abgefchafft werden muͤſſe *). 


Als die Häupter der Dligarchie merften, daß fie 
Heer in Samos nicht zur Annahme ver neuen Res 
rungsform wuͤrden bewegen koͤnnen; fo entfchloffen 
fich ihre Herrfchafft, ohne welche fie jezo weber für 
Leben noch für ihr Dermögen Sicherheit mehr hate 
I, auf eirie jede Urt zu behaupten, und wenn fie auch 
mungen feyn follten, ihre Vaterſtadt einem auswaͤr⸗ 
en Feinde zu unterwerfen *"). Sie ſchickten daher 
gefandten nad) Sparta, um mit den lakedaͤmoniern 
en Srieden zu ſchließen und fie zu ihren Freunden zu 
chen; auch erbauten fie am Piräus eine Seftung, wo⸗ 
sch fie Meifter vom Eingange des Hafens wurden und 
jUfsvolker einlaſſen konnten, wenn fie wollten. The⸗ 
nenes und Ariſtokrates waren die erſten, die es fuͤhl⸗ 
', daß ihre gewaltſame Herrſchafft nicht lange mehr 
kehen koͤnne, und die es alſo fuͤr ſicherer hielten, ſich 
der Stille zu der immer ſich vergroͤßernden Demo⸗ 


tiſchen Parthey zu ſchlagen, als mit der en 


®) VIII. 86. Thuc, 
") c. 90. 9L 





284 Siebentes Buch. Erſtes Capitel 
ſchen unterzugehen *). Theramenes fing damit an, 
Abfichten der Bierhundere verdächtig zu machen, in 
er öffentlic) erflärte, daß die Spartanifche Flotte m 
fcheinlich niemals (was fe Furz vorher gerhan hatte) 
ren Standort bey Epidaurus würde genommen hal 
went fie nicht Anfchläge auf den Piräus haͤtte; um 
dieſe kuͤhne Aeußerungen bald noch Fühnere Reden 
anlaßten; fo Fam es endlich zu Thaͤtlichkeiten, in 
ſelbſt die Hopliten, die auf Befehl des reglerenden I 
anden Werfen Im Piräus arbeiteten, umd unter ' 
chen ſich auch) Ariftofrates, der Freund des There 
nes ald Taxiarch befand, fich des Alerifles, eines I 
herrn von der Dligarehifchen Parthen, bemächtigten, 
ihn in Verhaft zogen. Eben diefe Hopliten -viffen | 
nachher im Beyſeyn des Theramenes , der fie feines: 
tigen anfcheinenden Zorns ungeadjtet mehr aufmumk 
als abhielt, die von ihnen felbft aufgeführten Werke 
Piräus nieder, und festen die Vierhundert dadurd 
eine ſolche Furcht, daß fie fich den folgenden Tag 
ihnen in Unterhandlungen einliegen , in welchen fie 
fprachen, die hechfte Gewalt den Fünftaufenden zu 
geben, damit aus ihrem Mittel ein Senat von \ 
hundert Männern nach ihrem Gutduͤnken erwäßle v 
ve. Dieſe Abſchaffung der Vierhunderte wurde di 
den vollkommenen Sieg, den der Spartaniſche Feld 
fiber die Athenienſiſche Flotte bey Eretria erhielt, 
der mit dem Verluſte von ganz; Euboea begleitet m 
nur noch mehr befchleunige **), Denn nunmehro dr 
| 





©) c. 92. 93. 

v*) VIII, 95. 06. Die Achenienfer geriethen Äber den‘ 
luſt von Euboea in ein größeres Schrecken, als bey 
Nachricht von ihrer Niederlage in Sicilien. Sie 
ſten nun nicht nur alle die Vortheile entbehren, di 


Sefchichte des Peloponnefifchen Krieges. 285 


bon allen Seiten daranf, daß die Bierhundert ihre 
ichafft niederlegen und die Berwaltung des Staats 
Fünftaufenden oder allen den Buͤrgern übertragen 
n, die eine vollftändige Ruͤſtung zu liefern im Stans 
pn wuͤrden *). Außer dieſer Staatsveränderung, 
urch die Regierungsform wiederum auf die urſpruͤng⸗ 
Soloniſche zuruͤck gebracht, und ein gluͤckliches 
tel zwiſchen uneingeſchraͤnkter Demokratie, und druͤ⸗ 
er Oligarchie wurde, machten die Athenienſer, die 
yals woeifer als im Unglück waren, noch viele vor» 
liche Einrichtungen , wodurch vorzüglich die Stadt 
tet, und wieder gehoben wurde. ie beftellten 
notheten, und verordneten unter andern, daß Feine 
jfeitliche Perfon ins Fünftige Beſoldung, erhalten 
“Auch riefen fie den Alkibiades aus feiner Ders 
ung zuruͤck, und fandten an bie Heerführer in Sa⸗ 
‚die dringendſten Defehle ab, daß fie fich der allge, 
meinen 

















and Euboea gezogen hatten, und bie größer was 
sen, als fie aus ganz Attifa genoffen ‚ fon 
dern hatten wirklich auch gar Peine Schiffe, Feine Sees 
leute und Gelder mehr, und muften alfo um deflo mehr 
‚ befürdten, daß die Feinde auf den Pirdus losgehen 
würden, weil das Heer in Samos von ihnen abgefals 
Ien, und die Stadt felbft in Kactionen gerheilt und voll 
Aufruhr war. Thukppdides felbfi urtheilte, daß es den 
- Spartanern leicht geweſen wäre, ben Athenienfifhen 
Hafen wegzunehmen oder zu fperren, um dadurch das 
Heer in Samos zu zwingen, feiner Vaterſtadt zu Hülfe 
zu eilen, und alle Afiatifhe Beſizungen aufzugeben, 
Allein dies war, ſezt diefer Öefchichtfchreiber hinzu, 
nicht das erflemal, daß die Spartaner die Vortheile ih⸗ 
zer Siege nicht zu ungen wuſten, und durch ihre Lange 
. famteit das wieder verloren, was fie durch ihre Tapfer⸗ 
keit gewonnen hatten. Thuc, l. e. | 


VI, c. 97. Thue. 


36 Siebentes Buch. Erfied Capikk::i.- 
* Sache mit patriotiſchem Eifer annehmen ſ 
tn” | 
Mitten unter den Spaltungen unb Unruhen 
Athen erhielt Thraſybulus, einer der vornehmſten 
ftörer der Dligarchie in Samos, einen vollem 
Sieg über die Peloponnefifche Flotte im Hellefpont 

und Alkibiades hinderte es durch feine Unterhandiu 
mit dem Tiffaphernes, den er durch fein Anfehen bey 
Athenienfern eben fo gefchickt zu ſchrecken, als @% 
Arhenienfer durch fein Gericht bey dem Perſiſchen € 
trapen in Ebhrerbiefung zu erhalten wuſte, daß bie Fi 
nicifche Flotte ſich nicht mit der Peloponnefifchen ı 
nigte , durch welche Bereinigung die Arhenienffee — 
weder zu einer ſchimpflichen Flucht würde gem 
oder auch gänzlich gerftört worben feyn}). Au * fe 
den folgenden Jahren fchlug er bie Peloponnefier 
den Pharnabazus, einen andern Perfifchen Befehlskuie, 
in mehrern entfcheidenden Treffen, befonders bey Dei 
dus und Kyzikus, und eroberte Byzanz, und faft al 
Staͤdte am Hellefpont, fo wie Thrafybulus — 
mehrere andere Sufeln wieder gewann 77). Durch Di 




















*) Merkwuͤrdig iſt es, daß een anderer Säriftkelt, w | 
Ger dem Thukpdides, der eben angeführten ... 
Staatöverbefferungen erwähnt, die leider alle nur cat 
kurze Zeit dauerten; denn gleich nach der Mädtchr ii 
Alfibiades wurde bie Demokratie wieder fo zägeled, 
als fie jemals geweſen war, und Befolbungen sit 
Lohn von Magiftratsperfonen und Richtern wures 
eben ſo erneuert, als fie fonft flatt gefunden hatten, 

®®) VIII. Thuc. 106 c, Diod, XIII. p. 57I. 

; ) Ken er Hi. Gr. 1. Diod. XII.“ 

enop i 5. I. e. 1.4. Dio p. 576-3 
Plut. Up, 58-60. Dies gefüap I * 
36% 


heſchichte des Peloponnefifchen Krieges. 387 
je wurben bie Krieger des Alfibiabes fo ſtolz, daß 
ch eine Zeitlang mit den Soldaten der übrigen Feld⸗ 
m, befonbers des Thraſyllus, nicht vermifchen,, mit 
n fich nicht gemeinfchafftlich in den Waffen üben, 
nicht in deinfelbigen Lager beyſammen mohnen wolle 
%, Die Spartaner hingegen wurden fo fehr gebes 
higet, daß fie den Athenienfern unter den annehms 
ten Bedingungen Frieden anboten **). Das Acher 
ſiſche Volk war aber durch das Gluͤck der Waffen feis 
Seloherren, das allemal einen gefährlichen Rückfall 
einen Findifchen Leichtſinn hervorbrachte, noch mehr 
durch die windichten fchmeichelhaften Pralereyen 
er Demagogen, die nach gerade fo unbedeutend war 
H, daß-die Sefchichte nur von den wenigiten die 
Ä amen 








) Xenoph. Hift. Gr. I. c. 2. p. 17. Plut. p. 62. 63. 11. 

) Diod. p. 583. Der Brief, den die Lakedaͤmonier nach 
ibrer dricnerlage bey Kyzitus nad Sparta ſchickten, iſt 
. ein fo merfwärbdiges Charafterfläd, und zugleich fo 
kurz, daß ich nicht umhin kann, Ihn herzuſezen. Er 
lautete folgendergeflalt: Egoes Ta nur. Mwda- 
eos d’amsoouru. Tevavrı wvdees. ELTOEEO- 

es, Tı gen dewv. Xen. 1.1. p. 7. & Plut. p. 60. 
Ein Nachfolger des Kleon wurde Hpperbolus, ein eben 
fo kuͤhner Schwäzer, aber noch verächtlicherer Mann, 
als Kleon, und deffen Anfehen beym Volt, wie Plu⸗ 
tarch fagt, ber ganzen Stadt die größte Schande brach⸗ 
te. vid. Ariftoph, in Pace v. 680 & 920. & Plut. in 
‚ Nic. III. 360. 61. Nikias un» Alkibiades brachten es 
dahin, daß er eroftrafifirt wurde. Hieruͤber lachten bie 
Athenienſer anfangs; allein nachher bereuten fie es, 
daß fie einen Nichtswuͤrdigen mit einer Strafe belegt 
Hätten , die bisher ein fiherer Beweis anßerorbentlicher 
Verdienſte und Talente in denjenigen, beu fie getroffen 
ste, gewefen war. Durch diefen unwuͤrdigen Ge⸗ 
auch wurde ihnen die Strafe fo verhaßt, daß fie nach 
dem Hpperbolus Seinen mehr exoſtratiſirteu. Plut. I, « 


) 


288 > Siebented, Buch. Erfreveaien 


Namen aufgezeichnet hat, fo ſehr aufgeblafen:ı 
daß fie alle Anträge verwarfen und den Frieden 
Hinderniß der Ausbreitung ihrer Herrfchaffe und 
sungen zu fürchten anfingen ). - —- 
Nach allen ven großen und rußmvollen 9 
die Alkibiades verrichtet Hatte, fehnte er ſich mu 
eben fo fehr, fein ihm theures Vaterland wieder 
den, und ſich felbft feinen Mitbürgern zu zeige 
die Athenienſer darnach verlangte den auferorde 
Mann wieder zu fehen, ber feine Vaterſtaͤdt m 
gerertet, fonbern auch Über alle ihre Feinde er 
Der ir nicht nur die Herrſchafft zur See wieder 
nen, fondern aud) die Sipartaner auf offenem 
ſchlagen, und ihnen die Herrfchafft zu Lande fire 
macht hatte **). Nachdem Alkibiades alle Sa 
Samos und Aſien in Ordnung gebracht, und 
ruͤckbleibenden bie nöthigen Verhaltungsbefegle | 
hatte, fo fehiffte er mit ſeiney fiegreichen Flotte, 
den Kriegszeichen von mehr als zweyhundert er 
ober verſenkten feindlichen Schiffen ausgeſchmuek 
dem auf ihn harrenden Athen zu. Ben der erſten 
richt von feiner Ankunft ergoß ſich die ganze S 
ben Piräus, und Allibiades wurde mit einem 
Gepränge und fo lauten Aufrichtigen Freubensbe; 
gen empfangen ‚ als wenn ver Gott des Krieges o 
Schuzooͤttinn des Volks fich den Mauern der St 
nähere hätte! Er allein war der einzige Gege 
ver allgemeinen Aufmerkſamkeit, und der fud 
Blicke ſelbſt derjenigen, die ihn ſchon Fannten, u 


’ 


dieuitetkiltunenne 








") Diod, 1. © um J Bios ur u 
a8 Xenop . I. ĩ . Gr. io N +, 
93.1 Blat.p. 61. 2 ſa. Echt 


Oefehichte des Peloponneſiſchen Krieged. 299 


un eben fo gierig auflauerten, als wenn fie ihn noch 
e vorher gefehen, ober er fich in ein höheres Weſen 
wewanbelt hätte. Von allen Seiten drängten fich 
zornehme und Geringe, Männer und Weiber, Alte 
wd Zunge zu, um den Netter und Vater des Vater⸗ 
Bades zu umatmen, ober zu begrüßen, oder fein mit 
en umfränztes Haupt mit Blumen ber fiebe und 
Kati zu betreuen; und Diejenigen, benen bies 
Bet nicht zu Theil wurde, flarrten ihn entweder mit 
enmer Bewunderung an, oder zeigten ihn auch ihren 
‘und Freunden mit lautem Freudengefchrey,, als 
m Wohlthaͤter, dem fie leben, Frenheit und Wohl 
nd zu verdanfen hätten. Mit den Thränen der Freu⸗ 
welche die Athenienſer über feine glückliche Anfunfe 
fien, vermifchten ſich Thränen der Wehmuth, der 
und des Unmillens gegen fich felbft, .melche ihnen 
Andenfen an das Unrecht auspreßte, das fie dieſem 
zugefügt hatten, und das Ihnen jezt viel größer 
unverbienter vorfam, ald es ihnen jemals erfchienen 
Der frevelbafte, muthwillige, üppige und treu 
Alkibiades , der aller Geſeze gefpotcet hatte, und 
Urſache der Fortfegung des unglürklichften Krieges ger 
war , verſchwand ganz aus ihrer Phantafie, und 
der ſchoͤne, berente, fapfere Sieger ver Spattaner 
ib Perfer ftand ganz allein vor FA verblendeten Au⸗ 
nda. Sie beweinten aber nicht bloß fein, ſondern 
ihr eigenes Schickſal, indem fie gat nicht mehr 
ten, baß eben der Mann, der die fich unübers 
fich duͤnkenden Feinde mit den arnfellgen Truͤm⸗ 
der vernichteten Vaterſtadt zu Boden gefchlägert 
; mit der ganzen ungeſchwaͤchten Macht der leztern 
Sicilien und Carthago würde erobert haben, wenn man 
ah mit Gewalt aus ber taufbahn feines Gluͤcks und 













Tugend heraus geriffen Härte. Dieſem lebhaften 
defuͤhl der Reue über Die zugefuͤgten Beleidigungen ent⸗ 
Zuweyter Band. Zn 77 












gs gpin Zuve veruigeus. yusıcıı), 72 — —— 
——— — — 
V nehmen, und den Mam, mit welchem * BA 
ı.% fi ausgeſohnet Hätte, auch wieder mic ben a 
. ausſohnen follten, fie erbeten ihn auch micy 
Eronen, und ernannten ihn zu einem 
Beipheren zu Wafler und zu Lande, voll ber pie 
09 Hoffnung, daß er alles eaheingen u. was 8* 
N wolle, und dop er bie ine Alte 
— Woaͤnſche erweitern werbe *). 
otte von mehr ald hundert a: aus, rt 
mit mwqh dehern Wanhen und mwchfroilnct 

















XR 
⸗ 
* 





dbel zu it in 
” Harp , * te mans 
.: Alleinherrfcher erhoben zu ſehen. 
2 ihn fogar, ben | een Plunder von Grfejen aut 9 





| then Bwer | 

5* e es, € de r 

95 A des Poͤbels iur Unterjochung a A 

J Mitbuͤrger mißbrauchen moͤchte. Sie fümmten 

A eben fo eifrig als feine Freunde in den Vorſchlag 

I | FR als unumfcränkten Felbherrn gegen die Feint 
| aatv aus zuſchicken. klut. U, P. 73. 74 





Geſchichte des Peloponnefifchen Krieges agı 


Nungen, als womit man ihn ben feiner Abfahrt nach 
Bicilien begleitet harte. 
: Mfibiabes *) erfuhr aber bald die Unbeftändigfeie 
Gluͤcks und Die noch größere Unbeſtaͤndigkeit des 
thenienfifchen Poͤbels, der ihn vor Furzem angebetet 
faft vergörtert hatte. ‘Denn als er die Inſel Andros 
che gleich beym erften Angriff eroberte, und Antiochus, 
ken er während einer nothwendigen Abweſenheit zum Des 
Fhlshaber der Flotte beitellt hatte , fich wider feinen 
usdruͤcklichen Befehl mit. der Peloponnefifchen Seemacht 
ließ und von ihr gefchlagen wurde; fo fuchte mar ven 
jeund viefer Unfälle nicht in unvorbergefehenen: over 
wermeidlichen Umſtaͤnden, fondern man legte fie ohne 
Abzug ihm ganz allein zur Saft, weil man in der 
deynung war, daß ihm, wenn er nur chun wolle, was 
 Pörme, gar nichts unmöglich fen. Man gab daher 
I Feinden des Affibiades, und den von ihnen gedun⸗ 
jnen Schreyern Gehör, bie feine Liederlichkeit, Naubs 
boterde, ober gar heimliche Berbindungen mit den Seins 
3 als die Urſachen des fchlechten Fortgangs feiner Waf⸗ 
iR angaben *”). Das. Bolf entfezte ihn unverzüglich 
Äner Würde, amd beftellte an feiner Start zehn andere 
fe , die das Commando ber Flotte übernehmen 
. Alfibiades hielt es abermals nicht für ficher, 
feiner Rechtfertigung nach Athen zu geben; er zog 
alſo in feine Burg nach Thrarien zurück, die er pe 
2 | ol⸗ 
















. . 

. e Xenoph. I. c. 5. Diod, XIII. 596. 97. ad Öl, 93. 1. 
| Plut. p. 75. 

WSN. cc. lnter biefen war auch Thraſybulus, vormals fein 


eifrigſter Freund, und der vornehmfte Urheber feiner 
Surhdberufung. Ich finde in feinem Schriftfieller 











Winke über die Veranlaſſung feiner Feinbfafft gegen _ 


Den Altibiades. 





8 





laſſungen eben fo arm, und an dem prächtigen 










rpm ge ren 
sun © . 


nur um feiner felbft willen, fonbern- quch de 
‚Yufnerffamfeic des tiebhabers der Griechiicgen 
te verbient, weil die Borfehung ihn zum Zeh 

Achenienfifchen Macht und Herrichafft befklmmt 
Infander ftammte .aus koͤniglichem Gebluͤte ab, a 
war und blieb unter unzaͤhligen verfuͤhreriſchen 






juͤngern Kyrus und in den uͤppigen Staͤdten 
eben ſo nuͤchtern und maͤßig, als Ariſtides 

Er vereinigte mit der Verſchmiztheit, der 
dem Ehrgeize, und durchdringenden 
miſtokles die Biegſamkeit und das einfchmieichel 
fen des Alkibiades; nur unterſchied er ſich zu 
Vortheile vom leztern darinn, daß er bey aller 
Spartaniſchen Einfalt die Gunſt ver. D * 
Großen eben fo leicht zu gewinnen, ‚und. noch Id 


r 


‚erhalten wuſte, als lfiblabes die Herzen ber 9 


und des Pöbels feffelte **).. So wie er ofine De 


Bas Wohl des Baterlandes feinem Ehrgeize au 
te 3); fo fie und chat er alles um feine Frrumd⸗ 
ben, ober feine Feinde zu ſtuͤrzen, und er war baf 


eben fo ſtandhafter Freund, als er ein 








-® Plut. in ej. Vita Toni, M. p. 4 
°, ib. p.7.14. J 
% ib. p. 11. & Xenoph, L. I. c, 6, Hiſt. Gr, 


Geſchichte des Peloponneſiſchen Krieges. 203 


8). Muzen oder Nuͤzlichkeit ſchien ihm der einzige 
aßſtab der Gerechtigkeit und Wahrheit zu ſeyn. 
ſde, glaubte er, würden nur deswegen geſchaͤzt, weil 
nuͤzlich waͤren, und man koͤnne ſie alſo ohne Scheu 
digen, wenn fie anfingen, ſchaͤdlich zu werden **), 
hielt Feine Maaßregel oder Handlung für niedertraͤch⸗ 
oder unmwürdig, wodurch er zu feinem Zwecke gelans 
fonnte 7); doch brauchte er Tieber Lift als Gewalt, 
‚ denen, die ihm fagten, daß er ald ein Nachkoͤmm⸗ 
des Haͤrtules ſeine Feinde nicht durch Raͤnke bekrie⸗ 
muͤſſe, antwortete er: daß man da, wo man mit 
köwenhaut nicht durchfommen koͤnne, ſich des Fuchs⸗ 
es bedienen müffe FF). Er verlachte und zertrat 
eze, Berträge, und bie heiligften Eide, wenn fie 
entgegenſtanden, und hatte den Grundſaz, daß 
ı Kinder mie Würfeln und anderm Spielwerfe, und 
ner hingegen mit Eiden hintergehen müffe. Dies 
ißerorventliche Mann, ber feine andere teidenfchafft 
Ehrgeiz, und feinen andern herrfchenden Gedan⸗ 
datte, als ſich durch die Demuͤthigung der Achenls 
unfterblich zu machen, gab der zerruͤtteten Sache 
Spartaner noch vor der Anfunft des Alkibiades in 
t eine ganz andere Geſtalt, als fie vorher gehabt 
Er hatte den jüngern Kyrus, der von feinem’ 
er zum Befehlshaber über Vorderaſien ernannt wor⸗ 
war, durch feinen Umgang und durch feine Schmels 
yen, die um deſto füßer waren, weil fie aus dem 
de eines edlen und durch die Einfalt feiner Sitten 
ichtig ſcheinenden Spartaners kamen, ſo fuͤr ſich 

3 ein⸗ 








p. 10. 40. 
) ib, p- 14. 
ib. & Cic, de of. I. 30, 


y ib, 





24. Ciebenteh Ruh, Ertet Goal 


ame, a ge be de Erde 


te, brauchen follte, mit jugendlicher 

sind ihm anftact ver Geſchenke ‚bie er ihm 
dacht hatte, die Erhöhung des Soldes der Truph 
Seeleute yon drey Dbolen auf vier bawilligte 
welche Exhöhung Iyfander auf einmal bie 

Flotte enblößte, und ihr alle Seeleute entzog, f 
ne geborne Athenienſer waren, und allein um bei 
willen ‚dienten *). infander übergab. ferner in 
Staͤdten, die bon den Arhenienfern abgefallen u 
den fofedämoniern verbunden waren, ‚entweder di 
fie Gewalt, ober doch die Berwaltung der öffen 
Geſchaͤffte einer Eleinen Anzahl ausgefuchter Mi 


enfifche Ziort 66 nd ein 
tühnen Ans u — und 


ßnch ben allen undesgenoffen fo beliebt, di 
feinen ale en am Ende des Zahrs, wo er nach 
ta zuruͤck berufen wurde, in allen Städten bewe 


Bey Feiner andern Angelegenheic iigte [7 
der Fleiner und nieberträchtiger, als bey der Ve 
der Flotte und oberflen Befehlshaberſtelle an di 
likratides FF), feinen ae einen Dann, 
on Mäßigkeit, Enthaltfamfeit und Much top 

gleich fam, und an + Serlengröße un! 











Xenoph. 1, 5. Plut, Ill, 
Arien * ut, 1. 7. p. 
4) Plut, 

#9) —— 


N 


Bedefhoffangeit, einer ia Eipasta. fetenen 
Por noch mehr Äbesteaff, . als er von 
an in übertroffen wurde ). 


Antunft in Sparta nichts unverſucht laſſen wolle, 

Mitbürger mic den Athenienſern auszuſ ohnen 

fein Grieche fernerhin gezwungen werde , um bie 

u dectca haun. Zugleich ermunterte 
J 4 ’ 





Flut. & Xenoph, Il. ce. j 

Yib. Us Ber feinem Sedfeiger —— 
Def. "Rates entwarf her, am ven 
Lafander feine Pralerep fühlen zu machen, baß er do 
a 

, weißen aber De Befhkite Enfander 19 


a 


rue 


06 Che Bud, Ei ea 


ee die Bundesgerioffen der gemeinfchafftlichen Sache 
ollen Kräften zu Hülfe zu fommen, um den Perſen 
zeigen, dag main auch ohne ihren Benftand fich f 
Feinde erwaͤhren fonne. So unangenehm diefer An 
‚ ben Meiften war ſo fchoffen fie doch theils aus Tut 
und teils aus Mitleiden mit der Verlegenheit des 
gen Mannes beträchtliche Summen ber, und ſezten 
dadurch in Stand, feine Flotte fo fehr zu vermch 
daß er den Feinden Die Spize bieten konnte. J 
die Athenienſiſchen Feldherren Konon und ‘Dion 
ohne jedoch irgend einen Athenienſer als Knecht zu 
kaufen, ober ſolche Grauſamkeiten auszuuͤben, af 
Athenienſer ausgeuͤbt hatten, und die Bundesgen 
aus Rache an ihnen auszuuͤben geneigt waren *). 
erfte und größte diefer Niederlagen, in welcher fie 
Eis Schiffe verloren, vernichtete zwar Die Seemach 
Athenienſer nicht ganz, zwang fie aber doch zur | 
faft ganz unglaublichen Anſtrengung der wenigen K 
‚bie ihnen noch uͤbrig geblieben warn. Sie rk 
nämlich in dreyßig Tagen hundert und zehn Schiffe 
zu deren Befezung aber kaum alle Bürger, alle F 
linge, die fich unter ihnen niedergelaffen harten, 
ſelbſt alle Schaven, bie zu Kriegsbienften tüchtig n 
hinreichten“); und außer Diefen ſammleten fiefnod 
sig andere Schiffe von: den Bundesgenoffen, die | 
falls alles, was auch Waffen tragen fonnte, zu 
mannung berfelben preflen muften. Mic dieſer 





m BEER 





en am 


%) Xenoph. 1. c. p. 41,44. Er fagte, daß er ben 
Ichren wolle, ins Fünftige nicht mehr Ehebru 
dem Meere zu treiben, daß aber auch unter fein 
feblshaberfchafft, fo viel an ihm fey, Fein Gri 

. bie Sclaverey gerathen falle. 
®) Xanoph. I.c, p. 45. & Died, Alll, 620. ad QL 


Sefchichte bed Peloponneſiſchen Krieges, 307 


ug Konon bey Arginufe den Kallikradides, ber ent . 
er aus einer übertriebenen Zärtlichfeit für. feine Epre, 
r auch aus einem gewiffen Eigenfinn, dem oft bie 
ten Männer und Helden unterworfen find, dem 
slegenen‘ Feinde nicht weichen wollte, in dem blutig» 
und entfcheidendften Seetreffen, das jemals zroifchen 
iechifchen Voͤlkern geliefert worden war, und in wel, 
m der Spartanifche Feldherr feinen Fehltritt mic dem 
m büßen mufte *). Wahrfcheinlich würden die Aches 
»fer die ganze Peloponnefifche Flotte zerſtoͤrt Haben, 
in nicht gegen das Ende der Schlacht ein heftiger 
urm entflanden wäre, der die Sieger hinderte, den 
ewundenen Feind mit Machdrucd zu verfolgen, und 
ar ihre eigene Todten wieber aufzufifchen **). 

\ Tg So 








X 


) Den Athenienfern wurden fünf und zwanzig Schiffe, 
fammt aller Mannfcafft, einige wenige ausgenommen, 
verfen?t, und die Peloponnefier und Ihre Bundesges 
noffen verloren 69 Schiffe, Xen. 1. e. und nit 77, 
wie Diodor fagt p. 621. Kallikratides wurde vor der 
Schlacht gewarnt, fich nicht mit einen überlegenen 
Seinde einzulaffen, allein er erlärte, daß Sparta auch 
ohne ihn beftehen, daß es aber für ihn ſchaͤudlich ſeyn 
würde, wenn er flieben wollte. Xen. p. 47. Cicero 
and Plutarch tadeln den Kallitratides mit Recht, daß 
er die Wohlfart feines Vaterlandes feiner Ehre nachfezte, 
Cic. de off. I. 24. & Plut. in Pelop. initio Vol, II. Ers 
ſterer etzien aber die Antwort des Kallikratides etwas 
anders als Kenophen. Bon beyden weicht Diodor ab 

‚619 & 20. ber ben Kenophom eben fo felten ale ben 
Thukpdides zu Rathe gezogen zu haben ſcheint. 

"Xen. L c. 7. p. 49:61. So unmöglich es den Felb⸗ 
herren auch war, ihren Mitbärgern bie legte Pflicht zu 
erweifen; fo wurden fie doch gleich alle, den Konon 
ansgenommen, dem man zween neue Gehuͤlfen zugab,, 
zurkdberufen, und ale Majoſtaͤtsverbrecher, ober gi 


298 Eiedented Buch. Erſtes Eoplidh - 


So groß der Sieg war, den die A 
wonnen hatten; fo zog er doch gar Feine wichtige Joh 
und Revolutionen nach fi), und that den Ueberwu 
men auch feinen andern Schaden, als den fie in ber vo 
lornen Schlacht felbft gelitten hatten. Konon und fe 
Gehülfen eroberten nach dein Siege Feine einzige Ct: 

bon Bedeutung, entweder weil fie nicht konnten, ob 
meil fie ihren Sieg nicht zu nuzen wuften. Auch fiele 
gar feine Bundesgenoffen von den Spartanern ab; 











e 
! 
x 


m 


Beleibiger der Heiligkeit bes Volks angeklagt. 
bens bewiefen fie mit den Zeuguiffen ihrer Steneakk 
und unzähliger anderer Perſonen, daß ſie des Gran 
halber das, was man von ihnen fordere, nicht hatich 
leiften koͤnnen; vergebene beriefen fie fi baranf, WE 
fie den Xheramenes und Thrafpbulus zur Ar 
Der Leichnahme ihrer Mitbuͤrger befiellt Hätten, 
daß alfo, wenn auch etwas verſehen werben FE 
fe, foubern biefe Trierarchen (hulpig wären. Gewel 
ber regierende Rath als das Wolf wurbe durch die U 
Plagen bes Xheramenes und Thrafpbulus, am mein 
aber durch das Kammern und bie Trauerkleider bee Uns 
verwandten ber Gebliebenen, die von ben beyben ebene 
genannten Männern zu dieſem falfchen Trauerſpiele war 
ren gebungen worden, fo ſehr aufgebracht, daß fie He 
unſchuldbigen Zeldherren zum Tode verurtbeilten,, und 
ſechs davon auch wirklich Hinrichten ließen. Xenoph. Le. 
B 62. Auch bey diefer Belegenheit betrug fidh be 
ath viel unbefonnuener und haſtiger als bad Belt, 
das ohne has vorbergegangene Urtheil feiner Obern fein 
unſchuldiges Blut vergoffen hätte. Die Achenienfer 
ſahen aber bald die Ungerechtigkeit ein, bie fie begaw 
gen hatten. Gie erflärten bie Antläger und Werfelge 
der bingerichteten Zeldherren für Betruͤger des Wollt, 
und legten fie auch wirklich ins Gefaͤngniß, aus wel⸗ 
chem fie bep einem balb Darauf erfolgenben Auflauf eu 
— perer das Urtheil uͤber fs war geſprochn 
or 





ar 


Geſchichte des Peloponneffchen Mringed. 299 


r ſchickten die erſtern aus Furcht vor der graufamen- 
ber. Athenienfer aufs fhleunigfte Geſandten nach 
mon ab, um die Häupter diefer Stadt auf dag 
dfte zu bitten, daß man ihnen doch den Infander 
a Defehlshaber ſchicken möchte, als welcher der eins 
ſey, der die Anfeln und Afiatifchen Städte vom Uns 
ge retten Fonne *). Die Ephoren fahen das Ge⸗ 
ändete diefer Bitte ein; allein an der Erfüllung der⸗ 
üben wurden fie durch ein Geſez gehindert, nach weis 
m biefelbige Denen nicht mebrmalen als oberfte Bes 
Bolshaber einer Seemacht ausgefandt werden follten. 
za alfo dieſes Geſez nicht zu übertreten, und doc) auch 
t das höchfte aller Gefeze, die allgemeine Wohlfart 
a verlesen, ernannten fie einen gewiflen Arafus zum 
efehlshaber über Die Flotte, gaben aber dem yſander 
Bnter dem Titel eines Raths alle die Macht, die mit der 
Poͤrde des erften verbunben war. Sobald Infander 
ch Alien fam, rief er alle. Schiffe nach Ephefus zu 
nen , ließ ſogleich viele neue bauen, und erhielt vom 
neu, der von feinem kranken Vater nach Hofe berus 
m war, nicht nur alles Gelb, was er verlangte, fons 
Ian auch feinen ganzen übrigen Schaz, und fogar bie 
laubniß, während feiner Ubwefenheit ven Tribut als 
‚der Städte zu heben, über welche Kyrus gefezt 
ar **). Durch dieſe mehr als freundfchafftliche Unter⸗ 
ung 7) feste tnfander feine Slotte in kurzer Belt In 
eine 























% Xenoph. 1. ı. 

‘es, Xenoph, ib, Ä 

4) Andokydes bezeugt, daß die Spartaner bis auf bie 
Schlacht bey Aegos Potamos fünf taufend Talente yon 
deu Derfern erhalten hätten, ohne welchen Beyſtand «6 
ihnen auch unmöglich gewefen wäre, ben Krieg sem 
bie Athenienſer fo lauge auszuhalten. Oret. Ill, 
p- 281. 


Ane folche Verfaſſung, daß er i Dei 
Tonnte. Ye ſchiffte — nach a wre 
Yampfafus, eine Bundesgenoffinn ber- Athenke 
belagern, bie er auch mit ſtuͤrmender 

von feinen Golbaten auspländern-fteß *); DREI 
ntenfifeheni Zelbherveit, hie noch init drey neuen ð 
fen vermehrt worden waren, folgen dem Infandern 
und anferten mit einer Flotte von’rgo Schiffen dan 
kus gegen über bey Aegos 














) Xen. p. 67. l. e. 
=) ib, p..ö8. 
P Plut. Il, p. 168. 5 “ 
30 Xen. Il.1. p. 70. Tydens und Menander autwori 
ihm, daß er ſich um ihre Angelegenheiten nicht m 
’ — möge, weil nicht er, ſondern fie Sch 
gen fepen, \ ** 


N 


heſchichte des Peloponneſiſchen Krieges. 304 


inanber mit ihrer ausgebreiteten Flotte vor feinem 
efichte zu prangen, ohne daß et mit ber feinigen, 
welcher alles zur Schlacht bereit war, ven Hafer 
lampfafus verlaffen harte. Nur fehickte er den Aches 
ern, wenn fie fich nach ihren Ankerplaͤzen zuruͤckzo⸗ 
einige Jagdſchiffe nach, die ihr Betragen beobachs 
fich aber fonft in Fein Gefecht einlaffen durften. 
hdem er durch diefe Jagdſchiffe erfuhr, daß die Athe⸗ 
fee gleich nach ihrer Ruͤckkehr nach Aegos Potamos 
er größten Unordnung ihre Schiffe zu verlaffen und 
tand zu gehen pflegten; fo gab er am fünften Tage 
der erften Aufforderung zum Treffen ven Befehl, 
alle feine Schiffe fich bereit halten follten, auf das 
e gegebene Zeichen auf den Feind los zu fegeln. Er 
artete ruhig das lezte Sepränge der Achenienfer, und 
Ruͤckfart nach ihrer gewöhnlichen Station ab; al 
kaum waren fie ihm aus den Augen verſchwunden, 
er mit feiner ganzen Macht aufbrach, und mit unwi⸗ 
kehlichem Ungeſtuͤm über ihre Flotte herfiel, die im 
größten Verwirrung und fat ganz von Menfchen 
Möge war *). Außer dem Paralifchen Schiff, das 
erſte Nachricht von dieſer Niederlage nach Athen 
hte, Fonnte fich nur Konon allein mit acht Schiffen 
en, mit welchen er zum Evagoras, Beherrfcher von 
fen, entfloh, weil er feine Vaterſtadt für verloren 
t. Der ganzen übrigen Flotte bemächtigte ſich Ins 
der faft ohne Schwerdtſchlag, und fegelte. mit Fi . 
mphirend in den Hafen von kampfafus ein. Er 
alle Uchenienfifche GFangene, die fich auf drey tau⸗ 
beliefen **), und ihre Feldherren, den einzigen Adi⸗ 
mn man 


S ———— 





0 I - 





U ⏑ 


\ Died, XII, 628. ad Ol. 93. 4. erzählt die Sache gen 
andere. Plutarch hingegen Hl, p. 30, in Vit, Lyf, 
foist dem Xenophon⸗ u | “ 


G 





m. > Oi | 
| , erwũ weil fie dir 
tu aabgnomm, ref Särfen * 


gef i 
An en nenn wilden, Auf ei arbatl 
auf e 
a ber Griechen zuwiderlaufende 
mmeln 
‚Mai ver ———— 
pefche die Achenienſer litten, -fiel auf eimmal da 
fand, was den Athenlenſern —5 — 
| = verbunden geweſen war, zum Lyſander ab 
enzige Samos ausgenomimen, in welchem b 
—8*— — die Rache der Spartaner, und d 
tsehmen, deren Verwandten er umgebracht a 
tete, das ober doch auch € bald Be vom̃ 
— ——— 









EEAI 


en) Xen. 1, c, X 73. & Put. p. 26. 
en u 1, ®. „75: 
ware: pP: 27. 





— — * 5 





auch 
Die Athenienfer ben die Zeit mit 80 Schiffen 
"der bag ein, * —* ee 55 — 

Heere, was ſie aus dem ganzen P 






us, deſſen —* vom Sales geſchloſſen wurden 

Mo ni Si dem Bet der gione, de 

tigen und aller reichen 

En. fondern auch Das traurige Chef, wen 
den Haͤuptern der uͤbrig gebliebenen ſchwebte. 

— nicht —* Srund für fh und Die 








n & Pa die Abſicht, durch dieſe Anhaufung von * 
en deſto geſchwinder Mangel und ad LQunenonoth 
X ine Stadt beruoranbrlagen, | 


D f “ 


‘ 
Zu 


. \ \ 


m 


Pa 


EEE 
2 , Me Vach —E 
— Einwohnern vieler andern & 
und Inſeln verübt hatten, - die von ihnen oft aus. f 
andern Urſache, als weil fie ihre Bundesgenoſſen 
werben wollten, mit unerhorter Grauſamkeit * 
wuͤrgt, oder zu Sclaven gemacht worden 
dies Bewuſtſeyn ihrer Grauſamkeiten war 
ſie nicht um Frieden baten, von u 
gevoiß vorausſahen, daß er ihnen abgeſch 
werben. Sie faßten daher einen Entſchluß, den 
die aͤußerſte Verzweyfelung nur eingeben. konnte, u 
Ich fich felbft und ihre Statt, fo lange als il 
vertheidigen, alle Häfen und sugänge ven der-Ey 
außer einem einzigen zu alle 
ihre buͤrgerliche Ehre verloren — fuͤr ehel u 
FHaͤren, und ihre Mauern fo 
ſo gut zu beſezen, als es ihre Kräfte een 
—— aber ale daß fie, um eine | 
zige ten, tebensmiftel 
ober. wenn un eb: e baran dachten, ſo fehlte ee , 
womit fie dergleichen hätten einkaufen, oder au 
ben, von denen fie dergleichen hätten erhalten fi 
Die Belagerung hatte daher nod) nicht lange 
gen, als in dee Stadt fehon ein folcher 
ſtand, daß viele Menfchen vor Hunger farben. 
biefe Noth gedrungen, ſchickten fie Gefanbten au 
König Agis, die im Namen des ganzen Volks * 
daß fie bereit ſeyen, ihre bisherige Hertſchafft zu 
abzutreten, und ſich als Bundesgenoſſen den — 
nern zu unterwerfen, wenn dieſe von der 
abſtehen, und ihnen nur ihre Stadt und Mauern 
zerſtoͤrt laſſen wollten. Agis, ber gar Feine Vollm 


hatte, Stieden zu fließen , bieß die ‘Arte 

















2) Ze hu 6, 8,74 76 


Defchichte des Beloponnefifchen Krieges. 905 


chaffter fie) an die Ephoren wenden, bie fich eben 
us an der Graͤnze des Lakoniſchen Gebiets auf hiel⸗ 
Allein dieſe antworketen auf die Anerbietungen der 
nienfr weiter nichts, als daß! ije Fünftig einmal 
erkommen möchten, wenn es ihnen erft ein wirkli⸗ 
Ernſt wäre, Frieden zu fehließen *). Diefe Ants 
: fehlug die Gemücher der Achenienfer gänzlich nies 
indem fie nicht anders glaubten, als daß man fie 
umbringen oder ju Sclaven machen wolle, und zus 
y bedachten, daß, wenn man aud) eine andere Ge⸗ 
Khafft abfchicken wollte, doch während ber Zeit, bie 
erfordert werde, fehr viele Bürger vor Hunger ums 
nen würden. Selbſt in dieſer fürchterlichen tage 
, wo fie nichts als Knechtſchafft oder den ſchmaͤh⸗ 
en Tod vor fich fahen, wagte ed doch Niemand, 
ber Niederreißfung der Mauern, als einer Bedin⸗ 
|, gu reden, wodurch man den Frieden von den La⸗ 
moniern erhalten -fasınse, und ein einziger Raths⸗ 
‚der biefen Vorſchlag fhat, wurde fogleish als ein 
rächen des Baterlandes in Feſſeln gelege. Dan 
dee fogar einen Volksſchluß, wodurd) es bey ber 
eften Strafe verboten wurde, dem DBolfe vie Um⸗ 
ung der Mauern in einer fänge von zehen Stadien, 
mf die Spartaner beftanden, anzurathen. Waͤh⸗ 
dieſes Kampfes der Arhenienfer mit einem Elende, 
gar feiner Grade mehr fähig, oder von einem ganzs . 
ı Untergange nur um ganz unmerflihe.Stufen ent 
: zu feyn fehien, erbor ſich Theramenes zum Lyſan⸗ 
zu reiſen, und fich bey ihm zu erfundigen, ob die 
rtaner auf der Miederreigung der Mauern in der 
ht beſtaͤnden, um alle Achenienfer in die Sclaverey 
zu 











IXEXE 


ib, Xen, p- 77. 


Zweyter Band. u 


N 


a ſtaͤrzen, oder um ſie nur zu deſto treueri ea 


Lelden ergriff, dazu bevollmaͤchtigt, it dem Sp 





noſſen zu machen ). So mißtrauiſch auch viel 
die Abfichten dieſes unbeſtaͤndigen Mantes warci 
wurde er doch vom oh das en er 
entfernte oder geringe ' ung einst | 

als eine tinderung feiner gegerwaͤrtigen umertr 






ſchen Feibherrn Unterhandlungen aafengen 
aber fein gethanes Derfprechen zu erfüllen, und di 
jen ber Feinde durch Klugheit zu gewinnen, ober 
feine Beredſamkeit zu erweichen, verhaͤrtete blafeil 
Lehet fie. me noch mehr, und gab ipnen. 2 

Be ſein Vaterland ein, die ven Spartanern we 
MB dahin nice In den Sinn gefom —** 











9) So erzaͤhlt Zenoph. I. c. 79 p. Lyſiac ingegen 1 
daß Theramenes 8 habe, * * 
Frieden auszuwirken, bey welchem ſie weber fire 

fe überliefern, noch ihre Mauern nieberrifen, 

auch Geißeln geben dürften. Adv. Eratofih. J 

Edit. Matkl, — 


“) Lyſ. 1. c. p. 207. Die übrigen Bundesgenoſſen 
ten, daͤß man mit Athen gar keinen Frieden ober 
niß machen, fondern daß man die Stapt ze 
wid ihre Einwohner ald Sclaven verkaufen (elite 
Lakedaͤmonier hingegen widerſezten fi, und zmm 
allein, dieſem Vorhaben, indem fie fagten, d 
Feine Stadt vernichten wollten, Die dem ganzen 
chenlande in ben größten Gefahren fo außerorde 
Dienſte geleiſtet haͤtte. Xen. p. 7 - a 


Beſchichte des Peloponneſiſchen Krieges. 307 


daß Lyſander ihn feſt gehalten hätte, und brachte 
feine andere Antwort mit, ald daß nicht biefer 
herr, fondern allein die Ephoren ben Frieden fchlier 
Fonnten. Weil aber die Hungersnoth in Athen eine 
e. Höhe erreicht hatte, daß eine jebe Zögerung den 
gen Üeberbleibſeln ver ausgemergelten Einwohner 
nahes graufames Ende drobete, ſo ernannten bie 
giienfer abermals den Theramenes mit noch neun 
en Gehülfen zu Gefandten an die Ephoren, mit uns 
ſchraͤnkter Vollmacht den Frieden unter jeder Des 
ung zu Stande zu bringen. Diefe Sefandten famen 
mit der Antwort zurück: daß die &pattaner die 
igerung mie alle andere Feindfeligfeiten aufzuheben, 
ein ewiges Buͤndniß mir den Achenienfern zu fchlies 
bereit ſeyen, wenn Diefe den Piräus und die langen 
uern zerſtoͤren, “alle ihre Schiffe bis auf zwölfe aus» 
en, die Verwieſenen wieder unter fid) aufnehmen, 
den tafenämoniern einerlen Freunde und Feinde has 
„md ihmen zu Waſſer und zu Lande folgen tbollten, 
zin dieſe fie führen würden. Die Achenienfer, die 
ts mehr gefürchtet harten, als daß ihre Abgrordne⸗ 
unberrichteter Sachen zurücfehren möchten, nah⸗ 
 diefe harten Bedingungen, des Widerſpruchs von 
Ben ungeachtet, mit der größten Begierde an, und 
?.die fpottende-übermürhige Art, womit die Feinde 
Mauern zerftörten, machte nad) aller der Noth, 
ie auögeflanden, und ben noch größern Uebeln, bie 
a gedroht harten, einen viel geringern Eindrurk, als 
Inft würde gemacht haben. Die Spartaner ließen 
E dem munterften Spiele und dem frölichften Ges 
P‘atfer Tonkuͤnſtler und Sängerinnen, die fie nur 
"eiben konnten, die Feftungswerfe der Stadt nie 
tigen, und diefe Umwerfung der Denfmäler des 
miſtokles und Konon feierten alle Griechen als ein 
"r an voelchem fie ihre Brent wieder zu genießen 
Ä 2 Ä ans 





8. ESedentes Bud. —X ” “N? 


anfangen würden *). - So endigte ſich ver Deep 
ſche Krieg nach unzähligen. Abwechfelungen des ( 
für. Die-Athentenfer mit dem guͤnzlichen Verluſte 
—— ihrer Beſizungen, ihrer Flotten, 
Schaͤze un nfte, und man kannſelbſt 

—— — denn ihre entvolkerte und ech 
State; bie. fo lange bie Fuͤhrerinn "und Vefchtg 
von: fand gemefen war ‚. wurde jezo eine v 
viefen Stäbten, bie jebem Winfe der — — e 
wer ‚folgen muſten u 


un 3 







la": j 
D Xen. Le pn 
a Der Eine zwiſchen er 
der dem Peloponueſiſche 
wurde Segen bas Ende ey 
geſchloffen. Man ae pe 


Eins ber: a en a . * * 
..  Briedtfiger der 2* 
. Pr verſchiedenen Angaben ber Daner-der Ach 
2 fo Herrſchafft. Die gräßten Redner Und ” 
” Noreiber weichen in der Beftimmuisg ne 
59 während welcher einige lebten‘, , welcher die 
. nadhe waren, unb bie alle, wie es fcheint, 
&: ſen muͤſſen, weil fie fo wichtig und gar te ve 
war, nicht nur von der Wahrheit und von einand 
... hen foger. von ſich felbft ab. .Lyfiag, 36 fie 
:(p. 57. Io Epit,) Andofpdes auf 85 för. IL, 
ykurg auf $0 (p. 145. adv. Lea‘) "Diings' u 
. Barnaß auf 68 (Akt. Rom. I. init): anb Diet 
. 65 Sabre au (ad Ol..75 & 92. 1.). Iſotrate⸗s 
an einer Stelle mit dem Lyſias CI. p..174-) .a 
andern aber mit dem Diodor zufammen, CIE; 
Noch unbefländiger iſt Demofthenes, der die 
fer bald 43 (p. 71: Ed, Wolf.) ale 65 r 
111.) bald Eh 3 Ishre (Rhilipp, IK) die Weberifl 
See fen I Man kann kaum begreifen, « 
bieſe —E hepben Berne: we 
29% 


* 





2— 
rer 


Geſchichte des Peloponnefifchet Krieges. 3909 


Die Treulofigfeit des Theramenes und feiner Ges 
en war aber nicht bloß die Urfache, daß die Aches 
ıfer fich auf viel härtere Bedingungen, als die Feinde 
# vorgefchrieben hätten, ergeben und fich felbft wehr⸗ 
machen muften, fondern fie war auch die geheime 
ebfeder einer gaͤnzlichen Umkehrung der Staatsver⸗ 
mg, die faſt eben fo viel oder noch mehr edles Athe⸗ 
fifches Blut Eoftete, als im Peloponneſiſchen Kriege 
offen worden war. Denn faum war der Friede ges 
fen, und von Seiten ver Athenienfer ver Anfang 
ber Erfüllung der ihnen aufgelegten Bedingungen 
icht worden *); als Theramenes das Volk zufams 
rief, und mit einem Antrage hervorruͤckte, um wel⸗ 
Willen er feiise tuͤckiſche Neife zu dem Infander uns 
nmen, ımb taufende von feinen Mitbürgern harte 
ungern laſſen *). Et ur naͤmlich den Borfchlag, 

| 3 daß 











Herrſchafft der Athenienſer begränzten, fo ungewiß 
ſeyn, oder ben Abſtand derfelben fo unrichtig und vers 
ſieden berechnen Ponnten. Die Athenienfer erhielten 
wi Herrſchafft der See ohne Widerfpruch nach ben übers 
einfkimmenden Zengniffen aller Gefchichtfchreiber und 
Ehronologen im 4 Jahr der 75 Ol., unb verloren fie 
nicht cher ala Durch die Niederlage bey Aegos Potamos, 
und ben Bald darauf folgenden Trieben, ber im vierten 
Sabre der 93 DI. gefchloffen wurde. Sie dauerte alſo 
73 Jahr: ein Datum, das man von feinem alten 

Schriftſteller angegeben findet. 

Im Anfang bes erfien Jahre der 94 DI. welches bas 
Jahr der Anarchie genannt wurde, weil man es unter 
einer ungefegmäßigen tyrannifchen Regierung zubrachte. 
Xen, II. 3. p. 8r. 

So erzaͤhlt Renophon 1. e. p. 82. ber bie Einführung 
ber Dligarchie in den Anfang biefeß Jahre, und vor bie 
Wroberung von Samos fest. Plutarch Ul. p. 3ı. in 
Lyf. fimmt dem RXenophon bey; Lufias bu⸗83 

gleich⸗ 


mit dem lauteßßen Unmillen. auf:-. Al 


4) rich das Gefihern des Pibels 





— 





— 
— ein Zeitgenog und Xheiluehmer | 
ngfale, tele im biefens Fahre über Arhei 
brachen, berichtet, und ruft alle feine Maitbiitg: 
few zu Beugen an, daß Theramenes nicht chi 
Aufälag, die Staatöverfaffung zu vernichter 
baxret babe, als bis Lyſander auf feine Bitte, 
“n Eroberung von Samos aus Aften zuruͤckgekom 
‚adv. Eratoh, 201. 18.) In Zufeuung, | 
biefer Gtaatsveränberung ſtimmt Diodor 
bey; allein in Anſehung hrer Urheber weicht, 
\ vom Lyſias fowohl als Zenophon ab. An 
Be den Xheramenes als den, Entwerfer und 
x... Diigardle anzugeben, ſchildert er ihn 
. nem Patrioten,, ber ſich ihr auf dag 
derſeit, hub dem das Bolt nachher in 
einem ſeiner Beherrfcher, erwählt habe, KU 
Dies Lob anf den Theramenes, es mag aus bei 
rus ober Theopomp genoinmen (pn, Fan m 
ohne Verenten für ungegründet-‚erflären, 4 
felbft bin doch unentſchieden, ob ich mit Recht | 
richt des Kgnophon dem Zeuguiffe- des Lyfias 
gen babe. Man trifft bier fomohl ale in bei 
Geſchichte Schriftfieller aus bei 
—* und von gleichem Aufehen fo oft in 
an, daß man unmöglich entſcheiden ka 
einer derfelben allein richtig, ader ab 
etwas wahres und falſches erahpls haben . 
:,®) Xen, Plut, & Lyf, H. ec. 










Gefchichte des Peloponnefifchen Krieges. zus 
ärte Theramenes den Uchenienfern fren heraus, daß 


fach vor ihrem ohnmächtigen Laͤrmen nicht fürchte, 


| viele der angefehenften Bürger und felbft Infander 
er Meynung wären, und gleiche Abfichten mit ihm 
en”). Kaum hatte Theramenes biefes gejagt, als 
nber, der gegenwärtig war, aufftand, und zur ins 
üzung feines Freundes ben Athenienfern Eund that, 
gar nicht mehr von Negierungsform, fondern vor 
Wohlfart die Rede feyn würde, wenn fie fich im 
ıgflen mweigerten, fic) nad) dem Willen des Theras 
eö zu bequemen. (Ex fehe fie jet nicht mehr als 
ıbesgenoffen von Sparta, fondern ale Bundbrüchige 
weil fie ihre Mauern nicht zur beftimmten Zeit nies 
eworfen hätten **) Mach diefen Drohungen des 
ider entfernten fich auch die muthigften Widerſpre⸗ 
.. Die gutgefinnten Bürger fchwiegen, und der ans 
che Volksſchluß, durch welchen dreyßig Männer 
Einrichtung des Staats und zur Berbefferung ber 
ge ernannt wurben, war allein das Werk des The⸗ 
enes und feiner Berfchwornen 7). Dies neue Col⸗ 
m fchob das Gefchäfft, zu welchem es beftelle war, 
einem Tage zum andern aufs befezte aber ben res 
nben Rat und alle übrige Würden nad) feinem Bes 
a, und ergriff alle Syfophanten, bie unter ver Des 
'atie von falfchen Anklagen und Verlaͤumdungen ber 
ehmſten Männer gelebt hatten I). Der regies 
Rath verurtheilte diefe Feinde aller Bervienfte und 
tchaffenheic ohne weitläuftige Unterfuchungen zum 

U4 Tode, 





Lyf. I. e. 

ı ib, & Plut. 1, e. 

Lyf. I. c. Im Zmophon findet man die Namen der 
dreyßig Männer. I. 3. Hiſt. Gr. 


Xen. |, c. 











314 Siebentes Buch. Erſtes Eapitel, 


men, ein Befehl, welchen alle Griechiſche Bälle, 
Argiver und Thebaner ausgenommen, aus Furcht c; 
den Spartanern gehorchten *),, Auch die Frenklag: 
die fich in Athen entweder um des Handels Willen dh 
aus andern Urfachen nievergelaffen hatten, wurben 
ben blurdärftigen und raubgierigeit Tyrannen nick np 
ſchont. Vielmehr theilten dieſe die erftern als Schlag 
opfer, und ihr Dermögen ald gewonnene Beute 
fid) aus, und verabrebeten fich, ein jeber einen reihe 
Fremdling zu ermorben, um mit ihren Gütern die 
tanifche Wache bezahlen zu Fonnen **), Ja bie km 
wachfende Wurh der dreyßig Männer sing zulet fi 
weit, daß fie nicht bloß das Volk zu vernichten, m 
bern auch die Stadt felbft, und die Denkmäler. de 
Stüzen ihrer ehemaligen Macht zu zerfidren teachtenkt 
So verkauften fie die prächtigen Gebäude, in weh 
Schiffe und alle Bedürfniffe, die zur Ausruͤſtung we’ 
Flotten nothwendig waren, aufbewahrt wurden, MR 
drey Talente, da fie über taufend gefoftet Hatten F). 
Lieber alle diefe Stewaltthätigfeiten und Freveltho 
ten murrte Theramenes laut, aber gewiß nicht w 
Daterlandsliebe, oder aus Neue Über bad, was er 
Einführung und Befeftigung der Dligarchie gerhan 
te, fondern weil er entweder weniger Macht und An 
ben erhielt, als er gehofft Hatte, oder weil er befürdks 
te, daß feine und feiner Collegen Herrfchafft bey einm 
folchen graufamen Betragen nicht beftehen Fönne, Sir 
tias verflagte ihn daher vor den übrigen Tyrannen m 
vor dem Mathe dee Vierhundert, als einen Verroͤche 
ber gemeinfchafftlichen Sache, der aus eingewurm 

















° Diod. J. c. 
“4) Xenoph. l. e. p. 89. 
» Ilocr, I, 345. ö ’ 


wichte des Peloponneſiſchen Krieges. Zig 


nuth und um feiner perfönlichen Sicherheit wil⸗ 
n fo wie vormald, den Freund der Demofratie, 
chuͤzer des Volks und den Haffer aller Gewalt⸗ 
t fpiele, um feine Amtsbrüver verhaßt zu mar 
beramenes vertheidigte ſich mit männlicher Ents 
yeit und aͤchtem republicanifchen Muthe. Gr 
daß er die ungerechten DBerweifungen, Erwürs 
und Beraubungen der angefebenften Perfonen 
nilien der Stadt ſtets gemißbilligt und zuruͤckzu⸗ 
eſucht Habe, weil es ihm ſchaͤndlich gefchienen , 
e Spfophanten an Graufamfeit zu übertreffen, 
1, welche fie ungluͤcklich gemacht, wenigitens 
en gelaffen haͤtten, und weil er überzeugt fen, 
ch folche Maaßregeln, dergleichen Kritias befolgt 
eine und der übrigen Häupter Gewalt nicht allein 
Ba fondern wanfend gemacht, die Zahl 
wer Seinde vervielfältiget, und alle gutgefinnten 
r Regierung entfernt wuͤrden. Der Rath der 
iderte nahm die Bertheidigung des Theramenes 
tbaren Zeichen des Denfalls auf, und dies nös 
m aufgebrachten Kritias nach einer kurzen Uns 
ig mit.den übrigen Tyrannen zu erflären, daß er 
die Pflicht eines Dolfsregierers halte, ſich von 
gefährlichen Betrügern, vergleichen Theramenes 
ht hintergehen zu laſſen; und daß er alfo im Nas 
nee Eollegen und Freunde den Theramenes als 
fentlichen unverföhnlichen Widerfacher der einges 
Staatöverfaffung zum Tode verurtheile. As 
diefes gefagt hatte, ergriff Theramenes einen 
henden Altar, nicht, wie er fagte, weil er glaus 
6 dieſer ihn ſchuͤzen würde , fondern um allen 
nfern zu zeigen, daß feine Wuͤrger nicht nur alle 
ichen, fondern aud) alle göttlichen Rechte und 
verlegten. Theramenes wurde auch wirklich 
je eilf Männer, welche die Vollzieher der ums 
menſch⸗ 





gg TRUE 
ichtswürbigen und offenbaren E 
griffen nun aud) das feben und Vermögen Wis 

bigften und größten Bürger an ꝰ). et Wed 
nnoch Immer beforgten, daß die aufgebrachten M 
fee einen gefährlichen Aufftand erregen möchten 
nemlich aber weil fie fi) vor dem Theramenes 
ten, ber fein Mißvergnägen mit ihren Gewaltth 
ten, und der ungerschten Ausſchließung aller ı 
Bürger von ver Regierung des Staats öffentlid 
kennen gab, fo befchloffen fie, theils um ben übs 
ten Theramenes zu befriedigen, much mehr aber 
in der. Stadt felbft eine mächtige Parthey zu verf 
noch drey taufend ber. angefehenften Athenienfer 
böchften Gewalt Theil nehmen zu laſſen. Un 
Theramenes gegen biefen Borfchlag einnenbete, 

Zahl Dreptaufend unmöglich lauter gute und w 
bolle Männer enthalten, oder fie gerdbe alle er 














\ ®%) Cacfar ap. Saluſt. de bello estil, c. 51, ‚Laced 
| devi&tis Athenienfibus, triginte riros im 


Gefcbichte des Pelopormefifihen Krieges, gg 


te *); fo fezten fie doch ihren Entwurf ohne Berzbs 
ng durch, lafen drey tauſend gleichfam zu ihren Tras 
en aus, entwaffneten die übrigen, und machten das 
5, daß die dreyßig Männer von den drey taufend 
and ohne Vorwiſſen und Einwilligung des Senats, 
allen übrigen Eimvopnern in Athen aber hinrichten 
ten, welchen fie wollten, ohne deßwegen jemanden 
venfchafft zu geben *"). Mac) diefem Schritte 
a ihre Grauſamkeit noch unendlich fchnefler, als 
Macht zu. ie verjagten ober ermorbeten entwe⸗ 
ms Mache oder aus Furcht, am meiften- aber aus 
bſucht, die vornehmften Männer von Athen, und 
ibten den Anverwandten nicht einmal, daß fie die 
name der getöbteten beerbigen, und ihnen bie feste 
erweiſen Fonnten 7). Beil ein großer Theil der 
nienfer FT) aus Furcht vor einem ähnlichen Schick⸗ 
entfloh; fo wirkten die Tyrannen beym Iyfander eis 
Befehlaus, wodurch es allen Bölfern und Städten 
rſagt wurde, Argenienfife Fluͤchtlinge aufzuneh⸗ 

5 men, 








Diefer Einwurf traf nur das Vorgeben, unter welchem 
die Tyrannen fich eine fo große Rotte zugefellten, nicht 
aber die wahren Abfichten, welche fie erreichen mollten, 
bie fie felbft nicht verriethen, und bie Theramenes, der 
fie gewiß merkte, damals noch nicht aufzudecken 
wagte. 

) Xen. I, e. p. 88 & ıor. 

Lyf, p. 193. 198. 247. 255, 3233. Xen. |. e. p. 97. 

Ifoct, 1. 345. befond. Aefch. p. 307. adv. Ctef. Die 

bepden loztern beſtimmen bie ER ber Erfihlagenen auf 
1500. Es iſt daher eine nicht geringe Webertreibung, 
wenn Kleokritus beym RXenophou p. 113. lib. H, 4. 
fügt, daß die Tyrannen eben fo viele Unſchuldige um 
gebracht, als die Peloponnefier in zehn Jahren erfchlas 
gen hätten. | 

) Diodor fags mehr als die Hälfte, 


A— 
















314 Siebentes Buch. Erſtes Capitel. 


men, ein Befehl, welchem alle Griechiſche Voͤller, Ks 
Argiver und Thebaner ausgenommen, aus Furcht we 
den Spartanern gehorchten *). Auch bie 
die fich in Athen entweder um des Handel Willen er 
aus andern Urfachen niedergelaffes hatten, wurben us 
den blurdürftigen und raubgierigen Tyrannen nicht weg 
font. Vielmehr theilten diefe die erftern als 
opfer, und ihr Vermoͤgen ald gewonnene Beute 
ſich aus, und verabrebeten fich, ein jeder einen reiches 
Fremdling zu ermorden, um mit ihren Gütern die Spa: 
tanifche Wache bezahlen zu fonnen **). Ja die km 
wachfende Wuch ber dreyßig Männer sing zulest ſ 
weit, daß fie nicht bloß das Volk zu vernichten, 
dern auch die Stabt felbft, und die Denkmäler ebe 
Stüzen ihrer ehemaligen Macht zu zerftdren erachtet 
&o verkauften fie die prächtigen Gebäude, in wei 
Schiffe und alle Beduͤrfniſſe, die zur Ausräftung ve 
Flotten nothwendig waren, aufbewahrt wurden, fie 
drey Talente, da fie über taufend gefoftet hatten 7). 
Leber alle diefe Gewaltthaͤtigkeiten und Freveltho 
ten murrte Theramenes laut, aber gewiß nicht «m 
Daterlandsliebe, oder aus Meue Über dad, was er u 
Einführung und Befeftigung der Dligarchie gethan 
te, fondern weil er entweder weniger Macht und An 
ben erhielt, als er gehofft hatte, oder weil er befürchte 
te, daß feine und feiner Collegen Herrfchafft bey einen 
folchen graufamen Betragen nicht beftehen kͤnne. Ki 
tias verflagte ihm daher vor den Übrigen Tyrannen eb 
vor dem Nathe ver Dierhundert, als einen Verraͤcher 
der gemeinjchafftlichen Sache, ver aus eingeimurkne ® 


























®) Diod. 1. c. 
*#) Xenoph. I.c, p. 89. _ 
7) Ifocr. I, 34). e u 


Geſchichte des Peloponnefifchen Krieges. 3ı5 


Zankelmuth und um feiner perfönlichen Sicherheit wil⸗ 
n, eben fo wie vormals, ben Freund der Demokratie, 
n Beſchuͤzer des Bolfs und den Haffer aller Gemalts 
aͤtigkeit fpiele, um feine Amtsbrüder verhaßt zu mas 
en. Theramenes bvertheidigte ſich mit männlicher Ent 
hloſſenheit und aͤchtem republicanifchen Muthe. Ge 
fand, daß er die ungerechten Berweifungen, Erwürs 
ungen, und Beraubungen der angefehenften Perſonen 
ud Samilien der Stadt ſtets gemißbilligt und zuruͤckzu⸗ 
alten geſucht habe, weil es ihm fehändlich gefchienen , 
ibft die Sykophanten an Graufamfeit zu übertreffen, 
ebenen, welche fie unglädlid) gemacht, wenigitens 
8 Leben gelaffen thätten, und weil er überzeugt fey, 
ißz durch ſolche Maaßregeln, dergleichen Kritias befolge 
ıbe, feine und ber übrigen Haͤupter Gewalt nicht allein 
cht —— ſondern wankend gemacht, die Zahl 
rchtbarer Feinde vervielfaͤltiget, und alle gutgeſinnten 
m ihrer Regierung entfernt wuͤrden. ‘Der Rath ber 
zierhunderte nahm die Bertheibigung des Theramenes 
ie fichtbaren Zeichen des Denfalls auf, und dies nds 
igte den aufgebrachten Kritias nach einer kurzen Uns 
rredung mit.den übrigen Tyrannen zu erklären, daß er 
; für die Pflicht eines Volksregierers Halte, fich von 
Ichen gefährlichen Beträgern, dergleichen Theramenes 
np, nicht hintergehen zu laflen; und daß er alfo im Na⸗ 
ven feiner Eollegen und Freunde den Theramenes als 
nen öffentlichen unverföhnlichen Widerfacher der einge⸗ 
ihrten Staatsverfaffung zum Tode verurtheile. Als 
teitiad dieſes gefagt hatte, ergriff Theramenes einen 
abe ſtehenden Altar, nicht, wie er fagte, weil er glaus 
e, daß biefer ihn ſchuͤzen würde „ fonbern um allen 
lthenienſern zu zeigen, daß feine Wuͤrger nicht nur alle 
venfchlichen, fondern auch alle göttlichen Rechte und 
zeſeze verlezten. Theramenes wurde auch wirklich 
ucch die eilf Männer, welche die Vollzieher der uns 

meniche 


316 Giebentes Buch. Erſtes Tapitel. BE 


menfchlichen Befehle der Tyrannen waren, von der 
ligen Stätte weggeriffen, und unter lauten Klagen 
das Unrecht, was er leide, ins Gefaͤngniß gefchteie Pr 
wo er fogleich den Giftbecher trinfen mufte ”) ER 
Verurtheilung und Hinrichtung bes Tiheramenes lg 
eine von den Degebenheicen, wodurch in einem fell 
freyen und jezt unterdrücken Volke die Liebe zur Fee 
heit auf einmal wieder erweckt zu werben pflege; ofinge 
der Rath war durch die beivaffneren Trabanten, le 
venen Kritias umgeben war, in ein folches ſtarres Schw 
cken geſezt, und das Volk durch die Grauſamkeiten da 
Tyrannen, und durch ven Mangel kuͤhner Anfuͤhrer f- 
hetaͤnbt, daß weder der eine, noch das andere das Ge 
ringfte zur Rettung des Theramenes unternahm. : Die 
fer fich immer ungleiche Mann ftarb mit einer heben 
muͤthigen Heiterkeit und Standhaftigkeit, die ihm nik - 
das Bewuſtſeyn eines tugendhaften tebens, ſondein d 
fein die Stätfe feiner Seele gab, die aber immer eine 
Theil ver Schande feiner ehemaligen Thasen tilgte, umb | 
viele große Männer zu feinen Lobrednern, und felbft Me 
jenigen, die ihn Fannten, zu feinen Bewunderern, we 
nigftend in dem entfeheidenden Augenblicke machte, we 

oft auch diejenigen, die in ihrem ganzen Leben groß un 

ſtark waren, klein und ſchwach erfcheinen **), 










En o GESEGSDEERDESREEREED. 











®) Xenoph. II. 3. Dieſes Capitel iſt eins von ben (div 
fien in der ganzen Gefchichte diefes Schälers des Em 
Frates, und am meiſten verbienen bie Neben bes Ki 
tias und Theramenes Aufmerkſamkeit. 

%*) Xen.l.c. Exesvo, fagt Zenophon, de we TR 
ardeos ayasov To TE Yavars Meessmnore, 
unre To Deovsuov, UNTE TO MU Yvimdis aerchr- 
ev en ns Duxans. Als Satprus, der tolfähnfe 
und grauſamſte unter den Tyrannen, auf dem Weze 

' zum 


Gefkhichte des Pelopomeſiſchen Krieges. 317 


Machdem die dreyßig Männer den Theramenes aus 
Wege geraumer hatten, glaubten fie, daß fie je;o 
ts mehr zu fürchten hätten und ganz nach) ihrer Will⸗ 
»ſchalten und walten Fonnten *). ie beobachteten 
r nicht die gemeinften Regeln der Kluͤgheit, und 
den geringften Schein von Gerechtigkeit mehr, fon» 
handelten oder wuͤtheten vielmehr, als wenn fie alle 
ne wirfliche Naferen gefallen wären. Sie zwangen 
ſt mehr als die Haͤlfte der Achenienfer, nämlich alle 
nigen, die nicht zur Norte der Dreytauſend gehbrs 

ten, 





n — —— ————— ——————— — ieenigen —— —— 


zum Gefaͤngniſſe drohend zum Theramenes fagte, daß 
er die Angft kriegen follte, (ich weiß die Woͤrter: 
Ors unweerro, © un oiwrnderev — MR ano 
ders zu überfegen) menn er nicht fein ungefiintes Kla⸗ 
gen und Schreyen einftellte, antwortete dieſer: Wuͤrde 
das nicht auch geſchehen, wenn ich auch gleich ganz ſtill 
ſchwiege? Die zweyte Anekdote, die Kensphon erzählt, 
will ih mit den Worten des Cicerd anführen: Quam 
me deleftat Theramenes! quam elato anime eft! 
etfi enim flemus, tum legimus, tamen bon mifera- 
biliter vir clarus moritur. Qui eum conjedtus ia 
carcerem triginta tyrannorum jullu venenum ut fi- 
tiens abduxifflet, reliquum fic e poculo ejecit, ut id 
refonaret; quo fonitu reddito, arridens, propino, 
inquit, hoc pulcro Critiae, qui in eum fuerat tacter- 
simus. Graeci enim in couviviis folent nominare, 
eui poculum tradituri fint. Luſit vir cgrugius extre 
mo fpiritu, eum jam praecordiis conceptam mortem 
eontineret: vereque ei, qui veuenum pracbuerat, 
mortem eft eam auguratus, quae brevi confecuta cft. 
Quis hanc maximanı animi aequitatem in ipia morte 
laudaret, fi mortem malum judicaret? Ich kann 
aber doch nicht unterlaſſen, anzumerken, daß Renophon, 
aus welchem Cicero feine Nachricht genominen, dieſe 
und Ähnliche Sprüche und Sagen von beruͤhmten Maͤu⸗ 
"nern für fehr zweydeutig erklaͤrt. J. & Pr 104. 
IL 4 Xenoph, ” u 


ag Siebentes Buch. Erſtes Eapitel. “ gt 


ten ‚. bie eigentliche Stadt zu verlaffen und in ben Pram. 
zu ziehen, um ſich ſowohl ihrer Güter in der St 
auf dem Lande bemächtigen zu Fonnen ). A kp: 


























0) Xen. IL 4. Iſokrates I. 345. In Arcop. fihäzt e 
derer, bie aus ber Stadt weichen mnflen, anf DR 
denn fuͤnftauſend. Wenn man zu diefer Zahl vie wii 
tanfend, welche die Tyrannen zu ihrer größere U ı 
erwaͤhlt harten, binzuthut, und mit bem Diober Si, 
nimmt, daß eben fo viele ihr Vaterland verlaffen 
ten, als in chen zuräd geblieben waren, fo wiißg 
‚man in biefer Stadt beym Anfange der Regierung 
dreyßig Tprannen ſechs zehen taufend Bürger annehuuie: 
möüffen. Ungeachtet ich biefe Summe nicht verthe 
will (denn Diodor hat die Zahl der Gefluͤchteten 4 
wiß zu groß angegeben, weil Thrafpbulus, alb aha 
Mirdus einnahm, nur tanfend bey fih hatte, Be 
ſcheinlich nicht alle Bürger waren), fo koͤnnte war 
doch, wenn man fie al6 richtig vorausfezt, ertiäruk: 
warum Athen, das in feinen bluͤhendſten Zeiten gel 
nie mehr ale zwanzig taufend Krieger gezählt bat, = 
den großen Berluften, bie es durch ben langwierige 
Krieg, durch die häufigen Niederlagen, durch bie wen 
derblihe Seuche, und durch die faſt noch ſchrecklichct 
Hungersnoth während der Belagerung gelitten batty 
dennoch bey dem Anfange ber Herrſchafft ber dreyßig Typ 
rannen fechazehn taufend Buͤrger befizen Ponnte. DE 
Urfache dieſer Volksmenge war ber Befehl des Lyfew 
der, wodurch er alle Soloniften, welche Athen ned 

Enboea, Aegina, Melos, und unzähligen anbern Ye: 
feln und Städren ausgeſchickt hatte, bey Lebensfrei 
in ihre Mutterſtadt zuruͤcktrieb. Anſtatt une alfo zp 
wundern, baß Athen nach der Uebergabe an die Ep 
taner noch fo viel Wolf enthalten habe, muͤſſen we 
vielmehr darüber erfiaunen, daß es nicht noch weit be 
voͤlkerter geweſen ſey, da diefe Stadt alle ihre ehen⸗ 
ligen Söhne und deren Nachtommen in ihren Gef 
wieber aufgenommen hatte. Ä 


Geſchichte des Peloponneſiſchen Krieges. 319 


ve nachher Thraſybulus *) won Theben aus mit eis 
s Häuflein von fiebenzig Mann, das aber bald nach⸗ 
auf fieben hundert anwuchs, fich in Phyle, einem 
sen Orte in Attifchem Gebiete, feftfezte, und die Noto 
der Tyrannen zweymal hinter einander fchlug, ermors 
n diefe alle Einwohner von Eleufis, um fich diefe 
abe zu einem Zufluchtsorte in Fünftigen Gefahren zu 
iten. Nachdem endlich der Fühne Thraſybulus fo 
bis an den Pyraͤus vorrückte, und diefen Haupchas 
der Stadt einnahm, ftürzfen fie ſich mit der uns 
fegteften Wuth an dem ungünftigften Plaze in eine 
dacht, in welcher Kritias und Hippomachus fielen, 
bie übrigen zurück getrieben wurden **). Nach dies 
Niederlage verloren die Tyrannen auf einmal allen 
th, und die dren tauſend, die fie zu ihren Waffen⸗ 
een erwählt hatten, waren über die beiten Maaßre⸗ 
‚ die fie in ihrer gegenwärtigen tage zu nehmen häte 
ſelbſt unter einander gerheilt. ‘Diejenigen ,. welche 
einer verübten Grauſamkeiten und Gewaltthaͤtigkeiten 
ıft waren, ſtimmten für die Schließung des Fries 
und die Ausföhnung mit den Mitbürgern im Pis 
; die größere Zahl hingegen, die an den Verbre⸗ 
, wie an der Beute der Tyrannen Theil genommen 
nt, beftand darauf, daß man den Krieg muthig 
ezen, aber nur andere Anführer und Vorſteher waͤh⸗ 
nuͤſſe +). Sie entfezten daher die noch übrigen Ty⸗ 
ran⸗ 











Xen. J. e. 

) Xen. I. c. p. 110. 112. Die Fluͤchtlinge griffen bie 
dreyßig Tyrannen auf ben Math des Wahrfagers nicht 
eber an, ale bis einer von ihrer Seite gefallen war, 
te erfte Erfchlagene was gerade ber Wahrſager 
elbſt. | 

ib, p. 114. 





vEGSichenes Ba, 


rannen *) hrer Herrſchafft/ und ernannten an 
Siedle 2 — von EN Männern, zu 
eine jede Zunft einen Ger Diefe neuen 
des Staats zeigten: bald noch —— Veſn 
degen ie Mitbuͤrger im Piräus, als) 
_ ngänger geäußert hatten, und die Ersitten 
‚dee Partheyen gegen einander: flieg dahek, , 
- Dom in.den Stade ſewohl als in Hafen: mit Pe 
ge: xhraſybulus und feine Helven, die ihre Fre 
- und DBarerftadt wieder zu gewinnen fuchten, 
die umliegenden’ Gefildk und Gärten, verbr 
ö fe in den Borftäbten, und bemühten ſich die 
+ hinter welchen ſich ihre Feinde 
Met hielten, und. "wodurch fie feloft von ihrem, 8 
zege wurden }). Die zehn 
gegen und ihre Anhaͤnger waren im ber. auigenfe 
ke in dem menfchenleeren Athen zu 
hern, indem die Stade gar feine Zufuhr hatte 
werde und Handthierung gänzlich — —* 





» Diefe entfliehen ſoglelch nach Eiaft, 


nit pislih eu 
» — —* P- 212. 213. Ilocx. dogs wel 
— VLa. U, 4. BR, Gr. p. ib. 





"Geficht des Peloponneffiien Rriees, ya 


Credit ßz ſehr gefallen war, daß man auf die koſt⸗ 
ſten Pfaͤnder auch nicht unter den haͤrteſten Bedin⸗ 
agen baares Geld erhalten konnte *). Die Furcht an 
ẽFeinde verrathen zu werben, noͤthigte fie, Tag und 
cht in den Waffen zu bleiben und auf ihrer Hut zu 
* und demnach wollten ſie ihre Vaterſtadt lieber 
Spartanern in die Haͤnde ſpielen, als ſie ruhig mit 
en Mitbuͤrgern theilen. Sie ſchickten daher Geſand⸗ 
"wach Sparta F). und baren ſich Huͤlfe gegen das 
HE aus, von welchem fie fagten, daß es von den La⸗ 
&moniern abgefallen fey, und die Stadt den Boeo⸗ 
1 übergeben wolle. Die Spartaner trugen jwar 
denken, den zehen Tyrannen öffentlich benzuftehen 77); 
lieben ihnen aber doch hundert Talente, und erlaubs 
i.eö auch , daß Lyſander das Volk, was fie mit dies 
Bumme anwerben würden, anführen duͤrfte. Durch 
Anfchläge geriethen die Achenienfer im Piräus, die 
re den Dreptaufend in ber Stadt weit überlegen ges 
waren, in die größte Verlegenheit, und würden 
. auch 
| 
8) Memot, Socr. II. 7. 


N p. 115. Xen. |. e. 

9 J ophon 1. e. p. 116. fagt, daß bie dreyßig Tyrannen am 
dieſer Geſandſchafft Theil gehabt; Zyfias hingegen l. e. 
baß die zehn Maͤnner bie leztern eben fo heftig als das 
Volk im Piräus befriegt haͤtten. J. e. 

44) Sbo erzähle Lyſias p. 213. und meinem Uetheil nach rich⸗ 
ziger als Kenophon p. 117. welcher fagt, daß bie Laßer 
daͤmonier den Lyſander zum oberfien Befehlshaber zu 
Bande, und feinen Bruder Libys zum erſten Befehlsha⸗ 
ber zue See wider den Pöbel im Piräus ernannt hits 
ten. Wenn bieß geſchehen wäre; fo ice fih gar 
nicht erklaͤren, warum fie nachher den fantas. mit 
einer größern Macht and in einer ganz andern Abſicht 
"ausgefandt hätten, . 


Zwepter Bond, F. 





XXXXEEEECA 





auch allem Anfegen nach. zu Grunde gerichtet va 
feyn, wenn nicht theils Neid. gegen bie Thaten dei 
fander, theij® aber auch Erbarinen mit den elek! 
fechtern der Frenheit*) den tafevämonifchen König! 
fanios zur Errettung des faft ganz aufgerjeberm. 
noch immer in feinen Eingeweiden wuͤthenden Bolt 
wecit Härte: Er berebete die Ephoren, daß man, 
ein beobachtendes Heer zuſammen bringen, md daf 
von ihnen,. die einerien Gefinnungen mic ihm ha 
den Feldzug ſelbſt mitimachen möchten. **). Ervere 
ſich Hterauf mit dem tyfanber, der nunmehr unter 
fand, und lagerte fi nahe am Piräus, als we 
bie Stächtlinge, welche die Stadt befrieaten, hätt 
fehfiegen sollen. Mit Vorwiſſen der Ephoren ft 
er den Belagerern den Befehl, daß fie die Waffen 
Tegen folften, und ſchlug fie auch, als fte ihn mit 
ſichtiger Kühnhelt angriffen , in bie Sluche ; gugleid, 
üeß er ſowohl ihnen , als denen in der Stadt, die 
Frieden geneige waren, heimlich fagen, tote fie fü 
ſten Hätten, und mit welchen ietun 
Gefandten an ihn und die Ephoren ſchicken follcen. { 
de Partheyen nahmen diefen gütigen Winf mit 3a 
an, und ließen dem Könige Pauſanias enthietei, 
fie die Stadt ſowohl, als die Häfen Piräus ung; 
nichia den Lakedaͤmoniern übergeben wollten, went 
ihnen ige Seeunbfehaft tieberfhentent, und fie gt 
desgenoffen wieder aufnehmen wuͤrben. Die Ye 
fer in der Stadt erflärten hierauf, daß fie — 








— — 





anfanias chlug (dom vorher bie Gefäenfe ans; ı 
9 en drevßig Männer ihm fhidten, und wahr (1 
+ biejenigen am, welche die Arhenien ſiſchen Ziäditiing 
anbsten. Lyf. adv. Polluchum p, 323, 
=) Zen, N.4. aor⸗ 124 P. Er 


on. 


\ 


Geſchichte des Peloponneſiſchen Krieged, "323 


buͤrger im Piraͤus weiter keine Feindſeligkeiten heg⸗ 
und auch die leztern ſagten, daß ſie bereit waͤren, 
mie den erſtern auszuſoͤhnen, nur mit den dreyßig 
annen, ben zehen Männern und ihren eilf Henkern 
.  Paufanias hatte in Sparta alle Gemüther fo 
ereitet, daß der Friebe unter den angebotenen Des 
ıngen ohne weitere Schwierigkeit zugeitanden und 
Iusfohnung zroifchen den beyden bisher: gegen einan⸗ 
iegenden Partheyen unverzuͤglich zu Stande gebracht 


e *). 
Gleich nach geſchloſſenem Frieden und der Ruͤckkehr 
Chrafpbulus und feiner Gefährten betrugen ſich nicht 
bie Haͤupter des Volks, fondern Das ganze Bol 
mit einer Weisheit, Mäßigung und Seelengröße, 
es Solon, Ariftives, und ihrer Zeitgenoſſen wuͤr⸗ 
eıyefen wäre... Um allen Saamen von Zwietracht 
yürgerlichen Unruhen, der nach fo langwierigen Ers 
ungen nothwendig übrig bleiben mufte, und ohne 
ngermandte Vorficht gewiß auch aufgekeimt wäre, 
ich zu erftichen, legte das ganze Volk einen feierli⸗ 
Eid ab, daß ed alle alten vorgegangenen Beleidis 
en in ewige Bergeffenheit begraben und feinem Bürs 
Beindfchaffe nachtragen wolle, felbft den dreyßig Ty⸗ 
en nicht, wenn diefe fich vor Gericht ftellen, und 
enfchafft von ihren Handlungen ablegen wollten **). 
| ER Das 
— — — 
Dies geſchah im Anfange des zweyten Jahrs der 94 
Olympiade. Siehe Markl. vita Lyfiae p. 48. 
) Die Eide, melde das ganze Volt, melde nachher. der 
regierende Senat und die Richter zur Tilgung und 
- Bergeffeubeit aller Vergehungen in den Zeiten ber Anar⸗ 
chie ſchwoͤren muften, ſtehen beym Andokydes de My- 
fteriis J. p. 217. Mit dieſen Eiden noch nicht zufrieden, 
gab Arhinus, jur größern Sicherheit und Brrubigung 
aller Bürger, noch das Geſez, daß, wenn ſemand mis 











704° Siebenteh Buch. (Erf 
Das ganze Bolt erfüllte ferner unter allen 


ne eher, als die Pflicht der Dankbarkeit, 
Thraſybulus und feinen Gehülfen, die mit 







manche waren, bie auf den:gegeninärkigen % 
5 Staats nicht paßten, und eben‘ biefer Zuftanl 
Staats wiederum andere neue Gefeze nothwe 
27.265 fo vereinigte ſich das Volk dahin, da bie 
« . Ionifche Geſezgebung von neuem geprüft, daßıb 





det dieſe Eide verklagt würde, er ſich aldbankıfh 
der Exception ber Wderrechtlichteit einer foldı 
bedienen, und an die Archonten appelliren Fönue 

lodann den Grund ber. Klage und Exception ink 
Iſoex. 1, p. 482. ih 7 







®) Aefch. adv. Ctef. p. 300. 301. „Won den Welouunpe 
felbft habe ih (Kon oben an einer andern Stel 
tebet. . 
s) Demößl, adv. Timoe, p. 469. und Andoeydieil 
a — p. 212. & (q. di diefen bepben Stellen fr 


bie Geſeze und Voltsfäpläffe der "Arhentenfer i 
—— ER 


eſchichte bes Peloponneſiſchen Krieges. 325 


igen, bie jezo gefährliche Feindſchafft und Spal⸗ 
erzeugen koͤnnten, abgeſchafft und durch andere 

ere, den Beduͤrfniſſen der Athenienſer angemeſſe⸗ 
gaͤnzt werben fpliten *). Dieſe Unterſuchung der 
Seſeze geſchah mit bewundernswuͤrdiger Vorſicht, 
auch die neuen Geſeze ganz im Geiſte Solons 
ben wurden. Man ermählte außer den übrigen 
ratsperſonen, bie auch vorher ſchon in den Zeiten 
smofratie waren beftelle worden , noch zwanzig 
er, bie bis zur Umarbeitung der alten Geſeze über 
oh! des Staats wachen muften, beren Gewalt 
ibekannt iſt; und außer diefen noch fünfhundere 
ene Nomotheten, oder Geſezverbeſſerer, die alle 
uͤzlich ſcheinende Geſeze an einem öffentlichen dazu 
aten Orte anſchlagen, und dem regierenden Ra⸗ 
den übrigen obrigkeitlichen Perſonen mittheilen 
Wenn nun ſolche Geſeze vom Senat *M) ger 
und vom Volke beftäfige worden waren, fo ers 

fie alsdann erft das Anfehen und die Kraft wirk⸗ 
defeze, Alle Sazungen Solons muften auf bie 
pähnte Art geprüft und befräftiget werben, ee 
älte Giltigfeit wieder empfingen +), und alle 

und Sefchichtfchreiber der Griechen fehen daher 

hr der. wiebererlangten Frenheit, in welchem Eu⸗ 
lechon war, als eine wichtige Epoche in ber Athe⸗ 
ven Geſezgebung an, im welcher viele alte Gefeze 
ifft, aber verändert, und viele neu gegeben wor⸗ 
. Wir find nicht mehr im Stande, die An⸗ 
d Beſchaffenheit aller neuen, ober veränderten 
X 3 und 





ge EEE 





id. l. e. 

der die Gedanken eineh jchen anzuhoͤren verbunden 
var, 

mot, & And, l. e. 


226 Siebentes Buch. Erſtes Copkih 


und abgefchafften Gefeze anzugeben; allein -mter- 
neuen, die unter dem Archontat des Euflides gey 
svorden, und von weldyen Nachrichten zu uns ef 
men find, find unftreitig die wider bie Tyrannen, 
uber das Bürgerrecht, die wichtigften. in om 
Ariftophon *) gab das Geſez, (und dies Geſez zeigt, 
man die Abficht harte, dem Staat feine ehemalige 
ſundheit wiederzugeben, ) daß Feiner ein ächter Athe 
fifcher Bürger feyn follte, ber nicht von einer Arhe 
fiichen Bürgerinn geboten worden, welches in ven | 
Zeiten der Demofratie vor ven drenßig Tiprannen 
Bürgerrechte nicht nöthig war. Mach einem as 
Geſeze des Demophantus war es nicht bloß erlaubt 
nen jeden Tyrannen oder Limfehrer der Demokrati 
fest folche, die nach abgefchaffter Demofratie ein f 
liches Amt verwalten wuͤrden, ungeflraft umzubeng 
fondern ein jeder Athenienfer mufte ſchwoͤren, 
fic) feine Gefahr oder perfünliche Kücjichten 
Yaffen wolle, das Baterland von ſolchen Unt 
oder Derräthern zu befreyen **). 
Um eben die Zeit, ald Athen am tiefften ı 
drigt wurde, erreichte ihre Siegerinn und ihre R 
buhlerinn den höchften Gipfel ihrer Macht und r 











#) Athen, XIII. p. 285. & Markl. in Lyf. Vit. p. 55. 
#4) Das Sefez und der Eid, den das Geſez vorſchriel 
hen beym Andokpdes Or. I. p. 220. de Myf. 
Lykurg erwähnt dieſes Geſezes p. 180. adv. Leoer. 
bem leztern Redner fieht man, daß das Wolf in‘ 
mehrere Sabre vor bem Gefeze des Demopkantnd 
gen wider ermordete Verraͤther annahm, ihre ( 
ne, wenn fie fhuldig befunden wurden, ausgral 
Aber die Bränzen warf, und nit nur ihre Mörk 
Zeſtraft ließ, fondern fogar ihre Vertheidiger mit 

Tode ſtrafte. p. 174. 


Geſchichte des Peloponneſſchen Krieges. 327 


arta wurde nach dem Siege bey Aegos Patamos Pin 
ber Eroberung Athens das Haupt ‚aller Staaten 
8. alten Sriechenlandes, die Beherrfcherinn des Meers, 
der Aſiatiſchen Städte und Inſeln, von welchen fie 
& gleich den Achenienfern jährlichen Tribut bezahlen 
6:”), Die Spartaner hielten nicht nur fich felbft 
g unübermwindlich, fondern wurden auch von den uͤbri⸗ 
ba Griechen dafür gehatten, "und man glaubte, daß Des 
nr, welche die Athenienfer überwunden hätten, feiner 
!berftehen koͤnne ). Man verehrte fie als die Des 
eyer von Öriechenland 7), und Feine Öriechifche Stadt 
te es gewagt, ſich den Befehlen eines Spartaners 
toiderfezen, ober fie unausgeführt zu laſſen TE). Als 
m bie Griechen fühlten baf, daß die Spartaner, anſtatt 
Bei, wie Theopomp ſagte, den ſuͤßen Becher der Frey⸗ 
BE zu reichen, den herbeften Tranf der Knechefchafft 
üfchenften , und eben fo bald zeigte ed ſich, daß der 
* des glaͤnzendſten Gluͤcks der Lakedaͤmonier der 
einer allgemeinen Sittenverderbniß des Volks, 
———— Umkehrung ihrer Grundverfaſſung, 
* einer unheilbaren Zerruͤttung ihres Staats und des 
Azen uͤbrigen Griechenlandes war, von welcher ſich 
der der eine, noch Das andere in der Folge jemals wies 
r erholen fonnte, 


x4 Die 








) Died. XII, 643. Sie bob jährlich taufend Talente 
ribut, | 

ww) ‘Ifocr. I, 36. 37. in Archidami Orat. 

7) ib. p. 59. An den Olympiſchen und andern Spielen bes 
trachteten die Griechen die Spartaner , wenn vergleis 
Ken zugegen waren, mit größerer Bewunderung und 
Aufmerkfamfeit, ale bie Sieger, welche geeroͤnt 
wurden. 

m) Ken, IU. I, Hif, Gr, 


98 Clone But, Orr a 


F "Sl großen Schäge, welche fpfander 
rung von Athen und. der. Bezwingung von ( 
‚au8 Alten zuüchbrachte,. und die jähelich von bet 
offer nach Sparta gefchickt wurden, brach 
f in den Grundgefegen des Staats, und | 
— welche die Häupter deſſelben bis! 
Ketten, als in den Gemüthern ver. einzelnen Mil 
die größten und nachefeiligften Veränderungen het 
ratth ſchlagte ziwar**) eine Zeitlang, ob man 
fänrlichen Schäge bes hhfander wider das aushr 
Gebot glurgs aufnehmen follee , und hl * 


aupten, keine Miethvoͤlker bezahlen und dein 

9 en A koͤnnte) gab Km 1 
wodurch dee Beſiz von goldenen 
a eg 
odesſtrafe um wi 

Gef; war_für die gereigte Habfucht der dourc 
und lange Serternungen von den Defizen 
fanbea entwöpnten, und mit den faftern der Ober 
Ken Feinde befannt gewordenen Spartaner FE) 
ſchwach, und wurde felbft von denen nicht gebal 
ed gegeben hatten, Mäfigfele, CEritkalefannke 





— 


M Ein Berzelgniß der Meihthämer, Me en 
noph 





Ze übergab, lieſet man heym Rei 
13, und Plutarch in vita Lyf, 39 p. weh 
Em dir ügre Wirkungen Betrachtüngen aufte 


» Bin ge — ag 
“ Bart hy? re von feinen Mitbärgen 
zent, daß er. fich niche wie andere durch au 
Sirten und Pr hast auſtecen laſſen. Plus 
Rn lil. 657: 5% 





it gegen Die Gefige, und Gerechrigkeitätiebe entwi⸗ 
‚son biefer Zeit an a aus ben Herzen dee 
Ietaner, und —— pigkeit und Begierde 


aunrechtmaͤßiger Gewalt "nahmen. bie Selen ber 


entfl Nationaltugenden ein *). Der 

Senne 
au t ihnen 

* Bitte, — dr Kot 





Ader. L, de Paco PR 208, m Tmp Ya wor 
zer, m Imrancsıus ereem ade den 39° 
um a, 27 uma auulogay xundecer, 
Toy er Ara KeoYo Tas Mr KM Aue 
Irrvas TORE pıngon amomaen, Avtı Ya woher 


ba Semi Se * 


Cara TER" AuTos ETITmdeumin, TEE 


WlnTas evemAncen adınıny, aYununs, @vopınnc, 
QiNagYugias, To de xaıvan Tas MaASE, UZSLO 


Las per Tau qummaxan, erritumne de Tom 
WARTE, giant Turn ÄRA Ko TEN, 


Kar 


* Quro de —XX 1771 —E dr 


hey TU Mon BvR TICOE TOR TOute 


weuägyusas Mad Tau AN ExKartesn, 
5 ade Tan dummäxe, Ale Tar eugyeru 
arexerre TEN eu urn ala 


2. 


— 















330. Giebentes Buch, Erſes ori, 


ſtuͤrzten fie ſich noch) viel tiefer in alle die Der 
und after hinein, wodurch dieſe geſtuͤrzt worden 
Schon in den erſten Jahren ihrer Herrſchafft war f 
Wohlthaͤter mehr, den fie nicht beleidigt, Fein —2* | 
genoß, den fie nicht mißhandelt und befriegt, und ie 
Staat in Griechenland, Stalien und Sicilien’”), P 
welchem fie nicht Meutereyen und Unruhen geftifter ha 
ten. Am härteften und ungerechteften aber begegnen 
fie ven Inſeln und Städten in Afien; die in der Si 
mung, ihre Freyheit wieder zu erhalten, zu ihnen abſ⸗ 
fallen waren. **). Diefe unterwarfen fie einer doppeigl 
Tyranney, indem fie ihnen nicht nur Spartenifiig 
Befehlshaber oder Harmoſten, die oft Heloten mark 
fondern auch zehn oder dreyßig Männer De W 
ben erften knechtiſch fehmeichelten, um ihre Miitbärge 
veſto ficherer beherrfchen zu koͤnnen. Beyde uͤbten 
allen Staͤdten, denen fie vorſtanden, die unerhörteim 
Oraufamfeiten und Ungerechtigfeiten aus. Sie rät 
ten ober verjagten die reichften und mächtigften Buͤrge, 
ſchaͤndeten ihre Weiber und Kinder, riffen ihre Gete 
mit Gewalt an fich. zerftörten alle alten Gefege und Ein 
richtungen, und richteten unter den zuruͤckbleibende 
Einwohnern unheilbare Feindfchafften und Meutereyen 
an 7). Es blieb nicht allein Feine Stadt verfchont, fon | 
dern in Eeiner Stadt war fein Bürger, den nicht de 
Raub⸗ 





”) ib. & p. 410. & Or. Theban. ap. Xenoph, VIL e. $. 





p- 183. 

”*) Xen. I. c. & lib. VI. 3. p. 384. Iſoer. I. in Paneg. p. 
178,181. Il. in: Archidam, Or. p. 44. Panathen, 
p. 214. 215. 

+) Diefe Tyrannen waren fo graufam, baß fie, wie Iſo⸗ 
frates fagt, 1. 179. in drey Monaten mehr unverhoͤrt 
binrichteten, als in Athen jemals vor Oericht geforben 
worden waren, 


eſchichte des Peloponneſiſches Krieges. .agı 
bucht und Srauſamkeit der. Blorücer erreicht 
9. Ein jeder Staat glaubte ungliclicher, als 
beigen zu feyn, und alle wurben fo fehr von ber 
ihres eigenen Elendes niedergedruͤckt, daß fie für 
des Ungfück Fein theilnehmenbes Mitgefühl übrig bes 
m"). Wegen der häufigen Nevolutionen waren 
Bürger, die in ihren Vaterſtaͤdten zurück, geblieben 
m, muthloſer und-niebergefchlagener,, als die Ber 
nen, weil dieſe doch Hoffnung hatten, dereinſt zu⸗ 
zu kehren, jene aber in jedem, Augenblicke das Aeu⸗ 
te befürchten muften 7). _ Auf diefe Art thaten bie 
artaner alles, was fie nur Eonnten, um fich ſelbſt 
folche Nieverlage, als bie Arhenienfer ben Negos 
amos gelitten hatten, zuzubereiten FF), und fie bes 
unigten ihren Fall in eben dem Grade, in welchen 


) Iocr. 1. 178. Pamg. Eis ruro Fauornres 
GMavras Nuus nresnomv, „SE MEO TE MeV 
106 TNV TEBTV EUÖRIUOVIRY, Kos TeuE WIngoss 
ATUKIUS, HOMES ENASOS NURY EIKE TIS TUM- 
zadneovras. em de TNs Tav TETOy aweyns din 


ro mAndos |Twy omeswy nun erraucaete 
ARmABS EAEBVTAS. " 


ib. & p. 180.°. Ass de vw UWwerITa Tas 
neraßorov, adunorepov .ÖOYBCW 01 Tas Mo- 
A6ss :OINBVTES Tav TuS Duyoss SCHMIWMEVOV, 
& KEY yae To meiLoy dedinowv, das nur  ' 
LIISLD 0 








“ 
2 


+) Yoer. I. de Pace p. au. ‘Hr Qası roes auricev 
 YEVErI TY EMAETN Toy Nana, 8% ads 
AeYoTes. on nn: 

— F 





Peer 


weoden, dem Ziffangernes und Pfat 
fenſtillſtand, um die zerruͤtteten Gtdatöberfo 
lenthalben ordnen, und andere — 
¶in den Stäbten machen zu fonnen *). « Er mufte 
wiber: Le Neigung auf den an — Obern hit 
Waffenſtillſtand brechen, und in "einfallen y 
den Tiffaphernes zu nöthigen, den Griechiſchen Stät 
ihre Breypat zuifchenfen**). Weil: ‚aber dieſer B 
haber den: Kriegimit.den Spartanern, ‚und einet had 
Een Deteknetzanf — Sr: ht 





ft, zum Rönig.erwählt worden mar,) mit. 
lichen Macht nach Afien zu ſchicken/ um 
mit.defto geößerem Nachdruck fortfegen zu 
Agefilaus befaß alle Tugenden, die kyfurg von fe 
Söohnen forderte, in einem folchen Grabe, daß et 
von tugendhaften Spartanern bewundert wurbe FF): 


» Er befeftigte unter andern den thraciſchen 
a, rh eine Mauer gegen die Einfälle der Si 
* A auf biefer (hönen Erdzunge elf Städte 
auf, und fezte bie griechiſchen Einwohner in den 
der fruchtbarſten Sturen und der anche Beiden, 
:245 P- “ 


1. 4. Xeh, Be Fr oiyaip 
Pie feine —* Enthaltſamt cũ 


Befhichte des Peloponnefifchen Krieges, 335 


s ferner alle Talente, die zu einem großen Feldherrn 
Staatsmann erfordert wurden, ohne die unbiegfas 
Härte des Lyſander und deſſen Treulofigfeie *), 
und 











und Waterlandsliebe fehe man die Lobrede des Xeno⸗ 
phon auf diefen Spartanifchen König im fänften und 
den folgenden Gapiteln. Um feinem Baterlande zu 
dienen , fagt biefer Lobredner, weigerte er fih weder 
die beſchwerlichſten Arkeiten zu übernehmen, noch ſich In 
bie größten Gefahren zu wagen: er fhonte weber feinen 
Coͤrper noch fein Vermögen: und wandte niemals Kranfs 
beit oder Alter vor, um fi feinem Dienfle zu entzies 
ben, weil er es für die Pflicht eines guten Könige 
kus, feine Mitbuͤrger fo glauͤcklich als möglich zu mas 
en: c, 7. 

Er hatte ein fo milbes und menfchliches Herz, daß er 
immer Sorge trug, daß huͤlfloſe Kinder oder ſchwache 
Greife, die man getauft oder zu Sclaven gemacht 
hatte, niemals den wilden Xhieren oder dem Hunger 

zum Naube zurüdgelaffen, fondern von feinem Hee⸗ 
te mitgenommen wurden. c. ı. Xen. 1. c. -p. 470. 
Er behandelte ſchwache oder uͤberwundene Feinde nie 
mit der Grauſamkeit, womit Loſander ihnen begegnete. 
Auch fagte er, daß man Griechiſche Städte nicht vers 
nichten, fondern naur züchtigen und in Ordnung brins 
gen muͤſſe. Er weigette fi daher Korinth zu eros 
bern, wozu viele von feinen Kriegern ihn ermunterten. 
ec. 2.p. 508. Ihm fchien es Weisheit, Feinde durch 
Kiugheit zu hintergehen, aber gottlos, Freunde zu bes 
truͤgen, oder auch felbft Bündniffe mit den Feinden zu 
brechen, welche leztern beßwegen fein Wort für ficherer 
als Ihre eigenen Entfhließungen hielten. c. 3. & fq. 
Mit Recht aber kann man daran zwepfeln, was fein 
Lobredner fagt, daß während feines Aufenthaltes im 
Aſien die Griechiſchen Städte ohne "Berrreibungen und 
Hinrichtungen ihrer Buͤrger in der größten Einigkeit 
regiert worden wären. (c. 1. P. 45.) RXenophon fagt 
ſelbſt in feiner Geſchichte, daß Eofaner ben Ageſilaus 

in 


336 Siebentes Bud. Erſtes Capitel. 


und wurde zugleich von einem ſolchen Ehrgeize getri 
der mit nichts geringerm umging, als den Köniı 


Perfer vom Throne zu ftoßen, und dieſe Griechen] 


U U U ı 


zu biefem Zuge na Aſten aufgemuntert habe, w 
die Abficht gehabt, die Regierungen der zehn MA 
bie von den Ephoren meiflene aufgehoben wei 
wieder einzuführen IIL 4. p. 163. und bald ma 
fezt diefer Geſchichtſchreiber hinzu p. 165. daß nad 
Ankunft des Agefilaus alle Städte In der größten ' 
wirrung gewefen,, weil fie weder Volksregiment 
zehn Manner zu Herefchern gehabt hätten. fh 
(ad Philippum I. p. 272.) erzählt, daß Agefiland 
feiner Unternehmung nad Afien zwo große Abſ 
und Wünfche gehabt habe, bie aber nicht mit ein 
vereinbar gewefen feyen; den einen, bie War 
befriegen; ben. andern, feinen Freunden bie 
Gewalt in allen Stäpten zu übergeben, "welche 
Beſchaͤfftigung ihn am meiſten gehindert habe, 
Krieg wider die Perfer mit alle dem gehörigen 
führen. Hiemit ſtimmen wiederum Renophen 
Plutarch zufammen, von welchen ber erflere 
(Xen, c. II. p. 522.), baß Agefilaus flolz daran 
weſen fey, für ſich felbfl fo wenig als möglich zu U 
hen, feinen Freunden aber fo viel ale moͤgl 
nuzen; und ber andere bezeugt, daß er um 
Freunde willen oft glei dem Lyſander von dem E 
der Gerechtigkeit abgemwichen ſey, in ejus vita II 
620 & 644. Hilft. Gr. V. 4. p. 330. 339.3 
Wenn man alfo das ſchoͤne Lob lieſt, welches Kenop 
bem Agefilaus gibt, daß er nämlich zu ben wen 
Menfchen gehört habe, für welche die Tugend Pr 
ne beſchwerliche Anſtrengung, ſondern Beitere 
lichkeit geweſen ſey; fo muß man nicht vergeffen, | 
Ngefilaus, wie alle übrige Spartaner, bie Tugen 
ein Beſtreben fezte, das Beſte feines Waterlandei 
befördern, und wenn es auch auf Unkoſten aller u 
gen Menſchen geſchehen follte. So billigte Ygefia 
der die Gerechtigkeit für die erſte aller Tugenden erfl 
| 











b Seidichte des Peloponneifhen Kriees. "397 


Borberafien zu vertreiben *). Als Ageſilaus nach 
kam, hielt Tiffapgernes die Waffen dieſes Königs 

Zeitlang durch ein werrärherifches Buͤndniß und 

die falfche Hoffnung auf, daß fein König, wie 

petlaus geforberc hatte, allen Sriechifchen Städten 
F 







reyheit wiedergeben wuͤrde. Allein die Freude 
. Meineidigen dauerte nicht lange, und ber rechtſchaf⸗ 
e Ageſilaus, der der Treuloſigkeit des Perſers unge⸗ 
tet fein gegebenes Wort aufs heiligſte erfüllte, wurde 
an feinem Feinde gerochen. Er fihlug das Heer 
—* denen er nicht nur tapferes Fußvolk, ſondern 
von ihm felbft errichtete und geübte Reuterey ents 
feste, verheerte ihre Fruchtbariten Provinzen, machte 
3 Bölfer, Könige und Städte abiwendig, und zog 
zch dem Tiffäphernes ven Verdacht zu, daß er dis 
peile ſeines Herrn an den Ageſilaus verrathen habe, 
vhernes verlor darüber feinen Kopf, und fein 
Tiehrauftes machte dem Agefilaus fögleich neue 
Gtetungen, bis zu deren Erwägung und Ruͤckkunft 
yarta er ihn mit dreyßig Talenten berebete, feine 
Inpie zu verlaffen, und in das dem Pharnabazus 
Braute Phrygien überzugehen, ald wenn dieſes fand 
Feben fo gut, als feine ‘Provinz bem Perſiſchen Koͤ⸗ 
| nige 






















Bde, nichts deſtoweniger bie ungerechte Beſiznehmung 
a.von Kadmea, weil er fie für nuͤzlich hielt «Plue. im 
5 Agel, p. 668.) und verließ einen Aegyptiſchen König, 
is. der ibn zu Huͤlfe gerufen batte, gegen einen Neben⸗ 
® buhler, von welchem er größere Vorthelle für ih und 
N feine WBaterfiadt hoffte (p. 701. ib.). Dieser thus 
4 aber dem Ageſilaus unrecht, wenn er ihn ald den Urs 
P_ heber und Beförberer des Unterdruͤkungen ber Orlechen 
R. faildert (ii. p. 18. lib, XV.), 

"iloer. pafim-& Xen, Ill, 5. Hiſt. Ge, 


er Band. DD 


38 Sichentes Buch, Exfies-Eapieh) 

nige unterworfen geweſen wäre *). Als aber ber " 
Derfifche Befehlshaber merkte, daß Agefilaus vl 
wie Perſiſche Mache verachte, und, die Abſicht | 














4) 11. 4. p. 175. Xen. Ich kaun nicht umhin, bier 
„einige Züge aus ben Charakteren des Ageſilaus un 
fonder anzuführen, die Plutarch aus bem Zena 
genommen, aber etwas verfälfcht, und zum Nad 
des Spartaniſchen Königs erzählt bat. Xen, U 
p. 165. 166. & Plut. III. in Lyf. 50,52 p, ls 
Klaus. und Lyſander nach Alien kamen, machten 
Iezteren alle feine Sreunde den Hof, und wandta 
an ihn, wenn fie vom Agefllang etwas ausgewid 
ben wollten. Nach der Menge alfo derer, bi 
Agefilaus und feinen Zrengd umgaben, hätte u 
leztern für den König, und den König für eine A 
perſon halten follen. Died beleibdigte wicht ’nn 
Agefilaus ſelbſt, fondern auch die Äbrigen Spa 
die man ihm als Rathgeker und Begleiter zuge 
hatte. Ageſilaus bewilligte alfo won allem dem, 
Loſanders Sreunde baten, nicht nur nichts," 
that, wenn es nur irgenb möglich war, gerabe bai 
gentheil. Als Lyſander diefes merkte, rieth et ſ 
Freunden, ſich unmittelbar an den Ageſilaus me 
den, und fagte zu biefem: Du verſtehſt es recht 
Ageſilaus, deine Freunde zu demüthigen.  Ia, 
wortete biefer., ſolche, die größer ſeyn wellen, all 
Hingegen wuͤrde ich mich ſchaͤmen, wenn ich die B 
derer meines Anſehens nicht wieder ehrte und ci 
böbe. Du haft beffer und vernünftiger gehanbelt, 
ich, erwiederte Lyſander; erzeige mir alfo nur bie 
Fälligkeit, miz fo zu begeguen, daß ich wicht die S 
de babe, nichts bey dir zu gelten, und bag ich bir 
nicht im Wege ſtehe. Schicke mich irgend wohn, 
du ſollſt finden, daß ich mich bemühen werde, Ni 
Ienthalben brauchbar zu ſeyn. So erzählt Zeug 
Plutarch hingegen trägt eben biefen Zwift fo vor, 
wenn Agefllans einen niedrigen Reid oder Eiferfuh 
gen ben Epfander empfunden bätse, - | 


“ 
.. 


| Geſchichte des Peloponneſiſchen Krieges. 239 


Ben nicht eher zu verlaffen, als bis er es erobert hätte, 
Ihte er diefes gefährlichen Gegners auf eine andere Art, 
Böurch offenbare Gewalt, 106 zu werven *). Er bes 
xh die angefehenften Bolfsführer in Theben und Kos 
xd, um durch .diefe die mächtigften Bundesaenoffen 
n Sparta gegen ihre Führetinn aufzuwiegeln **). Die 
bocherien Demagogen berebeten die kofrier; daß fie fich 
es Striches Landes bemächtigen follten, über welchen - 
bisher mit den Phocenjern im Streit gewefen waren, 
kan fie vorausfahen , daß die lezdern alsdann in dab 
iet der erjiern einfallen, und dadurch Anlaß zum 
Bege geben würden. “Der Ausgang erfüllte ihre Vers 
Whungen. Denn fo bald die befeivigren Phocenſer 
Rache vollſtreckt Hatten; eilten die Thebaner per 
isn zu Hülfe, und befriegten die Feinde der leztern, 
Be: ihnen vorfezlich erweckt hatten. Betroffen üben 
B.nenien mächtigen Widerfacher, nahmen die Pho⸗ 
Re zu den Spartanern ihre Zuflucht, die ihnen auch. 
züglid) Beyſtand verfprachen , und fich freuten, 
FESelegenheit gefunden zu haben, die Thebaner wer 

ser Weigerung, ihnen gegen die Achenienfer und‘ 
N Xſien zu folgen, und für die Kuͤhnheit, womit fie: 
Ageſilaus in einem feierlichen Opfer bey Aulis ges 
ie Hatten, ftrafen zu fonnen 7). Sie ſchickten daher: 
Mſander und den König Paufanias auf verſchiedenen 
egen wider die Thebaner aus, mit welchen fich vie 
denienſer, Korinchier und andere Bundesgenoſſen 
Spartaner vereinigt bagen allein jener wurbe noch 
| 2 ehe 


„#» 
zu... 
e 









XmA 
M. 5. Xen, 

. | | Ä 

HB Xen, IM. $. p. 179. ‚Diod. XIV, 2 705. ad olymp. 


66. 1. Plut. in Lyf, II. p. 58. efen Krirg nennen 
* Griechiſchen Geſchichtſchreiber den Boeotiſchen 
eßz· 








340 ° Siedented Buch. Erltes Eopii, J 


ehe Pauſanias zu ihm ſtoßen konnte, bey Haliarins 
ſchlagen und ſelbſt im Treffen getodtet. Des durch 
Niederlage erſchrockene Heer des Spartaniſchen 
muſte ſich gefallen laſſen, unverrichteter Sache aus 
Thebaniſchen Gebiete wieder abzuziehen, um biete 
me bes infander und der übrigen erfchlagenen & 
ner wieder zu erhalten; ja es muſte auf dem 
die ſchimpflichſten Demürhigusigen vuben indeng 
übermüchigen Thebaner einen jeden ta ebämeniet, 
nur ein wenig von der landſtraße austrat, durch 
ge zwangen, in das verlaffene lieb zurückzufehren, 4 
Die Miederlage ben Haliarrus, welche man m 
Hecht das Porſpiel der größern bey feuftra nennen fan 
nöthigte die Ephoren den Agefilaus aus Afıen — 
rufen. Dieſer ſiegreiche Kohig empfing den Befehl: 
ner Ruͤckkehr mit der tiefſten Bekuͤmmerniß, wal 
durch auf einmal alle feine ehrgeizigen Entwürfe 
wurden. Er bedachte fi) aber hoch Feinen 
ob er feinen Obern gehorchen, und ven Auf feines 
terlandes der Stimme des Ruhms vorziehen follte ob 
nicht *). Er zog in der größten Geſchwindigkeit 
ne und der Bundesgenoſſen Bölfer zufammen **), fe 
über ben Hellefpont, nahm feinen Weg mit ber 
heit und Zuverjicht eines unwiderſtehlichen Sieger bunl 
Thracien, Makedonien und Theffalien, und ſchlu 
Theſſalier, die ſich feinem Marfche widerfesten und al 
die beften Meurer in Griechenland befannt waren, u 
Hatte das Vergnuͤgen noch unterweges zu hören, * 


— 














ι 


“ Xen, IV, 2. & Diod, XIV. 706. 707. ad ol. 96, 9 
ac) Vier taufend ausgenommen, die er zur Beſchuͤzung M 
| Bett vo Siaͤdke, unter dent Eurenus, ſammt ein 








Flotte von hundert und zwanzig Schiffen unter fine 
ruder Pifander zuruͤckließ. BI, 4. IV. 4. Xom, 


\ 





Li 


u, 
{ 


Re ? ge des Peloponneſiſchen K rieges. 341 


u Mitbuͤrger den Fleck, ben Ihnen die Thebaner an⸗ 
yangt hatten, in dem Blute ihrer Feind: abgemwafchen, 
Weinen herrlichen Sieg über fie erfochten hätten *). 
Ber fich den Boestiſchen Graͤnzen näherte, erhielt 
won den Ephoren den Befehl, das feindliche Land oh⸗ 
Berzug mit Feuer und Schwerdt zu verheeren. Auch 
war fo glücklich, die Boeotier in einer blutigen 
hlacht bey Koronea zu überwinden; erhielt aber noch 
dem Anfange des Treffens die traurige Botſchafft, 
| fein Bruder von dem Athenienfifchen Feldherrn 
nen, der ſchon feit mehrern Tahren zum Befehlsha⸗ 
der Verfifchen Flotte ernannt worden war, bey Anis 
F aufs Haupt gefchlagen und in der Schlacht ſelbſt 
gefommen fey ). 
; Diefen Sieg bey Knidus fahen bie Achenlenfifchen 
per als den Zeitpunct der wieberauflebenden Macht 
Baterlandes, und die Griechiſchen Geſchichtſchrei⸗ 
oals die Epoche des Umſturzes der Epartanifchen 
ef zur See an 7). Ungeachtet er aber weber 
Achenienſer fo fehr ſtaͤrkte, noch die Lakedaͤmonier fo 
Meberfchlug, als bie cyn und die andern verseben 
3 







— — 
M Xen. p. 209. l. e. Died. |, e, 
® IV. 3. Xen, Diod, XIV, p,207. ad ol. 96. 2, | 
 Vid, Ifaer, 1.260. 11. 98. Diod. XIV. p. 708, ad ol, 
96.2. Auch die Zeit den Herrfchafft zur See geben die 
Griechiſchen Schriftfieller alle verſchieden und alle uns 
richtig an. Polpbius beftimme fie auf zwölf, und 
Diouys von Halifarnaß auf dreyßig Jahre. Die erſte 
Zahl ift In groß, wenn man von dem Siege bey Aegos 
Potamos bis auf die Niederlage hey Kuibos rechnet, 
und bie andere zu Plein, wenn man die Herrſchafft ber 
Lakedaͤmonier fig mit der Schlacht bey Lenktra endigen 
lägt DI. 102. 2. Vide Cat, ad Polyb. p. 97.99. 
Ed. Gronovii. UL, 








” 


S 


343 Siebentes Buch. Erſtes Copa} 


ſo hatte er doch gewiß viel wichtigere Folgen, a 
benden Siege, weldye die Spartaner \ 
Die leztern gewannen fat weiter nichts als die Ey 


nige Siegeszeichen errichten zu dürfen; Kanon $ 


gen machte den Spartanern gleich, nach- ber ©d 
faft alle Aſiatiſchen Städte und Inſeln, ſelbſt vie $ 


den, abwendig, und baute mit Perfifchen Geh 


Werke im Piräus und die Mauern wieder auf, ı 
nad) ben lezten Frieden waren. nievergemorfen- 
den ). ’ 


Anſtatt, daß die Friegenden Parcheyen buird 
benberfeitigen Niederlagen zum Frieden wären g 
worben; wurden ihre Gemuͤther nur noch mehr 
einen Aufruhr in Korinth erbittert, im welche 
größte Theil der Bornehmen, die man eines ein 
Berftänpniffes mit den Spartanern wegen im Ve 
hatte, von dem Poͤbel erfchlagen oder vertrieber 
be**), Die Spartaner nahmen fich ber Berjagrei 
die Thebaner, Athenienfer und Argiver der Del 


. an. Die erftern eroberten einen Theil der Feſtun 


fe von Korinth, und erhielten über ihre Feinde ne 
dere Vortheile; wurden aber nachher für den Sto 
diefe Fleinen Siege ihnen einflößten, und für die 
achtung, womit fie auf alle übrige Griechen heral 
wiederum durd) Fleine Schlappen gedemüthiger, 1 
ben Sriechifchen Sefchichtfchreibern viel wichtiger gı 
und viel umftändlicher erzähle werden, als ein ı 





—————xt 


Xen. V. 8. p. 259. & Died, XIV. p. 669. 
“#) Xen, IV. 4. & Diod. XIV. p. 700. ad Ol. 96.: 
. Uuruben, bie bierans bis auf den Erieden des ? 
bas erfolgten, werden ber Korinthiſche Krieg gen 


Geſchichte des Peloponneſiſchen Krieges. 343 


ſchichtſchreiber fie ihnen nacherzählen kann ). Die 
Kliche Erfchöpfung , Armuth und Entvölferung aller 
khifchen Staaten waren die Urfache, daß Feine gro, 
Kotten und Heere mehr ausgerüfter, daß Feine ent 
rende Schlachten weder zu Lande noch zu Waſſer 
geliefert wurden, und daß die ohnmaͤchtige Wuth 
Sriechen in unbedeutende Kriege und Zänfereyen auss 
tz *). In dieſen Fleinen Kriegen, die neun Jahre 
eten, behielten die Lakedaͤmonier das Uebergewicht 7); 
zurden aber doch des Krieges nicht weniger, als ihre 
de überdrüffig, weil fie beftändig kleine Heere zur 
theidigung oder Vewahruns ihrer Bundesgenoſſen 

4 auf 














ı Bon biefer Art war die bey Lechäum Xen. IV. 5. Diod. 
XIV. p. 713. ad Ol. 96. Fr in weldger etwa 250 
GSpartauer fielen. Dieſe Niederlage verurſachte ein. 
großes Trauern im Spartanifchen Heer, weil ihnen 
Sole Unfälle ganz fremb waren, und nur biejenigen, 
fast Kenophou 1. c. p. 238. waren frohen Muths, bes 
ren Söhne oder Väter ober Brüder geblieben waren. 


) Man lefe, was Zenophon vom Thraſpbalus IV. 8. p. 

270. und V. 1. p. 285. vom Xeleutiad erzählt. Thra⸗ 
ſobulus wurde von den Aspendiern erfchlagen, weil 
feine Soldaten Gemaltthätigfeiten ausgeuͤbt haften. 

. Web thut es dent Freunde der Tugend, wenn er fiefl, 
daß biefer muthige Wiederherfteller der Freyheit und 
alten Staatsverfaffung gleich andern Demagogen feil 
war (Ariftoph. Ecclef. v. 356. & ib. Schol,), und 
baß er zulezt ein Verraͤther feines Volks wurde. Lyſ. 
p- 458. Ed. Markl. | 


Antalkidas brachte DI. 98. 2. eine Zlotte von 4 Sal 
fen zufanımen, womit er ben Athenienfifchen Kauffars 
theyſchiffen die Ruͤckreiſe aus dem SHellefpont nach 
Hanfe abfehnitt. Dioder merkt (hen bey DI. 97. 2. 

‚ p. 716. an, baß die Spartaner allmaͤlich bie Dierbam 
wieder gewonnen hätten. . 











" aufden Beinen galten muften *). —* 
um ihren ermuͤdeten Feinden zuvorzukommen ) 
Antalkidas nach Perſien ab, der auch bald den 
tigten Frieden zuruͤckbrachte, den alle 
and Redner old den —S —— * 
n Barbaren und Griechen geſchl 

ie Bedingungen beffelben waren ee 
Stiechifche Städte auf dem feften fande, nebſt 8* 
und einigen andern Eylanden dem Koͤnige der * 
zugehoͤren, alle übrige Inſeln und Stoͤdte ˖ abet 
moͤchten groß oder klein ſeyn, frey und unsbhängk 
ben und bleiben folken ‚ temnus, Imbrus und & 


Ar denen, die dies würden, den Ruta 6 
wurde das Aſi atifche € riechenland wiederum er ( 
chum der Barbaren, und bie —E —— 
- tet wurden unter ben Scepter des Perfifchen I 
gebeugt, der fich von dieſer Zeit an mehrere Jah 
ter einander als Gebieter in alle ihre Händel miſch 








% Xen. l. c. 

*.) Im —E— Kriege, bafonbers gegen da 
gingen in Athen viele gewaltthaͤtige Revolntien 
yon denen bie Gefchichtfchreiber nichts fagen. 
wähnt Ariſtophanes zweener harten Volksſchluͤfſ 
yon der eine ploͤzliche Veraͤnderungen der Muͤn 
ber andre den Beytrag des vierzigften Pfermigs 
Ecclefiaz. gıa. 20. 

©.s) Xenoph. V. 1. 289. 291. Diod, XIV, PB ‚79. 

- 98. 2. Ifoer. in Paneg, I. 18l. 186. ib, p 

. Re. IL Bi Panath, p. 234. & ſq. 

») Xen, I 
pH) Ifocr, 1 p. 183. Nwv de enesvos es 0 


\ 


J * 
wine bed Peloponnefifchen Beige * 


Mick dee Archiven; Arhenienfer,. und Thebaner 
wech die Beſizungen, die man ihnen entzog; die 
xtaner hingegen erhielten für die tif, womit fie ihre 
ber an bie Perſer verraten hatten, die O 5 
ft in Griechenland, indem fie Feine von den Staͤd⸗ 
bie ihnen gehorcht hatten, von den alten Feſſein 
ten, und viele andere unter dem Vorwande von 
ne). ober auch mit Ormalt ſich unterwärfig 
en R 


— 











vo ron Enmæ Ol BEOOTEFTOy ch Ken mer 
EXCSE;, Kits MOvov 8% emısa9urs er raus moAecH 
 mdızus. Im ya Ters, Tı Tor av var. 
2 Amer ein 5: 8 YO TE MONTHS KURS —XRC 
"00 T FIEmuny ERLUTOWEITE, Ko TRY Wooedye. 
Tor WERYMETOV ERISATAS —— 
. EMeIvov TÄECHEY, SCTEE TEOS beaToTm, Mt 
- An xarwyognaarres. Vid. ib. & p. 214 
‚den R 291. Hocs. 1, 786 & 316. 





Siebentes Buch. 
Zweytes Capitel. 


Orion des Sofrates und feiner H 
loſophie. * 


n einem ſolchen Zeitalter und unter fo 
ſchen, als ich in den vorhergehenden 

Befchrieben habe, lebte Sokrates, deffen Sin nd 
Zugend in die glängendfte, deſſen reiferes Alter in d 
aunrufigfte, und deſſen Iejte Jahre in die craurigſte Pu 
riode des Arhenienfifchen Staats fallen. x 
nicht nur der evfte, ſondern auch der größte Wolf 
den Achen jemals hervorgebracht hat. Er hat 
mit allen großen und kleinen Männern gemein, b 
man ihn nicht richtig beurtheilen Fanır, ſo lange man 
ihn nicht in allen Berhältnifen und Sagen beobachtet hat, 
Allein dadurch unterfeheidet er fich von vielen der beruͤhm⸗ 
teſten Menfchen, daß er um deſto verehrungswuͤrdiget 
erfcheint, je genauer man ihn kennen lernt, und je tier 
fer man in fein feben und in feinen Charafter einbringt. 
Wichtige und unwichtige Männer haben ihn verfannt, 
und ungerecht getabelt, ober gar feindfeelig verläumbet, 
weil fie ihn drehfam aus feinem Zeitalter heraus riffen, | 
ihn, ohne es ſelbſt zu merfen, u ihrem Zeitgenoffen | 
machten, und ihn nicht, ‚durch alle bie. Reihen * 





Bist des Echatcs ufin PL. nz 
* verfelgfen, in welchen er fich wirklich sefune 


So umftänbfich Plato und Kenophon ihren Mel 
in der festen Hälfte feines tebens ſchidern; fo atm 
diefe Schuͤler des Athenienfiſchen Weifen, wie alle 
je Schriftſteller, an wichtigen Nachrichten über bie . 
uicht wertiger intereffante Hälfte deſſelben, und wir 
n alfo auch viel genauer, was Sofrates war, als 
ee Sokrates wurde. Es ift außer allem Zweyfel, 
ee der Sohn eines mittelmäßigen und unbeguͤterten 
mienfifchen al Sophronisfus war**), und 
er ber Fu ines Vaters ungeachtet eine auch 


\ 











Die Zeitrednung ter eiechiſcen Weltweiſen wird vom 
Gokrates an — weniger ungewiß, «ld wir fie bie 
Sanf biefen fophen gefunden haben. Gofrates 
” wurde nach FRA ca Ni Zengniſſen alter Schrifts 
"Keller DI. 77. 4. geboren, und flarb DI. 95. 1, ober 
oo Jahr vor Chriſti Geburt, etwas mehr als 70 
Jahr alt. Man febe Plato in Apol. p. 7. Ed. Baf. Gr, 
"  Diogen. II. 44. f. Meurf. de Archont, III, 10. vor⸗ 
“ zäglich aber die Table -chronologique im Leben des ' 
Sokrates, vom Charpentier. 


DaB fein Vater ein ſehr mittelmäßiger Känfller war, 
Bann man allein ſchon daraus ſchließen, daß fein Name 
nicht durch feine Werke, ſoudern durch feinen Sohn auf 
die Nachkommen fortgepflanzt worben iſt. Beine Ars 
nmnth wird durch bie Darftigkeit feines mäßigen, und 

nichts weniger als verſchwenderiſchen Gohues darge⸗ 
thau; er — aber auch ſelbſt alsdann noch nicht ben 
Rene eines wohlhabenden Mannes verdienen, wenn _ 
auch gewiß wäre, was Libanins allein bezeugt, De 
ee einen ohne ein Vermögen von achtzig Minen 
——8 weiße aber diefer durch das Ungike dis 


Min Soc Lip: Bao, RL 










us ebelften % ſienſers wuͤrdige Erziehung 
Micht —* per ift es, daß Sofratesrdiegt 

Barers erlernt **); allein daran koͤnnte 
gwenfeln, ob et fich jo weit darinn bervollfomint, 


daß er fchägbare Werke fiir jeine Vaterſtadt 


wir 
— 


®) ‘Os vopoi, magayyeRovres ro ware; 

1. GE EV MSN Ko Yupvosıen 7 . Pla 
P Gritorie p. 20, Diefe Stelle des Plato feheintn 
u wer andern im. Phaͤds im Widerfpruc au Reben 

: An biefen Gefpräc laſt Plato den Sofrates fa 

er-oft durch Träume erinnert worden, ich auf) 
zu legen, baß.er biefen Warnungen ber 
gethan zu haben geglanbt, indem er ſich 
. phie, als der erhahenften Muft, mie alleı \ 
Ri ien, baß aber bie beftänbige Rüdktehr be 2 
J mes ihn auf bie Gehauten gebracht habe, anf ie 
eigentliche Konfunft und ihre Schwefler, Puuft, 
au legen. -— Aus diefen Worten aber Palm“ an vi 
fließen, daß Sokrates in feiner Kindheit und Yus 
nicht im der Tonkunſt unterrichtet naorden , fonbern w 
er fie in reifern Jahren vernachläffigt habe, Menn 
ferner Sokrates yon ſich felbft fagt (in Menonep, 365.) 
und mehrere andere Schriftfteller von ihm 4 
(fiehe Menage ad Sn Il. Piög.) baß er im feinem ' 
foärern Alter die j£ gelernt habe j fo Kan 
biefe Nachrichten fo auslegen: daß Sokraies bie Tom 
Fanft, worinn er in feiner Kindheit unterrichtet wor 
den, in der Folge noch immer mehr und mehr zu vers 
vollfommnen, oder baß er bad, was er in feiner Kinds 
beit gelernt her vergeffen, zulezt wieder zu et 
Iernen geſucht habe. Bruder I. 525. nnterfheibet, ) 
aber nicht aus zureichenden Gruͤnden, mehrere Theil⸗ 
der Tonkuuſt, wovon er den einen im ber Jugend, ben 
andern fpäter erlernt habe. - 
Aus diefem Grunde nannte er den Daͤdalus einen feine 
Borfahren, Plat, in Eutyphr, p. 5, & in Alcib, pr, 
p 221. e 


” 


Sefchichte des Sokrates und feiner Phil. | 39 


te”). Wenn man aber diefes aud) annimmt; fo 

fich zugleich darthun, daß er fie bald verlafs 
und mit dem größten Eifer an der Ausbildung fels 
Seiftes und Herzens zu arbeiten angefangen habe, 
ſagt ſelbſt beym Xenophon, daß er ſich von den erften 
m feines Denfens an beeifert Habe, alles Gute und 
liche, fo viel er nur gefonnt, zu ergreifen, und fich 
ı zu machen *Y). Er las daher fihon als Juͤngling 
merkwuͤrdige Schriften alter und neuer Dichter und 

Wei⸗ 


AIch weiß es ſeht wohl, daß Pauſanias p. 310. Ed, 
wWeehel Gr. und der Schollaſt des Ariſtophanes ad v. 
9771. Nub, von Statäen befleideter Grazien reden, bie 
Sokrates gemacht, und bie ia noch bie auf die Zeiten 
bdes Paufanias gezeigt haben fol, Allein ber Wiber⸗ 
ſpruch dieſer Schrififieler,, wie das gänzlicde Gtill⸗ 
ſchweigen des Plato und Renophon, läßt mich vermu⸗ 
Shen, daß bie. Sage von ber Erfahrenheit des Sokrates 
in der Kunſt feines Vaters, befonders bie yon feinen 
Werten, vie unzählige andere Mähren, in fpätern 
Beiten dichter fepn koͤnnte. Pauianias-erzählt, daß 
‚De Grazien bes Sokrates vor dem Eingange in bie 
Burg von Athen geftanden hätten; ber Scholtaft bed 
Ariſtophanes hingegen, daß fie in bie Wand des Tem⸗ 
pels ‚hinter der Statuͤe ber Minerva bineingearbeitet 
geweſen ſeyen. Nach dem Plutarch erhielt der Vater 
bes Sokrates durch einen Goͤtterſpruch hen Befehl, 
den Neigungen jenes Sohns nichk bie geringſte Gewalt 
anzuchun, und ihn zu feiner Knuſt cder Beſchaͤfftigung 
zu nöthigen, bie er nicht von felbfi ergreifen würde, 
(Plut, de Genio Socr. VIH. Tom. pı 330.) Ich will 
mich zwar für die Wahrheit dieſer Ueberlieferung nicht 
verbuͤrgen; allein fie ift doch immer ver Porphyriſchen 
Verlaͤumdung werth, daß Ariftoreles In feiner Jugend 
ſeinem Vater ungehorſam geweſen ſey, und ſich ſtets 
gegen feinen Willen geſtraͤubt habe, (aßp. Theodoret. 
de curand. Gr, Affect. lib. XL.) 


h Apol. $. 16. 








Die Kunft zu reden mit vielen andern vom: ber 
gelernt habe. **}. . An den erſten Zeiten.des © 
kens und der Entwicelung feines DBerftandes n 





'») Man fehe Plat. in Phaed. p, 39. in Theaet, F 


Menep. p. 365. Xenoph. c. 2. Oeconom, 


In Sympof, Plat. p. 187. in Menep. l. e. Eb 
gen, weil Sokrates fih mit allen Menſcher 
machte, von denen er nur einige Hoffuung 
Iernen hatte, werden ihm von jüngern Schr 
fo viele Echrer und Lehrerinnen zugefchrieben , 
in einem uneigentlihen Berflande fo genann 
koͤnnen. Man fehe das Verzeichniß beym M 
Diff. XXU. Im Diogenes werden Anaragı 
Archelaus feine Lehrer genannt 11.19. Daß: 
ben erftern nicht gefannt habe, ift fchon im erf 
de bemerkt worben; baß aber auch Archelaus 
Dem Verſtande fein Lehrer genannt werben ? 
welchem er ed vom Plato und Renophon war , 
nem jeden einleuchten, fo bald er bemerft, baj 
tes ſolche Unterſachungen, als Archelaus vortr 
achtet, und ſolche Grund ze, als er gelehrt ha 


Geſchichte des Sokrates und ſeiner Phil. 351 


ch die praͤchtigen Verheißungen der Weltweiſen und 
Mhiſten feiner Zeit, ihm die Entſtehung, Ausbildung 
» Auflöfung aller Dinge, die Natur aller Elemente, 
Urfächen der wichtigften Erfcheinungen, forwohl am 
mmel als auf der Erde, endlich das Wefen der menfchs 
ven Seele zu offenbaren, fo fehr bezaubert, und hin⸗ 
iſſen, daß er mit der größten Begierde fich in die uns 
yeönblichften Gruͤbeleyen hinabließ, oder fich auch in 
: erhabenften Betrachtungen muthig hinauf ſchwang *). 
aftatt aber, tie er gehofft hatte, in ven Sieden und 
Schriften dieſer Männer alle Geheimniffe der Natur 
® feiner felbft entfaltee zu fehen, bemerfte er bald zu 
nem Erſtaunen, daß er mit noch dickern Finfterniffen 
3 vorher umgeben werde, daß er in feinen fefteiten 
herzeugungen zu wanfen anfange, und daß fogar Fra⸗ 
2 oder Sachen, die er ſonſt leicht gefunden, ihm jezo 
hſelhaft und unauflöslich zu fegn fchienen **), Gr 
> daher Kenntniſſe auf, zu welchen er in fich felbft Fein 
schick fühlte, und non welchen er durch eigne Erfahr 
ng wahrnahm, daß fie ihm weit mehr gefchaber als 
st hätten 7). Bon diefem Zeitpuncte an kann man 
nehmen, daß er allmälich zur Erkenntniß der Wahr⸗ 
t gelangt ſey, und den Plan feines Fänftigen Lebens 
noorfen babe. Nicht zufrieden, fich felbft aus den 
hlingen des Irrthums gerettet zu haben, nahm er 
h vor, auch andere vor dem glänzenden, aber eitlen 
ind und ben gefährlichen Grundfäzen der Sophiften 
ner Zeit zu warnen, und fein ganzes Leben dem 
ienfte der Gottheit dadurch zu weihen, „daß er durch 
ne tehre und muſterhaftes Beyſpiel feine Mirbärger 

gluͤck⸗ 











) Plat. in Phaed. ©, 38 & 39. | 
*°) Ibid, 


IR 





Bun 


e*":. a 
as . 


4%," 
R).: 
nr 
& 


+. 


mem jenen einlandhten,, fo bald er beimerft, daß 


oe 


Oltenteh Bach. Znciieh Eopint. © 





gen, weil Sokretes ſich mit 
machte, von denen er nur eini 










Diff. XXU. Im Diogenes werben An⸗rageras 
— — 
de bemerkt worden; daß aber ee en 





* 
U 


tes ſolche Unterfaddungen, als Archelaus vortrug 
achtet, und ſolche Orunbfäze, als er gelehrt haben 
verabſcheut habe. Sokrates hörte ober ging mit 
Archelaus, wie mit deu Sophiſten um, wicht am 
feine Gchanten zuzueiguen, fondern nm ihn teunen 
lernen. In eben dieſer Abſicht machte er vielleicht 
Die Bekanutſchafft eines gewiſſen Ariſtagoras, 
der 2 A Ariſtophanes einen 
goras von Melos, mb einen Lehrer des 
nenut, adv, 838, Nub, - 


—* 


re 


| 


Dir 


Geſchichte des Sokrates und ſeiner Phil, 35 


vurch die prächtigen Berheißungen dev Weltweifen und 
Sophiſten feiner Zeit, ihm die Entftehung, Ausbildung 
und Auflöfung aller Dinge, die Natur aller Elemente, 
bie Urfächen ver wichtigften Exfcheinungen, ſowohl am 
Himmel als auf der Erde, endlich das Weſen ber menſch⸗ 
lichen Seele zu offenbaren, fo ehr bezaubert, und hin⸗ 
geriflen, daß er mit der größten Begierde fich in die une 
ergründlichften Grübeleyen hinabließ, oder fich auch im 
die erhabenften Betrachtungen muthig hinauf ſchwang *). 
Anſtatt aber, wie er gehofft hatte, in den Reden und 
Schriften dieſer Männer alle Geheimniffe der Natur 
und feiner felbft entfaltet zu fehen, bemerfte er bald zu 
feinem Erſtaunen, daß er mit noch dickern Finſterniſſen 
als vorher umgeben werde, daß er in feinen fefleften 
Heberzeugungen zu wanfen anfange, und daß fogar Fra⸗ 
gen oder Sachen, die er fonft leicht gefunden, ihm jego 
rärhfelhaft und unauflöslic, zu fegn fchienen **), Er 
gab daher Kenntniffe auf, zu welchen er in fich felbft Fein 
Geſchick fühlte, und von welchen er durch eigne Erfah⸗ 
rung wahrnahm, daß fie ihm weit mehr gefchadet als 
genuzt hätten F)._ Bon diefem Zeitpuncte an kann man 





annehmen, daß er allmälich zur Erfenneniß der Wahre - | 


beit gelangt fey, und den Plan feines fünftigen Lebens 
entworfen habe. Nicht zufrieden, fich felbft aus den 
Schlingen des Irrthums getettet zu haben, nahm er 
fi) vor, auch andere vor dem glänzenden, aber eitien 
Tand und den gefährlichen Grundſaͤzen der Sophiften 
feiner Zeit zu marnen, und fein ganzes Leben dem 
Dienſte der Gottheit dadurch zu weihen, daß er durch 
seine tehre und muſterhaftes Beyſpiel feine Mibtrger 
. " « 9 











65) Plat. in Phaed. ©, 38 & 39. | 


4) Ibid, 


5 :. Citbented Buch. Zweʒten Eapitike: 3 | 
. gäcktich und weife mache”). Hiezu glaubte er ſich vende 
—— u Ort un De, ud 

Ni n 

Vergnögens, 








: ®5 Plat. Apol. Socret. p. 9. Kas Uwo.TaurNs TE 
N BoXeAas, ZTE TI Toy Tas WoAears Mpocken jun 
Xoœv yeyovev, afıov Aoys, die ray ana. 
oc. ev TEVIOE UL ei, din vw TS Ser Au 
Teaav. 
. 6) Ib. & p. 12 & 13. Tœuræ yap uereum 6 Des, 
OT BU BE. US EYw area sdev Bo 1777 neslov 
Joy Yavcodas ev Ty7 Bois, 4 Tp eu. To 
bvbnmuæœrcouæv. 
i-#) I. Tlessopes de ro Iso PaRov, 9 Um. mas 
! EWOTTEE AV. EURVEw, 106 006 TE, EN WR 
Bons DiAccodav. u 
4) Pag. 17 & 15. ib, Tsde Aes Twrrenres os eye 
and Te us umerurufor, DiAocQdinra m 
dev Cnv, ns eferulorree eumurov, sous Tas 
«fss, evraude de Dcßndes m Javarov, 1 
Ra Or ‚By Tea YA, Kama Ta Toogın. 
yoy Muvy Tv EM. " 


Bu 


GSeſchichte des Sokrates und ſeiner Phil. 953 
er von einem höhern Weſen erleuchtet und gebilber, 


daß er mwenigftens einem Wolfe gerade zu der Zeit 


der Borfehung gefande worden, als es eines ſolchen 
ers am meiften nöthig hatte *). | 
Selbſt 














aa — — 


Plat. Apol. Socr. p. 12. Orı —R TVVXœvo 
A ToMToS, cs v0 Ts Jes Ty KoNe Ödedoc- 
Iaı, evrevde av naravonsaure. & vœo avdew- 
WW EOIKE TO EME TV ge EMAUTE ETAVTwy 
NMEANKEVOR,, KO AVENETTEH Twv NERV EUEÄB- 
pevav Fooaurn ndn ern,“ To Üunereoov Feur- 
ev ces &c. & de Rep. Lib. VI, p. 26. Vol, IE. 
Eu Yue xen edv, orı mee av awdn Te nu 
VEynTos 00V des, EV TOIRUTY KATASacCes Tote. 
Taay, Yes nogav auto awces.AryYay, & Kül- 
xor egess. Daß Sokrates die Lebensart oder das 
Amt eines allgemeinen Lehrers und Auffehers, worin 
er bis an feinen Top bebarrete, ſchon als ein junger 
Mann erwählt habe, kann man aus vielerley Umftäns 
ven ſchließen. Erftli war Sofrates nur etwas über 


Er muſte alfo damals ſchon lange und allgemein bes 
Pannt ſeyn, weil die Komiker fih nur an folde Pers 
fonen machten, die das ganze Volk kannte. Ariſtopha⸗ 
nes war auch nicht einmal ber erfte, der ihn lächerlich 
zu machen fuchte; dies hatten ſchon mehrere andere vor 
ihm gethan. Zweytens ift es aus ben oben angeführs 
ten Stellen des Plato gewiß, baß Sokrates als ein 
fehe junger Mann die Weltweiſen feiner Zeit börte, 
und auch bald die Unbrauchbarkeit oder Schädlichfeit ih⸗ 
ver Lehren einſah. Man Panıı alfa auch als wahrs 
fheinli annehmen, daß er nicht lange nach biefer Bes 
merfung die Wahrheit entdeckt und den erfannten Irr⸗ 
thum beftritten babe. Drittens erzählt Renophon, daß 
Alkibiades und Kririas erſt lange‘, nachdem fie ſich vom 
Sokrates getrennt haͤtten, in die Ausſchweifungen 
| ' and 


zweyter Band, | 


vierzig Jahr alt, als Ariftophanes feine Wolken ſchrieb. 


[ 





ge 3 SEnes Buch, Zioptes pie) 


Sch ber göttliche Beruf, den Sokrates a 
\ Dam Samen fühlte zwang ihn, die ie 





2 Dcqhoauny und Unterlaß zu verfolgen ‚weil fie n 
die .Köpfe ber hoſſnungẽvollſten en und 
m Männer mic meiftens unnäzen Spisfinbigkeittn 
“ ſondern auch ihre Herzen durch die zone 
üften Gründfäze verdarben. Sokrates ließ daher 
* + Mitgekumverfche, das Anſehen biefer falfehen' AWelln 
.®» und er richtete feine * — 


Rage, und fie endlich überwunden habe; allein‘ Bar 
cch doch nicht unbemerft laffen, daß feine — und, 
| One on De Goptien Im maß a 





und Berbrehen gefallen feyen, (Memor. Socr. I. 2. 
auch —8 Beifen zur Laft legten. Nun aber war 


üppige, gewaltfame, ehrgeizige Mann, der er in fels 
nem ganzen übrigen Leben lieh. und die Zeit feines 
men Umgangs mit dem Sokrates muß alfo zwiſchen 
- — und — ger bes leztern fallen. 
„(Men fehe Plat. Alcib, I. 0.) — Eine ber um 
wahrſch ein lichſten —— * bes Ariſtoxenus war 
Diefe, das Krito den Sokrates aus einer 


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35 
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Goaſchichte des Sokrates und feines Phil. 355 


Namen ‚gaben , indem fie Die reichften und edel, 


ten Athenienfifchen Tünglinge auf feine Seite zogen, 


mb ihm in ihnen eben fo viele Bunbesgenoffen und Miits 
treiter erwarben, welche die gemeinfchafftlichen Feinde 
nit denfelbigen Waffen angriffen, womit Sokrates fie 
efchlagen hatte *). 1 | 
Anſtatt daß die Sophiften einen Theil der Meichs 
hämer, die fie durch ihren Unterricht gewannen, an 
ftbaren Schmuck und prächtige Kleider verſchwende⸗ 

en, ging Sofrates ohne Schmud und in der einfa 
ten Kleidung einher. Er wechjelte nicht, wie die uͤbri⸗ 
yen Stiechen thaten, mit den Jahrszeiten die Kleivungss 
dcke, fondern wickelte ſich das ganze Fahr durch in eis 
ren einzigen Mantel oder Gewand von demfelben Zeuge 
in®®). Auch trug er niemals in ber größten Kälte 
Schuhe ober andere Bedeckungen von Fügen }), auss 
genommen an Seften und feftlichen Gaftmälern, wo er 
fich ihrer bediente, und fich auch forgfältiger, als ges 
woͤhnlich, zu kleiden pflegte P. Ungeachtet die a 
2 am⸗ 











®) Apol. Socrat. p. 9. TIęoc de Teras © veoi PL] 


eranoAsIsvres, dis Marsa oyoAn es, 0 van 


BABOCISTAETOV AUTOURTO, NOILEOW AKEOYTäs 
efereyxonevav ray andeumav. Kar auros FoA- 
Auxıs EME MIUBYTOI, EITE ERIYaIOBCW AÄbEs 
eleralew. — evreuder 9 0 un Ruray afera- 
Comevos, em0s OEYsCoyTaI, 8X WUTOIS. 

o) Xenoph. Memor. I. 6. p. 34. fq, 

4) Ib. & Plat. in Conviv. p. 194. Das Barfußgchen iſt 
faft der einzige Zug in ber verzerrten Schilderung des 
Ariſtophaniſchen Sokrates, der nicht erbichtet ober aͤber⸗ 
trieben if. v. 102. & fq. 

+4) Piet. in Conv, p. 176. Un eben dieſer Stelle heißt es, 
daß Sokrates ſich um felten gebadet habe. Dich muß 

man 


a 


l 


356  Siebented Buch. Zweytes Eapitel, 


famfeit, welche dem Sofrates feine Armuth nothwen⸗ 
dig machte *), ferner die Begierde, ven weichlichen 
Athenienfern ein Beyfpiel alter Einfalt, und einen Be 
weis von den mäßigen Forderungen der Natur zu geben, 
endlich vielleicht auch das Bewuſtſeyn, wie fehr felm | 
Höäßlichkeit durch gefuchten Puz und prächtige Klelbum - 
würde erhoben werden, zu dem Entfchluffe init gewirkt 
haben mögen, auf die Bedeckung feines teibes wenige, - 
als die ärmften feiner Mitbuͤrger und die Niedrigſten h⸗ 
rer Sclaven zu wenden; fo läßt es fich doch ſchwe 
läugnen, daß nicht tie Haupturfache dieſes Enrfchluffee 
der Borfaz gewefen fen, bie unmännliche Ueppigkeit ber 
Soppiften defto mehr in die Augen fallen zu machen, 
und es ihnen auch durch feinen.unanfehnlichen, und ihn 
doch Hinlänglich beſchuͤzenden Anzug ſtillſchweigend vor, 
zumerfen, daß fie die Weisheit, die fie zu lehren von 
. gäben, befchimpften, und die ohnedem überhand ne 











man von warmen Bädern verfichen,, die Sofrates ald 
bie Urfachen der Verzaͤrtelung von Cörpern anfab. 
Ariſtophanes leitete diefen Abfcheu vor warnen Dh 
Bern aus Unreinlichfeit und Kargheit ab: in Nub, 
v. 833. & fq. oo 
oy, URO TNS DeidwAcc, 
ETEXsIgET BlRs HKWMote, & 
anoAenvaro 
8! 215 Barwvesov nAge ABTomEVoS. 
Allein dies ift eben fo falfch, ale wenn er ihn als ein 
Feind aller gymnaſtiſchen Uebungen ſchildert v. 415. 
Ows T AWEeXEI, Ho Yumvaoıwy , 00 TON 
army avoNTav. 
2) Beym Kenophon ſchaͤzt Sokrates fein ganzes Vermoͤgen 
nur auf fänf, Xen. Oeconom. c. 3. und beym Plate 
Apol, ©. 15. gar nur auf eine Mine, | 


Gehchichte des Sokrates’ und feiner Phil. 357 


ende Prachtliebe ver Athenienſiſchen Jugend durch ihr 
enfpiel nur noch mehr entzündeten. 
Den aller feiner Armuth aber, die in unfern Zeis 
3 die meiften Menjchen vom Pobel entweder zur Ver⸗ 
venfelung, oder zu einer unverfchämten Betteley brin⸗ 
n würde, nahm Sokrates von feiriem feiner Freunde, 
» durch ihn weifer und tugendhafter wurden, Belohs 
Mgen an, wie die Sophiften thaten, die Das Vermoͤ— 
r ihrer Zuhörer mehr ausplünderten, als fie die Kennt, 
Te verfelben bereicherten. Er Fehrte fich nicht an bie 
pötterenen feiner Gegner *), die ed zwar zugaber, 
Ber redlich, aber nicht, daß er weile fen, und die es 
n ins Geficht jagten, daß er feine eigene Schwäche 
r Unwiſſenheit fühlen müffe, weil er für feinen Unter« 
je nichts. verlange, da er doch von dem Seinigen nichts 
ı Werth umfonft meggeben würde. . Sofrates antı 
etete, daß es ihm eben fo fchimpflich feheine, mie 
eisheit, als mit Schönheit zu wuchern, und daß er 
jenigen nicht weniger für einen Schänder der Weis, 
: halte, der diefe gleich einer feilen Dirne an den 
eiſtbietenden verfaufe, als er denjenigen für einen 
händer feiner Perfon halte, der den Genuß feiner 
ze um Geld verhandele; daß ent‘ich ein jeder, der 
Geld lehre, fich zu einem Sclaven von andern 
he, weil er das durchaus lehren müffe, wozu er fich 
ungen habe **). Gewiß würde Sofrates das Uns 
ichende in diefer Art zu fchliegen bemerft, und niche 
eine fo eigenjinnige Art den Beyſtand feiner Sreunde 
gefchlagen haben, wenn er nicht durch feine neigen, 
gfeit die Sophiften hätte fine wollen. Er war 
Ä 3 von 





‚ Antiphon ap. Xenoph. Memorab. I. 6. p. 58. 59. 
YiIb.&c.2. p. 11. 


7: 


8 Mist duch —— 


gan ber Habſucht biefer Männer fo un 

für alle Berbienfte, die er ſich um feine 

u nicht allein nichts ferhente, 0 ——e— — 
ſogar ſeine haͤuslichen 






m ober — zu babe; fie machten, 
ee fie ws fin Sußerfte Armuth wären 

Wenn es aber nicht die gehäuften au ⸗ 

hen Beügniffe feiner groͤßten Schüler beftärigten, 

he er von Niemanden das geringfte,genommen habe }); 

‚fa wuͤrde man doch faum anders, als bie Machrichten 

‚einiger neuern Schriftſtellet annehmen Formen, toelche 

ſchern daß Sokrates zwar. nicht von allen, aber 

don — reichen un geprůften Freunden, bie ed 

eine e Bodier hielten, wenn fie * tehrer wohl 








2 Pt, in Apol, p. 12. 


» Kae den fon angeführten Stellen ziche ich aur neh 
eine des Plato, und eine andere des Zenopkon an, 

Im Baftınale des erftern ſagt Alkiblabes eh ber im 

oft Geſchenke FR sehen vergebens verſucht hatte, uf 

- er gegen Meihthäner 2 als Yjaz gegen 
ten fep,_p. 193. In der Hausbaltungekuvn Bed Ioy 
sern fagt Sokrates zum Rritobulus: Du meißt es, Def 

jch viele Freunde habe, Dr —* fie mir ein jeder ah 

nur erg sim, mich dennoch in Mädfihe anf meine 


vrnlsen durfniſſe im Ueberfluß gleichfam. erfaufen 
koͤnnten * pP, 281. Kurz vorher bekeunt er (p. 278.) 
” das. Wenige, was er babe, Ihm 2443 


Geſchichte des Sokrates und feiner Phil, 359 


n konnten, Unterflügung empfangen und augenom⸗ 
ı habe *). Denn fo außerordentlich man fich auch 
Genuͤgſamkeit und Sparfamfeit des Soktates den⸗ 
mag, fo ift es doch faft unbegreiflich, wie er mic 
r zahlreichen Familie, ohne eigenes beträchtliches 
, ohne irgend eine einträgliche Kunſt ober 
adthierung, felbft ohne Theilnehmung an den öffent, 
en Wohlthaten und Re bes Staats, in Athen 
4 habe 


U TU; 


) Man fehe den Diogenes II. 74. 131. ſ. auch Seneca res 
det von vielen Anerbietungen , bie dem Sokrates von 
feinen Zreunden mären gemacht worden, und bie Bw 
ſchichte des Aeſchines, die er erzählt, beweiſt, daß So⸗ 
Prates dieſe Anerbietungen nicht alle sirögefihlagen habe. 
1, 8. de benef, Ich wunbere mich nicht darüber, baß. 
Seneca biefes vom Sokrates glaubte, aber barüber 
wundere Ih mi, daß er ben Gofrates fo wenig ger 
kannt habe, "daß er folgendes Mährchen von ihm nach⸗ 
erzählen Ponnte: Socrates amicis audientibus: Enif- 

. Sem, inquit, pellium, fi nummos heberem. Ne- 
zinem, fezte er hinzu, popofcit, omnes admonuit, 

. 8 quo acciperet ambitus fuit. quidni effet? Quantu- 
lum enim erat, quod Socrates sccipiebat? at multum 
erst, commeruifle, a quo Socrates acceperit, &c. 
Wahrfcheinlih machte die Unverſchaͤmtheit der Weltwei⸗ 
fen feiner Zeit, daß Seneca das Unmärbige in ber von 
ihm erzählten angeblichen Aeußerung bed Athenienſi⸗ 
{den Weltweiſen nicht fühlte. Allein dieſe erbichrete 
Aenßerung vwiberfpricht dem Charafter bes Sokrates 
eben fo fehr, als bie Betteley, bie Ariſtoxenus vers 
muthlich von einem abtrännigen Schäler des Sokrates, 
dem er feine Nachrichten fhulbig war, gehört hatte. 
Sokrates foll nämlich, fo oft er in Noch geweſen, feir 
nen Freunden eine Buͤchſe bingefezt Haben, damit ein 
jeder nach feinem Bermögen babe beytragen Binnen. 
II. 20. Wenn Sokrates and) gezwungen geweſen waͤre, 
ſich der Huͤlfe feiner Freunde zu bedienen; fo wuͤrde er 
es am wenigſten auf dieſe Art gethan haben. 














360 Giebentes Buch. Zweytes Capitel. 


Habe leben koͤnnen. Sokrates füß nie in Gerichten, en 
ſchien nie in öffentlichen. Bolfsverfammlungen oder 


Schaufpielen, ließ fich auch nicht in die Elaffe der Aus 


men einfchreiben, die aus dem Schaz ber Nation mw 


serhalten wurden, und er fonnte alfo auch nicht die AU 


moſen oder ven Lohn genießen, welchen bie Achenienfer 


ihren Armen, oder Richtern, oder allen unbegüterten 


Pürgern zu den Bergnügungen des Theaters ober fir 
die Bemühung gaben, fich an den allgemeinen Bolks 
verſammlungen einzufinden. 

Weil Sofrates fi) nicht, wie die Soppiften zu 
bereichern fuchte, fo jagte er auch nicht gleich ihnen nur 


a en 


ängefehenen und reichen Männern und Zünglingen in 


allen: Theilen von Griechenland nad). Weder Meugier 
de, noch die Einladungen von Königen und Mächtigen 
vermochten ihn feiner Beftimmung untreu zu machen *). 
Er blieb unverrüct in Athen, als werner durch Blind⸗ 
heit oder andere Fürperliche Gebrechen an feinen väter, 
lichen Boden wäre gefeſſelt worden, eine einzige Reiſe 
zu den Afthmifchen Spielen und einige Feldzuͤge ausge, 
nommen, zu denen er von feinem Vaterlande aufgefors 
Bert wurde "*). Er fchäzte und wählte feine Schüler 

| nicht 








⸗ 
⸗j —ee e¶e ⏑⏑ 
⸗ 


#) Diog. II. 25. & ib. Menag. v 
%*) Plat. in Criton. p. 21. Oude aA ENT CH 0- 
Inuiov, woreg 0 ur avdowmro. ed“ erıdu- 
Mia ve ans WoAews, BOE AMmv voumwv EAL- 
Bev eidevan. aA nusıs (fo läßt Plato die Athe⸗ 
nnienfifhen Gefeze zum Sokrates reben,) wos inavsı 
NMEV, KO n NUErEOK WOoNIs. IT Do ex nuus 
nos. Sokrates ging fogar nur fehr felten außer ker Stadt 
fpazieren, weil die todte, wenn glei ſchoͤne Natur, 
ihm nicht fo intereffant umb lehrreich, als ber Umgang 
mit feinen Mitbuͤrgern war, (ia Phaedr. p. 196.) 
Wenn 





Seſchichte des Sokrates und ſeiner Phil. 361 


ht nach ihren Vaterſtaͤdten, oder nach dem Alter und 
el ihres Geſchlechts, oder nach der Groͤße ihrer Ver⸗ 
dungen und ihres Anſehens, ober nad) ihrer Frey⸗ 
igkeit und Meichthümern, fondern ganz allein nach 
em wahren Werth, ober nach den Anlagen, die er 
ihnen zu entdecken glaubte *). Feſt überzeugt, daß 
eundfchafft nicht anders, als unter Tugendhaften bes 
hen, und daß tafterhafte weder unter einander wahre 
eunde ſeyn, noch) jich mit rechtfchaffenen Männern 
einigen koͤnnten, ſchloß er alle diejenigen, und wenn 
auch Söhne aus den erften Famitien waren, von fels 
n vertrauten Umgange aus, die fich folchen Auss 
weifungen und taftern ergeben harten, woburch fiefich 
b auch ihre Freunde in's Verderben ftürzen muften **), 
edrige Sclaven ihrer tüfte alfo, die ihrem Gaumen 

| 35 vooe 


ERDE REHEEEEaEEHEETEEe 


Wenn man dieſe Geſinnungen des Sokrates über ſein 

‚ Baterland und feine Mitbürger, und bie Urſache, 
warum er fi von ihnen faſt niemals trennte, gelefen 
bat; fo wird man argwoͤhniſch gegen den Spruch, ber 
An Munde eines jeden Republicaners, und am meiſten 
des Sofrates übel ſteht: daß er Fein Athenienfer, Fein: 
Grieche, fondern ein Weltbärger ſey, Plutarch. de exi- 
lio Tom. VII, 371. Cicer, Tuſe. quaeft, V. 37.. 
Man fiebt aus diefen Bepfpielen, wie wenig man ſich 
auf die Aechtheit der Sprüche und Anefboten verlaffen 
koͤnne, bie felbft im Cicero und Plutarch enthalten- 
find, und wie viel mißtrauiſcher alfo man gegen die im 
Genen, Diogenes, Athenaͤus, oder gar Xelian ſeyn 
muͤſſe. 

) Plat. in Convivio p. 192. Ise, ſagt Alkibiades, 
Orı 87T es TIs WÄBCIHOS, 87 ARM Ta Tıuny 
EXav Twv vmo mANdES nenaeıkonuevav. NY 
vos de TOAVTS TAUTE To KTNMOTE, BOSVGS 
fin, vos nums Bdev eva, 

®) Xenopb, Memor. I, 6, 











Eichecei Bus. Bund can, 


Bauche mehr, als ben dienten; 1 
mene Berfihnsenber , ag ſtets u 
en —— fielen, und. wenn bieje 


ger 
g 
J— 
87 
35 
8: 


I ‚oder Wahnßnnige, unter dem — oder 
wWelmege in ber ng. ab , daß die Berbinbung mit 
felchen Perfonen ihm von feinem Dämon unterfagt wen | 
Re, und ber Gottheit unangenehm fen *). Wenn 
- unverborbene fähige Jünglinge und 
Männer rs — ee 
e ve ten rei arm 
Ip —e oder Fremde, jung oder ge 
ayile offenen Arnien entgegen, und freute ſich über einen 
geuen waßrhaftigen Freund mehr, als andere fich über 
„wie fchönften Pferde, ober Vögel, oder Hunde nur’ freuen 
tonien 1). Ex hielt einen wahren Freund für das ein 
, ke un unter allen Gütern, die man befizem Fönnte, 
‚für das brauchbarſte unter allen Derfzeigen das 
uns: alle die Dienfte und noch mehr leiſte, die wir von 
unſern Händen ober anbern Sinnen und —— 
galten MD. ben deßwegen nahm er diejenigen, die in 
jei 





9 Tb. & Plat, in Thesgen, p. 242% TloAcus: zer yag 
warten, rau 8x 51 wPeAndmen ner’ aus 
eilßecw , Os TE 8X dv TE Ko TETOS ou-· 


dusreußer. Es befümmerte ih veßwegen auqh law 
SE nit. EN I. initio, wa 


Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 363 


feiner Freundſchafft werth waren, nicht nur alsdann, 
wenn fie jich ihm anboten, mit Freuden an, fondern er 
har fie auch felbft auf. Er nannte fich daher einen 
bhaber aller großen und eblen Menfchen, Die er nicht 
weniger als die Vaterſtadt liebe, und um deren tiebe 
er mic dem Vaterlande buhle *). Er fagte, daß er in 
der Kunft, Menfchen zu jagen und zu fangen, niche 
unerfahren fey, und dag er in der Kunft der Liebe Feis 
nem Sterblichen etwas nachgebe ). Er rühmte füch 
Schlingen, tiebestränfe und Zaubermittel zu beſizen, 
wodurch er Menfchen geroinnen und feine Freunde fefts 
halten fonne***); und er rieth alfo auch denen, Die wah⸗ 
re Freunde erhalten wollten, ihn gleichfam zum Mit⸗ 
werber, oder zum Gehuͤlfen zu nehmen F). Er fange, 
ſcherzte er, Freunde nicht bey den Süßen, wie Haaſen, 
nicht mic tift, wie Bögel, nicht mit Gewalt, wie Fein⸗ 
de, fondern gleich den Sirenen durch unfichtbaren Zaus 
Ger, ohne fie zu berühren, ober ihnen Gewalt anzuthun. 
Diefer Zauber beftehe darinn, daß er ihnen zu erfennen 
gebe, daß er rebliche Freunde über alles ſchaͤze, daß er 
ſich Über ihr Gluͤck nicht weniger als über fein eigenes 
freue, und über ihr Unglück nicht weniger als das feis 
nige betrübe: daß er in ihrem Dienfte gar Feine Ermuͤ⸗ 
dung kenne, und es für die größte Tugend und Boll, 
fommenheit eines Mannes halte, Freunden ſtets im 
Wohlthun, wie Feinden im Leidthun zuvorzukom⸗ 
men tr). Mit diefem unfchuldigen Liebestranke ſuchte er 
Ä zwar 


[U — m 


®) Symp. Xen, c. 8. p. a93. So nannte er auch bie Phi⸗ 
Iofophie feine Geliebte, Tu zyuas zasdıra. in 
Gorgia Plat. p. 316. 

“#) Xen. II. 6. & Plat. in Theag. p. 241. 

wer) Xen. l. e. & Il. ır. 

+) Siehe auch Theaet, Plat. p. 72. 

tH) Xen. |, c. p. 113, 


TE 
365; Sedentes Buch. Zweyt 0 
3 alle wuͤrdige Menſchen, aber doch ſeine Mit, 
u einge 








er als Fremde und Ausländer an. fidy zu * 
weil er es für feine Pflicht hielt, eher. jenen als dieſen ii 
ügen *). Unter feinen Mitbuͤrgern ftellce er am nah 
fften ver biegfamen Jugend nad), weil er fi) am end 

chefn fonnte, biefe nach feinen 
den zu Finnen *",  Sofrates war ſo gluͤcklich in fe 
ungen, daß er die größten Männer feines: 
imter feinen Schüften gählte, und bie reichſten per 
. völlften Tünglinge in fich verliebe , ober zu Em 
bern machte, anſtatt daß ſie, um in der 
en Zeit zu reden feine Geliebte ren mie 






> 
End 





ve ‚Piat, p. 13. in Apol. Socr, Taura.zon — 
ei meeoßuregn, ITS av ErTUYKoove — 
fen ee νν Kal mus. —R * 
Mean id wild , fagte er zum Xheober, ber bie Drake 
..matit mit Wepfall in Athen lehrte, mehr um bag, mad 
in Kyrene, ale mas in Athen vorgeht, bekuͤmmerte; 
fo mohrde Ich dich fragen, ob es in Seiner Beterfert 
aundch Juͤnglinge gebe, bie der Weltweisheit und anders 
u Wiſſenſchafften obliegen. Da ich aber meine Landélen⸗ 
- te mehr als die beinigen liebe; fo wünfdte ich won bir 
. zu wiffen, ob bu unter unfern Juͤnglingen nicht eine 
. ge angetroffen haſt, bie deinem Vermuthen nach ber 
einft einen großen Namen erhalten werben. Hiernach 
forſche ic felbft, fo viel ich fan, und erfundige mich 
bey allen, von benen ich erfahre, daß Juͤnglinge fich 
um fie ber verfammien. in Theaet. p. 69. 

9 Aleibiad. ap. Flat. in Conbivio p. 194. Kaus ne 
"FO 8X EME MOVOv TAUTO TETOMKEV, AM Kuh 
Xxenidv, rov TAwuxavos, #4 Eu$ Kov, To 
AsoxAess, no adBs Mewu WohEs, 85 Bros 
elanarav ws Bgasus, Train —* œurec 


—RR& — —— — de. 


in: 


| 


Geſchichte des Sokrates und. feiner Phil. 365 


Auch in Anfehung der Sprache und der Einfleis 
bung feiner Gedanken unterfchied ſich Sofrates von den 
Sophiften eben fo fehr, als in Ruͤckſicht ver Abfichten 1 
in welchen er lehrte. Anſtatt dag die Sprache ver Sos 
phiften ganz aus Fünftlichen und praͤchtigen Blumen ges 
webt und ihre Neben mit bichterifchen Tropen und Figus 
ren, befonders mit fühnen Metaphern und auffallenden 
‚Gegenfäzen gefchmüct und überlaven waren , die Uns‘ 
wiftende in Erflaunen fezten, aber in Kennern bald Lies 
berdruß erweckten *), fo war bie Sprache des Sokra⸗ 
tes eine ungefchmückte Tochter der unverdorbenen aber 
kraftvollen Natur, die gleich ihrem Schöpfer beym ers 
fien Anblick nicht allein nichts einladendes, fondern viel 
mehr etwas abfehrecfendes hatte, die aber auch bey. eis 
ner nähern Bekanntſchafft, wie Sofrates felbft, reiz⸗ 
voll, und gleich dem Geſange der Sirenen unwiderſteh⸗ 
li war. Sein Vortrag, fagt Alkibiades **), hat we⸗ 
der mit dem Vortrage eines Altern , noch) eines neuern 
Redners die geringfte Aehnlichfeit, und man Fanır ihn, 
wie den Sofrates felbft, mit nichts beffer, als mic den 
hölzernen Silen » Bildern vergleichen , die äußerlich) uns 
anfehnlich , innerlich) aber mit den fchönften Statuen von 
Göttern angefülle find. ben fo fcheint die Sprache 
des Sokrates poͤbelhaft und lächerlich, wenn man Ihn 
ſtets von Schuftern, ober Gerbern, ever Efeln reden, 
und ähnliche niedrig fcheinende Wörter und Gleichniffe 
rauchen hört; allein wenn man eben diefe Worte und 

Reden, 





— —————————— 





[ 707 














2) Mau fehe nur allein Cicer. orat. c. 52. Die Abrigen 
Stellen werde ich zu ihrer Zeit prüfen und aus einan⸗ 
der ſezen. . 

) In ber Lobrede, die Plato ihn voll Begeifterung auf den 
Sokrates, deſſen Philoſophie und Berebſamkeit halten 
laͤſt, in Conv, p. 193,194. rn 


966 Siebentes Buch. Zweytes Capitel. 


Reden, die zuerſt das Ohr beleidigen, aufſchließt; fo 
findet man fie voll von Goͤttlichkeit, und mit Den glän 
genden Bildern der Tugend angefült. Wern ich fonft 
den Perikles ober einen andern großen Redner hörte, f 
« wurde ich unferhalten und ergözt, und ich fühlte, daf 
er fhön gefprochen hatte. Aber bey Feines Sterblicen | 
Reden habe ich das empfunden, was mich Diefer durch 
bloße Worte bezaubernde Satyr hat empfinden laſſen 
So oft ich ihm höre, fo bin ich wie bezaubert und aw 
gefeſſelt. Mein Herz pocht mir, mie einem begeifterten |; 
Korybanten; meine ganze Seele wird von feinen Wer | 
ten, wie von Schlangenbiffen, verwundet, und iſt ve | 
Unmillens , daß. fie noch immer fo roh und fo felanen | 
artig gefinnt ift. Ich weine oft Thränen des Lmmmu 

und ftelle mir vor, daß ein folches Leben, als ich fuͤhre, 
elend und unrühmlich fey. Und ich bin, ſezt er Bine, 
nicht der einzige, der fo Finbifch weint und fo an ſich 
ſelbſt verzwenfelt, fondern viele andere thun veßgleichen®), 
Er ift der einzige, vor dem ich mich, fo unglaublich bie 
ſes auch fcheinen mag, ſchaͤme, und fürchte. Ex zwingt 
mich zu geftehen, daß mir noch unendlich vieles zu einem 
guten Bürger und vollendetem Manne fehle, und daß 
ich mich immer noch ſelbſt vernachläffige, da ich mich 
ſchon mit ven Angelegenheiten der Achenienfer befange. 
Doll Schaams und mir meiner eigenen Unwuͤrdigkeit 
beruft, fliehe ich vor ihm, als einem erzärnten und be | 

| leidige 











2) Ehen dies erzählen Plutarch II. p. 12. in Vie. Aldb. 
und Cicero II. Tufc. quaeft. 32. wie es ſcheint, ned 
aus andern Schriftſtellern, ald aus dem Plato. Als 

kibiades fühlte die Wirkungen der Lehren des Soßrates 
fo lebhaft, daß er fagte: Die Bemühungen des Su 
krates feyen ein Bätterbienft, der zur Bildung an 
Mehlfars ver Jugend abziele. Piut, I, c, 





Geſchichte des Sokrates und feiner Phi. 367 


leidigten Herrn, und mwünfche oft, daß er nicht mehr 
feyn möchte, ungeachtet mir boch auch Fein größer Uns 
gfück widerfahren konnte. Dieſer meifterhaften Per 
fchreibung des Sofratifchen Vortrags, die das, Gepräge . 
der rheit unverfennbar an fich trägt, fcheinen am 
dere , nicht minder richtige Schilderungen derfelben zu 
‚voiderfprechen, und ſchwerlich würde jemand, der bie So⸗ 
Pratifche Beredſamkeit nur von der Seite fennt, von: 
welcher Alfibiades fie beym Plato varftelle, ihre uͤbri⸗ 
gen nicht weniger eigenthümlichen Borzüge errathen koͤn⸗ 
nen. Ein Bortrag fheint es, der fo uͤppige und aus⸗ 

slaffene Juͤnglinge, vergleichen Alkibiades und feines 
Seichen waren, fo tief rührte, fo gewaltig erfchütterte, 
fo nachdruͤcklich ſtrafte, und fo mächtig beflemmte, ein 
folcher Bortrag mufte ernfihaft, und finfter”), wie bie 
Demoftpenifche Deredfamfeit , vielleicht gar muͤrriſch 
und zuͤrnend, wie die des Epiftet, ſeyn. Don alle Dies 
ſem aber traff man in den Neben des Sokrates nicht 
allein Feine Spur , fondern gerade das Gegentheit ar. 
Denn felbit alsdann, mens er ſtrafte und niederſchlug, 
fehimmerte in feinen Reden eine hünmlifche Milde und 
Heiterkeit, welche der Abglanz feines ſtets ruhigen zus 
ftievenen Herzens waren **), und überdem eine unbe, 
fchreibliche Grazie und Süßigfeit durch, die aber nicht 
bloß ergozte und in Vergnügen auflöfle, fondern Ei 














*) Die Griechen druͤckten dieſes durch dad Wort rıxguos 


aus. 

%#) Cic, de oflic, I. 30. De graecis autem, dulcem, & 
facetum, feftivique fermonis, at.que in Omni oratio- 
ne fimulatuorem, quem ana jraeci nominaverunt, 
Socratem accepimus, & c, 37. Sit igitur bic fermo, 
in quo Socratici maxime excellunt, lenie minimeque 
pertinax: inüt in eo lepos, .— 


: 3 BE, . 
zos ¶ Siebentes Buch Aiıpies.Capili 


u uͤther durchdrang, und verwundende Stachein har / 
zuruͤckließ *). Seine Sprache war ſich ſeibſt 
2. fo gleich, als fein Geſicht und Charakter es waren; 
eeben fie wurde auch das erfte Mufter der. wahren, 
..." fepen Sprache und Wohlredenheit ,. die er auf einmal 
=. pon aller der falfchen Schminke und unächtem [es 
-fäuberte, womit die Sophiſten fie beftrichen. und bu 
ingt hatten**). Seine Sprache war fo.einfälfigum 
-funftlos, und der des gemeinen febens fo Ähnlich, dah 
anan-fchon Kenner ſeyn mufte, wenn man fie bon di 
unterſcheiden wollte, und daß Unwiſſende dieſe am 
‚sten nachzuahmende Einfalt leicht erreichen zu Fönnen 
glaubten F). Ahre größte Zierde befland in einer 
‚berdörbenen Eraftvollen Gefundheit , in einer jun 
ichen Neinigfeit, und oft in einer an 
läffigfeit , die ihr aber, wie einem’ ſchoͤnen Frau 
mer/ beſſer als der ausgefuchtefte Puz fand, 








x.#) Gprade bad Gegentheil von der Berebfamfeit Bes De 


\ duom ut memoriem coneinnitatis fuse,'non, quemadı 
modum de Pericle feripfit, Eupolis, cum — 
ne aculcos etlam relinqueret n animis eorum, a 
quibus effet auditus. J J 
®*) Vid. Cic, Brut. c, 8. orator.e. iꝛ. Haee traclaſ⸗ 
Thraſymachum chalcedonium, primum, _& Leonti- 
num ferunt Gorglam, Theodorum inde Byzantium, 
- multosque alios, quos Acyodisıdergs appelle in 
Phaedro Socrates: quorum fatls arguta multa, fed 
ut modo, primumque nafcentia, minuta & verficı- 

. lorum fimilia depicia. . 

+) Brut, 82, & Orat, 23, 


“r 


Gefehichte des Sokrates und feiner Phil: 369 


vahren Artifchen Sprache blieben alle feine aͤchte Schuͤ⸗ 
er, und alle nachfolgende große Redner und Schrift, 
Teller treu, fo fehr fie auch durch die Berfchiedenheit ver 
Talente dieſer Männer vermannichfaltigt wurde”), Uns 
ter den Verdienſten des Sokrates darf man alfo auch 
siefes nicht vergeffen, daß er die Sprache feines Volko 
nicht weniger , als die Denkungsart deffelben, und dig 
ganze Philoſophie gereinigt und gebeffert habe, 


Die tehrart des Sokrates war nicht minder der 
Segenfa; von ber Methode der Gophiften, als er von 
je in Rüdficht auf Betragen und Sprache abwich, 

ofrates lehnte nicht nur den Ehrennamen des Weiſe⸗ 
fen unter ven Griechen ab, ven Apoll feloft ihm zuer⸗ 
lahm hatte, fondern er wollte nicht einmal für einen 
rigenclichen tehrer gehalten feyn **). Er ſey zwar, fagte 
ep, ſtets bereit, einem jeden auf feine Fragen zu ant⸗ 


mworten : er theile auch) alles, was er wiffe, gerne feinen. 


eunden mit, lefe mit ihnen die Werke ber alten Wei⸗ 
en, merfe fich in ihrer Gefellfchafft alle Gedanken und 
Sprüche, bie ihm wahr und nuͤzlich ſchienen, und pruͤ⸗ 
fe diejenigen, die er fuͤr falſch und ſchaͤdlich halte: end⸗ 
lieh. führe er. die wißbegierigen Juͤnglinge, die etwas zu 
fernen begehrten, mas er nicht wifle, zu folchen, wo 
fe den gewuͤnſchten Unterricht empfangen koͤnnten; übeis 
gens feye er ſich feiner geringen Kräfte und Kenntniſſe 
w-fehr beruft, als daß er es auf ſich nehmen follte, 
andere Menfchen gleich den Sophiften unterrichten, 
und ihnen neue und feltene Kenntnifle mittheilen zu koͤn⸗ 
» nen 


FIRE 














*, €. 82. orat. Cicer. 
©) Plat, in Apol, Soer, p. 8: & Xeriopl, Memer, 1, 4. 
pP: 10. 


Zweyter Band. Ka 


370 Siebentes Buch. Zweytes Kapitel, 


nen *). Sokrates lehrte daher auch nicht zu beſtimm⸗ 
ten Zeiten , an beftimmten Orten und für 
onen: er errichtete feinen Lehrſtuhl für fich, und 
eine Size für feine Zuhörer; fondern er wandelte den 
ganzen Tag In den Gymnaſien, und an andern öffentl, 
chen Plaͤzen der Stadt, in ven Werkſtaͤtten von Kuͤnſt 
lern und Handwerkern, ja felbft in den Häufern von 
Buhlerinnen, und an allen übrigen Orten umher, wo er 
offen Eonnte, viele Menfchen anzutreffen **), und um 
terhielt fich an allen Orten, zu allen Stunden des Tu 
ned, mit einem jeben, der ihn anrebete oder ihm aufs 
— ‚ über allerley Gegenſtaͤnde, meiſtentheils uͤber fob 
che, in deren Behandlung entweder er ſelbſt, ober dies 
jenigen, zu welchen er fprach, nüzliche Belehrung finden 
fonnten. Er philofophirte alfo, wie Plutarch fich aus⸗ 
drückt, er mochte mit feinen Freunden fpielen und trin 


fen, oder fich mit ihnen über ernftliche Materien unter | 


reden, Im Felde ſowohl als in der Stabt, auf 


hen Diägen, wie in Privathäufern, felbft im Gefäng 


niſſe, als er ſchon gefeffelt war, und den toͤdtenden 
Giftbecher in der Hand hielt 7). Er rebete nie allein, 
und 





E 


_#) Xenopb. Mem. I. 6. p. 59. IV, 7. 258. Plat. Apol, 


Soer. p. 
@) Xen. I. 1. Mem. Soer. p. 5. Plat.p. 195. in Symp, in 





fine. Liban, Apol. Socr. Tom. I. p. 641. vorzdeih 1: 


Plutarch op. Fr * 79 180, in ber Abhauie 
Iung, ob ein Greis ſich auch noch mit äffenel 06 
ſchaͤfften abgeben müffe, j earikten 


» Plut. I. e. Zuxeerns yar are Baden Jas, gr N 


ess Igovov nadıcas, ure weav dieereißns, n 
WEOITATE, TOIS YymgInois TETAYMErny DuAar- 
TV, RR no TEaICay OTE TUXO, Kos GyuRı 

. yo, 


Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 371 


and lange hinter einander , und haßte deßwegen auchbie 
weitläuftigen und forgfältig ausgearbeiteten Prunkreben, 
welche die Sophiften oft an den feierlichen Spielen * 
und allgemeinen Verſammlungen von ganz Griechenland 
piece ‚ die aber, ohne dauernden Nuzen zu ffiften, 
loß das Ohr und die Phantafte dee Zuhörer Fizelten, ins 
dem Gedanken und Bilder fo fchnell vor dem Geifte der⸗ 
felben vorüber geführt wurden, daß fie Die wahren nicht 
erfennen und behalten, bie falfchen nicht prüfen, und 
die dunkeln oder unvollftändigen nicht aufhellen und er⸗ 
gänzen laffen Fonnten *). Unter dem Borwande, ba 
er ein ſchwaches Gedaͤchtniß befize, und ven Anfang vor 
Reden ſchon vergeffen habe, wenn er Ihr Ende höre, ers 
faubte er feineri Gegnern den Sophiften nie, fo oft er 

mit ihnen ſtritt oder unterfüchte, fich auf vorgelegte Fra⸗ 
gen In weirläuftigen Antworten zu verbreiten, wie fie : 
gerne thaten, um nicht von einem jeden Ausſpruch ges 
naue Nechenfchafft geben zu dürfen, um ferner die Zus 
börer durch feine unmerfliche Uebergänge oder Abwege 
bon der Hauptfrage abzuführen, oder fie auch durch ven 
Zauber ihrer Beredſamkeit vergeffen zu machen. Ce 
noͤthigte fie, die Waffen und Ruͤſtungen, wodurch fie 
allein furchtbar und unüberwindlic) waren, gegen bie 
feinigen zu verfaufchen: oder fich von der Höhe ihrer 
beclamatorifchen Beredſamkeit, zu der geringeren Kunft, 
in der er allein eine mäßige Erfahrenheic gu befizen vor⸗ 
zab, nämlich zur Kunft heradzulaffen, eine jede Sache 
nit gemeinfchafftlichen Keäften durch Fragen und Ants 
aa wors 


vov, xls Gusenrevonevös »Viois, Has Buy Yoßl- 
Luy, Teros de ns owvdedemevos, Koh 7FIyay To 
Dotepaxov eDiAotade Kr, 
8) Plat, in Prolog, p. 293» 





77% : Siebentes Buch. Zweytes Eapitel. = 


worten zu ergründen ). Diefe Unterredimgskunſt, 

oder Dialektik, deren ſchwerſter Theil immer die Kunft 
zu fragen war, iſt von der elenden eingefchränften Die 
-festit der Sophiften fo gänzlicd) verfchievden, daß man 
fie als eine dem Sofrates eigenthuͤmliche Kunft amfehen 
‚ann, die er zuerſt erfunden, und die auch er allein in 
GStiecheriland mit Gluͤck und Muzen ausgeuͤbt hat. Ei 
ne Schüler drückten fie vollfommen in ihren Werfen auf, 
‚aber feiner ahmte fie im woirflichen Unterrichte und is 
Yhnganze mit feinen jüngern Freunden nad) **): 











. 


"sy Pla.) e. Ä | 
+ au, Diefe‘ dem Sokrates eigenthuͤmliche Methode, 

durch lange Reben, ſondern in freundſchafftlichen Be 
fprächen zu unterrichten, veranlaßte Eicero zu dem Um 
theile, daß Sofrätes zuerſt ſolche Künfte, die dur 
ein natürliches‘ Band mit einander verbunden ſeyen, 
getrennt, und zuerft Philofophie von Beredſambkeit abs 
gefonbert habe, de orat. III. 16. Quorum princeps 
Soerates fuit, is qui omnium eruditorum teftimonio, 
totiusque judicio Graeciae omni prudentia & acumi. 
ne, & venuftate, & fubtilitate, tum vero eloquen- 
tie, varietate, copia, quam fe cumque in partem de- 
diffet, omnium fuit facile princeps. Id iis, qui haee, 
quae nos quaerimus, tractarent, agerent, docerent, 
cum normine sppellerentur uno, quod omnis rerum 
optimarum cognitio, atque in iis exercitatio phil 
fophia nominaretur, hoc commune nomen eripuit, 
fapienterque fentiendi & ornate dicendi feientiam, 
re cohaerentes fuis difputationibus feparavit, — 
Hinc difeidium iftud exftitit quafi linguse atque cor- 
dis, abfurdum fane & inutile, & reprehendendum, 
ut alii nos fapere , alil dicere docerent, Mit Recht 
hätte man aber gegen ben Cicero einwenden koͤnnen, 
daß die Sophiften zuerſt Beredfamteit und Rhetorli 
mit der Philofopbie zum großen Nachtheil Der leztern 
verbunden hatten, und daß bie Weltweiſen allmälih 

win 


Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 373 

Die Dialeftif oder Unterredungskunſt des Sokra⸗ 

3 hatte gleichfam zween fich ganz entgegengefezte Theile, 
er er felbft hatte und behauptete in feinen Geiprächen 
ven zwiefachen ungleichen Ton *). Wenn er mit fol 
in Perſonen redete, Die er zu voiderlegen und zu bes 
eiten und dexen einbilderifche Unwiſſenheit oder Unfaͤ⸗ 
jfeit er fie felbft und andere fühlen machen wollte; 
bediente er ſich der Ironie, von welcher ihn Das gan⸗ 
Alterthum den Erfinder nenne **). Dieſe Sokra⸗ 
he Ironie beftand nicht. bloß darinn, daß er unter 
n Scheine des Ernſtes, pder Des tobes, oder Bey⸗ 
ls, Derfonen, Gegenftände und Meynungen tadelte, 
herlich machte, und vermarf F), oder bag er feine eis 
ıe Kräfte und Kenntniſſe herabfezte, und die Gaben, 
lelwiſſenheit, und Weisheit feiner Widerfacher er 
Ä Aa 3 bob; 





u EEE SEE 





wieber Sophiften wurden, als fie bie Philoſophie und 
Rhetorik mit einander wieber zu verbinden, und zus 
gleich vorzutragen anfingen. Man fehe noch das Ur⸗ 
theil des Craſſus, den Eicero in diefem Buche reben 
laͤßt, über den Sieg, den Sofrates Äber den Borgias 
m dem Platonifhen Geſpraͤche gleihes Namens davon 
trägt c. 32. | 
) Xen. I, 14. p. 42. | 
°5) Dies war aber nichs in ber Bedeutung wahr, als wenn 
- Niemand vor dem Sokrates ironiſch geredet hätte, 
denn fonft wäre felbft ber Name esgwv und ergmver 
noch nicht erfunden gewefen, fondern nur in bem Sin⸗ 
ne, daß Fein Weltweifer in diefem Tone geredet unb 
gelehrt, und die Ironie in einem folhen Umfange ges 
nommen hätte. | 
) &o befchreibt fie Cicero de Orat. II. 67. I. 30. Tuſe. 
quaefi. So findet man fie in der Unterredung mit 
dem Kritias und Charikles Memor, Socr. 8. 3. p. 23. 
mit bem Gutbybemus IV. 2. a 


57% 2 u 2 32 
; ober daß er bie iatern für feine Meifter , und 
r Weiſe, und ſich für einen lernbegierigen noch umil 
- finden und ſchwachen Schüler ausgab, mit welchem fe 
mehr Nachfiche und Mitleiv Haben, als fie über ihn zn“ 
um r müßten “); fonbern vorzüglich darinn F), daß er | 
ter dem Vorwande —— niemals erwes 
a eine entfcheidende Art behauptete feine May: 
nung fich beftimmt herausließ, daßer allen Bemuͤhun 
ion zu firiren, geſchickt auszuweichen und feine 
— durch) feine Wendungen’ dahin zu bringen fuchte, 
HA frey neze )5 daß er aisdam 
unfchuteigen Miene ins annes, der fich bloß 
Ju —e und nähere Beſtimmungen aus zubitten 
- füchte, und ohne ſich durch Grobheiten foren oder au⸗ 
Ber Faſſung bringen zu laſſen, feine Gegner durch eine 
Menge von ragen, von denen eine — — beant · 
worten, oder wenigſtens gar nicht verfäi —2 
„wie durch eben fb viele unfichtbare Stricke San bo 















. ©) &o befchreibt ie Eieero in Bruto o, 95, So findet man 
fie im Protagoras des, plate P- 292, 94. in Hii 
—8 — 357. 358. de republ, I. 32. 34. & 


* * Rep. Plat. 


) 1. 
D Un Ye Theil ber Iroaie war dem Sotratıs ganz g⸗ 


Imlich, 

m PR de Rep. I. 30 p. bef. aber Xen. Mem; 
Soer, IV. 4, p. 236. 37. Du ſollſt, fagt Hippias u 
der legten Stelle, nicht eher meine Meynung höre, 
ols bis du gefagt haft, was du bir unter dem, 
Recht fey, denffl, Denn es iſt nicht genug, de 
Beftändig frägft und wiberlegft, ohne felbft deine 
ung fagen zu wollen. — Und etwas weiter: — a 
M — Sokrates, daß du es ſchon wicber zu ven 

fuÄR, weine elgenen · Gehanten worgnbrin 
' 


| 1 l 
Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 375 


gen und verwirrt machte, daß fie wie von einem 
nächtigen Beſchwoͤrer gerührt ba ſtanden, ohne ein 
Vort vortragen zu Eönnen *). 


Aq 4 | So 


J 





” So ſagt Menon p. 337. in Men. Plat. Kos doness 
* MO MONTEAwS, es des Ti ne TV TR EMOIOTE- 
roc EVA To TE dos. na Ta ARE, TaUFy Ty, 
Are vrong Ty Sarmrrıa. Kaas yge ausm ' 
TOV ces MÄNTIECOVTE, Ni OCMFOHEVER varoneay 
zo. Kay av doness Mos vuv BUE TOBFOV TI We- 
romuæevc vocnav. CANIMS YaE EiYmys na Tau 
WVuXm was To SWURS vaena, Kai 8% EX, O7 
PETFOREIVORLO For Kb Toi MUBICWIS Ve TER 0e- 
INS TEUNORBS Aoyss zıenna. Sobkfrates will 
dieſes Gleichniß nicht gelten laffen. 8 Yue, fagt er, 
puæoemvu KUTOS, TEE RÄABS TFOIO CORE, Ada 
BAvTros Mamor aTToemy Erw na T AABS 
Kom rrocew. Dies thut unterbeffen Gofrates im 
Gorgias des Plato, und allen Übrigen Gefprächen, in denen 
er fi mit den Sophiften guterhält. Man lefe beſonders, 
wie ſanft Sokrates dem groben Kallifles antwortet, aber 
wie ſchnell er ihn dukch bie Wiberfpräche beſchaͤmt, von wels 
hen er zeigt, daß fie In feinen Rehauptungen verborgen 
feyen, S. 318. Selbft feine Geſtaͤndniſſe von Unwiffens 
heit, und zwar in Dingen, bie alle Menfchen wiffen follten, 
daß er zum Beyſpiel felbft nicht wiſſe, was Tugend fey, 
und au noch niemanden gefunden, ber es gewußt 
babe, in Menone Plat. p. 334. Gelbft diefe Seſtaͤnd⸗ 
niffe machten einen Rpeljener Ironie aus, wie Barso _ 
zihtig bemerkte (Ac, qufeft, Cicer, I. 4.), und es war 
alfo ſaͤcherlich, wenn bie nenern Akabemiker ben Gos 
krates in ihre Parthey au ziehen, und zum Vertheidi⸗ 
ger der Unbegreiffichkeit aller Dinge zu machen fuchten. 
IV. 23. ib. Auch Gestus thut dem Sokrates Unrecht, 
wenn er ibn fagen läßt, daß er nicht einmal wiſſe, 
ab er ein Menſch, oder rin noch raͤthſelbafteret Bus 


376 Siebentes Buch. Zweytes Eapitel, 


Ä So befcheiden und oft demuͤthig Sofrates im An 

fange der Unterredungen mit folchen Menfchen mar, du 
er zuͤchtigen wollte, fo zuverfichelich und unbarmherjig 
* wurde er meiftens gegen das Ende berfelben, wenn e 


6 jenes Sieges einmal verfichert hatte. Alsdann lieh }: 


er nicht eher von feinen Gegnern ab, als bis er fie gany 
lich gedemürhiget und zum öffentlichen Widerruf um 
zum Geftändniß Ihrer Irrthuͤmer oder ihrer Unwiſern 
heit und Unwuͤrdigkeit gezwungen hatte *): | 
Wenn die Steonie des Sokrates nicht bloß em 
Gabe der Natur und eine Folge der eigenchämlichen 
Anlage feines Geiſtes, fondern das Werk frener Wahl 

und 


ne % - * 





forſchlicheres Gefſchoͤpf, als Typhon, ſey. VI. ade, 
Mathem. S. 264. Sokrates ſagt im Phaͤbrus weiter 
nichts p. 196. Plat. als daß er alle Unterfuchungen, 
die ſich nicht auf ihn und feine Natur bezoͤgen, aufge 
geben habe, daß er fich felbft noch nicht ganz Penne, 
wie der Apoll zu Delphi einem jeden Menfchen auta 
the, und daß er ſich alfo ganz allein damit befchäfftige, 
ſich felbfk zu erforſchen, und zu entdecken, pb er ein 
dem Xyphon Ähnliches unerklärlides, ober vielmeht 


ein fanftered zahmeres Geſchoͤpf fey, das einen Funken 


ber Gottheit in feiner Bruſt trage, und ein Xheilnch 
mer einer reinen göttlichen Natur fey. | 

P) So gab Thraſymachus bad Begentheil von allem, was 
er vorher fo dreift behauptet hatte, nur gezwungen, nal 
mit Vergießung von vielem Schweiße zu, und mas 
fah ihn jezo zum erfienmale erröthen. de Rep. I. p. 


| 


| 


63. 69. Auch Kallikles wollte gerne das Geſpraͤch mit | 
bem Sokrates abbreden, ale et merkte, daß es cm 
ibm nachtheilige Wendung nahm (p. 325 in Gorgis); 


allein Sokrates drang immer heftiger in ihn, fo daß er 
fh über Gewalt beſchwerte, welche Sokrates Ihm 
authue. "Is Picios 4 @ Emngartes. goev de eu 
BIN, EOTeS Kanes Fov Aoyov TEFEV, N Ki 
X Tor drehe BE 


Geſchichte des Sofrated und feiner Phil. 377 


nd einer beftändigen Llebung wars fo verdiente So—⸗ 
rated, ihr Erfinder, um befto mehr Bewunderung, 
ya die Pfeile der Sronie, wie auch der Erfolg lehrte, 
ie angemeffeniten Waffen waren, womit er fol 
he Männer , ale die Sophiften waren, befäms 
fen Eonnte. Den allen ben großen Wirkungen aber, 
velche die Sofratifche Aronie hervorbrachte, war fie 
yoch nur in: einer Demofratifchen Berfaffung, in wel 
her faft unbegränzte Freyheit, eine eben fo große Frey⸗ 
müchigfeit im Reden gerade gegen bie angefehenften Mäns 
ser nach fich zog, und auch nur in folchen Zeiten, als in 
rselchen Sofrates lebte, braucdybar und heilfam. In 
andern Staaten, und Zeiten, und gegen andere Mens 
chen würde fie unanmwendbar und vielleicht ſchaͤdlich, we⸗ 
gftend demjenigen, ber fich ihrer wie Sofrated bedient 
yatte, noch fchneller, als ihrem Urheber tödtlich gewor⸗ 
sen ſeyn. Sokrates wagte fich mit feiner Seelen durch 
ringenden und entkleidenden Ironie nicht bloß an bie 
Sophiften , fondern auch an alle diejenigen, die fich 
veife duͤnkten, ohne es zu ſeyn, oder die den beſſern 
Theil ihrer felbft um vergänglicher Kleinigkeiten willen 
sernachtäffigeen. Als Ehärepbon, ein warmer Jugend⸗ 
reund des Sofrates, auf feine Anfrage vom Apoll zu 
Delphi die Antwort erhalten hatte, daß es Feinen weis 
ern Mann in Griechenland gebe , als Sokrates fey, 
'tonnte diefer nicht begreifen, wie er, ber fich feiner ei⸗ 
jenen Schwäche und Unwi enbei berouft zu fenn glaubte, 
ennoch für den Weiſeſten ver Griechen habe erkläre wer⸗ 
ven koͤnnen. Er fing alfo an, in der Abficht, den ae 
Sinn des Goͤtterſpruchs zu erfahren, Dichter, Sophiften, 
Demagogen und Redner zu unterfuchen. (Er fand aber 
yurchgebends , daß diefe Männer nur weiſe fchienen, 
shne es wirklich zu ſeyn *). Zugleich uͤberzeugte er ſich 

—* ge "hop 





* ns GERD SE 
“ [1 > - . ⁊ 


#) goer. Apol.8. 9 











* Em Bud; Bonn ea 


tbuͤrget zu 
ganuntern und ihre Wunden —— damit 
er aus geheilt werden koͤnnten F)." Er molle, fagte 
FI), role er blgher gethan Habe, allen Menfchen ofne | 
en, Bürgern und Fremden, Zungen und Alten | 
" aueufen, baß fie weder füriprefeiber, noch für ipre Güter, 
noch für irgend etwas anders fo fehr, als für — 
hrer Seelen ſorgen — indem man nicht dur. 
Tugend, ſondern durch Tugend Schaͤze, und ai — 
ſowohl haͤuslichen als öffentlichen Guͤter erwerbe. Wenn 
er ſolche antraff, die dieſes nicht gag, ſo — er fie, || 
En le el —— se melche wegen || 
ver t un! t fo t fen, ob fie fü 
vicht fehämten, nad) (Ehre A und Br 








® Apol. p. 13, 


s pe [3 1, *L. — 


Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 9 


nern mit einer fo heftigen Beglerde zu ſtreben, und hin⸗ 
jegen Weisheit und Tugend fo fehr zu vernachläffigen, 
Sagte alsdann jemand, daß er ſich auch um bie leztern 
Hüter bemühe, fo ließ er fich nicht gleich befriedigen, 
onbern er prüfte ihn feharf, und wenn er dad Gegen» 
Geil des abgelegten Befenntniffes fand, fo machte er 
Em deßwegen frenmüthige Bormärfe *), Um folcher 
Warnungen und Prüfungen willen verfündigten es meh⸗ 
ere dein Sofrates, und Sokrates ſelbſt fah es vorher, 
aß er vielleicht dereinft von fchlechten Menfchen werde 
‚ors Gericht gefchleppt, und wie ein Arzt, der einen 
Roch zum Anfläger habe, von einem Gerichtshofe von 
Rindern werde verurtheile werden **), So wie ein fol 
her Anfläger ſolche Richter leicht überreden wuͤrde, daß 
ser Arzt ein Derberber der Kinder fey, indem er ihnen 
sicht nur alle Annehmlichkeiten verfage, fondern auch 
jie bitterften Tränfe reiche, fie zum Hungern und Dur⸗ 
tem zwinge, und ihnen wohl gar ſchmerzhafte Wunden 
yeybringe; fo werde auch er wahrfcheinlid) von füßen 
Schmeichlern angeklagt, und von Kranfen, die ihre 
Krankheiten mehr als bittere Huͤlfsmittel liebten, als ein 
Berführer der Jugend und ein Feind des ganzen Volks 

serbammt wetden 7), | 
Bon der Sronie des Sofrates war feine zweyte 
Methode, die geiftige Hebammenfunft, mehr in Anfes 
hung des Zwecks, den er zu erreichen fuchte, als in Ans 
fehung des Ganges feines Geiftes, und der Manier, 
auch felbft des Tons, in dem er redete, verfchieben, 
Anſtatt nämlich, daß er Durch die erſtere Männer, an 
RT * 











*) ib. p. 12. & inpr. in Lachete p. 255, 

") Man ſehe Plato in Gorgia ©, 331. & in Menont 
P+ 343 | 

+) ib, 





399 ¶ Eybbbentes Buch, Bepteg Cat 













deren Befferung er dergwenfelte, luͤcherllch und "werktht 
fc machte, demuͤthigte und niederfchlug, fi 
irch diefe Junglinge und Männer, denen er 
) zu werben hoffte, zu belehren und zu 6 
e Methode beftand hauprfächlich darinn 
ö jeigert, auf weſche er Abfichten hatte, di 
eichelehen an fich zu ziehen Zund Ihre % 
it Und Zutrauei zu gewinnen Mi 6 * 
er alsdann durch eine Menge von Beyſplelen, 
je ‚die erften oft gar Feine, -die folgenden a n 
und mehr Beziehung auf die gegenwaͤr 
en, barthat, Daß eben fie, die fie jezo erio 
er unterfaffen woolften, etwas Billigren ober 
a8 ——— ——— gerade baffel 
ligen oder allen andern Fällen nicht koitden 
—— ‚nicht würden gebilligt ober. heta 
m oder verworfen haben **). “Of 
Frates auch durch Teichtfcheinenbe Fragen 
andern hervor, und nörhigte fie dann durch beftä 
ie rg Ech felbft fo fange zu widerrufen u 
sc näher zu beftimmen, bis fie endlich, Birch feine 
fe, gu bollftändigen und richtigen Begriffen und Cı 
a gelangten. Das erfte Verfahren hatten Xer 
. moppon, Ariſtoteles und Cicero im Sinne, wenn fie 
fest, daß Sofrates.die Induction ober bie Kunſt = 























— ⸗ ⸗ 
7 


3 Man leſe Memor. Soer. II, 3. $. 14. wie fanft er 
ben Chärekratos ſtreichelte, um ihm zur Aus ſöhnung 
mit feinem Bruder zu bewegen: wi; Y meifterhaft er den | 
Slauko behandelte, um ihn von einer Thorheit zurdds | 
zubringen, wovon ihn alle feine Freunde und Wer | 
—5* nicht heilen konuten III. 6. $. 2. eudlich wie 
ben Euthpdemus, ber ihn zu verachten affectirte, leide 

* ſam mwider-feinen Willen feſſelte IV. 2, 5.9. 
m Man fehe bie angeführten Stellen des Zeuopten, 


Zeſchichte des Sofrated und feiner Phil. 81 


chen Fällen zu ſchließen erfunden, ober doch häufig 
ucht, daß er nie eine Mennung geradezu angenom⸗ 
und bewiefen, fondern immer aus dem, was an⸗ 
ihm zugegeben, etwas gefchloffen habe, was dieſe nicht 
sen konnten, und daß er fie endlich Durch lauter Säge, 
e zugegeben, zu folchen hingeführt habe, die fie ſonſt 
angenommen hätten”). Auf das zweyte Verfah⸗ 
ingegen zielte Uriftoreles **), wenn er den. Sokra⸗ 
uͤr den Erfinder der Kunft zu erflären ausgab, und 
rates ſelbſt, wenn er von fich fagte, daß er feine 
ce Zeugen, als diejmigen, zu denen er rede, noͤthig 
, ‚um fie zu überführen, und daß ihm das Zeugniß 
jeden gegen jich felbft genug fey 7). Dieſe zweyte 
hode ifi es auch, welche Sofsates in einem fcherzs 
n, aber wahren und ausbrucsvollen Bilde feine 
ge Hebammenfunft nannte, die Plato ihn unnach⸗ 
lich) in feinem Theaͤtet befchreiben läßt, und von 
jer die erften fechs Capitel der Haushaltungskunſt 
Eenophon und diejenigen Dialogen des Plato, denen 
iten einen von der Sofratifchen Kunft abgeleiteten 
nen gaben, die merfwürbigfien Leberbleibfel find R% 


und nd inte sn ae Ge ehren 


‚ Xenoph. IV. c. 6. p. 257. ‘Ozore de auros vu 
ro Aoyo diekios, din Toy uaAısa ÖnoAoyBuE- 
Hay EWOLEVETO, vomlav TauTny TNV @0DosAeser 
‚essen Aoys. Toryde 8V BoAu uaAar Av wa 
ode, öre Aryor, Tas dnsovras, OMOAOVEITER 
roceye. Man ſehe auch Ariftotel, Metaph. u. & 
p. 217. Cicer. Top. e. 10. & de invent. I. 35 Uns aus 
ber legten Stelle eine wahre ober erbichtete Unterredung 
ber Aspafia hrit dem Kenophen. 

.c. | 
Pin Gorg. Plat. p. 313. & Arrlan. Differt. TI, 12. 26. 


+) Daserfte und zweyte Befpräch mis dem Alfibiades, fein 
Theages, Lyſis, und Laches. Diog, IL, 31. 


Sn 


292 Giebentes Buch. Zwehtes @apitel, - | 


Haſt du nie davon gehoͤrt, mein Sieber, fage Sokrates 
zum Theätet *), daß ich der Sohn einer gefchläten 
Wehmutter bin, und daß ich die Kunft meiner Mutter 
treibe? — Diele, die diefes nicht wiſſen, fagen mir ohne 
Grund nach, daß ich ein ungereimter Mann fey, ter 
fein Vergnuͤgen darinn fuche, andere verwirrt zu ma—⸗ | 
chen, — Wenn du dir aber die Mühe geben willſt, bie 
MNatur der Hebammenfunft genauer zu unterfuchen; fo ” 
wirſt du bald finden, daß ich mich mit Recht für einen 
Erfahrnen in diefer Kunft ausgebe. Du weißt erfilld, 
dag niemals Frauen, bie felbft noch Kinder zur Weit 
bringen, fondern nur folche, die Alters wegen weder 
empfangen noch gebähren koͤnnen, die Hebammenfunft | 
aus zuuͤben pflegen. Es ift dir ferner nicht unbefanzt, 
daß die Hebammen Arzneymittel und Befchwörungen qm 
wenden, um bie Geburtsfchmerzen und Wehen entwe 
der zu lindern oder zu erwecfen, um ſchwer gebährenben 
die Geburt der Kinder zu erleichtern, ober folchen, dk 
nicht gebähren wollen, die Frucht abzutreiben. Auch 
muſt du gehört haben, daß die Hebammen vie fchlauften 
Freywerberinnen und Eheftifterinnen find, indem fie eh 
am beften verftehen, welcher Mann oder Juͤngling zu 
weicher Frau oder Jungfrau paffen, und in welchen Bo⸗ 
den man diefen oder jenen Saamen werfen mäffe. End 
ich machen Hebammen Anfpruch auf die Gabe unten 
—* zu koͤnnen, ob eine Frau gebaͤhren wolle oder 
nicht: wahrhaftig eine herrliche Sehielichteit, wenn fe |. 
dergleichen wirklich beſaͤßen! = Meine Kunft ift de 
der Wehemuͤtter in allen Stücken ähnlich; und weicht 
nur darinn voh ber lestern ab, daß ich niche Meibe, | 
fondern Männer, und nicht Shrper, fondern Seelen 
entbinde, und daß ich in allen Faͤllen zuverläffig angeben 
Com, 





⸗ pr 71. % f in Plat, Thesst, 





Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 383 


nm, ob jemandes Verſtand ein leeres Schattenbilb 
1 einen bloßen Irrthum, oder aber eine dauerhafte 
jeiftesfrucht und nüzliche Wahrheit geboren habe. Lies 
igens geht ed mir eben wie den Hebammen, daß ich 
imlich unfruchtdar bin, und ber Vorwurf, den mit 
aige gemacht haben, ift nicht umgegründer : daß ich an⸗ 
re beftändig frage, aber auf keine Frage beftimme ants 
orte , weil ich nichts Kiuges zu fagen wiſſe. Die Urs 
che davon ift diefe, daß die Gottheit es mie zwar ver 
ben hat, der Geburtshelfer von andern zu feyn, baß 
mir aber auch) zugleich verfagt hart, ſelbſt zu gebähren 
d zu zeugen. 9 bin alfo auch weder weiſe und ges 
wc, noch Habe ich irgend eine große Erfindung als 
1 Fruch meiner Seele zur Welt gebracht. Eben da⸗ 
e kommt es auch, daß viele von denen, bie mit mie 
sgehen, anfangs hoͤchſt unmiflend und faft wie bloͤd⸗ 
mig ſcheinen, daß fie aber, wenn anders Die Gottheit 
sen nicht zuwider if}, ben fortgeſezter Bekanntſchafft 
 erftaunlichften Fortgaͤnge machen, wie fie felbft und 
dere glauben, Zum gewiffen Beweiſe, daß fie niche . 
n mie etwas gelernt, fündern alle ihre Kenntniffe und 
önen Wahrheiten durch ihre eigene Kräfte gefunden, 
ıD nur, mit meiner und det görtlichen Huͤlfe, aus ih⸗ 
e Seele hervorgezogen haben. Manche, bie biefes 
ehe wuften, fingen an, fich felbft anzuflagen, und 
rließen mich früher, als fie gefollt Hätten. Dieſe vers 
ren ihre Geiftesfrucht theild durch unzeitige Geburten, 
s fie fich durch den Umgang oder die Behandlung uns 
fchiefter Menfchen zuzogen, theils aber auch durch die 
echte Wartung deffen, wovon ic) fie entbunden hatte, 
bem fie leeren Trug und Irrthuͤmer mehr, als bie 
Zirflichfeit und Wahrheit fchäzten. Eine Folge hlevon 
ar, daß fie ſich und andern unfähig und unwiſſend 
yienen. . Wenn diefe fid) wiederum, tie es oft ges 
ehe, um meinen Umgang bewerben, fo erlaube m. 
mein 


384  Siebented Buch. Zweytes Eapitel. 
mein Genius, nur einige wieder anzunehman, und ander 
hingegen abzumeifen, von welchen jene alsdann eben fo 
gut, als diejenigen, die mir nie untreu geworden find, 
im.Öuten und an Weisheit zunehmen. Alle meine 
Freuude aber erfahren ehe das, was die Gebährenken 
leiden, -. Sie fallen in Geburtsfchmerzen, und werden | 
Tag und Nacht durch Zweyfel und Ungewißheiten noch 
mehr, als diefe gemartert; und diefe Geburtsfchme 
mein Freund, kann id) durd) meine Kunft ſowohl befän 
tigen als erregen und verftärfen. Wenn ich aber ſolche 
Perfonen antreffe, die. mir nicht ſchwanger zu. feyn a | 
sen;. fo füche ich ihnen alsdenn einen. Garten, ’ Ich 
werhe gleichfam ihr Freywerber, und errathe auch mei 
Pens mit Gottes Hülfe ganz gluͤcklich, weſſen Verbin⸗ 
bung ihnen zuträglich feyn kann. Auf diefe Arc habe ig 
viele mit dem Prodikus oder mit andern weifen und goͤth 
lichen Männern vermählt. . Dies alles habe. ich 
mein lieber Theaͤtet, deßwegen recht ausführlich erzählt, 
weil ich, wie du, vermuthe, daß deine Seele ſchwange 
fey. Gehe daher mit mir, wie mit dem Sohne eine 
Wehemutter, und ald einem Erfahren in der Hebams 
menfunjt um. Untworte, fo gut du kannſt, auf die 
Fragen, die ich dir vorlege, und wenn ich denn, bey 
genauerer Unterfuchung, deine Antworten als Mißge 
burten wegwerfe; fo werde nicht böfe, wie die jungen 
rauen, bie zum erftenmale niederfommen. Schon 
viele wurden darüber, baß ich irgend eine ihrer Lnge 
teimtheiten aufdeckte, fo aufgebracht gegen mich, daß 
fie mic) hätten beißen mögen, ohne daran zu denken, 
daß ich ihnen zu ihrer eigenen Wohlfart Schmerzes 
verurfachte ”). Sich werde dieh fo lange beſchwoͤren, 
Ä und 


% 







Sole Geburtoeſchmerzen verutfachte Sokrates dem dur 
ches in Lachete Plat, p. 258. und dem Euthydemn⸗ 
| Me 





Seſchichte bes Sokratet und ſeiner Phil. | 83 


b dich ſo viele Seelenarzneyen koſten laſſen, 6i6 ich 
ne Gedanken glücklich an's Tages licht werbe gebracht 
yet. — Aus dieſem Serhälde, zu welchem man feinen 
g weiter hinzufügen kann, erhellt, was ich vorhin 
nerkte, daß bie geiftige Hebammenfunft des Sokra⸗ 
fid) feiner Ironie oft fehe näherte, und ihr ſowohl 
Anſehung des Tons, im welcher er redete, als in Ans 
ung der Wirkungen, nur nicht in Unfehung der Ab⸗ 

ten ähnlich war 9). | 
Bon feiner andern Seite utiterfchieb ſich Sokrates 
je von allen denen, die vor ihm Weisheit gelehrt hass 
, ats in Anſehung ber Säge, die er als Wahrhei⸗ 
vortrug, und nad) denen et in. feinem ganzen keben 
beite, und fe viel er Fonnte, auch andere handeln 
hte. Cr reinigte die Weltweisheit nicht nur von 
toͤdtenden Gifte, womit fie von den Sophiften ans 
sche, ſondern aud) von den abentheuerlichen Grillen 
Zräumen, womit fie vor den ältern Phnfiferit arts 
(Ic worden war ””) Er rief fie aus ben arängens 
oſen 








Menor, Xen. IV, 2; $. 19 & 40., unter welchen ber 
leztere durch die vielen unrichtigen Antworten, die er 
gegeben haste, fo beſchaͤmt wurde, daß er gar Peine 
mehr zu geben wagte: Allein beyde ließen fih dadurch 
nicht abfehreden, dem Sokrales in ber Folge treulich 
anzubängen. ib. | a | 

‚ Man fehe def. Aleib. pr, Plat; und felüch Chatmites, 
Im leztern Geſpraͤch beſtreitet Sokrates alle Erklaͤrun⸗ 
gen, welche Charmides uns Kritias bon bet Gwdgccuvn. 
geben; nicht, im bes Abſicht ſie zu beſchaͤnen, oder zu 
verwirren, ſondern um den PH Eharmides zu nds 
thigen, ſich über diefen wichtigen Gegenfland in der 
Eolge Erlaͤntetungen ausjubittet: | 

') Pfeudo-Kenoph; Epift, 1, und Theokrit, eine Ber te⸗ 
denden Perſonen in Plutarchs Abhandlung vom Ges 
nius des Sokrates ©, 393+ oper. T: VIII. 


Iweyter Band, Bb 








986 Giebentes Buch. Zweytes Capitel. 


loſen Raͤumen der Erdichtung, in welchen ſie bisher 
herum geſchweift oder gewohnt hatte, auf vie Erhe 
herab, und führte diefe biöher unerfannte oder gemißs 
delte Tochter des Himmels in die Städte und Dekan, 
ungen der Menfchen ein”). Er zog fie von den unzds 
‚gen und unergründlichen Gruͤbeleyen, worinn fie bis auf 
«feine Zeit gänzlich verfunfen war, oder von Gegenſtoͤn 
den, voelche die Natur zu fehr über den Menſchen erkes 
ben, oder zu fehr vor ihm verfteckt hat, weg, ud 
wandte fie auf den Menfchen hin, den er ihr gleichfem 
als ihr Eigenthum und als ihren einzigen Vorwurf au 
wies **). Er machte e& zu feinem und aller aͤchten 

Weltweiſen Hauptaefchäfft, ihre eigene Natur zu 

ſchen umd zu vervollfommnen }), und die Welche 
gelbit zu einer ABiffenichafft des Menfchen,” den fie bei 
fern und fich ſelbſt Eennen lehren folle FF). Alles, was 
| nicht 















#) Cicer. Tuſcul. quaeſt. V. 4. Socrates autem 
mus philofophism devocavit e coelo, & in urbi 
eollocsvit, & in domos etiam introduzit, & 


rere, 

@®) Cicer, Acad. quaeft, I. 4, Socrates mihi videtur H]%, 
ıquod conflar inter omnes, primus a rebus oceculti, 
& ab ipfs natura involutis, in quibus omnes ante 
eum philofophi oecupati fuerunt, avocaviffe phil |\ 
fophiam, & ad vitam communem adduxiffe: ut de 
virtutibus & vitiis, omninoque de bonis rebus & 
malis quaereret: coeleflia autem vel procul a nofn 
eognitione effe cenferet, vel fi maxime cognits eflent, 
nihil tamen ad bene vivendum. 


9) in Phaedr, p. 196. in Gorg. p. 331. 

I) Xenoph. 1. 1. p. 7. Memor. Soer. Auros de wi 
Tav uydewmivov oes ÖsEAEYETO;, OrNoay Fı wir 
Bas, rı aseßes‘ TI naAoy, TI oem. TI 

RAN, 


+ 


| Geſchichte des Sokrates und ſeiner Phil. 387 


icht den einen oder andern dieſer großen Zwecke befoͤr⸗ 
erte, warf er aus dem Gebiete der Philofophie heraus, 
nd er verhehlte ed gar nicht, daß er den Unterſuchun⸗ 
en der Phyſiker und Sophiften über die Entftehung und 
en Untergang aller Dinge, über ven Ueftoff und bie. 
Beftanorheile der Subſtanzen, über die Natur des 
Raums und der Bewegung, über bie Groͤße, Bewe⸗ 
ungen und Abftände der himmlifchen Cörper, über 
He Geheimniffe der Zahlen und anderer Größen als uns 
nizen Tand verachte, oder als ſchaͤdliche Irrthuͤmer vere 
Mcheue *). Er fragte die Liebhaber folcher Unterfuchuns 
en, ob fie denn ſchon fich und den Menfchen genug ers 
orfcht hätten, daß fie jich an Dinge wagten, bie auf 
en Menfchen gar Feine Beziehung Härten? Und wenn 
e diefes nicht gethan, warum fie denn das, was ihnen 
äher und unentbehrlicher fey, dem entferntern und 
änzlic) unbrauchbaren vorzögen? Er wunderte fich, 
ie es noch Niemand bemerft habe, daß der Menfch _ 
icht im Stande fey, folche Dinge, denen man bis das 
im allein nachgeforfcht hatte, zu ergründen, und daß 
ie Gottheit eben dieje Dinge mit Fleiß vor dem Men⸗ 
verborgen babe. Wenn diefe Forſchungen nicht 
je Kräfte des Menfchen Überfliegen, woher es dann 
Inme, daß diejenigen, die am längften und tiefiten 
| Bb 2 nach⸗ 











S 


UV, Ti cedınov; — xce WEL Toy day, & 
rasc MEV ES00TAS Nyssto nass nu ayades 17.77 
raus de ayvoavros, owdenmodwdes cv ding 
xenAno9en. x Plat. in Apol. Socr. — die coDıay 
TVo, TETO TO oOM EONnKa. Toiay dn wor 
FouTnv; Nee EI I0ws avIewnnn aoDıc. Too 

074 yare nıvduveum TAUTyV eos voDos. 

®) Xen, l. c. I. p. 6. & IV, 7. Memor, Socr. p, 260, 


398  Giebentes Buch. Zwehtes Eapitel. 


nachgeſucht haͤtten, ſich wie Wahnſinnige widerſptaͤchen, 
und mit einander ſtritten. So wie Berrückte ſich bald 
dor ſolchen Dingen nicht fürchteren, die fie fürchten 
follten, und bald wieder Dinge fürchteten, vor deneh 
fie fich gar nicht zii fürchten brauchten, oder wie fie bald 
glaubren, daß man öffentlich alles thun und fagen koͤnne, 
was man wolle, bald, daß man gar nicht ufiter Men 
ſchen gehen müffes oder wie fie endlich bald weder ver 
Tempel, noch Ultären oder andern heiligen Dingen Ehe 

furcht Hätten, Bald aber die vetworfenften Thiere, obet 
gar Hölzer und Steine anbeteten; eben fo behaupteten b 
einige Naturforjcher, daß alle Dinge nut einige einzige 
Subſtanz ausmachten; andere, daß es unzählige Grund 
eörper gebe: einige wiederum, daß gar Feine Bewegung 
in der Welt fen; andere hingegen, daß alles in unauf 
börlichen Bewegungen und Verwandlungen fen. Zulex 
erfundigte er fih, ob dann die Forſcher himmüſche 
Dinge, gleich denen, die fid) gerheine menfchliche Kenmtı | 
niffe in der Abſicht erwuͤrben, um fie zu ihrem und if 
rer Freunde Nuzen anzinvenden, 65 fie äusch gleich bie ſr 
fen ven Vorſaz hätten, Winde oder Waffer oder Wirte |; 
“rung hervorzubringen, wenn fie die Urſachen entdedt 
hätten, wodurch die Natur fie zu erzeugen pflege? Und Hi 
wenn fie dergleicheti nicht herften, ob es nicht einerlch I 
fey, mie Würfeln oder mit unbrauchbaren Kenntniffe 
zu fpielen *)? Wenn Sofrates auch nach den Erfah⸗ 
rungen über die Muͤzlichkeit von Keuntniſſen, die wir hi 
ben, die Weltweislheit ſowehl als andere Wiſſenſchafften 
zu fehr zuſainmenzog, jo hatte er Dech immer darin 
Recht, dag er den Werth von Wiſſenſchafften ganz allein 
nach 





.. .. 











#%) Xenopb. l.e. & I c. 2.p. 32. Er fagte nur von iv 
Den allein, bie eiwas nuͤzliches verrichteten, daß fie an 
eiteten. 


Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 389. 


nach ihrer größern ober Fleinern Nuͤzlichkeit beftimmte,. 
und daß alle diejenigen Theile ver Weltweisheit und an⸗ 
beter Wiffenfchafften, die er verwarf, und von benem 
er abriech, damals wirflic) unbrauchbar, und der Auf⸗ 
merffamfeit eines vernünftigen Mannes unwuͤrdig was 
ven "), BG | 
Sofrates war aber weit davon entfernt, alte übrige 
Kuͤnſte, Wiffenfchafften und Befthäfftigungen neben der 
Kunft zu leben, die er lehrte, zu verachten, ober davon 
abzurarhen, wie einige feiner Nachfolger thaten. Er 
bielt vielmehr einen jeven, ver eine müzliche Kunſt oder 
Handthierung treibe, ee mochte Arzt, oder Staatsmann, 
oder Landmann feyn, für einen guten und gottgefälligerr 
Mann, wenn.er mit allem Fleiße das thue, was feine® 
Amts, feines Standes und feines Berufs ſey; und nur 
biejenigen erflärte er für unnize und den Göttern vers 
haßte Menfchen, die entweder etmas Boͤſes ober auch 
nichts Nüzfiches thaͤten“*). — och weniger kann mans 
den Sofrates befchuldigen, daß er die Philofophie, fo 
wie fie zur feiner Zeit war, verftümmele und auf bloße 
Sittenlehre zuruͤckgebracht habe ). “Denn indem er bie 
Mbäofophie aus einer angeblichen Wiſſenſchafft natürlie 
eher oder himmliſcher Dinge in eine tehre des. Menfchen 
| Bb3 um⸗ 














— — — | 

2) Xen, IV. 7. Sofrates rieth, ſich nicht weiter auf Ges⸗ 
metrie und Aſtronomie zu legen, ale in fo ferne die eis 
ne im gemeinen Leben zur richtigen Abtheilung und 
Ausmeffung von Zeldern, umb- die andere zur richtigen 
Beobachtung ber Tags s und Jahtss zeiten und zur Schife 
fart noͤthig ſey. Xenophon fezt hinzu, daß Sokrates 
in allen den Fächern, von denen er andere abgehals 
ten habe, nicht unerfahren gewefen (eg, "ib, 

ee) 11,9. Memor, Soer. p. 177. | 

+) Sext. VII. adv, Math, 8. 8. 


ebene Buch. Zweytes Tapitel. 
J üſchuff, trennte er von ihr frehlich eine Menge von 
fuuienden oder unnuͤzen Theilen; aber ev. bereicherte 
=». :Bagegen auch mit einer viel, größern Anzahl er! 
ee heiten die entweder feiner vor ihm gelehrt, die 
Wenigftend keitier auf eine-folche Art zur Defferuing fer 
er —F und ſeiner Nebenmenfchen angewandt hatte, 
‚Diefer. Bater der; Menfchendeffernden Philojophte unter 
3 te, vote bie Folge re — 
J De welche die. fpätern Sriechi 
„7... WWeltweilen fowohl., als bie der neuern Zeiten in allen 
. Feilen ihrer Wi ffe unterfucht Haben. 3 
Schon vor dem Sokrates hatte Anaxagoras ed eti 
ö Winnie und gelehrt, daß ein über alle Gedanfen erhabe 
ni nes welfes und mächtiges Weſen bie ganze Welt erſche 
fen habe, md noch iminer zegiere *). Allein Antara 
I ras harte feines verftänbigen Weltordnenden und erhal 
genden Weſens zu felten erwähnt, hatte zu wenig au 
deſſen Wirkumgen, und zu viel hingegen aus bei tungen) 
flörbaren Kräften ewiger Elemente erflärt ; bie ben mei 
ffen Bu: förnen muften hatte felten oder niemals 
Auf die Spuren der Gottheit in der Matur hingeriefein, 
oder die weiſen Einrichtungen der Dinge aus einander 
gefezt, und Hatte endlich fich durch die, Abläugnung der 
Göttlichfeit der Geftiene zu fehr verdächtig und verhaft 
gemacht, als daß feine lehre don der Gottheit ſich = 







—— * 
9 Uns der Art, wie Plato p. 39. in Phaed, das Urthel 
des Sokrates ‚über das Buch bes Anaragoras, mb 
5 fie die Lehre biefes Weltweilen von einem werftänbigen 
heber der Weit erzählt, muß man fließen, dab 
Sokrates den wahren Gott ſchon lange Ken E77 
Een’entdeift Hatte, che ihm bie Gcbanken bed Klazemıı 
nifhen Weiſen zu Dfren und fein Buch zu Behkt: 

- 5 ı 








— 





Gedichte bes Sofrates und feiner Phil, ger 


in hätte verbreiten und gute Früchte härte bringen: 
wen”). Seine Sehre wurde daher, mie faft alle feine: . 
rigen Entdeckungen, von denen wenigen, denen fie: 
annt war, als ein Geheimniß bewahrt und anvers 
ur, und Sofrates war es, der fie nicht nur allgen 
in verbreitete, fondern auch fruchtbar für die Herzem 
Menfchen machte. Er war auch ver erfte, ver vie 
ttheit ſowohl in fich ſelbſt als in allen Theilen der 
umgebenden Natur aufjuchte und andere finden ließ, 
> der alfo feine Freunde auf dem leichteften und ſicher⸗ 
Wege zur Gottheit hinführte, auf welchem man zu: 
gelangen kann. 


Ohne zu forfchen oder fih darum zu befümmern, 
Die Welt aus einem gleichartigen, und aus welchem ? 
undſtoff, oder ob fie aus mehrern oder gar unendlidy ' 
en Gattungen emwiger Grundcoͤrper hervorgebracht 
eden, fragte er die Zwenfler ober die Läugner des Da⸗ 
8 gottlichee Naturen, ob diejenigen mehr Bewun⸗ 
ung verdienten, vie unbewegliche feelenlofe Bilder 
Jarbeiteten, oder diejenigen, welche thätige und bes 
te Weſen erzeugten? ob es ihnen möglich fen, Werke, 
benen fie unläugbare Spuren von Abfichten und nuͤz⸗ 
en Beſtimmungen entdedten, für Wirfungen des 
falls, und nicht für Wirfungen weiſer verftändis 

Weſen zu halten? Wer aber (fuhr er fort) will 

läugnen, daß derjenige, ber die Menfchen zuerft 
ıff, ihnen nicht alle ihre finnlichen Werkzeuge abficht- 
Bb 4 lich 





en ) 





) Man fehe das Urtheil des Sofrates über das Merk bes 
Anaragoras in Phaedone p, 39. — Als ich, fagte er, 
merkte , daß Anarageras mich bie verfiändige Urſache 
alles Schönen und Guten in ber Welt nicht fo kennen 
lehrte, als ich vermuthet hatte; fing ich felbfl an, ober . 

fuhr ich vielmehr fort, fie aufzufuchen. 


393 Biebentes Buch, Zweytes Capitel. 


lich zu Ihrem Nuzen gegeben Habe: bie Augen zum Se⸗ 
Ben, die Ohren zum Hoͤren, die Naſe zum Riechen, und 
fo weiter? Wem wird nicht darinn goͤttliche unbeſchreib⸗ 
diche Weisheit ſichtbar, daß die Augen mit Augenliedern 
bedeckt ſind, die man, wenn man will, zuruͤck ziehen 
und im Schlafe zufchließen kann, damit bie Augen kei⸗ 
nen Schaden nehmen; daß bie Augenlieber ſelbſt mit 
Wimpern verfehen, und über ihnen die Augenbraunm 
wie Dämme hergezogen find, damit durch die erftern bi 
Gewalt des Windes gebrochen, und durch Die andern 
ber von der Stirn herahfließende Schweiß aufgefangen 
werde: daß ferner das Gehor alles empfange, und.nu 
ausgefüllt oder verftopfr wird: daß alle Thiere die Bor |i 
Derzähne zum Zerfchneiden, und die Barfenzähne zum |: 
Zermalmen der Speifen haben; daß endlich der Mund, 
ber alles, was das Thler begehrt, aufnimmt, fo nak 
an Augen und Mafe bin gebaut, und Diejenigen ode 
gen hingegen, wodurch der ecfelhafte Abgang won Speik 
und Trank abgeführt wird, fo weit als moͤglich von bie 
en prüfenden Sinnen entfernt worden, Alles viele, | 
agte er, fen fo weife eingerichtet, daß man unmoͤglich 
äwenfelhaft bleiben Fünne, ob es Wirfungen bes Glädt 
und Zufall, oder DBeranftaltungen einer verſtaͤndigen 
nach Abfichten handelnden Natur ſeyen. — Wenn man 
uͤberdem noch bedenfe, welch ein gewaltiger Trieb alı 
empfindende Weſen zur Fortpflanzung ihres Geſchlechts 
treibe, wie heftig Die angeborne Liebe der Eltern zu ih 
ven Kindern und Jungen, und die tlebe der Leztern zum 
geben fen; fo werde man gleichfam gezwungen, einzuge 
ftehen, daß es einen weien und güfigen Urheber der gan 
zen thierifchen Natur gebe. | 
Du fuͤhlſt es ſelbſt, fuhr Sofrates zum ungläubis 
gerr Arijtodemns fort, daß eine denkende Natur in die 
wohnt, und eben du kannſt noch zwenfeln, ob außer 
and über dir ein anderes vernünftiges Weſen exiſtire, 
M 





Gefrhichte des Sokrates und feiner Phil, 393 


ba du doch weißt, daß die Beſtandtheile von Erbe, 
Waſſer u. ſ. w., aus denen dein jeib zufammen gefest 
iſt, nur einen unendlich) Fleinen Theil der Grundcoͤrper 
ausmachen, - aus welchen fie genommen find 2. Iſt 08, 
bie denn nur wahrfcheinlich, oder gedenfbar, daß du Die 
in Bir denfende Kraft oder‘ Subſtanz nirgends woher, 
und ohne Geber und Urſtoff erhalten haft, — und dag 
alle. die zahllofen und uͤberſchwenglich großen Coͤrper, aus 
denen die Welt beftehe, durch vernunfelofe Kräfte und 
Veuren jo kuͤnſtlich gebaut und: zuſammengefuͤgt wor⸗ 


Wenn jemand deßwegen an dem Daſeyn des Ur⸗ 
hebers und Herrn aller Dinge zweyfelte, weil er ihn 
nicht wie den Urheber menſchlicher Werke ſehe, fo ant⸗ 
wortete Sokrates *), daß man nicht auf Erſcheinungen 
der Gottheit warten, oder ihre Geſtalt zu erblicken ver⸗ 
langen muͤſſe, da man fie hinlaͤnglich in ihren Werken 
erkenpe. Unſichtbarkeit ſey kein Beweis von Unwirk⸗ 
lichkeit, denn es gebe ſelbſt in der uns befannten Mas 
cur ſehr viele Kräfte und Gegenſtäͤnde, deren Daſeyn 
man läugnen muͤſſe, wenn man nichts für wirklich hal⸗ 
gen wolle, ale was man mit leiblichen Augen wahrneh⸗ 
men koͤnne. Welcher Sterbliche fich unterftanden habe, 
feine Augen gegen die Mittagsfonne zu erheben, und fie 
in ihrem vollen Glanze zu ſchauen? welcher fich rahmen 
fönne, den Diener der Gottheit, den Wetterſtrahl, als⸗ 
Dann, wenn er alles zerfchinettere-und überwältige, bes 
pbachtet zu haben, oder wer jemals darnach getrachtet, 
feine Seele, die wie eine Königinn den ganzen Seib res 
giere, mit den Sinnen ertappen zu wollen ? Da nun 
‚alle diefe Dinge fich ven en menfchlichen Sinnen 

\ | s 


ent⸗ 





* 





⁊) I. e. 4. 5. 9. WV. 3. 8. 13& 14. 


— 


‘04 "ent Bu. ze | 


5 em; fe Def ja ie BT 


van Enns, wie es dann möglich feiy, an beim 
bectjenigen zu gweyflen, ber zwar ſelbſt unfichtbar 
der in —* Augenblicke vie erhabenſten Thaten * | 
. Be, indem er —5 — janze Welt unverdorben, und in hret 
Pienslicen € Sgoͤnheit erhalte, und unermeßliche Eon 
Fehl ſchneller, als wir unfere Gedanken 
=: — hielt es fürftrafbare Kuhnhei Ber 
se —— der: —— ‚oder uͤber das Subſtratum 
drzelchem alle gdttliche Kräfte wohnten, etwas'mit Zus 
. verfiche enefcheiben zu wollen. Wenigſtens beobadjtet 
a a untee feinen Freunden, ber feine Menynungen 
tigſten aufgezeichnet hat, hierüber ein — 


— Ir es ne vorfegliches Stillfehweigen, fo wie ee 


lich auch aus kluger Behutfamfeit und imber 
‚den Beat — En —— der Ein 
faheung neuer tter n n ſchwachen ** 
Eneuern, ober zu beſtaͤtigen, ven Schöpfek um 
ter der Welt nur einige male gerade zu Gott 
"ab fonft immer. entweber durch Umſchreibungen — 
weft, ober ſich auch der geropnlichen Nevensart ht 
tet 











‚Xenoph, Lib, IV. 3... p. 230. Menior, „Soerat, 
"Kuss vo ÖAov KoTov GUVTETTUV TE Kock ae 
Kar, Evo Mayr nocAos no yader es, hm 
es ev Xenmevoss rein Fe, neu Uyun, m 

" ayngarov Tage, Yarror IE vonMasTos cva · 
MASTRT@S Vrneersvre, Bros ra KEyıSa ne 
zearras ögwraun, Tode de bmovommm ao 
Aa esw. daſt mit chen den Worten Iäßt Zenophon 
den ſterbenden Kyrus von ber Gottheit reden. Cyro- 
paed. VIIL 7. p. 548. 
"145.17 


Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 395 | 


er bedient *). Allem Vermuthen nach hielt aber So⸗ 
rated bie Gottheit für eine feine gleichartige aͤtheriſche 
Natur, die nicht nur ihren Wirkungen, fondern auch 
brer Subftanz nach, allenchalben gegenwärtig fen, und 
ie alles durchdringe, ohne mit irgend einem Ißefen: vers 
nifcht zu jenn. Daß Sofrafes auf diefe oder eine aͤhn⸗ 
iche Art über die göttliche Subſtanz gedacht habe, ſcheint 
nie theils aus der Benennung eines im Univerſo fich fine 
enden und Durchs Ganze ſich verbreitenden verftändis: 
en Weſens, womit Zenophon ihn die Sortheit beles 
en läßt **), theils aber aus der Art zu erhellen, wie er 
Iher die Entftehung der Götter und Dämonen venfen 
nuſte, und über die Entſtehung und Natur der menfche 
ichen Seelen ſich wirklich erklärte, wie ich gleich nach⸗ 
er jeigen werde. | ' 
Eben fo einleuchtend und rührend, als feine Gruͤn⸗ 

e für das Daſeyn eines verftändigen Urhebers der Welt, 
varen feine Beweiſe für die göttliche Borfehung , und 
jefonders für die liebreiche Fürforge, womit die Gott⸗ 
yeit über das menfchliche Gefchlecht walte. Es läßt 
ich gar nicht denfen, fagte diefer fcharffinnige Beobach⸗ 
‘er, daß die Gottheit den Menſchen, ven fie als ihren 
tebling mit ‚den herrlichften Gaben vor allen übrigen Ger 
chöpfen der Erde ausgerüfter hat, ganz und gar vers 
rachläffigen ſollte. Ihm allein hat feine Schöpferinn 
ticht bloß einen gefunden Leib, und alle Gliedmaßen und 
Sinne zur Erhaltung und zum Genuffe des tebens, fonts 
dern auch vor allen andern einen geraden Wuchs, ihm 
allein 





* Die Umſchreibungen der hoͤchſten Gottheit, ober bie 
gleichgeltenben Redensarten, womit Xenophon fie bes 
zeichnet hat, findet man in meiner hiftoria do@rinae 

de Deo p. 392. 
")1L4p56 . . 


—— — ra— 








auein Hoͤnde, pie Werkzeuge und. Ausuͤberinnen aller 
: Känfte- und. Handwerker, ihm allein. eine artieulicte 
Syrache zur Bezeichnung , feiner. Gedanken md, zur 
Errichtung dauernder Giefellfchafften, ihm endlich das 
Vermoͤgen gegeben, die Sreuden der Siebe, bie ben allen 
f Tpieren nur auf gewiſſe Zeiten eingefcjränft 
6ad —* ri er — Die guͤtige Corte 
it ſorgte aber nicht ‚bloß für. feinen Cörper, 

N, ee Wichtigſte fE , auch für feine Seele, 
eines andern Thieres Seele erkannte je die Gottheit, d 
ales/ wos ſchoͤn und out ift, hervorgebracht und geprbret 
. datt. Weich ein anderes Geſchlecht eınpfindender, en 
Zu * bie Gottheit an Weiche ſind im Stande has 

WGuate und Boſe, das Müzliche uud Schäpliche F 


22: 


"  verfcheiven, und fich gegen das eine, gegen Hu, 
Durſt, gegen He, Kälte und Krankheiten fo zu 
wahren , ober. ihnen abzuhelfen ‚und. alle Arten des 
Gulten hingegen fich fo aujuſchaffen, als ber 
es kann ? Haben wohl andere Thiere die 
ve ſo sahllofe Menge von Kenntniſſen zu erwerben - 
‚ au:hehalten,- das vorhergegangene mic bem nachfolgen 
ben & glülid) zu verbinden, ‚die Urſachen — 
ger. Dinge zu errathen, und fo, weit in Die Zufunfe hin 
&inzufehen, endlich, den, Cörper mit fo vieler Stärfeun 
Schönheit, und die Seele mit fo vielen Tugenden ju 
ſchmuͤcken? Unlaͤugbar leben Menfchen allein, wie Got 
ter.auf der Erdo, und übertreffen. alle übrige Gefchbpfe 
*  fowopl dee Seele, al® dem feibe nachs denn mern der 
x Menfch auch feine Seele, aber ben feib eines Stiers * 
hätte, ß würde er nicht alles verrichten Fonnen, was 
er jego kann: und wenn er hingegen feine Hände, aber 
Feine Vernunft hätte; ſo würde er auch mic, jenen nichts 
anfangen koͤnnen. — Ueberlegt ‚man. noch zulezt, daß 
die Gotthelt vorzuͤglich ihm den Tag zur Arbeit, und 
bie Macht zue Ruhe gegeben, daß fie den erftern ihm 


Sdſchichte des Sokrates und feiner Phil. 397 


zum Beſten mit der Sonne, und bie feztere durch dem 
Mond erleuchtet; daß fie das Größte dieſer Himmels⸗ 
ichter allmaͤlich allen Bölfeen zu beftimmten Zeiten ſich 
näbetn , und auch wieder von ihren ſich entfernen laͤßt, 
batnit Feines vor Froft erſtarre, bder vor Hize von 
chmachte, daß fie fiir ihn vorzüglich die Erde befruche 
er, die fufe, Meere und Fluͤſſe bevölkert, und alled 
sorbereitet habe, was nicht nur zu feiner Nahrung, ſon⸗ 
jern auch zu feinem Vergnuͤgen diene, daß endlich ſelbft 
ie übrigen Thiere entweder zu feiner Grhaltung, oder 
me Erleichterung feiner Arbeit, oder zu feiner Vertheb 
zigung beſtimmt find; fo kann man, ohne alle Bernunft 
zu vderläugnen, nicht länger datan zweyfeln, daß ein 
weiſes und guͤtiges Weſen ven Menſchen geſchaffen und 
fuͤr ihn geſorgt habe. Daß aber eben diefes Weſen, daß 
den Menſchen fü ſehr über alle Thiere erhob, ihn nach⸗ 
her ſich ſelbſt uͤberlaſſen, und ſelne Augen gaͤnzlich von 
or zurück ziehen follte; iſt eben fü wenig gedenkbar, ald 
aß alle die leuchtenden und kaum mit unfern Gedanken 
zu umſpannenden Himmelscörper , die fich in unermeß 
lichen Entfernungen über unfern Häuptern wälzen, ſich 
ohne einen mächtigen und verfkändigen Auffeher in uns 
berruͤckter Ordnung fo viele Jahrtauſende erhalten haben 
ſollten, und noch immer fortdauerten *), Be 

Freylich, fo ſprach Sokrates weiter zum Ariſtode⸗ 
mus, iſt es dem eingeſchraͤnkten Verſtande des Mens 
chen ſchwer zu begreifen **), daß ein einziges Weſen 
ılles, was in den unbegränzten Ganzen vorgeht, zus 
jleich fehen und Huren, allenrhalben gegenwärtig ſeyn 
ind für alles forgen Fonne, Allein wenn du dich Se 

da 











— 


*) Xenoph. |, e. 
") IL. q. p. 30. 





ot j — M — 
% MDiebenes Buch. Zweytes Capue. 
en Seele den Coͤrper ohne Mühe nach ihrem Mil | 
Jen zegiert; fü wird es bie nicht mehr unglaublich bot» 
dJommen, daß derjenige, der alles a sinn, 
Schwierigkeit fein Werk nach feinem 
Pam, ms u pn wenig — es lan 4 
en, göttliche Auge, alles Dh 
.% 6 der goͤttliche BVerftand alles umfaffe,, wenn du 
“lpjebem Augenblicke .erfährit, daß dein ſchwaches a 
Bde Stadien zu überfchauen,, und. daß deine 
"Bad, was in, ben entfechteflen Gegenden der Erde 
vieht, in — oder wenigen Augenblicken ſich vor 
 wilellen im Stande fig. — Durch folche Berrachtun 
Mr; feit Zenophon hinzu *),. fuchre «Sofrates nick | 
“Bloß. bie Begriffe derer, die mit hin umgingen, Erd 
. ‚gahtigen ſondern auch. fie zu beffern Menfchen zu 
x hen, „indem der Getanfe, daß bie Gottheit 
‚hm —— und ihr alfo nichts, auch icht 
Sevanfen unbemerkt und unerforfche — 
von heimlichen Miſſethaten zurückhiele, bie fe 
Zufmertfamfeit bes menjchlichen Richters hätten ent 
’ ne. 
So fehr aber auch diefe Gedanken des Sokrates 
° her die Gottheit mit den Begriffen des Griechifchen Dir 
bels ſtreitend / unb über bie Schilderungen der Griedjir 
Dichter eraben waren, fo wuſte er doch Die einm 
wol ben andern zu vereinigen, und zwar nicht bloß zu 
iner Sicherheit, oder um allem Argwohn von Unglau⸗ 
und Neuerungs ſucht zuvorzufommen, fordern weil 
er von den wefentlichften Puncten feiner väterlichen Ne 
Ugion wirklich Hbegeugt war **),. Sokrates betete, wie 
alle 





ERALELT, BT ERS h 
%*) Xenoph, Mem, L ı P 2. Le 3. p. 36. IV; 
p 233. 








Gefſchichte des Sokrates und feiner Phil. 399 


ille Übrige Griechen, drey Elaffen goͤttlicher Naturen an: 
ainſterbliche Goͤtter, zu denen er wahrſcheinlich die Ges 
flirne vechriete *): ferner die Söhne und Töchter dieſer 
Boͤtter, die Dämonen ober Halbgötter, und endlich 
Helden oder vergötterte Menfchen””). Er opferte goͤtt⸗ 
lichen Naturen häufig, ſowohl in feinem Haufe als in 
den Tempeln und auf den Altären der Stadt. Er glaußs 
te, daß die Götter den Menfchen die Zufunfe durch 
Träume, ober durch den Flug’ und die Stimmen ber 
Bögel, oder durch unmittelbare Sprüche, oder durch 
bie Eingeweide der Opferthiere, oder durch andere Zei⸗ 
then und Borbebeutungen offenbarten. Er rähmte fih 
von einem warnenden Dämon begleitet zu werden, 

und ſah bie Zeichen und Vorbedeutungen der Zufunft, 
wichtige Beweife für das Daſeyn und die Borfehung _ 
Sottheit an. Er empfahl fogar die Weißagungs⸗ 
Eunft denen, die fich nicht ‚bloß mit den gemeinen oder 
menfchlichen Kenntniffen befriedigen wollten, und hielt 
diejenigen, die an der Wirklichkeit ober Nuͤzlichkeit Dies 
fer Kunſt zwenfelten, für eben fo verrückt, als folche 
Menfchen, welche die Götter über Sachen ˖und Ange 
fegenheiten fragten, die man durch menfchlichen Fleiß 
und Scharffinn erfahren oder zu Stande bringen koͤn⸗ 
ne 7). — Sofrates war daher ein frommer vechtgläus 
biger Grieche, der ſtets den Spruch des Apoll zu Del 
phi 














#) Plat. Apol. Soer. p. 10. 
=8) Ueber dieſe Claſſen goͤttlicher Weſen ſehe man. meine 
Hiſtor. doctr. de Deo p. 205. Ä 
4) Dis Stellen, in welchen alle diefe Gedanken bes Sokra⸗ 
‚ ted Über bie uayrınn fliehen, find folgende: Xenoph, 
Mem. 1, 1. p. 3. efr. I. c. 4. p. 45. IV. €. 7. oeconom, 
c. 5. de art. Equeft. c.ı0. Man fehe auch noch Sym- 
pof. c. 4. p. 464. | 


\ 


406 Giebentes Buch. Zwehtes Capitel. 


phi im Munde führte: daß man die Goͤtter nach be 
eiſe und den Sazungen feiner Bäter verehten mäffe®): 
Ungeachtet aber Socrates fein Meuerer war, un 
auch Feine Neuetungen in der Neflgion lichte ; fo befleit 
er doch mit der groͤßten Freymäthigfeit die h 
Irrthuͤmer feiner Zeitgenoſſen, die fit die Gottheit eben 
ſo entehrend, als für die Tugend und guten Sitten 
derer, die fie hegten, nachtheilig waren. Mit nicht 
geringerin Eifer bemühte er fich die Gedanfen der Geis 
chen über Sort und göttliche Dinge zu heben, und ihnen 
ben denſelbigen heiligen Gebräuchen und Handlutige 
edlere Abfichten und Bewegungsgruͤnde einzufſoͤßen, alt 
fle gewoͤhnlich hatten. Es wuͤrde, fügte Eofrateb, 
eben fo thericht, als undanfbar fenn, wenn wir ein We 
fen, dem wir alles, was wir find und haben, hu 
find, in deſſen Händen unfer ganzes Schickſal liegt, 
uns alfo mehr als alle Menfchen gluͤcklich oder unglücklich 
machen Fann, menn wir ein foldyes Weſen nicht aus 
allen Kräften verehrten mollten, da mir unſern menſch⸗ 
lichen Wohlthaͤtern die tieffte Ehrfurcht beweifen ), ' 
Man mürde aber die Majeftät des anbetungsmärbiaften 
Weſens beleidigen, wenn man glaubte, daß man feine 
Gnade, wie die Freundſchafft eigennuͤziger und beftechle 
cher Menfchen, durch teiche und prächtige Gefchenfe 
und Opfer erlangen Fonne, und daß Gefchenfe . 
und Opfer ihm um deſto angenehmer feyen, je Eoftbaree 
fie find F). Wenn & etwas Statt fandes fo muͤſte die 
Gottheit aufhören, Gottheit zu feyn, und rechtfchaffene, 
aber arme Männer würden ein troſtloſes freudenleeres 
teben führen 77). Allein mit Zuverficht kann man fügen 
| und 


ee nm 









vers 
2: 3. p. 36. IV. 3. p. 232. Xenoph, Memorzab, 
#% Xerioph. Mem. Socr. IV. 3. p. 337: 

+) Men: I. 3: p. 37: Xenoph, 

tt) iD. 








Geſchichte des Sokrates und ſeiner Bil, 401 


inb behaupten, daß ein unfträfliches gemeinnuͤziges {es 
veri der Heiligfte Gottesdienſt? daß Treue und Fleiß in 
einem Beruf der herrlichfte Lobgeſang, und daß ein reis 
sed unſchuldiges Herz, und eine Fleine Gabe mit unbe⸗ 
letkten Händen dargebracht , das lieblichſte Opfer fey *), 
Mile dieſe Wahrheiten, fegte et hinzu, haben die Goͤtter 
elbſt dadurch beſtaͤtiget, daß fie die Unternehmungen 
er. Spattanet , mehr als die allet übrigen Griechen, 
jegläckt und gefegnet haben, ungeachtet von den erſtern 
mmer nur Fleine Opfer auf ihre Altäre gelegt, und von 
yon leztern hingegen die zahlreichen Heerden gefchlachtet, 
die glänzendften Feſte gefeiert, Die prächtigften Tempel 
gebaut , und diefe Tempel. mit den koſtbarſten Geſchen⸗ 
ken und herrlichſten Denfmälern find argefülle wor⸗ 
vet **). Mit diefen vortrefflichen Gedanken des Sokra⸗ 
@s über den wahren Gottesdienſt und über Opfer 
ſtunmten feine Ausfprüche und Rathſchlaͤge über das 
Sebet überein, Er bielt es nicht mut für vermeſſen 
und gefährlic), die Goͤtter um die Zuwendung beſtimm⸗ 
tee Güter , ober um die Abwendung beſtimmter Ließel 
des Gluͤcks und des Leibes anzuflehen, ſondern auch für 
eben fo chbricht, als wenn mar fie um Mürfelfpiel , 
öder um Treffen oder ähnliche Dinge bitten wollte, 
bon welchen es ſchlechterdings ungewiß ſey, wie fie aus⸗ 
fallen wuͤrden 7). Die Dinge außer uns, bemerkte er, 
find in einen ju dichten Nebel gehällt, und unfere Ads 
gen mit einem zu undurchfichtigen Schleier’ bedeckt, als 
bag wir den Wercth der erſtern richtig und auverläflig ee, 

⸗ 


24 2 — 2 









A nennen ⏑ 


#) Ken. 1. & & til. 9 

“#) Plato in Aleib. ſeeundo p; 331; 

4 Kenopb. Mem; I; 3 P. 36. 37. Plat, in Altib, fee, 2 
337: 29. 


Zwehtet Band. ke 


{ 


; Wi; 4. Plat: Apol. 13,15 p. 


, ; 





we ‚nad afwägen kdunten *). einzig 
27 an 
goͤrůch fen, au entfeheiben ; fo fen Doc) Feine $ 
- fo ſchwer, und fo fehr über die Kräfte der 


r 


' erheben, als die Wiſſenſchafft des Guten 
Wer, ober vielmehr als die Gabe zu erlernen, ie 
— Yen Dingen, die ihren Befizern und Genießer 
- ger slgen: Ebnnten, und wirklich ſchaden oder 
» geben *®). - Nur bie Gotcheit allein, bie,niche 
..: 206. ©egenmärtige, fonbern auch das 
bloß den jegigen; fonbern auch. die nachfolgenden Zu 
Hände ber nur dieſe allein 
ups vortheilgaft ,-umb was ums.nacheheilig.fey. 
 baher ‚auch am ficherften und unferer 
gemeſſenſten, uns in un] jebete 





H Blat, 1, €. P.232 . 
in Ah 209. 
in Alcib, 11. p. 22 : 
” Zeu Buoırev, Ta pev ECIAR air Eungonenas, 
xce⸗ AVEURTAS 
‚Apps de. To de denca Hol EUXOMEYOIS. ams · 
Acken weheuen. , 
M ib. p. ası. — Eugen, Tu ara em Tu 
, wyudas vas Jass didevaı neAeuovres au pn 
wuron. aran d alas enovar sufupeyar uns 


Geſchichte des Sokrates und ſeiner Phil. 403 


So wie Sokrates ſeine Mitbuͤrger zuerſt den wah⸗ 
n Gott aus der Natur kennen lehrte, und fie auch zus. 
ft in dem feiner allein wuͤrdigen und ihm -allein wohl⸗ 
fälligen Dienfte unterrichtete ; fo machte et fie auch zus 
—* ſich ſelbſt, mit den ihnen eigenthuͤmlichen Vor⸗ 
efflichkeiten, und dem urſpruͤnglichen Adel ihrer Natur, 
ie der ganzen Größe. ihrer Beſtimmung, mit ihrem: 
ahren Gluͤck und Unglück, oder mit der Kunſt bekannt, 
a Innern Werth der Dinge , und wahre Güter unb; 
ebel, fehäzen und unterfcheiden zu koͤnnen. Bu 
Aunſtatt, daß alle Weltweifen vor ihm bie menſch⸗ 


che Seele entweber für eine aus todten vernunftloſen | 


ementen mit dem Coͤrper entflehende, und mig ihm 
ieder verfchrwindende Kraft oder Natur, oder doch 
Fr ein Weſen gehalten hatten, das dem Menſchen 
1ie den übrigen Thieren und ſelbſt mic den Pflanzen 
emein fen; lehrte Sokrates, daß unfere Seele goͤttli⸗ 
ben Urſprungs, und von allen andern bewegenden und. 
mpfindenden Kräften und Naturen auf der Erde we⸗ 
mtlich verſchieden ſey. Wenn irgend etwas ift, fagre 
t, was am der Gottheit Theil nimmt, oder mit ihr vom 
leicher Natur iſt; fo iſt es die menfchliche Seele, die 
Ä | Ce a ſich 


ac, Much hier führte Sokrates wieder das Anſehen 
und ben Spruch eines Gottes an::. Die Athenienſer, 
erzählte er, wuſten es ſich gar nicht zu erklaͤren, war⸗ 
am fie den Spartaneru immer unterlagen, und bie 
Soͤtter ihren Feinden ſtets deu Sieg zuwendeten, ba ſie 
Boch weit mehr an Tempel ˖und deren Verzierungen, Att 
Zeſte und Opfer verſchwendeten. Sie ſchickten daher 
eine Geſandſchafft au den Jupiter Ammon, und liegen 
ihn fragen: moher es kaͤme, baß die Spartaner fo ſehr 
von den Göttern begäuffiget wuͤrden; und ber Gott 
antivortete: daß es deßwegen geſchebe, weil das Gebet 
der Spartaner den Goͤttetn angenehmer, als alle 
Dpfer und Feſte der aͤbrigen Griechen ſey. Plat. l. e. 











DUTUJ EINE BIWVELIENUU)E JE YLOHrL- YIERUUD 
mender Tugenden, in eben dem. Grade über al 
gen Thiere erhebt, in welchem fein feib fich dur 
den Wuchs , durd) kuͤnſtlich gebaute Hände 
Sprachwerkzeuge von allen übrigen thierifchen ( 
unterfcheider *). Ungeachtet aber Sokrates all 
fdien für Theile oder Theilnehmer der Gorthei 
ſo fäugnete er doch nicht, daß unter ihnen eben 
urjprüngliche Unterſchiede, als unter den Coͤrper 
Daß die einen aljo viel ftärfer, thätiger, gur Tug 
Weisheit aufgelegter, ald die andern fegen *” 
pfüfte und erfannte folche außerorbentliche Se: 
der Heftigfeit der Begierde, momit fie alle Ken 
durch welche fie felbft glüclich werden, und 
glücklich machen koͤnnten, ergriffen, an der & 
bigfeit, womit fie diefelben faßten, an der Fe 
womit fie fie behielten, an dem Feuer oder ver 
keit, womit fie redeten, dächten, handelten, ur 
hqupt an der Art, wie ſie andere Menſchen und 
ſiche Angelegenheiten ‚zu behandeln wuͤſten F). 

folche Perſonen, die von der Gottheit mit unge 
chen Kräften ausgerüftet waren, ermunterte er ( 


VoRgichte bes Sokrates und feiner Bil 405 


derer Buben, weil fie dergleichen weit mehr, als miitiels 
Käfige Köpfe nöthig hätten. Denn fo wie bie muthigs 
Erraftvollften Pferde und Hunde, wenn fie bezaͤhmt 
gezogen würden, die beiten und brauchbarften, werk 
ze gegen ungebändiaf und ununterrichtet blieben , die 
rerngten und gefährlichften wären, eben fo wuͤrden 
SP ITenichen mit großen Anlagen, wenn fie in dem, 
aranthun müfle, gehörig wären unterwiefen wot⸗ 
FA CH und andern am nuͤzlichſten; wenn fie hingegen 
=E> E öffige oder verwildert wären, gerade diejenigen, 
"zz en man am meflen zu befürchten hätte; denn 
VE e nicht wülten, was fie thun und lajfen follten, 
® dGefich oft in böfe und fchändliche Unternehmuns 
ze än, die fie alsdann mit allen ihren außerordents 
wäften durchfezten , und von benen fie am aller⸗ 
en zurüd zu bringen wären *). Wie fehr vies 
RM erweifung und Uebung, zur Ausbildung oder - 
ASrung, fowohl vorzäglicher, als gewöhnlicher 
Tg beytrage, Fünne man aus ben Denfpielen meh⸗ 
lker abnehmen, unter welchen ein jedes in dem, 
F es fich am meiften lege, alle übrigen! übertreffe, 
I Hracier oder Sfythe werde ed wagen, gegen ben 
AT taner in der dem leztern eigenchümlichen Ruͤſtung 
7 Waffen zu fechten; aber eben fo wenig werde fich 
s Spartaner unterjtehen, fich mit jenen in Wurf⸗ 
nehtverfen , ober Pfeilfchießen,, und andern Arten 
„ed leichten Krieges zu meffen **). Weder Neichthümer, 
och andere Vorzüge bes Gluͤcks fönnten jemand einer 
forgfältigen Ausbildimg und Anftrengung feiner Kräfte 
überheben 7); denn chöricht fey es, zu glauben, daß 
| ‚6:3 man 





*) IV. ı. 
#**) Lib, III. 9. 
+) IV. 1. ib, & Plat. in Alcib, I, 


426. Siebenter Buch. Zweytes Capitel. 


man das Nuͤzliche und Schaͤdliche, das Gute und BR 
von felbft ohne Unterweifung untericheiden. koͤnne, the 
sicht, wenn man hiezu unfahig fen, fich einzußiite, 
daß man durch Reichthum allein alles, was zu eines je⸗ 
von Beſten diene, erreichen koͤnne, und thoͤricht, wem 
Diefes unmöglich fen, fich dennoch zu fehmeicheln, vo 
man fein teben gluͤcklich und ruhmvoll hinbringen werte, | 
und unfinnig endlich, wenn man fich einfallen fafle, bief 
burch ein beträchtlicyes Bermogen, ohne nüzliche Kawt 1: 
niffe und innern Werth, den Mamen eines verftänbigen 
und wahrhaftig großen Mannes zu erlangen *). 
Unter allen Künften, womit ein junger Mann fi I; 
ne Seele ſchmuͤcken Fonne, empfahl Sokrates feine k 
fehr., als die Kunft der Selbfterfenntniß, oder die Kunf, 
ſich felbft zu erforfchen und kennen zu lernen. Keim 
andere Wiffenfchafft fey denjenigen, der fie befize, näy 
licher, und beraube denjenigen, dem fie mangle, größe 
rer Dortheile, als eben dieje, zu welcher felbft der Gott 
zu Delphi durch eine Inſchrift feines Tempels aufı 
mun⸗ 



















%) ib. Sokrates war gewiß nicht der Meynung bes Ar⸗ 
fpes beym Kenophon VI, 1. $. 19:21. Cyropaed. uf 
der Menſch zwo Seelen, eine gute und eine böfe habe, 
daß er, fo lange die gute herrſche, gut, und fo lange 
die böfe vegiere, böfe handle, indem es unbegreiflich 
ſey, wie ein und eben biefelbige Seele zu gleicher Zait 
gur und böfe fepn, das Gute und Boͤſe lieben, ode 
baffelbige zu gleicher Zeit wollen und nicht wollen Has 
ne. — Dap diefe Lehre von mehrern entgegengefeztm 
Seelen im Menſchen, worinn von jeher alle diejenigen, 
He ihren Leidenfchafften unterlagen, gleich dem Arafped 
eine Zuflucht gefucht haben, nicht dem Sofrates cigm 
war, wirb bie Zolge Ichren. Ich erinnere dieſes um 
derer willen, welche glauben koͤnnten, dag Plaro’s 
Mepnung von ber Mebrheit menſchlicher Seelen (hm 
von feinem Meifter vorgetragen worben, 


Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 407 


muntere *). Sie allein verdiene vor allen andern 
MWiffenfchafften den Namen der wahren Weisheit oder 
Klugheit **). Sic) felbft Fennen, Heiße aber nicht bloß, 
feinen Namen, feine Abfunft, Verwandte und fo weiter 
wiffen; fondern wie ein tiebhaber nicht eher glaube, ein 
Pferd zu fennen, als bis er unterfucht habe, ob es bieg⸗ 
fam oder hartnäckig, ftarf oder ſchwach, gefchwind oder 
langſam, und zu allem dem brauchbar fey, wozu man 
ein Pferd zu brauchen pflege; eben fo koͤnne niemand 
fic) einer richtigen Kenntniß feiner felbft ruͤhmen, ala 
bis er dad Maaß, und den Umfang feiner Kräfte, und 
feine Fähigkeit zu allen menfchlichen Gefchäfften geprüft 
Gabe. Nur diejenigen, vie ſich felbft erforfcht Härten, 
wuͤſten, was ihnen zuträglich oder nachtheilig fey, und 
was fie vermöchten oder nicht vermoͤchten. Sie ſtreb⸗ 
ten alfo nad) nichts, ald was ihnen heilfam und erreich, 
bar fey, und unternähmen nichts, als was fie mit ir 
ren Kräften und Kenntniffen auszuführen überzeugt w 
ren. Sie erlangten daher auch immer, was fie wuͤnſch⸗ 
ten, und hätten nie die Demüthigung etwas ſchlecht 
oder vergebens gemacht und angefangen zu haben. Weil 
fie ſich felbft genau Eennten, fo feyen fie auch um befta 
mehr fähig, andere zu prüfen, und biefe zur Befoͤrde⸗ 
rung ihres Glücks und zur Abwendung aller Nachtheile 
zu brauchen. Eben diefe glückliche Erreichung aller ih⸗ 
rer Abſichten, und die gefchicfte Urt, wie fie andere 
Menfchen zu behandeln wüften, verfchaffe ihnen Anfes 
n und Liebe, indem diejenigen, die gewiſſe Entwürfe 
gerne glüctich ausführen möchten, oder in ber Aus⸗ 
führung berfelben Hindern ie faͤnden, fich vorzuͤglich an 
| Ä 4 fie 


REGEN 








Te I UN U U 1 U 02003 


®) Memor, Soer. IV. 2. $. 23. & ſq. Plat. in Akcib, I, in 


eerscus p. 238. in Charmide p, 247. 
e1,cc 


— 


408 Siebentes Buch. Zweptes Eapitel, 


fie wendeten, ſich ihre Rathſchlaͤge ausbaͤten, und ſit 
gleichſam zu ihren Vorftehern machten. Solche hinge 
gen, die ſich ſelbſt nicht kennten, wuͤſten weder, weſſen 
fie beduͤrften und mas ihnen heilſam ſey, noch was ſie 
eigentlich anfangen, oder thun ſollten. Sie verfehlten 
faſt immer, was fie fuchten, ſtuͤrzten fich in viele Ne | 
bel, die fie nicht: voransgefehen hätten, und wuͤrden dw 
durch für ihre Unwiſſenheit nicht nur auf der Stelle ger 
ſtraft, fondern zogen fid) auch den Spott und die Ber 
achtung anderer zu, vom denen fie als unerfahrne um 
ungefchichte Menfchen ausgelacht würden. 


Sofrates hielt es für gewiß, oder dach für Wed] 
mahrfcheinlicher, daß unfere Seelen nach dem Tode fort: 
bauten, als daß fie entweder mit dem Coͤrper zerftrem | 
werben, oder untergehen, oder auch mic dem Verluſt |" 
ihrer Perfönlichfeit, und aller Erinnerungen ihres ehe 
moligen Zuftandes, in pie Gottheit, woraus fie entfprum 
gen, wiederum verfchwinden würden *). Glaubt nicht, 
fagt der ſterbende Kyrus, beym Xenophon, gar im | 
Sofratifhen Sinn, und in Sofratifher Sprade, | 
glaubt nicht, meine lieben Kinder, daß ich, wenn ih 
bon euch gefchieden feyn werde, nirgends oder gar nick 
mehr ſeyn werde. Auch fo lange ich bey euch war, ji 


— ——— En GE 


— — 





u) Ich ſehe ohne Bedenken die Gründe, womit ber ſterben 
⸗Kyrus beym Zenophan bie Hoffnung eines beſſern fu 
hens in ſich und feinen Kindern zu ſtaͤrken ſucht, «u 
Sokratiſch an. VIII. 7. Cyrop. 547. 548. 557. su 
Cic. de Sene&. c. 22. Hingegen übergebe ich Pie Bu 
weiſe fär die Unfterblicgkeit der Seele, welche Plate 
ben Sokrates in feinem Phaͤdon vortragen läge. Ei 
ige von biefen find wahrfheinlih auch Sokratiſch; 
andere hingegen find es gewiß nicht, und ich will daher 
lieber gar Peine davon dem Sokrates zueignen, als den 
Plato etwas abſprechen, was fein Eigenthum iſt. 


Geſchichte des Sokrates und feiner Phil, 409 


he meine Seele nicht, fondern ihr ſchloßt das Daſeyn 
esfelben nur allein aus ihren Wirfungen; und eben fo 
lanbt auch dann, wann ihr mich nicht mehr fehet, daß 
d‘ doch immer noch da feyn werde. Habt ihr nicht off 
ıfahren, mit welchem Schrecken die Seelen derer, die 
Inrecht gelitten, ihre Beleidiger und Verfolger überfaße 
n haben *)? Könnt ihr euch wohl vorftellen, daß die 
denfmäler und Feigrlishfeiten, die man zu Ehren ber 
Serftorbenen gu errichten und einzufegen pflegt, fo lange 
yetdauren würden, wenn ihre Seelen nicht noch) vieles 
ıe Erhaltung ihres Gedächtniffes vermöchten ? Ich wege 
igftens habe mich nie überreden fonnen, daß die Seele, 
> Sange fie im jterblichen Eorper verweilt, leben, und 
yerur fie von dieſem abgelöft wird, fterben ſollte. Ich 
He ja allenchalben, daß Seelen ſelbſt lebloſen Coͤrpern, 
9 lange fie in ihnen wohnen, $eben geben; wie follte 
ch alfo glauben Fonnen, daß die Seelen Empfindung 
nd Vernunft verlören, wenn fie pon dem gefühllofen 
ind vernunftlofen Cörper getrennt werden? Vielmehr 
ft es wahricheinlich, daß das in uns denkende Weſen, 
venn es mic aller fremder Materie unvermijcht und une 
befchwert ift, am wirffamften und weifeften ſeyn werbe, 
Wenn der Menfch im Tode qufgelöft wird, fo ſieht 
man, wie ein jeder Beftandrheil ſich zu feines Gleichen . 
ammlet; nur die Seele allein nimmt man weder wahr, 
: large fie noch da iſt, noch wenn fie fich vom Coͤrper 
trennt. Endlich muß man auch dieſes bebenfen, bafi 
fein Zuftand dem Tode ähnlicher (ey, als der Schlaf, 
und daß fich gerade in dieſem Zuftande der göttliche Ur⸗ 
fprung und die göttliche Natur ber Seele am meiften 
pffenbare. Jun Schlafe fiehe fie ja ſelbſt in pie Zufunft 
° « . Gc 5 ⸗ hin⸗ 








7 
mu .. 





*) Diefen Gedanken bat icero in feiner Ueberſezung ap def 


“angeführten Stelle weggelaſſen. 


410 .  Giebentes Buch. Zweytes Capitel. 


hinein, weil fie, wie es ſcheint, alsddann vom Leibe am 
wenigften gedrückt wird. — Wenn es fich nun, fährt 
Kyrus fort, fo verhält, wie ich euch gefagt Habe, und 
auch felbft glaube, und meine Seele ihren Coͤrper nur 
verläßt, ohne mit ihm unterjugehen, fo ehrt mich da, 
durch, daß ihr das thut, was ich euch befohlen habe, 
Stirbt hingegen mein Geiſt mit dem Leibe ab; fo ws 
tet immer bie unfterblichen Götter, bie alles fehen und 
vermögen, und bie das unermeßlich große und unbe 
fehreiblich ſchoͤne Ganze in unveränderter Ordnung erhals 
ten. Thut und denfe nie etwas Unheiliges, und der 
Gottheit mißfälligess oder fcheut wenigftens, "wenn ihr 
Feine Götter fürchtet, die Urcheile des ganzen Menfchens 
gefchlechts. — Ruft alle Perfer und Bundesgenoffen bey 
meinem Grabe zufammen, und laßt fie alle fich darüber 
freuen , daß ich in Sicherheit und allem Uebel entzogen 
binz ich mag nun nach dem Tode gar nicht mehr ſeyn, 
oder unter den Göttern leben, | 
In einem ähnlichen Tone, in welchem aber doch 
die Hoffnung der Unſterblichkeit die Furcht vor der Zers 
fldrung nod) weniger überwiegt, läßt Plato den Sokra⸗ 
tes vor feinen Richtern reden. — Ach würde *), fagt 
er, ben Plaz verlaffen, auf welchen mid) die: Götter hins 
geftelle Haben, wenn ich aus Furcht vor dem Tode aufı 
hörte, mich felbft und euch zu unterfuchen. Wenn ich 
diefes chäte; fo koͤnnte man mich mit Recht als einen 
Mann vor Gericht führen, der feine Götter glaube, weil 
er ihren Befehlen und Warnungen nicht gehorche, und 
ber jich weife zu ſeyn dünfe, ohne es wirklich zu ſeyn. 
Denn fich vor dem Tode fürchten, ihr Athenienfer, it 
nichts anders, ala weife ſcheinen, ohne es zu feyn, im 
dem man fid) einbildet, etwas zu wiflen, was man nid 
weiß, 


U U 3 











„©. 11 und 12. 


Geſchichte des Sokrates ımd feiner Phil. 411 


yeiß. Denn niemand fenne die wahre Natur des To⸗ 
es, und feiner alfo weiß es, ob er nicht vielleicht dem 
Menfchen das größte Gut fen, ungeachtet die meiften 
m als Das größte Uebel fürchten. Wenn id) in irgend 
inem Stuͤcke weifer zu feyn glaubte, ald andere Mens 
hen; fo würbe es barinn feyn, daß, fo wie ic) nichts 
Juverläffiges von dem weiß, was mit dem Mienfchen 
ıach dem Tode vorgehen wird, id) es zu wiſſen mir auch 
‚ae nicht einbitve. Daß es hingegen fchlecht und ſchaͤnd⸗ 
ich fen, den Göttern oder beffern Menfchen nicht zu ges 
werben, davon bin ich feft überzeugt; und ic) werde 
ifo niemals etwas, wovon id) nicht weiß, ob es nicht 
ielleicht ein Gut fey, mehr fürchten, als böfe Hands 
ungen, von denen td) gewiß weiß, daß fie Uebel find. — 
Delbft daraus, fährt Sokrates gegen dad Ende feiner 
Schuzrede fort *), daß mein Genius mich gar nicht ges 
varnet, ober mir gar Fein Zeichen gegeben hat, als ich 
joe Gerichte ging, ſelbſt daraus fchließe ich, daß das, 
vas mir begegnet ift, nichts Bofes, und daß der Tod 
eibft ein Gut fen. Denn Sterben ift eins von benden: 
ntweder eine gänzliche Vernichtung des Mienfchen, oder 
md; nur eine Verſezung der Seele aus einer Wohnung 
n eine andere. ft das erftere, und liegt-alfo der er⸗ 
zlaßte keichnam wie in einem tiefen Schlafe, der durch 
'eine boͤſe unruhige Träume unterbrochen wird, fo kann 
nan den Tod nicht anders, als für einen großen Ges 
pinn halten. Denn wenn man alle die Tage und Nächte 
yes Lebens unterfuchen wollte, die man noch angenehmer 
‚gebracht hätte, als eine folche Nacht, in welcher man 
n einen tiefen traumlofen Schlummer verfunfen war; 
© würden nicht nur gemeine Menfchen, fondern auch 
elbft die größten Könige der Erden die erftern ſehr eis 

zaͤh⸗ 


— 








*) P. 16. 


413 Sicebentes Bud. Zweytes Capitel, 


sählen koͤnnen. Iſt alfo der Tod einem 'tiefen Schlafe 
gleich; fo kann man fich die ganze Ewigkeit als eine ein 
zige lange Nacht denken. Wäre Hingegen der Tod nır 
eine Beränderung des Aufenthalts, und wäre es nick 
falſch, was die Vorfahren geglaubt haben, daß alle 
Berftorbene nod) irgendwo fortieben, wie fonnte man 
ſich alsdann ein größeres Gut, als den Tod denken, 
"wodurch man auf einmal der Gewalt irdiſcher Richte 
entriſſen, und vot die Stühle des Minos, Nhadaman 
thus, Aeakus, Triptolemus und anderer Helden des Al 
terthums geftelle wird, die felbft ein heiliges Leben ge 
führe haben, und feine andere, als gerechte und unpar⸗ 
thenifche Urtheile fällen. Wie viel würde nicht ein jeder 
inter euch darum geben, wenn er mit dem Orpheus, 
Muſaͤus, Hefiodus und Homer zuſammen kommen 
Fonnte? Sch wenigftens würde mit Freuden einen vie, 
fachen Tod fterben, wenn ic) diefes Glück gewiß hoffen 
koͤnnte. Für mich würbe es eine entzuͤckende Unterhab⸗ 
fung feyn, wenn ich mic dem Palamedes, ober dem 
Ajax, dem Sohn des Telamon, oder andern berühms 
fen Männern , die durch ungerechte Urtheilsſpruͤche 
umgekommen find, reden, und meine Schickfale mit 
ben ihrigen vergleichen koͤnnte. Ein noch größeres 
Vergnuͤgen aber würde ich darinn finden, Die abge 
fehiedenen Seelen in den unterirdifchen Wohnungen, 
wie die Menjchen auf diefer Erde zu unterſuchen und 
zu prüfen, welche wirflich weife find , und welche es 
nur zu ſeyn fcheinen. Wie groß müfte das Vergnuͤgen 
ſeyn, den Helden zu erforfchen, der vie Griechen nad) 
Troja führte, oder den Ulyſſes, oder Siinphus, oder 
‚unzählige andere merkwuͤrdige Peripmen von benverien 
Geſchlecht? Gewiß diefe Erforkctungen müften eine 
unbefchreibliche Freude gewähren „ In perentwoilen bieje 
niigen, Die bier richten, gewiß ER verurteilen uN 
öbten würden. Auch darin Tin Ve Deohn * 


Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 413 


unterirdiſchen Derter glücklicher, als die Bewohnet der 
Erde, daß fie weiter feinen Tod zu fürchten haben, fonts 
yern ein unvergängliches Leben führen, mern ed anders 
mahr ift, was davon erzählt und gefungen wird. 


In einem viel zuverfichtlichern, und, wie ich glaube, 
mahrern Tone, der gleichjam ein Wiederhall feiner in 
nerften Empfindungen war, redet Sokrates im Phaͤdon 
und Gorgias des Plato über die UnfterblichFeit und Schick 
fale der Seele nach) dem Tode des Corpers, und bemerft 
e8 auch ſogleich, daß er fich gegen feine Sreunde ernftlis 
eher und frenmürhiger, als gegen feine Michter äußern 
wolle”). Ohne die lleberzeugung, . fagt er zum Simmias 
und Kebes, daß ich nach dem Tode in die Gefellichaffe 
weifer und guter Götter, und auch befferer Menfchen,: 
als Diefe Erde trägt, kommen werde, würde ich unrecht. 
thun, oder wenigſtens auf eine unvernänftige Arc forgs. 
les ſeyn, wenn ich mid) nicht vor dem Tode fürchtete. 
Nun aber wißt ihr, daß ich mit guten Menfchen, und 
wenn ic) auch biefes nicht zuverläflig verfichern kann, 
doch gewiß mit guten Göttern und Herren werde verels: 
nigt werben. Hiervon bin ich fo gewiß, als von irgend 
einer andern Sadje, überzeugt, und ich bin daher andy 
nicht unwillig über mein Schickſal, fondern lebe vielmehr 
der guten Hoffnung, daß auch die Verftorbenen nicht 
ganz aufhören zu feyn, und daß die guten Menfchen 
fich in einem beffern Zuftande, als die böfen, finden 
werden. — Ahr koͤnnt mich, antwortet er auf die Frage : 
mie er begraben fenn molle**)? beerdigen, wie ihr wollt, 
venn ihr meinet anders habhaft werden koͤnnt, und ich 
sch nicht entwiſche; und mie einem fanfsen laͤcheln und 

einem 





——— 


#) p. 24. in Phaed. 
Eee 








414 | Siebentes Buch. Zweytes Capitel. 


einem nicht weniger ſanften Blick auf ſeine ihn umgeben⸗ 
den Freunde fuhr er in folgenden Worten fort: Ich 
kann den Krito nicht uͤberreden, daß ich der Sokrates 
bin, der jezo mit ihm ſpricht, und ſeine Gedanken nach 
Abſichten ordnet. Er glaubt immer, daß ich derjenige 


bin, den er nach wenigen Augenblicken erſtarrt und ent⸗ 
ſeelt ſehen wird, und fraͤgt daher, wie er mich begraben 


ſoll, da ich ihm ſchon lange bewieſen habe, daß ich nach 
dem ausgeleerten Giftbecher nicht bey euch bleiben, ſon⸗ 
dern in Wohnungen der Seeligkeit uͤbergehen werde. 
Mit dieſem Gedanken habe ich ſowohl euch als mich ge⸗ 
troͤſtet, und ihr koͤnnt daher eine der ſeinigen ganz ent⸗ 
gegengeſezte Buͤrgſchafft uͤbernehmen. Denn ſo wie er 


fich bey den Richtern verbuͤrgte, daß ich nicht aus dem: 


Gefaͤngniſſe entfliehen würde, fo Fonnt the euch gegen 
ihn verbuͤrgen, daß Ich nach dem Tode des Chrpers nicht 
bier bleiben, fondern von dannen fcheiden werbe, Damit 
Krito bey der Verbrennung oder Beerdigung meines 
Leibes nicht unmillig werde, als wenn Id) 'noch etwas 
Schreckliches Titte, oder nicht fage, daß Sokrates begras 
ben oder ausgeftellt werde ‘Denn wiſſe, mein lieber 
Krito, daß, wenn man fic) hier unrecht ausdruͤckt, man 
Dadurch nicht nur Fehler im Reden macht, fondern auch 
feiner Seele Schaden thut. Seyd alfo guten Muths, 
und begrabt meinen Leib, wie es euch feldft aefällig, 
und ben väterlichen Geſezen und Gebräuchen am meiften 


gemäß ift ”). 
| Bor 














°) Als eiten' Beweis, daß Sofrates ober’ Plato dennoch 
in der Meynung von ber Unfterblichfeit der Seele ges 
wankt habe, führten viele folgende Worte an. in Phaed. 
©. 46. Es würde einem vernünftigen Mann nicht 
ziemen, mit einem entfcheibenden Tone zu a 

| a 


—— 


Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. z13 


Bor dem Tode, fagt Sofrates zum Kallikles, 
oa ſich fein anderer, als ein feiger und unverftändiger 
ann fürchten. Vor Unrechtthun Hingegen muß fich 
ig ein jeder feheuen, weil es fein größer Unglück gibe, 

mit einer von Miſſethaten belafteten Seele in vie 
terirdifchen Wohnungen zu kommen. Wenn es bie 
ht zuwider ift, ſo will ich dir eine fchöne Rede erzaͤh⸗ 
, die du vielleicht für eine Fabel haften wirft, die mir 
»e burchaus wahr ſcheint. — Jupiter, Neptun und 
uto theilten, fo finge Homer, das Reich, was fie von 
em Dater empfangen hatten. Nun war es Gefez uns 
‚der Regierung des Saturn, und iſt es aud) noch je⸗ 
‚ und wird e8 auch ewig bleiben ; daß Menfchen, die 
zendhaft und heilig gelebt haben, in die Inſeln der 
eeligen verſezt wurden, und dort ein forgen s und 
merzenlofes: leben führten, und daß bie Laſterhaften 
d Gortlofen Hingegen in einen Ort ber Strafe und 
“ des 














daß ſich alles genau fo verhalte, wie ich's erzählt ha⸗ 
be. — Allein dieſe Worte geben nicht anf die Gruͤnbe, 
die Sofrates für die Unſterblichkeit der Seele vorzes 
bracht, fondern auf die Kabeln, die er vom Zuſtaube 
der Seelen nach dem Tode erzählt. hatte. Dies erhellt 
niche nur aus den wiederhohlten Werfiherungen feine 
feſten Weberzeugung von der Unſterblichkeit der Seele, 
fondern auch aus dem, mas unmittelbar auf bie miß⸗ 
verflandenen Worte folgt. — Daß es fi unterdeffen 
auf diefe oder andere ähnliche Arten mit unfern Seelen 
verhalte, die wir für unfterblich halten muͤſſen, Dies 
glaube ich, laͤßt ſich ſchwerlich Täugnen. — In eben 
dieſem Sinne muß eine andere Stelle geleſen werden, 
die man auch unrecht verſtehen koͤnute p. 23. in Phaed; 
Kos yag scws nos MEANS TOEne, MET 
EKEITE ETOÖNMEN, dmonomev TE neu puJoAo- 
YEW RELITNS — TNS ER, TO Tvas 
—RX 


46 .Siebentes Buch: Zweytes Fapitel 


bed Gerichts, welcher man Tartarus nenne, hinabge— 
ſtoßen wurden. Sowohl die einen ald die andern wur 
dert unter dem Saturn, und anfangs auch noch unte 
der Regierung des Qupiter, bei) ihrem Leben, urib zwar 
än ihrem Sterbetage , von lebenden Perſonen gerichte: 
Allein die Ausfprüche dieſer Nichter waren ſo ſchlecht, 
dag Pluto und die Uuffeher der Wohnungen der Seh 
gen. jich genoͤthigt ſahen, es dein Jupiter zu melden, 
daß viele in mehrerer Ruͤckſicht unwuͤrdige Menſchen is 
den Aufenthalt glücklicher und tugendhafter Seelen ev 
gegangen feyen.. Jupiter verfprach dieſe Unordnungen 
abzuftellen, und fagte, daß die Urfache ber falfchen Ur 
'theile, die man bisher gefälle hätte, darinm liege, daß 
man die Menjchen noch bey ihrem Leben und unter aller, 
ley Hüllen gerichtet habe. Diele ruchlofe Seelen feyen 


mit fchönen Eörpern, mit dem Glanze eines alten Ge 


ſchlechts und großer Reichthuͤmer umfleidet geweſen, 
haͤtten auch viele Zeugen für ein tugendhaft geführtes 
teben beygebracht, und eben dadurch ihre gleichfalls noch 
beffeivete Richter um defto mehr geblender , da fie noch 
Naſen, Ohren, Geſicht und ihren ganzen Coͤrper, dl 
eine verbergende karve vorgehabt hätten. Man miüffe 
daher vors erfie dieſes abändern, daß die Menſchen die 
Zeit ihres Todes vorher wuͤſten, und dann muͤſte mar 
die Seelen alle nackt und nad) dem Tode des Körpers 
richten. Auch der Richter müffe entfleivet und verſtor⸗ 
ben feyn, damit er unmittelbar mit feiner Seele eine 
fede abgejchiedene Seele unterfuchen koͤnne, die une‘ 
wartet von ihrem Seibe gefchieden worden, und allen 
ihren Schmuck auf der Erde zurück gelaffen Habe. Zu 
Biefer Abſicht, alle Urtheile über abgefchiederre Seclen 
gerecht und unparcheyifch zu machen, Habe ich, fußt 
Jupitet fort, meine eigene Söhne zu Richtern beftimmt, 
zween aus Aſien, den Minos und Nhadamanthuie, und 
einen aus Europa, den Aeakus. Wenn diefe geſtorben 

fenn 


Geſchichte des Sofrates und feiner Phil. 417 


ei werden, fo follen fie auf der Miefe an der Schei⸗ 
ung der Wege, wovon ber eine nach dem Tartarus, 
nd ber andere nach den Sizen ber &eeligen binführr, 
Bericht halten, und zwar foll Rhadamanthus die Men⸗ 
ben aus Alten, und Aeakus die aus Europa richten, 
Dem Minos hingegen will ich die legte Entſcheidung foß 
her Fälle überlaffen, worinn ber eine oder andere feiner 
Behülfen Schiwierigfeiten finden, oder bey welchen fie 
Rath brauchen fünnten. — Dies ift es nun, Kallikles, 
vas ich gehört habe, und für wahr halte, und woraus 
nan, wie ich glaube, folgendes fchließen kann: bag der 
Tod meiter nichts als eine Trennung zwoer Naturen, 
je leibes iind der Seelen fen, und wenn fie beybe von 
inander gelöft werden, daß fie ihre Geſtalt und Eigen⸗ 
chafften behalten, wie fie viefelben während ihrer Ders 
inigung hatten, Wenn alfo jemand ben feinem teben 
woß und ſtark von Eörper wat, fo bleibt auch der beich⸗ 
ram fos oder wenn jemand einen reichen Haarwuchs, 
wer Striemen von Scylägen, oder Narben von Wun⸗ 
den, oder zerbröchene und verdrehte Gliedmaßen an feis 
nem teibe hatte; fo behält er dieſe alle auch Im Tode mer 
nigſtens während einer gewiſſen Zeit. Auf eine Ähnliche 
Art fcheint es fich auch mit der Seele zu verhalten: wenn 
fie vom Coͤrper entkleidet iſt; fo wird alles an ihr ſicht⸗ 
bar, ihre urſpruͤngliche Natur, und alle Verbeſſerungen 
per Verſchlimmerungen, die fie durch Gedanken und 
Thaten erhalten hat, Wenn alſo die Seelen aus Aſien 
pe den Rhadamanthus fonımen, ſo unterſucht biefer 
ine jede Seele, ohne zu wiſſen, wert fie gehört. (Er 
rifft daher oft die Seele des großen Königs der Perſer, 
wer auch anderer Könige und Satrapen, krank, durch 
Inmöägßigfeit, Weichlichfeit und andere Ungeheuer vers 
‚gen, und voll Narben und Geſchwuͤren an, die is 
nen buch Meineide oder andere Ungerechtigkeiten einge . 

Zweyter Wand, Do druͤckt 


483 GSiebentes Bud), Zweytes Capitcl. 


druͤckt und geſchlagen worden *). Solche haͤßliche ver 
zerrte Seelen ſchickt er ſogleich mit Schimpf an den Ort, 
wo fie die Strafen, die ihnen bevorſtehen, leiden mäß 
fen. Denn ein jeder, der von einem andern auf ei 
gerechte Art geftraft wird, wird entweder felbft gebeffert, 
oder dient auch andern zum warnenden Benfpiel, damit 
fie fehen, mas er leide, und durch Furcht vor diefen fer 
den zur Befferung betvogen werden. Solcher Seelen 
deren Leiden für die neuen Anfommlinge ein lehrreiches 
Schauſpiel find, finden fi) immer viele.in den unters 
difchen Dertern, und eine von diefen wird gewiß die 
Seele des Archelaus ſeyn, wenn es anders wahe if, 


was Polus von dieſem Mafevonifchen Könige erzäßkt. 


hat. Die meiften Seelen von diefer Arc find Die Se— 
len von Tyrannen, Kbnigen, Satrapen, oder 

von Städten, die alle zur Büßung ihrer Lüfte die größ 
ten Berbrecyen leicht begingen,, weil fie dieſelben unge 
ftraft begehen Fonnten. ‘Denn fehr ſchwer, mein lieber 
Kallikles, iſt es für die meiften Menſchen, gerecht zu 
handeln, wenn jie e8 in ihrer Gewalt haben, ungerecht 
zu feyn. — &o wie nun Rhadamanthus alle böfen See⸗ 


len (unter welchen er die heilbaren von den unverbeſſer⸗ 
lichen auszeichnet ) in den Tartarus hinabſchickt, ſe 


fendet er die guten und heiligen in die glücklichen Gefilde, 
umd eben dieſes ehut auch Aeakus. — Weil ich von der 
Wahrheit deffen, was ic) dir, mein lieber Kalliffes, jez 
erzählt habe, feſt überzeugt bin; fo bemühe ich midy 

meine 














®) Auf diefe Stelle im Gorgias zielt Zacitus im folgenten 
Worten VI. 6. Annal. Neque fruftre praeftantifi- 
mus fapientiae firmare folitus ef, fi recludantur ty- 
sannorum mentes, pofle afpici laniatus & iduss 


quando ut corpora verberibus, its faevitia, libidine, ' 


melis confultis animus dilaceretug, 


| Geſchichte des Sokrales und feiner Phi. 419 


eine Seele fo gefund, als ich nur kann, zu erhäften, 
n fie meiner Nichter fo unverdorben, als nut möglic) 
t, batftellen zu Föntten. Unbekuͤmmert um den Ruhm, 
e Würdeh und Güter, nach tvelchen andere Menſchen 
achten, forjche ich had) Wahrheit, und ſuche ſo volls 
ummen und gut, als meine Kräfte es erlauben, zii 
beit, und dereinſt auch abzuſcheiden. Auch muntere 
h alle übrige Menſchen, und ſeibſt dich, Kallikles, zu 
nein aͤhnlichen teben und Kampfe auf. Denn wenn 
as Urtheil wider dich ausfallen, und der Sohn ber. 
legina dich ergreifen follte, fo wuͤrdeſt du gewiß außer 
Stande ſeyn, Bit felbft zu Helfen, und deine Seele würde 
on einem eben fü heftigen Taumel oder Schwindel her⸗ 
mgetrieben werden, als du ſagſt, daß mich uͤberfallen 
‚Ärde, wenn ich auf einmal von einem mächtigen Red⸗ 

ee vor den Richterſtuhl ſollte gefuͤhrt werden. 
Dieſe Erzaͤhlung oder Rede des Sokrates iſt mei⸗ 
jem Urtheile nach die ſchoͤnſte und der Vernunft ans 
lehmlichſte Erdichtung über die Schickſale der Menſchen 
täch dein Tode; die jemals erfunden worden. Denn 
Bas Farin die ſich ſelbſt uͤberlaſſene Vernunft Ber Oott⸗ 
jeit wuͤrdigeres, zur Tugend mehr aufinunterndes, det 
dugendhaften troͤſtlicheres, und dein Laſtethaften nieder, 
thlogendetes denken, als daß die reinen Seelen, bie 
vährend ihret Berbindung mit dem ſterblithen Leibe aus 
Alen Kräften nach Wahrheit und Tügend geftrebt Haben, 
tach dem Tode mit hohern Naturen und beſſern Men⸗ 
eri vereinigt, und in diefet Bereinigung ſteto an Weiss 
" und Tugend wachen, und eben deßwegen duch an 
dckfeeligfeit Heftändig zunehmen? Bag hingegen die 
inteiheit Seelen in Wohnungen der Augal hinabgeſchickt, 
Ind durch gemiffe , ihrer Verdorbenheit und Verhtechen 
enau entfprechende Strafen geläucert, oder gebeſſert, 
md menü keine Beſſerung Statt findef, Auen zum 
Benfpiel werden gezuͤchtiget Batan“ a Ge wenig „a 
va Ä | | 


ww 


430 Giebentes Buch Zweytes Capite J 


aber über ven Werth der Sokratiſchen Erzaͤhlung entge⸗ 
gengefezte Lrtheile erwartes fo fehr werben, glaube kh, 
viele fich darüber wundern, daß ein fo großer Mahn, 
als Sofrates war, ſich mit folchen Beweifen befriebigen 
fönnte, als worauf er feine Hoffnungen der Unſterb⸗ 
lichkeit gründete, Allein diefe müffen fich erinnern, daß 
. das Gewicht von Gründen in Ruͤckſicht auf verfchiedene 
Gemuͤther eben fo verfchieden, als die Meynungen felbfl 
fenen, und daß alfo auch Beweisarten dem Sokrates 
genug thun Fonnten, die uns ganz unzulänglich ſcheinen. 
Ueberdem darf man nicht vergeffen, daß Sokrates außer 
‚ben Gründen, die wie ihm jezo mit Zuverfiche zueignen 
koͤnnen, vielleicht noch andere hatte, die wir nicht wi. 
fen.‘ Denn alles, was und von der Denkungsart und 
den lehren des Sokrates befannt ift, ift doch Immer 
nur Bruchſtuͤck, indem feine Freunde gewiß niche alles, 
was fie von ihm gehört, aufgefchrieben Haben, und 
wiederum von dem, was fie aufgezeichnet harten, der 
ben weiten größere Theil verloren gegangen iſt *), 

DAR | Auf 


. ; inininenitiunhesnsihienn ahnen —— 


#) Bielleicht zweyfelt man daran, ob die ganze Erpichtung 
vom Sokrates herruͤhre, und ich will daher bie Brüw 
| de anführen, warum ich ſowohl diefe Fiction, als bi 
Abrigen Gedanken, bie ih ans dem Plato genommen 
habe, oder noch nehmen werde, für aͤcht Sokratiſqh 
halte. Es iſt fteylich viel leichter zu fagen, was im 
Mlato nicht Sokratiſch ſey, als was dein Sokratet iu 
gehöre. Denn alle Saͤze und Schluͤſſe, bie deum, 
welche Kenophon anführt, nicht wiberfprechen,, Binnen 

vom Sofrates berühren, koͤnnen aber auch blog Ev 
weiterungen und Ableitungen Sokratiſcher Gedanken 
ſeyn, die Plato gemacht bat. Ich beobachte daher fol 
gende Regel, um zu unterfdeiden, welche Lehren dm 
Plato, und melde dem Sokrates zugeeignet werden 
muͤſſen. Wenn Plato den Sokrates ſolche Gebante⸗ 

yon 


% 


Gefchichte des Solrates und feiner Phil. u 


Auf dieſe Uebergeugungen von der göttlichen Bora 
jung, ven ber Unfterblichfeit bes Seele und von den 
" Db 3 Des 








vortragen laͤgt, hie auch Kenophon für Sokratiſch ande 
gibt, ober bie unmittelbar aus ihnen folgen, ober bie 
wohl gar ben eigenthuͤmlichen Mepnungen des Plate 
widerſprechen; wenn er fie ferner in der feinem Lehe 
rer eigenthämlichen Sprache und Manier, ohne Eine 
mifpung von Spizfindigkeiten, weit hergehohlten 
jränden und Lieblingeibeen mittheilt; dann glaube ih 
prechtigt zu ſeyn, foldhe Behanfen für aͤchte Sofratis 
& anzufehen. Wenn hingegen Plate durch bey 

und des Sokrates ſolche Behauptungen und Untere 
ſuchungen vorträgt , die den Nachrichten des Zenophon 
foiderfpreggen, oder zu mühfang erfonnen, au kuͤnſtiich 
gebreht, und zu bichterifch eingefleibet fink, daun faun 
man wieder mit Zuverfiht fagen, daß Plato den Goy 
Brates an feine Stelle gefezt habe, auflaft daß er fich In die 
@efinnungen felnes Lehrers, bie er fannte, hätte vera 
fegen ſollen. Wenn man diefe beyden Regeln gelten 
Hr, fo kann man au ſchwerlich idugnen, daß bie 
Khöne Zistion im Gorgias, und der größte Theil dep 
Übrigen Balfonnements in eben diefem Befpräche vom 
Sokrates herruͤhren. Denn fie enthalten nichts, was 
Den Gebanden des Sokrates beym Kenophon entzegege 
gefegt ik, fondern ſtimmen vielmehr mit diefen überein, 
der find doch unmittelbare Folgen berfelben, bey denen 
Dia feine eigne Xräumg ganz vergeffen zn haben 
fHelat. Namentlich if der audos im Gorgias ben 
weiten nicht fo abentheuerlich, ald der im Phädo, oder 
ber Renublit; und ift auch nicht in einer fo pomphaf⸗ 
fen Sprache erzählt, ale die bepden Ieztern. Bon folden 
SR nun, ald ich Rem Sokrates zueigne, war diefer 





jeife gar kein Feind, wie feine Erzählung von ber’ 
jahl des Herkuies beym Zeuaphon und andere Ahnlis 
ge Depfpiele beweiſen. Allein wenn man auch das 
Bichterifche Gerüffe ber Grakhtung im Gorgias dem 
ge aueignen wollte; fo fehe Ich doch gar. feinen 
ma, warum man hie Gedanken, auf tweihen biefes 


exrichtei iſt, dem Sokrates abſprechen wollte, 
x 


422 Siebentes Buch. Zweytes Eapitel, 


Belohnungen und Strafen ber Gerechten und Ungereche 
ten in einer andern Welt, gründete Sokrates feine X 
gendlehre. Er führte Biele großen Wahrheiten, ala die 
Zeuginnen und Buͤrginnen feiner Hoffnungen, uno ber 
‚Heiligfeit und der Nothwendigkeit der Tugend an, um | 
aus ihnen nahm er Troftgründe für den feidennen Tu | 
gendhaften, und Warnungen oder Schreckniffe für den | 
fichern und verftackten Boͤſewicht her. Wenn mir am 
ders, fo rief Sofrates feinen Freunden und Bürgern 
zu, die Gnade der alfes durchſchauenden und nur gute 
Menfchen und Thaten liebenden Gottheit verbienen, und 
nicht bloß in biefem vergänglichen, ſondern In einem un 
pergänglichen teben glücklich feyn wollen, fo muͤſſen wis 
nothwendig feufch, mäßig und gerecht umherwandeln, 
ünd nach Zugenb mehr, ala nach Reichthum, nad 
Ehre, Ruhm und andern Gütern feachten )., Wir 
möffen Verbrechen und kafter mehr, als ben Ton fliehen, ' 
und gern alles, was wir haben, ſelbſt unfer Sehen aufı 
opfern, um den Millen der Gortheit zu erfüllen; denn 
Gehorſam gegen ihre Befehle iſt das einzige Gut, road 
uns aus biefem !ehen nachfolge, und Beftreben, ihr zu 
“gefallen, ſtets beffer und nollfommner zu werden, das 
einzige Mittel, fich von allen Uebeln auf eine unermef: 
liche Ewigkeit loß zu machen ?*). Der Sram 
llein 











* * Du * 
u. E22 u ner. — oo 


4 Plat. Apo D. 13. Crito P. 19. de Re I, . . Ed, 
9 en * — Pape 


") Plat, in Phaęq. p. 43; Ei yev Ye m é Javarıs 
TA TAUVTOS ATMEN, ELMEHON op mm Tew 
KAKOS, KTAIWEH TE TE AOURTos du am). 
Auxten, 04 TS auTav narıngs Mer Tas Ye 
ns, vuv de emeidn aIavaros Dasweras son, 
Bderın ax em mury an amoQuyn wenn sh 

| i qœrneu, 


wı., 





Geſchichte des Sokrates und feiner Phil, 423 


ein fönne, glaubte er; mit frohem Muthe den Tode 
tgegen gehen, weil er überzeugt fen, daß er mit jeis 
un Leibe nicht ganz fterben, ſondern in gluͤcklichere Woh⸗ 
ıngen verfezt werden werde *). (Er allein fonne, uns 
: den Berfolgungen böfer Menfthen, und unter allem 
ihermärtigfeiten, welche die Vorſehung zur Prüfun 
d Stärfung feiner Tugend über ihn berhänge, gerroft 
d unerſchuͤttert bleiben, weiler wiſſe, daß Feine menſche 
he Bosheit ihm ſchaden, und daß die Goteheit denjeni⸗ 
n nicht vernachlaͤſſigen werde, ber ſich aus allen Kraͤf⸗ 
bemuͤht habe, Ihr ähnlich gu werben **). Der fas 
rhafte hingegen Eönne fich unter ber Angft, die ihn ben 
annahendem Tode üerfafle }), nicht einmal mit der 
Dd4 trauf 
garngın, wm Ta os BeArısıy Te won Dgovi: 
pwrarny yaregdıy. adev yag wo eyaca eig 
03a a \uxn sexeran, TA TS noudaas Ta 
waı Teons, ci dm no Äeyeraj keys aBe- 
As n Biunrew Tor TeAsurnaaunros eudus ev 
YTNS exios Toggias. a 
tr! ». de Rep. Zu 
Hy Plat. Apol. Socrat, p. 12 & 16, de Republ. lib. X, 
“vol, I. p. 334. Ed, Mafley: Ouros sex ume- 
Anzpreov megı va dinaus evdgos , eocv T'ev mei 
SYNToI, EOW Venus, n TV Ray Tasy 
ok8vTav KARay, O8 TETO TUT EIS Yon 
Ti TEAEUTNEE q Curr⸗ n [77 BBTEE avoyrı. & 
ap dn Umo ve Ieov TOTE ÖMENEITOI, OS 0 
mecdunsic9e: eIsAn dinosos Yrweedar, ua 
entEndeumv @aarnvy , EIS 0qov duvasrev auvfooTa 
onowota: Jew. Eınas Y’edn, Tov TusTov m 
NzsaIaus Uma FR omas. K.T.A. . 
) Wie fehr und allgemein die Zeitgenoffen des Sokrates 
und Plato fi vor] Strafen der Suͤnden in einer aukers 
t 









—— 


— — ngar — fi her, e 





verfluchte Diejenigen als Bervärher bes 
Bi die dieſe himmliſchen Set m; 





Belt Eheiieten, em man. er is De mt 

Republit 1. p. 7, yaa ad, euer 

— ri ereıden Tıs eyyusy Te — FEAEUTIGEN, 

een wur deos wart Dearıs, eQi “ 

Br ehamen. & FE /opEL 

—* TEL Fay &v A| as. Tau & Ge 

Foray des auca didevaı Ära, warzasyerapery 
Tems,. Tore di SgsDaay we Yan: m 


wAndeis ar . 


NY Tedn ar 


Seſchichte des Sokrates und feiner Phil, 44 


ie bas öffentliche Beſte von ber Wohlfart einzefner Per⸗ 
omen abgefondere und gelehrt härten, daß man für feine 
Derfon glücklich feyn Fonne, wenn man gleid) andere 
Menſchen vorſezlich unglücklich mache *),, Er war bep 
gfte, welcher bewies, daß Tugend wahre Klugheit obep 
Weisheit, und kalter Thorheit oder Wahnfinn ſey; un 
ver nicht nur durch feine tehre, fondern aud) durch fein 
Benfpiel un andere bowog, erft gute Bürger und tu⸗ 
jendhafte Männer zu werden, um nachher deſto gluͤe 
ichere Menſchen zu fegn, ochher def vr . 


Die Tugend erflärte Sokrates ald eine Fertigkeit, 
ME Schöne und Gute nicht nur zu empfinden und zu eve 
ennen, fondern.auch auszuuͤben **), oder als ein Pay 
— ſich ſelbſt und andere fa viel, ala moͤglich, zu 
dervollkommnen, ober endlich als ein Bemühen, ſich 
got und andere Menſchen, fo viel man koͤnne, gluͤck 
ich zu machen, und feinem, gibt nicht einmal Feine 
ven, Schaden zu thun T). Tugend in diefer Bedeue 
tung theilte Sokrates in Maͤßigkeit und Gerechtig⸗ 
keit ein, wovon er die erſtere als die Schuzgoͤttinn bee 

perföntichen Gluͤckſeeligkei, die andere als die Schoͤpfee⸗ 
Finn der öffenslichen Wohlfart anfahe 7), Nur der⸗ 
| Bag jenige, 








er 
FR GERT oe * EEE Zu 


% Cicer. de off. III, 3. Dubitandum non ef, quig 
punquam poffit utilitss cum honeſtate contendere, 
Itaque acsepimus Socratem exfecrari folitum ep 
qui peimum, haee natura cahaerentig, opinione di- 
ftraxiſſent. | 
®%).111. 9. 171. 172. Mem. Socr. , 
1), Me Sort, U. N, 72 IV. 8: h. 267. Plat. Oric, p.1g, 
e bep. 1. 9, 20. | 
tH Amaucoyyn ua eyngaetess,. Memor, IN, 4. 3: 
Plato ſagt kmmer gadessuyn na dinauorum 
p- 334, in Gorg. 335. in Menone, (Ehen Kiefer ie 


06 Giebentes Dich. Zweytes Eapitel.. 


jenige, ber: biefe beyden Tugenden befize und aubäbe, 
berbiene den ehrwürdigen Namen eines wackern recht⸗ 
fehaffenen Mannes, der im Sofratifchen Sinn mit dem 
mpißigen und gerechten Manne eineriey war, und auf 
bieſe Art auch häufig vom Kenophon und Plato umfchrie 
den wire *). 
. Unter Maͤßigkeit verfiand Sokrates nicht bloß die 
Bertigfeit oder Gewohnheit, im Genuſſe von Sbpeiſe 
and Trank nicht zu viel zu thun, fondern eine Erhaben 
beit oder Herrfchafft über alle cörperliche Luͤſte, über alle 
feivenfchafften und Gewohnheiten, veren Befriedigung 
pber Linterhaltung den feib und die Seele des Men 
petberben , aber ihn wenigſtens hindern, feinen Chi 
. und Geift zu pervollfommnen, und alle Pflichten eines 
ten Bürgers und rechtfchaffnen Mannes zu erfüllen ). 
che alfo bloß Herrfchafft Über Schwelgerey und lecker⸗ 
aftigkeit, ſondern auch über unmäßigen Hang zur fine 
Ichen Liebe, über thörichte unmäßige Prachtliebe, GS⸗ 
relkeit, Stolg, WeichlichFeit, Geldgeiz, rue 








EEE EEE 7 ben RER um Kommen on 


bisweilen bie Heiligkeit ober Froͤmmigkeit als einen 
britten Hauptzweig der Tugend an, und erPlärt fie als 
ein Beftreben pder Zertigkeit, alles das zu thun, was 
man den Göttern ſchuldig fey. Plat. in Gorg, p. 335. 
& 337. in Menone, 

N Bepde präden ihn am häufisften durch wuAos re 
woyc$os aus. Xenaoph. Oecon. c. 6. p. 309. 310. 
wo Sokrates fagt, daß biefed ein Tesvov ovopas 
ſey. Plato nennt die Rechtſchaffenen auch xoanas 
und vonsmss aus einer Ürfache, bie weiter unten andı 

geführet twerden wird In Gorg. ©. 325. 
P*) Xen. Memor, Socr. 1. c, 5. p. 51 & 53. I. 1. p. 63. & 
“ Plat. in Gorg. p. 319. ZwuDeovx ovTr&, Kos ey- 
neuen aurov Euurs, Favnderwv nos errıdupum 
KENT Tv EV ERUTO. 


Gefibichte des Sofrates und feiner Phil, 437 


Ehrbegierde, enblich über Furcht vor Dingen, por der 
ven der weiſe Mann fich nicht fürchten follfe, nannte 
Sokrates Maͤßigkeit. Die Beſtandtheile diefer Tugend 
waren daher Mäßigfeit in der engern Bedeutung, Ente 
yaltfamfeit, Genuͤgſamkeit, Befcheidenheit, Abhaͤrtung 
368 $eibes und der Seele gegen folche Unbequemlichfeiten 
ver Witterung und andere Zufälle, wodurch die verzaͤre 
telten Görper yon Weichlingen zu wichtigen Geſchaͤfften 
unbrauchbar werden, endlich Stanphaftigfeit und ein⸗ 
ſoſche Schäzung von Reichthuͤmern, Ehrenftellen un 
Ruhm, wodurch ihnen Fein hoͤherer Werth beygelegt 
werde, ala fie wirklich haben. Sokrates nahm dig 
Woͤrter Mäßigfeit und Unmaͤßigkeit in eben den Bedeu⸗ 
hang, in melcher fie nachher bon den Stoikern genom⸗ 
ne murden "u und er verfangre yon gr 
anne nicht weniger, als Zenq von dem leidenſchafft 
pſen Weifen forderte **). ; ka 
Sokrgtes hielt die Maͤßigkeit mig Recht für bie 
Seundlage ader Grundfänle aller Tugend, und glaubte, 
daß alle Diejenigen , die biefe erwerben wollten, fich det 
erſtern zuvor befleißigen müften }), Er empfahl bie 
Maͤßigkeit, befonders den mäßigen Genuß von Speife 
und Trank, von kiebe und andern Bequemlichfeiten, und 
beftrice hingegen Unmäßigfeit, befonders Schlemmerey, 
SBölleren, diederlichkeit und Weichlichkeit mit fa Äberzeus 
' | | genden 


— u. en. 








mu em 
on wu 





[3 Du ws 


®) Slehe Cie. III. 8. IV. 9. Tufe, quael, 
9) Man fehe meine Abhandlung Über pie Apathle der Gtoi 
er im zopien Theile meiner phllof, Sqgriffen, 

156. u | 


12 *en. Memog. Socr. l, e, P. 53; Ace ve a xeog 

rœvroœ —R —V 
BEETNS EVA HENTIOR, TEUTN TREOTOV Ey rg 
Yuxu naruoneuueuu; | 


- 


428 Siebentes Buch. Zweytes Capitecl. 


genden Gruͤnden, daß ihr Gewicht nur allein 
durch diejenigen, welche eine hoͤhere Offenbarung her⸗ 
gibt, vermehrt werben kann. Maͤßigkeit, ſagte Sokra⸗ 
feö, iſt Die einzige wahre Quelle der lebhafteſten Vergnoͤ⸗ 
gungen, ſelbſt derjenigen, die ber Unmäßige aflein ſucht 
und allein zu genießen glaubt. Dur der Mäßige laͤßt 
die Begierde nach) Speife und Tranf, nach Schlaf un 
Beyſchlaf fo ſtark werden, daß die Befriedigung derfek 
ben mit dem lebhafteften Dergnügen verbunden iſt *). 
Weil gr nicht eher ißt und trinfet, als bis ihn hungert 
und durfter; fo ift’felbft der Hunger und Durſt die um 
ſchuldige Würze des Nahrungsmittel, welche Die Natur 
zu ihrer Unterhaltung verfange **). Und eben fo ift fein 
Schlaf füßer, und die Liebe felbft gewährt ihm größere 
Freuden, als dem Schwelger, weil er ben erſten durch 
Arbeit verdient, und die andern nur alsdann genieft, 
wenn er durch die laute Stimme der Natur Bazu auf⸗ 
gefordert wird. Er allein hat ven großen Vorzug, daß 
er unfchuldige Freuden nicht nur lebhafter empfindet, ad 
andere, fondern daß er fie auch ſtets mit Vergnuͤgen 
wieder genießen kann, und ben ihrer Erinnerung nie⸗ 
mals weder erroͤthen, noch fich Vorwuͤrfe machen darft). 
Auch hat er nicht nöthig, Bergnägungen mit aͤngſtlicher 
Münfeeligfeie oder großen Koften zufammen zu füchen 
und aufzukaufen. Vielmehr hat die Natur für ihn al 
lenthalben feine Tafel und fein lager bereiter, weil er 
nicht feltene beckereyen nöthig hat, um feinen Yunge : 
und Durft zu ſtillen, und feine prächtige Teppiche, um 
feine ermuͤdeten Glieder zu erquicken. Tadelſt bu F 

fraͤgt 








VVVV acer Deren 


9% IV. 5. Mem. p. 248. IL, 1, p. 80. I. 3. 2. 38. 
“*) Ih, | 
}) IV. 5. P. 248. Xenophk. 





Geſchichte des Sofrated und feiner Phil. 429 


fräge Sokrates den Antiphon *), der ſeiner geſpottet 
hatte, weil er ſchlechter als ein Sclave lebe und einher⸗ 
gehe, tadelſt vu meine Urt zu leben, etwa deßwegen, 
weil ich weniger nahrhafte und gefunde Speifen zu mie 
nehme ald du? oder hut deßwegen, teil die meiniger 
nicht fo felten, fu Fofidar, und leckerhaft find, als die 
deinigen? Weiſt du denn nicht, daß derjenige , der 
mit dem größten Vergnügen fpeift, aller Föftlichen und - 
teizenden Drüben und tecferbiffen am wenigften bedarf, 
und daß berjenige, der mit dem größten Vergnuͤgen 
stinft, am allerleichteften folcher Getraͤnke entbehre 
die ſchwer zu haben find? Dis fcheinft zu glauben, Sp 
bie Gluͤckſeeligkeit nur allein in Pracht und großem Auf 
wande beruhe; ich hingegen bin überzeugt, daß Nichts⸗ 
bebuͤrfen ein Vorzug der Gottheit, und am wenigſten 
Beduͤrfen die größte Gortähnlichkeit fen *"). Nur bey 
siner folchen Denfungsart kann man das ebelfte Kieis 
nod des Menfchen, uneingeſchraͤnkte Frenheit oder Un⸗ 
abtzaͤngigkeit von peinigenden Lüften und Begierden bes 
bauspten; und ber Mäßige allein wird nie Durch gegen⸗ 
wärtige Vergnügungen von guten Handlungen zuruͤck⸗ 
gehalten oder zu fehändlichen hingetrieben }). Sein Coͤt⸗ 
per ift nicht durch Weichlichkeit p verdorben, daß er 
nicht, um feiner Freunde oder feiries Vaterlandes wil⸗ 
fern, Hunger und Durſt, Wachen und andere Beſchwer⸗ 
lichfeiten aushalten fonnte FF); Oder glaubft du, daß 
derjenige, ben bu glücklich preifeft, zu alle dieſem fähiger 
ſeynn werde, als berjenige, der mic glücklich ſcheint? 
Wer, meynſt du, wird leichter und fehneller u. ben 
hd 





ib, 
2 1, 6. p. $7. Memor, Soer, 


430 Siebentes Buch, Zweytes Capitel. 


Feind ausziehen, derjenige, ber an ein vraͤchtiges ehen 
gewohnt iſt, oder der ſich mit allem, was er vorfindet, 
hegnuͤgt? wer in Belagerungen gefchreinder zut Us 
bergabe gezwungen werden, derjenige, dem die koſtbar 
ſten und ſelteſten Sachen zu Nothwendigkeiten gewor⸗ 
den find, oder ein anderer, ben dad, was er allent⸗ 
halben anteifft , hinteichend ift ? 

Wenn aber auch der Mäsige und Enthaltſame fd 
Einige Sreuden verfagt, die der Schwelget und ob 
faͤſtling fich erlaubt, glaubſt du denn, Bag ek dieſes und 
fonft und ohne alle Belohnung thiie*)? Er dient weder 
dem Bauche, noch der Unzucht, und zwar aus keiner am 
dern Urſache, als weil et groͤßere und beſſere Freuden 
badurch erhält, die ihn nicht nur fo lange gluͤckſich ma⸗ 
hen, als fie dauren, ſondern die ihm auch Die erfreul⸗ 
the Hoffnung geben, daß fie ihm beftändig nuzen wer⸗ 
ben, Du weift doc, daß diejenigen, Denen Hicks 
gluͤckt, durch folche beſtaͤndige Unfaͤlle niedergeſchlagen 
werden, und daß hingegen diejenigen, denen alles, wad 
ſie unternehmen, nach Wunſche geht, ſich fuͤr gluͤckliche 
Menſchen halten? Glaubſt du nun wohl, daß auch def 
erwünfchtefte Fortgang vor SGefchäfften und Handthie⸗ 
tungen fo viele Freude gemähre, als das Bewuſtſeyn, 
daß man täglich feibit beffer und vollkommner werde/ 
und auch feine Freunde oder andere vollkommnet und 
gluͤcklicher mache? = Oder feheint dir **) das nur eilt 
Feiner Preis für die Vergnuͤgungen zu feyn, die Mäßi 
- ge aufopfertt, oder für die Beſchwerden, die- fie über 
nehmen, daß fie nicht allein mächtig an teib und Seele 

wer 





FR PT, 








°% ib. p. 56, u _ 
“m Sagt er zum Ariſtipp IL, 1: p. 72. und Euthybemn⸗ 
IV, 5, p. 248. 49: 


Te 


Gckbichte des Sokrates und feiner Phil. 431 


erden, und dem einen Staͤrke und Geſundheit, und 
e andern einen Schaz von Tugenden und nüzlichen 
enntniffen verfchaffen , fonbern daß fie auch tedliche 
seunde erhalten tind ihnen dienen, daß fie ihre Feinde 


erwältigen, ihre Häufer und Familen weifer regieren, 


id ihre Vatetſtaͤdte begluͤcken können ? Koͤmmt es 
e denn ſo ſchwer zit begreifen vor, daß alles dieſes, was 
r Maͤßige durch feine Aufopferungen tınd Arbeiten ge⸗ 
nunt, nicht bloß die größten Vortheile, ſondern auch 
» größten Freuden bringe, deren der Ummäßige und 
Jeichling entbehren muß? Wein du endlich zu den ans 


fuͤhrten eigenthümlichen Belohnungen der Maͤßigkeit 


ch diefe hinzudenfft, daß der Mäßige und Tugendhaf—⸗ 
allein, ober doch unendlich brauchbarer in allen Küns 
a und Sefchäfften des Krieges und Friedens fen, daß 
r allein tiebe und Zutrauen, Ehre und eriger Nach 
ya im Leben, wie im Tode nachfolgen; kannſt vu 
in noch ziwenfeln, daß der Mäßige und Tugendhafte 
licher, als der Unmäßige und tafterhafte fen, und 
z der erftere weifer handle, wenn er fich gewiſſe Ders 
Sgungen verfagt, als diefer, wenn er fie fich ohne Bes 
sten erlaubt? Sind es aber nicht die Mäßigen und 
tgendhaften allein, die in ihrer Tugend von den Alten 
obt, und in ihrem Alter von den STüngern verehrt 


reden? Sind fie es nicht allein, die fich ſowohl ihrer 


gangenen als ihrer gegenwärtigen Thaten freuen, die 
NGoͤttern wohlgefällig, ihren Freunden werth, und 
em SBaterlande theuer und ehrwuͤrdig find, Die end» 
), wenn ihre legte Stunde hetannaht, nicht in eine 
ige Bergeffenheit verfenft werden, fondern in dert Lob⸗ 
angen det fpäteften Nachwelt fortgruͤnen? 


Sage mir eirimal, mein lieber Ariſtipp, fo redete 
‚ofrates dieſen ihm jehr ungleichen Schüler an *), wenn 
bu 





nn am auiifin — ee 
nr 


n. 1. 


nen —— 


432 Siehentes Buch, Zweytes Capitel. 


Bi won zwoen Knaben, dert einen zu einem brauchbaren 
Geſchaͤfftsmann, und den andern hingegen auf eine foldye 
Art erziehen follceft, daß er am wenigften geneigt und 
geſchickt wuͤrde, andere Menfchen zu regieren, wie 

teit du diefed anfangen ? laßt ung erft unterſuchen, 
teil Nahrung doch der Grund bes lebens und bet Ev 
Hebung ift, wie du es in Nückjicht auf diefe mit dem 
«einen und dem anbein det dir anvertrauten jungen feute 
halten wollteſt? Welchen von beyden würbeft Dit Day 

‚ gewöhnen , lieber erſt ein dringendes Geſchaͤfft zu ver 
tichten, als feinen Bauch zu befriedigen ? = Ohne Zwey⸗ 
fel, antwortete Ariftipp, denjenigen, der zu öffentlichen 
Würden bejsimmt wäre, damit nicht Schwelgerey ig 
die Angelegenheiten des Staats vernachläffigen‘ mache 
= Wenn alfo auch beyde trinken. wollten, fo w | 
du eben dieſen daran gewoͤhnen, eine Zeitlang ſeinen Durſt 
aufzuhalten ? — Allerdings, fagte Ariſtipp. — Welchen 
kon beyden ferner toollteft du fo ziehen, daß er Meiſtet 
ſeines Schlaf würde, daß er fich fpät niederlegen, ar 





aufſtehen, oder gar Mächte durch wachen fonnte? Wir 
auch ebendenſelben? Welchen von beyden wollteſt x 
zur Keufchheit, Enthaltfamfeit, zur Arbeirfamfeit | 
willigen Uebernehmung von Beſchwerden und zus R 
werbung nuͤzlicher Kenntniſſe anhalten, damit er 
durch Liederlichkeit, noch durch Weichlichkeit, nicch K 
Unwiſſenheit gehindert würde, feinem Paterlanð enri 
bienen, und Herr feiner Feinde zu werben ? = de # 
dieſen, erwiedert Ariftipp. — Wenn alfo jemand 
fe ÄArt gezogen würde, der fcheine dir der Gef, W auf de 
Wiberſachern gefangen zu werben, weniger aus; ahr MM 
ſeyn, als die übrigen Thiere; denn du weiſt Dysefat 
unter den Thieren einige durch tockfpeifen, ar, och, da⸗ 
tockteänfe, noch andere durch einen Reiz N bete bu 
finnlichet tiebe, entweder in Eifen, Oder — pie 
Nie sepoen werden ? Du haͤltſt ı a p pr 
ſchaͤnd⸗ 


Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 433 


änblich, wenn Menfchen, glei) den unvernänftigften 
ieren, gelocft und ercappt werden? Wie, wenn, Ehe 
brecher fich in fremdes Gehege wagen, da fie doch wife 
fen, daß es ihnen bevorftehe, ertappt und nach den Ges 
ſezen geftraft zu werden? Nennſt du es auch niche 
ſchimpfliche Nachläffigreit, wenn Menfchen ihren Coͤr⸗ 
per gar nicht darinn üben, ober daran gewöhnen, Hize 
und Kälte, und andere Beränderungen und Unbequems 
lichkeiten der Witterung zu ertragen , da doch bie mei⸗ 
n und wichtigften Arbeiten , die des Ackerbaues zum 
: fpiel, des Kriege, und viele andere nut in freyer duft 
= errichtet werden? — Ariſtipp beantwortete diefe, mie 
: De vorhergehenden Fragen, mit {a — Wir wollen 
x dife, fagte Sofrates, Diejenigen, die ſich von alle dem 
= angeführten enthalten, oder es aushalten koͤnnen, in bie 
> Leauchbarer, und diejenigen, die.es nicht koͤnnen, 
re die Elaffe unbrauchbarer Menſchen fegen, die andere 
* WU tegieren und ihnen zu nüzen unfähig find? Ariſtipp 
‚ Munfte auch diefes mit einem Ja befräftigen, und zulezt 
das demuͤchigende Geſtaͤndniß ablegen, daß er ſelbſt und 
A diejenigen, die nach feiner Art und nad) feinen Grund» 
Pgern Iehten , jur lezten Claſſe gehörten. 


Mit eben ſo lebhaften Farben und ſtarken Gruͤnden, 

Us womit Sofrated die Mäßigfeit ſchilderte und em⸗ 
264, mahlte und warnete er vor allen Urten von Uns 
Bigkeir,. Er ſtritt wider fie, wie gegen die gefährliche 
r zFeinve, und fagte, daß man wider diefe Räuberinn - 
-SPrBengclichen Freyheit ernftlicher als gegen folche 
Tzer Fampfen muͤſſe, welche die Waffen in der Hand 
SIE SBclaven machen wollten; indem jene alle diejes 
® > ie fie überwänbe, ins Verderben flürze; diefe 
-Seru'fcon manche wider Ihren Willen zu einem 
ww eben und lauf beffere Seranfen gebracht haͤt⸗ 

* 


EVDaier Band, 


‘ 





434 > »Siebentes Buch; 





gm): ri leer Sirene ale 5 ae 


verführerifchen Reije ab, wodurch bo 
mg en Sterbliche in ihre Mege Iokkr, oder: 
= fefthäfe, und zeigte, ba biefe Mbrberinu menfd 


75° Glehfeeligfeit diejenigen, Die ihr dienten‘, nice 


Ba 


N 
or 


un . Soneveu Ta vumuru Toy andgamran, zu ’ml.lı 


ihrer eigenen Vollkommenheit und der 

————— 

fe verderbe, daß fie ihre Verehrer in 
himpflichfte Knechtſchafft Frürze, und 4 


_ ‚Bergeflenheit oder Fluch) im Tode delohne 

"a en einem gefährlichen X 
Sofrates einſt zu feinen Freunden **), 
wählen wollten, der uns am beften bertei 
Veinde am mächtigften niederfchlagen Fonnee; 
"sole dazu wohl jemanden wählen, von dem wir 
















) Xenoph, Oeconom, I. c. p. 277. ARæ des, @ Kor 
voßere, eos raura 8% Hosov draoygeodu” 
megs Tns eNeuJegius mmrgos Tas evömAus zreibie | 
pevas neraderseten. moAs- mer wu 
oray zaAoı uayadcı ovres zurddeAnrovrusine 
vas, moRas 5 Berrıss marynarcey even dir 
Peovisarres, nu gwov Por Toy ‘oma 

‚govov Eromrav. 0 de Toicurea deaTroven ah 


XS Kos TES OINBS, BOTE ANYSCW, [7 
BEXwaw turav. . 
®®) 1, 6. 5. p. 51. Memor, Socr, u; 


Geſchichte des Sofrates und feiner Phil, 435 


baß er dem Bauche, ber tieberlichkeit und Schwelgerey 
mgeben, oder in MWeichlichfeit und Traͤgheit verfunfen. 
ey? Oder went wir am Ende ünfers tebens entweder 
unſere Söhne und Töchter zur Erziehung, oder unfer 
Bermögen zu einer gewiffenhaften Verwaltung jemans 
den anvertrauen wollten; würden wir auch dazu einen 
unkeuſchen oder unmäßigen Mann nehmen ? Würben 
wie wohl einen unmäßigen Sclaven zum Auffeher über 
unfere Heerden, über unfere Vorrathskammern und. 
Haͤuſer, oder über andere Arbeiter fezen, oder auch nur 
umſonſt zu unferm Verwalter und Stellvertreter neh⸗ 
men ? Und wenn wir alfo nicht einmal einen unmä 
ven Sclaven in unferm Haufe dulden möchten, wie vie 
Rehr müflen wir ung felbft hüten, in ein Laſter zu fals 
m, das felbft an den verächtlichfien Menfchen verabs 
cheuungswuͤrdig ift? Wer von uns möchte mit einem 
Drenfchen umgehen, der an feckereyen oder Foftbarem 
Beinen mehr Wohlgefallen fände, als an feinen Freun⸗ 
en, ober der liederliche Weibsperſonen mehr liebte, als 
üne vertrauteſten Bekannte, oder. der endlich durch die 
haͤndlichſten Ausfchweifungen feinen Leib und Seele 
erunftaltete, und den niedrigften tüften mehr, als feis 
ern Sreunden diente? Nenn Srenheit anders barinn 
efteht, das, was uns am beften.üft, zu mählen und 
u thun, wie fann man denn diejenigen frey nennen, 
ie folchen Herren dienen, wodurch fie das Befte zu thun 
nd zu wählen gehindert werden *)? Sind die Unmaͤ⸗ 
igen ‚nicht vielmehr die elendeften Sclaven, die in ih⸗ 
en Lüften den härteften und bosartigften Herren dienen, 
18 wodurch fie nicht bloß von allem Guten, von der 
Erwerbung muͤzlicher Kenntniffe und großer Tugenden 
uruͤckgehalten, fondern auch in die virderblichften und 
Ce a ſchmach⸗ 











) ib, & IV, 9. Mem, & Oecon, I, p. 275⸗77. 


46 Siebentes Buch. Zweytes Capitel. 


ſchmachvollſten Thaten und Unternehmungen geſtaͤrzt, 
und nachher, wenn ſie ihre Geſundheit und Ehre, ihr 
Vermoͤgen und edelſten Kraͤfte verzehrt haben, in einem 
hulfloſen Alter verraͤtheriſch verlaffen werden? Wodurch 
unterſcheiden ſich ſolche Menſchen von den u 

gen Thieren, da fie, eben wie dieſe, nicht auf das, was 
am beſten iſt, fehen, fondern immer nur dem gegem 
wärtigen Vergnuͤgen folgen *)? Aus feinem anbern 
- runde fang Homer , daß Eirce die Begleiter bes 
Mfnffes in Schweine verwandelt habe, als weil dieſe 
durch Böllerey und Gefräßigfeit den verworfenften Thies 
ren gleich geworben waren , und auch nur bewegen || 
ſey Ulyß gegen den mächtigen Stab ver Zauberinn um || 
erfchüitterlich feft geblieben, weil er allein fich nicht m 
thiterifchen Luͤſten erniedrigt habe. ‘Dem Schwelger und 
Wohiluͤſtlinge gefchehe nicht einmal, wie andern laſter⸗ 
haften, die zwar ihrem Mebenmenfchen ſchadeten, abe 
doch ihre eignen Borthelle zu befördern fchienen. Bis 
mehr fehabe der Unmaͤßige fich felbft unendlich mehr, als 
andern, indem er außer feinem und feinee Familie Gluͤch 

noch feinen feib und Seele zu Grunde richte*”). 
in feiner Jugend trage er einen Fraftlofen durch Weidy || 
lichkeit und zerftörende Luͤſte erfchöpften Edrper mit ſich 
erum, und fonne alfo nicht einmal auf der Stuffe dei 
end, auf welcher der Menfch am meiften blühen und 
feines Lebens genießen follte, wahre und lebhafte Frew 
den empfinden 7). Weil er fich ftets mic allem üben 
fülle, ehe das geringfte Verlangen oder Beduͤrfniß da 
fen, weil er die Forderungen des Natur nicht abwarte, 
fonbern ihnen zuvorfomme, und Feine Begierden un 
Dr 





[U U} [U] 


» IV, 5. Memor, p. 249. 
-“) I. c. 5. Memor. $ocr, p. 52. 
?) Memop, Soer, IL, ı, p. 8. 7% 





Geſchichte bes Sokrates und feiner Phil. 437 


big oder dringend werben laffe, fo koͤnne er mit feinen 
eklen gefättigten Sinnen feine Art von DBergnügungen 
in ihrer ganzen Stärfe empfinden. Weil er efle, ebe 
ihn hungere, trinfe, ehe ihn durfte, fchlafe, ehe.er 
mübe fey; fo müfle er zu den verderblichen Künften von 
Köchen , zu feltenen und erhigenden Weinen, zu weichen. 
auflöfenden Polftern feine Zuflucht nehmen, um feine 
teägen Degierden und den ihn fliehenden Schlaf zu reizen, 
oder herbenzulocken. Wenn er endlich aus einer rudy 
lofen Jugend, in welcher er alle Bergnügungen nicht ger - 
noflen, fondern gemißbraucht, nicht gefchmeckt, fondern 
ohne fie zu koſten, gleich einem gefräßigen Ungeheuer 
binabgefchlungen habe, in ein fieches befchleunigtes Alter 
übergehe; fo werde er von allen Freuden des Lebens auf 
einmal verlaffen , und von allen Uebeln des gegenmwärfis 
gen und der vergangenen Alter niedergedruͤckt. | 
peinige alsdann die Erinnerung feines vorigen Lebens, 
und die Neue über begangene Thaten gleich einer raͤchen⸗ 
Den Gottheit; und das fürchterlicye Gefühl einer gänglichen 
Uncuͤchtigkeit ſtehe ihm wie ein unerbittlicher Feind uns 
aufbörlich zur Seite Wenn er zulezt kınter allen Dies 
fen Duaalen erliege; fo finfe er von Göttern und Mens 
ſchen gehaßt , und ohne bie lieblichfte Muſik, die ein. 
menfchliches Ohr nur rühren Fönne, verbientes Lob, je⸗ 
mals gehört zu haben, in ein ruhmlofes Grab, und in 
Die ſhaudervolle Nacht einer ewigen Vergeſſenheit hin⸗ 
ab 


Einen mit Tugend ſo feſt geruͤſteten, und mit ſo 
richtigen Begriffen, und fo durchdringendem Scharffinn 
bewaffneten Mann, als Sokrates war, konnten die Ans 
fälle eines Ariſtipp und Kallifles nicht beunrupigen, 
ober wanfend machen. Ei Grunde, fagte wer Fre 

e3 








n U. I. 2 78. 7% 


figkeit und andere Beſchwerden leide. Wenigſtens fehe fi 


433  Giebented Buch. Zweytes Capitel. 


ſtere *), ift es einerley, ob ich aus Zwang ober free | 
Wahl Hunger und Durft, Froſt und Hize, Schafe fr 





ich nicht ein, was meine Haut baben gewinnen wuͤrde, 
wenn fie mit meinem guten Willen zerriffen,. oder mem Ik 
Leib, wenn er mit meinem guten Willen durch alle Ar In 
ten von Schmerzen vermwüftet würde. Es ſcheint mi Ii 
Daher Wahnfinn zu feyn, Schmerzen und Uebel and Ik 
freywillig zu wählen. * ) 

DIu kannſt alfo, erwiederte Sofrates, unter frau Ik 
reilligen und aufgezwängren Uebeln und Beſchwerden Ir 
feinen Unterfchied finden? — Siehft du denn nidt, 
Daß diejenigen, bie fich freywillig von Speife und Tran Ir 
‚enthalten, effen und trinfen, wenn fie wollen, um |h 
baß diejenigen, die diefed gezwungen thun, ihren Saw Ih 
ger und Durft nicht nach Belieben ftillen fonnen? Be Ir 
merfft du denn nicht auch, daß diejenigen, bie fih Ih 
Vergnuͤgungen verfagen , oder Unannehmlichkeiten gu |i 
fallen laffen, dieſes in der aufrichtenden Hoffnung thum, | 
“Dafür belohnt zu werden, fo wie Jaͤger in der -Hoffauy |ı 
etwas zu treffen oder zu fangen, gerne alle Pefchmwerlid |: 
feiten der Jagd übernehmen? — Und hier zählte alı Iı 
dann Sofrates alle die eigenthümlichen Freuden um 1; 
Güter auf, womit dem Tugendhaften feine Aufopferm I, 
gen und feiden vergolten werden, 

Noch Fühner und unverfchämter drang Kalllkes 
auf den Gofrates und bie Mäßiafeit ein. Die 
Kunft zu leben und glücklich zu feyn, fagte dieſer Sopho 
flenfreund, beſteht darinn, feine Beduͤrfniſſe und Ber 
gierden fü viel ald möglich zu vervielfältigen und pu 
entzünden: und es gibt feine andere wahre Vollkommen⸗ 
beit und Tugend, al$ das Vermoͤgen eben Diefe Dar 

nifle 


EBERLE TEE PETE DU 0) 








®) IL, 1. 7:. Mewor, Socr, 


Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 439 


iſſe und Degierden mit dem größten Dergnügen befries 
igen zu Ffonnen. Thorheit hingegen iſt es, feine Bes 
ärfniffe einfchränfen ,_ und feine Begierden bändigen 
nd beherrfchen zu wollen. Menſchen, vie nur wenige 
Jedürfniffen und ſchwache Begierden haben, find, wenn 
ıarı fie auch nicht elend nennen will, doch wenigſtens 
efüllofen Steinen gleich, Die weder Bergnügen noch 
Schmerzen eınpfinden und fich ihres kebens wicht erfreu⸗ 
n Eonnen. Zum glücflichen Leben gehöre nothwendig, 
aß durch den Leib eines Menfchen, wie durd) ein Sieb 
ber Gefäß, vieles ein-und auch wieder ausfliefe. 

In der That, antwortete Sofrates , ſchilderſt du 
nir ben Zuſtand deiner giädlichen Mienfchen , wie ben 
zuſtand von Näubern, die unaufhoͤrlich plünbern *), 
ne je genug. zu haben, oder noch mehr, wie Die Dich» 
er den Zuitand der Verdammten mahlen Denn fo 
pie diefe Waffer in durdjlöcherten Gefäßen tragen; fe 
chüttet der Glückliche, deiner Meynung nach, unaufhörs 
iche Bergnügungen in feine lechgenden Begierben hinein, 
hne ihren Durſt je lofchen zu Fonnen, Selbſt aus die⸗ 
er Dergkichung müfte es dir, lieber Kallikles, einleuch⸗ 
en, daß berjenige, den Dur glücklich preiſeſt, nicht andere. 
As der. efendefte unter den Sterblichenfeyn Eannı; ‘Denn 
æ mag auch in des Befriedigung. feinee unerſaͤttlichen 
Degierben fo viel Vergnuͤgungen finden, ald er Immer 
will, fo werden fie doch) nie ausgefüllt werben., ober es 
machen auch ſtets nee eben fo quaͤlende wieder auf, und 
es bleiben daher flets mitten unsere unb gleich nach dem 
Genuſſe peinigende Verlangen übrig,. dis wicht geſtillt 
ind, und oft nicht gefbillt werden koͤnnen. Wenn dich 
aber auch diefe Betrachtung noch nicht überzeugen: follse, 
daß Das Leben des äpigen dem teben des Unmoͤßlgen 

e4 . re | | 7° 








5) S. 326. 


440 Giebentes Buch. Zweytes Capitel, . 


borzuziehen fen; fo wird es vielleicht folgenbes Bild thun. 
Denke dir einmal zween Menſchen, die.beyde viele FäL 
fer, der eine gefunde und volle, der andere verborbene 
und durchlöcherte hätte. Nimm ferner an, daß es bey 
den gleich fchwer würde, ihre Bäfler, fie mögen nun - 
Hein, oder Milch, oder andere Feuchtigfeiten enthalten, 
ansoder nachzufüllen ; und vergleiche dann den Zuftand 
desjenigen , ber volle und gefunde Fäffer hat, mit dem 
geben eines Mägigen, und den Zuftand des andern, bee | 
durchlöcherte anfüllen muß, mit dem Leben des Unmäs |: 
figen. Meinem Urtheile nad) ift der Schluß Teiche zu |; 
ziehen, Daß derjenige, ber ſich um die Anfüllung feine |: 
Faͤſſer nicht zu befümmern braucht, ohne Vergleichunz 
‚glücklicher fen, als ber andere, ber bad, was er nad 
- füllen muß, mit der größten. Mühe aufzuſuchen, |: 
dann doch nur in durchfließende Gefäße zu fchürten 96. |: 
zwungen ift, bie den Augenblick nachher eben fo leer find, |. 
als fie vorher waren. Wenn man,, wie du, Bergab 
gungen allein nach ihrer Sebhaftigfeit, und nicht nach ih⸗ 
rem inneren Werthe, oder nach ihren Urſachen um 
Wirkungen fchäzt, und dann diejenigen für Die zeizend 
ften erflärt, die durch die Befriedigung ber bringenbfte 
Beduͤrfniſſe hervorgebracht werben ,: fo muß. man räubb 
ge und ausfäzige Menfchen für die gluͤcklichſten Halten, 
‚weil diefe ein beftänbiges Jucken empfinden, und dieſes 
JIucken durch beftändiges Reiben und Kragen ftillen fin 
nen. Go wenig du biefes zugeben wirft, eben fo weni 
wirſt du laͤugnen, baß deine Denkungsart und Rach⸗ 
ſchlaͤge der Denkungsart und den Vorſchriften der Aer⸗ 
fe vollig entgegengeſezt find. Die leztern erlauben zwar 
geſunden und ſtarken Perſonen zu eſſen, mas ſie wollen 
allein Kranken unterſagen ſie gerade diejenigen Speiſen 
am ſtrengſten, nach welchen ſie ſich am meiſten ſehnen, 
womit ſie ſich alſo am leichteſten uͤberfuͤllen, und ihren 
unordentlichen Appetit am meiſten unterhalten Fonnn 
Ä u 





an, 


Geſchichte des Sofrates und feiner Phil. 441 


Du Hingegen gibſt den Unmäßigen. den Rath, nicht nur 
le ihre Begierden zu befriedigen, fondern fie auch ims . 
ner noch mehr zu erhizen, und machft alfo die franfen 
Beelen immer Fränfer, anftatt da du fie durch ſtren⸗ 
ws Saften und Enchaltfamfeit allmälich zu ihrer vorigen 
Befunbheit zuruͤckbringen follteft. 

Sofrates zeigte aber nicht nur mit den einleuche 
endften Gründen die großen Vortheile, die mic Maͤßig⸗ 
eit, und den unerfezlichen Schaden, der mit einer jeden 
rt von Unmägßigfeit verbunden fen, fondern er theilte 
inen Freunden auch vortreffliche, auf Erfahrung und 
Bernunft gegründete Negeln mit, nach welcher fie fich 
er einen befleißigen, unt von ber andern entwöhnen, 
per fich vor ihe in Acht nehmen Fonnten. Er rieth 
fo Denen, die durch Gewohnheit oder Anlage ihres Coͤr⸗ 
vers. vorzüglich der Gefahr ausgefezt waren, fich im 
Eſſen und Trinfen zu übernehmen, fich vor allen Gerich⸗ 
en und Getränken zu hüten, die fie Durch) ihre verfuͤh⸗ 
sertfche Lieblichkeit verleiten Fönnten, noch zu effen, 
wenn fie nicht mehr hungere, oder zu trinken, wenn fie 
nicht mehr durfte, und alfo durch Ueberladung ihrer Ges 
finbheit zu ſchaden *). Andern, die aus Sorgloſigkeit 
oder Weichlichfeit die Geſundheit und Stärfe ihres Lei⸗ 
bes vernachläffigten, ftellte er vor, wie Weichlichkeit 
und Mangel von Uebung und Abhärtung den Coͤrper 
ſchwaͤche und unbrauchbar mache, wie gefchtwächte Chrs 
per viele Menfchen in Schande und Sclaverey ober in 
Verdrießlichkeit und Niedergeſchlagenheit, ja felbft In 
Wahnſinn und Tod geftürzt, und hingegen Geſundheit 
und Stärfe des Seibes unzählige Menfchen aus den größe 
ten Gefahren gerettet, zur Berrichtung und Ertragung 
der größten Arbeiten und yſchwerden faͤhig gemacht, 

Ee5 und 





#) 1,3. Mem. Soct. p. 39. 


4 Cent But. Zwerge: Eill. 


un Ken behnegen me Eor um Surer aerer: 
Er vieſt nem pen. eriahene Uerze Iver me m 
De er zu Tippen Yale, um Yafr ı Traser zu 
«dien Dingen floft vazaı Ycdtmme u ame ı 
oe un Traut, weiche June noer Lienen: zu 
ter (pm Geillam oter fMariıd: en. Weun mar 


ſo werte man Hwernch emen rg per 28 | 
Hier vu Erpaltung ber Seſundhen iv gure Saorki 
geden Fonne, nle man durch eigene Erfafrımac zw 
ehadgung zu funen im Crame fe *, 


bonn, Den ber — —— der 
dürfe, dinch dieſes Bedurfniß micht beumrubiet 
ten*”). (Er marnete ferner foiche Menſchen, mu 

Augen nicht auf ſchoͤnen Perſonen zu verweilen, no 
weniger, ihnen aud) nur unſchuldige tiebfofungen s 
chen. Die liebe zwinge und unterjoche zwar nic 
Menſchen wider ihren Willen, wie das Teuer & 
und man verliebe ſich auch nicht jo nothwendig, wi 
in einer großen Hize oder Kalte warm ober fau, 
men man lange nicht gegeflen und getrunfen babe, 
grig und durſtig werde; allein die Liebe fen doch ü 
ein geheimes ſchleichendes Gift, was ſchon manch 
gendhafte und kluge Maͤnner, die nicht genug auf 
Huth geweſen, angeſteckt habe, und wovon man 














©) Memor. Socr. Il. 1. III 12. IV. 8. p. 263. 
““) 1,3. Mein, Soer. V. 1. & VL. 1. Cyropaed. 


Geſchichte des Sokrates und ſeiner Phil. 443 


et, wenn man einmal davon ergriffen worden, ſich 
tächt wieber fren machen fonne, wenn man wolle. Wenn 
man bedenfe, roie viele Menfchen die tiebe zur verderblis : 
ben Verſchwendung, zu den fhändlichiten Thaten, des 
sen nur Raſende fähig zu ſeyn fchienen, zur ſchimpflich⸗ 
Yen Bernachläffigung ihrer Angelegenheiten getrieben, 
and wie viele jie auf einmal in eine folche Sclaveren ger 
duoͤrzt habe, daß fie fich auch alsdann nicht, wenn fie es 
chon gewollt, von ihren Fefleln hätten befreyen Fonnen, 
d fonne man fich vor den erften Anfängen viefer gefährli« 
ben Leidenſchafſt nicht genug in Acht ‚uehmen. Einer 
choͤnen Perfon zu liebfofen, ober ihr einen Kuß zu geben, 
theine ihm eine viel größere Tollkuͤhnheit, als wenn je⸗ 
nand uͤber Degenſpizen weg oder ins Feuer hinein ſprin⸗ 
je. Eine einzige Liebkoſung verwunde viel tiefer und ges 
übrlicher, als der Biß einer Scorpion, der nicht nur 
ie unerträglichften Schmerzen verurfache, fondern auch 
ed Verftandes beraube. ine fchone Perfon fen alfo 
in noch viel furchebareres Ungeheuer, als Schlangen 
ınd Bipern,. indem diefe doch nur Diejenigen verwunde⸗ 
en, vie fie berührten; jene hingegen auch diejenigen 
anf und wahnjinnig mache, welche fie nur anblickten, 
un wabhrfcheinlich habe man die tiebesgütter deßwegen 

ls Bogenſchuͤzen gefchildert , weil ſchoͤne Perfonen auch 
n der Ferne verwundeten. 

Den Eiteln und Stolzen, die ſich entweder ſelbſt 
nehr Vorzuͤge zutrauten, als ſie wirklich hatten, oder 
yoch andere von ſich glauben machen wollten, führte So⸗ 
rated zu Gemuͤthe, wie eine große Thorheit es fen, fich 
um den Beyfall von Menfchen zu bekuͤmmern, die man 
Ale einzeln verachte, und Hingegen den Beyfall weifer 
Männer, vorzüglich deßjenigen Weſens zu vernachläffis 
gen, das allein den wahren Werth von Menfchen und 
Handlungen erfennen, und deſſen Benfall man allein 
durch Weisheit und Tugend verdienen fonne. Er bes 

wer 


444 Siebentes Buch. Zweytes Capitel. 


merkte, daß Fein ſicherer Weg zum Ruhme fen, als gut 
und brauchbar zu ſeyn, und niemals etwas zu ſchei 
was man nicht wirklich fey *). Nichts ſey gefährliche, 
als den Schein von Vorzuͤgen anzuncanen, bie mar 
nicht wirflich befize, man möge andere hintergehen, ober | 
nicht Hintergehen. Im lezten Falle werde man ſogleich 
als ein eitler Thor befunden, im andern Falle wuͤrden 
demjenigen, der falſche Anſpruͤche mache, bald ſolche 
Arbeiten oder Verrichtungen und Dienſte zugemuthet 
and aufgetragen, die ihn gleich bey der erſten Probe nd 
thigten, fich im feiner ganzen Bloͤße darzuſtellen. | 
Den Feigen und Tollfühnen gab Sokrates baı 
Math, fich richtige Begriffe von dem Werthe und. Un 
werthe der Dinge zu erwerben, weil alsdann bie erſten 
aufhören würden, eine fehimpfliche Surcht vor Dinge 
zu haben, vor denen fie ſich nicht fürchten follten, ub 
bie andern eine nicht minder ſchaͤndliche Kuͤhnhelt zu Thu 
ten ablegen würden, vor denen fie fich ‚billig fürchte 
follten*”). Wahre Tapferfeit oder Standhaftigkeit be 
ſtehe in einer richtigen Kenntniß oder Wiflenfchafft, ub 
Feigheit ſowohl als Tollfühnheie in einer LUrmoiffenfet | 
furchtbarer und nichtfurchtbarer Dinge }). ‘Der gr | 





en Su u 


®) Memor, Soc. I. 7. p. 60. Ace yae eAeyev, N 
en odos em eudofın, 1 di Ns au Tıs: ayordos re 
VEevoTo, nu un loXemv Bsrosro. 

en) IV. 6. Xenoph. p.254,56, Plat.in Protag. 30T. 308. 

in Gorg. 325. 

+) Plat. p. 302. in Pretag. Ouxsv oAws & oevdessı 
un aıoxeus Doßss Doßavras, rar Doßavren, 
8de moxen Sagen Iaupesow; — ai desAn zu 
01 IERTEsS, MO 05 MOVOHEVOL TEIYTIOV, U0- 
xess Ye Doßas Poßarran, nu Xen —* 

* 


Seſchichte des Sokrates und ſeiner Phil. 445 | 


aftig ſtandhafte Mann fürchte fi) nie vor Dingen, 
welche zu fürchten ſchaͤndlich ſey, und habe nie Much 
ı folchen, welche nicht zu fürchten Schande bringe. 
Selbft der Feigefte fürchte ficy nicht vor Dingen, bie 
m nicht furchtbar Ihiegen ‚ und der Tollfühnfte hinges 
mr bebe vor folchen zuruͤck, die er felbft für furchtbar 
Ate*). Wenn affo jener fich Überzeuge, daß die Tus 
end ſtets nüzlich und beilfam, und diefer, daß alle La⸗ 
er und lafterhafte Säfte fchädlich und verderblich fenenz 
ı woerbe der eine fich nicht mehr vor guten und eblen 
yandlungen fürchten, wenn fie auch die Aufopferung 
on Gütern und Leben verlangen follten, und diefer wers” 
e Eeinen Much zu böfen Thaten mehr haben, wenn er 
tich Duscch die dem Scheine nach reigendften Belohnuns 
en und Dergnügungen dazu gelockt würde *"). Cine 
ichtige Schaͤzung ber Dinge allein Iehre, daß Gefängs 
iß und Bande, Verweiſung und Tod nur Schreckbil⸗ 
er für Weiber oder Kinder, oder den Pobel feyen; daß 
8 gar nicht Darauf anfomme, wie lange, fondern tie 
ne man lebe, und daß man alfo fein Leben ruhig und 
wlaffen dem Seren deffelben überlaffen Fünne, ohne auf 
ine ängftliche Art für die Verlängerung veffelben gu 
oe) ‚ ober auf eine fchimpfliche Art darum zu bite 
nt. . | : 


Durch 











Sæœcoxen; — vusvy na i ewuy nous pm desväy 
ameIıc, desruu av — x 1 Ta demay 
ro un desvay Godın, evayrıd Try TaTay desAc 
854; vide & Lachet. p. 258. 


“ib, 
°®) ib, & p. 325. in Gorg. —. 
$) Plat. In Crit. p. 19. & In Gorg. p. 328. Mn Ya 
rero nev To {mi eTone dN xgrov; Tv Ya as 
| en 


446 Siebented Buch. Zweytes Capita. 


"Durch eben das Mittel, wodurch Sofrates Furcht⸗ 
fame und Tollfühne heilte, naͤmlich durch eine richtige 
Kenntniß und Schäzung des Werths und Unwerths der T 
Dinge, ſuchte er auch vie Ehrgeizigen, Geidgeizigen, 
und überhaupt alle Diejenigen von ihren Thorheiten zuruͤck 
zu bringen, die ihre Ölückfeeligfeit in folchen Gütern |, 
fuchten, deren Befiz und Erwerbung wir nicht in-unferer | 
Gewalt haben, die eben fowohl ſchaden als nuzen koͤn⸗ 
rien, die des Mißbrauchs fo gut als eines guten Gebrauch; 
fähig find *). Diefen zeigte er, daß Feine Sache ein | 
But genannt werden fünne, wenn fie ihrem Belize | 
ſchade, oder doch ganz unbrauchbar fen: daß nur basje | 
tige den Namen eines Guts verdiene, was dem, me | 
cher es beftze, müzlich fey: und daß endlich nur dasfenige 
wieder nüzlic) fen, was ein jeder recht zu gebrauchen 
wiſſe. Weder Geſundheit noch Schönheit und Stärke, 
weder Würden noch Ruhm, weder Freunde noch Ge 
lehrſamkeit, oder wenn es fonft noch andere fogenannt 
Güter des feibes und Glücks gebe, dürften für wahr 
Guͤter gehalten werden, weil fie viele Menfchen an te 
und Seele verborben hätten, und eben jo wenig Fon 
man Kränflichfeit und Schwäche des Eörpers, Mliebrip 
feic und Seinde fehlechtiweg für Liebel halten, weil fe 
viele Menıcher vor arogem Unglück bewahrt, oder ihn 
gar große Dortheile zugewandt hätten. Aus Pati 











- U (+ 





- Le — — 


BAndws ade eureoy sc, za #8 Diäeibuyr- 
veov, a erirge)arre Aegı TETov To Jeo, 
WO TISEUCAVT Tas Yuvaifıd, OTI TV Eiumsp- 
nevnv ad av äis EXDuYoi, TOERITET@ OKERTEN 
TV au TEoHev TETov ov mer Xeovov [aras, 
@s aeıse ‚son. | 

. ) Xenoph, Mem. IV, 3, p. 331. In Deconom. e. 1. & 6. 


Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 447 


Sründen rief Sokrates allen feinen Freunden zu, daß 
je nach den allein unverlierbaren Gütern, nach Weiss 
ſeit und Tugend, mit größerm Eifer, als nach allen 
rergänglichen Gütern ſtreben moͤchten, und daß fie bey 
en Seztern nicht ſowohl darauf fehen und darnach trach» 
en müften, wie fie fie vermehren ober erhalten, als wie 
je Diejelben auf eine folche Arc anwenden und genießen 
nöchten, daß fie ſowohl ihnen als andern nuͤzlich, oder 
sirkliche Suter würden *). 

So wie Sofrates das Wort Maͤßigkeit in einer 
tel weitläuftigern Bedeutung nahm, als worinn wir 
8 zu nehmen pflegen, , fo auch den Ausdruck Gerech⸗ 
igkeit. Er verftand unter der leztern niche bloß .eine 
Neigung und Fertigkeit, alles dasjenige zu thun und zu 
aſſen, was die bürgerlichen Geſeze befehlen oder verbies 
en, und was man nach zwingenden Sefezen fordern 
der firafen kann; fondern er faßte darunter, um im 
yer Sprache der neuern Weltweifen zu reden, ohne Aus⸗ 
nahme alle Pflichten zufammen, vie wir andern Mens 
chen frhulbig find **), oder einen uneingefchränften Ges 
yorfam , nicht nur gegen die bürgerlichen von allen Mits 
gliedern eines Staats gegebenen, fondern auch gegen 
Die heiligen ungefchriebenen und ewigen Geſeze, welche 
die Sortheit allen Menfchen ins Herz; gegraben habe F). 
Bür folche göttliche Geſeze erklärte Sofrates diejenigen, 
die unter allen Voͤlkern gölten oder anerfannt würden, 
und Doch von feinem Volke oder Könige wären gegeben 
worden FF). Dergleichen feyen die Geſeze, daß an 

l⸗ 


CEEERREEREREEEn, 


°) ib, 








®®) In Gorg. p. 325. Kas un Tee ev arIewrus | 


TO TMEOONKOVTE TFERTTaV, — TERTTA. 
megı dE ERS, 001M, 
$) Xen. IV. 4. Memor, = 
42) ib, p. 241. Ä 2 













u wm Wach. Zhehtes Eapike 
— en ern’ ehren ae kr a 


ſich vermiſ 
u, fo fe fie bafke gleich) die Strafe leiden, } 
55 Verſchledenheit des Alters und der 
und dauerhafte Kinder zeugen Ernten. I 
"Die Or —* alſo nicht gehorchen zu wollen, fe eben 
thöelcht, und werbe aut eben fo befksaft, ala mann | 
Dan In einer Krankheit die Vorfchriften eines erfahrnen 
Arztes, auf einem Schiffe die Befehle eines 
m, oder in häuslichen und andern 
den Nash weiſerer Männer: verachte *), 
So wie num Gerechtigkeit oder Gehorfam gegm 
Fr allein Familien, und Städte und Sera a 
halte ), fo zerſſͤre Ungerechtigfeit hergegen alle 9 


Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 449 


haften, und nicht einmal Raͤuberrotten Fonnten beſte⸗ 
en, wenn fie nicht gegen einander die Gefeze beobachten 
nn, die fie gegen alle übrige Menfchen überträten *),, 
leich wie aber Uebertretungen der Gefeze durch Verluſt 
5 Vermoͤgens, ober des Daterlandes, ober der Frey⸗ 
it, ober der Ehre, ober bed Lebens, ober doch durch 
tändige Unficherheit geftraft werde; eben fo werde 
ich wiederum Gerechtigfeit auf die mannichfaltigfte und 
Ärdigfte Art belohnt. Wie Ffonnte man ſich, agte 
Sofrates, mehr Achtung und Anfehen unter feinen. 
Ricbürgern erwerben, oder wie füch furchtbarer und 
nüberwindlicher vor Gerichten machen, . als durch Ges 
yufam gegen die Gefege? Wen möchte man lieber fein ' 
Zermögen, feine Söhne und Töchter anvertrauen, als. 
em Serechten? Don wen anders Fonnen Eltern. und: 
kinder, Knechte und Freunde, Bürger und Fremdlinge 
zit größerer Sicherheit bad erwarten, was ihnen ges 
uͤhrt, als vom erechten? Wem anders möchten 
anze Staaten ihr Wohl, Bundesgenoffen fid) ſelbſt 
md das Ihrige, und Feinde fogar Bündniffe und Fries 
ensſchluͤſſe übergeben und auftragen, als dem Gerechs 
m? Mit wen möchte man lieber Derbindungen eins 
‚eben, und von wen fonnte man eher Wiedervergels 
ung von Wohlthaten hoffen, ald vom Gerechten? Von 
ven endlich möchte ein jeder lieber Freund, und wenis 
ver Feind feyn, als von demjenigen, ber die meiften 
Freunde und Pundesgenoffen, und die wenigften Feinde 
and Gegner hat? So wie fein Staat glücklicher ift, als 
weicher von einem rechtmäßigen Könige, und feiner 
sender, als welcher von einem gewaltthaͤtigen Tyrans 
gen regiert wird; fo ift auch Feine Seele glücklicher, als 
in 





ü— EEE EEE 











*%) Plat. de rep. I. p. 72. _ 
Zweyter Band, Sf 
8. 


dien. 
hun mochte: ‚Sie wird vo 
Hold dorthin gerifen ı it fretd oh Rene ner Ur 


1 
I) 


Seſchichte des Sokrates und feiner Phil. 451 


groͤßten; allein man irrt ſich ſehr, wenn man glaubt, 
er unter allen Sterblichen der gluͤcklichſte und beneis 
wertbefte fen *). Ein jeder Tyrann ift einen reis 
Manne gleich, der mit Weib und Kindern und eis 
großen Menge von Sclaven auf einmal in eine Eins 
verfezt würde. Ein folcher Mann würde in beftäns 
e Furcht ſchweben, von feinen Selaven verrathen 
ermordet zu werden: er wuͤrde genoͤthigt ſeyn, einem 
ile feiner Sclaven zu ſchmeicheln, ihnen große Ver⸗ 
chungen zu machen, oder gar die Freyheit zu ſchen⸗ 
Auf eben dieſe Art iſt ein Tyrann ein Sclave der⸗ 
jen, durch deren Huͤlfe er feine Herrſchafft erlangt 
und behauptet. Er lebe wie ein Verbrecher, im 
ngniffe, oder wie ein Weib in den innerften Gemäs 
feines Hauſes. Er Fann nicht, wie andere, alles 
are und Gute fehen und genießen, wann und wo 
1; ift einfam, und ohne Freunde, und mißtrauifch 
I gegen die Unterdruͤckten, als feine Miträuber. 
Erd endlich von ſich ftets vermehrenden und verflärs 
m Degierden, wie von eben fo vielen Seinden ober 
Jen umringt, deren Gierigfeit er niemals befriedis 
Der ausfüllen fann. Gewiß alfo ift fein Menfch 
<flicher,, als derjenige, der am meiften umglücklich 


Serechtigfeit macht, wie Mäßigfeit, immer gluͤck⸗ 
und Ungerechtigfeit ftets elend, wenn anders alles, 
ſchoͤn und edel und lobenswuͤrdig ift, auch nüzlich, 
alles Häfliche und Schändliche auch ſchaͤdlich und 
Eheilig ift*”). Daß aber in allen Fällen das Schöne 

Sf2 auch 


U] 0] U 








Rayman mE 


ib. p. 248. 
) Xen. Mem, Soer. 111, 8. p. 168#170, IV. 6. Sympof, 
e, 5. Plato in .Gorg, ©, 313, 


452 Siebentes Buch. Zweytes Capitel. 


auch nuͤzlich, und das Haͤßliche ſchaͤdlich ſey, bewies er 
mit den Beyſpielen aller Gattungen ſchoͤner und haͤßl⸗ 
cher Gegenftände. Farben ſowohl ald Formen von Cr } 
pern, Töne fowohl ald Gedanken feyen nur alsdam | 
fchön, wenn fie entweder Bergnügen allein, oder Nas || 
‚zen, ober beydes zugleich gäben , und eben dieſe Dinge 
feyen auch nur in den entgegengefezten Fällen haͤßlich 
Man möge daher die Schönheit beurtheilen, von web 
chen Werfen ver Natur und Kunft man wolle, fo fa } 
die erfte Trage und Unterfuchung immer diefe, ob Ge 
denftände zu dem, wozu fie gebraucht werden follten, || 
auch brauchbar, oder ob fie ihrer Beſtimmung entfprs | 
chend. feyen? und wenn man fie nicht fo finde; fo fünme | 
man fie nicht anders als für haͤßlich erflären, und wer 
fie auch, wie ein goldner Schild, noch fo Foftbar fenen, | 
Verſchiedenheit des Gebrauchs oder der Abfichten um 
Peftimmungen von Dingen ziehe allemal auch Verſche⸗ 
denheit in der Schönheit ihrer Bildung nad) ſich; wm 
ein jeder erwarte und verlange alfo, daß ein Schild an 
ders, als ein Wurfſpieß, und ein fchöner Wettrenner 
andets, ald ein geuͤbter Balger gebildet fen”). Da alfe 
Nuͤzlichkeit und Brauchbarfeit durchgehende Schoͤnheit 
und Schaͤdlichkeit und Unbrauchbarkeit Hingegen Haͤß⸗ 
lichkeit ausmache; fo koͤnne auch die Tugend nur deßwe⸗ 
gen 


— 











2) Xen. Il. ce. Unter den koͤrperlichen Gegenſtaͤnden, fagte 
Sokrates, find nur allein diejenigen ſchoͤn, bie das 
Aug und Ohr angenehm ruͤhren; alle andere hingegen, 
welche den übrigen Sinnen Vergnügen geben, find nut 
lieblich oder angenehm. Der Grund, warum bie m 
ftern allein fhön genannt werden, kann Fein andern 
ſeyn, als weil die angenehmen Empfindungen , bie fe 
im Auge und Ohre bervorbringen, unter allen finnlis 
hen Vergnuͤgungen bie unſchaͤbdlichſten und heilſamfe 
find. ap. Plat, in Hippia maj, 352. 354, 





Sefchichte des Sokrates und feiner Phil. 453 


gen ſchoͤn, und after nur deßwegen häßlich ſeyn, weil 
die eine Bergnügen und Nuzen, und das andere Schmers 
zen und Schaden hervorbringe.. Auch die Gerechtigfeie 
alfo muͤſſe ihre Verehrer gluͤcklich, und Ungerechtigkeit 
hingegen ihre Diener elend machen *). Hieraus folge, 
Daß Unrecht leiden beffer fen, als Unrecht thun, und dag 
der König Archelaus, wenn er fich durch alle die Ders 
brechen, die man von ihm erzähle, den ABeg zum Throne 
gebahnt habe, zugleich einer der größten Boͤſewichter und 
einer ber elendeſten Sterblichen ſeyn muͤſſe **). Eine 
andere Folge derſelbigen Wahrheit fen dieſe 7): daß 
man uͤber die Gluͤckſeeligkeit von Menſchen kein Urtheil 
fällen koͤnne, fo lange man nicht ihr Leben und den Zus 
ftand ihrer Seele fenne, und daß man alfo auch felbft 
den großen König der Perfer nicht glücklich preifen dürfe, 
fo lange man nicht wiſſe, ob .er meife und tugenphaft 
1 
So wie Armuth ‚ fuhr Sokrates fort, eine 
Verderbung des äußern Wohlftandes, und Krankheit 
eine Verderbung des Leibes ift; eben fo ift Ungerechtigkeit 
eine Zerrüttung der Seele, von welcher man fich um 
befto mehr zu befrenen fuchen muß, je fehlimmer es ift, 
eine kranke verborbene Seele, als einen fiechen und ges 
brechlichen Eörper zu haben FF). Ein ſolches Mittel, 
die Seele von aller Bosheit und Ungerechtigfeit zu reinis 








Sf 3 Ä gen 
ib, 
“4) ©, 313. 315. in Gorg. Plat, 
PD) ©. 312. 


tt) ib. p. 314. 315. & de rep. IV. 316. vol. I. Agery 
nev de, WS EOIMEV, UYIERE TIS VE, Kos KcA- 
Aos, Ko eue£in —* Kaxıa ‚de, voros va 
Ka ITXeS nos ardeve. 











454 Siebentes Buch, Zweytes Eapitel, 


gen und zu heilen, iſt das Leiden gerechter ober verdien |! 
ter Strafen *). Wenn man fic) aljo irgend einer Un 
gerechtigkeit ſchuldig gemacht hat, fo iſt ed am beften, f F 
geſchwind als möglich zum Richter, wie der | 

zum Arzte zu sen, damit das innere llebel nicht weite 
um fich freffe, nicht me&r genährt und dadurch unfek F 
bar werde. Man müffe bevenfen, daß es nicht u F 
fhön, und aljo aud) gut und heilſam fey, gerecht 
. Strafe aufjulegen, fondern auch) fie zu leiden, und be 
man von großen Krankheiten der Seele jo wenig, ch 
des Leibes, anders als durch unangenehme bittere Any 
neyen geheilt werden fonne **). Es fen daher rathfama, It 
alles, was man verdient habe, zu dulden, um badund IE 
des größten Uebels los zu werden, als ſich den gerechta jr 
Strafen zu entziehen, und dafür ftets mit einer franfaı P 
ausgearteten Seele zufanmen zu wohnen. Unter 
ern Berbrechern koͤnne zwar feiner gluͤcklich ſeyn; «de P 

immer fen doch von zween Tyrannen derjenige, ver fk 
feine Sraufamfeiten gefoltert und verſtuͤmmelt und ki fi 
gerichtet werde, und fein Weib ımb Kinder folten, Ii 
verftämmeln und hinrichten fehe, weniger elend, ald ea |! 
anderer, der fich durch ungerechte Mittel einer uneinge I 
fchränften Herrfchafft über feine Mitbuͤrger bemächtise | 
habe, und diefe Herrfchafft ohne Widerftand und Gegne I 
ganz nad) feinem Willen ausübe }). Bon allen diefes 
Saͤzen, vorzüglich aber von dieſem: daß Unrecht thu 
fhändlicher als Unrecht leiden, und Strafe fliehen nady 
theiliger ald Strafe dulden fey, waren Sofrates uch 
fein Schüler fo feft überzeugt, daß fie ſagten: fie fh 
na 











“) ib, 
an) ib, 
Y) Pag, 313. 


Golchcchte des Sokrates und feiner Bil, 455. 
‚men ihnen mit diamantenen Ketten und Gründen. zuſam⸗ 
55 oder an dem Felſe der Wahrheit befe⸗ 


feon ®): 

Weil Sokrates Unrecht tun für ein größeres Uebel 
‚Klelt, als alle diejenigen, welche unfer Cörper leiden, 
\öber das Glück uns zufügen kann, fo mufte er nothwen⸗ 5 
big auch lehren, daß wir and) nicht einmal unfern Zeins - 
ben, nicht einmal benen, bie uns ungerechter Wei 
Es hätten, Unrecht oder Schaden tun, und inen ° 

leiches mit Gleichen vergelten ſollten **). Di 
Grundfaze zufolge entwich er nicht-auf das Zurathen fir 
Inter Freunde aus dem Gefängniffe, weil er es für (chände 
Hich Hielc, die Geſcze des Baterlandes zu übertreten, und 
Be dieſes in feinem Urtheile über ihn alle — bes 

ige hatte 7). Wenn aber Sokrates befahl, 
pen! feinen Feinden und Beleldigern zu fehaben, — 

m Ihnen vieimebt alles. Sure zu thun, fo wollte er 
nicht daß man einem jeden Böfervicht feine Verbrechen \ 
ungeftraft hingehen laffen, fondern daß man felbft Feinde 
nicht. ale Menfchen unvollfommner, ober untüctigee - 
machen follte, ihre Beftimmung und Ir Pflichten zu 

len ff). Er war aber fo weit davon entfernt, 





Stecher durch unzeitige Nachficht und Gelingt wi 


neuen Miffethaten aufzumumtern, baß er, ber einem 
En anrieth ſich ſelbſt dem Nichter darzuftellen, wenn 
——— habe, es geroiß für ſtrafiche S 
und felbft Ungerechtigkeit gehalten hätte, einen 
Br eigenen ober anderer Ruhe und Sicherheit we 
du güchtigen oder zur Me [2 ünlen, men Pr 
| fs 





Be [3 —* inCrit, & derer. L a6 


tm Fr —8 . e. 


. UL) 


456 Siebentes Buch. Zweytes Capitel. 


Strafe ihn kraͤftiger, als Gnade und Vergebung, vom 
aſter zurück bringen und beſſern koͤnne. Vielmehr hielt 
er denjenigen fuͤr den preiswuͤrdigſten Mann, der ſeine 
Freunde im Wohlthun, und feine Feinde im Leides⸗ 
zufügen überträffe *). Und gewiß ift Feine andere Sein 
desliebe Acht und vernünftig, als diejenige, die wohlthaͤ 
tig ift, Die auf das Wohl des Feindes und das alle 
"meine Beſte abzwecft, und die durch jedes Mittel, und 
wenn es auch Schmerzen und Nachtheile feyn follten, 
‚andere vollfommner zu machen ſucht **). Wa 

ei 





—— —— Je — — — 


*) II. 3. p. 92. Memor. Soer. Mit Fleiß babe ich ind 
xcxdc zosesv durch Leideszufuͤgen uͤberſezt, um eb 
vom AAxrrresv bes Plato zu unterſcheiden. Jenei 

. hielt Sokrates Für erlaubt, weil man durch Schmerjen 
und Nachtheile, die man andern verurfache, beſſern 
koͤnne. Diefes hielt er für ſchaͤndlich, weil er unter 
Schadenthun die Verfhlimmerung bes Deenfchen vom 
fland. Ich behaupte aber nicht, daß xurxws rom 

und BAxrresv ftetd im Kenophen und Plato in dem 
felbigen Bedeutungen vorfommen. 


“r) Daß nicht alle große Zeitgenoffen, wie Sofrates, uͤbe 
. Wohlthätigkeit und Liebe gegen Feinde dachten, erhellt 
aus folgender Stelle des Iſokrates. I. p. 33. in 
TFeecuveo. „Thune guten Menfchen wohl; denn ei 
„Wohlthat, die bey einem rechtfchaffenen Manne nie 
„dergelegt wird, iſt ein großer Schaz. Allein boͤſen 
„Menſcheu wohlthun, heiſt eben fo viel, als fremde 
„Hunde futtern. Denn fo wie diefe auch ſolche, kit 
„ihnen etwas geben, gleich andern Unbefannten anbeb— 
„ten; fo beleidigen Boͤſewichter ihre Wohlthaͤter eben 

„ſo wohl, als diejenigen, von denen fie Boͤſes fuͤrchten, 
„oder empfangen haben.” Diefe Bemerkung, def 
bösartige Gemüther oft durch Nachſicht und Guͤte nm 
noch mehr erbittert und verdorben werden, muſte notls 
wendig viele nachdenkende Menfhen von Wohlthata 





Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 457 


Weil Sokrates überzeugt war, daß bie Tugend 
n Menſchen gluͤcklich und vollkommen, und das Laſter 
Ff5 den 


—— 


gegen Feinde und Laſterhafte abſchrecken, fo wie hinge⸗ 
gen die Erfahrung, daß Sanftmuth und Guͤte oftmals 
die roheſten und aufgebrachteſten Seelen entwaffne, 
dazu aufmuntern muſte. Der Gedanke aber, daß es 
Pflicht ſey, ſelbſt Feinde zu lieben, oder ihre Gluͤckſee⸗ 
ligkeit zu befördern, konnte nicht eher entſtehen, als 
bis man ſich, wie Sokrates, uͤberzeugt hatte, daß es 
Gehorſam gegen den goͤttlichen Willen, und Sorge für 
unfere wahren Vortheile fey, gerecht und tugenphaft 
zu leben, das heißt, andere Menſchen fo viel als mög» 
lich volltommen und gluͤcklich, und Peine Menſchen, 
ſelbſt Feinde und Boͤſewichter nicht, unvolllommner 
. and unglädliher zu machen. Diefe Pflicht ber 
Zeindeslicbe ift im allgemeinen viel weniger aners 
Pannıt, als in unzähligen einzelnen Fällen ausgeäbe 
worden; und es verräth gewiß Unbefanntfchafft mir 
. ° ver menfhliden Natur, wie mit der Gefchichte, wenn 
man Zeindesliebe für eine fehr fchwere und feltene Zus 
gend hält. Eine gewiſſe Zefligfeit oder Unerſchuͤtter⸗ 
lichkeit der Seele, vermöge deren man nicht gleich von 
jeder Beleidigung heftig gereizt und empört wird, Ders 
föhnlichfeit oder Bereitwilligkeit, empfangene Beleidi⸗ 
gungen zu vergeffen und zu verzeihen, und endlich 
Wohlthaͤtigkeit gegen ehemalige Feinde waren von jeher 
unter allen aufgeflärten Völkern Erbtheile großer aus 
Berorbentliher Seelen, und wie es fheint, unzertrenns 
liche Begleiterinnen des Gefühle von Ueberlegenheit 
ober überwiegenden Kräften, wodurch man, wenn man 
wollte, einen jeden niederdrüden oder im Zaume halten 
koͤnnte. Schattenbilder dieſer Tugenden trifft man 
felbft in allen edlern Thieren au, in deren Natur nicht 
unbezähmbare Wildheit, mie in die Natur des Barbas 
ren unerfättlihe Rachſucht eingerwebt If. Außerordents 
liche Reizbarkeit oder Empfindlichkeit hingegen, Unver⸗ 
föhnlichkeit, und brennende, nur dur Blur und Uns 
gluͤck zu löfchende Rachgier, find im Menſchen ſowohl 
als 














\ 


458 Siebentes Buch. Ziveptes Eapite. 


den Menſchen unvollfommen und elend mache; fo Fonnte 
er mit Recht fagen, daß die wahre Gluͤckſeeligkeit nich 
im äußern Glück und in einem Ueberfluffe von Güde 
gütern, fonbern im Nechthandeln, und Elend wiederm 
nicht in Unfällen ober einem Mangel von Gtädeg 
tern, fondern im Unrechthandeln beftehe *). Eine an 
dere Folge deffelbigen Grundſazes war diefe, daß Tugerh 
wahre Weisheit oder Klugheit, und tafter Hingegen I 
Thorheit fey: ein Ausipruch, der außer dem ſich gleich 
Darbietenden noch einen andern Sinn harte, in welchen 
er in der Folge von vielen andern Weltweiſen, vorzige 
lich von den Stoifern, genommen wurde. Gofrate 
glaubte, daß fein Menfch vorfezlich und freywillig hof 
fen, und bofe Handle: ddp alle Laſter und Verbrechen 
aus bloßer Unwiſſenheit entfprängen, die freylich nahe 
an Narrheit gränzte: daß endlich alle Menſchen tugend⸗ 
haft feyn, und werden würden, wenn fie ben 
Maaßſtab und die wahre Wiffenfchafft des Angenehmes 
und Unangenehmen, bes Guten und Böfen befäßen oder 
erlangt hätten **). Ale 











als in Thieren meiſtens nur Zebler der ſchwaͤchern Ge⸗ 
ſchlechter und Geſchoͤpfe, die fih vor ihren Feinden felbf 
alsbann noch fürchten, wenn fie diefelben überwunden, and 
nich: eher ficher zu feyn glauben, als bis fie diejenigen, 
die ihnen ſchaden könnten, zu Grunde geridte | 


aben. 
®) III. 9. Memor. Socr. p. 177. & Plat. in Gorg. p. 326. 
®®) Xenoph. I. c. p. 172. 173. Sokrates, heißt es bie, 
fagte, daß die Gerechtigkeit und eine jebe andere Tw 
genb Weisheit fey. Weiſe nannte er alfo nur biejenis 
gen, bie das Gute und DBöfe erfennen und barusd 
handeln; und Unmeife hingegen ſowohl diejenigen, bie 
nicht handeln, wie fie wiffen, daß fie handeln follten, 
als Diejenigen, bie gar nicht willen, wie fie —* 
v 


\ 


Me Menſchen, fügt Sokrates beym Plato, films 
n darinn überein , daß die Dinge außer ihnen in 
ickſicht auf fie entweder gut ober boͤſe, oder gleichguͤl⸗ 


das heißt, weder gut noch böfe, oder baß fie Kalb 
: und. bald böfe feyen *). Gut nennen fie alles, mas 


„47 


Fa 
o 


follen. Wenn jemaub einmal recht davon Äberzenge 
fey, daß nur das Schöne und Gute nfzlich fen, ber 
werde niemals in feinen Lehen auders, als das Schöne 
"and Gute wählen und thun: und Diejenigen hingegen, 
die hievon nicht Äberzengt wären, würden nicht gut 
handeln, felbft alsdann, wenn fie ben Worfaz hätten, 














De Weisheit fezte Sokrates die Xhorheit ober den 


Wahnſinn entgegen, glaubte aber nicht; daß eine jede 
Unxwiſſenheit Wahnfinn fey. Doch ſchien ihm biejenige 


Unwiſſenheit, vermöge deren man ſich ſelbſt uicht keune 


‚aber gar zu wiſſen glaube, was mau nicht wiſſe, nahe 
an Wahnſinn zu gräugen. Er bemerkte,. daß man es 
gewöhnlich nicht für Wahnfinu halte, wenn jemand 
etwas nicht wiffe, was ben meiften Menſchen unbekannt 
ſey, daß man aber diejenige Wahufinnige nenne, bie 
etwas nicht wuͤſten, was alle wiffen. Wenn alfo je⸗ 
miand fich fo groß zu ſeyn duͤnke, daß er ſich büden muͤ⸗ 


fie, wenn er unter ben Gtahtthoren weggehe, oder fo 


Hart, daß er Häufer verfezen ober andere unmoͤgliche 
Dinge verrichten könne; . fo erhalte er alsbaun erſt 


*, 


den Namen eines Verrädten. Diejenigen aber, die _ 


wicht auf eine (0 große Urt irren, fehienen dem großen - 


Haufen nicht wahnfiunig zu fepn; fondern fo wie man . 


nur eine heftige Beglerde mach dem Beſiz einer Perſon 


Liebe nenne; fo belege man auch nur eine große Abs ' 


weichung vom gefunden Menſchenverſtande mit bem 

Namen des Wahnſinns. — Mit Zleiß babe ich dieſo 

Worte des Xenophon Überfezt, weil fie in ber Kärze 

von Marimen das Weſentliche von dem enthälten, was 

Plato mit allen Beweiſen ausführt, und was ich: deß⸗ 

wegen mit Grunde dem Lehrer, und nicht bem Schäfer 
‚ suzneignen glaube, 


ı. ” ” . " N 6 


wo. a 


von unſchuldiges Vergnügen , oder Vergnügen und, 
2: zugleich, wie Gefundfeit und. Berftand, 
aber auch Mugen allein bringe, wenn es auch 
Schmerzen und Beſchwerlichkeiten verbunden N, 
1 he Döfes oder Uebel hindegen erflären fie alles, wů 
Ah entweder unnoͤthige Schmerzen, ober 
‚md Schaden zugleich, oder auch Schaben allein er 
“ ‚facht, wenn es auch mit einigen Vergnuͤgun 
et wäre. Niemand alfo fliehe und halte Bergni { 
am ihrer ſelbſt willen für Uebel, ſondern wegen der.-Kranks 
Kelten, rn und anderer Nachteile, in weiche 
." . rjich endigten **). Und eben fo wenig wähle jeman 
¶Schmerjen und Befchwerben um Ihrer felbft toillen, fon 
dern weil fie und entweber von noch größern Schmei 
zen und Befchwerben befreyten, oder uns auch 
Bergmägungen und Guͤter / verſchafften. Dergmig, 
ſeyen daher auch nur alsdann ein Üebel, wenn ſie 
‘re Schmerzen und Schäden nach ſich zoͤgen, oder 
... "gedßerer Freuden beranbten ; und Schmerzen mur in’ 
. ben all, und aus feiner andern Urſache ein Gut, als 
weil fie größere Vergnuͤgungen und Vortheile brächten, 
oder don größern Schmerzen erlöften. a alle Gir 
ter ſeyen nur deßwegen Guͤter, weil fie zufezt Vergnügen 
gewährten ; und alle Uebel nur deßwegen Uebel, weil jie 
.fich in Schmerzen enbigten }). So wie alle Menfchen 
, diefe 











) De Rep. lib, II. p. 84. 


) Protag. 299,307. Aus biefer Stelle iſt auch das fol, 

gende genommen. 
= PL & in Gorg, .p. 322. 23. Mit dem Gedaufen, 
FE ben ich zulezt aus bem Protagoras angeführt ha, 
— ſtreitet ein auderer im Gorgias nenn er nicht fehr cin 
u geſſchraͤnkt wird, diefer nämlich: baß man das Gute 
’ aiche um des Vergnuͤgens willen thun, fondern * 
J 4 











| Sekhichte des Sokrates und feiner Phil. 468 


sefe Beobachtungen für wahr anerfennten, fo müften 
ie auch alle zugeben, daß fie, wenn fie handeln, eigent» 


ſch nicht dasjenige wollen, was fie thun, fondern wars 


m fie es thun, und daß die Abficht bey allen ihren 
Banblungen Beförderung ihrer Wohlfart fey *). Keis 
ver teinfe Arzneyen, oder treibe Handel und andere Ge⸗ 
verbe, ober übernehme die Befchmwerlichfeiten und Ges 
ahren von Feldzügen und weiten Seereiſen um ihrer 
BOft willen, fondern in der Abſicht, fi) dadurch Ver⸗ 
mügen und Vortheile zu verſchaffen. Ale verfolgten 
sure Unterlaß ihr Gluͤck, und fuchten eö durch eine jede 
hrer Handlungen und Unternehmungen zu befoͤrdern: 


feiner hingegen wolle ungfüclic und elend feyn, und - 


feiner unternehme und thue daher etwas, (denn Dies 
ſtreite mit dee menfchlichen Natur felbft,) wovon er felbft 
glaube, daß es ihn unglücklich machen werde **). Selbſt 
alsdann , wenn der Menfch, wie man fage, gewiſſen 
Berfuchungen unterliege und von gegenwärtigen Bergnüs 
gungen hingeriffen, etwas zuthun fcheine, was er felbft für 

bofe 











Vergnügen nur um feines Nuzens willen wählen müffe: 
Toy ayadwv wow Even des uns T AM ua Tas 
ndea TERTTEV, ar 8 Tayada Toy ndewv. 
p. 323. | 

#) p. 310. in Gorg. 

#*) In Gorg. p. 310. Il. in Menon. p. 336. 337. bef. in 
Protag. p. 301. AXorı av edv Eyw ETı Ye Tos 
Kon Bdess Enmy EEXETEL, BÜR ETI DIET KO- 
Ko ewon. 80 E5i TETO WS EOIKEV Ev avlenre 
Quse, emi & vers nano eva eIEeAmy 1evas 
ar av ayadwv. orav Te avayxacdn duow 
Kuno To Ereeov aiesıcdai, BdEıs Fo jMeıcoy 
siiencerau efov To EMuTrToV. 


bbſe und fchäblich erfenne, oder etwas "7 


Wwas er felbft für gucumd nuͤzlich Halte, ſelbſt ccu 


⸗ 
Ka 


wu‘ 


5 er 


) 
an ... 
„N , 


2 ser ein gebßeres Uedel, und unterlaffe nicht, we 


- 


"  Yar nel none Ausufbaven. — es. ya P 


wähle der Menfch nicht vorfezlich, was er für ſch— 






nuͤzlich, ober für ein größeres Gut halte, frz 
—** nur ein geringeres Gut gegen grhfere r 
als das gegenwärtige Bergnügen vorfämen, ſo — 


ſichtbare, aber entfernte Gegenſtaͤnde kleiner, als 


ger große aber näßee, ebliden*). Dice fin 


» 





— 














—T * 


———1. 





Asyoı, orı wu woAu bapege: To wur 
pas Neu TE EIS Toy Usepev aovor Kası —X 
Auangs, pay uRo To Danp ar eyarye, m ii 
ya nos Auxy. Es folgt, fagt Sokrates beym Piu 
ib. viel ungereimtes, wenn man aunimmt, daB de 
Menſch, von gegenwärtigen Vergnuͤgungen geblente 
und hingeriffen, das Boͤſe wählt und thut, was e 
ſelbſt für Böfe etkennt, und das Outeunterlägt, wer 
von er einficht, daß es gut oder ihm nüzlich fey. ie 
lacherlich diefes fey, kann man am beften wahrnehmen, 
wenn man das Nuͤzliche und Gchäpliche nicht bald mit 
biefen bald mit jenen Worten, fonbdern wenn men IM} 
eine und das andere erfi mit den Ausbräden Sut und 
Uebel, und dann mit den Wörtern Angenehm nah | 
Unangenehm bezeichnet. Im erſtern Falle Pänne man 
nicht fagen, baß der Menſch böfe gehanbelt obder ge 
wählt habe, weil er vom Vergnuͤgen, ſondern weile 
vom Onten überwältiget worben; und Ins andern Zul 
muͤſſe man Tagen, daß der Menſch nicht das Biß 
ſondern das Schmerzhafte oder Unangenehme gewählt 
Wergalgen 





| 


Babe, und zwar vom Angenehmen ober vom 
hiugeriſſen. pP. 300, in Gorg, “ 


( 


Sahichte des Sokrates und feiner Phil. 463" 


is Boͤſe oder Schäbfiche zu thun, ud as 
e nd Mügliche zu unterlaffen, thue der Menſch das 


und unterlaffe er das andere, fonbern allein aus. 
Eftenheit oder aus Mangel einer richtigen lebhaften 


a auniß des Guten und Boͤſen *). And eben fo fey - 


nterliegen unter Berfuchungen weiter nichts als 
Nenheit, und das eberwinben berfelben nichts ans 
old Weispeit *) Wolle man alfo gut wäßlen 
Denbeln, und fich nicht Durch Höfe Wahl und Hand» 


en unglücklich machen ; fo mäffe man ſich nothwen⸗ 


inne vollfommene WWiffenfchafft, ober einen richtigen 
aßſtab des Guten und Boͤſen anfchaffen, nach weis 


nman Güter und Liebel, Bergnügungen und Schmers .-- 


ohne Fehl fihäzen und mit einander vergleichen koͤn⸗ 
PY. Wenn unfere Woßlfart Darauf berußte, von 
'Sehße und Kleinheit von Gegenſtaͤnden richtige Des 
fe zu haben, ober gerade und ungerade Zahlen richtig 


mierfeeen und zu wählen; {0 mörbe fein Berminfe 


e ermangeln , fich auf diejenigen Künfte und Wiſſen⸗ 


fften zulegen, in weichen das eine ober das andere 


gelehrt 


XEAXXEIX 








).In Proug. p. 301. Es œgæa adv eyas TO du asyar- 


ov sw, Sdeıs Bre edas, Are o10neVos Ra, 


Berrıw ewou n & era nu duvareı, emo 


Posi TAUT efov ro Berrıo. - 


) Ib. Oude TO ArTo enas wurs, @Ro Tı TEr' egw 
nanudın, ade netto daurs aRorin Codıc' 
Nach viefen Gedanken muß man bie Worte bed Reus⸗ 
phon Lib. IV. 5. Memor, Söcr. auslegen, wo er von 
ben Wirkungen böfer Lüfte und Begierden redet p. 246. 
247. und nit ganz mit dem zufammen zu ſtimmen 


ſcheint, was ich kurz vorbei Aber Weisheit und Thor⸗ 


beit ans ihm angefuͤhrt habe, 
) Gorg. p. 300. 301. 


— 


A er Front in 
9 > gelehrt wuͤrde Und ba nun unfere Gluͤckſeeligkeit darch 
Ze Er , Fate und llebel, Bergnügungen aund chung 
een richtig zu ſchaͤzen; von mehrern Vortheilen und Ver⸗ 
gunuͤgungen immer bie meiſten und größten, von wie 
ge rern Machrheilen und Schmerzen immer. Die 
1.5, mb. geringften ;_ und wenn SBortheife und, Machthei, 
"Nr Bergnuͤgungen und Schmerjen mit einander 
7 wären, immer biejenigen Nachtheile und. Schmerzen zı 
.r wählen, die von größern, es fey nähen oben entferne 
.ten Vergnuͤgungen, uͤberwogen würden, und: hingegen 
dbdiejenigen Vergnuͤgungen und Vortheile zu flichen, die 
von groͤßern, entweder nahen ober entfernten Sch 
1. „and Nachteilen übertroffen würden; fo mäffe ein jeher 
ſcch beſtreben, eine vollfommene Wiſſenſchafft ven bau 
wahren Werthe ober Unwerthe dee Dinge zu erlangen, 
a Gegen diefe Lehre des Sofrates ift es fein Einwi 
wenn man fagt, daß piele Menfchen das Gnte,unb 
ſe fennen, ohne das eine zu chun und zu wäßden, ua 
dbas andere zu laffen und zu fliehen; ‚und bag alfe: rich 
7 tige Kenntniß des Werths und Unwerths der Dinge ja 
" einem tugendhaften Leben nicht hinreichend ſey. Aus 
der ganzen Folge Sofratifcher Gedanfen, die Plato uns 
aufpbehalten hat, ergibt es fich, daß Softates nur das 
0 Weisheit und Wiſſenſchafft nannte , wenn man richtige 
Becegriffe und Grundfäze nicht bloß gefaßt, ſondern fih 
auch fo eingeprägt und fo gegenwärtig habe, dag man 
ſttets nach ihnen wähle und handele, und daß er es hi 
1: gegen für Thorheit und Wahnſinn erflärte *), wenn 
man in den entfcheidenden Augenblicken ber Wahl um 


Handlung von feinen Grunbfäzen und Verſaͤten dr 



































RE, s Eiche erfie Beylage. 


— u 
2 nn 


deſchichte des Sokrates und ſeiner phil. 465 


erlaſſen oder die leztern ſo ſehr verdunkelt wuͤrden 
yenn man fie nie gehabt Härte *), ' 


Sokra⸗ 














Ungeachtet es im eigentlichen Verſtande unmoͤglich iſt, 
daß der Menſch jemals wider befferes Wiſſen handle, 
oder daß er, im Augenblicke der Handlung, das ihm 
ſelbſt ſo ſcheinende kleinere Gut oder groͤßere Uebel 
waͤhle; ſo bleibt es doch wahr, was der Cyniſche Welt⸗ 
weiſe Demetrius ſagte: Senec. de Benefie. VII, 1. 
Plus prodeſſe, fi pauca praecepta fapientiae tencas, 
fed illa in promptu tibi & in ufu fint, quam ſi multa 
quidem didiceris, fed illa non habeas ad manum: 
. und was Seneca an einem andern Dite bemerkt: 
Hoc quod liquet,. firmandum & altius quotidiana 
meditatione figendum eſt. Plus operis eft in eo, ut 
propofite cuftodies, quam ut honeſta proponss, 
Perieverandum eſt, & afliduo fludio robur adden- 
dum, donec bona mens fit, quod bona voluntas ef. 
Epift. 16. Damit nun gute Gedanken fruchtbar were 
"den, und gute Handlungen hervorbringen, ober guter 
Wille und Vorſaz in Gewohnheit und edle Denfungss 
art übergeben moͤchten, verfertigten bie Pythagoreer ihr 
goldenes Gedicht, ſchrieb Epikur feine ratas fententias, 
fammieten endlich die. Stolfer ihre praccepta, und 
Epittet fein Enchiridion, und alle befahlen, dieſe Purs 
zen Tugendlehren niemals and ben Gedanken zu verlies 
ren, und bey allen wichtigen Handlungen und Bege⸗ 
benheiten gegenwärtig zu haben. Ueber die praecepta 
der Stoifer, ihren Nuzen und ihren Unterfchied von 
den deeretis fehe man den Seneca Ep. 94. 95. Ders 
fonen, um biefe Bemerkung noch binzuzufezen, die, 
wie man ſagt, wiber befferes Willen handeln, find des 
nen ähnlich, die eine Sache fehlecht vertheidigen, weil 
ibnen die beften Gründe und Facta, die ihnen fonft 
nicht unbefannt waren, nicht einfallen, oder die fi) 
gar felbft widerſprechen, weil fie ih nicht darauf bes 
finnen, was fie ehemals bebaupter haben. Und nur in 
dem Verſtande, in welchem man fagen fann, daß bie 


Zweyter Band, 6g ie 


—0Sielemex Such Bivenied Eapiel, | 
5 ofrateb-Ieferd aber nicht bloß Tugend, ſondern 
. er übte ſte auch aus, und fein ganzes feben mar nad) 
: seinen und frener von Fehltritten, als feine P 
' ven mern war. Im ganzen Griechiſchen und 
I— pa kenne ich keinen *), deſſen Wandel 
“ amtabelich ruehaft und deffen Charafter 
. allen Seiten fo bollendet, als ber des Sofrates wat, 
.."  Diefer Welfe war nicht nur über alle Safter Zeit⸗ 
eegnoſſen, ſondern man Fann auch fagen, faſt über ale 
Schwachheiten feines Geſchlechts erhaben. Er erfüllte 
nicht nur alle Pflichten, die er in allen tagen —— 
en als Menſch uiid Bürger, als Bater ne. 
als Magiftrarsperfon und Krieger zu erfüllen 
* 'ommen, ſondern auch mit einer folchen 
Peg zu feinem Weſen zu gehören, und Medi 
die Wirkung einer unfehlbaten Mate zu fen 
: Fe, Seine Vernunft, fast Moncagne, 








taten \ gegen — Wiſſen geredet ober geſchtieben 
haben, nur in eben dem Verſtande ann man auf 

fagen,, daß Perfonen gegen befferes Wiffen handeln. 
2} u. ſchwerlich wird man aud aus der nenern Geſchicht 

s jemanden anführen Pönnen. 

®#) Montagne Eflays lib, II. ch. XI. p. m, 329. On voit 
aux ames de ces deux perfonnages, (Socrate & Caton) 
ee ... & des leurs imitateurs une fi.parfaite habitude i la 
b vertu, quelle leur eft pafl&e en complexion. Ce 
‚ weft plus vertu penible, ny des ordonnances de la 
raiſon, pour laquelle maintenir il faille, que leut 
ame fe roidiffe: Ce leſſenee mene .de leur ame, 
een fon train naturel & ordinaire, Zugend, fegt 
— Montague, if ganz mas anders, als Gutartigkeit, 
. oder natürliche GAte, oder Unſchuld und Unfcäplih 
keit. Jene verlange inmmer einen Gegner, und fit 
flets Kampf voraus, doch if fie am görtlichften un 
vonfommenften, weun fie alle ihre Widerſacher fo air 


Geſchichte des Sofrates und feiner Phil. 46% 


naͤchtig, daß fie boͤſe kuͤſte und Begierden nicht einmal 
en ließ, und er ging daher mit dem ſichern 
Schritte eines Siegers, der alle feine Feinde uͤberwun⸗ 
ven hat, ohne Mühe und Anfechtung auf dem Wege 
ver Tugend fort *). Im Genuffe von Nahrungsmite 
teln war er fo mäßig und genuͤgſam, daß er niemals 
mehr aß und tranf, als die Natur forberte, und mit 
ner jeden gefunden, aud) ber gemeinften Speife und 
Tranfe zufrieden war **). Hunger war Die einzige 
Würze feiner Speife, und Durft die einzige Verfügung 
eines Tranfs. Wenn er. aud) zu Gaſtmalen eingelas 
den wurde, fo Foftete es ihm gar feine Mühe, fich vor 
Ueberladung mit lecferhaften Gerichten, ober koſtbaren 
Beinen in Acht zu nehmen 7). Er konnte alfo ohne 
Befahr an den Freuden der Sefelligfeit Theil nehmen, 
and feine Freunde ermuntern, ihre Seelen mit fleinen. 
Bechern zu begießen, weil der-Wein gleich dem: Dans 
dragoras alle Sorgen einfchläfere, und Frölichkeit und 
923. freunde 








IECCERRREXX 


lich uͤberwunden bat, daß fie ſich nicht mehr erheben 
innen, und wenn fie ohne allen Zwang, Schwierig⸗ 
keit und mühfame Anfttengung das Gute ausübt. 

%) ib, Je ne puis concevoir en ce perfonnage aucun ef- 
fort de vitieufe concupifcence. Au train de fa ver 
tu, je n’y puis imaginer aucune Jifficultd, ny aucu- 
ne contrainte. Je cognoy fa raifon fi puiffante, & 
fi maiftreffe chez lui, quelle n’euft jamais donn& 
moyen à un appetit vitieux feulement de naiftre, 
J1 me femble la voir marcher d’un viätorieux pas, 
& triomphant, en pompe & & fon ayfe, fans em- 

efchement, ne deftourbier. Man febe au die 
Dobrede des Laches auf den Sokrates in Lachete 


. 256. 
0) Xen. Mein. I. 2. p. 9. e. 3. p. 38. 39. c.0.p. 55. 
4) Xen. 1. 2 p. 39. vide etiam Anton, Tray es &duroy. 
1.1.16. J 


468 Giebentes Buch. Zweytes Capitel. 
freundſchafftliche Gefinnungen erwecke *). Doch 


warn⸗ 
fe er fie, mit dem begeiſternden Geſchenke des Wein 
gotts fich nicht zu Überfüllen, damit ihre Seelen unb 
$eiber nicht erfäuft würden, wie die Pflanzen und &e 
waͤchſe der Erde, wenn man fie auf einmal zu reichlich 
teänfe **). Den einer folhen Maͤßigkeit im Gemufke 
von Nahrungsmitteln. Fonnte es ihm niche ſchwer wer 
den, den mächtigften unter allen finnlichen Trieben im 
Zaume zu halten. Er enthielt fich, fagt Renophon, leich⸗ 
ter von den fchönften Perfonen, als andere von ben 
Haͤßlichſten ***), und fchlief eben fo fanft und ungeflört 
an der Seite des fehonften Griechiſchen Tünglings, dem 
ganz Athen nachjagte, als wenn er an ver Seite feines 
Vaters geruhet hätte 7). Seinen teib pflegte er nick, 


«is einen Herrn und tiebling, zu deſſen Wascung er ven 


der Natur beftellt worden, fondern als einen Diener 


und als ein Werkzeug der Seele, das zu allen Zeiten 


bereit ſeyn muͤſſe, ihre Befehle zu vollſtrecken FF). Ex 
ftärfte ihn täglich durch mäßige lebungen, damit er bad, 


was er einpfangen hatte, gehörig verarbeiten moͤchte; 


und als er in feinem höhern Alter es nicht mehr für ſchick⸗ 
lich hielt, in den Gymnaſien ben den öffentlichen Uebun⸗ 
gen feinen Leib zu entblößen, wählte er das Tanzen, als 

eine 





(EEE GE GR. GEGESSEN 





*) Xenophontis Symp. c. 2. p. 440. 

”, Kein Menſch, fagt Altibiades beym Plato in Symp. 
p. 193. fah den Sokrates je trunken. Selbſt an fh 
lichen Schmäufen trank er nie mehr, als die Befund 
heit erlaubte; wenn er aber gezwungen wurbe, fi 
Fonnte er alle diejenigen überwinden, Die ihn zum 
Trinken genöthigt hatten. 

 @#®) Mem. 1.2. p. 9. c. 3. p. 39 & 42. 

T) Siche zweyte Beylage. 

t}) Xenoph. I. 2. p. 10. & c. 6. p. 56. Memor, Sor. 
Plat. in conv. p. 193. 194. 


\ 


Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 469. 


eine für ihn als Greis nicht zu heftige, unb dem Coͤrper 
vor allen andern zuträgliche Berwegung, indem dadurch 
nicht einzelne Theile, fondern alle Gliedmaßen ohne Aus⸗ 
nahme gleichformig geftärfe würden *). Sokrates hats 
te ſich durch vieljährige Gewohnheit fo abgehärtet, daß 
er ohne Mühe und Schaden, Froft und Hize, Hunger 
und Durſt, Schlaflofigfeit und andere Beſchwerden ers 
fragen Fonnte **), Bey der Belagerung von Potidaͤa 
wurde es feinem Krieger fo leicht, als ihm, zu foften, 
und die ungewöhnliche Kälte des Thracifchen Winters 
auszuhalten. Cr allein wandelte barfuß und mir einem 
einzigen Gewande befleider im Schnee und auf dem Eife 
umher, da alle übrige Krieger fich entweder gar nicht 
auswagten, ober fich in eine Menge von Pelzen huͤll⸗ 
ten T). Ulle diefe Tugenden, die im Ganzen genoms 
men feltener ald bie öffentlichen find, ‚ungeachtet fie 
unmittelbar das Wohl und die Erhaltımg ihrer Beſizer 
beförbern,, wurden vem Sofrates durch eine ununter⸗ 
Brochene Sefundheit, die nicht einmal in der fchrecklis 
den Seuche die geringfte Veraͤnderung litt TF), unb 
burch eine beftändige Heiterheit und Gleichheit des Ges 
muͤths befohne. Sein Geficht war nicht bloß an öffent 
lichen Orten und vor den Augen des Volks, fondern 
auch in der Einfamfeit feines Haufes and im vertrauten 

93 Ums 





%) Symp. c. 2. p. 437. 438: Der Tanz war fonfl, ben 
Friegerifhen ausgenommen, unter ben Griechen eine 
unſchickliche Uebung oder Bervegung des Leibe. Ale 
daher Charmides feinen Lehrer zum erflenmal allein 
Sanzend antraff, glanbte er, daß diefer von Sinnen ger 
kommen fey, bis er ihm bie Wortheile diefer Bewegung 
des Leibes aus einander gefezt hatte. ib, 

®“) Plato in convivio p. 193. 194, 

) ib. 

+4) Gellii Noct. Att, Il.i. 





470 Siebentes Buch. Zweytes Eapitel, 


Umgange mit feiner Bamilie, in welchem alle Berkd 
fung aufhört, ſtets daffelbige, und feine Frau Zantipg Ir 
gab ihm daher einen Lobſpruch, den wahrfcheinlich nız 
wenige Weiber ihren Männern ohne Schmeichelen hu jr 
ben geben fonnen, und deſſen Größe man erſt einfiet, | 
wenn man ihn eine Zeitlang überbadyt hat. Zantipe ji 
fagte von ihrem Gemal, daß er ſtets diefelbige Mien je 
benm Eingange und Yusgange gehabt habe *). Uete |E 
‚bie Unarten anderer zürnte er fo wenig, als über ie |i 
Krankheiten, ober Seibeögebrechen **),. und ihre Un ji 
:hoflichfeiten und Beleidigungen fah er entweder als U 
:bungen feiner Geduld an, oder er ertrug fie ruhig we 
‚ohne Aergerniß, wie Schaͤden, die ihm durch ume |i 
meidliche Zufälle oder Durch unvernünftige Thiere zuge 
fügt worden 7). Wenn er fich aber durch eine une 
wartete Grobheit oder Niederträchtigfeit ein voenig ge I 
rührt fühlte, fo unterbrückte er gleich die erften Regu⸗ 
gen des Zorns dadurd), daß er den Ton feiner Stimme 
maͤßigte, und fanfter als gewöhnlich redete, daß « 
freundlicher als ſonſt lächelte, und heiterer als fonft um 
— ſich 














*) III. 15. Tuſe. quaeſt. 

%#) Mem. Socr III. 13. p. 194. 

}) Ib. & Epidt. ap. Arrian, diſſ. IV. 5, proben feine 
Langmuth finder man im Plutarch de liberis educ. VI. 
p-33. 34. de ira cobibenda VII. p. 809. Diogen L. a1. 
& ibi Menag. Eeneca de ira IN, c. 11. and ande, 
für welcher Erzaͤhlungen Glaubwuͤrdigkeit ich aber ul 
einfiehen möchre. Keine andere Tugend bemnptert 
ber Ältere Gato im Sokrates fo fehr, ale fen 
aoeynriav, ober bie Geduld, momit er die Unartın 
feiner Frau und feiner ihm ungleichen Kinder ertragm 
babe; Plut. I. in Cat. vita p. 588. wahrſcheinlich def 
wegen, weil er fühlte, daß er diefe Zugend am menig 
fien oder am ſchwerſten würde erreichen koͤnnen. 


Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 471 


Ad) Her blickte, an welchen Zeichen feine —* es ſo⸗ 
gleich erkannten, daß er mit einem innern Feinde kaͤmpf⸗ 
ce, der ihn zwar bisweilen anfallen, aber nie überwins 
den fonnte *). Ueber die Begierde nach überflüffigen 
Guͤtern und eitler Ehre war er fo fehr erhaben, daß er 
‚non reichen Sreunden, denen er viele Jahre genuzt hat 
te, vielweniger Gefchenfe annahm, ald andere fich durch 
Beſtechungen zu gefezroidrigen Handlungen bewegen lies 
Gen, und daß er eifriger, als die dem Alfibiades güns 
fligen Seloherren daran arbeitete, daß der Preis der Tas 
pferfeit, der ihm eigenclid) gebührte, dieſem hoffnungss 
vollen jungen Manne zur Ermunterung und Stärfung 
feiner Tugenden zugefprochen würde **). Ben einer 
‚gänzlichen Abweſenheit aller böfen tüfte und Begierden, 
wodurch Menfchen zu Berbrechen verführt werden, 
Fonnte es dem Sofrates gar feine Mühe Eoften, Tugend 
und Wohlmollen zu üben. “Keiner Ffonnte ihn falfcher 
Beugniffe, oder AUngebungen, ober anderer ungerechter 
Damals gemöhnlicyer und einträglicher Handlungen zeis 
den 7). Er erfüllte alle Gefeze feines Vaterlandes im 
allen Stuͤcken, und folgte ohne Murren und Zaubern 
dem Winfe feiner Obern, wenn ihre Befehle mic den 
Geſezen übereinftimmiten ; allein er widerſezte fich ihnen 
auch mit unuͤberwindlicher Standhaftigkeit, wenn fie 
ihm etwas unrechtmäßiges zumutheten. (Er weigerte 
fich nie fein teben fürs Vaterland zu wagen, fo oft er 
Dazu aufgefordert wurde , und er fochte alfo vor Poti⸗ 
dia fowohl, als in den Schlachten bey Delium und Am⸗ 
phipolis mit einem folchen Muthe, daß Athen ihn für 
einen feiner tapferftien Krieger , und die Feinde für einen 
934 ihrer 








nme 
“) Plut. de ira cohib. VII, 785. Senec, de ira III, 13. 
°*) Xen. J. 5. p. 51. Mem, & Plat. in conv, p. 194. 
}) Xen. IV. 4. p. 237. ' 0 


472  Bichentes Buch. Zweytes Capitel. 


ihrer furchtbarſten Gegner erfenmen mußten *). Mit 
eben der Kraft und Seftigfeit des Geiftes, womit er be 
Zeinde feines Volkes fchlug, ſtritt er wider die Unge 
rechtigfeit eben dieſes Volks und feiner Gewaltigen; ums 
ließ fich weder durch das ‚wilde Gefchren des erflern, 
noch durch die Drohungen der leztern bewegen , etwas 

zu thun oder zu laffen, was er für unrecht hielt. S 
\ ve 





(GREIEERSSEEE 


9) Ueber dieſe Feldzuͤge ſehe man Plat. in Apol. p. IL. is 

Convivio p. 193. 194. in Charmide p. 242. in L« 
chete p. 253: Athenaͤus fuchte alle dieſe Feldzuͤge bei 
Sokrates und das Anfehen des Plato ungewlß zu mas 
hen; allein die Gründe diefes Saninlers fin» fo elen, 
als die Nachläffigkeitefünden, die er in ber Auflage ed 
Sofrates und Plato beging, ſchimpflich find. Lib, V, 
ce. 12. & ibi Caſaub. Plato war nicht der 
welcher der Feldzuͤge des Sokrates erwähnte; and Fe 
nopbon und Antifihenes thaten cd. Athen. 1. e. & 
Xen. Mem. IV. 4. In einem Xreffen vor Petibks 
zettete Sofrated dem Alfibiades das Leben, mub anf 
dem Rüdzuge bey Delium war es, mo er fi mit eb 
nem fo zuverfichtlich langſamen Schritte zuruͤck zog, und 
fo furchtbar um fich berblidte, daß Feiner ber Zeink 
es wagte, ihn und ben Laches anzugreifen. Plat. I, cc, 
In eben diefer Schlacht foll er, wie mehrere Schrift 
fteller erzählten, dem Kenophon bas ‚Leben gerettet 
haben; allein th zweyfle daran, weil weder Plate u 
den beyden Stellen, wo er von dem Betragen bil 
Sokrates hey Delium redet, noch auch RXenophon felhf 
diefer That erwähnen. Man ſche Diog. I. 22. & ibi 
Menag. Diefe Nachricht iſt wahrfcheinlich aus eine 
Verwechſelung entſtanden, wie eine andere, bag En 
Prated bey Delium ben Preis der Tapferkeit erhalten 
babe. Simpl. ad cc. 31. Enchirid. Epict. Simplicdu | 
hatte offenbar die Stelle im Gaflmale des Plate m | 
Sinne; allein er erinnerte ſich derfelben nicht redt, 
und fehrieb dem Sokrates etwas zu, was 'diefer ba 
einer andern Gelegenheit dem Altibiades zugemantt 
hatte. 


Geſchichte des Sokrates und ſeiner Phil. 473 


achtete die Wuth des Poͤbels, als dieſer gerade zu 
Zeit, da er das Haupt des regierenden Raths war, 
t Ungeſtuͤm von ihm verlangte, daß er feine Stim⸗ 
zur Verurtheilung von nein unfchuldigen Feldher⸗ 
: geben follte *), und er blieb lieber, wie Kenophon 
t, feiner Pflicht und dem Eide, den er geſchworen hatte, 
u, als er dem Volke oder ven Mächtigen der Stadt 
Ifahrte. Er fpottete der dreyßig Tyrannen, als diefe - 
ı unterfagten, forthin junge Leute in ber Hegierungsr 
iſt zu unterrichten *"), und lachte ihrer Befehle, als 
ihm aufteugen in Cefellfchafft von noch vier andern 
em Einwohner von Salamin zu ergreifen und nach 
yen zur Todesſtrafe zu bringen ; eine Widerſez⸗ 
feit, die ihm mwahrfcheinlich das Leben würde gefofter 
en, wenn nicht Die Tyrannen bald nachher wären ger 
rt worden 7). Wenn man die Würde eines Mit 
des des hohen Raths ausnimmt , die Sokrates eins 
I befleivete, fo hielt er fich während feines ganzen 
igen tebens von Öffentlichen Aemtern und Gefchäfften 
feent, weil Volk und Staat zu verdorben waren, als 
| ©gs daß 


) I. 1. Mem. Soer. p. 8. 

) I. c. 2. p. 21. Mem. Soer. 

) plat. I.c. Diodor ſagt an der Stelle, wo er ben Tod 
des Theramenes erzaͤhlt, daß Sokrates nebſt zween 
feiner Freunde dem eben genannten Demagogen, als 
er ind Gefaͤngniß geführt worden, zu Hülfe gefommen 
ſey, bis diefer ihn gebeten habe, ſich nicht In unnoͤthi⸗ 
ge Gefahr zu fiürzen, und bis er felbft geſehen, daß 
Feiner zur Mettung bes Ungluͤcklichen herbey eile. — 
Diefe abentheuerlihe Handlung widerfpricht nicht allein 
dem Charakter des Sokrates, fondern wird auch weder 
vom Plato noch vom Xenophon, noch von irgend ei⸗ 
nem andern zuverlaͤſſigen Geſchichtſchreiber erzäßtt, 
und kann daher ohne Bedenken als erdichter verworfen 
werben. 


474 Siebentes Buch. Zweytes Capitel. 


daß er ihnen auf dieſe Art hätte nuͤzen kͤnnen. Er 
konnte und wollte ſich nicht zu ſolchen Schmeichelegen | 
und einer folchen Machgiebigfeit erniedrigen , ale ber 
Möbel auch bey den unfinnigften und gewaltthaͤtigſten 
Unternehmungen von feinen Demagogen ermartete, 
Wenn er fich aber dem Willen des Volks ſtets voiberfeg 
hätte, fo wuͤrde er, wie er felbft beym Plato fagt *), 
bald gerödtet, und dadurch gehindert worden feyn, fh 
nen Mitbürgern auf andere Arten zu dienen. (Eben 
‚bewegen, weil er Fein Zeuge und Theilnehmer unge 
reimter Entſchluͤſſe, ungerechter Urtheile, und muth⸗ 
voilliger oder jchändlicher Ausgelaffenheiten ſeyn mochte, 
‚befuchte er weder die Volksverſammlungen, noch die 
Gerichtsplaͤze »*), und nur ſehr felten vie öffentlichen 
Schauſpiele. Michtsveftoweniger wurbe fein eben eben 
fo gemeinnüzig, ald wenn er das ganze Bolf, wie Per 
rikles geleitet, oder ftets Flotten und Heere angeführt F 
‚hätte 7). Sokrates wandte feine beften Kräfte und 
Etunden an, um die Stoljen und Verderber des Ge I: 
ſtes und Herzens der Jugend zu demüthigen, die Zwer 
deutigen zu ftärfen, die Schwachen aufzurichten, ‘ode 
von Sefchäfften, denen fie nicht gewachfen waren, ab ]} 
zuhalten, und tüchtige, aber träge oder an der Wohb In 
art der Stadt verzwenfelnde Mitbürger zum Dienft |i 
ihres DBaterlandes zu ermuntern 77). Er fühnte und Ti 
nig 











—— ——————— — ———5AæZ GESENDET 


7) p. 13. in Apol. 

**) ib. p. 7. 

T) Er zeigte zuerſt, fagt Plutarch, daß das ganze Leben iu 
allen Zeiten und in allen Umfländen und Worfällen fit 
bie Philefophie empfänglih fry, und daß man ein 
wahrhaftiger Bürger und Menfchenfreund feyn Ale, 
wenn man aud nie den Mantel dee Feldherrn und id 
Gewand des Redners anlege. an feni fit gerend. refp. 
vol. IX. p. 180. 

+}) Mem, Socr, III. c. 1-7. Plut. I. e. 





 Gefshichte bed Sokrates und feiner Phil. 475 


ge und gegen einander aufgebrächte Eitern und Kinder, 
Ehegatten, Brüder und Bekannte aus *), tröftete feis 
ve niedergefchlagenen Sreunde im Unglück **), half ihr 
sen burch feinen weifen Nach aus der Noch ***), bes 
ebrie. die Unwiſſenden, bildete die Hoffnungsvollen aus, 
and hielt felbit jchlüpfrige Gemuͤther durch feine kehren 
nd Beyſpiel von Laſtern und Derbrechen zuruͤck T). 
Durch alle diefe wohlthätigen Bemühungen wurde das 
eben des Sofrates eine unerjchöpfliche Duelle von Seg⸗ 
sungen für jein Bolf, und mit Hecht konnte Plato von 
om fagen, daß er der einzige. in feinem Zeitalter, ober 
ner von den Wenigen gewefen fen 77), die ohne alle 
ꝛigennuͤzige Abfichten für das Wohl ihrer Mitbürger 96 
wbeitet hätten. . 


Dog num ein folcher Mann, als Sofrates war, _ . 


ver Feines Boͤſen gefchont hatte, unter einem Volke, das 
ille große Verdienſte und Tugenden haßte, und fie zu 
meerdrücen fuchte, Feinde, Neider und Berläumber 
and: dag er ferner: in einee Stadt, in welcher falfche 
Aufläger oder Sykophanten die tteblinge des herrſchenden 
Pöbels waren, um erdichteter DBerbrechen willen vor’s 
Bericht gefchleppt wurde, iſt meinem Urtheile nad) gar 
sicht zu verwundern; allein daß Sokrates gerade um 
ſolcher bofen Künfte und Thaten willen, wider welche 
kein ganzes Leben zeugte, die er beftändig beſtritten, und 
um derentwillen er den größten Theil des Hafles auf. fich 
geladen hatte, angeklagt und verurtheilt wurde, darüber 
eeftaune ich immer von neuem, fo fehr ich. auch dabey 
bevenfe, daß unzählige unfchuldige Menfchen vor er 
ma 





*%) Mem. Il. 2% 3. 

#&) Sener. de trang. animi c.3. 

*#) II. 7. Memor. Socr. p. II7. 

+) Memor. Socr. 1. 2. p. 15. 

+1) in Gorgia p 331. N 


dem ausgearteten Achenienfigeh A 


retgen Gelegenheit gehabe hatte. J 
> Die entfernteſte fung der Verurth S 
vlelleicht auch der Anklage des Softates, Ep m 
iel des 
“er den Sohn des. Sophroniskus nicht nur als in⸗ 









”) Solche Naturforſcher wurden won dem Poͤbel in Atha 
ohne Ausnahme für Gottesldugner gehalten, Pla, 
Apol. Socr. p. 7. s 

%#) Vide Schol, ad Ariftoph, Nubes cum Scholiis antiquis 

Pr recenfione Richteri, Harderövici 1752. in 8, 

» ur 


ſhahte des Softateß und feiner Phil. 477 


ftechungen feiner nachherigen Feinde und Anklaͤ⸗ 
die Renophon und Plato gewiß nicht mic Still 
en übergangen hätten, fondern weil Sokrates 
teunde und Anhänger hatte, weil er dem ganzen 
bekannt *), und alfo gerade eine folche Perfon 
dergleichen die Athenienfer aufs Theater gebracht 
ten. Kein tuftfpielfchreiber durfte fich unterftes 
ad hochheilige Volk in Achen anzufallen; allein 
: Perfonen Fonnte man. ungeftraft mißhandeln, 
fe entweder reiche, mächtige und eble Bürger, 
enn auch vom Pöbel, wenigſtens folche waren, 
vor allen andern auszeichneten, und die eben des 
bee große Haufe nicht ungern gedemuͤthigt fah”*). - 
tes hatte alfo mit allen großen Männern in chen 
Schickſal, wenn ee dem Pöbel in einer Farce 
jegeben wurde; und Ariſtophanes war nicht ber 
‚ der ihn auf der Bühne lächerlich gemacht, und 
zer Thaten beſchuldigt hatte 7). Ungeachtet die 
n des eben genannten Dichters, was Sprache, 
ung, Anlage und Einfälle betrifft, die befte unter 
inen Farcen iſt, wofür er fie aueh) ſelbſt hielt, fo 
fie doch wenigſtens bey der erfien, und vielleicht 
»n der oder den folgenden Vorſtellungen, nicht has 

4 








Beih einen großen Eindruck Sokrates gemacht babe, 
kann man aus folgenden Stellen des Ariſtophanes 
felbft fehen: in Avibus v. 1280. 
Ile nev Yae once ve nvde Tv BoAw 
EAarwvonavev dnayres dvdewmos Tore 
Enonmv , EREIRV, ELLUR@V, ECWKEATEV. 
Karerav au norneav es ra BıßAsa. 
De rep. Athen. c. 2. p. 585. Xenoph, | 
Ran fehe Schol, ad v. 96 & 129. Nubium Ariſto- 
phanis, | u 


⸗ 


478 Siebentes Buch, Zweytes Capitel. 


Gluͤck, was der Dichter für fie gehofft Hatte”). Ce 
weit aber auch) ver Benfall, den feine Arbeit fand, mw 
ter feiner Erwartung geweſen fenn mag, fo ift doc) bis 
feö gewiß, daß fie nachtheilige Eindruͤcke in den Gemb 
then der Arhenienfer zurück ließ, die den Söhnen von | 
ihren Vätern, und den Juͤngern von den Yeltern mitge 

| | * 











@) Ueber bie unguͤnſtige Aufnabme, melde bie Wolken bad 
erflemal fanden , klagt Ariſtophanes ſelbſt v. 523.& la 
Er beſchwert fi über gewiffe avdexs Doerass, 
die ihm den Sieg geranbt hätten, und hierans eutkamb 
wahrfcheintich die Sage, daß Altibiades das Lieblinge 
ſtuͤck des Ariſtophanes habe fallen machen. Schol. p. 3 
Einem Scholiaſten zufolge arbeitete der Dichter ie 
Wolken nah dem erſten unglädlihen Verſuche ud 
einmal nm, ad v. 9. p. 6. und brachte fie von menm 
aufs Theater; allein auch dieſesmal fanden fie Feines 
Beyfall, und nun wagte es Ariſtophanes nicht much, 
fie dem Volke wieber anzubieten. Aus ber Farce fell I} 
erhellt, daß ihre Berfaffer nach ber erfien Worfichum 
Beränberungen in ihr gemacht habe, denn an einige |. 
Stellen redet er von Kleon, als einer lebenden Perſch 
an einer andern aber als von einem abgeſchiedens 
Zeinde. v. 549. 591. Allein ein anderer Schelieft io 
hanptet, daß fie nach der erfien Borftelung noch i 
aufgefübrt worden v. 591. und auch Aelian IL 1% 
Var. bift. erzählt, daß die Archenienfer iu der Zei 
großes Wohlgefallen daran gefunden hätten. Wen 
aber au die Wolfen nur zmeymal gegeben wort 
wären, fo find fie wenigſtens das zweytemal nicht, wie 
der Scholiaſt willad v. 8. unter dem Archon Ameinws 
DI. 89. 2. aufgeführt worden; denn Ariſtophanes m 
wähnt des Todes des Kleon, der erſt DI. 39. 3. u 
Thracien fill. Es ift nicht unwahrſcheinlich, was meh 
rere Scriftfteller erzählen, daß Sokrates bey ber erfim 
Borfiellung DI. 89. I. gegenwärtig geweien, mu 
bar die groben Schwaͤnke des Ariſtophanes eben # 
wenig, als durch die Scherze von Freunden an eines 












Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 479 


theift wurden *). Diefe Argwoͤhne wurden durch die 
geheimen Berläumbungen derjenigen unterhalten und ges 
ſtaͤrkt, welche Sofrates zu ihrer Befchämung geprüft 
hatte ‚ um fic) von der Wahrheit und dem Sinne des 
tterſpruchs zu überzeugen, wodurch er für den Wels 
feften der Griechen erflärt worden war **). Dieſe vom 
Sokrates entlarvte und von allem glänzenden Schein fals . 
r Weisheit entkleidete Männer rächten fich an ihrem 
iverfacher dadurch, daß fie die Ohren der Athenienfer- 
mit den falfchen Gerüchten anfüllten, daß Sofrates aller 
dee Verbrechen fehuldig fey, die Ariftophanes ihm aufge 
Bärbet Hatte, und deren fie felbft ſchuldig waren F); 
Diefe böfen Nachreden fehabeten dem Sokrates noch 
weit mehr, als das Poflenfpiel des Ariftophanes gerhan 
hatte, und eben diefe waren es hauptfächlich, die ihn 
ums Steben brachten *.P). Wahrfcheinlich würde Sofras 
tes fchon viel früher verklagt worden feyn, wenn nicht 
feine Feinde fich vor dem Alkibiades, der feinen tehrer 
var verließ, aber nie haßte, und vor andern mächtigen 
Breunden gefürchter hätten. Nachdem aber Alkibiades, 
is ein DBerräther des Volks, im Elende umgebracht 
vorden , und die meiften übrigen Freunde des Sofrates 
m Peloponnefifchen Kriege umgefommen waren; fo 
| mad)» 








kumumuuinuunee 


@aftmale bewegt worden fey. Plut. de liber. educ. VI, 
34 p. Ael. Il. c. 13. Allein ich halte es für ein Maͤhr⸗ 
hen, was Yelian allein berichtet, daß Sofrates feinen, 
Diaz Fremden überlaffen, und fi an einen Drt binges 
flelle babe, wo er von allen Zufchauern gefehen werden 
Tonnte. Kin ſolches pralerifches Berragen ſtimmt gar 
nicht mit dem Charakter des Sokrates überein. 

%) p. 7. Plat. Apol. Socr. Ä 

”*) ib, p. 8.9. 

+) p. 7. Apol. 

P) ib. 


430 Siebentes Buch. Zweytes Eapitel. 


machten fich feine Feinde den noch frifchen Haß, dein 
den Gemüthern der Athenienfer gegen ven Alkibiades und 
Kritias, feine ehemaligen Schüler, übrig war *), und 
feine Einfamfeit oder Armuth an vielgeltenden Beſchaoͤ⸗ 
zern zu Nuze, und ließen ihn durch drey dazu beftellte 
Männer, als einen Feind der Götter und des Dolks, 
vor Gericht fordern. Anytus verflagte ihn auf Anftifı 
” ten der Demagogen und anderer, die ſich mit oͤffenti⸗ 
chen Sefchäfften abgaben **,, Melitus im Namen der 
Dichter, und Lyko im Namen der Sophiſten, als einen 
verberblicdyen Bürger, Der Die Tugend verberbe, ber bie 
Götter, welche die Stadt anbete, laͤugne, neue Gott 
heiten einführe, und durch diefe Verbrechen den Top 
verdiene 7). Diele grundlofe Anklage brachten fie nicht 
bot 


muenchen 








®) Acfchines in Tim, p. 194. 

u, So muß man die Wörter Inuzeyos, x KoAıtına 
verfiehen. Man fehe Plat. in Gorg. 317. & in Me 
nonc p. 345. 

+) So führen Plat. in Apol, p. 9. Xenoph. Mem. I, ı. 
und Diog. I]. 40. bie Worte der Anklage mit denfelbis 
gen Worten an. Ankiſthenes ſtimmte vollfommen mit 
dem Plato in ber Angabe der Feinde zufammen, In 
deren Namen Sofrates von feinen Anklägern belanzt 
tourde. ap. Diog. 11. 39. Auch Zenophon und Plato 
kommien in allen Hauptflüden der Anklage, Verurthei⸗ 
Jung und bes Todes ihres Lehrers überein. Ya Zenos 
pbon, der dem Plato fo wenig ale diefer dem XRenophon 
gewogen mar, beftätigt die Nachrichten bes Erftern, 
felbft durch feinen Tadel: daß viele zwar die Geſchichte 
des Todes bes Sofrates richtig befchrieben,, aber die Ur, 
ſachen anzugeben vergeffen hätten, warum er den Xob 
bem Leben vorgezogen babe. in Apol. Soer. p. 4099, 

. Die Anfläger des Sofrates hatten, wie es fcheint, alk 
einen perfönliden Haß gegen ihn, wenigſtens laͤßt e⸗ 
ih von zween beroeifen oder wahrſcheinlich machen, da⸗ 

fr 


Eachichte des Sofrated und feiner. Phil. 481, 


e den Areopag, der vormals DBeichilbigungen ver 
ottlofigfeit und anderer Beleidigungen ber väterlichen 
ligion unterfucht hatte, fondern vor eins der zahlreis 
em Volksgerichte, und böchft wahrfcheinlich vor das 
ıgefehenfte unter allen, nämlich die Heliaͤa, bie * 
| n 





(EEE Ei > GR EEE — 


fie tfich nicht nur in der Glaffe von Meufchen, zu wel⸗ 
her fie gehörten, fondern auch in ihrer Perfon ſelbſt 
beleidigt glaubten. Anytus wurde dadurch gegen ben 
Ssodkrates aufgebracht, daß dieſer in einer kurzen Un⸗ 
terredung mit feinem Sohne gefagt harte, daß er um 
feiner Xalente willen verdiene, fich nicht bloß mit der 
Bereitung von Leber (der Handthierung des Vaters, 
der fonft in der Stadt im größten Anfehen ſtand,) zu 
befhäfftigen, ſondern einem Erzieher und Ausbilder 
feiner Fähigkeiten und Anlagen übergeben zu werben. 
Xenoph. in Apol. Socr. p. 422. 423. Wie wenig 
man ſich auf die Nachrichten ber fpätern Schriftſtellen 
verlaffen könne, erhellt wiederum ans dem Beyſpiele 
des Libanius, als welcher erzählt, daß Anytus ſonſt 
feine Soͤhne zum Sokrates geſchickt habe, aber dadurch 
beleidigt worden ſey, daß dieſer ſtets der. Gerberep, 
eines Handwerks, was er von Sclaven treiben laſſen, 
erwähnt babe, daß er ſich aber gegen den Sokrates ers 
boten, von feiner Anklage abzufichen, wenn er inds 
Fünftige von feiner Handthierung zu fhweigen verfpres 
"en wolle. Apol. Soer. I. p. 642. 43. Den Melitus 
befchreibt eben diefer Sophiſt als einen feilen Syko⸗ 

. phanten, der für eine Drachme eine jede auch unfchuls 
- ülge und ihm ſonſt unbefannte Perfon angegriffen und 
verlaͤumdet habe. ©. 644. Plato hingegen fagt vom 
Ihm, daß er ben Schmerz der beleidigten Dichter geros 
chen babe. ©. 9. Apol. Wan fehe auch Eutypb. p. 1. 
initio. Wahrſcheinlich aber war er am meiflen deßwe⸗ 
gen gegen den Sokrates feindfeelig gefinnt, weil er ei⸗ 
ner von denen war, bie aus Furcht vor dem Tode das 
setban, was Sokrates nit thun wollte, und dem 
eon von Salamin auf Befch! der Xprannen nad 


Zweyter Band. RN) | Athen 


ö 





433 Siebentes Buch. Zweytes Capitel. 


fünf hundert Perfonen beftand ). ‘Die Gründe, wos 
mit fie ihre Befchuldigungen zu bemweifen fürchten, waren 





ſſpo elend, daß fie nur allein von folchen Sykophanten 





Athen gebracht hatte. Andoc, orat. I. p. 218. und 
Plat. Apol. p. 13. Lokon war felbft ein Redner um 
Sophiſt, und vermuthlich auch, gleich feinen Brüdern, 
son Sofrates gedemüthiget worden. IE 38. Diog. 
Bon ihm heißt es, daß er alles zur Anklage des So⸗ 
rates geflimmt und vorbereitet babe. 


) Menrfius in feiner Abhandlung über ben Areopag c. V. 


p. 2088. in Gron, Thef, Vol, V. glaubt, daß Sokro⸗ 
tes von ben Areopagiten gerichtet worden ſey, umb zwe 
ans dem ſchwachen Grunde, weil alle Anklagen vom 
Oottlofigteit vor diefen Gerichtshof gehört hätte 
Aus diefer feiner Meynung zieht er den Schluß, Mm 
ihn allein auf andere Gedanken hätte bringen fol, 
daß der Areopag aus vielen hundert Mitgliebern befiıs 
den habe, weil Sofrates dur 281 Steinchen meh 
verurtheilt als frey geſprochen ſey. f. 41. Diog. Il 
Ich will nicht einmal biefe Nachricht des Diogenes wos 
ber großen Zahl von Richtern, die unmöglich von des 
Areopag gelten koͤnnen, wider den Meurſius branden, 
weil Plato erzählt, daß Sokrates nur durch einen kle⸗ 
nen Ueberſchuß von drey Steinchen für ſchuldig erklärt 
worden. in Apol, p. 14. Allein aus andern Unifliw 
den wird es unläugbar, daß bie Richter des Sokratel 
nicht Areopagiten, fondern Menſchen aus bem Pihl 
waren. Denn erfllich läßt es fih gar nicht denken, 
daß die Anfläger des Sofrates ihre laͤcherlichen Beſchub 
digungen vor einem ©erichtshofe, der noch immer anf 
den verehrungswürbigfien und verfländigften Maͤnnen 
beftand, II. 5. Memor. Socr, angebracht; und nch 
weniger, daß biefe Areopagiten den Sofrates auf fol 
Beſchuldigungen fo gefezios, und mit einer fo un 
nünftigen Hize verdammt haben follten. Zweyten 
war die Haupturfache, warum Sokrates von feinn 
Richtern verurtheilt wurde, dieſe, daß er fidh nicht is 
Schmeicheleyen und demüthigen Klagen ermiebrigs 

| wollt, 











Geſchichte des Sokrates und feiner Phil 483 


b vor folchen Richtern vorgetragen werben konnten. 
je.ivarfen ihm vor, daß er der Jugend eine Verach⸗ 
Hh 2 tung 














wollte, dergleichen die Richter erwarteten und gewohnt 
waren. Xenoph. Apol. Soer. p. 410, Solche Nies 
derträchtigkeiten und Künfte Fonnten die Areopagiten 
unmöglich erwarten, weil fie vor ihrem Gerichte durch 
die Gefeze unterfagt waren. Drittens behandelten. bie 
Antläger des Sofrates feine Richter völlig fo, wie bie 
Redner ven Poͤbel behandelten, und auch nur den Pbdel 
bebandeln konnten. Sie ſchilderten deu Sokrates als einen 
mächtigen Redner, gegen beffen Beredfamfeit- fie auf 
.. Ihrer Hut fepn (Plat, Apol. Socr. ꝓ. 7..initio) und 
als einen gefährlichen Mann, ben fie nur ihrer ſelhſt 
‚ "pillen tödten muͤſten, weil er fich ſonſt am Ihnen rächen 
und ihre Söhne. verderben würde, ib, p. 12. Auch 
"Die Beweife, bie fie für ihre Beſchuldigungen vorbrach⸗ 
tem, und die ih im Terte anführe, ‚konnten nur auf 
den Pöbel einen Eindruck machen. Viertens läßt es 
fi von feinem alten Zribunale, fondern nur allein vor 
- einem allmädırigen aus dem Poͤbel befezten Volksge⸗ 
richte anuchmen, daß es diejenigen, bie es ſchuldig bes 
funven hatte, nach bloßem Wohlgefallen, entweder nue 
um eine kleine Geldfumme, ober mit einem kurzen 
Gefängniß, oder mit Verweiſung, aber auch felbft am 
Reben frafen konnte. Endlich konnte es nur von 
- Mitgliedern eines Volksgerichts gelten, was bie Freun⸗ 
de des Sofrates zu ihrem Lehrer fagten:' daß die Rich⸗ 
ser ſchon oft Unſchuldige um ihrer Neben willen vers 
bammt, und andere kosgefprochen hätten. Mem. Socr. 
IV. c. 8. & Xenoph. Apol. 9. 4..— Daß aber unter 
allen Volksgerichten gerade die Helida fi mit dem 
Blute des Sokrates befledt habe, wird mir daraus 
wahrfheinlih, daß Sokrates eines Eides erwähnt, 
wodurch feine Richter feierlich beſchworen hätten, uns 
parsheyifch und nach den Geſezen zu richten. p. 14. in 
Apol. Soer. Einen foldhen Eid legten nur die Helia⸗ 
fen allein ab. Das Formular diefes Eides finder man 
beym Demofthenes p. 485. in feines Rede wider den 
Timokrates. | | J 


\ 


Nas und Mfibiades gezogen, wovon ber eine de 
” er unter den Tyrannen, und der andete der 


Fon ja daßer — der Achenienfer © 


ignen m verſprochen, 
— amb al Qi u de Ui 
zu werbeit verdienten 


RE, 


Pr oh is. ar ea 


tng gegen die eingeführte Srääceverfoffing 
ie, Hide er‘ Br daß es lächektich ſey 
der Stadt durchs loos Fe wählen, da N 
auf diefe Art-Mauerfeute‘, aumeifter, Der q 
here, Kuͤnſtler wähle *), (Sk ſchrieen, Daß eben 














und gewalfthätigfte unter allen Bürgern 


aung der Däter, wie des er gie, 


ben Weiſern 'gefeffelt- 
verrückte Eltern, wenn fe — — 
— ri nad) den Geſezen Gen 
Anhängern. gewaltthätige und 
nungen — weil er mit dem 
haͤtte, daß keine Art von Arbeit und Un 
über. wohl Trägheit und Unthärigfeit Schande. 
Ex Habe fie endlich dazu aufgemuntert, arme, I 
ringe Bürger zu mißhandeln , weil er ſtets die Homn⸗ 
ſchen Verſe im Munde gehabt, im welchen Musi 
Therfites durch Worte und Thaten zum Stilljehrweit 
bringe F}). Alle diefe Befhulpigungen befräfcigten 
mit falſchen Zeugen, die man, wie falfche Anfläger, MA 
einige Drachmen erfaufen konnte Fff). Sofrate fi 
fich nicht die Mühe, fich gegen die Verbrechen, die 
ihm aufgebürdet hatte, in einer weirläuftigen Schul 








y)12p a Memor, Socr, 
” &.13. ib, 

PN “ 9 28. 

26. 

1n 6. in. a. 

+11) Xenoph, a, Soer, 5,24. 


- 


Seſchichte des Sokrates und feiner Phil. 485 


prtheibigen *), und er nahm nicht einmal diejenige 
Sie yſias ihm anbot, weil jie fich, wie er fagte, für 
eben fo wenig ſchicke, als Sikyoniſche Schuße, 
® fie auch noch fo ſchoͤn gearbeitet wären. **). Als 
Freunde ihn. an eine Schuzrede erinnerten, und 
äugleich voritellten, daß die Nichter in Athen viele 
Buldige bloß um ihrer Reden willen verurtheilt, und 
Schuldige Hingegen frengefprochen hätten, erwies 
: er, daß fein Dämon ihn von einem wiederhohlten 
ſuche, eine folhe Rede zu machen, abgehalten 
7). _ Zugleich fragte er fie, ob fie nicht glaubten, 
ein ganzes nad) den Geſezen der Tugend vollbrachtes, 
durch feine Ungerechtigkeit oder boͤſe That beflecktes 
a, die ſchoͤnſte Apologie fen? Vielleicht, fagte er, 
5 der Wille und eine Gnade der Gottheit gegen 
Y, daß ich fterben foll, weil fie einfieht, daß es befa 
uͤr mich fen, in den Tod zu gehen, als fortzules 
fr). Wenn ich jego verurteilt werde, fo fterbe ich 
noch gefundem teibe und ftarfer Seele, den leichtes 
Tod, ber meinen Freunden und Angehörigen bie 
igften Beſchwerden und Bekuͤmmerniß verurfacht, 
wich gar feine widrige Bilder und nachtheilige Erins 
ngen, fondern vielmehr die lebhaftefte und heilſamſte 
nfucht nach) dem Verftorbenen zuruͤcklaͤßt. Bisher, 
yeißt e8 Hermogenes, habe id) es feinem Sterblis 
zugegeben, daß er beſſer und glücklicher gelebt Hätte, 
ch. cd) war überzeugt, daß diejenigen am beften 
n, bie ſich am meiften bemühten, immer vollfomms 
iu werden, und daß diejenigen wiederum am glück 
en wären, die es am meiften fühlten, daß fie volle 
h3 komm⸗ 











Memor. Soer. IV. 8. & Xenoph. Apol, p. 410 · & fq 
) 1.54. Cicer. de orat. 
Xen. I, e. 

) II. cc. p. 265. & fq. 


’ 





den fühlen, ober mir auch der Abnahme u 
fchlimmerung meiner Natur nicht bewußt werben 
ich wiberrechtlich zum Tode verurtheilt werbe, 
die Schande nicht auf mich, fondern auf mein 
und Mörder. ‘Denn wie fann es mir Schai 
gen, wenn andere das, was recht iſt, nid 
Tonnen, oder nicht thun wollen? Erfahrung 

ſchichte haben mich gelehrt, daß Diejenigen, bi 
thun, und diegenigen,, die Unrecht leiden, nid; 
Namen bey der Nachwelt haben. Ac bin | 
zeugt, Daß es Menfchen geben werbe, bie 

meinem Tode auch um mich befümmern, und 
ders Über mich, als über meine Mörder urch 
ten. Auch lebe ic) ver gemiffen Hoffnung, 
mir ſtets das Zeugniß geben werde, daß ic 
Menfchen Unrecht getban, und Niemanven t 
fondern vielmehr aus allen Kräften mich bem 
alle diejenigen, mit denen ich umgegangen bi 
und glücklicher zu machen”). Aus diefen Gruͤt 
Zenophon, glaubte Sofrates, daß der To 


nicht allein Fein Uebel, fontern vielmehr wünf 
“hor ala nad (ohen fon PN . 


Geſthichte des Sokrates und ſeiner Phil. 487 


Mit ſolchen Geſinnungen ging Sokrates vor's Ge⸗ 
t hin, unvorbereitet auf das, was er ſagen wolle, 
284 aber 








[U] U] (| U} UL UL LU U j 


Richter durch die Erwähnung feiner eigenen Verdienſte 
gereizt babe, um von ihnen zum Tode verurcheile zu 
werben. Viele, fagt er im Anfange feiner Apologie, 
haben bie Schuzrede des Sokrates und die Geſchichte 
feines Todes aufgezeichnet; und alle haben die Größe 
feinee Befinnungen erreicht und ausgebräde: zum ges 
wiffen Beweiſe, baß er fie wirklich geäußert habe; 
allein Peiner hat bie Grände angegeben, weßwegen er 
ben Top für wuͤnſchenswerther, ale das Leben hielt, 
und eben bewegen ſcheint bie Zuverſicht und Kuͤhnheit, 
womit er von ſich ſelbſt redete, unuͤberlegt nnd unklug 
geweſen zu ſeyn. — An einer andern Stelle fügt er 
hinzu: daß Sokrates eben durch die Erwaͤhnung ſeiner 
Berdienſte den Neid der Richter gegen ſich rege gemacht, 
und dadurch feine Verurtheilung beſchleunigt habe $. 32. 
p. 423. — Vielleicht wäre es Niemanden eingefallen, 
aus den Worten des Xenophon ben angeführten 
Schluß zu ziehen, wenn ich nicht meine Lefer baram 
erinnert bitte. Allein nm derentwillen, welde die 
- Stellen des Xenophon zum Nachtheile des Sokrates 
auslegen koͤnnten, erinwere ich, daß Xenophon fie nicht 
fo verftanden wiffen wollte , weil er fonft nicht in feiner 
Schuzfärift ſelbſt, und an vielen andern Orten, bez 
Sofrates als einen Mann hätte ſchildern koͤnnen, der 
eben fo wenig andere zu Zehltritten und Ungerechtigs 
keiten verleitet, als felbft gefündigt habe. — Wenn 
auch nicht das ganze Leben bes Sokrates und fein Bes 
tgagen vor dem Tode, das ich noch befchreiben werde, wis 
der bie Vermnuthung firäflicher Bewegungsgruͤnde eis 
ner ber überlegteften Handlungen bes Sokrates ſtritte; 
fo wuͤrden doch bie Betrachtungen über den Selbfimorb, 
die Sofrates dem Philolaus zufchreibt und als wahr 
annimmt, p. 24. in Phaed. Plat. eine ſolche Bermu⸗ 
thung voiderlegen. Wir ſtehen, fagt Sofrates, in bies 
fem Leben auf einem Poflen, ben wir nicht nach uns 
ferm Wohlgefallen yerlaffen Finnen. Wir find ch 
am 


.‚. = -- 


ſich ſchuldig fand, , ‘ober fein teben erbetteln molke 
bern ald ein Herr und Meifter derer, die In 
konnten ®), Er brachte zu ſeiner Derteibigum 


fam ein Eigenthum oder Kuechte ber Götter, 
wenig wir es dulden, und wenn wir koͤnnten 
firaft laffen würden, wenn unfere Sclaven fi 
ihre eigne Hand unferm Dienfle entzoͤgen, che 
nig werben es die Herren unfers Lebens uugef 
fen, wenn wir durch Selbſtmord von ihnen « 
würden. Wir müffen alfo nicht cher aus dieſe 
herausgeben, als bi6 wir von ihnen Befehle ı 
forderungen erhalten, wie diejenige ifl, die jeg 
ergangen if. 

” Ci2. de orat. I. 54. Imitetus ef homo Ron 
eonfularis veterem illum Socratem, qui 
omnium fapientiflimus eflet, ſanctiſſimeque 
ita in judicio capitis pro fe ipfe dixit, ut 

, plex, aut reus, fed magifter, aut dominu 

" deretur judicum. Quin etism, quum ei 

orationem difertiffimus oratorum Lyfiss attu 

Tufe, quaeſt. 1.29. His & talibus retioni 

&us Socrates nec patronum quaelivit ad juc 

nitie. nec indieihns funnler fuit. adhibı 





eſchichte des Sokrates und; feiner Phil. 89 


er Kürze und ohne rebnerifche Künfte das me 
ye.von dem vor, was Plato und Zenophon nı2dye 
ihren Schuzſchriften, und in den Denkwuͤrdig kei⸗ 
8 Sofrates aufzeichneten *). Er wundere ſich, 
nr), daß Melitus ihm die Ablaugnung der waͤ⸗ 
en, und die Einführung neuer Götter vorwerfe, 
feloft ihn oft in den Tempeln der Bolfsgoeter, und 
[8 auf den Altären neuer Gottheiten habe :opfer.ı 
Er habe niemals , wie fein Anfläger ihn beſchul⸗ 
die Gottheit der Sonne und des Mordes gelaͤug;⸗ 
oder nach himmlifchen Dingen geforfcht, fondern 
Hr diejenigen, die diefes gerhan, aus allen Kraͤf⸗ 
fteitten, wie alle feine Sreunde.und Bekannte bes 
rt fönnten. Von der Einführung neuer Götter 
fo weit entfernt gewefen, daß er vielmehr geglauf it, 
te Gottheit ihm durch gewiſſe Zeichen oder Grün 
kuͤnftige Dinge befannt gemacht habe, fo wie fie 
n Menfchen durch das Gefchrey und den Flug tier 
{, oder durch Träume oder Drafel, oder auf am» 
Arten ihren Willen mitzutheilen pflege. Daß er 
die Wahrheit rede, und nichts vorgebe, ald was 
fen, koͤnnten feine Freunde erhärten, denen er cft 
Barnungen und Rathſchlaͤge der Gottheit mitgetheilt 
, und die niemals dadurch wären hintergangen ron r⸗ 
As die Richter dieſes hörten, machten fie ein hef⸗ 
unvoilliged Geraͤuſch, indem einige das niche glauf), 
Ss .. sag, 





Daß Sokrates geredet, und zwar meitläuftiger gerebet 
habe, als Kenophon ihn in feiner Schuzſchrift reben 
‚läßt , geſteht lezterer ſelbſt ß. 22. p. 418. Ich halte 
es aber zugleich für wahrſcheinlich, daß Sokrates nicht 
ganz fo ausführlich geſprochen habe, als Plaro Ihn rer 
Plat, Apol, p..8. Xenoph. 6. ı1, & fe, 


ne, 


s 


PT 


een, was Sokrates fagte, und aubere hing 
inen Dann beneibeten, dem —— — 
Grade, als ihnen, wiederfuͤhre. Noch unrubk 
wurden fie, als Sofrates ihnen ſagte, daß ber | 
Delphi ihn fuͤr den Weiſeſten unter den Griechen 
Babe, und- daß eben biefer Goͤtterſpruch, und ı 
wie er fich von bee Wahrheit deffelben überzeugt 
feine Feinde und Anklaͤger zugezogen habe. M 
-biefee Sturm fich wieder gelegt hatte, fuhr € 
zweiter fort: Wann habt ihr jemals einen Menſch 
nen gelernt‘, der allen Geſezen fo vollfommmnen 
fam geleiſtet, ber ‚fich weniger durch Drohnng 
Volks und der Tyrannen zu Ungerechtigfeiten 6 
laſſen, der endlich den Luͤſten des Leibes. weniger 
‚Hätte, als ich; ber ich mich von der erfien Zeit 
achdenkens an bemühe habe, alles Gute und M 
was in meiner Macht war, zu thun und zu erl 
Und doch befchufdigft bu mid), Melitus, daß ich | 
gend verborben habe. Wenn dieſes wahr ift, ı 





nennſt du Nieinanden , den ich aus einem mäßige 
enthaltſamen Sfünglinge oder Manne in einen Sch 
"und Trunfenbold, oder aus einem frommen, fpar 


und arbeitfamen Bürger in einen gottlofen Berfche 


und Weichling umgefchaffen habe? Inter allen 9 
‘Den, die mich umgeben, ifi feiner, der für dich 


fondern alle legen das Bekenntniß ab, daß fie Durd 
nen Rath und Umgang glücklichere und beſſere Mer 
geworden find. Selbſt aus ver großen Zahl von 
teen, Brüdern und Verwandten abmwefender ode 


‚ftorbener Freunde, die ich um mich her fehe, tri 
‚ner wider mid) auf, mie Doch nothwendig gefd 
‚müfte, wenn ich ‚die Qugend fo verdorben hätte, 


Melitus vorgibt. — Diefer feiner Nechtferti 
mifchte Eofrates Feine Beſchimpfungen feiner U 
facher, und noch weniger Schmeicheleyen gegen. 


Gefchichte des Sokrates und feine Phil, 491 


Richter ein “). Er vergoß weder felbft Thränen, wle 
le andere Beklagte bey viel geringern Gefahren thaten, 
voch ließ er. fein Weib und feine Kinder fich zu den Fuͤ⸗ 
jen der Nichter hinwerfen, noch erlaubte er feinen Freun⸗ 
en, irgend einen Mitleid erregenden und die Eitelfekt 
ee Nichter Fizelnden Aufzug zu machen **). Er hielt 
$ für eine forwohl feines Namens, ald des Ruhms der 
Stadt, unwuͤrdige Befchimpfung, wenn ein Man, 
pie er, von dem doch ganz Griechenland glaube, daß er 
ich von gervöhnlichen Menfchen unterfcheide, in der 
Stunde ber Gefahr wie ein Weib zage und winfele, und 
ſich alles zu fagen und zu thun erlaube, um nur dem 
kode zu entgehen ***). Doch mehr aber fchien es ihm 
Inrecht, Nichter, die gefchworen und fich nichergefezt 
jätten, nach den Nechten zu richten, und nidyt par⸗ 
henifch zu verzeihen, durch ungefezmäßige Mittel zum 
Meineide und zur Verlezung ihrer Pflichten zu verführ 
ren 7). Sieber alfo wollte er nach den Geſezen ſter⸗ 
ben, als auf Unfoften der Gefeze leben, ungeachtet er 
fich mit leichter Mühe hätte retten koͤnnen, wenn er nur 
einen Kleinen Theil von demjenigen gethan hätte, was 
andere thaten, und die Richter von andern gewohnt 
waren 77). Diefes ftandhafte Beharren im Gehorfam 
gegen die Geſeze ſchien ven Richtern unleidlicher Stolz, 
und ein unverzeihliches Derbrechen wider ihre Majeſtaͤt 
zu ſeyñ FTD. Sie erklärten ihn daher für ſchudis 

aber 











®) Xenoph. IV. 4. Mem. Soer. p. 234. & Plat. Apol. 
Soer. p. 14. 15. 

r*) ib, 

a**) Plat. ]. c. u 

+) Xen. & Plat. |. c. 

++) IV. 4. Xen, p. 234. & Plat, Apol. p. 15. 

+9) ib. 

































492: Siebentes Buch. Zweytes Kapitel, 


aber doch nur mit einem Weberfchufle von drey Stein 
chen, worüber ſich Sofrates weit mehr, als über fein 
Berurtheilung ſelbſt wunverte *). Nach diefem Au— 
foruche überließen e3 ihm die Nichter nach einer Damals ein 
geriffenen verderblichen Gewohnheit, Pie ganz den Geil 
der Pobeltyrannen verrärh : ſich ſelbſt die verdient 
Strafe zu beftimmen **). Allein Sofrates wollte fh £ 
auf Feine Art dazu verftehen,. fich felbft eine Steak 
aufzulegen, well diefes das -Geftändnig von Sch 

in fich ſchließe. Auch wollte er nicht verfpreche, 
insfünftige nieht mehr zu lehren, und zu prüfen, weile 
‚der Gottheit, die ihm dieſes anbefehle, mehr als be 
Menfchen gehorchen muͤſſe. Sa er erlaubte es nicht dw 
mal feinen Freunden, eine Geldſtrafe zu beſtiminen mb 
in feinem Namen zu bezahlen, vielmehr, fagte er, vor 
diene er, wenn man anders feine Thaten vergelten mb | 
le, als ein Wohlthäter des ganzen Bolfs, dem er bir 1 
her mit Bernachläffigung feiner eigenen Vortheile um 
Angelegenheiten genuzt habe, im Prytaneum auf bffen 
fiche Unfoften unterhalten zu werden. Er fey diefer de 1 
fohnung weit mehr werth, als diejenigen, die zu Pfere 
oder Wagen Preife genommen hätten, weil diefe nm 
dem Scheine nach), er aber in der That feine Michte 
ger giücklich mache. Diefe unerwartete Erflärung brady 
te feine Nichter, wie fi) von Menfchen aus dem nie 
brigften Poͤbel vermuthen ließ, in eine folche Wuth, daf 
fie ohne weitere Ueberlegung und Umftände. ihn zum Te 
de verdammten, und Bürgfchafft verlangten, daß er nick 
entweichen wolle, welche Bürgichafft auch Krito leiſte 
te }). Er felbft wiederhohlte nach empfangenem Tode 


urthei 


a nn u 





°) Plat. p. 14. 
»*) p. 14. 15. Plat. Apol, Socr. und Cicer. de or, J, 54. 
+) Plat. Phaed, p. 46. 


\ - 


Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 493 


rtheil noch einmal Fürzlich und ohne Klagen und Bors 
wirfe die Gründe der Nechrfertigung, die er den Richtern 
hon anfangs vorgelegr hatte, und fagte zu feinen Freun⸗ 
en, daß er gar Feine Urfache habe, jezt Fleinmürhiger 
nd niedergefchlagener, als vor feiner Verurtheilung zu 
yn, ba man von alle dem, deffen er beſchuldigt wors 
iin, nichts bewiefen habe *). Beine Blide, Bewe⸗ 
rigen, und Gang ftimmten vollfommen mit feinen 
ten überein **). Auf feinem Geſichte wohnte eben 
ke Ruhe und Heiterkeit, die feine Fremde an ihm ges 
ohne waren, und in de ganzen Perſon entdeckte 
han nicht die geringfte Spur von Schrecken über das 
hgefündigte Todesurrheil, oder von Furcht vor dem 
abe bevorftehenden Tode }). Als er. merkte, daß dig 

nad) dem Sefängniffe begleitenden Freunde weinten; 
Tagte er fie mic tröftender Stimme: ’ ob fie es denm 
Hehe ſchon laͤngſtens gewuft hätten, daß die Natur von 
vom Tage feiner Geburt an das Todesurcheil über ihn 
iißgefprochen habe? Nur alsdann würden er und dies 
enigen, die ihm wohl wollten, Urſache haben ſich zu bes 
täben, wenn er durch den Tod einer glücklichen ihm 
Beh; nähernden Zufunft entzogen würde; allein jezo koͤnn⸗ 
ur fie fich alle wegen feines Schickſals freuen, da er 
zurch den Tod allen Llebeln des tebens entgehe, die fich 
fonft über ihn würden hergewälgt haben. - Als Apollos 


dor, einer feiner Freunde, fügte, daß ihn nichts mehe 


känfe und betrübe, ald daß Sofrates fo unverdienter 
Weiſe fterben müffe , ftreichelte er das Haupt feines 
Sreundes, und fragte ihn lächelnd: ob er denn lieber 
fhen würde, daß er einen verdienten Tod ftürbe? Mur 

' der 


#) Xenoph. Apol. Socr. $. 24. 
“*) 9. 27. ib. I 
+) ib. 


494 Siebentes Buch, Zweytes Capitel. 


der Weiſe, der in den erſten Augenblicken ſeines 
genen Todesurtheils zu feinen ungerechten Richtern ohae 
Bewegung und Bitterkeit reden, der feine niedergefhls 
genen Freunde, durch eben fo wahre als fehone Berray 
tungen, aufrichten und in dem ihm eigenthümlichen us 
gefüchten Tone mit ihnen fehergen Fonnte, nur der ol I; 
war im Stande, von feinem trozig vorübergeferin ſ 
Seinde mit biefen Worten Abfchied zu nehmen: gi 
nicht der Mann fo ſtolz umher, als wenn er eine greis 
That verrichtet hätte, indem er mir bloß deßwegen ag 
Todesurtheil zugezogen, daß ich ihn erinnert habe, fh 
nem Sohne eine beffere Erziehung zu geben? Wien 
dorben und elend muß nicht der Mann feyn, wem a 
nicht einmal fühle, daß derjenige von ung beyden te k; 
Sieger fen, welcher von und die fhönften und evefle h; 
Thaten für die ganze, Ewigkeit ausgeübt hat”), 
Sobkrates wurde unmittelbar vom Gerichtöhofei E 
Gefängniß geführt, und gleich andern Miffechätem af 
Feſſeln gelegt. Er mufte aber nicht, wie es fonft ꝙ 
wöhnlich war, gleich nachdem er, gerichtet worden, ba 
Giftbecher trinken, weil am Tage vor feiner Derurrke 
lung der Prieſter des Apoll das heilige Schiff hecräng 
hatte, welches die Athenienſer jährlich mit großem Joy 
pe und reichen Opfern und Gefchenfen nach, Delos fhih 
ten, um dem Gott für die glückliche Errertung des The ſ 
feus und feiner Gefährten zu vanfen**). Bon dem is 
genbliche an, in welchem dies heilige Schiff becraͤnzt mm 
de, bis auf feine Nücfehr feierten die Achenienfer ch 
allgemeines Entſuͤndigungsſeſt, an welchem fie ih 
Stadt reinigten, und ſich auch nicht einmal mit vos || 
i Die 1 


EEE 





*) 6. 29. Xeroph. Apol. Socr. 
°s) Xen, IV, 8. P. 263. Plat. Phaed. P. 22. 





peflchte des Sokrates und feiner Phil. ag5 


e. von Mifferhätern oder Berürtheilten beflecken 
en. ‘Die Sänge diefes Feſtes hing-ven veraͤnderli⸗ 
Urfachen, nämlich von günftigen oder ungünftigen 
ben ab, wodurd) die Fart des Schiffes befchleus 
oder: aufgehalten wurde. . Diesmal dauerte es 
jig Tage, und eben fo lange. mufte Sokrates feine 
In tragen, und bie Vollendung bes über. ihn gefälls 
Iccheild abwarten. Dieſer ganze Zeitraum , der 
inen jeden andern eine furchtbare Verlängerung von 
sfchrecfen 'gewefen wäre, war für ben Sokrates 
eue Wohlthat, welche die Borfehung ihm erzeigte, 
ı fie ihm dadurch‘ Gelegenheit verjchaffte, . feine 
nde nod) im Guten zu flärfen, feine Tugenden gu 
hren, und den Zeitgenoffen ſowohl ald der ſtaunetz⸗ 
Nachwelt zu beweifen, daß die Ruhe, Heiterkeit, 
fd und Standhaftigkeit, die er bey feiner Verut« 
ng geäußert und behauptet. hatte, nicht unnatäclig 
eberfpannungen aller feiner Kräfte, ober Furz dauj 
Anftrengungen des Stolzes und der Eitelfeic, ſon⸗ 
Aus uͤbungen gewöhnlicher Tugenden geweſen ſeyen, 
m gar keine Muͤhe koſteten. Waͤhrend der ganzen 
ſeines Gefaͤngniſſes blieb er ſich immer gleich „. und 
-bemerfte nicht die aeringfte Beränderung weder in 
Reden, noch in feinem übrigen Betragen ). Er 
und unterredete fich, wie er font gethan hatte, 
einen Sreunden, die fi) alle Morgen verfammies 
und zu ihm hineinfamen., fo bald nur die Thür 
Befängnifles eröffnet wurde**). In den Stunden, 
Finfamfeit verfertigte er einen Lobgeſang auf ben 
, und brachte verjchievene Fabeln des Aeſop in 
2, um einer wieberhohlten göttlichen ABarnung zu 

oo ge⸗ 








Xen. l. e. | J 
Plat. in Phaed, p. 23. " 


imuciyete er, daß bie Tonfunft , bie ihm ernp| 
be, die gemeine ober eigentliche Tonfunft ſey 
se alfo Aefopifche Mäprchen in Verfe, meil t 
Gedichte ſeyen, da in ihnen nicht bie wirflic 
ſondern erdichtere Perfonen, Reden, Hanblu 
Begebenheiten gefchildert würden. Ihm entw 
send der ganzen Zeit feines Gefaͤngniſſes nid 
ringfte unzufriedene, klagende, ober Fleinmüci 
der Miene, und er war fo volltommen Ser 
Empfindungen : und Bewegungen feines Esı 
man an ihm Feind von ben äußern Zeichen vo 
Feit und Ruͤhrung wahrnahm, welche felbft 
fir ihrem Weiſen ald unwillfüprliche Regunge 
viſchen Natur erlaubten, und die auch feiner 
be gebohrner ihm zur Schwachheic würde a 
haben, wenn bie unwiderſtehliche Macht ver € 
ſe durch die häufigen Ausbruͤche des Schm 
Tehroͤnen und Wehklagen feines Weibes, feiı 
und Freunde hervorgelockt hätte. 

Nichts war natürlicher , als daß währen 
fangroierigen Sefängniffes in den Schuͤlern d 


t 


Seſchichte des Sokrates und feiner Phil. 497 


B fo viel Selb Her, ald zur DBeftechung bes Gefans 
waͤrters nothwendig war; und alle übrigen waren bes 
ihr ganzes Vermögen für ihren Meifter aufzuopfern. 
wurden daher alle Anftalten zur fichern Entführung 
Sokrates gemacht, und es fehlte weiter nichts, als 
Einvoilligung deſſen, den man retten wollte, Um 
zu erhalten, ging Krito , der ältefte und vertraus 
unter den Freunden des Sokrates früh Morgens 
leztern ins Sefängniß, und zwar an eben den Tage, 
yelchem man glaubte, daß das heilige Echiff, was 
ı bey Bunium lag, nach Athen fommen würde, 
o fand den Sofrates in einem füßen und tiefen 
lafe, und ließ fich ruhig an feiner Seite nieder, bis 
Sreund von felbft erwachte. (Er bezeugte ihn fein 
underndes Erſtaunen über die Ruhe und Gelaffens 
‚ womit er fein Schieffal ertrage, fagte ihm, daß 
heilige Schiff vielleicht heute in den Piräus einlaus 
‚ und daß alfo der folgende Tag der lezte feines tebens 
würde. "Endlich ftellte er ipm vor, daß er den Ge⸗ 
en ‚..einen Bertrauten zu verlieren, vergleichen er 
wiederfinden würde, nicht ertragen fonne, und daß. 
aher Mittel gefucht und gefunden habe, ihn der Nas 
feiner Feinde zu entziehen. Selbſt die Befürchtung, 
‚viele, die weder ihn, noch den Sokrates genau 
nen, denfen möchten, daß er feinen Freund hätte 
en fonnen, wenn er nur etwas Gelb hätte anwen⸗ 
wollen, feloft diefe Befürchtung habe feinen Eifer 
euert, und er , Sokrates, koͤnne daher, wenn er 
le, ohne Gefahr aus dem Gefängniffe herausgeben; 
h muͤſſe er fich bald entfchliegen, weil alle Bemühuns 
ı feiner. Sreunde fruchtlos ſeyn würden, wenn man 
fommende Nacht. ungenuzt vorbengehen ließe. Als 
ofrates fi) gegen den gerhanen Vorſchlag wenig ges 
igt bezeigte und dem. Kritg antwortete, daß man -fich 
3 die Urtheile des großen Haufens nicht befümmern 


Zweyter Band, Ji muͤſſe, 


498 Ciebentes Buch, Zweytes Capiil" 

muͤſſe, weil zwar in Bande fegen, verſagen ud 
—— ——— Bass N 
rigen koͤnne; Indem er nicht im Stande fen, aud) 
einen einjigeri Menfchen in einen Weiſen ober 

miufchaffen, drang Krito in “den Softates mit 

— 

t darbieten um en Fo 

*e, Wende richt ein, fagte er zu ‚feiner wolbetfpefing 

wm Lehrer, daß bie Cinfophanten mich und d \ 














ern ſagteſt, daß du, wenn bu nicht länger in bein 
Vaterſtadt bleiben koͤnnteſt, gar nicht wuſteſt, 
du dich wenden, ober was bu mit bie anfangen folltil 
Gewiß wird man dich allenthalben, wohin bus Fonm 
wirft, mit Freuden aufnehmen, und wenn du Suft hafldk 
nach) Tpeffalien su gehen ; ſo kann ich dich vielen möcht 
gen und angefehenen Freunden in diefem bande empfe 
1en , die Dich hoc) ſchaͤzen, und gegen einen’ jeden 
Schuz nehmen werden. Du fcheinft mir darin fo At 
"unrecht zu handeln, daß bu ein Berräther beiter fe 
werben‘, und dic) freywillig in das Verderben ffir 
willſt, in welches deine Feinde dich bringen möcht 
Ja, wenn du jezo, da bu dich noch retten Fannft, Dei 
Wevohifart vernachläffigft , fo wirſt du ein Werräck 
deiner ve Rinde werden, — es nicht genug wa 
„mu zeugen, ſondern bie du auch erziehen, und gu mil 
2 pen Bürgern ausöliden follteft, Durd, Beinen Fir 


Beſchichte des Sokrates und ſeiner Phil. 499 


wirſt du ſie, ſo viel an dir iſt, allen den Uebeln 
antworten, denen verlaflene‘ vaterlofe Waiſen ausge⸗ 
ſind. Endlich muſt du auch dieſes bedenken, daß 
(8 ein Mann, der ſich feinem Vorgeben nach waͤh⸗ 
ſeines ganzen Lebens der Tugend befliſſen hat, nicht 
nigen Weg wählen mußt, der dir der leichteſte ſcheint, 
sen den ein ſtandhafter und rechtſchaffener Mann 
en würde. Wäre alſo auch der Meft deines Lebens 
Stone und von Freunden und allen den Deinigen 
ent die eine Laſt; fo muft du Diefe taft aus Sorge 
deinen und deiner Freunde guten Namen tragen. 

w wird nicht alle Welt ed dir und uns zu einer 
lichen Feigheit und Michtswürbigfeit auslegen, 

wir deine Anklage haben anhängig werden, daß wir 
haben verurcheilen und zulezt binrichten laſſen, da 
alles diefes Hätten zurückhalten können ? Gib alfo, 
e Sokrates, meiner Bitte Gehör, und ſuche nicht 
Ausflichte oder Vorwaͤnde hervor. — Sokrates 

» pieje Borftellungen feines Freundes mit der größe 
Ruhe an, und danfte ihm für den guten Willen, 
ee für fein Beſtes beweife. Allein du wirft es, ers 
erte er dem Krito mit feiner gewöhnlichen Sanft⸗ 
3, du wirft es mir doch nicht übel nehmen, daß ich 
‚ wie fonft, meinen Freunden nicht anders nachge⸗ 
als wenn Ic) ihre Meynungen und Gruͤnde für befr 
ind ftärfer, als die wmeinigen, halte. Keiner von 
Grundfäzen, die ich bisher für wahr gehälten habe, 
wech) die lezten Begegniſſe erfchürtere worden ; fie 
nen mir noch immer das, was fie fonft waren, und 
wollen fie daher mit derren, die du mir jezo vorge 
en haft, vergleichen, um zu fehen, welche die rich⸗ 
en find. Laß und zuerft von dem Werthe ver Urs 
le anderer anfangen. Du wirft mir doch noch immer 
ben, dag man fich nicht um alle, fondern nur um bie 
geile weiſer und tugendhafter Maͤnner, und vorzuͤg⸗ 

nn Sie oo. u lich 


Samen jucen Jensen mw anwarwnen Toapse [wage 
oder gar mit einer Franfen verunftalteten Se 
men zu leben. Alles dieſes vorausgeſezt, frag 
ob wir recht handeln werden, wenn wir diejei 
nich aus dem Sefängniffe entlaffen wollen, durc 
cheleyen und Gefchente beftechen; und wenn di 
äft, ob es micht beffer fey zu flerben, als I 
hun. Wenn wir hieran im geringften zwey 
ung in wenigen Tagen aus allen unfern vorig 
zeugungen und Grundſaͤzen herausſchuͤtteln fa 
‚wie beyde alten Männer alsdann nicht Kin 
lich, die immer anders handeln, als fie seven 
ihren Neben oder Handlungen ſich immer ung! 

iehft du es nicht felbft ein, daß, wenn wir.c 
wiſſen und Willen unfere Baterftadt durchgin 
algdann andere, und zwar gerade biejenigen 
würden, die wir am wenigſten beleidigen follte 
wenn dir biefe Frage nicht gleich verſtaͤndlich iſt 
die vor, daß uns auf unferer Flucht das Bate 
feine Sefege begegneten, und wis mit der Fra 
ten: Was haft du anders im Siane, Sofratı 
viel an die iſt, die ganze Stadt und Ihre Geſe 


Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. sor 


rmwiebeen : was haben wir bir benn gethan, Sofrateß, 
aß du uns zu Grunde zu richten füchft ? Haben wir bie 
icht das Dafenn gegeben, oder findeft bu etwas an den 
Zefezen zu tabeln, nach welchen dein Vater, deine Mut⸗ 
r gebeirathet, und dich mit ihr erzeugt hat? Dber ges 
len dir etwa die Geſeze nicht, nach weichen bu bift ers 
gen und in allen nüzlichen, freyer Männer würdigen 
en, und Kenntniffen unterrichtet worden? Und 
yeran ich alle dieſe Geſeze nicht anders als billigen koͤnn⸗ 
e, würden fie denn nicht mit allem Nechte fortfahren: 
seil du nun unter unferm Schuze bift geboren, erzogen 
mb ausgebildet worden, bift du denn nicht gleich dei⸗ 
en Borfahren unfer Kind und unfer Knecht, und wenn 
dleſes zugeben muſt, wie fannft bu denn verlangen, 
du mit uns völlig gleiche Rechte Habeft, und daß bie 
uns eben das erlaubt fey, was und gegen dich ers 
ift? Du wuͤrdeſt ja nicht einmal deinem Dater, 
fer deinem Seren, wenn bu einen folchen hätteft, daB 
bieder thun dürfen, was er dir thaͤte, nicht wieder 
Hmaͤlen, wenn er fehmälte, nicht wieber fchlagen, wenn 
ſchluͤge; wie viel weniger alfo kann bir dieſes gegen 
san Baterland und feine Geſeze geftattet ſeyn? Wenn 
Nr dich alfo auch töbten wollen, würbeft du, wenn bus 
rabers ein guter Bürger und rechtfchaffener Mann waͤ⸗ 
, uns wieder zu verderben fuchen müffen ? Ober 
ft du vielleicht einer von den Weifen , welche nicht 
lauben, daß das Baterland heiliger und verehrungss 
oͤrdiger, als Bater, Mutter und Vorfahren fey, daß 
B ben den Göttern und allen vernünftigen Menfchen 
mehr gelte, und daß man dem zuͤrnenden Vaterlande 
dehr, als einem zürnenden Vater nachgeben, und es in 
Ehren halten müfle? Daß es alfo auch Pflicht fen, 
Bes zu chun und zu leiden, was es gebeut: ed mag. 
un Seißeln oder Feſſeln anlegen, oder in ben Krieg 
um Tode und zu Verwundungen führen wollen : dag 
Ji 3 man 








je 
"son Seienes Bu Zueegteb Eapii: 


enan im Kriege und Zrirten niemels den Pag, 
es und geftelit Gabe, verlaften, und daß 





Sch 

nur geben konnten, tpeilhaftig gemacht haben, 3 
ben nichts deſto weniger dir, voie einem jeden Adl 
fer die Frenelt gelaffen, mit allen feinen Ortern 
gehen, wohin er wolle, wenn wir ibın-efwog 
Sen follten. Bleibt alfo jemand fo lange, daß er d 
wie ben uns gerichtet und andere Öffentliche Gel 
und Aemter verwaltet werden, fennen zu lernen 
ge hat, fo nehmen wir billig an ,- daß ein- 

Bürger durch die That felbft darein gewilligt I habe 
Das zu dm ; was wir von ihm 
wer alsdann ungehorfam ift, den halten wir —* 
fach ungerecht: daß er uns als feinen Erzeugen 
gefolgt iſt, daß er uns als feine Erzieher verackt 
und endlich daß er uns nicht wie er verfprochen 
gehorcht, oder wenn wir fehlen, uns zu belehren 
hat, Wir befehlen ja nicht auf eine rauhe umt 
Urt, fondern wir verlangen, daß unfere Bürg 
gehorfam ſeyn, oder uns auch zurecht weiſen 
and Feines von beyden würdeft du chun, wenn d 
führteft, was du.dir vorgenommen haft. Unte 
Athenienſern iſt aber Feiner, der beydes zu thun 
cher angelobt hat, als du. Haͤtten nicht wir un 
ze Stadt bir vor-allen andern gefallen, wuͤrdeſt d 
wohl, gleich Blinden und Lahmen, ſtets in unſern 
Bere gehen, m oder Dich verheirathet und 


Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 503 


zeugt haben? Selbſt noch während beiner Anklage 
itteſt du das mit unferm guten Willen thun fonnen, . 
a8 du jezo wider unfern Willen zu thun gebenffl. Das - 
als prahlteft vu, ald wenn du den Tod der Verweiſung 
jezögeft, und nicht unmwillig werden wuͤrdeſt, wenn du 
sch am Leben follteft geftraft werden; nun aber vers 
mgneft du deine Reden, und thuft, was der efendefte 
Sclav nicht thun würde. Du läufft wider alle Ders 
raͤge und Verſprechungen weg, nach welchen du angelo« 
et hatteſt, unfern Befehlen zu gehorchen. Alle Diefe 
dertraͤge brichft du nicht aus —8 oder weil man dich 
intergangen, ober weil man dir nicht Zeit genug gelaſſen 
itte, fie gehörig zu überlegen, fonbern nach einem Als 
e von fiebenzig Sahren, in welchem du dich unzählige 
al, wenn dieſe Berträge dir unbillig fchienen, entfernen 
santeft. Folge daher unferm Nach, und bu wirft ges 
6 weder dich ſelbſt veraͤchtlich, noch deine Freunde 
soläcklich machen. Eine natürliche Folge deiner Fluche 
Irde diefe ſeyn, daß du deine Freunde in Gefahr feze 
it, ihr Dermögen und ihr Daterland zu verlierenz 
ad du felbft, mern du in eine der benachbarten Städte, 
ich Theben oder Megara, Fämeft, wuͤrdeſt allenthal⸗ 
a old ein Feind und Verderber der Geſeze verdächtig 
erden. Du wuͤrdeſt gewiß die Meynung beſtaͤtigen, 
iß deine Mitbürger dich gefegmäßig verurtheile, und 
iß dis auch die Jugend verdorben hätteft; denn wer bie 
efege umwirft, kann auch ſehr leicht unbefonnene und 
wache Menfchen verderben. Wenn aber diefes auch 
de gefchähe, würdeft du wohl unverfchämt genug ſeyn, 
ch immer fort zu lehren, daß Tugend und Gerechtige 
t die größten Güter der Menfchen fenen? Wollteſt 
aber die Städte, in denen die Geſeze beobachtet wers 

rt, und in denen bie am beften gebildeten Menſchen 
> finden, meiden, wäre es dann auch noch ber Mühe 
erh, das teben zu behalten? Geſezt alfo, bu kaͤmſt 
Tg nach 


WgieIs Wyefege uori iixixia quiixa. umge a 
daß du allen Menfchen ſchmeicheln und dienen 
Vielleicht aber fagft du, daß du deßwegen nı 
möchteft, damit bu deine Kinder erziehen ur 
tönnteft. Und auch diefe wollceft du aljo in ein 
and führen, damit fie gleiche Umwürdigfeiten n 
tragen lernten? Willſt du fie aber in Achen zı 
fen, wie fannft du dann daran zweyfeln, t 
Freunde fid) ihrer eben fo gut annehmen werde 
du in den Wohnungen abgeſchiedener Seelen, 
du in Theſſalien feyn wirft? Höre uns alfo noc 
Sokrates, und ziehe weder deine Kinder, no 
ben, unfern Befehlen vor, damit du nicht, als 
räther deines Vaterlandes, deiner Freunde u 
ſelbſt, in eine andere Welt übergeheft, und v 
Brüdern eben fo hart empfangen werbeft, als 
dich) zärnen würden, wenn du uns übertreren | 

- Mic diefen Gründen brachte Sofrated ben ! 
dem Vorſaʒ zurück, feinen Freund der Stra 
ſeze zu entziehen *). 





Beſchichte des Sokrales und feiner Phil, 03 
Sokrates blieb nicht bloß bey dem Gedanken des 
ß bevorſtehenden, ſondern auch bey dem ruͤhrenden 
feierlichen Gepraͤnge des nunmehr heranruͤckenden 
| Sis Todes 


nigften ſchonte. Als aber die Tyrannen ihm befahlen, 
den Leon zu ergreifen, bebachte er ſich nicht einmal, ob 
er diefe (händliche That unternehmen follte, ungeachtet 
er wuſte, daß feine Weigerung ihm den Tod zuziehen 
koͤnnte. Allein was lag ihm baran', da er nicht fein 
Leben, fondern feine Rechtſchaffenheit erhalten wollte, 
bie weber mit Gewalt zu bezwingen ,. noch durch Raͤnke 
zu überliften iſt? Als er ferner vor Gericht land, um 
ich gegen eine Tobeſsanklage zu vertheidigen; betrug er 
ch wohl als einen Mann, der Fran und Kinder hatte? 
ud ale er den Biftbecher trinken folke, hörte er ba 
wohl die Stimme bes Krito, der ihn bat, fi) doch um 
feiner Kinder willen zu retten? Dachte er wohl an ets 
was andere, als wie er feine Tugend, nicht fein Leben 
bewahren wolle? Es war ihm nicht barıım zu thun, 
feinen Leib, ſondern das zu erhalten, wodurch der Abdel 
der Seele behauptet und vermehrt wird. Sokrates 
wollte fein Leben nicht durch eine Schandthat erfaufen, 
er, der feine Eiumilligung nicht gab, als die Athenien⸗ 
fer fie verlangten, er, der die Tyrannen verachtete, 
um» auf eine ſolche Art von Tugend und Mechtfchaffens 
beit redete. Es ging ihm, wie guten Schanfpielern, 
bie oft ihren guten Namen mehr retten, wenn fie nicht 
fpielen, als wenn fie zus Unzelt fpielen. — ber 
was werben nun feine armen Kinder anfangen? Wenn 
ich nach Theſſalien gegangen wäre, würdet ihr euch uns 
ſtreitig ihrer augenommmen Gaben, uud jezo, da ich in 
den Top gehe, folltet ihr fe vernahläffigen? — Wie 
verfügt er den Tob, oder vielmehr wie fpielt er nicht 
mit bemfelben? Wären ic und du am feiner Stelle ge 
wefen; fo hätten mir gleich gedacht, daß man biejents 
gen, die uns Unrecht thun, wenn es nicht anders ſeyn 
. „inne, durch Unrecht abzuhalten ſuchen muͤſſe. Wir 
wuͤrden überbem noch überlegt haben, baß wir, wenn 
wir am Leben blieben, noch vielen, und wenn Pr 
fiur⸗ 


- redete am Tage feiner Hinrichtung, ba er den 


| ‚ine Zeitlang warten, a Cora ar m xi⸗s 


oh oben Vuch 2 


| — Auflöfung ihrer Natur, noch. —** 


. Siermel. erhoben werden ®) | 
| verfammleten ſich ſeine Freunde vor un Sefänonile 


2 uns, wenn wir gefonnt hätten, durch eine jede DJ 





Tedes wmerfjättert, das oft den —— ne 
gkeit der fefteften Gemäther brad) ‚- 






gen der Zerftörung des Corpers fürchteten. 52 


Becher faſt ſchon in der Hand hielt, nicht nur mit a 
ner gewoͤhnlichen Ruhe und Unerſchrockenheit, "Forbes 
auch mit einer ungewöhnlichen Heiterfeit und- Erhebung 
der Seele, fo daß es fchlen, als wenn er nicht: oe 
eine äbetliche Sügung in den Tob ginge, und als wei: 
er niche in's Grab follte ——— — in * 














fruͤher, als ſie ſonſt gethan hatten. 











z - heben; Niemanden nuzen kannten wie * 


nung oder Rize gerettet haben. Wo waͤren dann auf 
biefe geblieben ? Wuͤrden wir nicht andern Menfden 
viel mehr genuzt haben, wenn wir geſtorben woäres, 
wann und wo wir follten? Sokrates begluͤckt jezo ik 
fpäteften Nachkommen durch die Erinnerung oder:bel 
Andenken deſſen, was er vor ſeinem Tode geſagt u 
gethan hat. 
ö, Gieer. Tufe, quael, J. 20: . Plat. in, Phacd, „P- 3% 
Ds adews eu Yeryasms ‚ETEAEUTEG, ze MM 
> gapısaches wnewov und es ads vr are 
"ers MOIGauS“ vevari , Kos [— — 
"reafen, — TIs mWnoTe na ados. - 
.. Mon. IR. IT. p. m. 138. Et qui ne recognoiffe @ 
luy, non ‚feulement de la fermet&, & de la con 
ce (C’etoit fon afliette ordinalre que celle 12) mas 
encore je ne fcay quel contentöment nouveau & um 
* ‚allegreffe enjouße en ‚fer propos &. facone den 


[ a me 4 ZU WEL En — — 


Gefſchichte des Sokrates und feiner Phil. 507 


ines Lebens, wie dieſes in Athen gebräuchlich mar, von 
en dazu beſtellten elf Maͤnnern ſeiner Feſſeln entledigt 
urde*). Als aber bald nachher der Gefangenwaͤr⸗ 
r ihnen erlaubte, daß fie. jezo ihren Freund. beſuchen 
biinten, wurden fie von der Xantippe, die nebft einem 
jrer fleinen Söhne an der Seite des Sofrates ſaß, 
nie einem Fläglichen Jammergeſchrey und ver Ausrufung 
inpfangen, daß fie jego den Sofrates, und Sofras 
es feine ‘Freunde zum leztenmale fähe. Der erhabene 
Weiſe fah den Krito mit einem bebeutenven. Blick an, 
ind bat, daß doch einer von ihnen feine Gattinn nad) 
Hauſe bringen möchte. Kantippe wurde baher unter 
autem Geheul und heftigen Schlägen auf ihr Geſicht 
and Bruſt weggeführt. Indem dies geſchah, zog So⸗ 
rates fein Dein in die Höhe, und fagte, indem er es 
rieb: Welch ein feltfames Ding, meine Freunde, iſt es 
um das, was bie Menfchen Bergnügen nennen, und 
wie wunderbar verhält es fich zu dem, was fein Gegen, 
ſoz fiheine, nämlich zum Schmerze? Beyde laſſen fich 
nicht zugleich im Menſchen vereinigen, und doch, wenn 
er. das eine verfolge oder nimmt, muß er aud) das ans 
bere nehmen, ald wenn fie an einem einzigen Gliede zus 
fammenhingen. Hätte Aeſop diefed bemerkt, fo würde 
x Daraus wahrfcheinlich den Stoff zu einer Fabel genom⸗ 
men haben, daß nämlich die Gottheit diefe mit einander 
ſtreitenden Feindinnen hätte verfühnen wollen, und ba 
ie diefes nicht gefonnt, daß fie wenigftens ihre Enden 
zuſammen gebunden hätte. Aus diefem Grunde folge 
immer, menn man das eine hat, auch Das andere nach, 
wie ed auch jego mir geht. Denn da mir vorher bie 
Seffeln Schmerzen verurfachten, fo ſcheint jezo das Der 

gms 











une D —3 B 


®) Plat. in Phacd, p. 28 


5 


ahgen nachzufolgen *). Diefe Beob 
a en 


emacht Hatte, ‚führte alsdann zu 
g endlich 













wi igten. 6 aber derjenige, der dem 
wos befäffigten aber derjenige, 


008 den © reichen follte, merfte, da; diefer m 

ae ln nn hm Ba, fich nit 
er Gefahr 

a ae müffen. -- @ 


tes dankte ihm für die Warnung, fuhr aber nichte 
ſtoweniger in bemfelbigen Tone fort, und bat ihn 

viel Oift zujübereiten, daß genug ba. wäre, 

auch zwey bis dreymal trinken muͤſte **); Mähtend 

Fer Unterrebungen waren feine Freunde nicht ſo 


Mifchung von Freude und Schmerz, die in ihnen bob 
tachen und bald Thränen hervorbrachte. Sofrates fürt] 
die Einwuͤrfe feiner Freunde mit eben der Aufmerffi 
keit und Gelaſſenheit an, womit er fie fonft aufgenotie 


men hatte, und als Kebes und Simmias ſich n 


{gm ihre Gedanken zu eröffnen, weil fie fürchteten, n ß 
1 
— —— —— — 





®) Montagnel.c. Ace treſſaillir, du plaifir qui ft J 
Nraier fa jambe, apr&s que les fers en furent der 
accufe-t-il pas une pareille douceur & joye 
fon ame, pour eftre desenforg&e des incommodikt 
paffees & A meme d'entrer en cognoiflance des chola 

PR —— 
in Pbacd, p. 24. 

» ib. p 21. 


2 


Seſcichte des Sokrates und feiner Pfil. sog 


feiner tage beſchwerlich zu fallen, ‚lächelte er freund⸗ 
> und fagte zu ihnen *): Wie ſchwer würde es 
* werben ,. andere Menfchen zus überzeugen, daß 
) den mir zugeftoßenen Zufall für Fein Ungluͤck hal⸗ 
‚, ba ich euch, meine Lieben, nicht einmal bavon 
erzeugen fann! Indem ihr glaubt, daß ich jezo 
ebrüßlicher fey, als ich in meinem vorhergehenden tes 
n war, ſcheint ihr mir in Nückficht auf Weißagungss 
emdgen oder Borherfehungsfraft nicht einmal fo viel, 
8 den Schwänen zuzutrauen. Nenn biefe ſich dem 
ode nahe fühlen, fo fingen fie viel mehr und fchöner, 
8 fie fonft ehaten, weil fie fi) freuen, daß fie zu dem 
zotte gelangen werben, beffen- Diener fie find. Die 
archt der Menfchen vor dem Tode iſt Lirfache, warum 
ebie Schwäne belogen, und ihnen nachgefagt haben, 
16 fie voll Betruͤbniß ihren nahen Tod bejammerten. 
)Reſe folfchen Ausleger bebachten nicht, daß weber die 
dachtigall, noch die Schwalbe, noch irgend ein anderer 
ogel fingt, wenn ee Schmerzen leidet, und daß man 
fes alfo auch nicht von den Schwaͤnen vermut 
ine. Als Geheiligte des Apollo fchauen fie in die I 
tft, und fehen alles das Gute vorher, was ihnen nach 
em Tode bevorfteht,, und nur deßwegen freuen fie ſich 
d fingen an ihrem Sterbetage mehr, als in ihrem 
eügen Leben. Auch ich glaube ein Mitknecht ver 
chwaͤne und ein Prieiter deffelbigen Gottes zu fenn. 
gleich) hoffe ich, daß ich nicht weniger weißagend bin, 
» fie, und auch nicht unlieber aus diefem Leben abſchei⸗ 
x werde. Ihr Fönnt deßwegen fagen ober fragen, was 
* wolle, fo lange es noch) die elf Männer ver Athe⸗ 
einſer erlauben. Auf diefe Berficherung brachten Sims 
| mias 








a 1 N 


*) p. 33. 34. in Phacd, 


sı0 Siebentes Buch. Zweytes Capitel. 


mias und Kebes ihre Einwuͤrfe vor, und als er dieſe ge 
hört hatte, legte er jeine Hand auf Das Haupt bes neben 
ihm figenden Phädo, und fagte zu ihm, inbem er, wie 
-fonft, mit feinen Haaren fpielce: Diefe fehönen Haar,, 
mein Sreund, muft du noch heute abfchneiden, und id 
will deßaleichen thun, wenn uns unfere Lieberzengumg 
von ber Unfterblichkeit der Seele geraubt werben follte, 
Wenn ic) in deiner Stelle wäre, fo würde ich, wie die 
Argiver, ein Geluͤbde chun, nicht eher meine Haar 
wieder wachfen zu laſſen, als bis id) die Gründe ve 
Kebes und Simmias überwunden hätte. Cr ermm 
terte hierauf den Phädo zum muchigen Kampfe, warıt 
feine Freunde vor dem Haſſe der Vernunft, und ale 
Bernumfefehläffe, welcher der Menfchenfeinbfchafft äer 
lich ſey, und eben wie dieſe entſtehe, und erflärte, baf 
er aus allen Kräften für feine Meynung ftreiten werke? 
nicht bloß, um die Ehre zu haben, feine Zuhörer 
überzeugen , fondern auch um feiner ſelbſt willen. Dau 
wenn feine Behauptung wahr wäre; fo fey es immer" 
ſchoͤn, eine fo troftreiche Wahrheit zu erfennen. Wär’ 
fie aber auch falfch; fo würde der bald mic ihm ſterbende 
Irrthum nicht allein nicht ſchaden, fontern ihm menig 
ftens das Sterben erleichtern, und feinen Freunden dad 
Anhören kleinmuͤthiger und befchwerlicher Klagen erfpw | 
ren. Uebrigens follten fie bey feiner Vertheidigung gas ff} 
nicht auf ihn, fondern allein auf die Wahrheit fehen, 
follten ihm alle ihre Zwenfel und Gegengründe freymb FF 
- shig offenbaren‘, und ſich in Acht nehmen, daß er nick Ei 
auss Eifer für feine Sache fie und auch ſich felbft hintex A 
sehe, und gleich einer Biene fterbe, nachdem fie ihrn F' 
Stachel in einer gemachten Bunde zuruͤck gelaffen habe, 
Als nun Sofrates alle feine Gedanken über die Unſterb⸗ 
lichfeit der Seele und ein anderes Leben vorgetragen, und f| 
alle. Einwuͤrfe feiner Sreunde beantwortet hatte, ermahm k 
es biefe noch zulezt, ſtets Danach zu fireben, ihre Gel 
" | in 















Seſchichte des Sokrates und feiner. Phil. 5u 


nie dem ihnen eigenthuͤmlichen Schmuck, mit Mi, 
it, Gerechtigkeit, Standhaftigfeit und andern Tu⸗ 
en, zu ſchmuͤcken, weil fie alsdann mic frohen Hoffe 
gen der Zufunft entgegen gehen koͤnnten. Ihr alle, 
» ee zum Kebes, Simmias und den übrigen, müßt 
eder zu feiner Zeit eben den Weg wandeln, den ich jezo 
nwerbe. Allein mic) ruft jezo, würde ein tragifcher 
jter fingen, mein Verhaͤngniß, und es ift Zeit in’s 
zu gehen, das ich noch vor meinem Tode nehmen 
‚ um nachher den Weibern nichts zu fchaffen zu mas 
Nach) diefen Worten fragte ihn Krito, ob er niche 
oder feinen übrigen Freunden in Anfehung feiner 
ver ober auch anderer Angelegenheiten etwas zu bes 
n und aufzutragen habe? Nichts neues, mein tie 
antwortete er, als was ich euch immer gefagt habe, 
ihe, wenn ihe Sorge für eure Herzen tragt, auch 
Berfprechungen, meinen Willen erfüllen, und 
re Rinder und euch feloft glücklich. machen werdet. 
m ihr Hingegen euch felbft vernachläffiget, und nicht 
u nach dem lebt, worüber wir jezo und auch fonft 
et haben; fo werdet ihr alddann aud) die heiligften 
bde und Berfprechungen nicht erfüllen, die ihr jezo 
en fönnter. Was meine Beerdigung betrifft, fuhe 
et, denn auch darüber wurde er befragt, fo koͤnnt 
e einrichten, wie ihr wollt, wenn ihr mid) anders 
n Eönnt, und ich euch nicht entwifche. Ich Fann, 
er mit einem fanften fächeln, den Krito nicht übers 
n, daß ich der Sofrates bin, der jego mit euch 
t, — und feste alddann die übrigen Worte‘ hinzu, 
h oben angeführt habe. Als er dieſes gefage Hatte, 
er in ein befonderes Zimmer, um ſich zu wafchen, 
nahm nur allein den Krico mit fich; die Übrigen bat 
ruͤck zu bleiben. Nach dem Babe ließ er feine Kin⸗ 
nd Weiber vor fi) Fommen, fagte ihnen in Gegen⸗ 
des Krito, was er ihnen noch zu jagen hatte, vagın 
als⸗ 





⸗ 


sim Giebented Buch, Zweytes Capltch. 


dann Abſchied, und Fehrte gegen Lintergang ap 
Same ju feinen übrigen Sreunden zurüd. Bon ® 
fem Augenblide an redete Sofrates nicht viel 
nicht weil er alle feine Kräfte und Aufmerkſamkeit brau 
um fein Gemürh in der bisherigen lage zu erhalten, 
weil er fich ſelbſt fo erweicht und gerügre fühlte, de 
. alle Reden und andere Beranlaffungen zu unmaͤnn a 
Erweichungen Hätte vermeiden muͤſſen, ſonde 
fein Seift fchon in befferen Welten ſchwebte, und A 
Vorgenuß der Freuden empfand, in welche er may, & 
eingehen follte. . Auch blieb ihm nicht einmal Da⸗ * 
‚ansfährlichen Geſpraͤchen mehr übrig. Denn 
nachdem er zu feinen Freunden zurädgefommen 1 
meldete ihm der ‘Diener der elf Männer, daß es mm 
mehro Zeit fen, den Giftbecher zu trinken. Du mi 
mir gewiß, ſagte er zum Sokrates, nicht fo —* 
wie andere, die mich verfluchen, wenn ich Ihnen a 
meiner Obern anfündige, baß fie fterben miße 
Sich habe dich, die ganze Zeit her als den flanbhafteim kr 
mildeiten und beften unter allen denen erfannt, weil 
ihre Thaten oder ihr Unglück hieher gebracht haben, müh,, 
ich bin überzeugt, daß du auch jezo nicht auf mich ji 
unen werbeft, da es dir bekannt ift, daß nicht ich, 
dern andere fchuldig find... Du Fannft leicht venkake: 
weßwegen ich zu dir fomme; lebe wohl und ertrage bie; 
Schickſal fo leicht, als es nur möglich ift. Inte, 
diefes fagte, wandte er fich um und ging mit weint 
Augen weg. Sokrates rief ihm das lezte bebewehl 
nad, und verfprach zu thun, was er ihm befohlen hatt 
Wie gutartig, fuhr er zu feinen Freunden fort, it 
fer Mann! Er Hat mic) die ganze Zeit meines Gefly 
nifles über oft beſucht, und freundlic) mic mir gerad h 
und wie theilnehmend bemeint er nicht je;o mein Sci 
fal! Laßt uns aber thun, was er gejagt hat; ſorged⸗ 
für, wein Krito, daß jemand das Gift bringe, neu 
9 

















Beſchichte nes Sofcates und feiner Phil. sı3 | 


hon gerieben ift, oder wenn dies noch nicht. gefche, 
ft, daß ed gerieben werde. Die Sonne, antıvors 
Rrito, glänzt noch an den Häuptern der Berge, 
ft noch nicht untergegangen ; eile alfo nicht, indem‘ 
ch Zeit genug haft. Ich habe viele gefannt, die 
fpät gegeffen und getrunfen, und mir denen, wels 
e fprechen wollten, geredet haben, ehe fie den toͤdt⸗ 

Trank zu fid) nahmen. Sich glaube wohl, erwies 
Sofrates, daß andere gethan haben, was bu far 

ich werde aber nicht fo handeln, weil ic) nichts, 
erbienten Spott gewinnen würde, wenn ich aus 
elenden Begierde nad) einer Frift von wenigen Aus 
icken das Gift etwas fpäter tränfe *). Als Krito 
$ Horte, winfte er einem Sclaven, der das Gift 

und denjenigen herein führte, der ed dem Sokra⸗ 
eichen follte. Sobald Sofrates diefen Mann ers 
e, gruͤßte er ihn, und fagte ihm, was muß ich 
, guter Freund, wenn ich den Becher ausgeleert 
? Nichts weiter, antwortete diefer, als herum⸗ 
n, und did) niederlegen, wenn deine Beine ſchwer 
werden anfangen. Mit diefen Worten reichte er Dem 
'entes das Gift, und diefer nahm es willig, ohne 
ern und ohne die geringfte Beränderung von Farbe: 
Mienen hin. Er heftete feinen Blick mit der ihm 
öhnfichen Feftigfeit auf den Mann, und fragte ihn, 
wohl glaube, daß genug da fey, um den Görtern. 
18 ausgießen zu koͤnnen, und als diejer es verneinte, 
® er fort; Gut, mein Freund! es iſt aber dennoch ers 
on laubt, 














N 


) Lieraus entſtand wahrſcheinlich die Sage, Muſon. op, 
Stob. Serm. p. 20. daß Sokrates gleich an dem erften 
von drey Tagen, die er zu leben gehabt habe, geſtor⸗ 
ben fey. | 


Zweyter Band. Re 


rg  -Bieentes Birch, Zweytes Capitel, 
. . | laubt, und recht „ die Götter anzufleben ‚daß fie men Ä 


s Sn 


- fal des Sofrates, fondern fein eigenes und feiner Frennbe 


mit unauöfprechlicher Ruhe und Sanftmurh gu Ike 















Hinreiſe begluͤcken wollen. Ich bitte alfo darum, und || 


‚. hoffe, daß fie meine Bitte erhören werden. Kaum |, 
| . hatte er diefes gefagt, als er das Gift langſam und ruhi |, 

\.." Hinuntertranf, Bis hieher waren noch viele feiner 9 |; 
7" genwärtigen Sreunde im Stände gewefen, ihre Thräne I, 


zuruͤck zu haften. Als fie ihn aber trinken fahen; floffen I, 
ihnen allen die Thränen ſtromweiſe über Die Wange 
herab: einige verhüllcen ihr Antliz, andere veränderte | 
ihre lage und Stellung, um ſich dadurch tuft zu me ji 
chen, noch andere endlich brachen in ein Tautes Wehtter |, 
‚gen aus; allein Feiner beweinte und bebauerte Das Schib I. 


Schickſal. Sofrates war der einzige, deſſen Aeh 
trocken und deſſen Geficht nicht durch Betruͤbniß mir 

‚Klagen verzogen war. Er ftillte oder befänftigre ie k 
Thränen und das Gefchren feiner Freunde; Inden /L 








fagte: Was macht ihr denn, ihr lieben wunberbam f 
eure! Auch bewegen habe ich vorher die Weiber wyln, 
geſchickt, damit fie uns nicht auf eine ähnliche Art bel, : 
unrubigen follten. ch habe gehöre, daß man un 
frölichen Zeichen und glücflichen Worten und Segme 
gen fterben muͤſſe. Seyd daher ruhig und ermant — 
euch. Dicht lange nachher merfte Sofrates, daß fe y 
Beine ſchwer wurden: er legte fich alfo nieder: fühlt 
allmälich feine Füße und feinen übrigen Leib bie ans Sg 
erfalten, und fagte Fur; vor feinem Tode: Wir fr 
dem Yesculap noch einen Hahn fehuldig: opfere ihnje 
und vergeßt es nicht! Dieſe waren feine lezten Norte 
denn als Krito ihn fragte, ob er nicht nod) fonft etmd 
zu beftellen hätte, antwortete er nicht mehr, und @ 
fchied nach einigen Augenblicken. 

Sao ſtarb der Defte der Menfchen ven ſchoͤ 


und gottgefälligften Tod, wie er das ſchoͤnſte und gm ı+ 


Geſchichte des Sofrated und feiner Phil. sız 


Fälligfte Leben geführt hatte”). Seine Freunde trauer» 
ı um ihn, wie verlaffene Waiſen um ihren Bater **); 
d vermißten in ihm ben weifeften Rathgeber, ben 
ften Sehrer, den wärmften Freund, und den ficher, - 
n Führer zur Gluͤckſeeligkeit **). Sie swenfelten 
it Recht, daß ed einen beffern und glüdlichern Mann 
geben habe, und forderten diejenigen, die dieſes niche 
wbten, auf, ihre Helden mit dem Sofrates zu vers 
eichen, und alddann den Ausfpruch zu thun F). &os 
ates, heißt ed beym Kenophon FF), mar fo fronmg 
6 er nie etwas ohne oder miber den Willen der Götter 
at; fo gerecht, daß er nicht allein niemanden ſchadete, 
nbeen allen denen, welchen er Fonnte, ſo viel als moͤg⸗ 
h zu nuzen fuchte; fo mäßig, daß er niemals das Ang 
nehme dem Nuͤzlichen vorzog; fo klug und verftänbig, 
ß er niemals fehlte, und auch feines andern Rath 
auchte, um das Gute und Pbfe zu unterfcheiden ; end« 
h fo aufgeflärt, fo feharfiinnig und überredend, daß 
feine Sedanfen vollfominen ausdrücen, daß er an 
ve erforfchen und prüfen, und eben fo Fräftig forwopf 
| Necht mweifen, als zur Tugend aufmuntern Fonnt« 

Kk2 | Ohne 











” Xenoph. VIII. 8. p. 263. Oueoroyerrın veo, ade- 
ve To. ν uınnovevouevav avIenmrav Karo 
Iavarov eveynes. Muh Montagne 1. c. p. 139: 
hielt den Tod des Eato zwae für tragifcher,, aber nicht 
für fo ſchooͤn, als des Sokrates feinen, 

*4) Plat. in Phaed. p. 46. u | 

we) Xen. 1. c. p. 267. 68. und Plat. c. p. 47. 

+) Xen. 1. c. p. 268. Auch Montagne fagt: L’ame de 
Socrates qui eft Ja plus parfaite, qui foit venüe a 
ma cognoiffance p. 133. und S, 139. de femblables 
je fais grand doute, qu’il y en ait eu, — 


+D p. 267. 


6 1A Be he 
“ Debenfen, ruft eben dieſer Gäheiffteler ans 9, 
ich denjenigen für den Glaͤcklichſten unter ven 


\ Sterblichen halten, ber mit einem noch Tehrreichern | 
Manne, als Sofrates war, befannt geworden wäre, . | 




























N Wenn du mir bis hieher gefolgt biſt, lieber Lofer! 
ohne mic den Freunden defjenigen, der nie weinte, D 
? nen ju.dergießen, ohne in beinem Innerſten von 
furcht amd Bewunderung für denjenigen bin uf 
"ga werben, der nichts ald das fafter fürchtete, „und 
Be Tugend und Tugendhaften bewunderte und v 
vshns es die endlich unzählige mal zu. geftehen, daß 
“och lange ber nicht fenft,, und das miche thun Fhrie 
was Sokrates war, und wirklich that; dann bedaure 
bein Herz und deinen DVerftand, dann warft du Mm 
wereh, mit dem: Mann, den ich dir geſchlidert häber 
Bekannt: zu werden, ‚und. bu wuͤrdeſt unſtreitig von-i 
. wort er noch lebte, verftoßen worden feyn. Du di 
hoffnungsvoller Juͤngling und edler Mann! deffen Gil, 
209 ſchwache vom mir entworfene Gemälde mit fiebe jir 
Zugend erfüllt hat, ſchließe das Bild biefes Meile, 
wenn du es anders faflen Fannft, ganz im deine Brufl 
ein,:frage es, wie das Orakel der Wahrheit und Tu 
x um Rath, fo oft du handeln willft, opfere ihn 
ff, wenn du ihm irgendwo aͤhnlich geworben, um) 
erroͤthe vor ihm, wenn du von ihm abgewichen Bil; 
Zwar kannſt du nicht mehr die Heilige Stätte befi 
"soo feine Aſche ruht, und die jezo vom ben wildeſten all 
DBorbasen und von den Berächrlichen Nachfommen fein 
Mörder entweiht wirt; allein du kannſt das, was fehl, 
bie Freunde des Sokrates am meiften an ihm liebte 
und ſchaͤzten, feine.große Seele anfhauen, und mitt 
Be ‚ um 


%) Apol, Sacr, p. 4.34» 





, 


Be Be . 
‚Geflbichte des Sokrates und feiner Phil. gIr 
zehen, kannſt alle feine Worte und Thaten bir ſtets 
nwaͤrtig erhalten, kannſt ftets Die Mufter feiner er/ 
enen Tugenden betrachten, - und m gleichſam ſelbſt 
ufen, daß er dic) in deinen Beſtrebungen, ihm aͤhn⸗ 
zu werben, ftärfen und unteftüzen möge”). Wenn . 
alles dieſes thuſt; fo ehrſt vu fein Andenken frommer - 
heiliger, als wenn bu ihm Bilbſaͤulen, Altäre und 
apel errichteteft, und kannſt überzeugt feyn, daß du 
ben dem Berhäftniffe, in welchem bu fein Leben durch 
einige ausdruͤckſt, auch in dieſer Welt glücklicher 
den *®), und daß er bereinft an dem Orte, wo er 
em ungerechten Richter und boshaften Ankläger mehr 
uͤrchten Hat, ‚Dich als einen feiner geprüfteften Freunde 
fangen werde f), u ln 
KE3 Nicht 


— — 











Proinde, fagt Erasmus, quum hujusmodi quaedam 
_ lego de talibus viris, vix miht tempero, quin dicams 
Sancte Socrates! ora pro nobis. 
) Siehe dritte Beylage. | 
- Die ſchoͤnen Gedanfen, womit Zacitus fein Leben bes 
Agricola beſchließt, Hatten fi meinem Gedaͤchtniſſe fa _ 
tief eingedrüdt, daß fie ſich mir an biefer Stelle wie 
son felbft darboten. Ich will diejenigen, bie mir, wie 
meine eigene Gedanken, geläufig geworden find, mie 
- feinen Worten berfeßen, weil fie gewiß auch denen 
wieder gefallen werden, bie fie fhon mehrmalen gelefew 
haben. Si quis piorum manibus locus; ſi, ut fa- 
pientibus placet, non cum corpore exflinguuntur 
magnse animae; placide quiefcas, nosque, domum 
tusın, ab infirme defiderio & muliebribus lamentis, 
ad contemplationem virtutum fusrum voces, quas 
neque lugeri, neque plangi fas eft. — Is verus ho- 
. nos, ea conjundtiflimi cujusque pietas. Id filise 
. quoque uxorique praeceperim, fie patris, fic mariti 
memorisın venerari, ut onınia facts dictaque ejun 
fecum revolvant, formamque ac fguram animi ma- 


N 


Svi Mid Sue Eyrens vun uppp Beucvrucen 


eine Ehre, die fie nur ihren größten Wohlthe 
Sxeerführern erwieſen **), fondern fie töbrerem 
Meitus, und verwiefen die übrigen Anklaͤger dı 
tes als Betrüger des Volks 7). Die Strafe i 








gis, Quam corporis compledtantur. non < 
cedendum putem imaginibus, quae maı 
aere finguntur; fed ut vultus hominum , 
laers vultus immbecilla ac mortalia funtz fi 
tis aeterna, quam tenere & exprimere no 
nam materiam & arteın. fed tuis ipfe mori 
Quidquid ex Agricola amavimus, quidg 
fumus, manet, manfurumque eft in animis 
in aeternitate temporum, fama rerum. 
®) Ifocr. vol. II, p. 383. 384. Diog.. II. ı 
Menag. j 
**) Ju fpätern Zeiten ſollen fie ihm fo gar eine 
„baut haben. M: in Vit. Procli. 
PD ib. & VI. 10. 11. An der lezten Stelle hei 
Antiſthenes die Rache der Arhentenfer wid 
ber feines Lehrers gereizt habe. Plutatch & 
richtet VII. 128. de invıdis & odio, daß 


new nad Dinbvnted man Ihren Mithirasen fa 








Sadite Des Sotroiei und ſeiner Si. 319 “ | 


eit folgte'den Verwieſenen noch über bie Graͤnzen ihres 

daterlandes nach; denn Anytus ſoll von den Heralleoten 

atweder ausgeworfen oder gar geſteinigt worden ſeyn ). 
Von einem fo merkwuͤrdigen deſſen fe 


en, Charakter und Denkungsart man ® genau.hat 
muen gelernt, darf ich wohl vorausſezen, dag man ‘ 


udy die Perſon und häuslichen Umftänden wiffen 
sbchte , fo viel und deren--von-zuverläffigen Schrifts 
elleen find aufbehalten worden. : Das Aeußere 
3 Sokrates entſprach feinem Innern: im gering⸗ 
en. nicht , und fein Leib war:eben fo haͤßlich, ala 
ie. Bewohnerinn deſſelben fchön war. Selbſt feine 
Bchüler verglichen ihn mit den Silenen, wie.fie vor 
duͤnſtlern, ober aber in ven Satyriſchen Schauſpielen 
orgeftellt wurden *®). Er Hatte einen kahlen Kopf ***), 
uffallend hervorſtehende Augen ,. eine Kleine aufge⸗ 
ülpte Nafe, - einen großen Mund, aufgeworfene lip⸗ 
m, und einen hervorragenden Bauch 7). Bey allen 
fen Haͤßlichkeiten oder Abweichungen von dem Ideal 
eiechifcher Künftler hatten die übrigen Gliedmaßen des _ 
Sokrates ein folches Ebenmaaß, daß die untern Theile 

mes Leibes den obern vollfommen entfprechend waren, 
id auch ſelbſt dem Gericht nach gleich zu ſeyn ſchie⸗ 
n Fr). Ungeachter er ſich nicht fo oft als bie übrigen 


tiechen badete, fo war fein Eörper doch ſtets durch 


täßigtet ı und vollkommne Gefundpeit reiner und gläns. 
RE a. zena 


— — — 


2, Diog. II. 43. & ibi Menag. 

Plet. in Symp. p. i92. Xenoph, Symp. IV, $, 19, p. 
453. & ©.5.$. 7. p. 473. 

ws) Chol, Ariftoph, ad v. 146. 

$) Xenoph. Symp. c. 2. p. 438. & c, 5. p. 472. 73 * 

Plat. p. 69. in Theaet. 

1: Xen, Symp. o2.Lc - 








ing Des jTarren ausorutts grotzer I aiente:uug 

in ben Yugen und berveglichen Tpeilen des 

allein aus dem Bau der Kehle und des Halle 

daß Sofrates blöpfinnig und ausfhiveifend fen 

- and in diefen feften Tpeilen zwar den Hang zu 

taftern, aber nicht die Stärfe und Anlagen wa 

wodurch Sokrates fie bändigen und unt 
fonnte. - 

Als Gemahl und Vater war Sokrates 
gluͤcklich, ald er es verdiente. Seine einzige 
Die berüchtigte Kancippe, war, ſcheint e&, eine | 
thätige und Fluge Hausfrau F), liebte ihre F 
wohl, : als ihren Mann zärtlich, nahm weni, 

"dem Tode des Sokrates einen fo zärtlichen- Ant 
eine Frau nur nehmen fonnte, die in 
bie größte Stuͤze und einen unerfelichen Freun 








®) IV. c. 11. p. 663: Epißket, Diſſert. Epiftet 
alle Schriftfteller diefes bezeugt hätten, und 
den Vorwurf von Biäffe, Kraͤnklichkeit un 


Bisiäte des Sokrates und feiner Phil. 521 


n-fürchtete *); allein fie war zugleich, was aud) 
mann. zur Rettung ihres guten Leumunds gefagt 
*), von einer fo fauren, mürrifchen und zaͤnkiſchen 
uͤttzgart, und von einer fo anhaltend üblen Laune, 
fie gerabe Diejenigen Perfonen am mieiften quälte, 
je am meiften liebte, und daß nichts weniger, als’ 
Heduld eines Sofrates erfordert wurde, um fie 
unerträglich zu finden. Ungeachtet ich nicht alle 
Erzählungen für wahr halte, die von den Ausbrüs 
ihrer Heftigkeit erzähle werben; fo iſt es doc) ges 
. daß fie ihren eigenen Sohn bis zur Unverſ oͤhnlich⸗ 
wider fich aufbrachte **"), und dag jelbft Die Sreunte 
Sofrates darüber erftaunten, wie er }) ein Weib 
en fonne, das untersallen, die jemals geboren waͤ⸗ 
oder geboren werden würden, das unleidlichfte fey. 
Heftigkeit und Verdrießlichkeit der Tantippe war ſo 
zwingbar, daß Sokrates durch vieljährige Nachgies 
sie und Sanftmuth fie um nichts mildern konnte. 
pflegte Daher zu fagen, daß, fo wie Diejenigen, bie 
n fernen wollten, nicht die zahmſten, fondern die 
Higften Pferde wählten, er auch nicht eine fanfte, 
ern eine heftige Frau genommen habe, um die Kunft 
ernen, mit allen Arten von Menfchen umzugehen. 
an wenn er diefe ertragen koͤnne; fo fen er gewiß, 
ihm nicht leicht ein anderer Menfch unerträglic) ſeyn 
de. Mit diefer feiner Frau zeugte Sokrates menigs 

8 fünf Söhne, unter welchen famprofles der aͤlteſte 
7 7), der ſammt einem andern, Sophronisfus, nod) 
gez vor 


USE EHER 








) Plat. Phaed, p. 23. 

*) I, 103. Ad, Philoſ. 
“%) II. 2. Memor. Socr, 
). Symp. c. 2. p. 435. 
p Xen. I. 2 


5 3a 


wor dem Sofrates flarb *). Nur noch ein erwad 
und zween unmündige Söhne überlebten ihren Vate 
von deren Schicffalen wir aber nichts wiſſen. 

von den ältern Söhnen hat fich eine Sage -af 
daß fie ihrem Vater ſehr unähnlid) geweſen ſeyen, 
ihnm durch ihre Unbeſonnenheit vielen Verdruß ga 


dien ?). 








“ 8) $tob, Serm. 106. Plutarch, de genio Soer. VIII, p. 


a -.%%) Plat. in Apol. p. 14. & in Phaed. p. 46. 
Ä 7) Plut in ‘Cat. Maj: II, 558. Die meiften Leſer 


— 


ſich vielleicht daruͤber gewundert, daß ich dem € 
tes nur eige Frau gegeben babe, da faſt alk 
Scriftkeller ihn zwo entweder zugleich ober bod 
einander beiratben faffen. Viele Geſchichtſchreibe 
Athen, XI. prineipio, und unter biefen Ariß 
in feinem Werke vom Adel ib. & Diog, Ih 26. € 
ten, baß Sokrates erfi die Kantippe, Hund dan 
Morto, eine Zochter des Ariſtides, ober wie Ath 
verbeſſert, eines Enkels des Ariſtides, geheirathet 
Allein dieſes iſt zuverlaͤſſig falſch. Denn Zantipy 
te noch, als Sokrates hingerichtet wurde, p. 3: 
Plat. Apol. Soer. Dies konnte ben Ariflotele 
möglich unbekannt ſeyn, und man kann daher das 
eg euyevesus, wovon ſchon Plutarch zwm 
ob es acht fey, CI. in vita Arif. io fine) ohne 
denfen für untergefhoben erklären. Andere © 
ſteller, und unter diefen vorzüglich Gatyrus nad 
ronymus von Rhodus fagten, daß Sofrates bie Hi 
zuerfi gebeirathet, und nachher die EWantippe ald 
Bevſchlaͤferinn zu fid genommen babe, weil bie! 
nienfer, um ihre durch die Seuche entvälferte € 
mit Bürgern wieder anzufüllen, das Gefez ge 
haͤtten, daß ein jeder Athenienfer außer einer reh 
Bigen von Bürgern erzeugten Gattinn fich noch ei 
bere Sreundinn beplegen inne. Diog. 1. c. 
auch dieſe Nachricht iſt gewiß erbichter, vn 
eu 


⸗ 


BSABMÄtR des Sokrates and feiner Wil. 55. . 


Ecrſte Beylage zu P. 464. 


jee den allgemeinen Grundſaͤzen des Sokrates, bie 
ich bisher angeführt habe, und die alle mit einander 
mben find, finden ſich in den Schriften! des Xeno⸗ 
und Plato noch manche \abgeriffene ſchoͤne Gedan⸗ 
vie fich, aber nicht gut in einen Zufammenhang 
en laffen, oder auch befondere Vorfchriften über 


ne Pflichten , die in einer allgemeinen Gefthichte ,. 
yie meinige ift, nichE gut Plaz fanden. Bon den 


n will ich aber doch noch die Betrachtungen des 


rated Über‘ die Pflichten der Kinder gegen ihre Eis ° 


und der Brüder gegen einander, wegen ihrer Vor⸗ 
ichfeit mittheilen. | : 


\ 


DE Als 


U ud 








a nn 


£enophon reden durchgehends von ber Zantippe, al 


. eitier rechtmäßigen, und als der einzigen rechtmäßigen 
- Gattinw des. Sokrates, und fagen nichts von einer aus 
* dern Tram, oder von dem Geſez der Achenienfer, was 


bie Bygamie erlaubt haben fol. Auch war Lam⸗ 


prokles der Ältefte Sohn von. der Kantippe, und nicht 
yon der Myrto, ein Nebenbeweis, daß Sokrates bie 
erfiere nicht als eine Bevſchlaͤferinn nady der leztern ge» 

- nommen babe. Ich trete daher dem Pandtins. bep, 
der die Mehrheit det Frauen des Sokrates Iäugnete, 
und mit- Gründen beſtritt, bie wir nicht mehr wiſſen. 
Achen. I, c. Diefe falſche Meynung iſt vielleicht durch 
giise mißverflandene Stellen bes Plato veranlaßt wor⸗ 
in. Diefer Weltweife fagt nämlich in feinem Phaͤdon, 
ah oixeice Yuvasııs zum Sokrates gekommen 
ſeyen, und daß er Tas Yuvaukas weggeſchickt babe, 


un ſich nichts vorwinſeln zu laſſen p. 46. 47. Plate 


batte bier aber nicht zwo Gattinnen des Gofrates im 
Sinne, fondern deutete auf die Kantippe, uud eine 
oder mehrere Begleiterinnen oder Sclavinuen, die ihre 
beyden kleinen Söhne ttugen ober tragen halfen, 


\ 


? 


7 


⸗ 


\zug. Siebentes Buch. Zweptes Canm 





Als er merkte, daß fein äftefter Sohn kam 
gegen feine Mutter aufgebracht war ), fragte 
einſtens, ob er nicht undanfbare Mienfchen habe 

fernen, und ob er nicht diejenigen fo nenne, die 
thaten, die fie.genoffen, vergelten fonnten, und « 
thären. As fein Sohn diefe Frage mit Ja bea 
tete, fuhr er weiter fort: Glaubſt du nicht am 
ein jeder, der Wohlthaten unvergolten läßt, ode 
einmal mit Danfbaren Sefinnungen erwiedert, um 
fen ? der Wohlthaͤter mag Freund oder Feind 
und daß einer um deſtomehr unrecht chue, je < 
Wohlthaten er empfangen hat, und unvergolcen 
Als tamprofles auch diefes bejahte, fügte ex. | 
Kann man denn aud) wohl Perſonen nennen, Die 
re Wohlthaten empfangen haben, als Kinder .vı 
tern, denen fie ihre Daſeyn und den Genuß allı 
Guten zu danken haben, das bie Götter den M 
mittheilen? Bilde dir ja nicht ein, als wenn bie 
fchen bloß um des Vergnuͤgens willen Kinder ge 
denn wäre es ihnen bloß um das Vergnuͤgen bes 
fchlafs zu thun; fo koͤnnten fie das genug bey Pr 
finden, mit welchen alle Häufer und Straßen an 
find. Unlaͤugbar fucht ein jeder, der fich vermähle 
eine foldye Gattinn aus, mit welcher er die beften ! 
erzeugen Fann. ‘Der Mann ernährt alsdann jeine 
und bereitet den Fünftigen Kindern alles vor, was 
rer Erhaltung und Wohlfart nothwendig und bien! 
Die Frau hingegen empfängt die Laſt des. Kindes 
sen Schooß, trägt ed mit vielen Defchwerven, 
es mit unfäglichen Schmerzen und tebensgefahre 





. Welt, nährt ed mit ihrem eignen Blute und 











nn geTTe— 


®) Memor. Socr. II, 2. 
I x 


S 


Geſchichte des Sokrates und feiner Phil. 525 


en, und zieht es mit taufendfältigem Ungemach auf, 
Bine daß fie jemals vom Kinde Gutes empfangen hätte, 
Bet das Kind nur wüfte, von wem es alles das Gute 
Mält, oder auch nur zu erfennen geben koͤnnte, weflen 
‚bedarf. Die Mutter allein bemüht fich zu erfahren, 
6 ihren Kindern zuträglich und angenehm iſt, und 
&st für diefelben Tag und Macht, ohne zu wiflen, 06 
jemals nur Danf dafür erhalten werde. Die Eltern 
Bwügen fich aber nicht damit, ihre Kinder zu ernähs 
#, fondern fobald diefer ihre Kräfte und Alter es ers 
den ‚lehren fie diefelben auch alles nuͤzliche, was fie 
iſt wiſſen, ober laffen fie aud) von andern unterriche 
1, und menden alles an, was fie fonnen, damit ihre 
über fo glüclich und vollfommen, als nur möglich, 
Eden. — Auf diefe Borftellungen antwortete ber Sohn 
k Sofrates: Wenn meine Mutter alles diefes und 


mehr gethan hat; fo kann doch defwegen Fein 


enſch und auch ich nicht ihre Seftigfeit aushalten. 
E:denn, fagte Sofrates, die Wildheit deiner Mutter 
wrträglicher, als die eines wilden Thieres ?_ Aller 
igs, antwortete Lamprokles. Hat fie dich denn, frags 
Kein Vater, ſchon etwa gebiffen oder gefchlagen, wie 
Bde Thiere zu thun pflegen? Das eben nicht, erwies 
dte der Süngling, allein fie fagt immer etwas, was 
un für fein Leben nicht hören möchte. — Wie viele 
eſchwerden und Verdrießlichkeiten magft du ihr aber 
sp von deiner Kindheit an ſowohl in Worten als durch) 
aten verurfacht haben? — Sich bin mir eben feiner 
oder Handlung bewuft, deren fie fid) zu fehämen 
. — Sollte dir denn das Zanfen deiner Mutter 
rrräglicher fenn, als den Schaujpielern die Heftig⸗ 
en., die fie in den Trauerfpielen gegen eirander auss 
Ken? Diefe ertragen fie leicht, weil fie wiflen, daß 
jenigen , die ſchelten umd drohen, es nicht in der Abs 
be zu fehaden thun. Und du zuͤrnſt, wenn beine Mucs 

ver 





In Der That, wenn du Die nicht erfragen ec 
dir felbft dein Giuͤck unerträglich. Du wirf 
denfen, daß du gar nicht noͤthig hätteft , | 
Menfchen gefällig zu machen, und feinem," 
einmal Heerführern oder Magiftratöperfonei 
chen? Bielmehr wirft du dem Nachbar zu 
hen, damit er dein licht anzuͤnde, an bei 
Theil nehme, und dir helfe, wenn bu 

braucht. Eben fo wirft du einen jeden, 1 
einerley Straße zieht, ober in einem Schiffe 
oder auf andere Art mit bir in Berbindun 
eher zu deinem Freunde ald Feinde machen n 
wmöchteft alfo allen andern Menfchen, und 
Mutter allein nicht, gefallen? Weift du nic 
fere Stadt alle andere Arten von Undankb 
fieht, und ungeftraft läßt, daß fie hingegen 
der feine, Eltern vernochläffigt, von der Wi 
chonten und Prieftern ausfchliegt, als went 
weber den Goͤttern auf eine gefällige Arc o 
dem Vaterlande geroiffenhaft dienen fünne? 

alſo weiſe ſeyn willft, mein Sohn, fo bitte | 
das Unrecht ab, was du deiner Mutter gech 


Gefchichte des Sokrates und feiner Phil. 527 


ir biſt, fo werden fie gewiß glauben, daß du keinem 
dern Gutes mit Gutem vergelten werdeit. — 

As Sofrares (fo erzählt Kenophon, gleich im fols 
nben Abfchniet) einft merfte, daß die beyden Bruͤder 
yärephon und Chärefrates mit einander gefpannt wa⸗ 
ı : redete er den Chärefrates folgender Geſtalt an: 
iſt du nicht auch einer von denen, welche glauben, 
B Reichehümer nüzlicher find, als ein Bruder, unge 
Irer Liefer Verftand hat, und jene nicht : ungeachtet 
° erflere nur einzig ift, und helfen kann, und ver an» 
en viele fnd, und Wartung verdienen? In der That 
«8 zu vermundern, wenn jemand rüber deßwegen, 
er ihr Vermoͤgen nicht befizt, für eine Strafe hält, 
B Hingegen feine Micbürger aus einem ähnlichen 
kunde nicht dafuͤr anſieht. Im leztern Falle merkt 
em ed bald, daß es. beffer fen, unter vielen ficher zu 
shnen, und nur das Nothwendige zu haben, ald das 
vermögen aller übrigen Bürger zu befizen , und feines 
bens und Eigenthums nicht ficher zu feyn. In Ans 
dung der Brüder aber will oder mag man diefes nicht 
Röeftehen. Man Fäuft, wenn man fann, Sclewen, 

Mitarbeiter, und bewirbt fi) um Freunde, um 
Khuͤlfen zu haben; und Brüder hingegen vernachläffigt 
an, ald wenn zwar aus Mitbürgern, aber nicht aus 
kädern Freunde werden fonnten. Nichts deftomes 
der trägt es zur Freundfchaffe viel ben, von denfelkis 
n Eltern erzeugt und zufammen erzogen zu ſeyn, ins 
n.felbft die Thiere Siebe für. diejenigen haben, mit 
ten fie aufgemachfen find. Auch andere Menfchen 
dern mehr Achtung für jolche, die noch Brüder has 
t, als für diejenigen, die Feine haben, und wagen 
auch vielweniger, fie anzugreifen. Freylich, unters 
ich Chärefrates den Sokrates, muß man einen Brus 

nicht um geringer Stieinigfeiten willen meiden, weil 
wenn er ift, wie er feyn fol, allemal ein. graben 
ut 


aͤndig befchwoerlich oder ſchaͤdlich iſt. — Bi 
ft dein Bruder nur deßwegen eine Strafe fü 
du ihr nicht zu behandeln weilt, wie Pfert 
ne Strafe find, die mit ihnen nicht umzuge 
— Wie follte ich aber nicht wiffen, einem | 
zu begegnen, da id) einem jeden andern, d 
Qutes redet, ober mir Gutes thut, mit J 
Thaten wieder vergelten kann ?_ Denjeniger 
der fchlecht zu und von mir fpricht und fe 
mich handelt, kann ic) nicht allein, ſondern 
auch nicht fegnen, oder ihm Gutes erweifen 
redeſt wunderbar, Chärefrates. Wenn du 
ben deinen Heerden hätteft, der den Schä 
chelte, und dich hingegen anbellte, würbeft 1 
durch irgend etwas Gutes, das du ihm erwi⸗ 
fänfeigen und dir gewogen zu machen fuchen‘ 
Bruder, von dem bu eingeftehft, dag er bir 
Gut werden fonnte, willſt du nicht durch G 
fälligfeit zu deinem Freunde machen, ba es 
wird, Freundſchafft durch liebliche Reden 

Thaten zu erwerben? — Ich fürchte abı 


mich main aaa hin mn han [Ühinanhan fa 


Geſchichte des Sofrates und feiner Phil. S29 


einem Willen regieren Fannfl. — So verheele mie doch 
be Zauberfunft nicht, lieber Sofrates, die ich bisher, 
ine e8 zu willen, befeffen habe. — Wohlan denn! fo 
ige mir einmal, wie bu ed anfangen wollteft, daß eis. 
e deiner Defannten dich zum Gaftmale riefe, wenn er, 
topfert hatte? wuͤrdeſt du ihm nicht felbft zuerft einlas 
na? Und wenn du wuͤnſchteſt, daß einer deiner Freunde 
‘Deiner Abweſenheit fich deiner Angelegenheiten anneh⸗ 
en möchte, wuͤrdeſt du ihm nicht in demfelbigen Falle 
rw Dienfte anbieten? Und eben fo, wenn du wollteſt, 
jemand did) ald Gaftfreund aufnähme, wenn du in 
Stadt kaͤmeſt, wuͤrdeſt du nicht in Athen die Pflich⸗ 
& der Saftfreundfchafft gegen ihn ausuͤben? Du wuſteſk 
8 ſchon lange, ohne es dir zu geftehen, alle tiebeds 
ıhfe, womit man andere Menfchen zu Freunden mas 
ia, und zur Gegenliebe bewegen Fann. Oder meynft du 
pa, daß es dir Schande bringen werde, wenn du deis 
m Bruder zuerſt Gutes thuft ?. Meinem Urtheile nach 
Derjenige der vollfommenfte und lobenswürdigfte Mann, 
e feinen Sreunden im Wohlthun, und feinen Feinden im 
Deszufügen zuvorfomme. Wenn mir Chärephon ger 
hickter dazu gefchienen hätte, feinem Bruder zuerft 
hl zu hun, fo würde ic) ihn dazu zu bereden geſucht 
chen. Allein ich) habe geglaubt, daß ich dich biegſamer 
ud geneigter finden würde. — Du murheft mir, fagte 
härefrates, etwas ſeltſames zu, daß ich a8 der Juͤngere 
e Sreundfchafft mit meinem Bruder wieder anfangen 
E, da doch die ganze übrige Welt urtheilt, daß der 
eltere im Reden und Handeln der erftere feyn müffe. — 
ie, Tagte Sofrates, ift es nicht allenıhalben Sitte, 
6 Der jüngere Bruder dem Altern ausweiche, wenn fie 
h einander begegnen ? daß er ihm feinen Plaz uͤberlaſſe, 
d in Gefprächen nachgebe? Zoͤgere alfo nicht länger, 
in Freund! ſondern juche deinen Bruder zu befänftis 
a, under wird gewiß wieder zu dir fommen. Gieheft - 
Zweyter Band. A du 





IL nn 


wur er 
bewieſen haͤtteſt, daß du ein guͤtiger, und 
Hingegen ein fchlechter Bruder fen, der gar fı 
thaten werth iſt. Allein ich bin überzeugt, 
gleichen nicht zu fürchten haben wirft, und 
on, wenn er merft, daß du Ihn zu ein 
bruͤderlicher tiebe aufforderft , dich in Worte 
tem zu übertreffen fich beeifern werde. Jezo 
einem ſolchen Verhaͤltniſſe gegen einander, 
und Füße, wenn fie, anſtatt einander zu f 
gegenfeitig hinderten. Iſt es nicht große i 
und ungläckliche Verblendung, das zu feiner 
zu verfehren, was zum Nujzen geſchaffen ifl 
Hat die Gottheit für einander zu größerm < 
Mugen gefchaffen, als Hände, Augen, Zi 
Andere, was fie dem Menfchen doppelt g 
Hände koͤnnen ſich ſchon einander nicht helfen, 
was fie bearbeiten follen, nur etwas weite 


.Kiofter von einander entfernt iſt; Füße, nid 


einer fo fleinen Entfernung; und Augen, v 
ſcheint, daß fie am weiteften reichen müfte 
nicht einmal Gegenſtaͤnde, die noch) näher fü 


u Mn AR nn 


" Gefihichte des Sokrates und feiner Phil. 538 


Andere Betrachtungen über den Neid, über bie 
rahren Vorgeſezten, und über die verfchievene Regie⸗ 
angsformen findet man Memor. Socr. Ill. 9, IV. 6. 


Zweyte Beylage zu p. 468, 


Me leſe die Schilderung der Verſuchung des Sokra⸗ 
tes. beyin Plato p. 192. 193. In der Grundſprache; 
mn ins Deutſche laͤßt fie jich nicht gut, mag ich fie wer 
igftens nicht überfegen. Man fehe aud) Petronii Sa- 
ricon p. 245. Dad) den angeführten Zeugniffen des 
into und Kenophon, und bey dem gänzlichen Still⸗ 
Aeigen'des Ariftophanes ſowohl als feiner Anklaͤger, 
in einem unerlaubten Umgange mit ſchoͤnen Knaben 
ad Juͤnglingen iſt es mir unbegreiflich, wie man dem 
Sofrates jenen Hang zur Knabenliebe habe voriwverfen 
n. Keiner tadelc diefe unnatüclic)e tuft fo bitter, 
8 Sokrates, (I. 2. Mem.) feiner warnte fo nachs 
ruͤcklich davor, als er, (ib. v. 3. Symp. c. 4. p. 246.) 
nd feiner bemühte fich fo fehr, fie in andern in eine 
Une tugenchafte Seelenliebe zu verwandeln, bie niche 
e Stillung einer viehifchen Brunft, nicht den uners 
ubten Genuß corperlicher Schönheiten, fondern die 
'eredelung des Herzens zärtlich geliebter Freunde zur 
bficht habe, Man lefe außer den angeführeen Stellen 
ı Gaftınale des Xenophon c. 8. die ernſtliche Straf⸗ 
De wider das in Griechenland, vorzüglich in Elis und 
Beben, fo gemeine Laſter, und die ſchoͤne Schilderun 
x zärtlichen liebe, mit welcher er fagte, daß er alle 
reunde der Tugend umfafle; man vergleiche alle Diefe 
eberbleibfel feiner Grundſaͤze mit dem Stillſchweigen 
iner Feinde und Anfläger, und mit dem ganzen übrigen 
ben und Charafter des Sokrates, und frage ſich als— 
ann, ob man nicht einen jeden Schatten von Verdacht 
; la gegen 


Dann zu taden und Herabzufegen, den allı 
tugendhafte Menfchen bewunderten, in der 
kommen feyn, ben Sofrates eines tafters zu 
das auch in feinen Zeitalter für das, mas e 
Halten, und als ein öffentliches Verbrechen 6 
de, wenn man nicht im Zenophon felbft Gr 
Tem Argwohn zu finden geglaubt hätte. J 
diefes Schriftftellers fagt Charmides *) zum 
der vor allen Vertraulichkeiten und iebfofun 
Perſonen gewarnt hatte; daß er doch nım « 
fo in Furcht jagen möchte, da er einftens 
Haupt an das Haupt, und feine entbloͤßter 
an die nadten teen des fchönen Keitol 
welchem er in einem ſchoͤnen Buche gelefen, 

Auf diefen Angriff antwortet Sofrates mit ı 
fung von Verwunderung und Verdruß, dx 
von einem giftigen Thiere gebiffen, fünf ‘ 
einander einen empfindlichen Schmerz in de 
und eine beflemmende Unruhe in feinem Ser, 
den habe. Cr wolle aber zum Zeichen feine 
allen Mitgliedern der Geſellſchafft, ats fo wir 
#eierlichft verficheen. bat er den fehhnen 


Geſchichte des Sokrates und feiner Phil: 533 


icht eher wieder berühren wolle, als bis fein Kinn eben 
ſehr, als fein Haupt bewachfen ſey. — Aus biefer 
Stelle würde man zwar nicht fehließen Fonnen, daß So⸗ 
ates fträflich, aber mohl, daß er weicher und empfinblis 
yer gegen die Schönheit von Knaben und Juͤnglingen 
eweſen ſey, als man von einem weifen Manne erwars 
m follte, wenn nicht gleich Tenophon hinzufeste, und 
er ganze Ton des Gefprächs es auch lehrte: daß bie 
ifchgenoffen auf diefe Art abwechſelnd gefcherzt, und 
nftlich ſich unterredet Hätten. Das Scherzen kann 
lein von den Neckereyen des Charmides und Sokrates 
Aten, indem der leztere vorher ernſtlich geſprochen hatte. 
Bäre man auf eine ähnliche Bemerkung des Zenophon 
nb auf die nicht minder verſteckte Ironie des Sokrates 
sfmerffamer geweſen; fo würde man bem leztern feine 
nterredung mit der Theodota nie zum DBerbrechen ges 
sache, und wie Athenäus (V. 18. p. 220.) geglaubt 
nben, daß er dieſes Mäpchen in der Buhlerey, wie 


Ene Breunde in der Weltweispeit, habe unterrichten ° 


len (III. 11. Mem. Socr.), Wie, fagte Theodota 
m Ende des Gefprächs zum Sofrates, willſt du denn 
he mein Mitwerber um Freunde und Siebhaber wers 
n? D.ja, antwortete diefer, wenn du mir gute Worte 
bſt. Wie foll ich das machen? fräge die Buhlerinn 
m neuen. Das ift deine Sorge, erwiederte Sokra⸗ 
3, du felbft muft fehen, wie du mic, gewinnen kannſt, 
enn du meiner nöthig haft. — So befuche mich, ſagt 
». fleißig. Und Hierauf antwortet Sokrates zulest, 
e fich, wie Zenophon ausdruͤcklich erinnert, über bie 
infalt der Theodota luſtig machte: daß es ihm nicht 
che fen, ſich abzumuͤſſigen, indem ihm ſowohl feine eis 
te, als öffentliche Gefchäffte viele Zeit raubten. Auch 
Re er Freundinnen, bie ig Tag und Nacht nicht von 
5 ließen, weil fie tiebestränfe und Beſchwoͤrungen von 
im lernten, und f. w. zn aber jemand felbft ve 
3 


vo 


22 Crbentch Bu, Zieped Eapii. > 


gend md Weispeit Halten mäffe, und ob mi 
einen Augenblick zweyfein Fonne, daß Sofrate 
Freunde mit eben der unbefleften tiebe geliebt habe / 

womit entchrperte tugenbhafte Seelen ſich dereinft lieben 


- ga {u Ontanı Für Wann "und Enrieifüng‘ 
Tu 
noch 
fine 


.: werben. Gewiß würde es auch Miemanden, als den 
Wenigen, die ſich ·ein Gefchäffe daraus machen,. einen 


Mann zu tadeln und herabzufegen, den alle weife uib 
Sugendhafte Menfchen bewunderten, in den Sinin.ge 


“ ee in, den Sofrates eines tafters ö 
. das u kin an für a | 


Zenopfon 
laube hätte. 
Eee arena er Om 9 um a 


bver vor allen Vertraulichfeiten und fiebfofungen 
fo in Zurche jagen möchte, da er einftens jelßit fe 
ul 


gewornt hatte; daß er Doch mur andere * 


fung von Verwunderung und Verdruß, daß er, wie 
don einem giftigen Thiere gebiffen, fünf Tage. Hinter 
einander einen empfindlichen Schmerz in der Schulter, 
und eine beflemmende Unruhe in feinem Herzen 


- den habe. Er wolle aber zum Zeichen feiner Neue vor 
allen Mitgliedern der Geſellſchafft, ats fo vielen Zeugen, 


feirrlichft verſichern, daß er den fchönen Rritobul 








©) Ehen dieſer Charmides fezte als Juͤngling durch feine a 
perordentliche Schönheit den Sokrates faft noch mık 
als Reitobutas in Erſtaunen. im Charmide Plate, 

io. 


Geſchichte des Sokrates und feiner Phil: 333 


cht eher wieder berühren wolle, als bis fein Kinn eben 
ſehr, als fein Haupt bewachfen ſey. — Aus dieſer 
stelle wuͤrde man zwar nicht fchließen fonnen, daß So⸗ 
ates fträflich, aber mohl, Daß er weicher und empfindli⸗ 
er gegen die Schönheit von Knaben und Juͤnglingen 
wefen ſey, als man, von einem welfen Manne erwars 
n follte, wenn nicht gleich Renophon hinzuſezte, und 
e ganze Ton des Geſpraͤchs es auch lehrte: daß bie 
fchgenoffen auf diefe Are abwechſelnd gefcherzt, und 
aſtlich ſich unterredet hätten. Das Scheren kann 
ein von den Meckereyen des Charmides und Sokrates 
lten, indem der leztere vorher ernſtlich gefprochen hatte. 
zaͤre man auf eine ähnliche Bemerkung des Senophon 
dauf die nicht minder verſteckte Ironie des Sokrates 
fmerffamer geweſen; fo würbe.man dem leztern feine 
ıterredung mit der Theobota nie zum Verbrechen ges 
acht, und wie Arhenäus (V. 18. p. 220.) geglaubt 
ben, daß er diefes Mädchen in der Buhlerey, wie 


ne Sreunde in dee Weltweisheit, habe unterrichten " 


‚lien (IL 11. Mem. Socer.) Wie, fagte Theodota 
ı.Ende des Gefprächs zum Sokrates, willſt du denn 
ht mein Mitwerber um Freunde und tiebhaber wer⸗ 
ı? D.ja, antwortete diefer, wenn du mir gute Worte 
ſt. Wie foll ich das machen? frägt die Buhlerinn 
n neuem. Das ift beine Sorge, erwiederte Sokra⸗ 
, du ſelbſt muft fehen, wie bu mich gewinnen kannſt, 
nn du meiner nöthig haft. — So befuche mich, füge 
‚ fleißig. Und Hierauf antwortet Sokrates zulezt, 
: fih, wie Xenophon ausdruͤcklich erinnert, über die 
nfalt der Theodota fuftig machte: daß es ihm nicht 
che fen, ſich abzumuͤſſigen, indem ihm ſowohl feine eis 
1e, als öffentliche Gefchäffte viele Zeit raubten. Auch 
be er Freundinnen, bie in Tag und Nacht nicht von 
) ließen, weil-fie tiebestränfe und Befchwörungen von 
n fernten, und f. vo. Bon aber jemand tet De 
7 


534 Siebentes Buch. Zweytes Capitel. 


Unterredung mit einer Buhlerinn unſchicklich finden follte, 
der bedenfe, daß Sofrates nicht in feinem Zeitalter lebte, 1° 
und daß er wahrfcheinlich, wenn er jezo wieder erwachte, |- 
es für eben fo unanftandig halten würde, daß wir bie 
Weiber und Töchter unjerer Freunde befuchen, ale es 
ums fcheint, daß ein Achenienfifcher Weiſe fidy mit eine 
Buhlerinn unterrebet habe. 


Dritte Beylage zu p. 517. 


Die Anklaͤger des Sokrates waren nicht ſeine einzigen 
Verlaͤumder; er fand auch unter ſeinen uͤbrigen 
Zeitgenoſſen bittere Tadler, und ſelbſt in den nachfolgen⸗ 
den Jahrhunderten, als er Niemanden mehr durch ſein 
Ironie beleidigen und durch feine Tugenden verbunfede 
Fonnte, erhielt er Widerfacher, die ihn noch heftigen, 
als feine Mörder anflagten. Unter den legtern zeichnet 
ſich beſonders Ariftorenus aus, deſſen Schmähungeh 
Porphyr nur wiederhohlte. Die Quelle, aus melde 
Ariftorenus feine Beſchuldigungen fihöpfte, und die 
wabrfiheinfiche Urfache feiner Erbitcerung gegen den © 
krates habe ich im erjten Bande in dem Abfchnitte von] 
den Gefchichtfehreibern der Prthagoräer unter Dem Ark | 
fol Ariftorenus angegeben. Diefer fonft vortrefflich 
Schriftſteller befchuldigte Den Sofrates eines unvernuͤm 
tigen Jaͤhzorns, eines fträflichen Ungehorſams gegm 
feinen Vater, febandlicher Ausfchweifungen , ſelbſt W 
unnarürlichen tiebe, einer pobelhaften Unwiſſenheit mb 
Ungebilvheit, und vielleicht noch vieler andern Llntugm 
den. Allein auch er konnte und mochte es nichr laͤugnen 
daß Sofrates gerecht und gehorfam aegen Die Geſeze w 
wefen fey. Plut IX. 399. de Herod. malignit. De 
ältere Cato hielt ven Sokrates für einen Schwäzt, 
Meuerer, und für einen Tyrammen, der ſich üher dw 
veben 





Seſchichte des Sokrates und feinee Pit. 535 


ben und die Handlungen fiiner Mitbürger eine unrecht 
\äßige Gewalt angemaßet habe. ap. Plut. in ejus vita. 
- 596. Alle diefe Vorwuͤrfe haben-nicht einmal einen 
Schein von Glaubwuͤrdigkeit, und fonnten auf vers 
Anftige Männer lange nicht ven Eindruck machen, den 
e feurige Strafrede des Kallifles im Gorgias des Plato 
ıf unvorbereitete Gemuͤther vielleicht machen wuͤrde. 
denn dir dich, fagt diefer Sophiftenfreund p. 317. zum 
sofrates, mit wichtigern Dingen befchäfftigen follteft, 
wuͤrdeſt du die Philofophie gewiß fahren laffen. Die 
bilofophie ift ganz was artiges, wenn man fie in einem 
wiſſen Alter und in einem gewiffen Maaße koſtet. 
zenn man aber zu lange ben ihr verweilt; fo wird fie 
ıe wahre Verderbniß der Menfchen. Denn wenn je⸗ 
and auch mit noch fo großen Fähigkeiten geboren iſt, 
d ſich zu fpät in's Leben hinein noch Immer mit ber 
yilofophie abgibt, der muß nothwendig in alle dem un⸗ 
ſſend und unerfahren werden und bleiben, was ein Iie 
: brauchbarer, nach großem Ruhme ftrebender Bürs 
: willen muß. Solche Menfchen fennen weder bie 
feze und Derfaffung der Baterftadt, noch die Art, 
e man mit dem Volke oder mir einzelnen Perfonen 
igehen muß, noch die Vergnuͤgungen und teidenfchaffs 
| und Sitten. ihrer Zeitgenoflen. Sie machen ſich 
9 lächerlich, wenn fie irgend eine häusliche oder öffent, 
ve Angelegenheit verrichten follen, fo mie Männer von 
chäfften, wenn fie in eure Berfammlungen fommen, 
er triffe der Ausfpruch des Euripides ein: daß ein 
er in feinem Sache am meiften glänzt, daß er es aus 
genliebe am meiften lobt und feine meifte Zeit darauf 
wender, um immer vollkommner darinn zu werben, 
; er hingegen die übrigen Faͤcher, in denen er unwiſ⸗ 
D oder ſchwach ift, meidet und tadelt. Meinem Urthei⸗ 
nach aber ift es um beften, weder die Philofophie gang 
berachten, noch auch von ven öffentlichen ee 
14 ſi 


























536 Siebentes Buch. Zweytes Capitel, 


ſich gänzlich zu entfernen. Es iſt fchön, wenn man vie |4 
Philoſophie zur Aufflärung des Verſtandes braucht, |: 
und einem Sünglinge macht es alfo feine Schande a |: 
philofophiren. Wenn aber ein Dann in reifern Jahren |: 
eben dieſes noch thut; fo wird die Sache in der That Ih 
cherlich. Ich Denfe über diejenigen, welche fich auf vie 
Philoſophie legen, eben fo, als über ſolche, vie ſtam⸗ 
mein oder fpielen. Wenn ich das leztere von Knaben 
fehe und höre, fo feheint es mir nöthig, und diefem U 
ter angemeflen zu fen; wenn ich ed aber an STünglingen 
wahrnehme , fo beleidigt es meine Augen und Ohren, 
und ich finde etwas knechtiſches darinn; und wenn 
gar einen Mann gleich Kindern fpielen fähe, oder fan 
mein hörte; fo würde eim jeder beydes ald unwuͤrdig tar 
Dein. &o liebe ich auch einen jungen Menfchen, wen 
ich ihn fich eifrig der ‘Philofophie ergeben fehe, und kalt 
Bingegen denjenigen, ber fich davon entferne, für ein 
knechtiſche Seele, die fich felbft nichts Edles und Große 
zurraut. Wenn ich aber noch einen aften Wann ph 
loſophiren höre, fo ſcheint er mir, ich kann es nicht be 
gen, Sofrates, Schläge zu verdienen. Ein folde 
Mann muß ganz ausarten, und zu großen und Fühm 
Thaten unfähig werden, indem er die Volksverſam 
lungen und öffentlichen Plaͤze flieht, und fein ganzes ie 
ben über fich bald in Diejen, bald in einen andern Wis 
fel verfriecht, um mit drei ober vier jungen Leuten few 
zen zu Fonnen. Ich habe für dich die beſten Gefinnm 
gen, Sofrates, allein ich muß dir eben Das fagen, wa 
Zethus zum Amphion beym Euripides fagt: Daß du da 
vernachläfltgft, wofuͤr bu forgen ſollteſt: dag du de 
ebeliten Seele eine kindiſche Krve umbangit, und deim 
Mirbärgern, weder in Gerichten, nod) im Mathe, ne 
in Volke mit deiner Einfichten und Kräften dienft. N 
muſt aber nicht böje auf mich werden, lieber Sofrate; 
denn was ich fage, fage ich) aus bloßer Freunpfchaft. 


Geſchichte des Sofrates und feiner Phil, 337 


Scheint die felbft nicht etwas Schimpfliches oder Er⸗ 
niebrigendes in dem Zuftande zu fern, in welchem bu 
‘und alle diejenigen fich finden, bie fich zu weit 
in die Philoſophie “eingelaffen haben? Wenn dich jes 
mand anpacte, und dich als einen Derderber oder Ber 
raͤther des Volks in’s Gefängniß führte, fühlft du nicht, 
daß du gar nicht wiffen wuͤrdeſt, was du anfangen ſoll⸗ 
teſt; du würdeft verlegen feyn und nicht wiſſen, was du 
fügen follteft, und wenn auch ein noch fo elender Anklaͤ⸗ 
ger wider dich aufftünde, fo wuͤrdeſt du boch fterben 
muͤſſen, wenn er dich als einen des Todes ſchuldigen 
Verbrecher angeben wollte. Wie kann denn das Weis⸗ 
beit ſeyn, eine Lebensart und Kunſt zu wählen, die dies 
jenigen, welche fie treiben, unvollfommen und unfaͤ⸗ 
hig macht, fich felbft und andere aus den größten Ges 
fahren zu retten, oder fich gegen bie Mäubereyen und 
Ungerechtigfeiten von Seinden in Sicherheit zu ſezen, 
ober fie auch zur Nechenfchafft zu ziehen, wenn man von 
‚ihnen DBackenftreiche empfangen, oder andere Mißhand⸗ 
Aungen gelitten hätte? Höre alfo meinen Math, lieber 
Freund, und laß von dem elenden Sefchroäze, oder den 
Bohlen Gruͤbeleyen ab; tadle nicht weiter an Männern 
‚Meine unbedeutende Schler im Reden oder Schließen, 
ſondern in Entfchläffen und Unternehmungen, worauf 
Leben und Ehre, und andere große Güter beruhen, — 
‚ Diefe ganze Anklage aber: traff den Sofrates nicht, wie 
zmeine tefer fi) aus dem Borhergehenven fchon felbft wer⸗ 
Den fügen fonnen. Sokrates war in öffentlichen Ges 
ſchaͤfften fo wenig unerfahren, Daß viele und unter: dies 
. fen Kritias und Afibiades bloß deßwegen feinen Umgang 
füchten, um von ihm die Fonigliche Kunft (fo nannte 
“man damals die Stactäfunft Mem. Soer. IV. 2. p. 210.) 
oder die Wiflenfchaffe zu lernen, Menfchen und Voͤlker 
regieren zu konnen. (ib. I. c. 2. p. 15.) Auch enchielt 
: 2 fich nicht von öffentlichen Hentern und Serhäflten, 
5 \ 


-_ om—.—_— [u on 


538 Siebentes Buch. Zweytes Eapitel, 


weil er fich untuͤchtig dazu fühlte, ſondern weil er fein 
Mitvuͤrgern auf andere. Arten nüzlicher werden Fonnte, | 
Plat. in Apol. p. ı3.. Endlich verdarb er feine und fer 
ner Freunde Zeit nicht mit elenden Spisfindigfeiten, fons 
‘dern er machte diejenigen, die mit ihm umgingen, zu 
beffern und weilern Menſchen. Wie hätte er, fagt Ko 
:nophon, feine Befannten zu gortlofen, unmäßigen, um | 
feujchen, zuͤgelloſen Menfchen machen follen, va er vide | 
von diefen Laſtern zurückbrachte, ihnen tiebe zur Tugend | 
und Hoffnungen einflößte, daß fie, wenn fie ihre Her 
zen ausbilden würden, gute und glücliche Maͤnner wer⸗ 
den wärden? Memor. Socr. J. 2. p. 16. &ofrates, 
fagt eben dieſer Schriftfteller, war feinen Freunden ig 
allen Angeleaenheiten und Fällen nuͤzlich, er modhte ro 
‘den oder handeln; fcherzen oder ernfthaft fenn ;. und mas 
Fann leicht fchließen, wie fruchtbar für Her; und Den 
ftand fein Umgang gewefen fey, da felbft das Andentm 
an ihn feinen Schülern heilfam war. IV.ı. p. 201. Ar 
‘to, heiſt e8 an einer andern Stelle I. 2. p. 28. un 
Ehärephon, ferner Chärefrates, Simmias, Kebes, 
Phaͤdon und viele gingen mit dem Sofrates um, nidk 
gerade, damit fie große Redner oder Bolfsführer, fon 
dern bamit fie rechtfchaffene Männer würden, und ihre 
Sreunden , Hausgenoſſen und Bürgern dienen Fönnten, 
Unter allen diefen war feiner, der weder in feiner Zw 
gend, noch in feinem Alter etwas Boͤſes gethan härte, 
oder um bofer Thaten willen angeflagt worden wäre. 
Man fehe noch I. 4. p. 43. IV. 8. p. 265. 267. 26. 
Plat. Apol. p. 13. 

Da? einzige, was man dem Sofrates nicht op 
Grund vorwerfen kann, iſt ein nicht geringer Grad von 
Schwaͤrmerey, die aus einer ungewöhnlichen Empfin 
lichfeir feiner Nerven und einer außerordentlichen Lebhof 
tigfeit feiner Einbildungsfraft entſtand. Eben biek 
Schwaͤrmerey war mehr ein Fehler feiner Organiſation, 

ode 

























Geſchichte des Sokrates und feine? Phil. 539 


ber wenn man will, ein Gebrechen ſeines Geiſtes, als 
ines Herzens; fie verführte ihn zwar zu. einigen faiſchen 
nd aberglaͤubiſchen Meynungen, verleitete ihn aber nie⸗ 
als zu den Narrheiten, wozu fie einen Plotin, Cardan, 
ſoſtell, und viele andere hinriß. a fie war in ihm 
icht allein unfchädlich , fondern hatte fogar die bortheils 
ıfteften Wirfungen, indem fie ihn ſelbſt gleichſam naͤ⸗ 
r mit der Gottheit verband, ihm ein größeres Anfer 
n bey feinen Freunden , und feinen Nathichlägen ein 
öfßeres Gericht verichaffte. Bon feinem Abelnveifen 
Hre man es weniger vermuthen, als vom Sokrates, 
iß er ein Schmärmer gewefen ſey; allein Die häufigen 
deutenden Traumgelichter, die er.ben feiner niemals 
anfenden Gefundheit und feiner, mäßigen Sebensart 
itte, die nicht feltenen Entzädungen , in die er fiel, 
id morinn er oft viele Stunden hinter einander abwe⸗ 
ıd, und fic) feines äußern Zuſtandes nicht bewuſt 
ar, endlich der Glaube an einen ihn begleitenden Dir 
on oder Genius laffen gar nicht daran zwenfeln. Er 
id alle feine Sreunde waren überzeugt, Daß ein gewiſ⸗ 
3 höheres uͤbermenſchliches Wefen ihm durd) gemiffe 
chen und Stimmen die Zufunft offenbare, und ihn 
ıd feine Bertrauten fowohl von gewiflen Handlungen 
halte, als dazu antı eibe. So unglaublid) es feheint, 
8 ein fo ruhiger ſich felbft und andere fo genau und 

wnäcfig beobachtender Mann, als Sokrates war, 
ihrend feines ganzen Lebens getäufcht worden fen, und 
nie gemerft habe, daß das, was er für Stimmen 

er Eingebungen eines Dämon hielt, nur gewiffe aus 
ern Urfachen entitehende Erfchütterungen feiner Ges 
rnerven, oder der Fibern feines Gehirns, und plöglich 
ihm aufiteigende Gedanken oder Ahndungen über den 

icklichen oder unglüclichen Ausgang gewiffer Linters 
hmungen waren; fo findet man dod) eben dieſes oſehr 
jreiflich, wenn man bedenkt, daß er mit fait aflen 

Welt: 


7 Mbergeugt war, daß bie Gottheit weiſen und 


vie im bitten Theile meiner philoſophiſchen 


et im Bafmalı © ‚197. Ä 














Bertunigen und —— alaubte, fe 


den Menſchen, denen fie.gnädig fey, ſich und die Zu 
Zunft‘ offenbare,, und daß endlich nicht er allein, fonden 
vriele andere verflänbige Männer eben fo geſchwaͤrmt ho⸗ 

Gen. Die Feugniffe der Alten uͤber den Genius bes © 
krates führe ich deßwegen nicht an, weil ich fie in eng 
, Abhandlung über diefen Gegenftand geſammlet babe 9 


| t, und worinn man auch die Gruͤnde meiner | 
| —— einanber-gefg frben wich. 





Wnger ten tn ber Mötanblung aa geführten Zeiten 9 
| * abe noch die Stelle —* Öesjeerıch im erfen 
E.ulelblades, 8 215. unb Äbır dem ung —D 


Fr 


22 z0 Ai (ee er TE Ei gen —2——— 


eK. 
u: 


auch 





Achtes Bud. 
Erſtes Eapitel, 


elches die Geſchichte der Griechen, befon« 

ers der Wthenienfer, vom Srieden des An⸗ 

Hfidas, bis auf die Schlacht bey Cheronaͤa, 
oder von Ol. 98, 2. bi8 OL 110,3, - 
enthält. 





IE: dem Tode des Sokrates nahm die Zerrüttung 
D des Achenienjifchen Staats nod) immer zu, und 
‚ete nicht nur auf die Sitten, fondern auch auf die 
bilofophie die nachtheiligften Ginfläffe. Ich will daher ° 
e Gefchichte der Athenienfer bis auf den Zeitpunet 
rterzählen , über welchen mahrfcheinlid) Feiner ver 

schüler des Sokrates hinaus lebte. | 
So wie die Spartaner ihr Anfehen am Perfifchen 
‚fe dazu gebraucht hatten, den übrigen Griechiſchen 
Staaten einen harcen Frieden aufzudringen, um viele 
rfelben in eine fchimpfliche Knechtſchafft zu ſtuͤrzen; ſo 
ißbrauchten fie wiederum ihre Durch den Frieden ver⸗ 
ößerte Macht dazu, diefen ihnen allein günftigen, und 
fe übrige riechen beeinträchtigenden Frieden zu bras 
en. Sie fuhren forc, wider den. heiligften Eid, den 
' er 


3 





z4 chtes Buch. Erſtes Eapitel. J 








die erſte Debingung, bie 
| übrigen hear gemacht Hatten, Ar 
des Peloponnes, denen fie ihre Freyheit * 
geben ſollen, in der alten Abhängigfeit zu erhalten, ver 
möge deren fie den Spartanern, als ihren 
' allenthalben felgen, wenn diefe es befoplm, fich im 
fedämon verſanimlen, . und mi einer 









von ganz 
mifchtes fich in die feine — 


weiche einzelne Städte, ober gar die Bewohner 


Am erften verriethen fie ihre earocigen und gi 

- waltthärigen Entwürfe, durch die Rache bie fie an 
Städten auszuüben anfingen, von welchen fie 
daB fie ihnen in vorigen Zeiten nicht eifrig —* bep 
2 


m 





*) Man febe die Ausſchreibung, melde die Spartane u 
der Unternehmung gegen Dlynch machten Xenopk. 
Hellen. V. e. 2. $. 14. oder p. 302. Iſoer. I, de Pa 
p. 410. 411. 

“r) Diod. XV, “©. 2.17. | 

+) Diod. |, ec 


Sefchichte von DI. 98, 2. bis Ol. 10,3. 543 


geftanden, oder daß fie ihre Feinde beguͤnſtigt Härten. 
Ihr Zorn fiel zuerft auf Mantinea , deren Einwohnern 
fie befahlen, ihre Mauern niederzureißen,, weil fie ihr 
rer fonft nie verjichert feyn koͤnnten, da lie von jeher ih⸗ 
ren Seinden, den Argivern, Lebensmittel zugeführt, da 
fie die angefündigten Feldzuͤge mitzumachen fich gewei⸗ 
gert, und fich ftets über ihr Unglück gefreut, und über 
ihr Glück betrübe Härten *). Die ſchwaͤchern Mantis 
neer muften der Uebermacht weichen, und jich gefullen 
faffen, aus ihrer zerftörten Baterftadt auszuziehen, und 
wie vormals in Dörfern und Slecfen zu wohnen, eine - 
Strafe, die wider ihr Vermuthen und die Abfichten ihr 
ser Feinde, die Urfache ihres bald nachher blühenden Zus 
ſtandes wurde **). Kaum hatten die tafedamonier dies 
fe Arkadiſche Stade vernichtet, als fie den Einwohnern 
von Akanthes und Apollonia Hülfe wider Oiynth, Die 
mächtigfte unter den Griechifchen Städten in Thracien, 
berfprachen, und unter ihrem Feldherrn Phobivas auch 
wirflich zufandten. Phoͤbidas ließ fi) aber von feiner 
Unternehmung durch die Verrätheren einiger vornehmen 
Tpebaner abwendig machen, die ihn In Kabmea, die 
Burg von Theben, einführten, weil jie lieber ald Sela⸗ 
den der Spartaner über ihre Mirbürger berrfchen, als 
die Vorzüge der Frenheit in ihrem unabhängigen Baters 
lande genießen wollten 7). Ungeachtet die Ephoren, 
und die übrigen Spartaner fich anfangs über. die That 
| des 








tieren : 


*) Xen. V. e. 2. Diod, ©. 7. ad OI. 98. 3. 

*%*) Xenoph. I. e. p 294. Diod. p.12.Ol.98. 4. * 

+) Xenoph. I, c. p. 297-307. Plut, in Pelop. I'.p. 336. 
Diod. p. 17. 18. ad Ol, 99. 2 & 3. Im Tester 
Jahre wurde Kadmea erobert. Diodor fagt aber uns 
richtig, daß Amyntas fich von ben Spartanern wäife 
wider Olyath ausgebéten habe. Auch in den folgenden 
Erzählungen weicht es häufig won RXenophon ab. 


bes Phoͤbidas entrüfteten, nicht weil fe.umgereiit wer, 

ſondern weil er fie ohne ihren Befehl ausgeführt 
hießen fie diefelbe doch) bald, als eine dem Barerianke 

eifpriefliche Zune ans f und Sebielcen Kadmes, in 







| ; Ungerchig ft 

. keiten begäuftige, und es fihien, ald wenn ihre Hewi, 

fchafft fefter, als jemals gegründet wäre. ‘Die 

ner ſowohl als die übrigen Boeotier waren unterjodk, 

die Argiver gedemüthige, Die Arhenienfer von ihren 

Bundesgenoſſen entbloͤßt, und alle Staͤdte, Die im 
u 


nd 


®) Xenoph. I. c. & Plut. II. 336. 

®*) Xenoph. Ic. p. 308. 309, 

#°., Xen. |, c. | 

+) Xen. V. 3. 315. 316. 

+) Nenoph, l.c. p. 324. 25. Diod. XV. p. 20, adül 
1 BE 





' | | 
Seſchichte von DI. 98, 2.58 Ol.no,3. 345° 


yerbächtig ober feind waren, gezüchtige, und alle uͤbrige 
Dtaaten und Inſeln mit Maͤnnern angefüllt, die ihre 
Erhebung den Spartanern zu danken, und ohne diefer 
hre Unterſtuͤzung, wegen ber Unterdrückung, worinn 
ie ihre Mitbuͤrger hielten, das aͤußerſte zu fuͤrchten hat⸗ 
en 


). . 

Gerade um bie Zeit aber, ald die Macht der Spars 
aner aufs hoͤchſte geftiegen, und allem Anjehen nad) 
ein Staat oder König in Griechenland war, ber fich 
hnen Hätte widerfezen Fönnen, wurde das fo feſt ſchei⸗ 
ende Gebaͤude ihrer SHerrfchafft von einigen Fluͤchtlin⸗ 

en erſt erfchäctert, und bald nachher umgeſtoßen. Dies 

re plözliche Umſturz der Tyranney der Spartaner war, 

He Kenophon fagt, ein Beweis, daß die Gottheit uns 
eilige böfe Thaten mit ihrer Nache verfolge, oder viele 
sehr eine neue Deftätigung deſſen, was bie ganze Ge⸗ 
Hichte beweiſt, daß Gluͤck und Herrſchafft durch Uns 
ererhtigkeit erworben , und auf Gewaltthaͤtigkeit ges 
ruͤndet, niemals dauerhaft fey **). Mur fieben von 
en Männern, die nach der Eroberung von Kadmea 
Daterftadt verlaffen hatten F), faßten den großen 
danfen, den ein jeder anderer, der nicht fo fehr mie 
Haß gegen die Spartaner, und mit tiebe der Freyheit 
wfüllt gewefen wäre, für unausführlich gehalten hätte, 
der 











) ib, 
®*) Lib. V, 4. Xen. Hell, 
7) Eenophon nennt immer ben Mellon als die Hanptperfon 
bepy der ganzen Unternehmung l. c. p. 326. Plutarch 
bingegen den Pelopidas, in ejus vita 11. p, 338. 349. 
Wenigſtens war Pelopidas, wenn auch nicht der erſte 
Entwerfer, doch gewiß der tapferfie Ausführen derſel⸗ 
ben. Plutarch gibs ihm zwölf, Kenophen aber ung 
fieben Begleiter. 


| Zweyter Band. Nu. 


WBR 





un mu 


ein großes Feſt gefeiert ae ehe weibliche ! 
liegen ſich vom Phpllivas, dem Gehreiber ı 
‚maligen Befehlshaber zu dieſen Tyrannen ' 
viele ſchoͤne und vornehme Weiber führen, | 
bezeugungen fie ſchon lange zu genießen geho 
Sie und ihre Mitverſchwornen tödteten 
großer Vorficht und Tapferfeit, als Geſchwi 
de trunfenen oder ſchlafenden Feinde, erdffn 
das Gefängniß, und foderten ihre übriger 





*) Epaminonbas hielt.die ganze Unternehmen 
Uch, und wollte an keinem Enmwurfe | 
von welchem er glaubte,. daß er alte dieje 
barinn einließen,. unfehlbar ins Ber: 
oder wenn er etwa glädte, die ganze St 
ne Blut erfüllen würde. Plut, de Genic 

278. 79. 318. 345. 346. - 
a”) dieser die unglaublichen unmittelbar auf ei 


ben Gefahren dieſer Männer leſe man P 
11. aansan. VIII. de Genion Sacr 290 





Gecſchichte von DI. 98,2. bis Ol. 0,3. 547 


nicht eher zur Vertheidigung der wiedergetvonnenen Frey⸗ 
heit auf, als bis fie Die Raͤuber berfelben, ald Schlachns 
opfer am Altare des erzurnten Vaterlandes erwürgt hats 
ten *). Gleich am folgenden Tage jagten fie auch der 
Spartaniſchen Befazung in der Burg ein foldyes Schres 
den ein, daß dieje, ohne auf Hülfe zu warten, die Fe⸗ 
Rung, den Schlüffel zur Thebanifchen Freyheit, den 
MWiederherftellern der leztern zurücgab. — Diefe Wies 
dereroberung von Kadmea verglich. ganz Sriechenland fos 
wohl in Rücficht auf den Much der Männer, vie fie 
zu Stande bradıten, als der Gefahren, die fie ausftans 
den, und des Gluͤcks, womit fie gecroͤnt wurde, mit ber 
Wiederherſtellung der Athenienſiſchen Freyheit durch den 
Thraſybulus. And gewiß wird man nicht leicht andere 
Beyſpiele finden, wo eine fo Fleine Zahl verlaffener Men⸗ 
ſchen eine fo große Uebermacht von Feinden mit fo vie 
Jem Muthe angegriffen, und dadurch jo große Veraͤn⸗ 
Berungen hervorgebracht hätte, als Pelopivas und feine 
Mefährten gethan haben; denn der Krieg, der die Spars 
"#aner der Herrfchafft zue See ſowohl als zu Lande bes 
Maubte, brach in eben der Nacht aus, in welcher Pelo⸗ 
Pidas mic einigen wenigen Freunden in feine Baterftadt 
Baarücffchrte , und die unzerreißbar feheinenden Feſſeln 
lexwbrach, womit die Lakedaͤmonier Theben und das übris 
se Griechenland gebunden hatten **), 


Pevor die Griechen fich befannen , welch einen. 
Sichtigen Verluſt die Spartaner durch den Abfall der 
Thebaner und Boeotier gelitten hatten; war die Furcht 
Sr ven erftern fo groß, daß fein Volk das Herz hatte, 

| ‚Mm a2 fich 





— — — 


2) Xenoph. ib. p. 329, Diod. XV. p. 21. ad Ol. C. 3. 


Plut. II, 349. 
s*, Il. 352. Plutarch, 


N. 


\ \ 


’ 


older die Spartaner räfteren 7). Sie ſchickten 


. N J 





348 Achtes Buch. Erſtes Eapid. 


* der Unterdruͤckten anzunehmen ). Selbſt se? 
inenſer tößteren einen von den Felbherren, vie ben 
banern zur Wiedereroberung von Kadmea geholfen 
ten, und einen andern verwieſen fie auf ewig aus ve | R 



























Stoadt, weiler fein Urthell nicht ertvartere. Da 


aber die Lakedaͤmonier ihren Feldherrn Ephebries, 3a 
‚ Kich durch die Beftechungen der Thebaner (voelche we 
Athenienſer gerne gegen bie Spartaner aufhezen 
gu einem abencheuerlichen Unfchlage-auf den Piräus 
se bewegen laflen, für biefe wahnfinnige Frevelchat * 
pe beftraften,, fo wurden die Achenienfer fo fehr: in 
, daß fie den Boeotiern aus allen’ Kräften 0 ” 
; und. fich mit dem größten Eifer zum Rei 
ib 


ſandten an alle Inſeln und Geeftäbte, welche die @ 
.. Yesgenoffen det Spartaner zur Wiedererlan 
;: it ermuntern muften; und biefe 
lich, daß fie die Chier, Byzantier, et ne 
viele Inſulaner zum Abfall von ihren bis ten DW inı 
nen bewegten FF). Die herablaſſende 
Athenienfer diejenigen, bie Ihnen fonft — 
ſich jezo gleich ſezten, noch mehr aber des Volks © 
ber das Eigenchum der ehemaligen Bunvesgenoffen nd 








2 So Plutarch II. 351. in Pelop. E 
*s) Xenoph. 1. c. p. 334 Winard Dingegen contm' 
mofth. p. 100. fagt, baß bie Athenienfer auf 
Vorſchlag des Kephalus den Thebanifchen Fluͤchticch 
wider die Thebaner bevgeflanden hätten. 
4) Xenoph, I. c. p. 340. Diod. XV. p. 24. ad Ol. C# 
Es ift aber gewiß übertrieben, wenn er fagt, * 
Athenienſer beſchloſſen hätten, mit 20000 Mann 
volk, 500 Reutern und 200 Schiffen wider ihre & 
zu fechten. 
4}) Died, p. 23. 


Eeſchichee don Ol.os 5i8 Ol.uo. — 


e daß fein Athenlenſer außer Attika das Feld bauer, 


Der unbewegliche Guͤter befizen ſolle, vielleicht auch der 
Bortheil, dem bie Thebaner über bie Spartaner gen 






damen *),: wermochten immer mehrere Stäbte fich 


on ber leztorn zu trennen, und an dem großen Nach 


Eheil zu nehmen, den die Athenienſer aus allen abtruͤn⸗ 


Kgen Bölfern in ihrer Stadt verfammlet hatten, um 
hre gemeinfchafftlichen Ungelegenheiten in Ueberlegung 
Kenn ”,, Die Völker des. Peloponnes hingegen, 
feit undenklichen Zeiten an die Herrſchafft der Spare 
Der gewohnt waren, blieben ihren bisherigen Fuͤhrern 
—* getreu, ſondern machten ihnen ſogar Vor⸗ 
daruͤber, daß ſie durch ihre zu große Gelindig⸗ 
We ihre Feinde ſtets kuͤhner und zahlreicher, und den 
befehwerlicher machten, Sie riethen daher, eine 
keglegen fen, und womit man Achen ſelbſt auehungern 
une +). Diefem Nathe zufolge brachten die as 
© .in kurzer Zeit fechzig Segel zuſammen, und fchloffen 
KRlich eine Proviantflotte der Athenienfer ein, verloren 
Br gegen den Chabrias eine Schlacht, wozu fie ihre 
Beonngen hatten. Auf dieſe Niederlage fester im 
hſten Jahre mehrere wichtigere. Denn Timo 
!&. Sphifrates fiegten beyde über die Spartan 
orten und verficherten dadurch den Arhenienfern nicht 
x die Inſeln und Städte in Afien und Thracien, fons 


en gewannen ihnen auch die mächtigen. Eylande, Kore 


ea ,. Kephalenia und andere Städte zu Bundesgenoſ⸗ 
| Mm 3 | ſen 





re— 





®).Xen, 1. c. p. 348. 

me) Diod, XV. p. 15. | 

V p. 352. Xen. Die Bunbesgenoffen ber Spartaner weis 
ven VL 2: p. 367. geuami. 


te auszurüften, die der Geemacht der Arhenienfee . 











y Xen: V. c. ult. in fine p. 353. Lib, Re: 
80. Diod. p. 30. ad Ol. 101. 1. Merfw 
9 doch, daß weber Renophon, noch Diodor v 
oberung von Byzanz, Kyzitum, Samos, O 
. vielen andern Städten durch den Timotheus 

weniger von ben Schaͤzen reden, die biefer Fe 
ihnen und dem Könige Kotys erhalten | 
Cornel. Nep. in ejus Vita cap. 1. & Din. 
Demofth. p. 94. & adv. Phil. p. 87. we 
Rede ich aber nicht für aͤcht halte." Das &t 
motheus war fo groß, dap man ihn fchlafent 
Neze mahlte, im welchem die Städte und 

von felbft fingen. Plut. de Inv. & odio. 
erzählt mehrere Facta, aus melden man fd 
te, daß Timetheus um dieſe Zeit wicht foldhe 
gen habe machen koͤnnen, als ihm wen anberı 
ben werden . Diefer Zeldherr (ſagt ver € 
Eotrates) konnte die fehzig Schiffe, wo 
Korkyraͤern zu Hüife eilen fellte, im Athen 
bemannen; er fegelie beßwegen nach deu J 

i Schiffelente und Krisger einzunehmen. 
dauerte den Atbenienfern zu large, nnd fi 


daher um aufgebuͤrdeter Gaumfeeligteit 
Kein Machinlare Fährt Trnanhan fart 





Seſchichte von Ol. 98,2. bis Ol. no,. 558 - 


roßen Kriegsruͤſtungen erſchoͤpft, und auch mit bay 
Thebanern nicht mehr zufrieden waren, als welche an 
en Plataͤenſern, Theſpiern und Phocenſern, lautes 
Bundesgenoffen oder Clienten von Athen, Gewaltthaͤtig⸗ 
in ausgeübt hatten, oder noch ausuͤbten *). Beyde 
Bölfer vereinigten fich Daher bald über die Bedingungen, 
Weter welchen die vornehmften diefe waren :-daß ſowohl 
We Spartaner, als Achenienfer ihre Flotten und Heere 
aruͤckrufen, ihre Defazungen aus den Städten der 
dedgenoffen wegziehen, und den lejtern eine unge⸗ 
inkte Freyheit laſſen follten **). Alle Bundesgenoſſen 
taten dieſem Frieden bey; nur die Thebaner nicht, weh 
| auf Anrathen des Epaminondas nicht enrfchliegen -. 
sllcen, ihre Unfprüche auf die Boeotier, die ihnen bis. 
Bine gewefen waren, aufzugeben F). 
© Die Spartaner brachen aber das gefchloffene Buͤnd⸗ 
Bngleich darinn, daß fie den König Kleombrotus, den 
Ewibder die Thebaner ausgefchickt hatten, nicht allein 
KK zuruͤckriefen, ſondern ihm aud) ven ‘Befehl jehickten, 
halsſtarrigen Bedruͤcker der Boͤotier fo lange mit 
Bares und Schwerdt zu verfolgen, bis fie den leztern 
Ba: Scenheit wieder gegeben hätten. Dieſer übereilte 
| zwang den Spartanifchen König, ver ſchon lange 
egen freundfchafftlicher Sefinnungen gegen bie Thebaner 
wdächtig war, und nunmehr auc) bey Fluger Scho⸗ 
ur Mm4 nung 





— — — —— 





%) Xenoph. VI. 2. p. 366. e. 3. 380. . 
#4) VE 3. Xen. p. 389. Diod, XV. ©. 32. Ol. I0I. 2. 
Diodor fagt noch, daß bie Spartaner den Achenienfern 
. bie Herrfchafft zur See, und dieſe ben Gpartanern 
: wiederum bie Herrfchafft zu Lande zuerkannt hätten, 
Ich glaube aber, daß man bie Abtretung ber Herrſchafft 
zur See an die Athenienſer noch einige Jahre fpäter 
.: Herabfegen mülfe. ' Zn . 
“#) Ken, & Diod. ll ve. ; 


N 353 e lchtes Buch.Erſtes Capita 


wung und Gelindigkeit das aͤußerſte zu befürchten Gatte, 
‚ein Treffen zu wagen *), wozu die Haͤupter der Feinde 
wit der ganzen Macht ihrer Beredſamkeit, und durch 
alle Künfte des Aberglaubens aufmunterten”*), weil ihr 
zer. Stadt jonft Belagerung, Hungersnoth und Abfall | 
aller Bunvesgenoffen, und ihnen felöft abermalige Ber 
weiſung bevorfiund 7). Beyde Voͤlker gerlerhen de 
. $eufera am einander, mo bie Spartaner mehr durch ik 
eigue Thorheit, Unmäßigfeit, und durch ben Ungehe 
- fa’ gegen !yfurgs Geſeze, als durch die Tapferkeit ei 
Thebaner, ober durch die Weisheit ihrer Anführer übe 
- wunden wurden IT). Die Schlacht war zwar buus 












EEE eg 


1.9) Gleich nach der Eroberung von Kadmea Fechten bie Ze 
bauer felbft. wider die Spartauer mit dem umerflen 
. denften Muthe. Noch vor der Schlacht bey Leutm 
uͤberwanden fie hiefelben in mehrern fleinen % 
| befonders bey Tegpre, wo Pelopidas mit dreyhn 
u Kriegeru taufend oder gar funfzehnhuubert Spart⸗ 
in die Flucht (hing. Dies war, fagt Plutarch, Wi 
. erftemal, daß die Spartaner in fo vielen Kriegen m 
Griechen und Barbaren von einer Pleinern Zahl Ai 
wunden wurden, In Pelop. II. 355,360. 
»s) Man fehe Xenoph. p. 393. 394. Plut. II. 366. 
breitete Goͤtterſpruͤche aus, in welchen den Spartanm 
’ gerade bey Leuktra, mo fie vormals eine Frevelthat io 
gangen hatten, Tod und Verderben gedroht wur: 
man erzählte, daß die Tempel der Götter ſich w 
freyen Stüden geöffnet hätten: daß alle Priefterims 
Sieg verfündigten: daß die Waffen des Herkules w 
ſchwunden wären, weil er felbft mit ing Treffen gs 
wärde.. — Alle diefe Gerüchte hielten viele, (mgt Fe 
phon, für Künfte ver Feldherren. 


p VI. 4. Xen. p. 393. . 
Tr) Wenigſtens nad der Erzählung bed Xenophon Lt 
p. 3941397. Die Spartaner waren mei 


\ . 





. J 
3 

, 

121 





| GSeſchichte von Ol. 98/2. bis Ol.no,3. 353 


em bie Spartaner nahe an vierzehn hundert Mann 
foren, allein übrigens war fie fo wenig entſcheidend, 
ß diefe weder tager noch Gepaͤcke einbüßten: daß viele 

Mm s noch : 








rauſcht, als fie in die Schlacht gingen: fie jagten fers 
ner eine Menge von Perfonen, die ſich eben entfernen 
wollten, ins Lager ber Xhebaner zuruͤck, und vermehr⸗ 
ten dadurch die Anzahl ihrer Keinde: endlich ftellten fie 
vor dem Fußvolk ihre Reuterey ber, bie in dem elendes 
ſten Zuflande, und der Thebanifchen bey weitem nicht 
gewachſen war. In Sparta hatte fi nämlich damals 
Me verberblide Gewohnheit eingefchlichen, daß zwar 
die Reichen Pferde zum Dienfle des Staats halten, 
and die Ruͤſtung und Waffen von Reutern hergeben 
muften, daß aber zu ben leztern meiftens die ſchwaͤch⸗ 
‚ fen und ungeübteften Leute ermähle wurden. Diefe 
erbärmliche Renterey wurde gleich übern Haufen gewor⸗ 
fen, und brachte das den Thebamern Äberlegene, und 
anch fon fiegende Fußvolk in Unorduung. — Des 
großen Berfalls aber der guten Sitten und der Zucht : 
- . unter den Spartanern ungeachtet, mar boch immer noch 
vieles von dem alten Geiſte übrig, den Lykurgs Gefeze 
ihnen eingeflößt hatten, und der fi bey ihnen, wie 
bey andern Bölfern, und felbfk einzelnen Menfchen, 
in ähnlichen Fällen, vorzüglich in Zeiten der Noch Aus 
Berte, wo fie gezwungen wurden, alle ihre Kräfte zus 
fammen zu nehmen. Als bie Nachricht von ber un⸗ 
gluͤcklichen Schlacht nah Sparta fam; feierte man 
eben ein Feſt, das dur ein Priegerifhes Spiel, oder 
durch einen Kampf von Männern beſchloſſen werden 
follte. Die Epboren wurden zwar burch biefe traurige 
Bothſchafft niedergefchlagen; fie ließen aber doch bie 
Kämpfer nicht aus einander geben, ſondern fezten die 
Zeierlichkeiten des Tages fort, und theilten am Enbe 
derfelben erſt die Ramen der Erflagenen aus, Ans 
folgenden Tage fah man die Anverwandten berienigen, 
die im Xreffen geblieben waren, mit ber Miene des 
Triumphs und in Feierkleidern auf den öffentlichen 
Plaͤzen flolz einhergehen; die Nachgebliebenen —* 
| | us 






































554 Achted Buch. Erſtes Eapitel. 


noch auf dem Schlachtfelde die eichname der gefallenen 
Mitbürger nidye von den Feinden erbitten, ſondern mit 
dem Schwerte in der Fauft erfechten wollten, und daß 
kurz nach der Schlacht alle ihre alten Bundesgenoffen, 
die Tegeaten, Korinthier, Sifyonier, Achaͤer und viele 
andere Städte mit unermüdetem Eifer ſowohl Man 
ſchafft als Schiffe ergaben *). Nichts deftomenige 
verfichern alle **), daß die Spartaner bey Leuktra viel 
tiefer gedemüchigt worden, als die Achenienfer ben Aegos 
Potames, und daß diefe Niederlage ihre Herrfchafft fo 
wohl zu Lande als zur See auf ewig zu Grunde gerichtet 
babe. Die Urſachen diefer ſchrecklichen Folgen eines faſt 
zweydeutigen Treffens’ waren nicht die Thebaner, fondern 
die Uthenienfer. Denn ungeachter diefe F) ſich über den 
Sieg der Thebaner fo wenig freuten, daß fie gegen ten 
Boten, der ihnen die Nachricht davon brachte, nick 

eis 

















hingegen, welche mit bem Leben davon gekommen wu 
ren, (lichen mit niedergefenftem Blick und im Schu 
ze ber tiefften Zranrigfeit umher. Xenoph. p. 398. 
Nach dem Diobor fiel diefe Schlacht bey Leuktra in du 

. vierte Jabg ber Iozten Diymp. Nach der Erzählung 

des XRenophon hingegen kann man nicht anders fchließen, 
“ale daß fie gleich in demfelbigen Jahre, in welchem du 
Friede zwifhen den Spartanern und Arhenienfern za 
Stande fan, geltefert worden fey. Mean ſehe Chron, 
Xenoph. Hutchinf, ad Ol. 102. I. 

%) Xen.1|.c. p. 397. 399. Diodor, ber wahrfcheinlich dm 
Ephorus folgte S. 50. verfihert, daß von den Spa 
tanern viertaufend gefallen wären. Er bat aber nich 
bloß den Zenophon, fondern auch den Plutarch gegen 
jih, weicher fagt, daß nach der Zählung dee Cpami 
nondas etwas mehr als tanfend todte Spartaner auf 
den Schlachtfelde wären gefunden worden. VI, 73c, 
Apophteg. l.acon, 

**) Xen. VII. x. lioer. 1. 210. 

+) VI. 4. p. 400. 5. p. 408. 9, Xen, 


Besikienin O o 8; Sg Dl.io3. 955 


mat, die Pflichten ber Saftfeeumpfehafft ausüben: - fo 
ten fie doch den Sieg' beffer, als die Ueberwinder 
fi. Sie vergaften jezo den Spartanern, mas biefe 
rmals an ihnen ausgeübt haften, und fchickten. Ge⸗ 
ıdte im Peloponnes umber, welche die Heloten ımb 
undesgenoffen der Spartaner zum Abfall reisten ®). 
fe erfüllten die Mächtigften unter den Leztern, die Ars 
ver und Arfadier, mit einer folchen tiebe zur Freyheit, 
d einem folchen Haſſe gegen die Spartaner, daß fie 
jar die Thebaner wider ihren Willen beredeten‘, mit 
ıen das kafonifche Gebiet zu verwuͤſten, das feit fünf 
ihrhunderten von feinem feindlichen Fuße betreten wors 
awar. uch arbeiteten fie aid allen Kräften baran, 
E die Erbfeinde ver Spartaner, Die Meflenier, nach 
ver faft drittehalb hundert jährigen Entfernung von ih⸗ 
n väterlichen Beden in die falt verfchmundenen Ruinen 
r Size ihrer Vorfahren zuruͤckgefuͤhrt wurden »). — 
es 








>) vn. 2. p. 400. 
“) Xen. VI. 5. p. 518. 520. 22. 33. inp. in N Ageh © 2. 
$ 24. p. 491. Plut, 11,371. 18, in Pelop. 17. Apöphth, 
"VI. p. 733. Diod. 51555 p. Ueber biefe 598 
* Facta finde ich in den Geſchichtſchreibern große Abs 
. weihungen. Bon dem Verfahren der Athenienſer füs 
‚gen alle übrige Schriftfleller, außer dem Kenophon, 
- gar nichts. Diodor fezt den Einfall des Epaminondas 
: ja das Spartanifche Gebiet in DI. 104. 4, und fagt, 
dag er nur soooo Mann bey fi) gehabt habe. Plus 
tarch hingegen ſchaͤzt das Heer der Thebaner arıf ones 
vo. Manu, und erzählt, daß der Sieger bey Leuktra und 


lop. l.c. Zenophen endlich fezt’diefen Einfall zwar 3 
n daſſelbige Jabr mit der Schlacht bey Leuktra, allein 
inem Seugniffe nach rieth der Ayrem Jaſon f ans 
—8 unge 


ſein Freund Pelopidas gleih nad dem großen Siege 7 -- 
"in das Spartanifche Gebiet eingefallen. fenen. in Pe ..: 


un 


ns aees Buß Erf Rapid, 
Der Sieg bey beuktra erfüllte alle Orhechlfehen Vhi⸗ 


Ze ker mie ehrfurchtsvoller Bewunderung und Liebe gegen 
.die Ueberwinder der Tyrannen, die man für unüberwinte 
Mich gehalten Hatte, und mit einer fo großen Freude über 


ine kurze Zeit. Die meiften fingen bald an, von bei 


Sieger der leztern gar Feine Rechte der Obern 
" , : gedßerm Grunde, als bis Thebaner, auf di⸗ 
in Griechenland Anfpruch machen zu fünnen. ‚Solche S 

ſinnungen hegten bie Arkadier, die unter dem ykomcha 
Duinkelheit empor arbeiteten, und auf dem Schaupic 


| shehr aber Zafon, Beherrſcher von einem großen Their 
von Theffalien, der ſchon alles Bas im Sinne har, 


keinem von ihnen weder an Talenten, noch an 


Ä 


ihren Beſchuͤzern und Fuͤhrern, folgten ®). 7 ein * 


windern von Griechenland und Aſien zuvorgefommen 


bie unerwartete Exrettung aus ber Knechtſchafft der’ ia | 
Fedämonier, daß fie alle freymwillig den Thebanern, di | 











fee Taumel-von Berounderung und Freude Dauerte u 


Thebanern eben das zu fürchten, was fie von den &pen 
Sanern gelitten Hatten, ober doch zu benterfen, Baß-bk 


* 





haͤtten. Andere glaubten ), mit eben fo vielem ober * 













einem ehrgeizigen Manne, ſich auf einmal aus Keik 
von Griechenland eine glaͤnzende Rolle ſpielten 7): 


was Philipy und Alexander nachher ausfuͤhrten, der auch 
etwas nachgab, und der alſo wahrſcheinlich den Ueber⸗ 


waͤre, wenn er nicht durch Meuchelmoͤrder an ver Beb 
lendung feiner großen Entwürfe märe gehindert wer 
den 





u En mu 


fangs von biefer Unternehmung ab, und fle ließen #6 
erft eine gute Zeitlang nach dem Treffen von den Ark 
| diern, Argivern, Ellern dazu bereden. 
®) Xen. VII. 1. p. 405. Plut. II. 371. in Pelop. 
®*) VII. 1.447. Xen, 
4) VII 1. p. 445. Xen. XV, 49, Diodor, N 


u MaRuE: > 7 Be 
Seſchichte von’ Ol. 98 2. Bi8 DI. no. 557. \ 


n ). Die Thebaner wurden daher gleich im-folgen 
n Sabre von dem groͤßten Teile ber Städte und Bob - . 
, die von den Spartanern-abgefallen waren und fih 
erft in ihren Schuz begeben hatten, verlaffen, und 
m Fonnte mit Mecht von ihnen fagen, daß fie bey - 
HEcra mehr die Herrſchafft ver Spartaner zerftört, als. ; 
ihrige gegründer hatten. Alle Mittel, bie fie. am ’ 
mbten, um ein folches Anſehen zu erlangen, als bie ' 
partaner gehabt hatten, waren fo übel gewählt, Daß 
gerade ihren Abfichten entgegengefezte Wirfungen her⸗ 
ebrachten, und fichtbarlich Mienfchen verrierhen, die. 
) in ein großes unermwartetes Gluͤck nicht zu finden 
ıften, und die niche nach reiflich erwogenen ‘Planen, 
idern nach augenbliflichen Einfällen handelten. Nihe . 
6 bloß ungänftige unvermeidliche Umftänbe, fondern 
rzuͤglich die Denk und Gemuͤthsart ihrer Fuͤhrer, und 
Sitten und Verfaſſung des Volks waren Die Urſachen, 
ß die Thebaner das ohnmaͤchtige Griechenland ſich 
he unterwarfen, und auch nicht Die Oberherrſchafft in 
r Bedeutung gewannen, in welcher bie Athenienſer 
d Spartaner fie viele Jahre befeflen Hatten. 

Die Thebaner legten fich freylich, gereizt Durch bie 
enfpiele des Pelopidas und Epamitondas, noch vor, 
ı meiften aber nach) der Eroberung von Kadmea, mit 
em viel grbßern Eifer auf alle Arten von oymnas '_ 
chen Kämpfen und Eriegerifchen Borübungen, als iv . 

| gend | 


| |  y ne TTS en 








®).Xen. VI. 1. p. 357,65. Er hatte ein viel größeres 
Heer zu feinem Befehl, als weder Philipp noch Ales 
zanber gehabt haben: achttaufend Reuter, zwanzig⸗ 
taufenb ſchwer bewaffnete Krieger, und leicht bewafo /⸗ 
netes Fußvolk in einer folhen Menge, daß man, wie" 
Eenophon fagt, alle Völker damit hätte bekriegen koͤnnen. 
. WEATASIKOV Ye jumv Inoeroy TTEOS mavras aydoo °” 


aas TITEYINvOh. 


Den ns aan in Dee) 
a ft > 
ffung war in eine unbändige Ochlokrati⸗ 


6) Kenoph; VI. p. 419. Diod. pafim, Plı 
361» 


4 

“+, Dies zeigt die ganze Seſchichte der Ver 
Kadmea an die Spartaner, und auch der 
zung der Thebanifchen Burg, Denn ohne 
che Schwelgerey des Archias und feiner ® 
de Xheben nie von dem Joche biefer Tyra 
worden fepn. Selbſt die zaͤrtliche Verbin 


Geſchichte von Ol. 98, 2. Bid Ol. no, 3. 559 


{8 zur Wuth eiferfüchtiger Poͤbel geben Fonnte, ihre 
Wuͤrde nicht mitten in einem feindlichen fande, zu der 
en vorgefchriebenen Zeit niedergelegt hatten *). Eben 
iefe Verderber des Volks Flagten den Helden, der die 
Spartaner bey Leuktra zu Boden gefchlagen, und faſt 
ertilge hatte, eines feindlichen Berftändniffes mit den 
jeinden an, und entfezten ihn durch den neidifchen Poͤbel 
mich wirklich feiner Feldherrnſtelle: eine Ungerechtigkeit, 
vodurch fie fich ſchon früher ihren Untergang hätten zuzie⸗ 
Yen konnen, wenn nicht Epanimondag eben fo fanft gegen 
eine Mitbürger, als feinen Feinden furchtbar geweſen 
Räre, und dem undankbaren Baterlande auch die Fräns 
endſien Beleidigungen leicht verziehen hätte **). Ein 
> ausgelafienes Volk nun mit folchen Sitten und einer 
chen Negierungsform, als die Thebaner hatten, konnte 
⁊woͤglich eine große und dauerhafte Macht erhalten und 
Daupten, weil ed weder Klugheit noch Billigfeit genug 
atte, fein Glück zu nuzen und zu befefligen. Selbſt 
S banyden außerordentlichen Männer, denen Theben, 
ach dem Urtheile aller alten Schriftfteller, feinen vor» 
ergebenden Glanz zu verdanfen hatte F), befaßen nes 
on den großen Borzügen und Tugenden, wodurch fie 
dre Mitbürger und Zeitgenoffen fo weit übercraffen, doch 
Kejenigen Talente nicht, die dazu nöthig geweſen wären, 
Re Folgen dee Sittenverderbniß, und die Mängel der 
Berfaffung ihres Volks wieder gut zu machen. Pelo⸗ 
idas und Epaminondasd waren beyde eben fo nüchtern, 

ents 








®) Plut.).c. Corn. Nep. in Epaminonda c. 7.8. Wenn 
Epaminondas fih mit den Worten, die ber lezte 
Schrififteller anfuͤhrt, vertheidigt hätte; fo wuͤrde er. 
fih unftreitig zu viel angemaagt Haben. 

#*) Plur. |, c. & Diod.p. 59. 

+) VI. 41. Poiyb. Corn. Nep. « 10. 


X 


®) Ueber die Charaktere biefer bepben Männer fl 
Pelopida II. 331.365. 377. Xen. VIE 
502. 508.509. Diod. XV. 44.48. 59.:64 
Nep. in Epam. bef. c. 2. in Pelop. 2 & 3 
achiet Pelopidas eim großes vätcrliches We 
te; fo lebte er doch eben fo einfach, als & 
der bey aller feiner Armuth den Beyftand fi 
de nur für andere brauchte, wenn er nämli 
fangenen Bürger loskaufen, ober eine edlı 
Jungfrau ausflatten wollte, Plut, II. 331 
Nep. c. 3. Die Einfalt und Genägfamfe 
minondas läßt fih am meiſten daraus abnel 
er nicht mehr als funfzig Drachmen zu fein 
in den Peloponnes aufnahm, in melden e 
here mit einem Heere von mehr als fünf 
Mann einfiel, Plut. Apophtb. VI. p. 73C 
feine ganze Equipage nur in einem Keffel 
Mpieß beftand. Frontini Stratag. Lib. IV, , 
glaube, daß man den Epaminondas mit kei 
berühmten Manne fo richtig, als mit d 
Scipio vergleichen faun. Er mar eben fo 
unbeſtechlich, eben fo aufgeklärt und beret 
heiter uud wizig, endlich ein eben fo treue 
nehmer Zreund, als der Roͤmiſche Held. A 
dieſelbige Groͤße ber Seele, eben das untr 


Gefchichte von DI. 98, 2. bis Ol. 110,3. 561 


fie verftanden nicht, wie Themiftofles, Ariſtides, Kir 
mon und Perikles, die felrene Kunft, Menfchen und 
Bölfer zu regieren, und die Größe eines Staats auf 
eine dauerhafte Art zu befeftigen *). Alle Unterneh⸗ 
mungen, wodurch fie ihre Vaterſtadt zur Beherrſche⸗ 
einn von Öriechenland erheben wollten, waren entweder 
fur? , oder fielen gar zu ihrem und ihrer Mitbürger 

erderben aus. Die lehrreichen DBenfpiele der Athe⸗ 
nienſer und Spartaner waren für fie Feine Warnungen, 
und fie machten eben die Fehltritte, wodurch diefe Voͤl⸗ 
fer ihren Untergang befördert hatten **). Epaminondas 
erweckte ben Thebanern gleich dadurch viele Seinde, daß -, 
er auf feinem Zuge in den Peloponnes mehrere Städte, 
De nicht im Spartanifchen Gebiete waren, entweder 
mit Gewalt einnahm, oder ihnen nachftellte, und ihre 
Welver verwüftete 7). Anſtatt die Zahl diefer Feinde zu 
Bermindern, vermehrte er fie durch einen jeden Schritt, 
Ben er in der Folge that. Er zwang bie Achaͤer mit 
Wewalt, Bundesgenoſſen feines Bolfs zu werben, und 
Kachte fie dadurch den Lakedaͤmoniern geneigt, und von 
Sen Thebanern abwendig FF). Er reiste die Achenienfer, 
‚Bie:er hätte fchonen ſollen) dadurch, daß er den armen, 
Peder handelnden noch Funftreichen Theben, ben ſeltſa⸗ 
‚men Rath gab, fic der Herrfchafft der See zu bemaͤch⸗ 
un tigen, 









[| ++“ 





Ve . " 
8) Sch weiß zwar, daß viele ben Epaminondas für einen 
der größten Feldherren und Staatsmaͤnner der Griechen 
gehalten haben, Ael. VII. 14. allein biefem Urtheile 
kann Fein Bewunderer des Epaminondas, wenn er 
zugleich ein unparthepiſcher Geſchichtforſcher iſt, bey⸗ 


ſtimmen. 3 
#4) Iſoer. I. 254. Epiſtol. ad Pbilip. 


+) VIEL. ı. p. 443. 
77) Ib. 456. & fq. 


Zweyter Band. Nn— 


1 
‘ 


X 


|  Stabt french feinen Volke das gl Diiegki 
zeichen , und für die Spartaner das -fchimpflichite Deus 


Krieg zwiſchen beyden Voͤlkern verawigte **). Epan 
nondas war ed endlich, der auf die Bitten einiger Is 
kadiſchen Räuber, die ſich färchteten, von den aus Dep 

eritwanbten heiligen Schäzen Mechenfchaffe zu geben, a 


vorſichtige als a te Handlung verviech er ak 
jeden feine Abficht: Die Ausföhnung dee Arkadier i 


gen gegen einander aufzuhezen, damit fie fich einal 


sn > ME Eee 


gen, Triegeſchiffe autzuräffen, "und ie reichen Kirfag: 
ao Gräe, ie den 2 * Tribut Sagt, 08, 
anterwürfig zu ma Er war es e Wieda⸗ 

bauun Sn Mefene am meiften beitieb, und. in dig 
















mal errichtete, aber auch eben dadurch Feindſchafft ug 


moͤchtiges Heer in den Peloponnes führte, ungeaf 
alle Arkadler erklaͤrten, baß'fie feine frembe Külfe 
Bermittelung brauchten. ‘Durch ‚biefe eben ſo 


einander, und mit den Eliern zu hindern, ober gu-W 
nichten, und die Einwohner des ‘Peloponnes nur deh i 


aufreiben, und den Thebanern nachher eine deſto fe 
tere Beute werben möchten. Er bewog dadurch bie 
kadier, Achaͤer und Eher, um deſto fchneller ford 
unter einander, als mit den Lakedaͤmoniern Friede | 


r 


’ 


r 








®) Ifoer. 1. c. Diod. p. 64. Diodor erzähle, daß Epmb 
nondas dem Arhenienfifchen Befehlshaber Laches du 
folde Furcht eingeiagt hätte, daß dieſer ein Treffen a 
geiehne habe. Plutarch hingegen verfichert , dag Em 
minondas eben fo wenig als nachher Philopenee 
»Gluͤck zur See gehabt hätte. in vita Philop. p. 645.0 
Eben diefer Schriftfieller merkt an, daß einige das 
einge Gluͤck des Cpaminondas von dem Worfaze ap 
leiter hätten, feine Mitbürger vom Seekriege eher de 
zuſchrecken, ald dazu aufzumuntern. 
”) Diod, p. 55. . | 


/ 


Geſchichte von Ol. 98, 2.56 DL 1io, 3. 6% 


hließen; brachte ganz Griechenland wider fich anf, und. 
urbe zur Schlacht bey Mantinea gezwungen, in: weils! 
er er fein teben, und fein Vaterland den größten Theil; 
8 erlangten Ruhms und Anfehens verlor.*). Noch 
iſcher und haftiger, als Epaminondas, war fein Freunb 


ud des Theilnehmer feines Ruhms, Pelopidas. Dies. 


= unrubige Held brannte vor edlem Wetteifer, und vor; 


Begierde, irgend einen Schauplaz zu finden, auf weile! 
Ben er alle feine Kräfte.und Tugenden anfpannen und‘ 
Eigen, und folche torbeern erlangen koͤnnte, ale Epami⸗ 
wndas im Peloponnes gefammlec hatte **). Diefe 
une Wuͤnſche wurden durch die Geſandten vieler Theffas 
ſchen Städte erfüllc, bie fich wider den unmenfchlichen 

Beannen Alepander , von welchem fie gedrückt oder bes: 


best ‚wurden, Hülfe von ben Thebanern ausbaten;: 


elopidas beredete feine Mlitbärger , ihn mit einem ans’ 
Irulichen. Deere nad) Theffalten zu fehicken, um, wie er 
gte, den Griechen zu zeigen, daß die Thebaner mie: 
w edeiften Uneigennügigfeic zu eben der Zeit, wo bie 
>ypartaner den Dionys von Sicilien, und bie Acheniens 
> den Alexander zu ihrem Bundesgenoffen angenommen 
teten, ihr Blut für die Freyheit ihrer Bundesgenoffen 
afopferten. Er entriß auch wirklich dem Theflalifchen 

Pin 2 Wir: 








— — 





EDER» 





— 
‚®) Xen. VII, 4.5c. ©. 496:507. Die Zeit einer jeden 
ber bisher erzählten Begebenheit laͤßt ſich nicht genau 
beſtimmen, da Divdor einiger gar nicht erwähnt, und 

in Anfehung anderer nicht mit dein Kenophon uͤberein⸗ 
fimmt. Sie fallen aber alle zwiſchen DI. 1o2. 4. und: 

DI. 104. 2. Entweder Epanıinondad oder Pelopidag 

war ed, der Euboea verwuͤſtete, den Megarenfern. 
brohte, und ben chenienfern eine Stabt auf eine vers 


raͤtheriſche Weife abnahm. Iſoer. l. e. & Diod, ad Ol, , 


103. 3. Aefch. adv. Ctei. p. 286. 


0) Plut, in Pel. IL. p, 392,396. Diod, p. 55,65, Com. 


Nep. in ej. vie, 


‘ 


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N 


364 achtes Buch. Erſtes Capital. Bu 


Wuͤterich einige Staͤdte, und drang felbft bis in Mae 
bonien vor, wo er in dem zerrücteten koͤniglichen Haufe 
Friede seleber herfiellte, und zur Deftärigung befleben | 

ſich den jungen Philipp und dreyßig andere vornehm 
Mafevonier als Geißel geben ließ *). Diefer ee 
luͤckliche Feldzug verwandelte aber ven Helden und See 
Deren in einen kuͤhnen Ebentheuer, Pelopidas ging wer 
Folgenden Jahre zum zweyten male, aber mur mit anti 
kleinen Begleitung von Freunden, nach Theffalien, in da 
Hoffnung, daß fein Name ihn ſchuͤzen, und allenthalm D | 
wo er erfchiene, . ein Heer um ihn verſammlen wir 
Allein er wurde, wider fein eignes und aller feiner Freu 
Vermuthen, vom Alexander aufgefangen, und ande 
halb Jahre in einem engen Gefängniffe gehalten, 1 
welchem er nur mic genauer Noth durch ein ſtarkes Ha 
unter dem Epaminondas erlöft wurde"). Nach ſa 
Defrenung b dachte er durch Unterhandlungen bas Mr m 
winnen, was er durch das Gluͤck der Waffen nicht het 
erlangen fönnen. Er trat eine abentheuerliche Ref 
den Perfiichen Hof an, um durch deffen Benftand fe 

Baterftadr die Oberherrfchafft in Griechenland zn w 
fchäffen, wie Antalkidas gethan hatte Er eriani 
vom Perfifchen Könige alles, was er gewuͤnſcht ha 
und brachte einen Srieven nach Griechenland rien 
nach welchem die Epartaner Meffene für frey erfläng in 
die Achenienfer alle ihre Kriegsjchiffe abtakeln, und wer 
die einen oder Die andern Diefe Bedingungen nicht erfib 
len würden, alsdann alle Griechiſche Staaten verbuna |. 
ſeyn jollcen, ihre Waffen mic den Thebanern zu vera 
gen, und diefen als ihren Führern zu folgen. Nuke 
Ueber 



















®) Plut. J. e. Diod. p. 55. ad Ol. 102. 4. 
**) Diod. p. 58. ad Ol. 103. 1. 2. 


H VIE. 7. Xen. 451r455. Plut, II, 386. Diod, p. & 
ad Ol. 103. 3. 








Geſchichte von Ol. 98, a. bis Ol. no, 3. Ss 


berfegung, und noch mehr die freyen Neben, welche 
Gefandten der Athenienfer ſowohl, als der Arkadier 
ft, am Perjifchen Hofe führten, hätten ben Pelopis . 
F Überzeugen müflen, daß der Wille eines Königs, 
ſen Schwäche alle fannten, und der unaufhorlich mit 
t eben fo vielen abtrünnigen Satrapen zu friegen hatte, 
ihm treue anhingen, jezo nicht- mehr den Gehorfam 
Sriechenland finden würde, womit man ihn noch vor 
rigen Jahren erfüllt harte. Alle Staaten weigerten 
bartnäcig, den Frieden des Pelopidas zu unrerfchreis 
; und fegterer mufte daher zu feinee Kränfung und 
ſchaͤmung erfahren, daß. fein Unfchlag auf die Herr⸗ 
fft von Griechenland nicht nur vereitelt‘ wurbe "), 
yern daß er auch ftatt Ehre und Mächte Haß und 
sachfung eingeerndtec hatte. Pelopidas überlebre dies 
unglücklichen Ausgang feiner Unterhandlungen nicht 
e. Denn als er zwey Jahre nachher einen drittem 
Jug gegen den Ulerander unternahm, und: diefen feis 
Feind an der Spize feines Heers erblickte, wurbe er 
feiner Hize fo ſehr Hingeriffen, daß er mit einer, 
r eined gemeinen Soldaten, als eines großen Felbs 
n würdigen Seftigfeit, den Theffalifchen Tyrannen 
mitten unter feine Krieger verfolgte. Pelopidas vers 
barüber fein leben, das er noch lange hätte frifteh, 
feinem Vaterlande auf mannigfaltige Art härte 
ich machen fünnen **). | 
| "NMn3 Die 











Xenoph. p. 455. 

) Diod. p, 65. ad Ol. 104. 1. Nichts iſt ſchoͤner und 
ruͤhrender, als die Plutarchiſche Beſchreibung der tiefen 
Betruͤbniß, welche ſowohl die Thebaner als Theffalier 
bey dem Tode des Pelopidas ergriff, — unb der Eh⸗ 
tenbezeugungen , bie Ihm von beyden erwiefen wurden, 
H, p. 393395. Es ſcheint aber öde 

tar 


Dald nachper ) fehloffen die Achenienfer, 

ae ein eben fo liches als wohln 
ei 2 worinn fie kraͤftigen Beufkanb. 

.. Bebilgung verſprachen, daß ihre Sei 
weiſe mit den Spartaniſchen das fe ( 
"führen follten. Als die tafedämonier vie 4 
und ihnen überbem noch freywillig die, Der 
See abtraten **); fo leifteten fie treuich 
en hatten, und erlangten durdy die € 
eldherren faft eben die Macht und das Anfı 
was fie unter dem Perifl es beſeſſen Hatten. : 
‚größere Tugenden, ald woburch bie Athenien 
‚neuem auftichteten, entgingen Die Spartaner 
B ung. Denn amgeachtet fie i 








Geſchichte von Ol. 98, 2. bis DI. 110,3. 367 


festen Kraͤfte zufammen, um die Tihebaner wenigſtens 
bon ben väterlichen Wohnungen und Gräbern zuruͤckzu⸗ 
cen, und fchlugen auch wirklich zweymal, zum Er⸗ 
asınen von Öriechenland, ihre fiegreichen Feinde zuruͤck, 
bie den Bortheil der bey weitem größern Zahl, und das 
leztemal auch des Plazes harten *). Wach diefer wun⸗ 
Derbaren Errettimg wurden die Spartaner frenlic) noch 
einigemale von den Thebanern ſowohl als Arkadiern übers 
wunben 9; allein fie ließen fich dennoch durch afle dieſe 
Niederlagen nicht bewegen, mit dem gegen fie errichteten 
Meſſene Friede zu machen 7). Ihre Standhaftigkeit wur⸗ 
de ihnen auf eine Doppelte Urt belohnt: zuerſt durch einen 
Bon ihrer Seite ganz unblutigen Sieg über die Arkadier, 
Moovon die Nachricht allen Bewohnern von Sparta vom 
Ken Könige Agefilaus, den Ephoren und Geronten an, 
auf den gemeinften Bürger, Freubenthränen auss- 
Xxeßte TI), und dann durch die Ruͤckkehr der Arkadier, 
Achaͤer und der übrigen Städte des Peloponnes, welche 
e Thorheit der Thebaner wieder in ihre alten Verbin⸗ 
"ungen hineintrieb. 


Die übrigen Griechifchen Städte, weit entfernt 
Ruıec) den Frieden zwiſchen ben Spartanern und Athe⸗ 
wienfern, der ihnen ihre Freyheit wieder fchenfte, ober 
durch den Fall der Spartanifchen Herrfchafft glücklicher 
6 ruhiger zu werden, murben vielmehr in innerliche 
Kriege und Yufrühre hineingeworfen, die viel fürchterlis 
eher, als die bisherigen Unterdruͤckungen waren. Allent 
halben waren Nachbaren gegen Nachbaren, Bürger ges 
ges Bürger, durch wechſelsweiſe ausgeübre und gelittene 

Nu 4 | und 





%) Ib. 
“*) Siehe bef. VIT. 4: p. 491. 
7TyV VIL 4. p. 482. Xen. 

th Xen, Vil, 4. p. 482. 


6 Achtes Buch. Erſtes Eapitel. 


und feit Jahrhunderten aufachäufte Gewaltthärigkäten ii 
fo jehr gegen einander erbittert, daß fie mir unnnenfchlis 
cher Wildheit über einander berfielen, jo bald bie Macht | 
zu Boden ſtuͤrzte, wodurch fie bisher waren im Zamme |H 
gehalten werden *), In allen Städten murven bi |r 
reiten unt größten Männer, welchen die Spurtane Ir 
die yochfte Gewalt übergeben hatren, als Berrächer de Ir 
Volks verjage oder ermürgt, und die meilten Gegente |r 
wurden daber mit eben jo vielen Flüchtlingen angefüßt, |» 
als fie jelbft Yürger vertrieben hatten. In Arkadie Ir 
Fofteten die Verſuche, eine republifanifche Negieruns Ir 
form einzuführen, über vierzehn Gundert Menſchen dei I; 
teben,, Diejenigen nicht einmal mitgerechnet, bie ihr Voſi 
terland meiden muften; und in Argos war ber flärfer |, 
und aus feinen Banden losgelaflene Pöbel fo vafenı Hı 
daß er ſechszehn hundert der erften Bürger meiftens wei 
ter den graufamften Martern umbrachte, und zulezt mel 
zunehmender Wuth fogar feine Schmeichler, die Dem— 
gegen, verzebrete, von welchen fein Blutdurſt zuert 
war gereist worden **). Ganz Öriechenland verfaf 
alte nach ter Schlacht bey Seuftra in einen anarchiichen 
Zuſtand, morinn weder die Nechte der Menfchlichkei, 
noch die Geſeze des Krieges gejchont und beobachte 
wurden. 

Das Treffen ten Mantinea, in welchem faft uf 
Griechiſche Völker gegen einander fochten, änderte mb 
befferte in ihrer Lage nicht allein nichts, fondern brade 
noch aroßere Unrusen und Verwirrungen hervor, al 
wodurch fie verher waren gerrättet worden FT). Va 











dieſe 

*) Xen. V. 4. 345. VII. 1. p. 456. & ſq. c. 4. p. 48 
Diod, p. 33. 
##) Diod. p. 48. 


49. 
}) Xen. I. e. p 5ı2. Diod. p. 69,72. Diefe Edi 
fiel DI. 104. 2. vor. 


> @efgige de von SI. 98,2. bis Dt: a0; 3 sw. 
e Schlacht glaubte men- allgemein, daß fe 246. 
Schickſal von Griechenland auf immer:entfcheiden, mb : 
le Alebertgunderien vem Sieger‘ imtermerfen wuͤrde M 
Sein man-bachte nicht daran, daß fie wenig encfche - 
end,  ımb der Sieg fo wankend bleiben Eönnte, al. 
birklich geſchah. Epcaminondas that alles, was man 
wei einen großen Felbherrn und einem tapfern Krieger - 
rwarten Eonnte: et brachte mit dee Schaar, womit & 
mf die entgegenftchende Schlachtorbnung ſtuͤrzte, die 
eztern zum Weichen; allein die toͤdtliche Wunde, die 
r empfing, ſchien auf einmal bie Sinne aller Thebaner 
1 betäuben, und ihre Arme zu laͤhmen. Das Fußvolk 
ieb wie verfteinert auf dem Plaze ſtehen, den es ger 
bönnen hatte, und nicht einmal Die Reuterey Dach , 
heran, den fliehenden Feind gu verfolgen ""). Diego 
agenen Haufen fehöpften daher allmaͤlich Mur, 
inleten fich wieder, erhielten Fleine Vo il und 
reeichteten ſogar ein Siegeszeichen, welches bi 
Kr Richt binderten , woil fie eben ſowohl als die Spar 
und ihre Bundesgenoſſen um die Auslieferung 
ber Todten bitten muften. Bald nach diefem.Zrefien 
loſſen die Sriechifchen Staaten einen Frieden, bee 
wWer weder allgemein noch dauerhaft war, Die Spar 
ner weigerten fich, die Waffen nieberzulegen, fo lange 
effene noch ſtuͤnde F); und die Achenienfer ‘übten fos 
vohl in Arkadien als in Korfyra Gewaltthaͤtigkeiren 
is m. | 
Mit dem Ausgange der Olympiade, in weicher 
ie Griechen bey Mantinea Iren, fchien fich alles zu | 
‚sing, einer . : 


nn N +" 






—. 
.*) ıb, | . ” “ 
#8) 508» 512. Xen, I. c W 


+) Diod, p. 73. | 
m Ol. 10» 3 &4. Diod, re Fe 











- ®, Ifoer. ad Philipp. I. 243. 47. | 
Xen. in Ageſ. ec. 2 $. 24. p. 491. und Ari, de Ch, 
‚2.7. p.191. To yao & duyauerns Tas Xu 

‚Yudıss IHKs TesDesv cu KEVTOCHCTIBS , KM 


“#) 








| ORAITAS TEIS MULIBS, ade XAsos To Frn% 


naar. — MIRV Yap RANYWEX UMDEIKE FT 
As, A aModero dıw TW oA ya em. 
Eigentlich ſtuͤrzte nie die Schlacht bey Leuktra ie 
Spartaner —— —— die Laſter, mi 
fle worker gefallen waren, und bie Unger tigkelte, 
bie ie ausgeübt hatten. “ 


Seſßchahte von DU’IE aD DE N,3. 1578 | 


‚men Mitlelden mit ihnen teng:. Sie wurden vielmgfe 
‚wegen ihrer vormals ausgeuͤbten Grauſamkeiten fo allga⸗ 
mein verhaßt, und gefürchtet, daß man glaubte, fie 
‚würden mit zunehmenden Kräften auch ihre alten An⸗ 
- „fprüche und Maaßregeln erneuern *). Die Argiver hat⸗ 
‚sen noch mehr, als die‘ Spartaner gelitten; bemı-. ie 
waren niche nur durch beftänbige ungluͤckliche Kriege, in 
‚melchen bie Feinde faft alle Jahre ihre Felder vernh⸗ 
Het, ihre Bruchtbäume abgehauen und ihre Wohnungen 
;sanf dem tande verbrannt hatten, fondern auch bush 
moͤrderiſche Mufrühre, und durch den Berluft der ange 
4ıfehenfien Bürger geſchwoͤcht und aufgerieben worden-*?). 
ErDen Thebanern hatte felbft ihr anfcheinendes Gluͤck eine 
is aumerfeslichen Schaden zugefüger. Denn außer bes Gig 
m wblferung , welche felbft ihre Siege nach ſich sogen, , 
„waren fie mit bem. Hoffe Allee Griechen beladen, unp 
„nit einem verberblichen Lebermurh und Ehrgeize ange 
r fällt, der ihre Kräfte weit überfcheitt, und ihren Unter, 
ir gang nod) fehneller, als den ber übrigen Griechen bes 
fhleunigte }). Die Achenienfer endlich hatten freylic) 
ihre Herrichafft über die Inſeln wieder erhalten, und bes 
„faßen auch erfahrne Feldherren und Staatsınänner, ımb 
5 Wicht ungeäbte Krieger; allein die Berfaffung und Sit⸗ 
: ten des ganzen Volks waren zu unheilbar verdorben, als 
daß ihr Wohlftand Härte Dauerhaft ſeyn, oder fie ſelbſt 
am felche Unternehmungen hätten vehfen fünnen, zu wel⸗ 
k «chen außerordentliche Tugenden und anhaltende Am - 
ſtrengungen waͤren erfordert worden. Menſchlichem An⸗ 
Aiſehen nach war es aber doch immer noch glaublicher. daß 












79% Iboer. l. e. p. 251. 252. 
“*) Iſoer. l.e. p. 25% 


zu H ib, | \ 


er , . I 


572 Achtes Buch. Erſtes Capitel. 


Athen wieder zu ſeiner vormaligen Macht gelangen, 
als daß der kuͤnftige Herr von Griechenland in einem 
unbedeutenden Geißel erzogen wurde, der nicht einmal 
entfernte Hoffnungen zum Throne ſeiner Vaͤter hatte, 
und aus einem Geſchlechte abſtammte, das durch Mer 
chelmord und Verſchwoͤrungen faft ganz aufgerieben, 
und ohne den Denftand zweener edler Griechifcher Fels 
— vernichtet worden waͤre, der endlich unter einem 
olke war geboren worden, das bisher immer Parbas 
ren gedient und den Athenienfern Tribut bezahlt hatte*); 
das noch vor kurzem von einer einzigen Sriechifchen Stadt, 
bennahe aus feinen Graͤnzen verjagt **), von den raͤu 
berifchen Illyriern aufs Haupt gefchlagen 7), und vou 
den Griechen von jeher fe ſehr war verachtet worden, 
dag man es nicht einmal zu Sclaven tüchrig geglaubt 
hatte ff). Dieſer Fünfcige Unterjocher von Griechenland 
4 we 














2) Demoſth. p. 31. 66. Edit. Wolf. N 

“*) Xen. V. 2. p. 298. bie Stadt vor Olynth. 

+) Diod. p. 82. XVl. 

++) p. 48. Demofth. Die beyben Feldherren, deren ich in 
Kerte erwaͤhne, find Pelopidas und Iphikrates. Bon 
Zuge des Pelopidas nah Makedonien babe ich ſchen 
oben geredet. Zum Iphikrates, fagt Aeſchines de fil 
fa legat. p. 250. führte Euridice, bie Witwe des um 
florbenen Königes Amyntas, ihre Söhne, den Perdil⸗ 
kas und Philipp, und beſchwor ihn bey der Freund 
ſchafft, die er für ihren verftorbenen Gemal gehalt 
hätte, doch fie und ihre Kinder und ihr Weich gegen ei 
nen umngerechten Räuber zu vertheidigen. Geruͤhrt vor 
den Bitten der Königin, ſchlug und vertrieb Iphikra⸗ 
tee den Paufanias, der Auſpruͤche auf ben Scepter 
machte, und rettete alfo bag tegierende Haus vom ne 
ken Untergange. — Ueber ben Stammoater un» bie 
Gefälechtsfolge der Makedoniſchen Könige Iefe man 
den Herodot VIII. 1377139. Mit gropem Vergnuͤgen 

erwähn 


Geſchichte von DI. 98 2;:6i8 DL no, 3. 573 


war Phifipp von Mafedonien, der zweyte Sohn des 
Königs Amyntas, und eben der, den Pelopidas als 
Heißel mit nach Theben genommen hatte, und ber.jug, 
eich mit dem Epaminondas in allen Künften des Krie⸗ 
es und Friedens war erzogen worden. Wenn das, 
Stück diefen "außerordentlichen Mann auch darinn *) berr 
yänftigte, daß es ihn zu einer Zeit geboren werden ließ, 
vo die mächtigften Griechifchen Staaten geichwächt, ‚und. 
yegen einander aufgebracht, und eben deßwegen wenigen. 
fuͤhig und geneigt waren ſich mit gemeinichafftlichen Kräfsi 
ten ihrem Fünftigen Bezwinger entgegen zu ftellen; ſo 
feste es ihm auf der andern Seite faſt unuͤberwindliche 
Hinderniſſe entgegen, die nur Philipp allein uͤberſtei⸗ 
pen, ober wegräumen konnte. Seine ganze. Geſchichte 
ehrt, daß er feiner Klugheit, Thätigfeit, und Tapfer⸗ 
fie weit mehr, als unvorhergefehen glücklichen Zufällen 
u verdanfen hatte, und ihn kann man immer als eins 
we merfwürdigften Benfpiele anführen, wenn man bes 
veifen will, wie viel ein großer Kopf auch über die une 
inftigften Umftände vermöge. Ohne Philipp würbe 
Makedonien, wohin bisher faft Fein Strahl Sriechifcher 
Runft und Wiffenfchafft gedrungen war , noch w in 
‘ „ſeiner 








erwaͤhnten die Athenienſiſchen Redner des Stolzes ihrer 

Vorfahren, die den Perdikkas nach dem großen Dien⸗ 

ſte, den er den Griechen geleiſtet, nicht einmal das 

‚Bürgerrecht gegeben hatten p. 70. Demoltb, — Viel⸗ 

leichtedenft mancher, daß ber Perſiſche König auch uns 

. ter benen hätte genannt werden miffen, tie damals 

anf die Herrfchafft von Griechenland Anfpräche machen 

‘  Sonnten. Allein folche verweife ich bier nur auf den 

Iſokrates 1. p. 281. 282. und Diodor p. 75. 115. ©, 

Vol. 1, x 

#) Wie ſchon viele Schriftfleller bemerkt haben, Man fche 
unter andern Juß. VIM. ı. | | 


\ 


⸗ 


E ⁊ Piohle) ode 
iron —* — 








‚und ſie unterſoche y.anb bann ben König ber 


| die buch einen blutigen Sies pörigte, ihm ai 


sin ‚ bier von Mafedonien a 
Pe ben **). ek — waren fü 
n nur eig eiz un ternehmu 
Are wurde, wie —— 


und eine jede Eroberung 


863 }), mar die. Shuffe zu giner neuen, ad 
Veranlafimn, daß er an noch grüßere.umeb gefoͤhtl 
dochte. Ohne ſich an den mit den Athenienſern gef 
fen. Fri zu kehren, belagerte und nahm er. 

it, Potidaͤa, und Pydna weg, und fehenfi 
kegtere Stabt on dihnth —— jego noch zu. 
‚sig war, das er aber doc) gerne 





: wendig machen wollte T7). So wie Hilipp feinh 


Stoͤdte eroberte und zerſtoͤrte, legte er. 2 feinem, 


biete.neue an, ober erweiterte wenigſtens Die 


verfaufte die Einwohner bezivungener Städte nich 
mer als Sclaven, ſondern führte fie meiſtens ig, 
Reich, und wies ihnen neue Wohnungen an: eine Mi 
regel, die eine wichtige Miturfache der Entvoͤlkerung 
Griechenland, aber auch zugleich des unglaublich fh 
len Wachsthums und Flors des Makedoniſchen * 








0) Wie die Athenienſer, denen er gleich Amphipolis ab 
unm welcher Stadt willen er wuſte, dag fie einen 
. benbnber auf feinen Thron ſezen wollten p. 


, %#) DI. 105. 2. Diod, p. 84. 85. 


2) pP 3 
—* » 88. Diod, 105. Ol. 3. 


en 


Geſchichte von Ol. 98,2. bis Di.mo, 3. ' 377 


putede *). Schon im dritten Jahre feiner Regierung 
vergrößerte, ober erbauete er vielmehr Philippi, und 
ing an, die biöher fait ganz vernachläfligten Goldberg⸗ 
verfe zu bearbeiten, die ihm jährlich über taufenb Tas 
ente Goldes gebracht haben follen **). Die Ruhe und 
Sicherheit, welche ihm der Krieg ber Athenienſer, dies 
28 ihm immer furchtbaren Volks, mit den Bundesge⸗ 
roffen verfchaffte, nuzte er dazu, daß er Methone ers 
berte ***), daß er ganz Theffalien fich fo gut, als uns 
‚, indem er allen Städten ihm ganz ergebene vier 
Männer vorfezte 7), baß er endlich dren Könige, vie 
ſich wider ihn verfchworen hatten, die Könige der Paͤo⸗ 
wer, Thracier und Illyrier, fich zinsbar machte FF). 


Der Krieg der Athenienſer mit ven Bundesgenoſſen, 
jene hinderte, fic) den erften Unternehmungen Phi⸗ 
98 zu widerſezen, wurde Durch die Schwere bes Jochs 
reranlaßt, Das fie den Infulanern aufgelegt hatten , und 
Tür jedem Jahre noch unerträglicher machten. Die 
Edßten Inſeln und Städte alfo, die bisher den Aches 
Kenſern Tribut bezahle harten, verſchworen fich wider 
Dre Unterbrücer, und rüfteten mächtige Flotten aus, 
Sider weiche die berühmteften Feldherren der Acheniens 
Ey mit abwechſelndem, nie entfcheidendem Gluͤcke ſtrit⸗ 
| | te, 





amun 








XXECXE 


#) juſt. VIII. 5. 6. 

**) Diod. 1.c. Juſtin redet anders von feinen Bergwerfen, 
| als Diodor. Man fehe Juf. VII. 3. 
. 0) Demofth. p.4. Diodor p. 106. fezt die Eroberung von 
| Methone erſt in das 3te Jahr der 100 Olpmpiade. 
.4) Demofth, in Pbilipp. III. p. 48. Diod. p. 93. ad Ol. 
106. 4. erzählt die Sache anders, aber nicht fo glaub⸗ 

ti, als Demofthenes. 
++) Diod. p. 98. ad Ol, 106, 1. 


Zweyter Band, De 


ie ee di 33*8 
tan gegen biejankgen, bie fie Bare 
1: nur re ne 

ne 
Pe gelieenen , abet armen Bull 


R Satraven 
em nur Unterhalt fuͤr ſeine Völker zu fm 


858 — den —— 
wuͤrden di 
che auf dem en neigen 2 


Teen möffen, / w entweder nicht noch mel 


®) Diod. ꝑ. 97. H8. ‚Corn. Nep. in Timotheo e; 3 
vornehmſten — waren Sauos, — 
dus, Kos und Bpja 
6°) Demofh. in Philip. We r $3..de corone p. 
6er) Ifner, 1. 379. 424. 25; de Pack. 


en 


— 





Geſchichte von DU. 98, 2, bis Ol. 110, 3. 579 


Mac) diefem Kriege erhoßlten Die Achenienfer fich 
> unglaublidy geſchwind wieder, daß fie bald nachher 
ben fo große Heere und Flotten ausrüften und unters 
alten, eben fo große Werke errichten, und noch größes 
e Schaͤze ſammlen fonnten, als jie in ihren beften Zeis 
em gethan hatten *). Allein ein neuer Krieg, ber von 
en Griechifchen Schriftftelleen der Heilige genannt 
zird, hinderte fie, auf die gefährlichen Fortgaͤnge Phi⸗ 
pps Acht zu geben, oder fich ihnen entgegen zu. fezen. 
Die Urheber Diefes Krieges waren die Thebaner, welche 
en Gedanken, die übrigen Öriechen zu beherrſchen, niche 
aufgeben wollten, und das, was fie Durch offenbare Ges 
oalt nicht erreichen Fonnten , durch Lift zu erlangen 
uchten **). Sie fezten es im Rath der Amphictyonen 
ech, daß die Phocenfer, wegen gewiffer heiliger Län 
erenen, bie fie ſich zugeeignet harten, als Entweiher 
er Befizungen eines Gottes, und die Spartaner wegen 
er Wegnahme von Kabmea, als Störer der oͤffentli⸗ 
hen Ruhe, um folhe Summen geftraft wurden, die 
je beyde unmöglich aufbringen Fonnten. Durch diefe, 
enn auch nicht ungerechten, doch hoͤchſt unbefonnenen 
Lusſpruͤche wurden die Phocenfer in eine fokhe Furcht 
‚efezt, daß fie den Anfchlägen eines unternehmenden 
Mannes, mit Namen Philomelus, Gehör gaben, dem 
Kempel zu Delphi, von welchem vormals ihre Vorfah⸗ 
en die Beſchuͤzer und Vorſteher gewefen wären, zu bes 
ezen, und bie ungerechten Urtheile, welche bie Amphi⸗ 
tnonen über fie gefällt hätten, auszutilgen. Sie er⸗ 

hiten eben diefen Philomelus zu ihrem Heerfuͤhrer, 
und nahmen auch wirklich nach ber Unterſtuͤzung, Die ie 
02 n 


eo) Man (he meine Abhaudlung über den Luxus der Athe⸗ 
nienfer. | | 
“e) Jußin, VIII. & fq, Piod. XVI. p. 499. ad Ol. 106, 2. 





r) 


J 


pi I 
Fu le te Verfprechen fo lange, daß man ui 


F fein tafebämonier einer flrafbaten Gemeinfdyafft 


v 


re er 


; möchtigften Griechifegen Staaten, und ließ fie nicht nik 












in der Stille vom Yechldamus, Könige in Sparta, er⸗ 
Halten hätten , den Delphiſchen Tempel mit, Gewal 
‚ein. Philomelus erwuͤrgte bie vornehmſten und reichften || 
Einwohner in Delbhi, die ſich ihm toiberfezt harten, | 
und das Vermmdgent.der Erſchiagenen ſopohl als die ftat | 
fen Eonteibutionen, bie ee von ben übtigen eintvieb, fe] 
ten ihn in Stand, den fellen Kriegen, die damals In} 
ze Dienfte den Meiftbietenden verfauften, einen halbınil 
farkern Sold zugeben, als fie aaderswo erhalten Font 
- (tens ein Mittel, wöburch er bald viele Taufende zufah 
nen brachte *)., Er ſchickte zugleich Gefandten an 


.. yum Benftande eimlaben, fonbern auch feierlichft wei 

1 en, daß er bie —— Delphi nicht beruh 
"und die genaufte Nechenfchafft davon vor dein T 
Ieren riechenlanbe ablegen wolle, Der Phocen 


an der Aufricheigfeie deffelßen zwenfeln Fat 
Amb ohne Grund alfo klagte man anfangs bie Arhenie 


“Zempeleäubern und Schänbern ber Gottheit an, wel 
"fie einem Volke zu Huͤlfe eilten, dem man offenbar 
"recht gethan hatre, und das alle Nechte wieder gültig 
machen füchte ). Philomelus ſchlug ſowohl die tofı 
welche den Gott zuerft zu befreyen fuchten, als audit 
DThebaner, bie erft ein Jahr nad der Befezung des? 
pels mit allen ihren Bunbesgenoffen auszogen. 








) Diod. p. Ioo. 103 & 104. 
“ Philomelus war wenigfiens ein Jaht imBeftz des Tem 
pels, ehe er fih an den Schägen des Tempels # 
Diod, p. 104. ad Ol. 106.3. Un einet andern 
le p. 125. fagt Diodor, im MWiberfpruch mit fi) fe, 
— deldherr ſich ganz von dieſen Schägen enthih 
u habe. 


Geſchichte von Ol. 98, 2. bis Ol,no, 3 gu 


Sange nachher aber wurde das Haupt der Phocenfer vom 
den Thebanern plözlich überfallen, und felbft im Treffen 
getoͤdtet *). Der Tod diefes Feldherrn verfchlunmerte 
nichts in der tage und den Angelegenheiten der Phocen⸗ 
fer. Vielmehr war fein Nachfolger Onomarchus ein 
noch fühnerer und thätigerer Krieger, und erhob bie 
Macht feines Volks in kurzer Zeit zu einer ſolchen Hoͤ⸗ 
be, daß er den Fünftigen Bezwinger von Griechenland 
Haufen zu werfen, und fid) felbft die Herrfchafft 

über alle Bölfer zu- erwerben drohte. Onomarch ließ 
aus den filberien und goldenen Denfmälern in Delphi 
Münzen fchlagen, beftach damit die Haͤupter der vors 
nehmſten Staaten, und richtete Heere auf, dergleichen‘ 
‚nach Fein Griechiſches Bolt, und Fein Griechifcher Kd⸗ 
‚nig ind Feld geſtellt hatte. Er ſchickte feinen Bruder 
‚seit ſieben tauſend Mann einem Theſſaliſchen Tyrannen 
‚oa Huͤlfe, und als dieſer gegen den Philipp nicht Stand 
‚halten fonnte , brach er felbfi mie einem Heere von 
‚ehr als zwanzig taufend Mann nad) Theflalien auf**), 
Er uͤberwand den Philipp in zwoen blutigen Schlachten, 
Je brachte ihn fo weit, daß er faft von allen feinen 
tegern verlaffen wurde F). Endlich aber behielt doch 
die Klugheit und Tapferfeit des Mafedonifchen Königs . 
je Dberhand. Philipp bewegte die Theffalier, alle ihre 
Kräfte zu ihrer und feiner Vertheidigung aufjubieten, 
ind mit diefee Hülfe fehlug er die Phocenfer aufs Haupt, 
on, baß fechs tauſend Feinde, und unter diefen Onomars 
hus felbft auf dem Mage blieben, und ſechs taufend ges 
Angen wurden. Durch biefen Sieg rettete Philipp 


sicht nur fein Neich, fondern erwarb fic) auch den Ruhm 
90 3 eines 














”) Diod. p. 108. ad 106 Ol. 3. Juſt. VIIL ı, 
#4) &, 107. 109, ad Ol, 100. 4. 
+) Diod, I. c. 









si ea 


Anes Rãchers bet Gbtter, und eines 

tien en Ruhm, der ihm alle feine 
ar her Plden Miederlage Hätte mar. gi 

ach einer \ 
& fen, daß ein fo Kleines * als die Ph 
en 

a tel e 
* ‚ äufgetieben worben, Allein Piayllu 2 






5 Dienſte Te. 

En r auch die Urfache, 

; Pe aus welchen er und — 
hatten, um deſto geſchwinder verſiegte 

hielten es unterbeffen länger, als die Tpebaner und Di 
tier aus ; die benden legtern Völker waren burch Die Drat 
füle des Krieges, be Sefonders d ech die beftändigen An] 
fälle und Berpeerungen , welche die Phocenfer von bie 
in ihrem Gebiete eroberten Städten thaten und 
richteten, fo muͤrbe gemacht, daß fie endlich den 
Philipp zu Hülfe riefen }). _ Diefe Wendung der 
chen hatten die Athenienſer ſchon ange zu verpüten ( 
fucht, Sie waren die einzigen, die dem Philipp 
feinem Siege über den Onomarch das Eindringen 
Griechenland verwehrt FF), und die aud) nach ka - 








*) Diod, p. 110. und Juft, VIII. 2, 
®*) Ol. 106. 4. Diod. p. 109. 

#®*) Died. p. 109. 110. PM 106.4 & 107. 
H Died.p. 127. Ol. 108. 2. 

+h Ol. 107. 1. p: 110, Diod, 


Geſchichte von Ol.98, 2, Bid Ol. 110, 3. 583 


förung won Olynth, vom Xefchines und Demofihenes 
sewedt, alle Sriechifchen Staaten zur Vertheidigung 
Ihrer Freyheit gegen den gemeinfchafftlichen Feind aufge⸗ 
fordert hatten *). Allein die Achenienfer richteten nichts 
aus, teil bie vornehmſten in allen Stäpten, und ihre 
eigene Sefandten ſich an pen Philipp verkauft hatten""), 
Makedoniſche König rückte alfo unvermuthet im 
Brischenland und Das Phocenſiſche Gebiet ein, zwang 
den Feldherrn Phalaͤkus zum Abzuge, berebete alle 
Staͤdte, bie er nie mit Gewalt wuͤrde erobert haben, 
e freywilligen Uebergabe ), und zerftörte fis alle wider 
En gegebenes. Wort in wenigen Tagen. Er nöthigte 
Be Einwohner, bie er nicht wegführte, in Kleinen Doͤr⸗ 
ee gu wohnen, bemächtigte ſich der Stimmen, welche 
Die Phocenfer bisher im Rath der Ampphictyonen gehabt 
arten, und fogar. des Vorſizes an den Pythiſchen Spies 
fen }) oͤffnete fi) den Eingang in Griechenland, bereichers 
Te die Thebaner , und nahm den Athenienfern eine ber ftärfe 
ſten Gormauern , die fie fonft gegen ihn gehabt hatten TI). 
Durch folche Treulofigkeisen und Grauſamkeiten mürbe 
Gilipp zu einer jeben andern Zeit fich einen unauss 
Sfehlichen und ihm ſelbſt verberblichen Haß zugezogen 
haben; allein jezo brachten gerabe folche Mifferhaten in 
| 904 den 


Meo 


*) Demoſth. de falf. leg. p. 201. & Diod. ©. 124. DI, 
: a | 108. I. 
0) An der Beftechung bes Aeſchines und ber Abrigen Athe⸗ 
. nienfifhen Gefandten kann man gar nicht zwenfeln, 
wenn man bie Neben des Demoſthenes de felfa lega- 
tione und de corona gelefen hat, au fehe beſ. ©. 208 
bis 212. 218. 219. 222. 23, 28. Weines und feine 
Gefährten erhielten Geſchenke ans den Befizungen ber 
| Unglüdlichen , bie fie verrathen Hatten. S. 219, 
WR S. 316. Demoſth. 
T) .Demott. ib. Diod, G. 129. ad Ol, 108. 3. 
rH Demoſth. P. 113. 











5 tes Mich. Erſtes Eapilel, 


°-&chäge, aus welchen er umd feine Do 
hatten, um deſto geſchwinder verfiegee, Die DE 
hielten es unterdeſſen länger, als die Thebaner 


füle bes Krieges, beſonders dur 

fälle und Berheerungen , welche die Phocenfer von 
in ihrem Gebiete eroberten Städten thaten umd am 
richteten, ſo muͤrbe gemacht, daß fie endlich den König 
Philipp zu Hölfe riefen }). Dieſe Wendung der @u 
hen hatten die Athenienfer ſchon Targe zu verhicen # 
ſucht. Sie waren die einzigen, die dem Philipp 
feinem Siege über den Onomarch das Einbringen fi 
Griechenland verwehrt FF), und die auch nach ber 3; 











*) Diod, p. 110. und Juft, VIL 2, 

=) Ol. 106, 4. Diod, p. 109, 

*®*) Died. p. 109. 110. Ol, 106, 4 & 107, I. 
») Diod. p. 127. Ol. 108. 2. 

+) Ol, 107. 1. p; 110, Diod, 





Gefchichte von Ol. 98, 2, bis DI. 110, 3. 583 


Förung won Olynth, vom Aefchines und Demofihenes 
ewecdt, alle Griechiſchen Staaten zur Bertheidigung 
hrer Freyheit gegen den gemeinfchafftlichen Feind aufge⸗ 
'orbert hatten *). Allein die Achenienfer richteten nichts 
ws, weil bie vornehmften in allen Stäpten, unb ihre 
ügene Geſandten fich an pen Philipp verkauft hatten”), - 
° Mafevoniiche König rücfte alſo unvermuthet im 
ischenland und das Phocenſiſche Gebiet ein, zwang 
ven Feldherrn Phalaͤkus zum Abzuge, berebete alle: 
Staͤdte, bie er nie mit Gewalt wuͤrde erobert haben, 
ne freywilligen Uebergahe ), und zerſtoͤrte fie alle wider 
iin gegebenes Wort in wenigen Tagen. Er noͤthigte 
Die Einwohner, die er nicht wegfuͤhrte, in kleinen Doͤr⸗ 
ſern gu wohnen, bemächtigte ſich der Stimmen, welche 
bie Phocenſer bisher im Rath der Amphictyonen gehabt 
en, und fogar. des Vorſizes an den Pythiſchen Spie⸗ 

en P, , öffnete fich den Eingang in Griechenland, bereichers 
te bie Thebaner , und nahm den Arhenienfern eine der ftärfe 
ten Vormauern, die fie ſonſt gegen ihn gehabt harten TE). 
Durch folche Treulofigkeisen und Graufamfeiten wuͤrde 
iftpp zu einer jeden andern Zeit fich einen unauss 

— 5 — und ihm ſelbſt verderblichen Haß zugezogen 
jaben; allein jozo brachten gerade folche Miſſethaten in 
| 994 den 


GERERSEEHÄEDGHEEREENDEED 








®) Demofth. de falf. leg. p. 201. & Diod. G. 124. DI. 


A40 108. I 
wu) An der Beſtechung bes Aeſchines uud ber Abrigen Athe⸗ 
nmiienfiſchen Gefandten kann man gar nicht zweyfeln, 
wenn man bie Reden des Demoſthenes de felfa lega- 
tione und de corona gelefen hat. au fehe bef. ©. 208 
bis 212. 218. 219. 222. 23, 28. Leſchines und feine 
Gefährten erhielten Geſchenke aus den Befizungen ber 
Ungluͤcklichen, bie fie verrathen Hatten. S. 319, 
wr) S. 216. Demofik. - - 
T) Demott. ib. Diod. &, 129. ad Ol, 108. 3. 
ft) Demofth, p. 112. 


verrathen; fo konnte er doch eine jede Stadt, 
hen Preis er wollte, erfaufen }). Und nicht 
moſthenes und andere, fondern auch er felbft 
daß nicht feine und feiner Heere Tapferkeit , fo 
"Gold, und die Menfchen, vie ihre GSluͤckſeli 
dem Pauche mäßen, ihm bie Städte erebert, 

chenland unterworfen hätten FF). 





®) De falfa legat. p. 209. 
®) 1b. Demofthenes nennt bie Namen aller B⸗ 
vornehmſten Städte in Griechenlaud in Pl 
p- 30. de Corona 319. 354. Ihre Zahl r 
als fie ſouſt je gewefen war. de Coron. 
Tluge yag vos fAnow, 8 row aA 
— Deguv me:dorav nu dasgod: 
ecıs ey Jeav ar Iewmar auvelßn Yeraa 
Tosaurm, cur sdas ma TeoTegov 
Yeryoyumav, 85 OUVEYAVITTES Kos GUVE 
Bov. Uns fie dedten ihre Berrätherey unte 
eundfchafft, bie viel mebr bemeii 


Berl mmebe E00 du Dhiliom MT Loon 





Sefchichte von OL. 98,2. bis DI. 110,3. 585 


Die Haupturfache der färchterlichen Sittenverderb⸗ 
iß, welche die Griechifchen Stäpte zu Sclavinnen 
hilipps machte *), lag in den häufigen Nevolutionen, - 
seiche alle Staaten In den langwierigen oft abwechfelns 
en Kriegen erfahren Hatten, oder noch eefugren ‚ und 
a der Sraufamfeit, womit der in den Stäpten herr 
chende Pöbel die Bornehmen behandelt hatte, oder noch 
ehandelte. Durch diefe häufigen Ummälzungen‘, und 
urch die Tyranney bes Pobels, wurden teben und Ders 
ndgen, und das, was einem jeden ächten Bürger nody 
leber, als benbes feyn mufte, das DBaterland unficher; 
mb man Fonnte -alfo unmöglich Liebe gegen ein. Baters 
and behalten, das manche fchon einigemale verloren 
atten, das man in jeden Augenblicke wieder verlieren, 
ind das niemanden weder gegen innere noch äußere Ges 
saltthätigkeiten fchüzen Fonnte. Unter folchen Umſtaͤn⸗ 
en zog der größte Theil der vornehmern Griechen fichere 
Bohrungen in Mofedonien dem unſichern und gefaͤhr⸗ 
chen Aufenthalt in ihren Vaterſtaͤdten **), und die 
Jeſchenke oder Belohnungen Philipps dem Wohl ihrer 

itbürger vor, von welchen fie fürchten muften, däß 
g, vielleicht bald würden getödfer ober verwieſen und 
epfündert werben, . Griechenland war zu der Zeit, als 
dhHilipp es überwanb, einem Haufen von Mördergruben 
Hnlich,,. in welchen ein jeder für. fich, Feiner für anders, 
und Die Ungefehenen und Neichen am wenigſten für’s ges 
neine Beſte forgten. Oder man. fan auch die riecht 
hen Staaten mit folchen Stätten vergleichen, die ent 
De 05 we⸗ 


X [U } 











Ywonevov. unsere de Siam, X To O0. 

"Auyyas ondırav ayesv. &c. befonders ©. 354. 
nes. in Philipp. UL, & 331. de Co 

©) p. 48. in Philipp. Ill, & 321. de Coron. 
—8 Ifoer. ad Philipp, 


40 


u. Achte Buch. Erſtes Capifel. 


fen abgewonnen hatte, in. Umlauf gebracht, eg]; 
auch ſogleich in bie, Tiefe des Meers hinab genetſu 


. Mac) der. Vernichtung aller Phocenſiſchen hi 
und dem fchimpflichen Frieden, den die Acherienffhk In 
Sefandten bald darauf mit dem Philipp — J 
konnten den Eroberer und feine Gierigkeit, wie 29 My, 
mofthenes fagt **), weder. Grlechenland moch alle ai ka; 
ber Barbaren faffen. (Er brach von neuem in Trail Kar, 
ein., und zerſtoͤrte zwo und dreyßig Staͤdte mit eine | 
hen Wuth, dag nicht einmal ihre Einwohner eine e 
ober die Stellen wiederfinden fonnten, auf melden 

ander patten F). Zugleich-fchich er fich in Orke 
Jand ein,. und nahm die, vornehmſten Städte, before 
auf Eubda und im Peloponnes, entweder mic Geh 
ober Lift weg, und unterwarf fie Tyrannen ober Joh 
nen, die ihm ‚gänzlich. ergeben waren, und die meßihkir 
zu ihrem Schuge Makedoniſche Wachen um fi Mh; 
ten ). Von nun an aber machten ihm der thaͤtigen 
fuͤr das Wohl feiner Vaterſtadt beſtaͤndig wachende N 
moſthenes, -und ber eben fo tapfere als kluge und tah ſ 
ſchaffene Phokion jeden Schritt ſtreitig, ober — 
ihn gar aus ben Staͤdten, wo er ſchon Fuß gefaßt Kt Ik: 
Demofthenes wiederhohlte es ohne Unterlaß, daß PR je 
Iipp von dem Tage an, da er die Städte der P I 
zu Grunde gerichtet, ben Athenienfern ſowohl als Wii 
üprigen riechen ven Krieg angekündigt hätte; und A dy: 
Bald er fich alfo auf Eubda zeigte, ermunterte der Nam 
feine Micbürger, den Einwohnern diefer ihnen fl 


—8o 













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- .. % 
%) Demofth. 222. 23. 28. 
%#) pn, 47. m Philipp. UI, 
7) Diod. ©. 139. ad Ol. 109. 2. & Demofth. 1, e. 
++) Demofthenes nennt biefe Städte loc. cit. & 319.31. 
pro Corona, 





Befhichte don M. 98, 2; bie DL.110,3. "389 


wen Inſel beyzuſtehen. Auf diefen Nach wurde 
on mit einer hinreichenden Zahl von Voͤlkern auss 
t, bie aber fo feige und ungehorfam waren, daß 
3eiöheit und der Muth eines Phokion erforbere 
n, um damit den Feind und alle feine Anhänger 
ubda zu vertreiben *). Als Philipp im folgenden 
in den Cherſones ober Sellefpont einfiel, und Pe⸗ 
und Byzanz belagerte, rüfteten die Achenienfer 
als, auf den Math des Demoſthenes, zwo Flot⸗ 
ater einander wider ben Philipp aus, und fchloffen 
eich mit Hülfe von Seeräubern fo ein, daß es 
chts ausfchicken oder erhalten konnte **). Philipp 
her plözlich die Belagerung der von ihm berann⸗ 
tädte auf, und ſchloß mic ben Achenienfern und 
Bundesgenoffen einen Frieden }), ben er aber. nicht 
bielt, als feine Furcht dauerte. Denn kaum 
» er ſich der Theſſalier, Böotler und Thebaner 
ert zu haben, als er umter dem Vorwand, auf 
efehl der Amphietyonen, die Kirchäer als Entwei⸗ 
iger Laͤndereyen zu züchrigen, bis Elatea vors 
um. den Muth feiner Anhänger in Theben zu 

tr). Die Nachricht von Philipps Einfall verur 
in Athen eine fo allgemeine Beſtuͤrzung, daß in 
Stadt, bie fo reic) an Rednern, Schwäzern und 
bern war, Fein einziger durch bie wiederholten 
yerungen des Herolds, oder durch die Stimme 
ıterlandes betvogen wurde, aufjutrefen, und zu 
‚ was unter den gegenwärtigen Umſtaͤnden zu 

| thun 











emoſth. pro corons p. 324. Plus. IV. in Phoc. 313. 
& Demoſih. p. 719. Diod. p. 139. ad Ol, 109. 4. 

. 334. de eorona Demofth, 
.Diod. ad to Ol, 1. p. 141. 

Yemofib, ©, 337 


Bo Acchtes Buch, Erſtes Capitel. 


thun ſey, bis endlich Demoſthenes aufſtand, un 
Volk, das ſich an ihn, wie an feinen Retter, anfchr 
mit feiner über Furcht, wie über andere Leidenſe 
herrichenden Beredſamkeit vorftellte, daß man bi 
. alles Zagen und alle Kleinmuͤthigkeit ablegen, da 
ferner, um bie Parthey der Ahenienfer in Thebe 
Boͤotien zu befeftigen, alles Fußvolk und Reu 
nach Eleufis hinaus ziehen laffen, und endlich Gef 
nach Theben und andern Staͤdten ſchicken muͤſſe 
dieſe zur Austreibung ihres gemeinſchafftlichen9 
einzuiaden ). Demoſthenes, ſowohl von Pat 
mus als von Eigennuz angefpornt **), Genies be 
fer Gelegenheit einen Much und Thaͤtigkeit, derg 
feine Feinde ihm nicht zugetraut hatten, und * 
durch beyde, und durch feine Beredſamkeit auch 
aus, als die Athenienfer gehofft, oder ‘Philipp gefi 
atte. Ungeachtet er zu Haufe mit ver Verraͤ 

nee Redner, mit den faunen des Volks um 
ngeln der Staatsverfaſſung Fampfen mufte }); 








*) ib. & p. 398. 

*) Plut, in ej. Vit. p. 726. Er ließ fi von den! 
(dem Satrapen befledden, um bie GSriechen wi 
Philipp, ber den Perſern ſchon furchtbar war, ı 
bringen, und eben baburch von der Unternchmun 

en Aflen abzuhalten. Alexander fand in Garkı 
Rerzeichnig bee Summen, welche dem Demsfl 
geſchickt worben waren ib. 

+) p- 36. de Cherf. p. 346. de corona, Tode 73 
AMWE, Eos ov nu 0 ayav, onebacde: 
TERTEV HEY NONE Twy —WR 

 AUTONERTWE, 0 TV ess TV WoAepov un 
25 ETWTaV I ET TOTAL ya m; 
xegon Me. ERWTE KENKETWy auzmoge. 


eo 


Gecſchichte von Ol. 982 bis Ol.no,/ 3. sg‘ 


Angeachtet er in den übrigen Staͤdten die Beſtechungen, 
Drohungen ind Verheißungen Philipps , bie Sangjam, 9 
Wir in Entfchliegungen und deren Ausführungen, die 
Worurtheile, Kleinen Feindſeeligkeiten und Eiferſucht fo 
dieler Voͤlker zu überwinden Batte *)s fo fiegte er doch 
Alenthalben über die Geſandten und das Gold Des Mas 
Mbonifchen Könige **); er weckte noch einmal in ben 
Mesgearteten Nachkommen det Kämpfer bey Marathon 
unb Pfatäa die faft ganz erflörbene Siehe zur Freyheit, 
rd brachte faft ganz Griechenland wider ben Philipp 
if. Die Einwohner von Eubda und Achaja, die Kos 
isschiet, Thebaner und Bhotier , die Megarenſer, leu⸗ 
bier und Korfyräet ſandten neben beträchtlichen Sun 
men, und einer großen Menge tapferer Bürger, allein 
taufend Neuter und funfzehn tauſend gemierhete 
zidaten ***), und Demoftgenes ruͤhmte daher nicht 
Be Grund von fich, dab et Athen mit großen Flotten 
wmb Seren umgeben und befeftige habe 7). Dieſer all⸗ 
Beten va fezte den Philipp um defto mehr in 














recken, da er ihm ganz unerwartet war, under auch 
‚einigen Eleinen Treffen den kuͤrzern sog Tf). aan 
: d 





denn 





- T'Ef 


ergatin æ dogesev Aura, 8 ReoAsyay ev Fois 
VnDdıcuacıw, sl To Daveon Banevonevoc, 
al uno Tav dunodarrsyrov xeivomayos, Bde - 
Yendas Pevyav TEOBEOEVORO 5 umeudwos 
&v wer. aM MmÄas MuTos dEWoTns, Wye- 
Hay, xueios mayTov. eya do Tess TaTov ur 
"TEeTaypivod TWbS KUgIos nV; Ike. 

®) p. 548. | 

”*) p. 340. 

"*.) p. 346. 

PD) p- 355. 

+1) ib. 344 


392 Achtes Buch. Erſtes Capitel. 


daher ben vereinigten Griechen Frieden an, ten abe |ı 
Demoſthenes wider den Rath des Phofion Hinderte; & | 
fa) nun, daß er vom Glanze des Perſiſchen Goldes gs |, 
biendet war, oder daß er dein Muche der nach Streit |. 
ſich ſehnenden Griechiſchen Jugend zu viel traute*), ode 
daß er eine baldige Zerflörung des wichtigen Bunves f 
vieler Griechiſchen Staaten durch die fift und 
gen Philipps fürchtete *%). Auf das beftändige Au 
reden biejes Redners noͤthigten endlich Die Gri 
ihren Widerfacher zu einem entfcheidenben Treffen be 
Cheronaͤa, in welcher fie aber ihrer bewiefenen Zar 
keit ungeachtet aufs Haupt gefchlagen wurden +). 9 












®) Plut. p. 724. in Dem, I 

) Demoſth. p. 344. Flut. in Phocion. IV. p, yi® 
Phofion, ber die Ueberlegenheit Philipps umd fa ja 
geübten Heers Äber die toben Anführer, ums zwar Ike 
shigen aber unerfahrnen Krieger der Griechiſchen Gras 
ten kannte, vieth immer zum Zrieden. ib. Huf 
das Herz, fagte einer von den mit ber Zunge Film 
Spkophanten zum Phokion, den Athenienfern bie 
fen zu entreißen, die fie ſchon in Häuben haben? 4 
antwortete biefer, ungeachtet ih weiß, Laß, mer 
Krieg iſt, ich über ih, und wenn Friede if, pm ik 
mich zu gebieten bafl. Und als Demoſthenes mitm 
Vorſchlage durchdrang, daß die Nthenienfer fo weit, d 
möglid, von ben Öränzen ihrer Stadt mit dem P 
lipp (lagen muͤſten, fagte er: Laßt ung, guter Frein 
nicht darauf fehen, wo wir fechten,, fondern wie m 
fiegen wollen. Nur der Sieg entfernt den Feind md 
ben Krieg, und nach einer Niederlage iſt die @rfk 
immer zu nahe. ib, Man fuchte den Demoſiha⸗ 
durch Götterfprüche des Apoll von dem Rath, & 
Treffen zu liefern, abzubringen; allein er machte Ib 
Drafelfprüche dadurch verdächtig, daß er fagte; N 
Ppthia philippifire. Plut. p, 724. 

%) Aeſch. p. 295. adv, Ctefiph, 





€ 


Sf 


“) 


Geſchichte von Ol. 98,2. Bid Ol.i10,3. 593 


iefer Schlacht fiel nicht nur die bluͤhendſte Jugend, form 
ern auch die Srepheit, die Macht und der Ruhm von 
anz Griechenland”). Die Nachricht davon **) brachte 
s allen Sriechifchen Städten ein allgemeines Wehkla⸗ 
m, und eine ver Verzweyfelung nahe Eommende Vers 
irrung hervor ***). Die Athenienfer glaubten fich 
icht anders retten zu fonnen, als wenn fie den. Scla⸗ 
en bie Freyheit, den Fremdlingen das Bürgerrecht, 
nd den Unehrlichen ihre Ehre wieder fchenften +). 
ziele der angejehunften Bürger entflohen mit ihren Fofts 
arſten Sachen, weil fie ben erzärnten Sieger an jedem 
‚age vor hen Thoren erwarteten 77). Allein Philipp 
egegnete den Athenienfern, wahrſcheinlich aus Hochs 
tung gegen die Thaten ihrer Vorfahren und ben als 
a Ruhm ihrer Stadt, ober aus einer gewiſſen Ruͤck⸗ 
choauf die Urtheile der Nachwelt, viel gütiger, ald man 
ns feinem bisherigen Betragen gegen uͤberwundene 
feinde, aus feinen biöherigen Geſinnungen gegen dieſes 
| Volk, 
— — 








0 juſt. IXX. 3. Hic dies univerſae Gracciae & gloriam 
dominationis & vetuſtiſſimam libertatem finivit, 
Mit den Leibern der Helden, die bey Cheronaͤa fuͤr ihr 
Vaterland ſtarben, ſagt Lykurg adv. Leoer. p. 132, 
wurde bie Freyheit von ganz Griechenland begraben, 
und ihr Ruhm ift ber legte Cranz, womit das Waters 

land becränzt worden ift. 
er) Philipp machte 10000 fehwerbewaffnete ‚Krieger und 
tauſend Reuter zu Gefangenen. Demofth, p. 230. de 
fall, leg. Die Arhenienfer allein verloren 1000 Todte 
und 2000 Gefangene. Lyc. p. 192. & ap. Diod, 


. 140. 
u. Rau lefe die, Befchreibung des Lykurg ©. 127. 128. 
b 


+) ib. 
A Dies that eben ber Leokrates, wider welchen Lykurg ſei⸗ 
me Rebe hielt. 


Zweyter Band, Pr 


396 Mchted Buch. Erſtes Capitel. 


Bolt, ur aus der Gefahr, wotinn fie ihn kurz vorher 
geftärge Hatten, Härte vermuthen Eönnen *). Er 
toles denen, bie in ber Schlacht gefallen waren, die legte 
Ehre, ließ ihre Gebeine durch den Antipater nach Athen 
bringen, bamit fie in den Grabmaͤlern ihrer Vaͤter bey” 
gefejt wuͤrden, gab die Gefangenen ohne föfegeld zurüc, 
und befchenfte vie meiften umter hnen mir Kieivungefib 
den **). Nichts deſtoweniger nafm er ihnen ihre 3 

! — 


*) Der Eindruck, den der Sieg bey Eheronda, ber 
Ke unter allen, die er erfochten hatte, auf den Vn 
machte, wirb von verſchledenen Schriftftellern au 

janz entgegengefezte Art beſchrieben. Man ehe 1 
luft, Diod. p. 149. und Plut. IV. in Demofth, Je 
& Theop. ap. Athen. X. 10. p. 435. Die Erziili 
gen der bepden leztern Gchriftfieller, worzig 
des Plutarch, Halte ich für die wahr ſcheiuliche 
le am meiſten mit dem Charakter Ppitipps übe 























ſtimmen. 

Polyb. V. 10. Juſt. IX, 4. Erfterer glaubte, fh arı 
lipp bie Achenienfer aus angeboruer Milde fo gütig If, ihn 
handelt, und daß er Überhaupt feine Feinde nur fo il, — * 
ge verfolgt habe, bis er @elegenbeis erbaiten, ced 
Beweiſe feiner Onade und Großmuth zu geben. Al 
In dieſem Bilde iſt Philipp bie zur Undhnlichten 


a 
ſchoͤnert. Der Makedoniſche König gab gleih Mllche 
der Schlacht bey Cheronda einen DWBeweis, 
fein Zorn nicht mit der Niederlage und Demüthlä ne 
des Zeindes aufhöre, und daß er den Athen! 
wicht bloß als Äbermundenen Feinden fo gätig bay] ten 
nete. Er verfaufte nicht nur die gefangenen Xhehafähder , 
fondern ließ ich auch die Erlaubniß, die Leichnam Mkirei 


Erſchlagenen begraben zu dürfen, mit Gelde abhankik 
Er befahl, die Häupter der Stadt, bie das Bolt gut 
ihn aufgeniegelt harten, hinzurichten, oder ind Eid I— 
au verroeifen, und ihre Guͤter augzuliefern, 1 
führte er dred hundert Verwieſene zuruͤck, und bafıll * 
fie zu Regierern ber Stadt, von denen ſogleich alle M Yyi 
Feinde aus dem Wege geſchafft oder verjage murke) +9 
Juſt. l. c. 


Geſchichte von DI. 98, 3 bis Ol. ino3. 995 


yaffe zur See und über die Inſeln, und mit diefen 
n größten Theil ihrer Einfünfte, und beugte fie zwar 
e den gegenwärtigen Augenblick nicht fo tief, als bie 
partaner gethan hatten, aber mit einer fo ſchweren 
and, daß die Stabt nie wieder zu ihrer vorigen Stärke. 
langen konnte, und ihr ganzes übriges Leben weiter 
his, als eine mit jedem Jahrhunderte fich verſchlim⸗ 
wende Entfräftung war *). Nach dem Siege bey 
yeronda machte Philipp in Griechenland, was er wollte; 
beſezte, pluͤnderte und zerſtoͤrte Städte nach feinem 
zohlgefallen, und ließ fich zu einem Anführer aller 
yiechifchen Staaten wiber bie Perfer erwaͤhlen*). Er 
te ſchon die Zahl von Fußvölfern, Reutern und 
zhiffen, welche eine jede Stadt zum Kriege wider die 
arbaren hergeben follte, ausgefchrieben, und war eben 
3. Begriffe nad) Afien 7), wohin er die größten unter 
nen Heerfuͤhrern vorausgefchickt harte, —— 

er an einem Feſte, an welchem er ſich ſelbſt den £ 
2 an die Seite fegen ließ, vor den Augen bes ganzen 
a ihm eingelabenen Griechenlandes, als ein Schlacht⸗ 
‘er ber Freyheit, erwürgt wurde, und zwar burch bie 
ind des anias, eines Fühnen Juͤnglings, den Ate 
was auf die fchänblichfte Art gemißhandelt, und deſſen 
sche. Philipp nicht nur immer aufgeſchoben, fondern 
CH verfpoctet hatte FF). Auf Diefe Arc mufte Philipp 
we Nuchlofigfeit mit demjenigen Theile des ihm zuge⸗ 
Iten tebens büßen, der wahrſcheinlich noch viel gläns 
wWer, als der zurückgelegte geworden wäre. (Er war 
ſtreitig der größte Feldherr 2 der glücklichfte Königs 





Genus EEE EEE 
ee 


=) Pauf. 1. c. 25. p. 59. Ed. Kuhnil, 

=, Diod, ©. 150. ad Ol, 110. 4. Juſt. 1X, 5. 
+) ib. & Plut. IV. in Pboc. 320, 

+4) ib. & Died, 151. QJ,CXL 1. 


x 


——— 








fo.vielet. großen Stänte, au bie 
B ex beförberte, und an bie Nevolutionen, die « 
Aaltee. Athen und Sparta ausgenommuen m 
Erirchiſche Städte in Garıpa und Aften entw 
tannen ober wenigen Di 


Gefchichte von Ol. 98, 2. Did OF. 110,3. | 807 


verächtlichften unter allen Griechenland begränzenden 
ebaren zur reichſten, tapferften und mächtigften Ma⸗ 
ı des Erdbodens.- Er führte zuerft die armen, in 
ierfelle gefleideten, und unter Thieren wehnenden 
fedonier, bie mit Fleinen Heerden auf den Gebirgen 
ım zogen, in die Ebenen herab *), lehrte fie große 
aͤdte und prächtige Palläfte bauen, und machte fie 
Siegern über alle Voͤlker, denen fie bisher hatten dies 
möffen. Durch die Bearbeitung feiner Goldberg, 
fe, noch) mehr aber durch die Eroberung von Thras 
und der Sriechifchen Staͤdte an der Seekuͤſte vers 
tete ee Handel und Reichthum unter feinem Unter⸗ 
en, zog Gewerbe, Handiverfe, Künfte und Wiſ⸗ 
Hafften in fein Reich, und machte Griechenland 
hfam zu einem Anhange von Mafevonien, da dies 
or ihm einer einzigen Sricchſchen Stadt zinsbar 

fen war ). 
Pp 3 Wenn 














ı Alexand. ap. Arrian. VII. 9. de Exped. alex. 
hy ib. Außer biefen Stellen findet man die Schiiberungen 
der guten Seiten und Thaten Philipps beym Diodor 
XVI. gi. & 154. 155. Juſt. IXX. 8. Bon feiner nach⸗ 
theiligen Seite "er mahlt ihn Feiner flärfer ald Theo⸗ 
pomp beym Athendus IV. 19. VI. e. 17. X. Io. Ich 
will nur einige Züge nachzeichnen. Philipp war fo 
verſchwenderiſch, daß er bey allen ben Reichthuͤmern, 
die er aus feinen Bergwerten, und durch feine Erobe⸗ 
rungen gewann, dennoch flet6 arm und verfchuldet 
war. Er hinterließ nad feinen Tode nur einige goldes 
ne und filberne Gefäße, und nur 60 Talente baaren 
Geldes, hingegen 500 Talente Schulden. Arrian. I. c. 
Eben biefe Armuch zwang ihn oft zu den nieberteä tige 
ſten Handlungen, felbft zu Seeräuberegen. Juſt. IX 
Er war nicht allein ſelbſt Verſchwender, fonbern fonnte 
auch Feine andere um fich leiden, als die es gleichfalls 
waren, Theop, I. ee. Gerade alfe bie Ueäken . 
j ⸗ 


598  Mhted Buch. Erſtes Capitel. 


Wenn aber auch gar Fein Philipp gelebt, und vie 
Griechifchen Städte zerſtoͤrt oder unterjocht, ober ihrer 
errſchafft beraubt Härtes fo würde doch Feine umter 
Ben , wenigftens Athen nicht, vie Doch die mächtigfe 
unter allen war, fich auf dee Stuffe von Mache, Yufı 
Märung und Reichthum, von weldyer fie Durch den Me 
kedoniſchen König herabgeſtuͤrze wurde, Haben 











Menſchen aus ganz GSriechenland verſammleten ih m 
ihm, und waren ihm flets willlommen, wem fie uw 
Laune und Munterkeit hatten, welche Gaben er cha 
fo fehr als kriegeriſche Tugenden ſchaͤzte. Sein Hefim 
fand aus achthundert Perfonen, bie, mie Theopemp 
fagt, mehr beſaßen, und in den ſchaͤndlichſten Läßm 
jährlich mehr herdurch brachten, als zehntanfend MH 
reichſten Griechen nicht befaßen oder ausgaben. (ih 
Ben Schwaͤnken war er ein fo großer Freund, MIR 
den Pidelheeringen in Athen, bie einen Orden 
ſechzig Perfonen ausmachten, und fi im Tempel ii 
Herkules uns anderswo verfammleten, ein 
ſchickte, um ibre Einfälle zu erhalten. XIV. p. 6u 
Athen. Er war alle Tage betrunken, und altba ii 
ſcheute er fi nicht zu tanzen, und aubere nicht Bin 
eines Könige, fondern auch eines gemeinen Krigali., 
unmärbige Ausfchweifungen zu begehen. Laßt v m 
trinken, rief er feinen Freunden zu X. 10. denn Ad 
genug, daß Antipater nüchtern iſt. Gegen biefen # 
nen Freund uud NHeerführer hatte er fo große Achtun 
daß er einft, als Antipater ihn befuchte, in der U 
Würfel und alle übrige Spielgeräthe unter das Mi I> 
warf, um von ihm nicht betroffen zu werben. X.R 
Seine Begleiter dienten und brauchten ſich unter cn 
der als Beyſchlaͤferinnen und Liebhaber, und in fra 
Heere wurden ftets ſchoͤne Knaben, wie in dem 
ge morgenlänpifcher Könige Haufen von Weibern w 
Kebsweibern,, hberumgeführt. Auch Philipp ums fir 
Krieger find Beyſpiele, daß Tapferkeit mit der gräfa 
Sittenverderbniß befichen koͤnne. 
















Seſchichte von Ol. 98, 2. bis Ol.i10,3. 509. 


mrien. Sowohl vie Staatöverfoffung, als das Volfk 
[6ft war in allen Ständen, Gefchlechtern und Altern 
fürchterlich verdorben, daß nichts anders als ganze 
he Bernichtung übrig zu fenn fehien. Die höchfte Ges 
ale und alle Borrechte derfelben lagen in den Händen 
ıe8 lieberlichen, niederträchtigen *) und unmiffenden 
obels, der den öffentlichen Schaz, feine Mitbürger 
id die Bundesgenoflen beraubte, und immer gewann, 
mochte rathfchlagen, oder richten, oder ſich ergögen, 
er in den Wettkaͤmpfen und Schaufpielen tanzen, ober 
Dlich fiegen und laufen ”*). Diefes Näuberleben floͤßte 
an unuͤberwindliche Trägheit ein. Daher fam es, daß 
ven ber Poͤbel, der auf den Theatern in goldenen Klei⸗ 
ken prangte, an öffentlichen Pläzen in den elendeften 
pen einherging, und zu Haufe im Elende ber aller⸗ 
* Armuth ſchmachtete 7). Ein ſolcher Haufe von 
dichtswuͤrdigen wurde zu fehr von der Saft feines eigenen 
fendes niedergedrückt , ald daß er warmer Vaterlands⸗ 
be, oder großer Entwürfe und Unternehmungen fähig 
xefen wäre; und er befümmerte fich alfo auch weni⸗ 
> um die Wohlfart oder den Flor des Staats, als 
e er fein tägliches Brodt und einige Obolen gewinnen, 
b die Verfaſſung erhalten möchte, ohne welche er 
Ehmenbig hätte verhungern mäflen T}). Die tafter 
® das Elend der Armen zog die Verdorbenheit und 
3 Unglück der Reichen und Bornehmen unvermeidlich 
Pp a4 nach 








| ⏑ 


Ariſt. de civ. VI. 2. 698. &c, 4. p. 716. 

We) ec. 1.p. 575. de Rep. Athen. Xen. 

MH Xen. J. Prov. e. I. Iſoer. IL. 338. & 353. in Arcope- 

“  gitico p. 424. 25. de Pace. | 

34) Iloer. 1. c. I. p. 354. Xen. de Rep, Athen, c.1. 572 p. 

DPDemoſih. in Philip, I, p, 14. de Rep. ord. p. 68. 
Ed. Wolßi. 


Go Acchtes Buch. Erſtes Capitel. 


nah ſich ). Ste muſten ſich nicht nur auf dem 3 
ter öffentlich mißhandeln faflen **), fondern aud: 
‚ verworfenften Bettlern fchmeicheln, ihnen aus dem‘ 
gehen, oder ihre Size einräumen 7); und ben allen! 
QAufopferungen waren fie noch gezwungen, ihr Di 
gen zum Bergnügen oder. Nuzen des Volks mi 
größten Bereitwilligfeit herzugeben, weil der ger 
Schein von Sparfamfeit ald Raub und Diebſt 
ahndet wurde Fr). Kein Wunder alfo, wenn 
Heiche ihr Vermoͤgen verbargen, und nicht fo brau 
als fie es fonft zu ihrem und ihrer Mitbuͤrger Bi 


[U 





— — 


*) Dies fagen Iſokrates de Pace und XRenophon 
e. 4. P. 457. 458. Als id noch reich war, fagt 
mibes beym lestern, mufle Ih im Mamen ber 
unaufbörlih Aufwand machen, und burfte nid 
mal ausreiſen, wenn ich wollte. Jezo bin ich v 
hen Zumuthungen fiher, und kaun geben, wa 
will. Vormals drohte und ſchimpfte mich ein 
der nur Luſt hatte; jezo bedrohe und beſchimj 
andere. Sonſt war ih ein Sclav von anbern, 
muſte zu ihrer Unterhaltung Zeibut bezahlen, je 
ih als ein Herr, und laffe mich vom Staate ern 
Bormals litte ich immer entweder durch die Stadt 
durchs Gluͤck Schaden, jezo fürchte ich nicht 
nichts zu verlieren, ſondern ich hoffe vielmehr ern 
erbeuten. 

“*) TI. de Rep. Athen, Xen, p. 585, 

+) Xen.l. e. p. 458. 

t}) Xen. de Rep. Athen. L p. 570. 71. inp. Oeco 
ec. 2. p. 279. MMorr. I. 424. de Pace, Wie ki 
ber Aufwand belief, ben bie beguͤterten Ather 
machen muſten, und bie Menge ber Belegent 
bey welchen fie dazu gezwungen wurben, babe i 
meiner Abhandlung vom Lurus der Athenienſ 
einen merkwuͤrdigen Bepfpiele ans bem Lpfii 
zeigt. 


Geſchichte von DI. 98, a. bis OL. iio, 3. 601 


a gebraucht häften; werm fie ihr Gelb entweder gar 
ht, ober nicht anders, ald auf ungeheure Zinfen auss 
hen, theild aus Furcht, daß man ihnen defto mehr 
ften aufbürden möchte, am meiften: aber, weil 
an den reichen läubigern "gegen einen elen⸗ 
nn Bettler Fein Necht fprach ; der leztere mochte 
h fo bündig verfchreiben oder verbürgt haben, als 
immer wollte *). Ungeachtet durch diefe Bedruͤ 
ungen, Detriebfamfeit, Handel, Gewerbe und Cre⸗ 
€ fielen, und das Elend der Armen nur noch größer 
wirde *"); fo trieb ınan fie doch noch weiter. Man bes 
nubte die Reichen, in der Stadt fowohl, als auf den 
fein oft auf einmal, ohne die geringfte Berfihuldung, 
zres Berinögens ‚ihres Vaterlandes, oder ihres Lebens, 
Benn Feine andere Quellen vorhanden waren, den hun» 
migen Pöbel zu unterhaften, und ihm den fohn auszu⸗ 
ahlen, ben er für feine. Gegenwart in Öffentlichen Ders 
amınlungen , oder für feine richterlichen Gefchäffte, 
der für die Size bey den Schaufpielen erhielt T). Der 
Nöbel und feine Schmeichler fahen, wie Iſokrates fagt, 
a6 DBermögen der Reichen, als ein Eigenthum des 
Staats, und diefes wiederum , als ihre eigene Guͤ—⸗ 
ee an Tr). Alle Würden des Staats flanden nicht 
DPr5s mus 











°) Ifocr. 1, 327. 328. in Areop. 
“ib 


4) Xen. de Rep. Ath. I. p. 575. 577. Plat. de rep. VIII. 
212. Ed. Mail, Ifoer. de Pace J. 425. 

+4) II. 254. Panath. Anch Ariſtoteles ſieht mit Recht bie 

große Menge von Bettlern in Demokratifchen Verfaſ⸗ 

(ungen, undaen Lohn, den fie für ihre Gefchäffte in 

Gerichten, und für ibre Gegeumart in Volkseverſamm⸗ 

Iungen erhalten, als die Urſache der Erpreffungen, bie 

an den Reichert ausgeuͤbt werben, und biefe wieder 

als 


ee ") 


Goa Achte Bud. Erſtes Capitel. 


nur einem jeden ohne Ruͤckſicht auf Berbienft und ' 
mögen offen, fondern. wurden auch faft alle durchs 
befezt, diejenigen ausgenommen, zu deren Fuͤhrun 
wiſſe Kenntniſſe und Gefchicklichfeiten unumgaͤr 
erfordert wurden, oder die mit großem Aufwande 
bunden waren“). Durch dieſe Einrichtung bemaͤch 
ſich ver Poͤbel aller eintraͤglichen Ehrenſtellen **), 
alſo auch immer mit eben ſo unwiſſenden und uner 
nen, als feilen und beſtechlichen Menſchen beſezt w 
welche ihre Wuͤrden als Gelegenheiten anſahen, fi 
bereichern, und ihre ganze Aufmerffamfeit darauf rı 
ten, von ihren Vorfahren uneröffnete und ungen 
Quellen des Gewinnites zu entdecken }). Selbſt fi 
Würden aber, die mehr ehrenvoll, als einträglich 
ren, und bie, wie bie Feldherren / und Anführer » Stt 
nicht durchs Loos, fondern durch Wapl befezt ı 
den FF), vergab man nicht an den Würbigften, fon 








als bie Urſache bes Unterganges folder Republiken 
VL. 5. p. 72628. de Civ, Ed. Heinſii. Alle © 
aber, die man durch ſolche Gewaltthätigfeiten zu 
menbringe, um ben trägen Pöbel zu unterhalten, fi 
meiter nichts, ale Waffer in durchloͤcherte @ 
Be geſchuͤttet. Denn eben die Bebärfniffe, bie ı 
dadurch für einen Augenblick befriedige, entſtuͤnden gl 
nachher von neuem wieber. 

®) Ifocr. Areop. 1. 322. Als Zeichen ber Ochlokratie 
auch hier Ariſtoteles wieder an. VI. 2. p. 6 
To KAngwras vu Tas nexXas, n Tacas, 
0004 un eumesgias deovras no rexvns. TO, 
E70 TIUNMETOS ey TaS DEXaS, N ori 
xęonœrs. 

*x) de Rep. Athen, I. p. 570, 
+) Ifoer. |. c. 
Tt) Xen. lc, 


Seſchichte von DI. 98, 2. bis OL.no, 3. 603 


n den, der am meiſten dafuͤr bezahlte *); eine Folge 
leſer Schaͤndlichkeit war, daß Beſtechungen von bey⸗ 
erley Art, ſowohl diejenige, modurch man andere ver⸗ 
arb, als wodurch man ſelbſt verdorben wurde, fo ofs 
nbar, und fo allgemein wurden, daß kuͤhne Boͤſewich⸗ 

e fie ſelbſt eingeftanden **), daß man, wenn man bie 
[ben aud) entdeckte, fie entweder gar nicht, ahnbete, 
ad nur mit einem lauten muthrilligen fachen aufnahm, 
yer daß man fie höchftens mit einigen Drachmen, oder 
Rinen beftrafte, da die Gefeze einen jeden Beſtecher, 
nd DBeftochenen zum Tode, ober doc zum Berlufte 
inter Ehre, oder auch zur zehnfachen Erfezung verur⸗ 
yellten. Ungeachtet die meiften Aemter mit Menſchen 
us dem Poͤbel befezt wurden; fo fehränfte man doch 
us einer der Bolfstyrannen, wie allen übrigen Tyran⸗ 
chen Negierungsformen eigenthümlichen Furcht und 
Eiferfucht die Zeit und den Ilmfang der Macht von 
Magiſtratsperſonen fo viel als möglich ein **"), erlaubte es 
nur felten, daß diefelbige Perfon diefelbigen Aemter mehr⸗ 
nalen befleivete }), und riß alhınälich die wichtigften, 
fe aber auch die unbedeutendſten Angelegenheiten, bes 
fonbers Diejenigen, die offentliche Ergözungen zum Ges 
yenftande harten, an fich TI). Hieraus entſtanden ur 

er 


D 
” 1 


vj de Pace i. 386. 387. Iſoer. 

we) Mie Timarch p. 186. Aeſcb. 

#4) Ariſt. VI. 2. deCiv. p. 699. To oAsyoxeoviss Tas 
GEXS, m Maas 4 00us sVdegeren. — aexmv 
de undenv undeves, 9 071 eAıyısav, 9 Toy 

7 MeYyITw@Vy HUIV. | | 
D ib. To pn dis ToV RUToV SEN Andenuær, 7 
oAsyaxıs y oAIYaSs. 

+7) Xen, de rep. Athen. e. 3. p. 587,589. wo er «im 
Verzeichniß der Gefchäffte gibt, deren Entſcheidung 
ober Durchficht man allmaͤlich word ganze Wolf gezogen 
hatte. 





Ga  Mhted Much. Erſtes Capca. 


erft Verwirrung, Anhäufung und Sangfanafeit in 
ſchaͤfften *), dann Beſtechungen bes Volks und be 
gierenden Raths, wern man gewiſſe Sashen abg 
baben wollte, und endlich bie Nothwendigkeit, 
Volksverſammſungen zu halten, dutch welche der ‘) 
immer muͤſſiger, und der Staat, der ihm feine 9 
bezahlen mufte, immer mehr und mehr erfchöpft 
de?*). Demoſthenes wirft es den Athenienfern in 
len feiner Reden ver, daß fit durch ihre Langſamkei 
Nachlaͤſſigkeit in Entfchließungen ftets Die glüdi 
Augenblicke und Lagen der Dinge vorüber gehen 
Gen ***): daß fie das einzige Volk wären, welche 
mer erft nach geſchehenen Sachen rathfchlagte F), 
daß fie furchtbar und hizig in ihren Berfammiu 
‚aber feige und Falt in der Ausführung ihrer Ent 
feyen TF): lauter unverbefferliche Mängel eines St 
in welchem ber unerfahtne, und von feinen Demag 
nach entgegengefezten Richtungen hingetriebene Poͤb 
les entſchied, und die Ausführung feiner Entſchluͤſſe 
fo unerfahrnen, oft beſtochenen Männern auftrug 
welchen die weifeften und rechtſchaffenſten Bürger 
verrätherifchen Schmeichlern zu fämpfen, und ı 
fie diefe auch überwanden, und das Volk auf ihre! 
te brachten, dennod) die Berlaumbungen von € 
phanten, und falſche Anklagen wegen verberblicher 

ſch 





®) ib. & Iſoer. I. 324. Sogar, ſagt der leztere, in 
Iigiensfahen. Bald unterließ man Dpfer 4 
und bald brachte man auf einmal drey hundert Di 


bar. | 
#*%) Xen. J. e. & Arift. VI, 5. p. 726, de Cir, 
%**) In Philip, 1. p. 19. 
“ 7) De pace p. 2T. 
H De Cherfoncfo p. 37. 38. 


Geſchichte von Ol. 98, 2. bis Ol.ı1o, 3. 605 


ige zu fürchten hatten *). Selbſt das Anſehen des 
renden Raths, der meiftens aus tem Poͤbel erwaͤhlt 
de, und unter allen hohen Eollenien am meiften des 
ratiſch gefinnt war, wurde beträchtlich gefchinälert. 
n nahm nicht nur, wider Solons Bererdnungen, 
eze und Entwürfe an, die dem Senat nicht waren 
yefegt worden, fondern man unterfuchte von neuem 
» folehe Sachen, die er ſchon entſchieden hatte, um 
defto öfter Gelegenheit zu erhalten, fich zu verſamm⸗ 
‚ und einige Obolen zu verdienen **) Am aller 
ten aber verloren in den festen Zeiten der Dchlofratie 
migen Collegiq, die nach den Abfichten ihrer Urhe⸗ 
wider ein unumfchränftes Volksregiment errichtet 
en. Die Xreopagen und Archonten wurden faft 
z Überfläffig und unmirffam, nachdem der Poͤbel 
erſtern ihrer hoͤchſten Aufficht äber die Sitten, und 
ve des gröften Theils ihrer alten Gerichtsbarkeit bes 
5£ hatte}), So wie. die Aufhebung des Sitten⸗ 
teramts felbft eine Wirkung der Berdorbenheit bes 
aatsverfaſſung gewefen war; fo wurde fie wiederum 


Urfache der Höchften Ausgelaffenheit, und einer ganz 
| . lichen 





) Demofih, p. Corona p. 346. 

#) Xenoph, I. 3. de rep, Athen. Demoßh. VI. c. 2. p. 
699. Mur allein bie Größe des Reichs, und ber ers 
ſtaunliche Reichthum von Privatperfonen, die ben Poͤ⸗ 
bei fo ernährten, wie er fih in Atben vom Staate ers 
nähren ließ, waren in Rom bie Urfachen, daß man 
weder dem Pöbel für feine Gegenwart in Volkever⸗ 
fammlungen oder für öffentliche Luftbarkriten Geld reich 
te, noch den Richtern und andern Wagiflratsperfonen 
Lohn und Befoldungen gab. 

) Ifoer, ı. 329. Areop. und Arlft.. VI. 2. p. 699. als eins 

der unterfcheidenften Merkmale ber Ochlokratie wennt Arts 

ſtoteles Diefes Te’ dinafen TAYTas Ka ex TayTav 

vos TEL TAYTW@Y. 


606 Alchtes Buch. Erſtes Capitel. 


lichen Vermiſchung und Gleichheit aller Staͤnde, Ge 
ſchlechter und Alter in Athen ). Söhne und Vaͤter, 
Meiber und Männer, unge und Alte, Sclaven uib 
Freye, Bürger und Sremdlinge, Vornehzme und Gerin 
ge hatten und maßten fich alle gleiche Vorrechte an "9 
Manche Sclaven gingen viel ftolzer und prächtiger ge 
kleidet einher, ald arme Bürger , und es war eben 
wenig erlaubt, den Sclaven eines andern zu züchtigm, 
als einen freyen Achenienfer zu fchlagen ***), . 


Der Poͤbel, noch nicht damit zufrieden, ſich ui I 
ehe Dundeögenoffen, und alle Magiftratsperfonen unte Ih 
worfen zu haben, unterjochte zulezt Die Geſeze ſelbſt, da || 
mit er gar Feine Herren mehr über ſich hätte 7). El 
feste feine Freyheit darinn, zu thun, was er wollte Hy I 
und hielt Yusgelaffenheic für Deimofratie, Gefezlofigtat || 
für —— unbändige Unverſchaͤmtheit in Worta 
und Neben für Freymuͤthigkeit, und die Erlaubniß, 4 | 
les zu thun, was ihn beliebte, für die hoͤchſte Such 












— — — — —— — 





®) Iſoer. 1. e. P. 335. Xen. de Rep, Athen. I. p. 573.74 
Plat, de Rep, VIII, p. 206. Ariſt. de civit. VI, «£ 


‘ 1) Plat. p. 208. de Rep. VIIL TeAeuravres ya m 
ug orı 2de Toy vorn Dewrilscs, veyen 
pevav n ayeadav, iva dy yundasey undas dura 
2 deoworns. 

+}) Ariſt. VI. ce. 2. 698. - To cn ws Baierams 
TETO yap Tns eheudegias zoyov emwos Dam, 
wrse T8 daAs wros, To (nv un ws Bader, 


Geſchichte von DI. 98, 2. bis DI. uo, 3. 607 


ifeit ). Sein Wille war das ae Geſez, und feis 
Schluͤſſe galten mehr als die fen und heiligſten 
jazungen **). Weil er ‚gleich einem unartigen Kinde 
ufig in den Volksverſammlungen billige, was er vorher 
tabelt hatte, und auch gleicd) wieder verwarf, fo bald 
nach Haufe gegangen war ***); fo wurben feine Ges 
e, oder die für Geſeze geltende Schhäffe auch eben fo 
Derfprechend, als feine plözlich entftehenden und wieder 
ſchwindenden Einfälle zu verſchiedenen Zeiten wa⸗ 
ı.}). Für diefe Bemerfung fann man fein auffallens 
es Beyſpiel anführen, als bie Geſeze über die Auss 
tung von Kriegsſchiffen, welche ben reichften Buͤr⸗ 
sr aufgebrungen wurden. Denn bald waren vierhuns 
ge t}), bald zwoͤlf Hundert dazu beftimme fff), die nd» 
gen Kriegsfchiffe zu bemannen, und. in fegelfertigeg _ 
tand zu fezen, und bald muften.zwo, bald vier, bald 

| — zehn, 











Iſoer. I. 321. Plat. VIII. 200. 202. 
#*) ib. & Ariſt. VI. 2. p. 699. Tav exxAnoicer Kugschy 
avec mayTa). & Demofih, contra Leptinem 


p- 373. 

“4s) Iſoer. de Pace I. p. 387. Euzaeo ro de Ao- 
Yav nos TeRYuaTav Ovres, BTWs eAoyızas 
EXOMEV, WIE TER Tau MUTay TAS MUTNS negœs 
8 TRUTE Yıraonouey. AM WV MEY, Kow as 
zw ennAnoıav avalnyas, KaTmyopBuev, Tourc 
oweAdovres Xesgorovamev. 8 MoAuv de Xeovov 
Öaramovres , TuS evraude YnoicIacı, 

>. EWR TTIOMEV, WAANY ETITIKWMEV. i 
4) Ior. Il. 255. in Panatb., & Demoſih. 1. ec. contra 


Lept, 
++) Xenoph. de Rep. Athen. c. 3. p. 589. U 
+) Tlegı oumpogiov Demoſib. p. 72. & iq, & pro 
Corona. 327. 338? | 


bad ſe Perſonen ein Kriegsfchif 
** Unter Sefezer 
wenche, von kaum hoͤtte glauben fo 
fie in einem ausgebruͤtet, 
enoumen dieſer 






1.2) DemoAk. eont ‚p- & Ulp. ad hunc 
«®) Demoftb. p. II. in Philip. IL. Petit, Leg, Art, 
& Meuf Led, Att. Va Pr i 
Pro Corona p. 328. Demoſtheues befkinmmte 
» zehn Talente als dasjenige Vermögen, von: 
man gehalten ſeyn ſollte, ein Kriegeſchiff aus 
and verordnete, daß unter den zwälfhmubert : 
deubi „ bie mehr oder weniger befäßen, 
dem Berhältuiffe mehr oder weniger beptragen 
in weldem ihre Güter Über ober unter biefer | 
“ wären. Nicht viel beffer, als bie angefährten 
waten die zregs wvrıdocens, uugtalitet fie 
leichterung derer gegeben waren , die durch Ihre 
ge zu ben Bedärfuiffen des Staats zu fehr ı 
waren. Man fehe den Demofigenes, aber u 
> ver Verfaffer dieſer Rebe ift,.adverf. PI . 
658. & ex hoc Petit, Lei. Akt, p. 281. 


2 


u \ 
Geſchichte von DI. 98, 2, bis Ol. no, 3. 609 


Faſt noch verberblicyet, als die Gefezlofigfeit des 

hels, war die unumfchränfte Gerichtsbarfeit, welche 
derfelbe allmaͤlich aumaßte. Er zog nicht nur alle. 

reitigfeiten dit Bundesgenpffen nad) Achen Hin, ſon⸗ 
ı: brachte auch alle Sadjen, Die vor andern Tribus 
n waren anhängig gemacht worden, vor bie zahlrei⸗ 
; Gerichte, die aus feinem Mittel beſezt wurden, ers 
‚te wenigftens Appellationen an die feztern, und ents- 
d fogar den Grund oder Ungrund mancher Klagen 
‚ffentlichen Bolfsverfammlungen *). Durch diefe 
on | uns 








a 


X 
ſen Geſezen konnte ein jeder Trierarch oder Anfuͤhrer 
eines Chors (Xen. c, 7. Oecon.) von ber Laſt, bie er 
- tragen mufle, frey werben, fo bald er einen andern 
Meichern an feiner Stelle zu nennen wufle. Wenn als⸗ 
dann der angegebene laͤugnete, daß fein Vermögen 
größer, als bas feines Angebers fen; ſo konnte dieſer 
jenen zwingen, ihre bepderfeitigen Güter (die Antheile 
in ben Silberbergwerken allein ausgenommen) gegen 
einander auszutaufchen. Ließ der Angegebene ſich dies 
fen Taufch gefallen; fo gaben die Gefeze dem andern 
dad Recht, die Guͤter des von ihm vorgefihlanenen an 
demfelbigen Tage zu verfiegeln, und beyde muſten bins 
nen drey Tagen ein vollftändiges Verzeichniß aller ihrer. 
berveglihen und unbeweglichen Haabe angeben und 
beſchwoͤren. Alle diefe Gefeze vereitelte man durch 
mehrerley Betrügereyen und Raͤnke, wie man and der 
angeführten Rede ſieht. Man brach die Siegel von 
den Kellern, Böden und Schränken weg, und ſchlepp⸗ 
te fort, was man wollte, aud gab man eine Menge 
son Schulden an, bie man nicht hatte. Aus eben dies 
fer Rede ©. 656. erhellt, daß oft die reichſten Leute 
Mittel fanden, ſich allen Abgaben zu entzichen, und 
es abzuwenden, daß fie nicht In bie Zahl ber Trierare - 
Ken gefezt wurden. 
) Xen. de Rep. Athen. I. p. 575. Aefch. contra Ti- 
march. p. 182. Demofth, cont. Midiam p. 383, Plut. 
IV. 716. in Demofthene, z 


Zweyter Band. Ma 


ithaͤter und Beſchuͤzer, weil fie die Mei 
Dar — bald als Freunde der Sparta 
bald als Goͤnner der Oligarchie anklagten, und 
durch deſto mehr Bettlern ihren Richterlohn 
zen *). Dies große Anſehen mißbrauchten d 
phanien dazu, von Unſchuldigen wie von S 
große Summen herauszupreſſen, weil der unt 
fie Wandel nicht gegen bie äußerften Strafen fd 
Die Heilfamen Geſeze, nach welchen falfche 1 
die nicht den fünften Theil von Steinchen für 
ten, ober die eine angebrachte Anklage finfer 
am taufend Drachmen beftraft wurden +), fo 
Angeber nicht abſchrecken, weil diefe Geſeze 
voliſtreckt wurden, und weil Syfephanten eb 
über Unſchuldige fiegten, als diefe frengefproc 


den. 

Weil die Athenienfer von ihrer Kindheit 
woͤhnt wurden, und fogar eine Ehre darinn 
ihre Obern und Borgefezten zu verachten; fi 
Mangel von Zucht und Gehorfam fie zum K 
tächtig gemacht haben, wenn fie auch noch fo v 


Geſchichte n DI. 98, 2. bis Ol no, 3. Sr 


und Tapferkeit befeflen Härten )). Die gemeinen 
Soldaten vernachläffigten nicht bloß die Befehle ihrer 
Inführer und nahmen andere Glieder und Piäze ein‘, 
8 ihnen angeiviefen worden waren; fonbern verließen 
Ogar ihre täger und Heere, ohne daß die Felöherren 
je deßwegen zur Rechenfchafft ziehen konnten **), Dies‘ 
en ihrem Ungehorfam kam nichts , als ihre Weichlich⸗ 
Kt und Feigheit gleich; denn fo furchtbar fie unſchul⸗ 
gen Mitbärgern und in öffentlichen Berfammlungen 
aren; fo kleinmuͤthig und verächklich waren fie, wenn‘ 
? gegen den Feind ziehen follten ***). Ungeachtet ver 
Bel für ſich die prächtigften Gymnaſien hatte erbauen ' 
ten +); fo vernachläffigten doch die Athenienfer alle 
Besuͤbungen gänzlich, und füchten es fogar zu hindern, 
5 aud) nicht die Bornehmern ſich auf Friegerifche Les ° 
zigen legten, damit fie von dieſer ihrer Stärfe und * 
efchicklichfeit nichts zu fürchten hätten t). Sowohl 
Bangel von Patriotismus, ald von Uebungen und Abs - 
ztung hielt jie ab, gleich ihren Vorfahren für ihr Das 
>jand zu fechten; und eben dieſe phyſiſche Ausartung 
tar die Urſache der fonft unbefannten und unnatürs 
Eyen Erfcheinung, daß Heere, die aus gemietheren 
remblingen beftanden, Heeren von Bürgern vorgezos 
m wurden HH). Die Athenienfer hatten nicht einmal 
13 Herz, den Feinden gleich) außer den Thoren ihrer 
Stadt entgegen zu gehen; und wenn fie es mwagten, fo 
saten fie ed in Gefellfehafft von Barbaren, von Phry⸗ 
wen, Lydiern, Syrern und andern, die allemal ven 
Da 2 größten 














©) Xen. Memotab. Socr. III. 5. p. 152. 153, 

“#) ib, & Blut. in Phoc, IV. 314. 334. 37. 

“**) p. 37. 38. Demofth. de Cherfonefo, 

‚+) Xen. de Rep. Athen, c. 2. p. 582. 

++): Xen. Ill. 5. p. 152. de Rep. Athen. I, c. p. 574. 
+) Jafon. ap. Xen, Hallen; Vi, 1.P.357. 













—J ee a5 


N i Ach⸗ 
alle ihre Siege der t und Tapfer 
— und uͤch von dem GI 
a nichts. zueigneten, fo wle fie auch 


daran hätten +}). ** Zah 
einge, Seren denen die Athenienſer die p 
die ern —2 Zerruͤttungen * 
I D 
— auch gleich eine der Haupturſachen 


zung von Öriechenland. Wie viele Städte ann tb 
durch Empdrungen, oder auch durch feindliche Ga 
umgeworfen werden, bevor in einem Ländchen, wie 
henland war, das fehon fo viele Jahre durch die. m 
ckigſten Kriege gelitten hatte, eine ſo große Zahl von ha⸗ 
umziehenden Flüchtlingen entftand, daß es — v 





#) de Prov. c, 2. Xen, p. 597. & Iſoer. de Pace 


a) — Pace I. p. 385. Bäter Zee 
hatte das Begenteil Statt —— ws %& Thu, 


€, 121. 
# P. 17. in Philip, I, 
M Do repordinanda, p. o. 


® — 
Geſchichte von Ol. 98, 2. bis Ol. no, 3. 6 


Heere aus ihnen als aus anſaͤſſigen Buͤrgern zu errich⸗ 
ten ®),, und daß eben dieſe Fluͤchtlinge den Griechen ſo⸗ 
wohl, als Barbaren furchtbar werden konnten **). 
Dieſe Ebentheurer hatten weder Vaterland, noch unbes 
wegliche Güter, und nur fehr felten Familien; oder wenn 
fie dergleichen hatten, fo fcheuten fie fich nicht, ihre 
Weiber und Kinder an einem Orte zu verlaffen, und 
an einem andern nee twieder zu nehmen, und wieder zu 
zeugen ***). Ihre Dienfte verfauften fie an den Meiſt⸗ 
‚bietenden , und fie gingen alſo gleich zum Feinde über, 
‚gegen ben man jie gedungtn⸗ atte, wenn ſie von ihm 
‚mehr zu erhalten hoff esiehn Sie übten allenthalben 
„unter Sreunden und Fein. ..e größten Gewaltthaͤtigkei⸗ 
ten ar, und zwangen diejenigen, die fie unterhielten, 
* namentlich die Athenienſer zu gleichen Ungerechtig⸗ 
Feiten gegen die Bundesgenoſſen, um nur ben Verraͤ⸗ 
en und gemeinfchafftlichen Feinden aller Griechiſchen 
caaten ihren Sold reichen zu Fönnen }}). Wir find, - 
. 3 






q | ru⸗ 








—— 


.%) Iſoer. ad Philip. I. 278. 

#8) ib, p. 292. Daß ber Redner nichts Äbertreibt, erhellt 
fowohl aus ben großen Heeren, welche die Phocenfer 
fo viele Jahre unterhielten, ald ans ben eben fo großen 
Armeen, welche ber König von Perfien, und alle dies 
jenigen, bie von ihm abfielen, aus biefen Nichtswuͤr⸗ 
digen errichteten. Man lefe bas ganze ſechszehnte 
Buch bes Diodor, bef. ©. 26. imp. Cyrop. in fine, 
Es ift bekannt, daß ähnliche Banden von Näubern 
und Mierhlingen im Igten und ben folgenden Jahr⸗ 
bunderten in Italien, Frankreich und Deutſchland here 


_ umzogen. 
ww) Ifocr, II, 522. Aeginet. inp. I. p. 363. 364. de Pace, 
$) ib. & Demofth. adv, Timocr. p. 446,453. Plut. in 

Pelop. II. 378. | 
+H Hoc. Le 


”. 
⸗ 


= er en “ * 


ofen gheraier und Dewoſthen⸗ ey a⸗, 
‚unter unſere Vorfahren berabgejunßen, daß wir, 
‚Außerften Duͤrftigkeit, die lezten Reſte des Der 
BE Stadt ſowohl, als der Bundesgenoſſen an 
Vandſtreicher verſchwenden, und uns wohl ger | 
| omg m —— daß fie bie mit uns verbunden 
fer beraubt haben , anſtatt daß unfere Bäter in-t 
‚ten der Höchften Macht, da die ganze Burg mi 
und Silber angefüllt war, nicht mus ihre Stat 
„dern auch bie Bundes gehoſſen mit ihtem eigenen 
und Lehen vertheibigten 9, a 
Nicht aber bloß der 
‚foren, bie aud dem Poh iR Inmen wurben, 
auch Heerführer und Redner Kir Demmagogen, | 
z allein durch freye Wahl —** beſſern T 
Bürger aushob, waren im höchften Grabe ver! 
‚den einzigen Phofion und Lykurg ausgenommen. 
‚ber Wiedergewinnung ver Herrſchafft zur See I 
vor der Schlacht ben Cheronaͤa zeichneten ſich um 
Arhenienfern mehrere Feldherren, vorzüglich Iph 
Timotheus, Chabrias und Chares, aus, bie 
fcheint, einen größern Eriegerifchen Ruhm als 












GE EEE 





*) l,e 

np 7. de rep. ord, 

D Als Beweiſe und Wirkungen ber Berborben 
. Volks und des Pöbels kann man auch Biefe « 
baß fie ſowohl bad Vuͤrgerrecht, als bie ehn 
Belohnungen großer Verdienſte, Cronen, I 
u. ſ. w. an Unwuͤrdige verſchwendeten. Dem 
rep. ord. p. 20. adv. Ariſtoer. p. 437. cont 
lidem p. 542. Aefch. contfa Ctefiphontem 
300. 301. und daß Feine Treue und Glauben 
Volke, und weder Eide noch Verträge heilt 

.defch,in Tim. p. 186. lſoer. reameg, u. p 


Geſchichte von DI. 98, 2. Bid DL. 110, 3. 615 


erhielten. Unter .allen dieſen Heerführern war aber, 
wenn man den Phokion ausnimmt, feiner, den man 
mit Den älteren Helden der Athenienſer, oder auch mıe 
mic dem Agefilaus, Epaminondas, und Pelopidäs vers 
Hleichen fonnte. Ihre gröften Berbienfte beftanden dars 
kan, daß fie ihre Krieger zu einer außerordentlichen Fers 
Sigfeit in allen Arten von Waffenübungen gemöhnten, 
oder den Seind durd) irgend eine neue unerwartete Wen⸗ 
‚dung überrafchten *). Selbſt die Erfindungen , die dem 
Zphikrates fo viel Ruhm brachten, waren vielmehr Ders 
fimmerungen ald Berbefferungen der Kriegsfunft, und 
rläffige Peweife der abnehmenden Stärke, Tapfere _ 
3 und Friegerifchen Erziehung unter-dven Griechen *"). 
machte nämlich die Schilde und Panzer. Fleiner und 
leichter, und die Degen und Spieße lähger, als fie vors 
er waren, und verwandelte dadurch das, ſchwerbewaff⸗ 
were Fußvolk in leichte Truppen, bie dem Phalanx der 
Makedonier nicht widerſtehen konnten. Sowohl Iphi⸗ 
Rrates, als die übrigen Feldherren dieſes Zeitalters, (den⸗ 
zenigen ausgenommen, den ich vorher ſchon von den 
Abrigen abgeſondert habe,) liebten alle ihr Vergnuͤgen 
enehr, als ihr Baterland, und mieden deswegen Athen, 
Fo viel fie nur konnten, um ihre Lüfte defto ungejlörtee 
Qq 4 be⸗ 





| A] 





®) Corn, Nep, in Iphicrate, 

ar) ib, Auf eine. ähnlihe Art ſank die Kriegskunſt unter 
den Römern. Vegetius de Re Milit. ı. 20. Ab ur- 
be enim condita ufque ad tempus D, Gratiani, & ca- 
taphraltis & galeis muniebatur pedeftris exercitus, 
Sed cum campeflris exereitatio interveniente negli- 
gentia, defidiaque ceflaret, gravia videri arma coe- 
perunt, quae raro utique milites induebant, Itaque 
ab imperatore poftulant, primo cataphradias, deinde 
eaflides deponere, &c, 


Achtes Buch. Eupen ea 


befriedigen zu koͤnnen ®). febte meift 
Thracien, Timocheus in fesbos, - Chats in S 
und Chabrias in andern Stäbten*”). Wenm bie 
ger von ben Athenienfern ausgefandt wurden, ſo 
‘ten fie weniger daran, tie fie dem Feinde ſchade 
"wie fie fü ch auf Unkoſten ver Bundesgenoffen * 
wollten ꝰ*). So bald alſo die leztern hörten, d 
Athenienſer einen ihrer Feldherren zu irgend einer‘! 
nehmung ernannt hatten, fo verfchloffen ſie ihre 
und Thore, und brachten ihre Weiber und 
re Sciaven und ihre Heerden in Sicherheit, 
: fie den Ueberfall von dem gefährlichften Beine 
fürchten gehabt Härten****). Die Raubſucht diefer 
führer und der unbezaͤhmten Schaaren, mit den 
umgeben waren, war den vereinigten Städten (of 
lid), daß fie lieber einen Seind, von dem fie war 
lagert worden , als Huͤlfsvoͤlker von ben Acheni 
aufnahmen 7). Doch. machten fie ſich diefe 9 
gerne mit großen Summen geneigt , Damit fie mu 
ihren Handel zerfiören,, und ihre Schiffe plünde 
. wegnehmen möchten ‘Ff). Kein XBunber alfo, 
die meiften wegen ihrer Erpreffungen in Athen am 
und als ungerechte Bedrücker verurtheilt wurden 











2) Athen, XI. 8. 532 p. Corn. Nep. in Chabri 


“+, i 

„er, Demofth. de Rep. ordinanda. p.68. & Diod, 
XViI. p. 78.98. 107. 180. Plut, IV, 406. in! 
°s, Plat. IV. 313. 317. 

DR. 254. Iſoer. Panathen, 

tt) Demofth, de Cherfonef. p. 38. 

+}r) So Dinardy contra Philoclem p. 87. 
41619. 8. vom Kimorhend, —R — *— 


> 


Geſchlchte von Ol. g8.2. bis Ol.nıe, 3. 617 


Den Feldherren vollfommen ähnlich, und des Poͤ⸗ 

, den fie leiteten, vollkommen würdig, waren vie 
Redner, die in den lezten Zeiten der Freyheit jaͤhr⸗ 
als Führer und Nathgeber des Bolfs erwaͤhlt wurs 
und wenn fie redeten, eine Drachme eınpfingen ”). 
je Gewohnheit, jährlich zehn Sprecher des Volks 
vählen, fteigt weder bis zum Solon, noch in alte 
en hinauf, wie der gelehrte, aber unfritifche Ges 
htſchreiber der Achenienfifchen Geſezgebung glaub 
*); ſondern entſtand gewiß erſt nach dem Frieden 
Antalkidas, aber vor dem Ende des Krieges mit 
Bundesgenoſſen. Mehrere alte Schriftſteller reden 
der Trennung der Perſonen des Feldherrn und Red⸗ 
die noch im Perikles, Nikias, Alkibiades, Thra⸗ 
lus und andern vereinigt waren, als von einer neuen 
heinung, und als einem zuverlaͤſſigen Merkmale des 
falls des Staats ſowohl, als der Nichtswuͤrdigkeit 
neuern Demagogen ***) ; umd Plutarch ſagt daher 
Phokion, daß er wider die Gewohnheit feiner Zeit⸗ 
fen , die Künfte und Kenntniffe des Redners und 
‚herru in fich zu verbinden gefucht habe +). Auch 
Geſeze alfo über die Nebner, die manim Dinard) }}) 
Das und 


ans Sum —— — ——— —— — 











anders, aber wie faſt immer unrichtig. c. 3. in Ti- 
motheo. Aus dieſer Stelle ſieht man aber doch, daß 
bie Arhenienfer damals, wie zu Sofrates Zeiten Feld⸗ 
herren erwählten, bie nicht bie geringften Erfahrungen 
und Kenntniffe haften. Memorab, Socr. IE 5. 


. 154. 
) pe. Leg. Att. 259. ſeq. 
») Anch Aeſchines 274. contra Ctef. nennt unrecht ben &es 
Ion den Urbeber der Geſeze über die Redner. 
vs) Ifocr. 1. 389. In Pace & Ariſt. V. de Civ. c, 5, 
) IV.p.306.inPhoc, | 
V Adv, Demoſth. P. IoI. 


618 Achtes Vuch. Erſtes Capitel. | | 


und Aeſchines findet *), waren, wie die Würde feihk, 
neu, würden aber doch vielleicht einen Theil diefer chat 
lichen Einrichtung verbeflere haben, wenn fie nur genau 
wären beobachtet worden. Dieſen Gefezen zufolge fl‘ 
ten die Öffentlichen Redner verheirathet ſeyn, und unbe‘ 
wegliche Güter in Attika befizen. Keiner follte zur Ein: 
eines Demagogen fommen, ber feine Eltern gemißken 
delt, oder verfloßen, oder der dem Vaterlande die ſhu 
digen Kriegsdienſte verfagt, oder der feinen Schild me 
geworfen, der endlich fein vaterliches Erbe herdurd g 
bracht, und feine Unſchuld preis gegeben, oder bie Is 
ſchuld anderer geſchaͤndet Härte *). Wenn jemand d 
nen Redner folcher Berbrechen und laſter ſchuldig w 
ſo hatte er das Necht ihn zu belangen, und auf fa 
Abfezung zu dringen ***). Andere Geſeze gaben fon, 
bem regierenden Rath die Madıt, einen Dolförebanf, 
aber nur bis auf funfzig Drachmen, zu ſtrafen, 
er zweymal von berfelbigen Sache zu denfelbigen 
nen geredet, oder jemanden fälfchlid) angeflagt, 
ſich fonft ungebührlich aufgeführt hatte F). ‘Der Pill 
übertrat aber felbft zuerft alle diefe Geſeze, und vertah 
feine Redner, damit er von ihnen wieder verdorbennef : 
be t}). Weil der große Haufe eben fo wenig, alsch 
übrige Tprannen, unangenehme Wahrheiten Kira, 
oder Widerſpruch und Gegenfaz gegen feine bofen Ei 
wuͤrfe und Begierden erfahren mochte; fo wählte er 4 
lein oder größtentheils nur folche zu feinen Rathgeben, 
von welchen er weder das eine, noch das andere zu b 


find 



















— —— —— — 


») Adv. Timarch. p. 174. 175. 

*®) Script, cit. 

wer) ib, 

+) ib. 

}H) Ioer. 1. 362. 63. 67. de Pace Demofth, p, 39. 4 
Cherfonef, & p. 44. in Philipp. ILL, 





Geſchichte don Ol. 08,2 bis Ol. 1o, 3. 619 


chten hatte. Die Verwaltung ver öffentlichen Ge⸗ 
äffte war daher in den Händen ber nichtswürdigften 
enfchen, denen Feiner feine häuslichen Angelegenheiten 
rde anvertraut haben. Man zog wahnfinnige, uns 
ißige, und verfthwenberifche Menfchen, Flugen, nuͤch⸗ 
nen, und gegen ben Staat freygebigen Perſonen vor, 
il man bie erfteren für größere Freunde der Demofras 
hielt ). Da die Demogogen wuſten, daß ber 
3bel alle Diejenigen vom Nednerſtuhle berabwürfe, 
ſich feinen Abftchten widerſezten, ' oder ihn frens 
ithig tadelten ; fo fchmeichelten ſie feiner Kitels 
e, unb feinen verwöhnten Ohren, wie den Oh⸗ 
ı eines verzärtelten Kindes, riechen nicht das 
efte, fondern das, wovon fie wuften, daß es Ihren 
choͤrern am angenehmften feyn würde, verflagten Reiche 
D Bornehme, um den Raub mit den Nichrern zu theis 
I, und reisten zum Kriege an, wenn fie wuften, daß 
8 Volk Freunde und Seinde geplündert wünfchte **). 
ageachtet fie aber die fchändlichften Schmeichler, und 
die 














®) Ifocr. p. 367. 389. 

ss) Plat, de Rep. 210, 212. Gorg. 324. Iſoer. I, c, 
379 p. & 425. 26. Die einzigen, bie biefes nicht 
thaten, waren Phokion und Demoſthenes, und lezter 
rer fagte daher, daß bie Atbenienfer es ibm Dan 
wiffen möäften, daß er fie gewöhnt habe, bie Wahrheit 
zu bören. p. 69. derep. ord. Die Namen der Des 
magogen in den lezten funfzig Jahren vor ber Schlacht 
bey Cheronda findet man ap. Pfeudo Plut, in vitis 
Rhetorym, ap. Dinarch, p. 97. Ifoer, I, 398. Plut, 
IV. 698. in Vit. Demofth. & 740. & in Vit, Phoc. IV, 
205. 339. 347. 353. In den leztern Stellen finder 
man Schilderungen des ruchlofeften unter allen, des Des 
meas. Die Urtheile des Dionys von Halikarnaß über 
die Griechiſchen Redner führe Ich nicht einmal an, da 
ich voraus feze, daß fie einem jeden bekanut find. 


2 


620 . Achtes Buch. Erſtes Capitel. 


die Sclaven aller Einfaͤlle und Launen bes Pöbels wa 
ren; fo hatten fie doch auch wieder das Gluͤck von Odape 
lingen: fie bebertfchten naͤmlich ven Poͤbel, der Yaa 
und Bergnügungen von ihnen erhielt und ermortigk, 
unumfchränft, behandelten ihn oft wie einen Finbiff 
oder blödfinnigen Alten, und ließen ihn befchließen e 3. 
verwerfen, was fie befchloflen oder verworfen haben 
ten ”). Die Redner tödteten daher ober verjagten ski, 
beraubten, gleid) Tyrannen, wen fie wollten **), m 

thaten bie wichtigften Gefchäffte für fich ab, wehwus 
auch Könige und Staaten ſich nicht mehr an das 
fondern an deſſen Führer wandten **%). Beſtechu 
waren unter ihnen jo gemein, daß nur Phokion und 
kurg allein: unuberwindlich gegen Gefchenfe, umd ı 
von unrecht erworbenem Gute blieben ****). Krieg 

für fie Friede, und Friede Krieg, und ihre Eigennuz mg 
alfo mit dem allgemeinen Beften in einem befländis 
©treite, in welchem aber das leztere nicht anders d 
gerlieren Fonnte }). ie liegen fich von den Feloherm 
beftechen, um fie zu begünftigen, oder um ihnen m 
nicht zu fehaden rt), und zwangen die vornehmften une 
Bürgern und Bundesgenoffen, fie mit Gefchenfen a 
überhäufen, damit fie ihre Namen nur nicht dem Prxl 
verdächtig machen möchten tft). Dutch folche Erf 




















— 








RR 





——— nd — 





#) Demofth, p. 71. de rep. ord. & Aefch. contra (ıd 


p. 309. 

**) Plat. in Gorg. p. 310. II. 

wre) ib, & Acfch. J. ce. 

#se*) Ifocr, 1.379 & 423. de Pace Demofth. p. 458. ad. 
Timarch. p. 458. 

7) Pbilippi Maced. Regis Epift. inter Demofth. op. p. 64 

Tr) Ehares ließ deßwegen auf allen feinen Kriegsjign 
große Eummen für die Demagogen zuruͤck. 

tr?) ib, Man ſehe das Bepfpiel des Harpalus beym Dis 
tarch IV, 331. in Phocione, 


Geſchichte von DI. 98,2, Bid Ol.no, 3. 621 


gen, die nicht weniger ungeſezmaͤßig, als die ber 
dDherren waren, . brachten die Redner in Furzer Zeie 
Ge Reichthuͤmer zufammen *), führten vom dieſen 
ichthuͤmern Palläfte auf, welche die Zempel ver Goͤt⸗ 
an Pracht Übertrafen, verfchwendeten fie, wie die 
dherren, an Buhlerinnen, Foftbare Kleider, Gerärhe 
> Salben, oder an fchöne und Funftreiche Knechte, 
= an üppige Saftmäler, deren Genuß und Beſiz fie 
die höchfte menfchliche Gtückfeeligfeit hielten **). 
Henn man Dies von mir entworfene Gemälde der 
ten und Staatsverfaflung der Athenienſer gelefen 
>> fo fieht man bald ein, daß in einer fo gänzlich) vers 
henen Stadt, mo alles fich unter einander verzehrte, 
myheit, Handel, Gewerbe / Wohlſtand, Kuͤnſte und 
iſſenſchafften unmoͤglich noch lange ſo fortbluͤhen konn⸗ 
, vie fie bisher gebluͤhet hatten. 











) Hocr.J. 423. de Pace Demoſth. p. 458. adv. Ariſt. 

Be) Die Zenghiffe zu biefen Bemerkungen findet man in 
meiner Abhandlung Über, des Luxus dee Mihenienfer, 
Lemgo 1782. 8. 


Zweytes Eapitel. 


Von den Schülern des Sokrates, d 
ausgenommen, 





L 
Zenopfon. 


ech die Sopiften, noch mehr aber 
Sokrates, harte die Philgfophie fo ı 

zeln gefaßt, daß fie weder durch die ungerech 
tung des legtern, noch) durch die fürchterliche ı 
derbniß und Entfräftung des Athenienfifchen V 
auch durch drohende Volksſchluͤſſe *) auf eim 
ausgerottet werden. Es zeigte ſich hier, wie 
ligen andern Fällen, daß ber menſchliche Ge 
er einmal einen ftarfen Stoß empfangen hat, 
wegten Chrpern, noch eine ganze Zeitlang 
wenn gleich die bewegende Kraft lange zu wir 
Käre far Mile Miflenfchafften hanerten na. 


\ 
j ⸗ 


Bon den Schülern des Sokrates. 623 


iſchenalter in Athen fort, und wurden noch immer 
itert, ungeachtet ſie viel mehr Hinderniſſe, als Auf⸗ 
terungen fanden. Selbſt die Zoͤglinge der Schu⸗ 
die Euklides in Megara, und Phaͤdon in Elis ſtif⸗ 
, kehrten wieder nach Athen zurück, gleich als wenn 
Nhilofophie eine Dem Artifchen Boden eigenthuͤmliche 
ht geweſen wäre, bie in feinem andern Erdreiche 
» fortfommen koͤnnen. | 
Sofrates hatte Zuhörer aus allen Ständen und 
allen Gegenden von Griechenland, von deren größtem 
fe wahrfcheinlich nicht einmal die Namen erhaltet: 
ven find *). Unter diefen feinen Freunden begnüg» 
fich die meiſten damit, die tehren ihres Meifters 
h ihr teben auszudrücken, andere trugen fie auch in- 
riften oder Reden vor, oder wurden wenigſtens 
h den Unterricht des Sofrates in Stand gefest, ans 
wieder zu lehrer. Dieſe lezteve theilcen fich wieber 
iele fehr ungleiche Familien ab: einige blieben den: 
nbdfäzen des Sokrates getreu: andere übertrieben. 
verfälfchten fie: und noc) andere verdarben ober 
eßen fie gänzlich **). | Ä Ä 
Unter ven Schülern des Sofrates, bie nicht von 
r Lehre wichen, hatte Feiner eine größere und edlere 
| Seele, 











denpuibee GE 





Die Äbrig gebliebenen Namen findet man beym Zenes 
phon Memor, Socr. I. c. 2. p. 10 & 28. c. 4. p. 43. 
IV, 1& 8c. Plat, Apol, p. 9. 13. & Phaed. p, 22. 

" & ap; Diog. lib. II, imp. S. 121. & ſq. 

N De orat, Cie. Il, 16. Nam cum plures orti eflent 
fere a-Socrate, quod ex illis variis & diverfis, & in 
omnem partem diffufis difputationibus alius aliud 
apprehenderat, profeminatae funt quafi familiae dif- 
Tentientes inter fe, & multum disjundtse, & disps- 
res, quum tamen omnes. fe philofopbi Socratich & 
dici vellent & efle arbitrasentur. n 


624 Achtes Buch, Zweytes Eapitel, 


Seele, und feiner war ihm in Anfehung der Sprach, 
der Gemuͤthsart, und aller Tugenden und 
ten fo ähnlicd), als Xenophon von Athen. Dieſer wel! 
treffliche Mann hatte ſchon den größten und fchönßefl 
Theil feines tebens im vertrauten Umgange mit dem Soſi 
krates, und in einer glücklichen, aber ruhmloſen Dahl 
verlebt, als er zuerft Gelegenheit erhielt, feine vom Br 
Erates gebildeten außerordentlichen Kräfte und die in ed 
Stille bisher geübten Tugenden auf einem glänzenem ii 
Schauplaze wirfen zu laſſen, als auf welchem bank 
irgend ein anderer Griechiſcher Weltweiſer und Fe 
elte *). Proyenus, ein vornehmer Tpebaniäiuki 
üchtling und alter Gaftfreund des Renophon, batlaggen 
nach Sardes zu fommen, weiler ihn mit dem jünger ge! 
tus, dem Bruder des damaligen Königs von Veit 
und Gouverneur von ganz Borderaiien, als einem Di 
befannt machen wolle, deflen Freundſchafft ihm her 
cds fein Vaterland fey **). Xenopdon folgte der & 
ladung feines Freundes auf ben Nach des Delphine 
Apoll, an den ihn Sofrates gewieſen hatte, und 
auch wirflich im Gefolge, und als ein Freund des Audit 
mit dieſem jungen Helden den Zug in’s innere Aſien al 
ohne zu wiffen, daß er gegen den König der Perjer fait, 
ten follte ). Dies erfuhr er nicht eher, als die Me]R 


gain 
— _.._ 
°) Zenophon wurde DI. 82, 3. geboren, ging ohne 


im funfzigfien Jahre zum Kyrus nad Afien, DI. 9] 
und flarb Ol. 105, 1. vid, Hutchinf, Vic. Js 














| 


[U _ REDE 




















. 1-4 
#%) Anaba, HT, 1. 
+) Als Xenopbon den Brief des Prorenus erhalten hi 

und den Sokrates fragte, was er thun follte, wird W 
fer ihn an den Bott zu Delphi, weil es ihm bebeafd 
ſchien, zu einem fo erBlärten Feeunde der Kapebämenk 
ale Kyrus war, zu reifen. XRenophon erfundige N 





Von den Schuͤlern des Sofrated, 625 


Griechen, da ſie,ſchon in Cilicien angekommen, und 
biel ſicherer war, dem Kyrus zu folgen, als ihn wi⸗ 
feinen Willen zu verlaſſen ). Nach dem Tode 
ſes edlen Perſers, und der meuchelmoͤrderiſchen Hin⸗ 
ſtung ber vornehmſten Anführer und Hauptleute des 
iechifchen Heers, welche Die Perfer unter den heiligs 
ı Betheurungen in ihe tager gelockt und getoͤdtet hat⸗ 
, fanden fich die Mitftreiter des Kyrus in der vers 
pfeltften Sage, worinn fich jemals ein Heer gefunden 
Sie waren nicht nur in einem feindlichen Sande, 
mit zahllofen Feinden umringt, fondern auch ohne 
rer und Wegweiſer, ohne lebensmittel, und Reu⸗ 
y, die ihnen das Nothwendige hätte verfchaffen und 
Feind verfolgen Fonnen, und was das fürchterlichfte 
:, mehr als zehn taufend Stadien von ihren Vaters 
ten entfernt, von denen fie durch viele reißende und 
» Ströme, durch faft unerfteigliche Berge, durch 
Ihnen unbefannte tänder, und durch eine Menge 
ver DBölferfchafften getrennt waren, die mit allen 
igen Menfchen in einem beftändigen Kriege waren, 
für ihre Härten und Nahrung, wie für ihr teben 
ıpften. Durch die Borftellungen aller diefer Gefahs 
‚, und durch die Sehnfucht nach ihren Eltern oder 
ibern und Kindern und väterlichen Wohnungen, was 
die Griechen, die kurz vorher unter dem Kyrus die 
fer beſiegt hatten, fo gänzlich niebergefchlagen , 
ie 








aber nicht, ob es beffer für ibn ſey, nach Aflen zu zies 
ben oder zu Haufe zu bieiben, fondern wie er am beften 
zum Kyrus bintommen könne? Hieruͤber tabelte ihn 
Sokrates, wie er ſelbſt mit einer einnehmenden Offene 

herzigkeit erzähle J. e. 

) ib. 

Zweyter Band. Re 


gen Mitcel feyen, einem unvermeiblichen Verl 
enteinnen ). Ungeachtet er nur ein freywoillig 
ger, und im Heere faft gar nicht befannt war 
er doch die Hauptleute feines ermordeten Freu 
fammen, und flößte anfangs nur diefen, und 
auch dem übrigen Heere aufrichtende Hoffnun 
gluͤcklichen Ruͤckkehr nach Griechenland ein. € 
fie vor den verrätherifchen Anerbietungen der 
und fehlug ihnen die Maafregeln vor, die fie 
Stelle zu faffen hätten **). Durch feine Klug 
Tapferkeit entgingen die Griechen in kurzer Zeit 
folgungen der eben fo feigen, als-weichlichen Peı 
befiegten auch) alle übrigen Feinde, unter wel 
Hunger unftreitig der gefährlichfte war. Dur 
phons Vorſicht vermieden fie die Beruͤckungen i 
derfacher, und bereiteten denen, bie ihnen naı 
Fallen, worinn fie gefangen wurden. Zenor 
immer ber erfte, wenn gefährliche Höhen und 
erfteigen und durchzuſchwimmen, ober Feinde 

fen und abzuhalten waren. In Gefahren ober 
falen unterftügte er bie teidenden und Ohnmaͤch 


Dub Baflenn ana Mameka. . 5— 


Bon den Schülern des Sokrates. 627 


‘, flrafte die Uingehorfamen und Raubfüchtigen, und. 
fte die Murhlofen und Ermattenden durch das Bey» 
I feiner Standhaftigkeie *). Oft hielt er die wuͤthen⸗ 
: Krieger mit tebensgefahr von Frevelchaten und Uns 
schtigfeiten zurück **), und forgte flets, wie ein wah⸗ 
Borgefezter nach der Vorſchrift feines Lehrers follce, 
ye für das Wohl feines Heers, als für feine eigenen 
rtheile **). Er kam deßwegen aud) fo arm aus 
en zurück, Daß er ohne eine gänftige Wendung, bie 
Gluͤck nahm, fein Pferd Hätte verfaufen müffen,: 
‚nur wieder nach Haufe zu fommen }). Wegen dies 
großen Verdienſte nannten und verehrten ihn bie 
Maren als ihren Vater und Wohlthaͤter, und waͤhl⸗ 
ihn zu ihrem oberften Anführer, welche Stelle er 
© ftandhaft ausfchlug, um nicht fic und feiner Bas 
ſtadt den Haß der Spartaner zuzuziehen FF). Nichts 
toweniger mufte Zenophon mehrmalen ſowohl mit dem 
ide anderer Hauptleute, als der plözlichen Wuth der ges 
inen Krieger fämpfen, Die alle nur gehorchten, fo 
ge Feinde und Gefahr da waren, und hingegen in 
Zeiten der Sicherheit aud) die heilfamfte und noth⸗ 
tdigfte Strenge ihrer Führer mit dem Tode zu ſtrafen 

Rr 2 geneigt. 


[U 07 [| 











) Anab. IV. 4. p. 214. Einſtens wurbe das Heer fe tief 
befchneit, daß viele Soldaten Mühe hatten, fich unter 


dem Echnee berauszuarbeiten. Hierauf fand Een 


phon nadt auf, und fing an, ohne alle Bedeckung 
Holz zu hauen, um fich zu erwärmen, und den Abris 
gen Much zu machen. Man fehe ferner Lib. V. Cop. 
ult. p. 315, 319. 

Mt) IV. 6. 311. & Cleonis Epift, de conferv, a Xenoph, 
Byzant. | j 

“) Vi. 6 & 7. p. 431. 450151, 

P -ib.p. 456. 

TH VLı p 827. VII. 437. 


von den Warthern erfählagen gu werben, ein 
Das andere in die Worte ausbrach: O bie r 
‚ Griechen! 


: Die Verrärheren eines Wahrfagers , 
phon. fich anvertraut hatte, zerſtoͤrte den Int 
den er gefaßt hatte, der Gründer einer neu 
am ſchwarzen Meere, und der Begluͤcker uni 
ber von Menfchen zu werden, deren Erretter ı 
führer er Sieger er geroefen war **). Allein w 
noch andere Verbindungen Fonnten ihm das 

des Heers rauben. (Er führte es daher, um 
im bevorſtehenden Winter Unterhale zu vı 
zum Seuthes, damaligen Könige von Thraci 
chem er fein väterfiches Neich wieder eroberte u 
terte; und hierauf übergab er es dem Thimbro, 
lezt dem Agefilaus , der durch feinen Unter: 
Beyſpiel die Tugend und Kriegsfunft üben | 
Durch die Begänftigung dee Spartaner for 
ber ihm ergebenen Hauptleute, ‚erhielt Zenopf 


fo beträchtlichen Theil ber zulezt in Pprngien 9 
Ponte. ha er nicht nur fiir (ich honnom lokon 





wu 


Bon den Schülern des Sofrated. 629 


ch andern wohlthun Fonnte”). Ohngefaͤhr um biefe 
it aber verwiefen ihn die Achenienfer wegen feiner ges 
uen Verbindung mit dem Kyrus, und nachher mie 
n Spartanifchen Feldern. Er blieb alfo eben fo 
ige in Alien, als Agefilaus, und zog mit diefem Kös 
je nach) Koronea, wo bie Thebaner überwunden wur⸗ 


1). Bald nachher ließ Kenophon fi) in Sifillus, 


em Fleinen Städtchen, nieder, welches die Lakedaͤmo⸗ 
r ohngefähr zwanzig Stadien von Olympia erbaut . 
ten. Hier Faufte er von vemjenigen Theile der Beute, 
Ichen er der Diana gelobt. hatte, beträchtliche Laͤnde⸗ 
en, erbaute der Göttinn einen Tempel, der dem 
heſiſchen ähnlich war, und feierte ihe zu Ehren ein 
tliches Feſt, zu welchem alle Einwohner ber Stadt, 
y) auch viele Sremblinge eingeladen wurden 7). Cr 
ſſte aber zulezt diefen feinen geliebten Aufenthalt vers 
en,. und gegen Korinch vertaufchen, weil Sifillus 
ı den Eliern überfallen und faft gänzlich zerſtoͤrt 
rde. 


Zenophon glaubte zwar nicht, wie Sokrates, daß 
von einem Dämon begleitet werde; allein er gab doch, 
n wie fein Lehrer, auf die Dffenbarungen des Willens 

Götter in Träumen, oder in andern Zeichen, wie 
efen, am meiſten aber in den Eingeweiden der Opfers 
ve, Acht. In der Auslegung der leztern glaubte er 
felbft nicht unerfahren, und er ließ daher feine wich⸗ 

fen Entfchliegungen ftets auf Die Ausſpruͤche der Goͤt⸗ 
durch die Eingeweide von heiligen Opferthleren ans 
oo Nr 3 | kom⸗ 


) Xenoph. I. c. p. 462. 
*) V. 3. p. 27% 
).ib, 


Yuıyrıs ver yEIUEIUEIE SOELIBEIL UVELKUE 44 


> So wie Eenophon in dem furzen Abfchn 
‚gefchäfftigen !ebens mehr Menſchen durch 
Thaten begluͤckte, als man mit einiger Wahr 
feit von allen übrigen Freunden des Sokrates v 
kann, eben fo nuzte er auch durch feine Schrif 
Zeitgenoffen mehr, als irgend einer ber übrige 
tifer. Er ließ feinen Zroeig von Kenntniffen, 


*, 3.8. bie Errichtung ber Stabt am ſchwar; 
loc, fup. eit. und die Annahme oder Ablehnur 
führerftelle, die man ihm anbot. Vi. ı. p. 3: 

#) Diogenes IT. 54. erzählt no vom Kenophon 
feine beyden Söhne den Aehenienſern, a 
E partanern bey Mantinea Hülfe geleiſtet, 
babe, und daß einer von beyden, Gryllus 
Held gefallen, und von unzähligen Dichter 
worden ſey. Zenopbon erhielt, fagt e 
Schriftſteller, die Nachricht von dem Tode fü 
nee gerade, als er opferte. Er nahm def 
Cranz von feinem Haupte, fezte ihn aber «| 
auf, als er hörte, daß fein Sohn tapfer 


ann mio rintar faaten Gel ken Inamina 





Bon den Schlilern des Sofrated, 63 


fingen und Männern nuͤzlich und unentbehrlich war, uns 
bearbeitet, und machte die Griechen nicht nur mit den 
Berfaffungen ihrer Staaten, mit der Gefchichte und 
den Begebenheiten ihrer Zeit befannt: fondern lehrte 
‚fe autch durch Regeln und Mufter, wie fie Leib und 
Seele bilden, und durch Weisheit und Tugend eben fo 
"glücklich, ale Sofrates werben fönnten; wie fie ihre 
Haͤuſer und Baterftädte regieren, ihre Feinde übers 
winden, und ihre Bürger im Kriege anführen müs 
fen. Freylich haben mehrere unter feinen Werken 
ben größten Theil ihres Intereſſe, und ihrer Brauchbars 
Reit für uns verloren; allein man muß den Zenophon 
Boch immer noc) für einen lehrreichern Schriftfteller, 
s den Plato erflären, oder doch wenigſtens zugeben, 
br er viel Fräftiger zue Tugend erweckt, als diefer fein 
itſchuͤler. 


Die Schreibart des Zenophon hat nicht fo große 

amd mannigfaltige Schönheiten, als die des Plato, aber 
ft dagegen auch von den Fehlern ber leztern frey. 
wie entſpricht vollkommen der Schilderung, die Alki⸗ 
blades im Gaſtmale des Plato von der Sofratifchen Bes 
redfamfeit macht, und man kann fie alfo mit Necht eine 
genauften Abdrücfe der leztern nennen. Sie if 
ein, und fehon, ruhig und edel, wie die Seele ihres. 
Ichebers; auch erhebt fie fich bisweilen, aber doc) nie 
> fehr, daß fie fich felbft ungleich, oder der Sprache der 
Dichter ähnlich würde, wiewohl Zenophon nicht felten 
Detifche Wörter braucht *). Ihr Wohllaut hatte für 
Zriechiſche Ohren etwas fo unbefchreiblich Süßes, daß 
Rr4 man 















* Dieſes bemerkt auch Hermogenes, ber den Xenophon, 
meiner Meynung nach, richtiger als Dionys beurtheilt. 
Man ſehe die Zeugniſſe anderer Schriftſteller vom 
Kenophon, oo u 


—“ 





m,“ m,..-...„, .. w 2.7077, vv [4 wews we, — — * m... 


‚eigenehümfiche Grazie, woburd) Dionys von Ha 
die aͤchten Werke dieſes Mannes von den undd 
terfchied. Wenn-ich ander Sprache des Tenophe 
tadeln ſollte; ſo waͤren es einige froſtige Scherz 
den aͤltern Kyrus oder ſeine Gefaͤhrten vorbring 
and einige Spuren von Rednerfiguren des Gor— 
ich in feinem Agefilaus finde. Dieſe tobrede ift 
telding von hiftorifcher Erzählung und panegyrif 
clamation. Zenophon wollte darinn den Redn 
flimmen; allein ee konnte die Pracht und R 
neriſcher Perioden nicht erreichen, und fiel darı 
fonders in den leztern Abjchnirten, in ganze R 
UnritHefen, die man nirgends im Plato fü 
findet. 
Inter feinen philoſophiſchen und politiſchei 
ten, wenn man die Geſchichte des Altern Rp 
mit darunter rechnet, find feine Haushaltı 


0} 





— —ü—— —— 


Man ſehe die Zeugniſſe der Alten beym 
p. 14. 


Bon den Schülern ded Sofrated, : Gäs 


glich aber fein Hiero die vollenderfien. In der ers 
ı faßt er alles vollftändig und in einer vortrefflichen 
aung zuſammen, was einem Sriechifchen Hausvater 
>iffen nöthig war, und in dem andern Auffaze mahlt 
te Defchwerden bes fo fehr beneideten Tyrannenle⸗ 
>, und bie Vortheile einer milden, mit den Geſezen 
einſtimmenden Regierung mit fo lebhaften Farben 

daß man, glaube ich, weder zu der einen: noch der 
ern Schiiverung etwas beträchtliches hinzuſezen kann. 
ine Denfwürdigfeiten find dem Inhalte nach viel wich⸗ 
x, als die beyden vorher genannten Schriften, und 
zrere einzelne Abfchnitte, befonders die Fabel des 
Yifus, find von einer Meifterhand ausgearbeitet 
eden; allein das Ganze fünnte beffer geordnet und in 


an genauern Zufammenhang gebracht worden fen. 


feinen Betrachtungen über die Verfaffung der Ather 
nfer macht Zenophon feinen Mitbürgern zwar feine 
verdiente Vorwürfe, ungeachtet der Ton bisweilen 
ttend fcheint *); allein in dem Gegenbilde derfelben, 
der Deichreibung der Spartanifchen Negierungsform 
d Sitten fchilvert er offenbar, zur Kraͤnkung der 
henienfer, nicht die ausgearteten Spartaner ſeiner 
it, und alle Gebrechen ihrer tyrannifchen Verfaffung, 
ıdern die Gefeze und Menfchen aus dem Zeitalter Ly⸗ 
rgs; und er bemerft nur kurz und faft mit Wider⸗ 
len, was er nicht ganz verfehmeigen Fonnte,. daß die 
ten den leztern unähnlich germorben ſeyen **). Das 
oͤßte Meifterftück des Lenorhon iſt ſeine Geſchichte des 

| es 


ältern 
©) Daß Kenophon, feiner Vermweifung ungeachtet, gegen 
fein Vaterland nicht aufgebracht war, zeigt feine, Ab⸗ 
. handlung über die Einfünfte von Athen, in welcher er 
bie wohlgemeynteſten Worfchläge zur Vermehrung ber 
Jestern thut. | 
u) c. 14 











Den DET ZANDER, Dcipio, OET Croverer VOR! 
und $ucull, dee Ueberwinder des Michridat, 
vieles ſchuldig zu fenn befannten, als Cicero 
moſthenes geftanden, daß fie dem Plato zu 
hätten, Wenn bie Thaten und Begebenpeiter 
nophon vom Kyrus erzäplt, auch nicht den N 
aller übrigen Geſchichtſchreiber widerſpraͤche 
wenn aud) nicht mehrere der größten € 
fer verfiherten, daß Zenopfon den Inh 
. MWerfs nicht aus Urkunden und Ueberli 
geſchoͤpft, fondern daß er das Ideal eines volll 
Regenten habe entwerfen wollen; fo wärde 
untadelhafte Betragen des Kyrus von feiner er 
heit an vis an fein leztes Alter, und die Ueb 
mung feiner Neben, Grundſaͤze und Handlunge 
Vorſchriften des Sokrates mid) auf das fefteft 
gen, daß ber Kyrus des Kenophon nicht der 
dereiher eine rohen ungebildeten Bolfs, und 
. berer von Afien, fondern ein Bohn ber Einbilt 
des Schrif ſtellers, und nach Sofratifchen M 
ſammengeſezt worden ſey. Selbſt aber die M 
bieler grohen Gelehrten, daß bie Kenophontifi 
kung ter Thaten des Kyrus wahre Geſchichte feı 
wie wahrſcheinlich und täufchend Zenophon 


"Won den Schüleen.des Gofratt. 0695 


leztere ift. Xenophon fezt feinen Helden, als Kna⸗ 
t und Süngling, ald Mann und Greis, als Sohn 
bBater, als Freund und Feind, als Bundesgenoſſen 
d Eroberer, als König und Feldherrn in alle nur ers 
Ifbare tagen, um durch Benfpiele zu lehren, wie man 
‚ in jedem Falle nach den Geſezen ver Klugheit und 
gend zu betragen habe. Man findet daher feine 
kwuͤrdigkeiten des Sokrates faft ganz in der Ges 
chte des Kyrus wieder, und außer biefen noch mans 
Bruchſtuͤcke Sofratifcher Weisheit, die er in ven ers 
nn anzuführen vergeffen hatte Am meiften Fleiß 
int Zenophon auf die Epifoden verwandt zu haben; 
en dieſe find nicht nur fo vertheilt, daß fie Die Theil 
ↄmung an der Hauprperfon und Haupthandlung ers 
ſchen und verftärfen ; fondern fie find auch lehrreicher, 
» fchöner gefchrieben , als die Übrigen Theile des 
u | 


6. 

Unter ſeinen beyden eigentlichen hiſtoriſchen Schrif⸗ 
rn har die Geſchichte des Zuges und Ruͤckzuges der Grie⸗ 
en fo große Vorzüge vor der Fortfezung der Bücher 
6 Thukydides, daß, wenn ic) nicht vom Gegentheil 
yerzeugt wäre, ich eben diefe eigenthümlichen Vorzüge, 
6 Deweile der Meynung einiger Alten brauchen würs 
., daß diefe Arbeit nicht vom Zenophon, fondern von _ 
nem Sprafufaner Themiftogenes herrüßre. Die Ers 
ihlung ift in der erſtern viel munterer, und die Reden 
nd viel feuriger , als in der Griechiſchen Gefchichte ; 
orzuͤglich aber find die Zeichnungen von Charafteren, 
ergleichen man in der leztern gar nicht antrifft, fo meis 
erhaft, daß man den großen Menfchenfenner und 
Selbftbeobachter nicht darinn verfennen kann *), Es 
- =) Man lefe die Schilderung des Kyrus J. q. Anab. II. 6, 
die des Klearch, Prosenus und Menon p. 122,126, 





zz 


oem Wohijiuiioe VER WITIEUNNYEN Voirer DOT 





daß nur felten die Lrfachen und Wirfungen 
. Eräugniffe bemerft, und Begebenheiten ſowohl 
lungen faft im Geſchmack von Chronifen, ode 
gebüchern aufgezeichnet find, aus denen fie er 
sechte Gefchichte hätten verarbeitet werben fol 


I, 


Euklides und Phaͤdo. 


Megariker, oder Dialektiker, oder Eriſtiker, uı 
und Eretriſche Weltweiſen. 


an, unähnfich dem Xenophon und feinem & 
ren Euflides, Phaͤdo, und Ariftipp , Die zwar: 
dem Sofrates umgingen, aber weniger in die 
pfen diefes Weltweifen, als indie ter Soppifte 
Die beyden erften diefer vom Sofrates abw 
Schüler ergriffen die Eriftif oder Zanffunft, 
leztere die Sittenlehre der Sophiften. Weber t 
noch die andern hatten viel eigenthuͤmliches,n 


Bon den Schülern bed Sokrates. | 637: . 


n alfo von ihren ſehr kurz handeln, wenn man bie 
chichte der Sophiften recht vorgetragen hat *). 


. Euflides gab nicht nur, der Warnungen des So⸗ 
es ungeachtet **), gerade diejenigen Unterfuchungen 
, von benen fein tehrer urtheilte, daß fie allein den 
nfchen. weifer und beffer machen fonnten, fondern er 
varf auch die ihm eigenthümliche kehrart Durch Bey⸗ 
le und Sleichniffe 7). Eins von beyden, faäte er... 
B nothmendig ftatc finden. Entweder werden im 
ichniffen Dinge mit einander verglichen, die fich wirk⸗ 
ähnlich find; oder nicht. Im erftern Kalle wäre. 
yeffer, daß man bey den Dingen felbft, vie man durch 
Bufammenpaltung mit andern zu erläutern ſucht, ftes 
‚bliebe. Im andern Falle hingegen hört der ganze. 
ek der Vergleichung auf, und die Bergleichung ſelbſt 
d uͤberfluͤſſig. — Euflives verband die Spizfindigkei⸗ 
der Sophiften mit den Grübeleyen der Eleatiker, 
redete, wie diefe, von einer Einheit, ober fagteroe«, 
tens, daß nur das, was einzig und fich ſtets aͤhn⸗ 
und gleich) fey, guf genannt zu werden verdiene; man. 
te es Sort, oder Weisheit, oder mit noch andern 
men nennen 771). Man that alfo ihm und feinen 
yülern, bie von ihm die Megarifchen Weltweiſen ges 
nt wurden, Fein Unrecht, wenn man fie mil dem 
men der Eriftifee, den die Sophiften fehon getras 

no gen 


ED ——— ———— ——————————————————— —— — 


) Die Zeitrechnung aller dieſer Männer iſt nicht genau 
beſtimmt. Man kann aber ale wahrfheinlich auneh⸗ 
men, daß vielleicht einer ober Der andere vor bem Ker 
nophon farb, daß aber Peiner Über den Plate hinaus 
lebte. 

8) JI, Diogen, 30, 

) II. 107. 

+) Cic, Ac, quaefi. IV. 43. Diog, U, 106... 





mv Ute EnENUNNg VEV Iyues UUCE au 


Fe die Stoiker auch ſehr oft Dialeftifer gen 


Die unnuͤzen Künfte des Euklides b 
in Griechenland nod immer den großen Benfa 
Soppiften ihnen erworben hatten. Der Megari 
weife zog und erhielt alfo auch viele Schüler, 
nicht in kn Baterftadt & fehren fortführen 
fich in andere Griechifche Städte und felbft au 
chenland zerftreuten. Die Bornehmften war 
lives, ein Schüler des Euflives, Diodor un 
bende Zeitgenoffen, die den Euflives gleichfi 
Tonnten T}), und endlich Alexinus Ft). Unte 
‚ fen Männern war Stilpo der einzige, deflen 
“Ger, als feine Kunft war, und deſſen Kräfte ı 











®%) 1. 106. Diog. To de ya evrexvov, 
Plato In feinem Theaͤtet ©. 99. xas re, 
AUTav no adınav, nos eg Toy a) 
arQıßnrer, we’ 8x egısınov wu Ar 


9m. : 


Bon den Schuͤlern des Sokrates. 639 
Feinheiten der Euklidiſchen Dialektik befriedigt wur⸗ 
). 


Er machte eine Zeitlang Megara zum Haupt⸗ 


der Weltweisheit in Griechenland, und entfuͤhrte 
ch ſeine Beredſamkeit nicht nur den beruͤhmteſten 
Uoſophen ihre Zuhoͤrer, ſondern machte auch viele 
ı denjenigen wieder zu feinen Schülern, die ſchon 
pe vorher Lehrer gewefen waren. Er fchmeichelte 
em von den Königen, die um feine Freundſchafft 
eiferten **), und verlor nichts von feinen Gütern, 
‚er. bey der Zerflörung von Megara durch den Sohn 
Antigonus fein ganzes Vermoͤgen einbüßte. — So 
Euklides und feine Schüler einen beträchtlichen Theil 
falſchen Weisheit der Griechifchen Sophiften vers 
Imgen hatten; fo wurde ihre Dialeftif wiederum von 
Dialeftif ver Stoifer verzehrt. Die Megarifer daus 
u höchitens vier Menfchenalter fort, und verſchwan⸗ 
nachdem Chryſipp feine Dialektik gefchrieben,, und 
Stoiker ſich ganz allein in den Beſiz diefer Wiſſen⸗ 
It geſezt hatten. 


*Euklides und feine Nachfolger thaten eben das, maß 
Sophiſten gethan hatten. Sie madıten die erften 
andſaͤze anderer Weltweiſen, und felbft die Götter 
Religion ihres Volks lächerlich 7): er 
= L 


® 
Fü nn te nn — mann 


Wil. 113,120. 

NX. 603 p.Plut. 

So fpottete Alexinus des Schluſſes des Zeno: daß bie 

Melt nothwendig ein vernünftiges Weſen ſeyn muͤſſe, 
weil ſie das vollkommenſte Weſen ſey, und dieſes ohne 
Vernunft nicht ſeyn koͤnne, burch folgenden Gegen⸗ 


ſchluß: Die Fähigkeit zur Dichteunſt und Auslegung 


alter Dichter, fagte er, iſt unflreitig befler, als das 
Begentheil davon: nun iſt die Welt das vollkommen⸗ 
fie Weſen: alfo muß fie eine Dichterinn und in des 


— — ————2 
des Stilpo, welche Diogenes anführt: IR U 
va, fragte er jemanden, die Tochter Juph 
@ott? Und als diefes bejahet wurde, erwl 
Wllein diefe ift doch vom Phidlas, uud nicht ı 
ter, und alfo auch fein Bott. — Stilpo w 
Aber vor ben Areopag gefordert, wo er ſich 
Verdacht der Gottesläugnung duch eine © 
au retten ſuchte: daß er nur gelängnet habe, 
nerva ein Gott, nicht aber, daß fie eine @ 
116. IL Allein der Areopag nahm feine 
gung, wie feine Spoͤtterey, doch fo Abel auſ 

. Ihn, feines großen Ruhms ungeachtet, aus 
verwies. 

©) 11.112. Diodor farb darüber, daß er ein So 
Stilpo nicht gleich hatte auflöfen können, u 
gen vom Ptolemdus den Namen Keovos erhi 

@e) So behaupteten fie, daß nur das Kraft befize 
der That wirte, und daß mit der Wirkung fid 
‚Kraft verliere. Keiner ſey alfo ein Baumei 
wenn er wirklich baue. (Met. Ariſt. cap. Y. 
So befritt Diodor auch die Wirklichkeit der | 
und des Todes. Wenn ſich etwas bemegen 
er, fo bewegt es fich entweder in ber Stelle, 
oder wo es nicht iſt; «num iſt weder der ein 
andere Fall möglich; alfo eriflirt aud gar &ı 

jung, und wenn feine Bewegung iſt; fo if 
Ko und fein Untergang. Denn fo wie de 


Kur mmol IE mail nd nn 


Von den Schülern des Sokrates. 648 


se bemuͤhten ſich fogar, unſere wichtigſten Begriffe, und 
gewoͤhnlichſten und nothwendigſten Arten zu urthei⸗ 
und zu ſchließen, übern Haufen zu werfen *). 

Stilpo beftritt die allgemeinen oder abgezogenen 
egriffe obngefähr eben fo, wie im eilften und den fols 
den Jahrhunderten die Nominaliften. ‘Der allgemeis 
Begriff vom Menfchen, fagte er, drückt weder dies. 
I, noch jenen, noch irgend. einen andern einzelnen 
tenfchen aus, und iſt alfo erdichtet **). Waßs man. 


a3 


ober einen Saufen ausmache, und alddann zog er 
ı Schluß, daß ein einziges Körnchen, oder eine eins 
» (Einheit aus wenig viel, oder eine Menge mache FF). 
efe Art zu fragen brauchte er nicht bloß bey den Des 
ffen und Wörtern viel ober wenig, fondern auch 
» dem größten Theil der , übrigen Derpälenißbegeife R 
y 


») Cic. L. c. quaeft. IV.24. Atqui habebam moleftos vo- 
bis, fed minutos, Stilponem, Diodorum, Alexie 
num: quorum funt contorta, & aculeats quaedam 
fophifmata. Sie enim appellantur fellaces conclu. 
fiunculae, | 


II. 119.) Diog. 
2 —*8P 


+) 11. 109. 
) IV. 29. Acad. Quacft, Ciceron, 


Zweyter Band, ©s 


















643 Achtes Buch. Zweytes Kapitel, 


bey | Reich und Arm, Klar und Dunkel, Groß un 
Klein, Lang und Kurz u. ſ. w. und hieraus ſchloß e, 
daß die Natur uns die Kenntniß der Graͤnzen ber Die 
“ge verfage Habe. Chryſipp brauchte ein ſehr unzuläny IR 


arın und reich u. f. vo. nahe kam; umd fezte alttal 
auf einmal mit e 


benfen lafle, als bis der Begriff, auf. den er fich 

. bekannt ft, oder angegeben wird. nr 
Die Richeigkeit aller unferer Urtheile glaubten I 

Megariker dusch Die Bemerkung umzuſtoßen, daß milk, 
von feinem Subject etwas bejahen oder fügen fi] 
wenn nicht Das, was man bejahe, mit dem, wo 
man es beiahe, völlig einerley fey. Man dürfe alfe p 
fügen: der Menfch iſt Menfh, Sur ift Sur, * 








*) ib, Platet enim Chryfippo, fi gradatim interroget, 
verbi caufa, tria, pauca fine, anne multa? alique + 
to prius, quam ad multe perveniat, quiefcere, il ı 
eft, quod'ab iis dicitur, yougadev. Per men 
ftertas Hicet, inquit Carneades, non modo quicks 
Sed quid proficit? Sequitur enim, qui te ex fons 
excitet, & eodem modo interroget. — Si habs 
quod liqueat, neque refpondes; füperbis. Si m 
babes; ne tu quidem perfpieis, — Si id tantumer 
‚do, ut taceas, nibil affequeris, quid enim ad illes 


qui te captare yult, utrum tatentem irretist ie, 5 
loquentem?. 


Won den Schülern des Sokrates, 643 


mfen; aber niche: der Menfch ift gut: das Pferd 
9 Wenn man biefes thue, fo bejahe man vom 
ſchen und Pferde etwas, was von ihnen verfchieden 
Denn wenn Gut mit dem Menfchen, und faufen 
yet Pferde einerley wäre; warum man das -eine 
von Nahrungsmitteln und Arzneyen, und das ans 
son Hunden und Loͤwen fagen fönne? Diefen Trugs 
5 entlehnten die Megarifer von den Sophiften, 
Sokrates wunderte fich ſchon, wie felbft alte teure 
Armuth an Verftande fo etwas bewunbern , und 
rfinder davon für weiſe Leute halten koͤnnten **), 
eicht aber drehten die Megariker zuerſt das Sophism 

und fagten, daß alles, wovon man verfdhiebene 
icate.behaupte, auch verfchieden feyn müffe, und 
alſo, wenn man fage, daß Sofrates weife, und 
dhaft, und dic geweſen fen, Sokrates eben fo viels 
‚ ald die von ihm bejahten Eigenfchafften , feyn 


pP). 

Einer der Grundfäulen der ganzen Kunſt zu ben 
), und den richtigen Gefegen des Schließens ftells 
e eine Menge von mehr lächerlichen, als ſchwer zu 

Ss 2 wider⸗ 








Plut. adv. Colat. X. p. 603 506. 

) In Sophift. p. 109, 

Simpl. in Phyf. Aufe. Arift. 26. fol. «. 

) Nämlih: Omne quod enuntietur, aut verum efle, 
aut falfum IV. 29. Ac. quaeft. Cic. & Sext, adv. Math, 
Vili. 112. & fg. Diefen Saz länugnete Epikur cben 
deßwegen, weil er bie Folge fuͤrchtete, die Diodor 
Darauf 309: daß nur dasjenige möglich fey, was ent⸗ 
weder ſchon geſchehen fey, ober noch gefchehen werde: 
Er'quidquid fieri poflit, id aut efle jam aut futurum 
eſſe: nec magis commutari ex verisin falfa ea poſſe, 

futurs ſuht, quam ca, quae falta funt, fie in 
Tai immutabilitatem apparere, Cie. de fat c, 19% 
Arsiani diſſ. Epicteti U, 19. 


datz du HUHN, UND Die ahrtheit ja 
Nun ſagſt du, bb bu oft, und fag| 
fügft du. Entweber 


Schluß wugeben , ; 
zu ſchließen, und ben Grundiap aufgeb 
jeder Saz wat ober falf) fen *). 


Durch diefe, und ägnliche —— 

gen die — bie Vertheidlger der 
süglich den Ariſtoteles, und die heile u u 
Ei beſonders den Chryſipp, bie Befeze bei 
die Gegenmittel gegen Trugfchläfle zu 
Pat: diefe Bernühungen wurden der w 
nachteilig. Denn dadurch artete 1 
der Griechen in eine Sammlung unerträgliu 
digfeiten aus, mit deren Huͤlfe man fich zn 
der Erit fonnte, bie aber f 
brauchbar wurden, fobald die Thoren v 
welche fie nothwendig machten, und bie ı 
nichts zus Ausbildung der Erfenntnißfräfte 


He 





Bon den Schlilern bed Sokrates. 645 


ung der Wahrheit, und zur richtigen Beobachtung 
ver felbft und anderer beytrugen *). 

Bon den Megarifchen Weltweifen waren bie Elis 
m und Eretrifchen fo ‚wenig verfchieden, daß: ich fie 
ht einmal anzuführen brauchte, wenn fie nicht als 
e Sekten von mehreren Schriftfiellern genannt würs 
. Phaͤdo, das Haupt der erftern, und Menedemus, 
Stifter der andern, ſtimmten mit dem Euklides und 
en Machfolgern fo genau überein, dag man faum 
: einzige ihnen eigenthümliche Lehre aufgezeichnet fins 

Die Elifchen oder doch die Eretrifchen Weltwei⸗ 
beftritten eben die Arten zu urthellen, und zu fchlies 
, welche die Megarifer- angegriffen hatten **). Sie 
ten nur von einer einzigen Tugend, die aber mehre⸗ 
tamen habe ***), und fezten diefe einzige Tugend im 
yarfjinn oder eine vorzügliche Fähigfelt, die Wahr, 

zu erfennen 7). Bey einer folchen Armuth am 
ıen Gedanfen oder neuen Wahrheiten ift es leicht zu 
Iren, wie diefe beyden Fleinen Schulen Faum drey 
afchenalter fortdauerten, und.alfo noch früßer, als 
Diegarifer untergingen FF). 

’ Ss 3 IL. 





Nach dem Diogenes handelte ein gewiſſer Klinomachus 
von Thurium, einer der Nachfolger des Euklideſs, zus 
erſt von ben verfchiedenen Arten von Saͤzen, nub von den 
Kategorien; allein Ich zweyfle ſehr daran, daß man bie 
Saͤze erft fo fpät follte eingetheift, und vor dem Ariſto⸗ 
teles von den Präpicamenten gehaubele haben; wies 
wohl man, es ach gefonnt hätte, ohne fie fo auseinan⸗ 
der zu fegen, ale der Gtagirit gethan hat. 

‚ Diog. II. 139. & Simpl. in Arift, Phyf, fol. 20, a. 

) VII. Plut. de virt. mor. p. 734. 

II, Cicer. Ac. quaefi. IV, 421. 

, 1. 105. Ich fann nicht längnen, daß Ich ſchon manch⸗ 
malen gezwepfelt habe, ob ich dem Phaͤdeo den Bann, 

0) 





ver ur 


feine lehren; 


zu werden. 
Ariſtipp hielt es für Thorheit, fich m 

Tegenheiten des Vaterlandes zu befangen, 

{yon fo viele De fofte, fi aleb Dasjeni 








ober aber ben abtrännigen SchAlern dei 
zählen follte. Wenn man ihn von ben 
fondern wollte; fo koͤnnte man fagen, 
Sqriftſteller nur den Menebemus und 
Philoſophen als diejenigen nennen, w 
Hnbigteiten der Megariker und Sophifte 
hätten: baß eben diefe erzählen, daß I 
Stilpo vor allen andern beroundert habe 
durch biefen Zuhörer des Stilpo der N 
fen Weltweifen entftauden feg. II. Di 
135. Fuͤr die entgegengefezte Meyn 
manı bieled worhrinaen. hafı man herl SI 


Von ben Schlileen des Sokrates. 647 


ft brauche, zu verfchaffen *). Ihm ſchien es laͤ⸗ 
rlich, fich vieles zu verfügen, was man gerne hätte 
sen oder genießen mögen, um bie Wuͤnſche eines wars 
rüthigen Volks zu befriedigen , oder ſich um einen 
bel verdient zu machen, der oft feine größten Wohl⸗ 
fer tödte, oder fie, wie ein harter Herr feine Scla⸗ 
behandele, ober wenigſtens von feinen Haͤuptern 
Arten von Gluͤck erwarte, und zugleich verlange, 
fe an denen von ihnen erworbenen Gütern feinen 
si nehmen ſollten *). Ariſtipp verlangte eben. ſo 
ig Konig oder Bölfsfüprer, als Knecht zu ſeyn; 
entfagte fogar allen Borrechten eines Bürgers, um 
auch der oft unangenehmen Pflichten deſſelben übers 
en zu werden T). Er zog gleich den Soppiften in 
ı Sriechiichen Stäbten umher, hielt fich aber nirs 
zs länger auf, als er von feinen Bortheilen und Ver⸗ 
gungen gefeflelt wurde, und. füchte ald ein ewiger 
mbling die Sreuden einer jeden Stadt zu genießen, 
e von ben Laſten, womit ihre Einwohner fie erfaufs 
‚ etwas auf fich zu nehmen. m war ed nichs 
m zu thun, fein Gluͤck in ben Gluͤcke anderer zu 
en, und durd) Dienfte und Aufopferungen für feine 
yennmenfchen fic) Schaͤze von Seelenfreuden ſowohl 
fein irrdiſches als für eim befleres unvergängliches Le⸗ 
zu fammlen; fein ganzes Beſtreben ging vielmehr 
n, unbefümmert um die Bergangenheit und Zufunft 
a gegenwärtigen Augenblick, fo viel er konnte, zu 
2, von allen Seiten fo viel Freuden, ald möglich, 
utreiben, und alle Sinne mit den ausgefuchteften 
Ss 4 Ders 











Xen. Mem. Socr. 1. ı, . 
>) ‘en. Il. ı. pP. 67. 
-ib, | 


Mel und Gefahren dulde “, ' 
"ich zwar niemals (und dies war die einzige! 
‘die er aus der Sofratifchen Philoſophle ih 
fehre der Soppiften hineinbrachte) irgend « 
telbenfchafft in eine fo gänzliche Dienſtba 
“Ihe nachher wider feinen Willen haͤtte folgen 
r fonnte alfo bie kais bejizen, ohne von 

und in’s DBerberben gezogen zu werben F). 

es ihm feine Ueberwinbung, drey Mädchen 
ihm ſchenkte, und die mit den Görtinnen 
"um den Preis der Schönheit geftritten £ 
ruͤhrt zu entlaffen F}). Er warf Schäge t 








®) Ael. varias Hiſt. XIV. 6. Luclan, Vit, 
To dexedarmo vns reoaDerews 
TaeDeoren, dmacı xenodeu, rar 
vigeoYas Tv hdornv. & Ari, ap. 
Memor. Socr. p. 68. Euxurov 1 
ar vas BuAouerss y ons was mæ 

®*#) Hor. I. Epiſt. 1. Nunc in Ariftippi fi 
relabor. & mihi res. non me rel 


Von den Schülern des Sokrates. 649 


6m ober nur feinen Selaven befchwerlich wurden *), 
end verlor beträchtliche Güter, ohne den Troft eines 
Breundes zu brauchen, der weniger befaß, als er übrig 
rebalten hatte *). a er verlachte diejenigen, die ger 
wg hätten, um bequem zu leben, und doch immer mehr 
erlangten, alö Thoren, und verglic) fie mit ven Kan⸗ 
len, vie beftändig äßen und tränfen, ohne jemals ges 
ttigt zu werben ). Nichts deſtoweniger duldete er 
Me größten Unwuͤrdigkeiten, und fehmeichelte Tyrannen, 
um entweder an ihren Freuden Theil zu nehmen, ober 
bon ihnen aud) Neichthümer zu erhalten, wofür er Ders 
nögungen faufen fönnte 7). Wenn alſo eben viefer 
Ariſtipp fich vor Uebermaaß nicht weniger, als vor peins 
Uchen Enthaltungen in Acht nahm FF); fo that er die⸗ 
in feiner andern Abficht, als um eben die finnlichen 
nuͤgungen, in welche er fein höchftes Gut fezte, 
befto länger genießen zu Fönnen ; denn er zog bie Freu⸗ 
Den der Siebe und der Tafel, den Beſiz prächtiger oder 
veichlicher Kleider und Geräthe, den Genuß Föftlicher 
Wohlgeruͤche und Balfame und anderer Süßigfeiten 
res Jebens, allen Entzuͤckungen vor, welche die Erfor⸗ 
chung der Wahrheit , und die Ausuͤbung der Tugend 
jewähren koͤnnen 111). Ge bie eigennüzige Klugheit, 
85 die 
















”) ib, ſ. 77. & Horat. Serm, II. 3, | 

“#) Plut. de Animi trang. tom. VII. p. 8356. _ 

###) VII 79 p. de divitiarum cupid. Wahrſcheinlich aber 
bat Plutarch hier einen Gedanken des Antifthenes dem 
Ariſtipp zugeeignet. 

+) Diog. 67. 78 8. & ibi Menag. . j 

am IL 75. Ere To ngaren nu un nrraodu n- 
0vav , aeısov, & To un Xenedau. 

+++) Erunterbrach fein Wohlleben auf der Inſel Aegina kei⸗ 
nen Augenblid, um feinem Lchrer in ben Gefahren 

und 


Eonne, ju endigen, weil fie niemals ofne 
Verdruß unterhalten werden fönnten }). 
er die fönigliche Kunft, die Sofrates lehr 
Kunſt en zu Bu und — 
verachtete; ſehr fand und ſchaͤzte 

Kunſi des Wohllebens }}), bie Gefchidlic 
alle Zeiten und Menſchen zu fehicen; eine: 
die feinem nothwendiger und wichtiger iſt, 
welche die Menfchen fo nuzen wollen, wie 


“ 





mb ber Stunde des Todes beuzufchen,, 
nur nm zwey Ennbert Stadien von ihm 
Dieg, 655. & ibi Menag. 

® Acl. Var. Hi. XIV. 6. Ilavu ode 
vos eunes Aeyen 6 Agısımmos, ee 
Te Tus aa duon ermapven , 
emınrav Teer eußumas * 
Ta TuwTo. ns iNew diavesas amwede 

“4 Du bafl, fagt er zn Icmauben, die Erlan 
pien, fo lange, als du willſt; ich aber & 
eben nicht anzuhören. 70 1. Diog. 


D Ras feinem ganzen Übrigen Eharafter fa 


Bon den Schülern bes Sokrates. @gı 


zen bie Abficht Hatte ). Kein Griechiſcher Welt⸗ 
e gefiel daher dem launichten Dionys fo fehr, als 
ipp, und felbft die Feinde dieſes Welnveifen muften 
ven, baß er den Purpurmantel eben fo gut, als dem. 
ſerſtab zu fragen wife »*). Er hatte einen nie 
fchöpfenden Reichtum an Einfällen, und Wen⸗ 
en, um die Beleidigungen des Wohlftandes und 
erträchtigfeiten, die er fich erlaubte, zu rechtfertis 
oder zu entichuldigen. Henn man ihm vorwarf, 
x fich vom Dionys geduldig habe in's Geſicht fpeien 
; fo antwortete ee: bejubeln fic) doch Fiſcher, um 
 elende Fiſche zu erhafchen; warum follte ich mich 
nicht einmal beſchmuzen laflen, um einen reichen 
zu hun)? Tadelte man ihn aber, daß er üppig 
verſchwenderiſch lebte; fo erwiberte er, daß man 
die Götter an ihren größten Seften durch Pracht 
Verſchwendung ehre, oder daß er nicht ſchwelge⸗ 
fey, wenn er feltene Fiſche oder Voͤgel theuer bes 
, fondern daß vielmehr andere, die diefes nicht thaͤ⸗ 
karg ober geizig wären Tf). Als einer feiner Schuͤ⸗ 
ı feinem Namen errörhete, da.er ihn in ein beruͤch⸗ 
3 Haus hinein gehen ſah; fo fagte er, daß nicht das 
ingehen, fondern das Nichtherausfinden Fonnen, 


Dios. 1. 621. Hor. Lib. I. Ep. 17. . 
Omnis Ariftippum deeuit color, & Ratus & res. 


) ib, Auch bie Bevſpiele von Freymuͤthigkeit, die man 
von ihm erzähle, find fo beſchaffen, daß er vorausſehen 
konnte, baß die wizigen Einfälle des Dienys mehr ers 
gözen, als bas Salz, was darinn lag, ihn beißen wer⸗ 
de. Dean fehe ſ. 73. 82. Diog. & ib. Comment. War 
ren boch von jeher Kofuarrens freamhrhiger , als die es 
fien Minifter, und zwar mis viel geringerer Gefahr! 

Diog. ſ. 67, 

, (68. 75. 





a Acchtes Buch. Zweytes Eapitel. 
Schande bringe *). Klagte man ihn endlich an, daße 
ſich gleich den Sophiſten für feinen Unterricht bezan 
ifäffe, oder daß er, wie die übrigen Schmeichler, vol, 
dem Dionys getanzt Habe; fo war er fehon shit ber Me 
“wort ba, baß er das erftere nicht ſowohl um feines Yale 
theils willen thue, fondern damit die Dienfchen wſchn 
“wozu fie ihr Geld brauchen follten, und daß er fi Wie 
dem andern nicht zu fchämen brauche, weil, wie Gin 
pibes finge, ein weiſer Mann nicht aufpöre weiſe zug 
ſelbſt alddann, wenn er den Thyrſus trage *%), M 
kann alfo den "Ariftipp zwar ald das Mufter eine W 
‚ nen Weltmannes: und eines weifen Wohlluͤſt 
aufftellen, in fo fern es einen foldyen giebt; allein wii 
man glaubt, daß mit feinee Wohlluft Tugend un Th 
terlandsliebe vereinbar waren; fo fennt man ent 
die Gefchichte des Mannes, oder man kennt auch 
Menſchen nicht +). u | 















k 


GEHE SET GE GE 





) L. e. ui 
=) f, 72. 78. Beym Diogenes kann man noch 

Repartien des Ariflipp Iefen, vie ich Fir Acht ha I 
weil fie dieſes Weltweiſen vollfonmen wuͤrdig fi 
und vom Diogenes, wie vom Athenaͤus, aus end 
tern Schriftſteller, Hegefianar, gefhöpft find. XILi= 
Athen. An der Aechtheit der von ihm erzählten U , 
ten und Einfälle kann man um fo weniger zwejſchl 
wenn man bie Titel feiner Schriften gelefen bat, 6A ' 
widmete zwey feiner Werfe, und unter biefen eins u 
Spiegel, der Lais. Im andern vertheidigte cr Ü 
gegen diejenigen, bie ihm Borwärfe darüber mahnt 
daß er einen prächtigen Tiſch führe, daß er alte Bi 
und fchöne Buhlerinnen beſtze, und daß er fi dır d 
gemeinen Verachtung ausfeze ſ. 84. Diog. 

3) Einer der lächerlihften Lobrebner des Ariftipp iſt Me 
zius in feinem Arifiippus pbilofophus Secratich 
welchen elenden Auffaz man kaum ohne Unmillen Ida 

nu. 


Ben den Schülern des Sokrates. 653 


Bon einem Weltweifen, deflen teben und Lehren fo 

nic den verdorbenen Sitten der Zeit übereinftimms. 
iſt es nicht zu verwunbern, daß er Schüler, fons 

daß er nicht mehr berühmte Schüler Hatte, als von - 
Schriftftellern genannt werden. Kaum findet mar 

tamen von zwölf Ariſtippiſchen, oder. Korenäifchen, 

Poilofophen des Bergnügens (fo wurden die Nach⸗ 
° des Ariſtipp genannt *),) aufgezeichne. SBon- 
n derjelben weiß man genau die Zeitrechnung ‚und 

ſelbſt ihre Folge ift ungewiß**). Nur einer dieſer 
ner milderte die Grundſaͤze des Ariftipp; Die uͤbri⸗ 
rieben fie in eben dem Maaße weiter ,-, in welchem. 
Sitten der Griechen verborbener wurden. ‘Diefer: 
‚ wider Sitten und Religion befehleunigte aber den: 
ber Nachfolger des Ariftipp; denn öffentliche lehrer 
Infittlichfeit und des Unglaubens fünnen felbft bie 
ofeften Bölfer und Zeitalter nicht ertragen: So 
ie Stoifer die Megarifchen Zänfer aufriebens fo 

we Epikur die Ariftippifche Philofophie, die er eben 
ye als die Demofritifche plünderte, oder befler vers 
erte, und eben dadurch auch weniger abſchreckend 


te. Ä 
Ä Ariſtipp 


ann 


Diog. I, e. & Cicer, III. 33. de of, on 

y Es if gewiß, daß Ariſtipp feine Tochter Arete, und 
diefe ihren Sohn Ariflipp unterrichtete. (XIV. i8. Eu- 
feb, Praep. & Diog. II. 86.), allein über die Zolge 
der übrigen widerfpricht fid Diogenes, der aus Vers 
fdiedenen Quellen ſchoͤpfte, deſſen firelteude Nachrich⸗ 
ten aber boch bie einzigen Quellen fine, fiche I. c. & 
ſ. 98. Am wahrſcheinlichſten iſt es mir, daß Annice⸗ 
ris, ben Menage ohne Noth verboppelt, den Axiſſipp 
gehört habe, daß auf dieſen Theobor, und auf den Theo⸗ 
dor Hegeflad, Evemerns und Bion Borpfihenites ge 
folgt feyen. Ä | 


er." 











a und adrigen Asıytenichafften, 
Sefnmung ober Erweiterung fid) die &or 
fen Ruhm und fo große Verdienſte ei 


den Handlungen, von ben Ürſachen, unt 
Beyfall FF). In dem Abfchnirte von den 
men wahrſcheinlich nur einige Betrachtung: 
gion und Tod vor; denn eigencliche phnfifch 
gen hat Fein Schriftfteller dem Kyrenaͤiſche 
wugeeignet. Der fünfte Abſchnitt enthielt 
Ten über die Natur unferer finnlichen Erke 
che Sebanfen unftreitig die richtigften und « 
fien unter wei — welche Ariſtipp und | 
ger vorgebracht 

Unfere Empfindungen, ſagten dieſe Bel 





®) Bul. XV. 12. Melleg. & Clit, ap. Diog, p 
7 S. 71. Diog. 


) S. 79. 
}) Arifot. Mer. Lib. I. c. a. Er nem 
ſelbſt einen Geptiften. 


Bon den Schliern bed Sokrates. 655 


‚ie einzigen Kriteria oder Negeln dee Wahrheit und 
trethums, und aud) allein untruͤglich; unter den 
nftänden hingegen, die diefe Empfindungen in uns 
ebringen, ift feiner, deſſen Wefen over Ei 
ie richtig erfennen können”). Wir Ebnnen es 
alle Gefahr des Irrthums fagen, daß wir die Ems 
ng vom Süfen oder von etwas Weißen haben‘ 
wir fönnen nichts darüber entſcheiden, ob dasjes 
was und diefe Empfindung verfchafft, Süß oder 
j, oder etwas unferer Empfindung entiprechendes 
Wir Fönuten eben diefe Empfindungen aud) von . 
en erhalten, die weber füß noch weiß wären, fo 
Jerfonen, die an den Yugen oder dem Verſtande 
, alles dunfel oder roch oder doppelt jehen. Dieſe 
icklichen haben allerdings die Empfindung von etwas 
m oder rothem oder doppelten; allein fie irren fich, 
fie glauben, daß das, was fie afficire, blaß oder 
oder doppelt ſey. Nennt man alfo unfere Empfins 
n finnliche Erfcheinungen; fo find vie feztern alle 
Gibt man aber dieſen Namen ven Urſachen uns 
Empfindungen; fo find fie alle falſch, oder doch fo 
ıffen, daß wir ihre Wahrheit nicht erfennen und 
fen fonnen. Unſere Empfindungen beweiſen nichts 
e, als fich felbft und ihe Daſeyn; und das, mas 
uns ift, und unfere Empfindungen veranlagt, iſt 
icht etwas wirkliches, aber nicht fo, daß wir es 
nehmen fonnten. In Anfehung umferer eigenen 
findungen Fönnen wir und daher gar nicht irren, 
nfehung ihrer Urfachen aber oder deren Defchaffen, 
rren wir ung alle, indem Wir unmögfich beftimmen 
mn, welche unter den verfchiedenen Empfindungen, 
on denfeldigen Gegenftänden nad) der Ve 





VII. 191. Sext, 


Awınayenn av Sepyupjuugy vyige any ge] 
Muͤtſeligkeiten und Gefahren dulde **). 
"fich zwar niemals (und dies wardie einzige 
‘die er aus der Sofratifchen Phitofopkte I 
lehre der Soppiften hineinbrachte) irgenb 
Lidenſchafft in eine fo gaͤnzliche Dienſtbe 
x nachher wider feinen Willen haͤtte folgı 
"Er fonnte alfo die fais bejizen, ohne vor 
und in's Verderben gezogen zu werben F). 
es ihm feine Ueberwindung, drey Maͤdch 
ihm fehenfte, unb die mit den Goͤttinne 
"um ben Preis der Schönheit geſtritten 
ruͤhrt zu entlaffen F}). Er warf Schäze 


®) Ael, varlao Hit, XIV. 6. Lucien, Vi 
To deneDarmıov vns wen Derews 
TeeDeoven, aimanı Kenodas, mwucı 
vigeodas rm Hdovnv. & Ari, ap. 
Memor. Soer. p. 68. Eucurov 


as T8s Beropass 2 177 nd 
ws) ib. 1. 


®e®) Hor. I. Epif. 1. Nunc in arimppi 


enlehne 8 mihi mu um un. 


WVon den Schuͤlern des Sokrates. 649 


m ober nur feinen Selaven beſchwerlich wurden *), 
id verlor beträchtliche Güter, ohne den Troft eines 
*eundes zu brauchen, der weniger befaß, als er übrig 
halten hatte *"). a er verlachte diejenigen, die ges 
g hätten, um bequem zu leben, und Doch immer mehr 
»langten, als Thoren, und verglich fie mit ven Kran⸗ 
z, die beftändig aͤßen und tränfen, ohne jemals ges 
tigt zu werden *"*), Nichts deftoweniger duldete er 
größten Unmürdigfeiten, und fehmeichelte Tyrannen, 
u entweder an ihren Freuden Theil zu nehmen, oder 
ra ihnen auch Reichthuͤmer zu erhalten, wofür er Ber» 
ügungen faufen fünnte 7)). Nenn alfo eben viefer 
siftipp fich vor Uebermaaß nicht weniger, als vor peins 
Ben Enthaltungen in Acht nahm FF); fo that er dies 
> In feiner andern Abſicht, als um eben die finnlichen 
ergnügungen, in welche er fein Höchftes Gut feste, 
ſto länger genießen zu Fonnen ; denn er zog bie Freu⸗ 
nn der Liebe und der Tafel, den Beſiz prächtiger oder 
eichlicher Kleider und Geraͤthe, den Genuß Föftlicher 
Zohlgeräche und Balfame und anderer Süßigfeiten 
8 febens , allen Entzuͤckungen vor, welche die Erfors 
yung der Wahrheit, und die Ausübung der Tugend 
währen koͤnnen 111). hen die eigennüzige Klugheit, 
58 5 die 











*) ib. ſ. 77. & Horat. Serm. II, 3. 

“®) Plut. de Animi trang. tom. VII, p. 86. _ 

“##) VIII 79 p. de divitiarum cupid. Wahrſcheinlich aber 
bat Plutarch hier einen Gedanken des Antiſthenes dem 
Ariſtipp zugeeiguet. 

+) Diog, 67. 78 8. & ibi Menag. . j 

ft) I. 75. Eros To ngarev,! nos un nrraodau N- 

0vov, agısov, 8 To un XKeneIau. 

+++) Er unterbrach fein Wohlleben auf der Inſel Aegina kei⸗ 
nen Augenblid, um feinem Lehrer in ben Gefahren 

und 


Ir mn I en en 


dan⸗ zu endigen, weil fie niemals ohn 
Verdruß unterhalten werden Ehnncen ) 
‚er bie Königliche Kunft, die Sofrates Iehı 
Kunft Menfcyen zu regieren und gluͤcklick 
verachtete ; fo fehr verftand und ſchaͤzte 
Kunſi des Wohllebens }}), die Geſchickli 
‚alle Zeiten und Menſchen zu ſchicken; eine! 
die feinem nothwendiger und wichtiger iſt 
melche die Menfchen fo nuzen wollen, wiı 


» 








amd ber Stunde des Todes beyzuftchn, 
nur um zwey hundert Stadien von ihm 
Diog, 65 S. & ibi Menag. 
®Ael. Var. Hi. XIV. 6. Navu 0Qe 
vas eunes Aeyey 6 Agısımaos, rei 
Te Tas nageAdscw emmauven , 
emiovrav TEoREUVeN eufumas ı 
To Toısro. nu iNew Öinvorus aode 
ft, fagt er zn Iemanben, die Erları 
mge, als du willſt; ich aber u 
reden nicht anzuhören. 70 f. Diog. 


N Nach feinem aanzen Äbriaen Charakter fa 








Bon den Schülern des Sokrates. Gsı 


zzen bie Abficht hatte *)., Kein iſcher Wele⸗ 
r gefiel daher dem launichten Dionys fo fehr, als 
ipp,, und felbfi die Feinde dieſes Weltweiſen muften 
ben, daß er den Purpurmantel eben fo gut, als den 
ferftab zu tragen wife ”) Er Hatte einen nie 
‚fchöpfenden Reichthum an Einfälen, und Wen⸗ 
en, um die Beleidigungen bes Wohlſtandes und 
erträchtigfeiten,, die er ſich erlaubte, zu rechtfertis 
oder zu entichuldigen. Wenn man ihm vorwarf, 

re ſich vom Dionys geduldig habe in’s Geſicht fpeien 
3 fo antwortete er: beſudeln ſich doch Fiſcher, um 
e elende Fiſche zu erhafchen; warum follte ich mich 
nicht einmal beſchmuzen laſſen, um einen reichen 
z zu thunt)? Tadelte man ihn aber, daß er üppig 
verfchwenberifch lebte; fo erwiderte er, daß man 
die Götter an ihren größten Feften durch Pracht 
Verſchwendung ehre, ober baß er nicht fchwelges 
fey, wenn er feltene Fiſche oder Voͤgel theuer bes 
, fondern daß vielmehr andere, die dieſes nicht thaͤ⸗ 
farg oder geizig wären Tf). Als einer feiner Schuͤ⸗ 

ı feinem Namen erröthete, da.er ihn in ein beruͤch⸗ 
3 Haus hinein gehen ſah; fo ſagte er, Daß nicht das 
ingehen, fondern das Nichtherausfinden —— 
| ats 











LU} XRRRRXX 


Diog. II. 621. Hor. Lib. I. Ep. 17. . 
Omnis Ariffippum deeuit color, & Ratus & res. 


) ib. Auch bie Bevſpiele von Zreymäthigkeit, die man. 
von ihm erzählt, find fo beſchaffen, daß er vorzusfehen 
Eonnte, daß bie wizigen Einfälle deu Dionys mehr ers 
gözen, als das Salz, was darinn lag, ihn beißen wer⸗ 
de. Mean fehe 1.73. 82. Diog. & Ib. Comment. War 
ren boch von jeher Hofuarren —— , als die er» 
ſten Miniſter, und zwar mit Viel geringerer Gefahr! 

Diog ſ. 67: | 

) ſ. 08. 79.» 


dem andern nicht zu (chämen brauche, w 
rides ſinge, ein weifer Mann nicht aufpörı 
ſelbſt alsdann, wenn er den Thyrſus tray 
Fann alfo den Ariftipp zwar als das M 
nen Weltmannes und eines weifen OO. 
aufftellen, in fo fern es einen ſolchen giebı 
man glaubt, daß mit feiner Wohlluſt Tu 
terlandsliebe vereinbar waren; fo fennt ı 
die Gefchichte bes Mannes, ober man A 
Menſchen nicht +). 





„le 

“*) ſ. 72. 78. Beym Diogenes kann maı 
Repartien bed Ariſtipp leſen, vie ich 
weil fie biefes Weltweiſen vollfommei 
and vom Diogenes, wie vom Athendus 
tern Schriftſteller, Hegeſianar, geſchoͤpf 
Athen. An der Aechtheit ber von ihm 
ten und Einfälle kann man mm fo we 
wenn man bie Zitel feiner Schriften gel 
widmete zwey feiner Werke, und unter | 
Spiegel, der Lais. Im andern vert 


Bon den Schhlern des Sokrates. 653 


Don einem Weltweifen, beffen teben und Lehren fo 
nit den verdorbenen Sitten der Zeit: übereinftimms. 
ift es nicht zu verwundern, daß er Schüler, ſon⸗ 
daß er nicht mehr berühmte Schüler hatte, als von 
Schriftftellern genannt werden. Kaum findet man 
Tamen von zwölf Yriftippifchen,, oder: Kyrenäifchen, 
Philofophen des Bergnügens (fo wurden die Mache: 
r des Ariſtipp genannt *),) aufgezeichnet. SBen- 
m derſelben weiß man genau die Zeitrechnung ‚und 
ſelbſt ihre Folge ift ungewiß"*). Mur einer dieſee 
mer milberte die Örundfäge des Ariftipp; die uͤbri⸗ 
rieben fie in eben dem Maaße weiter, in welchem: 
Sitten der Griechen verborbener wurden. Dieſer 
) wider Sitten und Religion befchleunigte aber den 
ber Nachfolger des Ariftipp; denn öffentliche tehxer 
Infittlichfeit und des Unglaubens koͤnnen felbft bie 
ofeften Bölfer und Zeitalter nicht ertragen: So 
ie Stoifer die Megarifchen Zänfer aufriebens fo 
rte Epikur die Ariftippifche Philofophie, die er eben 
ye als die Demofritifche plünderte,, oder beffer vers 
erte, und eben dadurch auch weniger abſchreckend 


te. 
Ariftipp, 








Diog. l. e. & Cicer. II, 33. de of. In 
) Es ik gewiß, daß Ariftipp feine Tochter Arete, und 
diefe ihren Sohn Ariflipp unterrichtete. (XIV. i8. Eu- 
feb. Praep. & Diog. Il. 86.), allein über die Folge 
der übrigen widerfpricht fild Diogenes, ber aus Vers 
ſchiedenen Quellen ſchoͤpfte, deſſen fireltende Nachriche 
tem aber doch bie einzigen Quellen find, fiche 1. c. & 
f. 98. Am wahrſcheinlichſten iſt es mir, daß Annices 
sis, den Menage ohne Roth verdoppelt, den Uriflipp 
gehört habe, Haß auf dieſen Theodor, und auf ben Theo, 
dor Hegeflas, Evemerns und Bion Borpfibenites ge⸗ 
folgt ſeyen. 


27⸗ 


und adrigen Asıyjenichafften,, 
55 oder a fich die Sn 
und fo gr 
ten — ganze Philoſophie —* 
fünf Abſchnitten: aus der lehre von ben 
Uebeln, von den Empfindungen und febenf 
den Handlungen, "von ben Ürfachen, 
Beyfall 11). Im dem Abſchnitte von m 
men wahrfcheinlicy nur einige Betrachtunge 
‚gion und Tod vor; denn eigentliche — ſiſch 
gen hat fein Schriftfteller dem Kyrenaͤ 
gugeeignet. Der fünfte Abſchnitt em e 
Een über die Natur unferer finnlichen Exfeı 
& Gedanken unftreitig die richtigften und e 
fien u un I I, welche Ariftipp und fi 
ger vorgel 
Unfere Empfindungen, ſagten dieſe Wel 





Buf. XV. 12. Nellez.& Clit, ap. Diog, 
Kin p- Diog. p. 


+} Arißor, Mer. Lib, I. c. 4. Er nem 
feld einen Gephiften. 


Bon den Schülern des Sokrates. 655 


d die einzigen Kriteria ober Regeln dee Wahrheit und 
Irrthums, und aud) allein untruͤglich; unter dem 
genftänden hingegen, die diefe Empfindungen in uns 
vorbringen, ift feiner, deſſen Weſen oder Ei | 
wir richtig erfennen könnten”). Wir Ebnnen es 
e alle Gefahr des Irrthums fagen, daß wir die Em⸗ 
dung vom Süfen oder von etwas Weißen haben’ 
in wir koͤnnen nichts darüber entfcheiven, ob dasje⸗ 
:, was und diefe Empfindung verfchaffe, Süß oder 
iß, oder etwas unferer Empfindung entfprechendes 
e, Wir koͤnnten eben diefe Empfindungen aud) von : 
zgen erhalten, vie weder füß noch weiß wären, fo 
Perfonen, die an den Augen oder dem Berftande 
en, alles dunkel oder roch ober doppelt fehen. Dieſe 
glücklichen haben allerdings die Einpfindung von etwas 
Tem oder rothem oder doppelten; allein fie irren fich, 
ın fie glauben, daß das, was fie afficirt, blaß oder 
) oder doppelt ſey. Nennt man alfo unfere Empfins 
igen finnliche Erfcheinungen; fo find vie leztern alle 
jr. Gibt man aber dieſen Namen den Urjachen uns 
x Empfindungen; fo find ſie alle faljch, oder doch) fo 
haffen, daß wir ihre Wahrheit nicht erfennen und 
veifen fonnen. Unſere Empfindungen beweiſen nichts 
ter, als fich felbft und isr Daſeyn; und das, mas 
jer uns ift, und unfere Empfindungen veranlaßt, ift 
leicht etwas wirkliches, aber nicht fo, Daß wir es 
hrnehmen koͤnnten. In Anfehung umferer eigenen 
npfindungen Fönnen wir uns daher gar nicht irren, 
Anfehung ihrer Urfachen aber oder deren Pefchaffens 
t irren wir uns alle, indem Mir unmögfich beftimmen 
ınen, welche unter den verfchiedenen Empfindungen, 
von denfeldigen Gegenſtaͤnden nach der er 





) VII 191. Sext, 


arı, vor ya cum un eiyeuupuuıuye 
Keiner kann beurtheilen, ob er vom Weil 
Empfindung erhalte, die ein anderer em 
teiner fich die Empfinbung eines andern ver 
die feinige ihm mittheilen kann. Da es 
meinfchafftliche Empfindungen, das heißt 
pfindungen gibt, an welchen mehrere Di 

men ; fo iſt es auch übereilt , entfchei 
0b das, was wir auf eine gewiſſe Art wahr 
einem andern eben fo vorfomme. Denn 


felben Em; 
Tann man fagen, br} den Jingen 
ſchafftliche Namen geben, daß aber doch 
eigenthuͤmliche Eindräde von ihnen erhalte 


. Bon den Schülern des Sokrates. 657 
Ariftipp und feine Zußdrer hielten die Empfinduns 
I nicht nur für die Kriteria der Wahrheit, und für die 
unblagen unferer wahren Kenntniffe, fondern auch 
: die Kriteria oder Richter von Gütern und Lebeln, 
n Glückfeeligfeit und Elend *). Alle unfere Empfins 
ngen find entweder angenehm, oder unangenehm, oder 
ch gleichgültig, das heißt, weder das eine noch andere, 
je feztern verglich Ariſtipp, der Sohn der Arete, mit 
em ftillftehenden Waſſer; die angenehmen mit einem 
fr bewegten, und die unangenehmen mit einem wil⸗ 
on Stürmen empörten Meere **). ‘Der Zuftand 
chgültiger Empfindungen, fuhren die Philofophen 
Vergnuͤgens fort, In welchem man weder Vergnuͤ⸗ 
noch Schmerzen wahrnimmt, iſt dem Zuftande eines 
Hlafenden ähnlich, und für fich gar nicht wuͤnſchens⸗ 
ech. Denn Abweſenheit von Schmerz gewaͤhrt eben 
wenig Vergnügen, als Abwefenheit von Vergnügen 
Hmerz verfchafft. Gegenwaͤrtiges Vergnuͤgen hinges 
; {ft das einzige und hoͤchſte Out, fo wie gegenmwärtis 
Schmerz das einzige und höchfte Uebel }). Dies 
©. uns feloft die Natur zu, indem wir von unferer 
adheit an den Schmerz mehr als alles andere fliehen, 
d das Vergnuͤgen durch einen unwillkuͤhrlichen Trieb 
Fischen, und wenn wir eö gefunden haben und genies 
®, befriedigt find. Das Wergnügen bleibt immer 
Gut; die Gegenftände, die es geben, und die Hands 
agen, wodurch ed erworben wird, mögen fo ſchaͤnd⸗ 
> feyn, als fie immer wollen 77). Einft genoffene Ver⸗ 
- | gnuͤ⸗ 





——— — 





=) Cie. 1. e. Sext. VII. i90. Diog. II. 86, 
w*) XIV. ı8. Eufeb. Praep. Evang, 


4) S. 88. 89. II. Diog, 
Hd 5 
Zweyter Band. Te 


der gegemmoärtige Bergnägungen verfchafft, 
Schmerzen von uns entfernt. Seibſt die 
Zeit iſt nur um der einzelnen Bergnügungen ' 
welchen fie errwächft, ein Gegenftand menſch 
ſche und Beftrebungen. Alle Vergnuͤgung 
Dreyerlen Art. Vergnuͤgungen des Cörpe 
Seele, wie die Freuden über unfere eigene, 
Vateriandes Wohlfart, oder endlich gemifd 
chen wir bey den Vorftellungen von Trauer| 
den glücklichen Nachahmungen der Wehflay 
Menfchen empfinden **), Diefen verfchie 
von Vergnuͤgungen find eben fo viele Arten v 
gen entgegengeſezt, und unter dieſen Sch 
Vergnuͤgungen werden bie der Seele ohne $ 
von denen des Eörpers übertroffen. Dies 

andern daher, daß ınan Miffethäter am teib 
ander Seele ftraft }). Freunde, Reicht 
ſelbſt Tugenden find nur wegen ihrer Müzli 
von uns befeffen und erworben zu werben FF} 
uns weder Freuden verſchafften, noch Sci 
uns abwendeten; fo wuͤrden fie eben fo wei 


Bon den’Schlilern ded Sokrates. 659 


jegentheil, unfere Beftrebungen verbienen. Es if 
inlich fehroer, Vergnuͤgungen fo an Vergnuͤgungen 
üpfen, daß daraus eine ununterbrochene Glückjees 
tentſteht. Selbſt Weife alfo find nicht alle gleich 
‚mmen, und nicht beftänbig glücklich, fo wenig als 
Thoren gleich tugenbleer oder ſtets elend find *). 
Weiſe ift eben fowohl, als der Thor, der Traurigs 
ber gegenwärtige, und der Furcht vor Fünftigen 
n ausgefest, (denn dieſe Empfindungen find von 
hierifchen Natur unzertrennlich) allein ver erftere 
fcheidet fi) von andern dach darinn, daß er weder 
en eingebildeten Schrecken des Todes und Aberglaus 
gefoltert, noch von unvernünftigen teidenfchafften, 
18 falfchen Begriffen und Urtheilen entftehen, übers 
gt wird. Ungeachtet ver Weiſe überzeugt ift, daß 
n Natur weder Steche noch Unrecht gebe, daß die 
‚und Nichtgüte menfchlicher Handlungen ganz allein 
) die abweichenden Gewohnheiten und Gefeze vers 
ener Bölfer beftimme werde; fo hüter er fich nichts 
weniger, dieſe Geſeze zu übertreten, um nicht in 
Schande und Strafe zu fallen, welche den Belei⸗ 
n berfelben unausbleiblich bevorftehen **), 

Diefe Grundfüze, die eines tehrers der Lleppigfeit 
ymmen würdig, und weiter nichts, als eine- Wie⸗ 
hlung der Sittenlehre der Sorbiſten waren, ſchraͤnk⸗ 

t 2 ten 








[0 U y | 





S. 91. 92. 

) ib du in den Abfchnitten, in welchen Diogenes bie 
Lehren und Meynungen der Ariſtippiſchen Weltweiſen 
erzaͤhlt, kommen mehrere Widerſpruͤche und falfche 
Nachrichten vor. Zu dieſem ‚gehört auch folgender 
Ausſpruch: Mn 1a Decesv ndovnv ndovns , unde 
ndesov Tı esvos. Dieſe Lehre iſt Epikuriſch; aber nicht 
Ariſtippiſch. | Ä 


beftoweniger wird der Weiſe für feine Fi 
Eitern und fein Vaterland willig Vergn 
Vorthelle aufopfern, Beſchwerden übern 
dennoch) bey dem Genuffe weniger Freuden 
Die Freundfchaffe ift zwar nicht um ihrer 
wuͤnſchenswerth, man muß fie aber doch au 
abbrechen, wenn fie aufhoͤrt nüzlic) zu | 
man muß fie vielmehr um der alten Siebe voi 
wenn fie uns auc) gleich) zur Uebernehm 
ſchwerden aufforderee. Uebrigens ftimmt« 
ner mit dem Sofrates und ihren Gegnerr 
fern, ‚überein, wenn fie fehrten, daß J 
Machdenfen allein uns nicht gegen die € 
Todes und Aberglaubens ftärfen Fonne, 
anhaltende Uebung Hinzu fommen mäffe, ı 
die gehörige Feftigfeit zu geben. - 

Eben die Saͤje, bie Arifkipp niche i 
zen Geſtalt zu zeigen gewagt, und. Annifer 
gefücht hatte, trugen Hegefias und Theot 
Verſchleierung in einer fo empörenden Haͤn 
fie, ſcheint es, nichts als den lebhafteſten 


Bon den Schülern des Sofrated, 661 


ebfeder aller feiner Handlungen. Der Weife thut 
etwas, als um ſeiner ſelbſt willen, weil ſeine Ver⸗ 


iſte ihm gar nicht koͤnnten vergolten werden. Dank 


keit, Freundſchafft und Wohlwollen ſind leere Woͤr⸗ 
wenn ſie keinen Nuzen bringen. Von Natur iſt 
ts angenehm oder unangenehm, ſondern Seltenheit 
Neuheit machen, daß dieſelbigen Gegenſtaͤnde eini⸗ 
gefallen, und Saͤttigung hingegen, daß ſie andern 
| erregen. Reichthum und edle Geburt, Freyheit 
Ruhm tragen eben fo wenig zur Beförderung, als 
Begentheil zur Verminderung der menfchlichen Gluͤck⸗ 
Feit bey. Die Gluͤckſeeligkeit felbft iſt vollig unmögs 

weil der Coͤrper einem zahllofen Haufen von Leiden 
eroorfen ift, an welchen allen die Seele Theil nimmt. 
yet eimmal Hoffnungen einer Zufunft fonnen 
Elenden aufrichten; denn die Zufunft ift fo unges 
‚ daß fie die feiden eben ſowohl vermehren, als vers 
ern kann. Der Weife bemüht fich daher mehr, 
zegen Schmerzen zu verwahren, als DBergnügen zu 
‚gen, und dies erreicht.er am meiften dadurch, daß 
4 gleichgültig gegen folche Dinge zu machen fucht, 
Jergnügungen gewähren. Hegeſias faßte alle Wis 
‚ärtigfeiten des menfchlichen tebens in einem befons 
Buche zufammen, und trug fie feinen Zuhörern 
einer fo hinreißenden Beredſamkeit vor, daß viele 
Verzweyfelung an Glückfeeligfeit, wie an Tugend, 
das teben nahmen. Er erhielt daher von einem ber 
emaͤer den Befehl, feine Anklagen des menfchlichen 
18 einzuftellen, und wurde von feinen Zeitgenoffer 
leberredner ober tobrebner des Todes non, > 


Tt 3 











Diog. 1. e. & Cicer. Tufc, quaeſt. I. 34. Nah bes 
Diogenes behauptete er, daß nach Beſchaffenheit ve 


\ 


verband nämlid) die Sittenlehre der Sophiſt 
Dialektik, und vertheidigte die größten Ver 
Schaͤndlichkeiten mit folchen Sopifinen, al 
Megarifer die Bernunftlehre zu verwirren gel 
Er war ftolz darauf, die. Götter der Erbe fc 
die des Himmels zu fheuen, Religion, 9 
Wohlſtand mit Fügen zu treten, alles das z 
mas andern groß und ehrwuͤrdig fchien, uni 
dem zu fürchten, wovor fonft die menfchlich 
bebt. Er fpottete ver Könige, die ihn m 
bebroßeten **), und verlachte feine Mitbuͤ 
als die Athenienſer, daß fie ihn ausgemorfi 
wie er fogte, feine Große fo wenig, als 
Semele länger härter tragen Fönnen P). 
für lächerlich oder unvernänftig, wenn einı 
fürs Vaterland fterben wolle. Nicht eineeir 
fagte er, fondern die ganze Welt ift des U 
land; und es iſt nicht der Mühe werth, ba 





Umſtaͤnde bald das Leben balt der Top n 
anal LT 


Mei machen Leläe na 


Bon den Schülern des Sokrates. 663 


n eines Haufens von Thoren willen verloren gehe, 
Zeder Ehebruch, Hoch Diebftahl und Tempelraub find 
a Natur fehändliche Handlungen. Nur das Urtheil 
e Thoren hat fie dafür erklärt, und der Weiſe wird 
n Dedenfen tragen, fich alle diefe Handlungen zu ers 
ben, wenn er es ungeftraft und mit Bortheil thun 
nn. Freundfchafft ift ein Unding; denn Thoren find 
:er nicht fähig, und Weife find fich felbft genug, und 
bärfen ihrer nicht. Wenn wir eine jede andere Sache 
zu brauchen, wozu fie nuͤzlich iſt; warum follen wie 
6 eines fchönen Knabens nicht eben fowohl , als eines 
dnen Mädchens zu unferm Bergnügen bedienen *)? 
id wenn ed erlaubt iſt, einen Sreund los zu faufen, 
rum nicht auch eine Geliebte? — Der Sohn des 
jofion hörte diefes Sophism, und fezte fogleich eine 
ne Buhlerinn in Freyheit, die bisher in einem lieder⸗ 
en Haufe gedient hatte ”*), 
Theodor begnügte fich nicht damit, die Sitten fels 
: Beitgenoffen zu verderben; er fuchte auch die Nelis 
n feines Volks zu zerftören. Er mufte Athen meis 
tz weil er der Myſterien, oder wenigftens des Hiero⸗ 
inten geſpottet hatte }), und wurde ver Gotteslaͤugner 
r ber Sort genannt, weil er die Griechifchen Goͤtter 
> ihren Dienft in einem eigenen Werfe angegriffen 
te, das aber doch nur wenig von alten Schriftftellern 
Tt 4 an⸗ 





LU || 770 


) Diog. 1. c. 


 Plut. IV. 358. Mit dem bisherigen und mriter fi ſtrei⸗ 


ten die Säge, die Diogenes dem Theodor zueignet ſ. 98. 
daß das haͤchſte Gut und Uebel Freude und Traurigkeit 
Aber Weisheit und Unmiffenheit fey: daß Weisheit und 
- Gerechtigkeit Güter, und ihre Gegenfäge Uebel: Ver⸗ 
gnuͤgen und Schmerzen hingegen gleihgältige Dinge 


ſeyen. 
S. 100. Diog. 


U LE Buh, Zwevtcs Eapiie, 
engefoͤhrt wird ). T or war gewiß bee nl: 
vie Görter inet Wäter Menrich bekriegcei — 2 
Yägın Hatten Schriftfheller. über bie Matur ber Gbtteraw|ier: 
gezweyfelt, und Sophiſten hatten. ihren —— 1 
in geheimen Unterredüngen mitgetheilt. Wahrſcheu 
wuͤrde auch Theodor nicht ſo kuͤhn gemein fein, N! 






einem öffentlichen Widerſacher der Gottet aufzin * 













wenn er nicht an ben verdorbenen — —D 
Schuz gegen bie ohnmaͤchtige Wuth bes allenthat 
vdemuͤthigten Poͤbels und. feiner Prieſter bon! I 
In wizigen Spoͤttereyen über bie. Religion Überwap 
noch fein Schüler. Bion B miles, ber aher /n 
—— Schickſal von Freygeiſtern hatte, und | 
naͤherung bed Todes nicht wur * firofbarn is: 
willen bereute, fondern auch zu allen / den Bi 
Zuflucht nahm / welche der, Aberglaube de G * e 

zur Abtreibung von Krankheiten erfunden ini | 
Den ernftlichen Krieg des Theodor wider die Gite 
fein: zweyter Schuͤler Evemerus in. feiner be 
‚heiligen "Mefehichte fort, wodurch er fich geh 
Dennamen bes Gotteslaͤugners erwarb }).. 
‚bemühte fich zu beweiſen, daß bie Keetrgeiten * 
fer, vorzͤslich d der Griechen, maͤchtige oder 











*) Cicer. I. 23. de Nat. Deor. Sext. IX. 51. 55. 2 
Pabr. Diog. 1. 97. 
**) Diog. IV. 46,48. inp. 84. Seine Spöttereyen 
: sen. nicht, daß fie in einer ſolchen Geſchichte, A 
meinige iſt, angeführt werden. Gie ſtehen beyn 
“genes I. c. Seneca VII, 7. Plut, de Sera Num. 
J .dida VIII. 168. 
H Cicer. I, 42. de Nat. deor. Sext. IX. VI. 34. 51. 
| de Ifide VII, 490. & ſq. & ipl. Evemeri fr 
Diod. II, Vol. in excerpt. p. 633. Ed, Weſſel. & 
Colonnanı i in frag. Ennil. 





Bon den Schhilern des Sokrates. 66 


Koͤnige, Helden und Geſezgeber geweſen ſeyen, die 
entweder ſelbſt zur Vermehrung und Befeſtigung 
Anſehens goͤttliche Vorzuͤge angemaaßt, oder auch 
ihrem Tode durch die Dankbarkeit derer, welche ſie 
ckt, goͤttliche Ehrenbezeugungen erhalten haͤtten. 
achtet Evemerus die Geburten, den Tod und die 
aͤbniſſe der Griechiſchen Goͤtter ohngefaͤhr fo erzählte, 
le in ben Myſterien der Gottheiten, denen derglei⸗ 
geheime Feſte geweiht waren, vorgeftellt wurben.”), 
verfprad) feine Meynung doch ſowohl den alten Lies 
ferungen feines Volks, als auch der Gefchichte und 
Religionen unzähliger anderer Bölfer, und felbft als 
Baprfcheinlichkeit *%). Er nahm daher zu Erdich⸗ 
en feine Zuflucht, wogegen man den Evemerus uns 


as.‘ 


kwuͤrdig ift es, Daß die meiften Kiechenvärer einen 
dor und Evemerus, als muthige Beſtreiter des 
glaubens, In ihren Schuz nahmen, oder gar lob⸗ 
nr, als wenn diefe verabfcheuungsmwürdigen Mens 
einerlen Abfichten mit ihnen gehabt hätten. Beyde 
ıeten nicht bloß das Daſeyn Griechifcher Götter, 
en der Gottheit oder göttlicher Naturen übers 
t 77). Allein wenn fie diefes auch nicht gethan, 
en nur die Meligion ihrer Bäter verworfen hätten, 
eine beffere an ihre Stelle zu ſezen; fo würde man 
ych mit Recht Gotteslaͤugner genannt haben. 


Tt5 | IV. 


———— ⸗1—— — (| 


Cic. l. c. 
) Sext. IX, 34» 
Diod, |, e. 
) Fabr. ad Sext. I. e. 








‚PHle erblickt. 

Antiſthenes war einer bet wären 9 8 
&ofrates, und ein Mann von fo herkuliſ 
ftätfe, daß er die ganze taft der Sehre feines 
tragen fonnte *). Er war nod) ſtrenger geg 
amd noch unerbirtlicher gegen bie Thorheiten 
feiner Zeitgenoffen, ald Sofrates, aber di 
einſchmeichelnd und Herzen gewinnend **). 
alfo nicht fo viele Schüler erhielt, als anb 
des Sofrates ***); fo lag die Urfache geı 
einer muͤrriſchen Gemuͤthsort / fondern in 
Forderungen, die er an feine Zuhoͤrer mad 
figenes lehrte ſchon bey dem Seben des Sokr 
wurde ber Cyniſche Weltweiſe genannt, weil 
meiften.in einem Gymnafio, Ennofarge ger 
hielt Ff). Ex hatte diefelbigen Abfichten und 


2 Vl. 1. & ſq. 
) Diet Sa * ihm ſelbſt Xheopomp a 
14 Sokrates Sympof, Xenoph 


- Bon den Schülern ded Sokrates. 667 


mit dem Sokrates, ungeachtet er die leztern bisweilen 
uͤbertrieb, und zur Erreichung ber erftern andere Mittel 
wählte. Er verwarf alle übrigen Künfte und Wiffenfchaffs 
ten, denjenigen Theil der Philofophie ausgenommen, bey 
den Menfchen lehre, glücklich) zu feyn; und *) enthielt fich 
nicht nur von öffentlichen Gefchäfften, ſondern führte 
auch ein ebelofes Leben, wahrfcheinlid) um deſto unge 
Bunvener zu feyn, und weil er glaubte, daß es wichtis 
ger fen, alle Menfchen zu beffern, als einige Kinder 
Yon zweydeutiger Natur in die Welt zu fezen, ober ſtets 
‚mit einem unvernünftigen Pöbel zu Fämpfen **),. Ue⸗ 
zerigens flimmte er darinn mit dem Sokrates überein, 
Maß es einen einzigen Schöpfer Himmels und der Erbe, 

aber viele Bolfsgotter gebe ***), daß die Tugend allein 

ren Menfchen glücklich) mache, und nicht viel Wiflens, 
aber anhaltende Uebung und Sofratifche Stärfe braus 
She +), und daß Reichthum und Armuth nicht in einem 
Pfeinern oder groͤßern Vorrath von Gluͤcksguͤtern, fon 
Bern von Tugenden der Seele beftehe FF). 


Ich fehe, fagt Antifthenes beym Zenophon, viele 
Menſchen, die einen Ueberfluß von Schäzen befizen, 
Mund dennoch fo arm find, daß fie alle Muͤhſeeligkeiten 
amd Gefahren übernehmen, um nur noch mehrere zu 
Erhalten. Eben fo oft habe,ich bemerft, daß unter nd 
ern Brüdern, die gleiche Theile ihrer väterlichen em 
- | cha 


"an 








4“) VI. 103. 104. 

" 00) Diefe Gründe gibt Epiktet vermuthlich ans dem Anti⸗ 
fihenes an, warum ein ächter Cyniker weder heirathen, 
noch fid mir öffentlichen Geſchaͤfften befangen muͤſſe. 
II. 22. Diff. Epict. p. 461,465. 

.. 08%) Vell. ap, Cic. de Nat, Deor, 1, 18, . 

4) VI. 11. 105 ſ. Diog, 
+) Xen. l. cs. 34; & ſq. 


- 


608 Achte Bud Bidet apite. 












en 3 Haß immer fo Diet yu een ui 16 Ci 


tragen kaum zu erwecken bin. Finde ich es endlich m 
nem Ehrper zuträglich, auch einmal der Siehe zu pf 
fo beginige ich mich mit. dem erſten dem beften Geamfk 
fande, der fich mir darbieter, fo, daß Diejenigen, WIR 
ich um ihre Gunſtbezeugungen bitte, es, mir Dant 
fen,, und mid) mit_tiebfofungen. überhäufen , weil fi 
anderer ſich mehr um ihre Siebe bewirbt. Alles bil 
ſcheint mir fo angenehm, daß ich nicht mehr Veran) 

⸗ von 





HLucian. in Cyn, IL, 54x. Ed,;Reitzil. ., Ych Tege it 
den Antifthenes in,den Mund, was Zucian feinen I 
ten ge vortragen läßt, „weil, daß leztere ganz h 
bie Gebanken des Antifthenes; deym Eenophon einpaß, 
und mit demjenigen genau uͤbere iuſtimmt, was Arria 
oder vielniehr Epiftet III. 22 & 24. p. 501. IV, cıl 
663. IV. 8. 640 p. und Julian Orat. VII. dem 
ſthenes und Diogenes zuſchreiben. 


Bon den Schülern bes Sofrated. 669 


Anfchte, und daß einiges mir mehr Luſt bringt, als 
' für zutraͤglich halte *). Der größte Vortheil des 
stchthums , auf welchen ich ftol; bin, iſt dieftr, daß, 
kin mir auch alles das Meinige genommen wird, doch - 
Bts fo fchlecht erfunden werden Fann, wovon Ich niche 
en wollte. Gerade diefe Genuͤgſamkeit aber macht 
in mir zum Vorwurf, und rechnet fie mir zu einer 
Aflichen Berachtung ver Gaben der Naturan **). Die 
de, fagt man, bringt aus ihrem fruchtbaren Schooße 
Ht nur alles hervor, was zu unferer Nothdurft, fons 
n auch was zu unferm Dergnügen dient, und anal 
diefen Sefchenfen nimmſt du eben fo wenig Theil als 

8 unvernünftige Vieh. Du trinkt Waſſer, wie die 
yiere, ißt und fchläfft, wie die Hunde, was und wo 
auch iſt; und trägft ein Gewand, das fein Bettler 
Techter wählen kann. Wenn du mit deiner Genügs 
mefeit Recht haͤtteſt; fo wuͤrde die Gottheit Unrecht 
ben , daß fie uns mit Wolle bekleidete Schaafe, daß 
uns faftreiche Weinftöcfe, daß fie uns Del und Hos 
3 und eine unbefchreibliche Menge anderer Bequems 
hfeiten gegeben hat, damit wir mannigfaltige Spei⸗ 
1, füße Getränfe, weiche Betten, und ſchoͤne Häus 
erhalten möchten. Gelbft die Werke der Kunft find 
iben der Görter; und aller diefer beraubt zu ſeyn, 
re ſchon traurig, wenn ed durd) andere gefchähe; aber 
H trauriger ift es, wenn jemand fich aller Sin und 
reu⸗ 








ne ro 


) Wenn daher der Ausſpruch marvesmy narov n naIesnv 
(VI. 3. Diog.) auch vom Antifthenes herrährt, fo muß 
man unter bem noIesnv ein befländiges Wohlleben 
und einen ſchwelgeriſchen Genuß finnlicher Vergnuͤgun⸗ 
gen verftchen. 


44) Lucian. |, c. p. 542. 


670 Achte: Bud. Zweytes Eapitel 


Freuden bes Lebens felbft beraubt. ‘Dies Fan man f 
nichts, als offenbaren Wahnfınn halten. 

Hierauf antworte ich aber in einem Gleichniſſe 
Henn ein reicher Mann eine große Anzahl von M 
ſchen aus allen Ländern, und von allen Altern, freu 
li) und reichlich bewirthete, und alsdann ein ein 
gefunder Gaſt alles verfchlänge, was nicht blog fürig 
fondern aud) für andere, felbft für ſchwache und Krudl 
aufgetifcht wäre, würdeft tu ein folches gefrägiges U 
gebeuer wohl mäßig und weife nennen? Wenn nusı 
eben biefem Tiſche ein anberer fi) um bie große 
nigfaltigkeit der übrigen Gerichte nicht befünnmerte, 
been von demjenigen, das vor ihm flünbe, fo vid, 
er zur Stillung feines Hungers brauchte, gu fich nö 
wuͤrdeſt du ihn niche für einen beffern und 
Mann, als jenen, halten? — Die Gottheit iſt j 
zeichen Dianne ähnlic), ter Kranfe und Arme rei 
und gütig bewirthet, nicht, damit wir alles ver 
fondern damit ein jeder fo viel nimmt, als er nörhig 
Die Reichen Hingegen find einem räuberifchen und 
fättlichen Vielfraß gleich. Sie reißen alles, und u 
allen Seiten an ſich. Sie begnügen ſich nicht mir id 
was ihnen fuft und fand, Ströme und Meer ing 
Nachbarſchafft liefern, fondern fie laſſen fich ihre SA 
gnügungen von den Enden der Erde zufahren un 
ben das Fremde dem Einheimifchen, das Koftbare 
Wopffeilen, das Seltne dem Beſſern und leichter j 
erhaltenden vor. Wenn ich mid) einmal recht erjre 
will, Eaufe ich Feine foftbare Sachen vom Marfte, i 
dern ich fchöpfe meine Freuden ohne Unfoften aus # 
ſelbſt. Ich weiß, daß ed zum Dergnügen weit P 




















%) Lue. L. e. 


Bon den Schlilern ded Sofrated, . 678 


ragt, die Zeit ded Genuffes abzuwarten, als Foftbare 
eltenheiten zu genießen, wie ich zum Beyſpiel dieſen 
afifchen Wein trinfe, ohne durftig zu ſeyn. Dieſe 
nügfamfeit bewahrt mich auch vor allen böfen Bes 
den und ungerechten Thaten: denn je weniger man 
ucht, deſto weniger trachtet man nach fremden Guͤ⸗ 
ı; je mehr man aber andere beeinträchtigen will, bes 
mehr Sorgen muß man fie) und andern machen. 
hwelger und Woplläftlinge mäffen daher die Werks 
ze und Gegenftände ihrer Leidenſchafften, ihre fo ſehr 
uͤnſchten Schäge, ihre Eoftbaren Kleider, ihre prächs 
nr Häufer und Geräthe mit unfäglichen Beſchwerden, 
veiten, Gefahren, und dem Blute und Untergange 
er Menfchen erfaufen. Denn nicht nur das Aufſu⸗ 
a, Herbenfahren, und Berarbeiten der Dinge, nah 
en fie ſtreben, ftürze viele Menfchen in Unglück, fons 
= auch felbft der allgemeine Werteifer, womit alle 
> ihnen trachten, bringt Freunde gegen Freunde, 
ider gegen ihre Eltern, und Weiber gegen ihre Mäns 
auf. Und alles dieſes gefchieht, ungeachtet die 
baren Kleider nicht mehr erwärmen, die vergoldeten 
uſer nicht mehr gegen die Kälte ſchuoͤzen, bie elfen⸗ 
were Betten nicht mehr zum Schlaf einladen, bie fils 
nen und goldenen Gefäße nicht mehr den Durft, und 
feltenen mannichfaltigen Speifen nicht mehr ven 

viger ftillen, als die gewöhnlichen, ſondern vielme 

&örper verderben. | 
Zulezt kann ich auch dieſen Bortheil der Gnuͤgſam⸗ 
: und Mäßigkeit nicht vergeffen, daß ich dadurch frey⸗ 
und unabhängiger, als die mächtigften Schwelger 
Ede. Sich bin weder durch) meine Leidenſchafften und 
duͤrfniſſe, noch durch Gefchäffte und andere Men⸗ 
en eingefchränft; ich werde nie zu etwas genüthigt, 
rw von etwas abgehalten, was ich gerne laſſen oder. 
in möchte. Ich genieße ber füßeften Muße, fan 
| alles 


— 


urtheuen, uiuſen VIE WYULIET FOL) eiender 
ze ſeyn, denn fie bedürfen gar nichts. 

aber recht darauf Acht gibt, was das v 
bebärfen bedeute, und wen es zufomme, 
dag Kinder mehr als Erwachſene, We 
Männer , Kranfe mehr als Gejunde , 

unvollfommenere Geſchoͤpfe mehr als diet 
brauchen. Die Götter, als die vollfomn 
hen daher nichts , und diejenigen find a 
goreäpnlichften , welche am menigften nör 
. .Selbſt die Veränderungen ber Jal 
die Unbequemlichkeiten der Witterung , 

meine Gemuͤthsruhe, noch fchränfen fie ı 
ein. Ich ertrage Hize und Kälte, und | 
ſelbſt harten, Schickungen der Götter zı 
ic) daran gewöhnt, ober darauf vorbereitı 
Reichen und Släclichen murten über alled 
begegnet, fonnen das Gegenmwärtige nicht 
fehnen fich frets nach der Zukunft. Im 
ſchen fie Sommer, und im Sommer win) 
ter; in der Kälte fehnen fie ſich nach W 
der Wärme nad) Kälte. Sie find, wie 


Mon den Schuͤlern des Sokrates. 673 


von einem heftigen Strom fortgeriffen werben. So 
e dieſe folgen müffen, wohin der Strom fie führe; 
muͤſſen dieſe flets: folgen, - wohin ihre Begierden fie 
eppen. Es begegnet ihnen eben das, was jemanden 
Ha , der fi) auf ein wildes Pferd geſezt hatte, 
rın als das Pferd mic ihm davon lief, und er vom“ 
m Voruͤbergehenden gefragt wurde, mohin er wolle, 
wortete er, indem er aufs Pferd hinwies, wohin es - 
em gefallen wird. Wenn man den Reichen und 
hwelgern die Frage vorlegte, wohin fie jezo gedaͤch⸗ 
„ fo wuͤrden fie, wenn fie anders aufrichtig ſeyn 
ten, antworten muͤſſen, wohin es unfern Begier⸗ 
gefallen: bald alſo, wohin unfer Durſt nach Ders. 
gungen, bald wohin unfere Ehrbegierde, bald wohin 
er Geiz, oder unfere Furcht, oder unfer Zorn, oder 
nd eine andere Selvenfchafft uns führen wird. Sie 
:eigen nicht bloß ein, ſondern mehrere wuͤthende Pfer⸗ 
werben alfo auch ‚von ihnen in. Abgründe Hineinger 
er und wiffen nicht ‚eher f) dag fie fallen werben, 
Bis fie wirklich gefallen find, : 
Dieſe Grundfäze und Geſinnungen lehrte Antiſthe⸗ 
"nicht bloß; fondern er übte fie aud) aus, und fuchte 
ſelbſi durch fein Aeußeres an den Tag zu legen. In 
fehung des leztern unterſchied en fich ſowohl von den 
(gen Griechen, als auch von den Griechifchen Welt⸗ 
fen; und um biefes ipm und feinen Nachfolgern eis 
thuͤmlichen Aufzugs willen fönnte man die Cyniker, 
aa man fchergen wollte, einen philofophifchen Bettler⸗ 
en nennen. Dieſer Aufzug war darnach eingerich⸗ 
um den audgearteten Griechen ihre Weichlichkeit, 
achtliebe und Schwelgerey vorzuwerfen, um. ihnen 
eigen, mit wie wenigem bie menfchliche Natur zufrie⸗ 
fey, um ihnen die Tugenden und vorzüglich die 
Annheit ihrer Borfahren zuruͤckzurufen, und fich ſelbſt 
Männer anzufündigen , welche die Gottheit, dis 
Zweyter Band. Un VDeten 


674 Achtes Buch. Zweytes Capitel, 


Boten und Zeugen der Wahrheit und Tugend, als Auf |. 
ſeher ihrer Nebenmenſchen, als Rächer von Thor! 
ten ımd Laſtern, und als Erretter aus der Anechriheß || 
der Seidenfchafften auf die Erbe Herabgefanbt habe Yıı 
Antifthenes ging gleich dem Sokrates, und den Heat 
des Alterthums, unter welchen er ſich vorzüglich Ef 
‚ Herkules zum Mufter vorfezte , beftändig baarfuß, uöfn 

wuͤnſchte daß ſeine Fuͤße eben ſo hart N) als die | ‘ 
von ‘Pferden werden möchten, fo wie er eben fo wei 
Molfter, ald die tüwen, und’ Leckerbiſſen ſo wenig, ii 
die Hunde, braucht **). Er legte das Oberkleid (+ 
ab , deſſen ſich vie übrigen Griechen Bebienten, um 
ckelte ſich in ein einziges- Gewand ein’, (res) dab 















1 
tl 








) Arrian, Diff. HI; cap. 22. p. 448. 461. Luc. L$ 
549. Einige Schriftfieller glaubten, daß niät 
ſthenes, Tondern Diogenes, bie Iufiguien bes Cyuiih, 
eingeführt habe. VI. 22. Diog. Allein biewiter , 

ten nicht nur viele Stellen und Nachrichten im Di, 
nes f. 2. 4. 6.8. bef. f. 13. & ibi Menag. (mi. 
anch die ganze Beſchreibung, die Antiſthenes von Meſ 
ſelbſt beym Kenophon macht. — Ehemais fand HR 
wahrfcheinlih, daß eine ber Urſachen, warnm be 
niker ſich fo fehr von den übrigen Griechen audac r 
net hätten, bie Sorge für ihre Sicherheit gemefen Mh. 
denn indem fie In der Geflalt von Bettlern erfäleh 
erhielten fie auch das Recht derſelben, grängeniofe® 
müthigfeit, welche diejenigen ,. die nicht zum | 
gezaͤhlt wurden, oft mit dem Leben bezahlen 
Nach abermaliger Ueberlegung aber koͤmmt mir mi 
Bermuthung nicht fo annehmlich vor, als wofür i 
fonft gehälten habe. Hätten nämlich die Cynika 
Bettler und Menſchen vom Pöbel gehalten fen 
Im; fo würben fie ſich dadurch zwar gegen dad © 

| fal des Sofrares in Sicherheit gefezt, aber ih! 
gleich ihren Reden alles Anſehen genommen hab FR) 
®°) Luc, Cyn. 1. c, p.'546. 547. In) 





Bon ben Schäleen des Sokrates. 675 


ntee dem rechten Arme zufammen zog, und mit ver 
ıhaut des Herfules verglich *). Er ließ ſowohl fein 
thaar, als ſeinen Bart wachlen,. weil er. glaubte, 
ie Gottheit beybe dem Manne zum Schmuck, wie 
Dferde und töwen feine Mähne gegeben habe, uud 
as Schaben und Glaͤtten dee Haut, das damals 
den Griechen allgemein zu werden anfing, eine 
dung des männlichen Sefchlechts fey **). Alm 
thenienfer beftändig daran zu erinnern, daß er wi⸗ 
ie Ungeheuer der firtlihen Welt einen eben fo nach⸗ 
lichen Krieg ald Herfules wider phnfifche Ungeheure 
n wolle ***), nahm er einen Staab, oder vielmehr 
Reule in die Hand, welche fonft unter den Griechen 
für eine nothwendige Stüge, oder unentbehrlichen 
ath, fondern für eine Beleidigung ber allgeineinen 
yeit und Sicherheit galt 7). Endlich hing er ſich 
everne Taſche um, in welcher er etwa ein Bud), 
Becher, womit er Waſſer fihopfen Fonnte, und 
ſchlechte Lebensmittel mit fich herumführte 77). 
e gewöhnliche Nahrung war Brod und ungefochte 
je, felten gefochte. Gemüfe, und fuͤſt niemals 
hſpeiſen Fr). Wenn Flötenfpieler und Schaufples 
ge eigenthümliche Kleidung haben, fragte Antiſthe⸗ 
warum foll jid) dann auch nicht der rechtfchaffene 
in von dem großen Haufen verdosbener Menichen 
ſſcheiden, und eine folche Kleidung anlegen, die ver 
| Una Laſter⸗ 


& brauchte es auch bie Nacht Äber, als eine Dede - 
l. e. | | 

"ib. 

"5 ib, 

Menag. ad f, 13. VI. Diog. 

» ib, | 

h3 ib. a 











Safterpafte am meiften veraßfiheit, und Igem zugi 
groöſten Vorwurfe gereihe 7: | 
Micht minder eigenthuͤmlich, als die K 
war dem Antiſthenes und den übrigen Cynikern 
eingefchjeänfte Srenmißrhigfeit , welche fie al6. bau 
Kleinod des weifen Mannes und als das weſe 
Vorrecht —— — anſahen 
Vorrecht uͤbten fie in einem viel groͤßern Umfan 
Sodkrates, und ſelbſt als die Dichter der alten 9 
aus. Sie griffen alle Thoren und Laſterhafte, 
nen. aufftießen , zu. allen Zeiten, an "allen Orte 
ne Unterfihleb der Perforien ai fo'seie fie aut 
jeden Ihren Rath mirtgeiften, 8 bey entſta 


gen nicht blog Scharfſinn, Beredſamkeit und 
ſchaffenheit, Fol uf | 
um widerſpenſtige Thoren Ind Verbrecher 
und zum Stillſchweigen bringen zu koͤnnen. = 

A Sal; in Griechenland das durchdrin 
fo kann mag fügen, Daß unter dem Attiſchen das 
fehe für dad beißendfte gelten fonnte. WBiele t 
dieſe Sremäthigfeit der Cyniker vorzüglich au 
Grunde, meil fie fid) an alle gewagt, und eben de 
fo oft ihres Zwecks verfehlt, und ihrem Sport u 
del das Gewicht genommen hätten. Allein wem! 
nifer Durch ihren Spott aud) niemand beffercen; f 
gen ſie wenigftens fehr oft Thorheicen und Laſter 
verftecken, und hinderten, daß fie durch einen | 
chen Triumph fich nicht fo fchnell, und fo allgem 
Breiten Fonnten, als bey einer völligen Duldung 
hen wäre. Unterdeſſen zog ihnen ihre Freymuͤ 
ſehr oft Mißhandlungen zu, aus welchen Grund 








— — 
) 8. 48. 1. Lueian, in Cynico, , 


Don den Schülern des Sotrates. 677 


t unter den Ennifchen Tugenden auch Unempfindlich⸗ 
it gegen Hohn, und felbft gegen Schläge aufzähle *). 
in ächter Cyniker, fagt er, muß dem großen Haufen: 
gefuͤhllos, als ein Stein zu fenn fcheinen: er muß . 
> ertragen fonnen, daß man auf ihn, wie auf einem 
ſel losfchläge, und muß, als der Bater und Bruder 
* allen, ſelbſt diejenigen lieben, von denen er gegei⸗ 
t wird. 

Der groͤßte und beruͤhmteſte Freund des Antiſthe⸗ 
es war Diogenes von Sinope, welchen Epiktet und 
Senefa **), ald das vollfommenfte Mufter eyniſcher 
tsgenden ſchildern, von welchen aber das Gerücht, und 
e Schriftfteller, denen Diogenes folgte, fo entgegen, 
feste Dinge erzählten, daß, wenn alles, was von dem 
eunde bed Antiſthenes herum getragen und aufgezeich⸗ 
E wurde, wahr wäre, er zugleich ver weiſeſte und recht, 
saffenfte Mann, und ber verächtlichfie Thor und vers 
ſcheuungswuͤrdigſte Boͤſewicht müfte geweſen feyn *"*). 
je. Menge von Gerüchten und Fabeln, dergleichen 
on keinem andern Cyniker fo viele als vom Diogenes 
zumgingen, und erhalten worden find, beweift, daß 
„unter allen Weltweifen feiner Schule die großte Aufr 
xrkſamkeit erregt habe, und aus den Nachrichten hin⸗ 
gen , bie entweber feinem ‘Berftande , oder feinem 
erzen nachtheilig find, kann man, veie aus ben ihm 
Bgedichteten Briefen F), und Traueripielen FF), weis 
Enichts fchließen, als daß es entweder einfältige Des 
W Uu 3 wuns 














®) III. 22. 457. 71. | 

ni) In Arrian. Diſſ. III, 22 & 24c. IV. 8 & ız, Senec, de 
tranq. c. 8. - 

ee) VI. 20,81. Diog. 

p) IV. 1. Arrian, 

b+) Orat. VII. p. 310. Julian, 


* 


die dem Diogenes und feinem Zabel durch gi 
laͤumdungen ige Anſehen nehmen wollten. 
‚nicht Parehenlichkeit, fondern Gehorſam gegı 
ſeze der gefunden Kritif, und der Billigfeit, 
die Urtheile und Erzählungen weifer und red 
Männer namenlofen, und ſich ſelbſt mwider| 
Nachrichten vorzieht, und feine angeblichen 
ſterungen, feinen Umgang mit ver tais, de 
unuͤberwindliche Schwierigkeiten der Zeitrech 
gen ſich hat *), feine fchändlichen, allen | 
und Sittſamkeit beleivigenden Handlungen, e 
zuchlofen Grundſaͤze von der Erlaubtheit d 
Berbrechen, fuͤr unglaubwuͤrdige Erdichtungen 
Diogenes hatte ſeltſame Schickſale; allein er 
unter allen Umftänden, als einen Weltbuͤrge 
gends aufhören müffe, ein Diener der Sort 
und das Glück der Menfchen, als feiner Br: 
fördern. Er fiel in die Hände von Sreraͤt 
ihn als einen Selaven verfauften 7), und ı 
Ppilipp, als ein verdächtiger Kundſchaffter g 
der Sohn diefes Königs ihn als einen Weiſen b 


Von den Schülern bed Sokrates. 679 


hatte weder Baterland noch Eigenchum, weder Weib 
h Kind, weder Haus *) noch Knecht; und er pflegte 
daher im Scherze mit einem von den Furien getrie⸗ 
en zu vergleichen **); allein zu gleicher Zeit rühmte 
wie Sokrates von ſich felbft, daß er dem großen 
tige der Perfer an SGtäckfeligfeit nichts nachgebe*"*), 
Seneca glaubte, daß man an feiner Gläckfeligfeit 
ı jo wenig, als an der Gluͤckſeligkeit der unfterblichen 
ter zweyfeln koͤnne 7). Er war ohne Traurigfeit 
Furcht, ſtets heiter und frey, und hatte nie das 
zlück, daß ihm etwas begegnete, was er häfte vers 
den mögen, oder DaB er etwas nicht erlangte, was 
ewuͤnſcht hätte. FF). Er war weber mit der Gott, 
, noch mit den Menfchen unzufrieden, fürchtete und 
underte feinen von denen, welche andere zu fürchten 
zu bewundern pflesten, und ging mit einem jeben 
‚ ald wenn er fein Here und Meifter gewefen waͤ⸗ 
77). Ungeachtet er feine Beduͤrfniſſe fo.viel als 
lich einfchränfte, und fein teben durch Die einfach» 

Uu 4 ſten 














dem Alexander gegeben haben ſoll, halte ich für eben fü 
erdichtet, ale bie ungereimte Vergleichung zwiſchen fidh 
und dem Diogenes, bie man dem Alexander in ben 
Mund legt. Es laͤßt ſich aber deßwegen nicht gleich 

laͤugnen, daß er mit dem Alerander zufammengefoms 
men fey. ib.- - 

Seine Wohnung in einem Zaffe halte ich nicht ganz für 
eine Zabel, ungeachtet ich nicht glaube, daß er befläns 
dig darinn gelebt habe. Die Gründe für und wider 
daß Faß des Diogenes findet man im Auszuge beym 
Bruder in vita Diog. j 

) VI. 38. Diog. Arr. p. 640. 664. imp. 455. 
#) Arrian, p. 459. & Cicer, Tufc, quaefi, V, 32. 
de trang, e. 8. | 
) Arr. p. 501. 
ib 


+ ⸗ - 


7 uwe —— 


mehr 
—ã und tadelte die Gebrechen d 
wie einzelner Bürger. Es war fein Stand, 
zon Menſchen, deren herrfchende Thorheiten 
ruͤgt und lächerlich gemacht haͤtte 7). € 
felöft den Aberglauben , oder die heiligen Bo: 
Sriechen nicht, und verlachte Sieinigen, m w 
beiten ihres Berufs, und die Geſchaͤffte des 
nachläffigten, und fid) mit einem jeden lecı 
ſoaleich an betruͤgeriſche Traumdeuter wen! 
die den Göttern opferten, um bie $ı 
fundpeit zu erhalten, und bie ſelbſt an ben 
ihre Geſundheit durch Unmäßigfeit verduͤrb⸗ 
endlich glaubten, daß Raͤuber und Diebe 
— Waſchungen und Einweihung 
Mofterien fi) der Gnade der Goͤtter und 
lichen Lebens nach dem Tode bes Eörpers ver] 


- Bon den Schülern des Gokrates. "68: 
je gottesbienftlichen Handlungen vernachläffigt hatten, 
in dem Pfuhle des Tartarus waͤlzen mäften *). 
ıchdem er fein’ teben in dem ‘Dienfte ber i 
d in einem beſtaͤndigen Kampfe wider Vorurtheile, 
orheiten und laſter hingebracht hatte; ſtarb er endlich: 
einem hohen Alter, und ſuchte auch ſelbſt feinen Top 
h lehrreic für feine Mitbruͤder gu machen. Er fezte 
) ben der Armäßerung feines Todes an dem Wege 
ch Olympia hin, und forderte diejenigen auf, welche 
Neugierde zu den Spielen trieb , doch einige Augen» 
fe zu verweilen, um zu ihrer.eigenen Stärfung und 
bauung den Streit eines. Greiſes mit der plözlich zus 
menden Krankheit zu betrachten *). 

Diogenes erhielt mehrere Nachfolger, als man 
‚ der allgemeinen Weichlichkeit und Sittenverbersnig 
damaligen Zeit hätte erwarten follen*”*). Linter Dies 
Nachahmern zeichneten fich vorzüglich Oneſikritus, 
Begleiter umd Gefchichefchreiber Alexanders, und 
ates von Theben aus. Lezterer wird von den glaubs 
rdigſten Schriftftelleen,, als ein wuͤrdiger Freund des 
jogenes geſchildert, und man fann daher die Fabel, 
n dein Öffentlichen Genuſſe ber ehelichen Siebe in ber 
men der Hipparchta, ohne Bedenken verwerfen, fo _ 
hrſcheinlich es iſt 7), daß diefes ſchoͤne Frauenzimmer 
) in den rechtſchaffenen, wenn gleich haͤßlichen Krates 
liebe, und fich Durch Feine Drohung und Dorftellung 
n der Verbindung mit ihm habe abfchrecken laſſen +}). 

Uus Nach 





N | LU |? U) 





+) ib, Rates wurde ff. allgememn geliebt, und allenthalben 
fo gerne aufgenommen, baß man ihn Daher den Ahär» 
es 


geboren, in welchem der. unglüdliche Pe 
Krieg zwiſchen den Achenienfern und ben 
ausbrach *) Das AHeſchlecht, ‘ans wel 
ſtammte, war eins der edelſten in Attika, 
ſich bis zum Solon und Kodrus, ja ſegat 
Goͤttern hinauf **). Viele angeſehene € 
und unter dieſen Speuſipp, ein Nachfolge 
in der Akademie, wagten ed, die Sage zun 
daß Plato nicht vom Arifto, fondern vom A 
und daß jeine künftige Größe, vorzüglich | 
famfeit, durch wundervolle Zeichen verfün 
ſey t). Er erhielt ven forgfältigften Unter: 





to im Unfange 4 Veirppounchiäre Kr 
worden fep. sp. Menag. ad f. 3. III. D 
farb DI. 108, I. Digg. f. 2. 

“) Diog. IL Tr. 

) Dun erzaͤbite, daß ein Bienenfäwerm bı 
feiner Kindheit Honiafeim in den Mund. 


Geſchichte des Plato und feiner Phil. 685 


Kuͤnſten, wodurch in Athen die $eiber und Seen 
Knaben und Sünglingen aus den erften Haͤuſern ger 
»t wurden; er zeigte ſich deßwegen ſchon früh im 
rern Dichrungsarten, felbft in Trauerfpielen, und 
eben im Begrif, einen Wettkampf mit andern tra⸗ 

yon Dichtern einzugehen, ald er mit dem Sokrates 
inne wurde, und die Dichtfunft niche nur verließ, 
ern ihr auch fogar einen Krieg anfünbigte *). Mie 
| Sofrates lebte und forfchte ee acht Jahre **), und 
) deffen Tode bereifte er Aegypten, befuchte den Ma⸗ 
natifer Theodor in Kyrene, den Euflides in Megara, 
die legten berühmten Pyehagoreer in Sttalien, um 

len diefen Gegenden und von allen dieſen Männern 
iche Kenntniffe einzuſammlen, wie er fie vom &o« 
ed, und noch früher vom Kratylüs, einem Hera⸗ 
(chen Philofephen, empfangen hatte }). - Mac) ber 
flehr in feine Baterftadt kaufte er ein: Fleines Gaͤrt⸗ 
1, das an die Akademie, ein vom Kimon verſchoͤ⸗ 
es Gymnaſium, in einer ber Vorſtaͤdte Achens 
azte, und fing an, in dieſem Gymnaſio zu lehren, 
ches er bis in fein höchftes Alter, und nahe bis an 
Zeitpunct fortfegte, wo die Achenienfer vom Paripp 
bers 





) Diog.l,e. | | . 
") Diog. f. 6. Er war zwanzig Jahr alt, als er diefen 
feinen Lehrer keunen lernte. ib, 
) Arift. Met, X. cap. 5. p. 15. Ed. Sylb. gr. Cicer. de 
Fin. V. 29. Tuſe. quaeft. 1. VI. Apul. de dog. Plat, 
. 250. Diog. III. 6. Ueber bie Folge ber Reifen des 
lato, und die Ordnung, worinn er die angeführten 
Meltweifen gehöret hat, find bie meiften Schriftfteller 
niche mit einander einig; es ift aber nicht ber Mühe 
werth, dieſe unbedeutenden Streitigkeiten zu ſchlich⸗ 
ten. J 


en Haube, dag Mäuher u Die 
püngen, Weaſchungen und Einweigur 


- Won ben Schliern bed Sokrates. "68: 


tefe gottesbienftlichen Handlungen vernachläffige hatten, 
ich) in dem Pfuhle des Tartarus waͤlzen muͤſten *). 
ſtachdem er fein teben in dem ‘Dienfte der fe. 
and in einem befländigen Kampfe wider Borurcheile, 
Thorheiten und tafter hingebracht hatte; ſtarb er endlich: 
n einem hohen Alter, und fuchte auch ſelbſt feinen Tod 
roch Iehrreich fir feine Micbrüder zu machen. Er feste 
Rh) ben der Amaͤherung feines Todes an dem Wiege 
Nach Olympia hin, und forderte diejenigen auf, welche 
bie Neugierde zu den Spielen trieb , doch einige Augen⸗ 
ge verweilen, um zu ihrer eigenen Stärkung und 
uung den Streit eines Greiſes mit der plözlich zu 
Behmenden Krankheit zu betrachten *"),. Ä 
Dinvgenes erhielt mehrere Nachfolger, ale man 
en ber allgemeinen NWeichlichfeit und Sittenverderbnig 
er damaligen Zeit hätte erwarten follen”*"). Unter dies 
a3 Nachahmern zeichneten fich vorzüglich Onefifritus, 
> Begleiter und Gefchichtfchreiber Aleranders, und 
dwates von Theben aus. Lezterer wird von den glaubs 
Vrdigſten Schriftftelleen,, als ein würbiger Freund bes 
Diogenes gefchifdert, und man kann daher die Fabel, 
can dem öffentlichen Genuſſe ber ehelichen Siebe in ben 
Ermen der Hipparchia, ohne Bedenken verwerfen, fo _ 
pe abefcheinlich es iſt 7), daß dieſes ſchoͤne Frauenzimmer 
ch in den rechtſchaffenen, wenn gleich haͤßlichen Krates 
werliebt, und fich Durch Feine Drohung und Vorſtellung 
mon der Verbindung mit ihm babe abfchrecken laſſen +}). 
Uus Nach 








— 


) VI. 85. 
9 ib. Krates wurde ſe allgemein geliebt, und allenthalben 
fo gerne aufgenommen, daß man ihn daher den Thaͤr⸗ 
ers 


mer aus, wie Menebemus }), der in.eben t 
in welcher die Zurien duf den Griechifchen T 
fhienen , umherwandelte,. um, wie er fagte 
ten der Menfchen zu beobachten, und fie di 
ſchern der unterirdifchen Wohnungen zu vi 
Aechte Cyniker muften zu viele Tugenden ur 
befizen, muſten ſich zu viel verfagen und zu t 
als daß fie fich in folchen Staaten, als die C 
nach dem Alerander waren, hätten erhalten Fü 














eröffner nannte. Als Schriftfleller vergli 
mit dem Plato, und es find noch mehrere | 
mente ſowohl beym Diogenes als dem Jr 
bie diefe Vergleichung beftätigen. 

“) VI. 095. Diog, 

®*) S. 99. 100, 

9) ib. 102. 

+) Es iſt vergebens und uundz, bie Beitredinm 
fhen Weltweifen genan beflinmen zu wol 
weiß genug, wenn man fid gemerkt hat 
fihenes zroifchen der 100 und ITO, und Krı 


zwiſchen der 110 und 120 Olympiade geb 
Mihore Reltimminaen har Doitrohnuna had 





Achtes Buch. 
Drittes Capitel. 


Geſchichte des Plato und ſeiner 
Philoſophie. 





I allen Sreunden des Sofrates war Plato zwar 
nicht der größte Mann, aber gewiß der feinfte 
vpf, der tieffinnigfte Gruͤbler, ver ſchoͤnſte Schrift. 
ler und der gluͤcklichſte Erzieher großer Männer, des 
ı aus feiner Akademie mehr, als aus den Schulen als 
übrigen Sofratifer hervorgingen. So wie man bie 
ofratifche Philofoppie mit einem. mächtigen Stamm 
gleichen Fanrı, aus welchem viele fruchtbare, über 
nz Griechenland, fich verbreitende Zweige entſtanden; 
n fo kann man die Werke des Plato eine reiche Duelle 
inen, aus welcher alle nachfolgende Weltweiſen, und 
ft diejenigen gefchopft haben, die fich von ihm trenns 

|, oder ihn befiritten und ‚lächerlich machten. % 
Ungeachtet Plato zu einer Zeit lebte, in welcher 
Ben der einzige Siz von Künften und Wiffenfchafften 
r, . ungeachtet er. unter allen Weltweiſen am meiften 
n Sefchichefhreibern und Rednern gefchäzt und geleſen 
wde, und viele berühmte Märner gleich nach) feinem 
»de fein teben befchrieben, fo wiffen wir doch‘ von feis 
e Perſon, feinem Charafter und feinen Schickſalen 
| nicht 





geboren, in welchem der. unglüdliche Pelopo 
Krieg zwifchen den Athenienfern und den Sp 
ausbrach ) , Das,Befchlecht, aus welchen 
flammte, war eins der edelſten in Attika, ur 
ſich bis zum Solon und Kodrus, ja fogar bis 
Goͤttern hinauf *). Viele angeſehene Schri 
und unter dieſen Speuſipp, ein Nachfolger de 
in der Akademie, wagten es, die Sage zu wiede 
daß Plato nicht vom Ariſto, ſondern vom Apoll 
und daß ſeine kuͤnftige Groͤße, vorzuͤglich ſeine 
famfeit, durch wundervolle Zeichen verkuͤndigt 
fey +). Er erhielt ven forgfälsigften Unterricht 








9 91. 87. 2. Meiftens fezt man feine Gebur 
Sabre fruͤher; allein meinem Urtheile nach | 
dius mit überzeugenden Gruͤnden bargetban, t 
to im Anfange bes Pelopponneſiſchen Krieges 
worden fey. sp. Menag. ad f. 3, III. Diog. 

farb DI. 108, I. Diog. f. 2. 

u) Diog. I. . 

Man erzählte, daß ein Bienenſchwarm dem $ 
feiner Kindheit Honigfeim In den Mund geleg 





Geſchichte des Plato und ſeiner Phil. 685 


Kuͤnſten, wodurch in Athen die Leiber und Seeken 
Knaben und Juͤnglingen aus den erſten Haͤuſern ge⸗ 
et wurden; er zeigte ſich deßwegen ſchon fruͤh in 
rern Dichtungsarten, ſelbſt in Trauerſpielen, und 
eben im Begrif, einen Wettkampf mit andern tra⸗ 
jen Dichter "einzugehen , ald er mit dem Sokrates 
inne wurde, und die Dichtfunft nicht nur verließ, 
ern ihe auch fogar einen Krieg anfünbigte *). Mie 
Sokrates lebte und forfchte ee acht Jahre **), un 
) deffen Tode bereifte er Aegypten, befuchte ben Mas 
natifer Theodor. in Kyreite, den Euflides in Megara, 
die legten berühmten Pythagoreer in Stalien, um 
llen diefen Gegenden und von allen dieſen Männern 
iche Kenntnifle einzufammlen ; wie er fie vom &o« 
ed, und noch früher vom Kratylüs, einem Hera⸗ 
chen Philofephen,, empfangen hatte 7). Mach ber 
kkehr in feine Vaterſtadt kaufte er ein: Fleines Gaͤrt⸗ 
1, das an die Afabemie, ein vom Kimon verfchdr 
ed Gymnaſium, in einer ber Borftäpte Arhens 
ste, und fing an, in dieſem Gymnaſio zu lehren, 
hes er bis in fein höchftes Alter, und nahe bis an 
Zeitpunct fortfezte, wo die Athenienfer vom Palin 

Ä Ä er⸗ 





‚ Diog.l,e. . 

x) Diog. f. 6. Er war zwanzig Jahr alt, als er dieſen 
feinen Lehrer keunen lernte. ib, 

y Arift. Met, X. cap. 5. p. 15. Ed. Sylb. gr. Cicer. de 
Fin. V. 29. Tufe. quaeft. 1. VI. Apul. de dog. Plat. 
p. 250, Diog. III. 6. Weber die Folge der Reifen des 
Plato, und die Ordunng, worinn er die angeführten 
Weltweiſen gehoͤret bat, find bie meiften Schriftfteller 
nicht mit einander einig; es iſt aber nicht ber Muͤhe 
werth, dieſe unbebensenden Streitigkeiten zu fchliche 
ten. Zu 0 0 





wegmugeen gern eye regen wa ge 
Lidenſchafften blenden, noch von der Einbi 
verführen Heß, der eine jede Sache rußl 
Seiten betrachtete, und bey jedeni Schli 
machte, auf die Erfahrung zuruͤckblickte ** 
daher auch felten aus dem Gebiete der Wahi 
tabyrinthe des Irthums verloren, und feine € 


©) Ueber die Atademie fiehe Diog. I. 7 & 
Comment. Pauf, I. 28. Schol, ad Nubes 
unter den Neuern Midleton Life of Cic 
Diogenes erzählt eine Antwort bes Plate, 
man fliegen müfle, daß er feinem Ba 
Krieger gedient habe. f. 24. Allein alle 
ſchweigen von den Kriegszügen des Plato 
Tann e8 auch aus der Gefhichte und We 
Athenienfifhen Staats im Zeitalter diefes 
hoͤchſt wahrſcheinllch machen, daß er nicht 

tes unter feinen Mitbärgern gefochten habı 
#8) Plato läßt den. Sokrates feine Worficht im 
and Eutſcheiben vortrefflich in folgenden 5 
brüden: Aonas nos Xenvas ambvacı 

Tı ua Asvm. To van eben. 





Geſchichte des Plato und feiner Phil, 687 


den gefährlichften Feinden zu den treuften Dienern 
ee Seele machte, indem er fie.faft alle Dinge ſchoͤn 
haͤßlich, angenehm und unangenehm empfinden 
|, tote er fie für gut und boͤſe, fir nuͤzlich oder ſchaͤd⸗ 
etfannt hatte. Plato befaß mehr Tieffinn als hellen 
den Derftand, ımb war weniger fcharffinnig ale 
findig; eine Eigenfchafft, die fehon unzählige male 
einer lebhaften Phantafie verbunden war, fo unvers‘ 
zar fie auch Damit zu fenn ſcheint. Unterdeſſen war 
ito doch Immer dem Sofrates in Anfehung feines 
ftesfräfte viel ähnlicher, als in Anfehung feiner: Ges 
hsart und feines Charafters. Zwar find von leztern⸗ 
einige dunfle Zuͤge zu uns gefommen, allein auch 
reichen ſchon Bin‘, "uns zu überzeugen, daß Plato, 
Menſch betrachtet, noch ſehr weit: von der Sofratis 
ı Bollendung entfernt war. : Er war nicht heiter, 
rund einladend, wie fein Lehrer, fonbern eher: ver⸗ 
ſſen, muͤrriſch und abfthrecfend , und daher entfland 
reitig die Sage, daß er den Gott des Lachens und 
Froͤlichkeit aus feiner Akademie: gänzlich verbannt 
e*). Vielleicht wär es eben dieſe bittere uinfreunds, 
Gemuͤthsatt, die ihm den Eichein des Stolzes und 
Berachtumg anderer gab **), und ihn zur Mißgunft, 
Neide und allen damit verbundenen Schwachheiten 
> geneigter machte 7). WWenksitens fiel es dem gans 
Alterchume auf, dap er mit keinem der großen Freunde 
| und 








! Diog. III. 26. Ael. III. 35. 

Y VI. p. 756. Dionyf. de Plat, Edit. Lipſienſ. 

| Allein der Tadel des Lyſias in feinem Phaͤdrus, und die 
Anſtrengung, womit er biefen großen Redner zu uͤber⸗ 
treffen ſucht, beweifen, daß Plato nit freu, vom 
Meide, oder einem am, Neid gränzenden Wetthifer 
war. — 


un mieten fen nn Gichen, und nf 


Seen 


ältern oder juͤngern 








. IT. 34036. & ibi Menag. id. ad IL 57. n 
I ach Bir. prim. p. Fri sr 
®%) I. de Rep. VI. p. 16. Vol. I. Ou yag 
su nam voruroov dead 

uz' aurs, sderas copurirı Tas vor aM 
Yveas nm. oA ö Taro woneugauee et 
aaro. Er fßelte Gier auf dep Meikipp, den‘ 

daR le Eürtifide, ve je Eicitisen wel 

aſt al ⸗ 
n Plata erwähnen, wiberſprechen ſich ennoeder in 





\ 


Geſchichte des Plato und ſeiner Phil. 689 


Buhlerinnen, die ihm zugeeignet werben, kann man 
e Vorwuͤrfe hernehmen, weil fie zu verdaͤchtig find *). 
darf aber auch nicht verfchtwiegen werben, daß er 
t wie Sofrates verheirarhet war, und feinem Bas 
ınde feine rechtmäßige Buͤrger hinterließ. Wenn 
to übrigens die Genuͤgſamkeit, Mäßigfeit und Gleich, 
higkeit feines Lehrers auch nicht erreichte; fo war er 
, gewiß in Ruͤckſicht auf dieſe Tugenden für den 
jten Theil feiner Zeirgenoffen ein unnachahmliches 
fter. Wenn er aufgebracht war, fo flrafte er fich 
t mehr, als diejenigen, die ihm gereizt hatten "), 
‚eachtet-er die reichften Könige, und die größten Felb⸗ 
en und Staatsmaͤnner unter feinen Schülern und 
unden zählte; fo ftarb er doch) arm, und hieraus für: 
I ald aus dem beftändigen Tadel der Gewinnſucht 
Sophiften muß man fchließen, baß er nicht, "wie 
:, umd Gelb gelehrt habe 7). Er verabicheute die 

| ” fehwel 


— En ne GESEREED un 


bung ber Zahl, oder ber Zeit, ober ber Bewegungs⸗ 
gründe derfelben, ober auch in ber Erzählung der Ges 
fahren des Lebens und der. Freyheit, denen er anf einer 
berfelben von dem beleibigten Tyrannen ausgefezt wur⸗ 
be. Man fehe Cic. pro. Rabirio Pofth, e. 9. Diod, 
XV. p. 8. ad Ol. 97. 3. Athen. VII. 5.p. 279. XI. 
cap. ult. 505:509 Biog. III. 18. 21. & ibi com, 
Apul. p. 251. de dogm, Plat. Wenn ich irgend einen 
Nuzen davon erwartete, fo würde ich mich bemühen, 
dieſe Widerſpruͤche fo. viel als möglich entweder ſelbſt zu 
heben, ober audere dazu aufzumuntern. 
) 111. 29. & faq. Diog. : 
*%). Plutarch. VE. 178: E 
) Suibas im Worte Plate, und Apulejus 252 p. fagen 
beyde, daß Plato arm geweien fen Hiemit ſtimmt 
fein Teflament überein, wenn es anders aͤchtiſt 
Diog. II. 441. Satyrns hingegen machte ihn reich ib. 
ſ. 9. und erzählte, daß er achtzig Talente vom Dionys 


Zweyter Band, Er erhal⸗ 








von zu entfernen. Er verglich das Atheni 
Bald mit einem abgelebten Alten, der wiebeı 
Schwachheit und Unverftand zuruͤckgefallen 
mit einem Haufen von wilden Thieren , 
man, wenn man fich barunter wage, alle 
in Gefahr fen, gerriffen zu werden: bald ab 
unfruchtbaren Acker, der nur Unfraut tray 
nuͤzliche Pflanze erſticke f). Ihm fehlen es 
feon, fich den Einfällen eines unbänbigen 
allen uzen, entgegen zu fegen, und fich 
Verderben zu ſtuͤrzen, bevor man feinen 3 
Vaterlande gedient Gabe: und DBüberey « 


— 





erhalten habe. Wilehs diefe Nachricht fe 
weniger erdichtet, als eine andere eben | 
fiellers, daß Plate Vptpagoreife Gchril 
lolaus um 100 Minen gekauft habe. 
®) Cicer. Tuſc. quaeß, V. 35. . 
®%, Id enim jubet idem ille Plato, quem egı 
außtorem fequor, tantum contendere 
quantum probare tuis civibus poffis: v 


Gefchichte des Plato und feine Phil. 691 


hien es ihm, mit dem großen Haufen zu pluͤndern, 
Ber fein Baterland mit Gewalt zum Guten zu zwingen. 
er hielt es für viel vernünftiger, in dem heftigen Wiss 
elroinde, der faſt alle feine Mitbürger mit dem Unrath 
er Lingerechtigfeit beſchmuze, fich Hinter eine ſichere 
Band zu fielen, dem Getümmel und Wuͤthen ver 
dosheit von ferne zuzuſchauen, und fich felbft von allen 
ftern rein zu erhalten, um mit defto ruhigerem Ges. 
wach und deſto frölichern Hoffnungen das Ende diefes 
diſchen, und ben Anfang eines beflern Lebens erwars 
en zu koͤnnen *). | 

Als Weltweiſer flimmte er barinn mit dem So⸗ 
Pates überein, daß er die Sophiſten unabläffig in ſei⸗ 
en Schriften verfolgte, und faft alle Grundfäze feines- 
brers benbehielt und vertheidigte; allein in Anfehung: 
Izer tehrarc, feiner Sprache, und des Umfangs ſo⸗ 
BH! als des Inhalts feiner Philofophie wich er eben fo 
etc vom Sokrates ab, als viele von denjenigen, die‘ 
eſer am febhafteften beftritten hatte. Er unterrebete 
Ey nicht, wie fein Meifter, mit einem jeden, der ihn 
Eike, oder ihm aufftieß, zu allen Zeiten, an allen Or⸗ 
w und über 'alleriey Gegenſtaͤnde, fondern ee lehrte 
Eh den Sophiften an einem gewiſſen Orte über be⸗ 
zmınte Segenftände und für gewiffe Perfonen. Seine 
Syrache war nicht ein Kind bee einfachen unverborbenen 
datur, fondern eine Tochter der Kunft, und fie zeigte 
H daher auch unter fo mannichfaltigen Geſtalten, umb 
ig fo abwechfelnden Puz, wie eine ſchoͤne Buhlerinn, 
e mehr durch äußere erborgte Reize blenden, als durch 
BR Tugenden feffeln will. Beine Rebe floß nicht ru⸗ 
B, wie ein filberpeller Bad) über weißen Sand, ober 

. Xi2 . grüne 


H Plat, & Cicer. 1, <, 





Machahmer, und um feiner Beredſamkeit u 
wan ihn vorzugsweiſe den Großen, den Gh 
Sort und Fürften unter den Philofoppen 
gingen in der Bewunderung derſelben fo wr 
fagten : ſelbſt der König der Gotter wuͤrde 
eben, wenn er fich einer menfchlichen Spro 
follce **). Die größten Kenner des Griech 
thums hingegen tadeiten an ber Schreibart 
ohne ihre Vorzüge zu verfennen, mehrere | 
fein unparthepifcher Nichter uͤberſehen kann, 
rade ben Tugenden der Sofratifchen Rede 

entgegengefezt waren. Ihrem Urteile na 
oder erreichte Fein anderer Weltweiſer oder 
Plato in der Kunft, die Ohren feiner, Sefe 
Wohllaut der Sprache zu begaubern , und rn 
größere Perioden, ſondern aud) in einzelne k 
der entzüchende Muſik zu legen }). Wenn ‘ 
Dionys ferner FI), in die Fußſtapfen fei 





— 


9) Man fehe unter anbern I. 11. de ar: Cirer. 


Beſchichte des Plato und feiner Phil, 693 


fe, und fich ohne allen Zwang oder mühfeelige Arts 
engung ausdrückt; fo wird feine ungefünftelte Schreib⸗ 


 unausfprechlich füß und anziehend. Sie ift alsdann 


ver und richtiger , als die ausgearbeiterfte Sprache 
yerer, deutlich und klar, wie der Tag, und mit Fels 
n einzigen überflüfligen Beyworte befehwert. Unge⸗ 
tet fie hin und wieder mit dem Moofe des — 
ht bewachſen iſt; ſo bluͤht ſie doch voll unwiderſtehli⸗ 
n Reizes, und von ihr: duften dem Leſer, wie von 
menreichen Srühlingswiefen, die herrlichfien Wohle 
üche entgegen. Sobald aber Plato die tragifchen 
huhe des Thukydides, oder die Mebnerrüffung des 
rgias anlegt ; fo finft er weit unter fich ſelbſt hinab *), 


[er zu fehr an feinen Werfen puzte. Dies fezte er 


ans Ende feines Lebens fort, "und man fand daher 
) feinem Tode ein Erempfar feiner Nepublif, in wel⸗ 
n er den Anfang bes erften Buchs auf mehrere Ace 
verfeze hatte, um einen größern Wohllaut hineinzüs 
gen **). Plato fuchte eine größere Ehre darinn, 
n zu fchreiben, als richtig zu denfen; und er verhehlte 
uch gar nicht, daß et weit mehr Sorgfalt auf fchöne 
ter und Sprache, ald auf wahre Gedanken wendete. 

XRx 3 | Er 











VI. Dionyf. 762. 64. 972. 73. 1032⸗44. V. 208. 

) Dionyf. de Comp. verb. V. p. 208. 209. O ds 
IlMarwv Tas Euurts deAoyss arevicav x Bo- 
Seuxslav us MAVTE TOomov uvamAenav, 8 die- 
ATSEV sydennovra vevovoc ETN. TOACs Yarp on 
RB Tas QDiAcAoyoıs Vagina TE Weg Ts Qi- 
Aomovias Tavdeos isoguueva, nos 
dm no Fo ee TNV deArov, NV, TEAEUTNCAYTOS 

caurs, Asyaaı EvpeInvos, WOoiÄwS. HETONEE- 
KEVHV TR EX TE TOATRS, Tmvde &c, 


5 dcchtet Bud. Drittes Cape,» 


——— 
‚ ‚ber Goͤtter rede, und daß er nicht auf der ebenen d 


= ser, in ber Hervorziehung nd, dem Gebra 
aber Fraftvoller Ausdrücke, im 
‚erhabener Bilder, Gleichniffe, Alegorien 
endlich in der, Pracht und Größe feiner, B 


chen Vorrath von Wörtern und 
und daß fie nicht in den finftern 


















nicht ungerne zu 


lechter Profe ruhig fortwandfe, . ſondern mit ini 


ich. Ja die beyben größten Mebner, bie je J 
geſtanden, daß fie ihm vı den anerfch 


2* —— 064. 972. 1032,34. VI. 
**) ib. 1083. 


» Cicer, Orat. V. 3. 4. Ego autem & me faepe 
videri dicere intelligo, cum pervetera dicam,‘ 
inaudita plerisque: & fateor, me oratorem, f 
do fim, aut etiam quicunque fim, non ex 
officinis, fed ex Academiae fpatiis exſtitiſſe. 
enim funt curricula multiplicium uberlorumau 
monum, in quibus Platonis primum imprels 
veftigia; fed & hujus, & aliorum philofop 
— & exagitatus maxime orator 

adjutus. Omnis- enim ubertas & quafi fylva 
di, du&ta ab illis et, — Quod idem Fa 
ne exiflimari poteft: cujus ex epiftolis Ani 
quam frequens fyerit Pl —— ayditor, 


Geſhichte des Plato und feine Phil. 695 


barbariſche, die Philoſophie entehrende Pracht und 
sppigfeit ausarte, daß er nicht ſelten feine Gedanken 
einer Fluth von leeren, aber raufchenden Wörtern ers 
ıfe, daß feine Bilderfprache bald unerträgliche Weite 
weifigkeit, bald undurchbringliche Dunkelheit, odee 
Iyrambifchen Schwulft erjeuge, daß feine neuen 
Orter manchmal ungeheuer, feine alten geſucht und 
wwungen, feine Befchreibungen überladen, feine Gleich⸗ 
je und Allegorien unzeitig, ober froftig, oder unwahr⸗ 
einlich, oder gleich Ammenmaͤhrchen gedehnt fenen, 
ã er in gewiffen Augenblicfen von erfünftelter Begeiftes 
29 von den geringfügigften Dingen mit Pindariſchem 
ımpe, und wenn diefe Begeifterung nachlaffe, von 
a erhabenften Gegenftänden mit einer beleidigenden 
ılte und Mattigkeit rede, ja daß er fogar über dem 
Zaͤndigen Suchen nach ſchoͤnen Worten, ober auch 
ech fruchtiofe. Anſtrengung ermüder bisweilen die erſten 
sfeze der Sprache und des Numerus verlege, und fich 
bärteften Wendungen und Soldcismen erlaube *). 
le ſtimmten darinn überein, daß feine Schreibart mehr 
sefie als Profa fen, daß fie wenigftens zwiſchen beyden 
der Mitte fiehe, und daß vielen Stellen in feinen 
hriften nur allein abgemeßner Rythmus fehle, um 
Pindarifche Oden verwandelt zu werden“) Uber 
Ex 4 eben 











”) Dion. VI. 957. 64. 972. 1032034. 1038. 1043. Auch 
Longin. reeı udes peflim. Beym Dionys findet 
man Beyſpiele der getäbelten Zchler aus allen Schrife 
ten bed Plato. 

4) Arift, ap. Diog. III. 37. Cicer. or. c.26. Dionyf, VI, 
972 p. Quint. X, 1. p.m. 578. Philofophorum, ex 

uibus plurimum fe trazifle eloquentiee M, Tullius 
confitetur, quis dubitet Platonem eſſe praecipuum, 
five scumine differendi, five eloquendi facultate 
quadanı 


696 Acchtes Buch, Drittes Capitel. 


eben hierinn liege auch der Grund, warum Plato feihi 
mehr ſchoͤner Schriftfteller, als großer Redner fen, mw kt 
auch mehr die erftern als die leztern bilden koͤnne) 
Wenn Plato alfo ven Rednerſtuhl befteige, und ein 
Verſuch mache, entweder die Unſchuld zu vercheivig 
ober die Tugenden gefallener Helden zu erheben; fo fuͤſ 
man gleich, daß er niemals weder vor den Richten 
noch zu dem verfammleren Volk geredet habe**), Pa 
dürfe nur feine Schuzrede für den Sofrates, und fi 
‚sobrede auf die fürs Vaterland geftorbenen Krieger m 
ähnlichen Reden des Demofthenes vergleichen, um 
zu überzeugen, ‘daß fie eben fo fehr won einander 
fchieven feyen, als die Waffen und Ruͤſtungen eines $ü 
gers von folchen, die nur zur Schau auögeftellt w 
oder als wahre lebhafte Empfindungen von leer Zn 
men, oder als Cörper, die durch Hize und Kälte: 

härtet worden, von folchen, die fic) durch Weichliihä. 
verborben Härten. Plato's Neben feyen allein fük 
‚die des Demoſthenes hingegen auch Iehrreich und nal 
Jene koͤnne man mit einer lieblichen Wiefe verglei 
die Durch Furz dauernde Annehmlichfeiten ergoge; 
bingegen mit einer fruchtbaren Flur, deren Anblid nd 
nur das Auge ergoͤze, ſondern die auch reichlich die 
wenbdigfeiten des tebens liefere }). . 



























BR 


x 
m 





quadam divina & Homerica? multum enim fa 
profam orationem, & quam pedeftrem Graeci voca 
furgit: ut mihi non hominis, -fed quodam Delp® 
videatur oraculo inftindus, 
e Cie, or, c,4. Dionyſ. VI. 102. 5. & fq. & 1056. &h. 
* ib, 


7) Dion. VI. 1056. Alle Tugenden fowohl als Fehle 
Schreibart des Plato finden fi nirgends in größe 
Mange, als in.feiner Republif, die daher * 


Geſchichte des Plato und feiner Phil. 697 


So wie ſeine Bewunderer, die ihn uͤber die ange⸗ 
en Helden ihres Volks weg, und den Goͤttern gleich 
Xxr5 ſez⸗ 


ganzen Alterthume als ſein groͤßtes Meiſterſtuͤck bewun⸗ 
dert wurde. Dieſer folgen ſein Gaſtmaal, ſein Phaͤ⸗ 
drus, ſein Gorgias und Timaͤus. — Weil Plato unter 
den. Weltweiſen das war, wofür Homer unter den 
Dichtern, und Demofihenes unter den Rednern gehals 
ten wurde; fo erhielt er auch, wie diefe, eine Menge 
von Auslegern, welche bie Dunkelheiten feiner Schreib⸗ 
art erläuterten, ihre Eigenthämlichkeiten anzeigten, 
und ihre Schönheiten in's Licht fezten. Unter biefen 
ift nur allein das Werk eines gewiſſen Zimäus, näms 
lich ein Verzeichniß Platonifher Wörter, zu und ges 
fommen, das Hr. Ruhnken herausgegeben, und mit 
Anmerkungen verfehen bat, bie weit mehr, ale ber 
Text ſelbſt, werth find. In dieſem bärftigen Lexikon 
ſucht man die wichtigſten dem Plato eigenthuͤmlichen 
Wörter vergebens, und hingegen findet man anberg, 
die ihm mit unzähligen andern Schriftfiellern gemein 
find, ober gar nicht einmal in feinen Werken vorfoms 
men. — Man kann fi kaum einer Anwandlung von 
Beratung gegen bie neuere Kritif enthalten, went 
man bedenkt, daß fie über den elendeſten Schriftſtellern 
ganze Wälder meiftens unzweckmaͤßiger Gelehrſamkeit 
zufammengefchleppt, und hingegen bie größten Schrift 
ſteller, und unter biefen ben Plato, faſt ganz vernachs 
läffigt, und wenig oder gar Peine Hälfsmittel geliefert 
. bat, wodurch der Jugend die Benuzung ber ſchaͤzbarſten 
Dentmäler des Alterthums erleichtert würde. Wer 
bat es noch verfudht, alle vom Plato erfundene oder 
ihm eigenshämliche Wörter zu ſammlen, und die dunk⸗ 
fen ober von ihm erneuerten zu erPlären? er bie 
ihm eigenthämlihen Wortfügungen, und bie bewuns 
bernswärdige Kunft in dem Gebrauch ber Verbindungs⸗ 
wörter, wie den Wohllaut in allen Theilen feiner Mer 
De ins Licht zu ſetzen? Wer den Werth und Unwerth 
feiner Bilder, Oleichniſſe, Beſchreibungen und Zirtios 
non, und bie Wahrheit ober Unwahrheit feiner Eralhe 
' u gen 





gen des Heraklit und der übrigen Phnfiki 
Ufchen Betrachtungen der Pythagoreer, 
ten ber Mathematiker , endlich die Weis 
tier, und wie viele glaubten, aud) der © 
net, und alle diefe zerftreuten Glieder de 
und barbarifchen Philofophie gefammiet, t 
in einen einzigen ſchoͤnen Eörper vereinigt | 
viel ich aber urtheilen kann, verdient Pl 
über lob/ daß er die Reden des Sofratet 
und die Gedanken deſſelben weiter fortfuͤht 
bie feztern gewaltfam mit folchen zufanmm 
mit ihnen unvereinbar waren; daß er L 
aufnahm, die Sokrates verworfen, unt 
von Dingen nachgrübelte, die diefer für 
erklärt hatte. Plato chat faft keinen &ı 
Sränzen der Sokratiſchen Philofoppie Hiı 





bangen und Gedanken zu präfen? Wer 
— zu beſtimmen, wo er ſeine 
Eyarater gemäß, oeruiht gemäß, 


Seſchichte des Plato und feiner Phil, 699 


ht in unnize Spisfindigfeiten, oder in eitle Träume, 
er in ungereimte Irrthuͤmer bineingeführt Härte *). 
Zeil er die Meynungen von Männern annahm, deren 
hrart und Grundfäze einander entgegengefest waren; 
ı konnte es faft nicht fehlen, daß nicht feinen Gedan⸗ 
m oft die gehörige Drbnung und Zufammenhang gefehlt 
itte, daß er nicht häufig in Widerfprüche gefallen, und 
2 Inhalt feiner Schriften eben fo verfchieden, als feis 
Schreibart und feine fehren geworden wäre. Man 
san daher die Meynungen des Plato nicht, wie bey ans 
wen Schrififtellern, aus einer einzigen Stelle abnehmen, 
rsdern man muß nothwendig alle Stellen über dieſel⸗ 
ze Materie zufammenpalten, weil man fonft in Gefahr 
anmt, ihm etwas zugufchreiben, was er nicht wirklich 
Hauptete. Noch ſchwerer aber, als die Ausfinvung 
= wahren Meynungen bes Plato, ift die Auseinanders 
gung deſſen, was ihm felbft und was andern und wen 
& gehört; denn fo wie er oft feine Gedanken andern in 
en Mund legte, fo eignete er fich auch ſtillſchweigend 
56 Gedanken anderer, felbft dee Sophiften, zu, deren 
Werke verloren gegangen find. Unterdeffen kann mar 
wc aus Zeugniffen des Ariftoteles, aus einzelnen Wins 
mn bes. Plato felbft, und aus der Vergleichung feiner 
Schriften mit denen bes Xenophon, bey manchen wich» 
Egen Lehren, mit großer Wahrfcheinlichfeit angeben, 
was Des Plato, und was des Sokrates, ober eines ans 
>ern Altern Miloſophen fen. 

, Plato 


pe 





4 Die Vermiſchung ganz ungleihartiger Lehren wirft Ihus 
auch der Merfaffer ber Briefe vor, bie dem RXenophon 
äugefchrieben werden p. 671. Asyuzts nexo9y- 

 0av u vn Tudayoes Teeurodas voßıns. 
Diefet Vorwurf war gegrändeter, als der andere von 
Pareg Schlemmerey, den man in chen dieſer Stelle 
ude 





tifer es thaten, manche von jenen 2 
m von Gefprächen einfleiven, weil 
fen des Sofrates entweder umveı 

doch mır mit fleinen Veränderungen auf 
diefer fein tehrer fich nicht anders als in 
mitgetheilt harte *). Dieſe Sofratifche I 
Plato audy in den Schriften nicht verlaff 
er feine eigenen Begriffe und Unterſuchi 


) Diefen Grund gibt er felbft im Anfange 
Ich habe, läßt er ben Euklides fagen 
des Sofrates nicht bloß erzählt, fon 
nes Geſpraͤchs gebracht, damit ich di 
fagte, und er antwortete; er längnete 
gab es zu, überhoben würde. p. 69. - 
ten ben Plato den Erfinder von phils ſo 
Gen III. 48. Diog.; allein biefen Ne 
nicht verbienen, wenn auch nicht ein gı 
mus von Xeos Sokratiſche Gefpräde 
kannt gemacht hätte Aril. ap. 4 
Plato that in feinen Geſpraͤchen weiter 
er die Unterredungen bes Sokrates 


Gefchichte des Plato und feiner Phll. 7er 


wuͤrdegzdadurch dad, was ihm, und dad, was dem 
rated ‚gehörte, zu fichtbar unterfchieden, und ents 
er die Beſchimpfungen feines Lehrers durch feine eige⸗ 
widerlegt, oder aud) den Eindruck der lestern durch 
Unfehen der erftern gefchwächt haben. Gleichwie 
Plato genöthige war, feinen Werfen auch alsdenn 
Sofratifche Form zu geben, wenn ber Stoff fich 
gen fträubte; eben fo wurde er gezwungen, in ſei⸗ 
mündlichen Unterrichte die tehrart der Sophiſten 
nehmen, wenn er auch ächte Sofratifche Gedan⸗ 
vortrug. Er beftrire nicht, wie Sokrates gethan- 
e, die Sophiften und deren Schüler in ihrer Ges 
art, redete nicht mit alleriey Perfonen zu allen Zeis 
und über allerley Gegenſtaͤnde, hatte andere Abfich« 
. andere Perſonen, andere-Materien, zu welchen: 
über welche er redete, und Eonnte alfo auch nicht 
Methode beybehalten, dig durchaus unanmwendbar 
, wenn man nicht in alle die Umſtaͤnde eintritt, im. 
hen ſich Sofrates gefunden hat ”). 


Durch die Nachahmung der Sofratifchen Unter⸗ 
ngsfunft in feinen Schriften erreichte Plato manche 
eile, die er ben einem fchlichteri Didaftifchen Bars 
nicht erreicht haͤtte; allein ich weiß nicht, ob fie 
dantit verbundenen Nachtheilen felbft alsdann das: 
gereicht halten, wenn er feinen $ehrer glücklich 
ahmt, und die Perfonen, die er einführe,. ihrem. 

| & 


2 














Ich kann zwar kein ausdruͤckliches Zeugniß irgend eines 
alten Schriftſtellers dafuͤr beybringen, daß Plato nicht 
wie Sokrates, ſondern wie die Sophiſten geichtt babe. 
Allein die Sache läßt ich meinem —**— nach kaum 
anders denken; mb dann lehrten feine erſten Nachfol⸗ 
ger, wie ich aunehme, daß er gelehrt habe, ünd wie 

anch alle ſpaͤtern Weltweifen Tehrten. Diog. IV. iß. 


oa Achtes Buch. Drittes Eapitel. 


Charakter und ihrer Denfungsart gemäß reven UA 
Plato erregt durch feine Dialogen Anfangs ein lebhaftahg‘ 
Intereſſe, ale man vom gewöhnlichen Bortrage in gi! 
terrichtenden Schriften erwarten Fann. Auch beme 
man nicht felten mit Bergnügen, wie ber gefchäifi 
Geiſt Wahrheit fuchender Juͤnglinge von verworte 
unvoliftändigen und falfchen Begriffen allmaͤlich bu ſ 
hellen und richtigen Ideen binanflimmt, oder wie de 
bildete Perfonen viele fruchtloſe Berfuche wagen, die 
ihnen fliehende Wahrheit zu erhafchen, und role fe 
nach öfteren vergeblichen Anftrengungen ganz erfä 
nicht weit vom Ziele liegen bleiben: oder endlich nie 
phiften erſt, ohne es felbft zu merfen, und nachher 
ihren Willen in die augenfcheinlichften Ungereim 
gezogen werden; allein zugleich kann man es doch 
verhehlen, daß man auch oft durch die Weitſchu 
keit, welche Gefpräche über wiſſenſchafftliche Mod 
umvermeidlich nach fich ziehen, ober durch die dem‘ 
eigenthämliche Spüsfindigfelt, womit er die fei 
Materien ſchwer macht, in feinen Erwartungen getä 
und gänzlich ermuͤdet, und noch öfter Icre gemadkn 
was man für Wahrheit, oder Doch für ernftliche M 
nung des Plato und Sofrates halten oder nicht WE 
fol *). Dieſe Unbequemlichkeiten werben noch 9 

























®) Verdrießliche Weitfchweifigfeit finde ich in feinem 1 
= get, Sophiſtes, befonders aber in feinem zer 9 
Getaͤuſcht wird man burch feinen Eutyphron, De 

e &harmides, Lpfis, Hipparch, Hippias Meiner, u 
nen man gar Peine Aufſchluͤſſe Äber Die aufgeweri 
Fragen findet, nud au deren Eube man noch m 
hafter wird, als man Aufangs war. Sein Man 

vilele irre geführt‘, beſonders Bebdes in feinem Ü 

os the compolition and Manuer of Weiting.d 

Au 





Geſchichte des Plato und feiner Phbil. 703 


8 vergrößert ‚, wenn Plato feine Perfonen wider ihre 
mein bekannten Grundſaͤze reden, ober fich ſelbſt 
tfprechen, oder auch auf frembe mit der angefanges 
Unterfuchung gar nicht verwandte Materien abſchwei⸗ 
ober über Dinge ſich unterreben läßt, über welche 
ünftige Perfonen fi) nie fo unterreden würden *). 
fagte fich felbft **) feierlich von ollen Geſezen des 
logs los, denen die Dichter unterworfen waren: 
:Eannte Feine Richter und fürchtete feine Zufchauer 
yiefe, und geftand felbft, daß er eine jede Unterredung 
Unterfuchung nicht als eine Beherrfcherinn, ſon⸗ 
als eine ‘Dienerinn feines Willens betrachte. 


Schon unter den Sriechen theilte man die Plato⸗ 
ven Dialogen auf -mannichfaltige Arten, bald. nach, 
n Anhalt, bald nach ihren Abfichten, ober * 








Antients, particularly of Plato p. ‚106. Dieler Särife 
fteller glaube, daß Plato bie Tugend als eine Volks 
Fommenbeit augefehben babe, die gar nicht erworben 
werde, unb bloß vom Himmel herabkaͤme. Eben fo 
febe als Geddes wuͤrde man ſich irren, wenn man mie 
Den Diogenes III. 52. aunähme, daB Plato feine: 
Mepnung flets durch den Mund des Sokrates, des 
Tim dus des Athenienſiſchen und Eleatifchen Fremdlings 
vorgetragen habe 
ie gefihicht häufig In feinem Theaͤtet und So⸗ 


> in Theset. p. 81. Tlovu vœgo EU TETO IENKOS, 
oT EX HRS 0 © Tw Tode KOREUOITEE Toy 
Ay UTNEETER , N 7 Ayo oͤ⸗ —R 
—A 
oemoreise9nvas, Örav Au denn. were yu dm 
Kusns, 878 Jeorns, worree ROMTS CU ITE 
prcoy Tex agker ur wu. Yun 


704 Achtes Buch. Drittes Capitel. 


nach ihrer Manier und Behandlung ein *). Alle du 
Eintheilungen aber bringen, fo viel ich ſehe, keinen M 
zen, ven nicht auch die bloßen Ueberſchriften der Geſ ſ 
che leiſteten. Die genaue Verbindung, die mian ml | 
Denfelben zu finden geglaubr hat, iſt entweder eingdll 4 
bef, oder wenn auch biefes nicht iſt, fo teäge fie 


N 

















wenig oder gar nichts zur gegenfeitigen Aufflärung 
cher Dialogen bey **). Wichtiger aber kann es für 
jungen tiebhaber der Griechiſchen Philoſophie fenn, 
man ihm fagt, daß er fich Anfangs nicht an vie a 
&efpräche machen folle, in welchen: Plato die Ep 
Digfeiten der Eleatiker und Sophiſten entweder wi 
hie, und nachahmt), oder auch bloß widerlegt, 
hre Meynung zu Äußern }), oder worinn er al 
feine eigenthuͤmlichen der Sofratiichen Weisheit ı 
forechenden Spefulationen vorträgt FF). Unter l 
Gefprächen find nur wenige, die felbft der Kenne 
wuͤrde, wenn er. bloß zum Vergnuͤgen laͤſe, und a 
die auch der gröfte Kenner der Sprache, und beim 
ßigſte leſer des Plato nicht ganz verſtehe - Ale Mike 
Dialogen würden ben in Die Geheimniſſe det Geichiiil 
Sprache und Philofophie noch nicht eingerveihten Fi 
ling entweder durch ven neuen , von dem aller din 
Griechiſchen Schriftftellee verfchiedenen Ausprud, 
durch die fremden unverftändlichen Grillen, ober ll 
durch die ſeltſamen Träume, die fie enchalten, d 


> kan“ 
4! 





*) III. Diog. 49-52. Ä E 

“) Man fehe Geddes 1. c. p. 104. & fa. ) Wi 

auna) Wie im Parmenides und Krathlus. 
.D Wie im Dieno und den Äbxiage wertet genau ©) 5 


nern Dialogen. | . 
+) Wie in feinem Theaͤte guiket, 7eäJα 
und mehrern Buͤchern ei set. An 


N | 


k a 


hte des Plato und feiner Phil, 708 


lato abſchrecken. Viel rarhfamer alfo ift 
Hejprächen anzufangen, in welchen viefer 
Grundſaͤze feines tehrers in der Manier 

aͤgt *), oder worinn ee mit den größten 
»Rednern feines Volks um den Preis 
er in welchen er auch die mit der Sofratis 
13 unvereinbarten Theile feiner Philoſophie 
Der größte Theil dieſer Geſpraͤche hat 

> Reize ver Sprache und des- Inhalts, 
weder ungewöhnliche Borbereitungen und 
och muͤhſame Anftrengungen, um verflans 
Zergnügen gelefen zu werden. Unter allen 
Weltweiſen verliert Feiner fo fehr in Les 
nd Auszügen, und alfo auch in einer all 
chicyte feiner vornehmften Gedanken, als 
ihm find Gedanfen und Ausdruͤcke fo zus 

nolzen, und in einander gefügt, dag man 
Derlesung over Zerftörung der erſten von 

ten Fan. Auch wird der Werth der Ges 
die Schönheit und den Wohllaut Dee Spras 
yohr,, daß manihnen ihr Kleid nicht neh⸗ 
hne vaß fie, wie e8 bey allen großen Dich⸗ 
nern geſchieht, faſt ganz unfenntlich wer⸗ 
n biejelbigen zu fenn fcheinen. Hiezu kommt 
daß im Plato diejenigen Gebanfen, die 

vorhergehenten Weltweiſen am meilten uns 
nd die auf die Denfart foigender Geſchlech⸗ 
ter 








er Upologie, Krito, Alfibiades, Gorgias, dem 
ı Theile bes Phaͤdo. 

feinem Epitophio, feinem Gaſtmaale, Phaͤdrus, 
inchen Stellen feiner Republik. 

3. in feinen Büchern von den Gefezen, - 


Band. Y y 


7066 Achres Buch, Dritted Capitel. 


ter bie meiften Einfläffe gehabt haben, die lächerlid 
Irrthuͤmer find, und daß man hingegen bie unzäh 
abgeriffenen eben fo neuen ald wahren Bemerkunger 
durch jeine Schriften zerftreut find, nicht alle auffi 
und mittheilen kann. 

Die Griechiiche Philofophie war fchon vor um 
den Zeiten des Plato in eben jo viele Abſchnitte zeri 
als worinn fie nachher abgerheilt blieb; allein die Gr 
diefer großen Abfchnitte waren noch nicht genau beſtin 
und fie ſelbſt auch noch) nicht mit den Namen belegt, 
Zenofrates zuerft erfand, und die auch.alle fpätern® 
weiten beybehielten *). Unter allen den Kennmiß 
die man in der Folge unter dein Namen der Diold 
oder Logik begriff, rechnete Plato die unnüzen Er 
digfeiten zur Eriftif, oder Sophiſtik; und die 
rihtig zu erflären und einzutheilen zur Dialektif 
Die Unterfuchungen, die man nachher in der 
vortrug, nannte er noch mit feinen Zeitgenoffen die 
fenfchafft görtlicher,, oder himmliſcher, oder überi 
Dinge 7), fo wie die Erhif oder Sittenlehre des 
krates und feiner Nachfolger , eine Wiffenfchaffe mal! 
licher Dinge oder menfchlicher Weisheit FF). Died 
nung, in welcher diefe verjchiederre Theile der ‘ 
pbie in Plato's Kepfe geordnet waren, ging von 
Hronung, welche tie uͤbrigen Welrweifen beobadı 
gänzlich ab. Anſtatt dag die leztern die Dialeftif 
ausſchickten, auf dieſe die Phyſik folgen liegen, ım) 
Phyſik endlich mit der Sittenlehre befchloffen, fo i 
Plato von den Unterfuchungen über Sort, Mater 











uäihntndnise unten emseusientunen Selen 





*) Sext, Emp. VII. 16. 

*®) Siehe bef. Sophift. 110, 113. 
7) Siehe Apol, Soer. pafl, 

th ib. 


Gefchichte des Plato und feiner Phil. 707 


elt an, ging alsdann zu feiner Seelenfehre und Dias 
if fort, und endigte mit feinen moralifcyen und poli⸗ 
hen Grundſaͤzen. Sch mache zwar feinen Anjpruch 
auf, die Gedanfen des Plato in eine ganze genaue, 
gends unterbrochene Verbindung, oder in gefchlaffene 
ihen zu bringen; allein ich ſchmeichle mir doch, ſie 
uemer zu flellen, als man fie in feinen Schriften 
rdnet antrifft, oder als fie felbft in feiner Seele geord⸗ 
waren, ohne daß fie etwas anders dadurch gewoͤn⸗ 
ı,'als den Vortheil leichter überfehen zu werden. — 
Nirgends offenbart fich bie große Verſchiedenheit 
Geiſtes des Plato und feines !ehrers deutlicher, als 
ber Art, wie beyde, jener in feinem Timäus, Diefer 
den Denfmwürdigfeiten des Zenophon Ihre Gedanken 
r Welt, Gottheit und Vorſehung vortragen. In 
Betrachtungen des Sokrates herrſcht durchgehende 
t und Ordnung; auch die ſchwerſten und erhabenſten 
abrheiten werben einem jeden tefer von eingefchränfter 
flungsfraft begreiflich, und alle überzeugen nicht nue 
Verſtand, fondern rühren auch zuglelch das Herz. 
r Timäus des Plato hingegen ift srößtentheils mit 
aurchdringlicher Finſterniß, oder mir dichtem Nebel 
eckt, und nur hin und wieder heben fich einzelne ers 
Htete Flecken hervor, die aber meiſtens durch ihrerk 
ebhaften Glanz und zu Helle Farben blenden. Die 
yeeften Unterſuchungen werden fü fehwer, als wenn 
to mit Fleiß fie hätte verfinftern wollen, und die fer 
ben Wahrheiten werden, durd) die Bermifchung mit 
aıdiofen Vorausſezungen und Raͤthſeln, ungewiß. 
e Ausfprüche Plato's über den urfpränglichen Zujtand 
Materie, über die Natur des fie bewegenden vers 
raftlofen Wefens , Über die Schöpfung ver Elemente, 
Weltſeele und der menfchlichen Seele, find fo uns 
greiflich oder unverftändlich, dag nur ſolche Maͤnner, 
‚ die neueren Platonifer & deren Kopf nach dunkler * 
ya 


708 Achhtes Buch. Drittes Kapitel, 


die dunfelften Stellen des Timäus waren, fich ſchm 
chein konnten, fie zu verftehen, und andern erflären 
fönnen. In feinem andern Gefpräc hat Plaro ver 
tete ‘oder dichterifche Wörter, mit einer folchen U 
ſchwendung, oder vielmehr Unmäßigfeit gehäuft, « 
in feinem Timäus, und zwar wahrfcheinlich in der A 
ſicht, feiner Abhandlung dadurch das Heilige und Eh 
würdige der Geſaͤnge oder Werke der alten Goͤtterlehn 
zu geben. Wenn diefes wirklich feine Abfiche war, | 
verfehlte er fie gänzlich, menigftens bey Leſern, die 
denken und urtheilen als ich. Denn anftatt das & 
wicht und den Eindrud feiner Betrachtungen, uf 
den von ihm gewählten Bortrag zu verftärfen, 
er ihnen vielmehr alle ihre überzeugende Kraft, i 
er fein ängftliches Beftreben nach feierlichen Wo 
und prächtigen Bildern zu fehr durchfcheinen lieg. 
end iſt es unläugbar, daß in feinem Timäus bie 
Pen Ihm eigenthümlichen, wenn gleich nicht bie rihgf 

fen Gedanfen enthalten find. ; 
Wir mögen um uns herblicken, fänge atdh 
feinem Timäus an *), wohin wir wollen, fo ndeefx 
wir allenthalben zufanmengefezte und veränderliche 20] m 
ge wahr, bie eben fowohl dem Untergange untermoriäf « 
als eritftanden find, und die alsdann untergehen, na 
fie in ihre Beſtandtheile aufgelöft werden. Ale 
wandelbaren Naturen fonnen unmöglich ewig, und oe 
Urfache da feyn, und es muß alfo nothwendig eine 
entftandene und unwandelbare Urſache geben , me 
fie find hervorgebracht worden. Wir entdecken fen 
wohin wir auch unfere Blicke werfen, mannicfail 
Arten von Bewegungen *“). Ein Eörper ſtoͤßt in 
v 









®) p. 476. 477. 
**) de Leg. X. 605. 607 1439. 


Geſchichte des Plato ud feiner Phil. 709 


andern, oder erhäft auch Bewegling von andern; und 
Age fich nicht anders denken, als daß eine ſelbſtſtoͤn⸗ 
Urſache aller Bewegung eriftire, die fich ſelbſt und 
übrigen Dinge in der Welt bewege .“ Dieſe ewige 
ache aller Bervegung und Entftehung- kann weder: ein 
bes Gluͤck und Ohngefähr, noch eine vernunftlofe 
tur fenn; denn forwopl;die erftaunliche Schönheit der 
miifchen Corper und die Ordnung Wer Bewegun⸗ 
, als die regelmäßige Folge -der Fahrögeiten ‚ und die 
fmäßige Einrichtung aller Dinge auf'der Erde, zeu⸗ 
für das Daſeyn eines verftändigen Urhebers ber 
ſt *). Es iſt freylich ſehr ſchwer j; Veh Water und 
yoͤpfer Des Ganzer zu erforſchen, undunmöglich, ihre 
mein befannt zu machen, odet ſeinen Namen allen 
aſchen zu verfündigen *"*); WHein-feine- Werke "bes 
tigen uns doch anzunehmen )- daß er Weisheit, 
che und Güte, und alle übrige Vollkommenheiten in 
hoheren Graben befize, als wohin wir uns mic uns 
Gedanken erheben fönnen }). -Wanpel und Ver⸗ 
rung, Bergangenheit und Zukimft finden in dieſer 
ommenften Nature gar wicht ſtatt. Sie war vöts 
3 nicht jünger, und wird auch niemals älter werben, 
ie jezt iſt, ſondern bleibt fich immer felbft gleich FF). 
e Unwandelbarkeit {ft von der vollfommenften Natur 

993 unzer⸗ 


ib, & in Phaedro p. 202. BE 
) de Leg. X. 609 p. Die Seele," und Üdre Kräfte uns 
Berrichtungen find daher, fließt Plate, Alter, als 
Cärper und die Eigenfchafften und Verrichtungen bera 
felben 608 p. Uniet Seele verfland er ein ſelbſtſtaͤndi⸗ 
es Principlum von Bewegung. ib, & in Phacdre 
. 202. | 
*) in Tim. p. 477. UL. 
ib. & de Rep. Il. p, 144. 148. 150, Bd, Mafleg, 
) in Tim, p. 489, -: ' . Silo Fe 


1} 


J2 

















zıo Achtes Buch. Drittes Capitel. 


ungertrennlich; denn ſchon unfer ben vergaͤnglichen Die 
gen leinen diejenigen, welche.die beften und vollfomme 
‚sten ſind, am wenigften .Beränderungen, und fh 
Jen. am wenigfien die ‚Wirfungen der Zeit, wi 
‚wie follte alfo die allervollfommenfte Subftanz Berne 
Belungen unterworfen feyn? Es laͤßt fich nicht eiumi 
denken, daß -fie ſich felbft verwandeln *), das kei, 
vervollkommijen, ‚oder verſchlimmern fonnte. Der 
kommnen nicht, weil · alsdann das vollfommenfte We 
‚noch eines Zumachfes an Werrrefflichkeiten fähig, m 
alfo nicht, das Pollkommenſte wäre. Derfchlimmm 
‚auch nicht; Denn kein verſtaͤndiges Weſen kann feine des 
guͤge zu:stnftiwen.oder zu verwindern fuchen **). 
vo. Gore ſchuff aber, fuhr Plate fort, die Wein 
‚aus Nichts, oder aus der’ Fülle feiner eigenen Nougftı 
Benn Diefe konnte gar nicht zhereoͤrpert werden, fon te 
aus einem rohen unentftandenen Lirftoff, der von dl » 
‚Ewigfeic her neben. ihm fortdauerte. Einen folhenm | k 
‚entftandenen Urſtoff behauptete Plato zuerft, opel a 
Wirklichkeit deffelben, darzuthun, befegte ihn zueria 
dem Namen von Materie F), und fagte, daß dieſe % 
terie urfprünglich weder Feuer noch fuft, weder We 
noch Erde, aber fähig war, alles diefes zu werden, 
‚alle Geftalten und Eigenjchafften anzunehmen. # 
nannte fie daher die Mutter und Säugamme de 









„Cu om 


*) p. ı50. de Rep. 

. %*) ib, Ich that alfo dem Plato Unrecht, wenn ih G. 
meiner Hiftoria doctr. de deo fagte, daß er bie llume 
delbarkeit Gottes ohne allen Beweis angenommen Hi 
Aus diefer Unmwandelbarkeit folgte, nach Ylato’s Or 
fäzen,.daß die görslihe Subflanz nicht zufammmadd 
fey; denn wandelbar und auflöslich war , feiner Dr 
nung nach, nur das, mas aus heilen bean). 3 


Tim. p.477, Ä 
») Siwpl. in Pbyf. Ariß, fol, 2. a, 





Geſchichte des Plato und feiner Phil, 7u 


19€, und die allveränberliche Aufnehmerinn aller &es 
ten und Beichaffenheiten, fprach ihr aber den Na⸗ 
ı von Eörper ab, weil fie vor ihrer Bearbeitung 
feine beftimmte Form, und feine von den Eigens 
fften gehabt Habe, die wir mit unfern Sinnen inden 
pern wahrnehmen *). Dieſer unförmliche Grund⸗ 
lag nicht ruhig und unbewegt, wie die Homoio⸗ 
ien des Anaxagoras; ſondern er wurde von einem 
beywohnenden Principio von Bewegung, ober von 
r vernunftlofen Seele wild und ungeftüm nach aller 
tungen herumgetrieben. Dieſe vernunftlofe Seele 
ichnete Plato mic mehreren Namen; er nannte fie 
tie Unendlichfeit, und eine gänzliche Deraubung ber 
monie und Bernunft, ‘bald ein Wefen, das in Zwie⸗ 
ht und Ungleichheit weder Maag noch Ziel beobach⸗ 
bald das Theilbare und ſtets Ungleiche, bald Noth⸗ 
Digfeit, und bald die zügellofe und unvernünftige Sees 
9; allein’ nirgends erflärt er die Natur biefer Urs 
le von Unordnung 7). Für Beweiſe ihres Wirklich 
994 keit 


—— — 


in Tim. 484. 485. Plato widerſprach ſich aber bier, 
wie bey vielen andern Gelegenheiten. Bisweilen nann⸗ 
te er fie unſichtbar: Alo vv Te Yeyovoros PATE, 
Ko TOVTwS UOINTE UNTeEa Tı urodexm , unm- 
TE Vynv Mure —X KANTE VE, ANTE udwe As- 
Yonev, umTe 0oW er. TaTay, unre a& av TaUTE 
Yeyıvev, a woeaTov esdos TI nah soo Dev 
mavdexes. An einer andern Stele hingegen nannte 
Wi; ne bas Sichtbare: — eos — re % av 00V 
nv —W magaraldarv. p. 4A 

) Siche meine Abhandlung über ie Materie im erſten 
Theile meiner philofophifhen Schriften & 40. wo 
man alle Stellen, Meynungen und Musleguugen bey⸗ 
ſammen finden wird. 

Am beſtimmteſten aber * in Politie. p- Isb,. 321. in 
Phil, p- 160. de Leg. X P. 608, 





um fie, 
Ben eſe — thwendig Die beſte ne 
ie.ans. einem ſolchen Stoffe fe sehen werden fi 
"weil Gott die befte der Urfachen, und gar Feines N] 
„fähig war. "Ev ergriff * den nackten Utof) — 
bildete ihn zuerft, tim ihm zu einer De { 
Er zu machen, in Feuer und Erde un, 
IE das erſte nichts fichtbat, und ohne die and⸗ 
lbar iſt¶ Hätte die Weit ——— 
follen, fo würde ein einziges Miccelte 
m Feuer und Erde zur bereintig 
K eine —— ei a 


—— 
Si: a = RM are, 


‚sah .q % Fee u" 
w5 





Geſchichte des Plato und feiner Phil, .7m 


d wurden zwo Mittelnatimwen erfordert, um die beyden 
eften Elemente zuſammen zu-binden. Gott ſchuff deß⸗ 
pegen noch Luft und Waſſer, und zwar fo, daß das 
Beuer ſich eben-fo zur Luft, wie die Luft zum Waſſet, 
ind wiederum die Luft zum Waſſer, wie das Waffer zur 
Erde verhielt *)., Aus diefen vier Naturen wurde bie 
Welt nad) harmonijchen Verhaͤltniſſen auf eine ſolche 
Mrt zuſammengeſezt, daß fie einer jeden andern Macht, 
als der Macht deßjenigen, der fie gebaut hatte, unaufs 
loslid) oder unzerftörbar wurde **). Zu diefen vier Elemen⸗ 
ten verbrauchte die Gottheit allen vorräthigen Grundftoff, 
d ließ außer der Welt, die fie hervorgebracht harte, nichts 
brig, woraus Feuer, oder Erbe, oder Luft, over Waſ⸗ 
fer hätte werden fonnen. ie that diefes, theils um 
asi Ganze fo vollſtaͤndig, als-nur möglich, zu machen, 
Heils aber auch, damit die Welt weder Alter, noch 
Branfheit-erfahren möchte, die alsdann hätten entſte 
önnen, wenn gewifle Reſte des Urftoffs, fie Yon I 
we Unzeit angefallen, und Verwuͤſtungen in ihr anges 
»ichter hätten 7). Nach der Schöpfung der Grundeoͤr⸗ 
per gab Sort der Melt eine Seftale, die ihrer Beftims 
mung am angemeffenften war, und fte ihm am ähnlich» 
Blei machte 77). Er drehte fie nämlich in eine Fugels 
. Y5 runs 











m lieber bie. Schöpfung der Elemente aus geometrifchen —* 
guren ſehe man Tim. p. 486 und 497. 

2 *) ©. 478. Was Plats bey allen dieſen Saͤzen gedacht 
J „aber bat er gewiß felbfl nicht genau gewufl. . 

2 ib, : 

- FF) KumAoreges auro erdeveuouro Kabray TEAER- 
v FORTOV „ OMOIOTETOV TE AUTO EBUTW CXNAETEN. 
_ p. 478. Tim, Nach biefen. Worten. gab (Diogen 

dem Platonifhen Bott eine ſphaͤriſche Sigug. 1 


4 


s 
ds 
EDaueoesdn de, dia ro xe⸗ rToꝛ Nevıne os Papa 


Tov exe OKNAMR: 





weil.fie allein von fich leidet, und in fic 
und fich gleichfam von ihrer eigenen Wert 
Mod) weniger hatte die Welt Füße und : 
weil außer ihr nichts zu ergreifen, und zu 
welche die Gottheit ihr mitcheilte, gar ke 
ſchen ähnliche Gliedmaßen erfordert wurd« 
Aller diefer Vorzüge ungeachtet wi 
doch nicht das vollfommenfte Werk gemorb 
die Gottheit ihe nicht eine vernünftige € 
hätte. Ihr Urheber ſah ſelbſt ein, daß 
beſſer, als das Seelenloſe fen *), und « 
den Entſchluß, der Welt eine vernuͤnftig 
zu fehenfen. Weil es aber unmöglich wa 
Vernunft und Verſtand unmittelbar mit 
bunden würde, ſo vereinigte Sort-eine ſei 
Bollfommendeicen, feinen Berftand, mit d 
tigen in der Marerie wohnenden Seele, 
durch diefe mit der Chrperwelt **), ober 
die unıheilbare fich ſtets gleiche Narue mic 
der in ven Coͤrpern wohnenden theilbaren, 
biefe Verbindung ſich ſtraͤubenden Subſtan 


. 


Geſchichte des: Plato und feiner Phil. 5 


y gleichfam mit allen chrperlichen Weſen bekleidete *). 
ın wurde diefe göttliche Seele die Königinn und Fuͤh⸗ 
inn der Welt, und die Welt felhft- ein- vernünftiges 
ier, ober eine feelige und unfterbliche Gottheit, die 
alle Ewigkeit ohne den geringften Wandel ihrer Gluͤck⸗ 
igfeit fortdauren follte **). Ä | 
Mach der Weltſeele brachte die Gottheit den Him⸗ 

| und die Geſtirne, und mie ihnen die Zeit und alle 
fchnitte der Zeit, ‚Tage und Wochen, Monathe und 
hre hervor, die fonft nicht waren. Er zuͤndete den 
wohnern der Erde im Monde und in der Sonne, die 
en am nächtten find, zwey große kichter an, und 
‘e fie und die übrigen himmlifchen Coͤrper als die ur 
oo. er 


⸗ 
m 











') Die zweyte Stelle, in welder Plato von der Schoͤpfung 
der Weltfeele rebet ©. 478. Ins aueeıse un ae 
KETE TUT EXETNS BIS KU TOHS au TEp 
Ta GWUETE Yyıyvoneva nseisus. u. ſ. w. behält im⸗ 
mer etwas Unerklaͤrliches, indem er nicht nur fagt, 
baß Bott das Untheilbare und Theilbare unter einanver, 
ſondern auch mit der Miſchung, die aus ihnen entſtau⸗ 
ben, wieder vermifcht babe. Noch dunkler find bie 
Eintheilungen der Weltfeele,. die er gleich darauf ans 
führe, und die man cher einem Bewohner des Narren⸗ 
baufes als dem Plato zutrauen ſollte. Zur Probe 
will ich nur den Anfang mit den Worten des Cicero 
herſezen: Jam partes fingulas ex eodem, & ex al- 
tero, & ex materis temperavit. Fuit autem talis il. 
la partitio. Unam principio partem detraxit ex toto: 
fecundam autem primae partis duplam: deinde ter- 
tiam, quae effet fecundae fefquialters, primae tri- 
pla: deinde quartam, quae fecundse dupla effet: 
quintam inde, quae tertiae tripla, tum fextam, oQu- 
plam primae: poftremo leptimam, quae feptem & 
"yiginti partibus antecederet primae, 


##) p. 480. 


ARUMACHE mcyt ganz zu vanoıgen vermomt 
die Vollendung des Kreifes, den der I 
Sonne durchlaufen , einen Monat und e 
machen; fo wird ein großes Himmelsjahr 
ſeyn, wenn alle himmliſche Corper an ebe 
von welchen fie zuerft auegingen, zuruͤck 
denfelbigen Stand, den fie urfprünglid) Hi 
erhalten werben . 

Nachdem die Gottheit die Geſtirne gı 
feelt und zu jichtbaren Göttern gemacht h 
fie aud) die unfichebaren göttlichen Daturı 
Zwar überfteigt es, fast Plato, unfere 
Entſtehung und Matur der leztern recht zu 





w" u 
#) ©. 480. 81. Plato hatte äber bie Eni 
Bewegungen der Grftirne noch fehr irı 
“gen. — Ita vim fusm, fagteer aut 
D Ex, aber mit deu Worten ‚des Cicero 
- vertit, ut terram lunae curfus proxim 
que fupra terram proxima folis eireu 
Lucifer deinde. & fandta Mercurii fie 


Geſchichte des Plato und] ſeiner Phil. 7.7 


ugeben; allein es iſt auch fehwer, den göttlichen Maͤn⸗ 
ra nicht zu glauben, die ihre Schickſale und Thaten 
ıngen haben, und wiffen konnten, weil fie ihren Er⸗ 
zern am nächften waren. Am ficherften atjo iſt es, 

väterlichen Geſezen zu gehorchen, und ven Söhnen 
Götter ſelbſt alddann zu folgen, wenn fie feine hins 
Hende Beweiſe beybringen. Plato erzählt daher den 
drung der Griechiſchen Götter , wie Homer und Hefios 
> ihn befungen harten, und behält auch die Namen und 
ritheilungen goͤttlicher Naturen bey, Die er unter feinem 
life vorfand. Er redet mit den alten Dichtern von 
stern, Damonen, Halbgottern und Helden *), nahm 
>e außer den Geftirnen oder fichtbaren Göttern nur 
e einzige Claffe höherer Wefen, nämlich die der Daͤ⸗ 
nen an, aus deren Mittel die Seelen der Menfchen 
E diefe Erde herabgefommen feyen, und zu welchen fie 
ch wieder hinauf fteigen würden **). Bon diefen Däs. 
nen glaubte er, daß fie in Anfehung ihrer Kräfte, 
enntniſſe und übrigen Vollkommenheiten weit unter dem, 
Öttern und von fich ſelbſt verfchieden, daß fie aud) alle 
Ibar und unordentlichen Negungen unterworfen, aber 
von Dosartigfeit und Begierde zu fehaden frey 
ven 7). Sie wären alle, lehrte er ferner, in feine 
. oder 





®3 Apol. p. 13. Cratyl. p. 52.53. Tim. 485. Dod dus 

Bert er fih über den Rang der Dämonen, Halbgoͤtter 

and Selden nicht immer auf biefelbige Art. Man fer 

be die beyden zuerſt angeführten Stellen, mo er bald 

de Dämonen, bald die Halbgoͤtter und Helden für 

- Söhne und Töchter der Götter ausgibt, 

Bey }l,cc. & Symp, 187. Epin. 639. bef. in Crat. p.53.& 

de Rep. 420. An den legten Stellen fagt Plate, 
dag man alle rechtſchaffene Maͤnner, fie möchten leben 
oder geftarben fegn, Dämonen nennen müffe. 

3) Man fehe die Allegorie in Phaͤdrus in der erſten Bepla⸗ 
ge, und Eutyph. p. 6. und de.Rep, Vol, U. p. 391. 


baren ſowohl, als die unfichtbaren Götter * 
tief, und ſie folgendergeſtalt anredete. Ungeachtet 
mas entſtanden und hervorgebracht iſt, feiner 9 






‚”) ib, 

*®) ib, & Eutyphr. p. 6. de Rep, Vol.IT. p. 391. in 

» Plato gab einem jeden Menſchen einen Dämon 
Auffeher, deſſen wichtigſtes Gefchäfft er dark. 
te, die Seelen zu den Dertern der Reini 

v und Strafe zu führen. Mit einem jeden neuen 

erhielt die Seele, feiner Meynung nach, auh 

neuen Dämon. in Phaedr. p. 43 & 45. de 


P- 549. 
19.6, 481.82. in Tim, 








Geſchichte des Plato und feiner Phil, 59 


ch nicht unvergänglic) und unauflöstich iſt; fo werber 
doc), meine Kinder, durch meinen gnädigen Willen 
zrals den Tod fehen, indem es untecht ſeyn würde, 
efen zu vernichten, die fo ſchoͤn und harmonifch gebaut 
D zufammengefeze find. Es müffen aber nod) außer 
H dren andere Gefchlechter fterblicher Naruren wirk⸗ 
» werden, ohne welche die Welt nicht ein ganz vollen 
es und meiner wärdiges Werk fenn würde. Dieſe 
eblichen Gefchöpfe fonnen nicht aus meinen Händen 
vorgehen, well fie alsdann unfterblid), und euch, 
sine Söhne, gleich werden würden ”. Damis alſo 
ſes nicht geſchehe; fo übernehme ihr die Schöpfung 
-fer Thiere, und ahmt meine zeugende Kraft und 
sine Werke nah. in fo ferne fie aber unjerer Nas 
E verwandt feyn follen, will ich euch vorarbeiten, und 
 folle alsdann dem unfterblichen Beftanprheile den vers 
mglichen anknuͤpfen, den ihr erzeugen, aufziehen, und 
nn er flirbe, wiederum aufnehmen werdet. Als der 
ott der Götter dieſes gefagt hatte, miſchte er in eben 
u Becher, in welchem er die Seele der Welt gefchafs 
! hatte, die Ueberbleibſel derfelben abermals, doch mit 
em größern Zufaze des Theilbaren und Ungleichen zus 
amen, fäete die Seelen, die hieraus entſtanden, über 
Seftiene aus, und machte fie mit der Natur des 
angen und ben unwandelbaren Gefezen des Berhängs 
" niſ⸗ 


[U U} 





puma EEE 


) Eicero hat den Plato manchmal, und auch an bier 
fer Stelle, nicht verflanden. Er Aberfezt folgende 
Worte dieſes Weltweifen: Aseus de TaUTa& Yevo- 
neva, cu Bis neraoxovra Secs ıvafaır az 
fo: Quae a me ipfa effecta fint, quod deorum vi. 
tam poflit adaequare. Anſtatt, daß er hätte fagen 
follen: Quae fi a me ipfo efficerentur, deorum vitam 
adaequarent, Be 


De Aucchtes Buch. Dritted Capitd. 


ni oder vielmehr Nachfchlüffen feines Willens We. 
a Keine, fagte er, würde fich über ihr Schill] ı 
oder über Beeinträchtigung beſchweren können, ing Ih 
thnen allen diefelbige Zeugung oder Verwandlung badj a 
fliege. Denn nachdem jie eine jede über die ihr di & 
fprechende Werkzeuge der Zeit ausgefaet worden, u 
aus ihnen ein Gore verehrendes Gefchöpf, nämlich m % 
Menſch, entitehen *). Da nun die Mienjchennuuik 

in zwey Sefchlechrer getheilt jey**), fo würden tr ER 
len zuerſt in der Geftalt des männlichen, als des bl 
erfcheinen. Gleich mit dieſer Einpflangung in veräd ei 












#) @icero überfezt wiederum einigemal wicht zecht. 3 
Worte: Ors Yevscu TEOTN MEV ETOSTO TETER | 
vn Mio 70V, ÄyOe kn TISs EARTTOND uze a 
gibt er fo: , Et aftendit primum ortum unum 
omnibus, eumque moderstum atque config 
neque ab ullo imminutum. Won ortus, modern 
conitans, neque eb ullo imminutus, ftekt im fi 
nichts, und ich kann mir auch nicht einmal etwas 
deuten. Eben fo wenig finder ſich im Driginal cl 
Beſchreibung der Schöpfung der Menfchenferlm # 
Sufaz: fed a diis fecundum fumebat, atque tertisk 
Uebrigens merke ib no an, daß bad, mas Plato M 
faat, dem widerfprict, mas er in feinem Pit 
vorgetragen hatte. Denn anflatt, daß er in ff 
Timaͤus allen Dämonen nach den Gefezen dei BR 
bängniffes auf eine Zeitlang die Einwanderung 3 
difche Leiber verfiindigt, behauptet er im Prleu 
daß nur einige Seelen, und zwar zur Strafe für # 
reine Begierden, die fie gehegt hätten, in mmidid 
Coͤrper wandern follten. (Man febe die erfte Bey.) 
Aus der Verſchiedenbeit der Ausſpruͤche des Platt * 
die Urfachen der Einchrperung der Seelen entf 
bie flreitenden Meynungen der nenen Platoniket IF 
eben dieſe Trage. 

.. P. 482. 


[4 
q 
t 





Gefchichte des Plato und feiner Phi. 7ar 


e Coͤrper, die Theile verlören ‚ und wieder erhielten, 
ven fie mit einer zarten Empfindlichfeit, der Urſache 
beftigften Erfchätterungen, nicht weniger mit Sreube 
Traurigfeit, mit Furcht und Zorn und andern hef⸗ 
n teidenfchafften verfnäpft werden, deren Bezaͤhmung 
Ausrottung fie in ihre urfprünglichen Wohnungen, 
Seftirne, hinaufpeben, deren Herrfchafft und Sieg 
: ihnen eine zwote Strafe und Verwandelung zuzie⸗ 
werde. Sie würden nämlich zue Strafe ihrer Ders 
ingen abermals in menfchliche, aber weibliche Coͤrper 
efchloffen, und wenn auch diefe Züchtigung fruchtlos 
ve, in folche Thierfeiber verwiefen werden, bie ihrer 
orbenen Gemuͤthsart am ähnlıchften feyen *). Side 
Ä arte 








mn. rr 


Hier finden fi in Plaro Worte, die Cicero nicht uͤber⸗ 
fezt bar, weil er fie nicht verfland, und bie ich auch 
eben fo wenig verfiehe: AuAsosw de eres auDore- 
go aDinvapevas ETWI KÄNGWTW, Ko duescw TE 

surees Bis, uıeavros ov av &IeAn [ov Enası, 

29% de ss Ingie Biov o,Iewzmn Yuxy Qi 
AVESTOL. JAN TAUOMEVOS ÖE EV TETOIS ETI HKIOE 
TEOBOVz 09 HOKWOITO, KARTE TNV OMOIOTNTOR 

rusc TE TECHE YEVETEwS, EIS Trab TOILUTNV O6 
peraßone Ineis Quvaw. Dies Überfezt Cicero 

- fo: Et ſi ne tum quidem finem vitiorum faciet: gra- 
vius etiarh jactabitur, & in fuis moribus fimillimas 
figuras pecudum & ferarum transferetur. Das, was 
Cicero ansgebrädt bat, ift das einzige Wernänftige 

oder Verfländlihe, mas ſich in den Worten des Plato 
findet. Ich wenigſtens fehe gar nicht, wie er auf eine 
mal vom XıAsosw eres, das er gar nicht vorbereites 
Hatte, reden konnte, worauf fih das au Doreoas 
bezieht, und wie die Wahl eines Lebens mit dem ges 
zwungenen Aufenthalte in Thierleibern vereinbar iſt. 


Zepter Band. 33 


za Achtes Buch, Dritted Capitel. 


Wanderungen in häßliche ober reißende Thiere wi 
nicht eher aufhören, als bis die Seelen fich von allem 
rathe der Materie, welche ihnen .anflebe, fren gem 

ätten. — Nachdem die Gottheit ven ‚Seelen dieſe 
Fi in der Abſicht befanne gemacht hatte, damit fe 
von allen den Fehltritten und Uebeln, in welche fr 
Ien fönnten, nichts zur Laſt legten, fo füete jie vie 
über die Sonne, den Mond und die übrigen Gai 
aus, und gab ven Görtern Befehl, ſterbliche Leiber 
die noch fehlenden Theile und Kräfte der Sek 
bauen *), damit der Ffünftige Menfch, fo angenche 
ns;lich, fein teben hinbringen, und fich felbft fd 
Schaden zufügen möchte. Die Söhne der Go 
horchten dem Willen ihres Vaters, entlehnten aus! 
und Erde, aus Waſſer und tuft, fo viele Beft 
als fie brauchten, lotheten diefe mit unfichtbaren, 
nicht unzerſtoͤrbaren Heften, in einen Cörper 






——————— 


*) Dies widerſpricht nicht nur dem Vorhergehenden, 
bern auch den Flaren Worten des Phaͤdrus. 
fagte Plato, daß Gott die Seelen oder Dämenai 
gleichem Stoff mit der Weltfeele, aber noch mit 
größern Zujaz des Veränderlichen gefchaffen W 
Mit dieſem Veränderlichen empfingen die Gedni 
aus den Haͤnden der Gott felbfl und vor ihrer Pei 
gung mit ben irrdifchen Leibern den Saamen her & 
lichkeit und Verderbniß, aus welchem auch, wird 
Phädrus beißt, noch im Dämonenzuflaude ud 
DBegierden bervorbrahen, um derentroillen bie & 
auf die Erde kerabgefchickt wurden. Wenn alle 
mit ſich ſelbſt Hätte übereinflimmen wollen; fo Kia 
behaupten müffen, daß nicht die Goͤtter, font! 
hoͤchſte Gottheit felbft ven Dämonen den Sau d 
Leidenſchafften, oder bie unvernünftigen Thak! 
Seele, und zwar nicht erſt bey ihrer Cinchrem 
fondern bey ihrer. Entſtehung, gegeben haͤtte. 





Geſchichte des Hlato und ſeiner Phil. 73 


en, und banden bie unfterbliche "Seele an den ſterbli⸗ 
nı Leib feſt. Hierauf arbeiteten fie in. den Coͤrper 
ch zwo unvernänftige Seelen hinein, die von der cörs 
lichen Natur unzertrennlich, und gleich ihrer Murs 
; der unvernünftigen Beherrfcherinn der Materie, 
ech) die Verbindung mit einer höhern und. beffern Na⸗ 
* gemildere, und in Harmonie gebracht werden folls 
*). Die erfte diefer unvernünftigen Seelen wurde 
Siz, nicht nur von gefährlichen in’s Verderben los 
nden Vergnuͤgungen, und von peinigenden, vom Gus 
: abfchreefenden Schmerzen, fondern auch von Kühns 
e und Furcht, diefen unvernünftigen Nachgeberinnen, 
n unbezwingbaren Zorn, von ber verführerifchen Hoff⸗ 
ng, ber alles überwältigende Liebe, dem raſtloſen 
prgeize, dem verzehrenden Weide, und andern aus Dies 
. abftammenden Ungeheuren. Damit aber die götts 
ye Seele, die im Haupte wohnte, nicht durch die Ges 
infchafft mit der unvernünftigen befleckt wuͤrde, fo 
Ben die Götter die feztere in die Bruft, und fonderten 
ducch den Hals, als eine Scheidewand, von der ers 
en ab **), Noch weiter entfernten die Götter vie 
5 2. zweyte 


—— 

















%) p. 492. in Tim. Qomeo yug 87 nos Kuricon. 

Xus eNeXIn, TEUTa aranTws eXortde6 eos, 

EV EROS@ TE UUTW MEOS GUTE no MEOE nA, 

: GUMMETEISS EVEROMCTEV, 0CaSs.TE no ON duve- 

rroy nv avaAoya uch Cummergos esse. Die wich⸗ 

tigſten Stellen über die beyden unvernüänftigen Seelen - 

End außer der angeführten folgende : in Phacd. p. 202, 

205. ©, 495. in Tim, und de Rep, Lib. IV. p. 292. 
302. 306. 308. Lib, IX. Vol. Il. p. 228. 252. 268. 

wu) Sie offenbare fih, glaubte Plato, durch heftiges Herz⸗ 

-Mopfen, und werde durch die Lungen abgekühlt, die 

hauptſaͤchlich deßwegen gebant worden, Blato’d Bes 

ſchreibung 


724 Achtes Buch. Drittes Eapitel. 


zweyte unvernünftige Seele von der Negiererinn vegan] 
zen Menfchen. Sie banden naͤmlich diefe Mutter W]j 
heftigften Begierden nach Spelfe und Trank, nach ie la 
Genuſſe finnticher tiebe, und felbft nach’ Neichthüme ſn 
wodurch die erften Begierden befriedigt werben, aBdlfi 
wildes Thier, in dem Unterleibe feft, damit fe h 
‘weniger Geſchrey und Aufruhr machen möchte ln 

ik 

/ 















iſt um deſto gefährlicher, da fie gleichſam die $ 
oder die Aufnehmerinn und Verarbeiterinn aller NA 
rungsmittel ift, und alfo unaufhoͤrlich genaͤhrt wer 
muß”). Mach diefer Hineinwirkfung der unverniie 
gen Seelen in ven Cörper, wurbe die vernünftige Wi 
fangs wie von einem reißenden Strudel herumge 
den, und die ganze Menfchennatur unter den heftif 
Anfällen und Kämpfen erſchuͤttert. Die betaͤube 


1 \ 
l 


Gun 


ſchreibung bes menſchlichen Corpers if faſt eu Me 
fo roher Anfang von einer auf Beobachtung gepif 
ten. Phpfiologie, als die Kosmogonie des KHefiodl ii 
roher Verfuch von Betrachtungen über das Well: 
de if. Plato, und felbft Ariftoteles, muften sk. 
wendig die Beflimmungen mancher Theile bes nl 
hen Cörpers verfehlen, weil fie beyde noch vortaig 9) 
fien eigentlichen Zerglieberern in Griechenland lebta 
#) Daß diefe Lehre von den beyden unvernünftigen © 
dem Plato eigenthümlih war, kaunn man nit 
baraus abnehmen, baß fie bloße Folgerungen mi 
famen Behauptungen von einer in der Mater 
Ewigkeit her mohnenden Seele war, ſondern bafet 
auch zuerft benannt bat de Rep. p. 253. Di 
drädte er durch To Yunoesdes oder @ Yuusra | 
Iewzsos aus: bie andere naunte er To ezdup 
xov esdos Tns \uxns: erıduunrınov yag ei 
KEHÄNKOUEV , dia ODodeoTyTa Twy TE ed 
Nv ERIFUMIDV HC TEOOW, Ko Deodıcm, 
arı TETOs uroABIa &c, 





Geſchichte des Plato und feiner Phil. 725 


druͤcke, die von aͤußern Gegenſtaͤnden in den Sinnen 
orgebracht, und von dieſen bis zur Seele fortgepflanzt 
den, nicht weniger die zufließenden Nahrungsſaͤfte, 
wie gegen einander laufende Ströme aufbrauften, 
jen den Menfchen nad) allen Richtungen, und machs 

daß fein befferer Theil zwar nicht ganzlic) fortgeriſſen 
de, aber auch nicht leicht Siegerinn über ihre Teins 
verden fonnte *). 


Es gibt viele Menfchen, fährt Plato in feinen Ges 
ı fort, die zwar glauben, daß ed Goͤtter gebe, und 
diefe die Welt hervorgebracht Haben, die aber die 
eftraftheit amd das langwierige Glück fo vieler laſter⸗ 
en Menfchen und ungerechter Unterdruͤcker zwey⸗ 
machte, ob die Götter fic) auch) um die Menfchen 
ihre Angelegenheiten befümmern. Unterdeſſen laͤßt 
ich leicht darthun, daß die Gortheit alles, ſowohl 
je und wichtige, als Pleine und unwichtig fcheinende 
ienflände mit ihrer Borforge umfaſſe. Unlaͤugbar 
ie ein Inbegriff der hoͤchſten Vollkommenheiten, und 
_. 343 fey 











Ich will nur noch einen Fall anmerken, wo Cicero in 
der Veberfezung gefehlt hat. Folgende Worte bes Plato: 
Ey s£ oamuırav ameeyalemevcs Two Eol- 
sov, Tas ens alavare \buyns Teeidas sven 
dev 05 ETIEEUTEV OWwUR Kos. ereggurer, brädk 
er fo aus! — unum efliciebant ex ommibus cerpusz 
itemque in eo influente atque efluente animo divina 

ambitus illigebant, anflatt, daß es heißen felltex 
itemque immortalis animae ambitus fluzo. atque ea- 
duco eorpori illigahant. Kicere 309 bie Beywoͤrter. 
die. Plato vom Coͤrper brauchte, auf die Seele. Ue⸗ 
brigens vereinigt Plato unvereinbare Bilden, weun en 
fagt:. du. de es BOTRL0Y —XRX AT) 
in Tim, P» 432. 


726 Acchtes Buch. Drittes Capitel. 


r 


















frey von allen Mängeln, am meiften aber von folche, h 
die wir am Menfchen, als kafter, tadeln und ſtra 
Meder Unwiſſenheit alfo, noch Ohnmacht, meer T 
beit, Weichlichfeit, noch die Unterliegung unter 
gnügungen und Schmerzen, viehweniger Bosheit, f 
die Gottheit abhalten, die Welt zu regieren, und 
Gluͤck aller Sefchöpfe, und alfo aud) der Menſchen pi 
brforgen. Schon unter uns ſchwachen Menſchen ſh 
man Telbherren, Steverleute, Hausvaͤter und anggenl 
jeden andern um defto höher, je mehr er in feinem I 
ruf und Gefchäfften nicht bloß das Große, fondern 
das Kleine beforgt, ohne welches das Große nicht ke 
ber. kann; und von der Gottheit wollte man vermut 
daß fie weniger aut, als ihre Geſchoͤpfe ſeyn, und 
bein fonnte? Auch Darf dic) (fo redet Plato feinen! 
an) diefes nicht zum Zweyfel an ber göttlichen Borfeg 
bringen, daß du bisher unverdiente Leiden geduldet 
oder noch duldeſt. Die Gottheit fchuff die Weit 
ber größten Vollkommenheit und Gluͤckſeeligkeit de 
zen willen, und du Fannft alfo überzeugt ſeyn, da ¶ 
bir Dein befchiedenes Theil zufallen werte. Mur fr‘ 
du nicht mit aufrührerifchem Murren Flagen, ober OR kn 
bern, daß die ganze Welt für dich allein da ſeyn, dpi 
arbe.ten, dich allein mit Seeligfeiten überfchürten, — 
von allen Trübfalen befreyen folle. Unter allen Tagr 
wärtigfeiten, die dich treffen, Fannft bu dich imma pt 
dem Gedanfen aufrichten, daß das, was du leidet, & 
Wohlfart der ganzen Welt, und am Ende alſo « 
gewiß Die deinige befürdern werde. Geſchichte und ð 
fahrungen führen dic) beyde auf die ewigen Gegen 9 
Natur, oder auf die Nathfchlüffe der Gottheit hin: W 
bie Tugend zulezt über das Safter fiege, und daß ® 
jede Seele finfe und fteige, und einen befferm oder ſchee 
tern Pla; behalte, je nachdem fie fich ſelbſt verber 
oder vetfchlimmert. So feſt als du überzeugt fenn fand 

| N 


[. 
in 


“ 





Geſchichte des Plato und ſeiner Phil. 77 


6 bu, wenn du ben Willen der Gottheit ausgeuͤbt haſt, 

n ihre nicht werdeſt vernachlaͤſſigt werden; eben fo feſt 

anft du glauben, daß du weder fo tief fallen, noch fo 

h fteigen Fonneft, daß bu dem Auge und dem Arme. 
. Gottheit entfinfen oder entfliegen Fonnteft *). 


Saft eben fo gefährlich und verberblich, als die Abs 
gnung der Gottheit, oder der Vorſehung, iſt ber 
aube, daß Geſchenke, Opfer oder gottesdienſtliche 
modlungen, die man mit ungebeflertem oder verborbes 
AHerzen verrichten Fann, die Götter verfühnen koͤnne. 
ann man von der Gottheit glaubt, daß fie um gemwifs 
Sefchenfe willen fich felbit vergeflen, und. die. Tugend 
r die Wohlfart der Welt verrathen Fonne; fo bat 
m fchlechtere Begriffe von ihr, als von guten Hirten, 
euerleuten, und felbff Hunden, von welchen feiner- 

eines elenden Gewinſtes willen fein Schiff oder feine 
erden verräth *”). Und was fünnen wir benn bee. 
etheit darbieten, mas fie und nicht felbit geſchenkt 
? ft fie nicht die Geberinn aller guten Gaben, und 
auch derer, womit man fich einbilder, fie beftechen 
Önnen? Der wahre Gottesdienſt beſteht gewiß ‚nicht 
nem auf Eigennuz gegründeten Handel, oder in eis- 
Austaufch von Geſchenken und Opfern gegen Wohl⸗ 
en und Gluͤck, ſondern in einer Bereitwilligkeit, den 
len der er Sotthei zu erfuͤllen, und ſich und andere 
IE durch 








es iſt faſt unglaublih, daß ein Mann mit foldden 
Grundſaͤzen glauben fonnte, daß der Regierer ber 
"Welt bisweilen fein Gefchäfft ausfeze, und daß alsdann 
ſogleich die vernunftlofe nicht ganz bezaͤhmte Seele deu. 
Materie in ihre alte Wuth ausbreche, und alles in bie 
a Unordnung zurädzufürgen ſuche. In Polie 


) de Leg. 1 e. 


TUO)L DIE ZUGEND DRIDDHEN, UV DAS Zapler ı 
bern ihre Gnade in eben dem Verhaͤltniſſ 
wenden, in welchem man gegen fie mehr 
frengebig ift **), fo fehänder man die Go 
ſehr, als wenn man ihr Dafeyn und ihr 
iaͤugnet. In einem jeden wohlgeoroneten 
ten alſo Geſeze vorhanden fenn, nach wel 
Gottloſen und Schaͤnder der göttlichen Mı 
und beftraft würden }). Sowohl die ein 
deren fonne man wiederum in zwo Clafi 
Einige läugneten zwar das Dafeyn der 

Vorſehung, und-fpotteten aller Eide, Opfe 
gottesdienftlichen Handlungen, allein fie ha 
ſtow eniger alle böfen und ungerechten That 
eben fo gut, als die frümmiten Derehrer 
und Tugend nur thun fönnten, Andere | 
mit ber Ablaͤugnung derfelbigen Wahrpeiteı 
von Unmäßigfeit und Nuchlofigfeit,, verft« 
bey ihren Unglauben, und mißbrauchten fı 
gläubigfeit der Schwachen zu ihrem Bor: 
fie mic heuchelnder Scheinheiligfeic vorgaͤ 
durch gewiſſe Opfer und geheime Feſte di 


Berichte bes Plato und feine Phil. 729 


die Schuld von Sünden tilgen, und ein unver 
ch glückliches teben nad) dem Tode dieſes Coͤrpers 
affen Fonnten. Unter diefen benden Arten von Un⸗ 
gen müften, glaubte Plato, die erjtern fünf Jahre 
»r Gemeinichafft ihree Mitbuͤrger, die fie fonft vers 
ı fönnten , ausgefchloffen, und durch richtige Bors 
igen zur Wahrheit zurück gebracht werden. Wuͤr⸗ 
e alsdann geheilt, fo Fonnten fie wieder in Die Ges 
afft ihree Mitbürger zuruͤckkehren. Beharrten fie 
n ihrem Unglauben, oder fielen fie wieder in den⸗ 
zuruͤck; fo müften fte als verdorbene Glieder von 
Staatscoͤrper abgefchnitten und vernichtet werden. 
yiel gefährlichern Betruͤger ganzer Städte und reis 
dänfer hingegen muͤſten nicht zur Beſſerung, fons 
ur Strafe auf ewig in das finfterfte und graufens 
Gefaͤngniß geworfen, von. allem Umgange mit 
ı Menfchen abgefchnitten, und nach dem Zope 
die Gränzen gemorfen werden, damit auch nicht 
ıl ihre vermodernden Gebeine das fand und feine 
hner beflecken fonnten *). 
Nachdem ich bisher die wichtigften Gedanken des 
‚ über Gott, über Schöpfung, und Regierung der 
vorgetragen babe, fo muß ich nur noch kurz feine 
von den ewigen Muftern oder Urbildern nachholen. 
: diefen Urbildern oder Muftern dachte ſich Plato 
neine Begriffe von Gattungen und Arten, vie alle 
tlihe Eigenfchafften oder das Mefen der Dinge 
ten, und ausdruͤckten, und die fi) von Emigfeit 
ı Gottes Berftande gefunden hätten **). Auf dies 
bilder fchaute feiner Meynung nad) die Gottheit bey 
355 ber 


ee DD Le nn a rn] 


ib. 
Timae, p, 477. etiam p. 3, in Eutyphr, & 116 p. 
Polit, De, 








Tre. Mhked Bach, Doitpb-kenris 5 


her Schöpfung, dee. Welt, wie. ber ‚Kunftier De 
Weal hin, und nach ignen wurden..alfe alle Arten 
Sartungen von Dingen hervorgebraht.*).. . Diefe 
tem und Gattungen eörpeslidher. Dinge feyen in fe * 
ae voltklich, in fo. ferne fie an biefen ihren Urbide 
nähnen **), und man.Ebnns alfo Chrpe, Ba 
(en uns Handlungen nur in fo ferne fehön oder hä 
* 2 — recht. oder. ungerecht gennen, Inn > 
vn kr uftern , DR welchen ſie — ir 
nn hnlich und encſprechend wären *** J 
per Ürbifder allein machten das XBefen ber Dip 
m ihrem Vater, bis einzige Gattung aller unberg 
en, und unmandelbaren Dinge aus }). n 
aber. thunten: nur in einer umelgendichen Beben 
wirkliche —— wen, weil fie alle. bef 
gen: Berwanblunden, ober gar dem Untergange u 
morfen wären fh). Die erfteen feyen ber einzige 2 


Kenntniß Er 
— ai Ace Beige f 











2 











H ib, & de Rep. Lib, VI, Vol. II. p. 4. ö 

#*) in Phaed. p. 40. in. Perm. p. 140. 4f.' imp. igı.k 
Conv, . Yu diefer legten. Stelle fagt Plats, dap ck 
ſchoͤne Gegenftänbe auf ber Erde nur beßiwegen (die 
feyen, weil fie an bem unmandelharen San 2 
nähmen. Um und zu ber urſpruͤuglichen Schoͤnhen g 
erheben , möften wir allmälig vom Edrperlich. Sch 
nen sam Sitilich · and Verftändlich » Schönen fm 
geben. Er unterfheibet diefe drey Arten des Chin 
an mehrern Stellen. feiner Schriften, vorzüglich ds 
in feinem Gaſtmaale. 1. e. 


u, jb, 

9 in Tim, L.c. & in Phaed. p. 29. 40. . 
rt) ib, 

tt) in Phaed. p. 40, in Theaet. p. 82. in Parm, p. 1. 


bef. de Rep. V.Vol. I: p."402+406. & Vol, II, 1A. 
VI. p. 60. 70, 88, VIL 94. 98. 114. 


Seſchichte des Plato und feiner Phil. 731 


leztern Hingegen koͤnnten nur der Gegenſtand von 
en und falfchen Meynungen feyn, und niemals 
gewiſſe und zuverläffige Erfenntniß geben, weil fie 
en dem Augenblicke, in welchem man fie wahrnähs 
ſich fehon wieder verwanbelten, und anders würs 

), Mit Necht fagte aljo Plato von fich felbit, daß 
'n Heraflit mit dem Parmenides vereinige **) (Er 
uptefe, wie jener, daß alle cörperlichen Dinge in els 
beftändigen Fluſſe feyen, und läugnete doch auch 

:, daß es Dinge gebe, die ſtuͤnden, ober fich ftets 
h und unwandelbar feyen 7). Micht weniger richtig 
die Demerfung des Ariftoreles FF), daß die Lehre 

Herafliteer von dem beftäridigen Fluffe aller coͤrperli⸗ 
Dinge, die Plato von feiner Kindheit an als eine 

brheit angenommen, und die hieraus folgende Un⸗ 
eiflichfeit allee Dinge ihn auf die Gedanken gebracht 
., daß die.allgemeinen Begriffe von Arten und Cats 
ven, und die Erklärungen, bie Sofrates zuerft von 
elben gegeben habe, die einzigen unwandelbaren Dins 
ind den Vorwurf der wahren Kenntniffe des Mens 
3 ausmachten. Kaum darf ich hinzuſezen, daß Aris 
ftoteles 


———— (EEE EEE u ED CE 





) ib, & in Cratyl. p. 68. .. 
*) in Tbeaet. p. 83. 86. in Soph, p. 108. 


) Auf diefe Art zu reden des Parmenides und bed Zeno 
deutete Plato, wenn er von feinen Ideen fagte, daß fie 
KALRderyuaTa Ev T@ ovTı P. 82, in Theaet. oder 
ev ry Duos Eswra feyen. p. 141. in Parm. Aus⸗ 
druͤcke, bie man wider feinen Sinn fo auslegte, "als. 
wenn er fie für wirkliche von Gott und den cörgerlichen 
Naturen verfchiedene Subſtanzen gehalten Hätte. 

}) Met. @. cap. 5. p. 15. Ed, Sylb. Gr. & Lib: p- cap, 


Mac. p. 217 220. Ber 


7 ' Achte Buch, Drittes Capitel. 


ftoteles die Ideen bes Plato für leere Erbichtungen ode 
öchftens für dichterijche Bilder gehalten Habe *). 

Diefe tehre von den Ideen und einem vorhety 
henden Zuftande ver Menfchenfeelen find die Gruntpfe 
fer der ganzen Platonifchen Philofophie, aber auch & 
erften Irrthuͤmer, aus welchen faft alle übrige folk 
Speculationen diefes Mannes entfprangen, und bie fen | 
meiften Auöfpräche über die Natur und DBeftinmmujf ! 
des Menfchen, über Wahrheit und Gluͤckſeeligkeit, mel ! 
über die Mittel beyde zu erreichen, verdrehten oder ein 3 
tig machten. i 

Ungeachtet, fagt Plato, alle Menfchen one % fi 
nahme görclichen Urfprungs oder himmlifche Plays 
und heilige unverlezliche Weſen find **), ungeachte ä 
Menfchenfeelen vormals feelige Dämonen waren, d 
‚noch jego Dämonen genannt werben Fönnen }); ff 
den fich doch unter den Menfchen, fo wie fie aus W 
und Seele beftehen, unendlich viele urfprängliche Um 
ſchiede. Schon von ihrem Anbeginn an waren i 
alle Seelen gleich rein und flarf, und ihrem Schi 
ähnlich. Auch ftrebten fie in ihrem Daͤmonenlebenk 
Gottheit nicht alle mit gleichen Eifer nach, und fie 
ten die ewige Wahrheit nicht gleich) lange, und mit® 
felbigen Aufmerffamfeit an. Selbſt nachdem fie me 














—— — — 








———— —— —⏑⏑ 


*) Siehe Beplage. 

#%) Plat. in Tim. p. 500. in Minoe p. 510. 

H in Tim. lc. Ns ex auro dasuova Jess is 
sw dedsxe Tseto, 0M Dapev osmesv ev ru 
ER AND Tu TWUATI. TECOS de Tv Ey 8m 
CUYYEVerRy TO YNS NOS cupesv ws ovras Wi 
Tov an eyyaoy, am wgviov oe$oraTe, Are 
Tas. 


Geſchichte des Plato und. feinge Phil. 733 


Gottheit entfernten, fielen fie nicht alle gleich tief, 
rden alfo auch nicht alle. gleich fchuldig, und machten 
auch nicht alle ihre Strafe im irrdifchen Leben, und 
Ruͤckkehr zur verlornen Seeligfeit in gleichem Srabe 
ver *). Mach dem Maaße ver Schuld, die eine jes 
Seele auf fig) geladen har, ‚werben ihnen auf diefer 
‚e Eörper ausgetheilt, deren verfchiedene Einrichtung 
Miſchung, verbunden mit der Arc, wie fie gezogen 
den, den Fortgang des Menfchen auf dem 83 der 
ihrheit und Tugend ſo ſehr befoͤrdern oder zuruͤckhal⸗ 
‚ daß man mit Zuverſicht behaupten kann: ber 
eth ober Unwerth des Fünftigen Menfchen hänge 
“ganz allein von. ihnen ab: der. Menfch werde nur 
ch fie verdorben: und wein er verdorben ift, ſo muͤſ⸗ 
nan immer mehr die Erzeuger und Erzieher, als 
Verdorbenen felöft anflagen **).. Anden meiften 
nfchen finder fich ein gefährliches. Mißverhältniß. zwi⸗ 
n Leib und Seele, indem diefe für jenen entwebet 
ſtark, oder zu ſchwach iſt. Im erften Fall treibt 
Seele den, Coͤrper fo gewaltſam umher, verehen ig 
ch das maͤchtige Feuer, das fie ihm mittheilt, fo unheil⸗ 
und erfchöpft ihn durch) die unaufhorliche Thaͤtigkeit 
Anftrengung, worinn fie ihn unterhält, fo fchnel 
er darüber zu Grunde gehen muß. Im andern Sal 
» die ſchwache Seele entweder vom Coͤrper und ſei⸗ 
Degierden , wie eine gefeflelte Sclavinn, -fortges 
ppt, oder wenn dieſe eben fo Falt find, als fie felbft 
‚ach ift, fo Fann fie die ſchwerfaͤllige Maſſe des Coͤr⸗ 
‚, unter welcher fie erliegt, nicht anders, als mit 
aͤußerſten Mühe und doch nur langſam beroegen, 


m me 


HOleruͤber fche man bie Allegorie im Phäbrus, 
) in Tim, p. 499. 



















734 Achtes Buch. Drittes Capitel. 


Ein zu großes Uebergewicht der Seele über den Cine 
bringt zwar ſcharfſinnige und wirffame, aber auch p 
gleich veränderliche und unzuverläflige Menfchen herog 
Die gute wie böfe Eindrücke und Borfäze gleich leicht w 
lieren und abändern. Das Uebergewid)t des Corel 
ingegen ü.er bie Seele erzeugt entweder ſchwache m 
ächrliche Menſchen, die, wie ein ſchwankendes Noke, 
von jeden, auch dem leifeften Winde des Vergnügen 
oder Schmerzes, der Hoffnung oder Furcht bewegt me 
den; ober fräge unbewegliche Gefchöpfe , Die man nik 
anders, als durch heftige Erfchütterungen aus ber Sick 
fortbewegen kann *). Biel feltener find die glüdtidg 
Sterblichen,, in welchen Seele und Leib fo mit dm 
der harmoniren, und in einem fölchen Sleichgewicteh 
it, daß die eine über den andern herrſcht, om 
R 3 dren, und der leztere der erſtern willig ig 
vhne fie zu uͤberwaͤltigen, oder In ihren Berrichtugg 
aufzuhalten ). Dur folche Menſchen, im welchen 
a fte der Seele und des Leibes gleichſam gegen ein 
abgerogen find, kann man vollendete Menfchen 

nen, indem fie weder durch einen ſchaͤdlichen Lieb 
von Theilen gebrechlich, nocd) durd) den Mangel vonw 
entbehrlichen verſtuͤmmelt find. Solche Menfchen y 
währen das fhönfte Schaufpiel, weil man in ihren WM 
vollfommenfte Ebenmaaß wahrnimmt, was den men 
Uchen Geift nur ergoͤzen oder befriebigen kann. Sieh 
es auch, welche ven Namen gläclich geborner Mo 
fchen, und philofophifcher Naturen verdienen }). S 
hal 

















“ib, ” 

au) ib, 

}) EvuQviw und euQuns fagten weit mehr, als & 
nie In unferer oder ber franzäfifhen Sprache. Bu 
drückte dadurch nicht nur vorzäglihe Geiftes ni 

& 


Gefhichte des Plato und feiner Phil. 735 


haben nicht nur eine außerordentliche Begierde nach als 
len nüzlichen Kenntniffen, fondern ergreifen auch fchnels 
4er, als andere Menfchen, behalten dauerhafter, ſchlie⸗ 
Ben und erfinden mehr aus dem, was fie gelernt haben, 
‚Iaffen fich weder durch Beſchwerlichkeiten noch Gefahren 
on der Erforfehung der Wahrheit und von wichtigen 
Unternehmungen abfchrecfen, und verbinden mit der Aus 
herſten Thärigfeit und euer ihrer Natur, eine uner⸗ 
chürterliche Feftigfeit des Eharafters, und die. liebenss 
wuͤrdigſte Sanftheit der Gemuͤthsart, die mit jenen 


Borzügen fo felten vereinigt find *). 


*  Selbft aber in folchen vollfommenen Menſchen muß 
Die Seele durch Künfte und Wiffenfchafften, und ber 
Beib durch Gymnaſtiſche Uebungen beftändig und gleich, 
Foͤrmig geftärft, und bewegt werden, wenn fie nicht aus⸗ 
weten follen **). Auch die vortzefflichften Naturen ver⸗ 
ſehlimmern fich, wenn die Seele durch herrſchende Sit⸗ 
zenverderbnig mit unteinen Begierden, und ver Leib 
Burch Weichlichfeit oder Unmäßigfeit mit fcharfen frefs 
—* Saͤften erfuͤllt und entkraͤftet wird. Dieſe leztern 






zeugen nicht nur unzählige Krankheiten im Coͤrper, 
‚fondern werfen fich auch auf die Seelen und Size der 
Seelen, und bringen in ihnen tangfamfeit und Unfaͤhig⸗ 
Aeit des Geiftes, Verdrießlichkeit oder. Niedergeſchlagen⸗ 
sheit,, wuͤthende Kühnheit oder weibifche. Furcht her 
| dor. 











Erfenntnißfräfte, fondern auch Anlagen zu großen 
— — Tugenden und Thaten aus. Die Roͤmer brauchten 
für das Griechiſche eudvix die Redensarten bone, 
»7 , egregis, eximia, praeclara natura, | 
®) Plat. de Rep. V. Vol. I. 336. 394. Lib. VI. Vol. II. p. 8. 
p. 54. 56. VII. p. 136. 138. 
“#) de Rep. Vol.I. p. 236. in Tim, p. 484. 499. 


06 Men, Drink Eapieke 


. licht weriger. nachtpeilii die Gef ] 
33 ie bes *5 woche allge 
Verdorbeuheit des unter, wel an 
we vᷣlrd. Denn ohne eine befondere Seitung.de I 
ift es faſt unmöglich, daß auch der befte, Di 
quftecht und unbefledt erhält, wenn er von 
KFindheit an, gs es a a Ole to 
. ‚ugei au en ver] Y 
ae ebhten kan und — 
‚ga emppe fleigen , und belohnen und die fchändiid] 
Be, als die einzigen wahren Guter; Igen 
Augerorbentliche n aber ſind, wenn HG ver 
—— bean gef ——— 
Maturen wegen ihfer geringen Kräfte m 
"fh: aber auch kt Fehr (haben Fönnen Pre "u Oi 
au: "adj den ‘Piato find daher ‚ie wichtigftn] 






















chen der Derfchlebeneit der Menfchen Die-ge 
in on — 
Do FOR: i 





” 4 p. 499. in Tim. Ors yag avy rau üf 
Tov Aura DAeyuzray, zo door ringe 
—R XuMos KOT To GW And 
. PA nev ah Außacı uvmvon, evros dei 
I. pa TV Pau rue vr Tas Ve 
"Pop ounubarres wvaneenoduns , mar 
Fa vonura Yuyns euzrascı — Treos he 
Tess TORBS wexyderre vns Wuxns reos 5 
. Erossov Murav Teoomımey. &c. Es wer 
5 ber Zolge noch mehr Stellen vorfommen , uw 
man fieht, daß Plato wie Descartes glanbte, dıf 
Sörper unmittelbar auf die Seele, uud biefe af 
Lorper wire, umb daß beyde Beflandtheile der R 

{hen gegenfeitige Veränderungen in einandrr 

brächten, 


®*) de Rep, Lib, VI, Vol, U, p. 26734., 


Geſchichte des Plato und’feiner Phil. 737 
jere Vollkommenheit der Seelen gleich“ bey ihrer 
öpfung, der ungleiche Gebrauch oder Mißbrauch, 
fie von ihren Kräften im DämonenftchVe gemacht 
n, die urfprünglich verſchiedene Einrichtung der Cor» 
womit fie verbunden, und dann Die mehr oder we⸗ 
e vortheilhaften Arten, worauf Leib und Seele ger 
n und gebildet wurden. u nn 
So wie die Seele, fährt Plato fort, der edelſte 
1 des Menfchen ift, fo ift der Kopf wiederum 
evelfte Theil des Coͤrpers ). Beweiſe feiner. Mops 
lichkeit und Herrſchafft Über alle übrigen Gliedmaßen 
feine Erhabenheit, feine volltommne Geftäte, und 
Bereinigung faft aller Sinne, welche die Götter in 
hineingearbeitet haben. Unter dieſen Sinnen ift ber 
Geſichts der vorzäglichfte und gewiß eines der groͤß⸗ 
Sjefchenfe der Sotcheic*"). Ohne unfere Augen würs 
wie nie bie leuchtenden Cörper des Himmels und 
Hrdnung und Bewegungen, nie den Gang und bie 
e der Stunden: und Jahrszeiten, nie die übrigen 
ofen Schönheiten der Welt wahrgenommen, und 
alſo auch den Gedanfen eines weifen, gütigen, und 
htigen Gottes erhalten haben 7). Alle Empfinduns 


gen, 


EEE EEE En 








j in Tim, P. 483. 

) ib. & p. 484. 

Plato's Erklärung bes Sehens und ber Sehkraft der Ans 
gen ift eben fo ſeltſam, ale die des Gchörs p. 491. 
Er glaube naͤmlich, daß wir nur alsdann fähen , wenn 
ein eigenthünmliches Licht aus unſern Augen auefiröme, 
fi mit dem Tageslicht, das in uns hereindringe, im 
Innern des Auges vermifche und gleichſam gerinne, 
und alsdann einen einzigen Cörper ausmache 487 p. 
Wenn alfo das Zageslicht verſchwinde, fo ſaͤhen wie 
nichts mehr, weil alsdann das eigenthuͤmliche Licht uns 

Zweyter Band. Ya "Me 


Er 2 —— 





Ge nm ee — 

len; ‚nämlich in angenehme u ehme,. in q 

& vermilchte, ngen die entweder 
* je affelich 







ergnäguingen als Schim 
Anderung 


alle B n 
den Abfichten und Gefezen der Nanır gemäß fin 
Wenn, wir aber werer Vergnügen noch Schmeia] 





1- ferer Yan vergebene aueflleße, ohne ſich Im W| 
‚alten, 

—J Vol, * Lib. IX, '360,270, Phileb. p. 1 
Br 166. 

. perl 64. , 


2 


Geſchichte des. Plato und feiner Phil, 739 


iden, fo find wir im. Zuſtande der Gleichguͤltigkeit, 
zroifchen beyden in der Mitte ift *) Dieſer 
and fcheine oft ein‘ Zuftand des Vergnuͤgens, 
» zwar bes lebhafteften Bergnügens zu ſeyn. Alle 
nfe und übrige Perfonen, vie heftige Schmerzen 
ofunden haben, oder noch empfinden, flimmen dahin 
rein, daß nichts füßer, als die Deränderung ober 
Verſchwinden von Schmerzen ſey). Man täufche 
‚aber doc), wenn man eine gänzliche Abweſenheit 
Vergnuͤgen und Schmerz für einen behaglichen Zus 
id hält; denn unmöglich kann das, mas weder 
rgnuͤgen noch Schmerz iſt, dennoch beydes zugleich 
i. Der Zuſtand der Gleichguͤltigkeit ſcheint nur als⸗ 
n wuͤnſchenswerth, wenn man ihn mit einem pein⸗ 
en Zuſtande, und hingegen unangenehin, wenn man - 
mic wirklichem Vergnuͤgen zufammen haͤlt. Wollte 
ı alfo den Zuſtand des Nichtleidens einen angene 
ı nennen; fc müfle man ben bes Michtfreuens ch 
n unangenehmen halten: das heift, man müfte von 
felbigen Zuftande in demfelbigen Augenblife ganz 
egengefezte Dinge behaupten. on 
Nichts deftoweniger , fährt Plato fort F), bat «6 
: weile Männer FF) gegeben, welche nur zween Zus 
de, nämlichden Zuftand des Vergnuͤgens und des 
merzend im Menfehen behauptet, und dafür gehals 
haben, daß alles Bergnügen in dem Aufhoͤren bes 
ymerzes, und Schmerz in dem Aufhoͤren bes Vergnuͤ⸗ 
| Yaa a gend 
) de Rep. II. V.p. 260. & in Phil, p. 167. Diefen Ins 
fland, den nachher Epikur noovw naerasınarıunv, 
voluptatem flantem ‚nannte, nenne Plato yeuxiosy, 
oder Ruhe. . 


YdeRep.hke | 
) de Rep. Il. 262. imp. in Philebo p. 167, 
P Unter dieſen verſtand er die Sophiſten 








Ten, umo oie :Seftievigung DON veyoen 
fände find, in welchen biswellen die Berg 
Schmerzen, oder die Schmerzen von * 
uͤberwogen werben, ober ſich auch ohngefaͤ 
gericht halten **). Die Sättigung des 
Durftes, das Reiben oder Kragen von TE 
chen ſich ein heftiger Kigel oder Jucken fin 
Genuß der finnlichen fiebe, gewähren ung 
oder angenehme mit Schmerzert verfezte C 
in welchen das Vergnügen um deſto lebhaft 
. licher die Bedärfniffe oder Schmerzen we 
durch geftille wurden f). Da mun die 9 
in gleichem VBerhälmife mit den Schmerzei 
deren Tilgung fie entjtehen, und ſolche 
welchen ver Abgang, gewiffer Dinge peinlid 
ſchmerzhafte Bedärfniffe erzeugt, unleugt 
ten find; fo fann man es für ausgemacht 
annehmen, baß die gemifchten Empfindung 
die größten Vergnuͤgungen find, und daſ 
Vergnuͤgungen nicht von gefunden, fonde 
fen Seelen und Görpern genoffen werde 
wie fieberhafte Perfonen mit ardierem Bi 


Gefäichte des Pape pub feiner il. 741 


en, als geſunde, weil fie einen heftigeren Durft haben; 
» genießen auch unmäßige lebhaftere finnliche Bergnäs 
ungen, als mäßige und enthaltfame, wenn fie ihre 
Begierden mehr, als dieſe genährt, und bis zur Fiebers- 
ige entzündet haben *). Dieſe lebhafteften unter allen 
venfchlichen Freuden, welche ver Wolläftling allen uͤbri⸗ 
en vorzieht, und vor welchen der IBelfe, ber in allen 
Ningen Maaß beobachtet, ſich am meiften huͤtet, find 
nmer gemifchte Empfinpungen, in welchen der Schmetz 
Ibſt zum Stachel des Vergnuͤgens wird **). So wie 
tabe und Enitfernung den Werth von DBergnügungen 
nd Schmerzen verwandeln; fo auch ihre Vermiſchung 
nd Aneinanderreibung ***). Denn Vergnuͤgungen 
erben durch die. Beymiſchung von Schmerzen erhößt, 
nd Schmerzen Bingegen durd) die Bereinigung mit 
tergnügungen vermindert }),._ Selbſt folche Empfin⸗ 
gen alſo, in welchen das Vergnügen vom Schmerze 
erwogen wird, verurfachen zwar unfägliche Pein, 
er auch unfägliche Freuden, wodurch Menfchen außer 
> geſezt, und in Seuer und Waſſer getrieben wer⸗ 
x 17) Dies ift der Ball in gewiſſen Ruben 
welchen fi) ein ftarfer innerer Neiz durch das‘ Rels 
& der äußern Theile nicht ganz vertreiben läßt. Wenn 
=r in den Becher der Freuden nur einige Tropfer von . 
sin gegoffen werben; fo entiteht daraus ein Kizel, ber 
EFreudenwuth, die Menfchen, mie Thiere zur Zeit 
> Prunft, vor Freuden fehreyen und fpringen, fie 
e in ben heftigften Krämpfen auf taufendfälcige Arten 

 Uaa.g ., fich 





=) ib, | 
we) ib, & p. 168. 
es) 1b. p. 166. & deRep. V; IL 268. 
+» ib. v 


sa m ni are 
BE Se Bere ha 





Kane en ib) —— a Me, 
ich aus der ange en gun 
Fe ee a ‚a ne 
. ‚fen wird, und iſt alfo ein gewifthter, Kpeils ange 


FPyp 168.) Ouxev Omorev u rem Hdem 
L FolduTa MEYTE OUmix IN, To ner umens 
vov Tas Amis, Yagyanıfa re nu neeuail h 

vanren mo; To diaurns adevns mer 
ERKEXUMEVOY, ı GUTEN TE Ka SVIOTE 
zus, Ks ara ner Xewuure, man 
je OXnMaTee, Movreie de mVeumore em 
goneva , wasav enzAnEm neu Bes era 
Guns Tre; Er, m He Asyen mem 
Te = Faura Tier neu aRov, ws Ta 
Tas ndavaıs TERTOMEVOS dv EESYHEHEn 

#*) in Bhilebo p. 165 164 












nalen a6, 

Geſchichte des Plato und ſeiner Phil. a3 
18 unangenehmer Zuſtand. Eben dies fan man 
b von allen Hoffnungen md Befuͤrchtunen, von Als 
Borempfindungen fünftiger Huͤter und Uebel ſagen, 
entweder aus dem Gefühl eines gegenwärtigen Mans 
3, und dem Vorgenuß eines fünktigch, Gut‘, oder 
1 Gefühl eines gegenwärtige; Säcke, amd det Per 
hruma eines Fünfeigen Unfals fiffamnien gejgat find *), 
dlich iſt es von allen unvernänftigen — 
Fuͤrcht und Zorn, von Sehnſucht iind Miederges 
agenpeit, van kiebe und Eiferfucht, yon Neid und 
ern Rranfheiten ber Seele, und deten erriebfadits 
wahr, daß fie aus Honig und Wermuth gemilcye 
ı, und nicht bloß Schmetyert „ fonderu anch Derätiiis 
gen gewaͤhren **). So If} ber Neid zwar ei 
eit über dad Gluͤck anderer Menfchen, aber aueh, jı 
4 mit Freude über “ihr Uhghie® verbunden.’ Unt 
m wir alfo in Luſtſpielen über ſolche Fehler und 
hwachheiten unſerer Deberimerifchen Iochen, ‚Lie ans 
unſchaͤdlich find, (uud nur foiche find — fo 
—3 





ih, jüs 


iegen wir eine Miſhung von, Verghifguiigen ui 
hmerg, bie derjenigen aͤhnlich tft,  yberid wir" in 
wiıjpielen einen zugleich wonnevollen und peinlichern 
geil an ben feiden anderen nehmen. dleſes gen 
he nicht bloß bey theatraliſchen Vorftefungen‘, fons 
rt aud) in dein großen tuft+und Trauerfpiele des Le⸗ 
3 felbft,, und mit Recht alſo kann man behaupfen, 
fowohl der Leid, als die Soele allein, und auch 
B ao 4 beyde 











) Ounan ka olı weg Mehorrun Tara VαÂα 
ones yıyvomeos eos Inces Te x meoAU- 
ænoeis ꝓcero TaUTa EX8cı de Rep. H. Lib. X. 


p. 262. 
9 p. 168. 169. in Phil, 


744 Achtes 26. Deitesfeapit, 


Pun.d 


en find, . 
zen — groͤßen Menge aber und auch Lebhaftigkeit de 
gemiſchten Empfindungen ungeachtet, bleibt es doch in 
mer wahr, ‚daß nicht alle angenehme Empfindungen a 
diefer : Art gehören , und daß man wahre Dergnügungs 
unfer ihnen, nicht. ſuchen muͤſſe *). Alle DBergnügm 
sw. welche uns, fehone Sarben und Sormen von && 
pen, angenehme Geruͤche und Töne, noch mehr ok 
die Erweiterung unſerer Kenntniſſe und die Bewure 
ung und Ausübung edler Thaten geben, find rein m 
Angewiſcht „ ‚entftehen nicht aus der Defriebigun > ie 
wmerkb rer peinlicher Begierden, und laſſen auch, ns 
fie gufhoren, feinen Schmerz oder ſchmerzhafte G 
ſucht zuruͤck. Solche reine Vergnuͤgungen find ala 
währe, oder E ächte Sreuden, und die mit Schmerar 
“mifditen reuben hingegen falſch und unächt, ode 
‚se Schattenbilver von Bergnügungen, die etıwal 
ders ſcheinen, als fie find, und durch Gegenſtaͤnde 
r gt werden, Die nicht find, die nie waren, und nie 
werden, oder wenigſtens das nicht find, wofür malt 
zu haften pflege. Um die gemifchten und ungenids 
Vergnuͤgungen richtig zu fehägen, und mit einane? 
vergleichen, muß man nicht bloß aufihre Lebhaftigkeit, ® 
dern auf den innern Gehalt von Dergnügen fehen, = 
ſich in ihnen finder, und wenn man diejes thut, for 
fich bald zeigen, daß in den angenehmen gemifchten ® 
pfindungen meiftens Sreude gegen Schmerz aufgeht, } 
-bingegen in den angenehmen ungemifchten alles ı“ 
Gewinn von Freude if. Diejenigen alfo, welde: 
land 





















GE GE» 





‚ie 


*%) de Rep. I. c. & in Phil. p. 165. 169. 


Geſchichte des Plaso und feiner Phil. 2745 


utern Freuden der Wahrheit und Tugend nicht fennen, 
id nur diejenigen angenehmen Empfindungen für Ver⸗ 
wigungen halten, die mit unangenehmen ' vers 
ifche find, oder aus dem Auf hoͤren fehmerzhafter 
jebürfniffe entftehen ; ; find folchen Perfonen gleich, bie 
npor gehoben werden, und die Höhe erreicht zu haben 
aubten, ungeachtet fie nur nech in det Mitre find, 
ser folchen, die etwas Gelbliches für weiß halten, weil 

ſo gegen etwas Schwarzes erfcheint, was fie vorher 
— *8 haben *). 

Wenn man die Empfindungen in Nücficht auf 
yre Urſachen betrachtet; fo kann man fie, fagt Nato, 
yiederum auf mehrere Arten, vorzüglich in wirkliche 
nd unächte,. in dunffe und hefle oder Flare eintheilen. 
Wirkliche Empfindungen ſind nur ſolche, die von ge⸗ 
enwaͤrtigen auf unſere Sinne wirkenden Coͤrpern in 
ind hetvorgebracht werden. Unaͤchte hingegen erhalten 
3ir glsdann vber wir werden getaͤuſcht, wenn wir Ge⸗ 
enftände "alß wirklich oder gegemwärtig zu empfinden 
Lauben, die gar nicht find, oder wenigftens nicht ges 
enwärtig fi find **) Unter ven Empfindungen ferner, 
ie von wirflichen- Gegenftänden hervorgebracht werben, 

ind einige fo ſchwach, daß wir ſie gar nicht wahrneh⸗ 
nen , indem fie gleichfam im Eörper abfterben, ebe fie 
ur Seele gelangen; andere hingegen dringen durch ben 
Loͤrper bis zur Seele durch, . und bringen in beyben zus 
jleich geroiffe Erfchütterungen hervor. +) Weder bie 
Aaa5 einen 











—* p. 165. in Philebo. 
+) p. 168. in Phil, Oec Twv ea To owua nuwy 
ENESoTe TAINUETOV, TA MEV Ev TO OWUETI 
aurwaßewunere mw emı vnv \yuxw dieger- 
en, 





7 den umaufpörlich . Unfere Gew; 
t: 21 — Veral h 
9 anfere wiffenfhafftlige tuiffe bleiben wicht et]. 


a 


Denznotbete u Zutee, Te ka 8 I 

han » 

ale ie Re, isn en und —5*— a 
a 


ten, Meynungen, Begierden, 


© diefelbigen; (ben abeit. ift ber, Untergang 
fers Wiffens, ſo wie Arbeiten und Lernen ein Ertl 
die verſchwuudenen Keuntniffe if, Wir find alfe 

— in ber Bedeutung ſtets biefelbigen, wie es die &P 

beit iſt; fondern wir find im jedem machfolgensen 
genblide etwas anders, als wir in allen werke? 
ben waren. So wie aber das menſchliche Gefäld 
dadurch erhalten, und gleichfam unfterblich wire, hd 
in die Stelle von ®i immer Neugeborue © 
An 3 fo re euer ‚einzelner 2 
als eine fon fort, «indem abgegangenen 
ſtets durch nene erſezt werden, 


Geſchichte des Plato und ſeiner Phil. 747 


inne ſo ſtumpf und ſchwach, und wir werden von zu 
len und zu deftigen Leidenſchafften verblendet und her⸗ 
zgetrieben als daß wir in das Weſen der Dinge eins 
ngen koͤnnten *). Linfere Seele irrt beſtaͤndig: ſie 
windelt gleichſam, und wird gewaltſam herumgewir⸗ 
c wenn ſie in Geſellſchafft des Coͤrpers die Narur 
: Dinge zu erforſchen ſucht. Alle unſere Sinne truͤ⸗ 
ı und unaufhoͤrlich, und alle Empfindungen und 
orſtellungen, die mir durch ſie erhalten, find falſcher 
chein, dem wir nicht trauen fonnen**). Vergebens 
o hoffte man, durch die Sinne von der Cörpermelt 
heige und wiffenfchafftliche Kenntnig zu erlangen 7), 
d diejenigen, die dieſes glaubten irrten eben ſo ſehr, 
Protagoras, welcher einen jeden Menſchen ven 
aafftab allee Dinge nannte, und behauptete, daß 
die abweichenden oder widerſprechenden Empfinduns 
1, bie verſchiedene Menſchen v von denfelbigen Gegen⸗ 
ſtaͤnden 





— — —— — — 


) in Phaed. p. 25 & 31. & Cic. Acad, quaeſt. 1. 8.' Sen- 
ſus autem omnes hebetes, & tardos eſſe arbitraban- 
tur, nec porcipere ullo modo res cas, quae ſubjectae 
fenfibgs viderentur5 quae effent aut ita parvac, ut 
fub fenfüm cadere non poffent; aut ita mobiles & 
concitatae, ut nihil unquam unum eflent conflans; 
ne idem quidem, . quia eontinenter leberentur & 
fluerent omnia. | 

) Plat, & Cie. li. ce, 


H Plato nannte baber bie Coͤrperwelt vo Jokaucen, 
oder opinebilem rerum partem „ zum Unterſchiede von 
Ywasoy, und bie unzureichenden ſchwankenden Kennt: 
niffe, die wir von ihr erlangen koͤnnen, dofx, 
zum Unterflebe von Yymoss ober ezrisupn. Man 
ſehe vor allın andern das Ende des fünften. Buchs der 
Republif in dee Maffepfhen Ausgabe S. 398) 
406. 


Em ſehen / und denken, gleich Abdruͤcken von 
gen, ein; und das, was ſich eingepraͤgt har, 
Ka ‚fo fange, als bie: Bilder fortauren, 

iefe verwiſcht ober außgelöfcht werben, 
dann, daß wir etwas n hab 
ten Bilder, ober die Abdruͤcke der ı 
niß, koͤnnen nicht anders rein und tief er 
‚werben, als wenn das Wachs der Seele ſelbſt * 
rein J und in großer Menge vorhanden daben n a 





y 83. 
? Er Een Folge una. 0.10 





\ Geſchichte des Plato und feiner Phil. - 749 


ch noch zu hart bereitet it”). Menſchen, in wel⸗ 
n biefes Statt findet, find nicht nur gelehrig, und 
fen nicht nur leicht, fondern behalten auch fange, und: 
‚en fich das, was fie einſt empfunden haben, fehe: 
haft zuruͤck. Iſt Hingegen das Wachs zu weich oder 
Hart, zu dürftig oder zu verfälfcht; fo finder das 
gentheil Start. Zu weiches Wachs macht den: 
enfchen zwar gelehrig und fehnell faflend, allein uns 
ig, die empfangenen Eindrücke zu behalten. Zu hars 
bingegen macht Menfchen zwar langfam im Begreis 
', aber ausbaurend in der Erhaltung deſſen, was fie 
ı einmal eingeprägt haben. - Wenn endlich das Wachs 
fließend oder zu irdiſch und fteinige iſt; fo werden die 
>rücke nicht allein ſchwach und dunfel, fondern aud) 
t vertilgbar, und folche Perfonen koͤnnen weder leicht 
en noch) lange behalten. Ste fließender, ober unlautes 
» ober fleinigter das Wachs ift, deſto mehr iſt man 
Sefahr, in falfche Mleynungen und Irrthuͤmer 
afllen””) Sn folche falfche Meynungen faͤllt man als⸗ 
Er, wenn man die Abdrücfe oder Bilder von Gegens 
iden, bie man im Gedaͤchtniſſe hat, unrichtig auf 
genftände anwendet, bie man empfindet, aber wegen 
x Sleinheit oder Entfernung oder plözlichen Ver⸗ 
oindung nicht Elar und lebhaft wahrnimmt 7). Ach 
e alfo zum DBenfpiel falfche Meynungen, wenn ich 
Pild des Theodor auf die Perſon des Sokrates, 
w das Dild des Sofrates auf die Perfon des Theos 
anwende, wenn fich der eine oder andere meinen 
gen darbieten. Yalfche Mennungen find alfo nicht in 
apfindungen, auch nicht in Begriffen und Gedanfen 
u | allein, 


j——, — 


) in Phil. p. 189. 
) |,c. 





) ib, 


an I ah’ ———— 
— — — 


T 


wenns 75005 dkievoucey. 


oder richtige Mepnungen, die 
ſqcafftlich erkennen, um fifenge beiveifen A 
uunterſcheidet fie von Wiſſenſchafft bloß dadurch, 
nicht durch richtige Demonftrarion zuſammei 

find. in Theaet. Apeancı av — M”⏑——— 
706 Aoya ezzisnumv eweri, ib. ps 87. Eben h 
Menone p. 344 & in Timaco p, 485. Eben 
befändig iſt er im dem Gebrauch des Wortes Y 
Bald verſteht er darunter Die Vernunft und da 
fand des Menfchen, welchen er deßwegen, mel 
die Wahrheit erkennt, oe9os Aoycs nennt: ein 

das die Stoiter, wie einen großen Theil ihrer 
Kunffprache, ans dem Plato genommen haben, 

fehe Phaed, p. 28. & Phileb. p. 167. ald brüfit] 
durch Aoyos Dentonftra aus, wi h 
vorher angeführten Stelle, und 


dofoss, wenn fie in Worten a, 





Geſchichte des Plato und feiner Phil. 751 


tem Buche, und das Gedaͤchtniß und die Empfindung 
it einem Schreiber vergleichen, der etwas in viefes 
uch richtig einträge Wenn wir aber Gegenſtaͤnde 
r etwas anders halten, als fte find; fo find Gedaͤcht⸗ 
3 und Empfindung einem Schreiber ähnlich, der, ets 
as falfch in ein Bud) einzeichnete *), Aus dem“ bis⸗ 
rigen erhellt, Daß ſowohl wahre als falfche Meynun⸗ 
nein Mittel zwiſchen gänglicher Unmiflenheit und wah⸗ 
> Wiffenfchafft fenen **), daß fie beyde in gewiffen 
ıterredungen der Seele mit fich felbft beſtehen, und 
ß fie nur ben Gegenftänden Statt finden, die wir 
rmals empfunden haben, von welchen wir Abdruͤcke 
Gedaͤchtniſſe befizen, und die wir jezo wieder empfins 

t, denn es ift unmöglich, daß jemand Gegenftände, 
er kennt, und deren Bilder er im Gedaͤchtniſſe Hat, 

E andern verwechfelt, Die er gleichfalls fennt, und des 
. Bilder er im Gedächtnifle hat: ober daß er etwas, 
5 er kennt, für etwas anders hält, was er nicht 
nit, und wovon er gar fein Bild im Gedaͤchtniſſe bes 
3 oder daß er das, was er nicht kennt, für etwas. 

>ers hält, was er gleichfalls nicht Fennet, oder was er 
= fennt: oder daß er das, mas er empfindet, für ets- 
S anders hält, was er. gleichfalld empfindet, oder - 
‚8 er nicht empfindet; oder was er nicht empfindet, 
> etwas anderd, was er nicht empfinder, oder auch 
‚pfindet. Mod) unmöglicher, als alles dieſes, wenn 
an jo etwas anders fagen kann, ift es, daß jemand 
Das, was er kennt und empfindet, und fich bewußt 
/ 


ri 


Stelle drädt er Aoyos durch diwvorz aus, and nennt 
die Empfindung eines gegenwärtigen Gegenſtandes 
Doasvreci. 

®) de Republ. V. Vol. 1,308. & ſq. in Theaet, p. 86, 
®s) in Phi, 165, & in Theaet. I, c, 











mit etwas, mas er nicht empfindet. — 7 
find fo beſchaffen, daß ſich unmöglich jem« 
ten fann ®). 

Vom Gedaͤchtniſſe, fagt Plato, muy 
Erinnerungsfraft als Phantaſie unterſcheid 
erſtere beiteht in der Fähigkeit der Seele 
von Gegenftänden , die fie zugleich) mit 
eınpfunden hat,» bervorzurufen, oder au 
und Gedanfen, die fich fehon aus dem Sei 
Toren haben, zu erneuern und herjuitellen. 
kraft hingegen ift die Fähigfeit, Bilder v 
Gegenſtaͤnden anders zu ordnen, und zu ve 
wir fie erhalten haben, oder aud) Bilder vo 
den zu fchaffen, die noch nicht find, und v 
niemals feyn werden 7). So wie man daı 
mit einem Schreiber vergleichen kann, der 





*) ib. Mit Fleiß habe ich die lezten Räfo 
dem Plato abgefchrieben, theild um die 
ben Wohlgefallen diefes Mannes an fı 
tionen mit einem neuen Bepfpiele zu ber 


Geſchichte des Plato und feiner Pfil. 753 


& and nur das eintraͤgt, ‚was ihm vorgelegt wird; fo. 
u man ‚die Pharitafie einen Mahler nennen, der off. 
pirfliche Dinge darſtellt, bie nicht find, die nicht wa⸗ 
und auch nicht fegn werden *).. . 
In ſoferne die Seele bloß Gedaͤchtniß und Eins 
ungsfraft befize, ift fie eier Mienagerie ähnlich, im 
cher Bögel von allerley Art, "bald in großen, bald in 
i kleinen? 














= 


) Plato neunt den Zuſtand, worinn Menfchen fih Dinge 
vorftellen, - die nicht find, und folhe, von denen. fie 
umgeben werben; nicht wahrnehmen, way, ın Phacdr, 
p. 201. 209. Dieſe Berrüdtheit ift von einer doppels- 

- ten Art eine natuͤrliche, die durch Krankheiten her⸗ 

vorgebracht wird, und dann eine uͤbernatuͤrliche oder 
goͤttliche. Die leztere iſt wieberum viererley: Die hei⸗ 
lige Entzuͤckung oder Raſerey der. Miigagenden, in 
welde die Sibyllen und die Priefterinnen zu Delphi 
und Dodona durchidie Begeiſterung des Apollo fielen, 
oder noch fallen. Zweytens die der Bakchauten und 
der Bakchantinnen. Drittens bie dichterifche, in 
welche Poeten und Rhapfodiften burch die Mufen vers 
"eye werden, wenn fie die eigne Wirkſamkeit der Sees 
lenfräfte eine Zeitlang aufheben, und die Seelen ber 
Degeifterten ale ihre Werkzeuge und Diener brauchen. 
(in Jone p. 362.) So wie Weißager und Weis 
Bagerinnen im Zuſtande heiliger Entzüdungen, wo 
fie fih ihrer felbft nicht bewußt waren, vieles vers 
Piindigt haben, was den Voͤlkern Griechenlands Heil 
und Seegen brachte; fo finden auch Dichter, wenn fie 
son den Mufen aus ſich felbfl weggeruͤckt werben, bie 
fhönften Oefänge, ohne ed zu wiſſen, und wenn ſie 
nachher wieder zu fi felbft Fommen, fo find fie nicht 
im Stande, mir der Anftrengung aller ihrer Kräfte, 
ſolche Werke zu liefern. Die vierte Art goͤttlicher Mas 
ſerey ift die der Liebenden, die Plate für die beſte und 
erhabenfte unter allen estlärt. 


zweyter Band. Bbb 





*) in Theaet. p. 90 


* 31. in Theaet. p. 82. in Phucii 
im. 485 & 500. deRep. Vol. 1. Li. 


394. 90. | 
D N. cc. imp. de Rep, II. 286,290. Plato nf ı 
wendig ein Schauen in Bott annehmen. Nur in W 
fanden (ich, feiner Meynung nach, die ewigen Uri 
aller Dinge; und von dieſen Urbildern konnten P 
die Seelen In ihrem Dämonenflande Beine Ad 
als durch bas Schauen in Bott erkalten, I, «! 


J im. p. 485 u 
. tb) in Phaed, p. 29 & 338. & 344. in Menen, Un 
| Ien allgemeinen Ideen ſchreibt Pinto ber des € 


®e) in Phaed, p. 25 
204. in 7 








Geſchichte des Plato und feiner Phil, 755 


een uns nur, ober erneuern Erinnerungen, wenn 
der Wahrheit und der Natur der Dinge nachfors 
Dies erhellt am meiften daher, daß Perfonen, 
h dem Schaven des Meno, den Sofrates über die 
ur und Berhältniffe von Zahlen und Figuren fragte, 
ig auf Fragen über Dinge antworten, von denen fie 
twas gehört haben: daß alle Begriffe und Bilder 
re ſowohl ihnen ähnliche als unähnliche aufwecken, 
denen fie vorher nicht verbunden waren: daß endlich 
unfere Begriffe von dem, was Schön, was Gleich, 
Gut ift, viel vollfommner find, als die Dinge, 
vir mit diefem Namen belegen, und dag wir alfo 
niemals von Dingen, die weber vollfommen gleich, 
gut und ſchoͤn find, würden erhalten haben, wenn 
ticht, als Maafftäbe der Dinge in unferer Seele. 
yanden gewefen wären *). Bevor wir diefe in uns. 
immernden Begriffe und ewigen Wahrheiten erwe⸗ 
und anſchauen, find wir Gefchöpfen gleich, die in 
e unterirdiſchen Höhle an den Beinen und Hälfen 
Bbb 2 ſo 





die wundervollſten Wirkungen zu. Die Idee des Gu⸗ 
ten, fagt er Vol. II. Lib. VI. p. 60. de Rep. iſt das 

ſchwerſte und erhabenfte, was der menſchliche Geiſt nur 
ertennen kann. Sie gibt uns felbft Kraft, Wahrheit 
zu erkennen, und unfern Kenntniffen theilt fie Wahr⸗ 
beit, wie allen Dingen das Seyn und Fortdauern mit. 
Sie iſt das lezte in der verfländlichen Welt, was man 
erkennt: allein wenn man fie erkannt hat, fo breitet 
fie über alles Sichtbare und Unfichtbare Licht aus, 
and wird die Quelle von allem Schönen und Guten, 
von Wahrheit und von Wiſſenſchafft. vid. & 70 & 72, 
& VII. p. 88. & in fine Philebi. Wegen diefer Lob⸗ 
rede haben viele geglaubt, daß Plato unter bear Outen 
die Gottheit verfianden habe, 


) in Phaed, & Menone H, cc, - 


—n 


gend, bald redend, vorbengingen, und a! 
and Statien von Menfchen und Thiere 
"gen; fo würben folche Gefangene, die an 
ſtehenden Wand ſich darftellenden Scharı 
für wirfliche Dinge halten, die ſich mit e 
tedeten, und außer diefen Schattenbilberı 
wirkliche Weſen argwöhnen. Wenn abe 
Ungluͤcklichen ploͤzlich einer von feinen B 
und gegen das licht gekehrt wuͤrde; fo fonn 
ders ſeyn, als daß er durch den auf einma 
gen fallenden Glan; geblendet, und außer 
wuͤrde, bie Dinge felbft zu betrachten, v 
Bisher nur die Schattenbilder fh. Say 
alsdann, daß er bisher nur bloß täufchen 
Geſtalten wahrgenommen habe, und jego | 
Dingen näher jey, fo würde er gewiß an ! 
diefer Verjicherung jwenfeln, und eher gla 
vormals, als deß er jego wirkliche Dinge 
Nichts wäre fogar nacürlicher , als daß 
Uchte verwundeten Augen wegwendete, un! 
ſcheinungen zuräctflöhe, deren Anblick er e 
te. Wenn man num einen folchen mis G 
ner Höhle an's Tageslicht heraufjöge, ſo 


Kabein nich un van ham Gchrlbunltan 


Shsihted des Plato und feiner Phil, 757 


f! (ine Augen füllten, unfägliche Schmerzen leiden. 
wuͤrde Anfangs von den Dingen, die ihn umgäben, 
Ht6 wahrnehmen; und gewiß lange Zeit brauchen, bes 
r en fie recht betrachten fonnte. Er würde erſt "die 
chattenbilder von Menſchen und andern Gegenftänden 
ruhigen Genffern, dann das Schauſpiel des nächtlis 
n Himmels, und das Licht der Sterne und des Mons 
| anfthauen muͤſſen, bis er die Sonne und ihren Glanz 
ragen koͤnnte. Wenn aber endlich ein fölcher Erloͤſe⸗ 
die Sonne ſelbſt in ihrer Pracht bewundert, und 
nerkt hätte, baß ſie die Urſache der Tags und Jahrs⸗ 
en, und faſt aller uͤbrigen Dinge und Erſcheinungen 
dieſer Erde fen; würde er ſich nicht alsdann gluͤcklich 

en, wenn er fich. mit feinen ehemaligen Mitgefi 
ien und ſeine gegenwärtige tage mit feiner vormaligen 
gliche? Ja wenn er auch wuͤſte, daß in ſeinem vor⸗ 
ligen Gefängniſſe denjenigen Ehre und Ruhm und 
lohnungen bevorſtuͤnden, welche die ſich ihnen zei⸗ 
den Schattenbilder am ſchaͤrfſten ſehen, und aus de⸗ 
, bie zugleich, oder vor einander, oder hinter ein⸗ 
er erfchienen, am beiten die Reihen Fänftiger Erſchei⸗ 
igen errachen Fonnten, würde er wohl ein Verlangen 
h diefen Borzügen und Belohnungen. empfinden, und 
je vielmehr. mic dem. Achilt fagen ,. daß der Dienff bey 
r ärımflen Mamie auf der Erde der Herrſchafft über 
ganze Unterwelt vorzuziehen en ® Nimmt man noch 
st an, daß eine folche Perſon ploͤzlich in ihre ehemas 
Wohnung zuruͤckgeſezt wuͤrde; ſo laͤßt es ſich kaum 
ers denken, als daß fie, am das helle Licht des Tas 
gewoͤhnt, alles mit Finſterniß bebeckt finden, und 
nicht geringe ‚Zeit brauchen würde, ehe fie wieder 
as erblicden fonnte. Die Übrigen Bewohner der 
e würden ihrer fpotten, würden Ihr vorwerfen, 
fie ihre Augen verderben hätte, und würden nicht 
n gar fein, Verlangen Kara ‚, die Höhern Gegenden 
b 3 su 
















758 Achtes Bud. Drittes Eapitel. 


beſuchen, fondern vielleicht denjenigen, der. fie wm 
Seren Banden befrenen wollte, umbringen,. wenn fiel 
ner habhaft werden koͤnnten *). Auch wir find.gefeh 
te Sclaven in unterirdifchen Kerkern, fo lange u 
bloß in und für den Eorper leben, und die Natur ie 
Dinge durch unfere Sinne zu erforfchen fuchen. Ah 
uns foftet e8 Ueberwindung und Mühe, den fteileng# 
‚der Wahrheit zu erfteigen; allein wenn wir ihn einn 
‚erftiegen haben, fo verachten wir von feiner Hoͤhe 
vergänglichen Güter und Freuden, um welche die 
blendeten Sterblichen ald um die einzigen und 
Guͤter mit unabläffigem Eifer ſich zu bewerben wtj 
kämpfen pflegen. 
Michts erleichtert den Menfchen das Hi 
men zur Wahrheit fo fehr, als das Studium ve’ 
len, und Größenlehre, und der Sternfunde, wernu 
dieſe Wiffenfchafften nicht bloß in der Abſicht treibt, m 
fie für den Ackerbau, die Sciffart, den Handdd 
andere Theile und Bedürfniffe des menfchlichen I 
zu nuͤzen **). Dieſe Wiffenfchafften reinigen unD 


ug m m @ um Ran DE CB TE RB LE rn 


— 





r 


* Siehe dritte Beylage. 

**) Vol. II. Lib. V1.74»80. VII.IIOs 116 & 120, % 
to wiederhohlt die angeführte Bedingung vorzägiät 
ben lezten Stellen, und fällt darüber in die laͤchau 
fien Ungereimtheiten. Die Schaufpiele, fagt us 
andern ©. 120. de Rep, VII. welche ung die Bm 
gungen und Ordnungen der himmliſchen Coͤrper da 
ten, find die ſchoͤnſten in der fichtbaren Welt, allen 
find doch noch weit unter denen, welche uni! 
wefentliche Bewegung und Langſamkeit im ber mul 
Zahl und den wahren Figuren darbeut: “As rei 
Taxos, aan 800 Beudurns ev Fw aAnen 
127770 zo Racı ToIs aANJEOH owunyacaı G:ä 
TE MEOS RAMNAa Degeraı Ko To Ta F 


= WEy) 


Geſchichte des Plato und feiner Phil. 759 


ben die Seele, ftärfen und üben das Auge des Verſtan⸗ 
des, das fonft im Unrath oder Pfuhle ver Sinnlichkeit 
Vergraben ift,. bereiten e8 vor, daß es das Licht Der 
Wahrheits ſonne ertragen kann, und find das ſchicklichſte 


Werkzeug, wodurd) der Dienfch aus der fichtbaren We 


Ss die unfichtbare Hinaufgewunden wird *)., Sie be, 


ſchaͤfftigen fich nicht, wie die übrigen Künfte, mit vers 
gänglichen ‚. fondern mit unmandelbaren Dingen **), 
wurd gehen auch nicht von Erfahrungen , oder truͤglichen 
Erfcheinungen der Sinne, fondern von allgemeinen Er⸗ 
klaͤrungen der Zahlen und Figuren aus, die fie ald uns 
seiberfprechlich vorausfezen 7). Don dieſen Vorausſe⸗ 
zungen oder Erflärungen gehen fie zur Unterfuchung 
wicht cörperlicher Größen und Figuren, fondern folcher 
Fort, die man nur allein mit dem Berftande fehen kann, 
und brauchen Linien und Figuren, die fie entweder feteft 
-gichnen, oder in der cörperlichen Natur finden, yur 
als Bilder und Benfpiele, nicht als Beweiſe oder ald Ges 
Benftände ihrer Unterfuchungen. Mit Necht alfo kann 
man die mathematifchen Wiflenfchafften einen wichtigere 
Abſchnitt der verftändlichen Welt nennen FF), allein 
te. bleiben doch auch immer nur ein Uebergang vom 
Sichtbaren zum Unfichtbaren, ein Mittel zwifchen finns 
chem Schein und Wahrheit, und mehr ein Vorhof 
and Annäherung zur Wiflenfchafft,, als ächte Willens 
Bbb4 ſhafft 














Er machte den Pythagoreern feiner Zeit Vorwarfe dar⸗ 
über, daß fie die Meßkunff verduͤrben, indem fie dies 
ſelbe von uncörperlichen Dingen ableiteten, und auf 


eörperliche auwendeten. Plutarch, in Marcelli Vita IL  _ 


\ 


Geſchichte 808 "Plato und feiner Phil. 76: 


ſt die hoͤchſte Zinne oder Gipfel menfchlicher Kent, 
Iber welche feine andere Wiſſenſchafft hervorragt *). Eife 
illein durchdringt das Weſen der Dihge, und geh, 
yer Erklaͤrung und Eincheilung derſelben mit einem Mi 
uͤglichen Schrirr fort **). Mur fie allein gewährk 
wahre Wiſſenſchafft, aͤchte Weisheit oder Kiugheic***y, 
ind feiner verdient den Namen eines wahren Welmyer 
ſen, als wer fich mit ihr, oder mit dem deſtaͤndigen Ani‘ 
hauen unfichtbarer Dinge und ewiger Wahrheiten bp 
schäfftiget ****). Die Dialeftif allein enthält reine Wat‘ 
„Jeit; tie Mathematik nur einen Schimmer oder Ruͤck⸗ 
arg verfelben ; ©. alle übrige Wiffenfchafften aber nın 
‚tüglic en Schein 7), over aud) Folgerungen. un 
Schluſſe, die fich auf einzelne Fälle gründen, oder aus 
ithnlichen Faͤllen abgezogen und afafogifch gebildet 
end 77). Plato glaubte alſo, daß es eine noch größere 
Sjemwirheit gebe, ald ſich in. der reinen Marhemarif firk 
"et, und bag man zu diefer Gewißheit gelange, werm, 
xian von gewiffen unläugbaren Grundfäzen ausgehe; 
ingegen verwarf er Die Erfahrung oder Induction, u 
"te analogifchen Schluͤſſe TFT) entweder gaͤnzlich ober 
“ OB hide 








— — — — A 
%) de Rep, VII. 134, RE Fr 
ib 


ss a in 
#s*) ib. & VII 72. in Phaed. p. 3r. .in Theset. p. 82. 
Anderswo fagte Plato, daß nur die Kunſt, Voͤlter 
und Menfchen zu begläcden, den Namen der Weisheit 
: verdiene. Vol. I. de Rep. Lib, V. 272. 274. 
»ssr) de Rep. VI, Vol. Il. p. 2-8. | 
7 +) So nanute Plato Erfahrungen, 
‚. +p Vi. 78. VI 138 p. Plato belegt,.diefe vier Stufen 
| menſchlicher Kenntniffe mit verfhiedenen Namen, bie 
“ erfienannte er erssngen, die andere drosvoice, bie dritte 
“ Fizıs, und die vierte euuzosa. ib. 
++) Die einzigen Mittel, deren Sofrates fi} bedient hatte, 
am felbfi die Wahrheit zu finden, und andere davon 
zu überzeugen. 












763 Achtes Buch... Dritte Eapitel. 


At fie wenigſtens für-fehr unfichere Wege, auf nd 
‚hen man fich leicht verirren koͤnne *). 
. Nachdem id) jezo die wichtigften Puncte der &e 
lenlehre des Plato vorgetragen habe; fo will ich, ba 
ch weiter gebe, feine Gedanken über Die Sprache mi 
Kratylus nachhohlen, welches für die Geſchch 
der philofophifchen Sprachlehre wichtige Geſpraͤch ma 
bisher gänzlich) mißveritanden hat. Man war namih 
in der Meynung, daß Plato der Parthey derjenn 
Weltweiſen beytrete, welche lehrten, Daß die articuln 
Sprache nicht eine Erfindung des Menjchen,. fona 
ein Geſchenk der Götter, oder daß gie doch nicht = 
Sammlung von wiuführlichen, fordern von natürlide 
das heißt, von foldyen Wörtern fen, auf welche vie % 
tur felbft den Menfchen hingeführt habe, und die 
auch das Weſen aller Dinge, oder ifte eigenchümlihe 
Eigenfchafften ausbrüdte **), Allein gerade dieſe ᷣ 
hauptungen find e&,. die Plato beſtritten, um ie 
"meinem Urtheile nach auf die buͤndigſte Arc voiddg 
kat. Er fchrieb feinen Kratylus in einer doppeltenb 
icht; theils um Die gewaltfamen PWBortakleirungen W 
Prodifus und anderer lächerlich zu machen, und (m 
zu zeigen, daß er diejelbigen Wörter eben fo gut, m 
fo wahrſcheinlich, als fie, und doch auf ganz ander 
ten ableiten fonne: theils aber aud) um dem Kart, 
einen Heraflitifchen Philoſophen, zu widerlegen, melde 
behauptete, daß alle Wörter richtige Abdruͤcke ober & 
mi) 


— 


von en mn DEE DI DI EDDIE I en 














*) Il. cc, & in Phaed. p. 37. Eyo de roic dıa 1» 
ssuoray Tas anodesferss Foispevoss Aoryoss, Eur 
dx a0w wAnlonı, ns av Tıs durss an Dura: 
TNTa, Eu Mara efanarunas. &c, 


) Duaes enı Ts onouars, Cratyl, p. 49. zo, 


Geſchichte des Plato und feiner Phil. 763 


mälbe und Nachahmungen ver Dinge feyen, daß bie abs 
geleiteten felbft durch ihre Zufammenfezung und Ablei⸗ 
fung, und bie.einfachen ober Wurzelwoͤrter felbft dur 
ihre Elemente die Eigenfchafften der. bezeichneten Gegen 
fände unsdrückten,; daß man alfo die Natur der Dinge 
in ˖ ihren Benennungen auffuchen Fonne und müffe, und 
bag man, wenn man biefes thue, in dem Grundſaze 
bes Heraflit von der Wandelbarfeit aller Dinge beftärkt 
werde, indem bie Ableitungen der wichtigften Wörter. 
alle auf ven Gedanken hinführten: daß alles in einens 
amaufbörlichen Fluſſe ſey. Die erfte Hälfte des Kratys 
lus *) enthäle lauter Ableitungen ver Wörter und Nas 
men von Perjonen, Göttern, Dämonen, Helden, Ges 
ſtirnen, Elementen, Seelenfräften, Tugenden und $eis 
Henfchafften, die alle dem Scheine nach beweifen follen, 
dab bie angeführten Denennungen ber Natur der bezeich⸗ 
‚weten Gegenftände entjprechend feyen, und daß die Ep 

er der Sprache, gleicd) dem Heraklit, an die Veraͤn⸗ 
— aller Dinge geglaubt haͤtten. Damit man 
Aber feine Abſicht nicht verfennen möge, macht Plate 
fo gegwungene Ableitungen, als fie vielleicht Fein So⸗ 
phift oder Herafliter gemacht hatte, gefteht dieſes afles 
ſeibſt ein, und träge alle die Gegengruͤnde vor, die fich 
feinem Verfahren nur ‚entgegen ſezen ließen, ohne fie 
Durch den Sofrates, dem er feine Gefinnungen in bey 
Mund legt, zu beantworten und aufzulöfen. Unter 
Den gewaltfamen Ableitungen, wodurch er ähnliche der 
Sopsiften oder des Kratylus lächerlich zu machen fuchte, 
oder die er-ihnen gar abborgfe, hebe ich nur biejenigen 
Beyſpiele aus, in welchen feine Abfichten. unverkennbar 
find. Der Name des Bafchus (Asovueos), jagt Plato, 


heißt 








*) Von G. 4761. a 











„64 Achtes Buch. Drittes Capitel. 


Heiße fo viel, ald der Geber des Weins (5 dıdas rer zo 
über Adnuscs P. 56.). Diefen Namen erhielt Batdı 
tin Scherze; denn auch die Götter fcherzen gerne. Ve 

Bu aber, fährt Sofrates zum Hermogenes fort, 

ernjtliche Abfeitung dieſes Namens wiſſen willſt, fo nad 

du andere fragen. — Der Mond Bat feinen Nam 
aeAmn oder seAwzves& daher erhalten, daß er haufig fe 

fiche verändert. Man nannte ihn seAx evreczem, m 

de GeAus veov Te naı evvev exe, und dies Wort 4 

man in seAareıe zufammen. — Beym Himmel, nf 

Hermogenes aus, ein dithnrambifches Wort! —3 

fein wie entſtanden bie fchönen Wörter Klugheit, Yo 
ftand, Tapferfeit, und andere *)? In ber That, ab 

wortet Sekrates, machſt bu ba eine nicht ummicie 
Caſſe von Wörtern rege. Unterdeſſen weil ich einzd 
Die Loͤwenhaut umgethan habe, fo muß ich nicht mp 
gen, und ihren Sinn und ihren Urfprung zu erforie 
fuchen. Ein jeder diefer Namen, mein Freund, & 
daß die Erfinder der Sprache alle Dinge als beit 
fließend angejehen, und als folche benannt haben. Tas f 5, 
Klugheit oder Verftand (Decvnsis) heiße fo viel, ci: 
Wahrnehmung des Fluſſes oder der Bewegung (2:5 
veso e3i aaıcz yonsis), und Wahrnehmung fo vie. 3 
die Ergreifung oter Demerfung deſſen, mas befiin 
neu iſt, oder entſteht *). Das Wort Wiffeniht 
(errısnpn) bedeutet die Seele, die ben fich fters ver» 
NND 


S Atmn 122e DD NM HEN — 





U | 7) 


2 ©. 57. 58. 

“*) H r enec TB ves esw erıs. To de ver EHUTIT 
TE, TNURNE YIYvcHEva a eo. TyrER 
eDıecIas TTY Yuxm. KMUe To crcc 6 Yeuns 
TNY VECETW. 8 YALE YCHaIs To XEXascy EX 
AR ayrı TEN, ee edes Asyen receonm. 





— — — 


Gefchichte des Plato und feinge Phil. 765. 


einden Dingen folge"), und Weisheit die Ergreifung, 
‚Der Berührung des Tluffes der Dinge (von cas, tele 
hes fo viel ald ogyen bedeutet, und vonez&@n). Tapfer⸗ 
Bit (avdesc) zeigtein Streben gegen den Strom der Ges 
echtigfeit an, und man darf nur einen einzigen Buchſtaben 
erauswerfen, um die urfprüngliche Geſtalt dieſes Wort 
sieberzufinden (avgsa). Kunft (rexvn) bedeutet fo viel, ale: 
ine Fertigkeit des Berftandes ; man braucht nur das hegs, 
ars zu nehmen, und zwiſchen = und dem x, ein y, und. 
em und 7 ein o fezen, um exeven herauszubringen. — 
Bey biefer legten Ableitung Fann Hermogenes ſich nicht, 
wiebrechen, die Anmerkung zu machen, daß fie. fehe: 
uͤnſtlich und unnatürlich ſey; und. Hierauf antwortet, 


Bofrates, wie alle Etymologiften, dag die meiſten, 


Wörter durch Verfezungen, Wegwerfungen und Zufäs; 
e.von Buchſtaben fo fehr verwandelt, und fich felbfk, 
ingfeich geworden wären, daß fie nicht anderd, als 
urch gewaltfame Operationen auf. ihre urjprängliche 
form Fünnten zurück gebracht werben., Freylich fey e8; 
ey der Freyheit, aus Wörtern wegzunehmen und Hins, 
azufegen, was man wolle, nicht ſchwer, ein jedes 
Bort einem jeden Gegenflande -anpaflend zu man 
yes, allein du muft eö, ſagt Sofrates zum Hermoge⸗ 
es ; fo genau nicht nehmen, wenn du mich nicht abs 
hrecken willft, eine der Fühnften und glüclichften Ablei⸗ 
angen vorzubringen ”*), Nachdem er dieſe und andere. 
nen ähnliche Etimologien mitgerheilt hat, gefteht er 
Ibft ein, daß man unmöglic) über die Bedeutenheit der 
bgeleiteten und zufammengefezten Wörter, ober ihre 


Vebereinftiimmung wit. den bezeichneten Gegenftänden. 


etwas 











*) Os Degopeos Tas mewyması dmonens Ti 


Luxus N) u 
e0) ©,89. 


— 










„66 Achtes Buch. Drittes Capitel. 


etwas befriedigendes fagen fönne, mern man nicht % 
Bedeutung der WWurzehwörter, aus welchen fie zufes 
mengefezt, oder von welchen fie abgeleitet worben, # 
kannt und dargethan Habe *). Alle Unterfuchungen & 

ſo über die abgeleiteten und zufammengefesten Werk 
fegen eitel und fruchtlos, fo lange man nicht bevoide 
be, daß die urfpränglichen Wörter: ver Sproia 
efbft bedeutend, und die Elemente, aus denen fie ie 
ſtuͤnden, gleichfam von der Natur beftellte und allgeme 
verſtaͤndliche Dolmetſcher der Eigenfchafften ver Dig 
ſeyen. Man müfle denn annehmen wollen, daß ie 
Soͤtter ſelbſt den Menfchen die erfien Wörter geh 
vet, oder daß diefe von den Barbaren abflamms 
‚ober daß auch) ihre wahre Geftalt und Bedeutung mew 
es hohen Alterchums unerforfchli fen, welcher Is 
ehte fich diejenigen zu bedienen pflegten, vie über ie 
Matur und Bedeutung der urfpränglichen Wörter ii - 
Rechenſchafft geben möchten. Es fomme ihm pe 
ſelbſt Tächerlich vor, daß Buchfiaben und Spibenw 
tũrſiche Auspräce und Nachapmungen wirflicher Dig 
ſeyn folkten, und das, was er darüber fügen fin 
fcheine ihm gezwungen und feltfam zu feyn; er nd 
aber doch feine Gedanken vortragen, in der KHoffnmy 
daß Hermogenes und Kratylus, wenn fie etwas beſſca 
wüften, ed ihm nicht verfchweigen wuͤrdan. Er ie 
merkt hierauf, daß der Buchftabe e dag natürliche Wat 
zeug aller Bewegung, das , der Ausdruck vor Zeinke 
dad A von Weichheit und Schlüpfrigfeit, das cv und f 
und y und £ von zifchenden und raufchenden Dings 
und eben fo alle übrige Buchflaben eben fo viele natin 
che Zeichen, für eben fo viele wichtige oder wegentiikt 
E 








7 yo 





*) S. 63. 
ar) ib, 


1 
J 


Geſchichte des Plato und feiner Phil, 36% 


Eigenfchafften der Dinge feyen *). Nachdem er bie 
Bedeutenheit der einzelnen Buchftaben erflärt hat, ſezt 
n feine eigene Kunſt in Erftaunen; unterdeffen muns‘ 
tert er fich felbft zur Vorſicht in einer Unterfuchung auf, 
wo es fo leicht fen, von fich ſelbſt hintergangen zu wer⸗ 
Seh **) Er fraͤgt hierauf den Kratylus, ob er bie 
Sprache für eine menfchliche Erfindung halte; und ale 
er biefes mit Ja beantwortet, fo fräge er weiter, ob 
Kratylus glaube, daß es fich mit den Sprachfünftlern 
wder den Erfindern von Wörtern eben fo, wie mit 
Mahlern, Bildhauern und andern Künftlern verhalte, 
waß fie nämlich einige ihrer Werke gut, andere mittele 
#häßig , andere fehlecht gemacht hätten. Kratylus will 
Dtefes Anfangs nicht zugeſtehen, fondern behauptet, daß 
alle Wörter bedeutend, und den Gegenſtaͤnden, die fie 
Vezeichneten, entſprechend wären, daß alfo Hermogenes 
ft, eine der rebenden Perſonen, diefen Namen nicht 
wuͤrde erhalten haben, wenn er nicht etwas von der Er⸗ 
errgung des Mercur an ſich hätte. Allein zulezt kann 
Hratylus es nicht länger läugnen, daß es mit den Wor⸗ 
ers wie mit VPorträten fey, und daß jene bald mehr bald 
veniger glückliche Abbildungen von Gegenſtaͤnden, wie 
dieſe von Perfonen feyen 7). Dies werde, fagt So⸗ 
Prates, ſowohl durch die verfchiedenen Wörter, womit 
efelbigen Gegenſtaͤnde belegt, und durch die verſchiede⸗ 
en Arten, wie diefelbigen Wörter ausgefprochen wuͤr⸗ 
ben als auch Durch die entgegengefesten Buchſtaben be⸗ 
miefen, aus welchen man biefelbigen Woͤrter gemifche 
wurd zuſammengeſezt fände FF). So werde bas Abort, 
- wom 





+4) ©. 66. 


3 


nr ME, Deittei Karl 


womt fe Atzonienſer Härte und Routhait aysbeh 
zuAngerne, bon bei Einwohnsen von —2 or 
TR — ‚und. in a Borte,. 
Buchſtabe As;,der etwas glapteß- Aid geſchnie 
Sie, „mit,den.tibrigen Elementen urik, ber Dede 
des Worts,, ı Hieraus zieht, Sotatea den Cihluß 
Gewohnheit und Verabredung (dos. per aurIing 
fowopl, als Rackſicht auf die Matur der Dinge, 
heil, an der Bildung von Wörtern, gehabt hätten, 
ng man, diejenigen nicht ſiechtweg, bes um 
Konbiaum fh, die, wie Herm und viele,d 
jehaupteten,, ne Geliche oder j 
ge Zufanmenfezungen ſeyen, bie in Des alöfüche 
worden, um benjenigen, welche Gegenftände 
ten, diefe Öegenftande anzudeufen, Daß. alfo auch 
Yaran gelegen fey, ob Wörter Auf Diefa ober eine ı 
Art gebildet ſeyen ). en on auch ai 
wolle ‚daß die erſten Erfinder upb Fortbilder der 
he bey der Bezeichnung aller. Gegenſtaͤnde auf die 
tur. und Eigenſchafften derjelben, Rücficht genau 
und die Beſtandtheile der Wörter, Buchftaben ı 
Sylben, darnad) gewählt hätten, um dadurch ihr] 
genfchafften auszubrüdten; fo müfle man. doch auf; 
geben, daß bie Schöpfer von Morten fehlbare # 
fehen geweſen fegen, welche die Gegenftände unndl 
hätten anjehen ,.. und alfo auch unrichtig bezei 
oder in ihrer Begeichnung ſich Hätten ef 
' nu 
r — 








®) p. 66. ZvvInnure eva Tu ovenaroe, uou dy 
Tois ourgeuevöis, medeides Tu Fre Yun 
x eıvas Taurw 0edornre: svoumros, un 
din Oegeu de adev, zu ve vis oynäutes, im 
YUY OUYHESTEN, EMy TR Ka TEYRYTION. 


Geſchichte des Plato und feiner Phil. 769 


men *). So viel Wörter auch Kratylus und andere 
führen pflegten, um zu beweifen, dag Woͤrter den 
sgenfländen entfprächen, ober daß ihre Erfinder alle 
inge für fließend gehalten hätten; eben fo viele Bey⸗ 
sfe koͤnne man ihnen entgegenfezen, wo Wörter ven 
eichneten Gegenitänden wiberfprächen, oder auch auf 
ı Gedanfen Hinleiteten, daß ihre Erfinder an’ die Uns 
ndelbarfeit von Dingen, ober wenigftens an unwan⸗ 
bare Dinge geglaubt Hätten. So fünne man emı- 
um viel bequemer daher ableiten, daß Wiſſenſchafft 
fere Seele gleichfam auf den ‘Dingen. befeftige, als 
5 fie diefelbe ihnen ſtets folgen mache, und eben fo 
ienen die Wörter Brßasov, isopiw, nun, und 
fe andere, auf das Stehen oder die Unmanvelbarfeit - 
: Dinge hinzudeuten, Die Wörter hingegen, womit 
ın im Griechifchen Umwiſſenheit ausdruͤcke, muͤſten 
em Urfprunge nad) etwas ganz anderd bedeuten. 
enn osuosIiee fen dem Scheine nach fo viel, ald'n re 
© Tw Jew sovros Roeea, und aroAucıa ſo viel, 
‚ anoAsdın ros menynacı. Wenn man alle dieſe 
emerfungen zufammennehmes fo Fünne man nich 
hr, wie Kratylus, hoffen, daß man das Weſen ver 
inge aus der Zufammenfezung ihrer MWörter zu erfens 
n im Stande jey, welcyen Einfall man auch noch 
is dem Grunde verwerfen müfle, weil daraus folge, 
ß die Erfinder ver Sprache die Natur der Dinge gar 
cht Hätten erkennen koͤnnen, indem ihnen der Spiegel 
efelben, die Sprache, gefehlt hätte. — Aus dieſem 
zen Auszuge des Kratylus ſieht man nicht nur, dag 
dato denjenigen nicht beyſtimmte, welche bie — 








2.67. | 
Zwenter Band. Ecc 


770 Achtes Buch, Drittes Eapitel, '? 


für eine Sammlung natürlicher Sebanfenzeichen hieta 
deren Elemente die Eigenfchafften der bezeichneten & 
genftände ausdruͤckten, fondern daß man auch vor u 
zu Plato's Zeiten mehr über die Natur, Enrftehunga. 
Beſtandtheile der Sprache geforfcht Harte, als fet is 
MWievderherftellung der Wiffenfchafften bis Fur; vorm 
fer Zeitalter gefchehen iſt. Ungeachtet die ne 

chriftfteller über die Sprache ven Kratylus wenig ne 
‚gar nicht genuzt haben; fo iſt nichts deſtoweniger E 
wiß, daß er alles enthält, was fich über die Frage m 
Der eigentlichen DBefchaffenheit und Natur articdin 
Wörter fagen läßt. 


Eben die Urfachen, lehrte Plato ferner, uch N 
uns hindern, während unſers Aufenchatts auf Wir, 
Erde, dem Schauplaze aller Vergaͤnglichkeit, die BI], 
heit rein und vollfommen zu erkennen, eben dia] 1 
dern uns auch, eine reine und vollfommne Süd | y, 
keit zu erlangen, Unſer irdifches eben ſelbſt iſt #% kt 
ftand der Zuͤchtigung und eines beftändigen Kuh: |, 
unſer Leib gleichfam ein Grab oder Gefängnig it 
fterblichen Seele, in welches fie herabgeftoßen mr 
oder eine Schaale, und Felsſtuͤck, wodurch fie nt 
ter Erhebung zurückgehalten und zur Materie fer] = 
sogen wird *). Unſere Sinne, und die Bergnügmf 
und Schmerzen, vie fie uns geben, find die Dial 
oder Naͤgel, wodurch ber Geift an das Irdiſche? 
Dergängliche gefeflele und gehefter, und die Begiertnd 
feidenfchafften find gefährliche Kranfheiten , wer 
der Geiſt vercörpert und dem Fleiſche dienftkur ? 

ma 












— 





#) in Phaed. p. 25. 26. in Pbaedro p. 204. de 


Vol. II. Lib. X, p. 330. Ilegıngac9esen m? 
TO xc⸗ 05LE: 


Geſchichte des Plato und ſeiner PHil. 1773 . 


ht wird ). Wenn wir uns alfa einer reinen, oder 
rer vormaligen Gluͤckſeeligkeit wieder nähern: wollen; 
nͤſſen wir es auf oben dem Wege thun, auf welchetft 
der ewigen Wahrheit entgegen geben Fonnen.:  Miie 
en uns bemühen, von der Erde ſo geſchwind als 
lich zu entfliehen, ihre Freuden und Guͤter zu ver . 
n, die Seele von bet Gemeinſchafft des Jeibes und 
Sinne ‚: fo viel old möglich, zu trennen, und in ſich 
F zu verfammien, bie ewigen Wahrheiten unauß⸗ 
ich zu betrachten, und endlich von ben Begierben 
feidenfchafften, die durch Beduͤrfniſſe des Corpers 
je werben, die nicht nothwendigen gaͤnzlich auszu⸗ 
'n, und nur die nothwendigen Auf:eine folche Art zu 
edigen, daß weder ihre Nichtbefriebigudg Schmerz, 
ihre Ueberfüllung unbändigen blebernſuth hervor⸗ 
gen Fontte **), In diefer Flucht des Irdiſchen, in 
r Abziehung der Seele vom Chrper, und ver bes 
jigen Anjerauung der ewigen Wahrheit, beſteht die 
re Reinigung und Einweihung ber Seele.in bie er⸗ 
nften Geheimniſſe }), die wahre Aehnlichwerdung 
|  &ea =: 0:00 und 





— — — 


p. 33. in Phaedone. Or Enası] ndown Ka) Au 
WOTFEL nAoy ENETH , MEOCnAol curnv eos To 
Om , Roy WEOS WELVE, Kos Woiet doperoedn, 
bofufscay raur& dAnIn ev, dirfeb ev Ku To 
Guux Dr. er Yag TE önodofei Tu Tonarı Kay. 
Fols RUTOIS.XOALENy- Ava YHRLeTe OO Cplo- 
Hoöros TE Kos cuorRoDes yıyveodays Ks dich 
undenöre es de vadagus wDıreodcir, aa νν 
AvonNe TE CwuaTos ekıkvals u 

1) Phaed. p: 26. & ſq. Theaet. p. 82. de Rep, Vill, 
Vol.It. p. 196. IX, p. 238: en 
) p. 26. 27, Phaed, | 







vie re. 5*8* 
#9) . . de, Rep. Vol. IE. Lib, VIER 
Yu der erfern Stelle allärt er die Dom iih 
Orav de ye aurn xad iur oxoaı, Wü 
GBGereu ER To wavegov TE xcus cces av zen Al & 
a. > NORTON ROH GORUTWS EXor. Rs ws auyyengik:. 
“ " Burö, ed meriinene Te Yoyverag, orm 
wu KT auriv yanrıı, xös Rekaure Gr 
AVB, Kos Tepı exesva abs zoter TauTE 
J Tas EX, ws Tosrav EDERTogern. Xu 
" . worns To Ban Peovanis xenAnren 
" Tr soPecourw, to mea Tas es Iuws fl. 
„._ .enromeYar. p. 26. in Phaed. 
2 +) Po xoe —ero de Denndews — un auf 
u, PIBTIE MN TOTEN BKETN, Kos To or 
da zrodwdus ke nis uder vus Bd’ Fe Tage 
1) ib. & p. 82. in Tieaet, H pay ya vera, 


.. 
. 
u 


a a “ 
Fu): 
Ru: ; 






4% 


Geſchichte des Plato und einer Phil. .773 


einer Freuden und Leiden iſt es nicht moͤglich, wahre 
Seelengroͤße, Tapferkeit und Standhaftigkeit zu beſizen 
and auszuüben 5); denn ſo lange man dem Corper ans 
hängt, und ben Tod als eins der groͤßten lebel fuͤrch⸗ 

tet, ſo kann man die Furcht vor demſelben nur durch ei⸗ 
Me größere Furcht uͤberwinden, und Unerſchrackenheit 
ft iſt eine Wirkung von Furcheſamkeit. Auf eine 
nliche Arc entſtehen in allen Menſchen, die nicht wah⸗ 
e Weiſe find, Maͤßigkeit und Enthaltſamkeit aus dem 
hnen entgegengefezten taftern. Man verlagt ſich gewiſ⸗ 
Vergnuͤgungen, um nicht groͤßere dadurch zu verlie⸗ 
m, und uͤbernimmt kleinere Beſchwerden und Uebeh, 
A viel größerer überhoben zu werden %%),. Man bes 
egt alſo Begierdeu durch andere Begierden, Befuͤrch⸗ 
zıgen durch andere Befuͤrchtungen, Schmerzen durch 
Bere Schmerzen. Man tauſcht immer nur die Groͤ⸗ 
ers gegen vie Kleinern, und die Kleinern gegen bie 
Fößern aus, und entbehrt ber einzigen wahren Achten 
Unze, der Weisheit, um weldye man allein Stands 
Tigkeit, Mösigkeit, Enshaltfomfeit, ‚und alle uͤbri⸗ 
k Tugenden faufen kann |). Der wahre Weifetrachtes 
> nad) unvergänglichen Guͤtern, weiche des große 
‚Üufe nicht kennt, und Hehe dingegen wit Verachtung 
” diejenigen herab, nach weichen. bie übrigen Men⸗ 
2... ec ZZ. tm fcheu 








dis, 00Dis nes ogery rd, N de ayvorc, 
u Üıos nora nacnıcs avcopyus , obs. da mike desvo» 
anres Te bonsons vs 0oPıca au Ev, FOÄıTınang 
Önvasesuus yryvonevas Doerıncus, av. ds TEXYOAE 


yauaol - 
2 de Rep. Vol. I Lib, VL p: 8. p haed, pP 26. 
mn)  . | 
Dik 


714 Where Minh. Mifttes Caditel. 


fen ſtreben. Tr bekuͤmmert ſich von feiner ce 
Rindhelt an nicht um bie Wege, die zu Gericratäe 
“oder Narhhänrferw, oder: andern. bffentlichen Verjum 
hungsplaͤßen fühten. : Er hoͤtt amd ſieht nichts vo 
ſchriebenen und ungefchriebenen Gefezen oder Zah 
chluͤſſen, und: alles Wetteifern: marı öffentliche Ar 
und Chrenftallen wied m, wie große Gaftmähler m 
froͤliche Zuſammenkuͤufte, nicht einmal im Traumb 
kannt. Er weißinichts weder von der neuern noch 
der aͤltern Geſchichte feines. Vaterlandes, und mat 
‘nieht eiämal; vaß · er nichts davon weiß, Er zieht 
a nice res nee niche in der 

Pelbſt mit feiner Unwiſſenheit zu prahlen, zurüd, 
Ni er fie fuͤr nichtbwuͤrdige Kleinigkeiten Hält, bei 
erkſamkeit nicht einen Augenblick verdienen. 
»Weiſe vermeilt wir. allein feinem teibe nach une 
Sterblichen; fein “Beift fehwebt- allenthalben ut 
und ſenkt fich eneweder unter bie Erde hinab, oh 
Nich auch über: alle Himmel.empor, um die Nail 
‘jeden Weſens nuszufpähen, - Wenn er fich eis ® 
Gerlcht verantworten , oder vor dem Wolke rein ik 
fo ift er in der groͤßten Derlegenheit, und wir, a 
Thales, da er in eine Grube fiel, fogar barbaite 
Sclavinnen und vom elendeften Pöobel zum Gele 
weil er von allem, mas zum gemeinen Leben aht 
oder gewöhnlichen Menfchen vor den Füßen liegt, n# 
weiß. "Er verachrer Hoheit des Standes, unermelt 
durch mehrere Ständer fortlaufende Befizungen, ® 
Ind Alterthum des Gefchlechts, ungeheure von enie 
fen Voreltern Aufgehäufte Schäge, als Spielwert‘! 
Kindern, worauf Fein großer himmliſch gefinnter & 
ſtolz ſeyn koͤnne. Er fporter aller übrigen Künft 9 
Wiffenfchafften, als unnüger Weibermäbrchen , ti 
ge ausgenommen, die {hit lehrt, wie er fo gejit* 
als moͤglich, im eine befiere Welt entfliehen fer 
g 



























SIESFHZEETZS PETE _ _ 


Geſchichte des. Plato und feiner. Phil. 2735 


Feine Verwandlung, keine Entſtehung und Unter⸗ 
ig mehr iſt *). 

Das ganze irdiſche Leben des weifen Mannes iſt 
jer, faͤhrt Plato fort, eine Vorbereitung zum Tode, 
r ein Beſtreben zu ſterben, das heißt, die Seele 
n Leibe abzuſondern **). Der Top ift nicht ein Un⸗ 
zang des ganzen Menſchen, ſondern nar eine Tren⸗ 
ig der. Seele vom Leibe, und weit entferne:alfo, daß 
Zod-bem wahren Weiſen furchtbar ſeyn koͤnnte, iſt 
hm vielmehr erwuͤnſcht, indem er ihn auf einmal 

"allen Uebein befreyt,“ won welchen er fich während 
es febens nicht ganz los "machen konnte, und ihm 
verfchafft, wornach er biäher nod) immer vergebens 
bre, naͤmlich eine voflfommne Erfennrniß der Wahrs 
„ und einen ungeflörten Genuß ber reinften Gluͤck⸗ 
gkeit. Der Weiſe wuͤrde jelbft mit eigner' Hand bie 
nden- zerreißen die feinen unſterblichen Geiſt an den 
blichen Coͤrper feſſeln, wenn er nicht uͤberzeugt waͤre, 
der Herr der Götter und Geiſter ihn zu feiner Beſ⸗ 
ng auf diefen Poften geftellc hätte, und daß er ala 
Gigenthum und Diener der Sortheit:viefen Poften . 
ergangener. Aufforderung eben jo wenig ohne Verbre⸗ 
ı verlaflen, als ein Selave ohne den Willen feine& 
rn enrfliehen, oder ein Krieger von dem ihm ange⸗ 


ienen Poſten ohne ben Befehl, feines Feldherrn fich 
ernen koͤnne. 
Cec 4 + &chen 














ı in Theaet. p. 81. 82. 
) Phacd. p. 26. ho Keäeruua QuTre TETa ası Tan 
- QiAoaopwv, Ausus nos Xweiapos \yuxns aa TR 
awuaros. Siehe auch p. 32. Tota enim pbilofo- 
phorum vita, ut ait idem, commentatio mortis of. 
Tufe, Quaeſt. Cicer, I, 30. 











” Eoninten ?).« Caift ein allg 
MPlato in Phaͤdon an**), dag alles; mas 
au untergeht, auͤs dem ihm entgegengefegten 
‚bracht un: She 2 das ihm 


Beiden, I feib. entftund. 


—8 Past ine ai ac 3 
pi N igften © 
— —— — 
loͤnge ——— Ba koͤnnte, wenn fein nu 
- den, die einfehliefen, wiederum erweckt würde; 


‚fo wenig Fonnte etwas tebenbes übrig bleiben, n 
les, —* — in einem Ce ZTodesfehlin 
graben bliebe, 


*) Cicer, Tufc, Quaeſt. T17. — ferunt, o 
— — im Italia veniffe, &3 
— de anims# 
aeternitate non —— Kam den, —— quod 
ras, ſed rationem etiam attuliſſe. 
“) 6.27.28. 


Geſchichte des Plato und feiner Phil. 779 


WEben die Gründe, fährt Plato fort, womit matt 
beweiſen kann, daß die Seele fchon lange vor dem 

per eriftict hat, machen es im höchften Grabe wahr⸗ 
ſcheinlich, daß fie auch nach feiner Zerftörung fortdau⸗ 
ren werde. Denn ba bie Seele vor ber Bereinigung 
mit dem Eörper, und ohne Huͤlfe deſſelben gedacht, ges 
wollt und gehandelt hat, fo muß man Hieraus fchließen, 
Daß fie aud) nach der Trennung von ihm gleichfalls werde 
venfen, wollen und wirken können *), 


Die Seele ift in ihren Wirfungen von den Cr 
„ern und allen Aeußerungen cörperlicher Kräfte **) 
‚gänzlich verfchieden, daß man fie unmöglich als gleiche 
artige und benfelbigen Geſezen des. Untergangs unters 
worfene Weſen anfehen kann. _ Alle wirkliche Dinge 
fallen in zwo Hauptgattungen: in fichtbare und vers 
»Önderliche, und in folche, die ven äußern Sinnen uns 
wahrnehmlich, fich ſtets gleid) und unmandelbar find. 
Zur eriten Gattung gehören unfere fterblichen Leiber, 
"und alles, was in ver Natur aus mehrern Beſtandthei⸗ 
len zufammengefezt if. In die andere muß man bie 
Sottheit, und die im göttlichen Berftande von Emigfeit 
Ber vorhandenen Urbilder aller Arten und Gattungen 
Yon Dingen fegen. Mit den leztern find unfere Seelen 
entweder gleichartig, ober ihnen boch näher verwandt, 
als dem vergänglichen Coͤrper. Alle ihre eigenthuͤmli⸗ 
chen Borzüge und Kräfte zeugen von einem höhern Ur⸗ 
fprunge, ober von einer göttlichen, wenigftens von einer 
Der göttlichen mehr, als der eörperlichen fich nähernden 
Natur. Das Gedaͤchtniß, welches eine Unendlichkeit 
von Vorſtellungen umfaßt, Verſtand und Vernunft, 
Cee5 wodurch 


——— —ee e [U rrr 


%) Phaed, p. 30. 
“") ©, 31. in Phaed, 


»- 





‚ah ing 4 
ETF Boß —— 


ai a a ee 
uͤrfe vorbringen ——— — 
g ih Den kl Dr Seen le ter ke 
‚Seele mit der Harmonie einen: te 


ier vergleichen, 

saledann annehmen, daß die Seele, die in, einer Hu 
‚nie. oderivollfommenen — aller Beſ 
theile des Cotpers beſtehe, mit dem Cörper — 
eyes. und alſo auch mit dem Ehrper untergehen 
—68 wie die Harmonle einer feier, fo entzuͤckend, go 

imnd unſichtbar fie auch immer fen, dennoch *— 
Genie feiet,;gerbrochen werde. +». Ein. anderer Eimun 
iſt dieſer, daß die Seele zwar ı eine viel rosa 
und, auch dauerhaftere Natur, ale der Corper fen.de 
‚Mman:fie aber deiwegen nicht gleich für ein auwvergän 
ches Weſen erklären koͤnne *). BEER — 


— — — — — 


Nn Phacd, ©. 34. 35. kai 


⸗ñi 


Gewichte des. Plato und feingr. Phil. 79 


ſich mit ver Seele und dem teibe; wie mit einem Weher 
and den: Kletvungsftüden, die er für fich verfertigt.: 
Der Leber fen unitreitig beffer und dauerhafter, alß 
ein jedes der Kleider, das er mache; allein nichts deſto 
meniger werbe er, nachdem er viele Kleider verbraucht hapg, 
von dem lezten gleichyfam überlebt. Auch die Seele konne 
alfo vollfommner und ausdaurender, als der, Körper 
ſeyn, aber doch von irgend einem festen Körper; aufgerie 
ben werben, nachdem fie vorher viele ‚andere aufgerir⸗ 
ben hätte. — Den erften Einwurf wiberlegt Plato mit 
bren Gründen *), Man: fonn zwar, fagt er,. ‚dei 
Coͤrper mit einer feier, :aber die Seele nicht mit bar 
Harmonie einer teier vergleichen; benn Die Seele iſt yi 

kiter, als der Eörper, da die Harmonie eines feier 4 

mit ber feier ſelbſt entſteht. Waͤre die Seele des Men 
ſchen weiter nichts, als eine gewiffe Harmonie des Chr 
pers; fo würde eine jede Seele, fo lange fie forthauert, 
Feiner Disharmonie oder Berfchlimmerung fähig, und 
Alle Seelen wuͤrden gleich gut feyn. Auch würde alss 
bann ihre Gefundheit und Harmonie nicht darinn beſte⸗ 
ben, daß fie fich den Bewegungen des Corpers entge⸗ 
genfezte, fondern daß fie mit ihnen übereinftimmte, 
welche Uebereinſtimmung aber mit den Regungen des 
Coͤrpers ihre gefährlichfte Krankheit ausmacht. n 
- Den zweyten Einwurf hebt Plato durch feinen 6% 
zühmten Beweis, daß die Seele ein felbftjtändiges Prinz 
eipium aller Bewegung und des tebens fey; ein Gedanke, 
ben die meiften alten Weltweiſen fehon gehabt, abet 
nicht fo angewandt und gebraucht hatten **), Mur das⸗ 
jenige, fließt Plato, Fann aufhören zu leben und bey 
| wegt 


*) S. 360 33. | 
#*) in Phacd. p. 42, inPhaedro p. 263. Cicer. Tufe. quasff, 
1, 23. de Senedt, c. 21. Somnium Scip. c. 8. M 


795: Metes Buch, Drittes Capitel 


wegt zu werden, was bon etwas anderm bewegt und be 
ſeelt wird, ober den Grund feines Lebens und feiner B 
wegung außer fich felbft hat. Die Seele des Menſqh 
Kann alfo nie aufhören zu leben und thärig zu far 
‚weil fie die Duelle des tebens und der Thaͤtigkeit, M 
—— von allen Dingen außer ihr unabhängige 
Vrincipium der Bewegung in fich ſelbſt hat. Alle Ce 
‘per, in denen Feine Seelen wohnen, find ohne teben mb 
Thaͤtigkeit, und beyde finden fich) Hingegen in Denen p 
farnmen, welche durch Seelen :beivegt werben. M 
folche felbftftändige Principia von Leben und Thäriet 
Mröffen Seelen nothwenbig ewig und unbergänglich far 
—* ſich ſelbſt nicht verlaſſen, aus ſich feibſt mi 

rausgehen, und Coͤrper ihnen das nicht nehmen fie 
ten, was fie ihnen nicht gegeben, ſondern von is 
—8ñ erhalten haben, und noch ümme 8 


.:. Die legten, und wie ich glaube, dem Plato 
‚Kgenthämlichen Gruͤnde für Die Unſterblichkeit der Ex 
find diejenigen, welche er im zehnten Buche feiner % 
publik vorgetragen hat *). Nicht einmal unfer Corm, 
bet er, leidet durch) die Verderbniß von Luft, ar 
ahrungsmitteln, ober andern äußern Gegenftänte, 
wenn diefe ihm nicht ihre Verderbniß mitcheilen. ad 
Die Seele alfo kann weber durch die Krankheiten, md 
durch den Tod des von ihr verfehiebenen Coͤrpers leiden 
wenn diefer ihr nicht fein Berderben mittheilt, das heik, 
wenn er fie nicht Franf und lafterhaft macht. Nun he 
aber noch Fein Menfch geglaubt, daß Krankheiten ode 
der Tod des Eörpers die Seele verfchlimmern oder 
flechaft machen; allein wenn man dieſes auch zugehen 
wollt, 








Runen eususssausnansun gu 


*) Lib. X, 324328. 


zo ma u urn DD TAT I BD m on m 


Gefchichte des Plato und feiner Phil. 788 


offte, fo würbe doch baraus niche folgen, daß bie 
jeele durch die in ihr hervorgebrachte tafterhaftigkeie 
sich dem Körper vernichtet werde. Denn mit bee 
jgele ift es nicht, wie mit allen cörperlichen Dingen, 
durch innerliche Uebel und Verderbniß allmälich aufs 
rieben und zulezt vernichtet werden. en 
er innere Derderbnig der. Seele vernichter fie allein 
ht, fondern gibt ihr meiftens eine gewiſſe Thaͤtigkeit 
d Munterfeit, die man felbft in den gefundeften und 
jendhafteften Seelen nicht bemerkt. Da alfo bie 
eele weder durch innere noch) äußere Uebel und Ders 
:bniß zerflört wird; fo folgt hieraus, daß fie ganz uns 

ftörbar und unvergänglich fey. | 
Nirgends ließ Plato feiner Einbildungskraft einen 
yern Lauf, als in den Schilderungen der Schickſale 
jefchiedener Menfchenfeelen, Die er unter mancherley 
Ideen und Allegorien vorftellt,. welche zwar in Klel⸗ 
Feiten von einander abweichen, aber doch in ben 
Htigften Puncten zufammenftinmen. Sch habe aber 
on zu viel Platoniſche Fietionen, und felbft von des 
t, in welchen er die Belohnungen und Strafen ver 
eſchiedenen Seelen darſtellt, einige weitläuftig anges 
et, und ich will daher die noch nicht berührten von 
em fchönen oder muftifchen Gewande entfleiden, und 
: die Hauptgebanfen, bie bey ihnen zum Grunde lies 
‚ mittheilen *). Pilato bringt alle abgefchiebene 
elen in Näcficht auf ihren Werth oder Unwerth, 
‚auf die Belohnungen und Strafen, die je zu ges 
warten 





) Man fee Phaed. p. 32. 33. 43. 45. Phaedr. p. 203. 
Gorg. 332. 33. Tim. p. 482. vor allen andern aber 
de Rep. Lib. X, Vol, IL 33. & fq. Ohne bie leztere 
— wuͤrde vieles in ben uͤbrigen unverſtaͤndlich 

u. 


Mn tDıin.Phacdı pr 38 34: 49: impu as· 


mu 
— 









der Gotter aufgenommen, weil volkommen 
ten, wie die Gottet, nur mie vollko munen ra 
aturen Gemeinſchafft Haben kdnnen “Solche 
Seelen werden nach ihrer Trennung von 
tweder auf bie wahre Erde, oder auch im ander ie 
ige Wohnungen verſezt, wo ihnen das Gute, marfl 
than haben, Fehnfach vergoſten wird, Mady ent 
I aber von tauſend Jahren dem zehnfachen 20 
im bes längften menfchlichen tebens , Fommen fie jet 
Mahl eines neuen irdiſchen febens, wo fie alsdann Fe 


— —— an 





N ep .· 32. 


Geſchichte des Plato und feiner Phil. 7837 


ens in die teiber fleißiger und fanfter oder arbeitfamer 
biere einfahren, deren Natur mit ihrer Gemüthsant 
am meiften übereinftimme. In viefen ober äh 
lichen Eörpern verweilen fie fo lange, bis fie von aller 
Anhänglicyfeit an der Materie garız befrent find. - We⸗ 
tiger glücklicy find die Seelen ſolcher Menfehen ,- die 
Während ihres irdiſchen Lebens ohngefaͤhr gleich viel Cs 
tes und Pofes ausgeübt haben. Diefe Seelen wohnen 
"am Ucherufifchen See, und empfangen für ihre böfen 
Thaten Die Strafen, und für ihre guten die Belohnun⸗ 
"gen, die fie verdient haben. Unter den lafterhaften 
Seelen hingegen werben dirjenigen, die heilbare obe® 
derföhnliche Verbrechen begangen Haben, in den Tartas 
zus geworfen, und fo lange gequälc, bis ſie von denje⸗ 
migen, Die fie einftens unglücklich machten oder beleidige 
zen, Dergebung erhalten haben *), Alsdann kommen 
auch fie, wie die tugendhaften und zweydeutigen Sedien, 
ur Wahl eines neuen lebens, und kehren meiflens in 
Wie teiber von geilen oder reißenden Thieren ein. Diss 
weilen aber nehmen fie durch die Martern, die fie aus⸗ 
geftanden haben, gewarnt, ein befleres Loos, als fie in 
ihrem vorigen .teben hatten, fo wie tugenphafte Seelen 
nicht felten aus Uebereilung ein ſchlimmeres ergreifen, 
Die Seelen folcher Boͤſewichter aber, die viele unfchuls 
Dige Mienfchen getoͤdtet, oder Städte zerſtoͤrt, oder 
Tempel beraubt haben, werden auf ewig **), und ohne 
Hoffnung des Erldfung, in den Tartarus geſtuͤrzt. Auch 
Ä dieſe 








®) in Phaedone p. 45. In der Republik ſagt Plato, daß 
fie zehnfache Strafen für Ihre Vergehungen leiden 
muͤßten, und dag fie alfo erſt nach taufend Jahren 
wieder vom Tartarus audgeworfen würden. |, c. 


— 


unier uutu er dat feine (Oft Pa ı 
wahrſcheinlich, ober hat feine als Fi 
tet, jo wenig aniegenbes für die Einbildu 
das Ideal eines vollkommnen Staats, de 
Republik **) entworfen hat, und von wel 





"de Rep. 342 ©.1.c. 

®*) Seine zwölf Bücher von ben Gefezen er 
"falle das Ideal eines wohleingerichteten 
aber, wie er felbft fagt, viel weniger vı 

als dasjenige, was er in feiner Mepul 
habe. (deLeg.V. 552.) Dies weniger ı 

iſt meiſtens nach Kretifchen und Spartani 
gebildet, umd hauptſaͤchlich in der Abſich 

feat worden, um die Mängel der Atheı 

feje zu zeigen. In dem Gtaate, den $ 
Befezen beſchreibt, duldet er fefte un 
Ehen, Eigentpum, und fogar Ungleichhı 
ungeachtet er alle Ländereyen in 5460 gi 
veräußerlide Abſchnitte zerlegt, und an 
Bürger oder Zamilten austheilt. Nach 

nen Ungleichheit der Güter nimmt er vie 
Bürgern an; gebietet aber zugleich, di 
hoͤchñ ens viermal fo viel als der geringfte 
554, p.) , Er unterfagt zwar Känfte 





Gefchichte de Plato und feiner Phil, 785 


fteht, daß es fich vielleicht nur im Himmel, aber nies 
als auf der Erde wirklich finden werde *). Kein ans 
rer Weltweiſer fah die Mängel und Mißbräuche der 
ruͤhmteſten Staacoverfaſſungen jeiner Zeit, befonders 
r Krerifchen, Spartanifchen und Achenienfifchen volle 
mmner und richtiger ein, als Plato: feiner ſchilderte 
treffender , und lebhafter, als eben er; aber Feiner 
r auch unglücklichee in Entwürfen einer untabelicyen, 
er doch befiern Regierungsform, als die verdorbenen 
difer Öriecyenlanves in feinem Zeitalter hatten. Geis 
Republik wurde daher in den folgenden Jahrhundere 
ı ein philofophifches Mährchen, und eine fprichwörts 
ye Redensart für unmoͤgliche Entwürfe und Unternehs 
ingen. Plato cheilte die Bewohner feiner Nepublik in 
y Claſſen ab; in den regierenden, in den Eriegerifchen 
d den arbeitenden Theil. Don den Häuptern verlangs 
er, daß fie wahre Weltweiſe, das heißt, beftändige 








Weber die Erziehung der Weiber redet er eben fo, wie 
in feiner Republik; (575 579.) gegen bie Dichter iſt 
er aber nachgiebiger. Wenigſtens nimmt er Luft» und 
rauerfpiele auf, wiewohl er fie einer fehr ſtrengen 
— Pruͤfung unterwirft. II. 523. Die Regierungsform, 
. die er in feinen Geſezen als die beſte billige, iſt eine 
ſtrengere Ariftofratie, als die Selonifhe, aber doch 
nicht fo nahe an Diigarchie graͤnzend, als die Spartas 
nifche zur Zeit der hoͤchſten Gewalt der Ephoren war. 
(VI, 557. & fq.) Zu den fchönften Abfchnitten feiner 
Geſeze gehört der Anfang des dritten Buche, in wel⸗ 
chem er von den Revolutionen bes menfchlichen Bes 
ſchlechts, beſonders von der NBicberentfichung bürgerlis 
her Geſellſchafften nach großen Revolutionen der Nas 
tur vortreff lich handelt. 


Lib. IX, in fine p. 282, Vol. Il, 
Ä * 
Zweyter Band. Dooe 


E FERN wie, im ige "_ ‘ 
786, Achtes Buch. Drittes Capitel, 
Beſchauer ber. himmlifhen und VBerächter ver irdi 
Dinge feyn follterr, und daß fie jich zu Iren (in 
—— ———— der 

säıb Groͤßenlehre anderer Mathemati W 
Wofften vorbereiten möften ). So — un 
Ausforuc) Flingt: daß Bölfer nur alsdann glüdicy 
den würden, wenn ihre Regierer entweder wahre Wa 
weiſen, ober Wehweiſe die Negierer von Mationen wi 
den; fo enthoͤlt er nichts deſtoweniger eine. der ehe 
Ungereimtheiten des Plate, wenn man das Wort Wi 
weiſer in. der Bedeutung nimmt, in welcher es von 
. genommen wurde. Plato begnuͤgte fich niche 












in der Geburt zu erfiiden; fondern er fü 


der Guͤter, 
der ein, damit alle Mitglieder des Staars ſich ⸗ 
einander, als Vaͤter und Kinder, als Brite 
Schweſtern, als Männer und Weiber, oder als 
verwandte lieben möchten **). Er verwies alle blogub 
ahmenden Dichter, das heißt, diejenigen, Die we 
and Trauerſpielſchreiber alleriey Menſchen in ihren 
Een erfcheinen und veven liegen: nicht weniger vi 
gen, die gleich ven Epijchen Dichtern, 
und Erzählung mit einander vermifchten, oder hai 
ährem eigenen, bald in anderer Namen redeten; wer 
behielt nur ganz allein die bloß erzäplenden ben, mh 
entweder Loblieder auf die Sortheit, oder vie mufehe 


TEE MM TE ER m — 


= 








1 








a 
®) Vol. I. 388. II. 94. 98. | 
®*) ia Tim, p. 473. deRep.Il, Vol, 334, 


J 


Geſchichte des Plato und ſeiner phil. 787 


Thaten großer Männer, oder auch die fehren der 
gend fangen *). Plato glaubte die erftern deßwegen 
ht dulden zu koͤnnen, weil fie Götter und Helden auf 
e ihrer unwärdige Art reden und handeln ließen, und 
Seelen der Menfchen mit verderblichem Aberglauben 
»Irrthuͤmern erfüllten, ober weil fie dadurch, dag 
ſich in den Charakter böfer Menfchen verfezten, ihren 
nen Charakter verbürben, oder weil fie endlich durch. 
Doarftellung der Heftigften Ausbrüche von leidenſchaff⸗ 
in außerorbentlichen Menfchen eben dieſe ſchaͤdlichen 
muͤthsbewegungen in ihren Zuhörern oder fefern naͤhr⸗ 
und ftärften. Plato unterfagte auch allen übrigen 
nftlern das Vergnuͤgen, ſich den: Gränzen feines. 
aats zu nähern, und nahm felbft die Muſik nur als 
nuͤzliche, Seelenbildende Kunft auf **). Za er vers. 

nte fogar die Aerzte, welche Kranfheiten durch Arz⸗ 
on heilten, und fezte es als eine Regel feſt, daß es 
diejenigen, deren Geſundheit nicht durch, Diaͤt und; 
ungen erhalten und: wieberhergeftelle werben koͤnnte, 
vfey, zu fterben, als zu leben, indem fe ſich ſelbſt 
Laſt und unbrauchbare Mitglieder des Staats 

nt). Aus eben ven Gefinnungen floß das Gefez 
‚ daß man nur die fehönen und gefunden Rinder-ere 
en, und die ungeflalten oder. Fränflichen ausfezen 
e tt). Endlich befahl Plato, den Maͤdchen einerley 
Dopd2- - rn. Es 





ı de Leg. II. p. 523. de Rep. Vol. I, 140. 164. 170» 
192. Vol. Il. 220. 296. 300. 306. 312. '316. las 
to brauchte alſo in feiner Mepublit dag Wort kuunass 
iu einer fehr augen Bedeutung; in ben Geſezen bins 
gegen nimmt er es Im gewöhnlichen Sinn, U, 526, 37. 

) Vol. I. 19% u 

I. Vol. p. 216, Ä rn 

) 354. ib, 


falle in einer Schrift, im welcher er fei 
ad den Neichthum feiner Phantafie ı 
Waptheirsliebe zeigen wollte, vorgetrag⸗ 
wöögt ſelbſt für wahr und ausführbar gef 
mer weniges zu verwundern, als daß er 
einen Pläz-yeberer habe, wo er eine M 
ter Art errichten fonnte, oder daß er e: 
dögefchlagen, ihr Gefesgeber zu werden 
nicht vorläufig verfprächen, Gemeinſchaf 
Weiber unter ſich einzuführen **). 
neh wunderlichen Träumen zog Plato doc 
Stäatömärmer‘, Gefesgeber , Heerfü 
freyer ihrer Vaterſtaͤdte }), wiewoht 
vorwarf, daß nicht weniger Verraͤther u 





®) ib. 340. & ſq. Seine nuͤzlichen Geſez 
den Wottesdlenft. Er unterfagte a 
prächtige Opfer und Geſchenke foge 
Gottesdienſt, und gebot, daß man 
meiften durch Reinigkeit des Herzens 

Opfer ehren folle. de Leg. X. 413. X 


ee) Diog. II. 21. &ibiMenag. Ich haft 





Geſchichte des Plato und feiner Phil, 789 


ree Mitbürger aus feiner Akademie hervorgegangen 
ären *). 
In dem Zeitraume nun, den ich in diefem zwey⸗ 
n Bande befchrieben habe, machte ver menfchliche Geiſt 
größe und fehnelle Fortgänge, als er nur jemals wies 
r gemacht hat, und machen wird. Die Theorien aller 
onen Künfte, die Beredſamkeit, Staatsfunit und 
;prac)funde wurden nicht nur zwifchen der achtzigften, 
id hundert zehnten Olympiaden erfunden, fondern ers 
ichten aud) beynahe ven höchften Grad ihrer Bollfoms 
enheit. Die Medicin empfing durch den Hippofrates 
te wiſſenſchafftliche Geſtalt **). Faſt alle Theile der 
. ODdd3 Mas 








”) Atben. XI. c. ult. p. 508. 500. Wahrſcheinlich iſt das, 


was Athendus an biefer Stelle dem Plato vorwirft, 
eben fo wenig ganz wahr, ale was er ibn an andern 
zur Laſt legt. Aus Mangel von zuverläffigen Nach 
richten kann man aber doc die Falſchheit einer jeden 
Beſchuldigung nicht daran, . - 


“*) Unter den Schriften, bie den Nameg pre Hippofras 
tes tragen, find mehrere, bie philoſophiſche Mey⸗ 
nungen enthalten. Sicher gehoͤren beſonders folgende: 
Tleeı wexwv 7 oagrav, Treeı Ducews gvIewrs, 
und 7regı dieurns. . Die bepben erftern halte ich fir 
ächt, indem. bie Schreibart ſowohl, ald bie darinn vot⸗ 
kommenden Gedanken fp befhaffen find, wie man fie 
von einem großen Manne aus bem Zeitalter des Hip⸗ 
pokrates erwarten Pany. Der Verfaſfer dieſer Bücher 
redet vom Jeguov oder Feuer, und von einer gemeine 
fhafftlihen oder allgemeinen, und von einer bes 
fondern Vernunft ganz im Heraklitiſchen Sinn. 
Ilee; xexay cap, 1, & mes Bvorus wrYgume 
e. 1. Außer dem Teuer nimmt er noch Elemente an, 
bie er moseacs nennt, und aus welhen er glaubt „ daß 


alles entflanden fey, als zu einer gemiffen Zeit durch 


eine 


- 











"oo Achtes Buch. Drittes Kapitel. 


Mathematik erhielten beträchtlichen Zumachs : worzügkh 
die Erd, und Sternfunde, die Mechanik, und Chrom 
logie, welche Wiffenfchafften Meton von Achen , Arte 
tas von Tarent, Eudorus von Knidus, Timaͤus w 
vokri, und andere Pythagoreet mit den wichtizie 
Entdeckungen bereicherten *). Am -meiften aber mu 

| * 








eine Kraft oder Natur, die er nicht nenut, berwik 
Urftoff in Bewegung geſezt wurde, oͤrn era; 
Sn narre. Das dritte Wert E01 dans 
ſcheint mir aus mehrern Gründen untergeichobe, # 
den Sprache ſowohl, ald Gedauken von denen a 
übrigen Hippofratifhen Schriften ganz verfäuk 
ud. Der Berfaffer, der vielleicht gleich nad is 
Hippofrates lebte, nimmt nur zwey Elemente, un 
Zeuer und Wafler, an. Lib.I.c.4. Das ans 
hebt er eben fo fehr, als Kippofrates Lib. I. «nl 
12. und hält es fär einen Hauptbeſtandtheil, im 
aller Äbrigen Dinge, alfo audy der Seelen, übrwk 
er feltfame und widerfprehende Mepynungen bie 
(Lib. I. c. 8.18. 22.23.) Ungeachtet ee fie aufs 
fer und Teuer gemifcht glaubt, und die Verſchiecze 
ihrer Mifhungen für die Urſache der Berfhidc 
ihrer Faͤhigkeiten und Anlagen hält, ungeachtet c 
gar behauptet, daß bie Seelen wie die Cörper wica 
und genährt würden; fo fagt er doch zugleich, 1:3 % 
Seelen in Menſchen und Zhieren gleich, und vun 
Bern Begenfländen unabhängig feyen. 


*) Die Berdienfie diefer Männer , die alle Zuiteer 
fen des Sokrates oder ‘Plato waren, muß mann! 
Geſchichtſchreibern der Sternkunde und der Mittm 
tif Äberhaupt aufſuchen. Die drey leztern waren ® 
thagoreer, wie Philolaus , und zugleich beriks 
Weltiweifen, bie mehrere eigenthuͤmliche Meyume 
hatten, von welchen aber nur wenige erbalten we 
find. Die Ausfpräde des Archytas, eines gi 
Keerführere und Staatsmannes, der aber zuglid iz 

up 


Geſchichte des Plato und feiner Phil. 791 


e Wiſſenſchafft des Menſchen erweitert. Sowohl die 
Sophiften, als Sokrates und Plato erforſchten die 
datur der Empfindungen, die Unterſchiede und das 
ſtaaß menſchlicher Kräfte, die Entſtehung und Des 
yaffenheit der Begierden und Letvenfchafften, den Werth 
id Unwerth der verfchievenen Dergnügungen und 
schmerzen, endlich vie Nuͤzlichkeit und Schädlichfeig 
er Tugenden und tafter fo richtig und tief, daß über 
ehrere dieſer Punete den nachfolgenden Gefshlechtern 
che viel neues zu beobachten und zu ‚fagen übrig ges 
eben if. Am wenigften gewann in dieſem Zeitraume 
: Kenntniß der Natur und des menfchlichen Corpers. 
enn ungeachtet man in benden Ordnung, Schoͤnheit 
d Zwecmäßigfeit genug wahrnahm, um daraus eine 
erfchütterliche Weberzeugung von dem Dafenn einer 
ifen, gütigen und mächtigen Gottheit zu ſchoͤpfen, 
blieben dennoch dem Plato und feinen Zeitgenoflen die 
hren Größen, Entfernungen und Bewegungen. ber 
ftirne, die Urfachen ver merkwuͤrdigſten Naturerfcheis 

Ddd 4 uunger 











ungen Mitbuͤrger buch Rath und Lehren auftlärte 
und befferte, (Arift. ap. Achen. XII. ı2.) über bie 
Bewegung ded Ganzen und bad Leere ſtehen beym Arts 
ftoteled M. Probl. ı5. 3. p. 127.. & Simpl. in Arift. 
Phyf. p. 108. Eudoxus hielt das Vergnügen für da& 
hoͤchſte Our, und den Schmerz für das hoͤchſte Uebel, 
und zwar aus eben den Gründen, welche Ariſtipp un 
bie Epikuräer für diefe Meynung vorbrachten. X. 2. 
Ariſt, Ethic. Keinem andern aͤchten Pythagoreer ſcheint 
Plato ſo ſehr gefolgt zu feyn, als dem Philolaus, der 
die Präeriftenz der Seelen behauptete, und das irdiſche 
Leben für einen Zuſtand der Strafe biele, den mar 
aber doch nicht ohne den Willen des Gottheit verlaffen 
bie. Clem. Alex, Lib. Ill. 518. & Plat. in Phacd, 
t. | 


“ 


793 Achtes Bud. Dritted Eapitel, 


nungen und die Beftimmungen ober Gefchäffte der wi 
tigſten Theile des menfchlichen und der übrigen the 

Coͤrper unbefannt. Wenn man nun den Gm 
der Griechen an Aufklärung mit ihrem Verluſte an is 
genden und Gluͤckſeeligkeit zuſammenhaͤlt, fo kann na 
feinen Augenblick jwenfeln, daß die Griechen um ix 
achtzigfte Olpmpiade ohne alle Bergleichung glüdlihe 
und mächtiger waren, als um die hundert und zem, 
und daß alle Volker Griechenlandes weit mehr geſchoh 
und ihre Sitten weit mehr verborben , ald Künfte m 
Wiſſenſchafften vervollfommnet wurden, 
















Erfie Beylage. 


Hı ©eele, fagt Plato, (in Phaed, p. 202. &H) 
ft einem Wagen gleich, der mit geflügelten Pferub 
fpannt ift, und von einem Fuhrmann geleitet wirt. % 
Pferde ver Götter find eben ſowohl, als die Tut 
untadelih. Allein in unfern Seelen find fie un» 
milchter Natur. Die Sührer des Wagens find #1 
ohne Sehl; und das eine Pferd ift auch von guie = 
edler Art, allein das andere ift wild und unbezähmt. e? 
eben bewegen wird uns das Fahren fo befchmeik 
So lange unfere Seelen noch unverdorben und wis 
gelt waren, durchführen und regierten auch ſie un 
allerley Geſtalten den ganzen Himmel mit. Yir 
aber ihre Fluͤgel verloren, fanfen fie fo fange, b#W 
an vie Materie oder Coͤrperwelt gelangten. Hier a 
men fie einen irdiſchen Leib an, theilten ihm Leben we 
Bewegung mit, und wurden mit demfelben zu eins 
fterblichen Gefchöpfe zufammengehefter. Ihre Filz 
aber verleren die Seelen auf folgende Art. — 3 
Kraft der Flügel, wodurch die Seelen fi) bis zu ? 

a 


a u en rn En ET OP TH u 3 ER — 


= 


Geſchichte des Plato und ſeiner Phil. 793 


sohnungen der Goͤtter emporheben, wird durch dag, 
18 göttlich und ſchoͤn, mas weiſe und gut iſt, geftärft 
id genährt, und hingegen durch das Häßliche, Boͤſe 
f. m. vermindert und geſchwaͤcht. Der große Fuͤh—⸗ 
e des Himmels nun, Jupiter, fährt mit feinem gefluͤ⸗ 
en Wagen um die Welt, die er regiert, und ihm 
Igt das ganze Heer von Göttern und Dämonen in elf 
stheilungen nah. Mur die Befta allein bleibt in der 
ehauſung der Götter zuruͤck; die übrigen Götter und 
oͤttinnen aber, die zu ben zwolf regierenden gehören, 
hren ein jeder Diejenigen Seelen an, denen fie vorge⸗ 
t find. (Plato will hiemit weiter nichts fagen , als 
ß die Seelen ſich mit den Geftirnen, über welche fie 
rtheile waren, durch Die Räume der Himmel beweg⸗ 
1.) Auf diefer Weltreiſe bieten ſich den unfterblichen 
oͤttern taufend überjchwenglich fehöne Gegenftände und 
uftritte des Himmels dar, an welchen fie eine jebe 
'eele, Die ihnen nachftrebt, ohne alle Mißgunft Theil 
hmen laffen. Wenn fie aber zu einem wahren Gaft 
ale gehen wollen, fo feigen fie zu dem oberfien Gewoͤl⸗ 
des ‚Himmels empor , wohin fie auch wegen der 

chtigkeit und des Gleichgewichts ihrer Wägen, und 
r tenkfamfeit ihrer Pferde ohne Mühe gelangen. Die 
rigen Seelen hingegen ftreben nur mit der aͤußerſten 
eſchwerde nad), weil das bofe Pferd, wenn es vom 
uhrmann nicht gut gehalten worden ift, den Wagen 
ıch der Erde hinab zieht; und fie müffen alfo alle ihre 
räfte anwenden, um den. Göttern nachzufonımen, 
Zenn die unfterblichen Götter die Höhe des Himmels 
reicht. haben ; fo ftellen fie fich auf den Nücten des - 
mmliſchen Gewoͤlbes, und laffen ſich von feiner Des 
egung herumführen. In diefen uͤberhimmliſchen Ges 
den erblicken fie Schönheiten, die Fein Dichter bes 
ngen hat, und würdig befingen wird, und von denen 
an alfo auch nur fehüchtern und unbefriedigend lallen 
Ddd 5 kann. 













fann. Hier wohnt namlich das Wefen ver Wein, 
was weder Farbe, noch Figuren, noch Feftigkeit he, 
das nur allein vom Derftande, dem Megierer der Se, 
‚angefchaut werden, und auch der einzige Vorwurf ib 
ter Wiffenfchafft feyn fann. Die vollfommnen Gerda 
der Götter und eine jede andere Seele , die von den, 
mas fie fehen foll , nicht zurück geftoßen wird, meh 
ſich fo ange an der ewigen Wahrheit, bis der Himmd 
fic) eininal herumgebrehr hat. Hier [hauen fie diem 
ge Gerechtigkeit, Weisheit, Klugheit und Wiffenfhoff 
nicht diejenige, welcher Vergänglichfeic anklebt, m 
die in andern anders iſt, fondern die eigentliche um 
delbare Wiflenfchafft an. Wenn nun die Götter I 
Weſen ver Wefen gefchaut haben, laſſen fie fich Die 
des Himmels nieder , binden ihre Pferde an Ara 
feft, und nähren fie mit Vteftar und Ambroſia. I 
ter den übrigen Seelen fonnen felbft die beften, den 
Göttern am ähnlidyjten find, wegen ihrer unrua 
Pferde nur kaum ihre Häupter über den Himmas 
por heben, und das Weſen der Dinge betrachten. & 
nige heben fich bisweilen empor, fallen aber gleiche 
ber zurück , und fehen daher nur einiges, indem im 
eben fo vieles unbefannt bleibt. Der größte Thin 
müdet unter den Beftrebungen in die Höhe zu fommuf . ° 
geräth darüber in Unorönung, und im dieſem Gem 
mel werden viele verwundet, und ihrer Flügel berak 
Sie müffen daher des Anſchauens des Weſens ver We 
fen entbehren, und fich mit einer fchlechten Mahrım: 
nämlich mit bloßen Meynungen, oder ungewiffen Kam 
niffen, befriedigen. Um diefes Unglück zu vermeiden, be 
eifern fich alle Seelen fo ernftlich, das Gefilde der Kir 
heit zu fehen. Dann nur auf diefen finden fie Jahr 
für ihren beſſern Theil, wodurch, die Kraft ihrer File 
geftärft wird. Nach einem unvermeidlichen Gefge f 
Nothwendigkeit verharren alle Seelen, die das Seldx 
BUT 


Geſchichte des Plato und ſeiner phil. 795 


zahrheit recht betrachtet haben, bis zur naͤchſten 
ahrt, ungeſtoͤrt in dem Genuſſe ihrer Freuden und 
orzüge, und koͤnnen auch, wenn fie ſich nicht ernie⸗ 
igen, in dein Genuſſe verfelben beftändig fortdauren. 
3enn aber Seelen aus Ohnmacht das Gefolge ver Goͤt⸗ 
r verlaffen, wenn fie die ewige Wahrheit nicht lange 
nug anfchauen, und mit dem Verluſte ihrer Flügel, 
d mit Unwiſſenheit und unreinen Begierden erfüllt zur 
ıde herabfinfen‘; denn find fie ben ber erften Ders 
andlung zwar dafür gefichert, nicht in den Leib eines 
nvernünftigen Thiers zu wandern; fie muͤſſen aber doch 
gend einen menfchlichen Eörper auf der Erde beleben. 
Siejenigen, welche am meiften gefehen haben, wandeln 
ı den Leib irgend eines tiebhabers der Weisheit , oder - 
es Schönen und der Tonfunft; eine andere Claſſe in 
ie $eiber großer Könige, oder Staatsmänner, ober 
Jelden; eine dritte in die von Demagogen, oder fparfas 
ten Haushaͤltern, oder fleißigen Erwerbern; eine vier⸗ 
in die von Kämpfern oder Aerzten; eine fünfte In die 
yn MWeißagern , oder Vorſtehern von Geheimniffen ; 
ne fechfte in die von Dichtern ; eine fiebente in die von 
Neß s oder andern Künftlern ; eine achte in die von So⸗ 
hiſten; und bie feste endlich in die von Tyrannen. 
Belche von diefen Seelen ben ihrer erften Geburt, oder 
Zincorperung die Geſeze der Gerechtigkeit treulich beobs 
chtet, wird nad) dem Tode ein befferes Schickſal ers 
alten; diejenigen hingegen, die fich in Laſter und Vers 
rechen ftürgen, werben noch tiefer fallen. An eben 
ie Gegenden aber, woher die Seelen abftammen, fehre 
eine vor zehn tauſend Jahren zurück; denn fo lange Zeit 
raucht es, bis den Seelen die Flügel wieder wachfen. 
Doch find von diefem Geſeze Die Seelen ächter Welt 
veifen und tiebhaber ausgenommen, bie fchon nach eis 
wem Umlauf von dren taufend Jahren wieder beflügelt: 
verden, und in ihre ehemaligen Wohnungen zurück 
Ä kom⸗ 


796 Achtes Buch. Drittes Eapitel. 


fommen. Die übrigen Seelen werden nach der Volla 
dung ihres erjten tebens gerichtet, und einige in ums 
irdiſche Derter der Strafe Hinabgefchickt ; andere ins 
ner befondern Gegend.des Himmels verſammlet, woh 
den Sohn der Thaten, die fie in ihrem menfchlichen $ 
ben verrichter haben, eınpfangen. Mach taufend I 
rer kommen bende zur Wahl eines neuen febens ; m 
eine jede wählt alsdann, welches Leben fie will. Ein 
Menichenfeelen fahren in Leiber von Thieren; und w 
dere, welche Thierleiber bewohnten, kehren in merk 
liche Eörper zurück, welchen nur folche beleben Finn 
‚welche vormals die Wahrheit gefehen Haben. (Pia 
nahm alfo auc Seelen von Thieren an, bie vorm 
weder Dämonen, noch Menfdyenfeelen geweſen wara) 
Unter Menſch mu$ man hier den weſentlichen Menke 
verfiehen, der aus vielen Sinnen durch Bernunft z# 
nem Ganzen vereinigt wird. Dieſer Begriff fe 
von den Erinnerungen derjenigen Dinge, welche —e 
Seele fah , als fie mic den Göttern die ganze M 
durchfuhr, als fie fic) zum Wefen der Weſen bad 
ſchwang, und alle die Gegenftände verachtete, mi 
wir jezo wirflid) nennen. Mit Recht alfo wird m 
die Seele des wahren Weltweifen beflügelt. Dem ſ 
erneuert ftetd Diejenigen Kenntniſſe', Durch deren % 
ſchauung felbft die Gottheit Gottheit iſt. Wenn jemit 
dieſe Erinnerungen braucht und bearbeitet, wie er il: 
fo wird er ftets in die erhabenften. Geheimniffe cinp 
weiht, und durd) diefe Einweihung wahrhaftig velm 
ber. Indem er fich aber von den Gefchäfften und de 
ftrebungen anderer Menfchen entferne ,- und jid m 
der Gortheit und dein, was göttlich iſt, vereinigt, m 
er von andern als ein Verruͤckter angeſehen, und ſe 
heiliges Entzuͤcken mit wirklicher Raſerey vermeci 
In einen aͤhnlichen Zuſtand gerathen Diejenigen, wei 
ſich bey der Erbiickung cörperlicher Schönheit der undt 

m 












3 


— —— —— — — 


Gefchichte des Plato und feiner Phil. 797 


rlichen erinnern, die fie einftens wahrgenommen has 
n. Auch foldye Seelen werben beflügelt, fehen wie 
oͤgel immer aufwärts, vernachläffigen das Irdiſche, 
d kommen daher gleichfalls in den Verdacht des 
zahnſinns. Dieſe verliebre Entzuͤckung oder Schwärs 
erey ift unter allen die befte und heilfamfte, ſowohl 
mjenigen, der ſelbſt hineinfälle, als welcher die Ver⸗ 
laffung davon ift, und Theil daran nimmt. Nicht 
en Seelen wird es gleid) leicht, fich dasjenige zuruͤck 
rufen, was fie in ihrem ehemaligen Zuftande gefehen 
ben. Einige betrachteten das ‚een der Wefen zu 
rze Zeit, und in andern wurden die Erinnerungen 
rch allerien Unfälle, am meiften durch Vergehungen, 
welche fie durch verführerifche Benfpiele verleitet wur⸗ 
n, verbunfelt. Es bleiben alfo ‘nur wenige übrig, 
welchen die Reſte ihrer vormaligen Kenntniſſe recht 
haft find. Wenn diefe etwas. demjenigen, was fie 
nit geſehenn haben, ähnliches erblickenz fo werden fie 
Heinen Echauer überfallen ; fie bleiben. nicht bey fich 
bſt, und wiſſen doc) nicht recht, ‚wie ihnen gefchiehr. 
Jon Oerechtigfeit, Mäßigkeit, und allen Vollkommen⸗ 
iten der Seele finden ſich kaum einige Spuren‘, oder 
„wache Schattenbilder in der ganzen Coͤrperwelt wier 
r. Auch die Schonpeit ſahen wir nur da in ihrem 
llen Glanze, als wir unter den glücklichen Choren der 
törter in die feeligiten unter allen Geheimniſſen einger 
eiht wurden, und fren von allem Ungemach fpäterer 
eiten, und von dem trägen Eörper, ven wir jezo wie 
ne Schnedenfchaale mit uns herumtragen, im: rein, 
en tichte die ſchoͤnſten und erhabenften Schaufpiele ges 
offen; allein vie Schoͤnheit firalt uns doch aus allen 
‚heilen. der irdifchen Schöpfung entgegen. Ihr himm⸗ 
[cher Abglanz wird von dem ebelften umferer Gimme, 
m Gefichte, aufgefangen, Das für Die Stralen firtlicher 
ugenden feine Empfindlichkeit hat. Wie unausfprech 


‘ 


5 


u —A Rus 213 
TEE - Mies Bach. Deitted Capitel 








— nn en 


fich nicht vor dem Rufe eines zu 
chuͤckens fürchteten.n Un N 


der Fluͤgei werden durch die 0% 
\ und ‚alle 3 
die ihren Wachschum bisher zuruͤckhielten. Die 
‚gender. Flügel fangen an, durch Wie Nahrung, deß 
arbalten / aufzuſchwellen/ und mächtig zu treiben, a 
ſachen an allen. Seiten der Seele durchzubrechen. NM 





genftan 


Gefchichte des Plato und feiner Phil v⸗ 


ſieht ſie auf die ehemaligen Gegenſtaͤnde ihrer heftigſten 
Wuͤnſche herab. Weltliche Größen, und Reichthuͤmer 
verlieren fich in eben dem Grade aus ihrem Gefichtss, 
sreije, in weichem Citelfeit und Geiz abfterben, und 
son der herrjchenden Empfindung verſchlungen werben. 
Sie ſucht fich ihren Geliebten, den jie fletS aus dem. 
Sefoige oder ben Micbegleicern ihrer Gottheit waͤhlt, 
ſo viel als möglich, zu nähern, und ſanft ‘an feiner, 
Seite zu ruhen. — Diefer Zuftand, mit allen feineg: 
Befchriebenen. Aeußerungen iſt es, ben die Sterblichen 
liebe nennen. | 


Sch theilte oben, fährt: Plato fort, die Seele 
gleichfem in drey Theile, namlich in den Fuhrmann und. 
awoen Pferde ab. Sch fagte ferner, daß das eine Pferd 
gut, und das andere bofe. fen; allein ich beſtimmte hi 
wörinn der Adel des erjtern, und die-Bösartigfeit de 
Menten bejtehe. Das gute alfo iſt gerade und ſchoͤn 
ebaut, hat einen erhabenen gewoͤlbten Hals, eine gebo⸗ 
dene Naſe, ſchwarze Augen, iſt weiß von Sarhe, und, 
ben fo verfehamt und enthaltfam, als ehrgeizig, laͤßt 
ãch nicht leicht überrafchen , und gehorcht allein ver Vers, 
aunft und vernünftigen Borftellungen. Das. andere iſt 
ſchwerfaͤllig und verdreht von Gliedern, hartnaͤckig und 
kurzhalſig, harthoͤrig und unbaͤndig, ſchwaurz von Farbe, 
rothaͤugig, und nur kaum durch Gebiß und Peitſche be⸗ 
raͤthmbar. Wenn alſo der Fuhrmann einen ſchoͤnen Ges 
genftand erblickt, und die ganze Seele von einem fößer 
Gizel gerührt, und vom Stachel des Derlangens gereizt 
woird; denn wird das edelmüthige Pferd von Schaam 
zurücgehalten, nicht gleich auf den Geliebten loszufprins _ 
gen. Das andere hingegen läßt fich weder durch Zuͤ⸗ 
gel, noch durch Schlaͤge baͤndigen, ſondern reißt viel⸗ 
mehr feinen Genoſſen und Fuhrmaun mit Gewalt zum 


Berufe feiner teidenfchaffe hin, Dieſe ber en 





jamreit vereinigren WOuongen auf. 20€ 
Fänge er vor Ehrfurcht an zu zittern, u 
gel auf einmal mit einer foldyen Gewalt: « 
Pferde auf ihre Hinterbeine zuruͤck ftir 
ohne Wiverftreben, das andere mit der 5 
ſpenſtigkeit. Das gute wird vor Scha 
mit Schweiß überdedt; das böfe hinge 
es fich nur ein wenig verſchnaubt, und dei 
gewaltfamen Zurücziehens verwunden hat 
den Fuhrmann, wie auf feinen Begleiter, 
wieder vorwärts, und läßt ſich nur mit 

auf eine kurze Zeit zur Ruhe bringen. U 
verfloffen ift, fo hebt und frümmt es 

Schweif; beißt-mit Wurh in den Zügel, 

faſt unaufhaltſamer Wildheit zur Befri 
ruſt hin. Alsdann widerſezt fich iym aber 
mit noch größerem Nachdruck, als vorher 
ihm dur) das Anhalcen der Zügel Maul u 
tig. Wenn er biefed mehrmalen gerhan 

es allmälich fehächtern,. und ber keitung u 
feines Führers gehorfam. 


Geſchichte des Plato und ſeiner Phil. gas 
Zweyte Beylage. 


b. p. 219. Man bat dem’ Plato in after und neuer 
3eit fo viele faljche und ungereimte Meynungen über 
eine Ideen aufgebürdet, daß ich nicht umhin fann, dieſe 
Meynungen noch, furz in einer Anmerkung zu prüfen, 
eren inhalt man vielleicht ein Jahrhundert früher in 
n halb Duzend Tangmweiliger Dijpurarionen oder Pros 
rammen ausgeſtreckt hätte. Seneca unterfcheibet sdebs 
an ed Jene iſt, fügt er, nad) dem Plato das 
Mufter, nach welchen etwas gemacht; dieſes hinges 
in die Form, die nad) dem Ideal einem Werfe einges 
uckt wird. Ep. I. 58. Alterum exemplar efl, al- 
rum forma ab exemplari fumpta & operi impo- 
a, alterum artifex imitatür, alterum facit, Ha- 
t aliquam faciem ftatua? haec eft Idos. Habet 
quam faciem exemplar Ipfum, quod intuens 
afex, ftatuam figuravit: haec Idea eft. 
tamnum aliam defideras diſtinctionem? Idos in 
re eft; Idea extra c-pus, nec tantum extra opus 
„ fed ante opus. Von diefem Unterſchiede der Per 
Tungen der Wörter sdew und esdes weiß Plato nichts. 
nennt die ewigen Urvilder bald esxevas, bald ech, 
D sdeus, bald maeenderynare, bald re naera raure, 
ccaurws eyevra, bald endlich novedas, I.c. 
D. 472. Tim. & 155. in Plut. und gibt den Arten 
> Gattungen ter Dinge, die nad) ihnen hervorges 
ht worden, gleichfalls den Namen escy. Plato 
ie zwar die Ideen unter den Urfachen ber Dinge auf, 
:in er nahm der leztern nicht fo viele an, ale mehrere 
Shriftfteller ihım gegeben, und hielt fie noch vielwenl⸗ 
- für wirfliche Subftanzen, wie viele Gelehrte gealaube 
sen. Geneca (Ep. 65.) und Simplicius (in Phyſ. 
it. fol, 3. a) eignen ihm fünf Arten von Urfachen 
Zweyter Band, Ere u, 















BAchtes Buch. Drittes Capitel. 


zu, die ich mit den Worten bes Seneca anführen wi 
Quinque ergo caufae ſunt, ut Plato dicit, ida 
qup, id aquo, id quo, id ad quod, id prom 
quod noviffime id, quod ex his el. Ta 

in ſtatua (quia de hoc loqui coepimus) id exe, 


zes eft: id a quo, artifex eft: 


{md propter quod nennt, erbichtet find, | 
kannte nur vier, die Materie, die Ideen , die 

und die Cörperwelt, die aus biefen und durch dig 
ftanden ift, in Philebo p. 160. zewrev un m 
‚azesgov (hierunter verfteht er die Miaterie) Äryu, b 
reeov de meei (die Ideen) ewesr ern Turoy m 
puurmy Kate YEYEynEvnY 80V, Tv de ns ne 
WITIOy Ho YEWETEwE TETLETW Asryav. | 


ließ er die Gorcheit weg, tie im Timäus p. 441 
dw rw TAGOvTs on Yeyn ÖkosvonYnvers T TTra.np 
Yeyvousvov, Tod ev m Yryvers, Tod odev ec 
pevov, Duvsras To Yıryvomevov. Ko ON Hoss 7reos 
TEEnE, TO EV beXomevov unreı, Tod cIew 
"mw de perafu TaTay Quo enyovm vonaas TI 
Es mar immer feltfam, daß er’die Ideen, nad) 
‚alle Dinge feiner Meynung nad gebildee worden, w 
mehr aber,. daß er bie hervorgebrachten Dinge ſch 
:die doch ganz Wirfung waren, für eine eigne Ar 
Urfachen hielt. Mehrere Platoniker nahmen daher s 
die Gottheit, die Materie und die Ideen als Gruss 
ſachen an, (Apul, p. 281.) und hätten eigentlich # 
die benden erſten dafür gelten laffen follen. Dick % 
ählung der Ideen unter den Grundurfachen, ferne) 
Mißdeurung ber oben angeführten Medensarten, 

b 





aaa 3 Uno rt s3S ul EOLFRTOUR ur on vu one — 


Gedichte ded Platp und feiner. Pl. 803. 


prung und Anfplelapg man niche fühlte, endlich bi die. 

‚ähligen ©tellen,. „in welchen Plato die Ideen We⸗ 

» wos , und ynyanbelbare,eroigg, Dinge neunt, nu 
allem nach die Baupsgränbe,. welche eis, . 
€ Uusleger des Pato und mehrere berähinte Gelehre: 
neuen Zeit auf die ns füge „Rab Mato 

aigftens bisweilen unget. Ideen nicht, El im Cote 

verftande, fonbern: — beſtehende Ina 5 

ı habe. (Man ſehe qußer 75 — lo of. 

R origin of er Cha. ‚9, a * 

il. ex Cic. colleca p.i8. 9 

zer dem Verſtande erij 

ten und Gatingen ber Fr One Ele Eier 

schenbes und undenfbares, daß man, IR ha Am 

le nach) feinem verftändigen Mann.of 

u. — in ſeinen bi le En 1 

Zeugniffe hat man Dis heyoet und, 

v 4 auch gewiß niemals au; „för, Hinge⸗ 

widerſprechen dieſer —e gen bien stellen Bi 

110, wo er die eigen Mufier mir sn; dealen 

uftern vergleicht, nach welchen, Küujtier, Yu 

tan ſehe de Rep. vol; Il. p. 4. & "and 290. 
unter den größten alten Schriftſtellern nicht Fer 

1er dem Plato die Behauptung von für ſich befteheng, 

Urbildern zugefchrieben, fonbern fie.gaben auch alle 

se Seen für ewige —A in Gottes Verſtande ge⸗ 

ten. (Man ſehe Ariſt. 1. c. Cic. Ac. quaeft, 1% & 
nec. Ep. 58. 65. Arıl. & ass, Attic. ap. Euſ. 
vep. Euang. XV. nblich Plutarch — die 
sen Platonifer an un; Fihe Stellen.) Herr Gedicke 

ubt in folgenden Worten des Ariſtoteles eine Beſtaͤti⸗ 
ng der Megnung derjenigen zu finden, welche bie 

seen des Plato für wirkliche Subſtanzen halten: «A 

46V Zungeerns Tor "ug oA2, 8 Xagıza eroes, 

5 ecuv. & D exmpırav, ns ‚Ta TOUTa Tay 

ee 2 rar 


BE Achte Buch. Drittes Capitel. 


evrav ıdens inkoriyogeutäh, Me. &p.20r. % 
lein die Wörter ra 9" das Ind'res öous zeigen, Dj 
eẽ unter deil Ideen des Plats kenie Subftangen, ſonden 
Iftracte Begriffe wit Erfläringen’ Heifeiben Sean 
site, BSie Aüedrdcke — 8 age 
sie, bebeuteii weiter hichrs, "Als daß Sofa de 
Algemeinen arte nicht ale etwas von den Arten m 
er Dinge) und den Ideen, bie fen 
verfehiebenes” berrachtet habe. = 


5 rote wi — Bee Zelt alles, was min m 





bon ben Ay Hayoteerıtäbfeitere, fo glaubten 
Ha us ehre des erſtern von den Yen, 
"Hort berberffändlichen und fihnfichen‘ Dingen im im&% 
mus gu entdecken II. 10 &fg. Diog) Zum Städte 
Fe it ägitienre. — uf welche & 
ns ſith , umb’man Fantı fich daher ſelbſt die 
ut ‚daß in .diefent Feagımienteit war etwwas vonke 
it allet Dinge "aber durchaus nichti wm 
Iatoniſchen Ideen Yorfönmt, Außer dem Affimat 
5 feinen andern, wenigſtens feinem berügmten Sc 
ſteller eingefallen," dle fehre von den Ideen einem dm 
Weltweifen —E Ariſtoteles, der dieſe Erdh 
tungen feiries lehrers lächerlich machte, wiirde es ge 
nicht verſchwiegen gaben, wenn Plato fie dem Cpiden 
mus, ober einem andern Pythagoreer geraubt hätte, 
Ariſtoteles zeige aber ausführlich die Unterſchiede da 
Ideen des Plato und ber Zahlen der Pythagoreer, (Met. 
&.5.p.15.) und gibt aud) die Act und Weranlaffunn 
an, auf und durch welche der erſte auf feine Meynm 
gefommen fen. 





Geſchichte des Plato und einer Sal veg 
Dritte Beylage. ka 


Zr 
Die aus ber Republik mitgetheilten Fiction iſt ein⸗ 
andere im Phaͤdon ſehr ähnlich; von welcher ich glaube, 
„bag man A au megreen Urfachen nicht ungern leſen 
wird.  — ſagt Sokrates, hat viele und: * 
——ãâ— — ze imd Abtheilungen, und — r 
ich von jemanden gehört habe, weber von. der Groͤße 
noch von der Beſchaffenheit, wie diejenigen, welche no 
reden und fchreißen , ſich einzubilden pflegen. Mein te 
. bein reiche zwar niche mehr Hin, ‘euch alles das wieber 
‚ u fagen, was mir jemand erzähle hat; ich will euch 
„ aber doch Fürzlich mit der Geftalt der ‘Erde und ihren 
Abtheilungen befanne machen. Sie ift alfo, (fo bin ich 
wenigſtens ar N worden) Fugelförmig geftaltet, mb 
= gevabe in der Mitte des Himmeld, wegen welcher ts 
„ ftalt und tage‘ fie weder Suft noch eine andere Stäge 
Brauche. Dem ein jeder ſich ſelbſt im Gleichgewicht 
haltender Gegenſtand, der genau in die Mitte eines an⸗ 
„den fid) völlig gleichen Dinges geſtellt wird, hat nicht 
wehr Urſache, ſich nach der einen als der andern Seite 
5 pin zu neigen: und bleibe alfo unbeweglih. Die Erbe 
# if ferner viel größer, als bie meiften Menfchen glauben. 
9 Der Fled vom Phaſis bis an die Kerfulifchen Säulen, 
ven wir Fennen und bewohnen, ift, mit der ganzen Er⸗ 
$ de verglichen, nur ein: Ameishaufen, oder eine kleine 
! Froſchpfuͤze. So wie bie erfte noch viele andere Bewoh⸗ 
# mer trägt; - fo p bat fie auch nod) ‘viele andere Bertiefins 
⸗ gen und Plaͤze von verſchledenen Groͤßen und Geſtalten/ 
" im welche Waſſer, und Nebel, und Luft, zuſammen ges 
floffen find; : Die Erbe felbft iſt rein, und liegt in eben 
dem üungetrübten Himmel, in welchem die Sterne fich 
bewegen, und welche diejenigen, bie von felhen Din 
gen zu reden pflegen, den Aether nennen. Die Vertle⸗ 
fungen der Erde find gleichſam ber Boden dieſes Ae⸗ 
Eee 3 tbers, 


BE. Achte Buch. Drittes Eapitel, 


thers, ober ber Sumpf ber luft, und eben Daher kommt : 
auch, daß fich alle Unreinigfeiten In Vemfelben verfams | 
fen. Auch wie wohnen, ‚ohne #8 zu.merfen, nicht ad 
her Oberfläche ber Erde, ſondern in irgend. einer ie 
Höhlen. Es geht uns chen fo, wie es Geſchoͤpfen ep 
gen würde,. bie im. Srunde bes x6 wohnten, wa 
Aurch bad Meer die Sonne, den Mont und die übrigm 
eſtirne erblickten. . Solche Geſchoͤpfe wiürben dei 
fetbft für den Himmel halten indem fie fich nie 
mals aus dem Waſſer empor gehoben, und gefehen hät 
gen, wie viel reiner und heiterer ed oben, als ben ikum 
Eben fo glauben auch wir, die wir in ber Tufe 
wohnen, auf ber Höhe zu wandeln, nennen unferelft, 
jenfeitö welcher wir nicht hinausblisfen koͤnnen, tm 
Himmel, und glauben, daß bie Sterne fich in unfer 
Luft bewegen. Wenn wir aber. Die Graͤnzen uns 
guft überfliegen, oder wie die Fiſche aAaus Dem Mack, 
fo aus der Erdiuft Heraus fehauen fännten, fo wire 
wir alsdann erſt entdecken, welcher der wahre Himmel, 
das wahre kicht, und bie wahre Erbe ſey. Denn de 
Erde, die wir bewohnen, die Steine und übrigen Ci 
per, die wir fehen, find alle verfault, ober verborbe, 
wie die Gegenftände, vie auf dem Grunde bes Men 
liegen, wo man nichts, ald Sand und Schlamm fin 
det, und nichts Schönes und Nuͤzliches Hervorgebract 
wird. Die wahre Erde aber übertrifft Diejenige, de 
wir fo nennen, noch weit mehr, als die leztere ven Dur 
den des Meers uͤbertrifft. Denn wenn jemand bie 
wahre Erde von oben herab fähe, fo würde fie in m 
Ihönften und mannichfaltigften Farben glänzen; un 
man würde bald goldene, bald purpurrothe, bald weiße 
ober gemifchte Streifen von unbeſchreiblicher Schoͤnhei 
wahrnehmen. Diefer Farben Pracht wuͤrden Blumen, 
Pflanzen, Bäume, Berge und Steine entfprechen, g 
gen weldye leztere man unſere Tafpife, Simaragde 


u. ſ. w. 





— m mm m — — 


— mu WIM 


w.- m 


Geſchichte des Plato und feiner Phil. 807 


u. fi w. für nichts rechnen würde: Die Lrfache der 


groͤßern Schönheit der erftern ift diefe, daß fie unver⸗ 
dorben, und nicht von ber Faͤulniß und dem Unrathe 
angegriffen find, die in unferer Erdhoͤhle Menfchen und 
Thiere, und auch leblofe Gegenftände franf und Häßtich 
machen. Die wahre Erde ift daher em entzuͤckendes 
Schauſpiel für ihre glücklichen Bewohner , deren fie vie⸗ 
fe Arten, und unter dieſen auch Menfchen hat. Ein 
Theil derfelben wohnt mitten im tande, andere an bee 
Luft, wie wir. am Meere; noch andere auf Inſeln, bie 
von der Luft umfloffen werben. Weberhaupt ift ihnen bie 
Luft eben das, was uns das Meer, und der Aether 
eben das, was uns bie fuft if. Die Stunden find fo 
gemifcht, daß die Bewohner der wahren Erde niemals 
von Krankheiten angefochten werden, und viel länger 
leben, als wir. Sie übertreffen uns an Feinheit ber 
Sinne und des Derftandes eben fo fehr, als die uft 
das Waſſer, und der Aether die Luft an Neinigteit übers 
trifft. In ihren Heiligen Hainen wohnen und wandeln 
Götter, deren Stimmen fie hören, deren Geftalten fie 
anfchauen, und mit welchen fie ald ihres Gleichen ums 
gehen, Endlich fehen fie Die Sonne, den Mond und 
die Geftirne ohne Schleier, eben fo erhaben und gläns 
jend, als fie wirflich find. — So ift nun die wahre 
Erde befchaffen. Es gibt aber außer der Höhle, in 
welcher wir wohnen, unzählige andere Fleinere und groͤ⸗ 
Gere, engere und weitere Bertiefungen, in welche viele 
Ströme einsund wieder ausfließen, und nicht bloß 
Ströme von Waſſer, fondern auch von fließendem 
Schlamm und von Feuer. Dir größte unter dieſen 
Sclünden it dee Tartarus, der durch die ganze Erbe 
geht, in welchem ſich alle Gewaͤſſer verſammlen, und 
aus welchem fie auch alle wieverum ausfließen. Die 
Urfache diefes Eins und Ausfluffes aller Gewäffer liege 
darinn, daß ber Tartarus Feinen Grund ober vom 

at, 


808 Achtes Buch. Drittes. Capitei. 


hat, auf welchen das Waſſer ſtehen bleiben Fonnte, 
Unter den Strömen, welche vom Tartarus verfchlum 

werben, find vier vor allen andern merkwuͤrdig: 
sämlich der Ofean, der Acheron, der Phriphlegeren, 
and. mdlich der Kokhtus, unter welchen der Dfean da 
größte, und der Acheron, oder vielmehr der Acherufiike 
ee, der aus diefem Strome entfteht, der Samımd 
plaz der abgefchievenen Seelen des größten Theils da 
Menfchen iſt. — | 


Ende des zweyten Bandes, 








Im Verlage der. Meyerſchen Buchhandlüng 
zu Lemgo find. dieſe Michael-Meſſe 1782 fol- 
gende neue Bücher Heraus gekommen : 


\ 


Em Chr. Wilh. Materialien für bie Statifid 
und neuere. Staatengeſchichte, Ate Lieferung, 
gros 8. 


Ewalds, Johann Zudwig / edachtnispredigt gros 8. 


Faſciculus ſententiarum, hiſtoriarum et fabularum 
in ufum tironum editus et notis adjectis il- 
luftratus, 8. 


Schr, 3,6. 9. Unterfuhungen Aber ben menſchlichen 
Willen, deffen Naturtriebe, WBeränderlichkeit, 
Verhältnis zur Tugend und Gluͤckſeligkeit, und 
die Brunbregeln, die menſchlichen Gemüther zu 
erkennen und zu regieren, 2ter Theil, gros 8. 


Haſſe, 3. Be. 3. bie in ben Apotheken aufgenems | 


menen Chemiſchen Zubereitungen für Anfänger 
erklaͤrt, mit einer Voͤrrede von C. Crell, 8. 


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